Mietrecht: Kommentar [3. neu bearbeitete Auflage] 9783504386733

Anwaltsorientierte Kommentierungen zu Wohn- und Gewerberaummiete. Mit Heizkosten- und Wärmelieferverordnung. Erläuterung

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German Pages 2512 [2992] Year 2021

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Mietrecht: Kommentar [3. neu bearbeitete Auflage]
 9783504386733

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Lützenkirchen · Mietrecht Kommentar

Lützenkirchen

Mietrecht Kommentar bearbeitet von

RiAG Dr. Dr. Andrik Abramenko Idstein RA Dr. Marc Dickersbach Köln RA Dr. Klaus Lützenkirchen Köln

3. Auflage 2021

Zitierempfehlung: Bearbeiter in Lützenkirchen, Mietrecht, Kommentar, 3. Aufl., §… Rz. …

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ­http:// dnb.d-nb.de abrufbar. Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-45080-9 ©2021 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeiche­ rung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungs­ beständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Lichtenford, Mettmann Satz: WMTP, Birkenau Druck und Verarbeitung: Kösel, Krugzell Printed in Germany

Vorwort Kaum ein Kapitel des BGB unterliegt so vielen Änderungen wie das Mietrecht. Allein die Mietpreisbremse wurde seit ihrer Einführung im Jahre 2015 zweimal „reformiert“. Die Auswirkungen der Covid19-Pandemie haben nahezu alle Abschnitte des Schuldrechts erfahren, wenngleich die mietrechtlichen Auswirkungen nach Art. 240 § 2 EGBGB noch mindestens bis zum 30.6.2022 Geltung beanspruchen werden. Die Modernisierung des Wohnungseigentumsrechts, die in Teilbereichen Auswirkungen auf das Mietrecht hat (z.B. §§ 554, 556a Abs. 3 BGB), ist verkündet (BGBl. I v. 22.10.2020, S. 2187 ff.) und wird am 1.12.2020 in Kraft treten. Auch diese Novelle ist bereits in die Kommentierung eingearbeitet. Den zahlreichen, teils überraschenden neuen Vorgaben des BGH galt bei der Arbeit an der Neuauflage ein besonderes Augenmerk, z.B. zu den Themen Flächenberechnung (bei Betriebskosten und Mieterhöhung) und Modernisierung, zur Sollbeschaffenheit bei Umweltmängeln, Erhöhungsbegründung durch Sachverständigengutachten, Reichweite von Kündigungsschutzklauseln, zur Ausdehnung der Sozialklausel gem. §§ 574 BGB ff. sowie zur „Bekämpfung“ der untergerichtlich entwickelten schematischen Lösungen bei notwendigen Einzelfallentscheidungen (z.B. bei zumutbarem Lüftungsverhalten im Zusammenhang mit Schimmelbildung). Ich danke den Autoren für ihre engagierte Mitwirkung, insbesondere die pünktliche Abgabe der Manuskripte. Ein besonderer Dank gebührt unseren Partnerinnen für ihr Verständnis, dass die 3. Auflage nun (endlich) erscheinen sollte. Dazu hat der Verlag natürlich auch einen wesentlichen Beitrag geleistet, sodass die Rechtsprechung durchgehend auf dem Stand von Juni 2020 aktualisiert ist, teilweise konnten auch spätere Entwicklungen noch berücksichtigt werden. Köln im Herbst 2020

Klaus Lützenkirchen

V

Inhaltsverzeichnis Seite

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V XI XIII

Titel 5 Mietvertrag, Pachtvertrag Untertitel 1 Allgemeine Vorschriften für Mietverhältnisse Vor § 535 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 535 Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang zu § 535: § 5 WiStrG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vor § 536 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 536 Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang zu § 536: Minderungstabelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 536a Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen eines Mangels § 536b Kenntnis des Mieters vom Mangel bei Vertragsschluss oder Annahme . . . . . . § 536c Während der Mietzeit auftretende Mängel; Mängelanzeige durch den Mieter . § 536d Vertraglicher Ausschluss von Rechten des Mieters wegen eines Mangels . . . . . § 537 Entrichtung der Miete bei persönlicher Verhinderung des Mieters . . . . . . . . § 538 Abnutzung der Mietsache durch vertragsgemäßen Gebrauch . . . . . . . . . . . § 539 Ersatz sonstiger Aufwendungen und Wegnahmerecht des Mieters . . . . . . . . § 540 Gebrauchsüberlassung an Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 541 Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . § 542 Ende des Mietverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 543 Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund . . . . . . . . . . . . Anhang zu § 543: Mietrecht in der COVID-19-Pandemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 544 Vertrag über mehr als 30 Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 545 Stillschweigende Verlängerung des Mietverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . § 546 Rückgabepflicht des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang zu § 546: Räumungszwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 546a Entschädigung des Vermieters bei verspäteter Rückgabe . . . . . . . . . . . . . . . Anhang zu § 546a: § 283a ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 547 Erstattung von im Voraus entrichteter Miete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 548 Verjährung der Ersatzansprüche und des Wegnahmerechts . . . . . . . . . . . . .

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1 50 359 363 374 484 519 566 580 593 598 610 622 643 672 708 766 860 883 896 905 955 1013 1049 1059 1070

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1098 1107 1150 1221 1231 1244

Untertitel 2 Mietverhältnisse über Wohnraum Kapitel 1 Allgemeine Vorschriften § 549 § 550 § 551 § 552 § 553 § 554

Auf Wohnraummietverhältnisse anwendbare Vorschriften Form des Mietvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begrenzung und Anlage von Mietsicherheiten . . . . . . . . Abwendung des Wegnahmerechts des Mieters . . . . . . . . Gestattung der Gebrauchsüberlassung an Dritte . . . . . . Barrierereduzierung, E-Mobilität und Einbruchsschutz . .

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§ 554a (aufgehoben) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1263 § 555 Unwirksamkeit einer Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1264 Kapitel 1a Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen § 555a § 555b § 555c § 555d § 555e § 555f

Erhaltungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modernisierungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ankündigung von Modernisierungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . Duldung von Modernisierungsmaßnahmen, Ausschlussfrist . . . . . . . Sonderkündigungsrecht des Mieters bei Modernisierungsmaßnahmen Vereinbarungen über Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen .

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1272 1300 1331 1350 1382 1385

Vereinbarungen über Betriebskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abrechnungsmaßstab für Betriebskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fälligkeit der Miete, Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrecht . . . . . . . Kosten der Wärmelieferung als Betriebskosten, Verordnungsermächtigung .

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1396 1628 1658 1685

Kapitel 2 Die Miete Unterkapitel 1 Vereinbarungen über die Miete § 556 § 556a § 556b § 556c

Unterkapitel 1a Vereinbarungen über die Miethöhe bei Mietbeginn in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten § 556d § 556e § 556f § 556g

Zulässige Miethöhe bei Mietbeginn; Verordnungsermächtigung . . . . . . . . Berücksichtigung der Vormiete oder einer durchgeführten Modernisierung Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen; Auskunft über die Miete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1702 1733 1752 1762

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1808 1826 1841 1872 1879 1931 1975 1999 2007 2013 2016 2052 2058 2077

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2087 2098 2103 2123

Unterkapitel 2 Regelungen über die Miethöhe § 557 Mieterhöhungen nach Vereinbarung oder Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . § 557a Staffelmiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 557b Indexmiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vor §§ 558–561 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 558 Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete . . . . . . . . . . . . . . § 558a Form und Begründung der Mieterhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 558b Zustimmung zur Mieterhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 558c Mietspiegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 558d Qualifizierter Mietspiegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 558e Mietdatenbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 559 Mieterhöhung nach Modernisierungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . § 559a Anrechnung von Drittmitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 559b Geltendmachung der Erhöhung, Wirkung der Erhöhungserklärung . . . . § 559c Vereinfachtes Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 559d Pflichtverletzungen bei Ankündigung oder Durchführung einer baulichen Veränderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang zu § 559d: § 6 WiStrG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 560 Veränderungen von Betriebskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 561 Sonderkündigungsrecht des Mieters nach Mieterhöhung . . . . . . . . . . . VIII

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 3 Pfandrecht des Vermieters § 562 § 562a § 562b § 562c § 562d

Umfang des Vermieterpfandrechts . . . . . . . . . . . . . Erlöschen des Vermieterpfandrechts . . . . . . . . . . . . Selbsthilferecht, Herausgabeanspruch . . . . . . . . . . . Abwendung des Pfandrechts durch Sicherheitsleistung Pfändung durch Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2131 2146 2151 2157 2159

Eintrittsrecht bei Tod des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fortsetzung mit überlebenden Mietern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftung bei Eintritt oder Fortsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fortsetzung des Mietverhältnisses mit dem Erben, außerordentliche Kündigung Gewerbliche Weitervermietung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kauf bricht nicht Miete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mietsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorausverfügung über die Miete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vereinbarung zwischen Mieter und Vermieter über die Miete . . . . . . . . . . . . Aufrechnung durch den Mieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mitteilung des Eigentumsübergangs durch den Vermieter . . . . . . . . . . . . . . Belastung des Wohnraums durch den Vermieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Veräußerung oder Belastung vor der Überlassung des Wohnraums . . . . . . . . . Weiterveräußerung oder Belastung durch Erwerber . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2162 2185 2192 2202 2209 2217 2251 2273 2280 2285 2289 2293 2297 2301

Kapitel 4 Wechsel der Vertragsparteien § 563 § 563a § 563b § 564 § 565 § 566 § 566a § 566b § 566c § 566d § 566e § 567 § 567a § 567b

Kapitel 5 Beendigung des Mietverhältnisses Unterkapitel 1 Allgemeine Vorschriften § 568 § 569 § 570 § 571 § 572

Form und Inhalt der Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund . . . . . . . . . Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weiterer Schadensersatz bei verspäteter Rückgabe von Wohnraum . . . . . Vereinbartes Rücktrittsrecht; Mietverhältnis unter auflösender Bedingung

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2303 2312 2355 2358 2365

Ordentliche Kündigung des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erleichterte Kündigung des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teilkündigung des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fristen der ordentlichen Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Außerordentliche Kündigung mit gesetzlicher Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . Widerspruch des Mieters gegen die Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fortsetzung des Mietverhältnisses nach Widerspruch . . . . . . . . . . . . . . . . Form und Frist des Widerspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Fortsetzung des Mietverhältnisses bei unvorhergesehenen Umständen

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2372 2472 2481 2491 2499 2505 2523 2529 2535

Unterkapitel 2 Mietverhältnisse auf unbestimmte Zeit § 573 § 573a § 573b § 573c § 573d § 574 § 574a § 574b § 574c

Unterkapitel 3 Mietverhältnisse auf bestimmte Zeit § 575 Zeitmietvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2541 § 575a Außerordentliche Kündigung mit gesetzlicher Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2573 IX

Inhaltsverzeichnis

Unterkapitel 4 Werkwohnungen

Seite

§ 576 Fristen der ordentlichen Kündigung bei Werkmietwohnungen . . . . . . . . . . . . . . . 2577 § 576a Besonderheiten des Widerspruchsrechts bei Werkmietwohnungen . . . . . . . . . . . . . 2585 § 576b Entsprechende Geltung des Mietrechts bei Werkdienstwohnungen . . . . . . . . . . . . . 2588 Kapitel 6 Besonderheiten bei der Bildung von Wohnungseigentum an vermieteten Wohnungen § 577 Vorkaufsrecht des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2596 § 577a Kündigungsbeschränkung bei Wohnungsumwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2612

Untertitel 3 Mietverhältnisse über andere Sachen § 578 § 578a § 579 § 580 § 580a

Mietverhältnisse über Grundstücke und Räume . . Mietverhältnisse über eingetragene Schiffe . . . . . Fälligkeit der Miete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Außerordentliche Kündigung bei Tod des Mieters Kündigungsfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2626 2634 2635 2639 2642

Überleitungsvorschriften Art. 229 Weitere Überleitungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2647 Verordnung über die verbrauchsabhängige Abrechnung der Heiz- und Warmwasserkosten Vor § 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 1 Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 2 Vorrang vor rechtsgeschäftlichen Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 3 Anwendung auf das Wohnungseigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 4 Pflicht zur Verbrauchserfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 5 Ausstattung zur Verbrauchserfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 6 Pflicht zur verbrauchsabhängigen Kostenverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 7 Verteilung der Kosten der Versorgung mit Wärme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 8 Verteilung der Kosten der Versorgung mit Warmwasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 9 Verteilung der Kosten der Versorgung mit Wärme und Warmwasser bei verbundenen Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 9a Kostenverteilung in Sonderfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 9b Kostenaufteilung bei Nutzerwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 10 Überschreitung der Höchstsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 11 Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 12 Kürzungsrecht, Übergangsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 13 Berlin-Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 14 (aufgehoben) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2661 2668 2674 2679 2684 2698 2706 2719 2744

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2746 2754 2759 2765 2767 2776 2782 2782

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2783

X

Abkürzungsverzeichnis Die im Werk verwendeten Abkürzungen entsprechen dem üblichen Gebrauch. Das folgende Verzeichnis beschränkt sich daher weitgehend auf fachbezogene Abkürzungen, insbesondere soweit sie den mietrechtlichen Bereich betreffen. AnwBl. ARB AVBFernwärmeV

Anwaltsblatt Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherungen Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme

BAnz. BauGB BauR BB BetrKV BGBl. BGHZ BlGBW BMG II. BV BVerfGE

Bundesanzeiger Baugesetzbuch Zeitschrift für das gesamte öffentliche und private Baurecht Betriebsberater Betriebskostenverordnung Bundesgesetzblatt Sammlung der Entscheidungen des BGH in Zivilsachen Blätter für Grundstücks-, Bau- und Wohnungswesen Bundesmietengesetz II. Berechnungsverordnung Sammlung der Entscheidungen des BVerfG

DB DGVZ DJZ DR DWW

Der Betrieb Deutsche Gerichtsvollzieher-Zeitung Deutsche Juristen-Zeitung Deutsches Recht Deutsche Wohnungswirtschaft

EWiR

Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht

FamRZ

Zeitschrift für das gesamte Familienrecht

GE GuT

Das Grundeigentum (Berlin) Gewerbemiete und Teileigentum

HambGE HeizkV

Hamburger Grundeigentum Verordnung über Heizkostenabrechnung

JR JurBüro JW JZ

Juristische Rundschau Das Juristische Büro Juristische Wochenschrift Juristenzeitung

KGR KM KStZ

KG-Report Berlin Kölner Mietrecht Kommunale Steuer-Zeitschrift

MDR MietNovG MietPrax MietRB MK MM MSchG

Monatsschrift für Deutsches Recht Mietrechtsnovellierungsgesetz Mietrecht für die Praxis Der Mietrechtsberater Mietrecht kompakt Mietrechtliche Mitteilungen (im Mietermagazin Berlin) Mieterschutzgesetz XI

Abkürzungsverzeichnis

MünchKomm Mustervertrag

Münchener Kommentar Mustermietvertrag, herausgegeben vom Bundesministerium der Justiz

NJW NJWE-MietR NJW-RR NMV NZM

Neue Juristische Wochenschrift NJW-Entscheidungsdienst Miet- und Wohnungsrecht NJW-Rechtsprechungsreport Neubaumietenverordnung Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht

OLGE OLGZ

Rechtsprechung der Oberlandesgerichte OLG-Report Rechtsprechung der Oberlandesgerichte in Zivilsachen

PE PiG

Privates Eigentum Partner im Gespräch

RE RES RGZ Rpfleger

Rechtsentscheid Sammlung der Rechtsentscheide in Wohnraummietsachen, hrsg. von Landfermann und Heerde Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Der Deutsche Rechtspfleger

SchlHA StBauFG

Schleswig-Holsteinische Anzeigen Städtebauförderungsgesetz

VersR VIZ VRRL VuR

Zeitschrift für Versicherungsrecht Zeitschrift für Vermögens- und Investitionsrecht Verbraucherrechterichtlinie Verbraucher und Recht

WärmeLV WEG WGG WiB WiStG WKSchG WM WoBauÄndG WoBauG WoBindG WoVermittG WuM

Wärmelieferverordnung Wohnungseigentumsgesetz Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz Wirtschaftsrechtliche Beratung Wirtschaftsstrafgesetz 1. und 2. Wohnraumkündigungsschutzgesetz Wertpapiermitteilungen Wohnungsbauänderungsgesetz (unter Hinzufügen des jeweiligen Verkündungsjahres) I. und II. Wohnungsbaugesetz Wohnungsbindungsgesetz Gesetz zur Regelung der Wohnungsvermittlung Wohnungswirtschaft und Mietrecht

ZAP ZEVO ZfIR ZIP ZMR

Zeitschrift für die Anwaltspraxis Zweckentfremdungsverordnung Zeitschrift für Immobilienrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Miet- und Raumrecht

XII

Literaturverzeichnis Abramenko, Das neue Mietrecht in der anwaltlichen Praxis, 2013 Arbeitskreis für Insolvenz- und Schiedsgerichtswesen e.V. (Hrsg.), Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. 2000 Artz/Börstinghaus (Hrsg.), Festschrift 10 Jahre Mietrechtsreformgesetz – Eine Bilanz, 2011 Barthelmess, Wohnraumkündigungschutzgesetz/Miethöhegesetz, 5. Aufl. 1995 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 73. Aufl. 2015 Bieber/Ingendoh, AnwaltFormulare Geschäftsraummiete, 2007 Blank/Börstinghaus, Miete, Das gesamte BGB-Mietrecht, 6. Aufl. 20020 Börstinghaus, Miethöhe-Handbuch, 2009 Börstinghaus/Eisenschmid, Arbeitskommentar Mietrechtsänderungsgesetz, 2013 Börstinghaus/Eisenschmid, Arbeitskommentar Neues Mietrecht, 2001 Braun, Insolvenzordnung, 8. Aufl. 20120 Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl. 2019 Busch/Geertsema/Ruhstrat, Wohnungslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland, 1995 Dauner-Lieb/Heidel/Ring, Bürgerliches Gesetzbuch Schuldrecht, 3. Aufl. 2018 Depré/Mayer, Die Praxis der Zwangsverwaltung, 7. Aufl. 2013 Dröge, Handbuch der Mietpreisbewertung, 4. Aufl. 2020 Eisenschmid/Rips/Wall, Betriebskostenkommentar, 5. Aufl. 2020 Elzer/Riecke, Mietrechtskommentar, 2009 Emmerich/Sonnenschein, Miete, 11. Aufl. 2014 Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 15. Aufl. 1959–1960 Erman, Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 15. Aufl. 2017 Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender, Wohnungsbaurecht, Loseblatt, Stand Dezember 2019 Franken/Dahl, Mietverhältnisse in der Insolvenz, 2. Aufl. 2006 Fritz, Gewerberaummietrecht, 4. Aufl. 2007 Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl. 2019 Hacks u.a., Schmerzensgeld Beträge 2014, 38. Aufl. 2020 Hansens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, 2. Aufl. 2007 Harsch, Schönheits- und Kleinreparaturen im Mietverhältnis, 1998 Hartmann, Kostengesetze, 50. Aufl. 2020 Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl. 2017 Herrlein/Kandelhard (Hrsg.), Mietrecht, 4. Aufl. 2010 Hinz/Ormanschick/Riecke/Scheff, Das neue Mietrecht, 2001 Horndrasch/Viefhues, FamFG, 3. Aufl. 2014 Horst, Praxis des Mietrechts, 2. Aufl. 2009 Horst/Fritsch, Inkassomanagement bei Miete und Wohnungseigentum, 2005 Hügel/Salzig, Mietkauf, 2. Aufl. 2010 H/W/F/H, Handbuch zur Zwangsverwaltung, 3. Aufl. 2011 Jennißen, WEG, 6. Aufl. 2019 juris-Praxiskommentar, 9. Aufl. 2019 Keidel, FamFG, 20. Aufl. 2020 Kinne/Schach/Bieber, Miet- und Mietprozessrecht, 7. Aufl. 2013 Köhler/Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 37. Aufl. 2020 Kreft, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 7. Aufl. 2014 Kreuzberg/Wien, Handbuch der Heizkostenabrechnung, 9. Aufl. 2018 XIII

Literaturverzeichnis

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XV

Titel 5 Mietvertrag, Pachtvertrag Untertitel 1 Allgemeine Vorschriften für Mietverhältnisse Vor § 535 I. 1. 2. II. III. 1. 2. 3. 4. 5. 6. IV. 1.

2. 3. 4. 5.

V. 1. 2. 3. 4. 5.

Das Wesen der Miete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt des Mietvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . Dogmatische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . Die Gesetzessystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abgrenzung der Miete von anderen Vertragstypen des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwahrungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Werkvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesellschaftsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andere Vertragstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mietarten und ihre Abgrenzung . . . . . . . . . . Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Preisfreier und öffentlich geförderter Wohnraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bewilligung der öffentlichen Mittel vor dem 1.1.2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bewilligung öffentlicher Mittel seit dem 1.1.2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Einschränkung der Vertragsfreiheit . . . (1) Bewilligung vor dem 1.1.2002 . . . . (2) Bewilligung seit dem 1.1.2002 . . . . Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abgrenzung Wohn- und Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Werkförderungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mischmietverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsfolge der Mischnutzung . . . . . . . . . . c) Gleichwertigkeit der Nutzungen . . . . . . . . . d) Einheitliches Mietverhältnis . . . . . . . . . . . . Vertragsverbindungen und typengemischte Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertragsverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammengesetzte Verträge . . . . . . . . . . . . . . Verträge mit andersartiger vertraglicher Nebenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verträge mit atypischer Gegenleistung . . . . . Typenverschmelzungsvertrag . . . . . . . . . . . . . a) Beherbergungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Internatsschulvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Lehrlings-, Jugend- und Studentenwohnheim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Altenheimvertrag/Heimvertrag . . . . . . . . . . e) Campingvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 1 2 9 12 12 14 18 21 23 24 26 27 27 30 31 37 40 41 50 52 53 60 64 64 71 73 74 79 79 81 82 83 84 85 87 88 89 91

f) Ferienhausvertrag mit Reiseanbieter . . . . . g) Schiffsreise- und Schlafwagenvertrag . . . . . h) Krankenhausbettverträge . . . . . . . . . . . . . . i) Mietkaufvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j) Tankstellenvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . k) Nutzung öffentlicher Flächen . . . . . . . . . . . l) Automatenaufstellvertrag . . . . . . . . . . . . . . m) Ausstellungsraumvertrag . . . . . . . . . . . . . . VI. Rechtsgeschäfte im Anbahnungsstadium . . . 1. Mietvorvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhalt des Mietvorvertrages . . . . . . . . . . . . c) Form des Mietvorvertrages . . . . . . . . . . . . . d) Rechtsfolge des Mietvorvertrages . . . . . . . . 2. Vormietrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt des Vormietrechts . . . . . . . . . . . . . . . b) Auskunftsanspruch des Berechtigten . . . . . c) Ausübung des Vormietrechts . . . . . . . . . . . d) Vereitelung des Vormietrechts . . . . . . . . . . 3. Anmietrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Option . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vereinbarung einer Option . . . . . . . . . . . . . aa) Begründungsoption . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verlängerungsoption . . . . . . . . . . . . . . b) Abgabe der Optionserklärung . . . . . . . . . . c) Ausübungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtsfolge der Optionsausübung . . . . . . . 5. Vorläufiges Mietverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . VII. Anwendung allgemeiner Vorschriften auf den Mietvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auslegung von Mietverträgen . . . . . . . . . . . . a) Auslegung von Willenserklärungen und Vertragsklauseln, §§ 133, 157 BGB . . . . . . . aa) Auslegungshilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Auslegungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . (1) Natürliche Auslegung . . . . . . . . . . (2) Normative Auslegung . . . . . . . . . . b) Ergänzende Vertragsauslegung . . . . . . . . . . 2. Fehlen und Wegfall der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geschäftsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Risikoverteilung des Vertrages . . . . . . . . . . c) Rechtsfolge: Anpassung oder Auflösung . . 3. Rechtshindernde Einwendungen . . . . . . . . . . a) Geschäftsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Geheimer Vorbehalt, Scheingeschäft, Scherzerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92 93 95 98 99 100 103 103a 104 107 107 109 113 114 119 120 123 125 127 128 131 132 134 136 140 144 147 150a 151 151 151 153 160 161 162 166 168 170 171 173 176 176 177

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Vor § 535 Rz. 1 | I. Das Wesen der Miete c) Anfechtung, §§ 119, 123 BGB . . . . . . . . . . . 184 aa) § 119 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 bb) Anfechtung nach § 123 BGB . . . . . . . . 189

d) Verstoß gegen ein gesetzliches Gebot . . . . . 193 e) Sittenwidrigkeit, § 138 BGB . . . . . . . . . . . . 195

I. Das Wesen der Miete 1. Inhalt des Mietvertrages 1 Durch den Mietvertrag verpflichtet sich der Vermieter, dem Mieter den Gebrauch der vermieteten Sa-

che(n) auf Zeit gegen Entgelt zu überlassen (§ 535 BGB). Vermietbar sind grundsätzlich bewegliche und unbewegliche Sachen sowie Teile davon (insbesondere einzelne Räume). Gegenstand eines Mietvertrags können nur Sachen (§ 90 BGB) sein, Rechte können gepachtet werden, aber nicht Gegenstand eines Mietvertrages sein.

2. Dogmatische Einordnung 2 Überlassung durch den Vermieter (§ 535 Abs. 1 BGB) und Zahlung der Miete durch den Mieter (§ 535

BGB) sind Hauptleistungsverpflichtungen. Ihre synallagmatische Verknüpfung macht den Mietvertrag zu einem gegenseitigen Vertrag i.S.d. §§ 320 ff. BGB, wobei der Vermieter grundsätzlich vorleistungspflichtig ist (vgl. § 556b BGB Rz. 13). 3 Durch den Mietvertrag wird ein Dauerschuldverhältnis begründet, bei dem sich die Vermieterleistung

nicht im Übergabeakt erschöpft. Vor Besitzeinräumung hat der Mieter kein Recht an der Mietsache1, sondern nur einen schuldrechtlichen Erfüllungsanspruch auf Verschaffung des Mietgebrauchs gegen den Vermieter und damit des Besitzes, soweit dieser dazugehört. Erst recht begründet der Mietvertrag gegenüber Dritten keine Rechte des Mieters an der Mietsache. 4 Die schuldrechtliche Natur des Mietverhältnisses ändert sich nach der Überlassung der Mietsache

nicht. Allerdings stehen dem Mieter ab Besitzeinräumung die Besitzansprüche nach §§ 858 ff. BGB – und zwar auch gegen den Vermieter – und bei schuldhaften Eingriffen auch der Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB zur Seite. Denn der Besitz ist ein sonstiges Recht i.S.d. Vorschrift2.

5 Wohnraum ist grundrechtlich durch Art. 13 GG, aber auch Art. 14 GG geschützt3. Daraus erklären

sich auch wohnungsmietrechtliche Sondervorschriften im Prozessrecht wie z.B. §§ 257, 721, 794 Abs. 1 Nr. 5, 794a, 940a ZPO. 6 Der Mieter beweglicher Sachen ist zusätzlich ab Besitzeinräumung durch § 986 Abs. 2 und § 1007 BGB

geschützt. Auf die Grundstücks- und Raummiete ist § 1007 BGB nur dann entsprechend anwendbar, wenn und soweit § 861 BGB keinen ausreichenden Schutz gewährt4. Dadurch wird die Miete als solche, obgleich dem besitzenden Mieter auch dinglicher Schutz zuteilwird, nicht verdinglicht. Denn der dingliche Schutz des Mieters ist (wie bei allen obligatorischen Besitzrechten ab Besitzeinräumung) lediglich Ausfluss der Stellung als berechtigter Besitzer5. 7 Die Miete gehört neben der Pacht und der Leihe zu den gesetzlich geregelten Formen der Gestattungs-

verträge. Durch einen solchen Vertrag wird einer Vertragspartei von der anderen entgeltlich oder unentgeltlich der Gebrauch einer ihr nach der Rechtsordnung nicht zugeordneten Sache oder eines ihr an sich nicht zustehenden Rechts gestattet. Wird – wie z.B. in der Regel beim Breitbandkabelanschlussvertrag – die Ingebrauchnahme einer Sache nur geduldet, liegt kein Mietvertrag vor6. Wird demgegenüber der Gebrauch einer Sache gegen Entgelt gestattet, handelt es sich um Miete. Auf die Höhe des Entgelts kommt es nicht an.

1 2 3 4 5 6

Staudinger/Emmerich, Vor § 535 BGB Rz. 17. Palandt/Sprau, § 823 BGB Rz. 13 m.w.N. BVerfG v. 26.5.1993 – 1 BvR 208/93, MDR 1993, 728. BGH v. 25.9.1952 – IV ZR 22/52, BGHZ 7, 208, 216. Staudinger/Emmerich, Vor § 535 BGB Rz. 18. BGH v. 4.7.1997 – V ZR 405/96, MDR 1997, 1013.

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II. Die Gesetzessystematik | Rz. 11a Vor § 535

Aus der schuldrechtlichen Natur des Mietverhältnisses folgt auch, dass eine Doppelvermietung, also 8 ein zweiter Mietvertrag über eine schon vermietete Sache, wirksam ist7. Der nicht besitzende Mieter hat gegen den Besitzenden keine eigenen Ansprüche. Gegen den Vermieter hat er nach der Besitzeinräumung an den anderen Mieter grundsätzlich nur Schadensersatzansprüche aus §§ 536a, 536 Abs. 3 BGB, nicht nach den Regeln über die Unmöglichkeit8. Denn die Besitzeinräumung an den Dritten begründet einen Rechtsmangel, für den § 536 Abs. 3 BGB eine die §§ 275 ff. BGB ausschließende Spezialvorschrift bildet (vgl. § 536 BGB Rz. 269).

II. Die Gesetzessystematik Das Mietrecht ist im Jahre 2001 umfassend reformiert worden. Durch das MRRG9 ist eine neue Syste- 9 matik in die Vorschriften der §§ 535 ff. BGB eingeführt worden. Zwar sind Miet- und Pachtvertrag weiterhin im Titel 5 des 8. Abschnitts im 2. Buch des BGB geregelt. Die fünf Untertitel gliedern sich aber seit dem nach den Vorschriften – Allgemein für alle Mietverhältnisse (§§ 535–548 BGB) – Mietverhältnisse über Wohnraum (§§ 549–577a BGB) – Mietverhältnisse über andere Sachen (§§ 578–580a BGB) – Pacht (§§ 581–584b BGB) – Landpacht (§§ 585–597 BGB). Der Gesetzgeber hat den Schwerpunkt der gesetzlichen Kodifikation auf Vorschriften über die Wohn- 10 raummiete (§§ 549–577a BGB) gelegt, weil die Wohnraummiete in der Praxis des Mietrechts die größte Bedeutung hat. Die anschließenden Vorschriften (§§ 578–580a BGB) behandeln spezielle (Miet-)Vertragstypen mit besonderen Tatbeständen und enthalten im Übrigen Bestimmungen, die einzelne Vorschriften der Wohnraummiete in anderen Fällen für anwendbar erklären (vgl. z.B. § 578 Abs. 2 BGB). Entsprechend der Systematik des BGB stehen „vor der Klammer“ die Vorschriften, die generell für alle Mietverhältnisse gelten (§§ 535–548 BGB). Neben dieser umfassenden speziellen Reform des Mietrechts haben sich weitere Gesetzesänderungen 11 unmittelbar oder mittelbar auf das Mietrecht ausgewirkt. Insbesondere gilt das für das – am 1.8.2001 in Kraft getretene Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsverkehr v. 13.7.200110; – Lebenspartnerschaftsgesetz v. 16.2.200111, das ab 1.9.2001 durch die im MRRG neu konzipierten §§ 563–564 BGB ersetzt wurde; – am 1.1.2002 in Kraft getretene Schuldrechtsmodernisierungsgesetz v. 26.11.200112. Die maßgeblichen Auswirkungen dieser Gesetzesvorhaben sind bei den einzelnen Vorschriften erläutert. In den letzten Jahren stand das Mietrecht zunehmend im Fokus des Gesetzgebers. Es gab Änderungen 11a und Ergänzungen zum – 1.7.2013 durch das Gesetz über die energetische Modernisierung von vermietetem Wohnraum und über die vereinfachte Durchsetzung von Räumungstiteln (Mietrechtsänderungsgesetz – MietRÄndG)13,

7 8 9 10 11 12 13

BGH v. 11.12.1961 – VIII ZR 46/61, MDR 1962, 398. BGH v. 5.7.1991 – V ZR 115/90, MDR 1992, 159 = ZMR 1991, 418. BGBl. I, S. 1149. FormAnpG, BGBl. I, S. 1542 = Einführung der Textform. BGBl. I, S. 266. SchuldRModG; BGBl. I, S. 3138. BGBl. I, 434.

Lützenkirchen | 3

Vor § 535 Rz. 11a | II. Die Gesetzessystematik – 1.6.2015 durch das Gesetz zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten und zur Stärkung des Bestellerprinzips bei der Wohnungsvermittlung (Mietrechtsnovellierungsgesetz – MietNovG)14, – 1.2.2017 durch das Gesetz über die alternative Streitbeilegung in Verbrauchersachen (Verbraucherstreitbeilegungsgesetz – VSBG)15, – 1.1.2019 durch das Gesetz zur Ergänzung der Regelungen über die zulässige Miethöhe bei Mietbeginn und zur Anpassung der Regelungen über die Modernisierung der Mietsache (Mietrechtsanpassungsgesetz – MietAnpG)16. Die Auswirkungen sind bei den jeweiligen Vorschriften erläutert. 11b Liegt keine Vertragsurkunde vor, kann es problematisch sein, ob die der Überlassung von Räumen zu-

grundeliegenden Äußerungen die Annahme eines Vertragsschlusses zulassen und wenn ja, welchen Inhalt er haben sollte. Doch auch bei schriftlicher Dokumentation des Vertragsschlusses kann die Bewertung, welcher gesetzliche Vertragstyp in Betracht kommt, schwierig sein. Dafür müssen ggf. die wahren Willenserklärungen der Parteien ermittelt werden, um zu ergründen, welchen Zweck die Parteien mit dem Vertragsschluss verfolgten. Anhand objektiver Kriterien ist unter Berücksichtigung der subjektiven Vorstellungen der Parteien zu bewerten, von welchem Vertragstyp die prägenden Kriterien erfüllt sind.

III. Abgrenzung der Miete von anderen Vertragstypen des BGB 1. Pacht 12 Die Miete grenzt sich von der Pacht (§§ 581 ff. BGB) zunächst dadurch ab, dass Gegenstand eines

Pachtvertrags nicht nur Sachen, sondern auch Rechte ebenso wie Sach- und Rechtsgesamtheiten (z.B. Unternehmen) sein können. Darüber hinaus darf der Pächter im Gegensatz zum Mieter die Früchte ziehen, soweit sie nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft als Ertrag anzusehen sind (§ 581 Abs. 1 S. 1 BGB). Als Pachtobjekt kommen damit nur solche Sachen und Rechte in Betracht, die Sachund Rechtsfrüchte (vgl. dazu § 99 BGB) abwerfen können17. Insoweit muss die Fruchtziehung aber prägend sein. Das ist nicht der Fall, wenn sie eine zwangsläufige Folge darstellt, wie z.B. das Ernten von Früchten von selbst angepflanzten Bäumen18. Bei der Pacht von Räumen muss für den Geschäftsbetrieb geeignetes Inventar vorhanden sein oder der Verpächter zur Anschaffung wesentlich (etwa durch einen günstigen Kredit) beigetragen haben19. 13 Werden mehrere Sachen zu unterschiedlichen Zwecken überlassen, ist wie bei einem Mischmietver-

hältnis zunächst auf die Abreden der Parteien abzustellen (vgl. Vor § 535 BGB Rz. 64 ff.). Lässt sich daraus nicht ermitteln, ob die Parteien das Vertragsverhältnis ausschließlich nach Miet- oder Pachtrecht abwickeln wollten, ist zu ermitteln, in welchem Zweck, also der Fruchtziehung oder der Gebrauchsüberlassung, der Schwerpunkt liegt. Wird z.B. eine Pension mit einer Wohnung überlassen und kommt es den Parteien übereinstimmend auf die Fortführung der Pension an, liegt darin der Schwerpunkt, auch wenn die Komponenten des sozialen Mietrechts damit in den Hintergrund treten20. Das Gleiche hat zu gelten, wenn ein landwirtschaftlicher Betrieb mit Wohnhaus Gegenstand des Vertrages ist21. Die Wohnraummiete steht aber im Vordergrund, wenn durch den Vertrag ein Wohnhaus mit Garten überlassen wird22.

14 15 16 17 18 19 20 21 22

BGBl. I, 610. BGBl. I, 254, 1039. BGBl. I, 2648. BGH v. 4.6.1986 – VIII ZR 160/85, NJW-RR 1986, 1243. BGH v. 17.9.2008 – XII ZR 61/07, MDR 2009, 18 = MietRB 2009, 3 = GE 2008, 1488 = ZMR 2009, 106. BGH v. 27.3.1991 – XII ZR 136/90, MDR 1991, 1063 = ZMR 1991, 257. OLG Köln v. 10.10.2006 – 22 U 74/06, ZMR 2007, 114. OLG Köln v. 29.4.1987 – 2 U 113/86, WuM 1987, 377. BGH v. 25.11.1998 – VIII ZR 380/96, NZM 1999, 312.

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III. Abgrenzung der Miete von anderen Vertragstypen des BGB | Rz. 17 Vor § 535

Der Vertrag, der dem Nutzer das Recht einräumt, auf dem Grundstück eine Photovoltaikanlage zu er- 13a richten und den produzierten Strom zu veräußern, ist regelmäßig als Mietvertrag einzustufen. Denn die Fruchtziehung (Verkauf von Strom) erfolgt aus der Anlage nicht aus dem Grundstück)23.

2. Leihe Maßgebliches Kriterium für die Abgrenzung von der Leihe (§§ 598 ff. BGB) ist die Entgeltlichkeit der 14 Gebrauchsgestattung; Leihe ist unentgeltlich. Im Übrigen ist der Verleiher nur verpflichtet, den Gebrauch der Sache zu gestatten, nicht – aber wie der Vermieter – zu gewähren. Damit entfällt die wesentliche aktive Komponente im Handeln des Verleihers. Die Bezeichnung des Rechtsgeschäfts durch die Parteien ist insoweit unerheblich (z.B. Leihbücherei, Leihwagen = Miete24). Leihe liegt selbst dann vor, wenn die Dauer der unentgeltlichen Überlassung 30 Jahre beträgt, der Nutzer untervermieten, bauliche Veränderungen durchführen, wegen Eigenbedarfs nicht gekündigt werden darf und der Eigentümer alle Kosten trägt25. Miete liegt vor, wenn die verhältnismäßig niedrige Gegenleistung (z.B. eine Anerkenntnisgebühr) 15 ernsthaft als Entgelt für die Gebrauchsüberlassung gewollt ist26. Deshalb können schon die vertragliche Übernahme von Steuern, Versicherungen und sonstigen notwendigen Ausgaben für das überlassene Grundstück ebenso für die Entgeltlichkeit ausreichen wie die Übernahme der (verbrauchsunabhängigen) Betriebskosten27, die der Vermieter sonst zu zahlen hätte (sog. Gefälligkeitsmiete). Die bloße Übernahme von verbrauchsabhängigen Betriebskosten und gelegentlichen Reparaturen spricht i.d.R. nicht für eine Entgeltlichkeit der Gebrauchsüberlassung28. Denn diese hat auch der Entleiher zu tragen, § 601 BGB. Davon zu unterscheiden ist die Übernahme derjenigen Kosten, die den Gebrauch der Sache erst ermög- 16 lichen. Das soll etwa der Fall sein, wenn „nur“ die anfallenden Betriebskosten (ohne Grundsteuer, Gebäudeversicherung, Schönheitsreparaturen und Instandhaltung) übernommen werden29. Insoweit ist zwar stets auf den Einzelfall abzustellen. Generell gehören hierher aber eher Zulassungskosten wie z.B. für die Inbetriebnahme eines Kfz. Bei der Raummiete ist darauf abzustellen, ob der Eigentümer bzw. der Überlasser durch die Übernahme der Kosten freigestellt wird. Das ist in der Regel bei statischen Betriebskosten der Fall, also z.B. Grundstücksentwässerung, Straßenreinigung etc. Nicht geschuldete Ausbauleistungen, die der Nutzer erbringt, stellen keine Gegenleistung dar30. Besteht bereits ein Mietvertrag, stellt die spätere Überlassung zusätzlicher Sachen ohne Änderung der 17 Miete im Zweifel eine Leihe dar, wenn sich nicht durch Auslegung ergibt, dass der Mietvertrag tatsächlich erweitert werden soll. Insoweit ist auf die Interessen beider Parteien abzustellen und insbesondere bei Flächen mit Ausbaupotential davon auszugehen, dass der Vermieter sich im Zweifel nicht in gleicher Weise wie durch einen Mietvertrag binden will31. Das Gleiche gilt in der Regel, wenn der Mieter vor Mietbeginn das Mietobjekt ohne Entgelt nutzt. Hier Leihe anzunehmen32, ist als Regelfall nicht gerechtfertigt (vgl. § 535 BGB Rz. 345 f.).

23 BGH v. 7.3.2018 – XII ZR 129/16, MDR 2018, 1053 = NZM 2018, 397; Aigner/Mohr, ZfIR 2009, 8, 10; Ganter, WM 2002, 105, 106; Goecke/Gamon, WPM 2000, 1309 Fn. 2; Kappler, ZfIR 2012, 264 (265); Roth, ZfIR 2015, 635 (639); vgl. aber auch Pfälzisches OLG v. 2.3.2017 – 4 U 154/15, ZMR 2017, 694 (695); OLG Frankfurt v. 4.11.2014 – 20 W 256/13, juris Rz. 11 f.; Saarländisches OLG v. 4.10.2012 – 8 U 391/11, NJW 2012, 3731; OLG München v. 8.1.2008 – 32 Wx 192/07, MittBayNot 2008, 320; OLG Koblenz v. 21.9.2006 – 5 U 738/06, CuR 2007, 107 (108). 24 BGH v. 5.11.1997 – VIII ZR 55/97, MDR 1998, 209 = NZM 1998, 105. 25 BGH v. 27.1.2016 – XII ZR 33/15, ECLI:DE:BGH:2016:270116UXIIZR33.15.0, MDR 2016, 509 = WuM 2016, 227 = DWW 2016, 103. 26 BGH v. 4.5.1970 – VIII ZR 179/68, ZMR 1970, 268. 27 OLG Stuttgart v. 24.8.2009 – OLG Stuttgart v. 20.8.2009 – 6 W 44/09, MDR 2009, 1310 = NZM 2010, 579. 28 BGH v. 20.9.2017 – VIII ZR 279/16, MietRB 2017, 345 = WuM 2017, 630 = ZMR 2018, 21 = GE 2017, 1335. 29 OLG Dresden v. 7.11.2002 – 4 W 1324/02, ZMR 2003, 250. 30 BGH v. 10.10.1984 – VIII ZR 152/83, MDR 1985, 666 = NJW 1985, 313. 31 BGH v. 23.9.2009 – VIII ZR 300/08, MietRB 2009, 345 = MDR 2010, 20 = GE 2009, 1426 = NZM 2009, 855. 32 So z.B. Bub/Treier/Drettmann, I Rz. 52.

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Vor § 535 Rz. 18 | III. Abgrenzung der Miete von anderen Vertragstypen des BGB

3. Verwahrungsvertrag 18 Der Verwahrungsvertrag (§§ 688 ff. BGB) kann sich nur auf bewegliche Sachen beziehen. Der Verwah-

rer verpflichtet sich, die Sache für den Hinterleger aufzubewahren und in Obhut zu nehmen. Benutzen darf er die Sache nicht. Gleiches gilt für das Lagergeschäft (§§ 467 ff. HGB) als gewerbliche Übernahme der Verwahrung33. 19 Teilweise wird Verwahrung dann angenommen, wenn die Person, die den Raum/Platz zur Verfügung

stellt, unmittelbarer Besitzer der aufzubewahrenden Sachen wird34. Andere stellen bei der Abgrenzung zu Recht darauf ab, wo bei wirtschaftlicher Betrachtung nach der Interessenlage und dem Willen der Parteien das Schwergewicht liegt35. Ist das Schwergewicht der Interessenlage in der Übernahme der Obhutspflicht für die Sache zu sehen, liegt Verwahrung vor; steht die Raumgewährung im Vordergrund, dann liegt Miete oder Leihe vor. 20 Wird das Entgelt nicht nur für die Platzüberlassung, sondern auch für die Übernahme von Obhuts-

pflichten gezahlt, ist im Zweifel von Verwahrung auszugehen36. Deshalb liegt bei der Überlassung eines Stellplatzes ein Verwahrungsvertrag vor, wenn das Entgelt auch für die Bewachung des Fahrzeuges entrichtet wird. Eine Bank verwahrt dagegen nicht den Inhalt des Safes. Der Vertrag über die Nutzung eines Kühlhauses ist Miete mit der Verpflichtung zur Lieferung von Kaltluft oder zur Kühlung auf eine bestimmte Temperatur37.

4. Werkvertrag 21 Beim Werkvertrag (§§ 631 ff. BGB) steht die Herbeiführung eines bestimmten Erfolges im Vorder-

grund. Deshalb liegt Miete auch bei der Vermietung vom Reißbrett vor, weil die nach Errichtung des Gebäudes geschuldete Gebrauchsüberlassung selbst dann im Vordergrund steht, wenn der Mieter vom Vermieter die Errichtung fordern kann38. Als Miete ist es ebenfalls zu werten, wenn eine entgeltliche Gebrauchsüberlassung stattfindet, bei der dem Nutzungsberechtigten das Recht zur Umgestaltung des Mietobjektes eingeräumt wurde, weil die Gebrauchsüberlassung die Beziehung prägt39. Gleiches gilt für die Zurverfügungstellung von Zelten und Gerüsten, auch wenn der Auf- und Abbau geschuldet wird40. Die entgeltliche Überlassung verschiedener elektronischer Geräte für eine Konzertveranstaltung einschließlich des Aufbaus und der Montage der Mietgeräte sowie deren Abbau führt zu einem Werkvertrag, da die Konzertfähigkeit des Equipments im Vordergrund steht41. Auch der Vertrag über eine Loge/ Suite in einem Veranstaltungsgebäude (z.B. Halle, Stadion) hat im Zweifel seinen Schwerpunkt in der entgeltlichen Gebrauchsüberlassung und ist damit als Mietvertrag zu qualifizieren42. Das Gleiche gilt für einen Vertrag über die entgeltliche Anbringung von Werbung auf einem Kfz43 oder einer mobilen Werbefläche (Werbebande im Stadion)44. 22 Ist neben einer Maschine (z.B. Kfz, Kran, Bagger, sonstige Baumaschine) Bedienungspersonal zu stel-

len, hängt die Einordnung des Vertrags von dem verfolgten Zweck ab. Mietvertrag (mit Dienstverschaffungsvertrag) liegt dann vor, wenn das Gerät in die Obhut des Bestellers übergeht und dieser auch über

33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

BGH v. 5.10.1951 – I ZR 92/50, BGHZ 3, 200. Staudinger/Emmerich, Vor § 535 BGB Rz. 35; wohl auch BGH v. 5.10.1951 – I ZR 92/50, BGHZ 3, 200. Bub/Treier/Drettmann, I Rz. 72; MünchKomm/Häublein, Vor § 535 BGB Rz. 12. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 12. Zur Haftungsbegrenzung bei einem solchen Vertrag vgl. BGH v. 19.1.1984 – VII ZR 220/82, MDR 1984, 482 = NJW 1984, 1350. KG v. 26.3.2015 – 8 U 19/15, MDR 2015, 821 = MietRB 2015, 200 = GE 2015, 787. BGH v. 8.12.1982 – VIII ZR 219/81, MDR 1983, 396 = NJW 1983, 679; kritisch Bub/Treier/Drettmann, I Rz. 71. OLG Hamm v. 15.4.1994 – 30 U 243/93, NJW-RR 1994, 1297; OLG Düsseldorf v. 4.4.1974 – 8 U 15/74, VersR 1974, 1113. OLG Koblenz v. 13.1.2004 – 5 W 21/04, MDR 2004, 386 = ZMR 2004, 265. KG v. 31.8.2015 – 12 U 55/14, MDR 2015, 1357. BGH v. 7.11.2018 – XII ZR 109/17, MDR 2019, 88 = ZMR 2019, 335. BGH v. 19.12.2018 – XII ZR 14/18, MDR 2019, 214 = WuM 2019, 74 = ZMR 2019, 332.

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IV. Mietarten und ihre Abgrenzung | Rz. 28 Vor § 535

den Einsatz des Gerätes zu bestimmen hat45. Bestimmt der Maschineneigentümer den Einsatz, um einen bestimmten Erfolg herbeizuführen, liegt ein Werk-, Beförderungs- oder Pachtvertrag vor46.

5. Gesellschaftsvertrag Ein Gesellschaftsvertrag (§§ 705 ff. BGB) zwischen Überlassendem und Benutzer besteht nicht bereits, 23 wenn sich das vom Benutzer für die Gebrauchsüberlassung zu zahlende Entgelt nach dem von ihm erzielten Umsatz/Gewinn bemisst. Ein solches partiarisches Rechtsverhältnis bleibt Miete. Denn die Erzielung des Gewinns durch den anderen (Nutzer) ist nicht gemeinsamer Zweck i.S.d. § 705 BGB47.

6. Andere Vertragstypen Das Mietverhältnis ist schuldrechtlicher Natur. Damit scheiden Abgrenzungsprobleme zu dinglichen 24 Nutzungsrechten wie Nießbrauch (§§ 1030 ff. BGB), dinglichem Wohnrecht (§ 1093 BGB) oder Dauerwohn- und Dauernutzungsrecht (§ 31 WEG) aus. Gleichwohl können mietrechtliche Vorschriften analog anwendbar sein, wie z.B. § 556 Abs. 3 BGB auf das Wohnrecht48. Besteht ein Mietvertrag neben dem dinglichen Wohnrecht, bildet dieser i.d.R. nicht den Rechtsgrund für die Eintragung. Indessen kann die Auslegung ergeben, dass mit der Kündigung des Mietvertrages auch das dingliche Wohnrecht entfallen soll und daher über § 812 BGB die Löschung verlangt werden kann49. Andererseits kann das dingliche Recht auf einem Kausalgeschäft aufbauen, für das mietrechtliche Vor- 25 schriften gelten. Das ist z.B. der Fall, wenn der Wohnungsberechtigte einen abwohnbaren Baukostenzuschuss geleistet hat50.

IV. Mietarten und ihre Abgrenzung Schon der Gesetzesaufbau macht deutlich, dass nicht nur Gewerbe- und Wohnraummietverträge be- 26 stehen, sondern auch noch weitere Ausgestaltungen möglich sind.

1. Wohnraummiete a) Allgemeines Wohnraummiete liegt vor, wenn Räume (Einzelräume oder Wohnungen) gegen Entgelt zum Zwecke 27 des privaten Aufenthaltes des Mieters selbst und/oder seiner nächsten Angehörigen aufgrund schuldrechtlichen Vertrages unbefristet oder auf Zeit überlassen werden51. Dieser Definition unterfallen auch die Dauernutzungsverträge über eine Genossenschaftswohnung52, mangels Vereinbarung aber keine faktischen Nutzungsverhältnisse53. Deshalb muss das Mietverhältnis auch rechtswirksam begründet worden sein. Im Hinblick auf das Erfordernis des privaten Aufenthalts scheidet ein Wohnraummietvertrag aus, wenn 28 eine Wohnung an eine juristische Person vermietet ist54 (zur GbR vgl. Vor § 535 BGB Rz. 54). In diesem BGH v. 16.9.1985 – II ZR 92/85, WM 1986, 26; OLG Hamm v. 30.1.1988 – 30 U 201/86, NJW 1989, 2629. BGH v. 28.7.2004 – VII ZR 153/03, ZMR 2004, 813; BGH v. 26.3.1996 – X ZR 100/94, NJW-RR 1996, 1203. BGH v. 10.6.1965 – III ZR 239/63, WM 1965, 1052; Bub/Treier/Drettmann, I Rz. 112. BGH v. 25.9.2009 – V ZR 36/09, MietRB 2010, 18 = MDR 2010, 18 = WuM 2009, 672 = NZM 2009, 904. OLG Koblenz v. 6.4.2018 – 5 U 1303/17, GE 2018, 1278. LG Gießen v. 29.5.1996 – 1 S 39/96, WuM 1996, 478. Bub/Treier/Drettmann, I Rz. 121. BGH v. 10.9.2003 – VIII ZR 22/03, MDR 2003, 1347 = MietRB 2004, 3 = WuM 2003, 691; vgl. zu Genossenschaftswohnungen umfassend Drasdo, NZM 2012, 585. 53 BGH v. 26.3.1980 – VIII ZR 150, 79, NJW 1980, 1577. 54 BGH v. 16.7.2008 – VIII ZR 282/07, MietRB 2008, 353 = MDR 2008, 1329 = NJW 2008, 3361.

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Vor § 535 Rz. 28 | IV. Mietarten und ihre Abgrenzung Fall kann die Geltung der Bestimmungen für die Wohnraummiete in den §§ 549 ff. BGB nur durch besondere Vereinbarung herbeigeführt werden. Dazu reicht es nicht aus, wenn im Mietvertrag zur Mieterhöhung auf die §§ 558 ff. BGB verwiesen wird55. 29 Ob Wohnraummiete tatsächlich vorliegt, hängt maßgeblich vom Parteiwillen ab, der darauf ausgerich-

tet sein muss, dass die Überlassung zur bestimmungsgemäßen Nutzung der Räume zum witterungssicheren Aufenthalt, Schlafen, Kochen und Essen (privater Aufenthalt = Wohnen) stattfindet56. Insoweit ist es nicht erforderlich, dass der Mieter oder sonstige Angehörige in der Wohnung ihren Lebensmittelpunkt unterhalten, weil auch Zweitwohnungen, Wochenendwohnungen, Ferienwohnungen und Beherbergungsbetriebe dem Wohnraummietrecht zugeordnet werden57. Denn sie dienen dem privaten Aufenthalt von Menschen58. 29a Davon zu unterscheiden ist, dass vielerorts mittlerweile wieder Zweckentfremdungsverbote (vgl. § 535

BGB Rz. 48 ff.) bestehen, die die Vermietung von Wohnraum zu vorübergehenden Zwecken als gewerbliche Tätigkeit qualifizieren59. Das betrifft insbesondere die Nutzung von Wohnraum als Ferienwohnung, die auch vorliegt, wenn Wohnungen z.B. für Städtereisen an Touristen nur kurzzeitig vermietet werden. Die zivilrechtliche Verbindung von Vermieter und Mieter/Tourist bleibt auch in diesen Fällen ein Mietvertrag über Wohnraum nach § 535 BGB, der in der Regel die Ausnahme des § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB begründet. Denn das Zweckentfremdungsverbot hat allein öffentlich-rechtliche Wirkungen. Dennoch soll eine Nichtigkeit des Mietvertrages anzunehmen sein, weil die zweckwidrige Nutzung als Ordnungswidrigkeit sanktioniert wird60 (vgl. auch Vor § 535 BGB Rz. 194). b) Preisfreier und öffentlich geförderter Wohnraum 30 Grundsätzlich gehen die Vorschriften über die Wohnraummiete in den §§ 549 ff. BGB davon aus,

dass Gegenstand der Überlassung preisfreier Wohnraum ist. Davon zu unterscheiden ist der öffentlich geförderte Wohnraum, der grundsätzlich dadurch entsteht, dass der Vermieter bei der Errichtung, Sanierung oder Modernisierung finanzielle Mittel des Staates in Anspruch genommen hat, die ihn zu einer vorgegebenen Mietpreisbildung verpflichten. Allerdings ist heute innerhalb des öffentlich geförderten Wohnraums zunächst zu ermitteln, wann die öffentlichen Mittel gewährt wurden. Dafür ist der Bewilligungsbescheid maßgeblich. Beruht dieser Bescheid auf dem Recht vor dem 1.1.2002, gilt der Wohnraum grundsätzlich als preisgebunden. Für diesen sog. preisgebundenen Wohnraum gelten bei der Abwicklung der Mietverträge besondere Vorschriften für die Ermittlung der Miete und ihre Veränderung, insbesondere §§ 8, 10 WoBindG sowie die ergänzenden Vorschriften der NMV und der II. BV. Wurden die öffentlichen Mittel nach dem Recht des WoFG bewilligt, das am 1.1.2002 in Kraft getreten ist, gilt über die §§ 50, 28 Abs. 2 WoFG das Vergleichsmietensystem der §§ 558 ff. BGB mit Einschränkungen, die sich in der Regel aus dem Bewilligungsbescheid oder dem Darlehensvertrag über die öffentlichen Mittel ergeben. aa) Bewilligung der öffentlichen Mittel vor dem 1.1.2002 31 Dem Recht des preisgebundenen Wohnraums unterliegen herkömmlicherweise Wohnungen, bei de-

nen die Mietpreisgestaltung nicht durch die Vertragsparteien erfolgt, sondern aufgrund einer vom Gesetzgeber vorgegebenen Berechnung. Bei preisgebundenen Wohnungen lassen sich grundsätzlich folgende Hauptgruppen unterscheiden: – Öffentlich geförderte Wohnungen i.S.d. § 1 Abs. 3 WoBindG, sog. Sozialwohnungen des ersten Förderweges; für sie ergibt sich die Mietpreisbindung aus § 8 Abs. 5 WoBindG.

55 KG v. 12.9.2011 – 8 U 141/11, MietRB 2011, 375 = GE 2011, 1484. 56 OLG Düsseldorf v. 2.2.1995 – 10 U 39/94, WuM 1995, 434. 57 Hanseatisches OLG Hamburg v. 30.9.1992 – 4 U 94/92, MDR 1993, 43 = WuM 1992, 634; OLG Frankfurt v. 6.11.1981 – 2 UF 228/81, FamRZ 1982, 398. 58 Bub/Treier/Drettmann, I Rz. 134; Schmidt-Futterer/Blank, Vor § 535 Rz. 87; a.A. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 18. 59 Zum Zweckentfremdungsgebot nach dem Hamburgischen Wohnraumschutzgesetz (HmbWoSchG) vgl. Hinrichs, NZM 2014, 545 ff. 60 Hinrichs, NZM 2013, 782 (785).

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IV. Mietarten und ihre Abgrenzung | Rz. 36 Vor § 535

– Steuerbegünstigte Wohnungen, die mit nichtöffentlichen Mitteln in Form von Aufwendungszuschüssen oder Aufwendungsdarlehen nach § 88 II. WoBauG gefördert worden sind (sog. zweiter Förderweg); sie sind nach § 88b II. WoBauG preisgebunden. – Wohnungen, deren Errichtung mit öffentlichen Mitteln nach § 88d WoBauG gefördert wurde (sog. dritter Förderweg)61. – Steuerbegünstigte Wohnungen, die mit Wohnungsfürsorgemitteln für Angehörige des öffentlichen Dienstes entsprechend den Bestimmungen des ersten Förderweges des sozialen Wohnungsbaus gefördert worden sind; für sie gilt die Mietpreisbindung gemäß § 87a Abs. 2 II. WoBauG. – Wohnungen, die mit Sanierungs- oder Entwicklungsförderungsmitteln als nichtöffentliche Mittel nach dem Städtebauförderungsgesetz gefördert worden sind; sie sind nach § 45 Abs. 5 Städtebauförderungsgesetz (StBauFG) und § 88b II. WoBauG preisgebunden. Die Herbeiführung der Preisbindung durch Vereinbarung mit dem Endmieter der Wohnung ist nicht 32 möglich62. Denn eine solche Vereinbarung mit der Berechtigung des Vermieters zur einseitigen Mieterhöhung ist nach § 557 Abs. 4, § 558 Abs. 6 BGB unwirksam. Dadurch wird nämlich zum Nachteil des Mieters von § 557 Abs. 3 BGB und § 558 Abs. 1 BGB abgewichen. Die Abweichung besteht darin, dass die Mieterhöhung bei der Kostenmiete nicht der Zustimmung des Mieters bedarf. Diese Abweichung ist grundlegend, weil das Zustimmungserfordernis im Rahmen des Vergleichsmietenverfahrens nach § 558 BGB Ausdruck des Prinzips der Vertragsfreiheit ist, das nach der Vorstellung des Gesetzgebers im Bereich des preisfreien Wohnraums nicht nur für die Einigung über die Höhe der Miete bei Vertragsschluss, sondern auch bei der Erhöhung der Miete während des laufenden Mietverhältnisses gelten soll. Die Abweichung ist für den Mieter auch nachteilig. Er kann zwar die Zahlung der vom Vermieter einseitig erhöhten Miete verweigern, so dass dieser gegebenenfalls Zahlungsklage erheben muss, in deren Rahmen die Voraussetzungen für eine Erhöhung der Kostenmiete gerichtlich nachgeprüft werden. Durch die Zahlungsverweigerung setzt sich der Mieter jedoch der Gefahr einer außerordentlichen fristlosen Kündigung nach § 543 Abs. 1 und 2 Nr. 3, § 569 Abs. 3 BGB aus, der er nicht mehr begegnen kann, wenn sich die einseitige Mieterhöhung des Vermieters erst im Räumungsprozess als berechtigt erweist. Diese Gefahr besteht dagegen nicht, wenn die Mieterhöhung gemäß § 558 Abs. 1 BGB der Zustimmung des Mieters bedarf, da der Vermieter insoweit nach § 558b Abs. 2 BGB erst – erfolgreich – Klage auf Erteilung der Zustimmung erheben muss, bevor ein Anspruch auf Zahlung der erhöhten Miete entsteht. Ist jedoch ein Zwischenmieter eingeschaltet, kann im Verhältnis zum Eigentümer, das durch einen Ge- 33 werberaummietvertrag gekennzeichnet wird, die Geltung der §§ 8 ff. WoBindG vereinbart werden, so dass sich der Zwischenmieter auch auf das Sonderkündigungsrecht des § 11 WoBindG berufen kann63. Hat der Vermieter bei der Errichtung des Gebäudes öffentliche Mittel verwendet, ist er in der Regel 34 nur berechtigt, die sog. Kostenmiete zu erheben. Die Kostenmiete ist aufgrund einer Wirtschaftlichkeitsberechnung zu ermitteln, die nach den §§ 2 ff. II. BV aufgestellt werden muss. Änderungen der Berechnungsfaktoren der Kostenmiete können gemäß § 10 WoBindG unmittelbar an 35 den Mieter weitergegeben werden, d.h., hier ist dem Vermieter ein Instrument gegeben worden, mit dem er die Miete einseitig verändern kann. Voraussetzung ist allerdings, dass der Vermieter in der Mietänderungserklärung die Mietäderung selbst berechnet und erläutert und aussagekräftige Unterlagen (z.B. eine Wirtschaftlichkeitsberechnung, Zusatzberechnung zur Wirtschaftlichkeitsberechnung) beifügt64. Ausnahmsweise kann der Vermieter sogar die Miete rückwirkend bis zum 1. Januar des vorangegangenen Kalenderjahres erhöhen, wenn im Mietvertrag eine Klausel enthalten ist, nach der die „jeweils zulässige Miete“ als vereinbart gilt, § 4 Abs. 8 NMV. Neben der Mietpreisgestaltung ist bei Abschluss eines Mietvertrages über eine öffentlich geförderte 36 Wohnung zu beachten, dass gemäß § 9 Abs. 5 WoBindG eine Kaution nur für Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung der Mietsache oder unterlassenen Schönheitsreparaturen verlangt werden kann.

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Vgl. dazu LG München v. 16.5.2012 – 147322/11, NZM 2012, 802. BGH v. 7.2.2007 – VIII ZR 122/05, MDR 2007, 707 = MietRB 2007, 137 = GE 2007, 510. KG v. 12.4.2007 – 12 U 65/06, MDR 2007, 1305 = NZM 2008, 42. Vgl. dazu BGH v. 4.12.2013 – VIII ZR 32/13, MDR 2014, 205 = MietRB 2014, 66 = WuM 2014, 102 = GE 2014, 185.

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Vor § 535 Rz. 36 | IV. Mietarten und ihre Abgrenzung Lässt die Formulierung der Kautionsabrede den Schluss zu, dass auch andere Ansprüche mit der Kaution abgedeckt werden können sollen, ist die Regelung unwirksam65. bb) Bewilligung öffentlicher Mittel seit dem 1.1.2002 37 An die Stelle des II. WoBauG ist zum 1.1.2002 das WoFG getreten. Es bringt im Wesentlichen die Ver-

änderung, dass die Miete nach dem Vergleichsmietensystem der §§ 558 ff. BGB angepasst werden kann, vgl. §§ 50, 28 Abs. 2 WoFG. Die Bindung der Miete wird nicht mehr nach den Kostengesichtspunkten der II. BV ermittelt, sondern durch die Förderzusage bestimmt. Die danach höchstzulässige Miete ist eine Nettomiete. Eine Mieterhöhung erfolgt nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 558 ff. BGB. 38 Regelmäßig sind die Mieterhöhungen jedoch nicht uneingeschränkt zulässig. Dabei ist jedoch die

Höchstmiete, die mit der Förderzusage festgesetzt ist, zu beachten, § 28 Abs. 3 WoFG. Dazu wird schon im Bewilligungsbescheid oftmals festgelegt, dass der Vermieter ein bestimmtes Niveau der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht überschreiten darf oder eine Mieterhöhung wegen Modernisierung nach § 559 BGB nur mit Einwilligung der Behörde zulässig ist. 39 Der Mieter kann sich auf die in der Förderzusage festgelegte Mietobergrenze berufen. Insoweit kann

er vom Vermieter die dafür benötigten Auskünfte verlangen, § 28 Abs. 4, 5 WoFG. Hilfsweise kann er dieses Verlangen auch an die zuständige Stelle richten. cc) Einschränkung der Vertragsfreiheit 40 Bei öffentlich gefördertem Wohnraum ist die Vertragsfreiheit in besonderem Maße eingeschränkt. Dies

gilt nicht nur für die Abschlussfreiheit, weil die Wohnungen regelmäßig einem besonderen Personenkreis vorbehalten sind. Vielmehr ist auch die Gestaltung der Mietpreisbildung vorgegeben. (1) Bewilligung vor dem 1.1.2002 41 Der öffentlich geförderte Wohnraum i.S.v. § 1 Abs. 3 WoBindG (sog. Sozialwohnungen) beschränkt

die Vertragsfreiheit, soweit eine Belegungsbindung besteht, vgl. § 4 WoBindG. Danach dürfen Wohnungen grundsätzlich nur an besonders privilegierte Personen vermietet werden, die in der Regel über einen Wohnberechtigungsschein verfügen müssen. 42 Wer das Belegungs- und Benennungsrecht für den Bezug der Wohnung ausüben darf, ergibt sich regel-

mäßig aus dem Darlehensvertrag. Für den Eigentümer besteht grundsätzlich ein Bauherrenprivileg, er darf einen Raum mehr als nach den einschlägigen Bestimmungen nutzen. Hat allerdings der Verfügungsberechtigte (Eigentümer) der zuständigen Stelle im Darlehensvertrag über das öffentliche Wohnungsbaudarlehen des Landes ein Besetzungsrecht eingeräumt, auf die Dauer von 15 Jahren den jeweiligen Mieter der Wohnung zu benennen, liegt ein vertragliches Besetzungsrecht vor, nicht aber ein Benennungsrecht (sog. Dreier-Vorschlag) i.S.v. § 4 Abs. 4 WoBindG66. Die Unterscheidung hat insbesondere Auswirkungen bei einer Verletzung durch den Vermieter. Bei einer „Fehlbelegung“ können bei einem vertraglichen Recht ohne besondere Vereinbarung nicht die Sanktionen des § 25 WoBindG verhängt werden. 43 Daneben findet eine Beschränkung der Gestaltungsfreiheit statt, indem die Miete bei preisgebunde-

nen Wohnungen aus der Zeit vor dem 1.1.2002 an die Kostenmiete, die sich nach den Grundsätzen der II. Berechnungsverordnung (II. BV) ermittelt, gebunden ist und die Kaution nur zu den in § 9 Abs. 5 WoBindG ausdrücklich genannten Ansprüchen vereinbart werden kann, weil die Regelung ansonsten unwirksam ist67.

65 LG Aachen v. 23.9.2005 – 5 S 92/05, WuM 2006, 101. 66 OVG Münster v. 18.10.2005 – 14 A 1055/05, WuM 2006, 560. 67 LG Hannover v. 30.12.1997 – 16 S 7/97, WuM 1998, 347; AG Coesfeld v. 6.1.2004 – 11 C 371/03, WuM 2004, 115; vgl. auch AG Köln v. 4.5.1999 – 218 C 26/99, WuM 2000, 22; zweifelnd: Sternel, ZMR 2002, 1 (wegen der Mietsicherheit nach § 554a Abs. 2 BGB).

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IV. Mietarten und ihre Abgrenzung | Rz. 46a Vor § 535

Im Mietvertrag muss erwähnt sein, dass die Wohnung öffentlich gefördert oder preisgebunden ist. 44 Denn gegenüber den Vorschriften über den preisfreien Wohnraum bilden die Regeln über die Kostenmiete eine Ausnahme, die ausdrücklich auch im Mietvertrag vereinbart werden muss. Wurde dies bei Abschluss des Mietvertrages übersehen, kann der Vermieter die Technik des § 10 WoBindG, die zu einer unmittelbaren Mietänderung führt68, nicht anwenden, sondern ist auf die Mieterhöhungsmöglichkeiten nach den §§ 558 ff. BGB angewiesen. Dabei kann er jedoch nur die Miete bis zur Höhe des zulässigen Entgelts verlangen, weil er sich sonst Rückforderungsansprüchen nach § 8 Abs. 2 WoBindG und den Sanktionen des § 25 WoBindG aussetzt. Unabhängig davon muss der Mietvertrag nach eventuellen Vereinbarungen über den Ausschluss des Mieterhöhungsrechts überprüft werden69, der sich auch aus den Umständen ergeben kann70. Umgekehrt kann gemäß § 557 Abs. 3 BGB eine Mieterhöhung durch Vereinbarung ausgeschlossen wer- 45 den. Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn die Wohnung im Mietvertrag als öffentlich gefördert (Sozialwohnung) bezeichnet und zudem exakt die höchst zulässige Miete vereinbart wurde, obwohl der Vermieter keine öffentlichen Mittel in Anspruch genommen hat (was er allerdings ursprünglich vorhatte)71. Daran ändert auch das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nichts. Denn selbst wenn die Auszahlung der Fördermittel gemeinsame Geschäftsgrundlage gewesen wäre, ist ein Festhalten am Vertrag für den Vermieter nicht unzumutbar. Ähnlich ist die Rechtslage, wenn in der Bewilligung ausdrücklich vorgegeben wurde, dass Mieterhö- 46 hungen nach § 558 ff. BGB möglich sind. Dies führt zwar nicht dazu, dass die Wohnung preisfrei wird. Indessen ist ein Mieterhöhungsbegehren unwirksam, das auf einen Mietspiegel gestützt wird, der ausdrücklich feststellt, dass er auf öffentlich geförderte Wohnungen nicht anwendbar ist72. Der Vermieter muss in diesem Fall nach § 10 WoBindG vorgehen. Zur Ermittlung der Kostenmiete muss der Vermieter eine Wirtschaftlichkeitsberechnung i.S.v. § 2 46a II. BV aufstellen, die neben der Grundstücks- und Gebäudebeschreibung in der Regel aus drei Teilen besteht, § 3 II. BV. Im ersten Teil (Berechnung der Gesamtkosten, §§ 5 ff. II. BV) werden die Grundstücks- und Baukosten zusammengestellt. Der zweite Abschnitt (Finanzierungsplan, §§ 12 ff. II. BV) führt auf, wie der Vermieter/Eigentümer die Baukosten finanziert hat, wobei zwischen Fremdmitteln (Hypothekendarlehen, öffentlichen Mitteln, Aufwendungszuschüssen etc.) und dem Eigenkapital unterschieden wird. Im dritten Teil (Laufende Aufwendungen und Erträge, §§ 18 ff. II. BV) werden die laufenden Aufwendungen zusammengestellt. Dieser Abschnitt ist das eigentliche Kernstück der Wirtschaftlichkeitsberechnung, weil hier die (Durchschnitts- bzw.) Kostenmiete berechnet wird. Nach der abschließenden Aufstellung in den §§ 18 ff. II. BV handelt es sich bei den ansetzbaren Leistungen um – die Kapitalkosten für Fremdmittel, § 21 II. BV, – die Tilgungen von über 1 % bei zinslosen Fremdmitteln, § 22 II. BV, – die Verzinsung des Eigenkapitals, § 20 II. BV, – die Bewirtschaftungskosten, § 24 II. BV73, zu denen – die Abschreibung und die Sonderabschreibungen, § 25 II. BV, – die Verwaltungskostenpauschale, § 26 II. BV, – die Instandhaltungspauschale, § 28 II. BV, und – das Mietausfallwagnis, § 29 II. BV, gehören; die Erträge, § 31 II. BV.

68 69 70 71

Vgl. § 10 Abs. 2 WoBindG. Vgl. § 10 Abs. 4 WoBindG. LG Berlin v. 11.10.2017 – 65 S 502/16, GE 2017, 1471. BGH v. 21.1.2004 – VIII ZR 115/03, MDR 2004, 804 = WuM 2004, 282 = NZM 2004, 378 = MietRB 2004, 199. 72 Vgl. dazu LG München v. 16.5.2012 – 14 S 27322/11, NZM 2012, 802. 73 Die dort noch aufgeführten Betriebskosten nach § 27 II. BV dürfen seit dem 1.1.1987 nicht mehr in der Kostenmiete berücksichtigt werden, § 25b NMV (in der Zwischenzeit aufgehoben).

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Vor § 535 Rz. 47 | IV. Mietarten und ihre Abgrenzung 47 Zu den Erträgen gehören nicht die Einnahmen aus der Vermietung von Dachflächen zur Installation

von Mobilfunkantennen74. Insofern handelt es sich nämlich um außerordentliche Erträge, die in keinem Zusammenhang mit der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung stehen. 48 Die Summe der für das ganze Objekt/die Wirtschaftseinheit anfallenden Aufwendungen zeigen unter

Abzug evtl. Erträge den Betrag, den der Vermieter jährlich erwirtschaften muss, um „auf seine Kosten“ zu kommen. Umgelegt auf die Gesamtfläche ergibt sich die Durchschnittsmiete pro Quadratmeter vermieteten Wohnraums (sog. Einzelmiete, §§ 8a Abs. 5 WoBindG, 3 Abs. 3 NMV). Insoweit ist der Vermieter bei der Bildung der (Netto-)Miete für die einzelne Wohnung berechtigt, die Wohnqualität durch Zu- und Abschläge zu berücksichtigen. In der Summe darf diese Bewertung aber die laufenden Aufwendungen für das Gesamtobjekt nicht übersteigen.

49 Regelmäßig wird eine Wirtschaftlichkeitsberechnung im Zusammenhang mit der Bewilligung der öf-

fentlichen Mittel, also vor Baubeginn aufgestellt. Deshalb ist grundsätzlich dieser Zeitpunkt für die Aufstellung maßgeblich, § 4 II. BV. Ihr folgt eine endgültige Genehmigung nach Fertigstellung, in der die tatsächlich aufgewendeten Kosten zusammengestellt sind, sofern eine Änderung eingetreten ist und der Bauherr dies beantragt. Auch wenn die Wirtschaftlichkeitsberechnung wegen Änderung der laufenden Aufwendungen fortgeschrieben worden ist, bleiben die Ansätze für Gesamtkosten, Finanzierungsmittel und laufende Aufwendungen unverändert (sog. Einfrierungsgrundsatz). Der Mieter hat gemäß § 29 NMVeinen Auskunftsanspruch bis hin zur ursprünglichen Wirtschaftlichkeitsberechnung. (2) Bewilligung seit dem 1.1.2002 50 Das Inkrafttreten des WoFG zum 1.1.2002 hat hinsichtlich der Beschränkung der Abschlussfreiheit

keine grundlegende Änderung herbeigeführt. Der Verfügungsberechtigte darf nur mit Personen Mietverträge abschließen, die ihre Wohnberechtigung durch Übergabe eines Wohnberechtigungsscheins nachweisen, § 27 WoFG. Der Wohnberechtigungsschein wird bei Einhaltung bestimmter Einkommensgrenzen erteilt, § 9 WoFG. Bei der Ermittlung dieser Einkommensgrenzen werden auch Lebenspartner und andere Partner einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft berücksichtigt, § 18 WoFG. 51 Verstößt der Verfügungsberechtigte gegen Förderauflagen, kann die zuständige Stelle neben den sons-

tigen öffentlich-rechtlichen Sanktionen von ihm verlangen, dass er das Mietverhältnis mit einem nicht wohnberechtigten Mieter kündigt. Vermag dieser die Kündigung nicht alsbald durchzusetzen, kann die zuständige Stelle gegenüber dem Mieter eine Räumungsverfügung erlassen, § 27 Abs. 6 WoFG. 51a Die Föderalismusreform, die am 1.9.2006 in Kraft getreten ist75, hat die Förderung des Wohnungsbaus

durch die Änderung des Art. 74 Nr. 18 GG in die Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer verlagert. Seither sind in den Bundesländern weitgehend Gesetze in Kraft getreten, die sich am WoFG orientieren.

2. Gewerberaummiete 52 Gewerberaummiete ist anzunehmen, wenn Grundstücke und/oder Gebäude bzw. Räume gegen Entgelt

zu anderen als Wohnzwecken76 aufgrund schuldrechtlichen Vertrages unbefristet oder auf Zeit überlassen werden. Insoweit ist eine abweichende zweckwidrige Nutzung unbeachtlich, solange darüber keine Änderungsvereinbarung getroffen wurde77. Maßgeblich ist allein der Wille der Parteien bei Abschluss oder Änderung des Mietvertrages.

74 75 76 77

LG Berlin v. 17.6.2005 – 63 S 68/05, WuM 2005, 648; vgl. auch Hitpaß, ZMR 2002, 577. BGBl. I, 2034. BayObLG v. 25.3.1986 – REMiet 4/85, MDR 1986, 676 = WuM 1986, 205. Hanseatisches OLG Hamburg v. 2.11.1994 – 4 U 228/93, NJW-RR 1997, 458.

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IV. Mietarten und ihre Abgrenzung | Rz. 54 Vor § 535

3. Abgrenzung Wohn- und Gewerberaummiete Maßgebliches Abgrenzungskriterium dafür, ob ein Mietverhältnis über Wohn- oder Geschäftsraum vor- 53 liegt, ist der vereinbarte Zweck78. Ausschlaggebend sind also die übereinstimmenden Vorstellungen der Parteien bei Abschluss des Mietvertrages. Deshalb führt der Zweck, den entgeltlich überlassenen Wohnraum weiterzuvermieten, zur Annahme eines Gewerberaummietvertrages79, selbst wenn der Vertrag mit „Mietvertrag für Wohnraum“80 oder auf der Grundlage eines Wohnungsmietvertrags-Musters geschlossen wurde und der Geschäftsführer des mietenden Unternehmens die Wohnung beziehen soll. Ob der Mieter die vorgesehene Nutzung tatsächlich realisiert oder eine davon abweichende Nutzung durchführt, ist grundsätzlich unerheblich. Für die Ermittlung des nach dem Willen der Parteien geltenden (bzw. zumindest vorherrschenden) 53a Vertragszwecks ist beim Fehlen ausdrücklicher Regelungen im Vertrag auf objektive (äußerliche) Umstände zurückzugreifen, sofern diese tragfähige Anhaltspunkte für den Parteiwillen bieten81. Als Indiz kommt insoweit neben der Verwendung eines auf eine der beiden Nutzungsarten zugeschnittenen Vertragsformulars, also seiner Bezeichnung und seiner inhaltlichen Regelungen, etwa der bauliche Zuschnitt der Räume, ihre Einrichtung, Umstände im Vorfeld des Vertragsabschlusses und das nachträgliche Verhalten der Parteien, soweit dieses Rückschlüsse auf den übereinstimmenden Willen bei Vertragsschluss zulässt, in Betracht82. Maßgeblich ist der wahre, das Rechtsverhältnis prägende Vertragszweck, also die gemeinsamen Vorstellungen der Vertragsparteien darüber, wie das Mietobjekt genutzt werden soll. Lässt sich eine ausdrückliche oder stillschweigende Zweckbestimmung nicht ermitteln, ist im Zweifel 54 von der objektiven Zweckbestimmung auszugehen. Das Gleiche gilt bei einem vorgetäuschten Willen83. Insoweit kommt dem Mietwert jedenfalls dann nur untergeordnete Bedeutung zu, wenn der Mieter aus der Nutzung des Mietobjektes Einkünfte erzielt, aus denen er seinen Lebensunterhalt bestreitet und die Miete zahlt84. Demgegenüber begründet die Vermietung eindeutig allein zum Wohnen bestimmter Räume grundsätzlich einen Wohnraummietvertrag. Dem steht allein das Auftreten einer GbR auf Mieterseite nicht entgegen85. Denn wenn sie Eigenbedarf für ein Mitglied reklamieren kann, kann sie auch einen Wohnraummietvertrag auf Mieterseite begründen, zumal auch eine Wohngemeinschaft als (Außen-) GbR handeln kann. Werden dagegen als Ladenlokal, Büro, Werkstatt u.a. ausgestaltete Räume überlassen, kann ein Wohnraummietvertrag nur angenommen werden, wenn die Parteien übereinstimmend von einer Wohnraumnutzung ausgegangen sind. Das setzt voraus, dass die Parteien bei Abschluss des Vertrages davon ausgehen, dass sich der Mieter in den Räumen zumindest überwiegend privat aufhält, was nicht die Begründung des Lebensmittelpunktes erfordert. Mit Rücksicht darauf begründet auch der Dauernutzungsvertrag über Wohnraum zwischen einer Genossenschaft und ihrem Mitglied einen Wohnraummietvertrag86. Als Indiz für das Bestehen eines Wohnraummietvertrages kann auch die Durchführung von Mieterhöhungen nach §§ 558 ff. BGB gelten87. Begründen die Parteien einen Gewerberaummietvertrag durch Verwendung eines Formulars für die Wohnraummiete, kann darin der Parteiwille liegen, dass sich der Inhalt des Gewerberaummietverhältnisses nach

78 BGH v. 13.2.1985 – VIII ZR 36/84, MDR 1986, 46; OLG Düsseldorf v. 13.2.1985 – VIII ZR 36/84, NZM 2007, 799. 79 BGH v. 23.10.2019 – XII ZR 125/18, MietRB 2020, 7 (Börstinghaus) = MDR 2020, 86 = WuM 2019, 697 = GE 2020, 50; LG Mainz v. 6.6.2018 – 3 S 103/17, MietRB 2018, 364 = ZMR 2018, 941. 80 BGH v. 23.10.2019 – XII ZR 125/18, MietRB 2020, 7 (Börstinghaus) = MDR 2020, 86 = WuM 2019, 697 = GE 2020, 50. 81 KG v. 20.6.2019 – 8 U 132/18, WuM 2019, 579 = GE 2019, 1110. 82 BGH v. 9.7.2014 – VIII ZR 376/13, MietRB 2014, 285 = MDR 2014, 1017 = WuM 2014, 539. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz VI 1; Bub/Treier/Drettmann, I Rz. 177 f.; Palandt/Weidenkaff, vor § 535 BGB Rz. 79. 83 BGH v. 9.7.2014 – VIII ZR 376/13, MietRB 2014, 285 = MDR 2014, 1017 = WuM 2014, 539 Rz. 30; LG Frankfurt am Main v. 31.1.2013 – 2-32 O 176/12, IMR 2013, 506; Schmidt-Futterer/Blank, vor § 535 BGB Rz. 109. 84 LG Frankfurt am Main v. 31.1.2013 – 2-32 O 176/12, IMR 2013, 506. 85 KG v. 20.6.2019 – 8 U 132/18, WuM 2019, 579 = GE 2019, 1110. 86 Ständige Rechtsprechung: BGH v. 14.6.2006 – VIII ZR 128/05, MDR 2007, 142 = MietRB 2006, 313 = ZMR 2006, 841 m.w.N.; zu Genossenschaftswohnungen umfassend Drasdo, NZM 2012, 585. 87 LG Hamburg v. 9.10.2017 – 311 O 125/17, WuM 2019, 23.

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Vor § 535 Rz. 54 | IV. Mietarten und ihre Abgrenzung den §§ 549 ff. BGB richten soll, also nach den Bestimmungen für die Wohnraummiete88. Dies kann auch partiell z.B. nur für die §§ 573 ff. BGB vereinbart werden, so dass sich jedenfalls die Voraussetzungen für eine Kündigung nach Wohnraummietrecht richten89. 55 Andererseits wird durch einen Mietvertrag über ein Grundstück mit der Befugnis, ein Wohnhaus zu

errichten, das als Scheinbestandteil des Grundstücks in seinem Eigentum steht (§ 95 BGB), mangels anderweitiger Vertragsabsprachen kein Wohnraummietvertrag begründet. Im Vordergrund steht die Überlassung des Grundstücks90, selbst wenn ein (ehemaliger) Mitmieter das Gebäude, in dem der Mieter wohnt, errichtet hat91. Das Rechtsverhältnis bleibt Grundstücksmiete. Gleiches gilt, wenn ein Dauercamper eine Stellfläche anmietet92, oder bei der Vermietung eines Gebäudes zum Betrieb eines Senioren-, Alten- und Altenwohnheimes. 56 Solange die Parteien nicht die Geltung der Regelungen über die Wohnraummiete ausdrücklich verein-

baren, liegt im Verhältnis des Eigentümers zum Hauptmieter keine Wohnraummiete vor, wenn ein gewerblicher Zwischenmieter (z.B. bei größeren im sog. Bauherrenmodell erstellten Wohnbauten) Wohnungen anmietet, um diese an Wohnungssuchende weiterzuvermieten93. Wohnraummietrecht findet in dieser Konstellation aber auf den Mietvertrag mit dem Endmieter Anwendung. 57 Ebenso liegt ein Gewerberaum-Mietvertrag mit dem Eigentümer vor, wenn die Bundesrepublik

Deutschland Wohnungen anmietet, um sie gemäß NATO-Truppenstatut den Angehörigen der anderen NATO-Streitkräfte zur Verfügung zu stellen94, oder ein Arbeitgeber Wohnungen anmietet, um sie bestimmungsgemäß an betriebsangehörige Personen weiterzuvermieten95. In diesen Fällen besteht der vertragsgemäße Gebrauch der Mieträume durch den Hauptmieter (Zwischenvermieter) gerade nicht im Bewohnen, sondern im Weitervermieten der Räume96. Nichts Anderes gilt bei Mietverträgen mit einer Gemeinde oder einem ihr verbundenen Unternehmen zur Unterbringung von Flüchtlingen97. Gleichwohl kann der Endmieter Kündigungsschutz gegenüber dem Eigentümer in Anspruch nehmen, wenn der nicht gewerbliche Zwischenvermieter im Lager des Eigentümers steht (Lagertheorie)98. Dafür ist darauf abzustellen, in wessen Interesse die Einschaltung des Zwischenvermieters erfolgt. Hat der Vermieter z.B. ein Mitspracherecht bei der Endvermietung und nimmt wesentlich Einfluss auf die Gestaltung des Endmietverhältnisses, steht der Zwischenvermieter in seinem (Interessen-)Lager99. Das ist wiederum nicht der Fall, wenn der Zwischenvermieter die Räume anmietet, um sie an Mitglieder einer speziellen Bevölkerungsgruppe weiterzuvermieten, die von ihm betreut werden100, und eine Wohnung sodann einem Mitarbeiter zur Verfügung stellt101. Lässt sich nicht eindeutig klären, dass der (nicht gewerbliche) Zwischenvermieter im Lager des Mieters steht, kann der Mieter sich auf Kündigungsschutz gegenüber dem Eigentümer (Hauptvermieter) nach Beendigung des Hauptmietvertrages berufen, wenn 88 LG Berlin v. 9.9.2011 – 63 S 605/10, ZMR 2012, 275. 89 KG v. 27.8.2015 – 8 U 192/14, MDR 2015, 1288 = MietRB 2016, 6 = WuM 2015, 666 = GE 2015, 1397; vgl. auch KG v. 8.12.2014 – 8 U 117/14, GE 2016, 257. 90 BGH v. 22.12.1995 – V ZR 334/94, MDR 1996, 678 = NJW 1996, 917; BGH v. 4.7.1984 – VIII ZR 270/83, MDR 1984, 1019 = NJW 1984, 2878. 91 LG Berlin v. 18.6.2018 – 64 O 23/18, GE 2018, 1398. 92 Vgl. auch OLG Frankfurt v. 20.6.1985 – 1 U 235/84, MDR 1985, 1027 = NJW-RR 1986, 108. 93 BGH v. 21.4.1982 – VIII ARZ 16/81, MDR 1982, 747 = NJW 1982, 1696. 94 BGH v. 13.2.1985 – VIII ZR 36/84, MDR 1986, 46 = NJW 1985, 1772. 95 BGH v. 11.2.1981 – VIII ZR 323/79, MDR 1981, 752 = NJW 1981, 1377; BayObLG v. 30.8.1995 – RE-Miet 6/ 94, MDR 1996, 41 = ZMR 1995, 585. 96 BGH v. 3.7.1996 – VIII ZR 278/95, MDR 1996, 1108 = NJW 1996, 2862; OLG Düsseldorf v. 8.10.2002 – 24 U 237/01, MietRB 2003, 6 = MietRB 2003, 7 = WuM 2003, 151 = DWW 2003, 95. 97 BGH v. 23.10.2019 – XII ZR 125/18, MietRB 2020, 7 (Börstinghaus) = MDR 2020, 86 = WuM 2019, 697 = GE 2020, 50; zu Möglichkeiten der Vertragsgestaltung vgl. Horst, ZMR 2016, 598. 98 KG v. 24.8.1995 – 8 U 1454/95, GE 1996, 49; Hanseatisches OLG Hamburg v. 16.4.1993 – 4 U 243/92, MDR 1993, 640 = NJW 1993, 2322. 99 BayObLG v. 30.8.1995 – RE-Miet 6/94, MDR 1996, 41 = WuM 1995, 645 = ZMR 1995, 585 = NJW-RR 1996, 76. 100 BayObLG v. 28.7.1995 – RE-Miet 4/94, MDR 1996, 42 = WuM 1995, 638 = ZMR 1995, 526 = NJW-RR 1996, 73. 101 BayObLG v. 30.8.1995 – RE-Miet 5/94, MDR 1996, 40 = WuM 1995, 642 = ZMR 1995, 582 = NJW-RR 1996, 71.

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IV. Mietarten und ihre Abgrenzung | Rz. 61 Vor § 535

keine markanten Interessen bestehen, die gem. Art. 3 GG eine Ungleichbehandlung des Endmieters gegenüber einem (normalen) Mieter sachlich rechtfertigen102. Das ist z.B. der Fall, wenn der Vermieter an einen gemeinnützigen Verein vermietet, der sich verpflichtet, das sanierungsbedürftige Gebäude nur an Vereinsmitglieder (hier: Künstler) weiterzuvermieten und das Gebäude instandzusetzen103. Wird preisgebundener Wohnraum zur Weitervermietung überlassen, sollen die Regelungen des 58 WoBinG und dessen Nebenbestimmungen (z.B. Neubaumietenverordnung – NMV) nur im Verhältnis zum Endmieter Anwendung finden104, solange deren Geltung im Verhältnis zwischen Vermieter und Zwischenvermieter nicht ausdrücklich vereinbart ist105. Dies ist zweifelhaft. Immerhin bestimmt § 21 Abs. 2 WoBindG, dass nur die Regelungen über die Zweckentfremdung auf das Verhältnis des Verfügungsberechtigten und des Wohnungsinhabers (= Zwischenvermieter) nicht anwendbar sind. Daraus muss geschlossen werden, dass die gesetzlichen Bestimmungen im Übrigen gelten106. In allen Konstellationen, in denen zwischen Vermieter und Hauptmieter ein Gewerberaummietver- 58a hältnis besteht, können die Parteien im Hinblick auf die Vertragsfreiheit – auch konkludent – vereinbaren, dass auf ihr Verhältnis die Bestimmungen der Wohnraummiete Anwendung finden sollen107. Diese Rechtsfolge tritt grundsätzlich nicht allein dadurch ein, dass die Parteien das Muster eines Wohnraummietvertrages verwenden108. Auch die Vereinbarung von Kündigungsfristen, die dem § 573c BGB nachgebildet sind, soll für sich genommen kein ausreichendes Indiz sein. Maßgeblich ist, ob in dem Mietvertrag für die Wohnraummiete die maßgebenden Schutzvorschriften geregelt sind109. Das ist der Fall, wenn die Kündigung nach den vertraglichen Regelungen schriftlich und unter Angabe von Gründen unter Hinweis auf ein Widerspruchsrecht im Härtefall erfolgen soll110. Eine einseitige Nutzungsänderung (Mieter nutzt als Geschäftsraum vermietete Räume zum Wohnen) 59 führt nicht zu einer Änderung der mietvertraglich festgelegten Zweckbestimmung.

4. Werkförderungsvertrag Durch den Werkförderungsvertrag stellen private oder öffentliche Arbeitgeber den privaten Bauherrn 60 Geldmittel zur Errichtung von Wohnungen gegen Einräumung des Rechts zur Verfügung, die Wohnungen mit ihren Arbeitnehmern zu belegen. Werkförderungsverträge sind Darlehensverträge mit werkvertraglichen Elementen, so dass § 550 BGB nicht anwendbar ist111. Die Gestaltung des Nutzungsverhältnisses ist unterschiedlich und wird regelmäßig im Werkförde- 61 rungsvertrag festgelegt. In Betracht kommt eine unmittelbare Anmietung durch den Darlehensgeber, der die Wohnungen im Wege der Untervermietung an seine Arbeitnehmer überlässt112. Es kann aber auch vorgesehen sein, dass der Darlehensgeber bestimmte Arbeitnehmer benennt und der Darlehensnehmer mit ihm unmittelbar einen Mietvertrag abschließt. In keiner Konstellation wird Wohnraummiete begründet, sondern ist der Vertrag zwischen Eigentümer und Arbeitgeber der Gewerberaummiete zuzuordnen.

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BVerfG v. 3.2.1994 – 1 BvR 2195/93, NJW 1994, 848 = ZMR 1994, 147. BGH v. 30.4.2003 – VIII ZR 162/02, MietRB 2004, 37 = MDR 2003, 1106 = NZM 2003, 759. OLG Düsseldorf v. 8.10.2002 – 24 U 237/01, MietRB 2003, 6 = MietRB 2003, 7, GuT 2003, 60. KG v. 12.4.2007 – 12 U 65/06, MDR 2007, 1305, NZM 2008, 42. Ähnlich: Bellinger, Wohnungsbaurecht, § 21 WoBindG Anm. 3.1. BGH v. 13.2.1985 – VIII ZR 36/84, MDR 1986, 46 = NJW 1985, 1772, Tz. 14; KG v. 27.8.2015 – 8 U 192/14, MietRB 2016, 6 = MDR 2015, 1288 = WuM 2015, 666 = GE 2015, 1397; OLG Hamburg v. 29.10.1997 – 4 U 61/97, NJW-RR 1998,1382; OLG Naumburg v. 22.7.1993 – 2 RE-Miet 1/92, WuM 1995,142, Tz. 18f; LG Berlin v. 15.10.2015 – 67 S 187/15, MietRB 2016, 38 = GE 2015, 1399. KG v. 8.12.2014 – 8 U 117/14, GE 2016, 257. Vgl. LG Berlin v. 9.9.2011 – 63 S 605/10, GE 2011,1484; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 12. Aufl., Vor § 535 BGB Rz. 103. KG v. 27.8.2015 – 8 U 192/14, MietRB 2016, 6 = MDR 2015, 1288 = WuM 2015, 666 = GE 2015, 1397. BGH v. 12.7.1967 – VIII ZR 250/64, BGHZ 48, 244, 246 = WPM 1967, 982. BGH v. 11.2.1981 – VIII ZR 323/79, MDR 1981, 752 = NJW 1981, 1377.

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Vor § 535 Rz. 62 | IV. Mietarten und ihre Abgrenzung 62 Da der Werkförderungsvertrag einen Vertrag zugunsten des künftigen Mieters darstellt113, kann sich

dieser seinem Vermieter gegenüber grundsätzlich unmittelbar auf die darin enthaltene Mietpreis- und Kündigungsbeschränkung berufen. 63 Übermäßig langfristig abgeschlossene Belegungsrechte, die lange nach Rückzahlung der Darlehen an-

dauern, können gemäß §§ 138, 242 BGB angemessen abgekürzt werden. Wird in einem Werkförderungsvertrag das Belegungsrecht für eine bestimmte Zeit festgelegt, erlischt es grundsätzlich nicht deshalb früher, weil das Darlehen vorzeitig zurückgezahlt wird114. Die Rechte aus einem Belegungsrecht können grundsätzlich übertragen werden, wenn die Übertragung nicht zur Inhaltsänderung der Leistung führt115.

5. Mischmietverhältnis a) Grundsätze 64 Ein solches Vertragsverhältnis ist gegeben, wenn durch einen Mietvertrag Geschäfts- und Wohnräume

einheitlich vermietet werden. Ob ein solcher Vertrag ein einheitliches Schicksal haben sollte, sich also einheitlich nach Wohn- oder Gewerberaummietrecht richten sollte, hängt in erster Linie vom Parteiwillen ab, also die gemeinsamen und übereinstimmenden Vorstellungen der Parteien bei Vertragsschluss darüber, wie der Mieter das Objekt nutzen will und welche Art der Nutzung im Vordergrund steht116. Ob der Mieter die vorgesehene Nutzung tatsächlich realisiert, ist grundsätzlich ohne Bedeutung117. 65 Ausschlaggebend ist insoweit nicht, ob die Parteien in der Vertragsurkunde das Mietverhältnis als

Wohn- und/oder Geschäftsraummietverhältnis bezeichnen; vielmehr kommt es auf ihren wirklichen Willen an. Ein entgegenstehender vorgetäuschter Wille ist unbeachtlich. Im Zweifelsfall können die Parteien durch eine vertragliche Regelung klarstellen, nach welchem Recht das Mietverhältnis beurteilt werden soll. Als Indiz für eine derartige Vereinbarung kann angesehen werden, wenn die Parteien zur Regelung ihrer Beziehung ein für die Wohnraummiete gedachtes Formular verwenden118. 66 Lässt sich der Parteiwille nicht ermitteln, muss auf die Umstände abgestellt werden, die das Miet-

verhältnis prägen, wobei die Verhältnisse ausschlaggebend sind, die überwiegen (sog. Übergewichtstheorie119). Als erste Orientierung für den Willen, welchen Charakter die Parteien dem Mietvertrag beimessen wollten, dient in der Praxis häufig das gewählte Vertragsmuster120. Die Verwendung eines Formularmietvertrages kann insoweit aber nicht ausschlaggebend sein. Denn verwenden die Parteien z.B. ein Wohnraummietvertragsformular für die Überlassung von Räumen zur teilgewerblichen Nutzung, wobei die gewerbliche Nutzung übereinstimmend überwiegen soll, richtet sich der Charakter des Mietvertrages nicht nach Wohnraummietrecht121. 67 Die Indizien für den Parteiwillen ergeben sich häufig aus dem Flächenverhältnis, der Miete für die

einzelnen Nutzungsarten, soweit sie separat kalkuliert wurde, und der Nutzung selber. Letzteres soll trotz anderem Flächenverhältnis für die Annahme von Gewerberaummiete ausschlaggebend sein, wenn

113 114 115 116

117 118 119 120 121

BGH v. 16.9.1966 – VIII ZR 202/64, NJW 1967, 2260. BGH v. 8.1.1975 – VIII ZR 184/73, NJW 1975, 381. BGH v. 25.9.1972 – VIII ZR 102/71, WM 1973, 755. Sog. Schwergewichts- oder Übergewichtstheorie: BGH v. 30.3.1977 – VIII ZR 153/75, NJW 1977, 1394; BGH v. 16.4.1986 – VIII ZR 60/85, MDR 1986, 842 = ZMR 1986, 278; Hanseatisches OLG Hamburg v. 2.11.1994 – 4 U 228/93, NJW-RR 1997, 458; OLG Stuttgart v. 7.11.1985 – 8 REMiet 3/84, ZMR 1986, 52; OLG Hamm v. 12.7.1985 – 9 U 85/85, ZMR 1986, 11; kritisch Rinke, ZMR 2003, 13. OLG Karlsruhe v. 21.5.2012 – 9 U 18/12, MDR 2012, 1401 = WuM 2012, 666. BGH v. 9.7.2014 – VIII ZR 376/13, MDR 2014, 1017 = MietRB 2014, 285 = WuM 2014, 539 = GE 2014, 1129 = DWW 2014, 254 = IMR 2014, 365. BGH v. 30.3.1977 – VIII ZR 153/75, NJW 1977, 1394; BGH v. 16.4.1986 – VIII ZR 60/85, MDR 1986, 842 = ZMR 1986, 278; OLG Schleswig v. 18.6.1982 – 6 REMiet 3/81, MDR 1982, 1020 = NJW 1983, 49; OLG Hamm v. 12.7.1985 – 9 U 85/85, ZMR 1986, 11; OLG München v. 2.7.1993 – 21 U 6514/90, ZMR 1995, 295. KG v. 27.8.2015 – 8 U 192/14, MDR 2015, 1288 = MietRB 2016, 6 = WuM 2015, 666 = GE 2015, 1397; vgl. auch KG v. 8.12.2014 – 8 U 117/14, GE 2016, 257. KG v. 3.5.1999 – 8 U 5702/97, NZM 2000, 338.

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IV. Mietarten und ihre Abgrenzung | Rz. 67 Vor § 535

ein Mietobjekt aus einem kleinen Laden und einer großen Wohnung besteht und der Mieter aus dem Betrieb des Ladens seinen Lebensunterhalt bestreitet122. Gleiches soll gelten, wenn ein Rechtsanwalt in den gemieteten Räumen sowohl wohnt als auch seine Kanzlei betreibt123 oder ein Zahnarzt eine Wohnung auch zum Zwecke der Berufsausübung nutzen darf124. Diese Betrachtungsweise hat der BGH aber mittlerweile verworfen125. Die Einkunftsmöglichkeit soll danach kein ausschlaggebendes Kriterium für die Zuordnung des Mietvertrages sein. Vielmehr sollen die allgemeinen Kriterien heranzuziehen sein. Für die Ermittlung des nach dem Willen der Parteien vorherrschenden Vertragszwecks ist beim Fehlen ausdrücklicher Regelungen auf objektive (äußerliche) Umstände zurückzugreifen, sofern diese tragfähige Anhaltspunkte für den Parteiwillen bilden126. Als Indizien (vgl. auch § 549 BGB Rz. 44) kommen ohne Anspruch auf Vollständigkeit in Betracht – die Verwendung eines auf eine der beiden Nutzungsarten (Geschäftsraum- oder Wohnraummiete) zugeschnittenen Vertragsformulars127: Insoweit können nicht nur der Inhalt der darin enthaltenen Regelungen128 oder – unter Umständen – die Bezeichnung des Mietverhältnisses in der Überschrift Bedeutung gewinnen129, sondern auch der Aufbau der vertraglichen Regelungen (Wohnraumnutzung oder Gewerberaumnutzung als Zusatz oder Anhang zu den übrigen Vertragsregelungen130. – das Verhältnis der für eine gewerbliche/freiberufliche Nutzung vorgesehenen Flächen und der für Wohnzwecke bestimmten Flächen zukommen131. – die Verteilung der Gesamtmiete auf die einzelnen Nutzungsanteile132, sofern die Miete für die verschiedenen Nutzungen gesondert ausgewiesen ist, wobei zu berücksichtigen ist, dass für Gewerberäume regelmäßig eine höhere Miete entrichtet wird133. – die baulichen Gegebenheiten (Zuschnitt, Einrichtung etc.) können unter Umständen Rückschlüsse auf einen von den Parteien gewollten Vorrang einer Nutzungsart zulassen134. – Umstände im Vorfeld des Vertragsschlusses135.

122 KG v. 26.1.1995 – 8 U 7899/93, GE 1995, 1205; OLG Stuttgart v. 31.3.2008 – 5 U 199/07, MDR 2008, 1091. 123 BGH v. 16.4.1986 – VIII ZR 60/85, MDR 1986, 842 = NJW-RR 1986, 877; ebenso KG v. 12.8.2013 – 8 3/13, MietRB 2014, 41 für Hypnosepraxis. 124 OLG Köln v. 12.6.2001 – 3 U 172,00, ZMR 2001, 963. 125 BGH v. 9.7.2014 – VIII ZR 376/13, MDR 2014, 1017 = MietRB 2014, 285 = WuM 2014, 539 = GE 2014, 1129 = DWW 2014, 254 = IMR 2014, 365. 126 BGH v. 9.7.2014 – VIII ZR 376/13, MDR 2014, 1017 = MietRB 2014, 285 = WuM 2014, 539 = DWW 2014, 254 = IMR 2014, 365. 127 Hanseatisches OLG Hamburg v. 13.7.1994 – 4 U 11/94, ZMR 1995, 120 (121); OLG Düsseldorf v. 17.12.2006 – v. 7.12.2006 – 10 U 115/06, MietRB 2007, 112 = WuM 2007, 65 = ZMR 2007, 269 = GE 2007, 230; OLG Stuttgart v. 31.3.2008 – 5 U 199/07, MDR 2008, 1091; OLG Celle v. 3.3.1999 – 2 U 86/98, ZMR 1999, 469, 470; LG Berlin v. 7.9.1987 – 61 S 94/8, MDR 1988, 1467, WuM 1988, 22; Schmidt-Futterer/Blank, Vor § 535 BGB Rz. 109; Sternel, Mietrecht aktuell, VI Rz. 12. 128 KG Berlin v. 17.6.2010 – 12 U 51/09, MDR 2010, 1446 = MietRB 2011, 10 = ZMR 2010, 956 (957); OLG München v. 24.4.2006 – 17 U 2291/06 ZMR 2007, 119 (120). 129 OLG München v. 2.7.1993 – 21 U 6514/90, ZMR 1995, 295 (296); OLG Düsseldorf v. 16.4.2002 – 24 U 199/ 01, NZM 2002, 739 (740); OLG Karlsruhe v. 21.5.2012 – 9 U 18/12, MDR 2012, 1401 = WuM 2012, 666 (668) und OLG Köln v. 21.6.2005 – 22 U 8/05, juris Rz. 9 einerseits und OLG Stuttgart v. 31.3.2008 – 5 U 199/07, MDR 2008, 1091; OLG München v. 7.3.2007 – 17 U 1657/07, ZMR 2010, 962 andererseits. 130 Vgl. OLG Köln v. 12.6.2001 – 3 U 172/00, ZMR 2001, 963; Saarländisches OLG v. 21.6.2012 – 8 U 451/11, zitiert nach juris Rz. 23, insoweit in MDR 2012, 1335 nicht abgedruckt. 131 BGH v. 16.4.1986 – VIII ZR 60/85, MDR 1986, 842 = NJW-RR 1986, 877; OLG Karlsruhe v. 21.5.2012 – 9 U 18/12, MDR 2012, 1401; OLG Düsseldorf, GE 2006, 647 m.w.N.; LG Berlin, MM 2002, 383; LG München v. 14.11.2006 – 3 O 7669/06, zitiert nach juris Rz. 20. 132 Vgl. OLG Düsseldorf v. 17.12.2006 – 10 U 115/06, MietRB 2007, 112 = WuM 2007, 65 = ZMR 2007, 269 = GE 2007, 230; LG Berlin v. 7.9.1987 – 61 S 94/87, MDR 1988, 146 = WuM 1988, 22; Palandt/Weidenkaff, Einf. v. § 535 BGB Rz. 101 f. 133 LG Köln v. 11.7.1988 – 32 O 182/88, MDR 1988, 1061. 134 Saarländisches OLG v. 21.6.2012 – 8 U 451/11, zitiert nach juris Rz. 23, insoweit in MDR 2012, 1335 nicht abgedruckt. 135 OLG München v. 2.7.1993 – 21 U 6514/90, ZMR 1995, 295 (296).

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Vor § 535 Rz. 67 | IV. Mietarten und ihre Abgrenzung – ein nachträgliches Verhalten der Parteien, soweit dieses Rückschlüsse auf den übereinstimmenden Willen bei Vertragsschluss zulässt136. Bei der Bezeichnung des Mietgegenstandes mit „Gewerbefläche im VHS/1. OG/rechts mit einer Gesamtfläche von ca. 159 qm“ und des Mietzwecks mit „Betrieb einer Naturheilpraxis sowie einer Heilpraktikerschule sowie zu Teilen zu Wohnzwecken“ liegt der Schwerpunkt regelmäßig in dem Bereich, der keinem Kündigungsschutz unterliegt137. 68 Spätere Änderungen lassen den ursprünglichen Charakter des Mietvertrages unberührt, solange die

Parteien nicht ausdrücklich oder schlüssig etwas anderes vereinbaren. Allein der Umstand, dass bei einem zunächst über Lagerräume geschlossenen Mietvertrag eine Erweiterung stattfindet, nach der zusätzliche Lagerräume, aber auch Räume zur Weitervermietung als Wohnraum überlassen werden, führt nicht zu einer Änderung des als Gewerbemietvertrag abgeschlossenen Vertragszwecks138. Dies wird auch durch § 565 BGB bestätigt. Danach ist nämlich der Vertrag zur Fremdvermietung von Wohnraum zunächst ein Gewerbemietvertrag139. Allein mit dem (End- oder) Untermieter wird in dieser Situation ein Mietverhältnis, das den Regeln der Wohnraummiete unterliegt, abgeschlossen. Im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter bleibt jedoch, auch wenn Wohnraum Gegenstand des Vertragsverhältnisses ist, Gewerbemietrecht anwendbar. Denn dessen Inhalt besteht in dem Zweck der Weitervermietung, also gerade keinem privaten Aufenthalt des Mieters. 69 Selbst wenn durch einen Verkauf des einen oder anderen Mietobjektes unterschiedliche Eigentümer/

Vermieter wegen § 566 BGB dem Mieter gegenüberstehen, bleibt die Einheit bestehen. Der Erwerber tritt neben dem bisherigen Vermieter in das Mietverhältnis ein. Das Innenverhältnis zwischen den Vermietern richtet sich nach den Regelungen der Bruchteilsgemeinschaft140, nach welchen der Grundsatz der gemeinsamen Verwaltung gilt, §§ 744, 745 BGB. Durch diesen Grundsatz wird die Anwendung des § 420 BGB auf Forderungen der Gemeinschaft gegen einen Mieter aber ausgeschlossen, da die Forderung auf eine im Rechtssinne unteilbare Leistung gerichtet ist141. Die isolierte Geltendmachung der Miete für einen Teil des Mietobjektes durch einen Vermieter ist daher nicht möglich, selbst wenn ihm im Innenverhältnis auf Vermieterseite dieser Teil alleine zusteht. Im Übrigen steht dem Mieter gegenüber dem Erwerber einer Wohnung, dessen Sondereigentum der vermietete Kellerraum nach der Überlassung zugeordnet wurde, ein Recht zum Besitz zu142. 70 Dass dem Mieter die private Nutzung gestattet ist, deren Umfang er allein bestimmen kann, steht der

Vereinbarung, dass die gewerbliche Nutzung gleichwohl im Vordergrund stehen soll, nicht entgegen143. Werden in einem einheitlichen Mietvertrag Räume zur Benutzung als Wohnung überlassen und wird dem Mieter gestattet, zwei der Räume als Labor gegen Zahlung eines Gewerbezuschlages von 20 % der Miete zu nutzen, liegt der Schwerpunkt auf dem Wohnzweck144. Lässt der Mietvertrag nicht erkennen, ob die Mieträume überwiegend zu gewerblichen oder zu Wohnzwecken vermietet sind, nutzt der Mieter die Räume aber überwiegend zu Wohnzwecken, ist diese Nutzung vom Vertragswillen gedeckt145. Dagegen liegt Wohnraummiete vor, wenn ein früherer Laden entgegen dem schriftlichen Mietvertrag aufgrund mündlicher Vereinbarung zur Benutzung als Wohnung und Küche vermietet wird146. b) Rechtsfolge der Mischnutzung 71 Die Bestimmung des Schwerpunktes führt grundsätzlich zur Anwendung der maßgeblichen Vorschrif-

ten für das gesamte Mietverhältnis. Kann der Mietvertrag also insgesamt als Wohnraummietvertrag 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146

OLG Karlsruhe v. 21.5.2012 – 9 U 18/12, MDR 2012, 1401 = WuM 2012, 666 (668). KG v. 17.6.2010 – 12 U 51/10, ZMR 2010, 956. OLG Düsseldorf v. 16.4.2002 – 24 U 199/01, WuM 2002, 481 = NZM 2002, 739 = ZMR 2002, 589. BGH v. 16.4.1986 – VIII ZR 60/85, NJW-RR 1986, 877 = MDR 1986, 46. Vgl. BGH v. 28.9.2005 – VIII ZR 399/03, MDR 2006, 380 = MietRB 2006, 57 = WuM 2005, 790 = ZMR 2006, 30; BGH v. 28.4.1999 – VIII ARZ 1/98, BGHZ 141, 239, 244 = MDR 1999, 985. BGH v. 14.3.1983 – II ZR 102/82, WM 1983, 604. AG Köln v. 23.11.2005 – 113 C 297/05, WuM 2007, 11. BGH v. 16.4.1986 – VIII ZR 60/85, MDR 1986, 842 = WuM 1986, 274. LG Berlin v. 7.9.1987 – 61 S 94/87, MDR 1988, 146. LG Berlin v. 8.8.1988 – 61 S 7/88, ZMR 1988, 464. LG Berlin v. 8.8.1988 – 61 S 7/88, ZMR 1988, 464.

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IV. Mietarten und ihre Abgrenzung | Rz. 75 Vor § 535

qualifiziert werden, gilt grundsätzlich der Kündigungsschutz (§§ 573 ff. BGB) und kann der Vermieter eine Mieterhöhung nur nach den §§ 558 ff. BGB geltend machen. Auch im Verfahrensrecht gelten die für die Wohnraummiete bestehenden Besonderheiten (z.B. § 721 ZPO). Ausnahmen müssen dort stattfinden, wo sich eine Vertragsregelung ausschließlich auf die gewerbliche Nutzung bezieht (z.B. Konkurrenzschutz, Betriebspflicht). Deshalb können insoweit auch entgegen § 555 BGB Vertragstrafen vereinbart werden (vgl. § 555 BGB Rz. 3). Beurteilt sich dagegen der Mietvertrag allein nach Gewerbemietrecht, kann der Mieter sich nicht auf 72 Kündigungsschutz und die sonstigen Bestimmungen zum Schutz des Mieters von Wohnraum berufen, selbst wenn er die Räume für sich und seine Familienangehörigen als Lebensmittelpunkt nutzt. Hier gilt dann auch die Kündigungsfrist des § 580a Abs. 2 BGB. c) Gleichwertigkeit der Nutzungen Lässt sich im Einzelfall ein Überwiegen der gewerblichen Nutzung nicht feststellen (also auch bei einer 73 Gleichwertigkeit beider Nutzungen), ist von der Geltung der Vorschriften der Wohnraummiete auszugehen147. Denn ansonsten würden die zum Schutz des Wohnraummieters bestehenden zwingenden Sonderregelungen, insbesondere die eingeschränkten Kündigungsmöglichkeiten des Vermieters (§§ 573, 543, 569 BGB) und die ausschließliche sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts (§ 23 Nr. 2a GVG), unterlaufen. d) Einheitliches Mietverhältnis Dabei erfasst eine Vereinbarung zwei oder mehrere getrennte Mietobjekte (z.B. Wohnung und Gara- 74 ge). Erfolgt die Vermietung durch verschiedene Urkunden, spricht eine tatsächliche Vermutung für die rechtliche Selbständigkeit der einzelnen Vereinbarungen148. Maßgeblich ist auch hier der Parteiwille. Dieser muss auf Schaffung einer Einheit zwischen beiden Mietgegenständen bzw. den verschiedenen Urkunden gerichtet sein. Liegt eine Einheit vor, gilt das Verbot der Teilkündigung und richtet sich die rechtliche Behandlung nach dem Recht, dessen Vertragsgegenstand den Schwerpunkt bildet (Übergewichtstheorie s. § 535 BGB Rz. 66 f.). Die tatsächliche Vermutung der rechtlichen Selbständigkeit zweier Urkunden kann widerlegt werden. 75 Dazu müssen besondere Umstände vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen, dass die Mietverhältnisse nach dem Willen der Beteiligten eine rechtliche Einheit bilden sollen. Das ist im Regelfall dann anzunehmen, wenn Wohnung und Garage auf demselben Grundstück liegen149. Das Gleiche gilt für Wohnung und Garten150. Auch ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Vermietung der verschiedenen Objekte, kann für den Willen, ein einheitliches Mietverhältnis zu schaffen, sprechen151. Wird also gleichzeitig ein Mietverhältnis über einen Stellplatz oder eine Garage auf dem Grundstück, auf dem sich das Mietobjekt (Wohnung, Gewerbeeinheit) befindet, geschlossen, kann eine Einheit dieses Vertrages mit dem bestehenden Mietvertrag angenommen werden, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die gegen diese Annahme sprechen. Letzteres ist z.B. der Fall, wenn unterschiedliche Kündigungsfris-

147 BGH v. 9.7.2014 – VIII ZR 376/13, MDR 2014, 1017 = MietRB 2014, 285 = WuM 2014, 539 = GE 2014, 1129 = DWW 2014, 254 = ZMR 2014, 871; BGH v. 9.4.2013 – VIII ZR 245/12, WuM 2013, 421 = GE 2013, 941; OLG Stuttgart v. 7.11.1985 – 8 REMiet 3/84, NJW 1986, 322, 323; LG Frankfurt am Main v. 31.1.2013 – 2/32 O 176/12, zitiert nach juris Rz. 51; LG Frankfurt v. 19.3.1991 – 2/11 S 349/90, ZMR 1992, 542; LG Berlin v. 1.8.1989 – 65 S 322/88, MM 1990, 347; AG Schwetzingen v. 14.1.1977 – 3 C 189/76, BB 1977, 1274; AG Friedberg v. 16.6.1982 – C 161/82, WuM 1983, 237; Bamberger/Roth/Ehlert, § 535 BGB Rz. 122a; vgl. u.a. Staudinger/Emmerich, Vor § 535 BGB Rz. 29; gegen die Anwendbarkeit von Wohnraummietrecht: LG Mannheim v. 2.11.1967 – 12 T 158/67, ZMR 1968, 190; LG Mannheim v. 1.12.1965 – 6 S 44/64, ZMR 1966, 107. 148 BGH v. 9.7.2014 – VIII ZR 376/13, MDR 2014, 1017 = MietRB 2014, 285 = WuM 2014, 539 = GE 2014, 1129 = DWW 2014, 254 = ZMR 2014, 871; BGH v. 12.10.2011 – VIII ZR 251/10, MDR 2012, 82 = MietRB 2012, 4 = WuM 2012, 14 = GE 2012, 58; BGH v. 9.4.2013 – VIII ZR 245/12, WuM 2013, 421 = GE 2013, 941. 149 BGH v. 12.10.2011 – VIII ZR 251/10, MDR 2012, 82 = MietRB 2012, 4 = WuM 2012, 14 = GE 2012, 58. 150 AG Wedding v. 27.8.2014 – 3 C 384/13, GE 2014, 1458. 151 OLG Karlsruhe v. 30.3.1983 – 3 REMiet 1/83, NJW 1983, 1499; BayObLG v. 12.12.1990 – REMiet 2/90, ZMR 1991, 174 = BayObLGZ 1990, 329 ff.

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Vor § 535 Rz. 75 | IV. Mietarten und ihre Abgrenzung ten in den verschiedenen Verträgen geregelt sind152. Liegt die weitere Mietsache (z.B. Garage) nur in unmittelbarer Nähe zu dem Grundstück des Vermieters153, besteht die Vermutung nicht. Dies gilt erst recht, wenn nicht nur nach der dinglichen Rechtslage, sondern auch nach dem äußeren Erscheinungsbild z.B. Wohnung und Garage auf verschiedenen Grundstücken liegen. Daran ändert die Tatsache, dass der Vermieter die nebeneinanderliegenden Grundstücke als Einheit behandelt, nichts154. Aus der bloßen gleichzeitigen Begründung beider Mietverträge kann eine Einheit grundsätzlich nicht hergeleitet werden. Dagegen soll in solchen Fällen die jahrelange einheitliche Behandlung der Mietverträge die Einheit bestätigen155. 75a Problematisch ist in der Praxis die Situation, wenn die Überlassung des weiteren Gegenstandes (z.B. Ga-

rage) mündlich oder stillschweigend erfolgte. Dann wird eine Vermutung in die eine oder andere Richtung gerade nicht durch Urkunden gestützt. Wurde aber z.B. die Wohnung durch einen schriftlichen Mietvertrag überlassen und daneben (auch unentgeltlich) eine Garage zur Verfügung gestellt, ohne dass diese im Mietvertrag erwähnt wurde, liegt die Annahme nahe, dass der Mietvertrag die Garage nicht erfassen sollte. In jedem Fall ist derjenige, der sich auf die Einheit des Vertrages beruft, beweispflichtig. 76 Besondere Umstände, die gegen eine Einheit angeführt werden können, bestehen z.B., wenn bei Ab-

schluss des (letzten) Vertrages ein entsprechender Vorbehalt erklärt wurde156. Weitere Indizien für getrennte Verträge können sich ergeben aus – verschiedenen Vertragsparteien157, – unterschiedlich geregelten Kündigungsfristen158, – der ausdrücklichen Regelung, dass der jeweilige Vertrag getrennt von dem anderen gekündigt werden kann159, – der getrennten Abwicklung der Verträge (z.B. separate Mietzahlungen, unterschiedliche Mietkonten), – einheitliche Rechtsnachfolge in von unterschiedlichen Vertragspartnern abgeschlossenen Mietverträgen160, – dem zeitlichen Unterschied zwischen der Überlassung der einzelnen Objekte (z.B. 18 Jahre161). 77 Der über eine Wohnung und eine Garage geschlossene einheitliche Mietvertrag wird durch die Ver-

äußerung der Einheiten an verschiedene Erwerber nicht in mehrere Mietverhältnisse aufgespalten; vielmehr treten die Erwerber in den einheitlichen Mietvertrag ein162. Ihr Verhältnis bestimmt sich nach den Regelungen über die Bruchteilsgemeinschaft163. Demnach müssen beide Erwerber einheitlich

152 BGH v. 9.7.2014 – VIII ZR 376/13, MDR 2014, 1017 = MietRB 2014, 285 = WuM 2014, 539 = GE 2014, 1129 = DWW 2014, 254 = ZMR 2014, 871. 153 BGH v. 12.10.2011 – VIII ZR 251/10, MDR 2012, 82 = MietRB 2012, 4 = WuM 2012, 14 = GE 2012, 58. 154 A.A. LG Frankfurt v. 3.7.2012 – 11 S 115/12, WuM 2012, 495. 155 AG Gelsenkirchen v. 11.3.2011 – 14 C 12/11, WuM 2012, 196 = ZMR 2012, 450. 156 LG Duisburg v. 29.4.1986 – 7 S 365/85, NJW-RR 1986, 1211; AG Menden v. 30.12.1998 – 4 C 134/98, WuM 1999, 573. 157 AG Mannheim v. 21.6.1992 – 14 C 92/92, DWW 1992, 370; AG Wuppertal v. 26.3.1992 – 97 C 8/92, WuM 1992, 611; AG Dorsten v. 29.6.1990 – 8 C 444/90, WuM 1991, 35; AG Köln v. 11.9.1992 – 221 C 172/92, WuM 1993, 611 (dies gilt aber nicht, wenn die auf Vermieterseite unterschiedliche Personen stehen, weil eine Aufteilung nach § 8 WEG stattgefunden hat). 158 BGH v. 4.6.2013 – VIII ZR 422/12, WuM 2012, 536 = GuT Beilage zu Heft 4/2013, S. 63; BGH v. 9.4.2013 – VIII ZR 245/13, WuM 2013, 421; LG Berlin v. 11.9.1986 – 61 S 187/86, MDR 1987, 142 = ZMR 1987, 18; LG Hamburg v. 5.4.1991 – 311 S 262/90, WuM 1991, 672; LG München I v. 17.7.1991 – 14 S 10344/90, WuM 1992, 15. 159 Formularmäßig soll eine solche Klausel unwirksam sein, wenn sie weit hinten im Formular enthalten ist: AG Schwelm v. 16.2.2017 – 27 C 228/16, WuM 2017, 188. 160 AG Frankfurt v. 25.3.2003 – 301 C 3558/02-49, ZMR 2003, 743. 161 BayObLG v. 12.12.1990 – REMiet 2/90, WuM 1991, 78. 162 BGH v. 26.4.2012 – V ZR 276/11, ZMR 2012, 692. 163 BGH v. 28.9.2005 – VIII ZR 399/03, MietRB 2006, 57 = MDR 2006, 380 = WuM 2005, 790.

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V. Vertragsverbindungen und typengemischte Verträge | Rz. 80b Vor § 535

kündigen und sonstige Willenserklärungen abgeben164. Im Zweifel muss der eine Erwerber den anderen z.B. auf Zustimmung zur Abgabe der entsprechenden Willenserklärung gerichtlich in Anspruch nehmen. Eine Kündigungsbefugnis tritt erst ein, wenn der/die Erwerber eingetragen ist/sind165. Ein einheitlicher Vertrag hat zur Folge, dass eine separate Kündigung (Teilkündigung) eines Vertrags- 78 objektes unzulässig ist und sich die Abwicklung des Vertrages im Übrigen (z.B. Mieterhöhung) nach den Vorschriften richtet, die auf den überwiegenden Vertragsteil anzuwenden sind. Allerdings muss sich bei einem einheitlichen Mischmietverhältnis z.B. ein Eigenbedarf nicht auf die Gewerberäume beziehen, sondern kann auf die Wohnräume beschränkt sein166.

V. Vertragsverbindungen und typengemischte Verträge 1. Vertragsverbindungen Vertragsverbindungen (oder sog. gemischte Verträge) liegen vor, wenn zwischen den gleichen Parteien 79 ein Mietvertrag und ein selbständiger anderer Vertragstyp bestehen, die zwar ein tatsächlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang verbindet, deren Bestand aber nicht voneinander abhängt. Beide Verträge folgen daher den für sie geltenden Bestimmungen. Eine derartige Kombination kann z.B. bestehen, wenn zwischen den gleichen Parteien ein Mietver- 80 trag über ein Gebäude und ein Leihvertrag über Grundstücksflächen bestehen. Allerdings ist insoweit auch der Frage nachzugehen, inwieweit der einzelne Vertrag nicht Indizien enthält, die für eine einheitliche Vertragsbeziehung sprechen167. Wie bei einheitlichen Mietverträgen (vgl. Vor § 535 BGB Rz. 74) ist auch insoweit der Wille der Parteien maßgeblich. Entscheidend ist, ob sich aus den Erklärungen der Parteien unter Berücksichtigung der Interessenlage der Wille ergibt, dass die Vereinbarungen nicht für sich alleine gelten, sondern miteinander stehen und fallen sollten, also nicht nur wirtschaftlich, sondern auch rechtlich zu einer Geschäftseinheit verbunden werden sollten168. Dabei genügt bereits der Einheitlichkeitswille einer Partei, wenn er für die andere erkennbar war und von ihr gebilligt oder hingenommen worden ist. Diese Voraussetzungen liegen bei den zum Zwecke des „Betreuten Wohnens“ geschlossenen Verträgen, nämlich einem Mietvertrag und einem Mieterbetreuungsvertrag, vor, wenn dem Mieter bekannt war, dass der Vermieter mit ihm keinen Mietvertrag abgeschlossen hätte, wenn er nicht zugleich den Mieterbetreuungsvertrag unterzeichnet hätte169. Auch bei einer Werkmietwohnung (§ 576 BGB) kann eine Vertragsverbindung vorliegen, wenn „mit 80a Rücksicht auf das Bestehen eines Dienstvertrages“ ein Mietvertrag geschlossen wird. Gleichwohl folgen die Verträge jeweils den für sie geltenden Vorschriften der §§ 535 ff. BGB und §§ 611 ff. BGB170. Davon zu unterscheiden ist die Überlassung von Wohnraum im Rahmen eines Dienstverhältnisses und als Teil der Vergütung für die Dienste. Hier kommt kein eigenständiger Mietvertrag über die Werkdienstwohnung zustande, so dass die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts gegeben sein kann. Nur hinsichtlich der Beendigung erklärt § 576b BGB die mietrechtlichen Vorschriften für anwendbar171. Auch das Leasing gehört in diese Kategorie172. Diese Vertragsart enthält mietrechtliche Elemente (ent- 80b geltliche Gebrauchsüberlassung) mit Elementen des Darlehens und des Kaufs. Die wesentlichen Merkmale bestehen darin, dass das Wirtschaftsgut steuerlich dem Nutzer zugerechnet wird, dem auch die Abschreibungen zustehen, und je nachdem, wie der Vertrag ausgestaltet ist, nach Ablauf der Vertragszeit eine Kaufoption besteht173. Für einen Immobilienleasingvertrag ist kennzeichnend, dass der Leasing-

164 165 166 167 168 169 170 171 172 173

BGH v. 26.4.2012 – V ZR 276/11, ZMR 2012, 692. BGH v. 26.4.2012 – V ZR 276/11, ZMR 2012, 692. BGH v. 1.7.2015 – VIII ZR 14/15, MietRB 2015, 257 = MDR 2015, 936 = WuM 2015, 553 = ZMR 2015, 847. BGH v. 20.4.2012 – V ZR 276/11, WuM 2012, 314. BGH v. 30.4.1976 – V ZR 143/74, NJW 1976, 1931. LG Kiel v. 10.1.2002 – 1 S 148/01, zitiert nach juris. BGH, LM BGB § 553 Nr. 4; OLG Karlsruhe v. 4.7.1983 – 9 REMiet 3/82, WuM 1983, 251. BAG v. 2.11.1999 – 5 AZB 18/99, MDR 2000, 600 = WuM 2000, 362 mit Anm. Julius, WuM 2000, 340. Zum Immobilienleasing vgl. Bieber/Ingendoh/Maywald, § 16 Rz. 1 ff. Vgl. im Einzelnen Bub/Treier/Drettmann, I Rz. 75 ff.

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Vor § 535 Rz. 80b | V. Vertragsverbindungen und typengemischte Verträge geber dem Leasingnehmer eine Sache oder eine Sachgesamtheit gegen ein in Raten gezahltes Entgelt zum Gebrauch für eine fest vereinbarte – und beim Immobilienleasing regelmäßig lange – Vertragslaufzeit überlässt, wobei die Gefahr und Haftung für Instandhaltung, Sachmängel, Untergang und Beschädigung der Sache allein den Leasingnehmer trifft. Deshalb ist es bei einem solchen Vertrag zulässig, die Instandsetzung dem Mieter auch durch formularmäßige Regelungen vollständig zu überbürden174. 80c Auch der Mietkauf besteht aus Elementen der Miete und des Kaufs. Er kann als Mietvertrag mit An-

kaufsrecht oder als Ratenzahlungskauf gestaltet werden175. Die Einigung ist beurkundungspflichtig soweit der Vertragsgegenstand eine Immobilie ist176.

2. Zusammengesetzte Verträge 81 In dieser Konstellation ist der Parteiwille darauf gerichtet, zwei selbständige Verträge zu schließen, die

aber gleichsam miteinander „stehen und fallen“ sollen. Das ist etwa bei einem Miet- oder Pachtvertrag mit einer Brauerei der Fall, wenn gleichzeitig eine vertragliche Bierbezugspflicht begründet wird177. Auch Werkförderungsverträge beinhalten einen Darlehens- und einen Werkvertrag178.

3. Verträge mit andersartiger vertraglicher Nebenleistung 82 Hier liegt eine Zusammenfassung oder Aneinanderkettung verschiedenartiger Leistungen vor. Gleich-

wohl ist eine Leistung nach dem Parteiwillen prägend (Hauptleistung), während die anderen Leistungen als Nebenpflichten betrachtet werden. Deshalb ist der vorherrschende Vertragstyp maßgeblich179. Ein Beispiel ist der Vertrag über die Benutzung eines Fitness-Centers180. Neben der Gebrauchsüberlassung der Räume und Geräte beinhaltet der Vertrag die Beaufsichtigung und Einweisung.

4. Verträge mit atypischer Gegenleistung 83 Hier besteht zumindest ein Teil der Gegenleistung nicht in der Bezahlung der Miete, sondern wird

z.B. durch Dienstleistungen erbracht. Hierher gehört der Hausmeistervertrag, bei dem ein Mietnachlass im Wert der Vergütung für Tätigkeit erfolgt. Auch hier kann verfahrensrechtlich u.U. die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gegeben sein, wenn die Überlassung der Wohnung im Rahmen des Dienstvertrages erfolgt (sog. Werkdienstwohnung i.S.v. § 576b BGB)181.

5. Typenverschmelzungsvertrag 84 In dieser Konstellation werden Elemente verschiedener typischer oder atypischer Verträge zu einer

Einheit verbunden (§ 139 BGB), so dass die für den entsprechenden Vertragstyp gültigen Vorschriften gelten182. a) Beherbergungsvertrag 85 Der Beherbergungsvertrag (Unterbringung in Hotel oder Pension) ist ein gemischter Vertrag, der

miet-, kauf-, dienst-, werk- und verwahrungsvertragliche Elemente aufweist. Das Kernelement ist je174 175 176 177 178 179 180 181 182

BGH v. 26.11.2014 – XII ZR 120/13, MietRB 2015, 80 = MDR 2015, 144 = NZM 2015, 251 = IMR 2015, 106. Hügel/Salzig, Mietkauf, A Rz. 8 f. BGH v. 10.10.1986 – V ZR 247/85,MDR 1987, 303 = NJW 1987, 1069. BGH, LM BGB § 139 Nr. 46; BGH v. 7.2.1986 – V ZR 176/84, BGHZ 97, 147 = MDR 1986, 742. BGH v. 16.9.1966 – VIII ZR 202/64, NJW 1966, 2260. BGH v. 7.11.1994 – II ZR 270/93, GmbHR 1995, 38 = MDR 1995, 162 = NJW 1995, 326. BGH v. 23.10.1996 – XII ZR 55/95, MDR 1997, 126 = NJW 1997, 339. BAG v. 2.11.1999 – 5 AZB 18/99, MDR 2000, 600 = WuM 2000, 362. BGH v. 6.10.1971 – VIII ZR 14/70, BGHZ 57, 112; BGH v. 9.12.1974 – VII ZR 180/73, BGHZ 63, 306, 312.

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V. Vertragsverbindungen und typengemischte Verträge | Rz. 90 Vor § 535

doch Miete, nämlich Miete eines möblierten Wohnraumes183. Den Hotelier trifft daher die Haftung aus § 536a Abs. 1 BGB184. Die Vorschriften über Wohnraummietverhältnisse finden mit der Beschränkung des § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB Anwendung. Der Erwerber hat auch bei dem Erwerb vom Zwangsverwalter zusätzlich § 613a BGB zu beachten185. Der eigentlichen Beherbergung kann ein Hotelreservierungsvertrag vorausgehen. Er wirkt wie ein 86 Vorvertrag186. b) Internatsschulvertrag Der Internatsschulvertrag ist Dienstvertrag187. Er stellt sich, soweit es um die Unterbringungs- und 87 Betreuungsleistungen geht, als Vertrag auch zugunsten des Kindes dar188. c) Lehrlings-, Jugend- und Studentenwohnheim Demgegenüber ist der Vertrag über die Aufnahme eines Schülers in ein Schülerwohnheim seinem 88 Schwerpunkt nach Wohnraummietvertrag189. Eventuell zu erbringende Betreuungsleistungen treten hinter Unterbringung und Versorgung des Schülers zurück190. Ebenso unterliegt der Vertrag über die Aufnahme in ein Lehrlings-/Studentenwohnheim dem Wohnraummietrecht mit der Beschränkung der §§ 549 Abs. 3, 551 Abs. 3 BGB. d) Altenheimvertrag/Heimvertrag Erfasst werden darunter Verträge sowohl über einen Platz/Zimmer/Appartement/Wohnung inklusive 89 Verpflegung und Betreuung191 als auch im sog. „Betreuten Wohnen“192. Insoweit kommt es auf die Vertragsgestaltung an, wobei regelmäßig die Wohnraummiete im Vordergrund steht, solange keine besondere Pflege vereinbart wird oder maßgeblicher Grund für den Vertragsschluss ist. Bestehen zwei getrennte Verträge, von denen der Mietvertrag keine besondere Kündigungsmöglichkeit vorsieht, der Betreuungsvertrag aber ausdrücklich Kündigungsvoraussetzungen regelt, können die Verträge grundsätzlich isoliert gekündigt werden193. Setzt sich im Einzelfall ein Heimvertrag aus Elementen verschiedener Vertragstypen (gemischter Vertrag) zusammen, bleibt er dennoch ein einheitliches Ganzes und kann deshalb nur einem Vertragsrecht unterstellt werden, nämlich demjenigen, in dessen Bereich der Schwerpunkt des Vertrags liegt194. Um die Anwendung des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes (WBVG), das im Zuge der Föderalismusreform das HeimG abgelöst hat, herbeizuführen, kommt es maßgeblich auf die Höhe der Betreuungspauschale an195. Steht im Einzelfall (wie bei der Altenwohnung) die Wohnungsgewährung deutlich im Vordergrund, 90 ist Mietrecht anwendbar mit der Folge, dass der Heimbewohner Bestandsschutz gemäß den §§ 573 ff. BGB genießt, andererseits aber bezüglich der Miethöhe den Bestimmungen der §§ 557 ff. BGB unter-

183 BGH v. 29.3.1978 – VIII ZR 220/76, WM 1978, 733 = BGHZ 71, 175; BGH v. 18.12.1974 – VIII ZR 187/73, NJW 1975, 645; OLG Hamm v. 25.1.1995 – 30 U 117/94, ZMR 1995, 206. 184 BGH v. 18.12.1974 – VIII ZR 187/73, NJW 1975, 645. 185 BAG v. 18.8.2011 – 8 AZR 230/10, NZM 2012, 384. 186 BGH v. 24.11.1976 – VIII ZR 21/75, NJW 1977, 385. 187 BGH v. 28.2.1985 – IX ZR 92/84, MDR 1985, 668 = NJW 1985, 2585. 188 BGH v. 11.3.1980 – VI ZR 66/79, MDR 1980, 923 = NJW 1980, 1745. 189 LG Konstanz v. 8.7.1994 – 1 S 26/94, WuM 1995, 539. 190 Bub/Treier/Drettmann, I Rz. 207; MünchKomm/Häublein, Vor § 535 BGB Rz. 25. 191 BGH v. 14.10.1981 – VIII ZR 331/80, MDR 1982, 401. 192 BGH v. 16.9.2003 – VIII ZR 187/03, NZM 2004, 22. 193 LG Neubrandenburg v. 13.6.2012 – 1 S 139/11, WuM 2012, 455. 194 BGH v. 22.3.1989 – VIII ZR 154/88, MDR 1989, 731 = NJW 1989, 1673; zur Rechtsnatur des Betreuungsvertrags s. BGH v. 5.7.2001 – III ZR 310/00, MDR 2001, 1163 = NJW 2001, 2971; zur Wirksamkeit dynamischer Verweisung in vorformulierten Heimverträgen auf einen Rahmenvertrag s. BGH v. 8.11.2001 – III ZR 14/01, MDR 2002, 79 = NJW 2002, 507. 195 BGH v. 26.9.2013 – IX ZR 3/13, MDR 2014, 183 = GE 2014, 250 = NZM 2014, 74.

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Vor § 535 Rz. 90 | V. Vertragsverbindungen und typengemischte Verträge worfen ist196. Wird demgegenüber alten, pflegebedürftigen oder behinderten Menschen nicht nur dauerhaft Unterkunft, sondern daneben auch Verpflegung und Betreuung gewährt oder vorgehalten, finden die teils unabdingbaren Regeln des WBVG Anwendung, das in § 10 WBVG z.B. besondere Regelungen zur Gewährleistung enthält197. e) Campingvertrag 91 Der Campingvertrag umfasst das Recht zum Aufstellen von Wohnwagen, Wohnmobilen, Zelten u.Ä.

auf einem Campingplatz gegen Entgelt, häufig verbunden mit der Pflicht, Wasch-, Dusch- und Toiletteneinrichtungen zu stellen. Gleichwohl handelt es sich um Miete198. f) Ferienhausvertrag mit Reiseanbieter 92 Auf den Mietvertrag über ein Ferienhaus oder eine Ferienwohnung (zu Urlaubszwecken) ist § 651f

Abs. 2 BGB entsprechend anwendbar199, soweit das Objekt nicht direkt vom Eigentümer angemietet wurde200 ebenso bei der Anmietung eines Wohnmobils zu Urlaubszwecken201. g) Schiffsreise- und Schlafwagenvertrag 93 Beim Schiffsreisevertrag und beim Schlafwagenvertrag steht ebenso wie bei der Beförderung im Liege-

wagen die Beförderungsleistung und nicht die Raumgewährung im Vordergrund202. 94 Schiffscharter ist dann Mietvertrag, wenn das Schiff ohne Ausrüstung und ohne Besatzung auf Zeit

gegen Entgelt überlassen wird. Andernfalls liegt Raumpacht vor203. Werden Schiffe durch einen „Veranstalter“ zu Urlaubszwecken verchartert, können die §§ 651 f. BGB anwendbar sein204. h) Krankenhausbettverträge

95 Verträge über die Aufnahme von Patienten in das Krankenhaus weisen zwar auch mietvertragliche

Elemente auf. Ganz eindeutig im Vordergrund steht jedoch das dienstvertragliche Element205. 96 Belegungsverträge der Sozialversicherungsträger mit Sanatorien, Kurheimen, Gasthöfen u.Ä. sind im

Kernbereich Mietverträge; Kauf- und Werkvertragselemente für Nebenleistungen treten hinzu. 97 Belegarztverträge schließt der Belegarzt mit dem Krankenhausträger. Dabei handelt es sich um ein aty-

pisches Dauerschuldverhältnis, das i.d.R. keinem der im BGB entwickelten Vertragstypen entspricht206, aber bei Entgeltlichkeit Elemente der Miete enthält. i) Mietkaufvertrag 98 Mietkaufverträge können über bewegliche und unbewegliche Sachen getätigt werden. Beim Mietkauf

räumt der Vermieter dem Mieter das Recht ein, innerhalb einer bestimmten Frist die Mietsache zu einem vorher festgelegten Preis zu kaufen; die bis dahin vertragsgemäß gezahlte Miete wird dann zumindest teilweise auf den Kaufpreis angerechnet. Die Mietrate wird oft recht hoch angesetzt, um den Mieter zum Ankauf zu veranlassen. Vor Ausübung der Kaufoption findet Mietrecht und danach Kaufrecht An196 Bub/Treier/Drettmann, I Rz. 204. 197 Vgl. dazu Drasdo, JM 2014, 404. 198 OLG Frankfurt v. 20.6.1985 – 1 U 235/84, MDR 1985, 1027; OLG Koblenz v. 24.5.1966 – 6 U 702/65, NJW 1966, 2017. 199 BGH v. 17.1.1985 – VII ZR 163/84, MDR 1985, 569 = NJW 1985, 906. 200 OLG München v. 2.7.1993 – 21 U 1566/93, ZMR 1993, 524. 201 OLG Karlsruhe v. 11.3.1988 – 14 U 313/86, MDR 1988, 580 = ZMR 1988, 223. 202 MünchKomm/Häublein, Vor § 535 BGB Rz. 25. 203 Argyrialis, MDR 1958, 728. 204 OLG München v. 7.11.1986 – 21 U 4765/84, NJW-RR 1987, 366. 205 Näheres Staudinger/Emmerich, Vor § 535 BGB Rz. 51. 206 BGH v. 28.2.1972 – III ZR 212/70, NJW 1972, 1128.

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V. Vertragsverbindungen und typengemischte Verträge | Rz. 103 Vor § 535

wendung207. Falls dem Mieter einer beweglichen Sache von Anfang an ein gesichertes Erwerbsrecht eingeräumt wird, sind die §§ 491 ff. BGB zu beachten. j) Tankstellenvertrag Der Tankstellenvertrag kann nicht einheitlich beurteilt werden: Überlässt der Eigentümer der Mineral- 99 ölgesellschaft ein nicht als Tankstelle eingerichtetes Grundstück zur Errichtung und zum Betrieb einer Tankstelle, liegt Grundstücksmiete vor. Wird der Mineralölgesellschaft ein bereits als Tankstelle eingerichtetes Grundstück überlassen, handelt es sich um Pacht. Gegenstand des Nutzungsverhältnisses ist dann nämlich eine zum Fruchtgenuss geeignete und nach dem Vertrag dazu bestimmte Sache. Durch den sog. Stationärvertrag stellt der Verwalter (Grundstückseigentümer oder -mieter) das Tankstellengrundstück der Mineralölgesellschaft zum Gebrauch als Tankstelle zur Verfügung. Diese richtet darauf die Tankstelle ein und lässt sie durch den Verwalter betreiben. Hierbei handelt es sich um einen gemischten Vertrag mit miet- und dienstvertraglichen Elementen. Letztere überwiegen208, was allerdings nicht dazu führt, dass auf den Vertrag ausschließlich Dienstvertragsrecht Anwendung findet209. k) Nutzung öffentlicher Flächen Die Sondernutzung öffentlicher Wege- und Straßenflächen (z.B. durch Aufstellen von Ständen, Ver- 100 kaufswagen u.Ä.) ist durch Bundes- und Landesgesetze geregelt. Sie erfolgt nach öffentlichem Recht. Das Gleiche gilt für die Überlassung von Ständen, Boxen u.Ä. in kommunalen Markthallen, Schlachthöfen, Kühlhäusern u.Ä., falls die Gemeinde oder sonstige öffentlich-rechtliche Körperschaft das Nutzungsrecht aufgrund öffentlich-rechtlicher Satzung vergibt. Der öffentlich-rechtliche Charakter dieser Rechtsverhältnisse schließt es aber nicht aus, mietrechtliche Vorschriften heranzuziehen210. Der Konzessionsvertrag über die Verlegung von Schienen und Leitungen in öffentlichen Straßen ist 101 gemäß § 8 Abs. 10 FernStrG privatrechtlicher Natur; das gilt auch nach den entsprechenden Gesetzen des Bundes und der Länder für die entsprechenden Einrichtungen in anderen Straßen. Die Verträge haben durchweg stark mietrechtlichen Einschlag211. Das Wesentliche sind jedoch die gegen Konzessionsabgabe gewährten Ausschließlichkeitsbindungen zugunsten der (Versorgungs-)Unternehmen. Liegt keine öffentlich-rechtliche Überlassung von Ständen, Boxen o.Ä. in Hallen etc. vor, ist beim Über- 102 lassen begrenzter Räumlichkeiten oder Plätze je nach Ausstattung Miete oder Pacht gegeben. Wird vertragsgemäß eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt und nimmt der Überlassende wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsgestaltung (Arbeitszeit, Arbeitsweise, Einfluss auf Personal, Kassenführung, Ertragsbeteiligung), kann Dienstvertrag, bei selbständiger Stellung des Tätigen auch Gesellschaft oder Mischung aus Elementen dieser Typen gegeben sein212. l) Automatenaufstellvertrag Mittels Automatenaufstellvertrags gestattet der Inhaber (z.B. Eigentümer/Pächter/Mieter) geeigneter 103 Flächen dem Aufsteller, einen oder mehrere Automaten (z.B. Warenautomaten mit Getränken, Tabakwaren etc., aber auch Musik- und Spielautomaten) regelmäßig gegen Beteiligung am Umsatz in seinen Räumen anzubringen bzw. aufzustellen und für eigene Rechnung zu betreiben. Charakteristisch für den Automatenaufstellvertrag ist mithin die Eingliederung der Automaten des Aufstellers in den gewerblichen Betrieb seines Vertragspartners zum gemeinsamen Nutzen von Aufsteller und Betriebsinhaber213. Der Automatenaufstellvertrag wird als Gestattungsvertrag angesehen, der neben mietver-

207 208 209 210 211

MünchKomm/Häublein, Vor § 535 BGB Rz. 17. MünchKomm/Häublein, Vor § 535 BGB Rz. 32. BGH v. 9.6.1969 – VII ZR 49/67, BGHZ 52, 171, 175. BGH v. 4.10.1972 – VIII ZR 117/71, NJW 1972, 2300. RG v. 11.1.1916 – VII 261/15, RGZ 88, 14; RG v. 19.6.1923 – VII 807/23, RG 108, 204, vgl. Hanseatisches OLG Hamburg v. 23.7.1975 – 5 U 40/75, MDR 1976, 142. 212 Vgl. RG v. 11.7.1924 – III 610/23, RGZ 108, 369. 213 BGH v. 11.11.1968 – VIII ZR 151/66, NJW 1969, 230.

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Vor § 535 Rz. 103 | V. Vertragsverbindungen und typengemischte Verträge traglichen Elementen auch personenbezogene Merkmale aufweist214 (umfassend zum Automatenaufstellvertrag215). m) Ausstellungsraumvertrag 103a Die Vereinbarung über die Zurverfügungstellung eines Ausstellungsraumes nebst diverser Nebenleis-

tungen ist als Typenverschmelzungsvertrag mit dem Schwerpunkt „Miete“ zu behandeln216.

VI. Rechtsgeschäfte im Anbahnungsstadium 104 Auch im Mietrecht ist vom Grundsatz der Vertragsfreiheit auszugehen. Immerhin wollte der Reform-

gesetzgeber im Jahre 2001 die Vertragsfreiheit stärken217. Der Eindruck, der durch die halbzwingenden Normen („Eine zum Nachteil des Mieters von Wohnraum abweichende Vereinbarung ist unwirksam.“) entsteht, dass die Vertragsfreiheit zugunsten eines umfassenden Mieterschutzes eingeschränkt sei, ist irreführend (vgl. § 557 BGB Rz. 8 ff.). Denn dadurch soll nur die starke Stellung des Vermieters bei Abschluss des Mietvertrages kompensiert werden. In dem dadurch gesetzten Rahmen sind die Parteien grundsätzlich frei, einen Mietvertrag zu schließen. 105 Dennoch kann es Beschränkungen der Abschlussfreiheit geben. Diese Beschränkungen sind regel-

mäßig öffentlich-rechtlicher Natur. Insoweit kommen insbesondere in Betracht – das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum218, das aber nur noch vereinzelt gilt (z.B. in großen Teilen Bayerns) und kein Verbotsgesetz darstellt219, – die Belegungsbindung für öffentlich geförderte Wohnungen (bis 31.12.2001: § 4 WoBindG; danach § 4 WoFG). 106 Zivilrechtliche Beschränkungen können sich aus den allgemeinen Schranken der §§ 134, 138, 307

BGB sowie aus den halbzwingenden Normen (vgl. Vor § 535 BGB Rz. 104) für die Vertragsgestaltung ergeben. Darüber hinaus kann sich eine mittelbare Bindung durch die Regeln über den Abbruch von Vertragsverhandlungen ergeben. Denn wenn der Vertragspartner sich schadensersatzpflichtig macht, wenn er die Verhandlungen abbricht, kann dies einen Druck zum Abschluss des Mietvertrages erzeugen. 106a Im Rahmen der Vertragsfreiheit hat jeder Vertragspartner bis zum Abschluss des Vertrages grundsätz-

lich das Recht, von dem in Aussicht genommenen Vertragsschluss Abstand zu nehmen. Gleichwohl kann sich eine Partei schadensersatzpflichtig aus culpa in contrahendo (= §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB) machen, wenn sie die Verhandlungen ohne triftigen Grund abbricht, nachdem sie in zurechenbarer Weise bei dem anderen Teil Vertrauen auf das Zustandekommen des Vertrages geweckt hat, wenn also nach dessen Vorstellungen die Annahme gerechtfertigt war, es werde mit Sicherheit zum Abschluss des Vertrages kommen220. Diese Voraussetzungen, an die keine hohen Anforderungen zu stellen sind221, liegen allerdings noch nicht vor, wenn der andere Teil mangels konkreter Einigung über den wesentlichen Inhalt der beabsichtigten vertraglichen Regelung auch noch mit einem Scheitern der Verhandlung rechnen muss. Das ist der Fall, wenn die Gespräche über den Mietvertrag quasi mit offenem Ausgang geführt werden, so dass die von ihm gleichwohl getätigten Aufwendungen seinem eigenen Risikobereich zuzuordnen sind222. Deshalb ist ein Schadensersatzanspruch zu verneinen, obwohl bereits Freihandskizzen für die Umgestaltung der Mieträume angefertigt und dem MietBGH v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, MDR 1983, 926 = NJW 1983, 159. Ausführlich dazu: Erman/Jendrek, Vor § 535 BGB Rz. 46 ff. AG München v. 7.3.2018 – 425 C 18488, ZMR 2019, 42. Begr. d. RegE, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Anhang Rz. 1113. Art. 6 § 1 des Gesetzes zur Verbesserung des Mietrechtes v. 4.11.1971, BGBl. I, S. 1745. OLG Köln v. 18.11.1991 – 13 U 132/91, ZMR 1992, 56 m.w.N. BGH v. 29.3.1996 – V ZR 332/94, MDR 1996, 672 = WuM 1996, 324 = ZMR 1996, 367. LG Hamburg v. 31.1.2013 – 307 S 96/12, ZMR 2013, 349 (350) = NZM 2013, 788; a.A. AG München v. 18.10.2012 – 423 C 14869/12, ZMR 2014, 296. 222 OLG Düsseldorf v. 8.7.1999 – 10 U 67/98, ZMR 2000, 23 m.w.N.

214 215 216 217 218 219 220 221

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VI. Rechtsgeschäfte im Anbahnungsstadium | Rz. 106e Vor § 535

interessenten mitgeteilt worden ist, der Vertragsentwurf werde unterzeichnet, sobald alle erforderlichen behördlichen Genehmigungen erteilt sind und man könne es auf den Versuch ankommen lassen, „ein einvernehmliches Mietverhältnis“ zu führen223. Das Gleiche gilt, wenn der Mietinteressent erstmals durch den übermittelten Vertragsentwurf erfährt, dass die Wohnung abweichend von dem zuvor im Exposé erweckten Eindruck umfassend renoviert werden muss224. Ein Vertrauen auf das Zustandekommen des Vertrages wird nicht allein durch das Zusenden eines nicht unterzeichneten Mietvertragsentwurfs, das Verlangen/Einholen von Schufa- und Einkommensnachweisen sowie die Anmietung eines Tiefgaragenstellplatzes gerechtfertigt225. Höhere Anforderungen werden beim beabsichtigten Abschluss eines notariell zu beurkundenden Ver- 106b trages (z.B. nach § 311b BGB) gestellt. Wird der Abschluss eines solchen Vertrages als sicher dargestellt, kann der Abbruch der Verhandlungen durch einen Partner nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung grundsätzlich nur dann einen Schadensersatzanspruch des anderen Teil begründen, wenn das Verhalten des abbrechenden einen schweren Verstoß gegen die Verpflichtung zum redlichen Verhalten bei den Vertragsverhandlungen bedeutet, so dass in der Regel die Feststellung vorsätzlich pflichtwidrigen Verhaltens notwendig ist226. Diese strengen Voraussetzungen gelten jedoch im Mietrecht nicht in gleichem Maße: aus dem Schutzzweck des § 550 BGB (= § 566 BGB a.F.), der in erster Linie den Grundstückserwerber schützen soll, wird hergeleitet, dass die Schwelle zur Pflichtverletzung niedriger anzusetzen ist227. Denn im Gegensatz zu § 311b BGB (= § 313 BGB a.F.) steht die Warnfunktion bei § 550 BGB nicht im Vordergrund. Auch wenn der BGH mittlerweile als Zweck des § 550 BGB nicht mehr allein den Schutz des Grund- 106c stückserwerbers ansieht, sondern auch eine Beweisfunktion annimmt228, ist es gerechtfertigt, im Anbahnungsstadium für einen Mietvertrag nicht die gleichen Anforderungen zu stellen wie bei einem notariell zu beurkundenden Vertrag. Denn die notarielle Beurkundung hat vor allem eine Warnfunktion, die es gebietet, beiden Seiten unter erleichterten Voraussetzungen die Möglichkeit zu geben, Vertragsverhandlungen abzubrechen. Die endgültige Bindung kann nach § 311b BGB nämlich erst im letzten Augenblick der Vertragsverhandlungen mit der Unterschrift eintreten. Bis dahin sollen beide Verhandlungspartner grundsätzlich die Möglichkeit zur Reue ohne wirtschaftliche Nachteile haben. Im Rahmen von Verhandlungen über Mietverträge liegen jedoch die Tatsachen, die für eine Entscheidung über das „Ob“ des Vertrages maßgeblich sind, bereits in einem frühen Stadium offen, so dass die Reue eines Vertragsteils nur unter erschwerten Bedingungen folgenlos bleiben kann. Besteht allerdings ein triftiger Grund für den Abbruch, können Schadensersatzansprüche nicht entstehen (abredewidrig befristete Bankbürgschaft)229. Gemäß § 311 Abs. 3 BGB kommt auch die Eigenhaftung eines Vertreters in Betracht, weil ihm die 106d gleichen Verpflichtungen auferlegt werden, wie den Vertragsparteien selbst. Auch diese Überlegungen sind nicht neu. Die Eigenhaftung eines Vertreters, Vermittlers oder Sachwalters wurde in der Rechtsprechung in der Regel für die Fälle erörtert, in denen der Dritte beim Zustandekommen eines für den Geschäftsgegner nachteiligen Vertrages mitgewirkt hatte und ein unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse des Dritten bestand oder er ein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hatte und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Abschluss des Vertrages erheblich beeinflusst hatte230. Nimmt ein Vertreter (z.B. Hausverwalter) auf die Durchführung des Mietvertrages Einfluss, ist damit 106e auch der Anwendungsbereich der Haftung nach den §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 3 BGB eröffnet. Veranlasst demnach der Vertreter (Verwalter) den Vertragspartner (Mieter) des Dritten (Vermieter) nach Abschluss des Vertrages mittels wahrheitswidriger Erklärung, eine Zug um Zug geschuldete Leistung (hier: Wohnungsrückgabe) vorzeitig zu erbringen, kann er persönlich zum Schadensersatz ver-

223 224 225 226 227 228 229 230

OLG Düsseldorf v. 8.7.1999 – 10 U 67/98, ZMR 2000, 23. LG Karlsruhe v. 11.1.2013 – 9 S 394/12, WuM 2013, 300 = ZMR 2013, 720. AG München v. 18.10.2012 – 423 C 14869/12, ZMR 2014, 296. BGH v. 29.3.1996 – V ZR 332/94, MDR 1996, 672 = WuM 1996, 324 = ZMR 1996, 367. OLG Celle v. 24.11.1999 – 2 U 16/99, ZMR 2000, 168. BGH v. 24.9.1997 – XII ZR 234/95, MDR 1998, 31 = WuM 1997, 667. OLG Düsseldorf v. 25.3.2004 – 10 U 117/03, MietRB 2005, 6 = GuT 2004, 119. BGH v. 15.2.1996 – IX ZR 245/94, MDR 1996, 1022 = NJW 1996, 1341.

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Vor § 535 Rz. 106e | VI. Rechtsgeschäfte im Anbahnungsstadium pflichtet sein231. Hat der Vertragspartner (Mieter) aufgrund der wahrheitswidrigen Erklärung des Vertreters (Verwalter) ein Zurückbehaltungsrecht und damit die einzige Sicherheit aus der Hand gegeben, die ihn zur Durchsetzung der eigenen Ansprüche zur Verfügung steht, so rechtfertigt dies, den täuschungsbedingten Verlust der Sicherheit als schadensrechtlich eigenständige Vermögenseinbuße aufzufassen. 106f Im Übrigen können sich die Parteien aber in Bezug auf die Anbahnung des Vertrages eigenen Bindun-

gen unterwerfen, nämlich insbesondere durch Mietvorvertrag, Vormietrecht, Anmietrecht und Option.

1. Mietvorvertrag a) Abgrenzungsfragen 107 Ein Mietvorvertrag begründet den Anspruch auf Abschluss eines Mietvertrages232. Insoweit ist der Vor-

vertrag von einem Letter of Intent abzugrenzen. Mit dem Letter of Intent wird in aller Regel lediglich der Stand der geführten Verhandlungen zusammengefasst; er soll grundsätzlich keine Bindungswirkung entfalten, insbesondere noch keine Verpflichtung zum Abschluss eines Mietvertrags begründen. Dafür muss jedoch in besonderer Weise auf die Formulierungen geachtet werden233. 108 Vereinbaren die Parteien, die Mietsache solle einstweilen oder widerruflich gegen ein vorläufiges Entgelt

bis zum Abschluss des „endgültigen“ Mietvertrags überlassen werden, wird ein sog. vorläufiges Mietverhältnis begründet (vgl. Vor § 535 BGB Rz. 150a)234. Bei Scheitern der Verhandlungen erhält der Vermieter im Zweifel die ins Auge gefasste Miete für die Dauer der Nutzung235. b) Inhalt des Mietvorvertrages

109 Ein Mietvorvertrag entsteht noch nicht dadurch, dass der ausgehandelte Mietvertrag nicht unter-

schrieben wird236. Vielmehr ist eine bindende Vereinbarung erforderlich, aus der zu ersehen ist, dass sich die Parteien im Wesentlichen über den Inhalt eines noch abzuschließenden Mietvertrages geeinigt haben237 und eine Verpflichtung zum Abschluss dieses Mietvertrages begründet werden sollte238. Das notwendige Maß der Bestimmtheit (§ 241 BGB) ist erreicht, wenn aus der Einigung der Inhalt des künftigen Mietvertrages zumindest in bestimmbarer Weise ermittelt werden kann. Der Vorvertrag muss also zumindest die notwendigen Anhaltspunkte zu den essentialia (Mietobjekt, Mietzeit, Miete und Mietparteien) enthalten, um (später) die fehlende Einigung der Parteien im Streitfall durch richterliche Entscheidung unter Berücksichtigung des mutmaßlichen Parteiwillens im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung gemäß den §§ 157, 242 BGB zu überwinden239. Dazu reicht es aus, dass die Miete – notfalls mit sachverständiger Hilfe – bestimmbar ist. Selbst ohne jegliche Vereinbarung über die Miethöhe kann sogar ein Mietvertrag zustande kommen, sofern sich die Parteien bindend über eine entgeltliche Überlassung des Gebrauchs der Mietsache einigen. Dann kann im konkreten Fall eine angemessene oder ortsübliche Miete als vereinbart gelten240. Für den Mietvorvertrag gelten keine anderen Anforderungen241.

231 232 233 234 235 236 237 238 239 240 241

OLG Dresden v. 9.12.1998 – 8 U 2864/98, WuM 2000, 124. Vgl. eingehend: Fleischmann, NZM 2012, 625 f. Lindner-Figura, NZM 2000, 1193. BGH v. 15.6.2005 – XII ZR 82/02, MDR 2005, 1398 = MietRB 2005, 284 = NZM 2005, 704; OLG Karlsruhe v. 17.10.1990 – 13 U 152/89, WuM 1991, 81. Hanseatisches OLG Hamburg v. 14.11.2001 – 4 U 34/01, WuM 2003, 84. LG Berlin v. 9.11.2018 – 65 S 87/18, ZMR 2019, 272 = GE 2019, 59. BGH v. 18.11.1993 – IX ZR 256/92, MDR 1994, 827 = NJW-RR 1994, 317; BGH v. 15.11.1995 – XII ZR 72/ 94, NJWE-MietR 1996, 56; OLG Karlsruhe v. 14.6.1995 – 4 U 221/94, NJW-RR 1996, 997. LG Hamburg v. 11.12.1984 – 9 S 154/84, WuM 1987, 270. BGH v. 20.9.1989 – VIII ZR 143/88, MDR 1990, 236 = NJW 1990, 1234; BGH v. 21.10.1992 – XII ZR 173/90, MDR 1993, 341 = WuM 1992, 686; LG Berlin v. 9.11.2018 – 65 S 87/18, ZMR 2019, 272 = GE 2019, 59. BGH v. 2.10.1991 – XII ZR 88/90, WuM 1992, 312 (313). BGH v. 3.7.2002 – XII ZR 39/00, MDR 2002, 1362 = ZMR 2002, 895 (897).

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VI. Rechtsgeschäfte im Anbahnungsstadium | Rz. 114 Vor § 535

Der Vorvertrag muss die Vertragsbedingungen nicht erschöpfend regeln. Vielmehr kann die Festle- 110 gung weiter gehender Vertragsbedingungen den zum Abschluss des Hauptvertrags führenden Verhandlungen vorbehalten bleiben242. Gescheiterte Verhandlungen über den Abschluss eines Mietvertrags können allerdings nicht in einen Mietvorvertrag umgedeutet werden (§ 140 BGB), weil nicht anzunehmen ist, dass die Parteien einen Vertrag nur mit den bis zum Scheitern ausgehandelten Punkten schließen wollten243. Die Annahme eines Mietvorvertrags ist allerdings nur dann gerechtfertigt, wenn besondere Umstände 111 darauf schließen lassen, dass die Parteien sich ausnahmsweise schon binden wollen, bevor sie alle Vertragspunkte abschließend geregelt haben244. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn dem Abschluss des Mietvertrags – zumindest nach der Vorstellung der Parteien – noch Hindernisse tatsächlicher oder rechtlicher Art (z.B. das Mietobjekt ist noch nicht bezugsfertig245 oder vom Vormieter noch nicht geräumt oder die erforderliche Nutzungsänderungsgenehmigung steht noch aus) entgegenstehen, die Parteien sich aber bereits rechtlich binden wollen, um so den alsbaldigen Abschluss des Mietvertrags zu sichern246. Dieser Bindungswille kann z.B. dadurch zum Ausdruck kommen, dass der Mieter im Vorgriff auf den endgültigen Mietvertrag die ins Auge gefasste Kaution entrichtet. Der Mietvorvertrag muss nicht als solcher benannt sein. Trotz der Bezeichnung als Optionsrecht in 112 einem Mietvertrag kann es sich bei der vertraglichen Regelung über eine in Aussicht genommene Anmietung weiterer, im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch anderweitig vermieteter Räume um einen doppelt aufschiebend bedingten Mietvorvertrag handeln, wenn die Parteien sich schon über den Umfang des Mietobjektes, die Mietdauer und die Miethöhe geeinigt haben247. Dabei liegt die erste aufschiebende Bedingung in dem Willen des Vermieters, nunmehr die Räume zu vermieten. Vereinbaren Käufer und Verkäufer eines Mietobjektes, dass jede Partei ab einem bestimmten Zeitpunkt zu einem vorbestimmten Preis eine Anmietung desselben durch den Verkäufer verlangen kann, so handelt es sich um einen Vorvertrag, weil bei der Auslegung einer solchen Vereinbarung der erkennbare übereinstimmende Wille beider Parteien dem Wortlaut des Vertrages und anderweitigen Interpretationen vorgeht248. c) Form des Mietvorvertrages Der Mietvorvertrag ist formfrei, selbst wenn der beabsichtigte Vertrag eine Laufzeit von mehr als ei- 113 nem Jahr haben soll. § 550 BGB gilt nur für den Mietvertrag249. Kommt ein Mietvertrag mangels Beachtung einer gesetzlichen oder vereinbarten Schriftform nicht zustande, kann er nicht in einen – formfreien – Vorvertrag umgedeutet werden250. d) Rechtsfolge des Mietvorvertrages Die Parteien des Mietvorvertrags sind verpflichtet, an der Beseitigung der dem Abschluss des Haupt- 114 vertrags entgegenstehenden Hindernisse mitzuwirken251. Dem Abschluss des Hauptvertrags steht we-

242 BGH v. 21.10.1992 – XII ZR 173/90, MDR 1993, 341 = ZMR 1993, 55. 243 BGH v. 26.3.1980 – VIII ZR 150/79, MDR 1980, 749 = NJW 1980, 1577; BGH v. 23.11.1972 – II ZR 126/70, WM 1973, 67; BGH v. 28.11.1962 – VIII ZR 142/61, ZMR 1963, 82. 244 BGH v. 26.3.1980 – VIII ZR 150/79NJW 1980, 1577 m.w.N. 245 LG Limburg v. 13.9.2013 – 3 S 70/13, WuM 2013, 663. 246 BGH v. 20.12.1972 – VIII ZR 238/71, WPM 1973, 238; BGH v. 23.11.1972 – II ZR 126/70, WPM 1973, 67; BGH v. 8.6.1962 – I ZR 6/61, NJW 1962, 1812. 247 Hanseatisches OLG Hamburg v. 6.6.2001 – 4 U 163/98, ZMR 2001, 889. 248 OLG Köln v. 15.9.1997 – 19 U 210/96, ZMR 1998, 283. 249 BGH v. 7.3.2007 – XII ZR 40/05, MDR 2007, 1010 = MietRB 2007, 196 = NJW 2007, 1817; BGH v. 26.3.1980 – VIII ZR 150/79, MDR 1980, 749 = NJW 1980, 1577; BGH v. 26.6.1970 – V ZR 97/69, NJW 1970, 1596; zweifelnd Wolf/Eckert/Ball, Rz. 90; Derleder/Pelegrino, NZM 1998, 550 (552). 250 BGH v. 16.4.1969 – VIII ZR 64/66, WM 1969, 919; Bub/Treier/Drettmann, II Rz. 261. 251 BGH v. 18.3.1981 – VIII ZR 66/80, WM 1981, 695.

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Vor § 535 Rz. 114 | VI. Rechtsgeschäfte im Anbahnungsstadium der eine zwischenzeitlich erfolgte anderweitige Vermietung noch der Umstand entgegen, dass der im Vorvertrag festgelegte Termin für den Mietbeginn verstrichen ist252. 115 Vor Abschluss des Hauptvertrags kann keine Partei die mietvertraglichen Leistungen einklagen253. Al-

lerdings kann aus dem Vorvertrag auf den Abschluss des Mietvertrags geklagt werden254. Der Kläger muss dann grundsätzlich das Vertragsangebot genau formulieren255, wobei er die seit dem Abschluss des Vorvertrags eingetretenen Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse berücksichtigen und die Bestimmungen des nunmehr abzuschließenden Hauptvertrags so festlegen muss, wie die Parteien sie bei Kenntnis der Veränderungen festgelegt hätten256. 116 Die Klage ist grundsätzlich auf Annahme dieses Angebotes zu richten257, so dass der Mietvertrag ge-

mäß § 894 ZPO mit der Rechtskraft des Urteils zustande kommt258. Lässt der Mietvorvertrag dem beklagten Vermieter einen erheblichen Spielraum, ist es ausnahmsweise zulässig, den Anspruch aus dem Mietvorvertrag im Wege der Feststellungsklage geltend zu machen, wenn ausreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Feststellungsverfahren zur Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt259. Seinen Leistungsanspruch kann der Mieter nicht durch einstweilige Verfügung sichern260, weil dies zu einem unvertretbaren wirtschaftlichen Schaden des Vermieters führen kann. 117 Befindet sich ein Vertragsteil mit seiner Hauptverpflichtung aus dem Vorvertrag im Verzug, kann der

andere Teil Schadensersatz verlangen. Der (potentielle) Mieter kann im Übrigen Schadensersatz statt der Leistung aus § 281 BGB beanspruchen, wenn für den Vermieter am Abschluss des Hauptvertrages kein Interesse mehr besteht. Andererseits kann er bei Erschütterung der Vertrauensgrundlage vom Vorvertrag gemäß § 323 BGB, der auch auf Vorverträge anwendbar ist261, zurücktreten262. Diese Voraussetzungen können schon gegeben sein, wenn der angebotene Hauptvertrag Bedingungen enthält, die wesentlich vom Vorvertrag abweichen, und ein unverbindlich bleibender Beginn des Mietverhältnisses angeboten wird263. Die Abweichungen müssen aber die berechtigten Interessen des (potentiellen) Mieters tangieren. Das ist z.B. im Hinblick auf einen unverbindlichen Vertragsbeginn der Fall, wenn der Vertrag die nahtlose Fortsetzung des Betriebes des Mieters an einem anderen Standort gewährleisten soll. Das Gleiche gilt für den Wohnraummieter, dessen bisheriger Mietvertrag ausläuft. 118 Die Unwirksamkeit oder die wirksame Anfechtung des Mietvertrags führt nicht zwingend zur Nich-

tigkeit auch des Vorvertrages. Vielmehr kommt es darauf an, ob der Anfechtungsgrund auch den Vorvertrag erfasst.

2. Vormietrecht 119 Das Vormietrecht ist gesetzlich nicht geregelt264. Seine Einräumung ist jedoch aufgrund der Vertrags-

freiheit zulässig. Nach allgemeiner Ansicht gelten die Vorschriften über den Vorkauf grundsätzlich entsprechend265. Deshalb kann selbst durch vom Mieter gestellten AGB das Vormietrecht ohne Verstoß gegen § 307 BGB in entsprechender Anwendung der Regeln über das Vorkaufrecht vereinbart werden266. Allerdings bestehen AGB-rechtlich Bedenken sowohl aus dem Gesichtspunkt des § 305c BGB (Überrumpelungseffekt) als auch nach § 307 BGB, soweit der Mieter als Verwender i.S.v. § 305 BGB 252 253 254 255 256 257 258 259 260 261 262 263 264 265 266

BGH v. 21.10.1992 – XII ZR 173/90, MDR 1993, 341 = ZMR 1993, 55. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 74 m.w.N. BGH v. 3.7.2002 – XII ZR 39/00, MDR 2002, 1362 = NJW 2002, 3016. OLG Köln v. 3.7.1991 – 2 U 169/90, MDR 1992, 613, DWW 1992, 210. BGH v. 8.6.1962 – I ZR 6/61, NJW 1962, 1812. BGH v. 3.7.2002 – XII ZR 39/00, MDR 2002, 1362 = NJW 2002, 3016. BGH v. 8.6.1962 – I ZR 6/61, NJW 1962, 1812. BGH v. 3.7.2002 – XII ZR 39/00, MDR 2002, 1362. OLG Celle v. 29.9.2008 – 2 W 199/08, MDR 2009, 135 = MietRB 2008, 362 = ZMR 2009, 113. Palandt/Grüneberg, § 323 BGB Rz. 3. Bub/Treier/Drettmann, II Rz. 281. OLG Koblenz v. 18.7.1997 – 10 U 1238/96, NZM 1998, 405 = NJW-RR 1998, 808. Vgl. auch Michalski, ZMR 1999, 1 ff. BGH v. 2.12.1970 – VIII ZR 77/69, NJW 1971, 422; MünchKomm/Häublein, § 535 BGB Rz. 20. OLG Stuttgart v. 7.11.2019 – 13 U 215/19, MDR 2020, 281.

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VI. Rechtsgeschäfte im Anbahnungsstadium | Rz. 125 Vor § 535

fungiert267, wenn das Vormietrecht „für jeden Fall der Neuvermietung“ gelten soll268. Denn in diesem Fall kommt ihm quasi dingliche Wirkung zu. a) Inhalt des Vormietrechts Bei der Vormiete wird dem Berechtigten durch schuldrechtlichen Vertrag die Befugnis eingeräumt, 120 durch einseitige, an den Verpflichteten gerichtete Erklärung mit diesem einen Mietvertrag zu denjenigen Bedingungen zu begründen, die dieser in einem Mietvertrag mit einem Dritten festgelegt hat269. Dabei tritt der Vormietberechtigte, der sein Recht ausübt, ebenso wie der Vorkäufer270 nicht in den Vertrag des Verpflichteten mit dem Dritten ein. Vielmehr kommt in entsprechender Anwendung von § 464 Abs. 2 BGB zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten ein neuer selbständiger Vertrag zu den Bedingungen zustande, die der Verpflichtete mit dem Dritten vereinbart hat271. Die Begründung eines Vormietrechtes hindert den Verpflichteten grundsätzlich nicht daran, nach Ab- 121 schluss des Vertrags mit dem Dritten den Inhalt dieser Vereinbarung zu ändern; derartige Änderungen sind sogar noch zulässig, wenn der Verpflichtete den ursprünglichen Vertragsinhalt dem Berechtigten gem. § 469 Abs. 1 S. 1 BGB mitgeteilt hat272. Auf die Vereinbarung, durch die ein Vormietrecht begründet wird, ist § 550 S. 1 BGB nicht anwend- 122 bar273, solange es nicht im schriftformbedürftigen Mietvertrag begründet wird. Innerhalb des Mietvertrages bildet ein Vormietrecht (jedenfalls für den Mieter) regelmäßig einen wesentlichen Vertragspunkt und kann gem. § 566 BGB auch gegenüber dem Grundstückserwerber wirken274. Bei gesonderter Vereinbarung ist § 550 BGB nicht einschlägig, weil das Vormietrecht kein über ein Jahr hinausgehendes Nutzungsrecht begründet. b) Auskunftsanspruch des Berechtigten Entsprechend § 469 BGB hat der Vermieter dem Berechtigten Auskunft über Inhalt und Nebenbedin- 123 gungen des Hauptvertrages zu erteilen275. Der Auskunftsanspruch des Vormietberechtigten besteht so lange, wie er nicht erfüllt ist oder der Berechtigte sein Vormietrecht nicht mehr ausüben will, wozu allerdings ein Erlassvertrag erforderlich ist276. Der Vermieter macht sich schadensersatzpflichtig, wenn er unrichtig oder unvollständig über die Be- 124 dingungen des Hauptvertrages informiert277. c) Ausübung des Vormietrechts Nach Auskunftserteilung kann der Berechtigte das Vormietrecht nur innerhalb der vertraglich fest- 125 gelegten Frist und in Ermangelung einer solchen in der Frist des § 469 Abs. 2 S. 1 BGB ausüben. Diese Frist beginnt mit dem Zugang der Mitteilung. Sie wird allerdings nicht in Lauf gesetzt, wenn der Verpflichtete nur den mit dem Dritten geschlossenen ursprünglichen Vertrag, nicht aber eine vor dieser Mitteilung erfolgte Vertragsänderung mitteilt278.

267 268 269 270 271 272 273 274 275 276 277 278

Leo/Kappus, NZM 2013, 665 f.; vgl. auch Borsutzki-Pasing in Hannemann/Wiegner, § 44 Rz. 80. LG Karlsruhe v. 7.5.2013 – 11 O 53/11, NZM 2013, 861. BGH v. 3.7.2002 – XII ZR 39/00, MDR 2002, 1362 = NJW 2002, 3016 (3019). BGH v. 25.9.1986 – II ZR 272/85, MDR 1987, 293 = NJW 1987, 890. BGH v. 3.7.2002 – XII ZR 39/00, MDR 2002, 1362 = NJW 2002, 3016; BGH v. 2.12.1970 – VIII ZR 77/69, NJW 1971, 422; Bub/Treier/Drettmann, II Rz. 329; MünchKomm/Häublein, § 535 BGB Rz. 20. BGH v. 23.5.1973 – VIII ZR 57/72, NJW 1973, 1365. Staudinger/Emmerich, Vor § 535 BGB Rz. 93; a.A. RGRK/Gelhaar, Vor § 535 BGB Rz. 306; Bub/Treier/Drettmann, II Rz. 333; Wolf/Eckert/Ball, Rz. 91 mit Hinweis auf BGH v. 2.12.1970 – VIII ZR 77/69, NJW 1971, 422 (423. BGH v. 2.12.1970 – VIII ZR 77/69, NJW 1971, 422. BGH v. 2.12.1970 – VIII ZR 77/69, NJW 1971, 422. BGH v. 3.7.2002 – XII ZR 39/00, MDR 2002, 1362 = ZMR 2002, 895. BGH v. 17.1.2003 – V ZR 137/02, MietRB 2004, 36 = ZMR 2003, 408 zum Vorkaufsrecht nach § 577 BGB. BGH v. 23.5.1973 – VIII ZR 57/72, NJW 1973, 1365.

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Vor § 535 Rz. 126 | VI. Rechtsgeschäfte im Anbahnungsstadium 126 Solange die Parteien nichts anderes vereinbart haben (§ 127 BGB), ist die Ausübung des Vormietrech-

tes entsprechend § 464 Abs. 1 S. 2 BGB an keine Form gebunden. Dies gilt selbst dann, wenn dadurch ein dem § 550 BGB unterliegender Vertrag begründet wird279. Die Gegenansicht280 verkennt, dass § 550 BGB auf den Mietvertrag anwendbar ist und nicht auf rechtsgestaltende Erklärungen, die sich auf ein Recht stützen, das in einem (formwirksamen) Vertrag begründet wurde. 126a Die Ausübung kann im Einzelfall treuwidrig sein, wenn z.B. feststeht, dass der Berechtigte außerstande

ist, die mit dem Vertrag verbundenen Pflichten zu erfüllen281. Voraussetzung dafür ist eine zweifelsfrei widersprüchliche Erklärung. Dafür reicht die Äußerung von Bedenken hinsichtlich des Umfangs seiner Pflichten nicht aus282. Ebenso wenig handelt der Mieter treuwidrig, wenn die vertragliche Bestimmung nicht klar ist und die unmögliche Leistung nur eine von mehreren Auslegungsvarianten zu dem Mietvertrag darstellt, in den er eintritt. Das ist der Fall, sofern die Ausübung des Vormietrechts zu einem Konkurrenzverhältnis zu einem zwischenzeitlich etablierten Gewerbe auf der Mietfläche führen kann283. d) Vereitelung des Vormietrechts 127 Da der Mietvertrag mit dem Dritten durch die Ausübung des Vormietrechts nicht unwirksam wird284,

besitzt der Dritte, wenn ihm der Vermieter die Mietsache überlässt, auch im Verhältnis zu dem sein Vormietrecht ausübenden Berechtigten rechtmäßig. Solange Vermieter und Dritter nicht in Schädigungsabsicht gehandelt haben, kann der Berechtigte nur Schadensersatzansprüche gegen den Vermieter geltend machen285.

3. Anmietrecht 128 Das Anmietrecht (auch Vorhand genannt286) bezeichnet die Verpflichtung des (künftigen) Vermieters,

das Mietobjekt, wenn er sich zu dessen Vermietung entschließen sollte, zuerst dem Anmietberechtigten anzubieten. Der Mietvertrag selbst kommt dadurch noch nicht zustande. Vielmehr setzt dies ein Angebot des Vermieters und dessen Annahme durch den Anmietberechtigten voraus. 129 Die Einräumung eines Anmietrechtes soll formlos zulässig sein287. Dem kann nur insoweit zugestimmt

werden, wie die Abrede nicht Gegenstand eines Mietvertrages ist, der der Schriftform nach § 550 BGB unterliegt. Denn dann ist das Anmietrecht eine wesentliche Vertragsabrede. 130 Soweit die Parteien keine anderen Abreden getroffen haben, ist der Vermieter hinsichtlich des Angebots-

inhalts frei288. Wegen des unbestimmten Inhaltes des künftigen Vermieterangebotes erscheint es bedenklich, in der vertraglichen Einräumung eines Anmietrechtes einen bedingten Vorvertrag zu sehen289.

279 BGH v. 2.12.1970 – VIII ZR 77/69, NJW 1971, 422; Wolf/Eckert/Ball, Rz. 91. 280 A.A. OLG Köln v. 29.11.2005 – 22 U 105/05, MDR 2006, 925 = NZM 2006, 464 m.w.N.; MünchKomm/Häublein, § 535 BGB Rz. 20. 281 BGH v. 4.3.1964 – VIII ZR 143/62, MDR 1964, 748; BGH v. 20.6.1962 – V ZR 157/60, MDR 1962, 974 m.w.N. 282 OLG Karlsruhe v. 17.5.1995 – 13 U 125/93, NJW-RR 1996, 916. 283 OLG Hamm v. 14.9.2016 – 30 U 9/16, MietRB 2017, 5 = ZMR 2016, 868 m. Anm. Burbulla, ZMR 2017, 42. 284 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 82. 285 Bub/Treier/Drettmann, II Rz. 337. 286 Vgl. Derleder/Pelegrino, NZM 1998, 550 (555). 287 Palandt/Weidenkaff, Vor § 535 BGB Rz. 10. 288 Palandt/Weidenkaff, Vor § 535 BGB Rz. 10. 289 So aber Staudinger/Emmerich, Vor § 535 BGB Rz. 98.

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VI. Rechtsgeschäfte im Anbahnungsstadium | Rz. 137 Vor § 535

4. Option Unter einer Mietoption wird allgemein die Abrede verstanden, durch einseitige Erklärung ein Mietver- 131 hältnis zustande zu bringen (Begründungsoption) oder zu verlängern (Verlängerungsoption). Sie unterscheidet sich vom Vorvertrag dadurch, dass sie keinen schuldrechtlichen Anspruch auf Abschluss des Hauptvertrages, sondern ein Gestaltungsrecht begründet und damit die vereinbarte Rechtsfolge in der Regel mit Zugang der Erklärung eintritt. Die Unterscheidung ist durch Auslegung zu ermitteln. a) Vereinbarung einer Option Anders als beim Vorvertrag ist bei der Option nur die andere Partei fest gebunden, während die Aus- 132 übung der Option im Belieben der begünstigten Partei steht290. Deshalb wird die Vereinbarung einer Option als ausreichend angesehen, die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. d PrKlG herbeizuführen, wenn der Mieter durch die Option die Möglichkeit erhält, (einseitig) den Vertrag auf (über) zehn Jahre zu verlängern. Inhaltlich ist nach der Begründungs- und der Verlängerungsoption zu differenzieren.

133

aa) Begründungsoption Mit der Begründungsoption führt der Begünstigte einen (neuen) Mietvertrag herbei oder erweitert ei- 134 nen Bestehenden. Die Erweiterung kann in der entgeltlichen Einbeziehung weiterer Flächen bestehen, aber auch in der Geltung zusätzlicher Rechte (z.B. sog. Mehrbelastungsklauseln bei Betriebskosten). Die vertragliche Ausgestaltung ist unterschiedlich. Insoweit kommen mannigfaltige Möglichkeiten in Betracht. Denn neben der Regelung eines Gestaltungsrechts ist streng genommen selbst die Annahme eines langfristigen Angebots des Vermieters zu einem beliebigen Zeitpunkt als Optionsausübung anzusehen291. Es ist umstritten, ob die Vereinbarung einer Begründungsoption den Anforderungen der Schriftform 135 des § 550 S. 1 BGB unterliegt292. Die Frage ist zu bejahen. Zwar bindet die Optionsvereinbarung als solche den künftigen Grundstückserwerber nicht. Jedoch tritt der Grundstückserwerber in einen vor dem Erwerb durch Optionsabrede plus Optionsausübung begründeten Mietvertrag beim Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 566 BGB ein. Haben die Parteien keine anderen Vereinbarungen getroffen, ist die Ausübung der Option formlos 135a möglich293. Der Inhalt des neuen oder erweiterten Vertrages richtet sich zunächst nach den Vereinbarungen der Parteien. Ansonsten ist bei der erstmaligen Begründung eines Mietvertrages durch Auslegung zu ermitteln, ob eine der Parteien (§ 315 BGB) oder ein Dritter (§ 317 BGB) marktübliche Bedingungen, die von den §§ 535 ff. BGB abweichen sollen, stellen darf. Wird ein bestehender Mietvertrag erweitert, gelten im Zweifel die Bedingungen des bisherigen Vertrages. bb) Verlängerungsoption Durch die Verlängerungsoption verändert der Begünstigte durch einseitiges Rechtsgeschäft (bloß) die 136 Mietzeit vor deren Ablauf zu seinen Gunsten294. Dadurch entsteht kein neuer Vertrag, sondern der bestehende Vertrag wird verlängert. Die Verlängerungsoption muss, soweit vertraglich nichts anderes festgelegt worden ist, vor Ablauf des 137 zur Verlängerung anstehenden Mietvertrags ausgeübt werden295, wofür i.d.R. Ausübungsfristen ge-

290 Bub/Treier/Drettmann, II Rz. 416. 291 Staudinger/Emmerich, Vor § 535 BGB Rz. 100. 292 Bejahend: Schmidt-Futterer/Blank, vor § 535 BGB Rz. 123; MünchKomm/Häublein, § 535 BGB Rz. 26; Palandt/Weidenkaff, Vor § 535 Rz. 3; verneinend: Bub/Treier/Drettmann, II Rz. 424. 293 Schmidt-Futterer/Blank, vor § 535 BGB Rz. 123. 294 MünchKomm/Häublein, § 535 BGB Rz. 24. 295 RG v. 11.6.1920 – III 9/20, RGZ 99, 154 f.; OLG Köln v. 27.2.1996 – 22 U 132/95, ZMR 1996, 433.

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Vor § 535 Rz. 137 | VI. Rechtsgeschäfte im Anbahnungsstadium regelt sind. Ein Vertragspassus, wonach dem Mieter nach Ablauf des Vertrags eine Verlängerungsoption zusteht, beinhaltet in aller Regel davon keine Ausnahme296. 138 Sieht der Mietvertrag eine Automatik vor, so dass der Mieter widersprechen/kündigen muss, um den

Eintritt der Verlängerung zu vermeiden, sollen sich AGB-rechtliche Bedenken ergeben. Zum einen kann die Automatik als außergewöhnlich angesehen werden, so dass § 305c Abs. 1 BGB gilt297. Zum anderen können sich wegen der fingierten Erklärung auch Bedenken aus § 308 Nr. 5 BGB ergeben298. Dabei wird jedoch übersehen, dass es sich tatsächlich nicht um eine Optionsausübung handelt, sondern eine besondere Form der Vertragsverlängerung299. Selbst wenn in der Klausel das Wort „Option“ verwendet ist, findet durch Unterbleiben der Beendigungserklärung eine Fortsetzung des Mietvertrages statt300. Deshalb werden derartige Klauseln als üblich und zulässig angesehen301 und nicht beanstandet302. Unabhängig davon werden in der Praxis regelmäßig Individualvereinbarungen zur Option geschlossen. Immerhin verlangt der Mieter zumeist eine bestimmte Anzahl von Verlängerungen und ist der Vermieter regelmäßig nur bereit, eine geringere Verlängerungsmöglichkeit zu gewähren. 138a Ist im Mietvertrag neben einer Verlängerungsoption festgelegt, dass sich die vereinbarte Vertragsdauer

automatisch um eine bestimmte Zeit verlängert, wenn keine Partei zuvor binnen bestimmter Frist kündigt, verlängert sich mit Ablauf der Frist der bestehende Mietvertrag. Wird dem Mieter daneben eine Verlängerungsoption eingeräumt, ohne dass dafür eine Ausübungsfrist bestimmt ist, muss das Optionsrecht unverzüglich nach Kündigungszugang, jedoch nicht vor Ablauf der Kündigungsfrist ausgeübt werden303. Denn mit Beendigung des Mietvertrages endet das Optionsrecht. 139 Hat der Vermieter in einem Formularmietvertrag über Gewerberäume dem Mieter ein Optionsrecht

auf Vertragsverlängerung eingeräumt, darf dieses Recht nicht durch weitere vorformulierte Vertragsbestimmungen ausgehöhlt werden. Eine Klausel, nach der der Vermieter bei Ausübung der Option die Vereinbarung neuer Vertragsbedingungen (z.B. Anpassung der Miete) verlangen kann, sowie die Bestimmung, dass das Recht auf Vertragsverlängerung erlischt, wenn die Parteien keine Einigung über die vom Vermieter verlangten Vertragsänderungen erzielen, ist mit § 307 BGB nicht vereinbar304. b) Abgabe der Optionserklärung 140 Das Optionsrecht ist ein Gestaltungsrecht305. Es wird durch eine einseitige empfangsbedürftige Wil-

lenserklärung von allen Begünstigten gegenüber dem Vertragspartner ausgeübt. Das ist der Zwangsverwalter, wenn im Zeitpunkt der Ausübung eine Zwangsverwaltung wirksam angeordnet ist306. Wurde das Objekt i.S.v. § 566 BGB veräußert, muss der Erwerber die Ausübung einer Option solange gegen sich gelten lassen, wie der Mieter keine Kenntnis vom Vermieterwechsel hat307. Denn aufgrund seiner weiten Fassung ist § 407 BGB auf jede Art von Rechtshandlungen, mithin auch die Ausübung einer Verlängerungsoption, anwendbar.

296 297 298 299 300 301 302 303 304 305 306 307

BGH v. 14.7.1982 – VIII ZR 196/81, MDR 1983, 126 = NJW 1982, 2770. Schneehain/Stütze, NZM 2010, 881 (882). Schneehain/Stütze, NZM 2010, 881 (883). BGH v. 14.10.2015 – XII ZR 84/14, MietRB 2015, 356 = MDR 2015, 1411 = WuM 2015, 721 = NZM 2015, 861 = ZMR 2016, 106; zu einer solchen Klausel vgl. auch BGH v. 29.4.2002 – II ZR 330/00, MDR 2002, 1199 = NZM 2002, 604. BGH v. 14.10.2015 – XII ZR 84/14, MietRB 2015, 356 = MDR 2015, 1411 = WuM 2015, 721 = NZM 2015, 861 = ZMR 2016, 106. OLG Rostock v. 8.10.2009 – 3 U 137/08, MietRB 2010, 196 ZMR 2010, 682; OLG Hamm v. 26.10.2005 – 30 U 121/05, MietRB 2006, 122. BGH v. 14.10.2015 – XII ZR 84/14, MietRB 2015, 356 = MDR 2015, 1411 = WuM 2015, 721 = NZM 2015, 861 = ZMR 2016, 106. BGH v. 20.3.1985 – VIII ZR 64/84, MDR 1985, 754 = NJW 1985, 2581. Hanseatisches OLG Hamburg v. 28.3.1990 – 4 U 13/90, ZMR 1990, 273 = NJW-RR 1990, 1488 = DWW 1990, 176. BGH v. 25.2.1985 – VIII ZR 116/84, MDR 1985, 574 = NJW 1985, 2481. BGH v. 21.11.2018 – XII ZR 78/17, MietRB 2019, 75 = MDR 2019, 151 = ZMR 2019, 333. BGH v. 28.11.2001 – XII ZR 197/99, BGHReport 2002, 361 = NZM 2002, 291.

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VI. Rechtsgeschäfte im Anbahnungsstadium | Rz. 144 Vor § 535

Haben die Parteien keine Form für die Optionserklärung vereinbart, kann sie auch schlüssig erfolgen, 141 insbesondere auch per Telefax308. Dafür reicht aber die bloße Weiterzahlung der Miete über die ursprünglich vereinbarte Vertragszeit hinaus nicht aus309. Vielmehr ist ein Verhalten erforderlich, aus dem der auf Verlängerung des Mietvertrages um die Optionszeit gerichtete Erklärungswille hervorgeht. Das kann z.B. angenommen werden, wenn die Ausübung der Option mit einer Mieterhöhung verbunden ist und der Mieter mit Beginn der Optionszeit die höhere Miete zahlt. Insoweit ist aber zu prüfen, ob eine Ausübungsfrist für die Option vereinbart wurde. Haben die Parteien die schriftliche Ausübung vereinbart, kann der Berechtigte die Option unter den 142 Voraussetzungen des § 127 BGB, also insbesondere per Telefax übermitteln310. § 550 BGB ist weder direkt noch analog anwendbar311. Denn er gilt nur für die Begründung der Option im Mietvertrag. Auch der Schutz des Erwerbers zwingt nicht zu einer anderen Sichtweise. Denn haben die Parteien für die Ausübung der Option keine Form vereinbart, muss er sich auch auf die Erklärung der (bisherigen) Vertragsparteien verlassen, dass die Option ausgeübt wurde. Ein eigenes Prüfungsrecht des Erwerbers besteht nicht und zwingt vor allem nicht, von § 127 BGB abzuweichen. Demnach ist auch eine nicht unterschriebene Erklärung nach § 127 Abs. 2 BGB wirksam, wenn sich aus der Erklärung unzweideutig ergibt, von wem sie abgegeben wurde312. Letzteres kann schon durch Verwendung des eigenen Briefbogens und des gedruckten Namenszugs des Mieters am Ende der Erklärung erreicht werden313. Soll nach dem Vertrag die Ausübung einer Verlängerungsoption per Einschreiben erfolgen, so hat le- 143 diglich die Schriftform konstitutive Bedeutung, die Übermittlungsform dagegen nur Beweisfunktion314. Wird das Formerfordernis für die Ausübung eines Optionsrechts zwischen den Parteien formlos aufgehoben, wird ein Schriftformmangel begründet315. Denn der durch § 550 BGB geschützte potentielle Grundstückserwerber muss davon ausgehen können, dass eine einseitige Verlängerung des Mietvertrages den Zugang einer entsprechenden schriftlichen Optionserklärung voraussetzt. Nur auf diese Weise wird für den Grundstückserwerber der langfristige Fortbestand des Mietverhältnisses über das Ende der ursprünglich vereinbarten Vertragsdauer hinaus dokumentiert. c) Ausübungsfrist Ist eine Optionsfrist vertraglich nicht festgelegt, ist zu prüfen, ob sich eine solche durch (ergänzende) 144 Vertragsauslegung ergibt316. Dabei kann regelmäßig, da dadurch ein Interesse der Mietvertragsparteien an rechtzeitiger Klarstellung zum Ausdruck kommt, an vereinbarte Kündigungs- oder Widerspruchsfristen angeknüpft werden317. Ein Anknüpfen an die gesetzlichen Kündigungsfristen dürfte indes ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht zulässig sein318, vielmehr kann dann der Mieter bis

308 KG v. 23.10.2017 – 8 U 91/17, GE 2017, 1468. 309 OLG Celle v. 12.3.2014 – 7 U 164/13 (L), MietRB 2014, 263 = IMR 2014, 333. 310 Bub/Treier/Drettmann, II Rz. 437; MünchKomm/Häublein, § 535 BGB Rz. 27; Zöll in Lindner-Figura u.a., Kap. 9 Rz. 26 m.w.N. 311 BGH v. 5.2.2014 – XII ZR 65/13, MDR 2014, 582 = MietRB 2014, 132 = ZMR 2014, 530 = GE 2014, 455 (Rz. 28); BGH v. 24.7.2013 – XII ZR 104/12, MDR 2013, 1211 = MietRB 2013, 318 = NJW 2013, 3361 Rz. 25; Bub/Treier/Drettmann, II Rz. 436; a.A. für die Option zur Verlängerung der Mietzeit um mehr als ein Jahr: KG v. 2.5.2013 – 8 U 130/12, MDR 2013, 963 = MietRB 2013, 235 = GE 2013, 808 = ZMR 2013, 702; OLG Düsseldorf v. 22.1.2013 – 24 U 97/12, MietRB 2013, 262 = ZMR 2013, 43; OLG Köln v. 29.11.2005 – 22 U 105/05, MDR 2006, 925; OLG Frankfurt v. 20.5.1998 – 23 U 121/97, NZM 1998, 1006. 312 Vgl. BGH v. 22.2.1996 – IV ZR 297/94, NJW-RR 1996, 641; BGH v. 24.11.1998 – XI ZR 227/97, NJW-RR 1999, 697; OLG Hamm v. 24.9.2015 – 27 W 104/15, DStR 2016, 487. 313 OLG Dresden v. 22.2.2017 – 5 U 961/16, MietRB 2017, 160 = ZMR 2017, 465 = NZM 2017, 442. 314 OLG Hamm v. 4.11.1994 – 30 U 185/94, ZMR 1995, 248. 315 OLG Celle v. 23.4.1997 – 2 U 106/96, ZMR 1998, 339. 316 BGH v. 20.3.1985 – VIII ZR 64/84, MDR 1985, 754 = NJW 1985, 2581. 317 BGH v. 20.3.1985 – VIII ZR 64/84, MDR 1985, 754 = NJW 1985, 2581; OLG Düsseldorf v. 7.11.1991 – 10 U 33/91, MDR 1992, 671, ZMR 1992, 51; OLG Düsseldorf v. 25.10.1971 – 10 U 40/71, NJW 1972, 1674. 318 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 773.

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Vor § 535 Rz. 144 | VI. Rechtsgeschäfte im Anbahnungsstadium zum letzten Tag der ursprünglichen Vertragszeit optieren. In jedem Fall gilt § 193 BGB für die Fristberechnung319. 145 Das dem Mieter eingeräumte Optionsrecht erlischt grundsätzlich mit Ablauf der Ausübungsfrist, spä-

testens aber mit Ablauf der ggfs. um eine Optionszeit verlängerten Vertragsdauer320. Der Mieter verliert sein Recht auf Ausübung der Verlängerungsoption dadurch, dass er eine (von mehreren) Optionen nicht oder verspätet und damit unwirksam ausübt321 (§ 542 BGB Rz. 32 f.). Damit greift eine ggf. im Vertrag enthaltene Klausel, wonach sich das Mietverhältnis automatisch um jeweils eine bestimmte Zeit (z.B. ein Jahr) verlängert. Der zwischenzeitliche Nichtgebrauch einer Option bringt die Optionsrechte insgesamt zum Erlöschen. Ein anderes Verständnis, also insbesondere eine Ausübung der Optionen nach Belieben des Mieters, ist nicht interessengerecht, weil es die Vermieterseite einseitig benachteiligt322. Die Optionsklausel hat wirtschaftlich den Sinn, dem Mieter die Möglichkeit einer angemessenen Amortisation seiner erheblichen Investitionen dadurch zu geben, dass er eine genügend lange Mietdauer durch Ausübung der Optionen herbeiführen kann. Der Vermieter hat andererseits ein berechtigtes Interesse daran, eine längerfristige Planungssicherheit über die weitere Verwertungsmöglichkeit der Mietsache zu erhalten. Dieses Interesse würde nicht berücksichtigt, wenn der Mieter zunächst die automatische Verlängerungsklausel anlaufen ließe und die für ihn durch fristgemäße Kündigung des Vermieters, die nach dem Mietvertrag zwölf Monate vor dem Ende der Laufzeit ausgesprochen werden musste, erkennbare Beendigungsabsicht durch Ausübung der Option durchkreuzen könnte. Hierbei könnte der Mieter die Gesamtdauer gegen den Willen des Vermieters in unbestimmbarer Länge herbeiführen. 146 Ist die Ausübungsfrist abgelaufen, können die Parteien nicht durch formlose Einigung die Option

neu begründen. Vielmehr ist dafür die Einhaltung der Schriftform (§ 550 BGB) erforderlich, da ansonsten gemäß § 550 S. 2 BGB ein Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit besteht323. d) Rechtsfolge der Optionsausübung 147 Bei Ausübung einer Verlängerungsoption, deren Begründung der Schriftform unterliegt324, entsteht

kein neues Mietverhältnis. Vielmehr wird mit der gestaltenden Optionserklärung der bestehende Mietvertrag um die Optionszeit verlängert325. Nichts Anderes gilt, wenn die Option dazu dient, die Mietfläche zu erweitern. 148 Ist die Verlängerungszeit in der Optionsvereinbarung nicht festgelegt, ist im Anwendungsbereich des

§ 550 BGB im Zweifel von einem Vertrag auf unbestimmte Zeit mit frühestmöglicher Kündigung zum Ablauf des ersten Verlängerungsjahres auszugehen326. Soll im Falle einer Optionsausübung über die Miete neu verhandelt werden, kann der Vermieter nach Ablehnung seines Preisangebots gemäß §§ 315, 316 BGB verfahren327. 149 Ist für den Fall der Optionsausübung über die dann maßgebliche Miete nichts geregelt, so bleibt es

auch in der Folgezeit bei der bisherigen Miete328.

319 Ähnlich für Verlängerungswiderspruch: OLG Dresden v. 8.11.2013 – 5 U 1101/13, MDR 2014, 80 = GuT 2013, 211; ebenso BGH v. 16.10.1974 – VIII ZR 74/73, NJW 1975, 40; OLG Düsseldorf v. 29.7.1993, 10 U 253/92, MDR 1993, 1077 = ZMR 1993, 521. 320 BGH v. 14.7.1982 – VIII ZR 196/81, MDR 1983, 126 = NJW 1982, 2770; OLG Celle v. 12.3.2014 – 7 U 164/ 13, MietRB 2014, 263 = ZMR 2014, 782 = IMR 2014, 333. 321 OLG Celle v. 12.3.2014 – 7 U 164/13, MietRB 2014, 263 = ZMR 2014, 782 = IMR 2014, 333; OLG Düsseldorf v. 6.9.2007 – 10 U 25/07, MietRB 2008, 329 = ZMR 2008, 785; Hanseatisches OLG Hamburg v. 23.6.1997 – 4 U 82/96, NZM 1998, 333 m.w.N. 322 OLG Düsseldorf v. 6.9.2007 – 10 U 25/07, MietRB 2008, 329 = ZMR 2008, 785. 323 Hanseatisches OLG Hamburg v. 23.6.1997 – 4 U 82/96, WM 1998, 16 = GE 1998, 427 = NJW-RR 1998, 807 = NZM 1998, 333. 324 BGH v. 24.6.1987 – VIII ZR 225/86, MDR 1988, 45 = ZMR 1987, 414. 325 BGH v. 29.4.2002 – II ZR 330/00, MDR 2002, 1199, NZM 2002, 604. 326 BGH v. 24.6.1987 – VIII ZR 225/86, MDR 1988, 45 = ZMR 1987, 414. 327 OLG Düsseldorf v. 2.5.2002 – 10 U 170/00, DWW 2002, 204. 328 OLG Düsseldorf v. 23.2.1995 – 10 U 77/94, MDR 1995, 794 = ZMR 1995, 347.

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VII. Anwendung allgemeiner Vorschriften auf den Mietvertrag | Rz. 151 Vor § 535

Durch die Einräumung wiederholt ausübbarer Verlängerungsoptionen kann das für beide Parteien sich 150 aus § 544 BGB ergebende Recht, das Mietverhältnis nach 30 Jahren unter Einhaltung der gesetzlichen Frist (§§ 573c, 580a BGB) zu kündigen, nicht ausgehöhlt werden329. Ein auf künftige Räumung lautendes rechtskräftiges Urteil hindert den Mieter, falls die Optionsfrist noch nicht abgelaufen ist, nicht daran, die Verlängerungsoption auszuüben und seine Rechte durch Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO geltend zu machen330.

5. Vorläufiges Mietverhältnis Wurden die Mieträume ohne (endgültigen) Vertrag überlassen, während die Parteien z.B. Vertragsver- 150a handlungen führen, wird regelmäßig ein vorläufiges Mietverhältnis angenommen331. Dies kann auch konkludent zustande kommen. Letzteres ist insbesondere der Fall, wenn das Mietobjekt vorzeitig übergeben und genutzt332 wird und angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung für beide Parteien es nahe liegt, dass die Überlassung nicht ohne vertragliche Bindung erfolgen wollte333. Hat bereits ein Mietvertrag bestanden und verhandeln die Parteien über dessen Verlängerung, wird vom Bestehen eines Überbrückungsvertrages ausgegangen, ohne dass sich ein qualitativer Unterschied ergibt334. Die Annahme dieser Rechtsverhältnisse soll sich daraus rechtfertigen, dass derjenige, der durch den Austausch von Leistungen in dauernde Beziehung zu anderen tritt, nach der Lebenserfahrung nicht in einem vertragslosen Zustand handeln will, in dem allein die §§ 812 ff. BGB gelten sollen. Für das Zustandekommen des vorläufigen (mündlichen bzw. konkludenten) Mietvertrags reicht es aus, dass sich die Parteien über die erforderlichen Punkte des vorläufigen Vertrags (Parteien, Mietobjekt, Zweck der Gebrauchsüberlassung, Miethöhe und evtl. noch Kaution) einig waren und davon ausgingen, dass sich an dieses Rechtsverhältnis der beabsichtigte langjährige Vertrag anschließen würde335. Das ist nicht anzunehmen, wenn das Zustandekommen des Mietvertrages während der Verhandlungen durchgehend von der Schriftform abhängig gemacht wird336. Scheitern die Verhandlungen kann der vorläufige Mietvertrag ohne Angabe von Gründen mit der gesetzlichen Frist gekündigt werden und wird dem Vermieter die vertraglich ins Auge gefasste Miete zugesprochen337, selbst wenn es sich um einen Wohnraummietvertrag handelt338. U.U. kommt auch eine Befristung in Betracht. Das kann etwa der Fall sein, wenn eine kürzere als die gesetzliche Kündigungsfrist als Nutzungszeit von den Parteien ins Auge gefasst wurde339.

VII. Anwendung allgemeiner Vorschriften auf den Mietvertrag 1. Auslegung von Mietverträgen a) Auslegung von Willenserklärungen und Vertragsklauseln, §§ 133, 157 BGB Die Auslegung dient der Ermittlung des Inhalts eines Mietvertrages, sofern sich Unklarheiten durch 151 Formulierungen oder lückenhafte Regelungen ergeben. Sie folgt auch im Mietrecht den allgemeinen Grundsätzen, die allerdings nicht bestimmen, dass Mietverträge gegen den Vermieter auszulegen sind340.

329 MünchKomm/Häublein, § 535 BGB Rz. 28. 330 BGH v. 25.2.1985 – VIII ZR 116/84, MDR 1985, 574 = NJW 1985, 2481. 331 BGH v. 15.6.2005 – XII ZR 82/02, MietRB 2005, 284 = MDR 2005, 1398 = ZMR 2005, 777 = NZM 2005, 704; Hanseatisches OLG Hamburg v. 14.11.2001 – 4 U 34/01, WuM 2003, 84 = ZMR 2003, 179 (180). 332 Hanseatisches OLG Hamburg v. 14.11.2014 – 4 U 107/13, ZMR 2015, 291 (292). 333 OLG Karlsruhe v. 26.7.2012 – 9 U 18/12, MietRB 2013, 74 = ZMR 2013, 339. 334 OLG Karlsruhe v. 17.10.1990 – 13 U 152/89, WuM 1991, 81. 335 OLG Karlsruhe v. 21.5.2012 – 9 U 18/12, MDR 2012, 1401 = WuM 2012, 666. 336 OLG Düsseldorf v. 26.1.2016 – 24 U 58/15, DWW 2016, 379 = MietRB 2016, 349. 337 Hanseatisches OLG Hamburg v. 14.11.2001 – 4 U 34/01, WuM 2003, 84 = ZMR 2003, 179 (180). 338 Schmidt-Futterer/Blank, Vor § 535 BGB Rz. 15. 339 OLG Düsseldorf v. 26.1.2016 – 24 U 58/15, MietRB 2016, 349, DWW 2016, 379 (382). 340 OLG Hamm v. 17.8.1982 – 4 REMiet 1/82, MDR 1983, 56 = NJW 1982, 2876.

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Vor § 535 Rz. 152 | VII. Anwendung allgemeiner Vorschriften auf den Mietvertrag 152 Auslegungsgegenstand sind (schlüssige) Willenserklärungen und vertragliche Regelungen. Bei ihnen

können Unklarheiten durch mehrdeutige, unverständliche und widersprüchliche Äußerungen und Bestimmungen entstehen. Mithilfe der Auslegung wird in diesen Fällen der Vertragsinhalt präzisiert, indem auf eine eindeutige Verständnismöglichkeit hingewirkt wird oder Widersprüche aufgelöst werden. Andererseits setzt auch die Feststellung, dass eine Willenserklärung eindeutig ist, bereits eine Auslegung voraus341. Zur Auslegung im Einzelfall folgende Beispiele: – vorbehaltene Schadensersatz-/Minderungsansprüche342, – „Sie können Ihre Klamotten nehmen und gehen“343. aa) Auslegungshilfen 153 Zur Ermittlung des Inhalts der Willenserklärung oder vertraglichen Bestimmung bedient sich die

Rechtsprechung verschiedener Auslegungshilfen und untersucht zunächst die Entstehungsgeschichte (historische Auslegung)344. Dabei wird untersucht, inwieweit sich aus dem Zustandekommen des Vertrages Schlüsse auf die Bedeutung von Formulierungen ziehen lassen. Haben z.B. die Erwerber eines Mietobjektes im Laufe der Vertragsverhandlungen die persönliche Haftung eines der Garantiegeber verlangt, ist die Zusicherung bestimmter Mieteinnahmen als Garantieversprechen anzusehen, weil das Verhandlungsziel der Garantienehmer demnach auf eine umfassende Sicherung der Mietvertragsrisiken gerichtet gewesen sei345. 154 Als weitere Auslegungshilfe können unbefangene Äußerungen der Parteien über den Inhalt und Zweck

des Vertrages (sog. Selbstinterpretation) herangezogen werden. Lässt sich z.B. aus einem Mietvertrag nicht die Sollbeschaffenheit zur Bestimmung eines Mangels entnehmen, kann auf Erklärungen des Vermieters („der Keller ist trocken“ bei einer Altbauwohnung) zu deren Bestimmung abgestellt werden346. 155 Auch die Kenntnis des Erklärungsempfängers347 von der Bedeutung der Willenserklärung ist relevant.

Betont der Vermieter z.B., der ursprüngliche Vertrag mit mehreren Mietern behalte seine Gültigkeit, kann der spätere Vertrag mit nur einem Mieter nicht als Parteiwechsel, sondern allein als Schuldbeitritt gewertet werden348. 156 Besonders bedeutsam ist das tatsächliche Verhalten der Parteien in unbefangener Zeit. Haben die Par-

teien etwa „Vorauszahlungspauschalen“ für Betriebskosten vereinbart, nachfolgend aber mehrere Jahre Betriebskostenabrechnungen erteilt und anstandslos ausgeglichen, legt dies nahe, dass sie mit dem Begriff Vorauszahlungen i.S.v. § 556 Abs. 3 BGB vereinbaren wollten.

157 Auch aus der Abwicklung anderer (bereits bestehender) Mietverträge349 können Rückschlüsse auf

die Bedeutung oder den Umfang von Vertragsabreden gezogen werden. Steht z.B. im Mietvertrag nichts über eine (Mit-)Benutzung des Gartens, ist aber den anderen Mietern des Hauses die Gartennutzung auch ohne Erwähnung im Vertrag erlaubt, wird dieses Recht auch dem Mieter zustehen. 158 Mit der teleologischen Auslegung wird der erkennbar verfolgte Zweck ermittelt und in den Mittelpunkt

der Überlegungen gestellt350. Über diese Hilfe wird z.B. ermittelt, dass die Miete auch dann neu zu bestimmen ist, wenn sich der Vertrag ohne Ausübung der Option mangels Kündigung fortsetzt, weil der Mietvertrag für den Fall der Ausübung einer Option die Neufestsetzung der Miete regelt351.

341 342 343 344 345 346 347 348 349 350 351

BGH v. 23.4.1997 – VIII ZR 212/96, MDR 1997, 721 = NJW 1997, 1845 (1846). OLG Hamm v. 17.9.2015 – 18 U 19/15, MietRB 2016, 38 = ZMR 2016, 198. AG Gelsenkirchen v. 29.11.2016 – 210 C 398/16, ZMR 2017, 981. Grundlegend: BGH v. 23.2.1987 – II ZR 183/86, MDR 1987, 738 = NJW 1987, 2437. BGH v. 13.3.2003 – IX ZR 199/00, MDR 2003, 736 = ZMR 2003, 481 = MietRB 2003, 99. LG Mannheim v. 8.4.1998 – 4 S 158/97, WuM 1998, 663. BGH v. 24.6.1988 – V ZR 49/87, MDR 1988, 1043 = NJW 1988, 2878. OLG Düsseldorf v. 15.11.2001 – 10 U 98/00, ZMR 2002, 510 (511). BGH v. 21.12.1954 – I ZR 13/54, NJW 1955, 587. BGH v. 30.6.1993 – XII ZR 161/91, MDR 1993, 972 = NJW-RR 1993, 1159 (1160). BGH v. 2.10.1991 – XII ZR 88/90, WuM 1992, 312 (313).

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VII. Anwendung allgemeiner Vorschriften auf den Mietvertrag | Rz. 164 Vor § 535

Daneben kann es auf die sog. Begleitumstände352 ankommen, aus denen Rückschlüsse auf die Bedeu- 159 tung einer Klausel oder Erklärung gezogen werden können. Enthält z.B. die Kautionsabrechnung eine Erklärung des Vermieters zur Endgültigkeit dieser Abrechnung, ergibt die Auslegung einen Forderungserlass durch den Vermieter353. Ein weiteres Beispiel bildet der Fall, dass der Mieter ohne Rücksicht auf den weiter bestehenden Mietvertrag endgültig ausgezogen ist, keine Miete mehr zahlt und vom Vermieter daraufhin das Mietobjekt zu einem niedrigeren Mietzins weitervermietet wird. Hier kann die Auslegung des Parteiverhaltens ergeben, dass sich der Vermieter trotz Fehlens einer Verpflichtung damit einverstanden erklärt hat, dass der neue Mietvertrag an die Stelle des alten trat und der ursprüngliche Mieter aus der Haftung entlassen wurde354. Ein solches Einverständnis ist aber dann nicht anzunehmen, wenn der Vermieter im Wege der Neuvermietung lediglich versucht, den Schaden gering zu halten. Gegen ein solches Einverständnis spricht auch, dass die Gründe, die den Mieter veranlasst haben, den Mietgebrauch aufzuheben und die Mietzahlungen einzustellen, ausschließlich in seiner Person lagen, so dass der Vermieter keinerlei Veranlassung hatte, das Bonitätsrisiko hinsichtlich des Nachmieters auf sich zu nehmen. bb) Auslegungsmethoden Die Auslegungshilfen können kumulativ oder auch nur einzeln angewendet werden. Die danach präzi- 160 sierte Erklärung kann nach unterschiedlichen Methoden ausgelegt werden. (1) Natürliche Auslegung Danach wird der wirkliche, innere Wille des Erklärenden erforscht, indem allein seinen Erfolgsinteres- 161 sen Rechnung getragen wird. Diese Auslegungsmethode kommt im Mietrecht nur zum Tragen, wenn der Erklärungsempfänger ausnahmsweise nicht schutzbedürftig ist, was bereits der Fall sein kann, wenn er erkannt hat oder hätte erkennen können, was der Erklärende gemeint hat. Enthält der Mietvertrag z.B. die Regelung, dass der Mieter die Schönheitsreparaturen bei „Übergabe“ schuldet, wobei die Renovierung, sollte sie nicht zu Beginn des Mietvertrages ausgeführt worden sein, spätestens bis zur Beendigung nachzuholen ist, handelt es sich dabei nicht um eine gegenstandslose Klausel, weil die Mieträume zu Beginn des Vertrages renoviert übergeben wurden355. Vielmehr unterliegt die „Übergabe“ mangels Eindeutigkeit der Auslegung und ist aus dem Zusammenhang heraus als „Rückgabe“ zu verstehen. (2) Normative Auslegung Diese Auslegungsmethode orientiert sich am Empfängerhorizont. Aus seiner Sicht wird ermittelt, wie 162 er die Äußerung unter Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste und durfte. Nach dieser Methode kann die Klausel „Die Kosten der Schönheitsreparaturen trägt der Mieter“ nicht 163 allein am Wortlaut verhaftet ausgelegt werden, sondern es ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Überbürdung von Schönheitsreparaturen auf den Mieter mittlerweile zur Verkehrssitte geworden ist, so dass mit ihr eine wirksame Überbürdung der Ausführung herbeigeführt werden kann356. Gleiches gilt, wenn in einem Gewerberaummietvertrag die Umlage der Betriebskosten dadurch vereinbart wird, dass die Kosten im Einzelnen entsprechend den Begriffen des § 2 BetrKV aufgelistet werden. Insoweit ergibt die Auslegung, dass der Begriff wie im Wohnraummietrecht (§ 1 BetrKV) auszulegen ist357. Diese vorrangig anzuwendende Methode orientiert sich an verschiedenen Auslegungsgrundsätzen, 164 wonach

BVerfG v. 29.4.1998 – 2 BvR 2939/93 WuM 1998, 399 (400). OLG Düsseldorf v. 26.4.2001 – 24 U 133/00, WuM 2001, 439. OLG Düsseldorf v. 23.10.1997 – 10 U 39/97, WuM 1998, 483. BVerfG v. 29.4.1998 – 2 BvR 2939/93, WuM 1998, 399 (400). BGH v. 14.7.2004 – VIII ZR 339/03, WuM 2004, 529 = NZM 2004, 734; a.A. LG Düsseldorf v. 20.6.1986 – 21 S 431/85, WuM 1986, 359. 357 OLG Celle v. 16.12.1998 – 2 U 23/98, NZM 1999, 501.

352 353 354 355 356

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Vor § 535 Rz. 164 | VII. Anwendung allgemeiner Vorschriften auf den Mietvertrag – zunächst der Wortsinn zu erforschen ist358, – sodann eine grammatikalische Auslegung zu erfolgen hat, indem der Satzbau und der sprachliche Zusammenhang zu berücksichtigen sind, – auf die Begleitumstände zu achten ist, die nach der sog. Andeutungstheorie im schriftlichen Mietvertrag zumindest andeutungsweise Niederschlag gefunden haben müssen, wobei keinem dieser Grundsätze der Vorrang gebührt, sondern eine Gewichtung im Einzelfall erfolgen muss. 165 Auch wenn sich im Gegensatz für das Mietrecht keine besonderen Auslegungsmaßstäbe finden, ist das

Ergebnis nach § 157 BGB an der Verkehrssitte sowie Treu und Glauben zu messen359. Dies führt bei der Auslegung von Verträgen regelmäßig dazu, dass der Verzicht einer Partei auf gesetzliche oder vertragliche Rechte im Allgemeinen nicht zu vermuten ist, sondern im Gegenteil eindeutige Anhaltspunkte erfordert, die der Vertragspartner als Aufgabe des Rechts verstehen darf360. Sofern ein stillschweigender Verzicht zu prüfen ist, bedarf es regelmäßig bedeutsamer Umstände, die auf einen solchen Verzichtswillen schließen lassen361. Solche Umstände müssen es rechtfertigen, über den auslegungsbedürftigen Text, der z.B. bloß einen Anspruch formuliert, hinauszugehen362. Gerade bei Erklärungen, die als Verzicht, Erlass oder in ähnlicher Weise rechtsvernichtend gewertet werden sollen, ist das Gebot einer interessengerechten Auslegung zu beachten und haben die der Erklärung zugrunde liegenden Umstände besondere Bedeutung. Wenn feststeht oder davon auszugehen ist, dass eine Forderung entstanden ist, verbietet dieser Umstand im Allgemeinen die Annahme, der Gläubiger habe sein Recht einfach wieder aufgegeben. Das bildet in solchen Fällen die Ausnahme363. Die Partei, die sich auf einen Ausnahmefall beruft, muss deshalb einen nachvollziehbaren Grund darlegen, warum der Forderungsinhaber bereit gewesen sein sollte, auf seine Forderung zu verzichten364. b) Ergänzende Vertragsauslegung 166 Bei dieser Auslegung geht es um die Schließung erkennbarer Vertragslücken, wozu der hypothetische

Parteiwillen erforscht werden muss, um festzustellen, dass es sich um eine planwidrige Lücke handelt, die eine Ergänzung des Vertragsinhalts erforderlich macht. Das setzt voraus, dass gesetzliche Regelungen nicht eingreifen und die Parteien den Sachverhalt geregelt hätten, wenn sie bei den Vertragsverhandlungen daran gedacht hätten. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist zu untersuchen, was die Parteien bei redlichem Verhalten vereinbart hätten. 167 Ist z.B. ein Umbau und/oder eine Modernisierungsmaßnahme geplant, so dass Renovierungsarbeiten

unmittelbar nach Beendigung des Mietvertrages wieder zerstört würden, steht dem Vermieter – bei ansonsten wirksamer Renovierungsklausel – ein unmittelbarer Ausgleichsanspruch in Geld zu365. Ebenso kann durch ergänzende Vertragsauslegung ermittelt werden, dass Umsatzsteuer auch auf die Nebenkosten zu leisten ist, wenn der Gewerberaummietvertrag die Zahlung der Umsatzsteuer auf die Grundmiete vorsieht. Immerhin ist Abschnitt 29 Abs. 3 UStR zu beachten, wonach vertragliche Nebenleistungen das Schicksal der Hauptleistung teilen. Schließlich wollen die Parteien eine umfassende Abrechnungspflicht des Vermieters regeln, wenn sie Vorauszahlungen auf Betriebskosten vereinbaren. Deshalb er-

358 BGH v. 26.11.1997 – XII ZR 308/95, NZM 1998, 156 (157). 359 BGH v. 16.9.1999 – III ZR 77/98, MDR 1999, 1370 = NZM 1998, 1156 (1157). 360 BGH v. 22.4.2015 – IV ZR 504/14, juris Rz. 15; BGH v. 6.2.2013 – VIII ZR 374/11, MDR 2013, 400 = NJW 2013, 1365 Rz. 12; BGH v. 18.9.2012 – II ZR 178/10, MDR 2012, 1480 = WM 2012, 2231 Rz. 22; BGH v. 9.5.2012 – VIII ZR 327/11, MDR 2012, 753 = MietRB 2012, 223 = NJW 2012, 2270 Rz. 26; BGH v. 26.10.2009 – II ZR 222/08, MDR 2010, 94 = NJW 2010, 64 Rz. 18; BGH v. 21.11.2006 – VI ZR 76/06, MDR 2007, 555 = NJW 2007, 368 Rz. 9; jeweils m.w.N. 361 Vgl. BGH v. 20.9.2006 – VIII ZR 100/05, MDR 2007, 285 = NJW-RR 2007, 246 = WPM 2007, 177 Rz. 22; BGH v. 19.9.2006 – X ZR 49/05, juris Rz. 27; BGH v. 11.10.2000 – VIII ZR 276/99, juris Rz. 18; jeweils m.w.N.; OLG Düsseldorf v. 17.3.2011 – 10 U 156/10, ZMR 2013, 626. 362 BGH v. 10.6.2015 – VIII ZR 99/14, MDR 2015, 996 = MietRB 2015, 258 = WuM 2015, 510. 363 BGH v. 15.1.2002 – X ZR 91/00, MDR 2002, 749 = NJW 2002, 1044. 364 BGH v. 19.9.2006 – X ZR 49/05, zitiert nach juris; BGH v. 10.5.2001 – VII ZR 356/00, MDR 2001, 859 = NJW 2001, 2325. 365 BGH v. 30.10.1984 – VIII ARZ 1/84, MDR 1985, 400 = ZMR 1985, 84.

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VII. Anwendung allgemeiner Vorschriften auf den Mietvertrag | Rz. 171 Vor § 535

gibt sich durch ergänzende Vertragsauslegung, dass dem Mieter nach Ablauf der Mietzeit ein Anspruch auf Rückforderung der für die Abrechnungsperiode geleisteten Vorauszahlungen zusteht, wenn der Vermieter abrechnungssäumig ist366.

2. Fehlen und Wegfall der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB Die Grundsätze über den Wegfall oder das Fehlen der Geschäftsgrundlage wurden lange als Unterfall 168 von § 242 BGB angesehen. Dabei wurde die Geschäftsgrundlage definiert als „die beim Vertragsschluss zutage getretenen, dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen des einen Vertragsteils oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Teile vom Vorhandensein oder künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille auf diesen Vorstellungen aufbaut“367. Unanwendbar waren diese Grundsätze, wenn der Mietvertrag kurzfristig kündbar war368, auf Vertragsverhandlungen369, Ergänzungen durch Vertragsauslegung370 und bei Eingreifen der Vorschriften über die Sach- und Rechtsmängelhaftung der §§ 536 ff. BGB371. § 313 BGB bestimmt die Tatbestandsvoraussetzungen für die Störung der Geschäftsgrundlage in Abs. 1 169 und regelt in Abs. 2 vor allem den Fall des gemeinschaftlichen Motiv- und Kalkulationsirrtums372. Nicht ausdrücklich geregelt ist jedoch das Verhältnis zu anderen Vorschriften. Indessen wird z.B. für die Leistungsstörung angenommen, dass § 275 BGB insoweit spezieller sei373. Aber auch im Übrigen wird von dem Grundsatz auszugehen sein, dass die speziellere Vorschrift den im allgemeinen Teil stehenden § 313 BGB verdrängt, so dass insbesondere die Gewährleistungsansprüche § 313 BGB verdrängen. a) Geschäftsgrundlage Die Geschäftsgrundlage eines Vertrages wird gebildet durch die bei Vertragsschluss bestehenden ge- 170 meinsamen Vorstellungen beider Parteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf dieser Vorstellung aufbaut374. Diese Voraussetzungen sind z.B. gegeben, wenn es den Vorstellungen der Parteien bei Abschluss des Mietvertrages entsprach, dass die Wohnung der Mietpreisbindung unterliegt375. b) Risikoverteilung des Vertrages Maßgeblich für das Anpassungs- und Auflösungsrecht nach § 313 BGB ist die Risikoverteilung des 171 Vertrages. Fällt der Umstand in den Risikobereich nur einer Partei, liegt kein Wegfall der Geschäftsgrundlage vor. Demgemäß bleiben für das Mietrecht vor allem die Anwendungsbereiche

366 367 368 369 370 371 372 373 374 375

BGH v. 9.3.2005 – VIII ZR 57/04, MDR 2005, 678 = WuM 2005, 337 = MietRB 2005, 141. BGH v. 4.7.1996 – I ZR 101/94, MDR 1997, 254 = NJW 1997, 323 m.w.N. BGH v. 8.2.1978 – VIII ZR 221/76, WPM 1978, 322. BGH v. 6.7.1956 – VI ZR 55/55, ZMR 1956, 367. BGH v. 30.10.1984 – VIII ARZ 1/84, MDR 1985, 400 = WuM 1985, 46 = NJW 1985, 480. BGH v. 11.12.1991 – XII ZR 63/90, WuM 1992, 313 (314); OLG Dresden v. 15.12.1997 – 3 AR 90/97, MDR 1998, 643 m. Anm. Horst = NZM 1998, 184. BGH v. 7.7.2004 – VIII ZR 192/03, MDR 2004, 1232 = WuM 2004, 485 = NZM 2004, 699 = MietRB 2004, 313 = BGH Report 2004, 1204 m. Anm. Börstinghaus; LG Hamburg v. 13.10.2000 – 311 S 184/98, NZM 2000, 1221. Erman/Hohloch, § 313 BGB Rz. 35 m.w.N.; zweifelnd: Emmerich, NZM 2002, 362 (364). BGH v. 14.10.1992 – VIII ZR 91/91, BGHZ 120, 10, 23 = MDR 1993, 91; BGH v. 15.11.2000 – VIII ZR 324/ 99, WM 2001, 523 (unter II 1a); BGH v. 8.2.2006 – VIII ZR 304/04, MDR 2006, 1002 = WM 2006, 828 (Rz. 8). BGH v. 24.3.2010 – VIII ZR 160/09, MietRB 2010, 191 = WuM 2010, 299 = ZMR 2010, 675; BGH v. 7.7.2010 – VIII ZR 279/09, ZMR 2010, 944.

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Vor § 535 Rz. 171 | VII. Anwendung allgemeiner Vorschriften auf den Mietvertrag – bei langfristigen (Gewerbe-)Mietverträgen, die keine Mietanpassungsklausel enthalten376, – für die Wohnraummiete ein Anpassungsrecht ohne die Begrenzungen der §§ 558 ff. BGB, wenn die extrem niedrige Ursprungsmiete auf einem engen freundschaftlichen Verhältnis der Parteien beruht377, – Änderungen von Gesetz und Rechtsprechung, die bei Vertragsschluss nicht vorhersehbar war378, – in denen ein gemeinsam als richtig unterstellter Berechnungsfaktor für die Miete sich als falsch erweist379. – der Kündigung wegen Nichterteilung einer Konzession aus baubedingten Gründen, wenn die Parteien übereinstimmend das Konzessionsrisiko beim Mieter gesehen haben, und eine Anpassung des Vertrages scheitert380. Ebenso greift der Fall, dass die Geschäftsgrundlage durch eine der Disposition der Parteien entzogene gesetzliche Zuordnung (z.B. Preisbindung nach § 17 Abs. 1 II. WoBauG) gebildet wird381. 171a Allerdings kommt nach § 313 Abs. 1 BGB die Anpassung eines Vertrages wegen einer nach Vertrags-

schluss eingetretenen schwerwiegenden Änderung von Umständen, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nur in Betracht, wenn und soweit einem Vertragsteil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann382. In dem Verweis auf die gesetzliche Risikoverteilung kommt zum Ausdruck, dass eine Anwendung der Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage auszuscheiden hat, wenn und soweit es um Veränderungen geht, deren Auswirkungen auf den Vertrag der Gesetzgeber bereits durch Aufstellung bestimmter gesetzlicher Regeln zu erfassen versucht hat. Für § 313 BGB bleibt daneben nur dort noch Raum, wo der Gesetzgeber einen typischen Fall geänderter Vertragsgrundlage nicht bis ins Einzelne zu regeln und darüber einer angemessenen Lösung zuzuführen versucht hat383 oder wo eine an sich abschließend gedachte Regelung sich nachträglich als für besonders gelagerte Fallgestaltungen schlechthin unpassend erweist384. Deshalb scheidet die Anwendung des § 313 BGB neben den Regelungen des §§ 558 ff. BGB aus385, § 557 Abs. 3 BGB. Denn das vom Gesetzgeber für einseitige Mieterhöhungen gewählte und namentlich in § 558 BGB ausgeformte Regelungskonzept geht dahin, es dem Vermieter zu ermöglichen, im Rahmen eines Vergleichsmietensystems eine die Wirtschaftlichkeit der Wohnung regelmäßig sicherstellende angemessene, allerdings nicht an den Kosten, sondern am Markt orientierte Miete zu erzielen, dabei aber zugleich auch den Interessen der Mieterseite an einer Verhinderung allzu abrupter oder einer Bewältigung sonst untragbarer Änderungen durch zeitliche und höhenmäßige (Kappungs-)Grenzen bzw. ein Sonderkündigungsrecht Rechnung zu tragen386. Allerdings hat der Gesetzgeber bei der getroffenen Regelung nicht die Verhältnisse bei Vertragsschluss wie etwa die ursprüngliche Anfangsmiete oder zu Wohnwertmerkmalen getroffene (Beschaffenheits-)Vereinbarungen als Ausgangspunkt und/oder Maßstab einer Mieterhöhung gewählt. Er hat die Mieterhöhung vielmehr, bezogen auf den Zeitpunkt ihrer

376 377 378 379 380 381 382 383 384 385 386

Hanseatisches OLG Hamburg v. 15.3.1989 – 4 U 173/88, MDR 1989, 740 = OLGZ 1990, 65. AG Hamburg-Harburg v. 20.11.2013 – 642 C 55/12, ZMR 2015, 865. OLG Oldenburg v. 24.11.1988 – 14 U 42/88, NJW-RR 1990, 84. OLG Dresden v. 15.12.1997 – 3 AR 0090/97, 3 AR 90/97, MDR 1998, 643 m. Anm. Horst =NZM 1998, 184; LG Hamburg v. 13.10.2000 – 311 S 184/98, NZM 2000, 1221; a.A. LG Hamburg v. 16.11.2000 – 333 S 159/99, ZMR 2001, 193. KG v. 14.7.2014 – 8 U 140/13, MietRB 2014, 258 = MDR 2014, 952 = IMR 2014, 385. BGH v. 24.3.2010 – VIII ZR 160/09, MietRB 2010, 191 = WuM 2010, 299 = ZMR 2010, 675; BGH v. 7.7.2010 – VIII ZR 279/09, ZMR 2010, 944. BGH v. 18.11.2015 – VIII ZR 266/14, MDR 2016, 76 = MietRB 2016, 29 = WuM 2016, 34. Vgl. BGH v. 26.11.1981 – IX ZR 91/80, MDR 1982, 401 = BGHZ 82, 227 (232 f.); BGH v. 25.11.1998 – VIII ZR 380/96, WPM 1999, 596 unter III 1 c; BGH v. 6.3.2002 – XII ZR 133/00, MDR 2002, 814 = BGHZ 150, 102 (106). Vgl. BGH v. 24.3.2010 – VIII ZR 160/09, MietRB 2010, 191 = NJW 2010, 1663 Rz. 20; BGH v. 7.7.2010 – VIII ZR 279/09, juris Rz. 20. BGH v. 18.11.2015 – VIII ZR 266/14, MDR 2016, 76 = MietRB 2016, 29 = WuM 2016, 34; a.A. noch BGH v. 23.5.2007 – VIII ZR 138/06, MDR 2007, 1185 = MietRB 2007, 221 = MietRB 2007, 222 = NJW 2007, 2626. BGH v. 20.6.2007 – VIII ZR 303/06, MDR 2007, 1302 = MietRB 2007, 256 = NJW 2007, 2546 Rz. 11 f.; BGH v. 9.7.2008 – VIII ZR 181/0, MDR 2008, 1149 = MietRB 2008, 2257, BGHZ 177, 186 Rz. 11 f.; jeweils m.w.N.

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VII. Anwendung allgemeiner Vorschriften auf den Mietvertrag | Rz. 175 Vor § 535

Vornahme, an die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse am Markt knüpfen und dazu sowohl die ortsübliche Vergleichsmiete als auch den daran zu messenden Wohnwert der Mietwohnung allein nach objektiven Kriterien bestimmen wollen. Das Leerstandsrisiko trägt der Vermieter aber allein, so dass jeder Versuch, davon auch nur einen Teil 172 auf den Mieter abzuwälzen, nicht von § 313 BGB gedeckt wird387. Deshalb kann er bei erheblichem Leerstand über § 313 BGB nicht die Zustimmung zur Änderung des Umlageschlüssels für Betriebskosten verlangen. Verbindet der Mieter eines langfristigen Gewerberaummietvertrages mit der Anmietung eine bestimmte Ertragsentwicklung, kann er, wenn die Gewinnerwartung enttäuscht wird, selbst dann über § 313 BGB grundsätzlich keine Anpassung der Miete verlangen, wenn seine Prognose auf Prospekten und sonstigen Anpreisungen des Vermieters beruht388. Diese Risikoverteilung ändert sich selbst dann nicht, wenn sich aus der Präambel des Vertrages ergibt, dass das Einkaufszentrum in einer bestimmten Weise konzeptioniert ist und eine Vollvermietung angenommen wird389. Ebenso kann bei Fehlen einer Regelung zur Mietänderung im Vertrag über § 313 BGB keine Anpassung erreicht werden, weil das typische Risiko, dass die vereinbarte Miete im Lauf der Zeit erheblich von der Entwicklung der marktüblichen Miete abweicht, grundsätzlich zu Lasten der jeweils benachteiligten Vertragspartei geht390. Mit § 313 BGB erfolgreich kann aber der Vermieter sein, der wegen eines langen Restitutionsverfahrens die noch zu DDR-Zeiten festgesetzte Miete zu den von den GrundMV festgelegten Zeitpunkten nicht anheben konnte. In diesem Fall ist er an die Kappungsgrenze nicht gebunden391. c) Rechtsfolge: Anpassung oder Auflösung Die Rechtsfolgen des § 313 BGB greifen ein, wenn der Partei, die sich auf § 313 BGB beruft, ein unver- 173 ändertes Festhalten am Mietvertrag nicht zumutbar ist. Deshalb ist § 313 BGB nicht anwendbar auf einen Mietvertrag, der kurzfristig kündbar ist, auf Anbahnungsverhältnisse und wenn eine Ergänzung durch Vertragsauslegung zum Erfolg führt. Zur Bewertung der Unzumutbarkeit kann auf die Zeit seit Abschluss des Mietvertrages abgestellt 174 werden, aber auch auf die wirtschaftliche Bedeutung der (fehlenden) Geschäftsgrundlage392. Andererseits kann maßgeblich sein, dass der Umstand als solcher schon als erheblich angesehen wird (z.B. 10% ige Überschreitung der Fläche)393. Sieht der Mietvertrag über Gewerberäume keine Mietänderungsmöglichkeit vor, kann der Vermieter bei Erreichen der Opfergrenze, die bei 60 % liegt, über § 313 BGB eine Erhöhung der Miete verlangen, was aber einen Anstieg der Lebenshaltungskosten um 150 % und eine weitere langfristige Bindung an den Vertrag voraussetzt394. Zur Rechtsfolge regelt § 313 Abs. 1 BGB ein Recht zur Anpassung des Vertrages an die veränderten 175 Umstände und, sofern eine Anpassung nicht möglich ist, die Auflösung des Vertrages. Letzteres soll aus § 313 BGB (ggf. in Verbindung mit § 543 BGB) hergeleitet werden können, wenn der Vermieter die Nutzung einer Wohnung für mehr als zwei Jahre unmöglich macht, weil die Eigentümergemeinschaft die begonnenen Instandsetzungsarbeiten (aufgerissene Fußböden) nicht fortsetzt395. Insoweit ist jedoch vorrangig zu prüfen, ob § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB greift. Das kann zweifelhaft sein, wenn ein Fall der Un-

387 BGH v. 31.5.2006 – VIII ZR 159/05, MDR 2007, 264 = GE 2006, 159 = ZMR 2006, 758. 388 BGH v. 17.3.2010 – XII ZR 108/08, MietRB 2010, 160 = MDR 2010, 737 = GuT 2010, 100 = ZMR 2010, 598 = DWW 2010, 296; auch zu möglichen Ausnahmen: BGH v. 19.7.2000 – XII ZR 176/98, MDR 2001, 22 = NZM 2000, 1005; BGH v. 16.2.2000 – XII ZR 279/97, MDR 2000, 821 m. Anm. Leo, NZM 2000, 492. 389 BGH v. 21.9.2005 – XII ZR 66/03, MietRB 2006, 263 = MDR 2006, 506 = GuT 2006, 19 (22). 390 BGH v. 27.10.2004 – XII ZR 175/02, MietRB 2005, 65 = MDR 2005, 264 = NZM 2005, 63; BGH v. 8.5.2002 – XII ZR 8/00, MDR 2002, 1114 = ZMR 2002, 654. 391 BGH v. 22.12.2004 – VIII ZR 41/04, MDR 2005, 439 = MietRB 2005, 143 = WuM 2005, 132 = ZMR 2005, 184. 392 Vgl. BGH v. 24.3.2010 – VIII ZR 160/09, MietRB 2010, 191 = WuM 2010, 299 = ZMR 2010, 675; BGH v. 7.7.2010 – VIII ZR 279/09, ZMR 2010, 944. 393 BGH v. 23.5.2007 – VIII ZR 138/06, MietRB 2007, 221 = MietRB 2007, 222 = MDR 2007, 1185 = WuM 2007, 450 = ZMR 2007, 681 = GE 2007, 1045 = NZM 2007, 594. 394 Hanseatisches OLG Hamburg v. 15.3.1989 – 4 U 173/88, MDR 1989, 740 = ZMR 1989, 222. 395 LG Berlin v. 4.4.2006 – 63 S 334/05, WuM 2006, 375.

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Vor § 535 Rz. 175 | VII. Anwendung allgemeiner Vorschriften auf den Mietvertrag möglichkeit vorliegt. Das kommt insbesondere in Betracht, wenn die Eigentümergemeinschaft bestandskräftig beschlossen hat, die Maßnahme nicht durchzuführen396.

3. Rechtshindernde Einwendungen a) Geschäftsfähigkeit 176 Für den wirksamen Abschluss eines Mietvertrages müssen die allgemeinen Voraussetzungen für die

Wirksamkeit von Willenserklärungen vorliegen, insbesondere darf nicht eine der Parteien geschäftsunfähig oder in ihrer Geschäftsfähigkeit beschränkt sein, wobei es auf die Kenntnis des Vertragspartners nicht ankommt. Deshalb ist der Abschluss eines Mietvertrages mit einem Minderjährigen oder einer unter Betreuung (mit dem Wirkungskreis Wohnungsversorgung oder Bestimmung des Aufenthaltsortes) stehenden Person unwirksam. Insoweit ist die Vollmacht eines Minderjährigen unwirksam, so dass der Vertreter u.U., sofern eine Genehmigung versagt wird, aus § 179 BGB haftet. b) Geheimer Vorbehalt, Scheingeschäft, Scherzerklärung 177 Die §§ 116, 118 BGB gelten für den Mietvertrag ohne Einschränkung397. Behandelt z.B. der Vermieter

ein Mitglied einer studentischen Wohngemeinschaft, das erst nach Abschluss des Mietvertrages eingezogen ist, wie einen Mieter, indem er sich an Kosten für Renovierungsarbeiten beteiligt, die „Miete“ entgegennimmt und auf die Einhaltung der Hausordnung drängt, kann er sich nicht mehr darauf berufen, diese Person habe nicht in den Mietvertrag als Mieter einbezogen werden sollen (geheimer Vorbehalt)398. 178 Ein Scheingeschäft nach § 117 BGB liegt vor, wenn die Vertragsparteien nur den äußeren Schein des

Abschlusses des Rechtsgeschäftes hervorrufen, dagegen die damit verbundenen Rechtswirkungen nicht eintreten lassen wollten399. Als Scheingeschäft können sich auch nur einzelne Abreden (z.B. über die Miete, um der finanzierenden Bank die Werthaltigkeit vorzutäuschen400) gewollt sein. Dann ist gemäß § 139 BGB zu prüfen, ob der gesamte Vertrag nichtig sein sollte. Für die Beurteilung, ob ein Scheingeschäft geschlossen wurde, kommt es in erster Linie auf die Erklärungen vor oder bei Abschluss des Vertrages an; allerdings kann auch nachträgliches Verhalten für die Ermittlung des tatsächlichen Vertragswillens der Beteiligten Bedeutung haben und darf deshalb nicht unberücksichtigt bleiben401. 179 Wird bei einem Vertragsabschluss eine Person als Vertragspartner bloß vorgeschoben (sog. Stroh-

mann), sind die Voraussetzungen eines Scheingeschäftes in der Regel nicht erfüllt, selbst wenn alle Beteiligten die Strohmanneigenschaft kennen402. Dies würde sich anders darstellen, wenn der Strohmann im Außenverhältnis nicht haften soll, sondern eine Haftung des Hintermannes gewollt ist403. Die Darlegungs- und Beweislast trägt im Allgemeinen derjenige, für den die Annahme eines Scheingeschäftes materiell-rechtlich günstig wäre404. 180 Nicht selten legt der Schuldner im Zwangsversteigerungsverfahren einen Mietvertrag mit dem Ehe-

gatten405 oder einem nahen Familienangehörigen vor, um das Sonderkündigungsrecht nach § 57a ZVG zu unterlaufen oder Bietinteressenten von vorneherein abzuschrecken. Hier können die Umstän-

BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 342/03, MietRB 2006, 57 = MDR 2006, 199 = WuM 2005, 713 = ZMR 2005, 935. Vgl. dazu Weiler, NJW 1995, 2608. LG Köln v. 18.9.1991 – 10 S 339/90, WuM 1992, 251. Vgl. BGH v. 20.7.2006 – IX ZR 226/03, MDR 2007, 240 = NJW-RR 2006, 1555 ff. KG v. 11.10.2010 – 12 U 17/10 MietRB 2011, 42 = MDR 2011, 287 = ZMR 2011, 280. Vgl. BGH v. 29.10.1996 – XI ZR 319/95, NJW-RR 1997, 238 f. Vgl. BGH v. 4.4.2007 – III ZR 197/06, NJW-RR 2007, 1209 f.; BGH v. 6.12.1994 – XI ZR 19/94, MDR 1995, 376 = NJW 1995, 727 f. 403 Vgl. BGH v. 22.10.1981 – III ZR 149/80, NJW 1982, 569 f. 404 Vgl. BGH v. 31.1.1991 – VII ZR 375/89, MDR 1991, 992 = NJW 1991, 1617 f. 405 OLG Düsseldorf v. 22.1.1996 – 9 U 115/95, NJW-RR 1996, 720.

396 397 398 399 400 401 402

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VII. Anwendung allgemeiner Vorschriften auf den Mietvertrag | Rz. 186 Vor § 535

de, z.B. eine nicht belegte Vorauszahlung406 oder ein deutlich unter der ortüblichen Vergleichsmiete liegender Mietzins407, ein Scheingeschäft indizieren. Diese Voraussetzungen liegen aber noch nicht vor, wenn eine GmbH Wohnräume zusammen mit ih- 181 ren Geschäftsräumen im Erdgeschoss nutzen wollte, weshalb u.a. mittels einer Treppe eine Verbindung der beiden Einheiten hergestellt wurde, und eine gewerbliche Nutzung nach Vertragsabschluss auch erfolgte, wovon der Vermieter jeweils Kenntnis hatte. Zwar lässt diese Konstellation den Schluss zu, dass hinsichtlich des Vertragszweckes unzutreffende Willenserklärungen schriftlich fixiert wurden408. Vorgetäuscht wurde ein Wohnraummietverhältnis, der wahre Vertragszweck galt unterdessen der Geschäftsraumnutzung. Jedoch macht die falsche Bezeichnung des Vertrages diesen nicht unwirksam. Des Weiteren stellt sich die Frage nach dem Vertragspartner grundsätzlich unabhängig von der Frage nach dem Vertragsgegenstand. Ein Scheingeschäft ist anzunehmen, wenn ein im Haushalt seiner Eltern lebender, einkommensloser 182 18-jähriger Sohn mit seinem Vater einen auf zehn Jahre befristeten Mietvertrag über ein im Elternhaus gelegenes Schlafzimmer mit Dusche und WC sowie einen Arbeitsraum abschließt, der ihm zusätzlich ein Nutzungsrecht an sämtlichen Räumen des Hauses (einschließlich Garten und Keller) einräumt und mit dem zugleich sämtliches Inventar des Grundstücks zu einer bar zu zahlenden Gesamt-Bruttomiete von monatlich 90,00 € überlassen worden sein soll409. Die Rechtsfolge des Scheingeschäfts besteht darin, dass der tatsächlich gewollte Mietvertrag zustande 183 kommt, wenn die Wirksamkeitsvoraussetzungen erfüllt sind, § 117 Abs. 2 BGB. c) Anfechtung, §§ 119, 123 BGB Ein Mietvertrag kann von Vermieter und Mieter grundsätzlich wegen Irrtums (§ 119 BGB), falscher 184 Übermittlung (§ 120 BGB), arglistiger Täuschung oder Drohung (§ 123 BGB) durch Erklärung gegenüber dem anderen Vertragsteil (§ 143 Abs. 1 BGB) angefochten werden, wobei die Anfechtungsfristen der §§ 121, 124 BGB zu beachten sind. Eine Anfechtung erfasst das gesamte Rechtsgeschäft. Bildet der Mietvertrag z.B. mit einem Kaufvertrag eine Einheit, ist eine isolierte Anfechtung nicht möglich410. aa) § 119 BGB Die Anfechtung erfordert einen Erklärungsirrtum oder das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft, die 185 für die Abgabe der Willenserklärung ursächlich war. Ein Erklärungsirrtum kann nicht durch mangelnde Deutschkenntnisse eines ausländischen Mieters begründet werden411. Eigenschaft ist jeder wertbildende Faktor, der der Sache oder der Person des Vertragspartners unmittel- 185a bar anhaftet. Eine Zusicherung liegt vor, wenn der Versprechende für das Vorhandensein oder das Fehlen der Eigenschaft ohne Rücksicht auf ein Verschulden einstehen will. Letzteres ist der Fall, wenn eine alleinerziehende Mutter ohne Besichtigung der Wohnung einen Miet- 186 vertrag abschließt, nachdem sie darauf hingewiesen hat, für sie komme nur eine kinderfreundliche Wohnung in Betracht, der Vermieter diese Eigenschaft hervorhebt und beim ersten Besuch der Wohnung (vor dem Einzug) sich eine Nachbarin über das Trampeln des Kindes beschwert412. Des Weiteren kann ein Anfechtungsrecht angenommen werden bei objektiv unzutreffenden Erklärungen des Vermieters über die Wohnungsgröße anlässlich der Vertragsverhandlungen (Anfechtung vor Überlassung)413 oder sonstigen Tatsachen (Mietpfändung wegen Steuerschulden, fehlender Nachweis über rechtmäßige

406 407 408 409 410 411 412 413

LG Freiburg v. 26.6.1989 – 4 T 90/88, Rpfleger 1990, 266. LG Wuppertal v. 14.9.1992 – 6 T 693/92, Rpfleger 1993, 81. KG v. 4.8.2008 – 8 U 49/08, GE 2008, 1323. OLG Düsseldorf v. 11.12.2007 – 10 W 160/07, ZMR 2008, 787. LG Düsseldorf v. 3.2.2016 – 23 S 252/14, ZMR 2016, 624. AG Wetzlar v. 23.10.2012 – 38 C 1078/12 (38), GE 2013, 127. LG Essen v. 20.7.2004 – 15 S 56/04, WuM 2005, 47. LG Mannheim v. 15.11.1973 – 12 S 42/73, MDR 1974, 672.

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Vor § 535 Rz. 186 | VII. Anwendung allgemeiner Vorschriften auf den Mietvertrag Anlage der Kaution, Vorstrafen wegen Vermögensdelikten414), bei abredewidrigem Ausfüllen eines mit Blankounterschrift versehenen Formularmietvertrags415 oder wenn der Mieter bei Vertragsschluss nicht offenbart hat, dass er die eidesstattliche Versicherung gemäß § 807 ZPO abgegeben hat (Anfechtung gemäß § 119 Abs. 2 BGB)416. Letzteres ist nicht unumstritten. So wird z.B. bei einem Irrtum über die Vermögensverhältnisse des Mieters als verkehrswesentlicher Eigenschaft wegen des (angeblichen) Vorrangs der Kündigungsmöglichkeit angenommen, der Vermieter müsse nach § 543 Abs. 1 BGB kündigen417. Dies ist schon aus dogmatischen Gründen abzulehnen, weil ein Vorrang nicht existiert. Anfechtung und Kündigung haben verschiedene Schutzrichtungen. 187 Ein Anfechtungsrecht wurde verneint bei gelegentlichem Rauchen der Mieterin in der Einliegerwoh-

nung trotz ihrer Versicherung bei Vertragsschluss, sie habe aufgehört zu rauchen418, und bei der Anmietung eines Gemeindesaals durch einen Mann zur „Feier seiner Hochzeit“, obwohl es sich um die Feier einer vom Vertragspartner begründeten Lebensgemeinschaft mit einem anderen Mann i.S.d. Lebenspartnerschaftsgesetzes handelt419. 188 Jedenfalls bei der Anfechtung nach §§ 119, 120 BGB ist der Vertrag von Anfang an nichtig und muss

gemäß §§ 812 ff. BGB rückabgewickelt werden420. bb) Anfechtung nach § 123 BGB 189 Ob und gegebenenfalls mit welcher Rechtsfolge eine Anfechtung des Mietvertrages wegen arglistiger

Täuschung nach § 123 Abs. 1 BGB auch noch nach Übergabe der Mietsache möglich ist, ist umstritten. Nach der überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur kann zwar eine auf Abschluss eines Mietvertrages gerichtete Willenserklärung auch nach Überlassung der Mietsache wegen arglistiger Täuschung angefochten werden421. Differenziert wird jedoch nach der Wirkung der Anfechtung. Einige lassen die Rechtsfolgen erst ab Zugang der Anfechtungserklärung (ex nunc) zu, weil ein bereits vollzogenes Mietverhältnis nur unter Inkaufnahme großer Schwierigkeiten abgewickelt werden könne422. Die Gegenmeinung423 verweist darauf, dass für Mietverträge kein Anlass bestehe, von der gesetzlichen Bestimmung des § 142 Abs. 1 BGB durch Richterrecht abzuweichen. Denn jedenfalls für die Geschäftsraummiete lasse sich ein die Rückabwicklung ausschließender sozialer Einschlag nicht erkennen424. 190 Der BGH hat sich der letzteren Ansicht angeschlossen425 und die Rückabwicklung über § 812 BGB

zugelassen. Ein maßgeblicher Gesichtspunkt war insoweit die unterschiedliche Schutzrichtung. § 123 BGB schützt die Freiheit der Willensentschließung, während § 543 Abs. 1 BGB den Vertragsverstoß als solchen sanktioniert.

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422 423

424 425

LG Konstanz v. 15.12.2016 – C 61 S 58/15, WuM 2017, 258. LG Köln v. 8.6.1977 – 9 S 93/77, WuM 1980, 235. AG Hagen v. 5.7.1984 – 13 C 414/84, WuM 1984, 296. LG Ravensburg v. 8.3.1984 – S 264/83, WuM 1984, 297. LG Stuttgart v. 2.7.1992 – 16 S 137/92, NJW 1993, 73 = NJW-RR 1992, 1360. AG Neuss v. 25.7.2003 – 77/32 C 6064/02, NZM 2003, 975. KG v. 4.10.2001 – 8 U 1086/00, KGR Berlin 2001, 394; Emmerich, NZM 1998, 692. RG v. 10.3.1938 – IV 229/37, RGZ 157, 173, 174; KG v. 4.10.2001 – 8 U 1086/00, NZM 2002, 21; LG Mannheim v. 8.11.1989 – 4 S 173/89, ZMR 1990, 303; Emmerich/Sonnenschein/Rolfs, § 542 BGB Rz. 82; Soergel/ Heintzmann, Vor § 542 BGB Rz. 2; Hübner/Griesbach/Schreiber in Lindner-Figura u.a., Kap. 14 Rz. 214; Bub/ Treier/Kraemer, III Rz. 1326; MünchKomm/Häublein, Vor § 536 BGB Rz. 24. LG Nürnberg-Fürth v. 23.2.1966 – 2 S 109/65, MDR 1966, 1003 (1004); Schmidt-Futterer/Blank, Vor § 535 BGB Rz. 7; Staudinger/Rolfs, § 542 Rz. 179; für die Wohnraummiete: Hille, WuM 1984, 292 (293). RG v. 19.3.1915 – III 565/14, RGZ 86, 334; RG v. 3.6.1921 – III 299/20, RGZ 102, 225, 226; RG v. 10.3.1938 – IV 229/37, RGZ 157, 173, 174; KG v. 17.11.1966 – 8 U 1611/65, MDR 1967, 404; KG v. 4.10.2001 – 8 U 1086/ 00, NZM 2002, 21; Soergel/Heintzmann, Vor § 542 BGB Rz. 2; Schmid, DWW 1985, 302; Fischer, NZM 2005, 567 (571); Emmerich, NZM 1998, 692 (694 f.). KG v. 4.10.2001 – 8 U 1086/00, NZM 2002, 21. BGH v. 6.8.2008 – XII ZR 67/06, MietRB 2009, 4 = MDR 2009, 19 = GuT 2008, 330 = ZMR 2009, 102.

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VII. Anwendung allgemeiner Vorschriften auf den Mietvertrag | Rz. 194 Vor § 535

Der wesentliche Unterschied zwischen der Anfechtung nach § 123 BGB und der ebenfalls möglichen 191 Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB besteht in der Rechtsfolge. Während bei einer Kündigung § 546a BGB gilt und der Vermieter Nutzungsentschädigung mindestens in Höhe der vereinbarten Miete verlangen kann, muss er nach § 818 Abs. 2 BGB nachweisen, dass die verlangte Nutzungsentschädigung objektiv gerechtfertigt ist. Hat der Vermieter eine oberhalb der ortsüblichen Miete liegende Vereinbarung getroffen, wird ihm das schwerlich gelingen. 192 § 123 BGB wurde bejaht, – wenn nicht zum Wohnen geeignete Räume als Wohnung überlassen werden426, – wenn der Mieter selbst einräumt, dass das von ihm angebotene Warensortiment eine hohe Affinität zur rechten Szene aufweist, so dass insoweit jedenfalls dann eine vorvertragliche Aufklärungspflicht besteht, wenn es sich um Mieträume in einem exponierten Gebäude (Hundertwasserhaus) handelt, dass eine Touristenattraktion darstellt (§ 123 BGB)427; – bei Täuschung des Vermieters über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Mieters bei Abschluss eines Mietvertrages428 – durch falsche Angaben zu vorangegangener Insolvenz429 – bei Vortäuschen geregelter Vermögensverhältnisse durch Vorlage von Einkommensnachweisen, obwohl der Mieter bereits mehrfach die Eidesstattliche Versicherung abgegeben hat430, – bei Verschweigen des Vermieters im Rahmen der Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag mit Abfindungspflicht des Mieters, dass er für die Zeit nach dem angedachten (vorzeitigen) Ende der Mietzeit bereits mit einem neuen Mieter einig ist. Eine Anfechtung nach § 123 BGB kommt dagegen nicht in Betracht, wenn der Vermieter sich über verkehrswesentliche Eigenschaften des Mietobjektes oder des Mieters irrt. Ist kann eine Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB greifen431.

Die Anfechtung kann aus den genannten Gründen auch gegenüber einem Mietvorvertrag erklärt wer- 192a den432. In diesem Stadium muss der Mieter den Vermieter über seine schlechten finanziellen Verhältnisse aufklären, es sei denn, es besteht die konkrete Aussicht, dass sich die finanzielle Situation z.B. durch einen bereits abgeschlossenen Arbeitsvertrag oder eine eingetretene Erbschaft verbessert. d) Verstoß gegen ein gesetzliches Gebot Verstößt der Abschluss des Mietvertrages gegen ein gesetzliches Verbot, das die Vornahme des Rechts- 193 geschäfts insgesamt sanktionieren soll, tritt nach § 134 BGB Nichtigkeit ein. Dies gilt auch für sog. Umgehungsgeschäfte. Letzteres gilt z.B., wenn der Konzessionsinhaber die Gaststätte entgeltlich an einen Dritten überlässt, der diese selbständig betreibt, ohne selbst eine Konzession zu besitzen; dann liegt ein Verstoß gegen §§ 2 Abs. 1, 9 GaststG vor433. Nicht jedes gesetzliche Verbot führt aber zur Unwirksamkeit des (gesamten) Mietvertrages. Vielmehr 194 muss der Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung erforscht werden, so dass deren Anwendung auch zur Nichtigkeit nur einzelner Abreden führen kann. Dies zeigt beispielhaft die Mietpreisüberhöhung nach § 5 WiStrG (vgl. Anhang § 535 BGB), die zur Teilnichtigkeit der Mietzahlungsabrede jenseits von

426 BGH v. 27.6.2014 – V ZR 55/13, MDR 2014, 1073 = NJW 2014, 3296. 427 KG v. 28.5.2009 – 8 U 223/08, GuT 2009, 176; OLG Naumburg v. 28.10.2008 – 9 U 39/08, NZM 2009, 128; a.A. LG Nürnberg-Fürth v. 12.6.2009 – 14 O 139/09, NZM 2009, 584. 428 AG Saarlouis v. 17.9.1999 – 29 C 739/99, NZM 2000, 459. 429 LG Bonn v. 16.11.2005 – 6 S 226/05, WuM 2006, 24 = NZM 2006, 177; AG Hamburg v. 6.5.2003 – 48 C 636/ 02, MietRB 2004, 133 = ZMR 2003, 744. 430 AG Hamburg-St. Georg v. 25.11.2010 – 910 C 230/10, ZMR 2011, 303. 431 Bub/Treier/Bub, II Rz. 2207. 432 AG Wolfsburg v. 9.8.2000 – 22 C 498/99, NZM 2001, 987. 433 OLG Düsseldorf v. 11.12.1986 – 10 U 130/86, NJW-RR 1987, 687.

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Vor § 535 Rz. 194 | VII. Anwendung allgemeiner Vorschriften auf den Mietvertrag 20 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete führt434. Ob ein Verstoß gegen ein (örtliches) Zweckentfremdungsverbot (s. § 535 BGB Rz. 48 ff.) zur Nichtigkeit des Mietvertrages führt435, ist zweifelhaft. Zwar ist das Verbot zumeist mit einer Ordnungswidrigkeit bewehrt. Indessen wird ein allgemeiner Zweck verfolgt, der nicht eine der Parteien besonders schützen soll. Auch die Steuerhinterziehung (s. § 535 BGB Rz. 922) oder der Sozialhilfebetrug führen nicht zur Unwirksamkeit der gesamten mietrechtlichen Einigung. Die dazu einschlägigen Vorschriften verfolgen einen objektiven Zweck und sollen die Allgemeinheit schützen. e) Sittenwidrigkeit, § 138 BGB 195 Für diesen Nichtigkeitsgrund bilden den Maßstab die rechtsethischen Werte und Prinzipien unserer

Rechtsordnung436. Im Allgemeinen ist ein Verhalten sittenwidrig, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt437. Im Hinblick auf die Vielzahl der davon erfassten Fälle hat sich dazu eine fast unübersehbare Typik herausgebildet438. 196 Im Mietrecht kommen zunächst sog. Koppelungsgeschäfte in Betracht. In diesem Fall kann der Miet-

vertrag unwirksam sein, weil durch die Koppelung mit einem anderen Geschäft eine missbilligte Leistung entsteht. Aus diesem Gesichtspunkt ist der Mietvertrag mit einer Prostituierten z.B. unwirksam, wenn aus der Höhe des Entgelts darauf geschlossen werden kann, dass über die Miete eine Beteiligung am Dirnenlohn stattfindet, was auf die wirtschaftliche Ausbeutung oder Förderung der Prostitution hinauslaufen würde439. Allerdings ist die Bindung des Servicevertrages an den Fortbestand des Mietvertrages im Rahmen eines Betreuten Wohnens („Service-Wohnen“) grundsätzlich nicht sittenwidrig440. 197 Ein für den Wuchertatbestand notwendiger Mangel an Urteilsvermögen kann nicht angenommen

werden, wenn der Betroffene nach seinen Fähigkeiten in der Lage ist, Inhalt und Folgen eines Rechtsgeschäftes sachgerecht einzuschätzen, diese Fähigkeiten aber nicht oder nur unzureichend einsetzt und deshalb ein unwirtschaftliches Rechtsgeschäft abschließt441. 198 Anders als bei der Wohnraummiete ist ein auffälliges Missverhältnis i.S.d. § 138 Abs. 2 BGB bei der

Gewerberaummiete erst dann anzunehmen, wenn die vereinbarte Miete die doppelte Höhe des Marktwertes erreicht442. Dazu ist die Vergleichsmiete einzig anhand derjenigen Miete zu ermitteln, die für vergleichbare Objekte erzielt wird443. Fehlen geeignete Vergleichsobjekte, ist der Wert zu schätzen. Statistische Ertragswerte, wie sie etwa bei der sog. EOP-Methode herangezogen werden, bleiben hingegen unberücksichtigt444. Bei der Vermietung von Garagen können eine lange Laufzeit (hier: 26 Jahre) und eine besonders niedrige Miete (hier: fünf Garagen für insgesamt 35 €) zur Sittenwidrigkeit führen, wenn zugleich ein dinglich gesichertes Vorkaufsrecht besteht445. Denn Laufzeit und Miethöhe sind geeignet, den Vorkaufsberechtigten von der Ausübung abzuhalten.

434 Hanseatisches OLG Hamburg v. 13.1.2000 – 4 U 112/99, WuM 2000, 111 = ZMR 2000, 458 = NZM 2000, 216. 435 Vgl. Hinrichs, NZM 2014, 782 (785). 436 Palandt/Ellenberger, § 138 BGB Rz. 3. 437 Vgl. BGH v. 15.10.2013 – VI ZR 124/12, MDR 2014, 88 = NJW 2014, 1380 Rz. 8 m.w.N.; BGH v. 4.6.2013 – VI ZR 288/12, MDR 2013, 906 = NJW-RR 2013, 1448 Rz. 14 m.w.N. 438 Vgl. Erman/Palm/Arnold, § 138 BGB Rz. 65 f. 439 OLG Koblenz v. 15.5.1997 – 5 U 289/96, NZM 1998, 479. 440 BGH v. 23.2.2006 – III ZR 167/05, MDR 2006, 1097 = MietRB 2006, 257 = GuT 2006, 119. 441 BGH v. 23.6.2006 – V ZR 147/05, MDR 2007, 23 = GE 2006, 1227. 442 BGH v. 28.4.1999 – XII ZR 150/97, MDR 1999, 1432 = NJW 1999, 3187 = NZM 1999, 664. 443 BGH v. 13.6.2001 – XII ZR 49/99, MDR 2001, 1105 = NJW 2002, 55. 444 BGH v. 30.6.2004 – XII ZR 11/01, MDR 2004, 1408 = NZM 2004, 741 = DWW 2004, 264 = MietRB 2005, 4; a.A. OLG München v. 4.9.2000 – 17 U 5278/98, NZM 2000, 1059; Walterspiel, NZM 2000, 70. 445 BGH v. 30.6.2017 – V ZR 232/16, ECLI:DE:BGH:2017:300617UVZR232.16.0, MietRB 2018, 52 = WuM 2017, 629 = GE 2017, 1341.

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VII. Anwendung allgemeiner Vorschriften auf den Mietvertrag | Rz. 202 Vor § 535

Neben dem auffälligen Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung müssen aber weitere sitten- 199 widrige Umstände hinzutreten, z.B. eine verwerfliche Gesinnung des durch den Vertrag objektiv Begünstigten446. Während etwa im Bereich der Teilzahlungs- und Ratenkreditverträge mit privaten Kunden bei drastischer Überschreitung der marktüblichen Zinsen dem Darlehensgeber die Kenntnis dieses Missverhältnisses und deshalb zugleich eine verwerfliche Gesinnung unterstellt werden kann447, muss bei gewerblichen Miet- und Pachtverhältnissen zumindest die Erkennbarkeit des Missverhältnisses für den Vermieter/Verpächter festgestellt werden448. Ein Verpächter muss sich nämlich bei Vertragsschluss nicht unbedingt dessen bewusst sein, dass er mit der geforderten Pacht weit über dem Marktniveau liegt. Oft ist es nicht einfach, die ortsübliche Pacht überhaupt festzustellen, da diese innerhalb derselben Stadt schon von Straße zu Straße deutlich schwanken kann. Deshalb muss trotz eines auffälligen Missverhältnisses i.S.v. § 138 BGB im Rahmen der tatrichterlichen Würdigung ermittelt werden, ob sich der Vermieter/Verpächter bei Vertragsschluss z.B. leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, dass die beanspruchte Miete/Pacht in einem auffälligen Missverhältnis zum Wert der Gegenleistung steht449. Bei Bürgschafts- oder Mithaftungsverträgen kann eine Sittenwidrigkeit vorliegen, wenn im Zeit- 200 punkt der Begründung der Sicherheit die Einkommens- und Vermögenssituation des Mithaftenden in einem auffälligen Missverhältnis zur übernommenen Verpflichtung steht. Dabei ist aber zu berücksichtigen, ob dem Mithaftenden aus dem Mietvertrag ein angemessener Ausgleich unmittelbar und in ausreichendem Maße zugeflossen ist und der Vermieter mit verwerflicher Gesinnung gehandelt hat450. Ist ein Nachtrag oder eine Zusatzvereinbarung sittenwidrig, wird der ursprüngliche Mietvertrag da- 201 durch nur infiziert, wenn die Regelungen der nachträglichen Vereinbarung seine Bestimmungen tangieren. Enthalten sie unabhängige Klauseln, die den Bestand des Hauptvertrages nicht berühren, führt § 138 BGB allein zum Fortfall der weiteren Vereinbarung451. Auch ein Mietaufhebungsvertrag kann als sittenwidrig qualifiziert werden452. Nach dem Grundsatz 202 der Vertragsfreiheit können die Parteien eines Mietvertrags unabhängig von einer vereinbarten Mietzeit das Mietverhältnis jederzeit durch einen Aufhebungsvertrag (§ 311 Abs. 1 BGB) vorzeitig beenden453. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Mieter einen Untermietvertrag geschlossen oder einem Dritten auf einer anderen rechtlichen Grundlage die Mietsache zur Nutzung überlassen hat454. In diesen Fällen kann ein Mietaufhebungsvertrag jedoch dann sittenwidrig sein, wenn für den Vermieter und den Mieter kein vernünftiger Grund für die Beendigung des Mietverhältnisses besteht und der Zweck des Mietaufhebungsvertrags allein darin liegt, dass der Eigentümer wieder Alleinbesitz an dem Mietobjekt erlangt455. Eine gemeinsame (subjektive) Schädigungsabsicht der vertragsschließenden Parteien reicht zur Annahme einer Sittenwidrigkeit allein noch nicht aus. Erforderlich ist außerdem, dass der Vertrag die Rechtsstellung des Dritten tatsächlich verschlechtert. Ein für den Dritten objektiv nicht nachteiliges Rechtsgeschäft erfüllt den Tatbestand des § 138 Abs. 1 BGB nicht456. Deshalb ist der Abschluss eines Mietaufhebungsvertrags dann nicht sittenwidrig, wenn dem Hauptmieter gegen den Dritten ein Kündigungsrecht zusteht, mit dem er dessen Gebrauchsmöglichkeit zeitnah beenden kann457.

446 BGH v. 30.5.2000 – IX ZR 121/99, MDR 2000, 1400 = NJW 2000, 2669; BGH v. 8.11.1991 – V ZR 260/9, MDR 1992, 3430, NJW 1992, 899; BGH v. 13.3.1990 – XI ZR 252/98, BGHZ 110, 336 = MDR 1990, 714 = NJW 1990, 1595. 447 BGH v. 10.7.1986 – III ZR 133/85, MDR 1986, 915 = NJW 1986, 2564; BGH v. 28.4.1999 – XII ZR 150/97, MDR 1999, 1432 = BGHZ 146, 248 = NJW 1999, 3187. 448 BGH v. 13.6.2001 – XII ZR 49/99, MDR 2001, 1105 = NJW 2002, 55 = NZM 2001, 810 = ZMR 2001, 788. 449 BGH v. 14.7.2004 – XII ZR 352/00, MDR 2005, 27 = MietRB 2005, 5. 450 BGH v. 29.9.2004 – XII ZR 22/02, GuT 2005, 6. 451 OLG Frankfurt v. 27.5.2014 – 2 U 41/13, MDR 2014, 1192 = MietRB 2014, 357, IMR 2014, 421. 452 BGH v. 18.4.2018 – XII ZR 76/17, MietRB 2018, 198 = MDR 2018, 856 = NZM 2018, 601 = GE 2018, 870. 453 Staudinger/Rolfs, § 542 BGB Rz. 174; Schmidt-Futterer/Blank, Anhang zu § 542 BGB Rz. 1. 454 BGH v. 18.4.2018 – XII ZR 76/17, MietRB 2018, 198 = MDR 2018, 856 = NZM 2018, 601 = GE 2018, 870. 455 Vgl. KG v. 7.1.1988 – 8 U 1703/87, ZMR 1988, 137 f. 456 BGH v. 28.10.2011 – V ZR 212/10, MDR 2012, 15 = NJW-RR 2012, 18 Rz. 10. 457 Vgl. Bub/Treier/Scheuer/Emmerich, V Rz. 60.

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§ 535 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

§ 535 Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags (1) Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Er hat die auf der Mietsache ruhenden Lasten zu tragen. (2) Der Mieter ist verpflichtet, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu entrichten. A. I. II. III.

IV.

V. B. I.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendbare Rechtsprechung . . . . . . . . . . . 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . 2. Anwendbare Rechtsprechung . . . . . . . . . Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . 1. Darlegungslast zum Zustandekommen des Mietvertrages und Abweichungen . . 2. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichende Vereinbarungen . . . . . . . . . . Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschluss des Mietvertrages . . . . . . . . . . . . 1. Wesentlicher Inhalt der Einigung . . . . . . 2. Vertragsschluss unter Abwesenden . . . . . 3. Mündlicher Mietvertrag . . . . . . . . . . . . . . 4. Konstitutive Schriftform . . . . . . . . . . . . . . 5. Schlüssiger Mietvertrag . . . . . . . . . . . . . . 6. Einschränkung der Vertragsfreiheit . . . . a) Preisfreier Wohnraum . . . . . . . . . . . . aa) Verbot der Zweckentfremdung . bb) Diktierte Verträge . . . . . . . . . . . . cc) Beschränkung der inhaltlichen Gestaltungsfreiheit . . . . . . . . . . . b) Öffentlich geförderter Wohnraum . . aa) Rechtslage bei Bewilligung öffentlicher Mittel vor dem 1.1.2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtslage bei Bewilligung öffentlicher Mittel seit dem 1.1.2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Verbraucherschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vermieter als Unternehmer . . . . . . . b) Mieter als Verbraucher . . . . . . . . . . . c) Verbraucherschutz . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verträge außerhalb von Geschäftsräumen . . . . . . . . . . . . bb) Fernabsatzgeschäft . . . . . . . . . . . d) Rechtsfolgen (Widerruf) . . . . . . . . . . aa) Besichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Notarielle Beurkundung und gerichtlicher Vergleich . . . . . . . . cc) Belehrung über das Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Rechtsfolgen des Widerrufs . . . . (1) Widerruf des Mietvertrages . . . . (2) Widerruf von Vertragsänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Schranken der Vertragsgestaltung bei Formular- und Verbraucherverträgen . . . a) Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . b) Persönlicher Anwendungsbereich . .

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1 1 3 6 6 7 8 8 14 18 19a 19a 20 29 34 36 39 45 48 48 52 53 55 56 63 65 66 68 69b 70 71d 71g 72 73 73c 74 74d 74d 74k 75 76 78

c) Verwender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 d) Individual- und Formularverträge . . 82 e) Verbraucherverträge, § 310 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 f) Möglichkeit der Kenntnisnahme . . . 89 g) Inhaltskontrolle von Formularverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 aa) Äquivalenzprinzip (Preisargument) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 bb) Überschaubarkeit des abgewälzten Risikos . . . . . . . . . . . . . . 98 cc) Versicherbarkeit des Risikos . . . 100 dd) Transparenzgebot, § 307 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 h) ABC der Schranken für Formularklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 i) Folgen bei Unwirksamkeit von Formularverträgen (§ 306 BGB) . . . 254 aa) Geltungserhaltende Reduktion . 255 bb) Ergänzende Vertragsauslegung . 258 cc) Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . 259 j) Unterlassungsklage . . . . . . . . . . . . . . 261 9. Vertragsänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . 268 10. Wirksamkeit der Einigung über den Mietvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272a II. Parteien des Mietvertrages . . . . . . . . . . . . . 273 1. Vermieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 a) Stellung als Vertragspartner . . . . . . . 273 aa) Minderjährige als Vertragspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 bb) Gesellschaften als Vertragspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 cc) Öffentlich-rechtliche Körperschaften als Vertragspartner . . . 281 dd) Mehrere Personen als Vermieter 282 ee) Handeln des Hausverwalters . . . 283 b) Handeln im Rechtsverkehr . . . . . . . . 285 2. Mieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 a) Stellung als Vertragspartei . . . . . . . . 290 aa) Personelle Teilidentität zwischen Vermieter und Mieter . . . . . . . . 292 bb) Mehrere Personen als Mieter . . . 293 cc) Wohngemeinschaft . . . . . . . . . . 300 b) Handeln im Rechtsverkehr . . . . . . . . 304 3. Grundsätze der Kommunikation zwischen Vermieter und Mieter . . . . . . . 307 4. Gewillkürter Parteiwechsel . . . . . . . . . . . 311 a) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 b) Vertragsübernahmeklauseln . . . . . . . 317 c) Mieterwechsel nach § 1568a BGB . . 319a III. Gegenstand des Mietvertrages . . . . . . . . . . 320 1. Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 2. Wesentliche Bestandteile und Zubehör . 324 3. Gemeinschaftsflächen . . . . . . . . . . . . . . . 326

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags | § 535 4. Sonstige Aspekte der Gebrauchsgewährspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Pflichten des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überlassung der Mietsache . . . . . . . . . . . a) Inhalt der Übergabe . . . . . . . . . . . . . . b) Fälligkeit des Übergabeanspruchs . . aa) Bestimmtes Übergabedatum . . . bb) Bestimmbares Übergabedatum . cc) Verspätete Übergabe . . . . . . . . . . dd) Übergabe vor Vertragsbeginn . . c) Zustand bei Übergabe . . . . . . . . . . . . aa) Konkrete Festlegung des Zustandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Renovierungszustand . . . . . . . . . (2) Sonstige Merkmale des vertragsgemäßen Zustandes . . . . . . . . . . bb) Stillschweigende Festlegung des Zustandes . . . . . . . . . . . . . . . cc) Fehlende Festlegung des Zustandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Beispiele zum Mindeststandard . . . . 2. Erhaltungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erfasste Gegenstände . . . . . . . . . . . . . b) Instandhaltung und Instandsetzung . c) Verkehrssicherungspflicht . . . . . . . . . aa) Reinigungs- und Streupflicht . . . bb) Wirksame Überbürdung . . . . . . cc) Untergang der Räum- und Streupflicht? . . . . . . . . . . . . . . . . d) Prüfungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . e) Wegfall der Erhaltungspflicht . . . . . . 3. Nebenpflichten des Vermieters . . . . . . . . a) Gleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . b) Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Aufklärungspflichten . . . . . . . . . . . . . aa) Aufklärungspflichten des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Aufklärungspflichten des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Selbstauskunft des Mieters . . . . . (2) Sonstige Aufklärungspflichten . . d) Treuepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Fürsorgepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Pflicht zur Modernisierung . . . . . . . . . . . 5. Versorgung mit Energie und Wasser . . . . 6. Versorgungssperre . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Während des laufenden Mietvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Liefersperre durch Versorgungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Liefersperre durch die Wohnungseigentümergemeinschaft . b) Nach Mietende . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vertragliche Situation . . . . . . . . . bb) Besitzschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ausüben der Versorgungssperre dd) Abwenden der Versorgungssperre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Lastentragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Überbürdung von Erhaltungspflichten . . . 1. Kleinreparaturklauseln . . . . . . . . . . . . . . . a) Wirksamkeitsanforderungen . . . . . . b) Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsfolgen unwirksamer Klauseln zu Kleinreparaturen . . . . . . . . . . . . . .

329a 330 331 332 336 336 338 341 345 349 349a 350 353 356 360 366 444 445h 446 451 454b 458 461 463 469 475 476 479 482 484 486 487 495 499 500 504 505 506 506 508 513 514 514 518 521 523 524 525a 528 528 534 536

2. Wartungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schönheitsreparaturen . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff der Schönheitsreparaturen . . b) Abgrenzung zu Schadensersatz . . . . c) Wirksame Überbürdung . . . . . . . . . aa) Inhaltlich bestimmte Klausel . . . bb) Inhaltlich abweichende Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Fälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Überbürdung ohne Fristen . . . . (2) Zu kurze Fristen . . . . . . . . . . . . . (3) Starre Fristenpläne . . . . . . . . . . . (4) Bedarfsklausel . . . . . . . . . . . . . . . dd) Art der Ausführung . . . . . . . . . . ee) Fachhandwerkerklauseln . . . . . . ff) Farbwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Wirksamkeit von Vorgaben für die Mietzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Wirksamkeit von Vorgaben für die Rückgabe . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ausführungsbeispiele . . . . . . . . . d) Spezielle Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anfangsrenovierung . . . . . . . . . bb) Laufende Renovierung . . . . . . . . cc) Endrenovierungsklausel . . . . . . dd) Tapezierfähigkeit . . . . . . . . . . . . ee) Schiedsgutachterklauseln . . . . . . e) Summierungseffekt in der Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anfangsrenovierung/laufende Renovierung . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Laufende Renovierung/Schlussrenovierung . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Laufende Renovierung/Quotenklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Andere Kombinationen . . . . . . . ee) Vermeidung des Summierungseffektes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Abgeltungsanspruch . . . . . . . . . . . . . g) Freizeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Durchsetzung der Renovierungspflicht des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . aa) Während der Mietzeit . . . . . . . . (1) Erfüllungsanspruch . . . . . . . . . . (2) Vorschussanspruch . . . . . . . . . . (3) Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nach Mietende . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Fristsetzung als Leistungsaufforderung . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Eigentliche Fristsetzung . . . . . . . (3) Ablehnungsandrohung? . . . . . . . (4) Entbehrlichkeit der Fristsetzung (5) Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Sinnlose Renovierung wegen Modernisierung/Umbau . . . . . . . . . . j) Rechtsfolge unwirksamer Renovierungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Renovierungspflicht des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erstattung von Renovierungsund sonstigen Kosten . . . . . . . . . (1) Ansprüche aus cic? . . . . . . . . . . . (2) Aufwendungsersatz nach § 684 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Bereicherungsausgleich . . . . . . . (4) Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Mieterhöhung . . . . . . . . . . . . . . .

538 540 544 552 555a 557 559 562 564 567 572 577 578 585 587 587 590 593 598 598 600a 601 605 607a 608 612 615 622 623 624 627 632 640 640 641 643 648 649 650 655 658 661 663a 664 666 666 667b 668 671 673 676 678

Lützenkirchen | 51

§ 535 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags (1) Preisfreier Wohnraum . . . . . . . . 678 (2) Preisgebundener Wohnraum . . . 683 k) Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . 689 4. Sonstige Erhaltungspflichten des Mieters 692 5. Haftungsbeschränkungen des Vermieters 694 VI. Erfüllungsanspruch des Mieters . . . . . . . . . 696 1. Leistungshindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . 699 2. Mängelbeseitigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 701 a) Umfang der Mängelbeseitigung . . . . 704 b) Vom Mieter verursachte Brandund sonstige Schäden . . . . . . . . . . . . 711a c) Verweigerung der Mängelbeseitigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 712 d) Mängelbeseitigung in der Insolvenz des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . 717 e) Mängelbeseitigung bei Eigentumswohnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 719 f) Opfergrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 721 g) Mängelbeseitigung in der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 725 h) Verjährung während der Mietzeit . . . 727a i) Ende der Mängelbeseitigungspflicht 728 VII. Gebrauchsrechte des Mieters . . . . . . . . . . . . 729 1. Orientierung an den Vertragsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 731 2. Wohnraumnutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . 735 3. Nutzungsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 740 4. Hausrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 744 5. Bauliche Veränderungen . . . . . . . . . . . . . 747 a) Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . 747 b) Notwendigkeit der Zustimmung . . . 749 c) Abwägungskriterien . . . . . . . . . . . . . 755 d) Rechtsfolgen der Zustimmung . . . . . 760 6. Nutzung von Gemeinschaftsflächen . . . . 764 7. Tierhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 767 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 767 aa) Kleintiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 769 bb) Tierhaltung und vertragsgemäßer Gebrauch . . . . . . . . . . . 774 cc) Widerruf der Erlaubnis . . . . . . . 783 b) Erlaubnisvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . 786 8. Telefonie, Rundfunk- und Fernsehempfang, Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 790 a) Telefonie und Medien . . . . . . . . . . . . 790 b) Rundfunk- und Fernsehempfang . . . 792 9. Musikausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 801 10. Aufstellen von Haushaltsgeräten . . . . . . . 802 VIII. Mitwirkungs- und Nebenpflichten des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 807 1. Besichtigungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 807 a) Entgegenstehende Rechte des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 809 b) Vertragliche Ausgestaltung . . . . . . . . 811 c) Besichtigungsrecht ohne vertragliche Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 814 d) Umsetzung des Besichtigungsrechts . 815 aa) Ankündigung . . . . . . . . . . . . . . . 815 bb) Zeitbestimmung . . . . . . . . . . . . . 817 cc) Frequenz der Besichtigungen . . . 821 dd) Teilnahmeberechtigte Personen . 823 ee) Dauer der Besichtigung . . . . . . . 825 ff) Räumlicher Umfang des Zutrittsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 826 gg) Besondere Belange des Mieters . 828

52 | Lützenkirchen

e) Besichtigung und Selbsthilfe . . . . . . 830 f) Rechtsfolge unberechtigter Verweigerung der Besichtigung . . . . . . . . . . 832 g) Prozessuale Umsetzung . . . . . . . . . . 834 2. Obhutspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 836 a) Einsetzen der Obhutspflicht . . . . . . . 837 b) Gegenstand der Obhutspflicht . . . . . 840 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . 840 bb) Lüften und Heizen . . . . . . . . . . . 843 cc) Abschließen der Haustür . . . . . . 852 3. Gebot der Rücksichtnahme . . . . . . . . . . . 855 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 855 b) Hausordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 856 4. Reinigungs- und Sorgfaltspflichten . . . . . 860 a) Reinigung der Mieträume . . . . . . . . 860 b) Reinigung allgemein genutzter Flächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 863 5. Duldungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 864 IX. Mietzahlungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 870a 1. Miete als Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . 870a a) Arten der Gegenleistung . . . . . . . . . . 873 b) Ermittlung der Höhe der Miete . . . . 876 c) Abtretbarkeit der Miete . . . . . . . . . . 879 aa) Abtretung der Miete vor Vermieterwechsel . . . . . . . . . . . . 880 bb) Sicherungsabtretung der Untermiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 885 d) Leistungsverweigerungsrecht . . . . . . 887 aa) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . 887 bb) Geltendmachung des § 320 BGB 890 cc) Umfang der Leistungsverweigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 892 2. Mietstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 893 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 893 b) Zuschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 895 aa) Untermietzuschlag . . . . . . . . . . . 897 bb) Zuschlag für gewerbliche Mitbenutzung . . . . . . . . . . . . . . . 898 cc) Möblierungszuschlag . . . . . . . . . 900 dd) Zuschlag für Schönheitsreparaturen . . . . . . . . . . . . . . . . . 901 3. Sonderformen der Miete . . . . . . . . . . . . . 902 a) Einmalmiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 902 b) Mietvorauszahlung . . . . . . . . . . . . . . 903 c) Zuschüsse der öffentlichen Hand . . . 904 d) Baukostenzuschüsse . . . . . . . . . . . . . 906 e) Abstandszahlungen . . . . . . . . . . . . . . 909 f) Ablösezahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . 913 g) Einzugspauschale . . . . . . . . . . . . . . . 918 4. Wirksamkeit der Mietvereinbarung . . . . 920 a) Allgemeine gesetzliche Schranken . . 920 b) Steuerhinterziehung, § 134 BGB . . . 922 c) Erschleichen von Sozialleistungen . . 923 d) Preisrecht im öffentlichen Wohnungsbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 924 e) Geltung der Kostenmiete im preisfreien Wohnraum . . . . . . . . . . . 925 aa) Vereinbarung der Kostenmiete . 925 bb) Fortgeltung der Kostenmiete nach Wegfall des WGG . . . . . . . 926 f) Auslaufen gesetzlicher Verbote . . . . . 927 5. Verwirkung des Mietzahlungsanspruchs 929 6. Erlöschen des Mietzahlungsanspruchs . . 932 a) Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 935 b) Hinterlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 937

Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags | § 535

X.

XI.

C. I.

II.

III.

c) Leistung an Erfüllungs statt . . . . . . . d) Ausstellung einer Mietschuldenfreiheitsbescheinigung . . . . . . . . . . . . 7. Miete im Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Leistungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Urkundsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsätzliche Zulässigkeit . . . . bb) Urkundsklage und Mängeleinwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Abstandnehmen vom Urkundsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vorauszahlungen im Prozess . . . . . . d) Klage auf zukünftige Leistung (Miete) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schutzbereich des Mietvertrags . . . . . . . . . 1. Schutzwirkung für Dritte . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftung für Verschulden Dritter . . . . . . . . 1. Vermieterseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mieterseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirksamkeit des Mietvertrages . . . . . . . . . 1. Allgemeine Tatbestände . . . . . . . . . . . . . . a) Steuerhinterziehung, § 134 BGB . . . . b) Ausnutzen einer beherrschenden Marktstellung, § 19 GWB . . . . . . . . . c) § 138 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Koppelungsgeschäfte . . . . . . . . . bb) Wucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sonstige Verträge . . . . . . . . . . . . d) § 125 BGB (Vorkaufsrecht) . . . . . . . . e) § 144 Abs. 2 Nr. 3 BauGB . . . . . . . . . f) § 4 WiStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Branchenspezifische Bestimmungen . . . . a) § 2 GastG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) §§ 8 S. 2, 12 ApothG . . . . . . . . . . . . . c) §§ 9, 12 ApothG . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Inhaltskontrolle von AGB-Klauseln . . . . 4. Änderungen des Mietvertrages . . . . . . . . Vertragspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Haftungsbeschränkung bei der GbR . . . . 3. Nachhaftung des ausgeschiedenen Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Außen-GbR auf Mieterseite . . . . . . . 5. Parteiwechsel nach dem UmwG . . . . . . . 6. Mieterwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertragszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zulässige Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konkreter Nutzungszweck . . . . . . . . 2. Bestimmung des vertragsgemäßen Zustandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abwälzung des Risikos des Gebäudezustandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bestätigung des Gebäudezustandes . b) Ausschluss der Haftung für Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bestimmung eines Mangels i.S.v. § 536 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

939 941 943 943 945 945

IV.

947 951 952 954 955 956 960 963 965 965 968 971 971 971 972 973 976 977 980 982 983 985 986 986a 987 988 991 992 996 1001 1001 1005 1007 1008 1010 1014a 1015 1019 1019 1023 1031

V.

VI.

VII.

VIII.

1035 1035 IX.

5. Haftung des Mieters für vertragsgemäßen Gebrauch? . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Nutzungsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . Mietgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nutzung der Außenwand (Werbung) . . . 2. Vermietung vom Reißbrett . . . . . . . . . . . a) Mietobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vertragsgemäßer Zustand . . . . . . . . aa) Vom Standard abweichende Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . bb) Anordnungsrecht des Mieters nach §§ 650b ff. BGB . . . . . . . . . cc) Risikoregelungen zu öffentlichrechtlichen Genehmigungen . . . Rechte und Pflichten des Vermieters . . . . . 1. Besichtigungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Prüfungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konkurrenzschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen des vertragsimmanenten Konkurrenzschutzes . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schuldner des vertragsimmanten Konkurrenzschutzes . . . . . . cc) Umfang des Konkurrenzschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Sachlicher Umfang . . . . . . . . . . . (2) Räumlicher Umfang . . . . . . . . . . dd) Konkurrenzschutz für freie Berufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vertraglicher Konkurrenzschutz . . . c) Rechtsfolgen bei Verletzung des Konkurrenzschutzes . . . . . . . . . . . . . d) Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sonstige Nebenpflichten des Vermieters 5. Versorgungssperre . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betriebspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehung der Betriebspflicht . . . . . . . . a) Formularmäßige Bestimmung . . . . . b) Schlüssige Vereinbarung . . . . . . . . . . 3. Inhalt der Betriebspflicht . . . . . . . . . . . . . 4. Ende der Betriebspflicht . . . . . . . . . . . . . 5. Ahndung von Verstößen gegen die Betriebspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Wettbewerbsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . Überbürdung von Erhaltungsmaßnahmen 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Dach und Fach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Räumlicher Geltungsbereich von Abwälzungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Schönheitsreparaturen . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einzelne Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsfolge unwirksamer Klauseln . Miete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umsatzmiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Standortsicherung durch Dienstbarkeit . .

1042 1045 1051 1052 1054 1054 1056 1058 1062a 1063 1066 1066 1068 1070 1071 1071 1074 1076 1076 1081 1083 1088 1092 1096 1097 1101 1103 1103 1105 1105 1108 1110 1112 1114 1116b 1117 1118 1123 1127 1128 1129 1131a 1135b 1136 1136 1147 1151

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§ 535 Rz. 1 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt 1 Die Vorschrift regelt zunächst die kennzeichnenden Merkmale des Mietvertrages (Vermieter, Mieter,

Überlassung, Miete) und bestimmt die wichtigsten Hauptpflichten, nämlich für den Vermieter die Pflicht zur Überlassung (= Gebrauchsgewährung) und Erhaltung der Mietsache sowie für den Mieter die Pflicht zur Mietzahlung. Entgegen der Überschrift ist die Lastentragung allerdings keine Hauptpflicht, wie sich bereits aus § 556 Abs. 1 BGB erschließt. 2 Neben diesen elementaren und dogmatischen Gesichtspunkten muss die Norm i.V.m. flankierenden

gesetzlichen Bestimmungen gesehen werden. Insbesondere §§ 555a, 555d, 536c BGB machen deutlich, dass auch für den Mieter Pflichten bestehen, um den vertragsmäßigen Zustand und Gebrauch zu realisieren. Damit bildet die Norm auch die Grundlage für viele Nebenpflichten aus dem Mietvertrag wie z.B. das Besichtigungsrecht.

II. Anwendungsbereich 3 Die Vorschrift bildet die Grundlage für alle Mietverhältnisse und gilt über § 581 Abs. 2 BGB entspre-

chend auch für die Pacht. 4 Auf den Mietvertrag sind grundsätzlich die allgemeinen Vorschriften des BGB, aber auch das AGG an-

wendbar, obwohl Rechtsverhältnisse im Massenverkehr i.d.R. nicht auf Gewährung des Gebrauchs einer bestimmten Sache abzielen1. In der Wohnraummiete werden häufig Verbraucherverträge geschlossen, die über §§ 312 Abs. 4, 312b, 312c BGB das Widerrufsrecht nach §§ 355 f. BGB begründen können. Bei Unwirksamkeit des Mietvertrages erfolgt eine Rückabwicklung über § 812 BGB, für die Annahme faktischer Mietverhältnisse besteht kein Raum2. Findet eine entgeltliche Überlassung von Räumen oder Grundstücken durch eine Miteigentümergemeinschaft an einen Miteigentümer statt, sind in erster Linie die Regeln der Gemeinschaft anzuwenden3. 5 Der entgeltliche Dauernutzungsvertrag über eine Wohnung zwischen der Wohnungsgenossenschaft

und ihrem Mitglied erfüllt ebenfalls die Voraussetzungen des § 535 BGB und ist daher als Mietvertrag zu qualifizieren4. Insoweit ist es nicht gerechtfertigt, ein Dauernutzungsverhältnis eigener Art anzunehmen, weil Grundlage des entgeltlichen Vertrages ein Dauernutzungsrecht ist, dass in der Regel in der Satzung der Genossenschaft geregelt ist und durch die Überlassung begründet wird. Maßgeblich ist, dass die Tatbestandsmerkmale des § 535 BGB vorliegen. Daneben bestehende genossenschaftliche Grundsätze (z.B. Treue, Gleichbehandlung) bestimmen sich nach den dafür geltenden Bestimmungen. Auch die Überlassung durch den Nießbraucher rechtfertigt keine von § 535 BGB abweichende Bewertung des Vertrages5.

III. Anwendbare Rechtsprechung 1. Sachlicher Anwendungsbereich 6 Das Mietrechtsreformgesetz von 2001 (MRRG) hat zu § 535 BGB keine wesentlichen Änderungen ge-

bracht. Die bisherigen Hauptpflichten der Parteien, die auf die §§ 535, 536 BGB a.F. verteilt waren, wurden in zwei Absätzen zusammengefasst und nach den Pflichten des Vermieters und des Mieters getrennt. Zusätzlich wurde in § 535 Abs. 1 S. 3 BGB die Lastentragung des Vermieters aus § 546 BGB a.F. integriert. 1 BGH v. 26.3.1980 – VIII ZR 150/79, MDR 1980, 749 = NJW 1980, 1578. 2 BGH v. 6.8.2008 – XII ZR 67/06, MietRB 2009, 4 = MDR 2009, 19 = ZMR 2009, 103 = GuT 2008, 330. 3 BGH v. 11.9.2000 – II ZR 324/98, MDR 2001, 151, NZM 2001, 45; BGH v. 15.9.1997 – II ZR 94/96, MDR 1998, 95 = ZMR 1998, 20. 4 BGH v. 14.10.2009 – VIII ZR 159/08, MDR 2010, 76 = MietRB 2010, 83 = WuM 2009, 744 ständ. Rspr. 5 AG Gelsenkirchen v. 23.7.2018 – 204 C 184/17, ZMR 2019, 136.

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A. Allgemeines | Rz. 12 § 535

2. Anwendbare Rechtsprechung Die Neuordnung der Hauptpflichten in einer Norm und zwei Absätzen durch das MRRG hat zu kei- 7 nen Änderungen geführt, die eine Differenzierung der Rechtsprechung nach altem und neuem Recht seit 2001 erforderlich machen würde.

IV. Darlegungs- und Beweislast 1. Darlegungslast zum Zustandekommen des Mietvertrages und Abweichungen Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tat- 8 sachen vorträgt, die i.V.m. einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind6. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen7. Kein mietvertraglicher Anspruch kann schlüssig vorgetragen werden, ohne das Bestehen eines Mietver- 9 trages darzustellen. Denn er bildet in der Regel die erste Voraussetzung. Selbst für den Räumungsanspruch aus § 546 BGB und die Nutzungsentschädigung nach § 546a BGB muss ein beendeter, also zunächst bestehender Mietvertrag vorgetragen werden. Bei der Darlegung des Mietvertrages als solchem entstehen in der Regel keine besonderen Probleme, 10 weil in den meisten Fällen ein schriftlicher Vertrag vorgelegt werden kann. Ist das einmal nicht der Fall, wird die jahrelange Abwicklung jedenfalls ein ausreichendes Indiz dafür sein, dass zwischen den Parteien ein Mietvertrag bestanden hat. Ist das Zustandekommen des Mietvertrages ausnahmsweise streitig, z.B. weil der Erfüllungsanspruch aus § 535 Abs. 1 BGB geltend gemacht werden soll, müssen in der Regel Angebot und Annahme vorgetragen werden8. Dazu reicht die Darstellung, dass eine der anderen Partei zugegangene Willenserklärung der anbietenden Partei mindestens die vier wesentlichen Merkmale des § 535 BGB (Mietparteien, Mietobjekt, Mietzeit, Miete) in bestimmbarer Form enthält, und eine Äußerung oder ein sonstiges Verhalten der anderen Partei, das als Annahme gewertet werden kann. Diese Anforderungen werden nicht höher, weil der Prozessgegner den Vortrag bestreitet. Denn eine 11 Partei, die ein Recht beansprucht, ist nicht schon deshalb, weil der Gegner ihr Vorbringen bestreitet, gezwungen, den behaupteten Sachverhalt in allen Einzelheiten wiederzugeben9. Insbesondere wenn eine Partei eine mündliche Abrede behauptet, die vom schriftlichen Mietvertrag 12 abweicht (ergänzt oder ändert), werden – oft sogar überraschend – hohe Anforderungen an die Substantiierungslast gestellt. Insoweit kommt zwar dem schriftlichen Mietvertrag als eine über ein Rechtsgeschäft errichtete Privaturkunde die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit zu10. Dies bedeutet aber nicht, dass sich derjenige, der die Abweichung behauptet, nicht darauf berufen könnte, er habe mit der anderen Partei bei Abschluss des Mietvertrages oder später eine mündliche Nebenabrede z.B. über die zusätzliche Nutzung von Flächen getroffen11. Vielmehr genügt er seiner Darlegungslast, wenn er die abweichende Vereinbarung behauptet und den Anlass bzw. den Zeitpunkt bestimmbar mitteilt (z.B. „bei Abschluss des Vertrages“).

6 Vgl. BGH v. 12.7.1984 – VII ZR 123/83, MDR 1985, 315 = NJW 1984, 2888 (unter II 1a); BGH v. 21.1.1999 – VII ZR 398/97, MDR 1999, 735, BGH v. 21.1.1999 – VII 398/97, NJW 1999, 1859 (unter II 2a) m.w.N.; BGH v. 1.6.2005 – XII ZR 275/02, MDR 2006, 48 = NJW 2005, 2710 (unter II 2a); BGH v. 21.5.2007 – II ZR 266/04, NJW-RR 2007, 1409 (Rz. 8); BGH v. 12.6.2008 – V ZR 221/07, WPM 2008, 2068 = juris Rz. 6 f. 7 BGH v. 25.10.2011 – VIII ZR 125/11, MietRB 2012, 2 = MDR 2011, 1464 = WuM 2011, 700 = GuT 2011, 298; BGH v. 12.7.1984 – VII ZR 123/83, MDR 1985, 315 = NJW 1984, 2888 m.w.N.; BGH v. 13.12.2002 – V ZR 359/01, NJW-RR 2003, 491 (unter II 2a). 8 Anschaulich: BAG v. 14.7.2005 – 8 AZR 300/04, NZA 2005, 1298 (1301). 9 BGH v. 12.7.1984 – VII ZR 123/83, MDR 1985, 315 = NJW 1984, 2888 (unter II 1a); BGH v. 1.6.2005 – XII ZR 275/02, MDR 2006, 48 = NJW 2005, 2710; BGH v. 12.6.2008 – V ZR 223/07, WPM 2008, 2068 (Rz. 8). 10 Vgl. BGH v. 5.7.2002 – V ZR 143/01, MDR 2002, 1361 = NJW 2002, 3164 (unter II 1a) m.w.N. 11 BGH v. 25.10.2011 – VIII ZR 125/11, MietRB 2012, 2 = MDR 2011, 1464 = WuM 2011, 700 = GuT 2011, 298.

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§ 535 Rz. 13 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags 13 Soweit zusätzlich zur Darlegung einer Willensübereinstimmung bei Vertragsschluss12 in der ober-

gerichtlichen Rechtsprechung eine Erklärung dafür gefordert wird, weshalb die Parteien davon abgesehen haben, eine behauptete mündliche Nebenabrede in die Vertragsurkunde aufzunehmen13, stehen diese Anforderungen in Widerspruch dazu, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung der Grad der Wahrscheinlichkeit der Sachverhaltsschilderung für den Umfang der Darlegungslast regelmäßig ohne Bedeutung ist14. Deshalb reicht z.B. der Hinweis, der Vermieter habe auch mit den übrigen Mietern des Anwesens entsprechende mündliche Nebenabreden über die Nutzung zusätzlicher Flächen getroffen. Dieser Vortrag enthält bei vernünftiger Betrachtung die die unterbliebene Aufnahme der Nebenabrede in den Vertragstext erklärende Aussage, das von den Vertragsparteien gewählte Vorgehen habe der üblichen Handhabung entsprochen15. 2. Beweislast 14 Der Anspruch auf Erfüllung eines Mietvertrages wird i.d.R. im zivilrechtlichen Erkenntnisverfahren

geltend gemacht. Deshalb gelten die allgemeinen Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast. Ausnahmsweise kann der Erfüllungsanspruch auch im Wege der einstweiligen Verfügung verfolgt werden. Das stellt zwar grundsätzlich eine Vorwegnahme der Hauptsache dar. Bedeutet die Verweisung auf das Hauptsacheverfahren aber quasi eine Rechtsverweigerung, ist eine Ausnahme gerechtfertigt. Das ist z.B. der Fall, wenn ein Gastwirt acht Tage vor einer geplanten Veranstaltung den Termin absagt, weil er politische Ausschreitungen befürchtet16. 14a Grundsätzlich muss derjenige, der sich auf das Bestehen eines Mietvertrages beruft, das Zustandekom-

men darlegen und beweisen. Sofern er schriftlich geschlossen ist, gilt grundsätzlich die Vermutung des § 416 ZPO. Legen die Parteien ihre Exemplare mit (teilweise) unterschiedlichem Inhalt vor, kann bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden, inwieweit der Vermieter im Objekt weitere Mietverträge mit dem gleichen Inhalt abgeschlossen hat17. 15 Die Beweislast für Erfüllung der Überlassungspflicht und der Erhaltungspflicht trifft in der Regel den

Vermieter. Hat der Mieter die Leistung des Vermieters als Erfüllung angenommen, trägt gemäß § 363 BGB grundsätzlich der Mieter die Beweislast dafür, dass die Mietsache zum Zeitpunkt der Übergabe mangelhaft war18. 16 Die von der Regel über die Lastentragung nach § 535 Abs. 1 S. 3 BGB abweichende Vereinbarung

muss der Vermieter beweisen. Dazu muss er in der Regel die Voraussetzungen des § 556 Abs. 1 BGB darlegen. 17 Die Höhe der Miete ist regelmäßig vom Vermieter nachzuweisen, während der Beweis einer Erfüllung

dem Mieter obliegt. Dazu kann er nicht die Vorlage von Kontoauszügen des Vermieters verlangen, sofern nicht ausnahmsweise die Voraussetzungen des § 424 Nr. 5 ZPO vorliegen19. Im Urkundenprozess (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 945) müssen beide Parteien ihren Vortrag durch Urkunden belegen können.

V. Abweichende Vereinbarungen 18 Die Wesensmerkmale des Mietvertrages (Parteien, Mietsache, Mietzeit und Miete) können die Partei-

en grundsätzlich nicht abweichend regeln. Dies führt nämlich in der Regel zu einer Wesensänderung,

12 Vgl. hierzu BAG v. 14.7.2005 – 8 AZR 300/04, NZA 2005, 1298 (1301). 13 Vgl. KG v. 27.5.2002 – 8 U 2074/00, MDR 2003, 79, GE 2002, 930 m.w.N. 14 Vgl. BGH v. 13.12.2002 – V ZR 359/01, NJW-RR 2003, 491; BGH v. 12.6.2008 – V ZR 223/07, WPM 2008, 2068 (Rz. 7), jeweils m.w.N. 15 BGH v. 25.10.2011 – VIII ZR 125/11, MietRB 2012, 2 = MDR 2011, 1464 = WuM 2011, 700 = GuT 2011, 298. 16 LG München I v. 11.5.2016 – 14 O 7838/16, MietRB 2017, 40 = ZMR 2017, 53. 17 OLG Koblenz v. 5.6.2013 – 5 U 1349/12, IMR 2015, 367. 18 BGH v. 15.11.2006 – XII ZR 120/04, MDR 2007, 257 = NJW 2007, 2394 (Rz. 23 f.) m.w.N.; BGH v. 13.2.1985 – VIII ZR 154/84, MDR 1986, 49 = NJW 1985, 2328 (unter II 2b). 19 OLG Koblenz v. 5.11.2012 – 5 U 1059/12, ZMR 2014, 279 = DWW 2013, 294.

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B. Wohnraummiete | Rz. 19c § 535

so dass ein anderer Vertragstyp vorliegt (z.B. Pacht, Leihe). Allerdings ist § 535 Abs. 1 S. 3 BGB disponibel, wie der Umkehrschluss aus § 556 Abs. 1 BGB deutlich macht. Die Überlassungs-, Übergabe- und Erhaltungspflicht können die Parteien individuell in den Grenzen 19 der §§ 134, 138 BGB verändern. Formularvertraglich scheitert ein solches Vorhaben in der Regel an § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, weil sowohl die Überlassungs- und Übergabe- als auch die Erhaltungspflicht als Hauptpflichten das gesetzliche Leitbild der Miete prägen. Ausnahmen davon können durch die Verkehrssitte gebildet werden. Denn bestand bereits bei Einführung des AGB-Gesetzes am 1.4.1977 eine Verkehrssitte, wonach die formularmäßige Überbürdung einzelner Erhaltungspflichten auf den Mieter zulässig war, muss sich das Recht dieser Verkehrssitte anpassen. Das trifft bei der Wohnraummiete für Schönheits-20 und Kleinreparaturen21 zu. Denn wie sich aus § 28 Abs. 3, 4 II. BV ergibt, war die Überbürdung dieser Leistungen auf den Mieter seit jeher üblich. Für die Gewerberaummiete gilt nichts anderes22.

B. Wohnraummiete I. Abschluss des Mietvertrages Der Abschluss des Mietvertrages – im Gegensatz zu einer Änderung oder Erweiterung – wird in der 19a Praxis nur in seltenen Fällen streitig, weil in der Regel eine von beiden Parteien unterzeichnete Vertragsurkunde hergestellt wird. Sofern sie denn im Original vorgelegt wird, hat sie die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich, § 416 ZPO. Zweifel können sich aber auch in einem solchen Fall ergeben, wenn z.B. der Inhalt der im Besitz der jeweiligen Partei befindlichen Urkunde von einander abweicht. Dies kann zur Anwendung der §§ 154, 139 BGB führen. Ist die Urkunde abhanden gekommen, ergibt sich regelmäßig ein Vorlageanspruch aus § 810 BGB. Kann die beweisbelastete Partei das Original nicht vorlegen, kann der Inhalt und damit auch der Abschluss des Mietvertrages durch die übrigen Mittel des Strengbeweises, insbesondere durch Zeugen nachgewiesen werden. Abgesehen davon, dass ohne plausible Erklärung das Abhandenkommen der Vertragsurkunde schon einen Fälschungsverdacht hervorrufen kann23, sind an das Zustandekommen und den Inhalt der Einigung in solchen Fällen strenge Anforderungen zu stellen. Im Übrigen muss beachtet werden, dass ein einmal beendetes Mietverhältnis nur neu begründet wer- 19b den kann24. Die Gegenmeinung25, die sich auf die Vertragsfreiheit und § 545 BGB beruft, verkennt, dass es sich bei dieser Vorschrift um einen Ausnahmetatbestand handelt, der keinen zu verallgemeinernden Grundsatz enthält und die Vertragsfreiheit den Parteien das Recht gibt, ihr Innenverhältnis zu gestalten, nicht jedoch die objektive Rechtslage nachträglich zu verändern. Wird also z.B. ein beendetes Mietverhältnis „fortgesetzt“ oder „verlängert“ und dazu nur ein Vertrag geschaffen, der einige Änderungen enthält aber sonst auf den bisherigen Vertrag Bezug nimmt, liegt darin die Neubegründung des Mietverhältnisses. Dafür gelten die gleichen Anforderungen wie für den erstmaligen Abschluss eines Mietvertrages. Liegt keine Vertragsurkunde vor, kann es problematisch sein, ob die der Überlassung der Mietsache 19c zugrundeliegenden Äußerungen die Annahme eines Vertragsschlusses zulassen. Ob eine Erklärung oder ein bestimmtes Verhalten als (rechtsverbindliche) Willenserklärung zu werten ist, beurteilt sich dabei nach den für die Auslegung von Willenserklärungen (Vor § 535 BGB Rz. 151 ff.) geltenden Maßstäben26. So ist gerade bei einer (nahezu) unentgeltlichen Überlassung von Wohnraum zu Wohnzwecken die Differenzierung, ob die Parteien einen Mietvertrag (§ 535 BGB), einen Leihvertrag (§ 598 BGB) oder ein schuldrechtliches Nutzungsverhältnis sui generis (§ 241 BGB) abschließen oder nur ein bloßes 20 BGH v. 14.7.2004 – VIII ZR 339/03, WuM 2004, 529 = NZM 2004, 734. 21 BGH v. 7.6.1989 – VIII ZR 91/88, MDR 1989, 906 = WuM 1989, 327. 22 BGH v. 12.3.2014 – XII ZR 108/13, MietRB 2014, 168 = MDR 2014, 518 = NZM 2014, 306 = DWW 2014, 127 = NJW 2014, 1444. 23 BGH v. 18.9.2013 – VIII ZR 297/12, MDR 2013, 1335 = MietRB 2013, 349 = WuM 2013, 675. 24 BGH v. 24.6.1998 – XII ZR 195/96, MDR 1998, 1216 = WuM 1998, 599 = ZMR 1998, 612. 25 Blank, WuM 2014, 641 (643). 26 BGH v. 29.6.2016 – VIII ZR 191/15, MDR 2016, 1083 = NJW 2016, 3015 Rz. 28 m.w.N.

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§ 535 Rz. 19c | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags Gefälligkeitsgeschäft vornehmen wollten, im Einzelfall schwierig. Zur Abgrenzung der verschiedenen rechtlichen Möglichkeiten ist nach Anlass und Zweck der Gebrauchsüberlassung und ggf. sonstigen erkennbar zutage getretenen Interessen der Parteien zu unterscheiden27. Dabei kann auch das nachträgliche Verhalten der Vertragsparteien zu berücksichtigen sein28. Dieses kann zwar den objektiven Vertragsinhalt nicht mehr beeinflussen, aber Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlichen Willens und das tatsächliche Verständnis der Vertragsparteien haben29. Die Abgrenzung, ob den Erklärungen der Parteien ein Wille zur rechtlichen Bindung zu entnehmen ist oder die Parteien nur aufgrund einer außerrechtlichen Gefälligkeit handeln, ist unter Würdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu bewerten. Ob ein Rechtsbindungswille vorhanden ist, wird anhand objektiver Kriterien aufgrund der Erklärungen und des Verhaltens der Parteien ermittelt, wobei vor allem die wirtschaftliche und die rechtliche Bedeutung der Angelegenheit heranzuziehen sind30. Bei Anlegung dieser Maßstäbe liegt i.d.R. kein bloßes Gefälligkeitsverhältnis vor, wenn eine Wohnung einer Familie als Lebensmittelpunkt dienen soll31. 1. Wesentlicher Inhalt der Einigung 20 Der Abschluss des Mietvertrags kann ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten erfolgen. Stets

müssen Angebot und Annahme i.S.d. §§ 145 ff. BGB vorliegen und zumindest die essentalia des Mietvertrages (Parteien, Mietobjekt, Miete, Mietzeit) umfassen32. Der Vertrag kommt dann in dem Zeitpunkt zustande, in dem die Annahmeerklärung zugeht, sofern kein Fall des § 151 BGB vorliegt. Dazu muss insbesondere ein auf den Abschluss eines Mietvertrags gerichteter Wille beider Parteien festgestellt werden. Der bloße Gebrauch einer fremden Sache begründet für sich allein kein Mietverhältnis. Die Grundsätze über die Entstehung eines Rechtsverhältnisses durch sozialtypisches Verhalten (faktische Vertragsverhältnisse) finden beim Gebrauch fremder Sachen keine Anwendung33. 21 Zur Annahme eines Mietvertrages ist es erforderlich, dass sich die Parteien über alle wesentlichen Ver-

tragsbedingungen i.S.v. § 535 BGB geeinigt haben34. Dazu gehören35 die – Parteien des Mietverhältnisses, – Mietsache, – Miete, – Mietzeit. 22 Sind über diese Bedingungen bestimmbare Abreden vorhanden, liegt ein Mietvertrag vor, sofern die

Parteien keinen Vorbehalt hinsichtlich ihrer endgültigen Einigung vereinbaren (z.B. § 154 Abs. 2 BGB). Bestimmbar ist eine Abrede, wenn sie durch objektive Umstände inhaltlich bestimmt werden kann. Insoweit ist maßgeblich, dass ein Dritter nicht erst durch außerhalb der Urkunde liegende Informationen den Vertragsinhalt ermitteln kann36. 23 Die Mietparteien (im Einzelnen § 535 BGB Rz. 73 ff.) sind z.B. bestimmbar bezeichnet, wenn sie durch

die Beschreibung eines bestimmten Vorgangs identifizierbar sind (z.B. die „künftigen Erwerber“)37. Dagegen ist die Bezeichnung „Erbengemeinschaft S“ ohne Angabe einer Anschrift o.Ä. nicht ausreichend, weil nicht ersichtlich ist, ob mit „S“ der Erblasser oder die Erben benannt werden sollten und eine Be27 BGH v. 4.5.1970 – VIII ZR 179/68, MDR 1970, 1004 = WPM 1970, 853. 28 BGH v. 20.9.2017 – VIII ZR 279/16, MietRB 2017, 345 = MDR 2018, 83 = WuM 2017, 630. 29 Vgl. BGH v. 27.4.2016 – VIII ZR 61/15, MDR 2016, 818 = MietRB 2016, 261 = WuM 2016, 429 = ZMR 2016, 530 Rz. 28 (st. Rspr.). 30 BGH v. 18.12.2008 – IX ZR 12/05, MDR 2009, 495 = NJW 2009, 1141 unter II 1 m.w.N.; vgl. auch BGH v. 23.7.2015 – III ZR 346/1, MDR 2015, 10014, BGHZ 206, 254 (256). 31 BGH v. 20.9.2017 – VIII ZR 279/16, MietRB 2017, 345 = MDR 2018, 83 = WuM 2017, 630. 32 BGH v. 18.11.1993 – IX ZR 256/92, MDR 1994, 827 = NJW-RR 1994, 317. 33 BGH v. 26.3.1980 – VIII ZR 150/79, MDR 1980, 749 = NJW 1980, 1577. 34 OLG Düsseldorf v. 30.8.2010 – 24 U 5/10, MDR 2011, 288 = MietRB 2011, 8 = ZMR 2011, 119. 35 Vgl. OLG Düsseldorf v. 6.5.2008 – I-24 U 188/07, OLGR 2008, 662; Wolf/Eckert/Ball, Rz. 62. 36 OLG Rostock v. 10.1.2005 – 3 U 61/04, NZM 2005, 506 (Angabe einer nicht im Handelsregister eingetragenen KG als Mieter). 37 BGH v. 2.11.2005 – XII ZR 233/03, MDR 2006, 561 = MietRB 2006, 97 = GuT 2006, 10 = ZMR 2006, 116.

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B. Wohnraummiete | Rz. 27 § 535

stimmbarkeit mangels Angabe der Anschrift nicht gewährleistet ist38. Dies gilt selbst dann, wenn der Namenszug mit einer der für die Erbengemeinschaften geleisteten Unterschrift identisch ist39. Da die Erbengemeinschaft als solche nicht rechtsfähig ist, mangelt es der Bezeichnung „Erbengemeinschaft“ unter Hinzusetzung eines Familiennamens an einer ausreichenden Individualisierung ihrer Mitglieder40. Können aus dem Zusatz jedoch die Mitglieder ermittelt werden, ist die Bezeichnung ausreichend. Das ist z.B. bei der Vermieterbezeichnung „Erbengemeinschaft nach M.M.“ der Fall. Denn hier lässt sich die Person des Vermieters anhand der Vertragsurkunde und des Grundbuches ohne weiteres ermitteln41. Das Gleiche gilt im Wege der Auslegung z.B. für die Bezeichnung einer „Grundstücksgemeinschaft N.-K.“, weil damit die bei Abschluss des Vertrages eingetragenen Eigentümer bezeichnet werden42. Die gleiche Möglichkeit zur Identifizierung des Vermieters besteht, wenn ein Hausverwalter „i.A.“ als Vermieter unterschreibt43. Unverwechselbar ist aber die Bezeichnung „Immobilien-Fonds, … straße“, mit dem eine Publikums-KG im Mietvertrag als Vermieter bezeichnet ist44. Die erforderliche Bestimmbarkeit des Mietobjekts kann sich zum einen aus Plänen ergeben, in denen 24 die vermieteten Räume gekennzeichnet sind, zum anderen aber auch aus einer in der Vertragsurkunde selbst enthaltenen, hinreichend genauen Beschreibung der Größe und Lage der Mieträume im Gebäude45 (vgl. im Einzelnen § 550 BGB Rz. 65 ff.). Für das Zustandekommen eines Mietvertrages ist nicht erforderlich, dass die Miete in Geld entrichtet 25 wird. Es genügt als Gegenleistung auch die Gewährung anderer Vorteile46. Ist jedoch nur die Übernahme von Betriebskosten als „Gegenleistung“ vereinbart, kann jedenfalls dann ein Leihvertrag bestehen, wenn es sich um Kosten handelt, die erst den Gebrauch ermöglichen (vgl. Vor § 535 BGB Rz. 16). Die Miete ist bestimmbar vereinbart, wenn ihre Höhe z.B. durch einen Sachverständigen anhand der konkreten Abreden der Parteien ermittelt werden kann47. Unabhängig davon kann eine wirksame (konkludente) Einigung auch ohne eine bestimmte Miethöhe angenommen werden. Denn die Höhe der Miete kann durch das Gericht in ergänzender Vertragsauslegung oder analog §§ 612 Abs. 2, 632 Abs. 2 BGB ermittelt werden48. Wird die Mietzeit mit Daten angegeben, liegt in der Regel ein Fixgeschäft vor (vgl. Vor § 536 BGB 26 Rz. 29). Insoweit bestehen keine Bedenken, (auch weit) in der Zukunft liegende Zeiten als Vertragsbeginn zu vereinbaren. Ist die Mietzeit im Vertrag mit „ab der Übergabe 15 Jahre“ festgehalten, ist die Mietzeit ausreichend bestimmbar49. Denn die Übergabe ist ein objektiver Vorgang, der dem Beweis zugänglich ist. Dies gilt erst recht, wenn die Übergabe aber durch ein Protokoll, das von beiden Parteien zu unterschreiben ist, dokumentiert werden soll50. Eine Einigung über die wesentlichen Punkte genügt dann nicht, wenn nach dem Willen nur einer Partei 27 noch regelungsbedürftige Punkte offenstehen (§ 154 Abs. 1 BGB). In einem solchen Fall dürfen die übereinstimmenden Punkte nicht in einen Mietvorvertrag umgedeutet werden, weil den Parteien (dazu) jeglicher Bindungswille fehlt51. Dies ist auch anzunehmen, wenn die Parteien während der Verhandlun-

38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51

BGH v. 11.9.2002 – XII ZR 187/00, MDR 2003, 81 = NJW 2002, 3389 = NZM 2002, 950. Hanseatisches OLG Hamburg v. 19.3.2014 – 8 U 138/11, MietRB 2015, 102, GE 2015, 378. LG Hamburg v. 20.12.2012 – 307 S 78/12, ZMR 2013, 349. BGH v. 17.3.2015 – VIII ZR 298/14, MietRB 2015, 226 = IMR 2015, 264; BGH v. 11.9.2002 – XII ZR 187/00, MDR 2003, 81 = NJW 2002, 3389 unter II 5, 2. OLG Düsseldorf v. 21.11.2013 – 10 U 49/13, ZMR 2014, 628. Saarländisches OLG v. 15.5.2013 – 2 U 7/13, MietRB 2013, 260 = MDR 2013, 962 = ZMR 2014, 35; OLG Düsseldorf v. 21.11.2013 – 10 U 49/13, ZMR 2014, 628. OLG Hamm v. 11.3.1998 – 33 U 89/97, NZM 1998, 720. BGH v. 30.6.1999 – XII ZR 55/97, MDR 1999, 1431 = WuM 1999, 516 = ZMR 1999, 691. OLG Köln v. 14.2.1996 – 11 U 219/95, DWW 1996, 189. BGH v. 2.10.1991 – XII ZR 88/90, WuM 1992, 312 (313) = ZMR 1992, 237. BGH v. 31.1.2003 – V ZR 333/01, MDR 2003, 561 = WuM 2003, 263 = ZMR 2003, 415 = GuT 2003, 86 = NZM 2003, 314. BGH v. 2.11.2005 – XII ZR 212/03, MDR 2006, 561 = MietRB 2006, 97 = GuT 2006, 11 = ZMR 2006, 115; BGH v. 2.5.2007 – XII ZR 178/04, MDR 2007, 1063 = MietRB 2007, 223 = NZM 2007, 443; OLG Naumburg v. 7.9.2004 – 9 U 3/04, NZM 2004, 825. OLG Dresden v. 31.8.2004 – 5 U 946/04, NZM 2004, 827. BGH v. 26.3.1980 – VIII ZR 150/79, MDR 1980, 749 = NJW 1980, 1577.

Lützenkirchen | 59

§ 535 Rz. 27 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags gen bereits den Mietvertrag in Vollzug setzen52. Ein solches Nutzungsverhältnis kann allenfalls als vorläufiger Mietvertrag (Vor § 535 BGB Rz. 150a) gewertet werden. 28 Indessen können die Parteien von der Regelungsbedürftigkeit eines für den Abschluss eines Mietver-

trags nicht unbedingt notwendigen Punktes – auch konkludent – wieder absehen53. In einem solchen Fall kommt dann der Mietvertrag zu den bereits ausgehandelten Bedingungen zustande. Eine solche Annahme kann u.U. dann gerechtfertigt sein, wenn die Mietsache trotz eines zunächst noch für regelungsbedürftig angesehenen Punktes dem Mieter überlassen, das Nutzungsverhältnis über längere Zeit zu den übrigen bereits ausgehandelten Bedingungen praktiziert wird und keine Partei auf den zunächst noch für regelungsbedürftig angesehenen Punkt zurückkommt54. Kommt ein Mietvertrag nicht zustande, bleibt die Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen zu prüfen (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB). 2. Vertragsschluss unter Abwesenden

29 Das Angebot zum Abschluss eines Mietvertrages erlischt gemäß § 146 BGB, wenn die Annahme dem

Antragenden gegenüber abgelehnt oder wenn das Angebot nicht rechtzeitig i.S.d. §§ 147 bis 149 BGB angenommen wird. Nach § 147 Abs. 1 BGB kann ein Angebot zum Abschluss eines Vertrages unter Anwesenden nur sofort angenommen werden. Antwortet der Angebotsempfänger mit einem eigenen Angebot, gilt dies als neuer Antrag, § 150 Abs. 2 BGB. 30 Wird ein (mündliches oder schriftliches) Angebot einem Abwesenden übermittelt, ohne dass der An-

tragende eine Annahmefrist i.S.v. § 148 BGB bestimmt, ist er solange an sein Angebot gebunden, wie er unter regelmäßigen Umständen eine Antwort erwarten darf, § 147 Abs. 2 BGB. Die Bestimmung einer Annahmefrist in AGB kollidiert mit § 308 Nr. 1 BGB, wenn sie für den Vertragspartner des Verwenders gelten soll55. 30a Ob ein Angebot i.S.d. § 146 BGB vorliegt, hängt davon ab, ob die Willenserklrärung des Antragenden

verbindlich ist und alle wesentlichen Merkmale des Mietvertrages (§ 535 BGB Rz. 21) enthält. Bei der Übersendung eines Vertragsentwurfs kann erst dann von einem verbindlichen Angebot ausgegangen werden, wenn der Antragende den Entwurf unterschrieben hat56. Ansonsten liegt eine invitatio ad offerendum vor. 31 Welche Frist für die Annahme eines Angebots zum Abschluss eines Mietvertrages, das z.B. in der

Übersendung eines (einseitig) unterzeichneten Mietvertrages gesehen werden kann, gem. § 147 Abs. 2 BGB anzusetzen ist, wird nicht einheitlich bewertet. Einerseits wird eine Überlegungsfrist von zwei bis drei Wochen zugebilligt57. Bei körperschaftlich organisierten Vermietern soll die Rücksendung des unterschriebenen Exemplars innerhalb von siebzehn Tagen noch rechtzeitig erfolgt sein58. Demgegenüber sollen drei Wochen59, aber erst recht viereinhalb Wochen60 bzw. mehr als zwei Monate61 zu lang, aber auch schon eine Annahme nach mehr als fünf Tagen verspätet sein62. Insoweit werden drei Tage für die Bearbeitungs- und Überlegungszeit und zwei weitere Tage für die Übermittlung der Annahmeerklärung angesetzt. Schließlich soll in diesen Fällen die Rücksendung des gegengezeichneten Mietvertrages innerhalb von zwei bis vier Tagen erfolgen63. Andererseits wird die regelmäßige Annahmefrist aber nicht derartig kurz angesetzt. Vielmehr soll sie bei einer Rücksendung des unterschriebenen Exemplars innerhalb 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63

OLG Düsseldorf v. 26.1.2016 – 24 U 58/15, MietRB 2016, 349 = DWW 2016, 379. BGH v. 8.10.2008 – XII ZR 66/06, MDR 2009, 79 = MietRB 2009, 35 = ZMR 2009, 108. Jendrek, S. 20. Vgl. dazu auch Fervers, NZM 2015, 105 (106) zu Anmietangeboten. LG Berlin v. 28.4.2015 – 67 S 470/14, MDR 2015, 883 = WuM 2015, 414 = GE 2015, 655. BGH v. 24.2.2016 – XII ZR 5/15, MietRB 2016, 129 = MDR 2016, 578 = NJW 2016, 1441; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. I 29. OLG Naumburg v. 7.9.2004 – 9 U 3/04 NZM 2004, 825; OLG Dresden v. 31.8.2004 – 5 U 946/04, NZM 2004, 827; a.A. LG Stendal v. 29.1.2004 – 22 S 107/03, NZM 2005, 15. LG Köln v. 13.7.1987 – 10 S 56/87, WM 1988, 50. OLG Düsseldorf v. 15.6.2009 – 24 U 210/08, MDR 2009, 1385 = MietRB 2009, 349 = GE 2009, 1556. LG Berlin v. 28.4.2015 – 67 S 470/14, MDR 2015, 883 = WuM 2015, 414 = GE 2015, 655. KG v. 22.3.1999 – 23 U 8203/98, WuM 1999, 323; LG Berlin v. 29.6.1987 – 61 S 483/86, WuM 1987, 378. Bub/Treier/Bub, II Rz. 766.

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B. Wohnraummiete | Rz. 35a § 535

von zweieinhalb Wochen noch rechtzeitig erfolgt sein64. Kein Anlass zur Verlängerung dieser Frist soll bestehen, wenn auf Seiten des Vermieters (Hausverwaltung) der Vertrag von zwei Personen zu unterschreiben ist65. Im Ergebnis kommt es stets auf die Umstände des Einzelfalles an. Zu den regelmäßigen Umständen 32 i.S.d. § 147 Abs. 2 BGB gehören auch verzögernde Umstände, die der Antragende kannte oder kennen musste66. Als solche kommen etwa die Organisationsstruktur großer Unternehmen, die Erfordernisse der internen Willensbildung bei Gesellschaften oder juristischen Personen67 oder auch absehbare Urlaubszeiten in Betracht68, sofern von einem verzögernden Einfluss auf die Bearbeitungsdauer auszugehen ist69. Deshalb ist – unter Berücksichtigung von Feiertagen (z.B. Weihnachten) – von einer Annahmefrist von vier Wochen auszugehen, ansonsten sind zwei bis drei Wochen genügend70. Wird die Annahmefrist nicht eingehalten, gilt die Annahmeerklärung gemäß § 150 Abs. 1 BGB als 33 neues Angebot, dass der Andere regelmäßig nicht (mehr) schriftlich annimmt. In dieser Situation kann ein Mietvertrag noch mit der Übergabe und der ersten Mietzahlung konkludent zustande kommen (vgl. aber § 535 BGB Rz. 39 f.). Zu beweisen hat das Zustandekommen des Vertrags und damit auch die Rechtzeitigkeit der Annahme grundsätzlich derjenige, der den Vertragsschluss behauptet und daraus Rechtsfolgen ableitet71. 3. Mündlicher Mietvertrag Der Mietvertrag kann grundsätzlich mündlich abgeschlossen werden. Selbst dem Mietvertrag mit einer 34 festen Laufzeit von mehr als einem Jahr kann eine wirksame mündliche Einigung zugrunde liegen. In diesem Fall beschränkt sich die Funktion des § 550 BGB auf die Dokumentation der mündlichen Einigung (vgl. § 550 BGB Rz. 60 f.). Solange sich niemand auf einen Schriftformmangel beruft, wird ein solcher Mietvertrag auf unbestimmte Zeit fortgesetzt. Eine mündliche Einigung i.S.d. § 535 BGB ist wirksam, wenn sie alle wesentlichen Vertragsabreden 35 wenigstens bestimmbar umfasst (vgl. § 535 BGB Rz. 22). Das ist im Zweifel durch eine Beweisaufnahme zu ermitteln. Ein Anspruch auf Abschluss eines schriftlichen Mietvertrages besteht in diesem Fall grundsätzlich nicht72. Ausnahmen können sich u.a. aus besonderen Abreden oder § 550 BGB ergeben (vgl. § 550 BGB Rz. 56). Außer in den aufgezeigten Fällen kann ein wirksamer Vertragsschluss ausnahmsweise durch ein 35a Schweigen des Antragenden auf die verspätete Annahme bewirkt werden73. Dem Erstanbietenden kann aber auch aufgrund der Umstände des Einzelfalls gemäß § 242 BGB verwehrt sein, sich auf die Verspätung der Annahme zu berufen74. In Betracht zu ziehen ist dies etwa, wenn er aus dem Vertrag Vorteile gezogen sowie der Vertragspartner im Vertrauen auf die Wirksamkeit des Vertrags Dispositio-

64 OLG Naumburg v. 7.9.2004 – 9 U 3/04, NZM 2004, 825; OLG Dresden v. 31.8.2004 – 5 U 946/04, NZM 2004, 827; a.A. LG Stendal v. 29.1.2004 – 22 S 107/03, NZM 2005, 15. 65 KG v. 4.12.2000 – 8 U 304/99, MDR 2001, 685 = WuM 2001, 111. 66 BGH v. 11.6.2010 – V ZR 85/09, MDR 2010, 1077 = MietRB 2010, 304 = NJW 2010, 2873 Rz. 12; BGH v. 19.12.2007 – XII ZR 13/0, MDR 2008, 442 = MietRB 2008, 1016, NJW 2008, 1148 Rz. 21 m.w.N. 67 BGH v. 4.4.2000 – XI ZR 152/99, MDR 2000, 840 = NJW 2000, 2984 (2985). 68 Vgl. BGH v. 4.4.2000 – XI ZR 152/99, MDR 2000, 840 = NJW 2000, 2984 (2985); MünchKomm/Busche, 7. Aufl., § 147 BGB Rz. 33. 69 Vgl. dazu RG v. 14.3.1904 – I 340/04, RGZ 59, 296 (300); Erman/Armbrüster, § 147 BGB Rz. 19; Staudinger/ Bork, § 147 BGB Rz. 12. 70 BGH v. 24.2.2016 – XII ZR 5/157, MietRB 2016, 129 = MDR 2016, 5 = GE 2016, 455 = NZM 2016, 356. 71 BGH v. 24.2.2016 – XII ZR 5/157, MietRB 2016, 129 = MDR 2016, 5 = GE 2016, 455 = NZM 2016, 356; MünchKomm/Busche, § 147 BGB Rz. 36; Staudinger/Bork, § 147 BGB Rz. 16. 72 RG v. 23.2.1922 – III 375/21, RGZ 104, 131. 73 Vgl. hierzu BGH v. 1.6.1994 – XII ZR 227/92, MDR 1994, 1117 = NJW-RR 1994, 1163 (1165); BGH v. 6.3.1986 – III ZR 234/84, MDR 1986, 827 = NJW 1986, 1807 (1809); BGH v. 31.1.1951 – II ZR 46/50, NJW 1951, 313. 74 Vgl. hierzu allerdings BGH v. 27.9.2013 – V ZR 52/15 = MDR 2014, 148 = MietRB 2014, 50 = NJW 2014, 854 Rz. 22 ff.

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§ 535 Rz. 35a | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags nen getroffen hat und – entsprechend dem § 149 BGB zugrunde liegenden Rechtsgedanken75 – dem Erstofferenten die verzögerte Geltendmachung der verspäteten Annahme vorwerfbar ist. 4. Konstitutive Schriftform 36 Die Wirksamkeit der Einigung nach § 535 BGB kann zunächst von der Form abhängen, wenn § 125

BGB eingreift. Das ist der Fall, wenn der Mietvertrag mit einem Grundstückskaufvertrag rechtlich zusammenhängt. Davon kann i.d.R. ausgegangen werden, wenn die Vereinbarungen über Kauf und Miete nach dem Willen der Parteien derart voneinander abhängig sind, dass sie miteinander „stehen und fallen sollen“76. Der nach dem Parteiwillen bestehende rechtliche, nicht bloß wirtschaftliche Zusammenhang ergibt sich regelmäßig aus den Vertragsurkunden. Er kann sich daraus ergeben, dass die Mietpreisabreden ganz am geplanten Verkauf ausgerichtet sind77 oder durch das Vertragswerk ein indirekter Zwang zum Abschluss des Kaufvertrags bewirkt wird78. Dies kommt z.B. in Betracht, wenn mit dem Mietvertrag die Verpflichtung des Vermieters verbunden ist, ein Grundstück zu erwerben, § 311b BGB. Diese Konstellation kommt insbesondere bei der Vermietung vom Reißbrett vor, wenn der Vermieter noch nicht Eigentümer des Grundstücks ist, auf dem er das Mietobjekt errichten will. § 311b BGB ist aber auch einschlägig, wenn im Mietvertrag eine Verpflichtung des Mieters zum Erwerb des Mietgrundstücks begründet wird. Dies gilt selbst dann, wenn für den Fall, dass der Kaufvertrag nicht zustande kommt, ein langfristiger Mietvertrag geschlossen sein soll79. Vgl. zur Form beim vereinbarten Vorkaufsrecht § 535 BGB Rz. 983. 36a Eine konstitutive Wirkung der Form sieht daneben die Auslegungsregel des § 154 Abs. 2 BGB vor.

Zur Annahme einer entsprechenden Wirkung ist es grundsätzlich nicht ausreichend festzustellen, dass die Parteien sich darauf verständigt haben, ihren Mietvertrag schriftlich abzufassen. Denn haben sie z.B. bereits eine Einigung getroffen, kann der Schriftformabrede auch deklaratorische Wirkung zukommen. Nur in diesem Fall ist die Annahme eines schriftlichen Vertragsangebots durch schlüssiges Verhalten oder mündliche Erklärung wirksam. Eine lediglich deklaratorische Bedeutung ist der Schriftformabrede beizumessen, wenn die zu vereinbarenden wesentlichen Vertragsbedingungen lediglich wiedergeben und nicht konstitutiv für die Einigung sein sollen. 37 Von einer konstitutiven Wirkung kann nach der Auslegungsregel des § 154 Abs. 2 BGB grundsätzlich

ausgegangen werden, wenn die Parteien vereinbart haben, den Mietvertrag schriftlich zu beurkunden80. Unabhängig davon wird die Verabredung, einen Mietvertrag schriftlich zu beurkunden, dann vermutet, wenn der Vertrag eine feste Dauer von mehr als einem Jahr haben soll. Denn dann ist die Schriftform gemäß § 550 BGB wesentlich, so dass die Voraussetzungen des § 154 Abs. 2 BGB anzunehmen sind. Besteht ein solcher Vorbehalt oder wurde er sogar ausdrücklich erklärt, kann auch durch mehrfachen Leistungsaustausch nicht ohne weiteres ein schlüssiger Mietvertrag begründet werden81. Insoweit reicht es für die Erfüllung der Darlegungslast aus, dass der Beweisbelastete Umstände vorträgt, die die Annahme rechtfertigen, der Mietvertrag sei nicht vollständig geschlossen worden. Dazu müssen die Einzelheiten nicht unbedingt zeitlich und örtlich spezifiziert werden, wenn diese Daten für die Einigung selbst ohne Bedeutung sind82. 38 Unabhängig davon können die Umstände des Einzelfalls gleichwohl dafür sprechen, dass die Parteien

ein Mietverhältnis begründen wollten83. Hierzu müssen jedoch Umstände gegeben sein, aus denen (übereinstimmende) Willenserklärungen der Parteien ersichtlich sind, insbesondere auf deren Rechtsbindungswillen geschlossen werden kann84. Deshalb soll bereits die Zahlung der ersten Miete und 75 76 77 78 79 80 81 82

Vgl. hierzu MünchKomm/Busche, § 149 BGB Rz. 1; Staudinger/Bork, § 149 BGB Rz. 2. BGH v. 10.10.1986 – V ZR 247/85, MDR 1987, 303 = NJW 1987, 1069 = juris Rz. 19. OLG Stuttgart v. 28.7.2014 – 5 U 40/14, MietRB 2015, 82, IMR 2014, 517. OLG Karlsruhe v. 24.4.2009 – 14 U 53/06, ZMR 2010, 680. OLG Stuttgart v. 28.7.2014 – 5 U 40/14, MietRB 2015, 82, IMR 2014, 517. KG v. 29.4.2004 – 8 U 261/03, MietRB 2004, 286. BGH v. 8.12.2004 – XII ZR 96/01, MDR 2005, 474 = MietRB 2005, 149. BGH v. 15.6.2005 – XII ZR 82/02, MDR 2005, 1398 = MietRB 2005, 284 = NZM 2005, 704 = ZMR 2005, 777 = GuT 2005, 206. 83 Insbesondere kommt ein vorläufiges Mietverhältnis in Betracht: Vor § 535 BGB Rz. 150a. 84 Vgl. dazu mit Beispielsfällen: Lützenkirchen, AHB Mietrecht, B Rz. 91 f.

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B. Wohnraummiete | Rz. 40 § 535

der Kaution bei gleichzeitiger Überlassung der Mieträume selbst dann einen konkludenten Vertragsabschluss begründen, wenn die Parteien durch Aushandeln eines schriftlichen (unbefristeten) Vertrages deutlich gemacht haben, dass sie ihre Einigung schriftlich niederlegen wollen85. Der Vollzug soll nämlich zum Ausdruck bringen, dass die Schriftform (doch) kein konstitutives Element der Einigung war, so dass § 154 Abs. 2 BGB nicht eingreift. Dies gilt erst recht, wenn eine Einigung über die essentialia stattgefunden hat und der Vertrag monatelang vollzogen wird86. Dagegen ist ein Vertrag im Zweifel noch nicht zustande gekommen, wenn der Vertrag nur von einer Partei unterschrieben ist und den handschriftlichen Vermerk „Entwurf“ trägt87. 5. Schlüssiger Mietvertrag Die zum Vertragsschluss oder zur Änderung/Erweiterung des Mietvertrages führenden Willens- 39 erklärungen können grundsätzlich durch schlüssiges Verhalten ersetzt werden. Jedoch ist die Rechtsprechung bei der Annahme schlüssiger Verträge zurückhaltend, da von dem Grundsatz auszugehen ist, dass Schweigen keine Zustimmung bedeutet. Das bloße Wollen von Leistungen und deren schlichte Entgegennahme führt nicht ohne Weiteres zu einem Vertragsschluss88. Wirksam und bindend ist ein Vertrag erst, wenn sich die Parteien über sämtliche wesentlichen Vertragselemente geeinigt haben, denn gem. § 154 Abs. 1 BGB ist ein Vertrag im Zweifel nicht geschlossen, solange die Parteien sich nicht über alle Punkte verständigt haben, über die nach der Erklärung auch nur einer Partei eine Regelung zu treffen ist. Schlüssig kommt eine Einigung über die wesentlichen Elemente i.S.v. § 535 BGB zustande, wenn das 40 Verhalten der Parteien deutlich macht, dass sie von einer Verbindung durch einen Mietvertrag ausgehen. Das setzt in der Regel voraus, dass sich aus dem Ablauf der Ereignisse ein Angebot und eine Annahme herauslesen lassen89. Dafür wiederum ist ein Verhalten der Parteien erforderlich, dass einen Rechtsbindungswillen erkennen lässt. Insoweit bedeutet die einvernehmliche Überlassung oder Nutzung der Mietsache und Zahlung eines Entgelts nicht zwangsläufig einen Vertragsschluss durch schlüssiges Verhalten90. Dieses Verhalten muss vielmehr von dem beiderseitigen Willen getragen sein, ein Mietverhältnis einzugehen. Insbesondere mit dem bloßen Vollzug eines vermeintlichen Mietvertrages wird der Vertrag nicht erneut – konkludent – abgeschlossen91. Der Erklärende muss zumindest Zweifel am Zustandekommen des Vertrags haben92. Letzteres kann z.B. gegeben sein, wenn die Schriftform als konstitutives Element der Einigung wirken sollte (§ 544 BGB Rz. 19) oder der Vertrag unter einer aufschiebenden Bedingung steht93. Ist den Parteien nicht bewusst, dass sie keinen wirksamen Mietvertrag begründet haben, lässt die Vertragsumsetzung grundsätzlich nicht auf den Vertragswillen zum erneuten Abschluss des nicht wirksam begründeten Mietvertrages schließen94. Das Gleiche kann bei „Aussetzen“ der Kündigung gelten, insbesondere wenn es nur vorläufig sein soll95. Unverzichtbar ist ohnehin die schlüssige Einigung über den wesentlichen Vertragsinhalt96. Bei der Bewertung im Einzelfall müssen ausdrückliche (entgegenstehende Erklärungen) einer Partei nicht unbedingt ausschlaggebend sein. Denn eine dem Erklärenden zurechenbare objektive Bedeutung seines Verhaltens hat

85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96

OLG Frankfurt v. 1.8.2003 – 19 U 217/02, MietRB 2003, 67 = OLGR Frankfurt 2004, 65. KG v. 10.3.2005 – 8 U 217/04, MDR 2005, 1276 = WuM 2005, 336 = NZM 2005, 537. OLG Frankfurt v. 11.10.2013 – 2 U 168/12, IMR 2014, 70. BGH v. 10.4.1997 – VII ZR 211/95, MDR 1997, 731 = NJW 1997, 1982. Vgl. dazu auch OLG Koblenz v. 15.2.2012 – 5 U 1159/11, MDR 2012, 394 = MietRB 2012, 101 = NZM 2012, 865. Brandenburgisches OLG v. 25.6.2008 – 3 U 195/07, zitiert nach juris. BGH v. 24.2.2016 – XII ZR 5/15, MietRB 2016, 129 = MDR 2016, 57 = GE 2016, 455 = NZM 2016, 356. BGH v. 27.9.2013 – V ZR 52/12, MDR 2014, 148 = MietRB 2014, 50 = NJW 2014, 854 Rz. 19; BGH v. 11.6.2010 – V ZR 85/09, MDR 2010, 1077 = MietRB 2010, 304 = NJW 2010, 2873 Rz. 18 m.w.N. OLG München v. 29.11.2018 – 32 U 4346/16, ZMR 2019, 269. BGH v. 24.2.2016 – XII ZR 5/15, MietRB 2016, 129 = MDR 2016, 57 = GE 2016, 455 = NZM 2016, 356; OLG Hamm v. 27.1.2011 – 18 U 145/09, zitiert nach juris. OLG Koblenz v. 15.2.2012 – 5 U 1159/11, MDR 2012, 394 = MietRB 2012, 101, NZM 2012, 865. Vgl. BGH v. 24.2.1983 – I ZR 14/81, MDR 1983, 727 = NJW 1983, 1728.

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§ 535 Rz. 40 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags aus der Sicht des Erklärungsgegners Vorrang vor einem etwa entgegenstehenden Willen des Erklärenden97. 41 Der Rechtsbindungswille fehlt z.B., wenn der Vermieter dem Untermieter die Kündigung des Haupt-

mietvertrages mitteilt und ihm die (befristete) Fortsetzung der Nutzung gestattet, ohne dass der Untermieter darauf außer durch Fortsetzung der Nutzung reagiert98. Aus dem unveränderten Verhalten des Untermieters soll nicht auf einen Rechtsbindungswillen, der die Annahme des Angebotes rechtfertigen könnte, geschlossen werden. Das Gleiche gilt z.B., wenn das Grundstück in dem übereinstimmenden Willen der Parteien überlassen wird, dass der Nutzer das Objekt erwerben und bis zum Erwerb (nur) die Lasten tragen soll99. Mit Rücksicht darauf ist es zweifelhaft, einen konkludent geschlossenen Mietvertrag anzunehmen, weil der Mieter Miete zahlt in der Annahme, einen wirksamen Mietkaufvertrag geschlossen zu haben100. Auch die bloße Entgegennahme der Miete durch einen Dritten, der zuvor per Telefax mitgeteilt hat, dass er anstelle eines anderen Mieters in den Mietvertrag eintreten wolle, begründet nicht die notwendige Einigung aus Angebot und Annahme101. 42 Die schlüssige Begründung eines Mietvertrages kann insbesondere nach einer vorangegangenen Be-

endigung des (bisherigen) Mietvertrages eintreten. In diesen Fällen kommt insbesondere den Umständen der unveränderten Fortsetzung des Gebrauchs durch den Mieter und der widerspruchslosen Entgegennahme der als „Miete“ deklarierten Zahlungen eine besondere Bedeutung zu102. War im Vertrag aber § 545 BGB wirksam ausgeschlossen, kann ein auf den Abschluss eines neuen Mietvertrages gerichtetes Verhalten der Parteien selbst bei einer über einen längeren Zeitraum praktizierten Übung nicht angenommen werden103, ohne besondere Feststellungen über das Erklärungsbewusstsein und den Rechtsbindungswillen zu treffen. 43 Ohne Berücksichtigung der vorstehenden Kriterien kann ein Fall nicht (schematisch) bewertet wer-

den. Dieser Fehler kommt häufig vor, wenn bei – Einzug des Mieters in die Mieträume und vorbehaltlose Entgegennahme der Miete durch den Vermieter104, was auch für einen im Rubrum des Mietvertrages erwähnten Mitmieter, der den Mietvertrag nicht mit unterzeichnet hat, gilt105. – Auswechseln eines Mitgliedes einer studentischen Wohngemeinschaft106. – Fortsetzung des Gebrauchs, – obwohl der Vertrag eine aufschiebende Bedingung enthält107; – nach Beendigung des Mietvertrages, ohne dass der Vermieter widerspricht, § 545 BGB108; – nach Beendigung des Mietvertrages, ohne dass der Vermieter widerspricht und der Ausschluss von § 545 BGB im Mietvertrag nicht wirksam ist109; – während der Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung110; 97 BGH v. 2.7.2014 – VIII ZR 298/13, MietRB 2015, 37 = WuM 2014, 546 = GE 2014, 1133 = ZMR 2015, 13; BGH v. 2.11.1989 – IX ZR 197/88, MDR 1990, 335 = BGHZ 109, 171 (177); BGH v. 7.6.1984 – IX ZR 66/83, MDR 1984, 838 = BGHZ 91, 324 (329). 98 Brandenburgisches OLG v. 23.9.1998 – 3 U 55/98, ZMR 1999, 102. 99 OLG Rostock v. 3.12.2001 – 3 U 153/00, NZM 2003, 25. 100 So LG Berlin v. 3.8.2016 – 65 S 163/16, GE 2017, 229. 101 A.A. AG Neukölln v. 6.10.2015 – 18 C 105/15, GE 2017, 232. 102 Vgl. OLG Hamm v. 1.10.1981 – 4 REMiet 6/81, MDR 1982, 147 = WuM 1981, 257; LG Hagen v. 8.2.1982 – 13 S 141/81, WuM 1982, 139. 103 A.A. OLG Düsseldorf v. 28.11.2003 – 10 U 172/01, GuT 2003, 18 (download). 104 OLG Düsseldorf v. 5.11.1987 – 10 U 70/87, ZMR 1988, 54. 105 LG Berlin v. 10.7.1997 – 67 S 116/97, GE 1997, 1033. 106 LG Berlin v. 28.8.2013 – 65 S 78/13, GE 2013, 1338 = Info M 2013, 526; LG Berlin v. 9.2.2010 – 65 S 475/, GE 2012, 1379; LG Frankfurt am Main v. 28.7.2009 – 2-11 S 230/08, WuM 2012, 192; LG Köln v. 18.9.1991 – 10 S 339/90, WuM 1992, 251; LG Mannheim v. 25.9.1968 – 6 S 53/68, WuM 1969, 38. 107 BGH v. 27.6.1983 – II ZR 230/82, MDR 1984, 27 = WM 1983, 929. 108 BGH v. 2.5.2012 – XII ZR 88/10, MDR 2012, 833 = MietRB 2012, 190 = NZM 2012, 608. 109 Schleswig-Holsteinisches OLG v. 27.3.1996 – 4 REMiet 1/93, WuM 1996, 85; LG Berlin v. 8.7.1996 – 61 S 4/ 96, WuM 1996, 707. 110 OLG Karlsruhe v. 17.10.1990 – 13 U 152/89, WuM 1991, 81.

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B. Wohnraummiete | Rz. 44b § 535

– auf Grund eines Räumungsvergleichs mit Bewährungsauflage111; – nach Räumungsurteil, Ausgleich des Rückstandes und vorbehaltlose Entgegennahme der Miete112; – nach Räumungsurteil, Ausgleich des Rückstandes, vorbehaltloser Entgegennahme der Miete und Mieterhöhung durch den Vermieter113; – wenn der Vermieter aus einem Räumungsurteil längere Zeit die Zwangsvollstreckung nicht betreibt und Miete fordert114; – nach Rücknahme von mehreren Räumungsaufträgen, wenn die Rücknahme jeweils nach dem Ausgleich des bestehenden Rückstandes erfolgte115; – das Verbleiben des Untermieters in den Mieträumen nach Beendigung des Hauptmietverhältnisses und die vorbehaltlose Entgegennahme der Miete über längere Zeit durch den Vermieter zu Bedingungen des Hauptmietverhältnisses116; nicht ausreichend ist hingegen, dass der Untermieter nach Mitteilung durch den (Haupt-)Vermieter, der (Haupt-)Mietvertrag sei beendet, allein die Nutzung fortsetzt, ohne auf sein Angebot zur (befristeten) Fortsetzung zu reagieren117; – die Abgabe rechtsgeschäftlicher Erklärungen, die nur im Verhältnis zum Vermieter relevant werden können, durch den Ehegatten des Mieters, der den Mietvertrag nicht unterschrieben hat118. – nach Erwerb vom Eigentümer, der nicht Vermieter ist, so dass der Eintritt nach § 566 BGB fehlschlägt, und Abgabe wechselseitiger Erklärungen, die nur als Mietpartei abgegeben werden können (Betriebskostenabrechnung, Mängelanzeige und Beseitigungsaufforderung, Kündigung etc.)119. Die Indizien für eine schlüssige Vereinbarung können sich aus der Korrespondenz, vor allem aus dem 44 fraglichen Zeitraum (z.B. nach Vorliegen des Räumungsurteils), ergeben. Werden darin die Worte „Mietvertrag“ und/oder „Miete“ verwendet, spricht dies für die Annahme eines Mietvertrages. Das Gleiche gilt für die (erneute) Angabe eines Verwendungszwecks in einem Überweisungsträger. Mündliche Abmahnungen des Vermieters z.B. werden aber in der Regel nicht ausreichen, da der Mieter auch nach Beendigung des Mietvertrages verpflichtet ist, vertragliche Regeln einzuhalten. Die Erteilung einer Erlaubnis zur Untervermietung, Tierhaltung oder eine Betriebskostenabrechnung können jedoch ebenso als Indiz für den konkludenten Abschluss eines Mietvertrages gewertet werden wie die Ausübung des Minderungsrechts oder die Aufforderung zur Mängelbeseitigung. Das Gleiche gilt für einen inhaltlichen Widerspruch gegen eine Betriebskostenabrechnung120. Schließlich kommt eine stillschweigende Begründung des Mietvertrages in Betracht, wenn die Übernah- 44a me des Mietvertrages durch einen Erwerber dem offensichtlichen Interesse aller (drei) Beteiligten entspricht121. Hinzutreten müssen aber auch insoweit Umstände, an die ein Rechtsbindungswille geknüpft werden kann. Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn der Erwerber dem Mieter mitteilt, er habe den Mietvertrag übernommen und der Mieter fortan die Miete an ihn leistet, ohne dass der bisherige Vermieter widerspricht122. Die Grundsätze für den schlüssigen Vertragsabschluss gelten entsprechend für Änderungen/Erweite- 44b rungen im laufenden Mietverhältnis. Maßgeblich ist die Würdigung der Umstände des Einzelfalls,

LG Köln v. 18.4.1991 – 1 S 489/90, KM 25 Nr. 2. OLG Hamm v. 1.10.1981 – 4 REMiet 6/81, MDR 1982, 147 = WuM 1981, 257. LG Hagen v. 8.2.1982 – 13 S 141/81, WuM 1982, 139. Bub/Treier/Bub, II Rz. 790 m.w.N. LG Hamburg v. 10.5.1988 – 11 S 384/87, WuM 1989, 32. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. I 214. OLG Brandenburg v. 23.9.1998 – 3 U 55/98, ZMR 1999, 102. LG Berlin v. 24.8.2001 – 64 S 232/00, NZM 2002, 119. LG Berlin v. 10.1.2013 – 67 S 523/11, GE 2013, 268 = ZMR 2013, 798. AG Köln v. 15.1.1996 – 211 C 483/95, KM 2 Nr. 20. BGH v. 20.1.2010 – VIII ZR 84/09, MDR 2010, 739 = MietRB 2010, 199 = WuM 2010, 365 = NZM 2010, 471. 122 BGH v. 5.6.2013 – VIII ZR 142/12, WuM 2013, 496, Rz. 13. 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121

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§ 535 Rz. 44b | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags die im Wesentlichen durch ein Verhalten der Parteien geprägt sein müssen, die einen Rückschluss auf ihren Rechtsbindungswillen zulassen. Auch insoweit bedarf es eines Verhaltens, aus dem Angebot und Annahme i.S.d. §§ 145 ff. BGB entnommen werden können. Diese notwendigen einseitigen Willenserklärungen können nicht ohne weiteres aus eindeutigen Handlungen (z.B. einer Erlaubnis zur Untervermietung) herausgelesen werden, wenn keine Umstände ersichtlich sind, die eine über den Wortsinn hinausgehende Auslegung zulassen. Eine schlüssige Vertragserweiterung kommt in Betracht, wenn der Vermieter im Rahmen einer Modernisierung eine Flächenerweiterung gegen Erhöhung der Miete anbietet und der Mieter sich zwar vor Beginn der Maßnahme vorbehält, zur Duldung nicht verpflichtet zu sein, nach Beendigung der Arbeiten die Fläche aber gleichwohl nutzt123. 6. Einschränkung der Vertragsfreiheit 45 Vom Grundsatz her besteht auch für Mietverträge Vertragsfreiheit. Aus den halbzwingenden Nor-

men124 des § 536 Abs. 4 BGB sowie den Regelungen in den §§ 549 ff. BGB, die zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarungen verbieten, ergibt sich jedoch bereits, dass die inhaltliche Gestaltung bei Mietverträgen über Wohnraum eingeschränkt ist. Deren Anwendung setzt voraus, dass der Zweck des Mietvertrages in der Überlassung der Räume zum Wohnen des Mieters besteht (vgl. dazu vor § 535 BGB Rz. 27 f.). Maßgeblich ist insoweit der Wille der Parteien. Dieser wird i.d.R. schon durch die Wahl des Vertragsmusters dokumentiert, indem der Mietvertrag als „Wohnraummietvertrag“, „Mietvertrag über eine Wohnung“ oder auf andere Weise derart überschrieben ist, dass eine eindeutige Zuordnung stattfinden kann. Dennoch ist die Wahl des Vertragsmusters nicht immer ausschlaggebend. Dies gilt z.B. bei Mischmietverträgen, für die die Geltung des Wohnraummietrechts erst durch Auslegung zu ermitteln ist (Vor § 535 BGB Rz. 64 ff.). Im Übrigen können weitere Abreden der Parteien ergeben, dass trotz eines als Wohnraummietvertrag überschriebenen Musters der Vertragszweck gerade nicht das Wohnen sein sollte. Haben die Parteien z.B. individuell vereinbart, dass der Mieter die Wohnung wegen ihres schlechten baulichen Zustandes nur als Lager- und Abstellfläche nutzen soll, ist ein dauerhafter privater Aufenthalt nicht zulässig125. 45a Außerhalb der Wohnraummiete ist die Vertragsfreiheit kaum, nämlich nur nach den allgemeinen

Vorschriften des BGB, eingeschränkt. Hier besteht grundsätzlich sowohl Abschlussfreiheit, also die Freiheit, überhaupt einen Mietvertrag abzuschließen und sich den Vertragspartner frei auszuwählen, als auch inhaltliche Gestaltungsfreiheit, d.h. die Freiheit, die Vertragsbedingungen frei auszuhandeln. Grenzen der Vertragsfreiheit ergeben sich in der Regel aus – dem Verbot der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB), – dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und – bei Formularverträgen durch die Bestimmungen der §§ 305 ff. BGB. 46 Mittlerweile kann auch das AGG Einfluss auf die Vertragsfreiheit im Mietrecht nehmen126. 47 Durch das MRRG von 2001 sollte die Vertragsfreiheit gestärkt werden127. Diese Absicht steht nur

scheinbar in Widerspruch zu den vielen gesetzlichen Bestimmungen, die eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung verbieten (vgl. z.B. § 536 Abs. 4 BGB). Denn bei richtigem Verständnis sind diese Verbotsnormen nur auf die Situation bei Vertragsschluss anwendbar128. Sobald der Vertrag abgeschlossen ist, stehen sich die Parteien gleichberechtigt gegenüber, so dass es – außer bei den Fragen der Kündigung und der Mieterhöhung – keines besonderen Schutzes des Mieters mehr bedarf. Demnach gelten für die Wirksamkeit von Vereinbarungen, die zwischen Vermieter und Mieter im laufenden Mietvertrag getroffen werden, grundsätzlich die allgemeinen Vorschriften, insbesondere §§ 134, 136, 307 f. BGB.

123 124 125 126 127 128

BGH v. 2.7.2014 – VIII ZR 298/13, MietRB 2015, 37 = WuM 2014, 546 = GE 2014, 1133 = ZMR 2015, 13. Vgl. zum Anwendungsbereich dieser Normen: § 557 BGB Rz. 7 ff. AG Bielefeld v. 28.3.2017 – 407 C 111/16, ZMR 2017, 647. Hinz, ZMR 2006, 742 ff. und 826 ff.; Schmidt-Räntsch, NZM 2007, 6; Rolfs, NJW 2007, 1489. Begr. d. RefE, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Anhang Rz. 1113. Lützenkirchen/Dickersbach, ZMR 2006, 821.

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B. Wohnraummiete | Rz. 52 § 535

a) Preisfreier Wohnraum aa) Verbot der Zweckentfremdung Das Verbot der Zweckentfremdung (vgl. Vor § 535 BGB Rz. 29 und Rz. 194) gebietet den Parteien eines 48 Mietvertrages, Wohnraum nicht zu anderen Zwecken als dem Wohnen zu nutzen. Insoweit wird bei der Vermietung von Wohnraum die Abschlussfreiheit dort eingeschränkt, wo ein Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum besteht. Zwar kann der Vermieter auch dann entscheiden, mit wem er den Mietvertrag abschließen will. Er ist jedoch verpflichtet, die Räume als Wohnung selbst zu nutzen oder durch Dritte nutzen zu lassen. Bis zur Föderalismusreform, die zum 1.9.2006 in Kraft getreten ist129, war das Verbot der Zweckent- 49 fremdung in Art. 6 Abs. 1 des sog. Mietrechtsverbesserungsgesetzes130 geregelt. Zum 1.1.2008 ging im Rahmen der Föderalismusreform die Gesetzgebungskompetenz auf die Länder über. Seither hat Bayern von der Möglichkeit zur Regelung des Verbotes der Zweckentfremdung Gebrauch gemacht131. In Hamburg gilt das Zweckentfremdungsverbot des § 9 HmbWoSchG132 fort133. In Bayern kann das Verbot der Zweckentfremdung von der Landesregierung für Gemeinden, in de- 50 nen die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist, durch Rechtsverordnung bestimmt werden. In diesem Fall darf Wohnraum zu anderen als Wohnzwecken nur mit Genehmigung der von der Landesregierung bestimmten Stelle zugeführt werden. Eine Genehmigung kann z.B. dann erteilt werden, wenn der Vermieter Ersatzwohnraum an anderer Stelle schafft; diesen kann er auch in einem anderen Stadtviertel anbieten. Der Ersatzwohnraum muss qualitativ mit dem zweckentfremdeten Wohnraum in etwa vergleichbar sein. Sofern der Vermieter gegen die Genehmigungspflicht verstößt, indem er Wohnraum zu anderen Zwecken vorsätzlich verwendet oder anderen überlässt, stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße bis zu 50.000 Euro geahndet werden kann. Ein typischer Fall der Zweckentfremdung liegt vor, wenn eine als Wohnraum genehmigte Einheit zu 51 gewerblichen Zwecken vermietet wird (z.B. als Büro oder Praxis). Keine Zweckentfremdung ist dagegen gegeben, wenn der Wohnraum wegen seines räumlichen Zusammenhanges mit einem Geschäftsraum zugleich mit diesem überlassen oder genutzt oder wenn Wohnraum zwar gewerblich genutzt wird, aber weiterhin überwiegend auch zum Wohnen dient. Die Abgrenzung kann problematisch werden, wenn der Mieter einer Wohnung dort seinen Beruf ausübt. Liegt der Schwerpunkt in der gewerblichen Nutzung, ist von einer Zweckentfremdung auszugehen. Das Leerstehenlassen von Wohnraum kann ebenfalls eine Zweckentfremdung darstellen. bb) Diktierte Verträge Die Vertragsfreiheit wird ebenso durch diktierte Mietverträge eingeschränkt. Ein typischer diktierter 52 Mietvertrag kommt durch die Wohnungszuweisung nach § 1361b BGB zustande134. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift kann ein Ehegatte bei Getrenntleben der Ehegatten oder der Absicht eines Ehegatten, sich zu trennen, verlangen, dass ihm der Andere die Ehewohnung oder einen Teil zur alleinigen Benutzung überlässt, soweit dies auch unter Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten notwendig ist, um eine unbillige Härte zu vermeiden. Daneben kann gemäß § 1361b Abs. 2 BGB die gesamte Ehewohnung einem Ehegatten überlassen werden, wenn dieser von dem anderen Ehegatten widerrechtlich und vorsätzlich am Körper, in der Gesundheit oder der Freiheit verletzt oder mit einer solchen Verletzung oder der Verletzung des Lebens gedroht wurde. In beiden Fällen kann das Familiengericht durch Beschluss einen Mietvertrag mit dem Ehegatten, der bisher nicht Mieter war, begründen.

129 BGBl. I, S. 2034. 130 Art. 6 § 1 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 des Gesetzes zur Verbesserung des Mietrechts und zur Begrenzung des Mietanstiegs sowie zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen v. 4.11.1971 (BGBl. I, S. 1745). 131 Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZwEWG) v. 10.12.2007 – GVBl. 2007, 864. 132 § 9 des Gesetzes über den Schutz und die Erhaltung von Wohnraum, Hamburgisches Wohnraumschutzgesetz (HmbWoSchG) v. 8.3.1982 – HmbGVBl. 1982, 47. 133 OVG Hamburg v. 25.5.2007 – 1 Bf 383/05, WuM 2007, 519 = ZMR 2007, 908 = NZM 2007, 736. 134 Vgl. dazu Götz, PiG 92, 157 f.

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§ 535 Rz. 53 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags cc) Beschränkung der inhaltlichen Gestaltungsfreiheit 53 Die inhaltliche Gestaltungsfreiheit ist beim preisfreien Wohnraum stark eingeschränkt. Dies wird

durch die zahlreichen Bestimmungen in den §§ 549 ff. BGB deutlich, die zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarungen verbieten. Daneben finden sich Beschränkungen durch den Räumungsschutz (§§ 721, 794a ZPO) sowie § 5 WiStG und § 291 StGB. 54 Eine Vereinbarung, die die Anwendung der Vorschriften über den preisgebundenen Wohnraum auf

eine preisfreie Wohnung vorsieht, ist nach §§ 557 Abs. 4, 558 Abs. 6 BGB unwirksam135. Denn dadurch könnte der Vermieter über eine Kostenmiete z.B. eine Mieterhöhung unmittelbar durchführen, während nach den §§ 558 ff. BGB die Mieterhöhung von der Zustimmung des Mieters abhängt. b) Öffentlich geförderter Wohnraum 55 Hier ist die Abschlussfreiheit noch stärker eingeschränkt, da hier der Vermieter im Regelfall gehalten

ist, seinen Vertragspartner aus einem bestimmten Kreis von Wohnungssuchenden auszuwählen, u.U. sogar gezwungen ist, mit einem ihm zugewiesenen Anmietinteressenten den Mietvertrag abzuschließen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Förderung vor (dann: §§ 4 Abs. 4 und 5 WoBindG) oder nach dem 1.1.2002 (dann: § 27 WoFG) bewilligt wurde. aa) Rechtslage bei Bewilligung öffentlicher Mittel vor dem 1.1.2002 56 Grundsätzlich gehen die Vorschriften über die Wohnraummiete in den §§ 549 ff. BGB davon aus, dass

Gegenstand der Überlassung preisfreier Wohnraum ist. Für sog. preisgebundenen Wohnraum gelten besondere Vorschriften, insbesondere § 10 WoBindG sowie die dazu ergangenen Vorschriften der Neubaumietenverordnung (NMV) und der II. Berechnungsverordnung (II. BV). Daraus folgt, dass neben der Abschlussfreiheit, die insbesondere durch § 4 WoBindG eingeschränkt ist, die Vorschriften über die Miete durch die Sonderbestimmungen modifiziert sind. 57 Unter preisgebundenem Wohnraum werden herkömmlicherweise Wohnungen verstanden, bei denen

die Mietpreisgestaltung nicht durch die Vertragsparteien erfolgt, sondern aufgrund vom Gesetzgeber vorgegebener Berechnungen. Für preisgebundene Wohnungen findet das Vergleichsmietenprinzip der §§ 558 ff. BGB keine Anwendung. Es lassen sich bei preisgebundenen Neubauwohnungen grundsätzlich folgende Hauptgruppen unterscheiden: – Öffentlich geförderte Wohnungen i.S.d. § 1 Abs. 3 WoBindG, sog. Sozialwohnungen des ersten Förderweges; für sie ergibt sich die Mietpreisbindung aus § 8 Abs. 5 WoBindG. – Steuerbegünstigte Wohnungen, die mit nichtöffentlichen Mitteln in Form von Aufwendungszuschüssen oder Aufwendungsdarlehen nach § 88 II. WoBauG gefördert worden sind (sog. zweiter Förderungsweg); sie sind nach § 88b II. WoBauG preisgebunden. – Wohnungen, deren Errichtung mit öffentlichen Mitteln nach § 88d WoBauG gefördert wurde (sog. dritter Förderweg)136. – Steuerbegünstigte Wohnungen, die mit Wohnungsfürsorgemitteln für Angehörige des öffentlichen Dienstes entsprechend den Bestimmungen des ersten Förderweges des sozialen Wohnungsbaus gefördert worden sind; für sie gilt die Mietpreisbindung gemäß § 87a Abs. 2 II. WoBauG. – Wohnungen, die mit Sanierungs- oder Entwicklungsförderungsmitteln als nichtöffentliche Mittel nach dem Städtebauförderungsgesetz gefördert worden sind; sie sind nach § 45 Abs. 5 Städtebauförderungsgesetz (StBauFG) und § 88b II. WoBauG preisgebunden. 58 Hat der Vermieter bei der Errichtung des Gebäudes öffentliche Mittel verwendet, ist er in der Regel

nur berechtigt, die sog. Kostenmiete zu erheben. Die Kostenmiete ist aufgrund einer Wirtschaftlichkeitsberechnung zu ermitteln, die nach den §§ 2 ff. II. BV aufzustellen ist. Wird eine preisgebundene Wohnung als preisfrei vermietet, ist die vereinbarte Miete insoweit unwirksam, als sie die Kostenmiete

135 BGH v. 27.7.2006 – VII ZR 276/05, MDR 2007, 207. 136 Vgl. dazu LG München v. 16.5.2012 – 14 S 27322/11, NZM 2012, 802.

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B. Wohnraummiete | Rz. 64 § 535

übersteigt, § 8 Abs. 2 S. 1 WoBindG. Eine solche Vereinbarung kann sich im Einzelfall als Ausschluss der Mietänderung gem. § 10 Abs. 4, 3. Var. WoBindG darstellen137. Die Herbeiführung der Preisbindung durch Vereinbarung mit dem Endmieter der Wohnung ist 59 nicht möglich138. Denn eine solche Vereinbarung mit der Berechtigung des Vermieters zur einseitigen Mieterhöhung ist nach § 557 Abs. 4, § 558 Abs. 6 BGB unwirksam. Dadurch wird nämlich zum Nachteil des Mieters von § 557 Abs. 3 BGB und § 558 Abs. 1 BGB abgewichen. Die Abweichung besteht darin, dass die Mieterhöhung bei der Kostenmiete nicht der Zustimmung des Mieters bedarf. Diese Abweichung ist grundlegend, weil das Zustimmungserfordernis im Rahmen des Vergleichsmietenverfahrens nach § 558 BGB Ausdruck des Prinzips der Vertragsfreiheit ist, das nach der Vorstellung des Gesetzgebers im Bereich des preisfreien Wohnraums nicht nur für die Einigung über die Höhe der Miete bei Vertragsschluss, sondern auch bei der Erhöhung der Miete während des laufenden Mietverhältnisses gelten soll. Die Abweichung ist für den Mieter auch nachteilig. Er kann zwar die Zahlung der vom Vermieter einseitig erhöhten Miete verweigern, so dass dieser gegebenenfalls Zahlungsklage erheben muss, in deren Rahmen die Voraussetzungen für eine Erhöhung der Kostenmiete gerichtlich nachgeprüft werden. Durch die Zahlungsverweigerung setzt sich der Mieter jedoch der Gefahr einer außerordentlichen fristlosen Kündigung nach §§ 543 Abs. 1, 2 Nr. 3, 569 Abs. 3 BGB aus, der er nicht mehr begegnen kann, wenn sich die einseitige Mieterhöhung des Vermieters erst im Räumungsprozess als berechtigt erweist. Diese Gefahr besteht dagegen nicht, wenn die Mieterhöhung gemäß § 558 Abs. 1 BGB der Zustimmung des Mieters bedarf, da der Vermieter insoweit nach § 558b Abs. 2 BGB erst – erfolgreich – Klage auf Erteilung der Zustimmung erheben muss, bevor ein Anspruch auf Zahlung der erhöhten Miete entsteht. Ist jedoch ein Zwischenmieter eingeschaltet, kann im Verhältnis zum Eigentümer, das durch einen 60 Gewerberaummietvertrag gekennzeichnet wird, die Geltung der §§ 8 ff. WoBindG vereinbart werden, so dass sich der Zwischenmieter auch auf das Sonderkündigungsrecht des § 11 WoBindG berufen kann139. Änderungen der Berechnungsfaktoren der Kostenmiete können gemäß § 10 WoBindG unmittelbar an 61 den Mieter weitergegeben werden, d.h., hier ist dem Vermieter ein Instrument gegeben worden, mit dem er die Miete einseitig verändern kann. Voraussetzung ist allerdings, dass der Vermieter in der Mietänderungserklärung die Mietänderung selbst berechnet und erläutert und aussagekräftige Unterlagen (z.B. eine Wirtschaftlichkeitsberechnung, Zusatzberechnung zur Wirtschaftlichkeitsberechnung) beifügt. Ausnahmsweise kann der Vermieter sogar die Miete rückwirkend bis zum 1. Januar des vorangegangenen Kalenderjahres erhöhen, wenn im Mietvertrag eine Klausel enthalten ist, nach der die „jeweils zulässige Miete“ als vereinbart gilt, § 4 Abs. 8 NMV. Neben der Mietpreisgestaltung ist bei Abschluss eines Mietvertrages über eine öffentlich geförderte 62 Wohnung zu beachten, dass gemäß § 9 Abs. 5 WoBindG eine Kaution nur für Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung der Mietsache oder unterlassenen Schönheitsreparaturen verlangt werden kann. Lässt die Formulierung der Kautionsabrede den Schluss zu, dass auch andere Ansprüche mit der Kaution abgedeckt werden können sollen, ist die Regelung unwirksam140. bb) Rechtslage bei Bewilligung öffentlicher Mittel seit dem 1.1.2002 An die Stelle des II. WoBauG ist zum 1.1.2002 das Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) getreten. Es 63 bringt im Wesentlichen die Veränderung, dass die Miete nun auch dem Vergleichsmietensystem der §§ 558 ff. BGB angepasst werden kann. Für die Betriebskosten gelten ebenfalls die §§ 556 f. BGB. Die Überlassung der Wohnung ist nur an Wohnungsberechtigte des nach § 27 WoFG begünstigten 64 Personenkreises zulässig. Das sind in der Regel insbesondere Inhaber von Wohnberechtigungsscheinen. Das Nähere regelt der Darlehensvertrag und die Förderzusage. Zuwiderhandlungen werden mit Bußgeld belegt.

137 138 139 140

LG Berlin v. 11.10.2017 – 65 S 502/16, WuM 2018, 42. BGH v. 7.2.2007 – VIII ZR 122/05, MDR 2007, 707 = MietRB 2007, 137 = GE 2007, 510. KG v. 12.4.2007 – 12 U 65/06, MDR 2007, 1305 = NZM 2008, 42. LG Aachen v. 23.9.2005 – 5 S 92/05, WuM 2006, 101.

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§ 535 Rz. 65 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags 7. Verbraucherschutz 65 Nicht erst seit der Umsetzung der RL 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher (VRRL)141 bilden

Verträge, die außerhalb von Geschäftsräumen (§ 312b BGB) oder im Fernabsatzgeschäft (§ 312c BGB) abgeschlossen werden, eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass eine wirksame Einigung bindend ist. In der seit dem 13.6.2014142 gültigen Fassung der §§ 312 ff. BGB ist ausdrücklich festgehalten, dass die Vorschriften über das Widerrufsrecht auf Mietverträge über Wohnraum ausdrücklich anwendbar sind, § 312 Abs. 4 BGB. Deshalb ist bei einem solchen Geschäft die zum Abschluss des Mietvertrages abgegebene Willenserklärung des Mieters grundsätzlich mindestens vierzehn Tage widerruflich (§§ 312g, 355 Abs. 2 BGB), sofern er Verbraucher i.S.v. § 13 BGB und der Vermieter ein Unternehmer i.S.v. § 14 BGB ist (= Verbrauchervertrag i.S.d. § 310 Abs. 3 BGB). a) Vermieter als Unternehmer 66 Unternehmer nach § 14 BGB ist der Vermieter dann, wenn er bei Abschluss des Vertrages gewerblich

oder selbständig beruflich tätig wird. Der Begriff des Unternehmers ist, als Gegenstück zum Verbraucher, weit auszulegen. Deshalb muss ein Unternehmer nicht Kaufmann sein, gewerblich und/oder mit Gewinnerzielungsabsicht handeln143. Es genügt, dass der Vermieter im Wettbewerb mit anderen planmäßig Leistungen gegen ein Entgelt anbietet144, was auch nebenberuflich geschehen kann145. Dies wäre an sich schon der Fall, wenn der Eigentümer seine einzige Mietwohnung durch Inserate oder auf sonstige Weise bewirbt; immerhin setzt er sich damit in Konkurrenz zu seinen Mitbewerbern. 67 Allerdings wird für ein geschäftsmäßiges Handeln i.S.v. § 14 BGB ein gewisser organisatorischer

Mindestaufwand gefordert146. Dazu reicht die gelegentliche Vermietung eines Werbetafelstandplatzes nicht aus147. Für einen Vermieter von Wohnraum wird gefordert, dass ihm mehrere Wohnungen gehören148. Wie viele dafür notwendig sind, wird nicht einheitlich gesehen. Denn einerseits sollen acht Wohnungen noch nicht ausreichen, weil deren Verwaltung noch keine professionelle Tätigkeit erfordert149. Andererseits wird die Unternehmereigenschaft bejaht, wenn dem Vermieter sieben Wohnungen gehören, die er vermietet150, zwei Wohnungen sollen aber noch nicht ausreichen151. Daraus wird geschlossen, dass geschäftsmäßiges Handeln bei mehr als zwei Wohnungen vorliegt152 und es schon der Regelungszweck der §§ 312 ff. BGB gebiete, Kleinvermieter als Unternehmer anzusehen153. Dies widerspricht aber der Annahme des BGH, die den Vermieter, der vier Einheiten langfristig vermietet, noch als Verbraucher im Rahmen eines Darlehensvertrags ansieht154. Die Unternehmereigenschaft soll aber gegeben sein, wenn der Eigentümer zwar nur zwei Wohnungen hat, sich bei der Vermietung aber von einer professionellen Hausverwaltung vertreten lässt155. Eine derartige Zurechnung des geschäftsmäßigen

141 142 143 144 145 146 147 148

149 150 151 152 153 154 155

ABl. EU Nr. L 304, 64. Gesetz vom 20.9.2013 – BGBl. I S. 3642. Palandt/Ellenberger, § 14 BGB Rz. 1 f. Palandt/Ellenberger, § 14 BGB Rz. 2 m.w.N. A.A. offenbar KG v. 11.12.2014 – 10 U 62/14, GE 2016, 57 (58): Kieferorthopäde mit 5 Häusern, die je 20 Wohnungen haben, und der eine Hausverwaltung mit der Betreuung der Objekte beauftragt. Vgl. Erman/Saenger, § 14 BGB Rz. 11 m.w.N. KG v. 10.1.2011 – 5 U 1353/10, GE 2011, 1552. Vgl. OLG Düsseldorf v. 7.10.2004 – 10 U 70/04, ZMR 2005, 187 (191) (Vermieter hat zwei Einfamilienreihenhäuser und eine Einliegerwohnung vermietet); OLG Düsseldorf v. 16.10.2003 – 10 U 46/03, WuM 2003, 621 (Unternehmer bei zwei Mietshäusern); AG Frankfurt. v. 13.2.1998 – 33 C 3489/97-13, WuM 1998, 418 (6 Wohnungen sind jedenfalls genug); LG Görlitz v. 23.8.2000 – 2 S 190/99, WuM 2000, 542 (543) (11 Wohnungen genügen); AG Köln v. 28.10.2004 – 210 C 248/04, WuM 2007, 123 (1 Haus mit 6 Wohnungen); krit. dazu Gsell, WuM 2014, 375 (378). LG Waldshut-Tiengen v. 30.4.2008 – 1 S 27/07, DWW 2008, 259. LG Köln v. 12.3.2009 – 1 S 202/07, WuM 2009, 730. BayObLG v. 13.4.1993 – REMiet 3/93, MDR 1993, 754 = WuM 1993, 384 (zum HausTWG). LG Köln v. 26.1.1999 – 12 S 256/98, WuM 2000, 194. AG Freiburg v. 1.10.2013 – 53 C 1059/13, WuM 2013, 728; Harsch, WuM 2008, 201. BGH v. 3.3.2020 – XI ZR 461/18, MDR 2020, 616 = GE 2020, 665. LG Wiesbaden v. 1.7.1996 – 1 S 434/95, WuM 1996, 699; AG Waiblingen v. 5.5.1995 – v. 5.5.1996 – 13 C 631/ 95, WuM 1996, 137.

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B. Wohnraummiete | Rz. 69 § 535

Verhaltens eines Dritten ist aber nicht gerechtfertigt. Die Einschaltung einer professionellen Verwaltung als solche führt noch nicht dazu, dass sich der (Klein-)Vermieter als Unternehmer i.S.v. § 14 BGB behandeln lassen muss156. Dies gilt erst recht, wenn der Verwalter nur als Hilfe z.B. für kaufmännische Angelegenheiten beauftragt wird157. Tatsächlich verbietet sich eine generalisierende Betrachtungsweise. Denn nach Sinn und Zweck der 67a §§ 312 ff. BGB soll der Verbraucher vor der Gefahr geschützt werden, durch Ausnutzung des Überraschungseffektes oder einer besonderen psychologischen Situation zu einem an sich nicht gewünschten Vertragsschluss veranlasst zu werden158. Damit sind derartig viele Fallkonstellationen erfasst, dass die Unternehmereigenschaft vom Einzelfall abhängig sein kann. b) Mieter als Verbraucher Nicht jedem Wohnraummieter steht ein Widerrufsrecht nach § 312g BGB zu. Voraussetzung ist viel- 68 mehr, dass er Verbraucher159 i.S.d. § 13 BGB ist, §§ 312 Abs. 1, 310 Abs. 3 BGB, was bereits ausscheidet, wenn er professionell bei Vertragsabschluss z.B. durch einen Rechtsanwalt vertreten oder beraten wird160. Denn dann ist er vor einer situativ übereilten Entscheidung geschützt161. Die Eigenschaft des Verbrauchers erfüllt der Wohnraummieter, wenn er als natürliche Person (im Gegensatz zur juristischen Person wie z.B. einer GmbH) eine Wohnung für private Zwecke gemietet hat, also rechtsgeschäftlich handelt. Aus der Angabe des Berufes (z.B. selbständiger Restaurateur) ergibt sich noch nicht, dass er nicht als Verbraucher handelt162. Maßgeblich ist vielmehr, ob nach dem vom Mieter objektiv verfolgten Zweck ein seinem privaten Rechtskreis zuzuordnendes Rechtsgeschäft vorliegt. Das hat der Mieter dazulegen und zu beweisen163. Auf bestimmte intellektuelle Fähigkeiten des Mieters kommt es nicht an164, obwohl für bestimmte rechtskundige Personen wie z.B. der Rechtsanwalt die Anwendung des Verbraucherschutzes zweifelhaft sein kann. Immerhin führt die berufliche Begleitung einer Privatperson durch diese Berufsgruppe schon zum Verlust der Verbrauchereigenschaft165. Dennoch sind auch Akademiker grundsätzlich Verbraucher. Das Gleiche gilt für eine Eigentümergemeinschaft, der mindestens ein Verbraucher angehört, wenn der abgeschlossene Mietvertrag weder einer selbständigen noch einer gewerblichen Tätigkeit dient166. Eine Außen-GbR, der neben einer natürlichen Person eine juristische Person angehört, ist dagegen kein Verbraucher167. Der Kieferorthopäde, der selbst fünf Wohnhäuser mit ca. 20 Wohnungen besitzt, die von einer Hausverwaltung betreut werden, soll als Erwerber eines Mehrfamilienhauses (im schuldrechtlichen Verhältnis zu einem Makler) Verbraucher sein168. Allerdings liegt kein Verbraucher-, sondern Unternehmerhandeln vor, wenn der Abschluss des Miet- 69 vertrages auf Mieterseite im Zuge der Aufnahme einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit (sog. Existenzgründung) erfolgt169. Schließt der Mieter also einen Mietvertrag über Räume, 156 Hau, NZM 2015, 435 (441); Gsell, Wohnraummietrecht als Verbraucherrecht, S. 8 (abrufbar: http://www.miet gerichtstag.de/programme-früherer-mietgerichstage/mietgerichtstag-2014-1/). 157 KG v. 11.12.2014 – 10 U 62/14, GE 2016, 57 (58); AG Neukölln v. 3.3.2016 – 16 C 135/15, DWW 2016, 301. 158 Erman/Koch, § 312 BGB Rz. 2. 159 Auch der Vermieter kann Verbraucher sein, wenn er als Privatperson handelt und ihm ein Unternehmer als Vertragspartner gegenübersteht, vgl. z.B. LG Münster v. 4.11.2015 – 2 O 127/15, ZMR 2016, 628. 160 Vgl. BGH v. 2.5.2000 – XI ZR 150/99, MDR 2000, 1121 = NJW 2000, 2268 (Handeln eines Treuhänders für den Verbraucher); Erman/Saenger, § 13 BGB Rz. 11; a.A. Hau, NZM 2015, 435 (438). 161 Hinz, WuM 2016, 76 (78); Mediger, NZM 2015, 185 (189); a.A. Hau, NZM 2015, 435 (441); Gsell, WuM 2014, 375 (378). 162 AG Charlottenburg v. 23.3.2016 – 215 C 318/15, GE 2016, 789. 163 KG v. 11.12.2015 – 10 U 62/14, GE 2016, 57. 164 Palandt/Ellenberger, § 13 BGB Rz. 2. 165 Vgl. BGH v. 2.5.2000 – XI ZR 150/99, MDR 2000, 1121 = NJW 2000, 2268 (Handeln eines Treuhänders für den Verbraucher); Erman/Saenger, § 13 BGB Rz. 11; a.A. Hau, NZM 2015, 435 (438). 166 BGH v. 25.3.2015 – VIII ZR 360/13. 167 BGH v. 30.3.2017 – VII ZR 269/15, ECLI:DE:BGH:2017:300317UVIIZR269.15.0, MDR 2017, 634, GE 2017, 1090. 168 KG v. 11.12.2015 – 10 U 62/14, GE 2016, 57. 169 Vgl. dazu BGH v. 15.1.2007 – III ZR 295/06, MDR 2008, 131 = GuT 2007, 433 = NJW 2008, 435.

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§ 535 Rz. 69 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags die er beruflich und privat nutzt (Mischnutzung), kann er nicht als Verbraucher behandelt werden, wenn die überwiegende Nutzung gewerblich erfolgt (vgl. dazu Vor § 535 BGB Rz. 64 ff.). Erst recht liegt ein Unternehmerhandeln einer Privatperson vor, wenn nach dem Zweck des Vertrages der Mieter die Räume weitervermieten will/soll. Dafür müssen nicht die Voraussetzungen des § 565 BGB vorliegen. Allerdings reicht es auch nicht aus, dass dem als Verbraucher handelnden Mieter eine Untervermietungserlaubnis erteilt wurde. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob der Mieter die Wohnung ausschließlich bzw. überwiegend zur Untervermietung oder (auch) selbst zum Wohnen nutzen soll. Deshalb liegt kein Verbraucherhandeln vor, wenn sich die Untervermietungserlaubnis z.B. auf kurzfristige Vermietungen an Touristen bezieht, die Wohnung also vom Mieter überwiegend quasi als fremdgenutzte Ferienwohnung genutzt werden darf. 69a Seinen Status als Verbraucher verliert ein Mieter nicht dadurch, dass im Mietvertrag eine atypische Ge-

genleistung vereinbart ist. Das kommt z.B. in Betracht, wenn der Mietvertrag über eine Wohnung als Teil der Gegenleistung des Mieters eine Vergütung für Hausmeistertätigkeiten vorsieht. Selbst wenn diese Tätigkeit als selbständiger Unternehmer durchgeführt wird, handelt der Hauswart noch als Privatperson, wenn er die Räume jedenfalls überwiegend zum Wohnen nutzen soll. Denn allein durch die Gestaltung der Entgeltabrede, also die Vereinbarung der Gegenleistung, wird das Handeln des Hauswarts als Privatperson nicht berührt. c) Verbraucherschutz 69b § 312g Abs. 1 BGB räumt dem Verbraucher/Mieter ein Widerrufsrecht ein, wenn der Mietvertrag als

Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen i.S.v. § 312b BGB oder als Fernabsatzgeschäft nach § 312c BGB zustande gekommen ist. Der Vertragstyp wird i.d.R. ein Mietvertrag über Wohnraum sein (bei gemischten Verträgen muss das Übergewicht bei Wohnraum liegen, Vor § 535 BGB Rz. 64 f.). Der zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer abgeschlossene Mietvertrag über Gewerberäume (z.B.: Mietvertrag über eine Garage oder einen Stellplatz) wird vom Wortlaut des § 312 Abs. 4 BGB nicht erfasst. Eine Analogie ist mangels planwidriger Lücke nicht zulässig170. aa) Verträge außerhalb von Geschäftsräumen 70 Ein Geschäft nach § 312b BGB liegt grundsätzlich vor, wenn der Abschluss des Mietvertrages oder

seine Änderung (zur Mieterhöhung vgl. § 557 BGB Rz. 41b sowie § 558b BGB Rz. 48 f.) außerhalb von Geschäftsräumen des Unternehmers/Vermieters in einer der in § 312b Abs. 1 Nr. 1–4 BGB beschriebenen Positionen stattfinden. Bezogen auf die Vermietung von Wohnraum erscheinen allein praxisrelevant Vertragsschlüsse, die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers (oder seines Vertreters) an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist, § 312 Abs. 1 Nr. BGB. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Vertragspartner (z.B. Vermieter), der nicht selbst die Verhandlungen führt, von der in der Person des Verhandlungsführers (z.B. Hausverwalter) bestehenden Haustürsituation Kenntnis hat171. Die Fälle des § 312 Abs. 1 Nr. 2 + 3 BGB sollten aber auch zumindest bekannt sein. Sie liegen vor, wenn der Verbraucher unter den in § 312 Abs. 1 Nr. 1 genannten Umständen ein Angebot abgegeben hat, oder bei Mietverträgen, die in den Geschäftsräumen des Unternehmers oder durch Fernkommunikationsmittel geschlossen werden, bei denen der Verbraucher jedoch unmittelbar zuvor außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers persönlich und individuell angesprochen wurde. Dass Mietverträge über Wohnraum auf Ausflügen (§ 312b Abs. 1 Nr. 4 BGB) vermittelt werden, ist bisher noch nicht Praxis. 70a Neben dem Abschluss von Mietverträgen und den Vertragsänderungen, die in der Wohnung bzw.

jedenfalls nicht innerhalb der Geschäftsräume des Vermieters bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit beider Parteien vereinbart werden (z.B. Mieterhöhungen nach § 557 Abs. 1 BGB, Aufhebungsvereinbarungen, Modernisierungsvereinbarungen172), kommen als Verträge, die außerhalb von Geschäfts-

170 Hinz, WuM 2015, 76 (82); a.A. Lindner, ZMR 2015, 261 (263). 171 BGH v. 12.12.2005 – II ZR 327/04, MDR 2006, 679 = WuM 2006, 109. 172 BGH v. 17.5.2017 – VIII ZR 29/16, MietRB 2017, 245 = MDR 2017, 872 = WuM 2017, 406.

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B. Wohnraummiete | Rz. 71b § 535

räumen geschlossen werden, auch Vereinbarungen anlässlich von Abnahmen bei der Wohnungsrückgabe in Betracht173 (vgl. dazu § 546 BGB Rz. 53 f.). Zwar wird in der mietrechtlichen Praxis der Hauptanwendungsbereich bei Geschäften liegen, die der 71 Mieter im Bereich seiner Privatwohnung abschließt. Hier sollte er bereits vor dem 13.6.2014 vor überraschend eingefädelten Vereinbarungen geschützt werden174. In § 312b BGB wird nun allein darauf abgestellt, dass der Ort nicht innerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers/Vermieters (oder seines Vertreters) liegt. Insoweit kommt es allein auf den Vertragsschluss an. Ein Haustürgeschäft liegt daher nicht vor, wenn die Verhandlungen außerhalb der Geschäftsräume oder durch Einsatz telekommunikativer Mittel begonnen wurden, die konstitutive Vertragsunterzeichnung aber in den Geschäftsräumen des Vermieters stattfindet175. Mit den Geschäftsräumen des Vermieters wird gemäß § 312b Abs. 2 BGB der Ort bezeichnet, an 71a dem der Vermieter in der Regel seine Vermietung organisiert. Bei institutionalisierten Vermietern ist das nicht nur der Geschäftssitz, sondern auch das örtliche Verwaltungs- oder Hausmeisterbüro, selbst wenn es mobil (z.B. in einem Container) aufgestellt ist, sofern der Vermieter/Verwalter in diesen Räumen seine Tätigkeit ständig (= dauerhaft) ausübt. Letzteres ist auch der Fall, wenn im Hausmeisterbüro ein Arbeitsplatz für einen Mitarbeiter der Verwaltung eingerichtet ist, der dort z.B. regelmäßige Sprechzeiten abhält. Deshalb ist auch bei der Vermietung vom Reißbrett der Vertragsschluss im Baucontainer, der z.B. am Wochenende regelmäßig vom Vermieter/Makler genutzt wird und in dem Musterverträge vorgehalten werden, als Geschäftsraum anzusehen. Ein mobiler Geschäftsraum i.S.d. § 312b Abs. 2 BGB kann auch in einem Pkw gesehen werden. Dazu muss der Vermieter/Hausverwalter z.B. einen Kleinbus mit einer gewissen Büroeinrichtung (etwa Fach mit Formularen) ausgestattet haben und das Fahrzeug ein deutliches Firmenlogo tragen176. Ist für den Vermieter ein Hausverwalter tätig, liegt der Geschäftsraum in dessen Büro, § 312b Abs. 2 S. 2 BGB. Kommt es trotz Einschaltung einer Verwaltung zu einem Vertragsschluss in der Privatwohnung des Vermieters, weil der Verwalter z.B. die Unterlagen dahin übersendet, besteht ein Widerrufsrecht, wenn die Wohnung nicht als der Geschäftssitz des Vermieters angesehen werden kann. Zwar hat der Verwalter die Verhandlungen geführt. Der maßgebliche Vertragsschluss findet aber in den Privaträumen des Vermieters und damit außerhalb der Geschäftsräume statt, sofern beide Parteien gleichzeitig körperlich anwesend sind. Auch das Wohnzimmer des Vermieters kann als Geschäftsraum anzusehen sein. Dafür muss der Vermieter eine gewisse Organisation vorhalten und die Geschäfte (Vermietung) üblicherweise in seiner Wohnung abwickeln. Neben einem Container kommen als mobile Geschäftsräume auch der Pkw des Vermieters in Betracht. Das wird z.B. anzunehmen sein, wenn der Vermieter seinen Pkw (z.B. VW-Bus) als Büro ausgestattet hat und dort immer die Wohnungsrückgabeprotokolle ausfüllt. Im Umkehrschluss aus § 312b BGB entsteht kein Widerrufsrecht, wenn die wohnungsmietrechtliche 71b Vereinbarung in den Geschäftsräumen des Vermieters geschlossen wird, sofern nicht – ausnahmsweise – der Fall des § 312b Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 3 BGB vorliegt, dem Vertragsschluss also ein Angebot des Verbrauchers vorausgegangen ist, dass unter den in § 312 Abs. 1 Nr. 1 BGB beschriebenen Umständen abgegeben wurde, oder auf einem unmittelbar zuvor außerhalb der Geschäftsräume erfolgten Ansprechen beruhen. Zwar ist mit dem Vertragsschluss die Einigung der Parteien gemeint, die nach § 535 BGB wirksam auch mündlich getroffen werden kann. Dem Vermieter sollte aber im Hinblick auf § 154 Abs. 2 BGB empfohlen werden, im Stadium der Vertragsverhandlungen stets zum Ausdruck zu bringen, dass alles erst dann verbindlich ist, wenn ein schriftlicher Vertrag geschlossen ist. Dies kann z.B. auch als Hinweis in die Selbstauskunft des Mieters aufgenommen werden. Insoweit kommt es allein auf den Vertragsschluss an, der durch das Datum des schriftlichen Mietvertrages dokumentiert wird. Haustür- oder Fernabsatzgeschäft liegen nicht vor, wenn die Verhandlungen außerhalb der Geschäftsräume i.S.v. § 312b BGB oder durch Einsatz telekommunikativer Mittel i.S.v. § 312c

173 AG Köln v. 18.8.2005 – 222 C 82/05, KM 31 Nr. 52; Löfflad, MietRB 2004, 87. 174 OLG Koblenz v. 9.2.1994 – 4 W RE 456/93, MDR 1994, 475 = WuM 1994, 257; LG Berlin v. 24.1.2017 – 18 S 318/15, GE 2017, 534. 175 Erman/Koch, § 312 BGB Rz. 16. 176 Ebenso: Hinz, WuM 2016, 76 (80).

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§ 535 Rz. 71b | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags BGB begonnen wurden, die konstitutive Vertragsunterzeichnung aber in den Geschäftsräumen des Vermieters stattfindet177. 71c Für § 312b Abs. 1 Nr. 1 BGB müssen die unterschriftsberechtigten Personen gleichzeitig körperlich

außerhalb der Geschäftsräume anwesend sein. Sobald der Mieter seine Unterschrift in den Geschäftsräumen des Vermieters/Verwalters leistet, ist der (relevante) Vertragsschluss nicht außerhalb der Geschäftsräume erfolgt. Unterschreibt der Mieter z.B. den Vertragsentwurf nur einseitig außerhalb der Geschäftsräume des Vermieters/Verwalters und versendet der Verwalter den Mietvertrag an den Vermieter an dessen Privatanschrift, findet der Vertragsschluss nicht bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit außerhalb der Geschäftsräume statt. Dies gilt selbst dann, wenn der Vermieter den Vertrag an den Verwalter zurücksendet und dieser dem Mieter den vollzogenen Vertrag übersendet. In diesem Fall hat der Vertragsschluss allenfalls ein Fernabsatzgeschäft stattgefunden. bb) Fernabsatzgeschäft 71d Von den Mietverträgen oder seinen Änderungen, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen

werden, sind die sog. Fernabsatzverträge gemäß § 312c BGB zu unterscheiden. Für sie besteht grundsätzlich das in §§ 312g Abs. 1, 355 BGB geregelte Widerrufsrecht, wenn ein Unternehmer oder eine in seinem Namen oder Auftrag handelnde Person und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden. Fernkommunikationsmittel im Sinne dieses Gesetzes sind alle Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags eingesetzt werden können, ohne dass die Vertragsparteien gleichzeitig körperlich anwesend sind, wie Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telekopien, E-Mails, über den Mobilfunkdienst versendete Nachrichten (SMS) sowie Rundfunk und Telemedien, § 312 Abs. 2 BGB. Kommt daher eine Mieterhöhungsvereinbarung i.S.d. § 557 Abs. 1 BGB unter Verwendung der vorgenannten Kommunikationsmittel zustande, besteht das Widerrufsrecht (hierzu vgl. § 535 BGB Rz. 72). Maßgeblich ist nach dem Wortlaut der Vorschrift, dass nicht nur die Vertragsverhandlungen, sondern auch der Vertragsschluss durch den Einsatz von Fernkommunikationsmitteln zustande gekommen ist. Ein Fernabsatzgeschäft liegt nicht vor, wenn die Verhandlungen durch Einsatz telekommunikativer Mittel begonnen wurden, die konstitutive Vertragsunterzeichnung aber in den Geschäftsräumen des Vermieters stattfindet178 oder wenn der Mieter während der Vertragsanbahnung persönlichen Kontakt zum Vermieter, zu einem seiner Mitarbeiter oder zu einem sonstigen Vertreter hatte179. Allerdings kann im Regelfall ein Fernabsatzgeschäft bei den Standardfällen zur stillschweigenden Änderung der Umlagevereinbarung angenommen werden (vgl. § 556 BGB Rz. 344). Denn selbst wenn die Annahme eines entsprechenden Angebots durch den Mieter durch Ausgleich der Nachforderung erfolgt, ist ein Fernkommunikationsmittel eingesetzt. Denn mit der Überweisung kann der Mieter eine Tilgungsbestimmung übermitteln und zwar sowohl beim Online-Banking als auch bei Verwendung des klassischen Überweisungsträgers. 71e Für das Fernabsatzgeschäft ist zusätzliche Voraussetzung, dass der Vertragsschluss im Rahmen eines für

den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt. Um dies annehmen zu können, muss der Vermieter in seinem Betrieb die personellen, sachlichen und organisatorischen Voraussetzungen geschaffen haben, die notwendig sind, um regelmäßig Geschäfte im Fernabsatz zu bewältigen180, also in dieser Form Mietverträge über Wohnraum (oder Vertragsänderungen) herbeizuführen bzw. abzuschließen. Davon kann ausgegangen werden, sobald der Vermieter oder auch nur sein Verwalter als Unternehmer i.S.v. § 14 BGB angesehen werden können (dazu § 535 BGB Rz. 66). Denn es ist nicht nur eine weite Auslegung angezeigt181, sondern auch auf die Struktur des anbietenden Unternehmens abzustellen182. Der Umfang der sachlichen und personellen Mittel ist dabei unbedeutend. Im Vordergrund steht die planmäßige Werbung. Zwar wird in der Regel keine „Bestellung“ über das Internet möglich sein183. Indessen bietet schon die Werbung im Internet auf der eigenen Homepage oder ein177 178 179 180 181 182 183

Erman/Koch, § 312 BGB Rz. 16. Erman/Koch, § 312 BGB Rz. 16. BGH v. 27.2.2018 – XI ZR 160/17, MDR 2018, 539 = GE 2018, 1393. BT-Drucks. 14/2658, S. 30. Staudinger/Thüsing, § 312b BGB Rz. 53. Bülow/Artz, NJW 2000, 2049 (2053). Vgl. dazu Erman/Koch, § 312 BGB Rz. 66.

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schlägigen Portalen durch wiederholte Inserate die Gelegenheit, im Fernabsatz einen Mietvertrag abzuschließen. Insoweit kann nicht gefordert werden, dass der Hauptgegenstand des Vertriebs im Fernabsatz organisiert ist184. Ein organisiertes Vertriebs- und Dienstleistungssystem scheidet allenfalls aus, wenn der Unternehmer seine Geschäfte nur gelegentlich (sporadisch) mithilfe von Fernkommunikationsmitteln tätigt185. Das wird aber noch nicht dadurch bestätigt, dass im konkreten Fall ein individuell gefertigtes Schreiben versendet wurde, um den Vertragsschluss herbeizuführen186. Ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystems wird von § 312c Abs. 1 71f BGB unterstellt. Der Vermieter ist darlegungs- und beweispflichtig, dass das organisierte Dienstleistungssystem nicht vorgelegen hat. d) Rechtsfolgen (Widerruf) Die Rechtsfolge des Verbraucherschutzes im Rahmen von Haustür- und Fernabsatzgeschäften ist 71g grundsätzlich der Widerruf nach den §§ 355 ff. BGB. Maßgeblich ist zunächst allein, dass es sich um Verträge über die Vermietung von Wohnraum handelt, wozu auch öffentlich-geförderter Wohnraum gehört187. Erfasst werden – die Begründung des Mietverhältnisses als solchem, – der Abschluss von Verträgen über – Änderungen des Mietobjektes, – Aufnahme/Beitritt eines weiteren Mieters, – Entlassung eines von mehreren Mietern, – Änderung/Erweiterung des Vertragszwecks – die Durchführung baulicher Veränderungen, – Mieterhöhungen nach § 557 BGB (zur Mieterhöhung siehe auch § 558b BGB Rz. 48 f.), – Veränderungen der Umlagevereinbarung, – Modernisierung gemäß § 555f BGB188, – Aufhebung des Mietverhältnisses, – Vereinbarungen im Zuge der Rückgabe, – sonstige Vertragsänderungen. Eine Ausnahme muss für die Mieterhöhung nach § 558 BGB gelten, jedenfalls soweit sie im Fern- 71h absatzgeschäft zustande kommt189. Zwar handelt es sich dabei ebenfalls um eine Vereinbarung, wie sich aus den §§ 558b + c BGB ergibt. Indessen greift hier der Zweck des Verbraucherschutzes i.S.v. § 312 BGB nicht ein. Denn dieser soll dem Verbraucher die Möglichkeit geben eine vorschnelle Entscheidung z.B. an der Haustür oder im Internet nach kurzer Überlegung rückgängig zu machen190. Mit seiner Zustimmung nach § 558b BGB kann sich der Mieter aber zwei Monate Zeit lassen und daher auch die Konsequenzen seines Handelns abwägen. Deshalb bedarf es keiner zusätzlichen Widerrufsmöglichkeit. Dafür besteht nur ein Bedürfnis, wenn die Parteien z.B. anlässlich eines Zusammentreffens außerhalb der Geschäftsräume des Vermieters auf der Grundlage des Mieterhöhungsbegehrens eine Verein184 Hinz, WuM 2016, 76 (80); Hau, NZM 2015, 435 (439); a.A. Mediger, NZM 2015, 185 (190); Horst, DWW 2015, 2 (9). 185 Hinz, WuM 2016, 76 (81). 186 BGH v. 17.10.2018 – VIII ZR 94/17, MietRB 2019, 4 = MDR 2019, 22 = WuM 2018, 765 = GE 2018, 1521 (Mieterhöhung nach § 558 BGB). 187 Erman/Koch, § 312 BGB Rz. 66. 188 BGH v. 17.5.2017 – VIII ZR 29/16, MDR 2017, 872 = MietRB 2017, 245 = WuM 2017, 406 (zur Rechtslage vor 2014). 189 BGH v. 17.10.2018 – VIII ZR 94/17, MietRB 2019, 4 = MDR 2019, 22 = WuM 2018, 765 = GE 2018, 1521; LG Berlin v. 14.9.2016 – 18 S 357/15, MietRB 2016, 343 = GE 2016, 1391; AG Gelsenkirchen v. 27.4.2016 – 202 C 3/16, WuM 2016, 360 = GE 2016, 1221; AG Spandau v. 27.10.2015 – 5 C 267/15, GE 2015, 1463; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Vor § 535 BGB Rz. 92; a.A. LG Berlin v. 10.3.2017 – 63 S 248/16, GE 2017, 594 = WuM 2017, 280. 190 Erman/Koch, § 356 BGB Rz. 10.

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§ 535 Rz. 71h | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags barung über die künftige Miete abschließen. Dies gilt auch, wenn diese Vereinbarung kurz vor oder nach dem Ablauf der Zustimmungsfrist des § 558b Abs. 2 BGB begründet wird. Hier liegt dann ein Geschäft außerhalb der Geschäftsräume nach § 312b Abs. 1 Nr. 1 BGB vor. Damit ist eine vom üblichen Verfahren der §§ 558 ff. BGB abweichende Situation gegeben, in der der mit § 312b Abs. 1 Nr. 1 BGB verfolgte Schutz vorrangig ist. 71i Für alle erfassten Vereinbarungen bilden insbesondere folgende Tatbestände eine Ausnahme vom Wi-

derrufsrecht: – der Vermieter ist kein Unternehmer i.S.v. § 14 BGB (vgl. § 535 BGB Rz. 66), – der Mieter ist kein Verbraucher (vgl. § 535 BGB Rz. 68), – der Mietvertrag wird in den Geschäftsräumen des Vermieters geschlossen (vgl. § 535 BGB Rz. 71a), – dem Abschluss des Mietvertrages ist eine Besichtigung vorausgegangen (vgl. § 535 BGB Rz. 72), – die relevante Vereinbarung wird notariell beurkundet oder im Rahmen eines protokollierten Vergleichs vor Gericht geschlossen (vgl. § 535 BGB Rz. 73). 71j Teilweise wird eine analoge Anwendung des § 312g BGB auf einseitige Rechtsgeschäfte befürwortet.

Dies soll etwa in Betracht kommen, wenn der Vermieter in einer in den §§ 312b und 312c BGB beschriebenen Situation den Mieter zu einer Kündigung, einem Verzicht (z.B. auf Minderung nach § 536 BGB) oder einer Ermächtigung bzw. Bevollmächtigung veranlasst191. aa) Besichtigung 72 Allein für die Begründung des Wohnraummietvertrages lässt § 314 Abs. 2 S. 2 BGB das Widerrufs-

recht entfallen, wenn dem Geschäft i.S.v. § 312b BGB oder Fernabsatzgeschäft i.S.v. § 312c BGB eine Besichtigung vorausgegangen ist. Die Begründung des Mietvertrages über Wohnraum erfolgt durch die Einigung der Parteien i.S.v. § 535 BGB, wenn Gegenstand des Mietvertrages eine Wohnung ist oder bei gemischter Nutzung jedenfalls die Wohnraumnutzung überwiegt (vgl. Vor § 535 BGB Rz. 64 ff.). 72a Bei der Begründung des Mietvertrages über Wohnraum muss es sich nicht um den erstmaligen Ab-

schluss handeln. Erfasst wird auch der Fall, dass das Mietverhältnis beendet ist – egal auf welche Weise (z.B. Kündigung des Mieters, Kündigung des Vermieters, Aufhebungsvertrag) – und sich die Parteien zeitlich danach entscheiden, das Mietverhältnis fortzusetzen. War der alte Mietvertrag beendet, ist jede nachfolgende Vereinbarung über eine Vertragsfortsetzung dogmatisch die (ggfs. konkludente) Begründung eines neuen Mietverhältnisses. In den denkbaren Konstellationen ist in der Regel aber die Kenntnis des Mieters über die räumlichen Zustände der Wohnung als Besichtigung i.S.v. § 312 Abs. 4 S. 2 BGB zu werten. Das gilt grundsätzlich selbst dann, wenn der Mieter in der Zwischenzeit ausgezogen ist. Voraussetzung dafür ist, dass die Wohnung in der Zwischenzeit nicht baulich verändert wurde.

72b In dem durch § 545 BGB geregelten Fall ist § 312 Abs. 4 BGB nicht anwendbar. Denn hier wird auf-

grund seiner Fiktion der (alte) Mietvertrag fortgesetzt und kein neues Mietverhältnis begründet. Letzteres findet allerdings statt, wenn ein Schuldbeitritt oder gewillkürter Mieterwechsel vereinbart wird. Denn dadurch wird mit dem hinzutretenden bzw. dem neuen Mieter (erstmals) ein Mietverhältnis begründet. Deshalb kommt es darauf an, ob er die Wohnung besichtigt hat. Zwar kann auch beim gewillkürten oder i.S.d. § 566 BGB gesetzlichen Vermieterwechsel ein neues Mietverhältnis mit dem Erwerber entstehen (vgl. § 566 BGB Rz. 52). Allerdings ist in diesen Fällen die Kenntnis des Mieters von der Wohnung als Besichtigung i.S.v. § 312 Abs. 4 S. 2 BGB anzusehen. 72c Ansonsten ist der Begriff der Besichtigung eng auszulegen. Immerhin handelt es sich um eine Ausnah-

me. Das erfordert zunächst, dass die Besichtigung der Wohnung räumlich umfassend gewesen sein muss192. Das bedeutet nicht, dass die Besichtigung einer nicht oder nur teilgeräumten Wohnung nicht von § 312 Abs. 4 S. 2 BGB erfasst sein kann. Im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift, soll sich der Mieter ein Bild von der Mieteinheit in ihren wesentlichen Ausmaßen (Lage, Anzahl, Größe und Ausstattung der Räume) machen können, um seine Entscheidung über die Anmietung treffen zu können. Da191 Hau, NZM 2015, 435 (440) m.w.N. 192 Hinz, WuM 2016, 76 (81); Schmidt-Futterer/Blank, Vor § 535 BGB Rz. 79; a.A. Mediger, NZM 2015, 166 (190): Besichtigung wesentlicher Teile der Wohnung genügt.

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B. Wohnraummiete | Rz. 72f § 535

für ist es unerheblich, ob die Besichtigung in Anwesenheit einer Vielzahl anderer Interessenten oder zeitlich begrenzt stattgefunden hat. Die Ausmaße der Räume kann der Mieter erkennen, sobald er sie durchschreitet. Deshalb fällt auch die Besichtigung einer Wohnung während der Errichtung des Gebäudes im Rohbau unter die Ausnahme des § 312 Abs. 4 S. 2 BGB. Dazu müssen jedoch die Decken gezogen und alle Wände errichtet sein. Sind einzelne Teile der Mieteinheit nicht zugänglich, z.B. weil Räume verschlossen sind, kann grundsätzlich keine Besichtigung i.S.v. § 312 Abs. 4 S. 2 BGB angenommen werden. Das gilt auch für Nebenflächen (z.B. Keller)193, weil diese ebenfalls für den Vertragsschluss maßgeblich sein können. Denn das Phänomen von z.B. feuchten Kellern oder die freie Zugänglichkeit der einzelnen Kellerabteile können ein ausschlaggebendes Kriterium für den Vertragsschluss sein. Die Besichtigung von Gemeinschaftsflächen kann dagegen nicht gefordert werden194. Die Besichtigung muss tatsächlich stattgefunden haben, was der Vermieter zu beweisen hat195. Ein 72d (ausdrücklicher) Verzicht des Mieters ist unwirksam, § 312k BGB. Davon zu unterscheiden ist der Fall, in dem der Mieter während der Besichtigung auf die Inspektion einzelner Räume oder sonstiger Teile der Mietsache (z.B. Keller) verzichtet, die Besichtigung also von sich aus abbricht, um z.B. vor Ort den Mietvertrag abzuschließen. Dieser Vorgang begründet die Ausnahme des § 312 Abs. 4 S. 2 BGB196. Denn es kommt nicht darauf an, dass der Mieter von der Besichtigungsmöglichkeit umfassend Gebrauch macht, sondern dass sie bestand und von ihm solange und soweit wahrgenommen wurde, wie er sich ein ausreichendes Bild verschaffen konnte, um seine Vertragsentscheidung treffen zu können. Wenn der Mieter sich aus freiem Willen nach einer Teilbesichtigung zum Vertragsschluss entscheidet, kann er nicht widerrufen. Ob und ggf. welcher Zeitraum zwischen der (letzten) Besichtigung und dem Abschluss des Mietver- 72e trages bestehen muss, um die Ausnahme des § 312 Abs. 4 S. 2 BGB zu begründen, kann nicht allgemein festgestellt werden. Eine Zäsur oder ein größerer Zeitraum zwischen Besichtigung und Abschluss des Mietvertrages kann nicht gefordert werden197. Zwar steht dem Mieter im anderen Fall ein Widerrufsrecht zu, für dessen Ausübung ihm mindestens vierzehn Tage Zeit gelassen werden. Der Zweck der Regelung besteht gerade darin, dem Verbraucher die Möglichkeit einzuräumen, die Ware zu besichtigen198. Abgesehen davon hat Art. 3 Abs. 3 lit. f) VRRL die Vermietung von Wohnraum ausdrücklich vom Anwendungsbereich der Verbraucherrichtlinie ausgenommen. Deshalb stand es dem (Deutschen) Gesetzgeber frei, für den Vertragstyp des § 312 Abs. 4 BGB die Anwendung zu eröffnen. Wenn aber schon vom Ausgangspunkt kein Schutz erforderlich sein soll, kann der eingeräumte Schutz nicht weiter ausgelegt werden, als bei den von vornherein einschlägigen Verträgen. Deshalb ist es ausreichend, wenn der Mietvertrag anlässlich, also während einer Besichtigung geschlossen wird, also eine zeitliche Zäsur nicht festgestellt werden kann199. Grundsätzlich muss die Person die Mieteinheit besichtigt haben, die später Mieter wird. Im Hinblick 72f auf den Zweck der Vorschrift reicht es aus, wenn von mehreren Mietern einer die Wohnung besichtigt hat, sofern dies zwischen ihnen absprachegemäß erfolgt200. Auch wenn dem (einzelnen) Mieter als Vertragspartner durch den Widerruf ein „Reuerecht“ eingeräumt wird, kann er sich bei der Besichtigung nach den allgemeinen Regeln der §§ 164 ff. BGB vertreten lassen. Zwar ist die Besichtigung kein einseitiges Rechtsgeschäft. Sie dient aber der Vorbereitung des Vertragsschlusses, so dass die Kenntnis der Räume das entscheidende Kriterium ist. Insoweit greift die Wissenszurechnung nach § 166 Abs. 1 BGB201, sofern nicht bereits eine Besichtigungsvollmacht als ausreichend angesehen wird202. Dazu ist aber eine tatsächliche Entsendung des Vertreters zur Besichtigung erforderlich. Nur weil ein Bekannter/ Verwandter die Wohnung besichtigt hat, selbst vom Vertragsschluss Abstand nimmt, danach aber dem 193 194 195 196 197 198 199 200 201 202

Schmidt-Futterer/Blank, Vor § 535 BGB Rz. 79. Hinz, WuM 2016, 76 (82). Hau, NZM 2015, 435 (439). Schmidt-Futterer/Blank, Vor § 535 BGB Rz. 79; Hinz, WuM 2015, 76 (82); MünchKomm/Wendehorst, § 312 BGB Rz. 65. Begr. d. RegE, BT-Drucks. 17/12637, S. 48; Hau, NZM 2015, 435 (438). Erman/Koch, § 356 BGB Rz. 10. Erman/Koch, § 312 BGB Rz. 66. Schmidt-Futterer/Blank, Vor § 535 BGB Rz. 79; Hinz, WuM 2015, 76 (82). Hau, NZM 2015, 435 (439); Horst, DWW 2015, 2 (8). Hinz, WuM 2015, 76 (82).

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§ 535 Rz. 72f | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags Mieter die Wohnung beschreibt, so dass dieser ohne Besichtigung anmietet, ist die Ausnahme nach § 312 Abs. 4 S. 2 BGB nicht gegeben. Das ist anders, wenn z.B. die Tochter die Studentenwohnung besichtigt, der Mietvertrag aber auf Mieterseite vom Vater als Fernabsatzgeschäft geschlossen wird. Hier hat derjenige die Wohnung besichtigt, der sie nutzen sollte, und damit die für den Vertragsschluss ausschlaggebende Komponente geschaffen. Maßgeblich ist also der Zweck der Besichtigung und zumindest eine wirtschaftliche Identität zwischen dem vor der Besichtigung beabsichtigten und dem abgeschlossenen Mietvertrag. Liegen nur in einer Person die Voraussetzungen des Widerrufsrechts vor, wird im Zweifel der gesamte Vertrag durch einen Widerruf erfasst203. 72g Der Vermieter muss bei der Besichtigung nicht anwesend sein. Maßgeblich ist, ob der Mieter sich ein

Bild vom Vertragsgegenstand verschaffen konnte. Es kommt nicht darauf an, dass der Vermieter bei der Besichtigung zur Beantwortung von Fragen zur Verfügung steht oder ergänzende Erläuterungen geben kann. Allerdings liegt keine Besichtigung vor, wenn der Mieter in der Rohbauphase oder als Besuch beim Vormieter die Räume zufällig von innen gesehen hat. Denn es kommt entscheidend darauf an, dass er die Besichtigung zur Anmietung durchführt, um prüfen zu können, ob die Räume für seine vertragsgemäße Nutzung geeignet sind. Eine solche zweckgerichtete Besichtigung kann auch ohne eine dritte Person, aber auch bloß in Anwesenheit des Vormieters, Verwalters, Maklers, Hausmeisters oder sonstiger Personen stattfinden, die ihm den Zugang zur Wohnung einräumen. 72h Auf eine Besichtigung kann aber verzichtet werden204, ohne dass die Voraussetzungen des § 312 Abs. 4

S. 2 BGB entfallen, wenn der Mieter die Wohnung (ausreichend) kennt. Das trifft z.B. für den Untermieter oder einen sonstigen Dritten bzw. Nicht-Dritten i.S.v. § 553 BGB zu, die die Wohnung bisher oder bis vor kurzem genutzt haben. Denn hat der Mieter schon vor dem Vertragsschluss in der Wohnung gelebt, kann er sich ein ausreichendes Bild von den Räumen machen, was der Besichtigung gleichkommt. 72i Als Ausnahmevorschrift ist § 312 Abs. 4 S. 2 BGB nicht analogiefähig. Deshalb führt die Besichtigung

am Ende der Mietzeit, bei der eine Vereinbarung z.B. innerhalb eines Rückgabeprotokolls zustande kommt, nicht zum Auschluss der §§ 312 ff. BGB. Vielmehr kann der Mieter innerhalb der Frist des § 356 Abs. 3 BGB widerrufen, wenn er nicht auf sein Widerrufsrecht hingewiesen wurde. bb) Notarielle Beurkundung und gerichtlicher Vergleich 73 Nach § 312g Abs. 2 Nr. 13 BGB besteht ein Widerrufsrecht nicht, wenn der Vertrag notariell beurkun-

det wird. Die notarielle Beurkundung wird nach § 127a BGB durch einen gerichtlich protokollierten Vergleich ersetzt. Beides kann letztlich nur für Vertragsänderungen relevant sein. Immerhin schließen die Parteien bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit außerhalb von Geschäftsräumen einen Vertrag. Dies gilt jedoch nur, wenn der Mieter/Verbraucher nicht durch einen Rechtsanwalt oder sonstigen professionellen Berater (z.B. Mieterverein) vertreten ist. Ist der Vertreter nämlich nicht geschäftsunerfahren, ist schon wegen des Rechtsgedankens des § 166 BGB kein Raum für Verbraucherschutz205. 73a Ob die Ausnahme nach §§ 312g Abs. 2 Nr. 13, 127a BGB auch für den Vergleich gilt, der im Beschluss-

wege nach § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt wird, ist umstritten206. Dieser Streit kann im Regelfall dahinstehen, weil der nicht professionell vertretene Mieter die Mietsache kennt und daher der Besichtigungsfall des § 312 Abs. 4 BGB anzunehmen ist. Das ist selbst dann fast ausnahmslos der Fall, wenn durch den Vergleich eine Person in den Mietvertrag aufgenommen wird, die bisher nicht Mieter ist. Für eine denkbare Ausnahmekonstellation scheidet aber die Annahme eines – einzig in Betracht kommenden – Fernabsatzgeschäftes nach § 312c Abs. 1 BGB aus. Denn hier erfolgt der Vertragsschluss nicht unmittelbar zwischen den Parteien, sondern durch Vermittlung des Gerichts. Ohnehin käme die Anwendung nur in Betracht, wenn der Mieter/Verbraucher nicht durch einen Rechtsberater vertreten würde. 73b Bei einem außergerichtlichen Vergleich nach einer Kündigung, bei dem der Mieter nicht professio-

nell beraten/vertreten ist und mit dem ein neues Mietverhältnis begründet wird, um dem Mieter die

203 204 205 206

Ähnlich: Hinz, WuM 2015, 76 (82). Hau, NZM 2015, 435 (439). BGH v. 2.5.2000 – XI ZR 150/99, MDR 2000, 1121 = NJW 2000, 2268. Erman/Arnold, § 127 BGB Rz. 5 m.w.N.

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Wohnung zu erhalten, wird in der Regel eine Besichtigung i.S.v. § 312 Abs. 4 S. 2 BGB anzunehmen sein. Der sicherste Weg ist die Unterzeichnung des Vergleichs in den Kanzleiräumen des Rechtsanwalts des Vermieters, § 312b Abs. 2 S. 2 BGB. cc) Belehrung über das Widerrufsrecht Liegt keine Ausnahme vor, entsteht für jeden Mieter in der Regel ein Widerrufsrecht nach § 312g BGB, 73c das er gemäß § 355 Abs. 2 BGB innerhalb von vierzehn Tagen ausüben kann. Diese Frist beginnt nach § 356 Abs. 3 BGB aber nur, wenn der Vermieter den Mieter entsprechend 73d den Anforderungen des Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 EGBGB unterrichtet hat. Ist eine solche Information – auch in der gehörigen Art und Weise – unterblieben, gilt eine absolute Widerrufsfrist von einem Jahr und vierzehn Tagen. Um die Frist möglichst kurz zu halten, also auf die Dauer von vierzehn Tagen zu beschränken, muss 73e der Vermieter seine Informationspflichten in der gehörigen Art und Weise erfüllen. Dazu muss er vor Abgabe der Erklärung des Mieters, die zum Vertragsschluss führt, über das Widerrufsrecht belehren. Bei mehreren Personen auf der Mieterseite besteht die Informationspflicht jedem Mieter gegenüber207. Welche Anforderungen für die Belehrung gelten, legen für die hier einschlägigen Situationen § 312d 73f BGB, Art. 246a EGBGB fest. Für die von Art. 246b § 4 Abs. 1 EGBGB geforderte Rechtzeitigkeit der Belehrung reicht es aus, dass sie zeitlich unmittelbar vor der Abgabe der Vertragserklärung des Mieters erfolgt, so dass er diese Erklärung in dem Bewusstsein abgibt, sie auch widerrufen zu können. Wurde die Belehrung übersehen, vergessen oder nicht in der richtigen Art und Weise erteilt, beginnt die Frist des § 355 Abs. 2 BGB, sobald der Mieter durch den Vermieter (nachträglich) in der gehörigen Weise über sein Widerrufsrecht belehrt wird, § 357 Abs. 3 BGB. Eine besondere Form sehen die Vorschriften über die Informationspflichten des Vermieters für den Fall 73g vor, dass ein Vertrag außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers geschlossen wird. Dazu bestimmt Art. 246a § 4 Abs. 1 EGBGB, dass der Vermieter die Informationen auf Papier zur Verfügung stellen muss. Davon kann nur abgewichen werden, wenn der Mieter zustimmt. In diesem Fall muss die Belehrung aber auf einem anderen dauerhaften Datenträger (z.B. Mail, Stick) lesbar gespeichert und dem Mieter dieser Datenträger übergeben worden sein. Für den Abschluss von Verträgen in Papierform bietet sich daher in der Praxis an, vor der Unterschriftenzeile die Belehrung zu platzieren und den Entwurf der Widerrufserklärung als Anlage beizuheften. Inhaltlich muss die Information klar und verständlich sein, Art. 246a § 4 Abs. 1 EGBGB. Dazu muss 73h sie die in dieser Vorschrift aufgestellten Mindestangaben enthalten, insbesondere die Adresse des Widerrufsempfängers, seine Telefon-208 und ggf. Faxnummer, Mail-Account und die Beschreibung, wie der Widerruf auszuüben ist. Auf der Grundlage der Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 EGBGB kann eine solche Belehrung z.B. wie folgt aussehen: Ausfertigung Vermieter/Mieter

73i

Widerrufsbelehrung Widerrufsrecht Sie haben das Recht, binnen vierzehn Tagen ohne Angabe von Gründen diesen Vertrag zu widerrufen. Die Widerrufsfrist beträgt vierzehn Tage ab dem Datum Ihrer Unterschrift unter diese Belehrung. Um Ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie uns an die unten angegebene Anschrift mittels einer eindeutigen Erklärung (z.B. ein mit der Post versandter Brief, Telefax oder E-Mail) über Ihren Entschluss, diesen Vertrag zu widerrufen, informieren. Sie können dafür das beigefügte Muster-Widerrufsformular verwenden, das jedoch nicht vorgeschrieben ist. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.

207 Erman/Koch, § 312b BGB Rz. 4. 208 Die Widerrufserklärung kann auch mündlich erfolgen: LG Bochum v. 6.8.2014 – I-13 O 102/14, GRUR-RR 2015, 70 = K&R 2014, 824.

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§ 535 Rz. 73i | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags Der Widerruf ist zu richten an: Name/Firma Anschrift des Widerrufsadressaten (= Vermieter oder Hausverwalter) Telefonnummer Fax-Nummer Mail-Account Widerrufsfolgen Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Deshalb müssen Sie unverzüglich, spätestens nach 14 Tagen seit der Absendung des Widerrufs aus der Wohnung ausziehen und die Wohnung an uns zurückgeben. Wir haben Ihnen deshalb alle bis zum Widerruf erfolgten Zahlungen von Miete und unverzüglich, spätestens binnen vierzehn Tagen ab dem Tag zu erstatten, an dem die Mitteilung über Ihren Widerruf dieses Vertrags bei uns eingegangen ist. Für diese Rückzahlung verwenden wir dasselbe Zahlungsmittel, das Sie bei der ursprünglichen Transaktion eingesetzt haben, es sei denn, mit Ihnen wurde ausdrücklich etwas anderes vereinbart; in keinem Fall werden Ihnen wegen dieser Rückzahlung Entgelte berechnet. Köln, den … Mieter

73j Der Belehrung muss ein Formular beigefügt werden, dass der Mieter zur Ausübung des Widerrufs

verwenden kann, ihm jedenfalls den notwendigen Inhalt aufzeigt. Ausfertigung Vermieter/Mieter Muster-Widerrufsformular Wenn Sie den Mietvertrag widerrufen wollen, dann füllen Sie bitte dieses Formular aus und senden es an uns zurück. Adresse Vermieter (Name, Anschrift, Faxnummer, E-Mail-Adresse) Hiermit widerrufe(n) ich/wir* den von mir/uns* am [Datum] abgeschlossenen Mietvertrag über die Wohnung im Hause [Adresse] Name und Anschrift des Mieters: Datum Unterschrift (nur bei Mitteilung auf Papier) * Unzutreffendes streichen

73k Zweifelhaft ist, ob das Widerrufsrecht besteht, wenn der Vermieter den Mieter irrtümlich belehrt hat,

das Widerrufsrecht also z.B. wegen vorangegangener Besichtigung nicht bestand. In einem solchen Fall ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob dem Mieter ein vertragliches Widerrufsrecht eingeräumt werden sollte209. Diese Auslegung hat nach der Rechtsprechung des BGH entsprechend dem Verfahren wie bei AGB nach objektiven Maßstäben, nicht also nach §§ 133, 157 BGB zu erfolgen. Demnach liegt kein Angebot vor, wenn der Vermieter nur seinen vermeintlichen Informationspflichten nachkommen will. dd) Widerruf 74 Kommt im Anwendungsbereich der §§ 312b, 312c BGB ein Mietvertrag, eine Vertragsänderung oder

eine sonstige mit dem Mietvertrag zusammenhängende Einigung (z.B. Abnahmeprotokoll210) zustande, besteht ein Widerrufsrecht des Mieters, §§ 312g Abs. 1, 355 BGB. Er kann den Vertragsschluss durch einseitige Erklärung rückgängig machen (vernichten). Das gilt für jeden Mieter. Haben also auf Mieterseite mehrere Personen an dem Vertragsschluss mitgewirkt, kann jede einzelne von ihnen seine Vertragserklärung widerrufen211. Im Zweifel erfasst ein solcher Widerruf den gesamten Vertrag. Wurde der Mieter bei Abschluss des Mietvertrages von einem Dritten, der nicht professioneller Berater ist, ver-

209 BGH v. 28.5.2013 – XI ZR 6/12, MDR 2013, 922 = WPM 2013, 1314 = ZIP 2013, 1372; BGH v. 6.12.2011 – XI ZR 401/10, MDR 2012, 269 = NJW 2012, 1066. 210 Vgl. dazu Löfflad, MietRB 2004, 87. 211 Erman/Koch, § 312b BGB Rz. 4.

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B. Wohnraummiete | Rz. 74g § 535

treten, kommt es für das Widerrufsrecht darauf an, dass in seiner Person die persönlichen Voraussetzungen des Widerrufsrechts begründet sind212. Grundsätzlich muss der Vermieter den Mieter nicht über sein Widerrufsrecht belehren. Unterbleibt 74a eine Belehrung, erlischt das Widerrufsrecht des Mieters allerdings gemäß §§ 356 Abs. 3, 356 Abs. 2 Nr. 2 BGB erst zwölf Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss. Insoweit ist es unbeachtlich, ob der Mieter in der Zwischenzeit die getroffene Einigung vollzogen hat, also z.B. aufgrund eines Haustürgeschäftes über diesen Zeitraum die Wohnung (gegen Mietzahlung) bereits genutzt oder die erhöhte Miete gezahlt hat213. Maßgeblich ist grundsätzlich allein, ob er belehrt wurde. Zur Form des Widerrufs stellen die einschlägigen Normen keine Anforderungen. Zwar sieht die Anla- 74b ge 2 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und § 2 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB letztlich eine schriftliche (mindestens in Textform) abzugebende Erklärung vor. Eine Formbestimmung lässt sich daraus aber nicht herleiten. Deshalb kann die Widerrufserklärung auch mündlich erfolgen214. Dennoch ist es schon aus Beweisgründen angezeigt, innerhalb der maßgeblichen Frist mindestens in der Textform des § 126b BGB einen nachweisbaren Zugang zu bewirken. Die Erklärung des Widerrufs muss keine Begründung enthalten. Es reicht eine Mitteilung, aus der sich 74c der Wille, das Rechtsgeschäft (hier: den Mietvertrag) aufzulösen, eindeutig ergibt215. Diese Erklärung kann nicht in der Anzeige der Verteidigungsbereitschaft im Rechtsstreit gesehen werden. Eine Anfechtungserklärung kann dagegen als Widerruf ausgelegt werden216. Eine Bestätigung des Widerrufs durch den Vermieter ist nur für die in § 356 Abs. 1 BGB beschriebene besondere Situation vorgesehen. ee) Rechtsfolgen des Widerrufs (1) Widerruf des Mietvertrages Wird das Widerrufsrecht zum Mietvertrag, mit dem das Mietverhältnis (erstmals) begründet wurde, 74d ausgeübt und hatte eine Übergabe i.S.v. § 535 Abs. 1 BGB bereits stattgefunden, muss der Mieter innerhalb von vierzehn Tagen räumen und dem Vermieter den unmittelbaren Besitz zurückgeben, §§ 355 Abs. 3, 357 Abs. 1 BGB. Der Vermieter seinerseits muss die empfangenen Leistungen (Miete, Kaution etc.) innerhalb der gleichen Zeit erstatten. Insoweit ist § 357 Abs. 3 BGB für die Wahl der Zahlungsmittel zu beachten. Die Frist von vierzehn Tagen beginnt für den Mieter mit der Absendung des Widerrufs und für den 74e Vermieter mit dessen Zugang, § 355 Abs. 3 BGB. Dem Mieter steht ein Zurückbehaltungsrecht nicht zu, § 570 BGB. Diese Vorschrift ist zumindest 74f entsprechend anwendbar. Zum einen regelt § 357 Abs. 4 BGB ausdrücklich, inwieweit nach einem Widerruf ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht werden kann. Zum anderen ist die Zweckrichtung in den gegebenen Situationen vergleichbar. Demgegenüber kann der Vermieter ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Leistung geltend machen. Zwar ist der Abschluss eines Mietvertrages kein Verbrauchsgüterkauf i.S.v. § 474 BGB, für den § 357 Abs. 4 BGB ein Zurückbehaltungsrecht ausdrücklich regelt. Die Situation ist aber auch hier vergleichbar: bei nicht rechtzeitiger Räumung stehen dem Vermieter zumindest Ansprüche aus den §§ 987 ff., 812 BGB auf Nutzungsentschädigung zu. Zum anderen hält er mit den zurückzugewährenden Leistungen ein Druckmittel in der Hand, dass den Mieter zur fristgerechten Räumung anhalten kann. Der Vermieter muss geldwerte Leistungen, die er vom Mieter erhalten hat, wie z.B. Miete oder Kau- 74g tion, zurückzahlen. Zu Leistungen, die der Mieter nicht in Geld erbracht hat, enthält § 357 BGB keine Regelung. Als eine solche Leistung kann z.B. die Anfangsrenovierung der Wohnung durch den Mieter angesehen werden. Da § 357 BGB nur im Hinblick auf die Ansprüche des Unternehmers gegen den 212 213 214 215

Staudinger/Thüsing, § 312 BGB Rz. 43; Erman/Koch, § 312b BGB Rz. 7 BGB. OLG Braunschweig v. 15.9.1999 – 1 REMiet 2/99, WuM 1999, 631. LG Bochum v. 6.8.2014 – I-13 O 102/14, GRUR-RR 2015, 70. BGH v. 12.1.2017 – I ZR 198/15, ECLI:DE:BGH:2017:120117UIZR198.15.0, MDR 2017, 753 = GE 2017, 15, GE 2017, 827. 216 BGH v. 12.1.2017 – I ZR 198/15, ECLI:DE:BGH:2017:120117UIZR198.15.0, MDR 2017, 753 = GE 2017, 15, GE 2017, 827.

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§ 535 Rz. 74g | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags Verbraucher einen abschließenden Charakter hat, regeln sich derartige Ansprüche des Mieters gegen den Vermieter nach den allgemeinen Vorschriften. Demnach erhält der Mieter für eine Anfangsrenovierung Wertersatz nach §§ 812, 818 BGB217. 74h Wertersatz für die Nutzung der Wohnung kann der Vermieter vom Mieter grundsätzlich erst verlan-

gen, wenn die vierzehn Tage gemäß § 357 Abs. 1 BGB überschritten sind und der Mieter dem Vermieter die Wohnräume „vorenthält“218. Denn nach § 357 Abs. 8 BGB kann er Wertersatz nur verlangen, wenn der Mieter ausdrücklich vom Vermieter verlangt hat, dass die Übergabe und Nutzung bereits vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnen soll. Das setzt aber auch eine entsprechende Belehrung voraus. Nach § 357 Abs. 7 BGB steht dem Vermieter für die Zeit bis zum Widerruf Wertersatz nur zu, wenn ein Wertverlust eingetreten ist und eine Belehrung des Mieters über das Widerrufsrecht stattgefunden hat. Dann konnte vom Mieter ein sorgfältiger Umgang mit der Mietsache erwartet werden. Zwar kann ein Wertverlust auch durch normale Abnutzung durch einen über die Prüfung hinausgehenden Umgang mit der Wohnung219 stattfinden220. Der Wertverlust muss jedoch feststellbar sein. Davon kann bei einer Wohnung in der Regel nur bei Beschädigungen der Mietsache ausgegangen werden. Denn die Abnutzung aufgrund vertragsgemäßen Gebrauchs wird in aller Regel innerhalb von zwei Wochen keinen Wertverlust herbeiführen. Insoweit geht auch der Gesetzgeber von einer „intensiven“ Nutzung als anspruchsbegründendes Merkmal aus221. 74i Auf Verträge mit Dritten hat der Widerruf grundsätzlich nur im Rahmen des § 360 BGB Auswirkun-

gen. Dafür muss es sich um einen sog. zusammenhängenden Vertrag handeln. Voraussetzung dafür ist nach § 360 Abs. 2 BGB das Bestehen eines Vertrages, nachdem der Unternehmer des widerrufenen Vertrages oder ein Dritter auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen dem Dritten und diesem Unternehmer eine Leistung erbracht haben. In der mietrechtlichen Praxis kann eine derartige Konstellation vorliegen, wenn – der Vermieter einen Makler einschaltet und entgegen dem Bestellerprinzip eine Provision gezahlt wurde, – mit dem Vormieter ein mit dem Vermieter abgesprochener Vertrag geschlossenen wurde. Nicht erfasst werden die anlässlich des Vertragsschlusses abgeschlossenen Verträge mit Versorgungsunternehmen für Gas, Strom oder Fernwärme. 74j Liegt ein derartiger zusammenhängender Vertrag vor, wird er so behandelt, als sei er selber widerrufen

und die empfangenen Leistungen sind nach der Anspruchsgrundlage des § 355 Abs. 3 BGB rückabzuwickeln222. Danach kann der Mieter eine Maklerprovision, sofern nicht ohnehin das Bestellerprinzip gilt, vom Makler zurückverlangen. Hat der Mieter mit dem Vormieter im Zuge des Wohnungswechsels z.B. einen Vertrag über den Kauf von Einrichtungsgegenständen gegen die Übernahme seiner Endrenovierungspflicht geschlossen, sind Leistung und Gegenleistung zurückzugewähren, sofern der Vertrag mit Zustimmung des Vermieters geschlossen wurde. (2) Widerruf von Vertragsänderungen 74k Auch in dieser Konstellation ist davon auszugehen, dass der Widerruf für den Verbraucher/Mieter

grundsätzlich folgenlos bleiben soll. Sollte also ein Leistungsaustausch bereits stattgefunden haben, sind die empfangenen Leistungen innerhalb von vierzehn Tagen zurückzugewähren, § 355 Abs. 3 BGB. 74l Die Rückgewährsansprüche beziehen sich aber allein auf den Gegenstand des Änderungsvertrages.

Keinesfalls wird der (gesamte) Mietvertrag als solcher widerrufbar, wenn eine Vertragsänderung vereinbart wurde. Demnach kommt es allein darauf an, ob auf der Grundlage der Vertragsänderung ein (geänderter) Leistungsaustausch stattgefunden hat.

217 BGH v. 27.5.2009 – VIII ZR 302/07, MDR 2009, 916 = MietRB 2009, 254 = WuM 2009, 395 = ZMR 2009, 829. 218 LG Münster v. 4.11.2015 – 2 O 127/15, ZMR 2016, 628. 219 Erman/Koch, § 357 BGB Rz. 15. 220 BT-Drucks. 17/12637, S. 63. 221 BT-Drucks. 17/5097, S. 23. 222 Erman/Koch, § 360 BGB Rz. 2.

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8. Schranken der Vertragsgestaltung bei Formular- und Verbraucherverträgen Die Regelungen des seit 1.4.1977 geltenden AGB-Gesetzes sind mit leichten Modifikationen durch 75 Übernahme in die §§ 305–310 BGB zum 1.1.2002 integriert. Die neuen Vorschriften folgen ihrer Struktur und ihrem Aufbau nach dem AGB-Gesetz und werden auch als Block geregelt, so dass sich systematisch schon keine Änderungen ergeben. a) Zeitlicher Anwendungsbereich Gemäß Art. 6 Nr. 4 des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes wurde das AGB-Gesetz in der Fassung 76 der Bekanntmachung vom 29.6.2000223 zum 1.1.2002 aufgehoben. Im Hinblick auf Verträge, die vor dem 1.1.2002 abgeschlossen wurden, gilt grundsätzlich das AGBG. Im Mietrecht ist allerdings Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB zu berücksichtigen, wonach spätestens seit 1.1.2003 das neue Recht unabhängig vom Datum des Vertragsschlusses anwendbar ist. Damit gilt es auch für Verträge aus der Zeit vor dem 1.4.1977 (Einführung des AGBG). Einstweilen frei.

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b) Persönlicher Anwendungsbereich § 310 BGB bestimmt, dass die §§ 305 Abs. 2 und 3, 308, 309 BGB keine Anwendung auf allgemeine 78 Geschäftsbedingungen finden, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden. Unternehmer ist nach § 14 BGB jede natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt (vgl. § 535 BGB Rz. 66). Eine weitere Einschränkung ergibt sich aus der Person des Verwenders. Denn der Verwender von All- 79 gemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) hat sich an die von ihm vorformulierten Vertragsbedingungen ungeachtet der Frage ihrer Wirksamkeit nach dem AGBG zu halten224. Ein Mieter darf sich nach den Grundsätzen von Treu und Glauben auf die Einhaltung eines in AGB vereinbarten für ihn günstigen Verfahrens verlassen. c) Verwender Der Verwender von AGB braucht nicht der Verfasser des Formularvertrages zu sein. Es genügt für die 80 Anwendung der §§ 305 ff. BGB, dass eine Vertragspartei ein von einem Dritten für eine Vielzahl von Verträgen angefertigtes Formular auch nur für einen einzigen Vertrag stellt225. Maßgeblich für das Merkmal des „Stellens“ i.S.d. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB ist, dass die Formularbestimmungen auf Initiative einer Partei oder ihres Abschlussgehilfen226 in die Verhandlungen eingebracht und ihre Verwendung zum Vertragsschluss verlangt wird227. Deshalb bleibt der Vermieter jedenfalls hinsichtlich der vorformulierten Klauseln „Verwender“, wenn er dem Mieter aufgibt, ein bestimmtes Vertragsmuster zu kaufen, in das die Abreden der Parteien eingetragen werden sollen228. Nichts Anderes gilt, wenn der Vermieter den Mieter mit Kugelschreiber den von ihm mit Bleistift vorformulierten Text „nachschreiben“ lässt. Vertragsbedingungen können auch dann „gestellt“ sein, wenn sie nicht schriftlich fixiert sind, sondern der Verwender sie lediglich „im Kopf“ gespeichert hat, um sie wiederholt zu verwenden229. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass der Verwender das Formular z.B. bereits mehr als drei Mal benutzt

223 224 225 226 227

BGBl. I, S. 946. BGH v. 8.7.1998 – XII ZR 64/96, NZM 1998, 718. BGH v. 16.11.1990 – V ZR 217/89, MDR 1991, 515 = GE 1991, 677 = NJW 1991, 843. Vgl. BGH v. 4.2.2015 – VIII ZR 26/14, MDR 2015, 389 = NJW-RR 2015, 738 Rz. 14. BGH v. 20.1.2016 – VIII ZR 26/15, ECLI:DE:BGH:2016:200116UVIIIZR26.15.0, MDR 2016, 314 = NJW 2016, 1230 Rz. 24; BGH v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, MDR 2010, 733 = BGHZ 184, 259 Rz. 11 f., 18. 228 BGH v. 8.5.2018 – VIII ZR 200/17, MietRB 2018, 225 = MDR 2018, 855 = WuM 2018, 437 = GE 2018, 820. 229 BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 170/13, MDR 2014, 912, WPM 2014, 1325 Rz. 20; BGH v. 10.3.1999 – VIII ZR 204/98, MDR 1999, 666 = BGHZ 141, 108 (109); jeweils m.w.N.

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§ 535 Rz. 80 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags hat. Entscheidend ist die Absicht der Mehrfachverwendung, die bei der Verwendung eines vorformulierten Formulars vermutet wird. Ist die notwendige Absicht gegeben, führt bereits die erste Verwendung eines Formulars zur Anwendung der §§ 305 ff. BGB. Dagegen abzugrenzen ist der Entwurf für eine Individualvereinbarung nach einem Muster230. 81 Der Verwender allgemeiner Geschäftsbedingungen hat sich an die für ihn vorformulierten Vertrags-

bedingungen ungeachtet der Frage ihrer Wirksamkeit nach den §§ 307 ff. BGB zu halten231. Demnach kann er sich grundsätzlich nicht auf die Unwirksamkeit berufen (venire contra factum proprium). d) Individual- und Formularverträge 82 Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Arten von Verträgen ist wesentlich, weil § 305b BGB den

Vorrang der individuellen Vertragsabreden bestimmt und sich deren Wirksamkeit allein nach den §§ 134, 138, 242 BGB richtet. 83 Eine nur für einen bestimmten Vertrag von einer Partei vorformulierte Vertragsbedingung ist grund-

sätzlich keine AGB232. AGB liegen aber schon dann vor, wenn der Vermieter sowohl für den Vertrag mit dem Mieter als auch für den mit dem Vormieter einen vorgeschriebenen Maschinentext verwendet, in dem er nur die für die spezifischen Einzeldaten jedes Mieters freigelassenen Lücken ausfüllt. Es genügt die Planung der Wiederverwendung für mehrere Vertragsschlüsse, so dass sogar eine einmalige Verwendung ausreichen kann233. Ohne diese Planung kann § 310 Abs. 3 BGB gelten. 84 Auch Textbausteine können AGB sein, egal ob sie von Datenträgern oder aus Formularbüchern ent-

nommen worden sind234. Mündliche Zusatzvereinbarungen unterliegen der Inhaltskontrolle, wenn durch die Art der Vertragsaufspaltung in Formularvertrag und mündliche Nebenabreden die Bestimmungen der §§ 307 ff. BGB umgangen werden sollen235. Auch der handschriftliche Zusatz in einem ansonsten vorformulierten Mietvertrag beurteilt sich nach den Grundsätzen für die Inhaltskontrolle von AGB, wenn er mehrfach verwendet werden soll236. 85 Individualverträge erfordern ein Aushandeln, das nur bejaht werden kann, wenn der Verwender den

in seinen AGB enthaltenen „gesetzesfremden“ Kerngehalt – also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen – inhaltlich zur Disposition stellt. Der Verwender muss vorbehaltlos bereit sein, das Vorformulierte konkret abzuändern, und diese Bereitschaft kundgeben. Ein Aushandeln liegt nicht vor, wenn der Kunde nur die Wahl hat, die AGB anzunehmen oder abzulehnen237. Dem Kunden/Vertragspartner muss also eine Gestaltungsfreiheit zur Wahrung seiner eigenen Interessen eingeräumt werden; er muss zumindest die reale Möglichkeit haben, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen238. Das bloße Verlesen eines Vertragstextes und eine sich anschließende allgemeine Belehrung (z.B. durch den Notar) reichen nicht aus, um eine AGB-Klausel zur Individualvereinbarung zu machen239.

86 Wird eine Formularklausel dem Mieter nur erklärt und dann von ihm akzeptiert, wird sie damit nicht

zu einer Individualvereinbarung240. Dagegen kann eine (Teil-)Individualvereinbarung angenommen werden, wenn der Vermieter einen vorformulierten Entwurf vorlegt und eine zusätzliche Regelung getroffen wird, die eine andere Passage des Entwurfs/Vertrages inhaltlich abändert241. Dies führt i.d.R.

230 231 232 233 234 235 236 237 238 239 240 241

BGH v. 16.11.1990 – V ZR 217/89, MDR 1991, 515 = GE 1991, 677 = NJW 1991, 843. BGH v. 8.7.1998 – XII ZR 64/96, NZM 1998, 718. BGH v. 22.9.1987 – IX ZR 220/86, MDR 1988, 139 = NJW-RR 1988, 57. BGH v. 13.9.2001 – VII ZR 487/99, MDR 2001, 1349 = NJW-RR 2002, 13; LG Aachen v. 21.10.1987 – 7 S 239/87, ZMR 1988, 60. OLG Hamm v. 19.1.1988 – 21 U 110/87, MDR 1988, 583 = BB 1988, 868. LG Frankfurt am Main v. 30.11.1982 – 2/11 S 239/82, WuM 1984, 125. LG Köln v. 4.11.1999 – 1 S 205/98, KM 31 Nr. 38. BGH v. 3.7.1985 – IVa ZR 246/83, MDR 1985, 1005. BGH v. 9.10.1986 – VII ZR 245/85, MDR 1987, 311 = WPM 1987, 42. OLG Nürnberg v. 8.11.1984 – 2 U 2923/81, BB 1985, 1881. LG Düsseldorf v. 8.10.1985 – 24 S 56/85, ZMR 1986, 166. BGH v. 18.3.2009 – XII ZR 200/06, MDR 2009, 678 = MietRB 2009, 162 = GE 2009, 647 = NZM 2009, 397 = ZMR 2009, 672 = GuT 2009, 98.

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aber nur zu einem individuellen Charakter der betroffenen Klausel und nicht des ganzen Vertrages242. Ein vom Vermieter verwendeter Formularmietvertrag über Wohnraum wird nicht dadurch zu einer Individualabrede, dass der Mieter im Mietvertrag oder wenige Tage nach dessen Unterzeichnung ein ebenfalls formularmäßig erstelltes, ihm vom Vermieter übersandtes Schriftstück unterschreibt, worin er bestätigt, dass er vor Abschluss des Vertrages ausreichend Zeit gehabt habe, denselben durchzulesen, die einzelnen Bestimmungen zu prüfen, zur Kenntnis zu nehmen und dass er sich vorbehaltlos mit allen Bestimmungen des Vertrages einverstanden erkläre243. Gleiches gilt für die Klausel: „Der Mieter bestätigt, dass der Vertrag ausführlich erörtert wurde und gebilligt wird“ oder „… ausdrücklich anerkannt wird“244. Bleibt eine ausfüllungsbedürftige Lücke in einer Klausel, gilt diese insgesamt nicht als Vertrags- 87 bestandteil. War der gesamte Inhalt einer Klausel Gegenstand der Verhandlungen, hat die Klausel insgesamt den Charakter einer Individualvereinbarung erlangt245. Das ist aber nicht schon der Fall, wenn einzelne individuell verabredete Ergänzungen eingefügt werden, insbesondere wenn es sich um eine vorgesehene Textvervollständigung handelt246. Der Inhalt einer Klausel gilt nicht schon deswegen als ausgehandelt, weil – der Formulartext die Aufforderung enthält, nicht gewollte Teile zu streichen247, – in einem Formularmietvertrag weitere Vertragsbedingungen maschinenschriftlich eingesetzt worden sind248, – eine zusätzliche Regelung handschriftlich in den Mietvertrag aufgenommen wurde (hier: Endrenovierungsklausel)249, – der Vermieter durch einseitige Einfügungen oder Streichungen eine Klausel verschärft und der Mieter sie akzeptiert250, – die Parteien einen individuellen Kündigungsverzicht bei im Übrigen vorformulierten Bedingungen vereinbart haben251, – der Vertragstext vorformulierte Alternativbedingungen enthält252, – der Vertrag eine vorformulierte Klausel enthält, in der der Mieter bestätigt, der Vertrag sei im Einzelnen ausgehandelt worden253. Grundsätzlich trägt derjenige, der sich auf das Bestehen einer Individualvereinbarung beruft, dafür die 87a Darlegungs- und Beweislast. Sind die Vertragsbestimmungen drucktechnisch erstellt, spricht der erste Anschein dafür, dass die Bedingungen gestellt wurden und daher der Anwendung der §§ 307 ff. BGB unterliegen. Diesen ersten Anschein muss der Klauselverwender widerlegen und hat die Darlegungsund Beweislast dafür, dass der Vertrag oder einzelne Klauseln entgegen dem Anschein individuell ausgehandelt wurden254.

242 BGH v. 5.3.2013 – VIII ZR 137/12, MietRB 2013, 167 = GE 2013, 612 = NZM 2013, 307; LG Berlin v. 14.3.2017 – 63 S 263/16, GE 2017, 477. 243 OLG Hamm v. 27.2.1981 – 4 REMiet 4/80, MDR 1981, 584 = NJW 1981, 1049. 244 OLG Stuttgart v. 22.9.1986 – 2 U 297/85, WuM 1987, 250. 245 BGH v. 12.6.1985 – IVa ZR 261/83, MDR 1985, 1004; LG Berlin v. 14.3.2017 – 63 S 263/16, GE 2017, 477. 246 BGH v. 18.5.1983 – VIII ZR 20/82, MDR 1984, 45 = NJW 1983, 16. 247 BGH v. 9.4.1987 – III ZR 84/86, MDR 1987, 822. 248 OLG Köln v. 2.8.1999 – 16 U 106/98, ZIP 1999, 1840 = MittRhNotK 1999, 382; OLG Hamm v. 17.12.1998 – 5 U 123/98, WPM 1999, 2065; LG Berlin v. 14.3.2017 – 63 S 263/16, GE 2017, 477; LG Berlin v. 7.10.1998 – 22 O 464/98, zitiert nach juris; a.A. OLG Brandenburg v. 9.12.2009 – 3 U 140/08, NZM 2010, 743 = NJW-RR 2010, 1166. 249 LG Wuppertal v. 18.8.1998 – 16 S 72/98, WuM 1999, 301. 250 LG Frankfurt am Main v. 27.3.1979 – 2/11 S 154/78, WuM 1979, 151; LG Hamburg v. 10.4.1984 – 16 S 211/ 83, WuM 1985, 21 (bei Streichung des Wortes „klein“ in einer Reparaturklausel). 251 BGH v. 5.3.2013 – VIII ZR 137/12, MietRB 2013, 167 = GE 2013, 612 = NZM 2013, 307. 252 Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. I 318. 253 LG Berlin v. 14.3.2017 – 63 S 263/16, GE 2017, 477. 254 BGH v. 5.3.2013 – VIII ZR 137/12, MietRB 2013, 167 = GE 2013, 612 = NZM 2013, 307.

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§ 535 Rz. 88 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags e) Verbraucherverträge, § 310 Abs. 3 BGB 88 Schließt ein Unternehmer i.S.v. § 14 BGB (vgl. § 535 BGB Rz. 66) mit einem Verbraucher i.S.v. § 13

BGB einen Vertrag, gelten die Grundsätze über die Inhaltskontrolle (§§ 306, 307–309 BGB) prinzipiell ohne Rücksicht darauf, ob eine mehrfache Verwendungsabsicht vorliegt. Indessen sind bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen, § 310 Abs. 3 BGB. f) Möglichkeit der Kenntnisnahme 89 Die wirksame Einbeziehung von allgemeinen Geschäftsbedingungen beurteilt sich nach § 305 Abs. 2

BGB. Insoweit muss der Verwender auf erkennbare körperliche Behinderungen der anderen Vertragspartei angemessen Rücksicht nehmen, um ihr die Kenntnis zu verschaffen. Diese Regelung soll sicherstellen, dass einem erkennbar Sehbehinderten, der die ausliegenden oder aushängenden AGB nicht lesen kann, der Inhalt der AGB in geeigneter Weise zugänglich gemacht wird, etwa durch Übergabe in elektronischer oder akustischer Form oder Blindenschrift. Nicht unter die Regelung fallen Analphabeten, da deren Behinderung nicht körperlich und in der Regel auch nicht erkennbar ist. Erst recht gilt dasselbe für Ausländer255. 90 Wählen Vertragspartner die deutsche Sprache als Verhandlungs- und Vertragssprache, muss der aus-

ländische Vertragspartner grundsätzlich den gesamten deutschsprachigen Vertragsinhalt einschließlich der AGB gegen sich gelten lassen256, wobei den Vermieter eine Erläuterungspflicht treffen soll. Der Gültigkeit einer Formularklausel steht nicht entgegen, dass der Mieter sie wegen fehlender Kenntnis der deutschen Sprache nicht verstanden hat oder lesen kann257. g) Inhaltskontrolle von Formularverträgen 91 Verdanken Vorschriften des dispositiven Rechts ihre Entstehung nicht nur Zweckmäßigkeitserwägun-

gen, sondern einem aus der Natur sich ergebenden Gerechtigkeitsgebot, bedarf es zur Wirksamkeit einer von ihnen abweichenden Regelung durch AGB gewichtiger Gründe258. Deshalb ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Von wesentlicher Bedeutung ist insoweit, ob die dispositive gesetzliche Regelung nicht nur auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruht, sondern dem Gerechtigkeitsgebot Ausdruck verleiht259. 92 Maßstab dafür, ob ein Rechtsnachteil zu Lasten des Kunden vorliegt, sind die geschriebenen und un-

geschriebenen Normen des Vertragsrechts, von denen die AGB abweichen. Soweit solche Normen fehlen, muss der Beurteilungsmaßstab der Natur des betreffenden Schuldverhältnisses entnommen werden. Zur Feststellung der Benachteiligung kann geklärt werden, wie die Rechtslage ohne Geltung der AGB zu lösen wäre; diese Lage kann dann der Position des Kunden gemäß den AGB gegenübergestellt werden260. Dies bedeutet aber nicht, dass der Verwender seine AGB je nach Kunde und Sehkraft in unterschiedlicher Schriftgröße bereithalten muss261. 93 Die Inhaltsschranken für AGB sind enger zu ziehen als die Grenzen der Vertragsfreiheit (§§ 134, 138

BGB), weil der Verwender für die AGB allein die Freiheit inhaltlicher Gestaltung in Anspruch nimmt und den Kunden auf die Abschlussfreiheit beschränkt. Da das dispositive Recht für jeden Vertragstypus einen an der Gerechtigkeit orientierten Ausgleich der Interessen der Vertragspartner enthält, kann die gesetzliche Regelung durch AGB wirksam nur ersetzt werden, wenn diese eine dem Gesetz 255 OLG Hamm v. 24.10.1984 – 11 U 103/84, WPM 1985, 1221. 256 OLG Hamm v. 24.10.1984 – 11 U 103/84, WPM 1985, 1221; vgl. auch BGH v. 10.3.1983 – VII ZR 302/82, MDR 1983, 656 = BB 1983, 1053. 257 LG Hannover v. 14.11.1979 – 16 S 247/79, WuM 1985, 255. 258 BGH v. 12.10.1978 – VII ZR 139/75, BB 1979, 69 (Bauvertrag). 259 BGH v. 18.4.1984 – VIII ZR 50/83, MDR 1985, 50 = NJW 1985, 57 (Pachtvertrag, Vertragsstrafe); vgl. auch BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, MDR 1984, 395 = NJW 1984, 1182. 260 BGH v. 28.2.1985 – IX ZR 92/84, MDR 1985, 668 = WPM 1985, 780 (Internatsvertrag). 261 BT-Drucks. 14/604, S. 150.

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B. Wohnraummiete | Rz. 94 § 535

vergleichbare Güterabwägung enthalten und keine der Billigkeit widersprechende missbräuchliche Verfolgung einseitiger Interessen auf Kosten des Kunden bedeuten. Der Aufsteller von AGB ist verpflichtet, die Interessen der künftigen Vertragspartner angemessen zu berücksichtigen262. Als tragender Grundsatz, bei dessen Abweichung eine Formularregelung unwirksam ist, gilt bei gegenseitigen Verträgen das Prinzip der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung263. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheit- 93a lich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden264. Dabei sind die Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen, rechtlich nicht vorgebildeten Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen265. Ansatzpunkt für die bei einer Formularklausel gebotene objektive, nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung ist in erster Linie ihr Wortlaut266. Legen die Parteien allerdings der Klausel übereinstimmend eine von ihrem objektiven Sinn abweichende Bedeutung bei, ist diese maßgeblich267. Sofern nach Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten Zweifel verbleiben und zumindest zwei Auslegungsergebnisse rechtlich vertretbar sind, kommt die sich zu Lasten des Klauselverwenders auswirkende Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB zur Anwendung268. Hierbei bleiben allerdings Verständnismöglichkeiten unberücksichtigt, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend sind und für die an solchen Geschäften typischerweise Beteiligten nicht ernsthaft in Betracht kommen269. Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Klausel ist diejenige Auslegung zugrunde zu legen, die die für 93b den Mieter ungünstigste Variante ergibt, die vom Inhalt der Bestimmung noch erfasst wird (kundenfeindlichste Auslegung). Denn nach neuerer Rechtsprechung ist für die Inhaltskontrolle einer mehrdeutigen Allgemeinen Geschäftsbedingung nicht nur im Verbandsprozess (vgl. § 535 BGB Rz. 266), sondern auch im Individualprozess von mehreren möglichen Deutungen die kundenfeindlichste Auslegung, also diejenige maßgebend, die zur Unwirksamkeit der Klausel führt270. Hierdurch wird zum einen § 305c Abs. 2 BGB Rechnung getragen, wonach sich Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders auswirken, und zum anderen vermieden, dass die Entscheidung im Individualprozess auf eine Klausel gegründet wird, die im Verbandsprozess für unwirksam zu erklären wäre271. Ist ein Verstoß nach § 307 BGB festgestellt, ist die Klausel unwirksam. Dieses Ergebnis kann nicht 94 durch eine salvatorische Klausel umgangen werden, wonach der Inhalt der AGB-Bestimmung nur

262 OLG München v. 15.1.1987 – 29 U 4348/86, NJW-RR 1987, 661 (Bauvertrag); vgl. auch BGH v. 7.7.1976 – IV ZR 229/74, NJW 1976, 2345 f. 263 BGH v. 9.10.1985 – VIII ZR 217/84, MDR 1986, 228 = DB 1985, 2553 (Finanzierungsleasing); vgl. BGH v. 5.4.1978 – VIII ZR 49/77, BGHZ 71, 196, 204; BGH v. 28.10.1981 – VIII ZR 302/80, BGHZ 82, 121, 127 = MDR 1982, 485. 264 BGH v. 17.2.2016 – XII ZR 183/13, MietRB 2016, 130 = MDR 2016, 701 = ZMR 2016, 368; BGH v. 3.12.2014 – VIII ZR 224/13, MDR 2015, 76 = MietRB 2015, 35 = WuM 2015, 80 Rz. 16; BGH v. 9.4.2014 – VIII ZR 404/12, MDR 2014, 640 = BGHZ 200, 362 Rz. 57 m.w.N. 265 St. Rspr.; vgl. BGH v. 18.7.2012 – VIII ZR 337/11, MDR 2012, 1275 = BGHZ 194, 121 Rz. 16; BGH v. 17.4.2013 – VIII ZR 225/12, MDR 2013, 698 = NJW 2013, 1805 Rz. 9; BGH v. 9.4.2014 – VIII ZR 404/12, MDR 2014, 640 = BGHZ 200, 362 Rz. 24. 266 Vgl. BGH v. 18.7.2007 – VIII ZR 227/06, MDR 2007, 1296 = NJW-RR 2007, 1697 Rz. 23 m.w.N.; BGH v. 8.4.2009 – VIII ZR 233/08, MietRB 2009, 222 = NJW-RR 2009, 1021 Rz. 19; BGH v. 17.4.2013 – VIII ZR 225/12, MDR 2013, 698 = NJW 2013, 1805 Rz. 9. 267 Vgl. BGH v. 16.6.2009 – XI ZR 145/08, MDR 2009, 1217 = BGHZ 181, 278 Rz. 16; BGH v. 29.5.2009 – V ZR 201/08, NJW-RR 2010, 63 Rz. 10. 268 BGH v. 5.5.2010 – III ZR 209/09, MDR 2010, 1100 = BGHZ 185, 310 Rz. 14 m.w.N.; BGH v. 9.5.2012 – VIII ZR 327/11, MDR 2012, 753 = MietRB 2012, 223 = NJW 2012, 2270 Rz. 28 m.w.N.; BGH v. 3.12.2014 – VIII ZR 224/13, MDR 2015, 76 = MietRB 2015, 35 = WuM 2015, 80 Rz. 16. 269 BGH v. 5.5.2010 – III ZR 209/09, MDR 2010, 1100 = BGHZ 185, 310 Rz. 14; BGH v. 9.5.2012 – VIII ZR 327/ 11, MDR 2012, 753 = MietRB 2012, 223 = NJW 2012, 2270 Rz. 28 jeweils m.w.N.; BGH v. 18.7.2012 – VIII ZR 337/1, MDR 2012, 12751, BGHZ 194, 121 Rz. 16. 270 BGH v. 29.4.2008 – KZR 2/07, MDR 2008, 850 = BGHZ 176, 244 Rz. 19 m.w.N.; BGH v. 23.9.2009 – VIII ZR 344/08, MDR 2010, 20 = MietRB 2010, 4 = NJW 2009, 3716 Rz. 8. 271 BGH v. 29.5.2013 – VIII ZR 285/12, MietRB 2013, 230 = MDR 2013, 900 = GE 2013, 997 = ZMR 2013, 791.

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§ 535 Rz. 94 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags gelten soll, „sofern dies der Gesetzeslage bzw. die Rechtsprechung erlauben“272. Vor diesem Hintergrund haben sich folgende Grundsätze für die Inhaltskontrolle entwickelt: aa) Äquivalenzprinzip (Preisargument) 95 Für die Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung sind die Interessen der Vertragspartner ab-

zuwägen und die beteiligten Verkehrskreise einzubeziehen. Art, Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des Vertrages sind zu berücksichtigen273. Andere Vertragsbestimmungen als diejenigen, deren Angemessenheit überprüft wird, sind in die Bewertung einzubeziehen274, wenn sie sachlich zusammengehören, so dass bei ein und demselben Formularvertrag ein Nachteil durch einen Vorteil ausgeglichen werden kann. Dies ist z.B. der Fall, wenn zu Lasten des Mieters ein einseitiger Kündigungsverzicht vorformuliert ist, ihm aber zugleich die Vorteile einer Staffelmiete (= vorhersehbare Mietsteigerung) zuteilwerden275. 96 Unter dieser Prämisse wird überprüft, ob die Gegenleistung trotz Abweichens von gesetzlichen Bestim-

mungen insgesamt noch angemessen ist. Deshalb benachteiligt die Abwälzung von Schönheitsreparaturen den Mieter im Allgemeinen nicht unzulässig, weil sie in aller Regel bei der Kalkulation der Miete berücksichtigt wird276. Unabhängig davon kann durch die Renovierungsklausel ausnahmsweise von der Hauptpflicht des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB abgewichen werden, weil die Überbürdung der Schönheitsreparaturen Verkehrssitte geworden ist277. Andererseits müssen zur Bemessung des wahren Wertes der Gesamtgegenleistung alle Regelungen der Gegenleistung zusammengefasst werden, so dass auch zwei für sich genommen zulässige Klauseln in der Zusammenschau unwirksam sein können (sog. Summierungseffekt, vgl. § 535 BGB Rz. 624). 97 Maßgeblich ist grundsätzlich, ob Leistung und Gegenleistung durch eine Berücksichtigung in der

Mietpreisbemessung in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht worden sind. Ob der Vermieter bei Unwirksamkeit der Klausel benachteiligt würde und der Mieter einen ungerechtfertigten Vorteil hätte, ist dagegen unerheblich. Denn nach § 307 BGB kommt es für die Unwirksamkeit einer Klausel allein darauf an, ob sie den Vertragspartner des Verwenders unangemessen benachteiligt, nicht aber darauf, ob der Verwender im Falle der Unwirksamkeit selbst benachteiligt werden könnte278. bb) Überschaubarkeit des abgewälzten Risikos 98 Bei der Vereinbarung von Klauseln, die den Mieter finanziell belasten, muss das abgewälzte Risiko über-

schaubar sein. Das ist bei einer Kleinreparaturregelung ohne Begrenzung des Gesamtaufwandes nicht der Fall, weil für den Mieter angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden Gegenstände die Möglichkeit, das übernommene Risiko im Voraus einigermaßen sicher einzuschätzen, nicht gegeben ist279. 99 Für den Mieter, der zur Wartung in Eigenregie verpflichtet werden soll, sind die für die mitvermiete-

ten Thermen zusätzlich zu zahlenden Wartungskosten nicht überschaubar280. Liegt eine unwirksame Wartungsklausel vor, kann der Vermieter die Kosten der Wartung, z.B. einer Gasetagenheizung, nicht 272 BGH v. 5.3.2013 – VIII ZR 137/12, MietRB 2013, 167 = WuM 2013, 293 = ZMR 2013, 612 = GE 2013, 612 = NZM 2013, 307. 273 BGH v. 8.1.1986 – VIII ARZ 4/85, NJW 1986, 2102 = WuM 1986, 209. 274 BGH v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, MDR 1983, 926 = NJW 1983, 159 f. (für Automatenaufstell-Vertrag). 275 BGH v. 12.11.2008 – VIII ZR 270/07, MDR 2009, 135 = MietRB 2009, 126 = GE 2009, 45 = NZM 2009, 80 = ZMR 2009, 189. 276 BGH v. 30.10.1984 – VIII ARZ 1/84, BGHZ 92, 363 = MDR 1985, 400 = WuM 1985, 47. 277 BGH v. 14.7.2004 – VIII ZR 339/03, WuM 2004, 529 = NZM 2004, 734. 278 BGH v. 1.7.1987 – VIII ARZ 9/86, MDR 1987, 927 = WuM 1987, 306. 279 BGH v. 7.6.1989 – VIII ZR 91/88, MDR 1989, 906 = WuM 1989, 327; der Gesichtspunkt der Überschaubarkeit des wirtschaftlichen Risikos findet auch in der Gewerberaummiete Anwendung z.B. bei der Beteiligung des Mieters an Instandsetzungskosten (BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 158/01, MietRB 2005, 285 = MDR 2006, 17 = ZMR 2005, 844) oder der Umlage unbestimmbarer Betriebskosten (BGH v. 12.7.2006 – XII ZR 39/04, MietRB 2007, 31 = MDR 2007, 77 = ZMR 2006, 849; BGH v. 5.4.2005 – VIII ZR 78/04, WuM 2005, 336). 280 BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = WuM 1991, 381 (383); vgl. aber BGH v. 7.11.2012 – VIII ZR 119/12, MDR 2013, 143 = MietRB 2013, 33 = WuM 2013, 31 = NZM 2013, 84.

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B. Wohnraummiete | Rz. 104 § 535

im Rahmen der Betriebskosten gemäß § 2 Nr. 6c BetrKV berücksichtigen. Denn als Verwender ist es ihm verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit zu berufen (vgl. § 535 BGB Rz. 81). Daher muss er die Kosten selbst tragen. Allerdings ist eine Klausel auch ohne Kostenbegrenzung wirksam, wenn der Mieter allein an den Kosten der vom Vermieter organisierten Wartung beteiligt werden soll281. cc) Versicherbarkeit des Risikos In der Regel ist eine Ausschließung oder Beschränkung einer Kardinalpflicht des Vermieters als Ver- 100 stoß gegen den Grundgedanken des Gesetzes anzusehen. Andererseits bezieht sich der verstärkte Schutz des Wohnungsmieters grundsätzlich nur auf den Erhalt der Wohnung, nicht aber seiner Habe (z.B. Inventar). Auch kann sich der Mieter durch Abschluss einer entsprechenden Versicherung prinzipiell vor ungewöhnlichen finanziellen Belastungen infolge von Schadensereignissen schützen. Daher können Garantiehaftung282 und Haftung für einfaches Verschulden grundsätzlich formular- 101 mäßig abbedungen werden, sofern in der Klausel zum Ausdruck kommt, dass Verletzungen von Leben, Körper und Gesundheit von dem Haftungsausschluss nicht erfasst sind, § 309 Nr. 7 lit. a BGB283. Gerade der Umstand, dass der Vermieter sich gegen eine Haftung versichern kann, kann zur Unzuläs- 102 sigkeit einer Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz führen284. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Kardinalpflicht des Vermieters zur Erhaltung der Mietsache (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB) tangiert ist285. Das ist bei einem Wohnraumformularvertrag anzunehmen, wenn die Haftung für Mängel der Mietsache auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt ist. Denn darin liegt ein Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 2 AGBG, weil diese Vorschrift eine Aushöhlung der den typischen Vertragszweck prägenden Pflichten verhindern soll. Zur privaten Lebensgestaltung, die den Vertragszweck des Wohnraummietvertrages auf Mieterseite bildet, ist der Mieter auf Einrichtungsgegenstände angewiesen. Diese kann er in der gegebenen Fallkonstellation nicht durch Vorsichtsmaßnahmen schützen und sich gegen das Risiko auch nicht versichern; andererseits sind die Schäden an Einrichtungsgegenständen bei Mängeln der Mietsache vom Schutz der Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung, die der Vermieter abschließen kann, umfasst. dd) Transparenzgebot, § 307 Abs. 1 BGB Nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB müssen Formularbestimmungen klar und verständlich sein (Transparenz- 103 gebot). Dies gilt nicht nur in sprachlicher Hinsicht. Klauseln, die den Mieter über seine gesetzlichen Rechte (z.B. § 555d Abs. 2 BGB) hinwegtäuschen, sind unwirksam. Dies gilt erst recht, wenn die Klausel geeignet ist, den Mieter möglicherweise davon abzuhalten, seine ihm nach dem Gesetz zustehenden Rechte geltend zu machen, nur weil der Vermieter als Verwender sich auf den Wortlaut beruft286. Die Umsetzung dieser Grundsätze hat schon bisher zu widersprüchlichen Ergebnissen geführt: 104 – Fehlt z.B. bei einer Vollmachtsklausel eine Regelung über die Widerruflichkeit der Vollmacht, kann bei dem rechtsunkundigen Mieter der unzutreffende Eindruck entstehen, er sei an die Vollmachterteilung unwiderruflich gebunden287. Dieser Gesichtspunkt soll allerdings bei einer Empfangsvollmacht nicht zu beachten sein288 (zu Vollmachtsklauseln vgl. § 542 BGB Rz. 55).

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285 286 287 288

BGH v. 7.11.2012 – VIII ZR 119/12, MDR 2013, 143 = MietRB 2013, 33 = WuM 2013, 31 = NZM 2013, 84. BGH v. 4.10.1990 – XII ZR 46/90, WuM 1992, 316. OLG Stuttgart v. 11.4.1984 – 8 REMiet 1/84, MDR 1984, 669 = NJW 1984, 2226 = WuM 1984, 187. Hanseatisches OLG Hamburg v. 6.6.2001 – 4 REMiet 1/01, MDR 2001, 1106 = ZMR 2001, 797; a.A. OLG Stuttgart v. 11.4.1984 – 8 REMiet 1/84, MDR 1984, 669 = NJW 1984, 2226 = WuM 1984, 187 = MDR 1984, 669; OLG Hamburg v. 13.3.1985 – 4 U 184/84, ZMR 1985, 236; Hanseatisches OLG Hamburg v. 26.4.1991 – 4 U 25/91, MDR 1991, 1170 = WuM 1991, 328. BGH v. 24.10.2001 – VIII ARZ 1/01, MDR 2002, 330 = ZMR 2002, 184 = WuM 2002, 141. LG Stuttgart v. 31.1.1986 – 20 O 376/85, WuM 1987, 252. OLG Celle v. 29.12.1989 – 2 U 200/88, WuM 1990, 103 (112); OLG Frankfurt v. 19.12.1991 – 6 U 108/90, WuM 1992, 56 (61). BGH v. 10.9.1997 – VIII ARZ 1/97, WuM 1997, 599.

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§ 535 Rz. 104 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags – Eine Klauselgestaltung – hier: Schriftform für Vertragsänderungen –, die dem Verwender die Gelegenheit eröffnet, begründete Ansprüche unter Hinweis auf eine in der Sache nicht zutreffende Darstellung der Rechtslage in seinen AGB abzuwehren, benachteiligt den Kunden (Mieter) unangemessen289. 105 Dementsprechend erfordert die Einhaltung des Transparenzgebots, dass die tatbestandlichen Voraus-

setzungen und Rechtsfolgen so beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Eine Klausel ist dann ausreichend deutlich, wenn sie im Rahmen des Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners des Verwenders so klar und präzise wie möglich umschreibt290. Diesen Bestimmtheitsanforderungen werden folgende Gleitklauseln i.S.v. § 4 Abs. 8 NMV gerecht: – „Bei preisgebundenem Wohnraum gilt die jeweils gesetzlich zulässige Miete als vertraglich vereinbart“291. – „Alle durch gesetzliche oder behördliche Regelungen allgemein oder im konkreten Fall zugelassenen Mieterhöhungen oder Erhöhungen bzw. Neueinführungen von Nebenkosten und Grundstücksumlagen jeder Art sind vom Zeitpunkt der Zulässigkeit ab vereinbart und zahlbar, ohne dass es einer Kündigung oder einer Mitteilung gemäß § 18 Abs. 1 BMG bedarf.“292 106 Nicht gerecht wird dem Transparenzgebot folgende Gleitklausel zu § 4 Abs. 8 NMV:

– „Alle allgemein oder im konkreten Fall eintretenden Mieterhöhungen und/oder Erhöhungen sowie Neueinführungen von Nebenkosten und Grundstückslasten jeder Art sind vom Zeitpunkt des Eintritts ab vereinbart und vom Mieter zu zahlen. Unbeschadet bleibt das Kündigungsrecht des Mieters; für diesen Fall tritt eine Erhöhung der Miete nicht ein.“293 107 Die Anforderungen an die Transparenz werden bei den ersten beiden Klauseln schon deshalb ein-

gehalten, weil sie hinsichtlich der Höhe der möglichen Mietänderung auf die gesetzlichen und behördlichen Regelungen und wegen des Zeitpunktes der Mieterhöhung auf die „Zulässigkeit“ verweisen. h) ABC der Schranken für Formularklauseln 108 Um für die Vertragsgestaltung einige Anhaltspunkte zu erlangen, soll eine alphabethische Übersicht

zu Situationen geliefert werden, die regelmäßig in der Vermietungspraxis anzutreffen sind. Dabei können die zugrundeliegenden Entscheidungen und Kommentarzitate nur eine Momentaufnahme zeigen. Insbesondere ist gerade im Rahmen der Bewertung nach § 307 BGB das Gesamtgefüge des Klauselwerks zu berücksichtigen. Das kann dazu führen, dass ein dem Mieter gewährter Vorteil eine ansonsten unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB aufwiegt294. Dies kann in einer nach Stichworten geordneten Zusammenstellung nicht berücksichtigt werden. Ergänzend wird auf die Erläuterungen zu den einzelnen Vorschriften in der Rubrik „Abweichende Vereinbarung“ verwiesen. Vor diesem Hintergrund können sich folgende Grundsätze für die Inhaltskontrolle ergeben:

289 OLG München v. 12.1.1989 – 29 U 2366/88, WuM 1989, 128 (133); ebenso: BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/ 90, WuM 1991, 381 (382) = MDR 1991, 628 (zur Schriftlichkeit der Untermieterlaubnis). 290 BGH v. 5.11.2003 – VIII ZR 10/03, MDR 2004, 527 = WuM 2004, 25 = ZMR 2004, 103 = NZM 2004, 93 = MietRB 2004, 98. 291 BGH v. 5.11.2003 – VIII ZR 10/03, MDR 2004, 527 = WuM 2004, 25 = ZMR 2004, 103 = NZM 2004, 93 = MietRB 2004, 98. 292 BGH v. 3.3.2004 – VIII ZR 151/03, WuM 2004, 288; BGH v. 3.3.2004 – VIII ZR 153/03, NZM 2004, 379 = MietRB 2004, 197. 293 BGH v. 3.3.2004 – VIII ZR 149/03, MDR 2004, 739 = MietRB 2004, 197 = WuM 2004, 285. 294 BGH v. 12.11.2008 – VIII ZR 270/07, MDR 2009, 135 = MietRB 2009, 126 = GE 2009, 45 = NZM 2009, 80 = ZMR 2009, 189.

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B. Wohnraummiete | Rz. 116 § 535

Abbuchungsverfahren s. Miete/Zahlungsweise

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Abfindung (bei vorzeitiger Beendigung). Pauschale Höhe kann an § 555 BGB295 oder § 309 Nr. 5 110 BGB296 scheitern, wenn sie nicht schon überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB ist297; als vorweggenommene Mietsonderzahlung für die Vermittlung eines Nachmieters verstößt sie gegen § 307 BGB298. Abgeltungsanspruch s. Schönheitsreparaturen/Quotenklausel

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Abnahme s. Wohnungsabnahme

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Abschlussgebühr. Sie wird typischerweise dort verlangt, wo ein relativ häufiger Mieterwechsel statt- 113 findet, insbesondere bei Mietverhältnissen mit Studenten oder ausländischen Arbeitnehmern. Mit diesem „signing on fee“ sollen die Unkosten abgedeckt werden, die durch den Vertragsschluss entstehen (Verwaltungsaufwand, Material). Regelmäßig wird sie im Mietvertrag oder einem Vorvertrag, einer Reservierungsvereinbarung oder auch bloß in der Selbstauskunft geregelt. Selbst bei einem Mietvertrag mit einer längeren Laufzeit als einem Jahr unterliegt die Vereinbarung nicht dem Formerfordernis des § 550 BGB, weil sie nicht zu den wesentlichen Elementen der Einigung nach § 535 BGB gehört299. Solange sie sich in einem angemessenen Rahmen hält, also der Kostendeckung dient, soll sie als Individualvereinbarung grundsätzlich keinen Bedenken begegnen300. Richtet sich die Höhe der Abschlussgebühr aber nach der Miete, liegt ein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Nr. 2 WoVermittG vor301. Zahlungen an den Vermieter mit „Schmiergeldcharakter“ verstoßen gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) und sind ebenfalls unwirksam302. Bei öffentlich gefördertem Wohnraum verstößt die Vertragsabschlussgebühr auch gegen § 9 Abs. 1 WoBindG, § 28 Abs. 4 Nr. 2 WoFG. Inhaltlich begegnen derartige Klauseln als formularmäßige Vereinbarungen Bedenken aus dem Gesichtspunkt des § 307 BGB303. Denn die Übernahme der Kosten für den Vertragsabschluss fällt grundsätzlich in den Pflichtenkreis des Vermieters304. Es besteht kein Zusammenhang zu einer Mieterpflicht. Auf diesen sind nur Kosten abwälzbar, die ihm unmittelbar zugutekommen (Betriebskosten). Die üblichen Verwaltungskosten für die Ausfertigung des Vertrages, Anlage der Mietsicherheit, Besichtigungstermin etc. sind Bestandteil der eigentlichen Miete und bedürfen keiner gesonderten Zahlung durch den Mieter. Lässt sich der Hausverwalter den Ersatz der Kosten vom Mieter versprechen, liegt darin ein Verstoß gegen § 2 Abs. 2 Nr. 2 WoVermittG305. Denn letztlich steckt in einer Vertragsausfertigungsgebühr (oder einer ähnlichen Bezeichnung) eine versteckte Courtage für den Abschluss des Mietvertrages306. Für eine Pauschale, die bei einem Hauptmieterwechsel fällig werden soll, gilt nicht anderes307. Abtretung s. Untervermietung/Abtretung

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Anerkennung des vertragsgemäßen Zustandes. Klauseln, die unterstellen, dass der Mieter den Zu- 115 stand der Mietsache als vertragsgemäß anerkennt oder akzeptiert, sind regelmäßig als Bestätigungsklauseln auszulegen, die gegen § 309 Nr. 12 lit. b BGB verstoßen, s. Beweislastregeln. Ankündigung: s. Modernisierung, Besichtigungsrecht, Erhaltungsmaßnahmen

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295 BGH v. 18.4.1984 – VIII ZR 50/83, MDR 1985, 50. 296 Hanseatisches OLG Hamburg v. 17.4.1990 – 4 U 222/89, MDR 1990, 724 = WuM 1990, 244 (245); OLG Düsseldorf v. 11.12.1986 – 10 U 111/86, MDR 1987, 936 = ZMR 1987, 464; LG Köln v. 30.9.1999 – 1 S 92/99, WuM 2000, 352. 297 OLG Karlsruhe v. 15.2.2000 – 3 REMiet 1/99, MDR 2000, 877 = WuM 2000, 236 = ZMR 2000, 380. 298 OLG Hamm v. 9.1.2001 – 7 U 58/00, NZM 2001, 709. 299 OLG Hamm v. 28.6.2011 – I-7 U 54/10, MietRB 2011, 310 = InfoM 2011, 278. 300 AG Hamburg v. 19.11.1998 – 37B C 298/98, WuM 1999, 215; AG Bochum v. 2.12.1997 – 66 C 531/97, WuM 1998, 595; AG Bremerhaven v. 11.1.1994 – 52 C 1696/93, WuM 1994, 194. 301 OLG Celle v. 29.12.1989 – 2 U 200/88, WuM 1990, 103; AG Hamburg-Wandsbek v. 27.5.2004 – 711 C 36/04, WuM 2005, 47; AG Frankfurt v. 29.7.1983 – 33 C 14252/83, WuM 1984, 77. 302 LG Berlin v. 15.6.1995 – 62 S 86/95, NJWE-MietR 1996, 150. 303 AG Hamburg-Altona v. 18.3.2009 – 318a L 377/08, WuM 2009, 451. 304 LG Hamburg v. 5.3.2009 – 307 S 144/08, WuM 2009, 452 = GE 2009, 1191. 305 OLG Celle v. 29.12.1989 – 2 U 200/88, WuM 1990, 103 (Klausel Nr. 19); AG Münster v. 31.7.2015 – 55 C 1325/15, WuM 2015, 618; AG Hamburg-Wandsbek v. 27.5.2004 – 711 C 36/04, WuM 2005, 47. 306 AG Hamburg-Wandsbek v. 27.5.2004 – 711 C 36/04, WuM 2005, 47. 307 AG Neukölln v. 11.10.2017 – 20 C 19/17, WuM 2017, 714.

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§ 535 Rz. 117 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags 117 Antenne s. Gebrauchsrechte/Antenne 118 Anzeige des Eigentumsüberganges (§ 566e BGB). Anforderungen können zugunsten des Mieters er-

höht werden. 119 Anzeige von Mängeln s. Gewährleistung/Anzeigepflicht 120 Aufrechnung

– Beschränkung/Verbot (§ 556b Abs. 2 BGB). Innerhalb der Grenzen der §§ 309 Nr. 3, 556b Abs. 2 BGB zulässig308, wobei auch die Aufrechnung mit entscheidungsreifen Forderungen und solchen, die nicht auf dem Mietvertrag beruhen, nicht ausgeschlossen werden kann309. Beschränkung allein auf rechtskräftige Forderungen ist unwirksam310. – Als Heilungsmöglichkeit bei fristloser Kündigung (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB): Zum Nachteil des Mieters nicht abdingbar (§ 569 Abs. 5 BGB); deshalb muss eine Klausel, die die Aufrechnung beschränkt, für diesen Fall einen Vorbehalt vorsehen. – Bei Veräußerung (566d BGB) formularmäßig nicht abdingbar, allenfalls in den Grenzen der §§ 309 Nr. 3, 556b Abs. 2 BGB. 121 Aufwendungsersatz s. Gewährleistung/Aufwendungsersatz und s. Modernisierung/Aufwendungsersatz 122 Aufzug s. Gebrauchsrechte/Aufzug 123 Auskunft

– Betriebskostenpauschale (§ 560 Abs. 3 BGB). Für den Fall der Ermäßigung kann die Auskunft zu Lasten des Mieters nicht eingeschränkt werden; der Anspruch kann aber von bestimmten Umständen, die eine Senkung der Betriebskosten nahelegen, abhängig gemacht werden. – Kaution (§ 551 BGB). Regelung nicht sinnvoll; Mieter kann die insolvenzfeste Anlage verlangen, so dass Einschränkung des Auskunftsanspruchs dem Verbot des § 551 Abs. 4 BGB unterliegt. – Zeitmietvertrag (§ 575 Abs. 2 BGB). Nur zugunsten des Mieters zu gestalten, z.B. durch frühere Fälligkeit311. 123a Auto s. Gebrauchsrechte/Auto 123b Autofreies Wohnkonzept. Eine Klausel, die das Halten und den unmittelbaren Besitz eines Kfz ohne

Rücksicht auf die Interessen des Mieters verbietet, ist selbst dann unwirksam, wenn der Vermieter sich dazu in einem städtebaulichen Vertrag verpflichtet hat312. 124 Barrierefreiheit (§ 554a BGB) s. Gebrauchsrechte/bauliche Veränderungen 125 Bearbeitungsgebühr (§ 537 BGB) s. Abschlussgebühr 126 Beendigung (§ 542 BGB) s. Kündigung und Befristung 127 Befriedigungsrecht (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB). Zum Nachteil des Mieters nicht abdingbar (§ 569 Abs. 5

BGB)313, Frist kann aber z.B. verlängert werden. 128 Befristung (Vereinbarung)

– Auflösende Bedingung (§ 572 Abs. 2 BGB). Zugunsten des Wohnraummieters zwingend, Kündigung des Vermieters kann jedoch ausgeschlossen oder Kündigungsfrist verlängert oder auflösende Bedingung zugunsten des Mieters vereinbart werden314.

308 BGH v. 27.6.2007 – XII ZR 54/05, MDR 2007, 1364 = MietRB 2008, 38 = ZMR 2007, 854 = GE 2007, 1179; OLG Celle v. 29.12.1989 – 2 U 200/88, WuM 1990, 103 (111). 309 OLG Celle v. 29.12.1981 – 2 U 200/88, WuM 1990, 103 (111). 310 BGH v. 27.6.2007 – XII ZR 54/05, MDR 2007, 1364 = MietRB 2008, 38 = ZMR 2007, 854 = GE 2007, 1179. 311 Lammel, § 575 BGB Rz. 83. 312 LG Münster v. 5.5.2014, IMR 2015, 222. 313 Staudinger/Emmerich, § 569 BGB Rz. 60. 314 Palandt/Weidenkaff, § 572 BGB Rz. 2.

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B. Wohnraummiete | Rz. 132 § 535

– Qualifizierte Befristung (§ 575 BGB). Befristungsgründe können alternativ oder hilfsweise in den Vertrag aufgenommen werden315; die aus der Befristung entstehenden Rechtsfolgen sind zugunsten des Mieters zwingend, § 575 Abs. 4 BGB316; Fälligkeit des Auskunftsanspruchs und der Erklärungsfrist können zugunsten des Mieters vorverlagert werden; ebenso kann der Inhalt der Mitteilungspflicht des Vermieters spezifiziert und das „Auswechseln“ von Befristungsgründen ausgeschlossen werden317. – Schriftform (§ 550 BGB). In jedem Fall zwingend318. Besichtigungsklauseln unterstellen in der Regel, dass der Mieter die Mietsache besichtigt und den Zu- 129 stand als vertragsgemäß anerkannt hat; mit diesem Inhalt handelt es sich um unwirksame Bestätigungsklauseln i.S.v. § 309 Nr. 12 lit. b BGB, denn sie unterstellen dem Mieter eine bestimmte Erklärung und sollen dadurch die Beweislast verändern319. Wird zusätzlich eine Rechtsfolge geregelt, wie z.B. der Ausschluss späterer Einwendungen wegen offener oder verdeckter Mängel, kann dies darauf hindeuten, dass die Klausel nur die Garantiehaftung ausschließen soll320. Besichtigungsrecht (§ 535 BGB). Regelbar in den Grenzen des § 307 BGB321, wobei vorherige Termin- 130 absprache als grundsätzliche Voraussetzung deutlich sein muss322; erweckt die Klausel den Eindruck, sie solle dem Vermieter ein Recht einräumen, die Wohnung ohne Zustimmung des Mieters oder auch außerhalb der üblichen Besuchszeiten zu betreten, ist sie unwirksam323. Bestätigungsklausel s. Beweislastregel

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132 Betriebskosten – Abrechnungsfrist (§ 556 Abs. 3 S. 2 BGB, § 20 Abs. 3 S. 4 NMV). Zwingend sowohl bei preisfreiem als auch bei preisgebundenem Wohnraum. – Abrechnungszeitraum (§§ 556 Abs. 3 S. 1 BGB, 20 Abs. 3 S. 2 NMV). Ein zwölfmonatiger Abrechnungszeitraum ist zwingend; das Recht des Vermieters zur Umstellung auf eine andere Abrechnungsperiode kann unter den Voraussetzungen des § 315 BGB geregelt werden. – Direktlieferung (§ 556a Abs. 2 BGB). Regelbar jedenfalls in Verträgen vor dem 1.9.2001324; seit dem Wegfall von § 4 Abs. 5 MHG können entsprechende Vorbehalte wirksam geregelt werden, wenn dem Mieter entsprechend § 556c BGB keine höheren Kosten entstehen und der Vermieter für den Zustand des Gebäudes die Verantwortung behält. – Einzelverteilerschlüssel (§ 556a Abs. 1 BGB, 20 Abs. 2 NMV). Im preisgebundenen Wohnraum ist die Wohnfläche in den Grenzen der §§ 21–25 NMV als Umlegungsmaßstab zwingend, § 20 Abs. 2 NMV; im preisfreien Wohnraum kann der Abrechnungsschlüssel im Mietvertrag grundsätzlich frei bestimmt werden, da § 556a Abs. 1 BGB nicht zwingend ist325; die Bestimmung des Einzelverteilers ist auch ohne Gesamtverteiler wirksam, weil dieser im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ermittelt werden kann. – Einwendungsausschluss (§ 556 Abs. 3 S. 5 BGB). Nicht abdingbar zu Lasten des Mieters, § 556 Abs. 4 BGB; auch eine besondere Form für die Einwendungen kann nicht vereinbart werden. – Erhöhung (§ 560 BGB) s. Mieterhöhung/-änderung – Kontrollrechte (§§ 535, 556 Abs. 3 BGB, § 29 NMV). Im preisfreien Wohnraum sind Ort der Einsichtnahme und Preis der Kopien regelbar326, wobei die Grenzen der Zumutbarkeit nicht über315 316 317 318 319 320 321 322 323 324 325 326

Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 575 BGB Rz. 9 m.w.N. Lammel, § 575 BGB Rz. 83. Vgl. dazu Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 575 BGB Rz. 9; Lammel, § 575 BGB Rz. 60. Palandt/Weidenkaff, § 550 BGB Rz. 2. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. II 118. Vgl. BGH v. 27.1.1993 – XII ZR 141/91, ZMR 1993, 320 = DWW 1993, 170 = NJW-RR 1993, 519. Staudinger/Emmerich, § 535 BGB Rz. 97. AG Freiburg v. 24.11.1982 – 1 C 630/82, WuM 1983, 112; AG Hamburg v. 21.2.1992 – 43b C 1717/91, WuM 1992, 540; Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. I. Inhalt der Erläuterungen zu § 18 Nr. 2. KG v. 30.10.2006 – 8 U 38/06, WuM 2007, 71 = ZMR 2007, 112 = GE 2006, 1477. LG Hamburg v. 11.11.2005 – 311 S 34/05, WuM 2006, 96. Umkehrschluss aus § 556a Abs. 3 BGB. Vgl. z.B. LG Köln v. 10.1.2001 – 10 S 249/00, NZM 2001, 617.

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§ 535 Rz. 132 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags





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schritten werden dürfen; Letzteres ist z.B. der Fall, wenn der Ort der Einsichtnahme ohne Ausnahme gelten soll, also z.B. auch bei einem Wegzug des Mieters; die Kopierkosten müssen sich in einem üblichen Rahmen halten; im preisgebundenen Wohnraum ist § 29 NMV zwingend. Mehrbelastungsklausel (§§ 535, 556 BGB). Grundsätzlich zulässig327; bei Pauschale wegen § 560 Abs. 1 BGB in Form eines Erhöhungsvorbehalts zwingend erforderlich und sollte deshalb aufgenommen werden, um den Unklarheitsfällen vorzubeugen328; dafür ist aber ein hinreichend bestimmter Inhalt erforderlich329. Umlagefähigkeit (§§ 535 Abs. 1 S. 3, 556 Abs. 1 BGB, § 20 Abs. 1 NMV, § 27 II. BV). In den Grenzen des Begriffs der Betriebskosten gemäß § 556 Abs. 1 BGB, § 2 BetrKV, § 27 II. BV regelbar330; z.B. durch Verweis auf § 2 BetrKV331; auf die Anlage 3 zu § 27 II. BV sollte nicht Bezug genommen werden, weil diese zum 31.12.2003 aufgehoben wurde332; „sonstige Betriebskosten“ müssen spezifiziert werden333; s. im Übrigen § 556 BGB Rz. 320. Umlageschlüssel (§ 556a Abs. 1 BGB, § 20 Abs. 2 NMV) s. Einzelverteilerschlüssel Vorauszahlungen (§ 556 Abs. 2 BGB, § 20 Abs. 1 S. 3 NMV). Die Höhe muss angemessen sein; das ist der Fall, wenn sie sich nach dem letzten Abrechnungsergebnis richtet334; im preisgebundenen Wohnraum ist nicht für jede Betriebskostenposition, die umgelegt werden soll, im Mietvertrag die Höhe der Vorauszahlungen gemäß § 20 Abs. 1 S. 3 NMV anzugeben335.

133 Beweislastregel (§ 309 Nr. 12 BGB). Neben dem Verbot, Beweislastregeln zu verwenden, die dem Mie-

ter die Beweislast für Umstände auferlegt, die im Verantwortungsbereich des Vermieters liegen, werden von dem Klauselverbot nach § 309 Nr. 12 lit. b insbesondere auch sog. Bestätigungsklauseln erfasst, mit denen zu Lasten des Vertragspartners des Verwenders bestimmte Tatsachen als feststehend vereinbart werden sollen. Vor diesem Hintergrund sind folgende Klauseln unwirksam: – „Dem Mieter obliegt der Beweis dafür, dass schuldhaftes Verhalten nicht vorgelegen hat“336. – „Der Mieter erkennt den bei der Übergabe vorhandenen Zustand der Wohnung als einwandfrei an“337. – „Der Mieter erkennt die beanstandungsfreie Übergabe in renoviertem Zustand an“338. – „Das Haus wird in dem Zustand wie besichtigt, unrenoviert und in topbewohnbarem Zustand übergeben, Wände Grastapeten, Türen und sonstiges Holzwerk Natur Eiche, Holzdecken, Teppichböden gereinigt“339. 134 Bodenbelag → Fußbodenpflege

327 Langenberg, Betriebskosten, C Rz. 13 ff. m.w.N. 328 Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Rz. 323. 329 BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 10/92, MDR 1993, 339 = WuM 1993, 109; OLG Düsseldorf v. 25.4.1991 – 10 U 178/90, BB 1991, 1150. 330 OLG Koblenz v. 7.1.1986 – 4 W RE 720/85, WuM 1986, 50. 331 OLG Frankfurt v. 10.5.2000 – 20 REMiet 2/97, WuM 2000, 411; OLG Düsseldorf v. 25.1.2000 – 24 U 111/99, ZMR 2000, 603; OLG Hamm v. 22.8.1997 – 30 REMiet 3/97, MDR 1997, 1016 = WuM 1997, 542; BayObLG v. 24.2.1984 – REMiet 3/84, WuM 1984, 104. 332 Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. I. Inhalt der Erläuterungen zu § 6 Nr. 1. 333 BGH v. 7.4.2004 – VIII ZR 167/03, MDR 2004, 932 = WuM 2004, 290 = NZM 2004, 417 = MietRB 2004, 202; BGH v. 7.4.2004 – VIII ZR 146/03, WuM 2004, 292 = ZMR 2004, 430 = NZM 2004, 418; OLG Oldenburg v. 22.2.1995 – 5 UH 1/94, WuM 1995, 430. 334 Schmid, ZMR 2001, 761 (765); Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. I. Inhalt der Erläuterungen zu § 4 Nr. 4. 335 BGH v. 13.1.2010 – VIII ZR 137/09, MDR 2010, 375 = MietRB 2010, 100 = MietRB 2010, 101 = WuM 2010, 153 = GE 2010, 333 = NZM 2010, 274 = ZMR 2010, 433; a.A. OLG Oldenburg v. 14.3.1997 – 5 UH 1/97, WuM 1997, 609. 336 OLG München v. 12.1.1989 – 29 U 2366/88, WuM 1989, 128 (131). 337 LG Osnabrück v. 30.4.1985 – 1 S 39/85, WuM 1986, 93. 338 LG Freiburg v. 9.10.2007 – 9 S 37/07, WuM 2008, 334. 339 OLG Düsseldorf v. 7.10.2004 – I-10 U 70/02, zitiert nach juris.

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B. Wohnraummiete | Rz. 145 § 535

Bürgschaft (§§ 551, 765 BGB). Eine selbstschuldnerische Bürgschaft kann als Kaution i.S.v. § 551 BGB 135 vereinbart werden; auch die Formularklausel über die Stellung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern ist wirksam340, solange der Bürge keine Privatperson ist341. Contracting (§ 535 BGB). Vorbehalt zur Umstellung z.B. der Wärmelieferung grundsätzlich regel- 136 bar342, die dazu erforderliche Zustimmung des Mieters kann schon in der Vereinbarung des Katalogs des § 2 BetrKV oder der Anlage 3 zu § 27 II. BV aus der Zeit nach dem 1.5.1989 gesehen werden343; im Übrigen muss die Klausel die Vorgaben des § 556c BGB beachten. S. auch Drittlieferung Dekoration s. Gebrauchsrechte/Dekoration

137

Dienstwohnung (§ 576 BGB). Nachträgliche Verknüpfung zwischen Miet- und Dienstvertrag nicht 138 zulässig344; ansonsten gelten die jeweils maßgeblichen Vorschriften über Zulässigkeit und Grenzen abweichender Vereinbarungen345. Drittlieferung. Ein formularvertraglicher Vorbehalt, durch einseitige Erklärung den Mieter zu ver- 139 pflichten, eine Leistung nicht mehr vom Vermieter abrufen zu können, sondern über den Bezug (z.B. über Wärme) mit einem Dritten einen Vertrag abzuschließen, verstößt gegen §§ 305c, 307 BGB346. Drittüberlassung (§§ 540, 553, 546 Abs. 2 BGB) s. Untermiete

140

Dübel s. Gebrauchsrechte/Dübel

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142 Duldungspflicht – Besichtigung (§ 535 BGB) s. Besichtigungsrecht – Erhaltungsmaßnahmen (§ 555a BGB). Vorschrift ordnet nahezu unbegrenzte Duldungspflicht an347; Ausnahmen von der Ankündigung nach § 555 Abs. 2 BGB können nur als Regelbeispiele aufgezählt werden; sobald der Eindruck entsteht, dass der Mieter ungefragt und/oder ohne Zustimmung zur Duldung verpflichtet ist, tritt Unwirksamkeit ein348. – Modernisierungsmaßnahmen (§ 555d BGB). Zum Nachteil des Mieters nicht abdingbar, § 555d Abs. 5 BGB; zugunsten des Mieters können die Anforderungen an die Ankündigung geregelt werden oder z.B. die Kündigungsfrist verlängert werden.

Einbauten. Eine Klausel, die die Verantwortung des Vermieters für Gegenstände ausschließt, die vom 143 Vormieter zurückgelassen wurden, ist schon mangels Transparenz unwirksam349. Einsichtsrecht in Abrechnungsbelege (§ 259 BGB, § 29 NMV) s. Betriebskosten/Kontrollrechte

144

145 Eintrittsrecht – des Erwerbers (§ 566 BGB) kann nicht ausgeschlossen werden (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB)350; Vereinbarungen mit dem Erwerber bedürfen der Zustimmung des Mieters351. – der Berechtigten bei Tod des Mieters (§ 563 Abs. 1 BGB). Zu Lasten des Mieters oder der Berechtigten nicht regelbar, § 563 Abs. 5 BGB; zugunsten der Berechtigten kann aber z.B. die Erklärungsfrist verlängert und die Überlegungsfrist des Vermieters verkürzt werden352.

340 OLG Karlsruhe v. 2.7.2004 – 1 U 12/04, MDR 2005, 85 = MietRB 2004, 319 = NZM 2004, 742; a.A. Leo/ Ghassemi-Tabar, NZM 2012, 97. 341 Bub/Treier/Bub, II Rz. 1283a m.w.N. 342 BGH v. 22.2.2006 – VIII ZR 362/04, MDR 2006, 1219 = WuM 2006, 322. 343 BGH v. 27.6.2007 – VIII ZR 202/06, MDR 2007, 1416 = MietRB 2007, 281 = MietRB 2007, 282 = NJW 2007, 3060. 344 Staudinger/Rolfs, § 576 BGB Rz. 14 m.w.N. 345 Staudinger/Rolfs, § 576 BGB Rz. 38. 346 AG Winsen v. 30.7.2012 – 16 C 384/12, WuM 2012, 603. 347 Staudinger/Emmerich, § 554 BGB Rz. 9. 348 BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = WuM 1991, 381 = ZMR 1991, 290. 349 AG Schöneberg v. 13.12.1999 – 108 C 386/99, GE 2000, 814. 350 Palandt/Weidenkaff, § 566 BGB Rz. 5; Bub/Treier/Bub, II Rz. 1044; Bub/Treier/Landwehr, II Rz. 2656; a.A. Leo, NZM 2006, 244. 351 Vgl. Staudinger/Emmerich, § 566 BGB Rz. 57. 352 Lammel, § 563 BGB Rz. 62.

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§ 535 Rz. 145 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags – des Eigentümers bei Zwischenvermietung (§ 565 Abs. 1 S. 1 BGB). Zum Nachteil des (End-)Mieters sind Abweichungen nicht möglich, § 565 Abs. 3 BGB; zulässig sind Abreden, die die Stellung des (End-)Mieters verbessern, z.B. durch Sonderkündigungsrecht. – des neuen Zwischenvermieters (§ 565 Abs. 1 S. 2 BGB) – wie vorstehend. 146 Einzugsermächtigung s. Mietzahlung/Lastschrifteinzug 147 Erfüllungsanspruch (§ 535 BGB). Sobald die Hauptpflichten des Vermieters tangiert werden, ist eine

Klausel bedenklich; sie wird unwirksam, wenn sie die Hauptpflicht zu Lasten des Mieters verändert, insbesondere die Geltendmachung beschränkt oder die Rechtsfolgen der Nichterfüllung einschränkt, § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. 148 Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB):

– Mieter. Unwirksam sind Klauseln, die eine Haftung des Mieters für Dritte vorsehen, ohne Rücksicht darauf, ob es sich bei den Dritten um Erfüllungsgehilfen des Mieters handelt. – Vermieter. Zeichnet sich der Vermieter von der Haftung für seine Erfüllungsgehilfen frei, liegt eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 BGB vor. – S. auch Haftung für Dritte 149 Erlaubnis s. Zustimmung 150 Ersatzmieter s. Nachmieter 151 Ersatzvornahme s. Gewährleistung/Selbsthilferecht 152 Fälligkeit

– der Betriebskostennachforderung (§ 556 Abs. 3 BGB, § 10 WoBinG). Regelung, die nicht an die Ausübung von Kontrollrechten anknüpft, soll unwirksam sein353; das ist zweifelhaft, weil die Fälligkeit mit Zugang der Abrechnung eintritt354. – der Miete (§ 556b Abs. 1 BGB). Gesetzliche Vorfälligkeit verlangt die Vornahme der Leistungshandlung (z.B. durch einen Überweisungsauftrag) derart, dass der Empfänger am Fälligkeitstag über den Betrag verfügen kann355; deshalb sind auch Rechtzeitigkeitsklauseln irrelevant geworden. – von Schönheitsreparaturen (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB) s. Schönheitsreparaturen/Fälligkeit 153 Fensterscheiben s. Kleinreparaturen 153a Fertigstellung. Die Klausel in einem vom Mieter gestellten Mietvertrag, wonach die Mietzahlungs-

pflicht von der Erteilung einer Fertigstellungsmeldung abhängig sein soll, ist weder überraschend noch benachteiligt sie den Vermieter (= Verbaucher) unangemessen356. 154 Flächenangaben im Mietvertrag sind grundsätzlich als Beschaffenheitsvereinbarung zu werten. Inso-

weit ist weder die Festlegung einer Methode zur Flächenberechnung überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB357, noch begründet eine deutlich formulierte Klausel, die die Flächenangabe für unverbindlich erklärt, einen Verstoß gegen § 307 BGB358. 155 Fliesen s. Fußbodenbelag 156 Fortsetzungsanspruch

– bei Kündigung (§ 574 BGB): nicht abdingbar, § 574 Abs. 4 BGB; abweichende Vereinbarungen, die sich zugunsten des Mieters auswirken, sind aber möglich359.

LG Frankfurt v. 27.2.1990 – 2/13 O 474/89, WuM 1990, 271 (274). BGH v. 23.11.1981 – VIII ZR 298/80, MDR 1982, 483 = NJW 1982, 573. OLG Düsseldorf v. 28.9.2010 – 24 U 120/09, ZMR 2010, 958. OLG München v. 13.11.2015 – 32 U 3524/15, ZMR 2016, 112. BGH v. 4.10.2000 – XII ZR 44/98, NZM 2001, 234 = NJW-RR 2001, 439; KG v. 3.6.2004 – 8 U 8/04, MietRB 2005, 8 = ZMR 2004, 752 = DWW 2004, 332 = GE 2004, 886. 358 BGH v. 10.11.2010 – VIII ZR 306/09, MDR 2011, 20 = MietRB 2011, 36 = WuM 2011, 11. 359 Palandt/Weidenkaff, § 574 BGB Rz. 3. 353 354 355 356 357

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B. Wohnraummiete | Rz. 162 § 535

– bei echtem Zeitmietvertrag (§ 575a Abs. 2 BGB – nach Widerspruch (§ 574c BGB) Fortsetzungsverlangen (§ 575 Abs. 2 und 3 BGB). Nicht abdingbar, § 575 Abs. 4 BGB.

157

Freizeichnung. Der Vermieter trägt die Gefahr des vertragsgemäßen Zustandes, § 535 Abs. 1 S. 2 BGB. 158 Von dieser Hauptpflicht kann er sich grundsätzlich in der Wohnraummiete nicht freizeichnen (Ausnahme: Schönheitsreparaturen, Kleinreparaturen). Deshalb kann insbesondere das Risiko der behördlichen Zulässigkeit der Nutzung nicht auf den Mieter abgewälzt werden360. Jede Klausel, die das Risiko der Verwendung unmittelbar oder mittelbar auf den Mieter verlagert, verstößt daher gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Das gilt selbst für Klauseln, die die Haftung des Vermieters auf Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit beschränken361. Etwas anderes gilt nur im Zusammenhang mit (erlaubten) baulichen Veränderungen durch den Mieter362. Auch die Gefahr der Benutzung von Einrichtungen der Mietsache (z.B. Aufzug) kann nicht auf die Mieter abgewälzt werden („Benutzung auf eigene Gefahr“), weil sie zumindest gegen § 309 Nr. 7 BGB verstößt. Zur Freizeichnung von Schönheitsreparaturen vgl. § 535 BGB Rz. 632. Fußbodenpflege. Die Grundreinigung eines Bodenbelages gehört grundsätzlich zu den Schönheits- 159 reparaturen; dies gilt uneingeschränkt für Teppichboden363 (dessen Austausch, insbesondere Erneuerung deshalb aber noch nicht verlangt werden kann364), nicht aber für Parkettboden, weil hier die Grundreinigung Substanzeinwirkungen voraussetzt365. PVC-Böden sind grundsätzlich wie Teppichboden zu behandeln. Das Gleiche gilt für Fliesen, sofern keine besondere Pflege durchgeführt werden muss. In diesem Fall muss der Vermieter klar und verständlich (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) aufklären, was regelmäßig durch eine Pflegeanleitung geschehen kann. Garantiehaftung s. Gewährleistung/Garantiehaftung

160

Gartenpflege (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB). Auf den Mieter übertragbar, beinhaltet dann aber ohne besonde- 161 re Anmerkungen nur leichte Pflegearbeiten (Rasen mähen, Unkraut jäten, Rückschnitt von Sträuchern etc.)366. Nach einer weitergehenden Auffassung muss der Mieter im Rahmen der Pflege gärtnerisch angelegter Flächen erforderlichenfalls auch Bäume und Sträucher beschneiden, Rasenflächen neu anlegen und/oder kranke bzw. morsche Bäume und Sträucher fällen367. Letzteres setzt aber voraus, dass die Klausel eine Kostenbegrenzung enthält368 und die Arbeiten, die über den üblichen Umfang des § 2 Nr. 10 BetrKV hinausgehen sollen, deutlich beschreibt. Gebrauchsrechte 162 – Antenne (§ 535 BGB). Gebrauch von CB-Funkantenne kann verboten werden; das Gleiche gilt für die Installation zusätzlicher Fernsehantennen (z.B. Parabolantenne), sofern ein Anschluss an eine Gemeinschaftsantenne vorhanden ist369; Kaution für Rückbaukosten kann verlangt werden370. Soweit auch Parabolantennen erfasst werden, kann für den Fall des Vorhandenseins einer Gemeinschaftsantenne oder des Anschlusses an eine mit einem Breitbandkabel verbundene Verteilanlage

360 361 362 363 364

365 366 367 368 369 370

BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, MietRB 2008, 103 = ZMR 2008, 274 = GuT 2007, 434. BGH v. 24.10.2001 – VIII ARZ 1/01, MDR 2002, 330 = ZMR 2002, 184 = WuM 2002, 141 = NZM 2002, 116. BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, MietRB 2008, 103 = ZMR 2008, 274 = GuT 2007, 434. BGH v. 8.10.2008 – XII ZR 15/07, MDR 2009, 255 = MietRB 2009, 69 = WuM 2009, 225 = GE 2009, 111 = NZM 2009, 126. OLG Düsseldorf v. 14.12.2006 – 24 U 113/06, GuT 2007, 211; OLG Braunschweig v. 30.1.1997 – 1 U 35/96, OLGReport Braunschweig 1997, 85; OLG Celle v. 20.11.1996 – 2 U 273/95, NZM 1998, 158 = OLGR 1997, 138; OLG Stuttgart v. 6.3.1995 – 5 U 204/94, NJW-RR 1995, 1101; OLG Hamm v. 22.3.1991 – 30 REMiet 3/ 90, MDR 1991, 629 = DWW 1991, 145 = WuM 1991, 248 = ZMR 1991, 219 (für die Wohnraummiete). BGH v. 13.1.2010 – VIII ZR 48/09, MDR 2010, 312 = MietRB 2010, 101 = WuM 2010, 85 = GE 2010, 335 = NZM 2010, 157 = ZMR 2010, 432. OLG Düsseldorf v. 7.10.2004 – 10 U 70/04, WuM 2004, 603; LG Braunschweig v. 5.2.2009 – 6 S 548/08, WuM 2009, 288. LG Frankfurt am Main v. 2.11.2004 – 2/11 S 64/04, NZM 2005, 338 = NJW-RR 2005, 663. AG Reutlingen v. 20.1.2004 – 2 C 2126/03, WuM 2004, 95. OLG Frankfurt v. 19.12.1991 – 6 U 108/90. WuM 1992, 56 (62). Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. I. Inhalt der Erläuterungen zu § 13 Nr. 6.

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§ 535 Rz. 162 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

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die Anbringung einer Antenne nicht ausnahmslos verboten werden; vielmehr muss die Klausel die notwendige Abwägung als Tatbestandsmerkmal enthalten, § 307 BGB371. Aufzug (§ 535 BGB). Der Gebrauch kann zeitlich nicht beschränkt werden372; auch ein Stilllegungsvorbehalt ist unzulässig373; Benutzungsregeln können sich aber an der Aufzugsverordnung374 orientieren. S. auch Freizeichnung Auto (§ 535 BGB). Nutzen und Halten eines Kfz im Rahmen eines autofreien Wohnprojektes kann nicht verboten werden, sofern die Klausel keine Abwägung vorsieht375. Baden (§ 535 BGB) kann auch nicht für die Nachtzeit eingeschränkt werden376. Balkon (§ 535 BGB) gehört zur Mietsache; Schönheitsreparaturen können nicht auf den Mieter übertragen werden, weil der Balkon nicht zum Inneren der Mietsache gehört. Bauliche Veränderungen (§§ 535, 554a BGB) können unter Erlaubnisvorbehalt gestellt werden, weil sie ohnehin nur mit Zustimmung des Vermieters zulässig sind; allerdings muss der Text eine Ausnahme für Maßnahmen nach § 554a BGB vorsehen, also zumindest eine Abwägung; im Übrigen können eine fachmännische Ausführung (nicht durch Fachkräfte) und eine Sicherheitsleistung in Höhe der ungefähren Rückbaukosten geregelt werden377. Besuch (§ 535 BGB). Einschränkende Besuchsregelungen sind unwirksam378, allerdings können Ruhezeiten im üblichen Umfang (13–15 Uhr und 22–6 Uhr) formuliert werden379. Dekoration (§ 535 BGB). Die Gestaltung der Wohnräume durch die Ausführung von Schönheitsreparaturen während der Mietzeit kann dem Mieter in nicht vorgeschrieben werden380; für die Dekoration (durch Vorhänge etc.) von Fenstern gilt das Gleiche381. Dübel (§ 535 BGB). Dübeln kann generell nicht untersagt werden, weil es zum vertragsgemäßen Gebrauch gehört382; ist das Badezimmer jedoch üblich ausgestattet (Seifenhalter, Handtuchhalter, Duschabtrennung, Duschstange etc.), kann das Anbohren von Kacheln untersagt werden383; Beseitigungspflicht muss sich am verkehrsüblichen Maß orientieren384. Duschen (§ 535 BGB) s. Baden Elektrounterverteilung s. Haushaltsgeräte Fahrräder (§ 535 BGB). Ein generelles Verbot, vor allem in einer Hausordnung, des Abstellens auf Gemeinschaftsflächen ist unwirksam385. Fassadenbegrünung (§ 535 BGB). Ist nichts geregelt, schuldet der Mieter nur leichte Pflegearbeiten im Bereich seiner Wohnung und muss auch eine Schadensentwicklung nicht beobachten386.

371 BGH v. 16.5.2007 – VIII ZR 207/04, MietRB 2007, 259 = WuM 2007, 381 = GE 2007, 982; AG Hamburg v. 20.3.2014 – 40a C 76/13, WuM 2014, 710. 372 LG Berlin v. 7.2.1992 – 64 S 335/91, WuM 1992, 599. 373 LG Frankfurt v. 27.2.1990 – 2/13 O 474/89, WuM 1990, 271 (276). 374 BGBl. I 1998, S. 1410. 375 LG Münster v. 5.5.2014 – 3 S 37/14, NZM 2015, 131; AG Münster v. 19.2.2014 – 8 C 2524/13, ZMR 2015, 461 = IMR 2014, 238. 376 OLG Düsseldorf v. 25.1.1991 – 5 Ss (OWi) 411/90 – (OWi) 181/90 I, WuM 1991, 288; LG Köln v. 17.4.1997 – 1 S 304/96, WuM 1997, 323. 377 Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. I. Inhalt der Erläuterungen zu § 13 Nr. 8. 378 AG Nürnberg v. 27.3.1981 – 25 C 7389/80, WuM 1984, 295; Lammel, § 535 BGB Rz. 199. 379 Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. V. Inhalt der Erläuterungen Nr. 2 m.w.N. 380 BGH v. 18.2.2009 – VIII ZR 166/08, WuM 2009, 224 = GE 2009, 574 = NZM 2009, 313; LG Lübeck v. 21.11.2000 – 14 S 221/00, NZM 2002, 485. 381 LG Chemnitz v. 21.10.2011 – 6 S 27/11, zitiert nach juris. 382 BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 10/92, MDR 1993, 339 = WuM 1993, 109 = ZMR 1993, 263. 383 Lammel, § 535 BGB Rz. 203 m.w.N. 384 BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 10/92, MDR 1993, 339 = WuM 1993, 109 = ZMR 1993, 263. 385 AG Flensburg v. 21.12.1995 – 63 C 801/94, WuM 1996, 613; AG Hanau v. 19.1.1989 – 34 C 1155/88, WuM 1989, 366. 386 AG Köln v. 14.2.2001 – 208 C 537/00, WuM 2002, 668.

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B. Wohnraummiete | Rz. 162 § 535

– Feiern (§ 535 BGB). Feiern in der Wohnung kann generell nicht untersagt werden387, allerdings können Ruhezeiten vereinbart werden (s. Besuch), so dass das Gebot der Rücksichtnahme gilt. – Gartennutzung (§ 535 BGB) kann einzelnen Mietern vertraglich vorbehalten werden388; als Gemeinschaftsfläche kann Benutzung durch Hausordnung unter Beachtung des Gebots der Rücksichtnahme geregelt werden; Gleichbehandlungsgrundsatz gilt nicht389, solange keine Diskriminierung i.S.d. AGG gegeben ist. – Gewerbe (§ 535 BGB). Dem Mieter kann die teilgewerbliche Nutzung einer Wohnung gestattet werden; dabei kann ein Gewerbezuschlag vereinbart werden390, die Grenze bildet nicht die Übergewichtstheorie, sondern es ist danach zu urteilen, ob die (teil-)gewerbliche Nutzung nach außen in Erscheinung tritt;391; deshalb muss eine Klausel einen entsprechenden Vorbehalt enthalten; allerdings kann insoweit eine Anzeigepflicht geregelt werden392 (vgl. § 541 BGB Rz. 29). – Haushaltsgeräte (§ 535 BGB). Der Betrieb üblicher Haushaltsgeräte (Wasch- und Geschirrspülmaschine, Wäschetrockner etc.) kann grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden; der Gebrauchsrahmen richtet sich jedoch nach den vorhandenen Installationen393, sofern der Vertragszweck (=Wohnen) mangels abweichender Vereinbarung nicht ein bestimmten Mindeststandard voraussetzt394; die (Höchst-) Kapazität muss allerdings klar und verständlich geregelt sein395, sofern ein Erlaubnisvorbehalt wirksam sein soll396; ob eine besonderer Raum für das Aufstellen der Geräte vorhanden ist (z.B.: Waschmaschinenkeller), ist unerheblich397; allerdings kann eine Anzeigepflicht vorgesehen werden398. – Hausordnung s. Hausordnung – Hausreinigung s. Reinigungspflicht – Kinderwagen (§ 535 BGB). Abstellmöglichkeit in Gemeinschaftsräumen (Hausflur, Treppenhäusern) kann nicht generell beschränkt werden399. – Lüften (§ 535 BGB) gehört zur Obhutspflicht und gehört als Grundsatz zum Allgemeinwissen400; demgemäß muss übliches Stoßlüften nicht besonders erläutert werden; sofern der Mietvertrag die üblichen Regeln dazu wiederholt, kann dies auch im Rahmen des § 307 BGB nicht beanstandet werden; ist allerdings eine besondere Art der Lüftung (z.B. U-Lüftung) notwendig401, muss ein Hinweis erfolgen, der klar und verständlich ist. – Modernisierung (§ 535 BGB) s. Bauliche Veränderungen, Duldungspflicht und s. Modernisierung – Müllentsorgung (§ 535 BGB). Richtet sich in der Regel nach öffentlich-rechtlichen Bestimmungen (z.B. Abfallsatzung); Abweichungen davon müssen klar und deutlich geregelt werden; ein Änderungsvorbehalt muss nicht, kann aber vorgesehen werden, sofern sich die Müllentsorgung der Ge-

387 388 389 390 391 392 393 394 395 396 397 398 399 400 401

Vgl. Reismann, WuM 2007, 361 m.w.N. BGH v. 26.5.2004 – XIII ZR 135/03, WuM 2004, 399 = NZM 2004, 545 = MietRB 2004, 255. A.A. Kossmann, Rz. 354, 355. LG Berlin v. 7.4.1987 – 64 S 410/86, ZMR 1997, 468. BGH v. 14.7.2009 – VIII ZR 165/08, MDR 2009, 1215 = MietRB 2009, 282 = WuM 2009, 517 = GE 2009, 1117 = NZM 2009, 658. Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. I. Inhalt der Erläuterungen zu § 13 Nr. 3. Lammel, § 535 BGB Rz. 213; diese Ansicht ist allerdings im Hinblick auf den RE des OLG Celle (v. 19.7.1984 – 2 UH 1/84, WuM 1985, 9 = ZMR 1985, 10) zweifelhaft. BGH v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03, MietRB 2005, 1 = MDR 2004, 1346 = WuM 2004, 527 = ZMR 2004, 807. BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 22/92, NJW-RR 1993, 522 (unter II 2b); AG Eschweiler v. 5.4.2013 – 26 C 268/ 12, WuM 2013, 533 = NZM 2013, 647. BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356. AG Eschweiler v. 5.4.2013 – 26 C 268/12, WuM 2013, 533 = NZM 2013, 647. Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. I. Inhalt der Erläuterungen zu § 12 Nr. 2. LG Hamburg v. 6.8.1991 – 316 S 110/91, WuM 1992, 188. AG Nürtingen v. 9.6.2010 – 42 C 1905/09, MietRB 2011, 40 = zitiert nach juris. LG Kleve v. 9.1.2003 – 6 S 329/01, WuM 2003, 142.

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§ 535 Rz. 162 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

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meinde ändert (Trennung)402; im Übrigen kann Beseitigung auf Gemeinschaftsflächen und Nutzung der vorgesehenen Behälter geregelt werden403. Müllschlucker (§ 535 BGB). Die Benutzung kann zeitlich eingeschränkt werden zur Vermeidung von Lärmbeeinträchtigungen404, wobei der Betrieb mittlerweile wegen Brandschutzrisiken in der Regel durch LBauO untersagt ist. Musizieren (§ 535 BGB). Ein völliger Ausschluss ist unzulässig405, zeitliche Beschränkung im Rahmen der üblichen Ruhezeiten (13–15 Uhr, 20–6 Uhr) ist allerdings zulässig406, sofern sie nicht erst in der Hausordnung erfolgt407. Parabolantenne s. Antenne Pflanzen (§ 535 BGB). Das Aufstellen in der Wohnung kann grundsätzlich nicht untersagt werden; allenfalls kann für schwere Pflanzen wegen der Deckenlast eine Anzeigepflicht bestehen; Rankpflanzen, die an den Hauswänden angebracht werden, können jedoch verboten werden408, nicht nur, wenn sie das Mauerwerk beschädigen können. Anpflanzungen im Garten sind grundsätzlich zulässig, allerdings muss die vorherige Beseitigung von Pflanzen des Vermieters von diesem erlaubt werden. Plakate (§ 535 BGB). Das Anbringen kann zustimmungspflichtig geregelt werden; dabei muss allerdings deutlich werden, dass die Zustimmung nicht versagt werden kann, wenn die Meinungsäußerung auf dem Plakat durch Art. 5 GG geschützt ist409. Rauchen (§ 535 BGB) gehört grundsätzlich zum vertragsgemäßen Gebrauch410; der Vermieter kann – auch AGB-mäßig – in der Wohnung das Rauchen aus sachlichen Gründen (z.B. Nichtraucherhaus, Verwendung von gesunden Baustoffen) verbieten411. Dem Überraschungseffekt nach § 305c BGB kann er dadurch entgegenwirken, dass er eine deutliche Regelung schafft und den Mietvertrag als solchen über eine Nichtraucherwohnung betitelt. Insoweit ergeben sich keine höheren Rechte des Mieters, denen nach § 307 Abs. 1 BGB Vorrang eingeräumt werden müsste. Denn der Vermieter kann über das Ob der Nutzung seines Gebäudes bestimmen und zum Schutz anderer Mieter Verhaltensregeln aufstellen. Der Eingriff in die Privatsphäre wird im Mehrfamilienhaus durch das Gebot der Rücksichtnahme überlagert. Eine AGB-Klausel muss jedoch die Möglichkeit vorsehen, dass Ausnahmen eingeräumt werden. Rollator (§ 535 BGB). Abstellmöglichkeit in Gemeinschaftsräumen (Hausflur, Treppenhäusern) kann nicht generell beschränkt werden412. Rollstuhl (§ 535 BGB). Der Mieter einer Wohnung im Obergeschoss des Hauses darf den Rollstuhl, dessen ständiger Transport zu und aus der Wohnung ihm nicht möglich ist, auch dann im Trep-

402 Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. I. Inhalt der Erläuterungen zu § 10 Nr. 4. 403 Kossmann, Rz. 234. 404 OLG München v. 21.1.1992 – 13 U 2289/91, MDR 1992, 670 = ZMR 1992, 246; LG Dresden v. 10.6.1997 – 15 S 0143/97, 15 S 143/97, NJW-MietR 1997, 197; LG Berlin v. 7.2.1992 – 64 S 335/91, WuM 1992, 599. 405 OLG Hamm v. 10.11.1980 – 15 W 122/80, MDR 1981, 320 = NJW 1981, 465. 406 BGH v. 26.10.2018 – V ZR 143/17, MDR 2019, 23 = MietRB 2019, 2 = NZM 2019, 86; OLG Hamm v. 7.11.1985 – 15 W 181/85, MDR 1986, 501 = NJW-RR 1986, 500; OLG Frankfurt v. 29.8.1984 – 20 W 190/84, NJW 1985, 2138; AG Frankfurt am Main v. 22.5.1996 – 33 C 1437/96, WuM 1997, 430. 407 LG Frankfurt am Main v. 4.10.2017 – 2-13 S 131/16, GE 2017, 1559 (zu § 21 Abs. 8 WEG). 408 AG Bonn v. 15.7.1993 – 5 C 529/92, WuM 1993, 735; a.A. AG Köln v. 25.6.1993 – 221 C 362/92, WuM 1993, 604. 409 LG Chemnitz v. 21.10.2011 – 6 S 27/11, zitiert nach juris. 410 BGH v. 28.6.2006 – VIII ZR 124/05, MDR 2007, 205 = WuM 2006, 513 = NZM 2006, 691 = ZMR 2006, 843; LG Karlsruhe v. 14.1.2000 – 9 S 119/99, WuM 2002, 50; LG Hamburg v. 26.4.2001 – 333 S 156/00, WuM 2001, 469; LG Köln v. 28.6.2001 – 30 S 9/01, WuM 2001, 467; LG Köln v. 19.8.1998 – 9 S 188/98, WuM 1998, 596; LG Saarbrücken v. 25.7.1997 – 13 B S 87/97, WuM 1998, 690; a.A. LG Baden-Baden v. 15.6.2001 – 2 S 138/ 00, WuM 2001, 603; LG Paderborn v. 23.3.2000 – 1 S 2/00, MDR 2000, 878 = NZM 2000, 710. 411 Reichhardt/Dittmann, ZMR 2011, 925; a.A. Riecke, ZMR 2017, 361; Derleder, NJW 2007, 812 (814); Paschke, NZM 2008, 265; Horst, MietRB 2008, 188 m.w.N.; vgl. auch BGH v. 16.1.2015 – V ZR 110/14, MietRB 2015, 197 = MDR 2015, 638 = ZMR 2015, 679 = NZM 2015, 448 Rz. 19, wonach der Vermieter das Rauchen beschränkende Regelungen grundsätzlich jedenfalls in einer Hausordnung treffen kann. 412 LG Hannover v. 17.10.2005 – 20 S 39/05, WuM 2006, 189.

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penhaus abstellen, wenn sich dadurch der Zugang zur Kellertreppe auf weniger als einen Meter Breite verengt413. Ruhezeiten können im üblichen Umfang (13–15 Uhr und 22–6 Uhr) formuliert werden414. Stromnutzung s. Haushaltsgeräte Untermiete. Insoweit kann von den Vorgaben der §§ 553, 540 BGB nicht zu Lasten des Mieters abgewichen werden; selbst eine Pauschalierung des Untermietzuschlages verstößt gegen § 307 BGB, weil die Berechtigung von einer Abwägung abhängt. Tierhaltung (§ 535 BGB) kann generell oder mit Erlaubnisvorbehalt untersagt werden; es muss jedoch klargestellt werden, dass sich das Verbot nicht auf Kleintiere (Hamster, Kanarienvögel, Zierfische etc.), also Tiere, die insbesondere in Aquarien, Terrarien, Käfigen etc. gehalten werden, auswirkt415; intransparent i.S.v. § 307 BGB ist eine Klausel, nach der bestimmte Tierarten überhaupt nicht oder nur mit Zustimmung des Vermieters gehalten werden dürfen416; die Zustimmung kann nicht in das freie Ermessen des Vermieters gestellt werden417. Bienenhaltung auf dem Balkon ist trotz unwirksamer Tierhaltungsklausel unzulässig418. Wäsche waschen (§ 535 BGB) kann in der Wohnung nicht untersagt werden419, selbst wenn Aufstellung im Keller möglich420; umso mehr sollte „Lüften“ geregelt werden.

Gesundheitsgefahr. Weder kann die Haftung des Vermieters für derartige Zustände ausgeschlossen 163 werden (s. Freizeichnung), noch ist es formularmäßig zulässig, den Zustand der Mietsache als vertragsgemäß zu bestätigen (s. Anerkennung des vertragsgemäßen Zustandes). 164 Gewährleistung – Anzeigepflicht (§ 536c BGB). Die Anzeigepflicht kann vertraglich dadurch erweitert werden, dass der Vermieter auf bestimmte Einrichtungen und deren Zweck hinweist und den Mieter verpflichtet, sie zu beobachten421; dies ist im Rahmen des Transparenzgebotes (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) auch formularmäßig zulässig, solange daraus keine allgemeine Prüfungspflicht des Mieters erwächst und die Erweiterung deutlich geregelt wird422; die Erfüllung der Anzeigepflicht kann formularmäßig nicht an die Schrift- oder Textform gebunden werden, § 307 Abs. 1 BGB, denn damit würde die Anzeigepflicht für den Mieter erschwert; allein die Angabe von Bürozeiten im Mietvertrag stellt keine unzulässige Erschwernis dar. – Arglist (§ 536d BGB) ist nicht abdingbar423. – Aufwendungsersatz (§ 536a Abs. 2 BGB) kann wegen § 307 BGB nicht wirksam abbedungen werden424. – Ersatzvornahme (§ 536a Abs. 2 BGB), das Selbsthilferecht (§ 536a Abs. 2 BGB) kann wegen § 307 BGB nicht wirksam abbedungen werden425.

413 AG Wennigsen v. 9.5.1996 – 3 C 125/96, WuM 1996, 468. 414 Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. V. Inhalt der Erläuterungen Nr. 2 m.w.N. 415 BGH v. 20.3.2013 – VIII ZR 168/12, MDR 2013, 580 = MietRB 2013, 166 = ZMR 2013, 618; BGH v. 14.11.2007 – VIII ZR 340/06, MDR 2008, 134 = MietRB 2008, 131 = WuM 2008, 23 = GE 2008, 48; OLG Frankfurt – v. 19.12.1991 – 6 U 108/90, WuM 1992, 56 (60). 416 AG Köln v. 13.5.2016 – 210 C 26/15, WuM 2017, 12. 417 BGH v. 22.1.2013 – VIII ZR 329/11, MietRB 2013, 231 = WuM 2013, 152 = GE 2013, 346 = ZMR 2013, 425. 418 AG Hamburg-Harburg v. 7.3.2014 – 641 C 377/13, ZMR 2014, 802. 419 LG Frankfurt am Main v. 27.2.1990 – 2/13 O 474/89, WuM 1990, 271 (278). 420 LG Aachen v. 10.3.2004 – 7 S 46/03, NZM 2004, 459. 421 BGH v. 17.3.1976 – VIII ZR 274/74, MDR 1976, 753. 422 MünchKomm/Häublein, § 536c BGB Rz. 15; Staudinger/Emmerich, § 536c BGB Rz. 24; a.A. für generelle Unvereinbarkeit Lammel, § 536c BGB Rz. 23. 423 Harz in Schmid, Miete und Mietprozess, 2–96. 424 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235. 425 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235.

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§ 535 Rz. 164 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags – Mangel. Soll-Beschaffenheit kann auch formularmäßig bestimmt werden; dann muss die Klausel aber dem Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) gerecht werden426; eine zu Lasten des Mieters vom Standard abweichende Vereinbarung ist ebenfalls grundsätzlich zulässig427. – Minderung (§ 536 BGB). Zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung nicht zulässig, § 536 Abs. 4 BGB; indessen können Risiken der Mietkürzung geregelt werden (vgl. § 536 BGB Rz. 35). – Rechtsmängel (§ 536 Abs. 3 BGB). Ausschluss darf sich zumindest nicht auf anfängliche Mängel beziehen428. – Schadensersatz/Anzeigepflicht. Insbesondere eine Verschärfung der Rechtsfolgen nach § 536c Abs. 2 BGB z.B. durch eine verschuldensunabhängige Haftung, eine Schadenspauschalierung oder eine Umkehr der Beweislast sind formularmäßig unzulässig429. – Schadensersatz/Garantiehaftung (§ 536a Abs. 1 S. 1, 1. Variante BGB). Ohne weiteres abdingbar430, was auch durch die Formulierung erreicht werden kann, dass der Vermieter nur für schuldhaft herbeigeführte Mängel auf Schadensersatz haftet. – Schadensersatz/verschuldeter Mangel (§ 536a Abs. 1 S. 1, 2. Variante BGB). Freizeichnung muss die Ausnahmen in § 309 Nr. 7 lit. a BGB beachten und darf nicht zur Aushöhlung der Erhaltungspflicht des Vermieters (Kardinalpflicht) führen431; deshalb gilt § 309 Nr. 7 lit. b BGB grundsätzlich nicht (vgl. § 536a BGB Rz. 19). – Schadensersatz/Verzugshaftung (§ 536a Abs. 1 S. 1, 3. Variante BGB). Grundsätzlich gelten die gleichen Anforderungen wie vorstehend bei s. Schadensersatz/verschuldeter Mangel; die Herbeiführung des Verzuges kann nicht erschwert werden, z.B. durch eine Mindestfrist oder die Anordnung der Schriftform für die Mahnung. – Verwirkung (§ 536b BGB) ist nicht zwingend432, allerdings verstößt eine Beweislastumkehr gegen § 309 Nr. 12 BGB. – Vorschussanspruch433 (§ 536a Abs. 2 BGB) – wie vor. 165 Gleitklausel (§ 4 Abs. 8 NMV). Solange die Klausel auf die gesetzliche Regelung Bezug nimmt oder

klargestellt ist, dass die gesetzlichen Regelungen zur Erhöhung der Kostenmiete gelten, bestehen keine Bedenken434. 166 Haftung des (Mieter-)Erben sowie der Eintrittsberechtigten nach § 563 BGB (§ 563b BGB). Grund-

sätzlich ist § 563b BGB abdingbar, und zwar auch formularmäßig435. Abweichende Vereinbarungen kann der Mieter zu Lebzeiten durch Vereinbarungen mit dem Vermieter, den Eintrittsberechtigten und/oder den Erben schaffen. Verträge zu Lasten Dritter scheiden insoweit aus, da die genannten Personen in die Rechtsstellung des Mieters eintreten und daher nicht Dritte sein können.

426 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356. 427 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356 = ZMR 2010, 517. 428 Staudinger/Emmerich, § 536 BGB Rz. 40, 74. 429 MünchKomm/Häublein, § 536c BGB Rz. 15. 430 BGH v. 4.10.1990 – XII ZR 46/90, WuM 1992, 316 = NJW-RR 1991, 74. 431 BGH v. 24.10.2001 – VIII ARZ 1/01, WuM 2002, 141 = NZM 2002, 116 = MDR 2002, 330 mit Anm. Lützenkirchen, MDR 2002, 331. 432 Staudinger/Emmerich, § 536b BGB Rz. 5. 433 Vgl. BGH v. 14.5.1971 – V ZR 25/69, NJW 1971, 1450. 434 BGH v. 21.1.2004 – VIII ZR 115/03, MDR 2004, 804 = WuM 2004, 282 = NZM 2004, 378 = MietRB 2004, 199; BGH v. 3.3.2004 – VIII ZR 149/03, MDR 2004, 739 = MietRB 2004, 197 = WuM 2004, 288; BGH v. 3.3.2004 – VIII ZR 153/03, NZM 2004, 379 = MietRB 2004, 197; BGH v. 3.3.2004 – VIII ZR 149/03, MDR 2004, 739 = MietRB 2004, 197 = WuM 2004, 285. 435 MünchKomm/Häublein, § 563b BGB Rz. 20.

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B. Wohnraummiete | Rz. 177 § 535

Haftung für Dritte 167 – Mieter (§§ 535, 280 BGB): – für Untermieter (§ 540 Abs. 2 BGB). Abdingbar (aber nicht sinnvoll); kann jedoch nicht verschuldensunabhängig geregelt werden436. – für sonstige Personen (§ 278 BGB). Haftung besteht ohnehin nur, wenn sich die Dritten mit Wissen und Wollen des Mieters in seinem Pflichtenkreis aufhalten (z.B. Mitbewohner, Besucher), so dass keine verschuldensunabhängige Haftung geregelt werden kann437. – Vermieter (§§ 278 BGB, 281 Abs. 1 BGB). Freizeichnung darf Kardinalpflicht aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB nicht aushöhlen und muss die Ausnahmen nach § 309 Nr. 7 BGB beachten438. Haftungsbeschränkung s. Haftung für Dritte und Gewährleistung/Schadensersatz; Pauschalierung 168 muss sich an § 309 Nr. 5 BGB orientieren; Beschränkung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz ist unzulässig, soweit damit auch die Verletzung der Kardinalpflicht nach § 535 Abs. 1 BGB abgemildert würde439; im Übrigen gilt § 309 Nr. 7 BGB. Hausordnung (§ 535 BGB). Einbeziehung orientiert sich an § 309 Nr. 12 BGB440; inhaltlich dürfen 169 keine Pflichten mit Entgeltcharakter begründet werden, weil der Mieter derartige Vereinbarungen in einer Hausordnung nicht erwartet, § 305c Abs. 2 BGB441. Hausreinigung s. Reinigungspflicht

170

Heilungswirkung (§ 569 Abs. 3 Ziff. 2 BGB) s. Befriedigungsrecht

171

Heizung (§ 535 BGB). Die Nutzung kann nicht eingeschränkt werden; der Betrieb der Heizung kann 172 jedoch grundsätzlich zeitlich (Heizperiode, Absenkung zur Nachtzeit) beschränkt werden, wenn für unzumutbare Fälle (z.B. Absinken der Außentemperatur unter das jahreszeitlich übliche Maß) eine Ausnahme vorgesehen ist; eine Mindesttemperatur für den Mieter soll nicht festgelegt werden können442, es sei denn, sie orientiert sich an den besonderen baulichen Gegebenheiten443. Instandhaltung und Instandsetzung (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB). Grundsätzlich nur als s. Kleinreparatur, 173 s. Schönheitsreparaturen und s. Wartung auf den Mieter übertragbar. Kanalverstopfung (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB). Bei nicht zu ermittelndem Verursacher kann anteilige Haf- 174 tung des Mieters nicht geregelt werden, § 307 BGB444. Kaution (§ 551 BGB) s. Sicherheitsleistung/Kaution

175

Kettenverträge (§ 575 BGB). Mit wiederkehrender Befristung unzulässig, § 575 Abs. 4 BGB; als sich 176 wiederholender wechselseitiger Kündigungsverzicht mit einer Höchstdauer von vier Jahren regelbar (s. Kündigung/Beschränkung). Kleinreparaturen (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB) auf den Mieter übertragbar, Schranken ergeben sich aus 177 zwingendem Recht, z.B. § 536 BGB445, deshalb sind „Vornahmeklauseln“ auch nicht zulässig446; Einzelbetrag (zurzeit 150 Euro, vgl. § 535 BGB Rz. 528) und Höchstgrenze (6 % bis 8 % der Jahresmiete) muss

436 BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = WuM 1991, 381 = ZMR 1991, 290 (383); OLG Celle v. 29.12.1981 – 2 U 200/88, WuM 1990, 103 (105). 437 BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = WuM 1991, 381 = ZMR 1991, 290; OLG Frankfurt v. 19.12.1991 – 6 U 108/90, WuM 1992, 56 (63). 438 BGH v. 24.10.2001 – VIII ARZ 1/01, NZM 2002, 116 = WuM 2002, 141 = MDR 2002, 330 mit Anm. Lützenkirchen, MDR 2002, 331. 439 BGH v. 24.10.2001 – VIII ARZ 1/01, MDR 2002, 330 = ZMR 2002, 184 = WuM 2002, 141 = NZM 2002, 116. 440 BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = WuM 1991, 381 = ZMR 1991, 290. 441 Bub/Treier/Bub, II Rz. 1419 m.w.N. 442 BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = WuM 1991, 381 = ZMR 1991, 290 (384). 443 Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. I. Inhalt der Erläuterungen zu § 11 Nr. 6. 444 Bub/Treier/Bub, II Rz. 1646 m.w.N. 445 Staudinger/Emmerich, § 535 BGB Rz. 130. 446 BGH v. 6.5.1992 – VIII ZR 129/91, MDR 1992, 669 = NJW 1992, 1759; Staudinger/Emmerich, § 535 BGB Rz. 133.

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§ 535 Rz. 177 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags geregelt werden447; soll der Mieter auch an den Kosten zerbrochener Fensterscheiben beteiligt werden können, führt dies zur Unwirksamkeit448, da sich die Pflicht nur auf Gegenstände beziehen darf, die dem häufigen Zugriff des Mieters unterliegen (vgl. § 535 BGB Rz. 528 ff.). Zur gleichen Rechtsfolge führt eine Anpassungsklausel, die eine automatische, also ohne vorherige Benachrichtigung des Mieters eintretende Änderung nach den preislichen Veränderungen und der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorsieht449. 178 Kontrollrechte (§§ 535, 556 Abs. 3, 259 BGB, § 29 NMV) s. Betriebskosten 179 Kündigung

– Allgemein – Beschränkung. Durch Befristung (§ 575 BGB) und wechselseitigen Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts regelbar, sofern die dadurch bewirkte Mindestlaufzeit vier Jahre nicht überschreitet450 (s. Kündigungsverzicht). – Fristen (§ 573c BGB). Zum Nachteil des Mieters nicht abzuändern, § 573c Abs. 4 BGB; Verlängerung für Vermieter ist aber zulässig; (weitere) Verkürzung nur zugunsten des Mieters. – Schriftform (§ 568 Abs. 1 BGB) ist zwingend451. – Verwirkung (§ 242 BGB). Zugunsten des Vermieters kann nicht bestimmt werden, dass er sein Kündigungsrecht nicht verliert, wenn er es nicht innerhalb angemessener Frist ausübt452. 180

– des Mieters – außerordentliche (§§ 554 Abs. 3, 540 Abs. 1 S. 2, 550, 544, 564, 561, 557a Abs. 3, 242 BGB) können zu Lasten des Mieters nicht ausgeschlossen werden. S. auch Tod des Mieters/Kündigungsrecht – fristlose (§§ 543, 569 BGB) ist nicht abdingbar. – Begründungszwang (§ 569 Abs. 4 BGB) zugunsten des Mieters abdingbar453. – ordentliche (§ 573 BGB). Ausschluss ist durch Befristung (§ 575 BGB) und wechselseitigen Verzicht (s. Kündigungsverzicht) möglich; einseitiger Verzicht nur auf Wunsch des Mieters zulässig.

181

– des Vermieters – außerordentliche (z.B. §§ 563 Abs. 4, 564 BGB). Alle außerordentlichen Kündigungsrechte sind zu Lasten des Vermieters abdingbar. – ordentliche (§ 573 BGB). Kann durch Befristung (§ 575 BGB) ausgeschlossen werden; ansonsten (auch partiell) abdingbar; zu Lasten des Mieters nicht erweiterbar454. – Teilkündigung (§ 573b BGB). Abweichende Vereinbarungen zu Lasten des Mieters sind unwirksam, § 573b Abs. 5 BGB; Regelung einer Begründungspflicht oder eines (partiellen) Ausschlusses ist aber möglich455. – Zweifamilienhaus (§ 573a BGB). Abweichende Vereinbarungen zu Lasten des Mieters sind unwirksam, § 573a Abs. 4 BGB; neben einer Begründungspflicht kann auch ein (partieller) Ausschluss formuliert werden.

447 448 449 450 451 452 453 454 455

BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = WuM 1991, 381 = ZMR 1991, 290 = ZMR 1991, 290. Hanseatisches OLG Hamburg v. 10.4.1991 – 5 U 135/90, WuM 1991, 385 (387). AG Köpenick v. 22.1.2019 – 7 C 157/18, GE 2019, 1039. BGH v. 6.4.2005 – VIII ZR 129/91, MDR 1992, 669 = MDR 2005, 801 = MietRB 2005, 197 = WuM 2005, 346; BGH v. 30.6.2004 – VIII ZR 129/91, MDR 1992, 669 = MDR 2004, 1408 = WuM 2004, 542. Palandt/Weidenkaff, § 568 BGB Rz. 3 (allg. M.). OLG München v. 28.2.2001 – 3 U 5169/00, MDR 2001, 745. Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. I. Inhalt der Erläuterungen zu § 17 Nr. 2; vgl. auch Sternel, ZMR 2002, 1 (4). Lammel, § 573 BGB Rz. 155; Blank/Börstinghaus, Neues Mietrecht, § 573 BGB Rz. 14. Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Rz. 767.

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B. Wohnraummiete | Rz. 189 § 535

Kündigungsverzicht 182 – Dauer (§ 557a Abs. 3 BGB). Max. vier Jahre seit Abschluss der Vereinbarung456. – einseitiger zu Lasten des Mieters nur wirksam, wenn Mieter einen Vorteil erhält457, wie z.B. eine Staffelmiete458. – wechselseitiger (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) ist zulässig459, aber Transparenzgebot muss eingehalten sein. Dazu ist die Beschränkung auf das Recht zur ordentlichen Kündigung erforderlich, weil von „Kündigung“ auch die nicht abdingbare fristlose Kündigung erfasst wird460. Lastentragung (§§ 535 Abs. 1 S. 3, 556 Abs. 1 BGB) kann auf Mieter im Rahmen der §§ 556 BGB, 20 183 NMV überbürdet werden461 s. Betriebskosten Laufzeit (§ 575 BGB) kann durch echte Befristung (§ 575 BGB) oder als Mindestlaufzeit durch wech- 184 selseitigen s. Kündigungsverzicht festgelegt werden, beachte jedoch § 544 BGB; keine Regelung bedeutet, dass der Mietvertrag auf unbestimmte Zeit läuft, § 542 BGB. Leitungsverstopfung s. Rohrverstopfung

185

Mahnkosten. Die Formularklausel, wonach der Vermieter nach Eintritt des Zahlungsverzugs des Mie- 186 ters berechtigt ist, für jedes Mahnschreiben einen Kostenaufwand von 6 Euro zu berechnen, ist gemäß § 309 Nr. 5b BGB unwirksam, weil die Klausel dem Mieter nicht ausdrücklich den Nachweis gestattet, ein Schaden sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als der pauschalierte Schadensersatzanspruch des Verwenders462. Das Gleiche gilt, wenn nur eine Untergrenze für die Schadenspauschale festgelegt ist463. Mangel (§ 536 BGB) s. Gewährleistung

187

Mängelanzeige (§ 536c Abs. 1 BGB) s. Gewährleistung/Anzeigepflicht

188

189 Miete (§ 535 BGB) – Fälligkeit (§ 556b Abs. 1 BGB) s. Fälligkeit – persönliche Verhinderung (§ 537 BGB). Ist nicht zwingend464; wegen §§ 307 Abs. 2, 308 Nr. 7 BGB kann § 537 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 BGB formularmäßig nicht abgeändert werden465. – Zahlungsweise – Abbuchungsverfahren (§ 535 Abs. 2 BGB). Unzulässig, da Mieter kein Widerspruchsrecht hat466.

456 BGH v. 6.4.2005 – VIII ZR 27/04, MDR 2005, 801 = MietRB 2005, 197 = WuM 2005, 346; BGH v. 3.5.2006 – VIII ZR 243/05, WuM 2006, 385; BGH v. 25.1.2006 – VIII ZR 3/05, MDR 2006, 920 = MietRB 2006, 153 = WuM 2006, 15 = NZM 2006, 254 = ZMR 2006, 270. 457 BGH v. 12.11.2008 – VIII ZR 270/07, MDR 2009, 135 = MietRB 2009, 126 = NZM 2009, 80 = ZMR 2009, 189. 458 BGH v. 23.11.2005 – VIII ZR 154/04, MDR 2006, 924 = MietRB 2006, 153 = WuM 2006, 97 = NZM 2006, 256 = ZMR 2006, 262. 459 BGH v. 30.6.2004 – VIII ZR 379/03, MDR 2004, 1408 = WuM 2004, 542 = NZM 2004, 733; BGH v. 6.10.2004 – VIII ZR 2/04, WuM 2004, 672; BGH v. 14.7.2004 – VIII ZR 294/03, WuM 2004, 543 = NZM 2004, 734. 460 A.A. für eine Klausel, in der durch den zweiten Satz klar gestellt wurde, dass nur die ordentliche Kündigung gemeint sein konnte: BGH v. 23.11.2011 – VIII ZR 120/11, MDR 2012, 208 = MietRB 2012, 34 = GE 2012, 125. 461 Staudinger/Emmerich, § 535 BGB Rz. 63. 462 BGH v. 23.11.2005 – VIII ZR 154/04, MietRB 2006, 153 = MDR 2006, 924 = WuM 2006, 97 = ZMR 2006, 262 a.E. 463 OLG Celle v. 29.12.1990 – 2 U 200/88, WuM 1990, 103 (109). 464 Kinne in Kinne/Schach/Bieber, § 537 BGB Rz. 32. 465 Staudinger/Emmerich, § 537 BGB Rz. 38. 466 LG Köln v. 7.3.1990 – 10 S 532/89, WuM 1990, 380; AG Freiburg v. 11.12.1986 – 3 C 3195/86, WuM 1987, 50.

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§ 535 Rz. 189 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags – Lastschrifteinzug (§ 535 Abs. 2 BGB). Zulässig467, allerdings nicht in Kombination mit einer Klausel, wonach der Vermieter Zahlungen beliebig verrechnen darf468; Hinweis auf Widerrufsrecht ist nicht erforderlich469; sollen Einmalzahlungen (z.B. Nachforderungen von Betriebskosten) eingezogen werden dürfen, muss sichergestellt sein, dass für den Mieter eine angemessene Prüfungszeit zwischen dem Zugang der Zahlungsaufforderung und der Belastung liegt470 (z.B. vier Wochen). 190 Mieterhöhung/-änderung

– bei Aufnahme Dritter in die Wohnung (§ 553 Abs. 2 BGB). Der Untermietzuschlag ist abdingbar; eine Pauschalierung soll nicht zulässig sein, da die Zumutbarkeitsprüfung des § 553 Abs. 2 BGB nicht vorweggenommen werden kann471; letztlich ist das aber eine Frage der Formulierung. – Betriebskostenpauschale (§ 560 Abs. 1–3 BGB). Zugunsten des Mieters sind die Bestimmungen zwingend, § 560 Abs. 6 BGB; ein Erhöhungsvorbehalt ist wegen § 560 Abs. 1 BGB erforderlich; die Rückwirkung kann ausgeschlossen werden. – Betriebskostenvorauszahlung (§ 560 Abs. 4 BGB). Zum Nachteil des Mieters nicht disponibel, § 560 Abs. 6 BGB; zu Lasten des Vermieters können strengere Anforderungen an Form, Frist und Inhalt der Erklärung sowie deren Wirkung gestellt und dem Mieter ein rückwirkendes Senkungsrecht eingeräumt werden472. – Indexmiete (§ 557b BGB). Ohne Mindestbindung des Vermieters regelbar; Abweichungen zum Nachteil des Mieters bewirken aber die Unwirksamkeit, § 557b Abs. 4 BGB473. – Kombination von Staffel- und Indexmiete (§§ 557a, 557b BGB). Zulässig in den durch die §§ 557a Abs. 4, 557b Abs. 4 BGB gezogenen Grenzen474. – Kostenmiete (§ 10 WoBindG, §§ 3, 4 Abs. 8 NMV) s. Gleitklausel – wegen Modernisierung (§§ 559 ff. BGB). Inhalt und Verfahren sind zu Lasten des Mieters nicht veränderbar, §§ 559 Abs. 3, 559a Abs. 5, 559b Abs. 3 BGB. – wegen Veränderung der ortsüblichen Vergleichsmiete (§§ 558 ff. BGB). Bestimmungen sind zugunsten des Mieters zwingend, § 558 Abs. 6 BGB; das Verfahren und die Anforderungen können nicht zum Nachteil des Mieters geändert werden, §§ 558a Abs. 5, 558b Abs. 4 BGB; Ausschluss ist jedoch möglich, § 557 Abs. 3 BGB. – Staffelmiete (§ 557a BGB). Ohne zeitliche Obergrenze im Rahmen der Vorgaben des § 557a BGB vereinbar; Verstoß gegen § 557a BGB bewirkt Unwirksamkeit gemäß §§ 134, 139 BGB475; auch im preisgebundenen Wohnraum möglich, wobei die jeweilige Kostenmiete die Obergrenze bildet476. 191 Modernisierung (§§ 555b ff. BGB)

– Aufwendungsersatz (§ 555d Abs. 5 BGB). Zum Nachteil des Mieters nicht abdingbar, § 555d Abs. 6 BGB. – Duldungspflicht (§ 555d BGB). Zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarungen sind unwirksam, § 555 Abs. 7 BGB. – s. auch Duldungspflicht und s. Mieterhöhung/-änderung 192 Nachmieter (§ 535 BGB). Unechte und echte Nachfolgeklauseln sind auch formularmäßig zulässig477.

467 468 469 470 471 472 473 474 475 476 477

LG München I v. 21.2.1979 – 14 S 13111/78, WuM 1979, 143. LG Köln v. 16.5.2002 – 1 S 205/01, NZM 2002, 780. A.A. LG Frankfurt v. 22.7.2003 – 12 O 58/03, ZMR 2003, 741. BGH v. 23.1.2003 – III ZR 54/02, MDR 2003, 450 = NZM 2003, 367. AG Hamburg v. 18.11.1997 – 317b C 334/97, WuM 1999, 600. Schmid, MDR 2001, 1021; Lammel, § 560 BGB Rz. 43. Lützenkirchen/Löfflad, Neue Mietrechtspraxis, Rz. 203. Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. I. Inhalt der Erläuterungen zu § 5 Nr. 6. Palandt/Weidenkaff, § 557a BGB Rz. 10. OLG Hamm v. 29.1.1993 – 30 REMiet 2/92, ZMR 1993, 162. OLG Frankfurt v. 24.6.1991 – 11 U 3/91, WuM 1991, 475; Staudinger/Emmerich, § 537 BGB Rz. 17 ff.

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B. Wohnraummiete | Rz. 204 § 535

Nutzungsentschädigung 193 – bis zur Räumung (§ 546a Abs. 1 BGB). Ist abdingbar478, zum Nachteil des Mieters kann aber keine Nutzungsentschädigung oder ein Schaden pauschaliert oder von der Verzögerung der Räumung unabhängiger Schadensersatzanspruch geregelt werden, § 571 Abs. 3 BGB479. – nach der Räumung (§§ 280, 281, 286 BGB). In den Grenzen der §§ 571 Abs. 3, 307, 309 Nr. 12 BGB regelbar – Schadensersatz (§§ 546a Abs. 2, 571 BGB). Nicht abdingbar zum Nachteil des Mieters, § 571 Abs. 3 BGB480. Parabolantenne s. Gebrauchsrechte/Antenne

194

Parkett (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB) s. Fußbodenpflege

195

Pfändungspfandrecht (§ 562 BGB). Sofern Vermieterpfandrecht nicht ausgeschlossen ist, kann eine 196 Erweiterung des § 562 BGB eine Vereinbarung zu Lasten Dritter darstellen. Pflege der Mietsache (§ 535 BGB). Allgemeine Pflegehinweise können in der Hausordnung mitgeteilt 197 werden; sofern besondere Reinigungen (z.B. Treppenhausreinigung) oder besondere Pflegeanweisungen (z.B. Behandlung bestimmter Einrichtungen wie Parkett, Marmor etc.) erteilt werden sollen, müssen spezielle Regelungen geschaffen werden, die nicht überraschend (§ 305c Abs. 1 BGB) sein dürfen. S. Fußbodenpflege und s. Reinigungspflicht Prüfungsrecht des Vermieters (§ 535 Abs. 1 BGB) s. Besichtigungsrecht

198

PVC-Böden s. Fußbodenpflege

199

Räumung (§ 546 BGB). Die Parteien können entgegen § 266 BGB Teilleistungen und insbesondere 200 die zeitlichen Kriterien der Räumung vereinbaren481 s. Rückgabe – Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts (§ 570 BGB). Nicht zwingend482, Regelung aber nicht sinnvoll. Reinigungspflicht (§ 535 BGB). Ist auf den Mieter auch hinsichtlich allgemein genutzter Teile über- 201 tragbar483, wobei eine die Verzugsfolgen unmittelbar herbeiführende Regelung durch kalendermäßige Bestimmung der Fälligkeit geschaffen werden kann484; die Klausel darf nicht erst in der Hausordnung stehen, weil der Mieter hier nicht mit der Begründung wirtschaftlich bedeutsamer Regelungen rechnen muss; das gilt auch und gerade, wenn die Reinigungspflicht die Räum- und Streupflicht erfassen soll; in der s. Hausordnung kann allenfalls der Turnus bestimmt werden; eine allgemeine Pflicht zur Schneeräumung besteht nicht485. Renovierung (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB) s. Schönheitsreparaturen

202

Rückbau. Auch wenn der Rückbau im Rahmen der Räumungspflicht generell geschuldet wird, kann 203 eine Formularklausel gegen das Übermaßverbot verstoßen, wenn sie auch Fälle erfasst, in denen der Rückbau nicht geschuldet ist (z.B. wegen einer ausdrücklichen Einwilligung des Vermieters)486. Im Übrigen muss die Formulierung auch § 552 Abs. 2 BGB berücksichtigen und darf deshalb das Wegnahmerecht nicht ausschließen. Andererseits dürfen von der Rückbauklausel keine Veränderungen erfasst werden, die unter § 538 BGB fallen (z.B. s. Gebrauchsrechte/Dübel)487. Rückgabe (§ 546 BGB). Inhalt, Umfang und Zeitpunkt können gestaltet werden; wenn Rückbauver- 204 pflichtung angesprochen wird, kann sich daraus eine Hauptpflicht ergeben, so dass Schadensersatz

478 479 480 481 482 483 484 485 486 487

Palandt/Weidenkaff, § 546a BGB Rz. 1. Lammel, § 571 BGB Rz. 14. Bub, DWW 1977, 76 (79). Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. I. Inhalt der Erläuterungen zu § 19 Nr. 1. MünchKomm/Häublein, § 570 BGB Rz. 4 m.w.N. (allg. M.). Bub/Treier/Kraemer/Paschke, III Rz. 2635. Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. I. Inhalt der Erläuterungen zu § 11 Nr. 3. LG Berlin v. 8.3.2016 – 63 S 213/15, WuM 2016, 279. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. II 236 m.w.N. LG Nürnberg-Fürth v. 22.4.2005 – 7 S 12672/04, ZMR 2005, 622 (624).

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§ 535 Rz. 204 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags u.U. nur über § 281 BGB verlangt werden kann488; auf jeden Fall sollte festgelegt werden, dass die Rückgabe am letzten Tag der Mietzeit erfolgen muss, wobei auch die Modalitäten der Terminabsprache vorgegeben werden können489. S. auch Räumung 205 Rückgabe als Verjährungsbeginn (§ 548 Abs. 1 BGB). Im Zusammenhang mit der Verjährung kön-

nen zu Lasten des Mieters formularmäßig keine Regelungen getroffen werden, die die Verjährung hinausschieben490, § 202 BGB. 206 Rücktritt (§ 572 Abs. 1 BGB) kann nicht als Alternative zur Kündigung geregelt werden, wohl aber

für die Zeit vor Vertragsbeginn. 207 Ruhezeiten können im üblichen Umfang (13–15 Uhr und 22–6 Uhr) – auch in der s. Hausordnung –

formuliert werden491.

208 Salvatorische Klauseln stehen in der Regel am Ende des Mietvertrages und enthalten Bestimmungen,

die den Fall der Unwirksamkeit einer Klausel des Vertrages regeln sollen. Sie können auch in einer Regelung gesehen werden, die eine unwirksame Klausel unter den Vorbehalt einer Änderung der Rechtslage stellt492. Dabei wird zwischen sog. Erhaltungs- und Ersetzungsklauseln unterschieden. AGB-Klauseln, nach denen bei Unwirksamkeit einer Bestimmung die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen unberührt bleiben soll (sog. Erhaltungsklauseln), sind wirksam, weil sie nur der Vermutung des § 139 BGB entgegenwirken sollen493. Wirksam ist auch die Klausel: „Wenn und soweit eine der Bestimmungen dieses Vertrages gegen zwingende gesetzliche Normen verstößt, tritt an ihre Stelle die entsprechende gesetzliche Regelung“494. Formularmäßige Klauseln, nach denen sich die Parteien verpflichten, bei Unwirksamkeit einer Bestimmung eine vergleichbare andere Regelung zu treffen (sog. Ersetzungsklauseln), sind nicht wirksam, weil sie gegen § 306 BGB verstoßen495. Denn § 306 BGB bestimmt zwingend, dass an die Stelle der unwirksamen AGB-Regelung das Gesetz tritt. Nur wenn eine solche Regelung fehlt, kann z.B. über eine ergänzende Vertragsauslegung ein anderes Ergebnis ermittelt werden496. Individualvertraglich bestehen gegen die salvatorische Klausel – in welcher Erscheinungsform auch immer – keine Bedenken. Sie zwingt die Parteien in der Regel zu einer gemeinsamen Lückenfüllung. Dies führt aber nicht zu einem Anspruch auf Heilung von Schriftformmängeln i.S.v. § 550 BGB497. Die weit verbreitete, in der Regel standardmäßig verwendete salvatorische Klausel, nach der ein nichtiges Rechtsgeschäft auch ohne die nichtige Klausel wirksam sein soll, entbindet nicht von der nach § 139 BGB vorzunehmenden Prüfung, ob die Parteien das teilnichtige Geschäft als Ganzes verworfen hätten oder aber den Rest hätten gelten lassen. Bedeutsam ist sie lediglich für die von § 139 BGB abweichende Zuweisung der Darlegungs- und Beweislast; diese trifft denjenigen, der entgegen der Erhaltensklausel den Vertrag als Ganzen für unwirksam hält498. 209 Schadensersatz s. Gewährleistung/Schadensersatz, s. Haftung für Dritte, s. Haftungsbeschränkung, s.

Mängelanzeige/Schadensersatz, s. Nutzungsentschädigung, s. Schönheitsreparaturen 209a Schiedsgutachterklausel: Soll für den Fall von Streitigkeiten zwischen den Parteien z.B. über den Um-

fang der Renovierungspflicht des Mieters ein Schiedsgutachter entscheiden, hängt die Wirksamkeit der Klausel wesentlich davon ab, dass die Verbindlichkeit der Feststellungen nach den gesetzlichen

488 BGH v. 2.10.1996 – XII ZR 65/95, WuM 1997, 217; kritisch Eisenhardt, WuM 1998, 447; a.A. Fervers, WuM 2017, 429. 489 Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. I. Inhalt der Erläuterungen zu § 19 Nr. 1. 490 A.A. Kandelhard, NZM 2002, 929. 491 Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. V. Inhalt der Erläuterungen Nr. 2 m.w.N. 492 BGH v. 5.3.2013 – VIII ZR 137/12, MietRB 2013, 167 = WuM 2013, 293 = ZMR 2013, 612 = GE 2013, 612 = NZM 2013, 307. 493 BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 132/03, MDR 2005, 1040 = MietRB 2005, 198 (199) = GuT 2005, 143 (145). 494 BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = WuM 1991, 381 (385). 495 Insoweit offen gelassen BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 132/03, MDR 2005, 1040 = MietRB 2005, 198 (199) = GuT 2005, 143 (145). 496 BGH v. 13.1.2010 – VIII ZR 81/08, WuM 2010, 260 = NJW-RR 2010, 1202 m.w.N. 497 BGH v. 17.7.2002 – XII ZR 248/99, GE 2002, 1193 = NZM 2002, 823. 498 BGH v. 24.9.2002 – KZR 10/01, MDR 2003, 143 = NJW 2003, 347 = GE 2003, 806.

108 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 210 § 535

Vorschriften (§ 319 BGB) überprüft werden kann499 und ein rechtsstaatliches Verfahren gewährleistet ist500, in dem der Schiedsgutachter seine Entscheidung trifft. Schlüsselverlust: Eine Klausel, die den Mieter verpflichtet, die Kosten des Austauschschlosses nebst der 209b erforderlichen Anzahl der Schlüssel zu tragen, ist unwirksam, wenn sie auch für den Fall gilt, dass der Mieter den Schlüsselverlust nicht zu vertreten hat501. Schönheitsreparaturen 210 – Anfangsrenovierung (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB). Formularmäßige Überbürdung unwirksam502. – Art der Renovierung (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB). Regelbar, aber nicht als Fachhandwerkerklausel503, die auch vorliegt, wenn die Formulierung vorgibt, dass der Mieter die Schönheitsreparaturen ausführen lassen soll504; ansonsten können in den Grenzen des § 307 BGB Qualitätsanforderungen gestellt werden505. – Bedarfsklauseln sind grundsätzlich zulässig, wenn sie dahin verstanden werden können, dass keine Abnutzungen des Vormieters relevant sind506. – Begriff der Schönheitsreparaturen (§ 28 Abs. 4 II. BV). Inhaltlich nicht erweiterbar (z.B. auf Teppichbodenerneuerung507 oder Außenanstrich der Fenster und Türen508); allerdings ist die Grundreinigung des Teppichbodens erfasst509. – Endrenovierung (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB). Eine Klausel, die die Endrenovierung unabhängig vom Zeitpunkt der letzten Schönheitsreparatur vorsieht, ist unwirksam510, auch wenn nur ein tapezierfähiger Zustand verlangt wird511. – Fachhandwerker s. Art der Renovierung – Fälligkeit (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB). Fristen sollten sich am Mustermietvertrag 76 orientieren512 und nicht starr geregelt werden513; Letzteres wird durch die Formulierungen erreicht, dass die Renovierung „im Allgemeinen“ oder „in der Regel“ nach den entsprechenden Fristen auszuführen ist; jede Verkürzung kann zur Unwirksamkeit führen514; ob die Fristen des Mustermietvertrages aktuell noch als Orientierung dienen können, ist offen515.

499 BGH v. 14.7.1987 – X ZR 38/86, MDR 1987, 931 = NJW 1987, 2818. 500 AG Leipzig v. 28.5.2014 – 166 C 3153/13, WuM 2014, 602 = NZM 2015, 83. 501 OLG Brandenburg v. 12.5.2004 – 7 U 165/03, MDR 2004, 1409 = WuM 2004, 597; AG Spandau v. 20.12.2012 – 6 C 546/12, WuM 2013, 532. 502 Hanseatisches OLG Hamburg v. 13.9.1991 – 4 U 201/90, MDR 1991, 1166 = WuM 1991, 523 = ZMR 1991, 469. 503 OLG Stuttgart v. 19.8.1993 – 8 REMiet 2/92, WuM 1993, 528 (Teilunwirksamkeit), zweifelhaft. 504 BGH v. 9.6.2010 – VIII ZR 294/09, MDR 2010, 916 = MietRB 2010, 259 = NZM 2010, 615 = ZMR 2011, 190 m. Anm. Riecke. 505 LG Freiburg v. 21.12.1978 – 3 S 165/78, WuM 1980, 75 (Raufaser); Harsch, Rz. 250 ff. 506 BGH v. 9.3.2005 – VIII ZR 17/04, MDR 2005, 679 = WuM 2005, 243 = MietRB 2005, 170; a.A. bei unrenoviert übernommenen Wohnung: OLG Stuttgart v. 17.2.1989 – 8 REMiet 2/88, MDR 1989, 546 = WuM 1989, 121 = ZMR 1989, 176. 507 OLG Hamm v. 22.3.1991 – 30 REMiet 3/90, MDR 1991, 629 = WuM 1991, 248. 508 BGH v. 18.2.2009 – VIII ZR 210/08, MDR 2009, 621 = MietRB 2009, 192 = WuM 2009, 286 = GE 2009, 573. 509 BGH v. 8.10.2008 – XII ZR 15/07, MDR 2009, 255 = MietRB 2009, 69 = WuM 2009, 225 = GE 2009, 111 = NZM 2009, 126. 510 BGH v. 14.5.2003 – VIII ZR 308/02, MDR 2003, 1041 = MietRB 2003, 1 = ZMR 2003, 653 = WuM 2003, 436; OLG Hamm v. 27.2.1981 – 4 REMiet 4/80, MDR 1981, 584 = WuM 1981, 77; OLG Frankfurt v. 22.9.1981 – 20 REMiet 1/81, WuM 1981, 272. 511 BGH v. 5.4.2006 – VIII ZR 152/05, MDR 2006, 1215 = MietRB 2006, 229 = WuM 2006, 308; BGH v. 5.4.2006 – VIII ZR 109/05, MDR 2006, 1217 = MietRB 2006, 229 = WuM 2006, 310. 512 Vgl. z.B. BGH v. 3.6.1998 – VIII ZR 317/97, MDR 1998, 1155 = WuM 1998, 592. 513 BGH v. 23.6.2004 – VIII ZR 361/03, MDR 2004, 1290 = WuM 2004, 463 = NZM 2004, 653 = MietRB 2004, 313; BGH v. 5.4.2006 – VIII ZR 178/05, MDR 2006, 1273 = MietRB 2006, 230 = WuM 2006, 248; BGH v. 22.9.2004 – VIII ZR 360/03, MDR 2005, 84 = MietRB 2005, 1 = NZM 2004, 901 = DWW 2004, 328. 514 Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. I. Inhalt der Erläuterungen zu § 15 Nr. 3 m.w.N. 515 BGH v. 26.9.2007 – VIII ZR 143/06, MDR 2008, 75 = NJW 2007, 2632 (Rz. 31).

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§ 535 Rz. 210 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags – Farbwahlklausel. Nur für Endrenovierung zulässig516, insbesondere, wenn sie sich auf die Holzteile beschränkt517 und außergewöhnliche Farbwahlen des Mieters betrifft. – Klauselkombinationen (§ 307 BGB). Die Regelung auch nur einer unwirksamen Klausel kann zur Nichtigkeit aller im Vertrag vorhandenen Renovierungsbestimmungen führen (Summierungseffekt)518. – Laufende Renovierung (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB). Rechtsprechung, wonach bei unrenoviert übergebener Wohnung die Klausel wirksam ist519, ist überholt520. – Quotenklausel (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB). können nicht formularmäßig wirksam geregelt werden, da das Transparenzgebot nicht eingehalten werden kann521. Denn es ist eine Fiktion, bei der Rückgabe einer Wohnung, bei der die Renovierung noch nicht fällig ist, ermitteln zu wollen, wie lange es noch dauert, bis die Fälligkeit eintritt. Jedenfalls kann dies nicht mit der notwendigen Klarheit formuliert werden. – Schadensersatz – Grund (§ 281 BGB). Fristsetzung kann nicht ausgeschlossen werden. – Höhe (§§ 249, 251 BGB). Pauschalierung nur im Rahmen von § 309 Nr. 12 BGB möglich. – Summierungseffekt (§ 307 BGB) s. Klauselkombinationen – Umfang (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB). Renovierungsumfang kann nur räumlich (z.B. Keller, Balkon)522 im Rahmen der Begriffsdefinition des § 28 Abs. 4 II. BV gestaltet werden; zeitliche oder sonstige inhaltliche Erweiterungen führen wegen des Entgeltcharakters der Renovierungspflicht zur Unwirksamkeit523. S. auch Schönheitsreparaturen, Begriff 211 Schriftform

– bei Befristung (§ 550 BGB) zwingend. – bei Kündigung (§ 568 Abs. 1 BGB) nicht abdingbar524. 212 Schriftformklausel. Oftmals enthält der Mietvertrag eine Bestimmung, nach der Änderungen nur

wirksam sind, wenn sie in schriftlicher Form niedergelegt werden525. Wenn sie konstitutiv für Erklärungen gelten soll, ist sie mindestens überraschend526. Ansonsten ist sie als AGB-Klausel wegen § 305b BGB i.d.R. unbeachtlich527. Von einer qualifizierten oder doppelten Schriftformklausel ist auszugehen, wenn bestimmt ist, dass Änderungen und Ergänzungen des Vertrages nicht nur der Schriftform bedürfen, sondern von diesem Formerfordernis wiederum nur durch schriftliche Erklärung abgewichen wer-

516 BGH v. 18.6.2008 – VIII ZR 224/07, MDR 2008, 1028 = MietRB 2008, 257 = NJW 2008, 2499 = WuM 2008, 472; BGH v. 18.2.2009 – VIII ZR 166/08, WuM 2009, 224 = GE 2009, 574. 517 BGH v. 22.10.2008 – VIII ZR 283/07, MDR 2009, 75 = MietRB 2009, 1 = WuM 2008, 722 = NZM 2008, 926. 518 BGH v. 2.12.1992 – VIII ARZ 5/92, WuM 1993, 175; BGH v. 14.5.2003 – VIII ZR 308/02, MDR 2003, 1041 = MietRB 2003, 1 = ZMR 2003, 653 = WuM 2003, 436; BGH v. 25.6.2003 – VIII ZR 335/02, MDR 2003, 1349 = MietRB 2003, 93 = NZM 2003, 755. 519 BGH v. 1.7.1987 – VIII ARZ 9/86, MDR 1987, 927 = WuM 1987, 306. 520 BGH v. 18.3.2015 – VIII ZR 185/14, MDR 2015, 578 = MietRB 2015, 161 = ZMR 2015, 685 = NZM 2015, 374; BGH v. 18.3.2015 – VIII ZR 242/13, MietRB 2015, 196 = MDR 2015, 636 = NZM 2015, 424 = ZMR 2015, 690. 521 BGH v. 22.1.2014 – VIII ZR 352/12, WuM 2014, 135. 522 LG Darmstadt v. 24.10.1986 – 17 S 11/86, WuM 1987, 315; Harsch, Rz. 239. 523 Langenberg, Schönheitsreparaturen, B Rz. 66 ff. 524 Palandt/Weidenkaff, § 568 BGB Rz. 3 (allg. M.). 525 Vgl. z.B. OLG Brandenburg v. 4.7.2012 – 7 U 204/11, MietRB 2012, 346 = GE 2012, 1375 (1376). 526 LG Berlin v. 29.10.2007 – 67 S 413/06, MM 2008, 30. 527 BGH v. 21.9.2005 – XII ZR 312/02, MietRB 2006, 62 = MDR 2006, 508 = ZMR 2006, 104 = NJW 2006, 138 (139) m.w.N.; OLG Brandenburg v. 4.7.2012 – 7 U 204/11, MietRB 2012, 346 = GE 2012, 1375 (1376); OLG München v. 12.1.1989 – 29 U 2366/88, WuM 1989, 128 (133); LG Hannover v. 5.7.1988 – 14 O 185/88, WuM 1988, 259; vgl. auch BGH v. 15.2.1995 – VIII ZR 93/94, MDR 1995, 1109 = NJW 1995, 1488 (1489) (AGB eines Möbelhauses); BGH v. 31.10.1984 – VIII ZR 226/83, NJW 1985, 320 (322).

110 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 218 § 535

den kann528. Insoweit gelten im Hinblick auf § 305b BGB keine anderen Anforderungen529. Das Gleiche gilt, wenn eine Erlaubnis/Zustimmung z.B. zur Erweiterung des vertragsgemäßen Gebrauchs (z.B. Untervermietung oder Tierhaltung) von der Schriftform abhängig gemacht wird530. Selbsthilfe (§ 562b BGB). Vertragliche Erweiterung zugunsten des Vermieters nicht zulässig531.

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214 Sicherheitsleistung/Kaution – Anlagepflicht (§ 551 Abs. 3 BGB) nicht abdingbar, § 551 Abs. 4 BGB. – Andere Anlageform (§ 551 Abs. 3 BGB). Jede beliebige Anlage aushandelbar532, auch Nachschusspflicht, § 240 BGB533; sinnvoll, weil gegenüber der Regelanlage höher verzinslich, sind werthaltige Schuldverschreibungen (z.B. Bundesobligationen); vom übrigen Vermögen getrennte Anlage ist unabdingbar, § 551 Abs. 4 BGB. – Art der Sicherheit. Solange keine andere Anlageform vorgegeben wird, kann der Vermieter eine der üblichen Sicherheiten vorgeben. – Aufstockung. Für den Fall der Mieterhöhung in den Grenzen des § 305c BGB regelbar534. – Höhe (§ 551 Abs. 1 BGB). Nicht mehr als drei Nettomieten, § 551 Abs. 4 BGB (Zusammenrechnung bei mehreren Sicherheiten)535. – Ratenzahlung (§ 551 Abs. 2 BGB). Zwingend, § 551 Abs. 4 BGB; Unwirksamkeit der gesamten Klausel kann jedoch nur angenommen werden, wenn bei Streichung des Gebots zur einmaligen oder früheren Zahlung die Klausel so verändert wird, dass sie keine eigenständige Bedeutung mehr hat536. – Übergang auf Erwerber (§ 566a BGB). Nicht zwingend537; Enthaftung des Vermieters durch Überlassung der Kaution an den Erwerber mit Zustimmung des Mieters kann geregelt werden538. – Verzinsung (§ 551 Abs. 3 BGB) nicht abdingbar, § 551 Abs. 4 BGB. – S. auch Bürgschaft

Sicherheitsleistung/Vermieterpfandrecht (§ 562c BGB). Änderung zum Nachteil des Mieters zuläs- 215 sig539; eine Klausel, mit der der Mieter sein Eigentum an den eingebrachten Sachen bestätigt, verstößt gegen § 309 Nr. 12 lit. b BGB. Stillschweigende Verlängerung (§ 545 BGB). Die Vorschrift ist abdingbar540, daher ist auch eine in- 216 haltliche Gestaltung möglich (z.B. Verlängerung der Frist); aber eine Klausel muss klar und verständlich sein (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB), wofür der bloße Hinweis auf § 545 BGB nicht ausreicht541. Streupflicht s. Reinigungspflicht

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Tierhaltung s. Gebrauchsrechte/Tierhaltung

218

528 OLG Düsseldorf v. 12.4.2011 – 24 U 195/10, MietRB 2012, 11 = MietRB 2012, 12 = GE 2011, 1680 m.w.N. 529 BGH v. 25.1.2017 – XII ZR 69/16, ECLI:DE:BGH:2017:250117BXIIZR69.16, MietRB 2017, 96 = MDR 2017, 386 = WuM 2017, 131 = GE 2017, 289. 530 BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = WuM 1991, 381. 531 OLG München v. 12.1.1989 – 29 U 2366/88, WuM 1989, 128 (132). 532 A.A. Kandelhard, WuM 2002, 302; Lammel, § 551 BGB Rz. 41 (keine spekulativen). 533 A.A. Blank/Börstinghaus, § 551 BGB Rz. 47 m.w.N.: Verstoß gegen § 551 Abs. 4 BGB. 534 Blank/Börstinghaus, § 551 BGB Rz. 36. 535 BGH v. 20.4.1989 – IX ZR 212/88, MDR 1989, 732 = BGHZ 107, 210. 536 BGH v. 25.6.2003 – VIII ZR 344/02, MDR 2003, 1348 = WuM 2003, 495 = ZMR 2003, 729 = MietRB 2003, 65; BGH v. 3.12.2003 – VIII ZR 86/03, MDR 2004, 565 = WuM 2004, 147 = NZM 2004, 217 = MietRB 2004, 136; BGH v. 17.3.2004 – VIII ZR 166/03, WuM 2004, 269; BGH v. 30.6.2004 – VIII ZR 243/03, MDR 2004, 1107 = WuM 2004, 473 = NZM 2004, 613 = MietRB 2004, 285. 537 Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Rz. 498; Blank/Börstinghaus, § 566a BGB Rz. 7. 538 Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. I. Inhalt der Erläuterungen zu § 8 Nr. 8. 539 Sternel, Mietrecht, III Rz. 275. 540 BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = NJW 1991, 1750. 541 BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = WuM 1991, 381 = ZMR 1991, 290; OLG Frankfurt, WuM 2000, 15; Schleswig- Holsteinisches OLG, WuM 1996, 85; OLG Hamm, WuM 1983, 48; LG Erfurt v. 29.2.2008 – 2 T 318/07, WuM 2008, 283.

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§ 535 Rz. 219 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags 219 Tod des Mieters

– Eintrittsrecht (§ 563 ff. BGB) s. Eintrittsrecht – Haftung (§ 563b BGB) s. Haftung des Erben – Kündigung des Vermieters – gegenüber dem Eintrittsberechtigten (§ 563 Abs. 4 BGB). Abweichende Vereinbarung ist nicht zulässig, § 563 Abs. 5 BGB. – gegenüber dem Erben ist abdingbar und inhaltlich disponibel. – Kündigungsrecht des Erben (§ 564 BGB) kann auch zugunsten des Vermieters ausgeschlossen oder inhaltlich modifiziert werden542. – Kündigungsrecht des überlebenden Mieters (§§ 563, 563a BGB). Abweichende Vereinbarung zu Lasten des (überlebenden) Mieters unzulässig, § 563a Abs. 3 BGB543; auch testamentarische Verfügungen zugunsten des außerhalb von § 563 BGB stehenden Personenkreises sollen unwirksam sein544; Verlängerung der Überlegungsfrist ist aber zulässig545, nicht jedoch die räumliche Beschränkung auf einen Teil der Mietsache, weil das Gebrauchsrecht des Mieters entgegen § 535 BGB eingeschränkt wird. 220 Treppenhausreinigung s. Reinigungspflicht 221 Überlassungsanspruch (§ 535 Abs. 1 BGB) kann grundsätzlich nicht eingeschränkt werden, § 307

Abs. 2 Nr. 1 BGB; eine Klausel, wonach die Übergabe erst nach Zahlung der ersten Miete und ersten Kautionsrate erfolgt, ist aber wirksam546, weil sie nur die Rechtslage wiedergibt. 222 Unterlassungsanspruch (§ 541 BGB) ist abdingbar; dennoch sind Bestimmungen zu Lasten des Mie-

ters unwirksam, also z.B. ein Unterlassungsanspruch ohne Abmahnung547; es kann z.B. (zu Lasten des Vermieters) zweimalige Abmahnung geregelt werden548 oder eine besondere Form der Abmahnung. 223 Untervermietung

– Abtretung der Untermiete (§§ 398, 535 BGB). Als Sicherungsmittel schon wegen § 550 BGB bedenklich; muss aber inhaltlich so bestimmt sein, dass ggf. eine Quotelung eindeutig möglich ist549. – berechtigtes Interesse (§ 553 Abs. 1 BGB). Regelungen zum Nachteil des Mieters sind unwirksam, § 553 Abs. 3 BGB; das gilt insbesondere für eine Beschränkung des berechtigten Interesses auf bestimmte Fälle oder eine besondere Form. – Erlaubnis (§ 540 Abs. 1 S. 1, § 553 BGB). § 540 Abs. 1 BGB ist an sich dispositiv550, ein völliger Ausschluss ist jedoch zweifelhaft551; unbedenklich ist aber eine Regelung, die bestimmt, unter welchen Voraussetzungen der Vermieter die Erlaubnis auf jeden Fall erteilen muss, § 540 Abs. 2 S. 1 BGB; im Übrigen kann zum Nachteil des Mieters nichts geändert werden, § 553 Abs. 3 BGB. – Kündigung (§ 540 Abs. 1 S. 2 BGB). Nicht abdingbar552, da sonst auch (unabdingbares) Kündigungsrecht aus § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB tangiert würde553. – Mieterhöhung (Zuschlag) (§ 553 Abs. 2 BGB) s. Mieterhöhung/bei Aufnahme Dritter in die Wohnung

542 Palandt/Weidenkaff, § 564 BGB Rz. 3; a.A. Blank/Börstinghaus, § 564 BGB Rz. 43. 543 LG Frankfurt am Main v. 27.2.1990 – 2/13 O 474/89, WuM 1990, 82; Blank/Börstinghaus, § 563a BGB Rz. 27; Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Rz. 678. 544 Lammel, § 563a BGB Rz. 20. 545 Kinne in Kinne/Schach/Bieber, § 563a BGB Rz. 28. 546 LG Bonn v. 1.4.2009 – 6 T 25/09, GE 2009, 1191 = ZMR 2009, 529. 547 LG Hamburg v. 14.7.1989 – 74 O 139/89, WuM 1990, 115 (116). 548 Staudinger/Emmerich, § 541 BGB Rz. 8. 549 Hanseatisches OLG Hamburg v. 10.12.1997 – 4 U 98/97, WuM 1999, 655 = NJW-RR 1999, 1316. 550 Palandt/Weidenkaff, § 540 BGB Rz. 2. 551 LG München I v. 8.4.1993 – 7 O 15862/92, WuM 1994, 370 (372). 552 BGH v. 24.5.1995 – XII ZR 172/94, MDR 1995, 1115 = WuM 1995, 481; LG Hamburg v. 19.5.1992 – 316 S 320/90, MDR 1992, 1149 = WuM 1992, 689; LG Hamburg v. 14.7.1989 – 74 O 139/89, WuM 1990, 115 (116). 553 Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. VI 202; Staudinger/Emmerich, § 540 BGB Rz. 19 f. m.w.N.; a.A. LG Berlin v. 22.8.1996 – 67 T 71/96, MM 1996, 453; Lammel, § 540 BGB Rz. 25.

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B. Wohnraummiete | Rz. 237 § 535

– Verschulden (§ 540 Abs. 2 BGB) s. Haftung für Dritte/Mieter – Wichtiger Grund (§ 540 Abs. 2 S. 1, 2. HS BGB). Zugunsten des Mieters sind abweichende Regelungen möglich, § 553 Abs. 3 BGB, also z.B. ein Katalog der Gründe554, die nicht relevant („wichtig“) sein sollen. Veräußerung (§§ 566 ff., 567, 567a, 577 BGB) s. Eintrittsrecht/Erwerber; ein Veräußerungsverbot ist 224 möglich, da § 311a BGB nicht gilt; § 567 BGB ist nicht zwingend555. Verjährung (§ 548 BGB). Grundsätzlich disponibel, wie sich schon aus § 202 BGB ergibt556, aber un- 225 gleiche Verlängerung der Verjährungsfrist ebenso unzulässig, § 225 S. 1 BGB557, wie der völlige Verzicht, sich auf die Verjährung zu berufen558. S. auch Rückgabe als Verjährungsbeginn Verkehrssicherungspflicht (§ 535 BGB) ist grundsätzlich auf den Mieter übertragbar, der Vermieter 226 behält jedoch eine Kontrollpflicht559; ein versteckter Haftungsausschluss zugunsten des Vermieters kann zur Unwirksamkeit der Klausel führen560. Vermieterpfandrecht (§§ 562 ff. BGB). Das Recht kann ausgeschlossen werden; erfolgt dies nicht, 227 sind §§ 562 ff. BGB zwingend561; eine Klausel, mit der der Mieter erklärt, dass das eingebrachte Inventar in seinem Eigentum steht, ist unwirksam, § 309 Nr. 12 lit. b BGB. Verschulden des Mieters (§§ 538, 276 BGB) kann beliebig (mit Ausnahme einer verschuldensunab- 228 hängigen Haftung) abgeändert werden562 s. auch Haftung für Dritte/Mieter Verschulden des Vermieters (§§ 276, 278, 536a BGB). Solange Kardinalpflichten (z.B. § 535 Abs. 1 229 S. 2 BGB) nicht berührt und die Ausnahmen des § 309 Nr. 7 BGB ausdrücklich geregelt werden, kann Haftung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz beschränkt werden563. Vertragsausfertigungsgebühr (§ 535 BGB) s. Abschlussgebühr Vertragsstrafe (§ 555 BGB) nicht abdingbar zu Lasten des

230

Mieters564.

231

Vertragswidriger Gebrauch (§§ 535, 541 BGB) s. Gebrauchsrechte und s. Unterlassungsanspruch

232

zwingend565;

in den Grenzen des 233 Verwendungsersatz (§ 536b Abs. 2 BGB). Die Vorschrift ist nicht § 555 BGB kann der Anspruch ausgeschlossen oder beschränkt werden566, was das s. Wegnahmerecht unberührt lässt. Verzug (§ 286 BGB). Soweit die Klausel den Eindruck vermittelt, eine Mahnung sei entbehrlich, liegt 234 ein Verstoß gegen § 309 Nr. 4 BGB vor; Schadenspauschalierungen sind nur unter den Voraussetzungen des § 309 Nr. 5 BGB zulässig. Vollmachtsklausel vgl. § 542 BGB Rz. 55.

234a

Vorhänge s. Gebrauchsrechte/Dekoration

235

Vorkaufsrecht (§ 577 BGB). Zum Nachteil des Mieters nicht beschränkbar, § 577 Abs. 5 BGB.

236

Wärmecontracting s. Contracting

237

554 555 556 557 558 559 560 561 562 563 564 565 566

Vgl. Zusammenstellung bei Lützenkirchen, WuM 1990, 413. Staudinger/Emmerich, § 567 BGB Rz. 2. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XIII 241 m.w.N. Langenberg, Schönheitsreparaturen, IV. A. Rz. 18; a.A. Kandelhard, NZM 2002, 929 (933). AG Bonn v. 10.7.1980 – 6 C 160/80, WuM 1981, 182. Bub/Treier/Kraemer/Paschke, III Rz. 2633 ff. m.w.N. OLG Dresden v. 20.6.1996 – 7 U 905/96, WuM 1996, 553. Bub/Treier/von der Osten, III Rz. 2199; Schmid, Mietkaution und Vermieterpfandrecht, Rz. 3042, 3104; Palandt/Weidenkaff, § 562 BGB Rz. 4 und § 562b BGB Rz. 4 und § 562c BGB Rz. 1. Staudinger/Emmerich, § 538 BGB Rz. 12; Palandt/Weidenkaff, § 538 BGB Rz. 2. BGH v. 24.10.2001 – VIII ARZ 1/01, NZM 2002, 116 = WuM 2002, 141 = MDR 2002, 330 mit Anm. Lützenkirchen, MDR 2002, 331. Harz in Schmid, Miete und Mietprozess, 2–111. BGH v. 13.10.1959 – VIII ZR 193/58, NJW 1959, 2163; Palandt/Weidenkaff, § 536a BGB Rz. 7. Staudinger/Emmerich, § 536b BGB Rz. 5.

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§ 535 Rz. 238 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags 238 Wartung (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB). Hinsichtlich der technischen Geräte in der Wohnung (z.B. Thermen)

sind entsprechende Kosten nicht ohne Kostengrenze auf Mieter übertragbar567; die Kostenbegrenzung ist nicht erforderlich, wenn die Kosten vom Vermieter nach § 2 BetrKV (z.B. Nr. 6c) umgelegt werden könnten568; auch Abschluss von Wartungsverträgen durch den Mieter ist regelbar; die technischen Geräte müssen aber aufgelistet werden. 239 Waschmaschine s. Haushaltsgeräte (s. § 535 BGB Rz. 162, Rz. 805) 240 Wegnahmerecht (§§ 539, 552 BGB) kann grundsätzlich nur ausgeschlossen werden, wenn angemesse-

ner Ausgleich vorgesehen wird (z.B. durch Schiedsgutachterabrede), § 547a Abs. 3 BGB; zulässig ist aber in der Gewerberaummiete eine Vertragsbestimmung, bei der es sich nicht um einen allgemeinen, sondern nur um einen auf bestimmte Einrichtungsgegenstände beschränkten Ausschluss des Wegnahmerechts (hier: Verbesserungen an der Heizungsanlage eines Fabrikgebäudes) handelt569. 241 Werkdienstwohnung (§§ 576 ff. BGB). Nicht zum Nachteil des Mieters abänderbar, §§ 576 Abs. 2,

576a Abs. 3 BGB570; s. auch Dienstwohnung 242 Wertsicherungsklausel (§ 557b BGB) s. Mietänderung/Indexklausel 243 Widerspruch (§§ 574 ff. BGB) s. Fortsetzungsanspruch 244 Winterdienst s. Streupflicht 245 Wohnungsabnahme. Regeln über die Durchführung (Zeit und Abstimmung, Protokollierung) können

in den Grenzen des § 307 BGB vereinbart werden571. 246 Wohnungsrückgabe (§ 546 BGB) s. Rückgabe 247 Zahlungsverzug (§§ 543 Abs. 2 Nr. 3, 569 Abs. 2 BGB). Nicht zum Nachteil des Mieters regelbar,

§ 569 Abs. 5 BGB, im Übrigen s. Befriedigungsrecht 248 Zahlungsweise (§§ 535 Abs. 2, 556b Abs. 1 BGB) s. Miete/Zahlungsweise 249 Zinsen. Fallen unter den pauschalierten Schadensersatz, so dass § 309 Nr. 5 BGB zu beachten ist. Da-

nach ist eine Festlegung von pauschal 8 % unwirksam572. 250 Zurückbehaltungsrecht (§§ 309 Nr. 2, 556b Abs. 2, 570, 578 Abs. 1 BGB). S. Aufrechnung und s. Räu-

mung; bei der Formulierung sollte klargestellt werden, ob sich die Klausel auch auf das Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB beziehen soll573. 251 Zustimmung, z.B. zur Erweiterung des vertragsgemäßen Gebrauchs (z.B. Untervermietung oder Tier-

haltung). Ihre Wirksamkeit kann nicht von der Schriftform abhängig gemacht wird574. 252 Zutrittsrecht (§ 535 BGB) s. Besichtigungsrecht 253 Zwischenvermietung (§ 565 BGB) s. Eintrittsrecht

i) Folgen bei Unwirksamkeit von Formularverträgen (§ 306 BGB) 254 Gemäß § 306 BGB tritt grundsätzlich das Gesetz an die Stelle der unwirksamen Klausel. Ist in einem

Formularvertrag eine Vielzahl von Bedingungen wegen Verstoßes gegen die guten Sitten unwirksam, ist ausnahmsweise der ganze Vertrag nichtig. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn umfangreiche und für den Vertragsgegner nachteilige, nicht leicht verständliche Bedingungen im Formular so unübersichtlich und ungegliedert aufgeführt sind, dass der Vertragspartner sich vor Unterzeichnung der Urkunde nicht hinreichend über die rechtliche Tragweite der einzelnen Bedingungen klar werden kann575. Aller567 568 569 570 571 572 573 574 575

BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = WuM 1991, 381 = ZMR 1991, 290 (383). BGH v. 7.11.2012 – VIII ZR 119/12, MietRB 2013, 33 = MDR 2013, 143 = WuM 2013, 31 = ZMR 2013, 257. BGH v. 14.10.1958 – VIII ZR 155/57, MDR 1959, 36 = NJW 1958, 2109. Staudinger/Emmerich, § 576 BGB Rz. 38, Rz. 17; Palandt/Weidenkaff, Vor § 576 BGB Rz. 3. Lützenkirchen, Wohnraummiete, C. I. Inhalt der Erläuterungen zu § 20 Nr. 1. OLG Brandenburg v. 4.7.2012 – 7 U 204/11, MietRB 2012, 346 = GE 2012, 1375. OLG Düsseldorf v. 21.10.1997 – 24 U 223/96, MDR 1998, 588. BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = WuM 1991, 381. Insbesondere für Altverträge s. BGH v. 11.11.1968 – VIII ZR 151/66, JZ 1969, 334 = JuS 1969, 237.

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B. Wohnraummiete | Rz. 258 § 535

dings kann sich der Verwender allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht auf die Unwirksamkeit der von ihm vorformulierten Vertragsbedingungen berufen576. Demnach ist er grundsätzlich an deren Inhalt unabhängig von der Wirksamkeit gebunden. aa) Geltungserhaltende Reduktion Die geltungserhaltende Reduktion einer beanstandeten Klausel ist nach ständiger Rechtsprechung des 255 BGH unzulässig577. Deshalb können unwirksame Formularregelungen nicht auf einen wirksamen Inhalt zurückgeführt werden. Dies trifft z.B. für eine Klausel zu, nach der eine Handlung des Mieters von einer schriftlichen Erlaubnis des Vermieters abhängen soll. Sie ist nicht teilbar in Erlaubnis und Schriftlichkeit und daher insgesamt unwirksam578. Denn sie kann den vertragstreuen Mieter davon abhalten, sich auf eine mündliche (oder sogar nur in Textform) abgegebene Zustimmung zu berufen. Bei Klauseln, die nach ihrem Inhalt und ihrer sprachlichen Fassung teilbar sind, bezieht sich die Un- 256 wirksamkeit aber nur auf den zu beanstandenden Teil der Klausel579. Oftmals wird insoweit der bluepencil-Test angewendet: Der unwirksame Teil einer Klausel wird durchgestrichen, um zu ermitteln, ob der verbleibende Teil noch einen (wirksamen) eigenständigen Gehalt hat. Sieht z.B. der Formularmietvertrag neben der Vereinbarung der Kautionshöhe in einem weiteren Absatz die Zahlung „mit Abschluss des Mietvertrages“ vor, ist zwar die Fälligkeitsklausel nach § 551 Abs. 4 BGB unwirksam, weil sie die Rechte des Mieters zur Ratenzahlung und Zahlung erst bei Beginn des Mietverhältnisses aus § 551 Abs. 2 BGB unzulässig einschränkt. Bei der aus mehreren separaten Absätzen bestehenden Regelung über eine Kaution handelt es sich aber insgesamt um eine sprachlich und inhaltlich teilbare Formularbestimmung, die aus sich heraus verständlich ist und sich sinnvoll in einen zulässigen (Pflicht zur Kautionserbringung) und einen unzulässigen (Fälligkeitsklausel) Regelungsteil trennen lässt580. Das trifft bei Schönheitsreparaturklauseln nicht zu, weil sie regelmäßig keine unabhängigen Tat- 257 bestände regeln, sondern inhaltlich miteinander verbunden sind, indem sie entweder die Verpflichtung inhaltlich gestalten oder aufeinander aufbauen. Nur solche Klauseln, die zwar die Renovierung betreffen, aber selbständige Geltung haben sollen, also die eigentliche Renovierungspflicht des Mieters nicht ergänzen, sondern an ihre Stelle treten, werden nicht in die Gesamtbewertung einbezogen581 und können daher als selbständig angesehen werden. Abgesehen davon betreffen Schönheitsreparaturen die vom Vermieter formulierte Gegenleistung, die über den blue-pencil-Test durch ein Gericht nicht verändert werden kann582 (§ 535 BGB Rz. 559). bb) Ergänzende Vertragsauslegung Eine Vertragslücke, die durch die Unwirksamkeit einer Klausel entstanden ist, kann im Wege der er- 258 gänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden, wenn konkrete gesetzliche Regelungen zur Ausfüllung der Lücke nicht zur Verfügung stehen und die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel nicht zu einer angemessenen, den typischen Interessen des Verwenders und des Kunden Rechnung

576 BGH v. 8.7.1998 – XII ZR 64/96, NZM 1998, 718. 577 BGH v. 17.5.1982 – VII ZR 316/81, MDR 1982, 921 = NJW 1982, 2309; BGH v. 26.1.1983 – VIII ZR 342/81, MDR 1983, 574 = NJW 1983, 1320; BGH v. 16.10.1984 – X ZR 97/83, MDR 1985, 228 = NJW 1985, 319; BGH v. 22.6.1988 – VIII ZR 232/87, MDR 1988, 1052 = NJW 1988, 2664; BGH v. 7.6.1989 – VIII ZR 91/88, MDR 1989, 906 = WuM 1989, 324 (327) (für Kleinreparaturklausel). 578 BGH v. 24.5.1995 – XII ZR 172/94, MDR 1995, 1115 = NJW 1995, 2034; BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, WuM 1991, 381 (382) = MDR 1991, 628 = ZMR 1991, 290; differenzierend Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. II 263, der von einer Trennbarkeit der Klausel ausgeht, so dass nur das Schriftlichkeitsgebot unwirksam ist. 579 BGH v. 31.10.1984 – VIII ZR 226/83, BB 1985, 689 (690); OLG Stuttgart v. 19.8.1993 – 8 REMiet 2/92, WuM 1993, 528 (Fachhandwerkerklausel). 580 BGH v. 25.6.2003 – VIII ZR 344/02, MDR 2003, 1348 = WuM 2003, 495 = ZMR 2003, 729 = MietRB 2003, 65; vgl. auch BGH v. 3.12.2003 – VIII ZR 86/03, MDR 2004, 565 = WuM 2004, 147 = NZM 2004, 217 = MietRB 2004, 136; BGH v. 17.3.2004 – VIII ZR 166/03, WuM 2004, 269; BGH v. 30.6.2004 – VIII ZR 243/03, MDR 2004, 1107 = WuM 2004, 473 = NZM 2004, 613 = MietRB 2004, 285. 581 Beyer, GE 2007, 122 (124). 582 BGH v. 18.2.2009 – VIII ZR 210/08, MDR 2009, 621 = MietRB 2009, 192 = WuM 2009, 286 = GE 2009, 573.

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§ 535 Rz. 258 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags tragenden Lösung führt583. Das soll z.B. der Fall sein, wenn nach dem 1.9.2001 formularmäßig eine einfache Befristung i.S.v. § 564c BGB a.F. geregelt wurde. Dies verstößt gegen §§ 307, 575 BGB. Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung soll die Regelung in einen wirksamen wechselseitigen Kündigungsverzicht geändert werden können584. cc) Schadensersatz 259 Der Verwender unwirksamer AGB ist bei Verschulden gegenüber dem Vertragspartner schadensersatz-

pflichtig, wenn dieser im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Klausel oder des ganzen Vertrages nutzlose Aufwendungen tätigt585. Er hat dann nämlich seine vorvertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme gegenüber dem anderen Teil verletzt, §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB. Das kann z.B. zutreffen, wenn der Mieter einer Wohnung aufgrund einer unwirksamen Formularklausel586 einen Versicherungsvertrag (z.B. über Glasbruch) eingeht (dazu auch § 535 BGB Rz. 1122a). Auch die Renovierung durch den Mieter ohne (wirksame) Verpflichtung, weil die Renovierungsklausel unwirksam ist, fällt grundsätzlich darunter. 260 Für das notwendige Verschulden ist darauf abzustellen, ob für den Vermieter bei Abschluss des Vertra-

ges bei gehöriger Sorgfalt der Unwirksamkeitsgrund vorhersehbar war587. Insoweit soll es dem Vermieter nicht als Verschulden angelastet werden können, wenn er im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht erkannt hat, dass nach der außerhalb des Mietrechts ergangenen Rechtsprechung des BGH588 handschriftlich hinzugesetzte Regelungen als vorformulierte Vertragsbestimmungen i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB zu werten sein können mit der Folge, dass ihre Wirksamkeit strengeren Anforderungen unterliegt. j) Unterlassungsklage 261 Nach § 1 UKlaG kann der Verwender und der Empfehler von AGB, die den §§ 307–309 BGB wider-

sprechen, auf Unterlassung und im Fall des Empfehlens auch auf Widerruf der Empfehlung in Anspruch genommen werden. 262 Passivlegitimiert sind Verwender und Empfehler. Verwender ist nur, wer als Partei durch Einbezie-

hung der beanstandeten Klausel den Vertrag geschlossen hat oder beabsichtigt, ihn zu schließen. Für das Empfehlen muss der Kläger darlegen und beweisen, dass der Beklagte die beanstandete Klausel mehr als einem potentiellen Verwender zur Verwendung im rechtsgeschäftlichen Verkehr anempfohlen hat589. Deshalb ist auf jeden Fall Empfehler, wer Mietvertragsformulare vertreibt590 oder als Herausgeber solche Formulare in Zeitschriften als mögliche Vertragsgestaltung darstellt. Passivlegitimiert sind dabei insbesondere Verbände oder Vereine. Die Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümerverbände empfehlen ihren Mitgliedern regelmäßig die von ihnen erstellten Musterverträge591. 263 Aktivlegitimiert sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 4 Abs. 2 UKlaG rechtsfähige Verbände, zu deren

satzungsgemäßen Aufgaben es gehört, die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung nicht gewerbsmäßig und nicht nur vorübergehend wahrzunehmen, wenn sie mindestens 75 natürliche Personen als Mitglieder oder mindestens zwei in dem Aufgabenbereich tätige Verbände als Mitglieder haben und seit mindestens einem Jahr bestehen. Insoweit streitet gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 UKlaG eine unwiderlegliche Vermutung dafür, dass Verbraucherverbände diese Voraussetzungen erfüllen, wenn sie 583 BGH v. 1.2.1984 – VIII ZR 54/83, MDR 1984, 750 = DB 1984, 657; BGH v. 30.10.1984 – VIII ARZ 1/84, MDR 1985, 400 = WuM 1985, 47; OLG Düsseldorf v. 23.3.2000 – 10 U 160/97, ZMR 2000, 452. 584 Derleder, NZM 2001, 1025 (1026). 585 BGH v. 14.6.1994 – XI ZR 210/93, MDR 1994, 1204 = NJW 1994, 2754; OLG Köln v. 16.2.1995 – 7 U 100/94, NJW-RR 1995, 1333. 586 Dazu z.B. LG Wuppertal v. 24.5.2016 – 16 S 104/15, MDR 2016, 1326 = MietRB 2016, 285 = ZMR 2016, 879: Pflicht ist in der Gewerberaummiete wirksam. 587 BGH v. 27.5.2009 – VIII ZR 302/07, MDR 2009, 916 = MietRB 2009, 254 = WuM 2009, 395 = GE 2009, 901. 588 Vgl. BGH v. 10.3.1999 – VIII ZR 204/98, BGHZ 141, 108, 110 f. = MDR 1999, 666; BGH v. 19.5.2005 – III ZR 437/04, MDR 2005, 1214 = WPM 2005, 1373 (unter II 2a). 589 BGH v. 19.9.1990 – VIII ZR 239/89, MDR 1991, 144 = BGHZ 112, 204, 209. 590 OLG Celle v. 29.12.1989 – 2 U 200/88, WuM 1990, 103 (104). 591 Vgl. z.B. BGH v. 3.6.1998 – VIII ZR 317/97, MDR 1998, 1155 = NZM 1998, 710.

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B. Wohnraummiete | Rz. 270 § 535

mit öffentlichen Mitteln gefördert werden. Klagebefugt sind daher insbesondere örtliche Mietervereine und die Verbände von Haus und Grund. Das Verfahren selbst richtet sich nach der ZPO, wobei sich die Zuständigkeit gemäß § 6 UKlaG da- 264 nach bestimmt, wo der Beklagte seine gewerbliche Niederlassung hat. Sachlich ist das Landgericht zuständig. Das Verfahren ist auf Unterlassung oder Widerruf der Empfehlung (§ 9 UKlaG) gerichtet. Im Kla- 265 geantrag muss der Wortlaut der beanstandeten Bestimmung und die Bezeichnung der Art der Rechtsgeschäfte, für die die Bestimmung beanstandet wird, enthalten zu sein (§ 8 UKlaG). Im Rahmen des Verfahrens werden die beanstandeten Klauseln nach dem Grundsatz der kundenfeind- 266 lichsten Auslegung592 und vor allem dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB gemessen. Für die kundenfeindlichste Auslegung muss der für den Verbraucher ungünstigste Fall ermittelt werden, der noch vom Wortlaut der Klausel gedeckt ist. Anhand dieses Falls wird die Wirksamkeit nach den §§ 307 ff. BGB überprüft593. Sind der Verwender oder Empfehler rechtskräftig zur Unterlassung oder zum Widerruf verurteilt wor- 267 den und ergeht eine Entscheidung des BGH oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, die der Entscheidung entgegensteht, kann nach § 10 UKlaG im Wege der Vollstreckungsgegenklage vorgegangen werden. 9. Vertragsänderungen Änderungen des Mietvertrags sind in verschiedener Form denkbar. Neben der Ergänzung einzelner 268 Vertragsbestimmungen kommt eine inhaltliche Änderung in Betracht. Auch der gewillkürte Parteiwechsel stellt eine Änderung des Mietvertrages dar. Dabei muss jedoch immer beachtet werden, dass ein einmal beendetes Mietverhältnis nur neu begründet werden kann594. Die Gegenmeinung595, die sich auf § 545 BGB beruft, verkennt, dass es sich bei dieser Vorschrift um einen Ausnahmetatbestand handelt, der keinen zu verallgemeinernden Grundsatz enthält. Wird also z.B. ein beendetes Mietverhältnis „fortgesetzt“ und dazu nur ein Vertrag geschaffen, der einige Änderungen enthält, aber sonst auf den bisherigen Vertrag Bezug nimmt, liegt darin die Neubegründung des Mietverhältnisses. Inhaltlich gelten die gleichen Anforderungen wie bei Abschluss des Mietvertrages (vgl. § 535 BGB 269 Rz. 20). Voraussetzung ist ein deutlicher Änderungswille der Parteien. Allein weil der Vermieter z.B. eine geänderte Nutzung durch den Mieter zur Kenntnis nimmt, besteht ein solcher Änderungswille nicht. Vielmehr muss der Vermieter zu verstehen geben, dass das Verhalten des Mieters auch für die Zukunft als vertragsgemäß gelten soll. Soweit die Parteien die Änderung mündlich oder schriftlich fassen, können zur Auslegung sämtliche 270 Umstände herangezogen werden, die bei Abschluss der Änderungsvereinbarung bestanden. Dabei muss insbesondere erwogen werden, ob die Parteien tatsächlich eine Änderung des Mietvertrages oder den Abschluss eines neuen Mietvertrages (Novation) beabsichtigt haben. Bei der Abgrenzung zwischen einer Vertragsänderung – die auch die Hauptleistungspflichten, z.B. in Form eines Austauschs des Miet-

592 BGH v. 5.4.1984 – II ZR 2/83, BGHZ, 91, 55, 61; BGH v. 1.4.1992 – XII ZR 100/91, MDR 1992, 643. 593 Bisherige Verbandsklagen im Mietrecht: z.B. BGH v. 6.10.2010 – VIII ZR 183/09, MDR 2010, 1373 = MietRB 2011, 38 = WuM 2010, 685 = GE 2010, 1615 = NZM 2010, 855; BGH v. 3.6.1998 – VIII ZR 317/97, MDR 1998, 1155 = NZM 1998, 710; BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 10/92, MDR 1993, 339 = WuM 1993, 109; BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = WuM 1991, 381; OLG Brandenburg v. 12.5.2004 – 7 U 165/03, WuM 2004, 597 = NZM 2004, 905; OLG Frankfurt v. 25.9.1997 – 1 U 41/96, WuM 1997, 609; OLG Frankfurt v. 19.12.1991 – 6 U 108/90, WuM 1992, 56; Hanseatisches OLG Hamburg v. 10.4.1991 – 5 U 135/90, WuM 1991, 385; OLG München v. 2.5.1991 – 29 U 6529/90, WuM 1991, 388; OLG Celle v. 29.12.1989 – 2 U 200/ 88, WuM 1990, 103; OLG München v. 12.1.1989 – 29 U 2366/88, WuM 1989, 128; LG Hannover v. 5.7.1988 – 14 O 185/88, WuM 1988, 259; LG München I v. 14.1.1988 – 7 O 17175/87, WuM 1988, 145; LG Frankfurt am Main v. 27.2.1990 – 2/13 O 474/89, WuM 1990, 271. 594 BGH v. 24.6.1998 – XII ZR 195/96, MDR 1998, 1216 = WuM 1998, 599 = ZMR 1998, 612. 595 Blank, WuM 2014, 641 (643).

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§ 535 Rz. 270 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags objektes betreffen kann596 – und einer Novation ist durch Auslegung zu ermitteln, was die Parteien im Einzelfall gewollt haben597. Bei der Auslegung ist die anerkannte Auslegungsregel zu beachten, dass bei der Feststellung des Willens der Parteien, das alte Schuldverhältnis aufzuheben und durch ein neu begründetes Rechtsverhältnis zu ersetzen, große Vorsicht geboten ist und von einer Novation nur ausnahmsweise ausgegangen werden darf, sofern die Parteien einen solchen Willen unzweifelhaft zum Ausdruck bringen598. Im Zweifel ist daher nur von einer Vertragsänderung auszugehen599. Dies führt oftmals zu Beweislastentscheidungen. Die Beweislast trägt insoweit derjenige, der sich auf die Novation beruft. Zieht z.B. der Mieter im Zuge einer geplanten umfassenden Modernisierung in eine andere Wohnung im gleichen Haus, muss der Vermieter darlegen und beweisen, dass die Parteien anlässlich des Umzugs des Mieters nicht nur einen Austausch des Mietobjektes vereinbart haben, sondern darüber hinaus ein neuer Mietvertrag abgeschlossen wurde600. 271 Soweit die Änderung durch schlüssiges Verhalten zustande gekommen sein soll, reicht ein mehrfacher

Leistungsaustauch auf der geänderten Basis nicht aus (§ 535 BGB Rz. 40 f.). Vielmehr müssen die Parteien auch erkennen können, dass der jeweils Andere eine Änderung der Vertragsgrundlage herbeiführen will bzw. wollte601. Denn auch bei einer Einigung durch schlüssiges müssen Angebot und Annahme identifiziert werden können und jeweils die Kriterien für eine Willenserklärung erfüllen. Das ist z.B. der Fall, wenn der Mieter dem Vermieter eine Reduzierung der Miete anzeigt, weil durch den Auszug eines Mitmieters nur noch eine geringere Fläche genutzt wird und der Mieter annimmt, dass sich die Miete entsprechend reduziert, nachdem sie sich zuvor beim Zuzug des Mitmieters entsprechend erhöht hatte. Das Gleiche gilt, wenn der Mieter neu geschaffene Räume in Gebrauch nimmt, auf deren Errichtung er im Rahmen einer Ankündigung nach § 555c BGB mit einer Mieterhöhung von 300 Euro hingewiesen wurde, obwohl sich die Parteien über die Durchführung der Modernisierung i.S.d. § 555f BGB geeinigt hatten, wobei sich der Mieter seine Recht vorbehalten hatte602. 272 Liegt ein unter § 550 BGB fallender Vertrag vor, führen mündliche oder schlüssige Änderungen in der

Regel zu einem Formfehler. Deshalb ist im Zweifel anzunehmen, dass die abweichende Praxis vertraglich erst relevant werden sollte, wenn sie in der Form des § 550 BGB beurkundet ist. 10. Wirksamkeit der Einigung über den Mietvertrag 272a Neben den besonderen Anforderungen des § 535 BGB muss eine Einigung über einen Mietvertrag die

allgemeinen Voraussetzungen für Rechtsgeschäfte einhalten. Dazu wird wegen der – Geschäftsfähigkeit auf § 535 BGB Rz. 277 ff. – Verstöße gegen §§ 134, 138 BGB auf Vor § 535 BGB Rz. 193 ff. verwiesen.

596 BGH v. 22.6.2010 – VIII ZR 192/09, WuM 2010, 565; BGH v. 26.2.1992 – XII ZR 129/90, MDR 1992, 771 = NJW 1992, 2283 (unter II 3); Palandt/Grüneberg, § 311 BGB Rz. 3. 597 BGH v. 5.10.2010 – VI ZR 159/09, MDR 2010, 1482 = BGHZ 187, 156 Rz. 21; BGH v. 26.10.2010 – XI ZR 367/067, MDR 2011, 116 = NJW-RR 2011, 403 Rz. 28, jeweils m.w.N. 598 BGH v. 26.10.2010 – XI ZR 367/07, MDR 2011, 116 = NJW-RR 2011, 403; BGH v. 22.6.2010 – VIII ZR 192/ 09, WuM 2010, 565; BGH v. 14.11.1985 – III ZR 80/84, MDR 1986, 384 = NJW 1986, 1490 (unter I 3a), jeweils m.w.N. 599 BGH v. 5.10.2010 – VI ZR 159/09, MDR 2010, 1482 = BGHZ 187, 156; BGH v. 22.6.2010 – VIII ZR 192/09, WuM 2010, 565. 600 BGH v. 21.11.2012 – VIII ZR 50/12, GE 2013, 113. 601 BGH v. 10.10.2007 – VIII ZR 279/06, MDR 2008, 197 = MietRB 2008, 66 = MietRB 2008, 67 = WuM 2007, 694. 602 BGH v. 2.7.2014 – VIII ZR 298/13, MietRB 2015, 37 = WuM 2014, 546 = GE 2014, 1133 = ZMR 2015, 13; BGH v. 2.11.1989 – IX ZR 197/88, MDR 1990, 335 = BGHZ 109, 171 (177); BGH v. 7.6.1984 – IX ZR 66/83, MDR 1984, 838 = BGHZ 91, 324 (329).

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B. Wohnraummiete | Rz. 278 § 535

II. Parteien des Mietvertrages 1. Vermieter a) Stellung als Vertragspartner Vermieter kann jede natürliche oder juristische Person sein. Ist der Vermieter im Vertrag nicht ausrei- 273 chend bestimmt bezeichnet, besteht ein Auskunftsanspruch des Mieters603. Im Übrigen ist bei mehrdeutiger Bezeichnung die Person im Zweifel durch sachgerechte Auslegung zu ermitteln604. Dabei müssen auch die Belange des Mieters berücksichtigt werden, der z.B. wegen Investitionen in beachtlicher Höhe ein besonderes Interesse daran hat, wegen § 566 BGB gerade mit dem Eigentümer einen Vertrag zu schließen605. Im Verhältnis der Parteien ist derjenige Vermieter, der die Mietsache i.S.v. § 535 Abs. 1 BGB überlässt. 274 Das Gesetz macht in §§ 566, 567 BGB deutlich, dass unterschiedliche dingliche Berechtigungen des Vermieters am Grundstück in Betracht kommen. Indessen ist eine dingliche Berechtigung nicht notwendige Voraussetzung für die Stellung als Vermieter. Vielmehr kommt auch eine bloße schuldrechtliche Befugnis zur Überlassung an Dritte in Betracht (z.B. Unter- oder Weitervermietung, §§ 540, 553, 565 BGB). Die Rechte aus dem Mietvertrag sind weder für den Vermieter noch den Mieter von anderer Qualität, 275 wenn der Vermieter zugleich am Grundstück dinglich berechtigt ist. Zwar kann der Vermieter, der Eigentümer ist, nach Ablauf der Mietzeit möglicherweise auch Ansprüche aus den §§ 985 ff. BGB geltend machen. Für die Dauer des Mietvertrages bestimmen sich aber die Rechte der Parteien allein nach dem Mietvertrag, also den schuldrechtlichen Beziehungen. Leitet der Vermieter sein Recht zur Überlassung von einem Eigentümer ab, entstehen zwischen Mieter 276 und Eigentümer keine unmittelbaren Ansprüche aus dem Mietverhältnis606, wohl aber können nach der Überlassung der Mietsache Ansprüche aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis erwachsen. Unter Umständen kann sich auch ein Kündigungsschutz ergeben (vgl. § 565 BGB Rz. 4). aa) Minderjährige als Vertragspartner Der von einem Minderjährigen i.S.d. § 106 BGB abgeschlossene Mietvertrag bleibt bis zur Einwilligung 277 des gesetzlichen Vertreters, die auch konkludent erfolgen kann, schwebend unwirksam (§ 107 BGB), soweit die Verträge nicht unter § 110 BGB fallen. Unabhängig davon, ob der Minderjährige Vermieter oder Mieter ist, bedarf der gesetzliche Vertreter bei Verträgen mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr der Genehmigung des Familiengerichts (§ 1643 BGB i.V.m. § 1822 Nr. 5 BGB). Ein ohne Zustimmung des Familiengerichts geschlossener Vertrag ist gemäß § 139 BGB für die Zeit 278 bis zum Eintritt der Volljährigkeit wirksam, wenn anzunehmen ist, dass die Vertragsparteien den Vertrag auch für diesen Zeitraum abgeschlossen hätten607. Im Einverständnis des gesetzlichen Vertreters mit dem Führerscheinerwerb liegt in der Regel nicht zugleich die allgemeine Zustimmung zur Anmietung eines Kfz/Kraftrades durch den Minderjährigen608. Demgegenüber wird bei einem minderjährigen Ehepartner in der Zustimmung zur Eheschließung auch eine generelle Einwilligung des gesetzlichen Vertreters zum Abschluss eines Wohnraummietvertrags im angemessenen Rahmen zu sehen sein609.

603 AG Hamburg-Harburg v. 9.12.2014 – 645 C 361/14, ZMR 2015, 385; AG Ludwigsburg v. 27.4.2005 – 5 C 80/ 05, WuM 2010, 446. 604 BGH v. 2.6.2010 – XII ZR 110/08, ZMR 2010, 844 = GE 2010, 973 = NZM 2010, 704. 605 BGH v. 11.4.2012 – XII ZR 48/10, WuM 2012, 323 (324). 606 BGH v. 10.12.1957 – VIII ZR 276/56, NJW 1958, 380. 607 BGH v. 7.2.1962 – VIII ZR 161/61, NJW 1962, 734. 608 BGH v. 19.6.1973 – VI ZR 95/71, NJW 1973, 1790. 609 MünchKomm/Häublein, § 535 BGB Rz. 37.

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§ 535 Rz. 279 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags bb) Gesellschaften als Vertragspartner 279 Die OHG, die KG und die Partnerschaftsgesellschaft können, da sie – ohne bereits juristische Person

zu sein – unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen können (§§ 105, 124, 161 HGB und § 7 II PartGG), Mietverträge abschließen. Das Gleiche gilt für AG und GmbH sowie den eingetragenen Verein610. Auch die Außen-GbR611, nicht aber eine Erbengemeinschaft612, kann eigene Rechte und Pflichten begründen und damit Mietvertragspartei sein613. Davon ist in der Regel auszugehen, wenn die GbR als solche im Mietvertrag bezeichnet ist. Für die Verbindlichkeiten aus den Mietverträgen haften die Gesellschafter wie die persönlich haftenden Gesellschafter bei OHG und KG gegenüber dem Mietvertragspartner unmittelbar neben der Gesellschaft als Gesamtschuldner. Ergeben sich aus dem Namen der GbR nicht die Namen der Gesellschafter, steht dem Mieter ein Auskunftsanspruch zu614.

280 Auch der nicht rechtsfähige Verein, der nach § 50 Abs. 2 ZPO prozessual passivlegitimiert sein kann,

kann unter seinem Namen Mietverträge abschließen615. Die gesamtschuldnerische Haftung der Vereinsmitglieder ergibt sich aus §§ 427, 714 BGB. Zumeist wird die Haftung der einzelnen Mitglieder jedoch in der Satzung auf ihren Anteil am Vereinsvermögen beschränkt sein616. Unabhängig davon kommt eine Nachhaftung auch für den Vorstand nach seinem Ausscheiden in Betracht617, wenn er den Mietvertrag unterschrieben hat. Denn die Personen, die für einen nicht rechtsfähigen Verein handeln, haften in der Regel für die durch sie begründeten Verbindlichkeiten618. cc) Öffentlich-rechtliche Körperschaften als Vertragspartner 281 Eine Gemeinde oder sonstige Körperschaft des öffentlichen Rechts ist ebenso geeignet, als Mietpartei

aufzutreten. Ein Mietvertrag, der von einem Bürgermeister als dem sowohl nach außen zur Vertretung der Gemeinde Berechtigten als auch intern für die Willensbildung zuständigen Organ unter Hinzusetzen seiner Amtsbezeichnung unterzeichnet wird, ist wirksam, selbst wenn es an der nach der Gemeindeordnung (hier: § 62 Abs. 1 KSVG) notwendigen Beifügung des Dienstsiegels fehlt619. dd) Mehrere Personen als Vermieter 282 Vermieten mehrere Miteigentümer die Mietsache, ohne eine gemeinsame Zweckverfolgung i.S.d. GbR

zu betreiben, bilden sie in aller Regel eine Bruchteilsgemeinschaft i.S.d. § 741 BGB620. In diesem Fall sind sie Mitgläubiger i.S.d. § 432 BGB621 mit der Folge, dass der Mieter befreiend nur an alle Vermieter leisten kann622. Der einzelne Mitvermieter kann nur Leistung an alle verlangen und ist nicht befugt, die Miete anteilig einzuziehen oder zu verpfänden, noch kann sein Gläubiger einen solchen Anteil pfänden623. Der Mieter kann mit befreiender Wirkung auch nur an alle Vermieter gemeinschaftlich leisten. Mangels Aufrechnungslage kann der Mieter gegenüber der Mietforderung nicht mit Forderungen gegen einzelne Vermieter aufrechnen. 610 LG Berlin v. 9.9.2011 – 63 S 605/10, GE 2011, 1484. 611 BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, MDR 2001, 459 = NJW 2001, 1056; zur Frage der Rubrumsberichtigung s. BGH v. 15.1.2003 – XII ZR 300/99, MDR 2003, 591 = NJW 2003, 1043. 612 BGH v. 17.10.2006 – VIII ZB 94/05, MDR 2007, 340 = MietRB 2007, 29 = WuM 2006, 695. 613 Näheres bei Krämer, NZM 2002, 465 ff.; Jacoby, ZMR 2001, 409 ff. 614 LG Dortmund v. 18.3.2019 – 1 S 9/19, WuM 2019, 384. 615 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 32. 616 Vgl. RG v. 18.1.1934 – IV 369/33, RGZ 143, 216. 617 AG Charlottenburg v. 10.10.2011 – 213 C 98/11, GE 2013, 126. 618 BGH v. 21.5.1957 – VIII ZR 202/56, NJW 1957, 1186. 619 BGH v. 23.10.2019 – XII ZR 125/18, MDR 2020, 86 = MietRB 2020, 7 (Börstinghaus) = WuM 2019, 697; Saarlänidsches OLG v. 3.3.2011 – 8 U 262/10, ZMR 2011, 720. 620 BGH v. 7.10.1986 – IX R 167/83, DWW 1987, 170. 621 BGH v. 28.9.2005 – VIII ZR 399/03, MietRB 2006, 57 = MDR 2006, 380 = WuM 2005, 790 = ZMR 2006, 30; BGH v. 11.7.1958 – VIII ZR 108/57, NJW 1958, 1723; OLG München v. 15.1.1998 – 19 U 5142/97, NZM 1998, 474. 622 BGH v. 29.1.1969 – VIII ZR 20/67, NJW 1969, 839. 623 BGH v. 29.1.1969 – VIII ZR 20/67, NJW 1969, 839.

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B. Wohnraummiete | Rz. 282d § 535

Gleiches gilt gemäß § 2039 BGB für die Erbengemeinschaft. Aus § 2038 Abs. 1 BGB ergibt sich im 282a Übrigen, dass die Verwaltung des Nachlasses den Erben gemeinschaftlich zusteht. Treffen die Erben keine gemeinsamen Bestimmungen, kann durch Stimmenmehrheit eine der Beschaffenheit des gemeinsamen Gegenstandes entsprechende ordnungsgemäße Verwaltung beschlossen werden, § 2038 Abs. 2 S. 1 BGB i.V.m. § 745 Abs. 1 S. 1 BGB. Sind nur zwei Teilhaber vorhanden und die Anteile verschieden groß, hat der eine von vornherein die Mehrheit. Dadurch wird das Mehrheitsprinzip aber nicht außer Kraft gesetzt624. Zur Verwaltung einer gemeinschaftlichen Forderung kann deren Einziehung gehören625. Die Einziehung kann einem Verwalter übertragen werden626. Ebenso steht es den Gemeinschaftern frei, einen Teilhaber mit der Einziehung einer Nachlassforderung zu betrauen. Auch insoweit kann die Ermächtigung zur Einziehung der Forderung durch Stimmenmehrheit gemäß § 745 Abs. 1 BGB erteilt werden, sofern dies einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht627. Aus dem gleichen Grund ist eine mehrheitlich beschlossene und ausgesprochene Kündigung eines Mietverhältnisses wirksam628. Ob alle als Vermieter angegebenen Personen tatsächlich Vertragspartei werden sollten bzw. ge- 282b worden sind, kann zweifelhaft sein. Dies gilt insbesondere, wenn im Rubrum des Mietvertrages mehr Personen genannt sind als Unterschriften vorhanden sind. Insoweit muss der Vertrag ggf. sachgerecht ausgelegt werden629, wobei die Angaben im Vertragsrubrum vorrangig sein sollen630. Das kann dazu führen, dass das Interesse des Mieters, wegen seiner Investitionen abgesichert zu sein, maßgeblich ist und daher von dem Grundsatz auszugehen ist, dass im Zweifel der/die Personen Vermieter werden sollen, die im Grundbuch als Eigentümer eingetragen sind631. Denn nur in diesem Fall kann der Mietvertrag nach § 566 BGB auf einen Erwerber übergehen. Dennoch sind vorrangig und maßgeblich die Umstände des Einzelfalles. Dabei ist insbesondere zu ermitteln, inwieweit sich eine Vertretung aus den Umständen ergibt, § 164 Abs. 1 S. 2 BGB. Auch das Verhalten der Parteien bei früheren Verträgen kann zur Auslegung herangezogen werden. Ausgangspunkt der Auslegung sollte die Überlegung sein, dass derjenige Vermieter wird, der im Ver- 282c trag als solcher bezeichnet ist und unterschreibt. Ob dies noch gilt, wenn der Unterzeichnende im Kopf des Mietvertrages als solcher nicht angegeben ist632, erscheint zweifelhaft. Denn selbst der Ehegatte, der zwar unterschreibt, nicht aber im Rubrum als Vertragspartei aufgeführt ist, soll nicht Vertragspartei werden, obwohl er Miteigentümer ist. In diesem Fall können die Umstände gem. § 164 Abs. 1 S. 2 BGB für eine Vertretung der im Rubrum bezeichneten Person sprechen633. Andererseits muss auch das Interesse des Mieters berücksichtigt werden, wegen seiner Investitionen abgesichert zu sein (§ 535 BGB Rz. 282b). Schließt nur ein Miteigentümer in eigenem Namen den Mietvertrag, so werden die übrigen Eigentü- 282d mer nicht dadurch Vermieter, dass sie den Vertragsschluss genehmigen634. Ergibt sich aus dem Vertrag selbst nicht, dass die unterschriftsleistende Person in Vertretung gehandelt hat, muss gem. § 164 Abs. 1 S. 2 BGB ermittelt werden, ob nach den Umständen von einer Vertretungsmacht ausgegangen werden kann. Dafür kann schon die Berufsbezeichnung (z.B. Hausverwalter) ausreichen, wenn daraus auf ein Vertretungsverhältnis geschlossen werden kann635.

624 BGH v. 19.9.2012 – XII ZR 151/10, GE 2012, 1700 = NZM 2013, 362; Staudinger/Langhein, § 745 BGB Rz. 15 m.w.N. 625 MünchKomm/K. Schmidt, §§ 744, 745 BGB Rz. 5 m.w.N. 626 BGH v. 14.3.1983 – II ZR 102/82, WPM 1983, 604. 627 BGH v. 19.9.2012 – XII ZR 151/10, GE 2012, 1700 = NZM 2013, 362. 628 BGH v. 20.10.2010 – XII ZR 25/09, MDR 2010, 1442 = ZMR 2011, 202 = NZM 2011, 73. 629 Zur Auslegung vgl. Vor § 535 BGB Rz. 151 ff. 630 KG v. 4.2.2019 – 8 U 109/19, MietRB 2019, 102 = MDR 2019, 544 = GE 2019, 384. 631 BGH v. 2.6.2010 – XII ZR 110/08, ZMR 2010, 844 = GE 2010, 973; AG Besigheim v. 6.12.2016 – 7 C 601/16, WuM 2017, 214. 632 LG Schweinfurt v. 31.5.1989 – 1 T 27/89, WuM 1989, 362; a.A. AG Hamburg v. 30.9.1987 – 37a C 550/87, WuM 1989, 282. 633 OLG Hamm v. 23.11.2005 – 30 U 45/05, ZMR 2006, 205. 634 LG Karlsruhe v. 9.3.1989 – 5 S 521/88, WuM 1989, 241. 635 OLG Brandenburg v. 18.9.1996 – 3 U 99/96, ZMR 1997, 598; vgl. auch BGH v. 2.4.2014 – VIII ZR 231/13, MDR 2014, 644 = MietRB 2014, 161 = ZMR 2014, 625 = GE 2014, 658; BGH v. 8.1.2004 – VII ZR 12/03, MietRB 2004, 213 = MDR 2004, 743 = NZM 2004, 559 = GuT 2004, 94.

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§ 535 Rz. 282e | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags 282e Eheleute werden grundsätzlich Vermieter, wenn sie im Rubrum des Vertrages aufgeführt sind, obwohl

nur einer die Vertragsverhandlungen bis zur Unterschriftsreife geführt und den Mietvertrag alleine unterschrieben hat. Aus der Sicht des Vertragspartners liegt nämlich eine Vertretung des anderen Ehegatten vor636. Denn durch das Führen der Vertragsverhandlungen und die anschließende (zusätzliche) Aufnahme des anderen Ehegatten in das Rubrum des Vertrages wird für den Vertragspartner deutlich, dass der Handelnde in Vertretung des anderen Ehegatten agiert hat. ee) Handeln des Hausverwalters 283 Da Stellvertretung bei Abschluss des Mietvertrages zulässig ist, kann sich der Vermieter durch seinen

Hausverwalter vertreten lassen. Dabei entstehen solange keine Probleme, wie die Stellung des Hausverwalters als Vertreter aus dem Vertrag eindeutig hervorgeht bzw. bei Abschluss des Vertrages durch Nennung der Person des Vermieters deutlich wird. Ein solches Vorgehen kann sogar dazu führen, dass die Wirkungen des § 174 S. 2 BGB herbeigeführt werden. Denn wird der Mietvertrag schon durch den Hausverwalter geschlossen, ohne dass im Laufe der Zeit Bedenken an seiner Vollmacht zutage treten, kann dies auch als ausreichende Mitteilung der Bevollmächtigung im Hinblick auf Willenserklärungen (z.B. Kündigung) angesehen werden, die den Bestand des Mietvertrages betreffen637. 284 Problematisch ist die Rechtslage, wenn der Abschluss eines Vertrages durch einen Hausverwalter ohne

ausdrückliche Angabe des Namens des Eigentümers erfolgt. Dies soll nach einer Auffassung nicht die Annahme rechtfertigen, der Hausverwalter habe als Vertreter des Eigentümers gehandelt638. Andererseits soll es zur Bindung des Eigentümers ausreichen, wenn die Hausverwaltung mit dem Zusatz „bevollmächtigt“ aufgeführt ist639. Dabei wird übersehen, dass der Wille, in fremdem Namen zu handeln, sich auch aus den Umständen ergeben kann (§ 164 Abs. 1 S. 2 BGB). Beim Abschluss eines Vertrags über das Aufstellen von Trocknungsgeräten in einem Wohnhaus macht der Hinweis auf die Tätigkeit nach der allgemeinen Verkehrsanschauung deutlich, dass der Verwalter nicht im eigenen, sondern in fremdem Namen handeln wollte640. Für einen Mietvertrag können grundsätzlich keine anderen Regeln gelten, zumal der Abschluss zum Kerngeschäft des Hausverwalters gehört. Handelt der Verwalter also im Rahmen von typischen Aufgaben eines Hausverwalters erkennbar nicht für sich selbst, ist im Zweifel der Auftraggeber Vertragspartei, also der Vermieter641. b) Handeln im Rechtsverkehr 285 Rechtserhebliche Erklärungen (insbesondere bei Vertragsabschluss, -änderung, -aufhebung, Kündi-

gung642; vgl. auch § 542 BGB Rz. 49 f.) können grundsätzlich nur durch alle Vermieter abgegeben werden. Eine Stellvertretung im Sinne der §§ 164 ff. BGB ist zulässig, muss aber erkennbar sein. 286 Bei Erben- oder Bruchteilsgemeinschaften ist die Vermietung Verwaltungshandlung, die durch

Mehrheitsbeschluss und dann durch die Mehrheit auch in Vertretung für die Minderheit erfolgen kann643. Gehören Minderjährige zu den Miteigentümern, ist die familiengerichtliche Genehmigung (§§ 1822 Nr. 5, 1643 BGB) nur dann erforderlich, wenn sie zu der Mehrheit gehören, die den Vertrag schließt644. Aus dem nur mit einem Miteigentümer geschlossenen Vertrag kann der Mieter kein Besitzrecht i.S.v. § 986 BGB gegenüber den übrigen Miteigentümern herleiten.

636 BGH v. 2.6.2010 – XII ZR 110/08, ZMR 2010, 844 = GE 2010, 973; OLG Düsseldorf v. 24.8.1999 – 24 U 93/ 98, ZMR 2000, 210; LG Gießen v. 25.7.2007 – 1 S 130/07, ZMR 2007, 864. 637 Vgl. OLG Frankfurt v. 17.3.1995 – 10 U 98/94, NJW-RR 1996, 10; s. auch LAG Berlin v. 12.11.1998 – 13 Sa 96/98, GE 1999, 581. 638 KG v. 11.7.1983 – 12 U 506/83, MDR 1983, 1023; KG v. 8.9.1997 – 8 W 6047/97, MDR 1998, 529; OLG Düsseldorf v. 7.1.2003 – 24 U 75/02, MDR 2003, 385 = ZMR 2003, 351. 639 LG Berlin v. 28.8.1987 – 64 S 483/86, MDR 1988, 54. 640 BGH v. 8.1.2004 – VII ZR 12/03, MietRB 2004, 213 = MDR 2004, 743 = NZM 2004, 559 = GuT 2004, 94; OLG Brandenburg v. 18.9.1996 – 3 U 99/96, ZMR 1997, 598 mit Anm. Lützenkirchen, WuM 1998, 127 (128). 641 Eupen, MietRB 2004, 298. 642 BGH v. 27.11.1985 – VIII ZR 316/84, MDR 1986, 401 = NJW 1986, 918. 643 BGH v. 29.3.1971 – III ZR 255/68, NJW 1971, 1265; BGH v. 3.3.1954 – VI ZR 259/52, NJW 1954, 953. 644 Schopp, ZMR 1961, 345.

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B. Wohnraummiete | Rz. 291a § 535

Steht auf der Vermieterseite eine Außen-GbR (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 1008), sind die §§ 709, 714 287 BGB zu beachten. Danach besteht grundsätzlich eine Gesamtvertretung durch alle Geschäftsführer/Gesellschafter. Handeln nicht alle Gesellschafter, ist schon wegen der fehlenden Registerpublizität § 174 BGB bei einer Vertretung anwendbar645. Dies gilt trotz der Grundbuchfähigkeit der GbR646. Haben sich demgegenüber die mehreren Personen lediglich zu einer Innen-GbR, also zu einer GbR, die nach dem Willen ihrer Gesellschafter nicht am Rechtsverkehr teilnehmen soll, zusammengeschlossen und schließen sie den Mietvertrag in ihrem eigenen Namen ab, sind sie persönlich aus dem Mietvertrag berechtigt und verpflichtet. Mehrere Vermieter haften für alle Verbindlichkeiten aus dem Mietvertrag als Gesamtschuldner (§ 427 288 BGB). Ist eine Außen-GbR Vermieterin, haftet die Gesellschaft mit ihrem Vermögen für die Verbindlichkeiten aus dem Mietvertrag, aber auch ihre Gesellschafter persönlich – akzessorische Gesellschafterhaftung647. Die persönliche Haftung eines GbR-Gesellschafters kann durch Individualabrede auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt werden648, was auch bei der Wohnraummiete zulässig ist. Wird die Gesellschaft nach den §§ 723 ff. BGB aufgelöst, gilt sie hinsichtlich des Mietvertrages zunächst 289 als fortbestehend, § 730 Abs. 2 S. 1 BGB. Dies ist insbesondere beim Ausscheiden eines von zwei Gesellschaftern zu beachten, Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass einer von mehr als zwei Gesellschaftern ausscheidet und der Gesellschaftsvertrag vorsieht, dass die Gesellschaft mit den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt wird. Dann ändert sich an der Mieterstellung der GbR nichts. Der ausscheidende GbR-Gesellschafter haftet gemäß §§ 736 Abs. 2 BGB, 160 HGB für die Dauer von fünf Jahren. Schon der Wortlaut macht deutlich, dass sich die Nachhaftung auf alle in dem Fünfjahreszeitraum fällig werdenden Forderungen bezieht, die ihre Grundlage im Mietvertrag haben (z.B. Mietzahlungsansprüche, Betriebskostennachforderungen). Denn sie sind mit dem Abschluss des Mietvertrages entstanden649. 2. Mieter a) Stellung als Vertragspartei Als Mieter wird im Verhältnis der Vertragsparteien derjenige bezeichnet, der den Überlassungs- 290 anspruch nach § 535 Abs. 1 BGB geltend machen kann und die Miete nach § 535 Abs. 2 BGB schuldet. Als Mieter kommen grundsätzlich die gleichen Personen in Betracht wie auf Vermieterseite. Wer konkret Mieter geworden ist, ist im Zweifel durch Auslegung zu ermitteln, wobei das Rubrum des Vertrages vorrangig zu bewerten sein soll650. Steht im Rubrum des Vertrages eine Privatperson, wird diese deshalb Mieter, auch wenn neben ihrer Unterschrift der Stempelaufruck der Firma steht, dessen Geschäftsführer der Mieter ist651. Ist der Mieter eine juristische Person, kommt Wohnraummietrecht nur zur Anwendung, wenn dies 291 von den Parteien vereinbart ist. Denn die juristische Person kann nicht wohnen, so dass der Inhalt des Vertrages auf Weitervermietung als Wohnraum oder eine sonstige gewerbliche Nutzung gerichtet ist. Eine abweichende Vereinbarung muss eindeutig sein. Das ist noch nicht der Fall, wenn Gegenstand des Mietvertrages eine Wohnung ist oder im Mietvertrag zur Mieterhöhung auf die §§ 558 ff. BGB verwiesen wird652. Für die Verbindlichkeiten aus dem Mietvertrag (z.B. Miete) haftet grundsätzlich nur die juristische Per- 291a son. Ausnahmsweise kommt eine Haftung der handelnden Organe in Betracht, wenn die Ausnutzung der rechtlichen Verschiedenheit zwischen der juristischen Person und den hinter ihr stehenden natürli-

645 BGH v. 9.11.2001 – LwZR 4/01, MDR 2002, 269. 646 BGH v. 4.12.2008 – V ZB 74/08, MDR 2009, 274 = NJW 2009, 594; OLG Brandenburg v. 7.10.2010 – 5 Wx 77/10, GE 2010, 1618. 647 BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, MDR 2001, 459 = NJW 2001, 1056. 648 BGH v. 24.11.2004 – XII ZR 113/01, MDR 2005, 460 = MietRB 2005, 119 = NZM 2005, 218. 649 KG v. 15.9.2005 – 8 U 6/05, ZMR 2005, 952. 650 KG v. 18.4.2002 – 8 U 33/01, GE 2002, 857. 651 KG v. 14.2.2019 – 8 U 109/17, MietRB 2019, 102 = MDR 2019, 544 = GE 2019, 384. 652 KG v. 12.9.2011 – 8 U 141/11, MietRB 2011, 375 = GE 2011, 1484.

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§ 535 Rz. 291a | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags chen Personen rechtsmissbräuchlich ist (sog. Durchgriffshaftung)653. In der Insolvenz kann dieser Anspruch nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden654. Bei einer Liquidation besteht die Möglichkeit, den Liquidator gemäß § 73 GmbHG in Anspruch zu nehmen, wenn er die Löschung der Gesellschaft veranlasst, obwohl noch Forderungen des Vermieters bestehen655. aa) Personelle Teilidentität zwischen Vermieter und Mieter 292 Nach allgemeiner Auffassung setzt ein Schuldverhältnis voraus, dass Gläubiger und Schuldner (mindes-

tens zwei) verschiedene Personen sind656. Der Annahme eines Mietvertrages steht es aber noch nicht entgegen, wenn die Personen auf Vermieter- und Mieterseite teilidentisch sind. Das ist z.B. bei der Vermietung an einen Miteigentümer durch die Miteigentümergemeinschaft der Fall657, aber auch bei einer entgeltlichen Gebrauchsüberlassung durch einen Erbbauberechtigten an einen weiteren Erbbauberechtigten und dessen Ehefrau658. Insoweit ist der Umstand, dass sich Gewährleistungsansprüche teilweise gegen den „Mieter“ selber richten oder eine Pflicht besteht, einen Teil der Kosten zu tragen, unerheblich, selbst wenn nur eine reduzierte Miete gezahlt wird. Eine Konfusion mit der Folge der (automatischen) Auflösung des Mietvertrages tritt aber ein, wenn einer von zwei Mietern die gemietete Eigentumswohnung erwirbt (z.B. durch Ausübung des Vorkaufrechts nach § 577 BGB)659 (§ 535 BGB Rz. 323). bb) Mehrere Personen als Mieter 293 Ob mehrere Personen tatsächlich alle Mieter sind, kann zweifelhaft sein, wenn nach dem überein-

stimmenden Willen der Parteien der weitere Mieter die Räume nicht nutzen sollte, sondern lediglich zur Absicherung als Partei auf Mieterseite mitunterschrieben hat. Hierdurch kann z.B. ein Schuldbeitritt herbeigeführt werden660 (vgl. auch § 551 BGB Rz. 251 f.). Die Abgrenzung erfolgt insoweit durch Auslegung im Einzelfall danach, ob der weitere „Mieter“ die Rechte aus dem Mietvertrag geltend machen können oder nur für die (finanziellen) Pflichten des anderen Mieters einstehen sollte. Das wiederum ist für die formelle Abwicklung des Mietvertrages maßgeblich, weil nur der Mieter z.B. kündigen muss oder Empfänger der Willenserklärungen des Vermieters ist. 294 Bei der Ermittlung der Person des Mieters sind grundsätzlich die Besonderheiten des Einzelfalls zu

berücksichtigen. Dabei muss im Zweifel angenommen werden, dass der im Rubrum als solcher bezeichnete Mieter, der den Vertrag nicht unterschrieben hat, im Zweifel nicht Vertragspartei werden sollte. Deshalb werden im Rubrum auf Mieterseite aufgeführte Kinder des unterschreibenden Mieters nicht Partei des Mietvertrages, wenn sie keine Unterschrift geleistet haben und auch während der Mietzeit bisher nicht als Vertragspartei in Erscheinung getreten sind661. 295 Der Ehegatte des Mieters, der im Rubrum nicht als Mietpartei aufgeführt ist, erlangt allein durch Unter-

schrift unter den Mietvertrag noch nicht die Stellung eines Mitmieters662. Bei Ehegatten, die im Passivrubrum (Mieterseite) als solche bezeichnet sind, von denen jedoch nur einer in Abwesenheit des anderen den Mietvertrag unterschreibt, kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass beide

653 654 655 656 657

658 659 660 661 662

BGH v. 10.12.2007 – II ZR 239/05, MDR 2008, 396 = ZIP 2008, 364. BGH v. 22.10.2013 – II ZR 394/12, MDR 2014, 182 = MietRB 2014, 76 = NZM 2014, 76 = ZIP 2014, 23. OLG Köln v. 21.1.2014 – 22 U 139/12, n.v. BGH v. 27.4.2016 – VIII ZR 323/14, MDR 2016, 818 = MietRB 2016, 201 = WuM 2016, 341 = GE 2016, 849 Rz. 18; BGH v. 24.8.2016 – VIII ZR 100/1, MDR 2017, 755, BGHZ 211, 331 Rz. 21. BGH v. 25.4.2018 – VIII ZR 176/17, MDR 2018, 1052 = MietRB 2018, 194 = WuM 2018, 252; BGH v. 11.9.2000 – II ZR 324/98, MDR 2001, 151 = ZMR 2001, 90 (92) = NZM 2001, 45 (unter II 1b); BGH v. 15.9.1997 – II ZR 94/96, MDR 1998, 95 = NJW 1998, 372 (unter I); BGH v. 17.12.1973 – II ZR 59/72, NJW 1974, 364 (unter II 2b); BGH v. 8.1.1969 – VIII ZR 184/66, WPM 1969, 298 (unter 1b). Vgl. BGH v. 15.9.2010 – VIII ZR 16/10, MDR 2010, 1306 = ZMR 2011, 109. BGH v. 27.4.2016 – VIII ZR 323/14, MDR 2016, 818 = MietRB 2016, 201 = WuM 2016, 341 = GE 2016, 849. LG Lübeck v. 25.3.2010 – 14 S 146/09, ZMR 2010, 857. LG Berlin v. 25.1.2011 – 65 S 173/10, GE 2011, 411. LG Berlin v. 11.9.1987 – 64 S 141/87, ZMR 1988, 103.

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B. Wohnraummiete | Rz. 300 § 535

Eheleute durch den Mietvertrag gebunden sind663. Dies gilt umso mehr, als der Abschluss eines Mietvertrages kein Geschäft des täglichen Lebens i.S.v. § 1357 BGB darstellt664. Ob der eine Ehepartner den anderen bei Abschluss des Mietvertrages vertritt, ist eine Frage des Einzel- 296 falles und setzt insbesondere einen übereinstimmenden Parteiwillen voraus665. Insoweit kann auch darauf zurückgegriffen werden, inwieweit bei anderen Verträgen eine Vertretung der Ehepartner in der Vergangenheit in gleicher Weise stattgefunden hat666. Im Regelfall kann davon ausgegangen werden, dass der Ehepartner, der den Vertrag nicht unterschreibt, auch nicht Vertragspartner werden will. Dafür spricht schon die Interessenlage: Denn der Ehepartner hat gegen seinen Ehegatten aus der ehelichen Gemeinschaft einen Anspruch auf Unterbringung, nach der Trennung kann er nach § 1568a BGB (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 319a) vorgehen und beim Tod des Ehegatten ergeben sich seine Rechte aus § 563 Abs. 1 BGB, mithin ist er ausreichend abgesichert. War der andere Ehegatte aber durch Ortsabwesenheit an der Unterschrift gehindert und hatte er vor der Unterschrift seines Ehepartners Kenntnis vom Inhalt des Mietvertrages, ist im Zweifel anzunehmen, dass er Mieter werden sollte und der Ehepartner in seinem Auftrag (mit-)unterschrieben hat. Das Innenverhältnis unter Eheleuten, die gemeinsam eine Wohnung anmieten, richtet sich nach fami- 297 lienrechtlichen Grundsätzen667. Auf die Auseinandersetzung über die Wohnung nach der Ehescheidung findet § 1361b BGB Anwendung. Partner einer Lebenspartnerschaft nach dem LPartG sind wie Eheleute zu behandeln. Ein Lebenspart- 298 ner gilt nach § 11 Abs. 1 LPartG als Familienangehöriger, soweit nichts anderes bestimmt ist, und gemäß § 11 Abs. 2 LPartG als mit den Verwandten des Lebenspartners verschwägert. Mieten Mitglieder einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ihre Wohnung gemeinsam als Einzelper- 299 sonen an, liegt in der Regel im Innenverhältnis eine GbR vor668. Bei Beendigung der Lebensgemeinschaft kann, falls anderes nicht vereinbart ist, grundsätzlich jeder der beiden Partner von dem anderen die Mitwirkung bei der Beendigung des Mietvertrags verlangen669 oder Freistellung von Verbindlichkeiten gegenüber dem Vermieter670. Ähnliche Probleme stellen sich bei Abschluss von Mietverträgen mit juristischen und natürlichen Per- 299a sonen. Ist z.B. in einem Mietvertrag eine GmbH als Mieter 1 bezeichnet und deren Geschäftsführer als Mieter 2 und unterzeichnet der Geschäftsführer den Mietvertrag ohne Vertretungszusatz nur auf der für „Mieter 1“ vorgesehenen Unterschriftenleiste, kann die Auslegung ergeben, dass der Mietvertrag mit beiden Mietern zustande gekommen ist671. cc) Wohngemeinschaft Mieten Mitglieder einer Wohngemeinschaft Wohnraum gemeinsam an, ohne eine Außen-GbR zu bil- 300 den672, verbindet sie in der Regel eine Innen-GbR673 (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 1009). Dies führt bei einem Wechsel der Gesellschafter regelmäßig nicht zu einem automatischen Mieterwechsel, weil jeder 663 OLG Düsseldorf v. 29.5.1989 – 3 W 239/89, WuM 1989, 362; OLG Oldenburg v. 30.1.1991 – 2 W 1/91, ZMR 1991, 268 = MDR 1991, 969; Schleswig- Holsteinisches OLG v. 17.11.1992 – 4 REMiet 1/92, ZMR 1993, 69 (7); LG Osnabrück v. 6.6.2001 – 1 S 1099/00, 1 S 14/01 (11), WuM 2001, 438; a.A. AG Darmstadt v. 19.2.1976 – 34 C 1558/75, WuM 1977, 224; AG Köln v. 22.2.1977 – 154 C 1045/76, WuM 1980, 85. 664 LG Mannheim v. 24.2.1993 – 4 S 112/92, NJW-RR 1994, 274; LG Osnabrück v. 6.6.2001 – 1 S 1099/00, 1 S 14/01 (11), WuM 2001, 438. 665 VGH Berlin v. 29.11.2011 – 8/10, GE 2012, 121. 666 LG Hamburg v. 5.8.2010 – 333 S 17/10, ZMR 2011, 128. 667 MünchKomm/Häublein, § 535 BGB Rz. 53; Staudinger/Emmerich, Vor § 535 BGB Rz. 85 m.w.N.; einschränkend Hanseatisches OLG Hamburg v. 18.5.2001 – 8 U 177/00, NZM 2001, 640 für den Fall des endgültigen Auszugs eines Ehepartners. 668 OLG München v. 14.1.1994 – 21 U 4806/93, ZMR 1994, 216. 669 OLG Düsseldorf v. 24.10.1997 – 22 U 43/97, MDR 1998, 830 = NZM 1998, 72; OLG München v. 14.1.1994 – 21 U 4806/93, ZMR 1994, 216. 670 OLG Frankfurt v. 15.8.2014 – 4 U 223/13, MDR 2014, 1249 = ZMR 2015, 16. 671 KG v. 8.1.2014 – 8 U 132/14, ZMR 2014, 352. 672 Vgl. dazu Bub/Treier/Bub, II Rz. 586. 673 KG v. 30.3.1992 – 2 W 1331/92, WuM 1992, 323 = NJW-RR 1992, 1490.

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§ 535 Rz. 300 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags Mieter im Außenverhältnis persönlich verpflichtet wird und nicht über den Verband des gesamthänderischen Vermögens674. Bei Mietverträgen aus der Zeit vor 2001675 ist insoweit zu prüfen, ob durch die Angabe der einzelnen Mitglieder der Wohngemeinschaft als Mieter tatsächlich eine Vermietung an die Innengesellschaft erfolgen sollte oder – wegen der bis dahin bestehenden Annahme, eine GbR sei nicht rechtsfähig – die Angabe der Einzelpersonen erfolgte, um die GbR zu bezeichnen. Das kann nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der Historie des Vertragsschlusses entschieden werden. 301 Vorbehaltlich entgegenstehender Vereinbarungen wird bei (studentischen) Wohngemeinschaften mit

dem Abschluss des Mietvertrages zugleich das antizipierte Einverständnis mit dem Wechsel einzelner Mitglieder vermutet676. Daraus resultiert wiederum ein Anspruch der Mitglieder der Wohngemeinschaft gegen den Vermieter, einer Auswechslung von Mietern zuzustimmen, so dass eine Entlassung eines ausscheidenden Mitgliedes und eine Aufnahme eines neuen Mitgliedes stattfindet677. Hintergrund ist die unterstellte uneinheitliche Zusammensetzung und das Bedürfnis der Studenten, mit Ablauf des Semesters den Studienort wechseln zu können. Dem Vermieter, der an einen solchen Personenzusammenschluss vermietet, wird unterstellt, dass er das Bedürfnis der Mieter erkennt und daher damit einverstanden ist, dass die einzelnen Mitglieder ausgewechselt werden. Insoweit steht dem Vermieter dennoch ein Ablehnungsrecht gegenüber dem potentiellen Nachfolger zu, wenn in dessen Person ein wichtiger Grund (z.B. mangelnde Bonität678) besteht. Die gleichen Anforderungen gelten, wenn eine (nicht studentische) Wohngemeinschaft nach einer vorherigen Hausbesetzung mietet und im Rahmen der Vertragsverhandlungen unter Einschaltung einer Behörde über die Notwendigkeit flexibler Mieterwechsel gesprochen wurde679 oder für den Vermieter bei Abschluss des Mietvertrages aus den Umständen des konkreten Wohnprojekts erkennbar ist, dass es sich nicht um eine auf Dauer angelegte Gemeinschaft handelt, die auf einer langfristigen Lebensplanung beruht, sondern vielmehr um eine Gemeinschaft, die lebensphasenabhängig begründet und beendet wird680. Weiterhin ist streitig, ob eine Wohngemeinschaft mindestens zwei681 oder mindestens drei Mitglieder682 haben muss. Die Annahme einer Wohngemeinschaft schon bei zwei Personen ist mit Art. 3 GG nicht vereinbar. Immerhin können weder Eheleute oder eine nichteheliche Lebensgemeinschaft vergleichbare Rechte reklamieren. Bei beiden Erscheinungsformen kann im Rahmen der Vertragsgespräche angesprochen werden, dass Auflösungsgedanken bestehen/bestanden, ohne dass ohne besondere Umstände nach der Lebenserfahrung daraus auf eine antizipierte Zustimmung des Vermieters zum formlosen Mieterwechsel geschlossen werden könnte. 302 Die dargestellte Rechtsprechung ist insgesamt abzulehnen, so dass es im Ergebnis einer Entscheidung

über die notwendige Anzahl der Mitglieder nicht bedarf. Denn ohne dass bei den Vertragsverhandlungen z.B. ausdrücklich darüber gesprochen wurde, dass Wechselabsichten auf Mieterseite im Rahmen der Ausbildung bestehen, kann auf Seiten des Vermieters das notwendige Erklärungsbewusstsein für eine antizipierte Zustimmung nicht angenommen werden683. Denn selbst wenn der Mitgliederwechsel dem Vermieter anzuzeigen ist und dem Vermieter analog § 553 Abs. 1 S. 2 BGB ein Zurückweisungsrecht zuzubilligen wäre, wenn der neue Mitmieter für ihn unzumutbar ist684, wird die Vertragsfreiheit auf Seiten des Vermieters über Gebühr eingeschränkt, ohne dass er sich dieser Situation bei Vertragsschluss bewusst ist. Demnach gelten für einen Wechselwunsch einzelner Mitglieder einer (stu-

674 Bub/Treier/Bub, II Rz. 592. 675 Vgl. für den Rechtwechsel: BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, MDR 2001, 459 = NJW 2001, 1056. 676 LG Darmstadt v. 15.8.2019 – 6 S 21/19, WuM 2020, 22; LG Hamburg v. 10.8.1995 – 334 S 38/95, WuM 1995, 697; LG Göttingen v. 11.11.1992 – 5 S 123/92, NJW-RR 1993, 783; LG Karlsruhe v. 10.5.1991 – 9 S 588/90, WuM 1992, 45; siehe auch BVerfG v. 28.1.1993 – 1 BvR 1750/92, WuM 1993, 104 = ZMR 1993, 210. 677 LG Berlin v. 9.2.2010 – 65 S 475/07, GE 2012, 1379 (1380); LG Göttingen v. 11.1.1992 – 5 S 123/92, zitiert nach juris; LG Karlsruhe v. 14.8.1992 – 9 S 102/92, zitiert nach juris; LG Karlsruhe v. 10.5.1991 – 9 S 588/90, WuM 1992, 45. 678 LG Berlin v. 9.1.2017 – 18 S 112/16, GE 2017, 421. 679 LG Berlin v. 23.3.2016 – 65 S 314/15, WuM 2016, 553. 680 LG Berlin v. 9.2.2010 – 65 S 475/07, GE 2012, 1379. 681 LG Trier v. 2.8.1994 – 1 S 95/94, WuM 1997, 548. 682 LG Köln v. 20.6.1991 – 1 S 28/91, WuM 1991, 483 = NJW-RR 1991, 1414. 683 LG Berlin v. 23.3.2016 – 65 S 314/15, WuM 2016, 553. 684 LG Hamburg v. 10.8.1995 – 334 S 38/95, WuM 1995, 697 = NJW-RR 1996, 842.

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B. Wohnraummiete | Rz. 307 § 535

dentischen) Wohngemeinschaft die allgemeinen zur Gestellung eines Ersatzmieters entwickelten Regeln entsprechend (vgl. dazu § 537 BGB Rz. 32 f.). Verweigert der Vermieter aus sachfremden Gründen seine geschuldete Mitwirkung am Mieterwechsel, 302a macht er sich schadensersatzpflichtig685. Der Schaden liegt zumindest in dem Mietanteil des ausgezogenen Mitglieds. Scheiden einzelne Wohngemeinschaftsmitglieder einvernehmlich aus, haften sie nur für die bis zu ih- 303 rem Ausscheiden begründeten Verbindlichkeiten686 analog §§ 128 ff. HGB687. Denn der Wechsel oder auch nur das Ausscheiden sind in entsprechender Anwendung des § 415 BGB als Vertragsübernahme zu werten. Das eintretende Mitglied haftet – vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen – erst für die Verbindlichkeiten, die nach seinem Eintritt entstehen oder fällig werden688. Ein ganz anderer Fall liegt vor, wenn eine oder mehrere Personen die Wohnung anmieten und in diese Räume weitere Personen aufnehmen. Dann liegt ein gestuftes Nutzungsverhältnis, nämlich Haupt- und Untermiete vor. In diesem Fall sind §§ 540, 553 BGB einschlägig. Wurde der Wohngemeinschaft im laufenden Mietverhältnis eine konkrete Erlaubnis zur Untervermie- 303a tung erteilt, kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass der Vermieter (auch) mit dem Auswechseln des Untermieters von vornherein einverstanden ist689. b) Handeln im Rechtsverkehr Einseitige Rechtsgeschäfte innerhalb des Mietvertrages können nur durch den Mieter selbst abge- 304 wickelt werden. Allerdings begründet das Mietverhältnis einen Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte, so dass auch andere Personen, insbesondere der Ehe- oder Lebenspartner sowie Familienangehörige, berechtigt sein können, Rechte aus dem Mietvertrag geltend zu machen. Mehrere Mieter können rechtserhebliche Erklärungen nur gemeinsam abgeben. Umgekehrt müssen 305 solche Erklärungen des Vermieters allen Mietern gegenüber erklärt werden, insbesondere kann das Mietverhältnis nur einheitlich gegenüber allen Mietern gekündigt werden (Näheres § 542 BGB Rz. 73). Eine Stellvertretung ist auch hier zulässig. Enthält der Mietvertrag eine sog. Vollmachtsklausel (z.B.: 306 „… die Mieter bevollmächtigen sich wechselseitig zur Abgabe und Entgegennahme von Willenserklärungen im Rahmen der Abwicklung des Mietvertrages …“), legt die h.M. die Befugnis einschränkend dahin aus, dass sie sich im Zweifel nur auf Erklärungen während des laufenden Mietverhältnisses erstreckt, nicht aber auf Erklärungen, die den Bestand des Mietvertrages betreffen (z.B. Kündigung). Mit diesem eingeschränkten Rahmen sollen sie formularmäßig unbedenklich sein690. Die einschränkende Auslegung ist jedoch zweifelhaft, wenn die Klausel keinen entsprechenden Vorbehalt enthält. Solange die Klausel nicht an einer überraschenden Stelle des Mietvertrages steht, ist sie mit uneingeschränktem Inhalt wirksam, vgl. auch § 542 BGB Rz. 55 f. 3. Grundsätze der Kommunikation zwischen Vermieter und Mieter Solange keine besondere Form wie z.B. für die Kündigung (§ 568 Abs. 1 BGB) oder die Mieterhöhung 307 (z.B. § 558a BGB) im Gesetz vorgeschrieben oder im Mietvertrag (wirksam691) vereinbart ist, können die Parteien grundsätzlich in jeder erdenklichen Form (telefonisch, elektronisch etc.) und von bzw. an jedem beliebigen Ort miteinander kommunizieren. Dies gilt nicht nur für einseitig empfangsbedürftige Willenserklärungen, sondern für jede Art von einseitigen Rechtsgeschäften, geschäftsähnlichen AG Gießen v. 2.7.2018 – 48 C 295/17, WuM 2018, 709. Staudinger/Emmerich, § 540 BGB Rz. 54. Bub/Treier/Bub, II Rz. 589. AG Köln v. 15.1.2013 – 205 C 283/12, WuM 2016, 208. AG Neukölln v. 10.4.2018 – 4 C 17/18, GE 2018, 769. U.a. OLG Frankfurt v. 19.12.1991 – 6 U 108/90, NJW-RR 1992, 396; KG v. 25.10.1984 – 8 REMiet 4148/84, ZMR 1985, 22; OLG Hamm v. 24.11.1983 – 4 REMiet 1/83, ZMR 1984, 284. 691 Vgl. z.B. zur Wirksamkeit wegen des Gebots der Schriftlichkeit zu einer Erlaubnis: OLG Frankfurt v. 19.12.1991 – 6 U 108/90, WuM 1992, 56 (64) = NJW-RR 1992, 396; a.A. OLG Celle v. 29.12.1989 – 2 U 200/ 88, WuM 1990, 103 (Klausel gemäß Klageantrag Nr. 7).

685 686 687 688 689 690

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§ 535 Rz. 307 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags Handlungen und Mitteilungen bloßer Tatsachen. Eine formularmäßige Beschränkung z.B. auf rein schriftliche Mitteilungen oder eine bestimmte Adresse, zumal wenn im Mietvertrag eine andere Adresse genannt ist, ist unwirksam692. Derjenige, der sich auf eine Erklärung (z.B. Mängelanzeige), ein Verlangen (z.B. § 546a BGB) oder eine sonstige Mitteilung beruft, muss im Zweifel deren Zugang beweisen. 308 Die Grenzen der freien Kommunikation werden durch das Nachstellen i.S.v. § 238 StGB gezogen.

Sobald die Art der Kommunikation die eine oder andere Partei in ihrer Lebensführung beeinträchtigt, kann die Unterlassung verlangt werden. 309 Im Übrigen können die Parteien den jeweils anderen grundsätzlich nicht zwingen, in Angelegenheiten

des Mietvertrages ausschließlich mit ihrem Vertreter (z.B. einem Rechtsanwalt, Hausverwalter) zu korrespondieren. Zwar ergibt sich für Angelegenheiten, in denen Rechtsanwälte bereits beauftragt sind, für diese untereinander eine solche Verpflichtung bereits aus § 12 BerufsO. Darüber hinaus besteht aber kein (genereller) Anspruch aus §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, außergerichtlich ausschließlich mit dem bevollmächtigten Rechtsanwalt des Mieters zu korrespondieren. Eine rechtswidrige Persönlichkeitsrechtsverletzung ist durch die unmittelbare Kontaktaufnahme mit dem Mieter/Vermieter nicht gegeben. Im Gegenteil: Prinzipiell liegt es im berechtigten Interesse z.B. des Vermieters, unmittelbar mit seinem Vertragspartner zur Geltendmachung von vermeintlichen Ansprüchen in Kontakt zu treten, und im Rahmen dieser Kontaktaufnahme besteht keine rechtliche Verpflichtung, nur noch über einen bestellten Vertreter zu korrespondieren. Es ist grundsätzlich jeder Vertragspartei unbenommen, mit ihrem Gegenüber unmittelbar in Kontakt zu treten. Ausnahmsweise kann der Mieter den Vermieter dennoch verpflichten, nur noch über seinen Rechtsanwalt über Fragen im Zusammenhang mit dem Wohnraummietverhältnis zu kommunizieren693, wenn bisher schon eine Vielzahl von Streitigkeiten besteht und aus der Einschaltung des Rechtsanwalts keine Abwicklungsprobleme entstehen. Letzteres ist z.B. bei Gefahr im Verzug anzunehmen. 310 Hinsichtlich der Verbindlichkeit von Handlungen und Erklärungen muss insbesondere auf Vermie-

terseite darauf geachtet werden, ob eine ausreichend bevollmächtigte Person tätig ist. Zwar können Hausverwalter im Rahmen ihrer üblichen Tätigkeit als bevollmächtigt angesehen werden (§ 164 Abs. 1 S. 2 BGB)694. Ob dies jedoch schon für deren Mitarbeiter oder einen Sachbearbeiter des Vermieters gelten kann, ist zweifelhaft. Regelmäßig ist es z.B. fernliegend, dass der Sachbearbeiter einer Vermietungs-AG – ohne Rücksprache – befugt ist, eine Mietbefreiung für mehrere Monate zu gewähren695. 4. Gewillkürter Parteiwechsel a) Allgemein 311 Neben den gesetzlich vorgesehenen Parteiwechseln auf Vermieterseite nach §§ 565, 566, 567 oder § 1922

BGB (und natürlich nach dem UmwG) sowie auf Mieterseite nach §§ 563, 564 BGB ist in der Praxis noch die Ersatzmieterstellung verbreitet (vgl. § 537 BGB Rz. 32 f.). Im Übrigen kann auf beiden Seiten des Vertrages durch einvernehmliche Regelung ein Parteiwechsel grundsätzlich jederzeit herbeigeführt werden696. 312 Dazu bieten sich verschiedene rechtliche Konstruktionen an: Das Mietverhältnis zwischen den bishe-

rigen Parteien kann durch Vertrag zwischen dem Vermieter und dem bisherigen Mieter beendet und ein neues Mietverhältnis mit dem Inhalt des bisherigen durch einen weiteren Vertrag mit dem neuen Mieter geschlossen werden. Andererseits besteht die Möglichkeit, dass der Parteiwechsel durch Vertrag zwischen dem aus dem Mietverhältnis ausscheidenden bisherigen Mieter und dem neu eintretenden Mieter mit Zustimmung des Vermieters vereinbart wird. Ein Vermieterwechsel wird aber nicht herbei-

692 LG Leipzig v. 22.12.2016 – 08 O 1959/15, WuM 2017, 518. 693 LG Hamburg v. 11.8.2011 – 307 S 60/11, ZMR 2011, 954. 694 BGH v. 8.1.2004 – VII ZR 12/03, MietRB 2004, 213 = MDR 2004, 743 = NZM 2004, 559 = GuT 2004, 94; OLG Brandenburg v. 18.9.1996 – 3 U 99/96, ZMR 1997, 598. 695 OLG Düsseldorf v. 22.3.2011 – 10 W 70/10, NZM 2011, 884. 696 Zu den maßgeblichen Gesichtspunkten und den Rechtsfolgen vgl. Schmid, WuM 2013, 643.

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B. Wohnraummiete | Rz. 315 § 535

geführt, wenn die Gesellschafter einer GbR Eigentum am Grundstück (durch Zuschlag) erwerben und anschließend das Grundstück in die Gesellschaft einbringen697. Dabei kann die Auswechslung der Partei im Rahmen eines einheitlichen Vertragswerks als sog. drei- 312a seitiger Vertrag vollzogen werden. Welcher Vertragstyp im Einzelfall dem Willen der Beteiligten entspricht, ist durch Auslegung der getroffenen Parteiabreden zu ermitteln698. Auch die Frage, ob überhaupt ein Wechsel der Vertragsparteien gewollt ist, bedarf der Auslegung der Parteiabreden. Möglich ist nämlich auch ein Vertragsbeitritt. Dabei bleibt es grundsätzlich beim Fortbestand der Rechte und Pflichten im Verhältnis der verbundenen Parteien, denen auf einer Seite eine weitere Partei in der Weise beitritt, dass von nun an das Mietverhältnis auch mit ihr besteht, sofern nicht ausdrücklich deren Ausscheiden geregelt ist. Wählen die Parteien den Wechsel im Wege der Vertragsübernahme, bedarf es der Mitwirkung aller 313 Beteiligten, wobei entweder ein dreiseitiger Vertrag im eigentlichen Sinn oder eine Vereinbarung zwischen zwei Beteiligten unter Zustimmung des Dritten ausreichend ist699. Dafür reichen der Eintritt eines Gesellschafters in den Betrieb eines Einzelkaufmanns und die Fortführung der Nutzung durch die neugegründete Gesellschaft grundsätzlich nicht aus700. Für eine stillschweigende Zustimmung des Vermieters gelten in solchen Fällen die allgemeinen Voraussetzungen, allerdings soll kein echtes Erklärungsbewusstsein erforderlich sein701. Deshalb kann die Zustimmung daraus hergeleitet werden, dass der Vermieter dem neuen Mieter eine Dauerrechnung über die laufende Miete erteilt702. Die bloße Kenntnis des Vermieters von der Fortführung der Nutzung durch den Nachmieter und der Zahlung der Miete durch diesen reicht jedoch nicht aus, selbst wenn Mieter und Nachmieter den Mieterwechsel durch eine schriftliche Vereinbarung, die der Vermieter nicht kennt, dokumentiert haben703. Im Falle der Vereinbarung zwischen neuem und altem Vermieter reicht für die Annahme der Zustimmung des Mieters nicht aus, dass dieser unverändert die Miete an die bisherige Hausverwaltung zahlt704. Er muss auch die Vereinbarung kennen, um seinem Verhalten ein entsprechendes Erklärungsbewusstsein entnehmen zu können. Eine stillschweigende Vertragsübernahme kann sich ergeben, wenn der Erwerber, der sein Recht nicht 313a vom bisherigen Vermieter ableitet, dem Mieter mitteilt, er sei nun Vermieter, der Mieter dies durch Zahlung der weiteren Mieten an ihn akzeptiert und der bisherige Vermieter seitdem nicht mehr in Erscheinung tritt705. Unabhängig davon muss die Schriftform des § 550 BGB nur zu dem Vertrag zwischen zwei Beteiligten beachtet werden. Ist das der Fall, kann der Dritte die Zustimmung formfrei erklären, § 182 Abs. 2 BGB (vgl. § 550 BGB Rz. 73). Allerdings ist stets zu prüfen, ob nicht nur ein Schuldbeitritt gewollt war. Der Vermieter kann seine Zustimmungserklärung, die auch konkludent abgegeben werden kann706, 314 nur anfechten, wenn gegenüber beiden Mietern ein Anfechtungsgrund besteht und die Erklärung beiden gegenüber abgegeben wird707. Die Haftung des neuen Mieters für Verbindlichkeiten des bisherigen Mieters bedarf der ausdrücklichen Vereinbarung. Problematisch sind in der Praxis regelmäßig die Fälle, in denen die Parteien keine eindeutigen Erklä- 315 rungen im Sinne der dargestellten Konstruktionen abgegeben haben, was z.B. durch die Aufnahme einer Vorbemerkung in den (späteren) Vertrag verhindert werden kann, in der das Ziel der Vereinbarung festgehalten wird. Fehlt es an einer solchen Klarstellung, müssen die Erklärungen aller Parteien 697 Saarländisches OLG v. 19.3.2014 – 2 U 16/13, GE 2014, 1271. 698 BGH v. 3.12.1997 – XII ZR 6/96, MDR 1998, 394 = NJW 1998, 531 (532) = ZMR 1998, 155. 699 BGH v. 3.12.1997 – XII ZR 6/96, MDR 1998, 394 = NJW 1998, 531 m.w.N.; KG v. 23.9.1999 – 8 U 344/98, NZM 2001, 622. 700 BGH v. 25.4.2001 – XII ZR 43/99, MDR 2001, 862 = ZMR 2001, 702. 701 Saarländisches OLG v. 10.1.2018 – 5 U 5/17, ZMR 2018, 588. 702 Saarländisches OLG v. 10.1.2018 – 5 U 5/17, ZMR 2018, 588. 703 Saarländisches OLG v. 19.3.2014 – 2 U 16/13, GE 2014, 1271. 704 LG Berlin v. 5.10.2010 – 63 S 386/09, GE 2011, 268. 705 BGH v. 5.6.2013 – VIII ZR 142/12, ZMR 2013, 866. 706 KG v. 20.6.2003 – 12 U 276/01, ZMR 2003, 835. 707 BGH v. 3.12.1997 – XII ZR 6/96, MDR 1998, 394 = NJW 1998, 531; BGH v. 27.11.1985 – VIII ZR 316/84, MDR 1986, 401 = NJW 1986, 918.

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§ 535 Rz. 315 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags auf ihre Übereinstimmung überprüft werden. Erst wenn auf allen drei Seiten (Vermieter, bisheriger Mieter, neu hinzutretender Mieter) das Einverständnis mit einer bestimmten Vorgehensweise festgestellt werden kann, liegt ein Parteiwechsel in der einen oder anderen Form vor. 316 Betont der Vermieter, der ursprüngliche Vertrag mit mehreren Mietern behalte seine Gültigkeit, kann

der spätere Vertrag mit nur einem Mieter nicht als Parteiwechsel, sondern allein als Schuldbeitritt gewertet werden708. b) Vertragsübernahmeklauseln 317 Ein Parteiwechsel kann auch schon im Mietvertrag angelegt sein. Die Frage, inwieweit Vertragsüber-

tragungsklauseln – über den unmittelbaren Anwendungsbereich des § 309 Nr. 10 BGB hinaus – nach Maßgabe des § 307 BGB unwirksam sind, wird unterschiedlich beantwortet. Unter der Geltung des AGBG (§ 11 Nr. 13) wurde teilweise die Auffassung vertreten, Vertragsübertragungsklauseln seien auch im kaufmännischen Verkehr stets unwirksam709. Allerdings ergibt sich bereits aus einem Umkehrschluss aus § 309 Nr. 10 BGB, der solche Klauseln gerade nicht allgemein, sondern nur dann missbilligt, wenn sie Kauf-, Dienst- oder Werkverträge betreffen und gegenüber Vertragspartnern verwandt werden, die keine Unternehmer sind, dass formularmäßige Vertragsübertragungsklauseln jedenfalls dann, wenn sie gegenüber einem Unternehmer verwandt werden, nicht generell zu einer unangemessenen Benachteiligung führen710. Deshalb ist über die Frage der Unwirksamkeit nach h.M. aufgrund einer Prüfung der jeweiligen typischen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden711. Insoweit gilt als Indiz für die Unwirksamkeit der Klausel ihre Einseitigkeit, wenn der Verwender für sich selbst eine wesentlich vorteilhaftere Nachfolgeregelung vorgesehen hat; auch wird die Langfristigkeit des Vertrags als Unwirksamkeitsindiz angesehen.

318 Vor diesem Hintergrund sind Vertragsübertragungsklauseln, die formularmäßig das Genehmigungs-

erfordernis des § 415 Abs. 1 BGB ersetzen sollen, jedenfalls dann zu beanstanden, wenn dem Kunden des Verwenders nach der Art des geschlossenen Vertrags die Person seines Vertragspartners typischerweise nicht gleichgültig sein kann, sondern er vielmehr daran interessiert sein muss, sich über Zuverlässigkeit und Solvenz des Dritten, auf den der Vertrag übertragen werden soll, Gewissheit zu verschaffen712. Diese Voraussetzungen sind z.B. bei einem auf mehrere Jahre abgeschlossenen Automaten-Aufstellvertrag, der neben mietvertraglichen Elementen auch personenbezogene Merkmale aufweist, bejaht worden713. 319 Im Übrigen ist eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Zweifel anzuneh-

men, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Unabhängig von § 309 Nr. 10 BGB ist insoweit zu bedenken, dass sich gerade das Mietrecht gegenüber der Möglichkeit eines vom Willen des Mieters unabhängigen Wechsels in der Person des Vermieters tendenziell aufgeschlossener zeigt, was sich schon aus §§ 565 BGB, 566, 567 BGB ergibt. Mit Rücksicht darauf ist die Frage nach der Unangemessenheit einer dem Vermieter formularmäßig zuerkannten Vertragsübertragung auf Dritte an eine Abwägung der beteiligten Interessen zu knüpfen714. Dabei ist in der Regel auf Seiten des Vermieters das grundsätzliche Interes708 OLG Düsseldorf v. 11.12.2001 – 24 U 17/01, ZMR 2002, 511. 709 Vgl. etwa Koch/Stübing, § 11 Nr. 13 AGBG Rz. 14; Coester-Waltjen in Schlosser/Coester-Waltjen/Graba, § 11 Nr. 13 AGBG Rz. 12. 710 BGH v. 9.6.2010 – XII ZR 171/08, MDR 2010, 1308 = MietRB 2010, 321 = GE 2010, 1333 = NZM 2010, 705 = ZMR 2011, 19. 711 BGH v. 9.6.2010 – XII ZR 171/08, MDR 2010, 1308 = MietRB 2010, 321 = GE 2010, 1333 = NZM 2010, 705 = ZMR 2011, 19; MünchKomm/Kieninger, § 309 Nr. 10 BGB Rz. 9; Palandt/Grüneberg, § 309 BGB Rz. 93; Ulmer/Brandner/Hensen, § 309 Nr. 10 BGB Rz. 11. 712 BGH v. 9.6.2010 – XII ZR 171/08, MDR 2010, 1308 = MietRB 2010, 321 = GE 2010, 1333 = NZM 2010, 705 = ZMR 2011, 19. 713 BGH v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, MDR 1985, 223 = ZIP 1984, 841; BGH v. 11.7.1984 – VIII ZR 35/83, MDR 1985, 224 = ZIP 1984, 1093; BGH v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, MDR 1991, 44 = NJW-RR 1990, 1076. 714 BGH v. 9.6.2010 – XII ZR 171/08, MDR 2010, 1308 = MietRB 2010, 321 = GE 2010, 1333 = NZM 2010, 705 = ZMR 2011, 19.

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B. Wohnraummiete | Rz. 319d § 535

se eines gewerblichen, als Gesellschaft organisierten Vermieters anzuerkennen, einen wirtschaftlich für sinnvoll erachteten künftigen Wandel der Rechtsform oder Rechtsinhaberschaft durch die Möglichkeit einer Bestandsübernahme zu erleichtern. Der Mieter kann sein Interesse, sich über Zuverlässigkeit und Solvenz des Vermieters zu vergewissern, in die Abwägung einbringen. Das Gewicht dieses Interesses wiegt umso mehr, je stärker das Vertragsverhältnis von einem besonderen Interesse an der Person eines bestimmten Vermieters (mit-)geprägt wird. Ein solches Interesse des Mieters kann sich insbesondere aus der Rechtspersönlichkeit des bisherigen Vermieters (etwa bei natürlichen Personen oder Personengesellschaften mit persönlich kontaktierbaren Gesellschaftern als Ansprechpartnern) ergeben; es kann sich aber auch aus Besonderheiten der Vertragsgestaltung (etwa bei der Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens) herleiten. Andernfalls bleibt nur das allgemeine Interesse des Mieters an einer ordnungsgemäßen Vertragserfüllung abzuwägen, die sich nicht in der einmaligen Einräumung des Mietgebrauchs erschöpft, sondern auch die Verpflichtung umfasst, die vermieteten Räume in einem zur Wahrnehmung der Gebrauchsrechte tauglichen Zustand zu erhalten. c) Mieterwechsel nach § 1568a BGB Nach der seit dem 1.9.2009 geltenden Neufassung der Regelung715 ist § 1568a Abs. 1 BGB als An- 319a spruchsgrundlage ausgestaltet. D.h. eine Zuweisung der Ehewohnung kann nur auf Antrag desjenigen ausgesprochen werden, der die Zuweisung aus den Gründen des § 1568a Abs. 1 BGB beantragt. Anspruchsziel ist die Zuweisung an den antragstellenden Ehegatten. Eine Zuweisung an den Gegner, der seinerseits keinen Antrag stellt, kommt nicht in Betracht716. Die Qualifizierung als Ehewohnung hängt nicht davon ab, dass noch beide Ehegatten in der Wohnung 319b leben bzw. der in der Wohnung verbliebene Ehegatte auch Mietvertragspartei ist717. Maßgeblich ist, dass die Wohnung den Lebensmittelpunkt der Ehe begründet hat. Die Wohnung verliert ihre Eigenschaft als Ehewohnung deshalb nicht schon dadurch, dass der (mietende) Ehegatte die Wohnung dem anderen – ggf. auch für einen längeren Zeitraum – überlassen hat bzw. diese nur noch sporadisch nutzt718. Erst wenn der Ehegatte, der die Wohnung verlassen hat, diese endgültig aufgibt, verliert sie ihren Charakter als Ehewohnung719. Dabei kommt es maßgeblich darauf an, ob die Überlassung an den anderen Ehegatten noch den aktuellen Erfordernissen in der Trennungssituation geschuldet ist oder ob ihr schon eine endgültige Nutzungsüberlassung zugrunde liegt. Der Umstand, dass sich ein Ehegatte weigert, einer Kündigung zuzustimmen bzw. der Vermieter nicht 319c zur Entlassung eines der Ehegatten als Mieter bereit ist, ist kein Fall einer Wohnungszuweisung, sondern betrifft einen Regelungsgegenstand außerhalb des Regelungsbereichs des § 1568a BGB, nämlich allein die Frage, ob ein Anspruch zwischen den Eheleuten auf Zustimmung zur Kündigung besteht bzw. wer als Mieter für die Mietzahlung in Anspruch genommen werden kann. Letzteres abzuwehren, ist kein geeignetes Ziel, das die Wohnungszuweisung rechtfertigen kann, denn diese ist ausschließlich daran orientiert, wer in stärkerem Maße auf die Wohnung angewiesen ist720. Sind beide Ehegatten Mieter der Wohnung und sind sie sich über die künftige alleinige Weiternut- 319d zung durch einen von ihnen einig, kann eine Umgestaltung des Mietverhältnisses durch eine Mitteilung der Eheleute nach § 1568 Abs. 3 Nr. 1 BGB erfolgen. In einem solchen Fall ist ein Anspruch auf Mitwirkung an der entsprechenden Mitteilung gegeben. Dies gebietet in einer solchen Situation die nacheheliche Solidarität721. Dieses Verfahren ist auch zulässig, wenn der Vermieter mit einem Mieterwechsel nicht einverstanden sein sollte. Ihm verbleibt das Sonderkündigungsrecht gemäß §§ 1568a Abs. 3 S. 2, 563 Abs. 4 BGB. Liegt eine Einigung der Eheleute z.B. hinsichtlich der zukünftigen alleinigen

715 Gesetz zur Regelung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts v. 6.7.2009, BGBl. I 2009, S. 1696 ff. 716 Palandt/Brudermüller, § 1568a BGB Rz. 2. 717 BGH v. 12.6.2013 – XII ZR 143/11, MietRB 2014, 37 = MDR 2013, 899 = WuM 2013, 485 = GE 2013, 999. 718 So aber Schmidt-Futterer/Blank, § 540 BGB Rz. 26. 719 Johannsen/Henrich/Götz, Familienrecht, 5. Aufl., § 1361b BGB Rz. 11 m.w.N. 720 KG v. 5.2.2013 – 13 UF 209/12, GE 2013, 942 m.w.N. 721 OLG Hamm v. 3.9.2014 – 2 WF 170/14, MDR 2015, 20 = GE 2015, 381.

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§ 535 Rz. 319d | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags Nutzung des in der Wohnung verbliebenen Ehegatten vor, fehlt einem Verfahren auf gerichtliche Zuweisung der Ehewohnung nach § 1568a Abs. 1 BGB das Rechtsschutzbedürfnis722. 319e Die Mitteilung als solche lässt das bestehende Mietverhältnis zunächst unverändert; das Mietverhält-

nis wird durch die Mitteilung erst ab Rechtskraft der Scheidung umgestaltet723 Dem anderen Ehegatten kann ein berechtigtes Interesse daran zugestanden werden, dass zeitgleich mit der Rechtskraft der Scheidung die Umgestaltung eintritt und er auf der Grundlage des § 1568a Abs. 3 Nr. 1 BGB aus dem Mietverhältnis ausscheidet. 319f Gemäß § 1568a Abs. 5 BGB kann der Ehegatte, der Anspruch auf Überlassung der Ehewohnung hat,

die Begründung eines Mietverhältnisses zu ortsüblichen Bedingungen verlangen. Kommt eine Einigung über die Höhe der Miete nicht zustande, kann der Vermieter eine angemessene Miete, im Zweifel die ortsübliche Vergleichsmiete verlangen. Dieses Recht kann der Ehegatte noch geltend machen, obwohl er das Mietverhältnis zuvor gekündigt hat, solange der Vermieter die Räume nicht neu vermietet hat724. 319g Bei der Zumutbarkeit sind jeweils die Interessen der Beteiligten zu berücksichtigen725. In Betracht

kommen dabei insbesondere – die Nutzungsdauer des bisherigen Mietvertrages, – Einkommensverhältnisse (einschl. Unterhalt) des nutzenden Ehegatten, – Das Wohl der Kinder, insbesondere Anzahl der Kinder und deren Einbindung in das soziale Umfeld, – Entfernung der Wohnung des anderen, besuchsberechtigten Ehegatten, – Interesse des Vermieters an einer Anhebung der Miete auf das durch § 558 Abs. 2 BGB vorgegebene Maß, – das Sicherungsinteresse des Vermieters (Begründung oder Aufstockung einer Kaution), – bisherige Konflikte im Mietverhältnis, auch Zahlungsrückstände. 319h Ist das Mietverhältnis aber im Zeitpunkt der Erklärung der gemeinsamen Nutzung gemäß § 1568a

Abs. 3 Nr. 1 BGB z.B. gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB vom Vermieter wirksam gekündigt, kann die gemeinsame Erklärung, die die Gestaltung eines fortbestehenden Mietverhältnisses gerichtet ist, keine Wirkung entfalten. Ein Eingriff in die Rechte des Vermieters ist nicht gerechtfertigt, wenn ohnehin feststeht, dass er sich aus dem Mietverhältnis wirksam, und sei es mit einer Frist, gelöst hat726 319i Kündigt der ausgezogene Mieter infolge der Trennung, kann der zurückbleibende Ehegatte nicht mehr

nach § 1361b BGB vorgehen. Danach kann nämlich nur die (alleinige) Überlassung erreicht werden. Im Verhältnis zum Vermieter bleibt dieses Verfahren ohne Bedeutung. Der zurückbleibende Ehegatte kann allenfalls Schadensersatzansprüche geltend machen727.

III. Gegenstand des Mietvertrages 320 Der Mietgegenstand wird durch die Einigung der Parteien festgelegt. Deren Inhalt muss mindestens

bestimmbar sein. Das ist der Fall, wenn die Mieteinheit anhand der Beschreibung objektiv und zweifellos ermittelt werden kann. Regelmäßig ergibt sich der Umfang aus der Beschreibung im Mietvertrag. Werden dabei Teile nicht erwähnt, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob die Fläche zum Mietgegenstand gehören sollte. Dafür ist insbesondere auf die Abreden der Parteien bei Vertragsschluss abzustellen, aber auch spätere Erweiterungen des Mietvertrages sind zu prüfen. Zur Auslegung kann auch eine zwischen Vor- und Nachmieter geschlossene Vereinbarung über den Kauf von Inventar herangezogen werden728. Im Zweifel ist aber davon auszugehen, dass sich die Gebrauchsgewährpflicht

722 723 724 725 726 727 728

OLG Hamm v. 3.9.2014 – 2 WF 170/14, MDR 2015, 20 = GE 2015, 381. OLG Hamm v. 3.9.2014 – 2 WF 170/14, MDR 2015, 20 = GE 2015, 381. AG München v. 3.2.2014 – 525 F 11773/13, FamRZ 2014, 1459. AG München v. 3.2.2014 – 525 F 11773/13, FamRZ 2014, 1459. KG v. 5.2.2013 – 13 UF 209/12, GE 2013, 942 m.w.N. OLG Frankfurt v. 20.2.2013 – 5 UF 14/13, MietRB 2014, 2 = ZMR 2014, 279. BGH v. 27.9.2017 – XII ZR 54/16, NZM 2017, 812.

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B. Wohnraummiete | Rz. 323 § 535

des Vermieters auf alle Einrichtungen und sonstigen Gegenstände erstreckt, die bei Übergabe in den Mieträumen vorhanden waren. Bei einer Eigentumswohnung kann nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass sämtliche der Wohnung wohnungseigentumsrechtlich zugewiesenen Sondernutzungsrechte automatisch Gegenstand des Mietvertrages sind729. Ist eine Fläche, Einrichtung, Anlage oder Ähnliches im Mietvertrag nicht erwähnt, aber bei der Über- 320a gabe vorhanden, kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an, ob ein Nutzungsrecht des Mieters besteht, auf das die mietrechtlichen Vorschriften anwendbar sind. Dies kann bei der Überlassung eines Einfamilienhauses dazu führen, dass nicht nur der Ziergarten, sondern das gesamte eingezäunte Grundstück zur Mietsache gehören, obwohl sie auf verschiedenen Flurstücken liegen730. Duldet der Vermieter z.B. die Nutzung einer Dachterrasse durch den Mieter, findet dadurch ohne besondere Umstände keine Erweiterung des Mietvertrages statt. Vielmehr kann der Vermieter die unentgeltliche Überlassung jedezeit widerrufen731. Nichts anderes gilt, wenn dem Mieter zusätzliche Flächen, Einrichtungen etc. überlassen werden, für die er kein zusätzliches Entgelt zahlen soll (vgl. auch § 535 BGB Rz. 326a). 1. Sachen Als Gegenstand des Mietvertrags kommen bewegliche und unbewegliche Sachen in Betracht, vertret- 321 bare Sachen (§ 91 BGB) nur dann, wenn dieselben Sachen bei Mietende zurückzugeben sind, sonst liegt Darlehen, u.U. auch Tausch vor. Zur Vermietung verbrauchbarer Sachen (§ 92 BGB) vgl. unten732. Öffentliche Sachen können vermietet werden, soweit der Gebrauch durch den Mieter über den Gemeingebrauch hinausgehen soll. Auch Sachteile können Gegenstand eines Mietvertrags sein, soweit ihr selbständiger Gebrauch möglich ist (z.B. Vermietung von Teilen eines Grundstücks oder eines Gebäudes/ Raumes, von Hauswänden zu Reklamezwecken, von Balkonen/Fenstern, von denen aus Festveranstaltungen beobachtet werden können). Sachgesamtheiten733 können durch einheitlichen Mietvertrag (vgl. Vor § 535 BGB Rz. 74) überlassen werden. Der Vermieter muss nicht Eigentümer der Mietsache sein734. Klassischer Fall der Vermietung einer 322 fremden Sache ist die Untervermietung (§ 540 BGB). Die mangelnde Berechtigung oder faktische Möglichkeit des Vermieters zur Gebrauchsüberlassung berührt die Wirksamkeit des Mietvertrages nicht. In diesen Fällen hängt seine Haftung von der Art des Leistungshindernisses ab, weil die §§ 536 f. BGB für den Rechtsmangel i.S.d. § 536 Abs. 3 BGB vorrangig sind (vgl. Vor § 536 BGB Rz. 34). Auch an eigenen Sachen ist Miete möglich, z.B. wenn der Eigentümer vom Nießbraucher oder Haupt- 323 mieter mietet735. Erwirbt der Mieter im Verlaufe der Mietzeit das Eigentum an der Mietsache, erlischt das Mietverhältnis infolge Konfusion. Denn der mietende Eigentümer wird Vermieter und Mieter in einer Person. Ein Schuldverhältnis setzt nach allgemeiner Auffassung aber voraus, dass Gläubiger und Schuldner verschiedene Personen sind. Genauso wie ein Schuldverhältnis zwischen denselben Personen nicht entstehen kann736, erlischt es i.d.R. wieder, wenn sich Forderung und Schuld nachträglich in einer Person vereinen737. Dementsprechend kann ein Mietverhältnis nicht wirksam entstehen, wenn auf Gebrauchsnutzerseite eine Person beteiligt ist, die zugleich Vermieterstellung einnimmt738. Deshalb muss ein Mietverhältnis erlöschen, wenn der Mieter nachträglich das Eigentum z.B. durch Ausübung eines Vorkaufsrechts nach § 577 BGB erwirbt und deshalb in einer Person der Gebrauchsgewährende und 729 LG Bonn v. 15.11.2012 – 6 S 25/12, ZMR 2013, 441; a.A. AG Hamburg-Bergedorf v. 18.12.2012 – 409 C 68/ 12, ZMR 2013, 357. 730 AG Bonn v. 29.10.2018 – 201 C 208/18, ZMR 2019, 134. 731 KG v. 1.12.2008 – 8 U 121/08, WuM 2009, 654 = GE 2009, 1552. 732 MünchKomm/Häublein, § 535 BGB Rz. 63. 733 Zum Begriff vgl. Palandt/Ellenberger, Überbl v. § 90 BGB Rz. 5. 734 BGH v. 10.12.1957 – VIII ZR 276/56, NJW 1958, 380. 735 BGH v. 26.2.1954 – V ZR 135/52, NJW 1954, 918; RG v. 9.5.1922 – III 533/21, RGZ 104, 308. 736 Z.B. LG Berlin v. 13.6.2017 – 63 S 278/16, GE 2017, 1162. 737 BGH v. 1.6.1967 – II ZR 150/66, BGHZ 48, 214 (218); BGH v. 4.7.1991 – III ZR 101/90, MDR 1991, 1132 = BGHZ 115, 116 (121); BGH v. 14.6.1995 – IV ZR 212/9, MDR 1995, 12344, WPM 1995, 1693 unter 3 a; BVerwG, NVwZ-RR 2014, 310 (311); BFH v. 7.6.2006 – IX R 14/04 Rz. 15; jeweils m.w.N. 738 BGH v. 4.7.1991 – III ZR 101/90, MDR 1991, 1132 = BGHZ 115, 116 (121); BFH v. 7.6.2006 – IX R 14/04 Rz. 15.

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§ 535 Rz. 323 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags derjenige ist, dem das aus dem Mietvertrag fließende Gebrauchsrecht an der Mietsache zusteht739. Das hinsichtlich eines von mehreren Mietern durch Konfusion eingetretene Erlöschen des Mietverhältnisses an einer Wohnung beendet zugleich auch das Mietverhältnis mit dem/den anderen Mieter/n im gleichen Umfang740. Keine Konfusion tritt aber ein, wenn eine Eigentümergemeinschaft als Vermieter mit einem ihrer Mietglieder einen Mietvertrag abschließt741. Vgl. auch § 542 BGB Rz. 161 f. 323a Keine Konfusion tritt ein, wenn auf der Vermieter- und oder Mieterseite neben der Person, die beide

Stellungen hat, weitere Personen auftreten (§ 535 BGB Rz. 292). Das ist z.B. der Fall, wenn der Mietvertrag von einer Miteigentümergemeinschaft mit einem Miteigentümer geschlossen wurde742. 323b Eine Konfusion an einem bereits bestehenden (Miet- oder Pacht-)Vertrag tritt nicht ein, wenn die Par-

teien später ein dingliches Nießbrauchsrecht vereinbaren, das inhaltlich nicht mit dem schuldrechtlichen Vertrag identisch ist, sondern sich insbesondere hinsichtlich der Laufzeit von dem Nießbrauchrecht unterscheidet743. 2. Wesentliche Bestandteile und Zubehör 324 Vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen erstreckt sich das Mietverhältnis auf die wesentlichen Be-

standteile der Mietsache (§§ 93, 94 BGB). § 311c BGB ist entsprechend anwendbar744, so dass der Mietvertrag im Zweifel auch das Zubehör (§ 97 BGB) der Mietsache umfasst, z.B. die Schlüssel zu den Mieträumen, den Briefkasten, die eingebauten Haushaltsgeräte, die Alarmanlage745, die Schlüssel und Papiere eines Mietautos sowie die Telekommunikationsanlage bei einem Hotel746. Wird ein Einfamilienhaus vermietet und im vorformulierten „Mietvertrag für Wohnungen“ mit der Lageangabe nach Ort, Straße und Hausnummer näher bezeichnet, ohne dass sich aus dem Vertragstext ergibt, ob der Garten mitvermietet worden ist, ist nach der Verkehrsanschauung davon auszugehen, dass das gesamte unter dieser Anschrift gelegene Grundstück vermietet ist und nicht nur der unmittelbar am Hause gelegene Ziergarten747. Bei der Vermietung eines „Reihenhauses mit Garten“ gehört auch die Zufahrt zu einer im Haus belegenen Garage dazu, so dass der Mieter auf dieser Fläche sein Fahrzeug abstellen darf, wenn sich darauf das Sondernutzungsrecht des Vermieters bezieht748, sofern keine Anhaltspunkte dagegen sprechen. Erst recht umfasst der vertragsgemäße Gebrauch bei der Vermietung eines Einfamilienhauses den (ungehinderten) Zugang des Mieters zum Heizungskeller749. 325 Bei einer Raummiete gelten die zu den Mieträumen gehörenden Nebengelasse grundsätzlich ohne zu-

sätzliches Entgelt als mitvermietet. Dies gilt für einen Keller auch ohne ausdrückliche Erwähnung im Mietvertrag insbesondere dann, wenn die Beleuchtung dieses Raums schon bei Abschluss des Mietvertrages an die Elektrounterverteilung der Wohnung angeschlossen ist750. Gleiches gilt für Außenflächen, die (allein) von der vermieteten Wohnung aus betreten werden können und deshalb nur für eine alleinige Benutzung durch den Mieter in Betracht kommen751. Dies gilt jedoch nicht z.B. für eine außerhalb der Wohnung gelegene Plattform (z.B. Dach eines Anbaus), die rein faktisch für den Mieter zugänglich

739 BGH v. 9.6.2010 – VIII ZR 189/09, MDR 2010, 916 = MietRB 2010, 264 = WuM 2010, 518 Rz. 18 m.w.N.; ebenso schon RGZ 49, 285 (286). 740 BGH v. 27.4.2016 – VIII ZR 323/14, MDR 2016, 818 = MietRB 2016, 201 = WuM 2016, 341 = GE 2016, 849. 741 BGH v. 25.4.2018 – VIII ZR 176/17, MietRB 2018, 194 = MDR 2018, 1052 = WuM 2018, 352 = ZMR 2018, 742. 742 BGH v. 25.4.2018 – VIII ZR 176/17, MDR 2018, 1052 = MietRB 2018, 194 = WuM 2018, 352. 743 OLG Schleswig v. 8.12.2016 – 7 U 47/15, ZMR 2017, 394. 744 BGH v. 29.9.1999 – XII ZR 313/98, MDR 2000, 79 = NJW 2000, 354 (357); BGH v. 17.9.1975 – VIII ZR 157/ 74, NJW 1975, 2103. 745 OLG München v. 3.7.1979 – 5 U 1851/79, MDR 1979, 934. 746 LG Flensburg v. 3.6.1999 – 5 O 26/98, Rpfleger 2000, 345. 747 OLG Köln v. 5.11.1993 – 19 U 132/93, OLGR Köln 1994, 31 = ZMR 1994, 111 = WuM 1994, 272. 748 AG Hamburg-Bergedorf v. 18.12.2012 – 409 C 68/12, ZMR 2013, 357; vgl. aber LG Bonn v. 15.11.2012 – 6 S 25/12, ZMR 2013, 441. 749 LG Mannheim v. 13.7.1977 – 4 S 91/77, WuM 1978, 186 = ZMR 1978, 140. 750 LG Berlin v. 13.3.2015 – 65 S 396/14, GE 2015, 512. 751 Vgl. AG Eschweiler v. 19.5.1994 – 5 C 114/94, WuM 1994, 427; Palandt/Weidenkaff, § 535 BGB Rz. 16; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 25.

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B. Wohnraummiete | Rz. 326b § 535

ist, ohne dass ihr ein bestimmter Nutzungszweck beigemessen worden ist752. Erst recht wird ein Schuppen, der aus Kulanz und unter Vorbehalt zur Nutzung überlassen wurde, nicht Gegenstand des Mietvertrages753. 3. Gemeinschaftsflächen Vorbehaltlich entgegenstehender Regelungen im Mietvertrag gehören bei der Raummiete grundsätz- 326 lich ohne zusätzliches Entgelt und ohne besondere Erwähnung im Mietvertrag die im Gebäude und auf dem Grundstück vorhandenen Gemeinschaftsflächen zum vertragsgemäßen Gebrauch. Danach kann der Mieter ohne Weiteres im Normalfall die zu den Mieträumen gehörenden Zugänge, Abgänge, Fahrstühle, Flure, Treppen, Spielplätze, Durchfahrten und ähnliche Gebäude- und Grundstücksteile mitbenutzen754. Das Gleiche gilt für den Hof, auf dem ein Fahrradabstellplatz eingerichtet ist. Insoweit kann der Mieter auch die Aushändigung eines Schlüssels verlangen755 (zur Nutzung von Gemeinschaftsflächen vgl. § 535 BGB Rz. 764 f.). Allerdings gelten diese Teile grundsätzlich nicht als mitvermietet756. Vielmehr steht dem Mieter im 326a Rahmen des vertragsgemäßen Gebrauchs allein ein Mitbenutzungsrecht zu. Deshalb ist streitig, ob der Mieter durch den Gebrauch Mitbesitz erlangt und damit Besitzschutzansprüche gegenüber dem Vermieter geltend machen kann757. Richtigerweise besteht ein eigenes Besitzrecht des Mieters mangels Mitbesitz gerade nicht758, sofern die Einrichtung oder Fläche nicht Gegenstand einer besonderen Vereinbarung im Mietvertrag ist759. Insbesondere kann eine solche Abrede dadurch getroffen werden, dass in einer Beschreibung des Mietobjekts zugleich eine Aussage über seinen Charakter und damit eine diesem Charakter entsprechende Beschaffenheit enthalten ist760. Enthält die Vertragsurkunde zur entsprechenden Nutzung oder Fläche jedoch keine Aussage und kann nicht festgestellt werden, dass dahingehend mündliche Absprachen erfolgt sind, reicht es zur Annahme einer konkludent getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung z.B. nicht aus, dass die Fläche zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses betreten werden konnte761. Zwar kann die für eine Beschaffenheitsvereinbarung erforderliche Willensübereinstimmung auch konkludent in der Weise erzielt werden, dass der Mieter dem Vermieter bestimmte Anforderungen an die Mietsache zur Kenntnis bringt und dieser zustimmt. Eine einseitig gebliebene Vorstellung des Mieters genügt dafür jedoch selbst dann noch nicht, wenn sie dem Vermieter bekannt ist. Erforderlich ist vielmehr weiter, dass der Vermieter darauf in irgendeiner Form zustimmend reagiert762. Auch eine Auslegung des Mietvertrages ist denkbar. Dabei sind jedoch nicht nur die Belange des Mieters, insbesondere sein Nutzungsinteresse, zu berücksichtigen. Vielmehr ist auch zu prüfen, inwieweit die Fläche dem Vermieter z.B. Ausbaupotential bietet. Ist Letzteres gegeben, liegt es im Zweifel nicht im Interesse des Vermieters, sein Verfügungsrecht zu beschränken (hier: Flachdach als Terrassenfläche)763. Es ist umstritten, ob der Vermieter berechtigt ist, Gemeinschaftsanlagen oder -einrichtungen einzuzie- 326b hen oder umzugestalten. Dabei ist zu unterscheiden, ob es sich um die Nutzung eines Teils der Gemeinschaftsfläche handelt, die die Nutzung Dritter ausschließt, oder um die bloße Teilhabe am gemeinschaft752 BGH v. 23.9.2009 – VIII ZR 300/08, MDR 2010, 20 = MietRB 2009, 345 = GE 2009, 1426 = NZM 2009, 855. 753 AG Hamburg v. 20.7.2012 – 41 C 6/12, ZMR 2012, 963. 754 BGH v. 10.11.2006 – V ZR 46/06, MDR 2007, 453 = NJW 2007, 146; OLG Düsseldorf v. 5.5.2009 – 24 U 153/ 08, MDR 2009, 1157 = MietRB 2009, 288 = GE 2009, 1187; Leit, NZM 2019, 658; MünchKomm/Häublein, § 535 BGB Rz. 70; Palandt/Weidenkaff, § 535 BGB Rz. 16; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 25. 755 AG Charlottenburg v. 9.1.2018 – 224 C 254/17, GE 2018, 1152. 756 KG v. 3.12.1998 – 8 U 3716/98, GE 1999, 252. 757 Unentschieden: Bub/Treier/Kraemer/Schüller, III Rz. 2881; dafür: MünchKomm/Joost, § 866 BGB Rz. 3. 758 OLG Dresden v. 17.6.2019 – 5 U 880/19, MietRB 2019, 298 = MDR 2019, 1244 ZMR 2019, 859 = GE 2019, 1635: KG v. 20.8.2012 – 8 U 168/12, MietRB 2012, 364 = GE 2012, 1561. 759 Vgl. z.B. BGH v. 26.3.1974 – VI ZR 103/72, BGHZ 62, 243 (für Aufzug). 760 BGH v. 28.11.2007 – VIII ZR 106/07, ZMR 2008, 116 (Rz. 2). 761 OLG Dresden v. 17.6.2019 – 5 U 880/19, MietRB 2019, 298 = MDR 2019, 1244 ZMR 2019, 859 = GE 2019, 1635; KG v. 1.12.2008 – 8 U 121/08, WuM 2009, 654 = GE 2009, 1552. 762 Vgl. BGH v. 23.9.2009 – VIII ZR 300/08, MietRB 2009, 345 = MDR 2010, 20 = WuM 2009, 659 (Einbeziehung einer Dachterrasse); BGH v. 20.5.2009 – VIII ZR 191/07, MDR 2009, 1037 = NJW 2009, 2807 (Rz. 9). 763 BGH v. 23.9.2009 – VIII ZR 300/08, MDR 2010, 20 = MietRB 2009, 345 = GE 2009, 1426 = NZM 2009, 855.

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§ 535 Rz. 326b | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags lichen Gebrauch764. Richtigerweise ist die Gestattung der Nutzung einer Gemeinschaftsfläche frei widerruflich, unabhängig davon, ob die Nutzung ausdrücklich oder stillschweigend durch bloße Duldung erteilt worden ist765. Dies gilt grundsätzlich für sämtliche Gemeinschaftsflächen, also z.B. – eine Dachterrasse, zu der nur einige Mieter des Hauses Zugang haben766, – einen Spielplatz767, – einen Wäschetrockenplatz768. Soweit der Mieter auf die Benutzung der Fläche angewiesen ist (z.B. Eingangsbereich), besteht dennoch ein Dispositionsspielraum des Vermieters769. Allerdings muss er eine andere Fläche oder eine Ersatzeinrichtung zur Verfügung stellen (z.B. Verlegung der Klingelanlage und der Briefkästen). Voraussetzung dafür ist, dass diese vergleichbare Ausstattungsmerkmale aufweisen und für die vorgesehene Nutzung geeignet sind770. Eine Informations- oder Ankündigungsverpflichtung des Vermieters bei der Ausübung seines Dispositionsrechts besteht nicht, soweit nicht der konkrete Mietgebrauch der vermieteten Wohnung tangiert ist771. 326c Das freie Ermessen des Vermieters bezieht sich grundsätzlich auch auf die Gestaltung der Gemein-

schaftsflächen. Die Grenze ergibt sich aus dem vertragsgemäßen Zustand. Deshalb kann der Mieter mindern, wenn sich das Treppenhaus in einem mangelhaften Zustand befindet. Das ist insbesondere der Fall, wenn es verdreckt oder die Renovierung abgenutzt ist. Auch verkehrsunsichere Zustände muss der Vermieter beseitigen. Das Gleiche gilt für eine Pressspanplattenverkleidung, die angebracht wurde, um die Natursteine des Treppenbelages zu schützen, soweit keine Bauarbeiten im nennenswerten Umfang durchgeführt werden772. 327 Im Übrigen besteht für den Vermieter keine Verpflichtung zur Gleichbehandlung773, solange keine

Diskriminierung i.S.d. AGG gegeben ist. Deshalb kann er die Nutzung von Gemeinschaftsflächen durch einen Mieter grundsätzlich auch ausschließen. Das muss aber bei Vertragsschluss besonders erwähnt werden. Denn ansonsten kann über die Nutzung der anderen Mieter zum gemeinsamen Gebrauch überlassenen Grundstücks- und Gebäudeteile stillschweigend ein Mietvertrag zustande kommen. Umgekehrt ist der Vermieter nicht verpflichtet, anderen Mietern Nutzungsrechte an den Gemeinschaftsflächen nur in dem Umfang einzuräumen oder solche Nutzungen zu dulden, die er ihnen zwingend zugestehen muss774. Denn es ist Ausfluss des Eigentumsrechts, dem Einen mehr und dem Anderen weniger Rechte hinsichtlich der Nutzung zu gewähren. Eingeschränkt kann dieses Ermessen allenfalls durch vertragliche Abreden oder – bei Genossenschaften – durch den genossenschaftlichen Treuegedanken sein775. Hieraus ergibt sich für den Mieter im Rahmen des Mietvertrages aber kein besonderer Auskunftsanspruch z.B. über Personen, die sich negativ über ihn gegenüber dem Vermieter (Genossenschaft) geäußert haben776. 328 Die Mieter dürfen die Hauszufahrt zum Be- und Entladen ihres Fahrzeugs nutzen777. Ein Anspruch

auf dauerhafte Zufahrt zum Gebäude über einen Privatweg, der als Feuerwehrzufahrt dient, besteht aber nicht778. Parkt der Mieter auf gemeinschaftlichen Flächen, muss der Vermieter insbesondere zum Maß der vertragswidrigen Nutzung substantiiert vortragen, um Nutzungsentschädigung zu erhal-

764 765 766 767 768 769 770 771 772 773 774 775 776 777 778

Vgl. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. VI 140. KG v. 1.12.2008 – 8 U 121/08, WuM 2009, 654 = GE 2009, 1552. KG v. 1.12.2008 – 8 U 121/08, WuM 2009, 654 = GE 2009, 1552. LG Berlin v. 28.2.1997 – 64 S 503/96, GE 1997, 1401. AG Hamburg-Blankenese v. 23.2.2000 – 508 C 551/99, ZMR 2000, 307. KG v. 20.8.2012 – 8 U 168/12, MietRB 2012, 364 = GE 2012, 1561. KG v. 20.8.2012 – 8 U 168/12, MietRB 2012, 364 = GE 2012, 1561 m.w.N. KG v. 20.8.2012 – 8 U 168/12, MietRB 2012, 364 = GE 2012, 1561; LG Hamburg v. 13.11.2009 – 311 O 330/ 09, ZMR 2010, 530. LG Berlin v. 25.11.2015 – 67 S 379/14, WuM 2016, 25. LG Köln v. 25.7.2013 – 1 S 201/12, ZMR 2014, 541; LG Köln v. 4.2.2010 – 6 S 269/09, ZMR 2010, 533. LG Berlin v. 31.7.2012 – 63 S 576/11, GE 2012, 1377. Vgl. dazu Drasdo, NZM 2012, 585. AG Köln v. 19.4.2018 – 127 C 404/17, IMR 2018, 280 (Feckler). LG Lübeck v. 4.1.1990 – 14 S 160/89, NJW-RR 1990, 1353. LG Hamburg v. 18.12.2012 – 316 S 59/12, ZMR 2013, 719.

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B. Wohnraummiete | Rz. 330 § 535

ten779. Gemeinschaftlich genutzte Teile und Anlagen dürfen vom Vermieter ohne Zustimmung des Mieters unter Berücksichtigung von § 242 BGB nur insoweit verändert oder verlegt werden, als dadurch der vertragsgemäße Mietgebrauch nicht beeinträchtigt wird780. Selbst wenn der Vermieter dem Mieter die Gemeinschaftsfläche (z.B. Waschküche) nur leihweise überlassen hat, ist er nicht zum Besitzentzug befugt, sondern muss den Klageweg beschreiten781. Die Anbringung von Blumenkästen an der Außenfassade ist dem Mieter grundsätzlich nur gestattet, 329 wenn sie fachgerecht befestigt sind, ohne die Hausfassade zu beschädigen782. Insoweit geht ein Teil der Rechtsprechung sogar von einem Zustimmungsbedürfnis aus783. Eine in jedem Fall784 erforderliche fachgerechte Befestigung liegt nur vor, wenn sie die Installation ausreichend gegen Herabfallen sichert. Dies kann nicht durch eine Metallöse und Drähte geschehen, die infolge von Witterungseinflüssen verrotten können785 (§ 541 BGB Rz. 109). Die Anbringung politischer Parolen an den Außenwänden von Mietwohnungen ist dagegen nur mit Zustimmung des Vermieters zulässig786. Dies gilt erst recht, wenn der Vermieter durch den Inhalt der Spruchbänder oder Plakate beleidigt oder diskriminiert wird787. 4. Sonstige Aspekte der Gebrauchsgewährspflicht Über die Einräumung des unmittelbaren Besitzes an der Wohnung und die Gewährung des vertrags- 329a gemäßen Gebrauchs von Gemeinschaftsflächen hinaus muss der Vermieter dem Mieter den Gebrauch von Räumen, Anlagen und Einrichtungen gewähren, die er für die Ausübung seines vertragsgemäßen Gebrauchs benötigt. In welchem Umfang das im konkreten Einzelfall zu geschehen hat, ist durch Auslegung zu ermitteln. Dabei steht der Vertragszweck im Vordergrund und muss geprüft werden, ob die einzelne Maßnahme dem Vermieter zumutbar und seinem Interesse nicht gegenläufig ist (§ 535 BGB Rz. 326a a.E.). Deshalb ist der Vermieter z.B. verpflichtet, bei der Vermietung einer Teilfläche zum Schutz vor dem 329b unbefugten Betreten durch Dritte eine Einfriedung zu errichten788. Im Übrigen hat er dem Mieter Zugang zu ansonsten verschlossenen Räumen zu gewähren, wenn sich darin Einrichtungen befinden, die den vertragsgemäßen Gebrauch ergänzen. Dazu gehört z.B. ein Keller, in dem sich der Strom- oder Gaszähler des Mieters befindet. Insoweit muss der Vermieter dem Mieter einmal im Monat entgeltfrei den Zugang gewähren, damit der Mieter seinen Verbrauch durch Ablesen des Zählers überprüfen kann789. Andererseits hat der Vermieter aktiv dafür zu sorgen, dass der Mieter in seinem vertragsgemäßen 329c Gebrauch nicht gestört wird (vgl. § 535 BGB Rz. 500). Dazu zählt auch, dass er geeignete Maßnahmen ergreift, um störende Manipulationen an den Versorgungseinrichtungen (z.B. Heizung) durch andere Mieter oder sonstige Dritte zu unterbinden790.

IV. Pflichten des Vermieters In erster Linie trifft den Vermieter gemäß § 535 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB die Gebrauchsgewährungs- 330 pflicht. Dabei handelt es sich um eine Hauptpflicht. Sie gebietet dem Vermieter, die Mietsache zu

779 780 781 782 783 784 785 786 787 788 789 790

OLG Düsseldorf v. 5.5.2009 – 24 U 153/08, MDR 2009, 1157 = MietRB 2009, 288 = GE 2009, 1187. KG v. 29.1.1959 – 8 U 1770/58, ZMR 1961, 77. AG Brühl v. 10.3.2010 – 24 C 572/09, WuM 2012, 152. Weitergehend Staudinger/Emmerich, § 535 BGB Rz. 12. AG Lichtenberg v. 15.11.2005 – 14 C 384/05, GE 2006, 455; AG Schöneberg v. 11.10.2001 – 13 C 367/09, GE 2001, 1678. Vgl. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 273 m.w.N. AG Köln v. 22.3.2012 – 222 C 370/11, n.v. AG Wiesbaden v. 15.4.2003 – 93 C 465/03, ZMR 2003, 935; a.A. LG Aachen v. 25.11.1987 – 7 S 294/87, WuM 1988, 53 (Güterabwägung erforderlich). LG München I v. 20.7.1983 – 14 S 18033/81, WuM 1983, 263. OLG Frankfurt v. 26.2.1980 – 5 U 138/79, WuM 1981, 63. AG Köln v. 15.2.2013 – 201 C 464/12, WuM 2013, 351. AG Bochum v. 29.11.2012 – 83 C 255/12, WuM 2013, 351.

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§ 535 Rz. 330 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags übergeben und dem Mieter den ungestörten Gebrauch zu erhalten. I.S.d. § 320 BGB ist der Vermieter vorleistungspflichtig791. Er kann also die Übergabe nicht zurückhalten, weil der Mieter die erste Miete noch nicht gezahlt hat. Denn mit der erstmaligen gesetzlichen Anordnung der Vorfälligkeit in § 556b Abs. 1 BGB zum 1.9.2001 wollte der Gesetzgeber nicht das Leistungsgefüge des § 535 BGB ändern, sondern der bis dahin ganz überwiegenden Vertragspraxis Rechnung tragen, die die Vorfälligkeit der Miete in nahezu allen Mietverträgen vorsah792 (§ 556b BGB Rz. 13). 1. Überlassung der Mietsache 331 In der ersten Alternative von § 535 Abs. 1 S. 2 BGB wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter die

Mietsache zu überlassen, ohne dass das Gesetz eine Übernahmepflicht des Mieters regelt793. Die Überlassung beginnt in der Regel mit der Übergabe. a) Inhalt der Übergabe 332 Die Mietsache ist dem Mieter so zu überlassen, dass er sie zum vertragsgemäßen Gebrauch nutzen

kann. Welche Handlungen dafür im Einzelfall notwendig sind, richtet sich nach Art und Umfang des vertragsgemäßen Gebrauchs794. Bei der Vermietung von beweglichen Sachen, aber vor allem bei der Raummiete, gehört dazu in der Regel die Verschaffung des unmittelbaren Besitzes795. Dazu ist ein Willensakt erforderlich, der deutlich macht, dass sich der Vermieter des Besitzes begibt und der Mieter ihn ab sofort ausübt. Die Besitzverschaffung ist vollzogen, wenn der Mieter in der Lage ist, den Vermieter und jeden Dritten von der Nutzung nach seinem Gutdünken auszuschließen. Dieser Akt wird bei der Raummiete regelmäßig durch die Übergabe sämtlicher Schlüssel dokumentiert. 333 Der Vermieter kann nur mit (ausdrücklicher) Zustimmung des Mieters, die jederzeit widerrufen wer-

den kann, einen Schlüssel behalten, von dem er nur nach Absprache Gebrauch machen darf. Ansonsten ist die Übergabe als Teilleistung i.S.d. § 266 BGB nicht vollzogen und der Vermieter kann mangels Erfüllung seiner Vorleistungspflicht „Übergabe“ keine Miete verlangen796. Denn es fehlt nicht nur an den übereinstimmenden Willenserklärungen zur Verschaffung des unmittelbaren Besitzes, sondern auch der Einräumung des alleinigen Besitzes zugunsten des Mieters. Der Mieter will den alleinigen unmittelbaren Besitz. Der Vermieter gewährt aber nur Mitbesitz. In der Praxis ist diese Situation von vornherein gegeben, wenn eine Schließanlage besteht, zu der der Vermieter (oder sein Beauftragter) einen Generalschlüssel besitzt. Abgesehen davon, dass der Vermieter davon ohnehin nur im Notfall Gebrauch machen darf797, kann die Übergabe in diesem Fall nur vertragsgemäß erfolgen, wenn der Mieter auf die Existenz des Generalschlüssels zumindest (ausdrücklich) hingewiesen wird. Eine davon abweichende Regelung ist nur individualvertraglich möglich. Abgesehen davon, dass eine formularmäßige Bestimmung i.d.R. die Hauptpflicht des Vermieters aus § 535 Abs. 1 BGB berührt und daher gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB verstößt, sind Klauseln, die eine Kenntnis des Mieters von einer Generalschließanlage oder den Besitz des Vermieters an einem Generalschlüssel unterstellen, nach § 309 Nr. 12 lit. b) BGB unwirksame Bestätigungen. Zum Schlüsselverlust siehe § 546 BGB Rz. 112. 333a Welche Anzahl von Schlüsseln der Mieter bei der Übergabe verlangen kann, richtet sich nach dem

Umfang des konkreten vertragegmäßen Gebrauchs, insbesondere der Anzahl der Mieter und der in

791 BGH v. 27.10.2015 – VIII ZR 288/14, WuM 2016, 98 = GE 2016, 191; BGH v. 17.6.2015 – VIII ZR 19/14, MietRB 2015, 291 = MietRB 2015, 294 = MDR 2015, 876 = GE 2015, 1089; BGH v. 26.3.2003 – XII ZR 167/ 01, MietRB 2003, 35 = MDR 2003, 801 = NZM 2003, 437 = WuM 2003, 439; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 556b BGB Rz. 4; a.A. Lammel, § 536 BGB Rz. 5; Both in Herrlein/Kandelhard, § 556b BGB Rz. 3; Kinne in Kinne/Schach/Bieber, § 556b BGB Rz. 4. 792 Begr. d. RefE, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Anhang Rz. 1161. 793 Vgl. BGH v. 8.12.2010 – VIII ZR 93/10, MietRB 2011, 72 = WuM 2011, 98 = GE 2011, 682 = ZMR 2011, 367. 794 BGH v. 17.7.2002 – XII ZR 86/01, MDR 2003, 20 = NJW 2002, 3322; BGH v. 1.2.1989 – VIII ZR 126/88, MDR 1989, 628 = ZMR 1989, 212. 795 BGH v. 17.9.1975 – IV ZR 17/75, NJW 1976, 106. 796 OLG Düsseldorf v. 12.1.2016 – 24 U 62/15, ZMR 2017, 639 = GE 2017, 951 m.w.N. 797 AG München v. 7.2.2013 – 411 C 25348/12, MietRB 2013, 170 = MietRB 2013, 171 = ZMR 2013, 450.

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B. Wohnraummiete | Rz. 333c § 535

den vertragsgemäßen Gebrauch einbezogenen Personen798. Daneben ist der Umfang der befugten Nutzung relevant. Er benötigt daher mindestens einen Schlüssel für die Haus- und die Wohnungstür. Gehören zum vertragsgemäßen Gebrauch auch (verschlossene) Gemeinschaftsflächen (§ 535 BGB Rz. 326) oder Zubehör (§ 535 BGB Rz. 324), muss der Vermieter dazu Schlüssel übergeben799. Das betrifft insbesondere Briefkasten, Keller, (Tief-)Garage, Fahrrad- und Heizungskeller800, Waschküche801, Trockenraum, Hof802, Gartentor, Toreinfahrt und ähnliche Einnrichtungen. Das Recht des Mieters hinsichtlich der für den vertragsgemäßen Gebrauch benötigten Schlüssel setzt sich in dem Anspruch auf Aushändigung neuer Schlüssel fort, wenn der Vermieter die Schlösser (teilweise) auswechselt803. Bei der notwendigen Abwägung über den Umfang des vertragsgemäßen Gebrauchs im Hinblick auf 333b die Schlüsselüberlassung steht i.d.R. das Interesse des Mieters am ungestörten vertragsgemäßen Gebrauch über (vermeintlichen) Sicherungsinteressen des Vermieters. Denn in erster Linie ist das Sicherungsinteresse des Mieters tangiert, der einer Vielzahl von Personen den ungehinderten Zutritt zu seiner Wohnung einräumt. Allerdings kann der Vermieter verlangen, dass ihm die Personen, denen der Mieter einen Schlüssel aushändigt, benannt werden (Rechtsgedanke des § 553 Abs. 1 BGB)804. Als Personen, die vom vertragsgemäßen Gebrauch eingeschlossen sein können, kommen je nach den Umständen des Einzelfalls in Betracht – alle Personen, die zum auf Dauer angelegten Haushalt des Mieters gehören, also z.B. – Ehefrau, Lebenspartner, Lebensgefährte, – Kinder, Pflegekinder, und zwar nicht erst, wenn sie volljährig sind, – sonstige Familienangehörige805, – Personen, die der Mieter im Rahmen seiner Haushaltsführung unterstützen, – Babysitter806, Tagesmutter807, – Hausangestellte808, Putzhilfe809, – Pfleger, – Zeitungs- oder Postbote810, – sonstige Personen, die den Mieter bei der Wahrnehmung seiner mietvertraglichen Pflichten unterstützen811, insbesondere – bei dauernder oder vorübergehender Abwesenheit die Wohnung kontrollieren812, – für ausreichendes Lüften der Wohnung sorgen oder sonstige Obhutspflichten erledigen, – Untermieter, für die der Vermieter für die Gebrauchsüberlassung die Zustimmung nach § 553 BGB erteilt hat. In dem beschriebenen Rahmen kann der Vermieter die Anfertigung weiterer Schlüssel durch den 333c Mieter grundsätzlich nicht verbieten, zumal wenn der Mieter selbst die Kosten trägt. Er kann sie aber – auch formularmäßig813 – von seiner Zustimmung abhängig machen. Ohne einen solchen Vorbehalt

798 LG Berlin v. 20.6.1985 – 61 T 32/85, GE 1985, 1259; AG Karlsruhe v. 27.10.1997 – 12 C 319/95, WuM 1997, 109. 799 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 526. 800 LG Mannheim v. 13.7.1977 – 4 S 91/77, WuM 1978, 186 = ZMR 1978, 140. 801 AG München v. 12.7.2017 – 452 C 3269/17, ZMR 2018, 337. 802 AG Charlottenburg v. 9.1.2018 – 224 C 254/17, GE 2018, 1152. 803 LG Berlin v. 25.1.1991 – 64 S 273/90, GE 1991, 351. 804 Ebenso: Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 528. 805 AG Charlottenburg v. 19.6.1990 – 20a C 32/90, MM 1990, 350. 806 AG Karlsruhe v. 27.10.1995 – 12 C 319/95, WuM 1997, 109. 807 AG Karlsruhe v. 27.10.1995 – 12 C 319/95, WuM 1997, 109. 808 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 525. 809 AG Karlsruhe v. 27.10.1995 – 12 C 319/95, WuM 1997, 109. 810 AG Mainz v. 3.7.2007 – 80 C 96/07, NZM 2007, 922 = NJW-RR 2008, 100. 811 Horst, MDR 1998, 189 (190). 812 BGH v. 20.10.1971 – VIII ZR 164/70, MDR 1972, 139 = NJW 1972, 34. 813 Bub/Treier/Bub, II Rz. 1337.

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§ 535 Rz. 333c | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags kann der Mieter auch ohne Einwilligung des Vermieters handeln814. Allerdings muss er dem Vermieter die Anfertigung anzeigen815. Kostenersatz kann der Mieter im laufenden Mietverhältnis nur nach vorheriger Fristsetzung nach § 536a Abs. 1 BGB verlangen. Benötigt der Mieter dafür z.B. eine Sicherheitskarte, muss der Vermieter ihm die notwendigen Angaben überlassen816. Am Ende der Mietzeit erstreckt sich der Anspruch aus § 546 BGB auch auf die zusätzlich angefertigten Schlüssel, weil sonst der unmittelbare Besitz nicht übertragen werden kann. 333d Die Anzahl der Schlüssel kann formularmäßig z.B. durch Angabe einer konkreten Zahl oder die Be-

schränkung auf polizeilich gemeldete Bewohner817 nicht starr im Mietvertrag festgelegt werden. Denn die zahlenmäßige Beschränkung berührt die Hauptpflicht des Vermieters aus § 535 Abs. 1 BGB und verstößt damit gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Daher kann in einer AGB-Klausel grundsätzlich nicht festgeschrieben werden, dass der Mieter die Anfertigung weiterer Schlüssel zu bezahlen hat. Folglich kann der Vermieter die Überlassung weiterer Schlüssel nicht von der Übernahme der Kosten durch den Mieter abhängig machen. Erst recht besteht kein Zurückbehaltungsrecht, wenn der Mieter sich zur Übernahme der Kosten bereiterklärt818. 334 Die Schlüsselübergabe reicht allein nicht aus, wenn der Mieter den Besitz nicht übernehmen kann.

Das ist z.B. der Fall, wenn der frühere Mieter die Wohnung noch nicht (vollständig) geräumt hat (§ 266 BGB) oder der Vermieter noch Arbeiten in der Mieteinheit ausführt819. Der Mieter kann auch nicht verpflichtet werden, bei Beginn des Mietverhältnisses die Schlüssel, die ihm erstmalig Zugang zu der Wohnung gewähren bzw. ihm die Sachherrschaft gewähren sollen, um Dritte am Betreten der Mietsache zu hindern, auf eigene Kosten herstellen zu lassen. Damit verstößt der Vermieter gegen seine Kardinalpflicht820, dem Mieter den Besitz der Wohnung einzuräumen. Eine entsprechende Formularvereinbarung verstößt gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. 335 Auch ohne alleinigen unmittelbaren Besitz kann eine Übergabe stattfinden, z.B. wenn nur eine gele-

gentliche Nutzung stattfinden soll (z.B. gelegentliche Mitbenutzung eines Autowaschplatzes oder eines Wäschetrockenplatzes) oder das Zeitelement die Nutzung bestimmt (z.B. Benutzung einer Reklamewand). Nichts anderes gilt bei der kurzzeitigen Vermietung eines jedermann zugänglichen Parkplatzes821. In solchen Fällen reicht es aus, wenn dem Mieter die tatsächliche Zutritts- oder Gebrauchsmöglichkeit geboten wird822. b) Fälligkeit des Übergabeanspruchs aa) Bestimmtes Übergabedatum 336 In der Regel ergibt sich der Zeitpunkt, zu dem der Übergabeanspruch fällig wird, der Mieter also die

Übergabe des Mietgegenstandes fordern kann (§ 271 BGB), aus den Vereinbarungen der Parteien. Ist danach ein bestimmtes Anfangsdatum festgelegt, besteht der Anspruch des Mieters auf Übergabe ab Beginn dieses Tages (0:00 Uhr). Rechtlich gelten in diesem Fall grundsätzlich die Regeln für das absolute Fixgeschäft823. Denn dem Vermieter wird jedenfalls bei der Raummiete die Gebrauchsüberlassung durch Zeitablauf nachträglich unmöglich824. Die (Teil-)Unmöglichkeit bezieht sich jedoch nur auf den zwischen dem vereinbarten Übergabetermin und der tatsächlichen Übergabe vergangenen Zeitraum. Für diese Zeit ist die Nutzung nicht nachholbar. Für die Zukunft kann sie stattfinden. 337 Ist die Nachholung der Vermieterleistung möglich, greifen die Grundsätze über das Fixgeschäft nicht.

Der Mieter muss also nach den allgemeinen Regeln der §§ 286, 323 BGB vorgehen. Das ist z.B. der 814 815 816 817 818 819 820 821 822 823 824

Landvoigt, GE 2007, 1301 (1302). Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 528. LG Berlin v. 27.12.1990 – 65 T 92/90, MM 1991, 228. AG Schöneberg v. 9.10.1990 – 103 C 406/90; WuM 1991, 29; Bub/Treier/Bub, II Rz. 1336. AG Charlottenburg v. 19.6.1990 – 20a C 32/90, MM 1990, 350. OLG Düsseldorf v. 12.1.2016 – 24 U 62/15, ZMR 2017, 639 = GE 2017, 951 m.w.N. OLG Düsseldorf v. 9.3.1993 – 24 U 138/92, DWW 1993, 197. BGH v. 18.12.2015 – V ZR 160/14, MDR 2016, 267 = GE 2016, 324. BGH v. 17.7.2002 – XII ZR 86/01, MDR 2003, 20 = NJW 2002, 3322. Erman/Westermann, § 275 BGB Rz. 10. BGH v. 14.11.1990 – VIII ZR 13/90, MDR 1991, 524 = NJW-RR 1991, 267.

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B. Wohnraummiete | Rz. 340 § 535

Fall, wenn der Mietvertrag erst mit Übergabe beginnen soll, so dass bei einer Verzögerung der Übergabe die versäumte Zeit später nachgeholt werden kann825. bb) Bestimmbares Übergabedatum Die Parteien können den Beginn des Mietvertrages und damit die Fälligkeit des Übergabeanspruchs 338 von einem bestimmbaren Ereignis wie z.B. der Übergabe abhängig machen („Der Mietvertrag beginnt mit der Übergabe“). Damit ist ein ausreichend bestimmbarer Vorgang bezeichnet, dessen Eintritt durch objektive Umstände ausgefüllt werden kann und einer Beweisaufnahme zugänglich ist826. In der Praxis werden dazu regelmäßig Ankündigungsfristen oder Beschreibungen eines Übergabeprocederes vereinbart. Dies gilt erst recht, wenn für die Übergabe weitere Bedingungen vereinbart sind. Vor allem bei der Ver- 339 mietung vom Reißbrett legen die Parteien häufig einen bestimmten Fertigstellungsgrad für die Übergabe (oder den Mietzahlungsbeginn827) zugrunde. Soll dieser z.B. in der „Bezugsfertigkeit“ bestehen, ist auf die Abnahmefähigkeit i.S.v. § 640 Abs. 1 BGB abzustellen828. Dies unterscheidet sich nicht von der Definition in § 13 Abs. 4 WoBindG, wonach Bezugsfertigkeit vorliegt, wenn dem zukünftigen Nutzer zugemutet werden kann, die Räume zu beziehen829. Davon ist auszugehen, wenn die Wohnung tapeziert und mit Oberböden versehen ist, so dass die Bewohner ihre Wohnbedürfnisse (Wohnen, Essen, Schlafen) unbeengt befriedigen können, und die Wohnung sicher erreicht werden kann830. Legt der Mietvertrag aber die „Fertigstellung“ als Beginn der Mietzahlungspflicht fest, besteht für den Mieter trotz eventueller Abnahmefähigkeit keine Übernahmepflicht, wenn noch zahlreiche – auch kleinere – Mängel vorhanden sind831. Denn Fertigstellung ist erst gegeben, wenn alle Arbeiten erbracht und sämtliche vorhandenen Mängel – jedenfalls die wesentlichen – beseitigt sind832. Als Formularklausel zur Bestimmung des Mietbeginns soll die „Fertigstellung“ auch gegenüber ei- 340 nem Kaufmann nach § 307 BGB unwirksam sein, weil sie die Fälligkeit des Übergabeanspruchs völlig in das Belieben des Vermieters stellt833. Dies soll erst recht gelten, wenn die Übergabe von der rechtzeitigen Räumung durch den Vormieter abhängt834. Dies ist aber nicht richtig835. Ebenso wie der Vermieter, der eine Übergabe zu einem bestimmten Zeitpunkt schuldet, ist derjenige, der als Verwender seine Übergabepflicht von einer Fertigstellung abhängig macht, den Regeln des allgemeinen Schuldrechts ausgesetzt. Er kann daher vom Mieter in Verzug gesetzt werden, um die Fertigstellung herbeizuführen. Gerade wenn das Mietobjekt zu dem Zeitpunkt, in dem der Vertrag mit dieser Bedingung geschlossen wird, sich noch in der Entstehung befindet, entspricht die Klausel einem Interessenausgleich. Denn sie legt für beide Parteien einen nachprüfbaren Zustand fest, der im Hinblick auf kleinere Mängel eher für den Vermieter, der die Handwerker zu diesem Zeitpunkt bereits überwiegend bezahlt hat und daher auf die Mieteinnahmen angewiesen ist, nachteilig ist. Der Mieter kann nämlich die Übernahme bis zur vollständigen Beseitigung der Mängel verweigern.

825 BGH v. 23.9.1992 – XII ZR 44/91, MDR 1992, 1147 = NJW 1992, 3226; BGH v. 13.7.1988 – VIII ZR 292/87, MDR 1988, 1051 = NJW-RR 1988, 1396. 826 BGH v. 2.11.2005 – XII ZR 212/03, MDR 2006, 561 = MietRB 2006, 97 = GuT 2006, 11 = ZMR 2006, 115; BGH v. 2.5.2007 – XII ZR 178/04, MDR 2007, 1063 = MietRB 2007, 223 = NZM 2007, 443; OLG Naumburg v. 7.9.2004 – 9 U 3/04, NZM 2004, 825. 827 OLG München v. 13.11.2015 – 32 U 3524/15, ZMR 2016, 111. 828 OLG Düsseldorf v. 12.1.1995 – 10 U 36/94, WuM 1995, 438. 829 Vgl. zum bezugsfertigen Zustand am Ende der Mietzeit: BGH v. 12.3.2014 – XII ZR 108/13, MietRB 2014, 168 = MDR 2014, 518 = NZM 2014, 306 = DWW 2014, 127 = NJW 2014, 1444. 830 Bellinger in WoBauR, § 13 WoBindG Anm. 5.4 m.w.N. 831 KG v. 22.11.2004 – 8 U 109/04, MietRB 2005, 201 = ZMR 2005, 946. 832 BGH v. 20.1.2000 – VII ZR 224/98, NJW 2000, 1403; OLG Düsseldorf v. 30.9.2002 – 21 U 16/02, BauR 2003, 93. 833 LG Mannheim v. 23.12.1998 – 4 S 45/98, WuM 1999, 686. 834 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 8. 835 OLG München v. 13.11.2015 – 32 U 3524/15, ZMR 2016, 111.

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§ 535 Rz. 340a | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags 340a Soll dem Beginn des Mietvertrages zusätzlich eine schriftliche Mitteilung über die Fertigstellung vo-

rausgehen, ist die Form auch durch eine Mail gewahrt836. Denn abgesehen von § 127 Abs. 2 BGB hat die Form allein deklaratorische Wirkung. Die nach dem Vertrag vorausgesetzte schriftliche Fertigstellungsmeldung kann nicht durch ein Übergabeprotokoll ersetzt werden, in dem 35 Mängel dokumentiert sind837. cc) Verspätete Übergabe 341 Verzögert sich die Übergabe, bestehen für den Mieter grundsätzlich die Ansprüche nach den §§ 286,

323 BGB. Dazu ist eine Mahnung/Fristsetzung erforderlich. Will der Mieter für die vergangene Zeit Ansprüche geltend machen, kann er sich bei einem Fixgeschäft auf die §§ 280, 275 BGB stützen. 342 Wurde für den Fall der verspäteten Übergabe eine Vertragsstrafe vereinbart, muss sich der Mieter

deren Verwirkung bei der Übergabe vorbehalten, § 341 Abs. 3 BGB838. 343 Die formularmäßige Beschränkung der Haftung des Vermieters wegen verzögerter Übergabe auf gro-

be Fahrlässigkeit und Vorsatz verstößt gegen §§ 307, 309 Nr. 8 BGB, da die Übergabe eine Kernpflicht ist839. 344 Einstweilen frei.

dd) Übergabe vor Vertragsbeginn 345 Erfolgt die Übergabe vor dem vereinbarten Vertragsbeginn, ist zu prüfen, ob damit der Mietvertrag in

Vollzug gesetzt werden sollte. Insoweit ist nach dem Zweck der Gebrauchsüberlassung zu unterscheiden. 346 Zahlt der Mieter für die Dauer der vorzeitigen Überlassung auch nur die Betriebskosten, liegt ein ei-

genständiger Mietvertrag vor, der bis zum Beginn des „Haupt“-Mietvertrages befristet ist. Solange der eigenständige Mietvertrag nicht länger als drei Monate laufen soll, unterfällt er in der Regel § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Denn die Überlassung findet regelmäßig im Interesse des Mieters statt, der die Wohnung für sich herrichten oder einen sukzessiven Umzug gestalten will.

347 Erfolgt die vorzeitige Überlassung der Mieträume unentgeltlich, handelt es sich bis zum vereinbarten

Vertragsbeginn um ein Überlassungsverhältnis eigener Art840, so dass sich die Pflichten der Parteien nach dem Zweck der Überlassung richten und nur in diesem Umfang Schadensersatzansprüche hervorrufen können841. Das gilt selbst dann, wenn der Vermieter dem Mieter lediglich das vorzeitige Unterstellen von Umzugsgut gestattet hat. Behält der Vermieter bei der Schlüsselübergabe noch einen Schlüssel für sich zurück, hat er damit regelmäßig noch nicht den vollständigen Besitz übergeben. In diesem Fall kann u.U. der Einzug des Mieters zu einer verbotenen Eigenmacht führen (§§ 858, 861 BGB). 348 Ein Bereicherungsanspruch steht dem Vermieter für die Zeit der Nutzung zu, wenn dem künftigen

Mieter die Mietsache im Vorgriff auf einen noch abzuschließenden Mietvertrag überlassen wurde und es dann nicht zum Vertragsschluss kommt842. c) Zustand bei Übergabe 349 Die Mietsache muss sich bei der Übergabe in vertragsgemäßem Zustand befinden. Der Mieter muss

keine Teilleistung entgegennehmen, § 266 BGB. Dazu müssen die Mieträume in jeder Hinsicht zur Ausübung des vertragsgemäßen Gebrauchs geeignet sein, insbesondere auch in bautechnischer Hinsicht (z.B. Tragfähigkeit von Böden und Decken; Raumhöhe; Schallisolation; Renovierung), und zwar

836 837 838 839 840 841 842

LG München v. 20.8.2015 – 22 O 17570/14, ZMR 2015, 930. OLG München v. 13.11.2015 – 32 U 3524/15, ZMR 2016, 111. OLG Düsseldorf v. 28.4.2005 – 10 U 129/04, GuT 2005, 155. OLG Düsseldorf v. 9.3.1993 – 24 U 138/92, DWW 1993, 197. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 3. OLG Rostock v. 27.3.2014 – 3 U 90/12, MietRB 2014, 359 = GE 2014, 1058. Hanseatisches OLG Hamburg v. 14.11.2001 – 4 U 34/01, ZMR 2003, 179 (180).

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B. Wohnraummiete | Rz. 352 § 535

ab dem ersten Tag, für den der Mieter die Miete schuldet und hinsichtlich aller Räume entsprechend dem vereinbarten Nutzungszweck. Der Vermieter schuldet danach mangels abweichender Vereinbarungen die Überlassung der Mietsache in einem genehmigungsfähigen Zustand und hat etwaige Baumaßnahmen, welche zu dessen Erreichung erforderlich sind, grundsätzlich auf eigene Kosten zu veranlassen843. aa) Konkrete Festlegung des Zustandes Welcher Zustand vertragsgerecht (= Sollbeschaffenheit) ist, ist in erster Linie den Abreden der Parteien 349a vorbehalten. Diese können – wie der Mietvertrag selbst (vgl. § 535 BGB Rz. 20 ff.) – durch ausdrückliche oder stillschweigende, mündliche oder schriftliche Vereinbarungen erfolgen. (1) Renovierungszustand Die vertragliche Bestimmung des Renovierungszustandes bei Übergabe kann in den verschiedensten 350 Formen geschehen. Häufig wird in der Wohnraummiete allein festgelegt, ob die Wohnung renoviert oder unrenoviert überlassen werden soll. Da der anfängliche Zustand der Dekoration Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Renovierungsklausel haben soll (vgl. § 535 BGB Rz. 556), stellt sich zunächst die Frage, wann eine Wohnung (am Anfang der Mietzeit) unrenoviert ist. In Betracht kommt bereits ein Zustand, der auf einer nicht frischen Renovierung beruht. Andererseits reicht es für die Fälligkeit von Renovierungsleistungen am Ende der Mietzeit nicht aus, wenn ein bezugsfertiger Zustand besteht844. Auch wenn der bezugsfertige Zustand Abnutzungen des Vormieters enthält, ist es für die AGB-Kontrolle maßgeblich, dass der Mieter auch in einem solchen Fall bei Eintritt der Fälligkeit der Schönheitsreparaturen Gebrauchsspuren des Vormieters beseitigen muss. Er erbringt damit im laufenden Mietvertrag nicht allein eine Gegenleistung (= Schönheitsreparaturen) für die Leistung des Vermieters (im Hinblick auf die Dekoration). Dieses Übermaß kann der Vermieter nur verhindern, indem er die „Differenz“ kompensiert, z.B. durch eine (anfänglich) mietfreie Zeit. Von diesem Maßstab der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB ist der vertragsgemäße Zustand bei Beginn des Mietvertrages zu unterscheiden, der von den Parteien (subjektiv) festgelegt werden kann, also auch als unrenoviert, bezugsfertig, bis hin zu teil- und unrenoviert vereinbart werden kann. Insoweit ist als Grundregel davon auszugehen, dass der Mieter nach § 535 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf eine bezugsfertige Wohnung hat, also auf Räume, die nicht alsbald wieder renoviert werden müssen845. Erfolgt die Festlegung eines unrenovierten Zustandes durch Formularklausel, ist die Bestimmung un- 351 wirksam. Denn ein unrenovierter Zustand ist im Zweifel nicht geeignet, (sofort) die vertragsgemäße Nutzung (= Wohnen) zuzulassen. Damit liegt aber die Abweichung von einer Hauptpflicht vor, die über § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist. Deshalb kann der Mieter die Anfangsrenovierung durch den Vermieter verlangen. Macht er diesen Anspruch nicht innerhalb von sechs Monaten geltend, kann Verwirkung eintreten846. Im Hinblick auf die Sollbeschaffenheit, also den vertragsgemäßen Zustand i.S.v. § 535 Abs. 1 BGB, hat die Regelung – jedenfalls wenn sie vorformuliert ist – keine Wirkung. Denn sie ist – bezogen auf die Willenserklärung des Mieters – eine unwirksame Bestätigungsklausel (§ 312 Nr. 12 BGB) und damit unwirksam. Haben die Parteien die Überlassung in renoviertem Zustand vereinbart, ist durch Auslegung zu er- 352 mitteln, ob damit eine neu renovierte Wohnung gemeint war. Im Zweifel ist der Vermieter nicht verpflichtet, frisch renovierte Räume zu überlassen, sondern muss einen Zustand liefern, der den Mieter 843 Vgl. BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, MietRB 2008, 103 = ZMR 2008, 274 = GE 2008, 120, Rz. 14, 17 betr. Nutzungsänderungsgenehmigung; KG v. 23.5.2016 – 8 U 10/15, MietRB 2016, 254 = ZMR 2016, 685; OLG Koblenz v. 18.11.2009 – 1 U 579/09, MietRB 2010, 109 = MDR 2010, 501 = NJW-RR 2010, 203, Rz. 26; OLG Düsseldorf v. 7.3.2006 – 24 U 91/05, MietRB 2006, 233 = MDR 2006, 1277, Rz. 29; OLG Düsseldorf v. 16.4.2002 – 24 U 20/01, ZMR 2003, 21, Rz. 49; OLG Düsseldorf v. 19.3.2002 – 24 U 124/01, ZMR 2002, 739 = NZM 2003, 556, Rz. 9 für Brandschutz; Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 2787, 2790. 844 BGH v. 12.3.2014 – XII ZR 108/13, MietRB 2014, 168 = MDR 2014, 518 = NZM 2014, 306 = DWW 2014, 127 = ZMR 2014, 622 = NJW 2014, 1444. 845 LG Hamburg v. 15.7.1986 – 16 S 90/86, MDR 1986, 938 = WuM 1986, 275. 846 BGH v. 1.7.1987 – VIII ARZ 9/86, MDR 1987, 927 = WuM 1987, 306.

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§ 535 Rz. 352 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags nicht zwingt, alsbald nach dem Einzug zu renovieren847. Demnach dürfen die Wände geringe Gebrauchspuren aufweisen. Zu den Auswirkungen auf eine Renovierungsklausel vgl. § 535 BGB Rz. 556a. (2) Sonstige Merkmale des vertragsgemäßen Zustandes 353 Auch andere Merkmale, insbesondere des baulichen Zustandes bzw. das Vorhandensein oder Fehlen

besonderer Eigenschaften, können die Parteien festlegen. Dies kann durch die Beschreibung bestimmter Zustände, aber auch die Bezugnahme auf technische Normen geschehen. 354 Wurden dabei die Qualitäten nur abstrakt beschrieben, hat der Vermieter grundsätzlich ein Leistungs-

bestimmungsrecht (§ 315 BGB). Insoweit ist er im Zweifel verpflichtet, Einrichtungen mittlerer Art und Güte zu liefern, § 243 BGB. 355 Ist dem Mietvertrag z.B. eine Baubeschreibung848 beigeheftet, sind die darin aufgeführten Beschrei-

bungen regelmäßig Inhalt einer Formularklausel. Diese kann z.B. bestimmen, dass der Zustand der Mietsache bei Vertragsbeginn durch die als Anlage beigefügte Baubeschreibung festgelegt wird. Soweit damit allein die Beschreibung der Mietsache erreicht wird, unterliegt ihr Inhalt nicht der Kontrolle nach § 307 BGB. Werden damit aber Qualitäten festgelegt, hängt deren Wirksamkeit insbesondere von der Einhaltung des Transparenzgebotes des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ab, wenn sie von einem üblichen Standard abweichen sollen. Dazu muss klar ersichtlich sein, welcher Zustand geschuldet sein soll849. Denn ein unter dem Mindeststandard liegender Zustand ist nur dann vertragsgemäß, wenn er eindeutig vereinbart ist850. Diese Anforderung wird regelmäßig nur erfüllt, wenn die Klausel durch Angabe der jeweils maßgeblichen (technischen) Werte (z.B. kWh, dB) veranschaulicht, welche Kapazitäten oder sonstigen Eigenschaften vorhanden sind. Denn nur anhand derartiger Angaben kann der Mieter ermessen, ob er den gewünschten Komfort erhält. bb) Stillschweigende Festlegung des Zustandes 356 Die Vereinbarung eines bestimmten Standards der Mieträume kann auch stillschweigend851 getroffen

werden852. Insbesondere kann eine solche Abrede dadurch entstehen, dass in einer Beschreibung des Mietobjekts zugleich eine Aussage über seinen Charakter (z.B. Reihenhaus mit Terrasse) und damit eine diesem Charakter entsprechende Beschaffenheit enthalten ist853. Dies gilt nicht nur für die Mieteinheit als solche, sondern auch für einzelne Eigenschaften. 357 Vor diesem Hintergrund kann einerseits die Vereinbarung einer besonders niedrigen Miete oder die

Akzeptanz einer unzureichenden Beschaffenheit durch den Mieter bedeuten, dass ein bestimmter Zustand des Mietobjektes vertragsgemäß sein soll854. Andererseits sprechen eine besondere Ausstattung des Mietobjektes, seine exponierte Lage oder eine hohe Miete für höhere Anforderungen an die Soll-Beschaffenheit855. Allein aus einer über den örtlichen Spitzenwerten liegenden Miete Qualitäts-

847 LG Hamburg v. 15.7.1986 – 16 S 90/86, MDR 1986, 938 = WuM 1986, 275. 848 Mittlerweile auch gerne „Mieterbaubeschreibung“ oder sogar „Mieterausbaubeschreibung“ genannt, um den Eindruck zu erwecken, dass die Wünsche des Mieters darin berücksichtigt sind oder sogar vom Mieter stammen. 849 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356. 850 BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 22/92, NJW-RR 1993, 522 (unter II 2b). 851 Zu den Anforderungen vgl. § 535 BGB Rz. 40 ff. 852 BGH v. 2.11.2005 – VIII ZR 52/05, WuM 2005, 774. 853 BGH v. 28.11.2007 – VIII ZR 106/07, ZMR 2008, 116 (Rz. 2). 854 BayObLG v. 4.2.1987 – REMiet 2/86, MDR 1987, 498 = WuM 1987, 112. 855 AG Potsdam v. 12.7.2001 – 26 C 82/01, NZM 2002, 68 (nächtliche, störende Bürotätigkeit in Mietobjekt des oberen Preissegments); AG München v. 22.3.2001 – 453 C 7957/00, NZM 2001, 809 (Lärm von bosnischem Konsulat auf dem Nachbargrundstück wegen einer Vielzahl von Flüchtlingen infolge Krieg in bevorzugter, hochpreisiger Wohnlage); AG Charlottenburg v. 27.5.1999 – 19 C 228/98, MM 2000, 223 (Rostflecken an der Wand bei 16,29 DM/qm Miete).

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B. Wohnraummiete | Rz. 360 § 535

anforderungen herzuleiten, ist i.d.R. nicht gerechtfertigt856. Die Annahme eines bestimmten (schlechten) Zustandes setzt in diesen Fällen aber regelmäßig zumindest eine Besichtigung voraus857. Vgl. ergänzend die unter § 536 BGB Rz. 79 f. und 85 f. dargestellten Grundsätze. Schließlich kann sich eine stillschweigende Qualitätszusage aus dem Gesamtverhalten des Vermieters 358 vor und bei Vertragsschluss ergeben. Die für diese Beschaffenheitsvereinbarung erforderliche Willensübereinstimmung kann etwa in der Weise erzielt werden, dass der Mieter dem Vermieter bestimmte Anforderungen an die Mietsache zur Kenntnis bringt und dieser zustimmt. Eine einseitig gebliebene Vorstellung des Mieters genügt dafür jedoch selbst dann noch nicht, wenn sie dem Vermieter bekannt ist. Erforderlich ist vielmehr weiter, dass der Vermieter darauf in irgendeiner Form zustimmend reagiert858. Mit Rücksicht darauf kann z.B. nicht allein aus dem bei Anmietung einer Wohnung vorgefundenen Zustand an Geräuschimmissionen auf eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung dahin geschlossen werden, dass der Vermieter ein Lärmniveau schuldet, das nicht über gelegentliche Störgeräusche geringen Umfangs hinausgeht859. Gerade bei Umweltmerkmalen muss auch der Mieter eine Veränderung einkalkulieren, insbesondere dass in seinem Umfeld gebaut wird. Denn Einwirkungen von außen fallen grundsätzlich – vorbehaltlich abweichender Absprachen – in seinen Risikobereich860. Deshalb können z.B. Lärmimmissionen infolge Bauarbeiten vertragsgemäß sein861. In diesem Fall ist davon auszugehen, dass die Parteien das Risiko der Aufnahme solcher Arbeiten und die damit regelmäßig einhergehenden Störungen bei Vertragsschluss zumindest stillschweigend vorausgesetzt haben und bei der vereinbarten Miete entsprechend berücksichtigen konnten862. Befand sich die Mietsache oder Teile davon bereits bei Mietbeginn in einem „schlechten Zustand“, so 359 dass von einer stillschweigenden Qualitätsvereinbarung ausgegangen werden kann, ist der Erhaltungsanspruch nicht ausgeschlossen863. Denn mit fortdauernder Mietzeit kann sich der Zustand bis hin zum vollständigen Verschleiß verschlimmern und damit ein nicht mehr vertragsgemäßer Zustand eintreten. Die gegenteilige Auffassung864 läuft darauf hinaus, einem Mieter, der eine Wohnung mit „gebrauchter Ausstattung“ anmietet und bereits vorhandene Gebrauchsspuren als vertragsgemäß akzeptiert, jegliche Gewährleistungsansprüche auch bei einem weiteren nach langjähriger Mietdauer eingetretenen (vollständigen) Verschleiß der Mietsache abzusprechen865. cc) Fehlende Festlegung des Zustandes Mangels konkreter Absprachen ist die nach dem Vertrag geschuldete Beschaffenheit der Mietsache im 360 Wege der Auslegung zu ermitteln (§ 536 BGB Rz. 85 f.) und dabei prinzipiell auf den baulichen Zustand bei Vertragsschluss abzustellen. Insoweit kann bei einem nicht sanierten Altbau grundsätzlich nicht dieselbe Ausstattung erwartet werden wie bei einem Neubau. Auch ein unter dem Mindeststandard liegender Zustand ist dann vertragsgemäß, wenn er eindeutig vereinbart ist866. Ansonsten ist hinsichtlich des baulichen Zustandes regelmäßig auf den Standard bei Bezugsfertikeit des Gebäudes ab-

856 BGH v. 26.9.2012 – XII ZR 122/11, MietRB 2013, 7 = WuM 2012, 671 = GE 2012, 1553 = NZM 2013, 27–29; BGH v. 15.10.2008 – XII ZR 1/07, MDR 2009, 319 = MietRB 2009, 67 = MietRB 2009, 68 = NJW 2009, 664 Rz. 26 f. 857 Zehelein, WuM 2014, 579 (584). 858 Vgl. BGH v. 20.5.2009 – VIII ZR 191/07, MDR 2009, 1037 = NJW 2009, 2807 (Rz. 9). 859 BGH v. 23.9.2009 – VIII ZR 300/08, MDR 2010, 20 = MietRB 2009, 345 = GE 2009, 1426 = NZM 2009, 855. 860 BGH v. 29.4.2015 – VIII ZR 197/14, MDR 2015, 819 = MietRB 2015, 225 = ZMR 2015, 697 = GE 2015, 849 = NZM 2015, 481; krit. Ghassemi-Tabar, NJW 2015, 2849; Selk, NZM 2015, 855. 861 Vgl. dazu OLG Brandenburg v. 1.10.2007 – 3 U 10/07, zitiert nach juris; KG v. 3.6.2002 – 8 U 74/01, GE 2003, 115 = NZM 2003, 718; LG Berlin v. 17.3.2009 – 63 S 397/08, GE 2009, 847. 862 LG Berlin v. 7.10.2011 – 63 S 59/11, GE 2012, 64. 863 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356 = ZMR 2010, 517. 864 LG Köln v. 6.7.2004 – 1 S 122/04, WuM 2005, 240. 865 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356 = ZMR 2010, 517. 866 BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 22/92, NJW-RR 1993, 522 (unter II 2b).

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§ 535 Rz. 360 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags zustellen867 (zu Ausnahmen § 536 BGB Rz. 100 f. und 105a f.). Dafür, dass eine derartige vom Mindeststandard abweichende Vereinbarung getroffen wurde, trägt der Vermieter die Darlegungs- und Beweislast868. 361 Bei der Auslegung ist vorrangig zu beachten, dass der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zu-

stand durch den vereinbarten Nutzungszweck – z.B. die Nutzung als Wohnung – bestimmt wird. Der Mieter einer Wohnung kann nach der allgemeinen Verkehrsanschauung erwarten, dass die von ihm angemieteten Räume einen Wohnstandard aufweisen, der bei vergleichbaren Wohnungen üblich ist. Dabei sind insbesondere das Alter, die Ausstattung und die Art des Gebäudes, aber auch die Höhe der Miete und eine eventuelle Ortssitte zu berücksichtigen869. Gibt es zu bestimmten Anforderungen technische Normen, ist jedenfalls deren Einhaltung geschuldet. Dabei ist nach der Verkehrsanschauung grundsätzlich der bei Errichtung des Gebäudes geltende Maßstab anzulegen870.

361a Zwischen Gebäudezustand und Vertragszweck kann insbesondere dann eine Kollision entstehen,

wenn der Vertragszweck einen bestimmten Mindeststandard des Gebäudes oder einzelner Einrichtungen oder Anlagen voraussetzt. Insbesondere das „Wohnen“ als solches unterliegt einem dynamischen Prozess871. Denn „zeitgemäßes Wohnen“ entwickelt sich gleichlaufend mit dem technischen Fortschritt872. Das zeigt sich z.B. an den typischen technischen Geräten, die der Mieter heute zur Einrichtung seiner Wohnung nutzt. Während vor hundert Jahren das Kochen auf einem kohle- oder holzbefeuerten Ofen noch üblich war, werden heute Mahlzeiten mit einem Gas- oder Elektroherd zubereitet. Baden findet nicht mehr in einem tragbaren Trog o.Ä. statt. Auch die Reinigung der Wohnung (z.B. Staubsauger) und das Wäschewaschen (Waschmaschine, Trockner, Bügeleisen etc.) werden heute unter Zuhilfenahme elektrisch betriebener Geräte erledigt. Ein Telefonanschluss gehört schon lange zum Standard einer Wohnung873. Die Entwicklung des IT-Bereichs wird weitere Veränderungen im Haushalt des Mieters herbeiführen (z.B. Roboter), die ab einer gewissen Verbreitung in der Bevölkerung den Standard des „Wohnens“ tangieren wird. Diese Entwicklung wirkt sich unmittelbar auf den Zweck eine Wohnraum-Mietvertrages aus und führt damit unmittelbar zu veränderten Anforderungen an den Gebäudezustand. Denn gem. § 535 Abs. 1 BGB garantiert der Vermieter, dass der mit dem Vertrag verfolgte Zweck in der Mietsache realisiert werden kann874. 361b Erfüllt die Ausstattung der Wohnung die (veränderten) Anforderungen bei Abschluss des Mietver-

trages nicht (mehr) und haben die Parteien keine abweichenden Vereinbarungen getroffen, befindet sich die Wohnung nicht in vertragsgemäßen Zustand. Die Auswirkung des veränderten Standards an „Wohnen“ zeigt sich seit langem z.B. daran, dass heute Badezimmer mit Badewanne und/oder Dusche ausgestattet sind und niemand mehr in den Hof gehen muss, um dort ein Bad zu nehmen. Mittlerweile hat sich aber auch die zunehmende Technisierung des Wohnens bereits ausgewirkt. Denn eine Elektro-Unterverteilung, die nicht den gleichzeitigen Betrieb mehrerer Elektrogeräte zulässt, erfüllt heute nicht mehr den Mindeststandard des Wohnens875. Sofern in derartigen Fällen keine konkreten wirksamen Vereinbarungen getroffen wurden (vgl. § 535 BGB Rz. 162 Haushaltsgeräte), überlagert der Vertragszweck die Beschaffenheit des Gebäudes und zwingt den Vermieter zur Nachrüstung auf den

867 BGH v. 5.12.2018 – VIII ZR 271/17, MDR 2019, 150 = WuM 2019, 25; BGH v. 10.5.2006 – XII ZR 23/04, MDR 2007, 25 = NZM 2006, 582 (Rz. 10); BGH v. 7.6.2006 – XII ZR 34/04, MDR 2007, 22 = MietRB 2006, 264 = NZM 2006, 626 (Rz. 13). 868 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356 = ZMR 2010, 517. 869 BGH v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03, MDR 2004, 1346 = MietRB 2005, 1 = WuM 2004, 527 (unter II A 1b bb). 870 BGH v. 5.12.2018 – VIII ZR 271/17, MDR 2019, 150 = WuM 2019, 25; BGH v. 23.9.2009 – VIII ZR 300/08, MDR 2010, 20 = MietRB 2009, 345 = WuM 2009, 659; BGH v. 17.6.2009 – VIII ZR 131/08, MDR 2009, 975 = MietRB 2009, 253 = NJW 2009, 2441. 871 Zum Einfluss des technischen Fortschritts auf den Modernisierungsbegriff: Schultz, PiG 105, 1 ff. 872 Vgl. BGH v. 5.12.2018 – VIII ZR 271/17, MDR 2019, 150 = WuM 2019, 25. 873 BGH v. 5.12.2018 – VIII ZR 17/18, MDR 2019, 283 = MietRB 2019, 34 = WuM 2019, 23 = GE 2019, 53. 874 BGH v. 5.12.2018 – VIII ZR 271/17, MDR 2019, 150 = WuM 2019, 25; BGH v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03, MietRB 2005, 1 = MDR 2004, 1346 = WuM 2004, 527 = ZMR 2004, 807. 875 Vgl. BGH v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03, MietRB 2005, 1 = MDR 2004, 1346 = WuM 2004, 527 = ZMR 2004, 807.

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B. Wohnraummiete | Rz. 368 § 535

Mindeststandard. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der Mieter auf den Mindeststandard unbedingt angewiesen ist und seinen vertragsgemäßen Gebrauch (=Wohnen) ansonsten nicht ungestört durchführen kann. Deshalb kann er die Aufrüstung einer Elektrounterverteilung verlangen, nicht aber die Verlegung der Toilette oder des Bades aus dem Treppenhaus in die Wohnung. Auch die erstmalige Installation einer Heizung kann er nichtfordern, wenn die Wohnung zum Betrieb mit Einzelöfen oder portablen Elektroheizkörpern vermietet wurde. Umgekehrt kann auch der (vertragsgemäße) Gebäudezustand die Nutzung einschränken. Das kommt 361c in Betracht, wenn für den Standard auf das Baualter des Gebäudes abzustellen ist (§ 536 BGB Rz. 85 f.) und der baualtersbedingte Zustand das Auftreten bestimmter Phänomene begünstigt. Der im Wege der Auslegung mit Hilfe der Verkehrsanschauung ermittelte Standard muss für die 362 Haupträume vorliegen. Nebenräume (Wohnung: Abstellraum; Gewerberaum: Wartezimmer, Teeküche etc.) müssen grundsätzlich nicht die Beschaffenheitsanforderungen erfüllen876. Neben der tatsächlichen Eignung der Räume dürfen der Nutzung gerade keine öffentlich-rechtlichen 363 Hindernisse entgegenstehen877, ohne dass dies Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Mietvertrages hätte. Grundsätzlich muss daher die mietvertraglich festgelegte Nutzung der Räume (z.B. als Wohnung, Gaststätte, Diskothek, Fabrikationsbetrieb) baubehördlich (etwa in Form einer Nutzungsänderungsgenehmigung) genehmigt sein, wobei grundsätzlich der Vermieter diese Genehmigungen einzuholen hat878. Den Mieter trifft das Risiko der seine Nutzung betreffenden Genehmigungen. Dies ist regelmäßig nur in der Gewerberaummiete relevant (§ 535 BGB Rz. 1037), wo viele Mieter neben der Zulassung des Gebäudes für die konkrete Nutzung eine Betriebserlaubnis benötigen. Eine von dieser Risikoverteilung abweichende Formularklausel ist unwirksam879. Aus der Festlegung des Vertragszwecks, insbesondere durch die Art der Nutzung, folgt zwar die Garan- 364 tiehaftung des Vermieters dafür, dass sich die Nutzung in der Mietsache realisieren lässt. Diese Garantie führt aber nicht dazu, über die eigentliche Mietsache hinausgehende (bauliche) Maßnahmen zu treffen880, wie etwa für die Herstellung eines Stellplatzes zu sorgen, der öffentlich-rechtlich für Wohnräume vorgesehen ist881 oder dem Mieter die Möglichkeit zu eröffnen, einen Stellplatz auf dem Grundstück anzumieten, sobald er frei wird882. Die Beweislast für den von ihm reklamierten Inhalt und Umfang des vertragsgemäßen Gebrauchs 365 trägt der Mieter. Insoweit kann er sich jedoch auf den Anscheinsbeweis berufen. Befand sich z.B. ein Parkettboden bei der Übergabe in der Wohnung, gehört dieser im Zweifel zur Mietsache883. Der Vermieter seinerseits hat zu beweisen, dass sich die Mietsache bei der Überlassung in einem vertragsgemäßen Zustand befunden hat. d) Beispiele zum Mindeststandard Ablauf im Boden eines Herren-WC in einem im Jahre 1910 errichteten Gebäude gehört nicht zum 366 vertragsgemäßen Zustand884. Abstellraum gehört zwar nach der LBauO zur Grundausstattung einer Wohnung. Wenn der Mietver- 367 trag dazu aber keine Bestimmung trifft, wird er grundsätzlich nicht geschuldet. Alufenster, an denen sich Kondenswasser bildet, weil eine thermische Trennung fehlt, und deshalb 368 täglich mehrfach abgewischt werden müssen, entsprechen nicht dem Standard des Wohnens, wenn 876 OLG Düsseldorf v. 28.10.2010 – 24 U 28/10, MietRB 2011, 245 = MietRB 2011, 246 = MietRB 2011, 247 = ZMR 2011, 795. 877 BGH v. 25.2.1987 – VIII ZR 88/86, MDR 1987, 753 = ZMR 1987, 257; BGH v. 23.3.1983 – VIII ZR 336/81, WPM 1983, 660. 878 BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, MietRB 2008, 103 = ZMR 2008, 274. 879 BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, MietRB 2008, 103 = ZMR 2008, 274. 880 Hanseatisches OLG Hamburg v. 13.6.1990 – 4 U 118/89, ZMR 1990, 341. 881 Vgl. zu einem ähnlichen Fall: OLG Köln v. 11.6.2010 – 1 U 66/99, ZMR 2010, 850. 882 BGH v. 31.8.2010 – VIII ZR 268/09, WuM 2010, 678 = GE 2010, 1614. 883 AG Charlottenburg v. 31.3.2011 – 211 C 169/10, GE 2011, 824. 884 KG v. 31.5.2010 – 12 U 147/09, MietRB 2011, 10 = MDR 2010, 1109 = GE 2010, 1267 = ZMR 2011, 33.

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§ 535 Rz. 368 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags keine andere (eindeutige) Regelung getroffen wurde885. Dies gilt selbst dann, wenn beim Einbau der Fenster (hier: 1974) keine technischen Regeln bestanden, die eine thermische Trennung vorgaben. Denn Fenster müssen so beschaffen sein, dass sie nicht zur Kondensatbildung neigen. 369 Altbau. Gewisse Unzulänglichkeiten einer Altbauwohnung, die allgemein verbreitet sind, hat ein Mie-

ter hinzunehmen (s. z.B. Feuchtigkeit im Keller). Bei einem Altbau aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts sind Holzbalkendecken mit Dielen z.B. typisch; Trittschallgeräusche sind daher unvermeidlich886. Dies gilt auch für Knarrgeräusche, die bei Benutzung eines älteren Parkettbodens entstehen. Dabei ist ohne Bedeutung, ob diese Geräusche durch normale Abnutzung oder durch unfachmännische Reparaturen des Parketts oder seiner Unterkonstruktion verursacht werden, solange sie sich von der Intensität her im üblichen zu erwartenden Umfang halten887. 370 Archivfläche bezeichnet eine zur dauerhaften Lagerung von Gegenständen (in der Regel Bücher, Ur-

kunden, Papier, Filme, Fotos, Karten etc.) geeignete Fläche. In diesen Räumen muss ein besonderes Raumklima herrschen, dass die dauerhafte Lagerung der Archivarien ermöglicht. Dazu müssen Klima und Belüftung stets konstant bleiben und innerhalb der für die einzelnen Archivgutarten geeigneten Grenzwerte, z.B. für Papierakten 14–18 °C und 35–50 % relative Feuchte (vgl. DIN ISO 11799 Anhang B) liegen. 371 Asbest s. Gesundheitsgefährdungen 372 Aufzug. Ist ein Aufzug im Mietobjekt vorhanden, darf der Mieter ihn nutzen, sofern nicht ausdrück-

lich im Vertrag etwas anderes geregelt ist. Die Funktion des Aufzugs muss störungsfrei gewährleistet sein. Die Frage, ob eine Wartezeit an den Aufzügen von maximal zwei Minuten in einem 13-geschossigen Miethaus eine mehr als nur unerhebliche Beeinträchtigung des Zugangs darstellt, bedarf der tatrichterlichen Würdigung, in deren Rahmen ein Vergleich mit den Wartezeiten, mit denen in diesem Gebäude bei einer Vollvermietung von Mieträumen typischerweise zu rechnen wäre, anzustellen ist888. Jedenfalls in einem Hochhaus, insbesondere wenn es um die Anmietung einer Einheit im 10. Stockwerk geht, ist der Vermieter verpflichtet, die Fahrstühle rund um die Uhr, sowohl an Werk- wie auch an Sonn- und Feiertagen, in Betrieb zu halten889. 373 Badausstattung richtet sich in der Regel nach dem Standard der Baualtersklasse. Als Mindeststandard

sind heute WC, Handwaschbecken und Badewanne oder Dusche zu fordern, die sich aber nicht vollständig innerhalb der Wohnung befinden müssen. Höhere Qualitäten als mittlere Art und Güte müssen vereinbart werden, was auch schlüssig erfolgen kann. 374 Balkon (s. auch Dachterrasse). Insoweit kann allein aus dem bei Anmietung z.B. einer Wohnung vor-

gefundenen Zustand an Geräuschimmissionen nicht auf eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung dahin geschlossen werden, dass der Vermieter ein Lärmniveau schuldet, das nicht über gelegentlichen Störgeräuschen geringen Umfangs liegt890. Im Übrigen müssen Balkone sicher begehbar sein. Dazu gehört insbesondere eine ausreichende Höhe der Balkonbrüstung, die regelmäßig in der LBauO mit mindestens 90 cm vorgeschrieben ist. 375 Baulicher Zustand. Solange keine abweichende Vereinbarung besteht, schuldet der Vermieter die Über-

gabe der Mietsache in dem baulichen Zustand, in dem sie sich bei Abschluss des Mietvertrages befindet891, wobei sich der Standard grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit richtet892. In vielen Mietverträgen findet sich die Formulierung: „Der Mieter hat das Objekt besichtigt und übernimmt es im derzeit vorhandenen Zustand“. Eine derartige Klausel dient allein der Beschreibung des Mietobjektes893. Ein Hinweis auf verborgene Mängel oder gar darauf, dass dem Mieter solche bekannt gewe-

885 886 887 888 889 890 891 892 893

AG Dortmund v. 24.5.2011 – 425 C 10136/10, NZM 2011, 708. AG Spandau v. 16.1.2018 – 12 C 229/16, GE 2018, 335. BGH v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03, MietRB 2005, 1 = MDR 2004, 1346 = WuM 2004, 527 = ZMR 2004, 807. BGH v. 15.10.2008 – XII ZR 2/07, Mietrecht kompakt 2009, 37. BGH v. 7.6.2004 – 2 W 22/04, MDR 2005, 28 = ZMR 2004, 818 = NZM 2004, 909. BGH v. 23.9.2009 – VIII ZR 300/08, MDR 2010, 20 = MietRB 2009, 345 = GE 2009, 1426 = NZM 2009, 855. AG Hamburg-Altona v. 8.10.2010 – 43 BC 37/10, ZMR 2011, 292. BGH v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03, MietRB 2005, 1 = MDR 2004, 1346 = WuM 2004, 527 = ZMR 2004, 807. BGH v. 18.4.2007 – XII ZR 139/05, MDR 2007, 1065 = MietRB 2007, 195 = GuT 2007, 208 = ZMR 2007, 605 = GE 2007, 840 = NZM 2007, 484.

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B. Wohnraummiete | Rz. 379 § 535

sen seien mit der Rechtsfolge des § 536b BGB, kann ihr nicht entnommen werden. Mit der Hauptpflicht aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB lässt es sich nicht vereinbaren (§ 307 BGB), wenn der Vermieter das Risiko der Einholung einer Nutzungsgenehmigung auf den Mieter auch insoweit formularmäßig überbürdet, dass die Versagung ausschließlich auf der Beschaffenheit oder Lage des Mietobjektes beruht894. Hat der Vermieter aber einmal den vertragsgemäßen Zustand geliefert, kann er das Risiko behördlicher Genehmigungen auf den Mieter auch formularmäßig abwälzen, das sich aus einer (erlaubten) baulichen Veränderung ergibt895. Beleuchtung (s. auch Stromversorgung) der Gemeinschaftsflächen schuldet der Vermieter in dem Um- 376 fang, dass sie verkehrssicher begangen und durchschritten werden können896. Insoweit besteht kein Beseitigungsanspruch des Mieters, wenn die Beleuchtung überdimensioniert ist897. Innerhalb der Mietsache entspricht es regelmäßig der Verkehrsanschauung, wenn der Vermieter eine Elektro-Unterverteilung liefert, die es dem Mieter ermöglicht, eigene Beleuchtungsquellen (Lampen etc.) zu installieren und über die Versorgung mit Strom einen eigenen Vertrag mit einem Stromversorger zu schließen. Sobald ein Zähler für die eigene Stromversorgung vorhanden ist, wird die Stromversorgung als solche vom vertragsgemäßen Zustand ausgenommen. Deshalb besteht auch kein Mängelbeseitigungsanspruch, wenn der Versorger wegen Zahlungssäumigkeit des Mieters den Zähler demontiert898. In der Gewerberaummiete wird teilweise auch sog. Edelrohbau geliefert. Hier schuldet der Vermieter regelmäßig nur die Lieferung eines Verteilerschrankes, so dass die eigentliche Elektrounterverteilung innerhalb der Mieträume vom Mieter selbst installiert werden muss. Bepflanzung der allgemeinen Flächen steht im freien Ermessen des Vermieters. Solange keine beson- 377 deren Vereinbarungen getroffen wurden, kann der Vermieter die gärtnerische Gestaltung ändern. Dazu besteht eine Pflicht, wenn der vertragsgemäße Gebrauch des Mieters tangiert wird. Letzteres ist z.B. der Fall, wenn durch die Bepflanzung der Fassade der Lichteinfall beeinträchtigt oder der Befall mit Ungeziefer (Mäuse im Efeu) gefördert wird. Insoweit besteht aber kein Anspruch des Mieters auf die bestimmte „Wiederaufforstung“899. Blitzschutz ist für Wohn- und Geschäftsgebäude nicht vorgeschrieben. Deshalb ist er grundsätzlich 378 nur geschuldet, wenn er besonders vereinbart ist. Bodenbelag gehört regelmäßig zur Grundausstattung der Mietsache, um ein Abnutzen des Estrichs 379 zu verhindern900. Abweichende Vereinbarungen sind nur individuell möglich, weil die Pflicht des Vermieters aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB tangiert wird, § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Ohne eine solche (schlüssige) Vereinbarung kann der Mieter den Vermieter nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB zur Verlegung eines geeigneten Bodenbelags in Anspruch nehmen, wobei die Art und Qualität vom Vermieter vorbehaltlich anderer Abreden nach billigem Ermessen festgelegt werden. Eine Abweichung vom vertragsgemäßen Zustand soll der Vermieter herbeiführen, wenn er den auf der Terrasse verlegten Fliesenbelag gegen einen Holzbelag auswechselt901. Der Vermieter kann aber auch moderne Geschmacksvorstellungen im Zeitpunkt der Mängelbeseitigung berücksichtigen902. Eine Pauschale für das Abwohnen eines Teppichbodens ist AGB-mäßig unzulässig903, soweit sie sich nicht als Kalkulationsfaktor der Miete darstellt. Hat der Vermieter die Wohnung mit „frisch abgezogenen Dielen“ zu übergeben, darf der Dielenboden jedenfalls keine deutlichen Gebrauchsspuren aufweisen904.

894 895 896 897 898 899 900 901 902 903 904

BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, MietRB 2008, 103 = GuT 2007, 434 = GE 2008, 120 = ZMR 2008, 274. BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, MietRB 2008, 103 = GuT 2007, 434 = GE 2008, 120 = ZMR 2008, 274. LG Berlin v. 19.2.2004 – 67 S 319/03, GE 2004, 626. LG Hamburg v. 2.12.2010 – 307 S 73/10, ZMR 2011, 288. BGH v. 15.12.2010 – VIII ZR 113/10, MDR 2011, 216 = MietRB 2011, 102 = WuM 2011, 97 = ZMR 2011, 371. LG Hamburg v. 2.12.2010 – 307 S 73/10, ZMR 2011, 288. OLG Düsseldorf v. 3.5.2011 – 24 U 197/10, MietRB 2012, 138 = MietRB 2012, 139 = ZMR 2012, 438 = DWW 2012, 92; LG Frankenthal v. 19.6.1985 – 2 S 412/84, ZMR 1985, 342 = WuM 1986, 112. LG Berlin v. 7.9.2016 – 65 S 315/15, MietRB 2017, 157 = WuM 2017, 14. BGH v. 17.6.2009 – VIII ZR 131/08, MietRB 2009, 253 = MDR 2009, 975 = ZMR 2009, 836 = WuM 2009, 457 = NJW 2009, 2441. LG Frankenthal v. 19.6.1985 – 2 S 412/84, ZMR 1985, 342 = WuM 1986, 112. LG Berlin v. 24.2.2015 – 67 S 355/14, GE 2015, 454.

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§ 535 Rz. 380 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags 380 Brandschutz ist grundsätzlich nach dem Standard geschuldet, der bei der Errichtung des Gebäudes

nach den einschlägigen Bestimmungen gefordert werden konnte. Besteht die konkrete und naheliegende Gefahr, dass bereits ein kleiner Brand im Treppenhaus binnen kürzester Zeit dem Mieter den Fluchtweg aus seinen Mieträumen abschneidet, kann der Mieter wegen objektiver Gesundheitsgefährdung eine Nachrüstung verlangen905. 381 Briefkasten gehört grundsätzlich zum Standard, den der Vermieter dem Mieter zur Verfügung stellen

muss906, und zwar auch bei einer Einliegerwohnung907. Ersatzweise kann auch ein Einwurfschlitz in der Haustüre ausreichen908. Die Bedenken aus Gründen der Vertraulichkeit909 greifen nicht durch, solange der Mieter die Situation nicht bei Abschluss des Mietvertrages reklamiert. Denn dann ist von einer stillschweigenden Beschaffenheitsvereinbarung auszugehen. Das Gleiche gilt, wenn innenliegende Briefkästen vorhanden sind. Hier besteht kein nachträglicher Anspruch auf Installation eines außen befestigten Briefkastens910. Die Kästen müssen verschließbar sein und Postsendungen in der Größe von DIN A 4 aufnehmen können911. Ansonsten können sich Größe und Qualität des Briefkastens an DIN 32 617 orientieren, sofern keine abweichende Beschaffenheitsvereinbarung (stillschweigend) getroffen wurde. Danach sind maßgeblich für – den Einwurfschlitz mind. 325 × 30 mm, – die Kastentiefe bei vertikaler Ausführung mind. 100 mm, – die Stapelhöhe des Postgutes bis zur Entnahmesicherung 40 mm, – die Entnahmesicherung mind. 15 mm tief und 80 % der Breite des Einwurfschlitzes, – die Namensschildgröße 60 × 15 mm, – die Widerstandsfähigkeit der Türe (15 daN = Dekanewton) 382 Die Liberalisierung des Briefmarktes ab dem Jahr 2007 mit der für das Postzustellungswesen inhalt-

lichen Veränderung begründet für den Vermieter, der seinen Mietern nach bisherigem Rechtsverständnis Briefkästen im Hausflur eines Mietobjekts zur Verfügung gestellt hat, nicht die Verpflichtung, nunmehr neue Briefkästen im Außenbereich eines Mietobjekts anzubringen912. 383 Dachterrassen (s. auch Balkon) müssen verkehrssicher sein und daher mit den nach der jeweiligen

LBauO notwendigen Geländern oder sonstigen Umwehrungen ausgestattet sein. Eine Überdeckung ist grundsätzlich nicht geschuldet. Deshalb kann auch die Erweiterung einer vorhandenen Abdeckung nicht verlangt werden. Ist an der Abdeckung keine Regenrinne vorhanden, kann der Mieter die nachträgliche Installation nicht verlangen, weil auf den baulichen Zustand bei Abschluss des Mietvertrages abzustellen ist913. 384 Deckenbelastung. Die Belastungshöchstgrenze für Decken ist unterschiedlich. Sie hängt von der Bau-

art ab (Holzbalkendecke, Spannbetondecke etc.). Der Vermieter steht vorbehaltlich anderer Vereinbarungen dafür ein, dass sie jedenfalls für den vertragsgemäßen Gebrauch, der sich nach dem Mietzweck richtet, geeignet ist914. Diesen Anforderungen entspricht eine Decke, wenn sie z.B. das Abstellen von Möbeln ohne Rissbildung oder sonstige Auswirkungen auf den Baukörper zulässt. Das Gewicht der abgestellten Sachen ist solange unerheblich, wie das Abstellen vom vertragsgemäßen Gebrauch gedeckt ist. Deshalb führt z.B. das Aufstellen eines Tresors in einer Bank oder von Fitnessgeräten in einem Sportstudio nicht zu einer Pflichtverletzung des Mieters.

905 KG v. 22.9.2003 – 12 U 15/02, MietRB 2004, 41 = GuT 2003, 215. 906 AG Osnabrück v. 4.11.1999 – 47 C 216/99, WuM 2000, 329; AG Mainz v. 6.5.1996 – 8 C 98/96, NJWE-MietR 1997, 265. 907 Blank/Börstinghaus, § 536 BGB Rz. 21; a.A. AG München v. 9.9.1988 – 234 C 19507/88, ZMR 1989, 25. 908 Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. VI 159. 909 Vgl. dazu Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 248; Blank/Börstinghaus, § 536 BGB Rz. 21. 910 LG Frankfurt an der Oder v. 28.5.2010 – 6a S 126/09, ZMR 2011, 552 = GE 2011, 1309. 911 LG Berlin v. 11.5.1990 – 29 S 20/90, MM 1990, 261. 912 LG Frankfurt an der Oder v. 28.5.2010 – 6a S 126/09, ZMR 2011, 551 = GE 2011, 1301. 913 AG Hamburg-Altona v. 8.10.2010 – 43 BC 37/10, ZMR 2011, 292. 914 BGH v. 6.5.1958 – VIII ZR 66/57, BB 1958, 575.

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B. Wohnraummiete | Rz. 391 § 535

Durchlauferhitzer müssen so ausgelegt sein, dass sie eine kontinuierliche Warmwasserversorgung zu- 385 lassen. Dazu gehört, dass auch beim gleichzeitigen Öffnen von zwei Wasserhähnen in der Wohnung an beiden ausreichend warmes Wasser zur Verfügung steht915. Einbruchsicherheit916. Räume müssen so ausgestattet sein, dass sie den ortsüblichen Standard hinsicht- 386 lich der Sicherheit vor Einbrüchen aufweisen917. Dafür muss nicht jedweder Einbruch ausgeschlossen sein; erhebliche Gefahrenquellen sind jedoch als nicht vertragsgemäßer Zustand der Mietsache zu bewerten918. Deshalb ist eine vorhandene Öffnung in der Wand fachmännisch zu verschließen. Ein Anspruch auf Installation eines Sicherheitsschlosses besteht nicht – auch nicht auf Sicherheitsbeschläge an einer Balkontüre919. Darüber hinaus ist der Vermieter ohne besondere Vereinbarung nicht verpflichtet, den Sicherheitsstandard des Gebäudes veränderten Sicherheitserkenntnissen anzupassen920. S. auch Schlösser Einfriedung. Der Mieter kann selbst dann keine Einzäunung des Grundstücks/Gartens verlangen, 386a wenn die konkrete Befürchtung besteht, dass eine Belästigung durch Wildschweine stattfindet921. Elektrische Geräte, die als Einrichtung zur Wohnung gehören (z.B. Lüfter im Bad), müssen funktio- 387 nieren und ihrer Funktion entsprechend arbeiten, also den gewünschten Erfolg herbeiführen. Elektrounterverteilung. Der Mieter einer nicht modernisierten Altbauwohnung hat grundsätzlich ei- 388 nen Anspruch auf eine Elektrizitätsversorgung, die zumindest den Betrieb eines größeren Haushaltsgerätes wie einer Waschmaschine und gleichzeitig weiterer haushaltsüblicher Geräte wie z.B. eines Staubsaugers ermöglicht922. Die Parteien können (und müssen) einen darunter liegenden Standard ausdrücklich vereinbaren. Dazu reicht es aber nicht aus, dem Mieter allgemein das Risiko einer nicht ausreichenden Dimensionierung der vorhandenen Unterverteilung aufzubürden. Vielmehr genügt eine solche Regelung im Mietvertrag nur den Anforderungen an die Transparenz, wenn die Klausel konkrete Angaben dazu enthält, welchen Anforderungen die vorhandene Anlage standhält923. Energieausweis. Hat der Gebäudeeigentümer nach den §§ 16 ff. EnEV zu erstellen und dem Mieter auf 389 Verlangen vorzulegen. Er erhält aber im Hinblick auf die energetischen Anforderungen an das Gebäude grundsätzlich keine Bedeutung924, solange die Parteien dies nicht ausdrücklich vereinbaren. Energieeinsparung besteht zwar als eines der übergeordneten Ziele der Modernisierungsvorschriften. 390 Ein Anspruch des Mieters auf Modernisierung (= Energieeinsparung) besteht aber nicht925, so dass er grundsätzlich den Standard akzeptieren muss, der dem bei Beginn des Mietvertrages als vertragsgemäß vereinbartem Zustand entspricht. Energiestandard eines Gebäudes richtet sich grundsätzlich nach den Regeln, die im Zeitpunkt der Be- 391 zugsfertigkeit zu beachten waren, solange nicht nachträglich Modernisierungen zur Energieeinsparung durchgeführt wurden oder die EnEV ausnahmsweise – verbindlich – etwas anderes bestimmt. Letzteres war z.B. mit Übergangsfrist bis zum 31.12.2008 für Heizungsanlagen gemäß § 10 Abs. 1 EnEV der Fall. Bei Instandsetzungen der Fassade ist § 9 Abs. 3 EnEV zu beachten. Ob und ggfs. in welchem Umfang der Mieter bei Vertragsbeginn erwarten kann, dass ein bestimmter Energiestandard, insbesondere der bei Vertragsschluss, vom Vermieter eingehalten wurde, ist umstritten. Einerseits wird dies abgelehnt mit dem Hinweis, der Mieter habe nur Anspruch auf den Standard bei Bezugsfertigkeit des Ge-

AG Köln v. 9.4.2008 – 220 C 152/07, GE 2008, 1576. Vgl. auch Breiholdt, PiG 92, 29 f. Hübner/Griesbach/Schreiber in Lindner-Figura u.a., Kap. 14 Rz. 243. BGH v. 7.6.2006 – XII ZR 34/04, MDR 2007, 22 = MietRB 2006, 264 = NZM 2006, 626. KG v. 7.7.2008 – 8 U 33/08, WuM 2009, 658 = GE 2009, 1621. OLG Düsseldorf v. 6.6.2002 – 10 U 12/01, ZMR 2002, 820 = NZM 2002, 737. AG Wedding v. 8.1.2014 – 8a C 583/12, GE 2014, 199. BGH v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03, MDR 2004, 1346 = MietRB 2005, 1 = NJW 2004, 3174 (unter [II] A 2b). BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356. 924 Vgl. Sternel, NZM 2007, 495; Horst, NZM 2006, 1; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 81a. 925 BGH v. 14.9.2011 – VIII ZR 10/11, MietRB 2012, 6 = MDR 2011, 1465 = WuM 2011, 671 = ZMR 2012, 174 m. Anm. Schläger, ZMR 2012, 266.

915 916 917 918 919 920 921 922 923

Lützenkirchen | 151

§ 535 Rz. 391 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags bäudes, selbst wenn die Nichtbeachtung zu höheren Energiepreisen führt926. Demgegenüber wird vertreten, die Nichteinhaltung der Vorgaben der EnEV führten zu einer Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit mit einem entsprechenden Anspruch des Mieters auf Nachrüstung927. Schließlich sehen andere sogar eine Nachrüstpflicht, wenn sich die Vorgaben der EnEV im laufenden Mietvertrag verändern928. Richtigerweise ist darauf abzustellen, sofern keine besonderen Vereinbarungen getroffen wurden, inwieweit der Mieter bei Abschluss des Vertrages erwarten kann, dass das Gebäude entsprechende Vorgaben zur Energieeinsparung aufweist929. Das ist anzunehmen, wenn die öffentlich-rechtlichen Vorgaben zwingend sind und eine Nachrüstpflicht beinhalten (z.B. § 10 Abs. 1–3 EnEV). Dazu gehört z.B. nicht, dass der Vermieter bei einer nachträglichen Änderung der Fassade, die aber vor Vertragsschluss stattgefunden hat, von den Vorgaben des § 9 EnEVabgewichen ist. Denn von der Fassadensanierung wird er in der Regel nichts wissen und daher keine entsprechenden Erwartungen an das Mietobjekt stellen930. Darüber hinaus kann der Energiestandard Gegenstand einer zugesicherten Eigenschaft sein (vgl. § 536 BGB Rz. 217 f.). Allein aus der Tatsache, dass der Vermieter entgegen § 10 Abs. 3 EnEV das Dach oder die Decke zum Dachgeschoss nicht gedämmt hat, entstehen zugunsten des Mieters grundsätzlich keine Anforderungen, die z.B. eine Schadensersatzpflicht des Vermieters begründen, weil der Mieter bei selbst betriebener Gasetagenheizung einen höheren Gasverbrauch reklamiert931. 392 Entlüftung s. Lüftungsanlage 393 Fenster müssen dicht sein und grundsätzlich dem Gruppenstandard der Baualtersklasse entsprechen.

Insoweit kann ohne zusätzliche Vereinbarung nicht auf den Standard bei Abschluss des Mietvertrages abgestellt werden932. Deshalb wird ohne besondere Vereinbarung bei vorhandener Einfachverglasung keine Isolierverglasung geschuldet933. Hinsichtlich einer Kondensatwasserbildung ist zu differenzieren: Setzt sich deshalb, weil die Fensterscheiben als solche die kälteste Stelle im Raum bilden, die in der Luft vorhandene Feuchtigkeit (z.B. über Nacht) auf der Einfachverglasung ab, ist das ein unvermeidbares Phänomen, das bei hoher Luftfeuchtigkeit innerhalb der Mieträume auftritt. Hierauf muss der Vermieter bei Abschluss des Mietvertrages nicht hinweisen. Wurden jedoch vom Gruppenstandard abweichende Fenster eingebaut, die über einen technischen Mangel verfügen (z.B. fehlende thermische Trennung), muss der Vermieter bei Abschluss des Mietvertrages darauf hinweisen, wenn die Fenster selbst zu einer Kondensatwasserbildung neigen. Denn ohne eine einschränkende Regelung kann der Mieter erwarten, dass die Fenster einen allgemein üblichen Wohnstandard aufweisen. Dazu gehören jedenfalls keine (Aluminium-)Fenster, bei denen nur durch erhöhte Reinigungsarbeit eine Schimmelbildung infolge Kondensatwasserbildung vermieden werden kann934. S. auch Alufenster 394 Fernsehen in HD-Qualität gehört nicht zum vertragsgemäßen Zustand einer Wohnung, wenn der

Vermieter einen Breitbandkabelanschluss zur Verfügung stellt935. S. auch Rundfunk- und Fernsehempfang 395 Feuchtigkeit im Keller gehört bei Altbauten zum vertragsgemäßen Zustand936. Das ist selbst bei ei-

nem Gebäude von 1950 noch der Fall937.

926 Horst, NZM 2010, 177 (183); Flatow, NZM 2008, 785 (791); Blank, WuM 2008, 311 (314). 927 Schmidt-Futterer/Langenberg, § 560 BGB Rz. 115; Börstinghaus, PiG 73 (2006), 39, 52; vgl. auch Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 536 BGB Rz. 28; MünchKomm/Häublein, § 536 BGB 8. 928 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 131; Artz, WuM 2008, 259 (262). 929 Lehmann-Richter, PiG (2013), 41 (43). 930 Lehmann-Richter, PiG (2013), 41 (44). 931 LG Berlin v. 4.2.2011 – 63 S 181/10, GE 2011, 485 = MM 2011, Nr. 6, 37. 932 A.A. AG Dortmund v. 24.5.2011 – 425 C 10136/10, NZM 2011, 708. 933 Saarländisches OLG v. 8.5.2013 – 2 U 3/13, ZMR 2014, 280. 934 AG Dortmund v. 24.5.2011 – 425 C 10136/10, NZM 2011, 708. 935 BGH v. 21.9.2010 – VIII ZR 275/09, GE 2010, 1681. 936 LG Osnabrück v. 11.4.2001 – 6 S 1247/00, WuM 2004, 233; LG Mannheim v. 8.4.1998 – 4 S 158/87, WuM 1998, 663; AG München v. 11.6.2010 – 461 C 19454/09, IMR 2010, 520. 937 LG Osnabrück v. 11.4.2001 – 6 S 1247/00, WuM 2004, 233; LG Mannheim v. 8.4.1998 – 4 S 158/97, WuM 1998, 663; AG München v. 11.6.2010 – 461 C 19454/09, IMR 2010, 520 (Pfattheicher).

152 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 401 § 535

Fliesenspiegel gehört zur üblichen Ausstattung einer Küche938.

396

Garten. Ob gärtnerisch angelegte Flächen zur Mietsache gehören oder Gemeinschaftsflächen darstel- 397 len, richtet sich nach den vertraglichen Absprachen. Regelmäßig kann davon ausgegangen werden, dass eine Sondernutzung besonders vereinbart werden muss, was bei der Vermietung eines „Reihenhauses mit Garten“ anzunehmen ist939. Andernfalls ist von Gemeinschaftsgebrauch auszugehen. Letzteres kann der Vermieter durch Haus-, Gemeinschafts- oder Benutzungsordnung nach billigem Ermessen regeln, wobei er auch das Betreten der Flächen verbieten kann. Dem oder den Mietern kann die Pflege der gärtnerisch angelegten Flächen übertragen werden (vgl. § 541 BGB Rz. 133 f.). Selbst wenn der Garten aber zur alleinigen Nutzung überlassen wurde, entsteht dadurch kein Direktionsrecht des Vermieters940. Haben Wildschweine den Garten regelmäßig aufgesucht und verwüstet, ist der Vermieter verpflichtet, einen stabilen Zaun zu errichten941. Gesundheitsgefährdungen darf die Mietsache nicht hervorrufen, so dass der Mieter auch schon einen 398 Anspruch aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB geltend machen kann, bevor die Voraussetzungen des § 569 Abs. 1 BGB vorliegen (z.B. nicht emittierendes Asbest in den Trennwänden942). Haustüren sind vorbehaltlich anderer Abreden vertragsgemäß, wenn sie ein Mindestmaß an Ein- 399 bruchschutz gewähren. Dazu müssen sie mit einem (funktionierenden) Schloss ausgestattet sein, so dass sie sich nicht bereits mit leichtem Druck öffnen lassen. Besondere Anforderungen an den Schallschutz können nur gestellt werden, wenn dazu entsprechende (stillschweigende) Vereinbarungen getroffen wurden. Insoweit kann regelmäßig die Höhe der Miete und die übrige Ausstattung der Wohnung als Grundlage für eine abweichende Vereinbarung herangezogen werden. Im Übrigen ist es dem Vermieter im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht geboten, seine teilweise aus Glas bestehende Haustür mit weitgehend bruchsicherem, jedenfalls splitterbindendem Glas zu versehen943. Heizkörper bilden den in der Wohnung oder Gemeinschaftsfläche installierten Teil der (Zentral- oder 400 Etagen-)Heizung, durch die die Erwärmung der Räume herbeigeführt werden soll. Sie müssen funktionstauglich und so dimensioniert sein, dass ohne zusätzliche Hilfsmittel eine Erwärmung auf die Werte der DIN 4107 herbeigeführt werden kann. Ihre Dimensionierung richtet sich nach DIN EN 442. Danach werden Platten-, Flachheiz- oder Kompaktheizkörper, Radiatoren, Guss-, Stahl- oder Stahlrohrradiatoren unterschieden. Heizung. Die Beheizung richtet sich nach dem baulichen Zustand bei Beginn des Mietvertrages. Ist kei- 401 ne Heizung vorhanden, kann der Mieter auch die nachträgliche Installation nicht verlangen. Es besteht kein Anspruch auf Modernisierung944. Eine Zustimmung zur Installation durch den Mieter muss der Vermieter nicht erteilen; dies schränkt seine unternehmerische Freiheit zu sehr ein945. Ist eine Beheizung vorhanden, soll es dem Standard entsprechen, dass der Mieter die Temperatur regulieren kann946. Dies ist in dieser Allgemeinheit nicht richtig. Denn geschuldet wird der Standard, der vorhanden ist. Ist eine Heizung installiert, die eine Regulierung nicht für einzelne Räume vorsieht, kann der Mieter daraus keine Gewährleistungsrechte herleiten947 und auch nicht verlangen, dass trotz vorhandener Einrohrheizung im Schlafzimmer auf eine Raumtemperatur von 18 °C reguliert werden kann948.

938 939 940 941 942 943 944 945 946 947 948

AG Fürstenwalde v. 24.1.2002 – 15 C 248/01, MM 2002, 143. AG Hamburg-Bergedorf v. 18.12.2012 – 409 C 68/12, ZMR 2013, 357. LG Köln v. 21.10.2010 – 1 S 119/09, IMR 2011, 54 (Fodor). AG Köpenick v. 4.7.2012 – 15 C 25/12, GE 2013, 1006. LG Berlin v. 3.12.2010 – 63 S 42/10, GE 2011, 204. OLG Koblenz v. 10.10.1996 – 5 U 138/95, MDR 1997, 462 = WuM 1997, 376 = ZMR 1997, 417. BGH v. 18.12.2013 – XII ZR 80/12, MietRB 2014, 71 = MDR 2014, 336; BGH v. 5.6.2013 – VIII ZR 287/12, MietRB 2013, 229 = MDR 2013, 834. BGH v. 14.9.2011 – VIII ZR 10/11, MietRB 2012, 6 = MDR 2011, 1465 = WuM 2011, 571. Blank/Börstinghaus, § 536 BGB Rz. 34. A.A. AG Köln v. 13.4.2012 – 201 C 481/10, ZMR 2012, 632. LG Berlin v. 3.5.2016 – 67 S 357/15, MietRB 2016, 194, WuM 2016, 347 = ZMR 2016, 623 (Mindeststandard des Wohnens).

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§ 535 Rz. 402 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags 402

– Wohnung ohne Heizung Regelmäßig sind bei diesen Wohnungen Vorrichtungen vorhanden, um Einzelöfen, die durch Kohle, Öl oder Gas befeuert werden, anzuschließen. Eine andere Möglichkeit besteht in der Beheizung durch Nachtstrom für Wärme (Nachtstromspeicherheizung). Der Mieter ist für die Beheizung selbst verantwortlich. Er ist auch regelmäßig für die Beschaffung und gegebenenfalls die Einlagerung der Brennstoffe oder der Energie selbst verantwortlich. Sind die Öfen defekt, ist der Vermieter für die Behebung der Schäden nur dann verantwortlich, wenn er die Heizkörper mitvermietet hat. Im Übrigen besteht grundsätzlich keine Pflicht des Vermieters, den fachgerechten Anschluss der Öfen in den Wohnungen der einzelnen Mieter zu kontrollieren949.

403

– Etagenheizung In diesem Fall erfolgt die Versorgung mit Wärme regelmäßig durch eine in der Wohnung installierte Therme oder eine andere Heizanlage. Für den Betrieb ist der Mieter in der Regel selbst verantwortlich, so dass er einen eigenen Vertrag z.B. mit einem Gasversorger abschließen muss. Hinsichtlich der Kosten der Reinigung und Wartung der Therme bzw. der Heizanlage kommt es darauf an, ob der Vertrag eine Pflege durch den Vermieter vorsieht. Ist das der Fall, sind die Kosten im Rahmen des § 2 Nr. 5d BetrKV umlegbar. Ansonsten trägt der Mieter die Kosten selbst, sofern eine wirksame Wartungsklausel besteht (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 538).

404

– Zentralheizung Diese Beheizungsart kommt in verschiedenen Konstellationen vor. Häufig befindet sich eine zentrale Heizanlage, die die einzelnen Wohnungen über ein geschlossenes Rohrsystem mit Wärme versorgt, im Keller des Gebäudes. Es ist aber auch möglich, dass eine Heizungsanlage für mehrere Gebäude installiert ist950 oder sogar ein sog. Blockheizkraftwerk betrieben wird. Letzteres dient in aller Regel der Versorgung von ganzen Wohnanlagen. Innerhalb des Gebäudes werden als Teil der Zentralheizung im Wesentlichen Systeme einer – Zweirohrheizung mit oberer und unterer Verteilung, – horizontalen oder vertikalen Einrohrheizung mit nur einer Nutzeinheit pro Rohrschleife oder mehreren Nutzeinheiten pro Rohrschleife, – Einrohrheizung mit Profilrohren, – Fußbodenheizung, – Deckenstrahlheizung oder – Heizung mit klappengesteuerten Heizkörpern – betrieben. In allen Fällen ist der Vermieter ist für den ordnungsgemäßen, betriebsbereiten Zustand der Heizanlage verantwortlich, ebenso für die Beschaffung der Brennstoffe bzw. der Energie. Grundlage der Kostenverteilung bildet die HeizkV. Die Heizungen müssen grundsätzlich dem durch § 10 EnEV bestimmten Standard entsprechen. Diese Anlage muss der Vermieter in dem durch § 3 EnEG vorgegebenen Rahmen instandsetzen und instandhalten. Dabei ist der Vermieter grundsätzlich dafür verantwortlich, dass die Anlage ausreichend mit Brennstoff versorgt wird. Ausnahmen können auch formularmäßig vereinbart werden, soweit der Miete dadurch nicht das Insolvenzrisiko anderer Mieter trägt. Dies kann noch nicht dadurch verhindert werden, dass die anderen Mieter laufende Vorauszahlungen an den bestellenden Mieter leisten. Jedenfalls bei Einfamilienhaus ist im Zweifel anzunehmen, dass der Mieter für die Besorgung des Heizmaterials verantwortlich ist951. Ob der Vermieter eine Heizungsregulierung unabhängig von der vertraglichen Regelung als Mindeststandard schuldet, ist durch Auslegung anhand der Verkehrsanschauung im Einzelfall zu ermitteln. Maßgeblich sind insoweit objektive Maßstäbe (Alter, Ausstattung, Art des Gebäudes, Höhe der Miete und eine evtl. Ortssitte)952. Bei einer Einrohr949 BGH v. 1.6.2011 – VIII ZR 310/10, WuM 2011, 465 = GE 2011, 1013 = ZMR 2011, 938. 950 Vgl. BGH v. 14.7.2010 – VIII ZR 290/09, MDR 2010, 1445 = MietRB 2010, 317 = WuM 2010, 629 = NZM 2010, 781 = ZMR 2011, 24; BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 371/04, MDR 2006, 196 = MietRB 2006, 30 (31 f.) = WuM 2005, 579 = ZMR 2005, 937 = NZM 2005, 737 = NJW 2005, 3135 (unter II 3a). 951 LG Hanau v. 17.5.2014 – 2 S 206/12, IMR 2014, 279. 952 Eisenschmid, WuM 2012, 265 (266).

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B. Wohnraummiete | Rz. 409 § 535

heizung in einem Plattenbau ist es unvermeidbar, dass auch bei abgedrehten Thermostatventilen Energie an die Räume abgegeben wird953. – Fernwärme 405 Bei dieser Beheizungsart wird Wärme regelmäßig über ein externes Heizkraftwerk geliefert954. In der Praxis sind Modelle geläufig, in denen der Mieter unmittelbar einen Vertrag mit dem Fernwärmelieferanten schließt, aber auch die Belieferung über den Vermieter. Im ersten Fall liegt das Risiko der Belieferung bei dem Fernwärmelieferanten und tangiert den Mietvertrag nur, wenn die Tauglichkeit der vorhandenen Heizungsanlage nicht gegeben ist und diese vom Vermieter stammt. Ist der Vermieter Vertragspartner des Fernwärmelieferanten, ist er im Verhältnis zum Mieter bei Mängeln einstandspflichtig. Dann rechnet auch er die Kosten nach der HeizkV ab. Im anderen Fall ist aber auch der Fernwärmelieferant im Verhältnis zum Mieter an die Abrechnungsvorgaben der HeizkV gebunden. – Heizperiode. Findet die Übergabe in der Zeit vom 1. Oktober bis zum 30. April statt, schuldet der 406 Vermieter grundsätzlich vom ersten Moment an den Betrieb der Heizung. Außerhalb dieser Zeit kann der Mieter den Betrieb verlangen, wenn die klimatischen Verhältnisse dies erfordern955. Das ist in der Regel der Fall, wenn die Innentemperatur in der Wohnung bei geschlossenen Fenstern und Türen unter 18 °C fällt und mit einer Verbesserung der Situation in den folgenden Stunden nicht zu rechnen ist. Insoweit ist aber eine einheitliche Linie der Rechtsprechung bisher nicht erkennbar. Denn zum Teil wird auch auf die Außentemperatur abgestellt. Deshalb soll ein Anstellen der Heizung erst verlangt werden können, wenn die Außentemperatur auf ein Niveau sinkt, das mit dem Temperatur-Niveau in der üblichen Heizperiode zu vergleichen ist, wovon erst ausgegangen werden können soll, wenn die Außentemperatur an mindestens drei aufeinander folgenden Tagen weniger als 12 °C beträgt956. Daran kann auch ein Mietvertrag nichts ändern, indem beispielsweise eine Mindest-Temperatur von 18 °C vereinbart ist. Eine solche Vereinbarung ist unwirksam957. Die Anschaffung einer eigenen Heizquelle kann vom Mieter nicht verlangt werden – auch nicht wenn zu erwarten ist, dass die niedrigen Temperaturen nur kurzfristig, also bis maximal zwei Tage, auftreten. Der Vermieter ist nicht verpflichtet, eine „Wohnraum-Temperatur“ den ganzen Tag über zur Verfügung zu stellen. Er erfüllt seine Verpflichtungen, wenn diese Temperaturen während der üblichen Tagesstunden von 7.00 bis 23.00 oder 24.00 Uhr herrschen958. Geheizt werden muss danach in der Zeit von 6.00 bis 24.00 Uhr, da ein entsprechender zeitlicher Vorlauf und Nachlauf zu berücksichtigen ist. Ist ein Winter aber extrem kalt, kann der Vermieter auch verpflichtet sein, die Heizung durchgehend in Betrieb zu halten959. Jalousie s. Rollladen

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Keller oder sonstige Zubehörräume zur ausschließlichen Nutzung durch den Mieter gehören nur 408 zum vertragsgemäßen Gebrauch, wenn sie ausdrücklich vermietet sind. Nur weil andere Mieter einen Keller besitzen, gehört ein solcher nicht automatisch zur Mietsache und es entsteht auch kein Überlassungsanspruch960. Die klimatische Beschaffenheit der Mieträume muss so gestaltet sein, dass sie mit normalen Mitteln 409 auf einem üblichen Niveau von ca. 55 % relativer Luftfeuchte gehalten werden können, ohne dass sich z.B. Schimmel bildet. Dazu muss zwei Mal tägliches Stoßlüften von ca. zehn Minuten ausreichen. Ist es notwendig, zur nachhaltigen Vermeidung von Schimmelpilzbefall die Wohnung dreimal täglich für circa neun Minuten zu lüften, handelt es sich bereits um das Erfordernis eines übermäßigen Lüftens. Für 953 LG Berlin v. 1.11.2011 – 63 S 341/11, WuM 2012, 264. 954 Vgl. BGH v. 24.9.2008 – VIII ZR 275/08, MDR 2009, 1383 = MietRB 2009, 346 = MDR 2008, 1385 = MietRB 2009, 61 = WuM 2008, 667 = GE 2008, 1485. 955 AG Bochum v. 20.11.2012 – 83 C 255/12, WuM 2013, 351; Blank/Börstinghaus, § 536 BGB Rz. 34 (Behaglichkeitsgrenze). 956 AG Köln v. 9.4.2008 – 220 C 152/07, GE 2008, 1576. 957 LG Heidelberg v. 11.9.1981 – 5 S 80/81, WuM 1982, 2; LG Berlin v. 20.12.1990 – 61 S 178/89, GE 1991, 573. 958 AG Hamburg v. 8.3.1995 – 41a C 1371/93, WuM 1996, 469. 959 AG Köln v. 27.3.1979 – 156 C 1083/79, WuM 1980, 278. 960 Vgl. BGH v. 31.8.2010 – VIII ZR 268/09, WuM 2010, 678 = GE 2010, 1614.

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§ 535 Rz. 409 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags die Annahme einer Vertragspflichtverletzung bedarf es daher in einem derartigen Fall einer besonderen Vereinbarung961. Im Übrigen gehört es zur uneingeschränkten Gebrauchstauglichkeit eines zu Wohnzwecken genutzten Zimmers, dass dieses in üblicher Art und mit handelsüblichen Möbeln eingerichtet werden kann. Der Mieter einer Wohnung darf nämlich davon ausgehen, dass das Mietobjekt bauphysikalisch so beschaffen ist, dass auch große Möbel an den Außenwänden aufgestellt werden können, ohne dass sich negative Erscheinungen (hier: Schimmelpilzbefall) bemerkbar machen. 410 Kochgelegenheit gehört zu den Mindestausstattungsmerkmalen, die für die Annahme einer Wohnung

vorausgesetzt werden962. Sie muss funktionsfähig sein. Ist kein Herd vorhanden, müssen wenigstens die erforderlichen Anschlüsse in dem für die Küche vorgesehenen Raum anschlussfertig installiert sein. Ein darunter liegender Standard muss eindeutig vereinbart sein963. 410a Lampen/Leuchten werden regelmäßig vom Vermieter nicht geschuldet. Sind sie vorhanden, unterliegt

die Instandsetzung dem Vermieter, so dass jedes defekte Leuchtmittel von ihm auszutauschen ist (und ggfs. unter eine Kleinreparatur fällt). Sind Deckenöffnungen für Halogenleuchten vorhanden, wird keine Mindestgröße für Standardleuchten geschuldet964. 411 Lüftungsanlagen können innerhalb und außerhalb der Wohnung installiert sein. Innerhalb der Woh-

nung sind sie zumeist in Feuchträumen, vor allem dem innenliegenden Badezimmer angebracht. Moderne Lüfter steuern die Entlüftung über eine elektronische Intervallschaltung, die sich nach der Dauer der Nutzung des Bades richtet965. In älteren Gebäuden sind mechanische Lüftungsanlagen vorhanden, die über zwei übereinanderstehenden Öffnungen funktionieren. Sie arbeiten nur bei regelmäßiger Reinigung, die dem Mieter im Rahmen seiner Obhutspflicht obliegt, einwandfrei. Außerhalb der Wohnung kommen Lüftungsanlagen vor allem bei innenliegenden Fluren vor. Auch hier ist wegen des Standards (insbesondere der Lärmentwicklung) auf die mittlere Art und Güte bei Errichtung des Gebäudes abzustellen. 412 Möblierung der Wohnung durch den Vermieter ist nur geschuldet, wenn dies ausdrücklich vereinbart

ist, soweit dies nicht zum Standard gehört (z.B. Sanitäreinrichtung). Im Übrigen muss sie grundsätzlich uneingeschränkt möglich sein. Das betrifft zunächst die zum Wohnen üblichen Möbel (Bett, Schränke, Einbaumöbel etc.), die der Mieter auch ohne Weiteres an Außenwänden aufstellen darf966. Dies gilt aber nicht uneingeschränkt. Erfordert der altersbedingte Zustand des Gebäudes (Wärmebrücken) z.B., dass die Möbel zur Vermeidung einer Schimmelbildung hinterlüftet werden, muss der Mieter Schränke u.Ä. entsprechend von der Wand abrücken. Weitere Einschränkungen können für ungewöhnliche Einrichtungsgegenstände gelten (z.B. Tresore), weil hier besondere Anforderungen an die Tragkraft von Decken gestellt werden (s. Deckenbelastung). 413 Müllabwurfanlagen, die eine Mülltrennung nicht erlauben, darf der Vermieter jedenfalls dann still-

legen, wenn im Mietvertrag eine Änderung der Benutzung von Gemeinschaftsanlagen vorbehalten ist967. Im Übrigen gebieten diverse rechtliche Bestimmungen die Stilllegung von Müllabwurfanlagen. Gegen dieses landesrechtliche Verbot von Müllschluckern ergeben sich Bedenken. Denn ob das Verbot eine geeignete Maßnahme i.S.d. Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (Art. 20 GG) darstellt, ist zweifelhaft. Immerhin kann die Mülltrennung per Hand durchgeführt werden (sog. Müllmanagement), was nicht immer teurer ist. 414 Müllentsorgung ist vom Vermieter im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB zu

betreiben bzw. zur Verfügung zu stellen. Sie richtet sich nach den örtlichen Gegebenheiten. Stellt die Gemeinde auf Mülltrennung um, kann der Vermieter den Mieter verpflichten, sich daran zu beteiligen. Die Pflicht zur Mitwirkung des Mieters ergibt sich spätestens aus § 241 Abs. 2 BGB, da die Nichtbeach-

961 AG Hamburg-St. Georg v. 19.2.2009 – 915 C 515/08, WuM 2009, 582. 962 LG Aachen v. 29.7.1993 – 6 S 106/93, WuM 1993, 616; LG Lübeck v. 3.12.1991 – 6 S 305/91, WM 1992, 616; LG Bonn v. 19.9.1991 – 6 S 112/91, WM 1992, 24; LG Bochum v. 7.1.1983 – 5 S 333/82, WM 1984, 133 (134); LG Essen v. 29.7.1976 – 10 S 324/76, WM 1977, 206. 963 BGH v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03, MietRB 2005, 1 = MDR 2004, 1346 = WuM 2004, 527 = ZMR 2004, 807. 964 LG Nürnberg-Fürth v. 30.10.2018 – 7 S 2223/18, ZMR 2019, 346. 965 LG Berlin v. 13.7.2012 – 65 S 116/12, GE 2012, 1169. 966 AG Spandau v. 1.12.2010 – 4 C 380/09, GE 2011, 209. 967 AG Wedding v. 6.1.2011 – 8b C 25/09, GE 2011, 271.

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B. Wohnraummiete | Rz. 421 § 535

tung der Mülltrennung durch den Vermieter in der Regel Konsequenzen mit Strafcharakter nach sich zieht. Regelmäßig stellt die Umstellung aber auch eine Maßnahme nach § 555b Nr. 6 BGB dar. Nichtraucherwohnung. Der Vermieter kann – auch AGB-mäßig – in der Wohnung das Rauchen ver- 415 bieten968. Dem Überraschungseffekt nach § 305c BGB kann er dadurch entgegenwirken, dass er eine deutliche Regelung schafft und den Mietvertrag als solchen über eine Nichtraucherwohnung betitelt. Insoweit ergeben sich keine höheren Rechte des Mieters, denen nach § 307 Abs. 1 BGB Vorrang eingeräumt werden müsste. Denn der Vermieter kann über das Ob der Nutzung seines Gebäudes bestimmen und zum Schutz anderer Mieter Verhaltensregeln aufstellen969. Ein solcher Eingriff in die Privatsphäre wird im Mehrfamilienhaus durch das Gebot der Rücksichtnahme überlagert. Allein um Kollisionen mit Nichtrauchern zu vermeiden und allen Mietern gesunde Wohnverhältnisse zur Verfügung zu stellen, kann der Vermieter daher ein Rauchverbot im Mietvertrag regeln. Die nachträgliche Einführung setzt eine einvernehmliche Regelung voraus. Niveau der Mieter. Auch vor dem Hintergrund eines das „einmalige Ambiente“ und die „angenehme 416 Atmosphäre“ hervorhebenden Vermietungsexposés kann ohne besondere Absprachen aus der bloßen Vereinbarung einer deutlich über den örtlichen Spitzenpreisen liegenden Miete noch keine Verpflichtung des Vermieters abgeleitet werden, einen bestimmten „Mietermix“ oder ein bestimmtes „Milieuniveau“ zu bewahren970. Ein Mieter hat daher keinen Anspruch darauf, dass sich im Umfeld seiner Mieträume nur Kunden oder Besucher anderer Mieter einfinden, die einer „gehobenen“ Bevölkerungsschicht angehören oder sich durch ein angenehmes Erscheinungsbild und Verhalten auszeichnen. Parkett muss verkehrssicher begehbar sein. Das Abziehen kann AGB-mäßig nicht auf den Mieter ab- 417 gewälzt werden971, auch nicht zu Beginn des Mietvertrages, solange keine Gegenleistung des Vermieters erfolgt. S. auch Altbau Parkplätze s. Stellplätze

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Regenrinne. Der Mieter kann nicht die nachträgliche Installation einer Regenrinne z.B. am Abschluss 419 einer Überdachung seiner Terrasse verlangen, weil auf den baulichen Zustand bei Abschluss des Mietvertrages abzustellen ist972. Renovierung. Solange die Parteien keine besonderen Vereinbarungen über den Anfangszustand getrof- 420 fen haben, hat der Mieter grundsätzlich keinen Anspruch auf Überlassung einer frisch renovierten Wohnung973. Vielmehr muss die Wohnung so ausgestattet werden, dass der Mieter den vertragsgemäßen Gebrauch (Wohnen) sofort aufnehmen kann und nicht alsbald wieder renovieren muss. Dazu dürfen keine erheblichen Gebrauchsspuren bestehen (§ 535 BGB Rz. 556b f.). Rollladen müssen weder aus Gründen des Sonnenschutzes noch der Einbruchssicherheit vorhanden 421 sein, und zwar auch nicht im Erdgeschoss. Besteht eine entsprechende Ausstattung, muss sie funktionstauglich und einwandfrei bedienbar sein. Verschlissene Rollladengurte muss der Mieter nicht akzeptieren.

968 Reichhardt/Dittmann, ZMR 2011, 925; a.A. Derleder, NJW 2007, 812 (814); Paschke, NZM 2008, 265; Horst, MietRB 2008, 188 m.w.N.; vgl. auch BGH v. 16.1.2015 – V ZR 110/14, MietRB 2015, 197 = MDR 2015, 638 = ZMR 2015, 679 = NZM 2015, 448 Rz. 19, wonach der Vermieter das Rauchen beschränkende Regelungen grundsätzlich jedenfalls in einer Hausordnung treffen kann. 969 Vgl. dazu BGH v. 16.1.2015 – V ZR 110/14, MietRB 2015, 197 = MDR 2015, 638 = ZMR 2015, 679 = NZM 2015, 448, wonach der Vermieter das Rauchen beschränkende Regelungen grundsätzlich jedenfalls in einer Hausordnung treffen kann. 970 BGH v. 15.10.2008 – XII ZR 1/07, MDR 2009, 319 = MietRB 2009, 67 (68) = NZM 2009, 124 = GE 2009, 254; BGH v. 15.10.2008 – XII ZR 2/07, MK 2009, 37. 971 BGH v. 13.1.2010 – VIII ZR 48/09, MDR 2010, 312 = MietRB 2010, 101 = WuM 2010, 85 = GE 2010, 335 = NZM 2010, 157 = ZMR 2010, 432. 972 AG Hamburg-Altona v. 8.10.2010 – 43 BC 37/10, ZMR 2011, 292. 973 LG Hamburg v. 15.7.1986 – 16 S 90/86, MDR 1986, 938 = WuM 1986, 275.

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§ 535 Rz. 422 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags 422 Rundfunk- und Fernsehempfang schuldet der Vermieter auch ohne besondere Abrede im Rahmen

des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB. Besonderer Einrichtungen bedarf es nicht, wenn einwandfreier974 Empfang z.B. von DVBT oder über das Internet möglich ist975. Ein erweiterter Empfang (also von weiteren Sendern) kann unter den für Parabolantennen entwickelten Grundsätzen verlangt werden (vgl. § 535 BGB Rz. 793). 423 Sanitärausstattung muss baualtersgemäß vorhanden und funktionstauglich sein. Zur Mindestausstat-

tung gehören Waschbecken, WC, Badewanne oder Dusche. 424 Schallschutz gehört je nach Baualtersklasse zum Standard976. Haben aber bauliche Veränderungen

stattgefunden, die auf der Grundlage einer Baugenehmigung durchgeführt wurden, sind die zum Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme gültigen Standards heranzuziehen977. Eine vom Standard abweichende Vereinbarung kann auch stillschweigend getroffen werden und sich auch auf spätere bauliche Maßnahmen des Vermieters beziehen. Sogar die Verpflichtung des Vermieters zur Verbesserung des Schallschutzes kann vereinbart werden. Das setzt aber stets inhaltlich bestimmte Regelungen voraus978. Soweit eine konkrete Vereinbarung über den geschuldeten Standard fehlt, kann die DIN 4109 in ihrer zum Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit des Gebäudes gültigen Fassung zur inhaltlichen Bestimmung des geschuldeten Standards herangezogen werden. Zwar wurde die Verbindlichkeit im Werkvertragsrecht mittlerweile aufgehoben, weil die Anforderungen der DIN 4109 nicht mehr dem Stand der Technik entsprechen979. Diese Grundsätze sind aber nicht auf das Mietrecht übertragbar, zumal die DIN 4109 immer noch den Mindeststandard festlegt980. Bei einem modernisierten Altbau mit Holzdecken kann kein erhöhter Schallschutz erwartet werden981. S. Altbau 425 Schlösser. Den Vermieter trifft die Verpflichtung, das vermietete Gebäude vor dem unbefugten Zutritt

Dritter zu sichern. Die Sicherungspflicht erstreckt sich auch auf einen Nebenraum in einem einheitlichen Gebäudes982. S. Einbruchsicherheit 426 Schlüssel zu den Mieträumen sind dem Mieter vollständig auszuhändigen, und zwar für jedes Schloss,

dass er auf dem Weg zu seiner Wohnung und ihren Zubehörräumen öffnen muss (Haustüre, Wohnungstüre, Kellertüre, Hoftüre etc.). Die Anzahl der Schlüssel hängt vom vertragsgemäßen Gebrauch ab: Der alleinstehende Mieter hat ohne weiteres Anspruch auf Überlassung von (jeweils) zwei Schlüsseln. Für jede weitere Person, die sich zulässigerweise in der Mietsache aufhält (Ehegatte, Kinder, Familienangehörige, Dritte nach § 553 BGB etc.), kann der Mieter zusätzliche Schlüssel verlangen. Darüber hinaus besteht ein Überlassungsanspruch, soweit der Mieter ein berechtigtes Interesse hat983. Eine Kostenübernahme durch den Mieter für Schlüssel, auf die er einen Anspruch hat, kommt nur bei entsprechender (wirksamer) Vereinbarung in Betracht. Besteht im Objekt für bestimmte Räume ein intervallmäßiges Nutzungsrecht (z.B. Waschküche, Trockenspeicher), muss der Vermieter sicherstellen, dass der Mieter für die Dauer seines Nutzungsrechts Zugang zu diesen Räumen hat. Im Zweifel muss er deshalb dafür sorgen, dass der andere Mieter, der im Besitz des Schlüssels ist, diesen an den Mieter aushändigt. 427 Schneegitter auf dem Dach sind grundsätzlich nicht erforderlich, um Dritte oder den Mieter vor Dach-

lawinen zu schützen984, jedenfalls solange das nicht ortsüblich ist985. Dafür ist auf die jeweilige Ort-

974 Vgl. dazu LG Halle v. 1.3.2013 – 2 S 272/12, ZMR 2013, 536 (kein störungsfreier Empfang trotz schneller Verbindung); AG Hamburg v. 20.3.2014 – 40a C 76/13, WuM 2014, 710 (712). 975 LG Berlin v. 25.10.2011 – 65 S 38/11, MietRB 2012, 7 = GE 2011, 1556; AG Augsburg v. 26.7.2011 – 25 C 623/11, GE 2011, 1561. 976 BGH v. 7.7.2010 – VIII ZR 85/09, MDR 2010, 1041 = MietRB 2010, 254 = NZM 2010, 618 = ZMR 2010, 942. 977 BGH v. 6.10.2004 – VIII ZR 355/03, MDR 2005, 743 = MietRB 2005, 32 = NJW 2005, 218. 978 LG Frankfurt am Main v. 7.12.2010 – 2-11 S 135/09, ZMR 2011, 554. 979 BGH v. 14.6.2007 – VII ZR 45/06, MDR 2007, 1252 = WuM 2007, 640 = GE 2008, 792. 980 BGH v. 17.6.2009 – VIII ZR 131/08, MDR 2009, 975 = MietRB 2009, 253 = NJW 2009, 2441 = WuM 2009, 457 = NZM 2009, 580 = ZMR 2009, 836. 981 AG Bonn v. 25.3.2010 – 6 C 598/08, NZM 2010, 619 = GE 2010, 1753. 982 OLG Hamm v. 12.3.2003 – 13 U 144/02, OLGR Hamm 2005, 164. 983 LG Bonn v. 1.2.2010 – 6 S 90/09, ZMR 2012, 276. 984 OLG Hamm v. 23.7.2003 – 13 U 49/03, NJW-RR 2003, 1463; LG Dortmund v. 4.10.2011 – 4 O 132/11, zitiert nach juris. 985 BGH v. 8.12.1954 – VI ZR 289/53, NJW 1955, 300; Überblick bei Strauch, NZM 2012, 524 f.

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B. Wohnraummiete | Rz. 430 § 535

satzung und mangels Existenz einer entsprechenden Bestimmung auf die örtlichen Gegebenheiten abzustellen986. In Brandenburg987, Berlin988, Hannover989, Köln990, Wuppertal991, Dortmund992, Bielefeld993 und in der Gegend von Lüneburg994 sind Schneegitter nicht ortsüblich und gehören auch aus sonstigen Gründen nicht zum vertragsgemäßen Zustand. Das ist anders in schneereichen Gebieten995. Befinden sich auf den Dächern und Dachgauben der zum Bebauungsaltbestand gehörenden Gebäude keine Schutzeinrichtungen, dann kann nicht davon ausgegangen werden, dass Schneefanggitter auf den Dächern der in der Nähe des Schadensortes befindlichen Gebäude üblich sind996. Die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht kommt dennoch in Betracht, wenn in der Zeitung vor vom Dach herabstürzenden Eis- und Schneemassen gewarnt wird, der Vermieter aber lediglich Eiszapfen entfernt997. Ist der Vermieter im Besitz eines Generalschlüssels soll er sogar verpflichtet sein, die Wohnung zu betreten und von dort aus Schneeüberhänge nach und nach abzutragen, um seine Verkehrssicherungspflicht zu erfüllen998. Sonnenschutz s. Wärmeschutz

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Stellplätze werden in der Größe und Beschaffenheit vermietet, in der sie vorhanden sind. Auch wenn in 429 den jeweiligen Landesbauordnungen bestimmte Größen vorgegeben sind, ist die vertragliche Nutzung durch den konkreten Stellplatz bestimmt. Ggf. liegt ein öffentlich-rechtlicher Mangel vor (vgl. § 536 BGB Rz. 194 f.). Stellplätze, die dem Mieter eine Sondernutzung gewähren, gehören ohne ausdrückliche Erwähnung im Mietvertrag nicht zum Mietgegenstand999. Dies gilt insbesondere, wenn sie gesondert vermietet werden. Insoweit besteht auch kein Anspruch des Mieters auf Abschluss eines Mietvertrages über einen Stellplatz, nur weil er z.B. Mieter einer Wohnung auf dem Grundstück ist1000. Bestehen aber speziell eingerichtete Parkplätze, ist der Vermieter auch dazu verpflichtet, Schutzmaßnahmen gegen herabstürzende Eis- und Schneemassen zu ergreifen1001. Stromversorgung (s. auch Beleuchtung) der Wohnung gehört grundsätzlich zum vertragsgemäßen 430 Zustand, sofern nichts anderes vereinbart ist. Dabei wird grundsätzlich vom Vermieter im Rahmen des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB ein Netz geschuldet, das den örtlichen technischen Dimensionen entspricht. Dazu reicht eine Netzspannung von 220 V aus. Ob der Mieter Anspruch darauf hat, eine stärkere Netzspannung zu erhalten, ist einzelfallabhängig. Fehlt es dazu an einer ausdrücklichen Vereinbarung, ist auf den Vertragszweck abzustellen. Soll z.B. an eine Fast-Food-Kette mit dem „üblichen Equipment“ vermietet werden und gehören zum Betrieb Geräte, die nur auf Starkstrom laufen, muss der Vermieter einen entsprechenden Anschluss herbeiführen. Ist ein separater Zähler für die Wohnung vorhanden, kann von der stillschweigenden Vereinbarung ausgegangen werden, dass der Mieter einen eigenen Versorgungsvertrag mit dem Stromlieferanten abschließt. Im Rahmen der Stromversorgung ist der Eigentümer regelmäßig Anschlussnehmer i.S.v. § 2 NiederspannungsanschlussVO (NAV) und der Mieter Anschlussnutzer. Unabhängig davon muss die Unterverteilung in der Wohnung – vorbehaltlich anderer Vereinbarungen – so ausgerichtet sein, dass der gleichzeitige Betrieb mehrerer starker Elektrogeräte in der Wohnung gewährleistet ist, wenn der Vertragszweck „Wohnen“ vereinbart wurde; denn es gehört

986 987 988 989 990 991 992 993 994 995 996 997 998 999 1000 1001

OLG Karlsruhe v. 20.12.2006 – 4 U 865/05, WuM 2007, 138 = GE 2007, 365. OLG Brandenburg v. 23.8.2011 – 2 U 55/10, GE 2011, 1366. AG Spandau v. 29.4.2011 – 15 C 26/11, GE 2011, 955 = NZM 2011, 857. AG Hannover v. 22.9.2010 – 558 C 6674/10, ZMR 2011, 138 = GE 2011, 488. OLG Köln v. 13.4.1988 – 27 U 130/87, VersR 1988, 1244. OLG Düsseldorf v. 17.2.2012 – 24 U 217/11, MDR 2012, 633 = WuM 2012, 606 = GE 2012, 546 = NZM 2012, 533. LG Dortmund v. 4.10.2011 – 4 O 132/11, zitiert nach juris. LG Bielefeld v. 11.3.2011 – 8 O 310/10, zitiert nach juris. AG Winsen v. 6.10.1997 – 4b C 1077/97, NZM 1998, 155. LG Karlsruhe v. 22.1.1999 – 9 S 440/98, BWGZ 1999, 682. Thüringer OLG v. 20.12.2006 – 4 U 865/05, WuM 2007, 138 = OLGR 2007, 173. LG Bielefeld v. 12.4.2011 – 2 O 50/11, zitiert nach juris; vgl. auch KG v. 9.2.2011 – 11 U 17/10, GE 2011, 482. AG Aachen v. 13.11.2012 – 100 C 200/12, DWW 2013, 13. BGH v. 31.8.2010 – VIII ZR 268/09, WuM 2010, 678 = GE 2010, 1614. BGH v. 31.8.2010 – VIII ZR 268/09, WuM 2010, 678 = GE 2010, 1614. LG Detmold v. 15.12.2010 – 10 S 121/10, zitiert nach juris.

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§ 535 Rz. 430 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags heute zur Grundausstattung des Wohnens, Elektrogeräte zu nutzen1002. Wird der Allgemeinstrom über den Zähler des Mieters erfasst, liegt ein Mangel der Mietsache vor1003. 431 Teppichboden kann nur aufgrund einer Vereinbarung verlangt werden (s. Bodenbelag). Vereinbaren

die Parteien bei Beginn des Mietvertrages (schlüssig) eine mindere Qualität (verschlissener Teppichboden), kann der Mieter Mängelbeseitigung auch in Form der Verlegung eines neuen Teppichbodens verlangen, wenn der vorhandene textile Boden unbrauchbar geworden ist1004. 432 Tiefgarage s. Stellplätze 433 Eine Toilette gehört zu den Mindestausstattungsmerkmalen, die für die Annahme einer Wohnung vo-

rausgesetzt werden1005. Sie muss funktionsfähig sein. Ein darunter liegender Standard muss eindeutig vereinbart sein1006. Dazu gehört nicht die Toilette im Bad oder im Treppenhaus. Insoweit wird die vorhandene Ausstattung stillschweigend als vertragsgemäß vereinbart, solange keine abweichenden Parteiabreden getroffen werden. 434 Trockenmöglichkeit s. Wasch- und Trockenmöglichkeit 435 Videoüberwachung. Die Herstellung von Bildnissen ohne Einwilligung des Betroffenen stellt grund-

sätzlich einen unzulässigen Eingriff in dessen nach § 823 Abs. 1 BGB geschütztes allgemeines Persönlichkeitsrecht dar1007, der sogar eine Geldentschädigung des Mieters hervorrufen kann1008. Die ständige Videoüberwachung von Gemeinschaftsflächen einer Wohnanlage beeinträchtigt regelmäßig die Nutzungsmöglichkeit der Mieter in nicht hinzunehmender Weise, da diese im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Interessen einen Anspruch darauf haben, sich im Umfeld der Wohnanlage unbeschwert zu bewegen und keinem ständigen Überwachungsdruck ausgesetzt zu sein1009. Dies gilt auch dann, wenn die Videoanlage dazu dienen soll, die Mülltrennung zu überwachen1010. Stimmt auch nur ein Mieter der Videoüberwachung nicht zu, kann er aufgrund der damit verbundenen unmittelbaren Beeinträchtigung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechtes einen Beseitigungsanspruch gemäß den §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB geltend machen. Unerheblich ist auch insoweit, ob die Videokamera überhaupt funktioniert oder geeignet ist, bestimmte Personen zu identifizieren1011. Eine Geldentschädigung soll dem Mieter versagt sein, wenn durch die Kamera weder Aufzeichzeichnungen gemacht warden noch das Innere der Wohnung betroffen ist1012. Grundsätzliche Voraussetzung für die Anbringung der Überwachungskameras ist daher, dass sämtliche Mieter zustimmen. Etwas anderes gilt ausnahmsweise, wenn überwiegende anderweitige Interessen vorhanden sind1013. Grundsätzlich kann ein solches anderweitiges Interesse auch darin gesehen werden, dass Einbrüche, Vandalismus oder Sachbeschädigungen vermieden werden sollen und dieses Interesse des Vermieters und anderer Mieter höher wiegt1014. Eine solche Ausnahmesituation kann – wenn überhaupt – aber nur dann angenommen werden, wenn die 1002 BGH v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03, MDR 2004, 1346 = MietRB 2005, 1 = NJW 2004, 3174; BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356. 1003 AG Erding v. 26.2.2018 – 5 C 2370/17, WuM 2018, 711. 1004 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356 = ZMR 2010, 517 Rz. 25. 1005 LG Aachen v. 29.7.1993 – 6 S 106/93, WuM 1993, 616; LG Lübeck v. 3.12.1991 – 6 S 305/91, WM 1992, 616; LG Bonn v. 19.9.1991 – 6 S 112/91, WM 1992, 24; LG Bochum v. 7.1.1983 – 5 S 333/82, WM 1984, 133 (134); LG Essen v. 29.7.1976 – 10 S 324/76, WM 1977, 206. 1006 BGH v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03, MietRB 2005, 1 = MDR 2004, 1346 = WuM 2004, 527 = ZMR 2004, 807. 1007 BGH v. 25.4.1995 – VI ZR 272/94, MDR 1995, 1125 = NJW 1995, 1955; AG Schöneberg v. 8.6.2012 – 19 C 166/12, MM 2012, Nr. 10, S. 29. 1008 AG Tempelhof-Kreuzberg v. 1.3.2012 – 25 C 84/12, MM 2012, Nr. 5, S. 30. 1009 AG Kassel v. 12.11.2009 – 800 C 612/08, ZMR 2010, 485. 1010 AG München v. 5.11.2013 – 422 C 17314/13, ZMR 2014, 550. 1011 LG Berlin v. 14.8.2018 – 67 S 73/18, WuM 2018, 654 (Attrappe); LG Berlin v. 1.2.2018 – 67 S 305/17, GE 2018, 1280; AG Charlottenburg v. 20.5.2003 – 228 C 378/02, MM 2004, 77; vgl. auch OLG Köln v. 9.5.2007 – 16 Wx 13/07, MietRB 2008, 50 = WuM 2007, 646 = ZMR 2008, 559. 1012 LG Berlin v. 2.10.2019 – 65 S 1/19, MietRB 2020, 103 (Agatsy) = GE 2020, 265. 1013 AG München v. 16.10.2009 – 423 C 34037/08, AIZ 2010, Nr. 7, S. 59. 1014 AG Köpenick v. 27.8.2013 – 2 C 7/13, GE 2013, 1461.

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B. Wohnraummiete | Rz. 438 § 535

Videoüberwachung der Verhinderung dieser Straftaten dient. Hierfür müssen aber zumindest konkrete Vorfälle benannt werden können. Insoweit begründet es bei der Installation einer Attrappe kein ausschlaggebendes Argument, dass der Mieter befürchtet, der Vermieter werde unbemerkt doch eine Überwachungsanlage installieren1015. Dennoch soll ein solcher Eingriff dem Vermieter ohne Zustimmung des Mieters auch dann nicht erlaubt sein, wenn die Kamera im Aufzug angebracht wurde, nachdem dieser (einmalig) mit Graffiti verschmiert wurde, um zukünftige Beschädigungen zu verhindern1016. Wände der Wohnung müssen hinsichtlich des Schall- und Brandschutzes grundsätzlich den Bauricht- 435a linien entsprechen, die im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit des Gebäudes galten (vgl. zu Ausnahmen: § 536 BGB Rz. 97 f.). Selbst bei einem Gebäude von ca. 1900 ist es aber nicht vertragsgerecht, wenn eine Trennwand zur Nachbarwohnung aus einer dünnen Span-/Holzplatte besteht1017. Zur Ausstattung der Küche gehört, dass die Wände (nicht alle) geeignet sind, Hängeschränke aufzuhängen, um Küchenutensilien unterbringen zu können1018. Wärmeschutz eines Gebäudes richtet sich nach den bei Errichtung (Durchführung einer baulichen Än- 436 derung) maßgeblichen Standards. Anforderungen an den Wärmeschutz werden auf nationaler Ebene seit 1952 in der DIN 4108 Wärmeschutz im Hochbau und in der Energieeinsparverordnung (EnEV) formuliert. Der Geltungsbereich der DIN 4108 erstreckt sich auf die Planung und Ausführung von Aufenthaltsräumen in Hochbauten, die ihrer Bestimmung nach auf normale Innentemperaturen (> 19 °C) beheizt werden. Nebenräume, die zu Aufenthaltsräumen gehören, sind dabei wie Aufenthaltsräume zu behandeln. Die Anforderungen gelten grundsätzlich nur für Räume, die seit Inkrafttreten der DIN (erstmaliges Erscheinen: 1952) bezugsfertig geworden sind. Die EnEV, deren Vorgängerin (Wärmeschutzverordnung) von 1977–1982 galt, enthält Anforderungen an den energiesparenden Wärmeschutz in Abhängigkeit von dem Temperaturniveau, auf welches die zu errichtenden Gebäude beheizt werden sollen. Daneben beinhaltet sie Anforderungen bei baulichen Änderungen bestehender Gebäude. Für Werkstätten, Werks- und Lagerhallen, soweit sie nach ihrem üblichen Verwendungszweck großflächig und langanhaltend offengehalten werden müssen, gilt die EnEV nicht. Warmwasserversorgung wird vom Vermieter nur in dem Umfang geschuldet, wie sie tatsächlich vor- 437 handen ist, soweit keine ergänzenden Vereinbarungen getroffen wurden. Wird eine solche geschuldet, muss sie funktionstauglich sein und dem Mieter die Versorgung mit Warmwasser über 24 Stunden ermöglichen, und zwar unabhängig von Außentemperaturen1019. Dazu soll eine Befülltemperatur von 45 °C ausreichend sein, um eine Badetemperatur von 41 °C sicherzustellen1020. Diese Temperatur soll nach fünf Sekunden in Bad und Küche erreicht werden können1021. Im Übrigen muss das Wasser der Anforderungen der TrinkwasserVO entsprechen. Der Vermieter von Wohnraum in einem Mehrfamilienhaus ist insbesondere verpflichtet, eine Gefährdung der Mieter durch bakteriell kontaminiertes Wasser (Legionellen) zu verhindern1022 und daher die regelmäßigen Untersuchungen gemäß TrinkwasserVO durchzuführen. Über eine dabei festgestellte Belastung des Trinkwassers ist der Mieter zu informieren1023. Wasch- und Trockenmöglichkeit. Ihre Existenz gehört zum Kernbereich des Mietgebrauchs bei der 438 Vermietung zu Wohnzwecken1024, muss aber nicht außerhalb der Wohnung zur Verfügung gestellt werden.

1015 1016 1017 1018 1019 1020 1021 1022 1023 1024

AG Schöneberg v. 30.7.2014 – 103 C 160/14, GE 2014, 1143 = IMR 2014, 508. KG v. 4.8.2008 – 8 U 83/08, WuM 2008, 663. LG Berlin v. 20.3.2014 – 67 S 490/11, MDR 2014, 583 = ZMR 2014, 733. LG Berlin v. 24.2.2015 – 67 S 355/14, GE 2015, 454. LG Fulda v. 5.1.2018 – 5 T 200/17, GE 2018, 935. AG München v. 26.10.2011 – 463 C 4744/11, WuM 2012, 668. AG Schöneberg v. 29.4.1996 – 102 C 55/94, MM 1996, 401. LG Saarbrücken v. 11.12.2009 – 10 S 26/08, MietRB 2010, 132. AG Hersbruck v. 4.2.2016 – 11 C 146/15, ZMR 2016, 634. AG Wiesbaden v. 29.3.2012 – 91 C 6517/11 (18), WuM 2012, 263.

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§ 535 Rz. 439 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags 439 Wasseranschluss gehört zu den Mindestausstattungsmerkmalen, die für die Annahme einer Wohnung

vorausgesetzt werden1025. Er muss funktionsfähig sein. Ob dazu ein Ausguss in der Küche zählt, ist Tatfrage. Im Badezimmer müssen jedenfalls die sanitären Einrichtungen in einem der Baualtersklasse entsprechenden Standard und Umfang vorhanden sein. Ein darunterliegender Standard muss eindeutig vereinbart sein1026. 440 Wasserleitungen müssen dicht und so dimensioniert sein, dass sie einen ausreichenden Wasserdruck

erhalten, dass z.B. ein angeschlossener Durchlauferhitzer funktioniert. Im Übrigen müssen sie sich in einem Zustand befinden, der keine Gesundheitsgefährdung herbeiführen kann. 441 Wohnungstüren sind vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen grundsätzlich in dem Zustand, wie

er bei Vertragsschluss vorhanden war, vertragsgemäß. Dies gilt selbst dann, wenn sie leicht verzogen sind. Insoweit gelten die gleichen Anforderungen wie für s. Haustüren. Ein zusätzlicher Einbruchschutz wird nicht deshalb geschuldet, weil wiederholt Einbrüche stattgefunden haben1027. 442 Zugänge zur Mietsache müssen so gestaltet sein, dass der Mieter sie verkehrssicher begehen kann. Be-

stehen Hindernisse (Schlösser, Schranken etc.), hat der Mieter grundsätzlich Anspruch auf Überlassung der Hilfsmittel (Schlüssel, Codekarte, Fernbedienung etc.), um die Hindernisse zu überwinden, soweit sie dazu dienen, den vertragsgemäßen Gebrauch auszuüben (s. auch Schlüssel). 443 Zutrittskontrolle. Auch wenn in dem Mietvertrag über Büroräume der Betrieb einer Zugangskon-

trollanlage vereinbart worden ist, die nur Personen, die über eine Codekarte verfügen oder denen die Tür nach Anmeldung über die Sprechanlage mittels eines elektrischen Türöffners geöffnet wird, den Zutritt zum Gebäude ermöglicht, kann aus dem Umstand, dass die Tür zum Eingangsbereich des Bürohauses während der Öffnungszeiten eines neuen Mieters (hier: einer ARGE) ständig geöffnet ist, nicht ohne Weiteres auf eine erhebliche Beeinträchtigung des vertragsgemäßen Gebrauchs geschlossen werden. Vielmehr muss das Gericht Feststellungen zu den konkreten tatsächlichen Auswirkungen der geänderten Handhabung auf den Mietgebrauch des Mitmieters treffen. Setzt der Mieter Aufsichtspersonal im Eingangsbereich ein, muss das Gericht nähere Feststellungen zu Art, Intensität und Effizienz der so ausgeübten Zutrittskontrolle treffen. Hierzu kann auch eine Ortsbesichtigung während der Öffnungszeiten der ARGE beitragen. Sodann muss das Gericht seine Feststellungen mit der hypothetischen Situation vergleichen, die bestünde, wenn es bei einer anderweitigen Vermietung bei dem bisher gehandhabten Einlass mittels Türsprechanlage verblieben wäre. Die Bejahung einer abstrakten Gefahr des Eindringens Unbefugter reicht nicht aus, um daraus auf einen Mangel der Mietsache zu schließen. Auch eine einmalige Sachbeschädigung (hier: eines Aufzugsspiegels) durch einen Besucher der ARGE rechtfertigt noch nicht den Schluss auf eine allgemeine, einen Mitmieter beeinträchtigende Gefahrenlage, etwa in Gestalt einer gestiegenen Zahl von Personen, die sich unbefugt im Gebäude aufhalten1028. 2. Erhaltungspflicht 444 Die zweite Hauptpflicht des Vermieters in § 535 Abs. 1 S. 2 BGB ist die Erhaltungspflicht, die die An-

spruchsgrundlage für den Mängelbeseitigungsanspruch des Mieters bildet. Sie gebietet dem Vermieter zunächst, – sich selbst jeden störenden Eingriffs, z.B. durch gebrauchsbeeinträchtigende Umbauten, sicherheitsgefährdende Veränderungen oder die Möglichkeit der Benutzung einschränkende Verlegung von Zugängen u.Ä., zu enthalten, – bei Eingriffen Dritter in den Besitzstand positiv tätig zu werden und mit den ihm gegebenen Rechtsbehelfen gegen den störenden Dritten vorzugehen. Der Mieter hat nach der Überlassung der

1025 LG Aachen v. 29.7.1993 – 6 S 106/93, WuM 1993, 616; LG Lübeck v. 3.12.1991 – 6 S 305/91, WM 1992, 616; LG Bonn v. 19.9.1991 – 6 S 112/91, WM 1992, 24; LG Bochum v. 7.1.1983 – 5 S 333/82, WM 1984, 133 (134); LG Essen v. 29.7.1976 – 10 S 324/76, WM 1977, 206. 1026 BGH v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03, MietRB 2005, 1 = MDR 2004, 1346 = WuM 2004, 527 = ZMR 2004, 807. 1027 AG Berlin-Mitte v. 6.9.2012 – 27 C 30/12, GE 2012, 1325. 1028 BGH v. 15.10.2008 – XII ZR 1/07, MDR 2009, 319 = MietRB 2009, 67 (68) = NZM 2009, 124 = GE 2009, 254; BGH v. 15.10.2008 – XII ZR 2/07, Mietrecht kompakt 2009, 37.

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B. Wohnraummiete | Rz. 445b § 535

Mietsache die Wahl, aus dem Mietvertrag gegen den Vermieter oder aus seinem Besitzstand gegen den Dritten vorzugehen, – jeden unzulässigen Zustand zu beseitigen, der in seinen Risikobereich fällt (vgl. § 536 BGB Rz. 68). Die Erhaltungspflicht des Vermieters ist eine Dauerverpflichtung1029. Im Insolvenzverfahren des Ver- 445 mieters ist der Anspruch des Mieters auf vertragsgemäßen Zustand Masseschuld1030, weshalb der daraus resultierende Mängelbeseitigungsanspruch praktisch nicht verjähren kann1031. Wegen der Überbürdung der Erhaltungspflichten auf den Mieter s. § 535 BGB Rz. 526 ff. Der Anspruch ist noch nicht ausgeschlossen durch eine Klausel, mit der der zu Beginn vorhandene Zustand als vertragsgemäß anerkannt wird1032. Die Pflicht des Vermieters zur Wiederherstellung des vertragsgemäßen Zustands entfällt jedoch 445a grundsätzlich, soweit der Mieter den Mangel der Mietsache zu vertreten hat1033. In diesem Fall steht dem Vermieter bei einer Beschädigung der Mietsache ein Anspruch auf Schadensersatz – nach Wahl des Vermieters1034 in Form der Wiederherstellung (§ 249 Abs. 1 BGB) oder des Geldersatzes (§ 249 Abs. 2 BGB) – gegen den Mieter zu1035. Die Rechtslage gestaltet sich demgegenüber jedoch anders, wenn der Mieter schuldhaft einen Schaden 445b verursacht hat, der von der Gebäudeversicherung erfasst wird. Denn der Vermieter ist zwar formell Versicherungsnehmer. Materiell werden die Versicherungsprämien aber vom Mieter mittelbar über die Miete oder sogar ausdrücklich über die Betriebskosten finanziert. In diesem Fall ist er in der Regel vor einem Rückgriff des Gebäudeversicherers (§ 81 VVG) in der Weise geschützt, dass eine durch die Interessen der Vertragsparteien gerechtfertigte ergänzende Auslegung des Gebäudeversicherungsvertrages einen konkludenten Regressverzicht des Versicherers ergibt1036. Dieser stillschweigende Regressverzicht ist aber auf die Fälle einfacher Fahrlässigkeit beschränkt1037. Der Mieter wird hierdurch im Ergebnis nicht anders gestellt, als hätte er selbst eine Versicherung abgeschlossen1038. Die Position des Mieters ändert sich nicht, wenn er selbst eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat, die für den Brandschaden ebenfalls eintrittspflichtig wäre1039. Von diesem Schutzbereich sind auch die Personen erfasst, die mit dem Mieter dauerhaft und berechtigt zusammenleben, sowie Mitarbeiter des Mieters1040. Darunter fällt auch der Untermieter1041, solange die Untervermietung im Verhältnis zum Vermieter nicht unberechtigt ist1042. An dieser Rechtslage hat sich durch die Änderung des § 81 Abs. 2 VVG, wo1029 1030 1031 1032 1033 1034 1035 1036

1037 1038 1039 1040 1041 1042

BGH v. 3.4.2003 – IX ZR 163/02, MDR 2003, 1015 = MietRB 2003, 29 = NZM 2003, 472. BGH v. 3.4.2003 – IX ZR 163/02, MDR 2003, 1015 = MietRB 2003, 29 = NZM 2003, 472. BGH v. 17.2.2010 – VIII ZR 104/09, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 238. BGH v. 18.4.2007 – XII ZR 139/05, MDR 2007, 1065 = MietRB 2007, 195 = ZMR 2007, 605; AG Mitte v. 8.9.2009 – 8 C 60/09, MM 2010, 146; vgl. § 536b BGB. BGH v. 26.11.1997 – XII ZR 28/96, MDR 1998, 207 = NJW 1998, 594 unter 2a; BGH v. 28.5.2008 – VIII ZR 271/07, MDR 2008, 966 = MietRB 2008, 258 = NJW 2008, 2432; Staudinger/Emmerich, § 535 BGB Rz. 28a; Wolf/Eckert/Ball, Rz. 297. Vgl. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 93. Palandt/Weidenkaff, § 535 BGB Rz. 58; Erman/Lützenkirchen, § 535 BGB Rz. 40; MünchKomm/Häublein, § 535 BGB Rz. 106. BGH v. 21.1.2014 – VIII ZR 48/13, GE 2014, 661 Rz. 4; BGH v. 8.11.2000 – IV ZR 298/99, MDR 2001, 272 = BGHZ 145, 393 (398 ff.); BGH v. 3.11.2004 – VIII ZR 28/04, MDR 2005, 386 = MietRB 2005, 65 = NJWRR 2005, 381 unter II 2; BGH v. 13.9.2006 – IV ZR 273/05, MDR 2007, 211 = BGHZ 169, 86 Rz. 8; BGH v. 10.11.2006 – V ZR 62/06, MDR 2007, 390 = MietRB 2007, 100 = NJW 2007, 292 Rz. 7 [betr. Wohnungseigentümer]; BGH v. 20.12.2006 – VIII ZR 67/06, NJW-RR 2007, 684 Rz. 8; BGH v. 27.1.2010 – IV ZR 129/ 09, MDR 2010, 571 = BGHZ 184, 148 Rz. 8 f.; BGH v. 10.5.2011 – VI ZR 196/10, MDR 2011, 848 = NJWRR 2011, 1055 Rz. 6; BGH v. 12.12.2001 – XII ZR 153/99, NJW-RR 2002, 1243; BGH v. 15.11.2011 – II ZR 304/09, MDR 2012, 149 = NJW-RR 2012, 280 Rz. 11; BGH v. 21.1.2014 – VIII ZR 48/13, GE 2014, 661 Rz. 4. BGH v. 26.10.2016 – IV ZR 52/14, GE 2017, 290 = ZMR 2017, 555 = NZM 2017, 29. BGH v. 3.11.2004 – VIII ZR 28/04, MDR 2005, 386 = MietRB 2005, 65 = NJW-RR 2005, 381. BGH v. 8.11.2000 – IV ZR 298/99, MDR 2001, 272 = BGHZ 145, 393 (399 f.); BGH v. 20.12.2006 – VIII ZR 67/06, NJW-RR 2007, 684; BGH v. 13.9.2006 – IV ZR 273/05, MDR 2007, 211 = BGHZ 169, 86 Rz. 9 ff. LG Krefeld v. 1.7.2015 – 1 O 123/13, GE 2015, 1288. OLG Karlsruhe v. 13.3.2007 – 8 U 13/06, OLGR 2007, 378. LG Düsseldorf v. 17.10.2016 – 21 S 257/14, ZMR 2017, 735.

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§ 535 Rz. 445b | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags nach bei grober Fahrlässigkeit eine am Grad des Verschuldens orientierte quotenmäßige Leistung des Versicherers in Betracht kommt, nichts geändert1043. 445c Die Grundsätze dieser sog. versicherungsrechtlichen Lösung1044 verpflichten den Vermieter als Ver-

sicherungsnehmer im Verhältnis zum Mieter grundsätzlich, die Versicherung tatsächlich in Anspruch zu nehmen1045. Demnach bleibt der Vermieter im Regelfall zur Wiederherstellung eines zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustands der Mietsache verpflichtet, wenn er die von ihm abgeschlossene Wohngebäudeversicherung wegen des Brandschadens nicht in Anspruch nimmt1046. Grundsätzlich kann zwar ein besonderes Interesse des Vermieters ausnahmsweise gegen eine Inanspruchnahme der Wohngebäudeversicherung sprechen. Dieses besondere Interesse kann aber nicht durch den pauschalen Hinweis des Vermieters auf möglicherweise steigende Versicherungsbeiträge begründet werden1047. Vielmehr hat der Vermieter insoweit, als er durch die Versicherung geschützt ist, im Regelfall kein vernünftiges Interesse daran, den Schadensausgleich nicht durch die Versicherung zu suchen1048. Der Mieter wiederum darf im Verhältnis zum Vermieter die berechtigte Erwartung haben, dass ihm seine Aufwendungen für die Wohngebäudeversicherung im Schadensfall zugutekommen und er durch diese Versicherung geschützt ist, wenn er leicht fahrlässig einen Schaden verursacht1049. Verletzt der Vermieter diese Pflicht, besteht ein Schadensersatzanspruch des Mieters, den er dem Schadensersatzanspruch des Vermieters wegen seiner Obhutspflichtverletzung gemäß § 242 BGB („dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est“) entgegen halten kann1050. Schließlich steht dem Anspruch auf Mängelbeseitigung nicht entgegen, dass der Mieter wegen des Brandschadens zugleich die Minderung der Miete geltend machen kann1051. Eine Minderung ist zwar grundsätzlich ausgeschlossen, wenn ein Mangel der Sphäre des Mieters zuzurechnen ist1052. Die Voraussetzungen einer Mietminderung sind in der vorliegenden Konstellation jedoch gegeben, da der Vermieter unter Berücksichtigung der Grundsätze der versicherungsrechtlichen Lösung zur Beseitigung des Mangels verpflichtet ist und zwar ab dem Zeitpunkt, zu dem der Mangel bei Inanspruchnahme der Versicherung durch den Vermieter hätte beseitigt sein können1053. 445d Der stillschweigende Regressverzicht gegenüber dem Mieter ist auf die Fälle einfacher Fahrlässigkeit

i.S.d. § 276 BGB beschränkt1054. Nach § 81 Abs. 2 BGB kann ein grob fahrlässig herbeigeführter Versicherungsfall zur Anspruchskürzung führen, die aber auch zu 100 % eintreten kann. Grobe Fahrlässigkeit liegt dann vor, wenn der Handelnde die in einer Situation notwendige Sorgfalt in besonders hohem Maß missachtet1055. Welcher Verschuldendgrad vorliegt, ist im Einzelfall zu bewerten. 445e Fälle, in denen z.B. keine grobe Fahrlässigkeit angenommen wurde:

– kurzzeitiges Verlassen des Zimmers, in welchem sich brennende Kerzen befinden1056, – nicht abgeschlossene Nebeneingangstür am Haus1057,

1043 1044 1045 1046 1047 1048 1049 1050 1051 1052 1053 1054 1055 1056 1057

BGH v. 26.10.2016 – IV ZR 52/14, NZM 2017, 29. Vgl. dazu eingehend und mit Beispielsfällen: Hinz, ZMR 2017, 533 ff., 697 ff. BGH v. 19.11.2014 – VIII ZR 191/13, MietRB 2015, 36 = MDR 2015, 76 = WuM 2015, 88 = ZMR 2015, 112. BGH v. 19.11.2014 – VIII ZR 191/13, MietRB 2015, 36 = MDR 2015, 76 = WuM 2015, 88 = ZMR 2015, 112. BGH v. 19.11.2014 – VIII ZR 191/13, MietRB 2015, 36 = MDR 2015, 76 = WuM 2015, 88 = ZMR 2015, 112. BGH v. 3.11.2004 – VIII ZR 28/04, MDR 2005, 386 = MietRB 2005, 65 = NJW-RR 2005, 381. Vgl. BGH v. 3.11.2004 – VIII ZR 28/04, MDR 2005, 386 = MietRB 2005, 65 = NJW-RR 2005, 381 unter II 2 und 3; BGH v. 13.9.2006 – IV ZR 273/05, MDR 2007, 211 = BGHZ 169, 86 Rz. 19. BGH v. 3.11.2004 – VIII ZR 28/04, MDR 2005, 386 = MietRB 2005, 65 = NJW-RR 2005, 381 unter II 3; BGH v. 10.11.2006 – V ZR 62/06, MDR 2007, 390 = MietRB 2007, 100 = NJW 2007, 292; jeweils m.w.N.; BGH v. 21.1.2014 – VIII ZR 48/13, GE 2014, 661 Rz. 5. Vgl. BGH v. 28.5.2008 – VIII ZR 271/07, MDR 2008, 966 = MietRB 2008, 258 = NJW 2008, 2432; SchmidtFutterer/Eisenschmid, Mietrecht, § 536 BGB Rz. 529; MünchKomm/Häublein, Vorbem. zu §§ 536 ff. BGB Rz. 5. BGH v. 15.12.2010 – VIII ZR 113/10, MDR 2011, 216 = MietRB 2011, 102 = WuM 2011, 97 Rz. 18 m.w.N. BGH v. 19.11.2014 – VIII ZR 191/13, MietRB 2015, 36 = MDR 2015, 76 = WuM 2015, 88 = IMR 2015, 50. BGH v. 26.10.2016 – IV ZR 52/14, GE 2017, 290 = ZMR 2017, 555 = NZM 2017, 29. Palandt/Grüneberg, § 276 BGB Rz. 14. AG Offenbach v. 26.10.2007 – 38 C 377/06, dejure.org. Schleswig-Holsteinisches OLG v. 4.3.2010 – 16 U 44/09, NJW 2010, 3248.

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B. Wohnraummiete | Rz. 445i § 535

– Brand durch Verwechseln von Öffnungs- und Ofenklappe an einem Kamin, dessen Stilllegung der Schornsteinfeger angeordnet hat1058, – Nutzung einer vom Mieter noch nie benutzten Sauna als Lagerraum, ohne sie zuvor vom Stromnetz zu trennen1059, – Einfrieren von Leitungen im Bereich eines Drempels, wenn der Mieter durch den Vermieter zuvor nicht darauf hingewiesen wurde, dass ein Beheizen auf einer bestimmten Stufe erforderlich sein kann1060, – Wasserschaden, der entstanden ist, weil er infolge von Verkalkung ein schwergängiges Zulaufventil eines Kochendwassergerätes nicht vollständig zugedreht hat1061, – Erhitzung von Speiseöl durch die 12-jährige Tochter des Mieters in einem Kochtopf auf dem Herd, die die Küche bei eingeschalteter Herdplatte zeitweise verlassen hatte (einfach fahrlässige Aufsichtsverletzung)1062, – Erhitzen von Fett in einer Pfanne – bestimmungsgemäße Inbetriebnahme eines technisch intakten Backofens, um eine Tiefkühlpizza aufzubacken, und anschließendes Verlassen der Küche1063. Beipiele für grobe Fahrlässigkeit sind: 445f – nicht abgeschlossene Haustür, welche beim Verlassen des Hauses nur zugezogen wird1064, – mangelnde Beaufsichtigung des Erstbetriebs durch den Mieter seiner Waschmaschine, die er selbst nicht fachgerecht angeschlossen hat1065, – Erhitzung von Speiseöl in einer Pfanne bis zur Brandentwicklung auf einem unbeaufsichtigten Herd1066, – Explosion infolge Entweichens von Butangas aus einer Gasflasche mit intaktem Ventil1067. Der erstattungsfähige bürgerlich-rechtliche Schaden unterliegt jedenfalls dann nicht einem Quoten- 445g vorrecht des Vermieters als Versicherungsnehmer, wenn der Vermieter aus der Gebäudeversicherung den Zeitwertschaden erstattet erhalten hat1068. Zwar ist ein solches Quotenvorrecht grundsätzlich anzuerkennen1069. Indessen wird mit dem Ersatz des Zeitwertes dem Vermieter der Betrag erstattet, den er bei einem Schadensersatzanspruch aus §§ 280, 249 BGB vom Mieter verlangen könnte. a) Erfasste Gegenstände Die Erhaltungspflicht nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB erfasst grundsätzlich alle Gegenstände, Anlagen und 445h Einrichtungen, die aufgrund des Mietvertrages überlassen werden. Dafür erbringt der Mieter seine Gegenleistung. Fehlt es an einer ausdrücklichen Vereinbarung, muss der Vertrag ausgelegt werden. Dazu kann als Auslegungsmittel z.B. ein Übergabeprotokoll herangezogen werden. Im Zweifel kann angenommen werden, dass der Vermieter erhaltungspflichtig ist, wenn sich die Sache bei der Übergabe in den Mieträumen befunden hat. Stammt eine Sache (z.B. Bodenbelag), die sich bei der Übergabe in der Mieteinheit befindet, vom Vor- 445i mieter, ist der Vermieter im Zweifel erhaltungspflichtig1070, wenn nicht besondere Umstände eine AusOLG Rostock v. 1.2.2018 – 3 U 94/15, MDR 2018, 741 = ZMR 2018, 754. OLG Dresden v. 6.6.2017 – 4 U 1721/16, VersR 2017, 1460. Thüringer OLG v. 29.9.2016 – 4 U 76/15, ZMR 2017, 728. OLG Düsseldorf v. 20.5.2016 – 24 U 164/15, WuM 2016, 695 = GE 2016, 1382. BGH v. 19.11.2014 – VIII ZR 191/13, MietRB 2015, 36 = MDR 2015, 76 = WuM 2015, 88 = ZMR 2015, 112. Thüringer OLG v. 11.11.2013 – 6 U 21/13, NJW-RR 2014, 925. LG Koblenz v. 23.12.2005 – 16 O 150/04, juris. AG Hamburg-St. Georg v. 21.4.2017 – 920 C 139/15, ZMR 2017, 746. LG Aachen v. 15.12.2017 – 6 S 58/17, VersR 2018, 478 = RuS 2018, 246. OLG Koblenz v. 16.1.2014 – 10 U 1470/12, VersR 2014, 1500 = RuS 2014, 461. LG Krefeld v. 1.7.2015 – 2 O 123/13, ZMR 2017, 48. BGH v. 4.4.1966 – VI ZR 179/65, MDR 1967, 579 = NJW 1967, 1419; OLG Hamm v. 21.9.1989 – 6 U 305/ 88, NJW-RR 1990, 39 m.w.N.; a.A. Ebert/Segger, VersR 2001, 143. 1070 BGH v. 27.9.2018 – XII ZR 54/16, ZMR 2018, 208.

1058 1059 1060 1061 1062 1063 1064 1065 1066 1067 1068 1069

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§ 535 Rz. 445i | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags nahme rechtfertigen. Das kann z.B. der Fall sein, wenn der Mieter durch eine (Ablöse-)Vereinbarung den konkreten erhaltungswürdigen Gegenstand und damit das Wegnahmerecht nach § 539 Abs. 2 BGB übernommen hat. Ist der Gegenstand in der Vereinbarung nicht konkret erwähnt, muss eine Auslegung erfolgen. Dies kann dazu führen, dass der Mieter nur einzelne Gegenstände übernommen hat und die übrigen Einbauten des Vormieters vom Vermieter instandgesetzt werden müssen1071. b) Instandhaltung und Instandsetzung 446 Zur Erhaltung des vertragsgemäßen Zustandes obliegt dem Vermieter insbesondere die Instandhal-

tung und Instandsetzung. Der Inhalt der Begriffe kann herkömmlich, aber auch durch Heranziehung der DIN 31051 interpretiert werden. Im letztgenannten Fall wird die Instandhaltung als Inspektion, Wartung und Instandsetzung, also als Oberbegriff eines wesentlichen Teils der Erhaltungspflicht verstanden. Dieses Verständnis wird zwar von den professionellen Vermietern insbesondere in Gewerberaummietverträgen zunehmend vereinbart, hat sich aber noch nicht allgemein durchgesetzt. Deshalb wird im Weiteren von einem herkömmlichen Verständnis ausgegangen. 447 Danach umfasst die Instandhaltung die Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Zustandes zur

Vermeidung von Schäden und die Beseitigung von Gebrauchsbeeinträchtigungen aufgrund üblicher Abnutzung1072. Umfassend kann man den Begriff mit demjenigen von vorbeugenden Maßnahmen gleichsetzen1073. 448 Unter der Instandsetzung wird allgemein die Schadensbeseitigung durch Wiederherstellung eines ord-

nungsgemäßen Zustandes verstanden1074. Während zur Instandhaltung vornehmlich Wartungs- und Pflegemaßnahmen sowie zumindest teilweise auch Reinigungsarbeiten, z.B. die Reinigung gemeinschaftlich genutzter Flure und Treppen sowie der äußeren Zugangsflächen zum Mietobjekt, und zwar auch von Eis und Schnee, die Kaminreinigung, die Entleerung von Müllgefäßen und Fäkaliengruben gehören, umfasst die Instandsetzungspflicht insbesondere Reparatur- und Renovierungsarbeiten an der Mietsache. Was der Vermieter im Rahmen seiner Erhaltungspflicht zu tun und/oder zu unterlassen hat, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab1075. 449 Obliegen dem Vermieter die Schönheitsreparaturen (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 666), die Teil der In-

standhaltung sind, richtet sich deren Fälligkeit nach dem konkreten Renovierungsbedarf, also sobald erhebliche Gebrauchsspuren vorhanden sind (§ 535 BGB Rz. 556b). Enthält der Mietvertrag einen (unwirksam vereinbarten) Fristenplan, kann der Mieter die Fälligkeit darauf stützen (§ 535 BGB Rz. 666a). 450 Die allgemeine Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht erstreckt sich nicht nur auf die vermiete-

ten Räume, sondern auch auf Flure, Treppen und andere gemeinschaftliche Hausteile, die dem Mieter zur Ausübung seines Mietrechts zur Verfügung stehen oder von ihm begangen werden müssen und die auch ohne besondere Erwähnung im Mietvertrag als mitvermietet zu gelten haben1076. Bei der Vermietung einer Eigentumswohnung können die vom Vermieter geschuldeten Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten auch das Gemeinschaftseigentum tangieren1077. Die Erhaltungspflicht gebietet aber keine Modernisierung1078. 450a Als Ergebnis der Ausführung von Instandhaltungs- und Instandsetzungspflichten muss der vertrags-

gemäße Zustand herbeigeführt werden (vgl. dazu auch § 535 BGB Rz. 701 ff.). Dazu kann der Mieter grundsätzlich keine besondere Ausführungsart verlangen. Maßgeblich ist der Erfolg. Bei Substanzbeschädigungen umfassen die Erhaltungsmaßnahmen auch die Durchführung von Schönheitsreparaturen durch den Vermieter. Dies kann dazu führen, dass der Vermieter gezwungen ist, eine ganze Wand zu streichen oder zu tapezieren, wenn z.B. die Wand geöffnet werden musste, um einen Mangel

1071 1072 1073 1074 1075 1076 1077 1078

BGH v. 27.9.2018 – XII ZR 54/16, ZMR 2018, 208. BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 158/01, MDR 2006, 17 = MietRB 2005, 285, NZM 2005, 863. OLG Köln v. 17.12.1993 – 19 U 189/93, ZMR 1994, 158. BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 158/01, MDR 2006, 17 = MietRB 2005, 285 = NZM 2005, 863. BGH v. 26.2.1957 – VIII ZR 41/56, NJW 1957, 826. KG v. 19.12.1983 – 8 W REMiet 4298/83, WuM 1984, 42. Pfälzisches OLG v. 14.12.1994 – 3 W RE 195/94, ZMR 1995, 119. BGH v. 14.9.2011 – VIII ZR 10/11, MietRB 2012, 6 = MDR 2011, 1465 = WuM 2011, 671.

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B. Wohnraummiete | Rz. 454 § 535

zu beseitigen. In farblicher Hinsicht hat der Vermieter dabei auf die Belange des Mieters Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB, vgl. § 535 BGB Rz. 666b). Zwar ist der Vermieter grundsätzlich nicht berechtigt, die Mietsache zu verändern. Im Rahmen seines 450b Ermessens (§ 315 BGB) muss er jedoch z.B. beim Austausch von Einrichtungen nicht die gleiche Art verwenden, sofern das Ergebnis nicht zu einer geringeren Qualität führt. Deshalb kann er z.B. anstelle von ziehbaren Rollladengurten Rollläden mit einer Kurbel einbauen1079. c) Verkehrssicherungspflicht Aus der umfassenden Erhaltungspflicht folgen auch – neben deliktischen – vertragliche Verkehrs- 451 sicherungspflichten des Vermieters1080, soweit er über sein Grundstück die tatsächliche Verfügungsgewalt hat1081. Letzteres ist nicht der Fall, wenn ihm gegen oder ohne seinen Willen die tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit entzogen und infolge des Entzuges bei ihm lediglich eine formale Rechtsposition im Sinne einer vermögensrechtlichen Zuordnung (Eigentum) verbleibt1082, wovon z.B. nach Anordnung einer Zwangsverwaltung auszugehen ist1083. Ansonsten ist der Vermieter verpflichtet, die vermieteten Räume gegen das Eindringen Unbefugter z.B. durch das Anbringen von Schlössern abzusichern1084. Weiter hat der Vermieter innerhalb des Gebäudes die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um Störungen des Gebrauchs der Mieträume, insbesondere Gefahren für Leib und Leben sowie das Eigentum der berechtigten Benutzer, zu verhindern oder abzuwenden1085. Somit hat er z.B. für den Schutz von Versorgungsleitungen auch insoweit zu sorgen, als sie zwar außerhalb der Mieträume, jedoch noch in seinem Einflussbereich verlaufen1086. Andererseits trifft den Vermieter nicht die Pflicht, jeder nur denkbaren Gefahr vorzubeugen. Deshalb 452 muss er ohne konkreten Anlass z.B. keine Regenabfluss- oder Dachrinnenreinigung veranlassen. Vielmehr wird eine solche Pflicht erst begründet, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine drohende Verstopfung vorliegen oder aufgrund der Örtlichkeiten mit Laubverstopfungen zu rechnen ist1087. Der Mieter kann auch nicht erwarten, im Treppenhaus jederzeit einen trockenen Fußboden vorzufinden. Vielmehr hat er jederzeit mit der Durchführung einer planmäßigen wie auch der besonderen Reinigung durch einzelne Nutzer zu rechnen1088. Soweit eine Verkehrssicherung nicht bereits als Mindeststandard (vgl. § 535 BGB Rz. 366 ff.) geschul- 453 det ist, kann der Vermieter bei konkretem Anlass zu weiteren Maßnahmen gezwungen sein, z.B. zu 454 – einer Dichtigkeitsprüfung von Gasleitungen1089, – einer Überprüfung der Elektroanlage/-leitungen1090, selbst wenn der Mieter infolge eines Stromschlages aus einem fehlerhaft angebrachten Handtuchhalter zu Tode kommt1091, – der Installation von Rauchmeldern, – von Hinweis- und/oder Warnschildern auf die bestehende Rutschgefahr nach Putzarbeiten, wenn für alle Benutzer des Hausflurs nicht ohne weiteres erkennbar ist, dass dieser glatt ist1092,

1079 1080 1081 1082 1083 1084 1085 1086 1087 1088 1089 1090 1091 1092

AG München v. 16.4.2013 – 433 C 2776/13, ZMR 2015, 389 m. Anm. Klimesch, ZMR 2015, 940. Allgemein dazu Breiholdt, PiG 92, 29, 41 f.; Gather, DWW 1996, 350. BGH v. 13.6.2017 – VI ZR 395/16, MDR 2017, 1182 = GE 2017, 1155. BGH v. 13.6.2017 – VI ZR 395/16, MDR 2017, 1182 = GE 2017, 1155 (vorzeitige Besitzeinweisung nach § 18f FStrG). BGH v. 28.4.1952 – III ZR 118/51, BGHZ 5, 378 (382). BGH v. 7.6.2006 – XII ZR 34/04, MDR 2007, 22 = MietRB 2006, 264 = NZM 2006, 626 m.w.N. BGH v. 15.6.1988 – VIII ZR 183/87, WPM 1988, 1382 = NJW-RR 1989, 76. BGH v. 15.6.1988 – VIII ZR 183/87, WPM 1988, 1382 = NJW-RR 1989, 76. OLG Düsseldorf v. 30.3.2012 – 24 U 256/11, MDR 2012, 1219 = GE 2012, 1228. OLG Düsseldorf v. 7.11.2014 – 24 U 155/14, ZMR 2015, 850. BGH v. 15.10.2008 – VIII ZR 321/07, MietRB 2009, 1 = MDR 2009, 75 = WuM 2008, 719 = ZMR 2009, 345; AG Karlsruhe v. 13.1.2017 – 2 C 1353/16, IMR 2017, 100 (alle 2 Jahre wirtschaftlich); AG Köln v. 26.10.2010 – 221 C 128/09, MietRB 2011, 243 = ZMR 2011, 222. BGH v. 15.10.2008 – VIII ZR 321/07, MDR 2009, 75 = MietRB 2009, 1 = GE 2008, 1555 = ZMR 2009, 345. LG Bielefeld v. 29.10.2009 – 6 O 262/09, ZMR 2010, 687 = GE 2010, 1543. AG Dresden v. 30.8.2007 – 145 C 2115/07, zitiert nach juris.

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§ 535 Rz. 454 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags – der Entfernung von beschädigtem Stuck an der Hausfassade1093, – der Erhöhung einer nur geringfügig zu niedrigen Brüstungshöhe eines Fensters1094, – von Vorkehrungen gegen bestimmungswidrige Nutzung von Einrichtungen der Mietsache bzw. des Gebäudes (hier: Herabrutschen des Treppengeländers)1095, – von Nachrüstungen bei der Veränderung von Standards (Erhöhung eines Treppengeländers)1096, – von Überprüfungen von Einrichtungen in vermieteten Einheiten (hier: Druckspüler der WC in Wohnungen)1097, – einer Sicherung (morscher) Bäume, wenn weder Vermorschung, Vorschädigung oder ein Anfahrschaden sichtbar ist1098, wobei gelegentlicher Astbruch naturgegeben ist1099. 454a Die bloße Existenz eines nicht verkehrssicheren Zustandes begründet aber noch keinen Schadens-

ersatzanspruch gegen den Vermieter. Vielmehr muss festgestellt werden, dass die bestehende Verkehrssicherungspflicht verletzt wurde, also der Vermieter z.B. seine Kontrollpflichten (§ 535 BGB Rz. 463) nicht (ausreichend) erfüllt hat1100. aa) Reinigungs- und Streupflicht 454b Eine Pflicht des Vermieters, die Mietsache, also die exklusiv vom Mieter genutzten Räume zu rei-

nigen, besteht nicht. Auch Fensterelemente müssen vom Mieter selbst regelmäßig gereinigt werden, und zwar auch von außen. Das gilt auch dann, wenn sich die Fenster (baubedingt) nicht öffnen lassen. Im Zweifel muss sich der Mieter professioneller Hilfe bedienen.1101 455 Zur Verkehrssicherung gehört der Anspruch des Mieters, das Mietobjekt sicher erreichen zu können.

Denn derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft oder andauern lässt, ist verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Maßnahmen zu treffen, um andere vor Schäden zu bewahren1102. Deshalb müssen vor allem Plattenwege regelmäßig auf Unebenheiten geprüft und ausgebessert werden1103. Es kann auch notwendig sein, die allgemeinen Zuwege regelmäßig zu reinigen, insbesondere im Winter zu streuen und Schnee zu räumen. Stets beschränkt sich die Pflicht aber auf die Flächen innerhalb der Grundstücksgrenzen1104. Ist der Bürgersteig also öffentlich und soll von der Gemeinde geräumt und gestreut werden, braucht der Vermieter nur bis zur Kante des Bürgersteigs eine Verkehrssicherung herbeizuführen. Zum Streuen reichen keine Holzspäne, da sie keine nennenswerte abstumpfende Wirkung entfalten1105. Ob Anlass für die Ausübung der Streupflicht bestanden hat, ist regelmäßig nach den Umständen des Einzelfalls zu bewerten1106. Bei öffentlichen Verkehrswegen sind dabei Art und Wichtigkeit des Verkehrswegs ebenso zu berücksichtigen wie seine Gefährlichkeit und die Stärke des zu erwartenden Verkehrs. Die Räum- und Streupflicht besteht also nicht uneingeschränkt. Abgesehen davon, dass sie nur bei Glätte oder bei Vorliegen von erkennbaren Anhaltspunkten für eine ernsthaft drohende Gefahr aufgrund vereinzelter Glättestellen besteht1107, steht sie unter dem Vorbehalt des Zumutbaren, wobei es auch auf die Leistungsfähigkeit des Leistungspflichtigen ankommt1108. 1093 1094 1095 1096 1097 1098 1099 1100 1101 1102 1103 1104 1105 1106 1107 1108

AG Berlin-Schöneberg v. 6.8.2007 – 6 C 339/07, zitiert nach juris. LG Karlsruhe v. 16.3.2007 – 3 O 250/06, zitiert nach juris. Saarländisches OLG v. 11.7.2006 – 4 U 126/06, OLGR 2006, 910. LG Hamburg v. 29.9.1998 – 316 S 75/98, ZMR 1999, 404 = NZM 1999, 663 = DWW 1999, 150; vgl. aber auch OLG Hamm v. 17.9.1996 – 9 U 54/96, OLGR 1996, 268. OLG Frankfurt v. 7.3.2003 – 24 U 125/02, MietRB 2003, 93 = WuM 2003, 319 = ZMR 2003, 674; s. auch BGH v. 15.10.2008 – VIII ZR 321/07, MDR 2009, 75 = MietRB 2009, 1 = GE 2008, 1555 = ZMR 2009, 345. KG v. 16.7.2010 – 9 U 201/09, GE 2012, 1166. LG Berlin v. 1.7.2009 – 86 O 140/09, GE 2012, 1168. KG v. 20.2.2015 – 9 U 188/13, GE 2015, 857. BGH v. 21.8.2018 – VIII ZR 188/16, MietRB 2018, 353 = WuM 2018, 710 = NZM 2018, 900. BGH v. 13.6.2017 – VI ZR 395/16, MDR 2017, 1182, GE 2017, 1155 m.w.N. Vgl. dazu OLG Hamm v. 30.12.2012 – 24 U 38/12, MDR 2013, 338 = GE 2013, 1652. BGH v. 21.2.2018 – VIII ZR 255/16, MDR 2018, 669 = MietRB 2018, 209 = WuM 2018, 639. OLG Hamm v. 24.11.2014 – 6 U 92/12, GE 2015, 321. BGH v. 29.9.1970 – VI ZR 51/69, VersR 1970, 1130. BGH v. 12.2.2017 – VI ZR 254/16, MDR 2017, 454 = GE 2017, 475 m.w.N. BGH v. 5.7.1990 – III ZR 217/89, MDR 1990, 1096 = BGHZ 112, 74, 75.

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B. Wohnraummiete | Rz. 458 § 535

Sind nur vereinzelte Glättestellen ohne eine ernsthaft drohende Gefahr vorhanden, ist nicht von einer die Streupflicht auslösenden Glättebildung auszugehen1109. Zeitlich besteht keine Streupflicht bei Eis- und Schneeglätte „rund um die Uhr“1110. Vielmehr wird die 456 Räum- und Streupflicht darauf beschränkt, was „billige Rücksicht nach der Verkehrsauffassung“ gebietet. Das ist regelmäßig die Zeit des gewöhnlichen Tagesverkehrs, d.h. an Sonn- und Feiertagen ab ca. 9 Uhr1111 und werktags ab 7 Uhr1112. Bis dahin muss die Verkehrssicherheit sichergestellt sein, wobei dem Ausführenden eine angemessene Reaktionszeit zuzubilligen ist, sofern aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise eine frühere Ausführung geboten ist. Mangels allgemeinen Verkehrs muss der Vermieter selbst dann einen Treppenabgang nicht vor morgens 6 Uhr streuen, wenn ihm bekannt ist, dass der Mieter um diese Zeit seinen Weg zur Arbeit antritt1113. Grundsätzlich ruht die Pflicht (bis zum nächsten Morgen) in den Abendstunden, also ab ca. 20 Uhr. Dies gilt auch in der Silvesternacht, in der soll die Winterdienstpflicht zwischen 20 Uhr abends und 9 Uhr morgens bei einem Wohnungsgrundstück ohne erhöhten Publikumsverkehr nicht bestehen1114. Räumlich muss der Vermieter im Hinblick auf eigene Sorgfaltspflichten der Nutzer nicht jede Zu- 457 gangsmöglichkeit zur Mietsache „gefahrlos“ halten1115. Dem Mieter ist es zumutbar, von seiner Garage zunächst zur Straße und von dort über den (geräumten) Bürgersteig zum Hauseingang zu gehen. Auch bei einem Eckgrundstück bezieht sich die Reinigungs- und Streupflicht nur auf den mit Steinplatten belegten Bürgersteig, nicht aber auf eine von Passanten genutzte (selbst getrampelte) Abkürzung mit Kopfsteinpflaster1116. bb) Wirksame Überbürdung Die Räum- und Streupflicht trifft grundsätzlich den Grundstückseigentümer1117. Eine allgemeine 458 Pflicht des Mieters, die Schneeräumung durchzuführen, besteht nicht1118. Die wirksame Übertragung auf einen Dritten (hier: den Mieter) setzt eine klare und eindeutige Vereinbarung voraus, die die Ausschaltung von Gefahren zuverlässig sicherstellt1119. Das ist grundsätzlich auch durch eine Formularklausel möglich1120. Allerdings kann es überraschend (§ 305c Abs. 1 BGB) sein, wenn erst in einer Hausordnung selbständige Verpflichtungen geregelt sind, also z.B. Räum- und Streupflichten1121. Zulässig ist dagegen die formularmäßig klare Vereinbarung im Mietvertrag und die inhaltliche Konkretisierung in der Hausordnung1122. Allein die Heranziehung des Erdgeschossmieters führt insoweit nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB1123. Sind mehrere Mieter zur Durchführung des Winterdienstes verpflichtet, muss der Vermieter einen Ausführungsplan erstellen und den betroffenen Mietern aushändigen. Wird dies versäumt und haben die Mieter unter sich auch keine Reihenfolge festgelegt, kann jedenfalls keiner von ihnen von den anderen verpflichteten Mietern Schadensersatz verlangen, wenn er auf einer nicht gestreuten Fläche zu Fall kommt1124. 1109 BGH v. 12.2.2017 – VI ZR 254/16, MDR 2017, 454 = GE 2017, 475; BGH v. 12.12.2012 – VI ZR 138/11, MDR 2012, 910 = WuM 2012, 686 = GE 2012, 1035. 1110 BGH v. 2.10.1984 – VI ZR 125/83, MDR 1985, 311 = ZMR 1985, 56 = NJW 1985, 270. 1111 BGH v. 12.12.2012 – VI ZR 138/11, MDR 2012, 910 = GE 2012, 1035. 1112 OLG Naumburg v. 27.2.2014 – 2 U 77/13, MietRB 2014, 255 = MietRB 2014, 256 = NZM 2014, 466 (467). 1113 OLG Düsseldorf v. 20.6.2000 – 24 U 143/99, WuM 2002, 89. 1114 KG v. 15.5.2018 – 21 U 16/18, GE 2019, 658. 1115 OLG München v. 11.1.2002 – 8 U 3477/01, ZMR 2003, 259. 1116 KG v. 23.4.2014 – 11 U 12/13, GE 2014, 740. 1117 Vgl. im Einzelnen Horst, NZM 2012, 513 f. 1118 LG Berlin v. 8.3.2016 – 63 S 213/15, WuM 2016, 279. 1119 BGH v. 22.1.2008 – VI ZR 126/07, MDR 2008, 448 = NJW 2008, 1440; BGH v. 4.6.1996 – VI ZR 75/95, MDR 1996, 910 = NJW 1996, 2646; OLG Oldenburg v. 13.2.2014 – 1 U 77/13, IBRRS 96690; OLG Hamm v. 21.12.2012 – 9 U 38/12, MDR 2013, 593 = NZM 2013, 358. 1120 OLG Frankfurt v. 22.9.1988 – 16 U 123/87, WuM 1988, 399. 1121 OLG Hamm v. 21.12.2012 – 9 U 38/12, MDR 2013, 593 = NZM 2013, 358; Hitpaß/Kappus, NJW 2013, 565 (569); a.A. Schmid, NJW 2013, 2145 (2147), der aber in der Regel § 305c BGB anwendet. 1122 LG Köln v. 25.7.2013 – 1 S 201/13, ZMR 2014, 541; kritisch dazu Ziebarth, NZM 2014, 621. 1123 LG Köln v. 25.7.2013 – 1 S 201/13, ZMR 2014, 541; kritisch dazu Ziebarth, NZM 2014, 621. 1124 OLG Naumburg v. 27.2.2014 – 2 U 77/13, MietRB 2014, 255 = MietRB 2014, 256 = NZM 2014, 466 (467).

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§ 535 Rz. 459 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags 459 Darüber hinaus muss die Regelung, mit der die Überbürdung stattfinden soll, ausreichend transparent

sein. Ebenso wie bei der Verpflichtung zur Kostenbeteiligung bei Kleinreparaturen1125 und Wartungskosten1126 ist für die Wirksamkeit von Klauseln, mit denen dem Mieter Pflichten mit finanziellem Risiko überbürdet werden, nach hier vertretener Auffassung ein Hinweis auf das finanzielle Risiko erforderlich. Einerseits handelt es sich nämlich um Leistungen, deren Überbürdung dem Vermieter eine finanzielle Entlastung bringt (also für den Mieter eine entsprechende Belastung). Andererseits ruft die auch nur fahrlässige Verletzung der Verpflichtungen für den Mieter ein erhebliches finanzielles Risiko hervor, sofern er nicht haftpflichtversichert ist. Der Mieter muss daher zumindest in der Regelung auf dieses finanzielle Risiko hingewiesen werden. Eine Verpflichtung zum Abschluss einer entsprechenden Haftpflichtversicherung muss nicht begründet werden. Enthält eine Klausel in einem Wohnraummietvertrag aber eine solche Verpflichtung, kann sie mit § 551 BGB kollidieren (vgl. § 551 BGB Rz. 204a f.)1127. 460 In manchen Gemeinden ist in der Räum- und Streusatzung geregelt, dass die Übertragung der Streu-

pflicht der zuständigen Behörde angezeigt werden muss. Ohne diese Anzeige bleibt der ursprünglich Verpflichtete gegenüber der Gemeinde in der Pflicht. Die Verletzung dieser öffentlich-rechtlichen Vorschriften lässt die Einstandspflicht eines Mieters, dem die Winterwartung übertragen wurde, aber unberührt1128. Die deliktische Einstandspflicht des mit der Wahrnehmung der Verkehrssicherung Beauftragten besteht auch dann, wenn der Vertrag mit dem Primärverkehrssicherungspflichtigen nicht rechtswirksam zustande gekommen ist1129. Entscheidend ist, dass der in die Verkehrssicherungspflicht Eintretende faktisch die Verkehrssicherung für den Gefahrenbereich übernimmt und im Hinblick hierauf Schutzvorkehrungen durch den vorrangig Verkehrssicherungspflichtigen unterbleiben, weil sich dieser auf das Tätigwerden des Beauftragten verlässt. 460a Trotz wirksamer Überbürdung bleibt der Vermieter (und der Eigentümer) jedenfalls für die sorgfältige

Auswahl, Instruktion und Überwachung verantwortlich1130. Insoweit ist ein strenger Maßstab anzulegen1131. Dies gilt erst recht, wenn die Überbürdung unwirksam ist und der Mieter dennoch verpflichtet bleibt1132. Der Umfang der Überwachungspflicht ist wie der der Verkehrssicherungspflicht allgemein durch die Zumutbarkeit begrenzt und beschränkt sich nicht allein auf die Ausführung als solche, sondern auch die Art. Denn z.B. festgefrorener Splitt hat i.d.R. keine abstumpfende Wirkung und stellt daher keine Erfüllung dar1133. Stellt der Vermieter bei regelmäßigen Besichtigungen des Objektes die ordnungsgemäße Ausführung der Räum- und Streupflicht fest, bedarf es grundsätzlich auch bei besonderen Witterungsverhältnissen keiner besonderen Anstrengungen1134. Allerdings muss ein Überwachungsrhythmus bestehen, der auch die Kontrolle bei besonderen Witterungsverhältnissen ermöglicht. Auch die Person des Mieters kann Anlass zu besonderer Überwachung geben. Wird die Räum- und Streupflicht von einem 82-jährigen Rentner erfüllt, ist eine kritische Überprüfung geboten, ob der Beauftragte trotz seines Alters noch hinreichend leistungsfähig ist1135. Eine außerordentliche Hinweispflicht ergibt sich insbesondere dann, wenn die maßgebliche Streusatzung Verschärfungen vorsieht, deren Kenntnis für den Mieter erforderlich ist1136.

1125 1126 1127 1128 1129 1130 1131 1132 1133 1134 1135 1136

BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = WuM 1991, 381 (384). BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = WuM 1991, 381 (383). Lammel, § 551 BGB Rz. 21. BGH v. 22.1.2008 – VI ZR 126/07, MDR 2008, 448 = GE 2008, 405. Vgl. BGH v. 17.1.1989 – VI ZR 186/88, MDR 1989, 532 = VersR 1989, 526 f.; BGB-RGRK/Steffen, § 823 BGB Rz. 129; MünchKomm/Wagner, § 823 BGB Rz. 288 f.; Soergel/Krause, § 823 BGB Anh. II Rz. 53 f.; Staudinger/J. Hager, § 823 BGB E 64. VGH Berlin v. 14.11.2012 – VerfGH 8/11, GE 2012, 1693; OLG Oldenburg v. 13.2.2014 – 1 U 77/13, IBRRS 96690; OLG Hamm v. 21.12.2012 – 9 U 38/12, MDR 2013, 593 = NZM 2013, 358. KG v. 23.6.2014 – 8 U 32/14, GE 2015, 123. Schleswig- Holsteinisches OLG v. 28.2.2012 – 11 U 137/11, ZMR 2012, 947. KG v. 23.6.2014 – 8 U 32/14, GE 2015, 123. A.A. KG v. 23.6.2014 – 8 U 32/14, GE 2015, 123. OLG Oldenburg v. 13.2.2014 – 1 U 77/13, IBRRS 96690. KG v. 23.6.2014 – 8 U 32/14, GE 2015, 123.

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B. Wohnraummiete | Rz. 463 § 535

cc) Untergang der Räum- und Streupflicht? Die Wirksamkeit von Formularklauseln zur Überbürdung der Räum- und Streupflicht ist vom Alter des 461 Mieters oder seinem körperlichen Zustand nicht abhängig1137. Ob der Mieter allerdings wegen Alter, Krankheit oder Gebrechlichkeit von seiner Pflicht zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht (Streuund Räumdienst) frei wird, ist umstritten. Überwiegend wird dies angenommen, weil es für den Mieter unzumutbar sei, einen „Ersatzdienst“ zu organisieren und zu bezahlen1138. Allerdings soll selbst die gerichtliche Freistellung des schwerbehinderten Mieters von der mietvertraglichen Winterdienstpflicht ihn nicht von der Bezahlung eines Dritten entbinden, den der Vermieter zur Durchführung gewonnen hat1139. Im Übrigen soll sie veränderte Altersstruktur und die gesundheitliche Beeinträchtigung einiger Mieter ausreichend Anlass sein, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die Aufzählung der umlegbaren Betriebskosten um den Winterdienst zu erweitern1140. Richtigerweise ist darauf abzustellen, dass die Ausführung der Pflicht zum Winterdienst, wie allgemein 462 die überbürdeten Verkehrssicherungspflichten, nicht höchstpersönlicher Natur ist und sich der Mieter daher der Ausführung durch Dritte bedienen kann1141. Immerhin handelt es sich in der Regel um eine atypische Gegenleistung in Form der Geschäftsbesorgung mit werkvertraglichem Charakter1142. Demgemäß kommt ein Untergang der Verpflichtung nach § 275 BGB nicht in Betracht. Denn ob der Mieter finanziell in der Lage ist, die Arbeiten durch einen Dritten ausführen zu lassen, ist im Rahmen der Bewertung des § 275 BGB unerheblich1143. Auch § 241 BGB hilft nicht weiter1144. Denn darüber kann eine Korrektur des Mietvertrages nur herbeigeführt werden, wenn der Vermieter schuldhaft gegen eine Nebenpflicht verletzt. Abgesehen davon bliebe die Verkehrssicherungspflicht beim Mieter. Denn auf die Wirksamkeit der Übertragung kommt es nicht an1145. Eine Beendigung der Räum- und Streupflicht kommt daher ohne weiteres nur in Betracht, wenn eine Teilkündigung zulässig ist oder ein entsprechender Vorbehalt im Mietvertrag eingeräumt wurde. d) Prüfungspflichten Um seiner Verpflichtung, die Mietsache in einem gebrauchsfähigen Zustand zu erhalten und den Mieter 463 vor Schaden zu bewahren, erfüllen zu können, trifft den Vermieter eine Pflicht zur regelmäßigen Prüfung des Gebäudezustandes1146. Dafür gilt in der Regel ein Turnus von etwa zwei Jahren. Räumlich bezieht sich diese regelmäßige Prüfungspflicht auf die allgemeingenutzten Flächen, die Fassade und das Dach. Auch ein Flachdach hat der Vermieter regelmäßig zu kontrollieren bzw. reinigen zu lassen, damit die einwandfreie Ableitung von Regenwasser gewährleistet ist1147. Dabei sind keine zerstörtenden Prüfungen geschuldet. Deshalb muss der Vermieter z.B. Rohrleitungssysteme keiner besonderen Unter1137 LG Köln v. 25.7.2013 – 1 S 201/12, ZMR 2014, 541. 1138 LG Köln v. 30.8.2012 – 1 S 52/11, NZM 2013, 359; LG Münster v. 26.1.2006 – 8 S 263/05, WuM 2007, 69; LG Hamburg v. 11.7.1989 – 16 S 87/88, WuM 1989, 622; LG Darmstadt v. 27.5.1988 – 17 S 378/87, WuM 1988, 300; AG Frankfurt am Main v. 13.7.1984 – 33 C 1623/84, WuM 1985, 19; AG Hamburg v. 2.5.1985 – 37b C 564/84, WuM 1986, 84; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 556 BGB Rz. 143; Hitpaß, WuM 2011, 662 (664); Horst, MDR 2001, 187 (189); Fuchs-Wissemann, WuM 1988, 377. 1139 AG Münster v. 3.8.2005 – 5 C 805/05, WuM 2005, 648. 1140 AG Siegburg v. 5.7.2019 – 112 C 185/18, IMR 2019, 497 (Kasper). 1141 Ähnlich zur Betriebspflicht im Gewerberaummietvertrag: OLG Düsseldorf v. 18.12.2003 – 10 U 69/03, ZMR 2004, 508. 1142 OLG Brandenburg v. 4.10.2012 – 12 U 39/12, ZMR 2013, 275; vgl. dazu auch BGH v. 6.6.2013 – VII ZR 355/12, MDR 2013, 960 = NZM 2013, 696 und dazu Schmid, NZM 2013, 669. 1143 LG Kassel v. 1.3.1990 – 1 S 885/89, WuM 1991, 580; LG Düsseldorf v. 9.9.1988 – 21 S 42/88, WuM 1988, 400; LG Wuppertal v. 20.5.1987 – 8 S 223/86, WuM 1987, 381; LG Flensburg v. 20.11.1986 – 1 S 231/86, WuM 1987, 52; AG Bochum v. 24.11.1987 – 45 C 653/87, DWW 1988, 149. 1144 So aber LG Köln v. 30.8.2012 – 1 S 52/11, NZM 2013, 359. 1145 Vgl. BGH v. 17.1.1989 – VI ZR 186/88, MDR 1989, 532 = VersR 1989, 526 f.; BGB-RGRK/Steffen, § 823 BGB Rz. 129; MünchKomm/Wagner, § 823 BGB Rz. 288 f.; Soergel/Krause, § 823 BGB Anh. II Rz. 53 f.; Staudinger/J. Hager, § 823 BGB Rz. 64. 1146 BGH v. 15.10.2008 – VIII ZR 321/07, MDR 2009, 75 = MietRB 2009, 1 = ZMR 2009, 345; OLG Koblenz v. 30.9.2010 – 2 U 779/09, MietRB 2011, 4 = IMR 2010, 511 (Bolz). 1147 AG Dortmund v. 23.12.2008 – 425 C 5300/07, WuM 2009, 36.

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§ 535 Rz. 463 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags suchung unterziehen, etwa mittels einer Rohrfräse oder einer Kanalkamera, um zu überprüfen, ob Wurzeln in Rohrleitungen eingedrungen sind1148. Hat sich jedoch ein bestimmtes Phänomen, dass sich auf den Mietgebrauch auswirkt, mehrfach wiederholt, muss der Vermieter die Ursache (zum Schutz des Mieters) erforschen. Dies gilt erst recht, wenn er den Gebäudeteil (hier: Dacheindeckung), der als Ursache in Betracht kommt, seit Langem nicht mehr überprüft hat und sich schon zwei Schäden beim Mieter ergeben haben1149. Innerhalb der Wohnung des Mieters muss der Vermieter nicht ohne konkreten Anlass Besichtigungen durchführen, um mögliche Gefahren zu entdecken1150. 464 Der gegenüber Dritten im Gebäude verkehrssicherungspflichtige Hauseigentümer kann auch ohne be-

sondere Absprache grundsätzlich darauf vertrauen, dass sein Mietvertragspartner (hier: bzgl. einer Dachgeschosswohnung) bei längerer Abwesenheit während der Winterzeit durch minimale Beheizung der Wohnung der Obhutspflicht genügt und ausreichend Vorsorge gegen Frostschäden trifft1151. Gleiches gilt, wenn auch der Dritte Mieter des Hauseigentümers ist. Etwas Abweichendes ergibt sich nur, wenn für den Hauseigentümer begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass der Mieter vor Beginn der längeren Abwesenheit an Vorkehrungen gegen Frostschäden nicht gedacht hat1152. 465 Unabhängig davon entsteht eine Überprüfungspflicht aber vor allem, wenn der Mieter einen Mangel

oder sonstigen gefährlichen Zustand der Mietsache anzeigt (§ 536c BGB). In diesem Fall darf der Vermieter mit der Überprüfung nicht warten. Bei sehr erheblicher Gebrauchsbeeinträchtigung (z.B. Eindringen von Regenwasser durch undichtes Dach) muss er sogar sofortige Notmaßnahmen ergreifen und darf nicht die gesetzte Abhilfefrist abwarten1153. 466 An die allgemeine Prüfpflicht dürfen keine überzogenen Anforderungen gestellt werden1154. Sie be-

zieht sich zwar auch z.B. auf die elektronischen Anlagen im Gebäude1155. Dies gilt jedoch nicht, soweit sie sich innerhalb vermieteter Räume befinden1156. Der Vermieter ist nicht verpflichtet, die Elektroleitungen und elektrischen Anlagen in den von ihm vermieteten Wohnungen ohne konkreten Anlass oder Hinweis auf Mängel einer regelmäßigen Überprüfung durch einen Elektrofachmann zu unterziehen. Zwar trifft den Vermieter die vertragliche Nebenpflicht, die Mietsache in einem verkehrssicheren Zustand zu erhalten. Diese Pflicht erstreckt sich grundsätzlich auf alle Teile des Hauses. Ihm bekanntgewordene Mängel, von denen eine Gefahr für die Mietwohnungen ausgehen kann, muss der Vermieter deshalb unverzüglich beheben. Er muss im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht aber keine regelmäßige Generalinspektion vornehmen. Im Einzelfall können aber besondere Umstände, wie z.B. ungewöhnliche oder wiederholte Störungen, Anlass bieten, nicht nur einen unmittelbar zu Tage getretenen Defekt zu beheben, sondern eine umfassende Inspektion der gesamten Elektroinstallation durchzuführen. 467 Ähnlich liegt es bei in der Wohnung des Mieters installierten Öfen. Auch hier reicht es – soweit nicht im

Einzelfall besondere Umstände vorliegen – aus, wenn auftretende Unregelmäßigkeiten oder vom Mieter angezeigte Mängel unverzüglich von einem Fachmann abgestellt werden1157. Denn der Vermieter ist im Rahmen seiner Instandhaltungs- und Verkehrssicherungspflicht nicht gehalten, sie ordnungsgemäß ohne besonderen Anlass einer regelmäßigen Kontrolle, etwa im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit und Dichtigkeit der Wandanschlüsse, zu unterziehen.

468 Bei leerstehenden Mieteinheiten können den Vermieter aber im Interesse des Mieters besondere Prü-

fungspflichten treffen. Insoweit besteht zumindest die Pflicht, Heizungen und Wasserleitungen vor 1148 LG Hamburg v. 28.11.2006 – 311 O 411/05, ZMR 2007, 120. 1149 OLG Karlsruhe v. 22.8.2017 – 9 U 141/15, ZMR 2018, 415 = IMR 2018, 150 (Kruska). 1150 BGH v. 1.6.2011 – VIII ZR 310/10, WuM 2011, 465 = GE 2011, 1013 = ZMR 2011, 938; OLG Frankfurt v. 7.3.2003 – 24 U 125/02, MietRB 2003, 93 = WuM 2003, 319; AG Köln v. 5.11.1996 – 201 C 350/96, KM 30 Nr. 20. 1151 Zu dieser Pflicht: BGH v. 20.10.1971 – VIII ZR 164/70, MDR 1972, 139 = NJW 1972, 34. 1152 OLG Karlsruhe v. 10.11.1995 – 10 U 81/95, WuM 1996, 226. 1153 OLG Düsseldorf v. 28.7.1998 – 24 U 173/97, ZMR 1999, 26; OLG Düsseldorf v. 18.11.1997 – 24 U 261/96, NJW-RR 1998, 1236 = MDR 1998, 768. 1154 Emmerich in Emmerich/Sonnenschein, § 535 BGB Rz. 16; Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3321. 1155 Saarländisches OLG v. 4.6.1993 – 4 U 109/92, NJW 1993, 3077. 1156 BGH v. 15.10.2008 – VIII ZR 321/07, MietRB 2009, 1 = MDR 2009, 75 = WuM 2008, 719 = ZMR 2009, 345. 1157 BGH v. 1.6.2011 – VIII ZR 310/10, WuM 2011, 465 = GE 2011, 1013 = ZMR 2011, 938.

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B. Wohnraummiete | Rz. 472 § 535

Frost zu schützen1158, damit sie in den darunterliegenden Wohnungen keine Schäden anrichten können. e) Wegfall der Erhaltungspflicht Grundsätzlich besteht die Erhaltungspflicht des Vermieters bis zur Beendigung des Mietvertrages. 469 Selbst bei einer ordentlichen Kündigung ist der Vermieter bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zur Mängelbeseitigung verpflichtet1159. Es ist allenfalls rechtsmissbräuchlich, wenn der Mieter im Hinblick auf die Kündigung den Vermieter zur Mängelbeseitigung auffordert wegen eines Mangels, der schon längere Zeit besteht und den Gebrauch nicht spürbar beeinträchtigt. Es kann auch mutwillig i.S.v. § 114 ZPO sein, wenn der Mieter auf Prozesskostenhilfebasis eine Klage auf Mängelbeseitigung anstrebt, obwohl der Vermieter seine Bereitschaft zur Ausführung erklärt hat1160. Ein Wegfall der Erhaltungspflicht ergibt sich nicht allein daraus, dass die Miete bzw. die in der Miete 470 dafür vorgesehenen Zuschläge zur Finanzierung der notwendigen Maßnahme nicht ausreichen1161. Selbst bei einer unwirksamen Überbürdung kann der Vermieter im preisfreien Wohnraum keinen Zuschlag (nach-)fordern1162. Auch ein besonders niedriges Niveau des vertragsgemäßen Zustandes (verschlissener Teppichboden), führt nicht zu einer (völligen) Freizeichnung von der Erhaltungspflicht1163. Die Erhaltungspflicht wird aber unmöglich, wenn der erforderliche Aufwand die sog. Opfergrenze 471 überschreitet1164 (vgl. § 535 BGB Rz. 721 f.). Wann dies der Fall ist, muss im Einzelfall unter Berücksichtigung der beiderseitigen Parteiinteressen wertend ermittelt werden, wobei eine funktionale Betrachtungsweise maßgeblich ist1165. Es darf kein krasses Missverhältnis entstehen zwischen dem Reparaturaufwand einerseits und dem Nutzen der Reparatur für den Mieter sowie dem Wert des Mietobjekts und den aus ihm zu ziehenden Einnahmen andererseits1166. Dafür sollen nicht die Grundsätze des § 275 Abs. 2 BGB, sondern des § 313 Abs. 3 BGB heranzuziehen sein1167. Dies ist zweifelhaft. Denn danach kommt ein Wegfall der Erhaltungspflicht schon deshalb nicht in Betracht, weil diese Hauptpflicht in den Risikobereich des Vermieters fällt, solange keine abweichenden Vereinbarungen bestehen. Richtigerweise ist eine Zumutbarkeitsprüfung nach § 275 Abs. 2 BGB durchzuführen1168, Danach lässt sich eine Überschreitung der „Opfergrenze“ nicht allein aus dem Betrag für den Erhal- 472 tungsaufwand1169 oder einer bloßen Gegenüberstellung zwischen Sanierungskosten und Verkehrswert herleiten. Vielmehr ist eine Würdigung aller Umstände erforderlich, wozu auch Ersatzansprüche gegen Dritte gehören1170. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch sein etwaiges Verschulden zu berücksichtigen1171, was allerdings nicht automatisch zum Verlust der Einwendung führt1172. Insoweit besteht ein Zusammenhang zwischen der Frage, wie sich etwa die Sanierungskosten und der Verkehrswert „rechnerisch“ zueinander verhalten, und der Frage, ob dem Vermie-

1158 1159 1160 1161 1162 1163 1164 1165 1166

1167 1168 1169 1170 1171 1172

BGH v. 11.11.1999 – III ZR 98/99, MDR 2000, 262 = ZMR 2000, 166 = NZM 2000, 96. AG Neustadt v. 19.9.2011 – 44 C 479/11, WuM 2011, 671. LG Berlin v. 24.5.2017 – 106 C 29/17, GE 2017, 1093. BGH v. 26.2.1957 – VIII ZR 41/56, NJW 1957, 826; RG v. 24.11.1926 – III 605/25, RGZ 115, 277. BGH v. 11.2.2009 – VIII ZR 118/07, WuM 2009, 240; BGH v. 9.7.2008 – VIII ZR 83/07, WuM 2008, 487 = ZMR 2008, 879. BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 Rz. 25. BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 342/03, MDR 2006, 199 = MietRB 2006, 57 = ZMR 2005, 935. OLG Stuttgart v. 11.1.2010 – 5 U 119/09, MDR 2010, 261, GuT 2010, 221. BGH v. 21.4.2010 – VIII ZR 131/09, MDR 2010, 798; BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 342/03, MDR 2006, 199 = MietRB 2006, 57 = NJW 2005, 3284; OLG Karlsruhe v. 30.12.1994 – 19 U 113/94, NJW-RR 1995, 849 (850); vgl. auch Hanseatisches OLG Hamburg v. 6.9.2000 – 4 U 15/00, NZM 2002, 343 (344); LG Dresden v. 14.6.2007 – 4 S 0640/06, NZM 2008, 165. OLG Dresden v. 16.8.2012 – 5 U 1350/11, MDR 2013, 85 = MietRB 2013, 73 = ZMR 2013, 431. BGH v. 21.4.2010 – VIII ZR 131/09, MDR 2010, 798; BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 342/03, MDR 2006, 199 = MietRB 2006, 57 = NJW 2005, 3284. KG v. 5.7.2010 – 12 U 172/09, MietRB 2010, 322 = GuT 2010, 218. BGH v. 21.5.2010 – V ZR 244/09, MDR 2010, 1044 = NZM 2010, 580. BGH v. 2.10.1987 – V ZR 140/86, MDR 1988, 213 = NJW 1988, 699. BGH v. 22.1.2014 – VIII ZR 135/13, WuM 2014, 277 = GE 2014, 313 = ZMR 2014, 870.

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§ 535 Rz. 472 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags ter die Beseitigung des Mangels unter Berücksichtigung der beiderseitigen Parteiinteressen und eines etwaigen Verschuldens zugemutet werden kann. Je ungünstiger sich das Verhältnis zwischen Sanierungskosten und Verkehrswert darstellt, desto gewichtiger müssen die entgegenstehenden Umstände sein, die es dem Vermieter trotz bestehenden Missverhältnisses zwischen Sanierungskosten und Verkehrswert verwehren sollen, sich auf den Einwand der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit (§ 275 Abs. 2 BGB) zu berufen. Ein auffälliges Missverhältnis indiziert eine Überschreitung der Zumutbarkeitsgrenze1173. Im Extremfall kann dieses Indiz so stark sein, dass schwer vorstellbar erscheint, welche weiteren Umstände zu einer anderen Abwägung führen können. In diesem Fall spricht man von einem „krassen Missverhältnis“1174. Dieses Voraussetzungen liegen nicht vor, wenn die Trennung des Stromkreises für den Allgemeinstrom, der bisher vom Zähler des Mieters erfasst wurde, 1 000 € kostet1175. 473 Die Beseitigung von Beschädigungen, die er selbst zu vertreten hat (§§ 276, 278, 538 BGB), kann der

Mieter vom Vermieter nicht verlangen; insoweit ist der Mieter dem Vermieter wegen pVV (§ 280 BGB) und/oder nach Deliktsrecht zu Schadensersatz verpflichtet. 474 Die Wiederherstellung muss noch während der Mietzeit möglich sein1176. Bezüglich der Mietzah-

lungspflicht findet dann § 326 BGB Anwendung1177. Die Geltendmachung eines Wiederherstellungsanspruchs verstößt gegen das Schikaneverbot des § 226 BGB, wenn die Mieter aufgrund eigener Kündigung das Objekt bereits geräumt haben und sieben Wochen nach Auszug das Mietverhältnis endet1178. 3. Nebenpflichten des Vermieters 475 Neben den Pflichten aus § 535 Abs. 1 BGB treffen den Vermieter Nebenpflichten i.S.v. § 241 Abs. 2

BGB. Insoweit ist die Abgrenzung zwischen Haupt- und Nebenpflichten teilweise schwierig. Denn auch die Prüfungspflicht im Rahmen der Erhaltungspflicht des Vermieters (vgl. § 535 BGB Rz. 463) ist dogmatisch z.B. eine Nebenpflicht. Zu nachvertraglichen Nebenpflichten vgl. § 546 BGB Rz. 150a. a) Gleichbehandlung 476 Grundsätzlich besteht im Mietrecht ein allgemeiner Gleichheitsgrundsatz nicht1179. Vielmehr hat der

Mieter über § 242 BGB das Willkürverbot aus Art. 3 GG zu beachten1180. Durch den Mietvertrag kann der Vermieter den Mietern grundsätzlich unterschiedliche Rechte gewähren, ohne dass sich der Mieter auf eine großzügigere Handhabung des Vermieters gegenüber anderen Mietern berufen kann. Dies folgt schon aus der Vertragsfreiheit. Deshalb begründet es keine Gegenrechte des Mieters, wenn der Vermieter nur von finanziell schwächer gestellten Mietern eine Kaution verlangt. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen das AGG vor1181. 477 Dennoch sollen Beschränkungen bestehen. So soll der Vermieter die Anschaffung eines Hundes grund-

sätzlich nicht verbieten dürfen, wenn er sie anderen Mietern im Haus ohne weiteres zugebilligt hat1182. Dem kann aber nicht gefolgt werden. Ist der Vermieter an den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht gebunden und in seiner Entscheidung frei, kann der Mieter aus der Genehmigung zugunsten eines anderen Mieters z.B. einer Tierhaltung keine Rechte herleiten1183. Ansonsten wird eine Selbstbindung durch Verhalten gegenüber Dritten eingeführt, die dem Zivilrecht fremd ist. Eine Beschränkung kann sich bei der Vermietung einer Genossenschaftswohnung ergeben. Hier gilt die genossenschaftliche 1173 BGH v. 21.4.2010 – VIII ZR 131/09, MDR 2010, 798. 1174 BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 342/03, MDR 2006, 199 = MietRB 2006, 57 = NJW 2005, 3284; vgl. auch Hanseatisches OLG Hamburg v. 6.9.2000 – 4 U 15/00, NZM 2002, 343 (344). 1175 AG Erding v. 26.2.2018 – 5 C 2370/17, WuM 2018, 711. 1176 BGH v. 26.9.1990 – VIII ZR 205/89, MDR 1991, 329 = ZMR 1991, 19. 1177 BGH v. 26.9.1990 – VIII ZR 205/89, MDR 1991, 329 = ZMR 1991, 19. 1178 AG Hamburg-Blankenese v. 12.1.2005 – 508 C 283/04, WE 2005, 160. 1179 LG Köln v. 4.2.2010 – 6 S 269/09, ZMR 2010, 533. 1180 LG Köln v. 25.7.2013 – 1 S 201/12, ZMR 2014, 541. 1181 AG Kiel v. 11.8.2011 – 108 C 24/11, MM 2011, Nr. 12, 30. 1182 LG Berlin v. 18.10.1988 – 64 S 234/85, WuM 1987, 213; LG Hamburg v. 25.8.1981 – 16 S 92/81, MDR 1982, 146. 1183 LG Köln v. 4.2.2010 – 6 S 269/09, ZMR 2010, 533.

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B. Wohnraummiete | Rz. 482 § 535

Treuepflicht, die die Genossenschaft auch als Vermieter verpflichtet, ihre Miglieder gleich zu behandeln1184. Eine Beschränkung kann sich aber z.B. aus dem Schikaneverbot des § 226 BGB ergeben. Das soll z.B. 478 der Fall sein, wenn der Vermieter nur von einem Mieter die Beseitigung einer Parabolantenne verlangt, während er gegen die von anderen Mietern angebrachten, mindestens ebenso störenden Antennen nicht vorgeht, sofern der Vermieter keinen sachlichen Grund für sein Vorgehen gegen den Mieter vorbringen kann1185. Sofern das Verhalten des Vermieters darauf schließen lässt, dass er sich bei seinem Handeln von dis- 478a kriminierenden Gedanken leiten lässt, kann ein Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruch nach § 21 Abs. 1 AGG oder sogar eine Entschädigungspflicht nach § 21 Abs. 2 AGG entstehen. Voraussetzung dafür ist, dass die Ungleichbehandlung auf der ethnischen Herkunft, dem Geschlecht, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, dem Alter oder der sexuellen Identität des Mieters beruht, wobei der Mieter gemäß § 22 AGG nur sog. Vermutungstatsachen vortragen muss, so dass der Vermieter die Unrichtigkeit dieser Vermutung zu beweisen hat1186. Diese Voraussetzungen können vorliegen, wenn der Vermieter eine Mieterhöhung nur gegenüber bestimmten ausländischen Mietern durchführt oder diesen Mietern eine Räumungsfrist im Gegensatz zu anderen Mietern nicht gewährt1187. Auch das Aussondern von Mietinteressenten mit ausländisch klingendem Namen, was durch ein Testing-Verfahren bewiesen werden kann, begründet einen Verstoß gegen § 5 AGG1188. b) Schutzpflichten Schutzpflichten gegenüber dem Mieter kommen in Betracht, wenn etwaige Gefahren nicht auf der 479 Mietsache selber beruhen. Der Vermieter muss über alle ihm bekannten Umstände aufklären, die eine Gefahr für das Eigentum des Mieters bergen, damit dieser ausreichend Vorsorge treffen kann1189. Lassen z.B. Diebstähle in einer Wohnanlage ein erhöhtes Risiko für weitere Einbrüche erkennen, ist der Vermieter verpflichtet, hierauf hinzuweisen1190. Ebenso besteht eine Hinweispflicht, wenn durch das Aufstellen eines Baugerüstes die Diebstahlsgefahr erhöht wird, weil der Mieter ohne Meldung an seinen Hausratversicherer den Versicherungsschutz verliert. Daneben beziehen sich die Schutzpflichten auf die Bereiche, die der Mieter nicht einsehen kann oder 480 bei denen kein anderer aus der Obhutspflicht z.B. zur Mängelanzeige verpflichtet ist. Dies trifft insbesondere für leerstehende Mieteinheiten zu. Insoweit besteht zumindest die Pflicht, Heizungen und Wasserleitungen vor Frost zu schützen1191, damit sie in den darunterliegenden Wohnungen keine Schäden anrichten können. Aus der Schutzpflicht gegenüber dem Mieter kann sich auch die Pflicht begründen, zur Durchführung 481 von Mängelbeseitigungen nicht die gesetzte Abhilfefrist abzuwarten. Dies gilt insbesondere bei erheblichen Gebrauchsbeeinträchtigungen (z.B. Eindringen von Regenwasser durch undichtes Dach), die beim Mieter Schaden anrichten können. Hier ist der Vermieter je nach den Umständen des Einzelfalls sogar zu sofortigen Notmaßnahmen verpflichtet1192. c) Aufklärungspflichten Aufklärungspflichten sind schon gesetzlich geregelt. Für den Vermieter sind sie insbesondere durch 482 eine Erläuterungspflicht im Zusammenhang mit einer Rechtsausübung bestimmend. Dies zeigt sich

1184 1185 1186 1187 1188 1189 1190 1191 1192

LG Köln v. 25.7.2013 – 1 S 201/12, ZMR 2014, 541. AG Augsburg v. 15.1.1998 – 3 C 5191/97, ZMR 1998, 354. AG Tempelhof-Kreuzberg v. 19.12.2014 – 25 C 357/14, WuM 2015, 73 (75). AG Tempelhof-Kreuzberg v. 19.12.2014 – 25 C 357/14, WuM 2015, 73 (75). AG Hamburg-Barmbek v. 3.2.2017 – 811b C 273/15, WuM 2017, 393. BGH v. 20.6.1990 – VIII ZR 182/89, MDR 1991, 238 = WuM 1991, 83. Hanseatisches OLG Hamburg v. 17.8.1988 – 4 U 151/87, WuM 1989, 68. BGH v. 11.11.1999 – III ZR 98/99, MDR 2000, 262 = ZMR 2000, 166 = NZM 2000, 96. OLG Düsseldorf v. 28.7.1998 – 24 U 173/97, ZMR 1999, 26; OLG Düsseldorf v. 18.11.1997 – 24 U 261/96, NJW-RR 1998, 1236 = MDR 1998, 768.

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§ 535 Rz. 482 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags bei der Ankündigung der Modernisierung (§ 555c BGB), der Hinweispflicht gemäß § 568 Abs. 2 BGB, dem Begründungszwang bei fristloser und fristgerechter Kündigung nach §§ 569 Abs. 4, 573 Abs. 3 BGB, der Mitteilungspflicht bei Zeitverträgen nach § 575 Abs. 1 BGB sowie den Erläuterungspflichten zu Mieterhöhungen gemäß §§ 558a, 559b Abs. 1 BGB. Aber auch außerhalb des BGB sind Aufklärungspflichten normiert, wie die §§ 10 Abs. 1 WoBindG, 29 NMV, 4 Abs. 2 HeizkV zeigen. Den Mieter treffen Aufklärungspflichten nach § 553 Abs. 1 und § 569 Abs. 4 BGB. 483 Daneben ergeben sich Pflichten zur Aufklärung des Mieters durch den Vermieter nach § 242 BGB1193.

Ausgangspunkt ist auch hier der Partnerschaftsgedanke des Mietrechts vor dem Hintergrund, dass Zustände, Vorhaben und Maßnahmen zu erläutern sind, wenn allein eine Vertragspartei das Wissen darüber hat. aa) Aufklärungspflichten des Vermieters 484 Grundsätzlich besteht keine allgemeine Aufklärungspflicht vor Abschluss eines Mietvertrages hin-

sichtlich aller Einzelheiten oder Umstände, die die Willensentschließung beeinflussen könnten. Denn einerseits handeln die Verhandlungspartner selbstverantwortlich und andererseits sind bestimmte Interessenskonflikte entgeltlichen Verträgen immanent. Aufklärungspflichten werden bei Vertragsverhandlungen, in denen die Parteien gegenläufige Interessen verfolgen, aber hinsichtlich wesentlicher Umstände angenommen, die den Vertragszweck vereiteln können und daher für die Willensentschließung des anderen Teils von hoher Bedeutung sind1194. Eine entsprechende Aufklärungspflicht erfordert jedoch i.d.R. ein Wissensgefälle. Dafür dürfen der aufklärungsbedürftigen Partei selbst keine aussichtsreichen Möglichkeiten zur Verfügung stehen oder für sie aufgrund mangelnder Anhaltspunkte oder Unerfahrenheit kein Anlass bestehen, sich über die konkreten Umstände durch Nachfrage Klarheit zu verschaffen. Es kommt auf die Umstände des Einzelfalles an, ob den Vermieter – vom Fall der ausdrücklichen Fragestellung des Mieters abgesehen – hinsichtlich der Beschaffenheit und Lage der Mietsache sowie ihrer Einbindung in die Umwelt Aufklärungspflichten über bestimmte Eigenschaften treffen, soweit diese die Verwertbarkeit bzw. Nutzbarkeit der Mietsache beeinträchtigen können, auch wenn sie keinen Mangel begründen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob der Mieter Anlass hatte, hinsichtlich der konkreten Umstände beim Vermieter nachzufragen, wenn er nicht selbst aufgrund der örtlichen Gegebenheiten eigene Recherchen hätte anstellen können und müssen. Ungefragt ist ein Vermieter i.d.R. nicht verpflichtet, den Mieter über frühere Mieter des Mietobjektes zu informieren1195. 485 Ein solcher Umstand ist für den Vermieter gegeben, wenn Räume vermietet werden sollen, die für die

vertraglich vorgesehene Nutzung nicht öffentlich-rechtlich genehmigt und auch nicht genehmigungsfähig sind1196. Dagegen besteht jedenfalls dann, wenn der maßgebliche Schallschutz für das Haus in ruhiger Lage eingehalten ist, grundsätzlich keine Pflicht des Vermieters, den Mietinteressenten darauf hinzuweisen, dass zuweilen Wohngeräusche mit tiefer Frequenz (z.B. Schnarchgeräusche) aus der Nachbarwohnung zu vernehmen sind. Damit muss der Mieter in einem Mehrfamilienhaus rechnen, so dass keine ungefragte Aufklärung notwendig ist1197. Das Gleiche gilt für etwaige vom Vormieter angezeigte Mängel1198. Ist die Mietsache mit einer Styropor-Wärmedämmung auf der Innenseite der Wand ausgestattet mit der Wirkung als Dampfsperre zur Vermeidung von Schimmelbildung und kann eine Schimmelbildung nur verhindert werden, indem der Mieter seine Möbel 10 cm abgerückt von der Wand aufstellt, muss der Vermieter den Mieter darüber bei Abschluss des Mietvertrages aufklären, wenn er eine Schadensersatzpflicht wegen der beschädigten Möbel des Mieters verhindern

1193 Gsell, DWW 2010, 122. 1194 BGH v. 11.8.2010 – XII ZR 192/08, MDR 2010, 1306 = NZM 2010, 786; BGH v. 2.3.1979 – V ZR 157/77, NJW 1979, 2243; BGH v. 8.5.1980 – IVa ZR 1/80, MDR 1980, 915 = NJW 1980, 2460. 1195 OLG Düsseldorf v. 21.6.2005 – 24 U 85/05, MietRB 2006, 126 = DWW 2006, 64 = GE 2006, 327. 1196 BGH v. 6.8.2008 – XII ZR 67/06, MDR 2009, 19 = MietRB 2009, 4 = ZMR 2009, 103; OLG Brandenburg v. 11.11.2009 – 3 U 5/03, zitiert nach juris. 1197 AG Bonn v. 25.3.2010 – 6 C 598/08, NZM 2010, 619. 1198 AG Mitte v. 5.4.2017 – 9 C 445/16, GE 2017, 782.

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B. Wohnraummiete | Rz. 488 § 535

will1199. Dagegen muss er nicht darüber aufklären, dass die Mieteinheit durch Wärmecontracting mit Heizwärme versorgt wird1200. Auch die vorherige Nutzung durch bordellartige Betriebe muss nicht in jedem Fall ungefragt offengelegt werden1201. Während des laufenden Mietvertrages ergeben sich Aufklärungspflichten für den Vermieter zunächst 485a aus dem Gesetz (vgl. z.B. § 555c, 558a, 559b, 573 Abs. 3, 575 Abs. 2 BGB). Darüber hinaus muss der Vermieter den Mieter informieren, wenn im Einzelfall für den Mieter die Kenntnis eines Umstandes wichtig ist, um den vertragsgemäßen Gebrauch ungestört fortzusetzen oder sich auf Störungen einstellen zu können. Deshalb muss der Vermieter den Mieter auf Nachfrage über den Umfang des im Hause festgestellten Legionellenbefalls aufklären1202. Auf Verzögerungen bei Instandsetzungs- und/oder Modernisierungsarbeiten muss der Vermieter den Mieter ohne Aufforderung hinweisen (vgl. auch § 559d BGB). Das gilt nicht, wenn der Mieter bereits gekündigt hat und die Arbeiten nach Beendigung des Mietvertrages stattfinden sollen1203. Im Zusammenhang mit der Beendigung des Mietvertrages können weitere Informationspflichten des 485b Vermieters bestehen. Im Rahmen von Verhandlungen über eine (vorzeitige) Aufhebung des Mietvertrages muss der Vermieter den Mieter darauf hinweisen, dass für einen bestimmten Zeitpunkt ein Nachfolgemieter existiert, mit dem bereits ein Mietvertrag geschlossen wurde. Das gilt jedenfalls dann, wenn er von dem Mieter für die Restlaufzeit gemäß Mietvertrag eine Abfindung verlangt1204. bb) Aufklärungspflichten des Mieters Auf Seiten des Mieters besteht eine Aufklärungspflicht über Umstände, mit denen der Vermieter nicht 486 rechnen muss. Insoweit besteht kein Unterschied, ob der Vermieter eine Wohnung in einem Mietshaus oder eine Gewerbeeinheit in einem reinen Gewerbeobjekt oder einer gemischt genutzten Immobilie vermieten will. (1) Selbstauskunft des Mieters Die vom Vermieter verfasste, anlässlich der Verhandlungen über den Abschluss des Mietvertrages vom 487 Mieter auszufüllende Selbstauskunft ist generell ein zulässiges Informationsmittel. Der Mieter ist im Hinblick auf das angebahnte Vertrauensverhältnis prinzipiell verpflichtet, den Vermieter über die erfragten Umstände vollständig und wahrheitsgemäß aufzuklären. Soweit schon vor den eigentlichen Verhandlungen oder durch vorformulierte Fragebögen personenbezogene Daten erhoben werden, können sich datenschutzrechtliche Bedenken ergeben1205. Dafür kann die Orientierungshilfe zur „Einholung von Selbstauskünften bei Mietinteressenten“ der Aufsichtsbehörden für den Datenschutz im nicht-öffentlichen Bereich (Düsseldorfer Kreis) vom 27.1.2014 herangezogen werden1206. Die DatenschutzGrundverordnung – DSGVO hat an dem Umfang der zulässigen Fragen materiell nichts Wesentliches geändert. Zweifelhaft ist allein, welche Fragen im Einzelnen zulässigerweise gestellt werden können. Ist eine 488 Frage unzulässig, kann der Vermieter daraus, dass der Mieter die Frage falsch bzw. unrichtig beantwortet hat, keine Konsequenzen für den Bestand des Mietvertrages (z.B. fristlose Kündigungen) herlei-

1199 LG Münster v. 22.3.2011 – 3 S 208/10, WuM 2011, 359. 1200 LG Berlin v. 2.4.2012 – 67 S 231/11, GE 2012, 956. 1201 OLG Düsseldorf v. 7.10.2016 – 7 U 143/15, MietRB 2017, 190 = MDR 2017, 450; vgl. auch BGH v. 3.7.1992 – V ZR 97/91, MDR 1992, 936 = NJW 1992, 2564 zur früheren Nutzung als Stundenhotel sowie den vom OLG Hamm v. 20.1.2000 – 22 U 122/99, NJW-RR 2000, 1183 zu einer vorherigen Nutzung eines Wohnhauses als bordellähnlicher Swinger-Club entschiedenen Fall. 1202 LG Nürnberg-Fürth v. 8.11.2016 – 7 S 1713/16, ZMR 2017, 566 m. Anm. Hardt zu den Grenzwerten und Auswirkungen. 1203 BGH v. 30.5.2017 – VIII ZR 199/16, WuM 2017, 454. 1204 OLG München v. 9.11.2017 – 14 U 464/17, MietRB 2018, 39 = MDR 2018, 139. 1205 Vgl. Will, WuM 2017, 502; Okon, ZMR 2015, 826. 1206 http://lsaurl.de/OHMietSelbstauskunft.

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§ 535 Rz. 488 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags ten. Ansonsten ist umstritten, ob ein Recht zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung1207 oder nur ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund nach § 543 Abs. 1 BGB1208 besteht. Beides erscheint zulässig. Bestand eine Pflicht zur (richtigen) Offenbarung, führt die Verletzung zur arglistigen Täuschung nach § 123 BGB. Liegt dieser Tatbestand vor, ist auch ein wichtiger Grund i.S.v. § 543 Abs. 1 BGB gegeben. Immerhin liegt eine Straftat vor, so dass es grundsätzlich auch keiner Abmahnung nach § 543 Abs. 3 BGB bedarf. Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Gestaltungsrechten besteht in der Rechtsfolge, nämlich in der Höhe der Miete/Nutzungsentschädigung. Nach einer Kündigung gilt § 546a BGB mit seiner Absicherung nach unten durch die „vereinbarte Miete“. Bei der Anfechtung kann nur die Nutzungsentschädigung objektiv nach § 818 Abs. 2 BGB verlangt werden, so dass auch für die Vergangenheit eine Änderung (nach oben oder unten) eintreten kann. 489 Die Zulässigkeit von Fragen ist aufgrund einer Interessenbewertung zu ermitteln. Dabei ist das Recht

des Mieters auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 i.V.m. Art. 1 GG) ausreichend zu berücksichtigen1209. Häufig wird insoweit die arbeitsrechtliche Rechtsprechung zu Einstellungsfragebögen von Arbeitgebern herangezogen1210. 490 Nach diesen Grundsätzen hat der Vermieter nur insoweit ein Fragerecht, als er ein berechtigtes, billi-

genswertes und schutzwürdiges Interesse an der Beantwortung der Frage reklamieren kann. Indessen ist insoweit zu berücksichtigen, dass der Mietvertrag einen geringeren persönlichen Einschlag als der Arbeitsvertrag hat. Hier stehen weniger die persönlichen Fähigkeiten und Talente als vielmehr die Vertrauenswürdigkeit und die Einstellung zum Umgang mit fremden Sachen im Vordergrund. In jedem Fall muss der Mieter über solche Umstände aufklären, die für die Entscheidung des Vermieters zum Abschluss des Mietvertrages bedeutsam sein können1211. 491 In diesem Sinne kann zulässigerweise z.B. gefragt werden

– – – – – – – – – – –

nach dem Arbeitgeber des Mieters1212, nach den Einkommensverhältnissen und der Bonität1213, nach dem Beruf, nach dem Familienstand1214, nach der Zahl der Familienmitglieder, die in die Wohnung einziehen sollen, nach der Anzahl und der Art der Haustiere, Person und Anschrift des vorherigen Vermieters1215, Dauer des vorangegangenen Mietvertrages1216, Erfüllung mietvertraglicher Pflichten1217, Kündigungen im vorangegangenen Mietverhältnis1218, politische Aktivitäten (hier: Aktivist der AfD), die den Mieter zum Anziehungspunkt für linksgerichtete Gewalt machen1219,

1207 AG Hamburg v. 6.5.2003 – 48 C 636/02, ZMR 2003, 744 = MietRB 2004, 133. 1208 LG Wiesbaden v. 29.4.2004 – 2 S 112/03, WuM 2004, 399. 1209 BVerfG v. 11.6.1991 – 1 BvR 239/90, MDR 1991, 865 = NJW 1991, 2411 = ZMR 1991, 366 (Danach muss ein Mieter bei Abschluss des Mietvertrages nicht offenbaren, dass er wegen Geistesschwäche entmündigt ist). 1210 Vgl. Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 191. 1211 BGH v. 16.2.2000 – XII ZR 279/97, MDR 2000, 821 = WuM 2000, 593; LG Magdeburg v. 13.2.2008 – 5 O 1879/07, ZMR 2008, 461. 1212 LG Köln v. 1.12.1983 – 1 S 73/83, DWW 1984, 75 = WuM 1984, 297. 1213 AG Bonn v. 23.7.1991 – 6 C 271/91, WuM 1992, 597. 1214 LG Landau v. 22.1.1985 – 1 S 226/84, ZMR 1985, 127 = WuM 1986, 133. 1215 LG Berlin v. 27.3.2018 – 63 S 163/17, MietRB 2019, 295 = GE 2018, 1002. 1216 LG Berlin v. 27.3.2018 – 63 S 163/17, MietRB 2019, 295 = GE 2018, 1002. 1217 LG Berlin v. 27.3.2018 – 63 S 163/17, MietRB 2019, 295 = GE 2018, 1002. 1218 AG Kaufbeuren v. 7.3.2013 – 6 C 272/13, NZM 2013, 577. 1219 AG Göttingen v. 24.10.2017 – 18 C 41/17, WuM 2017, 702; gilt für rechtsgerichtete Gewalt genauso.

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B. Wohnraummiete | Rz. 496 § 535

– ob in den letzten (fünf) Jahren Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, Insolvenzen oder Verfahren auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gegen den Mieter angestrengt worden sind1220, – nach den sonstigen wirtschaftlichen Verhältnissen des Mieters1221. Ein kirchliches Wohnungsunternehmen soll auch nach der Religionszugehörigkeit fragen können, 492 wenn es zu den Aufgaben dieses Unternehmens gehört, die Kirchenmitglieder mit Wohnraum zu versorgen1222. Nicht mehr ohne weiteres zulässig sind dagegen Fragen nach – der Nationalität1223, – der Art der Beendigung des früheren Mietverhältnisses1224, – dem Grund des Wohnungswechsels, – der Bankverbindung, – der Mitgliedschaft in einem Mieterverein oder einer politischen Partei, – Hobbys, soweit sie keine Auswirkungen auf den Mietgebrauch oder den Hausfrieden haben, – Kinderwünschen, – politische Auffassungen1225 (vgl. aber § 535 BGB Rz. 491), – Vorstrafen, – dem Bestehen einer Schwangerschaft.

493

Die erfragten Aspekte sind nicht generell unzulässig. Insbesondere verbietet auch das AGG solche 494 Fragen nicht. Indessen ist stets zu beleuchten, inwieweit aus der falschen Auskunft ein maßgeblicher Umstand resultiert, der die Entscheidung des Vermieters zur Vergabe der Wohnung an den Mieter beeinflusst hat. Das ist z.B. bei der Schwangerschaft und dem Kinderwunsch der Fall, wenn eine Wohnung zur Vermietung ansteht, in der bisher eine Familie mit Kindern gewohnt hat, die aber ausgezogen ist, weil die überwiegend ältere Bewohnerschaft im Haus sich über die durch die Kinder – wenn auch sozialtypisch – verursachten Lärmentwicklungen beschwert hat. (2) Sonstige Aufklärungspflichten Im Übrigen besteht bei Vertragsverhandlungen keine allgemeine Rechtspflicht, den anderen Teil über 495 alle Einzelheiten und Umstände aufzuklären, die dessen Willensentschließung beeinflussen könnten1226. Vielmehr ist grundsätzlich jeder Verhandlungspartner für sein rechtsgeschäftliches Handeln selbst verantwortlich und muss sich deshalb die für die eigene Willensentscheidung notwendigen Informationen auf eigene Kosten und eigenes Risiko selbst beschaffen1227. Allerdings besteht eine Rechtspflicht zur Aufklärung bei Vertragsverhandlungen auch ohne Nachfra- 496 ge dann, wenn der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise die Mitteilung von Tatsachen erwarten darf, die für die Willensbildung des anderen Teils offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind1228. Eine Tatsache von ausschlaggebender Bedeu-

1220 LG München I v. 25.3.2009 – 14 S 18532/08, ZMR 2010, 367; LG Mannheim v. 8.11.1989 – 4 S 173/89, ZMR 1990, 303; AG Hamburg v. 6.5.2003 – 48 C 636/02, ZMR 2003, 744 = MietRB 2004, 133; AG Wolfsburg v. 9.8.2000 – 22 C 498/99, NZM 2001, 987; AG Saarlouis v. 17.9.1999 – 29 C 739/99, NZM 2000, 459; AG Hagen v. 5.7.1984 – 13 C 414/84, WuM 1984, 296. 1221 OLG Koblenz v. 6.5.2008 – 5 U 28/08, MietRB 2008, 324 = WuM 2008, 471 = NZM 2008, 800. 1222 Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 191. 1223 Weichert, WuM 1993, 723. 1224 AG Rendsburg v. 5.7.1990 – 3 C 241/90, WuM 1990, 507. 1225 AG Göttingen v. 24.10.2017 – 18 C 41/17, WuM 2017, 702. 1226 BGH v. 12.7.2001 – IX ZR 360/00, MDR 2002, 20 = NJW 2001, 3331 (3332); BGH v. 13.7.1983 – VIII ZR 142/82, MDR 1984, 137 = NJW 1983, 2493 (2494). 1227 BGH v. 13.7.1988 – VIII ZR 224/87, MDR 1989, 57 = NJW 1989, 763 (764) m.w.N. 1228 Vgl. zur Aufklärungspflicht des Vermieters: BGH v. 15.11.2006 – XII ZR 63/04, MDR 2007, 262 = NZM 2007, 144; BGH v. 28.6.2006 – XII ZR 50/04, MDR 2006, 1103 = NJW 2006, 2618 (2619); BGH v. 28.4.2004

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§ 535 Rz. 496 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags tung kann auch dann vorliegen, wenn sie geeignet ist, dem Vertragspartner erheblichen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen. Die Aufklärung über eine solche Tatsache kann der Vertragspartner redlicherweise aber nur verlangen, wenn er im Rahmen seiner Eigenverantwortung nicht gehalten ist, sich selbst über diese Tatsache zu informieren1229. In der Gewerberaummiete obliegt es grundsätzlich dem Vermieter, sich selbst über die Gefahren und Risiken zu informieren, die allgemein für ihn mit dem Abschluss eines Mietvertrages verbunden sind. Er muss allerdings nicht nach Umständen forschen, für die er keinen Anhaltspunkt hat und die so außergewöhnlich sind, dass er mit ihnen nicht rechnen kann. Er ist deshalb auch nicht gehalten, Internetrecherchen zum Auffinden solcher etwaiger außergewöhnlicher Umstände durchzuführen. Für die Frage, ob und in welchem Umfang eine Aufklärungspflicht besteht, kommt es danach wesentlich auf die Umstände des Einzelfalls an. 497 Deshalb muss der Mietinteressent z.B. von sich aus darüber aufklären, dass sein Warensortiment vor-

rangig von Personen mit rechtsradikaler Gesinnung gekauft und getragen wird1230. Dies gilt auch dann, wenn der Mieter sich hinsichtlich entsprechender Marken neben anderen Produkten anderer Hersteller den Verkauf nur offen halten will1231. Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass in dem angemieteten Ladenlokal Ausrüstungsgegenstände für paramilitärisches Outdoor-Training und Militäruniformen verkauft werden sollen, wenn dieses Warenangebot nicht ausschließlich an rechtsradikale Gruppierungen gerichtet ist1232. Insoweit besteht keine Pflicht des Vermieters, z.B. im Internet zu recherchieren mit dem Ziel, außergewöhnliche Umstände über den Mietinteressenten herauszufinden1233. Ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie muss aber nicht darauf hinweisen, dass zu seinem Berufsbild die Substitutionsbehandlung von Drogenabhängigen gehört, selbst wenn nahezu die Hälfte seiner Patienten diesem Patientenkreis angehört1234. 498 Mit Beendigung des Mietvertrages entfällt grundsätzlich auch eine Aufklärungspflicht1235. Deshalb be-

steht, sofern etwas Abweichendes nicht vereinbart ist, keine Pflicht des Mieters, seine neue Anschrift mitzuteilen. Allerdings kann ein solches Verhalten auch als endgültige Erfüllungsverweigerung gewertet werden1236, sofern der Vermieter dem Mieter zuvor mitgeteilt hat, dass er entsprechende Ansprüche (z.B. auf Durchführung von Schönheitsreparaturen) gegen ihn geltend machen will1237. Schließen die Parteien eine Aufhebungsvereinbarung, der keine Kündigung vorausgegangen ist und in der der Vermieter sich zu einer Zahlung an den Mieter verpflichtet, muss der Mieter z.B. nicht darauf hinweisen, dass er ohnehin überlegt, eine Eigentumswohnung zu kaufen1238. d) Treuepflichten 499 Treuepflichten ergeben sich aus der personenbezogenen Komponente des Mietvertrages, was sich vor

allem bei Kündigungen und Mieterhöhungen auswirkt1239. Sie haben aber keine besondere Ausprägung und gehen nicht über das allgemeine Verständnis von § 241 Abs. 2 BGB hinaus. Sie können daher insbesondere keine Unerheblichkeit einer Pflichtverletzung des Mieters herbeiführen1240. Der Vermieter darf dem Mieter den Besitz nur streitig machen, wenn er zuvor seine Berechtigung, das Mietverhältnis

1229 1230 1231 1232 1233 1234 1235 1236 1237 1238 1239 1240

– XII ZR 21/02, MDR 2004, 1177 = NJW 2004, 2674; BGH v. 16.2.2000 – XII ZR 279/97, MDR 2000, 821 m. Anm. Leo, NJW 2000, 1714 (1718). Vgl. Staudinger/Singer/v. Finckenstein, § 123 BGB (Rz. 17) m.w.N. BGH v. 11.8.2010 – XII ZR 123/09, GuT 2010, 336 = NZM 2010, 788. OLG Dresden v. 27.7.2012 – 5 U 68/12, MietRB 2012, 289 = ZMR 2012, 941. LG Berlin v. 23.7.2012 – 12 O 506/11, zitiert nach juris. BGH v. 11.8.2010 – XII ZR 192/08, MDR 2010, 1306 = GuT 2010, 336 = NZM 2010, 786. OLG Köln v. 12.11.2010 – 1 U 26/10, MietRB 2011, 8 = NZM 2011, 76. BGH v. 9.11.2005 – VIII ZR 339/04, MDR 2006, 626 = MietRB 2006, 93 = WuM 2005, 782 (Wegfall des Eigenbedarfs). LG Kiel v. 9.6.2005 – 1 S 274/04, Info M 2005, 187; LG Berlin v. 24.6.1988 – 64 S 385/87, ZMR 1988, 464; a.A. LG Saarbrücken v. 1.3.2013 – 10 S 170/12, zitiert nach juris. KG v. 30.10.2006 – 8 U 38/06, WuM 2007, 71 = ZMR 2007, 112 = NZM 2007, 356. LG Berlin v. 20.1.2017 – 63 S 232/16, GE 2017, 831. OLG Karlsruhe v. 7.10.1981 – 3 REMiet 6/81, NJW 1982, 54; BayObLG v. 25.5.1982 – REMiet 2/82, MDR 1982, 939 = NJW 1982, 2003. LG Berlin v. 30.5.2018 – 65 S 66/18, MietRB 2018, 355 = GE 2018, 879.

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B. Wohnraummiete | Rz. 502 § 535

einseitig zu beenden, sorgfältig geprüft hat. Ansonsten bestehen Schadensersatzansprüche1241 oder sogar das Recht des Mieters, selbst zu kündigen1242. e) Fürsorgepflichten Unter Fürsorgepflichten werden die Pflichten des Vermieters zur Unterlassung und Abwehr von Stö- 500 rungen des Mieters zur Pflege und Obhut des Mietobjekts und zum Schutz der Sachen des Mieters verstanden1243. Danach trifft den Vermieter – und zwar unabhängig von etwaigen eigenen Abwehrmöglichkeiten des Mieters – im Rahmen seiner Verpflichtung zur Erhaltung des vertragsgemäßen Zustands der Mietsache grundsätzlich auch die Pflicht, von Dritten ausgehende Störungen vom Mieter fernzuhalten und zu diesem Zweck gegen den Störer jedenfalls im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Möglichen vorzugehen1244. Dies geht aber nicht so weit, dass der Vermieter dafür haftet, dass dem Mieter wegen Stemmarbeiten im Treppenhaus eine Vase aus dem Küchenschrank fällt und das Cerankochfeld beschädigt1245. Aus der Fürsorgepflicht folgt insbesondere die Pflicht, Grundrechtsverletzungen anderer Mieter (z.B. 500a durch den Betrieb einer Videokamera in Gemeinschaftsflächen) zu unterbinden1246. Dabei darf der Vermieter insbesondere das Zusammenleben der Mieter im Objekt nicht einseitig stören und die Mieter nicht willkürlich in „gut und böse“ aufteilen1247. Darüber hinaus muss der Vermieter grundsätzlich alle Einwirkungen auf die Mietsache unterlassen, die den Mieter beeinträchtigen oder gar schädigen können1248. Dies gilt erst recht, wenn er dem Mieter eine bestimmte Ausübung des vertragsgemäßen Gebrauchs vertraglich zugesichert hat (hier: Klavierspielen fünf Stunden täglich)1249. Andererseits ist auch ein positives Tun unter Umständen geboten, wenn z.B. für Rechtsgüter des Mie- 501 ters eine Gefahr droht1250. Denn dem Vermieter obliegt es im Rahmen seiner Fürsorge- und Sicherungspflichten, nicht nur drohende Gefahren von den Rechtsgütern des Mieters abzuwenden, sondern auch vorbeugende Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung einer akuten Gefahrenlage erforderlich und zumutbar sind1251. Daraus kann sich auch eine Informationspflicht des Vermieters ergeben. Ist z.B. die Trinkwasserleitung mit Legionellen befallen, hat er dem Mieter von sich aus mitzuteilen, welche Vorsorgemaßnahmen zu treffen sind1252. Erst recht hat der Vermieter die Gesamtheit der Mieter auf die sachgemäße Nutzung von Einrichtungen (z.B. Abwasserrohre) hinzuweisen, wenn mehrfache Fehlnutzungen (z.B. Rohrverstopfung) zu Schäden bei einem Mieter geführt haben. Ebenso ist der Vermieter verpflichtet, den vertragsgemäßen Gebrauch zu gewährleisten. Stört ein ande- 502 rer Mieter den Hausfrieden, und sei es nur durch Lärm1253, Untervermietung an Touristen1254 oder eine Geruchsentwicklung, ist er gehalten, auf den Verursacher der Belästigung einzuwirken und ggf. Hilfestellungen zu geben (Wohnungsbesichtigung, Reinigung der Wohnung etc.). Dabei kann es ihm

1241 BGH v. 14.1.1988 – IX ZR 265/86, MDR 1988, 575 = NJW 1988, 1268; BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 255/82, MDR 1984, 571 = NJW 1984, 1028. 1242 BGH v. 28.11.2001 – XII ZR 197/99, NZM 2002, 291. 1243 Staudinger/Emmerich, § 535 BGB (Rz. 82) m.w.N.; zur Beweislast vgl. BGH v. 22.10.2008 – XII ZR 148/06, MietRB 2009, 66 = MDR 2009, 74 = GuT 2008, 434 = NZM 2009, 29. 1244 Vgl. BGH v. 23.2.1966 – VIII ZR 63/64, WPM 1966, 763 unter II 1; BGH v. 10.12.1986 – VIII ZR 349/85, MDR 1987, 399 = BGHZ 99, 182 (191). 1245 AG Schöneberg v. 9.3.2017 – 109 C 186/16, GE 2017, 785. 1246 AG München v. 4.12.2013 – 413 C 26749/13, ZMR 2016, 551. 1247 BayObLG v. 19.1.1981 – AllgReg 103/80, WuM 1981, 80; LG Mannheim v. 13.6.1979 – 4 S 13/79, WuM 1981, 17. 1248 BGH v. 16.10.1963 – VIII ZR 28/62, NJW 1964, 33. 1249 LG Saarbrücken v. 17.7.2015 – 10 S 203/14, IMR 2015, 486. 1250 OLG Koblenz v. 1.6.1992 – 5 W 293/92, ZMR 1993, 68. 1251 Hanseatisches OLG Hamburg v. 7.8.1988 – 4 U 151/87, ZMR 1988, 420 = NJW-RR 1988, 1481; LG Berlin v. 21.12.2015 – 67 S 65/14, NZM 2016, 262 = GE 2016, 259 (Wildschweinplage). 1252 AG Hersbruck v. 4.2.2016 – 11 C 146/15, ZMR 2016, 634. 1253 Vgl. dazu Flatow, WuM 2014, 307. 1254 LG Berlin v. 6.10.2016 – 67 S 203/16, MietRB 2017, 130 = MietRB 2017, 131 = ZMR 2017, 237.

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§ 535 Rz. 502 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags auch obliegen, Dritte zu Hilfestellungen anzuhalten (z.B. Einschaltung von sozialen Diensten)1255. Unter Umständen kann die Fürsorgepflicht sogar dazu führen, dass der Vermieter das mit einem anderen Mieter bestehende Mietverhältnis kündigen1256 und anschließend eine Räumungsklage durchführen muss1257. Dazu müssen von dem anderen Mieter ernsthafte Gefahren oder unzumutbare Belästigungen (Gerüche1258, Störung des Hausfriedens durch nicht gewaltfernen Mieter1259 etc.) für die übrigen Mieter ausgehen. Liegt die Störung in einer Straftat, folgt aus dem Gebot, dass der Vermieter sich nicht einseitig auf die Informationen einer Seite verlassen darf, dass er Einsicht in die Ermittlungsakten nehmen muss1260. 502a Ist der Mieter der angebliche Störer, kann er grundsätzlich nicht verlangen, dass ihm der Vermieter

die Namen der Beschwerdeführer mitteilt1261. 503 Auch bei der Erteilung/Verweigerung einer Erlaubnis zur Hundehaltung hat der Vermieter die Ängste

und Sorgen der übrigen Mieter zu berücksichtigen, jedenfalls hinsichtlich einer in einer Gefahrenordnung als gefährlich eingestuften Hunderasse1262. Andererseits kann die Fürsorgepflicht, als besondere Ausprägung der allgemeinen Überlassungs- und Erhaltungspflicht des Vermieters, auch zu einer gesteigerten Rücksichtnahmepflicht auf die Belange des Mieters führen, sofern dies für den Vermieter zumutbar ist. Stellt der Mieter z.B. entgegen der Hausordnung sein Kraftfahrzeug auf dem zum Mietwohnhaus gehörenden Grundstück ab, ist der Vermieter in der Regel gehalten, den Mieter zunächst zum Wegfahren aufzufordern, bevor er dessen Fahrzeug abschleppen lässt1263. Die mietvertragliche Fürsorgepflicht geht aber nicht soweit, dass der Vermieter allen denkbaren abstrakten Gefahren entgegenwirken muss. Bei dem Betrieb einer Mobilfunksendeanlage genügt er z.B. seiner Fürsorgepflicht, wenn er die Richt- und Grenzwerte nach der Bundesimmissionsschutzverordnung einhält, die sich an nachweisbaren Gesundheitsgefahren durch Hochfrequenzfelder orientieren1264. 4. Pflicht zur Modernisierung 504 Den Vermieter trifft grundsätzlich keine Pflicht zur Modernisierung des Mietobjekts1265. Grundsätz-

lich besteht auch kein Anspruch auf Veränderung der Mietsache. Eine Ausnahme kann angenommen werden, wenn ein Mindeststandard für zeitgemäßes und gesundes Wohnen nicht existiert1266. Allerdings schuldet er, sofern keine anderweitigen Vereinbarungen bestehen, den allgemeinen Standard1267, wobei der Mindeststandard gesundes Wohnen gewährt1268. 5. Versorgung mit Energie und Wasser 505 Grundsätzlich gehört die Lieferung von Energie und Wasser zu den Pflichten des Vermieters im Rah-

men des vertragsgemäßen Gebrauchs. Bestehen allerdings dafür Zähler, die den Verbrauch des Mieters erfassen, ist i.d.R. von der stillschweigenden Vereinbarung auszugehen, dass der Mieter einen eigenen Liefervertrag mit einem Versorger abschließt. Hat der Vermieter im Mietvertrag z.B. über Gewerberaum die Verpflichtung zur Lieferung von Energie und/oder Wasser übernommen, hängt es vom Inhalt der Vereinbarung ab, ob es sich dabei um eine Haupt- oder Nebenpflicht handelt1269. Bezüglich 1255 AG Charlottenburg v. 12.7.2010 – 213 C 94/10, GE 2011, 821. 1256 LG Berlin v. 11.1.1999 – 62 S 290/98, WuM 1999, 329 = GE 1999, 380; LG Hamburg v. 21.10.1986 – 16 S 32/86, WuM 1987, 218; AG Bad Segeberg v. 5.10.1999 – 17a C 25/99, WuM 2000, 601. 1257 Flatow, PiG 92, 63, 68. 1258 AG München v. 18.10.2006 – 424 C 13626/06, WuM 2006, 621. 1259 LG Hamburg v. 3.11.2005 – 307 S 124/05, NZM 2006, 377. 1260 AG Frankfurt v. 26.3.2015 – 33 C 3506/14, ZMR 2015, 620. 1261 AG München v. 8.8.2014 – 463 C 10947/14, ZMR 2015, 460. 1262 AG Hamburg-Barmbek v. 14.12.2005 – 816 C 305/05, ZMR 2006, 535. 1263 AG Tempelhof-Kreuzberg v. 23.11.2006 – 8 C 106/06, MM 2008, 299. 1264 Vgl. BGH v. 15.3.2006 – VIII ZR 74/05, MDR 2006, 1218 = NZM 2006, 504. 1265 Staudinger/Emmerich, § 554 BGB Rz. 13. 1266 LG Berlin v. 3.12.2014 – 65 S 220/14, GE 2015, 190. 1267 BGH v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03, MDR 2004, 1346 = MietRB 2005, 1 = NJW 2004, 3174. 1268 LG Berlin v. 3.12.2014 – 65 S 220/14, GE 2015, 190. 1269 BGH v. 30.6.1993 – XII ZR 161/91, MDR 1993, 972 = ZMR 1993, 455.

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B. Wohnraummiete | Rz. 510 § 535

der Lieferleistungen wird ergänzend Kaufrecht anzuwenden sein1270, sofern es Störungen bei der Lieferung gibt. Eine Vergütung des Vermieters für die Lieferung von privatem Strom muss gesondert vereinbart werden, da § 2 Nr. 11 BetrKV nur die Nutzung von Strom auf den Allgemeinflächen erfasst. Das Gleiche gilt für Gas als Brennstoff für einen Herd. 6. Versorgungssperre a) Während des laufenden Mietvertrages Vorbehaltlich anderer Vereinbarungen ist der Vermieter nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB verpflichtet, die 506 Mietsache mit der üblichen Grundversorgung (z.B. Strom, Wasser, Heizung) zu versehen oder doch zumindest Einrichtungen zur Verfügung zu stellen, die den Mieter durch den Abschluss eigener Versorgungsverträge in die Lage versetzen, die benötigten Versorgungsmedien zu beziehen. Dieser Anspruch konkretisiert sich durch die vorhandenen Versorgungseinrichtungen auf die tatsächliche Ausstattung. Demnach kann der Mieter z.B. nicht die Einrichtung eines Gasanschlusses verlangen, wenn in der Küche ein Stromanschluss für einen Herd vorhanden ist. Grundsätzlich ist der Vermieter verpflichtet, dem Mieter diesen Zustand ununterbrochen zu gewähr- 507 leisten. Insoweit haftet er selbst dann, wenn er z.B. wegen eines technischen Defekts nicht beliefert werden kann. Im Hinblick auf die Risikoverteilung des § 535 BGB kann der Mieter in diesem Fall z.B. mindern (§ 536 BGB), obwohl dem Vermieter die Belieferung objektiv unmöglich ist. Schadensersatz kann verlangt werden, wenn ein mindestens fahrlässiges Verhalten des Vermieters oder eines Erfüllungsgehilfen gegeben ist. Kommt der Mieter allerdings mit seinen Mietzahlungen in Rückstand (z.B. weil er sich zur Minderung 507a berechtigt fühlt), soll der Vermieter schon vor der Kündigung ein Zurückbehaltungsrecht an den Versorgungsleistungen geltend machen können1271. Der Mieter kann dieses Zurückbehaltungsrecht durch Sicherheitsleistung nach § 273 Abs. 3 BGB abwenden (vgl. zur Interessenlage § 535 BGB Rz. 515). aa) Liefersperre durch Versorgungsunternehmen Eine Unterbrechung der Versorgung mit Medien kann sich insbesondere ergeben, wenn gegen den Ver- 508 mieter eine Liefersperre verhängt wurde. Für Versorgungsunternehmen sind die Voraussetzungen der Liefersperre im jeweils gleichlautenden § 33 der AVBGasV, der AVBWasserV, der AVBEltV und der AVBFernwärmeV geregelt. Danach ist ein Versorgungsunternehmen nach vorheriger Ankündigung berechtigt, die Lieferung der jeweiligen Energie einzustellen, wenn der Vertragspartner (i.d.R. der Vermieter) mit Zahlungen in Rückstand ist. In diesen Fällen stellt sich auf Mieterseite immer die Frage, ob ein unmittelbarer Anspruch gegen das 509 Versorgungsunternehmen, z.B. auf Aufhebung der Liefersperre, besteht1272. Immerhin hat der Mieter seine Leistungen, z.B. durch Zahlung der Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen oder der Bruttomiete, gegenüber dem Vermieter erbracht. Ob gegenüber dem Versorgungsunternehmen ein durchsetzbarer Anspruch besteht, richtet sich da- 510 nach, ob der Versorgungsvertrag als Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte aufgefasst werden kann1273. Richtigerweise wird man davon ausgehen müssen, dass dafür die Voraussetzungen nicht vorliegen. Denn dazu muss in der Regel der Vertragspartner für das Wohl und Wehe des Dritten einzustehen haben. Dies kann vom Ergebnis her bereits damit begründet werden, dass die Schutzwirkung gegenüber dem Mieter (Dritter) nicht weiter gehen kann als gegenüber dem Vertragspartner (Vermieter)1274. 1270 1271 1272 1273

Staudinger/Emmerich, § 535 BGB Rz. 83. AG Ludwigslust v. 31.5.2013 – 5 C 324/13, ZMR 2014, 375 = IMR 2014, 108. Vgl. dazu Derleder, NZM 2000, 1098 f. Dagegen: LG Frankfurt am Main v. 15.5.1998 – 2/17 S 465/97, WuM 1998, 495; LG Gera v. 14.4.1998 – 5 T 168/98, MDR 1998, 1024 = WuM 1998, 496; dafür: LG Bonn v. 20.11.1979 – 6 T 186/79, WuM 1980, 231; LG Saarbrücken v. 17.1.1986 – 11 S 371/85, MDR 1987, 54; LG Aachen v. 14.7.1988 – 6 5 53/88, NJW-RR 1988, 1522; AG Siegen v. 4.6.1996 – 7 C 2846/96, WuM 1996, 707; AG Frankfurt am Main v. 17.10.1997 – 33 C 3441/97-50, WuM 1998, 42. 1274 A.A. Schmitz-Justen, WuM 1998, 520 (521).

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§ 535 Rz. 511 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags 511 Auch Besitzstörungsansprüche nach den §§ 858, 861 BGB wegen verbotener Eigenmacht kommen

nicht in Betracht1275. 512 Die Lösung des Problems kann nur praktisch erfolgen: Erfolgt z.B. die Liefersperre, weil der Vermieter

die Rechnungen des Versorgungsunternehmens nicht ausgeglichen hat, kann daran gedacht werden, unmittelbar das Versorgungsunternehmen in Anspruch zu nehmen, um eine alsbaldige Lieferung zu erreichen1276. Andererseits bietet die Aufhebung der Liefersperre durch das Versorgungsunternehmen gerade die schnellste Möglichkeit für den Mieter, den ihn beeinträchtigenden Zustand zu beheben. Deshalb sollte die Möglichkeit geprüft werde, durch Kostenübernahmeerklärung hinsichtlich der weiteren Zahlungen bei dem Versorgungsunternehmen zu erreichen, dass eine Lieferung für die Zukunft wieder stattfindet. Dazu müssen ggf. auch die anderen Mieter einbezogen werden. Zumindest wenn die Voraussetzungen der Ersatzvornahme vorliegen, kann der Mieter in dieser Situation die entsprechenden Leistungen an das Versorgungsunternehmen mit der Miete verrechnen. bb) Liefersperre durch die Wohnungseigentümergemeinschaft 513 Das Vorstehende gilt unterschiedslos, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft eine Versorgungs-

sperre gegenüber dem vermietenden Sondereigentümer einrichtet1277. Denn die Unterbrechung der Versorgung mit Medien stellt keine verbotene Eigenmacht dar. Der Besitz i.S.v. § 854 BGB erfährt qualitativ keinen Unterschied, ob der Mietvertrag besteht oder beendet ist. Dass ein Lieferanspruch gegenüber dem Vermieter besteht, ist im Verhältnis zu einem Dritten wie der Wohnungseigentümergemeinschaft unerheblich. Allerdings darf die Eigentümergemeinschaft nicht in die Versorgungsleitungen eines Dritten (z.B. eines Versorgungsunternehmens) oder des Mieters selbst eingreifen. b) Nach Mietende aa) Vertragliche Situation 514 Grundsätzlich endet mit der Mietvertragsbeendigung auch die Pflicht des Vermieters zur Gebrauchs-

gewährung gemäß § 535 Abs. 1 BGB und damit zur Versorgung mit Medien. Allerdings können nach Treu und Glauben einzelne Verpflichtungen des Vermieters noch nach der Vertragsbeendigung bestehen, wozu auch die Pflicht zur Erbringung von Versorgungsleistungen gehören kann1278. 515 Solche nachvertraglichen Pflichten können sich im Einzelfall aus der Eigenart des – beendeten – Miet-

vertrages (z.B. Wohnraummiete) oder den besonderen Belangen des Mieters (z.B. Gesundheitsgefährdung oder etwa durch eine Versorgungssperre drohender, besonders hoher Schaden) ergeben1279. Auch ein ansonsten zu erwartender besonders hoher Schaden kann eine Lieferpflicht über das Vertragsende begründen1280. Eine über die Vertragsbeendigung hinausgehende Versorgungsverpflichtung würde allerdings allein den Interessen des Mieters dienen. Die trotz beendeten Vertrages aus Treu und Glauben nach § 242 BGB herzuleitende Verpflichtung lässt sich daher nur rechtfertigen, wenn sie auf der anderen Seite den berechtigten Interessen des Vermieters nicht in einer Weise zuwiderläuft, die ihm die weitere Leistung unzumutbar macht. Ist dem Vermieter die Weiterbelieferung nicht zumutbar, kommt es anders als bei bestehendem Mietvertrag auf den Umfang und die Grenzen eines Zurückbehaltungsrechts nicht an, weil der Vermieter in diesem Fall schon nicht mehr zur Gebrauchsüberlassung verpflichtet ist. 516 Nach diesen Grundsätzen kann der Vermieter von Wohnraum etwa zur Fortsetzung von Versorgungs-

leistungen verpflichtet sein, wenn dem Mieter eine Räumungsfrist nach §§ 721, 765a, 794a ZPO gewährt worden ist und dem Vermieter wegen der regelmäßig entrichteten Nutzungsentschädigung kein Schaden entsteht. Das Gleiche gilt, wenn der Mieter die bisherige Miete zunächst in voller Höhe weiter

Vgl. LG Frankfurt am Main v. 15.5.1998 – 2/17 S 465/97, WuM 1998, 495. Vgl. dazu Schmitz-Justen, WuM 1998, 520 f.; Derleder, NZM 2000, 1098 (1107). A.A. AG Bremen v. 6.12.2010 – 16 C 424/10, ZMR 2011, 726. Vgl. MünchKomm/Bieber, § 546a BGB Rz. 28 ff.; allgemein MünchKomm/Ernst, § 280 BGB Rz. 109 ff. BGH v. 6.5.2009 – XII ZR 137/07, MDR 2009, 919 = MietRB 2009, 223 (224) = WuM 2009, 469 = GE 2009, 775 = NJW 2009, 1947 = ZMR 2010, 263. 1280 OLG Brandenburg v. 29.6.2011 – 3 U 52/10, MietRB 2012, 82 = CuR 2012, 79. 1275 1276 1277 1278 1279

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B. Wohnraummiete | Rz. 519 § 535

zahlt1281. Eine nachträgliche Kürzung der Miete aufgrund der Versorgungssperre kann diese nicht im Nachhinein rechtfertigen1282. Anders liegt es dagegen jedenfalls dann, wenn bereits die Beendigung des Mietverhältnisses auf dem Zahlungsverzug des Mieters beruht und der Vermieter die Versorgungsleistungen mangels Vorauszahlungen des Mieters auf eigene Kosten erbringen müsste. Ansonsten läuft der Vermieter Gefahr, die von ihm verauslagten Kosten für die Versorgung nicht erstattet zu erhalten und dadurch einen – weiteren – Schaden zu erleiden. Das Interesse des Vermieters, die Wasserversorgung zu sperren, kann überwiegen, wenn der Mieter 517 trotz Kälte die Fenster offen stehen lässt1283. Das Gleiche kommt in Betracht, wenn dem Vermieter bei fortdauernder Belieferung Schäden durch ein falsches Lüftungs- und Heizverhalten des Mieters drohen1284. Besteht ein Räumungstitel soll der Mieter dennoch die Versorgung verlangen können, weil das Gesetz die Möglichkeit des Räumungsschutzes vorsieht1285. bb) Besitzschutz Die Frage, ob die Versorgungssperre durch den Vermieter eine Besitzstörung darstellt, ist umstritten. 518 Die überwiegende Auffassung geht davon aus, dass die Unterbrechung der Versorgungsleistungen verbotene Eigenmacht sei und den auf Beseitigung und Unterlassung gerichteten Besitzschutz nach §§ 858, 862 BGB auslöst1286. Einwendungen des Vermieters gegen seine Lieferpflicht sind nach dieser Auffassung petitorische Einwendungen, die gegenüber Besitzschutzansprüchen nach § 863 BGB ausgeschlossen sind1287. Demgegenüber vertreten andere Teile der Rechtsprechung und Literatur die Meinung, die Unterbrechung der Versorgung betreffe nur den aus dem Vertrag herzuleitenden Mietgebrauch und sei daher keine verbotene Eigenmacht1288. Weitere Stimmen in der Literatur gehen schließlich davon aus, dass die Unterbrechung von Versorgungsleistungen zwar grundsätzlich eine verbotene Eigenmacht sei. Eine Einschränkung sei jedoch für die Fälle zu machen, in denen der Vermieter es unterlasse, eine Vorleistung zu erbringen, für die er selbst im Außenverhältnis (z.B. zum Energieversorgungsbetrieb) hafte, wenn er nach vertraglichen Grundsätzen hierzu nicht mehr verpflichtet sei1289. Der BGH1290 hält es richtigerweise für zutreffend, dass in der Unterbrechung der Versorgungsleistun- 519 gen keine Besitzstörung liegt. Die zur Nutzung des Mietobjekts erforderlichen Energielieferungen sind nicht Bestandteil des Besitzes und können daher auch nicht Gegenstand des Besitzschutzes nach §§ 858 ff. BGB sein. Der Besitz umfasst lediglich den Bestand der tatsächlichen Sachherrschaft. Der Besitz wird nach § 854 Abs. 1 BGB durch die Erlangung der tatsächlichen Gewalt erworben und durch die Aufgabe oder den Verlust derselben beendigt (§ 856 Abs. 1 BGB). Der Besitz besteht als Voraussetzung des Besitzschutzes demnach in dem dauernden Zustand der tatsächlichen Gewalt, welche mit der Einwirkungsmacht auf die Sache und der Ausschlussmacht zwei Komponenten enthält; die Besonderheiten des Eigenbesitzes nach § 872 BGB sind hier nicht von Bedeutung.

1281 1282 1283 1284 1285 1286

1287 1288

1289 1290

AG Wetzlar v. 3.12.2013 – 38 C 1006/13, WuM 2015, 151. AG Wetzlar v. 3.12.2013 – 38 C 1006/13, WuM 2015, 151. AG Lahnstein v. 26.4.2010 – 24 C 43/10, NZM 2011, 72. AG Lahnstein v. 3.2.2010 – 24 C 43/10, WuM 2012, 140. AG Berlin-Schöneberg v. 26.4.2010 – 5 C 49/10, NZM 2011, 72. Saarländisches OLG v. 25.9.2005 – 8 W 204/05, OLGR 2005, 889 = GUT 2005, 218; OLG Celle v. 28.4.2005 – 11 U 44/05, NZM 2005, 741; OLG Köln v. 26.4.2004 – 1 U 67/03, MietRB 2004, 318 = NZM 2005, 67; OLG Koblenz v. 24.7.2000 – 3 W 472/00, OLGR 2001, 2; Staudinger/Bund, § 858 BGB Rz. 53 m.w.N.; Gaier, ZWE 2004, 109 (113); grundsätzlich auch KG v. 29.8.2005 – 8 U 70/05, ZMR 2005, 951. Gaier, ZWE 2004, 109 (113). KG v. 17.12.1998 – 8 U 7247/98, GE 2004, 622; KG v. 8.7.2004 – 12 W 21/04, MDR 2005, 165 = MietRB 2005, 3 = NZM 2005, 65; LG Berlin v. 22.12.2008 – 12 O 480/08, GE 2009, 518; AG Bergheim v. 15.12.2003 – 27 C 744/03, ZMR 2005, 53; AG Hohenschönhausen v. 10.7.2007 – 9 C 120/07, GE 2007, 1127; Ulrici, ZMR 2003, 895 (896); Mummenhoff, DWW 2005, 312 (315); Scholz, NZM 2008, 387 (388 f.); Krause, GE 2009, 484. MünchKomm/Joost, § 858 BGB Rz. 6; Soergel/Stadler, § 858 BGB Rz. 8; ähnlich Streyl, WuM 2006, 234 (236 f.). BGH v. 6.5.2009 – XII ZR 137/07, MDR 2009, 919 = MietRB 2009, 223 (224) = WuM 2009, 469 = GE 2009, 775 = NJW 2009, 1947.

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§ 535 Rz. 520 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags 520 Allerdings ist eine verbotene Eigenmacht gegeben, wenn der (ehemalige) Untermieter die Wasser-

versorgung der Wohnung seines (ehemaligen) Vermieters unterbricht1291. Dem steht weder eine vorangegangene Beendigung des Hauptmietvertrages entgegen noch ein (vorläufig vollstreckbares) Räumungsurteil, welches ein Zwangsverwalter gegen den (Unter-)Vermieter erstritten hat. Dies widerspricht nicht dem Urteil vom 6.5.20091292, weil sich diese Entscheidung auf eine „Versorgungssperre bezieht, die in der Einstellung von Leistungen besteht“. Im vorliegenden Fall geht es dagegen nicht um das Vorenthalten einer zuvor erbrachten Leistung, sondern um einen Eingriff von außen in die Wasserversorgung des (Unter-)Vermieters. Ein solcher Eingriff behindert den Besitzer an der Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft und stellt – ebenso wie psychisch beeinträchtigende Einwirkungen etwa durch Lärm oder Lichtwerbung – eine Besitzstörung dar. cc) Ausüben der Versorgungssperre 521 Die Unterbrechung der Versorgung wird im Wege des Zurückbehaltungsrechts durchgeführt und darf

sich nicht als (unzulässige) Selbstvollstreckung eines Räumungsanspruchs darstellen. Eine Vermutung, dass der Vermieter im Zweifel die „freiwillige“ Räumung „fördern“ will, besteht nicht. Vielmehr ist anhand der Korrespondenz und der sonstigen Äußerungen zu ermitteln, mit welcher Absicht der Vermieter handelt. 522 Eine unzulässige Selbstvollstreckung kommt danach insbesondere bei der „Sibirischen Räumung“ in

Betracht. Hier soll der Mieter durch Abstellen der Heizung zum Auszug bewegt werden1293. Davon kann erst recht ausgegangen werden, wenn der Vermieter unter Bezugnahme auf die gerade verkündete Entscheidung im Räumungsrechtsstreit die Unterbrechung der Wasserversorgung ankündigt1294. dd) Abwenden der Versorgungssperre

523 Das Abwenden der Versorgungssperre ist nicht durch eine Teilzahlung möglich (z.B. rückständiger

Anteil an Heiz- und Wasserkostenvorauszahlungen)1295. Vielmehr muss der gesamte Rückstand ausgeglichen werden1296. Denn das Zurückbehaltungsrecht (= Versorgungssperre) bezieht sich auf die gesamte Forderung der rückständigen Mieten und nicht nur auf einen Teil der Vorauszahlungen. 7. Lastentragung 524 Gemäß § 535 Abs. 1 S. 3 BGB hat der Vermieter sämtliche öffentlich- und privatrechtlichen Lasten zu

tragen, die auf der Sache selbst ruhen, d.h. die ihn als Eigentümer oder dinglich Berechtigten der Mietsache treffen. Das sind etwa Grundsteuern1297, Kanalisationsgebühren, Straßenanliegerbeiträge, Müllabfuhrgebühren, Schornsteinfegergebühren und Straßenreinigungskosten. Dagegen gehören nicht hierher die rein persönlichen Verpflichtungen und Lasten, also die an die Person des Vermieters oder des Mieters gebundenen, z.B. die Feuerversicherungsprämien. Eine dem § 1045 BGB (Versicherungspflicht des Nießbrauchers) entsprechende Vorschrift gibt es für die Miete aber nicht. 525 Da § 535 Abs. 1 S. 3 BGB vertraglich abdingbar ist, werden durchweg die Lasten als Betriebskosten

im Innenverhältnis auf die Mieter nach § 556 Abs. 1 BGB abgewälzt. Im Übrigen ist oft insbesondere die Straßenreinigungspflicht dem Mieter des Erdgeschosses übertragen. Die vertragliche Abbedingung von § 535 Abs. 1 S. 3 BGB ist normalerweise nur im Innenverhältnis zwischen Mieter und Vermieter von Bedeutung, nicht aber für das Außenverhältnis zu Dritten und zu Behörden. Bei umfangreichen Überwälzungen von Lasten auf den Mieter in Formularverträgen ist aber § 307 BGB zu beachten. S. dazu § 556 BGB Rz. 317 f.

1291 1292 1293 1294 1295 1296 1297

KG v. 1.10.2009 – 8 U 105/09, MietRB 2010, 71 = GE 2009, 60 = NZM 2010, 321. BGH v. 6.5.2009 – XII ZR 137/07, MDR 2009, 919 = MietRB 2009, 223 (224) = NJW 2009, 1947. LG Koblenz v. 24.5.2011 – 6 S 8/11, WuM 2012, 140. OLG Celle v. 28.4.2005 – 11 U 44/05, NZM 2005, 741. KG v. 8.8.2005 – 24 W 112/04, MDR 2006, 326 = NJW-RR 2006, 446. KG v. 30.6.2009 – 27 U 19/08, GE 2010, 482. OLG Hamm v. 26.9.1985 – 4 U 94/85, ZMR 1986, 198.

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B. Wohnraummiete | Rz. 528 § 535

V. Überbürdung von Erhaltungspflichten Die Überbürdung von Erhaltungspflichten i.S.v. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB ist in eng umgrenztem Rahmen 525a zulässig. Denn bei der Wohnraummiete ist zum einen § 536 Abs. 4 BGB zu beachten: Wäre der Mieter erhaltungspflichtig, würde er damit sein Minderungsrecht verlieren, wenn der vertragsgemäße Zustand tangiert wird. Zum anderen stellt § 535 Abs. 1 S. 2 BGB eine Hauptpflicht dar. Hauptpflichten prägen das gesetzliche Leitbild, so dass gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB1298 eine formularmäßige Abweichung grundsätzlich nicht zulässig ist. Da bei Inkrafttreten des AGBG am 1.4.1977 die Überbürdung von Klein- und Schönheitsreparaturen 525b bereits Verkehrssitte war1299, wie sich im Umkehrschluss aus § 28 Abs. 3 und 4 II. BV ergibt, wird insoweit eine Ausnahme zugelassen. Der Umfang dieser Ausnahme orientiert sich an den genannten Vorschriften, weil nur insoweit eine Verkehrssitte, die die Abweichung von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB begründet, gerechtfertigt ist. Darüber hinaus versuchen die Vermieter, ihre Erhaltungslast durch vielfältige Vertragsgestaltungen 526 insbesondere bei der Überlassung zusätzlicher Einrichtungsgegenstände zu verringern (zu Wartungsklauseln vgl. § 535 BGB Rz. 538 f.). Ein klassisches Beispiel dafür ist die Ausstattung der Wohnung mit einer Einbauküche1300. Der Einbau erfolgt häufig in der Absicht, die Wohnung attraktiver zu gestalten und ggf. eine höhere Miete generieren zu können. In einem besonderen Abschnitt des Mietvertrages oder einer davon getrennten Vereinbarung wird jedoch oftmals geregelt, dass die Überlassung unentgeltlich erfolgt und der Mieter die Instandsetzungspflicht (einschließlich Erneuerung) trägt. Auch das Modell, mit dem Mieter bei Abschluss des Mietvertrages einen Kaufvertrag über die Kücheneinrichtung mit Rückkaufverpflichtung des Vermieters zu schließen, ist gebräuchlich. Solange es sich um separate Verträge handelt, entstehen keine Probleme hinsichtlich der Erhaltungspflicht1301. Soweit sich in der Mietsache eine Einbauküche befindet und sich aus dem Mietvertrag oder dem 527 Sachzusammenhang nicht ein anderes ergibt, kann im Zweifel angenommen werden, dass die Einbauküche mitvermietet ist1302. Ist im Mietvertrag hinsichtlich der Einbauküche ausdrücklich geregelt, dass diese dem Mieter lediglich zur Nutzung überlassen wird und eine Instandsetzungs- und Instandhaltungspflicht des Vermieters nicht besteht, soll den Mieter die Erhaltungspflicht treffen. Diese Konstellation soll weder nach § 305c BGB noch gem. § 307 BGB unwirksam sein, weil der Vermieter nicht zu der Bereitstellung einer Einbauküche im Rahmen eines Wohnungsmietverhältnisses verpflichtet ist1303. Diese Auffassung ist nicht unproblematisch. Denn durch die Einbeziehung der Einrichtung in die Mietsache und die Beschreibung der Ausstattung im Mietvertrag wird deutlich, dass es sich um einen Teil der Leistung des Vermieters handelt, auf die sich die Gegenleistung des Mieters bezieht1304. Deshalb ist die zusätzliche Regelung, die Einbauküche sei nur zur Nutzung überlassen, ebenso nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam wie die Regelung, die die Erhaltungspflicht für die Ausstattung dem Mieter überbürdet. 1. Kleinreparaturklauseln a) Wirksamkeitsanforderungen Eine Klausel in einem Formularmietvertrag über Wohnraum, durch die dem Mieter ohne Rücksicht 528 auf ein Verschulden die Kosten notwendiger Kleinreparaturen bis zur Höchstgrenze von 110 Euro1305

1298 Die Vorschrift gilt gem. § 310 Abs. 3 BGB auch für Individualvereinbarungen in einem Verbrauchervertrag. 1299 BGH v. 14.7.2004 – VIII ZR 339/03, WuM 2004, 529. 1300 Zur Sollbeschaffenheit in diesem Fall: BGH v. 13.4.2016 – VIII ZR 198/15, MDR 2016, 640 = MietRB 2016, 191 = WuM 2016, 350 = ZMR 2016, 525 = GE 2016, 721. 1301 Erfolgt der Verkauf im Rahmen des Mietvertrages, soll die Kaufverpflichtung unwirksam sein: Mummenhoff, WuM 2017, 515. 1302 Kern in Spielbauer/Schneider, § 535 BGB Rz. 222. 1303 AG Neukölln v. 14.11.2017 – 18 C 182/17, GE 2017, 1479. 1304 Vgl. AG Charlottenburg v. 2.10.2014 – 218 C 174/14, GE 2015, 1534. 1305 AG Würzburg v. 17.5.2010 – 13 C 670/10, WuM 2010, 561; AG Stuttgart-Bad Cannstatt v. 15.10.2013 – 2 C 1438/13, WuM 2014, 22 (100 Euro).

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§ 535 Rz. 528 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags aufgebürdet werden, ist nicht generell unangemessen1306. 120 Euro sollen aber zu viel (§ 307 BGB) sein1307. Letzteres ist zweifelhaft. Zwar wird die Auffassung vertreten, dass die Höchstgrenze bei 75100 Euro liegt1308, wobei auch schon 110 Euro als angemessen festgestellt wurden1309. Indessen wird übersehen, dass ein Handwerker 19 % Umsatzsteuer und in der Regel auch An- und Abfahrt mit mindestens 40 Euro (netto) berechnet. Da die Fachhandwerkerstunde oftmals schon 45 Euro kostet, reicht ein Betrag von 100 Euro in vielen Fällen gerade einmal aus, die Fehlerursache ausfindig zu machen. Deshalb sind Beträge von 120-150 Euro anzusetzen. 529 Die Klausel muss aber, um nicht gemäß § 307 BGB unwirksam zu werden, einen Höchstbetrag für

den Fall ausweisen, dass innerhalb eines bestimmten Zeitraumes mehrere Kleinreparaturen anfallen1310. Oftmals enthalten Mietverträge als Höchstgrenze eine Monatsmiete, was für zu hoch angesehen wurde1311. Das Gleiche gilt für 10 % der Jahresmiete1312. 6 % sollen nicht zu beanstanden sein1313, aber auch die Höchstgrenze bilden1314, wobei die Grenze auch schon bei 7 % und 8 %1315 gezogen wurde1316. In jedem Fall muss ein Maßstab eingesetzt werden, der unter einer Monatsmiete liegt, sich aber gleichwohl mit der Entwicklung der ortüblichen Vergleichsmiete verändern kann, die wegen § 558c Abs. 3 BGB jedenfalls mittelbar auch eine Marktentwicklung berücksichtigt. 530 Bei langfristigen Verträgen bietet sich eine Indexierung des Höchstbetrages nach § 557b BGB an.

Dies ist zulässig, weil auch die Kleinreparaturregelung einen Teil der Gegenleistung des Mieters nach § 535 Abs. 2 BGB, also der Miete darstellt. Dies ergibt sich aus dem Umkehrschluss aus § 28 Abs. 3 II. BV. Für die Höchstgrenze muss eine Anpassung an die Geldentwertung nicht vorgesehen werden. Durch die Kopplung mit der Miete erweitert sich die Grenze bei jeder Mieterhöhung automatisch. Indessen sollte beachtet werden, dass die vereinbarte Indexierung bei den Kleinreparaturen gemäß § 557b Abs. 2 BGB zu einem Ausschluss der Mieterhöhung nach §§ 559, 560 BGB führen kann. 531 Eine weitere Grenze für Formularklauseln besteht darin, dass sich die Kostenlast des Mieters von

Wohnraum nicht auf Reparaturen beziehen darf, die höhere Kosten als den für Kleinreparaturen veranschlagten Betrag verursachen. Das Gleiche gilt bei einer vorgesehenen Beteiligung für Neuanschaffungen1317. 532 Die Kleinreparaturen dürfen sich nur auf solche Teile der Mietsache beziehen, die dem Zugriff des Mie-

ters ausgesetzt sind1318. Denn die Kleinreparatur soll die Abgrenzung zwischen § 538 BGB und Ansprüchen des Vermieters aus pVV (§ 280 Abs. 1 BGB) erleichtern bzw. auf die gravierenden Fälle beschränken. Deshalb sollen bei der Anwendung der Klausel Kosten nicht zu erstatten sein, die sich auf Maßnahmen beziehen, die nicht durch Einfluss des Mieters verursacht wurden (hier: zerbrochene Fensterscheiben1319, Verkalken des Wasserhahns1320, Eckventil unter dem Waschbecken1321). Letzteres ist zweifelhaft. Zwar entsteht die Verkalkung durch die Konsistenz des Wassers. Die Instandsetzung dient aber dem vertragsgemäßen Gebrauch und wird durch die Nutzung verursacht. Eine Einschränkung ist 1306 BGH v. 7.6.1989 – VIII ZR 91/88, MDR 1989, 906 = NJW 1989, 2247; Hanseatisches OLG Hamburg v. 10.4.1991 – 5 U 135/90, WuM 1991, 385. 1307 AG Bingen am Rhein v. 4.4.2013 – 25 C 19/13, WuM 2013, 349; a.A. AG Schöneberg v. 3.8.2017 – 106 C 46/ 17, GE 2018, 463. 1308 Schmidt-Futterer/Langenberg, § 538 BGB Rz. 56; Blank/Börstinghaus, § 535 BGB Rz. 346. 1309 AG Würzburg v. 17.5.2010 – 13 C 670/10, WuM 2010, 561. 1310 BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = ZMR 1991, 290. 1311 Hanseatisches OLG Hamburg v. 10.4.1991 – 5 U 135/90, WuM 1991, 385. 1312 Pfälzisches OLG v. 14.12.1994 – 3 W-RE 195/94, WuM 1995, 144; a.A. OLG Stuttgart v. 12.2.1988 – 2 U 159/87, WuM 1988, 149 = NJW-RR 1988, 585 (8–10 % max., unbedenklich 300 DM bis 400 DM jährlich); OLG Hamburg v. 10.4.1991 – 5 U 135/90, WuM 1991 (385 bis 600 DM). 1313 BGH v. 6.5.1992 – VIII ZR 129/91, MDR 1992, 669 = NJW 1992, 1759. 1314 AG Stuttgart-Bad Cannstatt v. 15.10.2013 – 2 C 1438/13, WuM 2014, 22 (100 Euro). 1315 AG Braunschweig v. 29.3.2005 – 116 C 196/05, ZMR 2005, 717. 1316 AG Hannover v. 9.7.2008 – 564 C 16208/07, WuM 2008, 721. 1317 BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = ZMR 1991, 290. 1318 BGH v. 7.6.1989 – VIII ZR 91/88, MDR 1989, 906 = NJW 1989, 2247. 1319 Hanseatisches OLG Hamburg v. 10.4.1991 – 5 U 135/90, WuM 1991, 385 (387). 1320 AG Gießen v. 30.4.2008 – 40M C 125/08, WuM 2010, 415. 1321 AG Neubrandenburg v. 25.2.2019 – 104 C 843/18, WuM 2019, 352.

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B. Wohnraummiete | Rz. 537 § 535

aber z.B. für Rollladen gerechtfertigt. Denn deren Verschleiß und Instandsetzungsbedarf kann insbesondere durch Einwirkungen von außen hervorgerufen werden. Allenfalls die Rollladengurte unterliegen allein der Nutzung des Mieters. Nicht erfasst sind aber Reparaturen an Spiegeln, Verglasung, Beleuchtungskörpern1322 oder Silikonfugen1323. Von einer Kleinreparaturklausel erfasst wird aber der Kaltwasserabsperrhahn in der Wohnung des Mieters1324. Schließlich darf der Wortlaut der Klausel nur auf eine Kostenerstattung gerichtet sein. Klauseln, die 533 eine Vornahme der Kleinreparatur durch den Mieter vorsehen, sind unwirksam1325. Denn dadurch würde der Mieter seine Gewährleistung gegenüber dem Vermieter gefährden. b) Anwendungsfälle Soweit die grundsätzliche Wirksamkeit gegeben ist, können sich Probleme in der Anwendung der 534 Klausel daraus ergeben, dass die reparierten Teile gerade nicht von der Formulierung der Klausel erfasst werden. Das ist etwa der Fall, wenn die Klausel vorsieht, dass die Kleinreparaturen die „Behebung von Schäden an den Installationsgegenständen für Elektrizität, Wasser und Gas“ etc. umfassen sollen. Dann soll z.B. die Reparatur von Duschstange und Duschabtrennung nicht von der Pflicht zur Kostenübernahme erfasst sein1326. Bezieht sich die Klausel auf Reparaturen an Anlagen und Einrichtungen, gehört dazu nicht die Reparatur von Kippriegeln am Fenster, weil es sich dabei um einen wesentlichen Bestandteil handelt1327. Generell dürfen sich die Kleinreparaturen ohnehin nur auf Gegenstände beziehen, die dem Zugriff des Mieters unterliegen. Darunter fällt eine Gummidichtung der Aufgussleitung nicht1328. Ist im Mietvertrag im Rahmen einer Kleinreparaturklausel die Pflicht des Mieters zur Übernahme der 535 Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten auf Installationsgegenstände beschränkt, die seiner unmittelbaren Einwirkung unterliegen, soll die wirtschaftlich sinnvolle Erneuerung eines verkalkten Wasserhahns im Wege des Austauschs des Auslaufventils nebst Knebel und Dichtungen keine Kleinreparatur darstellen, da der Mieter nicht unmittelbar auf die Verkalkung und die dadurch verursachten Schäden einwirken, sondern nur durch Betätigung des Hahns mittelbar den Durchfluss von Wasser steuern kann1329. Dies ist in zweierlei Hinsicht zweifelhaft: zum einen tritt die Verkalkung der Armatur auch durch Gebrauch ein. Denn je mehr Wasser hindurchfließt, umso schneller tritt die Verkalkung ein. Zum anderen gehört die Erneuerung auch zu den Instandsetzungen1330. c) Rechtsfolgen unwirksamer Klauseln zu Kleinreparaturen Ist die Klausel unwirksam, kann der Vermieter von preisfreiem Wohnraum die Miete nicht mit dem 536 Argument erhöhen, der entsprechende Betrag sei bei der Mietkalkulation nicht berücksichtigt worden1331. Dagegen steht dem Mieter ein Erstattungsanspruch aus § 812 BGB zu, wenn er trotz unwirksamer Klausel Beträge an den Vermieter geleistet oder Kleinreparaturen sogar selbst erbracht hat. Dieser Anspruch unterliegt der Verjährung nach § 548 Abs. 2 BGB. Im preisgebundenen Wohnraum erfolgt nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 3 II. BV eine Steigerung 537 der Kostenmiete um den für Kleinreparaturen vorgesehenen Pauschalwert, indem die nach § 28 Abs. 2 II. BV relevante Instandsetzungspauschale entsprechend geändert wird. Die Erklärung muss den Anforderungen des § 10 WoBindG entsprechen. 1322 1323 1324 1325 1326 1327 1328 1329 1330 1331

AG Zossen v. 11.6.2015 – 4 C 50/15, GE 2015, 921. AG Mitte v. 29.8.2017 – 5 C 93/16, GE 2017, 1227. AG Schöneberg v. 3.8.2017 – 106 C 46/17, GE 2018, 463. BGH v. 6.5.1992 – VIII ZR 129/91, MDR 1992, 669 = NJW 1992, 1759; OLG München v. 2.5.1991 – 29 U 6529/90, MDR 1991, 760 = ZMR 1991, 334. AG Hamburg-Barmbek v. 25.8.2010 – 822 C 55/10, ZMR 2011, 480. AG Hannover v. 26.1.2007 – 437 C 15376/06, WuM 2010, 447. AG Charlottenburg v. 31.8.2011 – 212 C 65/11, GE 2011, 1311. AG Gießen v. 30.4.2008 – 40M C 125/08, WuM 2010, 415 = MM 2010, Nr. 1–2, 38. BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 158/01, MDR 2006, 17 = MietRB 2005, 285 = GuT 2005, 213 = DWW 2005, 372 = ZMR 2005, 844; a.A. Schmidt, NZM 2011, 680 m.w.N. Beyer, NZM 2011, 697 (702).

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§ 535 Rz. 538 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags 2. Wartungsklauseln 538 Bei der Vermietung von technischem Gerät oder der Mitvermietung technischer Anlagen wird dem

Mieter oft formularvertraglich aufgegeben, entsprechende Wartungsverträge auf seine Kosten abzuschließen. Derartige Klauseln sind bei Gewerberaummiete mit § 307 BGB vereinbar, wenn dem Mieter kein bestimmtes Wartungsunternehmen vorgeschrieben wird1332 und das Gerät allein seiner Versorgung dient. Auf dem Gebiet der Wohnraummiete setzt die Vereinbarkeit mit § 307 BGB grundsätzlich voraus, dass – Wartungsgegenstand und -intervall (z.B. jährlich) festgelegt sind, – der Mieter nicht zur Vornahme der Arbeiten selbst verpflichtet wird1333, und – die Klausel eine Obergrenze enthält, bis zu welcher der Mieter die jährlich entstehenden Wartungskosten zu tragen hat1334 (vgl. aber § 535 BGB Rz. 538a). 538a Einer Obergrenze in der Klausel bedarf es nicht, wenn sich die Bestimmbarkeit der Kosten aus

anderem Zusammenhang ergibt. Das ist z.B. der Fall, wenn § 2 Nr. 4d BetrKV zur inhaltlichen Konkretisierung herangezogen werden kann. Danach kann der Vermieter die Kosten für die Wartung einer Gastherme gerade ohne Kostenbegrenzung auf den Mieter umlegen1335. Das Gleiche gilt für Warmwassergeräte (§ 2 Br. 5c BetrKV) sowie für verbundene Etagenheizungen und Warmwasserversorgungsanlagen (§ 2 Nr. 6c BetrkV). Im Hinblick auf die in diesen Vorschriften konkret bezeichneten Leistungen ist der Mieter in der Lage, die auf ihn entfallenden Kosten zu kalkulieren. 539 Ist eine Wartungsklausel unwirksam, kann der Vermieter die Kosten nicht als Betriebskosten z.B. im

Rahmen des § 2 Nr. 4d BetrKV. Denn damit würde er sich als Verwender von AGB auf deren Unwirksamkeit berufen. Dies verstößt gegen das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens1336. 3. Schönheitsreparaturen 540 Grundsätzlich gehören die Schönheitsreparaturen als Erhaltungsmaßnahme zum Pflichtenpro-

gramm des Vermieters nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB. Schon wegen der unterschiedlichen Geschmacksvorstellungen, aber auch wegen der Probleme bei der Realisierung der Renovierung (Abstimmung des Termins, Abrücken der Möbel etc.), sind die Vermieter bestrebt, die Last der Renovierung auf den Mieter zu übertragen. Dazu sind verschiedene Modelle denkbar. 541 Neben der Übertragung der Ausführung kommen unterschiedliche finanzielle Gestaltungen vor. So

gibt es Vertragsmuster, die eine Pauschale (ähnlich § 28 Abs. 4 II. BV) ausweisen. Danach ist der Vermieter zur Durchführung verpflichtet, macht aber anhand der Vertragsgestaltung transparent, welcher Betrag in seiner Mietkalkulation für die Renovierung angesetzt worden ist. Davon zu unterscheiden ist eine Klausel, die den Mieter zu einem Kostenbeitrag verpflichtet, sobald der Vermieter die Renovierung erneuert. Derartige Klauseln sind schon deshalb unwirksam, weil der Mieter diese Zahlungspflicht nicht abwenden kann1337. Wird die Pauschale als „Zuschlag“ bezeichnet, bringt das auch i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB (Tranzparenzgebot) ausreichend klar zum Ausdruck, dass es sich um einen Teil der Grundmiete handelt1338. Führt der Mieter in einem solchen Fall dennoch die Renovierung selber aus, besteht grundsätzlich kein Erstattungsanspruch in Höhe der ausgewiesenen Pauschale. Das gilt erst recht nach Ende der Mietzeit, ohne dass der Vermieter renoviert hätte. Denn die Pauschale ist mit Rechtsgrund (= vertragliche Bestimmung) geleistet. Da der Vermieter zur Ausführung verpflichtet ist, kann eine Erstattung der Aufwendungen für die Selbstvornahme nur unter den Voraussetzungen des § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB herbeigeführt werden. Dazu muss der Vermieter aber zunächst in Verzug

1332 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 622. 1333 BGH v. 7.11.2012 – VIII ZR 119/12, MDR 2013, 143 = MietRB 2013, 33 = WuM 2013, 31 = NZM 2013, 84. 1334 BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = ZMR 1991, 290; vgl. aber BGH v. 7.11.2012 – VIII ZR 119/12, MDR 2013, 143 = MietRB 2013, 33 = WuM 2013, 31 = NZM 2013, 84. 1335 BGH v. 7.11.2012 – VIII ZR 119/12, MDR 2013, 143 = MietRB 2013, 33 = WuM 2013, 31 = NZM 2013, 84. 1336 BGH v. 8.7.1998 – XII ZR 64/96, NZM 1998, 718. 1337 LG München I v. 7.4.2016 – 31 S 3878/16, ZMR 2016, 548 = NZM 2016, 382. 1338 BGH v. 30.5.2017 – VIII ZR 31/17, MietRB 2017, 279 = WuM 2017, 456 = GE 2017, 886.

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B. Wohnraummiete | Rz. 545 § 535

gesetzt werden. Für § 812 BGB ist wegen des Rechtsgrundes (Vertragsregelung über die Pauschale) kein Platz1339. Enthält der Mietvertrag neben der Pauschale eine zusätzliche Regelung, die dem Mieter in Aussicht 542 stellt, dass der Vermieter die Summe der auf die Schönheitsreparaturen geleisteten Beträge zurückzahlt, besteht grundsätzlich ein Erstattungsanspruch des Mieters, der ohne besondere Vereinbarung nicht von einer Fristsetzung oder sonstiger vorheriger Information des Vermieters abhängig ist1340. Der Höhe nach berechnet sich der Anspruch nach der vereinbarten Pauschale, die auch nach Auslaufen bzw. ohne Preisbindung an den Werten des § 28 Abs. 4 II.BV orientiert werden kann. Die Erstattungspflicht geht auf den Erwerber über1341. Der Mieter ist nicht gezwungen, den bis zum Vermieterwechsel geleisteten Betrag vom bisherigen Vermieter zu fordern. Bei der Klausel muss jedoch auf die Formulierung geachtet werden. Erweckt die Erstattungsklausel den 542a Eindruck, der Vermieter wolle in Wahrheit die Renovierung nicht selbst ausführen, liegt in der Regel ein Verstoß gegen § 551 Abs. 4 BGB vor. Das ist z.B. anzunehmen, wenn dem Mieter die Renovierung (auch unwirksam) überbürdet wurde und er daneben noch einen Betrag für Schönheitsreparaturen zahlen soll. Denn dann stellt sich die Pauschale im Zweifel als (verdeckte) Sicherheit für eine – im Ergebnis allein gewollte – Ausführung der Renovierung durch den Mieter dar. Dies gilt erst recht, wenn die Zahlung offen als Sicherheit deklariert wird. Deshalb kommt z.B. die wirksame Vereinbarung einer Tapetenabwohnpauschale grundsätzlich nur als Teil der Grundmiete in Betracht1342. Soweit die Ausführung der Renovierung dem Mieter überbürdet wird, nehmen die Schönheitsrepa- 543 raturen als Teil der Erhaltungspflicht des Vermieters einen besonderen Status ein. Ihre Abwälzung ist nämlich Verkehrssitte1343. Deshalb bilden sie eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, wonach von Hauptpflichten nicht durch Formularklauseln abgewichen werden kann. Denn als das AGBG 1977 in Kraft trat, bestand diese Verkehrssitte schon, wie sich aus § 28 Abs. 4 II. BV ergibt. Dieser Verkehrssitte muss sich die Rechtsanwendung anpassen, allerdings nur in dem durch die gesetzliche Definition feststellbaren Umfang. Ein Verstoß gegen § 536 Abs. 4 BGB wird dadurch nicht begründet1344 (§ 535 BGB Rz. 558). a) Begriff der Schönheitsreparaturen Das Gesetz definiert die Schönheitsreparaturen in § 28 Abs. 4 S. 3 II. BV. Für Wohnraum ist diese 544 Begriffsbestimmung abschließend, weil sich nur insoweit die eine Abweichung von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB rechtfertigende Verkehrssitte feststellen lässt. Danach fallen unter die Schönheitsreparaturen – Tapezieren, Anstreichen oder Kalken der Wände – Anstreichen oder Kalken der Decken – Streichen der Fußböden – Streichen der Heizkörper einschl. der Rohre – Streichen der Innentüren – Streichen der Fenster von innen – Streichen der Außentüren von innen Diese Begriffsbestimmung ist identisch mit der des § 7 des Mustermietvertrages 1976, der aber nicht 545 mehr als verbindlich oder Orientierungshilfe herangezogen werden sollte1345. Die Art der aufgezählten Arbeiten zeigt, dass der Begriff einer „Reparatur“ im eigentlichen Sinne nicht gemeint ist. Unter einer Reparatur versteht man üblicherweise die Beseitigung eines Schadens. Dagegen versteht man unter

1339 1340 1341 1342 1343 1344 1345

LG Trier v. 5.6.2012 – 1 S 44/12, NZM 2012, 860. BGH v. 3.12.2014 – VIII ZR 224/13, MDR 2015, 76 = MietRB 2015, 35 = WuM 2015, 80 = GE 2015, 116. BGH v. 3.12.2014 – VIII ZR 224/13, MDR 2015, 76 = MietRB 2015, 35 = WuM 2015, 80 = GE 2015, 116. AG Köln v. 5.2.1991 – 218 C 457/90, WuM 1991, 579. BGH v. 14.7.2004 – VIII ZR 339/03, WuM 2004, 529. A.A. LG Berlin v. 9.3.2017 – 67 S 7/17, MietRB 2017, 128 = WuM 2017, 189 = GE 2017, 416. Vgl. BGH v. 26.9.2007 – VIII ZR 143/06, MDR 2008, 75 = MDR 2007, 455 = WuM 2007, 684 = GE 2007, 1622 = NZM 2007, 879.

Lützenkirchen | 191

§ 535 Rz. 545 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags den Schönheitsreparaturen vereinfacht ausgedrückt die Durchführung von Tapezier- und Anstreicharbeiten zur Verschönerung der Räume bzw. zur Beseitigung von Gebrauchsspuren. Dabei gehört zu den Tapezierarbeiten nicht nur die Verwendung einer Rauhfaser- oder Strukturtapete. Vielmehr kann der Mieter seiner Geschmacksvorstellung entsprechend auch geblümte oder sonstwie gemusterte Tapete verwenden1346. 546 Im Hinblick darauf beziehen sich die Schönheitsreparaturen bei einem Wohnraummietvertrag grund-

sätzlich nur auf das Wohnungsinnere1347. Dies folgt aus der Begriffsdefinition des § 28 Abs. 4 S. 3 II. BV. Zusätzlich spricht § 28 Abs. 4 S. 1 II. BV von den „Kosten der Schönheitsreparaturen in Wohnungen“. Zum Inneren der Wohnung zählt nicht mehr die Falz der Außenfenster1348 oder eine Loggia1349, wohl aber ein Wintergarten, nicht jedoch Kellerräume, Dachboden, Garage, Räumlichkeiten außerhalb der Wohnung wie etwa das Außen-WC, ferner nicht das Treppenhaus bei einem Mehrfamilienhaus1350 (vgl. auch § 535 BGB Rz. 548a). 547 Allein weil der Außenanstrich von Türen und Fenstern in einer Formularklausel nicht ausdrücklich

ausgenommen wird, findet aber keine unzulässige Erweiterung des Begriffs der Schönheitsreparatur statt1351. Davon kann – im Wege der Auslegung – ausgegangen werden, wenn in der betreffenden Passage des Mietvertrages allein vom „Streichen der Türen“ die Rede ist, diese Anordnung jedoch nach dem „Innenanstrich der Fenster“ und vor der Einbeziehung „sämtlicher anderer Anstriche innerhalb der gemieteten Räume“ getroffen wird1352. Eine Formularklausel, die allerdings Renovierungsarbeiten an außen liegenden Einrichtungsgegenständen ausdrücklich vorsieht, ist unwirksam1353. 548 Die Schönheitsreparaturen haben seit der Einführung des § 28 II. BV durch veränderte Einrichtungen,

Fortentwicklung der Malertechnik und „epochenabhängige“ wechselnde Vorstellungen über der zeitgemäßes Wohnen einige Veränderungen erfahren. Denn Wände und Decken werden heute regelmäßig nicht mehr z.B. „gekalkt“ und auch das „Streichen der Fußböden“ ist nicht mehr üblich. Umso mehr erfasst der Begriff der Schönheitsreparaturen daher auch ohne nähere Definition im Mietvertrag die malermäßige Beseitigung von Gebrauchsspuren. Dazu gehört jede Art von Tapezieren von Wänden, das Streichen der Decken, das Streichen von Heizkörpern und Heizrohren, der Innentüren, der Fenster von innen sowie der Außentüre von innen. An die Stelle des Streichens der Fußböden kann die Grundreinigung des Teppichbodens treten1354.

548a Zweifelhaft kann sein, inwieweit der Mieter Schönheitsreparaturen an anderen Bestandteilen der

Mietsache schuldet, die nicht ausdrücklich in der Definition des § 28 Abs. 4 S. 3 II. BV aufgeführt sind (z.B. Holzdecken, Einbauschränke etc.). Der BGH hat eine Ausführungspflicht bisher nicht beanstandet1355. Auszugehen ist von dem Grundsatz, dass die Schönheitsreparaturen unter Berücksichtigung der Fortentwicklung grundsätzlich nur die Leistungen umfassen, die in der Definition des § 28 Abs. 3 S. 3 II. BV erwähnt sind (Wände, Decken, Türen, Fenster, Heikörper etc.). Im Übrigen ist die Definition auszulegen. Das führt dazu, dass (hölzerne) Fuß- bzw. Scheuerleisten zum Fußboden gehören und damit von § 28 Abs. 4 S. 3 II. BVerfasst werden1356. 1346 LG Berlin v. 5.1.2007 – 65 S 224/06, GE 2007, 519 = NZM 2007, 801; LG Hamburg v. 30.11.2006 – 333 S 10/ 06, WuM 2007, 194. 1347 Langenberg, Schönheitsreparaturen, B Rz. 5. 1348 AG Hannover v. 22.8.2003 – 535 C 2521/03, WuM 2007, 406. 1349 BGH v. 18.2.2009 – VIII ZR 210/08, MDR 2009, 621 = MietRB 2009, 192 = WuM 2009, 286 = GE 2009, 573. 1350 Vgl. Harsch, Schönheits- und Kleinreparaturen, Rz. 233 ff. 1351 A.A. LG Berlin v. 18.1.2008 – 63 S 215707, GE 2008, 478. 1352 BGH v. 20.3.2012 – VIII ZR 192/11, WuM 2012, 312. 1353 BGH v. 18.2.2009 – VIII ZR 210/08, MDR 2009, 621 = MietRB 2009, 192 = WuM 2009, 286 = GE 2009, 573 (Außenanstrich der Fenster). 1354 BGH v. 8.10.2008 – XII ZR 15/07, MDR 2009, 255 = MietRB 2009, 69 = WuM 2009, 225 = GE 2009, 111 = NZM 2009, 126. 1355 BGH v. 20.3.2012 – VIII ZR 192/11, WuM 2012, 312 Rz. 8; BGH v. 16.2.2005 – VIII ZR 48/04, MietRB 2005, 225 = WuM 2005, 241; ähnlich LG Marburg v. 19.12.1979 – 2 S 114/79, ZMR 1980, 180; a.A. LG Berlin v. 17.11.2015 – 67 S 359/15, MietRB 2016, 127 = NZM 2016, 125; LG Nürnberg v. 22.4.2005 – 7 S 12672/04, ZMR 2005, 622. 1356 LG Berlin v. 12.2.2016 – 63 S 106/15, GE 2016, 592.

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B. Wohnraummiete | Rz. 552 § 535

Allerdings kann auch geprüft werden, inwieweit durch die notwendige Leistung eine in § 28 Abs. 4 548b S. 3 BGB erwähnte Tätigkeit ersetzt wird, wie das z.B. bei der Grundreinigung des Teppichbodens der Fall ist (vgl. § 535 BGB Rz. 548). Unter dieser Prämisse kann z.B. das Streichen/Lackieren einer Holzdecke/Holzvertäfelung an Wänden zu den Schönheitsreparaturen zählen, obwohl diese Leistung in der Beschreibung der Schönheitsreparaturen nicht erwähnt ist1357. Denn ob nun der Putz oder die Tapete an Decke und Wänden zu streichen sind, macht von der Art der Tätigkeit keinen Unterschied. Die Unwirksamkeit wegen einer solchen Erweiterung kommt nicht in Betracht1358. Das Lackieren von Einbaumöbeln oder das Streichen einer Holzdecke sind für sich genommen Leistungen, die den in § 28 Abs. 4 II. BVerfassten Arbeiten zugeordnet werden können1359. Denn der Mieter erspart an den bedeckten Flächen entsprechende Renovierungsleistungen. Sollen andere als dem klassischen Malerhandwerk zuzuordnende Arbeiten vom Mieter ausgeführt wer- 549 den, kann dies jedenfalls in der Wohnraummiete formularmäßig nicht im Rahmen der Schönheitsreparaturen vereinbart werden, wenn sie in den Bereich der Instandsetzung fallen. Das gilt namentlich für das Abziehen von Parkett- oder Holzboden (s. § 535 BGB Rz. 551), nicht jedoch für das Verschließen von Dübellöchern, deren Herstellung unter § 538 BGB fällt. Zwar sind vor Beginn einer fachgerechten Schönheitsreparatur regelmäßig Dübel zu entfernen und die Löcher zu verspachteln1360, weil sonst die Tapete nicht glatt aufgetragen werden kann. Insoweit ist aber die Grenze zur Instandsetzung noch nicht überschritten, weil es sich um notwendige Vorbereitungsmaßnahmen handelt1361 und der Mieter eine fachgerechte Renovierung schuldet. Der BGH hat den Begriff der Schönheitsreparaturen auch auf die Beseitigung solcher Mängel er- 550 weitert, die durch den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache herbeigeführt werden und – ohne vertragliche Übernahme – gemäß § 538 BGB von dem Mieter nicht zu vertreten sind1362. Durch Schönheitsreparaturen zu beseitigen sind danach die Folgen typischer Gebrauchsbeschädigungen im Rahmen des Vertragszweckes. Demnach zählt u.a. auch die Beseitigung kleinerer Kratzer im Holzwerk mit zu den Arbeiten, die im Rahmen der Ausführung von Schönheitsreparaturen zu erledigen sind. Nicht dagegen kann im Rahmen einer Renovierung verlangt werden, dass der Mieter Untergrundschäden an Holz, Putz und Mauerwerk beseitigt, die nicht auf vertragsgemäßem Gebrauch beruhen, sondern z.B. auf Materialermüdung1363. Die Grenze zur Instandsetzung ist überschritten, wenn eine Klausel dem Mieter von Wohnraum das 551 Abschleifen von Parkettböden auferlegt1364. Ein Verstoß gegen § 307 BGB liegt selbst dann vor, wenn in der Regelung eine Mindestwohndauer von acht Jahren vorgesehen ist1365. Denn bei diesen Arbeiten handelt es sich nicht um typische Schönheitsreparaturen, so dass die Beseitigung von Kratzern und Schmarren im üblichen Umfang auch nicht aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes verlangt werden kann. Dass die Beschädigungen durch nicht vertragsgemäßen Gebrauch entstanden sind, muss der Vermieter im Einzelnen darlegen und beweisen1366. b) Abgrenzung zu Schadensersatz Schönheitsreparaturen können sich auch als Schadensersatz ergeben. Im Hinblick auf § 538 BGB setzt 552 dies voraus, dass sie durch ein pflichtwidriges Verhalten des Mieters verursacht wurden. Dies kommt 1357 LG Marburg v. 19.12.1979 – 2 S 114/79, ZMR 1980, 180; Langenberg, Schönheitsreparaturen, I Rz. 5. 1358 A.A. LG Berlin v. 17.11.2015 – 67 S 359/15, MietRB 2016, 127 = WuM 2016, 97 = NZM 2016, 125. 1359 Langenberg, Schönheitsreparaturen, I Rz. 8: auch ohne besondere Erwähnung; a.A. LG Düsseldorf v. 18.11.2005 – 15 O 143/05, MietRB 2006, 125 (Gewerberaummiete): nur bei ausdrücklicher Vereinbarung. 1360 Das gilt selbst bei einer ungewöhnlich hohen Anzahl (hier 59): AG München v. 18.2.2014 – 473 C 32372/ 13, ZMR 2014, 734. 1361 BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 10/92, MDR 1993, 339 = WuM 1993, 109. 1362 BGH v. 5.10.1994 – XII ZR 15/93, ZMR 1995, 577 = DWW 1995, 279. 1363 LG Berlin v. 29.1.2002 – 64 S 312/01, NZM 2002, 909; a.A. LG Münster v. 4.12.2003 – 8 S 304/03, WuM 2005, 605. 1364 BGH v. 13.1.2010 – VIII ZR 48/09, MDR 2010, 312 = MietRB 2010, 101 = WuM 2010, 85 = GE 2010, 335 = NZM 2010, 157 = ZMR 2010, 432; LG Berlin v. 28.5.2013 – 63 S 347/12, GE 2013, 1004. 1365 OLG Düsseldorf v. 16.10.2003 – 10 U 46/03, WuM 2003, 621 (623). 1366 OLG Düsseldorf v. 16.10.2003 – 10 U 46/03, WuM 2003, 621 (622).

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§ 535 Rz. 552 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags in Betracht, wenn der Mieter vertragliche Nebenpflichten verletzt, etwa die Grenzen des ihm zustehenden vertragsgemäßen Gebrauchs überschreitet und durch Verletzung seiner Obhutspflichten die Mietsache beschädigt oder verschlechtert. Typische Gebrauchsbeschädigungen im Rahmen des Vertragszwecks (z.B. Kratzer im Holzwerk) sind allerdings durch Schönheitsreparaturen im eigentlichen Sinn zu beseitigen. 553 Zur Abgrenzung, ob nun die Erfüllung von Schönheitsreparaturen oder Schadensersatz verlangt wer-

den kann, muss darauf abgestellt werden, ob insbesondere die Verschlechterung der Mieträume noch unter den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache fällt, wobei die Abgrenzungen sowohl nach der Ursache1367 oder der Art des Schadens selbst als auch nach der Art der Schadensbeseitigung nur Hilfsüberlegungen darstellen. Ein abgelaufener Teppichboden oder ein Laufspuren aufweisendes Holzparkett sind zweifellos eine Verschlechterung der Mietsache. Diese ist indessen bedingt durch deren ständigen Gebrauch. Anders hingegen verhält es sich, wenn Teppichböden oder Parkett Beschädigungen aufweisen (z.B. Brand- oder Rotweinflecken). Regelmäßig wird die Frage, ob Schadensersatzansprüche in Betracht kommen, immer dann relevant, wenn es an einer (wirksamen) Renovierungsverpflichtung fehlt, also z.B. keine Renovierungsverpflichtung im Vertrag geregelt wurde, die Klausel über die Überbürdung von Schönheitsreparaturen unwirksam ist oder die Renovierungsverpflichtung noch nicht fällig ist. 554 In diesem Zusammenhang wird diskutiert, ob und ggf. wann die Spuren des Rauchens an Wänden

und Decken oder auf dem Holzwerk (noch) vom vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache (§ 538 BGB) umfasst werden. Dies ist grundsätzlich zu bejahen, solange die Parteien keine andere – das Rauchen einschränkende (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 162, Rauchen) – Vereinbarung getroffen haben1368. Selbst übermäßiges Rauchen wird als vertragsgemäß angesehen (sog. Raucherexzess)1369, solange sich die Spuren durch (einfache) Schönheitsreparaturen beseitigen lassen1370. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob seit der letzten Renovierung erst eine kurze Zeit vergangen ist. Denn Rauchen ist – vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen – grundsätzlich vertragsgemäß, so dass selbst eine „vorzeitige“ Fälligkeit keinen Schadensersatz begründen kann1371. Mit Rücksicht darauf kann ein Schadensersatzanspruch wegen exzessiven Rauchens z.B. nicht durch Rückschluss aus einer vorgelegten Malerrechnung ermittelt werden, wenn dort lediglich Leistungen wie Tapezieren, Spachteln, Grundieren, Streichen genannt werden. Denn derartige Maßnahmen sind üblicherweise veranlasst, um Schönheitsreparaturen auszuführen. Selbst wenn zusätzlich in der Rechnung aufgeführt ist „Decken und Wandflächen mit Isolierfarbe (Nikotin vergilbt) zwischen- und schlussbeschichten“, kann sich eine Schadensersatzpflicht des Mieters erst dann ergeben, wenn aus dem Vortrag des Vermieters ersichtlich ist, ob diese Maßnahme ausschließlich zur Renovierung erforderlich war oder ob sie ganz oder teilweise der Vorbeugung gegen künftige Rauchspuren in der Wohnung dient1372. 555 Schadensersatzansprüche kommen aber in Betracht, wenn sich infolge des Rauchens in der Woh-

nung – der Tabakgeruch „sozusagen wie in einer Gaststätte festsetzt“1373, – Tapeten und Raufaser ablösen1374, diese (schon nach kurzer Mietzeit) mehrfach gestrichen oder speziell behandelt werden mussten1375, 1367 Langenberg, Schönheitsreparaturen, B Rz. 24. 1368 BGH v. 28.6.2006 – VIII ZR 124/05, MDR 2007, 205 = WuM 2006, 513 = NZM 2006, 691 = ZMR 2006, 843; LG Karlsruhe v. 14.1.2000 – 9 S 119/99, WuM 2002, 50; LG Hamburg v. 26.4.2001 – 333 S 156/00, WuM 2001, 469; LG Köln v. 28.6.2001 – 30 S 9/01, WuM 2001, 467; LG Köln v. 19.8.1998 – 9 S 188/98, WuM 1998, 596; LG Saarbrücken v. 25.7.1997 – 13 B S 87/97, WuM 1998, 690; a.A. LG Baden-Baden v. 15.6.2001 – 2 S 138/00, WuM 2001, 603; LG Paderborn v. 23.3.2000 – 1 S 2/00, MDR 2000, 878 = NZM 2000, 710. 1369 A.A. Stangl, ZMR 2002, 734; Stapel, NZM 2000, 595 (jeweils m.w.N.). 1370 BGH v. 5.3.2008 – VIII ZR 37/07, MDR 2008, 617 = MietRB 2008, 161 = WuM 2008, 213. 1371 A.A. LG Hannover v. 29.2.2016 – 12 S 9/13, ZMR 2016, 958 = DWW 2016, 140. 1372 BGH v. 18.3.2015 – VIII ZR 242/13, MietRB 2015, 196 = MDR 2015, 636 = WuM 2015, 343 = ZMR 2015, 690. 1373 AG Tuttlingen v. 19.5.1999 – 1 C 52/99, MDR 1999, 992 = NZM 1999, 1141; ähnlich AG Rosenheim v. 12.4.1994 – 16 C 1946/93, WuM 1995, 583 (584). 1374 AG Tuttlingen v. 19.5.1999 – 1 C 52/99, MDR 1999, 992 = NZM 1999, 1141. 1375 LG Paderborn v. 23.3.2000 – 1 S 2/00, MDR 2000, 878 m. Anm. Dübbers, NZM 2000, 710; AG Bremerhaven v. 12.8.2004 – 56 C 0286/02, WuM 2006, 219; AG Cham v. 11.4.2002 – 1 C 0019/02, ZMR 2002, 761.

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B. Wohnraummiete | Rz. 556 § 535

– Teppichböden trotz mehrfacher Reinigung den Standort der Möbel (farblich) wiedergeben1376 oder – Drückerplatten zur Toilettenspülung derart vergilbt waren, dass aus ursprünglich weißem Material inzwischen ein fast brauner Farbton geworden war1377. Für den Schadensersatzanspruch ist es unerheblich, ob der Mietvertrag eine wirksame Renovierungsklausel enthält. Maßgeblich ist allein, dass spezielle Folgen des Rauchens bestehen, die durch einfache Schönheitsreparaturen nicht beseitigt werden können. Dieser Anspruch beruht wie bei der eigenwilligen Farbwahl (vgl. § 535 BGB Rz. 594) auf der Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme durch den Mieter. Denn am Ende der Mietzeit hat der Vermieter ein höherwertiges Interesse, die Wohnung in einem Zustand zurück zu erhalten, der die Weitervermietung nicht stört. c) Wirksame Überbürdung Die Übertragung der Renovierungspflicht im Allgemeinen oder nur partiell ist im Rahmen einer Indi- 555a vidualvereinbarung grundsätzlich unproblematisch. Die Grenzen der §§ 134, 138 BGB sind kaum zu erreichen. Deshalb kann auch die Anfangsrenovierung individuell auf den Mieter abgewälzt werden. Das gilt selbst im preisgebundenen Wohnraum. Insbsondere ergeben sich insoweit keine Bedenken aus § 9 Abs. 5 WoBindG. Denn die Vereinbarung einer Anfangsrenovierung begründet keine einmalige Leistung i.S. dieser Vorschrift1378. Obwohl die Überbürdung der Renovierung auf den Mieter eine Verkehrssitte darstellt1379, muss eine 555b Vereinbarung geschlossen werden, um die Renovierungspflicht des Mieters zu begründen. Im Hinblick auf § 310 Abs. 3 BGB richtet sich jedenfalls bei der Wohnraummiete die Wirksamkeit (bei Individualvereinbarungen ggf. über § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB) in der Regel nach § 307 BGB, so dass die Klausel im Zweifel als vom Vermieter i.S.v. § 305 BGB gestellt wurde, § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB. Nach der Rechtsprechung des BGH ist das maßgebliche Kriterium für die Bewertung der unangemessenen Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB die synallagmatische Bedeutung der Schönheitsreparaturen. Denn der BGH geht auf der Grundlage des § 28 II. BV davon aus, dass die Schönheitsreparaturen ein Teil der Miete, also der geschuldeten Gegenleistung des Mieters sind1380. Demnach dürfen die Schönheitsreparaturen grundsätzlich nicht die Beseitigung von Gebrauchsspuren erfassen, die nicht vom Mieter stammen. Denn er soll durch die Leistung der Renovierung nur für das „bezahlen“, was er abgewohnt hat. Daneben ist bei der Wirksamkeitsprüfung im Rahmen des § 307 BGB ist zu beachten, dass die Pflicht 556 zur Vornahme von Schönheitsreparaturen, soweit sie dem Mieter im Mietvertrag auferlegt ist, grundsätzlich eine einheitliche, nicht in Einzelmaßnahmen aufspaltbare Rechtspflicht ist mit der Folge, dass die Unwirksamkeit der einen Einzelaspekt der einheitlichen Pflicht in der gebotenen Gesamtschau der Regelung zur Unwirksamkeit der gesamten Vornahmeklausel führt1381. Denn Konkretisierungen der Schönheitsreparaturverpflichtung hinsichtlich ihres gegenständlichen und zeitlichen Umfangs sowie ihrer Ausführungsart sind inhaltlich derart eng mit der Verpflichtung selbst verknüpft, dass diese bei einer Beschränkung der Unwirksamkeit auf die unzulässige Ausführungsmodalität inhaltlich umgestaltet und mit einem anderen Inhalt aufrechterhalten würde; eine solche inhaltliche Umgestaltung der Vornahmepflicht widerspräche dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion unangemessener for-

1376 AG Tuttlingen v. 19.5.1999 – 1 C 52/99, MDR 1999, 992 = NZM 1999, 1141. 1377 LG Koblenz v. 27.10.2005 – 14 S 76/05, ZMR 2006, 288; AG Cham v. 11.4.2002 – 1 C 0019/02, ZMR 2002, 761. 1378 BGH v. 22.8.2018 – VIII ZR 287/17, MietRB 2019, 7 = WuM 2018, 754 = GE 2018, 1585 = NZM 2018, 947. 1379 BGH v. 14.7.2004 – VIII ZR 339/03, WuM 2004, 529 = NZM 2004, 734. 1380 St. Rspr., BGH v. 18.3.2015 – VIII ZR 242/13, MietRB 2015, 196 = MDR 2015, 636 = WuM 2015, 343 = ZMR 2015, 690 m.w.N. 1381 BGH v. 18.3.2015 – VIII ZR 21/13, MDR 2015, 580 = ZMR 2015, 689; BGH v. 13.1.2010 – VIII ZR 48/09, MDR 2010, 312 = MietRB 2010, 101 = WuM 2010, 85 = GE 2010, 335 = NZM 2010, 157 = ZMR 2010, 432 Rz. 14.

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§ 535 Rz. 556 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags mularvertraglicher Regelungen1382. Dies gilt auch, wenn die inhaltliche Ausgestaltung der einheitlichen Pflicht in verschiedenen, sprachlich voneinander unabhängigen Klauseln geregelt ist1383. 556a Entgegen seiner bis dahin gültigen Rechtsprechung1384 hat der BGH1385 im Jahre 2015 aus dem Blick-

winkel der kundenfeindlichsten Auslegung, die mittlerweile als Prüfungsmaßstab im Rahmen des § 307 BGB auch im Individualprozess gilt1386, für die Frage der unangemessenen Benachteiligung darauf abgestellt, ob die Wohnung in unrenoviertem bzw. renovierungsbedürftigem Zustand zu Beginn des Mietvertrages übergeben wurde. War das der Fall, ist der Mieter unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 BGB), weil er die Gebrauchsspuren des Vormieters beseitigen muss. Dies widerspricht in jedem Fall dem Ausgleichsgedanken (= Schönheitsreparaturen sind ein Teil der Gegenleistung)1387. Im Rahmen der kundenfeindlichsten Auslegung greift aber auch die Überlegung, dass der Vermieter den vertragstreuen Mieter davon abhalten kann, die eigentlich vom Vermieter geschuldete Anfangsrenovierung zu fordern1388. 556b Als unrenoviert oder renovierungsbedürftig gilt eine Wohnung nicht erst dann, wenn sie übermäßig

stark abgenutzt oder gar völlig abgewohnt ist1389. Maßgeblich ist, ob die dem Mieter überlassene Wohnung bei einer Gesamtschau1390 erhebliche Gebrauchsspuren aus einem vorvertraglichen Zeitraum aufweist. Auf eine Abgrenzung zwischen einer nicht renovierten und einer renovierungsbedürftigen Wohnung kommt es dabei nicht an, weil beide Begriffe Mieträume mit Gebrauchsspuren beschreiben und die Grenze fließend ist1391. Um vorvertragliche Abnutzungs- und Gebrauchsspuren zu beseitigen und damit eine „renovierte“ Wohnung zu übergeben, muss der Vermieter die Mieträume bei Vertragsbeginn nicht stets komplett frisch renovieren1392. Im Einzelfall kann die Vornahme geringer Auffrischungsarbeiten1393 ausreichen. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) bleiben Abnutzungs- und Gebrauchsspuren außer Acht, die so unerheblich sind, dass sie bei lebensnaher Betrachtung nicht ins Gewicht fallen. Es kommt letztlich darauf an, ob die überlassenen Mieträume den Gesamteindruck einer renovierten Wohnung vermitteln1394. Die Betrachtung kann auf einzelne Räume beschränkt werden. Ist nur ein Raum renovierungsbedürftig, muss der Vermieter in diesem Raum renovieren oder eine Kompensation schaffen (vgl. § 535 BGB Rz. 556e). Ansonsten gilt die Wohnung insgesamt als unrenoviert1395. Eine Reduzierung der formularmäßigen Pflicht des Mieters zur Renovierung auf die renoviert übergebenen Teile kommt schon wegen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion nicht in Betracht1396.

1382 BGH v. 28.3.2007 – VIII ZR 199/06, MDR 2007, 944 = MietRB 2007, 167 = WuM 2007, 259 = ZMR 2007, 528 = NZM 2007, 398 Rz. 11 m.w.N. 1383 BGH v. 13.1.2010 – VIII ZR 48/09, MDR 2010, 312 = MietRB 2010, 101 = WuM 2010, 85 = GE 2010, 335 = NZM 2010, 157 = ZMR 2010, 432 Rz. 14. 1384 Vgl. BGH v. 1.7.1987 – VIII ARZ 9/86, MDR 1987, 927 = WuM 1987, 306; BGH v. 6.7.1988 – VIII ARZ 1/ 88, MDR 1988, 1051 = WuM 1988, 294. 1385 BGH v. 18.3.2015 – VIII ZR 185/14, MDR 2015, 578 = MietRB 2015, 161 = ZMR 2015, 685 = NZM 2015, 374. 1386 BGH v. 29.5.2013 – VIII ZR 285/12, MietRB 2013, 230 = MDR 2013, 900 = GE 2013, 997 m.w.N. 1387 Langenberg, NZM 2014, 299 (300) unter Hinweis auf BGH v. 22.1.2014 – VIII ZR 135/13, GE 2014, 313. 1388 Vgl. LG Heilbronn v. 22.7.2014 – 2 S 63/13, GE 2014, 1453 = IMR 2014, 368; dazu auch Horst, MietRB 2014, 338. 1389 BGH v. 18.3.2015 – VIII ZR 185/14, MDR 2015, 578 = MietRB 2015, 161 = ZMR 2015, 685 = NZM 2015, 374. 1390 BGH v. 18.3.2015 – VIII ZR 185/14, MDR 2015, 578 = MietRB 2015, 161 = WuM 2015, 338 = ZMR 2015, 685 = NZM 2015, 374. 1391 BGH v. 1.7.1987 – VIII ARZ 9/86, MDR 1987, 927 = WuM 1987, 306. 1392 BGH v. 18.3.2015 – VIII ZR 185/14, MDR 2015, 578 = MietRB 2015, 161 = ZMR 2015, 685 = NZM 2015, 374. 1393 BGH v. 18.3.2015 – VIII ZR 185/14, MDR 2015, 578 = MietRB 2015, 161 = WuM 2015, 338 = ZMR 2015, 685 = NZM 2015, 374. 1394 BGH v. 18.3.2015 – VIII ZR 185/14, MDR 2015, 578 = MietRB 2015, 161 = ZMR 2015, 685 = NZM 2015, 374. 1395 Wiek, WuM 2016, 71 (72) m.w.N. 1396 Wiek, WuM 2016, 71 (75).

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B. Wohnraummiete | Rz. 556e § 535

Relevante Gebrauchsspuren sind z.B. gegeben, wenn in der Wohnung 556c – Verschmutzungen an den Wänden und/oder Decken vorliegen, – Wände nicht vollständig gestrichen oder tapeziert sind, – ins Auge fallende Nagel- oder Dübellöcher bestehen, – Schatten von Bildern oder Möbeln sich an der Wand absetzen, – Kratzer an Türen und sonstigem Holzwerk sichtbar sind, – Lackabplatzungen an den Fenstern vorhanden sind1397, – die Renovierung unfachmännisch ausgeführt wurde (vgl. § 535 BGB Rz. 578 f.). Im Übrigen soll ein renovierter Zustand i.d.R. ausgeschlossen sein, wenn der vorherige Nutzer die Wohnung zwar komplett renoviert hat, danach aber noch einige Zeit genutzt (1/4 Jahr) hat1398. Allerdings kann nicht allein auf den Zeitablauf abgestellt werden. Maßgeblich ist, ob die Wohnung erhebliche Gebrauchspuren aufweist1399. Dies kann unterstellt werden, wenn die Parteien die Anfangsrenovierung vertraglich dem Mieter überbürdet haben1400. Der unrenovierte Anfangszustand ist nicht deshalb unerheblich, weil der Mieter sich gegenüber dem 556d Vormieter verpflichtet hat, dessen (vermeintliche) Endrenovierungsverpflichtung zu übernehmen1401. Im Hinblick auf die Relativität von Schuldverhältnissen soll sich die Wirkung der Vereinbarung auf das Verhältnis zwischen den handelnden Personen beschränken. Eine Drittwirkung und damit eine günstige Position für den Vermieter kann nur durch eine Vereinbarung nach § 328 BGB oder § 415 BGB geschaffen werden1402. Dazu muss der Vermieter an der Vereinbarung zwischen Vor- und Nachmieter zunächst zumindest mitwirken. Beschränkt sich aber die Mitwirkung des Vermieters auf eine bloße Zustimmung und erfüllt der (Nach-)Mieter die Verpflichtung aus der Vereinbarung nicht, erhält er tatsächlich eine unrenovierte Wohnung. Außerdem bleibt außer Betracht, dass die Überlassung einer unrenovierten Wohnung im Verhältnis zum Vermieter nur dann unerheblich ist, wenn der Mieter dafür vom Vermieter eine angemessene Vergütung erhält (§ 535 BGB Rz. 556f). Um diese unabweisbare Voraussetzung zu erfüllen, müsste der Vermieter im Verhältnis zum Mieter eine entsprechende Vergütung einbringen. Vor diesem Hintergrund tangiert eine Vereinbarung zwischen dem scheidenden und dem nachfolgenden Mieter die Renovierungspflicht des Mieters nicht, wenn – der Vermieter die (Gegen-)Leistung des neuen Mieters gegenüber dem ausziehenden Mieter in Geld übernimmt, und er die Leistung des alten Mieters (z.B. Einrichtungsgegenstände) unentgeltlich an den einziehenden Mieter überlässt; der Wert der Gegenstände muss „nur“ den Wert einer angemessenen Vergütung haben (§ 535 BGB Rz. 556f), – der Vermieter seine Zustimmung unter dem Vorbehalt erklärt, dass die Endrenovierung – von wem auch immer – vor Beginn des Mietvertrages ausgeführt ist, – der Vermieter auf der Erfüllung des zu Ende gehenden Vertrages (= Endrenovierung) besteht. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Wohnung bereits bei Mietbeginn unrenoviert oder 556e renovierungsbedürftig war, trägt der Mieter1403. Insoweit stehen ihm verschiedene Beweismittel zur Verfügung. Er kann schon bei Mietbeginn darauf hinwirken, dass ein gemeinsames Übergabeprotokoll gefertigt wird. Der Zustand der Wohnung bei Mietbeginn kann fotografisch festgehalten werden. Beweiswert kommt auch Belegen zu, welche die Renovierungskosten des Mieters dokumentieren. Schließlich können etwaige Helfer aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis oder beauftragte Handwerker als 1397 LG Berlin v. 4.6.2015 – 67 S 140/15, MDR 2016, 821 = WuM 2015, 541 = ZMR 2015, 714 = GE 2015, 917. 1398 LG Karlsruhe v. 2.11.1989 – 5 S 164/89, WuM 1990, 201; Wiek, WuM 2016, 71 (72). 1399 BGH v. 18.3.2015 – VIII ZR 185/14, MDR 2015, 578 = MietRB 2015, 161 = WuM 2015, 338 = ZMR 2015, 685 = NZM 2015, 374. 1400 LG Berlin v. 9.2.2016 – 63 S 216/14, MietRB 2016, 192, GE 2016, 395. 1401 BGH v. 22.8.2018 – VIII ZR 277/16, MietRB 2018, 289 = MDR 2018, 1304 = WuM 2018, 635 = NZM 2018, 863. 1402 A.A. v. Bressendorf, ZMR 2019, 3 (4). 1403 BGH v. 18.5.1983 – VIII ZR 83/82, MDR 1984, 45 = NJW 1983 (1854) unter II 3; BGH v. 29.5.1991 – IV ZR 187/90, MDR 1991, 1134 = NJW 1991, 2763 unter II 3a; BGH v. 21.11.1995 – XI ZR 255/94, MDR 1996, 273 = NJW 1996, 388 unter II 2b bb; BGH v. 6.12.2002 – V ZR 220/02, MDR 2003, 500 = BGHZ 153, 148 (155); Lehmann-Richter, NZM 2014, 818 (819).

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§ 535 Rz. 556e | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags Zeugen für den Zustand der Wohnung bei Mietbeginn benannt werden1404. Sieht der Mietvertrag ausdrücklich vor, dass der Vermieter keine Arbeiten zu leisten hat, ist der Vortrag des Mieters, die Wohnung sei unrenoviert übergeben worden, nicht ausreichend1405. Er muss entweder den damaligen Zustand beschreiben oder welche Maßnahmen erforderlich waren, um einen bezugsfertigen Zustand herbeizuführen. Zugunsten des Mieters kann Renovierungsbedürftigkeit angenommen werden, wenn die Parteien die Anfangsrenovierung vertraglich dem Mieter überbürdet haben1406. Der Vermieter muss eine etwaige Vereinbarung zwischen dem Vormieter und dem Mieter beweisen. 556f Wurde die Wohnung unrenoviert oder renovierungsbedürftig übergeben, ist die formularvertragli-

che Überwälzung der laufenden Schönheitsreparaturen auf den Mieter gleichwohl wirksam, sofern die Verpflichtung des Mieters zur Beseitigung vorvertraglicher Abnutzungsspuren durch einen vom Vermieter gewährten Ausgleich kompensiert wird, durch den der Mieter so gestellt wird, als sei ihm renovierter Wohnraum überlassen worden1407. Voraussetzung ist stets, dass der Ausgleich, der dem Mieter gewährt ist, angemessen ist. Die Parteien können sich etwa dafür entscheiden, dass der Mieter zum Ausgleich für den Renovierungsaufwand für eine bestimmte Zeit weniger oder gar keine Miete zu entrichten hat1408. Ein (vorformulierter) pauschaler Abzug von 20 % von der Miete für die ersten drei Monate1409 kann nur angemessen sein, wenn durch einen Zusatz (z.B. als Anlage zum Mietvertrag) zu erkennen ist, dass die Parteien durch eine zusätzliche Vergütung (z.B. Zuzahlung des Vermieters, Erlass bestimmter Betriebskosten) auf die konkreten Abnutzungserscheinungen der Wohnung individuell eingegangen sind. In diesem Fall ist auch eine Nulllösung denkbar. Soll die Mietreduzierung über eine längere Dauer gewährt werden, muss die Vereinbarung zugleich sicherstellen, dass der Mieter den Vorteil tatsächlich auch realisieren kann. Dazu wird i.d.R. die Vereinbarung eines Kündigungsverzichts notwendig sein, dessen Laufzeit sich an der Kompensation orientiert. Maßgeblich ist insoweit die objektive Angemessenheit des Ausgleichsbetrages1410 (vgl. auch § 535 BGB Rz. 625). Es ist also zu prüfen, welche Kosten zur Beseitigung der vorhandenen Gebrauchsspuren vom Vermieter im Zeitpunkt der Übergabe hätten aufgewendet werden müssen1411. Danach liegt ein angemessener Ausgleich noch nicht vor, wenn der Mieter zu Beginn des Mietverhältnisses Streicharbeiten in drei von vier Zimmern vornehmen musste und im Gegenzug eine halbe Miete (= 318,62 Euro) erlassen wurde1412. Das Gleiche gilt für eine Zahlung des Vermieters von 200 DM bei Abschluss des Mietvertrages im Jahre 19691413. Dagegen wird der Erlass einer Miete (700 €) für geringe Schäden am Holzfußboden, Scheuerleisten und Türen sowie den mangelnden Anstrich der Wände in Bad und Küche als ausreichend angesehen1414. Bei allem ist zu berücksichtigen, dass „mietfreie Zeit“ im Hinblick auf § 535 BGB die vertragsgemäße Nutzung (= Wohnen) ohne Entgelt bedeutet1415. Diese Leistung wird grundsätzlich nicht gewährt, wenn der Vermieter in der mietfreien Zeit renovieren muss. Die Zeit, die der Mieter für die Renovierung benötigt, muss also grundsätzlich zusätzlich geregelt werden, wenn die Vergütung durch den Vermieter nicht schon weit über dem objektiven Wert der Renovierung liegt. Die Darlegungs- und Beweislast für die Gewährung einer angemessenen Ausgleichsleistung obliegt dem Vermieter als Klauselverwender1416. 1404 BGH v. 18.3.2015 – VIII ZR 185/14, MDR 2015, 578 = MietRB 2015, 161 = ZMR 2015, 685 = NZM 2015, 374. 1405 LG Berlin v. 18.8.2015 – 63 S 114/14, MietRB 2016, 67 = GE 2015, 1163. 1406 LG Berlin v. 9.2.2016 – 63 S 216/14, MietRB 2016, 192 = GE 2016, 395. 1407 Vgl. BGH v. 25.10.1995 – VIII ZR 258/94, MDR 1996, 351 = NJW 1996, 389 unter II 2d; BGH v. 23.4.1991 – XI ZR 128/90, MDR 1991, 720 = BGHZ 114, 238 (246) m.w.N. 1408 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 14/5663, S. 76. 1409 Vgl. Beyer, NZM-Info S. V; Horst, DWW 2015, 82 (84). 1410 AG Mitte v. 11.2.2003 – 25 C 362/01, MM 2003, 384; Artz, WuM 2017, 120 (121). 1411 Wiek, WuM 2016, 71 (74); für eine Orientierung an den Kosten der Eigenarbeit des Mieters: Langenberg, NZM 2015, 684; für eine prozentuale Beteiligung des Vermieters an den Kosten entsprechend dem Grad der Abnutzung: Artz, WuM 2017, 120 (121); dazu kritisch Beyer, WuM 2017, 122. 1412 BGH v. 18.3.2015 – VIII ZR 185/14, MDR 2015, 578 = MietRB 2015, 161 = ZMR 2015, 685 = NZM 2015, 374. 1413 LG Berlin v. 9.2.2016 – 63 S 216/14, MietRB 2016, 192 = GE 2016, 395. 1414 LG Berlin v. 2.10.2015 – 63 S 335/14, MietRB 2016, 97 = GE 2015, 1403. 1415 AG Mitte v. 11.2.2003 – 25 C 362/01, MM 2003, 384. 1416 BGH v. 29.5.1991 – IV ZR 187/90, MDR 1991, 1134 = NJW 1991, 2763.

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B. Wohnraummiete | Rz. 558 § 535

Problematisch sind Klauseln, die die Verpflichtung des Mieters zur Durchführung von Schönheits- 556g reparaturen auf die bei der Übergabe renovierten Teile der Mietsache beschränken. Insoweit nutzt es zunächst nicht, die Renovierungspflicht in einzelne Gewerke aufzuteilen und in mehreren Absätzen zu regeln. Denn die Renovierungspflicht ist im Hinblick auf die durch § 28 Abs. 4 II. BV erfassten Leistungen einheitlich zu sehen1417. Soweit in der Klausel darauf abgestellt wird, dass nur die Teile zu renovieren sind, die in nicht renovierungsbedürftigem Zustand übergeben wurden, soll die Klausel nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sein, weil die Entgeltthese nicht greift1418. Dies ist zweifelhaft, da auch denkbar ist, dass der Vermieter nur ein einzelnes Gewerk aus der Definition des § 28 Abs. 4 II. BV in die Miete kalkuliert und nur diese Leistung vom Mieter nach der Renovierungsklausel verlangt wird. Probleme ergeben sich jedoch durch die Formulierung im Hinblick auf das Transparenzgebot. Denn wird der Mietvertrag nicht nachträglich geschlossen, kann der Mieter den Umfang der übernommenen Pflicht nicht kalkulieren und weiß daher nicht, welche wirtschaftliche Belastung auf ihn zukommt (§ 535 BGB Rz. 98). Der Überbürdung der Renovierungslast kann kein Verstoß gegen § 536 Abs. 4 BGB entgegengehalten 556h werden1419. Zwar wird ist der Mieter durch die Überbürdung der Schönheitsreparaturen gehindert, sich bei erheblicher Abnutzung auf eine Minderung zu berufen. Es ist den Parteien aber unbenommen, die Risikokreise im Rahmen der Sollbeschaffenheit ohne Verstoß gegen § 536 Abs. 4 BGB zu regeln, indem sie die Sollbeschaffenheit festlegen1420 (§ 536 BGB Rz. 68). Sofern nicht bereits der Anfangszustand zu einer unangemessenen Benachteiligung des Mieters i.S.v. § 307 BGB führt, gelten folgende (zusätzliche) Anforderungen für die Wirksamkeitsprüfung nach § 307 BGB: aa) Inhaltlich bestimmte Klausel Die Begründung der Renovierungspflicht des Mieters erfordert zunächst eine inhaltlich bestimmte 557 Klausel. Dazu muss die Regelung den vom Gesetz (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB) abweichenden Inhalt deutlich machen. Dies wird erreicht, indem dem Mieter die Pflicht zur Durchführung von Schönheitsreparaturen auferlegt wird. Auch die Formulierung „Die Kosten der Schönheitsreparaturen trägt der Mieter“ soll ausreichen1421 558 (vgl. ähnliche Formulierungen unter § 535 BGB Rz. 600a). Dies wird aber im Hinblick auf die Vorgaben für Vornahmeklauseln bei Kleinreparaturen (vgl. § 535 BGB Rz. 528) bezweifelt. Dort muss die Kostentragung ausdrücklich geregelt sein, um eine unzulässige Vornahmepflicht zu vermeiden1422. Deshalb ist bei vorformulierten Klauseln zu Kleinrepaturen hinsichtlich des Wortlauts streng zwischen Vornahme und Kostentragung bei der Wirksamkeitsprüfung nach § 307 BGB zu unterscheiden, da die Vornahme u.a. zu einem Verstoß gegen § 536 Abs. 4 führen könnte1423 (vgl. § 535 BGB Rz. 528 f.). Aus diesem Grund wird eine Klausel, die die Tragung der Schönheitsreparaturen formuliert, als unwirksam angesehen1424. Dabei wird übersehen, dass die Schönheitsreparaturen Verkehrssitte (§ 535 BGB Rz. 543) sind1425. Deshalb erkennt der durchschnittlich gebildete Mieter, auf den im Rahmen des Prüfungsmaßstabes nach § 307 BGB abzustellen ist, dass nicht ein und dieselbe Formulierung (objektiv) unterschied-

1417 BGH v. 18.3.2015 – VIII ZR 21/13, MDR 2015, 580 = WuM 2015, 348. 1418 Wiek, WuM 2016, 71 (75). 1419 LG Berlin v. 2.5.2018 – 64 S 120/17, MietRB 2018, 321 = WuM 2018, 643 = GE 2018, 710; a.A. LG Berlin v. 9.3.2017 – 67 S 7/1, MietRB 2017, 1287, WuM 2017, 189 = ZMR 2017, 396 = GE 2017, 416. 1420 BGH v. 15.12.2010 – VIII ZR 113/10, MietRB 2011, 102 = MDR 2011, 216 = WuM 2011, 97 = ZMR 2011, 371. 1421 BGH v. 14.7.2004 – VIII ZR 339/03, WuM 2004, 529. 1422 BGH v. 6.5.1992 – VIII ZR 129/91, MDR 1992, 669 = NJW 1992, 1759; OLG München v. 2.5.1991 – 29 U 6529/90, MDR 1991, 760 = ZMR 1991, 334. 1423 BGH v. 6.5.1992 – VIII ZR 129/91, MDR 1992, 669 = NJW 1992, 1759; OLG München v. 2.5.1991 – 29 U 6529/90, MDR 1991, 760 = ZMR 1991, 334. 1424 LG Berlin v. 9.3.2017 – 67 S 7/17, MietRB 2017, 128 = WuM 2017, 189 = ZMR 2017, 396 = GE 2017, 416; LG Düsseldorf v. 20.6.1986 – 21 S 431/85. WuM 1986, 359; vgl. auch Schmidt-Futterer/Langenberg, § 538 BGB Rz. 151 a.E. und Rz. 163. 1425 So aber: BGH v. 14.7.2004 – VIII ZR 339/03, WuM 2004, 529.

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§ 535 Rz. 558 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags liche Bedeutung hat. Vielmehr enthält die wirksame Kleinreparaturklausel ausdrücklich die Kostentragung und sieht die hier in Rede stehende Formulierung vor, dass die Schönheitsreparaturen zu tragen sind. Damit fordert sie unter Berücksichtigung der Verkehrsitte vom Mieter von vornherein nur eine Arbeitsleistung. Wegen dieser eindeutigen Auslegung greift § 305c Abs. 2 BGB nicht1426. Schließlich ist kein Verstoß gegen § 536 Abs. 4 BGB gegeben. Im Rahmen der Sollbeschaffenheit sind die Parteien befugt, eine Risikoverteilung vorzunehmen. Dies ist z.B. für die Stromversorgung der Wohnung, die regelmäßig dem Mieter obliegt, völlig üblich. Deshalb fällt ein Ausfall der Stromversorgung in seinen Risikobereich1427, ohne dass eine Kollision mit § 536 Abs. 4 BGB besteht. Bei der Abwälzung von Schönheitsreparaturen verlagern die Parteien des Risiko der Abnutzung der Dekoration auf den Mieter. Deshalb begründet eine (erhebliche) Abnutzung keine Abweichung von der Sollbeschaffenheit. bb) Inhaltlich abweichende Begriffsbestimmung 559 Da § 28 Abs. 4 II. BV die Ausnahme von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB definiert, sind Klauseln unwirksam,

die den Begriff der Schönheitsreparaturen erweitern. Maßstab ist die Definition in § 28 Abs. 4 II. BV. Sieht der Mietvertrag eine davon abweichende Begriffsbestimmung vor, führt dies in der Regel zu einer Abweichung, die mit § 307 BGB kollidiert. Insoweit lässt sich auch keine Reduzierung der Klausel auf ein zulässiges Maß z.B. durch Anwendung des blue-pencil-Tests (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 256) herbeiführen. Denn Schönheitsreparaturen werden als Teil der Gegenleistung verstanden. Werden sie durch die Wirksamkeitsprüfung nach § 307 BGB inhaltlich verändert, würde dem Vermieter etwas anderes gegeben, als er als Gegenleistung haben wollte1428. 560 Mit Rücksicht darauf sind Klauseln unwirksam, die die Erneuerung von Teppichböden1429 oder das

Abziehen von Parkettböden der Renovierungspflicht zuordnen. Diese Klauseln halten den Anforderungen des § 307 BGB nicht stand1430. Das Gleiche soll bei einer räumlichen Erweiterung z.B. auf den Außenanstrich der Fenster gelten1431. Von einer solchen Erweiterung ist schon auszugehen, wenn die Klausel entgegen § 28 Abs. 4 II. BV nicht die Einschränkung „von innen“ enthält1432. Derartige Klauseln benachteiligen den Mieter unangemessen, weil der Außenanstrich der Fenster und Türen nicht unter den Begriff der Schönheitsreparaturen fällt, der in § 28 Abs. 4 S. 3 II. BV definiert ist. Soweit es um Türen und Fenster geht, gehöre zu den Schönheitsreparaturen im Sinne dieser Bestimmung, die den Maßstab dafür bildet, welche Arbeiten dem Mieter in einer Formularklausel auferlegt werden dürften, nur das Streichen der Innentüren sowie der Fenster und Außentüren von innen, nicht aber der Außenanstrich von Türen und Fenstern. Ebenso wenig gehört der Anstrich einer Loggia zu den Schönheitsreparaturen1433. 560a Nicht zur Unwirksamkeit führen Abweichungen von der Definition des § 28 Abs. 4 BGB, die nur eine

darin beschriebene Leistung ersetzen. Das gilt z.B. für die Grundreinigung des Teppichbodens, die an die Stelle des Streichens der Fußböden tritt1434. Deshalb kann das Leistungsbild auch auf den Anstrich von Einbaumöbeln erweitert werden. Denn dadurch entfällt regelmäßig ein Teil der Renovierungspflicht an Wänden und Decken1435. 1426 A.A. LG Berlin v. 9.3.2017 – 67 S 7/17, MietRB 2017, 128 = WuM 2017, 189 = GE 2017, 416. 1427 BGH v. 15.12.2010 – VIII ZR 113/10, MietRB 2011, 102 = MDR 2011, 216 = WuM 2011, 97 = GE 2011, 261 = ZMR 2011, 371. 1428 BGH v. 18.2.2009 – VIII ZR 210/08, MDR 2009, 621 = MietRB 2009, 192 = WuM 2009, 286 = GE 2009, 573. 1429 OLG Hamm v. 22.3.1991 – 30 REMiet 3/90, MDR 1991, 629 = WuM 1991, 248; für die Gewerberaummiete: OLG Celle v. 20.11.1996 – 2 U 273/95, NZM 1998, 158 m.w.N. 1430 BGH v. 13.1.2010 – VIII ZR 48/09, MDR 2010, 312 = MietRB 2010, 101 = WuM 2010, 85 = GE 2010, 335 = NZM 2010, 157 = ZMR 2010, 432; LG Berlin v. 28.5.2013 – 63 S 347/12, GE 2013, 1004. 1431 BGH v. 18.2.2009 – VIII ZR 210/08, MDR 2009, 621 = MietRB 2009, 192 = WuM 2009, 286 = GE 2009, 573; LG Berlin v. 11.6.2004 – 65 S 406/03, WuM 2004, 497. 1432 KG v. 17.9.2007 – 8 U 77/07, GE 2008, 987. 1433 BGH v. 18.2.2009 – VIII ZR 210/08, MDR 2009, 621 = MietRB 2009, 192 = WuM 2009, 286 = GE 2009, 573. 1434 BGH v. 8.10.2008 – XII ZR 15/07, MDR 2009, 255 = MietRB 2009, 69 = WuM 2009, 225 = GE 2009, 111 = NZM 2009, 126. 1435 A.A. LG Berlin v. 17.11.2016 – 67 S 359/15, MietRB 2016, 127 = GE 2016, 127.

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§ 535 Rz. 558 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags liche Bedeutung hat. Vielmehr enthält die wirksame Kleinreparaturklausel ausdrücklich die Kostentragung und sieht die hier in Rede stehende Formulierung vor, dass die Schönheitsreparaturen zu tragen sind. Damit fordert sie unter Berücksichtigung der Verkehrsitte vom Mieter von vornherein nur eine Arbeitsleistung. Wegen dieser eindeutigen Auslegung greift § 305c Abs. 2 BGB nicht1426. Schließlich ist kein Verstoß gegen § 536 Abs. 4 BGB gegeben. Im Rahmen der Sollbeschaffenheit sind die Parteien befugt, eine Risikoverteilung vorzunehmen. Dies ist z.B. für die Stromversorgung der Wohnung, die regelmäßig dem Mieter obliegt, völlig üblich. Deshalb fällt ein Ausfall der Stromversorgung in seinen Risikobereich1427, ohne dass eine Kollision mit § 536 Abs. 4 BGB besteht. Bei der Abwälzung von Schönheitsreparaturen verlagern die Parteien des Risiko der Abnutzung der Dekoration auf den Mieter. Deshalb begründet eine (erhebliche) Abnutzung keine Abweichung von der Sollbeschaffenheit. bb) Inhaltlich abweichende Begriffsbestimmung 559 Da § 28 Abs. 4 II. BV die Ausnahme von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB definiert, sind Klauseln unwirksam,

die den Begriff der Schönheitsreparaturen erweitern. Maßstab ist die Definition in § 28 Abs. 4 II. BV. Sieht der Mietvertrag eine davon abweichende Begriffsbestimmung vor, führt dies in der Regel zu einer Abweichung, die mit § 307 BGB kollidiert. Insoweit lässt sich auch keine Reduzierung der Klausel auf ein zulässiges Maß z.B. durch Anwendung des blue-pencil-Tests (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 256) herbeiführen. Denn Schönheitsreparaturen werden als Teil der Gegenleistung verstanden. Werden sie durch die Wirksamkeitsprüfung nach § 307 BGB inhaltlich verändert, würde dem Vermieter etwas anderes gegeben, als er als Gegenleistung haben wollte1428. 560 Mit Rücksicht darauf sind Klauseln unwirksam, die die Erneuerung von Teppichböden1429 oder das

Abziehen von Parkettböden der Renovierungspflicht zuordnen. Diese Klauseln halten den Anforderungen des § 307 BGB nicht stand1430. Das Gleiche soll bei einer räumlichen Erweiterung z.B. auf den Außenanstrich der Fenster gelten1431. Von einer solchen Erweiterung ist schon auszugehen, wenn die Klausel entgegen § 28 Abs. 4 II. BV nicht die Einschränkung „von innen“ enthält1432. Derartige Klauseln benachteiligen den Mieter unangemessen, weil der Außenanstrich der Fenster und Türen nicht unter den Begriff der Schönheitsreparaturen fällt, der in § 28 Abs. 4 S. 3 II. BV definiert ist. Soweit es um Türen und Fenster geht, gehöre zu den Schönheitsreparaturen im Sinne dieser Bestimmung, die den Maßstab dafür bildet, welche Arbeiten dem Mieter in einer Formularklausel auferlegt werden dürften, nur das Streichen der Innentüren sowie der Fenster und Außentüren von innen, nicht aber der Außenanstrich von Türen und Fenstern. Ebenso wenig gehört der Anstrich einer Loggia zu den Schönheitsreparaturen1433. 560a Nicht zur Unwirksamkeit führen Abweichungen von der Definition des § 28 Abs. 4 BGB, die nur eine

darin beschriebene Leistung ersetzen. Das gilt z.B. für die Grundreinigung des Teppichbodens, die an die Stelle des Streichens der Fußböden tritt1434. Deshalb kann das Leistungsbild auch auf den Anstrich von Einbaumöbeln erweitert werden. Denn dadurch entfällt regelmäßig ein Teil der Renovierungspflicht an Wänden und Decken1435. 1426 A.A. LG Berlin v. 9.3.2017 – 67 S 7/17, MietRB 2017, 128 = WuM 2017, 189 = GE 2017, 416. 1427 BGH v. 15.12.2010 – VIII ZR 113/10, MietRB 2011, 102 = MDR 2011, 216 = WuM 2011, 97 = GE 2011, 261 = ZMR 2011, 371. 1428 BGH v. 18.2.2009 – VIII ZR 210/08, MDR 2009, 621 = MietRB 2009, 192 = WuM 2009, 286 = GE 2009, 573. 1429 OLG Hamm v. 22.3.1991 – 30 REMiet 3/90, MDR 1991, 629 = WuM 1991, 248; für die Gewerberaummiete: OLG Celle v. 20.11.1996 – 2 U 273/95, NZM 1998, 158 m.w.N. 1430 BGH v. 13.1.2010 – VIII ZR 48/09, MDR 2010, 312 = MietRB 2010, 101 = WuM 2010, 85 = GE 2010, 335 = NZM 2010, 157 = ZMR 2010, 432; LG Berlin v. 28.5.2013 – 63 S 347/12, GE 2013, 1004. 1431 BGH v. 18.2.2009 – VIII ZR 210/08, MDR 2009, 621 = MietRB 2009, 192 = WuM 2009, 286 = GE 2009, 573; LG Berlin v. 11.6.2004 – 65 S 406/03, WuM 2004, 497. 1432 KG v. 17.9.2007 – 8 U 77/07, GE 2008, 987. 1433 BGH v. 18.2.2009 – VIII ZR 210/08, MDR 2009, 621 = MietRB 2009, 192 = WuM 2009, 286 = GE 2009, 573. 1434 BGH v. 8.10.2008 – XII ZR 15/07, MDR 2009, 255 = MietRB 2009, 69 = WuM 2009, 225 = GE 2009, 111 = NZM 2009, 126. 1435 A.A. LG Berlin v. 17.11.2016 – 67 S 359/15, MietRB 2016, 127 = GE 2016, 127.

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B. Wohnraummiete | Rz. 565 § 535

Ebenso unwirksam ist eine Klausel, die die Renovierungspflicht des Mieters an bestimmte Ereignisse 561 knüpft. Deshalb hält eine Bestimmung, die den Mieter anlässlich einer Modernisierungsmaßnahme des Vermieters zur Renovierung verpflichtet1436, der Inhaltskontrolle nicht stand. Zwar hat der Mieter dadurch möglicherweise Modernisierungskosten gespart1437. Indessen stellt eine solche Überbürdung schon deshalb eine unangemessene Benachteiligung dar, da der Mieter unabhängig von der Fälligkeit der Renovierung zur Leistung verpflichtet wird, ohne zu wissen, ob er die Leistung wird abnutzen können. Nichts anderes gilt, wenn an andere unbestimmte Ereignisse angeknüpft wird. cc) Fälligkeit Der Vermieter kann die Ausführung von Schönheitsreparaturen verlangen, sobald die Verpflichtung 562 des Mieters fällig ist, § 271 BGB. Maßgebliches Kriterium für die Fälligkeit ist die Renovierungsbedürftigkeit der (einzelnen) Räume (§ 535 BGB Rz. 556b), die grundsätzlich konkret festgestellt werden muss. Dazu ist im Rahmen einer Gesamtschau1438 zu ermitteln, ob die dem Mieter überlassene Wohnung erhebliche Gebrauchsspuren aufweist, so dass sie als renovierungsbedürftig angesehen werden kann. Dafür muss die Dekoration regelmäßig verbraucht bzw. abgenutzt sein und müssen sich die Räume in einem mangelhaften, d.h. nicht mehr zur Weitervermietung geeigneten Zustand befinden1439 (vgl. Beispiele § 535 BGB Rz. 556c). Von diesen Anforderungen weicht eine formularmäßige Klausel nicht ab, wenn sie bestimmt: „Alle Schönheitsreparaturen sind fachgerecht, nach Zweck und Art der Mieträume, regelmäßig auszuführen, wenn das Aussehen der Räume des Mietobjektes mehr als nur unerheblich durch den Gebrauch beeinträchtigt wird“1440. Allerdings setzt der Eintritt der Fälligkeit voraus, dass sich die Räume in einem zur Durchführung von 563 Schönheitsreparaturen geeigneten Zustand befinden. Solange Schönheitsreparaturen wegen bauseitiger Schäden nicht sinnvoll und fachgerecht ausgeführt werden können, tritt deren Fälligkeit nicht ein1441. Dazu sind allerdings mehr als einige Risse erforderlich1442. In Betracht kommen Wasserschäden, baubedingte Schimmelbildung, offene Wände wegen Instandsetzung von Leitungen etc. (1) Überbürdung ohne Fristen Oftmals werden Fristenpläne zu der Klausel, mit der die Renovierungspflicht auf den Mieter überbürdet 564 wird, vereinbart, die – jedenfalls von den Verwendern – als Orientierungshilfe für die Bestimmung der Fälligkeit verstanden werden. Auch die Rechtsprechung hat sich zur Bewertung der Fälligkeit an dem Mustermietvertrag des Bundesjustizministeriums (BMJ) von 1976 orientiert, sofern der Mietvertrag keinen Fristenplan regelt1443. Danach sollen Schönheitsreparaturen im Allgemeinen in Küchen, Bädern und Duschen alle drei Jahre, in Wohn- und Schlafräumen, Fluren, Dielen und Toiletten alle fünf Jahre und in anderen Nebenräumen alle sieben Jahre erforderlich sein. Enthält eine Klausel diese Fristen in weicher Form (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 572), führt dies nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Mieters i.S.v. § 307 BGB1444, obwohl die Fristen nicht mehr zeitgerecht sein sollen1445. Wird ein Fristenplan nicht geregelt, muss die Renovierungsbedürftigkeit festgestellt werden. Dazu soll 565 nach einem Teil der Rechtsprechung die Darstellung reiner Abnutzungserscheinungen nicht ausrei-

1436 LG Berlin v. 29.5.2001 – 64 S 599/00, NZM 2002, 121. 1437 BGH v. 30.3.2011 – VIII ZR 173/10, MDR 2011, 591 = MietRB 2011, 170 = WuM 2011, 293 = GE 2011, 681 = ZMR 2011, 622. 1438 BGH v. 18.3.2015 – VIII ZR 185/14, MDR 2015, 578 = MietRB 2015, 161 = WuM 2015, 338 = ZMR 2015, 685 = NZM 2015, 374. 1439 KG v. 28.4.2008 – 8 U 154/07, MietRB 2009, 64 (65) = GE 2009, 448. 1440 LG Dresden v. 14.3.2014 – 4 S 63/13, ZMR 2014, 641 (642) m. Anm. Leist; vgl. auch BGH v. 20.3.2012 – VIII ZR 192/11, ZMR 2012, 617. 1441 KG v. 8.12.2003 – 8 U 163/03, GE 2004, 297. 1442 AG Hamburg v. 17.1.2002 – 37a C 281/00, ZMR 2002, 433. 1443 BGH v. 30.10.1984 – VIII ARZ 1/84, MDR 1985, 400 = WuM 1985, 46. 1444 LG Dresden v. 14.3.2014 – 4 S 63/13, ZMR 2014, 641 (642) m. Anm. Leist. 1445 BGH v. 26.9.2007 – VIII ZR 143/06, MDR 2008, 75 = ZMR 2008, 30 m.w.N.

Lützenkirchen | 201

§ 535 Rz. 565 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags chen. Vielmehr wird eine Substanzgefährdung der Mietsache verlangt1446. Diese besonderen Anforderungen sind aber nicht gerechtfertigt1447. Es mag zwar sein, das verschmutzte Tapeten oder Decken, verblassende Farben an Türen und Fenstern nicht die Substanz der Mietsache gefährden. Immerhin ist die Renovierungspflicht aber ein Teil der Gegenleistung des Mieters, die in die Kalkulation des Vermieters einfließt. Damit trägt sie zum Äquivalenzverhältnis Rechnung. Das optische Erscheinungsbild einer Dekoration ist auch ein relevanter Faktor bei der Verkehrswertbildung, so dass dem Vermieter das Recht zusteht, auf Einhaltung vertraglich übernommener Verpflichtungen zu bestehen1448. 566 Zur substantiierten Darstellung der Renovierungsbedürftigkeit ist es zumindest erforderlich, für

alle Räume, die renoviert werden sollen, den Zustand der einzelnen Teile (Wände, Decken, Türen, Fenster, Heizkörper etc.) vorzutragen. Die Bezugnahme auf ein Gutachten reicht jedenfalls dann nicht aus, wenn darin nur beschrieben ist, welche Arbeiten auszuführen sind, ohne dass erkennbar ist, warum dies der Fall sein soll1449. Das Gleiche gilt für ein Abnahmeprotokoll, sofern danach die Pflicht zur Renovierung nicht unstreitig ist. Da – auch während des laufenden Mietvertrages – vereinbarte Fristen zumindest als Orientierungshilfe für die Fälligkeit dienen können, kann der Hinweis auf einen vereinbarten Fristenplan die schlüssige Darlegung der Renovierungsbedürftigkeit zumindest erleichtern. (2) Zu kurze Fristen 567 Im Mustermietvertrag des BMJ von 1976 sind Fristen für die Ausführung von Renovierungsleistungen

vorgesehen, und zwar für Küche, Bad und WC eine Frist von drei Jahren, für Wohnräume von fünf Jahren und für Nebenräume von sieben Jahren. Werden davon abweichend im Mietvertrag kürzere Renovierungsfristen geregelt, führt dies grundsätzlich zur Unwirksamkeit der Renovierungsabrede1450, und zwar selbst dann, wenn nur eine von mehreren Fristen zu kurz bemessen ist1451. Deshalb wird Gesamtnichtigkeit der Renovierungsvereinbarung bejaht für den Fall, dass für Anstricharbeiten in den Wohnräumen angemessene Fristen vereinbart wurden, hingegen der Innenanstrich der Fenster, Türen, Heizkörper und -rohre nach vier Jahren vorgesehen war1452. Andererseits1453 wurde für diesen Fall eine Teilnichtigkeit angenommen und die unwirksame Frist durch die des Mustermietvertrages ersetzt. Dies ist jedoch nicht richtig. § 306 BGB schreibt die Geltung des Gesetzes vor. Da der Vermieter durch die kürzere Frist zum Ausdruck bringt, dass er die Gegenleistung des Mieters höher ansetzt als üblich, tritt Gesamtnichtigkeit ein. 568 Der BGH hat zum Ausdruck gebracht, dass die Fristen des Mustermietvertrages des BMJ von 1976 bei

der Beurteilung von Renovierungsklauseln nur noch herangezogen werden können, wenn der Vertragsschluss vor dem 1.1.2008 stattgefunden hat1454. Möglicherweise gelten daher in Zukunft andere, insbesondere längere Fristen. Ein Rückgriff auf die Zeiträume in der Wertermittlungsrichtlinie zur ImmoWertVO 2010 (WertR 2006) ist aber nicht hilfreich1455. Diese Werte repräsentieren nämlich die Lebensdauer der dort bezeichneten Baumaterialien. Um Fristen für eine Abnutzung, die Renovierungsbedarf erzeugt, als Orientierung festlegen zu können, muss auf Erfahrungswerte zurückgegriffen werden. Dazu muss aber hinsichtlich der verschiedenen Nutzungen differenziert werden, was letztlich die Einholung von Sachverständigengutachten im Einzelfall erfordert.

1446 LG München I v. 26.2.2004 – 31 S 17622/02, WuM 2004, 602; LG Berlin v. 14.11.1996 – 61 S 309/95, WuM 1997, 210; LG Düsseldorf v. 21.4.1995 – 21 S 403/94, WuM 1996, 90. 1447 BGH v. 6.4.2005 – VIII ZR 192/04, MDR 2005, 921 = WuM 2005, 383 = NZM 2005, 450. 1448 Im Ergebnis ebenso: LG Berlin v. 20.6.2002 – 67 S 466/01, NZM 2004, 458. 1449 OLG Düsseldorf v. 7.4.2005 – I-10 U 191/04, ZMR 2005, 705. 1450 LG Berlin v. 18.3.2003 – 64 S 133/02, MM 2004, (169), 37; AG Mettmann v. 9.3.2004 – 21 C 279/03, WuM 2004, 462; AG Lörrach v. 21.2.1996 – 4 C 66/96, WuM 1996, 613. 1451 Offenlassend LG Frankfurt am Main v. 7.11.2003 – 217 S 38/03, NZM 2004, 62. 1452 LG Berlin v. 7.11.2003 – 63 S 178/03, GE 2004, 425. 1453 LG Köln v. 26.1.1995 – 1 S 106/94, KM 31 Nr. 15. 1454 BGH v. 26.9.2007 – VIII ZR 143/06, MDR 2008, 75 = MDR 2007, 455 = WuM 2007, 684 = NZM 2007, 879. 1455 A.A. Langenberg, WuM 2006, 122 (der danach Fristen von 5, 8 und 10 Jahre entwickelt); vgl. dazu auch BGH v. 26.9.2007 – VIII ZR 143/06, MDR 2008, 75 = MDR 2007, 455 = WuM 2007, 684 = NZM 2007, 879.

202 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 573 § 535

Die Funktion von (allein wirksamen) weichen Fristenplänen besteht in der zeitlichen Orientierung 569 bei der Feststellung der Fälligkeit. Dadurch kann aber weder eine Verbindlichkeit anderer Fristen herbeigeführt noch die richtige Zeitbestimmung ermittelt werden. Demnach beschränkt sich der Zweck von (weichen) Fristenplänen auf eine Beweiserleichterung. Sind 570 nach dem Mietvertrag vereinbarte Regelfristen bei Ende des Mietvertrages nicht abgelaufen, sieht die Regelung über die Renovierung aber vor, dass bei starker oder geringer Abnutzung seit Mietbeginn kürzere oder längere Fristen nach dem Grad der Erforderlichkeit einzuhalten sind, enthält die Klausel damit eine sog. „weiche“ Ausführungsfrist. Soll die Fristenregelung in den AGB aber nur für den Regelfall gelten und Ausnahmen nach dem Erhaltungszustand zulassen, trifft den Mieter die Beweislast, dass entgegen der im Vertrag genannten Frist noch keine Renovierungsbedürftigkeit besteht1456. Nimmt der Vermieter umgekehrt aber für sich eine Verkürzung der Regelfristen in Anspruch, muss er darlegen und beweisen, dass der Erhaltungszustand der Mieträume eine frühere Ausführung der Schönheitsreparaturen erfordert1457. Wer diese Vorteile in Anspruch nehmen will, sollte einen Fristenplan regeln. Dabei muss er jedoch Vor- 571 sorge treffen, dass die gewählten Fristen unangemessen und damit unwirksam sind. Für diesen Fall muss in der Regel der Vermieter den Eintritt der Fälligkeit anhand des Zustandes darlegen und beweisen. Werden weiche Fristen geregelt, ist die Versuchung groß, den Zustand nicht festzuhalten. Werden sie zwar weich, aber zu kurz bemessen, sind sie unwirksam und führen auch keine Orientierungshilfe herbei. Deshalb sollte nicht nur derzeit von der Regelung von Renovierungsfristen abgesehen werden. (3) Starre Fristenpläne Unter „starren Fristenplänen“ sind Vereinbarungen zu verstehen, die für die Fälligkeit allein auf den 572 Fristablauf abstellen, ohne dass – insbesondere unter Berücksichtigung des Transparenzgebotes – der Zustand der Räume von Bedeutung sein soll1458. Diese Klauseln formulieren regelmäßig, dass die Renovierung „spätestens“, „mindestens“ oder „innerhalb“ bestimmter Zeiten auszuführen ist, können aber auch durch die bloße Verwendung der Formulierung „verpflichtet ist“ entstehen. Selbst die Formulierung „Als angemessene Zeitabstände der Schönheitsreparaturen gelten …“ soll unter AGB-Gesichtspunkten die Auslegung als starrer Fristenplan zulassen1459. Der BGH1460 sieht bei Formulierungen, die die Fristen nicht nur als Orientierungshilfe darstellen, eine 573 „starre“ Fälligkeitsregelung, die zu einer unangemessenen Benachteiligung des Mieters führt, und zwar selbst dann, wenn der Fristenplan mit der starren Formulierung in einem gesonderten Absatz geregelt ist1461 oder eine starre Frist nur für einzelne Leistungen der einheitlichen Renovierungspflicht gelten soll1462. Denn auch bei objektiv fehlender Renovierungsbedürftigkeit der Räume bestehe nach dem Wortlaut solcher Klauseln nach Ablauf der im Vertrag genannten Fristen die ausnahmslose Verpflichtung zur Ausführung von Schönheitsreparaturen. Der üblicherweise anfallende Renovierungsbedarf in Wohnräumen sei hingegen dem Mustermietvertrag 1976 des BMJ zu entnehmen. Hiervon würden die entsprechenden Formulierungen insbesondere hinsichtlich der Vorgabe abweichen, wonach der Fristenplan nicht lediglich für den Regelfall des „im Allgemeinen“ entstehenden Renovierungsbedarfs gelten solle, sondern die Renovierung grundsätzlich nach Ablauf der jeweiligen Frist vorgeschrieben sei.

1456 BGH v. 8.10.2008 – XII ZR 84/06, MDR 2009, 77 = MietRB 2008, 354 = GE 2008, 1556 = NJW 2008, 3772 = NZM 2008, 890. 1457 OLG Düsseldorf v. 1.10.2009 – 10 U 58/09, MietRB 2010, 7 = MietRB 2010, 8 = ZMR 2010, 356 = GE 2009, 1553. 1458 Häublein, ZMR 2001, 139 (140) sowie LG Hamburg v. 8.3.2004 – 311 S 104/03, WuM 2004, 194; LG Frankfurt v. 7.11.2003 – 2-17 S 38/03, NZM 2004, 62; LG Gießen v. 4.2.2004 – 1 S 197/03, WuM 2004, 197; LG Duisburg v. 11.11.2003 – 13 S 209/03, NZM 2004, 63. 1459 LG Gießen v. 4.7.2012 – 1 S 11/12, NZM 2013, 122. 1460 BGH v. 18.3.2015 – VIII ZR 21/13, MDR 2015, 580 = WuM 2015, 348 = ZMR 2015, 689; BGH v. 23.6.2004 – VIII ZR 361/03, MDR 2004, 1290 = WuM 2004, 463 = NZM 2004, 653 = MietRB 2004, 313. 1461 BGH v. 22.9.2004 – VIII ZR 360/03, MDR 2005, 84 = MietRB 2005, 1 = NZM 2004, 901 = DWW 2004, 328. 1462 BGH v. 18.3.2015 – VIII ZR 21/13, MDR 2015, 580 = WuM 2015, 348 = ZMR 2015, 689.

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§ 535 Rz. 574 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags 574 Die Unzulässigkeit der Fristenbestimmung führt zur Unwirksamkeit der Schönheitsreparaturverpflich-

tung insgesamt, weil sie sich unmittelbar auf den Inhalt der Renovierungspflicht auswirkt. Denn soll sich die Renovierungspflicht allein an festgelegten Zeiten orientieren, ist auch die Anzahl der während der Dauer eines Mietverhältnisses durchzuführenden Schönheitsreparaturen von dem Fristenplan abhängig, so dass die bestimmten Zeiten auch die wirtschaftliche Belastung festlegen1463. Dies gilt selbst dann, wenn in der Klausel die Fristen nur durch Angabe eines nach Jahren zu bemessenden Zeitraums ohne einen aufweichenden Zusatz („in der Regel“, „im Allgemeinen“, „regelmäßig“ etc.) bezeichnet sind1464. Die Annahme eines starren Fristenplanes ist also nicht nur gerechtfertigt, wenn i.V.m. den Fristen „mindestens“, „spätestens“ oder „innerhalb“ formuliert wird. Gleiches gilt für eine Formulierung, nach welcher auf die üblichen Fristen Bezug genommen wird und diese mit drei Jahren, vier bis fünf Jahren und sechs Jahren angegeben werden1465. 575 Dagegen soll die Übernahme der Formulierung des Mustermietvertrages 1976 („… im Allgemei-

nen …“) zulässig sein und insbesondere nicht zur Annahme einer unzulässigen Bedarfsklausel führen1466. Auch die Formulierung „in der Regel … spätestens …“ führt nicht zur Annahme einer starren Frist, da für den verständigen Mieter ersichtlich ist, dass innerhalb der Fristen eine Renovierung nur durchzuführen ist, wenn eine normale Abnutzung vorliegt1467. Zur Annahme eines flexiblen Fristenplans führt ebenso die Verwendung des Begriffs „regelmäßig“ bei den Fristen1468.

576 Obwohl ein starrer Fristenplan vereinbart wurde, tritt die Unwirksamkeit einer Renovierungsklausel

nicht ein, wenn dem Mieter ein Anspruch auf Verlängerung der Fristen eingeräumt wird1469. Denn insoweit ist für den Mieter ersichtlich, dass der starr scheinende Fristenplan aufgeweicht werden kann. Selbst wenn der Mieter keinen Antrag stellen kann, sondern die Verlängerung vom Vermieter allein nach billigem Ermessen entschieden wird, wird die Starrheit eines Fristenplans wieder aufgehoben1470. 576a Gerade im Zusammenhang mit Fristenplänen finden sich auch oftmals Beweislastregelungen, deren

Wirksamkeit an § 309 Nr. 12 BGB zu messen ist. Dabei ist zunächst davon auszugehen, dass der Vermieter die Fälligkeit der Renovierungsleistung des Mieters zu beweisen hat und ein (wirksamer) Fristenplan – in welcher Form auch immer – nichts anderes als eine unverbindliche Orientierungshilfe darstellt1471. Deshalb verstößt jede davon abweichende vorformulierte Klausel grundsätzlich gegen § 311 Nr. 12 BGB. Dies gilt auch für eine Formularklausel, die dem Mieter aufgibt zu beweisen, dass sich die Fristen im Einzelfall verlängern (z.B. aufgrund des besonderen Zustandes). Denn auch in diesem Fall hat der Vermieter zu beweisen, dass sein Anspruch auf Durchführung der Renovierung überhaupt fällig ist. Allenfalls besteht eine Pflicht des Mieters, die Behauptungen zur Fälligkeit substanziiert zu bestreiten. (4) Bedarfsklausel 577 Eine sog. Bedarfsklausel liegt vor, wenn der Mieter die Renovierung „bei Bedarf“ ausführen soll, sich

die Fälligkeit also am Zustand der Räume im Zeitpunkt der Feststellung orientieren soll. Derartige Klauseln sollen unwirksam sein, wenn die Wohnung bei Vertragsbeginn unrenoviert oder jedenfalls nicht vollständig renoviert war, so dass der Mieter bei Eintritt des „Bedarfs“ auch Abnutzungen des Vormie-

1463 1464 1465 1466 1467 1468 1469 1470 1471

BGH v. 28.6.2006 – VIII ZR 124/05, MDR 2007, 205 = WuM 2006, 513. BGH v. 5.4.2006 – VIII ZR 178/05, MDR 2006, 1273 = MietRB 2006, 230 = WuM 2006, 248. BGH v. 5.4.2006 – VIII ZR 106/05, MDR 2006, 1216 = MietRB 2006, 257 = WuM 2006, 377. BGH v. 28.4.2004 – VIII ZR 230/03, WuM 2004, 333 = NZM 2004, 497 = MietRB 2004, 253. BGH v. 13.7.2005 – VIII ZR 351/04, MDR 2006, 257 = WuM 2005, 716 = ZMR 2005, 934; a.A. OLG Düsseldorf v. 7.10.2004 – I-10 U 70/04, WuM 2004, 603 (605) = NZM 2004, 866. BGH v. 20.3.2012 – VIII ZR 192/11, GE 2012, 821 ZMR 2012, 617. BGH v. 20.10.2004 – VIII ZR 378/03, MDR 2005, 266 = WuM 2005, 50 = ZMR 2005, 109 = MietRB 2005, 62. BGH v. 16.2.2005 – VIII ZR 48/04, MietRB 2005, 225 = WuM 2005, 241 = ZMR 2005, 768 = NZM 2005, 299. BGH v. 18.3.2015 – VIII ZR 21/13, MDR 2015, 580 = WuM 2015, 348 = ZMR 2015, 689 Rz. 15.

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B. Wohnraummiete | Rz. 581 § 535

ters beseitigen muss1472. Demgegenüber sieht der BGH1473 in derartigen Klauseln selbst dann eine wirksame Übertragung der Verpflichtung zur Ausführung von Schönheitsreparaturen auf den Mieter, wenn nach dem Wortlaut auf den „Grad der Abnutzung“ abgestellt wird1474. Allerdings bezieht sich der BGH in seiner Begründung auf den (Regel-)Fristenplan des Mietvertrages 577a des BMJ von 1976, dessen Fristen aus der Sicht eines verständigen Mieters mangels gegenteiliger Anhaltspunkte erst mit dem Beginn des Mietverhältnisses zu laufen beginnen sollen. Ob diese Argumentation im Lichte der kundenfeindlichsten Auslegung und insbesondere vor dem Hintergrund, dass sie auch bei Übergabe einer unrenovierten Wohnung ausreicht, ist zweifelhaft. Denn es lässt sich gerade nicht feststellen, welcher Anteil der Abnutzung auf den Mieter entfällt. Deshalb kann es nicht ausgeschlossen werden, dass der Mieter Abnutzungen des Vormieters beseitigen muss, was zur Unwirksamkeit der Klausel führt (vgl. § 535 BGB Rz. 556). Das muss auch gelten, wenn der Grad der Abnutzung inhaltlich festgelegt wird, indem z.B. für die Fälligkeit auf eine „nicht unerhebliche Abnutzung“ abgestellt wird1475. Maßgeblich ist insoweit allerdings nicht, dass in diesem Fall bereits bei leichter bis mittelgradigen Beeinträchtigungen die Renovierung auszuführen ist1476. Vielmehr tritt die Unwirksamkeit allein deshalb ein, weil der Vermieter vom Mieter damit auch die Beseitigung von Gebrauchsspuren verlangen kann, die nicht von ihm stammen. dd) Art der Ausführung Auch ohne besonderen Zusatz müssen Schönheitsreparaturen stets „fachgerecht in mittlerer Art und 578 Güte“ ausgeführt werden1477. Was darunter zu verstehen ist, wird nicht einheitlich bewertet. Fest steht jedenfalls, dass die Qualität der durchgeführten Arbeiten nicht den Regeln eines Fachhandwerkerbetriebes entsprechen muss1478. Bei der Beurteilung der Qualität können also nicht ohne weiteres die VOB bzw. die dazu ergangenen DIN-Normen angewendet werden. Schönheitsreparaturen entsprechen regelmäßig dann mittlerer Art und Güte, wenn sie, ohne die 579 Mietsache zu beschädigen, sorgfältig und geschickt ausgeführt sind und zu einem Zustand geführt haben, der bis zum Ablauf des nächsten Renovierungsintervalls eine Erneuerung nicht erforderlich macht1479. Eine Aufklärungspflicht des Vermieters, welche Maßnahmen der Mieter treffen muss und welche Qualitätsanforderungen bestehen, besteht nicht. Der Mieter ist grundsätzlich allein für die Erfüllung seiner Pflicht verantwortlich. Nur ausnahmsweise kann sich eine Hinweispflicht des Vermieters zu einer konkreten Ausführungsart 580 ergeben, um die fachgerechte Erfüllung durch den Mieter zu ermöglichen. Das ist z.B. der Fall, wenn sich in den Mieträumen Glasfasertapete befindet, die nicht ohne weiteres von Raufasertapete zu unterscheiden ist und nur mit Latex-, nicht aber mit Dispersionsfarbe gestrichen werden darf1480. Haben die Parteien zur Ausführung der Renovierung keine Vereinbarungen getroffen, kann der Mieter eine unrenoviert überlassene Wohnung mittels einer Lasertechnik bearbeiten1481. Vor allem in den Vertragsmustern der ehemals gemeinnützigen Wohnungsunternehmen findet sich 581 häufig eine Klausel, wonach der Mieter nur mit Zustimmung des Vermieters von der bisherigen Ausführungsart abweichen darf. Eine solche Klausel ist zumindest unklar (§ 305c Abs. 2 BGB)1482. Das 1472 OLG Stuttgart v. 17.2.1989 – 8 REMiet 2/88, MDR 1989, 546 = WuM 1989, 121; LG Köln v. 12.1.1994 – 10 S 372/93, KM 31 Nr. 23. 1473 BGH v. 9.3.2005 – VIII ZR 17/04, MDR 2005, 679 = WuM 2005, 243 = MietRB 2005, 170. 1474 A.A. OLG Celle v. 30.1.1996 – 2 UH 1/96, WuM 1996, 202; LG Gießen v. 4.7.2012 – 1 S 11/12, WuM 2012, 604. 1475 A.A. LG Dresden v. 14.3.2014 – 4 S 63/13, GE 2014, 1587. 1476 So aber OLG Hamm v. 14.7.2009 – 28 U 14/09, MietRB 2009, 330 = WuM 2011, 597. 1477 BGH v. 6.7.1988 – VIII ARZ 1/88, MDR 1988, 1051 = WuM 1988, 294. 1478 LG Frankfurt am Main v. 15.11.1988 – 2/11 S 224/88, WuM 1989, 562; LG Osnabrück v. 30.12.1985 – 2 S 74/84, WuM 1988, 107; AG Friedberg v. 30.1.1985 – C 635/83, WuM 1988, 108. 1479 Lützenkirchen, WuM 1989, 110 (111). 1480 AG Freiburg v. 26.6.2001 – 11 C 4898/00, ZMR 2001, 897. 1481 LG Mannheim v. 27.11.2002 – 4 S 216/01, NZM 2003, 511. 1482 BGH v. 28.3.2007 – VIII ZR 199/06, MDR 2007, 944 = MietRB 2007, 167 = WuM 2007, 259 = ZMR 2007, 528 = NZM 2007, 398.

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§ 535 Rz. 581 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags Gleiche gilt, wenn das Zustimmungserfordernis erst bei erheblichen Abweichungen bestehen soll1483. Die Unklarheit resultiert daraus, dass nicht eindeutig zu ermitteln ist, was unter „Ausführungsart“ zu verstehen ist. Dieser Begriff kann sich entweder auf die Grundausstattung beziehen, auf die Ausgestaltung im Einzelnen oder auf beides. Es ist mithin nicht zu erkennen, ob jegliche Veränderung zustimmungspflichtig sein soll oder wo sonst die Grenze zwischen zustimmungspflichtigen und zustimmungsfreien Veränderungen liegt1484. Ein Zustimmungsvorbehalt für jegliche Abweichung von der bisherigen „Ausführungsart“ – etwa die Wahl eines abweichenden Farbtons des Wand- oder Deckenanstrichs oder einer anderen Tapetenart – würde den Mieter unangemessen in der Möglichkeit beschränken, sich in der Mietwohnung nach seinem Geschmack einzurichten, ohne dass für eine so weitgehende Beschränkung ein anerkennenswertes Interesse des Vermieters zu erkennen ist. Insoweit spielt es keine Rolle, wenn die Klausel und die Renovierungspflicht in zwei unterschiedlichen Abschnitten geregelt sind1485 oder die Zustimmung nur bei erheblichen Abweichungen notwendig sein soll1486. 582 Zur fachgerechten Ausführung gehört jedenfalls am Ende der Mietzeit die Verwendung von wisch- und

waschfester Farbe1487. Dabei ist auch immer zu beachten, dass Raufasertapete drei- oder mehrfach überstrichen werden kann, bevor sie erneuert werden muss1488. Allerdings ist es dem Vermieter jedenfalls AGB-mäßig in der Regel verwehrt, dem Mieter für die Durchführung von Schönheitsreparaturen Vorgaben zu bestimmten Materialien zu machen. Auch die Verwendung der Materialien unterliegt dem Ermessen des Mieters bzw. seinen Geschmacksvorstellungen, solange er keine Veränderung oder Beschädigung der Mietsache herbeiführt. Ergibt daher die kundenfeindlichste Auslegung, dass die Renovierungsklausel ein Verbot der Verwendung wasserlöslicher Farben (Acrylfarbe) enthält und demgegenüber ölhaltige Farbe (Alkydharzfarbe) vorschreibt, ist die gesamte formularmäßige Bestimmung unwirksam1489. 583 Abgesehen davon kommt eine nicht fachgerechte Ausführung in Betracht durch

– – – – – – – – – – –

Pinselhaare und Schmutzpartikel im Lackstrich1490, vor Anstrich der Fenster nicht beseitigte Löcher, Risse und Unebenheiten1491, Verwendung von Mischbinderfarbe, die abkreidet1492, gesundheitsgefährdende Anstriche1493, Überstreichen von Normaltapeten1494, nicht deckenden Anstrich, Nichtabdecken von Holzteilen, die an anzustreichende Tapeten grenzen, Überstreichen von Fliesen oder Tür- und Fensterbeschlägen, Überstreichen einer Stuckdecke, obwohl dies mietvertraglich verboten wurde1495, Kleben von Tapeten verkehrt herum1496, überlappend geklebte Tapeten,

1483 1484 1485 1486 1487 1488 1489 1490 1491 1492 1493 1494 1495 1496

BGH v. 11.9.2012 – VIII ZR 237/11, GuT 2013, 6. Vgl. Langenberg, Schönheitsreparaturen, I. B Rz. 76. LG Berlin v. 29.5.2007 – 63 S 442/06, GE 2007, 845. BGH v. 11.9.2012 – VIII ZR 237/11, ZMR 2013, 108. AG Freiburg v. 9.5.1985 – 3 C 293/84, WuM 1986, 242; a.A. LG Mannheim v. 19.8.1976 – 4 S 41/76, ZMR 1977, 153. AG Münster v. 19.3.1998 – 49 C 774/97, WuM 1998, 569. LG Berlin v. 20.12.2013 – 63 S 216/13, MietRB 2014, 197 = GE 2014, 253. LG Düsseldorf v. 27.6.1989 – 24 S 569/88, DWW 1989, 392; AG Köln v. 25.11.1988 – 205 C 331/88, WuM 1989, 136. AG Köln v. 25.11.1988 – 205 C 331/88, WuM 1989, 136. AG Köln v. 30.4.1985 – 205 C 358/84, WuM 1987, 150. Gather, DWW 1993, 353. Hummel, ZMR 1990, 368. LG Berlin v. 6.8.2002 – 65 S 460/01, WuM 2004, 233. AG Köln v. 11.12.1975 – 151 C 716/74, WuM 1988, 110.

206 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 588 § 535

– Raufasertapete im Bad1497, – Bekleben von Holz (Fenster, Türen etc.) und Küchenwänden mit Kunststofffolie1498. Entsprechen die Arbeiten des Mieters nicht den Qualitätsanforderungen, besteht ein Schadensersatz- 584 anspruch des Vermieters aus § 280 BGB. Dazu muss der Vermieter konkrete Mängel einer Renovierung darlegen und den beanstandeten Zustand beschreiben, damit der Mieter erkennen kann, inwieweit der Vermieter den Vertrag als nicht erfüllt ansieht1499. Befinden sich Teile der Mietsache (hier: Fenster und Türen) aber bereits zu Beginn der Mietzeit in einem desolaten Zustand, hat der Vermieter keinen Schadensersatzanspruch wegen unsachgemäß ausgeführter Schönheitsreparaturen1500. ee) Fachhandwerkerklauseln Der Mieter schuldet zwar auch ohne besondere Erwähnung eine fachgerechte Durchführung. Den- 585 noch kann der Vermieter formularmäßig keine Ausführung durch Fachhandwerker oder entsprechend der Regeln der VOB fordern1501. Derartige sog. Fachhandwerkerklauseln sind unwirksam. Denn der Mieter muss in der Lage sein, auch ohne fremde Hilfe die Vertragserfüllung herbeizuführen. Maßgeblich ist allein das Ergebnis, das fachgerecht mittlerer Art und Güte sein muss. Deshalb ist auch eine „verkappte“ Fachhandwerkerklausel unwirksam. Darunter fallen Klauseln mit 586 der Formulierung „ausführen zu lassen“ o.Ä.1502. Derartige Klauseln sind zumindest unklar, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Denn hinsichtlich einer Ausführung der geschuldeten Schönheitsreparaturen können sie dahin verstanden werden, dass dem Mieter die Möglichkeit einer Selbstvornahme verschlossen sein soll1503. Zwar ist eine andere Auslegung möglich. Sie ist jedoch nicht zwingend und schließt insbesondere nicht die Möglichkeit der gegenteiligen Auslegung aus, nach der dem Mieter entsprechend dem vom Verwender gewählten Wortlaut der Klausel eine Selbstvornahme der Schönheitsreparaturen verschlossen sein sollte. ff) Farbwahl (1) Wirksamkeit von Vorgaben für die Mietzeit Während der Mietzeit kann der Mieter grundsätzlich nach Belieben dekorieren1504. Da der Vermieter 587 am Ende der Mietzeit ein anerkennenswertes Interesse daran hat, die Wohnung in einem Zustand zurückzuerhalten, der ihm die Weitervermietung nicht erschwert, nimmt der Mieter mit einer „originellen“ Farb- oder Ausführungswahl in Kauf, dass er am Ende des Mietverhältnisses einen Neuanstrich in neutralen Farben anbringen muss, obwohl die Dekoration noch nicht abgenutzt ist. Enthält der Formular-Vertrag Farb- oder Ausführungsvorgaben, die auch während des laufenden 588 Mietverhältnisses für den Mieter bei der Ausführung von Schönheitsreparaturen relevant werden können, sind die betreffenden Klauseln unwirksam1505. Denn eine solche Klausel verpflichtet den Mieter dazu, die Wohnung auch während der Dauer des Mietverhältnisses in einem der Farbwahlklausel entsprechenden Zustand „vorzuhalten“. Dabei reicht es im Hinblick auf die kundenfeindlichste Auslegung von AGB bereits aus, dass die Geltung der Farbvorgaben für die Dauer der Mietzeit nicht ausLG Hamburg v. 22.5.1989 – 7 T 57/89, WuM 1991, 29 (zweifelhaft). LG Köln v. 19.2.1988 – 12 S 169/87, WuM 1989, 136. KG v. 24.4.2003 – 12 U 275/01, MietRB 2003, 37 = ZMR 2003, 676. LG Berlin v. 29.1.2002 – 64 S 312/01, NZM 2002, 909. OLG Stuttgart v. 19.8.1993 – 8 REMiet 2/92, WuM 1993, 528. LG München v. 30.9.2009 – 15 S 6274/09, NZM 2010, 40. BGH v. 9.6.2010 – VIII ZR 294/09, MDR 2010, 916 = MietRB 2010, 259 = NZM 2010, 615 = ZMR 2011, 190 m. Anm. Riecke. 1504 BGH v. 18.2.2009 – VIII ZR 166/08, WuM 2009, 224 = GE 2009, 574 = NZM 2009, 313; LG Lübeck v. 21.11.2000 – 14 S 221/00, NZM 2002, 485. 1505 BGH v. 22.2.2012 – VIII ZR 205/11, MDR 2012, 454 = MietRB 2012, 129 = NZM 2012, 338; BGH v. 14.12.2010 – VIII ZR 198/10, MietRB 2011, 103 = WuM 2011, 96 = ZMR 2011, 369; BGH v. 14.12.2010 – VIII ZR 218/10, WuM 2011, 212 = GE 2011, 477; BGH v. 18.2.2009 – VIII ZR 166/08, WuM 2009, 224 = GE 2009, 574 = NZM 2009, 313.

1497 1498 1499 1500 1501 1502 1503

Lützenkirchen | 207

§ 535 Rz. 588 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags geschlossen werden kann. Entsprechend unwirksam sind Klauseln, die dem Mieter bestimmte Dekorationstechniken (hier: Anstrich in Lasurtechnik) verbieten1506. 589 Eine unzulässige Farbwahlvorgabe erfolgt auch durch die Bestimmung, die vom Mieter u.a. das „Wei-

ßen der Decken und Oberwände“1507 verlangt1508. Denn diese Formularklausel benachteiligt den Mieter regelmäßig deshalb unangemessen, weil sie ihn auch während des Mietverhältnisses zu einer Dekoration in einer ihm vorgegebenen Farbwahl verpflichte und dadurch in der Gestaltung seines persönlichen Lebensbereichs einschränkt, ohne dass dafür ein anerkennenswertes Interesse des Vermieters besteht. Jedenfalls soll es nicht fernliegen, unter dem Begriff „Weißen“ nicht lediglich ein Synonym für „Streichen“, sondern auch einen Anstrich in weißer Farbe zu verstehen. Lässt die Klausel somit auch diese Auslegung zu, so sei sie gemäß § 305c Abs. 2 BGB in dieser dem Mieter günstigsten, weil zur Unwirksamkeit der Klausel führenden Auslegung zugrunde zu legen. Versteht man das Weißen wie das umgangssprachliche Tünchen, kann man kaum noch einen Unterschied zu dem in § 28 Abs. 4 II. BV erwähnten Kalken erkennen. Wird aber ausdrücklich die Verwendung von weißer Farbe verlangt, liegt eine unzulässige Farbwahlklausel vor, wenn das Farbdiktat nicht ausdrücklich auf die Rückgabe beschränkt ist1509. (2) Wirksamkeit von Vorgaben für die Rückgabe

590 Der Vermieter ist insbesondere vor dem Hintergrund einer beabsichtigten Weitervermietung daran in-

teressiert, die Wohnung am Ende des Mietverhältnisses mit einer Dekoration zurückzuerhalten, die von möglichst vielen Mietinteressenten akzeptiert wird. Deshalb wird überwiegend angenommen, dass der Mieter nach Treu und Glauben verpflichtet ist, die Wohnung am Ende des Mietverhältnisses nicht mit einer ungewöhnlichen Dekoration zurückzugeben1510. Umso mehr kann der Vermieter verlangen, dass der Mieter die Räume in hellen, neutralen und deckenden Farben gestrichen zurückgibt1511, und zwar auch ohne entsprechende Klausel für die Rückgabe1512. 591 Eine auf den Zeitpunkt der Rückgabe der Wohnung bezogene Klausel mit diesen Vorgaben (helle, neu-

trale und deckende Farben) ist wirksam, wenn sie keine Festlegung auf eine spezielle Dekorationsweise enthält1513. Denn sie stellt auf eine Bandbreite ab, die zu den unterschiedlichsten Einrichtungsstilen passt und deshalb für weite Mieterkreise annehmbar ist. Davon zu unterscheiden ist aber eine Klausel, die den Mieter am Ende der Mietzeit verpflichten soll, die Räume in weiß gestrichen zurückzugeben1514. Die Farbvorgabe bezieht sich zwar nur auf den Zeitpunkt der Rückgabe der Mietsache und erlaubt es dem Mieter somit, die Wohnung während der Mietzeit nach seinem persönlichen Geschmack zu dekorieren. Die Einengung der Farbwahl auf nur eine einzige Farbe („weiß“) im Zeitpunkt der Rückgabe schränkt die Gestaltungsfreiheit des Mieters aber in einer Weise ein, die nicht durch berechtigte Interessen des Vermieters gerechtfertigt ist und den Mieter deshalb unangemessen benachteiligt. Denn das Interesse des Vermieters an der ungestörten Weitervermietung erfordert es nicht, den Mieter für den Zeitpunkt des Auszugs zwingend auf einen weißen Anstrich festzulegen. Auch eine Dekoration in anderen dezenten Farbtönen erschwert eine Weitervermietung nicht. Ob diese Begründung auch auf Klauseln angewendet werden kann, in denen der weiße Anstrich nur für den Fall vorgegeben wird, dass 1506 LG Berlin v. 7.2.2014 – 18 S 108/13, GE 2014, 939. 1507 BGH v. 21.9.2011 – VIII ZR 47/11, MietRB 2012, 5 = GE 2011, 1481; BGH v. 23.9.2009 – VIII ZR 344/08, MDR 2010, 20 = MietRB 2010, 4 = GE 2009, 1488 = NZM 2009, 903. 1508 Nichts anderes gilt, wenn „Weißeln“ verlangt wird: AG München v. 18.2.2014 – 473 C 32372/13, ZMR 2014, 734. 1509 BGH v. 22.2.2012 – VIII ZR 205/11, MDR 2012, 454 = MietRB 2012, 129 = NZM 2012, 338. 1510 Emmerich, NZM 2000, 1165 (1161); Kraemer, NZM 2003, 417 (421); Blank/Börstinghaus, § 535 BGB Rz. 270; zum Gesichtspunkt der Vertragsverletzung vgl. Langenberg, Schönheitsreparaturen, I. E Rz. 372 f. 1511 BGH v. 18.6.2008 – VIII ZR 224/07, MDR 2008, 1028 = MietRB 2008, 257 = NJW 2008, 2499 = WuM 2008, 472 = GE 2008, 1045. 1512 A.A. AG Schöneberg v. 10.9.2013 – 3 C 95/13, GE 2013, 1659. 1513 BGH v. 18.6.2008 – VIII ZR 224/07, MDR 2008, 1028 = MietRB 2008, 257 = NJW 2008, 2499 = WuM 2008, 472 = GE 2008, 1045. 1514 BGH v. 22.2.2012 – VIII ZR 205/11, MDR 2012, 454 = MietRB 2012, 129 = NZM 2012, 338; BGH v. 14.12.2010 – VIII ZR 198/10, MietRB 2011, 103 = WuM 2011, 96 = ZMR 2011, 369; BGH v. 14.12.2010 – VIII ZR 218/10, WuM 2011, 212 = GE 2011, 477.

208 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 594 § 535

eine Endrenovierung fällig ist, ist zweifelhaft. Allerdings muss die Formulierung eindeutig sein. Bezieht sich die Farbvorgabe allein auf die fällige Endrenovierung hält die Klausel § 307 BGB stand („Sind bei Beendigung des Mietvertrages Schönheitsreparaturen fällig, sind diese in weiß auszuführen.“). Die Verpflichtung des Mieters, lackierte bzw. farbig gestrichene Holzteile in keinem anderen als den 592 nach einer Klausel zulässigen Farbtönen zurückzugeben (Hamburger Holzklausel), ist für sich genommen ebenfalls unbedenklich1515. Dies gilt selbst dann, wenn der Wortlaut z.B. in Bezug auf „lackierte“ Holzteile hinsichtlich der farblichen Gestaltung keinen Gestaltungsspielraum einräumt, weil die Klausel den Mieter insoweit auf den allein zulässigen ursprünglichen Farbton festlegt. Denn bei umfassender Würdigung der Interessen der Parteien ist auch diese Beschränkung der Gestaltungsmöglichkeit des Mieters nicht zu beanstanden, weil auf Seiten des Vermieters der Umstand ins Gewicht fällt, dass bei einer transparenten Lackierung oder Lasur eine Veränderung des Farbtons entweder überhaupt nicht mehr oder nur mit einem Eingriff in die Substanz der lackierten/lasierten Holzteile (Abschleifen) rückgängig gemacht werden kann. Eine Veränderung der Mieträume, die eine Substanzverletzung zur Folge habe, ist dem Mieter aber nicht gestattet. (3) Ausführungsbeispiele Für die Farbwahl des Rückgabezustandes ist der Geschmack des (konkreten) Nachmieters nicht aus- 593 schlaggebend1516. Vielmehr kommt es allein darauf an, ob die Farb- oder Ausführungswahl des Mieters die Weitervermietbarkeit erschweren kann1517. Das ist nicht der Fall, wenn sie in hellen, neutralen und deckenden Farben gehalten ist, was mit „vertretbar“1518 nur unzureichend umschrieben ist. Denn der Maßstab ist soweit wie möglich zu objektivieren. Dazu muss der Mieter unaufdringliche Farben und/oder vom Muster her zurückhaltend gestaltete Tapeten wählen1519. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Mieter im Zeitpunkt des Streichens in einer ungewöhn- 594 lichen Farbkomponente noch von seiner Gestaltungsfreiheit Gebrauch machen durfte oder schon Rücksicht auf die (Weiter-)Vermietbarkeit nehmen musste1520. Denn die Pflicht, eine Wohnung, die in außergewöhnlichen Farben gestrichen ist, am Ende der Mietzeit in hellen, deckenden und neutralen Farben gestrichen zurückzugeben, ergibt sich aus §§ 241 Abs. 2, 242 BGB (Gebot der Rücksichtnahme). Am Ende der Mietzeit überwiegt das Interesse des Vermieters an der problemlosen Weitervermietung das Interesse des Mieters an der freien Gestaltung des farblichen Zustandes der Wohnung. Ein abweichender Rückgabezustand begründet weder eine Verletzung der Rückgabepflicht1521 noch ist die Entscheidung über exzessives Rauchen einschlägig1522. Vielmehr ergeben sich Schadensersatzansprüche aus §§ 280, 241 Abs. 2, 242 BGB1523, was insbesondere bei der Schadenshöhe zu berücksichtigen ist. Deshalb ist der Mieter auch bei unwirksamer Renovierungsklausel verpflichtet, die eigenwillige Renovierung in eine helle, neutrale und deckende Dekoration umzuwandeln1524. Im Hinblick darauf, dass der Maßstab für die problemlosen Weitervermietung in hellen, deckenden und neutralen Farben gesehen wird, fallen unter die eigenwillige Renovierung auch Fototapete und Tapete mit außergewöhnlichen Mustern.

1515 BGH v. 22.10.2008 – VIII ZR 283/07, MDR 2009, 75 = MietRB 2009, 1 = WuM 2008, 722 = NZM 2008, 926 = GE 2008, 1621. 1516 AG Oberhausen v. 6.11.1973 – 12 C 421/72, WuM 1975, 14. 1517 BGH v. 6.11.2013 – VIII ZR 416/12, MietRB 2014, 34 = MDR 2014, 78 = WuM 2014, 23 = GE 2014, 49; BGH v. 18.6.2008 – VIII ZR 224/07, MDR 2008, 1028 = MietRB 2008, 257 = NJW 2008, 2499 = WuM 2008, 472 = GE 2008, 1045. 1518 AG Weißenburg v. 30.5.2001 – 2 C 0114/00, WuM 2003, 355. 1519 LG Berlin v. 5.1.2007 – 65 S 224/06, NZM 2007, 801. 1520 BGH v. 6.11.2013 – VIII ZR 416/12, MDR 2014, 78 = MietRB 2014, 34 = WuM 2014, 23 Rz. 15; a.A. LG Nürnberg-Fürth v. 12.9.2003 – 7 S 3578/03, WuM 2007, 406. 1521 A.A. Langenberg, Schönheitsreparaturen, E Rz. 373. 1522 A.A. Eisenschmid, WuM 2010, 459, 466 f. 1523 BGH v. 6.11.2013 – VIII ZR 416/12, MietRB 2014, 34 = MDR 2014, 78 = WuM 2014, 23. 1524 AG Reinbek v. 22.8.2007 – 5 C 212/05, ZMR 2008, 217 (Zebratapete).

Lützenkirchen | 209

§ 535 Rz. 595 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags 595 Sofern der Vermieter daraus einen Schadensersatzanspruch herleiten will, soll er nach der Differenz-

hypothese nur den Mehraufwand verlangen können1525. Dies ist nicht richtig. Denn damit erhielte der Vermieter u.U. „Stückwerk“, was die Weitervermietung (erneut) behindern würde. Deshalb ist es zutreffend, die Renovierungskosten für die gesamte Wohnung anzusetzen und ggf. eine Korrektur über den Abzug „neu für alt“ herbeizuführen1526. Dieser kann bei einer zweieinhalbjährigen Mietzeit 30 % betragen1527. 596 Dies ist jedenfalls dann zweifelhaft, wenn unterstellt werden kann, dass im Zeitpunkt der Rückgabe

die Renovierung in akzeptablen Farben noch nicht fällig gewesen wäre oder vom Nachmieter akzeptiert worden wäre. Dann stellt sich nämlich die Renovierung zur Beseitigung der eigenwilligen Farbkompositionen des Mieters in vollem Umfang als Schaden des Vermieters dar. 597 Im Einzelfall bleibt die Entscheidung jedoch schwierig. Als Orientierung soll die nachstehende Über-

sicht dienen. Danach können folgende Zustände Schwierigkeiten bei der Weitervermietung hervorrufen und müssen daher vom Vermieter nicht akzeptiert werden: – hellblau marmorierte Tapete1528, – (intensiv gestaltete) altrosafarbene Mustertapete1529, – Verwendung von „Schockfarben“1530, – Anstrich in kräftigen Farbtönen (rot, blau, [moos-]grün)1531, – Anstrich der Wände in lila, blau und schwarz1532, – Anstrich der Wände in grüner, roter und blauer Farbe1533, – dunkelbraune Mustertapete und orangefarbene Wischtechnik1534, – Bordüre sowie lindgrüner Anstrich1535, – grellgrüne Küche1536, – Anstrich mit „rotem Vollton“1537, – teils weiß, teils Terracotta-Wischtechnik und maisgelb1538, – blau lackierte Türrahmen1539, – dunkelbrauner Anstrich der Türen1540, – Braunbeizen von weißen Türen1541, – Umlackieren von Fenster- und Türrahmen1542, – Streichen der Türen und Heizkörper mit Wandfarbe1543,

1525 BGH v. 31.8.2010 – VIII ZR 42/09, WuM 2011, 137 = GE 2011, 263; LG Berlin v. 10.6.2002 – 62 S 576/01, MM 2002, 384. 1526 BGH v. 6.11.2013 – VIII ZR 416/12, MietRB 2014, 34 = MDR 2014, 78 = WuM 2014, 23 = GE 2014, 49. 1527 BGH v. 6.11.2013 – VIII ZR 416/12, MietRB 2014, 34 = MDR 2014, 78 = WuM 2014, 23 = GE 2014, 49 Rz. 22. 1528 LG Lübeck v. 21.11.2000 – 14 S 221/00, NZM 2002, 485. 1529 LG Berlin v. 5.1.2007 – 65 S 224/06, NZM 2007, 801. 1530 Hummel, ZMR 1990, 368. 1531 KG v. 9.6.2005 – 8 U 211/04, MDR 2006, 440 = MietRB 2005, 311 = NZM 2005, 663. 1532 Schach, jurisPR-MietR 18/2008 Anm. 2. 1533 AG Burgwedel v. 30.9.2005 – 73 C 123/05, WuM 2005, 771. 1534 LG Berlin v. 30.9.2016 – 65 S 63/16, GE 2016, 1444. 1535 LG Berlin v. 21.8.2001 – 64 S 135/01, NZM 2002, 120. 1536 LG Hamburg v. 15.10.1998 – 327 S 79/98, NZM 1999, 838. 1537 LG Frankfurt am Main v. 31.7.2007 – 2/11 S 125/06, NZM 2007, 922. 1538 AG Schöneberg v. 6.9.2007 – 106 C 332/06, GE 2007, 1493. 1539 LG Berlin v. 29.11.1994 – 64 S 249/94, GE 1995, 115. 1540 KG v. 22.11.1984 – 8 U 87/84, GE 1985, 251. 1541 AG Münster v. 6.5.1987 – 7 C 98/87, WuM 1988, 110. 1542 LG Aachen v. 2.12.1987 – 7 S 234/87, WuM 1988, 300. 1543 AG Hamburg-Altona v. 4.5.2017 – 318b C 31/16, ZMR 2017, 651 (Fristsetzung nach § 281 BGB erforderlich).

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B. Wohnraummiete | Rz. 600a § 535

– farbliche Umgestaltung, die das äußerliche Erscheinungsbild wesentlich verändert (farbig lackierte Naturholzrahmen)1544, – farbig gestrichene Heizkörper1545, – mit Wolken bemalte Decke1546, – Aufkleben einer Fototapete, – Zebratapete1547, – Anbringen von Schaumstoffplatten an der Küchendecke1548. d) Spezielle Klauseln aa) Anfangsrenovierung Die Anfangsrenovierung kann individuell grundsätzlich auf den Mieter übertragen werden. Zur Wirk- 598 samkeit einer solchen Vereinbarung soll dem Mieter allerdings ein angemessener Ausgleich jedenfalls dann zu gewähren sein, wenn er auch zur laufenden Renovierung verpflichtet sein soll1549. Im preisgebundenen Wohnraum verstößt sie nicht gegen § 9 Abs. 1 WoBindG, weil es sich nicht um eine einmalige Leistung handelt1550. Eine Formularklausel ist aber nach § 307 BGB unwirksam. Denn die Schönheitsreparaturen sind ein Teil der Gegenleistung1551. Bei Ausführung der Anfangsrenovierung hat der Mieter aber noch nichts erhalten, was er vergüten könnte. Er tritt also in Vorleistung, ohne jemals die Chance zu haben, eine Leistung des Vermieters abwohnen (= vergüten) zu können. Eine andere Sicht ist nur gerechtfertigt, wenn der Vermieter für die Leistung des Mieters eine Vergütung entrichtet. Diese kann z.B. in einer mietfreien Zeit oder anderen, insbesondere wirtschaftlichen Vorteilen bestehen. Grundsätzlich kann der Mieter nicht verlangen, dass ihm eine frisch renovierte Wohnung überlassen 599 wird. Vielmehr muss er geringfügige Abnutzungserscheinungen hinnehmen; die Räume müssen einen Zustand aufweisen, die den Mieter nicht zwingen, alsbald nach der Übernahme eine Renovierung durchzuführen1552. Ist eine Anfangsrenovierung erforderlich, ohne dass eine vertragliche Regelung über die Zuständig- 600 keit getroffen wird, besteht ein Anspruch des Mieters aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB. Diesen verwirkt er regelmäßig nach etwa sechs Monaten1553. Eine Verjährung tritt nicht ein, weil es sich um einen Teil des Anspruchs aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB handelt, der als Dauerverpflichtung nicht verjährt (vgl. § 535 BGB Rz. 727a). bb) Laufende Renovierung Die Klauseln „Der Mieter trägt die Kosten der Schönheitsreparaturen“1554 oder „Die Schönheitsrepa- 600a raturen werden vom Mieter getragen“1555 sollen klar und verständlich i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB dem Mieter die Vornahme der geschuldeten Arbeiten überbürden. Das begegnet Zweifeln, die aber nicht durchgreifen (§ 535 BGB Rz. 558). Völlig ausreichend ist aber die Formulierung, „Der Mieter führt die Schönheitsreparaturen aus“ oder „Während der Mietzeit übernimmt der Mieter die Schönheitsreparatu-

1544 1545 1546 1547 1548 1549 1550 1551 1552 1553 1554 1555

LG Aachen v. 17.10.1996 – 6 S 90/96, WuM 1998, 596. LG Berlin v. 8.11.1994 – 64 S 213/94, GE 1995, 249. AG Schöneberg v. 6.9.2007 – 106 C 332/06, GE 2007, 1493. AG Reinbek v. 22.8.2007 – 5 C 212/05, ZMR 2008, 217. LG Köln v. 19.2.1988 – 12 S 169/87, WuM 1989, 136. LG Paderborn v. 13.12.2017 – 1 S 10/17, IMR 2018, 143 (Emmert); vgl. auch BGH v. 18.3.2015 – VIII ZR 185/14, MDR 2015, 578 = MietRB 2015, 161 = WuM 2015, 338 = ZMR 2015, 685. LG Berlin v. 17.11.2017 – 63 S 69/17, GE 2017, 1556. BGH v. 1.7.1987 – VIII ARZ 9/86, MDR 1987, 927 = WuM 1987, 306. LG Hamburg v. 15.7.1986 – 16 S 90/86, MDR 1986, 938 = WuM 1986, 275. BGH v. 1.7.1987 – VIII ARZ 9/86, MDR 1987, 927 = WuM 1987, 306. BGH v. 14.7.2004 – VIII ZR 339/03, WuM 2004, 529 = NZM 2004, 734; ähnlich: BGH v. 18.3.2015 – VIII ZR 185/14, MDR 2015, 578 = MietRB 2015, 161 = WuM 2015, 338 = ZMR 2015, 685 = NZM 2015, 374. LG Berlin v. 2.5.2018 – 64 S 120/17, MietRB 2018, 321 = GE 2018, 710.

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§ 535 Rz. 600a | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags ren“ oder ähnlich knapp formulierte Regelungen1556. Wer sich sicher sein will, dass dadurch nicht auch die Renovierung des Mieters anlässlich von Instandsetzungsarbeiten des Vermieters gefordert wird, formuliert ergänzend (sinngemäß), „die auf seiner Abnutzung beruhen“1557. Ausreichend ist aber die Klausel „Der Mieter wird Schönheitsreparaturen nach den Erfordernissen der Praxis vornehmen“, da nach der Verkehrssitte kein Zweifel besteht, dass es sich um eine den Mieter belastende (wirksame) Renovierungsklausel handelt1558. cc) Endrenovierungsklausel 601 Enthält der Mietvertrag keine ausdrückliche Endrenovierungsklausel, aber eine wirksame Verpflich-

tung zur Durchführung der Schönheitsreparaturen während des Mietvertrages, ist spätestens bei Vertragsende zu renovieren, wenn Fälligkeit der Renovierung eingetreten ist1559. In diesem Zusammenhang können Fristen eine Orientierung zur Fälligkeit bieten1560. 602 Ungültig sind Formularklauseln, die den Mieter verpflichten, bei Vertragsende unabhängig vom Zeit-

punkt der zuletzt vom Vermieter oder Mieter ausgeführten Renovierung die Schönheitsreparaturen durchzuführen1561. Nach dem Leitbild der §§ 546, 538 hat der Mieter Veränderungen und Verschlechterungen der Mietsache, die durch den vertragsgemäßen Gebrauch eingetreten sind, bei Rückgabe der Wohnung nicht zu vertreten. Umso mehr kann nicht allein deshalb eine Renovierungspflicht unabhängig vom Renovierungsbedarf konstatiert werden. Immerhin würde davon auch der Fall erfasst, dass der Mieter, der gerade erst renoviert hat und dessen Mietvertrag wegen nachfolgend eingetroffener Kündigung drei Monate später endet, zur Übergabe im renovierten Zustand erneut eine Renovierung ausführen müsste. 603 Daran ändert auch die Konstellation nichts, in der keine Klausel über eine laufende Renovierung ge-

regelt ist, dafür aber eine unbedingte Endrenovierungsverpflichtung (sog. isolierte Endrenovierung). Selbst wenn dem Mieter eine renovierte Wohnung übergeben wurde, ist diese Endrenovierungsklausel unwirksam1562. Denn der Wortlaut verpflichtet den Mieter ebenso zur Renovierung, obwohl kein Renovierungsbedarf (= Fälligkeit von Schönheitsreparaturen) eingetreten ist. Die Unwirksamkeit einer derartigen Konstellation kann nicht dadurch ausgeschlossen werden, dass in einer (zusätzlichen) Regelung klargestellt wird: „Der Vermieter schuldet keine Schönheitsreparaturen.“1563 Denn dies führt zu einer Umgehung des § 306 BGB. Danach gilt nämlich im Falle der Unwirksamkeit nach § 307 BGB die Hauptpflicht des § 535 Abs. 1 BGB. Diese Rechtsfolge würde durch die Klausel abbedungen. 604 Keine Renovierungspflicht zieht eine Klausel nach sich, die den Mieter (lediglich) verpflichtet, die Woh-

nung sauber oder besenrein zu halten oder zu übergeben1564. Bei einer solchen Klausel ist der Mieter nur verpflichtet, grobe Verschmutzungen zu beseitigen („mit dem Besen grob gereinigt“1565). Auch die Regelung, wonach der Mieter die Wohnung in „bezugsfertigem Zustand“ zurückgeben soll, begründet keine Endrenovierungsverpflichtung1566 oder die Anwendung des Summierungseffektes1567. Dem wird entgegengehalten, dass jedenfalls bei gleichzeitiger Übernahme der laufenden Renovierung ein Verstoß

1556 1557 1558 1559 1560 1561 1562 1563 1564 1565 1566 1567

Weitere Beispiele bei Schmidt-Futterer/Langenberg, § 538 BGB Rz. 160 ff. Vgl. Schmidt-Futterer/Langenberg, § 538 BGB Rz. 161. OLG Düsseldorf v. 8.6.2006 – 24 U 166/05, DWW 2007, 20. Hanseatisches OLG Bremen v. 30.8.1982 – 1 UH 1/82 (a), WuM 1982, 317. OLG Hamm v. 27.2.1981 – 4 REMiet 4/80, MDR 1981, 584 = WuM 1981, 77; OLG Frankfurt v. 22.9.1981 – 20 REMiet 1/81, WuM 1981, 272. BGH v. 3.6.1998 – VIII ZR 317/97, MDR 1998, 1155 = WuM 1998, 592. BGH v. 12.9.2007 – VIII ZR 316/06, MDR 2008, 76 = MietRB 2008, 67 = WuM 2007, 682. So aber: Lehmann-Richter, NZM 2014, 818 (820). BGH v. 30.10.1984 – VIII ARZ 1/84, MDR 1985, 400 = WuM 1985, 47; OLG Düsseldorf v. 3.3.1994 – 10 U 133/93, WuM 1994, 323. BGH v. 28.6.2006 – VIII ZR 124/05, MDR 2007, 205 = WuM 2006, 513. BGH v. 10.7.1991 – XII ZR 105/90, MDR 1992, 159 = WuM 1991, 550 = NJW 1991, 2416; BGH v. 13.1.1982 – VIII ZR 186/80, WuM 1982, 296; OLG Düsseldorf v. 11.6.2002 – 24 U 183/01, MDR 2003, 23 = WuM 2002, 545 = ZMR 2003, 25 = DWW 2002, 328; zweifelnd Langenberg, Schönheitsreparaturen, C Rz. 155. BGH v. 12.3.2014 – XII ZR 108/13, MietRB 2014, 168 = MDR 2014, 518 = NZM 2014, 306 = DWW 2014, 127 = ZMR 2014, 622 = NJW 2014, 1444.

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B. Wohnraummiete | Rz. 607a § 535

gegen das Übermaßverbot gegeben sei1568. Dabei wird übersehen, dass die Klausel den Mieter am Ende der Mietzeit nur zur Renovierung zwingt, wenn Renovierungsbedürftigkeit (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 562) besteht. Ansonsten ist die Mietsache nämlich bezugsfertig. Immerhin hat der (nachfolgende) Mieter keinen Anspruch auf eine frisch renovierte Wohnung1569. dd) Tapezierfähigkeit Viele Vermieter überlassen die Wohnung zu Beginn des Mietvertrages im tapezierfähigen Zustand, also 605 ohne Tapete an den Wänden, und verlangen bei Auszug des Mieters die Wiederherstellung dieses Zustandes. Dies hat für den Mieter den Vorteil, dass er sich die Wohnung so dekorieren kann, wie es seinen Geschmacksvorstellungen entspricht, und führt in der Praxis am Ende des Mietvertrages zu keinen Schwierigkeiten über unterschiedliche Geschmacksvorstellungen. Diese Praxis ist jedoch rechtlich höchst zweifelhaft1570, obwohl dazu Klauseln – allerdings mit „AGB-rechtlich gebotenem Warnhinweis“ – vorgeschlagen werden1571. Die Herbeiführung der Tapezierfähigkeit ist ein Teil der im Rahmen der Verpflichtung zur Durch- 606 führung von Schönheitsreparaturen geschuldeten Leistungen. Denn der Mieter muss wenigstens die bei einer Renovierung notwendigen Vorarbeiten (z.B. Abkratzen der Tapete, Glätten der Wände) erbringen. Damit kann die Leistung nicht anders beurteilt werden als die Frage der Durchführung von Schönheitsreparaturen. Dies ruft für den Vermieter bei Beginn des Mietvertrages das Risiko hervor, dass der Mieter ihn auf 607 Durchführung einer Anfangsrenovierung in Anspruch nimmt, weil die Überbürdung der Anfangsrenovierung in jedem Falle unwirksam ist. Enthält der Mietvertrag die Verpflichtung, die Wohnung in jedem Falle bei Beendigung des Mietvertrages in tapezierfähigem Zustand zurückzugeben, ist diese Klausel nach den Grundsätzen für Endrenovierungsklauseln unwirksam, wenn sie nicht darauf abstellt, wann die letzte Renovierung durchgeführt wurde1572. ee) Schiedsgutachterklauseln Zur Vermeidung von Streitigkeiten über die Höhe und den Umfang von nicht oder nicht richtig aus- 607a geführten/erforderlichen Schönheitsreparaturen, Abnutzungen der Mietsache oder Mietsachschäden, welche über den vertragsgemäßen Gebrauch hinausgehen, werden nicht selten Schiedsgutachterabreden in Mietverträgen (vor-)formuliert. Danach soll der Streit (außergerichtlich) i.d.R. durch einen öffentlich bestellten Sachverständigen, entschieden werden, der im Bedarfsfalle z.B. vom Präsidenten der zuständigen IHK/HWK bestimmt wird. Gleichzeitig wird geregelt, dass die Parteien die Ergebnisse dieses Privatgutachtens anerkennen. Derartige Klauseln sind gemäß § 307 BGB bereits deswegen wegen unangemessener Benachteiligung des Verwendungsgegners unwirksam, weil sie den Eindruck erwecken, die Entscheidung des Schiedsgutachters hinsichtlich der Ausführungspflicht zu Schönheitsreparaturen oder zu anderen Schadensbeseitigungspflichten des Mieters sei in jedem Fall bindend selbst dann, wenn sie offenbar unbillig im Sinne des § 319 BGB ist1573. Rechtliches Gehör des Mieters wird nicht gewährt1574. Zudem überlässt die Klausel ihrem Inhalt nach es auch dem Gutachter, Feststellungen zu Fragen vertragsgemäßen oder vertragswidrigen Gebrauches einer Mietsache zu treffen, ohne dass hierfür irgendein rechtstaatliches Verfahren vorgesehen ist und benachteiligt nicht zuletzt deswegen den Mieter unangemessen1575.

1568 Schmidt-Futterer/Langenberg, § 538 BGB Rz. 127. 1569 LG Hamburg v. 15.7.1986 – 16 S 90/86, MDR 1986, 938 = WuM 1986, 275. 1570 LG Düsseldorf v. 7.3.2002 – 21 S 163/01, NZM 2002, 779; LG Saarbrücken v. 21.7.2000 – 13 B S 65/00, NZM 2000, 1179; Lützenkirchen, NZM 1998, 942. 1571 Blank, NZM 1998, 705. 1572 BGH v. 5.4.2006 – VIII ZR 152/05, MDR 2006, 1215 = MietRB 2006, 229 = WuM 2006, 308; BGH v. 5.4.2006 – VIII ZR 109/05, MDR 2006, 1217 = MietRB 2006, 229 = WuM 2006, 310. 1573 BGH v. 14.7.1987 – X ZR 38/86, MDR 1987, 931 = NJW 1987, 2818. 1574 Palandt/Grüneberg, § 317 BGB Rz. 130. 1575 AG Leipzig v. 8.5.2014 – 166 C 3153/13, WuM 2014, 602 = NZM 2015, 83.

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§ 535 Rz. 608 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags e) Summierungseffekt in der Wohnraummiete 608 Da die Renovierungsleistung des Mieters nach ständiger Rechtsprechung des BGH1576 einen Teil der

Gegenleistung des Mieters darstellt, kann die Wirksamkeitsprüfung nicht allein auf die Regelungen beschränkt sein, die für die jeweils relevante Renovierungsphase (Anfangsrenovierung, laufende Renovierung, Endrenovierung) gelten sollen. Vielmehr muss die Gegenleistung als Ganzes bewertet werden, um die Angemessenheit i.S.v. § 307 BGB vollständig erfassen zu können. In diese Prüfung müssen alle die (einheitliche) Renovierungsleistung des Mieters ergänzenden Bestimmungen einbezogen werden. Nur so wird ersichtlich, wie der Vermieter als Verwender der AGB die Gegenleistung des Mieters bewertet hat. 609 Dabei muss zunächst nicht zwischen Individual- und Formularklausel unterschieden werden. Führt

die Summe aller ergänzenden Renovierungsbestimmungen zu einer unangemessenen Benachteiligung des Mieters i.S.v. § 307 BGB, sind die formularmäßigen „Anteile der Gesamtgegenleistung“, also die Formularklauseln, unwirksam. Demnach kann eine Renovierungsklausel für sich genommen wirksam sein; der Verbund mit einer oder mehreren ergänzenden Regelungen zur Renovierung kann jedoch die Unwirksamkeit aller (Formular-)Klauseln herbeiführen1577. Insoweit ist es unerheblich, ob die Verpflichtungen des Mieters, Renovierungsleistungen in den einzelnen Phasen zu erbringen, in einer Bestimmung des Vertrages oder an unterschiedlichen Stellen geregelt ist1578. Solange die weiteren Regelungen keine eigenständige Bedeutung haben, handelt es sich um eine Gesamtregelung zu einer einheitlichen Leistung, nämlich den Schönheitsreparaturen. Dies gilt selbst dann, wenn eine der mehreren Klauseln individualvertraglich zustande gekommen ist1579. 610 Nur solche Klauseln, die zwar die Renovierung betreffen, aber selbständige Geltung haben sollen, also

die eigentliche Renovierungspflicht des Mieters nicht ergänzen, sondern an ihre Stelle treten, werden nicht in die Gesamtbewertung einbezogen1580. Das trifft etwa für die Endrenovierungsklausel zu, die die Pflicht des Mieters nicht allein an die Beendigung des Mietvertrages, sondern zusätzlich an den Ablauf bestimmter Fristen knüpft1581. Durch die zeitliche Komponente wird deutlich, dass die Endrenovierungspflicht als solche unabhängig von der Renovierungspflicht während der Mietzeit stehen soll. Auch die Klauseln zur Abgeltung der Nutzung bei nicht fälliger Renovierung gehören hierher, weil sie einen völlig unabhängigen Aspekt der Renovierungsverpflichtung des Mieters regeln. 611 Auf dieser Grundlage sind folgende Konstellationen zu unterscheiden, wobei darauf zu achten ist, dass

in die Prüfung nur die Vereinbarungen der Parteien einbezogen werden und nicht ihre tatsächlichen Handlungen: aa) Anfangsrenovierung/laufende Renovierung 612 Wird mit dem Mieter die Anfangsrenovierung individuell vereinbart, ergeben sich gegen die Wirk-

samkeit der Bestimmung keine Bedenken1582. Unzulässig ist aber eine Kombination von individuell vereinbarter Anfangsrenovierung (= wirksam) und der formularvertraglich festgelegten laufenden Renovierung zu vereinbaren1583. Diese Kombination führt zur Unwirksamkeit der Klausel für die laufende Schönheitsreparatur. 613 Eine Individualvereinbarung kann z.B. darin gesehen werden, dass der Vermieter dem Mieter die

Übernahme der Wohnung in renoviertem oder unrenoviertem Zustand zur Disposition stellt und sich die Parteien für eine dieser beiden Möglichkeiten entscheiden. Das Gleiche kann gelten, wenn der Ver1576 BGH v. 1.7.1987 – VIII ARZ 9/86, MDR 1987, 927 = WuM 1987, 306 m.w.N. 1577 BGH v. 14.5.2003 – VIII ZR 308/02, MDR 2003, 1041 = MietRB 2003, 1 = ZMR 2003, 653 = WuM 2003, 436. 1578 Langenberg, Schönheitsreparaturen, I. D Rz. 40. 1579 BGH v. 5.4.2006 – VIII ZR 163/05, MDR 2006, 1094 = WuM 2006, 306; BGH v. 2.12.1992 – VIII ARZ 5/92, WuM 1993, 175. 1580 Beyer, GE 2007, 122 (124); a.A. Eisenhardt, WuM 2013, 332. 1581 Beispiel: BGH v. 28.6.2006 – VIII ZR 124/05, MDR 2007, 205 = WuM 2006, 513 = NZM 2006, 691. 1582 Oske, Schönheitsreparaturen, S. 16. 1583 BGH v. 5.4.2006 – VIII ZR 163/05, MDR 2006, 1094 = WuM 2006, 306; OLG Celle v. 3.3.1999 – 2 U 86/98, ZMR 1999, 470; LG Berlin v. 11.7.2000 – 63 S 512/99, ZMR 2001, 31.

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B. Wohnraummiete | Rz. 619 § 535

mieter bei den Vertragsverhandlungen mit dem Mieter die laufende Renovierung zur Disposition stellt, indem er für die Alternativen unterschiedliche Mietpreise nennt. Beruft sich der Mieter z.B. im Rechtsstreit darauf, er habe die Wohnung bei Beginn des Mietvertrages 614 renovieren müssen, ohne dass der Vertrag ausdrücklich eine Verpflichtung zur Anfangsrenovierung regelt, kommt es auf den tatsächlichen Anfangszustand der Räume an1584. War dieser Zustand derartig schlecht, dass eine sofortige Nutzung der Räume nur nach vorheriger Renovierung möglich war, und ist im Mietvertrag z.B. geregelt, dass der Mieter die Wohnung im renovierten Zustand übernimmt, ist von einer stillschweigenden (individuellen) Überbürdung der Anfangsrenovierung auszugehen. Dies gilt erst recht, wenn der Mieter ausdrücklich danach fragt, ob die Wohnung renoviert übergeben wird. Antwortet der Vermieter darauf nicht oder gibt sogar an, dass die Räume unrenoviert übergeben werden, kann eine konkludente Pflicht zur Anfangsrenovierung des Mieters angenommen werden, wenn Renovierungsbedarf (= Fälligkeit von Schönheitsreparaturen) bestand. bb) Laufende Renovierung/Schlussrenovierung Wird die Renovierung während der Laufzeit des Mietvertrages allein individuell auf den Mieter über- 615 tragen, ist sie gültig. Dies rechtfertigt sich schon aus der Überlegung heraus, dass die formularmäßige laufende Renovierung für uneingeschränkt zulässig erachtet wird. Bedenklich ist allerdings die Klauselkombination von Pflicht zur laufenden Renovierung und Pflicht 616 zur (unbedingten) Endrenovierung (vgl. § 535 BGB Rz. 601 ff.). Letzteres ist auch dann für den Summierungseffekt anzunehmen, wenn eine Klausel dem Mieter vorschreibt, die Wohnung in weiß gestrichen zurückzugeben(vgl. dazu § 535 BGB Rz. 591)1585. Nach dem Inhalt einer solchen Klausel kann nämlich über den Summierungseffekt eine unangemessene Benachteiligung des Mieters eintreten. Denn auch hier wird der Fall erfasst, dass der Mieter soeben die laufenden Renovierungsleistungen erbracht hat und kurze Zeit später ohne sein Zutun das Ende der Mietzeit eintritt, so dass er – nach dem Wortlaut des Vertrages – erneut renovieren müsste, ohne dass Renovierungsbedarf besteht. Insoweit ist unerheblich, ob die Klausel über die laufende Renovierung oder die Endrenovierung un- 617 wirksam ist. Ebenso ist es unbedeutend, aus welchem Grund z.B. die Klausel über die laufende Renovierung zu beanstanden ist. Selbst die bloße Vereinbarung eines unwirksamen Fristenplans führt den Summierungseffekt herbei1586, sofern die Klauseln nicht selbständig nebeneinander stehen sollen1587. Wird eine formularmäßige Überwälzung laufender Schönheitsreparaturen mit einer formularmäßigen 618 Endrenovierungsverpflichtung kombiniert, die unabhängig vom Zeitpunkt der letzten Dekorationsarbeiten bestehen soll, tritt der Summierungseffekt ein, der die gesamte Abwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter nach § 307 BGB unwirksam macht1588. Das gilt selbst dann, wenn die (unwirksame) Endrenovierungsklausel erst in der Anlage zum Mietvertrag geregelt ist und die Regelungen wechselseitig Bezug nehmen1589. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Endrenovierungsverpflichtung überhaupt im konkreten Fall 619 zur Anwendung kommt. Die Beurteilung des Summierungseffekts erfolgt abstrakt: Die gesamte Gegenleistung des Mieters wird anhand der Formulierungen des Mietvertrages bewertet, um ihre Unangemessenheit feststellen zu können. Ist ihre Unwirksamkeit gegeben, kann z.B. nicht mehr auf die Klausel zur laufenden Renovierung aus Verzugsgesichtspunkten zurückgegriffen werden1590. A.A. LG Berlin v. 24.8.2001 – 64 S 29/00, NZM 2002, 119. AG Dortmund v. 26.6.2014 – 425 C 2787/14, GE 2014, 1455 = NZM 2014, 826. LG Berlin v. 10.10.2002 – 62 S 213/02, WuM 2002, 668. Beyer, GE 2007, 122 (124). BGH v. 14.5.2003 – VIII ZR 308/02, MDR 2003, 1041 = MietRB 2003, 1 = ZMR 2003, 653 = WuM 2003, 436; LG Landau v. 26.3.2002 – 1 S 3/02, ZMR 2002, 429; LG Berlin v. 29.6.2004 – 63 S 34/04, MM 2004, 339; LG Hamburg v. 14.4.2000 – 311 S 205/99, NZM 2000, 541; LG Frankfurt am Main v. 30.6.2000 – 2/17 S 340/99, WuM 2000, 545; AG Köln v. 13.2.2001 – 210 C 279/00, WuM 2001, 443; AG Königstein v. 23.10.2000 – 21 C 225/00-12, NZM 2000, 1181; AG Köln v. 18.6.2002 – 218 C 483/01, WuM 2003, 315; a.A. LG München I v. 3.1.2003 – 31 S 10293/01, NZM 2003, 512. 1589 BGH v. 25.6.2003 – VIII ZR 335/02, MDR 2003, 1349 = MietRB 2003, 93 = NZM 2003, 755. 1590 LG Landau v. 26.3.2002 – 1 S 3/02, ZMR 2002, 429. 1584 1585 1586 1587 1588

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§ 535 Rz. 620 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags 620 Ist die Endrenovierungsverpflichtung individuell begründet worden, beschränkt sich die Wirkung

des Summierungseffekts gemäß §§ 306, 307 BGB auf die Formularklausel zur laufenden Renovierung1591. Dies gilt erst recht, wenn die individuelle Regelung nachträglich (z.B. im Übergabeprotokoll) vereinbart wurde1592. Die Unwirksamkeit der individuellen Endrenovierungsregelung kann nur über § 139 BGB eintreten. Denn ihre Schranken findet die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung vor allem in den Verbotsgesetzen i.S.d. § 134 BGB, im Verbot der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) und im Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Dafür, dass eine Endrenovierungsklausel gegen diese Schranken verstößt, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Die Individualabrede unterliegt auch nicht der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB1593. Dennoch ist zu prüfen, ob die eine Vereinbarung im Zweifel ohne die andere getroffen wurde, § 139 BGB1594. Das ist bei nachträglicher Vereinbarung zu verneinen1595. Denn hier wird in der Regel dem bereits bestehenden Mietvertrag später noch eine weitere Abrede hinzugefügt, ohne den sonstigen Bestand an Rechten und Pflichten zu verändern. Insoweit spricht auch keine Vermutung für einen inneren Zusammenhang1596. Deshalb sind besondere Feststellungen im Einzelfall zu treffen. 621 Keine unzulässige Kombination soll in der formularmäßigen Verpflichtung zur laufenden Renovie-

rung mit der Bestimmung zur Rückgabe in „sofort bezugsfähigem Zustand“ liegen1597. Ebenso unbedenklich ist eine mietvertragliche Klausel, die einen angemessenen Fristenplan enthält und den Mieter verpflichtet, „je nach Grad der Abnutzung“ am Ende der Mietzeit zu renovieren1598. cc) Laufende Renovierung/Quotenklausel

622 Die Zusammenschau im Rahmen des Summierungseffektes erfasst auch die Quotenklausel. Deshalb

wirkt sich die Unwirksamkeit der Regelung über die laufenden Schönheitsreparaturen1599, aber auch eine unwirksame Endrenovierungsklausel auf die Wirksamkeit der Quotenklausel aus1600, solange sich die Klauseln ergänzen sollen. Etwas anderes gilt, wenn per Individualvereinbarung die laufende Renovierung festgelegt wird und für das Vertragsende vor Fristenablauf eine Kostenbeteiligungsklausel mit aufgenommen wird, da eine solche Regelung formularrechtlich unbedenklich ist. dd) Andere Kombinationen 623 Die zusätzliche Regelung, dass der Vermieter bei einer übermäßigen Abnutzung Ersatz in Geld verlan-

gen können soll, soll sowohl die Klausel über die laufende Renovierung als auch eine Quotenklausel unberührt lassen, obwohl sie für sich genommen gegen § 309 Nr. 4 BGB verstößt1601. Das ist so lange richtig, wie eine derartige Klausel als eigenständig neben der eigentlichen Renovierungspflicht angesehen werden kann.

1591 LG München II v. 24.10.2000 – 12 S 3755/00, NZM 2001, 951; LG Hanau v. 24.3.2006 – 2 S 324/05, InfoM 2006, 119; LG Hamburg v. 8.11.2007 – 307 S 164/06, ZMR 2008, 454; a.A. AG Mettmann v. 9.3.2004 – 21 C 279/03, WuM 2004, 462. 1592 BGH v. 14.1.2009 – VIII ZR 71/08, MDR 2009, 372 = MietRB 2009, 160 = WuM 2009, 173 = GE 2009, 321 = ZMR 2009, 358 m. Anm. Disput. 1593 BGH v. 18.3.2009 – XII ZR 200/06, MDR 2009, 678 = MietRB 2009, 162 = GE 2009, 647 = NZM 2009, 397. 1594 BGH v. 5.4.2006 – VIII ZR 163/05, MDR 2006, 1094 = NJW 2006, 2116 (Rz. 20); AG Dortmund v. 26.6.2014 – 425 C 2787/14, GE 2014, 1455 = NZM 2014, 826. 1595 BGH v. 14.1.2009 – VIII ZR 71/08, MDR 2009, 372 = MietRB 2009, 160 = WuM 2009, 173 = GE 2009, 321 = ZMR 2009, 358 m. Anm. Disput. 1596 BGH v. 18.3.2009 – XII ZR 200/06, MDR 2009, 678 = MietRB 2009, 162 = GE 2009, 647 = NZM 2009, 397. 1597 LG Leipzig v. 26.3.2002 – 16 S 9370/00, DWW 2002, 333. 1598 BGH v. 28.4.2004 – VIII ZR 230/03, MietRB 2004, 253 = NZM 2004, 497. 1599 BGH v. 5.4.2006 – VIII ZR 178/05, MDR 2006, 1273 = MietRB 2006, 230 = WuM 2006, 248. 1600 LG Berlin v. 25.7.2002 – 67 S 413/01, MM 2002, 481; AG Köln v. 26.4.2001 – 209 C 455/00, KM 31 Nr. 42. 1601 LG Berlin v. 28.2.2001 – 12 S 1107/00, NZM 2002, 120.

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B. Wohnraummiete | Rz. 628 § 535

ee) Vermeidung des Summierungseffektes Der Summierungseffekt greift durch, wenn die gesamte Renovierungsleistung, wie sie im Vertrag ge- 624 regelt ist, bei abstrakter Bewertung zu einer Störung des Äquivalenzverhältnisses führt, so dass eine unangemessene Benachteiligung vorliegt. Diese Benachteiligung kann z.B. vermieden werden, wenn eine zusätzliche Leistung des Vermieters, die im Zusammenhang mit der Renovierungsverpflichtung des Mieters steht, das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung wiederherstellt. Wollen die Parteien daher vertraglich begründen, dass der Mieter die Anfangsrenovierung durchführt, 625 kann das Gleichgewicht z.B. durch einen Mietnachlass oder eine vergleichbare (angemessene) Leistung des Vermieters hergestellt werden. Allerdings soll insoweit ein Verzicht des Vermieters auf die Grundmieten für die ersten Monate nicht ausreichen, wenn der Mieter die „mietfreie“ Zeit fast ausschließlich zur Renovierung benötigt. Denn darin soll eine „zusätzliche“ Leistung des Vermieters nicht zu sehen sein, weil dem Mieter die Wohnung für die Dauer der Renovierung gerade nicht zum vertragsgemäßen Gebrauch (= Wohnen) zur Verfügung stand1602. Maßgeblich soll insoweit die objektive Angemessenheit des Ausgleichsbetrages sein1603. Dies ist bedenklich, zumal sich das Gericht an der Renovierung durch eine Fachkraft orientiert. Immer- 626 hin handelt es sich um eine Eigenleistung des Mieters, die z.B. bei Beendigung des Mietvertrages und beabsichtigten Umbaumaßnahmen des Vermieters nach dem Aufwand bewertet wird, den der Mieter bei der Ausführung einer Renovierung in Eigenleistung hätte bestreiten müssen. Vorsichtshalber sollte klargestellt werden, welche Zeit die Parteien für die Renovierungsleistung kalkulieren. Bei der Frage, wie sie die Renovierungsleistung des Mieters der Höhe nach bewerten, bestehen nur die Grenzen der §§ 134, 138 BGB. Keinen Effekt haben in der Regel (handschriftliche) Zusätze im Übergabeprotokoll. Soweit sie sich 626a bloß auf die im Vertrag begründete Renovierungspflicht beziehen, entfalten sie zumeist nur deklaratorische Wirkung1604. Eine eigenständige Bedeutung kann ihnen aber zukommen, wenn sie die im Vertrag geregelte Renovierungspflicht inhaltlich abändern, indem z.B. eine zusätzliche Endrenovierung bestimmt wird1605 (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 620). f) Abgeltungsanspruch Zieht der Mieter aus, bevor Schönheitsreparaturen fällig sind, besteht zwischen den hier relevanten 627 Leistungen des Vermieters (im Idealfall: renovierter Zustand zu Beginn des Mietvertrages) und der Gegenleistung des Mieters (Durchführung von Schönheitsreparaturen) ein Ungleichgewicht, weil der Mieter eine Abnutzung verursacht hat, für die er (noch) keine Gegenleistung erbracht hat bzw. erbringen muss. Diese Differenz kann durch eine Abgeltungsklausel, die zuweilen auch als Quotenklausel, Quotenhaftungsklausel oder Kostenbeteiligungsklausel bezeichnet wird, geschlossen werden. Hieraus resultiert ein Zahlungsanspruch, dessen Höhe sich in der Regel an dem Verhältnis zwischen Abnutzung und Dauer seit der letzten Renovierung orientiert. Grundlage der Bewertung des Anspruchs sind in der Regel die Kosten einer späteren Renovierung, die durch einen Kostenvoranschlag oder aufgrund eines Leistungsverzeichnisses ermittelt werden. Die Kostenbeteiligung aufgrund einer solchen Abgeltungsklausel, die ausdrücklich vereinbart werden 628 muss, begründet einen primären Erfüllungsanspruch1606. Deshalb unterliegt er einer selbständigen Verjährung nach § 548 Abs. 1 BGB1607 und kann nicht zur Umgehung der Voraussetzungen des § 281 BGB herangezogen werden1608. Die Absicht des Vermieters, die Wohnung nach dem Umzug des Mie-

AG Mitte v. 11.2.2003 – 25 C 362/01, MM 2003, 384. AG Mitte v. 29.3.2007 – 18 C 113/06, GE 2007, 787; ebenso Wiek, WuM 2016, 71 (74). LG Berlin v. 28.5.2013 – 63 S 347/12, GE 2013, 1004. BGH v. 14.1.2009 – VIII ZR 71/08, MDR 2009, 372 = MietRB 2009, 160 = WuM 2009, 173 = GE 2009, 321 = ZMR 2009, 358 m. Anm. Disput. 1606 BGH v. 6.7.1988 – VIII ARZ 1/88, MDR 1988, 1051 = NJW 1988, 2790. 1607 LG Berlin v. 29.5.2001 – 64 S 599/00, NZM 2002, 121; LG Lüneburg v. 20.6.2001 – 6 S 36/01, ZMR 2001, 713. 1608 AG Schönau v. 27.3.2001 – C 166/00, WuM 2001, 334. 1602 1603 1604 1605

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§ 535 Rz. 628 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags ters umzubauen, zu sanieren oder auf andere Art zu verändern, lässt die Kostenbeteiligung des Mieters nicht entfallen1609. 629 Formularmäßig ist eine derartige Klausel ebenfalls davon abhängig, ob dem Mieter zu Beginn der

Mietzeit eine unrenovierte oder renovierungsbedürftige Wohnung übergeben wurde (vgl. § 535 BGB Rz. 556a). Selbst wenn jedoch eine renovierte Wohnung überlassen wurde oder eine Kompensation stattgefunden hat (vgl. § 535 BGB Rz. 556e) kann in der Regel eine Abgeltungsklausel unter der Geltung des § 307 BGB nicht (mehr) wirksam vereinbart werden. Denn nach dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB hält eine solche Bestimmung den Anforderungen nur stand, wenn der Mieter aufgrund der Formulierung sicher in der Lage ist, den auf ihn entfallenden Kostenanteil sicher zu berechnen1610. Da sich der Anspruch nach dem Grad der Abnutzung bemisst, müsste festgestellt werden können, wie lange ein Abnutzungsintervall dauert, bis Renovierungsbedürftigkeit und damit Fälligkeit der Renovierungsleistung eintritt. Dies lässt sich nicht ermitteln. Denn zieht der Mieter aus, ohne dass die Renovierung fällig wäre, kann niemand sicher vorhersagen, wie viel Zeit bei gleichbleibender Abnutzung vergehen müsste, um eine 100-prozentige Abnutzung zu erreichen. Damit beruht jede Berechnung auf einer Fiktion1611. Jedenfalls ist der Mieter bei Abschluss des Mietvertrages nicht in der Lage, sicher zu ermitteln, welche Kosten unter Anwendung der Klausel auf ihn zukommen können. Dies widerspricht aber den Maßstäben des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB1612. 630 Das Dilemma der mangelnden Transparenz i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB kann nicht dadurch beseitigt wer-

den, dass – wie bei Kleinreparaturen (§ 535 BGB Rz. 528) oder den Instandsetzungkosten im Gewerbe (§ 556 BGB Rz. 834) – eine Kostenobergrenze festgelegt wird (z.B. maximal aber 1 500 € = 50 % der Kosten einer vollständigen Renovierung). Denn trotz einer solchen Kostenbegrenzung lässt sich für den Mieter immer noch nicht ermitteln, wie der Grad der Abnutzung im Zeitpunkt der Rückgabe ermittelt wird.

631 Nachdem der BGH1613 unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass die Quotenklauseln in

vorformulierten Mietverträgen „gestorben“ sind, macht es keinen Sinn, die Entwickliung der Rechtsprechung zur Wirksamkeitsprüfung nachzuvollziehen. Es wird daher auf die 2. Auflage verwiesen. g) Freizeichnung

632 In unterschiedlichen Formulierungen finden sich im vorformulierten Mietvertrag sog. Freizeichnungs-

klauseln. Diese haben häufig ähnliche Formulierungen wie1614 „Die Wohnung wird unrenoviert vermietet. Der Vermieter schuldet keine Schönheitsreparaturen.“ Ihr Zweck besteht entweder darin, die Erhaltungspflicht des Vermieters für den Bereich der Schönheitsreparaturen von vornherein auszuschließen oder die Rechtsfolge des § 306 BGB bei einer unwirksamen Renovierungsklausel abzufedern, so dass die Erhaltungspflicht insoweit nicht mehr auflebt, sondern ein „rechtsfreier“ Raum entsteht, um jedenfalls den Vermieter nicht zu Renovierungsarbeiten zu verpflichten.

633 Die Freizeichnung des Vermieters von der Pflicht zur Ausführung von Schönheitsreparaturen in einem

AGB-Mietvertrag wird aus den unterschiedlichsten Gründen für wirksam gehalten1615. Denn die Regelung des Zustandes sei eine Vereinbarung über den vertragsgemäßen Zustand und der Ausschluss der Renovierungspflicht genüge dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Allenfalls der vorsichtige Verwender solle klarstellend hinzufügen, dass das Minderungsrecht nach § 536 BGB nicht tangiert wer-

LG Düsseldorf v. 10.1.1992 – 21 S 613/90, WuM 1992, 431. BGH v. 26.9.2007 – VIII ZR 143/06, MDR 2008, 75 = WuM 2007, 684 = GE 2007, 1622 = NZM 2007, 879. BGH v. 22.1.2014 – VIII ZR 352/12, WuM 2014, 135. BGH v. 18.3.2015 – VIII ZR 242/13, MietRB 2015, 196 = MDR 2015, 636 = WuM 2015, 343 = ZMR 2015, 690 = NZM 2015, 424. 1613 BGH v. 30.5.2017 – VIII ZR 31/17, MietRB 2017, 279 = WuM 2017, 456 = GE 2017, 886 Rz. 8. 1614 Lehmann-Richter, NZM 2014, 818 (820). 1615 LG Karlsruhe v. 23.6.2016 – 9 T 56/16, ZMR 2017, 247; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 538 BGB Rz. 213b (siehe aber auch Rz. 213h); Herlitz, WuM 2015, 654 (655); Lehmann-Richter, NJW 2015, 1598; austarierend: Artz, NZM 2015, 801 (805).

1609 1610 1611 1612

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B. Wohnraummiete | Rz. 642 § 535

de1616. Im Übrigen erhalte der Mieter nach der Entgelttheorie des BGH durch die geringere zu zahlende Miete eine Entlastung, die einen etwaigen Verstoß gegen § 307 BGB kompensiere1617. Freizeichnungsklauseln verstoßen unabhängig von ihrer Erscheinungsform oder der Konstellation, in 634 der sie Anwendung finden sollen, gegen § 307 Abs. 1 BGB1618. Soweit sie die Rechtsfolge einer unwirksamen Renovierungsklausel abfedern sollen, ändern sie § 306 Abs. 2 BGB, der unabdingbar ist. Damit unterliegen sie dem Umgehungsverbot nach § 306a BGB. Soweit sie isoliert geregelt werden, also ohne gleichzeitige (unwirksame) Überbürdung der Renovierungspflicht auf den Mieter, verstoßen sie gegen § 536 Abs. 4 BGB. Denn ist der Vermieter nicht für den Dekorationszustand in der Wohnung verantwortlich, muss er auch die Abnutzung, die den vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigt, nicht beseitigen. Der Mieter ist also – bei kundenfeindlichster Auslegung – gezwungen, selbst zu renovieren. Insoweit greift noch nicht einmal die Entgelttheorie. Denn warum sollte der Vermieter Kosten für Schönheitsreparaturen nicht in die Miete einkalkulieren, wenn der Mieter insoweit gar keine Gegenleistung schuldet? Der Mietvertrag legt jedenfalls ein entsprechendes Entgelt des Mieters nicht offen. Einstweilen frei.

635–639

h) Durchsetzung der Renovierungspflicht des Mieters aa) Während der Mietzeit Sind die Schönheitsreparaturen fällig und weigert sich der Mieter, sie auszuführen, hat der Vermieter 640 die Möglichkeiten, mit – dem Erfüllungsanspruch, – dem Vorschussanspruch oder – der ordentlichen Kündigung zu reagieren. (1) Erfüllungsanspruch Der Erfüllungsanspruch ist darauf gerichtet, dass der Mieter die Schönheitsreparaturen durchführt. 641 Kommt der Mieter einer entsprechenden Aufforderung mit Fristsetzung nicht nach, muss der Vermieter den Mieter auf Durchführung gerichtlich in Anspruch nehmen. Dementsprechend müsste ein Klageantrag die vorzunehmenden Arbeiten im Einzelnen spezifizieren. In einem obsiegenden Urteil würde also tenoriert, dass der Mieter die genau bezeichneten Arbeiten auszuführen hätte. Materiell setzt der Anspruch noch voraus, dass die vom Mieter durchzuführende Renovierung auch 641a möglich ist. Das ist i.d.R. nicht der Fall, wenn Substanzschäden vorhanden sind, deren Beseitigung der vorleistungspflichtige Vermieter im Rahmen seiner Erhaltungspflicht (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB) schuldet. Insoweit muss geprüft werden, ob nicht ein Phänomen besteht, das bei den vom Mieter im Rahmen der Renovierung zu leistenden Vorarbeiten ohnehin beseitigt wird. Das trifft auf Risse in der Wohnzimmerdecke zumeist nicht zu1619. Ein solcher Titel könnte nur gemäß § 887 ZPO vollstreckt werden. Diese Vorschrift regelt die Ver- 642 urteilung zu Handlungen, die auch ein Dritter vornehmen könnte. Nach § 887 Abs. 2 ZPO kann der Vermieter den Mieter auf Zahlung eines Vorschusses verklagen, wenn er nach der Rechtskraft des Urteils die im Titel bestimmten Handlungen nicht vornimmt. Dieses Verfahren ist langwierig und u.U. kompliziert.

1616 1617 1618 1619

Artz, NZM 2015, 801 (807). Schmidt-Futterer/Langenberg, § 538 BGB Rz. 213b. Lützenkirchen, NZM 2016, 113. LG Berlin v. 7.2.2017 – 67 S 20/17, WuM 2017, 134.

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§ 535 Rz. 643 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags (2) Vorschussanspruch 643 Nach der Rechtsprechung des BGH1620 besteht ein solcher Anspruch, sobald die Renovierung fällig ist

und sich der Mieter in Verzug befindet1621. Für die Fälligkeit ist grundsätzlich auf die Renovierungsbedürftigkeit abzustellen. Dabei sind aber im Vertrag enthaltene Vorgaben (z.B. Erforderlichkeit, um nachhaltige Schäden zu vermeiden) zu berücksichtigen1622. Zur Herbeiführung des Verzuges ist eine bestimmte Leistungsaufforderung (= Mahnung i.S.d. § 286 Abs. 1 BGB) erforderlich, die in der Praxis mit einer angemessenen Fristsetzung verbunden werden sollte. Verstreicht die gesetzte angemessene Frist ungenutzt, kann der Vermieter auf der Grundlage eines Kostenvoranschlages eines Malerbetriebes die voraussichtlich notwendigen Kosten zur Durchführung der Schönheitsreparaturen verlangen. Nach Durchführung der Arbeiten muss über den Vorschuss abgerechnet werden. 644 Ein Vorschussanspruch soll nicht bestehen, wenn dem Vermieter kein messbarer Vermögensschaden

durch die unterlassene Renovierung entstanden ist1623. Ist dieser nicht messbar, soll der Vermieter nach § 887 ZPO vorgehen müssen, also zunächst auf Erfüllung klagen, um in der Zwangsvollstreckung ggf. seinen Vorschussanspruch geltend machen zu können. Ein Vermögensschaden war in dem vom BGH1624 entschiedenen Fall gegeben, weil die Parteien eine Umsatzmiete vereinbart hatten, so dass sich der mangelhafte Dekorationszustand unmittelbar auf die sinkende Miete auswirken konnte. Bei der Vermietung von Wohnraum soll ein solcher Fall erst eintreten können, wenn eine Substanzgefährdung vorliegt. 645 Bei dieser Sichtweise wird allerdings übersehen, dass die Renovierungspflicht einen Teil der Gegenleis-

tung des Mieters darstellt und die Vorgehensweise über den Vorschussanspruch nach den §§ 280, 286 BGB nicht nur auf Billigkeitserwägungen beruht, sondern auch auf der Überlegung, dass bei einer Anwendung des § 281 BGB der Erfüllungsanspruch untergeht, obwohl der Mietvertrag noch fortbesteht, § 281 Abs. 4 BGB. Ebenso wie die Fälligkeit der Schönheitsreparaturen während der Mietzeit nicht von der Substanzbeeinträchtigung abhängig ist1625, kann dieser Umstand bei den weiteren Voraussetzungen des Vorschussanspruchs berücksichtigt werden. Der Vermieter erhält eben nicht die Gegenleistung, die die Parteien vereinbart haben. Dadurch, dass die Fälligkeit nicht allein vom Ablauf der Frist abhängig ist, sondern auch Renovierungsbedürftigkeit eingetreten sein muss, ist der Mieter ausreichend vor einer unberechtigten Inanspruchnahme geschützt. 646 Diese Vorgehensweise hat den Nachteil, dass der Vermieter im Ergebnis die Arbeiten selbst ausführen

(lassen) muss. Wirkt der Mieter dabei nicht mit, muss der Vermieter zusätzlich über § 555a BGB vorgehen und auch das Abrücken der Möbel etc. besorgen. Im Übrigen ist u.U. auch eine Zutrittsklage notwendig, wenn der Mieter die Durchführung der Arbeiten nicht freiwillig gewähren lässt. 647 Der Vermieter kann sich für den Vorschussanspruch grundsätzlich keine zusätzliche Kaution verspre-

chen lassen1626, wie z.B. im Fall des § 554a BGB. Denn damit verstößt er jedenfalls dann gegen § 551 Abs. 4 BGB, wenn die Vereinbarung zeitgleich mit dem Mietvertrag geschlossen wird. Nach Abschluss des Mietvertrages ist eine Kaution frei verhandelbar, weil § 551 Abs. 4 BGB nicht mehr anwendbar ist (vgl. § 551 BGB Rz. 9). (3) Kündigung 648 Eine zur Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB ausreichende schuldhafte, nicht mehr unerhebliche

Pflichtverletzung liegt vor, wenn ein Mieter seit mehr als einem Jahrzehnt keine Schönheitsreparaturen vorgenommen hat und sich auch nicht bemüht, hierfür das Sozialamt um Hilfe zu bitten, und ferner aufgrund der finanziellen Lage des Mieters bei seinem Tod nicht damit gerechnet werden kann, dass

1620 BGH v. 6.4.2005 – VIII ZR 192/04, MDR 2005, 921 = WuM 2005, 383 = NZM 2005, 450; BGH v. 30.5.1990 – VIII ZR 207/89, MDR 1991, 142 = WuM 1990, 494. 1621 Aber nicht nach Ende der Mietzeit: Lehmann-Richter, NZM 2018, 315. 1622 BGH v. 17.2.2015 – VIII ZR 232/14, WuM 2015, 338. 1623 LG Berlin v. 7.12.2001 – 62 S 100/01, NZM 2002, 1026. 1624 BGH v. 30.5.1990 – VIII ZR 207/89, MDR 1991, 142 = WuM 1990, 494 = NJW 1990, 2376. 1625 BGH v. 6.4.2005 – VIII ZR 192/04, MDR 2005, 921 = WuM 2005, 383 = NZM 2005, 450. 1626 LG Hannover v. 28.2.2001 – 12 S 1107/00, NZM 2002, 120.

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B. Wohnraummiete | Rz. 653 § 535

noch auf seine Kosten eine Renovierung durchgeführt werden kann. In diesem Fall kommt es wegen der Vernachlässigung nicht auf eine Substanzgefährdung an1627. bb) Nach Mietende Grundsätzlich muss der Vermieter in diesem Stadium nach § 281 BGB vorgehen, weil die Schönheits- 649 reparaturen als Teil der Gegenleistung i.S.v. § 535 Abs. 2 BGB zu den Hauptpflichten im Mietverhältnis gehören1628. Dazu muss der Verzug des Mieters mit der Leistung (Renovierung) herbeigeführt werden. Verzug tritt ein, wenn eine Leistung fällig ist und der Mieter trotz Mahnung die Leistung nicht erbracht hat. Ist § 326 BGB a.F. einschlägig (vgl. § 535 BGB Rz. 659), kann die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung mit der Mahnung verbunden werden1629, es muss also nicht erst Verzug herbeigeführt werden. Ausnahmsweise ergibt sich ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280, 241 Abs. 2, 535 BGB, wenn der 649a Mieter die Mietsache in außergewöhnlichen Farben, also nicht hell, deckend und neutral gestrichen, zurückgibt (§ 535 BGB Rz. 594). (1) Die Fristsetzung als Leistungsaufforderung Die Fristsetzung ist zunächst eine Leistungsaufforderung. Dabei muss der Vermieter Art und Umfang 650 der Renovierungsarbeiten bestimmbar bezeichnen1630. Wie der Mieter die Leistung erbringt, also auf welche Art und Weise er die Ansprüche erfüllt, liegt in seinem Ermessen, solange er sich innerhalb der vertraglichen Verpflichtungen hält1631. In der Regel reicht es aus, die Leistung so zu bezeichnen, wie dies in § 28 Abs. 4 S. 3 II. BV definiert ist. 651 Danach umfassen Schönheitsreparaturen das Tapezieren, Anstreichen oder Kalken der Wände und Decken, das Streichen der Fußböden, Heizkörper einschl. Heizrohre, der Innentüren sowie der Fenster und Außentüren von innen. Wird der Mieter also aufgefordert, diese Arbeiten auszuführen, liegt grundsätzlich bereits eine bestimmte Leistungsaufforderung vor1632. Auf keinen Fall ausreichend ist die Formulierung „Vornahme der Schönheitsreparaturen“1633 oder der bloße Hinweis auf eine in einer Klausel beschriebene Ausführungsform1634. Bei der Verwendung von Formularschreiben (= für eine Vielzahl von Fällen vorbereitete Schreiben) 652 können sich Probleme ergeben, wenn z.B. Kästchen angekreuzt werden müssen und sie nur die formularmäßige Aufforderung, „die Arbeiten auszuführen“ enthalten. Denn damit soll keine ausreichend genaue Bezeichnung erfolgen können1635. Das Gleiche gilt für die Übersendung eines umfangreichen Abnahmeprotokolls, in welchem Renovierungsmängel bezeichnet sind, deren Beseitigung vom Mieter ausdrücklich verlangt wird und bei denen es zumindest zweifelhaft erscheint, ob der Mieter verpflichtet ist, diese auszuführen1636. Ob neben der Beschreibung der auszuführenden Arbeiten auch eine Zustandsbeschreibung der Miet- 653 sache erforderlich ist, wird nicht einheitlich bewertet1637. Zunehmend wird die Beschreibung des Um-

1627 LG Hamburg v. 2.3.1982 – 16 S 287/81, WuM 1984, 85; AG Hamburg v. 15.11.2001 – 41B C 90/01, NZM 2002, 735. 1628 BGH v. 5.10.1994 – XII ZR 15/93, ZMR 1995, 577 m.w.N.; Fervers, WuM 2017, 429. 1629 BGH v. 10.1.1990 – VIII ZR 337/88, MDR 1990, 710 = NJW-RR 90, 444 m.w.N.; LG Köln v. 17.3.1987 – 12 S 296/86, WuM 1989, 71. 1630 Hanseatisches OLG Hamburg v. 20.2.1991 – 4 U 106/90, WuM 1992, 70; LG Köln v. 21.7.1993 – 10 S 137/ 93, KM 31 Nr. 6. 1631 LG Berlin v. 14.6.1990 – 62 S 506/89, GE 1991, 403. 1632 KG v. 3.7.1995 – 20 U 2209/94, GE 1995, 1011. 1633 LG Berlin v. 16.10.1987 – 64 S 188/87, GE 1988, 33. 1634 LG Karlsruhe v. 9.11.1990 – 9 S 157/90, WuM 1991, 88. 1635 LG Hamburg v. 17.1.1985 – 7 S 229/84, WuM 1986, 311. 1636 LG Hamburg v. 25.9.1984 – 16 S 109/84, WuM 1986, 242. 1637 Dagegen: LG Köln v. 21.7.1993 – 10 S 137/93, KM 31 Nr. 6; Emmerich, NZM 2000, 1159; dafür: AG Köln v. 25.6.1998 – 205 C 498/97, n.v.

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§ 535 Rz. 653 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags fangs der Arbeiten für erforderlich gehalten1638, jedenfalls wenn der Vermieter die vor dem Auszug vom Mieter durchgeführten Schönheitsreparaturen beanstandet1639. Diese Auffassung stellt jedoch übertriebene Anforderungen. § 281 BGB verlangt auch nach der Schuldrechtsmodernisierung nur eine Fristsetzung als Leistungsaufforderung. Eine Zustandsbeschreibung ist weder gefordert noch erforderlich. Denn es gehört nicht zu den Wirksamkeitsanforderungen des § 281 BGB, dem Schuldner auch noch zu erklären, warum die Leistung gefordert wird. 654 Die Fristsetzung ist an alle Mieter zu richten. Sie muss dem Mieter auch dann zugehen, wenn für ihn

ein Betreuer bestellt ist1640. (2) Eigentliche Fristsetzung 655 Mit der Leistungsbestimmung ist zugleich eine angemessene Frist zu setzen. Die Angemessenheit

liegt in der Regel bei zwei Wochen1641. 656 Ob eine Fristsetzung ohne die Bestimmung eines konkreten Zeitpunktes wirksam ist, wird nicht ein-

heitlich gesehen. Überwiegend wird die Bestimmung eines konkreten Zeitraums, entweder durch Mitteilung eines bestimmten Termins, zu dem die Frist abläuft, oder durch die Angabe bestimmter Zeiteinheiten, die dem Schuldner für die Leistung eingeräumt werden, verlangt1642. Danach genügt die Aufforderung zur „sofortigen“ bzw. „unverzüglichen“ oder „umgehenden“ Leistung nicht. Teilweise wird dies damit begründet, dass nach dem Wegfall der nach früherem Recht vorgesehenen Ablehnungsandrohung allein die Fristsetzung die Warnfunktion gegenüber dem Schuldner erfülle und an sie deshalb strenge Anforderungen zu stellen seien1643. Andere Stimmen lassen eine Aufforderung zur unverzüglichen Leistung ausreichen1644, zumindest in Fällen besonderer Dringlichkeit1645. Letztere Auffassung ist richtig1646. Denn schon dem Begriff der Fristsetzung lässt sich nicht entnehmen, dass die maßgebliche Zeitspanne nach dem Kalender bestimmt sein muss oder in konkreten Zeiteinheiten anzugeben sei. Eine in dieser Weise bestimmte Frist verlangt § 281 Abs. 1 BGB – anders als § 286 Abs. 2 Nr. 1, 2 BGB für den Verzugseintritt ohne Mahnung – nicht. Vielmehr kann die Dauer einer Frist grundsätzlich auch durch einen unbestimmten Rechtsbegriff bezeichnet werden; dies ist insbesondere bei rechtsgeschäftlichen Fristen häufig der Fall1647. Nach allgemeiner Meinung ist eine Frist ein Zeitraum, der bestimmt oder bestimmbar ist1648. Mit der Aufforderung, die Leistung oder die Nacherfüllung „in angemessener Zeit“, „umgehend“ oder „so schnell wie möglich“ zu bewirken, wird eine zeitliche Grenze gesetzt, die aufgrund der jeweiligen Umstände des Einzelfalls bestimmbar ist. Nichts anderes gilt, wenn der Vermieter die Leistung verlangt und formuliert „gehe ich rechtlich gegen sie vor“1649 oder eine „schnelle Behebung der Mängel“ verlangt wird1650. 657 Grundsätzlich ist eine zu kurz bemessene Frist unschädlich, da sie sich automatisch auf eine angemes-

sene verlängert. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Vermieter die Nachfrist nur zum Schein setzt oder erkennbar ist, dass die Leistung trotz Fristsetzung durch den Mieter nicht akzeptiert wird1651. Die Beurteilung richtet sich vor allem danach, ob es dem Schuldner (Mieter) innerhalb der gesetzten Frist

1638 1639 1640 1641 1642 1643 1644 1645 1646 1647 1648 1649 1650 1651

KG v. 24.4.2003 – 12 U 275/01, ZMR 2003, 676 = MietRB 2003, 37. KG v. 22.1.2007 – 12 U 28/06, MDR 2007, 880 = GE 2007, 781 = ZMR 2007, 450. AG Königstein v. 18.6.2001 – 21 C 605/01-12, NZM 2001, 667. LG Berlin v. 14.10.1988 – 65 S 489/87, GE 1989, 413; KG v. 30.10.2006 – 8 U 38/06, WuM 2007, 71. MünchKomm/Ernst, § 323 Rz. 68; Palandt/Grüneberg, § 281 BGB Rz. 9; Soergel/Gsell, § 323 BGB Rz. 80. MünchKomm/Ernst, § 323 BGB Rz. 68. Staudinger/Otto, § 281 BGB Rz. B 62 und § 323 BGB Rz. B 59; Bamberger/Roth/Unberath, § 281 BGB Rz. 16. Jauernig/Stadler, § 281 BGB Rz. 6; vgl. auch MünchKomm/Ernst, § 323 BGB Rz. 74. BGH v. 12.8.2009 – VIII ZR 254/08, MDR 2009, 1329 = WuM 2009, 580. MünchKomm/Grothe, § 186 BGB Rz. 4. RG v. 8.6.1928 – III 426/27, RGZ 120, 355, 362; Palandt/Heinrichs, § 186 BGB Rz. 3; Erman/Palm, Vor § 186 BGB Rz. 1; Bamberger/Roth/Henrich, § 186 BGB Rz. 2; Kesseler in Prütting/Wegen/Weinreich, § 186 BGB Rz. 3. BGH v. 18.3.2015 – VIII ZR 176/14, MDR 2015, 176. BGH v. 13.7.2016 – VIII ZR 49/15, MDR 2016, 1075 = GE 2016, 1205. BGH v. 21.6.1985 – V ZR 134/84, MDR 1986, 302 = NJW 1985, 2640.

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B. Wohnraummiete | Rz. 661 § 535

überhaupt möglich ist, zu einem vertragsgerechten Verhalten zurückzukehren1652. Auf keinen Fall ist es ausreichend, den Mieter aufzufordern, bis zu einem bestimmten Termin zu erklären, ob er die Renovierung ausführt1653. Bittet der Mieter um Fristverlängerung, kann er damit hinsichtlich der Verpflichtung zur Durchführung von Schönheitsreparaturen ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis1654 begründen und jedenfalls nicht mehr die Notwendigkeit der Arbeiten bestreiten1655. (3) Ablehnungsandrohung? Bis zum 31.12.2001 musste der Vermieter am Ende der Mietzeit nach § 326 BGB a.F. vorgehen, um 658 Schadensersatz verlangen zu können. Nach dieser Vorschrift war neben der Fristsetzung eine sog. Ablehnungsandrohung erforderlich. Dies ist eine Erklärung, die deutlich macht, dass der Gläubiger die Leistung nach Ablauf der Frist ablehnen wird. Enthält der Vertrag z.B. die Klausel: „Schadensersatz kann der Vermieter nach einer Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung verlangen“, könnte eine weitere Anwendung des § 326 BGB a.F. in Betracht kommen. Zwar ist das Schuldrecht in der Fassung vor dem 1.1.2002 selbst dann nicht auf Verträge anwendbar, 659 wenn diese vor diesem Datum geschlossen wurden. Denn zum 1.1.2003 sollte das modernisierte Schuldrecht auch für Altverträge über Dauerschuldverhältnisse gelten, Art. 229 § 5 Abs. 2 BGB. Indessen ist es den Parteien unbenommen, für den Anspruch des Gläubigers, zumal wenn er Verwender i.S.d. § 305 BGB ist, schärfere Anforderungen an die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zu vereinbaren. Enthält also der Mietvertrag eine (Formular-)Klausel, die den Schadensersatzanspruch des Vermieters von einer Ablehnungsandrohung abhängig macht, ist diese Regelung grundsätzlich beachtlich. Das gilt erst recht, wenn sie in einem Vertrag enthalten ist, der nach dem 1.1.2002 geschlossen wurde. Eine Ablehnungsandrohung als Erfordernis für einen Schadensersatzanspruch sah § 326 BGB a.F. in 660 der bis 31.12.2001 gültigen Fassung vor. Insoweit konnte die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung mit der Mahnung verbunden werden1656, es musste also nicht erst Verzug herbeigeführt werden. Der Erklärung musste der Schuldner entnehmen können, dass ihm letztmalig Gelegenheit zur Erfüllung seiner Pflicht gegeben wird. Diesen Anforderungen werden Ankündigungen, nach Ablauf der Frist werde z.B. „ein Fachhandwerker beauftragt“ oder „die Ansprüche gerichtlich durchgesetzt“, nicht gerecht. Im Hinblick auf die weitreichenden Konsequenzen, die an eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung geknüpft sind (der Mieter verliert sein Recht auf Durchführung; der Vermieter erhält den Anspruch auf Schadensersatz in Geld), gelten sehr strenge Anforderungen. Das Gesetz schreibt insoweit vor, dass die Frist mit einer Ablehnungsandrohung verbunden sein muss. (4) Entbehrlichkeit der Fristsetzung Eine Fristsetzung (auch wenn sie mit Ablehnungsandrohung versehen werden müsste) ist entbehrlich, 661 wenn eine sog. endgültige Erfüllungsverweigerung vorliegt1657, § 281 Abs. 2 BGB. Dies ist nur anzunehmen, wenn der Mieter die Erfüllung bestimmt, ernstlich und endgültig verweigert1658, im Ergebnis also kein Zweifel daran bestehen kann, dass der Mieter die Ausführung von Schönheitsreparaturen aufgrund seiner Erklärung nicht vornehmen wird. Notwendig ist aber, dass der Vermieter dem Mieter deutlich macht, was er von ihm im Einzelnen erwartet bzw. welche Arbeiten durchgeführt werden sollen1659. Allein die Erklärung, rechtlich nicht zur Durchführung von Schönheitsreparaturen verpflichtet

LG Köln v. 23.10.1997 – 1 S 125/97, KM 31 Nr. 37. OLG München v. 11.11.1994 – 21 U 2262/94, NJWE-MietR 1997, 106. KG v. 6.4.2006 – 8 U 99/05, GE 2006, 1230. KG v. 1.12.2005 – 8 U 249/04, GE 2006, 1230. BGH v. 10.1.1990 – VIII ZR 337/88, MDR 1990, 710 = NJW-RR 90, 444 m.w.N., LG Köln v. 17.3.1987 – 12 S 296/86, WuM 1989, 71. 1657 BGH v. 2.10.1996 – XII ZR 65/95, WuM 1997, 217; OLG Hamburg v. 29.10.1997 – 4 U 81/97, WuM 1998, 17. 1658 BGH v. 16.6.1982 – VIII ZR 89/81, MDR 1983, 223 = NJW 1982, 2316; BGH v. 12.12.1991 – IX ZR 178/91, MDR 1992, 252 = MDR 1992, 669 = NJW 1992, 971. 1659 KG v. 30.10.2006 – 8 U 38/06, WuM 2007, 71. 1652 1653 1654 1655 1656

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§ 535 Rz. 661 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags zu sein, kann nicht als endgültige Erfüllungsverweigerung bewertet werden1660. Hierin liegt lediglich die Äußerung einer Rechtsansicht. Sobald sich der Mieter also auf rechtlichen Rat beruft oder seine Erklärung als Rechtsansicht zu verstehen ist, muss die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung doch noch erklärt werden. Das gilt auch, wenn der Rechtsanwalt des Mieters erklärt, sämtliche im Protokoll aufgelisteten Mängel würden von der normalen Abnutzung herrühren1661. 662 Ob eine endgültige Erfüllungsverweigerung bereits vorliegt, wenn der Mieter ohne Durchführung der

fälligen Renovierungsarbeiten auszieht, ist nicht immer eindeutig. Als ausreichende Erfüllungsverweigerung wurde es angesehen, dass der Mieter, ohne seine neue Anschrift zu hinterlassen und ohne hinsichtlich der Renovierung etwas zu veranlassen, ausgezogen war, wobei weder eine Ummeldung erfolgt noch ein Nachsendeantrag gestellt worden war1662. Hat der Vermieter jedoch vor dem Auszug in einem Schreiben den Eindruck erweckt, er werde nach der Räumung gesondert an ihn herantreten, stellt der bloße Auszug keine Erfüllungsverweigerung dar1663. 663 Das Erfordernis der Fristsetzung kann auch nicht formularmäßig abbedungen werden. Eine Klausel,

nach der der Vermieter berechtigt sein soll, ohne Nachfristsetzung zur Mängelbeseitigung Räume zu öffnen, zu reinigen und in einen bezugsfertigen Zustand zu bringen, verstößt gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, da sie von dem wesentlichen Grundgedanken des § 281 Abs. 1 BGB (Nachfristsetzung) abweicht1664. (5) Schaden 663a Liegen die Voraussetzungen des § 281 BGB vor, kann der Vermieter Schadensersatz im Umfang der not-

wendigen Arbeiten verlangen. Regelmäßig kann dazu die Rechnung des ausführenden Handwerkers herangezogen werden. Hat der Vermieter die Arbeiten selbst ausgeführt, kann er seinen tatsächlichen Aufwand berechnen oder auf der Grundlage eines Kostenvoranschlags (allerdings ohne Umsatzsteuer) den Schaden geltend machen. Dies ist ebenso eine abstrakte Schadensberechnung wie das auf einen Kostenvoranschlag gestützte Begehren ohne vorherige (Selbst-)Ausführung1665. Ein Vorschussanspruch kommt nur bei entsprechender (wirksamer) vertraglicher Regelung in Betracht1666. 663b Problematisch kann im Einzelfall die Notwendigkeit der einzelnen Arbeiten sein, die in der Rech-

nung oder dem Kostenvoranschlag aufgeführt sind. Beispielhaft kann ein Schadensersatzanspruch wegen – buntgestricher Wände sich nicht darauf beschränken, dass die beiden buntgestrichenen Wände, sondern alle Zimmerwände in einheitlichem Farbton gestrichen werden1667; – Beseitigung der Spuren des Rauchens z.B. nicht durch Rückschluss aus einer vorgelegten Malerrechnung ermittelt werden, wenn dort lediglich Leistungen wie Tapezieren, Spachteln, Grundieren, Streichen genannt werden. Denn derartige Maßnahmen sind üblicherweise veranlasst, um Schönheitsreparaturen auszuführen. Selbst wenn zusätzlich in der Rechnung aufgeführt ist „Decken und Wandflächen mit Isolierfarbe (Nikotin vergilbt) zwischen- und schlussbeschichten“, kann sich eine Schadensersatzpflicht des Mieters erst dann ergeben, wenn aus dem Vortrag des Vermieters ersichtlich ist, ob diese Maßnahme ausschließlich zur Renovierung erforderlich war oder ob sie ganz oder teilweise der Vorbeugung gegen künftige Rauchspuren in der Wohnung dient1668. Deshalb muss auch die Aufbringung einer Nikotinsperre substantiiert begründet werden1669.

1660 1661 1662 1663 1664 1665 1666 1667 1668 1669

LG Wiesbaden v. 19.8.1985 – 1 S 6/85, WuM 1986, 113. LG Hamburg v. 11.10.2012 – 307 S 70/12, ZMR 2013, 116. LG Köln v. 11.9.1997 – 1 S 375/96, KM 31 Nr. 32. KG v. 9.6.2008 – 12 U 183/07, MDR 2008, 1204 = MietRB 2009, 33 = WuM 2008, 592 = GE 2008, 1127 = GuT 2008, 342. KG v. 30.10.2006 – 8 U 38/06, WuM 2007, 71. A.A. Lehmann-Richter, NZM 2018, 315. Lehmann-Richter, NZM 2018, 315. AG Pankow/Weißensee v. 24.9.2014 – 7 C 135/14, GE 2014, 1533. BGH v. 18.3.2015 – VIII ZR 242/13, MietRB 2015, 196 = MDR 2015, 636 = WuM 2015, 343 = ZMR 2015, 690. LG Hannover v. 29.2.2016 – 12 S 9/13, ZMR 2016, 958 = DWW 2016, 140.

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i) Sinnlose Renovierung wegen Modernisierung/Umbau Einem Vermieter steht ein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung in Geld ohne vorherige Frist- 664 setzung nach den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung zu, wenn die Schönheitsreparaturen wegen anschließenden Umbaus1670 sinnlos werden1671. Denn will der Vermieter die Mieträume nach dem Auszug des Mieters umbauen, ist er regelmäßig an einer Sachleistung des Mieters nicht mehr interessiert. Bei dieser Sachlage wäre es zum einen widersinnig, den zum Umbau entschlossenen Vermieter an dem Anspruch auf Erfüllung der von dem Mieter vertraglich übernommenen Verpflichtung zur Ausführung von Schönheitsreparaturen festzuhalten, obwohl bei Erfüllung dieser Pflicht das Geschaffene alsbald wieder zerstört würde. Zum anderen würde es regelmäßig in Widerspruch zu dem Inhalt des Mietvertrages stehen, den Mieter von seiner Verpflichtung zu befreien, ohne dass er hierfür einen Ausgleich entrichten müsste. Denn die im Vertrag übernommene Verpflichtung des Mieters zur Vornahme der Schönheitsreparaturen stellt sich im Regelfall als Teil des Entgelts dar, das er als Gegenleistung für die Leistung des Vermieters zu entrichten hat. Daher entspricht es nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte dem mutmaßlichen Willen der Vertragsparteien, dem Vermieter anstelle des wirtschaftlich sinnlos gewordenen Anspruchs auf Durchführung von Schönheitsreparaturen einen entsprechenden Geldanspruch zu geben. Eine vergleichbare Interessenlage besteht nicht, wenn der Vermieter das Mietobjekt verkaufen will 664a und daher für ihn die Schönheitsreparaturen sinnlos werden1672. In diesem Fall kann der Vermieter nur nach § 281 BGB vorgehen. Der Zahlungsanspruch des Vermieters entsteht, sobald der Mieter von der Absicht des Vermieters, die 664b Mieträume umzubauen, Kenntnis erlangt1673. Er wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Mieter in Kenntnis der Umbauabsichten des Vermieters vor Rückgabe renoviert oder sich zur Renovierung nach dem Umbau bereiterklärt1674. Der Anspruch soll dem Vermieter auch zustehen, wenn er das Objekt mittlerweile verkauft hat, insbesondere geht der Anspruch nach dem Fälligkeitsprinzip (s. § 566 BGB Rz. 59) nicht auf den Erwerber über. Letzteres ist aber zumindest zweifelhaft, wenn der Vermieter schon bei Beendigung des Mietvertrages (auch) die Absicht hegte, das Mietobjekt zu verkaufen1675. Dafür spricht eine Vermutung, tatsächlich keine Umbauarbeiten durchgeführt oder doch wenigstens begonnen wurden. Eine ergänzende Vertragsauslegung scheitert nicht daran, dass es sich (auch) um für den Mieter speziell herbeigeführte Umbauten handelt, an denen die Renovierung (teilweise) durchgeführt werden muss. Dies gilt jedenfalls dann, wenn bei Vertragsschluss nicht feststeht, dass diese Umbauten von keinem nachfolgenden Mieter verwendet werden können1676. Allerdings fehlt die zur Auslegung notwendige Lücke, wenn der Zahlungsanspruch bei den Vertragsverhandlungen ausdrücklich erwähnt wurde, ohne dass er später im Mietvertrag geregelt wurde. Bei der Höhe des Anspruchs ist zu unterscheiden: Durfte der Mieter nach dem Mietvertrag die Arbeiten 665 in Eigenleistung bzw. durch Verwandte oder Bekannte ausführen lassen, schuldet er als Ausgleich nur die Materialkosten und ein geringes Entgelt, das an „Freunde“ gezahlt wird1677. Der Vermieter kann aber dann den Anspruch auf der Grundlage eines Kostenvoranschlags eines Malers berechnen, wenn der Mieter die von ihm geschuldete Ausführung von Schönheitsreparaturen endgültig abgelehnt hatte. Eine derartige Verweigerung liegt auch vor, wenn der Mieter dem Vermieter erklärt, er könne die Reno-

1670 BGH v. 25.6.1980 – VIII ZR 260/79, MDR 1981, 45 = WuM 1980, 241 = ZMR 1980, 378; BGH v. 5.6.2002 – XII ZR 220/99, MDR 2002, 1304 = NJW 2002, 2383 = NZM 2002, 655 = WuM 2002, 484. 1671 Zweifelnd für den Fall eines AGB-Vertrages: Klocke, WuM 2014, 575 (576). 1672 BGH v. 12.2.2014 – XII ZR 76/13, MDR 2014, 706 = MietRB 2014, 131 = WuM 2014, 201 = ZMR 2014, 532 = GE 2014, 453; a.A. OLG Koblenz v. 12.4.2013 – 10 U 832/12, MietRB 2013, 236 = MDR 2013, 964 = ZMR 2013, 883. 1673 OLG Koblenz v. 12.4.2013 – 10 U 832/12, MietRB 2013, 236 = MDR 2013, 964 = ZMR 2013, 883. 1674 OLG Oldenburg v. 14.1.2000 – 13 U 66/99, WuM 2000, 301 = ZMR 2000, 528 = NZM 2000, 828. 1675 BGH v. 12.2.2014 – XII ZR 76/13, MDR 2014, 706 = MietRB 2014, 131 = WuM 2014, 201 = ZMR 2014, 532 = GE 2014, 453. 1676 OLG Koblenz v. 12.4.2013 – 10 U 832/12, MietRB 2013, 236 = MDR 2013, 964 = ZMR 2013, 883. 1677 BGH v. 20.10.2004 – VIII ZR 378/03, MDR 2005, 266 = MietRB 2005, 62 = GE 2005, 51 = WuM 2005, 50 = NZM 2005, 58 = ZMR 2005, 109.

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§ 535 Rz. 665 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags vierung wegen der geplanten Maßnahme nicht (mehr) verlangen und müsse sich auf den Zahlungsanspruch in Höhe der ersparten Eigenleistung beschränken1678. j) Rechtsfolge unwirksamer Renovierungsklausel aa) Renovierungspflicht des Vermieters 666 Verstößt die Klausel gegen § 307 BGB (was der Regelfall ist), gilt über § 306 BGB das Gesetz. Diese

Rechtsfolge kann nicht dadurch ausgeschlossen werden, dass in einer (zusätzlichen) Regelung klagestellt wird: „Der Vermieter schuldet keine Schönheitsreparaturen.“1679 (dazu § 535 BGB Rz. 632). Denn dies führt zu einer Umgehung des § 306 BGB. Danach gilt nämlich im Falle der Unwirksamkeit nach § 307 BGB die Hauptpflicht des § 535 Abs. 1 BGB. Diese Rechtsfolge würde durch die Klausel abbedungen, § 306a BGB. Demnach fällt die Renovierungspflicht infolge der Unwirksamkeit der Klausel im Rahmen des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB wieder an den Vermieter zurück. Auch das Anerkenntnis des Mieters z.B. in einem Rückgabeprotokoll, zur Durchführung von Schönheitsreparaturen verpflichtet zu sein, begründet bei unwirksamer Klausel in aller Regel keine (neue) Renovierungspflicht. Denn prinzipiell ist davon auszugehen, dass der Mieter bei dieser Vereinbarung an die Klausel im Mietvertrag anknüpft, so dass ihm das Erklärungsbewusstsein fehlt, eine unwirksame Klausel zu bestätigen bzw. davon unabhängig eine selbständige Renovierungspflicht zu begründen1680. Eine eigenständige Vereinbarung kann allenfalls angenommen werden, wenn die Unwirksamkeit der Klausel zwischen den Parteien zuvor diskutiert wurde. War die Wohnung bei Beginn unrenoviert und führt der Vermieter nach Aufforderung durch den Mieter Schönheitsreparaturen durch, erhält er einen besseren als den vertragsgemäßen Zustand. Die Wertverbesserung muss er dem Vermieter erstatten, was i.d.R. zur Beteiligung des Mieters i. H.d. Hälfte der Kosten führt.1681 666a Im Hinblick auf § 306 BGB muss der Vermieter, sobald Renovierungsbedarf besteht, die Schönheits-

reparaturen ausführen. Insoweit ergibt sich ein Duldungsanspruch gegen den Mieter nach § 555a BGB. Dieser beschränkt sich aber grundsätzlich auf eine fachgerechte Renovierung in hellen, gedeckten und neutralen Farben. Davon wird ein hellblauer Anstrich nicht erfasst1682. Enthält der Mietvertrag einen (unwirksamen) Fristenplan, kann sich der Mieter darauf berufen. Denn der Vermieter handelt i.S.v. Treu und Glauben (§ 242 BGB) widersprüchlich, wenn er sich gegenüber dem Mieter darauf beruft, dass zwar die Fristen abgelaufen seien, Schönheitsreparaturen aber nicht fällig sein sollen. 666b Besteht der Vermieter auf seiner abweichenden Farbwahl, verstößt er gegen das Gebot der Rücksicht-

nahme (§ 241 Abs. 2 BGB); zumal wenn er die Wohnung weiß gestrichen übergeben hat1683. In der Regel ist er verpflichtet, die (Farb-)Wünsche des Mieters zu berücksichtigen1684, selbst wenn er im Rahmen seiner Mängelbeseitigungspflicht tätig wird (§ 535 BGB Rz. 450a). Dies gilt erst recht, wenn der Mieter evtl. entstehende Mehrkosten übernehmen will und keine schutzwürdigen Interessen des Vermieters entgegenstehen1685. Gibt der Mieter die Wohnung am Ende der Mietzeit in ungewöhnlicher Farbe zurück, kann ein Schadensersatzanspruch des Vermieters bestehen1686 (§ 535 BGB Rz. 595). 667 Kommt der Vermieter mit der Renovierung (= Mängelbeseitigung) in Verzug, bestehen die Rechte aus

§ 536a BGB auf Ersatzvornahme und Schadensersatz wegen Verzugs einschließlich Vorschussanspruch. Der Mieter kann auch mindern, § 536 BGB. Hat der Mieter übermäßig abgenutzt, besteht u.U. ein Schadensersatzanspruch nach § 536c Abs. 2 BGB. Das kann z.B. in der Wohnung eines Rauchers angenom-

KG v. 28.4.2008 – 8 U 154/07, MietRB 2009, 64 (65) = GE 2009, 448. So aber: Lehmann-Richter, NZM 2014, 818 (820). LG Frankenthal v. 19.11.2014 – 2 S 173/14, ZMR 2015, 552. BGH v. 8.7.2020 – VIII ZR 270/18, MDR 2020, 1050 = WuM 2020, 559. AG Mitte v. 8.8.2013 – 121 C 135/13, ZMR 2014, 799 = GE 2013, 1285. LG Berlin v. 19.11.2013 – 67 S 372/13, GE 2014, 253. LG Bremen v. 18.5.2017 – 1 S 37/17, WuM 2017, 710. LG Berlin v. 23.5.2017 – 67 S 416/16, MietRB 2017, 219 = WuM 2017, 395 = ZMR 2017, 733 = GE 2017, 834. 1686 BGH v. 6.11.2013 – VIII ZR 416/12, MietRB 2014, 34 = MDR 2014, 78 = WuM 2014, 23 Rz. 22.

1678 1679 1680 1681 1682 1683 1684 1685

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B. Wohnraummiete | Rz. 671 § 535

men werden, wenn er den Mangel (= Renovierungsbedarf) nicht anzeigt und dadurch Nikotin bis in den Putz eindringen kann, so dass zusätzliche Maßnahmen erforderlich sind1687. Hat der Mieter trotz unwirksamer Renovierungsklausel Schönheitsreparaturen zwar ausgeführt, dies 667a aber nicht fachgerecht, besteht grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch des Vermieters aus § 280 Abs. 1 BGB. Der Höhe nach ist dieser Anspruch aber nur begründet, wenn durch die nicht fachgerechte Maßnahme des Mieters zusätzliche Schäden entstanden sind1688. Solche Schäden ergeben sich z.B., wenn der Mieter Tapete auf Tapete klebt. Hier ist die Zulage des Malers für das Entfernen der weiteren Tapete der zusätzliche Schaden des Vermieters. Macht der Mieter nach eigener nicht fachgerechter Renovierung den Erfüllungsanspruch gegenüber dem Vermieter geltend, verhält er sich widersprüchlich (venire contra factum proprium)1689. bb) Erstattung von Renovierungs- und sonstigen Kosten Der Mieter, der renoviert, obwohl die entsprechende Klausel in seinem Mietvertrag unwirksam ist, hat 667b Aufwendungen, die er grundsätzlich erstattet verlangen kann1690. (1) Ansprüche aus cic? Ein Verwender von AGB verletzt durch das Stellen unwirksamer Klauseln seine vorvertragliche Pflicht 668 zur Rücksichtnahme gegenüber seinem Vertragspartner und kann sich deshalb bei Verschulden diesem gegenüber schadensersatzpflichtig machen, wenn der Vertragspartner in Unkenntnis der Unwirksamkeit der Klausel Aufwendungen tätigt1691. Dies gilt auch in dem Fall, dass ein Vermieter gegenüber dem Mieter schuldhaft (§ 276 Abs. 1 S. 1 BGB) unwirksame AGB über die Durchführung von Schönheitsreparaturen verwendet und der Mieter daraufhin in der irrigen Annahme der Wirksamkeit dieser Regelungen Renovierungsaufwendungen tätigt1692. Bei dem Anspruch ist aber problematisch, ob den Vermieter als Verwender ein Verschuldensvorwurf 669 gemacht werden kann1693. Dies ist z.B. nicht der Fall, wenn der BGH kurz vor Abschluss des konkreten Mietvertrages eine identische Klausel als wirksam behandelt hatte1694. Im Übrigen setzt der Anspruch des Mieters (u.a.) voraus, dass der Mietvertrag mit dem Anspruchs- 670 gegner abgeschlossen wurde. Deshalb ist der aktuelle Vermieter nicht passivlegitimiert, wenn zwischenzeitlich ein Erwerb nach § 566 BGB stattgefunden hat1695. (2) Aufwendungsersatz nach § 684 BGB § 539 Abs. 1 BGB bestimmt, dass der Mieter vom Vermieter Aufwendungen auf die Mietsache, die der 671 Vermieter ihm nicht gemäß § 536a Abs. 2 BGB zu ersetzen hat, nach den Vorschriften über die Ge1687 BGH v. 5.3.2008 – VIII ZR 37/07, MDR 2008, 617 = MietRB 2008, 161 = NZM 2008, 318 = ZMR 2008, 524 mit Anm. Schläger. 1688 BGH v. 18.2.2009 – VIII ZR 166/08, WuM 2009, 224 = NZM 2009, 313 = GE 2009, 574; LG Berlin v. 26.2.2013 – 63 S 199/12, GE 2013, 1005. 1689 Zur Möglichkeit des Mieters, nach diesen Vorschriften störende Einwirkungen anderer Mieter/Nutzer im Gebäude z.B. durch Rauchen auf dem Balkon abzuwenden, vgl. BGH v. 16.1.2015 – V ZR 110/14, MietRB 2015, 197 = MDR 2015, 638. 1690 Zu den möglichen Anspruchsgrundlagen: Jerger, ZMR 2013, 853. 1691 Vgl. BGH v. 12.11.1986 – VIII ZR 280/85, BGHZ 99, 101, 107 = MDR 1987, 227; BGH v. 8.10.1987 – VII ZR 358/86, MDR 1988, 219 = WM 1988, 56 (unter 3a); BGH v. 28.5.1984 – III ZR 63/83, MDR 1985, 124 = WM 1984, 986 (unter II 5a bb); ferner etwa Erman/Roloff, 12. Aufl., Vor § 307 bis 309 BGB Rz. 19 m.w.N. 1692 Blank, FS Derleder, S. 189, 198 ff.; Börstinghaus, WuM 2005, 675 (678); Lehmann-Richter, WuM 2005, 747; Sternel, ZMR 2008, 501; Bamberger/Roth/Ehlert, § 535 BGB Rz. 196a; MünchKomm/Häublein, § 535 BGB Rz. 126; Palandt/Weidenkaff, § 535 BGB Rz. 47a. 1693 BGH v. 27.5.2009 – VIII ZR 302/07, MDR 2009, 916 = MietRB 2009, 254 = WuM 2009, 395 = GE 2009, 901 = ZMR 2009, 829. 1694 BGH v. 3.6.1998 – VIII ZR 317/97, MDR 1998, 1155 = WuM 1998, 592 (unter III 2 und 3) (Klausel mit einfachem Fristenplan). 1695 LG Berlin v. 21.5.2010 – 65 S 526/09, GE 2010, 909.

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§ 535 Rz. 671 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags schäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683 S. 1, 670 BGB) ersetzt verlangen kann. Bei dieser Bestimmung handelt es sich um eine Rechtsgrundverweisung, die erfordert, dass zugleich die gesetzlichen Voraussetzungen einer GoA vorliegen1696. Daran kann es fehlen, wenn sich der Mieter durch eine individualvertragliche Abrede wirksam zur Vornahme der getätigten Endrenovierung verpflichtet und in diesem Fall eine eigene vertragliche Pflicht erfüllt hätte1697. 672 Bei einer (unwirksamen) Formularklausel, die den Mieter zur Durchführung der Renovierung ver-

pflichten soll, führt der Mieter selbst bei einer Schlussrenovierung kein Geschäft des Vermieters1698. Denn mit der Vornahme von Schönheitsreparaturen will der Mieter eine Leistung erbringen, die rechtlich und wirtschaftlich als Teil des von ihm für die Gebrauchsüberlassung an der Wohnung geschuldeten Entgelts anzusehen ist1699. Eine dadurch bewirkte Vermögensmehrung des Vermieters stellt ebenso wenig wie die Zahlung der Miete eine Wahrnehmung von Vermieterinteressen dar. (3) Bereicherungsausgleich 673 Wurden Schönheitsreparaturen auf Grund einer unwirksamen Endrenovierungsklausel (§ 535 BGB

Rz. 601) und damit ohne rechtlichen Grund erbracht, kommen Ansprüche aus § 812 BGB in Betracht. Wurden die Schönheitsreparaturen im laufenden Mietvertrag ausgeführt, kann darin zwar eine bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens (= Leistung i.S.v. § 812 Abs. 1 S. 1 BGB) liegen (§ 536a BGB Rz. 6a). Voraussetzung ist aber, dass die Ausführung notwendig war, also Renovierungsbedürftigkeit vorlag (§ 535 BGB Rz. 556b). Ansonsten kommen die Maßnahmen allein dem Mieter zugute, so dass ein Bereicherungsanspruch ausscheidet. Sollte Renovierungsbedarf bestanden haben, hätte der Mieter aber nach § 536a BGB vorgehen müssen. Dazu wäre zumindest eine Fristsetzung gegenüber dem Vermieter erforderlich gewesen1700. Denn sobald Schönheitsreparaturen fällig sind, liegt ein Mangel der Mietsache vor. Deshalb bleiben Regressansprüche des Mieters aus § 812 BGB auf die Fälle beschränkt, in denen der Mieter eine vermeintliche Endrenovierungsverpflichtung erfüllt1701. Das ist der Fall, wenn die Endrenovierung ausdrücklich (unwirksam) im Mietvertrag bestimmt ist oder am Ende der Mietzeit die Renovierung fällig ist und der Mieter eine vermeintliche Verpflichtung erfüllt. Denn eine erfolgreiche Durchsetzung des Bereicherungsanspruchs setzt voraus, dass der vom Mieter herbeigeführte Dekorationserfolg dem entspricht, was der Vermieter im Zuge der Weitervermietung nutzen kann1702. 674 Da die von dem Mieter rechtsgrundlos erbrachte Leistung nicht in Natur herausgegeben werden kann,

hat der Vermieter nach § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz zu leisten. Dieser ist nicht auf Ausgleich des hierdurch eingetretenen höheren Ertragswertes des Mietobjekts, d.h. der bei der Neuvermietung erzielbaren

1696 BGH v. 24.2.1982 – IVa ZR 306/08, WPM 1982, 698 (unter I 3a); Palandt/Weidenkaff, § 539 BGB Rz. 6 m.w.N. 1697 Vgl. BGH v. 24.10.1974 – VII ZR 80/73, BGHZ 63, 119, 120 f. 1698 BGH v. 27.5.2009 – VIII ZR 302/07, MDR 2009, 916 = MietRB 2009, 254 = WuM 2009, 395 = GE 2009, 901 = ZMR 2009, 82; LG Berlin v. 23.10.2006 – 62 S 187/06, GE 2007, 517 (518); LG Waldshut-Tiengen v. 25.3.1999 – 1 S 66/98, WuM 2000, 240; AG Köln v. 21.1.2004 – 214 C 527/03, WuM 2006, 261 (262); AG München v. 14.5.2001 – 453 C 17448/00, NZM 2001, 1030; Blank, FS Derleder, S. 189, 197 f.; Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 6; Both, WuM 2007, 3 (6); Horst, DWW 2007, 48 (52); Lange, NZM 2007, 785 (787); Paschke, WuM 2008, 647 (648 f.); Kinne, GE 2009, 358 f.; a.A. LG Landshut v. 21.11.2007 – 12 S 2236/07, WuM 2008, 335; LG Wuppertal v. 23.8.2007 – 9 S 478/06, MietRB 2008, 37 = ZMR 2007, 973; LG Karlsruhe v. 28.4.2006 – 9 S 479/05, NZM 2006, 508; Sternel, ZMR 2008, 501 (502). 1699 BGH v. 30.10.1984 – VIII ARZ 1/84, BGHZ 92, 363, 370 f. = MDR 1985, 400; BGH v. 1.7.1987 – VIII ARZ 9/86, BGHZ 101, 253, 262 = MDR 1987, 927; BGH v. 6.7.1988 – VIII ARZ 1/88, BGHZ 105, 71, 79 ff. = MDR 1988, 1051; BGH v. 3.6.1998 – VIII ZR 317/97, MDR 1998, 1155 = WPM 1998, 2145 (III 2c); BGH v. 28.4.2004 – VIII ZR 230/03, MietRB 2004, 253 = NJW 2004, 2087 (unter III a); BGH v. 20.10.2004 – VIII ZR 378/03, MDR 2005, 266 = MietRB 2005, 62 = WuM 2005, 50 (unter II 2b); BGH v. 5.6.2002 – XII ZR 220/99, MDR 2002, 1304 = WuM 2002, 484 (unter II b). 1700 LG Berlin v. 7.3.2014 – 63 S 575/12, GE 2014, 872. 1701 Ähnlich LG Berlin v. 10.4.2015 – 63 S 318/14, GE 2015, 918 = IMR 2015, 492. 1702 BGH v. 27.5.2009 – VIII ZR 302/07, MDR 2009, 916 = MietRB 2009, 254 = GE 2009, 901 = BGHZ 181, 188 f. Rz. 24.

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höheren Mieteinnahmen1703 beschränkt. Vielmehr kann sich der Wert wie bei rechtsgrundlos erbrachten Dienst- oder (nicht verkörperten) Werkleistungen der herauszugebenden Bereicherung grundsätzlich nach dem Wert der üblichen, hilfsweise der angemessenen Vergütung bemessen1704. Eine solche Bemessung kann auch bei verkörperten Werkleistungen angebracht sein1705. Das ist im Mietrecht deshalb geboten, weil der von dem Mieter herbeigeführte Dekorationserfolg dem entspricht, was der Vermieter in der von ihm gestellten unwirksamen Renovierungsklausel ohnehin verlangt und was er im Zuge der Weitervermietung nutzen kann, ohne dass es dafür entscheidend darauf ankommt, ob und in welcher Höhe dies zu einer Wertsteigerung der Mietwohnung geführt hat1706. Dem Bereicherungsanspruch soll § 814 BGB entgegenstehen, wenn die Unwirksamkeit der Klausel 674a über die Renovierung auf einem starren Fristenplan beruht und über deren Unwirksamkeit in der Tagespresse berichtet wurde1707. Das Erscheinen von Presseberichten kann aber die (positive) Kenntnis i.S.v. § 814 BGB nicht ersetzen. Dazu muss ggfs. (vom Vermieter) bewiesen werden, dass der Mieter den entsprechenden Artikel gelesen hat oder in anderer Weise von der Unwirksamkeit erfahren hat. Den Wert der von dem Mieter erbrachten Eigenleistungen, der im Allgemeinen nur einen Bruchteil 675 des Betrages ausmacht, den der Mieter bei Beauftragung eines Handwerkers hätte aufbringen müssen, kann gemäß § 287 ZPO geschätzt werden. Ob ein höherer Wert etwa deshalb anzusetzen ist, weil die Ausführung der Schönheitsreparaturen zugleich Gegenstand eines von dem Mieter in selbständiger beruflicher Tätigkeit geführten Gewerbes ist, ist Tatfrage. Regelmäßig kann die Leistung des Mieters mit 10–15 Euro angesetzt werden1708. Ein weiterer Bereicherungsanspruch kann sich ergeben, wenn der Mieter die Schönheitsreparaturen 675a übernehmen sollte, neben der Miete Zahlungen auf eine „Rückstellung“ geleistet hat und die Renovierungsklausel unwirksam ist1709. Insoweit kommt es aber darauf an, ob der Betrag für Schönheitsreparaturen als Teil der Miete, also z.B. in der Form eines Zuschlages, vereinbart wurde oder die Auslegung eine „Rückstellung“ im Sinne einer Sicherheitsleistung ergibt. Erfolgt die zusätzliche Zahlung als Teil der Miete (z.B. Zuschlag für Schönheitsreparaturen1710) besteht grundsätzlich kein Rückforderungsanspruch, soweit sie nur einen unselbständigen Teil der Kalkulation der Gesamtmiete darstellt1711. Das gilt selbst dann, wenn zusätzlich eine Renovierungspflicht des Mieters (unwirksam) begründet wurde1712. Denn wenn der Vermieter von vornherein die Schönheitsreparaturen auszuführen hat, kann er den dafür kalkulierten Anteil an der Miete offen legen1713, ohne befürchten zu müssen, im Falle der Nichterfüllung seiner Renovierungspflicht Mietanteile zurückzahlen1714.

1703 BGH v. 26.7.2006 – XII ZR 46/05, GE 2006, 1224; BGH v. 5.10.2005 – XII ZR 43/02, MDR 2006, 505 = MietRB 2006, 94 = WuM 2006, 169; BGH v. 4.4.1990 – VIII ZR 71/89, MDR 1990, 913 = NJW 1990, 1789; OLG München v. 21.4.1995 – 21 U 5722/94, NJW-RR 1997, 650. 1704 Palandt/Sprau, § 818 BGB Rz. 21; Bamberger/Roth/Wendehorst, § 818 BGB Rz. 30, jeweils m.w.N. 1705 Vgl. BGH v. 26.4.2001 – VII ZR 222/99, WPM 2001, 1766 (unter IV 2d). 1706 BGH v. 27.5.2009 – VIII ZR 302/07, MDR 2009, 916 = MietRB 2009, 254 = WuM 2009, 395 = GE 2009, 901 = ZMR 2009, 829. 1707 AG München v. 2.9.2010 – 432 C 13289/10, ZMR 2013, 726 m. Anm. Riecke. 1708 Schmidt-Futterer/Langenberg, § 538 BGB Rz. 206. 1709 LG Wiesbaden v. 15.3.2013 – 3 S 127/12, WuM 2013, 623. 1710 Vgl. dazu auch § 535 BGB Rz. 682a. 1711 BGH v. 30.5.2017 – VIII ZR 31/17, MietRB 2017, 279 = WuM 2017, 456 = ZMR 2018, 16 = GE 2017, 886; AG Wiesbaden v. 2.4.2014 – 91 C 5302/13, ZMR 2015, 469; AG Mannheim v. 20.6.2008 – 9 C 129/08, zitiert nach juris; AG Stuttgart v. 13.7.1982 – 32 C 3007/82, FWW 1983, 60. 1712 A.A. AG Bad Kreuznach v. 20.9.2013 – 24 C 25/13, WuM 2014, 343, allerdings war hier individuell ein Kostenbeitrag für Schönheitsreparaturen geregelt und formularmäßig neben einer unwirksamen Renovierungsklausel der Hinweis enthalten, dass die Kosten der Schönheitsreparaturen in der Miete nicht enthalten seien, so dass im Wege der Auslegung der in der Miete enthaltene Betrag als Sicherung des Anspruchs auf Renovierung angesehen wurde. 1713 LG München II v. 9.11.2010 – 12 S 1790/10, ZMR 2011, 221 = GE 2011, 820; AG Düsseldorf v. 28.7.2010 – 38 C 2421/10, zitiert nach juris. 1714 AG Lüneburg v. 9.5.2001 – 11 C 474/00, zitiert nach juris; a.A. LG Nürnberg-Fürth v. 25.3.1988 – 7 S 3005/ 87, WuM 1989, 169 für den Fall, dass der Mieter die Schönheitsreparaturen ausgeführt hat (zweifelhaft).

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§ 535 Rz. 675b | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags 675b Dagegen kann die zusätzliche Leistung des Mieters als Sicherheit für die Erfüllung seiner Renovie-

rungspflicht angesehen werden, wenn die Auslegung zeigt, dass der angesammelte Betrag bei gehöriger Erbringung der Schönheitsreparaturen zurück gezahlt werden sollte. In diesem Fall ergibt sich bei wirksamer Renovierungsklausel regelmäßig bereits ein Verstoß gegen § 551 Abs. 4 BGB. Ist die Klausel über die Schönheitsreparaturen dagegen unwirksam, ist ein Bereicherungsanspruch schon deshalb begründet, weil keine zu sichernde Pflicht besteht. (4) Verjährung 676 Die Verjährung der vorstehenden Ansprüche richtet sich nach § 548 Abs. 2 BGB und tritt daher sechs

Monate nach Beendigung des Mietvertrages ein. Dies gilt unabhängig von der Anspruchsgrundlage, denn § 548 Abs. 2 BGB will umfassend für eine zügige Abwicklung des Mietvertrages sorgen und auf Seiten des Mieters die Investitionen in die Mietsache erfassen1715. 677 Ob sich die Verjährung der Ansprüche, die sich durch die Ausführung der Renovierung im laufenden

Mietverhältnis ergeben, nach den §§ 195, 199 BGB oder (auch) nach § 548 Abs. 2 BGB richtet, ist bisher höchstrichterlich nicht entschieden1716. Richtigerweise sind die Ansprüche aber im laufenden Mietvertrag unverjährbar. Denn § 548 Abs. 2 BGB bestimmt gerade für diese Ansprüche einen anderen Verjährungsbeginn i.S.v. § 200 BGB1717. cc) Mieterhöhung (1) Preisfreier Wohnraum 678 Ob der Vermieter die (unerwartete) Last der eigenen Renovierungsverpflichtung, die nach § 306 BGB

auf ihn zurückgefallen ist, durch eine Mieterhöhung nach § 558 BGB kompensieren kann, ist umstritten. Teilweise wird dies bejaht1718. Ergänzend besteht die Auffassung1719, dass der Vermieter den Zuschlag nur verlangen dürfe, wenn er zuvor dem Mieter Vertragsverhandlungen mit dem Ziel der Vereinbarung einer wirksamen Schönheitsreparaturübernahme durch den Mieter angeboten hat1720. Teilweise wird auch ein Wahlrecht des Mieters, entweder der Mieterhöhung zuzustimmen oder den Vermieter an der Renovierungsklausel festzuhalten, angenommen1721. Weiterhin wird die Meinung vertreten1722, dass jedenfalls dann, wenn der Mieter zu erkennen gebe, dass er trotz Unwirksamkeit der Überbürdung der Schönheitsreparaturen auch in Zukunft für den Erhalt der Wohnung selbst zu sorgen bereit sei, es dem Vermieter verwehrt sei, einen Zuschlag auf die Miete durchzusetzen. Die Kompensationsmöglichkeit über die Mieterhöhung wird zum Teil mit dem Hinweis auf den Strafcharakter des § 307 BGB abgelehnt1723, teilweise wird auf das Verbot geltungserhaltender Reduktion unwirksamer Klauseln abgestellt1724. Schließlich wird die Auffassung vertreten, dass die Gegenleistung des Mieters nur in der Miete

1715 BGH v. 4.5.2011 – VIII ZR 195/10, MietRB 2011, 201 = MDR 2011, 777 = WuM 2011, 363 = GE 2011, 813 = ZMR 2011, 705 = NZM 2011, 452. 1716 Offen gelassen: BGH v. 31.1.2012 – VIII ZR 141/11, ZMR 2012, 610 = NZM 2012, 380. 1717 Vgl. LG Berlin v. 11.3.2011 – 63 S 277/10, WuM 2011, 365 = GE 2011, 547. 1718 OLG Karlsruhe v. 18.4.2007 – 7 U 186/06, MietRB 2007, 194 = WuM 2007, 454 = ZMR 2007, 439 = GE 2007, 909 = NZM 2007, 481; OLG Frankfurt v. 28.11.2007 – 2 U 200/07, WuM 2008, 82; AG Bretten v. 8.3.2005 – 1 C 526/04, DWW 2005, 293; AG Frankfurt v. 16.9.2005 – 33 C 2479/05, NJW 2005, 3294 = WuM 2005, 7221; AG Langenfeld v. 12.10.2005 – 11 C 123/05, NZM 2006, 178; Stürzer, WuM 2004, 512; Warnecke, WuM 2006, 188; Both, WuM 2007, 3; vgl. auch Eisenhardt, WuM 2008, 63. 1719 LG Düsseldorf v. 16.5.2007 – 21 S 375/05, WuM 2007, 456; LG Düsseldorf v. 18.5.2006 – 21 S 288/05, NZM 2006, 657 = WuM 2006, 387; Kappes, NJW 2006, 3031 (3033); Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 9. Aufl., § 558a BGB Rz. 51; Börstinghaus, NZM 2005, 931; Börstinghaus, jurisPR-MietR 23/2005 Anm. 1. 1720 Dagegen: BGH v. 20.9.2017 – VIII ZR 250/16, MietRB 2017, 343 = MDR 2017, 1293 = WuM 2017, 663 = ZMR 2018, 27 = GE 2017, 1339. 1721 Vgl. Blank, S. 22. 1722 LG Nürnberg-Fürth v. 18.11.2005 – 7 S 7698/05, NZM 2006, 53 = WuM 2006, 53. 1723 Vgl. Ahrlt, DWW 2005, 96 = GuT 2005, 47. 1724 Vgl. Hemming, WuM 2005, 165; Lehmann-Richter, ZMR 2005, 170 (173).

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B. Wohnraummiete | Rz. 682a § 535

bestehe, weshalb bei Unwirksamkeit der Klausel über die Abwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter auch kein Raum für eine Kompensation bestehe1725. Der BGH1726 hat entschieden, dass der Vermieter nicht berechtigt ist, einen Zuschlag zur ortsüblichen 679 Miete zu verlangen, wenn der Mietvertrag eine unwirksame Klausel zur Übertragung der Schönheitsreparaturen enthält. Nach § 558 Abs. 1 S. 1 BGB sei die ortsübliche Vergleichsmiete maßgeblich; einen darüber hinausgehenden Zuschlag sehe das Gesetz nicht vor. Er ließe sich auch nicht mit dem vom Gesetzgeber vorgesehenen System der Vergleichsmiete in Einklang bringen. Insoweit würden die jeweiligen Marktverhältnisse den Maßstab für die Berechtigung einer Mieterhöhung bilden. Der begehrte Zuschlag orientiere sich aber an den Kosten für die Vornahme der Schönheitsreparaturen. Mit der Anerkennung eines Zuschlags würde daher im nicht preisgebundenen Mietwohnraum ein Kostenelement zur Begründung einer Mieterhöhung ohne Rücksicht darauf herangezogen, ob diese Kosten am Markt durchsetzbar wären. Das Problem ist damit nicht aus der Welt. Mit seinem Urteil vom 20.6.20071727 hatte der VIII. Senat 680 festgestellt, dass der Vermieter die Miete auch dann auf das ortübliche Niveau anheben darf, wenn die Anfangsmiete darunter lag. Maßgeblich sei allein, dass im Zeitpunkt der Mieterhöhung insoweit die Voraussetzungen des § 558 BGB vorliegen. Wenn sich ermitteln lässt, dass die ortsübliche Miete keine Kosten für Schönheitsreparaturen enthält, andernfalls am Markt eine höhere Miete gezahlt wird, ergeben sich die Voraussetzungen des § 558 BGB aus der Differenz zwischen der aktuellen Miete und der ortsüblichen Vergleichsmiete für eine Wohnung, bei der der Vermieter die Schönheitsreparaturen von vornherein trägt. Die Ermittlung ist unschwer möglich1728. Andernfalls müsste auch in dem Fall der niedrigen Anfangsmiete geprüft werden, ob sich eine höhere Anfangsmiete am Markt durchsetzen lässt. Ob dies zu einem positiven Ergebnis führt, ist zweifelhaft, zumal wenn ein Lockvogelangebot vorliegt. Die notwendigen Ermittlungen sind ohne weiteres möglich. Immerhin hat z.B. die Bundesrepublik 681 Deutschland (= Bundesamt für Immobilienaufgaben, einer der größten Vermieter in der Republik) teilweise selber inklusive Schönheitsreparatur durch den Vermieter vermietet und weist dafür z.T. einen Betrag für Schönheitsreparaturen im Vertrag aus. Auch einige Versicherungskonzerne vermieten nach dieser Mietstruktur. Auch andere große Vermieter weisen in ihren Mietverträgen z.T. Beträge für Schönheitsreparaturen als Teil der Miete aus. Damit lässt sich aber u.U. ein örtlicher Markt feststellen. Bei ehemals preisgebundenem Wohnraum, für den die Bindungsfrist abgelaufen ist, gelten keine an- 682 deren Grundsätze1729, obwohl in der Grundmiete seit ehedem (gemäß § 28 Abs. 4 II. BV nachvollziehbare) Ansätze für die Schönheitsreparaturen enthalten sind1730. Dies ist richtig, selbst wenn seit dem Ende der Preisbindung noch keine Mieterhöhung nach § 558 BGB stattgefunden hat. Denn ansonsten wird der Begriff der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 Abs. 2 BGB verkannt. Danach muss festgestellt werden, ob sich eine ortübliche Miete mit entsprechenden Zuschlägen ermitteln lässt. Dann kann der in der Miete enthaltene ehemalige Ansatz nach § 28 Abs. 4 BGB als Ausgangspunkt der Bewertung im konkreten Mietvertrag dienen. Davon zu unterscheiden ist die Frage, wie ein Zuschlag für Schönheitsreparaturen zu behandeln ist, 682a der im Rahmen der Klausel zur Regelung der Mietstruktur vereinbart wird, bei der der Vermieter ausdrücklich die Vornahme von Schönheitsreparaturen übernimmt. Da die Schönheitsreparaturen eine Hauptpflicht sind, handelt es sich nicht um eine an § 307 BGB zu bemessende Preisnebenabrede1731. Im Übrigen ist der Begriff des „Zuschlags“ nicht intransparent, weil er im allgemeinen Sprachgebrauch als 1725 Emmerich, NZM 2006, 761. 1726 BGH v. 11.2.2009 – VIII ZR 118/07, WuM 2009, 240 = NZM 2009, 313; BGH v. 9.7.2008 – VIII ZR 83/07, WuM 2008, 487 = GE 2008, 1046 = ZMR 2008, 878; BGH v. 9.7.2008 – VIII ZR 181/07, MDR 2008, 1149 = MietRB 2008, 225 = GE 2008, 1117 = NZM 2008, 641 = DWW 2008, 256 = ZMR 2008, 879. 1727 BGH v. 20.6.2007 – VIII ZR 303/06, MDR 2007, 1302 = MietRB 2007, 256 = NZM 2007, 639. 1728 Vgl. OLG Karlsruhe v. 18.4.2007 – 7 U 186/06, MietRB 2007, 194 = WuM 2007, 454 = ZMR 2007, 439 = GE 2007, 909 = NZM 2007, 481 (hier war ein Gutachten eingeholt worden, dass bestätigte, dass Wohnungen, bei denen der Vermieter die Renovierung schuldet, mit höherer Miete überlassen werden). 1729 BGH v. 9.11.2011 – VIII ZR 87/11, MDR 2012, 17 = MietRB 2012, 1 = WuM 2012, 27 = GE 2012, 62. 1730 So LG Darmstadt v. 23.2.2011 – 25 S 190/11, WuM 2011, 286 m. ablehnender Anm. Blank. 1731 BGH v. 30.5.2017 – VIII ZR 31/17, MietRB 2017, 279 = WuM 2017, 456 = GE 2017, 886.

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§ 535 Rz. 682a | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags Aufschlag zur Grundmiete verstanden wird1732. Daher kann ein Mieter auf den Zuschlag geleistete Zahlungen nicht zurückverlangen. (2) Preisgebundener Wohnraum 683 Die Kostenmiete als das zulässige Entgelt bei öffentlich gefördertem Wohnraum i.S.v. § 50 WoFG wird

in § 8 Abs. 1 S. 1 WoBindG dahin bestimmt, dass der Verfügungsberechtigte die Wohnung nicht gegen ein höheres Entgelt zum Gebrauch überlassen darf, als – bei der Förderung ab dem 1.2.2002 – nach dem Fördervertrag erlaubt oder – bei früheren Förderungen – zur Deckung der laufenden Aufwendungen erforderlich ist. Zu den laufenden Aufwendungen gehören die in § 28 II. BV näher umschriebenen Instandhaltungskosten. Die Kostenmiete als das gesetzlich zulässige Entgelt, das der Vermieter nach §§ 8 Abs. 1 S. 1, 10 Abs. 1 S. 1 WoBindG zu fordern berechtigt ist, bestimmt sich unabhängig davon, ob die dispositiven Regelungen des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB und des § 28 Abs. 4 II. BV aufgrund einer fehlenden oder einer unwirksamen Abwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter zum Tragen kommen1733. Deshalb ist der Vermieter von preisgebundenem Wohnraum über § 10 Abs. 1 WoBindG (ggf. i.V.m. § 4 Abs. 8 NMV auch rückwirkend1734) berechtigt, den Zuschlag nach § 28 Abs. 4 II. BV in die Wirtschaftlichkeitsberechnung einzustellen und die Kostenmiete anzuheben1735. Zur Durchsetzung der Mietänderung muss er dem Mieter zuvor nicht die Vereinbarung einer wirksamen Renovierungsklausel angeboten haben1736. 684 Die Berechtigung des Vermieters zu einem Zuschlag nach § 28 Abs. 4 II. BV entfällt bei der Kosten-

miete nur dann, wenn die Kosten der Schönheitsreparaturen wirksam auf den Mieter abgewälzt worden sind, nicht aber auch dann, wenn der Vermieter die Abwälzung zwar beabsichtigt hat, mit diesem Vorhaben aber gescheitert ist1737. Der Zuschlag kann im Mietvertrag ausgewiesen werden. Wird dafür die Bezeichnung „RST Schönheitsreparaturen“ verwendet und ergibt sich aus dem Zusammenhang, dass damit die Abkürzung für Rückstellung für Schönheitsreparaturen gemeint ist, besteht kein Rückforderungsanspruch1738. 685 Auch ein Schadensersatzanspruch des Mieters wegen Verwendung einer unwirksamen Mietvertrags-

klausel hindert die Mieterhöhung nicht1739. Zwar kann insoweit ein Anspruch aus culpa in contrahendo (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB) begründet sein1740. Daraus folgt jedoch kein Anspruch des Mieters, so gestellt zu werden, als wenn der Vermieter eine wirksame Schönheitsreparaturklausel verwendet hätte. Vielmehr ist die Rechtsfolge dieses Anspruchs darauf gerichtet, die Verwendung unwirksamer Klauseln zu unterlassen und nicht (wirksame) AGB zu verwenden. 686 Deshalb ist der Vermieter berechtigt, die Kostenmiete um diesen Zuschlag zu erhöhen1741. Der Höhe

nach bestimmt sich der Zuschlag nach den Werten des § 28 Abs. 4 II. BV1742. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 8 NMV kann die Mieterhöhung auch rückwirkend geltend gemacht werden.

1732 BGH v. 30.5.2017 – VIII ZR 31/17, MietRB 2017, 279 = WuM 2017, 456 = GE 2017, 886. 1733 Ebenso AG Wetzlar v. 2.12.2008 – 38 C 1882/07, WuM 2009, 172; AG Schöneberg v. 6.6.2008 – 17b C 295/ 07, GE 2008, 1495; Bellinger, WuM 2009, 158 ff.; Flatow, WuM 2009, 208 (214 f.); a.A. AG Tempelhof-Kreuzberg v. 25.5.2009 – 20 C 556/08, WuM 2009, 480; AG Stuttgart-Bad Cannstatt v. 29.9.2009 – 2 C 1685/09, WuM 2009, 674; Wüstefeld, WuM 2008, 697. 1734 BGH v. 12.12.2012 – VIII ZR 181/12, NZM 2013, 312 = GuT 2013, 7. 1735 BGH v. 24.3.2010 – VIII ZR 177/09, MietRB 2010, 157 = MDR 2010, 686 = WuM 2010, 296 = NZM 2010, 396. 1736 BGH v. 20.9.2017 – VIII ZR 250/16, MietRB 2017, 343 = MDR 2017, 1293 = WuM 2017, 663 = ZMR 2018, 27 = GE 2017, 1339; a.A. Flatow, WuM 2009, 208 (216). 1737 Flatow, WuM 2009, 208 (214). 1738 LG Lübeck v. 22.12.2016 – 14 S 98/15, NZM 2017, 221. 1739 BGH v. 12.1.2011 – VIII ZR 6/10, MietRB 2011, 273 = WuM 2011, 112 = GE 2011, 478 = ZMR 2011, 457 = NZM 2011, 478. 1740 BGH v. 27.5.2009 – VIII ZR 302/07, BGHZ 181, 188 = MDR 2009, 916 = MietRB 2009, 254 (Rz. 10) m.w.N. 1741 BGH v. 20.9.2017 – VIII ZR 250/16, MietRB 2017, 343 = MDR 2017, 1293 = WuM 2017, 663 = ZMR 2018, 27 = GE 2017, 1339 m.w.N. 1742 BGH v. 24.3.2010 – VIII ZR 177/09, MDR 2010, 686 = MietRB 2010, 157 = WuM 2010, 296.

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B. Wohnraummiete | Rz. 691 § 535

Aus den Umständen ergibt sich in der Regel keine Vereinbarung über den Ausschluss des Rechts zur 687 Mieterhöhung. Denn den Parteien war bei Abschluss des Mietvertrags nicht bewusst, dass die Klausel über die Überbürdung der Renovierungsklausel unwirksam war und deshalb die geforderte Miete unter der gesetzlich zulässigen Kostenmiete lag. Auch der „Einfrierungsgrundsatz“1743 rechtfertigt keine andere Beurteilung1744. Danach bleibt der Vermieter an den bei der Bewilligung der öffentlichen Mittel gewählten Ansatz gebunden, wenn er niedriger als der seinerzeit zulässige Ansatz war. Das ist nicht der Fall, wenn die der Antragstellung zugrunde gelegte Wirtschaftlichkeitsberechnung von einer Abwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter ausgeht. Denn dann wurden die Instandhaltungskosten in der damaligen Wirtschaftlichkeitsberechnung nicht niedriger angesetzt, als dies unter der Voraussetzung einer Abwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter zulässig war. Aus dem gleichen Grund kann aus der damaligen Wirtschaftlichkeitsberechnung nicht abgeleitet werden, dass der Vermieter auf eine Erhöhung der Kostenmiete um den Erhöhungsbetrag für von ihm selbst durchzuführende Schönheitsreparaturen etwa verzichtet hätte. U.U. kann die Mieterhöhung treuwidrig sein, wenn der Vermieter zuvor keine wirksame, neue Klausel 688 über die Renovierung angeboten hat. Dann muss aber im Prozess entsprechender Sachvortrag erfolgen1745. k) Darlegungs- und Beweislast Der Vermieter muss, da er eine Abänderung von § 535 Abs. 1 S. 2 BGB geltend macht, darlegen und 689 beweisen, dass und in welchem Umfang die Schönheitsreparaturen auf den Mieter abgewälzt worden sind. Weiter hat er alle Voraussetzungen des § 281 BGB, also Fälligkeit der Schönheitsreparaturen und Fristsetzung zur Ausführung sowie Eintritt eines Schadens, darzutun und zu beweisen1746. Demgegenüber muss der Mieter die Erfüllung seiner Verpflichtung zur Vornahme der Schönheitsreparaturen beweisen1747. Findet bei Übergabe der Mieträume eine Übergabeverhandlung statt und wird hierbei ein von beiden 690 Mietvertragsparteien getragenes Übergabeprotokoll angefertigt, erschöpft sich, wenn sich aus den Absprachen und Umständen nichts anderes herleiten lässt, die Wirkung des Protokolls nicht in einer Umkehr der Beweislast1748. Sinn und Zweck der Übergabeverhandlung und der Aufnahme eines gemeinsamen Protokolls ist es vielmehr, späteren Streit über Vorhandensein und Art von Schäden am Mietobjekt, also auch über die Notwendigkeit und Fälligkeit von Schönheitsreparaturen, zu vermeiden, so dass der Vermieter später nur die Ausführung der als fällig protokollierten Maßnahmen verlangen kann1749. Davon abweichende Vereinbarungen muss derjenige vortragen und beweisen, der sich auf die für ihn günstige Tatsache beruft. Der Vermieter muss in jedem Fall eine Belehrung über das Widerrufsrecht nach §§ 312, 356 BGB darlegen und ggf. nachweisen, sofern die Vereinbarung anlässlich der Rückgabe nicht in seinen Geschäftsräumen abgeschlossen wurde (s. § 535 BGB Rz. 65 f.). Ob die Absprachen in einem Wohnungsübergabeprotokoll, das unter Verwendung eines Protokollvor- 691 drucks erstellt wird, Formular- oder Individualvereinbarungen darstellen, ist eine Frage des Einzelfalles. Grundsätzlich spricht die Tatsache, dass der Vermieter mit einem Vordruck zur Übergabe erscheint, für die Vermutung, dass es sich bei den Abreden um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.v. § 305 BGB handelt, zumal wenn ein gewerblicher Vermieter sie verwendet1750. Im Hinblick darauf trägt derjenige, der abweichend von diesem Anschein eine Individualvereinbarung behauptet, die Beweislast1751.

1743 Dazu Heix in WoBauR, § 4a II. BV Anm. 2 f.; Hannemann/Wiegner/Bister, § 37 Rz. 29 f. 1744 Bellinger, WuM 2009, 158 (160); a.A. AG Stuttgart-Bad Cannstatt v. 29.9.2009 – 2 C 1685/09, WuM 2009, 674; Wüstefeld, WuM 2008, 697. 1745 BGH v. 13.7.2010 – VIII ZR 281/09, WuM 2010, 645; BGH v. 31.8.2010 – VIII ZR 28/10, GE 2010, 1680. 1746 Palandt/Grüneberg, § 281 BGB Rz. 53. 1747 Bub/Treier/Kraemer/Paschke, III Rz. 2609. 1748 AG Cham v. 5.3.2010 – 8 C 647/08, ZMR 2011, 642. 1749 BGH v. 10.11.1982 – VIII ZR 252/81, MDR 1983, 394 = NJW 1983, 446. 1750 AG Gießen v. 7.3.2011 – 48 C 130/10, ZMR 2011, 555; a.A. LG Hannover v. 16.10.2009 – 4 S 43/07, ZMR 2011, 212. 1751 A.A. LG Hannover v. 16.10.2009 – 4 S 43/07, ZMR 2011, 212.

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§ 535 Rz. 692 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags 4. Sonstige Erhaltungspflichten des Mieters 692 Vom Mieter eingebrachte Gegenstände sind von ihm selbst instand zu setzen und zu erhalten. Dies

gilt selbst dann, wenn der Mieter eine Leistung aus dem Pflichtenprogramm des Vermieters zu Beginn des Mietvertrages herausnimmt (hier: Lieferung eines Teppichbodens), durch eine eigene Leistung ersetzt (Verlegen von PVC-Bodenbelag) und dabei der vom Vermieter für seine Leistung ins Auge gefasste Handwerker tätig geworden ist1752. 693 Das Gleiche gilt für eine Gasetagenheizung, die anstelle der vorhandenen Ofenheizung vom Mieter mit

Zustimmung des Vermieters installiert wurde und heute nicht mehr den Vorgaben der EnEV genügt. Hier ist der Mieter modernisierungspflichtig1753. Immerhin schuldet der Vermieter im Rahmen des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB nur eine Beheizung mit Öfen und unterliegt die eingebaute Einrichtung nach wie vor dem Wegnahmerecht des Mieters nach § 539 Abs. 2 BGB. 5. Haftungsbeschränkungen des Vermieters 694 Mittelbar kann der Vermieter seine Erhaltungspflicht auf den Mieter dadurch abwälzen, dass er seine

Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt. Bei Formularklauseln ist insoweit mindestens zu beachten, dass gemäß § 309 Nr. 7 BGB Haftungsmilderungen für Schäden an Körper, Gesundheit oder Freiheit unzulässig sind. 695 Allerdings erlaubt § 309 Nr. 7 BGB darüber hinaus grundsätzlich die Beschränkung der Haftung des

Verwenders auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz. Soweit sich die Haftungsmilderung aber auch auf eine Verletzung der Kernpflicht des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB beziehen kann, liegt eine unangemessene Benachteiligung des Mieters i.S.v. § 307 Abs. 2 BGB vor, wenn damit auch vertragstypische Risiken, gegen die sich der Vermieter versichern kann, erfasst sein können1754.

VI. Erfüllungsanspruch des Mieters 696 § 535 Abs. 1 2 BGB bietet dem Mieter eine mehrfache Anspruchsgrundlage: Auf diese Vorschrift ge-

stützt kann er – Überlassung der Mietsache (= Übergabe), § 535 Abs. 1 S. 2, 1. Alt. BGB, – Herbeiführung des vertragsgemäßen Übergabezustandes, § 535 Abs. 1 S. 2, 1. Alt. BGB, – Mängelbeseitigung im laufenden Mietvertrag, § 535 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. BGB, – Gebrauchsgewährung als solche einschließlich Beseitigung von Störungen Dritter, § 535 Abs. 1 S. 1 BGB, verlangen. 697 Bei der Überlassung und der Herbeiführung des Übergabezustandes gelten die unter § 535 BGB

Rz. 349 ff. dargestellten Grundsätze. Der Mieter muss Teilleistungen nicht akzeptieren, § 266 BGB. 698 Andererseits kann der Vermieter den vertragsgemäßen Gebrauch dadurch beeinträchtigen, dass er das

Umfeld verändert. Ob und ggf. in welchem Umfang das zulässig ist bzw. wann die Grenze zu einem vertragswidrigen Zustand überschritten ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Insoweit ist maßgeblich auf die konkrete Ausgestaltung der Nutzung abzustellen, insbesondere ob sie so organisiert ist, dass z.B. bei einer bisher nicht vorhandenen gewerblichen Nutzung1755 von einem etwaigen Publikumsverkehr oder einer Vermietung an Touristen1756 keine weitergehenden Einwirkungen auf die Mietsache oder Mitmieter ausgehen als bei einer üblichen Wohnnutzung.

1752 1753 1754 1755 1756

KG v. 16.8.2004 – 12 U 310/03, MietRB 2005, 34 = ZMR 2004, 908 = GE 2004, 1393 = GuT 2004, 230. A.A. AG Tempelhof-Kreuzberg v. 26.10.2010 – 3 C 23/10, GE 2010, 1691. BGH v. 24.10.2001 – VIII ARZ 1/01, WuM 2002, 141 = NZM 2002, 116 = MDR 2002, 330 = GuT 2002, 45. BGH v. 14.7.2009 – VIII ZR 165/08, MDR 2009, 1215 = MietRB 2009, 282 = NJW 2009, 3157 (Rz. 15). BGH v. 29.2.2012 – VIII ZR 155/11, MDR 2012, 509 = MietRB 2012, 161 = MietRB 2012, 167 = WuM 2012, 269; zur Vermietung einer Eigentumswohnung an Feriengäste vgl. BGH v. 15.1.2010 – V ZR 72/09, MDR 2010, 499 = MietRB 2010, 114 = NJW 2010, 3093 (Rz. 16 ff., 23) m.w.N.

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B. Wohnraummiete | Rz. 703 § 535

1. Leistungshindernisse Bis zur Übergabe gelten grundsätzlich die allgemeinen Bestimmungen, soweit kein Rechtsmangel 699 vorliegt (vgl. Vor § 536 BGB Rz. 34). Deshalb kann der Erfüllungsanspruch aus tatsächlichen Umständen bis zur Übergabe nur nach den §§ 275, 323 BGB untergehen. Bei der Übergabe stellt der mangelhafte Zustand der Wohnung regelmäßig nur ein vorübergehendes 700 Leistungshindernis dar, so dass der Erfüllungsanspruch nach § 275 Abs. 1 BGB nicht untergeht. Liegt ein Rechtsmangel vor, bildet § 536 Abs. 3 BGB gegenüber § 275 Abs. 1 BGB lex specialis1757. Damit bleibt der Erfüllungsanspruch in beiden Fällen grundsätzlich bestehen. 2. Mängelbeseitigung Ist die Mietsache bei der Übergabe mangelhaft, kann der Mieter – soweit er nicht nach § 266 BGB vor- 701 gehen will – dennoch die Leistung des Vermieters annehmen und Mängelbeseitigung verlangen. Dafür ist ein Vorbehalt bei der Übergabe grundsätzlich nicht erforderlich1758. Denn der Erfüllungsanspruch aus § 535 Abs. 1 BGB wird durch § 536b BGB nicht berührt1759. Wird die Mietsache im laufenden Mietvertrag mangelhaft, bildet § 535 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. BGB eben- 702 falls die Anspruchsgrundlage für einen Erfüllungsanspruch des Mieters. Voraussetzung ist das Vorliegen eines Mangels, der zwar eine Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit voraussetzt, ansonsten aber nicht die Qualität des Mangels i.S.v. § 536 BGB aufweisen muss. Insbesondere muss deshalb keine erhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung gegeben sein1760. Der Mängelbeseitigungsanspruch kann daher schon geltend gemacht werden, wenn der Fußboden Unebenheiten ausweist, nicht jedoch weil z.B. asbesthaltige Baustoffe vorhanden sind. Vielmehr müsste in diesem Fall zusätzlich eine Gesundheitsgefährdung konkret möglich sein1761. Der Mängelbeseitigungsanspruch besteht selbst dann, wenn die Mangelursache zwar der Sphäre des 702a Mieters (ausschließlich oder auch) zuzurechnen ist, der Mieter den Mangel aber nicht zu vertreten hat, weil er die Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs nicht überschritten hat1762. Deshalb ist der Vermieter z.B. bei einem Auftreten von Fogging verpflichtet, die Mängel vollständig zu beseitigen. Beruht eine Schimmelbildung aber ausschließlich auf falschem Lüftungs- und Heizungsverhalten des Mieters, also auf einer Verletzung seiner Obhutspflicht, ist der Mieter bei fahrlässiger Verursachung im Rahmen seiner Schadensersatzpflicht für die Beseitigung verantwortlich. Der Vermieter kann wählen1763, ob er seinen Schadensersatzanspruch in Form der Wiederherstellung (§ 249 Abs. 1 BGB) oder des Geldersatzes (§ 249 Abs. 2 BGB) gegen den Mieter geltend macht1764. Eine vorherige Fristsetzung ist nicht erforderlich1765. Ist zur Durchführung der Mängelbeseitigung die Mitwirkung des Mieters erforderlich, kann der Ver- 702b mieter, sofern die Voraussetzungen des § 229 BGB nicht vorliegen, keine Selbsthilfe durchführen. Ansonsten macht er sich nach § 231 BGB schadensersatzpflichtig (vgl. dazu Anhang zu § 546 BGB Rz. 1). Der Anspruch kann insbesondere auf Freistellung von Ansprüchen des Vermieters (z.B. Nutzungentschädigung für die Räume, in denen das Inventar des Mieters untergestellt wurde) führen1766. Begehrt der Mieter vergeblich die Erfüllung, kann er zur Durchsetzung dieses Anspruchs spätestens, 703 wenn Verzug eingetreten ist, folgende Rechte geltend machen:

1757 BGH v. 15.2.1961 – VIII ZR 183/59, NJW 1961, 917. 1758 Vgl. z.B. BGH v. 1.7.1987 – VIII ARZ 9/86, MDR 1987, 927 = WuM 1987, 306. 1759 BGH v. 18.4.2007 – XII ZR 139/05, MDR 2007, 1065 = MietRB 2007, 195 = GuT 2007, 208 = ZMR 2007, 605 = GE 2007, 840 = NZM 2007, 484. 1760 AG Hamburg-Altona v. 18.8.2014 – 314a C 55/13, ZMR 2015, 383. 1761 LG Berlin v. 3.12.2014 – 65 S 220/14, IMR 2015, 54. 1762 BGH v. 28.5.2008 – VIII ZR 271/07, MietRB 2008, 258 = MDR 2008, 966 = WuM 2008, 476 = ZMR 2008, 869. 1763 Vgl. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 93. 1764 Palandt/Weidenkaff, § 535 BGB Rz. 58; MünchKomm/Häublein, § 535 BGB Rz. 106. 1765 LG Saarbrücken v. 21.11.2014 – 10 S 60/14, MietRB 2015, 170 = IMR 2015, 57. 1766 OLG Dresden v. 14.6.2017 – 5 U 1426/16, IMR 2018, 151 (Ramm).

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§ 535 Rz. 703 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags – Erhebung einer Klage auf Erfüllung (Mängelbeseitigung, Unterlassung, Leistung), – Einstweilige Verfügung jedenfalls bei konkreter Gesundheitsgefährdung1767 oder verbotener Eigenmacht z.B. durch Ausstellen eines Gerüstes1768 (vgl. auch § 535 BGB Rz. 703a)1769, – Ausübung eines Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB hinsichtlich der Miete (vgl. § 535 BGB Rz. 887 f.), – Verlangen nach Vorschuss in Höhe der voraussichtlich erforderlichen Beseitigungskosten1770, – Selbstbeseitigung des Mangels mit der Folge des § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB, – Durchführung einer Minderung, soweit eine erhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung vorliegt, § 536 BGB. 703a Neben dem Erfüllungsanspruch auf Mängelbeseitigung kommen auch Besitzstörungsansprüche des

Mieters nach den §§ 858, 862 BGB in Betracht. Das setzt in Anwendung des Rechtsgedankens des § 906 BGB voraus, dass eine erhebliche Beeinträchtigung des Besitzes stattfindet1771. Im Übrigen beschränken sich derartige Rechte auf die zum unmittelbaren Besitz überlassenen Teile der Mietsache, also in der Regel auf die Mieteinheit1772, insbesondere solange eine Duldungspflicht nicht rechtskräftig festgestellt ist1773. Denn außerhalb der Wohnung wird dem Mieter in der Regel kein (Mit-)Besitz eingeräumt1774. Neben einem Mangel tritt eine Besitzstörung z.B. dadurch ein, dass der Vermieter ohne Ankündigung von Instandsetzungs- oder Modernisierungsmaßnahmen ein Gerüst errichten lässt, das die Sicht aus der Mietwohnung behindert1775 oder die Einsicht ermöglicht1776 und damit die Privatsphäre stört1777. Eine Besitzstörung wird in diesem Fall auch durch eine Verschattung, erhöhte Einbruchsgefahr oder die Einsichtsmöglichkeit in die Wohnung durch Arbeiter bewirkt. Ebenso kann sich der Mieter per einstweiliger Verfügung zur Wehr setzen, wenn der Vermieter ohne seinen Willen ein Rohr auf Putz oder unter der Decke verlegt1778. Ob eine schuldrechtliche Pflicht zur Duldung besteht, ist gegenüber dem possessorischen Anspruch aus § 862 BGB unerheblich. Eine Besitzstörung wird auch durch ein Vermietungsplakat im Schaufenster des Mieters herbeigeführt, wenn der Mieter trotz Vertragsklausel nicht damit einverstanden ist1779. Im Übrigen kommen Störungen der Gebrauchs- und Nutzungsmöglichkeit aller Art, insbesondere Lärm-, Staub- und Geruchsimmissionen, Einschränkungen des Zugangs durch Arbeiten im Eingangsbereich oder Treppenhaus in Betracht1780. Allerdings kann grundsätzlich keine Rückgängigmachung der Maßnahme im Wege der einstweiligen Verfügung verlangt werden (Vorwegnahme der Hauptsache)1781. 703b Die Aufnahme der Mängelbeseitigung lässt sich in der Regel nicht im Wege der einstweiligen Ver-

fügung gegen den Vermieter durchsetzen. Damit begehrt der Mieter eine Leistungsverfügung, die nur unter besonderen Voraussetzungen zulässig ist, also insbesondere eine bestehende oder drohende Not1767 LG Hamburg v. 19.2.2013 – 316 T 7/13, ZMR 2015, 28 mit Anm. Waßmann, ZMR 2015, 5. 1768 LG Berlin v. 7.1.2015 – 18 S 259/14, GE 2015, 256; a.A. AG Schöneberg v. 30.11.2015 – 106 C 341/15, GE 2016, 68. 1769 Zum Schadensersatz wegen Mietausfalls etc. bei unberechtigter einstweiliger Verfügung: BGH v. 13.10.2016 – IX ZR 149/15, MietRB 2017, 1 = GE 2016, 1501. 1770 BGH v. 28.5.2008 – VIII ZR 271/07, MietRB 2008, 258 = MDR 2008, 966 = WuM 2008, 476 = ZMR 2008, 869; BGH v. 26.11.1997 – XII ZR 28/96, MDR 1998, 207 = NJW 1998, 594 unter 2a. 1771 BGH v. 29.10.1954 – V ZR 53/53, NJW 1955, 19; LG Berlin v. 26.2.2013 – 63 S 429/12, MietRB 2013, 138 = MDR 2013, 643 = GE 2013, 487; LG Berlin v. 7.8.2012 – 63 T 118/12, ZMR 2013, 113. 1772 LG Berlin v. 23.2.2015 – 18 S 132/14, GE 2015, 512 (nicht duldungspflichtiger Anbau eines Balkons); LG Berlin v. 16.9.2014 – 65 T 224/14, GE 2015, 595 (Anbau eines Balkons in über der Wohnung des Mieters liegenden Etagen). 1773 LG Berlin v. 16.9.2014 – 65 T 224/14, GE 2015, 595. 1774 KG v. 20.8.2012 – 8 U 168/12, MietRB 2012, 364 = GE 2012, 1561 = ZMR 2012, 422; KG v. 3.12.1998 – 8 U 3716/98, GE 1999, 252. 1775 LG Berlin v. 20.4.2016 – 65 S 424/15, GE 2016, 860; LG Berlin v. 27.9.2013 – 65 T 158/13, GE 2013, 1454. 1776 LG Berlin v. 16.9.2014 – 65 T 224/14, GE 2015, 595. 1777 LG Berlin v. 20.4.2016 – 65 S 424/15, GE 2016, 860. 1778 LG Berlin v. 4.10.2013 – 65 T 142/13, GE 2013, 1454. 1779 AG Brandenburg v. 13.6.2013 – 31 C 153/13, NZM 2013, 828. 1780 LG Berlin v. 20.4.2016 – 65 S 424/15, GE 2016, 860. 1781 AG Köln v. 20.5.2016 – 208 C 148/16, ZMR 2016, 710.

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B. Wohnraummiete | Rz. 706 § 535

lage oder drohende unzumutbare wirtschaftliche Nachteile erfordert. Gewisse Unzuträglichkeiten in einer Ersatzwohnung begründen diese Voraussetzungen nicht1782. Der Anspruch auf Mängelbeseitigung kann grundsätzlich auch einen Anspruch auf Unterlassung 703c künftiger Beeinträchtigungen begründen. Das kommt insbesondere in Betracht, wenn es sich um ein Phänomen handelt, das im Verhalten des Vermieters liegt (z.B. unberechtigter Zutritt zu den Mieträumen). Bei Störungen durch Dritte (z.B. Störungen des Hausfriedens durch andere Mieter) wird ein in die Zukunft gerichtetes Begehren eine Wiederholungsgefahr im Verhältnis zum Vermieter begründen müssen. Das ist in der Regel ausgeschlossen, wenn der Vermieter sich selbst vertragsgemäß verhält und die Beschwerden des Mieters zum Anlass für Abmahnungen der störenden Mieter nimmt. Nur Ausnahmsweise kann der Mieter vom Vermieter insoweit ein weiteres Unterbinden für die Zukunft oder sogar eine konkrete Vorgehensweise verlangen (z.B. Kündigung des anderen Mieters, vgl. dazu § 535 Rz. 502). Deshalb kann er auch über die Mängelbeseitigung nicht erreichen, dass der Vermieter bestimmte Nutzungen (gewerbliche Nutzung anderer Einheiten), die an sich zulässig sind, aber zu Störungen des Mieters (z.B. versehentliches Klingeln Dritter) führen können, für die Zukunft zu unterlassen1783. a) Umfang der Mängelbeseitigung Im Zuge der Mängelbeseitigung kann der Mieter die Herbeiführung der Sollbeschaffenheit verlan- 704 gen (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 349 ff.). Mangels anderer Absprachen orientiert sich die Sollbeschaffenheit grundsätzlich an dem Zustand bei Vertragsschluss1784 (vgl. § 536 BGB Rz. 75 ff.). Dies gilt selbst dann, wenn im Mietvertrag Instandhaltung und Instandsetzung des Mietobjekts (i.d.R. im Gewerberaum) sowie Schönheitsreparaturen auf den Mieter abgewälzt worden sind1785. Der Mieter hat keinen grundsätzlich keinen Anspruch auf eine bestimmte Art der Mängelbeseiti- 705 gung1786 oder Beseitigung der Ursache des Mangels1787. Ausnahmsweise soll auch die Ursache zu beseitigen sein, soweit allein durch die Möglichkeit des (erneuten) Auftretens des Mangels eine Gebrauchsbeeinträchtigung eintritt und es dem Mieter nicht zumutbar ist, die Gefahr hinzunehmen1788. Maßgeblich ist i.d.R., dass der Vermieter die Sollbeschaffenheit wiederherstellt. Denn er schuldet den Erfolg. Ob er dabei die Regeln der Kunst des betreffenden Handwerks einhält und/oder Fachkräfte beauftragt bzw. beschäftigt, ist prinzipiell unerheblich. Allerdings muss sich der Mieter nicht mit einer provisorischen Mängelbeseitigung zufriedengeben (z.B. Beispachteln von Rissen ohne Beseitigung der Ursache1789). Bei wiederholtem Auftreten desselben Mangels kann sich der Vermieter nicht darauf beschränken, jedesmal neu eine konkrete Einzelmaßnahme zur Beseitigung des Phänomens durchzuführen. Vielmehr kann der Mieter eine grundlegende und nachhaltige Sanierung fordern1790. Grundsätzlich obliegt dem Vermieter die Entscheidung über die Art und Weise einer Mangelbeseiti- 706 gung (Auswahlermessen). Allerdings hat er bei der Gestaltung (z.B. Schönheitsreparaturen) grundsätzlich die Wünsche des Mieters zu berücksichtigen (vgl. § 535 BGB Rz. 666a). Im Übrigen darf die von ihm beabsichtigte Maßnahme nicht zu einer unzulässigen Änderung des vertragsgemäßen Gebrauchs führen. Das soll z.B. der Fall sein, wenn eine Innendämmung zur Beseitigung von Feuchtigkeitsbildung dazu führt, dass die nutzbare Wohnfläche verringert wird und Möbel mit einem Abstand von 10 bis 15 cm von der Außenwand aufgestellt werden müssten1791. Dies ist aber zweifelhaft. Es ist bereits fraglich, ob in der gegebenen Situation überhaupt ein Mangel besteht. Das ist jedenfalls nicht anzunehmen, wenn die Feuchtigkeit entsteht, obwohl die bei der Errichtung des Gebäudes maßgeblichen Bau1782 1783 1784 1785 1786 1787 1788 1789 1790 1791

LG Hamburg v. 18.12.2013 – 311 T 72/13, IMR 2014, 54 (Ruge). AG München v. 13.6.2014 – 411 C 1574/14, IMR 2015, 58. AG Köln v. 3.12.2008 – 203 C 185/08, WuM 2012, 315 m.w.N. BGH v. 25.2.1987 – VIII ZR 88/86, MDR 1987, 753 = ZMR 1987, 257 = WPM 1987, 822 unter 3b und c; Wolf/Eckert/Ball, Rz. 297. AG Mitte v. 28.3.2001 – 17 C 482/00, MM 2001, 356 (357). LG Berlin v. 17.9.2012 – 67 S 28/12, WuM 2012, 606. LG Bremen v. 5.9.2018 – 1 S 281/17, IMR 2018, 506 (Geue). AG Köln v. 21.4.1995 – 219 C 97/94, KM 35 Nr. 5. OLG Düsseldorf v. 20.7.2007 – 10 U 46/07, NZM 2009, 281 = MietRB 2008, 72 (Dachundichtigkeit). LG Mannheim v. 14.2.2007 – 4 S 62/06, ZMR 2007, 971 = NZM 2007, 682.

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§ 535 Rz. 706 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags vorschriften eingehalten wurden1792. Ergreift der Vermieter dennoch die Maßnahme der Innendämmung, ist er dazu berechtigt, wenn andere Maßnahmen (z.B. Dämmung der Außenfassade) auch und gerade unter dem Gesichtspunkt der Opfergrenze ausscheiden. Der Mieter ist sodann wegen der Flächeneinschränkung zur Minderung berechtigt, wenn die Beschränkung denn erheblich ist (also mehr als 10 % beträgt). Einen Austausch des verschlissenen Teppichbodens gegen einen Laminatboden soll der Mieter nicht hinnehmen müssen1793. 707 Im Übrigen kann der Mieter eine Mängelbeseitigung ablehnen, wenn der Vermieter selbst als Laie oder

durch sonstige Hilfskräfte bereits mehrfach vergeblich versucht hat, den Mangel durch Flickwerk zu beseitigen. Dabei ist immer zu berücksichtigen, dass auch Fachkräfte bei bestimmten Phänomenen vielfach mehrere Ursachen ausschließen müssen, bevor sie die eigentliche zutreffende Maßnahme herbeiführen können. Dies gilt insbesondere bei Feuchtigkeit durch auslaufendes Wasser oder Knackgeräuschen im Leitungssystem. 708 Wie bei der Modernisierung1794 gehört zur vollständigen Mängelbeseitigung insbesondere die Erneue-

rung der Dekoration. Bei Feuchtigkeitsschäden müssen selbst dann abschließende Renovierungsarbeiten vom Vermieter durchgeführt werden, wenn deren Ursache noch ungeklärt ist, der Vermieter aber vor endgültiger Ursachenfeststellung eine Mängelbeseitigung durchführt1795. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Mieter (wirksam) zur laufenden Renovierung verpflichtet wurde und Schönheitsreparaturen fällig sind1796. Denn die Schönheitsreparaturen, die dem Mieter überbürdet werden, erfassen nur den Zustand, der durch vertragsgemäßen Gebrauch verursacht wird. Deshalb ist der Vermieter auf jeden Fall zur Mängelbeseitigung verpflichtet, auch wenn diese allein in der Vornahme von Schönheitsreparaturen besteht1797. 709 In der Praxis stellt sich indessen häufig die Frage, in welchem Umfang der Vermieter Renovierungs-

leistungen erbringen muss, insbesondere, ob er z.B. den gesamten Raum tapezieren muss oder nur die betroffene Wand. Die Pflicht des Vermieters beschränkt sich auf die Mängelbeseitigung. Hat etwa ein Rohrbruch stattgefunden, muss der Vermieter nur die betroffene Wand „wiederherstellen“. Aus dem Gebot der Rücksichtnahme ergibt sich insoweit grundsätzlich die Pflicht, die Dekoration der Wand dem Zimmer im Übrigen anzupassen. Hinsichtlich der anderen Flächen des Zimmers kommt es darauf an, ob Renovierungsbedarf besteht. Ist das der Fall, muss der Vermieter renovieren, wenn die Klausel unwirksam ist. Ansonsten ist es Aufgabe des Mieters, die Dekoration zu erneuern. Immerhin sind seine Schönheitsreparaturen fällig und beruht die Abnutzung dieser Flächen auf vertragsgemäßem Gebrauch. 710 In einem Badezimmer oder einem sonstigen Nassraum muss der Vermieter im Zuge einer Mängel-

beseitigung ebenfalls grundsätzlich keine komplett neue Verfliesung liefern. Vielmehr kann er durch eine farblich abgesetzte Reihe von Fliesen einen „Kontrapunkt“ setzen. Dies führt nicht zu einem Mangel der Mietsache1798. 711 Wird der Mieter im Zuge der Mängelbeseitigung durch nicht unerhebliche Lärm-, Staub- oder Ge-

ruchsbelästigungen oder sonstige nicht nur unerhebliche Gebrauchsbeeinträchtigungen gestört bzw. sind solche Störungen zu erwarten, kann er die Durchführung der Arbeiten wegen Besitzstörung nach § 862 Abs. 1 BGB im Wege der einstweiligen Verfügung untersagen lassen1799.

1792 BGH v. 5.12.2018 – VIII ZR 271/17, MDR 2019, 150 = WuM 2019, 25. 1793 LG Stuttgart v. 1.7.2015 – 13 S 154/14, MietRB 2015, 260 = GE 2015, 1295. 1794 BGH v. 30.3.2011 – VIII ZR 173/10, MDR 2011, 591 = MietRB 2011, 170 = WuM 2011, 293 = GE 2011, 681 = ZMR 2011, 622. 1795 LG Köln v. 21.11.2002 – 6 S 131/02, KM 35 Nr. 60. 1796 BGH v. 17.12.2003 – XII ZR 308/00, MDR 2004, 500 = MietRB 2004, 106 = NJW 2004, 848. 1797 A.A. LG Aachen v. 16.1.1991 – 7 S 338/90, WuM 1991, 341. 1798 AG Köln v. 8.9.1994 – 215 C 256/93, n.v.; a.A. LG Kleve v. 5.2.1991 – 6 S 285/90, WuM 1991, 261 (5 % Minderung); AG Köln v. 13.4.2012 – 201 C 481/10, ZMR 2012, 632 (3 % Minderung). 1799 LG Berlin v. 7.8.2012 – 63 T 118/12, GE 2012, 1231.

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B. Wohnraummiete | Rz. 711c § 535

b) Vom Mieter verursachte Brand- und sonstige Schäden Nach der Rechtsprechung des BGH zur sog. versicherungsrechtlichen Lösung (§ 535 BGB Rz. 445c) ist 711a der Mieter, der einen Brand- oder sonstigen Schaden1800, der von einem Gebäudeversicherer reguliert wird und den er durch einfache Fahrlässigkeit verursacht hat, (regelmäßig) vor einem Rückgriff des Gebäudeversicherers (§ 86 Abs. 1 VVG) in der Weise geschützt, dass eine durch die Interessen der Vertragsparteien gerechtfertigte ergänzende Auslegung des Gebäudeversicherungsvertrages einen konkludenten Regressverzicht des Versicherers für die Fälle ergibt, in denen der Wohnungsmieter einen Brandschaden durch einfache Fahrlässigkeit verursacht hat1801. Der Mieter wird dadurch im Ergebnis nicht anders gestellt, als wenn er selbst eine Versicherung abgeschlossen hätte1802. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der Mieter eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat und diese für den Brandschaden ebenfalls eintrittspflichtig wäre1803. Der stillschweigende Regressverzicht ist aber auf die Fälle einfacher Fahrlässigkeit beschränkt1804. Diese sog. versicherungsrechtliche Lösung schützt den Mieter selbst dann, wenn der Vermieter/Ver- 711b sicherungsnehmer die Versicherung tatsächlich nicht in Anspruch nimmt. Denn der Vermieter hat insoweit, als dass er durch die Versicherung geschützt ist, im Regelfall kein vernünftiges Interesse daran, den Schadensausgleich durch den Mieter zu suchen, obwohl dieser bereits durch die Zahlung der Versicherungsprämie zur Deckung des Schadens beigetragen hat. Vielmehr erwartet der Mieter die Inanspruchnahme der Versicherung, wenn er deren Kosten trägt. Aus dieser Interessenlage folgt die mietvertragliche Pflicht des Vermieters, die Versicherung in Anspruch zu nehmen (oder auf Schadensersatz zu verzichten), wenn ein Versicherungsfall vorliegt, ein Regress des Versicherers gegen den Mieter ausgeschlossen ist und der Vermieter nicht ausnahmsweise ein besonderes Interesse an einem Schadensausgleich durch den Mieter hat. Verletzt der Vermieter diese Pflicht, steht dem Mieter seinerseits ein Schadensersatzanspruch zu, den er dem Schadensersatzanspruch des Vermieters wegen seiner Obhutspflichtverletzung gemäß § 242 BGB (dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est) entgegenhalten kann1805. Die Anwendung dieser Grundsätze führt dazu, dass es im Falle der durch den Mieter leicht fahrlässig 711c verursachten Brand- oder sonstigen Versicherungsschäden bei der Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB verbleibt und dieser regelmäßig auch dann zur Wiederherstellung eines zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustands der Mietsache verpflichtet1806. Grundsätzlich kann zwar ein besonderes Interesse des Vermieters ausnahmsweise gegen eine Inanspruchnahme der Wohngebäudeversicherung sprechen. Dieses besondere Interesse kann aber nicht durch den pauschalen Hinweis des Vermieters auf möglicherweise steigende Versicherungsbeiträge begründet werden1807. Vielmehr bedarf es dazu der Darlegung einer nachvollziehbaren Begründung. Erst recht steht dem An-

1800 OLG Düsseldorf v. 20.5.2016 – 24 U 164/15, GE 2016, 1382 (Wasserschaden durch Kochendwassergerät). 1801 BGH v. 8.11.2000 – IV ZR 298/99, MDR 2001, 272 = BGHZ 145, 393 (398 ff.); BGH v. 3.11.2004 – VIII ZR 28/04, MDR 2005, 386 = MietRB 2005, 65 = NJW-RR 2005, 381 unter II 2; BGH v. 13.9.2006 – IV ZR 273/ 05, MDR 2007, 211 = BGHZ 169, 86 Rz. 8; BGH v. 10.11.2006 – V ZR 62/06, MDR 2007, 390 = MietRB 2007, 100 = NJW 2007, 292 Rz. 7 [betr. Wohnungseigentümer]; BGH v. 20.12.2006 – VIII ZR 67/06, NJW-RR 2007, 684 Rz. 8; BGH v. 27.1.2010 – IV ZR 129/09, MDR 2010, 571 = BGHZ 184, 148 Rz. 8 f.; BGH v. 10.5.2011 – VI ZR 196/10, MDR 2011, 848 = NJW-RR 2011, 1055 Rz. 6; BGH v. 12.12.2001 – XII ZR 153/99, NJW-RR 2002, 1243; BGH v. 15.11.2011 – II ZR 304/09, MDR 2012, 149 = NJW-RR 2012, 280 Rz. 11; BGH v. 21.1.2014 – VIII ZR 48/13, GE 2014, 661 Rz. 4. 1802 BGH v. 3.11.2004 – VIII ZR 28/04, MDR 2005, 386 = MietRB 2005, 65 = NJW-RR 2005, 381. 1803 BGH v. 8.11.2000 – IV ZR 298/99, MDR 2001, 272 = BGHZ 145, 393 (399 f.); BGH v. 20.12.2006 – VIII ZR 67/06, NJW-RR 2007, 684; BGH v. 13.9.2006 – IV ZR 273/05, MDR 2007, 211 = BGHZ 169, 86 Rz. 9 ff. 1804 BGH v. 26.10.2016 – IV ZR 52/14, GE 2017, 290 = ZMR 2017, 555 = NZM 2017, 29. 1805 BGH v. 3.11.2004 – VIII ZR 28/04, MDR 2005, 386 = MietRB 2005, 65 = NJW-RR 2005, 381 unter II 3; BGH v. 10.11.2006 – V ZR 62/06, MDR 2007, 390 = MietRB 2007, 100 = NJW 2007, 292; jeweils m.w.N.; BGH v. 21.1.2014 – VIII ZR 48/13, GE 2014, 661 Rz. 5. 1806 BGH v. 19.11.2014 – VIII ZR 191/13, MietRB 2015, 36 = MDR 2015, 76 = WuM 2015, 88 = IMR 2015, 50. 1807 BGH v. 19.11.2014 – VIII ZR 191/13, MietRB 2015, 36 = MDR 2015, 76 = WuM 2015, 88 = IMR 2015, 50.

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§ 535 Rz. 711c | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags spruch aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB nicht entgegen, dass der Mieter wegen des Brandschadens zugleich die Minderung der Miete geltend machen kann1808. c) Verweigerung der Mängelbeseitigung 712 Verweigert der Mieter die Mängelbeseitigung, verhält er sich widersprüchlich und damit treuwidrig

(venire contra factum proprium, § 242 BGB)1809. Denn er fordert einerseits die Leistung des Vermieters nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB und verhindert sie sogleich. Andere dogmatische Ansätze1810 sind nicht zielführend. Mit dem widersprüchlichen Verhalten des Mieters entfällt der Verzug des Vermieters und kann der Mieter die Miete nicht mehr nach § 536 BGB mindern1811. Das Gleiche gilt, wenn der Mieter bereits die Besichtigung zum Zwecke der Mängelfeststellung bzw. Vorbereitung der Mängelbeseitigung nicht zulässt. Als weitere Folge ist der Mieter grundsätzlich gehindert, eine Minderung (§ 536 BGB)1812 oder ein Zurückbehaltungsrecht (§ 320 BGB) geltend zu machen1813, allerdings erst ab dem Zeitpunkt, ab dem die Mängelbeseitigung ohne das verhindernde Verhalten des Mieters nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge voraussichtlich abgeschlossen gewesen wäre1814. Ein Verlust des Anspruchs auf Instandsetzung bzw. Mängelbeseitigung tritt aber nicht ein1815. Dennoch kann der Mieter nicht z.B. nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB kündigen. Lässt er die Arbeiten des Vermieters später zu, kann er für die Dauer, in der er trotz Verweigerung mindern durfte, die Miete nicht nach § 536 Abs. 1 BGB kürzen. Wird die bereits angerechnete Zeit überschritten, ist er zur Minderung berechtigt, wenn er durch die Arbeiten des Vermieters erheblich beeinträchtigt wird. Ein Zurückbehaltungsrecht kommt nicht mehr in Betracht, weil der Vermieter die gewünschte Leistung erbringt. 713 Voraussetzung für den Ausschluss von Minderung und Zurückbehaltungsrechts ist, dass der Mieter

duldungspflichtig (z.B. nach § 555a BGB) ist. Ein Annahmeverzug i.S.d. §§ 294 ff. BGB, der erst eintreten soll, wenn der Vermieter nicht nur den Erfolg, sondern auch eine konkrete Leistungshandlung angeboten hat, ist nicht erforderlich1816. Vielmehr reicht es aus, wenn der Vermieter die Arbeiten nach § 555a Abs. 2 BGB oder den zuvor erforderlichen Besichtigungstermin rechtzeitig z.B. i.S.d. § 555a BGB ankündigt1817. Ist das geschehen, ist eine treuwidrige Verhinderung der Mängelbeseitigung durch den Mieter etwa dann anzunehmen, wenn er entgegen seiner aus § 555a Abs. 1 BGB folgenden Pflicht, Maßnahmen zur Instandhaltung oder Instandsetzung (Erhaltungsmaßnahmen) zu dulden, Einwirkungen auf die Mietsache nicht zulässt oder ihre Duldung von ungerechtfertigten Forderungen abhängig macht1818. Letzteres ist z.B. der Fall, wenn er die Bestätigung des Vermieters fordert, Ansprüche zu erfüllen, die weder von § 555a Abs. 3 BGB noch von § 536a BGB gedeckt sind1819. 713a Will der Vermieter den Mangel selbst besichtigen (zum Besichtigungsrecht vgl. § 535 BGB Rz. 807 f.)

oder beseitigen, kann er daran auch nicht durch ein generelles Hausverbot des Mieters gehindert werden1820. Auch bei der verweigerten Besichtigung kann sich der Mieter nicht auf eine Minderung beru-

1808 Vgl. BGH v. 28.5.2008 – VIII ZR 271/07, MDR 2008, 966 = MietRB 2008, 258 = NJW 2008, 2432; SchmidtFutterer/Eisenschmid, Mietrecht, § 536 BGB Rz. 529; MünchKomm/Häublein, Vorbem. zu §§ 536 ff. BGB Rz. 5. 1809 BGH v. 13.5.2015 – XII ZR 65/14, MietRB 2015, 231 = MDR 2015, 878 = WuM 2015, 619. 1810 Vgl. dazu Hahn, NZM 2017, 7 (8) m.w.N. 1811 BGH v. 10.4.2019 – VIII ZR 12/18, MietRB 2019, 197 = MDR 2019, 729 = WuM 2019, 309 = ZMR 2019, 572. 1812 LG Berlin v. 15.10.2013 – 63 S 626/12, ZMR 2014, 786 = GE 2014, 193 = IMR 2014, 323. 1813 LG Berlin v. 15.10.2013 – 63 S 626/12, ZMR 2014, 786 = GE 2014, 193 = IMR 2014, 323; AG Pinneberg v. 19.10.2006 – 72 C 42/06, ZMR 2007, 459. 1814 BGH v. 13.5.2015 – XII ZR 65/14, MietRB 2015, 231 = MDR 2015, 878 = WuM 2015, 619; a.A. LG Berlin v. 23.3.2017 – 18 S 187/16, GE 2017, 717 (ab dem Zeitpunkt der Verweigerung). 1815 LG Berlin v. 21.5.2010 – 65 S 526/09, GE 2010, 909. 1816 A.A. LG Berlin v. 29.7.2002 – 61 S 37/02, MM 2002, 480. 1817 BGH v. 13.5.2015 – XII ZR 65/14, MietRB 2015, 231 = MDR 2015, 878 = WuM 2015, 619. 1818 BGH v. 13.5.2015 – XII ZR 65/14, MietRB 2015, 231 = MDR 2015, 878 = WuM 2015, 619; BeckOK/Ehlert, § 536 BGB Rz. 107 m.w.N.; Palandt/Weidenkaff, § 536 BGB Rz. 37. 1819 BGH v. 13.5.2015 – XII ZR 65/14, MietRB 2015, 231 = MDR 2015, 878 = WuM 2015, 619. 1820 LG Berlin v. 15.10.2013 – 63 S 626/12, GE 2014, 193.

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B. Wohnraummiete | Rz. 716a § 535

fen, weil die Verweigerung im Verhältnis zur Geltendmachung von Gewährleistungsrechten ein widersprüchliches Verhalten begründet1821 (§ 535 BGB Rz. 712). Selbst wenn sich der Vermieter mit der Mängelbeseitigung in Verzug befindet, handelt der Mieter 713b treuwidrig, wenn er erfährt, dass der Vermieter zur Mängelbeseitigung bereit ist und sich mit ihm nicht in Verbindung setzt, um eine gütliche Einigung herbeizuführen, wie das jeder kostenbewusst denkende Mensch tun würde1822. Der Mieter ist nicht berechtigt, die Mängelbeseitigung zu verbieten bzw. abzulehnen, wenn der Ver- 714 mieter – aus Sicht des Mieters – nur eine Teilleistung anbietet (z.B. Beseitigung von Feuchtigkeit in einem Zimmer, obwohl der Mieter die Sanierung weiterer Räume verlangt). Dies gilt umso mehr, wenn jeder einzelne Mangel auf einer eigenen Ursache beruht und unabhängig von dem anderen beseitigt werden kann1823. Schließlich ist es dem Mieter jedenfalls bei einer Fünf-Zimmer-Wohnung zumutbar, jeweils ein Zimmer während der Mängelbeseitigungsarbeiten vorübergehend nicht oder nur eingeschränkt zu nutzen1824. Eine Pflicht des Vermieters, dem Mieter für die Dauer der Mängelbeseitigung ein Ersatzquartier anzubieten, besteht erst, wenn die Nutzung als solche nicht mehr ausgeübt werden kann. Dazu muss im Einzelfall auch darauf abgestellt werden, für welche Dauer der Mieter Einschränkungen seiner Lebensqualität in der Wohnung hinnehmen muss. Der Vermieter ist nicht gehindert, trotz eines laufenden (gerichtlichen) Beweis- oder Klageverfah- 715 rens die behaupteten Mängel zu beseitigen. Demgemäß ist der Mieter nicht berechtigt, die Mängelbeseitigung z.B. wegen Beweismittelvernichtung zu verhindern1825. Allerdings läuft der Vermieter Gefahr, dass seine Handlung bei streitigen Mängeln als Schuldanerkenntnis gewertet wird mit der Folge, dass er mit seinem Bestreiten ausgeschlossen ist1826. Umso mehr sollte zuvor eine Beweissicherung stattfinden. Mit der vollständigen Mängelbeseitigung tritt hinsichtlich der auf Erfüllung gerichteten Klagen (Mängelbeseitigungsklage, Vorschussklage, Feststellungsklage) Erledigung der Hauptsache nach § 91a ZPO ein. Der Mieter darf im Hinblick auf das laufende Verfahren grundsätzlich nicht verhindern, dass der Vermieter die Mängelbeseitigung ausführt. Eine Verweigerung begründet widersprüchliches Verhalten. Dies gilt auch nach Erlass eines Ermächtigungsbeschlusses nach § 887 ZPO mit gleichzeitiger Vorschuss-Titulierung nach § 887 Abs. 2 ZPO, es sei denn, die angebotene Mängelbeseitigung durch den Vermieter ist nicht glaubhaft (weil er bereits mehrere Ankündigungen nicht eingehalten hat)1827. Dementsprechend kann der Mieter gegen den Vermieter auch keine Unterlassungsverfügung erwirken, sofern nichts anderes vereinbart ist1828. Ausnahmsweise soll der Mieter berechtigt sein, die Mängelbeseitigung zu verweigern, wenn diese wäh- 716 rend eines Prozesses angeboten wird und es nur um die Beseitigung rein optischer Mängel (hier: Beseitigung von Wandrissen und Neuanstrich der Wände mit abgetrockneten Feuchtigkeitsflecken) geht und eine Beweiserhebung bevorsteht, sodass der Mieter seine Beweisgrundlage verlieren würde1829. Auch bezogen auf die Ausnahmesituation kann diese Auffassung aber nicht gebilligt werden. Der Beweisverlust ist kein ausreichendes Argument, die Mängelbeseitigung zu verhindern und die Gewährleistungsrechte fortbestehen zu lassen. Der Mieter ist gerade bei optischen Mängeln ohne weiteres in der Lage, die Beweise z.B. durch Lichtbilder, Aktenvermerke und/oder Zeugen zu sichern. Selbst wenn ihm dies noch zu risikoreich erscheint, kann er (privat) einen Gutachter beauftragen. Die gegebene Situation rechtfertigt daher keine Ausnahme von den Wirkungen des Annahmeverzuges. Das widersprüchliche Verhalten (§ 535 BGB Rz. 712) muss vom Mieter aufgelöst werden. Dazu muss 716a er klar zu erkennen geben, dass er die geschuldete Leistung des Vermieters nun duldet, also die Män1821 AG Ansbach v. 20.3.2018 – 3 C 559/17, ZMR 2018, 942, das die Rechtsfolge aber aus einer analogen Anwendung des § 536c Abs. 2 Nr. 1 BGB herleitet. 1822 LG Berlin v. 17.8.2017 – 63 T 131/17, GE 2017, 1093. 1823 AG Köln v. 4.9.2012 – 209 C 205/11, n.v. 1824 LG Berlin v. 15.2.2002 – 63 S 234/01, GE 2002, 532. 1825 BGH v. 10.4.2019 – VIII ZR 12/18, MietRB 2019, 197 = MDR 2019, 729 = WuM 2019, 309 = ZMR 2019, 572. 1826 Schulze-Steinen, IMR 2014, 314 (316). 1827 BGH v. 21.12.2004 – IXa ZB 281/03, MietRB 2005, 118 = WuM 2005, 139. 1828 LG Berlin v. 26.7.2013 – 63 T S 87/13, ZMR 2014, 727. 1829 OLG Naumburg v. 31.5.2000 – 6 U 97/99, GuT 2002, 15 (17).

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§ 535 Rz. 716a | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags gelfeststellung und -beseitigung1830. Im Zweifel ist eine schriftliche Erklärung sinnvoll, die spätestens im Prozess nachgeholt werden sollte. 716b Zum Ausschluss des Minderungs- und des Zurückbehaltungsrechts kann folgendes Verhalten führen:

– direkte Verweigerung der Mängelbeseitigung durch ausdrückliche Ablehnung oder Zutrittsverweigerung, auch wenn dabei eine Angst vor eine Mieterhöhung als Motiv besteht1831, – Geltendmachen von nicht berechtigten Forderungen als Gegenleistung für die Duldung1832, – Ablehnung der Farbe (grau für braun) des neuen Bodenbelags1833, – Verweigerung von „weiteren Terminen“1834, – Verlangen eines konkreten Handwerkerangebots zur Kontrolle der beabsichtigten Arbeiten nach mehrfacher erfolgloser Mängelbeseitigung1835, – Verzögerung der notwendigen Vorbesichtigung um mehr als ein Jahr1836. 716c Nicht ausreichend für eine unzulässige Rechtsausübung sind folgende Vorgänge:

– Verlangen, dass Handwerker zum Schutz des Bodenbelages Plastiküberzieher anziehen beim Betreten der Wohnung1837, – Ankündigung bloßen Duldens ohne aktive Hilfe bei Vorbereitungsmaßnahmen (z.B. Möbelrücken)1838, – Verweigerung der wiederholten Besichtigung bei unveränderter Sachlage1839, – Schweigen auf mehrere Ankündigungen zur Besichtigung1840. d) Mängelbeseitigung in der Insolvenz des Vermieters 717 Für die Insolvenz des Vermieters bestimmt § 108 Abs. 2 InsO, dass Ansprüche aus der Zeit vor der

Eröffnung des Insolvenzverfahrens als einfache Insolvenzforderungen geltend gemacht werden können. Der Wortlaut der Vorschrift spricht also zunächst dafür, dass Erhaltungsansprüche des Mieters gemäß § 535 Abs. 1 S. 2 BGB, die auf vor Insolvenzeröffnung entstandenen Mängeln beruhen, vom Insolvenzverwalter nicht als Masseverbindlichkeit zu erfüllen sind. Dennoch geht die h.M. in diesem Fall von einer Erhaltungspflicht des Insolvenzverwalters aus1841. Denn der Anspruch des Mieters auf Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB ist ein echter Erfüllungsanspruch, der dem Mieter neben seinen Gewährleistungsrechten nach den §§ 536 ff. BGB zusteht. Da die Erhaltung der Mietsache in gebrauchsfähigem Zustand die vertragliche Gegenleistung zur Mietzahlung darstellt, ist dieser Anspruch selbst dann nicht auf eine Leistung „für die Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens“ gerichtet, wenn der Mangel vor diesem Zeitpunkt entstanden ist. Denn die Erfüllung dieses Anspruchs soll für die Zeit nach der Eröffnung erfolgen. Mit der Fortdauer des Mietverhältnisses besteht auch die Erhaltungspflicht des Vermieters nach Verfahrenseröffnung weiter und ist die vertragliche Gegenleistung für die vom Mieter an die Masse geleisteten Mietzahlungen. 718 Die Gewährleistungsrechte des Mieters gemäß den §§ 536 ff. BGB, die auf einen vor der Eröffnung

des Insolvenzverfahrens bereits entstandenen Mangel gestützt werden, unterliegen aber § 108 Abs. 2 InsO. Wegen der bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehenden Mängel ist der Mieter daher in1830 1831 1832 1833 1834 1835 1836 1837 1838 1839 1840 1841

LG Berlin v. 15.10.2013 – 63 S 626/12, IMR 2014, 323. LG Berlin v. 5.3.1999 – 64 S 367/98, NZM 1999, 1137. BGH v. 13.5.2015 – XII ZR 65/14, MietRB 2015, 231 = MDR 2015, 878 = WuM 2015, 619. AG Stuttgart v. 8.11.2011 – 32 C 2842/11, ZMR 2012, 367. BGH v. 12.5.2010 – VIII ZR 96/09, MietRB 2010, 260 = MDR 2010, 979 = WuM 2010, 484 = NZM 2010, 548 Rz. 46. AG Pinneberg v. 19.10.2006 – 72 C 42/06, ZMR 2007, 459. AG Frankfurt am Main v. 11.9.2008 – 33 C 1753/08 – 26, ZMR 2009, 45. AG Stuttgart-Bad Cannstatt v. 1.7.2008 – 2 C 876/06, WuM 2008, 594. LG Berlin v. 24.6.2014 – 63 S 373/13, MietRB 2015, 104 = NZM 2014, 824. LG Berlin v. 20.5.1994 – 63 S 39/94, WuM 1994, 464. LG Hamburg v. 31.1.2008 – 307 S 144/07, ZMR 2008, 456. BGH v. 3.4.2003 – IX ZR 163/02, MDR 2003, 1015 = MietRB 2003, 29 = WuM 2003, 338 = ZMR 2003, 418 = NZM 2003, 472 m.w.N.

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B. Wohnraummiete | Rz. 722 § 535

soweit auf den Herstellungsanspruch nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB beschränkt, dem er allerdings durch die Ausübung eines Leistungsverweigerungsrechts nach § 320 BGB Nachdruck verleihen kann. e) Mängelbeseitigung bei Eigentumswohnungen Eine Besonderheit besteht bei Sondereigentum: Hier darf der Vermieter bei Mängeln im Gemein- 719 schaftseigentum eine Beseitigung ausnahmsweise nur selbst durchführen, wenn die Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 WEG vorliegen. Die Maßnahme muss also zur Abwendung eines dem gemeinschaftlichen Eigentum unmittelbar drohenden Schadens notwendig sein. Werden diese Voraussetzungen nicht vorgetragen, ist der Klageantrag, mit dem der Vermieter zur Män- 720 gelbeseitigung im Gemeinschaftseigentum verpflichtet werden soll, aber nur dann auf eine unmögliche Leistung gerichtet, wenn ein entgegenstehender Beschluss der Eigentümergemeinschaft vorliegt1842. Bis dahin bleibt der Vermieter verpflichtet, einen entsprechenden Beschluss herbeizuführen, wozu § 21 Abs. 4 WEG eine Rechtsgrundlage bildet1843. Deshalb kann der Sondereigentümer als Vermieter auch auf ausreichende Beheizung der Wohnung in Anspruch genommen werden, selbst wenn die Wärme über eine im Gemeinschaftseigentum stehende Zentralheizung geliefert wird1844. f) Opfergrenze Die Verpflichtung des Vermieters zur Beseitigung eines Mangels oder Wiederherstellung des Mietobjek- 721 tes endet gemäß § 275 Abs. 2 BGB, wenn der dazu erforderliche Aufwand die „Opfergrenze“ überschreitet. Wann dies der Fall ist, muss von Fall zu Fall unter Berücksichtigung der beiderseitigen Parteiinteressen wertend ermittelt werden, wobei sich der Vermieter zumindest auf die maßgeblichen Tatsachen berufen muss1845. Generell ist die Opfergrenze überschritten, wenn ein krasses Missverhältnis zwischen dem Reparaturaufwand einerseits und dem Nutzen der Reparatur für den Mieter, der zur Minderung berechtigt bleibt, sowie dem Wert des Mietobjekts und den aus ihm zu ziehenden Einnahmen andererseits besteht1846. Danach lässt sich eine Überschreitung der „Opfergrenze“ nicht aus einer bloßen Gegenüberstellung 722 zwischen Sanierungskosten und Verkehrswert herleiten; erforderlich ist eine Würdigung aller Umstände. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch ein etwaiges Verschulden des Schuldners zu berücksichtigen (§ 275 Abs. 2 S. 2 BGB)1847; dies war bereits vor der Schuldrechtsmodernisierung anerkannt1848. Insoweit besteht ein Zusammenhang zwischen der Frage, wie sich etwa die Sanierungskosten und der Verkehrswert „rechnerisch“ zueinander verhalten, und der Frage, ob dem Vermieter die Beseitigung des Mangels unter Berücksichtigung der beiderseitigen Parteiinteressen und eines etwaigen Verschuldens zugemutet werden kann1849. Je ungünstiger sich das Verhältnis zwischen Sanierungskosten und Verkehrswert darstellt, desto gewichtiger müssen die entgegenstehenden Umstände sein, die es dem Vermieter trotz bestehendem Missverhältnis zwischen Sanierungskosten und Verkehrswert verwehren sollen, sich auf den Einwand der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit (§ 275 Abs. 2 BGB) zu berufen. Dies kommt generell nicht in Betracht, wenn der Mängelbeseitigungsaufwand auf einer ausdrücklichen Beschaffenheitsangabe beruht1850.

1842 1843 1844 1845 1846

1847 1848 1849 1850

BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 342/03, MDR 2006, 199 = MietRB 2006, 57 = WuM 2005, 713. AG Schöneberg v. 30.1.2001 – 11 C 388/00, MM 2001, 357. AG Mitte v. 28.6.2018 – 117 C 1001/18, ZMR 2018, 943. LG Berlin v. 31.5.2016 – 67 S 357/15, GE 2016, 1212. BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 342/03, MDR 2006, 199 = MietRB 2006, 57 = NJW 2005, 3284 (unter II 2) m.w.N.; OLG Karlsruhe v. 30.12.1994 – 19 U 113/94, NJW-RR 1995, 849 (850); vgl. auch Hanseatisches OLG Hamburg v. 6.9.2000 – 4 U 15/00, NZM 2002, 343 (344); LG Dresden v. 14.6.2007 – 4 S 0640/06, NZM 2008, 165. OLG Celle v. 14.11.2014 – 2 U 111/14, MietRB 2015, 40 = ZMR 2015, 228. BGH v. 2.10.1987 – V ZR 140/86, MDR 1988, 213 = NJW 1988, 699 (unter III 2b); vgl. auch Hanseatisches OLG Hamburg v. 6.9.2000 – 4 U 15/00, NZM 2002, 343 (344). LG Berlin v. 7.5.2013 – 63 S 387/12, GE 2013, 1203 = IMR 2013, 498. AG Hamburg-Blankenese v. 6.6.2012 – 531 C 49/11, ZMR 2012, 631.

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§ 535 Rz. 723 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags 723 Ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem Mängelbeseitigungsaufwand einerseits und dem Nutzen

der Mängelbeseitigung für den Mieter andererseits indiziert eine Überschreitung der Zumutbarkeitsgrenze1851. Im Extremfall kann dieses Indiz so stark sein, dass schwer vorstellbar erscheint, welche weiteren Umstände zu einer anderen Abwägung führen können. In diesem Fall spricht man von einem „krassen Missverhältnis“1852. Hätte der Mieter die Möglichkeit gehabt, durch Inanspruchnahme von Rechtsschutz den Eintritt des Mangels (Errichtung einer Außenwand des Nachbarhauses vor den Badezimmer- und Küchenfenster) zu verhindern, so dass erheblich geringere Kosten zur Mängelbeseitigung angefallen wären, muss er sich dieses Missverhältnis erst recht entgegenhalten lassen1853. Dabei kommt dem Umstand, dass der Vermieter den Mangel vorsätzlich herbeigeführt hat, unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles nicht unbedingt ausschlaggebende Bedeutung zu, da § 275 BGB auf ein Verschulden nicht abstellt1854. Als weitere Orientierung für die Frage, ob es sich um einen zumutbaren Aufwand handelt, kann der Gesichtspunkt herangezogen werden, ob die aufzuwendenden Mittel innerhalb eines Zeitraums von ca. zehn Jahren durch eine erzielbare Rendite aus dem Mietobjekt ausgeglichen werden können1855. 724 Ein krasses Missverhältnis besteht in jedem Fall, wenn von einem aktuellen Verkehrswert eines Grund-

stücks von 28.000 Euro und Sanierungskosten mindestens in Höhe von etwa 95.000 Euro, ungünstigstenfalls sogar in Höhe von etwa 170.000 Euro auszugehen ist1856. Auch die Trockenlegung eines Tiefgaragenstellplatzes kann nicht verlangt werden, wenn ein Aufwand von mindestens 65.000 Euro erforderlich ist1857. Demgegenüber ist es verfehlt, den Einwand aus § 275 Abs. 2 BGB schon deshalb zu verwerfen, weil der Vermieter es (angeblich) zu einem „Reparaturstau“ habe kommen lassen und deshalb die Höhe der Sanierungskosten zu vertreten habe1858. Davon kann auch nicht ohne Weiteres auszugehen, wenn die Mangelursache noch nicht bekannt und dementsprechend die wesentliche Ursache, die auch in nicht behebbaren Umständen bestehen kann, noch nicht beseitigt ist. Denn dann steht noch nicht einmal fest, dass der Vermieter den Reparaturstau zu vertreten hat. g) Mängelbeseitigung in der Zwangsvollstreckung 725 Der Mängelbeseitigungsanspruch wird durch Leistungsklage geltend gemacht. Im Antrag wird das

Phänomen beschrieben, das der Vermieter beseitigen soll. Der Vermieter kann den Mangel nicht mit Nichtwissen bestreiten, weil er zur Besichtigung berechtigt ist. Nichts Anderes gilt, wenn der Mangel durch Handwerker oder sonstige Dienstleister des Vermieters verursacht worden sein soll1859. 725a Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage auf Mängelbeseitigung entfällt nicht dadurch,

dass der Mieter die Räume einem Dritten (unzulässigerweise) überlassen hat oder aus sonstigen Gründen die Mietsache nicht nutzt1860. Der Anspruch aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB ist davon unabhängig, insbesondere bei einer subjektiven Beeinträchtigung des Mieters. In der Regel reicht es aus, dass der Vermieter seine Verpflichtung, insbesondere den unzulässigen Zustand, bestreitet. Allenfalls können Zweifel am Bestehen des Rechtsschutzbedürfnisses entstehen, wenn der Mieter mit seiner Klage prozessfremde Ziele verfolgt1861.

1851 BGH v. 22.1.2014 – VIII ZR 135/13, NZM 2014, 432 = GE 2014, 313. 1852 BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 342/03, MDR 2006, 199 = MietRB 2006, 57 = NJW 2005, 3284; Hanseatisches OLG Hamburg v. 6.9.2000 – 4 U 15/00, NZM 2002, 343 (344); OLG Karlsruhe v. 30.12.1994 – 19 U 113/94, NJW-RR 1995, 849 (850). 1853 LG Berlin v. 7.5.2013 – 63 S 387/12, GE 2013, 1203. 1854 BGH v. 22.1.2014 – VIII ZR 135/13, WuM 2014, 277 = GE 2014, 313 = ZMR 2014, 870; vgl. aber auch BGH v. 18.7.2008 – V ZR 171/07, NJW 2008, 3123 Rz. 23. 1855 LG Hamburg v. 29.11.1996 – 311 S 119/96, WuM 1997, 432. 1856 BGH v. 21.4.2010 – VIII ZR 131/09, MDR 2010, 798 = WuM 2010, 348 = GE 2010, 837. 1857 BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 342/03, MietRB 2006, 57 = MDR 2006, 199 = WuM 2005, 713 = ZMR 2005, 935. 1858 Vgl. dazu Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 504. 1859 AG Schöneberg v. 14.2.2018 – 6 C 472/16, ZMR 2018, 516. 1860 BGH v. 22.8.2018 – VIII ZR 99/17, MDR 2018, 1237 = MietRB 2018, 290 = MietRB 2018, 291 = WuM 2018, 641 = GE 2018, 1213. 1861 BGH v. 4.6.2014 – VIII ZR 4/13, WuM 2014, 558.

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B. Wohnraummiete | Rz. 727a § 535

Ist der Vermieter zur Mängelbeseitigung verurteilt worden, indem er z.B. geeignete Maßnahmen zur 725b Verhinderung der Durchfeuchtung einer Mietwohnung treffen soll, liegt darin eine vertretbare Handlung, die vom Mieter nach § 887 ZPO vollstreckt werden kann1862. Will der Vermieter einwenden, der Mieter befinde sich in Annahmeverzug oder tritt ein anderer Umstand ein, der die Zwangsvollstreckung nachträglich unzulässig werden lässt, muss er grundsätzlich Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO erheben1863. Das Gleiche sollte nach überwiegender Ansicht1864 gelten, wenn die Beendigung des Mietvertrages 726 eintritt. Der BGH hält hingegen eine Erledigungserklärung des Zwangsvollstreckungsverfahrens in der Hauptsache für zulässig1865. Insoweit zieht er eine Parallele zum Revisionsverfahren1866, so dass auch im Rechtsbeschwerdeverfahren eine einseitige Erledigungserklärung möglich sein muss, wenn das erledigende Ereignis unstreitig ist1867. Der Antrag des Gläubigers im Verfahren nach § 887 ZPO, die Erledigung der Hauptsache festzustellen, stellt eine zulässige Veränderung des Streitgegenstandes dar1868. Der Schuldner im Rechtsbeschwerdeverfahren ist grundsätzlich mit dem Erfüllungseinwand zu hören und muss keine Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 Abs. 1 ZPO erheben. Mit der Beendigung des Mietverhältnisses und dem Auszug des Gläubigers (Mieters) aus dem Miet- 727 objekt tritt die Erledigung des Zwangsvollstreckungsverfahrens ein. Nach Mietende hat der Gläubiger kein schutzwürdiges Interesse mehr an einer Mängelbeseitigung und damit ist das für eine Klage oder die Zwangsvollstreckung erforderliche Rechtsschutzinteresse entfallen1869. h) Verjährung während der Mietzeit Die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Erfüllungsanspruch des Mieters aus § 535 Abs. 1 S. 2 727a BGB, soweit es um die Beseitigung eines konkreten während der Mietzeit auftretenden Mangels geht, verjährt, wird nicht einheitlich beantwortet. Nach einer verbreiteten Auffassung beginnt die Verjährung des Anspruchs des Mieters auf Beseitigung eines während der Mietzeit aufgetretenen Mangels gemäß §§ 195, 199 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Mangel entstanden ist und der Mieter davon Kenntnis erlangt hat1870. Teilweise wird in der Gebrauchsgewährungspflicht des Vermieters (§ 535 BGB) ein (unverjährbares) „Stammrecht“ gesehen, das sich zu einzelnen Ansprüchen konkretisiere, sobald sich ein bestimmter Mangel zeige. Der Anspruch des Mieters auf Beseitigung des konkreten Mangels unterliege dann der regelmäßigen Verjährung1871. Andere Autoren stellen auf eine analoge Anwendung des § 199 Abs. 5 BGB (§ 198 BGB a.F.) ab; bei der Gebrauchsgewährungspflicht des Vermieters handele es sich um eine „positive Dauerverpflichtung“, bei der es ebenso wie bei einer Unterlassungsverpflichtung nach § 199 Abs. 5 BGB geboten sei, für den Beginn der Verjährung auf die Zuwiderhandlung abzustellen1872. Nach der Gegenauffassung ist der Anspruch des Mieters auf Beseitigung eines Mangels als Teil des Gebrauchserhaltungsanspruchs hingegen während der Mietzeit unverjährbar1873. Zur Begründung wird vor allem angeführt, dass der Anspruch des Mieters auf Gewährung des vertragsgemäßen Gebrauchs während der Dauer des Mietverhältnisses ständig neu entstehe.

1862 OLG Dresden v. 8.10.2001 – 3 W 1411/01, WuM 2002, 34 = ZMR 2000, 32. 1863 LG Berlin v. 24.2.2012 – 63 T 18/12, NZM 2012, 860. 1864 OLG Köln v. 21.11.1988 – 20 W 76/88, MDR 1989, 271 = NJW-RR 1989, 188; LG Berlin v. 28.9.1995 – 62 T 82/95, GE 1996, 55; Schach in Kinne/Schach/Bieber, § 535 BGB Rz. 75. 1865 BGH v. 21.12.2004 – IXa ZB 281/03, MietRB 2005, 118. 1866 Vgl. BGH v. 18.12.2003 – I ZR 84/01, NJW 2004, 1665. 1867 BGH v. 29.10.1985 – KVR 1/84, MDR 1986, 580 = WPM 1986, 533; BGH v. 21.9.1993 – X ZB 31, 92, MDR 1994, 265 = NJW-RR 1994, 381. 1868 BGH v. 26.5.1994 – I ZB 4/94, MDR 1995, 91 = NJW 1994, 2363 m.w.N. 1869 Zöller/Stöber, Vor § 704 ZPO Rz. 17 m.w.N. 1870 LG Berlin v. 9.6.2008 – 62 S 250/07, GE 2008, 1196 (1197); Feuerlein, WuM 2008, 385 (386); Beuermann, GE 2008, 236; Schmid, ZMR 2009, 585 (586); Lehmann-Richter, NJW 2008, 1196 (1197 f.); Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XIII 221. 1871 Lehmann-Richter, NJW 2008, 1196 (1198). 1872 Feuerlein, WuM 2008, 385 (386); Enneccerus-Nipperdey, § 232 Fn. 5. 1873 AG Tiergarten v. 3.4.2009 – 9 C 1/07, WuM 2009, 453; Streyl, WuM 2009, 630 f.; Both, GE 2009, 238 (239).

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§ 535 Rz. 727b | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags 727b Der letztgenannten Auffassung hat der BGH den Vorzug gegeben, so dass während der Mietzeit keine

Verjährung des Anspruchs auf Mängelbeseitigung eintreten kann1874. Bei der Hauptleistungspflicht des Vermieters aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB handele es sich um eine in die Zukunft gerichtete Dauerverpflichtung1875. Diese Pflicht des Vermieters erschöpfe sich nicht in einer einmaligen Handlung des Überlassens, sondern gehe dahin, die Mietsache während der gesamten Mietzeit in einem gebrauchstauglichen Zustand zu erhalten. Eine solche vertragliche Dauerverpflichtung könne während des Bestehens des Vertragsverhältnisses schon begrifflich nicht verjähren, denn sie entstehe während dieses Zeitraums gleichsam ständig neu, auch soweit sie darauf gerichtet sei, bereits aufgetretene Mängel zu beseitigen. i) Ende der Mängelbeseitigungspflicht 728 Die Verpflichtung zur Mängelbeseitigung fällt mit der Beendigung des Mietverhältnisses weg1876.

Demgegenüber soll nach einer anderen Meinung nach den Umständen des Einzelfalls differenziert werden und eine Mängelbeseitigungspflicht insbesondere anzunehmen sein, wenn dem Mieter eine Räumungsfrist gewährt wurde oder es um die Sicherstellung der Lieferung von Strom, Wasser oder Heizenergie sowie Maßnehmen zur Gefahrenabwehr geht1877. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Es ist zwar richtig, dass der Vermieter in bestimmten Fällen keine Versorgungssperre einrichten darf (vgl. § 535 BGB Rz. 1102). Dies rechtfertigt aber nicht die Annahme, dass der Vermieter zu einem positiven Tun verpflichtet wäre. Denn wegen des Wegfalls des Mietvertrages besteht gerade kein Anspruch auf Herbeiführung des vertragsgemäßen Zustandes. Dies ist qualitativ erheblich mehr als das Unterlassen der Einrichtung einer Versorgungssperre. 728a Die Verweigerung der Mängelbeseitigung ist nicht rechtsmissbräuchlich, wenn der Vermieter die

Beendigung durch eigene Kündigung herbeigeführt hat. Schon die Ausübung des Kündigungsrechts als solchem verstößt ohne weitergehende Anhaltspunkte selbst dann nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn der Vermieter mit der Kündigung zugleich bezweckt haben sollte, einem (berechtigten) Mängelbeseitigungsverlangen seines Mieters nicht mehr nachkommen zu müssen1878. Umgekehrt ist das Begehren nach Mängelbeseitigung rechtsmissbräuchlich, wenn erst nach Zugang der Kündigung gestellt wird. Erst recht trifft dies für die Fortsetzung des Verfahrens auf Zwangsvollstreckung aus einem auf Mängelbeseitigung gerichteten Titel zu, wenn die Beendigung des Mietvertrages eingetreten ist1879.

VII. Gebrauchsrechte des Mieters 729 Nach § 535 Abs. 1 BGB kann der Mieter den vertragsgemäßen Gebrauch beanspruchen. In welchem

Umfang ihm dieser zusteht, richtet sich in erster Linie nach den vertraglichen Bestimmungen. Räumlich erstreckt sich das Gebrauchsrecht auf die Flächen, die der Vermieter als Mietgegenstand übergeben muss und die, die im Rahmen des vertragsgemäßen Gebrauchs zur Mitnutzung bereit gehalten werden müssen (vgl. § 535 BGB Rz. 320). Soweit der Vermieter die Nutzung des Mieters am Mietgegenstand stört, bietet § 535 Abs. 1 BGB unmittelbar eine Anspruchsgrundlage für die Abwehr dieser Beeinträchtigung. Soweit der Vermieter die Flächen, die nur zur Mitbenutzung überlassen sind (z.B. Haustür, Treppenhaus, Flur, Garten etc.), in Anspruch nimmt oder sonst wie verändert, können sich Schutzrechte grundsätzlich nicht aus dem Übergabeanspruch gemäß § 535 Abs. 1 BGB ergeben. Denn die Gemeinschaftsflächen sind nicht mitvermietet1880. Ob der Mieter hinsichtlich dieser Flächen Be-

1874 BGH v. 17.2.2010 – VIII ZR 104/09, MietRB 2010, 129 = MDR 2010, 562 = WuM 2010, 238 = ZMR 2010, 520. 1875 BGH v. 19.6.2006 – VIII ZR 284/05, MDR 2007, 141 = WuM 2006, 435 = ZMR 2006, 761, Rz. 11. 1876 BGH v. 21.12.2004 – IXa ZB 281/03, MietRB 2005, 118 = WuM 2005, 139; Palandt/Weidenkaff, § 535 BGB Rz. 55. 1877 Schmidt/Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 216. 1878 OLG Düsseldorf v. 16.8.2010 – 10 W 114/10, MietRB 2011, 9 = ZMR 2011, 381 = GE 2011, 1337 = GuT 2011, 147. 1879 BGH v. 21.12.2004 – IXa ZB 281/03, MietRB 2005, 118 = WuM 2005, 139. 1880 KG v. 20.8.2013 – 8 U 168/12, MietRB 2012, 364 = GE 2012, 1561 = ZMR 2012, 422 = NZM 2013, 579.

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B. Wohnraummiete | Rz. 733 § 535

sitzschutz nach § 862 BGB reklamieren kann, hängt davon ab, ob er als Mitbesitzer an den Gemeinschaftsflächen angesehen werden kann1881. Richtigerweise ist das zu verneinen. Der Mieter erhält an den Gemeinschaftsflächen keinen Gewahrsam, sondern – sofern keine besondere Vereinbarung vorliegt – nur ein Mitbenutzungsrecht wie andere Mieter auch (vgl. § 535 BGB Rz. 326a). Soweit er zur Ausübung des vertragsgemäßen Gebrauchs die Nutzung benötigt, wird sie ihm im Rahmen des § 535 BGB gewährt. Damit verliert der Vermieter aber nicht seine Verfügungsrechte über diese Flächen1882. Vielmehr kann er darüber grundsätzlich in den Grenzen des Schikaneverbots (§ 226 BGB)1883 nach freiem Ermessen verfahren, was ggf. Rechte des Mieters nach den §§ 536 ff. BGB begründet. Besteht objektiv eine Nutzung des Mieters, die nicht vertragsgemäß ist, kommen Ansprüche des Ver- 729a mieters aus den §§ 541, 543, 573 BGB in Betracht, sofern sich die Zulässigkeit nicht aus einer Änderung (Erweiterung) des Vertrages oder einer Erlaubnis des Vermieters ergibt. Mit der Erteilung einer Erlaubnis wird der Mietvertrag solange nicht erweitert, wie keine Entgeltzah- 730 lung als Gegenleistung vereinbart wird. Durch die Erlaubnis wird – vorbehaltlich anderer Regelungen im Mietvertrag oder bei Erteilung – nur eine partielle Befugnis zu einer Sondernutzung eingeräumt. Sie kann daher jederzeit aus sachlichen Gründen widerrufen werden1884. Vgl. im Übrigen § 535 BGB Rz. 783. 1. Orientierung an den Vertragsbestimmungen Was jeweils im Einzelnen zum vertragsgemäßen Gebrauch des Mieters von Wohnraum gehört, richtet 731 sich in erster Linie nach den Abreden der Parteien. Maßgebend sind bei deren – auch ergänzender – Auslegung die gesamten Umstände des Mietverhältnisses, insbesondere die Mietsache in ihrer Eigenart und deren beabsichtigte Nutzung sowie die Verkehrssitte unter Beachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben1885. Im Übrigen ist natürlich Voraussetzung, dass die Vertragsregelungen, die den vertragsgemäßen Ge- 732 brauch (einschränkend) gestalten sollen, wirksam sind. Dazu ist grundsätzlich in der Wohnraummiete der Maßstab des § 307 BGB heranzuziehen. Schließt eine AGB-Klausel z.B. ein bestimmtes Gebrauchsrecht (z.B. Betrieb eines Fernsehers) kategorisch aus, liegt in der Regel ein Verstoß vor, weil in die Lebensgestaltung des Mieters eingegriffen wird. Denn hängt ein Gebrauchsrecht etwa von der Vornahme einer Abwägung ab (z.B. Erlaubnis zur Installation einer Parabolantenne), liegt eine unangemessene Benachteiligung des Mieters nach § 307 Abs. 1 BGB vor, wenn die Abwägung in der Vertragsbestimmung nicht vorgesehen ist1886. Andererseits ist die Transparenz nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ein wichtiges Kriterium für die Wirksam- 733 keitsprüfung. Denn insbesondere ein unter dem Mindeststandard liegender Zustand ist nur dann vertragsgemäß, wenn er eindeutig vereinbart ist1887. Dazu müssen in der Regel konkrete Angaben zur tatsächlichen Beschaffenheit der entsprechenden Einrichtung (z.B. der Elektroinstallation) in der vermieteten Wohnung in der Klausel enthalten sein1888, so dass der Mieter erkennt, welche Anforderun1881 Dafür: MünchKomm/Joost, § 866 BGB Rz. 3; unentschieden: Bub/Treier/Krämer/Schüller, III Rz. 2881. 1882 KG v. 20.8.2013 – 8 U 168/12, MietRB 2012, 364 = GE 2012, 1561 = ZMR 2012, 422 = NZM 2013, 579. 1883 Vgl. dazu den Fall AG Elmshorn v. 25.1.2013 – 51 C 180/12: der Vermieter hatte im Treppenhaus einen Gartenzaun aufgestellt, um zu verhindern, dass der Mieter die Wohnungstüre des mit ihm zerstrittenen Mieters auf der gleichen Ebene erreichen konnte. Dabei geht das AG fälschlicherweise davon aus, dass die Gemeinschaftsfläche mitvermietet sei und gewährt einen Anspruch aus § 535 BGB. Richtigerweise erfüllt die Maßnahme des Vermieters das Schikaneverbot, weil der Mieter nicht mehr wie andere Mieter den vertragsgemäßen Gebrauch ausüben kann. 1884 LG Berlin v. 26.5.2011 – 67 S 70/11, WuM 2012, 134. 1885 Vgl. BGH v. 1.2.2010 – VIII ZR 343/08, MietRB 2010, 129 = MDR 2010, 562 = WuM 2010, 235 = ZMR 2010, 517 = NZM 2010, 356; OLG Karlsruhe v. 24.8.1993 – 3 REMiet 2/93, WuM 1993, 525 (526); Staudinger/Emmerich, § 535 BGB Rz. 35. 1886 BGH v. 21.9.2010 – VIII ZR 275/09, WuM 2010, 737 = GE 2010, 1681; vgl. auch LG Essen v. 12.3.1998 – 10 S 505/97, WuM 1998, 344. 1887 BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 22/92, NJW-RR 1993, 522 (unter II 2b). 1888 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356.

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§ 535 Rz. 733 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags gen erfüllt werden und dass ein unter dem Mindeststandard liegender Zustand gegeben ist. Dies erfordert bei technischen Einrichtungen die konkrete Angabe der einschlägigen Werte. 734 Fehlen Vertragsabreden zum konkreten Gebrauch, sind die gesetzlichen Bestimmungen einschlägig.

Diese zeigen insbesondere in den §§ 553, 554a BGB auf, unter welchen Bedingungen der Mieter den vertragsgemäßen Gebrach erweitern oder verändern kann. In der Regel ist ein besonderes Interesse des Mieters erforderlich und der Vermieter dennoch berechtigt, seine Zustimmung zu versagen, wenn seine Belange achtenswert bzw. von stärkerem Gewicht sind. Andererseits: Wenn schon der Behinderte nach § 554a BGB gezwungen ist, im Zweifel auf Zustimmung zu klagen, ist auch in anderen Fällen der Gebrauchserweiterung oder -veränderung eine Schaffung von Fakten durch den Mieter rechtswidrig. 2. Wohnraumnutzung 735 Die Gebrauchsgewährungspflicht ist auf die Ermöglichung des vertragsgemäßen Gebrauchs der Miet-

sache durch den Mieter ausgerichtet. Ist Gegenstand eines Mietvertrages eine Wohnung, so ist, selbst wenn es an einer ausdrücklichen Erklärung fehlt, im Zweifel anzunehmen, dass der vertragsgemäße Gebrauch die Benutzung als Wohnung ist1889. Inhalt und damit Art, Umfang und Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs bestimmen sich in erster Linie nach den (wirksamen) vertraglichen Absprachen zwischen Vermieter und Mieter. Dabei ist der festgelegte Vertragszweck von wesentlicher Bedeutung1890. 736 Haben die Parteien eine Nutzung zu Wohnzwecken vereinbart, trifft den Mieter keine Gebrauchs-

pflicht1891. Wo der Mieter seinen Lebensmittelpunkt begründet und im herkömmlichen Sinne „wohnt“ (schlafen, essen, regelmäßiger Aufenthalt etc.), ist den persönlichen Vorstellungen und seiner freien Entscheidung überlassen1892.

737 Auch wenn der Mieter nach Vollzug des Mietvertrages seinen Lebensmittelpunkt nicht mehr in den

angemieteten Räumen, sondern z.B. in einer anderen Stadt sieht und in den angemieteten Räumen nur noch umfangreicher Hausrat steht, vermag dies die grundsätzlich nach wie vor gegebene Nutzung zu Wohnzwecken nicht zu verändern1893. Die Existenz von Hausratsgegenständen in einer Wohnung ist als geradezu typisch für eine Wohnnutzung anzusehen. Die Anzahl der Hausratsgegenstände ist dabei ebenso ohne Belang wie ihre Anordnung in der Wohnung. Auch ist es einem Mieter unbenommen, eigene oder in seiner Verfügungsbefugnis stehende Hausratsgegenstände von Familienangehörigen zu veräußern1894. Andererseits umfasst das Wohnen auch die Energielieferung durch den Vermieter. Regelmäßig braucht der Mieter Strom, um seine Haushaltsgeräte zu betreiben und seine Wohnung zu beleuchten. Verfügt die Wohnung nicht über einen eigenen Zähler, so dass der Mieter mit einem Versorger einen eigenen Vertrag abschließen kann, ist der Vermieter zur Stromlieferung verpflichtet. Das Gegenteil muss ausdrücklich geregelt werden ebenso wie die Umlage von Stromkosten, die der Vermieter für den privaten Gebrauch des Mieters liefert. Denn § 2 Nr. 11 BetrKV betrifft nur den Strom, der in Gemeinschaftsflächen verbraucht wird. Auch die Lieferung von Wasser ist im Rahmen des Vertragszwecks „Wohnen“ grundsätzlich durch den Vermieter geschuldet. Denn der Mieter braucht Wasser zur Hygiene und Essenszubereitung. Für die vertragliche Gestaltung gelten die gleichen Grundsätze wie für die Stromlieferung. Zur Heizung vgl. § 535 BGB Rz. 401 ff. 738 Im Ergebnis können Lage sowie Art der Wohnung und eine evtl. bestehende Verkehrssitte1895, die

allerdings durch den Wandel der Anschauungen und technischen Entwicklung durchaus Schwankungen unterliegen kann, Berücksichtigung finden. Auch die allgemeinen Verhältnisse im Umfeld können zu einer Änderung des vertragsgemäßen Gebrauchs führen (z.B. Errichtung eines Gebäudes in der Nachbarschaft durch Schließung einer Baulücke). Wird aber der Pensionsbetrieb in einem Miethaus 1889 BayObLG v. 19.1.1981 – AllgReg 103/80, MDR 1981, 583 = WuM 1981, 80 = ZMR 1982, 84. 1890 BGH v. 16.4.1986 – VIII ZR 60/85, MDR 1986, 842 = ZMR 1986, 278. 1891 Vgl. BGH v. 4.4.1979 – VIII ZR 118/78, NJW 1979, 2351 (unter 2b); BGH v. 7.3.1983 – VIII ZR 333/81, WM 1983, 531 (unter I 2c bb). 1892 BGH v. 8.12.2010 – VIII ZR 93/10, MietRB 2011, 72 = WuM 2011, 98 = GE 2011, 682 = ZMR 2011, 367. 1893 BGH v. 8.12.2010 – VIII ZR 93/10, MietRB 2011, 72 = WuM 2011, 98 = GE 2011, 682 = ZMR 2011, 367. 1894 BGH v. 8.12.2010 – VIII ZR 93/10, MietRB 2011, 72 = WuM 2011, 98 = GE 2011, 682 = ZMR 2011, 367. 1895 Staudinger/Emmerich, § 535 BGB Rz. 35.

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B. Wohnraummiete | Rz. 742 § 535

derart erweitert, dass die Wohnung eines langjährigen Mieters durch die von der Pension genutzten Räume „eingekreist“ wird, liegt keine allmähliche Änderung der allgemeinen Lebensverhältnisse vor, so dass ein Anspruch auf Unterlassung vermeidbarer Lärmbeeinträchtigungen besteht1896. Im Einzelfall können sich auch aus baurechtlichen Zulassungen und Einschränkungen Hinweise auf 739 den Inhalt des vertragsgemäßen Gebrauchs ergeben, wenn sie beiden Vertragsseiten bei Vertragsschluss bekannt waren1897. Das gilt insbesondere für die Bestimmung der Mieteinheit als Wohnraum, aber vor allem für die Nutzung einzelner Teile (z.B. Dachfläche als Terrasse). Dabei hindert die mangelnde Übereinstimmung der öffentlich-rechtlichen Zulassung (z.B. als Gewerbeeinheit) mit dem Vertragszweck (z.B. Wohnraum) regelmäßig nicht die Wirksamkeit des Mietvertrages. Vielmehr kann dieser Umstand zu einem öffentlich-rechtlichen Mangel (vgl. § 536 BGB Rz. 194 f.) oder einem Rechtsmangel (vgl. § 536 BGB Rz. 264 f.) führen, sofern er zum Gegenstand der Sollbeschaffenheit geworden ist. 3. Nutzungsänderung Der Mieter darf die Mietsache im Rahmen des vereinbarten Vertragszwecks nutzen. Er darf diesen 740 aber nicht einseitig ändern (für das Beitrittsgebiet s. aber §§ 43, 48 SchuldRAnpG). Eine tatsächlich andere Art der Nutzung (z.B. gewerbliche Nutzung von als Wohnung vermieteten Räumen) ist für den Inhalt des Mietvertrags ohne Bedeutung, sofern diese geänderte Nutzung nicht mit einer Vertragsänderung verbunden ist1898. Für eine konkludente Vertragsänderung muss eindeutiges Verhalten vorliegen und die beiderseitige Interessenlage abgewogen werden1899. Im Rahmen eines Mietvertrages über Wohnraum ist eine geschäftliche Tätigkeit ohne Zustimmung 741 des Vermieters unzulässig, wenn sie nach außen in Erscheinung tritt (z.B. durch Angabe der Wohnung als Geschäftsadresse, Kundenempfang in der Wohnung, Beschäftigung von Mitarbeitern). Berufliche Tätigkeiten, die der Mieter – etwa im häuslichen Arbeitszimmer – ausübt, ohne dass sie nach außen in Erscheinung treten, fallen nach der Verkehrsanschauung von vornherein unter den Begriff des „Wohnens“ (z.B. Unterrichtsvorbereitung eines Lehrers, Telearbeit, schriftstellerische Tätigkeit, Empfang oder die Bewirtung eines Geschäftsfreundes). Bei geschäftlichen Aktivitäten freiberuflicher oder gewerblicher Art, die nach außen in Erscheinung treten, liegt hingegen eine Nutzung vor, die der Vermieter einer Wohnung ohne entsprechende Vereinbarung grundsätzlich nicht dulden muss (z.B. GitarrenLehrer, der an drei Tagen die Woche 10-12 Schülern Unterricht erteilt1900). Maßgeblich ist insoweit, dass die Tätigkeit das Maß überschreitet, dass bei einer Wohnraumnutzung anzusetzen wäre (vgl. für das Musizieren z.B. § 541 BGB Rz. 162). Dieses Maß kann ein Hausmeisterservice (Ein-Mann-Betrieb) nicht einhalten, wenn er seinen Kunden mit der Wohnung als Geschäftsadresse auftritt, obwohl er Kunden nicht in der Wohnung empfängt und Firmenfahrzeuge nicht auf dem Grundstück parkt1901. Der Vermieter kann jedoch im Einzelfall nach Treu und Glauben verpflichtet sein, eine Erlaubnis zur 742 teilgewerblichen Nutzung zu erteilen1902. Das kommt insbesondere in Betracht, wenn es sich nur um eine Tätigkeit ohne Mitarbeiter und ohne ins Gewicht fallenden Kundenverkehr handelt. Auch eine selbständige berufliche Tätigkeit kann im Einzelfall so organisiert sein oder einen so geringen Umfang haben, dass sie – wie beispielsweise bei einem Rechtsanwalt oder Makler – im Wesentlichen am Schreibtisch erledigt wird, in der Wohnung keine Mitarbeiter beschäftigt werden und von etwaigem Publikumsverkehr keine weitergehenden Einwirkungen auf die Mietsache oder Mitmieter ausgehen als bei einer üblichen Wohnnutzung. Dies wird etwa in der Existenzgründungsphase einer selbständigen Tätigkeit der Fall sein können. Maßgeblich ist insoweit, ob von der beabsichtigten Tätigkeit – was der Mieter dar-

1896 AG Charlottenburg v. 8.9.2010 – 213 C 213/09, GE 2011, 1485. 1897 BGH v. 27.6.1973 – VIII ZR 98/72, MDR 1973, 927 = BB 1973, 1236 = NJW 1973, 1498. 1898 BGH v. 26.3.1969 – VIII ZR 76/67, ZMR 1969, 206; OLG Düsseldorf v. 18.3.1987 – 15 U 183/86, ZMR 1987, 423. 1899 BGH v. 23.9.2009 – VIII ZR 300/08, MDR 2010, 20 = MietRB 2009, 345 = NZM 2009, 855. 1900 BGH v. 10.4.2013 – VIII ZR 213/12, MDR 2013, 698 = MietRB 2013, 198 = WuM 2013, 349 mit kritischer Anm. Wiek, WuM 2013, 493. 1901 BGH v. 31.7.2013 – VIII ZR 149/13, MietRB 2014, 36 = WuM 2013, 554 = GE 2013, 1132. 1902 BGH v. 14.7.2009 – VIII ZR 165/08, MDR 2009, 1215 = MietRB 2009, 282 = NJW 2009, 3157.

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§ 535 Rz. 742 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags zulegen und zu beweisen hat – keine weitergehenden Einwirkungen auf die Mietsache oder Mitmieter ausgehen als bei einer üblichen Wohnnutzung1903. 743 Ein Anspruch auf Gestattung kommt dagegen regelmäßig nicht in Betracht, wenn für die geschäftli-

che Tätigkeit Mitarbeiter des Mieters in der Wohnung beschäftigt werden. Umso mehr kann der Vermieter einen Mietzuschlag für derartige Nutzungsfälle verlangen und im Mietvertrag vorsehen1904. 4. Hausrecht 744 Mit der Übergabe erhält der Mieter den unmittelbaren Besitz an den Mieträumen und ist fortan (tat-

sächlich) und – solange der Mietvertrag besteht – rechtlich in der Lage, jeden Dritten vom Betreten der Räume abzuhalten. Demnach bestimmt der Mieter auch eigenverantwortlich, wem er den Zutritt zu seinen Mieträumen gewähren will und wem nicht. Deshalb ist auch für den Vermieter verbindlich, dass der Mieter einem bestimmten Handwerker ein Hausverbot für seine Wohnung erteilt hat1905. Bei mehreren Mietern übt jeder das Hausrecht gleichrangig aus, so dass die Erlaubnis eines Mieters ausreicht, um den Zugang zu legalisieren1906. Als Grenze der individuellen Ausübung des Hausrechts ist allerdings zu beachten, ob der Aufenthalt des Dritten den Mitbewohnern zumutbar ist1907. Vom Hausrecht ebenfalls umfasst, ist die Entscheidung, ob und und ggfs. unter welchen Bedingungen er Dritten den Zutrittzum Mietobjekt zur Anfertigung von Fotografien sowie deren gewerbliche Verwertung gestattet1908.

745 Selbst gegenüber dem Vermieter kann der Mieter seinen Besitz durch Ausübung seines Hausrechts

nach §§ 1004, 854 BGB schützen, das er im Zweifel auch durch einstweilige Verfügung verteidigen kann1909. Jedes Betreten der Wohnung durch den Vermieter oder einen Gehilfen (z.B. Hausverwalter, Hausmeister) ohne Willen des Mieters stellt eine verbotene Eigenmacht dar. Nichts anderes gilt für exklusiv gemietete Außenflächen. 746 Umgekehrt kann der Vermieter bei einer schwerwiegenden Störung des Hausfriedens durch den Be-

sucher eines Mieters (z.B. Besucher greift auf dem vermieteten Hausgrundstück in betrunkenem Zustand Jugendliche mit einem Dolch an, bedroht sie mit einer Schusswaffe und schießt sich selber in die Hand1910) ohne weitere Ankündigung ein Hausverbot erteilen1911. Insofern steht ihm im Zweifel ein Auskunftsanspruch gegen den Mieter über Namen und Anschrift zu. Die schwere Störung des Hausfriedens rechtfertigt einen Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Position des Mieters1912. Dennoch soll die Gewährung des Zugangs zur Wohnung durch den Mieter trotz Hausverbots nicht zu einer Vertragswidrigkeit des Mieters führen1913. Diese Auffassung ist aber abzulehnen. Denn das Hausverbot tangiert den vertragsgemäßen Gebrauch und ist daher auch vom Mieter zu beachten. 5. Bauliche Veränderungen a) Begriffsbestimmung 747 Das Interesse des Mieters, die Mietsache zu verschönern oder zu modernisieren, kommt in vielfältiger

Form vor. Das Gesetz regelt dazu keine Anspruchsgrundlage, aus der generell die Voraussetzungen für die Zulässigkeit baulicher Veränderungen entnommen werden könnte1914. In § 554a BGB ist zwar ein Teilaspekt der baulichen Maßnahmen für die Barrierefreiheit geregelt. Die Vorschrift ist aber sehr

BGH v. 10.4.2013 – VIII ZR 213/12, MietRB 2013, 198 = MDR 2013, 698 = NZM 2013, 456. Vgl. BayObLG v. 25.3.1986 – REMiet 4/85, MDR 1986, 676 = ZMR 1986, 193. AG Hamburg-Blankenese v. 27.7.2007 – 509 C 45/06, WuM 2008, 274 = ZMR 2007, 866. RG v. 10.12.1879 – 562/79, RGSt 1, 121. KG v. 1.2.2016 – 3 Ws (B) 29/16, GE 2016, 327. OLG Frankfurt v. 11.2.2019 – 16 U 205/17, ECLI:DE:OLGHE:2019:0211.16U25.17.2000 = ZMR 2019, 400. Vgl. AG Brühl v. 12.10.2010 – 26 C 140/10, ZMR 2011, 135. AG Wetzlar v. 21.2.2008 – 38 C 1281/07, ZMR 2008, 634. AG Köln v. 22.9.2004 – 209 C 108/04, WuM 2004, 673; AG Altenkirchen v. 21.2.1989 – 2 C 13/89, WuM 1989, 175; AG Charlottenburg v. 2.10.1987 – 9 C 292/87, MM 1988, Nr. 5 S. 30. 1912 AG Wetzlar v. 21.2.2008 – 38 C 1281/07, ZMR 2008, 634. 1913 AG Köln v. 22.9.2004 – 209 C 108/04, WuM 2004, 673. 1914 Vgl. im Einzelnen: Harsch, MDR 2001, 67 ff. 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1911

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B. Wohnraummiete | Rz. 750 § 535

stark durch Art. 3 Abs. 3 GG geprägt, wonach niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf. In §§ 539 Abs. 2, 552 BGB ist lediglich festgelegt, dass der Mieter Einrichtungen wegnehmen darf und der Vermieter grundsätzlich ausgleichspflichtig ist, wenn der Mieter geschaffene Einrichtungen auch nach dessen Auszug in der Wohnung zurücklassen soll. Damit ist deren Zulässigkeit aber nicht geregelt. Vielmehr ist nur klargestellt, dass der Mieter spätestens beim Auszug alle Maßnahmen rückgängig machen und den ursprünglichen Zustand wiederherstellen muss (§ 546 BGB Rz. 75 f.). Grundsätzlich darf der Mieter die Wohnräume so gestalten, wie es seinen Geschmacksvorstellungen 748 entspricht (Beispiel: Schönheitsreparaturen), solange er die Substanz der Mietsache unangetastet lässt, insbesondere keine Beschädigungen oder Veränderungen an baulichen (Wände, Decken, Türen etc.) und technischen Einrichtungen oder Anlagen herbeiführt. Andernfalls liegen grundsätzlich bauliche Veränderungen vor, so dass im Einzelfall zu ermitteln ist, ob sie durch den Vertragszweck gerechtfertigt und/oder ggf. zustimmungspflichtig sind1915. Derartige Einbauten liegen vor, wenn der Mieter Einrichtungen mit der Bausubstanz fest (nicht zwingend untrennbar) verbindet. In wessen Eigentum die Einbauten nach der Verbindung mit der Mietsache stehen, ist ohne Bedeutung. In der Regel gilt § 95 BGB, weil der Mietvertrag die Grundlage des Einbaus bildet1916. Soll der Einbau auf Dauer erfolgen (z.B. Gasetagenheizung), erwirbt der Gebäudeeigentümer mit dem festen Einbau Eigentum z.B. an der vom Mieter eingebauten Heizung, § 94 BGB. Dennoch trifft den Mieter die Instandsetzungspflicht. Neben Einbauten, also der festen Verbindung einer Sache mit dem Gebäude, kommen auch Eingriffe 748a in vorhandene technische oder bauliche Anlagen und Einrichtungen (z.B. Elektrounterverteilung, Gegensprechanlage, Türen, Fenster, Rollladen, Warmwassergeräte) in Betracht1917. Dazu gehören auch solche technischen Systeme, die heute unter dem Begriff des „Smart Home“ erfasst werden. Darunter wird die in der Wohnung vorhandene Anlagentechnik verstanden, zu der nicht nur die Steuerung der Beleuchtung und/oder der Beheizung gehören1918. Vielmehr erfasst der Begriff auch Steuerungsmöglichkeiten, die der Sicherheit oder der Bequemlichkeit dienen (z.B. Rollladensteuerung). Auszugrenzen sind aber bewegliche Anlagenteile wie z.B. Roboter, die keine feste körperliche Verbindung zur Bausubstanz haben1919. Führt der Mieter insoweit Veränderungen herbei, bedarf er dazu grundsätzlich der Zustimmung des Vermieters. Dabei spielt es i.d.R. keine Rolle, ob der Mieter die Maßnahme in der Absicht der Veränderung durchführt oder z.B. nur eine Reparatur im Do-it-yourself-Verfahren erfolgen soll. Jeder Eingriff in vorhandene Substanz oder Anlagen begründet zunächst eine bauliche Veränderung. Nur freibewegliche Einrichtungen sind vom Begriff der baulichen Veränderungen nicht erfasst1920. b) Notwendigkeit der Zustimmung Grundsätzlich darf der Mieter bauliche Veränderungen nicht ohne Zustimmung des Vermieters 749 durchführen. Enthält der Mietvertrag keine Regelungen dazu, ob und unter welchen Voraussetzungen der Mieter Ein- oder Umbauten vornehmen darf, ist zu untersuchen, ob er im Einzelfall zur Durchführung der Maßnahme ohne die Zustimmung des Vermieters befugt ist. Ein solcher Fall ist z.B. in § 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB geregelt: Danach kann der Mieter notwendige Verwendungen auf die Sache zur Durchführung von Notmaßnahmen machen, ohne vorher den Vermieter zu fragen (§ 536a BGB Rz. 197). Prinzipiell bedarf der Mieter für Verbesserungsmaßnahmen keiner Zustimmung des Vermieters, wenn 750 es sich bei den Maßnahmen um Arbeiten handelt, die weder das Mietobjekt in der Substanz noch die Wohnanlage oder Mitbewohner beeinträchtigen, da dem Mieter im Rahmen des Vertragszwecks ein möglichst freier Gebrauch gewährt werden soll. Bei Beendigung des Mietverhältnisses müssen sich aber

1915 1916 1917 1918 1919 1920

Vgl. Streyl, NZM 2017, 785. BGH v. 7.4.2017 – V ZR 52/16, MDR 2017, 758 = ZMR 2018, 465 = GE 2017, 712. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 555b BGB Rz. 13. Schultz, PiG 105, 1 (2); a.A. Cimiano/Herlitz, NZM 2016, 409 (415). Schultz, PiG 105, 1 (2). MünchKomm/Artz, § 555b BGB Rz. 3.

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§ 535 Rz. 750 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags die vorgenommenen Veränderungen leicht wieder beseitigen lassen1921. Derartige Einrichtungen, für die in der Regel die §§ 539 Abs. 2, 552 BGB gelten, liegen vor bei 751

– – – – – – –

Verlegung von Teppichboden1922 und sonstigen Bodenbelägen1923, Aufstellen einer transportablen Duschkabine1924, Verkleidung des Balkons mit einem Plexiglas-Vordach1925, Installation moderner Haushaltsgeräte in der Küche1926, das Anbringen von Dübeln und Haken einschließlich dem Bohren von Löchern1927, Installieren eines Türspions1928 und einer zusätzlichen Klingelleitung, um den Kleinkindern des Mieters, die wegen ihrer Größe das Klingeltableau nicht erreichen, den Zugang zum Haus zu ermöglichen1929.

752 Daneben soll der Mieter berechtigt sein, die Mietsache ohne Zustimmung des Vermieters zu verändern,

wenn er nur vorhandene Einrichtungsgegenstände fachmännisch austauscht1930. Davon sollen die Auswechslung von Mischbatterien oder des WC-Beckens und die Installation einer Dunstabzugshaube erfasst sein1931, soweit diese problemlos an einen (Not-)Schornstein angeschlossen werden kann. Darüber hinaus kann es im Einzelfall zulässig sein, zusätzliche Steckdosen zu installieren. Dies gilt insbesondere dann, wenn die vorhandene Elektrounterverteilung keine ausreichende Einrichtung des vertragsgemäßen Gebrauchs gestattet. Insoweit ist aber Vorsicht geboten und im Zweifel die Zustimmung einzuholen. Denn handelt der Mieter im Rahmen der Mängelbeseitigung, ist § 536a BGB vorrangig. Insbesondere durch das Erfordernis der Inverzugsetzung kommt zum Ausdruck, dass der Vermieter als Eigentümer das vorrangige Recht haben soll zu entscheiden, wie die Mängelbeseitigung durchzuführen ist oder ob ggf. eine Modernisierung stattfinden soll1932. 753 Es ist verfehlt, aus der Entscheidung des BVerfG1933, wonach das Nutzungsrecht mit dem Eigentums-

recht (quasi) gleichgestellt ist, ein Recht des Mieters auf Durchführung baulicher Änderungen (einschließlich Modernisierung) nach einer Interessenabwägung herzuleiten1934. Richtig daran ist allein, dass eine Interessenabwägung im Rahmen des § 535 BGB stattzufinden hat (vgl. § 535 BGB Rz. 755), die jedoch eine entsprechende Anfrage des Mieters voraussetzt. Denn eine Interessenabwägung kann nicht durch den Mieter allein erfolgen, wenn er die Interessen des Vermieters selbst bestimmt. Eine Interessenabwägung kann nur anhand der wahren Belange jeder Partei erfolgen und setzt daher einen Meinungsaustausch voraus. Abgesehen davon hat der Mieter die Mietsache in dem bei Vertragsbeginn vorhandenen Zustand angemietet und zahlt allein dafür die Miete. Im Zweifel ist das Recht des Vermieters zur Bestimmung des Zustandes der Mietsache vorrangig1935. Also kann er eine Zustimmung auch verweigern oder von der Leistung einer Sicherheit in Höhe der Rückbaukosten abhängig machen1936. Das setzt aber notwendigerweise voraus, dass der Mieter eine Erlaubnis auch einholt. Im Übrigen dokumentiert § 554a BGB die Rechtslage bei baulichen Veränderungen für einen Sonderfall, enthält also im Übrigen allgemein gültige Regeln. 1921 1922 1923 1924 1925 1926 1927 1928 1929 1930 1931 1932 1933 1934 1935 1936

LG Essen v. 22.4.1987 – 10 S 633/86, WuM 1987, 257. KG v. 2.3.1971 – 1 W 11964/70, ZMR 1972, 80. LG Berlin v. 26.1.1990 – 63 S 216/89, WuM 1990, 421. LG Berlin v. 26.1.1990 – 63 S 216/89, WuM 1990, 421; LG Berlin v. 28.2.1975 – 65 S 217/74, ZMR 1975, 271. LG Nürnberg-Fürth v. 6.7.1990 – 7 S 1401/90, WuM 1990, 422. LG Konstanz v. 14.10.1988 – 1 S 216/88, WuM 1989, 67. BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 10/92, MDR 1993, 339 = WuM 1993, 109 = ZMR 1993, 263; Streyl, NZM 2017, 785 (786). AG Hamburg v. 15.3.1979 – 48 C 18/79, WuM 1980, 197; AG Hamburg v. 30.11.1981 – 37b C 125/81, WuM 1985, 256. AG Münster v. 8.2.1983 – 4 C 7/83, WuM 1983, 176. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 379 m.w.N. AG Hamburg v. 11.2.1983 – 43a C 207/82, WuM 1983, 235. BGH v. 16.1.2008 – VIII ZR 222/06, MietRB 2008, 97 = MDR 2008, 440 = ZMR 2008, 281 = GE 2008, 325. BVerfG v. 26.5.1993 – 1 BvR 208/93, MDR 1993, 728 = WuM 1993, 377 = ZMR 1993, 405. So aber Schmidt/Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 380 m.w.N. BGH v. 14.9.2011 – VIII ZR 10/11, MietRB 2012, 6 = MDR 2011, 1465 = WuM 2011, 671. Streyl, NZM 2017, 785 (787).

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B. Wohnraummiete | Rz. 754a § 535

Grundsätzlich kommt es nicht darauf an, ob hinsichtlich der konkret geplanten Veränderung eine 753a (wirksame) Vertragsregel über eine Zustimmungspflicht besteht oder nicht. Denn eine entsprechende AGB-Klausel, die nicht auf die für die Erteilung der Zustimmung maßgeblichen Kriterien abstellt, ist unwirksam1937. Auf keinen Fall ohne Zustimmung des Vermieters darf der Mieter Eingriffe in die Bausubstanz vorneh- 754 men, die nicht vom vertragsgemäßen Gebrauch gedeckt sind. Ein solcher Eingriff ist gegeben, wenn der Mieter die bauliche Substanz der Mietsache verändern, insbesondere tragende Bauteile bearbeiten will und damit die Statik verändert. Gleiches gilt für – Mauerdurchbrüche, – die Installation einer Etagenheizung1938, – die Umrüstung einer Heizung auf andere Brennstoffe1939, – Veränderungen an der Außenfassade, insbesondere Rollläden, die zu optischen Beeinträchtigung führen1940 oder auf einer Wärmedämmfassade angebracht werden sollen1941, Markise1942, – die Entfernung von festen Trennwänden1943, – den Einbau eines Türspions in die Wohnungseingangstür1944, – der Ersatz von Holzrahmenfenstern durch Kunststofffenster1945, – dem Ausbau des Kellers zur Schaffung von zusätzlichem Wohnraum1946 – dem Aufstellen eines Großgartenhauses oder Pavillons1947 bei vereinbarter gärtnerischer Nutzung1948, insbesondere wenn materielles Baurecht verletzt ist1949, – dem Verändern einer stabilisierenden Bepflanzung an einer abschüssigen Böschung1950, – Aufstellen und Nutzen eines massiven Außenschwimmbades aus Holz auf einem dafür geschaffenen Fundament aus Platten und Kies1951, – die Entnahme von Brunnenwasser zur Toilettenspülung1952. Es ist unbedeutend, ob der Einbau auch positive Effekte hat (z.B. Einbau von Wasseruhren)1953. Ein Beseitigungsverlangen des Vermieters während der Mietzeit kann rechtsmissbräuchlich sein, 754a wenn der Vermieter Umbauten des Mieters über eine längere Zeit (hier fünf Jahre) hinnimmt1954. Dafür müssen aber schutzwürdige Interessen des Mieters erkennbar sein, was nicht der Fall ist, wenn der Vermieter wegen Verletzung von materiellem Baurecht ein behördliches Einschreiten befürchten muss1955. Umgekehrt soll ein Bereicherungsanspruch aus den §§ 951, 812 BGB nicht vor Ablauf der Mietzeit durchsetzbar sein, wenn die Einbauten nicht ohnehin die Voraussetzungen des § 95 BGB1956 erfüllen.

1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956

BGH v. 16.5.2007 – VIII ZR 207/04, MietRB 2007, 259 = WuM 2007, 381 = GE 2007, 982. LG Berlin v. 13.12.1994 – 64 S 266/94, ZMR 1995, 594. BGH v. 8.5.1963 – VIII ZR 252/61, MDR 1963, 672 = NJW 1963, 1539. LG Hamburg v. 2.2.2006 – 334 S 39/05, WuM 2007, 502. LG Düsseldorf v. 18.6.2014 – 23 S 241/13, MietRB 2015, 134 = ZMR 2014, 982. AG Köln v. 9.8.2017 – 201 C 62/17, ZMR 2018, 56 (kein Anspruch auf Zustimmung). BGH v. 26.6.1974 – VIII ZR 43/73, NJW 1974, 1463. AG Meißen v. 4.12.2017 – 112 C 353/17, ZMR 2018, 337: aber Duldungspflicht des Vermieters bis zum Ende der Mietzeit! LG Berlin v. 5.3.1984 – 61 S 387/83, MDR 1985, 57 = ZMR 1985, 50. LG Hamburg v. 26.4.1991 – 311 S 1/91, WuM 1992, 190. AG Schöneberg v. 5.2.2018 – 5 C 208/17, GE 2018, 517. AG Brühl v. 7.3.1989 – 2a C 710/88, WuM 1989, 498. AG Schöneberg v. 5.2.2018 – 5 C 208/17, GE 2018, 517. AG Köln v. 5.12.1989 – 205 C 287/89, WuM 1991, 84. AG München v. 13.12.2018 – 472 C 16138/18, ZMR 2019, 287. LG Gießen v. 1.6.1994 – 1 S 507/93, WuM 1994, 681. Vgl. weitere Beispiele bei Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. VI 79. LG Berlin v. 20.4.2015 – 18 S 92/14, GE 2015, 791. AG Schöneberg v. 5.2.2018 – 5 C 208/17, GE 2018, 517. LG Karlsruhe v. 15.10.2018 – 9 U 53/18, IMR 2018, 504 (Mettler).

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§ 535 Rz. 755 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags c) Abwägungskriterien 755 Besteht ein Zustimmungsvorbehalt, ist bei der notwendigen Abwägung zunächst der Vertragszweck

maßgeblich1957. Nichts anderes gilt jedoch, wenn bauliche Veränderungen im Vertrag nicht geregelt sind (vgl. § 535 BGB Rz. 753), wie sich bereits aus einem Rückschluss aus § 554a BGB ergibt. Insoweit ist zu berücksichtigen, ob der Mieter mit der Maßnahme lediglich einen Zustand herstellen will, der einem allgemein üblichen Standard entspricht. In diesen Fällen kann der Vermieter zur Zustimmung der Maßnahme verpflichtet sein1958. Dazu gehört regelmäßig die (erstmalige) Einrichtung eines Telefon-, Telefax- sowie Online-Anschlusses, wenn eine anderweitige Versorgung nicht vorhanden ist (z.B. Mobilfunk). Andere Maßnahmen, insbesondere wenn sie Modernisierungscharakter haben (z.B. Einbau einer Heizung), fallen nicht darunter. Maßstab ist immer der vertragsgemäße Zustand, der durch die Maßnahme erreicht werden soll. Deshalb kann im Rahmen der Zustimmungspflichtigkeit auch darauf abgestellt werden, ob der Mieter auf die Änderung der Mietsache zur Befriedigung seiner elementaren Lebensbedürfnisse angewiesen ist1959, wobei aber spezielle Vorschriften (z.B. § 554a BGB) oder spezielle Grundsätze der Rechtsprechung (z.B. zur Installation von Parabolantennen, § 535 BGB Rz. 792 f.) vorrangig zu beachten sind. 756 Soll die Maßnahme, die der Mieter plant, der Wohnwertverbesserung dienen, ist von dem Grundsatz

auszugehen, dass der Vermieter – sofern die Mietvertragsparteien keine abweichende Vereinbarung getroffen haben – grundsätzlich nicht zu baulichen Veränderungen zwecks Modernisierung der Wohnung verpflichtet ist1960. Andererseits hat der Mieter aber auch prinzipiell keinen Anspruch darauf, dass der Vermieter ihm gestattet, selbst bauliche Veränderungen an der Wohnung mit dem Ziel einer Modernisierung oder Erhöhung des Wohnkomforts vorzunehmen. Die Erteilung einer derartigen Erlaubnis steht vielmehr im Ermessen des Vermieters, der sein Ermessen jedoch nicht missbräuchlich ausüben darf1961.

757 Insbesondere die Entscheidung eines Vermieters, die vermietete Wohnung während der Dauer des

Mietverhältnisses im bisherigen – vertragsgemäßen – Zustand zu belassen und etwaige Investitionen erst nach Beendigung des Mietverhältnisses im Zusammenhang mit einer Neuvermietung vorzunehmen, hält sich im Rahmen der ihm als Eigentümer zustehenden Befugnis, mit seiner Sache nach Belieben zu verfahren1962. Vor diesem Hintergrund stellt es auch keine rechtsmissbräuchliche Ausnutzung eigener Rechte dar, dass der Vermieter dem Mieter nicht gestattet, die Wohnung mit einer Heizung auf eigene Kosten auszustatten. Denn mit einer derartigen Erlaubnis wäre eine erhebliche Einschränkung seiner Entscheidungsfreiheit als Eigentümer verbunden, den Zeitpunkt einer Investition selbst zu bestimmen und dabei das eigene – legitime – Interesse zu wahren, bei einer späteren Neuvermietung angesichts der zwischenzeitlich gestiegenen Attraktivität der Wohnlage eine deutlich höhere Miete zu erzielen1963. Es verstößt nicht gegen Treu und Glauben, wenn der Vermieter dabei den Interessen des Mieters, den Komfort der – wegen der vergleichsweise günstigen Miete und einer inzwischen stärker nachgefragten Lage – attraktiven Wohnung seinerseits durch eine Investition zu steigern, keinen Vorzug gegenüber den eigenen finanziellen Interessen einräumt.

758 Die vorstehend dargestellte Abwägung der Interessen des Mieters mit der Entscheidungsfreiheit des

Vermieters im Hinblick auf seine wirtschaftlichen Dispositionen ist in dieser Form in den überwiegend bisher veröffentlichten Entscheidungen nicht berücksichtigt worden. Sie macht deutlich, dass die Sozialpflichtigkeit des Eigentums zwar eine Begrenzung der aus Art. 14 GG herrührenden Rechte be-

1957 LG Hannover v. 22.12.1983 – 3 S 319/83, WuM 1984, 129. 1958 AG Potsdam v. 17.2.2000 – 26 C 354/99, WuM 2000, 179 (für Heizung); LG Duisburg v. 10.12.1996 – 23 S 452/96, ZMR 2000, 464; vgl. dazu auch BVerfG v. 28.3.2000 – 1 BvR 1460/99, MDR 2000, 756 = WuM 2000, 298 (für die Installation eines Treppenlifts für die querschnittgelähmte Lebensgefährtin des Mieters). 1959 LG Köln v. 30.10.1997 – 6 T 472/97, DWW 1998, 86 (Treppenlift). 1960 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = NZM 2010, 356 (Rz. 26); BGH v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03, MietRB 2005, 1 = NJW 2004, 3174 unter [II] A 2b; Kinne, GE 2007, 30; Harsch, MDR 2001, 67. 1961 BGH v. 25.3.1964 – VIII ZR 211/62, WPM 1964, 563; vgl. auch BGH v. 8.5.1963 – VIII ZR 252/61, NJW 1963, 1539 = WPM 1963, 643 f. 1962 BGH v. 14.9.2011 – VIII ZR 10/11, MietRB 2012, 6 = MDR 2011, 1465 = WuM 2011, 671. 1963 BGH v. 14.9.2011 – VIII ZR 10/11, MietRB 2012, 6 = MDR 2011, 1465 = WuM 2011, 671.

254 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 759 § 535

deutet, die unternehmerische Freiheit eines Gebäudeeigentümers durch die Sozialpflichtigkeit aber nicht stets nachrangig, geschweige denn ausgeschlossen ist. Umso mehr erscheinen auch die bisherigen Entscheidungen zu wohnwertverbessernden Maßnahmen in einem anderen Licht. Deshalb muss bei – der Installation eines Fensterlüfters1964, – dem Einbau eines Elektro-Herdes1965, – der Verkleidung des Balkons mit einem Plexiglas-Vordach1966, – der Installation für Markisen und Trockengestelle1967, – der Installation von Außenrolladen1968, – dem Einbau einer Einbauküche1969, – dem Einbau von Fliesen1970, – der Verlegung eines Laminatfußbodens1971 – der Montage einer Balkonverkleidung1972, – der Installation einer Außensteckdose am Balkon1973, – dem Anbringen einer fest mit dem Gebäude verbundenen Sichtschutzkonstruktion am Balkon1974, – dem Anbringen von Blumenkästen an der Außenseite des Balkons1975, – der Montage eines Katzennetzes auf einer Holzkonstruktion am Balkon1976, – dem Verkleiden der Wände mit Rauhputz1977, geprüft werden, inwieweit durch die Verpflichtung des Vermieters zur Zustimmung seine unternehmerische Freiheit, mit dem Gebäude nach Belieben zu verfahren, unangemessen eingeschränkt wird. In Ausübung dieser Freiheit kann der Vermieter einem Mieter die Installation einer CB-Dachfunkantenne1978 verbieten, weil er insoweit auch Rücksicht auf die Belange der anderen Mieter nehmen muss, deren Fernseh-, Rundfunk- oder Mobilfunktelefon-Empfang gestört werden kann. Auch und gerade wenn sich die baulichen Veränderungen störend auswirken, kann der Vermieter seine Zustimmung verweigern. Hierbei kann insbesondere das Gesamtbild des Hauses von Bedeutung sein1979. Unabhängig von unternehmerischen Gründen kann sich eine zulässige Versagung der Zustimmung 759 auch aus nachteiligen Folgewirkungen der baulichen Maßnahme des Mieters ergeben1980. Dem Mieter ist es z.B. nicht gestattet, Brunnenwasser zur Toilettenspülung zu nutzen, wenn die Gefahr einer Verunreinigung der Wasserversorgung im öffentlichen Netz gegeben ist und damit eine Verminderung der Trinkwasserqualität hervorgerufen würde1981. Ebenso darf der Mieter keine Styropor-Decken anbringen, da diese bei einem Brand giftige Gase abgeben1982.

1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982

LG Hamburg v. 23.11.1973 – 11 S 93/73, WuM 1974, 145. LG Berlin v. 19.2.1998 – 67 S 506/96, MM 1998, 204. LG Nürnberg v. 6.7.1990 – 7 S 1401/90, WuM 1990, 422. LG München v. 10.5.1989 – 31 S 19840/88, WuM 1989, 556. LG Hamburg v. 2.2.2006 – 334 S 39/05, WuM 2007, 502. LG Konstanz v. 14.10.1988 – 1 S 216/88, WuM 1989, 67; a.A. LG Berlin v. 19.9.1996 – 62 S 115/96, NJW-RR 1997, 1097 (wenn vermieterseits gestellte Einbauküche ausgetauscht werden soll). AG Schöneberg v. 29.3.2000 – 7 C 521/99, ZMR 2000, 685. AG Hamburg v. 23.6.1998 – 39A C 114/98, WuM 1998, 723. LG Lüneburg v. 12.2.2008 – 9 S 77/07, ZMR 2008, 486. AG Hamburg v. 18.10.2006 – 39 AC 118/05, WuM 2007, 505. AG Köln v. 15.7.2011 – 220 C 27/11, ZMR 2011, 886. LG Berlin v. 20.5.2011 – 67 S 370/09, GE 2011, 1230. AG Neukölln v. 12.4.2012 – 10 C 456/11, GE 2012, 691 = ZMR 2012, 881. AG Kerpen v. 28.6.1989 – 3 C 199/89, WuM 1990, 198. BayObLG v. 19.1.1981 – AllgReg 103/80, WuM 1981, 80. LG Hannover v. 22.12.1983 – 3 S 319/83, WuM 1984, 129. LG Hamburg v. 23.11.1973 – 11 S 93/73, WuM 1974, 145. LG Gießen v. 1.6.1994 – 1 S 507/93, WuM 1994, 681. LG Braunschweig v. 24.4.1985 – 12 S 231/84, WuM 1986, 248.

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§ 535 Rz. 760 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags d) Rechtsfolgen der Zustimmung 760 Der Vermieter kann mit der Erteilung der Zustimmung dem Mieter Auflagen machen, wenn diese sach-

gerecht und angemessen sind. Neben der fachgerechten Ausführung, die eigentlich selbstverständlich sind, ist insbesondere die Gewährleistungsfrage zu klären. Für seine Einbauten trägt zwar grundsätzlich der Mieter die Verantwortung. Durch die Verbindung mit der Mietsache können sich hier aber Zweifelsfragen ergeben, die im Einzelfall zu klären sind. Bestehen mehrere Varianten, die bauliche Veränderung umzusetzen, kann der Vermieter die Art und Weise bestimmen, sofern keine abweichenden Vereinbarungen getroffen wurden1983. 761 Weiterhin kann der Vermieter die Zustimmung von der Leistung einer zusätzlichen Sicherheit abhän-

gig machen, wenn sich für ihn ein neues Haftungsrisiko ergibt (z.B. im Hinblick auf Rückbaukosten oder Gefährdung Dritter)1984. 762 Hat der Vermieter den Maßnahmen zugestimmt, kann er dennoch die Wiederherstellung des ur-

sprünglichen Zustandes verlangen1985. Vgl. dazu § 546 BGB Rz. 77. 763 Im Beitrittsgebiet ist § 112 ZGB zu beachten. Nach dieser Regelung bestand der Anspruch des Ver-

mieters auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes, wenn der Mieter ohne Zustimmung des Vermieters bauliche Veränderungen durchgeführt hatte, soweit die baulichen Veränderungen nicht zu einer Verbesserung der Wohnung geführt hatten, die im gesellschaftlichen Interesse lag. Diese Ausnahme ist im Zusammenhang mit evtl. Ansprüchen des Mieters auf Entschädigungsleistungen wegen §§ 112 Abs. 3 S. 2 ZGB zu beachten1986. 6. Nutzung von Gemeinschaftsflächen 764 Bei der Vermietung von Räumen erstreckt sich das Recht des Mieters zur Nutzung der gemieteten Räu-

me auf das Recht zur Mitbenutzung der Gemeinschaftsflächen auf dem Grundstück und im Gebäude1987. Sind keine besonderen Vereinbarungen getroffen, umfasst das Mitbenutzungsrecht alle Modalitäten, die typischerweise mit der Benutzung der gemieteten Flächen verbunden sind1988. 765 Soweit der Mietvertrag danach die Nutzung von Gemeinschaftsflächen (z.B. Treppenhaus, Fahrradkel-

ler, Trockenraum, Waschküche, Schwimmbad, Garten, Hoffläche) erfasst, muss der Mieter seine Nutzung so einrichten, dass andere Mieter weder gestört noch gefährdet werden. Deshalb ist in der Regel jede Art von Sondernutzung nicht vertragsgemäß, so dass z.B. das Abstellen von Gegenständen im Treppenhaus1989, das Parken auf dem Hof oder die dauerhafte Belegung eines Gemeinschafts-Kellers unzulässig sind. Über der gesamten Nutzung steht das Gebot der Rücksichtnahme, § 241 Abs. 2 BGB. Welche Grenzlinien hier im Einzelnen zu ziehen sind, wird bei den Erläuterungen zu § 541 BGB aufgezeigt. 765a Ist dem Mieter eine Sondernutzung von Gemeinschaftsflächen gestattet worden, ist diese Erlaubnis

jederzeit frei widerrufbar, sofern bei Erteilung der Erlaubnis nichts anderes vereinbart wurde1990. Denn im Zweifel ist nicht anzunehmen, dass der Vermieter sein Verfügungsrecht über derartige Flächen aufgeben wollte (§ 535 BGB Rz. 326 f.). 766 Umgekehrt kann dem Mieter ein bevorzugtes Nutzungsrecht an Gemeinschaftsflächen zustehen, wenn

er – im Gegensatz zu anderen Mietern – auf die Nutzung angewiesen ist. Dies gilt insbesondere für Zu-

1983 OLG Köln v. 19.5.2017 – 1 U 25/16, MietRB 2017, 319 = ZMR 2018, 311. 1984 AG Hamburg v. 17.5.1995 – 40a C 1309/94, WuM 1996, 29; Streyl, NZM 2017, 785 (787). 1985 KG v. 17.6.2010 – 12 U 51/10, ZMR 2010, 956; LG Berlin v. 19.9.1986 – 64 S 111/86, MDR 1987, 234; a.A. LG Hamburg v. 17.5.1988 – 16 S 230/86, WuM 1988, 305. 1986 BGH v. 29.11.1996 – LwZR 8/95, ZMR 1997, 174. 1987 Vgl. BGH v. 10.11.2006 – V ZR 46/06, MDR 2007, 453 = NJW 2007, 146 (147) (unter II 2); Wolf/Eckert/Ball, Rz. 187; Staudinger/Emmerich, § 535 BGB Rz. 9; Blank/Börstinghaus, § 535 BGB Rz. 282 f.; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 25 f., 283 ff.; Fritz, Rz. 262. 1988 Sternel, PiG 92, 47, 51 f. 1989 AG Köln v. 15.7.2011 – 220 C 27/11, ZMR 2011, 886; a.A. AG Herne v. 11.7.2013 – 20 C 67/13, WuM 2013, 537. 1990 KG v. 1.12.2008 – 8 U 121/08, WuM 2009. 654 = GE 2009, 1552.

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B. Wohnraummiete | Rz. 768a § 535

fahrten zur Mietsache, auf deren Nutzung der Mieter zum Erreichen der Mietsache und/oder ihren Gebrauch angewiesen ist1991. Dies kann erst anders zu beurteilen sein, wenn sonstige Grundstücksmitbenutzer nach den örtlichen Verhältnissen auf die laufende Mitbefahrbarkeit einer solchen Zufahrt angewiesen sind und wegen der Nutzung des Mieters ihre Nutzungsrechte an den ihnen zum Alleingebrauch überlassenen Grundstücksteilen nicht oder nicht angemessen ausüben können. Das Nutzungsrecht des Mieters umfasst deshalb ohne jeden Zweifel das Rangieren, Ein- und Ausfahren sowie das Be- und Entladen von Kraftfahrzeugen, und zwar „rund um die Uhr“. Zu seinem Nutzungsrecht gehört aber auch das kurzfristige Abstellen von Kraftfahrzeugen auf der Zufahrt, wenn es im Zusammenhang mit den vorgenannten Dispositionen steht. 7. Tierhaltung a) Allgemeines Ob und bezüglich welcher Exemplare die Tierhaltung zum vertragsgemäßen Gebrauch einer Mietwoh- 767 nung gehört, richtet sich nach den Gesamtumständen, insbesondere nach den Parteiabreden. Ein formularmäßiger Ausschluss jeglicher Tierhaltung, also auch der von Kleintieren, ist gemäß § 307 BGB unwirksam1992, selbst wenn es nur auf wenige Rassen (hier: Hund und Katzen) beschränkt ist1993. Das Gleiche gilt für eine Klausel, die die Tierhaltung in das freie Ermessen des Vermieters stellt1994. Denn auch in diesem Fall erweckt die Formulierung zumindest den Eindruck, der Vermieter könne eine Kleintierhaltung verbieten. Bei einem Erlaubnisvorbehalt soll der Vermieter die Tierhaltung nur aus gewichtigen sachlichen Gründen versagen dürfen1995. Das Bestehen einer wirksamen Abrede zur Einschränkung der Tierhaltung wirkt nur inter pares und begründet grundsätzlich keinen Anspruch, die Tierhaltung im Haus generell zu verbieten1996. Besteht keine (wirksame) Klausel, die die Tierhaltung einschränkt oder verbietet, ist nach der Ver- 768 kehrsanschauung zu ermitteln, ob die Tierhaltung zum vertragsgemäßen Gebrauch des Mieters gehört. Dazu muss eine umfassende Interessenabwägung durchgeführt werden. Führt diese Interessenabwägung nicht dazu, dass die Tierhaltung durch den vertragsgemäßen Gebrauch gedeckt ist, bedarf der Mieter zur Haltung eines Tieres, das kein Kleintier ist, im Mehrfamilienhaus grundsätzlich der Erlaubnis1997. Dafür muss der Mieter einen Antrag stellen, in dem er Rasse und Größe des Tieres nennt1998. Die Erlaubnis ist zu erteilen, wenn die Interessen des Mieters an der Tierhaltung die Belange des Vermieters (z.B. Schutz der Mieter vor Lärm- oder Gesundheitsbeeinträchtigungen) überwiegen (vgl. § 535 BGB Rz. 777). Das ist bei einer Bienenhaltung auf dem Balkon auch nicht der Fall, wenn die Tierhaltungsklausel unwirksam ist1999. Selbst wenn die Tierhaltung zulässig ist, also auch vom vertragsgemäßen Gebrauch gedeckt wird, kön- 768a nen ihre Spuren bzw. Auswirkungen Ansprüche des Vermieters auslösen. Führt die Tierhaltung zu Belästigungen der Nachbarn ergeben sich Ansprüche aus § 541 BGB oder die Möglichkeit zum Widerruf der Erlaubnis. Führen sie zu Beschädigungen der Mietsache kommt ein Schadensersatzanspruch in Betracht. Letzteres ist z.B. der Fall, wenn der Mieter über Tage unbeaufsichtigte Katzen hält, die Substanzschäden (Katzenurin) verursachen2000.

1991 OLG Düsseldorf v. 5.5.2009 – 24 U 153/08, MDR 2009, 1157 = MietRB 2009, 288 = GE 2009, 1187. 1992 BGH v. 14.11.2007 – VIII ZR 340/06, MDR 2008, 134 = MietRB 2008, 131 = WuM 2008, 23 = GE 2008, 48; BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 10/92, MDR 1993, 339 = NJW 1993, 1061 (unter II 4). 1993 BGH v. 20.3.2013 – VIII ZR 168/13, ZMR 2013, 618; a.A. Büring, IMR 2015, 95 (96) für das Verbot der Hundehaltung. 1994 BGH v. 22.1.2013 – VIII ZR 329/11, MietRB 2013, 231 = WuM 2013, 152 = GE 2013, 346 = ZMR 2013, 425. 1995 AG München v. 3.8.2018 – 411 C 976/18, ZMR 2019, 411. 1996 LG Berlin v. 3.11.2009 – 63 S 184/09, GE 2010, 769. 1997 BGH v. 14.11.2007 – VIII ZR 340/06, MDR 2008, 134 = MietRB 2008, 131 = WuM 2008, 23 = GE 2008, 48. 1998 AG München v. 3.8.2018 – 411 C 976/18, ZMR 2019, 411. 1999 AG Hamburg-Harburg v. 7.3.2014 – 641 C 377/13, ZMR 2014, 802. 2000 LG Saarbrücken v. 9.9.2013 – 5 W 72/13, MDR 2013, 1277 = MietRB 2013, 352.

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§ 535 Rz. 769 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags aa) Kleintiere 769 Unter dem Begriff der Kleintiere werden Tiere zusammengefasst, von denen nach Art, Anzahl und

Unterbringung Schädigungen und Störungen Dritter nicht ausgehen können. Deshalb ist nicht zu beanstanden das Halten von – Zierfischen im Aquarium2001, selbst wenn vier Aquarien mit je 60, 80 und 160 l aufgestellt werden2002, – ungefährlichen Schlangen im Terrarium2003, selbst wenn sich andere Mieter davor ekeln können, aber keine messbaren Störungen hervorgerufen werden2004, – einem Zwergschwein in der Wohnung, solange davon keine Belästigungen ausgehen2005, – einem Papagei2006, – Echsen2007, – Eidechsen2008, – Bartagamen (australische Echsen) im Terrarium2009, – Chinchillas2010, – Hamstern2011/Goldhamstern2012, – Meerschweinchen2013, – Kleinvögeln2014, – einem Wickelbär, der als Katze behandelt wird2015, – Zwergkaninchen2016. 770 Dem stehen Katzen nicht gleich2017. Denn sie werden nicht in Käfigen oder Aquarien gehalten und

können daher andere Mieter tangieren. Deshalb muss der Mieter erst recht um die Erlaubnis zur Katzenhaltung nachsuchen, wenn er mehr als ein Tier halten will. 771 Hunde – und seien sie noch so klein (z.B. Yorkshire-Terrier) – zählen nicht zu den Kleintieren2018.

Auch für das Halten einer Ratte in der Wohnung soll kein Zustimmungsanspruch bestehen, selbst wenn sie im Terrarium gehalten werden soll2019. Warane in einer Länge von 1,2 m bis 1,8 m zählen nicht zu den privilegierten Kleintieren2020.

2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020

LG Kaiserslautern v. 20.1.1984 – 2 S 189/83, WuM 1989, 177. AG Eschweiler v. 26.9.1991 – 5 C 769/91, WuM 1992, 240. AG Köln v. 27.11.1989 – 213 C 363/89, WuM 1990, 343 = NJW-RR 1991, 10. AG Bückeburg v. 12.10.1999 – 73 C 353/99, NZM 2000, 238. AG München v. 6.7.2004 – 413 C 12648/04, WuM 2005, 649; AG Köpenick v. 13.7.2000 – 17 C 88/00, NZM 2001, 892. LG Nürnberg-Fürth v. 13.6.1995 – 13 S 9530/94, DWW 1996, 50. AG Essen v. 18.7.1995 – 9 C 109/95, ZMR 1996, 37. Bub/Treier/Kraemer/von der Osten, III Rz. 2548. AG Essen v. 18.7.1995 – 9 C 109/95, ZMR 1996, 37. AG Hanau v. 18.2.2000 – 90 C 1294/99, WuM 2002, 91. Schach in Kinne/Schach/Bieber, § 535 BGB Rz. 37a. BGH v. 14.11.2007 – VIII ZR 340/06, MDR 2008, 134 = MietRB 2008, 131 = NJW 2008, 218. AG Berlin-Mitte v. 30.1.2002 – 17 C 337/01, BeckRS 2002, 10209. Staudinger/Emmerich, § 535 BGB Rz. 52. AG Heilbronn v. 1.3.2005 – 5 C 5478/04. AG Aachen v. 24.2.1989 – 6 C 500/88, WuM 1989, 236. LG Berlin v. 14.9.1993 – 64 S 447/93, GE 1993, 1273; AG Hamburg v. 16.4.1991 – 46 C 224/91, NJW-RR 1992, 203; a.A. LG Mönchengladbach v. 30.9.1988 – 2 S 191/88, ZMR 1989, 21; AG Aachen v. 13.3.1992 – 81 C 459/91, WuM 1992, 601; AG Sinzig v. 14.11.1989 – 7 C 334/89, NJW-RR 1990, 652. AG Spandau v. 13.4.2011 – 13 C 574/10, ZMR 2011, 650 = GE 2011, 1687; a.A. LG Kassel v. 30.1.1997 – 1 S 503/96, WuM 1997, 260. LG Essen v. 21.12.1990 – 1 S 497/90, WuM 1991, 340. AG Bielefeld v. 25.7.2018 – 401 C 275/17, ZMR 2018, 943.

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B. Wohnraummiete | Rz. 775 § 535

Die Erlaubnisfreiheit von Kleintieren gilt nur soweit, wie sie im angemessenen Rahmen in Mietwoh- 772 nungen gehalten werden2021. Ob dieser Umfang überschritten wird, ist eine Frage des Einzelfalles und richtet sich insbesondere nach der Größe der Wohnung und – der Anzahl der Tiere, – der Anzahl der Aquarien oder Terrarien, – der Art der Haltung (z.B. freilaufende Zwergkaninchen), – dem Grund der Haltung (z.B. Zucht). Unter Berücksichtigung dieser Kriterien sind folgende Tierhaltungen – unabhängig von der Frage, ob 773 im Einzelfall ein Kleintier gegeben ist – als unzulässig angesehen worden: – 80 Kanarienvögel2022 bzw. ca. 100 freifliegende Vögel in einer Zweizimmerwohnung2023, – 7 Katzen in einer Dreizimmerwohnung2024, – 4 Katzen in einer Einzimmerwohnung2025, – 7 Katzen, 1 Schäferhund und 2 Chinchillas in einer Zweizimmerwohnung2026, – 15 Hauskatzen in Freilaufgehegen bei Einfamilienhaus2027, – zooähnliche Verhältnisse (3 Schweine, Kaninchen, Meerschweinchen, Schildkröten und Vögel) auf einem gemieteten Hausgrundstück2028, – Hundezucht – 4 Schäferhunde in Maisonettewohnung mit gemeinschaftlicher Gartennutzung2029 – 5 sog. Taschenhunde in 2,5 Zimmerwohnung (98 m2)2030. bb) Tierhaltung und vertragsgemäßer Gebrauch Ohne Rücksicht auf ein bestehendes (wirksames) Verbot ist es unzulässig, in einem Mehrfamilienhaus 774 ein Tier zu halten, das für Mitbewohner im Haus eine (potentielle) Gefahr darstellt. Dies gilt insbesondere für das Halten eines Kampfhundes2031, selbst wenn die Gefährlichkeit durch ein Negativattest entkräftet wird. Denn die natürlich angeborene „Kampfhund-Eigenschaft“ kann jederzeit auch nach jahrelanger Zivilisierung wieder durchbrechen2032. Deshalb muss der Mieter einen Miniatur-Bullterrier abschaffen, auch wenn im Mietvertrag nur das Halten eines Bullterriers verboten ist2033. Zu den gefährlichen Tieren zählen2034 – Bullterrier2035, – Rottweiler2036,

2021 2022 2023 2024 2025 2026 2027 2028 2029 2030 2031 2032 2033 2034 2035 2036

775

LG Karlsruhe v. 12.1.2001 – 9 S 360/00, NZM 2001, 891. AG Menden v. 5.2.2014 – 4 C 286/13, WuM 2014, 713 = DWW 2014, 340. LG Karlsruhe v. 12.1.2001 – 9 S 360/00, NZM 2001, 891. AG Lichtenberg v. 31.7.1996 – 8 C 185/96, NJW-RR 1997, 774. KG v. 3.6.1991 – 24 W 6272/90, MDR 1992, 50 = NJW-RR 1991, 1116. LG Mainz v. 26.2.2002 – 6 S 28/01, WuM 2003, 624. AG Leer v. 28.8.2009 – 72 C 342/09 (VII), Info M 2010, 167. AG München v. 18.12.1998 – 462 C 27294/98, NZM 1999, 616. Pfälzisches OLG v. 24.8.1999 – 3 W 164/99, ZMR 1999, 853. AG München v. 12.5.2014 – 424 C 28654/13, IMRRS 2015, 0392 = Mk 2015, 1. LG Offenburg v. 14.10.1997 – 1 S 36/97, WuM 1998, 285; LG Gießen v. 15.6.1994 – 1 S 128/94, NJW-RR 1995, 12; LG Darmstadt v. 23.1.1991 – 17 S 514/90, WuM 1992, 117; LG Nürnberg-Fürth v. 2.2.1990 – 7 S 3264/90, DWW 1990, 338. A.A. LG München I v. 8.11.2006 – 14 S 23517/05, MietRB 2007, 57. AG Pankow-Weißensee v. 25.1.2011 – 101 C 286/10, GE 2011, 415 = ZMR 2011, 396. Vgl. auch Pletzer, NZM 2014, 329 (340). LG Karlsruhe v. 4.2.2002 – 5 S 121/01, NZM 2002, 246 = DWW 2002, 100; LG Krefeld v. 17.7.1996 – 2 S 89/ 96, WuM 1996, 533; LG München I v. 10.9.1993 – 13 T 14638/93, WuM 1993, 669; LG Nürnberg-Fürth v. 2.2.1990 – 7 S 3264/90, ZMR 1991, 29. AG Bergisch Gladbach v. 13.2.1991 – 60 C 506/90, WuM 1991, 341.

Lützenkirchen | 259

§ 535 Rz. 775 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags – – – – –

Staffordshire-Bullterrier2037, andere Kampfhunde2038, Gift- und Würgeschlangen2039, Schäferhunde2040, Vogelspinnen2041.

776 Fehlt eine (wirksame) Klausel zur Tierhaltung, kommt es darauf an, ob die Haltung eines Tieres (ins-

besondere Hundes) durch den vertragsgemäßen Gebrauch des Wohnungsmieters gedeckt ist. Unter welchen Umständen das der Fall sein soll, ist streitig2042. Nach einer Meinung ist die Tierhaltung stets vertragsgemäß2043. Die Gegenmeinung rechnet die Tierhaltung nicht zum vertragsgemäßen Gebrauch; danach ist die Haltung von Haustieren nur mit der Erlaubnis des Vermieters zulässig, auf die kein Anspruch besteht, deren Versagung aber im Ausnahmefall treuwidrig (§ 242 BGB) sein kann2044. Nach einer vermittelnden Ansicht ist die Frage der Zulässigkeit der Tierhaltung im Einzelfall unter Abwägung der beiderseitigen Interessen zu entscheiden2045. Dieser Ansicht hat sich der BGH angeschlossen2046. 777 Demnach erfordert die Beantwortung der Frage, ob die Haltung von Haustieren im Einzelfall, in dem

eine (wirksame) mietvertragliche Regelung fehlt, zum vertragsgemäßen Gebrauch i.S.v. § 535 Abs. 1 BGB gehört, eine umfassende Abwägung der Interessen des Vermieters und des Mieters sowie der weiteren Beteiligten2047. Das setzt voraus, dass der Mieter vor der Aufnahme des Tieres in die Wohnung um die notwendige Erlaubnis nachsucht. Denn das Ergebnis der Abwägung soll die Antwort auf die Frage, ob der Vermieter zustimmen muss, hervorbringen. Insoweit muss der Vermieter nicht schon zustimmen, nur weil Mitbewohner und Nachbarn mit der Haltung des Hundes (Schulterhöhe 25 cm) einverstanden sind2048. Vielmehr steht die Erlaubnis grundsätzlich im freien Ermessen des Vermieters, solange der Mieter keine berechtigten Interessen vorträgt2049. 778 Die notwendige Abwägung lässt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall vornehmen, weil die

dabei zu berücksichtigenden Umstände so individuell und vielgestaltig sind, dass sich jede schematische Lösung verbietet. Zu berücksichtigen sind insbesondere – Art, Größe, Verhalten und Anzahl der Tiere, – Art, Größe, Zustand und Lage der Wohnung sowie des Hauses, in dem sich die Wohnung befindet, – persönliche Verhältnisse des Mieters, namentlich das Alter, – berechtigte Interessen der Mitbewohner und Nachbarn (z.B. keine Störungen durch Bellverhalten eines Hundes2050), – berechtigte Belange des Vermieters, 2037 LG München I v. 10.9.1993 – 13 T 14638/93, WuM 1993, 669. 2038 LG Krefeld v. 17.7.1996 – 2 S 89/96, WuM 1996, 533; LG Offenburg v. 14.10.1997 – 1 S 36/97, WuM 1998, 285; LG Gießen v. 15.6.1994 – 1 S 128/94, NJW-RR 1995, 12; LG Darmstadt v. 23.1.1991 – 17 S 514/90, WuM 1992, 117; LG Nürnberg-Fürth v. 2.2.1990 – 7 S 3264/90, DWW 1990, 338; AG Rüsselsheim v. 9.11.1990 – 3 C 946/90, WuM 1992, 117. 2039 AG Charlottenburg v. 21.7.1988 – 10 C 166/88, GE 1988, 1051. 2040 AG Kassel v. 17.10.1986 – 806 C 4228/86, WuM 1987, 144. 2041 Schach in Kinne/Schach/Bieber, § 535 BGB Rz. 37d. 2042 Blank, NJW 2007, 729 (731) m.w.N. 2043 Vgl. KG v. 18.11.2004 – 8 U 125/04, MietRB 2005, 33 = WuM 2004, 721 (722); LG Hildesheim v. 11.2.1987 – 7 S 472/87, WuM 1989, 9; Lammel, § 535 BGB Rz. 251. 2044 OLG Hamm v. 13.1.1981 – 4 REMiet 5/80, 4 REMiet 6/80, MDR 1981, 406 = WuM 1981, 53 = ZMR 1981, 153; LG Karlsruhe v. 4.2.2002 – 5 S 121/01, NJW-RR 2002, 585. 2045 LG Hamburg v. 30.8.2001 – 334 S 26/01, WuM 2002, 666; LG Freiburg v. 1.9.1994 – 2 S 240/93, WuM 1997, 175; LG Düsseldorf v. 29.6.1993 – 24 S 90/93, WuM 1993, 604; LG Mannheim v. 16.9.1992 – 4 S 73/92, ZMR 1992, 545. 2046 BGH v. 14.11.2007 – VIII ZR 340/06, MDR 2008, 134 = MietRB 2008, 131 = WuM 2008, 23 = GE 2008, 48. 2047 BGH v. 20.3.2013 – VIII ZR 168/12, MietRB 2013, 166 = MDR 2013, 580 = WuM 2013, 295 = DWW 2013, 134. 2048 A.A. AG Hamburg-Bergedorf v. 1.4.2003 – 409 C 517/02, NZM 2003, 898. 2049 LG Köln v. 4.2.2010 – 6 S 269/09, ZMR 2010, 533. 2050 AG Waiblingen v. 14.6.2013 – 9 C 327/13, ZMR 2013, 901 (902).

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B. Wohnraummiete | Rz. 781 § 535

– Anzahl2051 und Art anderer Tiere im Haus, – bisherige Handhabung durch den Vermieter, – besondere Bedürfnisse des Mieters2052. Vor diesem Hintergrund ist es gerechtfertigt, bei der Abwägung zwischen städtischen Wohngegenden 779 und ländlichen Gegenden zu differenzieren. Denn auf dem Land können die Umstände z.B. einen „Wachhund“ rechtfertigen2053. Im Übrigen kann in einem Mehrfamilienhaus schon aufgrund der Größe des Hundes die Zustimmung 779a versagt werden, z.B. für einen Schäferhund in einer Siedlungswohnung2054. Umgekehrt kann ein kleiner Hund gehalten werden2055, allerdings nicht ohne Zustimmung2056, die notfalls eingeklagt werden muss. Insoweit kann sich der Mieter nicht auf den Grundsatz der Gleichbehandlung berufen2057. Ob allein die Größe einer Wohnung ein ausschlaggebendes Kriterium für die Versagung der Erlaubnis sein kann2058, ist zweifelhaft. Ob bei einer Katzenallergie des Vermieters zusätzlich eine konkrete Gesundheitsgefährdung erforder- 780 lich ist2059, bevor diese Erkrankung im Rahmen der Abwägung relevant wird, ist fraglich. Hat der Vermieter aus general-präventiven Gründen ein generelles Verbot erteilt (z.B. zum potentiellen Schutz für Mitmieter mit Allergien), muss der Mieter besondere Gründe vortragen, die diesen Schutz aufwiegen2060. Dagegen ist das Argument des Vermieters, in der Wohnung lasse sich ein Hund (hier: Collie) nicht artgerecht halten, ohne nähere Erläuterung ohne Substanz2061. Selbst die Haltung von zwei Labrador-Retrieverhunde in einer 50 m2 großen Etagenwohnung kann vertragsgemäß sein, wenn der Mieter sie im Rahmen einer ehrenamtlichen Tätigkeit als Rettungshunde ausbildet2062. Nichts Anderes gilt, wenn der Mieter sich (z.B. aus Karrierezwecken) als Hundeführer bei der Polizei ausbilden lässt und das Tier daher mit ihm ständig zusammen sein muss. Besondere Belange des Mieters können sich aus der Tatsache ergeben, dass ein Tier für ihn einen 781 Bezugspunkt darstellt und daher einen anzuerkennenden, allein in der Wohnung zu realisierenden Bestandteil individueller Lebensführung bilden können2063. Diese abstrakte Möglichkeit allein reicht jedoch nicht aus, eine Abwägung zugunsten des Mieters durchzuführen2064. Vielmehr müssen dazu konkrete Umstände vorgetragen werden. Diese können darin bestehen, dass der Mieter das Tier aus gesundheitlichen2065 oder therapeutischen Gründen zur Bewältigung seelischer bzw. psychischer Probleme braucht. Letzteres kommt z.B. bei einer Drogenentwöhnung2066 oder einer schweren Depression2067 in Betracht2068. Die Anleitung zu verantwortungsvollem Handeln für ein asthmakrankes Kind, das viel frische Luft benötigt, kann ebenfalls ausreichen2069. Auch eine rheumatische Erkrankung soll 2051 AG München v. 12.5.2014 – 424 C 28654/13, ZMR 2015, 390 (fünf Hunde in Zweieinhalbzimmerwohnung). 2052 BGH v. 14.11.2007 – VIII ZR 340/06, MDR 2008, 134 = MietRB 2008, 131 = WuM 2008, 23 = GE 2008, 48; Blank, WuM 2013, 416. 2053 AG Neustrelitz v. 27.10.1994 – 2 C 436/94, WuM 1995, 535. 2054 AG Köln v. 9.10.1996 – 219 C 227/96, WuM 1997, 109. 2055 LG Düsseldorf v. 29.6.1993 – 24 S 90/93, WuM 1993, 604. 2056 LG Kassel v. 30.1.1997 – 1 S 503/96, WuM 1997, 260 (Yorkshire-Terrier). 2057 A.A. AG Leonberg v. 7.1.1997 – 5 C 836/96, WuM 1997, 210. 2058 So: AG München v. 12.5.2014 – 424 C 28654/13, ZMR 2015, 390 (fünf Hunde in Zweieinhalbzimmerwohnung). 2059 AG Bonn v. 12.12.1989 – 6 C 463/89, WuM 1990, 197. 2060 Zum Abwägungserfordernis: BGH v. 14.11.2007 – VIII ZR 340/06, MDR 2008, 134 = MietRB 2008, 131 = WuM 2008, 23 = GE 2008, 48. 2061 BGH v. 22.1.2013 – VIII ZR 329/11, MietRB 2013, 231 = WuM 2013, 152 = GE 2013, 346 = ZMR 2013, 425. 2062 AG Reinbek v. 4.6.2014 – 11 C 15/14, WuM 2014, 480. 2063 MünchKomm/Häublein, § 535 BGB Rz. 93. 2064 A.A. LG Köln v. 15.1.2013 – 10 S 183/12, n.v. 2065 AG Münster v. 7.10.1991 – 48 C 140/91, WuM 1992, 116. 2066 AG Hamburg v. 8.4.1997 – 46 C 11/97, WuM 1997, 674. 2067 LG Mannheim v. 16.9.1992 – 4 S 73/92, ZMR 1992, 545. 2068 Vgl. auch Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 510; Blank/Börstinghaus, § 535 BGB Rz. 460. 2069 BGH v. 20.3.2013 – VIII ZR 168/12, MDR 2013, 580 = MietRB 2013, 166, zitiert nach www.dejure.org.

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§ 535 Rz. 781 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags den Anspruch des Mieters auf Erlaubnis begründen2070, ebenso wie Umstände der Lebensplanung (hier: mit Eintritt in den Ruhestand)2071. Neben dem Mieter und seinen Familienangehörigen kann auch der in die Wohnung aufgenommene Lebensgefährte der Tochter als gesundheitlich-psychisch betroffene Bezugsperson für das besondere Bedürfnis gelten2072. Keine ausreichende Rechtfertigung besteht aber, wenn der Mieter nur vorbringen kann, den Hund zum Schutz bei Ausgängen des Nachts zu benötigen2073. 782 Nicht konkretisierbare Folgen der Tierhaltung können im Rahmen der Abwägung nicht berücksichtigt

werden. Deshalb muss die bloße Befürchtung, dass ein Geruch nach Katzenurin entsteht, unberücksichtigt bleiben. Das Argument, dass dieser Geruch nach dem Auszug automatisch wieder verschwindet2074, greift dabei aber nicht durch. Immerhin liegt eine Beschädigung der Mietsache vor. Die Verursachung von Kratzspuren im Parkett kann dagegen eine konkrete Gefahr begründen. 782a Ist die Tierhaltung zulässig, halten sich durch das Tier hervorgerufene Abnutzungserscheinungen

grundsätzlich im Rahmen des § 538 BGB2075. Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung der Mietsache kommen aber in Betracht, wenn es sich um vermeidbare Beeinträchtigungen handelt oder individuell vereinbart wurde, dass der Mieter für die besondere Abnutzung durch das Tier aufkommen muss. Bei Kratzspuren im Parkett, die z.B. durch das Umherlaufen eines Hundes entstehen2076, ist also zu überlegen, ob sie nicht durch zumutbare Maßnahmen hätten verhindert werden können. Je nach den Verhältnissen der Räumlichkeiten ist an die Verlegung eines Teppichs oder Beschränkung der Tierhaltung auf Räume mit Bodenfliesen zu denken. Eine Klausel, die für derartige Schäden eine unbedingte Haftung des Mieters vorsieht, ist allerdings unwirksam nach § 307 BGB2077. In jeden Fall kommen Schadensersatzansprüche in Betracht, wenn die Tiere z.B. nicht ausreichend beaufsichtigt werden, so dass eine übermäßige Abnutzung eintritt. Diese Pflicht verletzt der Mieter, wenn mehrere Katzen gehalten werden, die tagsüber unbeaufsichtigt sind und Substanzschäden durch Verunreinigung (Urinieren auf den Parkettboden) verursachen2078. Insoweit kann nur nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls entschieden werden, ob das Halten von Haustieren als übermäßige Beanspruchung einer Mietwohnung anzusehen ist. Danach führt das Urinieren von zwei Katzen auf den Teppichboden zur Haftung des Mieters2079. Eine übermäßige Beanspruchung der Mietsache kann auch durch das durch Gewährenlassen der Tiere beim Kratzen an der Tapete hervorgerufen werden2080. cc) Widerruf der Erlaubnis 783 Ob sich die erteilte Zustimmung allein auf das konkrete Tier oder die Tierhaltung generell bezieht,

ist in der Regel eine Tatfrage. Die Parteien können aber bereits im Mietvertrag festlegen, dass eine Erlaubnis mit der Abschaffung oder dem Tod des Tieres erlischt2081. Ohne eine solche Regelung ist im Zweifel davon auszugehen, dass sich die erteilte Erlaubnis auf das konkrete Tier, das in der Anfrage benannt wurde, erstreckt und der Mieter keinen Austausch vornehmen darf2082. 783a Der Vermieter kann sich den Widerruf schon mit der Erlaubniserteilung vorbehalten2083. Dennoch

darf ein Widerruf auch in einem solchen Fall nicht willkürlich erfolgen, sondern es müssen sachliche

2070 2071 2072 2073 2074 2075 2076 2077 2078 2079 2080 2081 2082 2083

AG Hamburg v. 11.7.2007 – 46 C 32/06, zitiert nach juris. LG Hamburg v. 30.8.2001 – 334 S 26/01, WuM 2002, 666. AG Bonn v. 17.2.1994 – 8 C 731/93, WuM 1994, 323. LG Lüneburg v. 11.11.1993 – 1 S 163/93, WuM 1995, 704. AG Hamburg v. 24.4.1996 – 40a C 402/95, WuM 1996, 613 (str.). AG Koblenz v. 20.12.2013 – 162 C 939/13, IMR 2014, 58. LG Koblenz v. 6.5.2014 – 6 S 45/14, IMR 2014, 280; a.A. LG Hannover v. 15.8.1997 – 8 S 334/96, zfs 1998, 60 (keine Haftung). AG Koblenz v. 20.12.2013 – 162 C 939/13; NZM 2014, 351. Saarländisches OLG v. 9.9.2013 – 5 W 72/13, ZMR 2014, 357. AG Karlsruhe v. 10.11.1994 – 10 C 326/94, WuM 2000, 331. AG Wiesbaden v. 29.11.1988 – 96 C 1201/88, zfs 1989, 245. AG Speyer v. 30.1.1991 – 2 C 1323/90, DWW 1991, 372. AG Kassel v. 17.10.1986 – 806 C 4228/86, WuM 1987, 144. AG Hamburg-Bergedorf v. 9.3.1990 – 409 C 31/90, WuM 1990, 489.

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B. Wohnraummiete | Rz. 789 § 535

Gründe bestehen. Dies gilt auch bei einem Vorbehalt wegen „veränderter Umstände“2084. Dennoch ist im Regelfall davon auszugehen, dass der Mieter keinen Bestandschutz genießt2085. Fehlt es an einem Vorbehalt, kann die einmal erteilte Erlaubnis zur Tierhaltung vom Vermieter aus 784 wichtigem Grund widerrufen werden. Denn wenn der Mietvertrag schon aus diesem Grund gekündigt werden kann, ist erst recht das mildere Mittel des Widerrufs gerechtfertigt. Für einen Widerruf sollen gelegentliche Verschmutzungen des Treppenhauses durch den Hund2086 oder das Mitbringen von Hunden durch die Besucher des Mieters2087 nicht ausreichend sein. Das ist hinsichtlich der Verschmutzungen aus hygienischen Gründen nur richtig, wenn keine Wiederholungsgefahr besteht. Ein Widerruf ist aber zulässig, wenn – die Katze (oder der Hund) in den Spielplatzbereich ausgeführt wird2088, – das Tier untypisch die Hausbewohner belästigt2089, – besondere Ruhestörungen bewirkt2090, – der Hund durch Bellen, Jaulen und dergleichen den Hausfrieden stört2091, – nicht unerhebliche Schäden verursacht hat2092, – Geruchsbelästigungen (z.B. Katzenurin) entstehen2093.

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b) Erlaubnisvorbehalt Im Hinblick auf den Grundsatz, dass der Vermieter die Tierhaltung prinzipiell verbieten kann, können 786 die Rechte des Mieters – auch formularmäßig – im Mietvertrag geregelt werden. Dabei kann eine generelle Erlaubnis erteilt sein (vgl. dazu § 541 BGB Rz. 35) oder ein Erlaubnisvorbehalt bestehen. Ob bei einer Vorbehaltsklausel der Vermieter die Erlaubnis nach freiem Ermessen versagen darf oder 787 ob hierfür Sachgründe vorliegen müssen, ist in Rechtsprechung und Literatur streitig. Nach einer Auffassung muss der Vermieter eine Interessenabwägung vornehmen und kann die Erlaubnis zur Tierhaltung nur versagen, wenn hierfür gewichtige und überzeugende Sachgründe vorliegen2094. Nach einer anderen Meinung2095 ist der Vermieter in seiner Entscheidung, ob er eine Tierhaltung in einer Mietwohnung gestatten will, auch dann frei, wenn er in der Wohnanlage bereits andere Hunde geduldet hat2096. Nach dieser Auffassung wird das Ermessen des Vermieters nur durch die nach § 242 BGB geltenden Grundsätze, insbesondere durch das Verbot missbräuchlichen oder treuwidrigen Verhaltens, begrenzt. Dieser letztgenannten Meinung gebührt der Vorzug. Denn im Zivilrecht gibt es keinen Anspruch auf 788 Gleichbehandlung. Allenfalls das Schikaneverbot des § 226 und § 242 BGB setzen dem Vermieter Grenzen. Immerhin handelt es sich um eine sachbezogene Beziehung der Parteien. Hat sich der Vermieter im Formularmietvertrag aber die interessengerechte Zustimmung zur Tier- 789 haltung vorbehalten, genügt er der vereinbarten Ermessensbindung im Einzelfall nicht dadurch, dass

2084 LG Berlin v. 16.7.2012 – 67 S 507/11, MietRB 2012, 347 = GE 2012, 1169. 2085 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 516 unter Hinweis auf OLG Celle v. 31.1.2003 – 4 W 15/03, MDR 2003, 925 = WuM 2003, 161 = ZMR 2003, 440 (zum WEG). 2086 AG Reichenbach v. 12.8.1993 – C 88/93, WuM 1994, 322. 2087 AG Aachen v. 18.10.1991 – 7 C 374/91, WuM 1992, 432. 2088 AG Köln v. 4.12.1991 – 219 C 496/91, WuM 1992, 365. 2089 AG Hamburg-Wandsbek v. 23.10.1990 – 716c C 114/90, WuM 1991, 94. 2090 AG Hamburg-Wandsbek v. 23.10.1990 – 716c C 114/90, WuM 1991, 94. 2091 AG Potsdam v. 2.5.1996 – 26 C 38/96, WuM 1998, 316. 2092 AG Steinfurt v. 3.1.1991 – 4 C 544/90, WuM 1991, 260. 2093 AG Hamburg v. 24.4.1996 – 40a C 402/95, WuM 1996, 613. 2094 Blank, NJW 2007, 729 m.w.N.; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. VI 231; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 509; Hülsmann, NZM 2004, 841 ff. 2095 Vgl. z.B. OLG Hamm v. 13.1.1981 – 4 REMiet 5/80, 4 REMiet 6/80, MDR 1981, 406 = WuM 1981, 53 ff.; LG Köln v. 4.2.2010 – 6 S 269/09, ZMR 2010, 533. 2096 S.a. LG Berlin v. 15.10.1998 – 67 S 143/98, NZM 1999, 455.

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§ 535 Rz. 789 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags er nach einem allgemeinen, für seinen Wohnungsbestand entworfenen Kriterienkatalog über eine Zustimmung entscheidet2097. 8. Telefonie, Rundfunk- und Fernsehempfang, Medien a) Telefonie und Medien 790 Jeder Mieter hat grundsätzlich ein Recht auf Teilnahme am Fernsprechverkehr. Deshalb gehört ein

(funktionierender) Telefonanschluss zum Standard einer Wohnung unabhängig vom Alter des Gebäudes2098. Dennoch hat der Mieter keinen Anspruch auf Herstellung eines Anschlusses zu einem Festnetz, sofern ausnahmsweise kein Telefonanschluss in der Wohnung vorhanden ist2099. Seine Verpflichtung beschränkt sich darauf, dem Netzbetreiber gegenüber die erforderlichen Erklärungen abzugeben und das Anbringen der notwendigen Zuleitungen am Haus zu gestatten2100. Selbst wenn dies heute zum Standard des Wohnens auch in Altbauwohnungen zählen könnte, ist über die nahezu flächendeckende Ausbreitung des Mobilfunknetzes eine ausreichende Grundausstattung gegeben. Ist allerdings ein Telefonanschluss in der Wohnung vorhanden, erstreckt sich die Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB selbst dann auf diese Einrichtung, wenn dem Mieter ein (Reparatur-) Anspruch gegen die Telefongesellschaft zusteht2101. Dafür muss die Einrichtung im Mietvertrag nicht besonders erwähnt sein. 791 Deshalb muss der Vermieter auch keine besonderen Einrichtungen für die Nutzung des Internets her-

stellen. Ebenso wie die Versorgung durch einen Telefonanbieter ist die Herstellung eines Internetanschlusses Sache des Mieters. b) Rundfunk- und Fernsehempfang 792 Der Mieter hat Anspruch auf Empfang von Rundfunk- und Fernsehprogrammen. Sind keine besonde-

ren Vereinbarungen getroffen, ist Maßstab für den Standard die bei Vertragsbeginn vorhandene Empfangsanlage. Ist dafür ein Breitbandkabel vorhanden, muss der Vermieter über die Dauer des Mietvertrages diese Einrichtung so lange vorhalten, wie dies technisch und rechtlich möglich ist, also die Vorausetzungen des § 275 BGB nicht vorliegen2102. Eine einseitige Änderung kann im laufenden Mietvertrag generell nur durch eine Modernisierung herbeigeführt werden. Besteht in der Wohnung die Möglichkeit des Fernsehempfangs über das Internet, wird der Standard für den vertragsgemäßen Gebrauch dadurch gebildet2103. Insoweit besteht grundsätzlich kein Anspruch des Mieters auf Aufrüstung der Anlage, sei es, um die Zahl der Sender zu erhöhen oder eine besondere Qualität des Empfangs (z.B. digitales Fernsehen in HD2104) zu erhalten. Dies würde zu einer Modernisierung führen, die der Mieter grundsätzlich nicht beanspruchen kann. Denn mehr Sender oder eine bessere Qualität erhöhen den Wohnwert. 793 In besonderen Ausnahmefällen kann der Mieter beanspruchen, dass ihm der Vermieter eine Erlaub-

nis zu baulichen Maßnahmen erteilt, mit denen er eine Erweiterung des Fernsehempfangs herbeiführen kann. Dies kommt insbesondere durch die Installation einer Parabolantenne in Betracht, mit der der Mieter eine nahezu unbegrenzte Zahl von Sendern empfangen kann. Ein solcher Anspruch scheidet nur dann von vornherein aus, wenn der Mieter ohne weiteres einen Breitbandkabelanschluss in die Wohnung verlegen kann2105.

2097 AG Köln v. 24.6.1997 – 216 C 58/97, WuM 1997, 366. 2098 BGH v. 5.12.2018 – VIII ZR 17/18, MDR 2019, 283 = MietRB 2019, 34 = WuM 2019, 23 = GE 2019, 53. 2099 LG Berlin v. 12.9.2014 – 63 S 151/14, GE 2014, 1654; offengelassen BGH v. 5.12.2018 – VIII ZR 17/18, MDR 2019, 283 = MietRB 2019, 34 = WuM 2019, 23 = GE 2019, 53. 2100 MünchKomm/Häublein, § 535 BGB Rz. 74; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 466 m.w.N. 2101 BGH v. 5.12.2018 – VIII ZR 17/18, MDR 2019, 283 = MietRB 2019, 34 = WuM 2019, 23 = GE 2019, 53. 2102 LG Kempten v. 8.4.2016 – 52 S 2137/15, MietRB 2016, 281 = WuM 2016, 345. 2103 LG Berlin v. 25.10.2011 – 65 S 38/11, MietRB 2012, 7 = GE 2011, 1556; AG Augsburg v. 26.7.2011 – 25 C 623/11, GE 2011, 1561. 2104 BGH v. 21.9.2010 – VIII ZR 275/09, WuM 2010, 737 = GE 2010, 1681. 2105 AG Münster v. 20.10.2009 – 28 C 1474/09, WuM 2012, 139.

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B. Wohnraummiete | Rz. 795 § 535

Die Maßstäbe, nach denen zu beurteilen ist, ob einem Mieter gegen den Vermieter ein Anspruch auf 794 Genehmigung der Installation einer Parabolantenne zum Empfang von Fernseh- und Hörfunkprogramme zustehen kann, auch wenn das Haus mit einem Breitbandkabelanschluss ausgestattet ist, sind durch die Rechtsprechung des BGH und des BVerfG geklärt2106. Danach ist dem Grundrecht des Mieters aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS. 2 GG, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, auch in zivilgerichtlichen Streitigkeiten über die Anbringung von Satellitenempfangsanlagen an Mietwohnungen Rechnung zu tragen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das – gleichrangige – Grundrecht des Vermieters als Eigentümer aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG berührt ist, wenn von ihm verlangt wird, eine Empfangsanlage an seinem Eigentum zu dulden2107. Die danach notwendige Abwägung führt bei vorhandenem Breitbandkabelanschluss o.Ä. grund- 795 sätzlich zu einem Übergewicht des Interesses des Vermieters an der Unversehrtheit seines Eigentums bzw. seinem Selbstbestimmungsrecht zur optischen Darstellung des Objektes2108. Das Gleiche gilt, wenn es dem Mieter ohne besondere Schwierigkeiten möglich ist, über das Internet entsprechende Sender zu empfangen2109 (§ 535 BGB Rz. 797). Dies kann anders zu beurteilen sein, wenn das Eigentum durch die installierte Parabolantenne nicht beschädigt wird und der Mieter durch Verwendung von Flachkabeln auch an den Fenstern keine Beeinträchtigungen herbeiführt2110. Ansonsten kommt es nicht auf die Quantität, sondern die inhaltliche Ausrichtung der über den Kabelanschluss zu empfangenden Sender an2111. Die qualitative Bandbreite des muttersprachlichen Senderangebots hängt nicht von der Anzahl der einschlägigen Sender ab, sondern kann auch von nur wenigen Sendern gewährleistet werden. Deshalb kommt ein Anspruch des Mieters erst recht nicht in Betracht, wenn der Anschluss mit einer Set-Box und Smart-Card ausgestattet ist, die den Empfang von (ggf. weiteren) Heimatsendern ermöglichen2112, und zwar selbst dann, wenn der Mieter dafür zusätzliche Kosten in zumutbarem Umfang (hier: 8 Euro/mtl.) aufwenden muss2113. Ein Vorrang des Informationsinteresses des Mieters ergibt sich auch nicht aus dem Recht der Europäischen Gemeinschaft2114. Zwar kann sich der Mieter insoweit neben der durch Art. 10 EMRK geschützten Informationsfreiheit auf die Dienstleistungsfreiheit, die durch Art. 49 des EG-Vertrages geschützt ist, berufen. Indessen sind beide Rechte nicht schrankenlos. Das Eigentum wird durch die Gemeinschaftsrechtsordnung ebenfalls geschützt2115. Eine Ausnahme soll für einen schwerbehinderten Mieter bestehen, der auf den Empfang digitalen Fernsehens über Satelliten angewiesen ist. Das soll der Fall sein, wenn nur das digitale Fernsehen die Teilhabe am kulturellen

2106 BGH v. 16.9.2009 – VIII ZR 67/08, NJW 2010, 436; BGH v. 10.10.2007 – VIII ZR 260/06, MietRB 2008, 1 = MDR 2008, 73 = NJW 2008, 216; BGH v. 16.5.2007 – VIII ZR 207/04, MietRB 2007, 259 = NJW-RR 2007, 1243; BGH v. 17.4.2007 – VIII ZR 63/04, WuM 2007, 380; BGH v. 16.11.2005 – VIII ZR 5/05, MDR 2006, 741 = NJW 2006, 1062; BGH v. 2.3.2005 – VIII ZR 118/04, NJW-RR 2005, 596; BVerfG v. 9.2.1994 – 1 BvR 1687/92, MDR 1994, 547 = BVerfGE 90, 27, 32 ff.; BVerfG v. 24.1.2005 – 1 BvR 1953/00, NJW-RR 2005, 661; BVerfG v. 27.10.2006 – 1 BvR 1320/04, GE 2007, 902. 2107 BGH v. 10.10.2007 – VIII ZR 260/06, MDR 2008, 73 = MietRB 2008, 1 = NJW 2008, 216; BGH v. 16.5.2007 – VIII ZR 207/04, MietRB 2007, 259 = NJW-RR 2007, 1243; BGH v. 17.4.2007 – VIII ZR 63/04, WuM 2007, 380; BGH v. 16.11.2005 – VIII ZR 5/05, MDR 2006, 741 = NJW 2006, 1062; BGH v. 2.3.2005 – VIII ZR 118/04, NJW-RR 2005, 596; BVerfG v. 9.2.1994 – 1 BvR 1687/92, MDR 1994, 547 = BVerfGE 90, 27, 32 f.; BVerfG v. 24.1.2005 – 1 BvR 1953/00, NJW-RR 2005, 661. 2108 OLG Naumburg v. 28.10.1993 – 4 U 110/93, WuM 1994, 17; BVerfG v. 10.3.1993 – 1 BvR 1192/92, MDR 1993, 533 = WuM 1993, 229. 2109 AG Frankenthal v. 21.8.2018 – 3a C 156/18, IMR 2019, 16 (Stobbe). 2110 AG München v. 22.10.2015 – 412 C 11331/15, ZMR 2016, 786. 2111 BGH v. 14.5.2013 – VIII ZR 268/12, MietRB 2013, 350 = WuM 2013, 476 = GE 2013, 999 = NZM 2013, 647. 2112 BVerfG v. 24.1.2005 – 1 BvR 1953/00, WuM 2005, 235 = NZM 2005, 252 = ZMR 2005, 932; BGH v. 2.5.2005 – VIII ZR 118/04, WuM 2005, 237 = NZM 2005, 335. 2113 BVerfG v. 24.1.2005 – 1 BvR 1953/00, WuM 2005, 235 = NZM 2005, 252 = ZMR 2005, 932; vgl. auch BGH v. 2.3.2005 – VIII ZR 118/04, WuM 2005, 237 = NZM 2005, 335. 2114 BGH v. 16.11.2005 – VIII ZR 5/05, MDR 2006, 741 = WuM 2006, 28 = NZM 2006, 98 = ZMR 2006, 195. 2115 EuGH v. 13.12.1979 – Rs. 44/79, ECLI:EU:C:1979:290, Slg. 1979, 3727 Rz. 17 ff.; EuGH v. 5.10.1994 – Rs. C280/93, ECLI:EU:C:1994:367, Slg. 1995, I-4973 Rz. 77 f.

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§ 535 Rz. 795 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags Leben gewährleistet, weil darüber z.B. Erotiksender empfangen werden können2116 oder der gehörlose Ausländer auf den Empfang von Sendern angewiesen ist, die Sendungen mit Untertiteln oder von Gebärdendolmetschern begleitet ausstrahlen2117. 796 Vor diesem Hintergrund überwiegt das Interesse des Mieters, wenn weder eine Substanzverletzung

noch eine nennenswerte ästhetische Beeinträchtigung des Eigentums des Vermieters zu besorgen ist, sondern die Antenne keine oder lediglich geringfügige optische Beeinträchtigungen verursacht, beispielsweise weil sie im Innern des Gebäudes am Fenster2118, auf dem Fußboden im hinteren Bereich auf einem durch Vorder- und Seitenwände sichtgeschützten Balkon aufgestellt ist2119 oder in einem Betonfuß steht, der für einen Sonnenschirm gedacht ist2120. Denn in diesen Fällen kann der Vermieter wegen des durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Interesses des Mieters am zusätzlichen Empfang von (ausländischen) Satellitenprogrammen2121 nach Treu und Glauben verpflichtet sein, einer solchen Aufstellung zuzustimmen (§ 242 BGB). Anders kann es dagegen liegen, wenn eine auf dem Balkon aufgestellte Parabolantenne von außen deutlich sichtbar ist und dadurch zu einer ästhetischen Beeinträchtigung des im Eigentum des Vermieters stehenden Gebäudes führt2122. Außerhalb der gemieteten Flächen, insbesondere an der Fassade oder auf Gemeinschaftsflächen besteht aber keine Duldungspflicht des Vermieters ohne seine ausdrückliche Zustimmung2123. 797 In den anderen Fällen kommt es darauf an, ob das Informationsinteresse des Mieters überwiegt. Das

ist grundsätzlich anzunehmen, wenn die vorhandene Empfangsanlage dem ausländischen Mieter nicht die Gelegenheit eröffnet, unmittelbar Informationen über sein Heimatland zu erhalten2124. Dabei ist auch das Internetangebot zu berücksichtigen2125, sofern es störungsfrei empfangen2126 und mit zumutbaren Kosten bestritten werden kann2127. Insoweit ist es dem Mieter grundsätzlich zumutbar, einen Computer anzuschaffen, weil sich die Kosten in etwa auf gleichem Niveau wie der Satellitenanschluss bewegen2128. Ob auf die Bedienfertigkeit des Mieters zur Herstellung einer Internetverbindung2129 und seine Vertrautheit mit dem Medium abzustellen sein können, erscheint zweifelhaft2130. Denn auch der Umgang mit dem Receiver der Parabolantenne musste erlernt werden und der Mieter muss bei der Installation einer Parabolantenne ebenso einen Fachmann hinzuziehen2131. Deshalb treten derartige Umstände regelmäßig hinter das Interesse des Vermieters zurück2132. Das gilt auch für die Befürchtung nicht kindgerechter Inhalte im Internet. Davor kann sich der Mieter durch Installation eines Sperrfilters schützen2133. Gehört der Mieter einer Minderheit an, die über eine eigene Sprache verfügt, 2116 2117 2118 2119 2120 2121 2122 2123 2124 2125 2126 2127 2128 2129 2130 2131 2132 2133

AG Leipzig v. 14.5.2012 – 165 C 6339/11, WuM 2012, 369. AG Hamburg-St. Georg v. 9.7.2013 – 925 C 9/13, WuM 2013, 662. Vgl. AG Gladbeck v. 10.9.1998 – 5 C 493/98, NZM 1999, 221 f. Vgl. AG Herne-Wanne v. 28.7.2000 – 3 C 193/00, WuM 2001, 277; AG Siegen v. 22.6.1999 – 13 C 358/99, WuM 1999, 454; weitergehend LG Hamburg v. 18.5.1999 – 316 S 17/99, WuM 1999, 454; LG Berlin v. 12.9.2003 – 63 S 66/03, GE 2003, 1330. LG Cottbus v. 26.2.2014 – 5 S 59/13, NZM 2014, 584; AG Hamburg-Bergedorf v. 18.6.2013 – 409 C 169/12, ZMR 2013, 813. Vgl. BVerfG v. 9.2.1994 – 1 BvR 1687/92, BVerfGE 90, 27, 32 f. = MDR 1994, 547. Vgl. BVerfG v. 24.1.2005 – 1 BvR 1953/00, NJW-RR 2005, 661 (662); BVerfG v. 17.3.2005 – 1 BvR 42/03, BeckRS 2005, Nr. 25459. AG Hamburg-Harburg v. 11.4.2013 – 650 C 356/12, ZMR 2013, 815. BGH v. 17.4.2007 – VIII ZR 63/04, WuM 2007, 380 = ZMR 2007, 676 = GE 2007, 903; BVerfG v. 14.2.2005 – 1 BvR 1908/01, WuM 2007, 379. LG Berlin v. 25.10.2011 – 65 S 38/11, MietRB 2012, 7 = GE 2011, 1556; AG Augsburg v. 26.7.2011 – 25 C 623/11, GE 2011, 1561; a.A. AG Halle v. 13.11.2012 – 95 C 4392/11, ZMR 2013, 124. Vgl. dazu LG Halle v. 1.3.2013 – 2 S 272/12, ZMR 2013, 536; AG Hamburg v. 20.3.2014 – 40a C 76/13, WuM 2014, 710 (712). AG Hamburg-Harburg v. 11.4.2013 – 650 C 356/12, ZMR 2013, 815. AG Frankfurt v. 30.5.2014 – 33 C 4398/13 (30), MietRB 2014, 322. So: LG Halle v. 1.3.2013 – 2 S 272/12, ZMR 2013, 536. So: AG Hamburg-St. Georg v. 9.7.2013 – 925 C 9/13, NZM 2014, 435. OLG Frankfurt v. 22.7.1992 – 20 RE-Miet 1/91, MDR 1992, 869 = WuM 1992, 458; OLG Hamm v. 3.9.1993 – 30 REMiet 6/92, WuM 1993, 659 = ZMR 1993, 564. AG Frankfurt v. 29.1.2015 – 33 C 3407/14, ZMR 2015, 619; AG Hamburg-Harburg v. 11.4.2013 – 650 C 356/12, IMR 2014, 286. AG Frankfurt v. 30.5.2014 – 33 C 4398/13 (30), MietRB 2014, 322.

266 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 800 § 535

muss berücksichtigt werden, ob das Angebot an Heimatsendern auch das Informationsinteresse des Mieters am Empfang von Sendern, die in seiner Muttersprache senden, befriedigt2134. Bei der notwendigen Abwägung ist die Religionsfreiheit nicht ausschlaggebend, wenn der türkische Mieter alevitischen Glaubens ist2135. Denn die Religionsfreiheit schützt nur die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, und die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbreiten, und damit das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln. Daraus kann nicht abgeleitet werden, dass Informationen über Rundfunk und Fernsehen erreichbar sein müssen, die auch durch Druckerzeugnisse erlangt werden könnten. Ein kurdischstämmiger Mieter, der inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen hat, soll wie ein Ausländer behandelt werden können, weil sich durch die Staatsangehörigkeit seine Bindung zur Heimat nicht (automatisch) löst, so dass es auch nicht auf seine Rückkehrwilligkeit ankommen soll2136. Solange der Vermieter keine ausreichende Versorgung zur Verfügung stellt, hat er die Installation der 798 dafür erforderlichen Anlagen zu gestatten; er darf jedoch den Standort derartiger Installationsmaßnahmen außerhalb der Mieträume bestimmen2137 und eine Sicherheitsleistung in Höhe der ungefähren Rückbaukosten verlangen2138. Eine Einzel- und/oder Parabolantenne darf der deutsche Mieter dann nicht anbringen, wenn der Vermieter entweder eine Gemeinschaftsantenne oder aber einen Breitbandkabelanschluss zur Verfügung stellt2139. Im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG (Informationsfreiheit) ist der Vermieter aber gegenüber dem ausländischen Mieter verpflichtet, die fachgerechte Installation einer baurechtlich zulässigen Parabolantenne zum Empfang ausländischer Sender an einem von ihm zu bestimmenden Aufstellungsort zu genehmigen, soweit der Mieter für die Versicherung Sorge trägt und die Rückbaukosten durch Leistung einer Kaution sicherstellt2140. Stellen mehrere (ausländische) Mieter ein berechtigtes Begehren auf Installation einer Parabolantenne, das sich auch nicht durch andere Empfangsquellen (z.B. Internet) befriedigen lässt, kann der Vermieter die Zustimmung zu einer einheitlichen Empfangsanlage erteilen. In diesem Fall sind die Bedingungen von den betroffenen Mietern als Gesamtschuldner zu erfüllen. Vgl. im Einzelnen § 541 BGB Rz. 89 f. Eine Vertragsklausel, mit der das Recht des Mieters auf Zustimmung zur Erweiterung des Fernsehemp- 799 fangs eingeschränkt werden soll, muss wirksam sein. Das ist nicht der Fall, wenn eine formularmäßige Regelung für den Fall des Vorhandenseins einer Gemeinschaftsantenne oder den Anschluss an eine mit einem Breitbandkabel verbundene Verteilanlage die Anbringung einer Antenne ausnahmslos verbietet, § 307 BGB2141. Denn die Entscheidung erfordert eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, für die sich jede schematische Lösung verbietet2142. Schließt eine Vertragsbedingung die Vornahme der notwendigen Abwägung von vornherein aus, liegt eine unangemessene Benachteiligung des Mieters vor, § 307 Abs. 1 BGB2143. Die erteilte Erlaubnis kann jederzeit widerrufen werden, wenn sich die Umstände verändert haben. 800 Denn als Ausnahmeregelung, die das Eigentumsrecht einschränkt, hat sie keine von den Erlaubnisgründen unabhängige Dauerwirkung. Dies gilt erst recht, wenn bei der Erlaubniserteilung ein Vorbehalt zum Widerruf bei „veränderten Umständen“ erklärt wurde2144. Derartige Umstände sind insbesondere gegeben, wenn die Wohnung an das rückkanalfähige Breitbandkabelnetz angeschlossen wird und der

2134 2135 2136 2137 2138 2139 2140 2141 2142 2143 2144

BVerfG v. 31.3.2013 – 1 BvR 1314/11, MietRB 2013, 197 = WuM 2013, 413 = GE 2013, 741. BGH v. 10.10.2007 – VIII ZR 260/06, MDR 2008, 73 = MietRB 2008, 1 = WuM 2007, 678. KG v. 11.10.2007 – 8 U 210/06, MietRB 2008, 1 = WuM 2007, 618. BayObLG v. 19.1.1981 – AllgReg 103/80, MDR 1981, 583 = NJW 1981, 1275. OLG Karlsruhe v. 24.8.1993 - 3 REMiet 2/93, WuM 1993, 525 = ZMR 1993, 511. BVerfG v. 9.2.1994 – 1 BvR 1687/92, MDR 1994, 547 = NJW 1994, 1147. OLG Frankfurt v. 22.7.1992 – 20 RE-Miet 1/91, MDR 1992, 869 = WuM 1992, 458; OLG Hamm v. 3.9.1993 – 30 REMiet 6/92, WuM 1993, 659 = ZMR 1993, 564. BGH v. 16.5.2007 – VIII ZR 207/04, MietRB 2007, 259 = WuM 2007, 381 = GE 2007, 982. BGH v. 16.11.2005 – VIII ZR 5/05, MDR 2006, 741 = NJW 2006, 1062. AG Hamburg v. 20.3.2014 – 40a C 76/13, WuM 2014, 710; vgl. auch LG Essen v. 12.3.1998 – 10 S 505/97, WuM 1998, 344. LG Berlin v. 16.7.2012 – 67 S 507/11, MietRB 2012, 347 = GE 2012, 1169.

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§ 535 Rz. 800 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags Mieter Radio- und Fernsehsendungen in seiner Sprache über den (kostenpflichtigen) Internetzugang empfangen kann2145. 9. Musikausübung 801 Zum vertragsgemäßen Gebrauch einer Mietwohnung gehören grundsätzlich der Betrieb von Rund-

funk- und Fernsehgeräten sowie die Musikausübung. Insoweit ist aber das Gebot der Rücksichtnahme zu beachten. Was danach zumutbar ist, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab2146. Prinzipiell ist Zimmerlautstärke einzuhalten und die üblichen Ruhezeiten (vgl. § 535 BGB Rz. 858) sind zu beachten. Musikausübung durch Instrumente kann im Mietvertrag ausgeschlossen werden2147, was im Hinblick auf Art. 2 GG jedoch zweifelhaft ist. Ist die Musikausübung nicht verboten, treffen den Hobbymusiker die gleichen Pflichten wie den professionellen Musikanten2148. Vgl. im Übrigen § 541 BGB Rz. 157 und 162. 10. Aufstellen von Haushaltsgeräten 802 Mangels abweichender Vereinbarung umfasst nach der Verkehrsanschauung der vertragsgemäße

Gebrauch einer Wohnung, dass zumindest ein größeres Haushaltsgerät wie Waschmaschine oder Geschirrspülmaschine gleichzeitig mit weiteren haushaltsüblichen Elektrogeräten wie etwa ein Staubsauger in der Wohnung benutzt werden können2149. Zu einer zeitgemäßen Wohnnutzung gehört außerdem, dass das Badezimmer über eine Stromversorgung verfügt, die nicht nur eine Beleuchtung, sondern auch den Betrieb von kleineren elektrischen Geräten (Fön, Rasierer etc.) über eine Steckdose ermöglicht. 803 Unabhängig davon, dass der Vermieter also – sofern keine (wirksamen) abweichenden Vereinbarungen

getroffen wurden – einen Mindeststandard in der Wohnung zur Verfügung stellen muss, der den Betrieb der Haushaltsgeräte im beschriebenen Umfang ermöglicht, kann er die Installation der Geräte grundsätzlich nicht verbieten. Denn gerade die klassischen Haushaltsgeräte (Herd, Spülmaschine, Kühlschrank) benötigt der Mieter in der Wohnung. Deshalb ist eine vertragliche Pflicht zur Nutzung einer Gemeinschaftswaschmaschine im Hause unbeachtlich2150, solange keine besonderen Belange zu berücksichtigen sind.

804 Problematisch ist häufig die Situation, wenn das Gebäude über zusätzliche Räume verfügt (z.B. Wasch-

küche oder Trockenraum), in denen Haushaltsgeräte (insbesondere Waschmaschine und Trockner) aufgestellt werden können. Eine Klausel in der Hausordnung, die dem Mieter in diesem Fall die Nutzung der besonderen Räume vorschreibt, verstößt ebenso gegen § 307 BGB wie eine entsprechende Formularklausel im Mietvertrag2151. Denn wenn die Geräte fachgerecht aufgestellt und betrieben werden, geht von ihnen keine Gefahr aus, die unterbunden werden müsste. 805 Die Nutzung der Haushaltsgeräte muss der Mieter so betreiben, dass andere Mieter nicht gestört

werden, § 241 Abs. 2 BGB2152. Dazu muss er grundsätzlich die allgemeinen Ruhezeiten (vgl. § 535 BGB Rz. 858) einhalten. Doch auch außerhalb dieser Zeiten darf die Nutzung nicht zu vermeidbaren Störungen führen.

2145 LG Berlin v. 16.7.2012 – 67 S 507/11, MietRB 2012, 347 = GE 2012, 1169 (Zusatzkosten: 19,90 Euro/Monat). 2146 Vgl. OLG Hamm v. 7.11.1985 – 15 W 181/85, MDR 1986, 501 = NJW-RR 1986, 500; OLG Hamm v. 10.11.1980 – 15 W 122/80, MDR 1981, 320 = NJW 1981, 465; OLG Frankfurt v. 29.8.1984 – 20 W 190/84, WuM 1984, 303. 2147 OLG München v. 19.3.1986 – 21 W 698/86, NJW-RR 1986, 638. 2148 BGH v. 26.10.2018 – V ZR 143/17, MDR 2019, 23 = MietRB 2019, 2 = NZM 2019, 86. 2149 BGH v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03, MietRB 2005, 1 = MDR 2004, 1346 = WuM 2004, 527 = ZMR 2004, 807. 2150 AG Hameln v. 17.12.1993 – 23 C 380/93, WuM 1994, 426. 2151 AG Eschweiler v. 5.4.2013 – 26 C 268/12, WuM 2013, 533; AG Düsseldorf v. 23.7.2008 – 53 C 1736/08, WuM 2008, 547. 2152 AG Köln v. 11.1.2001 – 207 C 221/00, WuM 2001, 276.

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B. Wohnraummiete | Rz. 807 § 535

Die Nutzung als solche lässt sich formularvertraglich regelmäßig nicht beschränken. Insbesondere 806 kann der Vermieter nicht verlangen, dass nur gegen Wasserauslaufen gesicherte Wasch- und Geschirrspülmaschinen aufgestellt werden2153. Eine solche Beschränkung kann sich aber aus einer Klausel ergeben, die den vertragsgemäßen Zustand der Wohnung auf eine bestimmte Kapazität der Elektroleitungen (z.B. in Altbauten) festlegt. Zu ihrer Wirksamkeit muss jedoch das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB eingehalten sein. Dazu ist eine konkrete Angabe der Leistungsstärke von Geräten, die über die Elektrounterverteilung betrieben werden können, anzugeben oder die Leistungsstärke der Leitungen selbst. Allgemein gehaltene Formulierungen (… darf die Kapazitäten nicht überschreiten), verstoßen gegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB2154.

VIII. Mitwirkungs- und Nebenpflichten des Mieters 1. Besichtigungsrecht Als vertragliche Nebenpflicht schuldet der Mieter dem Vermieter grundsätzlich die Gewährung von 807 Zutritt zur gemieteten Wohnung2155. Denn um z.B. die Erhaltung der Mietsache gewährleisten zu können, muss dem Vermieter auch das eigenständige Recht zustehen, den Zustand der dem Obhutsbereich des Mieters unterliegenden Räume zu prüfen. Letztlich kommt dies auch in §§ 555a, 555d BGB zum Ausdruck, wobei § 809 BGB wegen der spezielleren Vorschriften des Mietrechts nur eine untergeordnete Rolle spielt2156. Ohne Zweifel besteht ein Zutrittsrecht, wenn nutzungsbedingte Anlässe bestehen, wie etwa – zur Abwehr drohender Gefahren, – wenn der Mieter Mängel behauptet oder dem Vermieter Mängel sonst bekannt geworden sind, – wenn andere Mieter sich über Geruchsbelästigungen aus der Wohnung des Mieters beschweren2157, – wenn der Vermieter Reparatur- oder Modernisierungsmaßnahmen durchführen will2158, – zum Vermessen der Wohnung, selbst wenn der Mieter einen Architektenplan vorgelegt hat, in dem die Größe der Zimmer angegeben ist2159, – zur Überprüfung des vertragsgerechten Mietgebrauchs2160, – zur Prüfung der Fälligkeit von Schönheitsreparaturen2161, – bei bestehender Verkaufsabsicht2162, selbst wenn der Miteigentümer mit einem Verkauf nicht einverstanden ist2163, – erstmalige Besichtigung des Erwerbers2164, – zur erstmaligen Inaugenscheinsnahme durch den Erwerber, der die Wohnung ohne Besichtigung gekauft hat2165,

2153 LG Detmold v. 18.3.1998 – 10 S 276/97, WuM 2002, 51. 2154 BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 22/92, NJW-RR 1993, 522 (unter II 2b). 2155 LG Berlin v. 11.8.2016 – 65 S 202/15, GE 2016, 1385 (vertragliche Nebenpflicht); Agatsy, IMR 2018, 443; Willems, NZM 2015, 353 (355); Bub/Treier/Kraemer/Schüller, II Rz. 2719: § 242 BGB; Blank/Börstinghaus, § 535 BGB Rz. 297: § 241 Abs. 2 BGB. 2156 Vgl. Willems, NZM 2015, 353 (356). 2157 AG München v. 8.1.2016 – 461 C 19626/15, ZMR 2016, 297. 2158 LG Berlin v. 11.8.2016 – 65 S 202/15, GE 2016, 1385 (Modernisierung des Bades); AG Coesfeld v. 15.10.2013 – 4 C 210/13, ZMR 2015, 452 (Überprüfen des automatischen Überwachungssystems der Photovoltaikanlage im Keller des Mieters). 2159 AG München v. 12.8.2016 – 416 C 10784/16, ZMR 2017, 569. 2160 AG Rheine v. 4.3.2003 – 4 C 668/02, WuM 2003, 315 (für vermutete Tierhaltung). 2161 AG München v. 8.1.2016 – 461 C 19626/15, ZMR 2016, 297. 2162 LG Frankfurt am Main v. 24.5.2002 – 2/17 S 194/01, NZM 2002, 696; vgl. dazu Schmid, WuM 2014, 316. 2163 AG Steinfurt v. 10.4.2014 – 21 C 987/13, GE 2014, 1145 = IMR 2014, 379. 2164 Schultz, GE 2020, 26. 2165 AG München v. 12.8.2016 – 416 C 10784/16, ZMR 2017, 569.

Lützenkirchen | 269

§ 535 Rz. 807 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags – zur Wahrung des Vermieterpfandrechts2166, – zur Ablesung von Verbrauchserfassungsgeräten, – wenn sich der Vermieter nach zehn Jahren mit einem Handwerker einen Eindruck vom Zustand der Wohnung verschaffen will2167, – wenn der Vermieter vor Ende der Mietzeit ermitteln will, inwieweit die Ausübung eines Wegnahmerechts in Betracht kommt, um ggf. seine Abwendungsbefugnis nach § 552 Abs. 1 BGB auszuüben2168. 807a Kein hinreichender Anlass soll bestehen, wenn

– die Wohnung vom Vermieter vermessen werden soll2169, – der Vermieter sie seiner Ehefrau, die die Wohnung bisher nicht kennt, zeigen will2170. 808 Der Grund für die Besichtigung muss auf dem Mietverhältnis basieren. Deshalb reicht es nicht aus,

dass ein Sachverständiger in einem Rechtsstreit zwischen anderen Mietparteien eine Streitfrage durch Messungen in der Wohnung des Mieters klären soll2171. Hier kann allenfalls über § 242 BGB eine Korrektur untragbarer Ergebnisse erfolgen, wenn z.B. der Vermieter ansonsten einen nicht wieder gutzumachenden Schaden erleidet. 808a Fällt der Grund für die Besichtigung nachträglich weg, hängt der Fortbestand des entstandenen Be-

sichtigungsrechts von der Art des Anlasses ab. Lag dieser z.B. in vertragswidrigem Gebrauch oder Zustand, besteht das Intersse des Vermieters grundsätzlich fort, weil er überprüfen können muss, ob eine in seinem Risikobereich liegende Ursache in Betracht kommt2172. Wirkt ein Interesse des Vermieters aber nicht mehr fort (z.B. Fallenlassen der Verkaufsabsichten), kann er den Anspruch auf Besichtigung auch nicht mehr durchsetzen. a) Entgegenstehende Rechte des Mieters 809 Der Mieter kann den Zutritt in den aufgezählten Fällen nur verweigern, wenn ausnahmsweise der

Schutz der Privatsphäre höherwertig ist (z.B. Krankheit, Besuch, Urlaub oder sonstige kurzfristige Ortsabwesenheit). Insofern ist es dem Mieter auch nicht zumutbar, den geschiedenen Ehepartner, der Vermieter ist, in die Wohnung zu lassen, wenn es in der Vergangenheit zu ständigen Rechtsstreitigkeiten und Konflikten gekommen ist2173. Dient die Besichtigung der Vorbereitung einer Modernisierungsmaßnahme, kann sich der Mieter aber nicht damit verteidigen, dass die geplante Modernisierung von ihm nicht zu dulden ist, weil sie z.B. eine Härte i.S.d. § 555d Abs. 2 BGB darstellt2174. Denn vor einer Besichtigung liegt der Umfang der Modernisierung noch nicht fest. Umstände, die zu einem generellen Ausschluss des Zutrittsrechts führen, sind kaum denkbar. Denn selbst wenn die Parteien heillos zerstritten sind (was z.B. zur Unzumutbarkeit der Belegeinsicht beim Vermieter führen soll2175), muss der Vermieter die Möglichkeit haben, z.B. den erforderlichen Reparaturaufwand selbst zu ermitteln bzw. festzulegen. 810 Ausnahmen ergeben sich, wenn z.B. bereits zwei Besichtigungen zur Überprüfung bestimmter Ge-

werke durchgeführt wurden und der Anlass für den erneuten Zutrittswunsch seinerzeit schon bekannt war2176. Ist der Mietvertrag gekündigt, soll es dem Vermieter zumutbar sein, mit der Ermittlung des 2166 LG Berlin v. 6.12.2004 – 12 O 633/04, GE 2005, 238. 2167 LG Oldenburg v. 3.8.2012 – 6 S 75/12, ZMR 2012, 956; a.A. AG Stuttgart v. 27.10.2014 – 6 C 1267/14, WuM 2015, 148. 2168 Pietz/Opée in Lindner-Figura u.a., Kap. 16 Rz. 277 m.w.N. 2169 AG Stuttgart v. 27.10.2014 – 6 C 1267/14, WuM 2015, 148. 2170 AG Stuttgart v. 27.10.2014 – 6 C 1267/14, WuM 2015, 148. 2171 OLG Nürnberg v. 25.1.1990 – 8 U 3751/89, WuM 1990, 143. 2172 AG München v. 8.1.2016 – 461 C 19626/15, ZMR 2016, 297. 2173 LG Frankfurt v. 21.2.2013 – 2-11 S 191/12, WuM 2013, 301. 2174 AG Köln v. 24.8.1999 – 210 C 164/99, KM 32 Nr. 17. 2175 OLG Düsseldorf v. 22.6.2006 – 10 U 164/05, MietRB 2007, 8 = GE 2006, 1230 = DWW 2006, 378 = GuT 2006, 233. 2176 AG Hamburg v. 23.2.2006 – 49 C 513/05, NZM 2007, 211.

270 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 814 § 535

Instandsetzungsaufwandes bis nach der Rückgabe zuzuwarten2177. Dies ist aber zweifelhaft. Denn grundsätzlich besteht kein rechtfertigender Grund, dem Vermieter wirtschaftlichen Schaden zuzufügen, nur weil der Mietvertrag sich im Endstadium befindet. b) Vertragliche Ausgestaltung Teilweise wird die Auffassung vertreten, eine Vertragsbestimmung, wonach dem Vermieter auch ohne 811 besonderen Anlass ein Besichtigungsrecht zustehen soll, begegne grundsätzlich auch bei einem Formularvertrag keinen Bedenken2178, selbst wenn ein periodisches Besichtigungsrecht im Abstand von mindestens zwei Jahren begründet werden soll. Im Hinblick auf das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB müsse aus der Klausel aber hervorgehen, dass der Vermieter nicht ungefragt die Besichtigung verlangen kann2179. Der BGH ist der Ansicht, dass eine ein anlassloses Betretungsrecht regelnde Klausel den Mieter un- 812 angemessen benachteiligt und daher unwirksam ist (§ 307 Abs. 1 BGB)2180. Während der Dauer des Mietvertrags ist das alleinige und uneingeschränkte Gebrauchsrecht an der Wohnung dem Mieter zugewiesen. Zudem steht die Wohnung des Mieters als die räumliche Sphäre, in der sich das Privatleben entfaltet, unter dem Schutz des Art. 13 Abs. 1 GG, der das Recht gewährleistet, in diesen Räumen „in Ruhe gelassen zu werden“2181. Vor diesem Hintergrund kann dem Vermieter von Wohnraum nicht das Recht zugebilligt werden, die Mietsache auch ohne besonderen Anlass in einem regelmäßigen zeitlichen Abstand von ein bis zwei Jahren zu besichtigen. Vielmehr besteht eine vertragliche, aus § 242 BGB herzuleitende Nebenpflicht des Mieters, dem Vermieter – nach entsprechender Vorankündigung – den Zutritt zu seiner Wohnung zu gewähren, nur dann, wenn es hierfür einen konkreten sachlichen Grund gibt, der sich zum Beispiel aus der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Objektes ergeben kann2182. Um Probleme bei längerer Ortsabwesenheit des Mieters zu vermeiden, kann geregelt werden, dass der 813 Mieter verpflichtet ist, den Schlüssel bei einem leicht zu erreichenden Dritten (z.B. Nachbarn) zu hinterlegen2183. Formularmäßig ist dafür aber mit Blick auf das Transparenzgebot mindestens erforderlich, dass die Länge der maßgeblichen Ortsabwesenheit durch die Anzahl der Tage (inhaltlich) bestimmt ist2184 (z.B. eine Woche). Darüber hinaus muss der Zweck, zu dem der Vermieter den Schlüssel verwenden darf, konkret festgelegt werden. c) Besichtigungsrecht ohne vertragliche Grundlage Es ist umstritten, ob der Mieter den Vermieter auch ohne besondere Bestimmung im Vertrag in regel- 814 mäßigen Abständen in die Wohnung zwecks Besichtigung lassen muss. Trotz seiner Prüfungs- und Untersuchungspflichten im Rahmen der allgemeinen Sorgfaltspflichten soll dem Vermieter nach Ansicht des BGH kein anlassloses Recht zur Besichtigung der Räume zustehen2185 (vgl. § 535 BGB Rz. 812). Ausreichende Anlässe sind unter § 535 BGB Rz. 807 angegeben.

2177 AG Hamburg v. 23.2.2006 – 49 C 513/05, NZM 2007, 211. 2178 Staudinger/Emmerich, § 535 BGB Rz. 98. 2179 OLG Brandenburg v. 4.7.2012 – 7 U 204/11, MietRB 2012, 346 = GE 2012, 1375; AG Hamburg v. 23.2.2006 – 49 C 513/05, NZM 2007, 211. 2180 BGH v. 4.6.2014 – VIII ZR 289/13, MDR 2014, 950 = MietRB 2014, 254 = WuM 2014, 495; ebenso AG Stuttgart v. 27.10.2014 – 6 C 1267/14, WuM 2015, 148. 2181 BVerfG v. 26.5.1993 – 1 BvR 208/93, MDR 1993, 728 = BVerfGE 89, 1, 23; BVerfG v. 16.1.2004 – 1 BvR 2285/03, MDR 2004, 266 = NZM 2004, 186 (187). 2182 LG München II v. 21.7.2008 – 12 S 1118/08, ZMR 2009, 371; LG Hamburg v. 11.11.1993 – 307 S 349/93, WuM 1994, 425; AG Bonn v. 25.5.2005 – 5 C 275/04, NZM 2006, 698; MünchKomm/Häublein, § 535 BGB Rz. 134 ff.; Staudinger/Emmerich, § 535 BGB Rz. 98; Soergel/Heintzmann, § 535 BGB Rz. 43; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 206; BeckOK/Ehlert, § 535 BGB Rz. 218b. 2183 AG Köln v. 2.8.1985 – 218 C 84/85, WuM 1986, 86; zur Obhutpflicht in einem solchen Fall: BGH v. 20.10.1971 – VIII ZR 164/70, MDR 1972, 139 = NJW 1972, 34. 2184 AG Berlin-Schöneberg v. 12.7.2006 – 104a c 147/06, GE 2006, 1297. 2185 BGH v. 4.6.2014 – VIII ZR 289/13, MDR 2014, 950 = MietRB 2014, 254 = WuM 2014, 495; ebenso AG Stuttgart v. 27.10.2014 – 6 C 1267/14, WuM 2015, 148.

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§ 535 Rz. 815 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags d) Umsetzung des Besichtigungsrechts aa) Ankündigung 815 Zur Umsetzung des Zutrittsrechts ist – außer bei Gefahr im Verzug – grundsätzlich eine (formlose) An-

kündigung des Vermieters gegenüber dem Mieter erforderlich2186. Ein Erwerber kann eine Besichtigung nur aufgrund einer Ermächtigung im eigenen Namen geltend machen, bevor der Eigentumserwerb i.S.v. § 566 BGB vollzogen ist2187.

815a Die Ankündigung muss i.d.R. einen konkreten Terminvorschlag enthalten2188. Keinesfalls ist die Auf-

forderung, sich mit dem Vermieter oder dessen Geschäftsführer zwecks Abstimmung in Verbindung zu setzen, ausreichend2189. Der Mieter kann nicht aufgefordert werden, seinerseits ihm genehme Besichtigungstermine zu benennen; in diesem Fall ist er nicht verpflichtet zu reagieren2190. 816 Die Länge der Ankündigungsfrist hängt vom Einzelfall ab. Prinzipiell müssen zwischen Zugang der

Ankündigung und dem Termin mindestens 24 Stunden liegen2191. Eine generelle Frist von vierzehn Tagen2192, die außer bei einer Eilbedürftigkeit und anderen besonders gelagerten Fällen gelten soll, ist allerdings zu lang. Insbesondere, wenn weitere Personen am Termin teilnehmen müssen (z.B. Handwerker), ist eine Vorlaufzeit von einer Woche völlig ausreichend2193. Für die Besichtigung mit Kaufinteressenten soll sogar eine Frist von drei2194 bzw. vier2195 Tagen ausreichend sein. Einfluss auf die Frist hat der konkrete Anlass der Besichtigung und dessen Auswirkungen. Führt der Mieter z.B. eine Minderung durch, ist die Frist kürzer, als wenn der Vermieter nur über die Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen entscheiden will, die er ohnehin langfristig planen muss. bb) Zeitbestimmung 817 Die Besichtigung kann grundsätzlich nur für die ortsüblichen Besuchszeiten angekündigt werden. An-

dernfalls ist sie unwirksam. Sofern mit dem Mieter keine Terminvereinbarung getroffen werden kann, muss der vorgesehene Termin in der Regel werktags zwischen 10 und 13 Uhr bzw. 15 und 18 Uhr, ausnahmsweise bis 20 Uhr liegen2196. Insoweit gilt der Samstag als Werktag2197. Eine wirksame Ankündigung kann der Mieter aber nicht ignorieren, sondern muss auf die Terminvorschläge des Vermieters reagieren2198. 818 Der verbindliche Termin zur Besichtigung muss im Allgemeinen durch eine Interessensabwägung ge-

funden werden2199. Das führt bei dringenden Anlässen zu einer Höherwertigkeit der Interessen des Vermieters jedenfalls dann, wenn der Mietsache Schaden droht. Im Übrigen ist auf Vermieterseite zu berücksichtigen, ob und ggf. inwieweit er den Termin noch mit Handwerkern, die Termine vorgeben, abzusprechen hat. Auch ist es dem Vermieter nicht ohne weiteres zumutbar, Überstunden für Mitarbeiter zu finanzieren. Umgekehrt muss der Vermieter berücksichtigen, dass der Mieter Anspruch auf Ruhezeiten am Wochenende und in den Abendstunden hat. Bietet der Mieter aber einen Termin am Samstag

2186 AG Lüdenscheid v. 23.8.1990 – 8 C 698/90, WuM 1990, 489; AG Neuss v. 7.6.1989 – 30 C 165/89, WuM 1989, 364; AG Neustadt v. 30.5.1978 – 14 C 568/77, WuM 1979, 143. 2187 LG Bremen v. 11.5.1989 – 2 S 73/89, WuM 1989, 495. 2188 LG Berlin v. 18.1.2019 – 63 S 60/18, ZMR 2019, 402. 2189 AG Schöneberg v. 14.2.2018 – 6 C 472/16, ZMR 2018, 516. 2190 A.A. LG Oldenburg v. 3.8.2012 – 6 S 75/12, ZMR 2012, 956. 2191 AG Köln v. 30.1.1986 – 208 C 790/85, WuM 1986, 86. 2192 So in Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 183. 2193 LG Berlin v. 24.11.2003 – 67 S 254/03, MM 2004, 125. 2194 LG Frankfurt v. 24.5.2002 – 2/17 S 194/01, NZM 2002, 696; AG Ansbach v. 12.11.2013 – 3 C 1238/13, ZMR 2014, 367. 2195 AG Hamburg v. 21.2.1992 – 43b C 1717/91, WuM 1992, 540. 2196 Bub/Treier/Kraemer/Schüller, III Rz. 2721. 2197 OLG Frankfurt v. 24.6.2009 – 24 U 242/08, WuM 2011, 95. 2198 AG Ansbach v. 12.11.2013 – 3 C 1238/13, ZMR 2014, 367. 2199 AG Lüdenscheid v. 23.8.1990 – 8 C 698/90, WuM 1990, 489.

272 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 823 § 535

an, muss sich der Vermieter auch dann danach richten, wenn sein Hausverwalter an dem Termin teilnehmen soll, weil der Samstag weiterhin als Werktag gilt2200. Abzulehnen ist die Meinung2201, die das Besichtigungsrecht gegenüber einem berufstätigen Mieter ge- 819 nerell nur innerhalb der arbeits- und urlaubsfreien Zeit zulässt. Richtigerweise ist hier zu differenzieren: Ist der Mieter während seines Urlaubs nicht ortsabwesend, kann ihm eine Besichtigung während der üblichen Besuchszeiten zugemutet werden. Duldet die Maßnahme keinen Aufschub, kann er den Vermieter nicht auf einen Termin nach seinem Urlaub verweisen, sondern muss ggf. eine Vertrauensperson beauftragen, den Zutritt zu ermöglichen. In anderen Fällen sind die Dauer des Urlaubs und die Art der Maßnahme entscheidend. Insbesondere, 820 wenn andernfalls erhebliche Aufwendungen für den Vermieter entstehen (z.B. Überstundentarife in erheblichem Umfang), kann der Mieter gezwungen sein, sich Urlaub zu nehmen2202. Deshalb kann bei einer Besichtigung mit Kaufinteressenten die allgemeine Abstimmung auch dazu führen, dass der Mieter den Zutritt zwischen 19 und 20 Uhr zulassen muss2203. Dies gilt erst recht, wenn der Mieter berufstätig ist und schon unzählige Besichtigungen aus Anlass des Verkaufs zugelassen hat2204. cc) Frequenz der Besichtigungen Die Häufigkeit der Besichtigung richtet sich nach dem Anlass. Bei der Besichtigung mit Kaufinteres- 821 senten ist eine Frequenz von drei Mal im Monat grundsätzlich zumutbar2205. Jedenfalls ist die Beschränkung der Besichtigung auf einmal pro Woche nicht vertragswidrig2206. Dauern die Verkaufsbemühungen bereits seit längerer Zeit (hier: 1,5 Jahre) an, in der der Mieter dem Vermieter die gewünschten Termine gewährt hat, kann der Mieter, der den Verkauf nicht generell verhindern kann, für die Zukunft verlangen, dass sich die Belästigung durch die Kaufinteressenten auf einen Sammeltermin einmal im Monat beschränkt2207. Das allgemeine periodische Besichtigungsrecht besteht regelmäßig im Abstand von zwei Jahren2208. 822 Hat innerhalb dieses Zeitraums eine allgemeine Besichtigung stattgefunden, kann der Mieter weitere Besichtigungen verweigern, sofern kein besonderer Anlass besteht. Hatte der Vermieter aus besonderem Grund Zutritt zu den Mieträumen, kommt es im Einzelfall darauf an, ob er sich ein allgemeines Bild von den Mieträumen verschaffen konnte. dd) Teilnahmeberechtigte Personen Teilnahmeberechtigt ist zunächst einmal natürlich der Mieter, der den Vermieter durch die Räume 823 begleiten darf. Der Vermieter darf eine oder mehrere Personen zur Besichtigung mitbringen oder (geeignete) Vertreter (z.B. Hausverwalter) bestimmen2209. Letzteres ist insbesondere der Makler im Falle des Verkaufs oder der Handwerker, wenn Instandsetzungsmaßnahmen ausgeführt werden sollen2210. Ein Vertreter ist z.B. ungeeignet, wenn sein Verhalten in der Vergangenheit zu Spannungen geführt hat, die eine sachliche und angemessene Durchführung der Besichtigung nicht wahrscheinlich erscheinen lassen2211. Bei der insoweit notwendigen Abwägung wird das Interesse des Vermieters regelmäßig nur dann überwiegen, wenn die Anwesenheit der betreffenden Person für den Erfolg der Besichtigung un-

2200 AG Köln v. 27.9.2000 – 207 C 213/00, NZM 2001, 41. 2201 AG Hamburg v. 21.2.1992 – 43b C 1717/91, WuM 1992, 540; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 182. 2202 AG Berlin-Wedding v. 6.7.1984 – 10 C 427/84, GE 1985, 155. 2203 LG Frankfurt am Main v. 24.5.2002 – 2/17 S 194/01, NZM 2002, 696. 2204 AG Hamburg v. 21.2.1992 – 43b C 1717/91, WuM 1992, 540. 2205 LG Frankfurt am Main v. 24.5.2002 – 2/17 S 194/01, NZM 2002, 696. 2206 LG Kiel v. 1.6.1992 – 1 S 26/91, WuM 1993, 52. 2207 AG Hamburg v. 21.2.1992 – 43b C 1717/91, WuM 1992, 540. 2208 AG Lübeck v. 10.3.1993 – 24 (25) C 4110/92, WuM 1993, 344. 2209 LG Berlin v. 2.6.2017 – 63 S 316/16, GE 2017, 1410. 2210 AG Coesfeld v. 15.10.2013 – 4 C 210/13, ZMR 2015, 453. 2211 AG Hamburg v. 5.2.1987 – 48 C 765/86, WuM 1987, 379.

Lützenkirchen | 273

§ 535 Rz. 823 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags erlässlich ist. Das ist bei dem Ehemann der Vermieterin der Fall, wenn das Mietobjekt veräußert werden soll2212. 824 Dem Rechtsanwalt des Vermieters kann der Mieter aber grundsätzlich den Zutritt verweigern, wenn

Anlass der Besichtigung der Zustand der Mieträume oder die Durchführung bzw. Vorbereitung von Bauarbeiten ist2213. Auf die vorherige Mitteilung der Namen der teilnehmenden Personen hat der Mieter keinen Anspruch2214. Allerdings kann er darauf bestehen, dass sich die Begleitpersonen ausweisen, und sich deren Namen notieren2215. ee) Dauer der Besichtigung 825 Die Dauer der Besichtigung richtet sich nach ihrem Zweck, also dem Grund der beabsichtigten Maß-

nahme. Die Beschränkung bei der Besichtigung mit Kaufinteressenten auf regelmäßig 30 bis 45 Minuten2216 ist zweifelhaft. Der Vermieter muss die Möglichkeit haben, mit den Interessenten einzeln die Räume, z.B. im Viertelstundentakt, zu besichtigen. Im Übrigen haben die anwesenden Personen die Besichtigung innerhalb angemessener Zeit zu beenden, wobei ihnen durchaus die Möglichkeit gegeben sein muss, die Örtlichkeiten eingehend zu untersuchen und den vorgefundenen Zustand an Ort und Stelle zu diskutieren. ff) Räumlicher Umfang des Zutrittsrechts 826 Prinzipiell umfasst das Besichtigungsrecht alle Räume der Mietsache. Kommt es auf den Zustand der

Mietsache an, ist der Vermieter berechtigt, ein Protokoll anzufertigen, insbesondere durch Benutzung eines Diktiergerätes. 827 Werden schadhafte Stellen festgestellt, deren Zustand veränderlich ist, oder liegen sonstige Gründe vor,

die den Vermieter zu einer Beweissicherung veranlassen, darf er den Zustand der Wohnung bzw. einzelner Teile auch ohne Erlaubnis des Mieters fotografisch festhalten, soweit dies erforderlich ist2217. Letzteres ist nicht der Fall und muss daher auch nicht geduldet werden, wenn der Vermieter die Fotos nach der Kündigung des Mieters fertigen will, um sie ins Internet zu stellen, damit sich Mietinteressenten ein Bild von der Wohnung verschaffen können2218. Denn dies verletzt die Privatsphäre des Mieters. gg) Besondere Belange des Mieters 828 Der Vermieter muss auf die Gepflogenheiten des Mieters Rücksicht nehmen. Deshalb müssen ggf.

Schuhe vor der Türe ausgezogen und Filzpantoffel angezogen werden, sofern dies einer besonderen (z.B. religiös bedingten) Gepflogenheit des Mieters entspricht und nicht nur für den vom Vermieter angekündigten Besichtigungstermin gilt2219. Sofern nur eine Verschmutzung vermieden werden soll, reicht allerdings auch das Überziehen von Schutzhüllen aus Plastik oder Stoff2220. Das ist Ausfluss des Hausrechts des Mieters, das in den Grenzen des Schikaneverbots dazu führt, dass sich auch der Vermieter – wie jeder andere Besuch – den Gepflogenheiten des Mieters zu unterwerfen hat. Allerdings soll dieses Gebot des Respektes nicht gegenüber Vollstreckungsbeamten gelten, weil sie nicht als Gäste die Wohnung be-

2212 LG Frankfurt am Main v. 24.5.2002 – 2/17 S 194/01, NZM 2002, 696. 2213 AG Neukölln v. 15.10.1986 – 2 C 404/86, MM 1987, Nr. 4, 27. 2214 LG Stuttgart v. 24.4.1991 – 13 S 130/91, WuM 1991, 578; LG Trier v. 19.10.1992 – 6 T 77/92, WuM 1993, 185. 2215 AG München v. 17.6.1993 – 461 C 2972/93, WuM 1994, 425. 2216 LG Frankfurt am Main v. 24.5.2002 – 2/17 S 194/01, NZM 2002, 696; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 186. 2217 AG Hannover v. 22.8.2000 – 561 C 03582/00, ZMR 2001, 282; a.A. AG Frankfurt v. 16.1.1998 – 33 C 2515/ 97-67, WuM 1998, 343; AG Schöneberg v. 18.5.2004 – 15/11 C 592/03, GE 2004, 822. 2218 LG Frankenthal v. 30.9.2009 – 2 S 218/09, WuM 2012, 141; AG Steinfurt v. 10.4.2014 – 21 C 987/13, GE 2014, 1145 = IMR 2014, 379. 2219 AG Waldbröl v. 24.4.1992 – 6 C 106/92, WuM 1992, 599; a.A. AG Tiergarten v. 2.10.1989 – 10 C 251/89, GE 1990, 547. 2220 AG München v. 17.6.1993 – 461 C 2972/93, WuM 1994, 425.

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B. Wohnraummiete | Rz. 833 § 535

treten2221. Insoweit wird aber verkannt, dass der Mieter jedenfalls das Hausrecht gegenüber jedem Dritten ausüben kann, solange er die Wohnung berechtigt nutzt. Deshalb kann er auch von den Repräsentanten der Staatsgewalt verlangen, dass sie seine Gebräuche respektieren, selbst wenn sie eine gerichtlich angeordnete Durchsuchung durchführen. Das Gebot der Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 1 BGB) verlangt insoweit nicht, dass der Mieter über 829 Mängel der Mietsache z.B. gegenüber Kaufinteressenten schweigt, selbst wenn sie nicht unbestritten sind2222. e) Besichtigung und Selbsthilfe Ohne Ankündigung oder gar ohne Erlaubnis (z.B. mit Hilfe eines Zweitschlüssels2223) darf der Ver- 830 mieter die Mieträume grundsätzlich nicht betreten, § 858 BGB. Dies gilt auch, wenn der Vermieter sein Vermieterpfandrecht geltend gemacht hat. Denn dies berechtigt ihn nur, den Mieter mit Gewalt daran zu hindern, die dem Pfandrecht unterliegenden Sachen aus den Mieträumen zu tragen, nicht aber sich selbst (gewaltsam) Zutritt zu verschaffen. Eine Ausnahme kann allenfalls bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 229 BGB angenommen wer- 831 den. Dann muss eine konkrete Gefahr für die Mietsache bestehen und der Mieter oder seine Vertrauensperson für die Zutrittsgewährung unerreichbar sein. Liegen die Voraussetzungen nicht vor, besteht eine garantiemäßige Haftung nach § 231 BGB2224. Insoweit entsteht mit der Öffnung der Mietsache eine Obhutspflicht des Vermieters, die ihn bei einer Beseitigung des Inventars zwingt, eine Inventarliste mit Schätzung zu errichten. f) Rechtsfolge unberechtigter Verweigerung der Besichtigung Hat der Mieter den Zutritt unberechtigt nicht gewährt, liegt eine Pflichtverletzung vor, die über § 280 832 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz führt2225. Auf einen entschuldbaren Rechtsirrtum kann sich der Mieter nur berufen, wenn er bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte2226. Diente die Besichtigung des Vermieters der Feststellung gerügter Mängel, kann der Mieter solange keine Minderung geltend machen, wie er nicht deutlich macht, dass der Vermieter nunmehr die Besichtigung durchführen kann2227. Daneben kommt eine Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB in Betracht. Dafür muss abgewogen 833 werden, ob unter Berücksichtigung des durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Besitzrechts des Mieters und seines Rechts aus Art. 13 Abs. 1 GG auf ungestörtes Wohnen in der Verweigerung des Zutritts eine erhebliche Pflichtverletzung gesehen werden kann2228. Ein wichtiger Grund, der eine Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB rechtfertigen kann, liegt regelmäßig nicht vor2229, auch wenn die Verweigerung Besichtigung durch Kaufinteressenten2230 betrifft oder der Mieter nur eine Besichtigung pro Woche dulden will2231. Weigert sich der Mieter aber beharrlich, Zutritt zu gewähren, können die Voraussetzungen des § 543 Abs. 1 BGB vorliegen2232.

2221 2222 2223 2224 2225 2226 2227 2228 2229 2230 2231 2232

LG Limburg v. 13.2.2012 – 7 T 18/12, NZM 2012, 383. OLG Celle v. 30.1.1991 – 2 U 238/90, WuM 1991, 538. AG Tecklenburg v. 3.7.1991 – 11 C 11/91, WuM 1991, 579. BGH v. 14.7.2010 – VIII ZR 45/09, MDR 2010, 1106 = MietRB 2010, 286 = WuM 2010, 578. AG München v. 17.6.1993 – 461 C 2972/93, WuM 1994, 425. BGH v. 25.10.2006 – VIII ZR 102/06, MDR 2007, 454 = MietRB 2007, 59 (60, 61) = WuM 2007, 24. LG Berlin v. 15.10.2013 – 63 S 626/12, GE 2014, 193. BVerfG v. 16.1.2004 – 1 BvR 2285/03, MDR 2004, 266. LG Berlin v. 31.3.2000 – 64 S 534/99, ZMR 2000, 535. AG Erkelenz v. 4.1.1985 – 8 C 461/84, WuM 1986, 251. LG Kiel v. 1.6.1992 – 1 S 26/91, WuM 1993, 52. BGH v. 5.10.2010 – VIII ZR 221/09, WuM 2011, 13.

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§ 535 Rz. 834 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags g) Prozessuale Umsetzung 834 Der Besichtigungsanspruch kann im Wege der Leistungs- bzw. Duldungsklage durchgesetzt werden.

Insoweit besteht keine Möglichkeit, ein generelles Zutrittsrecht zu erreichen2233. Vielmehr muss für den konkreten Fall (z.B. Vorbereitung einer Modernisierung) das Besichtigungsrecht geltend gemacht werden. Ausnahmsweise kommt die Durchsetzung im Wege der einstweiligen Verfügung in Betracht, wenn eine besondere Eilbedürftigkeit glaubhaft gemacht werden kann2234. 835 Die Zwangsvollstreckung erfolgt grundsätzlich nach § 890 ZPO2235. Insoweit kann die Verurteilung

zu einer Duldung zwar grundsätzlich die nach § 890 ZPO vollstreckbare Verpflichtung zu einem positiven Tun enthalten, auch wenn dies im Urteil nicht ausdrücklich ausgesprochen worden ist2236. Dies kann z.B. anzunehmen sein, wenn der Schuldner der Pflicht, etwas zu unterlassen, nur gerecht werden kann, indem er neben der Unterlassung auch die positiven Handlungen vornimmt, die notwendig sind, um den rechtmäßigen Zustand zu erreichen. Ist der Schuldner aber aufgrund eines Duldungstitels verpflichtet, die Vornahme einer Handlung in seiner Wohnung zu dulden, kann der Gläubiger den Gerichtsvollzieher hinzuziehen, um den Widerstand des Schuldners zu brechen. Hierbei ist der Gerichtsvollzieher aufgrund des Titels auch ohne richterliche Durchsuchungsanordnung berechtigt, die verschlossene Wohnungstür zu öffnen2237. Denn der Schwerpunkt der Maßnahme liegt in diesen Fällen in der vertretbaren Handlung. Diese „günstigere“ Art der Zwangsvollstreckung, die nach § 887 ZPO verläuft, kann erreicht werden, indem der Klageantrag von vornherein so formuliert wird, dass der Schwerpunkt der Verpflichtung des Schuldners/Mieters in der vertretbaren Handlung liegt. Das ist etwa der Fall, wenn der Antrag darauf gerichtet ist, „dem Kläger Zutritt zu gewähren, und zwar durch Öffnen der Wohnungs- und der Zimmertüren“. 2. Obhutspflichten 836 Aus der Überlassung der Mietsache und dem daraus resultierenden Recht, selbst den Vermieter vom

regelmäßigen Zugriff auf die Mietsache auszuschließen, ergeben sich für den Mieter Pflichten zum Schutz und zur Fürsorge hinsichtlich der Mietsache2238. Diese Obhutspflicht ist eine Nebenpflicht i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB. Im Gesetz hat diese Verpflichtung in § 536c Abs. 1 BGB Ausdruck gefunden. Danach ist der Mieter verpflichtet, den Vermieter nicht nur auf Mängel hinzuweisen, sondern auch über drohende Gefahren zu informieren. Andererseits darf der Mieter die Mieträume nur mit der gebotenen Sorgfalt nutzen, um die Abnutzung oder sonstigen Schaden an der Wohnung möglichst gering zu halten2239. Insgesamt muss der Mieter Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen seines Vertragspartners (§ 241 Abs. 2 BGB) nehmen. Deshalb hat er die Mietsache schonend und pfleglich zu behandeln sowie alles zu unterlassen, was zu einer – von dem ihm zustehenden vertragsgemäßen Gebrauch (§ 538 BGB) nicht umfassten – Verschlechterung oder einem Schaden an der Mietsache führen kann2240. Darüber hinaus hat der Mieter aber auch bei der Ausübung des vertragsgemäßen Gebrauchs Maßnahmen zu treffen, die eine besondere Abnutzung der Mietsache verhindern. Dazu gehört etwa, dass er Bürostühle mit Rädern verwendet, die für den konkreten Bodenbelag geeignet sind, oder jedenfalls Abdeckplatten an den Stellen verlegt, an denen die Bürostühle genutzt werden.

2233 LG Frankfurt am Main v. 24.5.2002 – 2/17 S 194/01, NZM 2002, 696. 2234 Dringende Instandsetzung: AG Hohenschönhausen v. 12.8.1997 – 6 C 383/97, GE 1997, 1175; Beseitigung erheblicher Gefahren: Hinz, WuM 2005, 623. 2235 A.A. Pfälzisches OLG v. 21.11.2003 – 3 W 104/03, ZMR 2004, 268: § 888 ZPO. 2236 BGH v. 25.1.2007 – I ZB 58/06, MDR 2007, 859 = WuM 2007, 209 = NJW-RR 2007, 863. 2237 LG Braunschweig v. 4.5.1988 – 8 T 183/88, DGVZ 1988, 140; LG Berlin v. 15.10.1979 – 81 T 446/79, DGVZ 1980, 86; LG Karlsruhe v. 21.6.1983 – 11 T 223/83, DGVZ 1984, 12. 2238 BGH v. 4.4.1977 – VIII ZR 143/75, MDR 1977, 743 = WuM 1978, 88 = ZMR 1978, 50; MünchKomm/Häublein, § 536c BGB Rz. 1; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536c BGB Rz. 1. 2239 AG Kassel v. 13.10.1995 – 451 (423) C 3269/95, WuM 1996, 30. 2240 Vgl. BGH v. 7.6.1989 – VIII ZR 91/88, MDR 1989, 906 = BGHZ 108, 1 (8); BGH v. 5.10.1994 – XII ZR 15/ 93, NJW-RR 1995, 123 unter II 2 a; BGH v. 6.11.2013 – VIII ZR 416/12, MDR 2014, 78 = MietRB 2014, 342, NJW 2014, 143 Rz. 17 f.; KG, KGR 2008, 529; Kraemer in Festschrift für Blank, 2006, S. 281; Staudinger/Emmerich, § 535 BGB Rz. 94; jeweils m.w.N.

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B. Wohnraummiete | Rz. 840 § 535

Gegen diese besondere Schutzpflicht, die nicht zuletzt Konsequenz des auf den Mieter übertragenen 836a Besitzes an der Mietsache ist2241, kann ein Mieter jedoch nicht nur im unmittelbaren Umgang mit der Wohnung verstoßen, sondern auch durch einen Gebrauch, welcher schädigende Einwirkungen Dritter hervorzurufen geeignet ist. Letzteres ist z.B. gegeben, wenn der Mieter in der Wohnung Betäubungsmittel aufbewahrt, die einen Polizeieinsatz provozieren können2242. a) Einsetzen der Obhutspflicht Die Obhutspflicht beginnt, sobald dem Mieter die Sache überlassen ist. Sie ist somit unabhängig da- 837 von, ob der Mietvertrag bereits begonnen hat. Die Obhutspflicht ruht nicht während der Abwesenheit des Mieters und auch nicht, wenn er den Gebrauch der Mietsache seit längerem aufgegeben hat2243. Deshalb muss der Mieter bei Abwesenheit für eine ausreichende Kontrolle sorgen und dem Vermieter 838 ggf. angemessenen Zugang zu den Mieträumen ermöglichen2244. Hierfür kann der Mieter gezwungen sein, die Hilfe eines Dritten in Anspruch zu nehmen. Diese hat er dem Vermieter bekannt zu geben2245 oder der Mieter muss dem Vermieter selbst die Schlüssel übergeben2246. Bei Verletzung dieser Pflicht ist der Dritte Erfüllungsgehilfe des Mieters nach § 278 BGB. Auch nach Beendigung der Mietzeit besteht die Verpflichtung des Mieters, seine Obhutspflichten zu 839 beachten. Denn die Nebenpflichten aus § 241 Abs. 2 BGB sind grundsätzlich auch Gegenstand des gesetzlichen Schuldverhältnisses, das zwischen Ende der Mietzeit und Rückgabe der Mietsache besteht. Die Obhutspflicht endet erst bei (vollständiger) Rückgabe des Besitzes2247. b) Gegenstand der Obhutspflicht aa) Allgemeines Da der Mieter durch seinen Gewahrsam an den Mieträumen berechtigt ist, Dritte vom Besitz aus- 840 zuschließen und damit auch den Vermieter von Kontrollen abzuhalten, obliegt es ihm, die Mietsache vor Schaden zu bewahren. Dazu muss er das ihm Mögliche tun. Der Umfang seiner Obhutspflichten hängt vom Einzelfall ab etwa von Lage, Zustand und Ausstattung der Wohnung sowie den bestehenden Außentemperaturen. So hat der Mieter vor allem bei strengem Frost seine Vorkehrungen zu intensivieren. Allerdings ist auch hier die Sphärentheorie zu beachten. Der Mieter hat nicht für solche aus der Sphäre des Vermieters stammenden Schadensursachen, etwa das Fehlen von ausreichenden Heizkörpern oder einen schadensträchtigen Leitungsverlauf, einzustehen, sondern er muss allein die ihm erkennbaren, zumutbaren Maßnahmen zur Verhinderung eines Schadens ergreifen2248. Deshalb haftet er nicht für Schäden, die infolge des Einfrierens von Leitungen, die in einem abgekofferten Drempel verlaufen, entstehen, wenn ihn der Vermieter nicht auf die Existenz dieser Leitungen hingewiesen und über besondere Schutzmaßnahmen aufgeklärt hat2249. Beim Anschluss einer Waschmaschine muss der Mieter regelmäßig kontrollieren, ob der Anschluss noch betriebstauglich ist2250. Rauch, Dunst und Hitze darf der Mieter in der Wohnung nur in dem Umfang erzeugen, dass die Rauchwarnmelder nicht ausgelöst werden2251.

2241 Vgl. BGH v. 7.6.1989 – VIII ZR 91/88, MDR 1989, 906 = BGHZ 108, 1 (9). 2242 BGH v. 14.12.2016 – VIII ZR 49/16, MDR 2017, 267 = MietRB 2017, 94 = WuM 2017, 10. 2243 BGH v. 20.10.1971 – VIII ZR 164/70, MDR 1972, 139 = NJW 1972, 34; OLG Düsseldorf v. 19.5.1994 – 19 U 138/93, WuM 1994, 461. 2244 OLG Naumburg v. 29.9.2016 – 4 U 76/15, MietRB 2017, 181 = ZMR 2017, 728 = VersR 2017, 885; AG Köln v. 2.8.1985 – 218 C 84/85, WuM 1986, 86. 2245 BGH v. 20.10.1971 – VIII ZR 164/70, NJW 1972, 34; OLG Naumburg v. 29.9.2016 – 4 U 76/15, MietRB 2017, 181 = ZMR 2017, 728 = VersR 2017, 885. 2246 BGH v. 20.10.1991 – VIII ZR 164/70, MDR 1972, 139 = NJW 1972, 34. 2247 BGH v. 14.6.1967 – VIII ZR 268/64, NJW 1967, 1803. 2248 OLG Naumburg v. 29.9.2016 – 4 U 76/15, MietRB 2017, 181 = ZMR 2017, 728 = VersR 2017, 885. 2249 OLG Naumburg v. 29.9.2016 – 4 U 76/15, MietRB 2017, 181 = ZMR 2017, 728 = VersR 2017, 885. 2250 AG Hamburg-St. Georg v. 21.4.2017 – 920 C 139/15, ZMR 2017, 746. 2251 LG Frankfurt am Main v. 8.9.2015 – 2-11 S 153/14, ZMR 2017, 810.

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§ 535 Rz. 841 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags 841 In der Regel muss der Mieter nicht selbst aktiv werden. Dies gilt insbesondere, wenn Einrichtungen

außerhalb der Mietsache (z.B. Vereisung von Dachrinnen) betroffen sind2252. Vielmehr reicht es aus, dass er den Vermieter unterrichtet. Besteht also eine Gefahrenlage, ist der Mieter gemäß § 536c BGB verpflichtet, den Vermieter darauf hinzuweisen und ggf. seine Obhutspflicht zu verstärken. Ansonsten macht er sich schadensersatzpflichtig, § 536c Abs. 2 BGB. Voraussetzung ist jedoch, dass der Mieter die Gefahrenlage kennt2253. Eine Untersuchungspflicht besteht regelmäßig nicht. 841a Ein positives Handeln kann aber vom Mieter im gebotenen und zumutbaren Rahmen erwartet wer-

den2254. Das betrifft insbesondere Schutzmaßnahmen bei besonderen Gefahrenlagen, die aufgrund des Zustandes des Gebäudes entstehen2255 (zu Feuchtigkeit vgl. § 535 BGB Rz. 850). Deshalb ist er z.B. verpflichtet, bei Haltung eines Tieres zumutbare Maßnahmen zu treffen, die von dem Tier verursachte Gebrauchspuren, die die Mietsache beschädigen, verhindern. Dazu gehört z.B. das Abdecken von Parkettboden, wenn er durch Hundekrallen verkratzt werden kann2256. Beim Eindringen von Wasser in den Keller nach Starkregen kann der Mieter gehalten sein, das Kellerinventar auf Podeste zu stellen, um eine Durchfeuchtung zu vermeiden. 842 Die Obhutspflicht des Mieters beschränkt sich nicht auf die Mieträume an sich. Vielmehr erstreckt sie

sich auf alle Teile des Gebäudes – einschließlich des Grundstücks –, mit denen der Mieter in Berührung kommt2257. Wohnt der Vermieter im selben Haus, ist die Obhutspflicht des Mieters jedenfalls hinsichtlich der mitvermieteten Gemeinschaftsflächen eingeschränkt, weil es in diesem Fall in erster Linie Sache des Vermieters ist, sich um den Zustand dieser Räume und Flächen zu kümmern, solange die Parteien nichts anderes vereinbart haben (z.B. Hausmeisterdienste). bb) Lüften und Heizen

843 Neben der Hinweispflicht nach § 536c BGB muss der Mieter grundsätzlich seine Nutzung so einrichten,

dass die Mietsache nicht über das Maß des § 538 BGB hinaus Schaden nimmt. Insoweit hängen die Anforderungen an den Mieter, was im Einzelnen zur Schadensvermeidung zu tun ist, vom konkreten Mietobjekt ab. Besonders deutlich wird dies am richtigen Heiz- und Lüftungsverhalten: Der bei Beginn des Mietvertrages als vertragsgemäß anzusehende tatsächliche (bauliche) Zustand wird nicht dadurch vertragswidrig (mangelhaft), dass ohne den Betrieb einer zusätzlichen Heizung Feuchtigkeitsschäden nicht vermieden werden können. In diesem Fall ist der Mieter – auch ohne besondere Vereinbarung – verpflichtet, im Rahmen seiner Obhutspflicht eine ausreichende Beheizung sicherzustellen2258, insbesondere auch insoweit sein Wohnverhalten an die tatsächlichen Verhältnisse anzupassen2259. 844 Unsere heutzutage hochgedämmten und sehr dichten Gebäudehüllen verlangen Verständnis über das

richtige Verhalten. Dies gilt umso mehr, als der Mieter grundsätzlich sein Verhalten darauf einstellen muss, wenn das Mietobjekt nicht dem heutigen technischen Standard entspricht2260. Darauf muss er vom Vermieter nicht besonders hingewiesen werden. Vielmehr gehört die grundsätzliche Kenntnis des richtigen Lüftens und Heizens mittlerweile zur Allgemeinbildung des durchschnittlichen Mieters. Dazu kann insbesondere als bekannt unterstellt werden, dass durch das Leben in Räumen Luftfeuchtigkeit z.B. mittels Atmung, Kochen, Wäschetrocknen, Baden und Duschen produziert wird, die zu einer Sättigung der Luft führt. Gesättigte (feuchte) Luft neigt dazu, sich an den kalten Stellen eines Gebäudes abzusetzen und infolge chemischer Reaktionen zu einer Schimmel- oder Stockfleckenbildung beizutragen. Dieses Phänomen des Alltagslebens muss der Mieter verhindern, soweit es in seinen Kräften steht. In diesem Rahmen ist es z.B. allgemein üblich (§ 291 ZPO) und gehört daher auch zur Obhutspflicht, nach Vorgängen, die mit einer besonders starken Feuchtigkeitsentwicklung verbunden sind, wie etwa KG v. 29.7.2013 – 8 U 257/12, MDR 2013, 1156 = MietRB 2013, 319 = GE 2013, 1274. OLG München v. 26.8.1987 – 15 U 2791/87, ZMR 1989, 17. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 275. BGH v. 5.12.2018 – VIII ZR 271/17, MDR 2019, 150 = WuM 2019, 25. LG Koblenz v. 6.5.2014 – 6 S 45/14, ZMR 2015, 555. BGH v. 19.9.1973 – VIII ZR 175/72, NJW 1973, 2059. LG Detmold v. 7.10.2015 – 10 S 42/1, ZMR 2016, 546; AG Nürtingen v. 9.6.2010 – 42 C 1905/09, MietRB 2011, 40. 2259 LG Saarbrücken v. 6.11.1987 – 11 S 340/86, WuM 1988, 351. 2260 LG Hamburg v. 29.8.1997 – 311 S 88/96, NZM 1998, 571 = NJW-RR 1998, 1309. 2252 2253 2254 2255 2256 2257 2258

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B. Wohnraummiete | Rz. 850 § 535

Kochen, Duschen und Waschen, den davon betroffenen Raum sogleich zu lüften, um die vermehrte Feuchtigkeit durch Luftaustausch alsbald aus der Wohnung zu entfernen2261. Schon zur Erfüllung der Anforderungen nach § 3 EnEV müssen Wärmebedarfsberechnungen auf- 845 gestellt werden. Dabei werden verschiedene in der DIN 4701 zusammengefasste raumklimatische Bedingungen zugrunde gelegt. Wenn bei der Errichtung eines Gebäudes diese Werte zugrunde gelegt werden, um gesunde raumklimatische Verhältnisse herzustellen, bilden sie grundsätzlich den allgemein verbindlichen Maßstab für das Lüften und Heizen in der Wohnung. Deshalb ist im Hinblick auf die Erwärmung der Räume ist in der Regel von folgenden Werten aus- 846 zugehen: – Wohnbereich und Küche 20 °C, – Bad 21 °C, – Schlafzimmer tags 18 °C, nachts 14–16 °C. Dabei soll eine durchschnittliche Luftfeuchte von 45–55 % relativ (bis 65 %, nur kurzzeitig, bis zwei 847 Std.) herrschen und die Wandoberflächentemperaturen nicht unter 15 °C (Außenwände) absinken. Dazu soll bei Abwesenheit die Heizung nicht ganz abgestellt werden, zumal das Halten einer abgesenkten Durchschnittstemperatur sparsamer ist. Innentüren zwischen unterschiedlich beheizten Räumen sollen tagsüber und nachts geschlossen gehalten werden. Kalte Räume, wie z.B. das Schlafzimmer, sollen nicht von wärmeren Räumen (z.B. Wohnzimmer) mit geheizt werden. Für das richtige Lüftungsverhalten muss täglich regelmäßig zwei Mal von drinnen nach draußen 848 gelüftet werden (wärmere = feuchtere Luft raus, dafür kältere = trockenere Luft hinein). Das kann insbesondere dadurch erreicht werden, dass durch die Wohnung quer gelüftet wird (Querlüften = mindestens zwei gegenüberliegende Fenster), und zwar bei jedem Wetter – auch bei Regen. Denn kalte Außenluft ist immer trockener als die warme Zimmerluft. Dabei ist von dem Grundsatz auszugehen: je kühler die Zimmertemperatur, desto öfter muss gelüftet werden; je kälter es draußen ist, desto kürzer muss gelüftet werden. Das Querlüften kann nicht durch Fenster in Kippstellung erreicht werden. Vielmehr sind die Fenster kurzzeitig (fünf bis zehn Minuten sind ausreichend) ganz zu öffnen (Stoßlüften). Ist der Mieter abwesend, muss er dafür sorgen, dass die Pflichten dennoch erfüllt werden2262. Diese Regeln kann ein Vermieter als bekannt voraussetzen und muss, solange der Einbau nicht wäh- 849 rend der Mietzeit erfolgt2263, keine Hinweise erteilen2264. Sobald von diesen Standards des Lüftens und Heizens aber abweichende Maßnahmen erforderlich sind, um die Wohnung z.B. vor Schimmelbefall zu bewahren, ist ein (deutlicher) Hinweis des Vermieters erforderlich2265. Dies gilt insbesondere, wenn verschiedene andere Lüftungsarten (U-, D-, L- und S-Lüftung2266) wegen der bautechnischen Gegebenheiten durchgeführt werden müssen. Aufklären muss der Vermieter aber, wenn nach den Feststellungen des Sachverständigen eine Schimmelbildung in Souterrainräumen nur vermieden werden kann durch das Schließen einer Zwischentür und den Betrieb eines Entfeuchtungsgerätes2267. Ohne die entsprechenden Hinweise ist das Verhalten des Mieters nicht vorwerfbar2268. Dasselbe gilt, wenn nach der Durchführung von Sanierungsarbeiten sich für den Mieter notwendige Änderungen seines Wohnverhaltens ergeben2269. Befindet sich die Wohnung in einem vertragsgemäßen baulichen Zustand, was i.d.R. anzunehmen ist, 850 wenn das Gebäude unter Einhaltung der gültigen Bauvorschriften errichtet wurde (§ 536 BGB Rz. 98), kann sich die Frage stellen, ob der Mieter im Einzelfall das Auftreten von Feuchtigkeit und Schimmel

2261 2262 2263 2264 2265 2266 2267 2268 2269

BGH v. 5.12.2018 – VIII ZR 271/17, MDR 2019, 150 = WuM 2019, 25. LG Köln v. 26.3.2008 – 10 S 190/07, MietRB 2009, 35 = ZMR 2008, 629. LG Gießen v. 2.4.2014 – 1 S 199/13, IMR 2014, 369. LG Konstanz v. 20.1.2012 – 61 S 217/12, ZMR 2013, 803; AG Nürtingen v. 9.6.2010 – 42 C 1905/09, MietRB 2011, 40, zitiert nach juris. LG Kleve v. 9.1.2003 – 6 S 329/01, WuM 2003, 142. Vgl. dazu Isenmann, WuM 2003, 143. LG Berlin v. 23.5.2014 – 65 S 524/13, GE 2014, 1008. LG Lübeck v. 7.3.2014 – 1 S 106/13, WuM 2014, 329 = GE 2014, 1454. LG Neubrandenburg v. 2.4.2002 – 1 S 297/01, WuM 2002, 309.

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§ 535 Rz. 850 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags nur mit unzumutbaren Anstrengungen vermeiden kann2270. Ist das der Fall, besteht kein Schadensersatzanspruch gegen den Mieter. Keinesfalls führt dies zur Minderung gem. § 536 BGB2271. Andernfalls muss der Mieter im Rahmen seiner Schadensersatzpflicht aus § 280 Abs. 1 BGB die aufgetretenen Phänomene (Schimmel etc.) selbst beseitigen. Liegt daneben auch eine Ursache aus dem Risikobereich des Vermieters vor, kann der Schadensersatzanspruch auf Reduzierung der Minderungsquote gerichtet sein (vgl. § 536 BGB Rz. 123). Der Vermieter kann seinen Beitrag zur Vermeidung hoher Luftfeuchtigkeit auch dadurch leisten, dass er zum Austausch der Luft eine Lüftungsanlage einbaut2272. 850a Welches Wohnverhalten unzumutbar ist, kann nicht abstrakt, sondern muss konkret anhand des ver-

tragsgemäßen Gebrauchs im Einzelfall untersucht werden2273. Ausgangspunkt der Überlegungen ist insoweit, dass der Mieter den Umfang seiner Obhutspflicht an der konkreten Mieteinheit auszurichten hat. Hat er z.B. durch Verwendung einer Vinyltapete, die die vorhandene Schimmelanfälligkeit verstärkt, ohne die die bauseitige Schimmelursache jedoch unproblematisch wäre, muss er durch eine entsprechende Tapezierung „ungefährliche“ Zustände herbeiführen2274. 850b Dem Mieter ist zumutbar, in den einzelnen Räumen ein Raumklima zu schaffen, bei dem eine durch-

schnittliche Zimmertemperatur von 20 °C herrscht und die in den Räumen produzierte Feuchtigkeit durch maximal zweimaliges2275 bzw. dreimaliges Stoßlüften2276 (Lüften bei geöffneten Fensterflügeln2277) von 10–15 Minuten täglich ausgeglichen wird2278. Selbst das fünf- bis sechsmalige Lüften täglich soll verlangt werden können2279, wobei die Zahl der notwendigen Lüftungsvorgänge nicht mit der Anzahl der Bewohner zu multiplizieren ist2280. Soweit im Einzelfall weitere Maßnahmen erforderlich sind, darf zunächst nicht außer Acht gelassen werden, dass es allgemein üblich ist (§ 291 ZPO), nach Vorgängen, die mit einer besonders starken Feuchtigkeitsentwicklung verbunden sind, wie Kochen, Duschen, Baden, Waschen und Wäschetrocknen, den davon betroffenen Raum sogleich zu lüften, um die vermehrte Feuchtigkeit durch Luftaustausch alsbald aus der Wohnung zu entfernen2281. Im Hinblick darauf kommt es darauf an, wie oft solche Vorgänge in der Wohnung stattfinden und wie lange sie dauern oder welche Maßnahmen ansonsten getroffen werden müssen. Denn je häufiger und länger sie vorkommen, umso mehr ist der Mieter gehalten, für einen ausreichenden Luftaustausch zu sorgen. Deshalb können nicht abstrakt generell Maßstäbe für ein unzumutbares Wohnverhalten des Mieters aufgestellt werden2282. Umso mehr ist es verfehlt anzunehmen, dass der Mieter prinzipiell weder bauliche Maßnahmen vornehmen muss, noch es ihm grundsätzlich zumutbar ist, mehrmals am Tag im Abstand von wenigen Stunden stoßzulüften oder sämtliche Räume ständig mit einer Temperatur von mehr als 20 °C zu beheizen2283. Allein eine Berufstätigkeit des Mieters ist insoweit auch nicht ausschlaggebend2284. Selbst wenn während der (berufsbedingten) Abwesenheit des Mieters gelüftet werden muss, ist zu beachten, dass die Obhutspflicht deshalb nicht ruht2285 (§ 535 BGB Rz. 838).

2270 BGH v. 5.12.2018 – VIII ZR 271/17, MDR 2019, 150 = WuM 2019, 25. 2271 A.A. LG Hamburg v. 29.8.1997 – 311 S 88/96, NZM 1998, 571 = NJW-RR 1998, 1309. 2272 LG Gießen v. 2.4.2014 – 1 S 199/13, WuM 2014, 331 = juris Rz. 13; AG Halle v. 8.11.2016 – 95 C 1634/15, ZMR 2017, 64. 2273 BGH v. 5.12.2018 – VIII ZR 271/17, MDR 2019, 150 = WuM 2019, 25; LG Konstanz v. 20.1.2012 – 61 S 217/12, ZMR 2013, 803. 2274 A.A. AG Köln v. 7.10.2014 – 211 C 446/13, WuM 2016, 615. 2275 LG Lübeck v. 17.11.2017 – 14 S 107/17, IMR 2018, 95 (Börstinghaus). 2276 LG Konstanz v. 20.12.2012 – 61 S 21/12 A, MietRB 2013, 289 = NZM 2013, 506. 2277 Zu den technischen Anforderungen: Künzel, NZM 2013, 499. 2278 Zum Lüften vgl. OLG Frankfurt v. 11.2.2000 – 19 U 7/99, NZM 2001, 39. 2279 LG Hagen v. 19.7.2012 – 1 S 53/12, DWW 2012, 263; a.A. LG Berlin v. 15.4.2016 – 65 S 400/15, WuM 2016, 416; LG Dortmund v. 25.9.2012 – 1 S 73/11, ZMR 2013, 718. 2280 LG Berlin v. 15.4.2016 – 65 S 400/15, WuM 2016, 416. 2281 BGH v. 5.12.2018 – VIII ZR 271/17, MDR 2019, 150 = WuM 2019, 25. 2282 BGH v. 5.12.2018 – VIII ZR 271/17, MDR 2019, 150 = WuM 2019, 25. 2283 A.A. LG Lüneburg v. 22.11.2000 – 6 S 70/00, WuM 2001, 465; LG Hamburg v. 29.8.1997 – 311 S 88/96, NZM 1998, 571 = NJW-RR 1998, 1309. 2284 LG Frankfurt v. 7.2.2012 – 2-17 S 89/11, WuM 2012, 266 (268); vgl. auch OLG Frankfurt v. 11.2.2000 – 19 U 7/99, NZM 2001, 39 (dreimal tägliches Lüften zumutbar). 2285 A.A. LG Frankfurt v. 16.1.2015 – 2-17 S 51/14, WuM 2015, 665 = ZMR 2015, 306.

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B. Wohnraummiete | Rz. 852 § 535

Ebenso wenig ist das nächtliche Offenhalten der Schlafzimmertür per se unzumutbar2286. Viemehr kommt es darauf an, inwieweit dies dem Mieter im Einzelfall zur Wahrung seiner Intimsphäre unzumutbar ist. Letzteres kann z.B. bei einer Einzelperson kaum angenommen werden. Dem Mieter ist auch der Einsatz technischer Geräte bei der Wohnraumnutzung grundsätzlich zumut- 850c bar. Dabei ist zu berücksichtigen, dass teilweise Klimageräte bereits zur Wohnungsausstattung gehören. Deshalb ist auch das Aufstellen zusätzlicher Heizgeräte zumutbar. Ist tagsüber regelmäßig eine Person in der Wohnung, kann die Notwendigkeit, mit Hilfe eine Hydrometers die Raumluftfeuchtigkeit zu kontrollieren, um ggf. durch weiteres Lüften zu reagieren, nicht als unzumutbar gewertet werden2287. Ansonsten kommt es darauf an, inwieweit bei Abwesenheit überhaupt eine Erhöhung der Luftfeuchtigkeit eintreten kann. In allen Fällen ist zu prüfen, inwieweit einer Sättigung der Raumluft durch den (gelegentlichen Betrieb eines Entfeuchtungsgerätes entgegengewirkt werden kann. Es ist auch nicht per se unzumutbar, wenn die Gebrauchstauglichkeit eines Wohnraums nur dadurch 851 erreicht werden kann, dass handelsübliche Möbel mit erheblichem Abstand von der Wand aufgestellt werden2288. Maßgeblich ist zunächst, ob dazu abweichende Vereinbarungen getroffen wurden2289. Denn Wohnräume müssen zwar grundsätzlich in üblicher Art eingerichtet werden können2290. Dazu gehört, dass ein bodenbündig abschließender handelsüblicher Schrank auch vor einer Außenwand platziert werden darf. Lässt sich der Schaden für die Mietsache z.B. durch Schimmelbildung nur vermeiden, indem der Schrank entweder überhaupt nicht an die Außenwand oder stets erheblich hiervon abgerückt aufgestellt wird, ist das Zimmer zwar nicht mehr uneingeschränkt gebrauchstauglich. Daraus entsteht aber nur dann eine Gebrauchsbeeinträchtigung i.S.v. § 536 BGB, wenn es im Einzelfall nicht zumutbar ist, den Raum in einer anderen Anordnung zu möblieren. Letzteres schuldet der Mieter im Rahmen seiner Obhutspflicht im konkreten Mietobjekt. Selbst wenn das Umstellen oder Abrücken von Möbeln von den Außenwänden die zur Verfügung stehende Nutzfläche verringert, kann dies überhaupt nur relevant sein, wenn dadurch ein Wohnflächenverlust von mehr als 10 % entsteht2291 (§ 536 BGB Rz. 233). Kein Schadensersatzanspruch besteht für den Vermieter wegen der Einholung eines Privatgutachtens 851a über die Ursache der Schimmelbildung während eines laufenden Zivilprozesses, in dem über die nämliche Fragestellung gestritten wird. Allerdings kann der Vermieter vom Mieter Schadensersatz bei unberechtigter (fristloser) Kündigung verlangen2292. cc) Abschließen der Haustür Die Hauseingangstür muss regelmäßig nach dem Ein- und Austritt des Gebäudes geschlossen wer- 852 den, um den ungehinderten Zugang Dritter zum Gebäude zu verhindern. Ob und ggf. ab wann eine Pflicht zum Abschließen der Haustür über die Nacht besteht, wird in der Praxis nicht einheitlich gesehen. Dies beruht auf der unterschiedlichen Interessenlage der nutzenden Personen. Auf der einen Seite wird das Sicherungsbedürfnis der Bewohner/Nutzer vor unbefugtem Zutritt, möglichen Einbrüchen und Überfällen durch Personen, die sich unberechtigten Zutritt verschaffen, angeführt. Dem steht auf der einen Seite das Interesse gegenüber, Rettungs- und Fluchtwege sowie den Zugang für Rettungskräfte möglichst ungehindert zu gewährleisten.

2286 A.A. LG Bochum v. 19.7.2016 – I-11 S 33/16, WuM 2016, 614. 2287 A.A. LG Frankfurt v. 14.9.2010 – 19 S 22/09, ZMR 2011, 125; AG Hamburg-Wandsbek v. 29.5.2000 – 712D C 27/99, NZM 2000, 906. 2288 BGH v. 5.12.2018 – VIII ZR 271/17, MDR 2019, 150 = WuM 2019, 25; a.A. LG Lüneburg v. 22.11.2000 – 6 S 70/00, WuM 2001, 465. 2289 LG Gießen v. 2.4.2014 – 1 S 199/13, IMR 2014, 369. 2290 LG Gießen v. 2.4.2014 – 1 S 199/13, WuM 2014, 331; LG Lübeck v. 7.3.2014 – 1 S 106/13, WuM 2014, 329; LG Hamburg v. 10.4.1984 – 16 S 211/83, WuM 1985, 21. 2291 A.A. LG Nürnberg-Fürth v. 28.8.1987 – 7 S 10158/86, WuM 1988, 155; LG Hamburg v. 1.12.1987 – 16 S 122/87, WuM 1988, 353; AG Neuss v. 30.6.1986 – 30 C 303/85, WuM 1987, 215; AG Bochum v. 24.3.1983 – 63 C 265/82, WuM 1985, 25. 2292 AG Nürtingen v. 9.6.2010 – 42 C 1905/09, MietRB 2011, 40.

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§ 535 Rz. 853 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags 853 In der Hausordnung eines Mehrfamilienhauses kann vorgesehen werden, dass die Haustür innerhalb

der Nachtstunden (ab 22 Uhr) aus Sicherheitsgründen von den Mietern verschlossen werden muss2293. Eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 BGB liegt auch nicht vor, wenn diese Pflicht allein dem Erdgeschossmieter überbürdet wird2294. Brandschutzrechtliche Bestimmungen können insoweit nicht in die Bewertung einfließen, da deren Überwachung allein den Behörden obliegt2295. Eine abgeschlossene Haustür begründet auch keinen den vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigenden Mangel der Mietsache2296. Die Pflicht, die Haustüre abzuschließen, besteht auch ohne Hausordnung, wenn ein Versicherer des Vermieters oder eines Mieters dies verlangt und der Betroffene ansonsten seinen Versicherungsschutz zu verlieren droht2297. Die Nichtbeachtung durch einen Mieter begründet im Zweifel keinen wichtigen Grund i.S.v. § 543 Abs. 1 BGB2298. 854 Andererseits kann es die Eigenart der Nutzung (z.B. Gewerberäume, Alters- oder Altenwohnheim)

zum vertragsgemäßen Gebrauch erfordern, dass jedenfalls zu den üblichen Geschäfts- oder Besuchszeiten die Hauseingangstür geöffnet ist und den Kunden oder Besuchern nicht erst über eine Schließanlage auf Klingeln Zugang gewährt werden muss2299. 3. Gebot der Rücksichtnahme a) Allgemeines 855 Aus dem Gebot der Rücksichtnahme, das ebenfalls eine Nebenpflicht aus § 241 Abs. 2 BGB zum Miet-

vertrag darstellt, folgt, dass der Mieter den Hausfrieden nicht stören darf. Dazu hat er sein Wohnverhalten, also seine Nutzung, so einzustellen, dass andere Mieter nicht gestört werden. Deshalb hat er vermeidbare Lärmbelästigungen zu unterlassen, darf er Gemeinschaftsflächen nicht übermäßig nutzen oder für eine Allein- oder Sondernutzung okkupieren sowie Mitbewohner nicht beleidigen. Die vielfältigen Verfehlungen, die der Mieter hier begehen kann, sind in § 541 BGB Rz. 85 ff. behandelt. b) Hausordnung 856 Die einzuhaltenden Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs mit Blick auf das Gebot der Rücksicht-

nahme kann der Vermieter im Rahmen des § 307 BGB in einer Hausordnung festlegen. Die Formularklausel „Die anliegende Hausordnung ist Bestandteil des Vertrages“ verstößt aber gegen § 309 Nr. 12b BGB2300. Deshalb muss eine wirksame Einbeziehung gem. § 305 BGB erfolgen. 857 In einer Hausordnung erwartet der (durchschnittliche) Mieter in der Regel Bestimmungen über die

Organisation des Zusammenlebens in einem Mehrfamilienhaus, etwa die Reihenfolge der wöchentlichen Vergabe des Schlüssels zur Waschküche zur Durchführung der „großen Wäsche“2301. Deshalb sind Klauseln in einer Hausordnung als überraschend i.S.v. § 305c BGB zu werten2302, wenn sie Pflichten mit Entgeltcharakter und/oder Haftungsrisiko enthalten. Das trifft z.B. für die Übertragung der Reinigungspflicht bei Schnee und Eis zu2303. Schon von ihrer Bedeutung her erwartet der durchschnittliche Mieter ihre Begründung nicht in der Hausordnung2304. Deshalb kann sie nur im Mietvertrag begründet werden. Allenfalls der Reinigungsturnus kann in der Hausordnung geregelt werden. Einseitige 2293 2294 2295 2296 2297 2298 2299 2300 2301 2302 2303 2304

Vgl. auch Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 308; nicht eindeutig: Bub/Treier/Bub, II Rz. 1525. LG Köln v. 25.7.2013 – 1 S 201/12, ZMR 2014, 541. LG Köln v. 25.7.2013 – 1 S 201/12, ZMR 2014, 541; zweifelnd Horst, WE 2008, 110. AG Hannover v. 20.3.2007 – 544 C 8633/06, WuM 2010, 446. Vgl. dazu LG Trier v. 25.8.1992 – 1 S 77/92, WuM 1993, 192. LG Trier v. 25.8.1992 – 1 S 77/92, WuM 1993, 192. LG Itzehoe v. 9.7.2009 – 7 O 191/08, ZMR 2010, 191. BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = WuM 1991, 381 (384); ebenso OLG Celle v. 29.12.1989 – 2 U 200/88, WuM 1990, 103 (105). Mayer/Eichel/Klinck, NZM 2018, 689 (691). AG Schwelm v. 14.11.1990 – 27 C 32/90, WuM 1990, 86. LG Berlin v. 8.3.2016 – 63 S 213/15, GE 2016, 531; vgl. auch OLG Dresden v. 20.6.1996 – 7 U 905/96, WuM 1996, 553 = NJWE-MietR 1996, 241. OLG Dresden v. 20.6.1996 – 7 U 905/96, WuM 1996, 553; LG Frankfurt v. 3.11.1987 – 2/11 S 136/87, NJWRR 1988, 782; AG Köln v. 14.9.2011 – 221 C 170/11, MDR 2012, 395; AG Köln v. 27.1.2011 – 210 C 107/10,

282 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 862 § 535

Beschränkungen für den Gebrauch der Mieträume oder sonstige Pflichten, die über die Vereinbarungen des bisherigen Mietvertrages hinausgehen, können in der Hausordnung nicht wirksam geregelt werden2305. Deshalb kann in der Hausordnung in der Regel nicht wirksam bestimmt werden, dass das Aufstellen von Waschmaschinen und/oder das Wäschetrocknen in der Wohnung unzulässig ist2306. Damit verbleibt als zulässiger Inhalt der Hausordnung vor allem die verbindliche Regelung der all- 858 gemeinen Ruhezeiten2307. Von dieser Zeit, von der der Sonntag sowie an Werktagen die Zeiten von 13– 15 Uhr und von 22–6 Uhr erfasst werden, soll grundsätzlich das Wohnverhalten so eingerichtet werden, dass andere Mieter im Haus z.B. schlafen können, jedenfalls nicht vermeidbar gestört werden. Deshalb ist in diesen Zeiten der Betrieb größerer Haushaltsgeräte (z.B. Waschmaschine) und das Musizieren2308 (§ 535 BGB Rz. 801) untersagt. Der Vermieter kann sich vorbehalten, die Hausordnung2309, die Waschordnung oder andere Benutzer- 859 ordnungen zu ändern2310. Maßgeblich – auch für die Beurteilung nach § 307 BGB – ist, dass die Befugnis zur Änderung an § 315 BGB orientiert ist, also von sachlichen Gründen oder Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit abhängig ist. Allein der Vorbehalt aus „sachlichen Gründen“ kann jedoch gegen § 308 Nr. 4 BGB verstoßen2311. Denn der Begriff als solcher ist intransparent. Im Übrigen muss ersichtlich sein, dass die Änderung nur für die Zukunft und mit angemessener Frist eintritt, die den Mietern die Möglichkeit einräumt, die Änderung umzusetzen2312. 4. Reinigungs- und Sorgfaltspflichten a) Reinigung der Mieträume Grundsätzlich folgt bereits aus der Obhutspflicht, dass der Mieter die Mieträume regelmäßig reinigen 860 muss. Welche Regeln dafür gelten, hängt vom Einzelfall ab. Überzogene Reinheitsanforderungen des Vermieters können keinen allgemeinen Maßstab begründen. Vielmehr ist zu beachten, dass das Gesetz ausdrücklich nur die Verwahrlosung sanktioniert, § 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Bis zu diesem Stadium ist alles zulässig, was andere Mieter oder Nachbarn nicht beeinträchtigt und die Mietsache nicht gefährdet. Räumlich bezieht sich die Reinigungspflicht auf das Innere der Wohnung einschließlich Balkon oder 860a sonstigen Austritten. Dazu gehören auch die Fenster, die der Mieter auch von außen reinigen muss. Letzteres gilt selbst dann, wenn die Fenster nur teilweise geöffnet werden können und eine Reinigung nur unter Zuhilfenahme von besonderen technischen Gerätschaften möglich ist2313. Vor diesem Hintergrund muss der Mieter z.B. dafür Sorge tragen, dass Wasser vom Balkon über eine 861 dort vorgesehene Einrichtung abfließen kann2314. Kommt es wegen einer Verstopfung der Einrichtung zu Wasserschäden in der darunterliegenden Wohnung, haftet der Mieter auf Schadensersatz. Sind besondere Reinigungen durchzuführen, etwa wegen der besonderen Qualität der Einrichtungen 862 (z.B. besondere Bodenbeläge oder die Verwendung besonderer [Kunststoff-]Wandbeschichtungen), bedarf es regelmäßig einer Aufklärung bzw. Pflegeanleitung2315 durch den Vermieter, bevor eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden kann.

2305 2306 2307 2308 2309 2310 2311 2312 2313 2314 2315

MietRB 2011, 140; a.A. OLG Frankfurt v. 22.9.1989 – 16 U 123/87, NJW 1989, 41; LG Magdeburg v. 1.8.1990 – 5 S 58/90, NJW-RR 1990, 1484. AG Friedberg v. 17.8.1978 – C 927/78, WuM 1980, 85. LG Düsseldorf v. 18.4.2008 – 21 T 38/08, WuM 2008, 547. Mayer/Eichel/Klinck, NZM 2018, 689 (691). BGH v. 26.10.2018 – V ZR 143/17, MDR 2019, 23 = MietRB 2019, 2 = NZM 2019, 86. Gelhaar, ZMR 1981, 234. Bub/Treier/Kraemer/von der Osten, III Rz. 2564 m.w.N. LG Freiburg v. 10.12.2013 – 9 S 60/13, MietRB 2014, 98 = IMR 2014, 52. BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, MDR 1984, 395 = NJW 1984, 1182. BGH v. 21.8.2018 – VIII ZR 188/16, MietRB 2018, 353 = WuM 2018, 710 = GE 2018, 1393 = NZM 2018, 900. AG Berlin-Neukölln v. 5.10.2011 – 13 C 197/11, GE 2011, 1557. AG Düsseldorf v. 29.11.2007 – 47 C 15554/06, zitiert nach juris.

Lützenkirchen | 283

§ 535 Rz. 863 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags b) Reinigung allgemein genutzter Flächen 863 Die Übertragung der Reinigungspflicht für Schnee und Eis auf Haustreppe und Zugang ist in der Haus-

ordnung überraschend (§ 305c BGB) und muss daher im Mietvertrag begründet werden2316. Allenfalls der Reinigungsturnus (z.B. für das Treppenhaus) kann in der Hausordnung geregelt werden2317. Der Vermieter kann sich in der Hausordnung vorbehalten, die Waschordnung zu ändern. Zur Räum- und Streupflicht § 535 BGB Rz. 455 f. 5. Duldungspflichten 864 Aus der Vermieterpflicht zur Gewährung des vertraglich festgelegten Gebrauchs folgt, dass der Mieter

vom Vermieter grundsätzlich die Unterlassung jeglicher Einwirkung auf die Mietsache verlangen kann2318. Andererseits kann der Vermieter seine Erhaltungspflicht nicht erfüllen, wenn er die Mietsache nicht betreten kann. Deshalb regelt bereits § 555a BGB eine Duldungspflicht für Maßnahmen zur Erhaltung der Mietsache. Auch das Besichtigungsrecht (vgl. § 535 BGB Rz. 807 f.) stellt dazu eine Ausnahme dar2319. 865 Auch hierher gehört die Duldungspflicht des Mieters, wenn der Vermieter eine Modernisierung der

Mietsache realisieren will. Die dafür relevanten Anforderungen regeln die §§ 555b ff. BGB. Schließlich regelt das Gesetz in § 4 HeizkV die Pflicht des Vermieters, die Räume mit Ausstattungen zur Verbrauchserfassung zu versehen. Dies haben Nutzer – auch wiederholt – zu dulden, § 4 Abs. 2 S. 1 HeizkV2320. 866 Eine Duldungspflicht des Mieters ergibt sich ferner bei der Durchsetzung des Vermieterpfandrechts

nach §§ 562 ff. BGB. Hier muss der Mieter die Beschlagnahme im Rahmen der Gesetze, die Inventarisierung und die Wegschaffung zum Zwecke der Verwertung nach den §§ 1228 ff. BGB dulden. 867 Für andere bauliche Maßnahmen kann sich eine Duldungspflicht aus Treu und Glauben (§ 242 BGB)

ergeben. Dies ist insbesondere der Fall, wenn dem Vermieter ein Zuwarten mit der beabsichtigten Maßnahme nicht zumutbar ist2321. Derartige bauliche Maßnahmen liegen z.B. vor, wenn die zuständige Umweltbehörde dem Vermieter unter Androhung eines Bußgeldes aufgibt, Wohnungen in anderen Geschossen an die vorhandene Zentralheizung anzuschließen2322. Dass zu diesem Zweck die Heizungsrohre durch die zwischen den beiden Geschossen liegende Wohnung geführt werden müssen und deshalb in der betreffenden Wohnung entsprechende Bauarbeiten durchzuführen sind, liegt auf der Hand. Die Durchführung dieser Arbeiten muss der Mieter dieser Wohnung jedenfalls gemäß § 242 BGB grundsätzlich dulden. Aus dieser grundsätzlichen Duldungspflicht des Mieters folgt allerdings noch nicht, dass die Bauarbeiten ohne jede Rücksichtnahme auf seine Belange durchgeführt werden könnten. Auch bei einer sich aus § 242 BGB ergebenden Duldungspflicht sind die beabsichtigten Maßnahmen, soweit es sich nicht um Notmaßnahmen (Wasserrohrbruch u.Ä.) handelt, vom Vermieter vorher anzukündigen, so dass sich der Mieter nach Möglichkeit darauf einstellen kann2323. Die Anforderungen an die Ankündigung des Vermieters richten sich dabei nach den Umständen des Einzelfalls, der Dringlichkeit und dem Umfang der Maßnahme; der Mieter seinerseits ist nach Treu und

2316 AG Köln v. 14.9.2011 – 221 C 170/11, MDR 2012, 395, zitiert nach juris; AG Köln v. 27.1.2011 – 210 C 107/ 10, MietRB 2011, 140; AG Schwelm v. 14.11.1990 – 27 C 32/90, WuM 1990, 86. 2317 LG Frankfurt v. 3.11.1987 – 3/11 S 136/87, NJW-RR 1988, 782; a.A. OLG Frankfurt v. 22.8.1988 – 16 U 123/ 87, NJW-RR 1989, 41. 2318 BGH v. 23.2.1972 – VIII ZR 91/70, NJW 1972, 723. 2319 OLG Düsseldorf v. 12.8.2008 – 24 U 44/08, MDR 2008, 1330 = MietRB 2009, 63 = GE 2008, 1326 = GuT 2008, 345. 2320 Vgl. dazu BGH v. 12.5.2010 – VIII ZR 170/09, MDR 2010, 917 = MietRB 2010, 290 = WuM 2010, 427 = GE 2010, 973 = ZMR 2010, 751. 2321 Auch MünchKomm/Bieber, § 554 BGB Rz. 6; Staudinger/Emmerich, § 554 BGB Rz. 2; Blank/Börstinghaus, § 554 BGB Rz. 1; Sternel, NZM 2001, 1058 (1060). 2322 BGH v. 4.3.2009 – VIII ZR 110/08, MDR 2009, 738 = MietRB 2009, 191 = WuM 2009, 290 = GE 2009, 646 = NZM 2009, 394. 2323 BGH v. 4.3.2009 – VIII ZR 110/08, MDR 2009, 738 = MietRB 2009, 191 = WuM 2009, 290 = GE 2009, 646 = NZM 2009, 394.

284 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 872 § 535

Glauben verpflichtet, an einer baldigen Terminabstimmung mitzuwirken, damit die erforderlichen baulichen Maßnahmen zeitnah durchgeführt werden können. Schließlich können sich Duldungspflichten aus dem Gebot der Rücksichtnahme (§§ 241 Abs. 2, 242 868 BGB) ergeben. Dies ist etwa bei § 554a BGB der Fall, wenn ein behinderter Mieter im Haus auf den Gemeinschaftsflächen bauliche Maßnahmen durchführt. Hier kann der Gemeinschaftsgebrauch z.B. durch die Installation eines Treppenlifts beschränkt sein. Aber auch die Duldung von Klavierspiel in Nachbarwohnungen o.Ä. gehört hierher. Wie schon die gesetzlich geregelten Beispiele zeigen, sind die Grenzen der Duldung durch Abwägung 869 der beteiligten Interessen (in der Regel Mieter und Vermieter) zu ermitteln. Nur ausnahmsweise sind Belange Dritter oder sogar übergeordnete Interessen, wie sie z.B. im Rahmen des § 555d BGB hinsichtlich der Energieeffizienz und des Klimaschutzes zu berücksichtigen sind, relevant. Insbesondere, wenn sich andere Mieter gegenüber dem Vermieter erfolgreich auf das Gebot der Rück- 870 sichtnahme berufen haben, indem sie darüber einen Titel geschaffen haben, oder der Sondereigentümer durch die Eigentümergemeinschaft verpflichtet wird, ein Verhalten des Mieters oder von ihm geschaffene Zustände zu beseitigen, kann der Vermieter grundsätzlich im Verhältnis zum Mieter eine Beseitigung oder Unterlassung nach § 541 BGB in der Regel durchsetzen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Interessen des Mieters in dem Verfahren Berücksichtigung gefunden haben, was spätestens bei einer Streitverkündung anzunehmen ist.

IX. Mietzahlungspflicht 1. Miete als Gegenleistung Die Miete ist von ihrer gesetzgeberischen Ausgestaltung her eine Inklusivmiete, so dass die aus der 870a Gebrauchsgewährung herrührenden Kosten grundsätzlich mit der vereinbarten Miete abgegolten werden2324. Davon abweichende Vereinbarungen sind im Rahmen der durch § 556 BGB gesetzten Grenzen zulässig. Der Anspruch auf Mietzahlung entsteht durch den Abschluss des Mietvertrages, soweit die Regelung 870b wirksam ist. Dies ergibt sich – bei Vorliegen der Voraussetzungen – nicht nur aus § 117 BGB (sog. Schwarzgeldgeschäfte), sondern auch aus dem Zweck der Verbotsregelungen, die nach § 134 BGB zur Unwirksamkeit der Mietvereinbarung führen können. Insoweit kommen insbesondere in Betracht §§ 138 Abs. 2, 556g Abs. 1, 557 Abs. 4 BGB (z.B. einkommensabhängige Miete2325), § 5 WiStrG (vgl. Anhang zu § 535 BGB), § 291 StGB. Die nach § 535 Abs. 2 BGB geschuldete Miete stellt die vereinbarte Gegenleistung des Mieters für die 871 Überlassung und Erhaltung der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch dar. Sie muss nicht in Geld vereinbart sein – wenngleich dies in aller Regel der Fall ist. Auch die Gewährung anderer Vorteile durch den Mieter kann eine Gegenleistung i.S.v. § 535 Abs. 2 BGB begründen2326. Der Anspruch auf Mietzahlung entsteht durch den Abschluss des Mietvertrages und ist hinsichtlich der für die vereinbarten Zeitabschnitte geschuldeten Beträge grundsätzlich als aufschiebend befristete Forderung anzusehen2327. Diese Betrachtung ist u.a. für die Berechnung der Frist nach § 110 Abs. 1 InsO relevant2328. Die Leistungspflicht nach § 535 Abs. 2 BGB ist Hauptpflicht, die hinsichtlich der Fälligkeit durch 872 § 556b Abs. 1 BGB ergänzt wird. Soweit keine anderweitigen Vereinbarungen bestehen (z.B. § 556 Abs. 1 BGB), werden durch die vereinbarte Miete alle Leistungen des Vermieters abgegolten, insbesondere die auf der Mietsache ruhenden Lasten (§ 535 Abs. 1 S. 3 BGB).

2324 Vgl. BGH v. 2.5.2012 – XII ZR 88/10, MDR 2012, 833 = MietRB 2012 = 190 = NJW-RR 2012, 1034 Rz. 13; BT-Drucks. 14/4553, S. 50; MünchKomm/Schmid/Zehelein, 7. Aufl., § 556 BGB Rz. 5. 2325 LG Berlin v. 26.3.2015 – 67 S 77/15, MDR 2015, 699 = MietRB 2015, 166 = ZMR 2015, 615. 2326 OLG Köln v. 14.2.1996 – 11 U 219/95, DWW 1996, 189. 2327 BGH v. 25.4.2013 – IX ZR 62/12, MDR 2013, 813 = NZM 2013, 541 (543) m.w.N. 2328 Im Gegensatz zur Leasingrate, die als wegen der feststehenden Höhe und der begrenzten Laufzeit als betagte Forderung gewertet wird (BGH v. 3.6.1992 – VIII ZR 138/91, MDR 1992, 847 = NJW 1992, 2150 m.w.N.).

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§ 535 Rz. 872a | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags 872a Die Mietzahlung ist keine höchstpersönliche Pflicht des Mieters. Deshalb kann sie auch durch Dritte

erbracht werden (§ 267 BGB). Das ist insbesondere der Fall, wenn eine Sozialbehörde (z.B. Jobcenter) für den Mieter die Miete (teilweise) entrichtet. Bei rechtsgrundloser Zahlung (z.B. wegen § 536 BGB) erfolgt demnach grundsätzlich eine Rückerstattung innerhalb der bestehenden Leistungsbeziehungen über § 812 BGB. Hat die Sozialbehörde aber nach Beendigung des Mietvertrages versehentlich eine weitere Miete geleistet, kann sie nach § 812 Abs. 1 S. 2 BGB unmittelbar gegen den Vermieter vorgehen, da die Leistungsbeziehung zwischen Vermieter und Mieter erloschen ist2329. a) Arten der Gegenleistung 873 Es ist nicht unbedingt erforderlich, dass Miete in Geld gezahlt wird, wenngleich dies in der Praxis in der

ganz überwiegenden Anzahl der Fälle zutrifft. Auch Dienstleistungen oder andere, dem Vermieter gewährte Vorteile (z.B. Einkaufsrabatt) fallen unter den Mietbegriff. Die Gegenleistung kann auch in der Gebrauchsüberlassung eines Grundstücks2330 zu sehen sein oder in der Verpflichtung, als Gegenleistung für die Gebrauchsüberlassung verschiedene Gegenstände zu übereignen2331. Prägend für die Annahme einer Miete i.S.v. § 535 Abs. 2 BGB ist der Entgeltcharakter der Leistung des Mieters. Fehlt es daran, ist von einer Leihe gemäß § 605 BGB auszugehen. 874 Bei der Aufnahme von Angehörigen kann die Gebrauchsüberlassung im Übrigen auch die Erfüllung

einer Unterhaltspflicht (vgl. § 1624 BGB) darstellen. Auch dann fehlt es an einer Gegenleistung des Nutzers i.S.v. § 535 Abs. 2 BGB, so dass kein Mietvertrag vorliegt. 875 Die Miete kann in einer einmaligen Leistung2332 (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 902), aber auch in wieder-

kehrenden Leistungen bestehen. Eine im Voraus zu erbringende Einmalleistung des Mieters wird in der Regel nur bei von vornherein feststehender Mietdauer in Betracht kommen2333. b) Ermittlung der Höhe der Miete 876 Zur wirksamen Begründung eines Mietvertrages ist es grundsätzlich nicht erforderlich, dass sich die

Parteien über eine Miete in bestimmter Höhe einigen. Es reicht aus, wenn die Miete nach der Parteivereinbarung bestimmbar ist2334. Das kann bereits dann der Fall sein, wenn sich die Parteien über die Entgeltlichkeit der Gebrauchsüberlassung einig sind. Dann nämlich gilt grundsätzlich eine angemessene oder ortsübliche Miete als vereinbart2335. Angemessen ist die orts- und marktübliche Miete, die für vergleichbare Objekte bei Neuabschluss üblicherweise verlangt und gezahlt wird2336. Diese ist grundsätzlich durch Vergleich mit den Mieten für andere vergleichbare Objekte festzustellen und nicht nach § 558 Abs. 2 BGB zu ermitteln. Denn diese Vorschrift legt die Miethöhe der ortsüblichen Vergleichsmiete fest, an der sich der Anspruch auf Mieterhöhung im laufenden Mietverhältnis orientiert. Darin werden nicht nur Neuvermietungsmieten, sondern auch Bestandsmieten berücksichtigt. 877 Die Bestimmung der Miethöhe kann gemäß § 315 BGB durch Vereinbarung einer Mietvertragspartei

– im Zweifel dem Vermieter, § 316 BGB – oder auch einem Sachverständigen (§ 317 BGB) übertragen werden; im letzteren Fall liegt im Zweifel eine Schiedsgutachterabrede vor2337. Bei der Staffelmiete wird die Miete von vornherein für verschiedene Zeitabschnitte in unterschiedlicher Höhe festgelegt (für den preisfreien Wohnraum vgl. § 557a BGB).

878 Zahlt der Nutzer nur ein sehr niedriges Entgelt, das weit hinter den üblichen Entgelten zurückbleibt,

handelt es sich trotzdem um Miete i.S.v. § 535 Abs. 2 BGB, und zwar ggf. um eine Gefälligkeitsmie-

BGH v. 31.1.2018 – VIII ZR 39/17, MDR 2018, 395 = GE 2018, 452. BGH v. 20.5.1994 – V ZR 292/92, MDR 1994, 796. OLG Köln v. 14.2.1996 – 11 U 219/95, DWW 1996, 189. BGH v. 5.11.1997 – VIII ZR 55/97, MDR 1998, 209 = NJW 1998, 595. BGH v. 26.3.1976 – V ZR 152/74, NJW 1976, 2264. BGH v. 31.1.2003 – V ZR 333/01, MDR 2003, 561 = NJW 2003, 1317. BGH v. 2.10.1991 – XII ZR 88/90, ZMR 1992, 237. BGH v. 30.6.2004 – XII ZR 11/01, MDR 2004, 1408 = MietRB 2005, 4 = DWW 2004, 264 = NJW 1975, 1557. 2337 BGH v. 14.2.1968 – VIII ZR 189/65, WM 1968, 617. 2329 2330 2331 2332 2333 2334 2335 2336

286 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 881 § 535

te2338 und nicht um Leihe2339 (Vor § 535 BGB Rz. 14 f.). Denn die Angemessenheit ist kein Charakteristikum der geschuldeten Gegenleistung i.S.v. § 535 Abs. 2 BGB. Damit soll die Regelung nicht vergleichbar sein, die den Nutzer zur Übernahme der durch den Gebrauch verursachten Kosten (z.B. Heizung) verpflichtet, weil auch bei der Leihe der Entleiher regelmäßig die Kosten zu tragen hat, die den Gebrauch erst ermöglichen2340. Tatsächlich muss insoweit jedoch danach differenziert werden, bei wem die Kosten (z.B. in Form von Grundkosten wie die Zählermiete oder ein sonstiger Grundpreis) entstehen. Findet insoweit durch die Übernahme eine Entlastung des Vermieters statt, liegt Miete vor. Fehlt es an einer spezifizierten Vereinbarung, muss über eine Vertragsauslegung oder über die analoge Anwendung der §§ 612 Abs. 2, 632 Abs. 2 BGB die Höhe des Entgelts ermittelt werden2341. c) Abtretbarkeit der Miete Solange die Miete in einer Geldleistung besteht, ist der Anspruch auf Mietzahlung grundsätzlich jeder- 879 zeit abtretbar und kann auch im Rahmen des § 851b ZPO gepfändet werden. Eine Übertragung des Mietvertrages muss dazu nicht erfolgen2342. Wird die Gegenleistung i.S.d. § 535 Abs. 2 BGB durch höchstpersönliche Leistungen erbracht, ist von einer Unabtretbarkeit i.S.d. § 299 BGB auszugehen. Das trifft aber noch nicht auf Hausmeisterleistungen zu, die ebenso gut durch einen Dritten erbracht werden können. Bestreitet der Vermieter seinen Lebensunterhalt aus erwirtschafteten Mieteinnahmen, kann er als 879a Schuldner im Insolvenzverfahren Pfändungsschutz für sonstige Einkünfte auch dann beantragen, wenn die Mieteinkünfte im Zuge einer stillen Zwangsverwaltung an einen Gläubiger abgeführt werden, dem der Schuldner die Mietforderungen als Sicherheit abgetreten und dem er Grundschulden an den Mietobjekten bestellt hat2343. Ein Rückforderungsanspruch des Mieters ist prinzipiell abtretbar. Die Abtretung kann aber z.B. un- 879b wirksam sein, wenn sie gegen § 3 RDG verstößt. Das gilt für einen Verein, der sich mit der Überprüfung von Verstößen gegen die Meitpreisbremse befasst, selbst dann, wenn er sich auf das Regristierungsprivileg nach § 10 RDG beruft. Denn er führt i.d.R. nicht bloße Inkassoleistungen durch, sondern prüft die Rechtslage und rügt im Namen des Mieters Verstöße gegen die §§ 556d ff. BGB2344. aa) Abtretung der Miete vor Vermieterwechsel Haben der Vermieter und der Erwerber schuldrechtlich die Übertragung des Eigentums an dem Grund- 880 stück, auf dem die Mietsache liegt, begründet, können schon im Vorgriff auf den Eigentumsübergang Rechte aus einem Mietvertrag auf den Erwerber übertragen werden2345. Dies gilt auch für Ansprüche auf Miete, die abgetreten werden kann. Insoweit ist es als Abtretung zu werten, wenn in einem notariellen Vertrag vereinbart ist, dass die Rechte 881 aus einem Mietvertrag über das Kaufobjekt am Tag der Besitzübergabe auf den Erwerber übergehen sollen, obwohl der Veräußerer noch nicht Grundstückseigentümer ist2346. Diese isolierte Abtretung ist

2338 Dazu: BGH v. 20.9.2017 – VIII ZR 279/16, MietRB 2017, 345 = WuM 2017, 630 = ZMR 2018, 21 = GE 2017, 1335. 2339 BGH v. 4.5.1970 – VIII ZR 179/68, WM 1970, 853; LG Hamburg v. 1.4.1993 – 307 S 1/93, WuM 1993, 667. 2340 BGH v. 20.9.2017 – VIII ZR 279/16, MietRB 2017, 345 = WuM 2017, 630 = ZMR 2018, 21 = GE 2017, 1335; OLG Dresden v. 7.11.2002 – 4 W 1324/02, ZMR 2003, 250. 2341 BGH v. 31.1.2003 – V ZR 333/01, MDR 2003, 561 = WuM 2003, 263. 2342 BGH v. 2.7.2003 – XII ZR 34/02, MDR 2003, 1286 = MietRB 2003, 68 = NJW 2003, 2987. 2343 BGH v. 1.3.2018 – IX ZB 95/15, MDR 2018, 701 = GE 2018, 635. 2344 LG Berlin v. 28.8.2018 – 63 S 1/18, GE 2018, 1231; LG Berlin v. 26.7.2018 – 67 S 157/18, GE 2018, 1280; LG Berlin v. 3.7.2018 – 67 S 157/18, MDR 2018, 1152 = ZMR 2018, 937 = GE 2018, 1215 = NZM 2018, 868; a.A. LG Berlin v. 22.8.2018 – 65 S 83/18, WuM 2018, 644 = GE 2018, 1223; LG Berlin v. 13.8.2018 – 66 S 18/ 18, GE 2018, 1217. 2345 Palandt/Weidenkaff, § 566 BGB Rz. 6. 2346 BGH v. 2.5.2003 – XII ZR 34/02, MDR 2003, 1286 = MietRB 2003, 68 = NZM 2003, 716 = GuT 2003, 176 = ZMR 2003, 732.

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§ 535 Rz. 881 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags wirksam, auch wenn in dem Abtretungsvertrag nicht gleichzeitig ein Übergang der Pflichten aus dem Mietvertrag auf den Erwerber als Zessionar enthalten ist. 882 Nur ausnahmsweise kann gemäß § 399 HS. 1 BGB eine Abtretung ausgeschlossen sein, wenn ein

schutzwürdiges Interesse des Schuldners an der Beibehaltung einer bestimmten Gläubigerperson besteht und es für den Schuldner entscheidend darauf ankommt, wer die Leistung erbringt. So ist in einem Mietverhältnis für den Vermieter von besonderer Bedeutung, wem er den Gebrauch der Mietsache überlässt. Allein die enge Verknüpfung von Rechten und Pflichten in einem gegenseitigen Vertrag wie einem Mietvertrag rechtfertigt jedoch kein Abtretungsverbot. Dies gebietet weder der Schutzzweck des § 566 BGB noch der Schutz des Mieters, der durch § 404 BGB ausreichend gesichert ist2347. 883 Der Mieter, der zunächst im Hinblick auf die erwartete Eintragung des Zessionars im Grundbuch an

diesen die Miete bezahlt, kann sich zur Verteidigung gegen die abgetretenen Mietansprüche des Zessionars nicht darauf berufen, dass dieser keine Pflichten aus dem Mietverhältnis übernommen hat. Der Mieter ist in diesem Fall durch § 404 BGB geschützt, wonach er dem neuen Gläubiger die Einwendungen entgegensetzen kann, die zur Zeit der Abtretung der Forderung gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren, wie z.B. eine Minderung. Differenzen zwischen dem Zessionar und dem Zedenten, die namentlich in der Insolvenz des die Mietansprüche isoliert abtretenden Vermieters auftreten, belasten den Mieter nicht. Vgl. im Übrigen §§ 566a ff. BGB. 884 In der Abtretung von künftigen Mietforderungen ist keine Abtretung des Kündigungsrechts enthal-

ten, wenn es nicht ausdrücklich erwähnt wird2348. Zu dieser umstrittenen Frage2349 hat der BGH hat bisher nicht Stellung genommen, sondern nach § 140 BGB eine – unterstellt – unwirksame Abtretung in eine Ermächtigung zur Kündigung umgedeutet2350. bb) Sicherungsabtretung der Untermiete 885 Solange das Mietverhältnis besteht, hat der Vermieter keinen direkten Anspruch gegen den Unter-

mieter auf Zahlung der (Unter-)Miete2351. Aus dem Gesetz (§§ 546 Abs. 1, 292 Abs. 2, 987 Abs. 1, 99 Abs. 3 BGB) ergibt sich ein solcher Anspruch erst nach Rechtshängigkeit des Rückgabeanspruchs2352. 886 Vor diesem Hintergrund werden vielfach in Mietverträgen Formularklauseln aufgenommen, in denen

eine Sicherungsabtretung des Anspruches auf Zahlung der Untermiete geregelt wird. Regelmäßig fehlt diesen Formularklauseln aber jedenfalls dann die notwendige Bestimmtheit, wenn in der Klausel die Abtretung auf die Höhe der Untermietforderung beschränkt ist2353. Denn insoweit kommt eine Quotelung der Untermietforderung in Betracht, so dass es an einer ausreichenden Zuordnung fehlt, wem die Forderung zu welchem Teil im Augenblick ihrer Entstehung zustehen sollte. Erfasst die Abtretung die gesamte (Unter-)Mietforderung, ergibt sich im Zweifel eine Übersicherung, was zu einer unangemessenen Benachteiligung führt. Abgesehen davon muss die Klausel aus Gründen der Transparenz (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) vorsehen, dass der unpfändbare Teil der Forderung nicht erfasst wird. d) Leistungsverweigerungsrecht aa) Anwendungsbereich 887 Obwohl die Miete gemäß § 556b Abs. 1 BGB zu Beginn des Zeitabschnitts zu leisten ist, für den sie

vereinbart wurde, ist der Vermieter mit der Überlassungs- und Erhaltungspflicht vorleistungspflich-

2347 BGH v. 2.5.2003 – XII ZR 34/02, MDR 2003, 1286 = MietRB 2003, 68 = NZM 2003, 716 = GuT 2003, 176 = ZMR 2003, 732. 2348 OLG Düsseldorf v. 23.9.1999 – 10 U 93/98, ZMR 2000, 170. 2349 MünchKomm/Roth, § 399 BGB Rz. 18; Staudinger/Kaduk, § 413 BGB Rz. 35. 2350 BGH v. 10.12.1997 – XII ZR 119/96, MDR 1998, 271 = WuM 1998, 99 = ZMR 1998, 214 = NZM 1998, 146. 2351 BGH v. 13.12.1995 – XII ZR 194/93, MDR 1996, 461 = WuM 1996, 216; OLG Celle v. 7.10.1994 – 2 U 276/ 93, WuM 1995, 655. 2352 BGH v. 12.8.2009 – XII ZR 76/08, MDR 2009, 1267 = MietRB 2009, 284 = GE 2009, 1248 = ZMR 2010, 21. 2353 Hanseatisches OLG Hamburg v. 10.12.1997 – 4 U 98/97, NJW-RR 1999, 1316; OLG Celle v. 29.12.1989 – 2 U 200/88, WuM 1990, 103.

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B. Wohnraummiete | Rz. 891 § 535

tig2354. Denn auch vor dem 1.9.2001 wurde in der vertraglichen Regelung der Vorfälligkeit nur eine Festlegung des Zahlungszeitpunktes gesehen2355. Im Hinblick auf den ausdrücklich geäußerten Willen des Gesetzgebers beschränkt sich bei teleologischer Betrachtung genau darauf der Zweck und die Aussage des § 556b Abs. 1 BGB. Darüber hinaus zeigt die in § 535 BGB enthaltene Reihenfolge, wonach der Vermieter dem Mieter die Mietsache zu Beginn des Mietvertrages (und nicht erst nach Zahlung der Miete) überlassen muss, dass der Vermieter nach wie vor vorleistungspflichtig ist2356. Daraus wird zugleich deutlich, dass der Mieter gegenüber dem Anspruch des Vermieters auf Miete auch 888 die Einrede des nicht erfüllten Vertrages nach § 320 BGB neben den mietvertraglichen Gewährleistungsansprüchen erheben kann2357, wenn die Mietsache mangelhaft ist. Insoweit dient das Zurückbehaltungsrecht des § 320 BGB dazu, auf den Schuldner (Vermieter) Druck zur Erfüllung der eigenen, im Gegenseitigkeitsverhältnis zur geltend gemachten Forderung stehenden Verbindlichkeit auszuüben2358, um auf einfache Weise eine Durchsetzung seiner Ansprüche zu erreichen (vgl. Vor § 536 BGB Rz. 7 ff.). Dies betrifft die Überlassungs-, Übergabe- und Erhaltungspflicht des Vermieters. Wird diese nicht oder nicht vertragsgemäß erfüllt, kann der Mieter die Miete grundsätzlich zurückhalten, bis der Vermieter die entsprechende Leistung (vollständig) erbringt. Eine Begrenzung findet durch § 320 Abs. 2 BGB statt (Vor § 536 BGB Rz. 13). Die Funktion des Druckmittels kann ein Leistungsverweigerungsrecht jedoch nicht erfüllen, solange 889 dem Vermieter ein Mangel nicht bekannt ist2359. Aus diesem Grund kommt ein Zurückbehaltungsrecht des Mieters für einen Zeitraum, in dem er dem Vermieter den Mangel nicht angezeigt hatte und der Mangel dem Vermieter auch sonst nicht bekannt war, nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) von vornherein nicht in Betracht2360. bb) Geltendmachung des § 320 BGB Das Leistungsverweigerungsrecht kann auch stillschweigend geltend gemacht werden. Voraussetzung 890 ist aber ein eindeutiges Verhalten, das darauf abzielt, den Vermieter unter Druck zu setzen, um eine Durchsetzung der Erfüllungsansprüche aus § 535 Abs. 1 BGB zu erreichen2361. Ein solches Verhalten kann in der bloßen Nichtzahlung der Miete gesehen werden, wenn der Mieter zuvor z.B. eine Mängelbeseitigung verlangt hat. Hat er sich aber außergerichtlich allein auf Minderung wegen eines Mangels der Mietsache berufen, scheidet eine nachträgliche Rechtfertigung der Nichtzahlung mit der Einrede des § 320 BGB aus. Denn dann ist durch das Berufen auf die Minderung deutlich, dass der Mieter den Einbehalt nicht an den Vermieter auszahlen will, wie es für das Leistungsverweigerungsrecht wesensprägend ist2362. Nach Auffassung des OLG Frankfurt2363 soll das Zurückbehaltungsrecht nicht über den Zeitabschnitt 891 hinaus geltend gemacht werden können, für den die Miete vereinbart war (z.B. Monat). Denn dem Zweck des Zurückbehaltungsrechts, Druck auf den Vermieter auszuüben, soll die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts nur so lange gerecht werden können, wie es eine Verwirklichung des vertraglichen Erfüllungsanspruches tatsächlich fördern kann. Sobald dies durch Zeitablauf unmöglich geworden ist, soll ein im Ansatz begründetes Zurückbehaltungsrecht nicht mehr durchgreifen, weil anderenfalls sich sein Charakter von dem einer aufschiebenden hin zu einer faktisch rechtsvernichten2354 A.A. Lammel, § 536 BGB Rz. 5; Both in Herrlein/Kandelhard, § 556b BGB Rz. 3; Kinne in Kinne/Schach/ Bieber, § 556b BGB Rz. 4. 2355 Sternel, WuM 2002, 239 (247 ff.); Eisenschmid, WuM 2001, 218; Blank, NZM 2001, 168. 2356 LG Krefeld v. 17.3.2004 – 2 S 68/03, WuM 2004, 200 = NZM 2004, 298; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 556b BGB Rz. 12; Staudinger/Weitemeyer, § 556b BGB Rz. 15. 2357 BGH v. 18.4.2007 – XII ZR 139/05, MDR 2007, 1065 = MietRB 2007, 195 = NZM 2007, 484 m.w.N. 2358 BGH v. 3.11.2010 – VIII ZR 330/09, MDR 2011, 92 = MietRB 2011, 37 = WuM 2011, 12. 2359 BGH v. 3.11.2010 – VIII ZR 330/09, MDR 2011, 92 = MietRB 2011, 37 = WuM 2011, 12. 2360 LG Berlin v. 6.3.1998 – 65 S 386/97, NZM 1998, 475 f.; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. III 127; Schenkel, NZM 1998, 502 (504). 2361 BGH v. 7.10.1998 – VIII ZR 100/97, NJW 1999, 53; BGH v. 7.6.2006 – VIII ZR 209/05, MDR 2007, 146 = NJW 2006, 2839 (2842). 2362 BGH v. 12.3.2008 – XII ZR 147/05, MDR 2008, 909 = MietRB 2008, 232 (233) = ZMR 2008, 693. 2363 OLG Frankfurt v. 23.4.1999 – 24 U 110/97, ZMR 1999, 628.

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§ 535 Rz. 891 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags den Einrede wandeln würde. Diese Auffassung ist abzulehnen2364. Denn der Erfüllungsanspruch soll bei Gebrauchsstörungen unabhängig von den Gewährleistungsvorschriften fortbestehen2365, wie bereits §§ 536b, 536c BGB deutlich machen. Wenn der Erfüllungsanspruch jedoch unabhängig von den Gewährleistungsansprüchen besteht, können Gewährleistungsrechte die allgemeinen Vorschriften nicht verdrängen. Damit wird zugleich deutlich, dass auch die zeitliche Beschränkung auf den Abschnitt, für den die Miete vereinbart ist, unbedeutend ist. Denn der Erfüllungsanspruch hat ebenso dauerhaften Charakter wie der Überlassungsanspruch und die dazu im Synallagma stehende Pflicht zur Mietzahlung. cc) Umfang der Leistungsverweigerung 892 Das Leistungsverweigerungsrecht kann grundsätzlich nur für künftige Nutzungszeiträume geltend ge-

macht werden2366. Der berechtigte Umfang der Ausübung wird nicht einheitlich bewertet. Einerseits soll es mit dem drei- bis fünffachen Minderungsbetrag2367, andererseits mit einem Vielfachen des Mängelbeseitigungsaufwandes2368 angesetzt werden können2369. Auch wenn die zuerst genannte Meinung auf einen konkreten Bezug zwischen Miete und Mangel aufbaut2370, muss im konkreten Einzelfall untersucht werden, ob die Ausübung angemessen ist. Dazu ist zu berücksichtigen, dass die Einrede des § 320 BGB als Druckmittel gedacht ist und auch einen Bezug zur Mängelbeseitigung aufweist. Im Übrigen ist vor dem Hintergrund des § 320 Abs. 2 BGB das Äquivalenzverhältnis des Mietvertrages zu berücksichtigen. Demnach schuldet der Mieter zumindest einen Teil der Gegenleistung „Miete“. Immerhin ist der Vermieter schon durch die Minderung nach § 536 BGB einem gewissen Druck ausgesetzt, den er auch nicht mehr rückgängig machen kann. Unter Beachtung der Bedeutung des Mangels, des Umfangs und ggf. der Schwierigkeit der Mängelbeseitigung sind bei Würdigung aller Umstände und dem Verhalten der Parteien die angemessene Höhe und der entsprechende Umfang im Einzelfall zu bestimmen2371. Der BGH2372 hat zu Recht für die nicht erfüllte, vertraglich übernommene Verpflichtung zur Errichtung einer Brandmauer jedenfalls das Dreifache des Mängelbeseitigungsaufwandes für angemessen erachtet. 892a Daraus folgt im Übrigen, dass der Mieter zumindest nicht „ewig“ die Miete zurückbehalten darf2373.

Im Hinblick auf den Zweck des Leistungsverweigerungsrechts, (vorübergehend) Druck auf den Vermieter auszuüben, endet das Recht zur Ausübung in jedem Fall, – wenn der Vermieter den Mangel beseitigt, – mit dem Ende des Mietvertrages. Alle einbehaltenen Beträge sind sodann sofort zur Zahlung fällig2374. Rückwirkend kann das Zurückbehaltungsrecht selbst dann nicht geltend gemacht werden, wenn ein entsprechender Vorbehalt erklärt wurde. Dem steht § 813 BGB entgegen. Im Übrigen vgl. Vor § 536 BGB Rz. 10 ff.

2364 2365 2366 2367 2368 2369 2370 2371 2372 2373 2374

Vgl. u.a. BGH v. 7.5.1982 – V ZR 90/81, MDR 1982, 836 = NJW 1982, 2242; Nies, NZM 2000, 1133 (1134). Gellwitzki, WuM 1999, 10 (11). LG Berlin v. 6.10.2015 – 63 S 51/15, GE 2015, 1532. LG Hamburg v. 30.3.1989 – 7 S 330/88, WuM 1989, 566. LG Bonn v. 3.12.1990 – 6 S 76/90, WuM 1991, 262. Vgl. auch die Nachweise in BGH v. 17.6.2015 – VIII ZR 19/14, MietRB 2015, 291 = MietRB 2015, 294 = MDR 2015, 876 = GE 2015, 1089 Rz. 51 f. Sternel, WuM 2002, 244 (248). BGH v. 17.6.2015 – VIII ZR 19/14, MietRB 2015, 291 = MietRB 2015, 294 = MDR 2015, 876 = GE 2015, 1089. BGH v. 26.3.2003 – XII ZR 167/01, MDR 2003, 801 = NZM 2003, 437 = GuT 2003, 144 = WuM 2003, 439 = MietRB 2003, 35. BGH v. 17.6.2015 – VIII ZR 19/14, MietRB 2015, 291 = MietRB 2015, 294 = MDR 2015, 876 = GE 2015, 1089. BGH v. 16.9.2014 – VIII ZR 221/14, MietRB 2015, 65 = WuM 2014, 681 Rz. 5; BGH v. 26.10.1994 – VIII ARZ 3/94, MDR 1995, 142 = BGHZ 127, 245 (253).

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B. Wohnraummiete | Rz. 898 § 535

2. Mietstruktur a) Allgemeines Die Miete ist von ihrer gesetzgeberischen Ausgestaltung her eine Inklusivmiete (Bruttomiete), mit der 893 alle Leistungen des Vermieters abgegolten sein sollen. Dies gilt insbesondere für die aus der Gebrauchsgewährung herrührenden Kosten2375. Davon abweichende Vereinbarungen sind im Rahmen der durch § 556 BGB gesetzten Grenzen zulässig. Grundsätzlich ist es den Parteien innerhalb dieses Rahmens erlaubt, das Entgelt i.S.v. § 535 Abs. 2 BGB in verschiedene selbständige Elemente aufzuteilen, die in ihrer Summe die „Miete“ bilden sollen. Bei der Gestaltung der Miete wird unterschieden zwischen der – Bruttomiete, – Grundmiete zzgl. Betriebskosten, – Teilinklusivmiete zzgl. Betriebskosten, – Kostenmiete2376. Bei der Bruttomiete (auch Inklusivmiete genannt) werden alle Leistungen des Vermieters von dem ver- 894 einbarten Betrag erfasst. Bei der Grundmiete (auch Nettomiete) fallen zusätzlich Zahlungen auf Betriebskosten (Vorauszahlungen oder Pauschale, § 556 Abs. 2 BGB) an, wobei es sich regelmäßig um die Betriebskosten des § 1 BetrKV handelt. Bei einer Teilinklusivmiete sind einige Betriebskostenpositionen in der Grundmiete enthalten. Die Kostenmiete wird für den preisgebundenen Wohnraum i.S.v. § 50 WoFG in § 8 Abs. 1 WoBindG definiert. b) Zuschläge Zusätzlich zur Miete als Gegenleistung für die Gebrauchsgewährung können die Parteien Zuschläge 895 vereinbaren. Als Mietzuschlag wird in der Regel ein Entgelt bezeichnet, dass der Mieter für bestimmte Sondernutzungen oder Sonderleistungen des Vermieters zu zahlen hat. Zuschläge, die in der Einigung der Parteien gesondert aufgeführt werden, sind regelmäßig (ausge- 896 wiesener) Bestandteil der Grundmiete2377. Dennoch ist im Rahmen der Mietpreisbildung z.B. nach §§ 556d ff. BGB, § 5 WiStrG oder § 558 Abs. 2 BGB gesondert zu prüfen, inwieweit sie einer Veränderung unterliegen (vgl. z.B. § 536a BGB Rz. 88a). Als Teil der (Gesamt-)Miete fließen sie in die Bemessungsgrundlage für die Minderung nach § 536 BGB ein, und zwar unabhängig davon, ob sie von vorneherein in die (Grund-)Miete als Kalkulationsfaktor eingerechnet wurden2378 oder in der Einigung separat ausgewiesen werden. aa) Untermietzuschlag Der Untermietzuschlag ist ein zusätzliches Entgelt für die Gestattung der Untervermietung. Rechtlich 897 handelt es sich dabei um einen Teil der Grundmiete. Die Höhe des Zuschlags kann grundsätzlich nach dem Belieben der Partner festgesetzt werden. Da es sich jedoch um einen Teil der Grundmiete handelt, ist § 5 WiStG zu beachten. bb) Zuschlag für gewerbliche Mitbenutzung Darunter ist ein zusätzliches Entgelt zu verstehen, das der Mieter von Wohnraum dafür zu entrichten 898 hat, dass er die Räume zumindest teilweise auch zu anderen als Wohnzwecken nutzen darf. Diese Ver-

2375 Vgl. BGH v. 2.5.2012 – XII ZR 88/10, MDR 2012, 833 = MietRB 2012, 190 = NJW-RR 2012, 1034 Rz. 13; BT-Drucks. 14/4553, S. 50; MünchKomm/Schmid/Zehelein, § 556 BGB Rz. 5. 2376 Im preisgebundenen Wohnraum sind weitere Mietbegriffe gebräuchlich, wie z.B. Einzelmiete (§ 3 Abs. 1 NMV), Durchschnittsmiete (§ 3 Abs. 2 NMV) etc. 2377 BGH v. 30.5.2017 – VIII ZR 31/17, MietRB 2017, 279 = WuM 2017, 456 = ZMR 2018, 16 = GE 2017, 886 (Zuschlag für Schönheitsreparaturen, § 535 BGB Rz. 901). 2378 Für diesen Fall: BGH v. 2.3.2011 – VIII ZR 209/10, MDR 2011, 474 = MietRB 2011, 137 = GE 2011, 542 = WuM 2011, 213 = ZMR 2011, 542.

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§ 535 Rz. 898 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags tragsgestaltung ist von der Mischraummiete zu unterscheiden, die gegeben ist, wenn gewerbliche Räume und Wohnräume aufgrund eines einheitlichen Vertrages vermietet werden. 899 Die Regelung des § 558 BGB gilt für den Gewerbezuschlag nicht2379. Hinsichtlich der Höhe des Zu-

schlages gilt bei freifinanziertem Wohnraum weder § 26 Abs. 2 NMV noch § 5 WiStG. Lediglich § 138 BGB ist zu beachten2380. cc) Möblierungszuschlag 900 Bei einem Möblierungszuschlag handelt es sich um das Entgelt, das der Vermieter als Gegenleistung

für die Überlassung bestimmter Einrichtungsgegenstände erhält, mit denen er die Mietsache ausgestattet hat. Es handelt sich also um einen Teil der Grundmiete. dd) Zuschlag für Schönheitsreparaturen 901 Auch ein Zuschlag für Schönheitsreparaturen ist zulässig2381 (siehe auch § 535 BGB Rz. 675a). Da es

sich bei den Schönheitsreparaturen um eine Hauptpflicht handelt, kommt der Regelung im Vertrag der Charakter einer Preisabrede i.S.v. § 307 Abs. 3 BGB zu2382. Der Wirksamkeit steht nicht entgegen, dass ein Zuschlag auf die ortsübliche Vergleichsmiete bei unwirksamer Renovierungsklausel nicht zulässig sein soll2383. Denn hier ist der Zuschlag von Anfang an in der Miete kalkuliert und kann daher bei Veränderungen der ortsüblichen Vergleichsmiete berücksichtigt werden. Bei öffentlich gefördertem Wohnraum ist eine Position „RST Schönheiten“ als Rückstellung für Schönheitsreparaturen wirksam2384. 3. Sonderformen der Miete a) Einmalmiete 902 Die Parteien können ohne weiteres vereinbaren, dass die Miete nur am Anfang für die gesamte Laufzeit

im Voraus oder z.B. nur einmal im Jahr zu entrichten ist. Die Rechtsfolgen ergeben sich aus §§ 1124 oder 566b BGB. Es kann aber zu Problemen bei der Mieterhöhung nach § 558 BGB, weil Mietspiegel i.d.R. auf die Monatsmiete abstellen, und mit dem Recht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung kommen, wenn eine Miete nicht gezahlt wird2385. Denn das Gesetz stellt in § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB ganz offensichtlich auf monatliche Zahlungen ab. b) Mietvorauszahlung 903 Die Vereinbarung einer nicht zweckgebundenen Mietvorauszahlung oder eines nicht zweckgebundenen

Mieterdarlehens ist bei preisgebundenen Wohnungen dann unzulässig, wenn die Leistung mit Rücksicht auf die Überlassung der Wohnung erfolgt, § 9 Abs. 1 WoBindG. Bei frei finanziertem Wohnraum oder solchem, der dem WoFG unterliegt, sind solche Vereinbarungen zulässig, soweit es sich nicht um Umgehungsgeschäfte handelt, wobei insbesondere § 551 BGB zu beachten ist. c) Zuschüsse der öffentlichen Hand 904 Gerade wenn Wohnraum vermietet wird, für den nach dem 31.12.2001 die Förderzusage erteilt wurde

(§ 50 WoFG), kann die vereinbarte Miete noch einmal subventioniert sein. In der Regel vereinbaren die Parteien in einem solchen Fall eine Miete, die sich in dem durch die Förderzusage vorgegebenen BayObLG v. 25.3.1986 – REMiet 4/85, MDR 1986, 676 = WuM 1986, 205. LG Berlin v. 24.10.1995 – 65 S 26/95, GE 1995, 1549. LG München II v. 9.11.2010 – 12 S 1790/10, ZMR 2011, 221 = GE 2011, 820. BGH v. 30.5.2017 – VIII ZR 31/17, MietRB 2017, 279 = WuM 2017, 456 = ZMR 2018, 16 = GE 2017, 886 = NZM 2017, 594; abl. Anm. von Niebling, ZMR 2017, 965. 2383 Vgl. dazu BGH v. 11.2.2009 – VIII ZR 118/07, NJW 2009, 1410 = ZMR 2009, 514. 2384 LG Lübeck v. 22.12.2016 – 14 S 98/15, NZM 2017, 221. 2385 Vgl. z.B. BGH v. 17.9.2008 – XII ZR 61/07, MietRB 2009, 3 = MDR 2009, 18 = ZMR 2009, 106.

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B. Wohnraummiete | Rz. 911 § 535

Rahmen hält. Der Vermieter erhält aber von einem Dritten (z.B. der Investitionsbank) einen Zuschuss und fordert von dem Mieter nur einen gegenüber der vereinbarten Miete geringeren Betrag. Der Zuschuss kann auf die Grundmiete oder auch auf die Betriebskosten (z.B. Härteausgleich) anzurechnen sein. Der Zuschuss kann auch subjektiv gebunden sein, indem z.B. als Auszahlungsvoraussetzung die fortbestehende Berechtigung i.S.d. § 27 WoFG bestimmt wird. Dies hängt von der Förderzusage ab. Besteht eine solche Konstellation, ist eine Regelung im Mietvertrag, wonach der Mieter bei Vorlage 905 eines Wohnberechtigungsscheins die Reduzierung der vereinbarten Miete z.B. auf die (niedrigere) Durchschnittsmiete verlangen kann und sich bei einer Erhöhung der Durchschnittsmiete der von ihm zu tragende Anteil an der vereinbarten Miete erhöht, wirksam2386. Sie verstößt nicht gegen die §§ 558 ff. BGB. Denn sie trägt lediglich den Einschränkungen Rechnung, denen der Vermieter durch den Fördervertrag unterliegt. Danach wird gerade nicht die Miete erhöht, sondern es wird lediglich berücksichtigt, dass die öffentlichen Zuschüsse absinken. d) Baukostenzuschüsse Insoweit ist – auch wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen (vgl. § 547 BGB Rz. 43) – zwischen ab- 906 wohnbaren und verlorenen Baukostenzuschüssen zu differenzieren. Abwohnbare Baukostenzuschüsse in der Form von Mieterdarlehen oder Mietvorauszahlungen sind 907 sowohl bei preisgebundenem als auch bei frei finanziertem Wohnraum zulässig. Bei preisgebundenem Wohnraum ist nach § 50 Abs. 2 II. WoBauG eine Genehmigung der Bewilligungsstelle erforderlich. Soll das Darlehen zur Deckung von Modernisierungskosten verwendet werden, darf das Darlehen oder die Mietvorauszahlung höchstens eine vierfache Jahresmiete betragen. Bei vorzeitiger Vertragsbeendigung gilt auch hier, dass der Vermieter den noch nicht abgewohnten Teil nach Maßgabe des § 547 BGB zurückzuzahlen hat. Diese Regelung kann bei Wohnraum nicht abbedungen werden. Eine Vereinbarung, wonach der Baukostenzuschuss in Form eines selbständigen, von der Beendigung des Mietverhältnisses unabhängigen Darlehens geleistet werden muss, ist als Umgehungsgeschäft unwirksam2387. Verlorene Baukostenzuschüsse können bei preisgebundenem Wohnraum nicht vereinbart werden. 908 Bei frei finanziertem Wohnraum sind solche Vereinbarungen zulässig; im Falle der vorzeitigen Vertragsbeendigung gilt auch hier, dass der nicht abgewohnte Teil des Zuschusses nach dem Gesetz über die Rückzahlung von Baukostenzuschüssen2388 an den Mieter herauszugeben ist. Danach wohnt der Mieter eine Investition in Höhe einer Jahresmiete über vier Jahre ab. Auch diese Regelung ist nicht abdingbar; sie kann auch nicht durch die Vereinbarung eines selbständigen Darlehensvertrages umgangen werden. e) Abstandszahlungen Abstandszahlungen, die der Mieter seinem Vorgänger bezahlen muss, sind nach § 4a Abs. 1 WoVer- 909 mittG zu beurteilen. Danach ist eine Vereinbarung unwirksam, die den Wohnungssuchenden oder für ihn einen Dritten verpflichtet, ein Entgelt dafür zu leisten, dass der bisherige Mieter die gemieteten Wohnräume räumt. Dabei ist gleichgültig, ob die Vereinbarung mit dem bisherigen Mieter oder mit dem Vermieter oder mit einem sonstigen Dritten getroffen wird. Es kommt auch nicht darauf an, wem das Entgelt wirtschaftlich zugutekommt. Maßgeblich ist allein, dass der Wohnungssuchende für die Besitzaufgabe des Vorgängers etwas bezahlen muss. Unter dem Begriff des Entgelts fallen vermögenswerte Leistungen aller Art, beispielsweise auch die 910 Übernahme bestehender Mietschulden. Nach dem Gesetzeszweck greift die Verbotsvorschrift auch dann, wenn der bisherige Mieter zwar bereits geräumt hat, aber die Besitzaufgabe von der Zahlung eines Entgelts abhängig machen will. Der Gesetzeswortlaut („räumt“) ist im Hinblick auf den Gesetzeszweck weit auszulegen. Zulässig ist 911 demgegenüber die „Erstattung von Kosten, die dem bisherigen Mieter nachweislich für den Umzug 2386 BGH v. 13.7.2011 – VIII ZR 261/10, MietRB 2011, 305 = ZMR 2011, 940. 2387 BGH v. 23.6.1971 – VIII ZR 166/70, NJW 1971, 1658. 2388 Gesetz v. 24.8.1965, BGBl. I 969.

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§ 535 Rz. 911 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags entstehen“, § 4a Abs. 1 S. 2 WoVermittG. Auf diese Weise soll insbesondere solchen Mietern der Umzug erleichtert werden, deren bisherige Wohnung durch den Auszug von Familienangehörigen zu groß geworden ist. Entsprechend diesem Gesetzeszweck gehören zu den Umzugskosten nicht nur die Kosten für den Transport der Möbel und Einrichtungsgegenstände, sondern alle umzugsbedingten Aufwendungen, wie z.B. die Renovierung. 912 Selbst wenn die Vereinbarung nicht gegen § 4a Abs. 1 WoVermG verstößt, kann sie nach § 4a Abs. 2

WoVermittG unwirksam sein2389. f) Ablösezahlungen 913 Die Wirksamkeit von Ablösezahlungen richtet sich nach § 4a Abs. 2 WoVermittG. Unter einer Ablöse-

vereinbarung ist ein Vertrag zu verstehen, durch den der Wohnungssuchende sich im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Mietvertrages über Wohnräume verpflichtet, von dem Vermieter oder dem bisherigen Mieter eine Einrichtung oder ein Inventarstück zu erwerben. Da solche Verträge für den Wohnungssuchenden nur dann einen wirtschaftlichen Sinn haben, wenn er die Wohnung tatsächlich erhält, bestimmt § 4a Abs. 2 S. 1 WoVermittG, dass der Vertrag „im Zweifel unter der aufschiebenden Bedingung geschlossen (wird), dass der Mietvertrag zustande kommt“. Die Vermutung für den aufschiebend bedingten Vertragsschluss kann widerlegt werden; beweispflichtig für das Gegenteil ist diejenige Partei, die aus dem Vertrag Rechte für sich herleiten will. 914 Einrichtungen und Inventarstücke sind solche Gegenstände, die der Mieter in die Wohnung einge-

bracht hat. Die Kosten für Umbau-, Instandsetzungs-, Modernisierungs- oder Renovierungsarbeiten zählen nicht dazu2390. Allerdings ist § 4a Abs. 2 WoVermittG auf diese Leistungen entsprechend anzuwenden2391. Nach § 4a Abs. 2 S. 2 WoVermittG ist die Unwirksamkeit relativ. 915 Der Wert der Einrichtung ist nicht entsprechend dem Zeitwert, sondern nach dem Gebrauchswert zu

bemessen2392. Unter dem Zeitwert ist dabei derjenige Preis zu verstehen, der auf dem Gebrauchswarenmarkt zu erzielen wäre. Demgegenüber beschreibt der Gebrauchswert den speziellen Nutzen der Gegenstände für den Erwerber, wobei der Nutzen nicht nach subjektiven, sondern nach objektiven Wertansätzen zu bestimmen ist. Bei Einbaumöbeln und solchen Gegenständen, die auf eine spezielle Wohnung zugeschnitten sind, ist der Gebrauchswert wegen der ersparten Einbaukosten in der Regel höher als der Zeitwert. Bei den übrigen Gegenständen bleiben beim Gebrauchswert die Kosten des Abtransports außer Ansatz. Der Gebrauchswert bestimmt sich nach den Anschaffungs- und Herstellungskosten abzgl. einer altersbedingten Abschreibung entsprechend der mutmaßlichen Lebensdauer der Gegenstände2393. 916 Nach allgemeinen Grundsätzen hat bei Rückforderungsansprüchen nach § 4a Abs. 2 WoVermittG der-

jenige die für die Begründung eines Anspruchs maßgeblichen Tatsachen zu beweisen, der aus dem behaupteten Missverhältnis Rechte für sich herleiten will. Dies ist der Erwerber. Da der Erwerber aber in der Regel nicht weiß, zu welchem Preis der Veräußerer die Gegenstände erworben hat, besteht eine wichtige Beweiserleichterung. Der Veräußerer muss Zeitpunkt und Preis der Anschaffung darlegen und dies – soweit möglich – durch Vorlage der Rechnungen belegen. Den Erwerber trifft die Darlegungs- und Beweislast, wenn er geltend machen will, dass die angegebenen Anschaffungs- und Herstellungskosten nicht zutreffen. 917 Der Begriff des auffälligen Missverhältnisses ist dem gleichlautenden Begriff in §§ 138 Abs. 2, 5 Abs. 2

S. 2 Nr. 1 WiStG, 291 StGB nachgebildet und in derselben Art und Weise zu verstehen. Zur Feststellung des Missverhältnisses ist der Wert des betreffenden Gegenstandes zu ermitteln und zu dem ver-

BGH v. 23.4.1997 – VIII ZR 212/96, MDR 1997, 721 = NJW 1997, 1845. AG Tempelhof/Kreuzberg v. 12.10.1995 – 15 C 177/95, GE 1996, 985. BGH v. 23.4.1997 – VIII ZR 212/96, MDR 1997, 721 = NJW 1997, 1845. OLG Köln v. 23.6.2000 – 19 U 137/99, WuM 2000, 555; OLG Düsseldorf v. 7.3.1997 – 14 U 117/96, NZM 1998, 805. 2393 Hanseatisches OLG Hamburg v. 2.5.1997 – 10 U 77/96, WuM 1997, 333; KG v. 5.6.1997 – 8 U 9012/95, GE 1998, 40. 2389 2390 2391 2392

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B. Wohnraummiete | Rz. 923 § 535

einbarten Preis in Beziehung zu setzen. Ein auffälliges Missverhältnis liegt bei einer mehr als 50%igen Überschreitung des objektiven Zeitwertes vor2394. g) Einzugspauschale Einzugspauschalen sind bei preisgebundenem Wohnraum unzulässig.

918

Bei freifinanziertem Wohnraum können sie wirksam vereinbart werden, allerdings nur im Wege der 919 Individualvereinbarung (vgl. auch § 535 BGB Rz. 113 zur Abschlusspauschale). Bei Formularklauseln ist § 306 Nr. 5 BGB zu beachten, weil die Einzugspauschale eine Form des pauschalierten Schadensersatzes darstellt. Für die Auszugspauschale gilt dasselbe, ebenso für die Pauschale für einen Hauptmieterwechsel2395. 4. Wirksamkeit der Mietvereinbarung a) Allgemeine gesetzliche Schranken Ausdrückliche gesetzliche Schranken für die Festlegung der Miethöhe bestehen für die Miete im preis- 920 freien Wohnraum durch § 5 WiStG (vgl. Anhang zu § 535 BGB Rz. 8 ff.) und § 291 StGB. Danach darf die Miete zumindest ein bestimmtes Maß nicht überschreiten. Bei preisgebundenem Wohnraum gemäß § 50 WoFG darf nur die Kostenmiete vereinbart werden, 921 mit der die laufenden Aufwendungen gedeckt werden (§ 8 WoBindG). Der seit 1.1.2002 öffentlich geförderte Wohnungsbau ist an die Obergrenzen gemäß § 28 WoFG gebunden. b) Steuerhinterziehung, § 134 BGB Die Verabredung zur Steuerhinterziehung (z.B. Verkürzung der Einkommensteuer) führt nach § 134 922 BGB i.V.m. § 370 AO zunächst zur Nichtigkeit der relevanten (hier: Preis-)Regelung2396. Eine Gesamtnichtigkeit der Vertrages gemäß § 139 BGB kann nur angenommen werden, wenn die Steuerhinterziehung den Hauptzweck des Vertrages bildet. Das Gleiche gilt bei einer sog. „Ohne-Rechnung-Abrede“, jedenfalls bei einem auffälligen Missverhältnis zwischen der mündlich und schriftlich vereinbarten Leistung2397 Auch wenn bei einem Mietvertrag mit (zusätzlicher) mündlicher Preisabrede in der Überlassung des Grundstücks der Hauptzweck des Vertrages gelegen hat, kann die nichtige mündliche Abrede gemäß § 139 BGB zur Nichtigkeit des ganzen Vertrages führen. Dazu muss festgestellt werden, ob die Parteien den Vertrag auch ohne die nichtigen steuerlichen Absprachen zu denselben Bedingungen, insbesondere zu derselben Miete, abgeschlossen hätten. Dies ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu ermitteln, bei der auch zu berücksichtigen ist, welche wirtschaftliche Bedeutung gerade die konkrete Mieteinheit für den Mieter hatte. c) Erschleichen von Sozialleistungen Weist der Mietvertrag den von der Sozialbehörde gewährten Betrag als Miete aus und haben die Par- 923 teien in einer Zusatzvereinbarung die Zahlung eines weiteren Entgelts vereinbart, bestehen keine Bedenken gegen die Wirksamkeit einer der beiden Vereinbarungen. Demnach greift auch § 139 BGB nicht ein. Es besteht jedenfalls dann kein Anspruch gegen den Vermieter aus § 826 BGB, wenn die Summe beider Beträge die ortsübliche Miete nicht übersteigt2398.

2394 BGH v. 23.4.1997 – VIII ZR 212/96, MDR 1997, 721 = NJW 1997, 1845; OLG Köln v. 23.6.2000 – 19 U 137/ 99, WuM 2000, 555; KG v. 5.6.1997 – 8 U 9012/95, GE 1998, 40. 2395 AG Neukölln v. 11.10.2017 – 20 C 19/17, WuM 2017, 714. 2396 BGH v. 2.7.2003 – XII ZR 74/01, MDR 2003, 1224 = MietRB 2003, 68 = NZM 2003, 716 = GuT 2003, 175 = ZMR 2003, 731 = DWW 2003, 299. 2397 BGH v. 3.7.1968 – VIII ZR 113/66, MDR 1968, 834 f.; OLG Hamm v. 18.11.1996 – 5 U 109/96, MDR 1997, 347 = NJW-RR 1997, 722. 2398 LG Kiel v. 12.8.2010 – 1 S 93/10, GE 2011, 890.

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§ 535 Rz. 924 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags d) Preisrecht im öffentlichen Wohnungsbau 924 Für den preisgebundenen Wohnraum regeln die Bestimmungen der II. BV, welche Bestandteile in

der Miete enthalten sein dürfen, und § 20 Abs. 1 NMV, dass die Kostenmiete als Nettomiete zzgl. Betriebskosten vereinbart werden muss. e) Geltung der Kostenmiete im preisfreien Wohnraum aa) Vereinbarung der Kostenmiete 925 Will der Vermieter eine Kostenmiete oder deren Erhöhung geltend machen, muss er im Zweifel die

Voraussetzungen der Preisbindung darlegen und beweisen. Ein bestandskräftiger Bescheid der zuständigen Behörde, durch den die öffentlichen Mittel für die Errichtung oder Sanierung eines Gebäudes bewilligt worden sind, entfaltet insoweit keine Bindungswirkung2399. Unabhängig davon, ob dem Vermieter die Darlegung oder der Beweis dieser Voraussetzung gelingt oder er sogar entgegen seiner ursprünglichen Absicht keine öffentlichen Mittel in Anspruch genommen hat, führt die vertragliche Bestimmung, wonach die Wohnung öffentlich gefördert ist, selbst dann nicht zur Anwendung der Vorschriften über die Mietpreisbindung, wenn zudem exakt die nach dem WoFG höchst zulässige Miete vereinbart wurde2400. Denn die Vereinbarung der Wohnungspreisbindung, die – außer bei Anwendung des WoFG – regelmäßig eine Berechtigung des Vermieters zur einseitigen Mieterhöhung begründet, ist nach § 557 Abs. 4, § 558 Abs. 6 BGB unwirksam. Dadurch wird nämlich zum Nachteil des Mieters von § 557 Abs. 3 BGB und § 558 Abs. 1 BGB abgewichen. Die Abweichung besteht darin, dass die Mieterhöhung bei der Kostenmiete nicht der Zustimmung des Mieters bedarf. Diese Abweichung ist grundlegend, weil das Zustimmungserfordernis im Rahmen des Vergleichsmietenverfahrens nach § 558 BGB Ausdruck des Prinzips der Vertragsfreiheit ist, das nach der Vorstellung des Gesetzgebers im Bereich des preisfreien Wohnraums nicht nur für die Einigung über die Höhe der Miete bei Vertragsschluss, sondern auch bei der Erhöhung der Miete während des laufenden Mietverhältnisses gelten soll. Die Abweichung ist für den Mieter auch nachteilig. Er kann zwar die Zahlung der vom Vermieter einseitig erhöhten Miete verweigern, so dass dieser gegebenenfalls Zahlungsklage erheben muss, in deren Rahmen die Voraussetzungen für eine Erhöhung der Kostenmiete gerichtlich nachgeprüft werden. Durch die Zahlungsverweigerung setzt sich der Mieter jedoch der Gefahr einer außerordentlichen fristlosen Kündigung nach § 543 Abs. 1 und 2 Nr. 3 BGB aus, der er nicht mehr begegnen kann, wenn sich die einseitige Mieterhöhung des Vermieters erst im Räumungsprozess als berechtigt erweist. Diese Gefahr besteht dagegen nicht, wenn die Mieterhöhung gemäß § 558 Abs. 1 BGB der Zustimmung des Mieters bedarf, da der Vermieter insoweit nach § 558b Abs. 2 BGB erst – erfolgreich – Klage auf Erteilung der Zustimmung erheben muss, bevor ein Anspruch auf Zahlung der erhöhten Miete entsteht, § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB. bb) Fortgeltung der Kostenmiete nach Wegfall des WGG 926 Bis zum 31.12.1990 waren Wohnungsunternehmen (z.B. Genossenschaften) verpflichtet, von den Mie-

tern auch bei preisfreiem Wohnraum nur die sog. Kostenmiete ihren zu verlangen, wenn sie als gemeinnützig anerkannt werden und es auch bleiben wollten. Dies wurde zusätzlich im Mietvertrag verfestigt (sog. Kostenmietklausel). Diese Kostenmietklauseln gelten nach Wegfall des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (WGG) über das Ende der Preisbindung hinaus nicht fort2401. Zwar ist in den erfassten Fällen regelmäßig eine Kostenmiete vereinbart. Diese Vereinbarung steht jedoch zumeist wie die Preisgebundenheit der Wohnung in einem engen sachlichen Zusammenhang mit einer Förderung der Wohnung mit öffentlichen Mitteln. Deshalb ist dem Mietvertrag insoweit durch den Weg-

2399 Vgl. KG v. 14.10.1985 – 8 RE-Miet 3920/85, WuM 1985, 387 = ZMR 1985, 411; ferner BVerwG v. 28.11.1986 – 8 C 122/84, 8 C 123/84, 8 C 124/84, 8 C 125/84, NVwZ 1987, 496 (497). 2400 BGH v. 7.2.2007 – VIII ZR 122/05, MDR 2007, 707 = MietRB 2007, 137 = WuM 2007, 133 = GE 2007, 510 unter Aufgabe der bisherigen Rspr. in BGH v. 21.1.2004 – VIII ZR 115/03, MDR 2004, 804 = WuM 2004, 282 = NZM 2004, 378 = MietRB 2004, 199. 2401 BGH v. 12.1.2010 – VIII ZR 21/09, WuM 2010, 430.

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B. Wohnraummiete | Rz. 930 § 535

fall des WGG die Geschäftsgrundlage entzogen worden. Die Miete kann nach den §§ 558 ff. BGB erhöht werden. f) Auslaufen gesetzlicher Verbote Grundsätzlich ist die Frage der Wirksamkeit im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages zu prüfen. 927 Sind danach der Vertrag oder einzelne Bestimmungen unwirksam, wird die Nichtigkeit grundsätzlich nicht durch gesetzliche Änderungen geheilt, soweit nicht in der gesetzlichen Regelung im Einklang mit dem Verbot der echten Rückwirkung von Gesetzen (Art. 20 GG) wirksam etwas anderes bestimmt ist. Ob die Parteien wirksam vereinbaren können, dass bei Aufhebung bzw. Außerkrafttretens eines Ver- 928 botsgesetzes die ursprüngliche Vereinbarung (wieder) gelten soll, ist umstritten. Für den Wegfall der Preisbindung wird z.B. vertreten, dass eine nachträgliche Heilung durch Auslauf der Bindung nicht eintreten kann2402. Dem wird entgegengehalten, dass z.B. § 8 Abs. 2 WoBindG nur eine schwebende Unwirksamkeit herbeiführt2403. Maßgeblich ist, ob dem Wiederaufleben der (unwirksamen) Regelung der Zweck der Verbotsnorm entgegensteht2404. Das ist bei § 8 Abs. 2 WoBindG ebenso wenig der Fall, wie z.B. bei Art. 2 MÜG. Der Zweck des Mietrechtsüberleitungsgesetzes bestand darin, das Vergleichsmietensystem der §§ 2 ff. MHG (heute §§ 558 ff. BGB) schrittweise auch in den neuen Bundesländern einzuführen2405. Nach seiner gesetzlichen Ausgestaltung bestand das Verbot des Art. 2 § 2 MÜG jedoch nur „beim Abschluss“ des Mietvertrags; die Parteien hatten die Möglichkeit, in der Folgezeit eine andere Vereinbarung ohne die von dieser Vorschrift vorgesehenen Beschränkungen zu treffen2406. Zudem hätten sich die Parteien bereits bei Vertragsabschluss für die Zeit nach Ablauf der bestehenden Preisbindung wirksam über eine höhere Miete einigen können2407. 5. Verwirkung des Mietzahlungsanspruchs Ein Anspruch ist als verwirkt zu behandeln, wenn er längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht 929 worden ist (Zeitmoment) und der Verpflichtete sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und auch eingerichtet hat, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (Umstandsmoment)2408. Die Rechtsfigur der Verwirkung stellt einen Ausnahmetatbestand dar; der Verstoß gegen Treu und Glauben, der den Verwirkungstatbestand begründet, besteht in der Illoyalität der verspäteten Geltendmachung des Anspruchs2409. Ob er erfüllt ist, insbesondere, welche Anforderungen an die Erfüllung von Zeit- und Umstandsmoment zu stellen sind, hängt wesentlich von dem jeweils konkreten Charakter der Rechtsbeziehung (z.B. Vertrag oder gesetzliches Schuldverhältnis, Dauerschuldverhältnis oder Einzelschuldverhältnis) und auch von der Schutzbedürftigkeit des Schuldners (z.B. Gewerbetreibender oder Verbraucher) ab2410. Die Voraussetzungen für die Verwirkung können zwar bereits zu einem Zeitpunkt vorliegen, in dem 930 die Forderung noch nicht verjährt ist. Hinsichtlich der zeitlichen Voraussetzungen der Verwirkung gilt aber allgemein der Grundsatz, dass umso seltener Raum für eine Verwirkung sein wird, je kürzer

2402 2403 2404 2405 2406 2407 2408 2409 2410

LG Wuppertal v. 30.8.1996 – 10 S 142/96, WuM 1998, 292. Bellinger in WoBauR, § 8 WoBindG Anm. 4.3.2. BGH v. 27.6.2007 – VIII ZR 150/06, MietRB 2008, 35 = WuM 2007, 440. BT-Drucks. 13/1041, S. 1 f., 7 ff.; BGH v. 22.12.2004 – VIII ZR 41/04, MDR 2005, 439 = MietRB 2005, 143 = WuM 2005, 132. Staudinger/Emmerich, BGB (1997), Mietrecht 3, Anh. zu Art. 3 WKSchG II §§ 11–17 MHRG: Art. 2 § 2 MÜG Rz. 5. Vgl. BGH v. 3.12.2003 – VIII ZR 157/03, MietRB 2004, 65 = MDR 2004, 268 = WuM 2004, 28. BGH v. 16.2.2005 – XII ZR 24/02, DWW 2005, 153; BGH v. 14.11.2002 – VII ZR 23/02, MDR 2003, 207 = NJW 2003, 824; OLG Düsseldorf v. 4.5.2010 – 24 U 195/09, MietRB 2010, 225 = MDR 2010, 1244 = ZMR 2011, 118; OLG Düsseldorf v. 30.10.2008 – 24 U 84/08, MietRB 2009, 227 = ZMR 2009, 844. BGH v. 26.2.2003 – XII ZR 66/01, NZM 2003, 355; BGH v. 11.4.1984 – VIII ARZ 16/83, BGHZ 91, 62 = MDR 1984, 836. BGH v. 6.12.1988 – XI ZR 19/88, MDR 1989, 448 = NJW-RR 1989, 818 m.w.N.; OLG Düsseldorf v. 29.4.1997 – 24 U 89/96, OLGR 1997, 254.

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§ 535 Rz. 930 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags die Verjährungsfrist ist2411. Bei den kürzer verjährenden Forderungen des täglichen Lebens und den wiederkehrenden Leistungen, die wie Mietzahlungsansprüche in drei Jahren verjähren, kann eine Verwirkung vor Ablauf der Verjährungsfrist nur aus ganz besonderen Gründen angenommen werden2412. 931 Aufgrund des bloßen Zeitablaufs ist in jedem Fall die Annahme, für den Verpflichteten sei ein Ver-

trauenstatbestand geschaffen worden, grundsätzlich nicht möglich. Es müssen vielmehr noch besondere Umstände vorliegen, die die Feststellung rechtfertigen, der Schuldner habe bereits darauf vertrauen können, dass der Gläubiger die Forderung nicht mehr geltend mache2413. Dazu reicht die Feststellung der bloßen Untätigkeit des Vermieters – die fehlende Geltendmachung eines Anspruchs – neben dem Zeitablauf nicht aus2414. Die Annahme des Umstandsmoments setzt nicht nur schutzwürdiges Vertrauen auf Seiten des Verpflichteten voraus, sondern erfordert ferner, dass sich dieser – insbesondere durch die Vornahme von entsprechenden Vermögensdispositionen oder anderen Vertrauensinvestitionen – auch tatsächlich darauf eingerichtet hat, nicht mehr leisten zu müssen. Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde2415. Dazu muss der Verpflichtete konkret vortragen2416. Aus dem Vortrag muss sich ergeben, welche konkreten Maßnahmen er ergriffen oder unterlassen hat, insbesondere – soweit ihm dies unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten geboten erschien2417 – Rücklagen gebildet zu haben, später aber von diesem Verhalten zu einem bestimmten Zeitpunkt, zu dem er dachte oder gedacht haben mag, dass insoweit von dem Vermieter „nichts mehr kommt“, abgegangen zu sein2418. Anderenfalls stellt die späte Rechtsausübung durch den Gläubiger keine unzumutbare Härte für den Schuldner dar2419. 6. Erlöschen des Mietzahlungsanspruchs 932 Der Mietzahlungsanspruch erlischt durch Erfüllung. Die gleiche Wirkung kann durch Erfüllungssur-

rogate (Aufrechnung, Hinterlegung, Leistung an Erfüllung statt) bewirkt werden. Auch Zahlungen Dritter (§ 267 BGB) führen die Erfüllung herbei (§ 535 BGB Rz. 872a). 933 Die Leistung (Mietzahlung) hat der Mieter oder der Dritte i.S.v. § 267 BGB an den Vermieter als Gläu-

biger zu bewirken. Leistungsort ist gemäß § 270 BGB der Sitz des Vermieters, soweit nichts anderes vereinbart ist. Letzteres kann durch die Vereinbarung des Lastschrifteinzugsverfahrens herbeigeführt werden (vgl. § 556b BGB Rz. 35 ff.). Die Fälligkeit richtet sich nach § 556b Abs. 1 BGB (vgl. § 556b BGB Rz. 18 f.). 934 Besteht ein Zwischenmietverhältnis, ist grundsätzlich an den Zwischenvermieter zu leisten. Weist die-

ser den Mieter an, direkt an den Vermieter (Eigentümer) zu zahlen, wird diesem dadurch eine inkongruente Deckung gewährt, welche die Gläubiger des Zwischenvermieters objektiv benachteiligen2420. Dies hat zur Folge, dass die Handlung anfechtbar ist, so dass ein Rückgewährsanspruch des Insolvenz-

2411 BGH v. 19.10.2005 – XII ZR 224/03, MietRB 2006, 182 = MDR 2006, 562; BGH v. 6.12.1988 – XI ZR 19/88, MDR 1989, 448 = NJW-RR 1989, 818; KG v. 27.11.2006 – 12 U 182/04, MietRB 2007, 87 = ZMR 2007, 364. 2412 OLG Düsseldorf v. 4.5.2010 – 24 U 195/09, MietRB 2010, 225 = MDR 2010, 1244 = ZMR 2011, 118; KG v. 27.11.2006 – 12 U 182/04, MietRB 2007, 87 = ZMR 2007, 364. 2413 Vgl. BGH v. 11.4.1984 – VIII ARZ 16/83, BGHZ 91, 62 = MDR 1984, 836; BGH v. 29.2.1984 – VIII ZR 310/ 82, MDR 1984, 930 = NJW 1984, 1684; OLG Düsseldorf v. 30.10.2008 – 24 U 84/08, MietRB 2009, 227 = ZMR 2009, 844. 2414 OLG Rostock v. 7.11.2019 – 3 W 83/19, NZM 2020, 376. 2415 BGH v. 23.1.2014 – VII ZR 177/13, MDR 2014, 449 = NJW 2014, 1230; OLG Karlsruhe v. 14.11.2017 – 8 U 87/15, MietRB 2018, 201 = MietRB 2018, 202 = ZMR 2019, 19 m.w.N. 2416 OLG Düsseldorf v. 4.5.2010 – 24 U 195/09, MietRB 2010, 225 = MDR 2010, 1244 = ZMR 2011, 118; KG v. 27.11.2006 – 12 U 182/04, MietRB 2007, 87 = ZMR 2007, 364. 2417 Vgl. BGH v. 27.1.2010 – XII ZR22/07, juris, Rz. 41; OLG Celle v. 29.1.1988 – 2 U 78/87, NJW-RR 1988, 723 (725). 2418 OLG Karlsruhe v. 14.11.2017 – 8 U 87/15, MietRB 2018, 201 = MietRB 2018, 202 = ZMR 2019, 19 m.w.N. 2419 Vgl. OLG Brandenburg v. 9.4.2008 – 3 U 106/07, zitiert nach juris. 2420 BGH v. 20.1.2011 – IX ZR 58/10, MDR 2011, 452 = MietRB 2011, 145 = GE 2011, 406.

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B. Wohnraummiete | Rz. 940 § 535

verwalters nach den §§ 129 Abs. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1 und 2, 143 Abs. 1 BGB entsteht. Daneben kommt eine Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO in Betracht, die nicht auf den Zeitraum von drei Monaten beschränkt ist2421. a) Aufrechnung Der Mietzahlungsanspruch kann durch Aufrechnung nach den §§ 387 ff. BGB erlöschen. Vorausset- 935 zung ist, dass kein wirksames Aufrechnungsverbot besteht (vgl. dazu § 556b BGB Rz. 50 ff.). Die Aufrechnung muss erklärt werden, § 388 BGB. Da keine besondere Form für die Erklärung vorgesehen ist, kann sie auch schlüssig erfolgen2422. Im Prozess ist § 322 Abs. 2 ZPO zu beachten, was eine Klarstellung der Reihenfolge bei mehreren zur Aufrechnung gestellten Forderungen erfordert2423. Für die außergerichtlich erklärte Aufrechnung gilt dies nicht, weil die Reihenfolge sich im Zweifel aus § 366 BGB ergibt. Neben der Gleichartigkeit von Leistung und Gegenleistung, die hier regelmäßig in Geld besteht, ist 936 nach § 387 BGB Voraussetzung für die Aufrechnung, dass die Miete erfüllbar und der Gegenanspruch des Mieters fällig ist. Letzteres richtet sich nach der Art des Anspruchs. Erfüllbarkeit der Miete ist mit der Entstehung des Mietzahlungsanspruchs, also mit Abschluss des Mietvertrages gegeben. b) Hinterlegung Gemäß § 372 S. 2 BGB kann der Mieter u.a. dann den Anspruch auf Mietzahlung durch Hinterlegung 937 erfüllen, wenn er infolge einer nicht auf Fahrlässigkeit beruhenden Ungewissheit über die Person des Gläubigers seine Verbindlichkeit nicht oder nicht mit Sicherheit erfüllen kann. Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein Schuldner verpflichtet ist, bei nicht einfach gelagerten Sachverhalten professionellen, kostenpflichtigen Rechtsrat einzuholen, bevor er sich zur Hinterlegung entschließt, ist im Einzelnen umstritten2424. Die Voraussetzungen für eine Hinterlegung sind aber nicht gegeben, wenn im Mietvertrag das Konto 938 des Verwalters für die Mietzahlungen angegeben ist, der Vermieter den Verwaltervertrag kündigt und Zahlung an sich verlangt, während der Verwalter (mit Vehemenz) weiterhin Zahlung auf das im Mietvertrag angegebene Konto verlangt2425. Hier besteht über die Person des Gläubigers keine Ungewissheit. Welche Umstände dem Zahlungsverlangen des Verwalters zugrunde liegen, ist für die Gläubigerstellung unerheblich. Beruht ein angeblicher Gläubigerwechsel aber auf einer dem Schuldner vorliegenden unklaren Regelung im Kaufvertrag und fällt der Vermieter/Veräußerer vor Übergang von Nutzen und Lasten in Insolvenz, kann der Mieter schuldbefreiend hinterlegen2426. c) Leistung an Erfüllungs statt Bei der Leistung an Erfüllungs statt besteht für den Schuldner eine sog. Ersetzungsbefugnis. Er darf 939 anstelle der geschuldeten Leistung gemäß § 364 BGB aufgrund einer zumindest stillschweigenden Vereinbarung eine andere als die geschuldete Leistung erbringen2427. Bei Schlechterfüllung richten sich die Rechtsfolgen nach § 365 BGB. Ein Beispiel für die Leistung an Erfüllungs statt (§ 364 BGB) bilden Dienstleistungen, die einver- 940 nehmlich an die Stelle der Mietzahlung treten sollen (z.B. Hausmeisterdienst).

2421 2422 2423 2424 2425 2426 2427

Vgl. dazu LG Hamburg v. 20.8.2012 – 323 O 110/11, ZMR 2013, 961; Wegener, ZMR 2013, 948. Erman/Wagner, § 388 BGB Rz. 2 m.w.N. BGH v. 5.4.2001 – VII ZR 135/00, MDR 2001, 952 = NJW 2001, 2094. Palandt/Grüneberg, § 372 BGB Rz. 6 m.w.N. BGH v. 12.12.2003 – XII ZR 23/00, NZM 2003, 315. BGH v. 3.12.2003 – XII ZR 238/01, MDR 2004, 501 = NZM 2004, 301. Palandt/Grüneberg, § 364 BGB Rz. 1.

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§ 535 Rz. 941 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags d) Ausstellung einer Mietschuldenfreiheitsbescheinigung 941 In jüngster Zeit verlangen Vermieter von einem Mietinteressenten eine sog. Mietschuldenfreiheits-

bescheinigung. Damit soll der bisherige Vermieter bestätigen, dass der Mieter aus dem vorherigen Mietverhältnis keine Forderungen schuldig geblieben ist. Allerdings kann der Mieter von seinem bisherigen Vermieter eine solche Bestätigung über eine bloße Quittung i.S.v. § 368 BGB für die geleisteten Mietzahlungen hinaus nicht verlangen2428. Denn die Mietschuldenfreiheitsbescheinigung soll mit ihrem Inhalt über die Zuverlässigkeit und Solvenz eines Mieters verlässlich Auskunft geben2429. Mit diesem Inhalt steht sie aber unübersehbar in einer gewissen Nähe zu der vor allem im Arbeitsrecht anzutreffenden Ausgleichsquittung, der u.a. die Wirkung einer Verzichtserklärung oder eines negativen Schuldanerkenntnisses dahin beigelegt wird, gegen den Schuldner keine bekannten oder unbekannten Ansprüche mehr zu haben2430. Zur Abgabe einer solchen, mit einer Verzichtswirkung verbundenen Erklärung ist ein Vermieter jedoch nicht verpflichtet2431. 942 Wird eine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung ausgestellt, verliert der Vermieter seinen Mietzah-

lungsanspruch aus bestehenden Rückständen nicht dadurch, dass er in der Bescheinigung formuliert hat, der Mieter sei seinen Zahlungspflichten regelmäßig nachgekommen2432. Denn darin liegt kein Verzicht auf Mietzahlungsansprüche2433. 7. Miete im Prozess a) Leistungsklage 943 Soll Miete im Wege der Leistungsklage geltend gemacht werden, soll es nicht ausreichen, z.B. in einer

Tabelle Soll und Haben eines Mietkontos darzustellen, an dessen Ende ein Saldo zugunsten des Vermieters ausgewiesen wird. Denn zur Bestimmung des Streitgegenstandes nach § 253 ZPO soll der auf den jeweiligen Zeitabschnitt entfallende Rückstand anzugeben sein2434. Immerhin stellt die Miete keine Kontokorrentforderung dar2435. 944 Letzteres ist zwar richtig, hilft in der Sache aber nicht weiter. Um den Streitgegenstand festzulegen,

muss nicht unbedingt die Differenz/der Rückstand für jeden einzelnen Monat oder einen anderen vereinbarten Zeitabschnitt angegeben werden2436. Vielmehr kann z.B. der Jahressaldo geltend gemacht werden, indem aufgezeigt wird, wie viel Miete im Kalenderjahr geschuldet war und welche Summe darauf gezahlt wurde. Auch durch eine derartige Darstellung ist der Streitgegenstand bestimmt. Nichts anderes gilt, wenn Mietrückstände aus einem mehrere Jahre umfassenden Zeitraum geltend gemacht werden2437 und in der Aufstellung auch andere Forderungen (z.B. aus Betriebskostenabrechnungen)

2428 BGH v. 30.9.2009 – VIII ZR 238/08, MDR 2010, 18 = MietRB 2010, 3 = GE 2009, 1485 = NZM 2009, 853; Schmid, IMR 2014, 313; Kurek, MietRB 2014, 195; a.A. AG Berlin-Hohenschönhausen v. 30.3.2006 – 16 C 239/05, GE 2006, 974 (975); Beuermann, GE 2006, 1600; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. VII 251b. 2429 AG Berlin-Schöneberg v. 19.6.2006 – 16b C 55/06, GE 2006, 975 f.; AG Berlin-Tiergarten v. 27.11.2007 – 6 C 427/07, GE 2008, 203; Daub, GE 2006, 961 f.; zweifelnd auch Herrlein, WuM 2007, 54 (56). 2430 BGH v. 13.1.1999 – XII ZR 208/96, NJW-RR 1999, 593 (unter I 2a); BAG v. 7.11.2007 – 5 AZR 880/06, NJW 2008, 461 (462); Bamberger/Roth/Dennhardt, 2. Aufl., § 397 BGB Rz. 23 m.w.N. 2431 Vgl. Blank/Börstinghaus, § 538 BGB Rz. 6. 2432 LG Berlin v. 26.11.2010 – 63 S 188/10, GE 2011, 56; vgl. aber BGH v. 7.11.1996 – III ZR 88/95, VIZ 1997, 181 (unter Ib). 2433 AG Berlin-Spandau v. 4.5.2011 – 15 C 8/11, NZM 2011, 883. 2434 AG Köln v. 25.6.2008 – 220 C 55/08, WuM 2008, 676 = GE 2009, 384 = NZM 2009, 737. 2435 KG v. 11.3.2002 – 8 U 6289/00, KGR Berlin 2002, 300 = GE 2002, 796; LG Mannheim v. 11.5.1994 – 4 S 199/93, DWW 1995, 112; Beuermann, GE 2000, 1301. 2436 BGH v. 21.3.2018 – VIII ZR 84/17, WuM 2018, 278; BGH v. 9.1.2013 – VIII ZR 94/12, MietRB 2013, 65 = MDR 2013, 262 = WuM 2013, 179 = GE 2013, 349; a.A. OLG Brandenburg v. 15.12.2007 – 3 W 2/07, WuM 2007, 142 = GE 2007, 444 = NZM 2007, 685; LG Kempten v. 22.2.2017 – 53 S 1283/16, ZMR 2017, 400; AG Köln v. 25.6.2008 – 220 C 55/08, WuM 2008, 676, 677 = NZM 2009, 737; Sternel, Mietrecht Aktuell, Rz. XIV 49; vgl. auch Bub/Treier/Fischer, IX Rz. 61. 2437 BGH v. 9.1.2013 – VIII ZR 94/12, MietRB 2013, 65 = MDR 2013, 262 = WuM 2013, 179 = GE 2013, 349.

300 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 944b § 535

enthalten sind2438. Mit Rücksicht darauf kann auf eine konkrete Bezifferung der im Falle einer Klagehäufung nach Abzug geleisteter Zahlungen geforderten Einzelbeträge dann verzichtet werden, wenn diese Angaben zur Abgrenzung des Streitgegenstands nicht erforderlich sind, also weder für den Entscheidungsumfang des Gerichts (§ 308 ZPO) noch für den Ausgang des Rechtsstreits und auch nicht zur Ermittlung der Rechtskraft einer späteren gerichtlichen Entscheidung oder für eine Zwangsvollstreckung von Bedeutung sind2439. Das ist der Fall, wenn ein einheitlicher Gesamtanspruch geltend gemacht wird, von dem nach dem Klägervortrag unter Berücksichtigung geleisteter Zahlungen noch ein Betrag in Höhe der Klageforderung offen ist2440. Insoweit ist es auch im Hinblick auf § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht erforderlich, eine Aufschlüsselung des geltend gemachten Gesamtbetrags dahin, welche Zahlung auf welche Einzelforderung angerechnet wird, darzustellen. Denn es macht für die Bestimmung des Streitgegenstands letztlich keinen Unterschied, ob der Kläger hierbei die monatlich geschuldeten Beträge im Einzelnen auflistet und die erbrachten Zahlungen konkreten Monaten zuordnet oder ob er die im streitigen Zeitraum entstandenen Forderungen addiert und hiervon die Gesamtzahlungen in Abzug bringt2441. Diese Voraussetzungen liegen auch vor, wenn die Parteien die Leistung von Betriebskostenvorauszah- 944a lungen vereinbart haben. Denn in diesem Fall schuldet der Mieter eine Jahresmiete, auf die der Höhe nach festgelegte (monatliche) Abschläge (= Grundmiete + Vorauszahlungen) leistet. Wird das Jahressoll nicht erfüllt, liegt ebenfalls eine Forderung vor, die den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 ZPO gerecht wird und die einen Streitgegenstand bilden kann. Das gilt auch dann, wenn sich im laufenden Jahr die Miete geändert hat und unterschiedliche Beträge vom Mieter geleistet wurden2442. Insoweit ist es nicht erforderlich, in der Darstellung zwischen Grundmiete und Betriebskostenvorauszahlungen zu differenzieren. Denn im Zweifel sind nicht deckende Zahlungen gem. § 366 Abs. 2 BGB zunächst auf die Vorauszahlungen zu verrechnen (§ 556b BGB Rz. 92). Andere als die reinen Mietforderungen (z.B. Mahn-, Rechtsanwalts- oder Betriebskosten) müssen nicht gesondert ausgewiesen werden2443. Werden andere Forderungen als die Miete (z.B. Nachforderung aus einer Betriebskostenabrechnung) und Gutschriften (z.B. Guthaben aus einer Betriebskostenabrechnung) geltend gemacht, muss aus der Zusammenstellung der Einzelforderungen deren Grund und Höhe ersichtlich sein, damit das Gericht im Zweifel nach § 366 Abs. 2 BGB (von Amts wegen) eine Verrechnung vornehmen kann2444. Insoweit muss der Vermieter insbesondere klarstellen, ob er seine Klage noch auf Vorauszahlungen stützt, wenn Abrechnungsreife (§ 556 BGB Rz. 303) eingetreten ist. Der Vermieter kann seine Zahlungsklage wegen nicht geleisteter Mieten im Laufe des Prozesses noch 944b auf eine solche Saldoklage umstellen2445. Dabei handelt es sich gemäß § 264 Nr. 1 ZPO nicht um eine Klageänderung, die im Übrigen sachdienlich wäre. In diesem Fall stehen dem Vermieter die Zinsen erst ab der Umstellung zu. Mit Eintritt der Abrechnungsreife muss der Vermieter den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären, soweit in dem eingeklagten Saldo Vorauszahlungen enthalten waren. Dazu muss er ggfs. aufschlüsseln, wie er einzelne Zahlungen des Mieters verrechnet hat. Da unbenannte Zahlungen im Zweifel nach § 366 Abs. 2 BGB zuerst auf die Vorauszahlungen zu verrechnen sind (vgl. § 556b BGB Rz. 92), beschränkt sich das Problem auf die Fälle, in denen der Mieter Zahlungen leistet, die noch nicht einmal die Vorauszahlungen decken. Wird der Rechtsstreit nicht in 2438 BGH v. 21.3.2018 – VIII ZR 84/17, WuM 2018, 278 = NZM 2018, 454 Rz. 34; BGH v. 26.3.2018 – VIII ZR 68/17, MDR 2018, 779 = MDR 2018, 785 = WuM 2018, 373 = NZM 2018, 444. 2439 BGH v. 21.3.2018 – VIII ZR 84/17, WuM 2018, 278 = NZM 2018, 454; BGH v. 26.3.2018 – VIII ZR 68/17, MDR 2018, 779 = MDR 2018, 785 = WuM 2018, 373 = NZM 2018, 444; BGH v. 9.1.2013 – VIII ZR 94/12, MietRB 2013, 65 = MDR 2013, 262 = WuM 2013, 179 = GE 2013, 349. 2440 BGH v. 21.3.2018 – VIII ZR 84/17, WuM 2018, 278 = NZM 2018, 454; BGH v. 26.3.2018 – VIII ZR 68/17, MDR 2018, 779 = MDR 2018, 785 = WuM 2018, 373 = NZM 2018, 444; BGH v. 9.1.2013 – VIII ZR 94/12, MietRB 2013, 65 = MDR 2013, 262 = WuM 2013, 179 = GE 2013, 349. 2441 BGH v. 21.3.2018 – VIII ZR 84/17, WuM 2018, 278 = NZM 2018, 454; BGH v. 26.3.2018 – VIII ZR 68/17, MDR 2018, 779 = MDR 2018, 785 = WuM 2018, 373 = NZM 2018, 444. 2442 A.A. AG Dortmund v. 19.12.2014 – 420 C 6682/14, GE 2015, 1103. 2443 BGH v. 21.3.2018 – VIII ZR 84/17, WuM 2018, 278 = NZM 2018, 454; a.A. AG Dortmund v. 19.12.2014 – 420 C 6682/14, GE 2015, 1103. 2444 BGH v. 21.3.2018 – VIII ZR 84/17, WuM 2018, 278 = NZM 2018, 454; weitergehend: AG Hanau v. 28.10.2015 – 37 C 44/15, ZMR 2016, 119. 2445 LG Frankfurt an der Oder v. 28.3.2013 – 15 S 132/11, GE 2013, 813; Siegmund, WuM 2018, 601.

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§ 535 Rz. 944b | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags der Hauptsache für erledigt erklärt, führt dies jedoch nicht zur Unzulässigkeit der Saldoklage2446, sondern zur teilweisen Unbegründetheit2447. b) Urkundsklage aa) Grundsätzliche Zulässigkeit 945 Zur Durchsetzung des Anspruchs auf Zahlung der Miete kann der Vermieter den Urkundsprozess

wählen2448. Insbesondere führt nicht § 536 Abs. 4 BGB zur Unstatthaftigkeit dieser Klageart bei der Miete für Wohnraum2449. Denn mit diesem Einwand werden prozessuale mit materiell-rechtlichen Fragen vermischt2450. Der Vermieter macht bei einer Urkundenklage nur von einer nach der ZPO allen Gläubigern einer Geldschuld zustehenden Möglichkeit Gebrauch. Die Minderung ist eine Einwendung, die der Mieter beweisen muss. Der Mieter erleidet keine anderen Nachteile als alle im Urkundenprozess Beklagten, die ihre rechtsvernichtenden Einwendungen nicht mit den zulässigen Beweismitteln nachweisen können. Er wird zur Zahlung verurteilt, kann jedoch im Nachverfahren die Minderung uneingeschränkt geltend machen. Auch die Notwendigkeit, zur Abwendung der Vollstreckung aus dem Vorbehaltsurteil Sicherheit zu leisten, stellt keine unzumutbare Belastung des Mieters dar. Die erforderliche Sicherheitsleistung deckt sich mit der vereinbarten Miete und muss nur noch für den ungeklärten Minderungszeitraum erfolgen. 946 Der mindernde Mieter wird schon im Urkundenverfahren vollständig vortragen und in der mündli-

chen Verhandlung, in der er unter Vorbehalt seiner Rechte den Klageanspruch anerkennt, für das Nachverfahren nach § 226 ZPO vorgehen. Dazu muss eine Verkürzung der Ladungsfristen beantragt werden, die nach § 226 Abs. 3 ZPO ohne Anhörung des Gegners erfolgen kann. Daneben sollte er beachten, dass die Vollstreckung auch ohne Sicherheitsleistung für die Dauer des Nachverfahrens gemäß § 707 ZPO einstweilen eingestellt werden kann, wenn dieses Aussicht auf Erfolg hat, der Mieter nicht in der Lage ist, die Sicherheitsleistung zu erbringen und ihm durch die Vollstreckung ein nicht zu ersetzender Nachteil droht. Sollte im Nachverfahren eine Mietminderung zur Unbegründetheit des Mietzahlungsanspruches führen, kann der Mieter gemäß § 600 Abs. 2 ZPO Ersatz des Schadens verlangen, der ihm durch die Vollstreckung entstanden ist2451. bb) Urkundsklage und Mängeleinwand 947 Ein Zahlungsanspruch kann gemäß § 592 S. 1 ZPO im Urkundenprozess nur dann geltend gemacht

werden, wenn alle anspruchsbegründenden Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können. Zu den den Anspruch auf Mietzahlung begründenden Tatsachen gehört gemäß § 535 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB, dass dem Mieter eine mangelfreie Mietsache überlassen worden ist2452. Das führt zwar nicht dazu, dass die Abwesenheit von Mängeln zum notwendigen Inhalt der Klagebegründung wird2453. Ist die mangelfreie Übergabe der Mietsache aber streitig, muss der Vermieter diese Tatsache gemäß § 362 Abs. 1 BGB analog darlegen und notfalls beweisen2454, es sei denn, der Mieter hat die ihm überlassene Mietsache vorbehaltlos als vertragsgemäß angenommen, § 363 BGB2455. Davon kann nicht ausgegangen

2446 A.A. Zehelein, NZM 2013, 638 (640). 2447 BGH v. 21.3.2018 – VIII ZR 84/17, WuM 2018, 278. 2448 BGH v. 1.7.2005 – VIII ZR 216/04, MDR 2005, 1399 = MietRB 2006, 4 = WuM 2005, 526 = ZMR 2005, 773 = NZM 2005, 661; BGH v. 10.3.1999 – XII ZR 321/97, MDR 1999, 822 = NJW 1999, 1408 = ZMR 1999, 380 = NZM 1999, 401. 2449 So aber: Blank, NZM 2000, 1083 (1085 ff.); Eisenhardt, MDR 1999, 901 ff. 2450 BGH v. 1.7.2005 – VIII ZR 216/04, MDR 2005, 1399 = WuM 2005, 526 = ZMR 2005, 773 = NZM 2005, 661 = MietRB 2006, 4. 2451 Vgl. zu weiteren Verfahrensweisen Krapf, MietRB 2006, 15. 2452 OLG Düsseldorf v. 1.4.2004 – 24 U 227/03, MietRB 2004, 322 = NJW-RR 2005, 97 (99) = ZMR 2004, 673 = NZM 2004, 946; anderes bei erst nachträglich eingetretenem Mangel, vgl. BGH v. 1.6.2005 – VIII ZR 216/ 04, MDR 2005, 1399 = MietRB 2006, 4 = NJW 2005, 2701 (unter II 2b) und 2007, 1061 (unter II 2). 2453 BGH v. 16.10.2013 – XII ZR 64/12, MietRB 2014, 138 = GE 2013, 1582. 2454 Vgl. Palandt/Grüneberg, § 363 BGB Rz. 1. 2455 Vgl. BGH v. 8.7.2009 – VIII ZR 200/08, MDR 2009, 1297 = WuM 2009, 591 = ZMR 2010, 19.

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B. Wohnraummiete | Rz. 950a § 535

werden, wenn in einem Übergabeprotokoll Mängel festgehalten sind, die der Annahme entgegenstehen, dass der Mieter die Leistung des Vermieters als eine im Wesentlichen ordnungsgemäße Erfüllung gelten lassen wollte2456. Die Klage des Vermieters im Urkundenprozess ist aber statthaft, wenn entweder unstreitig ist, dass der Mieter die Mietsache als Erfüllung angenommen hat, oder wenn der Vermieter ein solches Verhalten des Mieters durch Urkunden, etwa ein Übergabeprotokoll oder Kontoauszüge, aus denen sich ergibt, dass der Mieter zunächst die ungeminderte Miete gezahlt hat, beweisen kann2457. Hat der Mieter ausdrücklich einen Vorbehalt seiner Rechte bei der Übergabe erklärt, muss zur Statthaftigkeit der Verfahrensart unstreitig sein oder urkundlich durch den Vermieter bewiesen werden können, dass der Mangel beseitigt ist oder der Mieter dennoch die Mietsache als Erfüllung angenommen hat2458. Gilt der anfängliche Mangel als bewiesen, ist der Vermieter auch darlegungs- und beweispflichtig da- 948 für, dass der Mangel beseitigt worden ist2459. Im Urkundenprozess ist dieser Beweis nur urkundlich führbar. Ist die Mietsache mit einem anfänglichen Mangel behaftet, ist die Miete kraft Gesetzes gemindert (§ 536 Abs. 1 BGB). Deren Höhe kann nicht mehr durch die Mietvertragsurkunde bewiesen werden. Das gilt auch bei Auftreten eines Mangels während der Mietzeit, der zwischen den Parteien unstreitig ist2460. Diese Voraussetzungen liegen z.B. vor, wenn im Mietvertrag festgehalten ist, dass die Mietsache bei 949 Zustandekommen des Mietvertrags von Ungeziefer befallen war, also mangelhaft gewesen ist, und dass der Vermieter für die Beseitigung des Mangels einzustehen hat2461. Damit ist der Vermieter nicht imstande, die Mangelfreiheit der Mietsache bei ihrer Überlassung an den Mieter nur urkundlich zu beweisen, wenn es über die Mängelbeseitigung ein Schriftstück (z.B. Übergabeprotokoll) gibt. Die Statthaftigkeit des Urkundenprozesses ist dagegen grundsätzlich nicht tangiert, wenn der beklagte 950 Mieter wegen behaupteter Mängel der Mietsache Minderung geltend macht2462 oder die Einrede des nicht erfüllten Vertrags gemäß § 320 BGB darauf stützt, ein Mangel sei nachträglich eingetreten, sofern der Mieter die Wohnung unstreitig in vertragsgemäßem Zustand erhalten hat2463. Dies gilt auch dann, wenn der Mieter in den genannten Fällen die ihm vom Vermieter zum Gebrauch überlassene Wohnung als Erfüllung angenommen hat, ohne die später behaupteten Mängel zu rügen2464. Zwar muss nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen der Vermieter beweisen, dass er seine vertragliche Pflicht, dem Mieter die Mietsache in vertragsgemäßem Zustand zu überlassen, erfüllt hat. Nach Überlassung der Mietsache trägt aber grundsätzlich der Mieter gemäß § 363 BGB die Beweislast dafür, dass die Mietsache zum Zeitpunkt der Übergabe mangelhaft war, wenn er die ihm überlassene Sache als Erfüllung angenommen hat2465. Die Vorschrift des § 363 BGB führt zu einer Beweislastumkehr. Ihr liegt zugrunde, dass demjenigen, der eine Leistung als Erfüllung annimmt, die Beweislast obliegt, wenn er die Leistung später nicht mehr als die geschuldete gelten lassen will2466. Demzufolge ist die Klage des Vermieters im Urkundenprozess statthaft, wenn entweder unstreitig ist, dass der Mieter die Mietsache als Erfüllung angenommen hat, oder wenn der Vermieter ein solches Verhalten des Mieters durch Urkunden – etwa ein Übergabeprotokoll oder Kontoauszüge, aus denen sich ergibt, dass der Mieter zunächst die ungeminderte Miete gezahlt hat – beweisen kann. Ist der Mangel unstreitig, ist das Gericht nicht gehindert, eine Minderung gemäß § 287 ZPO fest- 950a zusetzen2467. Im Übrigen wird die Urkundsklage unstatthaft, wenn der Mangel unstreitig, aber die Ver2456 2457 2458 2459 2460 2461 2462 2463 2464 2465 2466 2467

OLG Köln v. 30.3.2012 – 1 U 77/11, MietRB 2012, 259 = ZMR 2012, 701. OLG Düsseldorf v. 22.11.2011 – 24 U 2/11, DWW 2012, 297 = InfoM 2012, 190. BGH v. 12.6.2013 – XII ZR 50/12, MDR 2013, 993 = MietRB 2013, 296 = GE 2013, 1137 = NZM 2013, 614. Vgl. BGH v. 1.3.2000 – XII ZR 272/97, NJW 2000, 2344 (2345) (unter II 2a) m.w.N. KG v. 5.4.2012 – 12 U 49/11, MDR 2012, 901 = GE 2012, 1038. OLG Düsseldorf v. 18.3.2008 – I-24 U 136/07, MDR 2008, 1235 = MietRB 2009, 71 = GE 2008, 1324. BGH v. 1.6.2005 – VIII ZR 216/04, MDR 2005, 1399 = MietRB 2006, 4 = NJW 2005, 2701 (unter II 2b); BGH v. 10.3.1999 – XII ZR 321/97, MDR 1999, 822 = NJW 1999, 1408 (unter II). BGH v. 20.12.2006 – VIII ZR 112/06, MDR 2007, 671 = MietRB 2007, 193 = NJW 2007, 1061 (Rz. 9 ff.). BGH v. 8.7.2009 – VIII ZR 200/08, MDR 2009, 1297 = GE 2009, 1183 = ZMR 2010, 19. BGH v. 15.11.2006 – XII ZR 120/04, MDR 2007, 257 = NJW 2007, 2394 (Rz. 23 f.) m.w.N.; BGH v. 13.2.1985 – VIII ZR 154/84, MDR 1986, 49 = NJW 1985, 2328 (unter II 2b). Flatow, DWW 2008, 88 (91). Vgl. OLG München v. 25.9.2007 – 19 U 3454/07, zitiert nach juris Rz. 2 ff.; Musielak/Voit, 10. Aufl., § 592 ZPO Rz. 9a mit Fn. 76; Dötsch, IMR 2012, 259.

Lützenkirchen | 303

§ 535 Rz. 950a | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags ursachung (z.B. bei Feuchtigkeit) streitig ist2468. Denn der Vermieter müsste den Beweis mit im Urkundsverfahren zulässigen Beweismitteln führen. cc) Abstandnehmen vom Urkundsprozess 951 Grundsätzlich kann der Vermieter in jedem Stadium des Verfahrens Abstand vom Urkundenprozess

nehmen. Dies gilt selbst dann, wenn er diese Erklärung erst im Berufungsverfahren abgibt2469. Die in § 596 ZPO für das Berufungsverfahren nicht ausdrücklich vorgesehene Abstandnahme vom Urkundenprozess ist in entsprechender Anwendung der §§ 263 f. ZPO zulässig, wenn der beklagte Mieter einwilligt oder das Gericht die Klageänderung für sachdienlich hält, und zwar mit der Wirkung, dass der Rechtsstreit im zweiten Rechtszug nunmehr im ordentlichen Verfahren anhängig ist2470. Damit gelangt mit dem zulässigen Rechtsmittel außer den vom erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen auch der gesamte aus den Akten ersichtliche Prozessstoff des ersten Rechtszugs in die Berufungsinstanz. Das Berufungsgericht darf daher auch schriftsätzlich angekündigtes, entscheidungserhebliches Parteivorbringen berücksichtigen, das von dem erstinstanzlichen Gericht für unerheblich erachtet worden ist, auch wenn es im Urteilstatbestand keine Erwähnung gefunden hat2471. Kommt es aus der allein maßgeblichen Sicht des Berufungsgerichts auf Grund einer Klageänderung für die Entscheidung auf Tatsachen an, die in dem Urteil des erstinstanzlichen Gerichts – aus dessen Sicht folgerichtig – trotz entsprechenden Parteivortrags nicht festgestellt sind, bestehen erhebliche Zweifel an der Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen, die das Berufungsgericht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 ZPO zu eigenen Feststellungen berechtigen und verpflichten2472. Zwar kann das Revisionsgericht die Verneinung der Sachdienlichkeit nur darauf überprüfen, ob das Berufungsgericht den Begriff der Sachdienlichkeit verkannt oder die Grenzen seines Ermessens überschritten hat. Dies erfordert aber eine Berücksichtigung, Bewertung und Abwägung der beiderseitigen Interessen. Dabei ist entscheidend, ob und inwieweit die Zulassung der geänderten Klage den Streit im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits ausräumt, so dass sich ein weiterer Prozess vermeiden lässt. Eine Klageänderung ist danach nicht sachdienlich, wenn ein völlig neuer Streitstoff zur Beurteilung und Entscheidung gestellt wird, ohne dass dafür das Ergebnis der bisherigen Prozessführung verwertet werden kann. Der Sachdienlichkeit steht grundsätzlich nicht entgegen, dass aufgrund der Klageänderung neue Parteierklärungen und gegebenenfalls Beweiserhebungen notwendig werden und die Erledigung des Prozesses verzögert wird2473. c) Vorauszahlungen im Prozess 952 Nach Ablauf der Abrechnungsfrist (= Abrechnungsreife) des § 556 Abs. 3 BGB kann der Vermieter in

der Miete enthaltene Vorauszahlungen auf Betriebskosten nicht mehr geltend machen2474. Denn sonst würde die Gefahr bestehen, dass ihm etwas zugesprochen wird, das er – wegen eines Guthabens aus der Betriebskostenabrechnung – nicht mehr verlangen könnte. Hatte der Vermieter die Miete einschließlich der monatlich geschuldeten Vorauszahlungen eingeklagt, muss er zumindest in Höhe der eingeklagten Vorauszahlungen den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären, sofern pflichtwidrig nicht in der Zwischenzeit abgerechnet wurde2475. Ansonsten kann er mit dem Eintritt der Abrechnungsreife die Klageforderung hinsichtlich der Vorauszahlungen grundsätzlich auf den Abrech2468 BGH v. 16.10.2013 – XII ZR 64/12, MietRB 2014, 138 = GE 2013, 1582. 2469 BGH v. 4.7.2012 – VIII ZR 109/11, MDR 2012, 986 = NZM 2012, 559. 2470 BGH v. 13.4.2011 – XII ZR 110/09, MDR 2011, 936 = BGHZ 189, 182 Rz. 24; BGH v. 25.2.1959 – V ZR 139/57, BGHZ 29, 337, 339 f. m.w.N.; BGH v. 31.5.1965 – VII ZR 114/63, NJW 1965, 1599; BGH v. 6.6.1977 – III ZR 116/75, BGHZ 69, 66, 69; BGH v. 19.10.1999 – XI ZR 308/98, MDR 1999, 1519 = NJW 2000, 143 (unter II 2b cc). 2471 BGH v. 4.7.2012 – VIII ZR 109/11, MDR 2012, 986 = NZM 2012, 559; Musielak/Ball, § 529 ZPO Rz. 3 m.w.N. 2472 BGH v. 13.4.2011 – XII ZR 110/09, MDR 2011, 936 = BGHZ 189, 182 Rz. 24. 2473 BGH v. 4.7.2012 – VIII ZR 109/11, MDR 2012, 986 = NZM 2012; BGH v. 13.4.2011 – XII ZR 110/09, MDR 2011, 936 = BGHZ 189, 182 Rz. 24. 2474 BGH v. 27.11.2002 – VIII ZR 108/02, MDR 2003, 382 = NZM 2003, 196 (unter III 2). 2475 Langenberg, NZM 2001, 783 (786).

304 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 956 § 535

nungssaldo umstellen2476. Dazu kann er die Klage gemäß § 264 Nr. 3 ZPO entsprechend umstellen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung ist der Schluss der mündlichen Verhandlung ggf. im Berufungsverfahren2477, selbst wenn die Klageänderung schon erstinstanzlich hätte erfolgen können2478. Zu Ausnahmen vgl. § 556 BGB Rz. 303b. Für den Fall, dass Sollvorauszahlungen in der Abrechnung berücksichtigt wurden, soll eine konklu- 953 dente Erhöhung des Saldos, der sich aus der Abrechnung ergibt, um die zuvor im Rechtsstreit verlangten Sollzahlungen anzunehmen sein2479. Diese Auffassung ist aber mit § 556 Abs. 3 BGB nicht vereinbar. Denn eine Abrechnung auf der Basis von Sollvorschüssen kann nach Ablauf der Abrechnungsfrist nur ausnahmsweise zugunsten des Vermieters korrigiert werden. Dies ist etwa der Fall, wenn für den Mieter die (fehlerhafte) Abrechnung nach Sollvorschüssen erkennbar war und der Vermieter kurz nach Ablauf der Frist des § 556 Abs. 3 BGB seinen Fehler korrigiert2480. Allerdings kann der Vermieter weiterhin die Bruttomiete verlangen, wenn er auf die darin enthaltenen Vorauszahlungen die nach ihrer Abrechnung enthaltenen Nebenkosten anrechnet und den zugunsten des Mieters verbleibenden Saldo mit der Nettomiete verrechnet2481. d) Klage auf zukünftige Leistung (Miete) Gemäß § 259 ZPO kann Klage auf zukünftige Leistung erhoben werden, wenn die Besorgnis gerecht- 954 fertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde. Die Besorgnis der nicht rechtzeitigen Leistung des Mieters besteht bereits deshalb, wenn feststeht, dass der Mieter dem Vermieter einen Betrag schuldet, der eine Bruttomonatsmiete in mehrfacher Höhe übersteigt2482. Denn dann ist zu besorgen, dass er künftige Nutzungsentgeltforderungen des Vermieters – unabhängig davon, ob sie Miete oder Nutzungsentschädigung zum Gegenstand haben – nicht rechtzeitig erfüllen werden. Vgl. im Übrigen auch zur Sicherungsanordnung Anhang zu § 546a BGB Rz. 5 ff.

X. Schutzbereich des Mietvertrags Grundsätzlich treffen die Parteien, insbesondere den Vermieter, nur gegenüber ihrem Vertragspartner 955 Schutzpflichten. Denn der Mietvertrag wirkt zunächst nur inter pares. Dennoch können in den Schutzbereich des Mietvertrags auch Dritte einbezogen sein. 1. Schutzwirkung für Dritte In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass auch dritte, an einem Vertrag nicht unmittelbar beteiligte 956 Personen in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen werden können. Ihnen gegenüber ist der Schuldner zwar nicht zur Leistung, wohl aber unter Umständen zum Schadensersatz verpflichtet. Zu den Verträgen mit Schutzwirkung für Dritte gehört insbesondere auch der Mietvertrag2483. Die Einbeziehung Dritter in die Schutzwirkung eines Vertrages beruht darauf, dass die dritte Person wie der Mieter selbst mit der Leistung des Vermieters in Berührung kommt, also eine gewisse Leistungsnähe vorliegt.

2476 OLG Düsseldorf v. 14.12.2000 – 10 U 134/98, ZMR 2001, 882 (884); Hanseatisches OLG Hamburg v. 2.11.1988 – 4 U 150/88, MDR 1989, 162 = WuM 1989, 150 = NJW-RR 1989, 82; Blank/Börstinghaus, § 556 BGB Rz. 201. 2477 BGH v. 16.6.2010 – VIII ZR 258/09, MDR 2010, 977 = MietRB 2010, 257 (258) = ZMR 2010, 847 = NZM 2010, 736. 2478 A.A. OLG Düsseldorf v. 9.10.2003 – I-10 U 174/02, NZM 2003, 899. 2479 Langenberg, NZM 2001, 783 (786). 2480 BGH v. 30.3.2011 – VIII ZR 133/10, MietRB 2011, 243 = GE 2011, 814 = WuM 2011, 370 = NZM 2011, 478. 2481 BGH v. 22.1.2003 – VIII ZR 244/02, MDR 2003, 562 = WuM 2003, 204. 2482 BGH v. 4.5.2011 – VIII ZR 146/10, MDR 2011, 841 = MietRB 2011, 201 = WuM 2011, 434 = ZMR 2011, 709. 2483 BGH v. 22.1.1968 – VIII ZR 195/65, BGHZ 49, 350, 353 = WPM 1968, 438 (439) m.w.N.

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§ 535 Rz. 957 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags 957 Weiter ist erforderlich, dass der Mieter der dritten Person etwa aufgrund eines Arbeitsverhältnisses

Schutz und Fürsorge zu gewährleisten hat, was ein Einbeziehungsinteresse des Dritten begründet, und dies für den Vermieter erkennbar ist. Dann entspricht es Sinn und Zweck des Vertrages sowie Treu und Glauben, dass dem Dritten der Schutz des Vertrages in gleicher Weise zugutekommt wie dem Gläubiger selbst2484. 958 Der Kreis der in den Schutzbereich eines Mietvertrags einzubeziehenden Personen darf allerdings

nicht uferlos ausgedehnt werden. So reicht es nicht aus, dass eine Ablehnung von Ansprüchen des Dritten unbillig wäre2485. Für die Einbeziehung in den Schutzbereich des Mietvertrags ist weniger das Bestehen einer Obhuts- und Fürsorgepflicht des Vermieters für den Dritten als vielmehr der Inhalt des Mietvertrags entscheidend2486, insbesondere, ob danach bestimmungsgemäß auch ein Dritter mit der Mietsache in Berührung kommt und auf diese Weise Sach- und Personenschaden erleidet oder – im umgekehrten Falle – selbst in die Gefahr gerät, die Mietsache zu beschädigen oder ihren Zustand sonst zu verschlechtern und dieserhalb auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden2487. Diese Voraussetzungen treffen in jedem Fall für die Arbeitnehmer des Mieters, seinen Ehegatten und seine Familienangehörigen zu, die ständig mit dem Mieter in der Wohnung leben. Auch der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft soll privilegiert sein2488. Nicht in den Schutzbereich einbezogen ist der Untermieter2489 oder der Mieter einer Nachbarwohnung2490, da beide durch eigene Ansprüche gegenüber ihrem jeweiligen Vermieter ausreichend geschützt sind. 959 Lässt der Mietvertrag die Benutzung der Mietsache durch einen Dritten nicht zu, scheidet eine Dritt-

schutzwirkung aus2491. Soziale Abhängigkeit des Dritten vom Mieter ist nicht erforderlich2492. Die Schutzwirkung gilt für Personen und Sachen2493. 2. Rechtsfolge 960 Schädigt der Vermieter den in den Schutzbereich des Mietvertrags einbezogenen Dritten unter Verlet-

zung mietvertraglicher Pflichten, kann der Dritte vom Vermieter Schadensersatz nach mietvertraglichen Regeln verlangen. Ist die Schadensursache ein Anfangsmangel, trifft den Vermieter auch dem Dritten gegenüber die verschuldensunabhängige Haftung nach § 536a Abs. 1, Alt. 1 BGB2494. Auf dieser Grundlage ist ein Arbeitnehmer, dem ein Fenster an seinem Arbeitsplatz auf den Kopf fällt, in den Schutzbereich des Vertrages seines Arbeitgebers mit dem Vermieter einbezogen2495. Als Arbeitnehmer hat er zu den angemieteten Büroräumen eine ebenso starke Leistungsnähe wie der Mieter selbst. Der Mieter ist ihm aufgrund des Dienstverhältnisses zu Schutz und Fürsorge verpflichtet, was ein Interesse an der Einbeziehung des Arbeitnehmers in die Schutzwirkungen des Vertrages begründet. 961 Für seine Erfüllungsgehilfen haftet der Vermieter auch dem Dritten gegenüber gemäß § 278 BGB.

Die Haftung aus der Schutzwirkung kann neben der aus unerlaubter Handlung des Vermieters und des Mieters stehen2496. Da der Dritte nicht bessergestellt sein kann als der Mieter, muss er sich – allerdings nur im Rahmen der mietvertraglichen Ansprüche – Haftungsausschlüsse des Vermieters gegen-

2484 BGH v. 22.1.1968 – VIII ZR 195/65, BGHZ 49, 350, 353 f. = NJW 1968, 885 (887); Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536a BGB Rz. 77. 2485 BGH v. 11.12.1984 – VI ZR 218/83, MDR 1985, 833 = NJW 1985, 409. 2486 BGH v. 19.9.1973 – VIII ZR 175/72, NJW 1973, 2059. 2487 BGH v. 21.7.2010 – XII ZR 189/08, MDR 2010, 1103 = MietRB 2010, 319 = MietRB 2010, 320 = GE 2010, 1193; BGH v. 7.11.1984 – VIII ZR 182/83, MDR 1985, 400 = NJW 1985, 489 mit Rspr.-Nachw. 2488 LG Berlin v. 27.0.2013 – 63 S 127/13, GE 2013, 1587. 2489 BGH v. 15.2.1978 – VIII ZR 47/77, MDR 1978, 486 = WuM 1978, 234 = ZMR 1978, 180 = NJW 1978, 883. 2490 OLG Frankfurt v. 7.9.2018 – 10 U 8/18, MietRB 2018, 354 = IMR 2018, 450 (Tölle). 2491 BGH v. 7.7.1976 – VIII ZR 44/75, NJW 1976, 1843. 2492 BGH v. 7.7.1976 – VIII ZR 44/75, NJW 1976, 1843. 2493 BGH v. 20.12.1978 – VIII ZR 69/78, WPM 1979, 307; BGH v. 17.12.1969 – VIII ZR 52/68, ZMR 1970, 81; BGH v. 22.1.1968 – VIII ZR 195/65, NJW 1968, 885. 2494 BGH v. 22.1.1968 – VIII ZR 195/65, NJW 1968, 885. 2495 BGH v. 21.7.2010 – XIII ZR 189/08, GE 2010, 1193. 2496 BGH v. 23.6.1965 – VIII ZR 201/63, NJW 1965, 1757.

306 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 964 § 535

über dem Mieter2497 und ein eventuelles Mitverschulden des Mieters i.S.d. § 254 BGB entgegenhalten lassen2498. Der in den Schutzbereich des Mietvertrags einbezogene Dritte haftet dem Vermieter für Beschädigun- 962 gen der Mietsache nur nach §§ 823 BGB ff., kann sich aber auf die kurze Verjährung des § 548 BGB berufen2499, unabhängig davon, ob der Dritte vom Mieter Freistellung von den Ansprüchen des Vermieters verlangen kann2500. 3. Fallbeispiele In den Schutzbereich des Mietvertrags sind z.B. folgende Personen einbezogen: 963 – der im Haushalt des Mieters lebende – Ehegatte oder Lebenspartner nach dem LPartG, – Familienangehörige des Wohnraummieters, – Lebensgefährte des Wohnraummieters2501, – Hausangestellte des Wohnraummieters, – die Arbeitnehmer des Gewerberaummieters2502, – der selbständige Werkunternehmer, dem der Mieter in Übereinstimmung mit dem Vermieter die Mietsache überlassen hat2503, – die Mitglieder des als Mieter fungierenden Vereins2504, – die persönlich haftenden Gesellschafter einer anmietenden OHG oder KG2505, – die Organe einer als Mieter fungierenden juristischen Person2506, – der Einlagerer als Eigentümer der vom Lagerhalter in zur gewerblichen Einlagerung angemieteten Räumen eingelagerten Sachen2507, – der berechtigte Fahrer eines Mietwagens2508. In den Schutzbereich nicht einbezogen sind z.B. der bloße Untermieter2509, andere Mieter im selben 964 Gebäude2510, Gäste, Kunden, Lieferanten und andere Personen, die sich nur gelegentlich in den Mieträumen aufhalten2511. Ihnen gegenüber kommt nur eine Haftung aus unerlaubter Handlung bei Verletzung allgemeiner Pflichten wie der Verkehrssicherungspflicht in Betracht2512. Anderenfalls würde der Kreis der in den Schutzbereich einbezogenen Personen völlig ausufern.

2497 BGH v. 15.6.1971 – VI ZR 262/69, NJW 1971, 1931. 2498 BGH v. 7.11.1960 – VII ZR 148/59, BGHZ 33, 247; BGH v. 23.6.1965 – VIII ZR 201/63, NJW 1965, 1757. 2499 BGH v. 21.6.1988 – VI ZR 150/87, MDR 1989, 55 = ZMR 1988, 419; BGH v. 7.7.1976 – VIII ZR 44/75, NJW 1976, 1843. 2500 BGH v. 19.9.1973 – VIII ZR 175/72, NJW 1973, 2059. 2501 Hanseatisches OLG Hamburg v. 17.8.1988 – 4 U 151/87, WuM 1989, 68. 2502 BGH v. 21.7.2010 – XII ZR 189/08, MDR 2010, 1103 = MietRB 2010, 319 = MietRB 2010, 320 = GE 2010, 1193; BGH v. 19.9.1973 – VIII ZR 175/72, NJW 1973, 2059. 2503 BGH v. 7.7.1976 – VIII ZR 44/75, NJW 1976, 1843. 2504 BGH v. 23.6.1965 – VIII ZR 201/63, NJW 1965, 1757. 2505 BGH v. 10.1.1968 – VIII ZR 104/65, MDR 1968, 402. 2506 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 733. 2507 BGH v. 17.12.1969 – VIII ZR 52/68, NJW 1970, 419. 2508 BGH v. 17.1.1968 – VIII ZR 207/65, NJW 1968, 694. 2509 BGH v. 20.12.1978 – VIII ZR 69/78, ZMR 1979, 310; BGH v. 15.2.1978 – VIII ZR 47/77, NJW 1978, 883; kritisch MünchKomm/Häublein, § 535 BGB Rz. 150. 2510 BGH v. 9.10.1968 – VIII ZR 173/66, NJW 1969, 41. 2511 OLG Köln v. 25.4.1958 – 9 U 186/55, ZMR 1959, 134. 2512 Ebenso Wolf/Eckert/Ball, Rz. 736: ähnlich OLG Köln v. 8.11.2000 – 11 U 41/00, MDR 2001, 561 = ZMR 2001, 273, str.

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§ 535 Rz. 965 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

XI. Haftung für Verschulden Dritter 1. Vermieterseite 965 Im Rahmen der Erfüllung seiner mietvertraglichen Verpflichtungen haftet der Vermieter gemäß § 278

BGB für Verschulden von Erfüllungsgehilfen. Erfüllungsgehilfen des Vermieters sind sämtliche Personen, deren er sich bedient, um seinen mietvertraglichen Pflichten nachzukommen. Für deren schuldhaftes Verhalten haftet der Vermieter, soweit sie in Erfüllung der mietvertraglichen Vermieterpflichten handeln. Erfüllungsgehilfen des Vermieters können insbesondere sein die vom Vermieter im Zuge von Herstellungs-, Reparatur- sowie Wartungsarbeiten in oder am Mietobjekt eingeschalteten Architekten, Bauhandwerker, Lieferanten und deren Angestellte2513, im vermieteten Betriebsgebäude tätige Arbeitnehmer des Vermieters2514, der Hausverwalter2515 und der Hausmeister. 966 Nicht zu den Erfüllungsgehilfen des Vermieters zählen grundsätzlich die anderen Mieter2516, außer ih-

nen sind vom Vermieter aus dessen Pflichtenkreis stammende Arbeiten übertragen worden, wie z.B. die Streupflicht2517. § 906 Abs. 2 S. 2 BGB ist auf das Verhältnis mehrerer Mieter eines Grundstücks nicht analog anwendbar2518. 967 Handeln Dritte zwar für den Vermieter etwa aus Anlass von Erfüllungshandlungen, nicht jedoch in

Erfüllung von mietvertraglichen Vermieterpflichten, haftet der Vermieter für deren Verhalten nur unter den für die Haftung für Verrichtungsgehilfen in § 831 BGB aufgestellten Voraussetzungen. 2. Mieterseite 968 Entsprechendes gilt für die Haftung des Mieters. Zu seinen Erfüllungsgehilfen i.S.d. § 278 BGB zäh-

len diejenigen Personen, denen er willentlich die Möglichkeit, in Bezug auf die Erfüllung seiner Mieterverpflichtungen auf die Mietsache einzuwirken, einräumt. Wird der Vermieter durch schuldhafte Handlungen dieser Personen, die in einem adäquaten Zusammenhang mit der Erfüllung von Mieterpflichten stehen, geschädigt, haftet der Mieter gemäß § 278 BGB2519. 969 Als Erfüllungsgehilfen des Mieters kommen in Betracht die vom Mieter beauftragten Handwerker und

Möbeltransporteure, der Untermieter (vgl. § 540 Abs. 2 BGB), bei der Wohnraummiete die im Haushalt lebenden Angehörigen des Mieters, seine Hausangestellten, bei der gewerblichen Miete seine Arbeitnehmer, Lieferanten und Kunden. 970 Nicht zu den Erfüllungsgehilfen des Mieters zählen grundsätzlich andere Mieter des Hauses2520, auch

nicht der Hauswart2521, selbst wenn er auf eine Schadensmeldung des Mieters hin tätig wird.

C. Gewerberaummiete I. Wirksamkeit des Mietvertrages 1. Allgemeine Tatbestände 971 Grundsätzlich besteht in der Gewerberaummiete Vertragsfreiheit. Aus der Verweisung in § 578 Abs. 2

BGB wird deutlich, dass die Gestaltungsfreiheit nicht in dem Maß eingeschränkt ist, wie es in der Wohnraummiete der Fall ist. Denn auf die halbzwingenden Normen der Vorschriften über die Wohnraummiete in den §§ 549 ff. BGB wird gerade nicht Bezug genommen. Dennoch ist, wie sich aber

2513 2514 2515 2516 2517 2518 2519 2520 2521

BGH v. 26.9.1961 – VI ZR 258/60, BB 1961, 1302; OLG Karlsruhe v. 18.9.1987 – 14 U 30/86, ZMR 1988, 52. BGH v. 20.5.1984 – VIII ZR 242/62, MDR 1964, 750 = LM § 278 BGB Nr. 39. BGH v. 16.10.1963 – VIII ZR 28/62, NJW 1964, 33. Ausnahmefall BGH v. 16.10.1963 – VIII ZR 28/62, NJW 1964, 33. BGH v. 12.5.1969 – VIII ZR 164/67, ZMR 1969, 271. BGH v. 12.12.2003 – V ZR 180/03, MDR 2004, 681 = MietRB 2004, 149 = ZMR 2004, 335. BGH v. 25.10.2006 – VIII ZR 102/06, MDR 2007, 454 = MietRB 2007, 59 (60 f.) = WuM 2007, 24. BGH v. 12.5.1969 – VIII ZR 164/67, VersR 1969, 754. KG v. 26.4.1976 – 8 U 1871/74, ZMR 1976, 204.

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C. Gewerberaummiete | Rz. 976 § 535

bereits aus Art. 2 GG ergibt, die Vertragsfreiheit durch die bestehenden Gesetze begrenzt. Verstößt der Abschluss des Mietvertrages z.B. gegen ein gesetzliches Verbot, das die Vornahme des Rechtsgeschäfts insgesamt sanktionieren soll, tritt nach § 134 BGB Nichtigkeit ein. Dies gilt auch für sog. Umgehungsgeschäfte2522. a) Steuerhinterziehung, § 134 BGB In der Gewerberaummiete kann sich die Steuerhinterziehung nicht nur aus einer Verkürzung der Ein- 972 kommensteuer (Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung) ergeben, sondern auch aus einer Umgehung von umsatzsteuerlichen Bestimmungen. Insoweit gelten die Anforderungen an die unter § 535 BGB Rz. 1136 f. dargestellten Grundsätze entsprechend. b) Ausnutzen einer beherrschenden Marktstellung, § 19 GWB Nach § 19 Abs. 1 GWB ist die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch 973 ein oder mehrere Unternehmen verboten. Verstößt der Miet- oder Optionsvertrag gegen dieses Verbot, tritt Gesamtnichtigkeit nach § 134 BGB ein. Ein Vermieter hat zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine marktbeherrschende Stellung inne, wenn 974 er auf dem Grundstück, auf dem er einer gewerblichen Tätigkeit nachgeht, über eine oder einige wenige Gewerbeeinheiten verfügt, die er an Gewerbetreibende vermietet, deren Gewerbe ausschließlich von dem des Vermieters abhängig ist und am Ort im Übrigen zu dem Gewerbe des Vermieters kein nennenswerter Wettbewerb stattfindet. Mit Rücksicht darauf nimmt ein Landkreis auf dem Markt der Vermietung und Verpachtung von Gewerbeflächen an Schilderprägebetriebe eine marktbeherrschende Stellung ein, wenn er von fünf möglichen Standorten drei anbieten kann und diese drei Standorte deutliche Vorteile gegenüber den anderen beiden Standorten aufweisen, weil sie unmittelbar neben der Zulassungsstelle für Kraftfahrzeuge angesiedelt sind2523. Aber auch nicht öffentlich-rechtliche Personen können als Vermieter eine solche Stellung bekleiden, wenn sie über die einzigen entsprechend nutzbaren Grundstücke im unmittelbaren Bereich der Kfz-Zulassungsstelle verfügen2524. Ein Missbrauch seiner überragenden Marktstellung begeht der Vermieter regelmäßig, wenn er die in 975 Rede stehenden Flächen nicht im Rahmen eines diskriminierungsfreien Auswahlverfahrens vergibt. Das ist der Fall, wenn der Vermieter in der gegebenen Situation ohne Auswahlverfahren einen Mietvertrag schließt. Aber auch die Einräumung eines Erstzugriffsrechts auf etwaige künftige Gewerbeflächen zum Betrieb eines Schilderprägebetriebs gegen Entgelt kann den Tatbestand erfüllen2525. Denn kartellrechtlich ist der Vermieter gerade verpflichtet, ein diskriminierungsfreies Auswahlverfahren durchzuführen. Befinden sich die nach einer Ausschreibung zu weit über dem ortsüblichen Preis zum Zweck des Betrei- 975a bens einer Prägestelle für Kfz-Kennzeichen vermieteten Räume in der Nähe einer Kfz-Zulassungsstelle, führt der Wegzug der Behörde zu einer Störung der Geschäftsgrundlage, die in der Annahme der Parteien zu sehen ist, die Zulassungsstelle werde ihren Standort beibehalten. Für diesen Fall ist eine Kündigung des Mieters im Zeitpunkt der Schließung der Zulassungsstelle nach § 313 Abs. 3 BGB zulässig2526. c) § 138 BGB Für diesen Nichtigkeitsgrund wird der Maßstab durch das Anstandsgefühl aller billig und gerecht den- 976 kenden Menschen bestimmt. Im Hinblick auf die Vielzahl der davon erfassten Fälle hat sich eine Typik herausgearbeitet.

2522 2523 2524 2525 2526

Vgl. Palandt/Ellenberger, § 134 BGB Rz. 28. BGH v. 3.7.2001 – KZR 11/00, BGHR 2001, 972. OLG Düsseldorf v. 2.8.2007 – VI-U (Kart) 10/07, zitiert nach juris. OLG Düsseldorf v. 2.8.2007 – VI-U (Kart) 10/07, zitiert nach juris. OLG Naumburg v. 18.9.2017 – 1 U 82/17, MietRB 2018, 326 = IMR 2018, 421 (Biebelheimer).

Lützenkirchen | 309

§ 535 Rz. 977 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags aa) Koppelungsgeschäfte 977 Sog. Koppelungsgeschäfte kommen in Betracht, wenn durch die Koppelung des Mietvertrages mit ei-

nem anderen Geschäft eine missbilligte Leistung entsteht. In diesem Fall kann der gesamte Mietvertrag unwirksam sein. 978 Deshalb ist der Mietvertrag mit einer Prostituierten unwirksam, wenn aus der Höhe des Entgelts da-

rauf geschlossen werden kann, dass über die Miete eine Beteiligung am Dirnenlohn stattfindet, die auf wirtschaftliche Ausbeutung der Prostitution oder Förderung der Prostitution hinausläuft2527. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob Prostitution heute noch als sittenwidrig angesehen wird2528. Denn die Koppelung verstößt gegen die sexuelle Selbstbestimmung. 979 Dagegen ist die Bindung des Servicevertrages an den Fortbestand des Mietvertrages im Rahmen ei-

nes Betreuten Wohnens („Service-Wohnen“) grundsätzlich nicht sittenwidrig2529. bb) Wucher 980 Ein für den Wuchertatbestand notwendiger Mangel an Urteilsvermögen kann nicht angenommen

werden, wenn der Betroffene nach seinen Fähigkeiten in der Lage ist, Inhalt und Folgen eines Rechtsgeschäftes sachgerecht einzuschätzen, diese Fähigkeiten aber nicht oder nur unzureichend einsetzt und deshalb ein unwirtschaftliches Rechtsgeschäft abschließt2530. Anders als bei der Wohnraummiete ist ein auffälliges Missverhältnis i.S.d. § 138 Abs. 2 BGB bei der Gewerberaummiete erst dann anzunehmen, wenn die vereinbarte Miete die doppelte Höhe des Marktwertes erreicht2531. Dazu ist die Vergleichsmiete einzig anhand derjenigen Miete zu ermitteln, die für vergleichbare Objekte erzielt wird2532. Fehlen geeignete Vergleichsobjekte, ist der Wert zu schätzen. Statistische Ertragswerte, wie sie etwa bei der sog. EOP-Methode herangezogen werden, bleiben hingegen unberücksichtigt2533. 981 Neben dem auffälligen Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung müssen aber weitere sittenwid-

rige Umstände hinzutreten, z.B. eine verwerfliche Gesinnung des durch den Vertrag objektiv Begünstigten2534. Während etwa im Bereich der Teilzahlungs- und Ratenkreditverträge mit privaten Kunden bei drastischer Überschreitung der marktüblichen Zinsen dem Darlehensgeber die Kenntnis dieses Missverhältnisses und deshalb zugleich eine verwerfliche Gesinnung unterstellt werden kann2535, muss bei gewerblichen Miet- und Pachtverhältnissen zumindest die Erkennbarkeit des Missverhältnisses für den Vermieter festgestellt werden2536. Ein Vermieter muss sich nämlich bei Vertragsschluss nicht unbedingt dessen bewusst sein, dass er mit der geforderten Miete weit über dem Marktniveau liegt. Oft ist es nicht einfach, die ortsübliche Miete überhaupt festzustellen, da diese innerhalb derselben Stadt schon von Straße zu Straße deutlich schwanken kann. Deshalb muss trotz eines auffälliges Missverhältnisses i.S.v. § 138 BGB im Rahmen der tatrichterlichen Würdigung ermittelt werden, ob sich der Vermieter bei Vertragsschluss z.B. leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, dass die beanspruchte Miete in einem auffälligen Missverhältnis zum Wert der Gegenleistung steht2537.

2527 2528 2529 2530 2531 2532 2533 2534 2535 2536 2537

OLG Koblenz v. 15.5.1997 – 5 U 289/96, NZM 1998, 479. Vgl. dazu Palandt/Ellenberger, § 138 BGB Rz. 52 (sittenwidrig trotz ProstG). BGH v. 23.2.2006 – III ZR 167/05, MDR 2006, 1097 = MietRB 2006, 257 = GuT 2006, 119. BGH v. 23.6.2006 – V ZR 147/05, MDR 2007, 23 = GE 2006, 1227. BGH v. 28.4.1999 – XII ZR 150/97, MDR 1999, 1432 = NJW 1999, 3187 = NZM 1999, 664. BGH v. 13.6.2001 – XII ZR 49/99, MDR 2001, 1105 = NJW 2002, 55. BGH v. 30.6.2004 – XII ZR 11/01, MDR 2004, 1408 = NZM 2004, 741 = DWW 2004, 264 = MietRB 2005, 4; a.A. OLG München v. 4.9.2000 – 17 U 5278/98, NZM 2000, 1059; Walterspiel, NZM 2000, 70. BGH v. 30.5.2000 – IX ZR 121/99, MDR 2000, 1400 = NJW 2000, 2669; BGH v. 8.11.1991 – V ZR 260/90, MDR 1992, 343 = NJW 1992, 899; BGH v. 13.3.1990 – XI ZR 252/98, BGH v. 13.3.1990 – XI ZR 252/89, BGHZ 110, 336 = MDR 1990, 714 = NJW 1990, 1595. BGH v. 10.7.1986 – III ZR 133/85, MDR 1986, 915 = NJW 1986, 2564; BGH v. 28.4.1999 – XII ZR 150/97, BGHZ 146, 248 = MDR 1999, 1432 = NJW 1999, 3187. BGH v. 13.6.2001 – XII ZR 49/99, MDR 2001, 1105 = NJW 2002, 55 = NZM 2001, 810 = ZMR 2001, 788. BGH v. 14.7.2004 – XII ZR 352/00, MDR 2005, 27 = MietRB 2005, 5.

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C. Gewerberaummiete | Rz. 986 § 535

cc) Sonstige Verträge Bei Bürgschafts- oder Mithaftungsverträgen kann eine Sittenwidrigkeit vorliegen, wenn im Zeitpunkt 982 der Begründung der Sicherheit die Einkommens- und Vermögenssituation des Mithaftenden in einem auffälligen Missverhältnis zur übernommenen Verpflichtung steht. Dabei ist aber einerseits zu berücksichtigen, ob dem Mithaftenden aus dem Mietvertrag ein angemessener Ausgleich unmittelbar und in ausreichendem Maße zugeflossen ist, und andererseits, ob der Vermieter mit verwerflicher Gesinnung gehandelt hat2538. d) § 125 BGB (Vorkaufsrecht) Die Einräumung eines Vorkaufsrechts an einem Grundstück bedarf zu seiner Wirksamkeit der nota- 983 riellen Beurkundung, § 311b BGB2539. Ein ohne Beachtung dieser Form begründetes Vorkaufsrecht, z.B. innerhalb eines Mietvertrages, ist nichtig. Ob die Nichtigkeit des Vorkaufsrechts den gesamten Mietvertrag erfasst oder evtl. nur einzelne Rechte, wie z.B. ein eingeräumtes Vormietrecht, richtet sich nach § 139 BGB. Danach kommt es darauf an, ob der Mietvertrag auch ohne den nichtigen Teil zustande gekommen wäre. Dies liegt im Regelfall nahe2540. Dem Mieter wird ein Mietvertrag ohne Vorkaufsrecht, der ihm immer- 984 hin ein Recht am Besitz verschafft, immer noch lieber sein als überhaupt kein Mietvertrag. Die dem Vermieter vorbehaltene Möglichkeit, die Miete (maßvoll) zu erhöhen, dürfte daran nichts Entscheidendes ändern. e) § 144 Abs. 2 Nr. 3 BauGB Nach dieser Vorschrift bedürfen Mietverträge über Räume in einem förmlich festgelegten Sanierungs- 985 gebiet der (schriftlichen) Genehmigung der Behörde, wenn sie über längere Zeit als ein Jahr laufen sollen. Ist die Genehmigung der Gemeinde weder erteilt noch beantragt worden, ist der Vertrag schwebend unwirksam, so dass der Vermieter keine Mietzahlungsansprüche daraus herleiten kann2541. f) § 4 WiStG Die Vorschrift regelt eine Mietpreisüberhöhung bei Geschäftsräumen. Voraussetzung ist das Fordern, 986 Versprechen, Vereinbaren, Annehmen oder Gewähren von Entgelten in befugter oder unbefugter Betätigung in einem Beruf oder Gewerbe für Gegenstände oder Leistungen des lebenswichtigen Bedarfs, die infolge einer Beschränkung des Wettbewerbs oder infolge der Ausnutzung einer wirtschaftlichen Machtstellung oder einer Mangellage unangemessen hoch sind. Dazu sollen Geschäftsräume gehören, weil sie in der Regel für die persönliche und wirtschaftliche Existenz des Mieters erforderlich sein und daher zu den Gegenständen des lebenswichtigen Bedarfs gehören sollen2542, was bereits zweifelhaft ist2543. Bei der Beurteilung der Machtposition des Vermieters ist nicht allein z.B. auf die Verhältnisse in einem Einkaufszentrum abzustellen, sondern auch in dem umliegenden Innenstadtbereich2544. Indessen scheitert der Tatbestand regelmäßig daran, dass keine Wettbewerbsbeschränkung besteht und die Mangellage wie bei § 5 WiStG subjektiv zu beurteilen ist (vgl. dazu Anhang zu § 535 BGB Rz. 12) und zumindest auf den Teilmarkt des konkreten Gewerbes bezogen sein muss2545.

2538 BGH v. 29.9.2004 – XII ZR 22/02, GuT 2005, 6. 2539 BGH v. 7.11.1990 – XII ZR 11/89, NJW-RR 1991, 205 (206); BGH v. 9.1.2003 – IX ZR 422/99, MDR 2003, 537 = NJW 2003, 1940 (1941 f.). 2540 BGH v. 10.7.2008 – IX ZR 128/07, MDR 2008, 1148 = MietRB 2008, 326 = NZM 2008, 644 = ZMR 2008, 883. 2541 BGH v. 23.9.1992 – XII ZR 18/91, NJW-RR 1993, 13. 2542 Lindner-Figura in Lindner-Figura u.a., Kap. 5 Rz. 53; ähnlich für Maklertätigkeit: OLG Stuttgart v. 6.7.1953 – Ws 7/53, NJW 1953, 1566. 2543 OLG Düsseldorf v. 28.7.2011 – 24 U 35/11, MDR 2012, 18 = GE 2011, 1617. 2544 Schleswig- Holsteinisches OLG v. 10.6.2008 – 4 U 18/08, InfoM 2008, 375. 2545 OLG Düsseldorf v. 28.7.2011 – 24 U 35/11, MDR 2012, 18 = GE 2011, 1617.

Lützenkirchen | 311

§ 535 Rz. 986a | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags 2. Branchenspezifische Bestimmungen 986a Eine Vielzahl von Gewerben unterliegt der staatlichen Aufsicht. Dies drückt sich durch Genehmigungs-

vorbehalte, aber auch durch Regelungen aus, die den Betrieb betreffen2546. Viele dieser Bestimmungen wirken sich unmittelbar oder mittelbar auf den Mietvertrag aus. Unmittelbar greift z.B. eine Regelung ein, die die Größe der Gewerbefläche betrifft2547. Die Lage des Gebäudes z.B. in einem reinen Wohngebiet kann sich z.B. mittelbar auswirken2548. Dabei ist stets zu prüfen, ob die Parteien ausdrücklich oder stillschweigend eine abweichende Vereinbarung getroffen haben. Das kommt z.B. in Betracht, wenn die Parteien das Belassen einer Stufe in Räumen, die als Physiotherapie-Praxis genutzt werden sollen, vorsehen, obwohl die Bauordnung Barrierefreiheit für eine derartige Praxis vorschreibt2549. Die Unkenntnis des Vermieters von den einschlägigen Bestimmungen ist für die Risikoverteilung des § 535 Abs. 1 BGB unbedeutend. Alle Regelungen, die den Zustand des Gebäudes betreffen sind vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen von ihm zu beachten. Nur wenn sich eine Norm auf den reinen Betrieb des Mieters beschränkt, fällt sie auch ohne ausdrückliche Abrede im Vertrag grundsätzlich allein in seinen Risikobereich. a) § 2 GastG 987 Überlässt der Konzessionsinhaber die Gaststätte entgeltlich an einen Dritten, der diese selbständig be-

treibt, ohne selbst eine Konzession zu besitzen, liegt ein Verstoß gegen §§ 2 Abs. 1, 9, 28 GastG vor (sog. Kastellanverträge). Dieser Verstoß führt über § 134 BGB zur Unwirksamkeit des gesamten Mietvertrages2550. b) §§ 8 S. 2, 12 ApothG 988 Das Verbot der Umsatzmiete nach § 8 S. 2 ApothG ist bei der Vermietung von Apothekenbetriebs-

räumen zu beachten. Mit der gesetzlichen Regelung sollen sog. partiarische Rechtsverhältnisse, in denen sich der Gläubiger die beruflichen und wirtschaftlichen Fähigkeiten des Betriebsinhabers zunutze macht und an den Früchten der Apotheke partizipiert, vermieden werden. Für die Annahme eines partiarischen Rechtsverhältnisses muss sich aus dem Gesamtgefüge der Vereinbarungen ergeben, dass die Parteien die Miete am Umsatz oder Gewinn ausgerichtet haben und der Vermieter dadurch an den Erträgnissen der Apotheke teilhaben soll2551. 989 Dies kann auch der Fall sein, wenn ein Mietsockel unabhängig vereinbart, ein wesentlicher Aufsto-

ckungsbetrag der Gesamtmiete indessen am Umsatz oder Gewinn der Apotheke „ausgerichtet“ ist. Die Gesetzesformulierung weist auf die Zielsetzung hin, Geschäfte zur Umgehung des Verbotes einer Umsatzmiete zu verhindern. Für den Tatbestand des § 8 S. 2 ApothG genügt es, dass die Parteien in ihren Vorstellungen von einem Zusammenhang zwischen der Miethöhe und dem Umsatz oder Gewinn ausgehen und dass diese Verknüpfung in den Vereinbarungen ihren Niederschlag findet2552.

990 Die Voraussetzungen können schon erfüllt sein, wenn der Apotheker als Mieter gegenüber dem Ver-

mieter seine Bereitschaft erklärt, einen „Investitionskostenzuschuss“ für den Ausbau von Arztpraxen im Gebäude zu zahlen, und dabei die Erwartung zum Ausdruck bringt, mit dem Betrieb dieser Praxen Umsatzzuwächse der Apotheke zu verbinden2553. Bereits eine solche Vereinbarung der Mietvertragsparteien verletzt das gesetzliche Verbot von § 8 S. 2 ApothG.

2546 Z.B. Nichtraucherschutz: BGH v. 13.7.2011 – XII ZR 189/09, MDR 2011, 1092 = MietRB 2011, 313 = ZMR 189/09. 2547 Zur Agglomeration im Einzelhandel: Hille, NZM 2013, 745 (747 f.). 2548 LG Hamburg v. 6.4.2004 – 311 O 207/03, GuT 2005, 166. 2549 OLG Brandenburg v. 6.1.2015 – 6 U 134/13, MietRB 2015, 105 = GE 2015, 590. 2550 OLG Düsseldorf v. 11.12.1986 – 10 U 130/86, NJW-RR 1987, 687. 2551 Instruktiv zur Vermietung von Apotheken: Hinz, NZM 2017, 233. 2552 BGH v. 22.10.1997 – XII ZR 142/95, MDR 1998, 94 (95). 2553 BGH v. 27.11.2003 – IX ZR 76/00, MDR 2004, 439 = MietRB 2004, 138 = NZM 2004, 190.

312 | Lützenkirchen

C. Gewerberaummiete | Rz. 995 § 535

c) §§ 9, 12 ApothG § 9 ApothG regelt Ausnahmefälle, in denen eine Apotheke (als Betrieb) verpachtet werden darf. Im 991 Vordergrund steht dabei insbesondere die Existenzsicherung der Familie eines verstorbenen Apothekers. Auf die bloße Vermietung von Räumen zum Betrieb einer Apotheke ist § 9 ApothG nicht anwendbar. 3. Inhaltskontrolle von AGB-Klauseln Schon die Rechtsprechung des XII. Senats zu den Schönheitsreparaturen2554 macht deutlich, dass ein 992 wesentlicher Unterschied zwischen Wohn- und Gewerberaummiete bei der Inhaltskontrolle von Formularmietverträgen nicht besteht. Dies ist auch richtig: Denn das gesetzliche Leitbild des § 535 BGB wird weder bei der Gewerberaum- noch bei der Wohnraummiete anders definiert. Es bleiben die gleichen Hauptpflichten, die das Leitbild prägen. Zwar bestimmt § 310 Abs. 1 BGB, dass die §§ 308, 309 BGB unmittelbar nicht gegenüber einem Ver- 993 tragspartner des Verwenders gelten, der Unternehmer (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 66) ist. Indessen macht schon die Vorschrift selber deutlich, dass auch bei einem Unternehmer die Klauselverbote der §§ 308, 309 BGB als Indizien für eine unangemessene Benachteiligung herangezogen werden können2555 und z.B. ein Handelsbrauch2556 den Unterschied in der Bewertung ausmachen kann2557. Auch der Prüfungsmaßstab ist grundsätzlich generell abstrakt2558. Indessen soll zu berücksichtigen 994 sein, dass ein Unternehmer aufgrund seiner größeren Geschäftserfahrungen und Kenntnisse typischerweise weniger schutzbedürftig ist als ein Verbraucher2559. Dies soll dazu führen, dass Klauseln, deren Verwendung gegenüber einem Verbraucher beanstandet werden können, gegenüber einem Unternehmer wirksam sind2560. Diese Ausnahme setzt aber eine besondere Interessenlage des Geschäftsverkehrs voraus. Demgemäß ist der Gestaltungsspielraum nicht wesentlich erweitert. Allenfalls die MieterBegünstigungsklauseln in § 536 Abs. 4 BGB und am Ende der meisten Vorschriften der §§ 549 ff. BGB zeigen auf, dass in der Gewerberaummiete der gesetzliche Inhalt eines Mietvertrages weniger geschützt ist. Die Maßstäbe der unangemessenen Benachteiligung bleiben davon aber unberührt. Denn es macht auch wenig Sinn, z.B. an den Freiberufler oder Existenzgründer bei Abschluss seines Mietvertrages für seine Geschäftsräume einen anderen Maßstab anzulegen, als wenn dieselbe Person im nächsten Moment private Räume mietet. Unabhängig davon gilt das Transparenzgebot auch in der Gewerberaummiete mit der Folge, dass 995 eine wirtschaftlich bedeutsame Formularregelung dem Mieter aufzeigen muss, welche Belastung auf ihn zukommen kann2561. Mit dieser Begründung hat der XII. Senat für die Umlage von Instandsetzungskosten im Rahmen der Betriebskosten eine Kostenbegrenzung als Korrektiv gefordert. Dadurch werden die Maßstäbe für Kleinreparaturen (vgl. § 535 BGB Rz. 528) auf die Gewerberaummiete übertragen. Demnach gilt also im Rahmen des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB grundsätzlich kein höherer Verständnishorizont2562. Letzteres ist auch im Hinblick auf einen Handwerker, der für seine Betriebsstätte Räume anmietet, nicht nachvollziehbar. Denn das könnte dazu führen, dass eine Klausel in seinem privaten Mietvertrag anders zu beurteilen ist als in dem über die Gewerberäume. Gegenüber dem Transparenzgebot ist es unbedeutend, welche wirtschaftliche Bedeutung dem Mieter beizumessen ist.

2554 Vgl. z.B. zum Summierungseffekt: BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 308/02, MDR 2005, 1041 = GuT 2005, 160 = NZM 2005, 504 = MietRB 2005, 203. 2555 St. Rspr. z.B. BGH v. 25.10.1995 – VIII ZR 258/94, MDR 1996, 351 = NJW 1996, 389 (390). 2556 Vgl. dazu Erman/Roloff, § 310 BGB Rz. 8. 2557 BGH v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, MDR 1991, 44 = NJW-RR 1990, 1076 (1077). 2558 Erman/Roloff, § 307 BGB Rz. 35 m.w.N. 2559 Erman/Roloff, § 307 BGB Rz. 35. 2560 BGH v. 3.3.1988 – X ZR 54/86, MDR 1988, 579 = NJW 1988, 1785 (1788). 2561 BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 158/01, MDR 2006, 17 = MietRB 2005, 285 = GuT 2005, 213 = DWW 2005, 372 = ZMR 2005, 844. 2562 A.A. Erman/Roloff, § 307 BGB Rz. 35.

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§ 535 Rz. 995 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags Selbst wenn es sich bei ihm um ein marktbeherrschendes Unternehmen handelt, gilt der Grundsatz von Klarheit und Verständlichkeit uneingeschränkt2563. 4. Änderungen des Mietvertrages 996 Für Änderungen des Mietvertrages gelten grundsätzlich keine anderen inhaltlichen Anforderungen

als in der Wohnraummiete (vgl. § 535 BGB Rz. 268). Auch hier ist stets zu beachten, ob der Mietvertrag besondere Anforderungen für Änderungen stellt, was z.B. durch Schriftformklauseln möglich ist (§ 535 BGB Rz. 211). 997 Formularmäßige Schriftformklauseln sind i.d.R. unbeachtlich, weil wegen § 305b BGB der Vorrang

der Individualvereinbarung gilt2564. Deshalb kann es grundsätzlich dahinstehen, ob sog. einfache Schriftformklauseln2565 unwirksam sind, weil sie von dem gesetzlichen Gebot des Vorrangs der Individualvereinbarung (§ 305b BGB) abweichen2566. Ob in den Fällen der gesetzlichen Schriftform (§ 550 BGB) etwas anderes zu gelten hat, ist umstritten2567. Die Aufrechterhaltung der Klausel in Abhängigkeit von der Laufzeit ist aber mit § 306 BGB nicht zu vereinbaren. Soweit das Schriftformgebot individuell vereinbart wurde, können die Vertragsparteien es jederzeit auch schlüssig und formlos aufheben2568. Zur Wirksamkeit dieser Aufhebungsvereinbarung ist die Einhaltung der Schriftform nicht erforderlich2569. Eine stillschweigende Aufhebung ist bereits dann anzunehmen, wenn die Parteien die Maßgeblichkeit einer mündlichen Vereinbarung übereinstimmend gewollt haben, und zwar unabhängig davon, ob sie an den Formzwang überhaupt gedacht haben2570. Vereinbaren die Mietparteien z.B. mündlich einen Verzicht auf die Rückbauverpflichtung bzgl. einer Treppe, wird hierdurch das Schriftformerfordernis abbedungen, sofern keine Anhaltspunkte dafür sprechen, dass diese Verzichtsvereinbarung nicht maßgeblich sein sollte. 998 Im Gegensatz zur Wohnraummiete sollen sog. doppelte oder qualifizierte Schriftformklauseln, mit

denen vorgesehen wird, dass eine Abweichung von einer Schriftformklausel ebenfalls der Schriftform bedürfe, nicht nach § 307 BGB unwirksam sein (vgl. § 535 BGB Rz. 211)2571. Eine derartige Klausel soll weder intransparent sein noch soll sie den Vertragspartner unangemessen benachteiligen. Zwar könnte dadurch der Eindruck erweckt werden, eine mündliche Abrede sei entgegen § 305b BGB unwirksam und ist deshalb geeignet, den Vertragspartner von der Durchsetzung ihm zustehender Rechte abzuhalten2572. Das liege aber im Interesse beider Parteien. Denn regelmäßig führe eine mündliche Änderung des Mietvertrages zu einem Schriftformmangel mit der Folge des § 550 BGB2573. Diese Auffassung ist zweifelhaft. Ebenso wie die einfache Schriftformklausel (vgl. § 535 BGB Rz. 997) lässt sich eine geltungserhaltende Reduktion abhängig von der Laufzeit sachlich nicht begründen. Im Ergebnis sind doppelte Schriftformklauseln aber unbedeutend, weil Individualabreden nach § 305b BGB Vor-

2563 BGH v. 26.9.2012 – XII ZR 112/10, MietRB 2013, 8 = MDR 2012, 1456 = WuM 2012, 662 = GE 2012, 1696. 2564 BGH v. 21.9.2005 – XII ZR 312/02, MietRB 2006, 62 = MDR 2006, 508 = ZMR 2006, 104 = NJW 2006, 138 (139) m.w.N. 2565 Dazu: Neuhaus, ZMR 2014, 15. 2566 BGH v. 21.9.2005 – XII ZR 312/02, MDR 2006, 508 = MietRB 2006, 62 = NJW 2006, 138 (139); BGH v. 15.2.1995 – VIII ZR 93/94, MDR 1995, 1109 = NJW 1995, 1488 (1489). 2567 Dagegen: Wolf/Eckert/Ball, Rz. 142; Gerber/Eckert, Rz. 80; Erman/Roloff, § 305b BGB Rz. 11; einschränkend: KG v. 4.5.2000 – 8 U 1641/99; MDR 2000, 1241; Fritz, Rz. 58; dafür: Schmidt-Futterer/Lammel, § 550 BGB Rz. 68; JURISPK-BGB/Tonner § 550 BGB Rz. 17. 2568 Erman/Arnold, § 125 BGB Rz. 26. 2569 BGH v. 20.6.1962 – V ZR 157/60, NJW 1962, 1908. 2570 OLG Düsseldorf v. 3.5.2011 – 24 U 197/10, MietRB 2012, 138 = MietRB 2012, 139 = ZMR 2012, 438 = DWW 2012, 92. 2571 OLG Frankfurt v. 18.3.2013 – 2 U 179/12, MietRB 2013, 202 = MietRB 2013, 203 = ZMR 2013, 708; OLG Naumburg v. 26.7.2012 – 9 U 38/12, MietRB 2013, 10 = ZMR 2013, 36 = NZM 2012, 808; OLG Düsseldorf v. 15.11.1990 – 10 U 68/90, MDR 1991, 349 = DWW 1990, 363; LG Baden-Baden v. 3.12.1982 – 1 S 90/82, ZMR 1984, 167; Neuhaus, ZMR 2013, 15 (17). 2572 So aber: OLG Rostock v. 19.5.2007 – 3 U 16/09, MDR 2010, 22 = NZM 2009, 705 = GE 2009, 1492. 2573 OLG Frankfurt v. 18.3.2013 – 2 U 179/12, MietRB 2013, 202 = MietRB 2013, 203 = ZMR 2013, 708.

314 | Lützenkirchen

C. Gewerberaummiete | Rz. 1002 § 535

rang haben2574. Wird die doppelte oder qualifizierte Schriftformklausel individuell vereinbart, ist sie wirksam und bewirkt, dass die Schriftform für Änderungen und Ergänzungen nicht durch individuelle mündliche Vereinbarungen ohne klare Absprache über die Geltung des mündlich Vereinbarten entgegen dem ursprünglich vereinbarten Formerfordernis abbedungen werden kann2575. Denn sonst würde der Schriftformvorbehalt für die Änderung des Schriftformerfordernisses seinen Sinn verlieren2576. Bei einer einfachen Schriftformklausel, die wegen § 305b BGB unbeachtlich ist2577, können damit 999 mündliche Änderungen des Mietvertrages zu einem Schriftformmangel führen. Wird anlässlich der Änderungen zwischen den Parteien die Schriftform thematisiert, kommt ein Verstoß gegen § 550 BGB aber nur in Betracht, wenn tatsächlich beide für die Änderung auf die Schriftform verzichten2578. Ist das der Fall, ist die mündlich getroffene Abrede grundsätzlich wirksam, weil der Grundsatz, dass Individualvereinbarungen vorrangig sind, auch gegenüber einer wirksamen Schriftformklausel greift2579. Die Klausel „mündliche Nebenabreden sind nicht getroffen“ soll wirksam sein2580. Denn sie soll der 1000 ohnehin geltenden (widerlegbaren) Beweisvermutung für die Vollständigkeit der Vertragsurkunde entsprechen. Dies mag für sich genommen richtig sein, ändert aber nichts an der Tatsache, dass eine unwirksame Bestätigungsklausel vorliegt. Zwar ist § 309 Nr. 12 BGB nicht unmittelbar anwendbar. Indessen stellen die in § 309 BGB zusammengefassten Klauselverbote grundsätzlich Regelbeispiele einer unangemessenen Benachteiligung i.S.v. § 307 BGB dar und wirken daher zumindest indiziell2581, denn ein abweichender Handelsbrauch ist nicht feststellbar.

II. Vertragspartner 1. Vorgesellschaft Nicht selten werden Mietverträge abgeschlossen, wenn sich das Unternehmen, das Vermieter oder 1001 Mieter werden soll, noch in der Gründung befindet (z.B. GmbH i.G.). Bei unternehmensbezogenen Rechtsgeschäften ist grundsätzlich anzunehmen, dass nicht der Han- 1002 delnde, sondern der tatsächliche Unternehmensträger aus dem Rechtsgeschäft verpflichtet wird2582. Voraussetzung ist allerdings, dass der Inhalt des Rechtsgeschäfts – ggf. i.V.m. weiteren Umständen – die eindeutige Auslegung zulässt, dass ein bestimmtes Unternehmen berechtigt und verpflichtet sein soll. Dazu müssen entweder der Ort des Vertragsschlusses oder hinreichende Zusätze im Zusammenhang mit der Unterschrift auf das betreffende Unternehmen hinweisen. Es genügt auch, dass die Leistung vertraglich für den Betrieb des Unternehmens bestimmt ist und erkennbar zu diesem Zweck gehandelt wird2583. Bleiben dagegen ernsthafte, nicht auszuräumende Zweifel an der Unternehmensbezogenheit des Geschäftes, greift aus Gründen der Rechtssicherheit der Grundsatz des Handelns im eigenen Namen ein. Für die dann maßgebliche Frage, wer Vertragspartner sein soll, gilt allein § 164 Abs. 2 BGB. Deshalb 2574 BGH v. 25.1.2017 – XII ZR 69/16, ECLI:DE:BGH:2017:250117BXIIZR69.16, MietRB 2017, 96 = MDR 2017, 386 = WuM 2017, 131 = GE 2017, 289. 2575 BGH v. 2.6.1976 – VIII ZR 97/74, MDR 1976, 925 = NJW 1976, 1395; OLG Düsseldorf v. 12.4.2011 – 24 U 195/10, MietRB 2012, 11 = MietRB 2012, 12 = GE 2011, 1680. 2576 KG v. 7.4.2014 – 22 U 86/13, MietRB 2014, 292, GE 2014, 779. 2577 BGH v. 21.9.2005 – XII ZR 312/02, MietRB 2006, 62 = MDR 2006, 508 = ZMR 2006, 104 = NJW 2006, 138 (139) m.w.N.; a.A. BGH v. 15.2.1995 – VIII ZR 93/94, MDR 1995, 1109 = NJW 1995, 1488 zu AGB im Möbelhandel; OLG München v. 12.1.1989 – 29 U 2366/88, NJW-RR 1989, 1499; OLG Karlsruhe v. 17.1.1980 – 12 U 111/79, NJW 1981, 405. 2578 KG v. 4.5.2000 – 8 U 1641/99, MDR 2000, 1241. 2579 BGH v. 21.9.2005 – XII ZR 312/02, MDR 2006, 508 = MietRB 2006, 62 = GuT 2006, 7 = ZMR 2006, 104. 2580 BGH v. 19.6.1985 – VIII ZR 238/84, MDR 1985, 930; ebenso: OLG Düsseldorf v. 15.11.1990 – 10 U 68/90, MDR 1991, 349 = DWW 1990, 363; LG Mannheim v. 19.8.1976 – 4 S 35/76, MDR 1977, 231. 2581 Erman/Roloff, § 310 BGB Rz. 7. 2582 BGH v. 4.4.2000 – XI ZR 152/99, MDR 2000, 840 = NJW 2000, 2984 (2985); BGH v. 13.10.1994 – IX ZR 25/94, MDR 1995, 347 = NJW 1995, 43 (44); BGH v. 15.1.1990 – II ZR 311/88, MDR 1990, 799 = NJW 1990, 2678 (2679); KG v. 11.10.1999 – 8 U 2071/98, MDR 2000, 760 (761); OLG Köln v. 29.1.1999 – 19 U 109/98, NZM 1999, 1097; OLG Brandenburg v. 24.2.1999 – 3 U 154/98, NZM 1999, 1097. 2583 OLG Düsseldorf v. 5.3.2007 – 24 U 144/06, MietRB 2007, 226 = GuT 2007, 201.

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§ 535 Rz. 1002 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags wird allein die Privatperson Mieter, wenn sie im Rubrum des Mietvertrages genannt wird, und auch sonst ein Unternehmen, das Rechtsträger des Mietvertrages sein könnte, nicht konkret bezeichnet ist2584. 1003 Das Gleiche gilt, wenn die Gesellschaft, für die bei Abschluss des Mietvertrages gehandelt wird, zu

diesem Zeitpunkt noch nicht gegründet ist. Dann wird allein der wahre Rechtsträger Mieter2585. Umgekehrt schuldet nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer GmbH die GbR das laufende Nutzungsentgelt, wenn sie von einem der bisherigen Geschäftsführer der insolventen GmbH gegründet worden ist und Eigenbesitz ausübt2586. 1004 Die Haftung der Mitglieder der Vorgründergesellschaft einer GmbH, die als solche einen Mietvertrag

unterschrieben haben, entfällt mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister nur, wenn dies mit dem Vermieter vereinbart ist2587. Die Haftung der Gründergesellschafter besteht auch für die nach der Eintragung entstandenen Ansprüche fort2588. An eine konkludente Entlassung aus dieser Haftung sind strenge Anforderungen zu stellen. 2. Haftungsbeschränkung bei der GbR 1005 Nicht erst seit der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR2589 wird versucht, die Haftung der Gesell-

schaft und der Gesellschafter auf das Gesellschaftsvermögen zu beschränken. Dies erfolgt regelmäßig durch einen entsprechenden Hinweis auf den Geschäftspapieren oder sogar durch die Bezeichnung als „GbR mbH“. 1006 Die bloße Verwendung derartiger Hinweise oder Bezeichnungen führt aber nicht automatisch zur Haf-

tungsbeschränkung für Ansprüche aus einem Mietvertrag, selbst wenn der Wille, nur beschränkt für die Verpflichtungen der Gesellschaft einstehen zu wollen, durch die Korrespondenz oder den im Rubrum des Vertrages verwendeten Namenszusatz deutlich zum Ausdruck kommt. Vielmehr ist dafür eine individualvertragliche Vereinbarung erforderlich2590. 3. Nachhaftung des ausgeschiedenen Gesellschafters 1007 Der bloße Hinweis auf eine fünfjährige Nachhaftung gemäß §§ 736 Abs. 2 BGB, 160 HGB könnte

den Schluss zulassen, der ausscheidende Gesellschafter hafte für diese Dauer für Ansprüche, die während seiner Gesellschafterstellung entstanden sind. Schon der Wortlaut macht jedoch deutlich, dass sich die Nachhaftung auf alle in dem Fünfjahreszeitraum fällig werdenden Forderungen bezieht, die ihre Grundlage im Mietvertrag haben (z.B. Mietzahlungsansprüche, Betriebskostennachforderungen). Denn sie sind mit dem Abschluss des Mietvertrages entstanden2591. 4. Die Außen-GbR auf Mieterseite 1008 Auch auf der Mieterseite kann der Mietvertrag durch eine Außen-GbR (z.B. Sozietät von Rechts-

anwälten) geschlossen werden, so dass allein die Gesellschaft Trägerin der Mieterrechte und -pflichten ist2592 (vgl. § 535 BGB Rz. 279). Ein Wechsel der Mitglieder der GbR bedeutet daher keinen gewillkürten Parteiwechsel, bedarf also grundsätzlich nicht der Zustimmung des Vermieters. Die Gesellschafter haften aber aufgrund der akzessorischen Gesellschafterhaftung persönlich.

2584 2585 2586 2587 2588 2589 2590 2591 2592

OLG Düsseldorf v. 5.11.2002 – 24 U 32/02, GuT 2003, 7 = ZMR 2003, 252. OLG Düsseldorf v. 29.9.2005 – 10 U 50/05, ZMR 2006, 279. OLG Köln v. 4.7.2006 – 22 U 13/06, MietRB 2007, 34 = ZMR 2006, 862. BGH v. 20.6.1983 – II ZR 200/82, MDR 1984, 121 = NJW 1983, 2822. OLG Düsseldorf v. 23.10.1986 – 10 U 99/86, MDR 1987, 848. Vgl. dazu BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, MDR 2001, 459 = NJW 2001, 1056. BGH v. 24.11.2004 – XII ZR 113/01, MDR 2005, 460 = MietRB 2005, 119. KG v. 15.9.2005 – 8 U 6/05, ZMR 2005, 952. Vgl. dazu BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, MDR 2001, 459 = NJW 2001, 1056.

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C. Gewerberaummiete | Rz. 1013 § 535

Ansonsten bilden mehrere Mitmieter bezüglich des Mietverhältnisses i.d.R. eine Innen-GbR; Gesell- 1009 schaftszweck ist die gemeinschaftliche Nutzung der Mietsache2593, was im Verhältnis zum Vermieter keine Rolle spielt2594. Die mehreren Mitmieter sind hinsichtlich ihrer mietvertraglichen Ansprüche Mitgläubiger i.S.d. § 432 BGB, bezüglich ihrer mietvertraglichen Verpflichtungen Gesamtschuldner i.S.d. § 427 BGB2595, insbesondere auch hinsichtlich der Rückgabepflicht nach Beendigung des Mietvertrags, und zwar selbst dann, wenn einer von ihnen den Besitz an der Mietsache (auch Mietwohnung) endgültig aufgegeben hat2596. 5. Parteiwechsel nach dem UmwG Der Eintritt von Gesellschaftern in den Betrieb eines Einzelkaufmanns führt für sich allein nicht 1010 zum Parteiwechsel. Dafür ist vielmehr die Mitwirkung des Vermieters in Form einer Zustimmung erforderlich2597. Ist Mietvertragspartei jedoch eine Handelsgesellschaft, Partnerschaftsgesellschaft oder Außen-GbR, bleibt die Gesellschaft beim Ausscheiden oder Wechsel eines Gesellschafters weiterhin Vertragspartei2598. Ansonsten ist von dem Grundsatz auszugehen, dass eine Auswechslung des Vertragspartners der Zu- 1011 stimmung des anderen Vertragspartners bedarf, die auch konkludent erklärt werden kann. Deshalb führt der Eintritt eines Gesellschafters in den Betrieb eines Einzelkaufmanns und die Fortführung des Geschäftes durch die neu gegründete Gesellschaft nicht kraft Gesetzes dazu, dass nunmehr die Gesellschaft Vertragspartei eines zuvor von dem Einzelkaufmann abgeschlossenen Mietvertrages wird2599. Demgegenüber eröffnet das UmwG die weitreichende Möglichkeit der Vermögensübertragung im 1012 Wege der Gesamtrechtsnachfolge ohne Zustimmung der betroffenen Gläubiger2600. Ausdrücklich ist diese Möglichkeit auch für das Unternehmen eines Einzelhandelskaufmannes vorgesehen, der durch Ausgliederung (ein Unterfall der Spaltung, vgl. §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 123 UmwG) seines Unternehmens in eine Kapitalgesellschaft seine Haftung beschränken kann. Mit der Eintragung der Ausgliederung in das Handelsregister geht das ausgegliederte Vermögen mit den ausgegliederten Verbindlichkeiten auf den übernehmenden Rechtsträger über, und zwar mit den rechtlichen Beziehungen, die beim übertragenden Einzelkaufmann bestehen. Die Ausgliederung bewirkt somit eine Gesamtrechtsnachfolge, von der grundsätzlich auch schuldrechtliche Verträge und somit auch Mietverträge betroffen sind. Ausgeschlossen ist der Übergang nur bei schlechthin nicht übertragbaren Rechtspositionen, wie etwa 1013 die Mitgliedschaft in einem Verein oder die Beteiligung an einer GbR2601. Eine derartige Rechtsposition bildet aber das Nutzungsrecht aus einem Mietvertrag nicht2602. Der Mietvertrag geht daher mit der Eintragung der Umwandlung im Handelsregister im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den neuen Unternehmensträger über, ohne dass es der Mitwirkung des Vermieters bedurfte2603. Diese Grundsätze gelten im Mietrecht nicht nur dann, wenn es um die Umwandlung einer juristischen Person in eine andere geht, sondern auch dann, wenn eine Personenhandelsgesellschaft in eine juristische Person umgewandelt wird. Nichts anderes kann aber dann gelten, wenn das Unternehmen eines Einzelhandelskaufmanns in eine GmbH umgewandelt wird, da in beiden Fällen dem Vermieter nunmehr statt eines persönlich

2593 BGH v. 10.9.1997 – VIII ARZ 1/97, NJW 1997, 3437; Hanseatisches OLG Hamburg v. 18.5.2001 – 8 U 177/ 00, NZM 2001, 640; OLG Hamm v. 8.10.1975 – 8 U 105/75, BB 1976, 529; Kraemer, NZM 2002, 465 (470); a.A. für Gemeinschaft: Palandt/Weidenkaff, § 535 BGB Rz. 7. 2594 Jacoby, ZMR 2001, 409 (414). 2595 Jacoby, ZMR 2001, 409 (415); Kraemer, NZM 2002, 465 (470). 2596 BGH v. 22.11.1995 – VIII ARZ 4/95, MDR 1996, 251 = NJW 1996, 515. 2597 BGH v. 25.4.2001 – XII ZR 43/99, MDR 2001, 862 = NJW 2001, 2251. 2598 BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, MDR 2001, 459 = NJW 2001, 1056. 2599 BGH v. 25.4.2001 – XII ZR 43/99, MDR 2001, 862 = NJW 2001, 2251. 2600 Vgl. Semler/Stengel, § 1 UmwG Rz. 11, 12. 2601 Vgl. Semler/Stengel, § 131 UmwG Rz. 22 ff. 2602 OLG Karlsruhe v. 19.8.2008 – 1 U 108/08, MietRB 2009, 6 = ZMR 2009, 34. 2603 Vgl. dazu Palandt/Weidenkaff, § 535 BGB Rz. 11/12; Bieber/Ingendoh, § 6 Rz. 49; Wolf/Eckert/Ball, Rz. 1366; Emmerich/Sonnenschein, § 540 BGB Rz. 28; Kandelhard, WuM 1999, 253 (254).

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§ 535 Rz. 1013 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags Haftenden eine juristische Person mit beschränkter Haftung gegenübersteht2604. Das Ergebnis ändert sich nicht durch eine vertragliche Bestimmung, wonach der Mieter grundsätzlich ohne Einwilligung des Vermieters weder zu einer Untervermietung noch zu einer sonstigen Gebrauchsüberlassung an Dritte berechtigt ist. Denn bei der Umwandlung geht es gerade nicht um eine Gebrauchsüberlassung an einen Dritten. 1014 Wandelt sich eine GbR durch Aufnahme eines vollkaufmännischen Gewerbes in eine OHG um, han-

delt es sich weiterhin um ein und dieselbe Gesellschaft, die lediglich ihren rechtlichen Charakter geändert hat2605. Bei einer Umwandlung durch Verschmelzung gemäß § 20 UmwG tritt die umgewandelte GmbH kraft Gesetzes anstelle des früheren Pächters/Mieters in den bestehenden Pacht-/Mietvertrag ein2606. 6. Mieterwechsel 1014a Der Mieterwechsel vollzieht sich wie in der Wohnraummiete (§ 535 BGB Rz. 311), sofern keine beson-

deren Vereinbarungen getroffen wurden. Unter Umständen kann der Mieterwechsel zum Betriebsübergang nach § 613a BGB führen2607.

III. Vertragszweck 1015 Gemäß § 535 BGB muss der Vermieter dem Mieter die Mietsache in dem zum vertragsgemäßen Ge-

brauch geeigneten Zustand überlassen und erhalten. Damit trägt er – vorbehaltlich wirksam vereinbarter Abweichungen – das Risiko, dass die Mietsache für den Vertragszweck (dauerhaft) geeignet ist2608.

1016 Erfüllt der Vermieter diese Anforderungen nicht, verletzt er seine Pflicht aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB und

macht sich in der Regel nach § 536a Abs. 1 BGB (Garantiehaftung oder Verschuldenshaftung) schadensersatzpflichtig, zumindest aber (vor der Übergabe) nach § 280 Abs. 1 BGB. Insoweit muss er sich das Verschulden Dritter gemäß § 278 BGB zurechnen lassen. Diese Zurechnung findet z.B. statt, wenn ein kommunales Energieunternehmen (Gaswerk) fahrlässig einen Defekt in der Energiezufuhr herbeiführt, woraus Heizungsstörungen resultieren2609. Da der Vermieter das Gebäuderisiko trägt, also dafür einzustehen hat, dass der Zustand des Gebäudes nicht der Realisierung des Vertragszwecks entgegensteht, gehen folgende Situationen zu seinen Lasten: 1017

– Im Vertrag über Gewerberäume, die in einem reinen Wohngebiet gemäß § 3 BauNVO liegen, ist als Zweck eine „Pizza- und Pastaauslieferung“ (Pizzataxi) beschrieben. Die Behörde versagt die Betriebserlaubnis, weil damit eine über das Wohngebiet hinausgehende überregionale Versorgung verbunden ist, und droht für den Fall der Betriebsaufnahme Sanktionen an2610.

1017a

– Die Vermietung erfolgt zum Betrieb eines Schnellrestaurants mit dem besonderen Equipment des Mieters (einer bekannten Fastfoodkette): Wenn die Einrichtung (Inventar) nur mit Starkstrom betrieben werden kann, schuldet der Vermieter eine entsprechende Nachrüstung.

1017b

– Die Überlassung der Räume erfolgt zum Betrieb einer Musikschule. Im Vertrag ist (wirksam) geregelt, dass der Mieter den vertragsgemäßen Zustand herstellen soll. Hiermit hat er es aber nicht auch übernommen, den brandschutzwidrigen Zustand des vorhandenen Gebäudes – namentlich 2604 OLG Karlsruhe v. 19.8.2008 – 1 U 108/08, MietRB 2009, 6 = ZMR 2009, 34; offen gelassen noch BGH v. 8.10.2003 – XII ZR 50/02, NJW-RR 2004, 123. 2605 BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, MDR 2001, 459 = NJW 2001, 1056; KG v. 26.2.2001 – 8 RE-Miet 1/01, NZM 2001, 520. 2606 BGH v. 27.11.2009 – LwZR 15/09, MDR 2010, 377 = NZM 2010, 280; BGH v. 26.4.2002 – LwZR 20/01, MDR 2002, 1055 = WPM 2002, 1240 (1241); vgl. auch OLG Düsseldorf v. 28.9.1992 – 10 U 208/91, BB 1992, 2173. 2607 Wichert, ZMR 2016, 756. 2608 BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, MietRB 2008, 103 = GuT 2007, 434 = GE 2008, 120 = ZMR 2008, 274 m.w.N. 2609 OLG Dresden v. 18.6.2002 – 5 U 260/02, WuM 2002, 541. 2610 LG Hamburg v. 6.4.2004 – 311 O 207/03, GuT 2005, 166.

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C. Gewerberaummiete | Rz. 1022 § 535

der Brandlast in Form von brennbaren ELT-Installationen – auf seine Kosten zu beseitigen. Vielmehr oblag dies weiterhin dem Vermieter2611. – Hat sich der Vermieter einer Zahnarztpraxis die Verpflichtung zur Gebrauchsüberlassung dadurch 1018 unmöglich gemacht, dass er es zur Zwangsversteigerung der vermieteten Teileigentumseinheit und vorzeitiger Kündigung durch den Erwerber hat kommen lassen, haftet er dem Mieter auf Schadensersatz (z.B. entgangener Gewinn aus der Veräußerung der Praxis)2612. – Wird eine Halle, die zuvor als Schreinerei genutzt wurde, ohne besondere Zweckbestimmung ver- 1018a mietet, schuldet der Vermieter die Herbeiführung einer Nutzungsänderungsgenehmigung, wenn der Mieter in der Halle eine Lackierbox aufstellt2613. 1. Zulässige Nutzung a) Grundlagen Gemäß § 535 Abs. 1 S. 2 BGB muss der Vermieter dem Mieter die Mietsache in dem zum vertragsgemä- 1019 ßen Gebrauch geeigneten Zustand überlassen und erhalten. Damit trägt er – vorbehaltlich wirksam vereinbarter Abweichungen – das Risiko, dass die Mietsache für den Vertragszweck geeignet ist2614. Neben den Anforderungen an den (baulichen) Zustand wird durch die Bestimmung, welche Nutzung 1020 nach dem Vertrag zulässig sein soll, festgelegt, wie bzw. zu welchem Zweck der Mieter die Räume nutzen darf. Dies ist bei einem „Wohnraummietvertrag“ unproblematisch, weil er regelmäßig zur Nutzung der Räume zum Wohnen (= privater Aufenthalt) abgeschlossen wird. Bei der Gewerberaummiete engt die vertragliche Festlegung des Nutzungszwecks aber zunächst die unternehmerische Tätigkeit des Mieters ein. Deshalb ist z.B. durch die Erlaubnis zur Weitervermietung für ein Technologiezentrum der Betrieb eines Call-Centers nicht gedeckt2615. Das Gleiche gilt bei der Vermietung als „Laden“, wenn in dem Geschäftslokal sowie davor in einem mit Tischen und Sitzgelegenheiten ausgestatteten Bereich die in dem Laden gekauften Waren, Speisen und Getränke verzehrt werden2616. Die zulässige Nutzung als „Tele-Café mit Internetangeboten“ berechtigt nicht zum Betrieb eines Spätkaufs2617. Ohne Zustimmung des Vermieters darf ein als „Hotel“ überlassenes Gebäude nicht als Flüchtlingsunterkunft genutzt werden2618. Das Risiko der Zwecktauglichkeit liegt insbesondere beim Vermieter, der Kellerräume nicht zur Nut- 1021 zung als Kellerräume, sondern zur Nutzung für jeden behördlich zulässigen Zweck, also auch zu einer „hochwertigen Nutzung“ vermietet, so dass z.B. auch eine Nutzung als Wellnessbetrieb zulässig ist2619. Selbst wenn der Mietvertrag eine Klausel enthält, wonach der Vermieter den Gebrauch der Räume in seinem derzeitigen Zustand gewährt und der Mieter auf die Beseitigung anfänglicher Mängel verzichtet, wird das Risiko der Zwecktauglichkeit nicht auf den Mieter verlagert. Aufgrund dieser Regelung wird allein die Einigkeit zwischen den Vertragsparteien dokumentiert, dass der Ausbau der Räume zu dem jeweils beabsichtigten Zweck dem Mieter obliegt. Diese Regelung beinhaltet keine Verlagerung des Risikos der Zwecktauglichkeit. Ist der Vertragszeck nicht ausdrücklich festgelegt, darf der Mieter das Objekt nicht zu jedem beliebi- 1022 gen gewerblichen Zweck nutzen, sofern sich durch Auslegung eine Nutzungsbeschränkung ermitteln lässt. Deshalb kann die zu gewerblichen Zwecken überlassene Nutzung auf den Betrieb einer Verkaufsstätte beschränkt sein, wenn die allgemeine Zweckbeschreibung durch die Aufzählung „insbesondere dürfen … verkauft/gelagert werden“ ergänzt wird und die öffentlich-rechtliche Nutzungsgenehmi2611 2612 2613 2614 2615 2616 2617 2618 2619

KG v. 4.12.2017 – 8 U 236/16, ZMR 2018, 303 = NZM 2018, 607. OLG Köln v. 15.10.2001 – 13 U 94/99, ZMR 2002, 749. OLG Dresden v. 1.6.2017 – 5 U 477/17, ZMR 2017, 880. BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, MietRB 2008, 103 = GuT 2007, 434 = GE 2008, 120 = ZMR 2008, 274 m.w.N. OLG Düsseldorf v. 5.9.2002 – 24 U 207/01, WuM 2003, 136 = ZMR 2003, 349. LG Berlin v. 19.4.2013 – 85 S 108/12, GE 2013, 1525. KG v. 9.10.2014 – 8 U 131/14, MDR 2015, 148 = ZMR 2015, 119 = IMR 2015, 63. LG Darmstadt v. 14.10.2016 – 1 O 226/16, ZMR 2017, 44. KG v. 20.5.2009 – 8 U 38/09, GuT 2009, 305.

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§ 535 Rz. 1022 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags gung den Betrieb einer Verkaufsstätte erlaubt2620. Ohnehin kommt bei der Auslegung vorhandenen öffentlich-rechtlichen Nutzungsgenehmigungen erhebliches Gewicht zu. Ansonsten ist die Ausübung jedes beliebigen Gewerbes durch den Mieter in den Räumen erlaubt, für das keine zusätzlichen baulichen Maßnahmen des Vermieters erforderlich sind, die keine Mängelbeseitigung im eigentlichen Sinne darstellen. Denn grundsätzlich kann die Nutzung als solche nicht über die Beschreibung des Mietgegenstandes hinausgehen. Insbesondere folgt daraus nicht eine weitergehende Pflicht des Vermieters, die für alle vertraglich ausbedungenen Nutzungsarten erforderlichen Voraussetzungen herzustellen2621. b) Konkreter Nutzungszweck 1023 Ist der Nutzungszweck konkret festgelegt, übernimmt der Vermieter grundsätzlich das Risiko, dass die

vereinbarte Nutzung in den Räumen realisiert werden kann, und dem, jedenfalls aus Gründen, die aus dem baulichen Zustand resultieren, keine Hindernisse entgegenstehen. Insoweit bedarf es grundsätzlich individueller Regelungen, um die Herbeiführung der besonderen baulichen Bedingungen des Gebäudezustandes auf den Mieter abzuwälzen (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 1037). Eine Hinweispflicht des Mieters, dem die Kenntnis der besonderen Bedingungen für sein Gewerbe unterstellt werden kann, besteht grundsätzlich nicht. Der Vermieter trägt prinzipiell das Risiko der Tauglichkeit des Gebäudes für den Vertragszweck. Deshalb trägt der Vermieter das Risiko, dass dem Mieter die Betriebserlaubnis versagt wird, weil das Gebäude in einem reinen Wohngebiet liegt und mit dem Gewerbe des Mieters („Pizza- und Pastaauslieferung“) eine über das Wohngebiet hinausgehende überregionale Versorgung verbunden ist, die in einem reinen Wohngebiet nach der BauNutzV verboten ist2622. 1024 Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Ausstattung der Räume mit allen für die Realisierung

des Vertragszwecks notwendigen Einrichtungen (z.B. Verkabelung) vom Vermieter geschuldet wird. Insoweit ist davon auszugehen, dass ein bestimmter Mindeststandard im Gewerberaummietrecht nicht geschuldet ist2623. Insbesondere, wenn sich das Objekt bei Abschluss des Mietvertrages in einem Zustand befindet, der bei Bezug durch den Mieter keine sofortige (vertragsgemäße) Nutzung zulässt, sind ausdrückliche Abreden der Parteien erforderlich, um eine Pflicht des Vermieters, die Mietsache aufzurüsten, zu begründen. Eine vor Vertragsbeginn zu erfüllende Beseitigungspflicht bereits vorhandener Mängel muss jedenfalls hinreichend konkret im Vertrag normiert sein2624. Auch für eine im Vorfeld äußerst umstrittene Frage von erheblicher wirtschaftlicher Tragweite ist eine ausdrückliche Formulierung, welche konkreten Mängel vor Vertragsbeginn bzw. bis wann sie noch zu beheben sind, erforderlich. 1025 Die mangelnde Herstellungs- bzw. Erweiterungspflicht des Vermieters gilt insbesondere, soweit mit

der Realisierung des vertragsgemäßen Zustandes zusätzliche weitreichende Aufwendungen verbunden sind, die bei Abschluss des Mietvertrages außer Betracht geblieben sind. Aus einer Nichterfüllung können daher auch keine Gewährleistungsrechte abgeleitet werden, und zwar unabhängig davon, ob ein Vertragszweck festgelegt ist. Anschaulich wird dies bei der Vermietung von Räumen zum Betrieb eines Groß- und Einzelhandels: Wird der Großhandel – wie von den Parteien vorausgesetzt – zulässigerweise in den bestehenden Räumen durchgeführt, kann der Mieter nicht verlangen, dass die nicht im Vertrag erwähnten und auch nicht sonst wie besprochenen Stellplätze, die Voraussetzung für die Genehmigung eines Einzelhandels sind, auf Kosten des Vermieters zur Verfügung gestellt werden2625. 1026 Das Gleiche gilt bei der vertraglich vorgesehenen Nutzung des Mietobjekts als „Kulturzentrum“2626.

Aus dieser Vereinbarung folgt nicht die Verpflichtung des Vermieters, den für lärmintensive Musikveranstaltungen ggf. notwendigen Schallschutz baulich herzustellen. Vielmehr trägt der Mieter das Risiko der Durchführbarkeit von Veranstaltungen, für die der vorhandene Schallschutz des Gebäudes nicht

2620 2621 2622 2623 2624 2625 2626

OLG Düsseldorf v. 20.9.2010 – 24 U 202/09, MietRB 2011, 247 = ZMR 2011, 865. Vgl. Hnaseatisches OLG Hamburg v. 13.6.1990 – 4 U 118/89, ZMR 1990, 341. LG Hamburg v. 6.4.2004 – 311 O 207/03, GuT 2005, 166. A.A. LG Bonn v. 9.2.2005 – 2 O 29/04, zitiert nach juris. LG Bonn v. 9.2.2005 – 2 O 29/04, zitiert nach juris. OLG Köln v. 11.6.2010 – 1 U 66/99, ZMR 2010, 850. OLG Düsseldorf v. 5.5.2009 – 24 U 87/08, MietRB 2009, 256 = MDR 2009, 1386 = ZMR 2010, 29 = GuT 2009, 303.

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ausreichend ist, allein, sofern die Art der kulturellen Veranstaltungen in jeder Hinsicht offengelassen worden ist. Nichts anderes gilt, wenn die Mieträume zur Nutzung für jeden behördlich zulässigen Zweck, also 1027 auch zu einer „hochwertigen Nutzung“, vermietet wurden, so dass eine Nutzung z.B. als Wellnessbetrieb zulässig ist2627. Ggf. muss der Vermieter in einem solchen Fall bestehende Mängel in der Bausubstanz auch dann beseitigen, wenn sie bei Beginn des Mietvertrages vorhanden waren. Das Risiko der Zwecktauglichkeit des Gebäudes wird auch nicht dadurch auf den Mieter verlagert, weil die Parteien in dem Mietvertrag vereinbart haben, dass der Vermieter den Gebrauch der Räume in seinem derzeitigen Zustand gewährt und der Mieter auf die Beseitigung anfänglicher Mängel verzichtet. Mit einer solchen Regelung wird die Durchführung des Ausbaus der Räume zu dem jeweils beabsichtigten Zweck dem Mieter auferlegt; das Risiko der Zwecktauglichkeit wird dadurch aber nicht verlagert2628. Gestattet der Mieter einem Dritten (z.B. einer Bank), im Eingangsbereich seines Verbrauchermarkts 1028 einen Geldautomaten zu betreiben, liegt eine Vertragsverletzung vor, wenn der Mietzweck im „Betrieb eines Lebensmittelverbrauchermarktes mit dem in dieser Betriebsform üblichen Sortiment, auch mit den üblichen Non-Food-Artikeln“ besteht2629. Denn die mit dem Bankautomaten möglichen Geldgeschäfte zählen nicht zu den „Non-Food-Artikeln“. Darunter fallen nur nicht zum Verzehr bestimmte Waren, die der Verbraucher für seinen Haushaltsbedarf benötigt (z.B. Reinigungs- und Drogerieartikel, Küchenzubehör, Schreibwaren). Nichts anderes gilt für Geldautomaten an Tankstellen oder im Eingangsbereich von Bürogebäuden. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass die Aufstellung von Geldautomaten im Eingangsbereich von Verbrauchermärkten nicht allgemein üblich ist. Im Übrigen ist der Vermieter für den Übergabezustand nicht verantwortlich, wenn der Mieter ihn 1029 selbst geschaffen hat. Davon ist nicht auszugehen, wenn der Mieter aufgrund einer Vereinbarung mit dem Vermieter den Innenausbau selber herstellen sollte, sondern bei jeder baulichen Veränderung, die der Mieter mit oder ohne Zustimmung des Vermieters schafft, und für die keine abweichende Vereinbarung getroffen wurde. Dies gilt selbst dann, wenn der Mieter z.B. bei der Vermietung vom Reißbrett nur einen anderen Oberboden wählt (Teppichboden statt PVC) und mit der Ausführung dieser Leistung denselben Handwerker beauftragt, den der Vermieter in seinen Planungen vorgesehen hatte2630. Ebenso besteht keine Erhaltungspflicht des Vermieters, wenn die Mietsache durch eine vom Mieter gewünschte Veränderung ohne Verschulden des Vermieters fehlerhaft wird2631. Davon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen sich die Leistung des Mieters in einem Baukosten- 1030 zuschuss erschöpft. Selbst wenn auf Bestreben des Mieters ein anderer Anfangszustand herbeigeführt wird und der Mieter diese Leistung – wie auch immer – bezahlt, bleibt der Vermieter im Rahmen des § 535 Abs. 1 BGB dafür verantwortlich. 2. Bestimmung des vertragsgemäßen Zustandes § 535 Abs. 1 S. 2 BGB macht deutlich, dass das Risiko der Zwecktauglichkeit des Gebäudes grund- 1031 sätzlich beim Vermieter liegt. Deshalb hat der Vermieter dem Mieter die Mietsache in einem zum „vertragsgemäßen“ Gebrauch geeignetem Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten, solange die Parteien keine (wirksame) abweichende Vereinbarung treffen. Die Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit des Mietobjektes sind dabei umso größer, je detail- 1032 lierte die beabsichtigte Nutzung beschrieben ist2632. Deshalb – müssen Decken auch ohne weitere Bestimmungen im Vertrag zumindest die Eignung für eine normale Belastung haben, wenn der Mietvertrag über einen Lagerraum abgeschlossen wurde2633;

2627 2628 2629 2630 2631 2632 2633

KG v. 20.5.2009 – 8 U 38/09, GuT 2009, 305. KG v. 20.5.2009 – 8 U 38/09, GuT 2009, 305. OLG Düsseldorf v. 13.12.2007 – I-24 U 185/07, MietRB 2008, 266 = OLGR 2008, 543 = DWW 2008, 258. KG v. 16.8.2004 – 12 U 310/03, MietRB 2005, 34 = ZMR 2004, 908 = GE 2004, 1393 = GuT 2004, 230. OLG Düsseldorf v. 5.12.1991 – 10 U 10/91, DWW 1992, 81. RG v. 15.4.1935 – IV 20/35, RGZ 147, 304. BGH v. 6.5.1958 – VIII ZR 66/57, BB 1958, 575.

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§ 535 Rz. 1032 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags – müssen alle Räume eines Nebengebäudes als Büro nutzbar sein, wenn dieses Gebäude die Mietsache darstellt und zu diesem Zweck vermietet wurde2634 (vgl. auch § 535 BGB Rz. 1034); – hat der Vermieter dem Mieter die Nutzung von Zugängen und Zufahrten zu ermöglichen, wenn Geschäftsräume vermietet werden, die mit Waren beliefert werden müssen2635; – sind Räume, die zum Betrieb eines Sonnenstudios, Kosmetik- oder Friseursalons vermietet werden, so auszustatten, dass bei der Nutzung als Sonnenstudio die benachbarten Räume nicht vertragsoder gesetzeswidrig beeinträchtigt werden2636; – sollen Räume, die für einen bestimmten Gewerbebetrieb – z.B. für ein Reisebüro – vermietet werden, den Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung i.V.m. den Technische Regeln für Arbeitsstätten (ASR) A3.5 und der DIN 1946 genügen, müssen (vgl. aber § 536 BGB Rz. 112 und Rz. 351) bestimmte Raumtemperaturen eingehalten werden2637. Umgekehrt müssen in Büroräumen (Rechtsanwaltskanzlei) ohne besondere Abrede Raumtemperaturen von 20 °C erreichbar sein2638. 1033 Andererseits können sich unmittelbar aus der Beschreibung des Vertragszwecks besondere Anfor-

derungen an den Gebäudezustand ergeben, ohne dass dies ausdrücklich im Vertrag geregelt ist. Das gilt z.B. bei der Vermietung zum Zwecke des Betriebs – einer Apotheke: Hier stellt die ApoBetrO besondere Anforderungen, z.B. an die Einrichtung der sog. Rezeptur; – einer Diskothek: Diese Betriebe gelten grundsätzlich als Gaststätten. Im Übrigen sind neben den Bestimmungen der VStättVO vor allem die Bestimmungen der LBauO und die Lärmgrenzen der DIN 4109 zu beachten; – einer Gaststätte: Die Räume müssen mindestens nach Geschlechtern getrennte Toiletten vorsehen und eine Entlüftung, die über das Dach hinausgeht, sowie die Einrichtung eines Fettabscheiders; der Vermieter hat für den behördlich verlangten zweiten Fluchtweg zu sorgen2639; – einer Kfz-Werkstatt: Hier können besondere Anforderungen an die Traglast der Decken bestehen und die Einrichtung eines Benzinabscheiders notwendig werden; – eines Kindergartens: Dabei sind diverse Bestimmungen zur Quadratmeterzahl pro Kind, zum Außengelände, zur Aufteilung der Räume, zu ihrer Helligkeit, Wärme, Trockenheit, Sauberkeit und Sicherheit zu beachten, die – unterschiedlich für die einzelnen Bundesländer – in den LBauO, aber auch in Richtlinien von Unfallkassen und insbesondere in speziell für Kinderbetreuung erlassenen Gesetzen (z.B. für NRW im Kinderbildungsgesetz – KiBiz) zusammengefasst sind. Letztere bestimmen regelmäßig auch finanzielle Förderungen auf der Grundlage von Pauschalen, die jährlich steigen können (vgl. z.B. § 19 Abs. 2 KiBiz NRW: 1,5 % jährlich). Dies ist bei der Vereinbarung von Mietsteigerungen, insbesondere nach einer Wertsicherungsklausel zu beachten. Weitere Beschränkungen können aus den Durchführungsverordnungen (z.B. §§ 7, 8 DVO KiBiz für Mietpauschalen) zu diesen gesetzlichen Bestimmungen hervorgehen; – eines Labors für Gen-Technik: Dafür gelten besondere Sicherheitsstandards für den Umgang mit biologischen Stoffen, die in unterschiedlichen Verordnungen geregelt sind (z.B. BioStoffVO) und regelmäßig eine besondere Dichtigkeit der Räume verlangen; – eines Lebensmittelgeschäfts (z.B. Bäckerei, Metzgerei): Insoweit werden Grundanforderungen durch die LebensmittelhygieneV2640 insbesondere an die Abwaschbarkeit von Wänden und Decken in Bereichen, in denen Lebensmittelzubereitung stattfindet, gestellt;

KG v. 23.6.2016 – 8 U 62/15, ZMR 2016, 855 = GE 2016, 1504. OLG Düsseldorf v. 5.5.2009 – 24 U 153/08, MDR 2009, 1157 = MietRB 2009, 288 = GE 2009, 1187. OLG Düsseldorf v. 6.3.2001 – 24 U 122/00, ZMR 2001, 206. OLG Frankfurt v. 19.1.2007 – 2 U 106/06, MietRB 2007, 228 = NZM 2007, 330; OLG Rostock v. 29.12.2000 – 3 U 83/98, NZM 2001, 425 = NJW-RR 2001, 802; OLG Düsseldorf v. 4.6.1998 – 24 U 194/96, MDR 1998, 1217 = ZMR 1998, 622; OLG Hamm v. 18.10.1994 – 7 U 132/93, NJW-RR 1995, 143; OLG Köln v. 28.10.1991 – 2 U 185/90, MDR 1993, 973 = WuM 1995, 35 = NJW-RR 1993, 466. 2638 OLG München v. 21.11.2000 – 5 U 2889/00, NJW-RR 2001, 729 = NZM 2001, 382. 2639 OLG Karlsruhe v. 24.1.2018 – 9 U 89/15, MietRB 2018, 266 = ZMR 2018, 929. 2640 OLG Düsseldorf v. 4.5.2010 – 24 U 195/09, MietRB 2010, 225 = MDR 2010, 1244 = ZMR 2011, 118 = NZM 2010, 820. 2634 2635 2636 2637

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– einer Praxis für Röntgenologie: Hier muss wegen der Schwere der aufgestellten Geräte regelmäßig eine besondere Tragfähigkeit der Decken gegeben und die Einhaltung der Strahlenschutzbestimmungen gewährleistet sein2641; – von Präsentationsräumen z.B. für die Modebranche: Dafür sind nicht nur die brandschutzrechtlichen Bestimmungen der VStättVO, sondern auch besondere Wärmelasten zu beachten, die durch den Betrieb von Scheinwerfern entstehen können; – eines Schnellrestaurants (Imbiss): Dies erfordert regelmäßig einen Starkstromanschluss und eine Entlüftung, die über das Dach hinausgeht, sowie die Einrichtung eines Fettabscheiders; – von Schulungsräumen: Insoweit können besondere brandschutzrechtliche Bestimmungen z.B. nach der VStättVO zu beachten sein; – eines Senders für Fernsehen oder Rundfunk: Dazu müssen regelmäßig besondere Einrichtungen zum Schutz vor Geräuscheinwirkungen und Erschütterungen vorhanden sein und beachtet werden, ob elektromagnetische Wellen auf das Grundstück (z.B. durch den Verlauf einer benachbarten Bahntrasse) einwirken können. Die individuell vereinbarten oder allgemeinen Anforderungen an den vertragsgemäßen Zustand er- 1034 strecken sich grundsätzlich auf alle Räume der Mieteinheit. Allenfalls Nebenräume, für die keine oder eine ausgewiesen geringere Miete vereinbart wird, müssen nur einem geringeren Standard genügen. Wird der Mietgegenstand im Gewerbemietvertrag aber z.B. beschrieben mit „Gewerberäume von ca. 74,04 qm zzgl. 51 qm Kellerräume zum Betrieb einer Zahnarztpraxis“, wird dies dahin ausgelegt, dass die Kellerräume nicht nur zur Lagerung von gegen Feuchtigkeit unempfindlichen Gegenständen vermietet sind, sondern dass eine uneingeschränkte Nutzung als Lager, Werkstatt, Aufenthaltsraum, Büro und WC vertragsgemäß ist2642. Dies gilt umso mehr, wenn die Kellerräume zuvor durch den Vermieter entsprechend ausgebaut worden waren und bereits vom Vormieter im Rahmen des Betriebes einer Zahnarztpraxis in ähnlicher Weise genutzt worden sind. Entsprechen die Räume nicht oder nicht vollständig dem vertragsgemäßen Zustand, muss der Mieter 1034a die Räume i.d.R. nicht übernehmen (siehe auch § 266 BGB). Hat er sie bereits in Besitz, kann der Mieter die Miete bis zur Opfergrenze Mängelbeseitigung fordern, die Miete mindern2643 und den Vertrag – nach Abmahnung – fristlos kündigen2644 bzw. bis zur Übergabe den Rücktritt nach § 323 BGB erklären (vgl. Vor § 536 BGB Rz. 27). Insoweit ist es dem Mieter gerade bei öffentlich-rechtlichen Hindernissen nicht zumutbar, den vertragsgemäßen Zustand selbst herzustellen und abzuwarten, ob die Behörde überhaupt eingreift2645. 3. Abwälzung des Risikos des Gebäudezustandes a) Bestätigung des Gebäudezustandes Individuell können die Parteien den (im Hinblick auf die Nutzung: unzulänglichen) Gebäudezustand 1035 als vertragsgemäß vereinbaren, und zwar sowohl in Bezug auf das Innere der Mietsache als auch das Gebäude als solches. Dies kann z.B. anlässlich der Übergabe geschehen. Wird etwa in einem Übergabeprotokoll ein unzulänglicher Zustand ausdrücklich festgehalten und vereinbart, dass der Vermieter die Unzulänglichkeit nicht beseitigen muss, liegt ein Fall der Vereinbarung eines schlechten Zustandes als vertragsgemäß vor. Selbst wenn der Mieter ein optisch einwandfreies Gebäude anmietet und auch eine entsprechende Miete zahlt, kann er bei negativer Veränderung des Zustandes (z.B. durch Graffiti) keine Mängelbeseitigung verlangen, wenn anderweitige Regelungen getroffen wurden, insbesondere vereinbart ist, dass der äußere Zustand der Immobilie mit auftretenden Alterserscheinungen und von Dritten aufgebrachten Wandmalereien vertragsgemäß sind2646.

2641 2642 2643 2644 2645 2646

Hübner/Griesbach/Fuerst in Lindner-Figura u.a., Kap. 14 Rz. 26. KG v. 5.7.2010 – 12 U 172/09, GuT 2010, 218 = MietRB 2010, 322. KG v. 23.5.2016 – 8 U 10/15, MietRB 2016, 254 = ZMR 2016, 685 = DWW 2016, 374. OLG Karlsruhe v. 24.1.2018 – 9 U 89/15, MietRB 2018, 266 = ZMR 2018, 929. KG v. 23.6.2016 – 8 U 62/15, ZMR 2016, 855 = GE 2016, 1504. LG Berlin v. 24.1.2008 – 32 O 84/07, GuT 2008, 347 = MietRB 2008, 298.

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§ 535 Rz. 1036 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags 1036 Dies allein führt aber nicht zum Ausschluss des Anspruchs auf Mängelbeseitigung während der Miet-

zeit. Vielmehr kann auch der vereinbarte schlechte Zustand schlechter und damit mangelhaft werden2647, so dass der Vermieter mindestens den der Sollbeschaffenheit entsprechenden Zustand herstellen muss. Ist er nicht in der Lage, den vereinbarten schlechten Zustand herbeizuführen, weil sich nur ein besserer Zustand (z.B. Renovierung) erreichen lässt, muss er diesen liefern. Davon abweichend kann individuell und formularmäßig dem Mieter die Instandsetzungspflicht übertragen werden (§ 535 BGB Rz. 1117 f.). Diese bezieht sich aber nur auf mangelhafte Zustände während der Mietzeit. Der Vermieter bleibt in diesem Fall für den vertragsgemäßen Anfangszustand verantwortlich. 1036a Hat sich der Mieter (individuell) verpflichtet, den vertragsgemäßen Anfangszustand herzustellen,

bleibt das Risiko eines baurechtswidrigen Zustandes beim Vermieter, sofern nicht aufgrund einer ausdrücklichen Regelung oder im Wege der Auslegung ermittelt werden kann, dass auch dieses Risiko auf den Mieter abgewälzt werden sollte2648. Daran sind jedoch strenge Anforderungen zu stellen, da der Mieter damit letztlich das Gebäuderisiko übernimmt, das er auch einzuschätzen wissen muss. In der Klausel, wonach der Mieter die Mietsache auf eigene Kosten herzurichten hat und das Risiko der Versagung der Genehmigung zur Nutzungsänderung trägt, kann eine von der Grundregel des § 535 Abs. 1 BGB abweichende Vereinbarung im Normalfall nicht gesehen werden. Denn sie erstreckt sich grundsätzlich nicht auf Risiken, die der Mietsache bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses anhaften2649. Kann also der vertragsgemäße Zustand in dieser Konstellation deshalb nicht hergestellt werden, weil der baurechtswidrige Zustand des Gebäudes die notwendige (öffentlich-rechtliche) Nutzungsänderung verhindert2650, kann der Mieter um 100 % mindern. 1037 Da es sich bei § 535 Abs. 1 BGB um eine Kardinalpflicht handelt, kann der Vermieter grundsätzlich

das Risiko, ob die vertraglich vorgesehene Nutzung in den Räumen überhaupt stattfinden kann und darf, formularmäßig nicht auf den Mieter abwälzen, § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Deshalb ist die formularmäßige Freizeichnungsklausel, wonach der Vermieter keine Gewähr dafür leistet, dass die Geschäftsräume den behördlichen Vorschriften entsprechen und/oder der Mieter behördliche Auflagen auf seine Kosten zu erfüllen hat, unwirksam, weil sie auch den baulichen Zustand der Räume erfasst2651. Das Gleiche gilt für die Klausel, die sich nicht nur auf den Fall bezieht, dass die Gaststättenkonzession aufgrund mangelnder persönlicher Eignung des Pächters versagt wird2652. Denn für den baulichen Zustand kann sich der Vermieter nicht freizeichnen. Eine formularmäßige Beschränkung im Hinblick auf behördliche Genehmigungen ist nur zulässig, soweit sie in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters ihre Ursache haben2653. Plant jedoch der Mieter einen erheblichen Umbau der Geschäftsräume und hat er hierfür wirksam die Beibringung der behördlichen Genehmigung übernommen, kann er sich nicht auf eine Mangelhaftigkeit wegen fehlender Erlaubnis berufen, wenn er nicht einmal den Versuch unternommen hat, sie zu erlangen2654. 1037a Ist das Genehmigungsrisiko unwirksam auf den Mieter abgewälzt worden, kann sich die Situation

ergeben, dass der Mieter nach § 536 Abs. 1 S. 1 BGB keine Miete zu zahlen hat, der Vermieter aber nicht vom Mietvertrag loskommt. Denn das Kündigungsrecht des § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB steht allein dem Mieter zu. In diesem Fall kann der Vermieter ausnahmsweise aus dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage fristlos kündigen, weil es krass unbillig wäre2655, ihn am Vertrag festzuhalten, obwohl feststeht, dass z.B. die notwendige Konzession nicht erreichbar ist.

2647 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356 = ZMR 2010, 517. 2648 KG v. 23.5.2016 – 8 U 10/15, MietRB 2016, 254 = ZMR 2016, 685. 2649 Ghassemi-Tabar in Ghassemi-Tabar u.a., § 536 BGB Rz. 72, 79. 2650 KG v. 23.5.2016 – 8 U 10/15, MietRB 2016, 254 = ZMR 2016, 685 = DWW 2016, 374; vgl. auch LG Hamburg v. 26.2.2015 – 316 O 151/14, MietRB 2017, 7 = ZMR 2016, 702. 2651 BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, MietRB 2008, 103 = ZMR 2008, 274 = GE 2008, 120; KG v. 14.7.2014 – 8 U 140/13, MDR 2014, 952 = MietRB 2014, 258 = IMR 2014, 385; OLG Düsseldorf v. 16.4.2002 – 24 U 20/ 01, ZMR 2003, 21 (22); LG Berlin v. 28.6.2001 – 64 S 107/01, NZM 2002, 787 m.w.N. 2652 OLG Köln v. 25.2.1994 – 20 U 87/93, VersR 1995, 840. 2653 BGH v. 2.3.1994 – XII ZR 175/92, ZMR 1994, 253. 2654 OLG Düsseldorf v. 7.1.1993 – 10 U 58/92, MDR 1993, 443 = DWW 1993, 99. 2655 KG v. 14.7.2014 – 8 U 140/13, MietRB 2014, 258 = MDR 2014, 952 = ZMR 2014, 876 = IMR 2014, 385.

324 | Lützenkirchen

C. Gewerberaummiete | Rz. 1041 § 535

Die Klausel „der Mieter übernimmt die Mieträume in dem vorhandenen und ihm bekannten Zustand 1038 nach eingehender Besichtigung … als vertragsgemäß, insbesondere als in jeder Hinsicht bezugsfertig und unbeschädigt mit folgenden Ausnahmen …“ verstößt gegen § 309 Nr. 12b BGB jedenfalls gegenüber einem Nichtkaufmann2656. Denn es handelt sich um eine unwirksame Bestätigungsklausel. Selbst die Formulierung: „Der Mieter hat das Objekt besichtigt und übernimmt es im derzeit vorhandenen Zustand“ hilft dem Vermieter nicht zur Vereinbarung eines vertragsgemäßen Anfangszustandes (trotz vorhandener Mängel). Denn eine derartige Klausel dient allein der Beschreibung des Mietobjektes2657. Ein Hinweis auf verborgene Mängel oder gar darauf, dass dem Mieter solche bekannt gewesen seien mit der Rechtsfolge des § 536b BGB, kann ihr nicht entnommen werden. Die Formulierung, „Der Mieter hat behördliche Auflagen auf eigene Kosten zu erfüllen“, bezieht sich al- 1038a lein auf personenbezogene Hindernisse für den vertragsgemäßen Gebrauch und – sofern sie denn wirksam ist – verpflichtet den Mieter nicht, den baulichen Zustand für seine Zwecke herzurichten2658. Das Gleiche gilt, wenn der Mietvertrag vorsieht, dass der Mieter für die Herführung des vertragsgemäßen Zustandes eine mietfreie Zeit erhält und wegen der Nutzungsänderung eine behördliche Genehmigung vom Vermieter eingeholt wird, die – sofern sie nicht erteilt wird – ein Rücktrittsrecht begründen soll2659. b) Ausschluss der Haftung für Rechtsfolgen Mittelbar kann der Vermieter die Verantwortung für den Anfangszustand und die Vernachlässigung 1039 seiner Erhaltungspflicht auch dadurch abfedern, dass er seine Haftung mildert, indem er z.B. das maßgebliche Verschulden auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt. Bei Formularklauseln ist insoweit mindestens zu beachten, dass gemäß § 309 Nr. 7 BGB Haftungsmilderungen für Schäden an Körper, Gesundheit oder Freiheit unzulässig sind. Allerdings erlaubt § 309 Nr. 7 BGB darüber hinaus grundsätzlich die Beschränkung der Haftung des 1040 Verwenders auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz. Soweit sich die Haftungsmilderung aber auch auf eine Verletzung der Kernpflicht des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB beziehen kann, liegt eine unangemessene Benachteiligung des Mieters i.S.v. § 307 Abs. 2 BGB vor, wenn damit auch vertragstypische Risiken, gegen die sich der Vermieter versichern kann, erfasst sein können2660. Denn die Klauselverbote in § 309 BGB sind als besondere Regelbeispiele der Inhaltskontrolle im Rahmen des § 307 BGB auch bei der Prüfung von Klauseln im Gewerbemietvertrag heranzuziehen2661. 4. Bestimmung eines Mangels i.S.v. § 536 BGB Der Vertragszweck ist weiterhin als Auslegungshilfe heranzuziehen, wenn es um die Bestimmung eines 1041 Mangels i.S.v. § 536 BGB bzw. der dafür vorausgesetzten Sollbeschaffenheit geht. Diese Frage beurteilt sich zunächst grundsätzlich danach, welcher Tauglichkeitsanforderung (Sollbeschaffenheit) die Mieträume im Einzelnen genügen müssen. Das hängt in erster Linie von den getroffenen Vereinbarungen und der Auslegung des Mietvertrages ab (§§ 133, 157 BGB)2662. Zu berücksichtigen sind alle den Parteien erkennbaren Umstände. Auch der bei Vertragsabschluss bekannte „Ist-Zustand“ der Mietsache ist von Bedeutung2663. Fehlen Festlegungen der Parteien, wird für den Umfang des vertragsgemäßen Gebrauchs ferner die Verkehrsanschauung herangezogen2664. Vgl. im Einzelnen § 536 BGB Rz. 75 ff.

2656 OLG Düsseldorf v. 16.10.2003 – I-10 U 46/03, WuM 2003, 621. 2657 BGH v. 18.4.2007 – XII ZR 139/05, MDR 2007, 1065 = MietRB 2007, 195 = GuT 2007, 208 = ZMR 2007, 605 = GE 2007, 840 = NZM 2007, 484 Rz. 18. 2658 OLG Düsseldorf v. 16.4.2002 – 24 U 20/01, ZMR 2003, 23. 2659 KG v. 23.5.2016 – 8 U 10/15, MietRB 2016, 254 = ZMR 2016, 685 = DWW 2016, 374. 2660 BGH v. 24.10.2001 – VIII ARZ 1/01, WuM 2002, 141 = NZM 2002, 116 = MDR 2002, 330 = GuT 2002, 45. 2661 Erman/Roloff, § 307 BGB Rz. 36 m.w.N. 2662 OLG Dresden v. 24.10.2000 – 23 U 1660/00, NJW-RR 2001, 727 (728). 2663 Thüringer OLG v. 26.2.1997 – 2 U 84/96, OLG-NL 1997, 104 (105); Hanseatisches OLG Hamburg v. 13.7.1994 – 4 U 11/94, ZMR 1995, 120; OLG München v. 21.4.1995 – 21 U 5722/94, ZMR 1997, 236 (237). 2664 OLG Köln v. 5.11.1993 – 19 U 132/93, DWW 1994, 50.

Lützenkirchen | 325

§ 535 Rz. 1042 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags 5. Haftung des Mieters für vertragsgemäßen Gebrauch? 1042 Durch die Festlegung des vertragsgemäßen Gebrauchs werden zugleich die Grenzen der Nutzung für

den Mieter aufgezeigt, innerhalb derer wegen § 538 BGB eine Haftung nicht stattfindet. Denn wird allein der Betriebszweck festgelegt, gelten nach der Verkehrsanschauung z.B. die für das jeweilige Gewerbe geltenden Umweltrichtlinien oder sonstigen Standards2665. Deshalb kann der Vermieter keine Ansprüche wegen Beschädigung der Mietsache herleiten, wenn diese Anforderungen eingehalten und im Übrigen nichts Besonderes geregelt ist. 1043

– Deshalb können bei einem Tankstellengrundstück Kontaminationen des Erdreichs, die durch ordnungsgemäßes Betanken von Fahrzeugen entstehen, vom vertragsgemäßen Gebrauch gedeckt sein, wenn der Betrieb die geltenden Richtlinien einhält2666.

1044

– Ist in einem Mietvertrag über eine Tankstelle bzw. Kfz-Werkstatt nebst Verkaufsbüro eine Instandhaltung nach den gesetzlichen Vorschriften vorgesehen, besteht im Fall einer Kontamination von Grund und Boden aufgrund Überlaufens eines Koaleszenzabscheiders nebst anschließender Sanierung kein Ausgleichsanspruch des Vermieters gegen den Mieter2667. 6. Nutzungsänderung

1045 Durch die Festlegung des Vertragszwecks werden die Grenzen der Nutzung des Mieters festgelegt. Eine

davon abweichende Nutzung ist grundsätzlich nicht gestattet. Vielmehr führt jede (einseitige) Nutzungsänderung generell einen vertragswidrigen Gebrauch mit den möglichen Sanktionen durch die §§ 541, 543 BGB herbei. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob durch die Belegung der Räume z.B. mit Asylbewerbern ein Schaden droht2668. Denn insbesondere für § 541 BGB ist zunächst allein maßgeblich der vertragswidrige Gebrauch. 1045a Führt der Mieter eine Produkterweiterung durch oder bietet er zusätzliche Dienstleistungen an, die

vom Vertragszweck nicht mehr erfasst werden, kommt dies einer vertragswidrigen Nutzung gleich. Die Unterlassung nach § 541 BGB kann nur auf diese Teilerweiterung bezogen werden. Die übrigen Sanktionen, z.B. Kündigung erstrecken sich aber auf das ganze Mietverhältnis. 1046 Eine Nutzungsänderung kann grundsätzlich nur in beiderseitigem Einvernehmen herbeigeführt wer-

den. Dabei ist die Schriftform des § 550 BGB zu beachten, weil die Änderung des Vertragszwecks regelmäßig eine wesentliche Vertragsabrede betrifft (vgl. § 550 BGB Rz. 60). 1047 Ein Anspruch des Mieters auf Änderung des Vertragszwecks bedarf grundsätzlich einer besonderen

vertraglichen Abrede. Besteht eine solche Klausel aus einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt zur Untervermietung, ist deren Auslegung nicht einheitlich. Während die eine Meinung die Erlaubniserteilung in das freie Ermessen des Vermieters stellt2669, ist nach der Gegenansicht2670 eine Interessenabwägung durchzuführen. Nach beiden Auffassungen ist aber eine Zustimmung zu versagen, wenn eine Nutzungsänderung durch die Untervermietung herbeigeführt werden soll2671. 1048 Allerdings muss sich ein Vermieter, der nicht nur die Zustimmung zu einer Untervermietung, sondern

auch die zu einer Nutzungsänderung allein bei Vorliegen eines wichtigen Grundes versagen darf, an dieser Gestaltung festhalten lassen und kann nicht erwarten, durch eine Ausdehnung des Begriffs des „wichtigen Grundes“ zu Lasten des Mieters nicht Vertragsinhalt gewordene Einschränkungen zu realisieren2672. Eine solche Regelung macht deutlich, dass der Vermieter kein bestimmtes Konzept mit der 2665 BGH v. 10.7.2002 – XII ZR 107/99, MDR 2003, 22 = ZMR 2002, 901. 2666 BGH v. 12.7.2004 – XII ZR 163/03, MDR 2005, 25 = MietRB 2005, 6 = GuT 2004, 233; BGH v. 10.7.2002 – XII ZR 107/99, MDR 2003, 22 = ZMR 2002, 901. 2667 BGH v. 28.7.2004 – XII ZR 163/03, MDR 2005, 26 = MietRB 2005, 6. 2668 OLG Düsseldorf v. 14.2.1991 – 10 U 171/90, MDR 1991, 542 = ZMR 1991, 176 = DWW 1991, 80. 2669 BGH v. 16.9.1981 – VIII ZR 161/80, MDR 1982, 314 = ZMR 1992, 11 = NJW 1982, 376; OLG Hamm v. 13.1.1981 – 4 REMiet 5/80, 4 REMiet 6/80, MDR 1981, 406 = WuM 1981, 53 = ZMR 1981, 153. 2670 KG v. 8.9.2003 – 8 U 181/02, GE 2003, 1490 = WE 2004, 162; Hanseatisches OLG Hamburg v. 29.10.1993 – 4 U 167/93, WuM 1993, 737. 2671 Blank/Börstinghaus, § 540 BGB Rz. 51. 2672 OLG Düsseldorf v. 1.6.2010 – 24 U 32/10, MietRB 2011, 108 = GE 2011, 336 = GuT 2011, 281.

326 | Lützenkirchen

C. Gewerberaummiete | Rz. 1050 § 535

Vermietung verfolgt, es ihm also nicht wesentlich auf eine bestimmte Präsentation von Waren, eine bestimmte Branche oder ein besonderes Erscheinungsbild seiner Mieträume angekommen ist. Haben die Parteien vereinbart, dass der Vermieter die Zustimmung zur Vertragsänderung nur aus wichtigem Grund versagen darf, der Mieter also darüber hinaus einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis hat, und verweigert der Vermieter bei einer derartigen Vertragsgestaltung seine Zustimmung zur Untervermietung ohne wichtigen Grund, begeht er eine Pflichtverletzung gemäß § 280 BGB und macht sich dem Mieter gegenüber schadensersatzpflichtig2673. Im Übrigen kann der Mieter die Zustimmung zur Nutzungsänderung unter den gleichen Vorausset- 1049 zungen geltend machen, die er beim Eintritt eines Ersatzmieters zu beachten hat2674 (vgl. § 537 BGB Rz. 33). Dazu muss ein dringendes und überwiegendes Interesse des Mieters vorliegen, das sich nicht allein aus dem Verkauf eines (Teil-)Betriebes ergibt, selbst wenn dies aus Altersgründen erfolgt. Eine ohne Erlaubnis des Vermieters nicht zulässige Nutzungsänderung liegt z.B. in folgenden Fällen 1050 vor: Vereinbarter Nutzungszweck

Davon nicht gedeckt:

An- und Verkaufsgeschäft für Second-Hand-Artikel

Wohnen2675

Apotheke

Blumengeschäft2676

(Präsenz-)Apotheke

Versand-Apotheke2677

Ausstellungsräume

Asylbewerberheim2678

Babybedarf (Fachgeschäft)

Zusätzlicher Verkauf von Nahrungsmittel (Süßigkeiten, Eis etc.)

Bank

Matratzenfachgeschäft2679

Büro

Asylbewerberheim2680

Büro

Kinderarztpraxis2681

Büroräume (ausschließlich)

häuslicher Pflegedienst2682

Café mit Betriebswohnungen

Asylbewerberheim2683

Damenmoden-Boutique

Sex-Shop2684

Dart-Café

Verkauf türkischer Speisen, insbesondere Döner, unzulässig2685

Gaststätte mit Alkoholausschank

Shisha-Bar2686

Grillstube (Gaststätte)

Pizza-Taxi-Betrieb nicht, wohl aber Pizzeria2687

Hotel

Asylbewerberheim2688

2673 2674 2675 2676 2677 2678 2679 2680 2681 2682 2683 2684 2685 2686 2687 2688

OLG Düsseldorf v. 1.6.2010 – 24 U 32/10, MietRB 2011, 108 = GE 2011, 336 = GuT 2011, 281. KG v. 8.9.2003 – 8 U 181/02, GE 2003, 1490 = WE 2004, 162. LG Hamburg v. 10.4.2015 – 311 O 352/14, ZMR 2016, 953. BGH v. 16.9.1981 – VIII ZR 161/80, MDR 1982, 314 = ZMR 1982, 11 = NJW 1982, 376. OLG Koblenz v. 27.6.2019 – 1 U 1471/18, MDR 2019, 1441 = MietRB 2019, 325 = NZM 2019, 588. OLG München v. 26.1.2001 – 21 U 3595/94, ZMR 2001, 347. KG v. 8.9.2003 – 8 U 181/02, GE 2003, 1490 = WE 2004, 162. OLG Düsseldorf v. 14.2.1991 – 10 U 171/90, MDR 1991, 542 = ZMR 1991, 176 = DWW 1991, 80. OLG Düsseldorf v. 20.9.1995 – 3 Wx 259/95, WuM 1995, 727 = ZMR 1996, 39 = NJW-RR 1996, 267. OLG Düsseldorf v. 16.2.2016 – 24 U 63/15, MDR 2016, 702 = GE 2016, 784 = ZMR 2016, 440. OLG München v. 26.1.2001 – 21 U 3595/94, ZMR 2001, 347. BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, MDR 1984, 571 = FamRZ 1984, 763 = NJW 1984, 1031. LG Bonn v. 24.4.2007 – 7 O 333/06, juris. OLG Köln v. 19.5.2017 – 1 U 25/16, MietRB 2017, 319 = ZMR 2018, 310. OLG München v. 18.10.2002 – 21 U 2900/02, NZM 2003, 23. OLG Hamm v. 10.9.1991 – 7 U 63/91, ZMR 1992, 192 = NJW 1992, 916.

Lützenkirchen | 327

§ 535 Rz. 1050 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags Vereinbarter Nutzungszweck

Davon nicht gedeckt:

Laden

Eisdiele mit Außenbestuhlung oder Verkauf nach außen2689

Lager

Asylbewerberheim2690

Lagern von handelsüblichen Waren

Getränkeausschank/-handel2691

Metzgerei

Geschäft für Damenoberbekleidung2692

Spielwaren- und Babyartikel-Fachmarkt sowie Kinderbekleidung

Lagerung und/oder Verkauf von Silvesterfeuerwerksprodukten der Kategorie 22693

Strandbad mit Bootsausleihe und Gastronomie

Überlassung von Teilflächen des Objekts an Camper unzulässig2694

Technologiezentrum

Call-Center2695

Tele-Cafés mit Internetangeboten

Betrieb eines Spätkaufs2696

Textilien und Sortiment im Outdoorbereich

Marke mit ausschließlichem Bezug zur rechtsradikalen Szene2697

Zahnarztpraxis

Tierarztpraxis für Kleintiere2698

Dagegen liegt keine Nutzungsänderung vor: Praxis für Psychiatrie und Psychotherapie

u.a. auch Drogenersatztherapie, insbesondere die Abgabe von Methadon2699

IV. Mietgegenstand 1051 Auch in der Gewerberaummiete wird der Mietgegenstand durch den Vertrag festgelegt, und zwar so-

wohl hinsichtlich der zur Sondernutzug überlassenen Flächen als auch der Gemeinschaftsflächen. Dennoch bestehen Besonderheiten: 1. Nutzung der Außenwand (Werbung) 1052 Grundsätzlich ist die Nutzung der Außenfläche eines Gebäudes nicht vom Mietgebrauch erfasst, wenn

der Vertrag dazu keine besondere Regelung enthält2700. Dennoch darf der Mieter von Gewerberäumen an der Außenwand des Gebäudes zur Straße, ggf. zusätzlich auch im gemeinsamen Treppenhaus, ein Namens- oder Firmenhinweisschild in angemessener Größe anbringen2701, was der Vermieter zu dulden hat2702, soweit dies der Verkehrssitte entspricht und der Mietvertrag keine (wirksame) entgegenstehenden Bestimmungen trifft. Letzteres ist AGB-mäßig nur in eingeschränktem Maß zulässig. Allenfalls

2689 BGH v. 25.10.2019 – V ZR 271/18, MietRB 2020, 45 (Sommer) = MietRB 2020, 46 (Sommer) = MDR 2020, 84 = WuM 2020, 48 = GE 2020, 61. 2690 OLG München v. 26.1.2001 – 21 U 3595/94, ZMR 2001, 347. 2691 KG Berlin v. 19.5.2016 – 8 U 207/15, MietRB 2016, 222 = MDR 2016, 819 = GE 2016, 970; BGH v. 25.1.2017 – XII ZR 69/16, ECLI:DE:BGH:2017:250117BXIIZR69.1, MDR 2017, 386 = MietRB 2017, 966, NJW 2017, 1017 = ZfIR 2017, 272. 2692 LG Nürnberg-Fürth v. 18.7.1990 – 7 O 2439/90, WuM 1991, 344. 2693 KG Berlin v. 6.6.2011 – 8 U 9/11, MietRB 2011, 313 = GE 2011, 1083 = GuT 2011, 145. 2694 OLG Brandenburg v. 14.11.2007 – 3 U 86/07; ZMR 2008, 116. 2695 OLG Düsseldorf v. 5.9.2002 – 24 U 207/01, WuM 2003, 136 = ZMR 2003, 349. 2696 KG Berlin v. 9.10.2014 – 8 U 131/14, MDR 2015, 148 = ZMR 2015, 119. 2697 BGH v. 11.8.2010 – XII ZR 192/08, MDR 2010, 1306 = NZM 2010, 786 („Thor Steinar“). 2698 OLG Köln v. 12.4.1996 – 20 U 166/95, WuM 1997, 620 = ZMR 1997, 298 = NJW-RR 1997, 204. 2699 OLG Köln v. 12.11.2010 – 1 U 26/10, MietRB 2011, 8 = NJW 2011, 314 = NZM 2011, 76; a.A. LG Bonn v. 12.4.2010 – 9 O 440/09, ZMR 2010, 689. 2700 Saarländisches OLG v. 21.3.2005 – 8 U 581/04, MDR 2005, 1283. 2701 Saarländisches OLG v. 27.5.2010 – 8 U 448/09, MDR 2010, 1180 m.w.N. 2702 OLG Düsseldorf v. 27.5.1988 – 16 U 56/88, NJW 1988, 2545 = BRAK-Mitt. 1988, 282.

328 | Lützenkirchen

C. Gewerberaummiete | Rz. 1057 § 535

kann ein Bestimmungsrecht des Vermieters über die Nutzung einer vorhandenen Werbetafel angenommen werden. Bei letzterem ist insbesondere zu beachten, dass ein Werbeschild i.d.R. eine bauliche Veränderung sein kann2703. Unabhängig davon sind Freiberufler, die „Kunden“ empfangen (Ärzte, Rechtsanwälte, Architekten), grundsätzlich berechtigt, ein Hinweisschild in ortsüblicher Größe an der Außenwand straßenwärts zu montieren2704. Bei Größe, Gestaltung und Platzierung hat er auf berechtigte Vermieterbelange Rücksicht zu nehmen. Darüber, ob der gewerbliche Mieter die Außenfläche des gemieteten Gebäudes oder Stockwerks zu Re- 1053 klamezwecken oder zur Anbringung von Warenautomaten nutzen darf, entscheidet bei fehlender Vertragsregelung die Ortssitte2705. Der Mieter eines im Erdgeschoss gelegenen Ladenlokals wird dazu bezüglich der Vorderseite des Erdgeschosses berechtigt sein2706. Für die darüber gelegenen Stockwerke erscheint dies zweifelhaft2707. Zur nachvertraglichen Pflicht vgl. § 546 BGB Rz. 165 f. 2. Vermietung vom Reißbrett a) Mietobjekt Bei der Vermietung eines geplanten, im Bau befindlichen oder umzubauenden Gebäudes bzw. einer 1054 Mieteinheit kann die Beschreibung des Mietobjektes nicht durch konkrete Bezugnahme auf die tatsächlichen Verhältnisse erfolgen. Um eine bestimmbare Beschreibung herbeizuführen, wird der Mietgegenstand regelmäßig durch Grundrisszeichnungen, Lagepläne o.Ä. beschrieben. Dies ist solange unproblematisch, wie das Objekt nicht abweichend errichtet wird. Neben Problemen der Schriftform (vgl. dazu § 550 BGB Rz. 65) stellen sich, und zwar vorrangig, Probleme aus dem Gesichtspunkt der wirksamen Einigung. Denn wird etwas völlig anderes gebaut als vereinbart wurde, ist dem Vermieter die Übergabe in der Regel unmöglich, § 275 Abs. 1 BGB und es stellt sich die Frage, ob sich die Parteien über die konkrete Mieteinheit überhaupt geeinigt haben. Im Zweifel wird die Mietsache in diesen Fällen durch die Übergabe konkretisiert. Besteht eine erheb- 1055 liche Abweichung zu dem versprochenen Mietobjekt, wird durch die Invollzugsetzung eine stillschweigende Änderung des Mietvertrages herbeigeführt. Bei Mietverträgen, die länger als ein Jahr dauern, können Probleme mit der Schriftform entstehen (vgl. § 550 BGB Rz. 65), weil der beschriebene Mietgegenstand mit dem tatsächlichen nicht identisch ist. Im Übrigen können sich Gewährleistungsansprüche ergeben, die sich der Mieter aber vorbehalten muss, § 536 BGB. Diese Risiken können nur vermieden werden, indem ein Nachtrag spätestens ein Jahr nach der Übergabe hergestellt wird, in dem das Mietobjekt ausreichend beschrieben wird (§ 550 BGB Rz. 65). b) Vertragsgemäßer Zustand Nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB hat der Vermieter das Mietobjekt in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch 1056 geeigneten Zustand zu übergeben. Damit fällt es grundsätzlich in den Verantwortungsbereich des Vermieters, die für die vereinbarte Nutzung maßgeblichen baulichen Voraussetzungen zu schaffen. Vorbehaltlich abweichender (wirksamer) Vereinbarungen umfasst diese Pflicht die Herstellung aller baulichen Voraussetzungen für die zulässige Nutzung, insbesondere die notwendige Schaffung eines zweiten Rettungsweges, den die Behörde zur Erteilung der Betriebserlaubnis verlangt2708. Zur Festlegung des vertragsgemäßen Zustandes wird insbesondere bei der Vermietung vom Reißbrett 1057 in der Regel auf eine Baubeschreibung Bezug genommen. Mit deren Hilfe sollen die technischen Details, die der Vermieter herzustellen hat und die bei der Übergabe vorhanden sein sollen, festgelegt werden.

2703 2704 2705 2706 2707

Bitzer, AnwZert MietR 13/2008 Anm. 2. OLG Düsseldorf v. 27.5.1988 – 16 U 56/88, NJW 1988, 2545 = BRAK-Mitt. 1988, 282. BGH v. 19.3.1957 – VIII ZR 48/56, ZMR 1957, 225 = BB 1957, 382; Fritz, Rz. 69 m.w.N. Saarländisches OLG v. 27.5.2010 – 8 U 448/09, MDR 2010, 1180 m.w.N. Offengelassen: BGH v. 19.3.1957 – VIII ZR 48/56, ZMR 1957, 225 = BB 1957, 382; vgl. auch Wolf/Eckert/Ball, Rz. 192 m.w.N. 2708 OLG Karlsruhe v. 16.10.2017 – 9 U 89/15, MietRB 2018, 266 = DWW 2018, 296.

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§ 535 Rz. 1058 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags aa) Vom Standard abweichende Vereinbarungen 1058 Solange die Baubeschreibung individuell vereinbart ist, ergeben sich regelmäßig nur Auslegungspro-

bleme. Denn sowohl hinsichtlich der Ausführung der notwendigen Arbeiten als auch der Anforderungen (z.B. Lieferung von Details unter Standard) können die Parteien im Rahmen der Vertragsfreiheit abweichende Regelungen treffen. Eine individuelle Festlegung des vertragsgemäßen Zustandes wird aber noch nicht dadurch herbeigeführt, dass der Vermieter die Zusammenstellung als „Mieterbaubeschreibung“ betitelt. 1058a Haben die Parteien (wirksam) vereinbart, dass der Mieter den Anfangszustand herbeiführt, ist zu prü-

fen, inwieweit darin ein Baukostenzuschuss liegt, der bei vorzeitiger Beendigung zurückzugewähren wäre (vgl. § 547 BGB Rz. 20 f.). Grundsätzlich trägt der Mieter in diesem Fall für die Arbeiten, die er im Rahmen der Leistung zur Herbeiführung des vertragsgemäßen Zustandes erbringt, die alleinige Verantwortung. Dies gilt selbst dann, wenn er insoweit ursprünglich im Leistungspaket des Vermieters enthaltene Arbeiten ausführt und vom Vermieter dafür den in seinem Budget vorgesehenen Geldbetrag als Zuschuss erhält. Er kann also z.B. bei mangelhafter Ausführung selbst dann nicht mindern (§ 536 BGB), wenn er denselben Handwerker beauftragt, den auch der Vermieter beauftragt hätte2709. 1058b Übernimmt der Mieter in diesem Zusammenhang das Risiko, dass z.B. für die von ihm auszubauenden

Räume eine Baugenehmigung erteilt wird, erstreckt sich eine solche – eng auszulegende – Regelung grundsätzlich nicht auf Risiken, die den Räumen bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses anhaften und die er nicht kannte (vorliegend: unter Verstoß gegen materielles Baurecht in einer Brandwand errichtetes Fenster)2710. In einem solchen Fall ist dem Mieter auch nicht zumutbar, die Arbeiten ohne Genehmigung auszuführen in der vagen Hoffnung, die Behörde würde auch in Zukunft untätig bleiben2711.

1059 Stellt der Vermieter die Baubeschreibung für eine Vielzahl von Fällen, handelt es sich um AGB. Ihr

Inhalt beschränkt sich nicht lediglich auf die Beschreibung des tatsächlichen Zustandes, so dass eine Inhaltskontrolle ausgeschlossen wäre2712. Vielmehr legen (Mieter-)Baubeschreibungen den Umfang der Verpflichtung des Ausführenden fest, was zur Anwendung des § 307 BGB führt2713. 1060 Mit Rücksicht darauf unterliegen auch Baubeschreibungen der Prüfung nach § 307 BGB mit der kun-

denfeindlichsten Auslegung und dem Transparenzgebot, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB2714. Dies gilt für einen unter dem Mindeststandard liegenden Zustand unzweifelhaft; er ist nur dann vertragsgemäß, wenn er eindeutig vereinbart ist2715. Deshalb muss z.B. bei einer Kühlung die vom Vermieter gelieferte Kühlleistung (regelmäßig in kWh) oder bei einer Lüftungsanlage deren Kapazität (entweder in W/m2 oder m3/h) mit den maßgeblichen technischen Voraussetzungen angegeben werden. 1060a Da sich der vertragsgemäße Zustand aber vor allem am Vertragszweck orientiert, gilt der Grundsatz der

Transparenz auch, wenn der allgemein beschriebene Lieferzustand nicht alle Details berücksichtigt, die für die Nutzung des Mieters relevant sind (z.B. Kühlung in Ausstellungsräumen). Zwar muss der Vermieter bei nur allgemein beschriebenem Zustand eine Leistung mittlerer Art und Güte erbringen und steht ihm i.d.R. bei Lücken ein – abdingbares – Bestimmungsrecht nach § 315 BGB zu (vgl. aber § 535 BGB Rz. 1062a). Indessen geht es hier nicht um die Frage, unter welchen Bedingungen der Vermieter vertragsgemäß liefert, sondern ob für den Mieter erkennbar ist, dass mit der beschriebenen Leistung nicht der von ihm vorausgesetzte Gebrauch in jeder Hinsicht möglich ist. 1061 Deshalb sind Klauseln, die ohne technische Detailangaben eine Leistung beschreiben, in der Regel

nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam, wenn damit die Verantwortung auf den Mieter abgewälzt werden soll, die für seinen Betrieb benötigten Leistungen selbst zu beschaffen oder nachzurüsten. Das KG v. 16.8.2004 – 12 U 310/03, MietRB 2005, 34 = ZMR 2004, 908 = GE 2004, 1393. KG v. 23.5.2016 – 8 U 10/15, MietRB 2016, 254 = ZMR 2016, 685 = DWW 2016, 374. KG v. 23.6.2016 – 8 U 62/15, ZMR 2016, 855 (857) = GE 2016, 1504. Palandt/Grüneberg, § 307 BGB Rz. 44 m.w.N. BGH v. 29.4.2010 – Xa ZR 5/09, MDR 2010, 913 = NJW 2010, 1958; BGH v. 9.5.2001 – IV ZR 121/00, MDR 2001, 1055 = NJW 2001, 2014. 2714 Vgl. BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356. 2715 BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 22/92, NJW-RR 1993, 522 (unter II 2b). 2709 2710 2711 2712 2713

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C. Gewerberaummiete | Rz. 1063 § 535

betrifft den fehlenden Starkstromanschluss in für einen Schnellimbiss bestimmten Räumen, aber auch die (Ent-)Lüftung/Klimatisierung in vermieteten Showräumen, die durch starke Scheinwerfer aufgeheizt werden. Aber auch bei der Vermietung eines Ladengeschäfts sind derartige Einrichtungen relevant. Denn einerseits legt der Mieter Wert darauf, dass sich seine Kunden wohl fühlen und z.B. im Sommer nicht wegen übermäßiger Hitze sein Geschäft meiden2716. Andererseits muss der Mieter die Richtlinien des Arbeitsschutzes seinen Mitarbeitern gegenüber beachten, die an die klimatischen Voraussetzungen eines Arbeitsplatzes Bedingungen stellen (z.B. ASR A3.5 = Richtwert von 26 C am Arbeitsplatz; vgl. dazu § 536 BGB Rz. 351). Generell sind daher detaillierte Angaben erforderlich für die Stärke des Stromnetzes, Lüftungskapazitäten, Klimatisierung, Schallschutz, Energieverbrauch etc. Insoweit bestehen grundsätzlich weder eine Hinweis- noch eine Untersuchungspflicht des Mieters. 1062 Denn wenn der Vermieter verspricht, dass in dem Objekt der Vertragszweck verfolgt werden kann, trägt er dafür die Verantwortung, dass sich aus dem Gebäudezustand keine Hindernisse ergeben. Deshalb muss er im Zweifel einen Fachmann hinzuziehen, wenn der Mieter die benötigten Auskünfte nicht erteilt. bb) Anordnungsrecht des Mieters nach §§ 650b ff. BGB Bei Gewerberaummietverträgen, die vor dem 1.1.2018 abgeschlossen wurden, konnte der Vermieter 1062a ohne Weiteres eine Ausbautätigkeit für den Mieter übernehmen, ohne bei der Vertragsgestaltung in Kollision zu Bestimmungen des Werkvertragsrechts zu kommen. Für Verträge, die seit dem 1.1.2018 geschlossen wurden, gilt jedoch grundsätzlich das Anordnungsrecht der §§ 650a ff. BGB, wenn der Vermieter für den Mieter den Ausbau der Mietsache für dessen spezifische Vorstellungen über den vertragsgemäßen Zustand hinaus übernimmt2717. Denn es handelt sich um einen Bauvertrag i.S.d. § 650a Abs. 1 BGB. Darauf muss insbesondere bei der Vertragsgestaltung geachtet werden. Denn neben den steuerlichen Vorteilen, die ein durch den Vermieter durchgeführter Ausbau bietet, ist zu berücksichtigen, dass das Anordnungsrecht jedenfalls nicht formularmäßig ausgeschlossen werden kann2718. Aus dem Bauvertrag fließt das Anordnungsrecht für Änderungen nach § 650b BGB, wobei hinsicht- 1062b lich der Rechtsfolgen gem. dessen Abs. 1 nach der Art einer Änderung unterschieden wird. Es ist zu unterscheiden zwischen Änderungen des Werkerfolgs (Nr. 1) und solchen, die zur Herbeiführung des Werkerfolgs erforderlich sind (Nr. 2). Liegt eine Änderung i.S.v. § 650b Abs. 1 Nr. 1 BGB vor, kann der Vermieter deren Umsetzung nur ablehnen, wenn ihm die Ausführung unzumutbar ist. Dieses objektiv festzustellende Tatbestandsmerkmal kann in der hier relevanten mietvertraglichen Kostellation insbesondere gegeben sein, wenn Substanzeingriffe in das Mietobjekt erforderlich sind oder Auswirkungen auf die Nutzung anderer Mieter z.B. in Form von (unzulässigen) Geräuschen haben können (z.B. KlimaSplit-Gerät)2719. Über die Anordnung ist innerhalb von 30 Tagen Einvernehmen zu erzielen, ansonsten kann der Mieter 1062c als Besteller die Änderung anordnen, § 650b Abs. 2 BGB. Die Vergütung richtet sich dann nach § 650c BGB. Diese – im Hinblick auf einen vereinbarten Vertragsbeginn – u.U. sehr lange Frist kann grundsätzlich verkürzt werden2720. Dazu muss aber eine ausgewogene Regelung geschaffen werden, die auch die Belange des Mieters berücksichtigt. cc) Risikoregelungen zu öffentlich-rechtlichen Genehmigungen Mit der Hauptpflicht des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB lässt es sich nicht vereinbaren, wenn der Vermieter das 1063 Risiko der Einholung einer Nutzungsgenehmigung oder Genehmigung der Nutzungsänderung auf den Mieter auch insoweit formularmäßig überbürdet, dass die Versagung ausschließlich auf der Beschaffenheit oder Lage des Mietobjektes beruht, § 307 BGB2721. Dies bezieht sich insbesondere auf

2716 2717 2718 2719 2720 2721

OLG Rostock v. 17.5.2018 – 3 U 78/16, MDR 2018, 924 = GE 2018, 876 = MietRB 2018, 200. BeckOK/Hörndler, § 578 BGB Rz. 16. Tschäpe, GE 2018, 178 (179) m.w.N. Tschäpe, GE 2018, 178 (179). Tschäpe, GE 2018, 178 (179). BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, MietRB 2008, 103 = GuT 2007, 434 = GE 2008, 120 = ZMR 2008, 274.

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§ 535 Rz. 1063 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags Klauseln, wonach der Vermieter keine Gewähr dafür leistet, dass die gemieteten Räume den in Frage kommenden technischen Anforderungen sowie den behördlichen und anderen Vorschriften entsprechen und der Mieter behördliche Auflagen auf eigene Kosten zu erfüllen hat. Derartige Klauseln halten der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht stand, weil sie eine Haftung des Vermieters auch für den Fall ausschließen, dass die erforderliche behördliche Genehmigung für den vom Mieter vorgesehenen Gewerbebetrieb aus Gründen versagt wird, die ausschließlich auf der Beschaffenheit oder der Lage des Mietobjekts beruhen. Damit sind nach solchen Klauseln im Falle der Verweigerung der Genehmigung nicht nur Gewährleistungsrechte des Mieters, sondern auch dessen Befugnis zur fristlosen Kündigung des Mietvertrages ausgeschlossen. Ein so weitgehender Haftungsausschluss benachteiligt aber den Mieter entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist deshalb nach § 307 BGB unwirksam2722. Diese unangemessene Benachteiligung entfällt nicht dadurch, dass zugleich ein Sonderkündigungsrecht des Mieters geregelt ist. Zum einen muss nach dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung über die Gewährleistung des Vermieters der Mieter in einem solchen Fall nicht nur zur fristlosen Kündigung berechtigt, sondern auch von der Verpflichtung zur Mietzinszahlung befreit sein2723. Diese Bedingung ist nicht gegeben, wenn das Recht zur außerordentlichen Kündigung nur vorsieht, dass der Vermieter den Mietgegenstand nicht in vertragsgemäßem Zustand übergibt oder, soweit es in sein Risiko fällt, in diesem Zustand erhält2724. Zumindest wäre ein Kündigungsrecht des Mieters nicht klar und verständlich geregelt, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, wenn der Wortlaut auch den Fall erfasst, das der Vermieter die Räume nicht konzessionsfertig übergibt. 1064 Unwirksam ist in einem Gaststättenmietvertrag die Klausel, dass dann, wenn der Mieter die Konzes-

sion für die Gaststätte nicht erhalte, der Vertrag mit dem Zeitpunkt der Erteilung des Versagungsbescheids als aufgelöst gilt. Denn sie bürdet dem Pächter auch dann das Risiko der behördlichen Erlaubnis auf, wenn die Versagung auf vom Verpächter zu vertretenden Mängeln des Pachtobjekts beruht2725. 1065 Anders ist die Rechtslage, wenn die Klausel allein bauliche Veränderungen des Mieters betrifft. Hierzu

kann auch formularmäßig geregelt werden, dass der Mieter, dem der Vermieter für eine bauliche Veränderung die Einwilligung erteilt, für die Einholung der bauaufsichtsamtlichen Genehmigung o.Ä. selbst verantwortlich ist und alle Kosten hierfür zu tragen hat2726. Denn aus einer solchen Klausel kann nicht hergeleitet werden, der Mieter habe selbst für die zum Betrieb seines Unternehmens erforderliche baurechtliche Nutzungsänderungsgenehmigung zu sorgen. Abgesehen davon hat der Vermieter im Fall der baulichen Veränderung bereits vertragsgemäß erfüllt.

V. Rechte und Pflichten des Vermieters 1. Besichtigungsrecht 1066 Auch der Gewerberaummieter hat dem Vermieter Zutritt zum Zwecke der Besichtigung der Mieträu-

me zu gewähren. Obwohl Gewerberäume auch durch Art. 13 GG geschützt werden2727, sollen hier weniger strenge Anforderungen gelten2728. Dies ist jedoch nicht gerechtfertigt. Auch hier bildet § 535 Abs. 1 S. 2 die Anspruchsgrundlage, und zwar auch für ein allgemeines Besichtigungsrecht2729. 1067 Die Rechtslage verändert sich nicht, wenn dem Vermieter der Zutritt zum Mietobjekt dadurch möglich

ist, dass der Mieter im Hinblick auf die von ihm ausgeübte gewerbliche Tätigkeit der Öffentlichkeit das Mietobjekt zugänglich macht, wie es z.B. bei Verkaufsgeschäften innerhalb der Ladenöffnungszeiten

2722 Vgl. BGH v. 22.6.1988 – VIII ZR 232/87, MDR 1988, 1052 = NJW 1988, 2664 (2665). 2723 BGH v. 22.6.1988 – VIII ZR 232/87, MDR 1988, 1052 = NJW 1988, 2664 (2665). 2724 KG v. 14.7.2014 – 8 U 140/13, MietRB 2014, 258 = MDR 2014, 952 = IMR 2014, 385 (auch zum Kündigungsrecht des Vermieters in einem solchen Fall). 2725 BGH v. 27.1.1993 – XII ZR 141/91, ZMR 1993, 320 = NJW-RR 1993, 519. 2726 BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, MietRB 2008, 103 = GuT 2007, 434 = GE 2008, 120 = ZMR 2008, 274. 2727 BVerfG v. 13.10.1971 – 1 BvR 280/66, NJW 1971, 2299. 2728 AG Neuss v. 14.11.1988 – 30 C 508/88, WuM 1989, 364. 2729 A.A. Wolf in Lindner-Figura u.a., Kap. 13 Rz. 170: § 242 BGB.

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C. Gewerberaummiete | Rz. 1071 § 535

der Fall ist2730. Denn hier beschränkt sich die Dritten gegenüber erfolgte Gestattung des Mieters, die gemieteten Räumlichkeiten und Flächen zu betreten, nur darauf, dies im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs als Kunden zu tun. Ein ständiges Besichtigungs- und Zutrittsrecht des Vermieters folgt daraus nicht. Vielmehr steht dem Vermieter das allgemeine Besichtigungsrecht zu, das über die Grenzen des befugten Gebrauchs durch Kunden hinausgeht. 2. Prüfungspflicht Grundsätzlich ergeben sich im Gewerberaummietrecht keine anderen Prüfungspflichten als in der 1068 Wohnraummiete (vgl. § 535 BGB Rz. 463). Selbst wenn der Vermieter weiß, dass der Mieter in der Mietsache mit gefährlichen Stoffen oder Umweltgiften umgeht, erhöhen sich ohne besonderen Anlass weder der Turnus des allgemeinen Besichtigungsrechts noch die Anforderungen an die Untersuchung der Mietsache. Der Vermieter kann sich darauf verlassen, dass der Mieter nur den vertragsgemäßen Gebrauch ausübt und gefährliche Zustände im Rahmen des § 536c BGB anzeigt. Erst recht ist er wegen der tatsächlichen Zugangsmöglichkeit nicht verpflichtet, Obhut über die dem 1069 Mieter überlassene Sache walten zu lassen und Untersuchungen hinsichtlich gefährlicher Zustände durchzuführen. Insoweit gelten vielmehr die allgemeinen Grundsätze: Der Mieter hat grundsätzlich das Recht auf den ungestörten Besitz an der Mietsache. Dieses unterliegt im Interesse des Vermieters den Schranken des § 242 BGB, aus dem sich eine Duldungspflicht des Mieters bei Besuchen des Vermieters ergeben kann. Daran ändert eine generelle Zugänglichkeit der Mietsache innerhalb der Ladenöffnungszeiten nichts2731. 3. Konkurrenzschutz Besteht keine entgegenstehende oder weitergehende besondere Regelung im Mietvertrag, schuldet der 1070 Vermieter dem Mieter in zumutbarem Umfang Konkurrenzschutz (sog. vertragsimmanenter Konkurrenzschutz)2732. Dabei handelt es sich nicht nur um eine Nebenpflicht i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB2733. Vielmehr handelt es sich um einen Sachmangel2734. Danach besteht für den Vermieter das Gebot, zwar nicht jeden fühlbaren oder unliebsamen Wettbewerber fernzuhalten, aber dennoch über ein bestimmtes Maß hinaus keine Konkurrenz zuzulassen2735 oder selbst herzustellen bzw. zu betreiben2736. a) Voraussetzungen des vertragsimmanenten Konkurrenzschutzes aa) Allgemeines Für den Bestand und den Umfang des Konkurrenzschutzes, der ohne ausdrückliche Begründung ent- 1071 stehen soll, kann nicht einseitig auf die Interessenlage des Mieters abgestellt werden. Vielmehr sind auch die Belange des Vermieters zu berücksichtigen, der im Fall der Annahme einer Schutzpflicht u.U. auch ohne Rücksicht auf ein Verschulden haftet (§ 536 BGB2737) und daher mindestens eine Einwirkungsmöglichkeit auf den Konkurrenten braucht. Deshalb kommt ein vertragsimmanenter Konkurrenzschutz gegenüber einem Teileigentümer in der Regel nicht in Betracht, wenn ihm nur eine Einheit gehört2738. Denn über das WEG kann er nur auf den Eigentümer der Einheit mit der konkurrierenden

2730 OLG Düsseldorf v. 12.8.2008 – 24 U 44/08, MDR 2008, 1330 = MietRB 2009, 63 = GE 2008, 1326 = GuT 2008, 345. 2731 OLG Düsseldorf v. 12.8.2008 – 24 U 44/08, MDR 2008, 1330 = MietRB 2009, 63 = GE 2008, 1326 = GuT 2008, 345. 2732 Menn, NZM 2017, 688 ff. 2733 Niklas, ZMR 2015, 270. 2734 BGH v. 10.10.2012 – XII ZR 117/10, MDR 2012, 1396 = ZMR 2013, 101 = NZM 2013, 52. 2735 BGH v. 24.1.1979 – VIII ZR 56/78, NJW 1979, 1404 m.w.N. 2736 OLG Brandenburg v. 25.11.2014 – 6 U 117/13, MietRB 2015, 39 = MDR 2015, 18 = ZMR 2015, 225 = IMR 2015, 62. 2737 Dessen Anwendung allerdings streitig ist. 2738 OLG Brandenburg v. 10.6.2009 – 3 U 169/08, MietRB 2009, 255 = NZM 2010, 43.

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§ 535 Rz. 1071 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags Nutzung einwirken, wenn dies zwischen den Eigentümern vereinbart ist. Ein gesetzlicher Konkurrenzschutz zwischen Teileigentümern oder Nachbarn besteht nicht. 1072 Voraussetzung des sog. vertragsimmanenten Konkurrenzschutzes ist im Übrigen, dass ein bestimmter

vom Mieter verfolgter Geschäftszweck Gegenstand des Mietvertrags geworden ist2739. Je weiter der Vertragszweck gefasst ist, je größer ist der Umfang des vertragsimmanenten Konkurrenzschutzes2740. Denn der Vermieter muss im Rahmen seiner Schutzpflicht dafür sorgen, dass der Mieter überhaupt in die Lage versetzt wird, vernünftige Umsätze zu erwirtschaften. Allerdings führt eine vertragswidrige Sortimentserweiterung/-änderung nicht zur Änderung des Schutzumfanges2741. Dies gilt auch bei der bloßen Duldung dieser Sortimentserweiterung, solange daraus keine schlüssige Vertragserweiterung des Geschäftszwecks wird2742. Dabei kann sich aus der Langfristigkeit des Mietvertrages im Wege der Auslegung nach den §§ 133, 155 BGB ergeben, dass ein Mieter seinen Tätigkeitsbereich auf Leistungen erweitern darf, die zum Geschäftszweck gehören, aber bei Vertragsschluss noch nicht (z.B. gesetzlich oder technisch) möglich bzw. entwickelt waren2743. 1073 Eine vertragswidrige Umgehung des Konkurrenzschutzes ist gegeben, wenn der Vermieter einen

Teil des Mietgrundstückes oder das ihm gehörende, in den Konkurrenzschutz räumlich einbezogene Nachbargrundstück an einen Konkurrenten des Mieters veräußert2744. Eine Untervermietung durch einen Mitmieter an einen Konkurrenten des Mieters darf der Vermieter, wenn dadurch erstmals eine Konkurrenzsituation begründet wird, nicht hinnehmen; er muss dagegen rechtlich einschreiten2745. bb) Schuldner des vertragsimmanten Konkurrenzschutzes 1074 Der vertragsimmanente Konkurrenzschutz, der durch einen vereinbarten Konkurrenzschutz verdrängt

wird2746, soll unzumutbaren Wettbewerb durch den Vermieter selbst oder durch dessen andere Mieter/ Pächter unterbinden2747. Zur Gewährung dieses Schutzes ist grundsätzlich nur der Vermieter verpflichtet. Der später hinzukommende Mieter kann allenfalls unter den besonderen Voraussetzungen des § 1 UWG Unterlassung schulden, wozu allerdings erforderlich ist, dass er bewusst am Vertragsbruch mitwirkt2748. 1075 Ist der Vermieter eine OHG, sind auch deren persönlich haftende Gesellschafter gehalten, zugunsten

des Mieters das Konkurrenzverbot zu beachten2749. Besteht Identität der Gesellschafter zweier Handelsgesellschaften, deren eine als Vermieter fungiert, ist auch die andere zur Unterlassung dem Mieter nicht zumutbarer Konkurrenz verpflichtet2750. Nichts anderes gilt bei der GbR, zumal wenn die Gesellschafter des Vermieters in der Vermietungs-GbR, die die Konkurrenzsituation herbeiführt, in der Mehrheit sind2751. Demgegenüber verstößt der gesetzliche Vertreter einer als Vermieter auftretenden juristischen Person nicht gegen das vertragsimmanente Konkurrenzverbot, wenn er dem Mieter der von ihm vertretenen Gesellschaft Konkurrenz macht. Anders allerdings verhalten sich die Dinge, wenn eine EinMann-GmbH Gewerberaum vermietet2752. Der Konkurrenzschutz erstreckt sich nicht auf Grundstücke des Ehegatten des Vermieters. Ehegatten sind im Erwerbsleben grundsätzlich eigenständig2753.

2739 2740 2741 2742 2743 2744 2745 2746 2747 2748 2749 2750 2751 2752 2753

Jendrek, NZM 2000, 116 (1117). Hübner/Griesbach/Fuerst in Lindner-Figura u.a., Kap. 14 Rz. 118. BGH v. 26.1.1960 – VIII ZR 31/59, ZMR 1960, 139. Joachim, BB 1986, Beilage 6 S. 6. BGH v. 17.3.2010 – XII ZR 108/08, MDR 2010, 737 = MietRB 2010, 160 = NZM 2010, 364; OLG Dresden v. 7.7.2017 – 5 U 556/17, MDR 2017, 1235 = MietRB 2017, 350 = ZMR 2017, 971. OLG Koblenz v. 2.2.1960 – 3 U 436/59, NJW 1960, 1253. Joachim, BB 1986 Beilage 6 S. 11 m.w.N.; Wolf/Eckert/Ball, Rz. 653. KG v. 6.5.2010 – 12 U 150/09, MietRB 2010, 231 = GuT 2010, 208. BGH v. 7.12.1977 – VIII ZR 101/76, NJW 1978, 585. BGH v. 7.7.1976 – I ZR 85/75, NJW 1976, 2301; Gerlach, MDR 1993, 498. RG v. 2.5.1932 – VIII 104/32, RGZ 136, 266. BGH v. 7.6.1972 – VIII ZR 175/70, WPM 1972, 882 = BGHZ 59, 64. OLG Hamm v. 17.9.2015 – 18 U 19/15, MietRB 2016, 38 = ZMR 2016, 199. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 655. BGH v. 26.11.1986 – VIII ZR 260/85, MDR 1987, 401 = NJW 1987, 909.

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C. Gewerberaummiete | Rz. 1079 § 535

cc) Umfang des Konkurrenzschutzes (1) Sachlicher Umfang In der Regel muss der Mieter die bei Vertragsschluss vorhandene Konkurrenz hinnehmen2754. Dies 1076 folgt nicht aus § 536b BGB2755. Der Erfüllungsanspruch aus § 535 Abs. 1 BGB wird durch § 536b BGB nicht berührt2756. Abgesehen davon, dass sich der Mieter in die Konkurrenzsituation hineinmietet, hat der Vermieter ohne Vertragsänderung keine Möglichkeit, die Nutzung des konkurrierenden Mieters zu unterbinden2757. Der Konkurrenzschutz richtet sich im Wesentlichen danach, welchen Besitzstand der Mieter nach den bei Vertragsschluss ersichtlichen Umständen erwarten konnte bzw. erwarten durfte2758. Demgemäß sind die Schutzrechte des Mieters nicht ausgeschlossen, wenn und soweit er seinen Mietvertrag in Unkenntnis der Konkurrenzsituation abgeschlossen hat2759. Der Vermieter ist allerdings nicht gehalten, seinem Mieter jeden fühlbaren oder unliebsamen Wett- 1077 bewerb fernzuhalten. Vielmehr ist nach den Umständen des Einzelfalles abzuwägen, inwieweit nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Belange der Mietvertragsparteien die Fernhaltung von Konkurrenz geboten ist2760. Demgemäß erstreckt sich der vertragsimmanente Konkurrenzschutz nicht auf jeglichen vom Mieter im Rahmen seines Gewerbes angebotenen Artikel, sondern nur auf den Kern der Angebotspalette, die sog. Hauptartikel. Wettbewerb in Nebenartikeln ist dem Mieter grundsätzlich zumutbar2761. Hauptartikel sind nur solche Waren, die den Stil des Geschäfts bestimmen und dem Geschäft das Gepräge geben2762. Dabei muss nicht immer absolute Gleichartigkeit zwischen den Hauptartikeln der beiden Konkurrenten bestehen. Es reicht aus, wenn beide Artikel zur Deckung desselben Bedarfs geeignet sowie bestimmt sind und der potentielle Kunde vorhandenen Bedarf nur mit einem der beiden konkurrierenden Artikel deckt2763. So können der Pizzabäcker und der Gyrosverkäufer, da der Kunde seinen Hunger in der Regel nur mit dem Produkt eines der beiden Anbieter stillt, durchaus Konkurrenten sein. Das Gleiche gilt für einen Bäcker und ein Fast-Food-Geschäft, das belegte Sandwiches (Subway) verkauft2764. Maßgeblich ist insoweit, dass sich das Angebot an den gleichen Verbraucher- bzw. Kundenkreis richtet2765. Dabei kann zwischen Spontankunden, Pionierkunden, beratungsbedürftigen Kunden, Schnäppchenkunden etc. unterschieden werden2766. Eine Konkurrenzschutzlage besteht nicht schon dann, wenn der Absatz von Hauptartikeln des Mieters 1078 durch ein Konkurrenzangebot von Nebenartikeln tangiert wird. Erforderlich ist vielmehr, dass Mieter und Konkurrent die gleichen Waren jeweils als Hauptartikel vertreiben2767. Hauptartikel liegen vor, wenn die bestimmte Ware oder Dienstleistung dem Gewerbe des Mieters das Gepräge gibt und denselben Kundenkreis betrifft. Nicht geschützt sind danach auf jeden Fall Artikel, die in Bezug auf den Gesamtumsatz einen geringeren Anteil als 5 % haben2768. Allein mit diesem Kriterium kann sich der Mieter, der ein Fachgeschäft betreibt, gegen einen neu er- 1079 öffneten Supermarkt oder ein SB-Warenhaus unter Hinweis auf vertragsimmanenten Konkurrenz-

2754 KG v. 6.5.2010 – 12 U 150/09, MietRB 2010, 231 = GuT 2010, 208 = GE 2010, 1338. 2755 So aber offensichtlich Wolf/Eckert/Ball, Rz. 662; Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 2890. 2756 BGH v. 18.4.2007 – XII ZR 139/05, MDR 2007, 1065 = MietRB 2007, 195 = GuT 2007, 208 = ZMR 2007, 605 = GE 2007, 840 = NZM 2007, 484. 2757 OLG Köln v. 27.5.2005 – 1 U 72/04, MDR 2006, 86 = MietRB 2005, 258 = GuT 2005, 157. 2758 BGH v. 26.1.1960 – VIII ZR 31/59, ZMR 1960, 139. 2759 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 663. 2760 BGH v. 24.1.1979 – VIII ZR 56/78, NJW 1979, 1404; BGH v. 7.12.1977 – VIII ZR 101/76, NJW 1978, 585. 2761 BGH v. 10.2.1988 – VIII ZR 33/87, WPM 1988, 876; BGH v. 3.7.1985 – VIII ZR 128/84, MDR 1986, 46 = ZMR 1985, 374 = NJW-RR 1986, 9; BGH v. 24.1.1979 – VIII ZR 56/78, NJW 1979, 1404. 2762 BGH v. 3.7.1985 – VIII ZR 128/84, MDR 1986, 46 = ZMR 1985, 374 = NJW-RR 1986, 9; Näheres Joachim, BB 1986, Beilage 6 S. 5. 2763 Vgl. auch OLG Hamm v. 8.11.1996 – 7 U 11/96, NJW-RR 1997, 459. 2764 OLG Düsseldorf v. 9.11.2009 – I-24 U 61/09, GE 2010, 411. 2765 OLG Koblenz v. 25.4.2018 – 5 U 1161/17, MietRB 2018, 264 = MietRB 2018, 265 = IMR 2018, 287 (Hirsch). 2766 Von Seldeneck/Wichert/Fallak, Baustein 128 Rz. 5. 2767 BGH v. 3.7.1985 – VIII ZR 128/84, MDR 1986, 46 = ZMR 1985, 374 = NJW-RR 1986, 9; Jendrek, NZM 2000, 1116 (1117). 2768 BGH v. 8.1.1957 – VIII ZR 225/56, GRUR 1958, 45 = LM Nr. 3 zu § 536 BGB.

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§ 535 Rz. 1079 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags schutz nur ausnahmsweise mit Erfolg wehren, zumal ihm Umsatzanteile in der Regel nicht bekannt sind. Denn das Warensortiment derartiger Märkte/Warenhäuser wird sich regelmäßig nicht in Hauptund Nebenartikel aufteilen lassen2769. Deshalb ist in einem solchen Fall darauf abzustellen, ob der Markt/das Warenhaus trotz seines weitgefächerten Warenangebotes gerade die Hauptartikel des Fachhändlers in einer Vielfalt, Auswahlmöglichkeit, Geschlossenheit und Übersichtlichkeit darbietet, die dem Angebot eines Fachgeschäftes entspricht, weil dann der Zweck und das Gepräge des Geschäfts von Waren dieser Art zumindest mitbestimmt werden2770. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn in dem Markt erkennbar abgetrennte und als solche herausgestellte Fachabteilungen (wie z.B. in einem Baumarkt) mit entsprechend vielfältigem Warenangebot und mit Fachberatung gebildet werden. Umgekehrt kann sich natürlich auch der Supermarkt auf Konkurrenzschutz berufen, wenn sein Hauptsortiment durch einen Fachhändler betroffen ist2771. 1080 In einem Shopping-Center ist vertragsimmanenter Konkurrenzschutz auch ohne ausdrückliche Rege-

lung im Mietvertrag oder besonderer Umstände auch nicht konkludent ausgeschlossen2772. Insoweit kann zwar der Umfang des Konkurrenzschutzes unterschiedlich sein z.B. je nach Größe des Einkaufszentrums, so dass je größer die Gesamtverkaufsfläche angelegt ist, der Mieter auch ohne entstsprechende Vereinbarung damit rechnen muss, nicht der einzige Anbieter eines bestimmten Sortiments zu sein. Indessen bedarf der Ausschluss hier genauso wie auf einer Einkaufsstraße der inhaltlich bestimmten Vereinbarung2773. (2) Räumlicher Umfang 1081 Die vertragsimmanente Vermieterverpflichtung zur Fernhaltung unzumutbarer Konkurrenz ist in ört-

licher Hinsicht auf die sonstigen auf dem Mietgrundstück befindlichen Räume und auf die Grundstücke des Vermieters in unmittelbarer Nachbarschaft des Mietobjekts begrenzt2774. Ob und wann Räume in diesem Sinne in unmittelbarer Nachbarschaft liegen, lässt sich nicht generell, sondern nur anhand der Umstände des Einzelfalles entscheiden2775. Dabei kommt den örtlichen Gegebenheiten besonderes Gewicht zu2776. So ist z.B. die Konkurrenzsituation in den Topgeschäftslagen einer Großstadt von vornherein stärker als in ländlichen Gebieten. Auf eine unterschiedliche postalische Anschrift kommt es nicht an, wenn die konkurrierenden Betriebe in einem einheitlichen Gebäudekomplex untergebracht sind, der einheitlich bezeichnet wird („X-Center“)2777, sofern sich der Konkurrenzschutz auf den gesamten Komplex erstreckt2778. 1082 Auch für die örtliche Eingrenzung des vertragsimmanenten Konkurrenzschutzes ist letztlich entschei-

dend, inwieweit nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) unter Berücksichtigung der Belange der Parteien die Fernhaltung der Konkurrenz geboten ist2779. Danach besteht eine unmittelbare Nachbarschaft in dem hier interessierenden Sinne jedenfalls dann nicht mehr, wenn die beiden Grundstücke des Vermieters 100 m voneinander entfernt und zudem in verschiedenen Straßen liegen2780. Ebenso fehlt der

2769 Jendrek, NZM 2000, 1116 (1118). 2770 BGH v. 3.7.1985 – VIII ZR 128/84, MDR 1986, 46 = ZMR 1985, 374 = NJW-RR 1986, 9; BGH v. 24.4.1968 – VIII ZR 120/67, WPM 1968, 699; OLG Hamm v. 16.12.1997 – 7 U 64/97, MDR 1998, 585 = NZM 1998, 511; zu weitgehend OLG Celle v. 13.5.1992 – 2 U 99/91, ZMR 1992, 448 (da es nur auf die Vielfalt des Angebots abstellt). 2771 OLG Hamm v. 16.12.1997 – 7 U 64/97, MDR 1998, 585 = NZM 1998, 511. 2772 BGH v. 26.2.2020 – XII ZR 51/19, MDR 2020, 475 = GE 2020, 477 = NZM 2020, 429 Rz. 38; KG v. 5.9.2005 - 12 U 95/05, GE 2005, 1426 = GuT 2005, 252; a. A. OLG Dresden v. 23.9.1997 - 2 U 2217/97; MDR 1998, 211; Joachim, NZM 2000, 787 (797). 2773 BGH v. 26.2.2020 – XII ZR 51/19, MDR 2020, 475 = GE 2020, 477 = NZM 2020, 429. 2774 BGH v. 24.1.1979 – VIII ZR 56/78, NJW 1979, 1404; Joachim, BB 1986, Beilage 6 S. 9 m.w.N. 2775 Jendrek, NZM 2000, 1116 (1118). 2776 Joachim, BB 1986, Beilage 6 S. 9. 2777 OLG Hamm v. 17.9.2015 – 18 U 19/15, MietRB 2016, 38 = ZMR 2016, 199. 2778 BGH v. 24.4.1968 – VIII ZR 120/67, GRUR 1968, 604; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 613. 2779 BGH v. 24.1.1979 – VIII ZR 56/78, NJW 1979, 1404. 2780 BGH v. 24.4.1968 – VIII ZR 120/67, WM 1968, 699.

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räumliche Zusammenhang, wenn die beiden Grundstücke zwar an derselben als Fußgängerzone ausgestalteten Ladenstraße eines Einkaufszentrums liegen, jedoch 350 m voneinander entfernt sind2781. dd) Konkurrenzschutz für freie Berufe Die Verpflichtung zum (vertragsimmanenten) Konkurrenzschutz gilt auch für Praxen freiberuflich tä- 1083 tiger Ärzte, Architekten, Steuerberater und Rechtsanwälte, obwohl sie keine Gewerbe im eigentlichen Sinne betreiben. Denn auch diese Berufsgruppen, zumal wenn sie derselben Fachrichtung angehören, stehen in wirtschaftlicher Konkurrenz zueinander. Allerdings wird der räumlichen Nähe zu einer anderen Praxis nicht immer dieselbe Bedeutung ein- 1084 geräumt wie bei Läden oder Gaststätten. Fachliches Können, Geschick im Umgang mit Patienten und Wertschätzung bei Kollegen anderer Disziplinen spielen eine beachtliche Rolle2782. Deshalb sind auch hier die Umstände des Einzelfalles von besonderer Bedeutung. Bei dem Problem der Konkurrenzverschärfung wird maßgeblich darauf abgestellt, ob in der näheren Umgebung des hinzukommenden Mieters schon zahlreiche Praxen von Konkurrenten existieren bzw. ob der hinzutretende Mieter mit dem Geschäftsprofil des Konkurrenten rechnen muss2783. Insoweit kommt es zusätzlich bei (Fach-)Ärzten und sonstigen Heilberufen konkret auf das typische 1085 Berufsbild bzw. ärztliche Leistungsspektrum an. So ist der Vermieter, der Praxisräume an einen Zahnarzt im Stadtzentrum vermietet, generell (vertragsimmanent) nicht verpflichtet, bei Vermietung weiterer Räume desselben Hauses an einen anderen Zahnarzt auf den bereits vorhandenen Mieter Rücksicht zu nehmen2784. Ebenso ist eine Verletzung des vertraglichen Konkurrenzschutzes ausgeschlossen, wenn neben der (vermeintlich zu schützenden) chirurgischen Praxis eine orthopädische Praxis im Gebäude eröffnet wird2785. Abgesehen vom allgemeinen Sprachgebrauch machen die unterschiedlichen Weiterbildungsordnungen2786 deutlich, dass klar abgegrenzte Leistungsbereiche bestehen. Es können aber auch Prioritätsgesichtspunkte von Bedeutung sein. Deshalb steht dem mit vertraglich 1086 vereinbartem Konkurrenzschutz ausgestatteten Fachanwalt für Arbeitsrecht keine Einwirkungsmöglichkeit gegenüber seinem Vermieter zu, wenn der zu Vertragsbeginn vorhandene Fachanwalt für Strafrecht seinen Sohn in die Kanzlei aufnimmt, der die Bezeichnung Fachanwalt für Arbeitsrecht führt2787. Für Personalüberlassungsunternehmen stellt sich die Konkurrenzsituation in einer den freien Beru- 1087 fen/Einzelhandelsgeschäften vergleichbaren Weise dar2788. b) Vertraglicher Konkurrenzschutz Im Rahmen der geltenden Gesetze sind aufgrund der bestehenden Vertragsfreiheit Vereinbarungen 1088 über den dem Mieter zustehenden Konkurrenzschutz zulässig2789. Derartige Vertragsregelungen ergänzen den vertragsimmanenten Konkurrenzschutz oder treten an seine Stelle. Regelmäßig geht der vertraglich geregelte Konkurrenzschutz einem möglicherweise weitergehenden vertragsimmanenten Konkurrenzschutz vor2790. Vertraglich kann der Konkurrenzschutz in räumlicher und/oder sachlicher Hinsicht ausgedehnt oder 1089 eingeengt, insbesondere auch völlig ausgeschlossen werden. Letzteres ist auch in formularvertraglichen Bestimmungen wirksam2791, darin liegt keine unangemessene Benachteiligung des Mieters i.S.d. BGH v. 24.1.1979 – VIII ZR 56/78, NJW 1979, 1404. BGH v. 7.12.1977 – VIII ZR 101/76, BGHZ 70, 80. Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 2891; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 515. OLG Karlsruhe v. 5.7.1972 – 6 U 158/71, NJW 1972, 2224. KG v. 2.9.2013 – 12 U 101/12, GE 2013, 1513. Diese können auf der Homepage der jeweils zuständigen (Ärzte-)Kammer heruntergeladen werden. OLG Köln v. 27.5.2005 – 1 U 72/04, MDR 2006, 86 = MietRB 2005, 258 = GuT 2005, 157 = ZMR 2005, 861. OLG Düsseldorf v. 6.7.2001 – 24 U 1174/00, NZM 2001, 1033. BGH v. 3.7.1985 – VIII ZR 128/84, MDR 1986, 46 = ZMR 1985, 374 = NJW-RR 1986, 9; BGH v. 24.1.1979 – VIII ZR 56/78, NJW 1979, 1404. 2790 KG v. 6.5.2010 – 12 U 150/09, MietRB 2010, 231 = GE 2010, 1338. 2791 Bub/Treier/Kraemer/Bub, II Rz. 1422, III Rz. 1254; Jendrek, NZM 2000, 1116 (1119). 2781 2782 2783 2784 2785 2786 2787 2788 2789

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§ 535 Rz. 1089 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags § 307 BGB2792. Allerdings sind bei formularmäßigem Ausschluss auch ergänzende Regelungen zu prüfen und in der Gesamtschau zu bewerten, ob die konkurrenzschutzlose Situation zu einer unangemessenen Benachteiligung nach § 307 BGB führt. Das ist aber nicht allein deshalb der Fall, weil eine Betriebspflicht geregelt ist2793. Die Unwirksamkeit des formularmäßigen Ausschlusses des Konkurrenzschutzes kommt aber in Betracht, wenn daneben eine Sortimentsbindung besteht2794, insbesondere wenn sie kumulativ mit einer Betriebspflicht vereinbart werden. Zwar wird es für nicht unangemessen angesehen, wenn dem Mieter von Verkaufsräumen in einem Einkaufszentrum eine Betriebspflicht auferlegt, zugleich aber die Gewährung von Konkurrenz- und Sortimentsschutz durch den Vermieter ausgeschlossen wird.2795 Unterschiedlich beantwortet wird hingegen die Frage, ob in einem Formularvertrag die Vereinbarung einer Betriebspflicht des Mieters mit einer Sortimentsbindung kombiniert und zusätzlich mit einem Ausschluss von Konkurrenz- und Sortimentsschutz wirksam verbunden werden kann2796. Nach Auffassung des BGH führt der Summierungseffekt selbst bei für sich genommen unbedenklichen Klauseln zu Konkurrenzschutz, Sortiimentsbindung und Betriebspflicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Mieters nach § 307 BGB2797. Dazu ist aber eine hinreichend konkretisierbare Sortimentsbindung erforderlich2798. Das ist bei der Bestimmung, dass die Vermietung „zur ausschließlichen Nutzung als: T.-Discount einschließlich der dazugehörenden Rand- und Nebensortimente“ erfolgt, nicht der Fall. „T.-Discount“ ist keine Sortimentsbezeichnung, sondern ein Teil des Firmennamens. Denkbar wäre zwar, in dieser Regelung eine Beschränkung auf eine Angebotspalette zu sehen, die dem bei anderen T.-Discount Filialen üblichen Sortiment entspräche. Dies setzt allerdings voraus, dass sich – trotz der für Discount-Ketten typischen Einbeziehung auch branchenfremder, aber gerade besonders preisgünstiger Angebote in das jeweils aktuelle Sortiment – eine solche Begrenzung überhaupt bestimmen lässt. Ein – als Kehrseite der Sortimentsbindung vereinbarter – Sortiments- und Konkurrenzschutz würde folglich für den Vermieter ein Risiko bergen, das die Vermietbarkeit der übrigen Ladengeschäfte im Einkaufszentrum nachhaltig beeinträchtigen und den Mieter seinerseits unangemessen belasten würde2799. Eine Unangemessenheit i.S.v. § 307 BGB kann sich jedoch ergeben, wenn neben der Betriebspflicht und Sortimentsbindung bei fehlendem Konkurrenzschutz die Pflicht ergeben soll, das Preisniveau vergleichbarer Mitbewerber zu unterbieten2800. 1090 Das Gleiche gilt für eine Ausdehnung des Konkurrenzschutzes auf Nebenartikel2801. Denn im Gegen-

satz zum vertragsimmanenten Konkurrenzschutz ist der vertraglich bestimmte Konkurrenzschutz nicht von vornherein auf die Haupttätigkeit des geschützten Mieters beschränkt2802. 1091 Bei freien Berufen spricht die Umschreibung des Konkurrenzschutzes mit einer Fachdisziplin, die im

Vertrag auch genau definiert wird, zudem dafür, dass sich der Schutz vor der Konkurrenz auf die gesamte Bandbreite der geschützten Fachrichtung erstrecken sollte2803. Umso mehr erstreckt sich der vom Vermieter vertraglich geschuldete Konkurrenzschutz zugunsten einer Praxis für Krankengymnastik auch auf „erweiterte ambulante Physiotherapie“ in einem Rehabilitationszentrum2804.

2792 Hanseatisches OLG Hamburg v. 17.12.1986 – 4 U 237/85, MDR 1987, 321 = ZMR 1987, 94; OLG Düsseldorf v. 11.6.1992 – 10 U 165/91, ZMR 1992, 445. 2793 KG v. 17.11.2014 – 8 U 114/14, MietRB 2015, 40 = ZMR 2015, 117. 2794 OLG Brandenburg v. 25.11.2014 – 6 U 117/13, MietRB 2015, 39 = MDR 2015, 18 = ZMR 2015, 225. 2795 OLG Rostock v. 8.3.2004 – 3 U 118/03, MietRB 2004, 227 = NZM 2004, 460 (461); Hanseatisches OLG Hamburg v. 3.4.2002 – 4 U 236/01, ZMR 2003, 254. 2796 Gegen eine Kumulierungsmöglichkeit: Schleswig- Holsteinisches OLG v. 2.8.1999 – 4 W 24/99, NZM 2000, 1008. 2797 BGH v. 26.2.2020 – XII ZR 51/19, MDR 2020, 475 = GE 2020, 477 = NZM 2020, 429 Rz. 35. 2798 BGH v. 3.3.2010 – XII ZR 131/08, MDR 2010, 738 = MietRB 2010, 161 = MietRB 2010, 162 = GuT 2010, 97 = ZMR 2010, 596 = NZM 2010, 361. 2799 Vgl. dazu auch Fuerst/Griesbach/Hübner in Lindner-Figura u.a., Kap. 14 Rz. 168. 2800 OLG Brandenburg v. 25.11.2014 – 6 U 117/13, MDR 2015, 18 = MietRB 2015, 39 = GE 2015, 321. 2801 OLG Köln v. 16.12.1997 – 24 U 100/97, NZM 1998, 512; OLG Celle v. 13.5.1992 – 2 U 99/91, ZMR 1992, 448. 2802 Vgl. BGH v. 3.7.1985 – VIII ZR 128/84, MDR 1986, 46 = ZMR 1985, 374 = NJW-RR 1986, 9. 2803 OLG Dresden v. 20.7.2010 – 5 U 1286/09, MietRB 2011, 44 = MDR 2010, 1446 = NZM 2010, 818 = GE 2011, 133. 2804 Schleswig-Holsteinisches OLG v. 18.3.1998 – 4 U 158/97, MDR 1998, 642.

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c) Rechtsfolgen bei Verletzung des Konkurrenzschutzes Verletzt der Vermieter seine Verpflichtung, dem Mieter unzumutbare Konkurrenz fernzuhalten, so 1092 kann der Mieter – Erfüllung, also die Unterlassung/Verhinderung/Beseitigung der Konkurrenzsituation verlangen2805, – einen angemessenen Teil der laufenden Miete als Druckmittel (§ 320 BGB) vorläufig einbehalten, – Schadensersatz wegen Gewinnrückgangs verlangen2806 – nach erfolgloser Fristsetzung zur Abhilfe den Mietvertrag gem. § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB wegen Nichtgewährung des vertragsgemäßen Gebrauchs fristlos aufkündigen. Ob in der vertragswidrigen Konkurrenzsituation ein Mangel der Mietsache i.S.d. § 536 BGB zu sehen 1093 ist, ist umstritten. Von der Beantwortung der Frage hängt nicht nur die Minderung ab, sondern auch die Anspruchsgrundlage für die Schadensersatzpflicht des Vermieters. Denn bei einem Sachmangel ist nach § 536a BGB vorzugehen. Andernfalls sind die Voraussetzungen des § 280 BGB zu prüfen. Der BGH hatte die Rechtsfrage offengelassen2807, nachdem er sich zunächst bei einem vertraglich be- 1094 stimmten Konkurrenzschutz gegen die Annahme eines Mietmangels ausgesprochen hatte2808. Trotzdem hatten diverse Oberlandesgerichte einen Sachmangel durch eine Konkurrenzschutzverletzung angenommen2809. In der Literatur2810 wurde der Sachmangel verneint oder zwischen vertragsimmanentem und vertraglich zugesichertem Konkurrenzschutz differenziert2811. Nunmehr hat der BGH entschieden, dass bei Verletzung des Konkurrenzschutzes ein Mangel der Mietsache anzunehmen ist, für den aber eine Gebrauchsbeeinträchtigung besonders festgestellt werden muss2812. Richtigerweise kann weder bei einer Verletzung des vertragsimmanenten noch vertraglich bestimm- 1095 ten Konkurrenzschutzes von einem Sachmangel i.S.d. § 536 BGB ausgegangen werden. Denn zur Annahme eines solchen Mangels ist eine für den Mieter nachteilige Abweichung der tatsächlichen von der vertraglich geschuldeten Beschaffenheit der Mietsache erforderlich. Zwar kommen sowohl tatsächliche Umstände als auch rechtliche Verhältnisse in Bezug auf die Mietsache als Fehler in Betracht. Indessen muss stets eine unmittelbare Beeinträchtigung der Tauglichkeit bzw. eine unmittelbare Einwirkung auf die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache vorliegen. Ohne das Korrektiv der Unmittelbarkeit wird nämlich allgemein eine Ausuferung des Fehlerbegriffes befürchtet. Deshalb werden Umstände, die die Eignung der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch nur mittelbar berühren, nicht als Mangel angesehen2813. Nach diesen Kriterien fällt die vertragswidrige Konkurrenzsituation nicht unter den Begriff des Mangels, weil sie nur zu einer mittelbaren Beeinträchtigung der Eignung der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch führt2814. Die angemieteten Räume oder deren Wert werden nicht unmittelbar beeinflusst, weil die Konkurrenzschutzpflicht nur eine schuldrechtliche Verpflichtung des Vermieters gegenüber dem Mieter bewirkt2815. Die Unmittelbarkeit kann hier auch nicht aus der Nachhaltigkeit der 2805 BGH v. 3.7.1985 – VIII ZR 128/84, MDR 1986, 46 = ZMR 1985, 374 = NJW-RR 1986, 9; wegen der Fassung der Unterlassungsanträge und der Vollstreckung s. Jendrek/Ricker, NZM 2000, 229. 2806 BGH v. 3.7.1985 – VIII ZR 128/84, MDR 1986, 46 = ZMR 1985, 374 = NJW-RR 1986, 9. 2807 BGH v. 9.8.2006 – XII ZR 165/05, MDR 2007, 202 = NJW 2006, 3060. 2808 BGH v. 23.12.1953 – VI ZR 244/52, BB 1954, 177 = LM Nr. 3 zu § 537 BGB; ebenso: OLG Dresden v. 20.7.2010 – 5 U 1286/09, MietRB 2011, 44 = MDR 2010, 1446 = NZM 2010, 818 = GE 2011, 133; OLG Frankfurt v. 1.7.1985 – 4 U 167/84, EWiR 1985, 555. 2809 Vgl. OLG Düsseldorf v. 6.7.2001 – 24 U 174/00, NZM 2001, 1033; KG v. 25.1.2007 – 8 U 140/06, NZM 2007, 566; OLG Koblenz v. 15.12.2006 – 10 U1013/05, NZM 2008, 405. 2810 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 729 f.; Leo/Ghassemi-Tabar, NZM 2009, 337 (342 f.). 2811 Hübner/Griesbach/Schreiber in Lindner-Figura u.a., Kap. 14 Rz. 176 f. (Mietmangel nur bei Verstoß gegen den vertragsimmanenten Konkurrenzschutz, nicht aber bei Verstoß gegen den vertraglich vereinbarten Konkurrenzschutz). 2812 BGH v. 10.10.2012 – XII ZR 117/10, MDR 2012, 1396 = NJW 2013, 44 = ZMR 2013, 101; kritisch dazu: Oprée/Reinhard, NZM 2013, 16 f. 2813 Vgl. BGH v. 16.2.2000 – XII ZR 279/97, MDR 2000, 821 m. Anm. Leo = NJW 2000, 1714; BGH v. 15.10.2008 – XII ZR 1/07, MDR 2009, 319 = MietRB 2009, 67 (68) = NJW 2009, 664. 2814 OLG Dresden v. 20.7.2010 – 5 U 1286/09, MietRB 2011, 44 = MDR 2010, 1446 = NZM 2010, 818 = GE 2011, 133. 2815 BGH v. 23.12.1953 – VI ZR 244/52, BB 1954, 177 = LM Nr. 3 zu § 537 BGB.

Lützenkirchen | 339

§ 535 Rz. 1095 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags mittelbaren Einwirkung hergeleitet werden. Denn der Inhalt und Umfang des Anspruches auf Konkurrenzschutz ist stark mit der Person des Mieters verknüpft. So ist bei den identischen Räumen und dem gleichen Inhalt der Konkurrenzschutzklausel im Mietvertrag das Bestehen eines Konkurrenzschutzes davon abhängig, ob zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits ein Konkurrent des Mieters im selben Objekt Räume gemietet hatte. Befand sich der Konkurrent bei Vertragsabschluss schon im Gebäude, kann ihn der Mieter mit der Konkurrenzschutzvereinbarung nicht abwehren, während ihm ein entsprechender Anspruch zusteht, wenn der Konkurrent zu einem späteren Zeitpunkt eingezogen ist. Die Auswirkungen des Konkurrenzschutzes auf die gemieteten Räume sind demnach mittelbar, nicht aber unmittelbar2816. 1095a Verletzt der Mieter durch zweckwidrige Nutzung den Mietvertrag, ergeben sich die allgemeinen Rechte

des Vermieters aus §§ 280, 541, 543 BGB. Insoweit kann der Vermieter spätestens dann im Wege der einstweiligen Verfügung (Unterlassung) vorgehen, wenn ein anderer Mieter wegen der Verletzung der Konkurrenzschutzpflicht mindert2817. d) Fallbeispiele 1096

Vertragsgewerbe

Konkurrenzschutz

Konkurrierendes Gewerbe

Apotheke

(-)

Selbstbedienungsdrogerie im gleichen Haus2818

Arbeitnehmerüberlassung

(+)

gleiches Gewerbe im gleichen Haus2819

Arzt: Praktischer Arzt, speziell hausärztlicher Internist

(+)

Praktischer Arzt mit chinesischer Naturheilkunde2820

Arzt: chirurgische Praxis

(-)

Orthopädische Praxis2821

Arztpraxis

(+)

Arztpraxis mit ähnlicher Fachrichtung2822

Bäckerei

(-)

Milch- und Lebensmittelfachgeschäft mit Brotverkauf2823

Bäckerei

(-)

Verbrauchermarkt, der zwei Brötchensorten und verpacktes Brot anbietet2824

Bäckerei

(-)

Fast-Food-Unternehmen, das Sandwiches anbietet (Subway)2825

Bäckerei

(-)

Supermarkt ohne besondere Backwarenabteilung2826

Bäckerei, die Kaffee verkauft

(-)

Spezialgeschäft für Kaffee2827

Baumarkt mit Abteilung für Bodenbeläge

(-)

Fachgeschäft für Orientteppiche2828

Café mit Konditorei

(+)

Eissalon2829

2816 OLG Dresden v. 20.7.2010 – 5 U 1286/09, MietRB 2011, 44 = MDR 2010, 1446 = NZM 2010, 818 = GE 2011, 133; Leo/Ghassemi-Tabar, NZM 2009, 337 (342 f.). 2817 Schleswig- Holsteinisches OLG v. 15.11.2013 – 1 U 128/13, MietRB 2014, 72. 2818 KG v. 6.6.2005 – 8 U 25/05, GuT 2005, 228; OLG Frankfurt v. 27.8.1981 – 6 U 75/81, NJW 1982, 707. 2819 OLG Düsseldorf v. 6.7.2001 – 24 U 174/00, ZMR 2002, 38. 2820 KG v. 25.1.2007 – 8 U 140/06, NZM 2007, 566. 2821 KG v. 2.9.2013 – 12 U 101/12, GE 2013, 1513. 2822 OLG Hamm v. 19.4.1991 – 30 U 56/91, ZMR 1991, 295. 2823 BGH v. 26.1.1955 – VI ZR 274/53, ZMR 1955, 200. 2824 OLG Köln v. 16.12.1997 – 24 U 100/97, NZM 1998, 512. 2825 OLG Düsseldorf v. 9.11.2009 – I-24 U 61/09, MietRB 2010, 195 = GuT 2010, 207. 2826 OLG Hamm v. 16.12.1997 – 7 U 64/97, MDR 1998, 585, NZM 1998, 511. 2827 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 689. 2828 OLG Nürnberg v. 3.11.2006 – 5 U 754/06, MDR 2007, 395 = MietRB 2007, 117 = NZM 2007, 567. 2829 OLG Frankfurt v. 3.4.1968 – 17 U 7/68, DB 1970, 46; BGH v. 24.1.1979 – VIII ZR 56/78, WuM 1979, 144.

340 | Lützenkirchen

C. Gewerberaummiete | Rz. 1096 § 535 Vertragsgewerbe

Konkurrenzschutz

Konkurrierendes Gewerbe

Drogeriemarkt

(+)

Supermarkt nebst Drogerieabteilung mit dem Angebot einer Fachdrogerie2830

Eisdiele

(+)

Türkisches Spezialitätengeschäft mit Bistro2831

Facharzt für Orthopädie (Schwerpunkt Chirotherapie)

(+)

Arztpraxis für die Fachdisziplin Chirurgie/ Unfallchirurgie2832

Fitness-Center

(+)

Kickbox-Studio mit Kampfsportangebot sowie Reha- und Gesundheitssport-Studios2833

Fliesengroß- u. Einzelhandel

(+)

Baumarkt mit großem Fliesenangebot2834

Frisör

(-)

Parfümerie2835

Gaststätte

(+)

Gaststätte mit unterschiedlichen Spezialitäten2836

Gastwirtschaft (bürgerlich-rustikal)

(+)

Imbissverkauf für dieselbe Verbrauchergruppe2837

Gastwirtschaft

(+)

Aufstellung eines Zigarettenautomaten neben dem Gaststätteneingang2838

Gastwirtschaft mit monopolartigem Kantinencharakter, die gegen hohe Abstandszahlung angemietet wurde

(+)

Café mit Eisdiele2839

Hörgerätegeschäft

(-)

HNO-Arzt, der im sog. „verkürzten Versorgungsweg“ Hörgeräte unmittelbar an Patienten abgibt2840

Juwelier

(+)

Juwelier im Nachbarhaus2841

Kampfkunstschule

(+)

Kampfsportschule2842

Kieferorthopäde

(+)

Zahnarzt2843

Krankengymnastikpraxis

(+)

erweiterte ambulante Physiotherapie2844

Lebensmitteldiscounter

(-)

Russisches Kaufhaus mit – zum großen Teil russischen – Lebensmitteln2845

Lebensmittelgeschäft mit Blumenverkauf

(-)

Blumenfachgeschäft2846

Metzgerei mit „heißer Theke“

(-)

Imbissstand2847

2830 2831 2832 2833 2834 2835 2836 2837 2838 2839 2840 2841 2842 2843 2844 2845 2846 2847

BGH v. 24.4.1968 – VIII ZR 120/67, MDR 1968, 657. OLG Koblenz v. 25.4.2018 – 5 U 1161/17, MietRB 2018, 264 = MietRB 2018, 265 = IMR 2018, 287 (Hirsch). BGH v. 10.10.2012 – XII ZR 117/10, MDR 2012, 1396 = NJW 2013, 44. OLG Hamm v. 17.9.2015 – 18 U 19/15, MietRB 2016, 38 = ZMR 2016, 198. BGH v. 8.1.1957 – VIII ZR 225/56, BB 1957, 167. Lützenkirchen/Dickersbach, AHB Mietrecht, I Rz. 203. OLG Karlsruhe v. 7.4.1989 – 14 U 16/86, ZMR 1990, 215. BGH v. 10.2.1988 – VIII ZR 33/87, NJW-RR 1988, 717. LG Detmold v. 24.1.1968 – 2 S 211/67, MDR 1969, 56. BGH v. 22.3.1961 – VIII ZR 98/60, ZMR 1961, 226. BGH v. 11.1.2012 – XII ZR 40/10, MDR 2012, 271 = MietRB 2012, 100 = NJW 2012, 844. RG v. 2.2.1931 – VII 503/30, RGZ 131, 274. OLG Düsseldorf v. 19.2.2013 – 24 U 157/12, MietRB 2013, 292 = GE 2013, 1276. OLG Frankfurt v. 12.4.2018 – 2 U 111/17, MietRB 2018, 295 = IMR 2018, 374 (Mayer). Schleswig- Holsteinisches OLG v. 18.3.1998 – 4 U 158/97, MDR 1998, 642. KG v. 6.5.2010 – 12 U 150/09, MietRB 2010, 231 = GE 2010, 1338. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 689. OLG Hamm v. 13.1.1987 – 7 U 193/86, MDR 1988, 409 = ZMR 1988, 136.

Lützenkirchen | 341

§ 535 Rz. 1096 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags Vertragsgewerbe

Konkurrenzschutz

Konkurrierendes Gewerbe

Milch- und Lebensmittelgeschäft

(-)

Feinkostgeschäft2848

Papierwarengeschäft

(+)

Supermarkt2849

Papierwarenladen mit Postern als Hauptartikel

(+)

Blumengeschäft im selben Haus mit Angebot gleichartiger Plakate2850

Rechtsanwalt (FA für Arbeitsrecht)

(-)

Rechtsanwalt (FA für Strafrecht, der bei Abschluss des Mietvertrages schon im Haus residierte und seine Kanzlei durch Aufnahme eines FA für Arbeitsrecht erweitert)2851

Reformhaus

(-)

Lebensmittelgeschäft2852

Restaurant

(+)

Café oder Laden mit Imbissverkauf2853

Schuhgeschäft

(+)

Schuhgeschäft auf Nebengrundstück2854

Schuhgeschäft mit Strümpfen

(-)

Bekleidungsgeschäft2855

Spielhalle

(+)

aus einem Spielcasino umgewandelte weitere Spielhalle

Supermarkt (EDEKA)

(+)

Drogeriemarkt, bei Klausel mit Verbot der Vermietung an „Wettbewerbsobjekt“2856

Tankstelle

(+)

Tankstelle in derselben Straße2857

Tierhandlung (Tiernahrung etc.)

(-)

Lebensmittelsupermarkt mit einem Regal für Tiernahrung etc.2858

Verwaltung (Meldebehörde mit Publikumsverkehr), die im Wartebereich einen Passautomaten aufstellt

(-)

Fotostudio2859

Zahnarzt

(+)

Kieferorthopäde2860

4. Sonstige Nebenpflichten des Vermieters 1097 Wie bei der Wohnraummiete schuldet der Vermieter von Gewerberaum Fürsorge und Schutz des Mie-

ters im Rahmen des vertragsgemäßen Gebrauchs. Auch wenn er damit noch keine Verantwortung für den wirtschaftlichen Erfolg des Mieters übernimmt, hat er alles zu unterlassen, was den wirtschaftlichen Erfolg hindern könnte. Aus diesem Gedanken entsteht die vertragsimmanente Konkurrenzschutzpflicht des Vermieters (vgl. § 535 BGB Rz. 1071). 1098 Gewährt der Mieter der Öffentlichkeit im Rahmen des vertragsgemäßen Gebrauchs ungehindert Zutritt

(z.B. Verkaufsgeschäft), folgt daraus noch kein ständiges Besichtigungs- und Zutrittsrecht des Vermieters. Erst recht ist er wegen der tatsächlichen Zugangsmöglichkeit nicht verpflichtet, Obhut über die

2848 2849 2850 2851 2852 2853 2854 2855 2856 2857 2858 2859 2860

BGH v. 26.1.1960 – VIII ZR 31/59, ZMR 1960, 139. OLG Celle v. 13.5.1992 – 2 U 99/91, WuM 1992, 538. LG Mannheim v. 11.4.1972 – 2 O 246/71, ZMR 1972, 276. OLG Köln v. 27.5.2005 – 1 U 72/04, MDR 2006, 86 = MietRB 2005, 258 = GuT 2005, 157. Lützenkirchen/Dickersbach, AHB Mietrecht, I Rz. 203. BGH v. 10.2.1988 – VIII ZR 33/87, WM 1988, 876. BGH v. 23.12.1953 – VI ZR 244/52, ZMR 1954, 78. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 689. Schleswig- Holsteinisches OLG v. 21.7.2000 – 4 U 52/99, MDR 2001, 81. RG v. 2.6.1932 – IV 103/32, RGZ 136, 366. OLG Hamm v. 4.10.1996 – 30 U 99/96, OLG Report 1997, 15. OLG Dresden v. 7.7.2017 – 5 U 556/17, MDR 2017, 1235 = MietRB 2017, 350 = ZMR 2017, 971. OLG Frankfurt v. 12.4.2018 – 2 U 111/17, MietRB 2018, 295 = IMR 2018, 374 (Mayer).

342 | Lützenkirchen

C. Gewerberaummiete | Rz. 1102 § 535

dem Mieter überlassene Sache walten zu lassen. Insoweit gelten vielmehr die allgemeinen Grundsätze: Der Mieter hat grundsätzlich das Recht auf den ungestörten Besitz an der Mietsache. Dieses unterliegt im Interesse des Vermieters den Schranken des § 242 BGB, aus dem sich eine Duldungspflicht des Mieters bei Besuchen des Vermieters ergeben kann2861. Dem vertragsgemäßen Gebrauch i.S.v. § 535 BGB ist es immanent, dass der Mieter grundsätzlich unge- 1099 hindert die in seiner Branche üblichen Tätigkeiten entfalten darf. Deshalb muss der Vermieter die Montage eines Firmenschildes an der Hauswand dulden (vgl. § 535 BGB Rz. 1052) und muss bei Ladengeschäften besondere Anpreisungen dulden. Auch das Risiko, dass durch den Betrieb Immissionen verursacht werden (z.B. Lärm bei Druckerei), liegt beim Vermieter, sofern sich der Betrieb innerhalb der für die Branche üblichen Bestimmungen hält. Aus dem Zweck der Einrichtung soll für Einkaufszentren die umfassende Pflicht des Vermieters zur 1100 Gebrauchsgewährung auch formularmäßig beschränkbar sein. Deshalb soll z.B. eine Klausel zulässig sein, mit der die Durchführung von Ausverkäufen von der Zustimmung des Vermieters abhängig sein soll2862. Derartige Klauseln sind in der Regel schon deshalb unwirksam, weil die Zustimmung von der schriftlichen Erteilung abhängig sein soll2863. Sie begegnen aber auch ansonsten grundsätzlichen Bedenken. Immerhin betreffen sie eine Hauptleistungspflicht des Vermieters (Gewährung des vertragsgemäßen Gebrauchs)2864. Für Ausnahmen sind strenge Anforderungen zu stelle. Das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) ist zumeist schon tangiert, wenn auf gesetzliche Ausverkaufszeiten verwiesen wird2865. Seit der Aufhebung des Rabattgesetzes gibt es keine entsprechenden Vorgaben mehr. 5. Versorgungssperre Die zur Versorgungssperre geltenden Grundsätze (vgl. § 535 BGB Rz. 506 ff.) wurden vom XII. Senat 1101 für die Gewerberaummiete entwickelt2866. Weil ihm bei einer unberechtigten Fortsetzung des Mietvertrages die Fortsetzung der Leistungen nicht zuzumuten ist, ist der Vermieter jedenfalls regelmäßig nicht mehr verpflichtet, dem Mieter weitere Versorgungsleistungen zu erbringen. Den Vermieter trifft dann nur noch die Abwicklungspflicht, dem Mieter die Unterbrechung der Versorgungsleistungen so frühzeitig anzukündigen, dass dieser sich darauf einstellen kann2867. Eine über die Vertragsbeendigung hinausgehende Versorgungsverpflichtung soll nach Treu und Glau- 1102 ben insbesondere hinsichtlich der Wasserversorgung bestehen, wenn der Mieter vertragsgemäß in den Mieträumen eine Autowerkstatt2868 oder ein Friseurgeschäft betreibt2869. Da eine Autowerkstatt nicht ohne Strom und ein Friseurgeschäft nicht ohne Wasser betrieben werden könnten, drohe dem Mieter bei fehlender Wasserversorgung ein besonders hoher Schaden, zumal wenn der weit überwiegende Anteil der von dem Mieter angebotenen Dienstleistungen ohne Strom bzw. Wasser nicht erbracht werden kann, so dass der Betrieb mangels Strom- bzw. Wasserversorgung geschlossen werden müsste und erhebliche Umsatzeinbußen entstünden. Diese Meinung ist abzulehnen. Denn mit dieser Begründung kann jede Versorgungssperre abgelehnt werden. Nahezu jeder Berufsstand ist auf ein Medium (Strom, Wasser, Heizenergie) immer angewiesen. Im Übrigen ist nicht das Interesse an der Aufrechterhaltung 2861 OLG Düsseldorf v. 12.8.2008 – 24 U 44/08, MDR 2008, 1330 = MietRB 2009, 63 = GE 2008, 1326 = GuT 2008, 345. 2862 LG Wuppertal v. 7.12.1995 – 17 O 430/95, ZMR 1996, 439; vgl. auch BGH v. 3.3.2010 – XII ZR 131/08, MietRB 2010, 161 = MietRB 2010, 162 = MDR 2010, 738 = ZMR 2010, 596; OLG Naumburg v. 15.7.2008 – 9 U 18/08, MietRB 2008, 356 = MietRB 2008, 357 = MietRB 2008, 358 = NZM 2008, 772. 2863 Was das LG Wuppertal v. 7.12.1995 – 17 O 430/95, ZMR 1996, 439 übersieht; wie hier: OLG Karlsruhe v. 6.6.2014 – 10 U 21/12, ZMR 2014, 878 = IMR 2015, 110; vgl. zur Rechtslage bei Schriftformvorbehalt: BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = WuM 1991, 381. 2864 Vgl. dazu Palandt/Grüneberg, § 307 BGB Rz. 44 m.w.N. 2865 OLG Karlsruhe v. 6.6.2014 – 10 U 21/12, ZMR 2014, 878. 2866 BGH v. 6.5.2009 – XII ZR 137/07, MDR 2009, 919 = MietRB 2009, 223 (224) = WuM 2009, 469 = GE 2009, 775 = NJW 2009, 1947 = ZMR 2010, 263. 2867 BGH v. 6.5.2009 – XII ZR 137/07, MDR 2009, 919 = MietRB 2009, 223 (224) = WuM 2009, 469 = GE 2009, 775 = NJW 2009, 1947 = ZMR 2010, 263. 2868 KG v. 23.10.2014 – 8 U 178/14, MDR 2015, 19 = MietRB 2015, 41 = ZMR 2015, 234 = GE 2015, 379. 2869 KG v. 16.5.2011 – 8 U 2/11, MietRB 2011, 244 = GE 2011, 1082 = ZMR 2011, 858.

Lützenkirchen | 343

§ 535 Rz. 1102 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags der Wasserversorgung gegen das Interesse an der Unterbrechung abzuwägen, sondern das Interesse an der Aufrechterhaltung des Gebrauchs gegen das Interesse auf Räumung2870. 1102a Über die Versorgungssperre hinaus kann der Vermieter keine Maßnahmen treffen, die in die (possesso-

rischen) Besitzrechte des Mieters eingreifen. Deshalb kann er nicht ohne Zustimmung des Mieters an die Schaufensterscheibe eines Ladenlokals ein überdimensionales Vermietungsplakat anbringen2871. Ein Anspruch besteht aber auf Duldung eines Hinweises, der die Schaufensterauslage des Mieters nicht stört.

VI. Betriebspflicht 1. Allgemeines 1103 Der Mieter hat zwar einen Anspruch auf Überlassung der Mietsache und ein Gebrauchsrecht, jedoch

grundsätzlich keine Abnahme- und auch keine Gebrauchspflicht. Beides kann in der Gewerberaummiete aber vereinbart werden. Dazu finden sich regelmäßig entsprechende Klauseln im Mietvertrag, die entweder die Betriebspflicht ausdrücklich regeln oder bestimmte Öffnungszeiten festlegen. Letzteres gebietet dem Mieter allein, während bestimmter Zeiten die Mieträume nicht zu schließen (Offenhaltungspflicht)2872. Die Betriebspflicht als solche ist aber auch tangiert, wenn dem Mieter durch den Vertrag bestimmte Vorgaben für die Nutzung gemacht werden. Derartige Gebote oder Verbote betreffen zumeist die Gestaltung der Mieteinheit (z.B. Schaufensterauslage). Insoweit ist im Rahmen des § 307 BGB in der Regel das Interesse des Mieters auf unternehmerische Freiheit mit dem Interesse des Vermieters abzuwägen, ein einheitliches Erscheinungsbild zu bewahren oder gleiche Bedingungen für alle Mieter zu schaffen. Ein Beispiel dafür bilden Klauseln über Ausverkäufe (vgl. § 535 BGB Rz. 1100). 1104 Auch ohne ausdrückliche Vereinbarung kann eine Betriebspflicht anzunehmen sein, wenn in einem

Einkaufszentrum eine Verkehrsfläche für ein Geschäft angemietet wird, das wegen seines Warensortiments als Zugpferd dienen soll und eine Monopolstellung hat2873. Üblicherweise folgt die Betriebspflicht in derartigen Einrichtungen wie einem Einkaufszentrum aber noch nicht daraus, dass der Vermieter ein gesteigertes Interesse daran hat, die Verkehrsströme aufrechtzuerhalten2874. 2. Entstehung der Betriebspflicht a) Formularmäßige Bestimmung 1105 Die Begründung einer Betriebspflicht ist auch formularmäßig möglich2875. Sie ist allerdings nicht wirk-

sam bei gleichzeitigem Ausschluss des Konkurrenzschutzes und Vereinbarung einer Sortimentsbindung2876. Eine Sortimentsbindung liegt aber noch nicht vor, wenn die Nutzung auf „T-Discount“ beschränkt ist2877.

2870 Streyl, NZM 2011, 765. 2871 AG Brandenburg v. 13.6.2013 – 31 C 153/13, GE 2013, 1006. 2872 OLG Dresden v. 15.7.2015 – 5 U 597/15, MDR 2015, 1123 = MietRB 2015, 292; KG v. 28.1.2013 – 8 W 5/13, MietRB 2013, 142 = MDR 2013, 511. 2873 LG Hannover v. 9.10.1992 – 8 S 146/92, ZMR 1993, 280; a.A. LG Lübeck v. 20.2.1992 – 14 S 11/92, NJW-RR 1993, 78 (Betriebspflicht nur bei ausdrücklicher Vereinbarung). 2874 KG v. 30.3.2015 – 8 U 43/14, MDR 2015, 881 = MietRB 2015, 232 = ZMR 2015, 707 = GE 2018, 1149. 2875 BGH v. 29.4.1992 – XII ZR 221/90, NJW-RR 1992, 1032; KG v. 18.10.2004 – 8 U 92/04, ZMR 2005, 47; OLG Hamburg v. 3.4.2002 – 4 U 236/01, ZMR 2003, 254; OLG Düsseldorf v. 24.9.1998 – 10 W 93/98, MDR 1999, 289 = NZM 1999, 124. 2876 BGH v. 26.2.2020 – XII ZR 51/19, MDR 2020, 475 = GE 2020, 477 = NZM 2020, 429 Rz. 35; Schleswig- Holsteinisches OLG v. 2.8.1999 – 4 W 24/99, NJW 2000, 1008; a.A. OLG Naumburg v. 15.7.2008 – 9 U 18/08, MietRB 2008, 356 = NZM 2008, 772; ähnlich OLG Rostock v. 8.3.2004 – 4 U 118/03, NZM 2004, 460; OLG Hamburg v. 3.4.2002 – 4 U 236/01, ZMR 2003, 254 = GuT 2003, 57. 2877 BGH v. 3.3.2010 – XII ZR 131/08, MDR 2010, 738 = MietRB 2010, 161 = MietRB 2010, 162 = GuT 2010, 97.

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C. Gewerberaummiete | Rz. 1107a § 535

Ob eine Formularvereinbarung die üblichen Betriebsunterbrechungen wegen Inventur, Betriebsferi- 1106 en, Ladenöffnungszeiten etc. ausdrücklich berücksichtigen muss, ist streitig2878. Die Diskussion hat sich durch die weitgehende Flexibilität beim Ladenschluss und die Praxis in Einkaufscentern und Innenstädten praktisch überholt. Soweit die Klausel beispielhaft „Inventur und Betriebsversammlungen“ aufführt, werden eben auch andere notwendige Schließungen (z.B. Ausführung von Schönheitsreparaturen) erfasst. Jedenfalls gehören solche Stilllegungen zur Verkehrssitte und begründen keinen Schadensersatzanspruch des Vermieters2879. Selbst wenn die Klausel im Mietvertrag mit einem Lebensmittel-Discounter zeitweilige Schließungen „wie Mittagspause, Ruhetage, Betriebsferien“ untersagt, liegt keine unangemessene Benachteiligung des Mieters vor2880. Denn die Einlegung einer „Mittagspause“ sämtlicher Mitarbeiter eines Lebensmittel-Discounters in einem Einkaufscenter zur selben Zeit ist mittlerweile ebenso wenig branchentypisch oder der Verkehrssitte entsprechend wie die Schließung aufgrund von „Betriebsferien“ oder wegen der Einlegung eines „Ruhetages“. Dies gilt erst recht für einen Mietvertrag über eine Ladeneinheit in einem Einkaufszentrum. Hier wird bei den Kunden regelmäßig eine durchgehende Öffnung suggeriert2881. Schließlich kann auch zwischen der Offenhaltungs- und der Betriebspflicht als solcher differenziert werden. Außerhalb von Einkaufszentren sind jedenfalls die branchenüblichen Öffnungszeiten, die sich aus gesetzlichen Bestimmungen ergeben, geschuldet, wenn nicht gleichzeitig eine Offenhaltungspflicht geregelt ist2882. Selbst wenn die Offenhaltungspflicht nach dem Maßstab der kundenfeindlichsten Auslegung unwirksam ist, berührt dies die Betriebspflicht jedenfalls dann nicht, wenn diese in einer separaten Klausel geregelt ist2883. Die Verbindung von Betriebs- und Offenhaltungspflicht als solche führt ebenfalls nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 BGB2884. Richtet sich die formularmäßige Betriebspflicht nach den Ladenöffnungszeiten und soll sich die ver- 1107 bindliche Öffnungszeit nach der Öffnung der „überwiegenden Anzahl aller Mieter“ im Einkaufscenter orientieren, liegt ein Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) vor, wenn nach den vertraglichen Regelungen mit der überwiegenden Anzahl von Mietern letztlich der Vermieter das Recht hat, die Öffnungszeiten (einseitig) zu bestimmen2885. Das soll jedoch nicht gelten, wenn das Einkaufzentrum bei Abschluss des Mietvertrages schon längere Zeit betrieben wurde2886. Eine Unwirksamkeit wird jedoch herbeigeführt, wenn einerseits eine Mehrheitsentscheidung aller Mieter Voraussetzung für eine Änderung sein soll, andererseits aber auch die Entscheidung des Vermieters, eines Centermanagements oder einer Werbegemeinschaft relevant sein soll und dabei nicht eindeutig zu erkennen ist, in welcher Reihenfolge die Entscheidungen gelten sollen und welche Mitwirkungsmöglichkeiten der Mieter hat2887. Eine Unwirksamkeit kann sich nach § 307 BGB unter Berücksichtigung der kundenfeindlichsten Aus- 1107a legung daraus ergeben, dass die Betriebspflicht bis zum letzten Tag der Mietzeit gelten soll, der Vertrag aber zugleich umfangreiche Arbeiten zur Herbeiführung eines ordnungsgemäßen Rückgabezustandes regelt. Abgesehen davon, dass der Mieter damit zum Vertragsbruch verleitet würde, weil er über die Mietzeit hinaus nutzen müsste, um die Betriebspflicht zu erfüllen, wird er dadurch einer Schadensersatzpflicht wegen unpünktlicher Rückgabe ausgesetzt.

2878 Dafür: Bub/Treier/Bub, II Rz. 1424; dagegen: Wolf/Eckert/Ball, Rz. 659. 2879 OLG Düsseldorf v. 24.9.1998 – 10 W 93/98, MDR 1999, 289 = ZMR 1999, 171. 2880 OLG Naumburg v. 15.7.2008 – 9 U 18/08 (Hs), MietRB 2008, 356 = MietRB 2008, 357 = MietRB 2008, 358 = NZM 2008, 772. 2881 OLG Naumburg v. 26.7.2012 – 9 U 38/12, MietRB 2013, 10 = ZMR 2013, 36 = NZM 2012, 808; SchmidtFutterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 222 m.w.N. 2882 OLG Koblenz v. 27.6.2019 – 1 U 1471/18, MDR 2019, 1441 = MietRB 2019, 325 = NZM 2019, 588. 2883 KG v. 5.3.2009 – 8 U 177/08, MietRB 2010, 109 = GE 2009, 202 = GuT 2010, 22; kritisch dazu Würtenberger, NZM 2013, 12 (14). 2884 LG Osnabrück v. 21.9.2017 – 18 O 342/17, ZMR 2019, 28. 2885 BGH v. 7.5.2008 – XII ZR 5/06, GuT 2008, 339; BGH v. 16.5.2007 – XII ZR 13/05, MDR 2007, 1124 = MietRB 2007, 260 = ZMR 2007, 846. 2886 OLG Hamm v. 9.8.2017 – 30 U 53/17, ZMR 2018, 36. 2887 OLG Dresden v. 4.12.2012 – 5 U 378/12, MDR 2014, 20 = GuT 2013, 205.

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§ 535 Rz. 1108 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags b) Schlüssige Vereinbarung 1108 An die Begründung der Betriebspflicht durch konkludente Einigung sind strenge Anforderungen zu

stellen. Sofern sich die Gebrauchspflicht nicht schon aus der Natur der Mietsache ergibt2888, muss das Verhalten der Parteien den Schluss auf einen Erklärungswillen zulassen, der die Offenhaltung des Geschäfts während bestimmter Zeiten für den Mieter als verbindlich und verpflichtend erkennen lässt. Mit anderen Worten muss aus den Umständen zunächst erkennbar gewesen sein, dass der Vermieter auf das kontinuierliche Betreiben des Geschäfts in den Mieträumen besonderen Wert gelegt, der Mieter dies erkannt hat und damit einverstanden war2889. Dies ist z.B. anzunehmen, wenn der Vermieter im Rahmen der Vertragsverhandlungen keinen Zweifel daran gelassen hat, dass er fest von einer entsprechenden Verwendung durch den Mieter ausgeht2890. 1109 Eine Begründung einer Betriebspflicht durch schlüssige Vereinbarung kann nicht allein aus der Ver-

einbarung einer Umsatzmiete hergeleitet werden. Zwar besteht für den Vermieter unter diesem Gesichtspunkt ein gesteigertes wirtschaftliches Interesse an einer Nutzung. Indessen ist für den Mieter damit nicht notwendig die Dauer der Ladenöffnung verbunden. Vielmehr kann ihn das auch verpflichten, zu bekannten Kernzeiten mehr Personal vorzuhalten, um die möglichen Umsätze zu generieren2891. 3. Inhalt der Betriebspflicht 1110 Bei der Betriebspflicht handelt es sich um eine selbständige Leistungsverpflichtung mit dem Inhalt,

die angemieteten Räume während genau festgelegter oder doch bestimmbarer Öffnungszeiten bzw. Kernöffnungszeiten zu dem im Mietvertrag festgelegten Gebrauchszweck für das Publikum offen zu halten, persönlich und/oder mit Hilfe von Arbeitskräften zu betreiben und ein angemessenes Warenund/oder Dienstleistungsangebot bereitzuhalten2892. Deshalb liegt eine Verletzung der Betriebspflicht vor, wenn die Parteien den Betrieb einer (Präsenz-) Apotheke vereinbart haben und der Mieter wegen Unwirtschaftlichkeit auf eine Versandapothe umstellt2893. Im Wege der Auslegung kann sich insbesondere im Einkaufszentrum ergeben, dass der Mieter auch verpflichtet ist, die vorhandenen Zu- und Ausgänge offenzuhalten2894. 1111 Die Erfüllung kann der Vermieter gerichtlich im Wege der Leistungsklage durchsetzen. Begleitend

kann er den Anspruch im Wege der einstweiligen Verfügung verfolgen2895, und zwar auch noch kurz vor Vertragsende2896. Zur Darlegung des Verfügungsgrundes muss kein konkreter Schadenseintritt vorgetragen werden. Vielmehr reicht z.B. der Hinweis auf den drohenden Verlust der Vielfalt der Warenangebote (im Einkaufszentrum) und die Annahme eines „Dominoeffektes“ aus2897. Als derartiger Schaden kommt in Betracht, dass bei gleichzeitiger Vereinbarung einer Umsatzmiete entsprechende Einnahmen verlorengehen oder z.B. kurz vor Mietende die Verhandlungen mit einem Mietinteressen-

2888 Z.B. Reitpferde, vgl. Gomille, NZM 2018, 809 (811). 2889 Jendrek, NZM 2000, 526 (527). 2890 OLG Köln v. 28.7.2000 – 19 U 184/99, NZM 2002, 345; LG Hannover v. 9.10.1992 – 8 S 146/92, ZMR 1993, 280 (281). 2891 BGH v. 4.4.1979 – VIII ZR 118/78, NJW 1979, 2351. 2892 Peter/Welkerling, ZMR 1999, 369. 2893 OLG 27.6.2019 – 1 U 1471, 18, NZM 2019, 588. 2894 KG v. 30.3.2015 – 8 U 43/14, MietRB 2015, 232 = MDR 2015, 881 = ZMR 2015, 707 = GE 2018, 1149. 2895 KG v. 28.1.2013 – 8 W 5/13, MDR 2013, 511 = MietRB 2013, 142 = ZMR 2013, 531 = NZM 2013, 731; OLG Düsseldorf v. 17.8.2000 – 24 W 49/00, MDR 2001, 384 = NZM 2001, 132 m.w.N.; a.A. OLG Naumburg v. 21.11.1997 – 2 W 14/97, NZM 1998, 575 (weil einstweilige Verfügung weder einen nach § 887 ZPO noch nach § 888 ZPO vollstreckbaren Inhalt hat); dagegen insbesondere OLG Frankfurt v. 10.12.2008 – 2 U 250/ 08, ZMR 2009, 446. 2896 OLG Düsseldorf v. 9.1.1997 – 24 U 94/96, NJW-RR 1997, 648. 2897 KG v. 12.9.2011 – 8 U 141/11, MietRB 2011, 375 = GE 2011, 1484 (unter Aufgabe von KG v. 18.10.2004 – 8 U 92/94, ZMR 2005, 47 = GE 2004, 1591); OLG Frankfurt v. 10.12.2008 – 2 U 250/08, ZMR 2009, 446; OLG Karlsruhe v. 8.11.2006 – 9 U 58/06, MDR 2007, 577 = GE 2007, 218; OLG Celle v. 3.7.2007 – 2 W 56/ 07, MietRB 2007, 288 = NZM 2007, 838 = GuT 2007, 298; Hanseatisches OLG Hamburg v. 6.1.2003 – 4 W 1/03, WuM 2003, 641 = GuT 2003, 231.

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C. Gewerberaummiete | Rz. 1115 § 535

ten, der das gleiche oder ein ähnliches Sortiment führen will, gefährdet werden. Dies ist natürlich alles glaubhaft zu machen. 4. Ende der Betriebspflicht Grundsätzlich endet eine Betriebspflicht mit der rechtlichen Vertragsbeendigung2898. Im Abwicklungs- 1112 verhältnis des § 546a BGB besteht eine Betriebspflicht nicht mehr. Der Vertrag ist zu Ende. Der Mieter muss räumen. Gesundheitliche Beeinträchtigung führen nicht zu einem Wegfall der Betriebspflicht. Im Zweifel 1113 muss sich der Mieter (z.B. Einzelhändler, Kioskbetreiber) eines Dritten bedienen, und zwar auch dann, wenn die Fortführung des Betriebes (z.B. durch einen Untermieter) zu wirtschaftlichen Verlusten führt2899. Der Vermieter eines Ladenlokals ist grundsätzlich in einem solchen Fall nicht verpflichtet, einer Sortimentsänderung zuzustimmen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Zusammensetzung der Kundschaft in einem Einkaufszentrum verändert hat2900. Die mangelnde Rentabilität ist bei einem Verstoß des Mieters gegen die Betriebspflicht generell unbeachtlich, da die Wirtschaftlichkeit des Betriebes grundsätzlich in die Risikosphäre des Mieters fällt2901. Sie kann im Einzelfall erst beachtlich sein, wenn Zahlungsunfähigkeit des Mieters droht und er der übernommenen Betriebspflicht nur durch Täuschung des Geschäftsverkehrs über seine finanziellen Verhältnisse entsprechen kann2902. Sofern diese Umstände ausnahmsweise von Bedeutung sind, müssen sie substantiiert dargetan werden. Dazu gehört die Vorlage der Gewinn- und Verlustrechnung2903. Insoweit sind Verluste in sechsstelliger Höhe grundsätzlich unerheblich, zumal wenn sie durch „Quersubventionierung“ aufgefangen werden können2904. Das Gleiche gilt für Veränderungen im Umfeld, die sich auf die Ertragslage des Mieters auswirken2905. Auch die Veränderung von Gepflogenheiten der Branche, der der Mieter angehört, lassen die Be- 1113a triebspflicht grundsätzlich unberührt. Deshalb kann eine Bank, die ihre Filiale bisher mit Personalservice betrieben hat, nicht ohne Zustimmung des Vermieters auf eine „Automatenfiliale“ umsteigen2906. 5. Ahndung von Verstößen gegen die Betriebspflicht Verstößt der Mieter gegen die Betriebspflicht, stellt dies eine Vertragsverletzung dar, die den Vermieter 1114 (nach vorheriger Abmahnung oder Fristsetzung) zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt2907. Eine Ausnahme ist gerechtfertigt, wenn die Einstellung des Betriebes zur Vermeidung eines Insolvenzverfahrens erfolgt2908. Kündigt der Vermieter nicht und vermietet an einen Nachmieter, bleibt der Mieter trotz § 537 BGB weiter zur Zahlung einer etwaigen Differenzmiete verpflichtet2909. Der Vertragsverstoß kann darüber hinaus einen Schadensersatzanspruch in Höhe des bis zum verein- 1115 barten Vertragsende entstehenden Mietausfalls begründen. Allerdings kann sich der Anspruch durch

2898 2899 2900 2901

2902 2903 2904 2905 2906 2907 2908 2909

OLG Düsseldorf v. 17.8.2000 – 24 W 49/00, MDR 2001, 384 = NZM 2001, 132. OLG Düsseldorf v. 18.12.2003 – I-10 U 69/03, ZMR 2004, 508. OLG Hamburg v. 6.2.2002 – 4 U 145/99, WuM 2003, 268. BGH v. 29.9.1999 – XII ZR 313/98, MDR 2000, 79 = NZM 2000, 36 (40); BGH v. 16.2.2000 – XII ZR 279/ 97, MDR 2000, 821 m. Anm. Leo = NJW 2000, 1714 (1716); BGH v. 19.7.2000 – XII ZR 176/98, MDR 2001, 22 = NJW-RR 2000, 1535 (1536); BGH v. 26.5.2004 – XII ZR 149/02, MDR 2004, 1233 = MietRB 2004, 261 = NJW-RR 2004, 1236; BGH v. 21.9.2005 – XII ZR 66/03, MDR 2006, 506 = MietRB 2006, 263 = NJW 2006, 899 (901). OLG Koblenz v. 27.6.2019 – 1 U 1471/18, MDR 2019, 1441 = MietRB 2019, 325 = NZM 2019, 588. BGH v. 29.4.1992 – XII ZR 221/90, NJW-RR 1992, 1032. OLG Koblenz v. 27.6.2019 – 1 U 1471/18, MDR 2019, 1441 = MietRB 2019, 325 = NZM 2019, 588. OLG Koblenz v. 27.6.2019 – 1 U 1471/18, MDR 2019, 1441 = MietRB 2019, 325 = NZM 2019, 588 (hier: Schließung von Arztpraxen im Umfeld einer Apotheke). LG Schwerin v. 22.3.2018 – 21 HK O 42/17, MietRB 2018, 230 = ZMR 2018, 509. OLG Düsseldorf v. 21.1.1997 – 10 W 153/96, DWW 1998, 85 (Betreiben eines Ladenlokals in einem Einkaufszentrum an nur drei Tagen für wenige Stunden). BGH v. 7.10.2004 – I ZR 18/02, MDR 2005, 973 = GuT 2005, 60. OLG Karlsruhe v. 28.10.2004 – 9 U 110/04, MDR 2005, 620 = MietRB 2005, 94 = GuT 2005, 18.

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§ 535 Rz. 1115 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags ein Mitverschulden des Vermieters mindern. Auch muss sich der Vermieter die Vorteile anrechnen lassen, die er tatsächlich zieht2910. 1116 Die Betriebspflicht kann auch mit einer Vertragsstrafe bewehrt werden. Insoweit braucht eine Begren-

zung auf einen bestimmten Zeitraum nicht vorgesehen zu werden und soll die Höhe von 125 % der auf den Tag entfallenden Miete nicht unangemessen hoch sein2911. Läuft die Vertragsstrafe aber auf die 2,5fache Miete hinaus, liegt eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 BGB vor2912. Denn die Vertragsstrafe soll u.a. die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen erleichtern. Es ist aber kaum nachvollziehbar, dass die negativen Folgen des Leerstandes, zu dem eine Verletzung der Betriebspflicht im Ergebnis führen kann, einen Schaden herbeiführen können, der 2,5mal so hoch wie das eigentliche Leistungsinteresse des Vermieters ist. 1116a Der Erfüllungsanspruch kann mit der Leistungsklage verfolgt und durch Einstweilige Verfügung gesi-

chert werden2913. Der Verfügungsgrund entfällt allerdings, wenn der Mieter nach einer Ankündigung, sein Geschäft schließen zu wollen, mitteilt, er werde das Geschäft weiterführen2914. Seine Vollstreckung richtet sich nach § 888 Abs. 1 ZPO selbst wenn der Mieter zur Durchführung des Betriebes eine behördliche Erlaubnis benötigt2915. Die Vollstreckung scheidet erst aus, wenn der Mieter erfolglos alles Zumutbare unternommen hat, die Erlaubnis zu erlangen, und daher objektiv feststeht, dass die Leistung unmöglich ist2916. 6. Wettbewerbsverbot 1116b Um die Attraktivität eines Standortes nicht durch eigene „Konkurrenz“ zu schmälern, werden neben

Ausschluss des Konkurrenzschutzes mit der Betriebspflicht nicht selten Wettbewerbsverbote verbunden. Gerade im großflächigen Einzelhandel wird es dem Mieter damit untersagt, in einem räumlich festgelegten Bereich ein gleichartiges Geschäft zu betreiben. Die Vereinbarungen können auch eine Nachwirkung über den Zeitpunkt der Beendigung des Mietvertrages hinaus regeln. 1116c Individuell begegnen solche Wettbewerbsverbote in den Grenzen der §§ 138, 134 BGB keinen Beden-

ken. Im Rahmen einer formularmäßigen Vereinbarung sind entsprechende Regelungen ebenfalls grundsätzlich zulässig2917. Allerdings sollte dafür ein eigener Abschnitt gewählt werden, um eine Überraschung i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB zu vermeiden.

VII. Überbürdung von Erhaltungsmaßnahmen 1117 In der Gewerberaummiete besteht im Hinblick auf Schäden durch Maschinen und Anlagen ein anderes

Risiko- und Abnutzungsverhältnis als in der Wohnraummiete. Deshalb besteht auch unter Beachtung der Grundsätze der Inhaltskontrolle (vgl. § 535 BGB Rz. 992) grundsätzlich eine großzügigere Praxis bei der Prüfung der Überbürdung von Erhaltungsmaßnahmen als in der Wohnraummiete. Insoweit ist von dem Grundsatz auszugehen, dass die laufende Instandsetzung und Instandhaltung auf den Mieter auch über die Klein- und Schönheitsreparaturen hinaus abgewälzt werden kann, soweit sie sich auf das Innere der Mieteinheit bezieht. Bei der Auslegung entsprechender Klauseln ist eine restriktive Herangehensweise geboten2918. Deshalb ist – solange keine besonderen Umstände gegeben sind – davon auszugehen, dass sich die Risikoübernahme des Mieters nicht auf Risiken erstreckt, welche den Räumen

OLG Düsseldorf v. 4.11.2004 – I-10 U 36/04, GuT 2005, 56. OLG Rostock v. 8.3.2004 – 3 U 118/03, MietRB 2004, 227 = NZM 2004, 461. OLG Naumburg v. 26.7.2012 – 9 U 38/12, MietRB 2013, 10 = ZMR 2013, 36 = NZM 2012, 808. KG v. 17.11.2014 – 8 U 114/14, MietRB 2015, 40 = IMR 2015, 64. KG v. 17.11.2014 – 8 U 114/14, MietRB 2015, 40 = ZMR 2015, 118. Hanseatisches OLG Hamburg v. 21.8.2013 – 8 W 72/13, MietRB 2014, 78 = MDR 2013, 1452 = NJW-RR 2014, 133 = ZMR 2014, 204 = NZM 2014, 273. 2916 OLG Rostock v. 22.8.2016 – 3 W 53/16, MDR 2017, 239 = MietRB 2016, 349 = GE 2016, 1274. 2917 BGH v. 7.6.1972 – VIII ZR 175/70, WPM 1972, 882; Ghassemi-Tabar in Ghassemi-Tabar u.a., § 535 BGB Rz. 569; Hübner/Griesbach/Fuerst in Lindner-Figura u.a., Kap. 14 Rz. 174. 2918 KG v. 4.12.2017 – 8 U 236/16, ZMR 2018, 303.

2910 2911 2912 2913 2914 2915

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C. Gewerberaummiete | Rz. 1119 § 535

bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses anhaften und die er nicht erkannt hat2919. Es entspricht weder einem vernünftigen Willen des Mieters noch der berechtigten Erwartung des Vermieters, dass der Mieter den Vermieter von unkalkulierbaren wirtschaftlichen Risiken, welche unabhängig von den spezifischen Nutzungsabsichten des Mieters bestehen, freistellt und damit die Kosten für die Behebung einer bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehenden Baurechtswidrigkeit übernimmt2920. Generell haftet der Mieter daher sowohl bei individual- als auch formularvertraglicher Regelung über die (teilweise) Überbürdung der Erhaltungspflicht nicht für anfängliche Mängel2921. Angemessen und i.d.R. gewollt ist nur die Übernahme des Risikos durch den Mieter, dass die von ihm nach seinen Vorstellungen ausgebauten Räume den behördlichen Anforderungen für den vorgesehenen Betrieb entsprechen2922. 1. Allgemeines Im Rahmen einer Individualvereinbarung ist die Überwälzung der Instandhaltungs- und Instandset- 1118 zungspflicht auf den Mieter in weitem Umfang möglich, denn hier stehen sich die Vertragsparteien gleichberechtigt gegenüber und sind bei den Vertragsverhandlungen in der Lage, ihre eigenen Interessen in ausreichendem Maß wahrzunehmen. Unwirksam ist eine solche Individualvereinbarung lediglich dann, wenn sie gegen § 138 BGB verstößt2923. Die Begründung der Verpflichtung des Mieters zur Instandsetzung und Instandhaltung setzt eine eindeutige vertragliche Regelung voraus. Sie kann grundsätzlich auch durch einen Formularmietvertrag erfolgen. Instandhaltungsklauseln sind jedoch i.d.R. einschränkend dahingehend auszulegen, dass sie nicht auch die Instandsetzung erfassen2924. Der Vertragspassus, die Sache „mit der erforderlichen Sorgfalt zu behandeln und im guten und gebrauchsfähigen Zustand zu erhalten“, bedeutet nicht zugleich die Übernahme einer weitergehenden Instandsetzungspflicht2925. Bei der Wirksamkeitsprüfung von Formularklauseln wird oftmals der einwandfreie Zustand der 1119 Mietsache bei Vertragsbeginn vorausgesetzt2926. Dies ist in dieser Allgemeinheit zweifelhaft. Zwar ist mittlerweile der Anfangszustand ausschlaggebend für die Wirksamkeit von Renovierungsklauseln2927, was auch in der Gewerberaummiete zu beachten ist2928. Auch ist die überbürdete Instandsetzungslast als Teil der Gegenleistung des Mieters anzusehen. Indessen kann der Zustand bei Übergabe nur relevant sein, wenn der Mieter Instandsetzungsmaßnahmen durchführen muss, um einen vertragsgemäßen Zustand herbeizuführen. Dabei ist im Rahmen der Prüfung des § 307 BGB zu berücksichtigen, inwieweit dem Mieter Vergünstigungen (z.B. mietfreie Zeit) vom Vermieter gewährt wurden. Befand sich die Mietsache in einem bezugsfähigen Zustand und waren die technischen Einrichtungen gebrauchsfähig, bestehen gegen die formularmäßige Überbürdung keine Bedenken. Denn für die Wirksamkeit von Klauseln zur Instandsetzungspflicht des Mieters ist es ausreichend, dass der Vermieter den vertragsgemäßen Zustand zur Verfügung stellt2929. Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass der Wortlaut der Klausel auch die Beseitigung anfänglicher Mängel erfasst. Dies führt zur Unwirksamkeit der Klausel2930. 2919 Vgl. RG v. 22.11.1918 – III 226/18, RGZ 94, 138 (140); Ghassemi-Tabar in Ghassemi-Tabar u.a., § 536 BGB Rz. 72, 79. 2920 Vgl. KG v. 23.5.2016 – 8 U 10/15, MietRB 2016, 254 = ZMR 2016, 685. 2921 BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 158/01, MDR 2006, 17 = ZMR 2005, 844 Rz. 25; OLG Hamm v. 28.8.2018 – 30 U 90/17, ZMR 2020, 107 Rz. 104; OLG Düsseldorf v. 10.2.2011 – 20 U 91/10, juris Rz. 26. 2922 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 286. 2923 BGH v. 5.6.2002 – XII ZR 220/99, MDR 2002, 1304 = NJW 2002, 2383 (2384) unter 4. 2924 OLG Brandenburg v. 3.11.2002 – 3 U 166/98, ZMR 2003, 909. 2925 OLG Naumburg v. 12.8.1999 – 2 U (Hs) 34/98, ZMR 2000, 383 = NZM 2000, 1183; OLG Düsseldorf v. 8.2.1996 – 10 U 223/94, BBauBl 1997, 819. 2926 Vgl. z.B. OLG Naumburg v. 12.8.1999 – 2 U (Hs) 34/98, ZMR 2000, 383 = NZM 2000, 1183; OLG Köln v. 17.12.1993 – 19 U 189/93, WuM 1994, 274 = ZMR 1994, 158 = DWW 1994, 119; Guhling/Günter/Boerner, § 535 BGB Rz. 120. 2927 BGH v. 18.3.2015 – VIII ZR 185/14, MietRB 2015, 161 = MDR 2015, 578 = WuM 2015, 338 = ZMR 2015, 685. 2928 LG Lüneburg v. 4.8.2015 – 5 O 353/14, MietRB 2016, 8 = ZMR 2015, 929 = IMR 2015, 499. 2929 BGH v. 25.2.1987 – VIII ZR 88/86, MDR 1987, 753 = ZMR 1987, 257 = NJW-RR 1987, 906. 2930 LG Köln v. 6.10.2015 – 19 O 36/14, MietRB 2016, 284.

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§ 535 Rz. 1120 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags 1120 Werden keine zusätzlichen Inhaltsbestimmungen geregelt, werden die Begriffe Instandsetzung und

Instandhaltung in dem allgemein üblichen Sinne verstanden. Wird zur inhaltlichen Bestimmung des Begriffs der „Instandhaltung“ auf die DIN 31051 (2003-06 „Grundlagen der Instandhaltung“) zurückgegriffen, bedeutet die Instandhaltung den Oberbegriff für Inspektion, Wartung und Instandsetzung. Grundsätzlich fällt unter den Begriff der Instandsetzung auch die Pflicht zur Erneuerung (i.S. einer Ersatzbeschaffung einzelner Teile der Mietsache wie z.B. Anlagen, Einrichtungen oder Bestandteile der Mietsache wie Aggregate, Heizung, Fenster und Türen)2931 und Wiederherstellung (z.B. nach vollständiger Zerstörung einzelner Anlagen, Einrichtungen oder Bestandteile). Eine besondere Regelung ist dafür nicht erforderlich. Die Gegenmeinung2932 verkennt, dass der Begriff der Instandsetzung nicht vom Vertragszweck losgelöst interpretiert werden kann und die Begriffspaare Instandsetzung und Instandhaltung synonym für die Erhaltungspflicht des Vermieters aus § 535 Abs. 1 BGB verwendet werden2933. Durch die Überbürdung, die ebenfalls der Erhaltung des vertragsgemäßen Gebrauchs dient, ändert sich der Inhalt nicht. Die Erneuerung einer Dacheindeckung fällt aber in den Risikobereich des Vermieters2934. 1121 Durch die formularmäßige Übertragung der Erhaltungslast dürfen Reparaturverpflichtungen nur in-

soweit auferlegt werden, als sie sich auf Schäden erstrecken, die dem Mietgebrauch und/oder der Risikosphäre des Mieters zuzuordnen sind2935. Neben einer räumlichen Beschränkung auf die exklusiv vom Mieter genutzte Fläche ist eine gegenständliche Beschränkung erforderlich, da sich die überbürdete Erhaltungspflicht nicht auf Teile der Mietsache beziehen darf, die nicht allein vom Mieter genutzt werden (z.B. Heizung, Klimaanlage). Denn damit würde der Mieter dem Risiko von Regressansprüchen durch andere Mieter ausgesetzt. Das ist für ihn nicht kalkulierbar, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Somit ist eine Klausel unwirksam, nach der die Verpflichtung besteht, „die laufende Instandhaltung und Instandsetzung im Innern der Räume“ vorzunehmen2936. Denn mit der Risikosphäre ist der Bereich gemeint, der ausschließlich dem Mieter zur Verfügung steht und daher eine Vermutung besteht, dass Abnutzungen allein auf ihn zurückzuführen sind. In diesem Bereich kann er die Nutzung selbständig steuern und damit auf das Maß der Abnutzung Einfluss nehmen. Wird eine solche Klausel ergänzt um die Regelung, dass der Vermieter bei unterlassener Unterhaltungspflicht berechtigt ist, ohne weitere Aufforderung vom Mieter Kostenersatz zu verlangen, ist ein Zahlungsanspruch nur begründet, wenn die Arbeiten auch tatsächlich ausgeführt wurden2937. Im Übrigen kann auch aus den Klauseln, wonach der Mieter die Mietsache pfleglich zu behandeln und Rohrverstopfungen zu verhindern bzw. sofort zu beseitigen hat, nicht hergeleitet werden, dass Regenrinne und -fallrohre von ihm eisfrei gehalten werden müssen2938. 1121a Für die Wirksamkeit einer formularmäßigen Überbürdung der Erhaltungslast ist Voraussetzung,

dass sich die Mietsache bei Beginn in ordnungsgemäßem Zustand befunden hat. Ansonsten müsste der Mieter nämlich Defekte oder Abnutzungen seines Vormieters beseitigen. 1122 Auch Haftungsklauseln sind grundsätzlich zulässig. Allerdings sind Klauseln unwirksam, die eine ver-

schuldensunabhängige Haftung des Mieters für das Verhalten Dritter begründen sollen2939. 1122a Regelt der Formularmietvertrag die Pflicht des Mieters, eine Versicherung abzuschließen, kann die

Klausel intrasparent sein, wenn offenbleibt, welche konkreten Versicherungen davon umfasst sein sol-

2931 BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 158/01, MDR 2006, 17 = MietRB 2005, 285 = GuT 2005, 213 = DWW 2005, 372 = ZMR 2005, 844; KG v. 1.3.1999 – 8 U 1119/98, MDR 2000, 447 = NZM 2000, 1228. 2932 OLG Naumburg v. 12.8.1999 – 2 U (Hs) 34/98, ZMR 2000, 383 = NZM 2000, 1183; OLG Hamm v. 30.3.1993 – 7 U 88/92, NJW-RR 1993, 1229; Bub/Treier/Kraemer/Paschke, III Rz. 2594; Schmidt, NZM 2011, 680 m.w.N. 2933 BGH v. 13.5.2015 – XII ZR 65/14, MietRB 2015, 231 = MDR 2015, 878 = WuM 2015, 619 Rz. 21. 2934 OLG Brandenburg v. 13.11.2002 – 3 U 166/98, ZMR 2003, 909. 2935 BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 158/01, MDR 2006, 17 = MietRB 2005, 285 = ZMR 2005, 844; OLG Düsseldorf v. 20.2.1992 – 10 U 107/91, DWW 1992, 241. 2936 OLG Köln v. 17.12.1993 – 19 U 189/93, DWW 1994, 119. 2937 OLG Düsseldorf v. 5.9.2002 – 10 U 150/01, ZMR 2003, 105. 2938 KG v. 29.7.2013 – 8 U 257/12, MDR 2013, 1156 = MietRB 2013, 319 = ZMR 2014, 27. 2939 BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = NJW 1991, 1750.

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C. Gewerberaummiete | Rz. 1125 § 535

len („ausreichende Versicherungen“)2940. In anderen Fällen (z.B. gegen Glasbruch) kann sich durch Auslegung ergeben, dass ihm damit auch das Risiko von Schäden überbürdet werden soll, die er selbst nicht schuldhaft verursacht hat. Dennoch sollen derartige Klauseln wirksam sein2941. Dies ist zweifelhaft. Denn der Mieter haftet im Ergebnis auch für Schäden, die durch unbekannte Dritte herbeigeführt werden, die sich außerhalb seiner Mieträume befinden (z.B. Schaufenster). Damit wird – wenn auch mittelbar – seine Instandsetzungspflicht auf außerhalb seiner Einflussmöglichkeit liegende Flächen unzulässig erweitert. 2. Dach und Fach Eine vollständige Abwälzung der Erhaltungspflicht in einem Formularvertrag ist grundsätzlich un- 1123 wirksam. Dies bedeutet nämlich die Freizeichnung des Vermieters von jeder Haftung und die Belastung des Mieters mit einem nicht im Voraus kalkulierbaren Risiko2942. Nach einer solchen Klausel müsste der Mieter auch für Schäden und Abnutzungen aufkommen, die bereits vor Vertragsabschluss vorhanden gewesen sind. Ausnahmsweise kann eine Individualvereinbarung zulässig sein, mit der dem Mieter die gesamte Erhaltungslast überbürdet wird, wenn die Vertragsauslegung ergibt, dass der Vermieter nur die Anschaffungskosten tragen soll2943. Mit Rücksicht darauf ist eine Klausel grundsätzlich mit § 307 BGB unvereinbar, nach der der Mieter 1124 für die Unterhaltung der Mietsache an „Dach und Fach“ aufzukommen hat2944, und zwar auch bei nur anteiliger Überbürdung der Erhaltungslast2945. Zum Teil wird in einer derartigen formularmäßigen Vereinbarung eine überraschende Klausel i.S.v. § 305c BGB mit der Konsequenz gesehen, dass die Klausel nicht wirksam in den Vertrag einbezogen wird2946. Das gilt aber nur, wenn sie vom Vermieter gestellt wurde. Hat der Mieter die Regelung aus Gründen des Kostenmanagements vorgeschlagen, ist sie einer Inhaltskontrolle entzogen2947. Eine eindeutige Definition des Begriffs „Dach und Fach“ aufgrund der Rechtsprechung hat sich noch 1125 nicht herausgebildet2948. Vorherrschend wird die Ansicht vertreten, dass darunter das Dach und die tragenden Gebäudeteile zu verstehen sind2949. Teilweise wird der Begriff auf das WEG-rechtliche Gemeinschaftseigentum beschränkt2950. Im Hinblick darauf, dass heute allgemein angenommen wird, dass die Erhaltungspflicht auf den Mieter nur in dem Umfang auf ihn abgewälzt werden kann, wie er durch seine Nutzung auf die Mietsache einwirkt (§ 535 BGB Rz. 1127)2951, sollte vor dem Hintergrund des Transparenzgebotes des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB eine weitere Aufzählung erfolgen. Darin sollte mindestens klargestellt werden, dass alle technischen Geräte einschließlich Leitungen, die auch der Versorgung, Lieferung etc. anderer Mieteinheiten dienen, bis hin zu den Steigeleitungen unter die Erhaltungspflicht des Vermieters fallen2952. Insoweit bietet es sich an, den Umfang der Überbürdung auf den Mieter zu beschreiben und allgemein zu formulieren, dass alle anderen Maßnahmen der Verantwortung des Vermieters unterliegen. Ausnahmsweise soll eine Individualvereinbarung zur Überwälzung der Erhaltungslast 2940 OLG Düsseldorf v. 16.8.2016 – 24 U 25/16, MietRB 2017, 6 = MDR 2016, 1325 = GE 2016, 1565 = NZM 2016, 821. 2941 BGH v. 18.12.1963 – VIII ZR 193/62, MDR 1964, 229 = NJW 1964, 545; LG Wuppertal v. 24.5.2016 – 16 S 104/15, MDR 2016, 1326 = ZMR 2016, 879 = MietRB 2016, 285; Bub, NZM 1998, 789; Haase, WiB 1997, 1074. 2942 OLG Köln v. 17.12.1993 – 19 U 189/93, DWW 1994, 119; OLG Naumburg v. 12.8.1999 – 2 U (Hs) 34/98, WuM 2000, 241 = ZMR 2000, 383 = NZM 2000, 1183. 2943 Saarländisches OLG v. 21.2.2003 – 8 U 463/02-109, NZM 2003, 438. 2944 OLG Hamburg v. 15.2.1967 – 4 U 43/65, MDR 1967, 845; OLG Dresden v. 17.6.1996 – 2 U 655/95, NJWRR 1997, 395. 2945 BeckOGK/Hörndler, § 578 BGB Rz. 157 m.w.N. 2946 Fritz, Rz. 185. 2947 OLG Oldenburg v. 17.2.2003 – 13 U 72/02, NZM 2003, 439. 2948 Vgl. auch OLG Hamm v. 27.4.1988 – 30 U 16/88, ZMR 1988, 260. 2949 Hanseatisches OLG Hamburg v. 15.2.1967 – 4 U 43/65, MDR 1967, 845; Fritz, Rz. 229b; Schlemminger/ Tachezy, NZM 2001, 416. 2950 Schlemminger/Tachezy, NZM 2001, 416 m.w.N. 2951 BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 158/01, MDR 2006, 17 = MietRB 2005, 285 = ZMR 2005, 844 = NZM 2005, 863. 2952 OLG Hamm v. 27.4.1988 – 30 U 16/88, ZMR 1988, 260.

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§ 535 Rz. 1125 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags an „Dach und Fach“ zulässig sein, wenn z.B. bei der Anmietung eines Gesamtobjekts zum Ausgleich die Miete entsprechend reduziert wird2953. 1126 Unwirksam ist wegen fehlender Transparenz eine formularmäßige Vereinbarung, nach der gewerbe-

polizeilich betriebsbedingte Auflagen – z.B. das Weißen und Anbringen von feuerfesten Türen – der Mieter zu tragen hat2954. Das Gleiche soll für eine Formularklausel gelten, in der der Mieter von Teileigentum zur Zahlung der Instandhaltungsrücklage verpflichtet wird2955. 3. Räumlicher Geltungsbereich von Abwälzungsklauseln

1127 Die Übertragung der Instandsetzungspflicht ist – jedenfalls formularmäßig – auf die Risikosphäre des

Mieters, also i.d.R. das Innere der Mietsache und die Einrichtungen beschränkt, die ausschließlich der Nutzung durch den Mieter unterliegen2956. Außerhalb der Mieträume kann eine Ausführungspflicht des Mieters jedenfalls formularmäßig grundsätzlich nicht wirksam begründet werden2957. Soll der Mieter die Kosten anteilig tragen, ist bei einer Formularklausel eine Kostenbegrenzung jedenfalls dann erforderlich, wenn die Einrichtungen und Anlagen der Mietsache zu Beginn nicht neuwertig waren und die Instandsetzung auch die Erneuerung umfasst2958. Die Obergrenze liegt in der Regel bei 10 % der Jahresmiete2959. 1127a Formularklauseln, die die Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht auch auf Flächen, Einrichtun-

gen oder Anlagen außerhalb der exklusiv genutzten Mietfläche erstrecken, sind unwirksam2960. Dies ist nicht immer einfach abzugrenzen. Die Voraussetzungen erfüllen Gegenstände, die dem ausschließlichen Zugriff des Mieters und damit seiner Abnutzung unterliegen (z.B. Türgriffe, Fußbodenbeläge). Problematisch sind jedoch solche Gegenstände, die mit Anlagen/Einrichtungen verbunden sind, die auch andere Mieteinheiten versorgen bzw. von anderen Mieters genutzt werden (z.B. Klima-, Lüftungsoder Heizungsanlage). Unterfällt z.B. ein Heizkörper der Instandsetzungspflicht des Mieters, ist es denkbar, dass ein Austausch stattfinden muss. Damit muss aber in die Gesamtanlage eingegriffen werden, so dass sich bei kundenfeindlichster Auslegung das Risiko ergibt, dass sich der Mieter gegenüber anderen Nutzern im Objekt schadensersatzpflichtig macht. Dies führt zur Unwirksamkeit nach § 307 BGB. 4. Schönheitsreparaturen 1128 Wird die Instandsetzung und/oder die Instandhaltung dem Mieter wirksam überbürdet, erfasst eine

solche Regelung grundsätzlich auch die Verpflichtung zur Durchführung von Schönheitsreparaturen. Denn Schönheitsreparaturen sind als solche ein Bestandteil der von den Begriffen der Instandsetzung und Instandhaltung erfassten Leistungen. Dennoch wird häufig im Mietvertrag zu den Schönheitsreparaturen eine gesonderte Regelung getroffen. a) Allgemeines 1129 Selbst in der Gewerberaummiete wird der Begriff der Schönheitsreparaturen nach § 28 Abs. 4 S. 3 II.

BV definiert, wenn keine davon abweichende Vereinbarung getroffen wurde2961. Für die Wohnraummiete ist diese Begriffsbestimmung abschließend. Danach umfassen die Schönheitsreparaturen das Tapezieren, Anstreichen oder Kalken der Wände und Decken, das Streichen der Fußböden, Heizkörper

2953 2954 2955 2956 2957 2958 2959 2960 2961

OLG Rostock v. 10.9.2009 – 3 U 287/08, MDR 2010, 141; Fritz, Rz. 229b. OLG Frankfurt v. 19.12.1991 – 6 U 108/90, NJW-RR 1992, 396. KG v. 23.5.2002 – 20 U 233/01, NZM 2003, 395. BGH v. 26.9.2012 – XII ZR 112/10, MietRB 2013, 8 = MDR 2012, 1456 = WuM 2012, 662 = NZM 2013, 85 Rz. 17. BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 158/01, MDR 2006, 17 = MietRB 2005, 285 = ZMR 2005, 844 = NZM 2005, 863. Vgl. Gassemi-Tabar/Guhling/Weitemeyer/Boerner, § 535 BGB Rz. 120 m.w.N. Fallak, ZMR 2013, 161 (163): 25 % einer Monatsmiete pro Maßnahme und eine Monatsmiete als Jahresobergrenze. BGH v. 26.9.2012 – XII ZR 112/10, MietRB 2013, 8 = MDR 2012, 1456 = NZM 2013, 85. BGH v. 8.10.2008 – XII ZR 15/07, MDR 2009, 255 = MietRB 2009, 69 = WuM 2009, 225 = GE 2009, 111 = NZM 2009, 126.

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C. Gewerberaummiete | Rz. 1132 § 535

einschließlich der Heizrohre, Innentüren sowie der Fenster und Außentüren von innen2962. Die Art der aufgezählten Arbeiten zeigt, dass der Begriff einer „Reparatur“ im eigentlichen Sinne nicht gemeint ist. Unter einer Reparatur versteht man üblicherweise die Beseitigung eines Schadens. Dagegen versteht man unter den Schönheitsreparaturen vereinfacht ausgedrückt die Durchführung von Tapezier- und Anstreicharbeiten zur Verschönerung der Räume. In der Gewerberaummiete kann der Begriff auch formularmäßig erweitert werden. Denn wenn schon 1130 die Überwälzung der Instandsetzung zulässig ist, ist der Verwender nicht an den Begriff des § 28 Abs. 4 S. 3 II. BV gebunden. Maßgeblich ist aber auch hier, dass sich die Verpflichtung des Mieters auf das Innere der Mieträume beschränkt. Ob im gewerblichen Mietrecht auch die Erneuerung der Bodenbeläge begrifflich zu den Schönheits- 1131 reparaturen zählt, ist umstritten. Die eine Meinung2963 geht nach dem Motto „was Tapeten für die Wände seien, sei der Teppichboden für den Fußboden“, davon aus, dass der gewerbliche Mieter jedenfalls dann den bei Mietbeginn durch den Vermieter neu verlegten und bei Mietende verschlissenen Teppichboden ersetzen muss, wenn er vertraglich die Ausführung der Schönheitsreparaturen übernommen hat und nach einer Zusatzvereinbarung im Mietvertrag verpflichtet ist, den Zustand wie beim Einzug wiederherzustellen. Im Schrifttum und in der Instanzrechtsprechung wird demgegenüber überwiegend die – richtige – Auffassung vertreten, dass der Austausch der Bodenbeläge, insbesondere die Erneuerung des Teppichbodens, ohne besondere Vereinbarung nicht zu den Schönheitsreparaturen zählt2964. Letzteres ist bereits der Fall, wenn eine Vertragsklausel abweichend von der Legaldefinition des § 28 Abs. 4 S. 3 II.BV den Fußboden – auch in der Form des Streichens – nicht erwähnt und die weitere Regelung getroffen wurde, dass der Mieter verpflichtet ist, „die vorhandenen Fußbodenbeläge einschließlich Leisten bei Bedarf fachgerecht zu behandeln, insbesondere Parkett- und andere Holzfußböden abzuschleifen und zu versiegeln2965. b) Einzelne Klauseln Die vom VIII. Senat des BGH entwickelten Grundsätze zur Inhaltskontrolle von Formularklauseln über 1131a Schönheitsreparaturen (s. § 535 BGB Rz. 556 f.) gelten prinzipiell auch in der Geschäftsraummiete. Denn insbesondere die Anforderungen, die durch das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB gestellt werden, unterliegen in der Gewerberaummiete keiner anderen Beurteilung. Umso mehr ist auch hier zu prüfen, ob die Gewerbeeinheit zu Beginn des Mietvertrages unrenoviert bzw. renovierungsbedürftig waren und ggf. eine Kompensation stattgefunden hat2966. Aus diesem Grund ist auch eine Klausel unwirksam, wonach der Mieter, der unrenovierte Räume übernommen hat, die Rückgabe in bezugsfertigem bzw. renovierten Zustand schulden soll2967. Die Grundsätze über die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB für sog. starre Fristen (vgl. § 535 BGB 1132 Rz. 572) gelten uneingeschränkt auch in der Gewerberaummiete2968. Selbst wenn an die Maßstäbe zum Transparenzgebot nicht die gleichen Anforderungen gestellt werden wie in der Wohnraummiete, lässt

2962 KG v. 29.3.2004 – 8 U 286/03, MietRB 2004, 319 = KGR 2004, 425 = NZM 2005, 181; Wolf in Lindner-Figura u.a., Kap. 13 Rz. 180. 2963 OLG Düsseldorf v. 9.2.1989 – 10 U 96/88, WuM 1989, 508 = NJW-RR 1989, 663. 2964 OLG Düsseldorf v. 14.12.2006 – I-24 U 113/06, GuT 2007, 211; OLG Braunschweig v. 30.1.1997 – 1 U 35/ 96, OLGR 1997, 85; OLG Celle v. 20.11.1996 – 2 U 273/95, NZM 1998, 158 = OLGR 1997, 138; OLG Stuttgart v. 6.3.1995 – 5 U 204/94, NJW-RR 1995, 1101; OLG Hamm v. 22.3.1991 – 30 REMiet 3/90, MDR 1991, 629 = DWW 1991, 145 = WuM 1991, 248 = ZMR 1991, 219 für die Wohnraummiete; Fritz, Rz. 224; instruktiv Langenberg, Schönheitsreparaturen, A Rz. 13; Wolf in Lindner-Figura u.a., Kap. 13 Rz. 181. 2965 OLG Düsseldorf v. 8.5.2008 – I-10 U 8/08, MDR 2008, 1387 = MietRB 2008, 263 = OLGR 2008, 660 = ZMR 2008, 890. 2966 OLG Celle v. 13.7.2016 – 2 U 45/16, MietRB 2016, 282 = NZM 2016, 644; LG Lüneburg v. 4.8.2015 – 5 O 353/14, MietRB 2016, 8 = ZMR 2015, 929 = IMR 2015, 499; Zehelein, NZM 2017, 137. 2967 OLG Düsseldorf v. 30.7.2019 – 24 U 104/18, MietRB 2020, 8 (Wichert) = MietRB 2020, 9 (Wichert) = MietRB 2020, 10 (Wichert), IMR 2019, 458 (Pützmacher). 2968 OLG Düsseldorf v. 4.5.2006 – I-10 U 174/05, GuT 2006, 127; OLG Düsseldorf v. 18.1.2007 – I-10 U 102/06, NZM 2007, 215.

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§ 535 Rz. 1132 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags ein starrer Fristenplan keine Interpretationsmöglichkeit, dass gerade nicht nach Ablauf der Fristen renoviert werden soll. 1132a Auch Fachhandwerkerklauseln sind im formularmäßigen Mietvertrag über Gewerberäume wegen

Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam. Eine solche Klausel entsteht bereits, wenn die Formulierung den Passus „ausführen zu lassen“ enthält2969. 1133 Die Klausel, nach der das Mietobjekt in einem „frisch ausgemalten Zustand“ zurückzugeben ist, soll

nicht als Endrenovierungsklausel (vgl. § 535 BGB Rz. 601) anzusehen sein, weil die Schönheitsreparaturen nicht vollständig durchgeführt werden müssen2970. Dennoch ist die Klausel unwirksam und infiziert über den Summierungseffekt die übrigen Renovierungsklauseln. Denn soweit danach Schönheitsreparaturen geschuldet sind, kann eine unangemessene Benachteiligung vorliegen. Immerhin kann sich die Pflicht, einen frisch ausgemalten Zustand herbeizuführen, auch auf Teile der Mietsache beziehen, an denen die Renovierung noch nicht fällig ist. 1133a Sieht der Mietvertrag zur Nutzung der Räume als Werkstatt vor, dass der Mieter vor einer Rückgabe

der Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses verpflichtet ist, auf seine Kosten eine „sach- und fachgerechte Komplettrenovierung“ vorzunehmen, soll davon auch die Beseitigung von Verschmutzungen/Verunreinigungen und die Instandsetzung des Bodens durch Rissbeseitigung etc. erfasst sein2971. Eine solche Überbürdung der Erhaltungspflicht auf den Mieter soll bei Gewerberäumen auch durch AGB zulässig sein, weil sie sich auf den Mietgebrauch bzw. auf die Risikosphäre des Mieters bezieht2972. Daran ist nur richtig, dass der Begriff der Komplettrenovierung anders, also auch weiter als die bloße Renovierung verstanden werden kann. Im Hinblick auf die Verpflichtung, die erfassten Maßnahmen bis zur Rückgabe durchzuführen, besteht aber unzweifelhaft eine Endrenovierungspflicht. Damit erfasst die Klausel aber zumindest hinsichtlich der Leistungen nach § 28 Abs. 4 II. BVauch den Fall, dass der Mieter kurz vor Beendigung der Mietzeit renoviert hat und nun die vollständige Leistung noch einmal wiederholen muss. Damit liegt eine typische Endrenovierungsklausel vor, die nach § 307 BGB unwirksam ist2973.

1134 Der Summierungseffekt (vgl. § 535 BGB Rz. 608) gilt auch bei einem Formularmietvertrag über Ge-

werberaum2974. Deshalb ist die Kombination einer Endrenovierungsklausel mit der laufenden Renovierung unwirksam. 1135 Auch die Grundsätze für den Abgeltungsanspruch (vgl. § 535 BGB Rz. 627) gelten in der Gewerbe-

raummiete. Insoweit soll keine Umsatzsteuer anfallen, wenn im Gewerberaummietvertrag der Mieter zur Abgeltung der Renovierungspflicht einen Betrag (z.B. am Ende der Mietzeit) zahlt, obwohl der Vermieter hinsichtlich der Miete nach § 9 UStG optiert hat2975; durch die Aufspaltung in Geldzahlungs(Miete) und Leistungspflicht (Instandhaltung) werde die Instandsetzungsverpflichtung aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis herausgenommen und nehme nicht mehr an dem Leistungsaustauch i.S.v. § 1 UStG teil. Da die Schönheitsreparaturen nach dem richtigen Verständnis ein Teil der Gegenleistung des Mieters sind2976, ist diese Auffassung zweifelhaft. 1135a Oftmals finden sich Regelungen zu Zahlungsansprüchen des Vermieters, die an die Stelle von fälligen

Renovierungsleistungen des Mieters treten sollen (z.B. „ … besteht kein Bedarf für die Durchführung …“). Soweit der Fall erfasst ist, dass der Vermieter wegen Sinnlosigkeit der Renovierung einen unmittelbaren Zahlungsanspruch geltend machen kann (s. § 535 BGB Rz. 664), bestehen auch aus dem Gesichtspunkt von § 307 BGB grundsätzlich keine Bedenken. Immerhin handelt es sich um eine Klau-

2969 2970 2971 2972 2973 2974 2975 2976

OLG Düsseldorf v. 9.12.2010 – 10 U 66/10, NJW 2011, 1011; LG Köln v. 4.7.2014 – 10 S 88/13, n.v. OLG München v. 28.7.2005 – 19 U 5139/04, GuT 2005, 215. OLG Frankfurt v. 21.6.2012 – 2 U 46/12, ZMR 2013, 29 = Info M 2012, 326. Vgl. BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 158/01, MietRB 2005, 285 = MDR 2006, 17 = ZMR 2005, 844 = NZM 2005, 863; Palandt/Weidenkaff, § 535 BGB Rz. 42. BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 308/02, MDR 2005, 1041 = GuT 2005, 160 = NZM 2005, 504 = MietRB 2005, 203. BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 308/02, MDR 2005, 1041 = GuT 2005, 160 = NZM 2005, 504 = MietRB 2005, 203. FG Köln v. 13.1.2010 – 9 K 4447/08, DStRE 2010, 810 = EFG 2010, 828. BGH v. 1.7.1987 – VIII ARZ 9/86, MDR 1987, 927 = WuM 1987, 306.

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C. Gewerberaummiete | Rz. 1138 § 535

sel, die der BGH selbst im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ermittelt hat. Voraussetzung für die Wirksamkeit ist aber die Einhaltung des Transparenzgebotes. Demnach darf der Inhalt der Klausel keinen Zweifel daran lassen, dass der Anspruch nur besteht, wenn der Vermieter Umbauarbeiten oder ähnliche Maßnahmen durchführen will, die die Renovierung wieder zerstören, also überflüssig machen. Diesen Anforderungen wird die zitierte Bedarfsvorgabe nicht gerecht. c) Rechtsfolge unwirksamer Klauseln Grundsätzlich fällt auch in der Gewerberaummiete über § 306 BGB die Renovierungspflicht auf den 1135b Vermieter zurück, wenn die entsprechende Klausel unwirksam ist (vgl. § 535 BGB Rz. 666). Sieht der Mietvertrag aber zusätzlich eine (wirksame) Überbürdung der Instandsetzung und Instandhaltung im Inneren der Mietsache auf den Mieter vor, könnte überlegt werden, die Pflicht zur Ausführung von Schönheitsreparaturen auf diese Klausel zu stützen. Dies ist im Ergebnis aber zu verneinen. Durch die gesonderte Überbürdung der Schönheitsreparaturen haben die Parteien zum Ausdruck gebracht, dass die Instandsetzung und Instandhaltung diese Leistung nicht erfassen soll. Dann ist es aber mit § 306 BGB nicht zu vereinbaren, den Begriff der Instandsetzung und Instandhaltung auf die Renovierung zu erweitern.

VIII. Miete 1. Umsatzsteuer Auch die Umsatzsteuer stellt einen Mietzuschlag dar. Deshalb bedarf es einer besonderen Verein- 1136 barung im Mietvertrag, dass der Mieter zur Leistung der Umsatzsteuer verpflichtet ist. Allein die Tatsache, dass zwei Unternehmer (Kaufleute) einen Mietvertrag schließen, die beide umsatzsteuerpflichtig sind, reicht vorbehaltlich besonderer Umstände grundsätzlich nicht aus, um die Vereinbarung über die gesonderte Zahlung der Umsatzsteuer annehmen zu können2977. Die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken ist gemäß § 4 Nr. 12a UStG grundsätzlich um- 1137 satzsteuerfrei. Etwas anderes gilt für die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmen zur Fremdenbeherbergung bereithält, für die Vermietung von Kfz-Abstellplätzen, für die kurzfristige Vermietung von Campingplätzen und für die Vermietung und Verpachtung von Maschinen oder Betriebsvorrichtungen. Im Falle der Vermietung an einen anderen Unternehmer kann der Vermieter von gewerblich genutzten Grundstücken auf die Steuerbefreiung verzichten, sog. Option nach § 9 Abs. 1 UStG2978. Die Option kann durch einfache Umsatzsteuervoranmeldung gegenüber dem Finanzamt geltend gemacht werden2979. Bei gemischt genutzten Grundstücken muss die Option auf den gewerblich genutzten Teil beschränkt werden. Dies ist auch dann möglich, wenn das Grundstück sachenrechtlich eine Einheit bildet. Als Unternehmer gilt auch der private Vermieter. Voraussetzung für die Option zur Umsatzsteuer ist 1138 allerdings in der Regel, dass der Mieter vorsteuerabzugsberechtigt ist. Die Regelung gilt nach § 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG nicht für Gebäude, mit deren Errichtung vor dem 11.11.1993 begonnen worden ist und die vor dem 1.1.1998 fertiggestellt wurden2980. Deshalb kann in solchen Mietobjekten z.B. auch von Ärzten Umsatzsteuer auf die Miete verlangt werden. Neben den Heilberufen sind Nichtunternehmer in der Regel Versicherungs- und Finanzierungsvermittler, gesetzliche Krankenversicherungen, Behörden, Vereine, Wohlfahrtsverbände, Banken, Pfandleiher, Goldmünzen-Händler, Lotto-Annahmestellen, natürliche und juristische Personen, die Eigenbesitz verwalten, und Privatschulen (vgl. § 4 UStG)2981. Kritisch kann auch die Aufnahme eines Nichtunternehmers als Mitmieter in den Mietvertrag werden2982.

2977 2978 2979 2980

Palandt/Ellenberger, § 157 BGB Rz. 132 m.w.N. Zu Einzelheiten vgl. Herrlein, NZM 2013, 409. Seldeneck/Wichert/Fallak, Baustein 57 Rz. 8. Für Gebäude, die vor dem 1.1.1985 bezugsfertig geworden sind, gelten keine Einschränkungen, d.h. Umsatzsteuer kann ohne Weiteres auch mit einem Nichtunternehmer vereinbart werden. 2981 Seldeneck/Wichert/Fallak, Baustein 57 Rz. 6. 2982 Neuhaus, Rz. 836.

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§ 535 Rz. 1138 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags Dies kommt z.B. in Betracht, wenn der Geschäftsführer einer GmbH zur Sicherheit Mitmieter werden soll. 1139 Wird das Grundstück veräußert, ist der nach § 566 BGB eingetretene Erwerber frei, seinerseits die Op-

tion nach § 9 Abs. 1 UStG zu wählen2983. Dies gilt jedenfalls solange, wie der Mietvertrag den Vermieter nicht zur Ausübung der Umsatzsteuer-Option verpflichtet, was sich im Zweifel auch aus einer Auslegung ergeben kann. Hat der Erwerber nicht optiert, schuldet der Mieter die Umsatzsteuer nur, wenn sie im Mietvertrag unabhängig von einer gesetzlichen Entstehung vereinbart ist. Das ist nicht der Fall, wenn die „gültige“ oder „gesetzliche“ Umsatzsteuer geschuldet ist oder die Klausel eine Geltendmachung bzw. ein Verlangen des Vermieters voraussetzt2984. 1140 Eine Formularklausel, wonach der Mieter auf Verlangen des Vermieters (nachträglich) Umsatzsteuer

zahlen muss, wenn der Vermieter für die Umsatzsteuer optiert hat, ist wirksam. Dies gilt auch dann, wenn der Mieter seinerseits nicht umsatzsteuerpflichtig ist2985. Ob insoweit durch den Vermieter zur Steuerpflicht wirksam optiert wurde, richtet sich nach § 9 Abs. 2 UStG in der bei Vertragsschluss jeweils gültigen Fassung. In der aktuellen Fassung setzt die wirksame Option voraus, dass in den Räumen auch umsatzsteuerpflichtige Umsätze gefahren werden. 1141 Andererseits ist eine Vereinbarung, wonach der Mieter neben der Miete die jeweils gültige Umsatz-

steuer zahlen soll, unwirksam, wenn der Vermieter nicht wirksam nach § 9 Abs. 1 UStG zur Umsatzsteuer optiert hat2986. Denn es gibt keine „gültige Umsatzsteuer“ für nicht steuerpflichtige Vermietungsumsätze und es steht auch nicht zur Disposition der Parteien, nach dem Gesetz steuerfreie Umsätze durch Vereinbarung steuerpflichtig zu machen2987. Das Gleiche gilt, wenn in der Klausel auf die „gesetzliche“ Umsatzsteuer abgestellt wird2988. 1141a Sofern der Vertrag nicht ohnehin (wirksam vereinbarte) Konsequenzen vorsieht, ist zu prüfen, bevor

die Rechtsfolge der Unwirksamkeit, also Rückforderung zu viel entrichteter Beträge nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB und zukünftiger Entfall der Umsatzsteuer angenommen werden kann, ob eine im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu schließende Regelungslücke in Betracht kommt2989. Das ist der Fall, wenn die Parteien die Höhe der Miete unter Berücksichtigung einer als möglich angesehenen Option des Vermieters i.S.d. § 9 Abs. 2 UStG und der sich daraus für ihn ergebenden Steuervorteile ausgehandelt haben. Denn daraus folgt, dass kein bloß einseitiger Kalkulationsirrtum des Vermieters vorliegt, dessen Folgen dieser allein zu tragen hätte. 1142 Umgekehrt macht sich der Mieter schadensersatzpflichtig, wenn er trotz Umsatzsteueroption des Ver-

mieters und der Vereinbarung zur Zahlung der (gesetzlichen) Umsatzsteuer in den Mieträumen keine umsatzsteuerpflichtigen Umsätze erzielt, z.B. weil er von der Befreiung als Kleinunternehmer gemäß § 19 Abs. 2 UStG Gebrauch macht. Die Gegenansicht nimmt eine Pflichtverletzung nur an, wenn sie im Vertrag ausdrücklich bestimmt ist, weil das Risiko der wirksamen Option nach § 9 UStG beim Vermieter liege2990. Dies ist zwar für sich genommen richtig. Indessen beschränkt sich die Risikoverteilung auf die steuerrechtliche Betrachtung. Durch die Vereinbarung der gesetzlichen Umsatzsteuer und der anfänglichen Nutzung zu umsatzsteuerlich relevanten Leistungen durch den Mieter entstehen im Mietvertrag besondere Pflichten bereits aus dem Vertragszweck. Allerdings besteht ein Schadensersatzanspruch nur, wenn der Mieter schuldhaft handelt, was ohne besonderen Hinweis bei Vertragsschluss zweifelhaft sein kann2991. Ein Zwischenvermieter, welcher an einen nicht vorsteuerabzugsberechtigten Mieter weitervermietet, haftet für einen Steuerschaden wegen fehlender Vorsteuerabzugsmöglichkeit nur für den Zeitraum, für den in nicht berichtigungsfähiger Weise ein Vorsteuererstattungsanspruch 2983 2984 2985 2986 2987 2988 2989 2990 2991

OLG München v. 13.3.2012 – 32 U 4761/11, MDR 2012, 1026 = ZMR 2012, 621 = DWW 2012, 298. OLG München v. 13.3.2012 – 32 U 4761/11, MDR 2012, 1026 = ZMR 2012, 621 = DWW 2012, 298. BGH v. 25.7.2001 – XII ZR 137/99, NZM 2001, 952 = NJW-RR 2002, 2. BGH v. 28.7.2004 – XII ZR 292/02, MietRB 2004, 345 = MDR 2004, 1406 = ZMR 2004, 812 = NZM 2004, 785 = GE 2004, 1230; KG v. 24.5.2012 – 8 U 160/11, MDR 2012, 1277 = MietRB 2012, 319 = GE 2012, 1316. BGH v. 21.1.2009 – XII ZR 79/07, MietRB 2009, 125 = MDR 2009, 440 = ZMR 2009, 436 = NZM 2009, 237. KG v. 24.5.2012 – 8 U 160/11, MDR 2012, 1277 = MietRB 2012, 319 = ZMR 2012, 860. BGH v. 21.1.2009 – XII ZR 79/07, MietRB 2009, 125 = MDR 2009, 440 = ZMR 2009, 436 = NZM 2009, 237. Bieber/Ingendoh, § 4 Rz. 93. Vgl. dazu Hübner/Griesbach/Fuerst in Lindner-Figura u.a., Kap. 14 Rz. 35; Bieber/Ingendoh, § 4 Rz. 93.

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C. Gewerberaummiete | Rz. 1147 § 535

entfallen ist2992. Der Vermieter, der nachträglich auf die Option verzichtet, kann sich ebenfalls schadensersatzpflichtig machen2993. Denn wird der Mieter darüber nicht informiert und leistet er die Umsatzsteuer an den Vermieter weiter, wird spätestens bei der nächsten Betriebsprüfung aufgedeckt, dass eine Vorsteuerabzugsberechtigung nicht bestand, so dass die Vorsteuer, die aus der Mietzahlung gezogen wurde, an das Finanzamt zurückzuzahlen ist. Unter Umständen kann sich der auf Rückzahlung der „gesetzlichen“ Umsatzsteuer in Anspruch ge- 1143 nommene Vermieter mit einem Anspruch aus dem Gesichtspunkt der ergänzenden Vertragsauslegung oder des Wegfalls der Geschäftsgrundlage verteidigen2994. Dabei kommt es im Wesentlichen darauf an, ob die Parteien die Höhe der Miete unter Berücksichtigung der (später fehlgeschlagenen) Option des Vermieters zur Steuerpflicht und der damit verbundenen Steuervorteile2995 ausgehandelt haben oder ob lediglich ein einseitiger Kalkulationsirrtum des Vermieters vorliegt, dessen Folgen er alleine zu tragen hat2996. Die im Mietvertrag ausgewiesene Grundmiete und Umsatzsteuer reichen grundsätzlich als sog. Dauer- 1144 rechnung aus2997. Dazu müssen aber die in § 14 Abs. 4 UStG geforderten Angaben (z.B. Name und Anschrift von Vermieter und Mieter, USt-ID-Nr.) im Vertrag enthalten sein2998. Ansonsten kann der Mieter die Vorlage einer Rechnung verlangen und in Höhe der vereinbarten Umsatzsteuer ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen2999. Solange der Mietvertrag keine abweichende Vereinbarung enthält, ist die Vorlage einer Dauerrechnung nur als Nebenpflicht geschuldet, so dass sich das Zurückbehaltungsrecht an § 273 BGB orientiert3000. Ist die Grundmiete nach dem Mietvertrag der Umsatzsteuer unterworfen, fehlt aber eine entsprechen- 1145 de Vereinbarung für die Betriebskosten, ist regelmäßig im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung festzustellen, dass der Mieter auch auf die Nebenkosten Umsatzsteuer zu zahlen hat3001. In diesem Fall unterliegen alle Betriebskostenpositionen der Umsatzsteuer unabhängig davon, ob die jeweils in Rechnung gestellten Beträge mit Vorsteuern belastet sind oder ob solche Steuern nicht anfallen, wie z.B. bei der Grundsteuer3002. Nach Beendigung des Mietvertrages unterliegt die Nutzungsentschädigung der Umsatzsteuer, 1146 gleichgültig, ob sie auf § 546a Abs. 1 BGB3003 oder § 987 BGB3004 beruht. Entscheidend ist, dass ein Leistungsaustausch stattfindet, der mit der vertraglichen Leistungsbeziehung identisch ist. 2. Umsatzmiete Die Vereinbarung einer Umsatzmiete ist grundsätzlich zulässig3005, und zwar auch mit einer Anwalts- 1147 kanzlei trotz § 49b BRAO3006. Sie kann mit der Festlegung einer bestimmten Mindestmiete und/oder Höchstmiete verbunden sein, die dann in der Regel vorab zu bestimmten Zeitpunkten zu zahlen ist. Auf derartige partiarische Rechtsverhältnisse sind die Regeln des Gesellschaftsrechts nicht anzuwenden3007. 2992 OLG Rostock v. 10.7.2006 – 3 U 183/05, MietRB 2007, 64 = DWW 2007, 26. 2993 Herrlein, NZM 2015, 73 (74). 2994 BGH v. 28.7.2004 – XII ZR 292/02, MietRB 2004, 345 = MDR 2004, 1406 = ZMR 2004, 812 = NZM 2004, 785 = GE 2004, 1230. 2995 BGH v. 21.1.2009 – XII ZR 79/07, MietRB 2009, 125 = MDR 2009, 440 = ZMR 2009, 436 = NZM 2009, 237. 2996 KG v. 24.5.2012 – 8 U 160/11, MDR 2012, 1277 = MietRB 2012, 319 = GE 2012, 1316. 2997 OLG Düsseldorf v. 24.5.2005 – 24 U 194/04, MietRB 2005, 316 = MietRB 2005, 317 = NZM 2006, 262. 2998 LG Aachen v. 9.3.2016 – 8 O 355/15, MietRB 2016, 103. 2999 OLG Köln v. 17.7.2017 – 22 U 60/16, ZMR 2018, 215; OLG München v. 9.2.1996 – 21 U 4494/94, ZMR 1996, 487. 3000 OLG Rostock v. 14.11.2019 – 3 U 28/18, ZMR 2020, 302. 3001 OLG Düsseldorf v. 26.10.1995 – 10 U 207/94, ZMR 1996, 82; OLG Düsseldorf v. 25.1.2000 – 24 U 111/99, ZMR 2000, 603 (604); Schleswig- Holsteinisches OLG v. 17.11.2000 – 4 U 146/99, ZMR 2001, 619. 3002 LG Hamburg v. 23.1.1998 – 311 S 165/97, DWW 1998, 119 (120). 3003 BGH v. 11.5.1988 – VIII ZR 96/87, BGHZ 104, 285, 291 = MDR 1988, 855. 3004 BGH v. 22.10.1997 – XII ZR 142/95, MDR 1998, 94 = DWW 1998, 17 (19). 3005 BGH v. 4.4.1979 – VIII ZR 118/78, NJW 1979, 2351. 3006 BGH v. 13.11.2014 – IX ZR 267/13, MDR 2015, 174 = MietRB 2015, 44 = MietRB 2015, 45 = NZM 2015, 453. 3007 BGH v. 28.10.1987 – VIII ZR 383/86, MDR 1988, 309 = NJW-RR 1988, 417.

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§ 535 Rz. 1148 | Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags 1148 In einem solchen Fall bestimmt sich die Miethöhe nach den vom Mieter im Mietobjekt erzielten Um-

sätzen. Im Zweifel ist dabei an die Bruttoumsätze (einschl. USt) anzuknüpfen3008. Will der Vermieter auch den elektronischen Handel, der ggf. sogar aus der Mieteinheit heraus organisiert wird, erfassen, muss dies ausdrücklich geregelt sein3009. 1149 Auch bei Vereinbarung einer Umsatzmiete ist der Mieter ohne besondere Abrede nicht zur Aufnahme

und/oder Aufrechterhaltung seines Betriebes in den Mieträumen oder gar zu besonderen Umsatzanstrengungen verpflichtet3010. Nutzt allerdings der Mieter die Mieträume aus in seiner Person liegenden Gründen nicht, ist er zur Zahlung desjenigen Betrages verpflichtet, der bei Nutzung der Räume aufgrund des dann erzielten Umsatzes zu zahlen wäre, § 537 Abs. 1 BGB. 1150 Dem Vermieter steht bei Vereinbarung einer Umsatzmiete gegen den Mieter ein an § 259 BGB orien-

tierter Anspruch auf Auskunft über die im Mietobjekt erzielten Umsätze zu3011.

IX. Standortsicherung durch Dienstbarkeit 1151 Mietverträge über Gewerberäume werden oft so ausgestaltet, dass der Mieter ein langes Nutzungsrecht

realisieren kann. Dies dient regelmäßig der Standortsicherung, damit der Mieter seinen Betrieb aufbauen oder Nutzungs- und Ausbeutungsrechte verwirklichen kann3012. Im Hinblick auf die diversen Sonderkündigungsrechte, insbesondere im Insolvenzfall (§§ 109, 111 ZPO), des Erstehers in der Zwangsversteigerung (§ 57a ZVG) und bei Schriftformmängeln (§ 550 BGB), kann eine absolute Sicherung des Mieters durch einen Mietvertrag nicht herbeigeführt werden. 1152 Der Mietvertrag über Gewerberäume kann zwar nicht verdinglicht werden, um eine absolute Wirkung

gegenüber jedem Dritten zu erreichen. Indessen ist es zulässig, das Nutzungsrecht durch eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit i.S.d. §§ 1090 f. BGB abzusichern3013. Dazu muss neben dem Mietvertrag eine (separate) schuldrechtliche Nutzungsabrede getroffen werden, die Grundlage der Eintragung der Dienstbarkeit wird3014. Die schuldrechtliche Begründung dieses dinglichen Rechts erfordert keine notarielle Beurkundung des Mietvertrages, weil ein Fall des § 311b BGB nicht vorliegt. 1153 Ist die Dienstbarkeit eingetragen, bietet sie Schutz vor Sonderkündigungsrechten des Vermieters3015.

Dies gilt jedenfalls uneingeschränkt, wenn sie mit einem entsprechenden Rangvorbehalt ausgestattet ist, also z.B. eine erstrangige Wirkung entfalten kann. Dazu ist das Einverständnis insbesondere der bereits eingetragenen Grundpfandgläubiger erforderlich. In einem solchen Fall besteht umfassender Schutz vor dem Sonderkündigungsrecht eines Erstehers nach der Zwangsversteigerung, § 57a ZVG. Denn das Recht muss vom Ersteher übernommen werden, weil es vorrangig in das sog. geringste Gebot fällt, § 44 ZVG. Nachrangig eingetragene Dienstbarkeiten erlöschen dagegen, § 52 Abs. 1 ZVG. 1154 Die Dienstbarkeit verliert grundsätzlich erst ihre Wirkung, wenn sie im Grundbuch gelöscht wird. Ein

Anspruch auf Löschung entsteht regelmäßig mit der Beendigung des Mietvertrages. Allerdings kann die der Eintragung zugrundeliegende schuldrechtliche Abrede auch zusätzliche Erlöschensgründe vorsehen. Insoweit hindert die Kündigungssperre des § 112 InsO nicht das Erlöschen einer Dienstbarkeit, welche das aus einem Mietvertrag folgende Nutzungsrecht an dem belasteten Grundstück sichert und unter der auflösenden Bedingung steht, dass über das Vermögen des Berechtigten ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, wenn diese Bedingung vor dem Sicherungsfall eintritt3016.

3008 3009 3010 3011 3012 3013 3014 3015 3016

OLG Celle v. 25.5.1973 – 2 U 120/72, BB 1974, 157. Hubatsch, NZM 2015, 74. BGH v. 4.4.1979 – VIII ZR 118/78, NJW 1979, 2351. OLG Düsseldorf v. 8.2.1990 – 10 U 112/89, MDR 1990, 720 = NJW-RR 1990, 1098. Krüger, NZM 2012, 377 (378) m.w.N. Vgl. Oprée in Lindner-Figura u.a., Kap. 21 Rz. 32 m.w.N. Krüger, NZM 2012, 377 (378). Stapenhorst/Voß, NZM 2003, 873 (876). BGH v. 7.4.2011 – V ZB 11/10, MDR 2011, 781 = NZM 2012, 392 = GuT 2011, 159.

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A. Allgemeines | Rz. 2 Anhang zu § 535

Anhang zu § 535: § 5 WiStrG A. I. II. III. IV. B. I. II. III. IV.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sinn und Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermietung von Räumen zum Wohnen . . . . . Unangemessen hohes Entgelt . . . . . . . . . . . . . Deckung der laufenden Aufwendungen . . . . . Ausnutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 1 2 2a 3 4 4 8 10 12

V. Geringes Angebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Tathandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fordern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Versprechen lassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Annehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Einfluss von Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

14 15 16 18 19 20 24 26

§ 5 Mietpreisüberhöhung (1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder leichtfertig für die Vermietung von Räumen zum Wohnen oder damit verbundene Nebenleistungen unangemessen hohe Entgelte fordert, sich versprechen lässt oder annimmt. (2) Unangemessen hoch sind Entgelte, die infolge der Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen die üblichen Entgelte um mehr als 20 vom Hundert übersteigen, die in der Gemeinde oder in vergleichbaren Gemeinden für die Vermietung von Räumen vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage oder damit verbundene Nebenleistungen in den letzten vier Jahren vereinbart oder, von Erhöhungen der Betriebskosten abgesehen, geändert worden sind. Nicht unangemessen hoch sind Entgelte, die zur Deckung der laufenden Aufwendungen des Vermieters erforderlich sind, sofern sie unter Zugrundelegung der nach Satz 1 maßgeblichen Entgelte nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung des Vermieters stehen. (3) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt Die Norm legt für eine kaum praktisch relevante Fallkonstellation1 eine Mietobergrenze für Wohn- 1 raum fest, deren Überschreitung gemäß § 134 BGB zur (Teil-)Unwirksamkeit der Mietvereinbarung führen kann. Dazu regelt Abs. 1 zunächst den Verbotstatbestand, der es dem Vermieter untersagt, sich unangemessen hohe Entgelte versprechen zu lassen, sie zu fordern oder sie anzunehmen. Abs. 2 lockert die Anforderungen für einen Ausnahmefall, nämlich dass der Vermieter aus der Bewirtschaftung der Immobilie auf höhere Einnahmen angewiesen ist.

II. Anwendungsbereich Die Norm gehört grundsätzlich zum öffentlichen Recht (Ordnungswidrigkeitenrecht). Über § 134 2 BGB erhält sie jedoch Relevanz im Zivilrecht. Sie ist ausschließlich in der Wohnraummiete anwendbar und wird auch durch die §§ 556d ff. BGB nicht verdrängt2.

1 Fleindl, WuM 2013, 703 (716). 2 Fleindl, WuM 2015, 212 (228).

Lützenkirchen | 359

Anhang zu § 535 Rz. 2a | § 5 WiStrG

III. Sinn und Zweck der Vorschrift 2a Der Sinn und Zweck der Vorschrift besteht darin, Preisbildungen zu bekämpfen, die nicht vom Leis-

tungswettbewerb bestimmt sind3. Damit flankiert § 5 WiStrG § 558 Abs. 2 BGB, wonach die ortsübliche Miete durch die Kräfte am Wohnungsmarkt gebildet werden soll.

IV. Beweislast 3 Der Mieter hat den objektiven Tatbestand darzulegen und zu beweisen. Den Vermieter trifft die Be-

weislast für die Voraussetzungen von Abs. 2.

B. Wohnraummiete I. Vermietung von Räumen zum Wohnen 4 Zunächst ist eine Vermietung erforderlich, also eine entgeltliche Gebrauchsüberlassung aufgrund

schuldrechtlicher Abrede. Insoweit ist es unbedeutend, dass die Miete durch einen Träger der Sozialhilfe bezahlt wird4. 5 Die Vereinbarung muss sich auf Räume zum Wohnen beziehen. Dieser Begriff erfasst auch Räumlich-

keiten, welche zwar keinen Wohnraum im eigentlichen Sinn darstellen, aber tatsächlich als solcher vermietet und auch genutzt werden. Unerheblich ist, ob die Räumlichkeiten nach landläufigen Vorstellungen überhaupt zu Wohnzwecken geeignet sind und in Betracht kommen. 6 In Betracht kommen Keller, Gartenhaus, Garage, Bunker5, aber auch Räume auf Schiffen, solange sie

zum privaten Aufenthalt von Menschen vermietet wurden. Die Ausstattung der Räume6 und ihre Gesundheitsverträglichkeit ist ebenfalls nicht maßgeblich. Mindestvoraussetzung ist aber, dass die Räumlichkeit mehrseitig umschlossen ist und der Mieter die Räumlichkeiten selbst nutzt oder seinen Angehörigen zur Wohnnutzung überlassen hat7. Die Überlassung an sonstige Dritte, selbst bei altruistischen Motiven, genügt nicht8. 7 § 5 WiStrG wird auch bei der gewerblichen Zwischenvermietung angewendet, wenn die Räumlich-

keiten als Wohnräume weitervermietet werden sollen, auch wenn es sich insoweit i.S.d. Mietrechts um Gewerberaummietverhältnisse handelt9. Ist ein einheitliches Mietverhältnis gegeben, welches sich sowohl auf Gewerbeflächen als auch auf Wohnraum erstreckt (Mischmietverhältnis, vgl. Vor § 535 BGB Rz. 65 f.), kommt § 5 WiStrG nur dann zur Anwendung, wenn der Wohnzweck überwiegt10.

II. Unangemessen hohes Entgelt 8 Ob ein unangemessen hohes Entgelt verlangt wird, ist durch eine Betrachtung der ortsüblichen Ver-

gleichsmiete zu ermitteln. Es müssen alle Leistungen des Mieters addiert werden11, also z.B. auch Kau-

Hanseatisches OLG Hamburg v. 3.3.1999 – 4 REMiet U 131/98, BT-Drucks. II/2136, S. 3. OLG Frankfurt v. 16.10.2013 – 2 Ss-OWI 470/12, NZM 2014, 236. LG Köln v. 25.6.1986 – 114-15/85, WuM 1987, 202. Schmidt-Futterer, NJW 1972, 136; a.A. Beuermann, GE 1994, 787. OLG Düsseldorf v. 2.2.1995 – 10 U 39/94, ZMR 1995, 203. Vgl. BGH v. 13.2.1985 – VIII ZR 36/84, MDR 1986, 46 = WuM 1985, 288; OLG Karlsruhe v. 24.10.1983 – 3 REMiet 4/83, NJW 1984, 373; LG Lübeck v. 12.2.1993 – 6 S 244/92, ZMR 1993, 223. 9 OLG Frankfurt v. 10.11.1992 – 2 Ws (B) 579/92 OWiG, NJW 1993, 673; AG Frankfurt v. 5.6.1992 – 18 Js 454319/91, WuM 1993, 199; a.A. OLG Celle v. 14.2.1996 – 2 U 1/95, NJW RR 1996, 1097. 10 BGH v. 16.4.1986 – VIII ZR 60/85, MDR 1986, 842 = ZMR 1986, 278; OLG München v. 2.7.1993 – 21 U 6514/90, ZMR 1995, 295. 11 OLG Hamm v. 3.3.1983 – 4 REMiet 9/82, NJW 1983, 1622. 3 4 5 6 7 8

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B. Wohnraummiete | Rz. 13a Anhang zu § 535

tionen, Reinigungsarbeiten, verlorene Zuschüsse12. Das auf diese Weise ermittelte Entgelt ist der ortsüblichen Vergleichsmiete gegenüberzustellen, die sich nach den gleichen Kriterien des § 558 Abs. 2 BGB bewerten lässt. Eine Mietpreisüberhöhung liegt vor, wenn die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 20 % überstie- 9 gen wird. Einmalleistungen des Mieters müssen insoweit verteilt werden, wobei die „Richtlinien zur wirksameren Bekämpfung der Mietpreisüberhöhung“ eine Verteilung auf ein Jahr vorsehen.

III. Deckung der laufenden Aufwendungen Ausnahmsweise kann eine Überschreitung der 20 %-Grenze zulässig sein, wenn die Miete „zur De- 10 ckung der laufenden Aufwendungen des Vermieters erforderlich ist“. Hierdurch sollen unbillige Ergebnisse ausgeschlossen werden, wenn der Vermieter trotz Überschreitung der Wesentlichkeitsgrenze wegen hoher laufender Aufwendungen keinen Gewinn erwirtschaftet. Die Höhe der laufenden Aufwendungen ist entsprechend den in § 18 II. BV enthaltenen Grundsätzen 11 zur Ermittlung der Kostenmiete zu berechnen13. Die Überschreitung der Wesentlichkeitsgrenze ist solange unschädlich, wie kein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht. Dies wird angenommen, sobald die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 50 % übertroffen wird, was der Grenze der § 138 Abs. 2 BGB, § 291 StGB entspricht14. In diesen Fällen erstreckt sich die Nichtigkeit aber lediglich auf den Teil der überschießenden Miete, der 50 % überschreitet15.

IV. Ausnutzen Da es bei der Prüfung von gesetzlichen Verstößen nach § 134 BGB grundsätzlich nur auf den objekti- 12 ven Tatbestand einer Verbotsnorm ankommt, muss ein Kausalzusammenhang zwischen der Mangellage und der Vereinbarung der erhöhten Miete festgestellt werden16, was sich aus dem Wortlaut ergibt („… infolge des Ausnutzens …“). Die Voraussetzungen liegen bei einem bewussten Zunutzemachen der besonderen Situation des Mie- 13 ters vor17. Zum schlüssigen Vortrag gehört unabdingbar die Darlegung, wie und wie lange sich der Mieter einen Überblick über das vorhandene Wohnungsangebot verschafft hat, welche Art von Wohnung er in welchem Bereich gesucht hat, warum er aus der bisherigen Wohnung ausgezogen ist, welche Zeit er für die Wohnungssuche zur Verfügung hatte, welche konkreten Versuche er unternommen hat, welche Vorstellungen er über Lage und Ausstattung hatte, welche und wie viele Angebote ihm vorlagen und wie letztlich die Vertragsverhandlungen verlaufen sind18. Zusätzlich muss noch vorgetragen werden, warum der Mieter von anderen Vermietern abgelehnt wurde19. Bei einer öffentlich-rechtlichen Kostenübernahme, insbesondere durch einen Träger der Sozialhilfe, 13a ist dem Mieter die Höhe der verlangten Miete grundsätzlich gleichgültig. Deshalb kommt eine Ausnutzung nur in zwei Ausnahmetatbeständen in Betracht20: Zunächst kommt in Betracht, dass das Amt eine Höchstgrenze vorgegeben hat und der Mieter sich infolge des geringen Wohnraumangebots und des ihm gesetzten Kostenrahmens gezwungen sieht, auf eine nach Größe und Ausstattung minderwertige Wohnung auszuweichen. Zum Anderen kann z.B. das Sozialamt in eigener Verantwortung sich bereit

12 LG Hamburg v. 15.1.1985 – 16 S 178/83, WuM 1986, 346. 13 BGH v. 5.4.1995 – VIII ARZ 4/94, MDR 1995, 685 = WuM 1995, 428; OLG Stuttgart v. 8.11.1989 – 8 REMiet 3/88, WuM 1990, 11. 14 BGH v. 8.12.1981 – 1 StR 416/81, NJW 1982, 896. 15 Hanseatisches OLG Hamburg v. 5.8.1992 – 4 U 22/92, MDR 1992, 963 = WuM 1992, 527. 16 BGH v. 28.1.2004 – VIII ZR 190/03, MDR 2004, 803 = MietRB 2004, 199 = WuM 2004, 294. 17 Brandenburgisches OLG v. 15.11.2006 – 3 U 88/06, MietRB 2007, 62 = WuM 2007, 14. 18 LG Köln v. 19.9.2002 – 1 S 71/02, NZM 2003, 393; AG Köpenick v. 15.7.2014 – 7 C 127/14, GE 2014, 1141. 19 BGH v. 28.1.2004 – VIII ZR 190/03, MDR 2004, 803 = MietRB 2004, 199 = WuM 2004, 294. 20 OLG Frankfurt v. 16.10.2013 – 2 Ss-OWI 470/12, NZM 2014, 236.

Lützenkirchen | 361

Anhang zu § 535 Rz. 13a | § 5 WiStrG erklären, das überhöhte Entgelt zu zahlen, um eine andernfalls drohende Obdachlosigkeit zu verhindern.

V. Geringes Angebot 14 Bei der Prüfung des geringen Angebots ist nicht lediglich auf die Marktsituation eines Stadtteils ab-

zustellen, sondern auf diejenige im gesamten Stadtgebiet21. Der sozialstaatliche Schutz des Mieters gebietet es nicht, besonderen persönlichen Wünschen des Mieters Rechnung zu tragen, die nicht auf gewichtigen sachlichen Gründen beruhen. Dies gilt auch für die Wahl der Wohnungslage. Vergleichbarkeit der Lage bedeutet nicht Identität des Stadtteils. Sie kann ebenso in einer anderen Wohngegend gegeben sein, die nach ihrer Lage und Struktur dem Stadtteil ähnlich – also vergleichbar – ist, in welchem sich die gemietete Wohnung befindet.

VI. Tathandlung 15 Für die Handlungsvarianten (fordern, sich versprechen lassen oder annehmen) ist weder eine tatsäch-

liche Zahlung noch eine Vereinbarung erforderlich. 1. Fordern 16 Für ein Fordern genügt bereits das ernsthafte Verlangen, das (unangemessene) Entgelt zu erzielen.

Hiermit soll vermieden werden, dass unangemessene Forderungen überhaupt in Vertragsverhandlungen, wenn auch nur als Ausgangspunkt derselben, Einzug erhalten. 17 Auch ein Zeitungsinserat (invitatio ad offerendum) genügt für diese Art der Tatbegehung.

2. Versprechen lassen 18 Ein Versprechen lassen setzt voraus, dass der Vermieter auf ein Angebot des Mieters zur Zahlung ei-

nes unangemessenen Entgelts eingeht, wobei die Absichtserklärung genügt, dass Angebot in der Zukunft annehmen zu wollen. 3. Annehmen 19 Mit der Tatbestandsalternative der Annahme werden alle die Konstellationen aufgefangen, in denen we-

der eine vermieterseitige Forderung noch ein mieterseitiges Angebot erfolgte, sondern der Mieter direkt faktisch zahlt. Sinken die Mieten aber erst nach Vertragsabschluss, muss der Vermieter die Mieten grundsätzlich nicht reduzieren.

VII. Einfluss von Veränderungen 20 Eine einmal zulässige Miete bleibt zulässig22. 21 Nachträgliche Veränderungen auf dem Wohnungsmarkt haben keinen Einfluss auf die Anwendung

des § 5 WiStrG. Sinkt das Wohnungsangebot während des laufenden Mietverhältnisses, ist die Vorschrift selbst dann nicht anwendbar, wenn die Miete über der Wesentlichkeitsgrenze liegt, denn es fehlt an einem Ausnutzen.

21 BGH v. 13.4.2005 – VIII ZR 44/04, MietRB 2005, 226 = MDR 2005, 978. 22 KG v. 28.10.1991 – 2 Ss 59/91-5 Ws (B) 100/91, GE 1991, 1031; LG Berlin v. 8.3.1991 – 64 S 394/90, GE 1991, 49.

362 | Lützenkirchen

Vor § 536 Andererseits führt der nachträgliche Wegfall eines geringen Angebots auf dem Wohnungsmarkt nicht 22 dazu, dass eine einmal (teil-)unwirksame Miete wirksam wird und quasi wiederauflebt23. Ein solcher Zustand schwebender Unwirksamkeit ließe sich mit Sinn und Zweck der Vorschrift nicht vereinbaren. Die Ursächlichkeit entfällt auch nicht dadurch, dass der Mieter die Möglichkeit hat, den Mietvertrag insgesamt zu kündigen24. Bei einer Staffelmiete unterliegt die vereinbarte (Ausgangs-)Miete in jedem Fall den Grenzen des § 5 23 WiStrG. Die Teilnichtigkeit erfasst aber nicht die nachfolgenden Staffeln. Bei ihnen ist gesondert zu prüfen, ob die Voraussetzungen vorliegen25. Im Hinblick auf die notwendige Ausnutzung kommt eine isolierte Bewertung der einzelnen Staffeln nicht in Betracht, wenn die Ausgangsmiete nicht zu beanstanden war26.

VIII. Rechtsfolge Der Verstoß gegen § 5 WiStrG führt nur zur Teilunwirksamkeit der vereinbarten Miete. Der Mieter 24 bleibt auch weiterhin verpflichtet, die ortsübliche Miete zzgl. eines 20 %igen Aufschlags zu zahlen27. Der darüber hinausgehende Betrag kann gemäß § 812 Abs. 1 BGB zurückgefordert werden. Klagt der Mieter auf Rückzahlung überzahlter Miete, müssen auch zwischenzeitliche Veränderungen der ortsüblichen Vergleichsmiete berücksichtigt werden28. Nach Feststellung der Teilunwirksamkeit ist eine Veränderung der ortsüblichen Vergleichsmiete erst 25 wieder relevant, wenn die ortsübliche Vergleichsmiete die festgestellte Miete überschreitet. Das hat zur Folge, dass die Miete so lange unverändert bleibt, bis die ortsübliche Vergleichsmiete die vormals preisrechtlich zulässige Miete erreicht hat29.

C. Gewerberaummiete Ausweislich des eindeutigen Wortlauts findet § 5 WiStrG auch keine Anwendung auf Gewerberaum- 26 mietverhältnisse. Hierfür gelten die Grenzen des § 138 BGB und ggf. § 4 WiStrG (vgl. § 535 BGB Rz. 986).

Vor § 536 I. 1. 2. 3.

Gewährleistung bei der Miete . . . . . . . . . . . . . Der Erfüllungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Minderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistungsverweigerung (Zurückbehaltungsrecht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen des § 320 BGB . . . . . . . . . b) Zweck des Zurückbehaltungsrechts . . . . . . . c) Ausübung des Zurückbehaltungsrechts . . . . d) Wegfall des Zurückbehaltungsrechts . . . . . . e) Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts . . . f) Rechtsfolge des Zurückbehaltungsrechts . . .

1 2 5 7 7 8 10 14 16 19

4. 5. 6. 7. II. 1. 2.

Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ersatzvornahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufwendungsersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Außerordentliche fristlose Kündigung . . . . . . . . Abgrenzung zum allgemeinen Schuldrecht . . . Absolutes Fixgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Subjektive und objektive, anfängliche und nachträgliche Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unterscheidung zwischen Sach- und Rechtsmangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vorübergehendes Leistungshindernis . . . . . . . . .

21 22 23 24 25 29 31 33 36

23 Hanseatisches OLG Hamburg v. 3.3.1999 – 4 REMiet U 131/98, NZM 1999, 363; OLG Frankfurt v. 15.8.2000 – 20 REMiet 1/99, ZMR 2000, 755. 24 A.A. LG Frankfurt am Main v. 30.12.1997 – 2-11 S 271/97, WuM 1998, 168. 25 Hanseatisches OLG Hamburg v. 13.1.2000 – 4 U 112/99, ZMR 2000, 216. 26 A.A. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. III 32 m.w.N. 27 BGH v. 16.11.1993 – X ZR 7/92, MDR 1994, 1185 = NJW 1994, 943. 28 OLG Hamm v. 3.3.1983 – 4 REMiet 9/82, NJW 1983, 1622; OLG Frankfurt v. 4.4.1985 – 20 REMiet 3/85, MDR 1985, 586 = WuM 1985, 139; KG v. 20.4.1995 – 8 REMiet 242/95, NJW-RR 1995, 1037. 29 Hanseatisches OLG Hamburg v. 3.3.1999 – 4 REMiet U 131/98, NZM 1999, 363.

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Vor § 536 Andererseits führt der nachträgliche Wegfall eines geringen Angebots auf dem Wohnungsmarkt nicht 22 dazu, dass eine einmal (teil-)unwirksame Miete wirksam wird und quasi wiederauflebt23. Ein solcher Zustand schwebender Unwirksamkeit ließe sich mit Sinn und Zweck der Vorschrift nicht vereinbaren. Die Ursächlichkeit entfällt auch nicht dadurch, dass der Mieter die Möglichkeit hat, den Mietvertrag insgesamt zu kündigen24. Bei einer Staffelmiete unterliegt die vereinbarte (Ausgangs-)Miete in jedem Fall den Grenzen des § 5 23 WiStrG. Die Teilnichtigkeit erfasst aber nicht die nachfolgenden Staffeln. Bei ihnen ist gesondert zu prüfen, ob die Voraussetzungen vorliegen25. Im Hinblick auf die notwendige Ausnutzung kommt eine isolierte Bewertung der einzelnen Staffeln nicht in Betracht, wenn die Ausgangsmiete nicht zu beanstanden war26.

VIII. Rechtsfolge Der Verstoß gegen § 5 WiStrG führt nur zur Teilunwirksamkeit der vereinbarten Miete. Der Mieter 24 bleibt auch weiterhin verpflichtet, die ortsübliche Miete zzgl. eines 20 %igen Aufschlags zu zahlen27. Der darüber hinausgehende Betrag kann gemäß § 812 Abs. 1 BGB zurückgefordert werden. Klagt der Mieter auf Rückzahlung überzahlter Miete, müssen auch zwischenzeitliche Veränderungen der ortsüblichen Vergleichsmiete berücksichtigt werden28. Nach Feststellung der Teilunwirksamkeit ist eine Veränderung der ortsüblichen Vergleichsmiete erst 25 wieder relevant, wenn die ortsübliche Vergleichsmiete die festgestellte Miete überschreitet. Das hat zur Folge, dass die Miete so lange unverändert bleibt, bis die ortsübliche Vergleichsmiete die vormals preisrechtlich zulässige Miete erreicht hat29.

C. Gewerberaummiete Ausweislich des eindeutigen Wortlauts findet § 5 WiStrG auch keine Anwendung auf Gewerberaum- 26 mietverhältnisse. Hierfür gelten die Grenzen des § 138 BGB und ggf. § 4 WiStrG (vgl. § 535 BGB Rz. 986).

Vor § 536 I. 1. 2. 3.

Gewährleistung bei der Miete . . . . . . . . . . . . . Der Erfüllungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Minderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistungsverweigerung (Zurückbehaltungsrecht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen des § 320 BGB . . . . . . . . . b) Zweck des Zurückbehaltungsrechts . . . . . . . c) Ausübung des Zurückbehaltungsrechts . . . . d) Wegfall des Zurückbehaltungsrechts . . . . . . e) Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts . . . f) Rechtsfolge des Zurückbehaltungsrechts . . .

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4. 5. 6. 7. II. 1. 2.

Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ersatzvornahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufwendungsersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Außerordentliche fristlose Kündigung . . . . . . . . Abgrenzung zum allgemeinen Schuldrecht . . . Absolutes Fixgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Subjektive und objektive, anfängliche und nachträgliche Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unterscheidung zwischen Sach- und Rechtsmangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vorübergehendes Leistungshindernis . . . . . . . . .

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23 Hanseatisches OLG Hamburg v. 3.3.1999 – 4 REMiet U 131/98, NZM 1999, 363; OLG Frankfurt v. 15.8.2000 – 20 REMiet 1/99, ZMR 2000, 755. 24 A.A. LG Frankfurt am Main v. 30.12.1997 – 2-11 S 271/97, WuM 1998, 168. 25 Hanseatisches OLG Hamburg v. 13.1.2000 – 4 U 112/99, ZMR 2000, 216. 26 A.A. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. III 32 m.w.N. 27 BGH v. 16.11.1993 – X ZR 7/92, MDR 1994, 1185 = NJW 1994, 943. 28 OLG Hamm v. 3.3.1983 – 4 REMiet 9/82, NJW 1983, 1622; OLG Frankfurt v. 4.4.1985 – 20 REMiet 3/85, MDR 1985, 586 = WuM 1985, 139; KG v. 20.4.1995 – 8 REMiet 242/95, NJW-RR 1995, 1037. 29 Hanseatisches OLG Hamburg v. 3.3.1999 – 4 REMiet U 131/98, NZM 1999, 363.

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Vor § 536 Rz. 1 | I. Gewährleistung bei der Miete 5. Verzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Positive Vertragsverletzung, § 280 Abs. 1 BGB . 7. Verschulden bei Vertragsschluss . . . . . . . . . . . .

38 40 42

8. Wegfall der Geschäftsgrundlage . . . . . . . . . . . . . 43 9. Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

I. Gewährleistung bei der Miete 1 Überlässt der Vermieter dem Mieter die Mietsache, weist diese bei Überlassung aber Mängel auf oder

wird die Sache im Verlauf der Mietzeit mangelhaft, hat der Mieter grundsätzlich folgende Rechte:

1. Der Erfüllungsanspruch 2 Gemäß § 535 Abs. 1 S. 2 BGB ist der Vermieter verpflichtet, dem Mieter die Mietsache in einem zum

vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu übergeben und sie in diesem Zustand zu erhalten. Damit obliegt es dem Vermieter also im Rahmen einer Hauptpflicht zu jeder Zeit der Gebrauchsüberlassung, für eine mangelfreie Mietsache zu sorgen (vgl. § 535 BGB Rz. 444). Dem Mieter bietet § 535 Abs. 1 S. 2 BGB eine Anspruchsgrundlage. Er kann vom Vermieter Erfüllung dieser Pflicht, nämlich Beseitigung der Mängel verlangen. 3 Der Vermieter kann sich seiner Pflicht aus § 535 Abs. 1 BGB nicht dadurch entziehen, dass er dem Mie-

ter eine andere als die überlassene Sache liefert, solange dies nicht ausdrücklich (abweichend) vereinbart ist oder der Mieter dem ausdrücklich zustimmt1. Denn durch den Mietvertrag und die Überlassung konkretisiert sich der Mietvertrag auf die nunmehr bestimmte Sache. 4 Der Erfüllungsanspruch aus § 535 Abs. 1 BGB besteht neben den Gewährleistungsrechten nach

§§ 536 ff. BGB2. Sein Schicksal vollzieht sich aber davon unabhängig. Er bleibt beim Ausschluss der Gewährleistung nach § 536b BGB3, bei Verwirkung der Gewährleistungsrechte oder einem wirksamen Gewährleistungsausschluss bestehen. Im Einzelfall kann zwar auch ein Verzicht auf Mängelbeseitigung vorliegen. Dann muss aber zum Ausdruck kommen, dass der Mieter, den Zustand als vertragsgemäß anerkennt4. Dies kommt in der Formularklausel, „Der Mieter hat das Objekt besichtigt und übernimmt es im derzeit vorhandenen Zustand“ nicht zum Ausdruck5. Vielmehr bezieht sie sich allein auf die räumlichen Gegebenheiten.

2. Minderung 5 Wird durch den Mangel die Tauglichkeit der Mietsache aufgehoben oder nicht unerheblich gemindert,

tritt gemäß § 536 BGB Befreiung von der Pflicht zur Zahlung der Miete oder deren Minderung ein, ohne dass der Mieter dies geltend machen muss6. Demnach ist die Mietschuld automatisch reduziert. Der Umfang der Minderung richtet sich nach dem Grad der Gebrauchsbeeinträchtigung und reduziert die Miete bis höchstens auf null. 6 Da die Minderung also unabhängig vom Willen der Parteien eintritt, erfolgen Zahlungen der un-

geschmälerten Miete trotz Bestehens eines erheblichen Mangels jedenfalls in Höhe der Minderung ohne Rechtsgrund. Zu viel gezahlte Miete kann der Mieter deshalb nach § 812 BGB zurückverlangen, soweit die §§ 536b, 536c, 814 BGB nicht entgegenstehen.

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BGH v. 2.12.1981 – VIII ZR 273/80, MDR 1982, 483 = NJW 1982, 873. BGH v. 3.4.2003 – IX ZR 163/02, MietRB 2003, 29 = MDR 2003, 1015 = NZM 2003, 472. BGH v. 18.4.2007 – XII ZR 139/05, MietRB 2007, 195 = MDR 2007, 1065 = ZMR 2007, 605. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 298. BGH v. 18.4.2007 – XII ZR 139/05, MietRB 2007, 195 = MDR 2007, 1065 = ZMR 2007, 605 = NZM 2007, 484. BGH v. 29.10.1986 – VIII ZR 144/85, MDR 1987, 312 = NJW 1987, 432; BGH v. 27.2.1991 – XII ZR 47/90, NJW-RR 1991, 779.

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I. Gewährleistung bei der Miete | Rz. 11 Vor § 536

3. Leistungsverweigerung (Zurückbehaltungsrecht) a) Voraussetzungen des § 320 BGB Bis zur Erfüllung der Mängelbeseitigungspflicht kann der Mieter die Einrede des nicht erfüllten Ver- 7 trags (§ 320 BGB) erheben und den Vermieter durch Einbehalt eines angemessenen Teils der Miete zur Vertragserfüllung anhalten7. Zwar ist die Miete nach § 556b Abs. 1 BGB im Voraus für den vereinbarten Zeitabschnitt zu zahlen und steht demjenigen, der vorleistungspflichtig ist (§ 535 BGB Rz. 330), gemäß § 320 Abs. 1 S. 1 HS. 2 BGB die Einrede nicht zu. Bei teleologischer Betrachtung ist in § 556b Abs. 2 BGB jedoch nicht die Begründung einer Vorleistungspflicht des Mieters im Sinne des § 320 Abs. 1 S. 1, sondern nur eine Festlegung des Zahlungszeitpunktes zu sehen8. b) Zweck des Zurückbehaltungsrechts Das Zurückbehaltungsrecht des § 320 BGB dient dazu, auf den Schuldner Druck zur Erfüllung der ei- 8 genen, im Gegenseitigkeitsverhältnis zur geltend gemachten Forderung stehenden Verbindlichkeit auszuüben. Solange dem Vermieter ein Mangel nicht bekannt ist, kann ein Zurückbehaltungsrecht jedoch die ihm zukommende Funktion, auf den Schuldner Druck auszuüben, nicht erfüllen9. Das Gleiche gilt, wenn der Vermieter den Mangel nicht beseitigen kann. Das kommt in Betracht, wenn der Mangel von außen einwirkt (z.B. Baulärm vom Nachbargrundstück) und nicht im Einflussbereich des Vermieters liegt oder die Beeinträchtigungen des Mieters unvermeidbar sind10. Letzteres ist stets anzunehmen, wenn Instandsetzungen durchzuführen sind. Denn notwendige Reparaturen sind in der Regel mit Lärmimmissionen verbunden. Das Gleiche gilt für die Beeinträchtigung des Lichteinfalls bei Aufstellen eines Gerüstes. Aus diesem Grund kommt ein Zurückbehaltungsrecht des Mieters für einen Zeitraum, in dem er dem 9 Vermieter den Mangel nicht angezeigt hatte und der Mangel dem Vermieter auch sonst nicht bekannt war, nach Treu und Glauben grundsätzlich nicht in Betracht11. Die Zubilligung eines Zurückbehaltungsrechts auch für diesen Zeitraum würde dazu führen, dass eine Vertragsverletzung des Mieters – nämlich die unterlassene Anzeige des Mangels gemäß § 536c Abs. 1 BGB – eine Kündigung des Vermieters wegen ausbleibender Mietzahlungen verhindern oder zumindest hinauszögern könnte. Denn einerseits wäre der Vermieter wegen fehlender Kenntnis von dem Mangel an der alsbaldigen Wiederherstellung eines vertragsgemäßen Zustandes gehindert. Andererseits könnte ein zur Kündigung des Mietverhältnisses berechtigender Zahlungsverzug erst eintreten, wenn es nach „Ausschöpfung“ des Zurückbehaltungsrechts zu weiteren Zahlungsrückständen käme (vgl. aber Vor § 536 BGB Rz. 13b). c) Ausübung des Zurückbehaltungsrechts Die Ausübung der Leistungsverweigerung bedarf keiner besonderen Form. Inhaltlich muss eine Erklä- 10 rung vorliegen, der zu entnehmen ist, dass der Mieter bis zur Leistung des Vermieters die Miete zurückbehält, also nach Erfüllung der Forderung des Mieters die ohnehin bestehende Leistungsbereitschaft umgesetzt wird. Das Leistungsverweigerungsrecht kann auch stillschweigend geltend gemacht werden. Voraussetzung 11 ist aber ein eindeutiges Verhalten, das darauf abzielt, den Vermieter unter Druck zu setzen, um eine

7 BGH v. 26.3.2003 – XII ZR 167/01, MietRB 2003, 35 = MDR 2003, 416 = ZMR 2003, 416; weitere Einzelheiten hierzu Schenkel, NZM 1998, 502. 8 Sternel, WuM 2002, 239 (247 ff.); Eisenschmid, WuM 2001, 218; Blank, NZM 2001, 168; a.A. Lammel, § 536 BGB Rz. 5. 9 BGH v. 3.11.2010 – VIII ZR 330/09, MDR 2011, 92 = MietRB 2011, 37 = WuM 2011, 12 = NZM 2011, 197 = ZMR 2011, 275 m. Anm. Schläger. 10 KG v. 18.10.2012 – 8 U 38/12, MDR 2013, 583 = MietRB 2013, 137 = ZMR 2013, 529; in diesen Fällen kann der Mieter nur mindern. 11 BGH v. 3.11.2010 – VIII ZR 330/09, MietRB 2011, 37 = MDR 2011, 92 = ZMR 2011, 275; LG Berlin v. 6.3.1998 – 65 S 386/97, NZM 1998, 474; Sternel, Mietrecht aktuell, III Rz. 127; Schenkel, NZM 1998, 502 (504); a.A. LG Flensburg v. 20.2.2018 – 1 S 88/17, MietRB 2018, 227 = NZM 2018, 901.

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Vor § 536 Rz. 11 | I. Gewährleistung bei der Miete Durchsetzung der Erfüllungsansprüche aus § 535 Abs. 1 BGB zu erreichen12. Ein solches Verhalten kann in der bloßen Nichtzahlung der Miete gesehen werden, wenn der Mieter zuvor z.B. eine Mängelbeseitigung verlangt hat. Hat er sich aber außergerichtlich allein auf Minderung wegen eines Mangels der Mietsache berufen, scheidet eine nachträgliche Rechtfertigung der Nichtzahlung mit der Einrede des § 320 BGB aus. Denn dann ist durch das Berufen auf die Minderung deutlich, dass der Mieter den Einbehalt nicht an den Vermieter auszahlen will, wie es für das Leistungsverweigerungsrecht wesensprägend ist13. 12 Nach Auffassung des OLG Frankfurt14 soll das Zurückbehaltungsrecht nicht über den Zeitabschnitt

hinaus geltend gemacht werden können, für den die Miete vereinbart war (z.B. Monat). Denn dem Zweck des Zurückbehaltungsrechts, Druck auf den Vermieter auszuüben, soll die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts nur so lange gerecht werden können, wie es eine Verwirklichung des vertraglichen Erfüllungsanspruches tatsächlich fördern kann. Sobald dies durch Zeitablauf unmöglich geworden ist, soll ein im Ansatz begründetes Zurückbehaltungsrecht nicht mehr durchgreifen, weil anderenfalls sich sein Charakter von dem einer aufschiebenden hin zu einer faktisch rechtsvernichtenden Einrede wandeln würde. Diese Auffassung ist abzulehnen15. Denn der Erfüllungsanspruch soll bei Gebrauchsstörungen unabhängig von den Gewährleistungsvorschriften fortbestehen16, was der BGH ausdrücklich hervorhebt17. Wenn der Erfüllungsanspruch jedoch unabhängig von den Gewährleistungsansprüchen besteht, können Gewährleistungsrechte die allgemeinen Vorschriften nicht verdrängen. Damit wird zugleich deutlich, dass auch die zeitliche Beschränkung auf den Abschnitt, für den die Miete vereinbart ist, unbedeutend ist. Denn der Erfüllungsanspruch hat ebenso dauerhaften Charakter wie der Überlassungsanspruch und die dazu im Synallagma stehende Pflicht zur Mietzahlung. 13 Das Leistungsverweigerungsrecht kann grundsätzlich nur für künftige Nutzungszeiträume geltend ge-

macht werden18 (wegen der Besonderheiten bei der Kündigung wegen Zahlungsverzuges siehe § 543 BGB Rz. 250). Der berechtigte Umfang der Ausübung wird nicht einheitlich bewertet. Ausgangspunkt der Bewertung, also Bemessungsgrundlage, ist nach einem Teil der Rechtsprechung die geminderte Miete19. Einerseits soll es mit dem zweifachen20, aber auch dem drei- bis fünffachen Minderungsbetrag21, andererseits mit einem Vielfachen des Mängelbeseitigungsaufwandes22 angesetzt werden können, wobei auch hier die Multiplikatoren zwischen dem Einfachen23, Doppelten24 bzw. Drei-25 bis Fünffachen26 schwanken. Auch wenn die zuerst genannte Meinung auf einen konkreten Bezug zwischen der Miete und dem Mangel aufbaut27, muss im konkreten Einzelfall untersucht werden, ob die Ausübung angemessen ist28, also der einbehaltene Betrag (in der Summe) in einer angemessenen Relation zu der Bedeutung des Mangels steht29. Dazu ist zu berücksichtigen, dass die Einrede des § 320 BGB als Druckmittel gedacht ist und auch einen Bezug zur Mängelbeseitigung aufweist. Im Übrigen ist vor dem Hintergrund des § 320 Abs. 2 BGB das Äquivalenzverhältnis des Mietvertrages zu berücksichtigen. 12 BGH v. 7.6.2006 – VIII ZR 209/05, MDR 2007, 146 = NJW 2006, 2839 (2842); BGH v. 7.10.1998 – VIII ZR 100/97, NJW 1999, 53. 13 BGH v. 12.3.2008 – XII ZR 147/05, MDR 2008, 909 = MietRB 2008, 232 = ZMR 2008, 693. 14 OLG Frankfurt v. 23.4.1999 – 24 U 110/97, ZMR 1999, 628. 15 Vgl. u.a. BGH v. 7.5.1982 – V ZR 90/81, MDR 1982, 836 = NJW 1982, 2242; Nies, NZM 2000, 1133 (1134). 16 Gellwitzki, WuM 1999, 10 (11). 17 BGH v. 18.4.2007 – XII ZR 139/05, MietRB 2007, 195 = MDR 2007, 1065 = ZMR 2007, 605 = NZM 2007, 484. 18 LG Berlin v. 6.10.2015 – 63 S 51/15, GE 2015, 1532. 19 BGH v. 7.5.1982 – V ZR 90/81, MDR 1982, 836 = NJW 1982, 2242. 20 AG Gießen v. 5.11.2015 – 48 C 48/15, WuM 2016, 26. 21 LG Berlin v. 30.4.2013 – 67 S 307/12, GE 2013, 810 = NZM 2013, 727; LG Berlin v. 15.3.2002 – 63 S 54/00, MM 2002, 225; LG Hamburg v. 30.3.1989 – 7 S 330/88, WuM 1989, 566. 22 LG Bonn v. 3.12.1990 – 6 S 76/90, WuM 1991, 262. 23 Fritz, Rz. 279. 24 Palandt/Grüneberg, § 320 BGB Rz. 11; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 426. 25 Bamberger/Roth/Schmidt, § 320 BGB Rz. 8. 26 OLG Naumburg v. 3.8.1999 – 11 U 25/99, NZM 2001, 100 (102); LG Saarbrücken v. 26.3.1999 – 13 BS 223/98, NZM 1999, 757. 27 Sternel, WuM 2002, 244 (248). 28 Ebenso: Conrad, MDR 2013, 1381 (1383). 29 BGH v. 10.4.2018 – VIII ZR 12/18, MietRB 2019, 197 = MDR 2019, 729 = WuM 2019, 309 = ZMR 2019, 572.

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I. Gewährleistung bei der Miete | Rz. 13b Vor § 536

Demnach schuldet der Mieter zumindest einen Teil der Gegenleistung „Miete“. Immerhin ist der Vermieter schon durch die Minderung nach § 536 BGB, der neben dem Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht werden kann und durch den die Äquivalenzstörung als solche sanktioniert wird30, einem gewissen Druck ausgesetzt, den er auch nicht mehr rückgängig machen kann. Unter Beachtung der Bedeutung des Mangels, des Umfangs und ggf. der Schwierigkeit der Mängelbeseitigung sind bei Würdigung aller Umstände und dem Verhalten der Parteien die angemessene Höhe und der entsprechende Umfang im Einzelfall zu bestimmen31. Dabei können insbesondere die Mängelbeseitigungskosten eine Orientierung für die Angemessenheit des Umfangs des Einbehalts sein, aber auch für die Begrenzung des maximal einzubehaltenden Betrages32. Der BGH33 hat für die nicht erfüllte, vertraglich übernommene Verpflichtung zur Errichtung einer Brandmauer jedenfalls das Dreifache des Mängelbeseitigungsaufwandes für angemessen erachtet. Generell wird aber eher die Minderung Ausgangspunkt der Berechnung sein. Immerhin hat der Gesetzgeber in § 41 Abs. 5 ZPO das Interesse des Mieters an einer Mängelbeseitigung auch an der Minderungsquote orientiert. Da also keine Faustformel für die Höhe des Zurückbehaltungsrechts besteht, vielmehr die Umstände 13a des Einzelfalls unter Berücksichtigung von Treu und Glauben entscheidend sind34, hier einige Beispiele: – nächtliche Ruhestörungen ausgehend von einer Gaststätte im Mietobjekt verbunden mit zusätzlichem Lärm von einparkenden und abfahrenden Fahrzeugen von dem Hof, der durch ein seit geraumer Zeit nicht mehr verschlossenes Stahltor erreicht wird = 3 % der Miete35 – Schimmelschäden in zwei Wohnräumen, Küche, Bad und Gäste-WC bei einer Minderung von 10 % = dreifacher Minderungsbetrag für drei Monate; – Schimmel im 14 m² großen Keller = dreifacher Minderungsbetrag36; – Schimmel in Küche und Bad = Mängelbeseitigungskosten + Druckzuschlag von 30 %37; – Setzrisse an der Außenwandecke, Spannungsriss im Fenster eines kleinen Zimmers, Fehlstellen in der Lasur des Dielenbodens, gebrochenes Scharnier im Wandschrank im Bad und uneinheitliche Verfliesung im Bad bei einer Minderungsquote von 15 % = vier Monatsmieten38. Im Rahmen der Abwägung nach § 320 Abs. 2 BGB kann ebenfalls der Rechtsgedanke des § 536b BGB herangezogen werden39. Grundsätzlich kann das Zurückbehaltungsrecht selbst dann nicht für zurückliegende Zeiträume gel- 13b tend gemacht werden, wenn ein entsprechender Vorbehalt erklärt wurde. Dem steht § 813 BGB entgegen. Im Übrigen kann der mit der Leistungsverweigerung verfolgte Zweck, dem Mängelbeseitigungsanspruch Nachdruck zu verleihen, nicht erreicht werden40. Ausnahmsweise soll eine Rückwirkung eintreten können, wenn der Mangel im laufenden Monat aufgetreten ist, nachdem der Miete die Miete gezahlt hat und eine Mängelanzeige nach § 536c BGB unterblieben ist41. Insoweit ist es zwar richtig, dass seine Rechtsfolgen in § 536c BGB erschöpfend geregelt sind und die Kündigung wegen Zahlungsverzugs schon ausgeschlossen ist, wenn die Einrede objektiv besteht42. Indessen können Vorschriften nur zweckentsprechend angewendet werden und beschränkt sich der Schaden, der aus einer unterlasse-

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BGH v. 10.4.2018 – VIII ZR 12/18, MDR 2019, 729 = MietRB 2019, 197 = WuM 2019, 309. BGH v. 17.6.2015 – VIII ZR 19/14, MietRB 2015, 291 = MietRB 2015, 294 = MDR 2015, 876 = GE 2015, 1089. BGH v. 27.10.2015 – VIII ZR 288/14, WuM 2016, 98 = GE 2016, 191. BGH v. 26.3.2003 – XII ZR 167/01, MDR 2003, 801 = NZM 2003, 437 = GuT 2003, 144 = WuM 2003, 439 = MietRB 2003, 35. BGH v. 10.4.2018 – VIII ZR 12/18, MDR 2019, 729 = MietRB 2019, 197 = WuM 2019, 309. LG Berlin v. 18.12.2015 – 65 S 238/15, GE 2016, 785. AG Bremen v. 26.10.2017 – 9 C 476/15, MietRB 2018, 6. LG Flensburg v. 20.2.2018 – 1 S 88/17, MietRB 2018, 227 = NZM 2018, 901. LG Hamburg v. 2.12.2016 – 311 S 53/16, ZMR 2017, 736. BGH v. 18.6.1997 – XII ZR 63/95, MDR 1997, 1112 = NJW 1997, 2674. BGH v. 3.11.2010 – VIII ZR 330/09, MietRB 2011, 37 = MDR 2011, 92 = ZMR 2011, 275. LG Osnabrück v. 11.7.2018 – 1 S 317/17, ZMR 2019, 31; Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 99b. BGH v. 7.5.1982 – V ZR 90/81, MDR 1982, 836 = NJW 1982, 2242.

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Vor § 536 Rz. 13b | I. Gewährleistung bei der Miete nen Mängelanzeige entstehen kann, nicht allein in den Prozesskosten einer für erledigt erklärten Räumungs- und/oder Zahlungsklage. Solange der Vermieter den Mangel nicht kennt, kann er ihn nicht beseitigen. Daher ist es nicht gerechtfertigt, ihn nachträglich „unter Druck“ zu setzen. d) Wegfall des Zurückbehaltungsrechts 14 Das Zurückbehaltungsrecht entfällt, wenn der Zweck seiner Ausübung verfehlt wird oder nicht mehr

erreicht werden kann43. Deshalb endet das Zurückbehaltungsrecht z.B. – mit der Beseitigung des Mangels, – unabhängig von einer Mängelbeseitigung – bei Beendigung des Mietverhältnisses44, – wenn der Mieter dem Vermieter bzw. den von ihm mit der Prüfung und Beseitigung der Mängel beauftragten Personen den Zutritt zur Wohnung oder sonst die Duldung der Mängelbeseitigung verweigert45, selbst wenn dies während des Prozesses vor einer Beweiserhebung erfolgt46, oder – aufgrund des Verhaltens des Vermieters ersichtlich ist, dass eine (weitere) Zurückbehaltung der Miete nicht den angestrebten Erfolg (Mängelbeseitigung) herbeiführen wird47 – der Mieter unberechtigt kündigt und auszieht48, – der Mieter aus sonstigen Gründen das Interesse an der Vertragsdurchführung verloren hat49. 14a Im zuletzt genannten Fall muss der Mieter spätestens nach drei Monaten (im Einzelfall) prüfen, ob

noch Aussicht besteht, dass der Vermieter den Mangel beseitigt. Denn mit dem Zweck des Zurückbehaltungsrechts als eines nur vorübergehenden Leistungsverweigerungsrechtes wäre es nicht vereinbar, wenn sich der Mieter quasi auf Dauer mit einem (neben der Minderung) einbehaltenen Betrag als Kompensation für den Mangel „einrichten“ würde, ohne dass dessen Beseitigung angestrebt wird und hierfür Maßnahmen ergriffen werden. Bei der Prüfung ist in erster Linie das Verhalten des Vermieters maßgeblich. Hat er bereits mitgeteilt, dass er eine Mängelbeseitigung nicht durchführt, ist die weitere Ausübung mit Zugang der Erklärung verfehlt. Hat sich der Vermieter nicht geäußert, kommt es darauf an, ob objektiv noch mit einer Mängelbeseitigung gerechnet werden kann. Dazu kann auf früheres Verhalten des Vermieters im Zusammenhang mit der Beseitigung anderer Mängel (auch bei anderen Mietern) zurückgegriffen werden. Behauptet der Vermieter nur, den Mangel beseitigt zu haben, und ist nicht ausgeschlossen, dass er je nach dem Ausgang des Prozesses zu einer (weiteren) Mängelbeseitigung schreitet, kann auch nach zwei Jahren die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts noch gerechtfertigt sein. Maßgeblich ist insoweit, dass der Vermieter den Mangel bestreitet und auch das durch einen Sachverständigen ermittelte gegenteilige Ergebnis nicht akzeptiert50. 14b Bei Behebung des Mangels und den anderen Fällen des Wegfalls des Zurückbehaltungsrechts (Vor

§ 536 BGB Rz. 14) ist die einbehaltene Miete sofort51 zu zahlen, allerdings unverzinst wegen des fehlenden Verzuges52. Die Rechtsausübung ist also auflösend bedingt durch die Beseitigung des Mangels. Schon vorher entfällt die Einrede, wenn der Mieter selbst die Erfüllung des Mietvertrags grundlos und

43 BGH v. 10.4.2019 – VIII ZR 39/18, MDR 2019, 927 = MietRB 2019, 198 = WuM 2019, 315 = GE 2019, 725. 44 BGH v. 17.6.2015 – VIII ZR 19/14, MDR 2015, 876 = MietRB 2015, 291 = MietRB 2015, 294 = BGHZ 206, 1 Rz. 61 m.w.N. 45 Vgl. BGH v. 10.4.2018 – VIII ZR 12/18, MietRB 2019, 197 = MDR 2019, 729 = WuM 2019, 309 = ZMR 2019, 572; BGH v. 12.5.2010 – VIII ZR 96/09, MietRB 2010, 260 = MDR 2010, 979 = WuM 2010, 484 = ZMR 2010, 839 . 46 BGH v. 10.4.2018 – VIII ZR 12/18, MietRB 2019, 197 = MDR 2019, 729 = WuM 2019, 309 = ZMR 2019, 572. 47 BGH v. 10.4.2018 – VIII ZR 12/18, MietRB 2019, 197 = MDR 2019, 729 = WuM 2019, 309 = ZMR 2019, 572; BGH v. 10.4.2019 – VIII ZR 39/18, MDR 2019, 927 = MietRB 2019, 198 = WuM 2019, 315 = GE 2019, 725. 48 BGH v. 25.1.1982 – VIII ZR 310/80, MDR 1982, 573 = WuM 1982, 296 = NJW 1982, 874. 49 BGH v. 5.7.1989 – VIII ZR 334/88, MDR 1990, 146 = NJW 1989, 3222. 50 BGH v. 10.4.2019 – VIII ZR 39/18, MDR 2019, 927 = MietRB 2019, 198 = WuM 2019, 315 = GE 2019, 725. 51 BGH v. 16.9.2014 – VIII ZR 221/14, MietRB 2015, 65 = WuM 2014, 681 Rz. 5; BGH v. 26.10.1994 – VIII ARZ 3/94, MDR 1995, 142 = BGHZ 127, 245 (253). 52 BGH v. 5.5.1971 – VIII ZR 59/70, WM 1971, 1020.

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I. Gewährleistung bei der Miete | Rz. 20 Vor § 536

endgültig ablehnt53, insbesondere wenn der Mieter – zu Unrecht – fristlos gekündigt und das Mietobjekt geräumt54 oder sonst das Interesse an der Vertragsdurchführung verloren hat55. Im Falle der Beendigung des Mietverhältnisses kommt ein Zurückbehaltungsrecht wegen eines Man- 15 gelbeseitigungsanspruchs nicht mehr in Betracht. Denn es handelt sich dabei um einen in die Zukunft gerichteten Erfüllungsanspruch, der nur während der Dauer des Mietverhältnisses besteht56. e) Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts Das Zurückbehaltungsrecht ist nicht zwingend. Es kann durch Individualvereinbarung, aber auch for- 16 mularmäßig ausgeschlossen werden. Andererseits folgt aus dem Ausschluss der Minderung, die wegen § 536 Abs. 4 BGB allein in der Gewerberaummiete denkbar ist, nicht schon der Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts57. Ein genereller formularmäßiger Ausschluss von § 320 BGB verstößt gegenüber einem Verbraucher, 17 nicht jedoch wegen streitiger Mangelbeseitigungsansprüche zwischen Unternehmern gegen §§ 307, 309 Nr. 2 lit. a BGB58. Ein Ausschluss, der unstreitige, entscheidungsreife und rechtskräftig festgestellte Forderungen ausnimmt, ist aber wirksam59. Im Übrigen soll Voraussetzung für die Wirksamkeit sein, dass der Vermieter nicht selbst einen groben Vertragsverstoß begangen hat60. Dies ist aber keine Frage der Wirksamkeit einer Ausschlussklausel, sondern der Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts. Erfasst der Wortlaut eines Formularvertrags nur die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts, 18 ist streitig, ob sich eine solche Klausel allein auf das Zurückbehaltungsrecht des § 273 BGB oder auch auf die Einrede des § 320 BGB bezieht. Zum Teil wird angenommen, dass auch das Leistungsverweigerungsrecht aus § 320 BGB erfasst wird61. Das OLG Düsseldorf (24. Senat)62 beschränkt eine solche Abrede wegen des allgemeinen Sprachgebrauchs nur auf § 273 BGB. Diese Auslegung wird der täglichen (umgangssprachlichen) Mietpraxis nicht gerecht. Selbst der BGH verwendet für das Recht aus § 320 BGB den Begriff „Zurückbehaltungsrecht“63. f) Rechtsfolge des Zurückbehaltungsrechts Die Einrede nach § 320 BGB kann neben den Rechten aus §§ 536 ff. BGB geltend gemacht werden64. 19 Sie hindert, ohne dass der Mieter sich auf das Zurückbehaltungsrecht berufen müsste65, den Eintritt des Verzugs mit der Folge, dass z.B. eine außerordentliche Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB jedenfalls insoweit nicht möglich ist, wie der einbehaltene Betrag von § 320 BGB gedeckt ist66. Bei Zahlung unter Vorbehalt kommt eine Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts im Rah- 20 men der Rückforderung wegen § 813 BGB nicht in Betracht.

53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66

BGH v. 16.5.1968 – VII ZR 40/66, NJW 1968, 1873. BGH v. 25.1.1982 – VIII ZR 310/80, MDR 1982, 573 = NJW 1982, 874. BGH v. 5.7.1989 – VIII ZR 334/88, MDR 1990, 146 = NJW 1989, 3222. Vgl. BGH v. 19.6.2006 – VIII ZR 284/05, MDR 2007, 141 = NZM 2006, 696 (Rz. 12 f.). Conrad, MDR 2013, 1381 (1383). Schenkel, NZM 1998, 502 (504). OLG Celle v. 29.12.1989 – 2 U 200/88, WuM 1990, 103. LG Berlin v. 10.1.1992 – 64 S 167/91, NJW-RR 1992, 518. OLG Düsseldorf v. 4.6.1998 – 10 U 107/97, ZMR 1999, 23. OLG Düsseldorf v. 7.3.2000 – 24 U 171/99, OLGR 2000, 266; OLG Düsseldorf v. 21.10.1997 – 24 U 223/96, MDR 1998, 588 = NZM 1998, 267. BGH v. 3.11.2010 – VIII ZR 330/09, MDR 2011, 92 = MietRB 2011, 37 = WuM 2011, 12 = NZM 2011, 197 = ZMR 2011, 275; vgl. auch OLG Frankfurt v. 23.4.1999 – 24 U 110/97, ZMR 1999, 628 (629); LG Berlin v. 7.11.1996 – 61 S 180/96, WuM 1998, 28. H.M., u.a. BGH v. 5.7.1989 – VIII ZR 334/88, MDR 1990, 146 = NJW 1989, 3222; BGH v. 7.5.1982 – V ZR 90/ 81, MDR 1982, 836 = NJW 1982, 2242. LG Berlin v. 10.1.1992 – 64 S 167/91, NJW-RR 1992, 518. BGH v. 7.5.1982 – V ZR 90/81, BGHZ 84, 42 = MDR 1982, 836.

Lützenkirchen | 369

Vor § 536 Rz. 21 | I. Gewährleistung bei der Miete

4. Schadensersatz 21 Beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 536a BGB kann der Mieter unbeschadet der Rechte aus

§ 536 BGB Schadensersatz verlangen. Dem Grunde nach unterscheidet § 536a BGB zwischen der – Garantiehaftung = Haftung für Mängel ohne Rücksicht auf ein Verschulden, – Verschuldenshaftung = Haftung für schuldhaft herbeigeführte Mängel, – Verzugshaftung = Haftung für Mängel, mit deren Beseitigung sich der Vermieter in Verzug befindet. Als Schaden ist der Mangel und der Mangelfolgeschaden zu ersetzen. Eine evtl. eingetretene Mietminderung ist bei der Festlegung der Schadenshöhe als Abzugsposten zu beachten.

5. Ersatzvornahme 22 Im Falle des Vermieterverzuges darf der Mieter gem. § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB die Mängel selbst besei-

tigen (Selbsthilferecht) und dann Ersatz der dafür erforderlichen Aufwendungen verlangen. Zuvor kann er vom Vermieter einen angemessenen Vorschuss anfordern67.

6. Aufwendungsersatz 23 Auch kann ein Ersatzanspruch wegen notwendiger Aufwendungen im Sinne des § 536 Abs. 2 Nr. 2

BGB in Betracht kommen. Sonstige Aufwendungen werden von § 539 Abs. 2 BGB erfasst.

7. Außerordentliche fristlose Kündigung 24 Unter den Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB steht dem Mieter ein Recht zur fristlosen

Kündigung bei erheblichen Mängeln zu. Ist der mangelhafte Zustand der Mietsache gesundheitsgefährdend, kann der Mieter nach § 569 Abs. 1 BGB ebenfalls fristlos kündigen. Beide Kündigungen setzen grundsätzlich eine Abmahnung oder Fristsetzung voraus.

II. Abgrenzung zum allgemeinen Schuldrecht 25 Den Vorschriften der §§ 536 ff. BGB liegt eine Leistungsstörung zugrunde. Der Vermieter ist zumindest

seiner Gebrauchserhaltungspflicht nicht (vollständig) nachgekommen. Wird dadurch der Gebrauchswert völlig aufgehoben, wird die Sachlage auch von § 275 BGB erfasst. Da es sich um die Verletzung von Hauptpflichten handelt, kommt auch eine Anwendung des § 281 BGB in Betracht, so dass unter den Voraussetzungen des § 281 Abs. 4 BGB eine Beendigung des Mietvertrages eintreten könnte. Dies könnte zu einer Umgehung der Kündigungsschutzvorschriften führen. 26 Im Hinblick auf die unterschiedlichen Rechtsfolgen der §§ 536 ff. BGB einerseits und der §§ 275 ff.

BGB andererseits, insbesondere da Letztere zur Auflösung des Mietvertrages ohne Kündigungsschutz führen können (z.B. § 281 Abs. 4 BGB), muss der Interessenausgleich durch eine angemessene Abgrenzung der mietrechtlichen Gewährleistungsregeln von allgemeinen Vorschriften bei Leistungsstörungen erfolgen. Dies vollzieht sich nach den folgenden Grundsätzen: 27 Prinzipiell ist für die Anwendbarkeit der allgemeinen Regeln des Leistungsstörungsrechts und der spezi-

elleren Regelungen des Gewährleistungsrechts für Sachmängel zwischen dem Zeitraum vor und nach der Übergabe zu differenzieren68. Bis zur Überlassung des Mietobjekts sind die §§ 275 ff. BGB anwend67 BGH v. 11.4.1984 – VIII ZR 315/82, MDR 1985, 49 = NJW 1985, 267; KG v. 29.2.1988 – 8 REMiet 6717/87, ZMR 1988, 219. 68 BGH v. 5.10.2001 – V ZR 275/00, MDR 2002, 23 = NZM 2001, 1145; BGH v. 7.12.1984 – V ZR 189/83, MDR 1985, 394 = NJW 1985, 1025; BGH v. 29.10.1986 – VIII ZR 253/85, MDR 1987, 228 = NJW 1987, 948; BGH v.

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II. Abgrenzung zum allgemeinen Schuldrecht | Rz. 33 Vor § 536

bar. Danach richten sich die Rechte und Pflichten der Parteien nach den §§ 536 ff. BGB. Eine Ausnahme besteht für Rechtsmängel im Sinne des § 536 Abs. 3 BGB (vgl. Vor § 536 BGB Rz. 33). Insoweit muss auch nicht differenziert werden, ob der Mietvertrag vor dem 1.1.2002 abgeschlossen 28 wurde. Denn gemäß Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB ist das Allgemeine Schuldrecht in der seit 1.1.2002 gültigen Fassung auf jeden Fall ab dem 1.1.2003 anzuwenden. Mietverträge, die nach dem 31.12.2001 geschlossen wurden, unterliegen ohne Einschränkung den neuen Vorschriften69.

1. Absolutes Fixgeschäft Durch den Abschluss des Mietvertrages erhält der Mieter einen Anspruch gegen den Vermieter auf 29 Überlassung der Mietsache, § 535 Abs. 1 S. 2 BGB. Sofern im Mietvertrag ein bestimmtes Datum für den Beginn des Mietverhältnisses angegeben ist, wird allgemein ein absolutes Fixgeschäft angenommen (vgl. auch § 535 BGB Rz. 336). Läuft der Tag des Vertragsbeginns ab, ohne dass eine Übergabe stattgefunden hat, ist für die abgelaufene Zeit jedenfalls Unmöglichkeit eingetreten. Etwas anderes gilt, wenn eine Nachholung der Vermieterleistung möglich erscheint. Das ist bei ei- 30 nem Mietvertrag der Fall, der eine feste Laufzeit ab der Übergabe vorsieht70, so dass bei einer Verzögerung der Übergabe die versäumte Zeit später nachgeholt werden kann71.

2. Subjektive und objektive, anfängliche und nachträgliche Unmöglichkeit Bis zur Schuldrechtsmodernisierung wurde für die Anwendbarkeit der §§ 306 f., 323 f. BGB a.F. da- 31 nach unterschieden, ob der Vermieter eine Garantie für die Erfüllung übernommen hatte72, anfängliche oder nachträgliche Unmöglichkeit vorlag73, Voll- oder Teilunmöglichkeit gegeben waren74 oder das Leistungshindernis vorübergehend war. In Ausnahmesituationen konnte das Vorliegen eines Rechtsmangels zur Anwendung des § 538 Abs. 1 BGB a.F. (Garantiehaftung) führen75. § 275 Abs. 1 BGB regelt nun alle Fälle der anfänglichen und nachträglichen Unmöglichkeit mit Aus- 32 nahme der vorübergehenden Leistungshindernisse. Der Vertrag bleibt grundsätzlich – anders als bei § 306 BGB a.F. – wirksam. Der Überlassungsanspruch geht aber nach § 275 Abs. 1 BGB unter. Unabhängig davon, dass Überlassung also im Falle der Unmöglichkeit nicht mehr verlangt werden kann, ergeben sich zusätzlich verschiedene Rechtsfolgen, nämlich Schadensersatz nach den §§ 280 ff. BGB und Rücktritt nach §§ 323 f. BGB. Liegt eine vollständige Zerstörung vor, erlischt das Mietverhältnis nicht automatisch76. Vielmehr ist eine Rücktritts- bzw. nach Überlassung eine Kündigungserklärung erforderlich77.

3. Unterscheidung zwischen Sach- und Rechtsmangel Vor der Schuldrechtsmodernisierung wurde zwischen Sach- und Rechtsmangel unterschieden, weil 33 der BGH annahm, dass für den Rechtsmangel mit § 541 BGB a.F. eine Spezialnorm bestand78. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass der Gesetzgeber durch die Schaffung einer eigenen Vorschrift (§ 541

69 70 71 72 73 74 75 76 77 78

13.12.1991 – LwZR 5/91, MDR 1992, 371 = NJW 1992, 1036; BGH v. 23.9.1992 – XII ZR 44/91, MDR 1992, 1147 = NJW 1992, 3226. Horst, DWW 2002, 6 (10). BGH v. 13.7.1988 – VIII ZR 292/87, MDR 1988, 1051 = NJW-RR 1988, 1396 (für bewegliche Sachen). BGH v. 23.9.1992 – XII ZR 44/91, MDR 1992, 1147 = NJW 1992, 3226 (für die Raummiete). BGH v. 7.12.1984 – V ZR 189/83, MDR 1985, 394 = NJW 1985, 1025. BGH v. 5.7.1991 – V ZR 115/90, MDR 1992, 159 = WuM 1991, 545 = ZMR 1991, 418 = NJW 1991, 3277. BGH v. 13.12.1991 – LwZR 5/91, MDR 1992, 371 = NJW 1992, 1036. BGH v. 29.10.1986 – VIII ZR 253/85, MDR 1987, 228 = NJW 1987, 948. A.A. LG Karlsruhe v. 7.4.2004 – 10 O 683/03, NZM 2005, 221 m.w.N. Wolff/Eckert/Ball, Rz. 352. BGH v. 29.11.1995 – XII ZR 230/94, MDR 1996, 355 = ZMR 1996, 147 = WuM 1996, 105 m.w.N.

Lützenkirchen | 371

Vor § 536 Rz. 33 | II. Abgrenzung zum allgemeinen Schuldrecht BGB a.F. = § 536 Abs. 3 BGB) die uneingeschränkte Geltung der mietrechtlichen Gewährleistungsansprüche zum Ausdruck bringen wollte79. 34 An der Notwendigkeit zur Unterscheidung zwischen Sach- und Rechtsmangel hat sich durch die

Schuldrechtsreform nichts geändert80, wenngleich Diskussionsbedarf gesehen wird81. Bei einem Rechtsmangel (vgl. § 536 BGB Rz. 264) bildet § 536 Abs. 3 BGB auch vor der Überlassung eine Spezialnorm, die die allgemeinen Vorschriften verdrängt mit der Folge, dass sich die Rechte des Mieters nach den §§ 536, 536a und 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB richten82. 35 Ob die §§ 536 ff. BGB bei einem Rechtsmangel ausnahmslos lex specialis darstellen, ist noch nicht

abschließend geklärt. § 536a BGB enthält z.B. keine Entsprechung für § 285 BGB, der ohnehin keinen Schadensersatz bietet. Für den Fall der Herausgabe einer vom Vermieter an den Hauptmieter für die Aufhebung des Mietvertrages gezahlten Abfindung an den Untermieter hat der BGH die Anwendung der Vorgängervorschrift (§ 281 BGB a.F.) jedenfalls bejaht83, zuletzt aber Zweifel geäußert84. Ohnehin verlangt § 285 BGB eine Identität zwischen der entgangenen und der erzielten Nutzung.

4. Vorübergehendes Leistungshindernis 36 Vorübergehende Leistungshindernisse beurteilen sich nach § 275 Abs. 2 BGB. Mietrechtlich ist ein

vorübergehendes Leistungshindernis, das keinen Rechtsmangel darstellt, gegeben, wenn dem Mieter ein Zuwarten zumutbar und der Endzeitpunkt (= Wegfall des Leistungshindernis) absehbar ist85. 37 Da der Mieter zur Annahme von Teilleistungen (§ 266 BGB) nicht verpflichtet ist, liegt z.B. ein unbe-

hebbares Leistungshindernisses vor, wenn der Vermieter sich außer Stande sieht, die Mietsache wegen (teilweiser) Mangelhaftigkeit herzurichten, ihm die Mängelbeseitigung nicht zumutbar ist und der Mieter deshalb die Annahme der mangelhaften Sache verweigert86. Hat aber der Mieter die Herbeiführung des vertragsgerechten Anfangszustandes übernommen, gerät er bei der Weigerung, eine mangelhafte Mietsache zu übernehmen, in Annahmeverzug, § 294 BGB. Bei Vorliegen eines vorübergehenden Leistungshindernis verliert der Mieter seinen Überlassungsanspruch nur für die Vergangenheit, sofern die Leistung (= Überlassung) nicht nachgeholt werden kann.

5. Verzug 38 Bei Verzug des Vermieters mit der Gebrauchsgewährung ergeben sich die Mieterrechte aus den §§ 280

Abs. 2, 281, 286 BGB. Die Anwendbarkeit dieser Vorschriften setzt Nachholbarkeit der Leistung voraus87. Daneben steht dem Mieter nach ungenutztem Ablauf einer Abhilfefrist auch das Kündigungsrecht aus § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB zu. 39 Bei einem Fixgeschäft (vgl. Vor § 536 BGB Rz. 29) liegt regelmäßig ein Fall der nachträglichen Un-

möglichkeit/Teilunmöglichkeit vor. Es gelten dann die §§ 275, 283 BGB.

79 BGH v. 5.7.2012 – V ZR 115/90, MDR 1992, 159 = WuM 1991, 545. 80 BGH v. 10.7.2008 – IX ZR 128/07, MDR 2008, 1148 = MietRB 2008, 326 = NZM 2008, 644 = GuT 2008, 282; a.A. Graf von Westphalen, NZM 2002, 368. 81 Emmerich, NZM 2002, 362. 82 BGH v. 10.11.1982 – VIII ZR 252/81, MDR 1983, 394 = NJW 1983, 446. 83 BGH v. 19.11.1984 – II ZR 6/84, MDR 1985, 647 = NJW-RR 1986, 234. 84 BGH v. 10.5.2006 – XII ZR 124/02, MietRB 2006, 215 = MDR 2006, 1396. 85 Bub/Treier/v. Martiua/Ehlert/Kraemer, III Rz. 3420; Simon, WuM 2000, 575; a.A. OLG Frankfurt v. 23.4.1999 – 24 U 138/97, MDR 1999, 1190 = WuM 2000, 116. 86 BGH v. 18.1.1995 – XII ZR 30/93, NJW-RR 1995, 715. 87 Palandt/Grüneberg, § 286 BGB Rz. 5.

372 | Lützenkirchen

II. Abgrenzung zum allgemeinen Schuldrecht | Rz. 44 Vor § 536

6. Positive Vertragsverletzung, § 280 Abs. 1 BGB Für Ansprüche aus pVV bleibt ab Übergabe wegen der Spezialregelung der §§ 536 ff. BGB88 nur inso- 40 weit Raum, als es nicht um den Ausgleich von Mangelschäden geht. Im Übrigen kann durchaus eine Vermieterhaftung nach § 280 BGB wegen der Verletzung mietvertraglicher Pflichten in Betracht kommen. So stellt die Weigerung des Vermieters, den Mietvertrag zu erfüllen, insbesondere dem Mieter den 41 Gebrauch der vermieteten Sache zu überlassen, eine zum Schadensersatz verpflichtende pVV dar89. Das Gleiche gilt, wenn der Vermieter unberechtigterweise kündigt90, anficht91 oder vom Vertrag zurücktritt92. Das Risiko, die Rechtslage richtig zu beurteilen, trägt in diesen Fällen der Vermieter. Nur in Ausfällen wird seine Fehleinschätzung als unverschuldet zu beurteilen sein93.

7. Verschulden bei Vertragsschluss Eine aus Mängeln der Mietsache abgeleitete Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss (§§ 311 Abs. 2, 42 241 Abs. 2 BGB) kommt neben der Gewährleistungshaftung aus §§ 536 ff. BGB nicht in Betracht94. Die Gewährleistungshaftung ist allerdings grundsätzlich erst ab Übergabe der Mietsache und nur bei fahrlässiger Verletzung vorvertraglicher Pflichten vorrangig95.

8. Wegfall der Geschäftsgrundlage Die §§ 536 ff. BGB sind gegenüber den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) 43 Spezialvorschriften96. Demgemäß kann ein Fortfall der Geschäftsgrundlage nicht aus solchen Umständen hergeleitet werden, die positiv oder negativ von den §§ 536 ff. BGB erfasst sind97. Dabei bleibt es auch beim Ausschluss der Gewährleistung, sei es durch Vertrag, sei es nach § 536b BGB98.

9. Anfechtung Einigkeit besteht, dass bis zur Überlassung der Mietsache eine Anfechtung nach § 119 BGB oder 44 § 123 BGB zulässig ist und gemäß § 142 Abs. 1 BGB Nichtigkeitswirkung von Anfang an (ex tunc) entfaltet. Eine Anfechtung erfasst das gesamte Rechtsgeschäft. Bildet der Mietvertrag z.B. mit einem Kaufvertrag eine Einheit, ist eine isolierte Anfechtung nicht möglich99.

88 Bamberger/Roth/Ehlert, § 536 BGB Rz. 11. 89 BGH v. 22.2.2006 – XII ZR 48/03, MDR 2006, 739 = MietRB 2006, 184 = NJW 2006, 1963; BGH v. 12.10.1977 – VIII ZR 73/76, MDR 1978, 306 = NJW 1978, 103. 90 BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 255/82, MDR 1984, 571 = NJW 1984, 1028; OLG Hamm v. 31.1.1984 – 4 REMiet 7/83, MDR 1984, 495 = NJW 1984, 1044. 91 BGH v. 29.10.1986 – VIII ZR 144/85, MDR 1987, 312 = NJW 1987, 432. 92 BGH v. 10.12.1986 – VIII ZR 349/85, MDR 1987, 399 = NJW 1987, 831. 93 BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 255/82, MDR 1984, 571 = NJW 1984, 1028. 94 BGH v. 28.11.1979 – VIII ZR 302/78, MDR 1980, 306 = NJW 1980, 777; Palandt/Grüneberg, § 311 BGB Rz. 50. 95 Vgl. BGH v. 18.6.1997 – XII ZR 192/96, NJW 1997, 2813; BGH v. 28.11.1979 – VIII ZR 302/78, MDR 1980, 306 = NJW 1980, 777. 96 BGH v. 11.12.1991 – XII ZR 63/90, NJW-RR 1992, 267 (für das Pachtrecht); Bamberger/Roth/Ehlert, § 536 BGB Rz. 12; Palandt/Grüneberg, § 313 BGB Rz. 12. 97 MünchKomm/Häublein, Vor § 536 BGB Rz. 25. 98 BGH v. 1.7.1981 – VIII ZR 192/80, MDR 1982, 135 = NJW 1981, 2405; OLG Hamm v. 15.1.1979 – 2 U 235/ 78, JZ 1979, 266. 99 LG Düsseldorf v. 3.2.2016 – 23 S 252/14, ZMR 2016, 624.

Lützenkirchen | 373

Vor § 536 Rz. 45 | II. Abgrenzung zum allgemeinen Schuldrecht 45 Nach Überlassung ist jedenfalls die Anfechtung nach § 123 Abs. 1 BGB zulässig100. Denn Anfechtung

und Gewährleistungsvorschriften regeln unterschiedliche Sachverhalte und verfolgen unterschiedliche Schutzzwecke. Die Anfechtung schützt die rechtsgeschäftliche Entschließungsfreiheit. Gegenstand der Gewährleistungsrechte ist eine aktuelle Leistungsstörung. 46 Umstritten ist dagegen, ob eine Anfechtung nach § 119 BGB insbesondere wegen Eigenschaftsirrtum

(§ 119 Abs. 2 BGB) durch die mietrechtlichen Gewährleistungsvorschriften verdrängt wird. Denn bei Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft werde in den §§ 536 ff. BGB nicht die Rückabwicklung, sondern die Kündigung vorgesehen; zudem sei eine Umgehung des § 536b BGB zu befürchten101. Diese Bedenken greifen aber nicht durch102. Die mietrechtlichen Gewährleistungsrechte sind mit denen des Kaufrechts, bei denen eine Rückabwicklung ausdrücklich vorgesehen ist (§§ 437 Nr. 2, 440 BGB), nicht vergleichbar103. Soweit damit auch ein Anfechtungsrecht des Vermieters eröffnet ist, kann eine Regulierung über den Rechtsmissbrauch stattfinden104. 47 Es besteht auch kein Anlass, von der gesetzlichen Bestimmung des § 142 Abs. 1 BGB abzuweichen105

und z.B. die Wirkung der Anfechtung erst ab Zugang der Anfechtungserklärung (ex nunc) zuzulassen106. Denn Besonderheiten der Leistung wie beim Arbeitsverhältnis oder beim Gesellschaftsverhältnis sind für den Mietvertrag nicht gegeben. Die Schwierigkeiten, die sich bei der Rückabwicklung aufgrund des Zeitablaufs und der Anzahl der rückabzuwickelnden Leistungen ergeben, rechtfertigen keine Ausnahme. Denn die gleichen Schwierigkeiten bestehen bei Mietverträgen, die z.B. gemäß § 134 BGB nichtig sind. 48 Prozessual wird der erst während des Prozesses angefochtene Vertrag bis zur Anfechtung als wirksam

behandelt107. Damit tritt mit der Anfechtung eine Erledigung der Hauptsache im Sinne von § 91a ZPO ein.

§ 536 Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln (1) Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten. Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt außer Betracht. (1a) Für die Dauer von drei Monaten bleibt eine Minderung der Tauglichkeit außer Betracht, soweit diese auf Grund einer Maßnahme eintritt, die einer energetischen Modernisierung nach § 555b Nummer 1 dient. (2) Absatz 1 Satz 1 und 2 gilt auch, wenn eine zugesicherte Eigenschaft fehlt oder später wegfällt. (3) Wird dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache durch das Recht eines Dritten ganz oder zum Teil entzogen, so gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend. (4) Bei einem Mietverhältnis über Wohnraum ist eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung unwirksam. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 1

II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . .

2 2

100 BGH v. 8.7.2008 – VIII ZR 5/08, ZMR 2009, 102. 101 Dafür: MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 23; Schmidt/Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 541; Palandt/Ellenberger, § 119 BGB Rz. 28; Staudinger/Rolfs, § 542 BGB Rz. 181. 102 RG v. 10.3.1938 – IV 229/37, RGZ 157, 173. 103 Staudinger/Emmerich, Vor § 535 BGB Rz. 70; Palandt/Weidenkaff, § 536 BGB Rz. 12; Dötsch, NZM 2011, 457. 104 Dötsch, NZM 2011, 457 (460) m.w.N. 105 BGH v. 8.7.2008 – VIII ZR 5/08, ZMR 2009, 102. 106 So LG Nürnberg-Fürth v. 23.2.1966 – 2 S 109/65, MDR 1966, 1003. 107 OLG Düsseldorf v. 25.3.2010 – 10 U 136/09, DWW 2010, 297 = MietRB 2011, 14.

374 | Lützenkirchen

Vor § 536 Rz. 45 | II. Abgrenzung zum allgemeinen Schuldrecht 45 Nach Überlassung ist jedenfalls die Anfechtung nach § 123 Abs. 1 BGB zulässig100. Denn Anfechtung

und Gewährleistungsvorschriften regeln unterschiedliche Sachverhalte und verfolgen unterschiedliche Schutzzwecke. Die Anfechtung schützt die rechtsgeschäftliche Entschließungsfreiheit. Gegenstand der Gewährleistungsrechte ist eine aktuelle Leistungsstörung. 46 Umstritten ist dagegen, ob eine Anfechtung nach § 119 BGB insbesondere wegen Eigenschaftsirrtum

(§ 119 Abs. 2 BGB) durch die mietrechtlichen Gewährleistungsvorschriften verdrängt wird. Denn bei Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft werde in den §§ 536 ff. BGB nicht die Rückabwicklung, sondern die Kündigung vorgesehen; zudem sei eine Umgehung des § 536b BGB zu befürchten101. Diese Bedenken greifen aber nicht durch102. Die mietrechtlichen Gewährleistungsrechte sind mit denen des Kaufrechts, bei denen eine Rückabwicklung ausdrücklich vorgesehen ist (§§ 437 Nr. 2, 440 BGB), nicht vergleichbar103. Soweit damit auch ein Anfechtungsrecht des Vermieters eröffnet ist, kann eine Regulierung über den Rechtsmissbrauch stattfinden104. 47 Es besteht auch kein Anlass, von der gesetzlichen Bestimmung des § 142 Abs. 1 BGB abzuweichen105

und z.B. die Wirkung der Anfechtung erst ab Zugang der Anfechtungserklärung (ex nunc) zuzulassen106. Denn Besonderheiten der Leistung wie beim Arbeitsverhältnis oder beim Gesellschaftsverhältnis sind für den Mietvertrag nicht gegeben. Die Schwierigkeiten, die sich bei der Rückabwicklung aufgrund des Zeitablaufs und der Anzahl der rückabzuwickelnden Leistungen ergeben, rechtfertigen keine Ausnahme. Denn die gleichen Schwierigkeiten bestehen bei Mietverträgen, die z.B. gemäß § 134 BGB nichtig sind. 48 Prozessual wird der erst während des Prozesses angefochtene Vertrag bis zur Anfechtung als wirksam

behandelt107. Damit tritt mit der Anfechtung eine Erledigung der Hauptsache im Sinne von § 91a ZPO ein.

§ 536 Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln (1) Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten. Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt außer Betracht. (1a) Für die Dauer von drei Monaten bleibt eine Minderung der Tauglichkeit außer Betracht, soweit diese auf Grund einer Maßnahme eintritt, die einer energetischen Modernisierung nach § 555b Nummer 1 dient. (2) Absatz 1 Satz 1 und 2 gilt auch, wenn eine zugesicherte Eigenschaft fehlt oder später wegfällt. (3) Wird dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache durch das Recht eines Dritten ganz oder zum Teil entzogen, so gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend. (4) Bei einem Mietverhältnis über Wohnraum ist eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung unwirksam. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 1

II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . .

2 2

100 BGH v. 8.7.2008 – VIII ZR 5/08, ZMR 2009, 102. 101 Dafür: MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 23; Schmidt/Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 541; Palandt/Ellenberger, § 119 BGB Rz. 28; Staudinger/Rolfs, § 542 BGB Rz. 181. 102 RG v. 10.3.1938 – IV 229/37, RGZ 157, 173. 103 Staudinger/Emmerich, Vor § 535 BGB Rz. 70; Palandt/Weidenkaff, § 536 BGB Rz. 12; Dötsch, NZM 2011, 457. 104 Dötsch, NZM 2011, 457 (460) m.w.N. 105 BGH v. 8.7.2008 – VIII ZR 5/08, ZMR 2009, 102. 106 So LG Nürnberg-Fürth v. 23.2.1966 – 2 S 109/65, MDR 1966, 1003. 107 OLG Düsseldorf v. 25.3.2010 – 10 U 136/09, DWW 2010, 297 = MietRB 2011, 14.

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Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln | § 536 2. Anwendbare Rechtsprechung . . . . . . . . . . . III. Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . 1. Anforderungen an die Darlegungslast . . . . a) Mieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vermieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beweislastverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beweiserhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Abweichende Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . 1. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 536 Abs. 4 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Regelungsgehalt des § 536 Abs. 4 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Abweichende Vereinbarung . . . . . . cc) Für den Mieter nachteilige Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Praktische Beispiele . . . . . . . . . . . . b) Vereinbarungen zum vertragsgemäßen Zustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Regelungen zur Sollbeschaffenheit . . . . b) Minderungsausschluss . . . . . . . . . . . . . VI. Regressmöglichkeiten des Vermieters . . . . . . VII. Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Mangel der Mietsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begriff des Mangels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ermittlung der Sollbeschaffenheit . . . . . . . . a) Ausdrückliche Regelung zur Sollbeschaffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stillschweigende Vereinbarung zur Sollbeschaffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sollbeschaffenheit durch Auslegung . . aa) Arten von Standards . . . . . . . . . . . (1) DIN-Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Qualität anderer Standards . . . . . . bb) Verletzung eines Standards . . . . . . cc) Zeitliche Komponenten bei Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Änderung der Sollbeschaffenheit . . . . . 4. Fallgruppen von Mängeln . . . . . . . . . . . . . . a) Baumängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Darlegungslast . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ermittlung der Sollbeschaffenheit . cc) Sonderfall: Feuchtigkeit . . . . . . . . . (1) Neubaufeuchte . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Feuchtigkeit in Bestandsobjekten . (3) Kellerfeuchte . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Feuchtigkeit als Gesundheitsgefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Fogging . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umweltfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Imponderabilien . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zuführung von giftigen Stoffen . . . cc) Einbruchserie . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Lärm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Lichteinfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Mobilfunkantenne . . . . . . . . . . . . . gg) Prostitution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hh) Umwelteinwirkung durch Vögel . . (1) Taubenplage . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Andere Vögel . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Hahnenkrähen . . . . . . . . . . . . . . . .

3 7 9 9 9 20c 21 27 29 29 29

II.

30 35 38 42 47 50 51 55 62 66a 67 67 67 73 75 75a 79 85 86 87 91 94

III.

IV.

97 105a 106 107 108 111 116 118 119 130 131 133 136 139 143 147 149 173 174 175 177 177 182 183

C. I.

ii) Überschwemmung/Naturkatastrophen . . . . . . . . . . . . . . . . . jj) Wohnungsumfeld . . . . . . . . . . . . . kk) Zugangsbehinderung . . . . . . . . . . . c) Öffentlich-rechtliche Beschränkungen d) Optische Mängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gebrauchsbeeinträchtigung . . . . . . . . . . . . a) Unmittelbare Einwirkung . . . . . . . . . . b) Gefahr eines Mangels . . . . . . . . . . . . . . 6. Erheblichkeit des Mangels . . . . . . . . . . . . . Zugesicherte Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . 1. Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zusicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fläche als zugesicherte Eigenschaft – Flächenabweichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bedeutung der Flächenangabe im Mietvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundlage der Flächenermittlung . . . . c) Erheblichkeitsgrenze (10 %) . . . . . . . . d) Inhalt der Wohnfläche . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bewertung von Außen- und anderen Flächen . . . . . . . . . . . . . . . e) Rechtsfolge bei Flächenabweichung . . aa) Minderung der Miete . . . . . . . . . . bb) Minderung der Betriebskosten . . . cc) Fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . dd) Teilweise Rückforderung der Mietsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Schadensersatz des Mieters . . . . . . ff) Schadensersatz des Vermieters wegen falscher Mängelanzeige . . . Rechtsmangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Dingliche Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Obligatorische Rechte (Doppelvermietung) Minderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsnatur der Minderung . . . . . . . . . . . . 2. Umfang der Minderung . . . . . . . . . . . . . . . a) Vollständige Aufhebung der Gebrauchstauglichkeit . . . . . . . . . . . . . b) Teilweise Aufhebung der Gebrauchstauglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Periodische Mängel . . . . . . . . . . . . . . . d) Berechnungsgrundlage der Minderung e) Begriff der Bruttomiete . . . . . . . . . . . . f) Verrechnung der Minderung auf die laufende Miete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausschluss oder Beschränkung der Minderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 536 Abs. 1a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Energetische Modernisierung . . . . bb) Gemischte Maßnahme . . . . . . . . . cc) Minderung der Tauglichkeit . . . . . dd) Berechnung des Dreimonatszeitraumes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Schadensersatzpflicht des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rückforderung zu viel gezahlter Miete . . . 5. Verwirkung der Minderung . . . . . . . . . . . . Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

185 190 193 194 201 205 205 210 213 217 217 220 222 224 229 233 237 237 240 249 253 253 256 258 259 261 263 264 265 269 274 275 276 282 284 290 295 300 306 316 316 319 321 323 326 327 330 331 335 339 339

Lützenkirchen | 375

§ 536 Rz. 1 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln 1. Unmittelbarkeit der Einwirkung . . . . . . . . . 2. Festlegung der Sollbeschaffenheit . . . . . . . . 3. Rückgriff auf Standards . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einzelne Mängel der Mietsache . . . . . . . . . . . 1. Berechnung der Fläche bei Gewerberaum . 2. Konkurrenzschutzverletzung . . . . . . . . . . . . 3. Zugangsbehinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenstellung der Mieterschaft (Mietermix) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

340 346 349 354 354 362 365

5. Verwendungsrisiko (enttäuschte Gewinnerwartung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Öffentlich-rechtlicher Mangel . . . . . . . . . . a) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Veränderungen des gesetzlichen Rahmens für den Betrieb des Mieters . . . . III. Minderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Minderungsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . .

371 375 375 378 381 382

369

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt 1 Der Wortlaut des § 536a Abs. 1 BGB zeigt, dass der Gesetzgeber den Mangel (Sach- und Rechtsmangel)

der Mietsache in § 536 BGB definieren wollte. Die Norm ist damit die Grundnorm der Gewährleistungsvorschriften. Daneben wird die Minderung der Miete bei Sachmängeln (Abs. 1), beim Fehlen bzw. Fortfall zugesicherter Eigenschaften (Abs. 2) und bei Rechtsmängeln (Abs. 3) geregelt. Dadurch bringt § 536 BGB das Äquivalenzverhältnis der Miete zum Ausdruck. Eine Ausnahme davon ist durch das MietRÄndG 2013 mit § 536 Abs. 1a BGB eingefügt worden. Danach ist es dem Mieter für die Dauer von drei Monaten nicht erlaubt zu mindern, sofern der Vermieter eine energetische Modernisierung nach § 555b Nr. 1 BGB durchführt.

II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich 2 § 536 BGB gehört zu den allgemeinen Vorschriften für Mietverhältnisse. Die Norm gilt für alle Miet-

verträge und gemäß § 581 Abs. 2 BGB grundsätzlich auch für Pachtverhältnisse entsprechend, soweit in den §§ 582–584b BGB nichts anderes geregelt ist. Für die Landpacht kann gemäß § 585 Abs. 2 BGB die Vorschrift des § 536 BGB nur herangezogen werden, soweit darauf verwiesen wird (vgl. z.B. § 586 Abs. 2 BGB). 2. Anwendbare Rechtsprechung 3 Gegenüber § 537 BGB in der bis zum 31.8.2001 gültigen Fassung (a.F.) haben sich keine wesentlichen

Änderungen ergeben. § 537 BGB a.F. verwies zur Berechnung der Minderung auf die damals gültigen Bestimmungen zur Minderung im Kaufrecht. Die entsprechende Verweisung ist weggefallen und die schon vor dem 1.9.2001 in der Praxis geübte Gepflogenheit, die Minderung in einer Quote anzugeben, ist durch die „angemessene“ Herabsetzung in den Text aufgenommen worden. Eine Veränderung der Rechtslage ist damit nicht verbunden. Die Minderungsquoten aus der Zeit vor dem 1.9.2001 können also auch noch heute angewendet werden, sofern die Fälle vergleichbar sind. 4 Die Gesetzesänderung 2013, mit der § 536 Abs. 1a BGB eingeführt wurde, findet keine Entsprechung

in vorherigen Gesetzen. Beachtenswerte Rechtsprechung besteht daher nicht. 5 Im Zusammenhang mit der Regelung der zugesicherten Eigenschaft ist durch die Mietrechtsreform

2001 das Regelbeispiel des bis dahin gültigen § 537 Abs. 2 S. 2 BGB a.F., wonach die Angabe einer Grundstücksgröße eine zugesicherte Eigenschaft sein sollte, nicht in das Mietrechtsreformgesetz übernommen worden. Auch diese Änderung ist ohne materielle Folgen geblieben, wie die Rechtsprechung zur abweichenden Wohnfläche zeigt (vgl. § 536 BGB Rz. 222 f.). 6 Der Rechtsmangel war bis zum 31.8.2001 in § 541 BGB a.F. geregelt. Durch die Übernahme des Rege-

lungsgehaltes dieser Vorschrift in § 536 Abs. 3 BGB hat sich keine materielle Änderung ergeben. Dies wird auch aus der amtlichen Überschrift des § 536 BGB deutlich. Dort ist der Rechtsmangel neben den Sachmangel gestellt. 376 | Lützenkirchen

A. Allgemeines | Rz. 10 § 536

III. Zweck der Vorschrift § 536 BGB dient zunächst dem Zweck, den Mangel der Mietsache zu definieren. Dies ist in § 536 7 Abs. 1 S. 1 BGB geschehen. Darüber hinaus bringt § 536 BGB das Äquivalenzverhältnis der Miete bzw. dessen Störung zum Aus- 8 druck1. Das Mietverhältnis ist in Bezug auf die Hauptleistungen des § 535 BGB wie eine Waage. Sobald die Leistung des Vermieters sich verschlechtert, also leichter wird, wird auch die geschuldete Gegenleistung geringer und damit die entsprechende Waagschale leichter. Insoweit kann die Minderung auch als Druckmittel dienen2. Dabei spielen Verschuldensaspekte keine Rolle. § 536 Abs. 1a BGB soll dem Vermieter energetische Modernisierungen i.S.d. § 555b Nr. 1 BGB er- 8a leichtern, indem sie seine wirtschaftliche Belastung für die Dauer von drei Monaten jedenfalls nicht durch Minderungen der Mieter vergrößert3. Zugleich soll die Vorschrift für den Vermieter durch den nur begrenzten Minderungsausschluss einen Anreiz bilden, die bauliche Maßnahme zur Durchführung der energetischen Modernisierung zügig abzuwickeln4.

IV. Darlegungs- und Beweislast 1. Anforderungen an die Darlegungslast a) Mieter Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tat- 9 sachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen5. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind6. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen7. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei ggf. die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten8. Da die Minderung nach § 536 Abs. 1 BGB eine rechtsvernichtende Einwendung9 ist und daher kraft 10 Gesetzes eintritt, genügt der Mieter seiner Darlegungslast schon mit der Darlegung eines konkreten Sachmangels, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigt; das Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung (oder einen bestimmten Minderungsbetrag) braucht er hingegen grundsätzlich nicht vorzutragen10. Deshalb genügt der Vortrag, über einen bestimmten Zeitraum habe 1 2 3 4 5 6

7

8 9 10

MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 1; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 3. MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 1. BT-Drucks. 17/10485, S. 17. BT-Drucks. 17/10485, S. 18. BGH v. 10.4.2018 – VIII ZR 223/17, WuM 2018, 357 = ZMR 2018, 921 Rz. 14 m.w.N. Vgl. BGH v. 12.7.1984 – VII ZR 123/83, MDR 1985, 315 = NJW 1984, 2888 (unter II 1a); BGH v. 21.1.1999 – VII ZR 398/97, MDR 1999, 735 = NJW 1999, 1859 (unter II 2a) m.w.N.; BGH v. 1.6.2005 – XII ZR 275/02, MDR 2006, 48 = NJW 2005, 2710 (unter II 2a); BGH v. 21.5.2007 – II ZR 266/04, NJW-RR 2007, 1409 (Rz. 8); BGH v. 12.6.2008 – V ZR 221/07, WPM 2008, 2068 = juris Rz. 6 f. VerfGH Berlin v. 23.1.2013 – VerfGH 11/12, ZMR 2013, 421; BGH v. 25.10.2011 – VIII ZR 125/11, MietRB 2012, 2 = MDR 2011, 1464 = WuM 2011, 700 = GuT 2011, 298; BGH v. 12.7.1984 – VII ZR 123/83, MDR 1985, 315 = NJW 1984, 2888 m.w.N.; BGH v. 13.12.2002 – V ZR 359/01, NJW-RR 2003, 491 (unter II 2a); kritisch dazu Streyl, NZM 2012, 104. Vgl. BGH v. 12.7.1984 – VII ZR 123/83, MDR 1985, 315 = NJW 1984, 2888 (unter II 1b); BGH v. 21.1.1999 – VII ZR 398/97, MDR 1999, 735 (unter II 2b). BGH v. 1.3.2000 – XII ZR 272/97, NJW 2000, 2344; BGH v. 27.2.1991 – XII ZR 47/90, NJW-RR 1991, 779. Vgl. BGH v. 21.2.2017 – VIII ZR 1/16, MDR 2017, 448 = MietRB 2017, 154, GE 2017, 413 = DWW 2017, 90 = WuM 2017, 194; BGH v. 20.6.2012 – VIII ZR 268/11, MDR 2012, 988 = ZMR 2013, 24 = NZM 2012, 760; BGH v. 27.2.1991 – XII ZR 47/90, NJW-RR 1991, 779 (unter 2c); BGH v. 11.6.1997 – XII ZR 254/95, WuM 1997, 488 m.w.N.

Lützenkirchen | 377

§ 536 Rz. 10 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln eine adäquate Raumtemperatur nicht erreicht werden können11. Dagegen muss der Mieter z.B. neben der Zimmertemperatur auch die Außentemperaturen vortragen, wenn er eine zu starke Erwärmung der Mieträume bemängelt12. Stehen der Mangel und die dadurch bedingte Gebrauchsbeeinträchtigung fest, kann der Umfang der Gebrauchsbeeinträchtigung vom Gericht – ggf. unter Heranziehung eines Sachverständigen – geklärt werden. Vom Mieter kann auch nicht gefordert werden, dass er über eine hinreichend genaue Beschreibung der Mangelerscheinungen („Mangelsymptome“) hinaus die – ihm häufig nicht bekannte – Ursache dieser Symptome bezeichnet13. Das gilt selbst dann, wenn der Vortrag im Widerspruch zu außergerichtlichen oder gerichtlichen Äußerungen des Mieters steht. Derartige Widersprüche können erst bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden und geben keinen Anlass, von einer Beweisaufnahme abzusehen14. 11 Vor diesem Hintergrund ist zur Beschreibung des Mangels „Lärm“ die Vorlage von Lärmprotokollen

unter rein verfahrensdogmatischen Gesichtspunkten grundsätzlich nicht erforderlich. Vielmehr genügt es insoweit, wenn der Mieter die Störung als solche beschreibt und ersichtlich wird, dass es sich um ein wiederkehrendes Phänomen und nicht um eine vereinzelte Beeinträchtigung handelt15. Dies gilt grundsätzlich auch bei einem bestehenden Schallschutzmangel, solange eine Beeinträchtigung nicht aufgrund besonderer Umstände ausgeschlossen ist16. Die Vorlage von Lärmprotokollen bleibt aber in der Praxis meist unverzichtbar, um das Gericht bei der Bemessung der richtigen Minderungsquote zu unterstützen und die Beweisaufnahme über die Dauer der Beeinträchtigung günstig zu gestalten (vgl. § 536 BGB Rz. 172). Anstelle von Lärmprotokollen reicht auch eine Beschreibung der Art der Beeinträchtigung, zu welcher Tageszeit, über welche Dauer und welche Intensität (Frequenz) die Lärmimmission hatte17. Hat der Mieter Lärmprotokolle vorgelegt, bestätigt die Beweisaufnahme aber nicht die von ihm angenommene Ursache des Lärms, muss das Gericht gleichwohl das beantragte Sachverständigengutachten einholen, da nicht auszuschließen ist, dass die Lärmbeeinträchtigungen auch durch mangelhaften Schallschutz begünstigt werden18. 12 Die Anforderungen an die Darlegungslast erhöhen sich nicht dadurch, dass die andere Partei (hier

der Vermieter) den Vortrag (hier zum Mangel) bestreitet. Denn eine Partei, die ein Recht beansprucht, ist nicht schon deshalb, weil der Gegner ihr Vorbringen bestreitet, gezwungen, den behaupteten Sachverhalt in allen Einzelheiten wiederzugeben19. 13 Vor diesem Hintergrund werden die Anforderungen überspannt, wenn zusätzlicher Vortrag des Mie-

ters verlangt wird – zum Umfang und zur Intensität der Gebrauchsbeeinträchtigungen, – zu Mängelursachen, – zur detaillierten Beschreibung der Mängel. 14 Den Anforderungen genügt ein Vortrag z.B. in folgenden Fällen: 15

– Wenn vom Mieter unter Vorlage eines Lichtbildes darlegt wird, dass ein Badewannenabfluss offen im Fliesenboden verlegt sei, weswegen nach Benutzung des Badezimmers unangenehme Fäkalge-

11 BGH v. 27.7.2016 – XII ZR 59/14, MietRB 2016, 315 = ZMR 2016, 854. 12 OLG Düsseldorf v. 12.9.2019 – 24 U 197/18, MDR 2020, 156 = IMR 2020, 60 (Biebelheimer). 13 Vgl. BGH v. 3.7.1997 – VII ZR 210/96, NJW-RR 1997, 1376 (unter II 1); BGH v. 3.12.1998 – VII ZR 405/97, MDR 1999, 417 = NJW 1999, 1330 (unter II 1); (jeweils zum Beseitigungsverlangen von Baumängeln). 14 BGH v. 27.7.2016 – XII ZR 59/14, MietRB 2016, 315 = ZMR 2016, 854. 15 BGH v. 22.8.2017 – VIII ZR 226/16, MDR 2017, 1175 = MietRB 2017, 346 = WuM 2017, 587 = ZMR 2016, 19 = GE 2017, 1153; BGH v. 20.6.2012 – VIII ZR 268/11, MDR 2012, 988 = ZMR 2013, 24 = NZM 2012, 760 (Bellprotokoll); BGH v. 29.2.2012 – VIII ZR 155/11, MietRB 2012, 161 = MietRB 2012, 167 = MDR 2012, 509 = WuM 2012, 269 = NZM 2012, 381 (Lärmprotokoll). 16 LG Wiesbaden v. 17.2.2012 – 3 S 54/11, WuM 2012, 200 = ZMR 2012, 629 = InfoM 2012, 152. 17 LG Berlin v. 24.10.2017 – 67 S 178/17, GE 2017, 1407. 18 BGH v. 21.2.2017 – VIII ZR 1/16, MietRB 2017, 154 = MDR 2017, 448 = ZMR 2017, 379 = NZM 2017, 256. 19 BGH v. 12.7.1984 – VII ZR 123/83, MDR 1985, 315 = NJW 1984, 2888 (unter II 1a); BGH v. 1.6.2005 – XII ZR 275/02, MDR 2006, 48 = NJW 2005, 2710; BGH v. 12.6.2008 – V ZR 223/07, WPM 2008, 2068 (Rz. 8).

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A. Allgemeines | Rz. 20b § 536

rüche entstünden20: Der Mieter hat damit ausreichend eine unsachgemäße Installation des Badewannenabflusses und ein damit nach seiner Auffassung verbundenes Auftreten von unangenehmen Gerüchen dargetan. Weitere Einzelheiten, wie etwa die Schilderung der Intensität und der Häufigkeit entstehender Gerüche und die Darlegung eines Zusammenhangs zwischen Geruchsbildung und offener Verlegung des Abflusses, sind von ihm nicht zu fordern. Diese Fragen sind im Rahmen der Beweisaufnahme zu klären. – Wenn ein Zuleitungsrohr zum WC als „durchgerostet und undicht“ beschrieben wird21: Ist ein 16 Rohr „durchrostet“, weist es nicht nur eine kleinere Roststelle auf, sondern hat seine ursprüngliche Materialfestigkeit eingebüßt. Außerdem ist es „undicht“, was bedeutet, dass Wasser austritt22. – Wenn vorgetragen wird, der Heizkörper funktioniere nicht23: Insoweit kann nicht gefordert werden, 17 dass der Mieter die Art der Fehlfunktion oder gar die erzielten Temperaturen näher darlegt. Die Rüge, der Heizkörper funktioniere nicht, ist bei verständiger Würdigung gleichbedeutend mit der Aussage, das Gerät gebe keine Heizwärme ab. Darin liegt kein Widerspruch zu den Anforderungen bei der Darstellung von Lärmbeeinträchtigungen24 (vgl. § 536 BGB Rz. 11). Im dortigen Fall hatte der Mieter ohne Vorlage von Lärmprotokollen deutlich gemacht, dass es sich nicht um einmalige Störungen handelte, sonder sich ständig wiederholende Phänomene. – Wenn der Ausfall der Heizung gerügt wird25: Dieser Tatbestand allein zeigt, dass eine Abweichung 18 der Ist- von der Sollbeschaffenheit vorliegt. Es bedarf daher keiner weiteren Ausführungen, um für jeden Raum die Heizleistung darzustellen und welche konkrete Beeinträchtigung bestanden hat. – Wenn im Schriftsatz aufgezeigt wird, aus einer alten, defekten Toilette im Keller mache sich durch- 19 dringender Fäkalgeruch im Haus breit26: es ist für einen substantiierten Vortrag nicht erforderlich, dass der Mieter die Dauer der Gerüche im Einzelnen schildert und zudem darlegt, ob von der Geruchsentwicklung auch die von ihm genutzte Wohnung betroffen war. Durch den beschriebenen und ggf. mit Lichtbildern belegten Zustand einer Toilette kann der in den hiervon ausgehenden Geruchsbeeinträchtigungen liegende Sachmangel hinreichend dargelegt sein. – Wenn nach einem amtsgerichtlichen Urteil, in dem eine Minderung wegen Hundegebells zuer- 20 kannt wurde, im nachfolgenden Prozess unter Hinweis auf das Urteil die Minderung „wegen des im gleichen Umfang nach wie vor vorhandenen, unerträglichen Hundegebells“ reklamiert wird27. Genügt die Mängelbeschreibung des darlegungspflichtigen Mieters den vorstehenden Anforderun- 20a gen, muss das Gericht nach § 139 ZPO einen Hinweis erteilen, wenn es sich nicht dazu in der Lage sieht, die Höhe der Minderung zu berechnen oder jedenfalls nicht in der vom Mieter gewünschten Höhe28. Erst wenn ein solcher Hinweis erfolglos bleibt und für eine Minderungsquote keine Grundlage besteht, kann die Minderung versagt werden. Verstöße dagegen können auch im Berufungsverfahren geltend gemacht werden29. Hat der Mieter einen Mangel schlüssig vorgetragen, kann der Vermieter sich nicht auf einfaches Be- 20b streiten oder Bestreiten mit Nichtwissen beschränken. Im Hinblick auf seine Hauptpflicht zur Mängelbeseitigung ist er vielmehr gehalten, den Mangel zu besichtigen, um ggfs. im Prozess spezifiziert Stellung

20 BGH v. 25.10.2011 – VIII ZR 125/11, MietRB 2012, 2 = MDR 2011, 1464 = WuM 2011, 700 = GuT 2011, 298; a.A. LG Braunschweig v. 12.3.2009 – 6 S 548/08, WuM 2009, 288; LG Köln v. 25.7.2002 – 30 S 18/02, KM 35 Nr. 59. 21 BGH v. 25.10.2011 – VIII ZR 125/11, MietRB 2012, 2 = MDR 2011, 1464 = WuM 2011, 700 = GuT 2011, 298. 22 BGH v. 25.10.2011 – VIII ZR 125/11, MietRB 2012, 2 = MDR 2011, 1464 = WuM 2011, 700 = GuT 2011, 298. 23 BGH v. 25.10.2011 – VIII ZR 125/11, MietRB 2012, 2 = MDR 2011, 1464 = WuM 2011, 700 = GuT 2011, 298. 24 A.A. Streyl, WuM 2014, 668 (669). 25 A.A. OLG Düsseldorf v. 8.7.2010 – 24 U 222/09, MietRB 2011, 44 = IMR 2011, 52. 26 BGH v. 25.10.2011 – VIII ZR 125/11, MietRB 2012, 2 = MDR 2011, 1464 = WuM 2011, 700 = GuT 2011, 298. 27 BGH v. 20.6.2012 – VIII ZR 268/11, MDR 2012, 988 = ZMR 2013, 24 = NZM 2012, 760. 28 Vgl. dazu AG Gießen v. 14.7.2014 – 48 C 8/14, WuM 2014, 667. 29 Streyl, WuM 2014, 668.

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§ 536 Rz. 20b | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln nehmen zu können. Ein pauschales oder Bestreiten mit Nichtwissen ist ansonsten unbeachtlich30. Das Gleiche gilt, wenn der Vermieter die Besichtigung durchgeführt hat31. b) Vermieter 20c Wendet der Mieter im Prozess Mängel ein, aus denen er eine Minderung herleiten will, kann der Ver-

mieter den vom Mieter beschriebenen Phänomenen i.d.R. nicht mit einfachem Bestreiten gegenübertreten. Vielmehr wird aus der Erhaltungspflicht des § 535 Abs. 1 BGB die Pflicht des Vermieters hergeleitet, sich vor einer prozessualen Auseinandersetzung mit einer Mängelrüge des Mieters auseinanderzusetzen. Dies kann auf unterschiedliche Art und Weise geschehen. Wird ein Baumangel gerügt, muss der Vermieter der Möglichkeit nachgehen, dass die Bausubstanz mangelhaft ist, indem er eine Besichtigung durchführt, und, sofern sich kein eindeutiges Ergebnis zeigt, ggf. einen Fachmann/Sachverständigen hinzuziehen. Sollen Lärmeinwirkungen vorliegen, für der Vermieter verantwortlich sein könnte (§ 536 BGB Rz. 136d), muss er sich bei Mitbewohnern, Nachbarn oder seinen Handwerkern erkundigen, ob ein ausreichender Anlass für eine Minderung des Mieters bestehen könnte. Bei der Rüge anderer Mängel muss der Vermieter jedenfalls spätestens im Klageverfahren vortragen können, dass er sich des Anliegens des Mieters angenommen hat und Erkundigungen eingezogen hat, inwieweit er zur Erhaltung nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB verpflichtet ist. Hat er diese Pflicht erfüllt, kann er der Behauptung von Mängeln durch den Mieter im Prozess substanziiert entgegentreten. 2. Beweislastverteilung 21 Wer die Darlegungs- und Beweislast für den Mangel der Mietsache und die dadurch bedingte Beein-

trächtigung der Tauglichkeit trägt, ist umstritten. Die h.M. geht davon aus, dass es sich bei § 536 BGB um eine Einwendung handelt, deren Voraussetzungen grundsätzlich der Mieter zu beweisen hat32. Demgegenüber wird vertreten, dass die erhobene Mängelrüge als substantiiertes Bestreiten der Mangelfreiheit anzusehen sei und damit die Nichterfüllung der Erhaltungspflicht des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB behauptet werde; deren Erfüllung habe aber der Vermieter jedenfalls in dem auf Mietzahlung gerichteten Klageverfahren zu beweisen33. Dem kann – jedenfalls für nachträgliche Mängel – nicht gefolgt werden. Schon aus § 536c BGB wird deutlich, dass der Mieter das Risiko trägt, dass das von ihm gerügte Phänomen einen Mangel der Mietsache i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB darstellt. Andererseits könnte eine Minderung ausgeschlossen sein, obwohl eine Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit vorliegt. Reklamiert der Mieter z.B. Lärmbeeinträchtigungen und weist der Vermieter nach, dass er alles in seiner Macht Stehende getan hat, um die Störungen abzustellen (z.B. Abmahnung und Kündigung gegenüber dem Störer), liefe § 536 BGB leer. Deshalb gilt im Zweifel die Beweislastverteilung nach Risikokreisen34 (z.B. § 536 BGB Rz. 137b). 21a Ob die Rechtslage anders zu beurteilen ist, wenn ein anfänglicher Mangel besteht, hängt von den Um-

ständen des Einzelfalles ab. Nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen muss der Vermieter beweisen, dass er seine vertragliche Pflicht, dem Mieter die Mietsache in vertragsgemäßem Zustand zu überlassen, erfüllt hat35. Nach Überlassung der Mietsache obliegt demgegenüber dem Mieter die Beweislast dafür, dass die Mietsache zum Zeitpunkt der Übergabe mangelhaft war, wenn er die ihm überlassene Sache als Erfüllung angenommen hat36. Dies ergibt sich aus § 363 BGB, der die Beweislast dem Gläubiger auferlegt, wenn er die Leistung des Schuldners als Erfüllung angenommen hat. Für die Frage, wer die Beweislast trägt, kommt es somit darauf an, ob die Mietsache überlassen und vom Mieter angenommen worden ist.

30 31 32 33 34 35 36

LG Köln v. 20.6.2007 – 10 S 333/06, WuM 2008, 245. LG Berlin v. 12.3.2013 – 63 S 628/12, ZMR 2014, 40 = NZM 2013, 505 = GE 2013, 1205. BGH v. 1.3.2000 – XII ZR 272/97, NJW 2000, 2344; BGH v. 27.2.1991 – XII ZR 47/90, NJW-RR 1991, 779. AG Hamburg-Bergedorf v. 10.7.2012 – 409 C 192/11, ZMR 2012, 782. BGH v. 29.4.2020 – VIII ZR 31/18, MDR 2020, 847 = GE 2020, 865 Rz. 91. BGH v. 15.11.2006 – XII ZR 120/04, MDR 2007, 257 = NZM 2007, 379 Rz. 27. BGH v. 13.2.1985 – VIII ZR 154/84, MDR 1986, 49 = NJW 1985, 2328 (2329); BGH v. 5.7.1989 – VIII ZR 334/88, MDR 1990, 146 = NJW 1989, 3222 (3224).

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A. Allgemeines | Rz. 27 § 536

Eine Beweisaufnahme ist aber nicht durchzuführen, wenn der Mieter einen behebbaren Mangel ange- 22 zeigt hat, ohne dass der Vermieter zur Vorbereitung einer Mängelbeseitigung eine Besichtigung der Mieträume durchgeführt hat. Denn der Sinn und Zweck der Mängelanzeige besteht auch darin, Rechtsfrieden zu schaffen. Reagiert der Vermieter aber nicht auf eine Mängelanzeige, kann er das Vorhandensein eines Mangels grundsätzlich nicht einfach bestreiten. Immerhin hätte er dessen Existenz grundsätzlich ohne weiteres durch Besichtigung ermitteln können. In diesem Fall muss der Vermieter die Ordnungsgemäßheit der Mietsache beweisen37. Wurde nach der Mängelanzeige durch den Vermieter eine Mängelbeseitigung durchgeführt und 23 macht der Mieter geltend, die Mietsache sei trotz des Reparaturversuches des Vermieters weiterhin mangelhaft, muss der Vermieter den Erfolg seiner Reparaturmaßnahme beweisen38. Der Mieter kann sich darauf beschränken, die Beseitigung der Mängel zu bestreiten39. Der Vermieter trägt die Beweislast für die Beseitigung dieses Mangels ebenfalls, wenn er eine Minderung (z.B. in Abhängigkeit vom Baufortschritt) akzeptiert hat40. Ist das Bestehen eines Mangels unstreitig (oder bewiesen), muss der Vermieter die Ausschlusstat- 24 bestände (Unerheblichkeit, Annahmeverzug, Ursache im Verantwortungsbereich des Mieters etc.) beweisen41. Ist die Beschädigung der Mietsache unstreitig durch den Mietgebrauch verursacht worden, muss der Mieter beweisen, dass er die Beschädigung nicht zu vertreten hat42. Ist streitig, ob die Räume durch den Mietgebrauch beschädigt wurden, muss zunächst der Vermieter alle möglichen Ursachen für den Mangel, die in seinen Obhuts- und Verantwortungsbereich fallen können, ausräumen43. Sodann hat der Mieter zu beweisen, dass er den „Schadenseintritt“ nicht zu vertreten hat. Die Besonderheiten bei Feuchtigkeitseinwirkungen sind in § 536 BGB Rz. 116 ff. erläutert.

25

Die Voraussetzungen für einen Minderungsausschluss nach § 536 Abs. 1a BGB muss grundsätzlich 26 der Vermieter vortragen. Dazu gehört insbesondere das Vorliegen einer energetischen Modernisierung nach § 555b Nr. 1 BGB. Führt der Vermieter eine gemischte Maßnahme durch, werden also neben der energetischen Modernisierung andere Maßnahmen i.S.v. § 555a BGB oder § 555b Nr. 2–7 BGB ausgeführt, trifft insoweit zunächst den Mieter die Darlegungslast. Er kann sich also nicht auf ein einfaches Bestreiten der Voraussetzungen des § 536 Abs. 1a BGB beschränken. Vielmehr muss er die von § 536 Abs. 1a BGB abweichende Maßnahme anhand der Informationen aus der Ankündigung beschreiben und ggf. noch die Umstände ergänzen, die er bei der Ausführung selbst wahrgenommen hat. Der Vermieter kann sich demgegenüber nicht auf ein einfaches Bestreiten zurückziehen, sondern schuldet die anhand der Planung und Leistungsverzeichnisse mögliche Beschreibung der Maßnahme, um (dennoch) die Voraussetzungen des § 536 Abs. 1a BGB darzulegen. 3. Beweiserhebung Die primäre Darlegungslast des Mieters erstreckt sich bei § 536 BGB zunächst auf die Darstellung des 27 Mangels. Die Behauptung eines bestimmten Minderungsbetrages oder Darlegungen zum Umfang der Gebrauchsbeeinträchtigung gehören grundsätzlich nicht dazu. Denn diese Frage hat das Gericht ggf. unter Heranziehung eines Sachverständigen zu klären44. Dennoch ist das Gericht nicht in der Lage,

37 LG Köln v. 20.6.2007 – 10 S 333/06, WuM 2008, 245. 38 BGH v. 1.3.2000 – XII ZR 272/97, NJW 2000, 2344; OLG Hamm v. 28.9.1994 – 30 U 45/94, NJW-RR 1995, 525; OLG Düsseldorf v. 18.3.2008 – 24 U 136/07, MietRB 2009, 71 = MDR 2008,1235 = NZM 2009, 435 = ZMR 2008, 948. 39 OLG Rostock v. 17.5.2018 – 3 U 78/16, MDR 2018, 924 = MietRB 2018, 200. 40 AG Tempelhof-Kreuzberg v. 27.2.2015 – 4 C 549/13, GE 2015, 597. 41 BGH v. 10.11.2004 – XII ZR 71/01, MDR 2005, 325 = MietRB 2005, 95 = WuM 2005, 54; BGH v. 3.11.2004 – VIII ZR 28/04, MDR 2005, 386 = MietRB 2005, 65 = WuM 2005, 57; BGH v. 1.3.2000 – XII ZR 272/97, NZM 2000, 549; OLG Rostock v. 17.5.2018 – 3 U 78/16, MDR 2018, 924 = MietRB 2018, 200; OLG Celle v. 19.7.1984 – 2 UH 1/84, WuM 1985, 9 = ZMR 1985, 10; LG Braunschweig v. 16.4.2002 – 6 S 771/01, ZMR 2002, 916. 42 BGH v. 14.4.1976 – VIII ZR 288/74, NJW 1976, 1315. 43 BGH v. 10.11.2004 – XII ZR 71/01, MDR 2005, 325 = MietRB 2005, 95 = WuM 2005, 54 (57). 44 BGH v. 18.6.1997 – XII ZR 63/95, MDR 1997, 1112 = WuM 1997, 488 = ZMR 1997, 505.

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§ 536 Rz. 27 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln ohne entsprechende Feststellungen die Höhe der Minderung festzusetzen. Im Zweifel ist daher nach § 139 Abs. 1 ZPO zu verfahren, wenn der Mieter zur Höhe nicht ausreichend vorgetragen hat45. 28 Bei anhaltenden Lärmbeeinträchtigungen ist die Augenscheinsnahme kein ungeeignetes Beweismittel.

Denn zur Beurteilung von Lärmbeeinträchtigungen bzw. deren Intensität kommt es maßgeblich auf das subjektive Empfinden an. Das kann aber regelmäßig nur bei Durchführung eines Ortstermins überprüft werden46. Denn die zur Entscheidung notwendigen Erkenntnisse über das Ausmaß der Beeinträchtigung können grundsätzlich nicht durch eine Zeugeneinvernahme vollständig ermittelt werden. Erst recht dürfen die Ermittlungen nicht auf einen Dritten (z.B. Sachverständigen) verlagert werden.

V. Abweichende Vereinbarungen 1. Wohnraummiete a) § 536 Abs. 4 BGB 29 Die Norm bestimmt, dass eine abweichende Vereinbarung zu Lasten des Wohnraummieters unwirksam

ist. Ein Verstoß hiergegen führt nicht zur Unwirksamkeit des Mietvertrages, sondern allein der betreffenden Klausel47. Es ist aber zweifelhaft, inwieweit der Wortlaut sämtliche denkbaren Fälle erfasst bzw. der Anwendungsbereich trotz des umfassenden Wortlauts eingeschränkt ist. aa) Regelungsgehalt des § 536 Abs. 4 BGB 30 Der Wortlaut spricht dafür, dass § 536 Abs. 4 BGB jede Vereinbarung zwischen Vermieter und Mieter

erfasst, die das Minderungsrecht des Mieters tangiert, und zwar unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt sie – also insbesondere vor oder nach der Übergabe – getroffen wurde. Damit wäre grundsätzlich auch eine Abrede verboten, durch die die Parteien z.B. nur eine Verständigung über die Höhe der Minderung für einen konkreten (unstreitigen) Mangel unterhalb des objektiv zutreffenden Maßes festlegen, und zwar unabhängig davon, ob dies außergerichtlich oder in einem gerichtlichen Vergleich erfolgt. 31 Die Zulässigkeit von Vereinbarungen über die Minderung im Hinblick auf eine konkrete Mangelsi-

tuation ist bisher – soweit ersichtlich – in der Rechtsprechung anerkannt und wird auch in der Literatur ohne Weiteres angenommen48. Der BGH ist davon jedenfalls ausgegangen, wenn der Mieter auch eine (für ihn vorteilhafte) Gegenleistung erhält (z.B. keine Mieterhöhung für eine bestimmte Zeit nach Beendigung des mangelhaften Zustandes49). Nach LG München I50 kann sich der Mieter trotz § 536 Abs. 4 BGB in Ansehung konkreter Baumaßnahmen im Einvernehmen mit dem Vermieter auf eine bestimmte Minderung auch für die Zukunft jedenfalls dann einigen, wenn es sich um einen befristeten Zeitraum handelt.

32 Diese Sichtweise entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers: § 555f BGB51 macht deutlich, dass im

Rahmen der Erhaltung und Modernisierung die Verbotsnormen der §§ 555a Abs. 4, 555c Abs. 4 etc. BGB jedenfalls nicht für Vereinbarungen gelten sollen, in denen nach Abschluss des Mietvertrages Regelungen im Hinblick auf eine konkrete Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahme getroffen werden, die zum Nachteil des Mieters von den gesetzlichen Bestimmungen zur Erhaltung und Modernisierung abweichen52. § 555f BGB sieht sogar ausdrücklich einschränkende Vereinbarungen über die Gewährleistung vor. Unabhängig davon, ob § 555f BGB schrankenlos Abreden zwischen Vermieter und Mieter zulässt, die den Mieter benachteiligen, kann daraus jedenfalls für den Bereich der Duldung von Erhal45 BGH v. 25.10.2011 – VIII ZR 125/11, MietRB 2012, 2 = MDR 2011, 1464 = WuM 2011, 700 = GuT 2011, 298. 46 BGH v. 8.5.1992 – V ZR 89/91, MDR 1992, 876 = WuM 1992, 377 = ZMR 1992, 379; OLG Düsseldorf v. 29.1.1997 – 9 U 218/96, DWW 1997, 149. 47 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 409; MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 33. 48 Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. VIII 433. 49 BGH v. 14.10.2009 – VIII ZR 159/08, MDR 2010, 76 = MietRB 2010, 83 = WuM 2009, 744 = GE 2010, 56; Vorinstanz: LG Köln v. 8.5.2008 – 1 S 387/06, ZMR 2008, 718. 50 LG München I v. 9.12.2001 – 14 S 9823/11, ZMR 2012, 192. 51 Mietrechtsänderungsgesetz, BT-Drucks. 17/10485. 52 So ausdrücklich: BT-Drucks. 17/10485, S. 22.

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A. Allgemeines | Rz. 36 § 536

tungs- bzw. Modernisierungsmaßnahmen hergeleitet werden, dass § 536 Abs. 4 BGB nicht gilt. Ein sachlicher Grund, warum § 536 Abs. 4 BGB in anderen Fällen, in denen aus konkretem Anlass nach Abschluss des Mietvertrages eine Vereinbarung über die Minderung herbeigeführt wird, gelten sollte, ist nicht ersichtlich. Deshalb fallen keine vertraglichen Bestimmungen unter § 536 Abs. 4 BGB, die nach Abschluss des Mietvertrages im Hinblick auf eine konkrete Mangelsituation getroffen werden53. Für die Nichtanwendbarkeit des § 536 Abs. 4 BGB nach Abschluss des Mietvertrages spricht auch der 33 Zweck der Regelung und der inhaltsgleichen Verbotsbestimmungen in den §§ 551 ff. BGB. Sie sollen den vom Mieterschutz geprägten „gesetzlichen Mietvertrag“, wie er aus der Kodifikation der §§ 559– 577a BGB hervorgeht“ schützen. Sobald der Mietvertrag zwischen den Parteien aber abgeschlossen ist, bedarf es einer Beschränkung der Vertragsfreiheit, wie sie in den Verbotsnormen der §§ 551 ff. sowie § 536 Abs. 4 BGB enthalten ist, nicht mehr. Denn ab diesem Zeitpunkt stehen sich die Parteien grundsätzlich gleichberechtigt gegenüber54. Mithin greift die Norm schon von ihrem Zweck her nicht ein, sondern ist in ihrer Anwendung auf abstrakt generelle Regelungen in einem Mietvertrag beschränkt. Für Regelungen, die zwischen den Parteien in der Phase nach Abschluss des Mietvertrages getroffen 34 werden, kann über eine weitere Beschränkung der Vertragsfreiheit nur im Rahmen der allgemeinen Vorschriften der §§ 134, 138 BGB einerseits und § 307 BGB andererseits nachgedacht werden. § 307 BGB kommt z.B. in Betracht, wenn vom Vermieter nach Abschluss des Mietvertrages gestellte Formularklauseln abstrakt generell bestimmte Situationen regeln sollen (z.B.: Bei einem Umweltfehler soll der Mieter zukünftig nicht mehr oder nur in bestimmter Höhe mindern können). Ob und in welchem Zusammenhang ein konkretes Ereignis Anlass gibt, eine solche abstrakt generelle Vereinbarung herbeizuführen, ist unerheblich. Maßgeblich ist allein der Inhalt: Bezieht er sich auf die konkrete Sachlage, also einen bestimmten Mangel, liegt in der Regel schon keine Formularklausel vor, es sei denn, der Vermieter bietet die konkrete Vereinbarung gleichlautend einer Vielzahl von Mietern an. Inhaltlich kommt es für die Bewertung nach § 307 BGB darauf an, inwieweit vom Äquivalenzverhältnis in unangemessener Weise zum Nachteil des Mieters abgewichen wird55. Das ist spätestens der Fall, wenn die Aufhebung der Tauglichkeit, die zu einer Minderung von 100 % führt, vom Wortlaut der Klausel erfasst wird. bb) Abweichende Vereinbarung Im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 536 Abs. 4 BGB muss eine zum Nachteil des Mieters 35 abweichende Vereinbarung vorliegen. Damit ist jede Beeinträchtigung der Mieterrechte aus § 536 Abs. 1–3 BGB erfasst, unabhängig davon, ob sie – einen Ausschluss, eine Einschränkung oder eine Erschwerung herbeiführt56, – sich bloß formell (z.B. durch eine Ankündigung der Minderung) oder materiell (z.B. höhenmäßige Beschränkung der Minderung), – unmittelbar oder mittelbar auswirkt. Letzteres soll z.B. in Betracht kommen, wenn die Erhaltungspflicht zugunsten des Vermieters ein- 36 geschränkt wird, indem sie entweder ausgeschlossen oder auf den Mieter abgewälzt wird57. Dies ist zweifelhaft. Zwar soll der Mieter gerade deshalb nicht zur Vornahme von Kleinreparaturen verpflichtet werden können58. Ein sachlicher Unterschied zur Überbürdung von Schönheitsreparaturen besteht aber nicht. Der Ausschluss der Minderung ist in diesem Fall ein Reflex der Vornahmeverpflichtung59. Dagegen ist es unzulässig, sich die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung hinsichtlich der Mietzahlungsansprüche versprechen zu lassen, weil dadurch das Minderungsrecht erschwert wird60. Daneben erfasst § 536 Abs. 4 BGB zumindest Vereinbarungen, nach denen 53 BGH v. 21.2.1990 – VIII ZR 116/89, MDR 1990, 813 = NJW-RR 1990, 884; Blank/Börstinghaus, § 536 BGB Rz. 112. 54 Lützenkirchen/Dickersbach, ZMR 2006, 821. 55 BGH v. 23.4.2008 – XII ZR 62/06, MDR 2008, 1089 = ZMR 2008, 776 = NJW 2008, 2497. 56 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 406. 57 Blank/Börstinghaus, § 536 BGB Rz. 110; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 407. 58 BGH v. 6.5.1992 – VIII ZR 129/91, MDR 1992, 669 = WuM 1992, 355 = ZMR 1992, 332. 59 MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 33. 60 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 410.

Lützenkirchen | 383

§ 536 Rz. 36 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln – der Mangelbegriff eingeschränkt wird61, – die Minderung generell oder für bestimmte Arten von Mängeln ganz oder teilweise ausgeschlossen ist62, was auch der Fall ist, wenn – nur der anfängliche Rechtsmangel ausgeschlossen wird63, – der Mieter auf Bereicherungsansprüche verwiesen wird64, – der Ausschluss nur bauliche Veränderungen betrifft65, – die Minderung von der Duldungspflicht bei baulichen Änderungen abhängen soll66, – die Minderung auf die Nettokaltmiete oder sonstige Bestandteile der Miete beschränkt wird67, – die Kürzung der Miete von einer Ankündigung der Minderung abhängig sein soll68, – vor der Kürzung der Miete – der Mangel gerichtlich festgestellt sein muss69, – Verzug des Vermieters mit der Mängelbeseitigung eingetreten sein muss70, – eine Frist gesetzt werden muss71, – der Rückforderungsanspruch/die Aufrechnung für den Fall ausgeschlossen ist, dass der Mangel im laufenden Monat, für den der Mieter im Voraus die Miete entrichtet hat, eingetreten ist72. 37 Von § 536 Abs. 4 BGB unberührt bleibt ein Minderungsausschluss, der sich auf Mängel bezieht, die

bei Abschluss des Mietvertrages bereits vorhanden sind73. Insoweit ist es nicht erforderlich, die Beschränkung auf bestimmte Mängel zu beziehen74. Die Regelung ist auch dann wirksam, wenn sie abstrakt die Minderung für Mängel, die bei Vertragsschluss vorliegen, ausschließt. Diesen Fall sieht das Gesetz selbst in § 536b BGB vor. Allerdings muss eine entsprechende Formularklausel wegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB deutlich machen, dass der Ausschluss nicht gilt, wenn der Mieter sich die Minderung bzw. seine Gewährleistungsrechte vorbehält. cc) Für den Mieter nachteilige Vereinbarung 38 § 536 Abs. 4 BGB erfasst nur Vereinbarungen, die die Rechtslage in Bezug auf Mängel oder Minderung

für den Mieter nachteilig gestalten. Damit werden von vornherein solche Vertragsbestimmungen nicht erfasst, die dem Mieter einen Vorteil gewähren. Das trifft z.B. für eine Regelung zu, die die Minderung nach § 536 Abs. 1 BGB nicht von einer Gebrauchsbeeinträchtigung abhängig macht oder in der der Mieter auch bei unerheblicher Gebrauchsbeeinträchtigung mindern können soll. 39 Liegt aber eine für den Mieter nachteilige Bestimmung vor, was z.B. in den unter § 536 BGB Rz. 36 auf-

geführten Fällen möglich ist, stellt sich die Frage, ob dieser Nachteil durch außerhalb der konkreten Regelung dem Mieter gewährte Vorteile kompensiert werden kann. Zur Beantwortung dieser Frage kann grundsätzlich nicht darauf abgestellt werden, dass der Mieter unter vielen Interessenten als Vertragspartner ausgesucht wurde. Bei einer solchen Betrachtungsweise könnte jeder Nachteil aufgehoben bzw. aufgewogen werden.

61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72

Staudinger/Emmerich, 2011, § 536 BGB Rz. 74. LG Hamburg v. 14.7.1989 – 2 U 200/88, WuM 1990, 115. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 284. BGH v. 1.6.2005 – VIII ZR 216/04, MietRB 2006, 4 = MDR 2005, 1399 = ZMR 2005, 773 = NJW 2005, 2701. LG Berlin v. 8.7.1986 – 64 S 404/85, MDR 1986, 938 = GE 1986, 1011. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 408. Vgl. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. VIII 436a (für die Gewerberaummiete). LG Heidelberg v. 8.11.1996 – 5 S 95/96, WuM 1997, 42 = NJWE 1997, 99 = juris Rz. 22. MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 33. Blank/Börstinghaus, § 536 BGB Rz. 110. Staudinger/Emmerich, § 536 BGB Rz. 74. BGH v. 26.10.1994 – VIII ARZ 3/94, MDR 1995, 142 = WuM 1995, 28 = ZMR 1995, 60; BayObLG v. 6.5.1993 – 1Z RE-Miet 1/93, MDR 1993, 639 = WuM 1993, 335 = ZMR 1993, 371. 73 Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. VIII 433 (der darin allerdings eine Beschaffenheitsvereinbarung sieht). 74 A.A. Blank/Börstinghaus, § 536 BGB Rz. 113.

384 | Lützenkirchen

A. Allgemeines | Rz. 45 § 536

Vielmehr ist darauf abzustellen, ob die Parteien den konkreten Nachteil durch eine Vorteilsgewährung 40 aufgewogen haben, so dass die nachteilige Regelung materiell neutralisiert ist. Insoweit sollen jedenfalls solche Vergünstigungen herangezogen werden können, die dem Mieter innerhalb des Vertrages gewährt wurden (z.B. gegenüber dem ursprünglichen Angebot reduzierte Miete)75. Auch in diesem Fall soll § 536 Abs. 4 BGB mangels Nachteils zu Lasten des Mieters nicht eingreifen. Allerdings muss die Vorteilsgewährung im Vertrag Anklang gefunden haben76. Ob ein Vorteil gewährt wurde, ist dabei objektiv zu ermitteln. Ein relevanter Nachteil soll ebenfalls nicht angenommen werden können, wenn eine Klausel ein Ver- 41 tragsrisiko für beide Seiten gleichwertig regelt. Das ist z.B. der Fall, wenn durch den Mietvertrag eine Beschaffenheitsvereinbarung (hier: Größe der Wohnfläche) getroffen und zugleich festgelegt wird, dass beide Parteien auch aus einer erheblichen Abweichung keine Rechte herleiten können77. Wird eine solche Klausel formularmäßig vom Vermieter gestellt, bleibt sie trotz § 307 BGB unbeanstandet. Immerhin können die Parteien den Inhalt der Wohnfläche abweichend von §§ 42 ff. II. BV oder der WoFlV regeln78. dd) Praktische Beispiele Vor diesem Hintergrund kann zunächst daran gedacht werden, den Automatismus der Minderung 42 einzuschränken: Ein ausreichender Vorteil, der die Abweichung von einer für den Mieter günstigen Rechtslage aufwiegt, liegt z.B. vor, wenn die Klausel zwar den Automatismus der Minderung beschränkt, sein Risiko einer unbegründeten Minderung aber schmälert. Das wird etwa dadurch erreicht, dass der Mieter solange zur Sicherheitsleistung in Höhe des von ihm behaupteten Minderungsbetrages verpflichtet wird, bis endgültig feststeht, dass ein Minderungsrecht begründet ist79. 43 Klausel: „Im Falle der Mietkürzung wegen Mängeln der Mietsache ist der Vermieter solange nicht berechtigt, das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzuges ordentlich oder außerordentlich zu kündigen, wie der Mieter Sicherheit in Höhe des gekürzten Betrages leistet. Für die Sicherheit gilt § 551 Abs. 3 BGB entsprechend. Befindet sich der Vermieter mit der Annahme der Sicherheit in Verzug, kann sie vom Mieter durch Hinterlegung bei der Justizkasse bei dem zuständigen Amtsgericht erfolgen. Der Sicherheit bedarf es nicht, wenn der Vermieter einer Minderung oder sonstigen Mietkürzung zugestimmt hat oder die zugrundeliegenden Tatsachen zwischen den Parteien unstreitig, entscheidungsreif oder rechtskräftig festgestellt sind.“

Aber auch die Minderung als solche kann gegen eine Vorteilsgewährung eingeschränkt werden. Dies 44 gilt allerdings nicht für einen generellen Ausschluss des Minderungsrechts. Immerhin würde das Äquivalenzverhältnis gestört und muss stets der Fall bedacht werden, dass die Tauglichkeit der Mietsache aufgehoben ist. Einen auch im Rahmen des § 307 BGB relevanten Vorteil erhält der Mieter bei der Vereinbarung einer 45 Staffelmiete80. Mit Rücksicht darauf ist es gerechtfertigt, z.B. geringfügige Minderungen auszuschließen. Dabei muss jedoch darauf geachtet werden, dass die Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB nicht „leer läuft“81. Das wäre z.B. der Fall, wenn die Klausel den Vermieter motivieren könnte, seine Erhaltungspflicht bei geringfügigen Mängeln nicht mehr zu erfüllen.

75 76 77 78 79

Lehmann-Richter, WuM 2010, 3. Lehmann-Richter, WuM 2010, 3. LG Berlin v. 16.1.2007 – 63 S 267/05, GE 2007, 449. BGH v. 24.3.2004 – VIII ZR 44/03, MDR 2004, 933 = NJW 2004, 2230. Vgl. zu einer ähnlichen Klausel: KG v. 16.3.2009 – 8 U 112/08, MietRB 2010, 263 = GE 2009, 1555 = GuT 2009, 300. 80 BGH v. 12.11.2008 – VIII ZR 270/07, MDR 2009, 135 = MietRB 2009, 126 = GE 2009, 45 = NZM 2009, 80 = ZMR 2009, 189. 81 Vgl. dazu BGH v. 24.10.2001 – VIII ARZ 1/01, MDR 2002, 330 = ZMR 2002, 184 = WuM 2002, 141 = NZM 2002, 116.

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§ 536 Rz. 46 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln 46 Klausel: „Bei Vereinbarung einer Staffelmiete ist das Minderungsrecht des Mieters ausgeschlossen, soweit sie zu einer Kürzung der Miete von unter 5 % führt und sich der Vermieter nicht länger als zwei Wochen mit der Mängelbeseitigung in Verzug befindet.“

b) Vereinbarungen zum vertragsgemäßen Zustand 47 Das grundsätzliche Verbot abweichender Regelungen zu Lasten des Mieters tangiert nicht die Verein-

barung über die Qualität des vertragsgemäßen Zustandes. Dieser unterliegt in den Grenzen der §§ 134, 138, 307 BGB der Dispositionsfreiheit der Parteien. 48 Auch ein unter dem Mindeststandard liegender Zustand ist dann vertragsgemäß, wenn er eindeutig

vereinbart ist82. Dazu muss eine Formularklausel insbesondere dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB gerecht werden. Das ist nicht der Fall, wenn die Klausel ganz allgemein, also ohne inhaltliche Spezifizierung das Risiko von abweichenden Standards auf den Mieter abwälzt (hier: unterdimensionierte Elektro-Unterverteilung)83. Deshalb muss in der Klausel z.B. die Kapazität eines Stromnetzes in der maßgeblichen Einheit angegeben werden, damit für den Mieter ersichtlich ist, ab wann eine Überlastung eintritt oder ob er zusätzliche Kapazitäten für seine Nutzung benötigt. Auch wenn das Risiko nicht ausreichender Deckenlast auf den Mieter überbürdet werden soll, muss die vorhandene Auslastungsgrenze angegeben werden. 49 Allein die Tatsache, dass die Klausel über den vertragsgemäßen Zustand im Ergebnis zu einem Aus-

schluss des Minderungsrechts führt, zieht nicht ohne Weiteres die Unwirksamkeit nach § 536 Abs. 4 oder § 307 BGB nach sich. Dies gilt insbesondere für Vereinbarungen, mit denen Umweltmängel aus dem Risikobereich des Vermieters ausgeklammert werden (z.B. Bautätigkeit in bei Vertragsschluss vorhandener Baulücke)84. Dafür, dass eine vom Mindeststandard abweichende Vereinbarung auch nur stillschweigend getroffen wurde, trägt der Vermieter die Darlegungs- und Beweislast85. 2. Gewerberaummiete 50 Außerhalb der Wohnraummiete ist § 536 Abs. 4 BGB nicht anwendbar. Die Minderung kann also

grundsätzlich vertraglich ausgeschlossen oder eingeschränkt werden86. § 309 Nr. 8 lit. b BGB steht einem formularmäßigen Ausschluss des Minderungsrechtes nicht entgegen, da diese Bestimmung auf Mietverträge nicht anwendbar ist87. a) Regelungen zur Sollbeschaffenheit 51 Die Festlegung der Sollbeschaffenheit ist den Parteien grundsätzlich unbenommen. Wird die Soll-

beschaffenheit aber formularmäßig beschrieben, gelten die Grundsätze der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. 52 Daran ändert die Beifügung einer Baubeschreibung z.B. bei der Vermietung vom Reißbrett nichts.

Selbst wenn damit nur erreicht werden soll, dass die Leistung des Vermieters festgelegt wird, greift das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Damit muss aber aus der Baubeschreibung deutlich hervorgehen, wenn es unter Berücksichtigung des Vertragszwecks Abweichungen vom üblicherweise zu erwartenden Standard gibt und diese zu Lasten des Mieters gehen sollen.

82 BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 22/92, NJW-RR 1993, 522 (unter II 2b). 83 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356. 84 KG v. 3.6.2002 – 8 U 74/01, NZM 2003, 718; LG Gießen v. 15.12.2010 – 1 S 210/10, ZMR 2011, 384. 85 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356 = ZMR 2010, 517. 86 BGH v. 12.2.1959 – VIII ZR 54/58, BGHZ 29, 295; Hanseatisches OLG Hamburg v. 2.4.2003 – 4 U 57/01, ZMR 2004, 432. 87 BGH v. 24.4.1985 – VIII ZR 65/84, MDR 1985, 757 = NJW 1985, 1549.

386 | Lützenkirchen

A. Allgemeines | Rz. 56 § 536

Deshalb reicht es nicht aus, dass in einer Klausel oder der in Bezug genommenen Baubeschreibung mit- 53 geteilt wird, dass die übliche Kapazität vorhanden ist. Vielmehr müssen – damit der Mieter die Abweichung erkennen kann – die Kapazitäten nach ihrer Leistungsstärke angegeben werden88. Sobald damit im Übrigen formularmäßig eine Herbeiführung des vertragsgemäßen Zustandes abweichend von § 535 Abs. 1 S. 2 BGB auf den Mieter abgewälzt werden soll, liegt ein Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB vor. Daneben ist zu beachten, dass das Risiko der Versagung der Nutzung infolge baulicher Mängel durch 54 eine Behörde AGB-mäßig grundsätzlich nicht auf den Mieter abgewälzt werden kann, weil es mit § 535 Abs. 1 S. 2 BGB unvereinbar ist89. Demgemäß ist eine Formularklausel, die auch für diesen Fall den Vertrag im Zeitpunkt der Versagung der Genehmigung für aufgelöst erklärt, unwirksam90. Demgegenüber liegt in der Vereinbarung, dass der Mieter die erforderlichen behördlichen Genehmigungen auf seine Kosten einzuholen hat91 oder für eigene bauliche Veränderungen selbst haftet92, grundsätzlich kein Gewährleistungsausschluss. Der Vermieter haftet auch dann weiterhin für die generelle Geeignetheit der Mietsache zum vertraglich festgelegten Zweck und damit dafür, dass die notwendigen behördlichen Genehmigungen (z.B. baubehördliche Nutzungsänderungsgenehmigungen), ggf. nach zumutbaren Umbaumaßnahmen durch den Mieter, aufgrund der Beschaffenheit und Lage der Mietsache überhaupt erteilt werden können. b) Minderungsausschluss Da § 536 Abs. 4 BGB in der Gewerberaummiete nicht gilt, ist der Automatismus der Minderung, wie 55 er von § 536 Abs. 1 BGB geregelt wird, grundsätzlich abdingbar. Dies wird noch nicht dadurch erreicht, dass Aufrechnung und Zurückbehaltungsrecht ausgeschlossen werden93. Ist der Ausschluss in 23 Abschnitte umfassenden Mietbedingungen ohne besonderen Hinweis enthalten, ist er nach § 305c Abs. 1 BGB überraschend und damit unbeachtlich94. Gerade bei einem Mietvertrag, dessen Inhalt an § 307 BGB zu messen ist, darf die Regelung nicht den Eindruck erwecken, dass die Minderung gänzlich ausgeschlossen ist, also der Mieter auch dann zur Mietzahlung verpflichtet bleibt, wenn die Tauglichkeit der Mietsache aufgehoben ist. Mit Rücksicht darauf ist die Formularklausel, nach der der Mieter in Bezug auf die Miete und die Betriebskosten kein Minderungsrecht geltend machen kann, im Zweifel wegen § 305c Abs. 2 BGB dahin auszulegen, dass ein vollständiger Ausschluss der Rechte aus § 536 BGB geregelt werden soll95. Dies ist im Hinblick auf das Äquivalenzprinzip unwirksam, selbst wenn sich der Ausschluss nur auf einen bestimmten Mangel beziehen soll96. Macht die Klausel aber deutlich, dass dem Mieter sein Bereicherungsanspruch bei Vorbehaltszah- 56 lung erhalten bleibt, sollen keine Bedenken bestehen97. Mit diesem Vorbehalt soll insbesondere eine AGB-Klausel unbedenklich sein, nach der die Minderung von einer vorausgehenden Ankündigung abhängig gemacht wird (vgl. auch § 536 BGB Rz. 60) oder voraussetzt, dass der Mieter sich nicht in Zahlungsrückstand befindet98. Ein Ausschluss der Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen aus § 536a Abs. 1 BGB lässt das Minderungsrecht und auf Minderung beruhende Bereicherungsansprüche unberührt99.

88 Vgl. dazu BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356. 89 BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, MietRB 2008, 103 = ZMR 2008, 274. 90 BGH v. 27.1.1993 – XII ZR 141/91, ZMR 1993, 320. 91 OLG München v. 19.5.1995 – 21 U 4948/94, ZMR 1995, 401. 92 BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, MietRB 2008, 103 = ZMR 2008, 274. 93 LG Wuppertal v. 24.11.2016 – 7 O 139/15, MietRB 2017, 255 = ZMR 2017, 489. 94 OLG Nürnberg v. 3.12.1976 – 1 U 179/75, MDR 1977, 580 = NJW 1977, 1402. 95 BGH v. 23.4.2008 – XII ZR 62/06, MDR 2008, 1089 = ZMR 2008, 776 = NJW 2008, 2497. 96 BGH v. 23.4.2008 – XII ZR 62/06, MDR 2008, 1089 = NZM 2008, 609 = GE 2008, 981 = ZMR 2008, 776. 97 KG v. 16.3.2009 – 8 U 112/08, MietRB 2010, 263 = GE 2009, 1555 = GuT 2009, 300; a.A. Streyl, NZM 2015, 841, der gleichwohl eine Benachteiligung des redlichen Mieters bei kundenfeindlicher Auslegung sieht. 98 OLG Köln v. 25.10.2013 – 1 U 19/13, IMR 2014, 65; KG v. 12.3.2001 – 12 U 8765/99, GuT 2002, 77 = NZM 2002, 387. 99 BGH v. 26.10.1994 – VIII ARZ 3/94, MDR 1995, 142 = NJW 1995, 254.

Lützenkirchen | 387

§ 536 Rz. 56a | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln 56a Vor diesem Hintergrund soll es zulässig sein, formularmäßig den Ausschluss von Minderung, Auf-

rechnung und der Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechtes zu regeln, soweit es sich nicht um rechtskräftig festgestellte oder unstreitige Gegenforderungen handelt100. Diese Formulierung soll auch deutlich machen, dass der Rückforderungsanspruch besteht101. Dies ist im Hinblick auf den Maßstab der kundenfeindlichsten Auslegung sehr zweifelhaft (§ 536 BGB Rz. 61b). Abgesehen davon werden vom Wortlaut auch entscheidungsreife Minderungsrechte/Forderungen erfasst, was AGB-mäßig problematisch ist (vgl. § 556b BGB Rz. 58). Zutreffend ist insoweit jedoch, dass die unwirksame Beschränkung einer Aufrechnung die Beschränkung der Minderung in derselben Klausel unberührt lässt (bluepencil)102. 56b Hängt die Minderung nach der Klausel von einem Anerkenntnis des Vermieters ab, soll sie wirksam

sein103. Da eine Minderungsquote nicht angegeben werden muss, soll sich das Anerkenntnis nur auf die die Minderung begründenden Tatsachen beziehen können. Die gegenteilige Rechtsprechung zu Aufrechnungsklauseln104 ist nicht übertragbar, da auch der völlige Ausschluss der Minderung grundsätzlich zulässig ist (vgl. § 536 BGB Rz. 56). Voraussetzung soll aber auch hier sein, dass aus der Klausel deutlich wird, dass dem Mieter Rückforderungsansprüche wegen überzahlter Miete erhalten bleiben. 56c Wird in einem Formularmietvertrag die Minderung für Mängel ausgeschlossen, die im Zeitpunkt der

Überlassung der Räume vorhanden sind, soll sich der Ausschluss nur auf Mietsachen beziehen, die bei Vertragsschluss bereits fertiggestellt sind105. 57 Ein (unwirksamer) Ausschluss des Rückforderungsanspruchs soll in der Klausel: „Eine nicht ausdrück-

lich vom Vermieter zugestandene oder rechtskräftig bestätigte Mietminderung darf der Mieter nur vornehmen, wenn in Höhe des Minderungsbetrages zugleich eine Hinterlegung bei der Justizkasse eines deutschen Gerichts durch ihn erfolgt“ nicht enthalten sein, so dass kein Verstoß gegen § 307 BGB vorliegt106. Dies ist insoweit bedenklich, als kein Vorbehalt für entscheidungsreife Forderungen geregelt ist107. Denn das Stadium zwischen Beendigung einer Beweisaufnahme über den (streitigen) Mangel bis zum Eintritt der Rechtskraft kann sehr lange dauern, ohne dass ein rechtfertigender Grund dafür ersichtlich ist, dass das (risikolose) Kürzen der Miete nicht berechtigt sein könnte. 58 Der vertragliche (wirksame) Ausschluss der Minderung durch Einbehalt eines Teils der Miete soll

grundsätzlich auch dann zum Zuge kommen, wenn sich der Vermieter in Vermögensverfall befindet und der Mieter Gefahr läuft, den ihm bereicherungsrechtlich zustehenden Anspruch bei isolierter Geltendmachung der Minderung nicht durchsetzen zu können. Allerdings soll der Mieter im Einzelfall auf der Grundlage von Treu und Glauben (§ 242 BGB) dadurch geschützt werden, dass er in Höhe des maximal denkbaren Minderungsbetrags nur zur Zahlung Zug um Zug gegen Sicherheitsleistung verpflichtet wird108. Dies ist bedenklich. Richtigerweise verstößt der Vermieter gegen Treu und Glauben, wenn er sich – trotz der eigenen Zahlungsunfähigkeit – auf den Minderungsausschluss beruft109. 59 Für den Minderungsausschluss sollen auch keine anderen Anforderungen gelten, wenn sich der Mie-

ter mit Zahlungen im Rückstand befindet. Die Klausel, nach der der Mieter nur mindern darf, wenn er sich mit seinen Mietzahlungen nicht in Rückstand befindet, vernachlässigt den Rückforderungsanspruch des Mieters ebenso wie ein genereller Minderungsausschluss. Insoweit kann auch kein all-

100 101 102 103 104 105 106 107 108 109

BGH v. 27.1.1993 – XII ZR 141/91, ZMR 1993, 320 = DWW 1993, 170. KG v. 16.3.2009 – 8 U 112/08, MietRB 2010, 263 = GE 2009, 1555 = GuT 2009, 300. KG v. 13.7.2015 – 8 W 45/15, MDR 2016, 264 = MietRB 2016, 71 = GE 2015, 1594 = ZMR 2016, 862. KG v. 13.7.2015 – 8 W 45/15, MDR 2016, 264 = MietRB 2016, 71 = GE 2015, 1594 = ZMR 2016, 862; KG v. 11.9.2014 – 8 U 77/13, MDR 2014, 1437 = MietRB 2015, 13 = GE 2014, 1528; OLG Düsseldorf v. 8.6.2006 – 10 U 159/05, GuT 2006, 265. BGH v. 16.3.2006 – I ZR 65/03, MDR 2006, 1300 = NJW-RR 2006, 1350; BGH v. 1.12.1993 – VIII ZR 41/93, MDR 1994, 261 = NJW 1994, 657 (658). OLG Düsseldorf v. 11.3.1982 – 10 U 129/81, MDR 1982, 850 = ZMR 2003, 183. KG v. 16.3.2009 – 8 U 112/08, MietRB 2010, 263 = GE 2009, 1555 = GuT 2009, 300. Vgl. dazu: BGH v. 7.4.2011 – VII ZR 209/07, MDR 2011, 652 = ZMR 2004, 541 mit Anm. Niebling, ZMR 2011, 620. OLG Stuttgart v. 29.9.2008 – 5 U 65/08, MietRB 2009, 70 = MDR 2009, 21 = ZMR 2009, 204 = NZM 2009, 32. BGH v. 12.2.1990 – VIII ZR 355/89, NJW-RR 1991, 971; OLG Rostock v. 1.11.2004 – 3 U 166/03, MDR 2005, 1011 = GuT 2005, 17 Rz. 48.

388 | Lützenkirchen

A. Allgemeines | Rz. 62 § 536

gemeiner Rechtsgrundsatz herangezogen werden, wonach sich nur derjenige z.B. auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen darf, der sich selbst vertragstreu verhält110. Denn damit wird dem Mieter das weitere Risiko aufgebürdet, dass über die Berechtigung des Mietrückstandes gestritten wird, ohne dass klar ist, ob der Mieter hinsichtlich der eigentlich geminderten Miete ein Rückforderungsrecht geltend machen kann. Wird die Durchführung der Minderung von einer Ankündigung abhängig gemacht, muss ebenfalls 60 ein Vorbehalt für die Rückforderung erklärt werden111. Ansonsten müsste der Mieter für die Dauer der Ankündigungsfrist die Miete fortbezahlen, obwohl die Mietsache z.B. nicht mehr existiert. Wirksame Beschränkungen der Minderung gelten über das Vertragsende hinaus112. Allerdings kann 61 sich der Vermieter auf die Nichteinhaltung einer solchen Klausel nicht mehr berufen, wenn das Vertragsverhältnis beendet ist, der Mieter das Objekt geräumt und herausgegeben hat und lediglich noch wechselseitige Ansprüche abzurechnen sind113. Im Übrigen steht im Rückforderungsprozess ein wirksamer Minderungsausschluss der Annahme entgegen, der Mieter habe in Kenntnis der Nichtschuld geleistet (§ 814 BGB). Denn dadurch ist gerade belegt, dass der Mieter nicht wusste, dass er die Miete nicht schuldete. Ist der Minderungsausschluss unwirksam, kann der Vermieter nur dann § 814 BGB reklamieren, wenn er vorträgt, dass dem Mieter bei der Leistung die Unwirksamkeit bekannt war114. Im Übrigen steht im Rückforderungsprozess ein wirksamer Minderungsausschluss der Annahme ent- 61a gegen, der Mieter habe in Kenntnis der Nichtschuld geleistet (§ 814 BGB). Denn dadurch ist gerade belegt, dass der Mieter nicht wusste, dass er die Miete nicht schuldete. Ist der Minderungsausschluss unwirksam, kann der Vermieter nur dann § 814 BGB reklamieren, wenn er vorträgt, dass dem Mieter bei der Leistung die Unwirksamkeit der Klausel bekannt war115. Die vorstehend wiedergegebene Rechtsprechung zum Minderungsausschluss ist AGB-rechtlich zwei- 61b felhaft. Bei der AGB-Kontrolle ist mittlerweile die kundenfeindlichste Auslegung als Prüfungsmaßstab einheitlich anzuwenden116. Zwar findet die AGB-Kontrolle nach § 307 Abs. 3 BGB nur in dem Umfang statt, wie von Vorschriften abgewichen wird. Mit der Formulierung, die Minderung sei ausgeschlossen, der Rückforderungsanspruch des Mieters bleibe aber unberührt, wird das Minderungsrecht aber beschränkt. Eine Beschränkung des Minderungsrechts ist nach § 536d BGB unwirksam, wenn der Vermieter eine arglistige Täuschung begangen hat. Bei kundenfeindlichster Auslegung erfasst die Formulierung einer Minderungsbeschränkung auch diesen Fall. Dies wird durch den Vorbehalt von Rückforderungsansprüchen nicht in ausreichendem Maße „geheilt“. Denn es bleibt eine Beschränkung, die § 536d BGB (auch) verbietet. Bei kundenfeindlichster Auslegung hält eine Minderungsbeschränkung dem Prüfungsmaßstab des § 307 BGB also nur stand, wenn sie auch einen Vorbehalt für den Fall der arglistigen Täuschung enthält117.

VI. Regressmöglichkeiten des Vermieters Der Vermieter erleidet bei der Ausübung von Gewährleistungsansprüchen durch den Mieter erfah- 62 rungsgemäß eine wirtschaftliche Einbuße. In vielen Situationen kann sich der Vermieter bei Dritten schadlos halten oder doch zumindest einen Teil seines Schadens liquidieren. Deshalb sollte auf Vermieterseite stets geprüft werden, inwieweit der Dritte in die Klärung einbezogen werden kann, wobei ihm im Prozess regelmäßig der Streit zu verkünden ist.

110 A.A. OLG Düsseldorf v. 24.6.2010 – 24 U 210/09, MietRB 2011, 107 = MietRB 2011, 111 = ZMR 2011, 380. 111 KG v. 2.12.2012 – 8 U 286/11, MDR 2013, 396 = MietRB 2013, 143 = ZMR 2013, 530. 112 BGH v. 27.1.1993 – XII ZR 141/91, NJW-RR 1993, 519; OLG Hamm v. 11.2.1998 – 30 U 70/97, NZM 1998, 438. 113 BGH v. 16.12.1987 – VIII ZR 48/87, MDR 1988, 488 = ZMR 1988, 135 (für die Aufrechnung). 114 KG v. 11.9.2014 – 8 U 77/13, MDR 2014, 1437 = MietRB 2015, 13 = ZMR 2015, 221. 115 KG v. 11.9.2014 – 8 U 77/13, MietRB 2015, 13 = MDR 2014, 1437 = ZMR 2015, 221 = NZM 2014, 909. 116 BGH v. 18.3.2015 – VIII ZR 185/14, MietRB 2015, 161 = MDR 2015, 578 = WuM 2015, 338 = ZMR 2015, 685 m.w.N.; BGH v. 23.4.2008 – XII ZR 62/06, MDR 2008, 1089 = ZMR 2008, 776 = NJW 2008, 2497. 117 Kraemer, NZM 2004, 721 (726).

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§ 536 Rz. 63 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln 63 Derartige Regressmöglichkeiten bestehen gegen

– den „lärmenden“ Mieter in Höhe der berechtigten Mietminderungen anderer Mieter (Schadensersatz aus § 280 BGB)118; 64

– den Nachbarn bei einer Beeinträchtigung durch Baulärm119 (Entschädigungspflicht aus § 906 Abs. 2 BGB, sofern das Risiko vom Vermieter zu tragen ist, § 536 BGB Rz. 136 f.): Minderungen, die 6 % überschreiten, sollen jenseits der Zumutbarkeitsgrenze nach § 906 Abs. 2 BGB liegen120); beruht die Lärmquelle allerdings auf einem Planfeststellungsverfahren (z.B. Flughafen121 oder Autobahn122), so dass der Eigentümer die Möglichkeit hat, in dem Verfahren seine berechtigten Interessen einzubringen (z.B. zusätzliche Schallschutzmaßnahmen), erfasst der damit verbundene Ausschluss des öffentlich-rechtlichen Aufopferungsanspruchs auch den Anspruch aus § 906 Abs. 2 BGB;

65

– Handwerker bei Substanzschäden; dann liegen baurechtliche Gewährleistungsansprüche nahe. Bei Lärm oder sonstigen Gebrauchsbeeinträchtigungen ist zu prüfen, ob ein anderer Mieter auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden könnte123. Damit diese (je nach Stadium noch vagen) Regressansprüche rechtzeitig vorbereitet sind, sollte der Rechtsanwalt schon beim ersten Anschein eines regressbegründenden Sachverhalts entsprechende Schritte gegen den/die potentiellen Schuldner vorbereiten. Dies kann durch Abmahnung gegenüber anderen Mietern geschehen oder durch einfache Unterlassungsaufforderung. Auch der bloße Hinweis auf mögliche Regressansprüche kann später die Inanspruchnahme des Dritten erleichtern, sei es, dass erst der Hinweis ein Verschulden begründet oder auch nur einer Verwirkung entgegengewirkt wird.

66 Ist der Vermieter Nießbraucher, trifft ihn zwar grundsätzlich die Erhaltungspflicht gemäß § 535 Abs. 1

S. 2 BGB. Auch ist er nach § 1041 S. 1 BGB für die Erhaltung der Sache in ihrem wirtschaftlichen Bestand verantwortlich. § 1041 S. 2 BGB schränkt diese Unterhaltungspflicht aber ein, indem Ausbesserungen und Erneuerungen nur insoweit geschuldet werden, als sie zu der gewöhnlichen Unterhaltung gehören. Dazu zählen solche Maßnahmen, die bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung regelmäßig, und zwar wiederkehrend innerhalb kürzerer Zeitabstände zu erwarten sind, also insbesondere normale Verschleißreparaturen124. Muss der Nießbraucher wegen § 535 Abs. 1 S. 2 BGB über die Verpflichtung des § 1041 BGB hinaus Arbeiten an der Mietsache ausführen lassen, steht ihm ein Verwendungsersatzanspruch gegen den (Mit-)Eigentümer nach § 1049 BGB (ggf. i.V.m. § 421 BGB) zu.

VII. Prozessuales 66a In prozessualen Auseinandersetzungen kann § 536 BGB in vielfältigen Konstellationen eine Rolle spie-

len. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei § 536 BGB um eine (prozessuale) Einwendung handelt125. Demnach ist die Norm schon anzuwenden, wenn der Vortrag ergibt, dass ein Mangel der Mietsache vorliegt. Ein Berufen des Mieters wie bei einer Einrede (z.B. Verjährung) ist nicht erforderlich. 66b Der Mieter kann sowohl sein Minderungsrecht als solches als auch die Höhe der Minderung durch

eine Feststellungsklage geltend machen, sobald der Vermieter sein Recht insoweit relevant bestreitet. Mit einer positiven Feststellungsklage kann das Interesse verfolgt werden, wegen eines bestimmten Sachmangels überhaupt mindern zu dürfen oder die Höhe einer bestimmten Minderung festzustellen. Basiert die Klage auf einem dynamischen Mangel (z.B. Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück), ist sie für die Zeit nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung unbegründet, wenn die Dauer bis zum Wegfall des Mangels ungewiss ist126. Die negative Feststellungsklage kann dazu dienen, einen Rückfor-

118 119 120 121 122 123 124 125 126

AG Bremen v. 9.3.2011 – 17 C 105/10, WuM 2011, 362 = NZM 2012, 383. Vgl. Schelinski, NZM 2005, 211. LG Hamburg v. 3.12.1998 – 327 S 97/98, MDR 1999, 154 = NZM 1999, 169. BGH v. 10.12.2004 – V ZR 72/04, MDR 2005, 623 = NZM 2005, 226. BGH v. 21.1.1999 – III ZR 168/97, NJW 1999, 1247. Sehr anschaulich: OLG Rostock v. 26.5.2003 – 3 U 85/02, GuT 2003, 212. BGH v. 6.6.2003 – V ZR 392/02, MDR 2003, 1170 = NJW-RR 2003, 1290. BGH v. 1.3.2000 – XII ZR 272/97, NJW 2000, 2344; BGH v. 27.2.1991 – XII ZR 47/90, NJW-RR 1991, 779. LG Berlin v. 9.1.2020 – 67 S 230/19, WuM 2020, 70.

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B. Wohnraummiete | Rz. 67 § 536

derungsanspruch des Vermieters wegen geminderter Miete zu verneinen127. Beides kann auch neben einer Leistungsklage auf Rückzahlung zu viel gezahlter Miete geltend gemacht werden. Die Feststellung kann sowohl in die Vergangenheit (wegen durchgeführter Minderung) als auch in die Zukunft (bis zur Behebung des Mangels) gerichtet sein. Eine Leistungsklage auf Rückforderung wegen Minderung zu viel gezahlter Miete ist mit einem unbe- 66c zifferten Klageantrag (wie bei Schmerzensgeld) nicht zulässig128. Zwar wird die Höhe der Minderungsquote – wie das Schmerzensgeld – von Amts wegen festgestellt129. Indessen ist das Prozessrisiko des Mieters wegen der oft nur schwer vorhersehbaren Minderungsquote kein ausreichendes Argument, um von der Vorgabe des § 253 ZPO, einen bestimmten Klageantrag zu stellen, abweichen zu können. Im Gegensatz zum Schmerzensgeld wird die Höhe der Minderung nicht in das Ermessen des Gerichts gestellt, sondern ist anhand der feststehenden Parameter des § 536 BGB zu ermitteln. Umstritten ist die Frage, ob im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens (bzw. überhaupt im 66d Rahmen einer Beweisaufnahme) ein Sachverständiger mit der Beurteilung des Minderungsumfanges beauftragt werden kann. Der Streit entsteht bei der Frage, ob der Mietwert als Wert i.S.d. § 485 Abs. 2 Nr. 1 ZPO anzusehen ist130. Während die einen meinen, dass der Wert der Sache, und damit auch die Verminderung der Gebrauchstauglichkeit, allein vom Richter beurteilt werden kann131, halten die anderen die Feststellungen eines Sachverständigen zumindest als Überlegungshilfe oder als (Bewertungs-) Vorschlag132 für zulässig, zumal derartige Feststellungen im Rahmen einer Beweisaufnahme im streitigen Verfahren ebenfalls zulässig sein sollen133. Die zuletzt genannte Meinung hat nicht nur die Historie des § 485 ZPO in der aktuellen Fassung für sich134, sondern findet ihre Berechtigung vor allem in den mietrechtlichen Gewährleistungsregelungen. Die Ermittlung der angemessenen Minderungsquote ist ohne die Bewertung eines Sachverständigen in vielen Fällen (in kompetenter Weise) kaum möglich, wenn Gebäudeschäden zu beurteilen sind. Ansonsten müsste sich das Gericht von jeder Gebrauchsbeeinträchtigung und deren Auswirkungen ein eigenes Bild (Augenscheinseinnahme) verschaffen135. Unabhängig davon macht es keinen Sinn, die Zulässigkeit des selbständigen Beweisverfahrens in den Fällen anzunehmen, in denen das Verfahren der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann, wenn nicht alle Fragen des Gewährleistungsrechts durch das Verfahren geklärt werden können.

B. Wohnraummiete I. Mangel der Mietsache 1. Allgemeines 67 Nach dem Wortlaut des § 536 Abs. 1 BGB gilt es als Mangel der Mietsache, wenn – ein Fehler der Mietsache ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder nicht unerheblich mindert (Abs. 1) oder – der Mietsache eine vom Vermieter zugesicherte Eigenschaft fehlt (Abs. 2) oder – der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache durch das Recht eines Dritten ganz oder teilweise entzogen wird (Abs. 3, Rechtsmangel).

127 BGH v. 12.6.1985 – VIII ZR 142/84, ZMR 1985, 403 = WPM 1985, 1213 = juris Rz. 17. 128 KG v. 14.2.2002 – 8 U 8203/00, ZMR 2002, 823 = NZM 2002, 526 = GE 2002, 666; a.A. Schmidt-Futterer/ Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 518. 129 BGH v. 20.6.2012 – VIII ZR 268/11, MDR 2012, 988 = ZMR 2013, 24 = NZM 2012, 760. 130 Vgl. Scholl, NZM 1999, 108 m.w.N. 131 LG Köln v. 29.12.1992 – 10 T 184/92, WuM 1995, 490; LG Saarbrücken v. 29.10.1991 – 5 T 693/91, WuM 1992, 144. 132 KG v. 15.2.1999 – 25 W 6893/98, NZM 2000, 780 = GE 1999, 643; Scholl, NZM 1999, 108 (110). 133 BGH v. 27.2.1991 – XII ZR 47/90, NJW-RR 1991, 779. 134 Scholl, NZM 1999, 108 (109). 135 Was bei Lärmbeeinträchtigungen im Hinblick auf die subjektive Empfindung ohnehin gilt, BGH v. 8.5.1992 – IV ZR 89/91, WuM 1992, 377.

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§ 536 Rz. 68 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln 68 Obwohl kein Verschulden an der Herbeiführung des unzulänglichen Zustandes erforderlich ist, muss

der Vermieter nur für Mängel einstehen, die seiner Sphäre zuzurechnen sind. Demgemäß kann der Mieter in der Regel keine Gewährleistung für Zustände reklamieren, die zwar als solche einen Mangel der Mietsache begründen, dessen Entstehung aber seiner Sphäre entstammen136. Dabei ist es grundsätzlich unerheblich, ob der Beitrag des Mieters unmittelbar oder mittelbar den vermeintlichen Mangel herbeigeführt hat. Maßgeblich ist grundsätzlich die Zuordnung des beanstandeten Phänomens zum Risikobereich des Mieters. Deshalb scheidet z.B. die Annahme eines öffentlich-rechtlichen Mangels (vgl. § 536 BGB Rz. 194 ff.) nicht schon deshalb aus, weil das Eingreifen der Behörde auf eine entsprechende Anzeige des Mieters zurückzuführen ist. Verstößt der Zustand des Gebäudes oder die vom Vermieter zugesagte Nutzung gegen öffentlich-rechtliche Bestimmungen, ist dieser Missstand allein der Sphäre des Vermieters zuzurechnen, der seine Pflicht aus § 535 Abs. 1 BGB nicht erfüllt hat. Erfolgt eine unverhältnismäßige Anzeige des Mieters im Einzelfall aus Böswilligkeit oder geringem Anlass, kann sie eine Kündigung nach § 543 BGB begründen, selbst wenn sie auf zutreffenden Angaben beruht137. 69 Beispiele, in denen Gebrauchshindernisse der Sphäre des Mieters zuzurechnen sind und die daher

keine Minderung nach § 536 BGB rechtfertigen, sind: 70

– Der Sphäre des Mieters ist eine Unterbrechung der Stromversorgung zuzurechnen, die auf der Demontage des Zählers beruht, wenn diese Demontage darauf zurückzuführen ist, dass der Mieter die monatlichen Abschläge oder sonstige Entgelte an den Stromversorger nicht gezahlt hat138. Zwar stellt die Unterbrechung der Stromversorgung der Wohnung einen Mangel der Mietsache dar, weil ihre Gebrauchstauglichkeit dadurch beeinträchtigt ist, dass der Mieter ohne die Messeinrichtung keinen Strom von einem (neuen) Versorger beziehen kann. Indessen beschränkt sich die Verantwortung des Vermieters darauf, dass er für den Stromzähler als Messeinrichtung als Anschlussnehmer gemäß § 22 Abs. 1 Niederspannungsanschlussverordnung (NAV) einen Zählerplatz vorzusehen hat. Ob der Stromzähler, der zum Netzanschluss gehört und im Eigentum des Netzbetreibers verbleibt, funktioniert, unterliegt regelmäßig nicht seiner Einflussmöglichkeit.

70a

– Liegen Feuchtigkeitserscheinung auf der Wand vor, kommt eine Risikozuordnung zu Lasten des Mieters in Betracht, wenn sein Wohnverhalten als Ursache für die Entstehung der Feuchtigkeit ermittelt wurde. Das setzt aber in der Regel voraus, dass kein Baumangel zu dem Mangel beigetragen hat (vgl. § 536 BGB Rz. 120 f.).

71

– Ähnlich gestaltet sich die Rechtslage, wenn die Mietsache nach den Absprachen der Parteien (noch) herzurichten ist und der Mieter aus dem Leistungspaket des Vermieters einzelne Gewerke selbst übernimmt. War der Fußbodenbelag der Mieträume nach dem Mietvertrag vom Vermieter herzurichten und entscheidet sich der Mieter dafür, anstelle des vom Vermieter vorgesehenen textilen Bodenbelages auf eigene Kosten einen Kunststoffbelag durch einen von ihm beauftragten Unternehmer aufbringen zu lassen, ist er zur Minderung der Miete nicht berechtigt, wenn Schäden am Fußbodenbelag deshalb auftreten, weil dessen Subunternehmer – sorgfaltswidrig – den Kunststoffbelag auf feuchtem Untergrund verklebt hat, und zwar auch dann nicht, wenn der vom Mieter beauftragte Unternehmer identisch ist mit dem vom Vermieter mit der Durchführung der anderen Sanierungsmaßnahmen beauftragten Unternehmer139.

71a

– Das Gleiche gilt, wenn der Mieter die Herrichtung der Mietsache (wirksam) übernommen hat und sich die behördliche Nutzungsfreigabe wegen fehlender Brandschutzmaßnahmen verzögert140.

136 MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 32 m.w.N.; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 572. 137 Brandenburgisches OLG v. 19.4.2006 – 3 U 157/05, MietRB 2007, 65; vgl. aber auch LG Wiesbaden v. 2.5.1995 – 8 S 411/94, WuM 1995, 707; LG Osnabrück v. 6.8.1993 – 11 T 66/93, WuM 1993, 617; LG München v. 20.3.2002 – 14 S 17178/01, NZM 2002, 697. 138 BGH v. 15.12.2010 – VIII ZR 113/10, MietRB 2011, 102 = MDR 2011, 216 = WuM 2011, 97 = GE 2011, 261 = NZM 2011, 198 = ZMR 2011, 371. 139 KG v. 16.8.2004 – 12 U 310/03, MietRB 2005, 34 = GuT 2004, 230 = GE 2004, 1393 = ZMR 2004, 908. 140 LG Berlin v. 21.5.2015 – 32 O 435/14, MietRB 2015, 267, IMR 2015, 500.

392 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 74 § 536

– Nichts anderes gilt, wenn ein Ungezieferbefall auf bauliche Maßnahmen des Mieters zurückzufüh- 72 ren ist141. – Bei Änderungen im Umfeld der Wohnung ist die Risikosphäre des Vermieters nur berührt, wenn 72a ihm Unterlassungs-, Beseitigungs- oder Entschädigungsansprüche zustehen, die er gegen den Dritten verfolgen kann142 (zu Umweltfehlern § 536 BGB Rz. 136). Eine besondere Kategorie bilden Brandschäden, die der Mieter fahrlässig herbeigeführt hat. Hier sind 72b die Voraussetzungen des § 536 BGB gegeben, da der Vermieter unter Berücksichtigung der Grundsätze der versicherungsrechtlichen Lösung zur Beseitigung des Mangels verpflichtet ist (vgl. § 535 BGB Rz. 445a) und zwar ab dem Zeitpunkt, zu dem der Mangel bei Inanspruchnahme der Versicherung durch den Vermieter hätte beseitigt sein können143. Wird die Sanierung eines Brandes in der Wohnung durchgeführt, bei der der Sanierer die Möbel des Mieters auslagert, ist dieser (analog) § 537 Abs. 2 BGB so lange von der Mietzahlung befreit, bis die Möbel wieder in der Wohnung aufgestellt sind144. Die Risikoverteilung ändert sich nicht, wenn ein Mangel der Mietsache im Rahmen eines Unter- oder 72c Zwischenmietverhältnisses eintritt. Zwar folgen das Haupt- und das Untermietverhältnis grundsätzlich den dafür jeweils geltenden Regelungen. Diese können insbesondere dann unterschiedlich sein, wenn der Hauptmietvertrag einen gewerblichen Charakter hat und das Untermietverhältnis durch einen Wohnraummietvertrag gekennzeichnet ist. Umstände, die die Wohnungstauglichkeit beeinträchtigen, sind i.d.R. auch als Mängel des Zwischenmietverhältnisses im Verhältnis Hauptvermieter zu Zwischenmieter anzusehen145. 2. Begriff des Mangels Ein Mangel i.S.d. § 536 Abs. 1 BGB ist die für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen 73 Zustandes der Mietsache (= Ist-Beschaffenheit) von der vertraglich vereinbarten Soll-Beschaffenheit146. Aus dem zur Erfüllung des vertragsgemäßen Gebrauchs erforderlichen Zustand der Mietsache ergibt sich deren geschuldeter Zustand (sog. subjektiver Fehlerbegriff147). Dazu gehören über deren physische Beschaffenheit hinaus grundsätzlich auch die tatsächlichen Zustände und rechtlichen Verhältnisse, die mit der Mietsache zusammenhängen und ihre Gebrauchstauglichkeit beeinträchtigen. Das können auch Störungen sein, die außerhalb der Mietsache liegen. Um ein Ausufern des Fehlerbegriffs zu vermeiden, führen außerhalb der Mietsache selbst liegende 74 Umstände allerdings nur dann zu einem Mangel der Mietsache, wenn sie deren Gebrauchstauglichkeit unmittelbar beeinträchtigen148. Ob eine unmittelbare Beeinträchtigung der Mietsache vorliegt, richtet 141 OLG Düsseldorf v. 6.11.2008 – 24 U 149/07, ZMR 2011, 629. 142 BGH v. 29.4.2015 – VIII ZR 197/14, MDR 2015, 819 = MietRB 2015, 225 = ZMR 2015, 697 = GE 2015, 849 = NZM 2015, 481. 143 BGH v. 19.11.2014 – VIII ZR 191/13, MietRB 2015, 36 = MDR 2015, 76 = IMR 2015, 50. 144 AG Hamburg v. 18.3.2015 – 41 C 18/14, ZMR 2015, 934. 145 BGH v. 30.6.2004 – XII ZR 251/02, MietRB 2004, 346 = MDR 2004, 1348 = WuM 2004, 531 = ZMR 2005, 101. 146 St. Rspr. BGH v. 15.10.2008 – XII ZR 1/07, MDR 2009, 319 = MietRB 2009, 67 = MietRB 2009, 68 = NJW 2009, 664 (666); BGH v. 6.10.2004 – VIII ZR 355/03, MDR 2005, 743 = MietRB 2005, 32 = WuM 2004, 715; BGH v. 26.9.1990 – VIII ZR 205/89, MDR 1991, 329 = ZMR 1991, 19 m.w.N. 147 Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3135; MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 3. 148 BGH v. 26.9.2012 – XII ZR 122/11, MietRB 2013, 7 = WuM 2012, 671 = GE 2012, 1553 (zu einer Konkurrenzschutzverletzung); BGH v. 15.10.2008 – XII ZR 1/07, MDR 2009, 319 = MietRB 2009, 67 = MietRB 2009, 68 = NJW 2009, 664, 665 (zur Behinderung des Zugangs zu einem Geschäftslokal und zur Einhaltung eines bestimmten Mietermix); BGH v. 21.9.2005 – XII ZR 66/03, MDR 2006, 506 = MietRB 2006, 263 = NJW 2006, 899 (900) (zur Zusicherung einer Vollvermietung und bestimmten Mieterstruktur); BGH v. 16.2.2000 – XII ZR 279/97, MDR 2000, 821 m. Anm. Leo = NJW 2000, 1714 (1715) (zur enttäuschten Gewinnerwartung in einem Einkaufszentrum); BGH v. 11.12.1991 – XII ZR 63/90, WPM 1992, 583 (585) (zu öffentlich-rechtlichen Hindernissen); BGH v. 1.7.1981 – VIII ZR 192/80, MDR 1982, 135 = NJW 1981, 2405 (zur enttäuschten Gewinnerwartung bei geringer Kundenfrequenz); BGH v. 9.12.1970 – VIII ZR 149/69, NJW 1971, 424 (425) (zur Hochwassergefährdung des Mietobjekts); Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 13 f.; MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 14 f.; Staudinger/Emmerich, § 536 BGB Rz. 7.

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§ 536 Rz. 74 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln sich in erster Linie nach dem von den Parteien vereinbarten vertragsgemäßen Gebrauch149. Zur Unmittelbarkeit der Einwirkungen vgl. § 536 BGB Rz. 340 ff. 74a Ein weiteres Abgrenzungskriterium bildet die Vorhersehbarkeit. Deshalb begründet allein die Belegen-

heit eines Grundstücks in einem Gebiet, das unter gewöhnlichen Umständen nicht hochwassergefährdet ist, keine Pflicht des Vermieters, Vorkehrungen gegen Hochwasser zu treffen150. Findet aber aufgrund nicht vorhersehbarer Witterungsverhältnisse eine Überflutung statt, tritt ein nachträglicher Mangel ein. Denn die Überflutung als solche weicht von der Sollbeschaffenheit ab. 3. Ermittlung der Sollbeschaffenheit 75 Im Hinblick auf die möglichen Quellen, aus denen sich die Sollbeschaffenheit ergeben kann, muss bei

ihrer Ermittlung folgende Reihen- und Rangfolge151 eingehalten werden: – ausdrückliche Vereinbarungen zur Sollbeschaffenheit – konkludente Vereinbarung zur Sollbeschaffenheit – Auslegung des Begriffs „zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignet“ i.S.v. § 535 Abs. 1 BGB – ergänzende Vertragsauslegung. Die Prüfungsfolge macht deutlich, dass Einrichtungen, die in der Wohnung vorhanden aber im Mietvertrag nicht erwähnt sind, grundsätzlich auch der Gewährleistungspflicht des Vermieters unterliegen. Für alle Sachen, die bei der Übergabe der Räume vorhanden sind, spricht die Vermutung, dass sie im Rahmen des Mietvertrages überlassen werden und daher von der Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 535 Abs. 1 S. BGB erfasst werden. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob die Einrichtung (z.B. Telefonanschlussdose) bloß bezweckt, dem Mieter die Möglichkeit einzuräumen, bei einem Dritten eine Leistung (z.B. Telefonie) auf der Grundlage eines eigenen Vertrages abzufordern152. Solange im Mietvertrag nicht deutlich zum Ausdruck kommt, dass der Vermieter für die Funktionsfähigkeit bestimmter Einrichtungen nicht einzustehen hat, unterliegt sie seiner Erhaltungspflicht. a) Ausdrückliche Regelung zur Sollbeschaffenheit 75a Im Hinblick auf den subjektiven Fehlerbegriff sind Ausgangspunkt aller Überlegungen zunächst die

Abreden der Parteien. Dazu muss geprüft werden, ob und mit welchem Inhalt die Parteien bestimmte Standards der Mietsache als sicher vorausgesetzt haben und inwieweit sie von einem Standard abweichende Regelungen vereinbart haben. Dies kann ausdrücklich oder stillschweigend153 geschehen sein. Angaben zur Sollbeschaffenheit können vor allem enthalten sein: – im Vertrag, – im Übergabeprotokoll, – in der Vorkorrespondenz154, – in einer Baubeschreibung, – in sonstigen Anlagen zum Mietvertrag oder – in sonstigen (vorvertraglichen) Informationen (z.B. Annonce, Exposé). 76 Bei der zuletzt genannten Gruppe ist zusätzlich die Verbindlichkeit für die Vertragsgrundlage näher zu

prüfen. Eine Relevanz solcher Kriterien kann grundsätzlich nur angenommen werden, wenn die Parteien die Anpreisungen, Beschreibungen oder sonstigen Angaben aus den überlassenen Informationen zur

149 BGH v. 1.7.1981 – VIII ZR 192/80, MDR 1982, 135 = NJW 1981, 2405; Staudinger/Emmerich, § 536 BGB Rz. 5 m.w.N. 150 BGH v. 9.12.1970 – VIII ZR 149/69, NJW 1971, 424 = BB 1971, 633. 151 BGH v. 5.12.2018 – VIII ZR 271/17, MDR 2019, 150 = WuM 2019, 25 Rz. 23. 152 BGH v. 5.12.2018 – VIII ZR 17/18, MDR 2019, 283 = MietRB 2019, 34 = WuM 2019, 23 = GE 2019, 53. 153 BGH v. 23.6.2010 – VIII ZR 256/09, MietRB 2010, 289 = MDR 2010, 916 = WuM 2010, 480 = ZMR 2010, 938. 154 AG Wiesbaden v. 4.12.2008 – 92 C 6429/06-12, WuM 2010, 416.

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B. Wohnraummiete | Rz. 80 § 536

Grundlage ihrer Einigung machen wollten155. Insoweit kann maßgeblich sein, ob es sich bei dem relevanten Umstand um eine reine Objektbeschreibung handelt oder die Beschaffenheit des Mietobjektes angegeben werden sollte156. Bei einer Vereinbarung zur Sollbeschaffenheit ist auch der Vertragszweck zu berücksichtigen. Werden 77 Räume zum Wohnen vermietet, kann der Mieter solange, wie keine gegenteiligen (konkludenten) Vereinbarungen getroffen wurden, z. B. erwarten, dass die Räume die Benutzung gängiger (üblicher) Haushaltsgeräte zulassen157, also einen Mindeststandard des Wohnens ermöglichen. Sollen dazu einschränkende Regelungen gelten, die für eine Vielzahl von Fällen formuliert sind, müssen sie dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB entsprechen. Dazu ist erforderlich, dass die Einschränkung des üblichen vertragsgemäßen Zustandes für den Mieter in seiner Auswirkung erkennbar ist. Ist z.B. nur ein eingeschränkt nutzbares Stromnetz vorhanden, muss deshalb aus der Klausel die Belastungsgröße ersichtlich sein158. Dieser Aspekt darf aber nicht dahin missverstanden werden, dass der Vertragszweck wirksame Regelungen zur Sollbeschaffenheit außer Kraft setzt. Ist aber eine technische Einrichtung, die für die Nutzung als Wohnung prägend ist, nur pauschal im Mietvertrag genannt, kann der Mieter erwarten, dass der Vermieter ihn darauf hinweist, dass sie nicht den aktuellen Anforderungen gerecht wird. Umgekehrt wird die ausdrückliche Festlegung eines bestimmten Standards nicht dadurch unver- 78 bindlich, dass er bei Errichtung des Objektes noch nicht galt159. Vielmehr ist von dem Grundsatz auszugehen, dass je detaillierter die beabsichtigte Nutzung beschrieben ist, umso größer die Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit sind. Dies gilt insbesondere für Planskizzen und Baubeschreibungen, die dem Mietvertrag als Anlage beigefügt sind. Sie beschreiben die Mietsache (verbindlich) nicht nur in ihren äußeren Grenzen160, sondern legen die Anforderungen an den baulichen Zustand fest, soweit er beschrieben ist161. b) Stillschweigende Vereinbarung zur Sollbeschaffenheit Für stillschweigende Abreden der Vertragsparteien zur Sollbeschaffenheit gelten die allgemeinen Re- 79 geln (vgl. § 535 BGB Rz. 39 ff.). Danach sind insbesondere Handlungen beider Parteien erforderlich, die auf einen Rechtsbindungswillen und ein Erklärungsbewusstsein schließen lassen und eine Übereinstimmung in bestimmten Beschaffenheitsanforderungen erkennen lassen. Davon kann z.B. ausgegangen werden, wenn das Gebäude als solches ein bestimmtes, den Gebrauch beeinträchtigendes Merkmal bei der Besichtigung vor Abschluss des Mietvertrages deutlich wahrnehmbar aufweist, ohne dass für den Vermieter die Möglichkeit der Beseitigung der Gebrauchsbeeinträchtigung besteht. Das ist etwa bei Kellerfeuchtigkeit in Altbauten aus der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg grundsätzlich der Fall. Damals war es nicht üblich, gehörte also nicht zum Standard, Kellerwände gegen eindringende Feuchtigkeit zu isolieren. Soll dennoch eine trockene Beschaffenheit des Kellers in einem solchen Gebäude als vereinbart gelten, ist in der Regel ein besonderes Verhalten der Parteien bei Abschluss des Mietvertrages erforderlich, sofern keine ausdrückliche Vereinbarung getroffen wurde. Eine stillschweigende Übereinstimmung kann insbesondere aus vorvertraglichen Umständen herge- 80 leitet werden, wenn eine bestimmte Beschaffenheit ausdrücklich besprochen wurde, die für eine Partei eine erkennbare besondere Bedeutung hatte. Zur konkludent geschlossenen Beschaffenheitsvereinbarung wird dieser Umstand allerdings nur, wenn die andere Partei (i.d.R. der Vermieter) aus dem Verhalten des Mieters nach dem objektiv zu bestimmenden Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) erkennen musste, dass der Mieter die Fortdauer dieses bei Vertragsschluss bestehenden Umstands über die unbestimmte Dauer des Mietverhältnisses hinweg als maßgebliches Kriterium für den ver155 Vgl. BGH v. 23.6.2010 – VIII ZR 256/09, MDR 2010, 916 = MietRB 2010, 289 = WuM 2010, 480 einerseits und BGH v. 15.10.2008 – XII ZR 2/07, zitiert nach juris andererseits. 156 Vgl. Häublein, PiG 92, 81, 83 f. 157 BGH v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03, MietRB 2005, 1 = MDR 2004, 1346 = ZMR 2004, 807 = NJW 2004, 3174. 158 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356. 159 BGH v. 8.7.2009 – VIII ZR 218/08, MDR 2009, 1156 = MietRB 2009, 316 = GE 2009, 1118 = ZMR 2009, 838. 160 BGH v. 4.5.2005 – XII ZR 254/01, MietRB 2005, 259 = MDR 2005, 975 = ZMR 2005, 612 = NZM 2005, 500. 161 KG v. 30.3.2015 – 8 U 43/14, MDR 2015, 881 = MietRB 2015, 232 = ZMR 2015, 707.

Lützenkirchen | 395

§ 536 Rz. 80 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln tragsgemäßen Gebrauch der Wohnung ansieht und der Vermieter dem zustimmt162. Eine einseitig gebliebene Vorstellung des Mieters genügt für die Annahme einer diesbezüglichen Willensübereinstimmung selbst dann nicht, wenn sie dem Vermieter bekannt ist163. Erforderlich ist jedenfalls, dass der Vermieter darauf in irgendeiner Form zustimmend reagiert164. Das kommt in Betracht, wenn die konkrete Beschaffenheit wertbildender Natur ist (z.B. Flächenangaben)165. Nach der Ergänzung des § 558 Abs. 2 BGB durch das MietRÄndG 2013 um den Begriff der energetischen Beschaffenheit und Ausstattung kommt auch der Vorlage eines Energieausweises u.U. die Festlegung einer bestimmten energetischen Beschaffenheit zu (vgl. aber § 535 BGB Rz. 389). Dazu muss mit dem Vorzeigen des Ausweises aber ein bestimmter Zweck verfolgt werden. Allein aus der Einsicht in den Energieausweis kann nicht auf die Vereinbarung eines bestimmten (energetischen) Zustandes geschlossen werden. Legt der Mieter aber Wert auf eine bestimmte energetische Eigenschaft (z.B. darauf, dass die energetische Beschaffenheit der im Mietspiegel vorgesehenen Baualtersklasse eingehalten wird) und zeigt der Vermieter ihm aus diesem Grund den Energieausweis, kann damit die Sollbeschaffenheit (stillschweigend) festgelegt sein. 81 Mit Rücksicht auf den Mietzweck sind im Übrigen alle den Parteien erkennbaren Umstände zu be-

rücksichtigen. Auch der bei Vertragsabschluss bekannte „Istzustand“ der Mietsache ist von Bedeutung166. Deshalb kann die Vereinbarung einer besonders niedrigen Miete oder die Akzeptanz einer unzureichenden Beschaffenheit durch den Mieter z.B. bedeuten, dass ein schlechter Zustand (stillschweigend) vertragsgemäß sein soll (z.B. verschlissener Teppichboden)167. Dies gilt erst recht, wenn sich bei der Beschaffenheit des Gebäudes bestimmte unzuträgliche Phänomene regelmäßig aufdrängen, wie etwa eine bloß einfache Schallisolierung bei einem Altbau von 1962168 oder die Feuchtigkeit im Keller eines Altbaus aus der Zeit, in der Kellerwände noch nicht isoliert wurden169. Dagegen reicht es für die Annahme der notwendigen Willensübereinstimmung z.B. über einen sog. Umweltfehler nicht aus, dass der Mieter bei Vertragsschluss einen von außen auf die Mietsache einwirkenden Umstand (z.B. Straßenlärm) in einer für ihn vorteilhaften Weise wahrnimmt (z.B. als „ruhige Lage“) und er sich auch deshalb dafür entscheidet, die Wohnung zu mieten170. Das Gleiche gilt bei Lärmeinwirkungen von einem bei Abschluss des Mietvertrages nicht vorhandenen Bolzplatz171. Dazu müsste der Mieter zunächst noch vortragen, dass der Vermieter von seinem (objektiven) Empfängerhorizont aus dem Verhalten des Mieters erkennen musste, dass der Mieter die Fortdauer dieses bei Vertragsschluss bestehenden Umstands über die unbestimmte Dauer des Mietverhältnisses hinweg als maßgebliches Kriterium für den vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung angesehen hat und dem auch zugestimmt hat.

82 Damit nicht im Einklang steht ein Teil der Rechtsprechung, der die (plötzliche) Durchführung von

(Straßen-)Bautätigkeiten aufgrund der äußeren Umstände zur vertragsgemäßen Beschaffenheit der Mietsache zählt. Danach wird z.B. auf die Vorhersehbarkeit abgestellt. Deshalb soll kein Mangel vorliegen, wenn in der Nachbarschaft eine Baulücke bei Abschluss des Mietvertrages vorhanden ist, so dass Baulärm vom Nachbargrundstück zwingend vorhersehbar sein soll172. Denn jedenfalls in Ballungs162 BGH v. 29.4.2015 – VIII ZR 197/14, MietRB 2015, 225 = MDR 2015, 819 = WuM 2015, 478 = ZMR 2015, 697 = GE 2015, 849 = NZM 2015, 481; LG Berlin v. 14.6.2017 – 65 S 90/17, ZMR 2017, 974 (Abwesenheit von Straßenbauarbeiten und kein Baulärm); LG Berlin v. 18.12.2015 – 65 S 238/15, GE 2016, 785 (ruhige Lage der Wohnung); krit. Ghassemi-Tabar, NJW 2015, 2849; Selk, NZM 2015, 855. 163 BGH v. 29.4.2015 – VIII ZR 197/14, MietRB 2015, 225 = MDR 2015, 819 = WuM 2015, 478 = ZMR 2015, 697 = GE 2015, 849 = NZM 2015, 481; krit. Ghassemi-Tabar, NJW 2015, 2849; Selk, NZM 2015, 855. 164 BGH v. 19.12.2012 – VIII ZR 152/12, MDR 2013, 262 = MietRB 2013, 65 = NJW 2013, 6 Rz. 10; BGH v. 23.9.2009 – VIII ZR 300/08, MDR 2010, 20 = MietRB 2009, 345 = WuM 2009, 659 Rz. 14. 165 BGH v. 23.6.2010 – VIII ZR 256/09, MDR 2010, 916 = MietRB 2010, 289 = WuM 2010, 480. 166 Hanseatisches OLG Hamburg v. 13.7.1994 – 4 U 11/94, ZMR 1995, 120; OLG München v. 21.4.1995 – 21 U 5722/94, ZMR 1997, 236. 167 BayObLG v. 4.2.1987 – RE-Miet 2/86, MDR 1987, 498 = WuM 1987, 112; vgl auch BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235. 168 AG München v. 23.5.2019 – 283 C 1132/17, ZMR 2019, 877. 169 LG Mannheim v. 8.4.1998 – 4 S 158/97, WuM 1998, 663. 170 BGH v. 19.12.2012 – VIII ZR 152/12, MietRB 2013, 65 = MDR 2013, 262 = WuM 2013, 154 = NZM 2013, 184. 171 BGH v. 29.4.2015 – VIII ZR 197/14, MietRB 2015, 225 = MDR 2015, 819 = WuM 2015, 478 = ZMR 2015, 697 = GE 2015, 849 = NZM 2015, 481; krit. Ghassemi-Tabar, NJW 2015, 2849; Selk, NZM 2015, 855. 172 LG Berlin v. 11.3.2013 – 67 S 465/12, ZMR 2013, 717.

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B. Wohnraummiete | Rz. 84 § 536

gebieten soll damit zu rechnen sein, dass Baulücken geschlossen werden173. Dies soll insbesondere für ortskundige Mieter gelten, für die erkennbar ist, dass kürzlich durch Abriss geschaffene Brachflächen sukzessive wieder bebaut werden174 oder ihre Wohnungen in einem nicht fertig gestellten Neubaugebiet liegen175. Andererseits sollen umfangreiche Baumaßnahmen an einer Schule wegen der Staub- und Lärmbelästigung der Mieter in unmittelbarer Nachbarschaft nicht konkludent Vertragsinhalt des Mietvertrages geworden sein176 und können auch lang andauernde Umbauarbeiten (Umbau eines Ministeriumsbaus) zu einer Abweichung von der Sollbeschaffenheit führen177. Auch Entkernungsarbeiten im Nachbargebäude178 oder der Abriss eines Flachbaus auf dem Nachbargrundstück soll für einen Mieter nicht vorhersehbar sein179. Gleiches soll für ein Grundstück in Flussnähe im Hinblick auf permanenten Pumpeneinsatz anzunehmen sein180. Bei dieser generalisierenden Betrachtung wird einerseits übersehen, dass allein die Umstände des Einzelfalles maßgeblich sind181. Zum Anderen kann die Sollbeschaffenheit auch konkludent nicht ohne Willenselement herbeigeführt werden. Deshalb kann eine generalisierte Herangehensweise allenfalls da stattfinden, wo es um die allgemeine Risikoverteilung bei Fallgruppen von Mängeln geht. Dabei sind aber auch immer alternative Nutzungen in die Überlegungen einzubeziehen. Ein freies Grundstück einer Geneinde muss z.B. nicht unbedingt Bauland werden, sondern kann auch der Öffentlichkeit gewidmet warden. Ob im konkreten Fall eine (stillschweigende) Sollbeschaffenheit besteht, muss anhand der besonderen Umstände, die zu einer Vereinbarung über die Sollbeschaffenheit geführt haben sollen, ermittelt werden. Das gilt insbesondere für Qualitäten, die vom Standard abweichen. Ein vereinbarter schlechter Zu- 83 stand als Sollbeschaffenheit muss zwar den Erfüllungsanspruch nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB nicht (gänzlich) ausschließen182. Da Gewährleistungsrechte aber erst bei einer spürbaren Abweichung von der Sollbeschaffenheit gegeben sind, gelten hier hohe Anforderungen für die Annahme, dass generell ein abgesenkter Standard vereinbart sein soll. Deshalb führt z.B. die Erklärung des Vermieters anlässlich der Besichtigung, einen verschlissenen Teppichboden nicht zu ersetzen, zu der konkludenten Vereinbarung, dass die Sollbeschaffenheit des Bodenbelages schlecht ist. Eine besondere Ausstattung des Mietobjektes, seine exponierte Lage oder eine hohe Miete sprechen 84 für höhere Anforderungen an die Sollbeschaffenheit183. Das gilt aber grundsätzlich allein für die Ausstattung und die Bausubstanz. Denn darüber hinaus kann z.B. ohne besondere Absprachen aus der bloßen Vereinbarung einer deutlich über den örtlichen Spitzenpreisen liegenden Miete, auch vor dem Hintergrund besonderer vorvertraglicher (einseitiger) Anpreisungen, keine Verpflichtung des Vermieters abgeleitet werden, für einen bestimmten „Mietermix“ oder ein bestimmtes „Milieuniveau“ zu sorgen184. Unabhängig von der Höhe der vereinbarten Miete hat der Mieter einer nicht modernisierten Altbauwohnung grundsätzlich einen Anspruch auf eine Elektrizitätsversorgung, die zumindest den Betrieb eines größeren Haushaltsgerätes (z.B. Waschmaschine) und gleichzeitig weiterer haus173 Brandenburgisches OLG v. 1.10.2007 – 3 U 10/07 Rz. 19, zitiert nach juris; KG v. 3.6.2002 – 8 U 74/01, NZM 2003, 718 = GE 2003, 115; OLG München v. 26.3.1993 – 21 U 6002/92, WuM 1993, 607; BayObLG v. 4.2.1987 – RE-Miet 2/86, NJW 1987, 1950 = WuM 1987, 112. 174 LG Frankfurt v. 23.12.2014 – 2-11 S 240/14, ZMR 2015, 554. 175 Brandenburgisches OLG v. 1.10.2007 – 3 U 10/07 Rz. 19, zitiert nach juris; KG v. 3.6.2002 – 8 U 74/01, NZM 2003, 718 = GE 2003, 115. 176 Schleswig- Holsteinisches OLG v. 30.3.2011 – 5 U 122/10, ZMR 2011, 724. 177 AG Berlin-Mitte v. 2.12.2009 – 17 C 134/09, MM 2010, 75. 178 LG Berlin v. 26.9.2013 – 67 S 251/13, MietRB 2013, 351, GE 2013, 1515. 179 LG Berlin v. 27.2.2014 – 67 S 476/13, MDR 2014, 646 = MietRB 2014, 129 = ZMR 2014, 731 = GE 2014, 522. 180 LG Gießen v. 15.12.2010 – 1 S 210/10, ZMR 2011, 384. 181 BGH v. 21.2.2012 – VIII ZR 22/11, WuM 2012, 271. 182 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MietRB 2010, 129 = MDR 2010, 562 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = ZMR 2010, 517. 183 AG Potsdam v. 12.7.2001 – 26 C 82/01, NZM 2002, 68 (nächtliche, störende Bürotätigkeit in Mietobjekt des oberen Preissegments); AG München v. 22.3.2001 – 453 C 7957/00, NZM 2001, 809 (Lärm von bosnischem Konsulat auf dem Nachbargrundstück wegen einer Vielzahl von Flüchtlingen infolge Krieg in bevorzugter, hochpreisiger Wohnlage). 184 BGH v. 26.9.2012 – XII ZR 122/11, MietRB 2013, 7 = WuM 2012, 671 = GE 2012, 1553 = NZM 2013, 27–29; BGH v. 15.10.2008 – XII ZR 1/07, MDR 2009, 319 = MietRB 2009, 67 = MietRB 2009, 68 = NJW 2009, 664 Rz. 26 f.

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§ 536 Rz. 84 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln haltsüblicher Geräte (z.B. Staubsauger) ermöglicht185. Denn werden Räume zum „Wohnen“ ohne Einschränkung vermietet, kann der Mieter auch in einer Altbauwohnung erwarten, dass die heute üblichen Elektrogeräte in den Mieträumen ohne weiteres genutzt werden können. Einen darunterliegenden Standard können (und müssen) die Parteien ausdrücklich vereinbaren. c) Sollbeschaffenheit durch Auslegung 85 Fehlt es an ausdrücklichen oder stillschweigenden Abreden zur Sollbeschaffenheit, wird der in § 535

Abs. 1 Satz 2 BGB gesetzlich vorgesehene „zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand“ durch den vereinbarten Nutzungszweck (z.B. die Nutzung als Wohnung, dazu § 536 BGB Rz. 78) bestimmt. Hinsichtlich der Aufteilung der Wohnung ist deshalb zunächst – sofern entsprechende Abreden fehlen – auf den Zustand bei der Besichtigung vor Vertragsschluss abzustellen186. Alle nachträglichen Änderungen, die ohne Zustimmung des Mieters erfolgen, begründen einen Mangel der Mietsache.

85a Im Übrigen kann der Mieter einer Wohnung nach der allgemeinen Verkehrsanschauung erwarten187,

dass die von ihm angemieteten Räume einen Wohnstandard aufweisen, der bei vergleichbaren Wohnungen üblich ist. Dabei sind insbesondere das Alter, die Ausstattung und die Art des Gebäudes, aber auch die Höhe der Miete und eine eventuelle Ortssitte zu berücksichtigen188. Um die dafür maßgeblichen Kriterien zu ermitteln, können Auslegungshilfen herangezogen werden189. Dazu muss anhand von Auslegungsregeln (vgl. Vor § 535 BGB Rz. 151 ff.) geprüft werden, was der Vermieter schuldet bzw. welchen Standard der Mieter aufgrund seines Vertrages vom Vermieter verlangen kann. Dazu kann in der Regel auf bestehende Richtlinien oder sonstige allgemein verbindliche Regelungen zurückgegriffen werden190. Bestehen also zu bestimmten Anforderungen technische Normen, ist jedenfalls deren Einhaltung geschuldet191. Dabei ist nach der Verkehrsanschauung grundsätzlich der bei Errichtung des Gebäudes geltende Maßstab anzulegen (§ 536 BGB Rz. 98). Ergibt sich der geschuldete vertragsgemäße Gebrauch, soweit die Mietsache selbst betroffen ist, nicht bereits im Wege der Auslegung des § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB, muss eine ergänzende Vertragsauslegung des Mietvertrags stattfinden192. 85b Nicht nur Standards unterliegen wegen fortschreitender wissenschaftlicher Erkenntnisse einer Ver-

änderung (vgl. § 536 BGB Rz. 97). Auch die Mietsache und deren Umfeld können sich verändern. Besteht dazu keine Vertragsregelung oder gesetzliche Bestimmung, muss im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ermittelt werden, wer das Risiko dieser Veränderung trägt (vgl. § 536 BGB Rz. 136 f.). Das Recht des Vermieters, die Mieteinheit nach den §§ 555d, 555b BGB zu verbessern, hat z.B. i.d.R. Einfluss auf den Vertragsstandard (Sollbeschaffenheit). Deshalb kann eine (neue) Beeinträchtigung infolge des durch die Modernisierung herbeigeführten Zustandes eine Minderung begründen. Dazu muss sich die Maßnahme nachteilig auf den Gebrauch auswirken (z.B. verkleinerter Fensterausschnitt infolge Wärmedämmfassade; verkleinerte Fensterbänke193), und zwar in erheblichem Umfang, was bei einer Verschattung durch eine Dachterrasse nicht der Fall sein muss194. Immerhin dient die überhängende Dachterrasse auch als Sonnen- und Wärmeschutz. Das Gleiche gilt für eine Verkleinerung des 185 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356; BGH v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03, MDR 2004, 1346 = MietRB 2005, 1 = NJW 2004, 3174. 186 LG Berlin v. 8.8.2019 – 67 S 131/19, WuM 2019, 621 = GE 2019, 1242. 187 BGH v. 29.4.2015 – VIII ZR 197/14, MietRB 2015, 225 = MDR 2015, 819 = WuM 2015, 478 = ZMR 2015, 697 = GE 2015, 849 = NZM 2015, 481; BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356. 188 Z.B. BGH v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03, MietRB 2005, 1 = MDR 2004, 1346 = ZMR 2004, 807 = NJW 2004, 3174. 189 BGH v. 29.4.2015 – VIII ZR 197/14, MietRB 2015, 225 = MDR 2015, 819 = WuM 2015, 478 = ZMR 2015, 697 = GE 2015, 849 = NZM 2015, 481; BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356. 190 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356. 191 BGH v. 5.12.2018 – VIII ZR 271/17, MDR 2019, 150 = WuM 2019, 25 Rz. 23. 192 BGH v. 29.4.2015 – VIII ZR 197/14, MDR 2015, 819 = MietRB 2015, 225 = ZMR 2015, 697 = GE 2015, 849 = NZM 2015, 481. 193 LG Bremen v. 23.3.2018 – 2 S 124/17, WuM 2018, 365. 194 LG Berlin v. 12.4.2019 – 66 S 14/19, GE 2019, 1036.

398 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 86a § 536

Balkons durch eine 14 cm breite Wärmedämmung und an den Fenster ein dadurch herbeigeführter Schießschachteffekt195. Andererseits können Abreden der Parteien, die während der Mietzeit getroffen werden, die Sollbeschaffenheit beeinflussen. Haben die Parteien z.B. vereinbart, dass der Mieter die vermieterseits gestellte Einbauküche ausbauen und im Keller lagern darf, kann er nicht mindern, wenn die Möbel und Geräte aus dem Lager gestohlen werden. Denn die Einlagerung hat die Sollbeschaffenheit (Wohnung mit funktionsfertiger Einbauküche) einvernehmlich verändert196. Diese Umstände sind im Rahmen der Ermittlung zu berücksichtigen. Unabhängig davon kann zur Feststellung der Sollbeschaffenheit in bestimmten Situationen auf den Ver- 85c tragszweck abzustellen sein, um unter Berücksichtigung der bei Vertragsschluss aktuellen Verkehrsanschauung den Mindeststandard an das „zeitgemäße Wohnen“ zu ermitteln (§ 535 BGB Rz. 361a f.). Dies kann z.B. dazu führen, dass eine Elektrounterverteilung, die bei Bezugsfertigkeit des Gebäudes dem allgemeinen Stand der Technik entsprach, die Sollbeschaffenheit verletzt197 oder der feuchte Keller in einem Einfamilienhaus aus dem Jahr 1939 einen Mangel der Mietsache darstellt198. aa) Arten von Standards Als Auslegungshilfen für die Bestimmung der Verkehrsanschauung kommen insbesondere Richtlini- 86 en und sonstige Standards in Betracht, die bei der Errichtung von Gebäuden und/oder Arbeitsplätzen, technischen Anlagen, deren Unterhaltung, beim Umgang mit (gefährlichen) Stoffen etc. allgemein zu beachten sind. Die Verletzung eines Standards begründet grundsätzlich aber nur dann Gewährleistungsrechte, wenn sie sich konkret auf den Gebrauch auswirkt, da die bloße Gefahr eines Mangels prinzipiell noch keine Gebrauchsbeeinträchtigung darstellt199. Andererseits muss nicht jede Gebrauchsbeeinträchtigung eine Verletzung der Sollbeschaffenheit darstellen. Über öffentlich-rechtliche Bestimmungen kann sich im Wege der Auslegung die Sollbeschaffenheit 86a bestimmen, wenn darin konkrete Festlegungen für den Gebäudezustand oder die Nutzung vorgegeben sind (vgl. § 535 BGB Rz. 1032). In Betracht kommen z.B. – Vorgaben einer LBauO, i.V.m. Ausführungsbestimmungen wie z.B. – BrandschutzVO – FeuerstättenVO – VStättVO – BioStoffVO. – spezielle gesetzliche Vorschriften für den beabsichtigten Zweck der Nutzung, wie z.B. – LebensmittelhygieneV200, – ApoBetrO, – TierschutzG und Tierschutz-NutztiehaltungsVO201. Neben DIN-Normen (§ 536 BGB Rz. 87) kommen als weitere Auslegungshilfen technische Beschreibungen (z.B. von Anlagen), Merkblätter von Berufsverbänden, etc. in Betracht. Maßgeblich ist insoweit, dass die herangezogenen Unterlagen entweder auf wissenschaftlichen Erkenntnissen aufbauen, die allgemein anerkannt sind, oder von Behörden oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Einrichtungen herausgegeben warden und als verbindlich angesehen warden.

195 LG Berlin v. 12.4.2019 – 66 S 14/19, GE 2019, 1036. 196 BGH v. 13.4.2016 – VIII ZR 198/15, MietRB 2016, 191 = MDR 2016, 640 = GE 2016, 721 = WuM 2016, 350 = ZMR 2016, 525 m. Anm. Piper, ZMR 2017, 229. 197 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356. 198 LG Berlin v. 12.3.2013 – 63 S 628/12, ZMR 2014, 40 = NZM 2013, 505 = GE 2013, 1205. 199 LG Lübeck v. 15.1.2002 – 6 S 161/00, ZMR 2002, 431; LG Hannover v. 30.5.1997 – 8 S 203/96, WuM 1997, 434; LG Dortmund v. 16.2.1994 – 11 S 197/93, WuM 1996, 141. 200 OLG Düsseldorf v. 4.5.2010 – 24 U 195/09, MietRB 2010, 225 = MDR 2010, 1244 = ZMR 2011, 118 = NZM 2010, 820. 201 OLG Hamm v. 19.8.2019 – 18 U 145/16, IMR 2020, 63 (Feckler).

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§ 536 Rz. 87 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln (1) DIN-Normen 87 DIN-Normen z.B. sind keine Rechtsnormen, sondern nur private technische Regelungen mit Emp-

fehlungscharakter202. Sie können die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben, aber auch hinter diesen zurückbleiben203. Die allgemein anerkannten Regeln der Baukunst stellen die Summe der im Bauwesen anerkannten wissenschaftlichen, technischen und handwerklichen Erfahrungen dar, die durchweg bekannt und als richtig und notwendig anerkannt sind204. Diese Erkenntnis kann aber auf das Mietrecht nicht übertragen werden205. So unterliegen z.B. die Anforderungen an den Schallschutz (DIN 4109) einer dynamischen Veränderung. Dennoch bleiben die DIN-Normen oftmals hinter der technischen Entwicklung und den wissenschaftlichen Erkenntnissen, die sich in ständigem Fluss befinden, zurück206, weil sie einen bürokratischen Entwicklungsprozess durchlaufen und häufig Übergangsregelungen gelten. Zudem stellt die DIN 4109 nach ihrer Zweckbestimmung lediglich den Mindeststandard an Schallschutz dar, durch den Menschen in Aufenthaltsräumen vor unzumutbaren Belästigungen durch Schallübertragung geschützt werden sollen207. 88 Deshalb kann sich zwar die Lärmentwicklung in einem Treppenhaus in einem Gebäude, das 1950

errichtet wurde, störend auswirken. Da die DIN 4109 seinerzeit aber noch nicht galt, liegt dieses Phänomen innerhalb der Soll-Beschaffenheit. Das gilt für Gebäude, die im Jahr 1961 bezugsfertig geworden sind, weil es seinerzeit noch nicht allgemeiner Standard war, die DIN 4109 anzuwenden208. 89 Vor diesem Hintergrund hat der für das Werkvertragsrecht zuständige VII. Zivilsenat des Bundes-

gerichtshofs entschieden, dass für eine im Jahr 1997 fertig gestellte Doppelhaushälfte der hierfür geltende Teil der Normen der DIN 4109 nach dem Stand von 1989 nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht, soweit durch die vereinbarte Bauweise bei einwandfreier, ihrerseits den anerkannten Regeln der Technik entsprechender Bauausführung höhere Schallschutzwerte erreicht werden, als sie sich aus den Anforderungen der DIN 4109 ergeben209. Welcher Schallschutz geschuldet ist, ist danach in erster Linie durch Auslegung des Bauvertrags zu ermitteln. Ergibt die Gesamtabwägung aller Umstände, dass der Erwerber aufgrund der Baubeschreibung erwarten kann, dass der Bauunternehmer den Schallschutz nach den zur Zeit der Abnahme geltenden anerkannten Regeln der Technik herstellt, ändert sich daran nichts, wenn im Vertrag zusätzlich ein Hinweis auf die Schalldämmung nach der DIN 4109 erfolgt. Ein solcher Verweis ist dann redlicherweise lediglich dahin zu verstehen, dass ein entsprechender Schallschutz nur versprochen wird, soweit die DIN 4109 anerkannte Regel der Technik ist210. 90 Diese für das Bauvertragsrecht entwickelten Grundsätze lassen sich nicht auf das Wohnraummietrecht

übertragen211. Es gibt hier – anders als beim Bauvertrag – regelmäßig schon keine Parteivereinbarung über die Bauweise des Mietobjekts. Insbesondere liegt dem Mietverhältnis in aller Regel keine Baubeschreibung oder vergleichbare Beschaffenheitsvereinbarung zugrunde, aus der sich gegenüber dem Mindeststandard der DIN 4109 erhöhte Anforderungen an den Schallschutz ergeben könnten. Im Mietverhältnis sind in erster Linie die konkreten Vereinbarungen der Parteien über die Sollbeschaffenheit der Wohnung maßgeblich, die vom Vermieter bei Übergabe einzuhalten und über die ganze Mietzeit aufrechtzuerhalten ist, und nicht die Einhaltung bestimmter technischer Normen bei Übergabe wie bei einem Bauwerk212. Darüber hinaus hat der Vermieter – anders als der Bauunternehmer – während der gesamten Dauer des Mietverhältnisses für Sachmängel Gewähr zu leisten (§§ 536 bis 536d BGB), ohne dass er in jedem Fall auf die tatsächliche bauliche Beschaffenheit Einfluss hat. Ohne entsprechende ver-

202 BGH v. 5.6.2013 – VIII ZR 287/12, MietRB 2013, 229 = MDR 2013, 834 = WuM 2013, 483 = GE 2013, 938 m. Anm. Krapf, WuM 2013, 606; BGH v. 14.5.1998 – VII ZR 184/97, BGHZ 139, 16, 19 = MDR 1998, 1026. 203 BGH v. 14.6.2007 – VII ZR 45/06, BGHZ 172, 346, Rz. 32 = MDR 2007, 1252. 204 Werner/Pastor, Rz. 1459 ff. 205 BGH v. 7.7.2010 – VIII ZR 85/09, MietRB 2010, 254 = MDR 2010, 1041 = WuM 2010, 482 = ZMR 2010, 942. 206 Boldt, NJW 2007, 2960 (2962). 207 Vgl. im Einzelnen Hille, NZM 2014, 454. 208 LG Frankfurt am Main v. 14.12.2010 – 2-11 S 285/09, ZMR 2011, 468 = GE 2011, 1023. 209 BGH v. 14.6.2007 – VII ZR 45/06, BGHZ 172, 346, (Rz. 29, 31, 32) = MDR 2007, 1252; vgl. auch BGH v. 4.6.2009 – VII ZR 54/07, BGHZ 181, 225 = MDR 2009, 978 (Rz. 12 ff.). 210 BGH v. 4.6.2009 – VII ZR 54/07, BGHZ 181, 225 = MDR 2009, 978 (Rz. 14). 211 BGH v. 7.7.2010 – VIII ZR 85/09, MDR 2010, 1041 = MietRB 2010, 254 = NZM 2010, 618 = ZMR 2010, 942. 212 Rodegra, WuM 2009, 151 (154).

400 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 95 § 536

tragliche Regelung hat der Mieter daher regelmäßig keinen Anspruch auf einen gegenüber den Grenzwerten der zur Zeit der Errichtung des Gebäudes geltenden DIN-Norm erhöhten Schallschutz213. (2) Qualität anderer Standards Standards werden inhaltlich danach unterschieden, ob sie dazu dienen, den Komfort und Funktions- 91 abläufe zu verbessern oder zu sichern, oder ob ihr Zweck darin besteht, vom Nutzer Gefahren für seine Gesundheit und Sicherheit abzuwenden. Die Unterscheidung ist wegen der Auswirkungen von Bedeutung. Dies gilt insbesondere für die Verpflichtung des Vermieters zur Nachrüstung, sofern sich die Wohnstandards oder die Risikobeurteilung und damit die Grenzwerte ändern. Allerdings ist eine klare Grenzziehung nicht immer möglich. Soweit Standards – etwa über das BImSchG – Rechtsnormqualität haben, sind sie unmittelbar ver- 92 bindlich, insbesondere die Grenzwerte nach Art. 2 zu § 2 Abs. 1 TrinkwasserVO in der Fassung vom 5.12.1990214. Das gilt erst recht bei Verwendungsverboten wie z.B. für Asbest und Pentachlorphenol (PCP) in Holzschutzwirkstoffen (s. § 15 Abs. 1 Ziff. 1, 12 GefahrstoffVO). Ihre Verletzung führt unmittelbar zu einer Gebrauchsbeeinträchtigung. Fehlt die Rechtsnormqualität, dürfen Standards nicht unkritisch übernommen werden, zumal es an 93 der nötigen Verfahrenstransparenz fehlen kann. Es handelt sich nicht von vorneherein um antizipierte Sachverständigengutachten215, sondern um Empfehlungen entweder mit behördlichem oder mit Verbandscharakter. Dies gilt insbesondere für sog. Vorsorgerichtwerte, die unterhalb von medizinischen Grenzwerten liegen und den Unsicherheitsbereich zur wahrscheinlichen Gefahrlosigkeit abgrenzen. Die Vermutung besagt, dass bei einer Überschreitung der Grenznorm eine Gefährdung nicht ausgeschlossen und bei ihrer Einhaltung es wahrscheinlich nicht zu Gesundheitsschäden kommen wird. Sie ist aber sowohl für den Vermieter als auch für den Mieter widerlegbar. Stets ist zu beachten, dass die Standards bestenfalls den Erkenntnisstand zur Zeit ihrer Aufstellung und damit vorbehaltlich besserer Erkenntnis wiedergeben. Ein Fehler i.S.v. § 536 BGB kann aber auch bei Einhaltung des einschlägigen Regelwerks vorliegen. Deshalb kann z.B. der Mieter eines experimentellen Niedrigenergiehauses, das nach den Regeln der Technik errichtet wurde, erwarten, dass die Schallisolierung gegen Geräusche von außen nicht schlecht ist216. bb) Verletzung eines Standards Allein die Verletzung eines Standards rechtfertigt grundsätzlich noch nicht die Annahme eines Man- 94 gels i.S.v. § 536 BGB. Vielmehr kommt einem solchen Tatbestand grundsätzlich nur Indiz-Charakter zu217. Damit besteht bei der Verletzung eines Standards lediglich die Vermutung für eine Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit. Das gilt auch im umgekehrten Fall: Sind die einschlägigen Baunormen z.B. eingehalten, liegt die Annahme nahe, dass mangels anderer Vereinbarungen ein Mangel i.S.v. § 536 BGB nicht vorliegt. Mit Rücksicht darauf werden bei einer Verletzung von Standards Gewährleistungsrechte erst ausgelöst, wenn auch eine Beeinträchtigung des Mietgebrauchs vorliegt218, wozu im Wesentlichen auf den Vertragszweck abzustellen ist. Dazu gehört z.B. bei einem Gewerbe, dass der vorgesehene Beruf oder der vorgesehene Betrieb in den Mieträumen ungestört ausgeübt werden kann. Sind bei der Errichtung des Gebäudes z.B. die Vorgaben der DIN 4109 (Schallschutz) nicht eingehal- 95 ten worden, begründet dies allein noch keinen Mangel der Mietsache. Vielmehr muss der Mieter auch vortragen, dass er (nicht unbedingt unerträglich) durch Geräusche beeinträchtigt wird. Gelingt dem

213 BGH v. 6.10.2004 – VIII ZR 355/03, MDR 2005, 743 = MietRB 2005, 32 = NJW 2005, 218 (unter II 1); Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 28. 214 LG Arnsberg v. 24.4.2007 – 5 S 136/06, zitiert nach juris. 215 BVerwG v. 22.5.1987 – 4 C 33-35/83, WuM 1987, 413 für DIN-Normen. 216 AG Trier v. 22.5.2002 – 5 C 346/01, WuM 2002, 308. 217 Roth, NZM 2000, 521. 218 OLG Celle v. 19.7.1984 – 2 UH 1/84, WuM 1985, 9; LG Göttingen v. 1.6.1988 – 5 S 94/87, WuM 1989, 409 (kein Anspruch auf Instandhaltung allein wegen der Nichteinhaltung von DIN-Vorschriften zur Wärmedämmung).

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§ 536 Rz. 95 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln Mieter diese Darstellung, besteht aufgrund der Verletzung der DIN 4109 bereits die Vermutung für einen Mangel der Mietsache. Liegt eine Verletzung der DIN 4109 nicht vor, greift die Vermutung nicht. Deshalb stellt es z.B. keinen Mietmangel dar, wenn von einer Heizungsanlage Geräusche ausgehen, die die in der DIN 4109 und der TA Lärm enthaltenen Vorgaben von maximal 30 dB(A) nicht überschreiten219. 96 Bestehen keine (verbindlichen) Richtwerte, gelten erhöhte Anforderungen an die Darlegungslast für

die Gebrauchsbeeinträchtigung220. Im Zweifel können diese nur durch ein (außergerichtliches) Gutachten erfüllt werden, das auch zu der Nutzungsbeeinträchtigung Feststellungen treffen muss und sich nicht nur auf die Analyse z.B. einer Staubprobe beschränken darf. Insoweit kann sich der Fehler gemäß § 536 Abs. 1 BGB z.B. aus einer vermehrten Reinigungstätigkeit ergeben221. cc) Zeitliche Komponenten bei Standards 97 Da die Parteien die Möglichkeit haben, bei Abschluss des Vertrages die Sollbeschaffenheit zu verein-

baren, ist auch bei der Heranziehung von Standards und Richtlinien für die Beurteilung der Soll-Beschaffenheit grundsätzlich auf deren Geltung bzw. Version im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen222. Dies gilt vor allem für Standards, die den Komfort und Funktionsabläufe behandeln, aber natürlich auch für die, die die Gesundheit und Sicherheit betreffen. 98 Soweit allerdings die Ausstattung und Beschaffenheit des Gebäudes betroffen sind, wird grundsätzlich

auf die Standards zur Zeit der Errichtung des Gebäudes (Bezugsfertigkeit) abgestellt223. Dies gilt nicht nur hinsichtlich des Trittschalls, sondern grundsätzlich für alle Anforderungen an die Bausubstanz (z.B. Wärmedämmung)224. Denn der Mieter kann in der Regel nur den Standard erwarten, der der Baualtersklasse entspricht225. Allerdings kann der Mieter eines Objektes in den neuen Bundesländern, das vor dem 3.10.1990 bezugsfertig geworden ist, nicht die gleichen Anforderungen an die Bauqualität stellen wie ein Mieter in den westlichen Bundesländern226. Hier gelten insoweit die Standards der ehemaligen DDR. 99 Grundsätzlich wird das Leistungsverhältnis zwischen den Mietparteien zunächst nicht berührt, wenn

sich die Standards verändern, insbesondere verschärfen. Der Vermieter schuldet nicht die Einhaltung bestimmter Standards als solcher, sondern den störungsfreien Mietgebrauch227. Aber auch in diesem Zusammenhang kommt es darauf an, welchem Zweck die Standards dienen. Der Mieter hat grundsätzlich keinen Anspruch auf Einhaltung des jeweils technisch optimalen Zustands, soweit es sich um Wohnkomfort, um die Funktionsabläufe des Wohnens einschließlich der Versorgung mit Energie, Wärme und Informationstechnik handelt. Hier ist der vertragsgemäße Zustand maximal auf die Verhältnisse zur Zeit des Vertragsschlusses festgeschrieben228, solange keine abweichenden Vereinbarungen zur Sollbeschaffenheit (stillschweigend) getroffen wurden. 100 Anders verhält es sich mit Sicherheits- und Gesundheitsstandards. Ändern sich die wissenschaftli-

chen Erkenntnisse und die Risikobeurteilung etwa durch verbesserte Messmethoden oder neue Forschungsergebnisse und führt das zu einer Verschärfung der Standards, wird bei einer Verletzung der 219 220 221 222 223 224 225 226 227 228

LG Berlin v. 13.12.2010 – 67 S 601/09, GE 2011, 549. LG Frankfurt v. 4.7.2000 – 2-11 S 345/99, NZM 2001, 522 (Schadstoffbelastung durch Parkettkleber). LG Frankfurt v. 13.3.2001 – 2/11 S 306/00, NZM 2001, 890. BayObLG v. 4.2.1993 – 2Z BR 111/92, WuM 1993, 287; KG v. 9.11.1978 – 8 U 563/76, WuM 1980, 255. BGH v. 5.12.2018 – VIII ZR 271/17, MDR 2019, 150 = WuM 2019, 25; BGH v. 5.6.2013 – VIII ZR 287/1, MietRB 2013, 2292, MDR 2013, 834 = WuM 2013, 483 = GE 2013, 938 m. Anm. Krapf, WuM 2013, 606; Derleder, PiG 92, 13, 15. LG Frankfurt v. 7.2.2012 – 2-17 S 89/11, ZMR 2012, 552 m. Anm. Ronimi. BGH v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03, MDR 2004, 1346 = MietRB 2005, 1 = WuM 2004, 527 (unter II A 1b bb); BGH v. 6.10.2004 – VIII ZR 355/03, MDR 2005, 743 = MietRB 2005, 32 = NJW 2005, 218 (unter II 1). OLG Naumburg v. 28.7.1993 – REMiet 1/93, WuM 1995, 145; KreisG Erfurt v. 5.1.1993 – 1 C 352/92, WuM 1993, 112. Insofern missverständlich: Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 34. LG Köln v. 19.4.1990 – 1 S 8/90, WuM 1990, 424 (Einbau von Wärmeschutzfenstern); LG Hannover v. 19.4.1991 – 8 S 53/90, WuM 1991, 540 (Heizungsanlage); LG Berlin v. 22.12.1994 – 61 S 412/93, GE 1995, 621 (Entlüftungsanlage).

402 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 103 § 536

Mietgebrauch nicht mehr fehlerfrei gewährt unabhängig davon, ob die bei Errichtung des Gebäudes oder Abschluss des Mietvertrages gültigen Normen eingehalten wurden229. Es kommt allein auf den geänderten Standard an230. Gewährleistungsrechte werden in diesem Fall jedoch erst ausgelöst, wenn der Mieter dem Vermieter den Mangel anzeigt231. Eine weitere Ausnahme können brandschutztechnische Anforderungen bilden. Besteht die konkrete 101 und naheliegende Gefahr, dass bereits ein kleiner Brand im Treppenhaus binnen kürzester Zeit dem Mieter den Fluchtweg aus seinen Mieträumen abschneidet, kann der Mieter das Mietverhältnis fristlos nach § 569 Abs. 1 BGB kündigen. Denn die Mietsache muss ohne konkrete Gefahr für Leib und Leben genutzt werden können. Deshalb kommt es grundsätzlich allein auf die objektive Gesundheitsgefährdung im Zeitpunkt der Kündigung an232. Insoweit ist es nicht erforderlich, dass die Beschaffenheit der Räume die Gefahr des Ausbruchs eines Brandes erhöht. Angesichts der schwerwiegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen, mit denen im Falle eines Brandes zu rechnen ist, reicht es aus, wenn die Beschaffenheit der Räume die Gefahr der unkontrollierten Ausweitung eines eigentlich beherrschbaren Kleinbrandes konkret und in ganz erheblichem Umfang vergrößert. Besteht – wie bei Bränden grundsätzlich – Lebensgefahr, dann genügt für eine erhebliche Gesundheitsgefährdung, dass die Gefahr nicht mehr ausgeschlossen werden kann. Das menschliche Leben ist ein so wertvolles Rechtsgut, dass es von der Rechtsordnung selbst gegen entfernte Gefahren geschützt werden muss233. So reicht z.B. aus, wenn konstruktive Mängel des Hängewerks einer Decke im Fall eines Brandunglücks zu einer Gefahrenquelle für die darunter wohnenden Menschen werden234. Schließlich kann eine Heranziehung neuerer Standards gerechtfertigt sein, wenn der Vermieter bauli- 102 che Veränderungen (z.B. erstmaliger Dachgeschossausbau) vornimmt, die z.B. Lärmimmissionen zur Folge haben235. Das setzt aber Maßnahmen voraus, die von der Intensität des Eingriffs in die Gebäudesubstanz her mit einem Neubau oder einer grundlegenden Veränderung des Gebäudes vergleichbar sind236. Das ist z.B. beim bloßen Austausch von Oberböden237 oder der nachträglichen Umgestaltung einer Wohnung in zwei Wohnungen, bei der 12 % des Estrichs erneuert und die restliche Fläche nur abgeschliffen wird238, nicht der Fall. Hier kann der Mieter erwarten, dass Lärmschutzmaßnahmen getroffen werden, die den Anforderungen der zur Zeit des Umbaus geltenden DIN-Normen genügen. Dies gilt erst recht, wenn zu dem Mietobjekt, das z.B. 1950 errichtet wurde, in einer Anlage zum Mietvertrag die Angabe eines jüngeren Baujahrs (z.B. „Baujahr 2000“) enthalten ist239. Die Anforderungen beschränken sich in derartigen Fällen nicht nur auf den Trittschall, sondern beziehen sich auf alle Lärmquellen, also z.B. auch einen nachträglich eingebauten Aufzug240. Bestanden zur Zeit der Errichtung des Gebäudes keine technischen Normen, sollen die auf die Errichtung zunächst folgenden Normen Grundlage der Bemessung des Schallschutzes sein241. Damit nicht vergleichbar ist das Auftreten von Feuchtigkeit wegen Fehlens von Beheizungsmöglich- 103 keiten242. Der bei Beginn des Mietvertrages als vertragsgemäß anzusehende tatsächliche (bauliche)

229 230 231 232 233 234 235 236 237 238 239 240 241 242

OLG Düsseldorf v. 8.5.2008 – 10 U 24/08, ZMR 2009, 276 = DWW 2009, 226 = MietRB 2009, 129. BayObLG v. 4.8.1999 – RE-Miet 6/98, MDR 1999, 1314 = ZMR 1999, 751 (Lindan). LG Lübeck v. 6.11.1997 – 14 S 135/97, NZM 1998, 190; LG Lübeck v. 15.1.2002 – 6 S 161/00, ZMR 2002, 431. KG v. 22.9.2003 – 12 U 15/02, MietRB 2004, 41 = ZMR 2004, 259 = GE 2004, 47 = GuT 2003, 215. OLG Koblenz v. 12.5.1992 – 3 U 1765/91, NJW-RR 1992, 1228 m.w.N. KG v. 22.9.2003 – 12 U 15/02, MietRB 2004, 41 = ZMR 2004, 259 = GE 2004, 47 = GuT 2003, 215 Rz. 33. BGH v. 6.10.2004 – VIII ZR 355/03, MDR 2005, 743 = MietRB 2005, 32 = NJW 2005, 218. BGH v. 5.6.2013 – VIII ZR 287/12, MietRB 2013, 229 = MDR 2013, 834 = WuM 2013, 483 = GE 2013, 938 m. Anm. Krapf, WuM 2013, 606. BGH v. 17.6.2009 – VIII ZR 131/08, MietRB 2009, 253 = MDR 2009, 975 = ZMR 2009, 836 = WuM 2009, 457 = NJW 2009, 2441. BGH v. 5.6.2013 – VIII ZR 287/12, MietRB 2013, 229 = MDR 2013, 834 = WuM 2013, 483 = GE 2013, 938 m. Anm. Krapf, WuM 2013, 606. AG Hamburg-Blankenese v. 6.6.2012 – 531 C 49/11, ZMR 2012, 631. LG Berlin v. 23.10.2006 – 67 S 186/06, WuM 2007, 384; AG Wiesbaden v. 19.1.2006 – 93 C 2004/05-11, WuM 2006, 220. LG Hamburg v. 15.12.2009 – 316 S 14/09, ZMR 2010, 605. A.A. LG Berlin v. 29.6.2010 – 63 S 540/09, GE 2010, 1687; AG Marbach v. 24.5.2007 – 3 C 462/06, WuM 2007, 385.

Lützenkirchen | 403

§ 536 Rz. 103 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln Zustand wird nicht dadurch vertragswidrig, dass ohne den Betrieb einer zusätzlichen Heizung Feuchtigkeitsschäden nicht vermieden werden können. In diesem Fall ist der Mieter – auch ohne besondere Vereinbarung – verpflichtet, im Rahmen seiner Obhutspflicht eine ausreichende Beheizung sicherzustellen243. Der Mieter muss sich auf den erhöhten Heiz- und Lüftungsbedarf einstellen. Heizt und lüftet er im Hinblick auf den üblichen Umfang (vgl. § 535 BGB Rz. 844) nicht ausreichend und kommt es deswegen zur Schimmelbildung, handelt er fahrlässig und ist zum Schadensersatz verpflichtet. Der Vermieter muss auf die Notwendigkeit und den Umfang des notwendigen Heizens und Lüftens im üblichen Umfang nicht hinweisen. Dieses Wissen kann der Vermieter als allgemein bekannt voraussetzen244. Hinweise für richtiges Lüften müssen aber erteilt werden, wenn der vertragsgemäße Zustand verändert wird, so dass ein anderes Lüftungsverhalten geübt werden muss. das ist insbesondere nach dem Einbau neuer Fenster erforderlich245. Das Gleiche gilt, wenn besondere Arten oder eine besondere Intensität des Lüftens erforderlich sind, um Feuchtigkeit zu vermeiden (vgl. § 536 BGB Rz. 124). 104 Die Zugrundelegung aktuellerer Standards ist schließlich auch dann nicht gerechtfertigt, wenn die

neuen Regeln den Gebrauch alter Einrichtungen verbieten. Einen solchen Fall regelt z.B. § 13 EnEV 2009. Danach mussten Heizkessel, die mit flüssigen oder gasförmigen Brennstoffen betrieben werden und vor dem 1.10.1978 eingebaut wurden, bis zum 31.12.2008 durch neue Heizkessel ersetzt und dürfen nicht mehr betrieben werden. Denn ohne besondere Vereinbarungen im Mietverhältnis bleibt die Sollbeschaffenheit bei dem „verbotenen“ Standard. Denn die Vorschriften der EnEV und des EnEG haben allein öffentlich-rechtliche Wirkungen und keine drittschützende Wirkung246. Abgesehen davon werden auch Ausnahmen geregelt. Bei Niedertemperaturkesseln oder Brennwertheizung und Heizkessel, die eine Leistung unter 4 kW oder über 400 kW haben, besteht die Austauschpflicht nicht. Diese Veränderung ist bei der Unwirtschaftlichkeit des Betriebs einer Heizung zu berücksichtigen (vgl. dazu § 536 BGB Rz. 115). 105 Eine weitere Veränderung stand für Nachtstromspeicherheizungen an: In Wohngebäuden mit mindes-

tens sechs Wohneinheiten mussten Nachtstromspeicherheizungen, die älter als 30 Jahre sind, nach § 10a EnEV bis 2019 durch effizientere Geräte ersetzt werden. Ausnahme: Geräte, die nach 1990 eingebaut wurden, müssen erst 30 Jahre nach Einbau ausgetauscht werden. d) Änderung der Sollbeschaffenheit 105a Im Hinblick auf den subjektiven Fehlerbegriff kommt die Sollbeschaffenheit durch eine Vereinbarung

der Parteien zustande, die sie jederzeit treffen können. Dies gilt auch, wenn die Sollbeschaffenheit erst durch eine Auslegung ermittelt werden kann (§ 536 BGB Rz. 85). Denn dem Ergebnis der Auslegung liegt eine Vereinbarung der Parteien zugrunde. Mit Rücksicht darauf bedarf auch die Änderung der Sollbeschaffenheit grundsätzlich einer Vereinbarung. 105b Unabhängig davon, ob die Parteien für Änderungen eine Schriftformklausel im Mietvertrag vorgese-

hen haben, die i.d.R. im Hinblick auf § 305b BGB jedenfalls im Rahmen allgemeiner Geschäftsbedingungen unbedeutend ist, kann auch die Änderung der Sollbeschaffenheit schriftlich, mündlich oder konkludent herbeigeführt werden. Dies kann auf unterschiedlichste Art und Weise geschehen. 105c Eine (stillschweigende) Änderung der Sollbeschaffenheit kann schon damit verbunden sein, dass der

Vermieter dem Mieter erlaubt, bauliche Veränderungen herbeizuführen. Denn damit wird der Soll-Zustand der Mieträume tangiert. In der Regel ist jedenfalls bei Ausführung durch den Mieter dieser selbst für die baulichen Veränderungen verantwortlich. Er trägt also grundsätzlich die Risiken der Durchführung und deren Auswirkungen. Kommt es infolge von baulichen Veränderungen zu Beeinträchtigungen des vertragsgemäßen Gebrauchs, ist er nicht berechtigt, die Miete zu mindern. Das Phänomen kommt aus seiner Risikosphäre. Das gilt selbst dann, wenn der Vermieter einen Zuschuss geleistet hat. Baut also

243 LG Detmold v. 7.10.2015 – 10 S 42/15, ZMR 2016, 546; AG Nürtingen v. 9.6.2010 – 42 C 1905/09, MietRB 2011, 40. 244 LG Detmold v. 7.10.2015 – 10 S 42/15, ZMR 2016, 546; AG Nürtingen v. 9.6.2010 – 42 C 1905/09, MietRB 2011, 40. 245 LG Gießen v. 2.4.2014 – 1 S 199/13, IMR 2014, 369. 246 LG Köln v. 3.6.2014 – 10 S 48/14, GE 2015, 256 = IMR 2014, 503.

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B. Wohnraummiete | Rz. 107 § 536

der Mieter z.B. mit Zustimmung des Vermieters eine Gasetagenheizung ein247, ändert sich damit die Sollbeschaffenheit der Wohnung (Wohnung mit Gasetagenheizung). Aber auch die bloße (stillschweigende) Vereinbarung der Parteien, eine bestimmte Einrichtung der 105d Wohnung nicht mehr zu nutzen (z.B. Einbauküche), kann zu einer Veränderung der Sollbeschaffenheit führen. Maßgeblich ist insoweit, ob nach der Sicht der Parteien der Vermieter nach wie vor für die Funktionstüchtigkeit der Einrichtung verantwortlich sein soll. Soll der Mieter die Einrichtung nur noch verwahren und ggf. für die sichere Verwahrung einstehen, führt dies zu einer Änderung der Sollbeschaffenheit248. Eine Modernisierung des Vermieters nach §§ 555b ff. BGB kann ebenfalls eine Veränderung der Soll- 105e beschaffenheit herbeiführen. Nutzt der Mieter z.B. die im Rahmen einer Modernisierung geschaffenen Räume, von denen er wusste, dass der Vermieter daraus eine Mieterhöhung herleiten will, kommt eine stillschweigende Vereinbarung über die Erweiterung der Mieteinheit zustande, selbst wenn der Mieter der Duldung widersprochen hat249. Durch einseitiges Handeln ändert sich die Sollbeschaffenheit, wenn der Vermieter eine Modernisierung i.S.v. § 555c BGB ordnungsgemäß ankündigt und der Mieter die Maßnahme duldet250. Damit der veränderte bauliche Zustand Vertragsgegenstand wird, ist es nicht erforderlich, dass der Mieter der Maßnahme (ausdrücklich) zugestimmt hat oder einem folgenden Mieterhöhungsverlangen nachgekommen ist251. Die gleiche Rechtsfolge ergibt sich bei einer relevanten Flächenabweichung (§ 536 BGB Rz. 222), wenn 105f die Parteien eine Mieterhöhung nach § 558 BGB vereinbaren, die auf einer Berechnung nach der tatsächlichen Fläche der Wohnung aufbaut. Denn auch damit wird der Parameter für die Sollbeschaffenheit (Größe der Wohnung) einvernehmlich geändert. 4. Fallgruppen von Mängeln Die unterschiedliche Qualität von Standards bedingt eine differenzierte Betrachtungsweise, soweit es 106 um die Anforderungen an die Gebrauchsbeeinträchtigungen geht. Denn z.B. hat eine Richtlinie die Qualität eines antizipierten Sachverständigengutachtens, ist allein die Überschreitung des vorgegebenen Wertes ausreichend, um einen Sachmangel nach § 536 Abs. 1 BGB annehmen zu können. Vor diesem Hintergrund hat es sich eingebürgert, die Sachmängel nach Fallgruppen zu unterscheiden: a) Baumängel Unter der Kategorie der Baumängel werden Abweichungen der Ist- von der Sollbeschaffenheit erfasst, 107 die unmittelbar auf der Substanz des Gebäudes beruhen. Darunter fallen z.B. – Schallschutzmängel, – schadhafte Wand- und Deckenisolierung, – fehlende Vorkehrungen gegen Verschmutzung (z.B. Tauben), – undichte Fenster, – unzureichende Wärme- und Warmwasserversorgung, – Feuchtigkeitsschäden, – Montagefehler, – Abnutzungserscheinungen (z.B. verschlissener Bodenbelag252). 247 BGH v. 20.6.2012 – VIII ZR 110/11, MietRB 2012, 221 = MDR 2012, 896 = WuM 2012, 448 = ZMR 2013, 22 (zur Modernisierung). 248 BGH v. 13.4.2016 – VIII ZR 198/15, MDR 2016, 640 = MietRB 2016, 191 = WuM 2016, 350 = ZMR 2016, 525 = GE 2016, 721. 249 BGH v. 2.7.2014 – VIII ZR 298/13, MietRB 2015, 37 = WuM 2014, 546 = ZMR 2015, 13. 250 KG v. 1.9.1988 – 8 RE-Miet 4048/88, ZMR 1988, 422 = NJW-RR 1988, 1420 m.w.N. 251 Eisenschmid in Börstinghaus/Eisenschmid, Modernisierungshandbuch Wohn- und Geschäftsraum, Kap. 1 Rz. 8. 252 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356 = ZMR 2010, 517.

Lützenkirchen | 405

§ 536 Rz. 108 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln aa) Darlegungslast 108 In der Regel ergibt sich aus dem Baumangel auch die Gebrauchsbeeinträchtigung. Dennoch reicht es

nicht aus, bloß auf Fotos Bezug zu nehmen253. Allerdings genügt es, wenn der Mieter einen Mangel angibt und ihn durch Fotos veranschaulicht254. Eine Beschreibung der Auswirkungen, die das Gericht in die Lage versetzen soll, eine angemessene Minderung festzusetzen, ist nicht erforderlich255. Diese Umstände müssen vom Gericht im Rahmen des § 139 ZPO ermittelt werden256. Vgl. ergänzend § 536 BGB Rz. 9 ff.) 109 Der Vermieter kann sich gegenüber dem Vortrag des Mieters grundsätzlich nicht auf einfaches Bestrei-

ten beschränken. Vielmehr muss er zu dem Mangel substanziiert vortragen. Dazu gehört auch, sofern der Mangel in der Wohnung aufgetreten ist, dass der Vermieter von seinem Besichtigungsrecht Gebrauch gemacht hat. Ansonsten kann sein Vortrag als unsubstanziiert zurückgewiesen werden257. Denn grundsätzlich wird nur auf diese Weise deutlich, dass sich der Vermieter in der gehörigen Weise mit dem Mangel auseinandergesetzt hat und damit seiner Prozessförderungspflicht nachgekommen ist. Dies gilt natürlich nur, soweit eine Besichtigung auch zu einer Beseitigung des Mangels führen kann. Das ist z.B. nicht der Fall, wenn die für den Schallschutz gültigen Vorgaben (unstreitig) nicht eingehalten sind und es allein um die Auswirkungen geht, also etwa die Lärmeinwirkungen aus einer anderen Wohnung. Es gilt aber in jedem Fall für die herkömmlichen Feuchtigkeitsschäden. Hier kann durch die Besichtigung und Messungen von Wandfeuchte regelmäßig geklärt werden, in wessen Risikobereich die Feuchtigkeitserscheinungen (vgl. § 536 BGB Rz. 116) fallen. 110 Zum Umfang der Gebrauchsbeeinträchtigung und damit zu einem bestimmten Minderungsbetrag

muss nicht unbedingt vorgetragen werden. Denn es ist die Aufgabe des Gerichts, diese Frage ggf. unter Heranziehung eines Sachverständigen zu klären258. bb) Ermittlung der Sollbeschaffenheit 111 Auch bei Baumängeln begründet die Verletzung eines Standards grundsätzlich nur dann Gewährleis-

tungsrechte, wenn sie sich nachteilig für den Mieter auf den Gebrauch auswirkt. Denn die bloße Gefahr eines Mangels stellt prinzipiell noch keine Gebrauchsbeeinträchtigung dar (vgl. § 536 BGB Rz. 210). 112 Als Standards kommen Grenzwerte und technische Normen in Betracht, die bei der Errichtung eines

Gebäudes oder dessen Bewirtschaftung zu beachten sind. Neben den landesrechtlichen Baubestimmungen259 spielen dabei häufig die TrinkwasserVO260, Arbeitsschutzrichtlinien nach DIN 1946 Teil 2, DIN 4109 für Schallschutz, TA Lärm und TA Luft eine Rolle. Vgl. im Übrigen zur Ermittlung der Sollbeschaffenheit die Beispiele in § 535 BGB Rz. 366 ff. für Wohnraum und § 535 BGB Rz. 1032 sowie § 536 BGB Rz. 351 für Gewerberaum. 113 Die Ausstattung der Wohnung muss ebenfalls mangelfrei sein. Dies beurteilt sich regelmäßig nach ih-

rer Funktionsfähigkeit. Türen und Fenster müssen schließen, dürfen aber altersbedingte Abnutzungserscheinungen aufweisen, die sich nicht gebrauchsmindernd auswirken. Auch Rollladen müssen ohne besonderen Kraftaufwand betätigt werden können und dicht schließen. Weitere Beispiele s. Anhang zu § 536 BGB Rz. 2. 253 LG Braunschweig v. 12.3.2009 – 6 S 548/08, WuM 2009, 288; LG Köln v. 25.7.2002 – 30 S 18/02, KM 35 Nr. 59. 254 BGH v. 25.10.2011 – VIII ZR 125/11, MietRB 2012, 2 = MDR 2011, 1464 = WuM 2011, 700 = GuT 2011, 298. 255 LG Berlin v. 7.2.2011 – 67 S 61/10, GE 2011, 408 („Keller ist fortwährend feucht und völlig unbenutzbar“ reicht für Altbau-Keller nicht aus). 256 BGH v. 25.10.2011 – VIII ZR 125/11, MietRB 2012, 2 = MDR 2011, 1464 = WuM 2011, 700 = GuT 2011, 298. 257 Vgl. z.B. LG Köln v. 20.6.2007 – 10 S 333/06, WuM 2008, 245. 258 BGH v. 18.6.1997 – XII ZR 63/95, MDR 1997, 1112 = WuM 1997, 488. 259 LG Hamburg v. 29.9.1998 – 316 S 75/98, ZMR 1999, 404 (Außengeländer an einer Wendeltreppe). 260 OLG Köln v. 30.4.1991 – 22 U 277/90, ZMR 1992, 155 (bleihaltiges Wasser); LG Münster v. 7.1.2010 – 8 S 185/09, WuM 2010, 87 = GE 2010, 846; LG Arnsberg v. 24.4.2007 – 5 S 136/06, zitiert nach juris.

406 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 115 § 536

Werden Einrichtungen (z.B. Einbauküche) überlassen, müssen diese ebenfalls gebrauchsfähig sein. In- 114 soweit ist es in der Regel unerheblich, ob dafür ein zusätzliches Entgelt gefordert bzw. vereinbart wurde oder ausdrücklich bestimmt ist, dass die Überlassung unentgeltlich erfolgt. Denn regelmäßig liegt der Schwerpunkt in der Überlassung der Wohnung (vgl. dazu Vor § 535 BGB Rz. 66), so dass auf den gesamten Vertrag die §§ 535 ff. BGB anzuwenden sind. Die Erhaltungspflicht kann jedoch über die Kleinreparaturen (vgl. § 535 BGB Rz. 528) hinaus nicht auf den Mieter abgewälzt werden. Deshalb ist der Mieter, sofern sich die mangelnde Gebrauchsfähigkeit nach § 536 Abs. 1 S. 3 BGB erheblich auswirkt, zur Minderung berechtigt. Dies betrifft nicht nur die Elektroteile einer Einbauküche (Herd, Kühlschrank etc.), sondern auch Thermen und Boiler ebenso wie Armaturen, die auch nicht schwergängig sein dürfen. Werden durch den Gebrauch der Einrichtungsgegenstände hohe Kosten verursacht, führt dies grund- 115 sätzlich nicht zur Annahme eines Mangels261 unabhängig davon, ob dadurch ein Verstoß gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit begründet werden kann (vgl. dazu § 556 BGB Rz. 457). Dies gilt auch für die Heizungsanlage (= unwirtschaftlich arbeitende Heizung), selbst wenn die hohen Kosten durch die seit Vertragsschluss vorhandene Einfachverglasung hervorgerufen werden262. Insoweit muss der Vermieter nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte dem Mieter grundsätzlich keine wirtschaftlich arbeitende Heizung zur Verfügung stellen263 und schuldet auch keine Modernisierung z.B. in Form einer Wärmedämmfassade, solange keine Pflichtverletzung besteht264. Die Sollbeschaffenheit richtet sich nämlich in der Regel nach dem tatsächlichen Zustand bei Bezugsfertigkeit. Deshalb liegt nicht schon deshalb ein Mangel vor, weil die Heizungsanlage nicht die von der DIN 4701 vorgegebene Heizleistung abgibt265. Abgesehen von der Gebrauchsbeeinträchtigung durch niedrige Zimmertemperaturen kommt ein Mangel der Mietsache erst in Betracht, wenn ungewöhnlich hohe Heizkosten auf einem Fehler der Heizungsanlage beruhen266. Dies ist nicht der Fall, wenn die Höhe der Heizkosten durch eine schlechte, aber baualtersgerechte Isolierung hervorgerufen wird267. Ob ein Fehler der Heizungsanlage vorliegt, ist grundsätzlich nach dem Stand der Technik zur Zeit des Einbaus der Heizungsanlage zu beurteilen268, sofern die Heizungsanlage nicht zu den Anlagen gehört, die nach §§ 10, 13 EnEV 2009 bis zum 31.12.2008 stillzulegen waren269. Denn der Vermieter ist – ohne besondere Rechtsgrundlage wie z.B. § 13 EnEV – nicht verpflichtet, die Anlage ständig auf dem neuesten Stand zu halten, und schuldet keine Verbesserung der dem technischen Stand zur Zeit der Gebäudeerrichtung entsprechenden Wärmedämmung. Er schuldet aber einen Mindeststandard, den der Mieter bei Vertragsschluss erwarten durfte270 (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 391). Im laufenden Mietvertrag schuldet er nach § 3 EnEG die laufende Instandhaltung und den Betrieb der Heizung in der Art, dass nicht mehr Energie verbraucht wird, als zu ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung erforderlich ist271. Auch dabei ist auf den Standard bei Einbau der Anlage abzustellen. Deshalb liegt kein Mangel vor, wenn die ungedämmten Rohre einer Einrohrheizung in der Heizperiode heiß werden und die über sie abgegebene Wärme vom Mieter nicht gesteuert werden kann. Das gilt selbst dann, wenn Innentemperaturen von 24–26 °C erreicht werden272.

261 262 263 264 265 266

267 268 269 270 271 272

KG v. 21.5.2012 – 8 U 217/11, MDR 2012, 1154 = MietRB 2012, 291 = GE 2012, 1227 = ZMR 2012, 858. Saarländisches OLG v. 8.5.2013 – 2 U 3/13, ZMR 2014, 280 = IMR 2013, 505. A.A. OLG Düsseldorf v. 4.11.1982 – 10 U 109/82, MDR 1983, 229 = WuM 1984, 54 = ZMR 1983, 377. LG Berlin v. 30.7.2014 – 65 S 12/14, MietRB 2014, 286 = MietRB 2014, 287 = IMR 2015, 12. LG Berlin v. 8.6.2012 – 63 S 423/11, MietRB 2013, 5 = WuM 2012, 670. BGH v. 18.12.2013 – XII ZR 80/12, MDR 2014, 336 = MietRB 2014, 71 = GE 2014, 245 = IMR 2014, 110; KG v. 21.5.2012 – 8 U 217/11, MDR 2012, 1154 = MietRB 2012, 291 = GE 2012, 1227 = ZMR 2012, 858; KG v. 28.4.2008 – 12 U 6/07, MDR 2008, 966 = MietRB 2008, 328 = ZMR 2008, 892 = GE 2008, 990 = GuT 2008, 344; OLG Düsseldorf v. 4.11.1982 – 10 U 109/82, MDR 1983, 229 = WuM 1984, 54 = ZMR 1983, 377 (Energieverlust von 60 %). Blank/Börstinghaus, § 536 BGB Rz. 34; a.A. AG Emden v. 28.10.1988 – 5 C 1197/86, NJW-RR 1989, 523. KG v. 21.5.2012 – 8 U 217/11, MDR 2012, 1154 = MietRB 2012, 291 = GE 2012, 1227 = ZMR 2012, 858; a.A. OLG Düsseldorf v. 4.11.1982 – 10 U 109/82, MDR 1983, 229 = WuM 1984, 54 = ZMR 1983, 377. Vgl. dazu Lehmann-Richter, PiG 2013, 41. KG v. 28.4.2008 – 12 U 6/07, MDR 2008, 966 = MietRB 2008, 328 = ZMR 2008, 892 = GE 2008, 990 = GuT 2008, 344. Vgl. dazu Lehmann-Richter, PiG 2013, 41. AG Schöneberg v. 24.7.2015 – 8 C 149/15, WuM 2016, 216.

Lützenkirchen | 407

§ 536 Rz. 116 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln cc) Sonderfall: Feuchtigkeit 116 Feuchtigkeitsschäden zeigen sich regelmäßig durch Flecken auf der Wand. Diese können als Feuchtig-

keitskränze ausgebildet sein, so dass die Lebenserfahrung dafür spricht, dass Wasser durch das Mauerwerk eingedrungen ist. In diesem Fall besteht in der Regel kein Zweifel am Bestehen eines Mangels i.S.v. § 536 BGB. 117 Oftmals zeigen sich die Feuchtigkeitserscheinungen aber als auf der Wand liegende Veränderungen in

Form von Stockflecken oder Schimmelbildung. Insoweit ist zwar zunächst eine rein optische und keine Beeinträchtigung des Gebrauchs gegeben, solange wegen des Ausmaßes der Schimmelbildung nicht von einer Unbenutzbarkeit des betroffenen Raumes ausgegangen werden kann. Optische Mängel wegen Feuchtigkeit beeinträchtigen allerdings den Geltungswert der Mietsache273 und können daher die Anwendung von Gewährleistungsrechten begründen274. (1) Neubaufeuchte 118 Bei Auftreten eines Baumangels ist der Mieter grundsätzlich nicht verpflichtet, durch besondere Ver-

haltensmaßnahmen der Gebrauchsbeeinträchtigung entgegenzuwirken. Im Hinblick auf seine Obhutspflicht ist er aber im Einzelfall z.B. bei Neubaufeuchte verpflichtet durch verstärktes Heizen und Lüften einer Beschädigung (z.B. durch Schimmel) entgegenzuwirken. Das gilt erst recht, wenn der Vermieter im Rahmen der Vertragsverhandlungen Hinweise auf mögliche Restfeuchte in Neubauten erteilt275. (2) Feuchtigkeit in Bestandsobjekten 119 Von der Neubaufeuchte zu unterscheiden ist die Feuchtigkeit, die in bestehenden Gebäuden auftritt.

Probleme bereiten regelmäßig Altbauten (Baujahr vor 1990), und zwar oftmals nach dem Einbau von Isolierglasfenstern und/oder der Aufbringung einer Wärmedämmfassade. Die bauliche Veränderung muss nicht kurz vor oder nach Bezug der Wohnung stattgefunden haben. Sie kann schon mehrere Jahre zurückliegen. Entscheidend ist in der Regel, dass die damit verbundene Verbesserung der bauphysikalischen Bedingungen des Gebäudes dazu führen kann, dass vorhandene Kältebrücken relevant werden und das Absetzen der in den Räumen produzierten Luftfeuchtigkeit an diesen Stellen begünstigt wird276. 120 Für die Behandlung dieser Phänomene bei Anwendung des § 536 BGB gilt die Sphärentheorie277. Da-

nach findet eine Beweislastverteilung nach Risikokreisen statt. Regelmäßig ist das Bestehen des Feuchtigkeitsschadens (auf der Wand) unstreitig. Zumindest kann der Vermieter es nicht einfach bestreiten (vgl. § 536 BGB Rz. 22). Denn der Vermieter kann einen Mangel ohnehin erst bestreiten, wenn er von seinem Besichtigungsrecht Gebrauch gemacht hat. Dazu ist er aufgrund seiner Erhaltungspflicht aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB verpflichtet. Hat er sich aber ein eigenes Bild von dem vom Mieter gerügten Zustand gemacht, ist meistens klar, ob die Wand oder ein sonstiges Teil der Mietsache feucht oder sogar mit Schimmel befallen ist. Da Feuchtigkeit und Schimmel eine Abweichung von der Sollbeschaffenheit indizieren, ist grundsätzlich ein Mangel der Mietsache anzunehmen. 121 Als Ursache für das Phänomen Feuchtigkeit und Schimmel kommt sowohl eine schlechte bauliche Sub-

stanz als auch eine Verletzung der Obhutspflicht durch den Mieter in Betracht. Da sich der Mangel unmittelbar am Gebäude befindet und der Vermieter gemäß § 535 Abs. 1 S. 2 BGB dafür die Verantwortung trägt, muss zunächst ermittelt werden, ob die Feuchtigkeitserscheinungen auf einer fehlerhaften 273 LG Hamburg v. 10.4.1984 – 16 S 211/83, WuM 1985, 21; AG Altenburg v. 31.8.2000 – 1 C 1058/98, GuT 2002, 46; AG Köln v. 19.1.1988 – 208 C 147/87, WuM 1988, 358. 274 LG Lübeck v. 7.5.2018 – 14 S 260/15, IMR 2018, 411 (Discher): danach ist Schimmel stets ein Mangel, selbst wenn der Mieter auch eine Ursache gesetzt hat. 275 OLG Frankfurt v. 11.2.2000 – 19 U 7/99, NZM 2001, 39; a.A. LG Wuppertal v. 11.10.2002 – 10 S 22/02, WuM 2002, 667. 276 Casties, WuM 2001, 589; Pfrommer, WuM 2001, 532. 277 BGH v. 15.12.2010 – VIII ZR 113/10, MDR 2011, 216 = MietRB 2011, 102 = WuM 2011, 97 = GE 2011, 261 = NZM 2011, 198 = ZMR 2011, 371; MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 32; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 447 f.; Staudinger/Emmerich, § 536 BGB Rz. 63 jeweils m.w.N.

408 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 123 § 536

Bausubstanz beruhen. Diese Last obliegt dem Vermieter. Eine Entlastung des Vermieters ist stets gelungen, wenn eine fehlerfreie Errichtung des Gebäudes stattgefunden hat. Selbst wenn geometrische Wärmebrücken festgestellt werden, die die Schimmelbildung i.d.R. begünstigen, bei dem Standard des Gebäudes aber unvermeidbar sind, ist die Sollbeschaffenheit grundsätzlich eingehalten. Denn für diese Beurteilung ist regelmäßig auf die Anforderungen abzustellen, die bei der Errichtung des Gebäudes galten (§ 536 BGB Rz. 98). Ist keine Ausnahme von diesem Beurteilungsmaßstab einschlägig (§ 536 BGB Rz. 99 f.), liegt kein Baumangel vor278. Hat der Vermieter den Beweis erbracht, dass eine aus seinem Risikobereich stammende Ursache (Man- 121a gel am Gebäude) nicht in Betracht kommt bzw. vom Standard bei Bezugsfertigkeit des Gebäudes erfasst wird, spricht eine Vermutung dafür, dass die Ursache aus der Sphäre des Mieters stammt. Denn als weitere Ursache für Feuchtigkeit und Schimmel kommt in Betracht, dass der Mieter seine Obhutspflicht verletzt hat, indem er nicht ausreichend geheizt und gelüftet hat (§ 535 BGB Rz. 843 f.), so dass sich Wasserdampf in den Räumen bilden konnte, der in Verbindung mit organischen Stoffen an den Wänden und Decken zu Feuchtigkeitserscheinungen insbesondere Schimmel führen kann. Im Hinblick darauf muss der Mieter nach der Sphärentheorie nun den Beweis erbringen, dass er alles Zumutbare getan hat, um das Auftreten der Feuchtigkeitserscheinungen zu verhindern. Diese Frage kann nur im Einzelfall geklärt werden, so dass sich schematische Lösungen verbieten279. Dabei muss von dem Grundsatz ausgegangen werden, dass der Mieter im Rahmen seiner Obhutspflicht sein Wohnverhalten an die Immobilie anzupassen hat und nicht umgekehrt. In diesem Rahmen können vom Mieter bis zur Grenze der Zumutbarkeit selbst Maßnahmen verlangt werden, die eine Veränderung seiner Lebensführung verlangen (Beispiele: § 535 BGB 850a f.). Insbesondere ist es verfehlt, das Abrücken von Schränken von einer Außenwand per se als unzumutbar anzusehen280, wenn alternative Möblierungsvarianten für das Zimmer bestehen281. Im Hinblick auf den Einzelfallcharakter der Frage der Unzumutbarkeit können die Anforderungen 122 an die Obhutspflicht des Mieters nicht schematisch beurteilt werden. Im Grundsatz ist aber zunächst davon auszugehen, dass sich eine Wohnung mit alltagsüblichem Lüftungsverhalten schimmelfrei halten lassen muss282. Voraussetzung dafür ist, dass sich das notwendige Verhalten in den üblichen Grenzen hält. Insoweit ist dem Mieter zumutbar, in den einzelnen Räumen ein Raumklima zu schaffen, bei dem eine durchschnittliche Zimmertemperatur von 20 °C herrscht und die in den Räumen produzierte Feuchtigkeit durch dreimaliges Stoßlüften283 (Lüften bei geöffneten Fensterflügeln284) von 10–15 Minuten täglich ausgeglichen wird285. Das gilt grundsätzlich auch für den berufstätigen Mieter286. Selbst das fünf- bis sechsmalige Lüften täglich soll im Einzelfall verlangt werden können287. Allerdings darf keine besondere Belüftungsart praktiziert werden müssen. Denn lässt sich die Feuchtigkeit (auch bei Altbauten) z.B. wegen der Anordnung der Räume (entlang einem Flur hintereinander gereiht, also ohne gegenüberliegende Zimmer) nur durch eine besondere Art der Lüftung (z.B. sog. L- oder U-Lüftung) verhindern, besteht eine Hinweispflicht des Vermieters288. Solange keine besondere Lüftungsart praktiziert werden muss, muss der Vermieter grundsätzlich auf 123 die Notwendigkeit und den Umfang des notwendigen Heizens und Lüftens nicht hinweisen. Dieses

278 BGH v. 5.12.2018 – VIII ZR 271/17, MDR 2019, 150 = WuM 2019, 25; a.A. AG Reinbek v. 15.4.2014 – 13 C 312/13, WuM 2014, 604 m. Anm. Selk. 279 BGH v. 5.12.2018 – VIII ZR 271/17, MDR 2019, 150 = WuM 2019, 25. 280 So z.B. LG Mannheim v. 14.2.2007 – 4 S 62/06, ZMR 2007, 971 = NZM 2007, 682. 281 BGH v. 5.12.2018 – VIII ZR 271/17, MDR 2019, 150 = WuM 2019, 25. 282 LG Konstanz v. 20.12.2012 – 61 S 21/12 A, MietRB 2013, 289 = NZM 2013, 506; LG Aurich v. 9.2.2005 – 2 T 51/05, WuM 2005, 573. 283 LG Konstanz v. 20.12.2012 – 61 S 21/12 A, MietRB 2013, 289 = NZM 2013, 506. 284 Zu den technischen Anforderungen: Künzel, NZM 2013, 499. 285 Zum Lüften vgl. OLG Frankfurt v. 11.2.2000 – 19 U 7/99, NZM 2001, 39. 286 LG Frankfurt v. 7.2.2012 – 2-17 S 89/11, ZMR 2012, 552 (für 3–4 mal tägliches Stoßlüften); zweifelnd LG Konstanz v. 20.12.2012 – 61 S 21/12A, MietRB 2013, 289 = NZM 2013, 506. 287 LG Hagen v. 19.7.2012 – 1 S 53/12, DWW 2012, 263; a.A. LG Dortmund v. 25.9.2012 – 1 S 73/11, ZMR 2013, 718. 288 LG Kleve v. 9.1.2003 – 6 S 329/01, WuM 2003, 142.

Lützenkirchen | 409

§ 536 Rz. 123 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln Wissen kann er als allgemein bekannt voraussetzen289. Dazu gehört auch, dass der Mieter seine Obhutspflicht dem Alter des Gebäudes anpasst290. Dies gilt auch, wenn die Räume ohne die Möglichkeit zur Beheizung vermietet wurden (vgl. § 536 BGB Rz. 103). Aufklären muss der Vermieter aber, wenn nach den Feststellungen des Sachverständigen eine Schimmelbildung in Souterrainräumen nur vermieden werden kann durch das Schließen einer Zwischentür und den Betrieb eines Entfeuchtungsgerätes291. Nach der Durchführung von Sanierungsarbeiten muss der Mieter aber auf notwendige Änderungen seines Wohnverhaltens hingewiesen werden, wenn der Vermieter sich erfolgreich gegen Gewährleistungsrechte verteidigen will292. 124 Hat der Vermieter eine Wohnung in einem Niedrigenergiehaus vermietet, soll er damit rechnen müs-

sen, dass der Mieter wegen seiner Berufstätigkeit die Heizleistung tagsüber absenkt. Führt dieses Verhalten trotz einer üblichen Lüftung durch den Mieter zu Schimmelbildung, soll er ggfs. eine Lüftungsanlage vorsehen müssen293. 125 Demgegenüber soll die Grenze der Zumutbarkeit überschritten sein durch

– das Halten einer Tagestemperatur von 22 °C und fünf- bis sechsmal tägliches Lüften294; – täglich mehrfaches Stoßlüften295 und ein Halten der Raumtemperatur nicht unter 19 °C auch in den Schlafräumen296; – ständige Beheizung des Schlafzimmers mit 20 °C297; – Einbau einer Dämmung oder Aufstellen zusätzlicher Heizquellen298; – notwendiges Abrücken der Möbel von Außenwänden299, sofern darüber keine Vereinbarung getroffen wurde300, was im Ergebnis zur Minderung führen kann, obwohl der Mangel auf fehlerhaftem Verhalten des Mieters beruht301. Die Beispiele können nicht ohne Weiteres auf den konkreten Fall übertragen werden. Vielmehr sind die besonderen Komponenten zu beachten und im Einzelfall zu prüfen, welche Alternativen bestehen. 126 Dabei soll es auch dem berufstätigen Mieter zumutbar sein, alle drei bis vier Stunden zu lüften, wenn

die Bausubstanz dem bei Bezugsfertigkeit geltenden Baustandard (hier: DIN 4108) gerecht wird302. Dies muss erst recht gelten, wenn besondere Umstände ein verstärktes Lüftungsverhalten erfordern. Dies ist z.B. bei einem Wasserschaden infolge eines Rohrbruchs anzunehmen. 127 Entsteht durch das mangelnde Abrücken der Möbel von den Wänden dahinter Schimmelpilz, kann

dieser Umstand der Sphäre des Mieters zugerechnet werden, der Vermieter den Mieter bei Abschluss des Mietvertrages auf die Notwendigkeit des Abrückens hingewiesen hat303. Im Übrigen sind zur Vermeidung der Feuchtigkeit alternative Möglichkeiten der Möblierung des Raumes zu prüfen. 128 Ist der Vermieter außergerichtlich tätig geworden, um die Mangelursache auf eigene Kosten zu erfor-

schen, muss er die Ergebnisse nicht mit dem Mieter „teilen“. Der Mieter hat keinen Anspruch auf Aus-

289 290 291 292 293 294 295 296 297 298 299 300 301 302 303

AG Nürtingen v. 9.6.2010 – 42 C 1905/09, MietRB 2011, 40. LG Berlin v. 14.3.2008 – 63 S 316/07, GE 2008, 1053. LG Berlin v. 23.5.2014 – 65 S 524/13, GE 2014, 1008. LG Neubrandenburg v. 2.4.2002 – 1 S 297/01, WuM 2002, 309. LG Konstanz v. 20.12.2012 – 61 S 21/12A, MietRB 2013, 289 = NZM 2013, 506. LG Hamburg v. 1.12.1987 – 16 S 122/87, WuM 1988, 353. A.A. LG Frankfurt v. 7.2.2012 – 2-17 S 89/11, ZMR 2012, 552 (selbst wenn eine bauseitige Wärmedämmung das häufige Lüften überflüssig machen würde). LG Düsseldorf v. 8.10.1991 – 24 S 82/91, WuM 1992, 187. AG Köln v. 19.1.1988 – 208 C 147/87, WuM 1988, 358. LG Lüneburg v. 22.11.2000 – 6 S 70/00, WuM 2001, 465. LG Mannheim v. 14.2.2007 – 4 S 62/06, NJW 2007, 2499; LG Hamburg v. 29.8.1997 – 311 S 88/96, WuM 2000, 329; LG Berlin v. 14.6.1988 – 64 S 176/88, ZMR 1988, 464; LG Köln v. 15.11.2000 – 9 S 25/00, WuM 2001, 604; AG Köpenick v. 8.2.2001 – 17 C 475/00, MM 2002, 185. LG Gießen v. 2.4.2014 – 1 S 199/13, IMR 2014, 369. LG Lübeck v. 7.3.2014 – 1 S 106/13, GE 2014, 1454 = IMR 2014, 504. LG Frankfurt v. 7.2.2012 – 2-17 S 89/11, WuM 2012, 266 (268); vgl. auch OLG Frankfurt v. 11.2.2000 – 19 U 7/99, NZM 2001, 39 (dreimal tägliches Lüften zumutbar). AG Tempelhof-Kreuzberg v. 23.12.2008 – 9 C 14/08, GE 2009, 331.

410 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 132 § 536

kunft über die oder Herausgabe der Ergebnisse, die z.B. bei einer Klimamessung ermittelt wurden304. Haben sich die Parteien geeinigt, gemeinsam einen Sachverständigen mit der Ursachenfeststellung zu beauftragen, besteht bereits ein unmittelbarer Anspruch gegen den Sachverständigen. Kommen Ursachen aus den Risikobereichen von Vermieter und Mieter in Betracht, liegt ein Mangel 129 der Mietsache vor305. Ausschlaggebend ist, dass (auch) eine Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit in der Form eines Baumangels, der in den Risikobereich des Vermieters fällt, vorliegt. Wegen der ebenfalls gegebenen Obhutspflichtverletzung kann sich ein Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB des Vermieters gegen den Mieter ergeben (§ 535 BGB Rz. 850 f.). Insoweit kommt als Schaden in Betracht, dass eine geringere Minderung angenommen werden könnte, wenn der Mieter die Pflichtverletzung nicht begangen hätte. Dann könnte das Ausmaß der Beeinträchtigung geringer ausgefallen sein. Dies kann im Rahmen des Sachverständigengutachtens, mit dem der Baumangel ermittelt wird, festgestellt werden (§ 536 BGB Rz. 66d). Ist kein Baumangel gegeben und lüftet und heizt der Mieter den Anforderungen entsprechend, 129a kommt eine Minderung dennoch nicht in Betracht306. Vielmehr entfällt im Einzelfall allein eine Schadensersatzpflicht des Mieters (§ 535 BGB Rz. 850). (3) Kellerfeuchte Aus der Beschaffenheit des Gebäudes drängen sich oftmals bestimmte unzuträgliche Phänomene re- 130 gelmäßig auf. Dies gilt z.B. für Feuchtigkeit im Keller eines Altbaus aus der Zeit, in der Kellerwände noch nicht isoliert wurden307. Hierüber findet meist eine – stillschweigende – Vereinbarung statt, die dieses Merkmal (Auftreten von Feuchtigkeit im Keller) als Beschaffenheit regelt (vgl. § 536 BGB Rz. 79). Dies soll bei einem 1939 errichteten Einfamilienhaus nicht gelten, wenn der Keller unmittelbar an die Wohnfläche angebunden ist und daher regelmäßig auch zur Aufbewahrung von Lebensmitteln dient308. Dies ist jedoch zweifelhaft, wenn die Anbindung des Kellers an die Wohnfläche bereits bei Bezugsfertigkeit bestand. Dann entspricht die Wohnung dem Standard, den die Parteien (stillschweigend) vereinbart haben, und der Mieter muss sein Wohnverhalten entsprechend einrichten309. (4) Feuchtigkeit als Gesundheitsgefährdung Will der Mieter z.B. aus einer Schimmelbildung, die infolge von Feuchtigkeitseinwirkungen entstan- 131 den ist, eine Gesundheitsgefährdung herleiten, muss er konkret zu Art und Konzentration der Schimmelsporen vortragen sowie (zumindest) ärztliche Atteste vorlegen, damit ggf. darüber durch Einholen eines Sachverständigengutachtens Beweis erhoben werden kann310. Im Übrigen muss der Mieter Anknüpfungstatsachen vortragen311, wie z.B. Art des Schimmels oder die Konzentration von Sporen in den einzelnen Räumen; auch die Art der Erkrankung des Mieters kann Rückschlüsse zulassen. Die in einem Prozess angeführte „übelriechende Luft“ ist zu unkonkret. In der Praxis wird ein gesundheitsgefährdender Zustand regelmäßig anzunehmen sein, wenn der Mie- 132 ter darstellen kann, dass – die Schimmelpilzart, die in der Wohnung vorhanden ist, toxisch ist, – Myzele emittiert und in der Raumluft vorhanden sind,

304 AG Bad Segeberg v. 7.6.2012 – 17 C 21/12, MietRB 2012, 287 = NZM 2012, 807. 305 LG Lübeck v. 7.5.2018 – 14 S 260/15, IMR 2018, 411 (Discher); LG Frankfurt v. 14.9.2010 – 19 S 22/09, ZMR 2011, 125. 306 LG Bochum v. 19.7.2016 – I-11 S 33/16, WuM 2016, 614. 307 LG Osnabrück v. 11.4.2001 – 6 S 1247/00, WuM 2004, 233; LG Mannheim v. 8.4.1998 – 4 S 158/97, WuM 1998, 663. 308 LG Berlin v. 12.3.2013 – 63 S 628/12, ZMR 2014, 40 = NZM 2013, 505 = GE 2013, 1205. 309 BGH v. 5.12.2018 – VIII ZR 271/17, MDR 2019, 150 = WuM 2019, 25. 310 KG v. 3.6.2010 – 12 U 164/09, MDR 2010, 1375 = MietRB 2010, 356 = ZMR 2011, 114. 311 KG v. 3.6.2010 – 12 U 164/09, MDR 2010, 1375 = MietRB 2010, 356 = ZMR 2011, 114.

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§ 536 Rz. 132 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln – die Blutwerte des Mieters oder eines Mitbewohners, der in den Schutzbereich des Mietvertrages fällt, von den üblichen Hintergrundwerten abweichen. S. auch § 569 BGB Rz. 32 ff. dd) Fogging 133 Mit Fogging werden schwarze, meist ölig wirkende Ablagerungen auf der Wand verstanden, die auf

den ersten Blick mit Stock- oder Schimmelpilzflecken verwechselt werden. Ihre Entstehung beruht auf der chemischen Reaktion von Weichmachern, die in den in der Wohnung vorhandenen Baumaterialien (z.B. Farbe, Teppichboden) enthalten sind. Ihre Freisetzung kann auf dem täglichen Gebrauch, aber auch auf dem natürlichen Alterungsprozess beruhen312. Die freigesetzten Teilchen reagieren mit anderen chemischen Substanzen (auch anderen Weichmachern), die in der Raumluft enthalten sind. Diese chemische Reaktion kann zu dem beschriebenen Effekt der Ablagerung auf der Wand führen. 134 Welche Ursachenbeiträge die vom Vermieter herrührenden, Weichmacher enthaltenden Bausubstan-

zen im Einzelfall liefern und ob und ggf. in welchem Umfang die vom Mieter neu eingebrachten Materialien das Phänomen mitverursacht haben, lässt sich in der Regel nicht klären. Auch wenn in der Praxis häufig feststellbar ist, dass Fogging nach einer Renovierung auftritt, kann dem Mieter dieses Verhalten nicht angelastet werden, weil es sich in den Grenzen des § 538 BGB hält. Denn es ist wissenschaftlich ebenso ungeklärt, welche (bestimmten) Weichmacher mit welchen (bestimmten) Weichmachern die Reaktion herbeiführen, wie die Frage, unter welchen raumklimatischen Bedingungen Fogging entstehen kann. 135 Mit Rücksicht darauf, dass die Verursachung weitestgehend ungeklärt ist, gelten für Fogging die

Grundsätze der Sphärentheorie (vgl. § 536 BGB Rz. 120) prinzipiell nicht. Es ist nicht gerechtfertigt, dem Vermieter das Risiko bei mangelnder Aufklärung aufzubürden313. Ebenso besteht kein Grund, dem Mieter eine Minderung zu versagen, wenn er den Entlastungsbeweis nicht führen kann314. Vielmehr gelten die allgemeinen Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast. Danach muss der „Begünstigte“ die anspruchsbegründenden Tatsachen vortragen und ggf. beweisen. Bei einem Anspruch aus § 536a BGB steht daher der Mieter in der Verantwortung315. Wird der Vermieter auf Beseitigung in Anspruch genommen, muss er beweisen, dass die Fogging-Spuren auf vertragswidriges Verhalten des Mieters zurückzuführen sind316. Von seiner Darlegungslast wird der Mieter befreit, wenn er den Kostenvorschussanspruch für die Selbstvornahme geltend macht und feststeht, dass die Ursache nicht allein aus seinem Risikobereich stammt317. Andernfalls muss wegen § 538 BGB feststehen, dass ein vom vertragsgemäßen Gebrauch nicht gedecktes Verhalten zu der Schwarzstaubbildung beigetragen hat318, weil sonst eine Haftung entgegen dem klaren Wortlaut der Vorschrift begründet wird. b) Umweltfehler 136 Das Umfeld einer Mieteinheit wird zum einen durch die baulichen Gegebenheiten rund um das Miet-

grundstück, aber auch durch die dort lebenden Personen und die angesiedelten Betriebe geprägt. Vor diesem Hintergrund werden unter die Fallgruppe der Umweltfehler (auch Umfeld- oder Umweltmängel genannt) regelmäßig die Störungen zusammengefasst, die von außen auf die Mietsache einwir-

312 Vgl. dazu Hitpaß, ZMR 2002, 337. 313 A.A. LG Ellwangen v. 9.3.2001 – 1 S 244/00, WuM 2001, 544; AG Hamburg-Wandsbek v. 29.5.2000 – 712D C 27/99, NZM 2000, 906. 314 A.A. AG Pinneberg v. 19.10.2001 – 68 C 346/99, ZMR 2002, 359. 315 BGH v. 25.1.2006 – VIII ZR 223/04, MDR 2006, 983 = MietRB 2006, 154 = WuM 2006, 147 = NZM 2006, 258. 316 BGH v. 28.5.2008 – VIII ZR 271/07, MDR 2008, 966 = MietRB 2008, 258 = WuM 2008, 476 = ZMR 2008, 868 m. Anm. Schläger. 317 LG Berlin v. 14.9.2007 – 63 S 359/06, GE 2007, 1487; a.A. LG Berlin v. 23.6.2005 – 67 S 401/03, GE 2005, 995. 318 BGH v. 28.5.2008 – VIII ZR 271/07, MDR 2008, 966 = MietRB 2008, 258 = WuM 2008, 476 = NZM 2008, 607 = GE 2008, 982 = ZMR 2008, 868 m. Anm. Schläger.

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B. Wohnraummiete | Rz. 136b § 536

ken319, also bestimmte äußere Einflüsse320 oder veränderte Umstände im Umkreis des Mietobjektes321. Konkret geht es dabei nicht nur um Imponderabilien i.S.v. § 906 BGB, die auf die Mietsache von außen einwirken. Auch Veränderungen im Umfeld der Wohnung wie die Errichtung von Gebäuden oder Anlagen, die die Sicht verändern oder eine Verschattung herbeiführen, sind erfasst wie die Zugangsbehinderungen oder Konkurrenzschutzverletzungen. Maßgeblich für den Umweltfehler ist die Situation, dass die Mietsache als solche in ihrer Bausubstanz unverändert ist, der Mietgebrauch dennoch durch äußere Einflüsse gestört ist. Derartige Phänomene können die Annahme eines Mangels rechtfertigen, wenn sie zu einer unmittel- 136a baren Gebrauchsbeeinträchtigung führen (vgl. § 536 BGB Rz. 340). Umstände, die die Eignung der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch nur mittelbar berühren, scheiden von vornherein als (Sach)Mangel aus. Andernfalls würde der Mangelbegriff ausufern322. Deshalb ist maßgeblich, ob der Mieter bestimmte Beschaffenheiten oder Eigenschaften des Umfeldes der Mietsache bei Vertragsschluss als abwesend oder unveränderlich voraussetzen durfte. Das wiederum hängt davon ab, inwieweit durch die veränderten äußeren Umstände eine Abweichung von der Sollbeschaffenheit eingetreten ist, die konkret gefasst oder stillschweigend vereinbart wurde oder durch – ergänzende – Vertragsauslegung Inhalt des Mietvertrages geworden ist. Liegen keine konkreten Vereinbarungen zur Sollbeschaffenheit vor, muss untersucht werden, ob eine 136b konkludente Vereinbarung besteht, die veränderte Umweltbedingungen der Risikosphäre einer Partei zuordnet. Insoweit kann nicht einfach aus den bei Vertragsschluss bestehenden Verhältnissen darauf geschlossen werden, dass die Sollbeschaffenheit auf diesem Zustand begründet ist. Vielmehr muss gesondert festgestellt werden, dass nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien jede Veränderung im Umfeld der Wohnung, insbesondere durch bauliche Maßnahmen auf einem Nachbargrundstück, eine Abweichung von der Sollbeschaffenheit herbeiführen soll und damit einen Mangel der Mietsache herbeiführen kann. Ohne besondere Abrede führt daher z.B. die mit zusätzlicher Lärmentwicklung verbundene Änderung der Verkehrsführung der vor dem Haus verlaufenden Straße, die zu einer Beeinträchtigung der Balkonnutzung führt, nicht zur Minderung323. Insoweit kann nicht unterstellt werden, die Parteien hätten bei Abschluss des Mietvertrages hinsichtlich zukünftiger, von Dritten verursachter Lärmbelästigungen den zur Zeit des Vertragsschlusses bestehenden Zustand für die gesamte Dauer des auf unbestimmte Zeit geschlossenen Mietvertrags als unverändert „stillschweigend festgeschrieben“. Auch eine konkludente Vereinbarung setzt zwei übereinstimmende Willenserklärungen voraus. Für die Annahme einer solchen Willensübereinstimmung bezüglich eines sog. Umweltfehlers reicht es jedoch nicht aus, dass der Mieter bei Vertragsschluss einen von außen auf die Mietsache einwirkenden Umstand – wie z.B. den in der Wohnung zu vernehmenden Straßenlärm – in einer für ihn vorteilhaften Weise wahrnimmt (etwa: „ruhige Lage“) und er sich (möglicherweise auch) wegen dieses Umstands dafür entscheidet, die Wohnung anzumieten. Zur konkludent geschlossenen Beschaffenheitsvereinbarung wird dieser Umstand vielmehr nur, wenn der Vermieter aus dem Verhalten des Mieters nach dem objektiv zu bestimmenden Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) erkennen musste, dass der Mieter die Fortdauer dieses bei Vertragsschluss bestehenden Umstands über die unbestimmte Dauer des Mietverhältnisses hinweg als maßgebliches Kriterium für den vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung ansieht, und der Vermieter dem zustimmt324. Eine einseitig gebliebene Vorstellung des Mieters genügt für die Annahme einer diesbezüglichen Willensübereinstimmung selbst dann nicht, wenn

319 BGH v. 19.12.2012 – VIII ZR 152/12, MietRB 2013, 65 = MDR 2013, 262 = WuM 2013, 154 = NZM 2013, 184. 320 OLG Hamm v. 24.10.1995 – 7 U 171/94, OLGR Hamm 1996, 76 = NJWE-MietR 1996, 80 (Behinderung des beschwerdefreien Zugangs zu einem gemieteten Geschäftslokal über längere Zeit). 321 BGH v. 21.9.2005 – XII ZR 66/03, MDR 2006, 506 = MietRB 2006, 263 = GuT 2006, 19: fehlende Vermietung von Nachbarflächen in einem Einkaufszentrum ist kein Mangel. 322 BGH v. 16.12.2000 – XII ZR 279/97, MDR 2000, 821 = ZMR 2000, 508; OLG Hamm v. 24.10.1995 – 7 U 171/94, OLGR Hamm 1996, 76 = NJWE-MietR 1996, 80. 323 BGH v. 19.12.2012 – VIII ZR 152/12, MietRB 2013, 65 = MDR 2013, 262 = WuM 2013, 154 = ZMR 2013, 269 = GE 2013, 261; a.A. AG Köpenick v. 2.7.2010 – 4 C 116/10, GE 2010, 1277. 324 BGH v. 29.4.2015 – VIII ZR 197/14, MDR 2015, 819 = MietRB 2015, 225 = ZMR 2015, 697 = GE 2015, 849 = NZM 2015, 481; LG Berlin v. 18.12.2015 – 65 S 238/15, GE 2016, 785; krit. Ghassemi-Tabar, NJW 2015, 2849; Selk, NZM 2015, 855.

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§ 536 Rz. 136b | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln sie dem Vermieter bekannt ist. Erforderlich ist jedenfalls, dass der Vermieter darauf in irgendeiner Form zustimmend reagiert325. 136c Dies gilt erst recht, wenn Umstände vorliegen, die für den Mieter Veränderungen der Verhältnisse im

Umfeld der Wohnung oder des Gebäudes nahelegen. Deshalb wird eine stillschweigende Vereinbarung über ein unverändertes Umfeld des Grundstücks eher auszuschließen sein, wenn Anhaltspunkte für die Entstehung von Baulärm bzw. Beeinträchtigungen aufgrund von Bauarbeiten vorliegen und, die Parteien kein Wort darüber verloren haben, obwohl – schon bei Abschluss des Mietvertrages erkennbar ist, dass mit Bautätigkeiten in der räumlichen Umgebung des Mietobjekts zu rechnen ist326, was der Fall sein kann, wenn – konkrete Anhaltspunkte vorliegen wie z.B. bei einer Lage in einem ausgewiesenen Sanierungsgebiet oder bei nahe gelegenen Baulücken327, – insbesondere wenn bereits ein Bauzaun errichtet ist328, – die Wohnung in einem ausgewiesenen Sanierungsgebiet liegt, – baufällige Gebäude oder erneuerungsbedürftige Fassaden in der Nachbarschaft des Gebäudes bestehen329, – in der Nähe des Grundstücks eine S-Bahn-Trasse vorhanden ist und bei Abschluss des Mietvertrages verkehrspolitische Planungen für den Ausbau vorliegen330, die in der Öffentlichkeit diskutiert werden, – eine Industriebrache in verwildertem Zustand an das Grundstück grenzt331, – in der Nähe eine (Universitäts-)Klinik liegt, so dass mit der Inbetriebnahme eines Hubschrauberlandeplatzes oder mit dessen Verlegung innerhalb des Klinikgeländes gerechnet werden muss332. Im Zweifel sprechen die Umstände des Einzelfalles dafür, dass Veränderungen im Umfeld gerade nicht zu einem Mangel der Mietsache führen sollten333. Im Übrigen können die Rechte nach § 536b BGB ausgeschlossen sein (§ 536b BGB Rz. 30). 136d Sofern auch eine konkludente Vereinbarung fehlt, muss im Wege der – ergänzenden – Auslegung

ermittelt werden, inwieweit die von außen einwirkenden Phänomene zur Sollbeschaffenheit gehören. Insoweit ist zu beachten, dass das dem Vermieter durch § 535 Abs. 1 BGB auferlegte Risiko der Gebrauchsgewährung nicht notwendig zur Folge hat, dass die Überlassungspflicht und die Erhaltungspflicht i.S.v. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB in jeder Hinsicht deckungsgleich sind334. Während die Überlassungspflicht an einen aktuellen Zustand der Mietsache anknüpft, über den der Vermieter sich ohne Weiteres vergewissern und dessen Beherrschung ihm deshalb auch ohne Weiteres zugemutet werden kann, bedarf es zur Erhaltungspflicht und der Beherrschbarkeit der durch äußere Einflüsse auf die Mietsache einwirkenden Risiken einer prognostischen Einschätzung der Zukunft, deren Entwicklung nicht immer überschaubar ist. Daraus folgt für den Umfang der Erhaltungspflicht eine differenziertere Betrachtung335. Mit Rücksicht darauf ist im Rahmen einer (ergänzenden) Vertragsauslegung zu ermitteln, ob die Parteien, wenn sie bei Vertragsschluss die spätere Entwicklung der Verhältnisse im Umfeld der Mieteinheit in Betracht gezogen hätten, diese als den geschuldeten Mietgebrauch nunmehr bestimmend hin325 Vgl. BGH v. 23.9.2009 – VIII ZR 300/08, MDR 2010, 20 = MietRB 2009, 345 = NJW 2010, 1133 Rz. 14. 326 LG Berlin v. 7.10.2011 – 63 S 59/11, GE 2012, 64; a.A. Blank/Börstinghaus, § 536b BGB Rz. 3; vgl. auch Rave, MietRB 2014, 375 mit einer Übersicht über die Rechtsprechung in Frankfurt/Main. 327 LG Berlin v. 26.9.2013 – 67 S 251/13, MietRB 2013, 351 = IMR 2014, 234. 328 AG Charlottenburg v. 17.10.2013 – 202 C 180/13, IMR 2014, 329. 329 Vgl. dazu Brandenburgisches OLG v. 1.10.2007 – 3 U 10/07, zitiert nach juris; KG v. 3.6.2002 – 8 U 74/01, GE 2003, 115 = NZM 2003, 718; LG Berlin v. 17.3.2009 – 63 S 397/08, GE 2009, 847. 330 LG Berlin v. 14.3.2008 – 63 S 398/07, GE 2009, 53. 331 AG Lichtenberg v. 24.11.2011 – 9 C 143/11, GE 2012, 68. 332 LG Frankfurt am Main v. 16.10.2009 – 2-11 S 9/09, ZMR 2010, 362. 333 BGH v. 29.4.2020 – VIII ZR 31/18, MDR 2020, 847 = GE 2020, 865. 334 BGH v. 29.4.2020 – VIII ZR 31/18, MDR 2020, 847 = GE 2020, 865; BGH v. 29.4.2015 – VIII ZR 197/14, MDR 2015, 819 = MietRB 2015, 225 = ZMR 2015, 697 = GE 2015, 849 = NZM 2015, 481; krit. GhassemiTabar, NJW 2015, 2849; Selk, NZM 2015, 855. 335 BGH v. 29.4.2015 – VIII ZR 197/14, MDR 2015, 819 = MietRB 2015, 225 = ZMR 2015, 697 = GE 2015, 849 = NZM 2015, 481.

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genommen hätten, oder ob der Vermieter hätte verpflichtet sein sollen, den ungestörten Mietgebrauch unter dem bei Vertragsschluss bestehenden Zustand aufrechtzuerhalten. In aller Regel ergibt eine Auslegung des Mietvertrags, dass Letzteres zu verneinen ist336. Denn ansonsten hätte sich den Parteien bei Vertragsschluss die Frage aufdrängen müssen, ob und mit welchem Ergebnis der Vermieter überhaupt in der Lage sein würde, z.B. einem erhöhten Immissionsanfall zu begegnen. Zwar trifft einen Vermieter – unabhängig von etwaigen eigenen Abwehrmöglichkeiten des Mieters – im Rahmen seiner Erhaltungsund Fürsorgepflicht grundsätzlich auch die Pflicht, von Dritten ausgehende Störungen vom Mieter fernzuhalten und zu diesem Zweck gegen den Störer jedenfalls im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Möglichen vorzugehen337. Hierbei hätten aber zugleich die Gegebenheiten des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses mit den in § 906 BGB konkretisierten Duldungspflichten sowie die daraus abgeleiteten Unterlassungs-, Beseitigungs- oder Entschädigungsansprüche in die Überlegungen einbezogen werden müssen. Deshalb ist der Vermieter im Rahmen der §§ 535 Abs. 1 S. 2, 536 BGB für nachträgliche Veränderungen im Umfeld der Wohnung nicht verantwortlich, wenn derartige Abwehrmöglichkeiten nicht bestehen338. Denn ansonsten hätte er eine i.S.v. § 275 Abs. 1 BGB unmögliche Leistung übernommen. Deshalb begründen z.B. auch die nachträgliche Einrichtung eines Bolzplatzes auf dem Nachbargrund- 137 stück und die damit verbundenen Lärmimmissionen bei fehlender Vereinbarung zur Sollbeschaffenheit keinen Mangel der Mietsache339. Das Gleiche gilt für die Eröffnung eines Supermarktes auf dem Nachbargrundstück340 oder die Änderung der Verkehrsführung341, die zu erhöhten Lärmimmissionen führen. Ebenso liegt bei von den Zu- und Abluftleitungen einer Lüftungsanlage ausgehenden Geräuschimmissionen in einem Lichthof (auch bei ihrer nachträglichen Zunahme) kein Mangel vor, wenn bei Fehlen einer Abrede der Mietvertragsparteien zum Maß einer Immissionsbelastung der zum Lichthof hin gelegenen Räumlichkeiten die hierfür maßgeblichen technischen Normen eingehalten sind342. Reklamiert der Mieter das Niveau der Personen, die das Gebäude nutzen (Mietermix), ist ebenfalls zu ermitteln, inwieweit durch eine entsprechende vertragliche (auch stillschweigende) Bestimmung eine bestimmte Mieterklientel zur Sollbeschaffenheit erhoben wurde343 (vgl. § 536 BGB Rz. 369). Die von einer Großbaustelle auf dem Nachbargrundstück ausgehenden Lärmimmissionen begründen ein Minderungsrecht ebenfalls nur, wenn dem Vermieter Entschädigungs- oder Unterlassungsansprüche zustehen344. Liegen die (vorrübergehenden) Immissionen aber deutlich außerhalb der zeitlichen Grenzen der einschlägigen Lärmvorgaben und führen sie (lediglich) dazu, dass die Fenster geschlossen gehalten werden müssen, ist eine Minderung nicht gerechtfertigt345. Zweifelhaft ist allerdings, ob vom Vermieter veranlasste Arbeiten an der Fassade, die mit herkömmlichen Werkzeugen erledigt werden und sich im üblichen Rahmen halten, keine Minderung begründen346. Denn bei der notwendigen ergänzenden Vertragsauslegung kann nicht unterstellt werden, dass der Mieter derartige Phänomene, die vom Vermieter verursacht werden, in seinen Risikobereich übernimmt. Dagegen spricht auch § 536 Abs. 1a BGB, der für derartige Maßnahmen ein Minderungsrecht unterstellt. Nichts anderes gilt,

336 BGH v. 29.4.2015 – VIII ZR 197/14, MDR 2015, 819 = MietRB 2015, 225 = ZMR 2015, 697 = GE 2015, 849 = NZM 2015, 481; krit. Ghassemi-Tabar, NJW 2015, 2849; Selk, NZM 2015, 855. 337 Vgl. BGH v. 23.2.1966 – VIII ZR 63/64, WM 1966, 763 unter II 1; BGH v. 10.12.1986 – VIII ZR 349/85, MDR 1987, 399 = BGHZ 99, 182 (191). 338 BGH v. 29.4.2015 – VIII ZR 197/14, MDR 2015, 819 = MietRB 2015, 225 = ZMR 2015, 697 = GE 2015, 849 = NZM 2015, 481; krit. Ghassemi-Tabar, NJW 2015, 2849; Selk, NZM 2015, 855. 339 BGH v. 29.4.2015 – VIII ZR 197/14, MDR 2015, 819 = MietRB 2015, 225 = ZMR 2015, 697 = GE 2015, 849 = NZM 2015, 481; krit. Ghassemi-Tabar, NJW 2015, 2849; Selk, NZM 2015, 855. 340 LG Heidelberg v. 26.2.2010 – 5 S 95/09, WuM 2010, 148. 341 BGH v. 19.12.2012 – VIII ZR 152/12, MietRB 2013, 65 = MDR 2013, 262 = WuM 2013, 154 = ZMR 2013, 269 = GE 2013, 261. 342 BGH v. 23.9.2009 – VIII ZR 300/08, MDR 2010, 20 = MietRB 2009, 345 = WuM 2009, 659 Rz. 15, 17. 343 BGH v. 26.9.2012 – XII ZR 122/11, MietRB 2013, 7 = WuM 2012, 671 = GE 2012, 1553. 344 LG Berlin v. 9.2.2016 – 63 S 177/15, GE 2016, 329; LG München I v. 14.1.2016 – 31 S 20691/14, MietRB 2016, 63 = NJW-RR 2016, 334 = ZMR 2016, 290 = NZM 2016, 237; Selk, NZM 2015, 855; AG Hamburg-Bergedorf v. 24.8.2017 – 410d C 30/17, ZMR 2018, 229; a.A. LG Berlin v. 12.7.2018 – 67 S 105/18, WuM 2018, 755 = ZMR 2019, 23. 345 LG Berlin v. 23.1.2019 – 65 S 170/18, ZMR 2019, 405 = GE 2019, 391. 346 So: LG Berlin v. 7.4.2016 – 63 T 2/16, GE 2016, 590.

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§ 536 Rz. 137 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln wenn der Vermieter vor der Fassade ein Gerüst aufstellt347 oder auf dem Nachbargrundstück selbst ein Gebäude errichtet348. 137a Die vorstehend wiedergegebene Rechtsauffassung, wonach die Erwägungen des BGH in der Bolzplatz-

entscheidung349 allgemein für die Fallgruppe der Umweltfehler gelten, ist nicht unbestritten350. Zum Teil wird angenommen, die Aussage der Bolzplatzentscheidung sei allein auf den konkreten Einzelfall beschränkt (Kinderlärm) und die Parteien würden bei Abschluss des Mietvertrages generell und nicht nur bei technischen Einrichtungen351 (§ 535 BGB Rz. 361a) einen Mindeststandard des Wohnens vereinbaren352. Dazu soll die Abwesenheit von Lärmimmissionen (z.B. von einer Baustelle353) gehören. Deshalb könne der Mieter bei Baulärm mindern354. Wenn überhaupt, sei die Bolzplatz-Entscheidung nur auf dauerhafte Veränderungen des Wohnumfeldes, nicht aber auf vorübergehende Einwirkungen von außen wie z.B. bei Baulärm übertragbar355. Einschränkend soll dies jedenfalls dann gelten, wenn der Vermieter bei Abschluss des Mietvertrages wusste, dass der Nachbar ein Bauvorhaben plant356. Schließlich wird auf § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB verwiesen und eine mietrechtliche Betrachtungsweise gefordert. Danach soll es ausreichen, dass eine Minderung gerechtfertigt ist und die daraus resultierende Ertragsminderung für die Anwendung von § 906 Abs. 2 BGB ausreicht. Im Übrigen sollen Schallmessungen bei Baulärm nicht notwendig sein. Vielmehr sei darauf abzustellen, inwieweit das Ruhebedürfnis des Mieters tangiert sei357. Richtigerweise hat der BGH jedoch in der Bolzplatz-Entscheidung an seiner bisherigen Rechtsprechung358 nicht nur ausdrücklich festgehalten und sie nicht etwa auf dauerhafte Umfeldveränderungen beschränkt, sondern weitergehend fortentwickelt359, so dass sie grundsätzlich für jede Art von Umweltfehler gilt360. Mit dem Abstellen auf zeitgemäßes Wohnen in der Entscheidung vom 26.7.2004361 hat er dem Umstand Rechnung getragen, dass der Begriff des Wohnens sich im Hinblick auf den technischen Fortschritt bei der Ausstattung der Haushaltsführung dynamisch zeigt362. Eine generelle Anforderung an die Risikotragung des Vermieters in Bezug auf seine Gebrauchsgewährs-

347 A.A. LG Berlin v. 20.4.2016 – 65 S 424/15, GE 2016, 860. 348 LG Berlin v. 30.10.2019 – 65 S 99/19, MietRB 2020, 4 (Rave) = WuM 2019, 701 = GE 2020, 263. 349 BGH v. 29.4.2015 – VIII ZR 197/14, MDR 2015, 819 = MietRB 2015, 225 = ZMR 2015, 697 = GE 2015, 849 = NZM 2015, 481. 350 Vgl. die Übersicht bei Selk, NZM 2019, 113 (121). 351 Vgl. dazu BGH v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03, MietRB 2005, 1 = MDR 2004, 1346 = ZMR 2004, 807 = NJW 2004, 3174. 352 LG Berlin v. 15.1.2019 – 67 S 309/18, WuM 2019, 253 = ZMR 2019, 407; LG Berlin v. 12.7.2018 – 67 S 105/ 18, WuM 2018, 755 = ZMR 2019, 23 = GE 2018, 1459. 353 LG Berlin v. 12.7.2018 – 67 S 105/18, WuM 2018, 755 = ZMR 2019, 23 = GE 2018, 1459; LG Berlin v. 16.6.2016 – 67 S 76/16, WuM 2016, 486 = ZMR 2016, 693 = GE 2016, 915; LG Berlin v. 7.6.2018 – 18 S 211/16, WuM 2018, 25. 354 LG Berlin v. 11.8.2016 – 67 S 162/16, WuM 2016, 555 = ZMR 2016, 947 = NZM 2016, 679; LG Berlin v. 16.6.2016 – 67 S 76/16, WuM 2016, 486 = ZMR 2016, 693 = GE 2016, 915. 355 LG Berlin v. 12.7.2018 – 67 S 105/18, WuM 2018, 755 = ZMR 2019, 23 = GE 2018, 1459; LG Berlin v. 7.6.2018 – 18 S 211/16, WuM 2018, 25. 356 LG Berlin v. 7.6.2017 – 18 S 211/16, WuM 2018, 25 = ZMR 2018, 223 = GE 2017, 1550. 357 LG Hamburg v. 21.12.2018 – 316 S 71/18, WuM 2019, 138 = ZMR 2019, 280. 358 BGH v. 19.12.2012 – VIII ZR 152/12, MDR 2013, 262 = MietRB 2013, 65 = NJW 2013, 680; BGH v. 23.9.2009 – VIII ZR 300/08, MDR 2010, 20 = MietRB 2009, 345 = WuM 2009, 659. 359 BGH v. 29.4.2020 – VIII ZR 31/18, MDR 2020, 847 = GE 2020, 865; LG Berlin v. 14.6.2017 – 65 S 90/17, ZMR 2017, 974 = GE 2017, 1022; AG München v. 1.2.2018 – 472 C 18927/16, ZMR 2019, 289. 360 LG Berlin v. 20.4.2016 – 65 S 424/15, GE 2016, 860; LG Berlin v. 15.4.2016 – 63 S 223/15, GE 2016, 729; LG Berlin v. 7.4.2016 – 63 T 2/16, GE 2016, 590; LG Berlin v. 9.2.2016 – 63 S 177/15, GE 2016, 329; LG München I v. 14.1.2016 – 31 S 20691/14, MietRB 2016, 63 = ZMR 2016, 290 = NZM 2016, 237; AG Dresden v. 7.12.2016 – 144 C 2816/16, ZMR 2017, 167; Eisenschmid, NZM 2016, 841 (848); Flatow, WuM 2016, 459; Selk, NZM 2016, 239. 361 BGH v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03, MietRB 2005, 1 = MDR 2004, 1346 = ZMR 2004, 807 = NJW 2004, 3174; vgl. auch BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MietRB 2010, 129 = MDR 2010, 562 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = ZMR 2010, 517; BGH 17.12.2014 – VIII ZR 88/13, MietRB 2015, 100 = MDR 2015, 199 = WuM 2015, 165 = GE 2015, 245. 362 BGH v. 5.12.2018 – VIII ZR 271/17, MDR 2019, 150 = WuM 2019, 25.

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B. Wohnraummiete | Rz. 138 § 536

pflicht sollte damit nicht verbunden sein363. Soweit für die Entschädigungspflicht allein Minderung für ausreichend gehalten wird, liegt ein Zirkelschluss vor. Die Entschädigungspflicht ist nach der Auffassung des BGH aber relevant, um die Vertragslücke hinsichtlich der Sollbeschaffenheit zu schließen. Dafür kommt es auf reale Ansprüche des Mieters an. Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast verbleibt es bei den Grundsätzen der Verteilung der Be- 137b weislast nach Risikokreisen364. Demnach muss der Mieter die Umstände darlegen, die einen erheblichen Mangel darstellen sollen. Insoweit darf sich ein Gericht nicht auf angebliche Erfahrungswerte berufen/einlassen. Denn die Minderung wird durch eine Einzelfallentscheidung festgesetzt, die auf den vorgetragenen individuellen Umständen beruhen muss365. Insbesondere ist die Wesentlichkeit der Einwirkungen aufzuzeigen. Damit hat der Mieter i.d.R. eine Überschreitung der nach § 906 Abs. 1 BGB maßgeblichen technischen Normen darzulegen. Ist dem Mieter die Darlegung eines wesentlichen Mangels gelungen, muss der Vermieter darlegen und beweisen, dass ihm keine Entschädigungs-, Beseitigungs- oder Unterlassungsansprüche gegen den Dritten zustehen366. Dazu hat er diejenigen, dem Verhältnis zwischen ihm und dem Verursacher - und damit dem Verantwortungsbereich des Vermieters entstammenden Tatsachen, seien sie personen- oder grundstücksbezogen, vorzubringen und im Falle des Bestreitens zu beweisen, die in Anbetracht des bis dahin festgestellten Sachverhalts - auch unter Beachtung der im Verhältnis zum Verursacher geltenden Beweislastverteilung - dazu führen, dass weder Abwehr- noch Entschädigungsansprüche bestehen367. Relevante Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeiten für den Vermieter können sich ergeben aus 137c – § 535 BGB (Erhaltungspflicht [§ 535 BGB Rz. 444], Fürsorgepflicht [§ 535 BGB Rz. 500]): – Vermieter sorgt nicht dafür, dass das Tor zum Hof, auf dem sich Parkplätze für Mieter befinden, verschlossen bleibt, so dass Besucher einer im Hause ansässigen Gastronomie bis spät in der Nacht den Hof zum Parken nutzen (Lärm durch an- und abfahrende Pkw)368; – Vermieter wirkt nicht auf lärmverursachenden Mitbewohner des Hauses ein, – §§ 1004, 906 BGB, – aus einer Nachbarschaftsvereinbarung, in der sich der bauende Nachbarn zum Schadensersatz verpflichtet hat369, – §§ 823 ff. BGB (ggf. auch vertragliche Schadensersatzansprüche, z.B. gegen Handwerker), – öffentlich-rechtlichen Entschädigungsleistungen, z.B. im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens für die Erweiterung eines Flughafens370 oder den Bau einer Autobahn371. Ob der Vermieter von den Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeiten tatsächlich Gebrauch macht, 138 ist unerheblich. Maßgeblich ist allein, dass ihre Möglichkeit besteht. Denn es geht bei der Auslegung um die Risikoverteilung im Rahmen des Mietvertrages. Selbst wenn der Vermieter erst durch die Reklamationen des Mieters darauf aufmerksam wird, dass eine Regressmöglichkeit besteht und diese für ihn mittlerweile nicht mehr zur Verfügung steht, kann ein Umweltmangel angenommen werden. Denn die bloße Möglichkeit der Kompensation auf Seiten des Vermieters ist für die (ergänzende) Vertragsauslegung ausschlaggebend. Ein Ausschluss von Regressansprüchen ist z.B. denkbar, wenn der Träger eine Baumaßnahme (U-Bahn, Autobahn, Flughafen) aufgrund eines Planfeststellungsverfahrens durchführt. Hat er im Rahmen dieses öffentlichen Verfahrens beschlossen, Entschädigungsansprüche, die im Verfahren nicht angemeldet wurden, auszuschließen, kann der Vermieter nachträglich erst aufgetretene Beeinträchtigungen nicht mehr gegen den Träger der Baumaßnahme verfolgen372. Dies ändert aber nichts an dem Bestehen eines Umweltfehlers.

363 364 365 366 367 368 369 370 371 372

BGH v. 5.12.2018 – VIII ZR 271/17, MDR 2019, 150 = WuM 2019, 25 Rz. 26. BGH v. 29.4.2020 – VIII ZR 31/18, GE 2020, 865. BGH v. 29.4.2020 – VIII ZR 31/18, GE 2020, 865 Rz. 64, 74. BGH v. 29.4.2020 – VIII ZR 31/18, GE 2020, 865. BGH v. 29.4.2020 – VIII ZR 31/18, GE 2020, 865 Rz. 91. LG Berlin v. 18.12.2015 – 65 S 238/15, GE 2016, 785. LG Berlin v. 15.1.2019 – 67 S 309/18, WuM 2019, 253 = GE 2019, 319 = ZMR 2019, 407. BGH v. 10.12.2004 – V ZR 72/04, MDR 2005, 623 = NZM 2005, 226. BGH v. 21.1.1999 – III ZR 168/97, NJW 1999, 1247. BGH v. 10.12.2004 – V ZR 72/04, MDR 2005, 623 = NZM 2005, 226.

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§ 536 Rz. 138a | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln 138a Den Abwehr- und Entschädigungsansprüchen des Vermieters steht es gleich, wenn der Vermieter mit

dem Dritten (z.B. benachbarter Bauherr) eine Vereinbarung darüber getroffen hat, dass dieser dem Vermieter den Schaden ersetzt, der durch die Einwirkungen des Dritten entstehen373. Unabhängig davon, ob die Vereinbarung nur den Schaden erfasst, der aus „berechtigten Minderungen der Mieter“ entsteht, zeigt die Vereinbarung, dass der Vermieter das Risiko übernehmen kann. Denn ebenso wie bei gesetzlichen Ansprüchen trägt er das Risiko der Realisierung seiner Ansprüche gegenüber dem (störenden) Dritten. 138b Ob die Höhe der Minderung identisch mit der Höhe der Entschädigung ist374, die der Vermieter von

dem Verursacher verlangen kann, ist zweifelhaft. Der Ausgleich für die Störung des Äquivalenzverhältnisses, die der Minderung zugrunde liegt, ist mit der Situation des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht vergleichbar. Hier erhält der Eigentümer keinen Schadensersatz für Beeinträchtigungen, sondern wird bloß entschädigt, weil eine unzumutbare Situation eingetreten ist. Dass ein Delta zwischen Minderung und Entschädigungsleistung liegen kann, liegt in der Natur der Rechtsverhältnisse bzw. der Anspruchsgrundlagen. Beim Bestehen von reinen Abwehransprüchen zugunsten des Vermieters müssen noch nicht einmal Entschädigungsansprüche realisierbar sei. Dennoch trägt der Vermieter das Risiko der Veränderung des Umfeldes. aa) Imponderabilien 139 Als Umweltfehler kommen zunächst die Beeinträchtigungen in Betracht, die in § 906 Abs. 1 BGB auf-

geführt sind, wie die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusche (zu Lärm § 536 BGB Rz. 149), Erschütterungen u.Ä. Insbesondere da der Vermieter auf die Zuführung regelmäßig keinen Einfluss hat und § 906 BGB seine Duldungspflicht gegenüber dem Nachbarn regelt, ist umstritten, ab wann im Mietverhältnis in der gegebenen Situation von einem Mangel ausgegangen werden kann. 140 Teilweise wird vertreten, der Mieter habe die Beeinträchtigungen hinzunehmen, wenn er sie auch als

Eigentümer nach § 906 BGB dulden müsste, die Einwirkung also z.B. ortsüblich ist375. Richtigerweise wird die unmittelbare Anwendung des § 906 BGB im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter aber abgelehnt, weil das Innenverhältnis zweier Vertragsparteien nicht mit dem Außenverhältnis des Eigentümers bzw. des Mieters zu Dritten verglichen werden kann, deren Grundstück zufälligerweise an das eigene Grundstück grenzt376. Vielmehr ist maßgeblich, ob die Parteien bei Abschluss des Vertrages über den Eintritt der konkreten Störung eine Vereinbarung im Hinblick auf die Sollbeschaffenheit getroffen haben (§ 536 BGB Rz. 136b). Ansonsten ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die Risikoverteilung zu ermitteln (§ 536 BGB Rz. 136d). Insoweit hat § 906 BGB Ausstrahlungswirkung: denn bei der notwendigen Auslegung (vgl. § 536 BGB Rz. 85) ist zu bedenken, dass dem Vermieter bei veränderten Umwelteinflüssen die Erhaltungspflicht des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB unmöglich würde, sofern die Annahme gerechtfertigt wäre, er habe auch dafür einzustehen377. Insoweit nimmt der einem Mieter zukommende Mietgebrauch bei Fehlen entgegenstehender Abreden an der jeweiligen Situationsgebundenheit des Mietgrundstücks und der aus der Nachbarschaft entstammenden Einwirkungen einschließlich der damit verbundenen Veränderungsrisiken jedenfalls in einem Umfang teil, den der an § 906 BGB gebundene Vermieter angesichts des ihm danach billigerweise zuzumutenden Gebrauchsüberlassungsrisikos nicht beeinflussen kann378. Das hat nichts damit zu tun, dass den Vermieter – und zwar unabhängig von etwaigen eigenen Abwehrmöglichkeiten des Mieters – im Rahmen seiner Verpflichtung zur Erhaltung des vertragsgemäßen Zustands der Mietsache grundsätzlich auch die Pflicht LG Berlin v. 15.1.2019 – 67 S 309/18, WuM 2019, 253 = GE 2019, 319 = ZMR 2019, 407. AG München v. 1.2.2018 – 472 C 18927/16, ZMR 2019, 289. OLG Düsseldorf v. 13.12.1990 – 10 U 84/90, MDR 1991, 446 = BB 1991, 159. BGH v. 12.12.2003 – V ZR 180/03, MDR 2004, 681 = MietRB 2004, 149 = BGHZ 157, 188 (192); BayObLG v. 4.2.1987 – RE-Miet 2/86, WuM 1987, 112; OLG München v. 26.3.1993 – 21 U 6002/92, WuM 1993, 607. 377 BGH v. 29.4.2015 – VIII ZR 197/14, MDR 2015, 819 = MietRB 2015, 225 = ZMR 2015, 697 = GE 2015, 849 = NZM 2015, 481; krit. Ghassemi-Tabar, NJW 2015, 2849; Selk, NZM 2015, 855; a.A. Lehmann-Richter, NZM 2012, 849 (850); Blank, WuM 2012, 175 (176); Börstinghaus, NZM 2004, 48 (49). 378 BGH v. 29.4.2015 – VIII ZR 197/14, MDR 2015, 819 = MietRB 2015, 225 = ZMR 2015, 697 = GE 2015, 849 = NZM 2015, 481; krit. Ghassemi-Tabar, NJW 2015, 2849; Selk, NZM 2015, 855. 373 374 375 376

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B. Wohnraummiete | Rz. 141 § 536

trifft, von Dritten ausgehende Störungen vom Mieter fernzuhalten und zu diesem Zweck gegen den Störer jedenfalls im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Möglichen vorzugehen379. Vom Vermieter kann aber nichts Unmögliches verlangt werden. Danach trägt der Mieter das Risiko 140a – des Lärms durch eine bei Vertragsschluss bereits vorhandene Gaststätte380, – von Lärm-, Licht- und Staubimmissionen im öffentlichen Straßenbereich381, auch soweit der Mieter das Ausmaß der zu erwartenden Baumaßnahmen und ihrer maschinenmäßigen Bearbeitung verkennt382, – dass das beeinträchtigende Phänomen durch eine Änderung der Verkehrsführung383 oder die Erweiterung eines Flughafens384 entsteht. Denn sofern keine ausdrückliche Sollbeschaffenheitsvereinbarung vorliegt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Vermieter für eine unveränderte Umwelt das Risiko übernehmen will385. – von Lärmimmissionen infolge der nachträglichen Errichtung eines Bolzplatzes auf dem Nachbargrundstück386, – der Eröffnung eines Supermarktes auf dem Nachbargrundstück387, – von Geräuschimmissionen, die von den Zu- und Abluftleitungen einer Lüftungsanlage in einem Lichthof (auch bei ihrer nachträglichen Zunahme) ausgehen, obwohl die Immissionsbelastung der zum Lichthof hin gelegenen Räumlichkeiten sich in den Grenzen der maßgeblichen technischen Normen halten388, – der von einer Großbaustelle auf dem Nachbargrundstück ausgehenden Lärmimmissionen, sofern dem Vermieter im Einzelfall keine Entschädigungs- oder Unterlassungsansprüche zustehen389, – von Geruchsbelästigungen durch eine nahegelegene Kläranlage390, – von Küchengerüchen aus anderen Wohnungen, selbst wenn sie fremdartig sind (vgl. Anhang zu § 536 BGB Rz. 2 „Gerüche“). 141 In den Risikobereich des Vermieters fallen von vornherein – vom Vermieter veranlasste Arbeiten an oder in Gebäuden, auch wenn sie mit herkömmlichen Werkzeugen ausgeführt werden und sich im üblichen Rahmen halten391, – die vom Vermieter veranlasste Einrüstung des Gebäudes und die damit verbundene Beeinträchtigung der Lichtverhältnisse in der Wohnung392,

379 Vgl. BGH v. 23.2.1966 – VIII ZR 63/64, WM 1966, 763 unter II 1; BGH v. 10.12.1986 – VIII ZR 349/85, MDR 1987, 399 = BGHZ 99, 182 (191). 380 OLG München v. 26.3.1993 – 21 U 6002/92, WuM 1993, 607; OLG Frankfurt v. 26.3.1963 – 4 U 191/62, ZMR 1964, 271. 381 AG Fürth v. 17.10.2006 – 310 C 1727/06, WuM 2007, 317. 382 LG Berlin v. 28.8.2006 – 62 S 73/06, WuM 2007, 386. 383 BGH v. 19.12.2012 – VIII ZR 152/12, MietRB 2013, 65 = MDR 2013, 262 = WuM 2013, 154 = ZMR 2013, 269 = GE 2013, 261. 384 LG Frankfurt am Main v. 28.5.2014 – 2-11 S 196/14, IMR 2014, 374. 385 BGH v. 29.4.2015 – VIII ZR 197/14, MDR 2015, 819 = MietRB 2015, 225 = ZMR 2015, 697 = GE 2015, 849 = NZM 2015, 481; krit. Ghassemi-Tabar, NJW 2015, 2849; Selk, NZM 2015, 855. 386 BGH v. 29.4.2015 – VIII ZR 197/14, MDR 2015, 819 = MietRB 2015, 225 = ZMR 2015, 697 = GE 2015, 849 = NZM 2015, 481; krit. Ghassemi-Tabar, NJW 2015, 2849; Selk, NZM 2015, 855. 387 LG Heidelberg v. 26.2.2010 – 5 S 95/09, WuM 2010, 148. 388 BGH v. 23.9.2009 – VIII ZR 300/08, MDR 2010, 20 = MietRB 2009, 345 = WuM 2009, 659 Rz. 15, 17. 389 LG Berlin v. 9.2.2016 – 63 S 177/15, GE 2016, 329; LG München I v. 14.1.2016 – 31 S 20691/14, MietRB 2016, 63 = NJW-RR 2016, 334 = ZMR 2016, 290 = NZM 2016, 237; Selk, NZM 2015, 855; AG Hamburg-Bergedorf v. 24.8.2017 – 410d C 30/17, ZMR 2018, 229; a.A. LG Berlin v. 12.7.2018 – 67 S 105/18, WuM 2018, 755 = ZMR 2019, 23. 390 A.A. LG Augsburg v. 1.2.1984 – 7 S 4332/83, WuM 1986, 137. 391 A.A. LG Berlin v. 7.4.2016 – 63 T 2/16, GE 2016, 590. 392 A.A. LG Berlin v. 20.4.2016 – 65 S 424/15, GE 2016, 860.

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§ 536 Rz. 141 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln – unzumutbare Geruchsbeeinträchtigungen durch Rauchen oder Grillen, die von der Nutzung seiner Wohnung oder seines Balkons durch einen Mitmieter verursacht werden; denn insoweit ist der Vermieter berechtigt, die entsprechende Nutzung zu verbieten oder zeitlich zu beschränken393, weil der Mitmieter gehalten ist, alle zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung von Beeinträchtigungen seiner Nachbarn zu treffen (z.B. Fenster schließen)394, – Geruchsbelästigungen aus Containern für Biomüll, wenn sie an einem anderen Ort auf dem Grundstück aufgestellt werden können395. 142 Zur Ermittlung der Sollbeschaffenheit kann auch hier untersucht werden, ob technische Normen ver-

letzt sind (z.B. Konzentrationswerte für bestimmte Gase nach der TA Luft, GefahrstoffVO). Insoweit ist hinsichtlich der Verbindlichkeit von Grenzwerten zu prüfen, inwieweit sie auf anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. Besteht eine solche Verbindlichkeit nicht oder kann sie nicht festgestellt werden, kommt es darauf an, welche Voraussetzungen ein durchschnittlicher Mieter an ein störungsfreies Wohnen bzw. Nutzen der Mieträume stellen kann. bb) Zuführung von giftigen Stoffen 143 Während bei Imponderabilien die Gebrauchsbeeinträchtigung aus der Geruchsbelästigung resultiert,

kann durch giftige Stoffe in der Raumluft eine Gesundheitsgefahr verursacht werden. Als solche kommen z.B. in Betracht Asbest396, Formaldehyd397, Pentachlorphenol (PCP)398, Perchlorethylen (PER), Polychlorierte Biphenyle (PCB), Pyrethroide und Radon. Die dafür notwendige Grenzüberschreitung kann regelmäßig nur durch (außergerichtliches) Sachverständigengutachten ermittelt werden. Derartige Stoffe können von außen auf die Mietsache einwirken (= Umweltmangel), aber auch durch die Bausubstanz des Gebäudes, in dem die Wohnung liegt, verursacht werden (= Baumangel). In beiden Fällen besteht eine relevante Abweichung von der Sollbeschaffenheit, wenn die einschlägigen Grenzwerte überschritten werden. Denn es gilt als stillschweigend vereinbart, dass die Nutzung der Wohnung nicht gesundheitsgefährdend sein darf399. Selbst wenn solche Substanzen von außen an die Mietsache herangeführt werden, bestehen daher i.d.R. Abwehransprüche des Vermieters nach § 906 BGB auf der Grundlage der nach dem BImschG erlassenen Verordnungen (z.B. TA Luft). 144 Bestehen für die giftigen Stoffe konkrete Grenzwerte z.B. nach der GefahrstoffVO, indiziert die Über-

schreitung dieser Werte die konkrete Gesundheitsbeeinträchtigung und damit den Mangel (§ 536 BGB Rz. 92). Denn die Festlegung dieser Werte beruht auf anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen und wirkt daher wie antizipierte Sachverständigengutachten. 145 Bei anderen Substanzen kann, selbst wenn ein unzulässiger Zustand festgestellt wird, in vielen Fällen

ein Mangel erst angenommen werden, wenn auch die naheliegende und begründete Besorgnis der Gefahr für die Gesundheit besteht400. Deswegen genügt nicht allein die Feststellung, dass die Innenräume zu irgendeinem Zeitpunkt mit giftigen Substanzen behandelt wurden (z.B. mit einem verbotenen Holzschutzmittel). Entscheidend ist, ob aufgrund der Behandlung die konkrete Gefahr besteht, dass die Be-

393 BGH v. 16.1.2015 – V ZR 110/14, MietRB 2015, 197 = MDR 2015, 638 = NZM 2015, 448; a.A. LG Potsdam v. 14.3.2014 – 1 S 31/13, IMR 2014, 371. 394 LG Berlin v. 10.8.2017 – 65 S 362/16, IMR 2018, 94 (Ramm). 395 LG Osnabrück v. 18.6.1997 – 11 S 402/96, WuM 1997, 431. 396 LG Berlin v. 29.9.2015 – 63 S 112/15, GE 2016, 197; LG Lübeck v. 6.11.1997 – 14 S 135/97, ZMR 1998, 433 = NZM 1998, 190; LG Hannover v. 30.5.1997 – 8 S 203/96, WuM 1997, 434; LG Dortmund v. 16.2.1994 – 11 S 197/93, WuM 1996, 141; AG Charlottenburg v. 10.3.2014 – 237 C 375/13, GE 2014, 469. 397 OLG Nürnberg v. 15.1.1992 – 9 U 3700/89, DWW 1992, 143; OLG Düsseldorf v. 26.10.1990 – 22 U 18/90, DWW 1992, 140; LG München I v. 26.9.1990 – 31 S 20071/89, WuM 1991, 584; AG Königstein v. 6.7.2000 – 21 C 1807/99, NZM 2000, 822; AG Bad Säckingen v. 21.8.1992 – 1 C 191/91, WuM 1996, 140. 398 BayObLG v. 4.8.1999 – RE-Miet 6/98, MDR 1999, 1314 = WuM 1999, 568 = ZMR 1999, 751; LG Tübingen v. 28.11.1996 – 1 S 86/96, WuM 1997, 41. 399 BayObLG v. 4.8.1999 – RE-Miet 6/98, MDR 1999, 1314 = NZM 1999, 899. 400 KG v. 3.6.2010 – 12 U 164/09, MietRB 2010, 356 = MietRB 2010, 357 = MietRB 2010, 358 = MDR 2010, 1375 = ZMR 2011, 114 = GE 2010, 1201; KG v. 26.2.2004 – 12 U 1493/00, MietRB 2004, 233 ZMR 2004, 513 (Schimmel).

420 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 147 § 536

wohner mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen rechnen müssen401. Das Gleiche gilt für latent vorhandene Giftstoffe, wie z.B. Glasfaserdämmmatten in den Schächten einer Warmluftstromheizung. Ihre Existenz allein und das Risiko, dass sie in die Raumluft gelangen könnten, begründen noch keinen Mangel. Das ist aber spätestens dann der Fall, wenn sie sich geruchsbelästigend und schleimhautreizend auswirken402. Ähnliches gilt für das Auftreten von Asbest, z.B. in einer asbesthaltigen Nachtstromspeicherhei- 146 zung403. Eine in die Lunge eingedrungene Asbestfaser erhöht zwar das Risiko, asbestbedingt zu erkranken. Dies allein begründet aber noch keinen Gesundheitsschaden, also eine medizinisch erhebliche Störung der Lebensvorgänge404. Hier ist ein Mangel erst gegeben, wenn zumindest produktbedingt die ernsthafte Gefahr einer Krebserkrankung durch Austritt von Asbest nicht nur unwesentlich erhöht wird405. Unter Umständen kann aber allein die befürchtete Gefahr die Wertschätzung der Räume und damit den ungestörten Gebrauch der Mietsache beeinträchtigen406. Befindet sich Asbest in den Trennwänden der Wohnung, so dass Asbestfasern bei einer mechanischen Einwirkung freigesetzt werden können, liegt grundsätzlich ebenfalls nur die Gefahr eines Mangels vor. Dies gilt jedenfalls, wenn nur 30 % der Gesamtwandfläche (Trennwände in Leichtbauweise) betroffen sind407. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass der Mieter zu mechanischen Einwirkungen nicht berechtigt ist, so dass die latente Gefahr sich grundsätzlich nicht realisieren kann408. Das Gleiche gilt für asbesthaltigen Kleber, der von der Trittschalldämmung und einem Laminatboden überdeckt wird, so dass es unmöglich ist, infolge mechanischer Einwirkungen Asbestfasern freizusetzen409. Unbeschädigte asbesthaltige Bodenfliesen sind grundsätzlich ebenfalls nicht fehlerhaft410. Das Gleiche gilt, wenn unter dem Fußbodenbelag asbesthaltige Bodenplatten verlegt sind, wenn die Asbestbelastung der Innenraumluft und des Staubs die ohnehin vorhandene Belastung nicht übersteigt411. Ein Mangel ist aber anzunehmen, wenn der Vermieter Vinylasbestplatten aus der Wohnung beseitigt ohne besondere Schutzvorkehrungen in Form einer Absicherung gegen Staub (z.B. durch Befeuchtung und Sicherung von Nachbarbereichen) oder durch ein Aufsaugen der Reste und ein Binden ggf. vorhandener Reste durch Aufbringen einer Haftdispersion412. cc) Einbruchserie Ob mehrere Einbrüche die Qualität eines Fehlers erreichen und den Vermieter dazu zwingen, das Miet- 147 objekt höheren Sicherheitsstandards anzupassen, wird nicht einheitlich beantwortet. Einerseits soll selbst dann kein Mangel anzunehmen sein, wenn der Mieter wegen der Einbrüche keinen Versicherungsschutz mehr erhält413. Andererseits wird dem Mieter sogar das Recht zur fristlosen Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB zugebilligt414. Schließlich wird – zu Recht – darauf abgestellt, dass es zur Qualifikation als Fehler der Mietsache an einer Gebrauchsbeeinträchtigung fehlt415.

401 BayObLG v. 4.8.1999 – RE-Miet 6/98, MDR 1999, 1314 = NZM 1999, 899. 402 LG Osnabrück v. 24.1.2003 – 12 S 286/00, WuM 2003, 267; AG Torgau v. 27.9.2002 – 1 C 0604/01, WuM 2003, 316. 403 Isenmann, NZM 1998, 143. 404 LG Berlin v. 17.1.2018 – 18 S 140/16, GE 2018, 643. 405 LG Hannover v. 30.5.1997 – 8 S 203/96, WuM 1997, 434; LG Dortmund v. 16.2.1994 – 11 S 197/93, WuM 1996, 141. 406 OLG Hamm v. 13.2.2002 – 30 U 20/01, NZM 2003, 395; zweifelnd LG Berlin v. 29.9.2015 – 63 S 112/15, GE 2016, 197. 407 LG Berlin v. 3.12.2010 – 63 S 42/10, NZM 2011, 481. 408 AG Charlottenburg v. 10.3.2014 – 237 C 375/13, GE 2014, 469. 409 LG Berlin v. 3.12.2014 – 65 S 220/14, GE 2015, 190. 410 LG Berlin v. 13.5.2015 – 18 S 140/14, GE 2015, 1166. 411 LG Berlin v. 29.9.2015 – 63 S 112/15, GE 2016, 197. 412 LG Berlin v. 21.12.2012 – 65 S 200/12, ZMR 2013, 715; nachfolgend BGH v. 2.4.2014 – VIII ZR 19/13, MietRB 2014, 233 = MDR 2014, 796 = WuM 2014, 425 = ZMR 2014, 863. 413 KG v. 29.9.1997 – 20 U 4599/97, NZM 1998, 437. 414 OLG Naumburg v. 16.12.1996 – 1 U 175/96, NZM 1998, 438. 415 OLG Düsseldorf v. 6.6.2001 – 10 U 12/01, ZMR 2002, 819 = NZM 2002, 737.

Lützenkirchen | 421

§ 536 Rz. 148 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln 148 Ausgangspunkt der Überlegungen ist in solchen Fällen, dass der Vermieter grundsätzlich den Sicher-

heitsstandard schuldet, der bei der Errichtung des Gebäudes einschlägig war (§ 536 BGB Rz. 98). Hat der Vermieter z.B. infolge einer Modernisierung Veränderungen der Schließanlage oder der Haus- bzw. Wohnungseingangstüren vorgenommen, kann der Mieter erwarten, dass die zum Zeitpunkt der baulichen Maßnahme gültigen Sicherheitsstandards eingehalten werden. Darüber hinaus ist der Vermieter ohne besondere Vereinbarung grundsätzlich nicht verpflichtet, den Sicherheitsstandard des Gebäudes veränderten Sicherheitserkenntnissen anzupassen, so dass der Mieter auch hieraus ein Minderungsrecht nicht ableiten kann416. Ausnahmen können sich aus der Fürsorge- und Sicherungspflicht des Vermieters ergeben. Das setzt voraus, dass eine ernsthafte Gefahr für die Rechtsgüter der Mieter besteht, die der Vermieter abwenden kann417. Vgl. zur Sollbeschaffenheit im Übrigen § 535 BGB Rz. 386. dd) Lärm 149 Lärm ist ein unerwünschtes Geräusch, das zu Beeinträchtigungen der Nutzung oder gesundheitlichen

Schäden führen kann. Geräusche können schon bei relativ niedrigen Schalldruckpegeln als lästig und störend empfunden werden. Als Folge können Stressreaktionen auftreten, die sich negativ auf das Konzentrationsvermögen und die Leistung von Menschen auswirken. Daraus resultieren häufig Fehlreaktionen, die ebenso wie die bei höheren Pegeln verminderte Signalwahrnehmbarkeit zu einer erhöhten Unfallgefahr führen können. 150 Lärm, der von außen auf die Wohnung einwirkt, kann grundsätzlich einen Fehler der Mietsache be-

gründen418, unabhängig davon, ob er vom Vermieter, von Nachbarn des Mieters oder von Dritten ausgeht419. Voraussetzung ist, dass die Lärmeinwirkung nicht zum vertragsgemäßen Gebrauch gehört. Letzteres kann bei Verkehrslärm420 oder Fluglärm der Fall sein, wenn das Mietobjekt in Nachbarschaft zu entsprechenden öffentlichen Einrichtungen (Straße, Flughafen421 etc.) liegt. Liegt keine konkrete Sollbeschaffenheitsvereinbarung vor, kann nicht unterstellt werden, die Parteien hätten bei Abschluss des Mietvertrages hinsichtlich zukünftiger, von Dritten verursachter Lärmbelästigungen den zur Zeit des Vertragsschlusses bestehenden Zustand für die gesamte Dauer des auf unbestimmte Zeit geschlossenen Mietvertrags als unverändert bestehend bleibend „stillschweigend vereinbart“422. Vielmehr sind dafür deutliche Hinweise erforderlich, wenn nicht sogar eine ausdrückliche Vereinbarung zu fordern ist. Im Wege der durch Auslegung zu ermittelnden Sollbeschaffenheit (vgl. § 536 BGB Rz. 85) können veränderte Umwelteinflüsse einen Mangel der Mietsache grundsätzlich nicht begründen, wenn auch der Vermieter sie ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit gem. § 906 BGB als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss423 (vgl. § 536 BGB Rz. 136). 150a Im Übrigen ist zu fordern, dass der Lärm den vertragsgemäßen Gebrauch nicht nur unerheblich ein-

schränkt, § 536 Abs. 1 S. 3 BGB. Letzteres ist grundsätzlich anzunehmen, wenn die Grenzwerte einschlägiger Richtlinien oder Verordnungen überschritten sind, § 906 Abs. 1 BGB, und die Lärmquelle nicht im Risikobereich des Vermieters liegt (§ 536 BGB Rz. 140a). Letzteres gilt für typische Umweltgeräusche wie Vorgelzwitschern oder Straßen- und Schienenlärm. 150b Davon zu unterscheiden sind die von vornherein, also unabhängig von Abwehransprüchen, in den

Risikobereich des Vermieters fallenden Lärmquellen. Dabei handelt es sich i.d.R. um Geräusche, die durch haustechnische Anlagen verursacht werden wie z.B. Strömungsgeräusche in Heizkörpern und

416 417 418 419 420 421 422 423

OLG Düsseldorf v. 6.6.2001 – 10 U 12/01, ZMR 2002, 819 = NZM 2002, 737. OLG Hamburg v. 7.8.1988 – 4 U 151/87, ZMR 1988, 420 = NJW-RR 1988, 1481. Vgl. dazu allgemein Flatow, PiG 92, 63 f. BGH v. 29.2.2012 – VIII ZR 155/11, MietRB 2012, 161 = MietRB 2012, 167 = MDR 2012, 509 = WuM 2012, 269 = NZM 2012, 381. BGH v. 19.12.2012 – VIII ZR 152/12, MDR 2013, 262 = MietRB 2013, 65, GE 2013, 261; AG Köpenick v. 9.4.2013 – 3 C 336/10, GE 2013, 1460. LG Frankfurt v. 28.5.2014 – 2-11 S 196/14, IMR 2014, 374; AG Frankfurt v. 27.11.2012 – 33 C 3517/12 (29), WuM 2013, 352; Füglein/Krafzik, WuM 2013, 337. BGH v. 19.12.2012 – VIII ZR 152/12, MDR 2013, 262 = MietRB 2013, 65, GE 2013, 261. BGH v. 29.4.2015 – VIII ZR 197/14, MDR 2015, 819 = MietRB 2015, 225 = ZMR 2015, 697 = GE 2015, 849 = NZM 2015, 481; krit. Ghassemi-Tabar, NJW 2015, 2849; Selk, NZM 2015, 855.

422 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 153a § 536

Schallgeräusche in Heizungsanlagen424. Die Schwelle zu gerade noch hinnehmbaren Einwirkungen ist schwierig zu ermitteln und stark einzelfallbezogen, da die Grenze des Erträglichen sehr stark vom subjektiven Komponenten abhängig ist und gewisse Lärmbelästigungen infolge des Zusammenlebens nicht vermeidbar sind425 und daher wegen Sozialadäquanz häufig hingenommen werden müssen (§ 536 BGB Rz. 166). In solchen Grenzfällen ist zum einen auf die Abrede zwischen den Parteien (insbesondere die Miethöhe426) und zum anderen auf eine Interessensabwägung abzustellen. Das gilt allerdings zumeist nur, sofern sich die Nutzung haustechnischer Anlagen, wie z.B. durch – Benutzung eines Müllschluckers427, – das Einwerfen von Glasflaschen in entsprechende Container428, – die Heizungsanlage429, – den Betrieb einer Zu- und Abluftanlage430, nicht im Rahmen der DIN 4109 halten oder in unzumutbarer Weise (z.B. Häufigkeit) Beeinträchtigungen auftreten. Auf jeden Fall müssen vermeidbare Geräusche beim Öffnen und Schließen von Garagentoren oder der Haus- oder Wohnungstüre vom Vermieter im Rahmen der Erhaltungspflicht unterbunden werden431. Deshalb ist eine Minderung begründet, wenn von einem Garagentor eine die DIN 4109 überschreitende Geräuschbelästigung auf die über der Tiefgarageneinfahrt gelegene Wohnung einwirkt, weil die eingebauten Teile des Garagentors nicht körperschallgerecht und demnach nicht ordnungsgemäß eingebaut worden sind432. Die Mietminderung erweist sich auch nicht als treuwidrig, wenn der Mieter selbst zwei Tiefgaragenplätze angemietet hat. Um die Bewertung zu objektivieren, können technische Normen und Anleitungen als Indiz für einen 151 Mangel herangezogen werden. Insoweit kommen neben gesetzlichen Bestimmungen, die Anforderungen in der Regel allgemein formulieren (z.B. § 4 Abs. 1 Nr. 4 GastG), in Betracht: 152 – Baulärm – Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm – Geräuschimmissionen v. 19.8.1970433 – 32. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Geräte- und MaschinenlärmschutzV, 32. BImSchV)

– Industrie- und Gewerbelärm – Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA-Lärm

153

153a – Kinderlärm – § 22 Abs. 1a BImschG434, wobei von einem Kind bis zum Alter von 14 Jahren ausgegangen werden kann – dabei soll zwischen öffentlich gefördertem, familientauglichen Wohnraum und extrem teuren Altbauwohnungen, Luxusappartements oder „seniorengerecht“ angebotenen Wohnungen unterschieden werden müssen435

424 425 426 427 428 429 430 431 432 433 434 435

AG Hannover v. 1.10.2014 – 412 C 8478/13, GE 2014, 1592. LG Berlin v. 31.10.1988 – 62 S 1/88, GE 1989, 93. AG Münster v. 7.3.2003 – 3 C 5879/02, WuM 2003, 355. LG Dresden v. 10.6.1997 – 15 S 143/97, NJWE-MietR 1997, 197. LG Berlin v. 20.1.1995 – 64 S 329/94, GE 1995, 427. LG Berlin v. 13.12.2010 – 67 S 601/09, GE 2011, 549; AG Hamburg v. 3.7.1997 – 48 C 249/96, WuM 1997, 551. BGH v. 23.9.2009 – VIII ZR 300/08, MDR 2010, 20 = MietRB 2009, 345 = WuM 2009, 659. BGH v. 29.4.2015 – VIII ZR 197/14, MDR 2015, 819 = MietRB 2015, 225 = ZMR 2015, 697 = GE 2015, 849 = NZM 2015, 481; krit. Ghassemi-Tabar, NJW 2015, 2849; Selk, NZM 2015, 855; AG Mainz v. 13.11.2002 – 81 C 230/00, WuM 2003, 87. LG Hamburg v. 26.3.2009 – 333 S 65/08, WuM 2009, 347 = ZMR 2009, 918. Beilage zum BAnz. Nr. 160; www.umweltbundesamt.de/laermprobleme/publikationen/baulaerm.pdf. Dazu: BGH v. 29.4.2015 – VIII ZR 197/14, MDR 2015, 819 = MietRB 2015, 225 = ZMR 2015, 697 = GE 2015, 849 = NZM 2015, 481; krit. Ghassemi-Tabar, NJW 2015, 2849; Selk, NZM 2015, 855. LG Berlin v. 5.9.2016 – 67 S 41/16, GE 2016, 1388 = IMR 2017, 94.

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§ 536 Rz. 153a | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln – die Toleranz gegenüber dem von Kindern verursachten Lärm ist nicht grenzenlos; vielmehr kann im Einzelfall ein Einschreiten des Vermieters geboten sein und bei Unterlassen ein Mangel anzunehmen sein; maßgeblich können insoweit die Art, Qualität, Dauer und Zeit der Geräuschemissionen, das Alter und der Gesundheitszustand des Kindes sowie die Vermeidbarkeit der Emissionen z.B. durch objektiv gebotene erzieherische Einwirkungen oder durch zumutbare oder sogar gebotene bauliche Maßnahmen sein436 154

– Luftverkehrslärm – Landeplatz-LärmschutzV – Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm – Richtlinien für die Genehmigung der Anlage und des Betriebes von Flugplätzen für Flugmodelle und für die Erteilung der Erlaubnis zum Aufstieg von Flugmodellen437 – DIN 45643: Messung und Beurteilung von Flugzeuggeräuschen

155

– Nachbarschaftslärm – 32. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Geräte- und MaschinenlärmschutzV, 32. BImSchV) – TA-Lärm438

156

– Schienenverkehrslärm – Magnetschwebebahn-LärmschutzV

157

– Sport- und Freizeitlärm – SportanlagenlärmschutzV – 18. BImSchV

158

– Straßenverkehrslärm – DIN 18005: Schallschutz im Städtebau – VerkehrslärmschutzV – 16. BImSchV – Verkehrswege-SchallschutzmaßnahmenV – 24. BImSchV – Richtlinie für den Verkehrslärmschutz an Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes – 24. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immisionsschutzgesetzes (Verkehrswege-Schallschutzmaßnahmen – 24. BImSchV)

159

– Umgebungslärmrichtlinie – Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.6.2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm439, – 34. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über die Lärmkartierung – 34. BImSchV440)

160 Die von technischen Anlagen bzw. Gewerbebetrieben ausgehenden Geräusche dürfen folgende Wer-

te nicht übersteigen: – in reinen Wohngebieten tagsüber 40 dB(A) und nachts 30 dB(A)441, – in allgemeinen Wohngebieten tagsüber 50 dB(A) und nachts 35 dB(A). Ist dem Vermieter bekannt, dass in einer Wohnung Schallschutzprobleme (hier: Wahrnehmung der Geräusche aus dem Badezimmer der Nachbarwohnung) bestehen, ist er bei der Durchführung von Bau-

436 BGH v. 22.8.2017 – VIII ZR 226/16, MDR 2017, 1175 = MietRB 2017, 346 = WuM 2017, 587 = ZMR 2016, 19 = GE 2017, 1153. 437 In: Nachrichten für Luftfahrer, Teil 1, NfL I-177/78, hrsg. von der Bundesanstalt für Flugsicherung, Frankfurt/M. 438 Vgl. dazu LG Berlin v. 2.2.2006 – 67 S 235/04, MM 2006, 147. 439 Abl. L 189 v. 18.7.2002, S. 12. 440 BGBl. I, S. 516. 441 LG Hamburg v. 14.1.1983 – 11 S 251/82, WuM 1984, 79.

424 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 166 § 536

arbeiten an der Bausubstanz der Wohnung verpflichtet, die Einhaltung der Grenzwerte der TA Lärm sicherzustellen442. Um das Maß der Überschreitung bewerten zu können, muss berücksichtigt werden, dass eine Erhö- 161 hung der Maßgröße dB um 3 dB (A) technisch eine Verdoppelung des Schallpegels bedeutet443. Das menschliche Gehör nimmt zwar erst den Anstieg um 10 dB (A) subjektiv ungefähr als Verdoppelung der Lautstärke wahr. Indessen zeigen diese Werte, welche Ausmaße eine Überschreitung allgemeiner Grenzwerte praktisch bedeutet. Im Hinblick darauf ist eine Überschreitung von 11 dB (A) ohne weiteres als erhebliche Beeinträchtigung zu werten444. Dennoch kommt den technischen Normen bei der Beurteilung von Lärm als Mangel nur Indizcharak- 162 ter zu. Denn es fehlt an verbindlichen Werten, bei deren Überschreitung z.B. gesundheitliche Beeinträchtigungen als sicher vorhergesehen werden können. Dazu ist die Palette der Lärmbeeinträchtigungen zu umfangreich. Immerhin kommt es mindestens darauf an, wie stark, für welche Dauer und in welchen Intervallen der Lärm auftritt. Dennoch bieten die technischen Vorgaben Anhaltspunkte für die Einstufung des mietrechtlich relevanten Lärms445. Sie lassen allein, auch wenn die Geräusche innerhalb der zulässigen Messgrenze liegen, keine abschließende Beurteilung darüber zu, ob es sich bei dem Geräusch schon um eine Störung oder nur um eine hinzunehmende Belästigung handelt. Deshalb muss der Mieter zusätzlich die Auswirkungen z.B. auf den vertragsgemäßen Gebrauch (kein Gespräch in Zimmerlautstärke möglich, Fernseher lauter stellen etc.) schildern. Bei einem modernisierten Altbau mit Holzdecken kann grundsätzlich kein erhöhter Schallschutz er- 163 wartet werden446. Bei Anmietung einer Altbauwohnung mit Holzdecken ist damit zu rechnen, dass tiefe Frequenzen und damit auch Schnarchgeräusche aus der Nachbarwohnung zu vernehmen sind. Das kann sich ändern, wenn ein Umbau z.B. der Dachgeschossräume unter den in § 536 BGB Rz. 102 dargestellten Bedingungen stattgefunden hat. Für die Frage der mietrechtlichen Relevanz des Lärms kommt es jedenfalls bei fehlender konkreter Be- 164 schaffenheitsvereinbarung darauf an, ob der Vermieter die Störung (z.B. Baulärm) nach § 906 BGB hinnehmen muss447 (§ 536 BGB Rz. 150). Ist das der Fall, kann im Wege der – ergänzenden – Vertragsauslegung i.d.R. nicht angenommen werden, dass eine nachträgliche Veränderung des Umfeldes in den Risikobereich des Vermieters fällt und daher zu einer Minderung berechtigt448. Gerade weil aber eine ergänzende Vertragsauslegung stattfindet, kann auch berücksichtigt werden, inwieweit der Vermieter die Beeinträchtigung entschädigungslos hinnehmen muss (vgl. § 536 BGB Rz. 136d). Soweit die Lärmquelle im Risikobereich des Mieters liegt und z.B. nicht von § 22 Abs. 1a BImSchG 165 erfasst wird449, wie z.B. der Betrieb einer Skaterbahn auf dem Nachbargrundstück450, kann er dennoch einen Anspruch reklamieren, dass technisch vermeidbare, schallschutzwidrige Lärmbelästigungen beseitigt warden. Das Zusammenleben in einem Mehrfamilienhaus kann nie geräuschlos sein. Das eine Mal fällt etwas 166 herunter, was bei Mitbewohnern im Haus als Poltern ankommt. Das andere Mal schreit ein Kleinkind wegen Schmerzen. Die Palette der möglichen Lärmquellen beim Zusammenleben unter einem Dach sind vielseitig. Die Abgrenzung zum störenden Lärm erfolgt über den Begriff der Sozialadäquanz. Liegt 442 443 444 445 446 447 448 449 450

LG Berlin v. 22.8.2013 – 67 S 121/12, ZMR 2014, 360. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 99. AG Aachen v. 31.5.1981 – 6 C 582/87, WuM 1989, 12. AG Lichtenberg v. 25.9.1996 – 6 C 35/96, MM 1997, 154. AG Spandau v. 16.1.2018 – 12 C 229/16, GE 2018, 335; AG Bonn v. 25.3.2010 – 6 C 598/08, NZM 2010, 619 = GE 2010, 1753. BGH v. 29.4.2015 – VIII ZR 197/14, ZMR 2015, 697 = GE 2015, 849 = NZM 2015, 481; krit. Ghassemi-Tabar, NJW 2015, 2849; Selk, NZM 2015, 855; a.A. AG Hamburg-Blankenese v. 26.2.2003 – 517 C 175/02, ZMR 2003, 746. BGH v. 29.4.2015 – VIII ZR 197/14, MDR 2015, 819 = MietRB 2015, 225 = ZMR 2015, 697 = GE 2015, 849 = NZM 2015, 481 (für Lärm von einem Bolzplatz); AG Schöneberg v. 22.9.2015 – 15 C 353/14, GE 2015, 1536 (für Baulärm). BGH v. 29.4.2015 – VIII ZR 197/14, MDR 2015, 819 = MietRB 2015, 225 = ZMR 2015, 697 = GE 2015, 849 = NZM 2015, 481; krit. Ghassemi-Tabar, NJW 2015, 2849; Selk, NZM 2015, 855. AG Emmerich v. 5.5.2000 – 9 C 72/00, NZM 2000, 544.

Lützenkirchen | 425

§ 536 Rz. 166 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln danach ein störendes Geräusch vor, so dass eigentlich ein Mangel gegeben sein kann, muss ermittelt werden, inwieweit überhaupt die Möglichkeit der Vermeidung besteht oder sich das beeinträchtigende Phänomen innerhalb der üblichen, geschichtlich entwickelten Sozialordnung liegt. Zeigt sich die Quelle des Lärms danach als sozialadäquat, muss der Mieter die Immission grundsätzlich hinnehmen und kann daraus keine Gewährleistungsrechte hinnehmen. Voraussetzung ist aber, dass auch unter Berücksichtigung des Gebots der Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) nicht wenigstens die Möglichkeit der Eingrenzung der Auswirkungen für den Lärmenden bzw. den Verantwortlichen besteht451. Nach dieser Abwägung452, in die auch der Anlass der Lärmverursachung (z.B. Trauer, Krankheit oder religiöse Empfindungen) einfließt, muss der Mieter i.d.R. Lärm dulden, der durch 167

– Kleinkinder – generell453; – im Treppenhaus hervorgerufen wird, und zwar auch schon morgens um 7 Uhr454; – in anderen Wohnungen verursacht wird, aber naturgemäß dem Bewegungs- und Spieldrang von kleinen Kindern entspricht455, wobei die Eltern allerdings versuchen müssen, während der allgemeinen Ruhezeiten den Kinderlärm zu vermeiden456; – auf einem Spielplatz in einer Wohnsiedlung sich treffende Jugendliche und Erwachsene verursacht wird457.

167a

– den Betrieb von Haushaltsmaschinen (Waschmaschine, Trockner etc.), die ein anderer Mieter unter Beachtung des Gebots der Rücksichtnahme ggf. konkretisiert durch Ruhezeiten in der Hausordnung benutzt458.

168

– den Gaststättenbetrieb auf einer Terrasse im Erdgeschoss des Mietshauses in einer ruhigen Wohngegend einer Großstadt wie Berlin verursacht wird einschließlich dem Eindringen von Zigarettenrauch in seine Wohnung459, – lärmenden Gewerbebetrieb im Gebäude entsteht, selbst wenn die Ladenöffnungszeiten seit der Übergabe erheblich zum Nachteil des Wohnungsmieters verändert wurden460; dabei bezieht sich der Höchstwert der DIN 4109 von maximal 25 dB (A) nachts auf Geräuschemissionen aus Handwerksund Gewerbebetrieben aller Art461.

169

– Läuten von Kirchenglocken vor dem Gottesdienst eingeleitet wird, weil dies zur Religionsausübung gehört und daher grundsätzlich als sozialadäquat zu dulden ist462; – erhöhter Lärm durch langandauernde Straßenbauarbeiten im innerstädtischen Bereich463.

169a

– vorübergehende Straßenbauarbeiten464 und die zeitweilige straßenbaubedingte Umleitung des Verkehrs verursacht wird465. 451 BGH v. 22.8.2017 – VIII ZR 226/16, MDR 2017, 1175 = MietRB 2017, 346 = WuM 2017, 587 = ZMR 2016, 19 = GE 2017, 1153. 452 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 121. 453 LG Berlin v. 5.9.2016 – 67 S 41/16, GE 2016, 1388; AG Hamburg-Bergedorf v. 11.11.2008 – 409 C 285/08, ZMR 2009, 292. 454 LG München v. 24.2.2005 – 31 S 20796/04, NZM 2005, 339 = NJW-RR 2005, 598. 455 AG Braunschweig v. 25.6.1999 – 117 C 1270/99, WuM 2002, 50. 456 AG Neuss v. 1.7.1988 – 36 C 232/88, WuM 1988, 264. 457 AG Frankfurt v. 13.3.2009 – 33 C 2368/08, WuM 2009, 226. 458 LG Freiburg v. 10.12.2013 – 9 S 60/13, MietRB 2014, 98 = NZM 2014, 305. 459 AG Pankow-Weißensee v. 27.10.2004 – 100 C 203/04, GE 2005, 1126. 460 AG Frankfurt v. 15.10.1998 – 33 C 2085/98, ZMR 1999, 718; a.A. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 110. 461 LG Berlin v. 13.12.2010 – 67 S 601/09, GE 2011, 549. 462 BVerwG v. 7.10.1983 – 7 C 44/81, MDR 1984, 606 = NJW 1984, 989. 463 BGH v. 19.12.2012 – VIII ZR 152/12, MietRB 2013, 65 = MDR 2013, 262 = WuM 2013, 154 = NZM 2013, 184. 464 OLG Hamburg v. 6.12.2000 – 4 U 121/00, WuM 2003, 146; LG Berlin v. 14.6.2017 – 65 S 90/17, GE 2017, 1022; LG Düsseldorf v. 10.6.2003, NZM 2003, 899; a.A. Guhling/Günter/Günter, § 536 BGB Rz. 224. 465 BGH v. 19.12.2012 – VIII ZR 152/12, MDR 2013, 262 = MietRB 2013, 65 = NJW 2013, 680 Rz. 12.

426 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 173 § 536

– kurzzeitige Wortgefechte (Streiten, Schreien) entsteht oder sich durch Poltern, Trampeln, Türen- 170 knallen sowie Rundfunk und Fernsehen äußert466; denn diese Art der Äußerung gehört natürlicherweise zum menschlichen Erscheinungsbild und ist mehr oder minder Bestandteil einer kommunikativen Begegnung von Menschen, insbesondere von Ehe- oder Lebenspartnern; gerade bei letztgenannten sind Streitigkeiten verbaler Natur häufig anzutreffen, da sich aus dem Miteinander in der Ehe naturgemäß eher Konflikte ergeben, die durch lautstarke Auseinandersetzungen ausgetragen werden467; das gilt aber nicht, wenn die Streitgespräche überlaut und nachts geführt werden468 oder sich verstetigen469. – Tiergeräusche (z.B. Bellen eines Hundes, das gelegentlich stattfindet).

170a

Dagegen kann das das Üben und Spielen von Elektrogitarre und Schlagzeug unter Einsatz eines Ver- 171 stärkers wie Musizieren generell zur Mittagszeit und abends nach 20 Uhr die durch die Hausordnung und das Gebot der Rücksichtnahme gezogenen Grenzen in einem Mehrfamilienhaus verletzen und daher den Mietgebrauch der Mitmieter erheblich beeinträchtigen470 (§ 535 BGB Rz. 801). Das Gleiche gilt, wenn es wegen Bauarbeiten zu einer veränderten Verkehrsführung mit einer erhöhten Lärmbelästigung kommt, wenn die Störung nicht nur vorübergehend ist471. War allerdings schon bei Abschluss des Mietvertrages erkennbar, dass in der weiteren räumlichen Umgebung des Mietobjektes mit Bautätigkeiten zu rechnen ist, kann der Mieter keine Minderung durchführen, § 536b BGB472. Das gilt selbst dann, wenn die Lärmimmissionen von einer benachbarten Großbaustelle herrühren473. Regelmäßig können Mängel wegen Lärmimmissionen, insbesondere wenn sie zu unterschiedlichen Zei- 172 ten oder in verschiedenen Formen auftreten, nur durch Lärmprotokolle ausreichend spezifiziert werden. Zwar reicht es grundsätzlich aus, zur Begründung des Mangels die Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit als solche vorzutragen474. Indessen ist das Gericht auf zusätzlichen Vortrag zumindest zur Ermittlung der Minderungsquote angewiesen, um sich über Dauer und Intensität ein Bild zu verschaffen. Abgesehen davon können bestimmte Lärmeinwirkungen erst eine Minderung rechtfertigen, wenn sie ein bestimmtes Maß überschreiten. So kann das Bellen eines Hundes in der Nachbarschaft z.B. erst als Mangel angesehen werden, wenn der Hund regelmäßig lang anhaltend laut bellt oder sehr häufig anschlägt475. Dabei kann ein Lärmprotokoll hilfreich sein, zumal bei seiner Vorlage der Nachweis nicht vollständig erbracht werden muss. Vielmehr kann ein Gericht aufgrund punktueller Zeugenaussagen auf die Richtigkeit des gesamten Protokolls schließen476. Andererseits kann die Lebenserfahrung zeigen, dass gewisse Umstände (hier: Bauarbeiten) im und am Gebäude den vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigen und daher von vorneherein eine bestimmte Minderung rechtfertigen477. ee) Lichteinfall Der vertragsgemäße Zustand wird dazu in der Regel durch die tatsächlichen Verhältnisse bei der Über- 173 gabe der Wohnung bestimmt. Die Veränderung der natürlichen Belichtung und Besonnung einer Wohnung kann sich zwar wohnwertmindernd auswirken478. Fehlen aber konkrete Vereinbarungen zur Risikoverteilung bei Änderungen im Umfeld (§ 536 BGB Rz. 136d), gehen die Veränderungen i.d.R. zu Lasten des Mieters. Denn per se besteht kein nachbarrechtlicher Abwehranspruch des Vermieters, so466 467 468 469 470 471 472 473 474 475 476 477 478

LG Berlin v. 6.2.2015 – 63 S 236/14, GE 2015, 656. AG Düsseldorf v. 18.7.1991 – 302 OWi – 904 Js 708/91, WuM 1992, 148 = NJW 1992, 384. AG Bergisch Gladbach v. 24.7.2001 – 64 C 125/00, WuM 2003, 29. LG Berlin v. 6.2.2015 – 63 S 236/14, GE 2015, 656 (Minderung: 10 %). LG Berlin v. 15.3.2011 – 65 S 59/10, GE 2011, 752. AG Frankfurt v. 19.11.2002 – 2.7 C 568/02, ZMR 2003, 268 (s. auch Wohnumfeld § 536 BGB Rz. 192). KG v. 3.6.2002 – 8 U 74/01, NZM 2003, 718. LG Hamburg v. 5.7.2001 – 333 S 13/01, WuM 2001, 444. BGH v. 29.2.2012 – VIII ZR 155/11, MietRB 2012, 161 = MietRB 2012, 167 = MDR 2012, 509 = WuM 2012, 269 = NZM 2012, 381. AG Hamburg v. 6.3.2005 – 49 C 165/05, zitiert nach juris. AG Bergisch Gladbach v. 24.7.2001 – 64 C 125/00, WuM 2003, 29. AG Köln v. 19.8.2002 – 205 C 85/02, WuM 2003, 318. AG Berlin-Charlottenburg v. 3.11.1989 – 13 C 352/89, GE 1990, 261.

Lützenkirchen | 427

§ 536 Rz. 173 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln fern die Lichtimmissionen nur unwesentlich sind479, § 906 Abs. 1 S. 2 BGB. Darüber hinaus kommen Entschädigungsansprüche des Vermieters nur unter den engen Voraussetzungen des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB in Betracht. Als Orientierung können zur Beurteilung der Wesentlichkeit insoweit die „Hinweise zur Messung, Beurteilung und Minderung von Lichtimmissionen der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI)“ herangezogen werden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, inwieweit der betroffene Mieter ortübliche und sozialadäquate zumutbare Abschirmmaßnahmen treffen kann. Ein Mangel der Mietsache ist auch unter Berücksichtigung der Bolzplatzentscheidung des BGH (§ 536 BGB Rz. 136b) anzunehmen, wenn – anlässlich durchzuführender Bauarbeiten die Außenfassade des Hauses durch ein Gerüst und Planen verhängt wird und dadurch die Zimmer verdunkelt werden480 (§ 536 BGB Rz. 141); – bauliche Veränderungen am Gebäude selbst (z.B. Errichtung von Balkonen481), die Lichtverhältnisse verändern, soweit damit nicht gerechnet werden muss482. Wird durch eine Modernisierung (Aufbringen einer Wärmedämmfassade) die Glasfläche erheblich (hier: 28 %) verringert, kommt eine Minderung grundsätzlich nicht in Betracht, weil durch die Modernisierung der vertragsgemäße Zustand verändert wird483. Auch Schadensersatzansprüche des Mieters scheiden aus, wenn der Vermieter die Maßnahme nicht oder unzutreffend ankündigt484. Denn bei ordnungsgemäßer Ankündigung wäre der vertragsgemäße (veränderte) Zustand auf formell einwandfreie Weise herbeigeführt worden und die erhöhte Miete erst recht zu zahlen gewesen. 173a Dagegen ist dem Risikobereich des Mieters zuzurechnen, sofern nicht ausnahmsweise Abwehransprü-

che des Vermieters z.B. wegen Verletzung nachbarlicher Schutzbestimmungen (z.B. Bauwich) bestehen (§ 536 BGB Rz. 136d), wenn – durch bauliche Veränderungen auf dem Nachbargrundstück (z.B. hohe Mauer, die die Sichtverhältnisse einer Erdgeschosswohnung beeinträchtigt485; Balkon an Nachbargebäude, der Sicht auf die Straße versperrt486) Verschlechterungen eintreten; – Fassadenbewuchs die Lichtverhältnisse verändert, denn insoweit soll es dem Mieter nicht zumutbar sein, einen regelmäßigen Schnitt durchzuführen487; – Lichtreflexe, die durch das Glasdach eines Bauwerkes auf dem Nachbargrundstück verursacht werden, den Mieter aufgrund ihrer Blendwirkung an einer ungestörten Büronutzung hindern488. ff) Mobilfunkantenne 174 Die Errichtung einer Mobilfunkantenne auf dem Dach des Hinterhauses begründet für den Mieter

einer Wohnung im Vorderhaus grundsätzlich keine Minderung nach § 536 BGB, wenn bei dem Betrieb die Richtwerte der 26. BImSchV eingehalten werden489. Das gilt auch dann, wenn in der unmittelbar unter dem Dach liegenden Wohnung objektive Einwirkungen feststellbar sind490. Denn die Fol479 480 481 482 483 484 485 486 487 488 489 490

OLG Karlsruhe v. 20.2.2018 – 12 U 40/17, MDR 2018, 790 = MietRB 2018, 212, GE 2018, 638. LG Berlin v. 12.3.1985 – 64 S 9/85, ZMR 1986, 54; a.A. LG Berlin v. 7.4.2016 – 63 T 2/16, GE 2016, 590. AG Hamburg-Wandsbek v. 8.2.2002 – 716A C 265/01, WuM 2002, 486. AG Pankow/Weißensee v. 12.3.2002 – 101 C 545/01, ZMR 2002, 834. A.A. LG Berlin v. 6.11.2013 – 67 S 502/11, MietRB 2014, 99, GE 2013, 1589 = IMR 2014, 105 = ZMR 2014, 206 (24 % Minderung). A.A. Lehmann-Richter, ZMR 2014, 206. A.A. LG Hamburg v. 12.12.1989 – 16 S 232/89, WuM 1991, 90; vgl. auch AG Köpenick v. 3.5.2000 – 7 C 524/ 99, MM 2000, 376; Einblick auf Balkon: LG Berlin v. 8.2.2000 – 65 S 152/99, MM 2000, 222. A.A. AG Potsdam v. 5.6.2002 – 25 C 533/01, WuM 2004, 233. A.A. AG Köln v. 30.12.2003 – 201 C 68/03, ZMR 2004, 594. A.A. LG Frankfurt v. 21.7.1995 – 2/11 O 33/94, DWW 1998, 58. LG Karlsruhe v. 3.9.2003 – 5 S 128/03, DWW 2004, 57; LG Berlin v. 29.10.2002 – 63 S 24/02, NZM 2003, 60; a.A. AG München v. 1.4.1998 – 432 V 7381/95, WuM 1999, 111; vgl. dazu auch BGH v. 15.3.2006 – VIII ZR 74/05, MDR 2006, 1218 = WuM 2006, 304; Gsell, WuM 2011, 491 (496 f.). A.A. AG Hamburg v. 8.1.2007 – 644 C 334/05, WuM 2007, 621; entgegen BGH v. 15.3.2006 – VIII ZR 74/05, MDR 2006, 1218 = NJW-RR 2006, 879; LG Berlin v. 29.10.2002 – 63 S 24/02, NJW-RR 2003, 300; LG Berlin v. 23.7.2002 – 63 S 366/01, GE 2003, 53; LG Frankfurt am Main v. 4.3.2003 – 2-11 S 272/01, MMR 2003, 540; AG Gießen v. 9.7.2001 – 48M C 903/00, ZMR 2001, 806; AG Traunstein v. 3.3.1999 – 310 C 2158/98, ZMR

428 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 179 § 536

gen der Einwirkungen sind unbekannt und naturwissenschaftlich nicht geklärt, insbesondere hinsichtlich der sog. athermischen Effekte. Insoweit ist es unschlüssig, gerade diese Tatsache dafür anzuführen, dass sich aus dem Restrisiko ein Mangel der Mietsache ergeben kann, da der 26. BImSchV der sog. Vorsorgegedanke nicht zugrunde liegt491. gg) Prostitution Allein das Betreiben der Prostitution durch einen anderen Mieter im Wohnhaus begründet keinen 175 Mangel der Mietsache492, und zwar unabhängig vom Stand und Wandel eines gesellschaftlichen Werturteils über die Prostitution493. Vielmehr ist eine konkrete Belästigung des Mieters erforderlich494. Eine solche Gebrauchsbeeinträchtigung besteht bei 176 – Belästigungen durch Freier, falsches Klingeln, Betrunkene495, – bordelltypischen Störungen (Obszönitäten, Geschlechtsakt-/Foltergeräusche, Kondom im Bereich der Haustür, Handgreiflichkeiten unter den Gästen)496, – ständigem Klingeln im Halbstundenrhythmus bis spät in die Nacht und herumirrenden Besuchern im Haus497. Soweit derartige Störungen eintreten, trägt der Vermieter das Risiko, weil er sie gegenüber dem störenden Mieter nach §§ 541, 535 Abs. 1 BGB unterbinden kann.

hh) Umwelteinwirkung durch Vögel (1) Taubenplage Die Verschmutzung von Balkonen und Fensterbänken an Gebäuden im innerstädtischen Bereich durch 177 Taubendreck infolge einer Taubenplage fällt i.d.R. nicht in den Risikobereich des Vermieters und ist von ihm nicht zu beseitigen498. Abgesehen davon, dass sich die Reinigungspflicht des Mieters auch auf den Balkon erstreckt (§ 535 BGB Rz. 860a), bestehen regelmäßig keine Abwehransprüche des Vermieters, soweit die Taubenplage nicht durch einen Taubenzüchter in der Nachbarschaft verursacht wird. Deshalb muss der Mieter erhebliche Verschmutzungen durch Tauben als allgemeines Lebensrisiko hinnehmen499. Obwohl ein für Großstädte als üblich anzusehendes starkes Aufkommen von Tauben vorliegt, kann 178 gleichwohl ein Mangel bestehen, wenn die vom Vermieter zu verantwortende Fassadengestaltung (Nischen und Vorsprünge) für den konkreten Taubenbefall am Mietobjekt und damit auch für die aus ihm folgende Gebrauchsbeeinträchtigung eine wesentliche Ursache bildet500. Das Anbringen eines Taubenschutzgitters, das aufgrund einer von keiner Partei zu vertretenden Tau- 179 benplage erforderlich wird, stellt nicht ohne weiteres eine dem Vermieter obliegende Erhaltungspflicht gemäß § 535 Abs. 1 S. 2 BGB dar501. Die Montage eines Taubenabwehrnetzes stellt keine Veränderung der Mietsache und keinen Sachmangel i.S.d. § 536 BGB dar502.

491 492 493 494 495 496 497 498 499 500 501 502

2000, 389; AG Lichtenberg v. 6.7.2001 – IX C 59/01, ZMR 2002, 574; AG Spandau v. 4.7.2001 – 4 C 305/01, MM 2001, 443; AG Frankfurt v. 25.6.2001 – 33 C 1237/01, NZM 2001, 1031; AG Tiergarten v. 4.12.2001 – 6 C 417/01, NZM 2002, 949. A.A. AG Hamburg v. 8.1.2007 – 644 C 334/05, WuM 2007, 621. LG Berlin v. 21.4.2008 – 63 S 210/07, GE 2009, 453; LG Berlin v. 23.9.1999 – 61 S 518/98, NZM 2000, 377. AG Köln v. 25.3.2002 – 222 C 324/01, WuM 2003, 145. AG Köln v. 30.1.1987 – 221 C 294/86, WuM 1988, 108. AG Regensburg v. 20.6.1990 – 3 C 1121/90, 3 C 1146/90, WuM 1990, 386. LG Berlin v. 23.9.1999 – 61 S 518/98, NZM 2000, 377. AG Wiesbaden v. 10.2.1998 – 92 C 3285/97, WuM 1998, 315. LG Kleve v. 28.1.1986 – 3 S 117/85, WuM 1986, 333; a.A. AG Hamburg v. 10.1.1990 – 41 C 1766/89, WuM 1990, 424; AG Hamburg v. 6.1.1988 – 40a C 2574/87, WuM 1988, 121. A.A. LG Freiburg v. 19.6.1997 – 3 S 386/96, WuM 1998, 212. LG Berlin v. 19.12.2000 – 63 S 6/00, GE 2001, 346. BayObLG v. 26.6.1998 – RE-Miet 2/98, WuM 1998, 552 = ZMR 1998, 617 = NZM 1998, 713. AG Schöneberg v. 3.9.2007 – 16b C 180/07, GE 2007, 1325.

Lützenkirchen | 429

§ 536 Rz. 180 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln 180 Fällt die Taubenplage ausnahmsweise in den Risikobereich des Vermieters, ist er auch dann zur Beseiti-

gung und Bekämpfung einer Taubenplage verpflichtet, wenn er nicht Eigentümer der Wohnung ist. Das Unterlassen des Vermieters begründet Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen auch der durch eine Taubenallergie geplagten Angehörigen des Mieters, die in den Schutzbereich des Mietvertrages einbezogen sind. Leidet der Mieter aufgrund des Taubenbefalls in der unmittelbaren Umgebung der Wohnung an gravierenden allergischen Reaktionen mit Ausschlag, Zeckenbissen, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit u.a.m., kann ein Schmerzensgeld von 1500 Euro gerechtfertigt sein503. 181 Das Auftreten von Taubenzecken kann sogar eine Gesundheitsgefährdung i.S.v. § 569 Abs. 1 BGB be-

gründen504. (2) Andere Vögel 182 In ländlichen Gegenden und dörflicher Umgebung ist das Anfallen von Vogelkot nistender Schwalben

auf dem Fensterbrett und das gelegentliche Hineinfliegen von Schwalben in die Wohnung als ortsübliche Einwirkung vom Mieter entschädigungslos hinzunehmen. Zu einer Minderung des Wohnwerts führt dies nicht505. Dies gilt nicht, wenn an der Fassade eines Wohnhauses befindliche Schwalbennester dazu führen, dass eine Mietwohnung von Schwalbenwanzen (blutsaugenden Insekten) befallen wird. (3) Hahnenkrähen 183 Besteht insoweit ein Abwehranspruch des Vermieters gegen den Nachbarn (§ 536 BGB Rz. 136d)506,

wird der Maßstab für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Lärmbeeinträchtigung bei einem Wohngrundstück danach gebildet, ob von dem vom jeweiligen Umweltbewusstsein geprägten Empfinden eines Durchschnittsbenutzers das Wohnen an Annehmlichkeit verliert und der Grundstückswert dadurch gemindert wird507. Bei Geräuschen ist entscheidend deren Lästigkeit, für die die Lautstärke nur eine Komponente darstellt, so dass es auf die Grenzwerte in Verwaltungsvorschriften wie der TA Lärm oder der VDI-Richtlinie 2058 bzw. die Überschreitung des mittleren Schallpegels nicht allein maßgeblich ankommt508. Eine wesentliche Beeinträchtigung i.S. einer besonderen Lästigkeit ist anzunehmen, wenn ein Hahn mehrmals täglich plötzlich – mit dem daraus folgenden Erwartungseffekt – kräht und die besondere Modulation und Tonalität des Krähens so beschaffen sind, dass einzelne schrille Töne aus dem Spektrum herauszuhören sind und eine Lautstärke von weit über 70 dB (A) und damit eine Differenz von 20 bis 40 dB (A) zum Ruhepegel erreichen509. Nach anderer Ansicht soll trotz wesentlicher Beeinträchtigung jedenfalls kein Abwehranspruch bestehen, wenn das betroffene Grundstück in ländlicher Umgebung mit vorwiegender Agrarstruktur liegt und der Ort trotz vorhandener Bebauung auch mit Ein- und Zweifamilienhäusern immer noch dörflichen Charakter aufweist510. Das kann im Hinblick auf dadurch verursachte Schlafstörungen aber nicht gelten, wenn der Hahn schon in den frühen Morgenstunden (z.B. um 3 Uhr) mehrmals und unregelmäßig kräht511. 184 Die vorstehenden Grundsätze, die sich an § 906 BGB orientieren, zeigen, welche Anforderungen an die

Darlegungslast des Mieters zu stellen sind. Der Mieter, der in eine ländliche Gegend zieht, muss mit Geräuschen durch Tiere rechnen. Nehmen diese Geräusche aber Dimensionen an, die das Maß des Erträglichen überschreiten, besteht ein Mangel der Mietsache, weil der Vermieter ihre Beseitigung verlangen kann.

503 504 505 506 507 508 509 510 511

LG Freiburg v. 19.6.1997 – 3 S 386/96, WuM 1998, 212. LG Berlin v. 4.4.1997 – 63 S 443/96, GE 1997, 689. AG Eisleben v. 21.9.2006 – 21 C 118/06, NZM 2006, 898. Z.B. LG Bad Kreuznach v. 15.1.2019 – 1 S 83/18, BeckRS 2019, 134. Vgl. BGH v. 11.11.1983 – V ZR 231/82, MDR 1984, 476 = NJW 1984, 1242. Vgl. BGH v. 17.12.1982 – V ZR 55/82, MDR 1983, 476 = NJW 1983, 751. LG München v. 3.3.1989 – 30 O 1123/87, DWW 1989, 165 = NJW-RR 1989, 1178. LG Kleve v. 17.1.1989 – 6 S 311/88, DWW 1989, 362. LG Bad Kreuznach v. 15.1.2019 – 1 S 83/18, BeckRS 2019, 134.

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B. Wohnraummiete | Rz. 190 § 536

ii) Überschwemmung/Naturkatastrophen Grundsätzlich ist der Vermieter nicht verpflichtet, das Gebäude vor den Auswirkungen von seltenen 185 Naturkatastrophen (z.B. Orkanen) zu schützen512. Sind andere Beschaffenheitsvereinbarungen nicht getroffen, muss die Mietsache aber bei gewöhnlichen, der örtlichen Lage entsprechenden Verhältnissen gegen Eindringen von Wasser nach den bei der Errichtung geltenden Bauvorschriften geschützt sein. Der Vermieter ist in diesen Fällen verpflichtet, entsprechende Vorkehrungen zum Schutz der Mietsache zu treffen513. Dies gilt erst recht, wenn ein Abwassereinlauf im Fußboden eines Mietraums unterhalb der Rückstauebene liegt und deren Einbau bei Errichtung des Mietobjektes oder bei einem grundlegenden Umbau dem Stand der Technik entsprach514. In diesen Fällen berechtigt das bloße Fehlen der Rückstausicherung grundsätzlich aber noch nicht zur 186 Minderung i.S.v. § 536 BGB, solange keine Gebrauchsbeeinträchtigung eintritt. Allerdings kann der Mieter Schadensersatz nach § 536a Abs. 1 2. Alt. BGB verlangen. Das gilt auch dann, wenn nur seltene, im statistischen Durchschnitt alle 50 Jahre vorkommende Unwetter zu einer Überflutung des Mietobjektes führen können515. Hat der Vermieter die maßgeblichen technischen Normen und Vorschriften zum Zeitpunkt der Errichtung des Hauses (hier: Altbau von 1926) eingehalten und ist eine konkrete Gefährdungslage für Kellerüberschwemmungen nicht ersichtlich, begründet das Fehlen einer Rückstausicherung keinen zur Instandsetzung verpflichtenden Mangel einer Mietwohnung516. Kommt es in den Monaten Dezember bis Januar regelmäßig zu Hochwasserständen eines nahegelege- 187 nen Flusses und dringt Wasser in den zur Wohnung gehörenden Kellerraum ein, liegt das Risiko beim Mieter (§ 536 BGB Rz. 136d), auch wenn er deshalb zweimal im Jahr seinen Keller aus- bzw. umräumen muss517. Allerdings begründet allein die Lage des Mietobjektes in einem Gebiet, in dem regelmäßig mit Hochwasser zu rechnen ist, eine Aufklärungspflicht des Vermieters bei Abschluss des Mietvertrages518. Das gilt nicht, wenn sich die gemieteten Räume in einem Gebiet befinden, das nur bei außergewöhnlichen Witterungsverhältnissen hochwassergefährdet ist519. Ein anfänglicher Mangel der Mietsache liegt nicht vor, wenn aufgrund eines auf dem Mietgrundstück 188 vorhandenen Pflanzenbewuchses Wurzelwerk in Rohrleitungen eindringen kann. Wenn sich vier Jahre nach Vertragsschluss eine derartige Gefahr realisiert (mit der Folge eines Verstopfens von Rohrleitungen und einem Wasserschaden im Mieterkeller an Sachen des Mieters), kann nicht von einem bereits bei Vertragsschluss vorliegenden Mangel der Mietsache ausgegangen werden520. Ein Anspruch aus verschuldensunabhängiger Garantiehaftung gegen den Vermieter kommt deshalb nicht in Betracht. Einstweilen frei.

189

jj) Wohnungsumfeld Beeinträchtigungen durch die Nutzung des Nachbargrundstückes können einen Mangel rechtfertigen, 190 wenn der Vermieter Abwehr- oder Entschädigungsansprüche gegen den Nachbarn geltend machen kann (§ 536 BGB Rz. 136d). Ob der Mieter mit der Belästigung bei Abschluss des Mietvertrages rechnen muss, weil er z.B. bewusst in ein Mischgebiet mit Diskotheken und Industrieanlagen eingezogen ist, ist unerheblich521.

512 MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 18. 513 LG Köln v. 3.1.1996 – 10 S 314/95, KM 30 Nr. 7. 514 OLG Hamm v. 1.12.1987 – 7 U 67/87, WuM 1988, 349 = ZMR 1988, 138 = DWW 1988, 142 = NJW-RR 1988, 529. 515 OLG Hamm v. 1.12.1987 – 7 U 67/87, WuM 1988, 349 = ZMR 1988, 138 = DWW 1988, 142 = NJW-RR 1988, 529. 516 LG Freiburg v. 3.3.2005 – 3 S 245/04, WuM 2008, 300. 517 A.A. LG Kassel v. 13.6.1996 – 1 S 128/96, NJW-RR 1996, 1355. 518 AG Friedberg v. 3.5.1995 – C 1326/94-11, WuM 1995, 393; LG Stuttgart v. 12.4.1990 – 22 O 224/89, VersR 1991, 1183. 519 BGH v. 9.12.1970 – VIII ZR 149/69, NJW 1971, 424. 520 LG Hamburg v. 28.11.2006 – 311 O 411/05, ZMR 2007, 120. 521 A.A. LG Berlin v. 13.7.2009 – 67 S 19/09, GE 2009, 1047.

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§ 536 Rz. 191 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln 191 Insoweit können besondere Belange höhere Anforderungen rechtfertigen. Im Lichte des Art. 3 Abs. 3

S. 2 GG muss von einem verständigen Durchschnittsmenschen z.B. im nachbarschaftlichen Zusammenleben mit behinderten Menschen eine erhöhte Toleranzbereitschaft eingefordert werden. Dies bedeutet aber nicht, dass den Interessen der Behinderten schlechthin der Vorrang vor den berechtigten Belangen ihrer Nachbarn gebührt. Das Toleranzgebot endet, wo nach umfassender Abwägung zwischen Art und Ausmaß der Beeinträchtigung einerseits und den hinter der Geräuschbelästigung stehenden privaten und öffentlichen Belangen andererseits dem Nachbarn die Belästigung billigerweise nicht mehr zugemutet werden kann522. Diese an § 906 Abs. 1 BGB orientierte Einschätzung gilt grundsätzlich auch im Mietvertrag. Der Mieter schuldet aus dem Gebot der Rücksichtnahme eine höhere Toleranzschwelle gegenüber behinderten Nachbarn. Nehmen die Geräusche aber unerträgliche Zustände an, so dass der Mieter nicht mehr konzentriert arbeiten oder ruhig schlafen kann, besteht ein Mangel der Mietsache. 192 Im Übrigen müssen Beeinträchtigungen aus dem Wohnumfeld sich unmittelbar auf die Mietsache

auswirken und nicht nur zu einer mittelbaren Einwirkung führen, um Mangelqualität zu erreichen523. Mithin ist es erforderlich, dass die Nutzbarkeit der Wohnung selbst oder der dazugehörigen Gemeinschafts- oder Außenflächen eingeschränkt werden524. Diese Voraussetzungen liegen z.B. vor, wenn – es in den Sommermonaten Juli bis September zu Unzuträglichkeiten durch in der Nacht feiernde Personen (z.B. Ruderer bzw. Kleingärtner), einhergehend mit Musikbeschallung und lauten Stimmen, die gegen das gesetzliche Verbot der Störung der Nachtruhe verstoßen525, kommt; dagegen erreichen nächtliche Ruhestörungen durch auf dem Heimweg lärmende Besucher eines Restaurants oder einer Veranstaltungshalle im Umkreis der Mietwohnung in einer innerstädtischen Wohnanlage einer Großstadt (hier: Berlin) ohne Sperrstunde für Gaststätten keine Mangelqualität526; – die Zufahrtsstraße zu einem Ausflugslokal und durch ein Ausflugsgebiet zeitweise gesperrt wird527. 192a Sie liegen grundsätzlich nicht vor

– bei Lärm und anderen Belästigungen durch einen Spiel- und Bolzplatz528 oder einen Kinderspielplatz, der bei Vertragsschluss schon vorhanden war, selbst wenn dieser später erweitert wird529; – allein wegen der Fremdartigkeit des Wohnverhaltens von Asylbewerbern und dadurch bedingten Beeinträchtigungen für die eingesessenen Wohnungsinhaber530; – weil sich im Umfeld der Wohnung eine Drogenszene entwickelt hat531; das ist nicht anders zu beurteilen, wenn in einem Mietshaus ein öffentlicher Drogenhandel stattfindet und dadurch eine starke Belästigung der Mitbewohner stattfindet532 (§ 536 BGB Rz. 344); – wenn andere Flächen im Objekt intensiver genutzt werden (z.B. Einrichtung einer Schule für Erwachsenenbildung)533; – bei einer hotelähnliche Nutzung anderer Wohnungen, wenn eine höhere Ausfallquote des Aufzuges zu reklamieren ist und der Fahrstuhl durch Putzkräfte, die im Haus unterwegs sind, häufiger genutzt wird534; – wenn in der Nachbarschaft ein Café eingerichtet wird, das als Treffpunkt der Sado-Maso-Szene dient, und sich die Beeinträchtigungen des Wohnungsmieters darauf beschränken, dass es auf der

522 523 524 525 526 527 528 529 530 531 532 533 534

OLG Köln v. 8.1.1998 – 7 U 83/96, MDR 1998, 277 = WuM 1998, 161 = ZMR 1998, 161. OLG Frankfurt v. 1.7.2005 – 24 U 234/04, zitiert nach juris. AG Hamburg v. 23.3.2006 – 49 C 474/05, zitiert nach juris. AG Spandau v. 26.11.2008 – 4 C 207/08, GE 2009, 54. AG Köpenick v. 4.5.2006 – 12 C 44/06, GE 2006, 855. OLG Frankfurt v. 5.7.2017 – 2 U 152/16, MietRB 2017, 316 = MietRB 2017, 317 = ZMR 2017, 882. LG Hamburg v. 9.2.1995 – 333 S 112/94, WuM 1998, 19. AG Wedding v. 26.6.2000 – 19 C 644/99, GE 2000, 1330. AG Lünen v. 16.12.1987 – Zw 14 C 182/86, WuM 1988, 348; AG Gronau v. 13.12.1990 – 4 C 430/90, MDR 1991, 1064 = WuM 1991, 161. AG Dresden v. 4.3.2016 – 141 C 1707/15, WuM 2017, 7. A.A. LG Düsseldorf v. 18.11.1994 – 21 S 575/93, NJW-RR 1995, 330. OLG Frankfurt v. 1.7.2005 – 24 U 234/04, zitiert nach juris. A.A. AG Berlin Mitte v. 2.12.2009 – 17 C 134/09, MM 2010, 75.

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B. Wohnraummiete | Rz. 195 § 536

Straße regelmäßig zu Begegnungen mit provokativ-aufreizend und szenetypisch gekleideten Cafébesuchern kommt535; – wenn eine Autobahn verlängert wird und am Mietobjekt vorbeiführt, so dass die Schallschutzklasse der vorhandenen Fenster für die zusätzlichen Lärmeinwirkungen nicht mehr geeignet sind536. Vgl. im Übrigen Anhang zu § 536 BGB Rz. 2 Feiern, Grillen etc. kk) Zugangsbehinderung Die Behinderung des Zugangs zum Mietgrundstück begründet einen Mangel, wenn für den Vermieter 193 gegen den Verursacher eine Regressmöglichkeit besteht/bestand (§ 536 BGB Rz. 138). Die Nachhaltigkeit ist allein im Rahmen der Unzumutbarkeit nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB und der Erheblichkeit der Gebrauchsbeeinträchtigung i.S.v. § 536 Abs. 1 S. 3 BGB und der Bewertung der Minderung beachtlich, wenngleich eine Unmittelbarkeit nach wie vor gegeben sein muss (vgl. § 536 BGB Rz. 343). Bloße Zugangsbehinderung (z.B. durch einen U-Bahn-Bau) scheidet regelmäßig als Mangel der Mietsache aus, da sie keine unmittelbare Beeinträchtigung des Gebrauchs herbeiführt537. Denn sie lässt die Nutzung der Mietsache als solche unberührt. Allerdings kann eine derartige mittelbare Beeinträchtigung als Mangel angesehen werden, wenn eine gewisse Nachhaltigkeit festgestellt werden kann. Vgl. auch § 536 BGB Rz. 365 f. c) Öffentlich-rechtliche Beschränkungen Öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und Beschränkungen können einen Fehler der Mietsache 194 also einen Sachmangel i.S.v. § 536 BGB darstellen, wenn sie mit der Art, Lage oder Beschaffenheit der Mietsache zusammenhängen und nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters ihre Ursache haben538. In Betracht kommen deshalb vor allem verwaltungsrechtliche Bestimmungen, die Vorgaben über die Zulässigkeit der Bebauung oder für eine bestimmte Nutzung der Räume (z.B. Zulassung als Wohnraum) enthalten, über die Zweckentfremdung oder öffentlich-rechtliche Bauvorschriften, die bestimmte Mindestanforderungen an Bauelemente einschließlich deren Qualität und sonstige Einrichtungen stellen (z.B. Höhe von Balkonbrüstungen, Brandschutz539, insbesondere fehlende bzw. nicht funktionierende Brandschutzeinrichtungen540, Deckenhöhe541). Auch bauplanungsrechtliche Bestimmungen können betroffen sein, so dass deren Verletzung einen Mangel begründen kann. Insoweit ist aber z.B. die Nutzung eines Wohngebäudes als Pflegeheim für geistig Behinderte mit dem Gebietscharakter eines reinen Wohngebietes oder eines allgemeinen Wohngebietes vereinbar und planungsrechtlich zulässig542, so dass ein öffentlich-rechtlicher Mangel nicht entstehen kann. Tritt die Beschränkung z.B. im Wege der Verordnung erst nach Abschluss des Mietvertrages in Kraft, ist im Zweifel anzunehmen, dass sie die Wirksamkeit des Vertrages nicht berührt und auch keinen Mangel begründet543. Die Annahme eines öffentlich-rechtlichen Mangels scheidet nicht schon deshalb aus, weil das Eingrei- 195 fen der Behörde auf eine entsprechende Anzeige des Mieters zurückzuführen ist. Verstößt der Zustand des Gebäudes oder die vom Vermieter zugesagte Nutzung gegen öffentlich-rechtliche Bestimmungen, ist dieser Missstand allein der Sphäre des Vermieters zuzurechnen. Damit liegt ein Mangel der Mietsache vor, der zur Minderung berechtigt, wenn auch die weiteren Tatbestandsmerkmale des § 536 Abs. 1 BGB vorliegen oder damit eine zugesicherte Eigenschaft fehlt. Geht es dem Mieter bei seiner Anzeige allein darum, einen Minderungstatbestand herbeizuführen, kann das Berufen auf § 536 BGB im Einzel-

535 536 537 538 539 540 541 542 543

AG Hamburg v. 23.3.2006 – 49 C 474/05, zitiert nach juris. A.A. AG Köpenick v. 2.7.2010 – 4 C 116/10, GE 2010, 1277. LG Düsseldorf v. 13.3.2012 – 9 O 193/11, MietRB 2012, 230 = ZMR 2012, 775. BGH v. 28.11.1979 – VIII ZR 302/78, MDR 1980, 306 = NJW 1980, 777; OLG Düsseldorf v. 20.9.2010 – 24 U 202/09, MietRB 2011, 247 = ZMR 2011, 865; OLG Düsseldorf v. 21.1.1993 – 10 U 90/92, ZMR 1993, 275. OLG Düsseldorf v. 19.3.2002 – 24 U 124/01, ZMR 2002, 739 = GuT 2002, 74 = NZM 2003, 556. KG v. 22.9.2003 – 12 U 15/02, MietRB 2004, 41 = ZMR 2004, 259 = GE 2004, 47 = GuT 2003, 215. KG v. 23.6.2016 – 8 U 62/15, ZMR 2016, 855 (857) = GE 2016, 1504. VG Braunschweig v. 16.3.2005 – 2 A 388/04, DWW 2005, 383. LG Hamburg v. 26.2.2015 – 316 O 151/14, MietRB 2017, 7 = ZMR 2016, 702.

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§ 536 Rz. 195 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln fall treuwidrig (§ 242 BGB) sein. Dies gilt erst recht bei einem Verstoß gegen § 226 BGB (Schikaneverbot). Erfolgt eine unverhältnismäßige Anzeige des Mieters im Einzelfall aus Böswilligkeit oder geringem Anlass, kann sie eine Kündigung des Vermieters nach § 543 BGB begründen, selbst wenn sie auf zutreffenden Angaben beruht544. 196 Allein der Verstoß gegen öffentliches Recht selbst begründet noch kein Minderungsrecht, da zusätzlich

eine Gebrauchsbeeinträchtigung eingetreten sein muss545. Deshalb kommt die Ausübung von Gewährleistungsrechten nicht in Betracht, wenn die Behörde trotz eines Verstoßes gegen ihre Bestimmungen oder Richtlinien den von den Parteien vereinbarten Gebrauch der Mietsache duldet546. Davon ist grundsätzlich so lange auszugehen, wie die Behörde nicht gegen den Mieter vorgeht. Das ist schon der Fall, wenn sich ein Ordnungswidrigkeitsverfahren ausschließlich gegen den Vermieter richtet547. Ebenso fehlt es regelmäßig an einer Gebrauchsbeeinträchtigung, wenn der Mietvertrag trotz fehlender Nutzungsgenehmigung „in Gang gesetzt“ wird, ohne dass die Behörde einschreitet. Insoweit ist es unerheblich, ob die Behörde Kenntnis von der (öffentlich-rechtlich) unzulässigen Nutzung oder dem rechtswidrigen Zustand hat. 197 Mit Rücksicht darauf können die Voraussetzungen des § 536 BGB frühestens angenommen werden,

wenn – die Behörde eine Genehmigung (endgültig) versagt548 oder – ein Einschreiten der Behörde aufgrund des öffentlich-rechtlichen Zustandes ernsthaft zu erwarten ist549, – eine langwährende Unsicherheit über die Zulässigkeit der behördlichen Nutzungsuntersagung die begründete Besorgnis bewirkt, das Grundstück nicht zum vertragsgemäßen Gebrauch nutzen zu können550. 198 Von der endgültigen Versagung einer notwendigen Genehmigung ist nicht erst auszugehen, wenn der

Bescheid über die Versagung der beantragten (öffentlich-rechtlichen) Genehmigung bestandskräftig ist. Vielmehr reicht es aus, dass die Erteilung der Genehmigung nicht ohne Auflagen zu erwarten ist, so dass nach deren Vorliegen weitere umfangreiche Maßnahmen (z.B. Schallschutz in den Räumen) erst noch durchgeführt werden müssen551. Andererseits ist es nicht erforderlich, dass die Behörde ihren Bescheid z.B. über ein Nutzungsverbot mit unmittelbarem Zwang verfolgt552. 199 Ein Einschreiten der Behörde kann angenommen werden, wenn sie im Rahmen eines Anhörungs-

schreibens nach § 28 VwVfG den Erlass einer Ordnungsverfügung ankündigt, wobei sie auch eine Nutzungsuntersagung der Mietsache in Erwägung zieht553. Denn dann besteht die für die Annahme eines Mangels notwendige Ungewissheit über die Möglichkeit des künftigen Gebrauchs, die zur Beeinträchtigung gegenwärtiger Interessen des Mieters führen muss554. Im Einzelfall kann eine auf Jahre hinaus zu erwartende Ungewissheit über die vertragsgemäße Nutzbarkeit einer Sache deshalb schon ei-

544 Brandenburgisches OLG v. 19.4.2006 – 3 U 157/05, MietRB 2007, 65; vgl. aber auch LG Wiesbaden v. 2.5.1995 – 8 S 411/94, WuM 1995, 707; LG Osnabrück v. 6.8.1993 – 11 T 66/93, WuM 1993, 617; LG München v. 20.3.2002 – 14 S 17178/01, NZM 2002, 697. 545 BGH v. 16.1.2019 – VIII ZR 173/17, MietRB 2019, 65 = MDR 2019, 408 = WuM 2019, 144; OLG Düsseldorf v. 15.1.2005 – 24 U 186/0, MietRB 2005, 673, GuT 2005, 13. 546 OLG Nürnberg v. 16.7.1998 – 8 U 197/98, NZM 1999, 419. 547 OLG Dresden v. 1.6.2017 – 5 U 477/17, ZMR 2017, 880. 548 KG v. 15.2.2007 – 8 U 138/06, GuT 2007, 214. 549 BGH v. 16.1.2019 – VIII ZR 173/17, MietRB 2019, 65 = MDR 2019, 408 = WuM 2019, 144; BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, MietRB 2008, 103 = GE 2008, 120 = ZMR 2008, 274; OLG Düsseldorf v. 5.5.2009 – 24 U 87/ 08, MDR 2009, 1386 = MietRB 2009, 256 = ZMR 2010, 29; LG Potsdam v. 27.2.2015 – 13 S 46/14, WuM 2015, 350. 550 Vgl. BGH v. 20.11.2013 – XII ZR 77/12, MDR 2014, 141 = MietRB 2014, 39 = NZM 2014, 165 Rz. 20. 551 KG v. 18.12.2008 – 12 U 110/07, ZMR 2010, 31. 552 BGH v. 2.11.2016 – XII ZR 153/15, MDR 2017, 572 = WuM 2017, 18. 553 OLG Düsseldorf v. 19.3.2002 – 24 U 124/01, ZMR 2002, 739 = GuT 2002, 74 = NZM 2003, 556. 554 BGH v. 20.1.1971 – VIII ZR 167/69, NJW 1971, 555; VGH Berlin v. 3.5.2001 – VerfGH 39/00, ZMR 2001, 694 = NZM 2001, 746.

434 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 202 § 536

nen Sachmangel darstellen555. Das ist z.B. anzunehmen, wenn der Bescheid nach § 80 VwGO sofort vollziehbar ist556. Dennoch ist Vorsicht geboten, allein auf das Vorliegen einer Anhörung die notwendige Ungewissheit über die ungestörte Fortsetzung des Gebrauchs anzunehmen. Wurde z.B. in der Vergangenheit bereits eine Nutzungsänderung durch die Behörde positiv beschieden, kann die Wahrscheinlichkeit, dass die konkrete Nutzung genehmigt wird, nicht von vorneherein ausgeschlossen werden, so dass es dem Mieter zugemutet werden kann, das Ende des Verfahrens abzuwarten557. Die bloße Erwartung eines Einschreitens ist nicht ausreichend zur Annahme einer Gebrauchsbeein- 200 trächtigung558. Deshalb ist das Vorgehen gegen den Vermieter wegen der (verwaltungsrechtlich) unzulässigen Nutzung des Mieters für die Gebrauchsbeeinträchtigung des Mieters unerheblich559. Spätestens wenn dem Mieter aber durch eine Ordnungsverfügung die Nutzung generell untersagt wird, ist die fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB begründet560. Allein die bloße Mitteilung der Behörde, dass z.B. das Treppenhaus in seinem derzeitigen Zustand nicht den Vorgaben der Landesbauordnung genüge, kann allerdings nicht als ernsthafte Androhung eines Einschreitens angesehen werden561. Die gleiche Qualität hat ein Nachwiderspruch jedenfalls dann, wenn er unbegründet ist562. Zur Bewertung der Minderung in den Fällen des öffentlich-rechtlichen Mangels ist das Maß der Ge- 200a brauchsbeeinträchtigung (vgl. § 536 BGB Rz. 199) zu ermitteln. Duldet die Behörde die Nutzung, droht sie also z.B. keine Konsequenzen in Form von Zwangsmaßnahmen an, liegt i.d.R. keine Beeinträchtigung des Gebrauchs vor. Erfolgt die Duldung aber nur vorübergehend, also z.B., um dem Mieter die Möglichkeit des Auszuges zu geben, liegt eine Situation vor, die mit der Ungewissheit vergleichbar ist, die infolge der Androhung von Zwangsmaßnahmen zu vergleichen ist563. In diesem Fällen können Minderungen zwischen 20 % und 30 % gerechtfertigt sein. Sobald die Nutzung untersagt wird, fehlt der Mietsache die Tauglichkeit, was eine Minderung von 200b 100 % nach sich zieht. Dies gilt auch dann, wenn die benötigte behördliche Genehmigung dazu führt, dass das Objekt seinen Bestandschutz verlieren würde und die für die Genehmigung erforderliche Deckenhöhe nicht erreicht wird. Denn dem Mieter ist der Umbau in der Hoffnung, die Behörde würde weiter untätig bleiben, nicht zumutbar564. d) Optische Mängel Optische Mängel stellen nur ausnahmsweise einen Mangel dar, insbesondere wenn das Integritätsinte- 201 resse des Mieters beeinträchtigt ist. Letzteres kann je nach Beschaffenheit der Außenfassade, des Treppenhauses565, der Zugänge sowie wegen Feuchtigkeit566 der Fall sein kann. Die Optik des Gebäudes, in dem sich die Mietwohnung befindet, oder dessen Einrichtungen, reflektieren in der öffentlichen Meinung häufig auf die Herkunft oder den Charakter des Mieters. Befindet sich z.B. ein Treppenhaus in einem verwahrlosten Zustand, entsteht bei Besuchern schnell der Eindruck, der Mieter habe ähnliche Eigenschaften. Das kann dazu führen, dass er von Bekannten und Freunden gemieden wird. Damit ergibt sich für ihn eine Gebrauchsbeeinträchtigung. Insoweit ist auf den vereinbarten Mietzweck, Mietpreis sowie den dekorativen Zustand des Gebäudes 202 bei Vertragsabschluss abzustellen. Deshalb können

555 556 557 558 559 560 561 562 563 564 565 566

OLG Düsseldorf v. 22.12.2005 – 10 U 100/05, GuT 2007, 217. BGH v. 2.11.2016 – XII ZR 153/15, MDR 2017, 572 = WuM 2017, 18. BGH v. 20.11.2013 – XII ZR 77/12, MietRB 2014, 39 = MDR 2014, 141 = ZMR 2014, 266. LG Hannover v. 2.2.2011 – 2 S 51/10, zitiert nach juris. OLG Dresden v. 1.6.2017 – 5 U 477/17, ZMR 2017, 880. BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, MietRB 2008, 103 = GuT 2007, 434 = GE 2008, 120 = ZMR 2008, 274. OLG Düsseldorf v. 19.7.2011 – 24 U 31/11, MDR 2012, 83 = GuT 2012, 358. BGH v. 23.9.1992 – XII ZR 44/91, MDR 1992, 1147 = WuM 1992, 687 = ZMR 1993, 7. LG Potsdam v. 27.2.2015 – 13 S 46/14, WuM 2015, 350. KG v. 23.6.2016 – 8 U 62/15, ZMR 2016, 855 (857) = GE 2016, 1504. AG Köln v. 16.4.1997 – 207 C 14/97, WuM 1997, 470. LG Hamburg v. 10.4.1984 – 16 S 211/83, WuM 1985, 21; AG Köln v. 31.7.1987 – 217 C 494/86, WuM 1988, 358.

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§ 536 Rz. 202 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln – die Lagerung von Baumaterial durch den Vermieter auf dem Grundstück567 oder – Wellen im Teppichboden bei einer Vermietung zu gewerblichen Zwecken568 ausreichen. 203 Der Baustellencharakter des nicht fertig hergerichteten Grundstücks beeinträchtigt aber in der Regel

nur den Mieter der Erdgeschosswohnung569. Im Übrigen berechtigen auch optische Mängel nur zur Minderung, wenn sie erheblich sind. 204 Der Wohnungsmieter hat gegen den Vermieter grundsätzlich auch einen Anspruch auf Beseitigung von

Farbschmierereien (Graffiti) an der Fassade des Hauses nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB, wenn es sich dabei um einen Mietmangel handelt. Denn der vertragsgemäße Zustand umfasst auch die Außenfassade sowie den Hauseingang. Ein solcher Mangel liegt vor, wenn nahezu die gesamte Fläche der Außenwand im Bereich des Erdgeschosses großflächig mit Graffiti versehen ist und das Haus insgesamt dadurch einen verunstalteten und verwahrlosten Eindruck macht570. Allein der Bewuchs der Fassade mit Efeu führt jedoch selbst dann nicht zu einem Mangel, wenn damit einhergehende Beeinträchtigungen durch nistende Vögel, Schmutz und Ungeziefer eintreten571. Das Gleiche gilt für verwitterte Holzfenster, auch wenn die Reinigung erschwert wird572. 5. Gebrauchsbeeinträchtigung a) Unmittelbare Einwirkung 205 Grundsätzlich greift § 536 Abs. 1 BGB erst ein, wenn der Mieter in seiner Nutzung konkret beeinträch-

tigt wird. Auch wenn er das Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung nicht vorzutragen braucht573, muss sein Vortrag eine entsprechende Einschränkung oder Störung der Nutzung deutlich machen. Ohne Gebrauchsbeeinträchtigung kann der Mieter nur bei Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft gemäß § 536 Abs. 2 BGB mindern. 206 Eine Gebrauchsbeeinträchtigung ist grundsätzlich anzunehmen, wenn der Mieter in der faktischen

Ausübung der vertragsgemäßen Nutzung durch eine unmittelbare Einwirkung behindert ist. Diese Erfordernisse erfüllen undichte Fenster ebenso wie nasse Wände oder sonstige Feuchtigkeitsschäden. Auch eine Tür, die nicht verschließbar ist, oder Lärm, der nicht sozialadäquat ist, beeinträchtigen den Gebrauch des Mieters. Ein Recht zur Minderung besteht regelmäßig aber nicht, soweit durch den Gebrauch von Einrichtungsgegenständen (z.B. Heizung) hohe Kosten verursacht werden (vgl. § 536 BGB Rz. 115). Nur wenn z.B. ungewöhnlich hohe Heizkosten auf einem Fehler der Heizungsanlage beruhen, kann ein Mangel der Mietsache angenommen werden574. Eine Gebrauchsbeeinträchtigung ist auch nicht gegeben, wenn der Vermieter die vorhandene Gemeinschaftsantenne beseitigt und für den Fernseh- und Rundfunkempfang einen Kabelanschluss zur Verfügung stellt, über den die gleichen Sender empfangen werden können575. 207 Rein optische Mängel rechtfertigen generell keine Minderung der Miete. Das ist z.B. der Fall, wenn

Einrichtungsgegenstände oder sonstige, insbesondere außenliegende576 Teile der Mietsache unansehnlich geworden sind und sich nicht ausnahmsweise eine Beeinträchtigung des Integritätsinteresses ergibt (vgl. § 536 BGB Rz. 201). AG Bad Segeberg v. 21.11.1991 – 17 C 122/91, WuM 1992, 477. OLG Celle v. 19.10.1994 – 2 U 216/93, WuM 1995, 584. LG Darmstadt v. 28.9.1989 – 6 S 593/88, NJW-RR 1989, 1498. AG Charlottenburg v. 22.6.2006 – 233 C 47/06, NZM 2007, 484 = GE 2007, 227. AG Köpenick v. 26.4.2013 – 12 C 384/12, WuM 2013, 422 = GE 2013, 751. AG Wedding v. 4.11.2014 – 7 C 159/14, GE 2015, 197. Vgl. BGH v. 27.2.1991 – XII ZR 47/90, NJW-RR 1991, 779 (unter 2c); BGH v. 11.6.1997 – XII ZR 254/95, WuM 1997, 488 m.w.N. 574 BGH v. 18.12.2013 – XII ZR 80/12, MDR 2014, 336 = MietRB 2014, 71 = GE 2014, 245 = IMR 2014, 110; KG v. 28.4.2008 – 12 U 6/07, MDR 2008, 966 = MietRB 2008, 328 = ZMR 2008, 892 = GE 2008, 990 = GuT 2008, 344; a.A. OLG Düsseldorf v. 4.11.1982 – 10 U 109/82, MDR 1983, 229 = WuM 1984, 54 = ZMR 1983, 377 (Energieverlust von 60 %). 575 LG Berlin v. 25.5.2012 – 63 S 426/11, MietRB 2013, 6 = GE 2012, 956. 576 AG Wedding v. 4.11.2014 – 7 C 159/14, GE 2015, 197. 567 568 569 570 571 572 573

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B. Wohnraummiete | Rz. 211 § 536

Die Gebrauchsbeeinträchtigung muss konkret vorliegen. Ihre latente Existenz kann einen Mangel 208 i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB nicht begründen577. Ihre Handhabung erfolgt nach den Grundsätzen für periodisch auftretende Mängel (vgl. § 536 BGB Rz. 290). Zur Vermeidung einer Ausuferung des Mängelbegriffs fordert der BGH in ständiger Rechtsprechung578 209 eine Unmittelbarkeit der Einwirkungen auf die Mietsache. Zur Feststellung der Unmittelbarkeit reichen abstrakte Gefahren (z.B. Verletzung von Normen) nicht aus579. Erst die konkreten Einwirkungen und Risiken begründen auch eine direkte Auswirkung auf den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache. Ausschlaggebend sind stets die konkreten Umstände des Einzelfalles (vgl. näher § 536 BGB Rz. 340). b) Gefahr eines Mangels Ebenso begründet die bloße (abstrakte) Gefahr eines Mangels regelmäßig keine Minderung i.S.v. § 536 210 BGB580. Allerdings kann eine Mangelhaftigkeit angenommen werden, wenn der Mieter die Mietsache nur in der Befürchtung einer Gefahrverwirklichung nutzen kann. Das setzt nicht voraus, dass der Mieter Kenntnis von der Gefahr hat (z.B. drohendes Herabstürzen der Decke wegen mangelnder Tragfähigkeit581; erhebliche Konzentration von Legionellen582). Denn die Störung des Äquivalenzverhältnisses ist objektiv zu bewerten583. In diesem Fall kann ein Mangel selbst dann angenommen werden, wenn der Mieter selbst Schutzmaßnahmen (z.B. Einbau von Filtern bei Legionellenbefall) ergreift, solange er nicht sicher sein kann, dass die Gefahr endgültig behoben ist584. Selbst wenn der Befall nur in Nachbarwohnungen festgestellt wurde, ist der Vermieter verpflichtet, dem Mieter auf Verlangen Auskunft zum Umfang des Befalls zu erteilen585. Über eine Gesundheitsgefahr durch Legionellen kann aber nur ein Sachverständigengutachten eine Aussage treffen586. Besteht z.B. die konkrete und naheliegende Gefahr, dass bereits ein kleiner Brand im Treppenhaus binnen kürzester Zeit dem Mieter in seiner Wohnung den Fluchtweg abschneidet, kann eine konkrete Gebrauchsbeeinträchtigung angenommen werden587. Besteht die Gefahr eines Mangels (z.B. Eindringen von Wasser in den Keller bei Starkregen), ist zu prü- 210a fen, inwieweit es dem Mieter zumutbar ist, im Rahmen seiner Obhutspflicht (§ 535 BGB Rz. 841a) eigene (Sicherungs- oder Schutz-)Maßnahmen zu treffen. In der Praxis kommt die für § 536 Abs. 1 BGB ausreichende Gefahr insbesondere bei befürchteten Be- 211 einträchtigungen der Gesundheit in Betracht588. Diese muss anhand objektiver Umstände feststellbar sein589 (vgl. auch § 536 BGB Rz. 145). Insoweit genügt nicht allein die Feststellung, dass die Innenräume zu irgendeinem Zeitpunkt z.B. mit giftigen Substanzen behandelt wurden (etwa mit einem verbotenen Holzschutzmittel). Entscheidend ist, ob aufgrund der Behandlung die konkrete Gefahr besteht, dass die

577 A.A. AG Mitte v. 24.10.2012 – 7 C 90/12, GE 2012, 1703; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 325. 578 BGH v. 26.9.2012 – XII ZR 122/11, MietRB 2013, 7 = WuM 2012, 671 = GE 2012, 1553; BGH v. 15.10.2008 – XII ZR 1/07, MDR 2009, 319 = MietRB 2009, 67 = MietRB 2009, 68 = NJW 2009, 664, 665 jeweils m.w.N. 579 BGH v. 26.9.2012 – XII ZR 122/11, MietRB 2013, 7 = WuM 2012, 671 = GE 2012, 1553. 580 LG Lübeck v. 15.1.2002 – 6 S 161/00, ZMR 2002, 431; LG Hannover v. 30.5.1997 – 8 S 203/96, WuM 1997, 434; LG Dortmund v. 16.2.1994 – 11 S 197/93, WuM 1996, 141. 581 A.A. LG Heidelberg v. 25.4.2012 – 5 O 21/12, MietRB 2012, 258 = GE 2012, 899 = ZMR 2012, 950. 582 LG Stuttgart v. 12.5.2015 – 26 O 286/14, ZMR 2015, 720 (Zahnarztpraxis); AG Dresden v. 11.11.2013 – 148 C 5353/13, GE 2014, 396; vgl. aber auch AG München v. 25.6.2015 – 452 C 2212/14, ZMR 2015, 139 (kein ausreichendes Aufkommen bei 100 kbE/100 – vgl. Anlage 3, Teil II der TrinkwasserVO). 583 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 10. 584 LG Nürnberg-Fürth v. 8.11.2016 – 7 S 1713/16, ZMR 2017, 566; LG Stuttgart v. 12.5.2015 – 26 O 286/14, ZMR 2015, 720. 585 LG Nürnberg-Fürth v. 8.11.2016 – 7 S 1713/16, ZMR 2017, 566 m. Anm. Hardt zu den Grenzwerten und Auswirkungen. 586 LG Berlin v. 4.5.2017 – 67 S 59/17, MietRB 2017, 281 = ZMR 2017, 641 = WuM 2017, 396 m. Anm. Selk. 587 KG v. 22.9.2003 – 12 U 15/02, MietRB 2004, 41 = GuT 2003, 215. 588 KG v. 3.6.2010 – 12 U 164/09, MietRB 2010, 356 = MietRB 2010, 357 = MietRB 2010, 358 = MDR 2010, 1375 = ZMR 2011, 114 = GE 2010, 1201; KG v. 26.2.2004 – 12 U 1493/00, MietRB 2004, 233 = ZMR 2004, 513 (Schimmel); AG Dresden v. 11.11.2013 – 148 C 5353/13, GE 2014, 396 (Legionellen). 589 Blank, PiG 92, 1.

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§ 536 Rz. 211 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln Bewohner mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen rechnen müssen590. Das Gleiche gilt für latent vorhandene Giftstoffe, wie z.B. den Glasfaserdämmmatten in den Schächten einer Warmluftstromheizung. Ihre Existenz allein und das Risiko, dass sie in die Raumluft gelangen könnten, begründen noch keinen Mangel. Das ist aber der Fall, wenn sie sich geruchsbelästigend und schleimhautreizend auswirken591. Maßgeblich ist, dass die Gefährdung entweder auf der Beschaffenheit oder den mitvermieteten Einrichtungsgegenständen der Räume beruht592. 212 Vor diesem Hintergrund kommen als Gesundheitsgefährdung in Betracht

– starke Feuchtigkeit und Schimmelbildung593 (vgl. dazu aber auch § 569 BGB Rz. 44 und § 536 BGB Rz. 116), – Verunreinigung des Trinkwassers594, – Einsturzgefahr des Gebäudes oder von Gebäudeteilen (Geländer, Treppen etc.)595, – unerträglich hohe Innentemperaturen596, – Giftstoffe in der Raumluft, wie z.B. Formaldehyd597 oder Asbest598, – asbesthaltige Nachtstromspeicherheizungen599 oder Lüftungsanlagen600, – ungenügende Beheizbarkeit601, – mangelnde Lichtzufuhr602, – Fehlen von Rettungswegen im Brandfall603, – brandschutztechnische Mängel des Gebäudes604, aber nur wenn sie erheblich sind605, – gesundheitsbeeinträchtigende Umweltbelastungen, z.B. durch – Lärm606, – Altlasten607, – Emissionen von Industriebetrieben,

590 BayObLG v. 4.8.1999 – RE-Miet 6/98, MDR 1999, 1314 = NZM 1999, 899. 591 LG Osnabrück v. 24.1.2003 – 12 S 286/00, WuM 2003, 267; AG Torgau v. 27.9.2002 – 1 C 0604/01, WuM 2003, 316. 592 Blank, PiG 92, 1. 593 KG v. 26.2.2004 – 12 U 1493/00, ZMR 2004, 513 (514) = MietRB 2004, 233. 594 LG Stuttgart v. 12.5.2015 – 26 O 286/14, ZMR 2015, 720 (Legionellen in Zahnarztpraxis); LG Köln v. 25.3.1986 – 12 S 488/85, WuM 1987, 122 (Rost); AG Dresden v. 11.11.2013 – 148 C 5353/13, GE 2014, 396 (Legionellen); AG Brühl v. 7.3.1990 – 2b C 831/89, WuM 1990, 382 (Nitrat); AG Hamburg v. 17.12.1987 – 49 C 667/86, NJW 1988, 914 = NJW-RR 1988, 532 (Blei). 595 OLG Düsseldorf v. 14.1.2010 – 10 U 74/09, MietRB 2010, 134; OLG Brandenburg v. 2.7.2008 – 3 U 156/07, MietRB 2009, 166 = ZMR 2009, 190; LG Landau v. 26.3.2002 – 1 S 323/01, GuT 2003, 214. 596 OLG Düsseldorf v. 4.6.1998 – 24 U 194/96, MDR 1998, 1217 = ZMR 1998, 622 = NZM 1998, 915. 597 LG Lübeck v. 6.11.1997 – 14 S 135/97, ZMR 1998, 434; LG München I v. 26.9.1990 – 31 S 20071/89, WuM 1991, 584 – NJW-RR 1991, 975; LG Lübeck v. 15.1.2002 – 6 S 161/00, ZMR 2002, 431. 598 LG Dresden v. 25.2.2011 – 4 S 73/10, ZMR 2011, 465 = NZM 2011, 743. 599 LG Berlin v. 6.7.1998 – 67 S 131/97, WuM 1999, 35 = GE 1998, 1091; LG München v. 29.10.1997 – 31 S 19711/96, WuM 1998, 18; LG Hannover v. 30.5.1997 – 8 S 203/96, WuM 1997, 434; LG Dortmund v. 16.2.1994 – 11 S 197/93, WuM 1996, 141 = ZMR 1994, 410. 600 OLG Hamm v. 13.2.2002 – 30 U 20/01, NZM 2003, 395. 601 LG Mannheim v. 17.2.1977 – 4 S 90/76, WuM 1977, 140 = ZMR 1977, 154; AG Waldbröl v. 6.9.1985 – 6 C 163/85, WuM 1986, 337. 602 LG Berlin v. 12.3.1985 – 64 S 9/85, ZMR 1986, 54 = GE 1986, 911 (durch Aufstellen eines Baugerüstes, aber im Ergebnis verneint). 603 Hanseatisches OLG Bremen v. 24.6.1992 – 1 U 34/92, zitiert nach juris. 604 KG v. 22.9.2003 – 12 U 15/02, MietRB 2004, 41 = ZMR 2004, 259 = GuT 2003, 215. 605 OLG Köln v. 24.3.2010 – 1 U 70/05, zitiert nach juris. 606 BGH v. 12.12.1959 – VIII ZR 54/58, BGHZ 29, 289. 607 Blank, PiG 92, 1, 2.

438 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 215 § 536

– Schädlingsbefall608, – unerträgliche Gerüche609, – Überschwemmung der Wohnung610. 6. Erheblichkeit des Mangels Dieses in § 536 Abs. 1 S. 3 BGB geregelte Tatbestandsmerkmal ist weitere Voraussetzung für die Min- 213 derung wegen eines Sachmangels. Dagegen führen auch unerhebliche Mängel zur Schadensersatzpflicht des Vermieters nach § 536a BGB. Ebenso betrifft § 536 Abs. 1 S. 3 BGB nicht den Fall des Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft, § 536 Abs. 2 BGB und ist auch nicht auf den Rechtsmangel anwendbar, § 536 Abs. 3 BGB. Bezugspunkt für die Bewertung der Erheblichkeit ist die Gebrauchsbeeinträchtigung. Es kommt also 213a nicht auf den Umfang, die Größe, die Intensität oder ein anderes Phänomen der Abweichung der Istvon der Sollbeschaffenheit an. Maßgeblich ist, mit welcher Intensität der vertragsgemäße Gebrauch (§ 535 BGB Rz. 729 ff.) gestört ist, selbst wenn für die Beseitigung nicht nur geringe Kosten anfallen611. Dies ist objektiv zu ermitteln, unabhängig von der konkreten Nutzung durch den Mieter, wobei sich das Maß an der Erheblichkeitsgrenze von 10 % bei Flächenabweichungen orientieren kann (§ 536 BGB Rz. 233). Deshalb hat die Störung durch einen lärmenden Mitbewohner im Hause die gleiche Qualität unabhängig davon, ob in der betroffenen Wohnung eine Hausfrau/-mann gestört wird oder ein Schriftsteller. Daran ändert auch die Abwesenheit des Mieters nichts. Es spielt keine Rolle, ob er die Beeinträchtigung deshalb nicht mitbekommt, weil er außerhalb der Wohnung berufstätig ist oder in Urlaub weilt612. Die durch § 536 Abs. 1 S. 3 BGB angeordnete Einschränkung soll „kleinliche Streitigkeiten“ verhin- 214 dern613. Dazu werden oft feste Prozentsätze als Grenze herangezogen, wobei 5 %614 aber auch 3 %615 und 2 %616 als Grenzwerte gelten. Diese starren Werte können aber allenfalls eine Orientierung bieten617. Denn bei hochpreisigen Wohnungen kann sich auch ein geringer Prozentsatz „erheblich“ auswirken und können (vertraglich begründete) höhere Qualitätsansprüche bestehen, so dass auch kurze Störungen erheblich sein können618. Letztlich kommt es auf das Maß der Beeinträchtigung an619. Diese ist durch eine abstrakt generalisierende Betrachtungsweise festzustellen620. Vor diesem Hintergrund ist von der Unerheblichkeit eines Mangels auszugehen, wenn die Gebrauchs- 215 tauglichkeit bei objektiver Betrachtungsweise nicht spürbar gemindert ist oder der Fehler leicht erkennbar ist und schnell mit geringen Kosten beseitigt werden kann621. Auch kann sich eine Orientierung daraus herleiten, dass nur das ästhetische Empfinden gestört ist622. Aus einer seltenen Benutzung der Mietsache durch den Mieter kann die Unerheblichkeit des Mangels aber nicht abgeleitet werden623. 608 609 610 611 612 613 614 615 616 617 618 619 620 621 622 623

LG Saarbrücken v. 12.6.1989 – 13 B S 123/88, WuM 1991, 91 (Befall mit Kellerasseln). LG Augsburg v. 1.3.2006 – 7 S 4877/05, zitiert nach juris. AG Döbeln v. 11.9.2003 – 1 C 227/03, MietRB 2004, 166 = NZM 2004, 499. LG Nürnberg-Fürth v. 30.10.2018 – 7 S 2223/18, ZMR 2019, 346. LG Berlin v. 28.6.2018 – 65 S 45/18, WuM 2019, 94. BT-Drucks. IV/2195, S. 2. Blank/Börstinghaus, § 536 BGB Rz. 95. AG Wedding v. 17.10.2007 – 20 C 313/07, GE 2008, 609; AG Dortmund v. 7.3.1997 – 125 C 16832/96, DWW 1997, 157. Schach, GE 2004, 673 (674). Blank/Börstinghaus, § 536 BGB Rz. 95; MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 21; Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3226. Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3226. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 44. Lützenkirchen/Dickersbach, Vertragsstörungen, Rz. 1011. BGH v. 30.6.2004 – XII ZR 251/02, MietRB 2004, 346 = MDR 2004, 1348 = WuM 2004, 531 = NZM 2004, 776; OLG Düsseldorf v. 20.9.2007 – 10 U 46/07, MietRB 2008, 72 = GE 2008, 54 = NZM 2009, 281; LG Freiburg v. 18.2.1975 – 9 S 197/74, ZMR 1976, 210 (211); AG Münster v. 25.11.1976 – 5 C 13/76, WuM 1977, 205. Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3226. Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3226.

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§ 536 Rz. 215 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln Letztlich muss dies stets im Einzelfall entschieden werden, wobei insbesondere die Vereinbarungen der Parteien über die individuelle Beschaffenheit des Mietobjekts624, aber auch die Höhe der Miete relevant sein können625. Danach kann eine unerhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung vorliegen bei – geringfüger Verschlechterung der Zugangskontrolle zum Gebäude626, – gelegentlichen Störungen durch an Touristen vermietete Wohnungen627, – fehlenden Trittkanten an einigen Stufen im Treppenhaus628, – einer nicht abschließbaren Badezimmertüre und einem Backofen, bei dem sich die Temperatur nicht regeln lässt629, – teilweise (in geringem Umfang) andersfarbigen Fliesen im Bad, die nach einem Rohrbruch angebracht wurden, weil die bisherigen Fliesen nicht mehr lieferbar waren630, – einer Badewanne, die erst nach 30 Minuten gefüllt ist631, – einem Durchlauferhitzer, der erst nach 15 Sekunden anspringt632, – Schimmelstreifen von 10–15 cm Länge und von 5 cm Breite633, – geringfügigem Schimmelbefall an einem Dachflächenfenster, einer beginnenden Ablösung von Tapeten im Fensterbereich; ein abgetrockneter, handtellergroßer Wasserfleck oder ein 7 x 13 cm großer Feuchtigkeitsfleck berechtigen als nur unerhebliche optische Beeinträchtigung nicht zur Minderung634, – einer Verletzung des Schallschutzes mit einer Abweichung von 1 dB(A), weil sie vom Menschen grundsätzlich nicht wahrgenommen werden kann635, – höheren Abweichungen kann auch darauf abgestellt werden, ob der Mieter sie durch eigene Maßnahmen (z.B. Schließen der Fenster) vermindern kann636, – 10 cm hohe Verkofferung an der Decke637, – Schadstoffbelastungen, die durch Lüften unter das festgestellte unzulässige Maß verringert werden können638, – Erhöhung der Schwelle am Austritt zum Balkon um 20 cm639, – Unbrauchbarkeit des Balkons im Winter640, – von der Dachrinne und einem höhergeschossigen Balkon auf den Wohnungsbalkon herabspritzendem Regenwasser641, – geringfügiger Veränderung des Balkons durch ein 25 cm im Durchmesser auf Putz installiertes Regenfallrohr642,

624 BGH v. 4.5.2005 – XII ZR 254/01, MietRB 2005, 259 = MDR 2005, 975 = NZM 2005, 500. 625 AG Münster v. 18.10.1995 – 48 C 493/94, WuM 1995, 704. 626 BGH v. 15.10.2008 – XII ZR 1/07, MietRB 2009, 67 = MietRB 2009, 68 = MDR 2009, 319 = ZMR 2009, 269 = GE 2009, 254. 627 BGH v. 29.2.2012 – VIII ZR 155/11, MietRB 2012, 161 = MietRB 2012, 167 = MDR 2012, 509 = WuM 2012, 269 = ZMR 2012, 536. 628 LG Berlin v. 31.10.2006 – 63 S 194/06, GE 2007, 655. 629 AG Tempelhof-Kreuzberg v. 15.2.2013 – 21 C 192/11, GE 2015, 195. 630 AG Köln v. 8.9.1994 – 215 C 256/93, WuM 1997, 41. 631 LG Berlin v. 31.10.2006 – 63 S 194/06, GE 2007, 655. 632 LG Berlin v. 31.10.2006 – 63 S 194/06, GE 2007, 655. 633 AG Trier v. 11.9.2008 – 8 C 53/08, WuM 2008, 665. 634 AG Schöneberg v. 26.8.2016 – 104 C 85/15, GE 2016, 594. 635 BGH v. 5.6.2013 – VIII ZR 287/12, MDR 2013, 834 = MietRB 2013, 229 = WuM 2013, 483 (485) = GE 2013, 938 m.w.N. 636 BGH v. 21.2.2012 – VIII ZR 22/11, WuM 2012, 271 = NZM 2012, 456 = GE 2012, 896 Rz. 6. 637 LG Berlin v. 12.4.2019 – 66 S 14/19, GE 2019, 1036. 638 BGH v. 15.1.2013 – VIII ZR 411/12, ZMR 2014, 26 = GE 2013, 609. 639 LG Berlin v. 1.12.2009 – 63 S 162/09, GE 2010, 547. 640 LG Köln v. 26.4.1974 – 12 S 275/73, WuM 1975, 167. 641 AG Münster v. 21.12.2005 – 59 C 2601/05, WuM 2006, 192. 642 AG Wedding v. 17.10.2007 – 20 C 313/07, GE 2008, 609.

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B. Wohnraummiete | Rz. 217 § 536

– Entfernung von Blumenkastenhalter643, – Störungen, die durch Lichtkegel aus Scheinwerfern von Pkws, die über eine Behelfsbrücke fahren, hervorgerufen werden, weil sie sich vermeiden lassen, indem Vorhänge oder Rollos angebracht werden644. Entscheidend sind aber letztlich die Umstände des Einzelfalles, – optischen Mängeln, die die Betriebsführung nicht beeinträchtigen645, – Rissen, die durch Zuspachteln beseitigt werden können646, – sehr kurzem Heizungsausfall647, – geringfügiger Unterschreitung der benötigten Heizleistung (1 °C)648, – nicht verfugten Fußleisten und Türrahmen649, – abgetretenen Türschwellen650, – geringfügigem Luftdurchgang an Fenstern eines Altbaus651, – Flächenabweichungen unter 10 %652, – Entzug der Erlaubnis zum Wäschetrocknen im Garten bei vorhandenem Trockenraum653, – Baugerüst am Nachbargebäude, das eine geringfügige Verdunklung der Küche herbeiführt654, – Wegfall eines Stellplatzes infolge Veräußerung eines Teils des Grundstücks, wenn gleichzeitig ein neuer Stellplatz in der Nähe angeboten wird655. Behauptet ein Mieter, die Wohnung sei mit zahlreichen Mängeln behaftet, und beseitigt der Vermieter 216 diese, spricht dieser Umstand nach der Lebenserfahrung dafür, dass die angeführten Mängel im minderungserheblichen Umfang vorhanden waren und den Mietgebrauch erheblich beeinträchtigt hatten656.

II. Zugesicherte Eigenschaften 1. Eigenschaften Eigenschaften i.S.d. § 536 Abs. 2 BGB sind alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse von gewisser 217 Dauer, die auf die Wertschätzung oder Tauglichkeit der Mietsache Einfluss haben können657. Die relevanten Faktoren müssen der Mietsache unmittelbar anhaften; mittelbare Einflüsse reichen dafür nicht

643 644 645 646 647 648 649 650 651 652

653 654 655 656 657

LG Berlin v. 1.12.2009 – 63 S 162/09, GE 2010, 547. AG Fürth v. 17.10.2006 – 310 C 1727/06, WuM 2007, 317. OLG Düsseldorf v. 16.3.1989 – 10 U 154/88, MDR 1989, 640. LG Berlin v. 1.12.2009 – 63 S 162/09, GE 2010, 547. BGH v. 30.6.2004 – XII ZR 251/02, MDR 2004, 1348 = MietRB 2004, 346 = WuM 2004, 531 = NZM 2004, 776. BGH v. 30.6.2004 – XII ZR 251/02, MDR 2004, 1348 = MietRB 2004, 346 = WuM 2004, 531 = NZM 2004, 776. AG Saarburg v. 28.11.2001 – 5 C 473/01, WuM 2002, 29. LG Berlin v. 31.10.2006 – 63 S 194/06, GE 2007, 655. AG Steinfurt v. 14.3.1996 – 4 C 484/95, WuM 1996, 268. BGH v. 24.3.2004 – VIII ZR 2957/03, NJW 2004, 1947; BGH v. 24.3.2004 – VIII ZR 44/03, MDR 2004, 933 = NJW 2004, 2230; BGH v. 23.5.2007 – VIII ZR 231/06, MDR 2007, 1183 = MietRB 2007, 258 = NJW 2007, 2624; BGH v. 23.5.2007 – VIII ZR 138/06, MDR 2007, 1185 = MietRB 2007, 221 = MietRB 2007, 222 = NJW 2007, 2626; BGH v. 16.9.2009 – VIII ZR 275/08, MietRB 2009, 346 = MDR 2009, 1383 = NJW 2009, 3421; BGH v. 28.10.2009 – VIII ZR 164/08, MietRB 2010, 35 = MDR 2010, 75 = NJW 2010, 292; BGH v. 24.3.2004 – VIII ZR 133/03, WuM 2004, 268; BGH v. 28.9.2005 – VIII ZR 101/04, WuM 2005, 712; BGH v. 16.12.2009 – VIII ZR 39/09, MDR 2010, 376 = MietRB 2010, 102 = WuM 2010, 150. LG Köln v. 8.8.1985 – 6 S 100/85, WuM 1987, 271. LG Berlin v. 31.10.2006 – 63 S 194/06, GE 2007, 655. AG Köln v. 8.12.2019 – 201 C 193/18, ZMR 2020, 317. AG Charlottenburg v. 31.3.2011 – 211 C 169/10, GE 2011, 824. Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3234 Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. VIII 31.

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§ 536 Rz. 217 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln aus658. Letzteres ist der Fall, wenn es sich z.B. um in die Zukunft gerichtete Umstände handelt659. Es ist nicht Voraussetzung, dass die Eigenschaft oder deren Fehlen sich auf die Gebrauchstauglichkeit auswirken. Denn § 536 Abs. 1 S. 3 BGB ist gemäß § 536 Abs. 2 BGB nicht anwendbar. Inhalt und Umfang der Eigenschaft müssen im Einzelnen feststellbar sein660. 218 Als zusicherungsfähige Eigenschaften kommen in Betracht

– – – –

– – – – –

die Behindertengerechtheit der Wohnung, die Kinderfreundlichkeit der Wohnung für eine alleinerziehende Mutter661; die auch zukünftige Kinderfreiheit der Wohnanlage (was allerdings sittenwidrig sein soll)662, die Angabe der Mietfläche, wenn – sie im Mietvertrag vor der Errichtung des Gebäudes erfolgt, so dass sich der Mieter darauf verlässt, dass die Mietsache für ihn eine entsprechende Größe bietet663; – sie unter der Überschrift „Mietzins“ aufgeführt wird, weil jedenfalls bei der Vermietung von gewerblichen Flächen im Regelfall die Höhe der Miete anhand der qm-Zahl unter Berücksichtigung eines zwischen den Parteien abgestimmten qm-Preises ermittelt wird664, die Gartennutzung, die Einhaltung von bestimmten Energie-Standards (Niedrig-Energie-Haus, EnEV 2007 etc.), die Tragfähigkeit der Decken665, die Schalldichte von Wänden und Decken666, die zukünftigen baulichen Entwicklungen (hochwertige Sanierung des Treppenhauses, Aufbringen einer Wärmedämmfassade etc.).

219 Dagegen scheiden als zugesicherte Eigenschaften regelmäßig aus

– die in einer Objektbeschreibung benannten Tatsachen667, – die Vollvermietung des Einkaufszentrums668, – die Vermietung der anderen, in der Ladenpassage befindlichen Ladenlokale an eine Klientel des Luxussegments669, – die Angaben über voraussichtliche Umsätze im gewerblichen Mietobjekt670. 2. Zusicherung 220 Unter einer Zusicherung i.S.d. § 536 Abs. 2 BGB ist eine vertraglich bindende Erklärung zu verstehen,

die über die bloße Angabe des Verwendungszwecks und die Beschreibung der Mietsache im Vertrag oder über allgemeine Anpreisungen hinausgeht671. Bei der Annahme einer Zusicherung i.S.d. § 536 Abs. 2 BGB ist Zurückhaltung geboten. Die Zusicherung einer Eigenschaft liegt allerdings dann nahe,

658 BGH v. 16.2.2000 – XII ZR 279/97, MDR 2000, 821 m. Anm. Leo = NJW 2000, 1714; OLG Düsseldorf v. 3.5.2005 – 24 U 223/04, DWW 2006, 103 = OLGR 2006, 103. 659 MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 23. 660 RGRK/Gelhaar, § 537 BGB a.F. Rz. 34. 661 LG Essen v. 20.7.2004 – 15 S 56/04, WuM 2005, 47. 662 AG München v. 7.10.1999 – 412 C 23697/99, WuM 2000, 546. 663 OLG Hamm v. 1.10.1997 – 33 U 37/97, WuM 1998, 151. 664 OLG Köln v. 8.6.1998 – 16 U 92/97, WuM 1999, 282 = NZM 1999, 73. 665 MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 23. 666 MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 23. 667 OLG Düsseldorf v. 9.11.2010 – 24 U 223/09, MietRB 2011, 209, NZM 2011, 550. 668 BGH v. 26.5.2004 – XII ZR 149/02, MDR 2004, 1233 = MietRB 2004, 261 = ZMR 2004, 664; BGH v. 16.2.2000 – XII ZR 279/97, MDR 2000, 821 m. Anm. Leo = NJW 2000, 1714; LG Duisburg v. 16.3.2010 – 6 O 121/09, zitiert nach juris. 669 KG v. 1.3.2004 – 8 U 197/03, MDR 2004, 1110. 670 OLG Naumburg v. 13.12.1996 – 6 U 126/96, WuM 1997, 675 = NZM 1998, 373. 671 BGH v. 28.11.1979 – VIII ZR 302/78, MDR 1980, 306 = NJW 1980, 777.

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B. Wohnraummiete | Rz. 225 § 536

wenn der Mieter auf die Angabe des Vermieters erkennbar in besonderem Maße angewiesen ist, z.B. wenn der Mieter die Mietsache vor Vertragsschluss nicht besichtigen konnte und sich daher für den Vermieter erkennbar auf dessen Angaben verlassen musste. Deshalb sind bloße Qualitätsangaben am ehesten bei der Vermietung vom Reißbrett als Zusicherung von Eigenschaften zu verstehen. Zwar kann eine Eigenschaft ausnahmsweise auch stillschweigend zugesichert werden672. Immer jedoch 221 muss sich aus der als Erklärung aufgefassten Handlung eindeutig ergeben, dass der Vermieter für das Vorhandensein einer bestimmten Eigenschaft der Mietsache – ohne Rücksicht auf ein Verschulden – einstehen will673. Dies soll der Fall sein, wenn im Mietvertrag die Mietsache mit „Balkon geplant“ beschrieben ist674. In diesem Fall soll spätestens nach einem Jahr der Balkon errichtet worden sein. 3. Fläche als zugesicherte Eigenschaft – Flächenabweichungen § 537 Abs. 2 S. 2 BGB a.F. führte bis zum 1.9.2001 ein gesetzliches Beispiel einer zugesicherten Eigen- 222 schaft an. Danach sollte bei der Vermietung eines Grundstücks die Zusicherung einer bestimmten Größe der Zusicherung einer Eigenschaft gleichstehen. Gemäß § 580 BGB a.F. galt diese Aussage für die Raummiete entsprechend. Dieses (Regel-)Beispiel führt § 536 Abs. 2 BGB nicht mehr an. Durch diese Streichung hat sich jedoch in der Sache nichts geändert. Wird nämlich eine bestimmte Grundstücksoder Raumgröße zugesichert, liegen die Voraussetzungen des § 536 Abs. 2 BGB vor. Allerdings wurde vor dem 1.9.2001 die bloße Angabe der Mietfläche im Mietvertrag in der Regel nur 223 als Beschreibung des Mietobjekts angesehen und nicht als Zusicherung verstanden675. Insbesondere sollte einer Flächenangabe (nur) beschreibende Bedeutung dann beigemessen werden können, wenn der Mieter das Objekt nach Besichtigung aufgrund der guten Lage und des ihn ansprechenden Zuschnitts angemietet hatte676. Eine Zusicherung wurde nur angenommen, wenn der Vermieter für die angegebene Quadratmeter-Größe auch einstehen wollte. a) Bedeutung der Flächenangabe im Mietvertrag Die bloße Flächenangabe im Mietvertrag bedeutet grundsätzlich keine Zusicherung i.S.d. § 536 Abs. 2 224 BGB. Denn regelmäßig ergeben sich daraus keine Anhaltspunkte dafür, dass der Vermieter für seine Angabe ohne Rücksicht auf ein Verschulden einstehen will. Insbesondere kommt daher eine Zusicherung nicht in Betracht, wenn der Wohnraummieter sich bei seiner Entscheidung über den Vertragsschluss nicht nach der angegebenen Wohnfläche, sondern nach dem Eindruck richtet, den er aufgrund der Besichtigung der Wohnung gewonnen hat677. Für die Annahme einer zugesicherten Eigenschaft müssen neben der reinen Flächenangabe besondere 225 Umstände vorliegen, die darauf schließen lassen, dass der Vermieter für die Richtigkeit des Merkmals ohne Rücksicht auf ein Verschulden einstehen will. Eine solche Sichtweise ist z.B. dann gerechtfertigt, wenn der Mietvertrag vor der Errichtung des Gebäudes (Vermietung vom Reißbrett) geschlossen wird und deshalb die Größenangabe dem Mieter die vorrangige Orientierung für eine entsprechende Größe und damit die Mietpreisbildung bietet678. Das Gleiche gilt, wenn die Angabe der Mietfläche unter der Überschrift „Mietzins“ erfolgt679 oder sogar eine Quadratmetermiete vereinbart wurde680. Letzteres setzt voraus, dass im Mietvertrag die Miete als Produkt aus bestimmter Fläche und einem Betrag pro

672 673 674 675 676 677 678 679 680

Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3232. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 240; MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 22. AG Brandenburg v. 22.5.2015 – 31 C 256/14, GE 2015, 794. OLG Dresden v. 15.12.1997 – 3 AR 0090/97, MDR 1998, 643 = NZM 1998, 184; KG v. 6.7.1992 – 8 U 3819/ 91, GE 1992, 871. Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3232. AG Hagen v. 14.4.2008 – 9 C 500/07, DWW 2008, 312. OLG Hamm v. 1.10.1997 – 33 U 37/97, WuM 1998, 151. OLG Köln v. 8.6.1998 – 16 U 92/97, WuM 1999, 282. OLG Dresden v. 1.7.2014 – 5 U 1890/13, MietRB 2014, 324 = MDR 2014, 1069 = IMR 2014, 422; dazu Wichert, ZMR 2014, 947.

Lützenkirchen | 443

§ 536 Rz. 225 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln Quadratmeter angegeben ist681. In diesen Fällen kann eine stillschweigende Zusicherung angenommen werden, weil eine entsprechende Angabe als Kalkulationsgrundlage für die Miethöhe vereinbart ist682. 226 Ergeben sich keine besonderen Umstände, beschränkt sich die Bedeutung der Mitteilung der Mietfläche

im Vertrag auf eine Beschaffenheitsangabe, durch die der Sollzustand der Mietsache festgelegt wird, ohne dass der Mieter darauf – in welcher Form auch immer – hinweisen müsste683. Eine bloße Objektbeschreibung684 wie z.B. die Adresse des Gebäudes in der angegebenen Fläche zu sehen, wird der Bedeutung der Fläche bei der Berechnung der Miete nicht gerecht685. Deshalb kann die mangelnde Relevanz einer Flächenangabe nur durch eine konkrete Vereinbarung herbeigeführt werden. Dies ist auch formularmäßig möglich, was bei deutlicher Formulierung keinen Verstoß gegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB begründet. Diesen Anforderungen genügt der Hinweis im Mietvertrag, dass die Angabe der Fläche allein der Beschreibung und nicht zur Festlegung des Mietgegenstandes dient686. Andererseits kommt eine abweichende Vereinbarung noch nicht durch einen ca.-Zusatz vor der Flächenangabe zustande687, vgl. unten § 536 BGB Rz. 235. Der Zusatz in einem Mietvertrag, „Sollten sich bei einer nachträglichen Vermessung Abweichungen von der obigen Zahl und Größe der Räume ergeben, so ist keine Partei berechtigt, deswegen eine Änderung des Mietpreises zu fordern“ ist dahingehend zu verstehen, dass die vereinbarte Miete nicht von der tatsächlichen Größe der vermieteten Fläche abhängig sein soll, so dass bei einer Flächenabweichung ein Fehler i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB nicht vorliegt688. 227 Mit Rücksicht darauf ist von einer Beschaffenheitsangabe auszugehen, wenn die Parteien bei einer Miet-

erhöhung eine größere Wohnfläche zugrunde gelegt haben, weil die Fläche in diesem Fall Berechnungsgrundlage ist689. Im Gegensatz zum Mieter690 kann der Vermieter Fehler zu seinen Gunsten nicht über § 313 Abs. 2 BGB korrigieren691. Auch die nur mittelbare Regelung einer Wohnfläche durch Angabe eines Quadratmeterpreises neben der monatlichen Grundmiete ist grundsätzlich eine bloße Beschaffenheitsangabe692. Das Gleiche gilt, wenn die Flächenangabe des Vermieters im Zusammenhang mit der Regelung des Umlagemaßstabes erfolgt693. 228 Wann vorvertragliche Angaben die Qualität einer Beschaffenheitsvereinbarung erreichen, ist einzelfall-

abhängig. Enthält der Mietvertrag keine Größenangabe, wurde die Wohnung aber mit einer bestimmten Größe annonciert694 oder dem Mieter die Größe telefonisch angegeben, reicht dies zur Annahme einer (konkludenten) Sollbeschaffenheitsvereinbarung über die Fläche nicht aus695. Wurde dem Mieter aber zusätzlich eine Flächenberechnung vor Vertragsschluss übergeben, soll die Größe der Wohnung (stillschweigend) Vertragsinhalt geworden sein, weil der Mieter seine Entscheidung über die Anmietung regelmäßig von derartigen Angaben abhängig macht696. Das Gleiche gilt, wenn die Parteien über die Wohnfläche verhandelt und Einigkeit erzielt haben697. Beschränkt sich die Mitteilung an den Mietinte681 682 683 684 685 686 687 688 689 690 691 692 693 694 695 696 697

AG Hamburg-Altona v. 11.5.2015 – 314a C 210/14, ZMR 2015, 936. OLG Düsseldorf v. 17.11.2011 – 24 U 56/11, MietRB 2012, 137 = GE 2012, 616 = DWW 2012, 212. LG Berlin v. 13.3.2015 – 65 S 477/14, IMR 2015, 360. So AG Münden v. 23.3.1989 – 3 C 854/88, ZMR 1990, 25; Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 536 BGB Rz. 29. Börstinghaus, Flächenabweichung, Rz. 170. BGH v. 10.11.2010 – VIII ZR 306/09, MDR 2011, 20 = MietRB 2011, 36 = WuM 2011, 11. BGH v. 24.3.2004 – VIII ZR 133/03, WuM 2004, 268; BGH v. 22.4.2009 – VIII ZR 86/08, MDR 2009, 860 = MietRB 2009, 221 = WuM 2009, 344; BGH v. 8.7.2009 – VIII ZR 218/08, MDR 2009, 1156 = MietRB 2009, 316 = NJW 2009, 2880; LG Berlin v. 13.3.2015 – 65 S 477/14, IMR 2015, 360. OLG Düsseldorf v. 16.1.2003 – 10 U 182/01, ZMR 2005, 943. Hanseatisches OLG Hamburg v. 5.5.2000 – 4 U 263/99, WuM 2000, 348; a.A. AG Frankfurt v. 31.8.2017 – 33 C 864/17 (26), GE 2018, 333. AG Frankfurt v. 31.8.2017 – 33 C 864/17 (26), GE 2018, 333. BGH v. 18.11.2015 – VIII ZR 266/14, MDR 2016, 76 = MietRB 2016, 29 = GE 2016, 49 = WuM 2016, 34 unter Aufgabe von BGH v. 7.7.2004 – VIII ZR 192/03, MDR 2004, 1232 = MietRB 2004, 313 = WuM 2004, 485. LG Gießen v. 8.10.2003 – 1 S 243/03, MDR 2004, 147 = ZMR 2004, 114. LG Osnabrück v. 18.12.2008 – 12 T 800/08, WuM 2010, 416. Allein die Angaben in einem Inserat sollen nicht ausreichen: AG München v. 16.12.2013 – 424 C 10773/13, ZMR 2014, 552 = IMR 2014, 376. LG München v. 21.1.2016 – 31 S 23070/14, MietRB 2016, 62 = IMR 2016, 101 (Börstinghaus). BGH v. 23.6.2010 – VIII ZR 256/09, MDR 2010, 916 = MietRB 2010, 289 = WuM 2010, 480. AG Bad Segeberg v. 7.4.2014 – 17 C 268/13, WuM 2014, 476 = ZMR 2015, 557.

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B. Wohnraummiete | Rz. 231 § 536

ressenten und späteren Mieter bei der Besichtigung aber auf eine handschriftliche Notiz mit den Eckdaten des Angebots (Miethöhe, Nebenkosten und Gesamtfläche 60 m2), beinhaltet dies jedenfalls keine vorvertraglich verpflichtende Zusicherung698. Eine Beschaffenheitsvereinbarung wird dennoch anzunehmen sein, weil der Mieter nur anhand der Fläche den Quadratmeterpreis ermitteln und damit das Angebot des Vermieters mit anderen vergleichen kann. Deshalb hat es auch im Verhältnis der Parteien rechtsgeschäftliche Bedeutung. Die Flächenangabe im Mietvertrag verliert ihre Bedeutung, wenn zwischenzeitlich eine Mieterhöhung 228a nach § 558 BGB auf der Grundlage der tatsächlichen Fläche durchgeführt wurde. Dazu ist der Vermieter verpflichtet699. Hat er sich daran gehalten, beschränkt sich die Verfolgung der Gewährleistungsrechte auf die davor liegende Zeit700, weil mit Eintritt der Mieterhöhung die tatsächliche Fläche Berechnungsgrundlage der Miete ist. Eine Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit kommt nicht mehr in Betracht (§ 536 BGB Rz. 105f). b) Grundlage der Flächenermittlung Auf welche Räume sich die Größenangabe bezieht, ist grundsätzlich der Beschreibung der Mietsache 229 im Mietvertrag701 bzw. den Vereinbarungen der Parteien702 zu entnehmen. Das gilt auch bei Gewerberaum, insbesondere wenn die beschriebenen Räume ohne Einschränkung von einer dem Mietvertrag beigefügten Grundrisszeichnung erfasst werden703. Damit kommen (beim Gewerberaum) u.U. auch Flächen zur Anrechnung, die vom Mieter nicht alleine genutzt werden. Wird eine Wohn- und Nutzfläche von 175,09 m2 vermietet und beläuft sich die reine Wohnfläche auf 151,96 m2, kann sich der Mieter nicht auf eine relevante (Wohn-)Flächenabweichung berufen704. Ebenso kommt keine Kürzung in Betracht, wenn sich die Miete nicht nur auf die Wohnung, die die zu geringe Fläche aufweist, bezieht, sondern auch auf „Nebengebäude“705 oder einen Hobbyraum im Keller, der über eine lichte Höhe von 2 m verfügt und über eine Treppe von der Erdgeschosswohnung aus zu erreichen ist706. Eine auch von anderen Mietern genutzte Treppenhausdiele gehört grundsätzlich nicht zur Wohnflä- 230 che707. Das Gleiche gilt für Flächen, die der Mieter selbst hergestellt hat708. Kleinstflächen von Türnischen und Nischen für Heizkörper etc. bleiben bei der Wohnflächenberechnung außer Betracht709. Sie sind nur in dem nach § 43 Abs. 5 II.BV bzw. § 3 Abs. 3 WoFlV relevanten Umfang anzurechnen. In der Beschreibung der Mietsache aufgeführte Räume, die öffentlich-rechtlich nicht als Wohnraum 231 zugelassen sind, sind in der Flächenberechnung zu berücksichtigen710. Dies gilt erst recht, wenn sie beheizbar sind711. Denn für diese Räume kann nichts anderes gelten wie für die Flächen, die nach dem Vertrag zu Wohnzwecken vermietet sind, aber einer öffentlich-rechtlichen Nutzungsbeschränkung unterliegen. Dieser Umstand wird nach den Grundsätzen, die für öffentlich-rechtliche Mängel gelten (vgl. § 536 BGB Rz. 194 ff.), gehandhabt712. Ein Wegfall dieser Flächen kommt frühestens in Betracht, wenn eine Behörde einschreitet.

698 699 700 701 702 703 704 705 706 707 708 709 710 711 712

LG Dortmund v. 4.11.2010 – 11 S 133/10, InfoM 2010, 536. BGH v. 18.11.2015 – VIII ZR 266/14, MDR 2016, 76 = MietRB 2016, 29 = GE 2016, 49 = WuM 2016, 34. Horst, DWW 2018, 364 (366). BGH v. 16.12.2009 – VIII ZR 39/09, MDR 2010, 376 = MietRB 2010, 102 = WuM 2010, 150. LG Berlin v. 4.7.2017 – 63 S 289/16, GE 2017, 890. KG v. 5.2.2009 – 12 U 122/97, GE 2009, 516. LG Berlin v. 11.11.2011 – 63 S 149/11, GE 2011, 1183. AG Neuruppin v. 5.3.2009 – 46 C 158/08, GE 2011, 489. AG Charlottenburg v. 27.9.2018 – 232 C 67/18, GE 2018, 1529. AG Hamburg-Altona v. 10.2.2011 – 318 C 231/10, GE 2011, 1312. AG Schöneberg v. 18.7.2007 – 102 C 606/05, MietRB 2009, 65 = MM 2007, 335 (Galerie). Vgl. auch AG Brandenburg v. 14.7.2011 – 31 C 102/09, WuM 2011, 485. BGH v. 16.12.2009 – VIII ZR 39/09, MDR 2010, 376 = MietRB 2010, 102 = WuM 2010, 150. AG Hamburg-Altona v. 9.5.2012 – 319a C 328/11, ZMR 2012, 778. BGH v. 16.9.2009 – VIII ZR 275/08, MDR 2009, 1383 = MietRB 2009, 346 = NJW 2009, 3421; kritisch dazu Heix, WuM 2009, 706.

Lützenkirchen | 445

§ 536 Rz. 232 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln 232 Eine Diele, die auch von anderen Mietern mitbenutzt wird, soll auch dann nicht zur Wohnfläche zählen,

wenn im Mietvertrag auf die „Gesamtmietfläche“ abgestellt wurde713. Dies setzt aber ein entsprechendes Auslegungsergebnis voraus. Im Zweifel ist es der Dispositionsfreiheit der Parteien überlassen, die relevanten Räume selbst zu bestimmen weil die Regeln der §§ 42 ff. II. BV, 1 ff. WoFlV insoweit keine allgemeine Verbindlichkeit genießen. Deshalb kann ein von dem Mieter durch Aufstellen von Möbeln genutzter Teil des Treppenhauses, der separat zugänglich und durch eine Türe abgetrennt ist, zu der nur der Mieter einen Schlüssel hat, in der Regel zur Wohnfläche hinzugerechnet werden714. Das Gleiche gilt für eine Abseite der Küche, der als Wirtschaftsraum genutzt wird715. c) Erheblichkeitsgrenze (10 %)

233 Ist die Flächenvereinbarung unzutreffend, begründet eine Abweichung von mehr als 10 % zum Nachteil

des Mieters nach ständiger Rechtsprechung des BGH eine Minderung716. Im Hinblick auf die Minderung von der Gesamt- oder Bruttomiete setzt der BGH Korrektive über die Qualität der Einzelflächen bei einem einheitlichen Mietvertrag (Abweichung bei vermieteter Kellerfläche neben Ladengeschäft)717 oder über die Art der Wohnung (große Dachterrasse)718 an. Ansonsten ist die Festlegung der 10 %-Schwelle durchgehend starr. 234 Diese „starre“ Schwelle zur Minderung erfährt mittlerweile selbst von ihren Erfindern Kritik719. Den-

noch setzt der BGH seine Rechtsprechung fort720, was auch in der Rechtsprechung721 und Literatur Unterstützung findet722. Immerhin kann sie sich an § 559 Abs. 5 S. 2 BGB und § 559b Abs. 2 BGB orientieren. Auch wenn der BGH für die Praxis Rechtsicherheit und Praktikabilität herbeigeführt hat, muss kritisch gewürdigt sein, dass für die Besonderheiten des Einzelfalls wenig Flexibilität bleibt. Insoweit hilft es im Ergebnis nicht weiter, die 10 %-Grenze als (widerlegliche) Vermutung zu bewerten723. Wie im übrigen Bereich des Mietrechts, wo auch Minderungsquoten von 2 % und 3 % trotz der Erheblichkeitsschwelle des § 536 Abs. 1 S. 3 BGB zur Anwendung kommen, sollte auch bei der Flächenabweichung für jeden Einzelfall geprüft werden, ob eine erhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung vorliegt.

235 Die Erheblichkeitsgrenze von 10 % gilt auch dann, wenn der Mietvertrag zur Größe der Wohnung nur

eine „ca.“-Angabe enthält724. Die durch einen solchen Zusatz angedeutete Toleranz ist im Interesse der Praktikabilität und der Rechtssicherheit jenseits einer Abweichung von 10 % nicht mehr gerechtfertigt725, wobei der Zusatz auch keine Bedeutung bei der Bemessung der Minderungshöhe gewinnt726.

713 714 715 716

717 718 719 720 721 722 723 724 725 726

AG Hamburg-Altona v. 10.2.2011 – 318C C 231/10, ZMR 2011, 556. AG Bonn v. 18.4.2012 – 203 C 55/11, MietRB 2012, 225. AG Bergisch Gladbach v. 4.7.2014 – 63 C 251/12, ZMR 2015, 37. BGH v. 24.3.2004 – VIII ZR 2957/03, NJW 2004, 1947; BGH v. 24.3.2004 – VIII ZR 44/03, MDR 2004, 933 = NJW 2004, 2230; BGH v. 23.5.2007 – VIII ZR 231/06, MDR 2007, 1183 = MietRB 2007, 258 = NJW 2007, 2624; BGH v. 23.5.2007 – VIII ZR 138/06, MDR 2007, 1185 = MietRB 2007, 221 = MietRB 2007, 222 = NJW 2007, 2626; BGH v. 16.9.2009 – VIII ZR 275/08, MietRB 2009, 346 = MDR 2009, 1383 = NJW 2009, 3421; BGH v. 28.10.2009 – VIII ZR 164/08, MietRB 2010, 35 = MDR 2010, 75 = NJW 2010, 292; BGH v. 24.3.2004 – VIII ZR 133/03, WuM 2004, 268; BGH v. 28.9.2005 – VIII ZR 101/04, WuM 2005, 712; BGH v. 16.12.2009 – VIII ZR 39/09, MDR 2010, 376 = MietRB 2010, 102 = WuM 2010, 150; vgl. dazu Börstinghaus, Flächenabweichungen, Rz. 336 f. BGH v. 18.7.2012 – XII ZR 97/09, MDR 2012, 1152 = MietRB 2012, 317 = WuM 2012, 550. Vgl. z.B. BGH v. 24.3.2004 – VIII ZR 44/03, MDR 2004, 933 = NJW 2004, 2230. Beyer, NJW 2010, 1025 (1030); ebenso Derleder, WuM 2010, 202; Ghassemi-Tabar/Leo, II. Rz. 129. Vgl. z.B. BGH v. 18.7.2012 – XII ZR 97/09, MDR 2012, 1152 = MietRB 2012, 317 = WuM 2012, 550; BGH v. 2.3.2011 – VIII ZR 209/10, MDR 2011, 474 = MietRB 2011, 137 = GE 2011, 542 = WuM 2011, 213 = ZMR 2011, 542. AG Dortmund v. 26.11.2013 – 425 C 7773/12, ZMR 2014, 370 = Info M 2013, 531. Börstinghaus, Flächenabweichung, Rz. 381. Börstinghaus, Flächenabweichung, Rz. 386. BGH v. 24.3.2004 – VIII ZR 133/03, WuM 2004, 268; BGH v. 22.4.2009 – VIII ZR 86/08, MDR 2009, 860 = MietRB 2009, 221 = WuM 2009, 344; BGH v. 8.7.2009 – VIII ZR 218/08, MDR 2009, 1156 = MietRB 2009, 316 = NJW 2009, 2880. BGH v. 24.3.2004 – VIII ZR 133/03, WuM 2004, 268. BGH v. 10.3.2010 – VIII ZR 144/09, MDR 2010, 617 = MietRB 2010, 158 = WuM 2010, 240.

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B. Wohnraummiete | Rz. 239 § 536

Allerdings soll durch die ca.-Angabe die Vereinbarung der Sollbeschaffenheit scheitern, wenn durch die nachfolgende Aufführung der vermieteten Räume der räumliche Umfang der Wohnung bestimmt wird und geregelt ist, dass die Angabe allein der Beschreibung und nicht zur Festlegung des Mietgegenstandes dient727 (vgl. § 536 BGB Rz. 226). Liegt die Abweichung im Bereich bis 10 %, ist die Annahme eines Mangels nicht ausgeschlossen. Inso- 236 weit besteht allerdings noch kein Grund zur Abweichung von der starren Grenze von mehr als 10 % wegen einer geringen Unterschreitung (hier: 9,9767 %)728. Vielmehr muss der Mieter zusätzliche Umstände anführen, die die Annahme einer erheblichen Gebrauchsbeeinträchtigung rechtfertigen729. Dies soll allerdings der Intention des BGH widersprechen730. d) Inhalt der Wohnfläche aa) Grundsatz Wird im Mietvertrag der Begriff „Wohnfläche“ verwendet, ist auch bei frei finanziertem Wohnraum 237 grundsätzlich die Auslegung gerechtfertigt, dass sich der Inhalt anhand der für den preisgebundenen Wohnraum geltenden Bestimmungen bemessen soll. Nichts anderes soll bei gemischt genutzten Objekten gelten, wenn keine abweichende Vereinbarung getroffen wurde731. Dementsprechend soll die Wohnfläche für Mietverhältnisse aus der Zeit vor dem 1.1.2004 grundsätzlich aufgrund der §§ 42 f. II. BV, für Mietverhältnisse jüngeren Datums nach der WoFlV zu ermitteln sein732. Voraussetzung ist, dass keine speziellere Regelung (vgl. § 536 BGB Rz. 240) eingreift. Zwar bestimmt § 42 S. 1 II. BV, dass die bis zum 31.12.2003 erfolgte Festlegung der Wohnfläche grund- 238 sätzlich fortgilt, so dass die zum 1.1.2004 aufgehobenen §§ 43 f. II. BV insoweit weitere Geltung haben. Dies soll aber nur die Festlegung im konkreten Mietverhältnis betreffen. Im Nachfolgemietvertrag, der nach dem 31.12.2003 geschlossen wird733, müssen die Parteien die Fortgeltung der vorliegenden Berechnung auf der Grundlage der §§ 42 ff. II. BV vereinbaren, um die Geltung der WoFlVauszuschließen. Eine Umstellung im laufenden Mietvertrag auf die Bestimmungen der WoFlV soll erfolgen, wenn nach dem 31.12.2003 bauliche Veränderungen durchgeführt werden, § 42 S. 2 II. BV. Dabei muss es sich um bauliche Veränderungen handeln, die eine Neubewertung der Wohnfläche erfordern. Das soll etwa bei dem erstmaligen Anbau eines Balkons oder der Erweiterung eines solchen Bauteils der Fall sein734. Die zeitliche Zäsur, die der BGH vornimmt735, kann nicht ohne Kritik bleiben. § 1 WoFlV stellt für die 239 unmittelbare Geltung der WoFlV darauf ab, ob eine Förderung nach dem WoFG stattgefunden hat. Da die Bewilligung der öffentlichen Mittel in der Regel vor der Errichtung des Gebäudes stattfindet, zeigt sich, dass die Anwendbarkeit der WoFlV in keinem Zusammenhang mit dem Abschluss von Mietverträgen steht. Sofern eine generelle Festlegung auf ein Regelwerk im preisfreien Wohnraum überhaupt notwendig ist, ist auf die Bezugsfertigkeit des Gebäudes abzustellen. Dieser Bezugspunkt für die Festlegung der Sollbeschaffenheit gilt bei Gebäudemängeln ansonsten generell (vgl. § 536 BGB Rz. 98). Abgesehen davon ist mit der Einführung der WoFlV zum 1.1.2004 nicht nur die in der II. BVenthaltene Unterscheidung zwischen Rohbau- und Fertigmaßen weggefallen, sondern auch das Korrektiv von 3 % für das Rohbaumaß. Darin kommt zum Ausdruck, dass bei älteren Aufmaßen Ungenauigkeiten von vornherein einzukalkulieren waren. Alte Flächenberechnungen werden aber nicht dadurch besser, dass der Mietvertrag nach dem 31.12.2003 abgeschlossen wurde. Vielmehr wird im Zweifel nicht nur der Vermieter auf

727 AG Tempelhof-Kreuzberg v. 7.7.2014 – 11 C 545/13, GE 2014, 1345. 728 AG Dortmund v. 26.11.2013 – 425 C 7773/12, ZMR 2014, 370 = Info M 2013, 531. 729 KG v. 5.2.2009 – 12 U 122/07, MDR 2009, 499, GuT 2010, 202; KG v. 15.8.2005 – 8 U 81/05, MietRB 2006, 183 = WuM 2005, 713. 730 Beyer, Info M 2013, 531. 731 LG Itzehoe v. 23.7.2013 – 11 S 17/13, ZMR 2014, 290. 732 BGH v. 23.5.2007 – VIII ZR 231/06, MDR 2007, 1183 = MietRB 2007, 258 = NJW 2007, 2624; BGH v. 24.3.2004 – VIII ZR 44/03, MDR 2004, 933 = NJW 2004, 2230; LG Berlin v. 17.1.2018 – 18 S 308/13, MDR 2018, 662 = ZMR 2018, 503 = GE 2018, 256; a.A. LG Berlin v. 19.7.2011 – 65 S 130/10, GE 2011, 1086. 733 Vgl. auch LG Hamburg v. 19.11.2012 – 311 S 50/12, ZMR 2013, 284. 734 AG Hamburg-Altona v. 17.11.2009 – 315a C 251/08, WuM 2010, 160. 735 Zustimmend: Börstinghaus, Flächenabweichung, Rz. 201.

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§ 536 Rz. 239 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln das Maß vertrauen, dass sich aus der Berechnung ergibt, die z.B. Teil der Baugenehmigung war. Im ersten Referentenentwurf zum zweiten Mietrechtsnovellierungsgesetz (MietNovG)736 war die Einführung eines § 554 BGB-E vorgesehen, der zur Anwendung der WoFlV auf die Bezugsfertigkeit abstellen sollte. Das zeigt, welche Vorstellung im Allgemeinen herrscht. bb) Ausnahmen 240 Die vorstehenden Grundsätze sind nur dann nicht anzuwenden, wenn die Parteien dem Begriff der

Wohnfläche im Einzelfall – eine abweichende Bedeutung beigemessen haben oder – ein anderer Berechnungsmodus – vereinbart737, – ortsüblich ist738 oder – nach der Art der Wohnung näher liegt739. 241 Letzteres ist nicht schon der Fall, weil ein Einfamilienhaus vermietet ist, in dem dem Mieter erhebliche

Nutzflächen im Keller zur Verfügung stehen. Hier kann die Einbeziehung in die Berechnung der Wohnfläche allerdings gerechtfertigt sein, wenn die oder einzelne Räume im Keller in der Beschreibung des Mietobjektes ausdrücklich erwähnt sind. Auch eine (zusätzliche exklusiv genutzte) Gartenfläche bietet keinen Anlass, von diesen Grundsätzen der Wohnflächenberechnung abzuweichen740. Eine abweichende Bedeutung haben die Parteien dem Flächenbegriff noch nicht beigemessen, wenn sie der Flächenangabe in einem Formularvertrag den Begriff „Mietraumfläche“ vorangestellt haben. Nach § 305c Abs. 2 BGB ist jedenfalls die ebenfalls mögliche Auslegung, es gelte der Begriff der Wohnfläche und damit die Ermittlung nach den §§ 42 ff. II. BV, im Zweifel der Bewertung zugrunde zu legen741. 242 Mit dem Begriff des ortsüblichen Berechnungsmodus ist eine bestehende örtliche Verkehrssitte, die

Wohnfläche nach einer der für die Wohnflächenberechnung in Betracht kommenden Bestimmungen – also nach den §§ 42 ff. II. BV oder der WoFlV, der DIN 283 oder der DIN 277 – zu berechnen, gemeint742. Sofern eine regionale Übung zur Berechnung der Wohnfläche auf die DIN 283 abstellt743, ist dies nicht zu beanstanden; denn der Umstand, dass die DIN 283 im Jahre 1983 zurückgezogen wurde, spricht nicht gegen ihre inhaltliche Richtigkeit744. Eine örtliche Übung – mit welchem Inhalt auch immer – muss aber festgestellt werden745.

243 Im Hinblick auf eine abweichende Vereinbarung bestehen grundsätzlich keine Beschränkungen746. Ha-

ben die Parteien ausdrücklich geregelt, dass die Wohnfläche nach den §§ 42 ff. II. BV ermittelt werden soll, kann ein Gericht diese Vereinbarung nicht als unverbindlich ansehen, weil Objekte der konkreten Art (Fachwerkhaus) regelmäßig schon wegen der fehlenden Deckenhöhe anders bewertet werden747. Vielmehr sind die Regeln der §§ 42 ff. II. BV dahin anzuwenden, dass bei mangelnder Deckenhöhe die Fläche unberücksichtigt bleibt. Sieht die Vereinbarung der Parteien vor, dass die Wohn- und Nutzflächen (endgültig) durch einen Sachverständigen vermessen werden, liegt darin ein Leistungsbestim736 https://www.grundeigentum-verlag.de/download/referentenentwurf_mietrechtsnovelle_2.pdf. 737 BGH v. 23.5.2007 – VIII ZR 138/06, MDR 2007, 1185 = MietRB 2007, 221 (222) = WuM 2007, 450. 738 So z.B. BGH v. 11.7.1997 – V ZR 246/96, MDR 1997, 1012 = WPM 1997, 2176 für den Stuttgarter Raum oder LG München I v. 16.11.2005 – 14 S 5926/05, WuM 2006, 91 für den Münchner Raum; in Hamburg gibt es keine ortsübliche Methode: LG Hamburg v. 10.11.2012 – 311 S 50/12, ZMR 2013, 284. 739 Vgl. z.B. BGH v. 24.3.2004 – VIII ZR 44/03, MDR 2004, 933 = NJW 2004, 2230. 740 BGH v. 28.10.2009 – VIII ZR 164/08, MDR 2010, 75 = MietRB 2010, 35 = WuM 2009, 732. 741 BGH v. 21.10.2009 – VIII ZR 244/08, MDR 2010, 139 = MietRB 2010, 35 = WuM 2010, 27 = NZM 2010, 80. 742 BGH v. 24.3.2004 – VIII ZR 44/03, MDR 2004, 933 = NJW 2004, 2230. 743 So z.B. BGH v. 11.7.1997 – V ZR 246/96, MDR 1997, 1012 = WPM 1997, 2176 für den Stuttgarter Raum oder LG München I v. 16.11.2005 – 14 S 5926/05, WuM 2006, 91 für den Münchner Raum. 744 Vgl. BGH v. 24.3.2004 – VIII ZR 44/03, MDR 2004, 933 = NJW 2004, 2230 m.w.N.; Schmidt-Futterer/Langenberg, nach § 556a BGB Rz. 3. 745 Für Hamburg besteht keine Übung: AG Hamburg v. 20.8.2014 – 49 C 174/13, IMR 2015, 493. 746 AG München v. 6.4.2018 – 411 C 19356/17, ZMR 2019, 38. 747 BGH v. 8.7.2009 – VIII ZR 218/08, MDR 2009, 1156 = MietRB 2009, 316 = GE 2009, 1118.

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B. Wohnraummiete | Rz. 247 § 536

mungsrecht durch einen Dritten. Demnach ist eine derartige Ermittlung für die Parteien nur dann unverbindlich, wenn sie offenbar unbillig ist, § 319 Abs. 1 BGB. Das ist noch nicht der Fall, wenn der Sachverständige für die Ermittlung der Fläche in einer gemischt genutzten Immobilie einheitlich die WoFlV anwendet748. Bei einem Streit über den Anrechnungsfaktor für einen Balkon oder eine Dachterrasse (Mieter 25 %, 244 Vermieter 50 %) kommt es ebenfalls zunächst auf die vertraglichen Regelungen an. Wird danach der Anrechnungsfaktor (vorformuliert) mit 50 % festgelegt, liegt darin nicht ohne weiteres eine unangemessene Benachteiligung des Mieters i.S.v. § 307 BGB749. Im Übrigen kann insbesondere dann kein Mangel angenommen werden, wenn in einem Exposé die Wohnung mit einem Grundriss, in dem zusätzlich die – zutreffende – Größe der einzelnen Räume angegeben ist, dargestellt ist und sich die Flächenabweichung letztlich nur aus einer unterschiedlichen Bewertung des Ansatzes für eine Freifläche (hier: Dachterrasse) ergibt750. Auch bei einem Einfamilienhaus kann sich ergeben, dass die Parteien der Angabe der Fläche keine Bedeutung beigemessen haben, so dass eine Minderung bei Flächenabweichung ausscheidet751. Im Grundsatz ist aber davon auszugehen, dass die Festlegung des Vermieters über den Anrechnungs- 245 maßstab einer Freifläche (Balkon, Terrasse) nach den §§ 42 ff. II. BV oder der WoFlV (z.B. mit 50 %) durch den Mieter oder ein Gericht nicht überprüfbar bzw. angreifbar ist752. Denn die Festlegung dient im unmittelbaren Anwendungsbereich der Vorschriften der Festlegung der Kostenmiete, die durch die Bewilligungsbehörde genehmigt wird. Eine Änderung im konkreten Mietverhältnis würde also dazu führen, dass der Vermieter die Kostenmiete nicht mehr vollständig umlegen kann. Eine andere Berechnungsweise kommt nur in Betracht, wenn die Parteien z.B. durch ausdrückliche 246 Vereinbarung dem Flächenbegriff einen anderen Inhalt bzw. ein abweichendes Verständnis beigemessen haben. Das kann etwa dadurch zum Ausdruck kommen, dass sie einen anderen Begriff als die Wohnfläche verwenden. In diesen Fällen muss durch Auslegung ermittelt werden, ob dadurch eine andere als die durch die bekannten Regelwerke vorgegebene Berechnung der Fläche der Wohnung erfolgen sollte753. Ein abweichendes Auslegungsergebnis wird noch nicht dadurch herbeigeführt, dass in einem Formularvertrag auf eine „Mietraumfläche“ abgestellt wird. Im Hinblick auf § 305c Abs. 2 BGB ist im Zweifel auf die Bewertung nach den §§ 42 f. II. BV zurückzugreifen754. Das Gleiche soll für die „Gesamtmietfläche“755 oder „Größe“ als Beschaffenheitsvereinbarung gelten756. Dagegen soll „Mietfläche“ keine Deutung als Wohnfläche zulassen und auch Kellerflächen erfassen757. Bei der Verwendung des Begriffs der Grundfläche soll eine Verkehrssitte dafür sprechen, dass die Fläche der Wohnung ohne Abzüge heranzuziehen ist758. Dafür sprechen die §§ 43 Abs. 1 II. BV, 3 Abs. 1 WoFlV. Beruht die Flächenangabe im Mietvertrag auf einer tatsächlichen Berechnung (z.B. aus der Baugeneh- 247 migung), besteht sogar eine Vermutung, dass sie Grundlage der Beschaffenheitsvereinbarung werden sollte. Dies gilt erst recht, wenn sich der Mieter keine konkreten Vorstellungen über eine Art der Flächenberechnung gemacht hat und die vom Vermieter stammende Flächenangabe tatsächlich auf der Basis eines anderen Regelwerks (z.B. DIN 277) ermittelt wurde759. Denn es ist lebensfremd anzunehmen, der Vermieter wolle der Angabe der Fläche eine andere Bedeutung beimessen, als sie durch die ihm vorliegende Flächenberechnung dokumentiert ist. Immerhin spricht eine Vermutung dafür, dass kein Bau nach den Planungsunterlagen exakt hergestellt wird. Dieses Phänomen wird heute durch moderne

748 LG Itzehoe v. 23.7.2013 – 11 S 17/13, ZMR 2014, 290. 749 AG Bergisch Gladbach v. 29.8.2014 – 60 C 26/14, ZMR 2015, 381. 750 BGH v. 22.2.2006 – VIII ZR 219/04, MDR 2006, 861 = MietRB 2006, 209 = WuM 2006, – VII ZR 219/04; LG Hamburg v. 1.7.2004 – 307 S 52/04, NZM 2005, 103. 751 AG Hamburg-Bergedorf v. 29.1.2008 – 409 C 325/07, ZMR 2008, 547. 752 BGH v. 22.4.2009 – VIII ZR 86/08, MDR 2009, 860 = MietRB 2009, 221 = WuM 2009, 344. 753 Börstinghaus, Flächenabweichungen, Rz. 211. 754 BGH v. 21.10.2009 – VIII ZR 244/08, MDR 2010, 139 = MietRB 2010, 35 = WuM 2010, 27. 755 AG Hamburg-Altona v. 9.5.2012 – 319a C 328/11, ZMR 2012, 778. 756 LG Berlin v. 22.12.2009 – 63 S 121/09, GE 2010, 549. 757 AG Tempelhof-Kreuzberg v. 28.7.2008 – 6 C 123/08, GE 2008, 1267. 758 Börstinghaus, Flächenabweichung, Rz. 200. 759 LG Trier v. 2.11.2005 – 1 T 60/05, WuM 2006, 376.

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§ 536 Rz. 247 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln Messeinrichtungen in einfacher Weise aufgedeckt. Dies macht deutlich, dass alte Flächenberechnungen, auf deren Richtigkeit ein Vermieter vertraut, den heutigen Anforderungen nicht gerecht werden können. Dies spiegelt sich auch im Unterschied zwischen den § 42 ff. II. BV und der WoFlV wider. Denn nicht nur die noch in der II. BVenthaltene Unterscheidung zwischen Rohbau- und Fertigmaßen ist weggefallen, sondern auch das Korrektiv von 3 % für das Rohbaumaß. 248 Eine Anwendung der §§ 42 ff. II. BV oder der WoFlV kommt nicht in Betracht, wenn die Parteien aus-

drücklich die Geltung der DIN 277 vereinbart haben, was auch formularmäßig zulässig ist760. Doch selbst ohne eine ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung kann z.B. die DIN 277, die einen Abzug für Dachschrägen nicht vorsieht, herangezogen werden. Das setzt aber voraus, dass die vom Vermieter stammende Flächenangabe tatsächlich auf dieser Basis ermittelt wurde761. In einem Altenheim sind bei der Wohnfläche auch die anteiligen Gemeinschaftsflächen, die dem Mieter zur Verfügung stehen, zu berücksichtigen762. Erst recht sind Kellerräume oder Flächen eines „teilausgebauten Dachgeschosses“ in der Flächenangabe zu berücksichtigen, wenn die Parteien diese Räume bei der Beschreibung des Mietobjektes aufgezählt haben763. Haben die Parteien allerdings eine „Wohn-/Hobbyfläche“ mit dem Zusatz vereinbart, dass bei einer Abweichung keine Partei eine Anpassung verlangen kann, soll der Mieter nicht mindern können764. Dies erscheint aber wegen § 536 Abs. 4 BGB bedenklich. cc) Bewertung von Außen- und anderen Flächen 249 Die „allgemeinen Regeln“ des § 44 II. BV, des § 4 Nr. 4 WoFlV und der DIN 283 sehen für die Anrech-

nung von Außenflächen (Balkonen, Loggien und Dachterrassen) unterschiedliche Anrechnungsquoten vor. Während die DIN 283 eine starre Anrechnung zu ¼ vorschrieb, ließ § 44 II. BV eine Anrechnung bis zur Hälfte zu. Nach § 4 Nr. 4 WoFlV sind solche Flächen höchstens zur Hälfte, in der Regel aber mit ¼ anzurechnen. Der in § 44 II. BV erwähnte Freisitz liegt vor bei einer unmittelbar an den Wohnraum angrenzenden Fläche765. 250 Es ist nicht gerechtfertigt, die z.B. nach § 44 II. BV vom Vermieter getroffene Bestimmung zur An-

rechnung von 50 % der Außenfläche nachträglich zu korrigieren766. Denn im unmittelbaren Anwendungsbereich überlässt es die Bestimmung dem Bauherrn, die für ihn unter dem Gesichtspunkt der Wohnungsbauförderung günstigste Anrechnungsquote bis zur Hälfte zu wählen. Könnte diese Wahl nachträglich korrigiert werden, hätte dies zur Folge, dass Vermieter unter Umständen erhebliche Mietminderungen wegen Wohnflächenabweichung hinnehmen müssten, obwohl die im Mietvertrag angegebene Wohnfläche nach Maßgabe des § 44 II. BV zulässigerweise unter Anrechnung von Balkon- und Terrassenflächen bis zur Hälfte errechnet worden ist. In Berlin ist es üblich, die Fläche einer Terrasse mit 50 % anzurechnen767. 251 Zur Wohnfläche i.S.d. II. BV gehört eine Terrasse im Garten selbst dann nicht, wenn sie von drei Seiten

geschützt768 oder nicht von der Wohnung aus unmittelbar begehbar ist769. Der in § 44 Abs. 2 II. BV erwähnte Freisitz liegt vor bei einer unmittelbar an den Wohnraum angrenzenden Fläche770. Eine Gartennutzung als solche wird nicht über einen Abschlag bei der Fläche, sondern einen Zuschlag bei der Miete berücksichtigt771. In den genannten Fällen wird allerdings vorausgesetzt, dass die Parteien keinen

760 761 762 763 764 765 766 767 768 769 770 771

LG Berlin v. 4.5.2012 – 65 S 94/12, GE 2012, 1318. LG Trier v. 2.11.2005 – 1 T 60/05, WuM 2006, 376. AG Hamburg-Blankenese v. 4.1.2006 – 508 C 230/05, ZMR 2006, 782. LG Berlin v. 19.1.2007 – 63 S 241/06, GE 2007, 448. LG Berlin v. 16.1.2007 – 63 S 267/05, GE 2007, 449. BGH v. 8.7.2009 – VIII ZR 218/08, MietRB 2009, 316 = MDR 2009, 1156 = WuM 2009, 514 = ZMR 2009, 838. BGH v. 22.4.2009 – VIII ZR 86/08, MietRB 2009, 221 = MDR 2009, 860 = WuM 2009, 344 = NZM 2009, 477. LG Berlin v. 4.7.2017 – 63 S 289/16, GE 2017, 890. LG Rostock v. 17.3.2006 – 1 S 2/04, WuM 2006, 247. LG Landau v. 11.11.2014 – 1 S 67/14, MietRB 2015, 230 = ZMR 2015, 317; AG Hamburg v. 31.8.2006 – 49 C 572/05, WuM 2007, 405. BGH v. 8.7.2009 – VIII ZR 218/08, MDR 2009, 1156 = MietRB 2009, 316 = GE 2009, 1118. BGH v. 28.10.2009 – VIII ZR 164/08, MDR 2010, 75 = MietRB 2010, 35 = WuM 2009, 732.

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B. Wohnraummiete | Rz. 254 § 536

davon abweichenden Wohnflächenbegriff bei Abschluss des Mietvertrages zugrunde gelegt haben, was im Zweifel durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln ist772. Insoweit ist es z.B. grundsätzlich möglich, dass die Parteien bei der Vermietung einer Maisonettewohnung allein die Grundfläche als Maßstab vereinbaren. Die §§ 42 ff. II. BV sind aber in jedem Fall anwendbar, wenn die Parteien das ausdrücklich vereinbaren, und zwar auch, wenn das Objekt vor dem Inkrafttreten der Vorschriften (z.B. 17. Jahrhundert) errichtet wurde773. Diese Regelungen können dazu führen, dass der Berechnung der Wohnfläche in einem Gebäude unter- 252 schiedliche Maßstäbe zugrunde gelegt werden. Dies ist kein (ausreichender) Grund, die vertraglichen Festlegungen aus Gründen der Vereinheitlichung zu korrigieren. Dies ist bereits in der WoFlV selbst vorgesehen. Immerhin sieht § 4 Nr. 4 WoFlV selbst vor, dass die Balkonflächen nicht nur bis 25 %, sondern auch bis zur Hälfte angesetzt werden können, ohne vorzuschreiben, dass bei unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen ein einheitlicher Maßstab gilt. Es ist auch keine andere Anspruchsgrundlage ersichtlich, durch die der Einheitlichkeit der Berechnungsweise in einem Gebäude ein Vorrang eingeräumt wird bzw. werden könnte. Selbst bei der Abrechnung von Betriebskosten kann eine Korrektur der Abrechnung erst verlangt werden, wenn die Flächenabweichung mehr als 10 % beträgt bzw. der angewendete Umlagemaßstab zu einer krassen Unbilligkeit führt (vgl. § 556a BGB Rz. 70). e) Rechtsfolge bei Flächenabweichung aa) Minderung der Miete Als Rechtsfolge der Flächenabweichung kommt zunächst die Minderung in Betracht. Deren Höhe folgt 253 grundsätzlich dem Verhältnis der voneinander abweichenden Flächen und berechnet sich nach der Bruttomiete774. Die Gesamtmiete bleibt auch dann in der Regel Basis für die Berechnung des Minderungsbetrages, wenn in der Miete – nicht separat ausgeworfene – andere Teile der Mietsache berücksichtigt sind (z.B. Möblierungszuschlag775). Ob die Miete als solche ortsüblich ist, ist unerheblich776. Eine Ausnahme soll aber gelten, wenn (einheitlich) Räume von verschiedener Qualität (z.B. Laden und Keller) vermietet sind und sich die Flächenabweichung einem bestimmten Teil eindeutig zuordnen lässt. Dann soll die Minderung nur nach dem Mietanteil, der auch die tangierte Fläche entfällt, berechnet werden können777. Diese Konstellation ist auch in der Wohnraummiete denkbar. Insbesondere bei einheitlichen Mietverträgen über eine Wohnung und eine Garage sind die unterschiedlichen Qualitäten relevant. Deshalb kann eine Flächenabweichung in der Wohnung auf der Grundlage der Gesamtmiete abzüglich der Garagenmiete berechnet werden778. Dies gilt selbst dann, wenn die Garagenmiete nicht separat ausgewiesen ist. Insoweit ist der kalkulatorische Ansatz des Vermieters oder die ortsübliche Miete für eine vergleichbare Garage/Stellplatz maßgeblich. Andere Korrekturen der Berechnungsweise von der Gesamtmiete sind nicht gerechtfertigt. Insbeson- 254 dere kann die Miete nicht neu bewertet werden, z.B. unter Zugrundelegung der Werte des Mietspiegels für die geringere Fläche779. Soweit mitvermietete Teile der Mietsache (z.B. Garten) durch einen Zuschlag auf die ortsübliche Vergleichsmiete berücksichtigt werden, spiegelt sich diese Bewertung in der Quadratmetermiete wieder. Deshalb ist ein Vorwegabzug von der Gesamtmiete für ein solches Wohnwertmerkmal nicht zulässig780.

772 BGH v. 23.5.2007 – VIII ZR 138/06, MDR 2007, 1185 = MietRB 2007, 221 (222) = WuM 2007, 450. 773 BGH v. 8.7.2009 – VIII ZR 218/08, MDR 2009, 1156 = MietRB 2009, 316 = GE 2009, 1118 = ZMR 2009, 838. 774 BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 347/04, MDR 2006, 197 = MietRB 2005, 281 (282) = NJW 2005, 2773 = WuM 2005, 573 (unter II 1b); vgl. BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 225/03, MDR 2005, 979 = MietRB 2005, 202 = BGHZ 163, 1, 6. 775 BGH v. 2.3.2011 – VIII ZR 209/10, MDR 2011, 474 = MietRB 2011, 137 = GE 2011, 542 = WuM 2011, 213 = ZMR 2011, 542. 776 LG Berlin v. 13.3.2015 – 65 S 477/14. 777 BGH v. 18.7.2012 – XII ZR 97/09, MDR 2012, 1152 = MietRB 2012, 317 = WuM 2012, 550. 778 AG Steinfurt v. 5.3.2009 – 4 C 310/08, WuM 2009, 227. 779 BGH v. 23.6.2010 – VIII ZR 256/09, MDR 2010, 916 = MietRB 2010, 289 = WuM 2010, 480. 780 BGH v. 28.10.2009 – VIII ZR 164/08, MDR 2010, 75 = MietRB 2010, 35 = WuM 2009, 732.

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§ 536 Rz. 255 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln 255 Die (rückwirkende) Minderung ist durch § 536c BGB nicht ausgeschlossen. Denn es handelt sich um

einen unbehebbaren Mangel, der nicht angezeigt werden muss781. Auch § 536b BGB steht einem Bereicherungsanspruch in der Regel nicht entgegen. Denn die dafür notwendige Kenntnis des Mieters von der Flächenabweichung liegt grundsätzlich erst vor, wenn der Mieter die Fläche nachgemessen hat782. Insoweit ist es ausreichend, dass der Mieter die konkreten Längen, Breiten und Höhen kennt. Dafür, dass der Mieter kurz nach Bezug der Wohnung Kenntnis von einer Wohnflächenabweichung hat, soll eine Vermutung sprechen, weil er regelmäßig schon wegen der Einrichtung der Wohnung die von ihm bewohnten Räume ausmisst783. Dies ist zweifelhaft. Abgesehen davon, dass das Ausmessen allenfalls als Regelfall gelten kann, wenn ein Oberboden verlegt worden ist, muss eine derartige Maßnahme auch nicht die Fläche der gesamten Wohnung zu Tage bringen. Denn die Nassräume (Küche, Bad, WC) werden häufig nicht mit zusätzlichem Oberboden ausgestattet. Im Übrigen ist die Berechnung der Balkonfläche für den Mieter schwierig. Deshalb kann die Vermutung keinen Bestand haben und eine Kenntnis erst angenommen werden, wenn tatsächlich die Fläche nachgemessen wurde. Dies ist dann auch für den Verjährungsbeginn nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB relevant. Hier liegt, solange der Mieter nicht nachgemessen hat, grundsätzlich auch keine grobe Fahrlässigkeit vor784. Denn eine Pflicht oder Obliegenheit zum Nachmessen besteht nicht785. Das Gegenteil kann aber gelten, wenn der Mieter bereits in der Wohnung gelebt hat und die tatsächliche Fläche (hier: 21 qm) mehr als die Hälfte geringer ist als die vereinbarte Fläche (hier: 50 qm)786. An § 814 BGB kann ein Bereicherungsanspruch erst scheitern, wenn der Mieter nicht nur Kenntnis von der Flächenabweichung, sondern auch von der daraus resultierenden Rechtslage hatte. Davon kann vor Begründung der Rechtsprechung des BGH zur Flächenabweichung im Jahre 2004 nicht ausgegangen werden. bb) Minderung der Betriebskosten 256 Auch die Betriebskostenabrechnungen sind rückwirkend zu korrigieren787. Bei der Berechnung an-

hand des Flächenschlüssels ist die Flächendifferenz auch bei der Gesamtfläche zu berücksichtigen788. Der Einwendungsausschluss steht der nachträglichen Korrektur generell nicht entgegen. Denn in der Regel hat der Mieter bei Zugang der Abrechnungen in der Vergangenheit keine Kenntnis von der Flächenabweichung. Eine Fahrlässigkeit der Versäumung der Einwendungsfrist kann nicht angenommen werden, da es nicht zu der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt des Mieters i.S.v. § 276 BGB gehört, ohne besondere Anhaltspunkte bei der Belegprüfung auch die Wohnflächenberechnungen zu überprüfen. 257 Neben der Flächenkorrektur wird das Abrechnungsergebnis in Höhe der Minderungsquote gekürzt. In-

soweit findet keine doppelte Anrechnung statt. Denn während die Korrektur die Richtigstellung der (ggf. vereinbarten) Abrechnungsmodalitäten herbeiführt, trägt § 536 BGB dem Gedanken Rechnung, dass der Vermieter nicht die vertragsgemäße Leistung zur Verfügung stellt. I.S.d. Gleichbehandlung kann eine Abrechnung nach dem (korrekten) Flächenschlüssel nicht anders behandelt werden als die Abrechnung nach einem anderen Schlüssel (z.B. dem Personenschlüssel). cc) Fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB 258 Da die Flächenabweichung einen erheblichen Mangel begründet, kann der Mieter gemäß § 543 Abs. 1

Nr. 1 BGB außerordentlich fristlos kündigen789. Das Kündigungsrecht wird nicht durch den Gebrauch der Mietsache verwirkt oder ausgeschlossen, weil der Mieter mit der Nutzung zum Ausdruck bringt, mit

781 AG Köln v. 22.6.2005 – 203 C 109/05, WuM 2006, 109. 782 LG Krefeld v. 7.11.2012 – 2 S 23/12, MietRB 2013, 33 = WuM 2012, 674; AG Koblenz v. 26.3.2015 – 152 C 3763/14, WuM 2015, 443. 783 AG Bonn v. 18.4.2012 – 203 C 55/11, MietRB 2012, 225; Börstinghaus, NJW 2011, 3546. 784 LG München I v. 19.12.2013 – 31 S 6768/13, GE 2014, 744 = IMR 2014, 103. 785 AG Koblenz v. 26.3.2015 – 152 C 3763/14, WuM 2015, 443. 786 AG Bad Segeberg v. 7.4.2014 – 17 C 268/13, IMR 2014, 241. 787 AG Brandenburg v. 28.6.2013 – 31 C 279/11, ZMR 2014, 44. 788 AG Hamburg-Altona v. 10.2.2011 – 318C C 231/10, ZMR 2011, 556. 789 BGH v. 4.5.2005 – XII ZR 254/01, MietRB 2005, 259 = MDR 2005, 975 = ZMR 2005, 612 = GuT 2005, 163.

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B. Wohnraummiete | Rz. 264 § 536

der Fläche zurechtzukommen oder einverstanden zu sein790. Denn sowohl eine Verwirkung als auch eine einvernehmliche Konzentration der Mietsache auf die überlassene Fläche setzt die Kenntnis des Mieters von der Flächenabweichung voraus. Diese ist aber erst gegeben, wenn der Mieter die Fläche nachgemessen hat791. dd) Teilweise Rückforderung der Mietsicherheit Die Flächenabweichung begründet einen unbehebbaren Mangel. Denn mit der Übergabe i.S.v. § 535 259 Abs. 1 BGB wird die Mietsache räumlich auf die überlassene Fläche konzentriert. Eine Erweiterung der Fläche (z.B. durch Balkonanbau) ist nur durch eine Veränderung der Mietsache möglich. Umso mehr ist es gerechtfertigt, die Flächenabweichung so zu behandeln wie eine von Anfang an (teil- 260 weise) unwirksame Vereinbarung über die Miete (z.B. nach § 5 WiStrG). Wäre aber von Anfang an die richtige Miete vereinbart worden, wäre auch die Mietsicherheit in geringerer Höhe vereinbart worden. Dies gilt jedenfalls ohne Weiteres, wenn die Grenze des § 551 BGB voll ausgeschöpft wurde. Deshalb kommt auch eine entsprechende Kürzung der Mietsicherheit in Betracht792. ee) Schadensersatz des Mieters Da die fehlerhafte Wohnfläche einen anfänglichen Mangel darstellt, besteht grundsätzlich die Garantie- 261 haftung nach § 536a Abs. 1 Variante 1 BGB. Daneben kommt die Verschuldenshaftung (§ 536a Abs. 1 Variante 2 BGB in Betracht, wenn die falsche Flächenangabe mindestens auf einer Fahrlässigkeit des Vermieters beruht. Die Verzugshaftung scheidet aus, weil der Mangel „fehlende Fläche“ unbehebbar ist. Als Schaden des Mieters kommen zumindest die Mangelfeststellungskosten (z.B. Kosten der Flächen- 262 berechnung durch einen Architekten) und die Rechtsverfolgungskosten in Betracht. ff) Schadensersatz des Vermieters wegen falscher Mängelanzeige Es ist anerkannt, dass ein unberechtigtes Mangelbeseitigungsverlangen eine zum Schadensersatz ver- 263 pflichtende schuldhafte Vertragsverletzung darstellen kann, wenn der Anzeigende erkannt oder fahrlässig nicht erkannt hat, dass ein Mangel nicht vorliegt, sondern die Ursache des Symptoms, hinter dem er einen Mangel vermutet, in seinem eigenen Verantwortungsbereich liegt793. Allerdings fehlt es an einem Verschulden des Mieters nach § 276 BGB, wenn er die Wohnung selbst vermisst und damit im Rahmen seiner Möglichkeiten geprüft hat, ob eine Wohnflächenabweichung vorliegt794. Das ist jedenfalls anzunehmen, wenn der Mieter gleichzeitig darauf hinweist, dass die exakte Wohnungsgröße wegen der Schwierigkeiten bei der Vermessung (Schrägen, Winkel) erst durch einen Gutachter festgestellt werden könne. Von dem Mieter eine weitergehende Überprüfung der von ihm vermuteten Wohnflächenabweichung zu verlangen, würde die an einen nicht mit der Rechtslage vertrauten Mieter zu stellenden Sorgfaltsanforderungen überspannen. Bleibt somit bei der Mängelanzeige ungewiss, ob tatsächlich ein Mangel vorliegt, dürfen Mängelrechte geltend gemacht werden, ohne Schadensersatzansprüche befürchten zu müssen, auch wenn sich das Verlangen im Ergebnis als unberechtigt herausstellt795.

III. Rechtsmangel Einen Rechtsmangel i.S.d. § 536 Abs. 3 BGB begründen grundsätzlich nur private Rechte Dritter. Öf- 264 fentlich-rechtliche Beschränkungen und Verbote, die an die Beschaffenheit der Sache oder an deren BGH v. 29.4.2009 – VIII ZR 142/08, MDR 2009, 793 = MietRB 2009, 189 = WuM 2009, 349. LG Krefeld v. 7.11.2012 – 2 S 23/12, MietRB 2013, 33 = WuM 2012, 674. BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 347/04, MDR 2006, 197 = MietRB 2005, 281 = WuM 2005, 573. BGH v. 23.1.2008 – VIII ZR 246/06, MDR 2008, 373 = NJW 2008, 1147. BGH v. 22.9.2010 – VIII ZR 285/09, MDR 2010, 1373 = MietRB 2010, 350 = WuM 2010, 688 = GE 2010, 1613. 795 BGH v. 23.1.2008 – VIII ZR 246/06, MDR 2008, 373 = NJW 2008, 1147 Rz. 13; vgl. ferner BGH v. 16.1.2009 – V ZR 133/08, MDR 2009, 438 = NJW 2009, 1262 Rz. 20.

790 791 792 793 794

Lützenkirchen | 453

§ 536 Rz. 264 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln Beziehungen zur Umwelt anknüpfen, sind als Sachmängel einzuordnen (vgl. § 536 BGB Rz. 194), können aber ausnahmsweise, falls nämlich in keiner Weise an Beschaffenheit und Lage der Mietsache angeknüpft wird, Rechtmängel sein796. 1. Dingliche Rechte 265 Die Rechte Dritter können dinglicher oder schuldrechtlicher Natur sein. Zu den Rechten Dritter

i.S.d. § 536 Abs. 3 BGB zählen insbesondere – Eigentum, – Nießbrauch, – beschränkt persönliche Dienstbarkeiten797, – Nutzungsregelungen beim Wohnungseigentum798, – Besitz, – Räumungs- und Herausgabeansprüche nach § 546 Abs. 2 BGB799, – der Beseitigungsanspruch der Wohnungseigentümer nach § 1004 BGB bei Vermietung von Teileigentum, weil die Störung nach der Teilungserklärung nicht hinzunehmen ist800. 266 Wann die Rechte entstanden sind, ob sie von Anfang an bestanden haben oder erst nachträglich ent-

standen sind, ist für die Anwendung des § 536 Abs. 3 BGB ohne Belang801. 267 Eine Haftung des Vermieters für Rechtsmängel tritt nicht schon dann ein, wenn Rechte Dritter entste-

hen, sondern erst dann, wenn der Dritte von seinem Recht Gebrauch macht und dadurch dem Mieter den Gebrauch entzieht802 oder von vornherein verhindert, dass der Mieter die Sache überhaupt in Gebrauch nimmt803. Diese Ausgestaltung der Rechtsmängelhaftung ist Ausdruck der ebenfalls nur schuldrechtlichen Stellung des Mieters, der keine Schmälerung seiner Rechte hinnehmen muss, solange ihm der Dritte den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache nicht streitig macht. Für einen Gebrauchsentzug in diesem Sinne ist weder die tatsächliche Durchsetzung noch die gerichtliche Geltendmachung der Rechte des Dritten nötig, noch ist erforderlich, dass sich der Mieter dem Recht des Dritten beugt und den Mietgebrauch tatsächlich unterlässt804: Es genügt vielmehr, dass der Dritte seine Rechte in gebrauchsbeeinträchtigender Weise geltend macht, das heißt, von seiner das Gebrauchsrecht des Mieters beeinträchtigenden Befugnis Gebrauch macht805, z.B. Räumung und Herausgabe806 oder Unterlassung des Mietgebrauchs verlangt oder auch nur die Geltendmachung seiner Rechte androht807. 268 Vor diesem Hintergrund weist die untervermietete Sache noch keinen Rechtsmangel auf, wenn der

Hauptvermieter das Hauptmietverhältnis vor Ablauf des Untermietvertrags wirksam kündigt. Dies ändert sich aber in dem Moment, in dem der Hauptvermieter dem Untermieter die Geltendmachung

796 BGH v. 9.7.1976 – V ZR 256/75, NJW 1976, 1888. 797 BGH v. 2.11.1988 – VIII ZR 7/88, MDR 1989, 248 = ZMR 1989, 59. 798 BGH v. 29.11.1995 – XII ZR 230/94, MDR 1996, 355 = NJW 1996, 714; BGH v. 18.1.1995 – XII ZR 30/93, NJW-RR 1995, 715. 799 BGH v. 30.10.1974 – VIII ZR 69/73, NJW 1975, 44; OLG Hamm v. 26.8.1987 – 30 REMiet 1/87, MDR 1987, 1025 = ZMR 1987, 462; OLG Düsseldorf v. 18.8.1989 – 15 U 156/88, ZMR 1989, 417. 800 BGH v. 18.1.1995 – XII ZR 30/93, ZMR 1995, 480 = DWW 1995, 279 = NJW-RR 1995, 715. 801 BGH v. 30.10.1974 – VIII ZR 69/73, NJW 1975, 44; BGH v. 7.3.1990 – VIII ZR 25/89, MDR 1990, 815 = ZMR 1990, 212; OLG Düsseldorf v. 15.10.1987 – 10 U 46/87, ZMR 1988, 22; Sonnenschein, NJW 1990, 17 (20); a.A. RG v. 21.12.1906 – Rep. III 157/06, RGZ 65, 29, 33; Hilger, ZMR 1988, 41 ff. 802 BGH v. 4.10.1995 – XII ZR 215/94, MDR 1996, 252 = NJW 1996, 46; BGH v. 30.10.1974 – VIII ZR 69/73, NJW 1975, 44. 803 BGH v. 15.2.1961 – VIII ZR 183/59, NJW 1961, 917. 804 OLG Hamm v. 26.8.1987 – 30 REMiet 1/87, MDR 1987, 1025 = ZMR 1987, 462; BGH v. 30.10.1974 – VIII ZR 69/73, NJW 1975, 44. 805 BGH v. 2.11.1988 – VIII ZR 7/88, MDR 1989, 248 = ZMR 1989, 59. 806 BGH v. 4.10.1995 – XII ZR 215/94, MDR 1996, 252 = NJW 1996, 46; OLG Düsseldorf v. 18.8.1989 – 15 U 156/88, ZMR 1989, 417. 807 BGH v. 18.1.1995 – XII ZR 30/93, DWW 1995, 279.

454 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 273 § 536

seiner Rechte ernsthaft in Aussicht stellt, weil dann für den Untermieter der ungestörte Mietgebrauch nicht mehr gewährleistet ist808. 2. Obligatorische Rechte (Doppelvermietung) Als obligatorisches Recht kommt die Doppelvermietung in Betracht (vgl. auch Vor § 535 BGB Rz. 8). 269 Voraussetzung ist, dass das dauerhafte Recht eines Dritten der Erfüllung des Mietvertrages entgegensteht. Das ist in der gegebenen Konstellation der Fall, wenn über ein Mietobjekt zwei (wirksame) Mietverträge bestehen809. Dies führt nicht zur Unwirksamkeit eines oder beider Verträge. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Vermieter im Rahmen seiner grundrechtlich (Art. 2 GG) geschützten Vertragsfreiheit das Recht hat, mehrere Mietverträge abzuschließen. Hat der Vermieter noch keinem der beiden Mieter die Mietsache überlassen, kann kein Mieter die Über- 270 lassung an den jeweils anderen Mieter im Wege der einstweiligen Verfügung verhindern810. Denn damit würde der Vermieter auf unbestimmte Zeit in der Vermietung blockiert, obwohl von vornherein feststeht, dass er nur einen Vertrag erfüllen kann und dem anderen Mieter Schadensersatz leisten muss811. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Vermieter in den Besitz, den er dem anderen Mieter überlassen will, durch verbotene Eigenmacht gekommen ist812. Ist das Besitzrecht des Dritten nicht wirksam, z.B. weil der Mietvertrag (wirksam) gekündigt wurde und 271 ggf. die Kündigungsfrist abgelaufen ist, liegt kein Rechtsmangel, sondern ein Fall der (ggf. vorübergehenden) Unmöglichkeit i.S.d. § 275 BGB vor, wenn der bisherige Mieter nicht auszieht813 (vgl. Vor § 536 BGB Rz. 34). Bei einer Doppelvermietung von Gewerberaum kommt ein Anspruch des nichtbesitzenden (Erst-)Mie- 272 ters gegen den Vermieter auf Herausgabe der durch die weitere Vermietung erzielten Miete nach § 285 BGB jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn der (nichtbesitzende) Mieter die Mietsache nicht in der Weise hätte nutzen dürfen wie der Zweitmieter. Insoweit fehlt es an der gemäß § 285 BGB erforderlichen Identität zwischen geschuldetem Gegenstand und dem, für den Ersatz erlangt worden ist814. Einer Klage auf Erfüllung des Mietvertrags (Einräumung des Mietbesitzes) fehlt nicht das Rechts- 273 schutzbedürfnis, solange damit zu rechnen ist, dass der Vermieter trotz des Besitzes des anderen Mieters leisten kann815 oder wenn Vermieter und besitzender Mieter planmäßig zusammengewirkt haben, um den anderen Mieter um seine Rechte zu bringen (§ 826 BGB). Steht aber endgültig fest, dass auch ein Titel nicht erfüllt werden kann, also die Zwangsvollstreckung erfolglos verlaufen wird, wird die Klage unzulässig. Das ist z.B. der Fall, wenn der Vermieter vortragen und beweisen kann, dass der besitzende Mieter auch nicht gegen Zahlung einer Abfindung bereit ist auszuziehen, und ein Kündigungsgrund nicht besteht.

808 OLG Hamm v. 26.8.1987 – 30 REMiet 1/87, MDR 1987, 1025 = ZMR 1987, 462. 809 BGH v. 12.7.2006 – XII ZR 178/03, MietRB 2006, 316 = MietRB 2006, 320 = MDR 2007, 78 = NZM 2006, 699; BGH v. 11.12.1961 – VIII ZR 46/61, ZMR 1962, 175. 810 KG v. 7.9.2017 – 8 W 47/17, GE 2017, 1220; OLG Hamm v. 15.10.2003 – 30 U 131/03, NZM 2004, 192 m.w.N.; a.A. OLG Düsseldorf v. 4.10.1990 – 10 U 93/90, NJW-RR 1991, 137. 811 Wie hier: OLG Hamm v. 15.10.2003 – 30 U 131/03, NZM 2004, 192; OLG Frankfurt v. 28.8.1996 – 17 W 22/ 96, MDR 1997, 137 = ZMR 1997, 22 mit abl. Anm. Wichert, ZMR 1997, 16; a.A. Kluth/Grün, NZM 2002, 473; differenzierter Ulrici, ZMR 2002, 881 ff.; s. auch OLG Düsseldorf v. 4.10.1990 – 10 U 93/90, NJW-RR 1991, 137; zum Prioritätsgrundsatz bei gegenläufigen Rechtsbehelfen im Falle der Doppelvermietung s. KG v. 10.2.2003 – 22 U 300/02, MDR 2003, 955 = NZM 2003, 439. 812 OLG Celle v. 12.10.2007 – 2 U 152/07, MDR 2008, 445 = ZMR 2008, 288. 813 BGH v. 10.11.1982 – VIII ZR 252/81, MDR 1983, 394 = NJW 1983, 446; OLG Düsseldorf v. 18.9.1997 – 10 U 93/96, NZM 1999, 24; OLG Frankfurt v. 28.8.1996 – 17 W 22/96, MDR 1997, 137 = ZMR 1997, 22; OLG München v. 10.5.1996 – 21 U 4875/95, ZMR 1996, 493. 814 BGH v. 10.5.2006 – XII ZR 124/02, MietRB 2006, 215 = MDR 2006, 1396 = WuM 2006, 535 = NZM 2006, 538. 815 BGH v. 11.12.1961 – VIII ZR 46/61, MDR 1962, 398.

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§ 536 Rz. 274 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln

IV. Minderung 274 Ist die Mietsache mit einem Mangel i.S.d. § 536 Abs. 1 BGB behaftet, ist der Mieter für die Zeit, während

derer die Tauglichkeit aufgehoben oder gemindert ist, von der Entrichtung der Miete ganz oder teilweise befreit. Diese teilweise oder vollständige Befreiung von der Mietzahlungspflicht tritt automatisch ein, solange die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache herabgesetzt oder aufgehoben ist816. Der Mieter muss sich nicht auf Minderung berufen817. Allerdings ist § 536c BGB zu beachten. 1. Rechtsnatur der Minderung 275 Das Recht auf Mietminderung ist seiner rechtlichen Natur nach – anders als das Recht zur Kaufpreis-

minderung – kein Gestaltungsrecht, sondern bewirkt kraft Gesetzes eine Änderung der Vertragspflicht818. Prozessual handelt es sich um eine sog. Einwendung, die also von Amts wegen zu berücksichtigen ist. Klagt also z.B. der Vermieter Miete ein und ergibt sich aus seinem Vortrag eine mangelbedingte Gebrauchsbeeinträchtigung, ist die dadurch bedingte Mietminderung auch bei Säumnis des beklagten Mieters zu berücksichtigen819. Der Angabe eines Minderungsbetrages oder eines bestimmten Prozentsatzes bedarf es nicht820. 2. Umfang der Minderung

276 Aufgrund eines Mangels hat der Mieter nach § 536 Abs. 1 S. 2 BGB nur eine angemessen herabgesetzte

Miete zu entrichten. Durch die Minderung soll die von den Vertragsparteien festgelegte Gleichwertigkeit zwischen den beiderseitigen Leistungen bei einer Störung auf der Vermieterseite wiederhergestellt werden821. Welche Herabsetzung der Miete angemessen ist, richtet sich nach der Schwere des Mangels und der dadurch bewirkten Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit der vermieteten Sache822. 277 Im Hinblick auf die Realisierung des Äquivalenzprinzips (§ 536 BGB Rz. 8) wird durch § 536 BGB ein

Automatismus angeordnet. Danach reduziert sich die Miete grundsätzlich unabhängig vom Willen der Parteien, sobald ein erheblicher Mangel der Mietsache vorliegt. In anderen europäischen Rechtsordnungen (z.B. in Spanien vgl. Art. 1484CC) wird dem Mieter dagegen aufgebürdet, die vereinbarte Miete weiterzuzahlen und bei einem Mangel im Wege des Schadensersatzes vorzugehen823. 278 Die Minderung der Miete tritt unabhängig davon ein, ob der Vermieter den Mangel zu vertreten hat

oder nicht, ob die Mangelursache in seinem Einflussbereich liegt824, ob ihm die Beseitigung des Mangels möglich ist825 und ob der Mieter die Mietsache, wäre sie gebrauchstauglich gewesen, überhaupt genutzt hätte826. 279 Vorbehaltlich der §§ 536b, 536c BGB ist eine Minderung der Miete ausgeschlossen, wenn und soweit

der Mieter den Mangel selbst zu vertreten hat. Dabei ist kein Vertretenmüssen i.S.v. § 276 BGB erforder-

816 BGH v. 26.10.1994 – VIII ARZ 3/94, MDR 1995, 142 = NJW 1995, 254; BGH v. 29.10.1986 – VIII ZR 144/ 85, MDR 1987 312 = NJW 1987, 432. 817 BGH v. 12.6.1985 – VIII ZR 142/84, ZMR 1985, 403. 818 BGH v. 27.2.1991 – XII ZR 47/90, NJW-RR 1991, 779. 819 Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3241. 820 KG v. 13.7.2015 – 8 W 45/15, MDR 2016, 264 = MietRB 2016, 71 = GE 2015, 1594 = ZMR 2016, 862; Sternel, Mietrecht aktuell, 4, Rz. VIII 271 ff. 821 BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 225/03, MDR 2005, 979 = MietRB 2005, 202 = BGHZ 163, 1, 6 = NJW 2005, 1713 (1714). 822 Staudinger/Emmerich, § 536 BGB Rz. 57 m.w.N. 823 Schlüter/Ross, S. 68. 824 BGH v. 27.2.1991 – XII ZR 47/90, NJW-RR 1991, 779; BGH v. 29.10.1986 – VIII ZR 144/85, MDR 1987, 312 = NJW 1987, 432 (433); BayObLG v. 4.2.1987 – RE-Miet 2/86, MDR 1987, 498 = NJW 1987, 1950. 825 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 262. 826 BGH v. 29.10.1986 – VIII ZR 144/85, MDR 1987, 312 = NJW 1987, 432; BGH v. 11.2.1958 – VIII ZR 12/57, NJW 1958, 785.

456 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 283 § 536

lich. Es reicht aus, wenn der Mangel aus dem Risikobereich des Mieters stammt827. Das ist z.B. bei Feuchtigkeit der Fall, die auf falsches Lüftungs- und Heizverhalten des Mieters zurückzuführen ist, aber auch wenn die mangelnde Versorgung der Wohnung mit Strom darauf beruht, dass der Mieter die Abschläge an den Versorger nicht bezahlt hat828. Nimmt der Vermieter die Mietsache (vollständig) in Besitz, um einen Mangel beheben zu lassen, gilt 280 die Gebrauchstauglichkeit für die Dauer der Mängelbeseitigung als aufgehoben; der Mieter ist während dieser Zeit von der Entrichtung der Miete befreit, § 537 BGB829. Die Miete ist grundsätzlich (taggenau) nur für die Zeit gemindert, in der die Gebrauchstauglichkeit der 281 Mietsache beeinträchtigt ist830, sofern sich der Zeitraum nicht wegen unterlassener Mängelanzeige nach § 536c BGB verkürzt. Demnach muss ggf. eine weitere Quotierung stattfinden. Hat z.B. für zwei Tage ein Heizungsausfall stattgefunden, ist der Minderungsbetrag auf 2/30 (bzw. 2/28 oder 2/31) beschränkt. Andererseits kann die Minderung nicht damit verhindert werden, dass z.B. bei einem Heizungsausfall der Mieter verpflichtet wird, Radiatoren aufzustellen, solange der Vermieter sich nicht gleichzeitig verpflichtet, die zusätzlichen Kosten zu übernehmen831. Hat der Mieter die Miete ungekürzt und ohne Vorbehalt geleistet, kommt als weitere zeitliche Be- 281a schränkung § 814 BGB in Betracht, sofern der Mieter rückwirkend mindert (vgl. § 536c BGB Rz. 45a). Eine rückwirkende Minderung ist in Hinblick auf § 556b Abs. 1 BGB oder entsprechende Vertragsklauseln stets zulässig, wenn der Mangel nach Zahlung der Miete eintritt. In dieser Situation kann der Mieter zwangsläufig die Minderung für den laufenden Monat erst realisieren, wenn die nächste Mietzahlung fällig wird, also im folgenden Monat832. Nimmt er dieses Recht nicht wahr, ist er für die Zukunft nach § 814 BGB ausgeschlossen, wenn dessen Voraussetzungen vorliegen. Das Recht zur Minderung kann auch entfallen, wenn der Mieter eine Mängelbeseitigung verhindert 281b (§ 535 BGB Rz. 712 f.). Dem steht es gleich, dass der Mieter einen vereinbarten Termin zur Besichtigung der Wohnung grundlos absagt, der der Vorbereitung der Mängelbeseitigung dienen sollte. a) Vollständige Aufhebung der Gebrauchstauglichkeit Für die Zeit der völligen Gebrauchsuntauglichkeit der Mietsache entfällt die Verpflichtung zur Miet- 282 zahlung, § 536 Abs. 1 S. 1 BGB. Selbst bei einer völligen Zerstörung bleibt der Mietvertrag aber bestehen. Eine Beendigung findet grundsätzlich nur durch Kündigung statt, weil § 275 BGB nicht gilt (vgl. Vor § 536 BGB Rz. 27). Ob eine vollständige Gebrauchsuntauglichkeit vorliegt, muss im Einzelfall geprüft werden. Maßstab ist 283 der Vertragszweck. Kann die danach vorausgesetzte Nutzung nicht mehr stattfinden, ist die Gebrauchstauglichkeit aufgehoben. Insoweit ist aber Vorsicht geboten: allein das Auftreten giftiger Substanzen und eine Überschreitung der einschlägigen Grenzwerte, muss eine Wohnung z.B. nicht unbewohnbar machen. Die Annahme einer Unbewohnbarkeit in solchen Fällen würde darauf hinauslaufen, dass der Mieter kostenfrei wohnen könnte833. Abgesehen davon ist zu prüfen, ob der Mieter durch eigene geeignete Maßnahmen (z.B. Lüften) die Auswirkungen reduzieren kann834. Dabei kann auch zu berücksichtigen

827 BGH v. 15.12.2010 – VIII ZR 113/10, MDR 2011, 216 = MietRB 2011, 102 = WuM 2011, 97 = GE 2011, 261 = NZM 2011, 198 = ZMR 2011, 371. 828 BGH v. 25.10.2011 – VIII ZR 125/11, MietRB 2012, 2 = MDR 2011, 1464 = WuM 2011, 700 = GuT 2011, 298. 829 BGH v. 29.10.1986 – VIII ZR 144/85, MDR 1987, 312 = NJW 1987, 432. 830 BGH v. 15.12.2010 – XII ZR 132/09, MietRB 2011, 105 = MDR 2011, 149 = ZMR 2011, 372 = NZM 2011, 153. 831 KG v. 21.2.2000 – 8 U 2216/97, MDR 2000, 1006. 832 LG Berlin v. 4.4.2016 – 65 S 45/16, WuM 2016, 348; LG Köln v. 29.3.2012 – 1 S 176/11, Beck RS 2012, 17154; Flatow, NZM 2017, 273. 833 LG Berlin v. 13.1.2003 – 61 S 152/02, GE 2003, 884; LG Lübeck v. 6.11.1997 – 14 S 135/97, ZMR 1998, 433 = NZM 1998, 190. 834 BGH v. 15.1.2013 – VIII ZR 411/12, GE 2013, 609 = GuT 2013, 8; LG München v. 6.12.2012 – 14 S 12138/12, NZM 2013, 508; LG Berlin v. 13.1.2003 – 61 S 152/02, GE 2003, 884; LG Lübeck v. 6.11.1997 – 14 S 135/97, ZMR 1998, 433.

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§ 536 Rz. 283 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln sein, dass der Mieter im Rahmen seiner privaten Lebensführung Möbel in der Wohnung aufstellt, die regelmäßig bei Auftreten jedenfalls von typischen Baumängeln in der Wohnung stehen bleiben. Diese Teilnutzung kann z.B. mit 30 % angesetzt werden835. Außer in den Fällen der völligen Zerstörung kommt eine Reduzierung der Miete auf Null neben den im Anhang § 536 BGB aufgeführten Fällen z.B. in Betracht bei – einem über mehrere Tage währenden Heizungsausfall im Winter836, – ständiger Durchfeuchtung der Außenwände, Rattenbefall im Umfeld der Wohnung837, – Verwendung von giftigen Insektiziden zur Bekämpfung einer Käferplage in der Wohnung, die lt. Hersteller nicht in Wohn-/oder Schlafräumen angewendet werden dürfen838, – emittierenden Holzschutzmitteln in Holzdecke839, – Austausch der Wohnungseingangstür im Wege einer Notmaßnahme ohne Aushändigung der neuen Schlüssel840, – völliger Umgestaltung der Wohnung durch Neueinzug einer Decke, Neuverlegung der elektrischen Leitungen, Küche wegen Verlegung von Leitungen und Neuplattierung nicht nutzbar, Heizkörper aus Verankerung gerissen841, – Verweigerung des Zugangs zur Wohnung für den Lebensgefährten des Mieters durch Vermieter; Erlaubnis- und Kontrollvorbehalt im Hinblick auf Schlüsselaushändigung an Mieter842, – behördlicher Untersagungsverfügung wegen Verstoß der Nutzung gegen Bauordnungsvorschriften843, – Schimmel in der Wohnung mit nachgewiesener Auswirkung auf Gesundheit (Lungenentzündung mit Bauchfellbeteiligung)844, – Überschwemmung der Kellerwohnung, so dass Umzug in Hotel erforderlich; Wohnung liegt im hochwassergefährdeten Gebiet; unterbliebener Hinweis des Vermieters bei Einzug845. 283a Hat der Mieter während der Aufhebung der Tauglichkeit die Wohnung verlassen, muss der Vermieter

nach Wiederherstellung des vertragsgemäßen Zustandes dem Mieter die Weiternutzung anbieten, um seinen Mietzahlungsanspruch zu erhalten846. b) Teilweise Aufhebung der Gebrauchstauglichkeit 284 Während der Zeit einer mangelbedingten Gebrauchsbeeinträchtigung hat der Mieter nur eine ange-

messen herabgesetzte Miete zu zahlen, § 536 Abs. 1 S. 2 BGB. Die angemessene Herabsetzung wird in der Praxis – schon immer – durch Anwendung einer Quote ermittelt. Dies hat den Gesetzgeber der Mietrechtsreform in 2001 veranlasst, die (komplizierte) Verweisung auf die damaligen Vorschriften zur Berechnung der Minderung beim Kaufvertrag entfallen zu lassen. Stattdessen soll der Richter im Wege der Schätzung nach § 287 ZPO verfahren können847.

835 LG München v. 6.12.2012 – 14 S 12138/12, NZM 2013, 508; LG Berlin v. 13.1.2003 – 61 S 152/02; GE 2003, 884; siehe auch BGH v. 15.1.2013 – VIII ZR 411/12, GE 2013, 609 = GuT 2013, 8. 836 OLG Dresden v. 18.6.2002 – 5 U 260/02, ZMR 2003, 346; LG Berlin v. 10.1.1992 – 64 S 291/91, GE 1993, 263; LG Hamburg v. 15.5.1975 – 7 O 80/74, WuM 1976, 10. 837 AG Potsdam v. 15.6.1995 – 26 C 533/93, WuM 1995, 534, wobei der Rattenbefall konkret festgestellt werden muss, OLG Düsseldorf v. 12.4.2016 – 24 U 143/15, GE 2016, 857. 838 AG Trier v. 14.8.2001 – 6 C 549/00, WuM 2001, 486. 839 AG Stade v. 14.3.2000 – 63 C 437/98, WuM 2000, 417. 840 OLG Düsseldorf v. 7.4.2005 – I-10 U 191/04, ZMR 2005, 705. 841 AG Köln v. 25.5.1976 – 54 C 596/74, ZMR 1980, 87. 842 LG Gießen v. 1.3.2000 – 1 S 443/99, NZM 2001, 232. 843 LG Berlin v. 11.7.2008 – 63 S 476/07, GE 2009, 452. 844 LG Berlin v. 20.1.2009 – 65 S 345/07, GE 2009, 845. 845 AG Friedberg v. 3.5.1995 – C 1326/94-11, WuM 1995, 393. 846 LG Berlin v. 8.5.2013 – 67 S 474/12, GE 2013, 944. 847 Begr. d. RefE, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Anhang Rz. 1135.

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B. Wohnraummiete | Rz. 288 § 536

Für die Höhe der Minderung sind allein die Umstände des Einzelfalles maßgebend848. Von besonde- 285 rer Bedeutung sind Schwere des Mangels sowie Grad und Dauer der Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit849. Liegen mehrere Mängel vor, sind nicht für jeden Mangel einzelne Prozentsätze zu bilden, die addiert werden. Vielmehr ist für den jeweiligen Zeitraum ein einheitlicher Prozentsatz zu ermitteln. Das kann dazu führen, dass die Summe an sich unerheblicher Mängel zu einer Minderung führt850. Bei über einen gewissen Zeitraum wiederkehrenden und wechselnden Beeinträchtigungen (z.B. von einer Baustelle) kann eine gleichbleibende durchschnittliche Minderungsquote für jede Bauphase gebildet werden851 (zu periodischen Mängeln vgl. § 536 BGB Rz. 290). Zur Berechnung der Quote werden unterschiedliche Verfahren, nämlich das Zielbaumverfahren852 285a und das Kurzverfahren für die richterliche Bestimmung der Mietzinsminderung853 diskutiert. In diesem Verfahren werden die unterschiedlichen Wertigkeiten der Funktionswerte und der Geltungswerte für einzelne Teile der Mietsache untersucht. So wünschenswert für die Praxis ein einheitliches Verfahren zur Bestimmung der Minderungsquote ist, so wenig können die bisher vorgeschlagenen Theorien alle Fälle abdecken. Denn allgemeingültige Kriterien lassen sich nicht aufstellen, weil die Minderung keine mathematische Größe darstellt, sondern sich insbesondere am Gebrauchswert der Räume und ihrer Beeinträchtigung orientiert854. Deshalb orientieren sich die Gerichte in der Praxis an vergleichbaren Fällen oder an folgenden Kriterien: – – – – – – – – –

Art und Umfang der Herabsetzung des vertragsgemäßen Gebrauchs, zeitlicher Umfang des Mangels, baulicher oder optischer Mangel, Berücksichtigung der Jahreszeit, flächenmäßiger oder quantitativer Anteil der vom Mangel betroffenen Räume, gesteigerte Qualitätsansprüche des Mieters im Hinblick auf die vereinbarte Miethöhe, Mitverursachung durch den Mieter855, Funktionswert einer Einrichtung oder eines sonstigen Teils der Wohnung, Geltungswert der einzelnen Räume.

286

Im Normalfall kann die Minderungsquote aus dem Verhältnis der tangierten Fläche zur Gesamtfläche 287 abgeleitet werden856, wobei gleichzeitig zu berücksichtigen ist, ob die tangierte Fläche durch den Mangel vollständig oder nur teilweise unbrauchbar ist. Sind also z.B. 40 % der Wohnfläche unbewohnbar, ist Ausgangspunkt der Bewertung der Minderung eine Quote von 40 %. Sind besondere Funktionsräume betroffen, die, wie z.B. die Küche, besonders häufig benutzt werden und für die Organisation der Nutzung eine besondere Bedeutung haben, kann dies eine darüber liegende Quote rechtfertigen. Bei einer untergeordneten Bedeutung kommt eine entsprechende Reduzierung in Betracht. Maßgeblich ist, dass die konkrete Minderung der Ausgleichsfunktion857 des § 536 BGB Rechnung trägt. Andererseits kann die Lebenserfahrung zeigen, dass gewisse Umstände (hier: Bauarbeiten) im und am 288 Gebäude den vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigen und daher von vornherein eine bestimmte Minderung rechtfertigen. Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn – wie z.B. bei Baulärm – eine Störung sich in ihrer Intensität unterschiedlich auswirkt. Hier kann eine einheitliche Minderungsquote für die Bauzeit, die die starken Beeinträchtigungen und die ruhigere Zeit berücksichtigt, angesetzt

848 849 850 851 852 853 854 855 856 857

OLG Karlsruhe v. 7.4.1989 – 14 U 16/86, ZMR 1990, 215. Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3247. LG Berlin v. 21.9.2015 – 18 S 272/14, GE 2015, 1534. LG München v. 27.10.2017 – 31 S 58/16, NZM 2018, 228; LG München I v. 14.1.2016 – 31 S 20691/14, MietRB 2016, 63 = NZM 2016, 237. Kamphausen, WuM 1982, 3. Isenmann, DWW 1995, 361. LG Berlin v. 15.10.2010 – 65 S 136/10, GE 2010, 1621. LG Berlin v. 15.6.2009 – 67 S 279/08, GE 2009, 1125; AG Tempelhof-Kreuzberg v. 24.4.2012 – 7 C 326/10, GE 2012, 835. LG Berlin v. 4.4.2000 – 64 S 485/99, NZM 2000, 490. Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3248.

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§ 536 Rz. 288 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln werden858. Diese wird bei Bauarbeiten im Umfeld mit 20 %859 oder bei umfangreichen Bauarbeiten mit 25 %860 für die gesamte Bauzeit angesetzt. Dabei hätte nun derjenige (in der Regel der Mieter), der eine höhere Minderung durchsetzen will, die dafür maßgeblichen Umstände vorzutragen. Soll weniger als dieser Erfahrungswert angesetzt werden, muss der dadurch Begünstigte (zumeist der Vermieter) die notwendigen Tatsachen beibringen. 288a In der Gewerberaummiete orientiert sich die Minderung nicht an den Umsatzrückgängen, sondern

ist ebenso unabhängig davon auf der Grundlage der Gebrauchsbeeinträchtigung zu ermitteln861. 289 Gleichwohl bleibt jede Berechnung einer Minderungsquote eine Einzelfallentscheidung. Das Gericht

muss eine Quote nach freier Überzeugung im Rahmen des § 287 ZPO schätzen862. Dabei muss die Minderungsquote nach der objektiven Beeinträchtigung bemessen werden; individuelle Besonderheiten sind weder zugunsten noch zum Nachteil des Mieters erheblich863. Umso mehr entsteht in der Praxis das Risiko, zu hoch oder zu niedrig zu bewerten. Selbst wenn vergleichbare Fälle herangezogen werden können, muss jeweils untersucht werden, inwieweit Besonderheiten in den veröffentlichten Entscheidungen oder im konkreten Einzelfall bestehen. Mit aller Vorsicht ist daher die im Anhang abgedruckte Minderungstabelle (vgl. Anhang zu § 536 BGB Rz. 2) anzuwenden. Sie kann lediglich als Orientierungshilfe und Fundstellennachweis dienen. c) Periodische Mängel 290 Wirkt sich ein Mangel nur periodisch in einem vorhersehbaren Zeitraum erheblich auf die Gebrauchs-

tauglichkeit der Mietsache aus (z.B. Heizungsausfall im Winter), ist die Miete auch nur in diesem Zeitraum kraft Gesetzes herabgesetzt864. Die Gegenmeinung865, die auch den latenten Mangel für ausreichend hält, verkennt, dass eine Minderung nach § 536 Abs. 1 S. 3 BGB nur bei einer erheblichen Gebrauchsbeeinträchtigung in Betracht kommt. Während der Zeit, in der die Mietsache trotz Vorliegens eines Mangels uneingeschränkt vertragsgemäß nutzbar ist, scheidet daher eine Herabsetzung der Miete aus. 291 Nach diesen Grundsätzen sind z.B. die Zustände zu bewerten, die sich nur unter bestimmten Bedin-

gungen als Abweichung von der Sollbeschaffenheit oder als Gebrauchsbeeinträchtigung darstellen. Das verunreinigte Treppenhaus kann nur als Mangel qualifiziert werden, solange es nicht gereinigt ist. Wurde gereinigt, ist der Mangel zunächst einmal behoben. Eine Abweichung von der Sollbeschaffenheit kann also erst wieder bestehen, wenn eine erneute Verunreinigung eintritt, und nicht schon deshalb angenommen werden, weil die Ursachen für die Verunreinigung weiterbestehen (z.B. nächtliches Urinieren in den Hausflur866). Auch Zuglufterscheinungen aus Fenstern wirken sich in der kalten Jahreszeit anders aus als im Frühjahr, Sommer oder Herbst, so dass unterschiedliche Minderungsquoten anzusetzen sind867. Das gilt ohne Einschränkung für periodische Mängel, die sich zeitlich klar z.B. nach Jahreszeiten oder längeren „Ruhepausen“ abgrenzen lassen.Bloße Schwankungen in der Störungsintensität einer kontinuierlich verlaufenden Beeinträchtigung (z.B. Baustellen, Geruchsbelästigungen) können durch eine pauschalierte Minderungsquote aufgefangen warden868. 858 859 860 861 862 863 864 865 866 867 868

LG Berlin v. 15.1.2019 – 67 S 309/18, GE 2019, 319 = ZMR 2019, 407. AG Köln v. 19.8.2002 – 205 C 85/02, WuM 2003, 318. LG Berlin v. 26.9.2013 – 67 S 251/13, MietRB 2013, 351 = IMR 2014, 234. LG Frankfurt v. 24.11.2016 – 2-11 S 60/16, IMR 2017, 103. OLG Düsseldorf v. 19.2.2013 – 24 U 157/12, MietRB 2013, 292 = MDR 2013, 1027 = DWW 2013, 295 = GE 2013, 1276 = ZMR 2014, 202. AG Schöneberg v. 26.8.2016 – 104 C 85/15, GE 2016, 594. BGH v. 15.12.2010 – XII ZR 132/09, MietRB 2011, 105 = MDR 2011, 149 = ZMR 2011, 372 = NZM 2011, 153; OLG Rostock v. 29.12.2000 – 3 U 83/98, OLGR 2001, 281 (282); LG Berlin v. 10.1.1992 – 64 S 291/91, ZMR 1992, 302; MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 30; Blank/Börstinghaus, § 536 BGB Rz. 34. AG Mitte v. 24.10.2012 – 7 C 90/12, GE 2012, 1703; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 325. A.A. AG Mitte v. 24.10.2012 – 7 C 90/12, GE 2012, 1703. AG Brandenburg v. 28.6.2013 – 31 C 279/11, ZMR 2014, 44 (5–10 %). BGH v. 4.9.2018 – VIII ZR 100/18, MietRB 2019, 7 = WuM 2018, 712 = GE 2018, 1456 = NZM 2018, 1018; LG München I v. 5.11.2018 – 31 S 2182/18, MietRB 2019, 34 = IMR 2019, 10 (Abramenko).

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B. Wohnraummiete | Rz. 296 § 536

Als typische periodische Mängel kommen insbesondere die Phänomene in Betracht, die sich mit den 292 Jahreszeiten entwickeln. Eine (mögliche) Überhitzung der Räume im Sommer (Anhang zu § 536 BGB Rz. 2 „Überhitzung“) wirkt nur störend, wenn sie eintritt, und kommt daher im Winter nicht als Mangel in Betracht869. Umgekehrt macht sich eine nicht (richtig) funktionierende Heizung nur im Winter und im Übrigen bei niedrigen (Außen-)Temperaturen bemerkbar. Insoweit soll sich die Minderung bei einem Heizungsausfall an der Gradtagszahltabelle orientieren können870. Richtig ist insoweit, dass auch bei einem Heizungsausfall im Winter, die Tauglichkeit nicht vollständig aufgehoben ist. Immerhin können die Möbel noch abgestellt werden, was auch zur privaten Lebensführung gehört. Die Orientierung der Gebrauchsbeeinträchtigung an der Verteilung der Heizleistungen in den einzelnen Monaten der Heizperiode, ist jedenfalls ein für § 287 ZPO geeigneter Anknüpfungspunkt. Regelmäßig muss der Mieter aber auch dafür die Monate, in denen die Heizung gelaufen ist, konkret bezeichnen. Der Hinweis auf die „Heizperiode“ ist nicht ausreichend, da zumindest im April und Oktober nicht durchgehend ein Heizbedarf bestehen muss871. Auch Klopfgeräusche, die mit dem Betrieb der Heizung oder einer sonstigen technischen Einrichtung zusammenhängen, begründen eine Minderung grundsätzlich nur in der Zeit, in der sie aufgetreten sind. Allerdings können sie eine Dauerbelastung darstellen, wenn sie unregelmäßig und in unterschiedlicher Intensität auftreten. Deshalb können sie – in dem anzusetzenden Zeitraum – durchgängig eine Minderung begründen872. Letzteres kann auch gelten, wenn immer wieder unangenehmer Geruch (muffiger Abwassergeruch) auftritt. Grundsätzlich kann eine Minderung in diesen Fällen nur in den Perioden/an den Tagen zuerkannt werden, an denen der Geruch festgestellt werden kann. Findet die Erscheinung jedoch in einer gewissen Regelmäßigkeit statt, kann eine Minderung für die gesamte Zeit anerkannt werden, die aus dem Durchschnitt der Spitzenwerte nach oben und unten gebildet wird873. Auch Kaltluft, die von einer Lüftungsanlage in die Mieträume eingespeist wird, gehört zu den periodischen Mängeln. Deren unangenehme Phänomene wirken sich regelmäßig nur in der Heizperiode aus. Das Gleiche gilt für Zuglufterscheinungen infolge Undichtigkeit oder Differenzen zwischen Außen- und Innentemperatur. Die Tatsache, dass Außenflächen (Balkone, Terrasse, Garten etc.) jahreszeitbedingt unterschiedlich ge- 293 nutzt werden, rechtfertigt allerdings keine periodisch unterschiedliche Bewertung der Minderung. Auch wenn die Flächen in den wärmeren Zeiten intensiver genutzt werden, erfüllen sie auch im übrigen Zeitraum ihren Zweck. Im Garten können Kinder spielen und Balkone können zum Lüften der Kleidung oder Abstellen von Getränken genutzt werden. Etwas anderes gilt aber bei Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft. Hier ist die Minderung zulässig 294 unabhängig davon, ob eine Gebrauchsbeeinträchtigung besteht. Mithin kann z.B. der Heizungsdefekt auch im Sommer Grundlage eine Minderung sein, wenn deren Betrieb oder die jederzeitige Möglichkeit, eine Zimmertemperatur von z.B. 22 °C zu erreichen, zugesichert wurde. d) Berechnungsgrundlage der Minderung Der tatsächliche Kürzungsbetrag wird durch Anwendung der Quote (regelmäßig in Prozent) auf die 295 Miete ermittelt. Dabei ist das Gericht im Rahmen des § 308 ZPO an keine Vorgaben der Parteien gebunden874. Allerdings kann es zweifelhaft sein, auf welche Bemessungsgrundlage (Brutto- oder Nettomiete) die Quote anzuwenden ist. Dies gilt vor allem bei einer Nettomiete, bei der die Betriebskosten als Pauschale oder Vorauszahlungen separat erhoben werden. Vereinbaren die Parteien als Mietstruktur Grundmiete und Zahlung der Betriebskosten, kann die 296 Grundmiete im Ergebnis als das Entgelt für die Überlassung der (mangelhaften) Räume angesehen werden, während die Vorauszahlungen/Pauschale in erster Linie als Ausgleich für anfallende Kosten i.S.d. §§ 1, 2 BetrKV zu bewerten sein könnten. Im Hinblick darauf könnte es nahe liegen, die Minderung

869 OLG Rostock v. 17.5.2018 – 3 U 78/16, MietRB 2018, 200 = MDR 2018, 924 = ZMR 2018, 749 = GE 2018, 876. 870 AG Dortmund v. 19.11.2013 – 425 C 5019/12, NZM 2014, 470 = IMR 2014, 61. 871 LG Osnabrück v. 11.7.2018 – 1 S 317/17, ZMR 2019, 31. 872 LG Osnabrück v. 11.7.2018 – 1 S 317/17, ZMR 2019, 31. 873 BGH v. 4.9.2018 – VIII ZR 100/18, MietRB 2019, 7 = WuM 2018, 712 = GE 2018, 1456 = NZM 2018, 1018. 874 LG Berlin v. 7.11.1996 – 61 S 180/96, WuM 1998, 28.

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§ 536 Rz. 296 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln allein nach der Nettokaltmiete zu berechnen, wenn allein der Gebrauch beeinträchtigt wird875. Soweit sich der Mangel auch auf die Beheizung auswirkt, könnte die Minderungsquote auf die Nettokaltmiete zzgl. Heizkostenvorauszahlungen berechnet werden können876. Das Gleiche könnte gelten, wenn sich die Minderung auf sonstige Nebenkosten erstreckt877. Schließlich bleibt die Variante, dass sich die Minderung von der Gesamtmiete berechnet878 oder zumindest auf die Bruttokaltmiete879 bezogen wird. 297 Der Regierungsentwurf zum Mietrechtsreformgesetz 2001880 sah in § 556 BGB noch eine Legaldefiniti-

on der Miete vor. Danach sollte die Miete neben der Grundmiete den Betrag für die Betriebskosten i.S.d. § 27 II. BV umfassen. Die am 1.9.2001 in Kraft getretene Fassung des § 556 Abs. 1 BGB geht auf die Änderung durch den Rechtsausschuss zurück, der zwar gesehen hatte, dass durch die Legaldefinition bisher bestehende Streitfragen zum Beispiel über die Berechnungsgröße der Minderung geklärt werden könnten, indessen befürchtete, dass die Regelung dafür in anderen Bereichen, wie etwa beim Mieterhöhungsverfahren, neue Streitfragen aufwerfen könnte881. 298 Auch deshalb hat der BGH entschieden, dass die Minderung nach der Bruttomiete zu berechnen ist,

und zwar sowohl bei der Gewerberaummiete als auch bei der Wohnraummiete882. Im Wesentlichen hat er dazu drei Argumente herangezogen: – Der Wortlaut von § 535 Abs. 2 BGB und § 536 BGB verwendet den Begriff Miete. Da der Gesetzgeber zum 1.9.2001 eine Vereinheitlichung des Sprachgebrauchs herbeiführen wollte, ist es nicht gerechtfertigt, einen Begriff unterschiedlich zu interpretieren. – Der Gleichheitssatz gebietet es jedenfalls dem Gesetzgeber, die gesetzlichen Bestimmungen so zu fassen, dass bei gleichem Mangel die gleiche Herabsetzung der „Miete“ herbeigeführt wird. – Es ist unpraktikabel, zu danach zu differenzieren, ob durch den Mangel auch Betriebskosten tangiert werden. Denn wird ein einheitlicher Vorauszahlungsbetrag vereinbart, ist dem Mieter der Anteil der tangierten Position (z.B. Aufzug, Heizung) an dem Gesamtbetrag der Vorauszahlungen unbekannt. 299 Diese Grundsätze sind der Ausgangspunkt für die Überlegungen, wie die verbliebenen Zweifelsfälle

zu lösen sind. 299a Hat der Mieter eine geringere Minderung durchgeführt, ist er an einer rückwirkenden höheren Min-

derung nicht gehindert. § 814 BGB steht dem solange nicht entgegen, wie er keine positive Kenntnis davon hatte, dass eine höhere Minderung gerechtfertigt war883. Nichts Anderes gilt, wenn der Mieter in der Vergangenheit die Minderung allein von der Grundmiete berechnet hat. 299b Werden Räume von verschiedener Qualität (z.B. Laden und Keller; Wohnung und Garage) einheitlich

vermietet, wird die Bemessungsgrundlage für die Minderung nicht durch die Gesamt-Bruttomiete gebildet. Vielmehr kann die Minderung nur nach dem Mietanteil, der auf die tangierte Fläche entfällt, berechnet werden884. Dazu muss im Zweifel der Mietanteil für die betroffene Fläche (einschließlich Betriebskosten) ermittelt werden, sofern er im Vertrag nicht ausgewiesen ist oder in den Vertragsgesprächen Grundlage der gemeinsamen Mietpreisbildung war.

875 OLG Koblenz v. 16.5.2002 – 5 U 1982/99, ZMR 2002, 744 (748); LG Berlin v. 16.7.2004 – 63 S 66/04, WuM 2005, 53 (für Flächenabweichung); LG Berlin v. 29.7.2002 – 61 S 37/02, MM 2002, 480; LG Berlin v. 18.9.1972 – 25 O 177/72, WuM 1972, 191; LG Berlin v. 19.6.2000 – 61 S 492/99, MM 2000, 375. 876 OLG Düsseldorf v. 7.10.1993 – 10 U 3/93, MDR 1994, 399 = NJW-RR 1994, 399. 877 LG Berlin v. 18.10.1994 – 65 S 201/93, GE 1994, 1381. 878 KG v. 13.10.2003 – 12 U 104/03, WuM 2004, 17 = NZM 2004, 70; OLG Hamm v. 24.10.1995 – 7 U 171/94, OLGR Hamm 1996, 76 = NJW-MietR 1996, 80 (82); LG Köln v. 21.7.1993 – 10 S 117/93, KM 35 Nr. 13; LG Hamburg v. 24.5.1983 – 16 S 332/82, MDR 1983, 842 = WuM 1983, 290; Kraemer, WuM 2000, 515 m.w.N. 879 LG Berlin v. 8.2.2000 – 65 S 152/99, MM 2000, 222. 880 Vgl. z.B. NZM 2000, 802 ff. 881 BT-Drucks. 14/5663, S. 79. 882 BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 347/04, MDR 2006, 197 = MietRB 2005, 281 (282) = WuM 2005, 573. 883 LG Berlin v. 1.3.2018 – 67 S 342/17, WuM 2018, 299 = GE 2018, 457; Bub/Treier/Kraemer, III 3246a; MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 31; a.A. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 354. 884 BGH v. 18.7.2012 – XII ZR 97/09, MietRB 2012, 317 = MDR 2012, 1152 = WuM 2012, 550.

462 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 305 § 536

e) Begriff der Bruttomiete Bemessungsgrundlage der Minderung nach § 536 BGB ist grundsätzlich die Bruttomiete einschließlich 300 einer Nebenkostenpauschale oder einer Vorauszahlung auf die Nebenkosten885. In der Bruttomiete können aber auch weitere Entgelte enthalten sein, die als Gegenleistung des Mieters gelten sollen. Als solche weiteren Elemente kommen in Betracht – Miete für Garage, Mansarde oder andere Mieteinheiten, insbesondere bei einheitlichen Mietverträgen, – besonders vereinbarte Entgelte für übliche Kalkulationsfaktoren der Miete (Pauschale für Schönheitsreparaturen, Verwaltungskosten etc.), – Zuschläge für Möblierung, gewerbliche Nutzung, Untervermietung etc. (vgl. § 535 BGB Rz. 302), – andere Nebenentgelte (Entgelt für Betreuungs- oder sonstige Dienstleistungen etc.). Solange für die zusätzlichen Leistungen des Vermieters keine besonderen Entgelte im Mietvertrag aus- 301 geworfen sind, ist die Minderung grundsätzlich nach dem Bruttobetrag, der sich z.B. (nur) aus Grundmiete und dem Betrag für die Betriebskosten zusammensetzt, zu berechnen. Denn dann ist der Mietwert der zusätzlichen Leistung des Vermieters (z.B. Überlassung der Wohnungseinrichtung) Teil der Kalkulation der Nettokaltmiete. Dies gilt auch, wenn im Mietvertrag z.B. besonders hervorgehoben wurde, dass das besondere Entgelt in die Grundmiete eingerechnet wurde (z.B. Abschreibung der Möbel886). Sind die besonderen Elemente nicht nur als Kalkulationsfaktor in die Mietberechnung eingeflossen, 302 sondern als solche im Mietvertrag z.B. in der Form eines Zuschlags ausgeworfen, ist zu differenzieren: Stellt das Entgelt eine Gegenleistung für den Pflichtenrahmen des Vermieters aus § 535 BGB dar, bilden auch diese Entgelte die Bemessungsgrundlage für die Minderung887. Deshalb ist auch z.B. ein Zuschlag für Schönheitsreparaturen oder gewerbliche Nutzung ebenso in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen wie ein solcher für die Möblierung. Wirkt sich der Mangel aber auf einen besonderen Teil der Mietsache nicht aus und wird dafür üblicherweise eine von der anderen Fläche abweichende Miete vereinbart, kann die Minderung aus der Bruttomiete für den tangierten Teil der Mietsache ermittelt werden888. Deshalb ist die Minderung bei einer Wohnflächenabweichung z.B. auch nicht unter Einbeziehung einer Garagenmiete zu berechnen889. Im Übrigen kommt eine Reduzierung der Bemessungsgrundlage für die Minderung in Betracht, wenn eine atypische Leistung vom Vermieter erbracht wird und das Entgelt dafür im Mietvertrag besonders ausgewiesen ist. Erbringt der Vermieter also z.B. Betreuungsleistungen, ist die Gesamtmiete um dieses Entgelt zu kürzen, um den Basisbetrag für die Minderung zu ermitteln. Zwar wird damit unter Umständen wieder die Praktikabilität der Minderung erschwert. Bei einer zu 303 hohen Minderung des Mieters, die allein auf der falschen Bewertung der tangierten Fläche beruht, wird aber in der Regel ein Rechtsirrtum vorliegen. Erbringt der Mieter (jedenfalls teilweise) anstelle der Miete eine atypische Gegenleistung etwa in Form 304 einer Dienstleistung (z.B. als Hausmeister), ist die Minderungsquote auf die Gesamtmiete anzuwenden. Ist für die atypische Gegenleistung ein Entgelt bestimmt, wird dieses Entgelt der Miete hinzugerechnet. Der daraus ermittelte Betrag wird (zunächst) von der Geldleistung in Abzug gebracht. Ist die Minderungsquote so groß, dass der Kürzungsbetrag höher ist als die Miete, die der Mieter in Geld erbringen muss, besteht grundsätzlich ein Anspruch des Mieters aus § 812 BGB auf Zahlung des Differenzbetrages. Dies gilt erst recht bei einer hundertprozentigen Minderung, wenn der Mieter seine Gegenleistung vollständig erbringt. Vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen der Parteien besteht ein Recht des Mieters, die atypische 305 Gegenleistung (teilweise) einzustellen, grundsätzlich nicht, § 266 BGB. 885 BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 347/04, MDR 2006, 197 = MietRB 2005, 281 = NJW 2005, 2773 (unter II 1a). 886 BGH v. 2.3.2011 – VIII ZR 209/10, MDR 2011, 474 = MietRB 2011, 137 = GE 2011, 542 = WuM 2011, 213 = ZMR 2011, 542. 887 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 349. 888 BGH v. 18.7.2012 – XII ZR 97/09, MDR 2012, 1152 = MietRB 2012, 317 = WuM 2012, 550. 889 AG Steinfurt v. 5.3.2009 – 4 C 310/08, WuM 2009, 227.

Lützenkirchen | 463

§ 536 Rz. 306 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln f) Verrechnung der Minderung auf die laufende Miete 306 Zur Anrechnung bzw. Verteilung des Minderungsbetrages auf die laufende Miete gibt es verschiedene

Überlegungen: Tangiert der Mangel das Gebäude nicht und auch keine sonstigen Leistungen, die im Rahmen der Betriebskostenabrechnung zu berücksichtigen sind, könnte man ohne Weiteres den Minderungsbetrag allein auf die Grundmiete anrechnen, sodass bei der Betriebskostenabrechnung die Vorauszahlungen von 200 Euro in voller Höhe anzusetzen sind. Ist von dem Mangel jedoch auch eine Betriebskostenposition (z.B. Ausfall des Aufzuges) betroffen, könnte die Auffassung vertreten werden, dass auch die Betriebskostenvorauszahlungen entsprechend gemindert sind. Demgemäß müssten im Beispiel 160 Euro auf die Grundmiete und 40 Euro auf die Betriebskostenvorauszahlungen angerechnet werden, wobei der Vermieter den Mieter bei der Betriebskostenabrechnung so stellen müsste, als habe er die Vorauszahlungen von 200 Euro geleistet. 307 Letzteres wird mit dem Argument vertreten, anderenfalls würde der Mieter bei der Abrechnung unter

Zugrundelegung geminderter Vorauszahlungen nachträglich mit dem die Betriebskosten erfassenden Minderungsbetrag belastet890. Dies soll nur zulässig sein, wenn der Mieter wegen einer geringeren Wohnfläche die Miete mindere und die Betriebskosten nach Wohnfläche abgerechnet würden; in den anderen Fällen würde der Mieter sonst tatsächlich nur die Nettomiete mindern891. Demgegenüber soll die Einbeziehung der Minderung in die Berechnung der Betriebskosten im Rahmen des § 556 Abs. 3 BGB ausgeschlossen sein, weil sich der Mieter durch die Anwendung der Minderung auf die laufende Miete festgelegt habe und (nachträglich) keine weitere Minderung geltend machen könne, wenn der Betriebskostensaldo ermittelt sei892. 308 Der Erklärung des Mieters zur Minderung der laufenden Miete ist weder eine Beschränkung auf die

laufende Miete noch ein Verzicht auf eine höhere Minderung infolge der Einbeziehung eines Betriebskostensaldos zu entnehmen. Denn schon die Angabe der Minderungsquote als solche ist z.B. für ein Gericht nicht bindend, so das sim Rahmen des § 308 ZPO auch eine höhere Minderung zugesprochen werden kann893. Im Übrigen übersehen beide Meinungen894, dass die Parteien, die Vorauszahlungen über die Betriebskosten vereinbaren, eine Abrechnungspflicht des Vermieters begründen. Der Vermieter ist gemäß § 556 Abs. 3 S. 1 BGB zur jährlichen Abrechnung verpflichtet. Damit haben die Parteien im Ergebnis eine Jahresmiete vereinbart, die aus einem statischen Anteil (Grundmiete) und einem variablen Anteil (Vorauszahlungen) besteht. Im Hinblick auf den einheitlichen Mietbegriff kann daher erst nach Vorlage der Betriebskostenabrechnung die endgültige Miethöhe für das Jahr auch unter Berücksichtigung der Minderung festgelegt werden. Dies gilt erst recht, wenn die Parteien eine Jahresmiete vereinbart haben und der Vermieter darin die (abgerechneten) Betriebskosten einbeziehen soll. 309 Der BGH895 hat zu dieser Anrechnungsproblematik zunächst beiläufig erwähnt, der von der Brutto-

miete berechnete Minderungsbetrag sei anteilig auf Grundmiete und Vorauszahlungen anzurechnen, so dass sich in der Abrechnung z.B. ein Guthaben wegen der angesetzten Ist-Vorauszahlungen verringern würde. Dies deutet darauf hin, dass der Minderungsbetrag quotal auf die Grundmiete und die Vorauszahlungen anzurechnen ist. Davon ist auch in der Regel auszugehen, wenn der Mieter keine abweichende Tilgungsbestimmung getroffen hat. Allein mit dem Hinweis, er mindere von der Bruttomiete, macht er im Zweifel aber noch nicht deutlich, dass er die Elemente der Gesamtmiete gleichmäßig kürzen will und nicht nur einen (speziellen) Teil. Jedenfalls reicht eine solche Bemerkung nicht aus, um eine (stillschweigende) Tilgungsbestimmung anzunehmen. Deshalb ist regelmäßig eine gekürzte Zahlung nach § 366 Abs. 2 BGB zunächst auf die Vorauszahlungen anzurechnen (§ 556b BGB Rz. 92)896.

890 891 892 893 894

Eisenschmid, WuM 2005, 436; Langenberg, Betriebskosten, G Rz. 162. Schach, GE 2005, 1462 (1464). Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 354; Franke in WoBauR, § 536 BGB Anm. 21. LG Berlin v. 7.11.1996 – 61 S 180/96, WuM 1998, 28. Soweit in MietRB 2005, 216 (218) und WuM 2006, 63 (76) dem entgegenstehende Auffassungen vertreten wurden, werden diese nicht mehr aufrecht erhalten. 895 BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 347/04, MDR 2006, 197 = MietRB 2005, 281 = WuM 2005, 573 = ZMR 2005, 854 = NZM 2005, 699. 896 BGH v. 21.3.2018 – VIII ZR 84/17, WuM 2018, 278 = ZMR 2018, 575.

464 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 314 § 536

Bei einer anderen „Anrechnung“ der Kürzung – z.B. wegen einer entsprechenden Tilgungsbestimmung 310 des Mieters897 – könnte der Vermieter bei Ansatz der Ist-Vorauszahlungen in der Betriebskostenabrechnung teilweise von der Minderung profitieren, weil das Abrechnungsergebnis anders ausfällt als ohne Minderung, also ohne gekürzte Vorauszahlungen. Dies würde nicht nur zu einer Schlechterstellung des Mieters gegenüber demjenigen, der eine mangelfreie Mietsache nutzen kann, führen, sondern auch gegenüber dem Mieter, mit dem eine Pauschale vereinbart ist. Die Gleichbehandlung aller Erscheinungsformen der Mietstruktur im Rahmen des § 536 BGB war aber ein tragendes Argument für die Entscheidung zur Berechnung der Minderung von der Bruttomiete898. Das Problem wird dadurch gelöst, dass die Verrechnung auf dem Mietkonto (vgl. dazu § 556b BGB 311 Rz. 80 ff.) nur als vorläufig angesehen wird. Da sich die Minderung, soweit sie gerechtfertigt ist, auf die Gesamtmiete einschließlich aller Nebenkosten bezieht, kann erst aufgrund der Jahresabrechnung der Betriebskosten abschließend ermittelt werden, ob hinsichtlich der Gesamtmiete unter Berücksichtigung der gerechtfertigten Minderung noch eine Nachforderung des Vermieters oder ein Guthaben des Mieters besteht. Dafür ist es unerheblich, ob und ggf. wie die monatlich einbehaltenen Beträge auf die Nettomiete einerseits und die Betriebskostenvorauszahlung andererseits angerechnet werden. Für das rechnerische Gesamtergebnis spielt es keine Rolle, ob der monatliche Minderungsbetrag ausschließlich auf die Nettomiete angerechnet wird, oder ob eine anteilige Anrechnung der Minderung sowohl auf die Nettomiete als auch auf die Betriebskostenvorauszahlung stattfindet899. Eine Anwendung der Quote auf die Betriebskostenabrechnung ist ausgeschlossen, wenn die Parteien 312 sich bei der Minderung nicht auf eine Quote, sondern einen festen Betrag geeinigt haben. Dies verhindert die Anwendung der Minderung auf die Betriebskostenabrechnung jedenfalls dann, wenn die Einigung der Parteien abschließend sein sollte. Andernfalls ist zu beachten, dass bei einer Mietstruktur, die eine Abrechnung der Betriebskosten vorsieht, die Betriebskosten ein Teil der vereinbarten (Jahres-) Miete bleiben. Die Minderung ist also im Fall der vereinbarten Vorauszahlungen auch auf das Abrechnungsergeb- 313 nis anzuwenden900. Dafür spricht bereits der Wortlaut des § 536 Abs. 1 BGB. Denn danach ist der Mieter für die Dauer, in der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch aufgehoben ist, von der Mietzahlung befreit. Würde sich die Minderung bei der hier maßgeblichen Mietstruktur nur auf die laufende Zahlung beziehen, schuldete der Mieter zwar keine z.B. monatlichen Zahlungen. Über die Betriebskostenabrechnung wäre er jedoch dann verpflichtet, die Betriebskosten zu entrichten, die – weil die Ist-Vorauszahlungen mit Null anzusetzen wären – in vollem Umfang durchschlagen würden. Damit würde der Mieter aber schlechtergestellt, als § 536 BGB dies anordnet. Dies kann nur dadurch verhindert werden, dass in der Betriebskostenabrechnung ebenfalls die Minderungsquote von 100 % angesetzt wird. Die Minderung muss also nach Vorlage der Betriebskostenabrechnung auf den Zeitraum des Beste- 314 hens des Mangels angerechnet werden, soweit nicht wegen unterlassener Mängelanzeige nach § 536c BGB eine Verkürzung dieses Zeitraums eintritt. Im ersten Schritt ist die Miete, die auf den relevanten Zeitraum (einschließlich abgerechneter Betriebskosten) entfällt, zu ermitteln. Dies erfolgt dadurch, dass zunächst die Jahresnettomiete zzgl. des Ergebnisses der Betriebskostenabrechnung (= Abrechnungsergebnis vor Abzug der Vorauszahlungen) durch die Tage des Jahres dividiert wird. Auf diesen Wert des Quotienten ist die Minderungsquote anzuwenden. Die so ermittelte Tagesmiete ist mit der Anzahl der Tage zu multiplizieren, an denen der Mangel geherrscht hat. Zu diesem Produkt ist das Produkt der Tagesmiete mit der Anzahl der Tage, in denen der Mangel nicht geherrscht hat, zu addieren. Diese Summe bildet die Jahres-Sollmiete. Indem die tatsächlichen Mietzahlungen (Gesamtbetrag) dazu ins Verhältnis gesetzt werden, wird errechnet, ob der Mieter für das Abrechnungsjahr zu viel oder zu wenig Miete gezahlt hat. 897 AG Dortmund v. 19.6.2012 – 425 C 1232/12, MietRB 2013, 35 = MietRB 2013, 36 = MietRB 2013, 37 = MietRB 2013, 38 = WuM 2012, 450. 898 BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 225/03, MDR 2005, 979 = NJW 2005, 1713 = WuM 2005, 384 = MietRB 2005, 202. 899 BGH v. 13.4.2011 – VIII ZR 223/10, MDR 2011, 718 = MietRB 2011, 169 = WuM 2011, 284. 900 Vgl. LG Berlin v. 7.7.2006 – 63 S 342/05, GE 2006, 1235; Günter, WuM 2012, 299 (ausdrücklich für die Gewerberaummiete); Blank, FS Bub, S. 271, 278; Leo/Schmitz, NZM 2005, 858; Kretzer, ZMR 2005, 516; Bieber, NZM 2006, 683.

Lützenkirchen | 465

§ 536 Rz. 315 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln 315 Berechnungsbeispiel einer Minderung für 50 Tage mit 20 %: Soll

Eingang auf dem Mietkonto

a) Grundmiete 800,00 € × 12 = 9600,00 €: 365 Tage = 26,30 €

9 × 1000,00 € =

26,30 € ./. 20 %

3 × 800,00 € =

5,26 € 21,04 € × 50 Tage =

zzgl. 315 Tage × 26,30 € =

9 000,00 € 2 400,00 € 11 400,00 €

1 052,00 € 8 284,50 € 9 336,50 €

b) Betriebskosten 3000,00 €: 365 Tage = 8,22 €/Tag 8,22 € ./. 20 %

1,64 € 6,58 € × 50 Tage =

zzgl. 315 Tage × 8,22 €

329,00 € 2 589,30 € 2 918,30 €

c) Gesamtsoll:

12 254,80 €

Jahressaldo: ./.

Gesamtsoll

12 254,80 €

Zahlungen

11 400,00 €

Nachforderung:

854,80 €

3. Ausschluss oder Beschränkung der Minderung a) Allgemeines 316 Eine Minderung scheidet spätestens mit dem Tag aus, an dem der Mangel behoben ist. Auch die Weige-

rung des Mieters, einen beseitigen zu lassen, führt zu einem Ausshluss der Minderung ab dem Tag der Weigerung901. Darüber hinaus kommt eine Minderung nicht in Betracht, wenn der Mangel unerheblich i.S.v. § 536 Abs. 1 S. 3 BGB (§ 536 BGB Rz. 213 f.) ist oder die Voraussetzungen der §§ 536b, 536c BGB vorliegen. Allein weil die Gebrauchsbeeinträchtigung durch Instandsetzungs- oder Modernisierungsmaßnahmen des Vermieters eintritt, die zu einer Beseitigung des Mangels führen, ist die Minderung nicht ausgeschlossen902. Dies zeigt schon der Umkehrschluss aus § 536 Abs. 1a BGB. 317 Die Minderung ist weiter ausgeschlossen, wenn

– der Mangel vom Mieter zu vertreten ist903, also aus seiner Risikosphäre stammt904, – der Mieter die Mängelbeseitigung (schuldhaft) verhindert905 (vgl. § 535 BGB Rz. 712), – der Mieter einen Vorschuss zur Mangelbeseitigung nach §§ 536a Abs. 2 Nr. 1, 242 BGB erhalten hat, die Mangelbeseitigung dann aber nicht zügig vornimmt,

901 BGH v. 10.4.2019 – VIII ZR 12/18, MietRB 2019, 197 = MDR 2019, 729 = WuM 2019, 309 = ZMR 2019, 572. 902 LG Berlin v. 29.1.2018 – 65 S 194/17, WuM 2018, 359. 903 MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 32 m.w.N.; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 572; Staudinger/Emmerich, § 536 BGB Rz. 62 unter Hinweis auf § 242 BGB; Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3261. 904 BGH v. 15.12.2010 – VIII ZR 113/10, MDR 2011, 216 = MietRB 2011, 102 = WuM 2011, 97 = GE 2011, 261 = NZM 2011, 198 = ZMR 2011, 371. 905 BGH v. 10.4.2019 – VIII ZR 12/18, MietRB 2019, 197 = MDR 2019, 729 = WuM 2019, 309 = ZMR 2019, 572; BGH v. 13.5.2015 – XII ZR 65/14, MietRB 2015, 231 MDR 2015, 878 = WuM 2015, 619; Hahn, NZM 2017, 7; Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3261.

466 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 323 § 536

– der Mangel auf einer vom Mieter gewünschten Veränderung der Mietsache beruht, ohne dass der Vermieter den Mangel zu vertreten hat906. Letzteres gilt selbst dann, wenn der Änderungswunsch im Rahmen der Herbeiführung des Anfangs- 318 zustandes erfolgte (Kunststoffbelag statt Teppichboden, vgl. § 536 BGB Rz. 68 f.)907. Wirken Ursachen aus der Vermieter- und Mietersphäre zusammen, ist auf den Rechtsgedanken aus § 254 BGB zurückzugreifen908. b) § 536 Abs. 1a BGB Grundsätzlich findet ein Ausschluss der Minderung nicht allein deshalb statt, weil der Vermieter In- 319 standsetzungs- oder Modernisierungsarbeiten durchführt, denen der Mieter zugestimmt hat oder die er dulden muss909. Vielmehr können anlässlich dieser Arbeiten Minderungen schon deshalb in Betracht kommen, weil der Mieter seinen Gebrauch nicht mehr ungestört ausüben kann. An der Minderung ist er auch nicht dadurch gehindert, dass der Vermieter ihm eine Ersatzwohnung für die Dauer der Maßnahme angeboten hat910. Ein Ausschluss der Minderung ist in diesem Fall möglich, wenn die Parteien darüber eine Vereinbarung im Einzelfall getroffen haben. Insoweit sind an eine Vereinbarung durch schlüssiges Verhalten strenge Anforderungen zu stellen. Führen Instandsetzungs- oder Modernisierungsarbeiten zu einer Veränderung der Mietsache, die sich nachteilig auf den Gebrauch auswirkt (z.B. Beeinträchtigung des Lichteinfalls infolge Wärmedämmfassade), besteht kein Mangel. Denn sowohl bei Instandsetzungs- als auch bei Modernisierungsarbeiten wird der (ggf. Geänderte) vertragsgemäße Zustand herbeigeführt911. Eine Minderung der Miete kann sich auch nicht aus § 280 BGB ableiten, weil der Vermieter seine Ankündigungspflicht verletzt hat. Denn der Mieter ist so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Ankündigung gestanden hätte. Dann wäre aber der vertragsgemäße Zustand auf formell einwandfreie Weise herbeigeführt worden. Ohne Vereinbarung kommt ein Minderungsausschluss gemäß § 536a Abs. 1a BGB in Betracht. Das 320 setzt voraus, dass der Vermieter eine energetische Modernisierung i.S.v. § 555b Nr. 1 BGB durchführt. aa) Energetische Modernisierung Der Minderungsausschluss erfasst nur solche Maßnahmen, die unter § 555b Nr. 1 BGB fallen. Diese 321 können sowohl innerhalb (z.B. Heizungseinbau) wie außerhalb (z.B. Wärmedämmfassade) der Mieträume stattfinden. Ob die Maßnahme gemäß § 555c BGB (ordnungsgemäß) angekündigt ist, ist unerheblich912. Denn es 322 kommt nur auf die Art der Maßnahme und ihre Durchführung an, nicht auf die Fälligkeit des Duldungsanspruchs. Ebenso spielen Härtefallerwägungen i.S.v. § 555d Abs. 2 BGB keine Rolle. Der Mieter ist nicht entgegen § 536 Abs. 1a BGB zur Minderung berechtigt, weil die Modernisierung für ihn eine (wirtschaftliche) Härte bedeutet. Insoweit ist auch die Ausschlussfrist des § 555d Abs. 3 BGB ohne Bedeutung. bb) Gemischte Maßnahme Der Minderungsausschluss erfasst nur die Auswirkungen einer energetischen Modernisierung i.S.v. 323 § 555b Nr. 1 BGB. Werden zugleich weitere Maßnahmen, insbesondere zur Instandhaltung, Instand-

906 OLG München v. 19.4.1996 – 21 U 5982/95, ZMR 1996, 434; OLG Düsseldorf v. 5.12.1991 – 10 U 10/91, ZMR 1992, 149. 907 KG v. 16.8.2004 – 12 U 310/03, MietRB 2005, 34 = GuT 2004, 230 = GE 2004, 1393 = ZMR 2004, 908. 908 LG Frankfurt an der Oder v. 14.9.2010 – 19 S 22/09, ZMR 2011, 125; AG Hamburg-Wandsbek v. 29.5.2000 – 712D C 27/99, NZM 2000, 906. 909 LG Mannheim v. 3.7.1985 – 4 S 29/85, WuM 1986, 139. 910 LG Berlin v. 29.1.2018 – 65 S 194/17, WuM 2018, 359. 911 Lehman-Richter, ZMR 2014, 206. 912 Hinz, NZM 2013, 209 (212).

Lützenkirchen | 467

§ 536 Rz. 323 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln setzung oder Modernisierung durchgeführt, kommt es darauf an, ob diese Maßnahmen mit der energetischen Modernisierung eine Einheit bilden oder parallel dazu ausgeführt werden. Wird z.B. eine Wärmedämmfassade aufgebracht und gleichzeitig der Außenanstrich der Fenster (von außen) erneuert, greift der Minderungsausschluss913. Beide Maßnahmen führen zu den gleichen Beeinträchtigungen914. Insoweit ist es verfehlt, allein auf das Montieren der Isolierplatten abzustellen und die lärmenden Handwerker der Fensterrenovierung zuzuordnen, so dass der Minderungsausschluss allein die Beeinträchtigungen erfasst, die speziell durch die energetische Modernisierung verursacht würden915. Diese Sichtweise ist schon mit dem Zweck der Vorschrift, Vermieter zu energetischen Modernisierungen zu motivieren, nicht vereinbar. Abgesehen davon sprich § 536 Abs. 1a BGB von der Maßnahme nach § 555b Nr. 1 BGB und nicht bloß von energetischer Modernisierung. Werden Beeinträchtigungen verursacht, die nicht eindeutig zuzuordnen sind, sind sie nach § 287 ZPO916 auf die in Betracht kommenden Maßnahmen (im Zweifel gleichmäßig) zu verteilen. Werden aber z.B. erstmals Isolierglasfenster eingebaut (= energetische Modernisierung) und zugleich das Badezimmer erneuert, kann der Mieter die auf die Beeinträchtigungen durch die Arbeiten im und am Badezimmer entfallende Minderung durchführen917. Ob mit der energetischen Modernisierung zugleich eine Instandsetzungsmaßnahme erspart wird (z.B. Wärmedämmfassade anstatt Fassadenerneuerung), ist unerheblich918. Maßgeblich ist in diesem Fall allein, dass eine energetische Modernisierung durchgeführt wird. 324 Die Abgrenzung der Beeinträchtigungen, die durch die energetische Modernisierung oder die nicht

privilegierten Maßnahmen hervorgerufen wurden, erfolgt im Einzelfall nach § 287 ZPO. Dazu hat der Mieter die Anknüpfungstatsachen darzulegen und ggf. zu beweisen. Deshalb muss er die Auswirkungen, die nicht auf die energetische Modernisierung entfallen, vortragen, damit das Gericht eine Abgrenzung vornehmen und die Minderungsquote berechnen kann. 325 Führen energetische Modernisierung und nicht privilegierte Maßnahme die gleiche Beeinträchtigung

herbei, greift im Zweifel der Minderungsausschluss. Allenfalls wenn die weiteren Arbeiten zu einer zusätzlichen Belastung des Gebrauchs führen, muss eine Abgrenzung stattfinden. cc) Minderung der Tauglichkeit 326 Der Minderungsausschluss greift nur ein, wenn eine Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit

i.S.v. § 536 Abs. 1 S. 2 BGB vorliegt. Denn Voraussetzung ist eine Minderung der Tauglichkeit. Ist die Tauglichkeit gemäß § 536 Abs. 1 S. 1 BGB aufgehoben (vgl. § 536 BGB Rz. 282), kann der Mieter auch bei einer energetischen Modernisierung mindern919. Letzteres kommt z.B. in Betracht, wenn der Vermieter eine Fußbodenheizung einbaut, so dass die Wohnung nicht mehr genutzt werden kann, weil alle Fußböden herausgerissen sind. 326a Ab wann von einer Aufhebung der Tauglichkeit und damit von einem Wegfall des Minderungsaus-

schlusses gesprochen werden kann, muss im Einzelfall entschieden werden. Eine vorübergehende, z.B. nur für wenige Stunden dauernde Aufhebung der Tauglichkeit (z.B. durch Abstellen von Heizung, Wasser und Strom) kann nicht als erheblich angesehen werden, wenn sie zum üblichen Umfang der konkreten Maßnahme gehört. Dauert sie aber über einen Tag, ist die Grenze überschritten, bis zu der der Minderungsausschluss Vorrang hat. 326b Die Auswirkungen einer (beendeten) Modernisierung führen regelmäßig zu keiner Minderung. Wird

z.B. eine Wärmedämmfassade aufgebracht und dadurch die Glasfläche erheblich (hier: 28 %) verringert, kommt eine Minderung grundsätzlich nicht in Betracht, weil durch die Modernisierung der vertragsgemäße Zustand verändert wird920. Auch im Wege des Schadensersatzes aus § 280 BGB kann der Mie-

913 914 915 916 917 918 919 920

A.A. Hinz, NZM 2013, 209 (214). Das kurzfristige Offenstehenlassen der Fenster zum Trocknen der Farbe fällt nicht ins Gewicht. So Hinz, NZM 2013, 209 (214). Dessen Anwendbarkeit bezweifelt zu Unrecht Zehelein, WuM 2012, 418. BT-Drucks. 17/10485, S. 18. A.A. Hinz, NZM 2013, 209 (214). BT-Drucks. 17/10485, S. 18. A.A. LG Berlin v. 6.11.2013 – 67 S 502/11, MietRB 2014, 99 = GE 2013, 1589 = IMR 2014, 105 = ZMR 2014, 206 (24 % Minderung).

468 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 329 § 536

ter keine Befreiung von einer erhöhten Miete verlangen mit der Begründung, der Vermieter habe die Maßnahme nicht oder unzutreffend ankündigt921. Denn bei ordnungsgemäßer Ankündigung wäre der vertragsgemäße (veränderte) Zustand auf formell einwandfreie Weise herbeigeführt worden. dd) Berechnung des Dreimonatszeitraumes Für die Fristberechnung gelten zunächst die §§ 186 ff. BGB. Der Beginn des Dreimonatszeitraumes 327 muss nicht identisch sein, mit dem Beginn der Maßnahme zur energetischen Modernisierung922. Denn z.B. mit der bloßen Baustelleneinrichtung auf dem Grundstück (oder sogar dem angekündigten voraussichtlichen Beginn der Maßnahme) müssen noch keine Beeinträchtigungen verbunden sein. Sinn und Zweck des Ausschlusstatbestandes besteht darin, für den Vermieter einen zusätzlichen Anreiz zur energetischen Modernisierung zu schaffen und sie zu erleichtern923. Mit Rücksicht darauf ist für den Beginn des Zeitraumes auf den Tag abzustellen, an dem die erste spürbare Beeinträchtigung, die ansonsten eine Minderung nach § 536 Abs. 1 BGB begründen würde, eintritt924. Das ist i.d.R. der Tag, an dem z.B. beim Aufbringen einer Wärmedämmfassade das Gerüst aufgestellt wird. Der Ausschlusstatbestand endet mit Abschluss der Maßnahme (= endgültige Beendigung der Beein- 328 trächtigung durch die energetische Modernsierung), spätestens aber nach drei Monaten. Eine Verlängerung durch Bauzeitverzögerungen, insbesondere z.B. ein Stillstand der Bauarbeiten wegen Streiks oder Unwetter, findet nicht statt925. Der § 536a Abs. 1a BGB soll zugleich für den Vermieter einen Anreiz bieten, die energetische Modernisierung zügig durchzuführen. Deshalb ist auch der Grund der Verzögerung unerheblich. Es kommt weder darauf an, ob der Vermieter sie zu vertreten hat noch ob unvorhersehbare Umstände oder höhere Gewalt im Spiel waren. Selbst wenn die Maßnahme durch Dritte verzögert wird (z.B. Straßensperrung), geht dies zu Lasten des Vermieters. Dies wird in der Regel schon deshalb gelten, weil während der Dauer der Verzögerung auch Beeinträchtigungen des vertragsgemäßen Gebrauchs festzustellen sein werden. Auch eine Verlängerung nach § 193 BGB tritt nicht ein. Die Vorschrift ist nicht anwendbar. Ist die Maßnahme beendet, aber mangelhaft durchgeführt, so dass Nachbesserungen notwendig wer- 328a den, führt dies nicht zu einer Verlängerung der Frist. Selbst wenn die Dreimonatsfrist noch nicht abgelaufen ist, kann der Mieter wegen der Beeinträchtigungen infolge der Nachbesserung mindern. Insoweit besteht kein rechtfertigender Grund, dem Vermieter das Recht einzuräumen, wenigstens die Dreimonatsfrist auszuschöpfen926. Der Zweck des § 536 Abs. 1a BGB besteht in der Motivation der Vermieter zur Durchführung energetischer Modernisierungen. Unabhängig davon stehen dem Vermieter regelmäßig Regressansprüche gegen den Handwerker zu, sofern es infolge der Nachbesserung zu einer Minderung kommt. Allein wenn der Mieter zu einer Verzögerung der Modernisierung nach § 555b Nr. 1 BGB beigetragen 328b hat, kommt eine Verlängerung der Frist in Betracht, wenn die Voraussetzungen des § 280 BGB vorliegen. Insoweit kommt es maßgeblich auf die Wirksamkeit der Ankündigung nach § 555c BGB an oder eine Vereinbarung nach § 555f BGB vorliegt. Denn ist der Duldungsanspruch schon nicht fällig, kann der Mieter keine Pflichtverletzung begehen, wenn er die Arbeiten zunächst nicht zulässt oder sie später behindert. Besteht für den Vermieter aber ein Duldungsanspruch, ist jede schuldhafte Behinderung der Maßnahme eine Pflichtverletzung i.S.d. § 280 BGB. Ob das Privileg des § 536 Abs. 1a BGB mehrfach in Anspruch genommen werden kann, hängt von den 329 Umständen des Einzelfalles ab. In der Regel ist zu jeder Ankündigung einer Maßnahme i.S.d. § 555b Nr. 1 BGB der Ausschlusstatbestand anwendbar. Ausnahmen können aber gerechtfertigt sein, wenn der Vermieter verschiedene Maßnahmen sozusagen „scheibchenweise“ durchführt, also zunächst die ein921 922 923 924

A.A. Lehmann-Richter, ZMR 2014, 206. Vgl. Hinz, NZM 2013, 209 (217); a.A. Schmidt-Futterer/Eisenschmidt, § 536 BGB Rz. 68. BT-Drucks. 17/10485, S. 18. Zehelein, WuM 2013, 133; Hinz, NZM 2013, 209 (217); Hannemann, IMR 2013, 435; Neuhaus, ZMR 2013, 686 (693); a.A. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 68. 925 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 66; Hinz, NZM 2013, 209 (217); a.A. Abramenko, Das neue Mietrecht in der anwaltlichen Praxis, Rz. 90. 926 A.A. Hinz, NZM 2009, 209 (219).

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§ 536 Rz. 329 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln fachverglasten Fenster gegen Isolierglasfenster austauscht, kurze Zeit später eine Wärmedämmfassade aufbringt und nach dem nächsten Winter erst die Zentralheizung einbaut. Solange der Vermieter keine sachlichen Gründe anführen kann, ist zu vermuten, dass die Maßnahmen auch hätten zusammengefasst werden können, so dass im Zweifel die weitere Anwendung des § 536 Abs. 1a BGB nicht in Betracht kommt. Denn die privilegierte Maßnahme ist wirtschaftlich danach zu bewerten, ob sie eine Einheit bildet. Das ist z.B. der Fall, wenn (erstmals) eine Fußbodenheizung eingebaut wird und der Vermieter sie sukzessive Zimmer für Zimmer installieren lässt. Denn dann ist bezogen die Mieteinheit nur eine Minderung der Tauglichkeit durch die vorübergehende Unbenutzbarkeit des einzelnen Zimmers gegeben. Benötigt der Vermieter schon für jedes Zimmer (nahezu) den Zeitraum von drei Monaten, ist es nicht gerechtfertigt, auf die jeweils neue Ankündigung für die weiteren Zimmer abzustellen. Dagegen scheidet eine Zusammenlegung der Zeiträume aus, wenn der Vermieter zunächst Isolierglasfenster einbaut und längere Zeit später eine Wärmedämmfassade installiert. ee) Schadensersatzpflicht des Vermieters 330 Nach § 241 Abs. 2 BGB ist der Vermieter zur Rücksichtnahme auf die Belange des Mieters verpflichtet

(vgl. § 535 BGB Rz. 503). Deshalb kann er sich schadensersatzpflichtig machen, wenn er eine Maßnahme zur energetischen Modernisierung nicht zügig durchführt, so dass er z.B. anstatt einen Monat zwei Monate bis zur Fertigstellung benötigt927. Im Wege des Schadensersatzes ist dem Mieter, der die Darlegungs- und Beweislast trägt, in einem solchen Fall ein Minderungsrecht für den letzten Monat zuzugestehen. 4. Rückforderung zu viel gezahlter Miete 331 Hat der Mieter trotz eines die Gebrauchstauglichkeit herabsetzenden Mangels die volle Miete gezahlt,

kann er die über die geminderte Miete hinausgehenden Zahlungen grundsätzlich gemäß § 812 BGB zurückfordern, soweit §§ 536b, 536c, 814 BGB nicht eingreifen928. Zinsen kann der Mieter auf den Rückforderungsanspruch regelmäßig nur aus dem Gesichtspunkt des Verzuges verlangen929, soweit ihm nicht der Nachweis gezogener Nutzungen nach § 818 Abs. 2 BGB gelingt. 332 Ein solcher Rückforderungsanspruch besteht insbesondere, wenn der Mieter in Unkenntnis des Man-

gels oder unter Vorbehalt nachträglicher Rückforderungen die volle Miete930 geleistet hat. Denn damit wird i.d.R. der Eintritt der Rechtsfolge des § 814 BGB verhindert (im Einzelnen dazu § 536c BGB Rz. 45a)931. Eine Unkenntnis des Mangels ist jedenfalls für den laufenden Monat anzunehmen, wenn der Mieter am dritten Werktag die Miete entrichtet hat und der Mangel danach, aber noch im laufenden Monat entsteht932. Der Vorbehalt muss eindeutig erklärt werden933 und liegt grundsätzlich noch nicht in der Ankündigung einer Minderung, zumal wenn sie dennoch nicht durchgeführt wird934. Das Gleiche gilt, wenn der Mieter eine Minderung ankündigt und sie zweimal vollzieht für die nachfolgenden ohne Vorbehalt geleisteten (vollen) Mieten935. Entsteht aufgrund der Formulierung z.B. der Eindruck, dass der Vorbehalt nur eingreifen soll, wenn die Mängel fortwirken (hier: Lärmbeeinträchtigung)936, kann der Mieter sich darauf nicht mehr berufen, wenn der beanstandete Mangel in der Form nicht

927 Hinz, NZM 2009, 218. 928 BGH v. 26.10.1994 – VIII ARZ 3/94, MDR 1995, 142 = NJW 1995, 254; BGH v. 16.12.1987 – VIII ZR 48/87, MDR 1988, 488 = ZMR 1988, 135. 929 AG Hamburg-Blankenese v. 7.5.2010 – 518 C 383/09, ZMR 2011, 44. 930 Der Vorbehalt kann auch dazu genutzt werden, bei einer angesetzten, moderaten Minderung die Möglichkeit offen zu halten, dass eine höhere Minderungsquote festgestellt wird. 931 BGH v. 4.9.2018 – VIII ZR 100/18, MietRB 2019, 7 = WuM 2018, 712 = GE 2018, 1456 = NZM 2018, 1018; siehe auch Harsch, ZMR 2017, 223. 932 LG Berlin v. 4.4.2016 – 65 S 45/16, WuM 2016, 348; LG Köln v. 29.3.2012 – 1 S 176/11, Beck RS 2012, 17154; Flatow, NZM 2017, 273. 933 KG v. 2.12.2012 – 8 U 286/11, MDR 2013, 396 = MietRB 2013, 143 = ZMR 2013, 530 = GE 2013, 1272. 934 AG Schöneberg v. 27.1.2016 – 109 C 421/15, GE 2016, 593. 935 KG v. 27.8.2018 – 8 U 193/16, IMR 2018, 514 (Hofele). 936 Vgl. AG Hermeskeil v. 1.2.2005 – 1 C 284/04, WuM 2005, 239.

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B. Wohnraummiete | Rz. 337 § 536

mehr auftritt. Das Gleiche gilt, wenn der Vorbehalt zeitlich befristet ist („zahle ich im nächsten Monat unter Vorbehalt“). Der Vorbehalt kann auch schlüssig erklärt werden. Das kommt insbesondere in Betracht, wenn der 333 Mieter den Mangel angezeigt und der Vermieter die Mängelbeseitigung angekündigt hat. Zahlt der Mieter in dieser Situation erkennbar im Vertrauen auf die Mängelbeseitigung, kann sein Verhalten i.S. eines Vorbehalts gewertet werden937. Im Rückforderungsprozess steht ein wirksamer Minderungsausschluss der Annahme entgegen, der 333a Mieter habe in Kenntnis der Nichtschuld geleistet (§ 814 BGB). Üblicherweise wird bei der im Rahmen des § 814 BGB durchzuführenden Parallelwertung in der Laiensphäre angenommen, dass der Mieter bei Kenntnis vom Mangel weiß, dass er die Miete mindern darf. Durch den Minderungsausschluss ist gerade belegt, dass der Mieter nicht wusste, dass er die Miete nicht schuldete. Ist der Minderungsausschluss unwirksam, kann der Vermieter nur dann § 814 BGB reklamieren, wenn er vorträgt, dass dem Mieter bei der Leistung die Unwirksamkeit bekannt war938. Dennoch muss irgendwie zum Ausdruck kommen, dass sich der Mieter im Zeitpunkt der Zahlung mit der Minderung bzw. den dazu vorhandenen Regelungen des Mietvertrages beschäftigt hat. Ansonsten kann davon ausgegangen werden, dass die (allgemeinen) Voraussetzungen des § 814 BGB939 vorliegen. Bei fortbestehendem Mietverhältnis ist der Mieter nicht gehalten, auf Rückzahlung der zu viel ge- 334 zahlten Miete zu klagen. Er kann auch auf Feststellung klagen, dass er – auch für die Vergangenheit – nur die geminderte Miete schuldet, und mit dem Rückzahlungsanspruch gegenüber den künftig fällig werdenden Mietansprüchen aufrechnen940 (§ 536 BGB Rz. 66b). 5. Verwirkung der Minderung Der bis zum 1.9.2001 geltende § 539 BGB a.F. (= § 536b BGB) wurde analog angewendet, wenn der 335 Mieter Kenntnis von einem während der Mietzeit entstandenen Mangel erhielt und für eine längere Zeit (in der Regel sechs Monate) die Miete vorbehaltlos zahlte941. Diese Analogie lässt sich auf § 536b BGB nicht übertragen, weil der Gesetzgeber eine analoge Anwendung des § 536b BGB als Nachfolgevorschrift des § 539 BGB a.F. nicht wünschte und damit die für die Analogie erforderliche planwidrige Lücke weggefallen ist942. Ab dem 1.9.2001 kann in der gegebenen Konstellation (vorbehaltlose Zahlung der Miete in Kenntnis 336 eines Mangels) ein Verlust der Gewährleistungsrechte nur noch über den Tatbestand der Verwirkung eintreten943. Dazu muss sowohl das für die Verwirkung notwendige Zeitmoment als auch das Umstandsmoment vorliegen (vgl. auch § 536b BGB Rz. 51). Für das Zeitmoment können nicht die Anforderungen (in der Regel sechs Monate) übernommen wer- 337 den, die vor dem 1.9.2001 galten. Vielmehr kommt eine Verwirkung frühestens in Betracht, wenn der Mieter den Mangel seit einem Jahr kennt944.

937 OLG Düsseldorf v. 6.4.1995 – 10 U 137/94, WuM 1995, 435 = ZMR 1995, 400 = DWW 1996, 192. 938 KG v. 11.9.2014 – 8 U 77/13, MietRB 2015, 13 = MDR 2014, 1437 = ZMR 2015, 221 = NZM 2014, 909. 939 Dazu: BGH v. 4.9.2018 – VIII ZR 100/18, MietRB 2019, 7 = WuM 2018, 712 = GE 2018, 1456 = NZM 2018, 1018. 940 BGH v. 12.6.1985 – VIII ZR 142/84, ZMR 1985, 403. 941 BGH v. 31.5.2000 – XII ZR 41/98, MDR 2000, 1004 = WuM 2000, 416; BGH v. 18.6.1997 – XII ZR 63/95, MDR 1997, 1112 = WuM 1997, 488; OLG Düsseldorf v. 7.10.1993 – 10 U 3/93, MDR 1994, 399 = NJW-RR 1994, 399; OLG Hamm v. 23.11.1999 – 30 W 24/99, ZMR 2000, 93; OLG Frankfurt v. 17.6.1999 – 12 U 71/ 98, ZMR 1999, 700; OLG Frankfurt v. 22.11.1999 – 16 U 56/99, WuM 2000, 116; OLG Naumburg v. 6.2.2001 – 9 U 179/00, ZMR 2001, 617 = NZM 2002, 251; KG v. 2.7.2001 – 8 U 817/00, ZMR 2002, 111 (114); OLG Dresden v. 18.6.2002 – 5 U 260/02, WuM 2002, 541 = NZM 2002, 662; OLG Celle v. 15.5.2002 – 2 U 252/01, GuT 2002, 180 = ZMR 2002, 657. 942 BGH v. 16.2.2005 – XII ZR 24/02, ZMR 2005, 770 = GuT 2005, 56 = NZM 2005, 303; BGH v. 16.7.2003 – VIII ZR 274/02, MietRB 2003, 1 = MDR 2003, 1103 = ZMR 2003, 667 = WuM 2003, 440 = NZM 2003, 679. 943 So ausdrücklich: BGH v. 16.7.2003 – VIII ZR 274/02, MietRB 2003, 1 = MDR 2003, 1103 = ZMR 2003, 667 = WuM 2003, 440 = NZM 2003, 679; a.A. Lehmann-Richter, DMT-Bilanz, S. 134, 136. 944 Ohne zeitliche Festlegung: Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. VIII 409; Wetekamp, DMT-Bilanz, S. 151, 155.

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§ 536 Rz. 338 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln 338 Für das Umstandsmoment kommt es darauf an, ob und seit wann der Vermieter den Mangel kannte.

Denn ohne diese Kenntnis kann er nicht darauf vertrauen, dass der Mieter künftig z.B. nicht mindert. Die Kenntnis kann er durch eigene Wahrnehmung, aber auch durch eine Mitteilung des Mieters (oder eines Dritten) gewonnen haben. Dies allein reicht aber nicht aus. Vielmehr muss aufgrund der Umstände des Einzelfalles die Annahme des Vermieters gerechtfertigt sein, dass dem Mieter seine rechtlichen Möglichkeiten bewusst sind, er sie aber nicht anwenden wird. Dazu muss der Mieter ein Verhalten an den Tag gelegt haben, mit dem er zum Ausdruck gebracht hat, dass er mindern könnte. Dafür reicht es nicht aus, dass der Mieter den Mangel der Hellhörigkeit, der dem Vermieter bekannt ist, erst nach Jahren anzeigt, weil sich erst zu diesem Zeitpunkt durch einen Mieterwechsel in der Nachbarwohnung bemerkbar macht945. 338a Hat der Mieter einen solchen Vertrauenstatbestand geschaffen, muss der Vermieter konkret vortra-

gen946, dass er sich – insbesondere durch die Vornahme von entsprechenden Vermögensdispositionen oder anderen Vertrauensinvestitionen – auch tatsächlich darauf eingerichtet hat, der Mieter würde nicht mehr mindern947. Aus dem Vortrag muss sich ergeben, welche konkreten Maßnahmen er ergriffen oder unterlassen hat, insbesondere – soweit ihm dies unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten geboten erschien948 – Rücklagen gebildet zu haben, später aber von diesem Verhalten zu einem bestimmten Zeitpunkt, zu dem er dachte oder gedacht haben mag, dass insoweit von dem Mieter „nichts mehr kommt“, abgegangen zu sein949.

C. Gewerberaummiete I. Allgemeines 339 Selbstverständlich gilt auch in der Gewerberaummiete der Mangelbegriff des § 536 Abs. 1 BGB (vgl.

§ 536 BGB Rz. 73 ff.). Noch mehr als in der Wohnraummiete wird in Gewerberaummietverträgen aber die Sollbeschaffenheit des Mietobjektes umfassend und detailliert beschrieben. Solange damit die Bausubstanz selbst betroffen ist, können bei der rechtlichen Bewertung eines Mangels kaum Probleme auftauchen. Dies sieht bei Phänomenen, die der Mietsache nicht unmittelbar anhaften, aber anders aus. Hier kann die Unmittelbarkeit der Beeinträchtigung oftmals nicht auf Anhieb festgestellt werden. 1. Unmittelbarkeit der Einwirkung 340 Zur Vermeidung einer Ausuferung des Mängelbegriffs fordert der BGH in ständiger Rechtsprechung950

eine Unmittelbarkeit der Einwirkungen auf die Mietsache. Ähnlich wie bei Umweltmängeln (vgl. § 536 BGB Rz. 136) können insoweit Probleme auftreten bei – einer Konkurrenzschutzverletzung951; – einer Behinderung des Zugangs zu einem Geschäftslokal und zur Einhaltung eines bestimmten Mietermix952; – einer Zusicherung einer Vollvermietung und bestimmten Mieterstruktur953;

945 LG Berlin v. 22.8.2013 – 67 S 121/12, GE 2013, 1517. 946 OLG Düsseldorf v. 4.5.2010 – 24 U 195/09, MietRB 2010, 225 = MDR 2010, 1244 = ZMR 2011, 118; KG v. 27.11.2006 – 12 U 182/04, MietRB 2007, 87 = ZMR 2007, 364. 947 OLG Karlsruhe v. 14.11.2017 – 8 U 87/15, MietRB 2018, 201 = MietRB 2018, 202 = ZMR 2019, 19 m.w.N. 948 Vgl. BGH v. 27.1.2010, XII ZR22/07, juris, Rz. 41; OLG Celle v. 29.1.1988 – 2 U 78/87, NJW-RR 1988, 723 (725). 949 OLG Karlsruhe v. 14.11.2017 – 8 U 87/15, MietRB 2018, 201 = MietRB 2018, 202 = ZMR 2019, 19 m.w.N. 950 BGH v. 26.9.2012 – XII ZR 122/11, MietRB 2013, 7 = WuM 2012, 671 = GE 2012, 1553; BGH v. 15.10.2008 – XII ZR 1/07, MDR 2009, 319 = MietRB 2009, 67 = MietRB 2009, 68 = NJW 2009, 664, 665 jeweils m.w.N. 951 BGH v. 26.9.2012 – XII ZR 122/11, MietRB 2013, 7 = WuM 2012, 671 = GE 2012, 1553. 952 BGH v. 15.10.2008 – XII ZR 1/07, MDR 2009, 319 = MietRB 2009, 67 = MietRB 2009, 68 = NJW 2009, 664 (665). 953 BGH v. 21.9.2005 – XII ZR 66/03, MDR 2006, 506 = MietRB 2006, 263 = NJW 2006, 899 (900).

472 | Lützenkirchen

C. Gewerberaummiete | Rz. 343 § 536

– – – – –

einer enttäuschten Gewinnerwartung in einem Einkaufszentrum954; öffentlich-rechtlichen Hindernissen955; enttäuschter Gewinnerwartung bei geringer Kundenfrequenz956; Zugangsbehinderung957; Hochwassergefährdung des Mietobjekts958; insoweit ist die Sollbeschaffenheit grundsätzlich gegeben, wenn die Mieteinheiten gegen voraussehbares Hochwasser geschützt sind959. Auch wenn zzt. noch offen ist, ob der für die Gewerberaummiete zuständige XII. Senat des BGH die Rechtsprechung des VIII. Senats zu Umweltmängeln mit seiner Verteilung nach Risikokreisen (§ 536 BGB Rz. 136d) übernimmt, sollte in der Praxis insoweit von einem einheitlichen Mangelbegriff ausgegangen werden. In der Regel werden ohnehin dieselben Ergebnisse erzielt, wenn bei von außen einwirkenden Einflüssen auf die Mietsache die durch ergänzende Vertragsauslegung ermittelte Risikoverteilung herangezogen und auf Unterlassungs- oder Entschädigungsansprüche des Vermieters abgestellt wird. Zur Feststellung der Unmittelbarkeit reichen abstrakte Gefahren (z.B. Verletzung von Normen) nicht 341 aus960. Erst die konkreten Einwirkungen und Risiken begründen auch eine direkte Auswirkung auf den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache. Ausschlaggebend sind stets die konkreten Umstände des Einzelfalles. Mit Rücksicht darauf hängt die Frage, ob ein Mangel der Mietsache unmittelbar anhaftet, zunächst vom 342 Vertragszweck ab961. Deshalb fehlt die Unmittelbarkeit bei der Störung einer Parkplatznutzung, wenn das Warensortiment des Geschäfts keinen Autotransport erfordert962. Doch selbst wenn eine Warenanlieferung stattfindet, ist ein Mangel nicht wegen der Erschwerung der Zufahrt durch vorschriftswidrig abgestellte Fahrzeuge begründet, sofern das Mietobjekt mit einem kleineren Lkw ohne weiteres noch erreichbar ist963. Ob eine Zugangsbehinderung im Einzelfall eine mittelbare oder eine unmittelbare Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit darstellt, hängt zum einen vom Nutzungszweck der Mieträume und zum anderen von der Art der Zugangsbehinderung ab. Verneint hat das OLG Celle eine unmittelbare Einwirkung für den Fall, dass eine Gaststätte in die Einrichtung einer verkehrsberuhigten Zone einbezogen wird und hierdurch ein Umsatzrückgang eintritt.964 Ebenso nur eine mittelbare Beeinträchtigung hat das OLG Frankfurt für den Fall angenommen, dass ein Rechtsanwalt, der Räumlichkeiten für seine Kanzlei in einem eleganten Bürogebäude gemietet hat, ein Ausbleiben von Mandanten wegen des durch andere Mieter hervorgerufenen optischen Eindrucks befürchtete.965 Dagegen liegt die Unmittelbarkeit schon in der Nachhaltigkeit, wenn ein Ladenlokal an einem zentra- 343 len Platz in einer Großstadt vermietet ist, nach etwa einem Jahr umfangreiche Bauarbeiten auf dem Platz beginnen und damit verbundene Erdaushubarbeiten (wegen des Baus einer Tiefgarage) in unmittelbarer Nähe des Ladenlokals stattfinden, so dass über Jahre hinweg der Zugang zu dem Ladenlokal nur über Bretterstege möglich ist966. Das Gleiche soll bei einer Baustelle gelten, durch die der Zugang zu einem Arkadengang behindert wird967, oder wenn infolge eines U-Bahn-Baus die Gehwegbreite vor

954 955 956 957 958 959 960 961 962 963 964 965 966 967

BGH v. 16.2.2000 – XII ZR 279/97, MDR 2000, 821 m. Anm. Leo = NJW 2000, 1714 (1715). BGH v. 11.12.1991 – XII ZR 63/90, WPM 1992, 583 (585). BGH v. 1.7.1981 – VIII ZR 192/80, MDR 1982, 135 = NJW 1981, 2405. OLG Hamm v. 24.10.1995 – 7 U 171/94, OLGR Hamm 1996, 76 = NJWE-MietR 1996, 80. BGH v. 9.12.1970 – VIII ZR 149/69, NJW 1971, 424 (425). OLG München v. 3.3.2015 – 32 U 1185/14, MietRB 2015, 227 = ZMR 2015, 447. BGH v. 26.9.2012 – XII ZR 122/11, MietRB 2013, 7 = WuM 2012, 671 = GE 2012, 1553. BGH v. 1.7.1981 – VIII ZR 192/80, MDR 1982, 135 = NJW 1981, 2405; OLG Dresden v. 6.2.2001 – 23 U 2407/00, ZMR 2002, 261; OLG Naumburg v. 13.12.1996 – 6 U 126/96, WuM 1997, 675. BGH v. 16.2.2000 – XII ZR 279/97, MDR 2000, 821 m. Anm. Leo = NJW 2000, 1714. KG v. 13.1.2003 – 8 U 83/03, zitiert nach juris. OLG Celle v. 13.3.1996 – 2 U 53/95, NJW-RR 1996,1099. OLG Frankfurt v. 1.7.2005 – 24 U 234/04, zitiert nach juris. OLG Dresden v. 18.12.1998 – 5 U 1774/98, WuM 1999, 158 = ZMR 1999, 241. Hanseatisches OLG Hamburg v. 6.12.2000 – 4 U 121/00, WuM 2003, 146; vgl. auch OLG Düsseldorf v. 18.11.1997 – 24 U 261/96, MDR 1998, 768 = ZMR 1999, 471.

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§ 536 Rz. 343 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln dem Ladenlokal verringert wird968. Das KG969 hat eine zur Minderung führende, unmittelbare Gebrauchsbeeinträchtigung in einem Fall angenommen, in dem durch den Bau der U-Bahn der Zugang zu einem Geschäft, in welchem Reiseliteratur, Stadtpläne, Ansichtskarten und Souvenirs verkauft wurden, welches also klassisch von Laufkundschaft lebt, nur noch über eine Behelfsbrücke erreichbar gewesen wäre. Könnten die Kunden eines solchen Geschäftes dieses wegen der Versperrung durch die Baustelleneinrichtung nicht mehr wie bisher erreichen, könne auch der Mietzweck, dieser Kundenschicht diese Artikel zum Kauf anzubieten und auch zu verkaufen, nicht mehr erreicht werden. Für ein Ladenlokal, weiches an einer Straße liegt, die ein Einkaufzentrum und den Markt verbindet, hat Fritz970 eine Minderung verneint, wenn der Zugang vom Markt her wegen Bauarbeiten versperrt wird, vom anderen Ende der Straße her aber möglich bleibt. 344 Wird der Zugang zu einem Geschäftslokal nach Einrichtung einer Drogenberatungsstelle mit „Drogen-

café“ im Nachbarhaus durch Auswirkungen der Drogenszene beeinträchtigt, steht dem Mieter gegen den Vermieter, ohne dass diesen ein Verschulden treffen müsste, ein Minderungsanspruch (hier: 50 %) wegen eines Fehlers der Mietsache zu971. Auch wenn für den Betrieb eines Ladengeschäfts der „freie“ Zugang regelmäßig verkaufsfördernd ist, ist diese Meinung vorbehaltlich abweichender Vertragsregelungen abzulehnen, solange der Vermieter im Rahmen seiner Fürsorgepflicht keine erfolgversprechenden Einwirkungsmöglichkeiten hat, die dem Mieter nicht auch zur Verfügung stehen (Alarmierung der Polizei, Gespräche mit dem Cafébetreiber etc.). Abgesehen davon, dass es erfolgreiche Konzepte gegen Drogenszenen gibt, kann auch durch besonders attraktive Geschäfte in der Nachbarschaft, bei denen sich Ansammlungen durch Kaufinteressenten bilden, eine Zugangsbehinderung stattfinden. Mit solchen Veränderungen muss aber gerechnet werden, wenn ein Geschäft angemietet wird, dass in einer Straße mit vielen Ladenlokalen liegt. Erst wenn der Mietpreis z.B. unter besonderer Berücksichtigung des unbehinderten Zugangs verhandelt wurde oder der Gesichtspunkt bei den Vertragsverhandlungen eine Rolle gespielt hat, ist ein anderes Ergebnis denkbar972 (§ 536 BGB Rz. 192a). 345 Ohne besondere Absprachen973 kann aus der bloßen Vereinbarung einer deutlich über den örtlichen

Spitzenpreisen liegenden Miete, auch vor dem Hintergrund eines das „einmalige Ambiente“ und die „angenehme Atmosphäre“ hervorhebenden Exposés, noch keine Verpflichtung des Vermieters abgeleitet werden, einen bestimmten „Mietermix“ oder ein bestimmtes „Milieuniveau“ zu bewahren, das zumindest „eher über dem Durchschnitt liegenden Anforderungen“ gerecht werden muss974 (vgl. § 536 BGB Rz. 369). 2. Festlegung der Sollbeschaffenheit

346 In der Gewerberaummiete spielt die individuelle Festlegung der Sollbeschaffenheit eine entscheidende

Rolle bei den meisten Vertragsverhandlungen. Denn viele Gewerbe erfordern besondere bauliche Voraussetzungen. So erhält ein Gastronom, der Speisen herstellen will, keine Konzession, wenn die durch Betriebseinrichtungen in der Mietsache entstehenden Dämpfe und Dünste nicht über eine Abluftanlage entsorgt werden, die die Küchengerüche über die letzte bewohnte Etage des Gebäudes hinausführt und im Übrigen der VDI-Richtlinie 2052 entspricht. Eine weitere Mindestvoraussetzung bildet eine nach Geschlechtern getrennte Toilettenanlage. Eine Apotheke erhält keine Betriebserlaubnis, wenn nicht die Anforderungen der ApBetrO insbesondere hinsichtlich der besonderen Bedingungen für eine sog. Rezeptur, also dem in jeder Apotheke notwendigen Raum zur Herstellung von besonderen Medikamenten, zur Verfügung gestellt werden. Schließlich werden an Gewerberäume, in denen z.B. durch Bäcker, Metzger etc. Lebensmittel produziert werden sollen, besondere hygienische Anforderungen nach der Lebens-

LG Düsseldorf v. 13.3.2012 – 9 O 193/11, MietRB 2012, 230 = ZMR 2012, 775. KG v. 12.11.2007 – 8 U 194/06, MietRB 2008, 71 = GE 2008, 52 = GuT 2007, 436. Fritz, NZM 2008, 825. OLG Hamm v. 24.10.1995 – 7 U 171/94, OLGR Hamm 1996, 76 = NJWE-MietR 1996, 80. Im Ergebnis ebenso: LG Düsseldorf v. 18.11.1994 – 21 S 575/93, NJW-RR 1995, 330; AG Dresden v. 4.3.2016 – 141 C 1707/15, WuM 2017, 7. 973 BGH v. 26.9.2012 – XII ZR 122/11, MietRB 2013, 7 = WuM 2012, 671 = GE 2012, 1553. 974 BGH v. 15.10.2008 – XII ZR 1/07, MDR 2009, 319 = MietRB 2009, 67 = MietRB 2009, 68, zitiert nach juris.

968 969 970 971 972

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C. Gewerberaummiete | Rz. 351 § 536

mittelhygieneV975 gestellt, wozu u.a. Fliesen einer bestimmten Abriebklasse in den Produktionsräumen gehören. Solange die Parteien keine (wirksame) abweichende Vereinbarung treffen, übernimmt der Vermieter 347 mit der Festlegung des Vertragszwecks („… zum Betrieb eines …“) die Garantie, dass jedenfalls die baulichen Gegebenheiten der Erteilung der Betriebserlaubnis, Konzession etc. nicht entgegenstehen. Immerhin gehört es zu seinen Hauptpflichten, den vertragsgemäßen Zustand zur Verfügung zu stellen, § 535 Abs. 1 S. 2 BGB976. Dementsprechend kann der Mieter erwarten, dass er die gemieteten Räumlichkeiten auch „zum Betrieb“ nutzen kann. Soll nach den Vorstellungen der Parteien innerhalb der Mietsache eine unterschiedliche Qualität der 348 Nutzung stattfinden und dies auf (abtrennbare) Teile der Mietsache beschränkt werden, muss die Sollbeschaffenheit entsprechend differenziert festgelegt werden (z.B. „… Fläche zum Betrieb als … sowie Keller als Lager …“). Denn bezieht sich der Nutzungszweck auf alle Räume, muss die gesamte Mietsache im Zweifel für den Betrieb des Mieters geeignet sein. Deshalb kann z.B. der Freiberufler, in dessen Mietvertrag über eine Einheit in einem Altbau sich der Nutzungszweck auch auf Kellerflächen bezieht, verlangen, dass die Kellerräume nicht nur zur Lagerung von gegen Feuchtigkeit unempfindlichen Gegenständen geeignet sind, sondern dass eine Nutzung als Lager, Werkstatt, Aufenthaltsraum, Büro und WC möglich ist977. Dies gilt erst recht, wenn die Kellerräume zuvor durch den Vermieter entsprechend ausgebaut worden waren und bereits vom Vormieter im Rahmen des gleichen Betriebes in ähnlicher Weise genutzt worden sind. 3. Rückgriff auf Standards Auch beim Gewerberaummietvertrag reicht allein die Verletzung eines Standards zur Annahme eines 349 Mangels i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB nicht aus (§ 536 BGB Rz. 94). Vielmehr werden hier ebenfalls die Gewährleistungsrechte erst ausgelöst, wenn zusätzlich eine Beeinträchtigung des Mietgebrauchs festgestellt werden kann978, wozu im Wesentlichen auf den Vertragszweck abzustellen ist. Dazu gehört z.B. bei einem Gewerbe, dass der vorgesehene Beruf oder das vorgesehene Gewerbe in den 350 Mieträumen unter Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen ausgeübt werden kann. Da regelmäßig für die Gewerbe spezielle Richtlinien bestehen, die auch Anforderungen an den Gebäudezustand stellen (vgl. § 536 BGB Rz. 346), müssen auch solche Standards in die Auslegung einfließen. Nicht alle davon müssen aber unbedingt vom Gebäudeeigentümer/Vermieter eingehalten werden und sind daher nicht ohne besondere Vereinbarung Gegenstand des vertragsgemäßen Zustandes. Dies gilt z.B. bei der Vermietung von Büroräumen. Vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen sollen 351 sie so ausgestattet sein müssen, dass § 6 Abs. 1 ArbStättV979 bzw. die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) A3.5 eingehalten werden können. Danach soll die Innentemperatur von Arbeitsräumen 26 °C nicht überschreiten, jedenfalls soll gewährleistet sein, dass bei höheren Außentemperaturen die Innentemperatur mindestens 6 °C niedriger liegt. Sind die Räume nicht geeignet, diese Vorgaben einzuhalten, soll ein Mangel der Mietsache jedenfalls in den Zeiträumen der Überhitzung vorliegen980. Bei klimatisierten Räumen (Modegeschäft) soll ständig eine Raumtemperatur möglich sein, die 26 °C

975 OLG Düsseldorf v. 4.5.2010 – 24 U 195/09, MietRB 2010, 225 = MDR 2010, 1244 = ZMR 2011, 118 = NZM 2010, 820. 976 BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, MietRB 2008, 103 = GuT 2007, 434 = GE 2008, 120 = ZMR 2008, 274. 977 KG v. 5.7.2010 – 12 U 172/09, MietRB 2010, 322 = GuT 2010, 218. 978 OLG Celle v. 19.7.1984 – 2 UH 1/84, WuM 1985, 9; LG Göttingen v. 1.6.1988 – 5 S 94/87, WuM 1989, 409. 979 S. dazu die Arbeitsstättenrichtlinien ASR A3.5. 980 OLG Naumburg v. 17.6.2003 – 9 U 82/01, WuM 2004, 49 = MietRB 2004, 72 = NJW-RR 2004, 299; OLG Rostock v. 29.12.2000 – 3 U 83/98, NZM 2001, 425 = NJW-RR 2001, 802; OLG Düsseldorf v. 4.6.1998 – 24 U 194/96, MDR 1998, 1217 = ZMR 1998, 622; OLG Hamm v. 18.10.1994 – 7 U 132/93, NJW-RR 1995, 143; OLG Köln v. 28.10.1991 – 2 U 185/90, MDR 1993, 973 = WuM 1995, 35 = NJW-RR 1993, 466.

Lützenkirchen | 475

§ 536 Rz. 351 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln nicht über- und 20 °C nicht unterschreitet981. Insoweit gibt die DIN EN 13779982, die für Gebäude gilt, die dem Verkauf von Waren dienen, für die Innentemperatur 21–26 °C vor. 352 Diese undifferenzierte Betrachtungsweise ist nicht gerechtfertigt. Es bestehen bereits Bedenken, ob

der Anwendungsbereich der ArbeitsstättenV den Gebäudeeigentümer trifft983. Entscheidend ist aber zunächst, dass erhöhte Raumtemperaturen im Sommer, die durch die konkreten Witterungsverhältnisse bedingt sind, grundsätzlich keinen Mangel eines Gebäudes darstellen984. Wenn insoweit eine Begrenzung der Temperatur erfolgen soll, muss dies im Mietvertrag vereinbart sein. Eine solche Abrede ist in dem Nutzungszweck „Büro“ weder ausdrücklich noch konkludent enthalten. Immerhin stellt eine Klimatisierung der Räume auch heutzutage noch keine Standardausstattung dar. Die ArbStättV gibt auch keinen tauglichen Anknüpfungspunkt dafür, ob und welche Raumtemperaturen einen Mietmangel darstellen985. Gemäß § 1 Abs. 1 ArbStättV dient die Verordnung der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten. Ihr Ziel ist es hingegen nicht, Regeln darüber aufzustellen, welche Anforderungen ein Gewerberaum erfüllen muss, um mangelfrei i.S.d. Mietrechts zu sein. Vielmehr richtet sich die ArbStättV an den Arbeitgeber, nicht den Vermieter. Im Übrigen muss hinsichtlich der Tauglichkeit grundsätzlich auf die Bezugsfertigkeit des Gebäudes abgestellt werden (vgl. dazu § 536 BGB Rz. 98). Galt zu diesem Zeitpunkt die ArbStättV986 oder die DIN EN 13779987 z.B. noch nicht, konnte der Vermieter sie ohnehin nicht beachten988. 353 Deshalb bleibt für einen Baumangel als Richtlinie bzw. Standard die DIN 4108-2. Darin sind die Min-

destanforderungen an den Wärmeschutz geregelt, der neben der EnEV den Mindestwärmeschutz von Bauteilen erfasst sowie den sommerlichen Wärmeschutz festlegt989. Mit Rücksicht darauf kann eine Minderung nur anerkannt werden, wenn infolge der hohen Innentemperaturen trotz angepasstem Lüftungsverhalten eine Gebrauchsbeeinträchtigung besonders festgestellt werden kann. Allein die Überschreitung von höchstzulässigen Temperaturen ist dafür allenfalls ein Indiz990. Diese Gebrauchsbeeinträchtigung kann sich z.B. daraus ergeben, dass Kunden, die sich zum Anprobieren von Kleidung (mehrfach) an- und ausziehen müssen, ins Schwitzen kommen991.

II. Einzelne Mängel der Mietsache 1. Berechnung der Fläche bei Gewerberaum 354 Die Rechtsprechung zur Flächenabweichung gilt grundsätzlich auch in der Gewerberaummiete992. Für

die Berechnung der Fläche von Gewerberaum stehen mehrere Methoden zur Verfügung (z.B. DIN 277, Mietflächen für gewerblichen Raum [MF/G] von der gif993 2017, Frankfurter Aufmaß, IPMS994). Deshalb kommt es darauf an, ob die Parteien dazu eine Festlegung getroffen haben. Ist das der Fall, ist der 981 OLG Rostock v. 17.5.2018 – 3 U 78/16, MietRB 2018, 200 = MDR 2018, 924 = ZMR 2018, 749. 982 „Lüftung von Nichtwohngebäuden – Allgemeine Grundlagen und Anforderungen an Lüftungs-und Klimaanlage“ von September 2007. 983 Dagegen KG v. 5.3.2012 – 8 U 48/11, MietRB 2012, 163 = MDR 2012, 756; OLG Karlsruhe v. 17.12.2009 – 9 U 42/09, MietRB 2010, 228 = MDR 2010, 564 = GE 2010, 542 = GuT 2010, 212; OLG Frankfurt v. 19.1.2007 – 2 U 106/06, MietRB 2007, 228 = NZM 2007, 330; Busse, NJW 2004, 1982; Harms, NZM 2005, 441. 984 OLG Karlsruhe v. 17.12.2009 – 9 U 42/09, MietRB 2010, 228 = MDR 2010, 564 = GE 2010, 542 = GuT 2010, 212. 985 OLG Karlsruhe v. 17.12.2009 – 9 U 42/09, MietRB 2010, 228 = MDR 2010, 564 = GE 2010, 542 = GuT 2010, 212; OLG Frankfurt v. 19.1.2007 – 2 U 106/06, MietRB 2007, 228 = NZM 2007, 330; Busse, NJW 2004, 1982; Harms, NZM 2005, 441. 986 Sie trat zum 1.1.1976 in Kraft und wurde 2004 neu gefasst. 987 Im September 2007 erschienen. 988 Vgl. Hübner/Griesbach/Fuerst in Lindner-Figura u.a., Kap. 14 Rz. 248 m.w.N. 989 Vgl. Brandenburgisches OLG v. 12.9.2012 – 3 U 100/09, IMR 2012, 505. 990 KG v. 5.3.2012 – 8 U 48/11, MietRB 2012, 163 = MDR 2012, 756. 991 OLG Rostock v. 17.5.2018 – 3 U 78/16, MietRB 2018, 200 = MDR 2018, 924 = ZMR 2018, 749. 992 BGH v. 4.5.2005 – XII ZR 254/01, MietRB 2005, 259 = MDR 2005, 975 = ZMR 2005, 612 = GuT 2005, 163; OLG Düsseldorf v. 19.11.2013 – 10 U 112/13, IMR 2014, 247. 993 Gesellschaft für Immobilienforschung e.V. (www.gif-ev.de). 994 Vgl. dazu Schmidt, ZMR 2014, 956 (957).

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C. Gewerberaummiete | Rz. 357 § 536

vereinbarte Maßstab anzusetzen, ohne dass eine Priorität für eine der erwähnten Maßstäbe besteht995. Vereinbarungen dazu können zwar an § 307 BGB gemessen werden. Indessen wird nur in seltenen Ausnahmefällen eine unangemessene Benachteiligung festgestellt werden können. Denn die einschlägigen Messmethoden sehen bereits eine so erhebliche Bandbreite vor, dass sich Zulässigkeitsgrenzen – außerhalb des Transparenzgebotes – nicht ziehen lassen. Haben die Parteien keinen Bewertungsmaßstab festgelegt, kann der Mieter nicht erwarten, dass die 355 Größe der Räume wie eine Wohnfläche ermittelt wird, also Raumteile mit einer geringeren (lichten) Höhe als 2 m nur anteilig berücksichtigt werden996. Vielmehr ist durch Auslegung zu ermitteln, nach welcher Methode die Fläche ermittelt werden sollte. In Betracht kommen insoweit die zuvor (Rz. 354) dargestellten Regelwerke, wobei die DIN 277 nach Bruttogeschossfläche (BGF), Nettogrundfläche (NGF) und Nutzfläche (NF) unterscheidet997. Die im Mietvertrag verwendeten Begriffe „Bruttogeschossfläche“, „innenliegende Technikflächen“ und „anteilige Gemeinschaftsflächen“ sind als „Bruttogrundfläche“, „technische Funktionsfläche“ und „Verkehrsfläche“ gemäß DIN 277 auszulegen998. Wird im Mietvertrag vereinbart, dass Mietfläche „die Fläche innerhalb der Außenhaut des vermieteten Objektes“ sein soll, soll die Auslegung dieser Vereinbarung ergeben, dass zur Mietfläche – in Abweichung zur Nettogrundfläche nach DIN 277 – auch diejenigen Flächen gehören, die sich als Konstruktionsfläche der Außenwände zwischen der Innenseite der Fassade und der Innenseite der Innenwände befinden, auch wenn diese durch den Mieter nicht genutzt werden können999. Insbesondere wenn der Vermieter eine entsprechende Berechnung vorlegt, ist es ohne weiteres zulässig, die Bruttomietfläche, die durch Übermessen der Innenwände ermittelt wird, der Mietpreisberechnung zugrunde zu legen1000. Dabei sind die Flächen der Räume zu bewerten, die in der Beschreibung des Mietobjektes genannt sind oder von einer Grundrisszeichnung erfasst werden1001. Damit kommen u.U. auch Flächen zur Anrechnung, die vom Mieter nicht alleine genutzt werden. Allein die Vereinbarung eines Vertragszwecks (hier: Betrieb einer Anwaltskanzlei) steht dabei der Ein- 356 beziehung von Terrassen- oder Balkonflächen nicht entgegen1002. Auch die Berücksichtigung von Konstruktionsflächen steht nichts entgegen, wenn sie von dem vereinbarten Maßstab erfasst wird1003. Enthält der Mietvertrag aber eine Klausel, nach der bei einer nachträglich festgestellten Flächenabweichung keine Partei eine Änderung der Miete verlangen kann, ergibt die Auslegung, dass die Miete nicht von der Fläche abhängig sein soll, so dass eine Minderung nicht geltend gemacht werden kann1004. Wird im Mietvertrag auf die DIN 277-1 verwiesen und z.B. die „Nettogrundfläche“ vereinbart, herrscht 357 oft das Verständnis vor, dass die Mietflächen unter nicht tragenden Innenwänden nicht zu berücksichtigen sind, was sich aus dem Wortlaut der DIN selbst allerdings nicht ohne weiteres ergibt1005. Nach den Erläuterungen des Deutschen Instituts für Normung e.V. handelt es sich bei der Nettogrundfläche (NGF) der DIN 277-1 um „die Summe der Grundflächen aller Grundrissebenen eines Bauwerks ohne die Konstruktionsflächen“, wobei die Nettogrundfläche weiter unterteilt ist in Nutzfläche, Technische Funktionsfläche und Verkehrsfläche. Die Konstruktionsfläche wiederum bildet „die Summe der Grundflächen der aufgehenden Bauteile aller Grundrissebenen eines Bauwerkes von“ u.a. Wänden, raumhohen Vormauerungen und Bekleidungen1006.

995 OLG Hamm v. 9.5.2014 – 30 U 58/12, MietRB 2014, 201 = NZM 2014, 585 = IMR 2014, 383. 996 Brandenburgisches OLG v. 6.1.2015 – 6 U 134/13, GE 2015, 590; OLG Düsseldorf v. 17.11.2001 – 24 U 56/ 11, MietRB 2012, 137 = GE 2012, 616; KG v. 30.9.2005 – 12 U 213/04, MietRB 2006, 124 = GuT 2006, 133. 997 Vgl. zur inhaltlichen Beschreibung und den Unterschieden: Seldeneck/Wichert/Fallak, Baustein 40 Rz. 3. 998 OLG Düsseldorf v. 19.11.2013 – 10 U 112/13, IMR 2014, 247. 999 OLG Hamm v. 9.5.2014 – 30 U 58/12, MietRB 2014, 201 = NZM 2014, 585 (586). 1000 BGH v. 4.10.2000 – XII ZR 44/98, NZM 2001, 234; OLG Düsseldorf v. 17.11.2001 – 24 U 56/11, MietRB 2012, 137 = GE 2012, 616; KG v. 22.10.2001 – 20 U 3713/00, GE 2002, 257. 1001 KG v. 5.2.2009 – 12 U 122/07, MDR 2009, 499 = GE 2009, 516. 1002 OLG Düsseldorf v. 16.1.2003 – 10 U 182/01, ZMR 2005, 943. 1003 OLG Hamm v. 9.5.2014 – 30 U 58/12, MietRB 2014, 201 = IMR 2014, 383. 1004 OLG Düsseldorf v. 16.1.2003 – 10 U 182/01, ZMR 2005, 943. 1005 Vgl. hierzu z.B. OLG Düsseldorf v. 13.1.1994 – 10 U 62/93, WE 1995, 373. 1006 Vgl. hierzu DIN, Deutsches Institut für Normung e.V. DIN 277 „Grundflächen und Rauminhalte von Bauwerken im Hochbau“ unter http://messdat.de/310-DIN277.pdf.

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§ 536 Rz. 358 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln 358 Ein Übermessen der nicht tragenden Innenwände ist aber ausgeschlossen, wenn die Parteien trotz

Verwendung des Begriffs „Nettogrundfläche“ davon ausgegangen sind, dass bei dieser Berechnungsmethode auch die unter diesen aufstehenden Bauteilen befindliche Fläche berücksichtigt wird1007. Die vollständige Flächenerfassung ist insbesondere dann nicht ungewöhnlich, wenn die Herrichtung der Mietsache nach den Vorgaben des Mieters erfolgt1008, so dass dessen kleinteilige Aufteilung ansonsten zu einer (willkürlichen) Reduzierung der Mietfläche führen würde.

359 Eine von dem Gewerberaummieter genutzte Außenfläche ist bei der Nutzflächenberechnung nur dann

zu berücksichtigen, wenn dem Gewerberaummieter die Außenfläche mitvermietet worden ist. Schließen die Parteien unter Abänderung des ursprünglichen Mietvertrages, in dem die Außenfläche nicht mitvermietet worden war, einen neuen Mietvertrag, ist die Außenfläche bei der Flächenberechnung nur dann zu berücksichtigen, wenn sie bei Abschluss des neuen Mietvertrages mitvermietet worden ist, der Vermieter also dem Mieter die Nutzung nicht lediglich gestattet hat, und aufgrund der Vereinbarungen davon auszugehen ist, dass die Außenfläche bei der Berechnung der Nutzfläche mit berücksichtigt werden soll. Letzteres ist nicht der Fall, wenn die vereinbarte Erhöhung der Miete ersichtlich in keinem Zusammenhang mit der Nutzung der Außenfläche steht und die Größe der Außenfläche in dem Nachtrag zu dem ursprünglichen Mietvertrag nicht genannt ist1009. Ob eine von dem Gewerberaummieter genutzte Außenfläche bei der Nutzflächenberechnung voll oder lediglich anteilig zu berücksichtigen ist, hängt im Übrigen von der Mietpreiskalkulation ab. 360 Bei der Vermietung vom Reißbrett kann die Flächenangabe ebenso eine zugesicherte Eigenschaft be-

gründen wie bei der Angabe der Mietfläche unter der Überschrift „Mietzins“ (vgl. § 536 BGB Rz. 218). Enthält der Mietvertrag aber eine Klausel, nach der bei einer nachträglich festgestellten Flächenabweichung keine Partei eine Änderung der Miete verlangen kann, soll die Auslegung ergeben, dass die Miete nicht von der Fläche abhängig ist, so dass eine Minderung ausscheidet1010.

360a Kann der Vermieter die im Vertrag oder während der Vertragsverhandlungen angegebene Fläche nicht

z.B. durch Vorlage von Plänen, Skizzen oder Berechnungen auf eine eigene Bewertung zurückführen und lässt sich auch kein hypothetischer Parteiwille ermitteln, kommt es darauf an, welche Methode am Ort der Gewerbeeinheit üblich ist (vgl. § 536 BGB Rz. 244). Dies hat der darlegungspflichtige Mieter im Zweifel durch ein Sachverständigengutachten nachzuweisen1011. Eine freie Wahl des Vermieters, nach welcher Methode die Fläche zu berechnen ist1012, ist abzulehnen. Damit ist zwar keine unzulässige Beweislastregel verbunden1013. Denn die Beweislast ergibt sich aus allgemeinen Grundsätzen. Indessen besteht kein einseitiges Bestimmungsrecht des Vermieters. Er hat zwar im Regelfall die Flächenangabe im Mietvertrag zu verantworten. Diese ist aber Grundlage der Mietpreisbildung und damit einer Vereinbarung, die einseitig nicht verändert werden kann. Vielmehr haben die Parteien, selbst wenn die Methode als solche bei den Vertragsverhandlungen nicht zur Sprache gekommen ist, im Zweifel konkrete Vorstellungen, die sich an den ortsüblichen Gepflogenheiten orientieren. Deshalb kann nur die Methode zur Anwendung kommen, die der Vermieter bei Vertragsschluss tatsächlich herangezogen hat. 361 Bei der Berechnung der Minderung kann es auf die unterschiedliche Qualität der Flächen ankommen

(z.B. Laden und Keller). Lässt sich der Mangel (hier: Flächenabweichung) eindeutig einem bestimmten Bereich zuordnen, kann die Minderung nach dem Mietanteil für diese Fläche berechnet werden. Dies gilt selbst dann, wenn für die verschiedenen Teile der Mietsache keine besondere Miete im Mietvertrag angegeben ist1014 (vgl. § 536 BGB Rz. 302).

1007 1008 1009 1010 1011 1012 1013 1014

KG v. 17.5.2010 – 12 U 211/08, MietRB 2010, 224 = ZMR 2010, 951. Vgl. hierzu auch BGH v. 4.10.2000 – XII ZR 44/98, NJW-RR 2001, 439. AG Bad Segeberg v. 22.1.2011 – 17 C 179/10, zitiert nach juris. OLG Düsseldorf v. 16.1.2003 – 10 U 182/01, ZMR 2005, 943. Neuhaus, Rz. 668. So: OLG Düsseldorf v. 17.11.2001 – 24 U 56/11, MietRB 2012, 137 = GE 2012, 616 = DWW 2012, 212. A.A. Seldeneck/Wichert/Fallak, Baustein 41 Rz. 6. BGH v. 18.7.2012 – XII ZR 97/09, MDR 2012, 1152 = MietRB 2012, 317 = WuM 2012, 550.

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C. Gewerberaummiete | Rz. 365 § 536

2. Konkurrenzschutzverletzung Ob eine Konkurrenzschutzverletzung als Mietmangel anzusehen ist, wird in Rechtsprechung und Lite- 362 ratur nicht einheitlich bewertet. Während die überwiegende obergerichtliche Rechtsprechung für die Annahme eines Mietmangels plädiert1015, vertreten andere Gerichtsentscheidungen1016 sowie aktuelle Stimmen aus der Literatur1017 die gegenteilige Auffassung1018. Der BGH hat sich der überwiegenden Auffassung angeschlossen1019, nach der eine Verletzung der Kon- 363 kurrenzschutzpflicht zu einem Mangel der Mietsache führt. Sowohl die Verletzung des sog. vertragsimmanenten als auch die des ausdrücklich vereinbarten Konkurrenzschutzes sollen Störungen darstellen, die außerhalb der Mietsache liegen und die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch unmittelbar beeinträchtigen können. Bei der Vermietung von Räumen zum Betrieb eines bestimmten Geschäfts gehöre es auch ohne ausdrückliche Vereinbarung zur Gewährung des vertragsgemäßen Gebrauchs gemäß § 535 BGB, in anderen Räumen des Hauses oder auf unmittelbar angrenzenden Grundstücken des Vermieters kein Konkurrenzunternehmen zuzulassen1020. Die Verpflichtung des Vermieters zum Schutz des Mieters vor Konkurrenz auch bei Fehlen einer vertraglichen Regelung beruhe auf der Erwägung, dass es zur Gewährung des vertragsgemäßen Gebrauchs gehört, dass der Vermieter den Mieter in dem vertraglich vereinbarten Gebrauch zum Betrieb des vereinbarten Geschäfts bzw. Gewerbes nicht behindert. Dabei sei der Vermieter allerdings nicht gehalten, dem Mieter jeden fühlbaren oder unliebsamen Wettbewerb fernzuhalten. Vielmehr sei nach den Umständen des einzelnen Falles abzuwägen, inwieweit nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Belange der Parteien die Fernhaltung von Konkurrenz geboten ist. Für einen vertraglichen Konkurrenzschutz gelte nichts anderes1021. Durch die ausdrückliche Vereinbarung der Verpflichtung werde der geschuldete vertragsgemäße Gebrauch dahin konkretisiert, dass dem Mieter der von bestimmter Konkurrenz ungestörte Gebrauch der Mieträume eingeräumt wird. Allerdings setzt die Minderung der Miete neben dem Vorliegen eines Mangels voraus, dass dadurch der 364 vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache mehr als nur unerheblich beeinträchtigt wird. Hierzu müssen besondere Feststellungen getroffen werden. Dabei wird darauf abzustellen sein, inwieweit die Konkurrenz die Ertragskraft der Räume, das wesentliche Merkmal einer wettbewerbslosen Situation, negativ beeinflusst. 3. Zugangsbehinderung Auch und gerade in der Gewerberaummiete haben Umweltfehler (vgl. § 536 BGB Rz. 136 ff.) eine 365 besondere Bedeutung. Insbesondere kommen Störungen des Gebrauchs durch bestimmte äußere Einflüsse auf die Mietsache1022 oder veränderte Umstände im Umfeld1023 in Betracht. Insoweit ist für die Annahme eines Mangels i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB grundsätzlich maßgeblich, ob der Mieter bestimmte

1015 Vgl. OLG Düsseldorf v. 6.7.2001 – 24 U 174/00, NZM 2001, 1033; KG v. 25.1.2007 – 8 U 140/06, NZM 2007, 566; OLG Koblenz v. 15.12.2006 – 10 U 1013/05, NZM 2008, 405; offen gelassen: BGH v. 9.8.2006 – XII ZR 165/05, MDR 2007, 202 = NJW 2006, 3060. 1016 Vgl. BGH v. 23.12.1953 – VI ZR 244/52, BB 1954, 177; OLG Dresden v. 20.7.2010 – 5 U 1286/09, MDR 2010, 1445 = MietRB 2011, 44 = NZM 2010, 818; OLG Frankfurt v. 1.7.1985 – 4 U 167/84, EWiR 1985, 555. 1017 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 729 f.; Leo/Ghassemi-Tabar, NZM 2009, 337 (342 f.). 1018 Differenzierend Hübner/Griesbach/Schreiber in Lindner-Figura u.a., Kap. 14 Rz. 176 f. (Mietmangel nur bei Verstoß gegen den vertragsimmanenten Konkurrenzschutz, nicht aber bei Verstoß gegen den vertraglich vereinbarten Konkurrenzschutz). 1019 BGH v. 10.10.2012 – XII ZR 117/10, MDR 2012, 1396 = NJW 2013, 44 = ZMR 2013, 101; kritisch dazu: Oprée/Reinhard, NZM 2013, 16 f.; vgl. auch § 535 BGB Rz. 1095. 1020 Sog. vertragsimmanenter Konkurrenzschutz: BGH v. 7.12.1977 – VIII ZR 101/76, MDR 1978, 400 = NJW 1978, 585 (zur Vermietung von Arztpraxisräumen); BGH v. 24.1.1979 – VIII ZR 56/78, NJW 1979, 1404 (1405). 1021 A.A. Hübner/Griesbach/Fuerst in Lindner-Figura u.a., Kap. 14 Rz. 183. 1022 OLG Hamm v. 24.10.1995 – 7 U 171/94, OLGR Hamm 1996, 76 = NJWE-MietR 1996, 80 (Behinderung des beschwerdefreien Zugangs zu einem gemieteten Geschäftslokal über längere Zeit). 1023 BGH v. 21.9.2005 – XII ZR 66/03, MietRB 2006, 263 = MDR 2006, 506 = GuT 2006, 19 (fehlende Vermietung von Nachbarflächen in einem Einkaufszentrum ist kein Mangel).

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§ 536 Rz. 365 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln Eigenschaften des Umfeldes der Mietsache als unveränderlich voraussetzen durfte1024. Dies gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Vielmehr ist im Rahmen einer Abwägung zum Einen die Risikoverteilung des Mietvertrages zu beachten und im Weiteren zu klären, inwieweit der Vermieter das Risiko von Veränderungen im Umfeld der Gewerberäume übernehmen wollte. Um Letzteres abschließend beurteilen zu können, muss auch geprüft werden, ob der Vermieter überhaupt Einfluss auf die Veränderung nehmen kann (konnte) oder sie sogar verhindern kann. Dies führt bei Geräuschimmissionen von einem Nachbargrundstück infolge einer erweiterten Nutzung dazu, dass ein Mangel der Mietsache nicht angenommen werden kann1025. 366 Der ungehinderte Zugang zu den Mieträumen ist Voraussetzung für eine vertragsgemäße Nutzung

insbesondere dann, wenn Gewerberäume vermietet wurden, und das dort betriebene Gewerbe auf Kundenverkehr angewiesen ist. Die Zugangsbehinderung stellt daher grundsätzlich einen Mangel dar, auch wenn sie durch nicht vom Vermieter beeinflussbare Bauarbeiten hervorgerufen wird1026. Dies gilt allerdings nicht ohne Ausnahme. 367 Denn erforderlich ist stets, um Ausuferungen des Fehlerbegriffs zu vermeiden, eine unmittelbare Be-

einträchtigung der Tauglichkeit bzw. eine unmittelbare Einwirkung auf die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache (vgl. § 536 BGB Rz. 340 f.). Demgegenüber sind Umstände, die die Eignung der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch nur mittelbar berühren, nicht als Mängel zu qualifizieren1027. Insbesondere rein abstrakte Auswirkungen auf die Mietsache können nicht die Annahme eines Mangels rechtfertigen. 368 Die Unmittelbarkeit ist im Einzelfall anhand der konkreten Umstände festzustellen: Sie kann sich bei

einer Behinderung des Zugangs zu einem Geschäftslokal oder dem Versperren des notwendigen Einblicks in dessen Schaufenster durch die Einrichtung einer Drogenberatungsstelle ergeben, wenn die Drogenabhängigen auf dem Gehweg zusammenstehen, weil es sich um eine dauerhafte Veränderung handelt, auch wenn der Vermieter auf deren Beseitigung keinen Einfluss hat1028 (vgl. auch § 536 BGB Rz. 344). Das Gleiche soll bei einer nicht nur vorübergehenden Baustelle gelten, durch die der Zugang zu einem Arkadengang behindert wird1029, wenn der Einblick in Schaufenster durch mehrere Baucontainer versperrt wird1030 oder infolge eines U-Bahn-Baus die Gehwegbreite vor dem Ladenlokal verringert wird1031. Darüber hinaus kann sich die Unmittelbarkeit aus der Nachhaltigkeit der Auswirkungen ergeben. Das ist z.B. der Fall, wenn ein Ladenlokal an einem zentralen Platz in einer Großstadt vermietet ist, nach etwa einem Jahr umfangreiche Bauarbeiten auf dem Platz beginnen und damit verbundene Erdaushubarbeiten (wegen des Baus einer Tiefgarage) in unmittelbarer Nähe des Ladenlokals stattfinden, so dass über Jahre hinweg der Zugang zu dem Ladenlokal nur über Bretterstege möglich ist1032. Auch das Aufstellen eines Gerüstes vor dem Ladenlokal kann einen Mangel begründen, wenn die Sicht der Kunden auf die Fensterauslagen eingeschränkt ist. 4. Zusammenstellung der Mieterschaft (Mietermix) 369 Es ist bereits zweifelhaft, ob die Parteien ein bestimmtes Niveau der Mieter oder eine besondere Zusam-

menstellung des Mieterklientels als Beschaffenheitsvereinbarung regeln können. Jedenfalls bedarf es zur Begründung der Pflicht des Vermieters, einen bestimmten „Mietermix“ oder ein bestimmtes „Milieuni1024 LG Heidelberg v. 26.2.2010 – 5 S 95/09, WuM 2010, 148 (Eröffnung eines Supermarktes auf dem Nachbargrundstück). 1025 BGH v. 29.4.2015 – VIII ZR 197/14, MDR 2015, 819 = MietRB 2015, 225 = ZMR 2015, 697 = GE 2015, 849 = NZM 2015, 481. 1026 OLG Köln v. 9.5.1972 – 15 U 180/71, NJW 1972, 1814; OLG Dresden v. 18.12.1998 – 5 U 1774/98, WuM 1999, 158. 1027 BGH v. 21.9.2006 – XII ZR 66/03, MietRB 2006, 263 = MDR 2006/506 = NJW 2006, 899 (900); BGH v. 16.2.2000 – XII ZR 279/97, MDR 2000, 821 m. Anm. Leo = NJW 2000, 1714 (1715) m.w.N. 1028 OLG Hamm v. 24.10.1995 – 7 U 171/94, OLGR Hamm 1996, 76 = NJWE-MietR 1996, 80. 1029 Hanseatisches OLG Hamburg v. 6.12.2000 – 4 U 121/00, WuM 2003, 146; vgl. auch OLG Düsseldorf v. 18.11.1997 – 24 U 261/96, MDR 1998, 768 = ZMR 1999, 471. 1030 OLG Frankfurt v. 11.2.2015 – 2 U 174/14, MietRB 2015, 293, GE 2015, 1286. 1031 LG Düsseldorf v. 13.3.2012 – 9 O 193/11, MietRB 2012, 230 = ZMR 2012, 775. 1032 OLG Dresden v. 18.12.1998 – 5 U 1774/98, WuM 1999, 158 = ZMR 1999, 241.

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C. Gewerberaummiete | Rz. 373 § 536

veau“ zu bewahren1033, einer ausdrücklichen Vereinbarung. Allein aus der Preisabsprache lässt sich jedenfalls keine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung herleiten (vgl. § 536 BGB Rz. 345). Deshalb kann allein – auch bei anderem Mietenniveau – die Vermietung von Büroflächen an die 370 ARGE1034 oder eine Massagepraxis mit bordellartigen Leistungen1035 keinen Mangel begründen. Selbst wenn sich unter den Besuchern der ARGE einschließlich der von ihr für ihre Kunden betriebenen Schuldner- und Suchtberatung ein überdurchschnittlich hoher Anteil sozial auffällig gewordener Personen befindet, könnte ein solcher Personenkreis auch als Mandanten eines Strafverteidigers, Klienten eines Bewährungshelfers und Patienten eines Psychiaters in Betracht kommen, was für sich allein die Annahme eines Mangels noch nicht rechtfertigt. Dies setzt vielmehr voraus, dass der vertragsgemäße Mietgebrauch hierdurch konkret beeinträchtigt wird1036. Nichts anderes gilt bei einem bordellartigen Betrieb. 5. Verwendungsrisiko (enttäuschte Gewinnerwartung) Bei der Gewerberaummiete trägt grundsätzlich der Mieter das Verwendungsrisiko bezüglich der Miet- 371 sache1037. Dazu gehört vor allem das Risiko, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können. Erfüllt sich seine Gewinnerwartung nicht, verwirklicht sich damit ein typisches Risiko des gewerblichen Mieters1038. Danach fällt es in den Verantwortungsbereich des Mieters, als Unternehmer die Erfolgsaussichten eines Geschäfts in der gewählten Lage abzuschätzen. Das umfasst auch das Risiko einer Veränderung der Mieterstruktur im Umfeld des Mietobjektes. Das Gleiche gilt, wenn sich für den Mieter infolge Expansion zusätzlicher Platzbedarf ergibt oder öffentlich-rechtliche Bestimmungen an den Betrieb (z.B. Hygienevorschriften) geändert oder verschärft werden1039. Eine davon abweichende (teilweise) Risikoübernahme durch den Vermieter kommt in Betracht, wenn 372 der Mietvertrag vorsieht, dass der Vermieter für den geschäftlichen Erfolg des Mieters die (Mit-)Verantwortung übernommen hat. Das kann z.B. dadurch eintreten, dass der Vermieter dem Mieter die Werbung für das eigene Geschäft verbietet und selbst ein einheitliches Werbekonzept für die Immobilie verwirklicht1040. Auch die Fehlplanung eines multifunktionalen Gebäudekomplexes (Reisezentrum) kann eine teilweise Übernahme des Risikos herbeiführen, wenn die Ausgestaltung als solche Gegenstand des Mietvertrages ist1041. Vor diesem Hintergrund wird der vertragsgemäße Gebrauch der Räume auch nicht durch den Leer- 373 stand anderer Räume in einem Einkaufszentrum beeinträchtigt1042. Ebenso kann der Mieter über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) weder eine Anpassung des Vertrages noch eine Kündigung erreichen, wenn er die Mieträume zum Betrieb eines Cafés anmietet, als der Vermieter noch plant, die Obergeschosse als Büroräume zu vermieten, sie dann aber zu Wohnungen ausbaut, weil sich die Gewerbeflächen nicht vermarkten lassen1043. Denn eine Vereinbarung über eine abweichende Risikoverteilung ergibt sich weder aus einer Zusage des Vermieters über die Nutzung der anderen Flächen im Objekt noch aus der übereinstimmenden Vorstellung der Parteien, dass die über den Mieträumen gele-

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1038 1039 1040 1041 1042 1043

BGH v. 26.9.2012 – XII ZR 122/11, MietRB 2013, 7 = WuM 2012, 671 = GE 2012, 1553. BGH v. 15.10.2008 – XII ZR 1/07, MDR 2009, 319 = MietRB 2009, 67 = MietRB 2009, 68, zitiert nach juris. BGH v. 26.9.2012 – XII ZR 122/11, MietRB 2013, 7 = WuM 2012, 671 = GE 2012, 1553. BGH v. 15.10.2008 – XII ZR 1/07, MDR 2009, 319 = MietRB 2009, 67 = MietRB 2009, 68, zitiert nach juris. BGH v. 29.9.1999 – XII ZR 313/98, MDR 2000, 79 = NZM 2000, 36 (40); BGH v. 16.2.2000 – XII ZR 279/ 97, MDR 2000, 821 m. Anm. Leo = NJW 2000, 1714 (1716); BGH v. 19.7.2000 – XII ZR 176/98, MDR 2001, 22 = NJW-RR 2000, 1535 (1536); BGH v. 26.5.2004 – XII ZR 149/02, MDR 2004, 1233 = MietRB 2004, 261 = NJW-RR 2004, 1236; BGH v. 21.9.2005 – XII ZR 66/03, MDR 2006, 506 = MietRB 2006, 263 = NJW 2006, 899 (901). LG Düsseldorf v. 19.7.2017 – 23 O 372/16, ZMR 2017, 807. BGH v. 25.11.2015 – XII ZR 114/14, MDR 2016, 146 = MietRB 2016, 35 = WuM 2016, 28. BGH v. 16.2.2000 – XII ZR 279/97, MDR 2000, 821 m. Anm. Leo = NJW 2000, 1714 (1716); BGH v. 19.7.2000 – XII ZR 176/98, MDR 2001, 22 = NJW-RR 2000, 1535 (1536). LG München I v. 7.1.2013 – 26 O 11715/11, ZMR 2013, 355. Fritz, NZM 2008, 825 (829). BGH v. 17.3.2010 – XII ZR 108/08, MDR 2010, 737 = MietRB 2010, 160 = GuT 2010, 100 = ZMR 2010, 598 = DWW 2010, 296.

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§ 536 Rz. 373 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln genen vier Stockwerke als Büroeinheiten genutzt werden. Auch aus der Bezeichnung der Einheiten als „Büro“ in der Gesamtflächenzusammenstellung, die dem Mietvertrag als Anlage beigefügt ist, lässt sich nicht herleiten, dass der Vermieter ein eigenes unternehmerisches Risiko für die auf die Vermietung der ersten vier Stockwerke als Büroeinheiten gestützte Gewinnerwartung des Mieters übernehmen wollte. 374 Anders verhält es sich bei einem Shop-in-Shop-Untermietvertrag. Hier gehört der Fortbestand des La-

dengeschäfts des Hauptmieters regelmäßig zur Geschäftsgrundlage des Untermietvertrages, so dass eine Veränderung der Situation durch den Hauptmieter jedenfalls zum Wegfall der Geschäftsgrundlage führen kann1044. Stellt der Hauptmieter die Tätigkeit ein, kann ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 536a BGB (Verschuldenshaftung) bestehen. 374a Ist ein (auch anderer) Mangel gegeben, muss die Höhe der Minderung nicht dem Umsatzrückgang

entsprechen1045. 6. Öffentlich-rechtlicher Mangel a) Allgemein 375 Allein weil die Räume nicht die öffentlich-rechtlichen Bestimmungen einhalten, die für die gewerbliche

Nutzung generell oder die Nutzung durch den Mieter speziell gelten, ist auch kein Mangel der Mietsache gegeben. Auch hier gelten die Anforderungen des § 536 Abs. 1 S. 3 BGB, die frühestens gegeben sind, wenn die Behörde ihr Einschreiten ankündigt (vgl. § 536 BGB Rz. 197 f.)1046. Außerdem muss der Mieter durch die öffentlich-rechtlichen Beschränkungen und Gebrauchshindernisse in seinem vertragsgemäßen Gebrauch auch tatsächlich eingeschränkt werden1047. Diese Voraussetzung ist regelmäßig nur dann erfüllt, wenn die zuständige Behörde die Nutzung des Mietobjekts durch ein rechtswirksames und unanfechtbares Verbot bereits untersagt hat; dem Mieter ist es deshalb grundsätzlich zuzumuten, die behördlichen Anordnungen auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen1048. Eine Anhörung nach § 28 VwVfG reicht in Ausnahmefällen aus, wenn dadurch eine langwährende Unsicherheit über die Zulässigkeit einer behördlichen Nutzungsuntersagung die begründete Besorgnis bewirkt, das Grundstück nicht zum vertragsgemäßen Gebrauch nutzen zu können1049. 376 Öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und Gebrauchsbeschränkungen, die dem vertragsgemäßen

Gebrauch eines Mietobjekts entgegenstehen, begründen allerdings nur dann einen Sachmangel i.S.d. §§ 536 ff. BGB, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit der Mietsache beruhen und nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters ihre Ursache haben1050. Insoweit begründet zwar die behördliche Nutzungsuntersagung einen Sachmangel. Solange der Mieter jedoch nicht beweisen kann, dass zum Zeitpunkt der Überlassung der Mietsache mit dem behördlichen Einschreiten schon zu rechnen war und auch Bedienungsfehler an einer Anlage zu dem Sachmangel beigetragen haben können, fällt er in seinen Risikobereich1051. Ergeben sich aufgrund von gesetzgeberischen Maßnahmen während eines laufenden Mietverhältnisses Beeinträchtigungen des vertragsmäßigen Gebrauchs eines gewerb-

1044 OLG Karlsruhe v. 22.6.1999 – 3 U 4/99, OLGR 1999, 316. 1045 LG Frankfurt am Main v. 24.11.2016 – 2-11 S 60/16, IMR 2017, 103. 1046 OLG Düsseldorf v. 4.5.2010 – 24 U 195/09, MietRB 2010, 225 = MDR 2010, 1244 = ZMR 2011, 118 = NZM 2010, 820. 1047 BGH v. 16.9.2009 – VIII ZR 275/08, MDR 2009, 1383 = MietRB 2009, 346 = NJW 2009, 3421 Rz. 6; OLG Düsseldorf DWW 2012, 377 (379). 1048 Vgl. BGH v. 20.1.1971 – VIII ZR 167/69, WPM 1971, 531 (532). 1049 Vgl. BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, MietRB 2008, 103 = ZMR 2008, 274; BGH v. 23.9.1992 – XII ZR 44/91, MDR 1992, 1147 = NJW 1992, 3226 (3227); BGH v. 20.1.1971 – VIII ZR 167/69, WPM 1971, 531 (532). 1050 Vgl. BGH v. 15.10.2008 – XII ZR 1/07, MDR 2009, 319 = MietRB 2009, 67 = MietRB 2009, 68 = NJW 2009, 124 (Rz. 34); BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, MietRB 2008, 103 = ZMR 2008, 274; BGH v. 2.3.1994 – XII ZR 175/92, ZMR 1994, 253 (254); BGH v. 23.9.1992 – XII ZR 44/91, MDR 1992, 1147 = NJW 1992, 3226; BGH v. 11.12.1991 – XII ZR 63/90, WuM 1992, 583 (585); BGH v. 22.6.1988 – VIII ZR 232/8, MDR 1988, 10527, NJW 1988, 2664. 1051 OLG Hamm v. 19.8.2019 – 18 U 145/16, IMR 2020, 62 (Feckler).

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C. Gewerberaummiete | Rz. 381 § 536

lichen Mietobjekts, kann dies nachträglich einen Mangel i.S.v. § 536 Abs. 1 S. 1 BGB begründen1052 (§ 536 BGB Rz. 378). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die durch die gesetzgeberische Maßnahme bewirkte Ge- 377 brauchsbeschränkung unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Mietobjekts in Zusammenhang steht. Das ist z.B. bei der Vermietung einer Gewerbeeinheit zum Betrieb eines Wettbüros der Fall, wenn aufgrund der Lage der Mindestabstand zu geschützten Einrichtungen nach § 22 Abs. 1 GlücksspielVO NRW nicht eingehalten wird1053. Andere gesetzgeberische Maßnahmen, die den geschäftlichen Erfolg beeinträchtigen, fallen dagegen in den Risikobereich des Mieters1054. Denn der Vermieter von Gewerberäumen ist gemäß § 535 Abs. 1 S. 2 BGB lediglich verpflichtet, den Mietgegenstand während der Vertragslaufzeit in einem Zustand zu erhalten, der dem Mieter die vertraglich vorgesehene Nutzung ermöglicht. Das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache trägt bei der Gewerberaummiete dagegen grundsätzlich der Mieter1055 (vgl. § 536 BGB Rz. 371). b) Veränderungen des gesetzlichen Rahmens für den Betrieb des Mieters Ebenso wie der Zustand der Mietsache in den Risikobereich des Vermieters fällt, unterliegt die Be- 378 triebsführung durch den Mieter allein seinem Risiko (vgl. § 536 BGB Rz. 371). Mit Rücksicht darauf führt z.B. das durch das Nichtraucherschutzgesetz (hier in Rheinland-Pfalz) ein- 379 geführte Rauchverbot in öffentlichen Gaststätten nicht zu einem Mangel des Mietgegenstandes i.S.v. § 536 Abs. 1 S. 1 BGB1056. Die mit dem gesetzlichen Rauchverbot zusammenhängende Gebrauchsbeschränkung beruht nicht auf der konkreten Beschaffenheit der Mietsache, sondern knüpft an die betrieblichen Verhältnisse des Mieters an. Das gesetzliche Rauchverbot bezieht sich folglich auf die Art und Weise der Betriebsführung des Mieters oder Mieters, betrifft also nur dessen betriebliche Verhältnisse1057. Für die Betriebsbezogenheit der Gebrauchseinschränkung spricht zudem, dass sich das Verbot primär an die Personen richtet, die sich in den betroffenen Einrichtungen aufhalten (vgl. z.B. § 1 Abs. 2 NRauchSchG RP) und der Betreiber der Einrichtung nur als mittelbarer Adressat des Verbots für dessen Umsetzung und Einhaltung verantwortlich ist (vgl. z.B. § 10 Abs. 1 S. 1 NRauchSchG RP)1058. Bei dem Erlass der Nichtraucherschutzgesetze handelt es sich daher um eine Gesetzesänderung, die, ver- 380 gleichbar einer nachträglichen Änderung der Sperrzeit1059, allein in das wirtschaftliche Risiko des Mieters fällt1060.

III. Minderung Für die Höhe der Minderung sind auch in der Gewerberaummiete allein die Umstände des Einzel- 381 falles maßgebend1061. Von besonderer Bedeutung sind Schwere des Mangels sowie Grad und Dauer

1052 Vgl. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 63. 1053 OLG Düsseldorf v. 5.9.2017 – 24 U 216/16, GE 2019, 55; zur Kündigungsmöglichkeit des Vermieters in solchen Fällen: § 535 BGB Rz. 1037a. 1054 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 200. 1055 Vgl. BGH v. 21.9.2005 – XII ZR 66/03, MDR 2006, 506 = MietRB 2006, 263 = NJW 2006, 899 (901); BGH v. 26.5.2004 – XII ZR 149/02, MDR 2004, 1233 = MietRB 2004, 261 = NJW-RR 2004, 1236; BGH v. 19.7.2000 – XII ZR 176/98, MDR 2001, 22 = NJW-RR 2000, 1535 (1536); BGH v. 16.2.2000 – XII ZR 279/97, MDR 2000, 821 m. Anm. Leo = NJW 2000, 1714 (1716); BGH v. 29.9.1999 – XII ZR 313/98, MDR 2000, 79 = NZM 2000, 36 (40). 1056 BGH v. 13.7.2011 – XII ZR 189/09, MDR 2011, 1092 = MietRB 2011, 313 = ZMR 2011, 943. 1057 Vgl. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. VI 264a; Gerber/Eckert, Rz. 259; Paschke, NZM 2008, 265. 1058 So auch OLG München v. 23.9.2009 – 32 U 3956/09, NJW 2010, 1297. 1059 Vgl. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 60. 1060 Vgl. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 200; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 463; Hannemann/Wiegner/ Lehr, § 54 Rz. 73; Staudinger/Emmerich, § 536 BGB Rz. 20; Palandt/Weidenkaff, § 536 BGB Rz. 19; Grühn in jurisPK-BGB, § 581 BGB Rz. 86. 1061 OLG Karlsruhe v. 7.4.1989 – 14 U 16/86, ZMR 1990, 214.

Lützenkirchen | 483

§ 536 Rz. 381 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln der Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit1062. Bei gewerblichen Räumen wird besonders die Störung der Betriebsausübung ins Gewicht fallen1063. 381a Bemessungsgrundlage ist auch hier die Bruttomiete1064. Da ein objektiver Maßstab anzusetzen ist,

kommt es nicht darauf an, ob die Beeinträchtigung innerhalb oder außerhalb der allgemeinen Geschäftszeiten des Mieters stattgefunden hat. Maßgeblich ist allein der Grad der objektiven Beeinträchtigung. Das gilt auch bei einer Verletzung des vertraglichen oder vertragsimmanenten Konkurrenzschutzes. Dazu bedarf es nicht der Auswertung der Umsatzentwicklung des betroffenen Mieters1065. Auch die Frage, wie viele Kunden der Mieter täglich hat, nicht zu berücksichtigen, da sie in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Minderung der Gebrauchstauglichkeit der Mietsache steht1066. Maßgeblich ist die Lage, Größe und das konkrete Angebot der konkurrierenden Betriebe, wobei zu berücksichtigen ist, welche Maßnahmen der Mieter im Hinblick auf Werbung, Preisnachlässe etc. ergreifen muss, um die Konkurrenzsituation aufzufangen.

IV. Minderungsausschluss 382 Unabhängig von den Vereinbarungen, die unter § 536 BGB Rz. 55 ff. dargestellt wurden, können die

Parteien die Geltung des Minderungsausschlusses nach § 536 Abs. 1a BGB vereinbaren, und zwar auch formularmäßig, soweit der Anwendungsbereich nicht erweitert wird. Denn darin liegt keine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 BGB. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Gesetzgeber für die Wohnraummiete genau diesen Ausschluss für drei Monate zulässt. Ohne eine besondere Vereinbarung gilt § 536 Abs. 1a BGB nicht, weil eine Verweisung in § 578 BGB fehlt.

Anhang zu § 536: Minderungstabelle 1 Mit aller Vorsicht ist die nachstehende Minderungstabelle anzuwenden. Denn jede Bewertung eines

Mangels ist eine Einzelfallentscheidung. Es wurde versucht, die wesentlichen Kriterien der jeweiligen Entscheidung herauszustellen, soweit sie aus der Veröffentlichung ersichtlich waren. Kein Fall ist jedoch wie der andere, so dass die angegebenen Werte nur eine Orientierungshilfe für die Praxis darstellen können und die Tabelle mehr ein Fundstellennachweis für bestimmte Mängel sein soll. 2

Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Abstellraum

Wegfall des unter der Treppe im Hausflur gelegenen Raums zum Abstellen von Fahrrädern und Angebot eines Ersatzraums in der 5. Etage

2,51

Abwasser

Stauung des Abwassers aus dem gesamten Haus infolge defekter Abwasserinstallation; Austreten aus Toilette, zweimalige teilweise Überflutung der Wohnung

382

Zeitweise Fäkalienrückfluss in der Toilette

53

1062 Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3247. 1063 OLG Düsseldorf v. 16.3.1989 – 10 U 154/88, MDR 1989, 640 = BB 1989, 1934. 1064 BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 225/03, MDR 2005, 979 = NJW 2005, 1713 = WuM 2005, 384 = MietRB 2005, 202. 1065 OLG Hamm v. 17.9.2015 – 18 U 19/15, MietRB 2016, 38 = ZMR 2016, 198; OLG Düsseldorf v. 15.5.1997 – 10 U 4/96, NJW-RR 1998, 514. 1066 KG v. 6.4.2007 – 8 U 199/06, MietRB 2007, 225 = MDR 2007, 1250. 1 AG Hamburg v. 22.8.2007 – 46 C 1/07, WuM 2008, 332. 2 AG Groß-Gerau v. 19.7.1979 – 21 C 1336/78, WuM 1980, 128. 3 AG Schöneberg v. 31.10.1990 – 5 C 72/90, GE 1991, 527.

484 | Lützenkirchen

§ 536 Rz. 381 | Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln der Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit1062. Bei gewerblichen Räumen wird besonders die Störung der Betriebsausübung ins Gewicht fallen1063. 381a Bemessungsgrundlage ist auch hier die Bruttomiete1064. Da ein objektiver Maßstab anzusetzen ist,

kommt es nicht darauf an, ob die Beeinträchtigung innerhalb oder außerhalb der allgemeinen Geschäftszeiten des Mieters stattgefunden hat. Maßgeblich ist allein der Grad der objektiven Beeinträchtigung. Das gilt auch bei einer Verletzung des vertraglichen oder vertragsimmanenten Konkurrenzschutzes. Dazu bedarf es nicht der Auswertung der Umsatzentwicklung des betroffenen Mieters1065. Auch die Frage, wie viele Kunden der Mieter täglich hat, nicht zu berücksichtigen, da sie in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Minderung der Gebrauchstauglichkeit der Mietsache steht1066. Maßgeblich ist die Lage, Größe und das konkrete Angebot der konkurrierenden Betriebe, wobei zu berücksichtigen ist, welche Maßnahmen der Mieter im Hinblick auf Werbung, Preisnachlässe etc. ergreifen muss, um die Konkurrenzsituation aufzufangen.

IV. Minderungsausschluss 382 Unabhängig von den Vereinbarungen, die unter § 536 BGB Rz. 55 ff. dargestellt wurden, können die

Parteien die Geltung des Minderungsausschlusses nach § 536 Abs. 1a BGB vereinbaren, und zwar auch formularmäßig, soweit der Anwendungsbereich nicht erweitert wird. Denn darin liegt keine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 BGB. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Gesetzgeber für die Wohnraummiete genau diesen Ausschluss für drei Monate zulässt. Ohne eine besondere Vereinbarung gilt § 536 Abs. 1a BGB nicht, weil eine Verweisung in § 578 BGB fehlt.

Anhang zu § 536: Minderungstabelle 1 Mit aller Vorsicht ist die nachstehende Minderungstabelle anzuwenden. Denn jede Bewertung eines

Mangels ist eine Einzelfallentscheidung. Es wurde versucht, die wesentlichen Kriterien der jeweiligen Entscheidung herauszustellen, soweit sie aus der Veröffentlichung ersichtlich waren. Kein Fall ist jedoch wie der andere, so dass die angegebenen Werte nur eine Orientierungshilfe für die Praxis darstellen können und die Tabelle mehr ein Fundstellennachweis für bestimmte Mängel sein soll. 2

Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Abstellraum

Wegfall des unter der Treppe im Hausflur gelegenen Raums zum Abstellen von Fahrrädern und Angebot eines Ersatzraums in der 5. Etage

2,51

Abwasser

Stauung des Abwassers aus dem gesamten Haus infolge defekter Abwasserinstallation; Austreten aus Toilette, zweimalige teilweise Überflutung der Wohnung

382

Zeitweise Fäkalienrückfluss in der Toilette

53

1062 Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3247. 1063 OLG Düsseldorf v. 16.3.1989 – 10 U 154/88, MDR 1989, 640 = BB 1989, 1934. 1064 BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 225/03, MDR 2005, 979 = NJW 2005, 1713 = WuM 2005, 384 = MietRB 2005, 202. 1065 OLG Hamm v. 17.9.2015 – 18 U 19/15, MietRB 2016, 38 = ZMR 2016, 198; OLG Düsseldorf v. 15.5.1997 – 10 U 4/96, NJW-RR 1998, 514. 1066 KG v. 6.4.2007 – 8 U 199/06, MietRB 2007, 225 = MDR 2007, 1250. 1 AG Hamburg v. 22.8.2007 – 46 C 1/07, WuM 2008, 332. 2 AG Groß-Gerau v. 19.7.1979 – 21 C 1336/78, WuM 1980, 128. 3 AG Schöneberg v. 31.10.1990 – 5 C 72/90, GE 1991, 527.

484 | Lützenkirchen

Minderungstabelle | Rz. 2 Anhang zu § 536 Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Asbest

Gesundheitsgefahr; Nachtstromspeicheröfen setzen Asbest frei, hier 2000 Fasern pro Kubikmeter anstatt der maximal zulässigen Konzentration von 1000

504

Nachtstromspeicherheizung mit asbesthaltiger Bodenisolierung (5–10 %); Freisetzung von Asbestfasern beim Betrieb; Besorgnis der Gesundheitsgefährdung

205

Asbesthaltiger Nachtspeicherofen; ernsthafte Möglichkeit des Austritts ist produktionsbedingt nicht nur unwesentlich erhöht; keine erhöhte Konzentration in der Raumluft

186

Asbesthaltige Fußbodenplatten kein Mangel, solange Asbestfasern in Platten gebunden und noch nicht in Raumluft gelangt sind

07

Aufheizen

Bei unzureichendem baulichen Wärmeschutz in einer hochpreisigen qualitativ gut ausgestatteten Neubauwohnung in den Sommermonaten

20

Aufzug

s. Fahrstuhl

Außenanlage

Neubau: nicht fertig gestellt, fehlende Außenbeleuchtung, unfertiger Hauseingang, nicht angelegter Vorgarten

58

Außenanlagen und Zuwegung zum Haus der gemieteten Wohnung sind mit Hundekot übersät; hierdurch und durch weggeworfene Abfälle ebenfalls Verschmutzung des Hausflures (ungepflegter/verwahrloster Zustand)

ca. 119

Bei Behebung eines Wasserschadens werden die Badezimmerfliesen teilweise durch andersfarbige Fliesen ersetzt; Folge ist ein insgesamt unruhiger optischer Eindruck

510, 311

Badeofen defekt, Unbenutzbarkeit des Bades

1612

Toilettenschüssel gesprungen, unansehnlich

1013

Bad

4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

Wasserdruck der Toilettenspülung kurzfristig zu hoch

114

Handwaschbecken defekt, Fenstergriff muss befestigt werden

215

Badewanne, Toilette nicht benutzbar, Wasseranschluss in Küche funktioniert nicht

5016

LG Dortmund v. 16.2.1994 – 11 S 197/93, WuM 1996, 141. AG Hof v. 4.4.1997 – 15 C 2065/95, WuM 1998, 281. LG Hannover v. 30.5.1997 – 8 S 203/96, WuM 1997, 434. LG Berlin v. 27.10.1998 – 65 S 223/98, GE 1999, 47. LG Mannheim v. 15.11.1973 – 12 S 34/73, WuM 1974, 52. AG Dortmund v. 16.10.1997 – 106 C 4855/96, WuM 1998, 570. LG Kleve v. 5.2.1991 – 6 S 285/90, WuM 1991, 261; a.A. AG Köln, v. 8.9.1994 – 215 C 256/93, n.v. (wenn vorhandene Fliesen nicht mehr erhältlich und ein optischer Kontrapunkt durch die neuen andersfarbigen Fliesen gesetzt wird). AG Köln v. 13.4.2012 – 201 C 481/10, ZMR 2012, 632. AG Goslar v. 18.9.1973 – 8 C 716/72, WuM 1974, 53. AG Büdingen v. 1.8.1997 – 20 C 372/97, WuM 1998, 281; vgl. AG Köln v. 13.10.1997 – 213 C 194/96, WuM 1998, 570. LG Berlin v. 8.11.1994 – 64 S 189/94, GE 1996, 471. LG Berlin v. 8.11.1994 – 64 S 189/94, GE 1996, 471. AG Hannover v. 11.1.1988 – 517 C 17736/87, WuM 1989, 565.

Lützenkirchen | 485

Anhang zu § 536 Rz. 2 | Minderungstabelle Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Unbenutzbarkeit infolge Sanierungsarbeiten; Beeinträchtigung durch Lärm- und Schmutz von 7–20 Uhr; Neuverfliesung weicht von bisherigem Zustand farblich ab, so dass Anspruch auf einheitliche Gestaltung besteht

Ohne Angabe17

Geruch; Armaturen, Wanne und Fliesen verkeimt; Duschwand verkalkt, verkeimt, verdreckt

718

Einfrieren der Wasserleitungen und Rohre im Monat Januar

1019

Toilette lässt sich nicht nach außen, sondern nur über die Küche entlüften

1020

Unbenutzbarkeit des einzigen Bades und der Dusche

33,321

Dusche nicht funktionstüchtig

1622

6 Fliesen defekt

223

Unzumutbar aufgeraut

324

Nutzung wird in der Hausordnung auf wenige Stunden beschränkt, Freitag: 18–22 Uhr, Samstag: 15–22 Uhr

2325

Fehlende Nutzbarkeit durch hochsteigendes Abwasser aus der Küche

1/ der Gesamt6 miete26

Volumen der Badewanne (Tiefe) ist durch einen Einsatz nach Instandsetzung um ca. 20 cm verkleinert, Minderung des Badegenusses

1027

Abfluss defekt

328

Bahntrasse

Bei Abschluss des Mietvertrages vorhandene Trasse wird zur ICE-Strecke mit erhöhter Lärmbelästigung ausgebaut

029

Balkon

Nutzungsbeeinträchtigung durch Wildtauben, kein Einfluss des Vermieters, unbeherrschbare Umwelteinflüsse

030

Fehlende Nutzbarkeit (Wintermonate) wegen verspäteter Fertigstellung

331

Verunreinigungen durch am Haus nistende Tauben

532

Balkonverunreinigung durch Taubenkot, nicht ortsüblich

533

Badewanne

17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33

AG Neukölln v. 26.11.1997 – 5 C 266/97, GE 1998, 360. LG Berlin v. 13.1.2004 – 64 S 334/03, WuM 2004, 234. LG Berlin v. 8.11.1994 – 64 S 189/94, GE 1996, 471. AG Schöneberg v. 8.5.1990 – 16 U 50/90, MM 1990, 231. AG Köln v. 1.4.1996 – 206 C 85/95, WuM 1998, 690. AG Köln v. 28.11.1986 – 221 C 85/86, WuM 1987, 271. LG Berlin v. 28.8.2001 – 64 S 108/01, GE 2001, 1607. LG Stuttgart v. 13.5.1987 – 13 S 347/86, WuM 1988, 109. AG Helmstedt v. 10.2.1987 – 3 C 672/86, WuM 1989, 564. AG Köln v. 12.4.2002 – 201 C 5/02, KM 35 Nr. 56. AG Dortmund v. 22.2.1989 – 136 C 732/88, WuM 1989, 172. AG Schöneberg v. 31.10.1990 – 5 C 72/90, GE 1991, 527. LG Berlin v. 14.3.2008 – 63 S 298/07, GE 2009, 53. LG Kleve v. 28.1.1986 – 3 S 117/85, WuM 1986, 333. AG Tempelhof-Kreuzberg v. 15.1.2014 – 2 C 207/13, GE 2014, 751. AG Hamburg v. 6.1.1988 – 40a C 2574/87, WuM 1988, 121. AG Hamburg v. 6.1.1988 – 40a C 2574/87, WuM 1988, 121.

486 | Lützenkirchen

Minderungstabelle | Rz. 2 Anhang zu § 536 Stichwort

Bauarbeiten

Mangel

Minderungsquote in %

Taubenkot/-kadaver auf Balkon als Ursache für Befall der Wohnung mit Taubenzecken, Zeckenbisse bei 10 Monate altem Kind sind Gesundheitsbeeinträchtigung; fristlose Kündigung

Ohne Angabe34

Minimale Rostfleckenerscheinungen auf dem Oberflächenbelag, stark angerostete seitliche Abgrenzung des Balkons

035

Zu geringes Gefälle, so dass Regenwasser nicht vollständig abläuft

036

Neubau: stark eingeschränkte Nutzbarkeit im Frühling wegen fehlender Randplatten

637

Abriss des Balkons

538

Anbau oberhalb der Wohnung des Mieters wegen der dadurch bedingten Verdunkelung

1039

Unbenutzbarkeit durch streunende Katzen, die vom Nachbarn gefüttert werden; Geruchsbeeinträchtigung, Balkontüre muss geschlossen bleiben, Verschmutzen der Wäsche

1540

Beseitigung von Balkonsichtschutzwänden

241

Unbenutzbarkeit wegen Beschusses mit einem Luftdruckgewehr durch unbekannte Personen, Minderung bis drei Monate nach dem letzten Beschuss (Wegfall der Wiederholungsgefahr)

542

Beeinträchtigung des Lichteinfalles in Büroräume durch 1043 Gerüst für Sanierungsarbeiten vor dem Haus; zeitweilig sind die Stellplätze unbenutzbar, Baumaterial im Hausflur „Einrüstung“ des Hauses und Verhängen mit Planen

1544

s. a. Einrüstung; s. a. Lärm Baumaterial

Baurechtswidriger Zustand

Lagerung von Baumaterial auf Wohngrundstück

1045

Lagerung vor/gegenüber der Rampe der Mietsache, von der Lieferverkehr abgewickelt wird

1046

Nutzung (= vertragsgemäßer Gebrauch) wird verhindert durch Versagung der behördlichen Nutzungserlaubnis

10047

s. a. Dachgeschoss

34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47

LG Berlin v. 24.3.1997 – 67 S 219/96, GE 1997, 689. AG Lüdinghausen v. 26.6.1996 – 4 C 609/95, WuM 1998, 690. AG Leipzig v. 4.11.2014 – 170 C 9129/12, GE 2016, 593. LG Mannheim v. 15.11.1973 – 12 S 34/73, WuM 1974, 52. AG Potsdam v. 7.4.1994 – 26 C 281/93, WuM 1994, 376. AG Charlottenburg v. 13.2.2013 – 214 C 234/12, GE 2013, 625 = ZMR 2014, 368. AG Bonn v. 27.11.1985 – 5 C 175/85, WuM 1986, 212. LG Bremen v. 22.3.2018 – 2 S 124/17, WuM 2018, 365. AG München v. 23.11.2009 – 412 C 32850/08, MDR 2010, 620 = ZMR 2010, 538. LG Köln v. 27.8.1996 – 3 O 608/95, KM 35 Nr. 4. AG Hamburg v. 24.8.1995 – 38 C 483/95, WuM 1996, 30. AG Bad Segeberg v. 21.11.1991 – 17 C 122/91, WuM 1992, 477. OLG Köln v. 11.6.2010 – 1 U 66/09, ZMR 2010, 850. KG v. 23.5.2016 – 8 U 10/15, ZMR 2016, 685 = DWW 2016, 374.

Lützenkirchen | 487

Anhang zu § 536 Rz. 2 | Minderungstabelle Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Bauschutt

In der Wohnung infolge Nichtbeseitigung durch den Vermieter

1048

Beschuss

s. Balkon

Betriebserlaubnis

Versagen der Betriebserlaubnis wegen baulicher Missstände, die der Vermieter zu verantworten hat

Blickverbauung

s. Lichteinfall

Blitzableiter

Fehlt; infolge Blitzeinschlages werden wertvolle Elektrogeräte beschädigt; mangels besonderer Vereinbarung und Erfordernis nach LBauO kein Mangel

050

Bodenbelag

Teppichboden löste sich in Diele, Schlaf- und Kinderzimmer vom Untergrund

4,6551

Beschädigung des Parkettbodens im Wohnzimmer infolge des Eindringens von Regenwasser (2 m2)

1052

Wellen in einem verschlissenen Teppichboden in einem Zimmer (Stolpergefahr)

553

Teilweise fehlende Verfugung von Fußbodenleisten in Neubauwohnung; nur optische Beeinträchtigung

054

Im Haus; unmittelbare Belästigung

3055

Im Haus, ohne Belästigung

056

Nachbarschaft zu einem Café, das als Treffpunkt der SadoMaso-Szene dient, wenn sich die Beeinträchtigungen beschränken, dass es auf der Straße regelmäßig zu Begegnungen mit provokativ-aufreizend und szenetypisch gekleideten Cafébesuchern kommt

057

Bordell

10049

Im Erdgeschoss einer Großstadtwohnung; Kunden halten 1058 sich zum Teil im Hausflur auf, so dass Belästigungen und Beeinträchtigung des sittlichen Empfindens möglich; 30 % Minderung erfordern konkrete persönliche Belästigungen In Nachbarwohnung, so dass ständiges Klingeln im Halbstundenrhythmus bis spät in die Nacht; herumirrende Besucher im Haus

2059

Allein die Existenz eines Bordells in Großstadt ohne Sperrbezirk ist kein Mangel; es müssen bordelltypische Störungen (Obszönitäten, Geschlechtsakt-/Foltergeräusche, Kondome im Bereich der Haustür, Handgreiflichkeiten unter den Gästen) vorliegen

2060

48 AG Villingen-Schwenningen v. 3.10.2015 – 11 C 243/14, WuM 2016, 100. 49 OLG Düsseldorf v. 5.9.2017 – 24 U 216/16, GE 2019, 55 (Spielhalle); OLG Düsseldorf v. 12.1.2016 – 24 U 62/ 15, ZMR 2017, 639 = GE 2017, 951 (Schnellrestaurant) m.w.N. 50 LG Marburg v. 16.7.1998 – 5 T 12/98, NZM 1998, 909. 51 AG Köln v. 30.1.1987 – 221 C 294/86, WuM 1988, 108. 52 LG Berlin v. 4.12.2006 – 67 S 223/06, GE 2007, 851. 53 LG Darmstadt v. 6.9.2013 – 6 S 17/13, ZMR 2014, 208 = GE 2014, 745. 54 AG Saarburg v. 28.11.2001 – 5 C 473/01, WuM 2002, 29. 55 AG Charlottenburg v. 11.8.1988 – 18 C 612/87, MM 1988, Nr. 12, S. 31. 56 LG Berlin v. 21.4.2008 – 63 S 210/07, GE 2009, 453. 57 AG Hamburg v. 23.3.2006 – 49 C 474/05, zitiert nach juris. 58 LG Berlin v. 4.3.2008 – 65 S 131/07, GE 2008, 671; LG Berlin v. 21.7.1995 – 64 S 84/95, GE 1995, 1133; LG Berlin v. 13.1.2004 – 64 S 334/03, WuM 2004, 234. 59 AG Wiesbaden v. 10.2.1998 – 92 C 3285/97, WuM 1998, 315. 60 LG Berlin v. 23.9.1999 – 61 S 518/98, NZM 2000, 377.

488 | Lützenkirchen

Minderungstabelle | Rz. 2 Anhang zu § 536 Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

In anderer Mietwohnung Belästigung durch Freier, falsches 2261 Klingeln, Betrunkene Einrichtung eines „Swinger-Clubs“ in ehemaliger Gaststät- 55 im Sommer; te, wodurch eine Beeinträchtigung der Mieter durch Musik, 70 im Winter62 Fahrzeugverkehr, lautstarke Besucher, Geschlechtsaktsgeräusche sowie Geruchsimmissionen (durch Entlüftungsöffnungen dringende Rauch- und Nikotinschadstoffe) stattfindet Briefkasten

Dach

Dachgeschoss

Decke

Seit September 1984 ist die Standardgröße für Briefkästen in der DIN 32617 geregelt, die im Mai 2003 durch die DIN EN 13724 abgelöst wurde Defekt

263

Zu geringe Größe, so dass Probleme mit der Zustellung von Zeitschriften, Umschläge mit Größe DIN A4 etc. entstehen

0,564

Schwer zu öffnender Briefkasten, regenbedingte Durchnässung eingeworfener Post

165

Undichtes Glasdach des Treppenhauses

366

Wasser tropft durch Zimmerdecke, Durchfeuchtung des Teppichbodens

Min. 5067

Undicht, Feuchtigkeitsschäden drohen, so dass ständig Vorsorge für Wassereintritt erforderlich

1068

Undicht, so dass Wasser eintritt

10 Euro/Monat69

Gebrauchsbeeinträchtigung der Wohnung im Dachgeschoss durch zu hohe Erwärmung in den Monaten Juni bis August

1070

Beeinträchtigung von Lärm, Schmutz, der Nutzung durch Ausbau

1071

Mangelnde Genehmigungsfähigkeit wegen zu geringer Deckenhöhe

10072

Drei Deckendurchbrüche im Schlafzimmer, so dass Beobachtung im Schlaf möglich

3073

Deckendurchbruch im Flur mit einer Größe von 20 × 20 cm

2074

AG Regensburg v. 20.6.1990 – 3 C 1121/90, 3 C 1146/90, WuM 1990, 386. AG Charlottenburg v. 4.11.1998 – 20b C 182/96, NZM 1999, 71. AG Potsdam v. 9.3.1995 – 26 C 406/94, WuM 1996, 760. LG Berlin v. 11.5.1990 – 29 S 20/90, MM 1990, 261. AG Mainz v. 6.5.1996 – 8 C 98/96, WuM 1996, 701. AG Schöneberg v. 31.10.1990 – 5 C 72/90, GE 1991, 527. AG Leverkusen v. 18.4.1979, WuM 1980, 163. AG Hamburg v. 13.10.1993 – 45 C 1322/92, WuM 1998, 570. AG Reutlingen v. 28.2.1990 – 8 C 1430/89, WuM 1990, 146. LG Berlin v. 23.3.1990 – 63 S 376/97, GE 1999, 717. LG Berlin v. 12.4.1994 – 63 S 439/93, MM 1994, 396. KG v. 23.6.2016 – 8 U 62/15, ZMR 2016, 856 = GE 2016, 1504 (Minderung bezogen auf den Mietanteil des Dachgeschosses). 73 LG Berlin v. 9.6.1995 – 64 S 256/94, GE 1996, 549 (bezogen auf den Mietanteil für das Schlafzimmer). 74 LG Berlin v. 9.6.1995 – 64 S 256/94, GE 1996, 549 (bezogen auf den Mietanteil für den Flur). 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72

Lützenkirchen | 489

Anhang zu § 536 Rz. 2 | Minderungstabelle Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Drogenszene

Zuzug einer Drogenszene in 60 m Entfernung ohne substantiierten Nachweis von konkreten Belästigungen

075

Durchlauferhitzer

Keine kontinuierliche Warmwasserversorgung in Bad und Küche

Jeweils 376

Duschkabine

Undichtigkeiten, die zu nassem Boden führen, so dass gewischt werden muss

377

Einbauküche

Im Keller gelagerte mitvermietete Einbauküche nicht mehr nutzbar nach Diebstahl

Kalkulierter Mietanteil78

Einbruch

6 Einbrüche innerhalb von 1 Jahr in ein Ladengeschäft mit großen Schaufenstern in Großstadt; Fensterflächen sind nach der Baubeschreibung ungesichert

079

Einrüstung

Und Abhängen des Hauses mit Planen über 3 Monate, Lärm der Bauarbeiter, erhebliche Verdunklung der Wohnung, Unbenutzbarkeit des Balkons und erhöhte Einbruchsgefahr

1580

Der Fassade

581

s. a. Bauarbeiten Elektrik

Elektrosmog

Von 15 Steckdosen funktionieren 3, WC-Abfluss nicht frei, Post kann wegen fehlendem Briefkasten/-schlitz nicht ordnungsgemäß zugestellt werden

5082

Defekte Steckdose

0,583

Defekte Hausbeleuchtung

1

Durch Mobilfunksendeanlage auf dem Nachbargrundstück; Messwerte deutlich unterhalb der Vorgaben der §§ 2, 3 der 26. BImSchV keine Gesundheitsbeeinträchtigung

084

Durch Mobilfunkantenne auf dem Dach des Mietshauses; Messwerte entsprechen den Vorgaben der §§ 2, 3 der 26. BImSchV

085

Mobilfunkantennenanlage in Nachbarschaft; Messwerte entsprechen den Vorgaben der §§ 2, 3 der 26. BImSchV; bloße theoretische Möglichkeit einer Gesundheitsbeeinträchtigung nicht ausreichend

086

75 LG Düsseldorf v. 18.11.1994 – 21 S 575/93, NJW-RR 1995, 330. 76 LG Berlin v. 8.11.1994 – 64 S 189/94, GE 1996, 471; insgesamt nur 3 %: AG Köln v. 9.4.2008 – 220 C 152/07, GE 2008, 1576. 77 AG Gießen v. 5.11.2015 – 48 C 48/15, WuM 2016, 26. 78 LG Berlin v. 4.8.2015 – 63 S 378/14, GE 2015, 1533. 79 KG v. 29.9.1997 – 20 U 4599/97, NZM 1998, 437; a.A. OLG Naumburg v. 16.12.1996 – 1 U 175/96, NZM 1998, 438. 80 AG Hamburg v. 24.8.1995 – 38 C 483/95, WuM 1996, 30. 81 LG Berlin v. 12.4.1994 – 63 S 439/93, MM 1994, 396. 82 AG Hamburg v. 23.7.1974 – 40 C 305/73, WuM 1976, 53. 83 AG Schöneberg v. 31.10.1990 – 5 C 72/90, GE 1991, 527. 84 AG Frankfurt v. 25.6.2001 – 33 C 1237/01-27, NZM 2001, 1031; vgl. OVG Koblenz v. 20.8.2001 – 1 A 10382/ 01, WuM 2001, 561 (zur Frage der Gesundheitsgefahren bei Einhaltung der Grenzwerte gemäß der §§ 2, 3 der 26. BImSchV). 85 AG Gießen v. 9.7.2001 – 48M C 903/00, WuM 2001, 546; AG Spandau v. 4.7.2001 – 4 C 305/01, MM 2001, 443. 86 AG Traunstein v. 3.3.1999 – 310 C 2158/98, ZMR 2000, 389; a.A. AG München v. 1.4.1998 – 432 C 7381/95, MDR 1998, 645 = WuM 1999, 111.

490 | Lützenkirchen

Minderungstabelle | Rz. 2 Anhang zu § 536 Stichwort

Erwärmung

Mangel

Minderungsquote in %

Durch Oberleitung einer am Grundstück angrenzenden S-Bahnstrecke; Störungen an PC-Bildschirmen; da Messwerte weit unterhalb der Vorgaben der 26. BImSchV liegen, kein Mangel

087

Erhitzung der Räume eines Möbeleinzelhandelsgeschäftes von regelmäßig 29–34 °C, aber auch bis zu 50 °C, infolge Sonneneinstrahlung aufgrund fehlenden Sonnenschutzes

1088

Ausfall der Klimaanlage in einer Gaststätte im August

2089

s. Dachgeschoss 2,590

Fahrradkeller

Entzug bei Mitbenutzungsrecht

Fahrradraum

s. Abstellraum

Fahrstuhl

Wohnung im 5. Stock; nahezu gänzlicher Ausfall des kleinen Fahrstuhles und vielfacher Ausfall des großen Fahrstuhles an den Wochenenden

7,591

Wohnung im 4. Obergeschoss, Ausfall

1092

Fenster

87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101

Wohnung im 3. OG – für die Tage des Ausfalls

393

Wohnung im 2. Obergeschoss, Ausfall

394

Wohnung im Dachgeschoss

1495

Ständige Verschmutzung des Innenraums, der Treppenaufgänge, Flure, Eingangstür

596

Bremsgeräusche eines Fahrstuhls, die den höchstzulässigen Schallpegel von 30 dB (A) nach DIN 4109 überschreiten

1097

Zustand des Fensters ermöglicht ungehindertes Eindringen in das Haus

1098

Defekter Schließmechanismus von zwei Schlafzimmerfenstern

499

Verkleinerung der Flächen um ca. 23 % infolge Modernisierung

3100

Undichtigkeit der Fenster, Oberfenster nicht zu öffnen

5101

LG Frankfurt am Main v. 21.8.1997 – 3/10 O 54/97, NZM 1998, 371. OLG Düsseldorf v. 6.12.2007 – 10 U 134/99, juris Rz. 140. OLG Köln v. 15.10.2002 – 22 U 94/02, KM 35 Nr. 61 = juris Rz. 12. AG Menden (Sauerland) v. 7.3.2007 – 4 C 407/06, WuM 2007, 190. AG Bremen v. 4.12.1986 – 10 C 300/86, WuM 1987, 383. AG Charlottenburg v. 15.12.1989 – 2 C 484/89, GE 1990, 423. AG Mitte v. 5.4.2017 – 9 C 445/16, GE 2017, 782. AG Tempelhof-Kreuzberg v. 15.1.2014 – 2 C 207/13, GE 2014, 751. AG Schöneberg v. 26.8.2015 – 104 C 85/15, GE 2016, 594. AG Kiel v. 19.9.1990 – 7 C 56/90, WuM 1991, 343. LG Berlin v. 11.11.2010 – 67 S 241/08, GE 2011, 58. AG Bergisch Gladbach v. 14.12.1977 – 16 C 696/76, WuM 1980, 17. LG Köln v. 7.9.1989 – 1 S 117/89, WuM 1990, 17. LG Berlin v. 8.1.2004 – 67 S 312/01, MM 2004, 124. AG Potsdam v. 7.4.1994 – 26 C 281/93, WuM 1994, 376.

Lützenkirchen | 491

Anhang zu § 536 Rz. 2 | Minderungstabelle Stichwort

Fensterläden Fernsehempfang

Feuchtigkeit

102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118

Mangel

Minderungsquote in %

Undichtigkeit von Doppelfenstern, gelöste Stäbe des Parketts in einem Zimmer, Funktionsunfähigkeit des Kabelfernsehanschlusses, nicht fest verankerter Waschmaschinenanschluss sowie mangelhafte Elektroinstallation

15102

Oberlichter lassen sich wegen mangelhaftem Zustand nicht öffnen

10103

Mit Plastikplanen verklebte Fenster.

5104

Starke Zugluft durch undichte Fenster, Türen (Luftgeschw. 0,1–0,15 m/sec)

20105; 15106

Zugluft nach Einbau neuer Fenster (periodischer Mangel)

5–10107

Lackabplatzungen am Außenanstrich der Fenster

0108

Trübung der Isolierglasscheibe von Fenstern in drei Zimmern und Küche auf Grund deren Undichtigkeit, defekter Teppichboden

5109

Verwitterte Fenster = optischer Mangel

0110

Fehlen der Fensterläden wegen Entfernung

10111

Schlechter Empfang

10112

Störung wegen Beseitigung der Gemeinschaftsantenne

5113

Schlechter lagebedingter Empfang ist kein Mangel; kein Anspruch des Mieters auf Kabelanschluss

0114

Ausfall der Gemeinschaftsantenne und Ersatzstellung einer Zimmerantenne, mit der nur noch 4 Programme empfangen werden können

2115

Defekter Anschluss an Gemeinschaftsantenne, Gemeinschaftsantenne defekt

2116, 1117

Durchfeuchtungen an 8 (Außen-)Wänden eines Einfamilienhauses durch undichtes Dach, muffiger Geruch, drohender Schimmelpilzbefall

20118

AG Charlottenburg v. 31.3.2011 – 211 C 169/10, GE 2011, 824. AG Hagen v. 26.2.1982 – 6 C 461/81, WuM 1982, 282. AG Wedding v. 26.11.2018 – 22d C 147/18, GE 2019, 858. LG Kassel v. 30.7.1987 – 1 S 274/84, WuM 1988, 108. AG Villingen-Schwenningen v. 3.10.2015 – 11 C 243/14, WuM 2016, 100. AG Brandenburg v. 28.6.2013 – 31 C 279/11, ZMR 2014, 44. AG Wedding v. 12.10.2017 – 17 C 320/14, ZMR 2018, 607. AG Köln v. 24.9.1999 – 217 C 536/98, WuM 2001, 467. AG Berlin Mitte v. 4.2.2015 – 7 C 43/14, GE 2015, 462; AG Wedding v. 4.11.2014 – 7 C 159/14, IMR 2015, 229. AG Friedberg v. 1.8.1975 – C 117/75, WuM 1977, 139. AG Schöneberg 8.12.1987 – 12 C 354/87, GE 1988, 361. LG Berlin v. 12.4.1994 – 63 S 439/93, MM 1994, 396. AG Hamburg v. 22.6.1988 – 40b 2213/87, WuM 1990, 70. AG Schwäbisch Gmünd v. 7.9.2004 – 2 C 822/04, NZM 2005, 105. LG Berlin v. 16.2.1999 – 64 S 356/98, GE 2000, 345. LG Berlin v. 8.11.1994 – 64 S 189/94, GE 1996, 471. AG Hamburg v. 9.1.1979 – 42 C 634/76, WuM 1979, 103.

492 | Lützenkirchen

Minderungstabelle | Rz. 2 Anhang zu § 536 Stichwort

119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134

Mangel

Minderungsquote in %

Durchfeuchtungen aller Außenwände einer Wohnung infolge fehlenden Wärmeschutzes der Giebelwände, Schimmelpilz in Wohn-, Schlafzimmer, Küche und Bad; sinnvolles Stellen der Möbel ohne Inanspruchnahme der Außenwände nicht möglich

20119

Und Schimmelpilz in Küche, Wohn- und Schlafzimmer, so dass dauernder Aufenthalt nur noch in kleinem Zimmer möglich

80120

Sämtliche Wohnräume betroffen

80121

Nicht fachgerechte Abdichtung eines Flachdaches, Gefahr von Durchfeuchtungsschäden

10122

Wasser tropft durch Zimmerdecke, verursacht durch Schneesturm

30123

Eindringende Feuchtigkeit an Fensterbrüstungen hinter Heizkörpern

10124

Durchlaufschäden an Wohnzimmerdecke und an Teilen der Wände

25125

Feuchtigkeit in Wohn- und Schlafzimmer, z.B. durch Kondensierung an den Außenwänden

20126

Feuchtigkeit in Gestalt von Braunverfärbungen, Schimmelpilz, übel riechender Dunst im Schlafund Arbeitszimmer

20127

Ständige Durchfeuchtung der Außenwände, Rattenbefall im Umfeld der Wohnung

100128

Nicht nur unerhebliche Beeinträchtigung durch Feuchtigkeit

10129

Feuchtigkeit an den Außenwänden

20130

Feuchtigkeitserscheinungen, Schimmel, Algenbefall

10131

Oberflächentauwasser aus der Raumluft schlägt sich an Außenwänden nieder, hohe Fugendurchlässigkeit der Fenster

15132

Neubaufeuchtigkeit

10133

Neubaufeuchtigkeit, Schimmelbildung

20134

AG Köpenick v. 8.2.2001 – 17 C 475/00, MM 2002, 185; nachgehend LG Berlin v. 6.7.2001 – 64 S 126/01, n.v. LG Berlin v. 8.1.1991 – 65 S 205/89, GE 1991, 625. AG Bergisch Gladbach v. 15.2.2018 – 60 C 436/15, IMR 2018, 283 (Binder). AG Hamburg v. 13.10.1993 – 45 C 1322/92, WuM 1998, 570. AG Kiel v. 26.6.1980 – 13 C 9/80, WuM 1980, 235. AG Darmstadt v. 17.1.1979 – 37 C 2894/78, WuM 1980, 129. AG Aachen v. 5.4.1973 – 15 C 417/71, WuM 1974, 44. AG Köln v. 23.5.1973 – 152 C 195/73, WuM 1974, 241. AG Ibbenbüren v. 27.12.2001 – 12 C 184/01, WuM 2002, 216. AG Potsdam v. 15.6.1995 – 26 C 533/93, WuM 1995, 534. AG Ravensburg v. 12.3.1975 – 5 C 676/74, WuM 1976, 9. LG Hamburg v. 1.12.1987 – 16 S 122/87, WuM 1988, 353. LG Flensburg v. 15.1.1988 – 7 S 166/88, WuM 1988, 354. LG Hannover v. 16.5.1988 – 9 S 389/87, WuM 1988, 354. LG Lübeck v. 8.1.1988 – 6 S 289/87, WuM 1988, 351. AG Bad Schwartau v. 3.11.1987 – 3 C 1176/86, WuM 1988, 55.

Lützenkirchen | 493

Anhang zu § 536 Rz. 2 | Minderungstabelle Stichwort

135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150

Mangel

Minderungsquote in %

Neubau: Flecken an den Decken, insbes. im Wohnzimmer feuchte Stellen und Risse an den Wänden

10135

Neubaufeuchtigkeit, Schimmelbildung in allen Räumen, so dass Aufstellen von Schränken an den Wänden unmöglich

75136

Durchfeuchtungen aufgrund gravierender baulicher Mängel (Undichtigkeit und schadhaftes Dach, großflächiger Schimmelbefall, schadhafte Türen, Heizölgeruch im ganzen Haus, verschmutztes Wasser)

66,6137

Altbau, Feuchtigkeitsschäden, Baumangel

5138

Feuchtigkeitsflecken in Toilette, Flur, Mädchenzimmer, Arbeitszimmer, Schlafzimmer

30139

Ausblühungen und Feuchtigkeitserscheinungen infolge undichter Fugen der Dusche

10140

Feuchtigkeitsschäden als Baumangel, Schimmelpilz (Bewohnen mit Kleinkind)

20141

Zunächst im Wohnzimmer, später in der Abstellkammer und im Schlafzimmer

20142

Wasserfleck im Schlafzimmer

3143

Nässe dringt bei Schlagregen durch Fenster, Wasserflecken im Fensterbereich von Wohn- und Schlafzimmer

5144

Verbliebene Feuchtigkeitsschäden nach Behebung einer Dachundichtigkeit

2145

Feuchtigkeit in Küche, Bad, Schlafzimmer und Kinderzimmer

10146

Feuchtigkeit und Schimmelpilzbefall infolge von Kondenswasser in Außenwandbereichen von Küche und Bad; DIN-Anforderungen nur im Zeitpunkt der Wohnungserrichtung erfüllt

8147

Stock- und Schimmelflecken im Bad

5148

Feuchtigkeitseintritt bei Schlagregen ins Kinderzimmer

5149

Schimmelbildung im Schlafzimmer, was dessen Nutzung ausschließt, Schimmelbildung ebenfalls in Bad und Küche, was zu einer Nutzungseinschränkung führt

25150

LG Hamburg v. 2.3.1976 – 11 S 161/75, WuM 1976, 205. LG Köln v. 15.11.2000 – 9 S 25/00, WuM 2001, 604. BGH v. 10.4.2018 – VIII ZR 223/17, WuM 2018, 357 = ZMR 2018, 921. AG Rheine v. 20.7.1988 – 3 C 431/87, WuM 1988, 302. LG Hamburg v. 30.3.1989 – 7 S 330/88, WuM 1989, 566. AG Aachen v. 12.11.2015 – 100 C 272/15, WuM 2015, 734. LG Kassel v. 1.10.1983 – 1 S 95/83, WuM 1988, 109. AG Waldbröl v. 27.10.1988 – 3 C 2/88, WuM 1989, 71. LG Hamburg v. 19.12.1989 – 16 S 208/89, WuM 1990, 149. LG Berlin v. 18.3.1982 – 61 S 437/81, MDR 1982, 671. LG Hannover v. 15.4.1994 – 9 S 211/93, WuM 1994, 463. AG Neuss v. 18.3.1994 – 36 C 593/93, WuM 1994, 382. LG Hamburg v. 11.7.2000 – 316 S 227/99, WuM 2001, 193. AG Potsdam v. 7.4.1994 – 26 C 281/93, WuM 1994, 376. AG Potsdam v. 7.4.1994 – 26 C 281/93, WuM 1994, 376. AG Düren v. 1.3.1990 – 3 C 450/89, WuM 1991, 89.

494 | Lützenkirchen

Minderungstabelle | Rz. 2 Anhang zu § 536 Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Feuchtigkeitserscheinungen, Schimmelbildung im Bereich 30151 von 5–60 cm über dem Erdboden, neben der Wohnungsabschlusstür, der Küchenwand zum Flur, der gesamten ostseitigen Außenwand der Wohnung in der Küche, im Badezimmer und in einem der beiden Kinderzimmer; undichte Fenster und Wohnungsabschlusstüre Erhebliche Feuchtigkeit in/an Decken, Wänden, Möbeln und Böden durch von der Decke tropfendes Wasser

50152

Wohnzimmer unbenutzbar, durchfeuchtete Decke muss mit Balken abgestützt werden

30153

Zur Regenzeit Wassereintritt im Keller, dadurch eingeschränkte Nutzungsmöglichkeit; Lärm durch an die Zweizimmerwohnung angrenzenden Kinderladen

16154

Herkömmliche Feuchtigkeit in Altbau-Keller

0155

Feuchtigkeit in einem 2,61 m² großen Abteil

3156

Feuchtigkeitsschäden im Hobbykeller nach Abdichtungsmaßnahmen können nicht ausgeschlossen werden

50 der auf den Keller entfallenden Nettomiete157

Bauwerksbedingte Feuchtigkeitsschäden mit Schwarzschimmelbildung in Gaststättenraum

15158

Zweifacher Wassereintritt in Ladenlokal eines Modehauses, so dass Feuchtigkeit in Decke und Wände eindringt; teilweises Ablösen der Tapete, Verfärbung, Geruchsbildung

10159

Feuchtigkeitsschäden, Salzausblühungen, Wandrisse in Ladenlokal

23160

Fliesen

s. Bad

Fluglärm

Ortsüblich, wenn in der weiten Umgebung seit Jahren große Bauprojekte wie ein Flughafen stattfinden

0161

Fogging

Schwarzverfärbungen in Küche, Wohnzimmer, Bad, nachdem Mieter Laminat-, Kunststoff- und Teppichböden verlegt hat; keine baulichen Mängel

0162

151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162

AG Pasewalk v. 1.10.1992 – 7 C 94/92, WuM 1992, 683. AG Leverkusen v. 18.4.1979 – 23 C 471/76, WuM 1980, 163. AG Bochum v. 28.11.1978 – 5 C 668/78, WuM 1979, 74. AG Hamburg v. 27.7.1973 – 41 C 6/73, WuM 1975, 209. LG Osnabrück v. 11.4.2001 – 6 S 1247/00, WuM 2004, 233. AG Spandau v. 31.3.2015 – 5 C 4/15, GE 2016, 535. LG Berlin v. 27.9.2011 – 63 S 641/10, GE 2011, 1685 (zweifelhaft, weil gegen den Grundsatz der Berechnung der Minderung von der Bruttomiete verstoßend). AG Altenburg v. 31.8.2000 – 1 C 1058/98, GuT 2002, 46. LG Wuppertal v. 27.7.1999 – 16 S 55/99, GuT 2002, 19. OLG Naumburg v. 31.5.2000 – 6 U 97/99, GuT 2002, 15. AG Frankfurt v. 23.9.2004 – 33 C 1747/04-26, NZM 2005, 217. AG Pinneberg v. 19.10.2001 – 68 C 346/99, ZMR 2002, 359.

Lützenkirchen | 495

Anhang zu § 536 Rz. 2 | Minderungstabelle Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Schwarzverfärbungen an Wänden, Decken, Einrichtungsgegenständen in der Heizperiode; Beeinflussung des seelischen und körperlichen Wohlbefindens; Ursachen unklar

14163

Schwarzverfärbungen im Wohnzimmer durch vermieterseits verlegten PVC-Boden und Textiltapete und durch mieterseits verklebten Korkbelag, Kohleabrieb des Staubsaugers und starken Kerzenabbrand; Verantwortungsanteil Vermieter 40 %, Mieter 60 %

40164

Belastung von 97–110 μg/m3 und damit unterhalb des Grenzwertes des Bundesgesundheitsamtes von 120 μg/m3 ist keine Gesundheitsgefährdung; Grenzwert der Weltgesundheitsorganisation von nur 60 μg/m3 irrelevant

0165

Fertighaus; Belastung zwischen 124–221 μg/m3 begründet konkrete Gesundheitsgefahr

50166

Loch im Badezimmer

2167

Unebenheiten und scharfe Bruchkanten im Estrich, die vor Verlegung des neuen Teppichbodens beseitigt werden müssen

15168

Radikale Beschneidung der Bäume/Sträucher eines jahrelang als Bio- und Naturgarten genutzten Gartens durch Vermieterin; Mieterin standen Nutzung und Gestaltungsrecht an dem Garten zu; nunmehr ist eine Nutzung der Terrasse und des Gartens für Arbeits- und Besprechungsangelegenheiten und Ruhepausen eingeschränkt (Rechtsanwaltskanzlei)

5169

Willkürliche Entziehung der Nutzungsmöglichkeit, welche auf Widerruf gewährt wurde

5–7170

Gasversorgung

Ausfall zur Versorgung von Warmwasser, Heizung und Herd

85171 von Oktober–April 60 im Mai 30 in den übrigen Monaten

Gegensprechanlage

Ausfall, Wohnung in 4. Etage

5172

Ausfall

2173, 1174

Formaldehyd

Fußboden

Garten

163 LG Ellwangen v. 9.3.2001 – 1 S 244/00, WuM 2001, 545; AG Schwäbisch Gmünd v. 13.10.2000 – 1 C 997/00, WuM 2001, 544. 164 AG Hamburg-Wandsbek v. 29.5.2000 – 712D C 27/99, NZM 2000, 906. 165 AG Königsstein i. Ts. v. 6.7.2000 – 21 C 1807/99, n.v. 166 AG Mettmann v. 13.2.1990 – 21 C 202/88, VuR 1990, 208. 167 LG Berlin v. 13.1.2004 – 64 S 334/03, WuM 2004, 234. 168 AG Schöneberg v. 19.12.2013 – 109 C 225/13, MM 2014, Heft 3, S. 30. 169 LG Köln v. 27.8.1996 – 3 O 608/95, KM 35 Nr. 7. 170 AG Bergisch Gladbach v. 9.2.1989 – 60 C 602/88, WuM 1989, 498. 171 AG Nürnberg v. 22.3.2017 – 16 C 127/16, WuM 2017, 398. 172 LG Dessau-Roßlau v. 31.1.2012 – 1 T 16/12, NZM 2012, 457; AG Aachen v. 10.8.1989 – 80 C 220/89, WuM 1989, 509. 173 LG Berlin v. 7.12.1999 – 64 S 292/99, GE 2000, 345. 174 AG Schöneberg v. 31.10.1990 – 5 C 72/90, GE 1991, 527.

496 | Lützenkirchen

Minderungstabelle | Rz. 2 Anhang zu § 536 Stichwort

Geräusche

Geruch

175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189

Mangel

Minderungsquote in %

Ausfall; Wohnung im 2. OG, so dass erhebliche Zugangserschwernis, überdurchschnittliche Miete von 682,70 Euro für 2-Zimmer Wohnung

5175

Der Besucher ist nicht zu hören

3176

Aus der Heizungsanlage, die die Vorgaben der DIN 4109 oder der TA-Lärm einhalten; insoweit gilt auch bei Wohnräumen nachts eine Grenze von 30dB (A)

0177

Klopfgeräusche der Heizung, die unregelmäßig und in unterschiedlicher Intensität nachts zwischen 21 und 5 Uhr auftreten

25178

Geräusche der Lüftungsanlage der im Erdgeschoss des Gebäudes befindlichen Shisha-Lounge, die gegen die Bestimmungen der TA-Lärm verstoßen

10179

Von Urinstrahl aus der Nachbarwohnung

10180

Geräusche von einem Flüchtlings- und Asylbewerberheim in einer ehemaligen Schule

8181

Von Wasser und der Betätigung der Badezimmerarmatur im angrenzenden Schlafzimmer der Nachbarwohnung

0182

Unangenehme Gerüche aus Pizzabäckerei im Nachbarhaus, welche durch Lüftungsschacht in der Wohnung verbreitet werden

15183

Wiederkehrende Geruchsbelästigung aus defektem Abwasserrohr

10184

Gerüche von einem Flüchtlings- und Asylbewerberheim

8185

Hundekot im Treppenhaus und Geruchsbelästigung aus Wohnung des Hundehalters

20186

Unangenehme Gerüche im Treppenhaus

4187

Bewusst herbeigeführter intensiver Parfümgeruch im Treppenhaus

5188

Intensive Geruchsbelästigung aus Nachbarwohnung, Schäden an der Fensteranlage

33,3/45189

LG Berlin v. 22.9.1998 – 64 S 53/98, WuM 1998, 725. LG Berlin v. 18.11.2004 – 67 S 173/04, MM 2005, 75. LG Berlin v. 13.12.2010 – 67 S 601/09, GE 2011, 549. LG Osnabrück v. 11.7.2018 – 1 S 317/17, ZMR 2019, 31 = GE 2019, 387. LG Berlin v. 15.4.2016 – 63 S 223/15, ZMR 2016, 946 = GE 2016, 729, siehe auch BGH v. 5.6.2013 – VIII ZR 287/12, NJW 2013, 2417. LG Berlin v. 20.4.2009 – 67 S 335/08, GE 2009, 799. AG Wedding v. 13.3.2017 – 9 C 46/16, GE 2017, 601. AG Spandau v. 4.4.2014 – 3 C 576/13, GE 2014, 1659. AG Köln v. 19.9.1989 – 208 C 246/89, WuM 1990, 338. BGH v. 4.9.2018 – VIII ZR 100/18, WuM 2018, 712. AG Wedding v. 13.3.2017 – 9 C 46/16, GE 2017, 601. AG Münster v. 22.6.1995 – 8 C 749/94, WuM 1995, 534. AG Gießen v. 5.11.2015 – 48 C 48/15, WuM 2016, 26. AG Speyer v. 27.2.2019 – 32 C 32/18, ZMR 2019, 886. AG Köln v. 27.9.1988 – 201 C 457/87, WuM 1989, 234.

Lützenkirchen | 497

Anhang zu § 536 Rz. 2 | Minderungstabelle Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Beeinträchtigung durch Essens- und Zigarettengeruch aus Nachbarwohnung auf Grund der biophysikalischen Bauweise des Gebäudes

20190

Beeinträchtigung durch Zigarettengeruch vom unterhalb liegenden Nachbarbalkon; biophysikalische Bauweise keine Ursache

0191

Wie vor – ca. 20 Zigaretten pro Tag

5192

Nächtliches Rauchen des Nachbarn bei geöffnetem Fenster, so dass Mieter im Schlaf gestört wird

3193

Rauchen auf dem Balkon, so dass Geruch bei geöffnetem Fenster in die darüber liegende Wohnung zieht

10194

Geruchsbelästigung nachts im Schlafzimmer infolge von kettenrauchendem Nachbarn

3195

Beeinträchtigung beim Lüften durch Abluft eines nahezu 10196 täglich betriebenen, nicht üblichen Wäschetrockners eines Nachbarn Nach Fleisch- und Wurstwaren riechende Luft dringt durch Dielenboden

5197

Versandung/unerträglicher Gestank aus Teppichboden, verursacht durch Überschwemmung, für einen Zeitraum von 2–3 Wochen

80198

Im Bad

5199

In der Küche nach altem Käse oder Schweißfüßen

8200

Uringestank bei heißer Witterung aus Nachbarwohnung

5201

Gestank nach Fäkalien und sich zersetzendem organischen Müll aus einer Wohnung ins Treppenhaus

5–10202

Beeinträchtigung durch Müll-/Biotonnen eines nahe gelegenen Supermarktes in den Monaten Mai–September

5203

Verlegung des Mülltonnenplatzes ohne Geruchsbelästigung für den Mieter (optische Beeinträchtigung)

0204

LG Stuttgart v. 27.5.1998 – 5 S 421/97, WuM 1998, 724. AG Wennigsen v. 14.9.2001 – 9 C 156/01, WuM 2001, 487. LG Hamburg v. 15.6.2012 – 311 S 92/10, NZM 2012, 806. LG Berlin v. 10.8.2017 – 65 S 362/16, IMR 2018, 94 (Ramm). LG Berlin v. 30.4.2013 – 67 S 307/12, GE 2013, 810 = NZM 2013, 727. LG Berlin v. 10.8.2017 – 65 S 362/16, GE 2017, 1470. LG Köln v. 20.12.1989 – 10 S 201/89, WuM 1990, 385. AG Pankow/Weißensee v. 5.8.2004 – 3 C 71/03, MM 2005, 75. AG Friedberg/Hessen v. 6.7.1983 – C 389/82, WuM 1984, 198. LG Berlin v. 13.1.2004 – 64 S 334/03, WuM 2004, 234. AG Suhl v. 8.2.2012 – 1 C 419/11, WuM 2012, 315. AG Charlottenburg v. 17.3.2004 – 231 C 647/03, MM 2004, 221. LG Berlin v. 28.1.2011 – 65 S 296/10, GE 2011, 821. AG Gifhorn v. 7.3.2001 – 33 C 426/00, WuM 2002, 215; AG Lichtenberg v. 16.3.2004 – 6 C 239/03, MM 2004, 339. 204 AG Brandenburg v. 13.10.2017 – 31 C 156/16, GE 2017, 1475. 190 191 192 193 194 195 196 197 198 199 200 201 202 203

498 | Lützenkirchen

Minderungstabelle | Rz. 2 Anhang zu § 536 Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Gerüst

Beschränkung des Lichteinfalls infolge Arbeiten an der Fassade, wobei wegen der Nutzbarkeit des Balkons in den kälteren Monaten differenziert wurde

10–15 %205

Vorhangplane mit Lärm-, Staub- und Sichtbeeinträchtigung

12206

An- und Abbau des Gerüstes

5207

Ohne weitere Gebrauchsbeeinträchtigung

3208

s. a. Einrüstung Gesundheitsgefährdung

50209

Durch asbesthaltige Elektronachtspeicheröfen s. a. Asbest, Formaldehyd, Holzschutzmittel Durch Verwendung von giftigen Insektiziden zur Bekämpfung von Käferplage in Wohnung, die lt. Hersteller nicht in Wohn-/Schlafraum angewendet werden dürfen

100210

Durch Parkettkleber ausgelöste Schadstoffbelastung, die sich bei ausreichendem Lüften auf Normalmaß hätte halten lassen

30211

Vermietung eines Ladenlokals zum Betrieb einer Buchhandlung in der Schalterhalle eines Hauptpostamtes mit 2000 Mitarbeitern; Schalter- und Postbetrieb werden später eingestellt, so dass Umsatzeinbußen durch Wegfall wesentlichen Publikumsverkehrs

20212

Fachhandel im Einkaufszentrum; Vermieter duldet Leerstände und die Ansammlung von Billigläden, erwarteter Umsatz bleibt aus; enttäuschte Erwartung, dass auf Grund höheren Vermietungsstandards die Akzeptanz eines Einkaufszentrums größer ist, ist kein Mangel

0213

Graffiti-Sprüherei

Graffiti-Sprüherei an Außenfassade einer Tierarztpraxis, keine Beeinträchtigung der Nutzung bzw. geschäftsschädigende Wirkung

0214

Hauseingang

s. a. Außenanlage und Treppenhaus

Gewinnerwartung

Hausnachbar

205 206 207 208 209 210 211 212 213 214 215 216

Ständig zugestellt (Paletten mit Obst des Ladenmieters) sowie mit Gewerbemüll überfüllter Müllplatz

5215

begründete Gefahr, Opfer krimineller Handlungen des Hausnachbarn zu werden

25216

AG Ibbenbüren v. 10.12.2003 – 3 C 554/03, WuM 2007, 405. LG Berlin v. 30.7.2014 – 65 S 12/14, GE 2014, 1203. AG Wiesbaden v. 25.6.2012 – 93 C 2696/11 (42), WuM 2012, 439. AG Wiesbaden v. 25.6.2012 – 93 C 2696/11 (42), WuM 2012, 439. LG Dortmund v. 16.2.1994 – 11 S 197/93, WuM 1996, 141. AG Trier v. 14.8.2001 – 6 C 549/00, WuM 2001, 486. BGH v. 15.1.2013 – VIII ZR 411/12, ZMR 2014, 26. OLG München v. 2.7.1999 – 21 U 2362/99, ZMR 1999, 707. OLG Naumburg v. 13.12.1996 – 6 U 126/96, NZM 1998, 373. AG Leipzig v. 27.9.2000 – 49 C 5267/00, WuM 2001, 237. AG Wedding v. 3.5.2010 – 21b C 229/09, MM 2010, 227. AG Köln v. 4.1.1978 – 152 C 1322/77, WuM 1980, 17.

Lützenkirchen | 499

Anhang zu § 536 Rz. 2 | Minderungstabelle Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Attacken eines Mitbewohners wegen Betretens einer Gartenfläche, die nach Hausordnung dessen alleiniger Nutzung vorbehalten ist

0217

Haustür

Schwergängigkeit

0218

Heizung

Durchschnittstemperatur niedrig, in Wohn-, Arbeits- und im Kinderzimmer ca. 15 °C

30219

Aufheizung der Räume nur auf 16–18 °C möglich

30220

Räume können von November bis Februar nur auf 14–15 °C aufgeheizt werden

70221

Unzureichende Heizleistung in der Heizperiode

15222

Regelmäßig 19 °C anstatt vertraglich geschuldeter 20 °C, aber nie unter 18 °C.

5223

Unterdimensionierte Heizkörper, es fehlen im Elternschlafzimmer 9 % und im Kinderzimmer 11 % Heizfläche; Minderung abhängig von der Witterung

5–10224

Wohnungstemperatur im Monat April nicht über 18 °C; vertragliche Regelung, dass eine Temperatur von 18 °C zwischen 7–22 Uhr vertragsgemäß ist, ist unwirksam; erforderlich sind mindestens 20 °C

10225

Heizung arbeitet mit ca. 60 % Energieverlust

10,2226

Heizleistung gewährleistet nur eine Wärme der Räume von 19 °C (oder 18 °C)

5227

Keine bzw. ungenügende Beheizbarkeit von Schlaf- und Kinderzimmer, Küche und Bad

10228

Total- und Teilausfall (im Oktober) der Gasaußenwandgeräte im Wohnzimmer und einem Kinderzimmer mit der Folge, dass von 4½ Zimmern nur 1 Zimmer zu beheizen war

20229

Keine Heizmöglichkeit von September bis Februar

100230

Totaler Heizungsausfall an drei aufeinander folgenden Tagen im Januar (Minderungsquote bezieht sich auf die auf den entsprechenden Zeitraum entfallende Miete)

50231

Heizungsausfall von Mitte Dezember bis Ende Februar

50232

217 218 219 220 221 222 223 224 225 226 227 228 229 230 231 232

AG Königsstein v. 13.10.2000 – 21 C 1002/00 - 11, NZM 2001, 422. LG Berlin v. 27.10.2006 – 63 S 186/06, GE 2007, 367. LG Düsseldorf v. 17.5.1973 – 12 S 382/72, WuM 1973, 187. AG Görlitz v. 3.11.1997 – 1 C 1320/96, WuM 1998, 180. AG Görlitz v. 15.5.1997 – 3 C 1347/96, WuM 1998, 315. AG Köln v. 4.11.1974 – 153a C 587/73, WuM 1975, 69. LG Berlin v. 8.6.2012 – 63 S 423/11, WuM 2012, 670. AG Münster v. 5.5.1987 – 28 C 330/86, WuM 1987, 382. AG Charlottenburg v. 27.5.1999 – 19 C 228/98, MM 2000, 223. OLG Düsseldorf v. 4.11.1982 – 10 U 109/82, MDR 1983, 229. LG Berlin v. 8.6.2012 – 63 S 423/11, GE 2012, 1039. AG Potsdam v. 7.4.1994 – 26 C 281/93, WuM 1994, 376. AG Pasewalk v. 1.10.1992 – 7 C 94/92, WuM 1992, 683. OLG Dresden v. 18.6.2002 – 5 U 260/02, ZMR 2003, 346; LG Berlin v. 10.1.1992 – 64 S 291/91, GE 1993, 263. AG Bergisch Gladbach v. 21.2.1997 – 61 C 424/96, KM 35 Nr. 9. LG Kassel v. 24.2.1987 – 1 T 17/87, 1 S 26/87, WuM 1987, 271.

500 | Lützenkirchen

Minderungstabelle | Rz. 2 Anhang zu § 536 Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Bei Heizungsausfall ist die Minderungsquote an der Gradtagszahltabelle zu orientieren

Januar 85 Februar 75 März 65 April 40 Mai 20 September 15 Oktober 40 November 60 Dezember 80233

Schlafzimmer (im Februar) wegen Rohrbruch am Heizkörper nicht beheizbar

20234

Fehlende Beheizbarkeit während Heizperiode

Min. 75235

Fehlende Heizung vom 1.10. – 9.12.

70236

Wohnung durch teilweise Unbeheizbarkeit unbewohnbar, bei unzureichender Heizbarkeit des Restes, Löcher in der Zimmerdecke, Unbenutzbarkeit der Gartentreppe

100237

Nach dem Einbau von Aluminiumfenstern höherer Heizungsaufwand und umfangreichere Lüftung erforderlich

15238

Betrieb der Heizung mit Propan- statt Erdgas, so dass höhere Heizkosten entstehen

0239

Fehlende Heizmöglichkeit in Küche noch kein Mangel

0240

Fehlende Beheizbarkeit außerhalb der Heizperiode, wenn aufgrund des Zustandes der Wohnung unangenehm kalte Temperaturen herrschen

50241

Fehlende Beheizbarkeit eines kleinen Raums im Dachgeschoss nicht in der Zeit von Mai bis Oktober, sofern witterungsbedingt die Heizung nicht benötigt wird

8242 (von November bis März) 4 (im April)

Heizungsgeräusche

s. Lärm/Heizung

Hellhörigkeit

s. Lärm/Isolierung

Holzschutzmittel

Bronchialbeschwerden, Hauterkrankungen durch Holzschutzmittel in Holzdecke

100243

Akute Gesundheitsgefahr in Raumluft durch überhöhte PCP-Konzentration im Wohnzimmer 3700 ng/m3, im Badezimmer 2400 ng/m3, in Küche 7200 ng/m3

30244

233 234 235 236 237 238 239 240 241 242 243 244

AG Dortmund v. 19.1.2013 – 425 C 5019/12, IMR 2014, 61. LG Hannover v. 19.12.1979 – 11 S 296/79, WuM 1980, 130. LG Berlin v. 10.1.1992 – 64 S 291/91, ZMR 1992, 302. AG Charlottenburg v. 7.6.2013 – 216 C 7/13, WuM 2014, 91. LG Wiesbaden v. 4.7.1977 – 1 S 426/76, WuM 1980, 17; AG Köln v. 25.5.1976 – 54 C 596/74, ZMR 1980, 87. AG Emden v. 28.10.1988 – 5 C 1197/86, NJW-RR 1989, 523. LG Münster v. 21.3.2000 – 9 S 115/99, WuM 2000, 354. LG Berlin v. 5.6.1989 – 61 S 189/89, MDR 1990, 56 = WuM 1990, 16. AG Villingen-Schwenningen v. 3.10.2015 – 11 C 243/14, WuM 2016, 100. AG Gießen v. 5.11.2015 – 48 C 48/15, WuM 2016, 26. AG Stade v. 14.3.2000 – 63 C 437/98, WuM 2000, 417. AG Rheinbach v. 11.1.1989 – 3 C 454/88, VuR 1990, 212.

Lützenkirchen | 501

Anhang zu § 536 Rz. 2 | Minderungstabelle Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Innenputz

Fehlt infolge Beseitigung zur Behebung von Feuchtigkeitsschäden

20245

Kakerlaken

s. Ungeziefer

Keller

Feuchtigkeit; Berechnung der Minderung unter Berücksichtigung des Flächenanteils und des Nutzungszwecks

10246

Unbenutzbarkeit

10247

Ersatzloser Wegfall einer zum mitvermieteten Kellerraum führenden Treppe, so dass dieser nur noch über Nachbarhaus erreichbar ist

3248

Feuchtigkeit im Keller

3249

Feuchtigkeit; Berechnung nach dem Verhältnis der Gesamtfläche von Wohnung und Keller unter Berücksichtigung der Bedeutung und verbleibender Nutzungsmöglichkeit

2250

Kinderspielplatz

Fehlen eines Kinderspielplatzes in Form eines Sandkastens 5251 im Bereich der Mietwohnungen

Klimaanlage

Ausfall in einer Gaststätte im Sommer

20 %252

Klingel

Fehlende Klingel

5253

Konkurrenzschutz

Vertraglicher K.; Vermietung eines weiteren Ladenlokals in unmittelbarer Nähe des Mietobjekts, in dem Mieter Einzelhandel betreibt

5254

Anmietung von Räumen in Ladencenter zum Betrieb einer Ohne Angabe255 Spielhalle; Vermieter duldet, dass anderer Mieter sein Spielcasino ebenfalls auf Betrieb einer Spielhalle umstellt; Mangel auch ohne Feststellung von Umsatzeinbußen

245 246 247 248 249 250 251 252 253 254 255 256 257 258

Vertragsimmanenter Schutz des Lebensmittelmarktes gegen Discounter, in dessen Fläche ein Bäcker und ein Metzger im Wege der Untervermietung ihr Geschäft betreiben

13256

Betrieb zur Arbeitnehmerüberlassung bevor Vermieter an weiteres Unternehmen zur gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung vermietet

20257

Eröffnung eines Konkurrenzbetriebes durch den Vermieter selbst in 5m Entfernung

25258

LG Saarbrücken v. 7.9.2012 – 10 S 78/12, WuM 2012, 608. LG Berlin v. 14.6.2001 – 67 S 475/00, GE 2001, 1606. AG Köln, WuM 1981, U 19. AG Hamburg v. 21.3.2000 – 46 C 46/99, NZM 2001, 234. AG Spandau v. 31.3.2015 – 5 C 4/15, GE 2016, 535. AG Bremen v. 26.10.2017 – 9 C 476/15, MietRB 2018, 6. LG Freiburg v. 18.2.1975 – 9 S 197/74, ZMR 1976, 210. OLG Köln v. 15.10.2002 – 22 U 94/02, KM 35 Nr. 61. AG Potsdam v. 9.3.1995 – 26 C 406/94, WuM 1996, 760. LG Chemnitz 28.9.2001 – 8 O 453/01, ZMR 2002, 350. OLG Düsseldorf v. 15.5.1997 – 10 U 4/96, NZM 1998, 307. OLG Naumburg v. 17.2.2000 – 2 U 44/99, OLGR Naumburg 2000, 440. OLG Düsseldorf v. 6.7.2001 – 24 U 174/00, ZMR 2002, 38 = NZM 2001, 1033. KG v. 16.4.2007 – 8 U 199/06, GE 2007, 1551.

502 | Lützenkirchen

Minderungstabelle | Rz. 2 Anhang zu § 536 Stichwort

Küche

Mangel

Minderungsquote in %

Vermietung an eine Kampfkunstschule, obwohl für diese Branche Konkurrenzschutz gewährt wurde

25259

Mieter betreibt mit vertraglichem K. ein Fitness-Center; Gesellschafter des Vermieters überlassen Räume im Gebäudekomplex an Kickbox-Studio mit Kampfsportangebot sowie Reha- und Gesundheitssport-Studios

25260

Küche und Toilette unbenutzbar; Ersatzräume in einer anderen Wohnung des Hauses nutzbar

50261

Entgegen vertraglicher Vereinbarung bei Überlassung der Wohnung nicht eingebaut

20262

Spüle undicht

5263

Fehlende Heizmöglichkeit noch kein Mangel

0264

Tür des Unterschranks, hinter der sich ein Mülleimer befindet, schließt nicht richtig

0265

Setzrisse in Küche bei überdurchschnittlicher Miete; 682,70 Euro für eine 2-Zimmer-Wohnung

2266

Fehlende Anschlussmöglichkeit für Tiefkühlschrank bei überdurchschnittlicher Miete; 682,70 Euro für eine 2-Zimmer-Wohnung

2267

Beeinträchtigung durch Staub und Baulärm vom Nachbargrundstück

12268

Lärm Bau

Baulärm durch Entkernung des Nachbarhauses

25269

Baulärm, Verschmutzung und Sichtbehinderung durch Gerüst vor der Fassade

5270

Lärm, Staub und optische Beeinträchtigung durch Großbaustelle, Straßenbaumaßnahmen in der Nähe der Wohnung (30–40 m)

15271

Autobahnbaustelle, auf der von 6–22:00 Uhr eine Steinzerkleinerungsmaschine in Betrieb ist

15272

Beeinträchtigung durch Lärm und Staub einer Großbaustelle, bei vorheriger Kenntnis des Mieters über die tatsächlichen Umstände der künftigen Beeinträchtigung

0273

259 OLG Düsseldorf v. 19.2.2013 – 24 U 157/12, MDR 2013, 1027 = DWW 2013, 295 = GE 2013, 1276 = ZMR 2014, 202. 260 OLG Hamm v. 17.9.2015 – 18 U 19/15, ZMR 2016, 198. 261 LG Berlin v. 11.3.1982 – 61 S 359/81, GE 1984, 47. 262 LG Dresden v. 5.5.1998 – 15 S 0603/97, WuM 2001, 336. 263 LG Berlin v. 8.11.1994 – 64 S 189/94, GE 1996, 471. 264 LG Berlin v. 5.6.1989 – 61 S 189/89, MDR 1990, 56 = WuM 1990, 16; vgl. LG Berlin v. 21.2.1997 – 63 S 259/ 96, GE 1997, 429. 265 LG Berlin v. 8.11.1994 – 64 S 189/94, GE 1996, 471. 266 LG Berlin v. 22.9.1998 – 64 S 53/98, GE 1998, 1275. 267 LG Berlin v. 22.9.1998 – 64 S 53/98, GE 1998, 1275. 268 AG Saarburg v. 9.12.1998 – 5 C 498/98, WuM 1999, 64. 269 LG Berlin v. 26.9.2013 – 67 S 251/13, GE 2013, 1515. 270 AG Wedding v. 26.11.2018 . 22d C 147/18, GE 2019, 858. 271 LG Siegen v. 9.11.1989 – 3 S 87/89, WuM 1990, 17. 272 AG Suhl v. 1.8.2001 – 1 C 306/01, WuM 2005, 656. 273 LG Lübeck v. 6.10.1995 – 6 S 381/94, WuM 1998, 690.

Lützenkirchen | 503

Anhang zu § 536 Rz. 2 | Minderungstabelle Stichwort

274 275 276 277 278 279 280 281 282 283 284 285 286

Mangel Großbaustelle in Innenstadtlage

12274

Gegenüberliegende Großbaustelle beeinträchtigt den Wohnwert der Wohnung durch die Lärmimmissionen über Monate

15275

Lärm von angrenzender Großbaustelle

pauschal 30276

Beeinträchtigung durch Lärm, Geruch, Staub einer Großbaustelle und Sichtbehinderung durch 6 m von Terrasse entferntem Bauzaun

35277

Beeinträchtigung durch Lärm von einer Großbaustelle

pauschal 15278

Mehrmonatige tägliche Beeinträchtigung durch Lärm und Erschütterung infolge Bauarbeiten an nahe gelegener Eisenbahnstrecke

18279

Lärmbelästigung infolge geänderter Verkehrsführung nach Straßenumbau und Installation einer Ampel, vermehrte Anfahrgeräusche

13,5280

Bauarbeiten im Haus, Ausbau eines Dachstuhles, Stemmarbeiten an Außenwänden u.a.

60281

Starke Lärm- und Staubbelästigung durch Aufstockung des Hauses über der Wohnung um eine Dachgeschosswohnung, Feuchtigkeitsschäden im Mai, Juni, Balkon im Sommer nicht nutzbar

10282

Lärm u. Schmutzbelästigung durch Baulärm in unmittelbarer Nachbarschaft überschreiten das üblich zu erwartende Maß bzgl. Ausmaß und Zeit: Öffnen des Fensters, normale Unterhaltung, Radio, Fernsehen unmöglich, Arbeiten auch nach 17 Uhr und an Samstagen und Sonntagen

25283

Durch Umbau und Modernisierungsmaßnahmen verursachte Lärmbeeinträchtigungen, teilweise auch von 17–20 Uhr bei einer Familie mit zwei Kindern

30284

Durch Bauarbeiten bedingte Lärmbelästigung, über drei Monate, Trocken- und Wäscheraum nicht nutzbar

50285

Durch Stemmarbeiten über mehrere Monate zur Verlegung von Steigleitungen und einer Gegensprechanlage; zwischen den Arbeiten liegen auch Tage ohne Beeinträchtigung

20286

LG Frankfurt am Main v. 6.3.2007 – 2-17 S 113/06, ZMR 2007, 698. AG Köln v. 3.5.1995 – 207 C 14/95, WuM 1996, 92. AG Nürnberg v. 12.12.2018 – 28 C 6191/18, WuM 2019, 433. LG Hamburg v. 5.7.2001 – 333 S 13/01, WuM 2001, 444. LG Berlin v. 9.1.2020 – 67 S 230/19, WuM 2020, 70. LG Köln v. 12.1.2000 – 10 S 295/99, WuM 2001, 78. AG Erfurt v. 22.3.2000 – 222 C 1033, WuM 2000, 592. AG Hamburg v. 16.1.1987 – 44 U 1605/86, WuM 1987, 272. AG Hamburg-Altona v. 7.11.1985 – 314b C 271/84, WuM 1986, 245. AG Darmstadt v. 3.5.1982 – 39 C 1706/81, WuM 1984, 245. AG Osnabrück v. 11.10.1996 – 44 C 345/96, WuM 1996, 754. AG Weißwasser v. 18.4.1994 – 3 C 0701/93, WuM 1994, 601. AG Neukölln v. 15.9.1993 – 17 C 87/93, MM 1994, 23.

504 | Lützenkirchen

Minderungsquote in %

Minderungstabelle | Rz. 2 Anhang zu § 536 Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Lärm, Staub und optische Beeinträchtigung durch Großbaustelle (Hochhaussanierung), Pressluft- und Bohrhämmerlärm

10287

Lärm durch an- und abfahrende Pkw, deren Fahrer i.d.R. 3288 Besucher einer Gaststätte sind, die sich im selben Gebäude befindet, und die auf den Hof gelangen, weil das Hoftor nicht – wie früher – verschlossen wird 1–2289

Feiern

Nach dem Lärmimmisionsschutzgesetz verbotene Störungen (lautstarke Feiern eines Rudervereins und von Kleingärtnern)

Fluglärm

s. Fluglärm

Gewerbe

Lärmbelästigung aus an die Wohnung angrenzendem Billard-Café ab 21–22 Uhr

20290

Klopfgeräusche aus Lokal, insbesondere zu späten Nachtstunden

11291

Lärmbelästigung von Gaststätte im selben Haus in den Abend- und Nachtstunden; Richtwertüberschreitung von bis zu 10 dB, so dass Nutzung des Schlafzimmers unmöglich

50292

Ruhestörung (Vibrationen/Geräusche) durch Tanzschule v. 22–24 Uhr, Mi, Do, Fr erheblicher Lärm durch Tanzveranstaltungen

20293

Heizung

287 288 289 290 291 292 293 294 295 296 297 298 299

Lärmbelästigung im 2. Stock durch Waschsalon im EG

7294

Durch Kinderarztpraxis in EG, Lärm, Unruhe und Verschmutzung im Treppenhaus, Betrieb der Praxis von 8–19 Uhr

10295

Tägliche Lärmbelästigung durch 1–3,5 Stunden dauernden Betrieb einer Papppresse, durch täglichen Anlieferverkehr beginnend ab 4 Uhr in Morgenstunden

15296

Beeinträchtigung durch Lärm, Fäkalien, Müll, Klingeln an Wohnungstür, Betreten des Grundstücks von Besuchern eines benachbarten Generalkonsulats in Wohngegend mit Spitzenmiete

20297

Normale Fließ- und Strömgeräusche

0298

Knackgeräusche der Heizung, erhebliche Störung der Unterhaltung im einzigen Zimmer

5–10299

AG Frankfurt v. 2.11.2011 – 33 C 2424/11, NZM 2012, 307. LG Berlin v. 18.12.2015 – 65 S 238/15, GE 2016, 785. AG Spandau v. 26.11.2008 – 4 C 207/08, GE 2009, 54. AG Köln v. 17.2.1989 – 201 C 581/88, KM 1998, 35 Nr. 10. LG Köln v. 9.12.1986 – 12 S 127/86, WuM 1987, 272. AG Schöneberg v. 17.3.1994 – 2 C 6/94, MM 1995, 28. AG Köln v. 16.7.1987 – 208 C 545/86, WuM 1988, 56. AG Hamburg v. 24.1.1975 – 43 C 268/74, WuM 1976, 151. AG Bad Schwartau v. 20.11.1975 – C 291/75, WuM 1976, 259. AG Gifhorn v. 7.3.2001 – 33 C 426/00, WuM 2002, 215. AG München v. 22.3.2001 – 453 C 7957/00, NZM 2001, 809. LG Berlin v. 27.10.2006 – 63 S 186/06, GE 2007, 367. AG Hamburg v. 8.1.1987 – 49 C 836/86, WuM 1987, 271.

Lützenkirchen | 505

Anhang zu § 536 Rz. 2 | Minderungstabelle Stichwort

Isolierung

Kinder

300 301 302 303 304 305 306 307 308 309 310 311 312 313 314

Mangel

Minderungsquote in %

Knackgeräusche des Gas-Raumheizers, Durchfeuchtungsschaden, Trittschallgeräusche

15300

Deutlich hörbare Klopfgeräusche im Schlafzimmer durch Betrieb der Zentralheizung (Minderung bzgl. der auf das Schlafzimmer entfallenden Quadratmetermiete)

75301

Regelmäßig, aber unvorhersehbar auftretende Klopfgeräusche vor allem nachts (in der Heizperiode)

25302

Laute Knackgeräusche des Gas-Raumheizers, primär im Schwachlastbetrieb

10303

Mangelnder Schallschutz, entspricht nicht DIN 4109, Werte gem. VDI 2058 werden nicht eingehalten

20304

Hellhörigkeit der Wohnung

10305

Hellhörigkeit, die dazu führt, dass der Mieter intime Geräusche (z.B. Darmwinde) aus der Nachbarwohnung vernehmen kann

ca. 10 %306

Hellhörigkeit, wodurch alle Badezimmer- und Lebensgeräusche aus der Nachbarwohnung zu hören sind

10,4307

Fehlende Trittschalldämmung, Bewohner wurden durch Geräusche aus der Oberwohnung häufig aus dem Schlaf gerissen, jede Tätigkeit aus jener Wohnung ist zu hören

20308

Schlechte Trittschalldämmung, schon normales Gehen in der darüber liegenden Wohnung ist deutlich zu vernehmen

5309

Vermeidbarer Kinderlärm in allgemeinen Ruhezeiten (13–15 Uhr und ab 20 Uhr)

10310

Lärm durch 2–3 Jahre alte Kinder und lautere Ermahnungen durch Eltern in älterem Mehrparteienhaus

0311

Auch wenn Erwartungen an kinderfreies Wohnen bestehen

0312

Lärm durch Fußball spielende Kinder auf Kinderspielplatz (ortsüblich)

0313

Lärm durch auf Bolzplatz in einer Wohnanlage Fußball spielende Kinder zwischen 7.30 und 21.30 Uhr (ortsüblich)

0314

LG Hannover v. 15.4.1994 – 9 S 211/93, NJW-RR 1995, 331. LG Mannheim v. 23.11.1977 – 4 S 95/77, ZMR 1978, 84. LG Osnabrück v. 11.7.2018 – 1 S 317/17, ZMR 2019, 31. LG Hannover v. 15.4.1994 – 9 S 211/93, WuM 1994, 463. AG Gelsenkirchen v. 22.12.1975 – 3 C 29/75, WuM 1978, 66. AG Lüdinghausen v. 31.10.1979 – 4 C 132/78, WuM 1980, 52. Geschätzt, da Minderungsquote aus der Veröffentlichung nicht zu ermitteln: AG Neuruppin v. 12.11.2004 – 42 C 263/04, WuM 2005, 653. LG Berlin v. 22.8.2013 – 67 S 121/12, GE 2013, 1517 = ZMR 2014, 360. AG Cloppenburg v. 25.9.1996 – 1 C 678/95, WuM 1996, 760. LG Hannover v. 15.4.1994 – 9 S 211/93, WuM 1994, 463. AG Neuss v. 1.7.1988 – 36 C 232/88, WuM 1988, 264. AG Oberhausen v. 10.4.2001 – 32 C 608/00, WuM 2001, 464. AG Frankfurt v. 9.9.2005 – 33 C 3943/04 - 13, WuM 2005, 764. AG Köln v. 13.1.1993 – 220 C 275/92, KM 1998, 35 Nr. 11. AG Magdeburg v. 30.4.1998 – 12 C 2885/97, WuM 1998, 627.

506 | Lützenkirchen

Minderungstabelle | Rz. 2 Anhang zu § 536 Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Lärm durch Fußball spielende Kinder auf einer Grünfläche zwischen zwei Wohnblocks

5315

Vier Kinder; Trampeln von 7–23 Uhr

11316

Kinder in älterem Mehrparteienhaus (Bauzeit vor 1940) unter Berücksichtigung des Alters des Hauses, der Schallisolierung, Mieterzahl, Spielmöglichkeiten außerhalb des Hauses

0317

Mitmieter im Altbau im Rahmen des normalen Wohngebrauchs

0318

Kinderspielplatz in 4 m Entfernung von Terrasse; aus bestimmungsgemäßer Nutzung resultierende Geräusche sind sozialadäquat

0319

Mülltonnen

Verlegung des Mülltonnen-Platzes in das Blickfeld des Mieters (optische Beeinträchtigung)

0320

Musik

Ständiges Klavierspielen in Wohnung im 7. OG, Mieter wohnt im 5. OG; Klavierspielen ist nur 2 Stunden pro Tag und unter Einhaltung der Ruhezeiten (13–15 Uhr, 20–7.00 Uhr) erlaubt

20321

Besonders lautes Klavierspielen des Mieters wird durch Klopfen anderer Mieter gestört; ausreichende Lärmdämmung

0322

s. a. Musizieren Nachbar

315 316 317 318 319 320 321 322 323 324 325 326 327 328

Ständiger, wenn auch nicht täglicher ruhestörender Lärm aus einer anderen Mietwohnung zur Nachtzeit

20323

Erhebliche Lärmerzeugung nahezu jeden Tag, insbesondere nachts, durch Wohngemeinschaft und ihre Besucher

50324

Erhebliche Lärmbelästigung durch Mitbewohner des Hauses

35325

Jugendgästehaus, das im Interesse der Allgemeinheit betrieben wird

0326

Ständiger Lärm aus einer anderen, gewerblich genutzten Mietwohnung infolge Bürotätigkeit nach 22.00 Uhr, hohe Ortsmiete 19,20 DM/qm

9,5327

Lärm von einem Stromgenerator, der auf dem Hof des Nachbargrundstücks steht, auf dem ein Hostel betrieben

20328

AG Frankfurt v. 15.4.2005 – 33 C 1726/04-13, NZM 2005, 617. LG Köln v. 24.11.1970 – 12 S 389/70, MDR 1971, 396. AG Braunschweig v. 25.6.1999 – 117 C 1270/99, WuM 2002, 50. AG München v. 29.1.2004 – 453 C 24551/03, NZM 2004, 499. LG Berlin v. 20.7.1999 – 64 S 47/99, GE 1999, 1287; AG Frankfurt v. 13.3.2009 – 33 C 2368/08-50, WuM 2009, 226. AG Brandenburg v. 13.10.2017 – 31 C 156/16, GE 2017, 1475. AG Düsseldorf v. 31.8.1988 – 22 C 257/88, DWW 1988, 357. AG Tiergarten v. 4.10.1989 – 7 C 259/88, NJW-RR 1990, 398. AG Kerpen v. 14.9.1983 – 3 C 181/83, WuM 1987, 272. AG Braunschweig v. 3.8.1989 – 113 C 168/89 (9), WuM 1990, 147. AG Chemnitz v. 29.6.1993 – 4 C 1080/93, WuM 1994, 68. AG Schöneberg v. 2.10.2007 – 3 C 14/07, WuM 2007, 638. AG Potsdam v. 12.7.2001 – 26 C 82/01, NZM 2002, 68. AG Wedding v. 8.6.2011 – 3 C 13/11, MM 2011, Heft 9, S. 30.

Lützenkirchen | 507

Anhang zu § 536 Rz. 2 | Minderungstabelle Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

wird, dessen Lärm dem eines laufenden Lkw ähnelt und der über 50 dB (A) beträgt sonstiges

Tiere

Leerstand

Lärmbelästigung durch Betrieb einer Tiefgarage, Schlafzimmerfenster können wegen Lärm und Geruchsbelästigungen nachts nicht geöffnet werden

10329

Lärmbelästigung durch Tor zur Tiefgarage unter der Wohnung nach Austausch des Antriebs

15330

Wohnung liegt über einer Tiefgarageneinfahrt, während des Öffnungs-/Schließvorganges des Garagentores sind bei absoluter Stille ein knarrendes Geräusch und der Toranschlag wahrnehmbar; keine Erheblichkeit

0331

Geräuschbelästigung durch Tiefgaragentor, die die Werte der DIN 4109 überschreitet

15332

Lärmbeeinträchtigungen von außerhalb der Wohnung

25333

Erheblicher Fluglärm von 6–23 Uhr, fehlende Isolierverglasung

Je 10334

Bei Beginn des Mietverhältnisses vorhandener Fluglärm berechtigt nicht zur Minderung, auch wenn Besichtigung der Wohnung an einem Sonntag erfolgte

0335

Lärmbelästigung durch verbotswidrig abgestellte Pkws vor Parterrewohnung trotz Gegenmaßnahmen durch Vermieter in Form der Abgrenzung des Grundstücks durch Holzpfähle auf Rasenfläche

0336

Lärmbelästigung durch Benutzung einer Skaterbahn außerhalb der Schulzeiten (nach 22 Uhr) in Mischgebiet, das insbesondere für schulische, sportliche Zwecke ausgewiesen ist

5337

Lärmbelästigung durch minutenlanges, länger als 10–15 Minuten dauerndes Gebell mehrerer Hunde auf Nachbargrundstück, auch zur Nachtzeit

Ohne Angabe338

Ab morgens nicht unerhebliche Lärmbeeinträchtigung durch Taubenhaltung des Nachbarn, zeitweilig notwendige Schließung der Fenster

25339

Unvermietete Nachbarwohnung, so dass der Mieter verstärkt heizen muss

0340

AG Osnabrück v. 3.6.1986 – 14 C 21/85, WuM 1986, 334. LG Hamburg v. 26.3.2009 – 333 S 65/08, WuM 2009, 347. AG Bonn v. 20.10.1989 – 8 C 191/89, WuM 1990, 71. LG Hamburg v. 26.3.2009 – 333 S 65/08, ZMR 2009, 918. AG Köln v. 4.1.1978 – 152 C 1322/77, WuM 1980, 17. LG Kiel v. 8.1.1979 – 1 S 144/78, WuM 1979, 128. LG Berlin v. 28.8.2001 – 64 S 108/01, GE 2001, 1607. AG Leipzig v. 14.3.2000 – 6 C 9579/99, NZM 2001, 378. AG Emmerich v. 5.5.2000 – 9 C 72/00, NZM 2000, 544. AG Köln v. 4.4.2001 – 130 C 275/00, WuM 2001, 493; vgl. OLG Düsseldorf v. 10.1.1990 – 5 Ss (OWi) 476/89(OWi) 198/89 I, WuM 1990, 122 bzgl. ordnungsgemäßer Haltung eines Papageis; OLG Hamm v. 11.4.1988 – 22 U 265/87, MDR 1988, 966 = WuM 1990, 123 bzgl. ordnungsgemäßer Hunde- und Hühnerhaltung. 339 AG Dortmund v. 14.9.1979 – 121 C 151/79, WuM 1980, 6. 340 AG Frankfurt v. 24.11.2004 – 25 C 1002/04, ZMR 2005, 131 = WuM 2005, 766.

329 330 331 332 333 334 335 336 337 338

508 | Lützenkirchen

Minderungstabelle | Rz. 2 Anhang zu § 536 Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Leuchtreklame

In der Großstadt stellt der durch eine Leuchtreklame verursachte Lichteinfall keinen Mangel dar

0341

Lichteinfall

Grundsätzlich keine Minderung, weil Mieter mit der Schlie- 5342 ßung von Baulücken rechnen muss; anderes gilt aber, wenn die Abstandsflächen nicht eingehalten werden und direkt gegenüber dem Schlafzimmer ein Balkon errichtet wird Einschränkung durch Fassadenbegrünung

3343

Verringerung des Lichteinfalls (28,5 % pro Fenster) wegen Ersetzens der Holzkastenfenster durch Isolierglasfenster

3 pro Fenster344

Loch

Im Fußboden des Badezimmers

2345

Madonna

Aufstellen einer Madonnenstatue im Treppenhaus, das auch von einer evangelischen Mieterin benutzt wird

0346

Mäuse

s. Ungeziefer

Mobilfunkantenne

s. Elektrosmog

Müllschlucker

Stilllegung

0347

Mülltonne

Ständig überfüllt

5348

Müllsäcke und Kartons im Kellerbereich einer Mehrfamilienwohnung, Neubau

0349

Tür des Unterschranks, hinter der sich ein Mülleimer befindet, schließt nicht richtig

0350

Fehlen der blauen Tonne für die Entsorgung von Altpapier

0351

Üben und Spielen von Elektrogitarre und Schlagzeug unter Einsatz eines Verstärkers zur Mittagszeit und abends nach 20.00 Uhr

5352

Musizieren

s. a. Lärm – Musik Nachbar

Nutzungsbeschränkung

341 342 343 344 345 346 347 348 349 350 351 352 353 354

s. Hausnachbar Austausch der Wohnungseingangstür im Wege einer Notmaßnahme ohne Aushändigung der neuen Schlüssel

100353

Entzug der Nutzung eines Trockenraumes, worin eine Beeinträchtigung nur im Winter und bei Regenwetter zu sehen ist

2354

LG Berlin v. 19.12.2003 – 64 S 353/03, ZMR 2004, 583 = NZM 2004, 548. AG Potsdam v. 5.6.2002 – 25 C 533/01, WuM 2004, 233. AG Köln v. 30.12.2003 – 201 C 68/03, ZMR 2004, 594. LG Berlin v. 6.11.2013 – 67 S 502/11, GE 2013, 1589. LG Berlin v. 13.1.2004 – 64 S 334/03, WuM 2004, 234. AG Münster v. 22.7.2003 – 3 C 2122/03, NZM 2004, 299. AG Hamburg v. 31.1.1984 – 37a C 344/83, WuM 1985, 260. AG Potsdam v. 9.3.1995 – 26 C 406/94, WuM 1996, 760. AG Saarburg v. 28.11.2001 – 5 C 473/01, WuM 2002, 29. LG Berlin v. 8.11.1994 – 64 S 189/94, GE 1996, 471. AG Hamburg-Blankenese v. 19.2.2010 – 518 C 399/09, NZM 2011, 312. LG Berlin v. 15.3.2011 – 65 S 59/10, GE 2011, 752. OLG Düsseldorf v. 7.4.2005 – 10 U 191/04, ZMR 2005, 705. LG Saarbrücken v. 7.6.1996 – 13 BS 13/96, WuM 1996, 468.

Lützenkirchen | 509

Anhang zu § 536 Rz. 2 | Minderungstabelle Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Nutzungsentzug des Wasch- und Trockenraumes sowie des Gartens von Oktober bis Mai

20355

Durch Schädlingsbekämpfungsaktion

20356

Zwei im Souterrain gelegene Räume als Bestandteil einer Fünfzimmerwohnung können bauordnungsrechtlich nicht als Aufenthaltsräume genutzt werden

6357

Völlige Umgestaltung der Wohnung durch Neueinzug einer Decke, Neuverlegung der elektrischen Leitungen, Küche wegen Verlegung von Leitungen und Neuplattierung nicht nutzbar, Heizkörper aus Verankerung gerissen

100358

Kein Anschluss an die Gemeinschaftsantenne

2359

Störung des Betriebsablaufes eines Einzelhandelsgeschäfts 20360 durch Wegfall der vertraglich vereinbarten Belieferungsmöglichkeit über eine Hofdurchfahrt Optische Beeinträchtigung von Schlaf- und Arbeitszimmer durch untapezierte Wände nach Entfernung verschimmelter Tapeten

10361

Drei Deckendurchbrüche im Schlafzimmer, so dass Beobachtung im Schlaf möglich

30362

5 Monate Zugangsbeeinträchtigung zu Ladenlokal durch Straßenbauarbeiten, noch kein Fehler der Mietsache

0363

Umbaumaßnahme im Einkaufszentrum, die zu einer Ände- 0364 rung des Kundenverhaltens führt; nur mittelbare Einwirkung auf die Eignung der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch Ersatzloser Wegfall einer zum mitvermieteten Kellerraum führenden Treppe, so dass dieser nur noch über Nachbarhaus erreichbar ist

3365

Verweigerung des Zugangs zur Wohnung für den Lebensgefährten des Mieters durch Vermieter; Erlaubnis- und Kontrollvorbehalt im Hinblick auf Schlüsselaushändigung an Mieter

100366

Behördliche Untersagungsverfügung wegen Verstoß der Nutzung gegen Bauordnungsvorschriften

100367

Gefahr der behördlichen Nutzungsuntersagung für den Betrieb eines Gewerbes

10368

355 LG Köln v. 29.6.1993 – 12 S 426/92, KM 1998, 35 Nr. 16; AG Köln v. 6.10.2000 – 218 C 138/00, WuM 2001, 467. 356 AG Bonn v. 8.2.1985 – 6 C 277/84, WuM 1986, 113. 357 LG Lüneburg v. 17.9.1987 – 4 S 246/87, WuM 1989, 368. 358 AG Köln v. 25.5.1976 – 54 C 596/74, ZMR 1980, 87. 359 LG Berlin v. 21.9.2000 – 62 S 133/00, NZM 2001, 986. 360 LG Chemnitz v. 28.9.2001 – 8 O 453/01, ZMR 2002, 350. 361 AG Ibbenbüren v. 27.12.2001 – 12 C 184/01, WuM 2002, 216. 362 LG Berlin v. 30.10.1995 – 67 S 176/95, GE 1996, 549 (bezogen auf den Mietanteil für das Schlafzimmer). 363 OLG Naumburg v. 27.3.2001 – 9 U 211/00, GuT 2002, 14. 364 OLG Dresden v. 24.10.2000 – 23 U 1660/00, NZM 2001, 336. 365 AG Hamburg v. 21.3.2000 – 46 C 46/99, NZM 2001, 234. 366 LG Gießen v. 1.3.2000 – 1 S 443/99, NZM 2001, 232. 367 LG Berlin v. 11.7.2008 – 63 S 476/07, GE 2009, 452. 368 Hanseatisches OLG Hamburg v. 27.3.1996 – 4 U 169/95, NJW-RR 1996, 1356.

510 | Lützenkirchen

Minderungstabelle | Rz. 2 Anhang zu § 536 Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Öffentlich-rechtlicher Mangel

Räumungsaufforderung mit dreimonatiger Frist wegen ungenehmigter Wohnraumnutzung eines Büros, ab Zugang des Bescheides

30369

Offener Kamin

Offener Kamin konnte nicht ordnungsgemäß betrieben werden, erheblicher Rauch im Wohnzimmer nach kurzer Zeit (Minderung nur in den Wintermonaten)

5370

PAK

Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe in Innenraumluft auf Grund schadstoffhaltigen Parketts; doppelte Konzentration gegenüber Außenluft

15371

Parken

Nutzung der vor dem Gebäude eingerichteten Stellplätze durch Dritte

0372

Parkplatz

Unterschreitung der öffentlich-rechtlichen Stellplatzbreite um 10–12 cm ist geringfügig; keine unzumutbaren Rangiermanöver erforderlich, kein Mangel

0373

Zusage der Errichtung eines Abstellplatzes in Hausnähe; später wird öffentlicher Parkplatz in Entfernung von 400–500 m eingerichtet

10374

PCP

Pentachlorphenol, s. Holzschutzmittel

Perchlorethylen

Gefahr der Gesundheitsbeeinträchtigung im 1. OG durch Perchlorethylenaustritt in darunter liegenden Textilreinigungsbetrieben

50375

Perchlorethylenkonzentration in der Wohnung von 3,6 mg/cbm, in der Wohnungsluft 0,03 mg/cbm und nach 24 Stunden Lüften 0,123 mg/cbm

0376

Prostitution

s. Bordell

Ratten

s. Ungeziefer

Rauch

Durch Schornsteinmängel bedingte Rauchentwicklung

10377

Aus älteren Heizungsanlagen der Nachbarhäuser in zulässigem Umfang

0378

Baulich bedingt durch Decke und Lüftungsschächte

5379

Rauchen

s. Geruch

Räumungsverlangen

Unberechtigte Räumungsaufforderung wegen der irrigen Auffassung, Nebenflächen nicht mitvermietet zu haben

0380

Risse

Risse in Lehmwand, beschädigte Decke über Ofen

16381

Riss in Außenmauer des Badezimmers

15382

369 370 371 372 373 374 375 376 377 378 379 380 381 382

LG Potsdam v. 27.2.2015 – 13 S 46/14, WuM 2015, 350. LG Karlsruhe v. 10.7.1987 – 9 S 66/87, WuM 1987, 382. LG Frankfurt am Main v. 13.3.2001 – 2/11 S 306/00, NZM 2001, 890. OLG Düsseldorf v. 11.3.2008 – 24 U 152/07, ZMR 2008, 710 = NZM 2008, 524. AG Sömmerda v. 18.1.1999 – 2 C 1001/96, GE 1999, 1133. AG Köln v. 9.1.1989 – 213 C 295/86, WuM 1990, 146. LG Hannover v. 25.4.1990 – 11 S 358/89, WuM 1990, 337. LG Hamburg v. 2.6.1989 – 11 S 479/88, WuM 1989, 368. AG Rendsburg v. 28.5.1974 – 3 C 115/74, WuM 1975, 122. AG Münster v. 24.7.2007 – 3 C 3832/06, WuM 2007, 505. AG Lübeck v. 15.10.2013 – 27 C 1549/13, WuM 2014, 139. OLG Düsseldorf v. 23.11.2010 – 24 U 67/10, ZMR 2011, 867. AG Goslar v. 18.9.1973 – 8 C 716/72, WuM 1974, 53. AG Bergheim v. 19.6.1998 – 22 C 634/97, WuM 2000, 435.

Lützenkirchen | 511

Anhang zu § 536 Rz. 2 | Minderungstabelle Stichwort

Rohrinnensanierung

Schimmel

Mangel

Minderungsquote in %

3 cm lang, 1–2 mm breit in Balkontür, Tür schwergängig und Zugluft am unteren Türspalt

2383

Setzrisse in Küche bei überdurchschnittlicher Miete in Höhe von 682,70 Euro für 2-Zimmer-Wohnung

2384

Kein Mangel durch Verwendung von Epoxidharz, solange der Vermieter eine Beschichtung wählt, die auf der Positivliste der Epoxidharzrichtlinie steht, und keine konkrete Gesundheitsgefahr besteht

385

Vornahme einer Wasserrohrinnensanierung mit Hilfe von Epoxidharz, so dass das Wasser in der Wohnung als Trinkwasser nicht und zur Körperhygiene nur bedingt geeignet ist

20 %386

Im Wohnzimmer

50387

In der Wohnung mit nachgewiesener Auswirkung auf 100388 Gesundheit (Lungenentzündung mit Bauchfellbeteiligung) Im Schlafzimmer durch einen Baumangel, auch wenn geringe Beheizung die Schäden befördert (nicht verursacht) hat

10389

In zwei Wohnräumen, Küche, Bad und Gäste-WC

10390 (mindestens)

In Küche, Wohn- und Schlafzimmer sowie Putzschäden

20391

Außenwand des Schlafzimmers in 3-Zimmer-Wohnung

15392

s. a. Feuchtigkeit Schmutz

Sichtbeeinträchtigung und -belästigung

s. a. Treppenhaus und Außenanlage Ständig in Wohnung eindringender Sand von nahe gelegener Baustelle

10393

s. a. Einrüstung

10394

Beeinträchtigung der Sicht-/Lichtverhältnisse durch den Bau einer 5,5 m hohen Mauer in einem Abstand von 7,5 m bzw. 9,5 m Beschattung der Wohnung durch große stattliche Bäume auf dem Hausgrundstück

383 384 385 386 387 388 389 390 391 392 393 394 395

0395

LG Berlin v. 30.10.1995 – 67 S 176/95, GE 1996, 549. LG Berlin v. 22.9.1998 – 64 S 53/98, GE 1998, 1275. AG Köln v. 1.3.2013 – 208 C 99/09, ZMR 2013, 970. AG Köln v. 20.4.2011 – 201 C 546/10, NZM 2011, 629 = ZMR 2011, 25 m. Anm. Laubinger ZMR 2012, 25 und ZMR 2012, 413. LG Hamburg v. 31.1.2008 – 144/07, ZMR 2008, 456. LG Berlin v. 20.1.2009 – 65 S 345/07, GE 2009, 845. LG Berlin v. 4.5.2012 – 65 S 14/11, GE 2012, 831. LG Berlin v. 15.4.2016 – 65 S 400/15, WuM 2016, 416. AG Osnabrück v. 10.10.2013 – 48 C 31/12 (5), WuM 2014, 137. LG Lübeck v. 7.3.2014 – 1 S 106/13, WuM 2014, 329; LG Gießen v. 2.4.2014 – 1 S 199/13, WuM 2014, 331. LG Berlin v. 28.8.2001 – 64 S 108/01, GE 2001, 1607. LG Hamburg v. 12.12.1989 – 16 S 232/89, WuM 1991, 90. LG Berlin v. 5.12.2000 – 63 S 155/00, NZM 2001, 986; LG Hamburg v. 10.9.1998 – 307 S 130/98, NZM 2001, 91.

512 | Lützenkirchen

Minderungstabelle | Rz. 2 Anhang zu § 536 Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Beeinträchtigung des ungestörten Fernblicks auf Landschaft (See, Wald, Berg) durch Neubau und Wegfall der Möglichkeit unentgeltlichen Parkens auf Grundstück

10396

Belästigung durch Neubau auf dem Nachbargrundstück, so dass nunmehr Einblick in Bad, Schlaf- und Wohnraum des Mieters möglich

10397

Belästigung infolge der Aufstockung des Wohnhauses mit Dachgeschosswohnung, so dass tiefer liegender Balkon nicht mehr unbeobachtet benutzt werden kann

4398

Beeinträchtigung der Sicht aus Wohnzimmer einer 2-Zimmer-Wohnung zu 40 % durch Neubau, durch den zugleich ein vollständiger Einblick ins Wohnzimmer aus 5 m möglich wird

16399

Silberfische

s. Ungeziefer

Sonnenschutz (fehlender)

s. Erwärmung

Spielplatz

Einrichtung auf einer bei Mietbeginn vorhandenen Freifläche

0400

Stellplatz

Kein Stellplatz, obwohl vertraglich vereinbart

10401

Tauben

s. Balkon

Telefon

Anschluss fehlt; überdurchschnittliche Miete von 682,70 Euro für eine 2-Zimmer Wohnung

5402

defekte Telefonleitung

10403

Unbenutzbar

5404

Unbenutzbarkeit wegen zwischenzeitlichem Belag mit Kies und Folie

5405

Terrasse

Nutzungsbeeinträchtigung einer zur Wohnung gehören7406 den Terrasse durch eine den anderen Mietern eingeräumte Mitbenutzung

Tierhaltung

Erhebliche Nutzungsbeeinträchtigung in der Sommerzeit durch Bauarbeiten

15407

Katzenhaltung anderer Bewohner trotz Allergie des Mieters, solange diese nicht zu einer Verschmutzung der Gemeinschaftsflächen führt

0408

Ständiges Eindringen der Katze eines Mitmieters in die Mietwohnung

10409

LG Berlin v. 19.6.2000 – 61 S 492/99, MM 2000, 375. LG Berlin v. 5.4.2001 – 67 S 344/00, MM 2001, 246. LG Berlin v. 5.4.2001 – 67 S 344/00, MM 2000, 246. AG Köpenick v. 3.5.2000 – 7 C 524/99, NZM 2001, 334. LG Berlin v. 16.9.2004 – 67 S 57/04, MM 2004, 410. AG Köln v. 9.1.1989 – 213 C 295/86, WuM 1990, 146. LG Berlin v. 22.9.1998 – 64 S 53/98, WuM 1998, 725. LG Essen v. 21.7.2016 – 10 S 43/16, IMR 2016, 460. AG Potsdam v. 9.3.1995 – 26 C 406/94, WuM 1996, 760. AG Köln v. 29.6.1973 – 151 C 810/72, WuM 1974, 258. AG Augsburg v. 15.1.1998 – 3 C 5191/97, ZMR 1998, 354. AG Eschweiler v. 19.5.1994 – 5 C 114/94, WuM 1994, 427. AG Bad Arolsen v. 8.3.2007 – 2 C 18/07 (70), WuM 2007, 191; LG Hannover v. 19.10.2005 – 12 S 49/05, WuM 2007, 191. 409 AG Potsdam v. 19.6.2014 – 26 C 492/13, GE 2014, 939.

396 397 398 399 400 401 402 403 404 405 406 407 408

Lützenkirchen | 513

Anhang zu § 536 Rz. 2 | Minderungstabelle Stichwort Toilette

Mangel

Minderungsquote in %

Verkalkt

1410

s. a. Bad 10411

Treppengeländer

Bruchstellen im Geländer einen Innentreppe in einer Maisonettewohnung, wodurch das verkehrssichere Begehen der Treppe beeinträchtigt wird

Treppenhaus

Ungepflegter Zustand einer Hochhausanlage: stark 5412 schmierige Schmutzbeläge an Treppenaufgängen, Eingangstür und Feuerschutztüren der Etagen; Schmierereien an den Wänden, Müllschlucker nicht sorgfältig gereinigt; Fahrstuhlkabine teilweise mit Hundekot verdreckt, Gleiches gilt für die Bedienungsleiste des Fahrstuhls, Sandspielplatz nicht von Hunde- und Katzenkot gereinigt; Briefkastenanlage oft zerstört, Postsendungen kamen abhanden; Lärmbelästigung Loser Putz, abblätternde Farbe

5413

Neubau: nicht fertig gestelltes Treppenhaus, Wände nicht gestrichen/tapeziert, können abfärben

5414

Schlechter Zustand des Treppenhauses zwischen 3. OG und Dachgeschoss (herabblätternde Farbe, poröser sich lösender Putz)

5415

Abblätternde Farbe und Verschmierungen

10416

Verschmutzung infolge Renovierungsarbeiten

2417

Trinkwasser

s. Wasser/Trinkwasser

Trockenraum

Nutzungsentzug

10418

Wegfall im Dachgeschoss

2419

s. a. Nutzungsbeschränkung Trocknungsgeräte

Aufstellen in der Wohnung wegen Durchfeuchtung des Bodens im Flur (zentrale Bedeutung für die Nutzung) bei nächtlich anderweitiger Unterbringung des Mieters auf Kosten des Vermieters

Tür

s. Haustür; s. Wohnungstür

Überhitzung

Infolge Sonneneinstrahlung erhitzen sich die Büroräume auf regelmäßig 30 C über einen längeren Zeitraum

410 411 412 413 414 415 416 417 418 419 420 421

20420

20421

LG Berlin v. 13.1.2004 – 64 S 334/03, WuM 2004, 234. AG Jülich v. 10.4.2012 – 4 C 85/11, WuM 2012, 552. AG Kiel v. 19.9.1990 – 7 C 56/90, WuM 1991, 343. LG Köln v. 7.9.1989 – 1 S 117/89, WuM 1990, 17. LG Mannheim v. 15.11.1973 – 12 S 34/73, WuM 1974, 52. LG Köln v. 7.9.1989 – 1 S 117/89, WuM 1990, 17. AG Schöneberg v. 31.10.1990 – 5 C 72/90, GE 1991, 527. LG Berlin v. 12.4.1994 – 63 S 439/93, MM 1994, 396. AG Osnabrück v. 6.5.1988 – 44 C 57/88, WuM 1990, 147. LG Berlin v. 16.5.2017 – 67 S 81/17, GE 2017, 1020. AG Schöneberg v. 10.4.2008 – 109 C 256/07, WuM 2008, 477. OLG Karlsruhe v. 17.12.2009 – 9 U 42/09, MDR 2010, 564 = MietRB 2010, 228 = GuT 2010, 212; vgl. auch BGH v. 15.12.2010 – XII ZR 132/09, MDR 2011, 149 = ZMR 2011, 372.

514 | Lützenkirchen

Minderungstabelle | Rz. 2 Anhang zu § 536 Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Modegeschäft, in dem trotz Klimatisierung regelmäßig bei Sonneneinstrahlung die durch die DIN EN 13779 für Gebäude, die dem Verkauf von Waren dienen, vorgegebenen 21–26 °C erheblich überschritten werden

25422

Für Wohnraum s. Dachgeschoss Überschwemmung

Der Kellerwohnung, so dass Umzug in Hotel erforderlich; Wohnung liegt im hochwassergefährdeten Gebiet; unterbliebener Hinweis des Vermieters bei Einzug

100423

Ungeziefer

Auftreten von insgesamt 26–36 Ameisen an 18 Tagen innerhalb von 6 Monaten kein Mangel, weil es sich dabei nur um eine sog. „Vorhut“ von Späherameisen ohne konkrete Besiedelung handelt

0424

Befall der Wohnung von Kakerlaken und Mäusen (mind. 60 in 10 Monaten)

10425

Vereinzeltes Auftreten von Kakerlaken auch nach durchgeführten Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen

10426

Kugelkäfer, die als Plage in Erscheinung treten (einschließlich Schimmel im Kinderzimmer)

50427

Zahlreiche Mäuse (u.a. 15 tote), Kot, angeknabberte Vorratstüten

10428

Mehr als 10 Mäuse in Stadtwohnung, insb. Küche, zeitweise keine Bekämpfung der Plage durch Vermieter, Panikattacke beim Mieter

100429

Mäuse in Wohnung im ländlichen Siedlungsraum; keine bauphysikalischen Bedingungen, die Einnisten fördern

0430

Aufkommen von Ratten auf dem Balkon

5431

422 423 424 425 426 427 428 429 430 431 432 433 434 435 436 437

Befall des Haushofes mit Ratten

2432

Einzelne Ratte

0433

Ständiger Befall mit 5–10 Motten pro Raum

25434

Täglich 25–30 Silberfische in der Wohnung

20435

Silberfische in allen Wohnräumen

5436

Silberfische in Feuchträumen, ohne dass das übliche Maß übertroffen ist; kein Mangel

0437

OLG Rostock v. 17.5.2018 – 3 U 78/16, MDR 2018, 924 = ZMR 2018, 749 = GE 2018, 876. AG Friedberg v. 3.5.1995 – C 1326/94-11, WuM 1995, 393. AG Köln v. 6.4.1998 – 213 C 548/97, ZMR 1999, 262. AG Bonn v. 8.2.1985 – 6 C 277/84, WuM 1986, 113. AG Köln v. 18.3.1997 – 209 C 349/96, KM 1998, 35 Nr. 19. AG Trier v. 11.9.2008 – 8 C 53/08, WuM 2008, 665. AG Rendsburg v. 4.3.1988 – 3 C 551/87, WuM 1989, 284. AG Brandenburg a.d. Havel v. 6.8.2001 – 32 C 520/00, WuM 2001, 605. AG Prüm v. 11.7.2001 – 6 C 434/00, ZMR 2001, 808. AG Köln v. 30.12.2003 – 201 C 68/03, ZMR 2004, 594. LG Berlin v. 16.2.1999 – 64 S 356/98, NZM 2001, 986. AG Dresden v. 7.12.2016 – 144 C 2816/16, ZMR 2017, 167, unter Hinweis auf OLG Düsseldorf v. 12.4.2016 – 24 U 143/15, ZMR 2016, DWW 2016, 277 = GE 2016, 857. AG Bremen v. 6.12.2001 – 25 C 118/01, WuM 2002, 215. AG Lahnstein v. 19.10.1987 – 2 C 675/87, WuM 1988, 55. AG Köln v. 27.6.2006 – 201 C 254/05, WuM 2007, 40. LG Lüneburg v. 25.6.1998 – 4 S 394/97, WuM 1998, 570.

Lützenkirchen | 515

Anhang zu § 536 Rz. 2 | Minderungstabelle Stichwort

Mangel

Untersagungsverfügung

s. Nutzungsbeschränkung

Urinstrahl

s. Geräusche

Verschattung

Erstmalige Errichtung eines Balkons in der darüberliegenden Etage

Vorgarten

s. Außenanlagen

Minderungsquote in %

2438

Vollständiger Ausfall

10439

Vollständige Unterbrechung durch den Vermieter

50440

Durchlauferhitzer kann Wasser nicht ausreichend erhitzen, so dass es nicht möglich ist, gleichzeitig zu duschen, während eine andere Person z.B. das Geschirr spült

3441

Wasser hat in Küche und Bad noch keine Temperatur von 45 °C erreicht

10442

Waschküche

Entzug der Nutzungsmöglichkeit

10443

Wasser

Vom Vermieter veranlasste Unterbrechung der Kaltwasserversorgung, selbst wenn sie berechtigt war

50444

Warmwasserversorgung

Zwischen 22.00–7.00 Uhr keine Warmwasserversorgung

7,5445

Keine durchgehende Versorgung mit Warmwasser mit 40–50 °C

5–10446

Keine Warmwasserversorgung

10447

Nutzung der Badewanne als Dusche mittels Handbrause; Temperaturschwankungen beim Duschen – sobald im Haus anderweitig Wasser entnommen wird – kein Mangel, weil bei einer Badewanne kein ständiger Wasserlauf, sondern nur einmaliges Einfüllen vorgesehen

0448

Keine gleichzeitige Entnahme von Warmwasser in Bad und Dusche bei hochwertiger Wohnung

5449

Warmduschen nicht störungsfrei möglich

5450

Warmwasserversorgung mit Durchlauferhitzer, aber wenn 3451 eine Person duscht, kann andere das Geschirr nicht spülen Erzeugung von Warmwasser in Höhe von 37 °C erst nach Vorlauf von 70 l Wasser

438 439 440 441 442 443 444 445 446 447 448 449 450 451 452

LG Berlin v. 13.11.2013 – 18 S 99/13, ZMR 2014 – 789 = GE 2014, 60. LG Berlin v. 15.10.2013 – 63 S 626/12, ZMR 2014, 786. LG Frankfurt an der Oder v. 29.11.2018 – 15 S 112/17, WuM 2019, 34. AG Köln v. 9.4.2008 – 220 C 152/07, GE 2008, 1576. AG Schöneberg v. 29.4.1996 - 102 C 55/94, MM 1996, 401. AG Osnabrück v. 6.5.1988 – 44 C 57/88, WuM 1990, 147. LG Frankfurt an der Oder v. 29.11.2018 – 15 S 112/17, WuM 2019, 34. AG Köln v. 24.5.1995 – 206 C 251/94, KM 1998, 35 Nr. 20. LG Frankfurt v. 1.3.2007 – 15 S 231/06, WuM 2010, 447. LG Kassel v. 12.10.1978 – 1 S 89/78, WuM 1979, 51. LG Berlin v. 4.4.1997 – 63 S 443/96, GE 1997, 689. AG Meißen v. 24.3.2005 – 4 C 1719/03, WuM 2010, 447. LG Berlin v. 18.12.1990 – 64 T 187/90, MM 1991, 194. AG Köln v. 9.4.2008 – 220 C 152/07, GE 2008, 1567. LG Berlin v. 28.8.2001 – 64 S 108/01, GE 2001, 1607.

516 | Lützenkirchen

5452

Minderungstabelle | Rz. 2 Anhang zu § 536 Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Trinkwasser

Trinkwasserversorgung aus dem das Haus speisenden Brunnen nicht möglich, Nitratgehalt über Grenzwert der Trinkwasserverordnung (max. 50 mg/l), hier: 168 mg/l

30453

Frischwasser konnte nicht als Genusswasser wegen Gesundheitsgefährdung (Nitratgehalt) aus der Leitung entnommen werden, Haus wurde durch zum Grundstück gehörigen Brunnen mit Wasser versorgt

10454

Bleigehalt im Trinkwasser 0,23 mg in den gemieteten Büro- und Lagerräumen (Grenze nach Trinkwasserverordnung 0,04)

5455

Überschreiten des Richtwertes von 2 mg/l Kupfer im Trinkwasser

5456

Wasser ohne Trinkwasserqualität in Atelier mit Küchenzeile 10457 sowie Bad mit Dusche, Wanne und WC Rostverfärbung

20458

Unzureichender Schallschutz und unzulässig hoher Eisengehalt oder Rost im Warmwasser

10459

Braunfärbung des Trinkwassers bei einer Überschreitung der Grenzwerte für den Mangangehalt um das Fünffache, für den des Eisengehaltes um das Zehnfache

15460

Bräunliche Verfärbung des Trinkwassers

10461

Bloße Überschreitung von Grenzwerten nach der TrinkwasserVO um das 2,2fache (Nickel) ohne Verdacht einer Gesundheitsgefährdung kein Mangel

0462

Legionellen in Zahnarztpraxis

20–50463

Legionellen in der Trinkwasserleitung (14 000 kbE/100 ml)

25464

Legionellen von 100 kbE/100 (Anlage 3, Teil II der TrinkwasserVO) begründen keine Minderung wegen Gesundheitsgefährdung; diese tritt erst bei dem Grenzwert von 10 000 kbE/100 ml ein (vgl. DGVW – Arbeitsblatt W 551)

0465

Nitrat-Gehalt im Trinkwasser, der die Grenzwerte der Trink- 75 Euro/ Monat466 wasserVO übersteigt; Kosten für alternative Trinkwasserbeschaffung als Schadensersatz für 3-köpfige Familie

453 AG Brühl v. 7.3.1990 – 2b C 831/89, WuM 1990, 382. 454 AG Osnabrück v. 11.5.1987 – 14 C 33/87, WuM 1989, 12. 455 OLG Köln v. 30.4.1991 – 22 U 277/90, KM 1998, 35 Nr. 18; AG Hamburg-St. Georg v. 28.2.2011 – 910 C 117/10, ZMR 2011, 559. 456 LG Frankfurt v. 1.3.2007 – 15 S 231/06, WuM 2010, 447. 457 KG v. 8.9.2010 – 12 U 194/09, MDR 2011, 152 = ZMR 2011, 377. 458 AG Görlitz v. 3.11.1997 – 1 C 1320/96, WuM 1998, 180; AG Görlitz v. 15.5.1997 – 3 C 1347/96, WuM 1998, 315. 459 LG Berlin v. 14.9.2005 – 64 S 77/05, GE 2005, 1489. 460 AG Bad Segeberg v. 10.3.1998 – 17a C 164/97, WuM 1998, 280. 461 AG Görlitz v. 15.5.1997 – 3 C 1347/96, WuM 1998, 315. 462 LG Berlin v. 28.8.2001 – 64 S 108/01, GE 2001, 1607. 463 LG Stuttgart v. 12.5.2015 – 26 O 286/14, ZMR 2015, 720. 464 AG Dresden v. 11.11.2013 – 148 C 5353/13, IMR 2014, 242. 465 AG München v. 25.6.2015 – 452 C 2212/14, ZMR 2015, 139. 466 LG Köln v. 10.1.1991 – 6 S 143/90, MDR 1991, 445 = ZMR 1991, 223; AG Köln v. 16.8.2002 – 205 C 9/02, KM 35 Nr. 62.

Lützenkirchen | 517

Anhang zu § 536 Rz. 2 | Minderungstabelle Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Wasserdruck

Nahezu nicht mehr vorhandener Wasserdruck

5467

Wasserschaden

s. Bad und Feuchtigkeit Wassereinbruch in Wohn- und Schlafzimmer führt zur Ablösung und Verfärbungen der Tapete, Verfärbung der Stuckverzierung im Wohnzimmer auf Fläche von 20 cm × 1,50 m, der Wandseite auf Fläche von 50 × 30 cm

20468

Badewanne und Toilette nur eingeschränkt mit wenig Wasser nutzbar

25469

Lärmbelästigung durch Trocknungsgeräte in der Wohnung

15470

Werbemaßnahmen eines anderen Mieters begründen grundsätzlich keine Beeinträchtigung, solange es sich nicht um einen unmittelbaren Mitbewerber handelt, der Zugang zum Lokal oder die Sicht auf das Warensortiment nicht behindert wird

0471

Werbemaßnahmen des Vermieters dürfen den Betrieb des Mieters nicht stören

0472

Die Belästigung durch W. gehört zum allgemeinen Lebensrisiko

0473

Vermieter muss geeignete Schutzvorkehrungen herstellen, wenn eine konkrete Gefahr besteht

10474

Winterdienst

Schlechterfüllung oder Nichtleistung an einzelnen Tagen

kalkulatorisches Tagesentgelt475

Wohnungstür

Keine Sicherheitsbeschläge

0476

Werbung

Wildschweine

Mangels Trennwand zum Hausflur in der Neubauwohnung 25477 fehlt die Möglichkeit zum Abschluss der Wohnung Einfache Zimmertür anstelle einer einbruchsicheren Wohnungstür Zugangskontrolle

5478

Der Vermieter setzt bei Bezug vorhandene Z. außer Betrieb 15479 und vermietet anstatt – wie im Exposé angepriesen – an besucherarme Gewerbemieter an die Agentur für Arbeit

467 AG Moers v. 17.4.2019 – 561 C 220/17, WuM 2019, 407. 468 LG Berlin v. 30.10.1995 – 67 S 176/95, GE 1996, 549 (bezogen auf den Mietanteil für Wohn- und Schlafzimmer). 469 LG Berlin v. 3.8.2018 – 66 S 26/18, WuM 2018, 652. 470 AG Hamburg v. 23.12.2019 – 25a C 155/18, ZMR 2020, 314. 471 OLG München v. 12.1.2006 – 19 U 4826/05, GuT 2006, 71. 472 OLG Düsseldorf v. 29.11.2006 – 10 U 86/07, GuT 2007, 438: OLG Düsseldorf v. 14.1.1993 – 10 U 207/91, NJW-RR 1993, 709. 473 AG Wedding v. 8.1.2014 – 8a C 583/12, GE 2014, 198. 474 LG Berlin v. 21.12.2015 – 67 S 65/14, WuM 2016, 168 = NZM 2016, 262. 475 LG Berlin v. 15.2.2016 – 84 S 54/15, GE 2016, 296. 476 LG Freiburg v. 16.6.1988 – 3 S 31/88, WuM 1988, 263. 477 AG Potsdam v. 9.3.1995 – 26 C 406/94, WuM 1996, 760. 478 AG Villingen-Schwenningen v. 3.10.2015 – 11 C 243/14, WuM 2016, 100. 479 OLG Stuttgart v. 21.12.2006 – 13 U 51/06, ZMR 2007, 272.

518 | Lützenkirchen

Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen eines Mangels | § 536a Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Zugerscheinungen

Mit 10 m/s (tolerierbare Behaglichkeit: 0,6 m/s), abhängig von der Jahreszeit

5–10480

Mangels Trennwand zum Hausflur in der Neubauwohnung 25481 fehlt die Möglichkeit zum Abschluss der Wohnung

§ 536a Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen eines Mangels (1) Ist ein Mangel im Sinne des § 536 bei Vertragsschluss vorhanden oder entsteht ein solcher Mangel später wegen eines Umstands, den der Vermieter zu vertreten hat, oder kommt der Vermieter mit der Beseitigung eines Mangels in Verzug, so kann der Mieter unbeschadet der Rechte aus § 536 Schadensersatz verlangen. (2) Der Mieter kann den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, wenn 1. der Vermieter mit der Beseitigung des Mangels in Verzug ist oder 2. die umgehende Beseitigung des Mangels zur Erhaltung oder Wiederherstellung des Bestands der Mietsache notwendig ist. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . 4 a) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 b) Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . 5 2. Anwendbare Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . 7 III. Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 IV. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 V. Abweichende Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . 15 1. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 a) Garantiehaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 b) Verschuldens- und Verzugshaftung . . . . 19 c) Ersatzvornahme und Aufwendungsersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2. Gewerberaummietrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 24 a) Generelle Beschränkung der Gewährleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 b) Haftungsausschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . 31 VI. Haftungsrisiko bei unberechtigter Aufforderung zur Mängelbeseitigung . . . . . . . . . . . . . . 33 B. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 I. Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 1. Garantiehaftung, § 536a Abs. 1 Var. 1 BGB . 39 a) Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39b b) Mögliche Mängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 2. Verschuldenshaftung, § 536a Abs. 1 Var. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 a) Verschulden des Vermieters . . . . . . . . . . 46 b) Haftung für Erfüllungsgehilfen . . . . . . . 56

3. Verzugshaftung, § 536a Abs. 1 Var. 3 BGB . . 4. Gläubiger und Schuldner des Schadensersatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Umfang des Schadensersatzes . . . . . . . . . . . . a) Sachschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mehrkosten für die Anmietung von Ersatzraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einmalige Kosten . . . . . . . . . . . . . . . (1) Mehrkosten für Einbauten, die im Vertragsobjekt vorhanden waren . . . (2) Renovierung und Instandsetzung der Ersatzräume . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Vertragskosten für die Anmietung des Ersatzobjektes . . . . . . . . . . . . . . . (4) Maklerkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Differenz der Miete des Ersatzobjektes zum Vertragsobjekt . . . . . . cc) Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kosten bei einem Zwischenumzug . . . . . aa) Unterbringungskosten . . . . . . . . . . . bb) Umzugskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Prozesskosten für Räumung des bisherigen Mietobjektes . . . . . . . . . . d) Vergebliche Aufwendungen . . . . . . . . . . . aa) Investitionen in die Mietsache . . . . . bb) Planungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Entgangene Nutzung als solche . . . . . . . . f) Rechtsverfolgungskosten . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsanwaltsgebühren . . . . . . . . . . . bb) Kosten der Beweissicherung . . . . . . .

58 63 63 66 68 72 78 79 81 82 84 85 87 91 92 92 97 100 103 111 113 114 117 118 122

480 AG Brandenburg v. 28.6.2013 – 31 C 279/11, ZMR 2014, 44 m.w.N. 481 AG Potsdam v. 9.3.1995 – 26 C 406/94, WuM 1996, 760.

Lützenkirchen | 519

Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen eines Mangels | § 536a Stichwort

Mangel

Minderungsquote in %

Zugerscheinungen

Mit 10 m/s (tolerierbare Behaglichkeit: 0,6 m/s), abhängig von der Jahreszeit

5–10480

Mangels Trennwand zum Hausflur in der Neubauwohnung 25481 fehlt die Möglichkeit zum Abschluss der Wohnung

§ 536a Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen eines Mangels (1) Ist ein Mangel im Sinne des § 536 bei Vertragsschluss vorhanden oder entsteht ein solcher Mangel später wegen eines Umstands, den der Vermieter zu vertreten hat, oder kommt der Vermieter mit der Beseitigung eines Mangels in Verzug, so kann der Mieter unbeschadet der Rechte aus § 536 Schadensersatz verlangen. (2) Der Mieter kann den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, wenn 1. der Vermieter mit der Beseitigung des Mangels in Verzug ist oder 2. die umgehende Beseitigung des Mangels zur Erhaltung oder Wiederherstellung des Bestands der Mietsache notwendig ist. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . 4 a) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 b) Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . 5 2. Anwendbare Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . 7 III. Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 IV. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 V. Abweichende Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . 15 1. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 a) Garantiehaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 b) Verschuldens- und Verzugshaftung . . . . 19 c) Ersatzvornahme und Aufwendungsersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2. Gewerberaummietrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 24 a) Generelle Beschränkung der Gewährleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 b) Haftungsausschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . 31 VI. Haftungsrisiko bei unberechtigter Aufforderung zur Mängelbeseitigung . . . . . . . . . . . . . . 33 B. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 I. Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 1. Garantiehaftung, § 536a Abs. 1 Var. 1 BGB . 39 a) Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39b b) Mögliche Mängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 2. Verschuldenshaftung, § 536a Abs. 1 Var. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 a) Verschulden des Vermieters . . . . . . . . . . 46 b) Haftung für Erfüllungsgehilfen . . . . . . . 56

3. Verzugshaftung, § 536a Abs. 1 Var. 3 BGB . . 4. Gläubiger und Schuldner des Schadensersatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Umfang des Schadensersatzes . . . . . . . . . . . . a) Sachschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mehrkosten für die Anmietung von Ersatzraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einmalige Kosten . . . . . . . . . . . . . . . (1) Mehrkosten für Einbauten, die im Vertragsobjekt vorhanden waren . . . (2) Renovierung und Instandsetzung der Ersatzräume . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Vertragskosten für die Anmietung des Ersatzobjektes . . . . . . . . . . . . . . . (4) Maklerkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Differenz der Miete des Ersatzobjektes zum Vertragsobjekt . . . . . . cc) Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kosten bei einem Zwischenumzug . . . . . aa) Unterbringungskosten . . . . . . . . . . . bb) Umzugskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Prozesskosten für Räumung des bisherigen Mietobjektes . . . . . . . . . . d) Vergebliche Aufwendungen . . . . . . . . . . . aa) Investitionen in die Mietsache . . . . . bb) Planungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Entgangene Nutzung als solche . . . . . . . . f) Rechtsverfolgungskosten . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsanwaltsgebühren . . . . . . . . . . . bb) Kosten der Beweissicherung . . . . . . .

58 63 63 66 68 72 78 79 81 82 84 85 87 91 92 92 97 100 103 111 113 114 117 118 122

480 AG Brandenburg v. 28.6.2013 – 31 C 279/11, ZMR 2014, 44 m.w.N. 481 AG Potsdam v. 9.3.1995 – 26 C 406/94, WuM 1996, 760.

Lützenkirchen | 519

§ 536a Rz. 1 | Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen eines Mangels g) h) i) j) k)

Zeitaufwand des Geschädigten . . . . . . . Schmerzensgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herausgabe des Ersatzes . . . . . . . . . . . . . Sonstige Mangelfolgeschäden . . . . . . . . Begrenzung des Schadens . . . . . . . . . . . aa) Sukzessive eintretende Schäden . . . bb) § 254 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Mitverschulden . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Schadensminderungspflicht . . . . . . 6. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ersatzvornahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gegenstand der Ersatzvornahme . . . . . . . . . a) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mangelndes Eigentum des Vermieters . 2. Ausübung der Ersatzvornahme . . . . . . . . . . 3. Vorschussanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . b) Abrechnungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . .

127 129 139 141 143 143 146 146 148 151 153 161 161 166 168 171 171 176

III. Aufwendungsersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zugrundeliegende Maßnahmen . . . . . . . b) Art und Umfang des Aufwendungsersatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kosten der Ersatzvornahme, § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kosten von unaufschiebbaren Maßnahmen . a) Erfasste Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . b) Dringlichkeit der Maßnahme . . . . . . . . . c) Eilmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Umfang der Notmaßnahme . . . . . . . . . . 4. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entgangener Gewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kosten der geplanten Geschäftseröffnung . . . . III. Lohnkosten für Personal . . . . . . . . . . . . . . . . . .

183 183 184 187 194 196 197 199 204 206 207 208 210 214 215

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt 1 Die Norm regelt in Absatz 1, unter welchen Voraussetzungen der Mieter Schadensersatz wegen eines

Mangels der Mietsache verlangen kann, und unterscheidet dabei zwischen anfänglichen und später entstandenen Mängeln. Dazu bestimmt er für anfängliche Mängel eine verschuldensunabhängige Garantiehaftung des Vermieters und für andere Mängel eine Verschuldens- bzw. Verzugshaftung. 2 In § 536a Abs. 2 BGB wird incidenter bestimmt, dass der Mieter einen Mangel selbst beseitigen kann.

Ausdrücklich ist geregelt, unter welchen Voraussetzungen er sodann vom Vermieter Ersatz seiner dadurch bedingten Aufwendungen verlangen kann. Hinsichtlich des Umfangs des Aufwendungsersatzes unterscheidet die Norm dabei zwischen der Verzugshaftung des Vermieters und dem Aufwand für Notmaßnahmen. Aus der Wertung im Verhältnis zu § 539 BGB ergibt sich der Vorrang des § 536a Abs. 2 BGB. Liegt ein Mangel der Mietsache vor, kann Aufwendungsersatz nur nach § 536a Abs. 2 BGB verlangt werden. Dem Vermieter wird der Vorrang bei der Beseitigung eines Mangels eingeräumt1. 3 Wegen der gesetzlichen Gewährleistungsausschlüsse wird auf §§ 536b, 536c verwiesen. Auch der Er-

stattungsanspruch nach § 536a Abs. 2 BGB kann durch § 536b ausgeschlossen sein2.

II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich a) Allgemein 4 Die allgemeine Vorschrift für Mietverhältnisse gilt für alle Mietverträge. Dazu gehören auch Mietverträ-

ge gemäß § 549 Abs. 2, 3 BGB. Über §§ 581 Abs. 2, 586 Abs. 2 BGB gilt § 536a BGB entsprechend für Pachtverhältnisse; zur Landpacht s. auch § 590b BGB. b) Verhältnis zu anderen Vorschriften 5 § 536a Abs. 1 BGB ist in seinem Anwendungsbereich abschließend. Deshalb scheidet ein Schadens-

ersatzanspruch wegen Verletzung mietvertraglicher Nebenpflichten aus, wenn die Pflichtverletzung auf einer Missachtung der Gebrauchsgewährung basiert, da § 280 BGB dann von der speziellen Regelung

1 BGH v. 16.1.2008 – VIII ZR 222/06, MDR 2008, 440 = MietRB 2008, 97 = WuM 2008, 147. 2 BGH v. 21.1.1976 – VIII ZR 113/74, ZMR 1976, 138.

520 | Lützenkirchen

A. Allgemeines | Rz. 7 § 536a

des § 536a Abs. 1 BGB verdrängt wird3. Beruht der dem Mieter entstandene Schaden aber auf der Verletzung einer Nebenpflicht i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB, ist er als Anspruchsgrundlage ebenso uneingeschränkt anwendbar wie § 311 BGB (cic)4. Im Übrigen kommen deliktische Ansprüche in Betracht (z.B. Verletzung der Verkehrssicherungspflicht). Bei Sachmängeln ist § 536a BGB aber erst anwendbar, sobald die Übergabe i.S.v. § 535 Abs. 1 BGB statt- 5a gefunden hat. Davor gelten die allgemeinen Vorschriften, insbesondere §§ 280 ff. BGB (vgl. Vor § 536 BGB Rz. 25 ff.). Zum Anwendungsbereich bei Rechtsmängeln im Zeitraum vor Übergabe vgl. Vor § 536 BGB Rz. 34). Grundsätzlich unterscheidet sich der Anwendungsbereich des § 536a Abs. 2 BGB nicht von dem des 6 § 536a Abs. 1 BGB. Zur Abgrenzung von den Ansprüchen aus § 539 BGB s. § 539 BGB Rz. 18. Neben § 536a Abs. 2 BGB sind §§ 555a Abs. 35, 555e BGB anwendbar. Zwar wird durch Aufwendungen im Sinne dieser Vorschriften regelmäßig auch ein vertragsgemäßer Zustand wiederhergestellt. Indessen ist der Anlass ein (zulässiger) Eingriff des Vermieters in den Gewahrsamsbereich des Mieters und damit eine willkürliche Herbeiführung eines vorübergehenden vertragswidrigen Zustandes zur Herbeiführung der geschuldeten Sollbeschaffenheit. § 812 BGB ist neben § 536a BGB anwendbar6. Diese Ansprüche kommen insbesondere in Betracht, 6a wenn der Mieter Verwendungen auf das Grundstück gemacht hat, die zu einer Erhöhung des Verkehrswertes geführt haben und Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag ausscheiden7. Fraglich ist, wie die Bereicherung festgestellt werden kann. Denn dazu ist eine objektive Wertsteigerung erforderlich8. Diese ist jedenfalls gegeben, wenn der Vermieter im Folgemietvertrag eine höhere Miete erzielt9. Denn dadurch findet eine Steigerung des Ertragswertes statt. Die Bereicherung kann auch durch die tatsächlichen Aufwendungen des Mieters gegeben sein. Dies kommt z.B. in Betracht, wenn die Verwendung durch eine Arbeitsleistung herbeigeführt wurde, etwa durch die Ausführung nicht geschuldeter Schönheitsreparaturen10 (vgl. auch § 535 BGB Rz. 673). Bereicherungsansprüche des Mieters scheiden aber aus, wenn der Vermieter mit der baulichen Maßnahme von vornherein nicht einverstanden war11. Schuldner des Bereicherungsanspruchs ist im Falle eines Eigentümerwechsels der Erwerber, nicht aber beim Erwerb im Wege der Zwangsversteigerung12. 2. Anwendbare Rechtsprechung Das SchuldRModG 200213 hat in § 536a Abs. 1 BGB den Begriff „Schadensersatz wegen Nichterfüllung“ 7 durch den Begriff „Schadensersatz“ ersetzt. Trotz der methodischen Unterscheidung zwischen Schadensersatz (§ 280 BGB) und Schadensersatz statt der Leistung (§ 281 BGB), der am 1.1.2002 an die Stelle des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung getreten ist, hat die andere Begrifflichkeit in § 536a BGB nicht zu einer Beschränkung des Schadensumfangs geführt. Die Formulierung konnte nicht in Schadensersatz statt der Leistung geändert werden, weil bei einem Schadensersatzverlangen ansonsten der Mietvertrag aufgelöst worden wäre, § 281 Abs. 4 BGB14. Andererseits wird der Sinn der Beschränkung auf „Schadensersatz“ in § 536a BGB in der Notwendigkeit gesehen, auch den Fall zu berücksichtigen, dass der Mieter Verwender i.S.v. § 305 BGB ist15. Wäre nach § 536a Abs. 1 BGB Schadensersatz statt der

3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

OLG Rostock v. 14.12.2006 – 3 W 52/06, NJW-RR 2007, 1092 = NZM 2007, 704. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536a BGB Rz. 3. AG Hamburg v. 27.8.2014 – 41 C 14/14, WuM 2014, 718 (720). BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 22/92, WuM 1994, 201 = NJW-RR 1993, 522. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536a BGB Rz. 168. LG Berlin v. 22.8.1994 – 67 S 146/94, GE 1995, 425 = MM 1995, 68. BGH v. 5.10.2005 – XII ZR 43/02, MietRB 2006, 94 = MDR 2006, 505 = ZMR 2006, 45 = NZM 2006, 15m.w.N. BGH v. 27.5.2009 – VIII ZR 302/07, MietRB 2009, 254 = MDR 2009, 916 = WuM 2009, 395 = GE 2009, 901 = ZMR 2009, 829. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536a BGB Rz. 168. Horst, MDR 2009, 477 (480). BGBl. I, S. 42. BT-Drucks. 14/6857, S. 67 zu Nr. 121. Graf von Westphalen, NZM 2002, 368 (370).

Lützenkirchen | 521

§ 536a Rz. 7 | Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen eines Mangels Leistung geschuldet, könnte der Mieter für geschuldete Reparaturmaßnahmen in den AGB keine garantiemäßige Haftung des Vermieters begründen, § 309 Nr. 7 BGB16. 8 Im Übrigen wurde die Vorgängervorschrift des § 538 BGB a.F. auch am 1.9.2001 unverändert über-

nommen. Im Hinblick darauf ist die Rechtsprechung aus der Zeit vor dem 1.1.2002 ohne Einschränkung anwendbar.

III. Zweck der Vorschrift 9 Die Vorschrift ergänzt die Gewährleistungsrechte des Mieters, indem sie ihm einerseits einen Aus-

gleich für mangelbedingte materielle und immaterielle Einbußen verschafft17 (Abs. 1 BGB) und andererseits die Rechtsfolgen der Selbsthilfe normiert (Abs. 2). Während § 535 Abs. 1 S. 2 BGB den Anspruch auf Mängelbeseitigung verschafft und § 536 BGB die Störung des Äquivalenzverhältnisses sanktioniert, sollen durch § 536a BGB die zusätzlichen wirtschaftlichen Beeinträchtigungen, die der Mieter erlitten hat, erfasst werden. 9a Aus der Vorschrift geht ein Prioritätsprinzip für die Mängelbeseitigung hervor18. Insbesondere durch

das Erfordernis der Inverzugsetzung kommt zum Ausdruck, dass der Vermieter als Eigentümer das vorrangige Recht haben soll zu entscheiden, wie die Mängelbeseitigung durchzuführen ist oder ob ggf. eine Modernisierung stattfinden soll.

IV. Beweislast 10 Nach dem Wortlaut der Vorschrift und der allgemeinen Regel, dass der Anspruchsteller die Darlegungs-

und Beweislast für die Voraussetzungen des von ihm geltend gemachten Anspruchs trägt, hat der Mieter grundsätzlich alle Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs nach § 536a Abs. 1 BGB19 und des Aufwendungsersatzanspruchs nach § 536a Abs. 2 BGB darzulegen und ggf. zu beweisen, insbesondere – soweit erforderlich – Vermieterverschulden, Ursächlichkeit20 und Höhe des Schadens bzw. der Aufwendungen. Insoweit muss der Mieter den Vollbeweis i.S.d. § 286 ZPO erbringen, wobei nur naheliegende Umstände Bedenken gegen die haftungsausfüllende Kausalität begründen können21. 11 Auch die Tatsache, dass ein anfänglicher Mangel haftungsbegründend wirkt, unterliegt der Beweislast

des Mieters. Tritt ein Schaden erst längere Zeit nach Vertragsschluss ein, kann dies zwar ein Indiz dafür sein, dass die Mietsache ursprünglich mangelfrei gewesen ist22. Umgekehrt kann aber das Auftreten eines Mangels kurz nach Überlassung der Mietsache ein Indiz dafür darstellen, dass der Mangel bereits bei der Übergabe vorhanden war, auch wenn er sich erst nach Beginn der Nutzung gezeigt hat23. 12 Nur wenn feststeht, dass die Schadensursache im Herrschafts- und Einflussbereich des Vermieters

gesetzt worden ist, hat sich der Vermieter hinsichtlich des Verschuldens zu entlasten24. Diese Ausnahme, dass sich der Vermieter entlasten muss, beruht auf der im Mietrecht geltenden Verteilung der Darlegungs- und Beweislast nach Verantwortungsbereichen (Sphärentheorie, § 536 BGB Rz. 120). Diese trägt im Besonderen der fehlenden Einsichtsmöglichkeit in den Verantwortungsbereich der jeweils anderen Seite Rechnung. Bleibt ungeklärt, in wessen Verantwortungsbereich die Schadensursache gesetzt worden ist, muss sich der Vermieter im Rahmen des Schadenersatzanspruches des Mieters aus § 536a Abs. 1 BGB nicht entlasten. 16 Vgl. OLG Celle v. 29.12.1989 – 2 U 200/88, WuM 1990, 103 (ein Abweichen von der Verschuldenshaftung verstößt gegen § 307 BGB). 17 MünchKomm/Häublein, § 536a BGB Rz. 1. 18 BGH v. 16.1.2008 – VIII ZR 222/06, MietRB 2008, 97 = MDR 2008, 440 = ZMR 2008, 281 = GE 2008, 325. 19 BGH v. 25.1.2006 – VIII ZR 223/04, MDR 2006, 983 = MietRB 2006, 154 = WuM 2006, 147 = NZM 2006, 659. 20 OLG Hamm v. 25.6.1997 – 30 U 208/96, ZMR 1997, 520. 21 BGH v. 6.5.2015 – VIII ZR 161/14, MDR 2015, 880 = MietRB 2015, 194 = WuM 2015, 412 = ZMR 2015, 702. 22 OLG München v. 16.9.1994 – 21 U 5903/93, NJWE-MietR 1996, 177; Blank/Börstinghaus, § 536a BGB Rz. 32. 23 OLG Düsseldorf v. 28.5.2009 – 24 U 151/08, GuT 2011, 151. 24 BGH v. 25.1.2006 – VIII ZR 223/04, MDR 2006, 983 = MietRB 2006, 154 = WuM 2006, 147 = NZM 2006, 659; OLG Hamm v. 25.6.1997 – 30 U 208/96, ZMR 1997, 520.

522 | Lützenkirchen

A. Allgemeines | Rz. 17 § 536a

Ist der Schaden unstreitig, behauptet aber der Vermieter, die Beschädigung der Sache sei durch ein 13 früheres Ereignis eingetreten, ist der Mieter beweispflichtig, dass der Schaden durch das in den Risikobereich des Vermieters fallende (spätere) Ereignis eingetreten ist25. Jedenfalls findet eine Umkehr der Beweislast zu Lasten des Vermieters nicht statt. Die Behauptungs- und Beweislast für die zur Anwendung des § 254 BGB führenden Umstände trägt 14 grundsätzlich der Schädiger (hier der Vermieter). Denn er will damit seine Ersatzpflicht mindern oder beseitigen. Dabei dürfen jedoch keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Der Vermieter kann namentlich beanspruchen, dass der Mieter als Geschädigter an der Beweisführung mitwirkt, soweit es sich um Umstände aus seiner Sphäre handelt26. Dies bedeutet – wie bei der Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder Umschulung nach einem Schadensereignis –, dass der Vermieter zwar die Voraussetzungen seines Einwandes aus § 254 Abs. 2 BGB beweisen, der Mieter aber zunächst seiner Darlegungslast genügen muss. Deshalb muss der Vermieter zunächst darlegen, was er unternommen hat, um seiner Schadensminderungspflicht zu genügen. Demgegenüber ist es Sache des Vermieters zu behaupten und zu beweisen, dass der Mieter entgegen seiner Darstellung seine Schadensminderungspflicht hätte erfüllen können27.

V. Abweichende Vereinbarungen Die Abdingbarkeit der in § 536a BGB geregelten Ansprüche bewertet sich unterschiedlich. Denn mit 15 den verschiedenen Ansprüchen werden unterschiedliche Zwecke verfolgt. Deshalb sind für die Herbeiführung abweichender Vereinbarungen verschiedene Maßstäbe zu beachten. In der Wohnraummiete entfaltet § 536 Abs. 4 BGB keine Fernwirkung. Dessen Anwendungsbereich ist auf die Minderung beschränkt28: 1. Wohnraummiete Schon das Fehlen einer dem § 536 Abs. 4 BGB vergleichbaren Regelung macht deutlich, dass die Vor- 16 schrift nachgiebiges Recht enthält. Deshalb kann ein Ausschluss und eine Beschränkung durch Individualvertrag in den Grenzen der §§ 134, 138 BGB herbeigeführt werden. Formularvertragliche Regelungen sind insbesondere an § 307 BGB, aber z.B. auch an § 309 Nr. 4 oder 7 BGB zu messen. a) Garantiehaftung Die verschuldensunabhängige Haftung des Vermieters für anfängliche Sachmängel ist eine für das 17 gesetzliche Haftungssystem untypische Regelung. Sie kann selbst in der Wohnraummiete29 formularvertraglich ganz abbedungen werden30. Das soll auch gelten, soweit Körperschäden betroffen sind31. So begrüßenswert dieses Ergebnis wäre, so eindeutig ist § 309 Nr. 7 BGB. Deshalb muss der Ausschluss zumindest einen Vorbehalt für Schäden an Leben, Körper und Gesundheit enthalten32. Im Übrigen darf sich der Haftungsausschluss im Anwendungsbereich des § 307 BGB nur auf die Garantiehaftung als solche beschränken, weil ansonsten auch – entgegen § 536d BGB – arglistig verschwiegene Mängel abbedungen sein könnten33. Schließlich darf die Bestimmung, die den Ausschluss enthält, aufgrund ih-

25 BGH v. 7.6.2006 – XII ZR 47/04, MietRB 2006, 289 = MDR 2006, 1392 = ZMR 2006, 680 = NZM 2006, 659. 26 BGH v. 22.11.2005 – VI ZR 330/04, WuM 2006, 25. 27 Vgl. BGH v. 23.1.1979 – VI ZR 103/78, MDR 1979, 658 = NJW 1979, 2142 = VersR 1979, 424 (425); BGH v. 22.4.1997 – VI ZR 198/96, MDR 1997, 880 = NJW 1997, 3381 = VersR 1997, 1158 (1160). 28 MünchKomm/Häublein, § 536a BGB Rz. 21; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536a BGB Rz. 173. 29 BGH v. 4.10.1990 – XII ZR 46/90, WuM 1992, 316. 30 BGH v. 3.7.2002 – XII ZR 327/00, MDR 2002, 1361 = NJW 2002, 3232; BGH v. 27.1.1993 – XII ZR 141/91, ZMR 1993, 320; BGH v. 4.10.1990 – XII ZR 46/90, WuM 1992, 316 = ZMR 1992, 241 = NJW-RR 1991, 14. 31 Heinrichs, NZM 2003, 6 (9); Joachim, NZM 2003, 387 (388); Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536a BGB Rz. 178. 32 Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3317. 33 Vgl. Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3317.

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§ 536a Rz. 17 | Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen eines Mangels rer systematischen Stellung im Vertrag nicht nach § 305c BGB überraschend sein34. Das ist der Fall, wenn die Regelung an einer Stelle des Vertrages platziert ist, bei der gewöhnlich niemand damit rechnet, eine solche Bestimmung zu finden. 18 Der Ausschluss der Garantiehaftung kann nicht mehr durch folgende Klausel erreicht werden: „Der

Vermieter übernimmt keinerlei Haftung für Schäden, die an der Einrichtung oder dem eingelagerten Gut entstehen können, es sei denn, der Schaden sei durch den Vermieter oder seine Erfüllungsgehilfen vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht worden“35, denn mittlerweile fordert § 309 Nr. 7 BGB einen Vorbehalt für Schäden an Leben, Körper und Gesundheit (§ 536a BGB Rz. 17) und ist im Hinblick auf die kundenfeindlichste Auslegung der Fall der arglistigen Täuschung gem. § 536b BGB ebenfalls auszuschließen36. Liegt ein diesen Anforderungen entsprechender AGB-Ausschluss vor, werden davon auch anfängliche Mängel erfasst, die eine Gesundheitsgefährdung herbeiführen können37. § 569 Abs. 1 BGB sieht ausdrücklich vor, dass insoweit ein Verzicht möglich ist, der allerdings nicht das Recht zur außerordentlichen Kündigung ausschließen kann. Als unwirksame Bestimmung kann sie nach dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion weder eine Haftungsbeschränkung noch einen Ausschluss der Garantiehaftung für die erfassten Rechtsgüter herbeiführen38. b) Verschuldens- und Verzugshaftung 19 Die Verschuldenshaftung kann formularmäßig grundsätzlich bereits wegen § 307 Nr. 7 BGB für Fälle

von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit nicht ausgeschlossen werden, soweit nicht Leben, Körper oder Gesundheit betroffen sind. Darüber hinaus darf die für eine Vielzahl von Fällen vom Vermieter gestellte Formulierung die Fälle erfassen, in denen der Vermieter seine Erhaltungspflicht (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB) infolge leichter Fahrlässigkeit verletzt39. Denn damit würde die Pflicht zur Erhaltung der Mietsache entgegen § 307 Abs. 1 Nr. 1 BGB ausgehöhlt, indem eine Verletzung dieser Hauptpflicht für den Vermieter ohne wirtschaftliche Folgen bliebe. Allenfalls kommt hier eine Beschränkung auf vertragstypische Risiken in Betracht, wobei es für vertragsuntypische Risiken (z.B. Picasso in der Sozialwohnung) keinen Unterschied macht, ob sich der Mieter gegen entsprechende Schäden versichern kann bzw. konnte40. Soweit die Haftung dem Grunde nach formularmäßig nicht ausgeschlossen werden kann, kann sie auch nach Höhe und Art durch AGB nicht begrenzt werden41. 20 Ein wirksamer Ausschluss erstreckt sich grundsätzlich auch auf die aus demselben Sachverhalt herrüh-

renden außervertraglichen Ansprüche42. Eine zu weit gehende und damit unwirksame Haftungsbeschränkung kann nicht im Wege einer geltungserhaltenden Reduktion auf einen zulässigen Inhalt zurückgeführt werden43. 21 Wegen der Rechtsfolge bei arglistig verschwiegenen Mängeln vgl. § 536d BGB Rz. 7 ff. 22 Wegen der Aufrechnung und des Zurückbehaltungsrechtes aufgrund des § 536a BGB vgl. § 556b

BGB Rz. 50 f. c) Ersatzvornahme und Aufwendungsersatz 23 Das Selbsthilferecht und der Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen (§ 536a Abs. 2

BGB) können formularmäßig wegen § 307 BGB nicht wirksam abbedungen werden44. Der Mieter wür34 BGH v. 21.7.2010 – XII ZR 189/08, MietRB 2010, 319 (320) = MDR 2010, 1103 = ZMR 2011, 360 = GE 2010, 1193. 35 So noch: OLG Düsseldorf v. 21.1.1999 – 10 U 32/97, NZM 2000, 188. 36 Kraemer, NZM 2004, 721 (726). 37 BGH v. 3.7.2002 – XII ZR 327/00, MDR 2002, 1361 = ZMR 2002, 899 = NZM 2002, 784. 38 Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3317; a.A. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536a BGB Rz. 178. 39 BGH v. 24.10.2001 – VIII ARZ 1/01, MDR 2002, 330 = ZMR 2002, 184 = WuM 2002, 141 = NZM 2002, 116. 40 A.A. Schmitz/Reischauer, NZM 2002, 1019 (1020). 41 Bub/Treier/Bub, II Rz. 1640; Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3318; vgl. auch zu Vertragsgestaltungen Joachim, NZM 2003, 387 f. 42 OLG Frankfurt v. 9.7.1971 – 2 U 57/71, VersR 1973, 425; Palandt/Weidenkaff, § 536a BGB Rz. 7. 43 BayObLG v. 17.12.1984 – REMiet 8/83, MDR 1985, 500 = NJW 1985, 1716. 44 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235.

524 | Lützenkirchen

A. Allgemeines | Rz. 29 § 536a

de unangemessen benachteiligt, wenn er die Kosten der ihm an sich vom Vermieter geschuldeten Maßnahmen letztlich selbst tragen müsste. Dies gilt erst recht, wenn er nicht berechtigt wäre, die Mängel selbst zu beseitigen. Denn würde sich der Vermieter z.B. ernsthaft und endgültig weigern, wäre der Mieter auf Dauer auf die Minderung beschränkt. Deshalb sind allenfalls „Erschwerungen“ denkbar, die z.B. eine Mindestfrist von zwei Wochen voraussetzen. 2. Gewerberaummietrecht Hinsichtlich der individualvertraglichen Möglichkeiten bestehen keine Unterschiede zur Wohnraum- 24 miete (vgl. § 536a BGB Rz. 16). a) Generelle Beschränkung der Gewährleistung Grundsätzlich ist es möglich, in einem Gewerberaummietvertrag die Gewährleistungsrechte auch for- 25 mularmäßig zu beschränken. Deshalb kann z.B. der Automatismus des § 536 Abs. 1 BGB ausgeschlossen werden, so dass der Mieter auf Rückzahlung des geminderten Betrages klagen muss (vgl. § 536 BGB Rz. 55). Ein völliger Ausschluss der Gewährleistung ist formularmäßig grundsätzlich unzulässig. Denn diese 26 Konstellation liefe auf eine Aushöhlung der Hauptpflicht des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB und eine unerträgliche Störung des Äquivalenzprinzips hinaus. Ein solcher unzulässiger Ausschluss der Gewährleistung liegt grundsätzlich vor, wenn die Pflicht zur 27 Erhaltung der Mietsache vollständig auf den Mieter überwälzt wurde. Denn eine solche Regelung bedeutet die Freizeichnung des Vermieters von jeder Haftung und die Belastung des Mieters mit einem nicht im Voraus kalkulierbaren Risiko45. Nach einer solchen Klausel müsste der Mieter auch für Schäden und Abnutzungen aufkommen, die bereits vor Vertragsabschluss vorhanden gewesen sind oder nicht von ihm verursacht werden. Dies gilt erst recht, wenn die Klausel die Auslegung zulässt, dass auch Gegenstände der Erhaltungspflicht des Mieters unterliegen sollen, die in den Gemeinschaftsflächen liegen46. Ein formularmäßiger Gewährleistungsausschluss, wonach der Vermieter keine Gewähr dafür leistet, 28 dass die Geschäftsräume den behördlichen Anforderungen entsprechen und der Mieter behördliche Auflagen auf eigene Kosten zu erfüllen hat, ist unwirksam47. Denn mit der Hauptpflicht des Vermieters aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB lässt es sich nicht vereinbaren (§ 307 BGB), wenn der Vermieter das Risiko der Einholung einer Nutzungsgenehmigung auf den Mieter auch insoweit formularmäßig überbürdet, dass die Versagung ausschließlich auf der Beschaffenheit oder Lage des Mietobjektes beruht48. Das Gleiche gilt für die Klausel, die sich nicht nur auf den Fall bezieht, dass die Gaststättenkonzession aufgrund mangelnder persönlicher Eignung des Pächters versagt wird49. Denn für den baulichen Zustand kann sich der Vermieter nicht freizeichnen. Plant jedoch der Mieter einen erheblichen Umbau der Geschäftsräume und hat er hierfür wirksam die 29 Beibringung der behördlichen Genehmigung übernommen, kann er sich nicht auf eine Mangelhaftigkeit wegen fehlender Erlaubnis berufen, wenn er nicht einmal den Versuch unternommen hat, sie zu erlangen50. Dies gilt erst recht, wenn die Mietsache durch eine vom Mieter gewünschte Veränderung ohne Verschulden des Vermieters fehlerhaft wird51. Auf einen Mangel der Mietsache kann sich der Mieter auch nicht berufen, wenn der Änderungswunsch im Rahmen der Herbeiführung des Anfangszustan-

45 OLG Köln v. 17.12.1993 – 19 U 1189/93, DWW 1994, 119; OLG Naumburg v. 12.8.1999 – 2 U(Hs) 34/98, ZMR 2000, 383. 46 BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 158/01, MDR 2006, 17 = MietRB 2005, 285 = DWW 2005, 372 = ZMR 2005, 844; Saarländisches OLG v. 21.2.2003 – 8 U 463/02-109, NZM 2003, 438. 47 OLG Düsseldorf v. 10.7.1992 – 10 U 142/91, ZMR 1992, 446; OLG Dresden v. 17.6.1996 – 2 U 655/95, NJWRR 1997, 395; LG Berlin v. 28.8.2001 – 64 S 107/01, ZMR 2002, 271. 48 BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, MietRB 2008, 103 = GuT 2007, 434 = GE 2008, 120 = ZMR 2008, 274. 49 OLG Köln v. 25.2.1994 – 20 U 87/93, VersR 1995, 840. 50 OLG Düsseldorf v. 7.1.1993 – 10 U 58/92, MDR 1993, 443 = DWW 1993, 99. 51 OLG Düsseldorf v. 5.12.1991 – 10 U 10/91, DWW 1992, 81.

Lützenkirchen | 525

§ 536a Rz. 29 | Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen eines Mangels des erfolgte (Kunststoffbelag statt Teppichboden), selbst wenn er den Sonderwunsch durch den Handwerker ausführen ließ, den auch der Vermieter beauftragt hätte52. 30 Ausnahmsweise kann eine Individualvereinbarung zulässig sein, mit der dem Mieter die gesamte

Erhaltungslast überbürdet wird, wenn die Vertragsauslegung ergibt, dass der Vermieter nur die Anschaffungskosten tragen soll53 oder bei der Anmietung eines Gesamtobjekts zum Ausgleich die Miete entsprechend reduziert wird. Insoweit soll eine unwirksame Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit zum Ausschluss der Garantiehaftung herangezogen werden können54, obwohl sie als solche unwirksam ist55. Dies ist im Hinblick auf § 306 BGB und das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion aber zweifelhaft. Vgl. im Übrigen § 535 BGB Rz. 255 f. b) Haftungsausschlüsse 31 Der Ausschluss der Garantiehaftung ist wie in der Wohnraummiete (vgl. § 536a BGB Rz. 17) formu-

larmäßig jedenfalls mit einer wirksamen Formulierung ohne Weiteres zulässig56. Denn auch hier gilt der Grundsatz, dass die Garantiehaftung in dem Gefüge der Haftungsnormen einen Ausnahmecharakter besitzt. Mithin rechnet ein Mieter ohnehin nicht mit einer derartigen Wohltat, so dass auch eine unangemessene Benachteiligung ausscheidet. Allerdings muss auch insoweit der von § 309 Nr. 7 BGB geforderte Vorbehalt Bestandteil der Klausel sein57 und darf der Ausschluss nicht auch die von § 536d BGB erfassten Ausnahmen erfassen (§ 536a BGB Rz. 17). Ein Ausschluss der Garantiehaftung kann schon in einer Klausel gesehen werden, wonach der Mieter die Mietsache in dem Zustand übernimmt, in dem er sie besichtigt hat, wenn ergänzend geregelt ist, dass spätere Einwendungen wegen offener oder versteckter Mängel ausgeschlossen sind58. Ebenso kann der Ausschluss der Haftung für anfängliche Mängel einer Klausel entnommen werden, in der die Überlassung in einem bestimmten Zustand geregelt ist und durch weitere Zusätze (z.B. keine Haftung für bestimmte Größe) deutlich wird, dass darüber hinaus keine Haftung entstehen soll59. Indessen sind (heute) auch hier die durch § 309 Nr. 7 und § 536d BGB gesetzten Grenzen zu beachten. 32 Für den Ausschluss der vom Verschulden abhängigen Ansprüche aus § 536a Abs. 1 Var. 2, 3 BGB kann

bei einem Formularvertrag § 309 Nr. 7 lit. b BGB, der über §§ 307, 310 Abs. 1 BGB auch im Verkehr zwischen Unternehmern als Indiztatbestand relevant ist60, herangezogen werden. Insoweit ergeben sich keine Unterschiede zur Wohnraummiete61.

VI. Haftungsrisiko bei unberechtigter Aufforderung zur Mängelbeseitigung 33 Es ist anerkannt, dass allein in der Erhebung einer Klage oder in der sonstigen Inanspruchnahme ei-

nes staatlichen, gesetzlich geregelten Rechtspflegeverfahrens zur Durchsetzung vermeintlicher Rechte weder eine unerlaubte Handlung i.S.d. §§ 823 ff. BGB62 noch ein Verstoß gegen Treu und Glauben

52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62

KG v. 16.8.2004 – 12 U 310/03, MietRB 2005, 34 = GuT 2004, 230. Saarländisches OLG v. 21.2.2003 – 8 U 463/02 – 109, NZM 2003, 438. Hübner/Griesbach/Fuerst in Lindner-Figura u.a., Kap. 14 Rz. 340. OLG Hamm v. 10.10.1995 – 7 U 12/95, MDR 1996, 256 = ZMR 1996, 199 = NJW-RR 1996, 969. BGH v. 3.7.2002 – XII ZR 327/00, MDR 2002, 1361 = BGH-Report 2002, 972; für die Wohnraummiete gilt dies ebenfalls: BGH v. 4.10.1990 – XII ZR 46/90, WuM 1992, 316. Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3317; a.A. Hübner/Griesbach/Fuerst in Lindner-Figura u.a., Kap. 14 Rz. 333. BGH v. 27.1.1993 – XII ZR 141/91, ZMR 1993, 320 = DWW 1993, 170 = NJW-RR 1993, 519 Rz. 15 (bei juris). BGH v. 3.7.2002 – XII ZR 327/00, MDR 2002, 1361 = ZMR 2002, 899 = GE 2002, 1191. OLG Hamm v. 17.2.1999 – 30 U 77/98, NZM 1999, 805. Fallak, GuT 2007, 75; Hübner/Griesbach/Fuerst in Lindner-Figura u.a., Kap. 14 Rz. 340. BGH v. 13.3.1979 – VI ZR 117/77, BGHZ 74, 9, 16; BGH v. 23.5.1985 – IX ZR 132/84, BGHZ 95, 10, 18 f. = MDR 1985, 841; BGH v. 12.5.1992 – VI ZR 257/91, BGHZ 118, 201, 206 = MDR 1992, 751; BGH v. 25.3.2003 – VI ZR 175/02, BGHZ 154, 269, 271 f. = MDR 2003, 740; BGH v. 15.7.2005 – GSZ 1/04, BGHZ 164, 1, 6 = MDR 2006, 280.

526 | Lützenkirchen

A. Allgemeines | Rz. 37 § 536a

und damit eine zum Schadensersatz verpflichtende Vertragsverletzung gesehen werden kann63. Für die Folgen einer nur fahrlässigen Fehleinschätzung der Rechtslage haftet der ein solches Verfahren Betreibende außerhalb der schon im Verfahrensrecht vorgesehenen Sanktionen grundsätzlich nicht, weil der Schutz des Prozessgegners regelmäßig durch das gerichtliche Verfahren nach Maßgabe seiner gesetzlichen Ausgestaltung gewährleistet wird. Eine andere Beurteilung würde den freien Zugang zum staatlichen Rechtspflegeverfahren, an dem auch ein erhebliches öffentliches Interesse besteht, in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise einengen. Inwieweit und unter welchen Voraussetzungen sich diese Rechtsprechung auf die außerprozessuale 34 Geltendmachung vermeintlicher Rechte übertragen lässt, wird jedoch nicht einheitlich bewertet. Einerseits wird vertreten, dass es beim uneingeschränkten deliktischen Rechtsgüterschutz nach § 823 Abs. 1 BGB und § 826 BGB bleibt, wenn es an der Rechtfertigungswirkung eines gerichtlichen Verfahrens fehlt64. Im Rahmen einer (vor-)vertraglichen Beziehung der Parteien kommt auch ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 311 BGB in Betracht, wenn jemand unberechtigt als angeblicher Schuldner außergerichtlich mit einer Forderung konfrontiert wird und ihm bei der Abwehr dieser Forderung Kosten entstehen65. Dagegen wird teilweise die Auffassung vertreten, die außergerichtliche Geltendmachung einer nicht bestehenden Forderung könne nicht anders behandelt werden als die gerichtliche66. In bestehenden Schuldverhältnissen gebe es ein Recht, in subjektiv redlicher Weise – wenn auch unter fahrlässiger Verkennung der Rechtslage – Ansprüche geltend zu machen, die sich als unberechtigt erwiesen. Nach Ansicht des BGH stellt jedenfalls ein unberechtigtes Mangelbeseitigungsverlangen nach § 439 35 Abs. 1 BGB eine zum Schadensersatz verpflichtende schuldhafte Vertragsverletzung dar, wenn der Käufer erkannt oder fahrlässig nicht erkannt hat, dass ein Mangel nicht vorliegt, sondern die Ursache für die von ihm beanstandete Erscheinung in seinem eigenen Verantwortungsbereich liegt67. Für den Käufer liege es auf der Hand, dass von ihm geforderte Mangelbeseitigungsarbeiten auf Seiten des Verkäufers einen nicht unerheblichen Kostenaufwand verursachen könnten. Die innerhalb eines bestehenden Schuldverhältnisses gebotene Rücksichtnahme auf die Interessen der gegnerischen Vertragspartei erfordere deshalb, dass der Käufer vor Inanspruchnahme des Verkäufers im Rahmen seiner Möglichkeiten sorgfältig prüfe, ob die in Betracht kommenden Ursachen für das Symptom, hinter dem er einen Mangel vermutet, in seiner eigenen Sphäre liegen. Diese Grundsätze sind ohne weiteres auf das Mietrecht übertragbar. Der Mieter, der z.B. nicht ord- 36 nungsgemäß lüftet, benötigt keine besonderen Fachkenntnisse, um in Betracht ziehen zu können, dass die Feuchtigkeitserscheinungen in seiner Wohnung selbst verschuldet sind. Wenn er trotzdem den Vermieter wegen angeblicher Unzulänglichkeiten am Baukörper zur Mängelbeseitigung auffordert, handelt er fahrlässig und trägt den adäquat-kausal entstandenen Schaden. Vor diesem Hintergrund kommt es für die Schadensersatzpflicht des Mieters wesentlich darauf an, ob 37 den Mieter ein Verschulden nach § 276 BGB trifft. Insoweit ist maßgeblich darauf abzustellen, ob aus seiner Sicht – abgestellt auf den Zeitpunkt der Aufforderung zur Mängelbeseitigung – sein Handeln plausibel erscheint68. Danach kann das Verschulden fehlen, wenn der Mieter z.B. die Wohnung selbst vermisst und damit im Rahmen seiner Möglichkeiten geprüft hat, ob eine Wohnflächenabweichung

63 BGH v. 7.3.1956 – V ZR 106/54, BGHZ 20, 169, 172; BGH v. 20.3.1979 – VI ZR 30/77, MDR 1980, 49 = WPM 1979, 1288 = NJW 1980, 189 (unter I 2), BGH v. 12.11.2004 – V ZR 322/03, MDR 2005, 263 = NJW-RR 2005, 315 (unter II 2). 64 BGH v. 15.7.2005 – GSZ 1/04, BGHZ 164, 1, 6 = MDR 2006, 280. 65 BGH v. 12.12.2006 – VI ZR 224/05, MDR 2007, 654 = NJW 2007, 1458 (unter II 1 und 2); LG Zweibrücken v. 10.2.1998 – 3 S 178/97, MDR 1998, 524 = NJW-RR 1998, 1105 f.; AG Münster v. 4.5.1994 – 48 C 9/94, NJWRR 1994, 1261 f. 66 KG v. 18.8.2005 – 8 U 251/04, zitiert nach juris, Rz. 142; OLG Düsseldorf v. 18.12.1998 – 22 U 148/98, NJWRR 1999, 746 (unter 2); OLG Braunschweig v. 19.3.2001 – 7 U 97/00, OLGR 2001, 196 (198); Bamberger/ Roth/Grüneberg/Sutschet, § 241 BGB Rz. 54. 67 BGH v. 23.1.2008 – VIII ZR 246/06, MDR 2008, 373 = ZMR 2008, 285 = NJW 2008, 1147. 68 BGH v. 23.1.2008 – VIII ZR 246/06, MDR 2008, 373 = ZMR 2008, 285 = NJW 2008, 1147; Kaiser, NJW 2008, 1709 (1712) (Evidenzkontrolle).

Lützenkirchen | 527

§ 536a Rz. 37 | Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen eines Mangels vorliegt69. Dies gilt umso mehr, wenn die exakte Wohnungsgröße wegen der Schwierigkeiten bei der Vermessung (Schrägen, Winkel) erst durch einen Gutachter festgestellt werden kann. Von dem Mieter eine weitergehende Überprüfung der von ihm vermuteten Wohnflächenabweichung zu verlangen, würde die an einen nicht mit der Rechtslage vertrauten Mieter zu stellenden Sorgfaltsanforderungen überspannen. Insbesondere erforderte die von ihm zu verlangende Sorgfalt nicht, sich vor der Mängelanzeige über die komplizierte Wohnflächenberechnung bei Dachgeschosswohnungen kundig zu machen oder gar ein mit erheblichen Kosten verbundenes Sachverständigengutachten zur Wohnfläche einzuholen. Denn die Behauptung eines Mangels erfordert nicht seine vorherige zweifelsfreie Feststellung. Andernfalls würde die Durchsetzung von Mängelrechten in nicht hinnehmbarer Weise erschwert. Bleibt somit bei der Mängelanzeige ungewiss, ob tatsächlich ein Mangel vorliegt, dürfen Mängelrechte geltend gemacht werden, ohne Schadensersatzansprüche befürchten zu müssen, auch wenn sich das Verlangen im Ergebnis als unberechtigt herausstellt70.

B. Wohnraummiete I. Schadensersatz 38 § 536a Abs. 1 BGB regelt zugunsten des Mieters drei verschiedene Ansprüche auf Schadensersatz

wegen Mängeln der Mietsache: danach kann der Mieter Schadensersatz verlangen, wenn der Mangel – schon bei Vertragsschluss vorgelegen oder der Mietsache eine zugesicherte Eigenschaft gefehlt hat (Garantiehaftung), – erst nach Vertragsschluss infolge eines Umstandes, den der Vermieter zu vertreten hat, entsteht (Verschuldenshaftung), infolge des Verzugs des Vermieters mit der Beseitigung fortbesteht (Verzugshaftung). In allen Varianten muss zunächst geprüft werden, ob ein Mangel i.S.v. § 536 BGB vorliegt71. 1. Garantiehaftung, § 536a Abs. 1 Var. 1 BGB 39 Nach der ersten Variante des § 536a BGB hat der Vermieter die Garantie dafür zu übernehmen, dass im

Zeitpunkt seines Versprechens, den vertragsgemäßen Gebrauch zu gewähren, diesem Gebrauch entgegenstehende Mängel nicht vorliegen72. Deshalb ist es grundsätzlich unerheblich, ob der Mangel bei Vertragsschluss schon zutage getreten ist, der Vermieter ihn gekannt hat oder hätte beseitigen können. Entscheidend ist, dass die Mangel- und Schadensursache bei Vertragsschluss vorhanden ist73, selbst wenn die negativen Auswirkungen erst nach der Übergabe vorliegen. 39a Damit ergänzt § 536a Abs. 1 BGB die Überlassungspflicht des Vermieters nach § 535 Abs. 1 BGB. Der

Vermieter steht garantiemäßig dafür ein, dass der Mieter in den Räumen den vertragsgemäßen Gebrauch ausüben kann. a) Vertragsschluss 39b Der maßgebliche Zeitpunkt, zu dem der anfängliche Mangel vorliegen muss, ist grundsätzlich der Mo-

ment, in dem die Einigung der Parteien mündlich, konkludent oder schriftlich über den Mietvertrag stattfindet (Ausnahme § 536a BGB Rz. 39e). Der (vereinbarte) Beginn des Mietvertrages ist ohne Bedeutung74. Wird die Mietsache aufgrund formloser Nutzungsvereinbarung überlassen, lösen dann 69 BGH v. 22.9.2010 – VIII ZR 285/09, MDR 2010, 1373 = MietRB 2010, 350 = WuM 2010, 688 = GE 2010, 1613. 70 BGH v. 23.1.2008 – VIII ZR 246/06, MDR 2008, 373 = NJW 2008, 1147 Rz. 13; vgl. ferner BGH v. 16.1.2009 – V ZR 133/08, MDR 2009, 438 = NJW 2009, 1262 (Rz. 20). 71 Palandt/Weidenkaff, § 536a BGB Rz. 9. 72 BGH v. 22.1.1968 – VIII ZR 195/65, NJW 1968, 885. 73 BGH v. 21.7.2010 – XII ZR 189/08, MietRB 2010, 319 (320) = MDR 2010, 1103 = ZMR 2011, 360 = GE 2010, 1193. 74 Staudinger/Emmerich, § 536a BGB Rz. 5; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536a BGB Rz. 12.

528 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 41 § 536a

aber die Vertragsparteien diese Abrede durch einen ins Einzelne gehenden schriftlichen Mietvertrag ab, trifft den Vermieter, falls er diese Haftung nicht erkennbar ausschließen wollte, wegen der im Ablösezeitpunkt vorhandenen Mängel die Garantiehaftung aus, § 536a Abs. 1 Var. 1 BGB75. Bei Abschluss eines eigenständigen Anschlussmietvertrags derselben Parteien über dasselbe Objekt 39c greift die Garantiehaftung bezogen auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Anschlussmietvertrags i.d.R. nicht erneut ein, es sei denn, die Parteien begründen einen neuen Mietvertrag. Letzteres ist bereits denkbar, wenn der neue Mietvertrag nicht nur nebensächliche geänderte Regelungen enthält76. Relevant für einen Neuabschluss können z.B. Bestimmungen über die Miete sein, etwa durch eine Indexvereinbarung nach § 557b BGB. Aber auch Veränderungen des Mietgegenstandes, der Betriebskostenregelung oder einer Kaution können dafür sprechen, dass die Parteien das Mietverhältnis nicht bloß fortsetzen, sondern es auf eine neue Grundlage stellen wollten. Letzteres kommt insbesondere in Betracht, wenn die Parteien im Anschluss an eine (umfassende) Modernisierung einen Vertrag schließen, der den bisherigen Mietvertrag ablösen soll und einen neuen Vertragsbeginn regelt. Hier kann die Garantiehaftung (erneut) greifen. Maßgeblich ist die Auslegung der Vereinbarung der Parteien im Einzelfall. Da der Vermieter den Mietvertrag meistens formuliert, obliegt es ihm, sich von der Haftung (wirksam) freizuzeichnen77. Bei Optionsausübung, fiktiver Vertragsverlängerung nach § 545 BGB oder bloßer nachträglicher 39d Mietzeitverlängerung wird i.d.R. keine neue Garantiehaftung begründet78. Das Gleiche gilt im Fall des Mieterwechsels im Wege der Vertragsübernahme, wenn also der bestehende Mietvertrag übernommen wird79. Vielmehr haftet der Vermieter ohne Verschulden nur für die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit dem ersten Mieter vorhandenen Mängel80. Anders verhalten sich die Dinge jedoch dann, wenn der neue Mieter nicht in den alten Mietvertrag eintritt, sondern mit dem Vermieter einen neuen Mietvertrag schließt81. § 536a Abs. 1 Var. 1 BGB ist entsprechend anwendbar, wenn die Mietsache erst nach Abschluss des 39e Mietvertrags fertiggestellt wird (z.B. Vermietung vom Reißbrett). Das ist z.B. der Fall, wenn zwar das Gebäude als solches steht, aber z.B. die (mangelhafte) Fassade erst später aufgetragen wird. Abweichend vom Gesetzeswortlaut kommt es dann auf den Zeitpunkt der Fertigstellung oder Übergabe der Mietsache an82. Das Gleiche gilt, wenn der Mieter (Zahnarzt) erst später seine Einrichtungen (medizinische Instrumente) mit mangelhaften Anlagen des Gebäudes (rostige Wasserleitung) verbindet83. b) Mögliche Mängel Die Abgrenzung bei Baumängeln (§ 536 BGB Rz. 107) kann schwierig sein. Dies gilt erst recht, wenn 40 ein Bauteil der Mieträume erst später funktionsuntüchtig geworden ist. Beruht der Missstand allein auf Alterungs- oder Verschleißprozessen, entsteht der Mangel erst später mit dem Verschleiß. Nicht jedes später funktionsuntüchtig werdende Bauteil kann also bereits als im Zeitpunkt des Ver- 41 tragsschlusses latent mangelhaft angesehen werden. War ein Bauteil aufgrund seiner fehlerhaften Beschaffenheit bei Vertragsschluss allerdings bereits in diesem Zeitpunkt für die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache ungeeignet und damit unzuverlässig, liegt ein anfänglicher Mangel vor84. Als Beispiele kommen in Betracht

75 76 77 78 79 80 81 82 83 84

BGH v. 22.1.1968 – VIII ZR 195/65, NJW 1968, 885. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536a BGB Rz. 14. BGH v. 22.1.1968 – VIII ZR 195/65, NJW 1968, 885. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 281. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536a BGB Rz. 15. BGH v. 5.11.2014 – XII ZR 15/12, MietRB 2015, 8 = MDR 2015, 201 = GE 2014, 1646 = NZM 2015, 84; MünchKomm/Häublein, § 536a BGB Rz. 7. Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3311; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536a BGB Rz. 15. BGH v. 29.4.1953 – VI ZR 212/52, BGHZ 9, 320; OLG München v. 1.12.1995 – 21 U 3013/95, ZMR 1996, 322. OLG Karlsruhe v. 27.4.1990 – 10 U 187/89, ZMR 1991, 378. BGH v. 27.3.1972 – VIII ZR 177/70, MDR 1972, 599 = NJW 1972, 944.

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§ 536a Rz. 41 | Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen eines Mangels – bei Abschluss des Mietvertrags vorhandene Baufehler, die später zu einem Bezugsverbot oder zur Versagung der erforderlichen baupolizeilichen Schlussabnahme führen85, – eine bei Vertragsschluss vorhandene unverschlossene Rauchrohröffnung, die später zum Brand führt86, – eine außerhalb der Mietsache vorhandene, bei Vertragsschluss aber noch nicht hervorgetretene und auch nicht erkennbare Gefahrenquelle, die sich während der Mietzeit negativ auf den Mietgebrauch auswirkt87, – die Versagung der Gaststättenkonzession wegen nicht ausreichend vorhandener Stellplätze88, – Konstruktionsmängel z.B. des Beschlages eines Fensterflügels, der diesem schon bei Vertragsschluss anhaftete89. 42 Beseitigt der Vermieter den Mangel bis zum vertraglich festgelegten Übergabetermin, bleibt inso-

weit für die Garantiehaftung kein Raum. Das Gleiche gilt, wenn eine an sich zulässige Nutzung als Diskothek erst nach mehrjährigem Betrieb verboten wird, weil das Objekt in einem Mischgebiet liegt90. 43 Die fehlende öffentlich-rechtliche Nutzungsgenehmigung oder sonstige Beschränkungen können ei-

nen Mangel i.S.d. § 536 BGB begründen (§ 536 BGB Rz. 194 f.). Ein öffentlich-rechtlicher Mangel setzt aber grundsätzlich ein Einschreiten der Behörde voraus91. Mit Rücksicht darauf liegt ein auf eine öffentlich-rechtliche Gebrauchsbeschränkung gestützter anfänglicher Mangel mindestens vor, wenn schon im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit einem späteren behördlichen Einschreiten während der vereinbarten Vertragszeit zu rechnen ist und die Behörde aufgrund der einschlägigen Vorschriften nicht nur dazu berechtigt, sondern dazu verpflichtet ist, die vertraglich vorgesehene Nutzung der Mietsache zu untersagen92. Davon ist z.B. auszugehen, wenn die im maßgeblichen Zeitpunkt vorhandene Dämmung einer Außenfassade mit brennbaren Werkstoffen von Anfang an gegen bauordnungsrechtliche Brandschutzbestimmungen verstoßen hat93, also das Leben der Bewohner gefährdet ist. 43a Nichts anderes gilt, wenn der Abschluss des Mietvertrages entgegen einem ausdrücklichen behördli-

chen Verbot erfolgt. Legt der Vermieter dagegen ein Rechtsmittel ein, kommt es darauf an, inwieweit der künftige Gebrauch des Mieters durch die Ungewissheit beeinträchtigt ist94. Liegt die erforderliche Nutzungsgenehmigung nicht vor, besteht ein anfänglicher Mangel95. Das Gleiche gilt, wenn die Behörde die Nutzung zunächst falsch bewertet hat96. 44 Im Falle der Verwendung gesundheitsgefährdender Baustoffe (z.B. asbesthaltige Fußbodenplatten,

§ 535 BGB Rz. 146) besteht allein wegen der latenten Gefahr, dass eine Gesundheitsgefährdung auftreten kann, noch kein (anfänglicher) Mangel. Im Übrigen kann auf den Stand der Technik abzustellen sein. War z.B. die Verwendung asbesthaltiger Baustoffe im Zeitpunkt der Übergabe der Wohnung wissenschaftlich bedenkenfrei, unterliegt das Phänomen dem allgemeinen Lebensrisiko97. 44a Kann der Vermieter die Mieteinheit nicht übergeben, weil der bisherige Mieter nicht räumt, ist zu un-

terscheiden: Wurde der Mietvertrag mit dem besitzenden Mieter nicht (wirksam) beendet, liegt ein

85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97

BGH v. 16.1.1963 – VIII ZR 169/61, MDR 1963, 303 = NJW 1963, 804. BGH v. 22.1.1968 – VIII ZR 195/65, NJW 1968, 885. BGH v. 27.3.1972 – VIII ZR 177/70, MDR 1972, 599 = NJW 1972, 944. OLG München v. 19.5.1995 – 21 U 4948/94, ZMR 1995, 401. BGH v. 21.7.2010 – XII ZR 189/08, MietRB 2010, 319 (320) = MDR 2010, 1103 = ZMR 2011, 360 = GE 2010, 1193. BGH v. 20.4.1977 – VIII ZR 287/75, MDR 1977, 743 = ZMR 1978, 25 = NJW 1977, 1285. BGH v. 16.1.2019 – VIII ZR 173/17, MietRB 2019, 65 = MDR 2019, 408 = WuM 2019, 144 = ZMR 2019, 326 m.w.N. BGH v. 20.4.1977 – VIII ZR 287/75, MDR 1977, 743 = NJW 1977, 1285 (1286): Diskothek im Mischgebiet. BGH v. 2.11.2016 – XII ZR 153/15, MDR 2017, 572 = WuM 2017, 18. BGH v. 20.1.1971 – VIII ZR 167/69, MDR 1971, 294 = NJW 1971, 555. BGH v. 28.11.1979 – VIII ZR 302/78, MDR 1980, 306 = ZMR 1980, 105 = NJW 1980, 777. BGH v. 20.4.1977 – VIII ZR 287/75, MDR 1977, 743 = ZMR 1978, 25 = NJW 1977, 1285. LG Berlin v. 17.1.2018 – 18 S 140/16, GE 2018, 642 unter Hinweis auf BayObLG v. 4.8.1999 – 1Z RE-Miet 6/ 98, MDR 1999, 1314 = WuM 1999, 568.

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B. Wohnraummiete | Rz. 47 § 536a

Rechtsmangel vor. Denn der Verschaffung der Mietsache steht ein rechtliches Hindernis (kein Rückgabeanspruch) entgegen. Damit liegt ein anfänglicher Mangel mit der Rechtsfolge des § 536a Abs. 1, 1. Var. BGB vor. Ist der Mietvertrag dagegen wirksam beendet, besteht ein tatsächliches Erfüllungshindernis, dass – da noch keine Übergabe stattgefunden hat – sich nach den allgemeinen Regeln richtet, §§ 275 ff. BGB (vgl. Vor § 536 BGB Rz. 34). Für die Verschuldenshaftung nach § 280 Abs. 1 BGB oder ggf. nach §§ 311a, 241 Abs. 2, 281 BGB 44b kommt es darauf an, inwieweit der Vermieter bei Vertragsschluss voraussehen konnte, dass er die Mietsache nicht würde übergeben können98. Dem wird entgegengehalten, die vertraglich zugesagte Übergabe sei wie ein Garantieversprechen zu behandeln, weil der Vermieter das Beschaffungsrisiko trage; das sei nur anders zu beurteilen, wenn Verzug vorliege99. Dabei werden die Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage (z.B. § 280 Abs. 1 oder §§ 311a Abs. 2, 241 Abs. 2, 281 BGB) übersehen. Diese erfordert ein Verschulden. Allerdings muss sich der Vermieter entlasten. Insoweit sind strenge Anforderungen zu stellen. Denn der Vermieter kennt – im Gegensatz zum Mieter – die Umstände und kann daher einschätzen, welche insbesondere wirtschaftlichen Anstrengungen der Mieter auf sich nimmt, um bis zum versprochenen Beginn der Mietzeit seinen vertragsgemäßen Gebrauch in der neuen Mietsache ausüben zu können. 2. Verschuldenshaftung, § 536a Abs. 1 Var. 2 BGB In der zweiten Variante des § 536a Abs. 1 BGB (zu vertretende Mängel) haftet der Vermieter für eige- 45 nes Verschulden (§ 276 BGB) und für das seiner Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB). a) Verschulden des Vermieters Für das Verschulden reicht Fahrlässigkeit (§ 276 BGB). Dafür ist ein Pflichtenverstoß, also Rechtswid- 46 rigkeit erforderlich100. Insoweit ist sehr häufig darauf abzustellen, ob den Vermieter eine Überprüfungspflicht trifft. Hierbei ist zu untersuchen, inwieweit z.B. Unfallverhütungsvorschriften, die anerkannten Regeln der Technik oder sonstige Bestimmungen verlangen, dass der Vermieter Einzelteile der Mietsache regelmäßig inspiziert101. Eine – zudem unbekannte – Verletzung von DIN-Normen reicht nicht aus, weil sie keinen Rechtsnormcharakter haben102. Keine Sorgfaltspflichtverletzung tritt ein, wenn nach Bezugsfertigkeit oder Abschluss des Mietvertrages Richtlinien (z.B. Asbest-Richtlinie) die Verwendung von Baustoffen verbieten, die bei der Errichtung des Gebäudes eingesetzt wurden103. Hier kommt allenfalls eine Verzugshaftung in Betracht, wenn die verwendeten Baustoffe unverträgliche Stoffe (z.B. infolge Beschädigung) freisetzen, so dass eine Pflicht zur Mängelbeseitigung entsteht. Hinsichtlich des Gebäudes wird eine regelmäßige Prüfungspflicht im Abstand von zwei Jahren an- 47 genommen (im Einzelnen: § 535 BGB Rz. 463). Diese beschränkt sich aber auf Sichtkontrollen. Zerstörende Prüfungen muss der Vermieter nicht durchführen. Innerhalb der Wohnung des Mieters muss der Vermieter nicht ohne konkreten Anlass Besichtigungen durchführen, um mögliche Gefahren für andere Mieter ggf. zu entdecken104. Unabhängig davon entsteht eine Überprüfungspflicht aber vor allem, wenn der Mieter einen Mangel oder sonstigen gefährlichen Zustand der Mietsache anzeigt (§ 536c BGB). In diesem Fall darf der Vermieter mit der Überprüfung nicht warten105. Das Gleiche gilt, wenn sich im Mietobjekt ein Schaden in zeitlichem Zusammenhang (z.B. jährlich) wiederholt und Grund zu der Annahme besteht, dass jedes Mal die gleiche Ursache bestand. Unterlässt der Vermieter insoweit die

98 99 100 101 102 103 104 105

OLG Frankfurt v. 23.4.1999 – 24 U 138/97, MDR 1999, 1190 = WuM 2000, 116 = ZMR 1999, 814. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536a BGB Rz. 26; Emmerich/Sonnenschein, § 536a BGB Rz. 4. BGH v. 13.5.2015 – XII ZR 65/14, MietRB 2015, 231 = MDR 2015, 878 = WuM 2015, 619 = ZMR 2015, 842. OLG Hamm v. 7.7.1981 – 7 U 14/81, VersR 1981, 1161; LG Berlin v. 3.11.1995 – 65 S 159/95, GE 1996, 322. LG Bielefeld v. 29.10.2009 – 6 O 262/09, ZMR 2010, 687. LG Berlin v. 17.1.2018 – 18 S 140/16, GE 2018, 642. OLG Frankfurt v. 7.3.2003 – 24 U 125/02, MietRB 2003, 93 = WuM 2003, 319. BGH v. 15.10.2008 – VIII ZR 321/07, MDR 2009, 75 = MietRB 2009, 1 = ZMR 2009, 345.

Lützenkirchen | 531

§ 536a Rz. 47 | Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen eines Mangels Prüfung innerhalb angemessener Zeit, haftet er bei erneutem Auftreten des gleichen Phänomens (z.B. Wassereintritt wegen undichtem Dach)106. 48 Der Vermieter hat im Übrigen das Mietobjekt so zu erhalten, dass dem Mieter der Gebrauch der ver-

mieteten Sache im Rahmen des vereinbarten Geschäftszwecks für die gesamte Mietdauer möglich ist. Deshalb haftet er nicht, wenn er Erhaltungsmaßnahmen pflichtgemäß durchführt107. Allerdings muss er gegen Gebrauchsbeeinträchtigungen Dritter grundsätzlich spätestens aufgrund der Mängelanzeige des Mieters Schutzmaßnahmen in dem Umfang treffen, wie sie den Umständen nach erforderlich und zumutbar sind108. Dies gilt insbesondere bei dauerhaften oder sich vermehrenden/vergrößernden Beeinträchtigungen. Daneben hat er solche Einwirkungen zu unterlassen, die den Mieter in seinem Mietgebrauch beeinträchtigen oder schädigen können, sofern sie nicht notwendig sind109. Deshalb haftet der Vermieter auch dann, wenn durch unsachgemäße Bauarbeiten am und im Bereich des Gebäudes, in dem die Mietsache gelegen ist, ein Mangel der Mietsache und dadurch ein Schaden des Mieters entstehen. Denn der Vermieter ist auch während der Ausführung von Bauarbeiten verpflichtet, die mietvertraglich geschuldete Beschaffenheit der Mietsache grundsätzlich sicherzustellen. Deshalb haftet der Vermieter für 49

– die Unbenutzbarkeit der Mieträume durch eindringendes Gas als Folge von Arbeiten an den Kaminen des Hauses110, – die Folgen einer Infektion (Legionärskrankheit) infolge Inkubation durch eine seit acht Jahren nicht gewarteten Wasserversorgungsanlage111, – das Eindringen von Feuchtigkeit in die Mieträume infolge unsachgemäßer Arbeiten am Dach des Hauses und dadurch entstehender Schäden des Mieters112, – den Fall eines Platzregenschadens bei umbaubedingter Dachöffnung113, – Ablehnung von Schutzmaßnahmen, die von dem Nachbarn dem Vermieter zum Schutz vor Staub von seiner Baustelle angeboten wurden114, – Umsatzeinbußen des Mieters infolge von Einrüstungsarbeiten an der Fassade des Hauses115, die nicht angekündigt wurden116, – Rohrbruch, wenn die Leitungen von Anfang an unzureichend dimensioniert waren117, – herunterfallenden Putz, der nicht ordnungsgemäß aufgebracht wurde118.

49a Der Vermieter haftet nicht,

– für Raumluftkontaminationen, wenn er sie nicht kennt oder sie ihm nicht infolge Fahrlässigkeit unbekannt geblieben sind119.

106 OLG Karlsruhe v. 22.8.2017 – 9 U 141/15, ZMR 2018, 415 = IMR 2018, 150 (Kruska). 107 BGH v. 13.5.2015 – XII ZR 65/14, MietRB 2015, 231 = MDR 2015, 878 = WuM 2015, 619 = ZMR 2015, 842. 108 KG v. 20.9.2001 – 8 U 3441/00, NZM 2003, 27 = GE 2001, 1603; MünchKomm/Häublein, § 535 BGB Rz. 133. 109 Vgl. BGH v. 16.10.1963 – VIII ZR 28/62, MDR 1964, 139 = NJW 1964, 33; BGH v. 22.1.1968 – VIII ZR 195/ 65, NJW 1968, 885; OLG Hamm v. 10.10.1995 – 7 U 12/95, MDR 1996, 256 = ZMR 1996, 199. 110 BGH v. 15.3.2000 – XII ZR 81/97, MDR 2000, 875 = ZMR 2000, 590. 111 BGH v. 6.5.2015 – VIII ZR 161/14, MDR 2015, 880 = MietRB 2015, 194 = WuM 2015, 412 = ZMR 2015, 702 = IMR 2015, 265. 112 OLG Hamm v. 10.10.1995 – 7 U 12/95, MDR 1996, 256 = ZMR 1996, 199. 113 OLG Hamm v. 17.2.1999 – 30 U 77/98, NZM 1999, 804. 114 BGH v. 24.6.2015 – XII ZR 78/14, MietRB 2015, 262, GE 2015, 1395. 115 OLG Düsseldorf v. 16.2.2000 – 15 U 161/99, NJW-RR 2000, 531. 116 BGH v. 13.5.2015 – XII ZR 65/14, MietRB 2015, 231 = MDR 2015, 878 = WuM 2015, 619 = ZMR 2015, 842. 117 BGH v. 27.3.1972 – VIII ZR 177/70, MDR 1972, 599 = NJW 1972, 944. 118 BGH v. 27.3.1972 – VIII ZR 177/70, MDR 1972, 599 = NJW 1972, 944. 119 LG Lübeck v. 4.2.2019 – 14 T 5/19, IMR 2019, 139 (Ramm).

532 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 53 § 536a

Führt der Vermieter Erhaltungsmaßnahmen durch, begründet dies als solches keine Haftung nach 50 § 536a Abs. 1 Var. 2 BGB120. Denn der Vermieter handelt pflichtgemäß (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB) und damit nicht schuldhaft. Werden jedoch anlässlich der Arbeiten Rechtsgüter des Mieters beschädigt, kommt ein (ggf. über § 278 BGB zugerechnetes) Verschulden des Vermieters in Betracht, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen wurde. Insoweit ist fraglich, ob der Vermieter sich bei Sanierungsmaßnahmen (z.B. Eindringen von Regenwasser anlässlich der Neueindeckung des Daches121) darauf berufen kann, seine Handwerker hätten die während der Ausführung der Arbeiten zu beachtenden technischen Regelwerke eingehalten122. Eine solche Sichtweise ist bei der Beurteilung von Gewährleistungsansprüchen verkürzt. Hier muss sich der Maßstab der erforderlichen Sorgfalt in erster Linie daran orientieren, dass auch während der Bauarbeiten die mietvertraglich geschuldete Beschaffenheit der Mietsache grundsätzlich sicherzustellen ist123. Es reicht also nicht aus, dass der Vermieter (oder seine Handwerker) allgemeine Sorgfaltspflichten beachten. Vielmehr muss er prüfen, inwieweit durch ungewöhnliche Ereignisse ein Risiko für die Rechtsgüter des Mieters eintreten kann. Deshalb hat er bei Eröffnung von Gefahrenquellen (z.B. Bauarbeiten) bei fortgesetzter Nutzung des Mieters auch Vorkehrungen gegen außergewöhnliche Naturereignisse zu treffen und haftet, wenn starker Wind Abdeckplanen auf dem Flachdach hochwirbelt124. Den Vermieter trifft insbesondere auch die Pflicht, dafür zu sorgen, dass in dem vermieteten Gebäude 51 kein Brand ausbricht, der zu einer Schädigung des Mieters führen kann. Trifft ihn an dem Brand ein Verschulden, ist er dem Mieter schadensersatzpflichtig125. Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob es sich um ein Gebäude oder – wie hier auf dem Flughafen Düsseldorf – um einen aus mehreren Teilen bestehenden räumlich zusammenhängenden Gebäudekomplex handelt126. Dennoch ist der Vermieter nicht verpflichtet, z.B. die Elektroleitungen und elektrischen Anlagen in den von ihm vermieteten Wohnungen ohne konkreten Anlass oder Hinweis auf Mängel einer regelmäßigen Überprüfung durch einen Elektrofachmann zu unterziehen, nur weil aus einem Defekt ein Brand entstehen und damit Lebensgefahr für andere Mieter bestehen kann127. Zwar trifft den Vermieter die vertragliche Nebenpflicht, die Mietsache in einem verkehrssicheren Zustand zu erhalten. Diese Pflicht erstreckt sich grundsätzlich auf alle Teile des Hauses. Ihm bekannt gewordene Mängel, von denen eine Gefahr für die Mietwohnungen ausgehen kann, muss der Vermieter deshalb unverzüglich beheben. Er muss im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht aber keine regelmäßige Generalinspektion vornehmen. Im Einzelfall könnten besondere Umstände, wie z.B. ungewöhnliche oder wiederholte Störungen, Anlass bieten, nicht nur einen unmittelbar zu Tage getretenen Defekt zu beheben, sondern eine umfassende Inspektion der gesamten Elektroinstallation durchzuführen. Dem Mieter steht gegen den Vermieter auch kein Schadensersatzanspruch wegen des Austritts von 52 Ruß in seiner Mietwohnung zu128. Denn der Vermieter ist im Rahmen seiner Instandhaltungs- und Verkehrssicherungspflicht nicht gehalten, ordnungsgemäß installierte Öfen in der Wohnung des Mieters ohne besonderen Anlass einer regelmäßigen Kontrolle, etwa im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit und Dichtigkeit der Wandanschlüsse, zu unterziehen. Ähnlich wie bei der Elektroinstallation in der Wohnung des Mieters reicht es – soweit nicht im Einzelfall besondere Umstände vorliegen – aus, wenn auftretende Unregelmäßigkeiten oder vom Mieter angezeigte Mängel unverzüglich von einem Fachmann abgestellt werden. Stolpert der Mieter über Risse schadhafter Bodenplatten der angemieteten Flächen und verletzt sich 53 dabei, so kommt eine Haftung des Vermieters nur in Betracht, wenn der Mieter den Mangel nach § 536c BGB angezeigt hat129. 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129

BGH v. 13.5.2015 – XII ZR 65/14, MietRB 2015, 231 = MDR 2015, 878 = WuM 2015, 619 = ZMR 2015, 842. OLG Hamm v. 17.2.1999 – 30 U 77/98, NZM 1999, 804. Vgl. dazu auch BGH v. 23.10.1984 – VI ZR 85/83, MDR 1985, 481 = NJW 1985, 620. OLG Hamm v. 17.2.1999 – 30 U 77/98, NZM 1999, 804. AG Köln v. 26.5.1998 – 210 C 56/98, KM 30 Nr. 37. BGH v. 20.5.1964 – VIII ZR 242/62, MDR 1964, 750 = LM Nr. 39 zu § 278 BGB. OLG Düsseldorf v. 25.10.2001 – 10 U 67/00, ZMR 2002, 41 = NZM 2002, 21. BGH v. 15.10.2008 – VIII ZR 321/07, MDR 2009, 75 = MietRB 2009, 1 = GE 2008, 1555 = ZMR 2009, 345. BGH v. 1.6.2011 – VIII ZR 310/10, WuM 2011, 465 = GE 2011, 1013 = ZMR 2011, 938. OLG Düsseldorf v. 12.8.2008 – I-24 U 44/08, MietRB 2009, 63 = MDR 2008, 1330 = ZMR 2008, 952 = DWW 2008, 381.

Lützenkirchen | 533

§ 536a Rz. 54 | Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen eines Mangels 54 Andererseits liegt ein unverschuldeter Mangel vor, wenn der Vermieter dem Mieter die Räume zu Ver-

tragsbeginn nicht vollständig überlassen kann, weil der Vormieter einen Raum (1/5 der Mietsache) noch in Beschlag hält130 (§ 536a BGB Rz. 44b). Der Vermieter darf darauf vertrauen, dass der Vormieter die Mieträume rechtzeitig zu Beginn des neuen Mietverhältnisses frei macht. Hat der Mieter einen Mangel gerügt (hier: wiederholtes Auftreten von Braunverfärbung des Leitungswassers), kann sich der Vermieter nicht darauf berufen, dass bei einer einmaligen Überprüfung ein Mangel nicht festgestellt wurde131. 55 Bei unvermeidbaren Mängeln liegt ein Verschulden nicht vor. Darunter fällt z.B. die erhöhte Ein-

bruchgefahr durch das (notwendige) Aufstellen eines Gerüstes132. Auch die mit der Einrüstung eines Gebäudes verbundene Verdunkelung der Mieträume, durch die Pflanzen des Mieters eingehen, ist unvermeidbar. Denn das Aufstellen eines Gerüstes im Zuge von Instandsetzungs- oder Modernisierungsmaßnahmen an der Fassade entspricht dem Stand der Technik. Das Gleiche gilt für das Vorhängen von Planen zur Verkehrssicherung, die eine weitere Verdunkelung herbeiführen. Schließlich sind die Maßnahmen der Modernisierung generell unvermeidbar und lassen daher ein Verschulden entfallen133. Das Gleiche gilt für ihre Folgen134. Jedenfalls sind Ansprüche durch § 555d Abs. 4 BGB präkludiert. b) Haftung für Erfüllungsgehilfen 56 Der Vermieter haftet auch im Rahmen des § 536a Abs. 1, 2. Var. BGB für Erfüllungsgehilfen, also Per-

sonen, die in seinem Pflichtenkreis tätig werden, § 278 BGB. Deshalb haftet der Vermieter z.B. aus dieser Variante, wenn ein kommunales Energieunternehmen (Gaswerk) fahrlässig einen Defekt in der Energiezufuhr herbeiführt, woraus Heizungsstörungen resultieren135. Im Übrigen sind Erfüllungsgehilfen des Vermieters z.B. Hausmeister136 sowie eingeschaltete Handwerker137 und deren Hilfspersonen138, nicht aber die Mitmieter und Hausgenossen139. Letzteres ist anders zu bewerten, wenn die Mitbewohner/Nachbarn vom Vermieter mit der Erledigung von Vermieterpflichten (z.B. Streupflichten) beauftragt sind. Ein eigenes Verschulden des Vermieters kommt in Betracht, wenn er z.B. einen störenden Mieter nicht abmahnt oder kündigt140. 57 Der Untervermieter hat die Beendigung des Hauptmietvertrages zu vertreten, wenn er selbst den Ver-

trag kündigt, der Hauptvermieter wegen einer Vertragsverletzung kündigt (z.B. § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB)141 oder wenn er eine unberechtigte (weitere) Untervermietung zum Anlass nimmt, das Hauptmietverhältnis fristlos zu kündigen142. Ist der Untervermieter aber nicht zugleich Partei des Hauptmietvertrages, weil er sein Untervermietungsrecht von einem anderen Untervermieter ableitet, kann er mangels eigenen Verschuldens für eine Auflösung des Hauptmietvertrages nur nach § 278 BGB verantwortlich gemacht werden. Insoweit ist von dem Grundsatz auszugehen, dass der erste Untervermieter im Hinblick auf die Gebrauchsgewährpflicht nicht als Erfüllungsgehilfe der weiteren Untervermieter

130 OLG Frankfurt v. 23.4.1999 – 24 U 138/97, MDR 1999, 1190 = ZMR 1999, 814. 131 LG Berlin v. 10.3.2000 – 64 S 471/99, NZM 2000, 709. 132 OLG Düsseldorf v. 16.2.2000 – 15 U 161/99, NJW-RR 2000, 531 (erhöhtes Einbruchrisiko bei Aufstellen eines Gerüsts). 133 BGH v. 31.10.2012 – XII ZR 126/11 – Rz. 24, MietRB 2013, 40 MDR 2013, 82 = WuM 2013, 37 = GE 2013, 52 = NZM 2013, 122 = ZMR 2013, 260. 134 A.A. LG Düsseldorf v. 18.6.2014 – 23 S 241/13, MietRB 2015, 134 = ZMR 2014, 983; LG Düsseldorf v. 5.6.2013 – 23 S 246/1, MietRB 2014, 42, ZMR 2013, 800 = GE 2014, 195 (fehlender Sichtschutz des Erdgeschossmieters nach Entfernung von Außenrolladen wegen neuer Wärmedämmfassade). 135 OLG Dresden v. 18.6.2002 – 5260/02, WuM 2002, 541. 136 OLG Karlsruhe v. 27.4.1990 – 10 U 187/89, ZMR 1991, 378. 137 OLG Düsseldorf v. 25.10.2001 – 10 U 67/00, NZM 2002, 21. 138 OLG Hamm v. 10.10.1995 – 7 U 12/95, MDR 1996, 256 = ZMR 1996, 199. 139 RG v. 15.12.1938 – IV 197/38, RGZ 159, 32. 140 LG Hamburg v. 21.10.1986 – 16 S 32/86, WuM 1987, 218. 141 KG v. 11.8.2003 – 8 U 89/02, MietRB 2004, 139. 142 OLG Düsseldorf v. 18.8.1989 – 15 U 156/88, ZMR 1989, 417.

534 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 64 § 536a

anzusehen ist und ein weiterer Untervermieter nicht auf Mietausfall haftet, wenn der erste Untervermieter die Beendigung des Hauptmietvertrages zu vertreten hat143. 3. Verzugshaftung, § 536a Abs. 1 Var. 3 BGB Die dritte Variante des § 536a Abs. 1 BGB setzt Verzug des Vermieters mit der Mangelbeseitigung 58 voraus. Dazu ist zunächst zu prüfen, inwieweit eine Erhaltungspflicht des Vermieters, insbesondere ein Mängelbeseitigungsanspruch des Mieters besteht (vgl. § 535 BGB Rz. 444 f. und Rz. 701 f.). Im Übrigen gelten die allgemeinen Grundsätze über den Schuldnerverzug, § 286 BGB. Falls also kein Beseitigungstermin i.S.d. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB festgelegt ist, ist grundsätzlich eine Mahnung des Vermieters erforderlich. Die Mahnung kann mit der Mängelanzeige erfolgen. Allerdings begründet die bloße Mängelanzeige 59 i.S.v. § 536c BGB noch keinen Verzug144. Vielmehr ist dafür eine inhaltlich bestimmte Leistungsaufforderung erforderlich145. Dazu reicht eine Beschreibung des mangelhaften Zustandes. Wie der Mangel zu beseitigen ist, muss der Vermieter im Zweifel unter Mithilfe von Fachleuten herausfinden. Eine Fristsetzung (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 655 f.) ist nicht erforderlich. Es reicht aus, dass der Mieter zum Ausdruck bringt, dass er die Mängelbeseitigung innerhalb einer angemessenen Zeit, die sich nach den Umständen des Einzelfalles bemisst, erwartet. Der Mieter kann grundsätzlich keine bestimmte Art der Mangelbeseitigung verlangen, solange es wei- 60 tere geeignete Alternativen gibt146. Bei ernsthafter und endgültiger Verweigerung der Mangelbeseitigung ist eine Mahnung entbehrlich, § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Bei einem Zusammentreffen mit Ansprüchen aus §§ 555d Abs. 6, 555a Abs. 3 BGB soll eine Fristsetzung ebenfalls entbehrlich sein. Diese Konstellation ist möglich, wenn der Mieter eine Modernisierung (hier: Wärmedämmung) zu dulden hatte und dadurch ein Mangel (Wegfall des Sichtschutzes durch Außenrolllade) entstanden ist147. Andererseits kann der Vermieter grundsätzlich den Mängelbeseitigungstermin nicht einseitig festlegen, sondern muss auf die Belange des Mieters Rücksicht nehmen148. Der Eigentümer-/Vermieterwechsel nach § 566 BGB hat auf die Verzugslage keine Auswirkung. Die 61 Verzugslage wirkt in der Person des Erwerbers fort149. Der Verzug endet, wenn der Mieter die Maßnahme nicht zulässt150 (vgl. § 535 BGB Rz. 712) oder der 62 Mietvertrag endet. 4. Gläubiger und Schuldner des Schadensersatzes a) Gläubiger Der Schadensersatzanspruch steht grundsätzlich dem Mieter zu. Bei mehreren Mietern müssen alle 63 handeln, wobei ein Mieter auf Leistung an alle klagen kann, § 432 BGB. Auch eine Abtretung des Schadensersatzanspruchs ist grundsätzlich zulässig. Auch dritte, an einem Mietvertrag nicht unmittelbar beteiligte Personen können in den Schutzbereich 64 des Vertrages einbezogen werden. Sie haben ein eigenes Klagerecht. Denn ihnen gegenüber ist der Schuldner zwar nicht zur Leistung, wohl aber unter Umständen zum Schadensersatz verpflichtet151. Das setzt voraus, dass ein Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte vorliegt, wozu grundsätzlich insbesondere

OLG Düsseldorf v. 18.12.2003 – 10 U 86/03, WuM 2004, 18. RG v. 17.9.1920 – III 92/20, RGZ 100, 42. Erman/Hager, § 286 BGB Rz. 29; MünchKomm/Häublein, § 536a BGB Rz. 11. LG Hamburg v. 25.3.2010 – 307 S 152/09, ZMR 2010, 610. LG Düsseldorf v. 18.6.2014 – 23 S 241/13, MietRB 2015, 134 = ZMR 2014, 982. LG Osnabrück v. 27.1.2006 – 12 S 620/05, WuM 2010, 448; vgl. auch § 535 BGB Rz. 713. BGH v. 9.2.2005 – VIII ZR 22/04, MietRB 2005, 142 = MDR 2005, 562 = WuM 2005, 201 = NZM 2005, 253. BGH v. 13.5.2015 – XII ZR 65/14, MietRB 2015, 231 = MDR 2015, 878 = WuM 2015, 619; MünchKomm/ Häublein, § 536a BGB Rz. 24. 151 BGH v. 21.7.2010 – XII ZR 189/08, MietRB 2010, 319 = MDR 2010, 1103 = ZMR 2011, 360 = GE 2010, 1193; BGH v. 22.1.1968 – VIII ZR 195/65, BGHZ 49, 350 = NJW 1968, 885.

143 144 145 146 147 148 149 150

Lützenkirchen | 535

§ 536a Rz. 64 | Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen eines Mangels auch der Mietvertrag gehört152. Die Einbeziehung Dritter in die Schutzwirkung eines Vertrages beruht darauf, dass die dritte Person wie der Mieter selbst mit der Leistung des Vermieters in Berührung kommt, also eine gewisse Leistungsnähe vorliegt. Weitere Voraussetzung ist, dass der Mieter der dritten Person Schutz und Fürsorge zu gewährleisten hat, was ein Einbeziehungsinteresse des Dritten begründet, und dies für den Vermieter erkennbar ist. Um Ausuferungen zu vermeiden, ist dazu ein Verhältnis zwischen Mieter und Drittem mit persönlichem Einschlag erforderlich wie etwa ein Arbeits- oder Familienverhältnis. Dann entspricht es Sinn und Zweck des Vertrages sowie Treu und Glauben, dass dem Dritten der Schutz des Vertrages in gleicher Weise zugutekommt wie dem Gläubiger selbst153. Auch für den Lebensgefährten, also den Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, soll sich die Haftung erstrecken, wenn dies für den Vermieter bei Abschluss des Mietvertrages erkennbar war154. 65 Grundsätzlich ist der Anspruch aus § 536a BGB vererblich. Dagegen haben die Erben als nur mittelbar

Geschädigte keinen vertraglich ableitbaren Anspruch auf Ersatz der Beerdigungskosten, wenn der Mieter bei Berührung eines fehlerhaft angebrachten stromführenden Handtuchhalters zu Tode kommt155. Insoweit scheidet auch ein deliktischer Anspruch aus, wenn dem Vermieter mangels Kenntnis der unsachgemäßen Elektroinstallation keine Pflichtverletzung vorgeworfen werden kann. Eine Pflicht zur regelmäßigen Überprüfung der elektrischen Anlagen besteht ohnehin nicht für den Vermieter156. b) Schuldner 66 Schuldner des Schadensersatzes ist der Vermieter. Mehrere Vermieter haften als Gesamtschuldner. Be-

steht der Vermieter aus einer GbR, ist diese Träger der Rechte und Pflichten. 67 Bei einem Vermieterwechsel nach § 566 BGB ist nach der Fälligkeitstheorie (vgl. § 566 BGB Rz. 59)

darauf abzustellen, wer bei Eintritt des Schadens Vermieter war157. Denn der Mieter kann den Anspruch immer nur gegen den Vermieter geltend machen, in dessen Person der Schaden entstanden ist158. Dies kann dazu führen, dass ein und derselbe Anspruchsgrund wegen der unterschiedlichen Schäden gegen zwei Vermieter geltend gemacht werden muss. Findet der Vermieterwechsel z.B. statt, nachdem der Mieter ein selbständiges Beweisverfahren eingeleitet hat, ist die Verfahrensgebühr vom alten und, wenn der Ortstermin nach dem Vermieterwechsel durchgeführt wird, die Terminsgebühr von dem neuen Vermieter im Rahmen des § 536a Abs. 1 Var. 3 BGB zu erstatten. 5. Umfang des Schadensersatzes 68 Wie bereits der Wortlaut des § 536a Abs. 1 BGB klarstellt, kann Schadensersatz neben Minderung und

anderen Gewährleistungsrechten verlangt werden. Allerdings kann die Minderung bei der Schadensberechnung zu berücksichtigen sein. Ebenso wenig ist der Mieter gehindert, wegen desselben Mangels Schadensersatz nach § 536a Abs. 1 BGB zu verlangen und zu kündigen (§§ 543 Abs. 2 Nr. 1, 569 Abs. 1 BGB). In diesem Fall schuldet der Vermieter auch den kündigungsbedingten Schaden159. Schließlich können neben dem vertraglichen Schadensersatzanspruch auch deliktische Ansprüche (z.B. wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten) bestehen. Jedenfalls ist eine Spezialität von § 536a Abs. 1 BGB allein gegenüber den allgemeinen Vorschriften der §§ 280 ff. BGB bei Vorliegen eines Sachmangels gegeben (§ 536a BGB Rz. 5a).

152 BGH v. 22.1.1968 – VIII ZR 195/65, BGHZ 49, 350 = NJW 1968, 885 m.w.N. 153 BGH v. 21.7.2010 – XII ZR 189/08, MietRB 2010, 319 = MDR 2010, 1103 = ZMR 2011, 360 = GE 2010, 1193; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536a Rz. 77. 154 LG Berlin v. 27.9.2013 – 63 S 127/13, ZMR 2014, 725. 155 LG Bielefeld v. 29.10.2009 – 6 O 262/09, ZMR 2010, 687 = GE 2010, 1543. 156 BGH v. 15.10.2008 – VIII ZR 321/07, MDR 2009, 75 = MietRB 2009, 1 = GE 2008, 1555 = ZMR 2009, 345. 157 BGH v. 9.2.2005 – VIII ZR 22/04, MDR 2005, 562 = MietRB 2005, 142 = NZM 2005, 253. 158 KG v. 6.8.2009 – 8 U 61/09, ZMR 2010, 182 = GE 2009, 1554. 159 BGH v. 2.11.2016 – XII ZR 153/15, MDR 2017, 572 = WuM 2017, 18.

536 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 73 § 536a

Der Umfang des zu ersetzenden Schadens soll sich gegenüber § 538 Abs. 1 BGB a.F., der noch Schadens- 69 ersatz wegen Nichterfüllung zubilligte, nicht geändert haben, obwohl jetzt nur noch auf Schadensersatz abgestellt wird (vgl. § 536a BGB Rz. 7). Dieser Anspruch ist – in Angleichung an § 280 Abs. 1 BGB160 – mindestens auf Ersatz des positiven Interesses gerichtet und erstreckt sich auf alle unmittelbaren und mittelbaren Nachteile161, umfasst also auch als Mangelfolgeschäden qualifizierte Kosten162. Der Schadensersatzanspruch nach § 536a Abs. 1 BGB ist auf Geldleistung, nicht z.B. auf Stellen eines 70 Ersatzraums gerichtet163. Insoweit ist nach der Differenzhypothese zu ermitteln164, wie der Mieter mit und ohne das schädigende Ereignis, also in der Regel den Mangel, stehen würde. Dazu sind die beiden in Betracht kommenden Vermögenslagen gegenüberzustellen. Die Differenz bildet den Schaden165, der sich regelmäßig als Vermögensschaden darstellt. Der Mieter kann aber über § 536a BGB auch Beseitigung der Mangelursache und der Mangelfolgen verlangen166. Insbesondere die nachfolgend dargestellten Schadenspositionen (vgl. für das Gewerbe § 536a BGB 71 Rz. 210 ff.) können sich als adäquat-kausale Rechtsfolge – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – eines tatsächlichen Leistungshindernisses vor der Übergabe aus §§ 280, 286 BGB ergeben. Nach der Übergabe bildet § 536a Abs. 1 BGB die Anspruchsgrundlage. Für Rechtsmängel ergibt sich der Schadensersatzanspruch stets aus § 536a BGB (vgl. Vor § 536 BGB Rz. 33). a) Sachschaden Als unmittelbaren Mangelschaden, aber auch als Mangelfolgeschaden kann der Mieter insbesondere 72 die Beschädigungen seines Eigentums geltend machen. Dazu wird oftmals eine substantiierte Darstellung zum Wert des Gegenstandes verlangt167. Dies ist insoweit richtig, als dass ohne Angabe des Alters der beschädigten Sache der Abzug neu für alt nicht (zutreffend) bewertet werden kann. Ansonsten reicht aber die Angabe des Schadens als solchem (z.B. 500 €). Denn damit wurde eine Tatsache vorgetragen, die unter § 249 BGB subsumiert werden kann und eine Rechtsfolge, nämlich Schadensersatz auslöst168. Deshalb ist es nicht erforderlich, wenn der Mieter Schadensersatz für die von ihm gefertigten Gemälde verlangt, zusätzlich vorzutragen, welche Verkaufserlöse er für vergleichbare Bilder in der Vergangenheit erzielt hat169. Die Wertfeststellung kann durch einen Sachverständigen erfolgen. Bei der Beschädigung von Sachen muss der Abzug neu für alt berücksichtigt werden170, sofern nicht 73 bloß eine Reparatur stattgefunden hat171. Ein Vortrag, der die dazu notwendigen Angaben zum Alter und Wert des Gegenstandes nicht beinhaltet, führt entgegen weit verbreiteter gerichtlicher Praxis nicht automatisch zur Klageabweisung. Vielmehr ist zu prüfen, inwieweit die Lebenserfahrung einen Mindestwert vermitteln kann172. Dabei ist zu bedenken, dass bei feststehendem Verlust oder feststehender Beschädigung eines Gegenstandes, für den Ersatz zu leisten ist, mangels näherer Anhaltspunkte ein mittlerer und nicht notwendig der denkbar geringste Wert zu schätzen sein kann173. Dies kommt ins-

160 161 162 163 164 165 166 167 168

169 170 171 172 173

Dazu Emmerich, NZM 2002, 362 (372). Palandt/Grüneberg, § 280 BGB Rz. 32. Emmerich, NZM 2002, 362 (372). AG Lichtenberg v. 29.5.2002 – 7 C 570/01, ZMR 2003, 118 = WuM 2002, 604 = NZM 2003, 714. MünchKomm/Häublein, § 536a BGB Rz. 12. Erman/Ebert, Vor §§ 249–253 BGB Rz. 24. Blank/Börstinghaus, § 536a BGB Rz. 28. Vgl. z.B. Blank/Börstinghaus, § 536a BGB Rz. 33. Vgl. zu den Anforderungen: BGH v. 25.10.2011 – VIII ZR 125/11, MietRB 2012, 2 = MDR 2011, 1464 = WuM 2011, 700 = GuT 2011, 298 = GE 2012, 60; BGH v. 13.12.2002 – V ZR 359/01, NJW-RR 2003, 491 unter II 2a; BGH v. 12.7.1984 – VII ZR 123/83, MDR 1985, 315 = NJW 1984, 2888 m.w.N.; vgl. auch Milger, NZM 2012, 657. A.A. Brandenburgisches OLG v. 28.1.2014 – 6 W 148/13, GE 2014, 668. Palandt/Grüneberg, Vor § 249 BGB Rz. 146. KG v. 28.4.2008 – 8 U 154/07, MietRB 2009, 64 (65) = WuM 2008, 724. BGH v. 14.7.2010 – VIII ZR 45/09, MDR 2010, 1106 = MietRB 2010, 286 = WuM 2010, 578 = GE 2010, 1189 = NZM 2010, 701 = ZMR 2011, 23. BGH v. 7.7.1970 – VI ZR 233/69, NJW 1970, 1970 (unter B II 2b aa) m.w.N.

Lützenkirchen | 537

§ 536a Rz. 73 | Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen eines Mangels besondere in Betracht, wenn Hinweise darauf vorliegen, dass die Sache gut gepflegt war. Soweit für die zum Ersatz gestellten gebrauchten Gegenstände kein Markt (mehr) besteht174 und deshalb kein Marktwert festgestellt werden kann, muss ein Gericht – und zwar selbst unter Berücksichtigung nicht vorgetragener Tatsachen175 – außerdem erwägen, ob der betreffende Schaden nicht durch Ansatz desjenigen Preises zu schätzen ist, der – unter Abzug eines angemessenen Ausgleichs neu für alt – bei der Beschaffung eines gleichwertigen Ersatzgegenstandes angefallen wäre176. 74 Bei der Schadensberechnung sind neben der Kausalität die Grundsätze der Vorteilsausgleichung177 zu

berücksichtigen. In den möglichen Fällen können insbesondere Wertsteigerungen auf Seiten des geschädigten Mieters eintreten, die grundsätzlich auszugleichen sind, wenn der Schaden nicht abstrakt berechnet wird178. Voraussetzung ist eine spürbare Vermögensmehrung durch den Schadensausgleich179. Abzustellen ist dabei grundsätzlich auf die konkrete (beschädigte) Sache, sofern sie nicht Teil einer Sachgesamtheit180 ist. Ist also z.B. die Arbeitsplatte einer Einbauküche beschädigt, ist nicht die (altersbedingte) Wertsteigerung der Arbeitsplatte zu ermitteln, sondern zu prüfen, ob die Einbauküche (Sachgesamtheit) eine Wertsteigerung erfahren hat. 74a Der Schadensersatz für (hier: durch Schimmelpilz) gebrauchsuntauglich gewordenes Mobiliar be-

schränkt sich daher nicht auf den Wiederbeschaffungswert für Gebrauchtmöbel. Vielmehr ist die Höhe des zu ersetzenden Schadens unter Berücksichtigung des Neuanschaffungspreises sowie eines Abzuges „neu für alt“ zu ermitteln181. Um diese Ermittlung realistisch durchführen zu können, muss die Relation der normalen Nutzungsdauer eines Gegenstandes mit dem neuen Gegenstand dargestellt werden182. Insoweit kann auf § 23 ImmoWertVabgestellt werden, der für die Alterswertminderung eine lineare Abschreibung als Regel vorgibt. Im Übrigen kann für die Ermittlung der normalen Lebensdauer der beschädigten Sachen die Anlage 5 zur Wertermittlungsverordnung, die allerdings gemäß § 24 ImmoWertV zum 1.7.2010 außer Kraft getreten ist183, herangezogen werden. Darin sind für eine Vielzahl von Einrichtungsgegenständen oder Teilen einer Mietsache Richtwerte für die normale Nutzungsdauer aufgeführt. 75 Bei der Beschädigung von Kleidern oder anderen Gebrauchsgegenständen gestalten sich die Ermitt-

lungen jedoch schwierig. Hier könnte (ähnlich wie bei Autos) auf einen Marktwert abgestellt werden, nachdem sog. Secondhandläden sich mittlerweile etabliert haben. Hier kann also der Preis angesetzt werden, der in einem solchen Laden für vergleichbare Sachen erzielt werden kann. 76 Der Abzug neu für alt ist im Prozess nicht erst zu berücksichtigen, wenn der Mieter entsprechende Ein-

wendungen erhebt. Vielmehr gehört der Abzug zum schlüssigen Vortrag184, weil er eine besondere Art der Vorteilsausgleichung darstellt185. Deshalb gehen Zweifel zu Lasten des Gläubigers. 77 Einen Überblick über ausgeurteilte Abzüge neu für alt liefert die nachfolgende Tabelle, bei deren An-

wendung jedoch immer berücksichtigt werden muss, dass es sich um Einzelfallentscheidungen handelt:

174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185

Zu denken ist insbesondere an Trödelmärkte, wo auch alte und/oder gebrauchte Möbel verkauft werden. Vgl. BGH v. 24.6.2009 – VIII ZR 332/07, MDR 2009, 1119 = WPM 2009, 1811 (Rz. 16). Vgl. BGH v. 15.10.1991 – VI ZR 314/90, BGHZ 115, 364 (368) = MDR 1992, 131. Dazu Erman/Ebert, Vor § 249 BGB Rz. 93 f.; Palandt/Grüneberg, Vorb v. § 249 BGB Rz. 67 f. Erman/Ebert, Vor § 249 BGB Rz. 95. Erman/Ebert, Vor § 249 BGB Rz. 104. Zum Begriff: MünchKomm/Stresemann, § 90 Rz. 15; Bamberger/Roth/Fritzsche, § 90 BGB Rz. 16; Erman/ J. Schmid, § 90 BGB Rz. 4. LG Mannheim v. 14.2.2007 – 4 S 62/06, ZMR 2007, 971 = NZM 2007, 682. BGH v. 6.12.1995 – VIII ZR 270/94, MDR 1996, 361 = NJW 1996, 584. VO v. 19.5.2010, BGBl. I, S. 639. LG Köln v. 4.4.2000 – 12 S 402/99, KM 30 Nr. 46. OLG Koblenz v. 26.6.2003 – 5 U 192/03, MietRB 2003, 103 = WuM 2003, 445.

538 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 77 § 536a Einrichtungsgegenstand

Normale Lebensdauer in Jahren

Alter in Jahren

Abzug in %

Einbauküche mit einem Wert/einer Größe von ca. 6.135,50 Euro ohne Elektrogeräte

20186

ca. 7.669,40 Euro 10.109,00 Euro/1,5 Zeilen

14188

15.850,00 Euro

17189

21.985,55 Euro

20190

Einbauschrank, -regal

über 30191

Kühlschrank 15–20194

4

20

25

100187

8

100192

16

100

Parkett

12–15193;

Laminat

10195

PVC-Belag

8–10196 15197 20198

19–26

10–12 pro Jahr 100 100

normale Qualität

5–10199 10200 10201 5202

11 1 2 10

100 15 20 67

bessere Qualität

10203; 15204

2 10

20 67

Tisch

10205

5

50

Teppichboden

186 AG Nürnberg v. 10.1.1991 – 25 C 1000/90, WuM 1995, 180 (unter Berücksichtigung der Einschränkung der Weiterverwendbarkeit der Küche infolge Umzuges des Mieters in Höhe von 30 %). 187 LG Berlin v. 14.6.2001 – 62 S 576/00, GE 2001, 1404. 188 OLG Koblenz v. 2.5.1991 – S U 1265/90, NJW-RR 1992, 760. 189 OLG Köln v. 18.2.1998 – 13 U 174/97, NJW-RR 1999, 774. 190 OLG Braunschweig v. 3.5.1996 – 5 U 2/96, OLG-Report 1996, 133. 191 OLG Düsseldorf v. 24.11.1988 – 10 U 53/88, MDR 1989, 353 = NJW-RR 1989, 332 (bei normaler Pflege in Form regelmäßigen Anstreichens). 192 AG Zweibrücken v. 26.6.2013 – 2 C 71/13, ZMR 2014, 218. 193 AG Köln v. 24.2.1977 – 154 C 523/74, WuM 1984, 197. 194 LG Wiesbaden v. 25.2.1991 – 1 S 395/90, WuM 1991, 540. 195 LG Hanau v. 4.4.2014 – 2 S 234/13, BeckRS 2014, 13935. 196 LG Wiesbaden v. 25.2.1991 – 1 S 395/90, WuM 1991, 540. 197 AG Staufen v. 4.3.1991 – 2 C 471/90, WuM 1992, 430. 198 AG Kassel v. 15.3.1996 – 451 C 7217/95, WuM 1996, 757. 199 LG Kiel v. 19.6.1997 – 1 S 276/96, 1 S 277/96, WuM 1998, 215. 200 AG Dortmund v. 26.6.2014 – 425 C 2787/14, GE 2014, 1455; AG Böblingen v. 30.6.1997 – 2 C 3212/96, WuM 1998, 33 (unter Hinweis auf einen erhöhten Wertverlust im 1. Benutzungsjahr). 201 LG Köln v. 31.5.1989 – 10 S 343/88, KM 30 Nr. 22. 202 LG Münster v. 14.7.1989 – 10 S 63/89, WuM 1989, 508. 203 LG Dortmund v. 3.9.1996 – 21 S 110/96, NJWE-MietR 1997, 100 (sofern in der Wohnung Hundehaltung erlaubt ist). 204 LG Köln v. 16.9.1982 – 1 S 114/82, WuM 1983, 126. 205 AG Köln v. 17.1.1990 – 207 C 577/88, WuM 1992, 191.

Lützenkirchen | 539

§ 536a Rz. 78 | Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen eines Mangels b) Mehrkosten für die Anmietung von Ersatzraum 78 Der Mieter kann gezwungen sein, sein Domizil zu wechseln, sowohl wenn ihm die Wohnung – aus

welchem Grund auch immer – nicht rechtzeitig i.S.v. § 535 Abs. 1 BGB zur Verfügung gestellt wird, als auch wenn während der Mietzeit ein erheblicher, Schadensersatzansprüche nach § 536a BGB auslösender Mangel entsteht und er sich zur Beendigung des Mietvertrages entschließt. Im ersten Fall ergeben sich Schadensersatzansprüche aus §§ 280, 281 BGB oder – bei einem Rechtsmangel – aus § 536a BGB (vgl. Vor § 536 BGB Rz. 33). Im zweiten Fall ist zu beachten, dass die Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB zwar kein Verschulden des Vermieters erfordert, Schadensersatz außer bei der Garantiehaftung des § 536a Abs. 1 Var. 1 BGB aber ein Verschulden voraussetzt. aa) Einmalige Kosten

79 Soweit sich der Mieter um ein neues Objekt bemüht, wird er regelmäßig alle vorhandenen Möglichkei-

ten ausschöpfen, um so schnell wie möglich seine prekäre Situation zu beenden. Dazu wird er selbst Zeitungsanzeigen aufgeben und sich bei Maklern und Hausbesitzern schriftlich oder mündlich vorstellen, um deren Angebote prüfen zu können. Die dabei entstehenden Kosten sind ersatzfähig206. 80 Nicht als Schaden gilt der persönliche Arbeitseinsatz des Mieters z.B. für den vergeblichen Umzug207.

Der eigene Zeitaufwand, Porto etc. können mit einer allgemeinen Schadenspauschale von 100 Euro angesetzt werden. (1) Mehrkosten für Einbauten, die im Vertragsobjekt vorhanden waren 81 Diese Schadensposition kann entstehen, wenn das Ersatzobjekt über eine geringere Ausstattung verfügt.

Ein Schaden entsteht zunächst nicht aus den Anschaffungskosten. Denn insoweit fehlt es am Schaden i.S.d. Differenzhypothese (vgl. § 536a BGB Rz. 70). Ein Schaden kommt aber z.B. durch die Kosten der Anlieferung in Betracht. Im Übrigen ist zu prüfen, inwieweit sich die geringere Ausstattung im Mietpreis niedergeschlagen hat (vgl. dazu § 536a BGB Rz. 87). (2) Renovierung und Instandsetzung der Ersatzräume 82 Die Kosten für die Herrichtung der Ersatzräume stellen grundsätzlich einen ersatzfähigen Aufwand

des Mieters dar208. In Betracht kommen die Kosten der Renovierung, die bei Eigenleistung z.B. anhand eines Kostenvoranschlags abstrakt berechnet werden können. Auf die Wirksamkeit der (Anfangs-)Renovierungsvereinbarung mit dem Vermieter der Ersatzräume kommt es nicht an. Maßgeblich kann aber sein, ob sich der unrenovierte Anfangszustand in der Miete niedergeschlagen hat. Wurde die Miete nämlich reduziert, ist dem Mieter auch eine Vermögensposition zugewachsen, die er sich anrechnen lassen muss209. 83 Mangels Kausalität zwischen dem haftungsbegründenden Ereignis und dem geltend gemachten Scha-

den können die Aufwendungen des Mieters bei seinem Einzug in der Regel nicht als Schaden i.S.d. §§ 249 ff. BGB ersetzt werden210. (3) Vertragskosten für die Anmietung des Ersatzobjektes 84 Aufgrund der Situation, dass der Mieter ein neues Objekt suchen muss, kann sich diese Schadensposi-

tion zunächst daraus bilden, dass der Vertrag über das neue Objekt der notariellen Form bedarf (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 36). Andererseits kann aber auch der Umstand, der zum Scheitern des Vertrages

206 BGH v. 18.1.1995 – XII ZR 30/93, ZMR 1995, 480 = DWW 1995, 279 = NJW-RR 1995, 715; LG Köln v. 27.5.1992 – 10 S 41/92, ZMR 19932, 544 = NJW-RR 1993, 524. 207 AG Hamburg-St. Georg v. 22.12.2005 – 914 C 445/05, WuM 2006, 302. 208 Vgl. LG Saarbrücken v. 12.6.1989 – 13 BS 123/88, WuM 1991, 91. 209 Vgl. Erman/Ebert, § 249 BGB Rz. 57. 210 LG Saarbrücken v. 12.6.1989 – 13 BS 123/88, WuM 1991, 91.

540 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 88 § 536a

geführt hat, es notwendig erscheinen lassen, dass sich der Mieter über den Abschluss des Vertrages über das Ersatzobjekt anwaltlich beraten lässt. Diese Kosten können dann vom Vermieter im Wege des Schadenersatzes geltend gemacht werden, wenn besonders schwierige Regelungen zu treffen sind. (4) Maklerkosten Auch diese Kosten sind ersatzfähiger Schaden, wenn sie durch die Anmietung des Ersatzobjektes an- 85 gefallen sind211. Nach der Einführung des Bestellerprinzips in § 2 Abs. 1a WoVermittG kommt diese Schadensposition nur in Betracht, wenn der Mieter einen Makler mit der Suche einer Ersatzwohnung beauftragt hat. Die Notwendigkeit dieser Vermögensausgabe ist so lange nicht zweifelhaft, wie Wohnraumknappheit herrscht. Hat der Mieter zugleich (fristlos) gekündigt, soll es ausnahmsweise möglich sein, die unter Berücksich- 86 tigung des Bestellerprinzips (unnütz) für den gescheiterten Mietvertrag aufgewendeten Maklerkosten zu liquideren. Dies soll etwa in Betracht kommen, wenn der Vermieter wegen der fehlenden Zustimmung des Miteigentümers (= Rechtsmangel) die Überlassung der Mietsache verweigert212, also ein Rechtsmangel vorliegt (Vor § 536 BGB Rz. 34). In diesem Fall kann der Mieter die Provision über § 284 BGB liquidieren (§ 536a BGB Rz. 107). Der Vermieter kann einwenden, dass die Kosten ohnehin wegen einer bevorstehenden Beendigung des Mietvertrages entstanden wären (§ 536a BGB Rz. 99a). bb) Differenz der Miete des Ersatzobjektes zum Vertragsobjekt Ist der Mieter wegen der Mangelhaftigkeit des Mietobjektes (vorübergehend) ausgezogen und zahlt für 87 das Ersatzobjekt eine höhere Miete, begründet die Mehrbelastung grundsätzlich einen ersatzfähigen Schaden213. Insoweit ergibt sich die Mehrbelastung regelmäßig allein aus der Grundmiete, weil den Betriebskosten ein entsprechender Verbrauch bzw. eine Inanspruchnahme gegenübersteht. Bei statischen Betriebskosten (z.B. Grundsteuer) kann sich eine (ersatzfähige) Mehrbelastung ergeben, wenn die Ersatzwohnung größer ist und kleinere Wohnungen nicht verfügbar waren. Es ist aber auch vorstellbar, dass der Mieter mit zusätzlichen Leistungen des Vermieters konfrontiert wird, die im bisherigen Objekt mit der Miete abgegolten waren oder vom Mieter zu leisten sind (z.B. Zuschlag für Schönheitsreparaturen, dazu § 535 BGB Rz. 682a). Um die tatsächliche Mehrbelastung zu ermitteln, sind daher zunächst beide Vermieterleistungen gegenüberzustellen. Sowohl bei Gewerbe-214 als auch bei Wohnraum215 müssen beide Objekte miteinander vergleichbar 88 sein. Insofern ist wie bei einer Mieterhöhung nach § 558 BGB nach den Kriterien der Art, Lage, Ausstattung etc. vorzugehen; diese Anforderung gilt jedoch grundsätzlich nicht für den Sachvortrag, sondern für die Bewertung, ob die Mietdifferenz rechnerisch einfach durch den Abzug der alten von der neuen Miete bestimmt werden kann. Für den Sachvortrag ist es ausreichend, dass behauptet wird, es sei eine Mehrbelastung eingetreten216. Die Kriterien müssen nicht exakt übereinstimmen. Vielmehr sind grundsätzlich wie bei der Ermittlung der ortsüblichen Miete der Standard zu bewerten und für Vor- und Nachteile Zu- und Abschläge vorzunehmen. Das setzt aber voraus, dass die Zu- und Abschläge als Kostenelemente in der Miete wie z.B. bei der Teilinklusivmiete der Betriebskosten (§ 556 BGB Rz. 351) als Anteil enthalten sind217. Allerdings soll auch die Darstellung zum schlüssigen Vortrag gehören, warum überhaupt der Mieter eine teurere Mieteinheit bezogen hat und ob Wohnraum mindestens zu gleichen Konditionen nicht erhältlich war218.

211 LG Köln v. 27.5.1992 – 10 S 41/92, ZMR 19932, 544 = NJW-RR 1993, 524; LG Saarbrücken v. 12.6.1989 – 13 BS 123/88, WuM 1991, 91. 212 AG Hamburg-St. Georg v. 22.12.2005 – 914 C 445/05, WuM 2006, 302. 213 BGH v. 29.3.2017 – VIII ZR 44/16, MDR 2017, 693 = WuM 2017, 510 = GE 2017, 658 Rz. 38 f. 214 OLG Düsseldorf v. 18.12.2003 – 10 U 33/03, WuM 2004, 86 = NZM 2004, 502. 215 LG Köln v. 27.9.1991 – 10 T 230/91, WuM 1992, 14 = NJW-RR 1992, 77; LG Saarbrücken v. 12.6.1989 – 13 B S 123/88, WuM 1991, 91; AG Hamburg-St. Georg v. 22.12.2005 – 914 C 445/05, WuM 2006, 302. 216 BGH v. 29.3.2017 – VIII ZR 44/16, MDR 2017, 693 = WuM 2017, 510 = GE 2017, 658 Rz. 38 f. 217 Flatow, WuM 2015, 191 (193). 218 LG Lübeck v. 17.12.1991 – 14 S 188/90, WuM 1992, 605.

Lützenkirchen | 541

§ 536a Rz. 88a | Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen eines Mangels 88a Die Vergleichbarkeit ist zweifelhaft, wenn zwar die Mietstruktur (z.B. Grundmiete und Vorauszah-

lungen auf Betriebskosten) des bisherigen und des neuen Mietvertrages vergleichbar ist, das Leistungspaket des (neuen) Vermieters aber nicht mit dem Leistungspaket des bisherigen Vermieters übereinstimmt, weil dem Mieter nach dem Vertrag z.B. eine teilgewerbliche Nutzung oder eine Untervermietung erlaubt ist. Es ist auch denkbar, dass der Vermieter im Mietvertrag die Schönheitsreparaturen übernimmt. Nach einer Meinung219 soll in diesen Fällen zunächst die ortübliche Vergleichsmiete ermittelt werden; aus der Differenz zur geschuldeten Miete soll sich dann ergeben, was für die zusätzliche Leistung anzusetzen ist. Diese Methode kann im Einzelfall zum richtigen Ergebnis führen, wenn sich der Vermieter bei der Kalkulation der Miete an der ortsüblichen Vergleichsmiete orientiert hat. Mit dem Begriff der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 Abs. 2 BGB ist sie aber nicht in Einklang zu bringen. Diese orientiert sich an den Marktverhältnissen. Diesem sind nämlich (feste) Zuschläge fremd220. Deshalb entspricht es ganz h.M., dass der „Untermietzuschlag“ nach § 553 Abs. 2 BGB nicht als feste Größe (Zuschlag) verlangt werden kann. Vielmehr ist zu ermitteln, wie hoch die ortsübliche Miete für eine Wohnung ist, bei der dem Mieter (von vornherein) die Untervermietung erlaubt ist (§ 553 BGB Rz. 38). Im Hinblick darauf kann die ortsübliche Vergleichsmiete nicht unabhängig davon ermittelt werden, auf welche Leistung des Vermieters sich die pekuniäre Gegenleistung des Mieters bezieht. Vielmehr muss – im Zweifel durch einen Sachverständigen – herausgefunden werden, wie hoch die ortsübliche Vergleichsmiete für vergleichbare Leistungspakete eines Vermieters ist221. Deshalb ist auch bei der Ermittlung der Mietdifferenz als Schaden des Mieters zu untersuchen, ob die Leistungspakete der jeweiligen Vermieter überhaupt vergleichbar sind. Ist das nicht der Fall, kann der Schaden durch den Mieter nicht schlüssig vorgetragen werden. 88b Der Vermieter kann einwenden, dass die Miete für die neue Wohnung gegen die Vorschriften der

§§ 556d ff. BGB (Mietpreisbremse) verstößt. Dazu muss er schlüssig die Voraussetzungen des § 556d Abs. 1 BGB vortragen und ggf. beweisen. Der Mieter muss die Einschränkungen (§ 556e BGB) und die Ausnahmen (§ 556f BGB) vortragen, so dass er im Zweifel selbst Auskunft bei seinem Vermieter nach § 556g Abs. 3 BGB einholen muss, sofern die Auskunft nach § 556g Abs. 1a BGB keine hinreichende Erkenntnis verschafft. Ob der Mieter (schon) eine Rüge nach § 556g Abs. 2 BGB erhoben hat, ist für diesen Teil der Schadensberechnung unerheblich. 89 Daneben ist zu prüfen, inwieweit für die Wohnung, die der Mieter nicht erhalten hat oder aus der er

wegen ihrer Mangelhaftigkeit ausziehen musste, eine bestimmte Vorzugsmiete galt. War dies der Fall, erstreckt sich der Schadensersatzanspruch des in einer Ersatzwohnung untergebrachten Mieters auf den Unterschiedsbetrag zwischen Vorzugsmiete und Marktmiete für das nicht erhaltene bzw. verlassene Mietobjekt222. 90 Den Ausgleich der Mietdifferenz schuldet der Vermieter solange, bis sich ihm die erste Möglichkeit zur

Kündigung des Mietvertrages bietet223. Liegt also z.B. ein Schriftformmangel bei einem befristeten Mietvertrag vor, berechnet sich der Schaden des Mieters unter dem Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens nur bis zu dem Zeitpunkt, zu dem eine Kündigung des Vermieters greift224. Bei einer ordentlichen Kündigung von Wohnraum müssen die Voraussetzungen des § 573 BGB vorliegen. Bei einer außerordentlichen Kündigung (z.B. §§ 1056, 573d BGB) müssen sich zusätzlich die tatsächlichen Verhältnisse geändert haben. Eine Begrenzung ist im Übrigen denkbar, wenn aufgrund geänderter Lebensumstände im Bereich des Mieters angenommen werden kann, dass er die nicht bezogene bzw. verlassene Wohnung (wieder) aufgegeben hätte. Mit Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist endet auch die Ausgleichspflicht des Vermieters (vgl. auch § 542 BGB Rz. 113). 219 Blank, WuM 2014, 641 (648); Schmidt-Futterer/Börstinghaus, § 556d BGB Rz. 246; Lützenkirchen/Abramenko, § 556d BGB Rz. 34. 220 BGH v. 11.2.2009 – VIII ZR 118/07, WuM 2009, 240 = NZM 2009, 313; BGH v. 9.7.2008 – VIII ZR 83/07, WuM 2008, 487 = GE 2008, 1046 = ZMR 2008, 878; BGH v. 9.7.2008 – VIII ZR 181/07, MietRB 2008, 225 = MDR 2008, 1149 = GE 2008, 1117 = NZM 2008, 641 = DWW 2008, 256 = ZMR 2008, 879. 221 Flatow, WuM 2015, 191 (193) unter Hinweis auf BGH v. 11.2.2009 – VIII ZR 118/07, WuM 2009, 240 = NZM 2009, 313 (kein Zuschlag für Schönheitsreparaturen bei unwirksamer Renovierungsklausel im preisfreien Wohnraum). 222 LG Köln v. 27.9.1991 – 10 T 230/91, WuM 1992, 14 = NJW-RR 1992, 77. 223 LG Köln v. 27.9.1991 – 10 T 230/91, WuM 1992, 14 = NJW-RR 1992, 77. 224 OLG München v. 22.11.2018 – 32 U 1376/18, MietRB 2019, 40 = ZMR 2019, 266.

542 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 95 § 536a

cc) Prozessuales Prozessual kann der Anspruch sukzessive gemäß der Fälligkeit der jeweiligen Mehrbeträge verlangt 91 werden225. Daneben kommt eine Klage auf zukünftige Leistung nach § 259 ZPO in Betracht, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich der Vermieter trotz einer Verurteilung den weiteren Schadenersatzforderungen für die Zukunft entziehen wird, sie also nicht freiwillig erfüllen wird. Insoweit stellt sich aber bei der Formulierung das Problem, dass die Mietdifferenz nur bis zur Beendigung des Mietvertrages über das Ersatzobjekt verlangt werden kann und Mieterhöhungen zu berücksichtigen sind. Dies gilt nicht nur für die Ersatzwohnung, sondern auch für den Mietvertrag über die mangelhafte Wohnung. Es wird sich regelmäßig nicht vorhersehen lassen, wann der Vermieter von § 558 BGB oder sogar von § 559 BGB Gebrauch gemacht hätte. Zur Vermeidung der Verjährung kann insoweit mit einer Feststellungsklage vorgegangen werden. c) Kosten bei einem Zwischenumzug aa) Unterbringungskosten Vor der Übergabe, also wenn ein Rechtsmangel vorliegt, kann diese Schadensposition entstehen, wenn 92 der Mieter seine bisherige Mietwohnung verlassen muss und, bevor er z.B. Ersatzräume beziehen kann, anderweitige Unterbringungsmöglichkeiten nutzt. Während des laufenden Mietvertrages kommt diese Schadensposition in Betracht, sofern der Mieter infolge des Mangels oder der Mängelbeseitigungsarbeiten (vorübergehend) aus der Wohnung ausziehen muss. Letzteres setzt nicht voraus, dass dem Auszug eine auch formell wirksame Kündigung vorausgegangen ist226. Maßgeblich ist allein, dass der Mieter bestehende Mängel der Mietsache berechtigterweise zum Anlass nimmt, wegen einer nicht mehr vorhandenen Tauglichkeit der Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch eine den Umständen nach angemessene neue Wohnung anzumieten. Demnach müssen die materiellen Kündigungsgründe vorliegen227. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der Unterbringung des Mieters selbst (z.B. im Hotel) und seines 93 Mobiliars, Inventars, seiner Warenvorräte etc.228. Die Unterbringung des Mieters selbst findet regelmäßig in einem Hotel statt, sofern absehbar ist, dass er alsbald Ersatzwohnraum beziehen oder in seine Wohnung zurückkehren kann. Dabei sind ihm zunächst die reinen Hotelkosten (abzüglich der ersparten Miete229) zu ersetzen, die für eine seinen Verhältnissen angemessene Unterbringung entstehen. Insoweit muss auf die jeweilige Person aber auch auf das (ggf. nicht durchgeführte) Mietverhältnis abgestellt werden. Daneben fallen zusätzliche Kosten der Lebenshaltung an. Da diese auch bei Durchführung des Miet- 94 vertrages angefallen wären, muss hier im Wege der Schadensschätzung (§ 287 ZPO) ggf. ermittelt werden, ob höhere Aufwendungen durch die Unterbringung im Hotel entstanden sind (Verpflegungskosten unter Abzug einer Eigenbeteiligung230). Eine Orientierung können dabei die Pauschalsätze für Mehrverpflegungsaufwand nach § 4 Abs. 5 EStG bilden. Jedenfalls können Mehrkosten für Gaststätten- bzw. Restaurantverpflegung erstattungsfähig sein, falls der Mieter üblicherweise selbst gekocht hat und die Küche wegen der Nichtgewährung des Gebrauchs, des Mangels oder der Mängelbeseitigung nicht nutzen konnte. Neben der ersparten Miete231 sind schadensmindernd die Kosten der Haushaltsführung zu berück- 95 sichtigen, die der Mieter erspart hat (insbesondere Kosten für Strom, Wasser, Heizung, Telefon). Bei

225 BGH v. 2.2.1972 – VIII ZR 160/70, MDR 1972, 411. 226 BGH v. 3.7.2013 – VIII ZR 191/12, MDR 2013, 1025 = MietRB 2013, 288 = WuM 2013, 538 = GE 2013, 1129. 227 BGH v. 2.11.2016 – XII ZR 153/15, MDR 2017, 572 = WuM 2017, 18 = ZMR 2017, 36. 228 LG Duisburg v. 1.3.1988 – 7 S 203/87, WuM 1989, 14. 229 AG Hamburg-Harburg v. 19.10.2010 – 642 C 471/09, ZMR 2011, 300 (dort auch zum Abzug von Beträgen, weil die Ersatzunterkunft zusätzliche Einrichtungen zur Verfügung stellt). 230 AG Köpenick v. 21.4.2010 – 15 C 128/09, MM 2010, 227 (Frühstück = 10 Euro); AG Hamburg-Harburg v. 19.10.2010 – 642 C 471/09, ZMR 2011, 300 (ersparte Verpflegungskosten 10 Euro/Tag). 231 AG Hamburg-Harburg v. 19.10.2010 – 642 C 471/09, ZMR 2011, 300.

Lützenkirchen | 543

§ 536a Rz. 95 | Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen eines Mangels den ersparten Kosten können z.B. die Verbrauchsrechnungen der letzten zwölf Monate zugrunde gelegt und auf den Zeitraum der Unterbringung angerechnet werden. 96 Bei einem Aufenthalt im Hotel bzw. einer nicht durchgeführten gewerblichen Vermietung muss auch

das Mobiliar/Inventar anderweitig untergebracht werden. Dies kann z.B. in Lagerräumen einer Spedition erfolgen, die dafür Lagerkosten berechnet. bb) Umzugskosten 97 Diese im Umfang des Notwendigen ersatzfähigen232 Kosten entstehen vor der Übergabe und während

der Mietzeit, wenn der Mieter infolge des Mangels vorübergehend ein anderes Domizil einnehmen muss oder infolge erheblicher Mängel – nach Kündigung – endgültig auszieht. Auch insoweit ist nicht Voraussetzung, dass eine wirksame Kündigung vorliegt (vgl. § 536a BGB Rz. 92). 98 Erfasst werden zunächst alle Schadenspositionen, die mit dem Transport des Umzugsgutes im Zusam-

menhang stehen. Dazu gehören die Kosten eines Spediteurs, eines Mietwagens233, Trinkgelder in angemessenem Umfang für Mitarbeiter, Bekannte etc., die bei einem Umzug geholfen haben, etc. Allerdings soll grundsätzlich die eigene Arbeitszeit nicht ansatzfähig sein234. 99 Bei einem Zwischenumzug ist zu beachten, dass der Bezug der Mieträume, die nicht zur Verfügung

gestellt werden konnten, ebenfalls Kosten verursacht hätte. Müssen also z.B. zwei Umzüge stattfinden, bis ein endgültiges Domizil bezogen werden kann, müssen die fiktiven Kosten des Umzuges in die eigentlichen Mieträume und die tatsächlich entstandenen Kosten gegenübergestellt werden. Die Differenz ist auszugleichen. Dabei muss jede einzelne (Unter-)Schadensposition aufgeführt und möglichst betragsmäßig beziffert werden, um unsubstantiierten Vortrag zu vermeiden235. 99a Der Einwand des Vermieters, die Kosten wären auch ohne den Mangel oder im Falle der Beseitigung

angefallen, kann unter dem Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens beachtlich sein236. Die Erheblichkeit des Einwands richtet sich nach dem Schutzzweck der jeweils verletzten Norm237. Voraussetzung ist zudem, dass derselbe Erfolg effektiv herbeigeführt worden wäre; die bloße Möglichkeit, ihn rechtmäßig herbeiführen zu können, reicht nicht aus238. Deshalb kann nicht allein daraus, dass der Mieter vor dem Kündigungszeitpunkt bereits Angebote für einen Umzug eingeholt hat, geschlossen werden, er wäre sowieso ausgezogen239. In den einschlägigen Konstellationen ist als Schutzzweck zu berücksichtigen, dass die §§ 543 Abs. 2 Nr. 1, 536, 536a BGB den Mieter dagegen sichern sollen, dass der Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses durch mangelbedingte Nichtgewährung oder Entziehung des vertragsgemäßen Gebrauchs für den Mieter unzumutbar macht240. cc) Prozesskosten für Räumung des bisherigen Mietobjektes 100 Diese Schadensposition entsteht grundsätzlich nur vor der Übergabe, wenn das Mietobjekt nicht recht-

zeitig frei wird, also vom Mieter nicht bezogen werden kann. Hat sich der Mieter in dieser Situation entschlossen, seine bisherigen Räume weiterzunutzen, bis er Ersatzraum gefunden hat oder die Wohnung beziehen kann, droht ihm ein Räumungsprozess seines bisherigen Vermieters. Diese Kosten sind regelmäßig adäquat-kausal. 101 Allerdings kann für den Mieter erkennbar sein, dass daneben noch weitere Schäden des Vermieters

drohen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der (bisherige) Vermieter die Räume schon weitervermie232 BGH v. 6.2.1974 – VIII ZR 239/72, MDR 1974, 838. 233 LG Saarbrücken v. 12.6.1989 – 13 B S 123/88, WuM 1991, 91 (93); AG Bonn v. 8.6.2016 – 203 C 317/15, ZMR 2016, 880. 234 AG Hamburg-St. Georg v. 22.12.2005 – 914 C 445/05, WuM 2006, 302. 235 Vgl. LG Saarbrücken v. 12.6.1989 – 13 B S 123/88, WuM 1991, 91 (93). 236 BGH v. 2.11.2016 – XII ZR 153/15, MDR 2017, 572 = WuM 2017, 18. 237 BGH v. 19.7.2016 – VI ZR 75/15, MDR 2016, 1141 = VersR 2016, 1191 Rz. 7; BGH v. 9.3.2012 – V ZR 156/ 11, NJW 2012, 2022 Rz. 17. 238 BGH v. 9.3.2012 – V ZR 156/11, NJW 2012, 2022 Rz. 17 m.w.N. 239 BGH v. 2.11.2016 – XII ZR 153/15, MDR 2017, 572 = WuM 2017, 18 = ZMR 2017, 36. 240 BGH v. 2.11.2016 – XII ZR 153/15, MDR 2017, 572 = WuM 2017, 18 = ZMR 2017, 36.

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B. Wohnraummiete | Rz. 107 § 536a

tet hat, so dass er sich selber schadensersatzpflichtig gegenüber dem neuen Mieter macht. Insbesondere wenn für den Mieter nicht absehbar ist, in welcher Höhe hier Schäden entstehen können, kann es ihm im Rahmen des § 254 BGB nicht entgegengehalten werden, dass er sich für einen Zwischenumzug z.B. ins Hotel entschieden hat. Im Rahmen des § 254 BGB ist zu prüfen, ob der Mieter die Möglichkeiten des § 93b ZPO genutzt hat241. 102 War also das Freiwerden der neuen Wohnung absehbar, kann der Mieter verpflichtet sein, bei seinem bisherigen Vermieter einen begründeten Antrag auf Gewährung einer Räumungsfrist zu stellen. d) Vergebliche Aufwendungen Bis zur Einführung der Schuldrechtsmodernisierung am 1.1.2002 war diese Schadensposition unter 103 dem Gesichtspunkt der „nutzlosen Aufwendungen“ unter bestimmten Umständen ersatzfähig242. Insoweit kam es zunächst darauf an, dass die Aufwendungen in dem neuen Ersatzobjekt nicht verwendet werden konnten243. Regelmäßig kann dies erst beurteilt werden, wenn tatsächlich ein Ersatzobjekt gefunden wurde. Stellt sich dann z.B. heraus, dass bereits maßgefertigte Möbel oder sonstige Einbauten (z.B. Gasetagenheizung, Telefonanschluss, maßgefertigte Gardinen) im Ersatzobjekt nicht verwendet werden können, stellt sich die Frage der Ersatzfähigkeit. Jedenfalls in der Gewerberaummiete konnte gegen den Ersatz dieser Kosten nicht eingewendet werden, 104 die Kosten hätten das wirtschaftliche Ergebnis des Mieters von vornherein belastet. Denn insoweit bestand die – widerlegliche – Vermutung, dass der Mieter die Aufwendungen unter Einsatz des Mietobjektes wieder erwirtschaftet hätte (sog. Rentabilitätsvermutung)244. Deshalb war diese Vermutung nicht anzuwenden, soweit der Mieter keine wirtschaftlichen Zwecke verfolgte (z.B. bei der Wohnraummiete)245. Hier konnten also nur die zusätzlichen Aufwendungen für das neue Mietobjekt geltend gemacht werden246. Seit dem 1.1.2002 werden die vergeblichen („frustrierten“) Aufwendungen durch § 284 BGB dem ne- 105 gativen Interesse des Gläubigers zugeordnet247. Um Ersatz dieser Aufwendungen zu erhalten, kommt es auf eine Rentabilitätsvermutung grundsätzlich nicht mehr an248. Der Mieter kann die Aufwendungen ersetzt verlangen, wenn er sie „billigerweise“ tätigen durfte249, es sei denn, deren Zweck wäre auch ohne die Pflichtverletzung des Schuldners nicht erreicht worden. Als „Paradebeispiel“ gilt dafür der Fall, in dem sich nach dem Bruch eines Mietvertrages über eine Halle für eine Parteiveranstaltung herausstellt, dass die vorgesehene Veranstaltung ohnehin mangels Mitgliederinteresses abgesagt worden wäre250. § 284 BGB ist nicht nur im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 281 BGB anwendbar, dessen Vo- 106 raussetzungen vorliegen müssen. Zumindest bei einem Rechtsmangel kommt § 536a BGB als Anspruchsgrundlage in Betracht. Dessen Wortlaut wurde zwar zum 1.1.2002 durch die Streichung der Worte „wegen Nichterfüllung“ geändert, so dass er formal nun (nur noch?) Schadensersatz i.S.v. § 280 BGB als Rechtsfolge vorsieht. Durch die Streichung soll aber nur eine Anpassung an die neue Terminologie ohne inhaltliche Änderung erfolgt sein251. Hiervon ist auszugehen, zumal auch durch die vier Monate vorher in Kraft getretene Mietrechtsreform keine Änderung hinsichtlich der Rechtsfolge eintreten sollte252. Vor diesem Hintergrund besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass der Rückgriff auf § 284 BGB im Miet- 107 recht allgemein und erst recht in dem wichtigen Fall der Verletzung der Überlassungspflicht durch

241 242 243 244 245 246 247 248 249 250 251 252

Vgl. dazu LG Stuttgart v. 17.8.2004 – 19 T 165/04, WuM 2004, 620. Bub/Treier/Kraemer, (3. Aufl.) III Rz. 1213. BGH v. 22.6.1988 – VIII ZR 232/87, MDR 1988, 1052 = NJW 1988, 2664. BGH v. 10.12.1986 – VIII ZR 349/85, BGHZ 99, 182 = MDR 1987, 399. BGH v. 2.3.1994 – XII ZR 175/92, ZMR 1994, 253. Vgl. LG Saarbrücken v. 12.6.1989 – 13 B S 123/88, WuM 1991, 91 (93). Zimmer, NJW 2002, 1 (10). Schmidt-Räntsch, Das neue Schuldrecht, Rz. 380. Vgl. dazu: Canaris, JZ 2001, 499 (517). Zimmer, NJW 2002, 1 (10); Schmidt-Räntsch, Das neue Schuldrecht, Rz. 380. BT-Drucks. 14/6857, S. 67 zu Nr. 121. Begr. d. RefE, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Anhang Rz. 1136.

Lützenkirchen | 545

§ 536a Rz. 107 | Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen eines Mangels einen Rechtsmangel nicht möglich sein sollte253. Ansonsten entsteht das kuriose Ergebnis, dass der Vermieter bei (mutwilliger) Zerstörung der Mietsache auf Ersatz der vergeblichen Aufwendungen haftet, nicht jedoch bei (z.B. vorsätzlicher) Doppelvermietung. Abgesehen davon wollte der Gesetzgeber durch die Einführung des § 284 BGB gerade die Rentabilitätsvermutung abschaffen und einen umfassenden Aufwendungsersatzanspruch einräumen, der gerade auch dem Wohnraummieter zuzubilligen ist254. 108 Ob § 284 BGB auch im Anwendungsbereich des § 539 BGB gilt, der als Rechtsgrundverweisung das

Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 684 S. 1, 812, 818 BGB erfordert, ist umstritten. Während die h.M. die Anwendbarkeit bejaht255, wird teilweise zwischen befristeten und unbefristeten Mietverträgen differenziert256 oder sogar der Aufwendungsersatz nach § 539 BGB darauf beschränkt, dass eine vorzeitige Beendigung des Mietvertrages stattfindet, so dass durch die parallele Anwendung des § 284 BGB die Vorschrift des § 539 Abs. 1 BGB entwertet würde257. Den zuletzt dargestellten Meinungen kann nicht gefolgt werden. Denn § 284 BGB steht im Allgemeinen Schuldrecht quasi vor der Klammer. Für eine einschränkende Anwendung sind keine durchgreifenden Gründe ersichtlich. 109 Fraglich ist, ob neben dem Anspruch aus § 284 BGB ein auf das negative Interesse gerichteter Schaden-

ersatzanspruch nach § 281 BGB in Betracht kommt. Die Formulierung („anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung …“) spricht dagegen, so dass z.B. kein entgangener Gewinn (zusätzlich) geltend gemacht werden kann258. § 284 BGB ist so zu verstehen, dass der Gläubiger entweder Schadensersatz statt der Leistung oder frustrierte Aufwendungen geltend machen kann. Deshalb wird die Meinung vertreten, dass bei einem auf Gewinnerzielung gerichteten Vertrag (z.B. Gewerberaummietvertrag) wegen der Rentabilitätsvermutung die nutzlosen Aufwendungen ein Unterfall des Schadensersatzes statt der Leistung sind259. Dies ist jedoch schon wegen des klaren Wortlauts abzulehnen. Richtigerweise schließen sich § 284 BGB und § 281 BGB (und damit auch § 536a BGB) nur insoweit aus, wie sie den identischen Vermögensnachteil betreffen260. Erst recht ist es möglich, dass neben § 284 BGB ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB besteht261. 110 Für die Geltendmachung von Aufwendungen als Vermögensschaden262 gilt ergänzend § 256 BGB.

Demnach hat der Mieter Anspruch auf eine Verzinsung gemäß § 246 BGB in Höhe von 4 % ab dem Zeitpunkt, zu dem er z.B. die Kosten bezahlt hat. aa) Investitionen in die Mietsache 111 Insbesondere im Stadium vor der Übergabe kann diese Position entstehen. Denn der Mieter kann im

Vorgriff auf den Bezug des Mietvertrages schon Einbaumöbel, Vorhänge o.Ä. bestellen. 112 Da sich der Zweck i.S.v. § 284 BGB nicht auf wirtschaftliche Zielsetzungen beschränkt263, gilt der Auf-

wendungsersatzanspruch auch für Wohnraummietverträge264. Wird dem Mieter, der sich von seiner Ehefrau trennen will, z.B. eine Dachgeschosswohnung nicht fristgerecht überlassen, für die er maßgefertigte Einbaumöbel erworben hat, kann er über § 284 BGB diesen Aufwand liquidieren. Insoweit ist es unerheblich, wenn er sich mit seiner Ehefrau wieder versöhnt und daher die Übergabe der Wohnung für ihn keinen Sinn mehr macht. Denn für die Annahme der Voraussetzungen des § 284 HS. 2 BGB kommt es auf den Zeitpunkt der vorgesehenen Vertragserfüllung an.

253 LG Berlin v. 27.9.2013 – 63 S 127/13, WuM 2013, 665 = ZMR 2014, 725; MünchKomm/Häublein, § 536a BGB Rz. 17 m.w.N.; vgl. auch AG Eisenach v. 18.1.2007 – 54 C 502/03, zitiert nach juris. 254 Emmerich, NZM 2002, 362 (364). 255 Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 52; Schaub, FS Bilanz, S. 168, 178; Gsell, NZM 2010, 71 (77). 256 Oechsler, NZM 2004, 647 (648). 257 Horst, DWW 2012, 242 (243). 258 Zimmer, NJW 2002, 1 (10). 259 Weitemeyer, AcP 205, 275. 260 LG Berlin v. 27.9.2013 – 63 S 127/13, WuM 2013, 665 = ZMR 2014, 725. 261 BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 275/04, MDR 2005, 1335 = NJW 2005, 2848. 262 Erman/Ebert, § 256 BGB Rz. 2. 263 Schmidt-Räntsch, Das neue Schuldrecht, Rz. 380. 264 AnwaltsKomm/Dauner-Lieb, § 284 BGB Rz. 4.

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B. Wohnraummiete | Rz. 119 § 536a

bb) Planungskosten In der Wohnraummiete ist es denkbar, dass der Mieter seine (neue) Wohnung z.B. durch einen Innen- 113 architekten planen lässt. Bei der Errichtung von Geschäftsräumen entstehen nicht selten Kosten für die Planung und behördliche Genehmigung (Nutzungsänderung, Betriebserlaubnis etc.). Diese Kosten sind regelmäßig speziell für das konkrete Mietobjekt entstanden und können daher ebenfalls als „nutzlose Aufwendung“ – bei gewerblichen Mietverhältnissen auch ohne Rentabilitätsvermutung (vgl. § 536a BGB Rz. 104) – ersetzt verlangt werden. Insoweit gilt § 284 BGB. e) Entgangene Nutzung als solche Diese Schadensposition kommt in Betracht, wenn das Vertragsobjekt zu einer gegenüber der Markt- 114 miete geringeren Miete vermietet werden sollte. Denn in der Vorenthaltung einer vertraglich zugesicherten Nutzungsmöglichkeit liegt ein Vermögensschaden265. Damit liegt der Nichterfüllungsschaden im Unterschied zwischen dem entsprechend der Marktmiete zu veranschlagenden Nutzungsinteresse und der tatsächlich vereinbarten geringeren Miete. Die Schadensposition entfällt, wenn die Differenz der Miete des Ersatzobjektes zum Vertragsobjekt und Schadenspositionen im Zusammenhang mit der Beschaffung des Ersatzobjektes geltend gemacht werden266. Im Übrigen erleidet der Mieter durch den vorübergehenden Entgang der Gebrauchsmöglichkeit allen- 115 falls dann einen Vermögensschaden, wenn die Wohnung für seine Lebenshaltung von zentraler Bedeutung war und er sie selbst bewohnen wollte267. Ansprüche wegen entgangener Gebrauchsvorteile stehen dem Mieter nicht zu. Denn diese Art von 116 Vermögensschaden kann nur der Eigentümer wegen der entgangenen Selbstnutzung seiner Wohnung/ Immobilie geltend machen268. f) Rechtsverfolgungskosten Die Kosten der Rechtsverfolgung bilden eine eigene Schadensposition. Es handelt sich um einen Ver- 117 mögensfolgeschaden269. Insoweit besteht zumindest ein unselbständiger materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch, der sich in den hier relevanten Konstellationen bis zur Übergabe an §§ 280, 281 BGB anhängt und im Übrigen an § 536a Abs. 1 BGB. Ob daneben ein selbständiger Kostenerstattungsanspruch besteht, kann in der gegebenen Situation dahinstehen. Denn der Schadensersatzanspruch ist bereits entstanden, so dass die Unterscheidung grundsätzlich ohne Bedeutung ist270. aa) Rechtsanwaltsgebühren In der gegebenen Konstellation können Gebühren für die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen 118 und/oder die Erklärung von Kündigung/Rücktritt entstehen. Diese hat der Vermieter als notwendige Folge des Vermögensschadens zu tragen. Den Bezugspunkt für die Gebührenberechnung des Rechtsanwalts bildet die (letzten Endes festgestellte) Höhe des Schadens. Der Gebührenstreitwert für den (reinen) Schadensersatzanspruch orientiert sich an der Höhe des 119 Schadens. Insoweit ist das Innenverhältnis zwischen Auftraggeber (= Mieter) und Rechtsanwalt einerseits und der schadensersatzrechtliche Erstattungsanspruch im Verhältnis des Geschädigten (= Mieter) zum Schädiger (= Vermieter) andererseits zu unterscheiden271. Der dem Gläubiger entstandene Schaden besteht in der anwaltlichen Vergütung, die er seinem Rechtsanwalt für dessen außergerichtliche Tätigkeit schuldet, soweit sie auf der Pflichtverletzung beruht. Selbst wenn die Beauftragung weitere Ansprüche zum Gegenstand hatte, ist der so bestimmte Umfang der Beauftragung nur für die Abrechnung zwi265 266 267 268 269 270 271

BGH v. 16.9.1987 – IVb ZR 27/86, MDR 1988, 129 = NJW 1988, 251 (252). LG Köln v. 27.9.1991 – 10 T 230/91, WuM 1992, 14 = NJW-RR 1992, 77. BGH v. 31.10.1986 – V ZR 140/85, MDR 1987, 394 = NJW 1987, 771. BGH v. 9.7.1986 – GSZ 1/86, MDR 1987, 109 = ZMR 1987, 253 = NJW-RR 1987, 14. Erman/Ebert, § 249 BGB Rz. 94. Staudinger/Schiemann, § 251 BGB Rz. 115 m.w.N. BGH v. 7.11.2007 – VIII ZR 341/06, MDR 2008, 351 = MietRB 2008, 74 = NZM 2008, 204.

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§ 536a Rz. 119 | Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen eines Mangels schen dem Geschädigten und seinem Anwalt maßgebend (Innenverhältnis). Kostenerstattung aufgrund des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs kann der Geschädigte dagegen insoweit verlangen, als seine Forderung diesem gegenüber besteht272. Dem Erstattungsanspruch des Geschädigten hinsichtlich der ihm entstandenen Anwaltskosten ist im Verhältnis zum Schädiger somit grundsätzlich der Gegenstandswert zugrunde zu legen, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht. 120 Im anderen Fall hat eine Rechtsverfolgung zumindest auch über die Beendigung des Mietvertrages

stattgefunden. Im Fall des anfänglichen Rechtsmangels, in dem die Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB erklärt werden muss, liegt eine gesondert zu vergütende Angelegenheit i.S.v. § 15 RVG vor, weil sie auf eine andere Rechtsfolge gerichtet ist273. Dies gilt auch dann, wenn die Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB im laufenden Mietvertrag erklärt wird und sich der Vermieter in Verzug befindet. Denn mit einer eventuellen anschließenden Räumungsklage oder der Weiterverfolgung von Schadensersatzansprüchen besteht keine innere Verbindung. 121 Die Berechnung des Gegenstandswertes für die Erklärung einer Kündigung ist strittig. Ein Teil der

Rechtsprechung will gemäß § 23 Abs. 1 S. 3 RVG auf § 41 GKG abstellen und damit auf den Jahresmietwert274. Maßgeblich soll danach die Miete eines Jahres sein und, sofern die Dauer des Mietverhältnisses geringer sei, der Mietbetrag für den geringeren Zeitraum275. Andere halten die Vorschrift des § 23 Abs. 1 S. 3 RVG für nicht anwendbar, da der Ausspruch einer Kündigung niemals Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein kann276. Der BGH hat sich hier der erstgenannten Meinung angeschlossen277. Zwar ist diese Entscheidung für die Kündigung des Vermieters ergangen, der anschließend ein Räumungsklageverfahren führen kann. Als Argument wird aber auch der Zweck des § 42 GKG angeführt. Danach beruht die zu einem verhältnismäßig niedrigen Gegenstandswert führende Regelung auf sozialen Erwägungen des Gesetzgebers; insbesondere Wohnraummietstreitigkeiten sollten für die Beteiligten „bezahlbar“ bleiben278. Diese Zielsetzung spricht dafür, die Berechnung der Geschäftsgebühr für die Kündigung des Mieters nicht höher anzusetzen. bb) Kosten der Beweissicherung 122 Hierbei können Kosten sowohl hinsichtlich des Vertragsobjektes im Stadium vor der Übergabe nach

§ 535 Abs. 1 BGB entstehen, um das Leistungshindernis zu dokumentieren, als auch hinsichtlich des Ersatzobjektes, um den Zustand festzuhalten, der weitere Schadensersatzpositionen begründen soll. Schließlich sind im Anwendungsbereich des § 536a BGB Mangelfeststellungskosten denkbar. 123 Gerade bei den Mangelfeststellungskosten ist das Wertungssystem der §§ 535 Abs. 1 S. 2, 536, 536a

BGB zu beachten. Danach hat der Vermieter grundsätzlich die Kosten der Mängelfeststellung zu tragen, wenn ein Mangel der Mietsache vorliegt279. Bei der Abgrenzung, ob Schadensersatz nach § 536a Abs. 1 BGB oder Aufwendungsersatz nach § 536a Abs. 2 BGB verlangt werden kann, ist von der gesetzgeberischen Wertung auszugehen, wonach grundsätzlich dem Vermieter Vorrang bei der Beseitigung eines Mangels eingeräumt werden soll280. Dies hat zur Folge, dass Aufwendungsersatzansprüche des Mieters zur Mängelbeseitigung nach § 536a Abs. 2 BGB nicht alternativ als Schadensersatzansprüche nach § 536a Abs. 1 BGB geltend gemacht werden können, wenn die Voraussetzungen des § 536a Abs. 2 BGB nicht vorliegen. Grob kann insoweit die Unterscheidung getroffen werden, dass Mangelfeststel-

272 273 274 275 276 277 278 279 280

BGH v. 18.1.2005 – VI ZR 73/04, MDR 2005, 751 = NJW 2005, 1112 (unter II 2). LG Köln v. 4.11.1998 – 20 O 343/98, MDR 2000, 730 = NZM 1999, 1053. AG Köln v. 29.5.2002 – 141 C 17/02, MDR 2002, 1030 m. abl. Anm. N. Schneider. Hansens, ZAP Fach 24 S. 549 ff., vgl. auch BGH v. 13.3.2007 – VIII ZR 189/06, MietRB 2007, 288 = MDR 2007, 917 = WuM 2007, 283 = NZM 2007, 355. So insbesondere LG Karlsruhe v. 14.10.2005 – 9 S 177/05, AGS 2006, 112 m. Anm. N. Schneider = NZM 2006, 259 = NJW 2006, 1526 = InfoM 2005, 324 (325) = RVG professionell 2006, 65; Lützenkirchen/N. Schneider, AHB Mietrecht, N Rz. 491 m.w.N. BGH v. 14.3.2007 – VIII ZR 184/06, MDR 2007, 982 = MietRB 2007, 172 = WuM 2007, 330. Vgl. Hartmann, Kostengesetze, § 41 RVG Rz. 2. AG Suhl v. 8.2.2012 – 1 C 419/11, WuM 2012, 315. Vgl. BGH v. 16.1.2008 – VIII ZR 222/06, MietRB 2008, 97 = MDR 2008, 440 = NJW 2008, 1218.

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B. Wohnraummiete | Rz. 130 § 536a

lungskosten grundsätzlich unter § 536a Abs. 1 BGB fallen, während Mangelbeseitigungs- und damit zusammenhängende Mangelerforschungskosten § 536a Abs. 2 BGB zuzuordnen sind281. Deshalb sind z.B. Feuchtigkeitsmessungen, die dazu dienen sollen, die Entwicklung eines Abtrock- 124 nungsprozesses bewerten und einschätzen zu können, vorrangig dem Vermieter zu überlassen. Ein Ersatz der dafür seitens des Mieters aufgewendeten Kosten kann also nur nach § 536a Abs. 2 BGB verlangt werden282. Ein Mieter kann die Kosten für die private Beauftragung eines Sachverständigen zur Mangelfeststel- 125 lung nur dann als Mangelfolgeschaden gem. § 536a Abs. 1 BGB ersetzt verlangen, wenn die betreffenden gutachterlichen Feststellungen nach den Umständen erforderlich erscheinen, und nur dann, wenn den Mieter die Darlegungs- und Beweislast trifft283. Das ist nicht der Fall, wenn es um die Beseitigung eines vom Vermieter anerkannten Mangels geht284. Kosten entstehen dabei durch Sachverständigengutachten, Fotos, Fahrgelder für Zeugen etc.285.

126

g) Zeitaufwand des Geschädigten Nach ständiger Rechtsprechung bildet der Zeitaufwand des Geschädigten bei der außergerichtlichen 127 Abwicklung von Schadensersatzansprüchen keine selbständige bzw. ersatzfähige Schadensposition286. Das Gleiche soll für vertanen Urlaub287 oder persönlichen Arbeitseinsatz des Mieters z.B. für den vergeblichen Umzug288 gelten. Dagegen kann für Telefon, Porto und Fahrtkosten ohne weitere Spezifizierung289 eine Auslagenpau- 128 schale verlangt werden, die zwischen 30 und 100 Euro angesetzt werden kann. h) Schmerzensgeld Wirkt sich die Pflichtverletzung des Vermieters im Stadium vor der Übergabe oder der Mangel, der 129 den Anspruch nach § 536a BGB begründet, in einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit aus, kann gemäß § 253 Abs. 2 BGB auch Schmerzensgeld verlangt werden. Das Schmerzensgeld verfolgt vordringlich das Ziel, dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich 130 für diejenigen Schäden zu bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind (sog. Ausgleichsfunktion). Wesentliche Bemessungskriterien sind insoweit Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden, Entstellungen und psychischen Beeinträchtigungen, wobei als objektivierbare Umstände vor allem die Art der Primärverletzung, die Zahl und Schwere etwaiger Operationen, die Dauer der stationären und ambulanten Heilbehandlungen, der Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit und das Verbleiben eines Dauerschadens besonderes Gewicht besitzen290. Darüber hinaus soll das Schmerzensgeld nach höchstrichterlicher Rechtsprechung dem Geschädigten auch Genugtuung für das erlittene Unrecht gewähren291. We-

281 282 283 284 285

286 287 288 289 290 291

OLG Düsseldorf v. 29.7.2010 – 24 U 20/10, InfoM 2010, 532. OLG Düsseldorf v. 29.7.2010 – 24 U 20/10, InfoM 2010, 532. OLG Düsseldorf v. 29.7.2010 – 24 U 20/10, InfoM 2010, 532. OLG Düsseldorf v. 29.7.2010 – 24 U 20/10, InfoM 2010, 532. BGH v. 26.5.2004 – VIII ZR 77/03, MDR 2004, 1108 = WuM 2004, 466 = ZMR 2004, 659 = NZM 2004, 615 = MietRB 2004, 284; OLG Hamm v. 3.2.1983 – 4 REMiet 7/82, MDR 1983, 491 = NJW 1983, 1332 = WuM 1983, 76; KG v. 22.11.1984 – 8 U 87/84, GE 1985, 249; OLG Köln v. 17.12.1993 – 19 U 189/93, NJW-RR 1994, 524; KG v. 3.7.1995 – 20 U 2209/94, GE 1995, 1011; LG Berlin v. 28.4.2000 – 64 S 561/99, GE 2000, 811; LG Berlin v. 4.7.2001 – 82 T 408/01, GE 2001, 1198. AG Hamburg-St. Georg v. 22.12.2005 – 914 C 445/05, WuM 2006, 302. AG Bergisch Gladbach v. 21.2.1997 – 61 C 424/96, KM 30 Nr. 25; a.A. LG Köln v. 10.1.1990 – 10 S 349/89, KM 32 Nr. 11. AG Hamburg-St. Georg v. 22.12.2005 – 914 C 445/05, WuM 2006, 302. Beispiel für eine Spezifizierung: AG Bonn v. 8.6.2016 – 203 C 317/15, ZMR 2016, 880. BGH v. 6.7.1955 – GrZS 1/55, NJW 1955, 1675; BGH v. 29.11.1994 – VI ZR 93/94, BGHZ 128, 117 = MDR 1995, 482; BGH v. 29.11.1994 – VI ZR 93/94, MDR 1995, 482 = NJW 1995, 781 m.w.N. BGH v. 6.7.1955 – GrZS 1/55, NJW 1955, 1675; BGH v. 13.10.1992 – VI ZR 201/91, MDR 1993, 123 = BGHZ 120, 4; kritisch dazu Palandt/Heinrichs, § 253 BGB Rz. 11.

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§ 536a Rz. 130 | Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen eines Mangels sentliche Beurteilungskriterien sind insoweit das Maß des Verschuldens des Schädigers, die Höhe des Mitverschuldens des Geschädigten sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse beider Seiten292. Schließlich ist das Schmerzensgeld an Urteilen für vergleichbare Fälle zu orientieren293. 131 Unter Beachtung dieser Maßgaben ist die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes 132

– in Höhe von 6.000 Euro zum Ausgleich der immateriellen Beeinträchtigungen einer schweren beidseitigen Lungenpneumonie aufgrund einer Legionelleninfektion angemessen, wenn dem Vermieter lediglich einfache Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist und sich die Infektion annähernd an der Grenze eines allgemeinen Lebensrisikos realisiert hat294;

133

– nicht gerechtfertigt, wenn die Mietwohnung aufgrund von Baumängeln (und nicht des Nutzungsverhaltens des Mieters) Feuchtigkeitsschäden und Schimmelpilzbildung aufweist und beim Mieter während der Mietzeit eine Erkrankung in Form eines Fibromyalgiesyndroms aufgetreten ist, jedoch keine gesicherten medizinischen Erkenntnisse über die Ursache der Erkrankung bestehen, und die vorhandenen Erfahrungen und Forschungsergebnisse nicht die Annahme tragen, dass die in der Wohnung bestehende Feuchtigkeit in einem auslösenden oder das Krankheitsbild verstärkenden ursächlichen Zusammenhang steht295;

134

– wegen einer nach einem Wassereinbruch ausgebrochenen Allergieerkrankung möglich, wenn diese irreversibel ist und zu einer nicht mehr umkehrbaren Asthmaerkrankung einschließlich einer Lungenschädigung geführt hat296;

135

– von 20.000 Euro gerechtfertigt, wenn im Hinblick auf die Asbestexposition durch den grob fahrlässig untätigen Vermieter eine Risikoerhöhung asbestbedingter Krankheitsbilder herbeigeführt wurde, so dass mit Blick auf die Dauer der Schadstoffexposition von einer psychischen Beeinträchtigung des Mieters mit Krankheitswert auszugehen ist (hier: im Zeitraum von November 1990 bis Juni 2004);

136

– von 250 Euro möglich, sofern der Abfluss eines Wasserklosetts verstopft ist, so dass der 80 Jahre alte Mieter die Toilette insbesondere zur Nachtzeit nicht benutzen kann mit der Folge erheblicher psychischer Beeinträchtigungen aufgrund möglicher Gesundheitsschäden (Pilzinfektionen) wegen der notwendigen Benutzung öffentlicher Toiletten297;

137

– in Höhe von 7.500 Euro möglich, wenn der Mieter infolge des Sturzes von einer Raumspartreppe, die aus zwei Gründen nicht den baurechtlichen Anforderungen entspricht (nicht ausreichende Auftrittstiefe und Nichterreichen der erforderlichen Breite von 0,60 m), eine Fersenbeintrümmerfraktur erleidet, drei stationäre Krankenhausaufenthalte nach sich zieht und im ersten Jahr nach dem Unfall dazu zwingt, einmal wöchentlich zur orthopädischen und (separat) zur physiotherapeutischen Behandlung zu fahren298.

138 Für unflätige Beleidigungen (Arschloch, Wichser) und die Bezeichnung als „Hausbesetzer“ kann der

Mieter 800 € beanspruchen299. i) Herausgabe des Ersatzes

139 Beruht das Leistungshindernis auf tatsächlichen Umständen und wird dadurch die Übergabe i.S.v.

§ 535 Abs. 1 BGB unmöglich, kann der Mieter vom Vermieter Herausgabe des Erlangten nach § 285 BGB verlangen. Da bei Vorliegen eines Rechtsmangels die mietrechtlichen Gewährleistungsvorschrif-

292 293 294 295 296 297 298 299

BGH v. 6.7.1955 – GrZS 1/55, NJW 1955, 1675. BGH v. 18.11.1969 – VI ZR 81/68, VersR 1970, 134. LG Saarbrücken v. 11.12.2009 – 10 S 26/08, MietRB 2010, 132. AG Siegburg v. 4.1.2008 – 117 C 306/06, WuM 2010, 448; vgl. auch KG v. 9.3.2006 – 22 W 33/05, MietRB 2006, 259 = WuM 2006, 390 = GE 2006, 908. BGH v. 22.11.2005 – VI ZR 330/04, WuM 2006, 25. AG Hannover v. 10.10.2008 – 559 C 3475/08, WuM 2009, 346. OLG Dresden v. 28.7.2006 – 5 U 581/06, ZMR 2006, 922 = NZM 2006, 865. LG Bonn v. 14.1.2010 – 6 T 17/10, IMR 2010, 218.

550 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 144 § 536a

ten vorrangig sind300 (vgl. Vor § 536 BGB Rz. 33), stellt sich die Frage, ob § 285 BGB in Fällen des § 536a BGB anwendbar ist. Dies ist zu bejahen, so dass die vom Hauptvermieter an den Hauptmieter für die Aufhebung des Mietvertrages gezahlte Abfindung an den Untermieter herauszugeben ist301. Allerdings muss neben der Kausalität für § 285 BGB auch eine Identität zwischen dem geschuldeten 140 Gegenstand und dem, für den Ersatz erlangt worden ist, bestehen302. Daran fehlt es z.B., wenn der Mieter ein Grundstück zur Nutzung als Parkplatz gemietet hat und der Vermieter während der befristeten Mietzeit Teilflächen an Markthändler zur Errichtung und zum Betrieb von Verkaufsständen vermietet. Im Hinblick auf Sinn und Zweck des § 285 BGB ist insoweit maßgebend, dass dem Mieter nur die geringwertigere Nutzung als Parkplatz, den Markthändlern aber die weitergehende Nutzung zur Errichtung und zum Betrieb von Verkaufsständen erlaubt gewesen war303. j) Sonstige Mangelfolgeschäden Die weiteren in Betracht kommenden Mangelfolgeschäden sind mannigfaltig. Wird der Mieter z.B. an 141 Körper oder Gesundheit verletzt, entstehen ihm Arztkosten, Haushaltsführungsschäden304 und sonstige Krankheitsfolgekosten, die er aus §§ 536a Abs. 1 Alt. 2, 249 ff. BGB ersetzt verlangen kann305. Insoweit sind die Positionen denkbar, die bei jedem Autounfall entstehen können. Entsteht dem Mieter Aufwand im Zusammenhang mit der Mängelbeseitigung (z.B. Stromkosten für 142 Trocknungsgeräte), ist stets auch eine Anspruchsgrundlage durch § 555a Abs. 3 BGB eröffnet306. k) Begrenzung des Schadens aa) Sukzessive eintretende Schäden Insbesondere beim Ersatz der Mietdifferenz (vgl. § 536a BGB Rz. 87) und dem des entgangenen 143 Gewinns (vgl. § 536a BGB Rz. 210 f.) ist die Höhe des Schadens laufzeitabhängig. Bei befristeten Mietverträgen können diese Schäden grundsätzlich für die gesamte Laufzeit des gescheiterten Vertrages berechnet werden307. Allerdings realisiert sich der Schaden bei periodisch fällig werdenden Schadenspositionen (z.B. Differenz der Miete des Ersatzobjektes zum Vergleichsobjekt) erst sukzessive, so dass er periodisch geltend gemacht werden muss308. Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, der zur fristlosen Kündigung nach § 543 BGB berechtigt, oder 144 unbefristeten Mietverträgen309 kommt es darauf an, wann der Vermieter frühestens hätte kündigen können310. Bei einer ordentlichen Kündigung müssen die Voraussetzungen des § 573 BGB vorliegen. Bei einer außerordentlichen Kündigung (z.B. §§ 1056, 573d BGB) müssten sich zusätzlich die tatsächlichen Verhältnisse geändert haben. Eine Begrenzung ist im Übrigen denkbar, wenn aufgrund geänderter Lebensumstände im Bereich des Mieters angenommen werden kann, dass er die nicht bezogene bzw. verlassene Wohnung (wieder) aufgegeben hätte. Mit Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist endet auch die Ausgleichspflicht des Vermieters.

300 BGH v. 29.11.1995 – XII ZR 230/94, MDR 1996, 355 = NJW 1996, 714; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 271 m.w.N. 301 BGH v. 19.11.1984 – II ZR 6/84, MDR 1985, 647 = NJW-RR 1986, 234; offen gelassen: BGH v. 10.5.2006 – XII ZR 124/02, MDR 2006, 1396 = ZMR 2005, 770 = GuT 2005, 56 = NZM 2005, 303 = MietRB 2006, 215. 302 Erman/Westermann, § 285 BGB Rz. 8. 303 BGH v. 10.5.2006 – XII ZR 124/02, MDR 2006, 1396 = ZMR 2005, 770 = GuT 2005, 56 = NZM 2005, 303 = MietRB 2006, 215. 304 OLG Dresden v. 28.7.2006 – 5 U 581/06, ZMR 2006, 922 = NZM 2006, 865. 305 LG Saarbrücken v. 11.12.2009 – 10 S 26/08, MietRB 2010, 132. 306 AG Schöneberg v. 10.4.2008 – 109 C 256/07, WuM 2008, 477. 307 BGH v. 18.1.1995 – XII ZR 30/93, NJW-RR 1995, 715. 308 BGH v. 2.2.1972 – VIII ZR 160/70, MDR 1972, 411. 309 Als solche gelten auch Mietverträge mit unwirksamer Befristung, § 550 BGB. 310 BGH v. 17.3.2004 – XII ZR 254/00, GuT 2004, 120, 121; BGH v. 12.1.1972 – VIII ZR 26/71, MDR 1972, 411 = WPM 1972, 335, 337; BGH v. 15.6.1964 – VIII ZR 255/62, WPM 1964, 831, 833; LG Köln v. 27.9.1991 – 10 T 230/91, WuM 1992, 14 = NJW-RR 1992, 77.

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§ 536a Rz. 145 | Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen eines Mangels 145 Andererseits soll der Mieter aus dem Gesichtspunkt der Schadensminderung (§ 254 Abs. 2 BGB) ver-

pflichtet sein, nach einer angemessenen Überlegungsfrist selbst zu kündigen, um den Verzögerungsschaden zu begrenzen – jedenfalls wenn er die Kündigung angedroht hat311, wobei sich die angemessene Frist nach den Umständen des Einzelfalles richtet. Dies kann aber nur für den Fall gelten, dass der Zeitpunkt der Überlassung der zugesagten Räume nicht absehbar ist. bb) § 254 BGB (1) Mitverschulden 146 § 254 BGB ist auch auf § 536a Abs. 1 BGB anwendbar. Ein Mitverschulden des Mieters kann auch im

Rahmen der Garantiehaftung des Vermieters nach § 536a Abs. 1 Var. 1 BGB relevant sein312. Insoweit geht es um die Frage, ob der Mieter schuldhaft zur Schadensentstehung beigetragen hat313. 147 Das Verschulden muss nicht an den Anforderungen des § 276 BGB gemessen werden. Vielmehr geht es

um die Frage, ob der Mieter die im eigenen Interesse gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen hat, mit der ein verständiger Mensch handeln würde, um sich selbst vor Schaden zu bewahren. Das kann z.B. nicht angenommen werden, wenn der Mieter in einem als Lager angemieteten Raum hochwertige Elektrogeräte lagert, obwohl eine von ihm nicht erkannte und nicht zu erkennende Einbruchgefahr besteht314. (2) Schadensminderungspflicht 148 Im Übrigen bezweckt die Schadensminderungspflicht des § 254 Abs. 2 BGB den bereits eingetretenen

Schaden möglichst gering zu halten oder mit möglichst geringen Kosten zu beseitigen315. Insoweit kann sich die Verletzung dieser Pflicht sowohl auf die Gesamthaftungsquote auswirken wie auch auf eine einzelne Position. Letzteres kommt eher in Betracht, wenn für eine spezielle Position (z.B. Mietdifferenz) eine besondere Schadensminderungspflicht besteht. Letztlich kann dies nur im Einzelfall entschieden werden. 149 Eine Pflicht zur Schadensminderung kann sich realisieren, indem 150

– der Mieter verpflichtet ist, mit dem Untermieter gemeinsam ein Ersatzquartier zu beziehen, wenn es sich um den Lebensgefährten handelt316; – sich der Mieter einen Eigenanteil an Verpflegungskosten anrechnen lassen muss, wenn er im Restaurant ist, weil ihm seine Küche nicht zur Verfügung steht317; – der Mieter durch eine Ersatzvornahme bei zumutbarem Aufwand dem Vermieter einen größeren Verlust ersparen kann und der Mangel in zumutbarer Weise einfach zu beseitigen ist318. 6. Verjährung

151 Die Schadensersatzansprüche nach § 536a Abs. 1 BGB verjähren gemäß § 195 BGB nach drei Jahren319.

Eine Verjährung nach § 548 Abs. 2 BGB kommt auch nicht in Betracht, wenn der Mieter Schadensersatz wegen eines Rechtsmangels verlangt, der vor der Übergabe aufgetreten ist. Die gegenteilige Auffassung320 verkennt, dass § 548 Abs. 2 BGB zumindest Aufwendungen voraussetzt, also Investitionen in die Mietsache321. 311 312 313 314 315 316 317 318 319 320 321

Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III. Rz. 3315. BGH v. 5.12.1990 – VIII ZR 331/89, NJW-RR 1991, 970. Erman/Ebert, § 254 BGB Rz. 20. BGH v. 7.6.2006 – XII ZR 34/04, MietRB 2006, 264 = MDR 2007, 22 = ZMR 2006, 678 = NZM 2006, 626. Erman/Ebert, § 254 BGB Rz. 60. AG Schöneberg v. 10.4.2008 – 109 C 256/07, WuM 2008, 477. AG Hamburg-Harburg v. 19.10.2010 – 642 C 471/09, ZMR 2011, 300. OLG Düsseldorf v. 11.2.2003 – 24 U 87/02, WuM 2003, 386. OLG Düsseldorf v. 29.7.2010 – 24 U 20/10, InfoM 2010, 532. LG Berlin v. 19.2.2002 – 63 S 242/01, GE 2002, 596. BGH v. 4.5.2011 – VIII ZR 195/10, MietRB 2011, 201 = MDR 2011, 777 = WuM 2011, 363 = ZMR 2011, 705 = NZM 2011, 452.

552 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 156 § 536a

Liegen sowohl die Voraussetzungen des § 536a Abs. 1 BGB (Schaden) als auch des § 536a Abs. 2 BGB 151a (Aufwendungen) vor, ist die Rechtslage für die Schadensersatzansprüche aus § 536a Abs. 1 BGB umstritten. Einerseits wird die uneingeschränkte Geltung des § 195 BGB angenommen322. Demgegenüber soll die kurze Verjährung nach § 548 Abs. 2 BGB jedenfalls dann eingreifen, wenn zugleich die Voraussetzungen des § 536a Abs. 2 BGB erfüllt sind323. Weiterhin wird ein differenzierender Lösungsansatz diskutiert, wonach insbesondere wegen Nebenforderungen (z.B. Gutachter- und sonstige Rechtsverfolgungskosten) darauf abgestellt wird, mit welcher Zielrichtung (§ 536a Abs. 1 oder Abs. 2 BGB) sie vorgenommen wurden324. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit ist der zuerst genannten Meinung zu folgen. Wenn der Mieter Schaden liquidiert, verfolgt er den Ersatz einer Vermögenseinbuße. Wenn dieser – eher zufällig – auch Aufwendungsersatzansprüche begründet, die von § 548 Abs. 2 BGB erfasst werden, hat dies auf die Durchsetzbarkeit des Anspruchs aus § 536a Abs. 1 BGB keinen Einfluss. Das gilt auch für Rechtsverfolgungskosten, die eigentlich zur Vorbereitung einer dann doch nicht durchgeführten Ersatzvornahme getätigt wurden. Es gilt eine einheitliche Verjährungsfrist selbst dann, wenn die Schäden erst sukzessive entstehen. Denn 152 es gilt der verjährungsrechtliche Grundsatz der Schadenseinheit. Danach ist für den Verjährungsbeginn auf den Zeitpunkt abzustellen, bei dem der Schadensersatzanspruch erstmals fällig wurde. Das ist bei einem einheitlichem Schadensgrund der Moment, in dem der erste Schaden eingetreten ist325.

II. Ersatzvornahme § 536a Abs. 2 BGB räumt dem Mieter die Möglichkeit zur Selbsthilfe (Ersatzvornahme) ein. Einer be- 153 sonderen Ankündigung oder Androhung dieser Maßnahme bedarf es nicht. Der Vermieter muss sich allerdings in Verzug (§ 286 BGB) befinden, also insbesondere schuldhaft handeln (vgl. § 536a BGB Rz. 46). Liegen die Voraussetzungen des Verzuges i.S.d. §§ 286, 536a Abs. 1 BGB vor, hat der Mieter dem Ver- 154 mieter insbesondere eine angemessene Frist gesetzt, ist er unmittelbar nach Ablauf berechtigt, die Ersatzvornahme durchzuführen. Dies gilt grundsätzlich selbst dann, wenn der Vermieter eine Woche zuvor mitgeteilt hat, dass er den Mangel selbst beseitigen wolle. Allenfalls bei über die Kosten der Ersatzvornahme hinausgehendem Schaden des Vermieters (z.B. Verlust von Gewährleistungsrechten gegen Dritte) oder geringfügigen, insbesondere rein optischen Beeinträchtigungen kann sich aus § 242 BGB eine Pflicht des Mieters ergeben, mit der Selbsthilfe zuzuwarten. Das setzt aber voraus, dass der Vermieter einen verbindlichen Termin mitteilt, der nur wenige Tage nach Ablauf der Frist liegt, und zugleich den Grund für die Verzögerung nachvollziehbar mitteilt. Damit nicht vergleichbar ist die Situation, dass der Vermieter anbietet, Mietmängel durch eine fachlich 155 nicht ausreichend (formell) qualifizierte Hilfskraft oder einen Schwarzarbeiter beseitigen zu lassen. Dies darf der Mieter grundsätzlich erst ablehnen, wenn vorherige Arbeiten der Hilfskraft in der Wohnung bereits mehrfach zu inakzeptablen Ergebnissen geführt haben326. Denn der Vermieter schuldet nur den Erfolg der Mängelbeseitigung. Ob dies handwerklich einwandfrei ist und dem Stand der Technik entspricht, ist grundsätzlich unerheblich. Zwar soll dem Vermieter grundsätzlich der Vorrang eingeräumt werden, um zu entscheiden, ob und 156 wie der Mangel beseitigt oder z.B. eine Modernisierung durchgeführt werden soll327. Hat der Mieter aber zur Mängelbeseitigung mit angemessener Frist aufgefordert, ist er selbst dann grundsätzlich zur Ersatzvornahme berechtigt, wenn er dem Vermieter innerhalb der Frist bereits mitteilt, dass er statt der Wiederherstellung des vertragsgemäßen Zustandes (hier: Ersetzen des verschlissenen Teppichbodens

322 BGH v. 12.1.1994 – XII ZR 167/92, MDR 1994, 613 = NJW-RR 1994, 379 (380) = WuM 1994, 203; SchmidtFutterer/Eisenschmid, § 536a BGB Rz. 158. 323 Staudinger/Emmerich, § 536a BGB Rz. 22; BeckOK/Ehlert, Stand 1.5.2014, § 536a BGB Rz. 20. 324 Wietz/Streyl, WuM 2014, 701 (703). 325 OLG Hamm v. 13.3.1981 – 7 U 196/80, MDR 1981, 674 = WuM 1981, 280. 326 AG Wetzlar v. 11.8.2005 – 38 C 2034/04, WuM 2005, 715. 327 BGH v. 16.1.2008 – VIII ZR 222/06, MDR 2008, 440 = MietRB 2008, 97 = WuM 2008, 147 = ZMR 2008, 281.

Lützenkirchen | 553

§ 536a Rz. 156 | Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen eines Mangels durch einen neuen) eine Wohnwertverbesserung (durch Verlegung eines Laminatbodens) herbeiführen wird328. 157 Eine Mahnung i.S.d. § 286 BGB ist jedenfalls dann entbehrlich, wenn der Vermieter endgültig die Män-

gelbeseitigung verweigert329. Eine endgültige Erfüllungsverweigerung ist grundsätzlich nur anzunehmen, wenn der Vermieter die Erfüllung bestimmt, ernstlich und endgültig verweigert330, im Ergebnis also kein Zweifel daran bestehen kann, dass der Vermieter die Ausführung aufgrund seiner Erklärung nicht vornehmen wird. Notwendig ist aber, dass der Mieter dem Vermieter zuvor deutlich macht, was er von ihm im Einzelnen erwartet bzw. welche Arbeiten durchgeführt werden sollen331. Allein die Erklärung, rechtlich nicht zur Durchführung von Mängelbeseitigungsarbeiten verpflichtet zu sein, kann nicht als endgültige Erfüllungsverweigerung bewertet werden332. Hierin liegt lediglich die Äußerung einer Rechtsansicht. Sobald sich der Vermieter also auf rechtlichen Rat beruft oder seine Erklärung als Rechtsansicht zu verstehen ist, muss die Mahnung doch noch erklärt werden. 158 Solange der Mieter mit der Mängelbeseitigung noch nicht begonnen hat, kann der Vermieter auch

nach Eintritt des Verzuges seine Pflicht nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB erfüllen und vom Mieter Zutritt verlangen. Entstehen dem Mieter dadurch z.B. Verbindlichkeiten gegenüber einem Handwerker nach § 649 S. 2 BGB, wird dadurch ein Schadensersatzanspruch nach § 286 BGB begründet. 159 Verstirbt der Vermieter, darf sein Rechtsnachfolger erwarten, dass der Mieter zeitnah zu dessen Kennt-

nis von der Rechtsnachfolge seine Mängelbeseitigungsansprüche geltend macht. Geschieht das nicht, ist nicht nur das Zeitmoment, sondern auch das Umstandsmoment der Verwirkung erfüllt. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Mieter seinen Anspruch erst mehr als zwei Jahre, nachdem er Kenntnis vom Eintritt des Erbfalls erhalten hat, geltend macht333. 160 Ist der Vermieter unbekannten Aufenthalts oder ist dem Mieter aus sonstigen Gründen die Adresse

nicht bekannt, muss der Mieter nach § 132 Abs. 2 BGB vorgehen (vgl. auch § 536a BGB Rz. 203). 1. Gegenstand der Ersatzvornahme a) Allgemein 161 Gegenstand der Ersatzvornahme sind Mängel der Mietsache bzw. deren Beseitigung. Die Ersatzvor-

nahme ist in dem gleichen Umfang zulässig, wie der Vermieter nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB zur Mängelbeseitigung verpflichtet ist. 162 Räumlich ist die Ersatzvornahme nicht auf die Mieträume beschränkt. Vielmehr darf der Mieter grund-

sätzlich auch an außerhalb der Mietsache liegenden Teilen zur Selbsthilfe schreiten und Mängel an allen Einrichtungen beseitigen, die zur Mietsache gehören (z.B. Treppen, Keller, Zugänge, Heizung, Aufzug etc.)334. Deshalb kann der Mieter bei Gaststättenlärm Schallschutzfenster einbauen lassen, sobald die Voraussetzungen des Verzuges vorliegen335. 163 Allerdings sind in den Gemeinschaftsflächen der Realisierung der eigenen Geschmacksvorstellungen

Grenzen gesetzt. Eine eigenwillige Farbgebung im Treppenhaus ist z.B. als Beschädigung der Mietsache (mit der Folge des § 280 BGB) zu werten. Auch im Übrigen müssen sich die bei der Mängelbeseitigung verwendeten Materialien dem Stil des Hauses anpassen. 164 Der Mieter ist ausnahmsweise sogar zur Veränderung der Mietsache berechtigt, wenn sich der Mangel

nur dadurch endgültig abstellen lässt. Das ist z.B. der Fall, wenn Ratten durch einen nicht abgedichteten Installationsschacht in das Treppenhaus des Gebäudes gelangen. Hier ist der Mieter bei Verzug des Vermieters und zur Wiederherstellung des Bestands der Mietsache berechtigt, dem Mangel durch Verfül-

328 329 330 331 332 333 334 335

AG Dresden v. 2.10.2008 – 145 C 5372/08, GE 2009, 913. AG Wetzlar v. 11.8.2005 – 38 C 2034/04, WuM 2005, 715. BGH v. 16.6.1982 – VIII ZR 89/81, MDR 1983, 223 = NJW 1982, 2316. KG v. 30.10.2006 – 8 U 38/06, WuM 2007, 71. LG Wiesbaden v. 19.8.1985 – 1 S 6/85, WuM 1986, 113. LG Kiel v. 6.6.2008 – 8 S 70/07, ZMR 2009, 209. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536a BGB Rz. 107. AG Lichtenberg v. 16.3.2004 – 6 C 239/03, MM 2004, 339.

554 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 169 § 536a

lung des Installationsschachtes abzuhelfen336. Dem steht eine Klausel, wonach bauliche Veränderungen durch den Mieter z.B. unter Zustimmungsvorbehalt stehen, nicht entgegen. Sie betrifft im Zweifel nur die Veränderung einer mangelfreien Sache337. Ebenso wie für die Minderung kommt es auch für die Ersatzvornahme nicht darauf an, ob der Vermie- 165 ter den Mangel zu vertreten hat. Maßgeblich ist allein, dass der Vermieter sich mit der Erfüllung seiner Erhaltungspflicht gemäß § 535 Abs. 1 S. 2 BGB in Verzug befindet. Deshalb kann der Mieter, der bei seiner Rückkehr (nach einem Klinikbesuch) das Schloss der Wohnungstür derart mit Klebstoff verklebt vorfindet, dass ein Öffnen der Tür mit dem Schlüssel nicht mehr möglich ist, eine Ersatzvornahme ausführen, sobald der Vermieter auf seine telefonische Anfrage die Mängelbeseitigung verweigert338. b) Mangelndes Eigentum des Vermieters Das mangelnde Eigentum des Vermieters bildet grundsätzlich keine natürliche Grenze für die Ersatz- 166 vornahme. Deshalb ist der Mieter auch bei bloßem Miteigentum des Vermieters, im gestuften Mietverhältnis (vgl. § 565 BGB Rz. 12) oder bei einer Weitervermietung i.S.v. § 565 BGB zur Selbsthilfe berechtigt. Der Eigentümer kann jedoch die Ausführung nach § 1004 BGB verhindern, was im Zweifel durch eine einstweilige Verfügung realisiert werden kann. Diese Möglichkeit soll hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums (z.B. Treppenhaus) bei der Vermietung 167 einer Eigentumswohnung nicht bestehen339. Zur Begründung wird darauf abgestellt, wenn schon der Vermieter selbst keine Maßnahmen im Gemeinschaftseigentum durchführen dürfe, solange sie nicht zur Abwendung eines dem gemeinschaftlichen Eigentum unmittelbar drohenden Schadens (§ 21 Abs. 4 WEG) notwendig sind, auch der Mieter nicht berechtigt sein soll, Selbsthilfe auszuführen. Dies ist zweifelhaft. Der Anspruch des Mieters aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB, vom Vermieter die Beseitigung eines Mangels verlangen zu können, ist durch das Gemeinschaftseigentum nicht beschränkt340. Die Mängelbeseitigung wird dem vermietenden Sondereigentümer erst unmöglich (§ 275 BGB), wenn feststeht, dass sie nicht ausgeführt werden kann. Das ist der Fall, wenn die Eigentümergemeinschaft einen entgegenstehenden Beschluss gefasst hat341. Im Hinblick auf den eingetretenen Verzug tritt das Selbsthilferecht des Mieters an die Stelle seines Mängelbeseitigungsanspruchs. Demnach ist die Ausführung der Ersatzvornahme (zunächst) durch das Gemeinschaftseigentum nicht beschränkt. Der WEG-Verwalter ist u.U. gezwungen, gegen den Mieter vorzugehen, um eine Veränderung des Gemeinschaftseigentums zu verhindern, so dass er durch einstweilige Verfügung dem Mieter die Ausführung verbieten lassen kann (§ 1004 BGB). Dies beschränkt den Wirkungskreis des Mieters aber nicht von vornherein. 2. Ausübung der Ersatzvornahme Für den Mieter besteht ein Wahlrecht, ob er die Beseitigung durchführt oder den Anspruch nach § 536a 168 Abs. 1 BGB geltend macht342. Daneben kann er die Miete mindern, bis die Beseitigung des Mangels erfolgt ist. Allenfalls wenn ein Vorschuss verlangt und gezahlt wurde, muss sich der Mieter ab einem angemessenen Zeitraum seit der Zahlung so behandeln lassen, als hätte die Mängelbeseitigung stattgefunden. Andererseits wird eine einmal wirksam ausgesprochene Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht durch die Ausübung des Selbsthilferechts beseitigt. Allerdings endet das Recht mit der Beendigung des Mietvertrags343. Es besteht keine Pflicht des Mieters zur Selbsthilfe. In Ausnahmefällen kann ein Unterlassen aber ein 169 Mitverschulden begründen, das im Rahmen eines Schadensersatzanspruches zu berücksichtigen ist. AG Osnabrück v. 30.4.2004 – C 335/03(XXII), WuM 2004, 469. MünchKomm/Häublein, § 536a BGB Rz. 31; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536a BGB Rz. 108. AG Siegburg v. 29.8.2002 – 9 C 146/02, WuM 2004, 233. Blank/Börstinghaus, § 536a BGB Rz. 51; MünchKomm/Häublein, § 536a BGB Rz. 30. KG v. 25.6.1990 – 8 RE-Miet 2634/90, ZMR 1990, 336 = WuM 1990, 376 = NJW-RR 1990, 1166. BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 342/03, MietRB 2006, 57 = MDR 2006, 199 = WuM 2005, 713 = ZMR 2005, 936; AG Schöneberg v. 30.1.2001 – 11 C 388/00, MM 2001, 357. 342 OLG Hamm v. 3.2.1983 – 4 RE-Miet 7/82, MDR 1983, 491 = WuM 1983, 76. 343 Vgl. auch BGH v. 30.3.1983 – VIII ZR 3/82, MDR 1983, 1018 = NJW 1984, 1552 (für Ausnahmen hiervon MünchKomm/Häublein, § 536a Rz. 31).

336 337 338 339 340 341

Lützenkirchen | 555

§ 536a Rz. 169 | Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen eines Mangels Das ist der Fall, wenn der Mieter durch sein Handeln bei zumutbarem Aufwand dem Vermieter einen größeren Verlust ersparen kann und der Mangel in zumutbarer Weise einfach zu beseitigen ist344. Darunter fällt aber nicht der vorübergehende Einsatz zusätzlicher Radiatoren bei einem Heizungsausfall, solange sich der Vermieter ihm gegenüber nicht zur Übernahme der zusätzlichen Kosten bereiterklärt345. 170 Das Selbsthilferecht kann nicht als Befugnis verstanden werden, Aufträge an Handwerker im Namen

des Vermieters zu erteilen346. Vielmehr ist der Mieter selbst verantwortlich, wenn er von dem Recht zur Ersatzvornahme Gebrauch macht. Insoweit schuldet er eine fachgerechte Ausführung einer Maßnahme, die objektiv zur Mängelbeseitigung geeignet ist347. Das ist der Fall, wenn nicht nur die Folgen des Mangels, sondern auch die Ursache beseitigt werden. Sieht sich der Mieter selbst dazu im Stande, kann er die Mängelbeseitigung vornehmen. Ansonsten muss er sich einer Fachkraft bedienen. Bei rein optischen Mängeln, die den Dekorationszustand betreffen, besteht ein Spielraum, die eigenen Geschmacksvorstellungen zu realisieren und die Arbeiten nach den Maßstäben für das Do-it-yourself-Verfahren auszuführen348. Technische Mängel und Mängel in Gemeinschaftsflächen müssen jedoch handwerklich einwandfrei ausgeführt werden, wobei es auf den (End-)Zustand ankommt. Führt der Mieter sie aber in Eigenregie durch, muss er die erforderliche Sachkunde walten lassen. Entsteht durch ein schuldhaftes Verhalten des Mieters bei der Ersatzvornahme ein Schaden, besteht ein Schadensersatzanspruch des Vermieters. Das kommt z.B. in Betracht, wenn er eine Maschine zur Mängelbeseitigung einsetzt, mit deren Wirkungsweise er sich vorher nicht vertraut gemacht hat349. 3. Vorschussanspruch a) Anspruchsvoraussetzungen 171 Einen Vorschuss auf die voraussichtlichen Kosten der Mängelbeseitigung kann der Mieter verlangen,

sobald die Verzugsvoraussetzungen vorliegen350. Dieser Anspruch ist zwar nicht in § 536a BGB geregelt. Er ergibt sich aber aus allgemeinen Erwägungen. Immerhin kann der Mieter nach § 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB nach Durchführung der Maßnahme Aufwendungsersatz verlangen. Zu diesem Zweck kann der Mieter vom Vermieter die Zahlung eines Vorschusses in Höhe der voraussichtlich erforderlichen Beseitigungskosten verlangen351. Denn die Ersatzpflicht des Vermieters nach § 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB beschränkt sich auf die Aufwendungen, die der Mieter bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt für angemessen halten darf. Darunter fallen lediglich solche Kosten, die nach vernünftiger wirtschaftlicher Betrachtungsweise nötig und zweckmäßig sind352. Erforderlich in diesem Sinn können Beseitigungskosten nur sein, wenn die Maßnahmen, die der Mieter mit dem verlangten Vorschuss durchzuführen beabsichtigt, voraussichtlich zur Mangelbeseitigung geeignet sind. Denn für ungeeignete Maßnahmen schuldet er keine Vorschusszahlung353. 172 Grundsätzlich lässt sich diese Anforderung nur erfüllen, wenn dem Vermieter ein Verzeichnis der ge-

planten Leistungen z.B. in der Form eines detaillierten Kostenvoranschlages übermittelt wird. Das Verzeichnis muss den Vermieter in die Lage versetzen zu erkennen, welche konkreten Arbeiten ausgeführt und welche Materialien verwendet werden sollen und welche Kosten dafür veranschlagt werden. Im Er-

OLG Düsseldorf v. 11.2.2003 – 24 U 87/02, WuM 2003, 386. KG v. 21.2.2000 – 8 U 2216/97, MDR 2000, 1006. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536a BGB Rz. 111. BGH v. 21.4.2010 – VIII ZR 131/09, MDR 2010, 798 = WuM 2010, 348 = ZMR 2010, 672. Vgl. dazu Lützenkirchen, WuM 1989, 110. AG Gießen v. 21.6.2007 – 48-M C 141/07, NJW-RR 2008, 392. BGH v. 11.4.1984 – VIII ZR 315/82, MDR 1985, 49 = NJW 1985, 267; KG v. 29.2.1988 – 8 REMiet 6717/87, NJW-RR 1988, 1039; OLG Düsseldorf v. 25.2.1999 – 10 U 109/95, ZMR 1999, 627 (628). 351 BGH v. 28.5.2008 – VIII ZR 271/07, MietRB 2008, 258 = MDR 2008, 966 = WuM 2008, 476 = ZMR 2008, 869 = NJW 2008, 2432 (Rz. 8) m.w.N. 352 Staudinger/Emmerich, § 536a BGB Rz. 32; vgl. zum Werkvertragsrecht: BGH v. 29.9.1988 – VII ZR 182/87, MDR 1989, 153 = NJW-RR 1989, 86 (unter II 3c); BGH v. 31.1.1991 – VII ZR 63/90, MDR 1991, 970 = NJW-RR 1991, 789 (unter II 2). 353 BGH v. 21.4.2010 – VIII ZR 131/09, MDR 2010, 798 = WuM 2010, 348 = ZMR 2010, 672. 344 345 346 347 348 349 350

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B. Wohnraummiete | Rz. 175b § 536a

gebnis muss das Leistungsverzeichnis zeigen, welchen Aufwand der Mieter für notwendig hält354. Grundlage des Anspruchs kann aber auch ein Sachverständigengutachten sein. Der Vorschussanspruch erstreckt sich auf jede Art der Mängelbeseitigung, also der Wiederherstellung 172a der Sollbeschaffenheit (vgl. § 536 BGB Rz. 75 f.). Deshalb kann er auch geltend gemacht werden, wenn der Vermieter wegen einer unwirksamen Renovierungsklausel die Schönheitsreparaturen schuldet355. Soweit Vorarbeiten des Vermieters erforderlich sind (hier: Beseitigung von Putzschäden) besteht kein Hindernis, wenn die Leistungen auch im Rahmen der Malerarbeiten erledigt werden können356. Befindet sich der Vermieter mit seiner Verpflichtung nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB in Verzug, bildet das 173 von einem Fachhandwerker eingeholte Kostenangebot selbst dann die Grundlage für einen Kostenvorschuss, wenn der Vermieter niedrigere Kostenvoranschläge vorlegt. Denn der Mieter hat einen Anspruch auf fachgerechte Ausführung der Malerarbeiten357. Ist noch unklar, welche Sanierungsmaßnahmen im Einzelnen erforderlich sind, kann das Gericht den Vorschuss nach § 287 ZPO innerhalb einer Spanne festlegen358. Die Ausübung kann schikanös sein, wenn der Vermieter das Mietverhältnis berechtigterweise gekündigt hat359. Eine weitere Beschränkung kann sich aus der Opfergrenze ergeben (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 721). 174 Denn es kann gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn ein krasses Missverhältnis zwischen Reparaturaufwand einerseits und dem Nutzen der Reparatur für den Mieter sowie der Höhe der Miete andererseits besteht und die Mangelhaftigkeit nicht vom Vermieter verschuldet worden ist360. Auch die Konstellation, dass der Vermieter Nießbraucher und der Mieter (Mit-)Eigentümer ist, kann 175 zu einer Beschränkung des Anspruchs führen. Nach § 1041 S. 2 BGB sind Ausbesserungen und Erneuerungen nur insoweit geschuldet, als sie zu der gewöhnlichen Unterhaltung gehören. Dazu zählen solche Maßnahmen, die bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung regelmäßig, und zwar wiederkehrend innerhalb kürzerer Zeitabstände zu erwarten sind, also insbesondere normale Verschleißreparaturen361. Muss der Nießbraucher wegen § 535 Abs. 1 S. 2 BGB über die Verpflichtung des § 1041 BGB hinaus Arbeiten an der Mietsache ausführen lassen, steht ihm ein Verwendungsersatzanspruch gegen den (Mit-)Eigentümer nach § 1049 BGB (ggf. in Verbindung mit § 421 BGB) zu. Im Hinblick darauf widerspricht es Treu und Glauben (dolo petit qui petit quod statim rediturus est), wenn der Eigentümer als Mieter eine Leistung verlangt, die er als Eigentümer zurückgeben bzw. erstatten muss362. Die Geltendmachung des Vorschussanspruchs kann rechtsmissbräuchlich sein. Das kommt insbeson- 175a dere in Betracht, wenn sich der Mieter widersprüchlich verhält. Das ist anzunehmen, wenn der Vermieter zuvor vergeblich mehrfach einen Termin zur Durchführung der Mängelbeseitigungsarbeiten angeboten hat363. Ist der Vorschussanspruch des Mieters tituliert, kann der Vermieter im Wege der Vollstreckungsgegen- 175b klage nach § 767 ZPO vorgehen, wenn er dem Mieter die Mängelbeseitigung in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten hat364.

354 BGH v. 28.5.2008 – VIII ZR 271/07, MietRB 2008, 258 = MDR 2008, 966 = WuM 2008, 476 = ZMR 2008, 869 = NJW 2008, 2432. 355 Vgl. zum möglichen Umfang eines solchen Anspruchs: LG Berlin v. 4.10.2013 – 65 S 190/12, GE 2013, 1519. 356 LG Berlin v. 4.10.2013 – 65 S 190/12, GE 2013, 1519. 357 LG Berlin v. 27.8.2010 – 65 S 440/09, GE 2010, 1340. 358 KG v. 19.2.2019 – 21 U 40/18, GE 2019, 384. 359 LG Berlin v. 3.3.1998 – 65 S 392/97, NZM 1999, 119. 360 Hanseatisches OLG Hamburg v. 6.9.2000 – 4 U 15/00, GE 2001, 1266 = NZM 2002, 343. 361 BGH v. 6.6.2003 – V ZR 392/02, MDR 2003, 1170 = NJW-RR 2003, 1290. 362 BGH v. 13.7.2005 – VIII ZR 311/04, MDR 2006, 15 = WuM 2005, 587 = ZMR 2005, 783. 363 LG Berlin v. 9.10.2015 – 65 T 180/15, MietRB 2016, 39 = GE 2016, 59; a.A. LG Berlin v. 24.2.2012 – 63 T 18/ 12, WuM 2012, 213 = GE 2012, 1170 = NZM 2012, 860. 364 LG Berlin v. 8.5.2018 – 63 S 127/17, GE 2018, 877.

Lützenkirchen | 557

§ 536a Rz. 176 | Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen eines Mangels b) Abrechnungspflicht 176 Der Vermieter schuldet den Vorschuss einschließlich Umsatzsteuer365. Zwar handelt es sich um einen

Anspruch aus Verzug. Ihm liegt aber Aufwendungs- und nicht Schadensersatz zugrunde. 177 Der Vermieter kann die Zahlung des Vorschusses nicht davon abhängig machen, dass der Mieter ein

„Sonderkonto“ z.B. mit den Eigenschaften des § 551 Abs. 3 S. 1 BGB einrichtet. Zum einen handelt es sich nicht um eine Sicherheitsleistung. Zum anderen erfüllt der Vermieter eine Schuld gegenüber seinem Gläubiger, dem Mieter. Auch die Leistung einer zusätzlichen Sicherheit durch den Mieter kann nicht verlangt werden.

178 Sobald der Vermieter die Zahlung geleistet hat, ist der Mieter verpflichtet, die Arbeiten innerhalb an-

gemessener Zeit auszuführen. Angemessen ist ein Zeitraum, der ohne besondere Anstrengungen, aber mit der gebotenen Sorgfalt benötigt wird, um die Maßnahme zu beauftragen und fachgerecht auszuführen. Wie lange dieser Zeitraum zu bemessen ist, lässt sich nicht generell festlegen. Vielmehr hängt die Bestimmung von den Umständen des Einzelfalles ab366. Allerdings kann dem Mieter nach Ablauf der angemessenen Frist eine Kündigung wegen Pflichtverletzung drohen367. 179 Nach Ablauf des angemessenen Zeitraums verliert der Mieter sein Recht zur Minderung wegen des

Mangels, für dessen Beseitigung er den Vorschuss erhalten hat. Dazu ist nicht erst eine Mahnung des Vermieters erforderlich. Der Anspruch ergibt sich aus § 280 BGB. Im Übrigen kann der Vermieter die Zahlung zurückfordern, sobald der angemessene Zeitraum verstrichen ist368. 180 Nach Abschluss der Maßnahme muss über die Kosten abgerechnet werden. Ein zu viel erlangter Betrag

ist – ohne Zinsen – zu erstatten. War der Vorschuss zu gering, kann der Differenzbetrag nach § 536a Abs. Nr. 2 BGB verlangt werden. Die Abrechnung erfolgt nach § 259 BGB, im Zweifel also unter Vorlage der Handwerkerrechnungen.

181 Im Hinblick auf Sinn und Zweck von § 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB soll der Vermieter wegen der Zweck-

gebundenheit mit eigenen Ansprüchen regelmäßig nicht gegen den Anspruch auf Vorschuss aufrechnen können369. Denn durch den Vorschussanspruch soll der Mieter in den Stand gesetzt werden, anstelle des im Verzug befindlichen Vermieters den Mangel zu beseitigen. Nur zu diesem Zweck wird dem Mieter der Vorschuss zuerkannt. Wenn sich der Vermieter durch Aufrechnung mit Gegenforderungen von der Zahlung des Vorschusses befreien könnte, soll der mit dem Vorschuss bezweckte Erfolg, nämlich die Beseitigung des Mangels, nicht mehr zu erreichen sein. Diese Auffassung ist zweifelhaft. Denn der Anspruch ergibt sich als Vorstufe zum Aufwendungsersatz nach § 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB. Dem Mieter soll nur das Risiko der Vorfinanzierung genommen werden. Mit diesem Zweck ist es vereinbar, die Aufrechnung zuzulassen. 182 Der Rückforderungsanspruch des Vermieters verjährt nach § 195 BGB370. Da die Kenntnis des Ver-

mieters von den anspruchsbegründenden Tatsachen in der Regel unproblematisch ist, hängt der Beginn der Verjährung von der Entstehung des Anspruchs ab. Insoweit ist auf den Ablauf der angemessenen Frist zur Ausführung der Ersatzvornahme durch den Mieter abzustellen.

III. Aufwendungsersatz 1. Allgemeines 183 § 536a Abs. 2 BGB regelt zwei verschiedene Fälle, in denen der Mieter Aufwendungsersatz verlangen

kann. Zunächst ergänzt Nr. 1 die Verzugshaftung des Vermieters um den Aufwendungsersatz für den

BGH v. 22.7.2010 – VII ZR 176/09, MDR 2010, 1251 = NJW 2010, 3085 = DWW 2011, 60. BGH v. 17.1.2012 – VIII ZR 63/11, ZMR 2012, 610 = MM 2012, Heft 6, S. 28. BGH v. 17.1.2012 – VIII ZR 63/11, ZMR 2012, 610 = MM 2012, Heft 6, S. 28. OLG Celle v. 28.1.2010 – 2 U 134/09, MietRB 2010, 136 = GuT 2011, 276 = IMR 2010, 188 = InfoM 2010, 173. 369 LG Kleve v. 23.8.1988 – 6 S 335/87, WuM 1989, 14; Blank/Börstinghaus, § 536a BGB Rz. 49. 370 OLG Celle v. 28.1.2010 – 2 U 134/09, MietRB 2010, 136 = GuT 2011, 276 = IMR 2010, 188 = InfoM 2010, 173.

365 366 367 368

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B. Wohnraummiete | Rz. 186 § 536a

Fall der Ersatzvornahme durch den Mieter. Nr. 2 enthält die Voraussetzungen für den Ausnahmefall, in dem der Mieter ohne Mahnung eine Notreparatur o.Ä. durchführt und dafür Ersatz seiner Aufwendungen verlangen kann. a) Zugrundeliegende Maßnahmen In beiden Fällen des § 536a Abs. 2 BGB muss die Maßnahme, die Grundlage des Aufwendungsersatzes 184 sein soll, der Beseitigung eines Mangels gedient haben. In Abgrenzung zu den sonstigen Verwendungen nach § 539 BGB muss durch die selbst erbrachte Leistung also der vertragsgemäße Zustand wiederhergestellt worden sein. Das kommt u.a. in Betracht bei – Arbeiten zur: – Erneuerung des Dachstuhls und von Elektro- und Sanitärinstallationen371 – Beseitigung von Feuchtigkeitsschäden, z.B. im Wand- und Fußbodenbereich372, – Ausbesserung oder Erneuerung von Fußbodenbelägen, – Beseitigung eines Rohrbruchs373, – Beseitigung eines Wespennestes, das sich unter dem Dach befindet374, – Behebung eines Defektes am Garagentor375, – Wiederherstellung eines Abflusses376, – Reparatur der – Heizung377 oder eines Heizkörpers378, – Warmwasserversorgung379, – undichten und/oder schwer gängigen Fenster, – klemmenden Türen, – Armaturen und sonstigen sanitären Einrichtungen, – Einbau einer Drainage380, – Zahlungen an Versorger zur Auflösung einer Liefersperre (vgl. § 535 BGB Rz. 508 f.), – Einschaltung eines Elektro-Notdienstes zur Beseitigung eines Stromausfalls381, – Einkauf von Heizöl382, – Reinigung des Balkons bei Verunreinigung383.

185

Waren die Maßnahmen oder Teile davon unaufschiebbar, kommt Ersatz nach § 536a Abs. 2 Nr. 2 186 BGB in Betracht (vgl. § 536a BGB Rz. 196 f.). Ansonsten muss nach § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB vorgegangen werden, wobei auch Eilmaßnahmen abgerechnet werden können (vgl. § 536a BGB Rz. 204).

371 372 373 374 375 376 377 378 379 380 381 382 383

BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 22/92, NJW-RR 1993, 522 = GE 1993, 643 = WuM 1994, 201. BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 22/92, NJW-RR 1993, 522 = GE 1993, 643 = WuM 1994, 201. LG Hagen v. 7.3.1984 – 13 S 188/82, WuM 1984, 215 = ZMR 1984, 375. AG Würzburg v. 19.2.2014 – 13 C 2751/13, IMR 2014, 415; AG Meppen v. 11.3.2003 – 8 C 92/03, WuM 2003, 356. AG Köln v. 20.6.2006 – 223 C 8/06, NZM 2007, 161. AG Saarburg v. 19.11.2008 – 5 C 454/08, WuM 2008, 725. AG Münster v. 30.9.2009 – 4 C 2725/09, WuM 2009, 665. AG Hamburg v. 12.12.1990 – 43b C 305/90, WuM 1994, 609. AG Frankfurt v. 11.6.1987 – 33 C 1229/87, WuM 1988, 157. BGH v. 24.11.1995 – V ZR 88/95, MDR 1996, 1113 = NJW 1996, 921. AG Bonn v. 15.5.1987 – 6 C 138/87, WuM 1987, 219. AG Weilheim v. 3.3.1986 – 1 C 913/85, WuM 1987, 221. AG Hamburg v. 10.1.1990 – 41 C 1766/89, WuM 1990, 424.

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§ 536a Rz. 187 | Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen eines Mangels b) Art und Umfang des Aufwendungsersatzes 187 Beide Ansprüche aus § 536a Abs. 2 BGB sind auf Ersatz der Aufwendungen des Mieters gerichtet. Auf-

wendungen sind freiwillige Vermögensopfer im Interesse eines Anderen384. Verwendungen sind gleichfalls Aufwendungen. Unter Verwendungen sind alle Aufwendungen zu verstehen, die das Grundstück in seinem Bestand verbessern385, also Vermögensaufwendungen, die der Sache zugutekommen sollen, indem sie der Erhaltung, Wiederherstellung oder Verbesserung der Sache dienen386. 188 Der Aufwendungsersatzanspruch nach § 536a Abs. 2 BGB kann zunächst auf Geldersatz in Höhe der

tatsächlich aufgewendeten Kosten gerichtet sein. Eine abstrakte Berechnung auf der Basis eines Kostenvoranschlages kommt grundsätzlich nicht in Betracht387. Denn auch bei Eigenleistungen ist der tatsächliche Aufwand zu ermitteln, wobei der Leistung des Vermieters ein Stundensatz von 10–15 Euro zugrunde gelegt werden kann. 189 Neben dem tatsächlichen Aufwand kann der Mieter gemäß § 256 S. 1 BGB Zinsen ab dem Zeitpunkt

verlangen, zu dem er die Handwerkerrechnung bezahlt hat. Bei Eigenleistung setzt die Verzinsung mit der Fertigstellung der Maßnahme ein. Die Höhe der Zinsen richtet sich nach § 246 BGB388, beträgt also 4 %, solange nichts anderes vereinbart ist. Daneben kann mit § 536a Abs. 2 BGB der Anspruch auf Befreiung von der Verbindlichkeit z.B. des Handwerkers entsprechend § 257 BGB geltend gemacht werden. Auch wenn der Mieter zuvor einen Vorschussanspruch geltend gemacht hat, steht ihm die Anspruchsgrundlage offen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Vorschuss nicht ausreicht. 190 Die Ersatzpflicht beschränkt sich auf solche Kosten, die nach vernünftiger wirtschaftlicher Betrach-

tungsweise nötig und zweckmäßig sind389. Zwar darf sich der Mieter insoweit grundsätzlich auf das Urteil eines Fachmanns verlassen390. Indessen darf er keine ungeeigneten Maßnahmen durchführen, wozu insbesondere solche zählen, die die Ursache nicht beseitigen391. 191 Ist die Maßnahme des Mieters fehlgeschlagen, besteht in der Regel kein Anspruch auf Aufwendungs-

ersatz392. Hat der Handwerker mehrere Versuche benötigt, kommt es darauf an, ob der Mehraufwand als notwendig angesehen werden kann. Das ist z.B. der Fall, wenn verschiedene Mängelursachen in Betracht kommen, zumal wenn sie unabhängig voneinander bestehen können. Hat der Handwerker aber eine Maßnahme nicht ausgeführt, die sich geradezu aufdrängte, sind die Fehlersuche und weitere fehlgeschlagene Beseitigungsmaßnahmen nicht erstattungsfähig. 192 Das Gleiche gilt, wenn der Mieter den angekündigten Reparaturarbeiten zuvorkommt, weil ihm die

vom Vermieter beauftragte Firma nicht geeignet erscheint. Denn der Mieter muss im Normalfall dem Vermieter die Möglichkeit zur Mängelbeseitigung geben393 (vgl. § 536a BGB Rz. 156). Dafür ist allein die gesetzte (angemessene) Frist maßgeblich. Ein Aufwendungsersatzanspruch besteht aber, wenn der Reparaturversuch des Vermieters fehlgeschlagen ist, ohne dass den Mieter hieran ein Verschulden trifft394. Der Mieter ist aber anzeigepflichtig. Eine Beschränkung des Anspruchs kann sich daraus ergeben, dass der Vermieter Nießbraucher und der Mieter (Mit-)Eigentümer ist (vgl. § 536a BGB Rz. 175). 193 Zu den ersatzfähigen Aufwendungen gehören zunächst die Kosten, die regelmäßig durch Handwerker-

rechnungen begründet werden. Daneben beinhaltet der Aufwendungsersatzanspruch nach § 536a Abs. 2 BGB auch die Arbeitszeit des Mieters395, die dieser für die Mängelbeseitigung aufwendet. Der Wert der von dem Mieter erbrachten Eigenleistungen, der im Allgemeinen nur einen Bruchteil des Betrages aus-

384 BGH v. 12.10.1972 – VII ZR 51/72, MDR 1973, 129 = NJW 1973, 46 = BGHZ 59, 329. 385 BGH v. 4.5.2011 – VIII ZR 195/10, MietRB 2011, 201 = MDR 2011, 777 = WuM 2011, 363 = ZMR 2011, 705 = NZM 2011, 452; BGH v. 2.10.1985 – VIII ZR 326/84, MDR 1986, 227 = NJW 1986, 254 (unter 2a). 386 BGH v. 24.11.1995 – V ZR 88/95, MDR 1996, 1113 = NJW 1996, 921. 387 AG Wetzlar v. 13.3.2012 – 38 C 1559/11 (38), GE 2012, 959. 388 Erman/Ebert, § 256 BGB Rz. 4. 389 BGH v. 31.1.1991 – VII ZR 63/90, MDR 1991, 970 = NJW-RR 1991, 789. 390 LG Berlin v. 9.7.1991 – 64 S 103/91, GE 1991, 987. 391 BGH v. 21.4.2010 – VIII ZR 131/09, MDR 2010, 798 = WuM 2010, 348 = ZMR 2010, 672. 392 AG Osnabrück v. 18.3.2004 – 6 C 360/03, WuM 2005, 48. 393 KG v. 15.5.2000 – 8 U 4583/99, MDR 2000, 1240. 394 OLG Düsseldorf v. 18.12.1986 – 10 U 139/86, ZMR 1987, 376. 395 BGH v. 24.11.1995 – V ZR 88/95, MDR 1996, 1113 = NJW 1996, 921.

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B. Wohnraummiete | Rz. 198 § 536a

macht, den der Mieter bei Beauftragung eines Handwerkers hätte aufbringen müssen, kann gemäß § 287 ZPO geschätzt werden396. Für eine ungelernte, aber gewissenhaft arbeitende Kraft können jedenfalls 8 Euro brutto die Stunde angesetzt werden397. Ob höhere Werte etwa deshalb anzusetzen sind, weil die Ausführung der Arbeiten zugleich Gegenstand eines von dem Mieter in selbständiger beruflicher Tätigkeit geführten Gewerbes ist oder er den Beruf erlernt hat, ist bislang höchstrichterlich nicht entschieden. Dafür spricht die Tatsache, dass der Mieter die Maßnahme durch einen Handwerker zu den Kosten eines Fachmannes hätte ausführen lassen können und seine eigene Zeit für eine Tätigkeit mit entsprechender Entlohnung hätte nutzen können. 2. Kosten der Ersatzvornahme, § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB Die Vorschrift ergänzt die Rechtsfolgen des Verzuges des Vermieters mit einer Mängelbeseitigung. Die 194 Geltendmachung des Anspruchs ist nicht davon abhängig, dass der Mieter die Ersatzvornahme und/ oder die Geltendmachung von Aufwendungsersatz zuvor angekündigt hat398. Der Aufwendungsersatz kommt nicht nur in Betracht, wenn Investitionen in das Gebäude vorgenom- 195 men worden sind. Auch wenn der Vermieter z.B. die Stromversorgung für eine Wohnung von Anfang an übernommen hatte, sich aber dann nach Jahren von der Stromversorgung abgemeldet und einen Nutzerwechsel beim zuständigen Elektrizitätsversorger beantragt hat, kann der Mieter die nunmehr von ihm gezahlten Stromkosten vorbehaltlich § 556b Abs. 2 BGB von der Miete einbehalten. Dem Mieter steht insofern ein aufrechenbarer Anspruch auf Aufwendungsersatz nach § 536a Abs. 2 BGB zu399. Auch bei der Beseitigung optischer Mängel greift § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB. Werden beispielsweise Geschäftsräume zum Betrieb eines Lebensmittelgeschäfts im optisch einwandfreien Gebäude angemietet, kann der Mieter vom Vermieter die Beseitigung nicht mehr hinzunehmender Graffiti-Schäden verlangen. Bei Beeinträchtigung des optischen Zustands der Mietsache durch mutwillig zerkratzte Glasscheiben (sog. Scratching) sind diese vom Vermieter zu erneuern400. Befindet sich der Vermieter damit im Verzug, kann der Mieter nach § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB vorgehen. 3. Kosten von unaufschiebbaren Maßnahmen Die Kosten für sog. Notmaßnahmen hat der Vermieter gemäß § 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB ausnahmsweise 196 ohne Verzug zu erstatten. Dafür muss es sich um notwendige Aufwendungen handeln, die für eine unerlässliche Notmaßnahme entstanden sind401. Das ist insbesondere bei Gefahr für die Mietsache oder Rechtsgüter des Mieters oder anderer Mieter der Fall. a) Erfasste Maßnahmen § 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB beschränkt die relevanten Maßnahmen zur Beseitigung eines Mangels auf 197 solche zur Erhaltung oder Wiederherstellung des Bestands der Mietsache. Im Hinblick darauf scheiden Maßnahmen zur Wiederherstellung der Mietsache von vorneherein aus dem Anwendungsbereich des § 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB aus402. Dafür und für sonstige Maßnahmen, die nicht der Mängelbeseitigung dienen, kommt ein Anspruch aus § 539 BGB in Betracht. Erfasst werden demnach insbesondere Maßnahmen zur Schadensabwehr und zum Schutz der Miet- 198 sache403. Dies ist anzunehmen bei Leistungen, ohne die das Gebäude oder wesentliche Teile (weitere) erhebliche Beschädigungen erleiden oder auf Dauer unbrauchbar würden404. Allein den ungestörten 396 BGH v. 27.5.2009 – VIII ZR 302/07, MDR 2009, 916 = MietRB 2009, 254 = WuM 2009, 395 = GE 2009, 901 = ZMR 2009, 829. 397 AG Pankow/Weißensee v. 5.8.2004 – 3 C 71/03, MM 2005, 75. 398 MünchKomm/Häublein, § 536a BGB Rz. 24. 399 AG Köln v. 29.2.2008 – 201 C 557/07, WuM 2008, 547. 400 LG Berlin v. 24.1.2008 – 32 O 84/07, MietRB 2008, 298 = GuT 2008, 347. 401 BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 22/92, NJW-RR 1993, 522. 402 MünchKomm/Häublein, § 536a BGB Rz. 25. 403 Blank/Börstinghaus, § 536a BGB Rz. 43. 404 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536a BGB Rz. 129 m.w.N.

Lützenkirchen | 561

§ 536a Rz. 198 | Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen eines Mangels Gebrauch der Mietsache als Maßstab heranzuziehen405, ist nicht gerechtfertigt. Diese Ansicht wird schon von dem Wortlaut der Vorschrift nicht erfasst. b) Dringlichkeit der Maßnahme 199 Die Maßnahme zur Mängelbeseitigung muss unaufschiebbar sein, um eine Ausnahme von Verzugs-

erfordernis zu rechtfertigen. Dafür ist ein objektiver Maßstab anzulegen406. Es kommt also nicht auf die subjektive Situation des Mieters an. Maßgeblich ist vielmehr, dass aus der Sicht eines objektiven Betrachters ein sofortiges Handeln angezeigt war. 200 Besteht z.B. eine konstruktionsbedingte Verstopfung des WC-Abflusses, kommt es für die Frage, ob

die Beseitigung durch eine Fachfirma unmittelbar durch den Mieter mit der Rechtsfolge des § 536a Abs. 2 BGB nicht darauf an, ob der Mieter die Feststellung am Tage seiner Rückkehr aus dem Urlaub trifft407. Maßgeblich ist allein, ob rechtzeitig Hilfe durch den Vermieter zu erhalten ist, um (weiteren) Schaden von der Mietsache abzuhalten. 201 Eine unaufschiebbare Maßnahme kommt z.B. durch den Ausfall der Heizung in Betracht408. Tritt die-

ses Ereignis im Winter ein, kann die Reparatur eine Notmaßnahme des Mieters darstellen, die zur Wiederherstellung der Mietsache erforderlich ist und keinen Aufschub duldet409. Entsprechende Umstände sind nicht zu erkennen, wenn beim Ausfall der Heizung die Außentemperaturen sich im Bereich von ca. 16,8 °C bewegt haben410, so dass kein sofortiges Handeln erforderlich war. Mit Rücksicht darauf, ist es bei dem Phänomen des Heizungsausfalls in einem der Wohnräume auch unerheblich, an welchem Wochentag und zu welcher Tages- bzw. Nachtzeit der Mangel auftritt. Selbst wenn die Heizung an einem Samstag ausfällt, erhält der Mieter keinen Kostenersatz, wenn er den Installateur ohne Rücksprache mit dem Vermieter oder seinem Hausverwalter ruft, solange die äußeren Umstände ein sofortiges Handeln nicht rechtfertigen. Dies gilt erst recht, wenn der Mieter das Serviceunternehmen, auf das die Hausverwaltung durch einen Aushang im Hausflur hingewiesen hat, wegen des Heizungsausfalls am Samstag erst am nächsten Werktag in Anspruch nimmt. Unabhängig von den klimatischen Verhältnissen in oder außerhalb der Wohnung kann eine Notmaßnahme i.S.v. § 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB begründet werden, wenn aus einem Heizkörper in erheblichem Umfang Wasser austritt oder auszutreten droht411. 202 Dabei ist die Motivation des Mieters ohne Bedeutung. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob der Mie-

ter dem Vermieter Rechte abschneiden wollte412. Selbst wenn dies der Fall ist, kann er seine Aufwendungen nicht nach §§ 536a, 539 BGB vom Vermieter ersetzt verlangen413. 203 Sind dem Mieter die Adresse des Vermieters oder auch andere Kontaktmöglichkeiten (E-Mail, Telefon)

auf Anhieb unbekannt (im Mietvertrag stehen z.B. nur der Name und die Bankverbindung des Vermieters) und hat er deswegen keine Möglichkeit, diesen zur Beseitigung eines Mangels der Mietsache aufzufordern (z.B. defektes Garagentor), kann er nach der Selbsthilfe nur dann Ersatz der entstandenen Aufwendungen verlangen, wenn er zuvor entsprechende Nachforschungen bezüglich der Adresse des Vermieters oder seines Hausverwalters durchgeführt hat. Hierzu gehört auch der Versuch, den Vermieter durch eine teilweise bzw. vollständige Einstellung der Mietzahlungen (Minderung) zur Kontaktaufnahme zu bewegen414. Schon weil Mahnungen nach § 132 Abs. 2 BGB auch öffentlich zugestellt werden können, rechtfertigt der unbekannte Aufenthalt des Vermieters als solches keine Notmaßnahme i.S.v.

405 Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. VIII 283. 406 LG Hagen v. 7.3.1984 – 13 S 188/82, WuM 1984, 215 = ZMR 1984, 375; MünchKomm/Häublein, § 536a BGB Rz. 26. 407 AG Saarburg v. 19.11.2008 – 5 C 454/08, WuM 2008, 725. 408 LG Heidelberg v. 8.11.1996 – 5 S 95/96, WuM 1997, 42. 409 AG Münster v. 30.9.2009 – 4 C 2725/09, WuM 2009, 665. 410 AG Münster v. 11.9.2008 – 49 C 2864/08, WuM 2008, 688. 411 AG Hamburg v. 12.12.1990 – 43b C 305/90, WuM 1994, 609. 412 Zu diesem Argument vgl. BGH v. 16.1.2008 – VIII ZR 222/06, MietRB 2008, 97 = MDR 2008, 440 = ZMR 2008, 281 = WuM 2008, 147 = NZM 2008, 279. 413 A.A. AG Hamburg v. 1.4.2009 – 46 C 108/08, ZMR 2009, 928. 414 AG Köln v. 20.6.2006 – 223 C 8/06, NZM 2007, 161.

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B. Wohnraummiete | Rz. 205 § 536a

§ 536a Abs. 2 BGB, solange kein unmittelbarer konkreter Schaden für die Mietsache abgewendet werden muss. Erst recht ist der Mieter auch nachts um 22:30 Uhr noch verpflichtet, den Vermieter anzurufen, bevor er einen überteuerten Schlüsseldienst anruft415. c) Eilmaßnahmen Ist objektiv eine Notmaßnahme nicht erforderlich, weil keine Gefahr für die Mietsache droht, kann den- 204 noch eine Durchführung der Maßnahme ohne Einschaltung des Vermieters gerechtfertigt sein, wenn sie zur Abwehr von erheblichem Schaden für die Rechtsgüter des Mieters notwendig ist. Als Orientierung, unter welchen Voraussetzungen dies angenommen werden kann, dient § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB416. Nach dieser Vorschrift bedarf es zur Herbeiführung des Verzugs keiner Mahnung, wenn dies aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist. Dies kann z.B. auch angenommen werden, wenn der Vermieter die alsbaldige Leistung (Mängelbeseitigung) angekündigt hat, aber gleichwohl nicht leistet417. Ein derartiger Fall kann z.B. anzunehmen sein, wenn der Mieter in seinem Rollladenkasten ein Wespennest entdeckt, dass mehr als 1000 Wespen beherbergt418. Liegt danach ein Fall vor, in dem ausnahmsweise keine Mahnung erforderlich ist und erhebliche Ge- 205 fahr für Rechtsgüter des Mieters droht oder besteht, richtet sich der Aufwendungsersatz nach § 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB419. Dies gilt aber nur in dem Umfang, in dem für die tatsächliche Notmaßnahme Aufwand angefallen ist. Leistungen, die aufschiebbar waren (z.B. Verputzen nach Rohrbruch), können nur als Aufwendungsersatz nach Verzug des Vermieters (§ 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB) durchgesetzt werden. Denn er soll über das Ob und Wie vorrangig entscheiden können. Mit Rücksicht darauf kommen als Notmaßnahmen in Betracht, – Einschaltung eines Elektro-Notdienstes zur Beseitigung eines Stromausfalls, wenn die eingetretene Störung auf einen Mangel in der elektrischen Anlage zurückzuführen ist, für den der Mieter nicht verantwortlich ist420, – (Total-)Ausfall der Heizung421, nicht aber, wenn es sich nicht um eine unaufschiebbare Maßnahme handelt, was z.B. gegeben ist, wenn nur Wasser nachgefüllt werden muss und dies regelmäßig erfolgt422, – Einkauf von Heizöl423, – Beseitigung eines Wespen- oder Hornissennestes424, – Einbruchsgefahr aufgrund nicht schließbarer Wohnungstür425, – Errichten einer Stützmauer zur Verhinderung des Einsturzes426,

415 AG Köln v. 4.12.2018 – 205 C 30 %/18, ZMR 2019, 137. 416 Blank/Börstinghaus, § 536a BGB Rz. 44 m.w.N. 417 Erman/Hager, § 286 BGB Rz. 45; Staudinger/Emmerich, § 536a BGB Rz. 16; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536a BGB Rz. 124; Blank/Börstinghaus, § 536a BGB Rz. 41; Schmid/Harting, § 536a BGB Rz. 32; a.A. Staudinger/Löwisch, § 286 BGB Rz. 8.7. 418 AG Würzburg v. 19.2.2014 – 13 C 2751/13, WuM 2014, 332 = GE 2014, 1067. 419 BGH v. 16.1.2008 – VIII ZR 222/06, MietRB 2008, 97 = MDR 2008, 440 = ZMR 2008, 281 = WuM 2008, 147 = NZM 2008, 279. 420 AG Bonn v. 15.5.1987 – 6 C 138/87, WuM 1987, 219. 421 BGH v. 16.1.2008 – VIII ZR 222/06, MietRB 2008, 97 = MDR 2008, 440 = WuM 2008, 147 = ZMR 2008, 281; LG Bochum v. 4.7.2006 – 11 S 350/05, juris; LG Rottweil v. 15.2.1989 – 1 S 211/88, WuM 1989, 288; AG Spandau v. 14.8.2008 – 6 C 345/08, GE 2008, 1199. 422 AG Brandenburg v. 25.4.2012 – 34 C 45/11, GE 2012, 758. 423 AG Weilheim v. 3.3.1986 – 1 C 913/85, WuM 1987, 221. 424 AG Würzburg v. 19.2.2014 – 13 C 2751/13, IMR 2014, 415; AG Meppen v. 11.3.2003 – 8 C 92/03, WuM 2003, 356. 425 AG Frankfurt v. 11.6.1987 – 33 C 1229/87, WuM 1988, 157. 426 Hanseatisches OLG Hamburg v. 6.2.1985 – 4 U 30/84, WuM 1986, 82 = ZMR 1985, 237–239.

Lützenkirchen | 563

§ 536a Rz. 205 | Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen eines Mangels – Einbau einer Drainage427, – Beseitigung eines Rohrbruches428. d) Umfang der Notmaßnahme 206 Die Beschränkung auf Notmaßnahmen kann vor dem Hintergrund, dass die Maßnahme (nur) dem

Erhalt der Mietsache dienen darf, dazu führen, dass die Ersatzvornahme in einen Teil unterfällt, der nach § 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB abgerechnet werden kann, und einen weiteren Teil, der unter den Voraussetzungen des § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB geltend gemacht werden muss. Hat z.B. ein Rohrbruch am Wochenende stattgefunden, erhält der Mieter über § 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB die Kosten für die Leckageortung und die Beseitigung des Rohrbruchs als solchem, also in der Regel die Kosten des Installateurs429. Die anschließenden Arbeiten zur Wiederherstellung des vertragsgemäßen Gebrauchs (Verputzen, Renovierung) können nur nach § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB verlangt werden, erfordern also in der Regel den Verzug des Vermieters. 4. Verjährung 207 Die Erstattungsansprüche nach § 536a Abs. 2 BGB verjähren nach § 548 Abs. 2 BGB in sechs Monaten

nach Beendigung des Mietvertrages430. Im Hinblick darauf tritt nach der hier vertretenen Ansicht eine Verjährung während der Mietzeit nicht ein. Zum Zusammentreffen mit Schadensersatzansprüchen nach § 536a Abs. 1 BGB vgl. § 536a BGB Rz. 151a.

C. Gewerberaummiete 208 Bei der Anwendung des § 536a BGB muss darauf geachtet werden, ob eine von § 535 Abs. 1 S. 2 BGB

abweichende Vereinbarung besteht. Denn ist der Mieter für die Erhaltung der Mietsache z.B. durch Übertragung der Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht verantwortlich (vgl. § 536a BGB Rz. 27 f.), können die in § 536a BGB enthaltenen Gewährleistungsansprüche insoweit nicht geltend gemacht werden. 209 Neben der Abdingbarkeit ergeben sich wesentliche Unterschiede bei den Schadenspositionen:

I. Entgangener Gewinn 210 Für die Bewertung dieser Schadensposition ist § 252 BGB relevant. Danach gilt der Gewinn als entgan-

gen, welcher nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge (= abstrakte Schadensberechnung) oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen (= konkrete Schadensberechnung), mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden durfte. Die Vorschrift enthält für den Geschädigten eine § 287 ZPO ergänzende Beweiserleichterung. Der Geschädigte braucht nur die konkreten „Anknüpfungstatsachen für eine Wahrscheinlichkeitsprognose nach § 252 BGB und eine daran angeknüpfte Schadenschätzung nach § 287 ZPO“ darzulegen431. Dabei sollen die Anforderungen an Darlegung und Beweis der Umstände, die den Gewinn wahrscheinlich machen, nicht überspannt werden. Denn volle Gewissheit, dass der Gewinn gezogen worden wäre, ist nicht erforderlich; insoweit dürfen an das Vorbringen eines selbständigen Unternehmers, ihm seien erwartete Gewinne entgangen, wegen der damit regelmäßig verbundenen Schwierigkeiten keine allzu strengen Anforderungen gestellt

427 BGH v. 24.11.1995 – V ZR 88/95, MDR 1996, 1113 = NJW 1996, 921. 428 LG Hagen v. 7.3.1984 – 13 S 188/82, WuM 1984, 215 = ZMR 1984, 375. AG Schönberg v. 30.10.1987 – 4 C 296/87, GE 1988, 305. 429 LG Hagen v. 7.3.1984 – 13 S 188/82, WuM 1984, 215. 430 BGH v. 13.2.1974 – VIII ZR 233/72, NJW 1974, 743. 431 BGH v. 26.7.2005 – XII ZR 134/04, MDR 2006, 320 = NJW 2005, 3348 (3349).

564 | Lützenkirchen

C. Gewerberaummiete | Rz. 213 § 536a

werden432. Vielmehr genügt als Maß eine „gewisse Wahrscheinlichkeit“433. Das ist bereits dann anzunehmen, „wenn es nach den Umständen des Falles wahrscheinlicher ist, dass der Gewinn ohne das haftungsbegründende Ereignis erzielt worden wäre, als dass er ausgeblieben wäre“434. Bei der Verzugshaftung nach § 536a Abs. 1, 3. Var. BGB ist zu beachten, dass nur der durch den Ver- 210a zug entstandene Schaden zu ersetzen ist435. Dies ist insbesondere beachtlich, wenn der Mieter Umsatzeinbußen geltend macht, die infolge der Mängelbeseitigung entstanden sind. Hätte die Mängelbeseitigung ohnehin zu einer Beeinträchtigung der gewerblichen Tätigkeit des Mieters geführt, fehlt ein Schaden. Denn die mit der Mängelbeseitigung verbundenen Einbußen muss der Mieter tragen, solange den Vermieter insoweit kein zusätzliches Verschulden trifft436. Ist der Erwerbsschaden eines Selbständigen oder sonstigen etablierten Unternehmens festzustellen, 211 ist es im Rahmen der §§ 252 BGB, 287 ZPO in der Regel erforderlich und angebracht, an die Geschäftsentwicklung und die Geschäftsergebnisse in den letzten Jahren anzuknüpfen437. Zur Darlegung des entgangenen Gewinns im Rahmen der abstrakten Schadensberechnung nach § 252 S. 2 BGB ist es ausreichend, diese Tatsachen, also den entgangenen Gewinn als solchen, vorzutragen. Deshalb genügt der Mieter diesen Anforderungen, wenn er den ihm durch die Nichtgewährung des Gebrauchs der Mietsache entgangenen Gewinn abstrakt berechnet, indem er die von ihm in den vergangenen Jahren erzielten Gewinne darlegt und unter Zeugen- und/oder Sachverständigenbeweis stellt438. Damit hat er gemäß § 252 S. 2 BGB hinreichend dargelegt und unter Beweis gestellt, welchen Gewinn er nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwarten konnte. Zur Schlüssigkeit ist es nicht erforderlich, auch noch die Eckdaten der Berechnung mitzuteilen. Dennoch kann im Einzelnen zu untersuchen sein, ob der Gewinn realistisch ist. Denn oftmals sind ins- 212 besondere saisonale Besonderheiten (z.B. Weihnachtsverkäufe, Vorweihnachtszeit, Schlussverkauf), aber auch Standortfragen zu beachten. Der Mieter liefert aber ausreichend Anknüpfungstatsachen zur Ermittlung des entgangenen Gewinns im Prozess, wenn er den behaupteten Gewinn durch Vorlage von – Umsatzbögen, – Steuererklärungen, – Steuerbescheiden, – Gewinn- und Verlustrechnungen, – betriebswirtschaftliche Auswertungen und – Wareneingangsbüchern unter Beweis stellt439. Schwieriger wird die Beweisführung bei Existenzgründern. Hier fehlen in der Regel die Vergleichszah- 213 len für den Zeitraum vor der Anmietung. Deshalb muss bei diesen Unternehmen mit entsprechenden Prognoseberechnungen gearbeitet werden, die von einem Sachverständigen (Berufsverband, Steuerberater, Innung etc.) anhand von Vergleichsfällen aufgestellt wurden und in der Regel auch Grundlage der Finanzierung sind bzw. waren. Allenfalls kann hier aus einer späteren Geschäftsentwicklung ein Rückschluss gezogen werden. Dabei ist jedoch ggf. die Standortfrage zu berücksichtigen. Hat der Mieter insoweit schlüssig vorgetragen, spricht für ihn die Rentabilitätsvermutung440. Der Vermieter muss darlegen und beweisen, dass der Betrieb des Mieters aus betriebswirtschaftlichen Umständen keinen Gewinn abgeworfen hat441. Insoweit ergibt sich keine Kollision mit § 284 BGB, wenn der Mieter Investitionen in die Mietsache vorgenommen hat. Die Rentabilitätsvermutung bedeutet lediglich eine Darle432 433 434 435 436 437 438 439 440 441

BGH v. 26.7.2005 – XII ZR 134/04, MDR 2006, 320 = NJW 2005, 3348 (3349). Vgl. z.B. BGH v. 30.5.2001 – VIII ZR 70/00, MDR 2001, 1249 = NJW-RR 2001, 1542. BGH v. 27.9.2001 – IX ZR 281/00, MDR 2002, 169 = NJW 2002, 825 (826). BGH v. 3.7.2013 – VIII ZR 191/12, MietRB 2013, 288 = MDR 2013, 1025 = WuM 2013, 538 = NZM 2013, 675 Rz. 10. BGH v. 13.5.2015 – XII ZR 65/14, MietRB 2015, 231 = MDR 2015, 878 = WuM 2015, 619 = ZMR 2015, 842. BGH v. 6.2.2001 – VI ZR 339/99, MDR 2001, 689 = NJW 2001, 1640 (1641). BGH v. 27.10.2007 – XIII ZR 128/09, GE 2010, 1741. BGH v. 31.8.2005 – XII ZR 63/03, NJW-RR 2005, 1603 = ZMR 2006, 184 = MietRB 2006, 65. BGH v. 10.12.1986 – VIII ZR 349/85, NJW 1987, 831 (834) = MDR 1987, 399. OLG Karlsruhe v. 16.10.2017 – 9 U 89/15, MietRB 2018, 266 = ZMR 2018, 929 = DWW 2018, 296.

Lützenkirchen | 565

§ 536a Rz. 213 | Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen eines Mangels gungs- und Beweiserleichterung für den Mieter. Wer Investitionen zur Durchführung eines Vertrages tätigt, geht davon aus, dass diese Investitionen sich lohnen. Daraus folgt die anerkannte (widerlegbare) Vermutung, dass der beabsichtigte Geschäftsbetrieb voraussichtlich jedenfalls so rentabel gewesen wäre, dass sich die Investitionen des Geschädigten gelohnt hätten. Die Investitionen des Mieters sind bei dieser Betrachtungsweise nur ein Hilfsmittel zur Abschätzung eines Mindestbetrages des durch die Pflichtverletzungen des Vermieters entgangenen Gewinns442. Da es sich bei der Heranziehung der Aufwendungen, welche der Mieter gehabt hat, nur um ein Hilfsmittel zur Abschätzung des entgangenen Gewinns handelt, kommt es auf die Voraussetzungen eines Anspruchs gem. § 284 BGB nicht an. Die Berechnung eines Schadens statt der Leistung mit Hilfe der Rentabilitätsvermutung wird durch die Regelung in § 284 BGB nicht verdrängt443.

II. Kosten der geplanten Geschäftseröffnung 214 Greift § 536a Abs. 1 BGB, weil die Übergabe i.S.v. § 535 Abs. 1 BGB durch einen Rechtsmangel verhin-

dert wird (vgl. Vor § 536 BGB Rz. 33), kommt Aufwendungsersatz nach § 284 BGB in Betracht (vgl. § 536a BGB Rz. 105 f.). Darunter können auch die Aufwendungen fallen, die dem Mieter im Hinblick auf eine geplante, aber abgesagte Geschäftseröffnung entstanden sind. Denn die Vorbereitungen des Mieters zur Geschäftseröffnung können schon so weit gediehen sein, dass er Werbeanzeigen in Auftrag gegeben oder sonstige Events geplant hat. Trotz der Stornierung dieser Aufträge können Kosten z.B. durch die Anwendung des § 649 BGB entstanden sein. Ist dafür z.B. eine pauschalierte Abfindung vereinbart444, an deren Wirksamkeit keine Bedenken bestehen, kann der dadurch ermittelte Betrag geltend gemacht werden.

III. Lohnkosten für Personal 215 Sofern der Gewerbemieter sein Personal bis zum Bezug der Ersatzräume bzw. bei einer Betriebsunter-

brechung infolge mangelhafter Mietsache weiterbezahlen muss, ergibt sich nach der Differenztheorie grundsätzlich eine Schadensposition. Wird entgangener Gewinn geltend gemacht, sind die Lohnkosten ein Abzugsposten und daher nicht noch einmal gesondert zu berücksichtigen. 216 Zu den Lohnkosten zählen neben dem vereinbarten Bruttoentgelt auch die Arbeitgeberanteile zur Sozi-

alversicherung. Daneben können (anteilig) Beiträge für Berufsgenossenschaften oder sonstige Vereinigungen entstehen.

§ 536b Kenntnis des Mieters vom Mangel bei Vertragsschluss oder Annahme Kennt der Mieter bei Vertragsschluss den Mangel der Mietsache, so stehen ihm die Rechte aus den §§ 536 und 536a nicht zu. Ist ihm der Mangel infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, so stehen ihm diese Rechte nur zu, wenn der Vermieter den Mangel arglistig verschwiegen hat. Nimmt der Mieter eine mangelhafte Sache an, obwohl er den Mangel kennt, so kann er die Rechte aus den §§ 536 und 536a nur geltend machen, wenn er sich seine Rechte bei der Annahme vorbehält. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 1 2

1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . 2. Anwendbare Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . a) Unmittelbarer Anwendungsbereich . . . .

2 3 3

442 Vgl. BGH v. 17.12.2003 – XII ZR 146/00, GuT 2004, 54; BGH v. 10.12.1986 – VIII ZR 349/85, NJW 1987, 831 (834) = MDR 1987, 399. 443 Vgl. Palandt/Grüneberg, § 284 BGB Rz. 3. 444 Vgl. dazu Palandt/Sprau, § 649 BGB Rz. 3.

566 | Lützenkirchen

§ 536a Rz. 213 | Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen eines Mangels gungs- und Beweiserleichterung für den Mieter. Wer Investitionen zur Durchführung eines Vertrages tätigt, geht davon aus, dass diese Investitionen sich lohnen. Daraus folgt die anerkannte (widerlegbare) Vermutung, dass der beabsichtigte Geschäftsbetrieb voraussichtlich jedenfalls so rentabel gewesen wäre, dass sich die Investitionen des Geschädigten gelohnt hätten. Die Investitionen des Mieters sind bei dieser Betrachtungsweise nur ein Hilfsmittel zur Abschätzung eines Mindestbetrages des durch die Pflichtverletzungen des Vermieters entgangenen Gewinns442. Da es sich bei der Heranziehung der Aufwendungen, welche der Mieter gehabt hat, nur um ein Hilfsmittel zur Abschätzung des entgangenen Gewinns handelt, kommt es auf die Voraussetzungen eines Anspruchs gem. § 284 BGB nicht an. Die Berechnung eines Schadens statt der Leistung mit Hilfe der Rentabilitätsvermutung wird durch die Regelung in § 284 BGB nicht verdrängt443.

II. Kosten der geplanten Geschäftseröffnung 214 Greift § 536a Abs. 1 BGB, weil die Übergabe i.S.v. § 535 Abs. 1 BGB durch einen Rechtsmangel verhin-

dert wird (vgl. Vor § 536 BGB Rz. 33), kommt Aufwendungsersatz nach § 284 BGB in Betracht (vgl. § 536a BGB Rz. 105 f.). Darunter können auch die Aufwendungen fallen, die dem Mieter im Hinblick auf eine geplante, aber abgesagte Geschäftseröffnung entstanden sind. Denn die Vorbereitungen des Mieters zur Geschäftseröffnung können schon so weit gediehen sein, dass er Werbeanzeigen in Auftrag gegeben oder sonstige Events geplant hat. Trotz der Stornierung dieser Aufträge können Kosten z.B. durch die Anwendung des § 649 BGB entstanden sein. Ist dafür z.B. eine pauschalierte Abfindung vereinbart444, an deren Wirksamkeit keine Bedenken bestehen, kann der dadurch ermittelte Betrag geltend gemacht werden.

III. Lohnkosten für Personal 215 Sofern der Gewerbemieter sein Personal bis zum Bezug der Ersatzräume bzw. bei einer Betriebsunter-

brechung infolge mangelhafter Mietsache weiterbezahlen muss, ergibt sich nach der Differenztheorie grundsätzlich eine Schadensposition. Wird entgangener Gewinn geltend gemacht, sind die Lohnkosten ein Abzugsposten und daher nicht noch einmal gesondert zu berücksichtigen. 216 Zu den Lohnkosten zählen neben dem vereinbarten Bruttoentgelt auch die Arbeitgeberanteile zur Sozi-

alversicherung. Daneben können (anteilig) Beiträge für Berufsgenossenschaften oder sonstige Vereinigungen entstehen.

§ 536b Kenntnis des Mieters vom Mangel bei Vertragsschluss oder Annahme Kennt der Mieter bei Vertragsschluss den Mangel der Mietsache, so stehen ihm die Rechte aus den §§ 536 und 536a nicht zu. Ist ihm der Mangel infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, so stehen ihm diese Rechte nur zu, wenn der Vermieter den Mangel arglistig verschwiegen hat. Nimmt der Mieter eine mangelhafte Sache an, obwohl er den Mangel kennt, so kann er die Rechte aus den §§ 536 und 536a nur geltend machen, wenn er sich seine Rechte bei der Annahme vorbehält. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . 2. Anwendbare Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . a) Unmittelbarer Anwendungsbereich . . . .

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442 Vgl. BGH v. 17.12.2003 – XII ZR 146/00, GuT 2004, 54; BGH v. 10.12.1986 – VIII ZR 349/85, NJW 1987, 831 (834) = MDR 1987, 399. 443 Vgl. Palandt/Grüneberg, § 284 BGB Rz. 3. 444 Vgl. dazu Palandt/Sprau, § 649 BGB Rz. 3.

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A. Allgemeines | Rz. 3 § 536b b) Analoge Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . 6 Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . 11 Abweichende Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . 12 Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Kenntnis bei Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . 15 1. Umfang der Kenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 2. Kenntnis vom Rechtsmangel . . . . . . . . . . . . 22 3. Umfang der Ausschlusswirkung . . . . . . . . . . 24 II. Grob fahrlässige Unkenntnis, § 536b S. 2 BGB 25a 1. Grobe Fahrlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25a 2. Arglistiges Verschweigen des Mangels . . . . . 32 III. Zeitpunkt der Mangelkenntnis . . . . . . . . . . . . 34

III. IV. V. B. I.

1. Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vertragsverlängerung und -änderung . . . . . . 3. Annahme der mangelhaften Sache, § 536b S. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erfasste Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung zum vertragsgemäßen Zustand V. Verwirkung von Gewährleistungsrechten . . . . 1. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geltung der Verwirkung neben § 536c BGB . 3. Voraussetzungen der Verwirkung . . . . . . . . . C. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34 35 40 42 44 44 46 48 48 49 51 54

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt Die von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung1 regelt drei Fälle rund um den Vertragsbeginn, 1 die die Gewährleistungsrechte des Mieters einschränken. Besteht ein Mangel im maßgeblichen Zeitpunkt und liegen die jeweils geforderten subjektiven Voraussetzungen vor, kann der Mieter die Rechte aus den §§ 536, 536a, 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht für sich reklamieren. Im Einzelnen muss zwischen – der Kenntnis des Mieters bei Vertragsschluss, – seiner grob fahrlässigen Unkenntnis und – seiner Mangelkenntnis bei der Annahme der Mietsache unterschieden werden. § 536b BGB ist im Zusammenhang mit § 536c BGB zu lesen. Dort ist geregelt, wie und unter welchen Voraussetzungen der Mieter seine Gewährleistungsrechte verlieren kann, wenn ein Mangel während der Mietzeit entsteht. Hier wird der Ausschluss bei ursprünglich vorhandenen Mängeln behandelt.

II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich Die Vorschrift ist für alle Mietverhältnisse einschließlich derer i.S.d. § 549 Abs. 2 und 3 BGB – un- 2 mittelbar und über § 581 Abs. 2 BGB entsprechend auch auf Pachtverhältnisse anwendbar. 2. Anwendbare Rechtsprechung a) Unmittelbarer Anwendungsbereich § 536b BGB entspricht weitestgehend § 539 BGB in der bis zum 31.8.2001 gültigen Fassung (a.F.). Ein- 3 gearbeitet wurde zusätzlich der für die Rechtsmängelhaftung bis zum 1.9.2001 in § 541 BGB a.F. enthaltene Verweis auf § 539 S. 1 BGB a.F. Damit ist seit 1.9.2001 der gesetzliche Gewährleistungsausschluss für Sach- und Rechtsmängel einheitlich geregelt. Zu dieser Einheitlichkeit gehört, dass ein Gewährleistungsausschluss für Sach- und Rechtsmängel bezogen auf den Vertragsschluss nur noch bei positiver Kenntnis des Mieters vom Mangel besteht (§ 536b S. 1 BGB). Hinsichtlich der Rechtsmängel entspricht dies bereits der bis zum 31.8.2001 bestehenden Rechtslage. Für Sachmängel war der Gesetzgeber der Auffassung, dass die grob fahrlässige Unkenntnis des Mieters sich als sehr streitträchtig erwiesen habe, da die Frage, ob grob fahrlässige Unkenntnis bei Vertragsschluss vorgelegen habe, je nach den konkreten Umständen von Fall zu Fall unterschiedlich beantwortet werden musste2. Deshalb wurde die1 BGH v. 10.11.1965 – Ib ZR 101/63, NJW 1966, 343. 2 Begr. d. RefE, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Anhang Rz. 1137.

Lützenkirchen | 567

§ 536b Rz. 3 | Kenntnis des Mieters vom Mangel bei Vertragsschluss oder Annahme ser Ausschlusstatbestand aus § 539 BGB a.F. zum 1.9.2001 nicht übernommen bzw. unter den Vorbehalt der arglistigen Täuschung durch den Vermieter gestellt. 4 S. 2 des § 536b BGB regelt seit dem 1.9.2001 den noch in § 539 BGB a.F. enthaltenen Verweis auf die

§§ 460, 464 BGB a.F. durch Klartext. Bei grober Fahrlässigkeit stehen dem Mieter die Rechte aus den §§ 536, 536a BGB nur zu, wenn der Vermieter den Mangel arglistig verschwiegen hat. Im Übrigen muss sich der Mieter seit 1.9.2001 auch bei Rechtsmängeln gemäß S. 3 bei der Annahme der Mietsache seine Rechte aus den §§ 536, 536a BGB ausdrücklich vorbehalten, um sie später noch geltend machen zu können. Dies bedeutet aber im Ergebnis keine Änderung der Rechtslage, denn die vorbehaltlose Annahme der Mietsache, die mit Rechtsmängeln behaftet ist, kann als Verzicht auf evtl. Ansprüche angesehen werden, was auf dasselbe Ergebnis hinausläuft. In erster Linie stand hier die Vereinfachung einer einheitlichen Regelung im Vordergrund3. 5 Unter Beachtung dieser Besonderheiten sind Entscheidungen aus der Zeit vor dem 1.9.2001 heute

noch verwertbar. Dabei ist zu beachten, dass sich die Ausschlusswirkung auf die ausdrücklich genannten §§ 536, 536a BGB beschränkt. Der Mängelbeseitigungsanspruch aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB, aber auch andere gesetzliche Ansprüche wie die aus §§ 823 ff. BGB, können trotz Mangelkenntnis verfolgt werden4. b) Analoge Anwendung 6 Nach bis zum 1.9.2001 fast einhelliger Meinung konnte § 539 BGB a.F. analog angewendet werden,

wenn ein Mangel erst nach Übergabe der Mietsache entstand5. Lag ein solcher Fall vor, und setzte der Mieter trotz Kenntnis des Mangels den Mietgebrauch rügelos fort, zahlte er insbesondere die Miete in voller Höhe weiter, ohne sich Gewährleistungsrechte vorzubehalten, wurde sein Verhalten dahin interpretiert, dass er aus dem Vorhandensein des Mangels Rechte nicht ableiten wollte, er also insbesondere die vereinbarte Miete auch für die fehlerhafte Mietsache als angemessen ansah6. In diesem Fall verlor der Mieter seine Rechte auf Minderung, Schadensersatz und fristlose Kündigung wegen Gebrauchsentziehung, und zwar nicht nur für die Vergangenheit, sondern vor allem auch für die Zukunft7. Dabei wurden in der Regel die Voraussetzungen zur analogen Anwendung des § 539 BGB a.F. angenommen, wenn der Mieter über einen Zeitraum von sechs Monaten die Mietsache rügelos gebraucht und in dieser Zeit die Miete in der vereinbarten Höhe vorbehaltlos gezahlt hatte8. 7 Im Gesetzgebungsverfahren zum MRRG wurde diese Rechtsprechung in Frage gestellt9. Dies allein

war Grund genug, die Voraussetzungen für die analoge Anwendung unter der Geltung des § 536b BGB mit Inkrafttreten des MRRG am 1.9.2001 entfallen zu lassen10. Denn dadurch war die für eine analoge Anwendung notwendige planwidrige Regelungslücke entfallen. Deshalb kann § 539 BGB a.F. analog nur auf Zahlungszeiträume bis zum 1.9.2001 angewendet werden (die inzwischen aber verjährt sind). Für sich daran anschließende Zeiträume muss ermittelt werden, ob die Voraussetzungen einer Verwirkung vorliegen. Auf den Tatbestand der Verwirkung können die bisherigen Anforderungen (ca. sechsmonatige vorbehaltlose Mietzahlung) nicht übertragen werden. 8 Demzufolge ist die Rechtsprechung aus der Zeit vor dem 1.9.2001, die auf einer analogen Anwendung

des § 539 BGB a.F. aufbaut, auf Fälle, die Mietzahlungen seit dem 1.9.2001 betreffen, nicht anwendbar. Selbst für den Tatbestand der Verwirkung von Gewährleistungsrechten bietet sie keine Orientierung.

3 4 5 6 7

Begr. d. RefE, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Anhang Rz. 1137. Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3371; MünchKomm/Häublein, § 536b BGB Rz. 12. Lützenkirchen, WuM 2001, 55 (59) m.w.N. BGH v. 18.6.1997 – XII ZR 63/95, MDR 1997, 1112 = NJW 1997, 2674 = WuM 1997, 488. BGH v. 18.6.1997 – XII ZR 63/95, MDR 1997, 1112 = NJW 1997, 2674 = WuM 1997, 488; BGH v. 31.5.2000 – XII ZR 41/98, MDR 2000, 1004 = WuM 2000, 416 = ZMR 2000, 666. 8 OLG Frankfurt v. 22.11.1999 – 16 U 56/99, WuM 2000, 116 m.w.N. 9 Begr. d. RefE, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Anhang Rz. 1137. 10 BGH v. 16.2.2005 – XII ZR 24/02, ZMR 2005, 770 = DWW 2005, 153 = NZM 2005, 303; BGH v. 16.7.2003 – VIII ZR 274/02, MDR 2003, 1103 = WuM 2003, 440 = ZMR 2003, 667 = NZM 2003, 679 = MietRB 2003, 1; kritisch dazu Gerber, NZM 2003, 825.

568 | Lützenkirchen

A. Allgemeines | Rz. 13 § 536b

III. Zweck der Vorschrift Der Zweck der Vorschrift wird nicht einheitlich beurteilt. Sowohl die Ausformung des Grundsatzes 9 vom Verbot widersprüchlichen Verhaltens11, eines vermuteten Verzichts12, eine Sanktion des sorglosen Abschlusses von Mietverträgen13 wie aber auch das Ziel, Rechtsfrieden zu stiften14, werden als Zweck hinter der Vorschrift gesehen. Letztlich ist von allem etwas richtig, wenngleich die These vom vermuteten Verzicht wenig überzeugt. Die Vorschrift muss im Zusammenhang mit § 536c BGB, aber auch mit § 536a Abs. 1, 1. Var. BGB (Ga- 10 rantiehaftung) sowie § 538 BGB gesehen werden und soll vor diesem Hintergrund der Rechtssicherheit dienen. Bei Beginn des Mietvertrages soll – weil die Parteien hier noch die Möglichkeit haben, den Zustand der Mietsache in ihren Einigungsprozess einzubringen – feststehen, ob der vorhandene Zustand von Beginn an die Ausübung von Gewährleistungsrechten nach §§ 536, 536a BGB und (über § 543 Abs. 4 BGB) des § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB rechtfertigen soll (vgl. aber § 569 BGB Rz. 27).

IV. Darlegungs- und Beweislast Der Vermieter muss die Kenntnis des Mieters vom Mangel oder dessen grob fahrlässige Unkenntnis 11 beweisen. Für Letzteres muss er vortragen (und ggf. beweisen), dass der Mieter aber zumindest die Umstände erkennen konnte15. Der Mieter muss beweisen, dass er sich die Gewährleistungsrechte vorbehalten hat, dass der Vermieter baldige Abhilfe zugesagt oder den Mangel arglistig verschwiegen hat16. Darüber hinaus muss er beweisen, dass eine von den Rechtsfolgen des § 536b BGB abweichende Vereinbarung getroffen wurde17. Die Anforderungen ändern sich nicht, wenn dem Mieter in einem früheren Verfahren aus dem gleichen Grund Minderungsansprüche bereits zuerkannt worden sind18. Denn regelmäßig wird der Streitgegenstand durch die Dauer, für die die Minderung berechtigt war, bestimmt, so dass neue Zeitabschnitte einen neuen Streitgegenstand bilden.

V. Abweichende Vereinbarungen Die Vorschrift ist abdingbar19, was sich in der Regel zugunsten des Mieters auswirkt. Die formular- 12 mäßige Bestätigung der Kenntnis vom Mangel stellt zumeist eine nach § 309 Nr. 12b BGB unzulässige Klausel dar20. Allein die Klausel, der Mieter erkenne den derzeitigen Zustand als vertragsgemäß an, führt aber nicht die Rechtfolgen des § 536b BGB herbei („wie besichtigt“)21. Denn sie bezieht sich nur auf den Zustand der Mietsache als solchem, so dass die räumliche Aufteilung als vertragsgemäß angesehen werden kann22. Eine Verschärfung der Anforderungen, indem z.B. die Schriftform für den Vorbehalt gefordert wird, 13 ist jedenfalls formularmäßig unzulässig, § 307 BGB. Denn dadurch könnte der vertragstreue Mieter davon abgehalten werden, trotz mündlichem Vorbehalt seine Rechte allein wegen der mangelnden Schriftform geltend zu machen. Das Gleiche gilt, wenn die Ausschlusswirkung des § 536b BGB per AGB

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Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536b BGB Rz. 1. Bamberger/Roth/Ehlert, § 536b BGB Rz. 2. Blank/Börstinghaus, § 536b BGB Rz. 2. MünchKomm/Häublein, § 536b BGB Rz. 2. BGH v. 18.4.2007 – XII ZR 139/05, MietRB 2007, 195 = MDR 2007, 1065. KG v. 17.6.2010 – 12 U 51/10, ZMR 2010, 956; MünchKomm/Häublein, § 536b BGB Rz. 32. OLG Düsseldorf v. 23.10.2008 – 24 U 25/08, ZMR 2009, 752 = GuT 2011, 272 = DWW 2009, 309 = GE 2009, 843. LG Berlin v. 21.4.2010 – 63 S 210/07, GE 2009, 453. BGH v. 22.10.2003 – XII ZR 126/00, NZM 2004, 27. MünchKomm/Häublein, § 536b BGB Rz. 4. Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3386; Sternel, Aktuell, Rz. II 18. BGH v. 18.4.2007 – XII ZR 139/05, MietRB 2007, 195 = MDR 2007, 1065.

Lützenkirchen | 569

§ 536b Rz. 13 | Kenntnis des Mieters vom Mangel bei Vertragsschluss oder Annahme auf den Mängelbeseitigungsanspruch (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB) erweitert wird, § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Letzteres gilt auch in der Gewerberaummiete23. 14 Dagegen ist insbesondere in der Gewerberaummiete eine Erweiterung des Gewährleistungsausschlus-

ses z.B. auf den Fall der einfach fahrlässigen Unkenntnis zulässig. Das Gleiche gilt für eine ausdrückliche Regelung von Untersuchungspflichten des Mieters. Beides setzt aber eine Individualvereinbarung voraus. Denn ansonsten – also AGB-mäßig – würde eine Entlastung des Vermieters von seiner Hauptpflicht aus § 535 Abs. 1 BGB stattfinden. Das ist aber formularmäßig nicht regelbar, § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB24.

B. Wohnraummiete I. Kenntnis bei Vertragsschluss 15 Für die Mangelkenntnis bei Vertragsschluss ist das eigene Wissen des Mieters erforderlich. Wird der

Mieter bei Vertragsschluss vertreten, kommt es auf die Kenntnis des Vertreters an, § 166 BGB. Bei einer juristischen Person ist die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters maßgeblich (z.B. Geschäftsführer, Vorstand)25, bei einer Gesamtvertretung reicht allerdings die Kenntnis eines Vertreters. Der Kenntnis von einem Rechtsmangel (§ 536 BGB Rz. 264) ist es gleichzusetzen, wenn der Mieter mit seinem Vorliegen gerechnet und das Risiko, dass diese Annahme richtig sei, bewusst in Kauf genommen hat26. 16 Bei einer Personenmehrheit gelten keine anderen Grundsätze. Es genügt die Kenntnis eines Mieters.

Bei einem Mieterwechsel kommt es darauf an, ob der neue Mieter Kenntnis von den Umständen hat, die den Mangel begründen. 17 Woher die Kenntnis stammt, ist unerheblich. Sie muss nicht vom Vermieter herrühren. Weiß der Mie-

ter z.B., dass die Gemeinde vor dem Grundstück in absehbarer Zeit eine Tiefgarage bauen will, kann er wegen der Baustellenbeeinträchtigungen nicht mindern27. Die Ausschlusswirkung des § 536b BGB tritt selbst dann ein, wenn der Vermieter hinsichtlich des konkreten Mangels eine arglistige Täuschung begangen hat28. 1. Umfang der Kenntnis 18 Bei dem Mieter muss positive Kenntnis festgestellt werden. Allerdings erfüllt allein die Kenntnis des

Mieters von einem bestimmten Zustand (z.B. Gewölbekeller) den Tatbestand des § 536b BGB nicht. Vielmehr müssen dem Mieter auch die Auswirkungen (z.B. poröses Fugenmaterial) bewusst sein29. Dazu müssen konkrete Vorstellungen bestehen, für die die Lebenserfahrung als Maßstab herangezogen werden kann. Ob und ggf. wie der Mieter subjektiv die Tragweite des (mangelhaften) Zustandes für den Mietgebrauch einschätzt, ist ohne Belang30. Denn abzustellen ist auf den Erkenntnishorizont eines durchschnittlichen Mieters. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Mieter den Umfang der Auswirkungen auf den Gebrauch richtig einschätzt31. Deshalb kann u.U. die Fehleinschätzung des Mieters bei der Übergabe über das Ausmaß der Gebrauchsbeeinträchtigung als Kenntnis des Mangels bei Vertrags-

23 Kritisch dazu Schenkel, NZM 1998, 502 (504). 24 BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, MietRB 2008, 103 = GuT 2007, 434 = GE 2008, 120 = ZMR 2008, 274. 25 OLG Düsseldorf v. 28.10.2010 – 24 U 28/10, MietRB 2011, 245 = MietRB 2011, 246 = MietRB 2011, 247 = ZMR 2011, 795. 26 BGH v. 20.12.1978 – VIII ZR 114/77, MDR 1979, 488 = ZMR 1980, 86 = NJW 1979, 713. 27 OLG Dresden v. 14.10.2008 – 5 U 1030/08, InfoM 2009, 120. 28 BGH v. 1.12.1971 – VIII ZR 88/70, MDR 1972, 318 = NJW 1972, 249. 29 OLG Düsseldorf v. 7.3.2006 – I-24 U 112/05, ZMR 2006, 518; LG Frankfurt v. 4.10.1988 – 2/11 S 18/88, ZMR 1990, 17; LG Berlin v. 5.8.2002 – 67 S 342/01, MM 2003, 46. 30 OLG Nürnberg v. 9.6.1959 – 3 U 162/57, ZMR 1960, 300. 31 BGH v. 20.12.1978 – VIII ZR 114/77, MDR 1979, 488 = ZMR 1980, 86; OLG Hamm v. 22.11.1996 – 22 U 202/ 95, MDR 1997, 344 = NJW-RR 1997, 773; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536b BGB Rz. 9; MünchKomm/ Häublein, § 536b BGB Rz. 4.

570 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 21 § 536b

schluss eingeschätzt werden32. Die Kenntnis von einer potentiellen Gefahr (z.B. durch giftige Chemikalien verseuchter Untergrund) reicht jedoch zur Annahme einer Kenntnis i.S.v. § 536b BGB regelmäßig nicht aus33, solange das Grundstück nicht im Altlastenkataster verzeichnet ist. Immerhin trifft den Mieter selbst dann keine Erkundigungs- oder Untersuchungspflicht, wenn er einen „ungewöhnlichen“ Zustand kennt34. Vielmehr kann er sich darauf verlassen, dass der Vermieter ihn über Umstände, die für den Vertragsschluss relevant sind, aufklärt35. Deshalb reicht die bloße Besichtigung der Räume nicht, um dem Mieter eine Kenntnis von einer Flächenabweichung unterstellen zu können. Vielmehr ist dafür ein Nachmessen erforderlich36 (§ 536 BGB Rz. 255). Deshalb reicht die Kenntnis des Mieters von der Lage der (Souterrain-)Wohnung in einem hochwasser- 19 gefährdeten Gebiet allein nicht aus. Dies gilt insbesondere, wenn die Ursache der Überschwemmung seiner Wohnung (anlässlich eines Hochwassers) eine fehlende Rückstausicherung darstellt37. Eine grob fahrlässige Unkenntnis kann nicht angenommen werden, weil keine Untersuchungspflicht besteht38. Deshalb scheidet ein Ausschluss nach § 536b BGB wegen einer Wildschweinplage aus, wenn der Mieter wusste, dass sich in unmittelbarer Nähe des Mietobjektes ein Waldgebiet befindet39. Selbst wenn der Vermieter Hinweise auf außergewöhnliche Phänomene erteilt, muss noch keine 20 Kenntnis des Mieters gegeben sein, wenn daraus nicht auf das Vorliegen eines konkreten Mangels geschlossen werden kann. Deshalb reicht der Hinweis des Vermieters auf eine Überschwemmungsgefahr durch Hochwasser nicht aus. Vielmehr muss er dem Mieter auch deren Auswirkungen schildern40. Ebenso unzureichend ist der Hinweis bei der Besichtigung auf eine Braunfärbung des Trinkwassers bis zum Anschluss des Hauses an die öffentliche Trinkwasserversorgung, wenn nicht zugleich auf eine gesundheitsgefährdende Überschreitung der Grenzwerte für Eisen und Mangan aufmerksam gemacht wird41. Denn § 536b BGB ist zwar auch auf Sachverhalte anwendbar, die Rechte aus §§ 536, 536a BGB wegen einer Gesundheitsgefährdung begründen können42. Indessen ist positive Kenntnis der Umstände, die den Mangel begründen erforderlich (vgl. aber § 569 BGB Rz. 27). Der Tatbestand des § 536b BGB entfällt, wenn der Vermieter bei Vertragsschluss ankündigt, die ver- 21 merkten Mängel zu beseitigen, die Mängelbeseitigung dann jedoch unterlässt43. Insoweit verstößt der Vermieter gegen Treu und Glauben (widersprüchliches Verhalten), wenn er sich auf den Gewährleistungsausschluss beruft44. Erst recht kann sich ein Vermieter gegenüber einem Nachmieter nicht auf den Minderungsausschluss des § 536b BGB berufen, wenn zwar im Übergabeprotokoll bestimmte vorhandene Mängel nicht vermerkt sind, diese Mängel aber in dem im Beisein des neuen Mieters gefertigten Abnahmeprotokoll zwischen dem Vermieter und dem Vormieter genannt sind und eine Mängelbeseitigung durch den Vormieter vereinbart war45.

32 OLG München v. 26.3.1993 – 21 U 6002/92, WuM 1993, 607 = NJW-RR 1994, 654; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536b BGB Rz. 9 m.w.N. 33 A.A. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536b BGB Rz. 9 unter Hinweis auf OLG Hamm v. 25.3.1987 – 30 REMiet 1/86, WuM 1987, 248. 34 BGH v. 18.4.2007 – XII ZR 139/05, MietRB 2007, 195 = MDR 2007, 1065 = ZMR 2007, 605 = NZM 2007, 484; BGH v. 7.6.2006 – XII ZR 34/0, MietRB 2006, 2644, MDR 2007, 22 = MR 2006, 678 = NZM 2006, 626. 35 Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3384. 36 LG Krefeld v. 7.11.2012 – 2 S 23/12, MietRB 2013, 33 = WuM 2012, 674; AG Koblenz v. 26.3.2015 – 152 C 3763/14, WuM 2015, 443. 37 LG Köln v. 3.1.1996 – 10 S 314/95, WuM 1996, 334. 38 BGH v. 4.4.1977 – VIII ZR 143/75, NJW 1977, 1236; LG Berlin v. 20.3.2014 – 67 S 490/11, MDR 2014, 583 = ZMR 2014, 733. 39 LG Berlin v. 21.12.2015 – 67 S 65/14, GE 2016, 259. 40 OLG Düsseldorf v. 19.5.2005 – 10 U 196/04, ZMR 2006, 925 = GE 2006, 1295 = GuT 2006, 265. 41 AG Bad Segeberg v. 10.3.1998 – 17a C 164/97, WuM 1998, 280. 42 Brandenburgisches OLG v. 25.2.2014 – 3 U 154/11, ZMR 2014, 719 = GE 2014, 460; OLG Brandenburg v. 12.9.2012 – 3 U 100/09, MietRB 2013, 9, NZM 2013, 151; vgl. auch BGH v. 3.7.2002 – XII ZR 327/00, MDR 2002, 1361 = ZMR 2002, 899 = NZM 2002, 784. 43 BGH v. 21.1.1976 – VIII ZR 113/74, ZMR 1976, 138; AG München v. 21.8.2003 – 452 C 11234/03, WuM 2004, 90. 44 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536b BGB Rz. 10. 45 LG Berlin v. 14.9.2006 – 62 S 90/06, GE 2006, 1407.

Lützenkirchen | 571

§ 536b Rz. 22 | Kenntnis des Mieters vom Mangel bei Vertragsschluss oder Annahme 2. Kenntnis vom Rechtsmangel 22 Bei einem Rechtsmangel reicht allein die Kenntnis der Umstände, die das Recht des Dritten begrün-

den, nicht aus. Denn es ist nicht ungewöhnlich, dass bei der Miete das Recht eines Dritten besteht, wie schon der Fall der Untervermietung zeigt. Deshalb muss der Mieter sich zusätzlich darüber im Klaren sein, dass der Dritte sein Recht ausüben wird, und das damit verbundene Risiko bewusst in Kauf nehmen46. 23 Fehlt eine behördliche Genehmigung, kann § 536b BGB eingreifen, wenn der Mieter die fehlende Nut-

zungserlaubnis kennt. Berichtet der Vermieter aber von einem schwebenden Genehmigungsverfahren, kann er sich nicht auf § 536b BGB berufen, wenn beide Parteien mit einem positiven Ausgang dieses behördlichen Verfahrens rechneten und rechnen durften47. 3. Umfang der Ausschlusswirkung 24 Bei positiver Mangelkenntnis ist die Anwendung der §§ 536, 536a BGB und über § 543 Abs. 4 BGB auch

des § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen. Diese Gewährleistungsbeschränkung greift selbst dann ein, wenn der Vermieter den Mangel arglistig verschwiegen hat. Denn der Mieter ist bei positiver Kenntnis nicht schutzbedürftig48. Allerdings beschränkt sich die Ausschlusswirkung auf die ausdrücklich genannten gesetzlichen Tatbestände. Andere Ansprüche, insbesondere der auf Mängelbeseitigung49 nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB oder §§ 823 ff. BGB, können trotz Mangelkenntnis verfolgt werden50. 25 Haben die Parteien im Wohnungsmietvertrag vereinbart, dass der Mieter wegen der bei Mietbeginn

am Haus noch auszuführenden Restarbeiten auf eine Mietminderung verzichtet, beinhaltet dies die Zusage des Vermieters, dass diese Mängel in absehbarer Zeit beseitigt werden. Insoweit ist das Minderungsrecht des Mieters wegen § 536b BGB nicht dauerhaft ausgeschlossen. Nach Treu und Glauben darf spätestens nach einem bis eineinhalb Jahren mit einer Erledigung der Restarbeiten gerechnet werden. Spätestens, wenn die Mängel mehr als zwei Jahre nach Mietbeginn noch immer nicht beseitigt sind, ist der Mieter zur Mietminderung berechtigt51. Der Vereinbarung steht eine ausdrückliche Zusage des Vermieters bei Abschluss des Mietvertrages, den oder die Mängel zu beseitigen, gleich52. Dem Mieter ist es vorbehalten, die Zeit durch entsprechende Fristsetzungen zu verkürzen, wenn keine unüberwindbaren Hindernisse bestehen. Insoweit ist § 536b BGB seit dem 1.1.2019 im Lichte des § 559d Nr. 1 BGB anzuwenden.

II. Grob fahrlässige Unkenntnis, § 536b S. 2 BGB 1. Grobe Fahrlässigkeit 25a Dieser Gewährleistungsausschluss greift seit dem 1.9.2001 nur noch ein, wenn der Vermieter einen

Mangel arglistig verschwiegen hat (§ 536b BGB Rz. 3). Damit ist der Anwendungsbereich dieser Vorschrift schwindend gering, zumal der Mieter die Voraussetzungen der arglistigen Täuschung beweisen muss. 26 Für die Annahme grober Fahrlässigkeit ist zu prüfen, ob ein Zustand gegeben war, bei dem sich das Vor-

liegen eines Mangels geradezu aufdrängen musste. Insoweit trifft den Mieter in der Regel keine Erkundungs- und Untersuchungspflicht53. Erst recht ist eine Anmietung ohne Besichtigung nicht per se

BGH v. 4.10.1995 – XII ZR 215/94, MDR 1996, 252 = NJW 1996, 46. Hanseatisches OLG Hamburg v. 26.4.1995 – 4 U 137/94, MDR 1996, 358. BGH v. 1.12.1971 – VIII ZR 88/70, NJW 1972, 249. BGH v. 18.4.2007 – XII ZR 139/05, MietRB 2007, 195 = MDR 2007, 1065 = ZMR 2007, 605 = NZM 2007, 484. Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3371; MünchKomm/Häublein, § 536b BGB Rz. 12. LG Konstanz v. 4.3.2010 – 61 S 40/09 C, WuM 2011, 361. KG v. 1.3.2012 – 8 U 197/10, MDR 2012, 514 = MietRB 2012, 195 = ZMR 2013, 26 (27); Palandt/Weidenkaff, § 536b BGB Rz. 5. 53 BGH v. 4.4.1977 – VIII ZR 143/75, NJW 1977, 1236; LG Berlin v. 20.3.2014 – 67 S 490/11, MDR 2014, 583 = ZMR 2014, 733. 46 47 48 49 50 51 52

572 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 30 § 536b

grob fahrlässig54. Das kann sich ändern, wenn nach den Umständen, die beim Vertragsschluss zu Tage getreten sind, mit Mängeln gerechnet werden musste, wie z.B. bei der Anmietung eines (aus dem Baujahr 1776 stammenden) Fachwerkhauses55. Er ist aber nicht gehalten, einen Sachverständigen beizuziehen56. Grob fahrlässig handelt der Mieter, wenn er die erforderliche Sorgfalt bei Vertragsschluss in unge- 27 wöhnlich hohem Maße verletzt und dasjenige unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen57. Dazu müssen die Umstände, die auf bestimmte Unzulänglichkeiten hindeuten, den Verdacht eines dadurch begründeten Mangels besonders nahelegen, der Mieter aber gleichwohl weitere zumutbare Nachforschungen unterlassen haben. Das erfordert, dass der Mieter die Umstände zumindest erkennen konnte58. Das ist bei einer Wohnflächenabweichung grundsätzlich nicht der Fall, selbst wenn dem Mieter bei einer Wohnungsbesichtigung eine erhebliche Wohnflächenabweichung nicht auffällt (hier: Mietvertragsangabe „ca. 40 qm“, tatsächliche Größe 28, 26 qm)59. Insoweit erlangt der Mieter die für § 536b BGB notwendige Kenntnis grundsätzlich nicht schon durch die bloße Nutzung60, sondern erst durch Nachmessung61. Dies kann aber anders zu beurteilen sein, wenn der Mieter bereits in der Wohnung gelebt hat und die tatsächliche Fläche (hier: 21 qm) mehr als die Hälfte geringer ist als die vereinbarte Fläche (hier: 50 qm)62. Allein die Anmietung ohne Besichtigung begründet für sich genommen in der Regel noch nicht den 28 Vorwurf grober Fahrlässigkeit63. Dazu müssen weitere Umstände hinzutreten. Deshalb kann grobe Fahrlässigkeit z.B. angenommen werden, wenn es sich um offensichtliche Mängel handelt, die bei einer Besichtigung sofort ins Auge gefallen wären. Dazu können undichte Fenster gehören64. Das setzt aber voraus, dass ihr mangelhafter Zustand offen- 29 sichtlich ist, weil sie Farbabplatzungen aufweisen sowie die Fensterrahmen gerissen und verzogen sind65. Hier drängt es sich dem Mieter geradezu auf, die Fenster näher zu untersuchen. Deshalb kommt eine Anwendung des § 536b BGB in Betracht, wenn es später zu Feuchtigkeits- und Schimmelpilzbildungen kommt66. Ebenso deutet ein bei Vertragsschluss überstrichener und mit Acryllack verschmierter Fensterrahmen auch für den Laien darauf hin, dass sich unter dem schlechten Zustand des Anstrichs eventuelle Mängel der Holzrahmen verbergen können. Das Unterbleiben einer Untersuchung in diesem Zusammenhang ist jedenfalls grob fahrlässig mit der Folge, dass ein Minderungsrecht des Mieters entfällt67. Nichts anderes gilt bei einer Undichtigkeit der Wohnungseingangstür, wenn dem Mieter deren Zustand bei Anmietung bekannt war68. Haben besondere Umstände, die sich bei Abschluss des Mietvertrages in der Umgebung des Grund- 30 stücks hervorgehoben haben, nicht zu einer konkludenten Vereinbarung geführt, die die daraus resultierenden Veränderungen in die Sollbeschaffenheit einbeziehen (§ 536 BGB Rz. 136c), kann untersucht werden, inwieweit die Veränderungen auf der Hand lagen69. In einer solchen Situation kann im Einzelfall eine grobe Fahrlässigkeit angenommen werden70, wobei sich jede generalisierende Bewertung

54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70

LG Berlin v. 8.11.1994 – 64 S 189/94, GE 1996, 471; Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3385. LG Köln v. 5.4.1963 – 12 S 605/62, ZMR 1964, 84. BGH v. 4.4.1977 – VIII ZR 143/75, MDR 1977, 743 = WuM 1978, 88 = ZMR 1978, 50. BGH v. 28.11.1979 – VIII ZR 302/78, MDR 1980, 306 = NJW 1980, 777. BGH v. 18.4.2007 – XII ZR 139/05, MietRB 2007, 195 = MDR 2007, 1065 (Riesel der Verfugung im Kellergewölbe). LG Berlin v. 2.2.2006 – 67 S 345/05, MM 2007, 333. LG München I v. 19.12.2013 – 31 S 6768/13, WuM 2014, 135 = NZM 2014, 433. LG Krefeld v. 7.11.2012 – 2 S 23/12, MietRB 2013, 33 = WuM 2012, 674. AG Bad Segeberg v. 7.4.2014 – 17 C 268/13, IMR 2014, 241. MünchKomm/Häublein, § 536b BGB Rz. 5; Blank/Börstinghaus, § 536b BGB Rz. 7; a.A. LG Berlin v. 1.4.2011 – 63 S 338/10, GE 2011, 887; Staudinger/Emmerich, § 536b BGB Rz. 14. A.A. LG Berlin v. 1.4.2011 – 63 S 338/10, GE 2011, 887. LG Berlin v. 18.3.2005 – 63 S 336/04, MietRB 2005, 171. Vgl. auch OLG München v. 26.3.1993 – 21 U 6002/92, WuM 1993, 607 = NJW-RR 1994, 654. LG Berlin v. 15.9.2006 – 63 S 153/06, GE 2007, 55. AG Charlottenburg v. 19.6.2009 – 206 C 317/07, GE 2010, 129. Vgl. AG Köpenick v. 2.7.2010 – 4 C 116/10, GE 2010, 1277. OLG Dresden v. 14.10.2015 – 5 U 1724/14, MietRB 2017, 221 = ZMR 2017, 633.

Lützenkirchen | 573

§ 536b Rz. 30 | Kenntnis des Mieters vom Mangel bei Vertragsschluss oder Annahme verbietet. Als Fälle der groben Fahrlässigkeit kommen in Betracht, wenn der Mieter spätestens bei Abschluss des Mietvertrages wahrgenommen hat, dass im Umfeld der Wohnung – Bauarbeiten zu erwarten sind71, weil – das Grundstück in einem ausgewiesenen Sanierungsgebiet liegt72, – in der Nachbarschaft Baulücken bestehen73, – insbesondere bereits ein Bauzaun errichtet ist74; – eine S-Bahn-Trasse verläuft und verkehrspolitische Planungen für den Ausbau vorlagen und ohne Weiteres die zumutbare Möglichkeit bestand, sich über den möglichen Ausbau zu erkundigen75; – eine Industriebrache in verwildertem Zustand liegt, weil hier damit gerechnet werden muss, dass über kurz oder lang gebaut wird76; – eine (Universitäts-)Klinik angesiedelt ist, so dass damit gerechnet werden kann, dass die Inbetriebnahme eines Hubschrauberlandeplatzes, aber auch nur dessen Verlegung innerhalb des Klinikgeländes möglich ist77. 31 Zu einer grob fahrlässigen Unkenntnis i.S.d. § 536b BGB gehört, dass die Umstände, die auf bestimm-

te Unzulänglichkeiten hindeuten, den Verdacht eines dadurch begründeten Mangels besonders nahe legen und dass der Mieter dennoch weitere zumutbare Nachforschungen unterlassen hat, sofern bei einer auch nur oberflächlichen Prüfung der Mangel ohne weiteres zu erkennen gewesen wäre. Insoweit reicht es nicht aus, dass der darlegungsbelastete Vermieter vorträgt, dass derartige Umstände vorhanden waren. Er muss ggf. beweisen, dass der Mieter sie wahrgenommen hat, aber vor allem die Entwicklung vorhersehbar war. Letzteres kann z.B. bei unbebauten Grundstücken zweifelhaft sein, wenn aufgrund deren Größe und Lage auch andere Nutzungen in Betracht kommen78. Ansonsten kann den Mieter kein Vorwurf treffen. 2. Arglistiges Verschweigen des Mangels 32 Trotz grob fahrlässiger Unkenntnis vom Mangel greift der Gewährleistungsausschluss nach § 536b S. 2

BGB nicht ein, wenn der Vermieter den Mangel nicht arglistig verschwiegen oder Fehlerfreiheit zugesichert hat. Soweit der arglistigen Täuschung teilweise noch die Zusicherung der Abwesenheit eines Mangels gleichgestellt wird79, wird übersehen, dass der in § 539 BGB a.F. enthaltene Verweis auf § 460 BGB a.F. seit dem 1.9.2001 weggefallen ist. Dies führt dazu, dass § 536b BGB zwar auch die zugesicherte Eigenschaft nach § 536 Abs. 2 BGB erfasst. Ist dem Mieter jedoch das Fehlen der zugesicherten Eigenschaft infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, kann er die Rechte aus §§ 536, 536a BGB nur geltend machen, wenn er vom Vermieter darüber arglistig getäuscht wurde80. Von einer arglistigen Täuschung ist auszugehen, wenn der Vermieter schon bei Vertragsschluss gegen den Bauunternehmer, der die Mieträume vor Bezug saniert hat, einen Prozess wegen der vom Mieter grob fahrlässig nicht erkannten Mängel führt81. 33 Kennt der Mieter den Mangel, kommt eine arglistige Täuschung nicht in Betracht. Denn wer den Um-

stand, über den er getäuscht werden soll, kennt, wird gerade nicht getäuscht. Für den Ausschluss der

71 LG Berlin v. 7.10.2011 – 63 S 59/11, GE 2012, 64; a.A. Blank/Börstinghaus, § 536b BGB Rz. 3; vgl. auch Rave, MietRB 2014, 375 mit einer Übersicht über die Rechtsprechung in Frankfurt/Main. 72 Vgl. dazu Brandenburgisches OLG v. 1.10.2007 – 3 U 10/07, zitiert nach juris; KG v. 3.6.2002 – 8 U 74/01, GE 2003, 115 = NZM 2003, 718; LG Berlin v. 17.3.2009 – 63 S 397/08, GE 2009, 847. 73 LG Berlin v. 26.9.2013 – 67 S 251/13, MietRB 2013, 351, IMR 2014, 234. 74 AG Charlottenburg v. 17.10.2013 – 202 C 180/13, IMR 2014, 329. 75 LG Berlin v. 14.3.2008 – 63 S 398/07, GE 2009, 53. 76 AG Lichtenberg v. 24.11.2011 – 9 C 143/11, GE 2012, 68. 77 LG Frankfurt am Main v. 16.10.2009 – 2-11 S 9/09, ZMR 2010, 362. 78 LG Berlin v. 9.1.2020 – 67 S 230/19, WuM 2020, 70. 79 Z.B. Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3388. 80 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536b BGB Rz. 22; Palandt/Weidenkaff, § 536b BGB Rz. 6. 81 OLG Celle v. 8.8.2002 – 2 U 11/02, OLGR 2003, 1.

574 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 36 § 536b

Haftung ist daher unerheblich, ob der Vermieter den Mangel arglistig verschwiegen hat82. Das kommt auch bei offenkundigen Tatsachen in Betracht. Davon kann z.B. ausgegangen werden, wenn die Nähe der Wohnung zu einem Klinikum bei der Anmietung offenkundig war, so dass eine Minderung wegen des Verkehrs zum Klinikum (einschließlich Hubschraubern) ausgeschlossen ist83. Vgl. zur arglistigen Täuschung im Übrigen § 536d BGB Rz. 11 ff.

III. Zeitpunkt der Mangelkenntnis 1. Vertragsschluss Für die ersten beiden Varianten des § 536b BGB (Kenntnis oder grobe Fahrlässigkeit) ist auf den Ver- 34 tragsschluss abzustellen. Der Vertragsschluss findet statt, wenn die Parteien ihre Einigung i.S.v. § 535 BGB treffen. Wann diese Einigung schriftlich dokumentiert wird oder wann der Mietvertrag beginnen soll, ist unerheblich. Ist das Mietverhältnis – wie auch immer – beendet, und schließen die Parteien einen neuen Mietvertrag, ist auf diesen Zeitpunkt abzustellen. Dies gilt selbst dann, wenn die Parteien formulieren, dass sie den bisherigen Mietvertrag „fortsetzen“ oder die Kündigung „zurückgenommen“ wird. Denn im Hinblick auf die eingetretene Beendigung wird dogmatisch jedes Mal ein neuer Mietvertrag geschlossen. Bei Handeln eines Vertreters ist § 166 BGB (analog) anzuwenden. Enthält der Mietvertrag Formulierungen, die ein Anerkenntnis eines mangelhaften Zustandes herbei- 34a führen sollen, liegt ein Verstoß gegen § 319 Nr. 12 lit. b) BGB vor. Denn jede Klausel, die den Vertragspartner des Verwenders eine Tatsache bestätigen lässt (Bestätigungsklausel), führt im Ergebnis zu einer Umkehr der Beweislast84. 2. Vertragsverlängerung und -änderung Der Anwendungsbereich des § 536b S. 1 und 2 BGB ist nicht auf die Zeit vor Mietbeginn bzw. bis zur 35 (ersten) Übergabe beschränkt. § 536b S. 1 und 2 BGB greift auch ein, wenn die Parteien einen Verlängerungsvertrag abschließen85 oder der Mieter den Vertrag durch Ausübung einer Verlängerungsoption verlängert86. In diesen Fällen soll sich der Mieter die durch den Mangel bedingten Rechte vorbehalten müssen, um sie nicht zu verlieren. Andererseits, also im Falle des Vorbehalts, sollen die bislang ausgeschlossenen Mietrechte für die Zukunft wieder aufleben87. Die h.M. wendet diese Grundsätze aber bei der Verlängerung nach § 545 BGB schon wieder nicht an88; da es sich nicht um eine vertragliche, sondern um eine gesetzlich angeordnete, vom Parteiwillen unabhängige Vertragsänderung handelt. Die h.M. hat der BGH verworfen, denn sie ist noch von der Rechtsprechung zur analogen Anwendung 36 des § 539 BGB a.F. geprägt89. § 536b BGB ist aber im laufenden Mietvertrag gerade nicht (analog) anwendbar. Auch durch die Realisierung eines Verlängerungsmechanismus wird das bisherige Mietverhältnis nur fortgesetzt, was für die Verlängerungsautomatik ausdrücklich festgestellt wurde90 (§ 575 BGB Rz. 32). Demnach verliert der Mieter weder bei Mangelkenntnis ohne Vorbehalt die Rechte aus

82 Vgl. BGH v. 1.12.1971 – VIII ZR 88/70, NJW 1972, 249 (250); KG v. 17.6.2010 – 12 U 51/09, MietRB 2011, 10 = MDR 2010, 1446 = ZMR 2010, 956; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536b BGB Rz. 22. 83 LG Frankfurt am Main v. 16.10.2009 – 2-11 S 9/09, ZMR 2010, 362. 84 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536b BGB Rz. 14. 85 Brandenburgisches OLG v. 25.2.2014 – 3 U 154/11, ZMR 2014, 719 = GE 2014, 460; OLG Brandenburg v. 12.9.2012 – 3 U 100/09, MietRB 2013, 9 = NZM 2013, 151; Blank/Börstinghaus, § 536b BGB Rz. 5. 86 BGH v. 13.7.1970 – VIII ZR 230/68, NJW 1970, 1740; Brandenburgisches OLG v. 12.9.2012 – 3 U 100/09, IMR 2012, 505; OLG Düsseldorf v. 10.2.1994 – 10 U 50/93, ZMR 1994, 402 (405). 87 H.M. u.a. MünchKomm/Häublein, § 536b BGB Rz. 15; Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3395 m.w.N. 88 OLG Köln v. 19.12.2000 – 3 U 56/00, ZMR 2001, 532 = OLGR 2001, 121; OLG Düsseldorf v. 7.10.1993 – 10 U 3/93, MDR 1994, 371 = WuM 1994, 324 = NJW-RR 1994, 399. 89 BGH v. 14.10.2015 – XII ZR 84/14, MDR 2015, 1411 = MietRB 2015, 356 = WuM 2015, 721 = GE 2015, 1527; BGH v. 5.11.2014 – XII ZR 15/12, MDR 2015, 201 = MietRB 2015, 8 = GE 2014, 1646 = NZM 2015, 84; vgl. dazu Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. VIII 405. 90 BGH v. 29.4.2002 – II ZR 330/00, MDR 2002, 1199 = ZMR 2002, 582 = NZM 2002, 604.

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§ 536b Rz. 36 | Kenntnis des Mieters vom Mangel bei Vertragsschluss oder Annahme §§ 536, 536a BGB, noch bewirkt ein Vorbehalt ein Wiederaufleben dieser Rechte. Ein Verlust tritt nur über § 536c BGB und die Verwirkung ein, wenn der Mietvertrag verlängert wird. 37 Mit der h.M. kann allenfalls beim Mieterwechsel oder einem (wirklichen) Neuabschluss des Mietver-

trages von der Anwendung des § 536b BGB ausgegangen werden. Beim Mieterwechsel tritt ein Wechsel des Kenntnisträgers ein. Tritt der Mieter aber ausdrücklich in den laufenden (oder) bestehenden Mietvertrag ein, können zum Einen die durch § 536b BGB bereits ausgeschlossenen Rechte nicht wieder aufleben. Zum Anderen liegt eine Fortsetzung des Mietvertrages vor, so dass eine Anwendung des § 536b BGB bereits ausscheidet. Denn seine Anwendung setzt den Neuabschluss des Mietvertrages voraus. Stellt sich also der Mieterwechsel als Neuabschluss eines Mietvertrages dar und hat der (neue) Mieter Kenntnis vom Mangel, gilt § 536b BGB unmittelbar. Dem Eintritt eines neuen Mieters kraft Umwandlung kommt diese Wirkung nicht zu91. Denkbar ist die unmittelbare Anwendung aber z.B., wenn der bisherige Untermieter Hauptmieter wird oder ein Mitglied einer GbR alleiniger Mieter. Im Übrigen kommt § 536b BGB zur Anwendung, wenn die Parteien eine Fortsetzung der Nutzung durch den Neuabschluss eines Mietvertrages herbeiführen. Deshalb ist hier ein Vorbehalt erforderlich, soweit noch kein Verlust nach § 536b S. 1 oder 2 BGB eingetreten ist92. Für Kenntnis und Vorbehalt ist in diesem Fall der Zeitpunkt des Neuabschlusses des Mietvertrages maßgebend (vgl. auch § 536a BGB Rz. 39c f.). 38 Für eine Anwendung des § 536b ist kein Platz, wenn vertragliche oder gesetzlich erlaubte Mieterhöhun-

gen durchgeführt werden und die neue erheblich erhöhte Miete außer Verhältnis zum Gebrauchswert der mangelhaften Sache steht93. Nach h.M. ist für Kenntnis und Vorbehalt der Zeitpunkt der Mieterhöhung maßgebend. Hatte der Mieter vor der Erhöhung seine Gewährleistungsrechte gemäß § 536b BGB verloren, soll zwar das Kündigungsrecht nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB uneingeschränkt wieder aufleben94. Die Minderung soll jedoch nach unten durch die alte Miete begrenzt sein95 Insoweit werden allerdings unterschiedliche Berechnungsmethoden angewendet: einerseits soll der Minderungsbetrag als solcher durch die Erhöhung begrenzt sein96; andererseits wird die Minderungsquote nur auf den Erhöhungsbetrag angewendet97. 39 Auch diese Meinung ist aus der seit 2001 geltenden Gesetzessystematik nicht zu begründen98. Schon

der Wortlaut des § 536b BGB, der in Kenntnis der Rechte aus §§ 558 ff. BGB formuliert wurde, lässt einen solchen Ansatz nicht zu. Denn danach ist die Anwendung des § 536b BGB auf die Sachverhalte vor Beginn des Mietvertrages beschränkt. Im Übrigen kommt eine analoge Anwendung gerade nicht in Betracht, weil es an der Lücke im Gesetz fehlt. Der Gesetzgeber hat sich im Rahmen der Mietrechtsreform Gedanken dazu gemacht, ob und wie er spätere Sachverhalte regeln will. § 536b BGB gehört nicht zu diesem Instrumentarium. 3. Annahme der mangelhaften Sache, § 536b S. 3 BGB 40 Mit der Annahme der Mietsache ist die Übergabe i.S.d. § 535 Abs. 1 BGB gemeint und nicht erst der

Einzug des Mieters99. Denn der Mietvertrag wird durch die Besitzeinräumung in Vollzug gesetzt. Der Vermieter kann zu diesem Zeitpunkt erwarten, dass der Mieter ihn darauf hinweist, wenn er aus einem Missstand Rechte herleiten will, die die Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung betreffen und ggf. von ihm (schnell) beseitigt werden können. 41 Für die Mangelkenntnis bei Annahme der Mietsache gelten die gleichen Anforderungen wie zum

Umfang der Kenntnis bei Vertragsschluss (vgl. § 536b BGB Rz. 15 ff.). Maßgebend ist der Zeitpunkt der Annahme, also der Überlassung i.S.d. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB. Dafür ist aller Regel die Einräumung

91 92 93 94 95 96 97 98 99

KG v. 21.2.2002 – 8 U 6/01, NZM 2002, 562. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 308 m.w.N. A.A. BGH v. 13.7.1970 – VIII ZR 230/68, NJW 1970, 1740. Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3396. MünchKomm/Häublein, § 536b BGB Rz. 16; Lammel, § 536b BGB Rz. 2. LG Berlin v. 5.7.2001 – 62 S 49/01, GE 2002, 196. Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3396. Schach in Kinne/Schach/Bieber, § 536b BGB Rz. 6. Hanseatisches OLG Hamburg v. 12.4.2005 – 4 U 162/04, ZMR 2005, 856; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536b BGB Rz. 23; a.A. Schach in Kinne/Schach/Bieber, § 536b BGB Rz. 4.

576 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 44 § 536b

des Besitzes erforderlich100. Kenntnis ist z.B. anzunehmen, wenn der Mieter während der Renovierungsphase vor Übergabe bereits Lärm rügt, der auch nach der Übergabe fortdauert101. Arglistiges Verschweigen des Mangels durch den Vermieter steht dem Gewährleistungsausschluss hier 41a nicht entgegen102. Der Mieter ist wegen seiner positiven Mangelkenntnis nicht schutzbedürftig. Denn wer den Umstand, über den er getäuscht werden soll, kennt, wird gerade nicht getäuscht. Für den Ausschluss der Haftung ist daher unerheblich, ob der Vermieter den Mangel arglistig verschwiegen hat103. 4. Vorbehalt Der Vorbehalt der Gewährleistungsrechte ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung104, die keiner, 42 auch nicht der Form des Mietvertrages bedarf105, aber zugehen muss. Sie ist vom Empfängerhorizont auszulegen und muss deshalb eindeutig sein, indem sie sich auf konkrete Mängel bezieht, diese also genau bezeichnet. Ein allgemein gehaltener, in keinem direkten Bezug zu konkreten Mängeln stehender Vorbehalt der Mieterrechte genügt nicht106. Deshalb ist die allgemeine Formulierung „unter Vorbehalt von Gewährleistungsrechten“ nicht ausreichend107. Der Mieter muss vielmehr zusätzlich zu erkennen geben, dass er den Mangel nicht hinnehmen, sich mit dem mangelhaften Zustand der Mietsache nicht abfinden will108. Hat der Mieter seine Rechte nach §§ 536, 536a BGB bereits nach § 536b S. 1 oder 2 BGB verloren, ist ein 43 Vorbehalt bei der Übergabe bedeutungslos. Die Rechte können dadurch nicht wieder aufleben. Ein Vorbehalt ist aber entbehrlich, wenn der Mieter die mangelhafte Sache annimmt, nachdem ihm der Vermieter die Beseitigung des Mangels zugesagt hat109 (vgl. § 536b BGB Rz. 25). Das Gleiche kommt in Betracht, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass der Mieter die mangelhafte Mietsache in der Erwartung annimmt, dass der Vermieter den Mangel beseitigt. Dies kann insbesondere bei der Vermietung vom Reißbrett eintreten, wenn nicht nur bei Vertragsschluss, sondern auch bei der Übergabe die Mietsache noch nicht fertiggestellt ist110.

IV. Rechtsfolge 1. Erfasste Rechte Der Ausschluss erfasst in allen Alternativen Rechts- und Sachmängel sowie zugesicherte Eigenschaf- 44 ten. Der Rechtsverlust erstreckt sich, wie sich aus der Verweisung auf die §§ 536, 536a BGB ergibt, auf die Minderung (§ 536 BGB), den Schadensersatzanspruch in allen Varianten (§ 536a Abs. 1 BGB), das Selbsthilferecht (§ 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB) und damit auch auf den Aufwendungsersatzanspruch (§ 536a Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB111). Im Übrigen verliert der Mieter auch das Recht zur fristlosen Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB, was durch § 543 Abs. 4 BGB klargestellt wird. Nicht erfasst wird aber die außerordentliche Kündigung nach § 569 Abs. 1 BGB112. Wegen des abstrakten Zwecks, wonach § 569 BGB allgemein die Volksgesundheit und nicht nur die körperliche Unversehrtheit des konkreten Mieters

100 Staudinger/Emmerich, § 536b BGB Rz. 16; Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3390. 101 KG v. 17.6.2010 – 12 U 51/10, ZMR 2010, 956. 102 Staudinger/Emmerich, § 536b BGB Rz. 6; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536b BGB Rz. 22; Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3388; a.A. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 304. 103 Vgl. BGH v. 1.12.1971 – VIII ZR 88/70, NJW 1972, 249 (250); KG v. 17.6.2010 – 12 U 51/10, ZMR 2010, 956. 104 MünchKomm/Häublein, § 536b BGB Rz. 7; Blank/Börstinghaus, § 536b BGB Rz. 8. 105 Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3391. 106 Staudinger/Emmerich, § 536b BGB Rz. 16. 107 Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3391 m.w.N. 108 Hanseatisches OLG Hamburg v. 12.4.2005 – 4 U 162/04, ZMR 2005, 856. 109 BGH v. 21.1.1976 – VIII ZR 113/74, ZMR 1976, 138; AG München v. 21.8.2003 – 452 C 11234/03, WuM 2004, 90. 110 Hanseatisches OLG Hamburg v. 26.4.1995 – 4 U 137/94, MDR 1996, 358 = WuM 1995, 653 = ZMR 1995, 533. 111 BGH v. 21.1.1976 – VIII ZR 113/74, MDR 1976, 571. 112 MünchKomm/Häublein, § 536b BGB Rz. 12.

Lützenkirchen | 577

§ 536b Rz. 44 | Kenntnis des Mieters vom Mangel bei Vertragsschluss oder Annahme schützen soll, kann aber auf die Kündigung nach § 569 Abs. 1 BGB nicht verzichtet werden113. Abgesehen davon würde die gegenteilige Auffassung zu einer Umgehung von § 569 Abs. 1 S. 2 BGB führen (§ 569 BGB Rz. 27). 45 Demgegenüber erstreckt sich der Haftungsausschluss nicht auf Mieteransprüche aus Delikt114. Auch

lässt der Gewährleistungsausschluss den Erfüllungsanspruch aus § 535 Abs. 1 BGB (Mangelbeseitigung) und damit auch die Einrede des nicht erfüllten Vertrags nach § 320 BGB unberührt115. 2. Abgrenzung zum vertragsgemäßen Zustand 46 Kennt der Mieter den schlechten Zustand der Mietsache bei der Anmietung nicht nur, sondern billigt

ihn sogar, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass er die Mietsache als vertragsgemäß ansieht. In diesem Fall (§ 569 BGB Rz. 27) kommt nicht nur ein Ausschluss der Gewährleistungsrechte nach den §§ 536, 536a BGB in Betracht. Vielmehr ist zu prüfen, ob eine durch Angebot und Annahme begründete Vereinbarung einer (schlechten) Sollbeschaffenheit vorliegt, so dass auch der Erfüllungsanspruch aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB wegen des schlechten Zustandes ausgeschlossen ist116 (vgl. § 536 BGB Rz. 79 f.). Ein solcher Schluss liegt insbesondere dann nahe, wenn der Mieter bei Vertragsschluss ausdrücklich (nicht formularmäßig) versichert, den mangelhaften Zustand des Mietobjekts zu kennen117. Im Rahmen der Abwägung nach § 320 Abs. 2 BGB kann ebenfalls der Rechtsgedanke des § 536b BGB herangezogen werden118. 47 Gewährleistungsansprüche können in diesem Fall aber wieder aufleben, wenn sich der zunächst hin-

genommene Mangel erheblich verschlimmert. Das ist z.B. der Fall, wenn der bei Vertragsbeginn gebilligte schlechte Bodenbelag verschlissen ist119. Aus dem gleichen Grund können Gewährleistungsrechte wieder geltend gemacht werden, nachdem sie (nur) durch § 536b BGB ausgeschlossen waren120.

V. Verwirkung von Gewährleistungsrechten 1. Ausgangslage 48 Die Vorgängervorschrift des § 539 BGB a.F. konnte analog angewendet werden, wenn im laufenden

Mietvertrag ein Mangel auftrat und der Mieter trotz Kenntnis dieses Mangels die Mietzahlung vorbehaltlos erbrachte. Dieser Tatbestand ist für Mängel, die seit dem 1.9.2001 im laufenden Mietverhältnis auftreten, weggefallen (vgl. § 536b BGB Rz. 3). Seitdem kann wegen nachträglichen Mängeln ein Verlust der Gewährleistung nur noch unter den Voraussetzungen der Verwirkung eintreten. 2. Geltung der Verwirkung neben § 536c BGB 49 Ob seit dem 1.9.2001 der Tatbestand der Verwirkung überhaupt gelten kann, wird nicht einheitlich

bewertet. Eine Verwirkung des Minderungsrechts für die künftigen, noch nicht gezahlten Mieten soll mit der Regelung des § 536c BGB nicht zu vereinbaren sein121. Demgegenüber wird überwiegend an-

113 Brandenburgisches OLG v. 2.7.2008 – 3 U 156/07, ZMR 2009, 190. 114 H.M., u.a. Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3370. 115 BGH v. 18.4.2007 – XII ZR 139/05, MDR 2007, 1065 = MietRB 2007, 195 = ZMR 2007, 605; BGH v. 26.2.2003 – XII ZR 66/01, NZM 2003, 355. 116 BGH v. 1.7.1987 – VIII ARZ 9/86, MDR 1987, 927 = NJW 1987, 2575; Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3369. 117 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 298. 118 BGH v. 18.6.1997 – XII ZR 63/95, MDR 1997, 1112 = NJW 1997, 2674. 119 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 = GE 2010, 480 = NZM 2010, 356 = ZMR 2010, 517. 120 KG v. 2.4.2001 – 8 U 5710/99, NZM 2002, 69 = GE 2001, 989. 121 OLG Koblenz v. 15.12.2006 – 10 U 1013/05, NZM 2008, 405.

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B. Wohnraummiete | Rz. 53 § 536b

genommen, dass der allgemeine Tatbestand der Verwirkung auch neben § 536c BGB zur Anwendung kommt122. § 536c BGB schließt die Verwirkung nicht aus. Es ist bereits fraglich, ob § 536c BGB den Tatbestand 50 der Verwirkung überhaupt erfasst. Er knüpft immerhin zum Verlust von Gewährleistungsrechten an eine Pflichtverletzung an. Entscheidend ist jedoch, dass die Tatbestände nicht identisch sind. Während bei der Verwirkung noch hinzutritt, dass der Mieter beim Vermieter ein Vertrauen hervorrufen muss, reicht es für § 536c BGB aus, dass der Mieter den Mangel kennt. Eine Einbeziehung des Vermieters ist nicht erforderlich. 3. Voraussetzungen der Verwirkung Eine Verwirkung kommt nur dann in Betracht, wenn – abgesehen vom bloßen Zeitablauf – Umstände 51 vorliegen, die für den Schuldner einen Vertrauenstatbestand schaffen und die spätere Geltendmachung des Rechts als treuwidrig erscheinen lassen123. Dazu muss ein Umstands- und ein Zeitmoment festgestellt werden. Das Umstandsmoment ist gegeben, wenn der Mieter durch sein Verhalten beim Vermieter das Vertrauen erweckt, er werde aus dem Mangel keine Gewährleistungsrechte herleiten. Dieses Vertrauen muss sich über einen längeren Zeitraum gebildet bzw. verfestigt haben (Zeitmoment), so dass in der späten Geltendmachung eine Illoyalität gesehen werden kann124. Das lässt sich grundsätzlich nur im Einzelfall feststellen (vgl. auch § 536 BGB Rz. 335). Für das Umstandsmoment ist zunächst Voraussetzung, dass der Mieter den Mangel kennt. Bei sai- 52 sonal auftretenden Mängeln wie einem Heizungsausfall im Herbst/Winter liegt diese Kenntnis des Mangels erst dann vor, wenn die Störungen nicht nur vereinzelt, sondern gehäuft und über die gesamte (Heiz-)Saison auftreten, so dass der Mieter erkennen muss, dass an der Heizung ein grundlegender Defekt vorhanden ist. Der Mieter kann daher wegen des gehäuften Auftretens von Störungen der Heizung auch noch im vierten Winter gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB kündigen, wenn die Heizung bereits während der vorausgegangenen drei kalten Jahreszeiten wiederholt ausgefallen ist, die jeweiligen Störungen vom Vermieter unmittelbar behoben wurden und der Mieter die Miete mehr als drei Jahre lang ungekürzt gezahlt hat125. Der Mieter verwirkt seine Gewährleistungsrechte noch nicht, weil er z.B. eine Minderung längere Zeit 53 nicht geltend macht126. Um den Vertrauenstatbestand beim Vermieter hervorzurufen, muss dieser mindestens wissen, dass der Mieter den Mangel kennt. Hat der Mieter den Mangel angezeigt und bis zum Ausgang des von ihm angestrengten selbständigen Beweisverfahrens die Miete in voller Höhe weiterbezahlt, ist er mit seinem auf §§ 812, 536 BGB gestützten Rückforderungsanspruch nicht ausgeschlossen. Denn in einem solchen Fall kann von einer vorbehaltlosen Mietzahlung mit der Folge eines Vertrauenstatbestandes zu Gunsten des Vermieters nicht ausgegangen werden. Auch § 814 BGB steht daher dem Rückforderungsanspruch nicht entgegen127. Erst recht kommt in der beschriebenen Situation keine Verwirkung in Betracht. Denn wegen des Beweisverfahrens muss der Vermieter damit rechnen, dass der Mieter spätestens nach einem positiven Ausgang dieses Verfahrens für die Zukunft Gewährleistungsrechte geltend macht.

122 BGH v. 16.2.2005 – XII ZR 24/02, ZMR 2005, 770 = DWW 2005, 153 = NZM 2005, 303; BGH v. 16.7.2003 – VIII ZR 274/02, MDR 2003, 1103 = WuM 2003, 440 = ZMR 2003, 667 = NZM 2003, 679 = MietRB 2003, 1; MünchKomm/Häublein, § 536b BGB Rz. 9; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536b BGB Rz. 36 m.w.N. 123 BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 199/04, MDR 2006, 82 = WuM 2005, 581 = NZM 2005, 735 = MietRB 2006, 1 m.w.N. 124 Erman/Hohloch, § 242 BGB Rz. 123 m.w.N. 125 OLG Dresden v. 18.6.2002 – 5 U 260/02, WuM 2002, 541 = ZMR 2003, 346 = NZM 2002, 662. 126 AG Schöneberg v. 27.2.2002 – 5 C 540/01, MM 2002, 228. 127 LG Berlin v. 10.8.2006 – 62 S 101/06, GE 2007, 151; ähnlich BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 199/04, MDR 2006, 82 = WuM 2005, 581 = NZM 2005, 735 = MietRB 2006, 1 = GE 2005, 1183.

Lützenkirchen | 579

§ 536b Rz. 54 | Kenntnis des Mieters vom Mangel bei Vertragsschluss oder Annahme

C. Gewerberaummiete 54 In der Gewerberaummiete werden an die Anwendung des § 536b BGB keine anderen, insbesondere

keine strengeren Anforderungen gestellt. Schon die systematische Stellung im allgemeinen Teil des Mietrechts verdeutlicht seine einheitliche Geltung. Deshalb können sich Unterschiede nur aufgrund vertraglicher Konstellationen, insbesondere einer unterschiedlichen Gestaltung bei abweichenden Vereinbarungen ergeben (vgl. dazu § 536b BGB Rz. 14). Allerdings kann es u.U. auch zur Zurechnung der Kenntnis des einzigen Gesellschafters der mietenden GmbH kommen, wenn dieser zuvor Miteigentümer des Grundstücks war und die (mangelhaften) Verhältnisse kannte128. 55 Hat der Mieter nicht nachgefragt, ob für sein Gewerbe eine Nutzungsgenehmigung überhaupt vorliegt,

kann es darauf ankommen, ob der Vermieter eine fehlende Nutzungsgenehmigung von sich aus hätte offenbaren müssen. Denn die Annahme einer groben Fahrlässigkeit liegt jedenfalls dann nahe, wenn die Räume zuvor als Wohnung oder für ein anderes Gewerbe genutzt wurden. Diese Frage kann offenbleiben, wenn der Vermieter eine fehlende Nutzungserlaubnis von sich aus offenbaren muss, so dass eine arglistige Täuschung anzunehmen ist. 56 Grundsätzlich besteht keine allgemeine Aufklärungspflicht vor Abschluss eines Mietvertrages hin-

sichtlich aller Einzelheiten oder Umstände, die die Willensentschließung beeinflussen könnten, weil einerseits die Verhandlungspartner selbstverantwortlich handeln und andererseits bestimmte Interessenskonflikte entgeltlichen Verträgen immanent sind129. Aufklärungspflichten werden bei Vertragsverhandlungen, in denen die Parteien gegenläufige Interessen verfolgen, aber hinsichtlich wesentlicher Umstände angenommen, die den Vertragszweck vereiteln können und daher für die Willensentschließung des anderen Teils von hoher Bedeutung sind130. 57 Ein solcher Umstand ist gegeben, wenn im Rahmen von Mietvertragsverhandlungen Räume vermietet

werden sollen, die für die vertraglich vorgesehene Nutzung nicht öffentlich-rechtlich genehmigt und auch nicht genehmigungsfähig sind131. Die Vereitelung des Vertragszwecks träte ein, wenn nach Aufnahme der vertraglichen Nutzung eine Nutzungsuntersagung durch die zuständige Behörde wegen einer Nutzung unter Verletzung öffentlich-rechtlicher Vorschriften erklärt wird. 58 Diese Voraussetzungen liegen z.B. vor, wenn die Nutzung von Räumen im Souterrain als Büroräume

nicht bauordnungsrechtlich genehmigt ist132. Insoweit reicht bereits das Fehlen einer Bau- bzw. Nutzungsgenehmigung für das konkrete Gewerbe unabhängig von der Frage der materiellen Genehmigungsfähigkeit für die Annahme der arglistigen Täuschung aus. Denn auch bei nur formeller Baurechtswidrigkeit kann eine Nutzungsuntersagung ergehen133. Damit tritt aber das Risiko ein, dass die Nutzung für die ungewisse Dauer eines nachzuholenden Genehmigungsverfahrens vereitelt würde. Eine solche Unterbrechung der Nutzung wirkt sich wesentlich auf den Bürobetrieb des Mieters aus, zumal wenn Baugenehmigungsverfahren erhebliche Zeit in Anspruch nehmen. Eine arglistige Täuschung ist in jedem Fall anzunehmen, wenn bei Abschluss des Mietvertrages die Räume im Souterrain für die vorgesehene Nutzung bauordnungsrechtlich auch nicht genehmigungsfähig sind.

§ 536c Während der Mietzeit auftretende Mängel; Mängelanzeige durch den Mieter (1) Zeigt sich im Laufe der Mietzeit ein Mangel der Mietsache oder wird eine Maßnahme zum Schutz der Mietsache gegen eine nicht vorhergesehene Gefahr erforderlich, so hat der Mieter dies

128 Brandenburgisches OLG v. 22.9.2015 – 6 U 99/14, IMR 2015, 497. 129 Vgl. Staudinger/Singer/von Finckenstein, § 123 BGB Rz. 10. 130 BGH v. 2.3.1979 – V ZR 157/77, NJW 1979, 2243; MünchKomm/Kramer, § 123 BGB Rz. 18; Staudinger/Singer/von Finckenstein, § 123 BGB Rz. 19. 131 BGH v. 6.8.2008 – XII ZR 67/06, MDR 2009, 19 = MietRB 2009, 4 = ZMR 2009, 103 (Rz. 23). 132 Brandenburgisches OLG v. 11.11.2009 – 3 U 5/03, zitiert nach juris. 133 OVG Berlin- Brandenburg v. 3.11.2004 – 3 A 449/01, BauR 2005, 1676.

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§ 536b Rz. 54 | Kenntnis des Mieters vom Mangel bei Vertragsschluss oder Annahme

C. Gewerberaummiete 54 In der Gewerberaummiete werden an die Anwendung des § 536b BGB keine anderen, insbesondere

keine strengeren Anforderungen gestellt. Schon die systematische Stellung im allgemeinen Teil des Mietrechts verdeutlicht seine einheitliche Geltung. Deshalb können sich Unterschiede nur aufgrund vertraglicher Konstellationen, insbesondere einer unterschiedlichen Gestaltung bei abweichenden Vereinbarungen ergeben (vgl. dazu § 536b BGB Rz. 14). Allerdings kann es u.U. auch zur Zurechnung der Kenntnis des einzigen Gesellschafters der mietenden GmbH kommen, wenn dieser zuvor Miteigentümer des Grundstücks war und die (mangelhaften) Verhältnisse kannte128. 55 Hat der Mieter nicht nachgefragt, ob für sein Gewerbe eine Nutzungsgenehmigung überhaupt vorliegt,

kann es darauf ankommen, ob der Vermieter eine fehlende Nutzungsgenehmigung von sich aus hätte offenbaren müssen. Denn die Annahme einer groben Fahrlässigkeit liegt jedenfalls dann nahe, wenn die Räume zuvor als Wohnung oder für ein anderes Gewerbe genutzt wurden. Diese Frage kann offenbleiben, wenn der Vermieter eine fehlende Nutzungserlaubnis von sich aus offenbaren muss, so dass eine arglistige Täuschung anzunehmen ist. 56 Grundsätzlich besteht keine allgemeine Aufklärungspflicht vor Abschluss eines Mietvertrages hin-

sichtlich aller Einzelheiten oder Umstände, die die Willensentschließung beeinflussen könnten, weil einerseits die Verhandlungspartner selbstverantwortlich handeln und andererseits bestimmte Interessenskonflikte entgeltlichen Verträgen immanent sind129. Aufklärungspflichten werden bei Vertragsverhandlungen, in denen die Parteien gegenläufige Interessen verfolgen, aber hinsichtlich wesentlicher Umstände angenommen, die den Vertragszweck vereiteln können und daher für die Willensentschließung des anderen Teils von hoher Bedeutung sind130. 57 Ein solcher Umstand ist gegeben, wenn im Rahmen von Mietvertragsverhandlungen Räume vermietet

werden sollen, die für die vertraglich vorgesehene Nutzung nicht öffentlich-rechtlich genehmigt und auch nicht genehmigungsfähig sind131. Die Vereitelung des Vertragszwecks träte ein, wenn nach Aufnahme der vertraglichen Nutzung eine Nutzungsuntersagung durch die zuständige Behörde wegen einer Nutzung unter Verletzung öffentlich-rechtlicher Vorschriften erklärt wird. 58 Diese Voraussetzungen liegen z.B. vor, wenn die Nutzung von Räumen im Souterrain als Büroräume

nicht bauordnungsrechtlich genehmigt ist132. Insoweit reicht bereits das Fehlen einer Bau- bzw. Nutzungsgenehmigung für das konkrete Gewerbe unabhängig von der Frage der materiellen Genehmigungsfähigkeit für die Annahme der arglistigen Täuschung aus. Denn auch bei nur formeller Baurechtswidrigkeit kann eine Nutzungsuntersagung ergehen133. Damit tritt aber das Risiko ein, dass die Nutzung für die ungewisse Dauer eines nachzuholenden Genehmigungsverfahrens vereitelt würde. Eine solche Unterbrechung der Nutzung wirkt sich wesentlich auf den Bürobetrieb des Mieters aus, zumal wenn Baugenehmigungsverfahren erhebliche Zeit in Anspruch nehmen. Eine arglistige Täuschung ist in jedem Fall anzunehmen, wenn bei Abschluss des Mietvertrages die Räume im Souterrain für die vorgesehene Nutzung bauordnungsrechtlich auch nicht genehmigungsfähig sind.

§ 536c Während der Mietzeit auftretende Mängel; Mängelanzeige durch den Mieter (1) Zeigt sich im Laufe der Mietzeit ein Mangel der Mietsache oder wird eine Maßnahme zum Schutz der Mietsache gegen eine nicht vorhergesehene Gefahr erforderlich, so hat der Mieter dies

128 Brandenburgisches OLG v. 22.9.2015 – 6 U 99/14, IMR 2015, 497. 129 Vgl. Staudinger/Singer/von Finckenstein, § 123 BGB Rz. 10. 130 BGH v. 2.3.1979 – V ZR 157/77, NJW 1979, 2243; MünchKomm/Kramer, § 123 BGB Rz. 18; Staudinger/Singer/von Finckenstein, § 123 BGB Rz. 19. 131 BGH v. 6.8.2008 – XII ZR 67/06, MDR 2009, 19 = MietRB 2009, 4 = ZMR 2009, 103 (Rz. 23). 132 Brandenburgisches OLG v. 11.11.2009 – 3 U 5/03, zitiert nach juris. 133 OVG Berlin- Brandenburg v. 3.11.2004 – 3 A 449/01, BauR 2005, 1676.

580 | Lützenkirchen

A. Allgemeines | Rz. 4 § 536c

dem Vermieter unverzüglich anzuzeigen. Das Gleiche gilt, wenn ein Dritter sich ein Recht an der Sache anmaßt. (2) Unterlässt der Mieter die Anzeige, so ist er dem Vermieter zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Soweit der Vermieter infolge der Unterlassung der Anzeige nicht Abhilfe schaffen konnte, ist der Mieter nicht berechtigt, 1. die in § 536 bestimmten Rechte geltend zu machen, 2. nach § 536a Abs. 1 Schadensersatz zu verlangen oder 3. ohne Bestimmung einer angemessenen Frist zur Abhilfe nach § 543 Abs. 3 Satz 1 zu kündigen. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . 2. Anwendbare Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . III. Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Abweichende Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . VI. Haftungsrisiko des Rechtsanwalts . . . . . . . . . . B. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anzeigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gegenstand der Anzeigepflicht . . . . . . . . . . . 2. Anzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anzeigepflichtiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Adressat der Anzeige . . . . . . . . . . . . . . . c) Inhalt der Anzeige . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 1 2 2 3 4 5 7 9 12 12 14 20 22 23 25

II.

III.

C. I. II.

d) Zeitpunkt der Anzeige . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wegfall der Anzeigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . 4. Erneute Anzeige nach Mängelbeseitigung . . . Schadensersatzanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schuldhaftes Verhalten des Mieters . . . . . . . . 2. Umfang des Schadensersatzes . . . . . . . . . . . . 3. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verlust von Gewährleistungsrechten . . . . . . . . 1. Erfasste Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Minderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schadensersatz (§ 536a Abs. 1 BGB) . . . . 2. Dauer der Gewährleistungsbeschränkung . . . Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Instandsetzungspflicht des Mieters . . . . . . . . . Kenntnis des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28 29 33a 34 34 35 39 40 40 45 50 55 56 57 59

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt Die Vorschrift findet ihre Grundlage in der Obhutspflicht des Mieters (§ 535 BGB Rz. 836). Als beson- 1 derer Ausdruck dieser Nebenpflicht regelt § 536c Abs. 1 BGB eine sanktionsbewehrte Anzeigepflicht. Anzuzeigen sind erkennbare Gefahren und Missstände für die Mietsache. Das hat unverzüglich (§ 122 BGB) zu geschehen. Für den Fall, dass der Mieter diese Pflicht verletzt, ordnet § 536c Abs. 2 BGB eine Schadensersatzpflicht und den Verlust der im Einzelnen bestimmten Gewährleistungsrechte an.

II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich Die Vorschrift ist unmittelbar auf alle Mietverhältnisse sowie über § 581 Abs. 2 BGB entsprechend auf 2 Pachtverhältnisse anwendbar. 2. Anwendbare Rechtsprechung § 536c BGB entspricht § 545 BGB in der bis zum 31.8.2001 (a.F.). Dabei wurde im Wesentlichen das 3 Vokabular angepasst. Materielle Änderungen haben sich nicht ergeben. Deshalb ist die Rechtsprechung aus der Zeit vor dem 1.9.2001 uneingeschränkt anwendbar.

III. Zweck der Vorschrift Durch die Übergabe nach § 535 Abs. 1 BGB wird der Mieter in die Lage versetzt, das Betreten der 4 Mietsache durch Dritte, also auch den Vermieter zu verhindern. Im Übrigen kommt der Mieter regelLützenkirchen | 581

§ 536c Rz. 4 | Während der Mietzeit auftretende Mängel; Mängelanzeige durch den Mieter mäßig auch mit den Gemeinschaftseinrichtungen in Kontakt. Vor diesem Hintergrund bezweckt die Anzeigepflicht, den Vermieter vor Schäden am Mietobjekt zu bewahren1, und manifestiert damit eine Handlungspflicht als Teil der Obhutspflicht des Mieters. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Vermieter die Mietsache nicht laufend auf ihren Zustand überprüfen kann, ohne den Besitz des Mieters zu stören. Deshalb wird der Vermieter dagegen geschützt, dass der Mieter während der Mietzeit übersieht, „was jedermann sieht“, sowie dagegen, dass der Mieter etwaige Mängel trotz positiver Kenntnis sanktionslos nicht anzeigt2. Eine Erkundigungs- oder Nachforschungspflicht lässt sich daraus allerdings nicht ableiten3.

IV. Beweislast 5 Der Vermieter hat darzulegen und zu beweisen, dass und wann der Mieter den Mangel oder die Gefahr

gekannt hat oder davon hätte Kenntnis haben müssen4, so dass er gerade wegen der Unterlassung oder Hinauszögerung der Anzeige außerstande war, Abhilfe zu schaffen5. Daneben trägt er die Beweislast dafür, das ser zur Abhilfe bereit war6. Beträgt die Mindestdauer der Schadensbeseitigung drei Monate und lässt sich nicht beurteilen, ob dem Vermieter bei sofortiger Anzeige Abhilfe möglich gewesen wäre, bleibt der Vermieter hinsichtlich der Kausalität zwischen Unterlassen und Schaden beweisfällig7. Das Gleiche gilt, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass sich der Schaden aufgrund eines einmaligen heftigen Wassereintritts erst kurz vor seiner Entdeckung entwickelt hat8. 6 Demgegenüber muss der Mieter die Anzeige9 und deren Rechtzeitigkeit oder anderweitig erlangte,

rechtzeitige Kenntnis des Vermieters beweisen10. Ebenso trifft den Mieter die Beweislast, wenn infolge Unterbleibens der Anzeige nicht geklärt werden kann, ob er den Mangel vertreten muss.

V. Abweichende Vereinbarungen 7 Der Vermieter kann die Anzeigepflicht vertraglich dadurch erweitern, dass er auf bestimmte Einrich-

tungen und deren Zweck hinweist und den Mieter verpflichtet, sie zu beobachten11. Dies ist im Rahmen des Transparenzgebotes auch formularmäßig zulässig, solange daraus keine Prüfungspflicht des Mieters erwächst12 und die Einrichtungen klar und bestimmt beschrieben sind. 8 Die Erfüllung der Anzeigepflicht kann formularmäßig nicht an die Schrift- oder Textform gebunden

werden, § 307 Abs. 1 BGB13. Denn damit würde die Anzeigepflicht für den Mieter erschwert. Im Übrigen ist § 309 Nr. 13 BGB zu beachten. Allein die Angabe von Bürozeiten im Mietvertrag stellt keine unzulässige Erschwernis dar. Der Vermieter muss – auch vor dem Hintergrund von § 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB – nicht 24 Stunden täglich erreichbar sein.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

BGH v. 4.4.1977 – VIII ZR 143/75, NJW 1977, 1236. Vgl. BGH v. 4.4.1977 – VIII ZR 143/75, NJW 1977, 1236 (1237). BGH v. 17.3.1976 – VIII ZR 274/74, MDR 1976, 753 = WuM 1976, 152 = ZMR 1976, 279. MünchKomm/Häublein, § 536c BGB Rz. 14. BGH v. 17.12.1986 – VIII ZR 279/85, MDR 1987, 575 = NJW 1987, 1072. LG Berlin v. 10.12.20219 – 67 S 239/19, GE 2020, 264. Brandenburgisches OLG v. 20.2.2008 – 3 U 138/06, ZMR 2008, 706. Brandenburgisches OLG v. 20.2.2008 – 3 U 138/06, ZMR 2008, 706. Brandenburgisches OLG v. 14.11.2007 – 3 U 27/07, zitiert nach juris. BGH v. 14.11.2001 – XII ZR 142/99, NZM 2002, 217 = NJW-RR 2002, 515. BGH v. 17.3.1976 – VIII ZR 274/74, MDR 1976, 753. A.A. für generelle Unvereinbarkeit Lammel, § 536c BGB Rz. 23; Staudinger/Emmerich, § 536c BGB Rz. 24. Staudinger/Emmerich, § 536c BGB Rz. 24; a.A. Palandt/Weidenkaff, § 536c BGB Rz. 6: Schriftform kann vereinbart werden.

582 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 12 § 536c

VI. Haftungsrisiko des Rechtsanwalts Es gehört zu den Regeln der anwaltlichen Kunst, dass die Ausübung der Gewährleistungsrechte erst 9 zulässig ist, wenn eine Mängelanzeige erfolgt ist. Die Verletzung dieser Pflicht in der Beratung des Vermieters führt zum Regress. Das Gleiche kann auf Mieterseite passieren, wenn eine Minderung empfohlen wird, obwohl der Mieter die notwendige Mängelanzeige nicht erstattet hat. Eine Haftungsrisiko kann aber auch entstehen, wenn der Mieter im Zusammenhang mit der Zurück- 10 behaltung oder Minderung der Miete wegen Mängeln der Mietsache beraten wird und kein Hinweis darauf erfolgt, dass er nach Beseitigung der Mängel durch den Vermieter die Minderung nicht ohne Weiteres fortsetzen kann. Daneben muss der Rechtsanwalt darauf aufmerksam machen, dass bei erneut auftretenden Mängeln die Minderung anzupassen ist. Nach solchen Mängeln muss sich der Rechtsanwalt notfalls beim Mieter erkundigen, wobei er ihm das Kündigungsrisiko verdeutlichen und eine erneute Mängelanzeige vorschlagen muss14, wenngleich Letzteres nicht unbedingt gefordert wird15. Der umsichtige Rechtsanwalt weist den Mieter auch darauf hin, dass mit der Mängelbeseitigung der Rechtsgrund für den Einbehalt der Miete bzw. eines Teils davon entfällt, so dass es der sicherste Weg ist, das einbehaltene Geld beiseite zu legen und nicht auszugeben. Schließlich sollte der Mieter darauf aufmerksam gemacht werden, dass eine unberechtigte Mängel- 11 anzeige zu Schadensersatzansprüchen des Vermieters führen kann (§ 536a BGB Rz. 35). Für den Bereich des Kaufrechts ist das der Fall, wenn der Käufer erkannt oder fahrlässig nicht erkannt hat, dass ein Mangel der Kaufsache nicht vorliegt, sondern die Ursache des Symptoms, hinter dem er einen Mangel vermutet, in seinem eigenen Verantwortungsbereich liegt16. Nichts anderes gilt im Mietrecht. Schon anhand des Phänomens der Feuchtigkeitsschäden zeigt sich in der Praxis, wie nahe die Verursachung durch Vermieter oder Mieter beieinander liegen können (vgl. § 536 BGB Rz. 116). Allerdings fehlt es an einem Verschulden des Mieters nach § 276 BGB, wenn der Mieter eine Flächenabweichung aufgrund eigener Flächenberechnung rügt und gleichzeitig darauf hinweist, dass die exakte Wohnungsgröße wegen der Schwierigkeiten bei der Vermessung (Schrägen, Winkel) erst durch einen Gutachter festgestellt werden könne17. Bleibt somit bei der Mängelanzeige ungewiss, ob tatsächlich ein Mangel vorliegt, dürfen Mängelrechte geltend gemacht werden, ohne Schadensersatzansprüche befürchten zu müssen, auch wenn sich das Verlangen im Ergebnis als unberechtigt herausstellt18. Letzteres gilt auch, wenn sich der Vermieter bei der Besichtigung davon überzeugt hat, dass keine Mängel vorliegen. Holt er dennoch ein Gutachten ein, kann er die Kosten nicht ersetzt verlangen, nur weil der Mietvertrag beendet ist und ihm ansonsten ein Beweismittel verloren geht19.

B. Wohnraummiete I. Anzeigepflicht Der Vermieter ist verpflichtet, die Mietsache für die Dauer des Mietverhältnisses instand zu halten bzw. 12 instand zu setzen, § 535 Abs. 1 S. 2 BGB. Er hat jedoch ohne konkreten Anlass keine Verpflichtung zur Untersuchung der im ausschließlichen Besitz des Mieters befindlichen Räume oder Flächen20. Dies resultiert aus der Obhutspflicht des Mieters, die vom Gesetz als selbstverständlich vorausgesetzt wird, und

BGH v. 27.9.2009 – IX ZR 86/04, WuM 2007, 625; LG Berlin v. 22.7.2016 – 63 S 237/15, GE 2017, 420. OLG Düsseldorf v. 4.4.2006 – I-24 U 145/05, MDR 2006, 1276 = GuT 2006, 133. BGH v. 23.1.2008 – VIII ZR 246/06, MDR 2008, 373 = NJW 2008, 1147. BGH v. 22.9.2010 – VIII ZR 285/09, MDR 2010, 1373 = MietRB 2010, 350 = WuM 2010, 688 = GE 2010, 1613 Rz. 29. 18 BGH v. 23.1.2008 – VIII ZR 246/06, MDR 2008, 373 = NJW 2008, 1147 Rz. 13; vgl. ferner BGH v. 16.1.2009 – V ZR 133/08, MDR 2009, 438 = NJW 2009, 1262 Rz. 20. 19 LG Bremen v. 31.1.2013 – 6 S 23/12, MDR 2013, 211 = MietRB 2013, 107 = ZMR 2013, 344. 20 Vgl. hierzu BGH v. 12.5.1969 – VIII ZR 164/67, ZMR 1969, 271; OLG Frankfurt v. 7.3.2003 – 24 U 125/02, MietRB 2003, 93 = ZMR 2003, 674.

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§ 536c Rz. 12 | Während der Mietzeit auftretende Mängel; Mängelanzeige durch den Mieter diese wiederum folgt aus der Natur des Mietverhältnisses, in dessen Vollzug die Sache in den unmittelbaren Besitz des Mieters übergeht21. 13 Aus dieser Obhutspflicht (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 836 f.) ergibt sich die Anzeigepflicht des Mieters i.S.v.

§ 536c Abs. 1 BGB, die auch bei längerer Abwesenheit gilt (§ 535 BGB Rz. 538). Als echte Nebenpflicht i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB22 wird bestimmt, dass der Mieter einen Mangel oder eine sonstige Gefahr für die Mietsache dem Vermieter anzuzeigen hat. Diese Pflicht wird nicht nur bei positiver Kenntnis des Mangels oder der Gefahr, sondern auch dann ausgelöst, wenn der Mangel oder die Gefahr jedem Mieter auffallen musste, ihm also grob fahrlässig unbekannt geblieben ist23. Selbst der Wegfall des Mangels soll anzeigepflichtig sein24. Für die Dauer der Vorenthaltung i.S.d. § 546a BGB besteht die Anzeigepflicht unverändert fort, auch wenn der Mieter wegen neuer Mängel nicht mindern kann (§ 546a BGB Rz. 77). 1. Gegenstand der Anzeigepflicht 14 Gegenstand der Anzeigepflicht sind nicht nur Mängel i.S.d. § 536 Abs. 1 BGB25, sondern im Prinzip

jeder schlechte Zustand der Mietsache. Denn § 536c BGB ist Ausdruck der Obhutspflicht. Diese verlangt mehr als den Schutz der Mietsache vor Mängeln. Wie sich schon aus dem Wortlaut erschließt, sind alle (denkbaren) Gefahren für die Mietsache anzeigepflichtig. Selbst wenn ein neues Phänomen entsteht, das mit einem bereits angezeigten Mangel zusammenhängt, ist eine Anzeige erforderlich. Hat der Mieter z.B. zugige Fenster gerügt, kann er nicht ohne erneute Anzeige mindern, wenn daraus im Winter Heizprobleme entstehen, die zu Feuchtigkeitsschäden führen. 14a Neben Hinweisen auf den baulichen Zustand muss der Mieter auch auf Gefahren für die Mietsache

aufmerksam machen, vor denen ein Schutz erforderlich sein könnte. In Betracht kommen insoweit insbesondere Hinweise auf bevorstehende Naturereignisse (Hochwasser, Starkregen, Sturm etc.) oder dadurch ausgelöste Gefahrenquellen. Auch eine durch Steinwürfe und daran befestigten Zettel angekündigte Brandstiftung muss dem Vermieter angezeigt werden26. Das Gleiche gilt, wenn der Mieter Anlass für künftige Schäden durch Wildschweine hat, die durch die vorhandene Einfriedung nicht vom Zutritt zum Grundstück abgehalten werden können27. Maßgeblich ist die Entstehung eines Gefahrenzustandes28. 14b Soweit sich ein Dritter Rechte an der Sache anmaßt, wird die Anzeigepflicht nach § 536c Abs. 1 S. 2

BGB ausgelöst. Dafür reicht es aus, dass ein Dritter irgendein Recht an der Mietsache reklamiert. Ob dies zu Recht erfolgt oder es sich um dingliche, obligatorische oder sonstige Rechte handelt oder sogar eine verbotene Eigenmacht nach § 858 BGB vorliegt, ist unerheblich29. Daher ist eine Anzeige schon veranlasst, wenn unangekündigt Handwerker erscheinen und irgendwelche Tätigkeiten am Gebäude oder auf dem Grundstück durchführen wollen, ohne dass der Mieter dadurch betroffen sein müsste. Der Vermieter soll in solchen Situationen in die Lage versetzt werden, die Berechtigung des Dritten zu prüfen30. Das ist ohne Anzeige nur möglich, wenn er selbst anwesend ist. 15 Für die Entstehung der Anzeigepflicht ist es ohne Bedeutung, ob durch den Missstand der vertrags-

gemäße Gebrauch beeinträchtigt wird31. Deshalb muss eine Anzeige auch erfolgen, wenn ein Mangel nicht vollständig oder nur unzureichend behoben wurde32. Das gilt selbst dann, wenn der Mieter die Beseitigung übernommen hat und sein Vorhaben misslingt und er Gewährleistungsrechte geltend ma21 BGH v. 4.4.1977 – VIII ZR 143/75, NJW 1977, 1236. 22 BGH v. 12.5.1969 – VIII ZR 164/67, ZMR 1969, 271. 23 BGH v. 4.4.1977 – VIII ZR 143/75, NJW 1977, 1236; LG Köln v. 26.3.2008 – 10 S 190/07, MietRB 2009, 35 = ZMR 2008, 629. 24 AG Mitte v. 5.4.2006 – 5 C 550/05, GE 2006, 974; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536c BGB Rz. 17. 25 A.A. Lammel, § 536c BGB Rz. 9. 26 LG Berlin v. 1.11.1990 – 12 O 171/90, GE 1991, 521. 27 AG Köpenick v. 4.7.2012 – 15 C 25/12, WuM 2013, 301 = GE 2013, 1006. 28 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536c BGB Rz. 14. 29 MünchKomm/Häublein, § 536c BGB Rz. 8. 30 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536c BGB Rz. 16. 31 BGH v. 4.4.1977 – VIII ZR 143/75, MDR 1977, 743 = WuM 1978, 88 = NJW 1977, 1236 = BGHZ 68, 281. 32 OLG Düsseldorf v. 25.10.1990 – 10 U 15/90, ZMR 1991, 24; LG Berlin v. 11.11.2010 – 67 S 241/08, GE 2011, 58; a.A. OLG Düsseldorf v. 4.4.2006 – I-24 U 145/05, MDR 2006, 1276 = GuT 2006, 133.

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B. Wohnraummiete | Rz. 20 § 536c

chen will33. Eine Schlossauswechslung durch Dritte hat der Mieter, wenn nicht nach § 536c BGB, so doch nach § 242 BGB dem Vermieter anzuzeigen34. Bei nicht konstant auftretenden Mängeln (z.B. Lärmbeeinträchtigung durch Mitmieter) ist eine wiederholte Anzeige selbst dann erforderlich, wenn zwischen den Parteien bereits zwei Rechtsstreite über das gleiche Phänomen geführt wurden35. Das gilt erst recht bei saisonalen Mängeln (z.B. Heizungsausfall). Soweit es für die Beurteilung des Zustandes auf Standards ankommt, ist grundsätzlich – wie bei der 16 Mängelbewertung (vgl. § 536 BGB Rz. 97 f.) – auf die Anforderungen abzustellen, die bei der Errichtung des Gebäudes galten. Deshalb muss der Mieter nicht nach § 536c BGB anzeigen, dass der Elektriker die in der Mietsache vorhandene Elektrounterverteilung nicht mehr für zeitgemäß und daher gefährlich hält36. Einen nachfolgenden Brand, der seine Ursache in der Elektrounterverteilung hat, hat er nicht grob fahrlässig herbeigeführt. Andererseits kommt es nicht darauf an, dass bei der Errichtung des Gebäudes die Regeln der Technik 17 eingehalten wurden und/oder für die Nutzung als solche die erforderlichen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen vorliegen. Dies allein lässt die Anzeigepflicht nicht entfallen, wenn für die Nutzer z.B. wegen brandschutztechnischer Mängel eine Gefahr besteht37. Den Mieter trifft aber keine Prüfungs- oder Untersuchungspflicht38. Deshalb schuldet er über leichte 18 Pflegearbeiten hinaus nicht die Überwachung des Pflanzenbewuchses am Haus im Einzugsbereich seiner Wohnung (hier: Efeu) auf Schadensentwicklungen am Gebäude39. Auch kann grundsätzlich nicht vom Mieter verlangt werden, dass er bei einer Reparaturmaßnahme prüft, ob diese fachgerecht erfolgt ist. Dies gilt bei einer wegen Dunkelheit nicht gänzlich durchgeführten Wohnungsübergabe mit entsprechendem Protokoll auch dann, wenn der Vermieter nachfragt, ob der Mieter weitere Schäden festgestellt hat40. Ebenso wenig ist der Mieter verpflichtet, kleinere Beschädigungen des Waschbeckens mitzuteilen, soweit es sich auch um normale Abnutzungsspuren handeln könnte. Es handelt sich letztlich um eine Wertungsfrage, welche Veränderungen als normale Abnutzung und welche als Beschädigung zu werten sind. Von einem insoweit auch nicht unbedingt fachkundigen Mieter kann eine entsprechende Einschätzung nicht erwartet werden. Dem Mieter nicht ohne Weiteres erkennbare, verborgene Mängel sind nicht anzuzeigen41. Deshalb erstreckt sich die Pflicht nicht auf Gefahren, die aus dem Inneren der Mieträume heraus nicht sichtbar sind und von außen nur bei einer besonderen Nachschau zu erkennen wären42. Räumlich bezieht sich die Anzeigepflicht zunächst auf alle Teile des Mietobjektes, die dem vertrags- 19 gemäßen Gebrauch des Mieters unterliegen43. Dazu gehört die Mieteinheit selbst, aber auch alle Teile des Grundstücks, die vom Mieter mitbenutzt werden dürfen. Kann er von dort aus an anderen Teilen der Mietsache Missstände leicht erkennen, sind auch diese anzuzeigen (z.B. durchgeschlagene Feuchtigkeit). Die übrigen Teile des Grundstücks muss der Vermieter in regelmäßigen Abständen (selbst) prüfen, z.B. Dach und Außenflächen eines Miethauses44. 2. Anzeige Die Anzeige ist eine formlose Tatsachenerklärung45, die mit ihrem Zugang beim Vermieter oder sei- 20 nem Vertreter vollendet wird. Geschäftsfähigkeit ist nicht erforderlich46. Sie kann schriftlich, in Text33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46

OLG Düsseldorf v. 18.12.1986 – 10 U 139/86, ZMR 1987, 376. BGH v. 14.11.2001 – XII ZR 142/99, NZM 2002, 217 = NJW-RR 2002, 515. AG Pankow/Weißensee v. 10.9.2007 – 100 C 163/07, ZMR 2008, 975 = GE 2007, 1491. OLG Düsseldorf v. 8.5.2008 – I-10 U 24/08, ZMR 2009, 276 = DWW 2009, 226 = MietRB 2009, 129. Brandenburgisches OLG v. 17.1.2007 – 3 U 66/06, zitiert nach juris. BGH v. 4.4.1977 – VIII ZR 143/75, MDR 1977, 743 = WuM 1978, 88 = NJW 1977, 1236 = BGHZ 68, 281. AG Köln v. 14.2.2001 – 208 C 537/00, WuM 2002, 668. AG Hamburg v. 6.5.2010 – 44 C 93/09, zitiert nach juris. AG Hamburg v. 6.5.2010 – 44 C 93/09, zitiert nach juris. BGH v. 7.6.2006 – XII ZR 34/04, MietRB 2006, 264 = MDR 2007, 22 = ZMR 2006, 678 = NZM 2006, 626. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536c BGB Rz. 19. BGH v. 22.10.2008 – XII ZR 148/06, MietRB 2009, 66 = MDR 2009, 75 = GuT 2008, 434 = NJW 2009, 142. A.A. Bub/Treier/Kraemer/von der Osten, III Rz. 2406: formfreie Rechtshandlung. Palandt/Weidenkaff, § 536c BGB Rz. 6.

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§ 536c Rz. 20 | Während der Mietzeit auftretende Mängel; Mängelanzeige durch den Mieter form, über Internet-Foren (z.B. facebook), per Telefon47 oder sonst wie mündlich erfolgen48. Streng genommen kann eine Anzeige auch durch schlüssiges Verhalten abgegeben werden, was im Hinblick auf den notwendigen Inhalt jedoch nur in seltenen Ausnahmefällen gelingen dürfte. 21 Ob eine wirksame Mängelanzeige angenommen werden kann, wenn der Mieter auf den Überweisungs-

trägern die Mängel schlagwortartig angegeben hat49, hängt davon ab, ob der Vermieter den Text tatsächlich zu sehen bekommen hat. Teilt die Bank dem Vermieter auf dem Kontoauszug die Nachricht des Mieters nur fragmentarisch mit, geht dies zu Lasten des Mieters. Denn es fällt in seinen Risikobereich, wenn die Mitteilung nicht bzw. nicht vollständig zugeht. Hat der Mieter den Mangel wirksam angezeigt, bedarf es keiner Wiederholungen, nur weil der Vermieter nicht reagiert. Dies gilt erst recht, wenn das Minderungsrecht in einem rechtkräftigen Urteil festgestellt ist, der Vermieter keine Mängelbeseitigung durchgeführt hat und weitere geminderte Mieten einklagt50. a) Anzeigepflichtiger 22 Die Anzeigepflicht trifft grundsätzlich den Mieter. Es genügt, wenn einer von mehreren Mietern die

Anzeige erstattet. Als Tatsachenerklärung kann sie auch wirksam von einem Geschäftsunfähigen abgegeben werden. b) Adressat der Anzeige 23 Die Anzeige ist grundsätzlich gegenüber dem Vermieter zu erstatten. Bei mehreren Vermietern reicht

es aus, wenn einer von ihnen informiert wird. Wird ein Dritter in Kenntnis gesetzt, ist die Anzeigepflicht erfüllt, wenn sie dem Vermieter weitergegeben wird oder der Dritte zum Empfang der Anzeige oder ganz allgemein von Erklärungen des Mieters bevollmächtigt ist51. Dies trifft für den Hausmeister in der Regel nicht zu52. Allenfalls wenn zu seinem Aufgabengebiet auch Verwaltungs- und Instandsetzungstätigkeiten gehören, er insbesondere zur Weiterleitung von Beschwerden und Vorkommnissen verpflichtet ist, kann er als Sachwalter des Vermieters angesehen werden. Auch ein Pfändungsgläubiger oder Zessionar des Vermieters ist nicht der richtige Adressat53. 24 Sind nach einem Mietvertrag über Sondereigentum Schadensanzeigen durch den Mieter dem Ver-

mieter oder dessen Beauftragten gegenüber abzugeben, muss der Vermieter dem Mieter die Beauftragten bekannt geben, will er sich eine Schadensanzeige gegenüber dem Hausmeisterservice des WEGVerwalters nicht zurechnen lassen54. Dies ist in mehrfacher Hinsicht zweifelhaft. Denn ohne die Voraussetzungen einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht bestehen keine Anhaltspunkte, einen Hausmeisterservice überhaupt als Vertreter des Vermieters anzusehen. Im Übrigen muss mindestens der WEG-Verwalter sich auch (einmal) als Vertreter des Sondereigentümers aufgeführt haben. Wenn der Vermieter bei Abschluss des Mietvertrages selbst auftritt, besteht zunächst jedenfalls für den Mieter kein Anlass, am Vertrag nicht beteiligte Dritte, die der Vermieter mangels schuldrechtlicher Sonderbeziehung nicht in Regress nehmen kann, als Empfangsberechtigte für Mängelanzeigen mit den Konsequenzen des § 536c BGB anzusehen. Vielmehr trägt der Mieter in einem solchen Fall das Risiko der fehlerhaften Übermittlung. c) Inhalt der Anzeige 25 Inhaltlich muss der Mieter die Mängelanzeige so gestalten, dass der Vermieter in der Lage ist zu erken-

nen, an welchen Teilen der Mietsache welche Gefahr für die Mietsache aufgetreten ist, so dass die sach-

47 48 49 50 51 52 53 54

BGH v. 30.11.2010 – VIII ZR 293/08, WuM 2010, 45. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536c BGB Rz. 23. AG Neukölln v. 14.7.2006 – 5 C 306/05, GE 2006, 1173. BGH v. 18.3.2014 – VIII ZR 317/13, GE 2014, 665. AG Köln v. 31.7.1973 – 153 C 603/72, MDR 1974, 47. A.A. Kraemer, WuM 2000, 515 (518); Blank/Börstinghaus, § 536c BGB Rz. 7. AG Ludwigslust v. 26.8.2013 – 5 C 175/12, WuM 2013, 608. Saarländisches OLG v. 24.10.2007 – 5 W 219/07, WuM 2007, 714 = ZMR 2008, 240.

586 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 30 § 536c

gerechten Maßnahmen zur Mängelbeseitigung oder deren Vorbereitung (z.B. durch Besichtigung) getroffen werden können. Im Hinblick darauf reicht es nicht aus, allgemein auf Feuchtigkeit im Keller hinzuweisen. Der Mieter 26 muss angeben, wenn er anschließend Gewährleistungsrechte ausüben will, wo im Keller Feuchtigkeit von außen oder aus Leitungen auftritt. Zwar kann kein bautechnisches Fachwissen vorausgesetzt werden, aber eine konkrete Beschreibung des aufgetretenen Phänomens. Zeigt der Mieter dem Vermieter als Mangel die Lärmstörung durch eine andere Mietpartei an, genügt 27 eine Bezeichnung der Lage der Wohnung im Haus. Es ist nicht erforderlich, zusätzlich den Namen der störenden Mietpartei zu benennen55. Allerdings reicht auch die Bekanntgabe des Namens ohne Angabe der Lage der Wohnung, wenn keine Namensgleichheit mehrerer Mieter besteht. d) Zeitpunkt der Anzeige Die Anzeige muss unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB) erfolgen. Das Maß der 28 gebotenen Sorgfalt hängt von der Dringlichkeit der Gefahrenabwehr ab, wobei die Möglichkeit des Mieters, per SMS, E-Mail oder telefonisch den Mangel kundzutun, berücksichtigt werden muss. Insoweit können u.U. Verzögerungen von wenigen Stunden relevant sein. Denn die Hinauszögerung der Anzeige kann der Unterlassung gleichstehen, wenn sie in etwa gleiche Folgen wie diese hat. Dies gilt insbesondere bei „weiterfressenden“ Mängeln (z.B. Feuchtigkeit, die sich über die Zeit ausbreitet) oder wenn die Abhilfe nicht mehr rechtzeitig herbeigeführt werden kann. Letzteres ist z.B. anzunehmen, wenn bei einem Unwetter Bäume umgerissen werden und der Vermieter ein Fachunternehmen bei rechtzeitiger Anzeige sofort beauftragen konnte und nach der Anzeige die Auftragsbücher des Handwerkers überfüllt sind, so dass die Ausführung des Auftrages erst längere Zeit später erfolgen kann. Im Hinblick darauf kann sich die Zeit, in der die Anzeige noch rechtzeitig erfolgen kann, nicht an den Kriterien orientieren, die für § 174 BGB gelten (§ 542 BGB Rz. 61). Insoweit ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Mieter nicht erst Rechtsrat einholen muss, sondern bloß einen gefährlichen Zustand ohne Beachtung einer Form mitzuteilen hat. Erfolgt die Anzeige erst nach dem Mietende, ist der Mieter zu einer Minderung nicht berechtigt, ob- 28a wohl der Mangel vor Mietende eingetreten ist56. 3. Wegfall der Anzeigepflicht Im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift ist eine Mängelanzeige entbehrlich, wenn der Vermieter den 29 Mangel kennt oder ein unbehebbarer Mangel vorliegt57. Letzteres erfasst nicht nur objektiv unbehebbare Mängel, wie z.B. die Flächenabweichung58. Nicht der Anzeigepflicht unterliegen vielmehr auch subjektive, also allein vom Vermieter nicht zu behebende Mängel. Diese Voraussetzung ist bei einer (Groß-)Baustelle in der Nachbarschaft nur anzunehmen, wenn sich keine Möglichkeit zum Lärmschutz bietet59. Hat der Vermieter aber eine Einwirkungsmöglichkeit, die die Situation des Mieters mindestens verbessert, kann von einem unbehebbaren Mangel nicht mehr ausgegangen werden60. Auch die Ausgasung von Bahnschwellen in einem U-Bahn-Schacht, die in den umliegenden Wohnungen zu Geruchsbelästigungen führt, gehört hierher61. Die Anzeigepflicht entfällt im Übrigen, wenn der Vermieter den Mangel kennt. Davon ist – jedenfalls 30 wegen Missständen in Gemeinschaftsflächen – auszugehen, wenn der Vermieter die Mietsache wie der 55 AG Erfurt v. 4.8.2004 – 5 C 3235/03, MDR 2005, 84 = MietRB 2005, 1 = WuM 2004, 660. 56 LG Krefeld v. 20.12.2017 – 2 S 65/16, MietRB 2018, 34 = MietRB 2018, 35 = MDR 2018, 68 = ZMR 2018, 328 = DWW 2018, 59. 57 BGH v. 17.12.1986 – VIII ZR 279/85, MDR 1987, 575 = NJW 1987, 1072. 58 BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 347/04, MietRB 2005, 281 (282) = MDR 2006, 197 = WuM 2005, 573 = ZMR 2005, 854; AG Köln v. 22.6.2005 – 203 C 109/05, WuM 2006, 109; a.A. LG Berlin v. 14.9.2004 – 63 S 126/04, WuM 2005, 454 = Mietrecht express 2005, 55. 59 LG Hamburg v. 4.7.1986 – 11 S 80/86, WuM 1986, 313 = MM 1986, Heft 10, 26. 60 OLG Düsseldorf v. 8.3.2012 – 24 U 162/11, MDR 2012, 834 = MietRB 2012, 134, GE 2012, 827 (828). 61 AG München v. 27.4.2009 – 424 C 1052/08, WuM 2011, 465.

Lützenkirchen | 587

§ 536c Rz. 30 | Während der Mietzeit auftretende Mängel; Mängelanzeige durch den Mieter Mieter nutzt (z.B. weil er im Hause wohnt oder sein Büro unterhält). Das Gleiche soll gelten, wenn ein Hausmeister im Gebäude wohnt62. Im Übrigen kommt es darauf an, ob der Vermieter die maßgeblichen Umstände, die eine Gefahr oder einen Mangel begründen sollen, bereits zur Kenntnis genommen hat (z.B. im Rahmen einer Begehung) oder nach einem erfolglosen Reparaturversuch weiß, dass der Mangel noch fortbesteht63. Hat er für die Überwachung Personal eingestellt, das das Grundstück regelmäßig in kurzfristigen Abständen überprüft64, muss er sich deren Wissen zurechnen lassen. Dies gilt insbesondere für Hausmeister und Hausverwalter65. Allein weil der Vermieter ein Besichtigungsrecht hat oder einen Mangel fahrlässig nicht erkannt hat, entfällt die Anzeigepflicht jedoch nicht. Schließlich entfällt die Anzeigepflicht, wenn der Vermieter bereits durch einen anderen Mieter oder einen sonstigen Dritten informiert wurde. 31 Auch die Kenntnis von einer Gefahrenlage kann die Mängelanzeige entbehrlich machen66. Das ist z.B.

der Fall, wenn der Vermieter die Verschmutzung eines Flachdaches kennt und ihm mitgeteilt wurde, dass die Dachrinnen und Gullys gereinigt werden müssen. Dann kann er sich gegenüber dem Schadensersatzanspruch des Mieters aus § 536a BGB wegen der Verstopfung der Abflüsse nicht auf eine Verletzung der Anzeigepflicht berufen67. Demgegenüber reicht die Kenntnis des Vermieters von der Verwendung asbesthaltiger Baumaterialien in der Wohnung nicht aus, wenn Asbestfasern erst durch mechanische Einwirkungen frei gesetzt werden68. Hier besteht eine Anzeigepflicht des Mieters, sobald er die Beschädigung des asbesthaltigen Baustoffes zur Kenntnis nimmt. 31a Schließlich bleibt die unterbliebene Mängelanzeige ohne Konsequenzen, wenn der Vermieter zur Män-

gelbeseitigung nicht bereit war. Dies kann – ex post betrachtet – nicht nur daraus hergeleitet werden, dass der Vermieter den Mangel bestreitet. Auch wenn der Vermieter andere Maßnahmen trifft, spricht die Lebenserfahrung gegen seine Absicht, den Mangel zu beseitigen. Letzteres ist z.B. der Fall, wenn er bei Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück eine Vereinbarung mit dem Bauherren trifft, wonach dieser verpflichtet ist, die Einbußen des Vermieters aus Minderungen der Mieter etc. zu ersetzen69. In diesem Fall muss er den Beweis der Bereitschaft erbringen.

32 Als Ausfluss der Obhutspflicht erlischt die Anzeigepflicht nicht mit dem Ende des Vertrages, wenn der

Mieter nicht auszieht. Vielmehr trifft den Mieter die Pflicht ohne Rücksicht auf die Dauer des Mietverhältnisses von der Übergabe bis zur Rückgewähr der Mietsache70. 33 Grundsätzlich wirkt die Mängelanzeige auch gegenüber dem Erwerber. Er tritt in den Mietvertrag zu

den Bedingungen ein, die beim Vermieterwechsel i.S.v. § 566 BGB bestehen71. Hat der Mieter die Mietsache geräumt, ohne dass eine Beendigung des Mietvertrages herbeigeführt wurde, und hat der bisherige Vermieter vor Übergang von Nutzen und Lasten auf einen Erwerber die Schlösser ausgetauscht, kann der Mieter ohne ausdrückliche Anzeige jedenfalls gegenüber dem Erwerber die Miete nicht vollständig einbehalten72. 4. Erneute Anzeige nach Mängelbeseitigung 33a Selbstverständlich muss der Mieter nach einer erfolgreichen Mängelbeseitigung durch den Vermieter

eine Anzeige an den Vermieter richten, wenn der Mangel erneut auftritt. Ansonsten treten die Rechtsfolgen des § 536c Abs. 2 BGB ein73. 62 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536c BGB Rz. 20. 63 OLG Düsseldorf v. 25.10.1990 – 10 U 15/90, ZMR 1991, 24 = DWW 1991, 17. 64 OLG Karlsruhe v. 18.9.1987 – 14 U 30/86, ZMR 1988, 52 = NJW-RR 1988, 528; enger Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536c BGB Rz. 25. 65 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536c BGB Rz. 26. 66 BGH v. 18.3.2014 – VIII ZR 317/13, WuM 2014, 278 m.w.N. 67 OLG Düsseldorf v. 2.6.2008 – 24 U 193/07, MDR 2008, 1205 = ZMR 2009, 114 = NZM 2009, 280. 68 AG Charlottenburg v. 10.3.2014 – 237 C 375/13, GE 2014, 469. 69 LG Berlin v. 10.12.2019 – 67 S 239/19, GE 2020, 264. 70 BGH v. 14.6.1967 – VIII ZR 268/64, NJW 1967, 1803 = LM § 556 BGB Nr. 2. 71 BGH v. 9.2.2005 – VIII ZR 22/04, MietRB 2005, 142 = MDR 2005, 562 = WuM 2005, 201 = ZMR 2005, 354; BGH v. 3.5.2000 – XII ZR 42/98, MDR 2000, 947 = WuM 2000, 422 = ZMR 2000, 595 = GE 2000, 957. 72 BGH v. 14.11.2001 – XII ZR 142/99, NZM 2002, 217 = NJW-RR 2002, 515. 73 OLG Düsseldorf v. 25.10.1990 – 10 U 15/90, ZMR 1991, 24.

588 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 38 § 536c

Hat der Vermieter Instandsetzungsmaßnahmen durchgeführt, die nicht zu dem gewünschten Erfolg 33b geführt haben, gilt nicht anderes74. Erst recht muss eine erneute Mängelanzeige erfolgen, wenn sich der Mangel verschärft.

II. Schadensersatzanspruch 1. Schuldhaftes Verhalten des Mieters Als Rechtsfolge einer Unterlassung oder Verzögerung der Anzeige ordnet § 536c Abs. 2 S. 1 BGB zu- 34 nächst eine Schadensersatzpflicht des Mieters an. Dazu ist aber grundsätzlich ein schuldhaftes Verhalten erforderlich. Deshalb macht die Unterlassung einer Mängelanzeige den Mieter z.B. nicht ersatzpflichtig, wenn er ohne Verschulden von einem gleichen Kenntnisstand des Vermieters ausgehen darf. Dies soll z.B. der Fall sein, wenn die Wasserkosten als Pauschale vereinbart sind und das Schwimmerventil im Spülkasten defekt ist, weil der Mieter die Höhe des Verbrauchs mangels Abrechnung nicht kennt75. Der Mieter muss sich nicht nur das Verhalten eines Dritten (§ 540 Abs. 2 BGB) über § 278 BGB zurech- 34a nen lassen76, sondern auch einer Person, die, ohne Dritter i.S.v. § 540 BGB zu sein, mit ihm zusammenlebt. Das kommt insbesondere in Betracht, wenn der Untermieter/Mitbewohner einen anzeigepflichtigen Zustand vor dem Mieter verheimlicht. 2. Umfang des Schadensersatzes Im Umfang ist der Schadensersatz nicht durch § 280 BGB beschränkt. Vielmehr hat der Mieter dem 35 Vermieter den Schaden zu ersetzen, der adäquat kausal durch die unterlassene oder verspätete Anzeige entstanden ist. Insoweit besteht kein Anspruch auf Naturalrestitution, so dass der Mieter den Mangel nicht selbst beseitigen muss77. Der Mieter muss den Vermieter so stellen, wie er bei einer rechtzeitigen Anzeige gestanden hätte. Zu ersetzen sind daher zusätzliche Aufwendungen des Vermieters bei weiterfressenden Mängeln, aber auch erhöhte Kosten (Lohnsteigerungen, Erhöhung der Umsatzsteuer etc.). Macht der Vermieter erhöhte Betriebskosten, die durch einen vom Mieter nicht angezeigten Mangel 36 der Mietsache verursacht wurden (z.B. Wassermehrverbrauch aufgrund defekter Toilettenspülung), nur gegenüber diesem Mieter in der Betriebskostenabrechnung geltend, handelt es sich in Wahrheit um einen Schadensersatzanspruch gemäß § 536c Abs. 2 BGB78. Dem Vermieter können auch Prozesskosten anfallen. Hat der Mieter den Mangel nicht angezeigt und der Vermieter nach fristloser Kündigung auf Räumung geklagt, können ihm nach § 269 Abs. 3 oder § 91a ZPO die Kosten auferlegt werden, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass ihm ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB wegen eines Mangels zustand79. Die unterlassene oder verspätete Anzeige muss für den Schadenseintritt ursächlich gewesen sein. Daran 37 fehlt es bei einer Unterlassung des Mieters, wenn dem Vermieter nach verspäteter Anzeige zur Schadensabwendung noch hinreichende Gelegenheit blieb. Das Gleiche gilt, wenn der Vermieter den Mangel auch bei (rechtzeitiger) Anzeige nicht beseitigt hätte. Dies kann z.B. anzunehmen sein, wenn der Vermieter den Mangel bestreitet, zumal wenn dies im nachfolgenden Prozess erfolgt. Im Rahmen des Mitverschuldens nach § 254 BGB muss sich der Vermieter schuldhafte Verzögerun- 38 gen seines Erfüllungsgehilfen zurechnen lassen80. Das kommt z.B. bei einer verzögerten Bearbeitung durch den Hausverwalter in Betracht.

74 75 76 77 78 79 80

LG Berlin v. 22.7.2016 – 63 S 237/15, GE 2017, 420. AG München v. 27.2.2016 – 411 C 17290/14, ZMR 2016, 788. MünchKomm/Häublein, § 536c BGB Rz. 11. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536c BGB Rz. 32. LG Kaiserslautern v. 14.4.2009 – 1 S 145/08, zitiert nach juris. LG Osnabrück v. 11.7.2018 – 1 S 317/17, ZMR 2019, 31; Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 99b. OLG Düsseldorf v. 25.9.2001 – 24 U 14/01, GE 2002, 1262.

Lützenkirchen | 589

§ 536c Rz. 39 | Während der Mietzeit auftretende Mängel; Mängelanzeige durch den Mieter 3. Verjährung 39 Besteht der Schaden – wie häufig – in einer Veränderung oder Verschlechterung der Mietsache, unter-

liegt er der kurzen Verjährung nach § 548 Abs. 1 BGB81. Macht der Vermieter den Schaden erst in der Betriebskostenabrechnung geltend, muss die Abrechnung so rechtzeitig erfolgen, dass noch eine Hemmung der Verjährung innerhalb von sechs Monaten seit der Rückgabe herbeigeführt werden kann. Diesem Risiko kann der Vermieter sich nicht dadurch entziehen, dass er die Vorauszahlungen unter Anwendung des § 215 BGB zuerst gegen die erhöhten Kosten verrechnet. Denn gemäß § 556 Abs. 3 S. 1 BGB ist über die Vorauszahlungen auf der Basis der entstandenen Betriebskosten abzurechnen und daher eine (vorrangige) Verrechnung mit Schadensersatzansprüchen zweckwidrig.

III. Verlust von Gewährleistungsrechten 1. Erfasste Ansprüche 40 Als weitere Rechtsfolge ordnet § 536c Abs. 2 S. 2 BGB den Verlust bestimmter Gewährleistungsrechte

für den Mieter an. Voraussetzung ist aber, dass der Vermieter gerade infolge des Ausbleibens der Anzeige keine Abhilfe schaffen konnte. Dazu muss er vortragen, dass die Mängelbeseitigung rechtzeitig möglich gewesen wäre und infolge der Unterlassung des Mieters z.B. unmöglich geworden ist82. 41 Der Rechtsverlust tritt aber nicht ein, wenn feststeht, dass der Vermieter die erforderlichen Beseiti-

gungsmaßnahmen nicht unverzüglich nach Kenntniserlangung von der Mangelhaftigkeit der Mietsache durchgeführt hat (hier: erst rund zwei Jahre später). In diesem Fall ist es offensichtlich, dass der Verstoß des Mieters gegen seine Obliegenheit zur Schadensanzeige nicht ursächlich dafür war, dass sich die Mietsache ab der Kenntniserlangung nicht in vertragsgemäßem Zustand befand83. Bei einer verspäteten Anzeige erstreckt sich der Verlust auf die Zeit bis zur Information des Vermieters84. 42 Der Verlust erstreckt sich auf

– das Recht zur Minderung (§ 536 BGB), – den Schadensersatzanspruch (§ 536a Abs. 1 BGB) und – das Recht, ohne Abhilfefrist i.S.v. § 543 Abs. 3 BGB nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu kündigen85. 43 Nicht ausdrücklich erwähnte Rechte werden durch § 536c Abs. 2 S. 2 BGB grundsätzlich nicht er-

fasst. Die Ersatzvornahme und der Aufwendungsersatz nach § 536a Abs. 2 BGB sind nicht erwähnt, weil sie Verzug und damit durch die Mahnung grundsätzlich die Kenntnis des Vermieters voraussetzen. Deren Verlust tritt also nicht ein. Das Gleiche gilt für den Mängelbeseitigungsanspruch aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB. 44 Allerdings kann das Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB ohne Kenntnis des Vermieters über

die mangelhafte Situation nicht ausgeübt werden. Mit § 320 BGB soll nämlich der Zweck verfolgt werden, auf den Schuldner (Vermieter) Druck auszuüben, um ihn zur Durchführung (hier:) der Mängelbeseitigung anzuhalten86. Diese Funktion kann die Leistungsverweigerung nicht erfüllen, wenn der Vermieter nicht weiß, warum er unter Druck gesetzt wird.

81 LG Kaiserslautern v. 14.4.2009 – 1 S 145/08, zitiert nach juris. 82 OLG Düsseldorf v. 16.4.2002 – 24 U 20/01, ZMR 2003, 21 = GE 2002, 1261; LG Berlin v. 9.1.2020 – 67 S 230/ 19, WuM 2020, 70. 83 OLG Düsseldorf v. 24.7.2009 – 24 U 6/09, GuT 2010, 355 = DWW 2010, 198 = MietRB 2010, 39. 84 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536c BGB Rz. 36. 85 BGH v. 17.12.1986 – VIII ZR 279/85, MDR 1987, 575 = ZMR 1987, 169. 86 BGH v. 3.11.2010 – VIII ZR 330/09, MDR 2011, 92 = MietRB 2011, 37 = WuM 2011, 12 = NZM 2011, 197 = ZMR 2011, 275 m. Anm. Schläger.

590 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 47 § 536c

a) Minderung Solange und soweit der Mieter eine Mängelrüge gegenüber dem Vermieter unterlässt, ist insbesondere 45 die Minderung i.S.v. § 536 BGB ausgeschlossen87. Dies soll allerdings dann nicht gelten, wenn gerade durch die Instandsetzung (z.B. Abreißen von Tapeten) eine erhöhte Gesundheitsgefährdung zu befürchten ist (Schimmel als Gesundheitsgefährdung)88. Lag ein Mangel im Zeitpunkt der Zahlung vor und wurde die Miete nicht unter Vorbehalt geleistet, ist 45a eine rückwirkende Minderung in Form der Rückforderung zu viel gezahlter Miete gem. § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB durch § 814 BGB grundsätzlich ausgeschlossen, solange nicht ein Sachverhalt vorliegt, der für einen juristischen Laien nicht ohne juristische Beratung tatsächlich und rechtlich selbst durchdrungen werden kann89. § 814 Alt. 1 BGB greift erst ein, wenn der Leistende nicht nur die Tatumstände kennt, aus denen sich ergibt, dass er nicht verpflichtet ist, sondern auch weiß, dass er nach der Rechtslage nichts schuldet90. Der Leistende muss also aus diesen Tatsachen nach der maßgeblichen Parallelwertung der Laiensphäre auch eine im Ergebnis zutreffende rechtliche Schlussfolgerung gezogen haben91. Von einer positiven Kenntnis einer Minderung nach § 536 BGB ist nicht erst dann auszugehen, wenn der Mieter über eine umfassende Kenntnis sämtlicher Elemente des Minderungsrechts nach § 536 BGB verfügt92. Angesichts des Umstands, dass eine Minderungsquote in aller Regel wegen der dabei in vieler Hinsicht gegebenen Unwägbarkeiten bei ihrer Bemessung (Art, Dauer, Erheblichkeit des Mangels) von einem Laien – und häufig auch von einem rechtlichen Beistand – nur überschlägig angesetzt werden kann, steht einem Kondiktionsausschluss nach § 814 Alt. 1 BGB nicht entgegen, dass sich der Mieter nur zu einer ungefähren Bestimmung einer Minderungsquote in der Lage sieht93. Deshalb ist ein Ausschluss nicht gerechtfertigt, wenn der Mieter z.B. irrig davon ausgeht, der Vermieter müsse einer Minderung zustimmen94. Vgl. zur Anwendung des § 814 BGB bei (unwirksamen) Minderungsausschluss § 536 BGB Rz. 333a. Entsteht der Mangel erst nach der Zahlung der Miete, also z.B. in der Mitte des Monats, steht § 814 45b BGB der Rückforderung nicht entgegen. Denn eine Anwendung des § 814 BGB auf den späteren Wegfall der Leistung i.S.v. § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. BGB) ist bereits nach seinem Wortlaut ausgeschlossen95. Der Mieter kann deshalb z.B. gegen die nächste Miete (ggfs. unter Beachtung von § 556b Abs. 2 BGB) aufrechnen. Die Minderung kommt auch gegenüber dem Saldo aus der Betriebskostenabrechnung in Betracht 46 (vgl. § 536 BGB Rz. 310 f.). Dieses Recht ist nicht beschränkt auf einen Mangel (z.B. defekte Toilettenspülung), der Betriebskosten (z.B. für Wasser) tangiert. Vielmehr kommt die Minderung des Abrechnungsergebnisses bei jedem Mangel, der in der Abrechnungsperiode aufgetreten ist (z.B. Baulärm), in Betracht. Voraussetzung ist aber, dass der Mangel angezeigt wurde96. Ist das der Fall, kann durch den Einwand der Minderung bei entsprechend hoher Quote aus der Nachforderung ein Guthaben entstehen. War der Mieter während der Abrechnungsperiode mit der Minderung nach § 536c Abs. 2 S. 2 BGB 47 ausgeschlossen, setzt sich dieser Ausschluss gegenüber der Betriebskostenabrechnung fort. Das gilt

87 Vgl. dazu auch BGH v. 10.8.2010 – VIII ZR 316/09, WuM 2010, 679 = ZMR 2011, 107. 88 AG Charlottenburg v. 9.7.2007 – 203 C 607/06, GE 2007, 1387. 89 BGH v. 16.7.2003 – VIII ZR 274/02, MietRB 2003, 1 = MDR 2003, 1103 = WuM 2003, 440 = ZMR 2003, 667; a.A. LG Berlin v. 1.3.2018 – 67 S 342/17, WuM 2018, 299 = ZMR 2018, 505. 90 BGH v. 28.11.1990 – XII ZR 130/89, MDR 1991, 533 = BGHZ 113, 62 (70); BGH v. 17.10.2002 – III ZR 58/02, MDR 2003, 77 = NJW 2002, 3772; BGH v. 11.11.2008 – VIII ZR 265/07, MDR 2009, 192 = NJW 2009, 580 Rz. 17; BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 170/13, MDR 2014, 912 = NJW-RR 2014, 1133 Rz. 109; jeweils m.w.N. 91 BGH v. 25.1.2008 – V ZR 118/07, MDR 2008, 619 = NJW-RR 2008, 824 Rz. 13; BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 170/13, MDR 2014, 912 = NJW-RR 2014, 1133; jeweils m.w.N. 92 A.A. Eisenhardt, WuM 2019, 5 (8). 93 BGH v. 4.9.2018 – VIII ZR 100/18, MietRB 2019, 7 = WuM 2018, 712; a.A. LG Berlin v. 1.3.2018 – 67 S 342/ 17, WuM 2018, 299 = ZMR 2018, 505 = GE 2018, 457; LG Berlin v. 12.10.2017 – 67 S 196/17, MietRB 2017, 348 = WuM 2017, 708; Eisenhardt, WuM 2019, 5 (8). 94 BGH v. 4.9.2018 – VIII ZR 100/18, MietRB 2019, 7 = WuM 2018, 712. 95 LG Berlin v. 28.3.2018 – 65 S 245/17, GE 2019, 60. 96 AG Hannover v. 13.11.2008 – 514 C 7283/08, WuM 2009, 178.

Lützenkirchen | 591

§ 536c Rz. 47 | Während der Mietzeit auftretende Mängel; Mängelanzeige durch den Mieter selbst dann, wenn der Mieter zwischen Ende des Abrechnungszeitraums und Vorlage der Abrechnung die Mängelrüge nachholt. 48 Hatte der Mieter in der Abrechnungsperiode den Mangel verspätet gerügt (z.B. Mangelkenntnis im

Januar, Anzeige im April), ist er auch gegenüber der Abrechnung der Betriebskosten im Verhältnis der vom Ausschluss erfassten Zeit zum Abrechnungszeitraum (teilweise) ausgeschlossen (z.B. 3/12). 49 Erfolgte eine Mängelanzeige durch den Mieter während des Abrechnungszeitraums, ohne dass der

Mieter eine Minderung durchgeführt und die Zahlung der Vorauszahlungen unter Vorbehalt gestellt hat, kann er gegenüber der Nachforderung dennoch mindern, soweit das Ergebnis der Abrechnung auf die Zeit nach der Mängelanzeige entfällt. b) Schadensersatz (§ 536a Abs. 1 BGB) 50 Der Ausschluss des § 536a Abs. 2 BGB erfasst alle drei Varianten des § 536a Abs. 1 BGB. 51 Zu den ausgeschlossenen Ansprüchen im Falle der Nichtanzeige von Mängeln zählen auch solche we-

gen Körperschäden sowie auf Zahlung von Schmerzensgeld97. Stolpert der Mieter über Unebenheiten schadhafter Bodenplatten der angemieteten Flächen und verletzt er sich dabei, kommt eine Haftung des Vermieters nur in Betracht, wenn der Mieter den Mangel angezeigt hat98. 52 Nach einer verspäteten Schadensanzeige steht dem Mieter gemäß § 536c Abs. 1 S. 1 BGB ein Schadens-

ersatzanspruch gegen den Vermieter einer Wohnung wegen Feuchtigkeitsschäden am Inventar nur zu, wenn es bei rechtzeitiger Anzeige zu demselben Schaden gekommen wäre99. 53 Der Mieter einer Wohnung hat dafür Sorge zu tragen, dass eine Wohnung regelmäßig mindestens zwei-

mal täglich gelüftet wird, wenn es der Mietvertrag entsprechend erfordert. Ist er selbst verhindert (hier: wegen eines zweimonatigen stationären Krankenhausaufenthalts), muss er einen Dritten damit beauftragen. Für ein Verschulden seines Erfüllungsgehilfen hat der Mieter nach § 278 BGB einzustehen100. 54 Gegenüber Ansprüchen aus § 823 BGB ist § 536c BGB nicht anwendbar101. Das Unterlassen der An-

zeige ist aber unter Umständen hier und bei vertraglichen Ansprüchen als Mitverschulden von Bedeutung102. Entstehen durch das Unterbleiben der Anzeige eines Mieters einem anderen Mieter Schäden, ist das in dem Unterbleiben der Anzeige evtl. liegende Verschulden des Mieters dem Vermieter nicht zuzurechnen. Denn der Mieter ist auch in diesem Punkt kein Erfüllungsgehilfe des Vermieters103. 2. Dauer der Gewährleistungsbeschränkung 55 Der Rechtsverlust tritt nur für die Zeit ein, während derer wegen Unterbleibens der Anzeige die Mängel

nicht behoben oder die Gefahr nicht beseitigt werden können104. Voraussetzung ist natürlich, dass der Mangel behebbar war. Denn die Unterlassung oder Verzögerung der Anzeige gemäß § 536c Abs. 2 S. 2 BGB führt nur zu einem Verlust des Minderungsrechts, wenn der Vermieter infolge der Unterlassung/ Verspätung der Anzeige dem Mangel nicht oder nicht rechtzeitig abhelfen konnte105. Der Gewährleistungsausschluss endet, wenn der Mieter die unterlassene Anzeige nachholt oder der Vermieter in sonstiger Weise von dem anzeigepflichtigen Zustand Kenntnis erhält. Durch eine jahrelang unterlassene Anzeige kann der Tatbestand der Verwirkung des Erhaltungsanspruchs des Mieters aus § 535 Abs. 1 S. 2

97 Palandt/Weidenkaff, § 536a BGB Rz. 14. 98 OLG Düsseldorf v. 12.8.2008 – I-24 U 44/08, MietRB 2009, 63 = MDR 2008, 1330 = ZMR 2008, 952 = GuT 2008, 345. 99 BGH v. 4.4.1977 – VIII ZR 143/75, BGHZ 68, 281. 100 LG Köln v. 26.3.2008 – 10 S 190/07, MietRB 2009, 35 = ZMR 2008, 629. 101 RG v. 6.11.1940 – VI 67/40, RGZ 165, 159. 102 BGH v. 11.11.1969 – VI ZR 88/68, WM 1969, 1481. 103 BGH v. 12.5.1969 – VIII ZR 164/67, ZMR 1969, 271. 104 LG Köln v. 28.4.1966 – 1 S 168/65, MDR 1966, 761. 105 Vgl. BGH v. 17.12.1986 – VIII ZR 279/85, NJW 1987, 1072 ff. = MDR 1987, 575 f.; KG v. 28.4.2008 – 8 U 209/07, MietRB 2009, 6 (7, 11) = ZMR 2008, 790 = DWW 2008, 347; OLG Düsseldorf v. 16.4.2002 – 24 U 20/01, GE 2002, 1261 f. = ZMR 2003, 21 f.

592 | Lützenkirchen

Vertraglicher Ausschluss von Rechten des Mieters wegen eines Mangels | § 536d

BGB nicht hergeleitet werden106. Denn durch die nicht erfolgte Anzeige kann ein Vertrauenstatbestand auf Seiten des Vermieters nicht entstehen.

C. Gewerberaummiete In der Gewerberaummiete gelten keine anderen Anforderungen. Im Hinblick auf den Zweck der Vor- 56 schrift sind weder geringere noch höhere Anforderungen gerechtfertigt. Dennoch ergeben sich Besonderheiten:

I. Instandsetzungspflicht des Mieters Wurde die Erhaltungslast dem Mieter wirksam (teilweise) überbürdet, besteht grundsätzlich keine An- 57 zeigepflicht. Das gilt auch dann, wenn der Mieter in Ausübung seiner Instandhaltungspflichten einen Mangel behebt. Eine Anzeigepflicht besteht in diesen Fällen aber gleichwohl, wenn die Kenntnis vom Auftreten des 58 Mangels für den Vermieter von Interesse ist. Das kommt etwa in Betracht, wenn – er selbst Gewährleistungs- oder sonstige Rechte gegenüber Dritten geltend machen kann, – aus dem beseitigten Mangel ein Phänomen hervorgeht, dass in Zukunft (weitere) Schäden verursachen kann (z.B. Lochfraß).

II. Kenntnis des Vermieters Die Entbehrlichkeit der Mängelanzeige i.S.d. § 536c BGB wegen Kenntnis des Vermieters kann nicht 59 damit begründet werden, dass dem Vermieter der Zutritt zum Mietobjekt dadurch möglich ist, dass der Mieter im Hinblick auf die von ihm ausgeübte gewerbliche Tätigkeit der Öffentlichkeit das Mietobjekt zugänglich macht, wie es z.B. im Betrieb eines Teppichbodenlagerverkaufs der Fall ist107. Denn hier beschränkt sich die Dritten gegenüber erfolgte Gestattung des Mieters, die gemieteten Räumlichkeiten und Flächen zu betreten, nur darauf, dies im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs als Kunden zu tun.

§ 536d Vertraglicher Ausschluss von Rechten des Mieters wegen eines Mangels Auf eine Vereinbarung, durch die die Rechte des Mieters wegen eines Mangels der Mietsache ausgeschlossen oder beschränkt werden, kann sich der Vermieter nicht berufen, wenn er den Mangel arglistig verschwiegen hat. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . 2. Anwendbare Rechtsprechung . . . . . . . . . . . .

1 1 2 2 3

III. IV. V. B. I.

Zweck und Bedeutung der Vorschrift . . . . . . . . . Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichende Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltung in der Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . .

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106 LG Berlin v. 2.7.1999 – 65 S 4/99, MM 1999, 395. 107 OLG Düsseldorf v. 12.8.2008 – 24 U 44/08, MDR 2008, 1330 = MietRB 2009, 63, GE 2008, 1326 = GuT 2008, 345.

Lützenkirchen | 593

Vertraglicher Ausschluss von Rechten des Mieters wegen eines Mangels | § 536d

BGB nicht hergeleitet werden106. Denn durch die nicht erfolgte Anzeige kann ein Vertrauenstatbestand auf Seiten des Vermieters nicht entstehen.

C. Gewerberaummiete In der Gewerberaummiete gelten keine anderen Anforderungen. Im Hinblick auf den Zweck der Vor- 56 schrift sind weder geringere noch höhere Anforderungen gerechtfertigt. Dennoch ergeben sich Besonderheiten:

I. Instandsetzungspflicht des Mieters Wurde die Erhaltungslast dem Mieter wirksam (teilweise) überbürdet, besteht grundsätzlich keine An- 57 zeigepflicht. Das gilt auch dann, wenn der Mieter in Ausübung seiner Instandhaltungspflichten einen Mangel behebt. Eine Anzeigepflicht besteht in diesen Fällen aber gleichwohl, wenn die Kenntnis vom Auftreten des 58 Mangels für den Vermieter von Interesse ist. Das kommt etwa in Betracht, wenn – er selbst Gewährleistungs- oder sonstige Rechte gegenüber Dritten geltend machen kann, – aus dem beseitigten Mangel ein Phänomen hervorgeht, dass in Zukunft (weitere) Schäden verursachen kann (z.B. Lochfraß).

II. Kenntnis des Vermieters Die Entbehrlichkeit der Mängelanzeige i.S.d. § 536c BGB wegen Kenntnis des Vermieters kann nicht 59 damit begründet werden, dass dem Vermieter der Zutritt zum Mietobjekt dadurch möglich ist, dass der Mieter im Hinblick auf die von ihm ausgeübte gewerbliche Tätigkeit der Öffentlichkeit das Mietobjekt zugänglich macht, wie es z.B. im Betrieb eines Teppichbodenlagerverkaufs der Fall ist107. Denn hier beschränkt sich die Dritten gegenüber erfolgte Gestattung des Mieters, die gemieteten Räumlichkeiten und Flächen zu betreten, nur darauf, dies im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs als Kunden zu tun.

§ 536d Vertraglicher Ausschluss von Rechten des Mieters wegen eines Mangels Auf eine Vereinbarung, durch die die Rechte des Mieters wegen eines Mangels der Mietsache ausgeschlossen oder beschränkt werden, kann sich der Vermieter nicht berufen, wenn er den Mangel arglistig verschwiegen hat. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . 2. Anwendbare Rechtsprechung . . . . . . . . . . . .

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III. IV. V. B. I.

Zweck und Bedeutung der Vorschrift . . . . . . . . . Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichende Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltung in der Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . .

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106 LG Berlin v. 2.7.1999 – 65 S 4/99, MM 1999, 395. 107 OLG Düsseldorf v. 12.8.2008 – 24 U 44/08, MDR 2008, 1330 = MietRB 2009, 63, GE 2008, 1326 = GuT 2008, 345.

Lützenkirchen | 593

§ 536d Rz. 1 | Vertraglicher Ausschluss von Rechten des Mieters wegen eines Mangels II. Inhalt der Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Arglistige Täuschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Arglist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8 11 11

2. Offenbarungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 C. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt 1 Die Vorschrift bestimmt, dass eine arglistige Täuschung des Vermieters über die Abwesenheit von Män-

geln automatisch zur Unwirksamkeit eines Gewährleistungsausschlusses, nicht aber zur Unwirksamkeit des gesamten Mietvertrages führt. Damit bildet die Vorschrift eine weitere Schranke für Begrenzungen der Gewährleistungsrechte1. Der Mieter ist nicht auf die Erklärung der Anfechtung und die dafür geltenden Zeitbestimmungen (§ 124 BGB) angewiesen.

II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich 2 Als Teil der allgemeinen mietrechtlichen Vorschriften findet die Norm auf alle Mietverhältnisse unmit-

telbar und über § 581 Abs. 2 BGB auch auf Pachtverhältnisse Anwendung. Sie gilt für Sach- und Rechtsmängel. 2. Anwendbare Rechtsprechung 3 Da eine Überleitungsregelung fehlt, gilt § 536d BGB auch für Altverträge aus der Zeit vor dem 1.9.2001.

Gegenüber § 540 BGB in der bis zum 31.8.2001 gültigen Fassung (a.F.) hat sich auch nur der Wortlaut geändert. Denn die Nichtigkeit der Beschränkung oder des Ausschlusses der Gewährleistungsrechte war auch vor dem 1.9.2001 bereits gesetzlich angeordnet. Im Unterschied dazu macht § 536d BGB durch die geänderte Formulierung, wonach sich der Vermieter auf die Vertragsklausel nicht berufen kann, deutlich, dass eben keine Gesamtnichtigkeit des Mietvertrages z.B. über § 139 BGB eintreten soll. Dies war aber auch schon vor dem 1.9.2001 allgemeine Meinung2. Deshalb ist die vor dem 1.9.2001 ergangene Rechtsprechung ohne weiteres anwendbar.

III. Zweck und Bedeutung der Vorschrift 4 Der eigentliche Zweck der Vorschrift besteht in ihrer Funktion, eine Grenze für die Beschränkung von

Gewährleistungsrechten herbeizuführen, indem sie missbilligtes Verhalten des Vermieters sanktioniert. Damit besteht eine Ordnungsfunktion. Denn sie dient der Klarstellung, dass die arglistige Täuschung des Vermieters in Abweichung zu §§ 123, 142 BGB nicht zur Gesamtnichtigkeit des Mietvertrages führt. 4a Ihre größte Bedeutung erhält die Vorschrift durch die kundenfeindlichste Auslegung, die mittlerweile

genereller Maßstab der AGB-Kontrolle ist3. Enthält eine die Gewährleistungsrechte des Mieters beschränkende oder ausschließende Formularklausel nicht den Vorbehalt für eine arglistige Täuschung, kann daraus ohne Weiteres (auch) der Schluss gezogen werden, dass der Vermieter mit der Begrenzung auch die Rechte des Mieters aus § 536d BGB ausschließen wollte4. Damit führt der fehlende Vorbehalt zu Unwirksamkeit des Haftungsausschlusses, und zwar sowohl in der Wohn- wie auch in der Gewerberaummiete (§ 536a BGB Rz. 18). Nichts anderes gilt für Minderungsausschlüsse in der Gewerberaummiete, die keinen Vorbehalt für den in § 536d BGB geregelten Fall enthalten (§ 536 BGB Rz. 61b). 1 Staudinger/Emmerich, § 536d BGB Rz. 2. 2 Begr. d. RefE, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Rz. 1138. 3 BGH v. 18.3.2015 – VIII ZR 185/14, MietRB 2015, 161 = MDR 2015, 578 = WuM 2015, 338 = ZMR 2015, 685 m.w.N.; BGH v. 23.4.2008 – XII ZR 62/06, MDR 2008, 1089 = ZMR 2008, 776 = NJW 2008, 2497. 4 Kraemer, NZM 2004, 721 (726).

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B. Wohnraummiete | Rz. 10 § 536d

IV. Beweislast Die Beweislast für die Arglist des Vermieters trägt der Mieter5. Der Vermieter muss darlegen und be- 5 weisen, dass er die maßgeblichen Tatsachen mitgeteilt hat oder sie dem Mieter bekannt waren6, sowie ggf., dass sein arglistiges Verhalten keinen Einfluss auf die Entschließung des Mieters hatte7.

V. Abweichende Vereinbarung Die Vorschrift ist ihrer Natur nach grundsätzlich unabdingbar8. Sie gebietet den Parteien aber gerade- 6 zu, über die bei den Vertragsverhandlungen angesprochenen Tatsachen zumindest Protokoll zu führen, wenn sie nicht in den Vertrag aufgenommen werden sollen. Hinsichtlich der Rechtsfolge (§ 536d BGB Rz. 7a: vollständiger Ausschluss von Gewährleistungsrechten) sollte eine Regelung aufgenommen werden, die die Konsequenzen des Gewährleistungsausschlusses auf den arglistig verschwiegenen Mangel beschränkt (z.B. „…, soweit der Mangel nicht arglistig verschwiegen wurde.“).

B. Wohnraummiete I. Geltung in der Wohnraummiete § 536d BGB kann auch in der Wohnraummiete zur Anwendung kommen. Zwar sind Gewährleistungs- 7 ausschlüsse an § 536 Abs. 4 BGB zu messen und ist eine Haftungsbeschränkung in Formularverträgen nach §§ 307, 309 Nr. 7 BGB selbst dann grundsätzlich unwirksam, wenn dadurch die Haftung des Vermieters auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt wird (Näheres dazu § 536a BGB Rz. 19). Indessen bleiben damit immer noch die Fälle übrig, in denen (wirksam) die Garantiehaftung ausgeschlossen oder doch eine wirksame Haftungsbeschränkung gelungen ist. Liegen die Voraussetzungen des § 536d BGB vor, sind der Ausschluss oder die Beschränkung der Ge- 7a währleistungsrechte unwirksam. Ebenso wie keine Gesamtnichtigkeit des Mietvertrages vom Zweck der Vorschrift erfasst wird9, gebietet der Zweck eine Teilnichtigkeit der Vereinbarung10. Denn das missbilligte Verhalten des Vermieters kann nicht auf den einen (ggf. kleinen) Mangel beschränkt sein, den er arglistig verschwiegen hat. Damit würde das Risiko des Vermieters kalkulierbar.

II. Inhalt der Vereinbarung Die Vereinbarung, durch die die Mieterrechte wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt 8 werden, kann im Mietvertrag selbst, in einem Nachtrag oder einer Ergänzung enthalten sein. Soweit § 550 BGB gilt (z.B. beim Kündigungsverzicht), ist die Schriftform zu beachten. Denn eine Gewährleistungsbeschränkung ist von wesentlicher Bedeutung. Wann die Vereinbarung getroffen wurde, ist unerheblich. Sie kann zeitlich vor, bei oder nach Abschluss 9 des Mietvertrages herbeigeführt werden. Eine einschlägige Vereinbarung liegt z.B. vor, wenn der Mieter vereinbarungsgemäß wegen bestimmter 10 nicht erledigter Fertigstellungsarbeiten nicht mindern können. In diesem Fall wirkt der Minderungsausschluss zwar nicht unbegrenzt. Denn bei verständiger Auslegung will der Mieter auf die Arbeiten nicht auf Dauer verzichten, so dass nach Ablauf einer angemessenen Zeit nach der Übergabe eine MinBGH v. 1.10.1969 – VIII ZR 255/67, BB 1969, 1412. Staudinger/Emmerich, § 536d BGB Rz. 7. MünchKomm/Häublein, § 536d BGB Rz. 6. Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3407; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536d BGB Rz. 1. MünchKomm/Häublein, § 536d BGB Rz. 5; Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3406; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536d BGB Rz. 1. 10 A.A. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536d BGB Rz. 12 (Beschränkung auf den arglistig verschwiegenen Mangel). 5 6 7 8 9

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§ 536d Rz. 10 | Vertraglicher Ausschluss von Rechten des Mieters wegen eines Mangels derung zulässig ist11. Indessen wird das Minderungsrecht des Mieters beschränkt, so dass die (individuelle) Vereinbarung unbeachtlich ist, wenn der Vermieter einen Mangel arglistig verschwiegen hat.

III. Arglistige Täuschung 1. Arglist 11 Zur Feststellung einer Arglist ist grundsätzlich auf die Person des Vermieters abzustellen. Handelt ein

Vertreter, kommt es auf dessen Kenntnis an, § 166 BGB12. Deshalb liegt arglistiges Verhalten des Vermieters vor, wenn er den Hauswart anweist, bei den Vertragsverhandlungen das Vorhandensein eines störenden Betriebes auf dem Grundstück oder in der Nachbarschaft nicht ohne Nachfrage zu erwähnen13. Bei mehreren Vermietern genügt bereits die Arglist eines einzigen, um die Rechtsfolge nach § 536d BGB anzunehmen. 12 Um arglistig zu handeln, muss der Vermieter den Mangel nicht nur (positiv) kennen. Es muss auch eine

Aufklärungspflicht bestehen. Daneben muss dem Vermieter bewusst sein oder er muss mindestens mit der Möglichkeit rechnen, dass der Mieter bei Kenntnis des Mangels den Vertrag nicht oder jedenfalls nicht mit dem Inhalt geschlossen hätte14. 13 Grob fahrlässiges Handeln reicht für eine Arglist nicht aus. Diese Voraussetzungen können gegeben

sein, wenn der Vermieter aufgrund der Umstände (z.B. jahrelange Nutzung trotz – öffentlich-rechtlich – formeller Illegalität) darauf vertraut, dass die Nutzung mittlerweile zulässig ist15. Allerdings kann auch bedingter Vorsatz den Tatbestand erfüllen16. Mithin muss zumindest eine vorsätzliche Täuschung vorliegen.

14 Kennt der Mieter den Mangel, kommt eine arglistige Täuschung nicht in Betracht. Denn wer den Um-

stand, über den er getäuscht werden soll, kennt, wird gerade nicht getäuscht. Für den Ausschluss der Haftung ist daher unerheblich, ob der Vermieter den Mangel arglistig verschwiegen hat17. 2. Offenbarungspflicht 15 Eine allgemeine Offenbarungs- oder Aufklärungspflicht des Vermieters über Mängel im Rahmen

von Vertragsverhandlungen besteht nicht18. Grundsätzlich ist es Sache des Mieters, selbst Erkundigungen einzuziehen19. Der Vermieter muss aber Umstände, die für die Willensbildung des Mieters zum Vertragsschluss offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind, ungefragt offenbaren20. Das ist anzunehmen, wenn der Mieter nach der Verkehrsanschauung damit rechnen konnte, dass der Vermieter ihn von dem Mangel unterrichten werde21. Dies ist ohne Zweifel der Fall, wenn sich der Mieter nach Mängeln erkundigt. 16 Die Offenbarungspflicht erfasst aber nicht jeden negativen Umstand der Wohnung oder ihres Umfel-

des. Dies gilt insbesondere für Mängel, die für die Höhe der Miete und den Umfang des Mietgebrauchs nur von untergeordneter Bedeutung sind22. Auch offenkundige Tatsachen bzw. Nachteile begründen

11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22

LG Konstanz v. 4.3.2010 – 61 S 40/09 C, WuM 2011, 361. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536d BGB Rz. 7. Staudinger/Emmerich, § 536d BGB Rz. 5. Lammel, § 536d BGB Rz. 3; Blank/Börstinghaus, § 536d BGB Rz. 2. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536d BGB Rz. 4. Staudinger/Emmerich, § 536d BGB Rz. 3. Vgl. BGH v. 1.12.1971 – VIII ZR 88/70, NJW 1972, 249 (250); KG v. 17.6.2010 – 12 U 51/09, MietRB 2011, 10 = MDR 2010, 1446 = ZMR 2010, 956. Staudinger/Emmerich, § 536d BGB Rz. 4. OLG Düsseldorf v. 21.6.2005 – 24 U 85/04, zitiert nach juris. BGH v. 16.2.2000 – XII ZR 279/97, MDR 2000, 821 = WuM 2000, 593 = ZMR 2000, 508; BGH v. 28.4.1971 – VIII ZR 258/69, NJW 1971, 1795. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 5. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 6.

596 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 18 § 536d

keine besondere Hinweispflicht des Vermieters23. Davon ist auszugehen, wenn z.B. ein Bauvorhaben schon seit mehreren Jahren sowohl in der lokalen als auch in der überregionalen Presse sowie in Rundfunk und Fernsehen Gegenstand vielfältiger Berichterstattung gewesen ist und auf diesem Wege weiträumig angekündigt wurde24. Auch die unübersehbare Nähe der Wohnung zu einem Klinikum kann eine bei der Anmietung offenkundige Tatsache darstellen mit der Folge, dass eine Minderung wegen des Verkehrs zum Klinikum (einschließlich Hubschraubern) ausgeschlossen ist25. Nicht offenkundig ist der Mangel aber, wenn der Vermieter im Rahmen der Vertragsverhandlungen die Erneuerung einer Einrichtung oder Anlage anbietet (z.B. der Heizung)26. Zwar liegt die Annahme nahe, dass mit der Anlage etwas nicht stimmt, wenn der Vermieter schon deren Erneuerung freiwillig anbietet. Indessen bedeutet es gerade nicht die konkrete Offenbarung eines Mangels und dessen Auswirkungen. Vor diesem Hintergrund scheidet eine arglistige Täuschung des Vermieters aus, wenn 17 – der Mieter vor Abschluss des Mietvertrages über eine Wohnung in einem sanierten Mietshaus anlässlich einer Ortsbesichtigung und durch Informationen des Bauingenieurs des Vermieters erfahren hat, welche Maßnahmen zur Verbesserung der Trittschallverhältnisse durchgeführt wurden, und darüber hinaus ausdrücklich darauf hingewiesen worden war, dass ein rechnerischer Nachweis der erreichten Luft- und Trittschalldämmwerte nach der DIN 4109 nicht möglich sei, und die Anforderungen der Norm nur bedingt anwendbar seien27; – der Mieter sein bisheriges Domizil unweit der künftigen Wohnung hatte, so dass der Vermieter auch deswegen Grund zu der Annahme hatte, dem Mieter sei das in der Nachbarschaft geplante Bauvorhaben, über das in der Presse mehrfach berichtet wurde, nicht verborgen geblieben28; – der maßgebliche Schallschutz für das Haus in ruhiger Lage eingehalten ist, dennoch aber zuweilen Wohngeräusche mit tiefer Frequenz (z.B. Schnarchgeräusche) aus der Nachbarwohnung zu vernehmen sind29. Indessen besteht eine Hinweispflicht vor Abschluss des Mietvertrages auf 18 – die geplante Errichtung einer Mobilfunkanlage, sofern für den Vermieter erkennbar ist, dass der Mietinteressent diesem Umstand besondere Bedeutung beimisst30; – eine bestehende Zwangsverwaltung31; – die mangelnde Nutzungsgenehmigung für die vertraglich vorgesehene Nutzung und die mangelnde Genehmigungsfähigkeit32; – die Notwendigkeit zum Abrücken der Möbel um 10 cm von der Wand, weil die Wand mit einer Styropor-Wärmedämmung auf der Innenseite mit der Wirkung als Dampfsperre zur Vermeidung von Schimmelbildung ausgestattet ist und eine Schimmelbildung nur so verhindert werden kann33; – die Notwendigkeit einer besonderen Belüftungsart, weil sich Feuchtigkeit (auch bei Altbauten) nur z.B. durch eine sog. L- oder U-Lüftung verhindern lässt34.

23 24 25 26 27 28 29 30 31 32

Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3404. AG Hamburg v. 11.11.2004 – 49 C 172/04, NZM 2005, 222. LG Frankfurt am Main v. 16.10.2009 – 2-11 S 9/09, ZMR 2010, 362. OLG Düsseldorf v. 4.11.1982 – 10 U 109/82, MDR 1983, 229 = WuM 1984, 54 = ZMR 1983, 377. OLG Dresden v. 15.7.2008 – 9 U 388/08, BauR 2009, 1637. AG Hamburg v. 11.11.2004 – 49 C 172/04, NZM 2005, 222. AG Bonn v. 25.3.2010 – 6 C 598/08, NZM 2010, 619. LG Hamburg v. 26.1.2006 – 307 S 130/05, ZMR 2007, 198. AG Bonn v. 4.12.1990 – 5 C 229/90, WuM 1992, 474; ähnlich LG Ulm v. 14.5.1979 – 1 S 23/79, WuM 1980, 31. BGH v. 6.8.2008 – XII ZR 67/06, MDR 2009, 19 = MietRB 2009, 4 = ZMR 2009, 103; OLG Brandenburg v. 11.11.2009 – 3 U 5/03, zitiert nach juris. 33 LG Münster v. 22.3.2011 – 3 S 208/10, WuM 2011, 359. 34 LG Kleve v. 9.1.2003 – 6 S 329/01, WuM 2003, 142.

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§ 536d Rz. 19 | Vertraglicher Ausschluss von Rechten des Mieters wegen eines Mangels

C. Gewerberaummiete 19 In der Gewerberaummiete gelten weder geringere noch schärfere Anforderungen an § 536d BGB. Auch

hier muss bei der Annahme einer arglistigen Täuschung danach differenziert werden, ob der maßgebliche Umstand überhaupt in den Risikobereich des Vermieters fällt (vgl. § 536 BGB Rz. 68). Ist das nämlich nicht der Fall, können auch falsche Angaben grundsätzlich nicht sanktioniert werden. Das gilt z.B. bei der Vermietung eines Hotels für die Behauptung, mit dem Mietobjekt seien hohe Gewinne zu erzielen und der Erteilung einer Konzession stünden keine Hinderungsgründe entgegen. Denn diese Sachverhalte gehören zur Risikosphäre des Mieters35.

§ 537 Entrichtung der Miete bei persönlicher Verhinderung des Mieters (1) Der Mieter wird von der Entrichtung der Miete nicht dadurch befreit, dass er durch einen in seiner Person liegenden Grund an der Ausübung seines Gebrauchsrechts gehindert wird. Der Vermieter muss sich jedoch den Wert der ersparten Aufwendungen sowie derjenigen Vorteile anrechnen lassen, die er aus einer anderweitigen Verwertung des Gebrauchs erlangt. (2) Solange der Vermieter infolge der Überlassung des Gebrauchs an einen Dritten außerstande ist, dem Mieter den Gebrauch zu gewähren, ist der Mieter zur Entrichtung der Miete nicht verpflichtet. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . 2. Anwendbare Rechtsprechung . . . . . . . . . . . III. Praktische Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 537 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 537 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . VI. Abweichende Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . VII. Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Prozess über Nutzungsausfall nach wirksamer Vermieter-Kündigung . . . . . . . . B. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. § 537 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fortbestand der Mietzahlungspflicht . . . . . 2. Ersparte Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . II. § 537 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 1 2 2 4 5 7 7 9 10 14 17 17 18 19 19 19 25 27

III.

C. I.

II.

1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einschränkende Anwendung . . . . . . . . . . . . a) Vertragsuntreuer Mieter . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ersatzmieterstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz der Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . 2. Vertragliche Ersatzmieterklausel . . . . . . . . . a) Zustandekommen der Ersatzmietervereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unechte Ersatzmieterklausel . . . . . . . . . c) Echte Ersatzmieterklausel . . . . . . . . . . . d) Akzeptabler Ersatzmieter . . . . . . . . . . . . e) Zusätzliche Bedingungen des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltung der Grundsätze der Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Mietzahlungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 537 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ersatzmieterstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27 28 28 31 32 32 36 36 40 41 41a 46 47 47 47 49 50

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt 1 § 537 BGB muss vor dem Hintergrund von § 535 Abs. 1 BGB gesehen werden. Danach ist der Vermieter

nicht nur zur Übergabe, sondern vor allem zur Gebrauchsgewährung verpflichtet. Demnach muss der Vermieter dem Mieter allein die Gebrauchsmöglichkeit verschaffen. Ob der Mieter daran mitwirkt, also den eingeräumten Besitz ausübt, stellt ihm § 537 Abs. 1 S. 1 BGB frei. Damit beinhaltet § 537 BGB eine

35 OLG Düsseldorf v. 21.6.2005 – 24 U 85/04, zitiert nach juris.

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§ 536d Rz. 19 | Vertraglicher Ausschluss von Rechten des Mieters wegen eines Mangels

C. Gewerberaummiete 19 In der Gewerberaummiete gelten weder geringere noch schärfere Anforderungen an § 536d BGB. Auch

hier muss bei der Annahme einer arglistigen Täuschung danach differenziert werden, ob der maßgebliche Umstand überhaupt in den Risikobereich des Vermieters fällt (vgl. § 536 BGB Rz. 68). Ist das nämlich nicht der Fall, können auch falsche Angaben grundsätzlich nicht sanktioniert werden. Das gilt z.B. bei der Vermietung eines Hotels für die Behauptung, mit dem Mietobjekt seien hohe Gewinne zu erzielen und der Erteilung einer Konzession stünden keine Hinderungsgründe entgegen. Denn diese Sachverhalte gehören zur Risikosphäre des Mieters35.

§ 537 Entrichtung der Miete bei persönlicher Verhinderung des Mieters (1) Der Mieter wird von der Entrichtung der Miete nicht dadurch befreit, dass er durch einen in seiner Person liegenden Grund an der Ausübung seines Gebrauchsrechts gehindert wird. Der Vermieter muss sich jedoch den Wert der ersparten Aufwendungen sowie derjenigen Vorteile anrechnen lassen, die er aus einer anderweitigen Verwertung des Gebrauchs erlangt. (2) Solange der Vermieter infolge der Überlassung des Gebrauchs an einen Dritten außerstande ist, dem Mieter den Gebrauch zu gewähren, ist der Mieter zur Entrichtung der Miete nicht verpflichtet. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . 2. Anwendbare Rechtsprechung . . . . . . . . . . . III. Praktische Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 537 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 537 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . VI. Abweichende Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . VII. Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Prozess über Nutzungsausfall nach wirksamer Vermieter-Kündigung . . . . . . . . B. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. § 537 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fortbestand der Mietzahlungspflicht . . . . . 2. Ersparte Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . II. § 537 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 1 2 2 4 5 7 7 9 10 14 17 17 18 19 19 19 25 27

III.

C. I.

II.

1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einschränkende Anwendung . . . . . . . . . . . . a) Vertragsuntreuer Mieter . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ersatzmieterstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz der Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . 2. Vertragliche Ersatzmieterklausel . . . . . . . . . a) Zustandekommen der Ersatzmietervereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unechte Ersatzmieterklausel . . . . . . . . . c) Echte Ersatzmieterklausel . . . . . . . . . . . d) Akzeptabler Ersatzmieter . . . . . . . . . . . . e) Zusätzliche Bedingungen des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltung der Grundsätze der Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Mietzahlungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 537 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ersatzmieterstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27 28 28 31 32 32 36 36 40 41 41a 46 47 47 47 49 50

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt 1 § 537 BGB muss vor dem Hintergrund von § 535 Abs. 1 BGB gesehen werden. Danach ist der Vermieter

nicht nur zur Übergabe, sondern vor allem zur Gebrauchsgewährung verpflichtet. Demnach muss der Vermieter dem Mieter allein die Gebrauchsmöglichkeit verschaffen. Ob der Mieter daran mitwirkt, also den eingeräumten Besitz ausübt, stellt ihm § 537 Abs. 1 S. 1 BGB frei. Damit beinhaltet § 537 BGB eine

35 OLG Düsseldorf v. 21.6.2005 – 24 U 85/04, zitiert nach juris.

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A. Allgemeines | Rz. 6 § 537

Ausnahmeregel gegenüber den allgemeinen Bestimmungen über Leistungsstörungen, indem er das Verwendungsrisiko dem Mieter zuordnet1. Denn wirkt der Mieter bei der Übergabe nicht mit, tritt danach gerade keine Unmöglichkeit (§ 275 BGB) ein, wenn der Vermieter zur richtigen Zeit, am richtigen Ort und in der richtigen Art und Weise die Übergabe angeboten hat (§ 535 BGB Rz. 331 ff.). Insoweit ist es nach § 537 BGB ohne Bedeutung, ob der Mieter seine mangelnde Mitwirkung zu vertreten hat oder z.B. wegen Krankheit nicht in der Lage ist, die Mietsache zu übernehmen. Daneben werden in Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 der Vorschrift Rechtsfolgen dieser Risikoverteilung zu dieser Ausnahmeregelung getroffen. Kann die Übergabe aus Gründen, die in der Risikosphäre des Vermieters liegen, nicht vollzogen werden, entfällt nach § 537 Abs. 2 BGB die Pflicht zur Zahlung der Miete. Insoweit stellt die Vorschrift nur klar, was in anderen gesetzlichen Bestimmungen bereits geregelt ist. Denn wurde die Übergabe bereits vollzogen, muss der Mieter nach § 536 Abs. 1 BGB keine Mietzahlung leisten, wenn er den Gebrauch nicht ausüben kann. Die Tauglichkeit ist aufgehoben. Für die Zeit vor der Übergabe (Vor § 536 BGB Rz. 26) führt § 275 BGB zu dem gleichen Ergebnis.

II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich Die Norm gehört zu den allgemeinen Vorschriften des Mietrechts und ist daher grundsätzlich auf alle 2 Mietverhältnisse2 und über § 581 Abs. 2 BGB entsprechend auf die Pacht anwendbar. Ein Fitnessstudiovertrag enthält zwar auch Elemente des Mietvertrages (vgl. Vor § 535 BGB Rz. 82), 3 ist aber zunächst ein Vertrag eigener Art. Mit dem gesetzlichen Leitbild dieser Verträge ist es nicht vereinbar, wenn der Studionutzer das vereinbarte Nutzungsentgelt weiter zahlen muss, obwohl er wegen einer Erkrankung oder Verletzung die von dem Studiobetreiber angebotenen Leistungen nicht in Anspruch nehmen kann3. Deshalb sind entsprechende Klauseln in solchen Verträgen unwirksam4. 2. Anwendbare Rechtsprechung Auf die Vorschrift ist die Rechtsprechung zur Vorgängernorm (§ 552 BGB a.F.) uneingeschränkt an- 4 wendbar. Dies gilt insbesondere für die einschränkende Anwendung von § 537 Abs. 2 BGB auf vertragsuntreue Mieter (vgl. § 537 BGB Rz. 28). Dies ist nicht dadurch unzulässig geworden, dass im Rahmen des MRRG eine Ergänzung von § 537 Abs. 2 BGB zugunsten von § 242 BGB wegen der Einzelfallproblematik unterlassen wurde5.

III. Praktische Relevanz In der Praxis wird die Vorschrift in der Regel relevant, wenn der Mieter den Besitz vorzeitig aufgibt, 5 etwa weil er unwirksam (fristlos) gekündigt hat oder der erwartete Mietaufhebungsvertrag doch nicht geschlossen wird. Hat der Vermieter unwirksam gekündigt, soll die Norm nach dem Grundsatz unanwendbar sein, dass 6 sich niemand auf die Unwirksamkeit seiner eigenen Kündigung berufen kann6. Unabhängig davon, ob es einen solchen Grundsatz (ohne Ausnahme) gibt, kann der Mieter mit der dolo-petit-Einrede den Mietzahlungsanspruch abwehren. Denn der Vermieter, der eine unwirksame Kündigung ausspricht, ist 1 BGH v. 23.10.1996 – XII ZR 55/95, MDR 1997, 126 = NJW 1997, 193; BGH v. 14.11.1990 – VIII ZR 13/90, MDR 1991, 524 = NJW-RR 1991, 267. 2 Auch soweit die Miete nur ein Element darstellt wie beim Beherbergungsvertrag, Nettesheim, BB 1986, 547; Ferienhaus: LG Düsseldorf v. 20.10.1989 – 22 S 228/89, MDR 1991, 440 = ZMR 1990, 379; Messestand: BGH v. 19.12.2007 – XII ZR 13/06, NJW 2008, 1148 = ZMR 2008, 278 = MDR 2008, 442. 3 LG München v. 3.8.2006 – 34 S 21754/05, MDR 2007, 260. 4 BGH v. 23.10.1996 – XII ZR 55/95, MDR 1997, 126 = NJW 1997, 193; vgl. auch Blank/Börstinghaus, § 537 BGB Rz. 2. 5 BGH v. 19.12.2007 – XII ZR 13/06, NJW 2008, 1148 = ZMR 2008, 278 = MDR 2008, 442. 6 Blank/Börstinghaus, § 537 BGB Rz. 1.

Lützenkirchen | 599

§ 537 Rz. 6 | Entrichtung der Miete bei persönlicher Verhinderung des Mieters zum Schadensersatz verpflichtet, weil er dem Mieter unberechtigterweise den Besitz streitig macht7. Demgemäß hat der Vermieter den Mieter von der Mietzahlungspflicht freizustellen, wenn dieser der unwirksamen Kündigung Folge leistet.

IV. Zweck der Vorschrift 1. § 537 Abs. 1 BGB 7 Die Vorschrift soll die Gefahrtragung zwischen den Parteien (§ 537 BGB Rz. 1) regeln und dient inso-

weit der Klarstellung, dass die Miete nicht für den Gebrauch, sondern für die Gebrauchsgewährung geschuldet wird8 und damit der Mieter das Verwendungsrisiko trägt9. Weil der Mieter andererseits nicht ohne Weiteres verpflichtet ist, die Mietsache zu nutzen, sollen Zweifel über seine Mietzahlungspflicht ausgeräumt werden. 8 Damit wird zugleich deutlich, dass der Vermieter nicht gehalten ist, sich um eine anderweitige Nutzung

der Mietsache zu bemühen, wenn der Mieter die Nutzung der Mietsache vorzeitig aufgibt. Eine solche Pflicht des Vermieters ergibt sich auch nicht aus Schadensminderungsgesichtspunkten oder Treu und Glauben10. § 254 BGB ist schon nicht anwendbar, weil der Vermieter einen Erfüllungsanspruch geltend macht, nämlich den auf Mietzahlung (§ 535 Abs. 2 BGB)11. Über Treu und Glauben kann eine gesetzliche Rechtsfolge nur korrigiert werden, wenn das Ergebnis untragbar ist12. Das hängt per se von den Umständen des Einzelfalles ab, kann aber im Regelfall nicht angenommen werden. Denn ansonsten wäre der Wille des Gesetzgebers der Willkür der Rechtsprechung ausgeliefert. 8a § 537 Abs. 1 S. 2 BGB soll verhindern, dass der Vermieter aus der Situation des Mieters bei persönli-

cher Verhinderung Vorteile zieht13. Er soll in den erfassten Fällen nicht bessergestellt sein, als er bei fortdauernder Nutzung des Mietobjekts durch den Mieter stünde, und muss sich deshalb die auf dem Unterlassen der Nutzung durch den Mieter beruhenden Vorteile anrechnen lassen14. 2. § 537 Abs. 2 BGB 9 Zweck dieser Bestimmung ist es, das Gleichgewicht zwischen den gegenseitigen Hauptleistungspflich-

ten, nämlich der Gebrauchsüberlassung durch den Vermieter (§ 535 Abs. 1 BGB) und der Zahlung der Miete durch den Mieter (§ 535 Abs. 2 BGB), zu wahren15. Der Mieter soll nach § 537 Abs. 2 BGB das ihm gemäß § 537 Abs. 1 BGB auferlegte Verwendungsrisiko dann nicht tragen, wenn der Vermieter nicht in der Lage ist, ihm den Gebrauch der Mietsache zu gewähren.

V. Verhältnis zu anderen Vorschriften 10 Auf die Mietzahlungspflicht ist § 536 BGB ohne Einschränkung anwendbar. Ist die Mietsache mangel-

haft, ist nur die geminderte Miete und bei Aufhebung der Tauglichkeit nichts zu zahlen. Dies setzt aber nicht nur voraus, dass der Mangel aus dem Risikobereich des Vermieters stammt, sondern grundsätzlich auch u.a. eine Mängelanzeige, § 536c BGB. 11 Der Mieter, der trotz Besitzaufgabe zur Weiterzahlung der Miete verpflichtet ist, kann sich unter be-

stimmten Umständen auf Unmöglichkeit (§ 275 BGB) oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) berufen.

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BGH v. 14.1.1988 – IX ZR 265/86, MDR 1988, 575 = NJW 1988, 1268 (1269). Blank/Börstinghaus, § 537 BGB Rz. 1. BGH v. 19.12.2007 – XII ZR 13/06, NJW 2008, 1148 = ZMR 2008, 278 = MDR 2008, 442. A.A. LG Braunschweig v. 24.1.1997 – 6 S 225/96, WuM 1998, 220. BGH v. 24.9.1980 – VIII ZR 299/79, MDR 1981, 135 = NJW 1981, 43. BGH v. 5.11.2003 – XII ZR 134/02, MDR 2004, 325 = ZMR 2004, 106 = NJW 2004, 1103. Vgl. OLG Düsseldorf v. 7.3.2017 – 24 U 88/16, ZMR 2017, 558. Vgl. Boerner in Ghassemi-Tabar u.a., § 537 BGB Rz. 16 f. BGH v. 19.12.2007 – XII ZR 13/06, NJW 2008, 1148 = ZMR 2008, 278 = MDR 2008, 442.

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A. Allgemeines | Rz. 17 § 537

Eine Unmöglichkeit ist denkbar, wenn ein Vertragszweck vereinbart wurde, der nicht mehr erreichbar 12 ist, obwohl beide Parteien bestimmte Umstände als sicher angenommen haben, und keiner von beiden die Zweckverfehlung zu vertreten hat16. Dazu reicht aber weder die bloße Angabe des Verwendungszwecks im Mietvertrag noch die Kenntnis des Vermieters, dass der Mieter den Vertrag mit einer ganz bestimmten Absicht schließt. Vielmehr ist maßgeblich, dass nach dem Vertrag das Verwendungsrisiko vom Vermieter oder zumindest von beiden Parteien getragen wird (Beispiel: Mietvertrag über Fensterplätze an Rosenmontag, bevor sich herausstellt, dass der Rosenmontagszug einen anderen Weg nimmt). Einen Anwendungsfall der Unmöglichkeit oder auch des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 13 BGB) können gesetzliche Verbote bilden, die nach Abschluss des Vertrages erlassen werden und den Gebrauch der Mietsache verbieten17. Nicht hierher gehören die gesetzlichen Vorschriften zum Nichtraucherschutz18. Denn der Vermieter schuldet nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB bei der Vermietung/Verpachtung von Räumen zum Betrieb einer Gaststätte einen konzessionsfähigen Zustand. Dieser Zustand bleibt durch die Bestimmungen zum Nichtraucherschutz unberührt.

VI. Abweichende Vereinbarungen § 537 BGB ist grundsätzlich abdingbar, insbesondere kann sein Anwendungsbereich erweitert wer- 14 den19. Dies gilt sowohl für die Wohn- wie die Gewerberaummiete. Die häufigste Abweichung erfolgt durch sog. Ersatzmieterklauseln, in denen geregelt ist, dass der Mieter unter ganz bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Vertragsentlassung haben kann (vgl. § 537 BGB Rz. 41). § 537 Abs. 1 S. 2 BGB kann durch den Vermieter formularmäßig zum Nachteil des Mieters nicht ab- 15 bedungen20 oder eingeschränkt werden, § 307 BGB, solange der Vermieter Verwender i.S.v. § 305 BGB ist. Demnach ist es insbesondere nicht zulässig, die Anrechnung z.B. im Falle des Leerstandes von weiteren Bedingungen (z.B. schriftliche Anzeige) abhängig zu machen. Die formularmäßige Abweichung von der Regelung, dass der Mieter zur Entrichtung der Miete nicht 16 verpflichtet ist, solange der Vermieter den Gebrauch der Mietsache nicht gewähren kann (§ 537 Abs. 2 BGB), widerspricht wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung und hält deshalb einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht stand21. Denn die Vorschrift soll ja gerade das Gleichgewicht zwischen den Hauptleistungspflichten in der konkreten Situation herstellen (vgl. § 537 BGB Rz. 9). Demnach ist es z.B. nicht möglich, den Entfall der Mietzahlungspflicht von einer Fristsetzung o.Ä. abhängig zu machen.

VII. Prozessuales 1. Beweislast Der Mieter hat darzutun und zu beweisen, dass die Gebrauchsverhinderung nicht aus seiner Risiko- 17 sphäre herrührt, dass der Vermieter Aufwendungen erspart22 und/oder Vorteile erzielt hat (h.M.) sowie deren Höhe23, dass Gebrauchsüberlassung an einen Dritten oder Eigennutzung vorliegt24. Erst wenn 16 Blank/Börstinghaus, § 537 BGB Rz. 6. 17 RG v. 3.2.1920 – VII 394/19, RGZ 98, 101 (Verbot der Jagdausübung auf gepachtetem Gebiet aus militärischen Gründen). 18 OLG Koblenz v. 18.11.2009 – 1 U 579/09, MDR 2010, 501 = NZM 2010, 83; vgl. zu Ausnahmen vom Rauchverbot z.B. OLG Koblenz v. 27.1.2010 – 2 SsBs120/09, NZM 2010, 202. 19 Schmidt-Futterer/Langenberg, § 537 BGB Rz. 8; MünchKomm/Bieber, § 537 BGB Rz. 17 m.w.N. 20 Staudinger/Emmerich, § 537 BGB Rz. 38. 21 BGH v. 19.12.2007 – XII ZR 13/06, NJW 2008, 1148 = ZMR 2008, 278 = MDR 2008, 442; Staudinger/Emmerich, 2006, § 537 BGB Rz. 38; MünchKomm/Bieber, § 537 BGB Rz. 20. 22 OLG Düsseldorf v. 7.3.2017 – 24 U 88/16, ZMR 2017, 558. 23 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 543, 544; Emmerich/Sonnenschein, § 537 BGB Rz. 25; a.A. OLG Düsseldorf v. 11.7.1985 – 10 U 19/85, ZMR 1985, 382 (soweit es dabei um Einzelheiten aus dem Vermögensbereich des Vermieters geht). 24 OLG Oldenburg v. 10.11.1980 – 5 UH 11/80, ZMR 1981, 91.

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§ 537 Rz. 17 | Entrichtung der Miete bei persönlicher Verhinderung des Mieters feststeht, dass eine Ersparnis eingetreten ist, obliegt dem Vermieter die Darlegung der näheren Einzelheiten25, insbesondere seiner Erfüllungsbereitschaft26. 2. Prozess über Nutzungsausfall nach wirksamer Vermieter-Kündigung 18 Macht der Vermieter nach einer Kündigung wegen Zahlungsrückständen gegen den zwischenzeitlich

ausgezogenen Mieter Nutzungsausfall geltend, ist der Einwand unerheblich, die Kündigung sei unwirksam, wenn die Voraussetzungen des § 537 Abs. 1 S. 1 BGB vorliegen. Hat der Vermieter seine konkreten Bemühungen um Nachmieter hinreichend dargetan, darf der Mieter sich nicht auf pauschales Bestreiten beschränken. Angesichts der Möglichkeit, die vom Vermieter namhaft gemachten Mietinteressenten zu befragen, ist es Sache des (ehemaligen) Mieters, das Vorbringen des Vermieters zu widerlegen. Mit dem Vorwurf, der Vermieter habe sich nicht hinreichend um Nachmieter bemüht, wird ein Unterlassen behauptet. Der ehemalige Mieter muss daher darlegen, dass bei adäquaten Bemühungen des Vermieters frühzeitig ein akzeptabler Nachmieter gefunden worden wäre27.

B. Wohnraummiete I. § 537 Abs. 1 BGB 1. Fortbestand der Mietzahlungspflicht 19 Nach § 537 Abs. 1 S. 2 BGB muss der Mieter unabhängig davon, ob er die Räume nutzt, Miete zahlen.

Dies bedeutet auf der anderen Seite, dass der Vermieter den Mieter grundsätzlich nicht verpflichten kann, die Mietsache i.S. einer Betriebspflicht zu nutzen. Entsprechende Klauseln verstoßen in der Wohnraummiete gegen § 307 BGB (zur Betriebspflicht in der Gewerberaummiete vgl. § 535 BGB Rz. 1103 f.). Ob und wie der Mieter seine Obhuts- und sonstigen Nebenpflichten erfüllt, wenn er die Nutzung nicht durchführt, ist eine Frage des Sorgfaltsmaßstabes. 20 Der Vermieter kann aber – was sich mittelbar aus Abs. 2 ergibt – nur Mietzahlung verlangen, wenn er

selbst erfüllungsbereit ist. Daran fehlt es, wenn der Vermieter nach dem (vorzeitigen) Auszug des Mieters die Schlösser zum Mietobjekt austauscht28 oder sich weigert, dem Mieter die Schlüssel wieder auszuhändigen29. 21 Die Erfüllungsbereitschaft fehlt nicht, wenn der Vermieter nicht bereit ist, eine vorzeitige Rückgabe

der Mietsache zu akzeptieren. Denn selbst wenn der Vermieter (wirksam) gekündigt hat, kann er ein berechtigtes Interesse an der Einhaltung der Kündigungsfrist reklamieren und ist auch nicht verpflichtet, einen Aufhebungsvertrag abzuschließen30. Eine Ausnahme kann angenommen werden, wenn die Rückgabe zeitnah (z.B. zwei Wochen) zum Ende der Mietzeit angeboten wird. Doch selbst wenn eine vorzeitige Rückgabe vollzogen wird, kann die Mietzahlungspflicht erst mit dem Mietende entfallen, solange kein anderslautender Aufhebungsvertrag geschlossen wird oder nicht die Voraussetzungen von § 537 Abs. 2 BGB geschaffen werden. Im Zweifel ist durch einen Aufhebungsvertrag der Mietzahlungsanspruch nur ausgeschlossen, wenn dies ausdrücklich vereinbart ist. Immerhin ist der Vermieter bei pflichtwidrigem Verhalten des Mieters schadensersatzberechtigt, so dass der Mieter in diesem Fall den Betrag schuldet, den er bei normalem Vertragsverlauf bis zum erstmöglichen Endtermin als Miete hätte zahlen müssen31. 22 Die Mietzahlungspflicht besteht nach § 537 Abs. 1 S. 1 BGB auch fort, wenn der Mieter am Gebrauch

der Mietsache gehindert ist, solange die dafür relevanten Umstände in seinen Risikobereich fallen. Insoweit ist es unerheblich, ob der Grund, der den Mieter am Gebrauch hindert, überhaupt von ihm beein-

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OLG Düsseldorf v. 7.3.2017 – 24 U 88/16, ZMR 2017, 558. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 544; MünchKomm/Bieber, § 537 BGB Rz. 18. OLG Koblenz v. 17.4.2008 – 5 U 315/08, MDR 2008, 1206 = ZMR 2009, 282. AG Köln v. 22.8.1985 – 216 C 401/84, WuM 1986, 92. AG Langenfeld v. 5.12.1986 – 23 C 523/86, WuM 1988, 159. LG Mannheim v. 3.6.2009 – 4 S 5/09, WuM 2009, 398 = ZMR 2010, 194. OLG Brandenburg v. 15.11.2006 – 3 U 88/06, WuM 2007, 14 = OLGR Brandenburg 2007, 215.

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B. Wohnraummiete | Rz. 26a § 537

flusst werden kann32. Die Mietzahlungspflicht besteht auch bei schuldloser Gebrauchsverhinderung fort, sofern die Ursache der Verhinderung in seine Risikosphäre fällt (z.B. Tod, Krankheit, Wohnortswechsel, von anderen Vertragspartnern des Mieters ausgehende Hindernisse33). Auch wenn der Wortlaut von § 537 Abs. 1 S. 1 BGB nahelegt, dass nur unfreiwillige Hindernisse relevant 23 sind, besteht Einigkeit darüber, dass die Vorschrift auch eingreift, wenn ein Gebrauchshindernis durch freiwilliges Verhalten des Mieters (z.B. Auszug ohne Kündigung) entsteht34. Dabei ist es unerheblich, ob die Gebrauchshinderung vor oder nach der Überlassung der Mietsache eintritt35. Führt allerdings der Vermieter bei vorzeitiger Rückgabe, aber vor Beendigung des Mietvertrages Renovierungsarbeiten aus, um die ohnehin anstehende Neuvermietung vorzubereiten, reduziert sich die Miete auf null36 (vgl. aber § 537 BGB Rz. 28a). Die Mietzahlungspflicht entfällt, wenn das Gebrauchshindernis auf objektiven, nicht aus der Mieter- 24 sphäre herrührenden oder auf aus dem Risikobereich des Vermieters resultierenden Umständen beruht. Aufgrund dieser Umstände entfällt die Pflicht zur Zahlung der Miete nach §§ 326 Abs. 1, 536 BGB, selbst wenn der Mieter nicht nutzen will (vgl. auch § 537 BGB Rz. 21). 2. Ersparte Aufwendungen Nach § 537 Abs. 1 S. 2 BGB hat sich der Vermieter ersparte Aufwendungen anrechnen zu lassen. Hie- 25 runter fallen i.d.R. verbrauchsabhängige Betriebskosten (z.B. Kosten für Wasser, Abwasser, Strom, nicht aber für die Heizung, soweit der Vermieter die ungenutzten Räume weiter heizen muss) und u.U. Wartungs- und Instandhaltungskosten37; beim Beherbergungsvertrag die Kosten ersparter Serviceleistungen38. Insoweit bedarf es nicht der Unterscheidung danach, ob der Mieter am Gebrauch der Mietsache gehindert war oder ob er freiwillig auf die Ausübung seines Gebrauchsrechtes verzichtet hat39. Es ist in beiden Fällen gleichermaßen gerechtfertigt, die durch den Vermieter ersparten Kosten zu berücksichtigen40. Der Vermieter muss sich die tatsächlich erzielten Vorteile anrechnen lassen. Dabei soll er weder bes- 26 ser noch schlechter stehen als im Falle der Weiternutzung. Deshalb kann zu den ersparten Aufwendungen auch die Miete gehören, die der Vermieter selbst an einen Dritten bezahlen muss, sofern der Hauptvermieter freiwillig auf die Miete verzichtet41. Auch eine Vertragsstrafe kann dazu gehören, die der Vermieter von einem Dritten erhält, an den er weitervermietet hat und der die Vertragsstrafe für die vorzeitige Beendigung des Mietvertrages zahlt42. Eine Pflicht zur anderweitigen Verwertung besteht aber nicht43. Ebenso wenig gilt § 254 BGB, da es 26a um die Erfüllung des Mietanspruches geht und nicht um Schadensersatz44. Eine anderweitige Verwertung kann auch in der Eigennutzung durch den Vermieter liegen45. Dazu reicht das Betreten zwecks Reparaturen nicht aus, weil der Mieter sie auch bei fortgesetzter Nutzung hätte dulden müssen. Relevant ist aber die im Interesse des Vermieters liegende Vornahme von Instandsetzungs-, Umbau- und Mo32 BGH v. 28.11.1962 – VIII ZR 77/61, NJW 1963, 341. 33 BGH v. 14.11.1990 – VIII ZR 13/90, MDR 1991, 524 = ZMR 1991, 57. 34 BGH v. 24.9.1980 – VIII ZR 299/79, MDR 1981, 135 = NJW 1981, 43; OLG Hamm v. 13.3.1986 – 4 REMiet 3/ 85, NJW 1986, 2321; OLG Düsseldorf v. 2.5.1991 – 10 U 191/90, NJW-RR 1991, 1143. 35 H.M.: z.B. BGH v. 22.12.1999 – XII ZR 339/97, MDR 2000, 323 = NJW 2000, 1105; BGH v. 14.11.1990 – VIII ZR 13/90, MDR 1991, 524 = ZMR 1991, 57; LG Düsseldorf v. 20.10.1989 – 22 S 228/89, ZMR 1990, 379; krit. Emmerich/Sonnenschein, Rz. 3 und 4. 36 KG v. 10.3.2011 – 8 U 187/10, MDR 2011, 591 = WuM 2012, 142 = GE 2011, 690. 37 OLG Düsseldorf v. 11.7.1985 – 10 U 19/85, ZMR 1985, 382. 38 OLG Düsseldorf v. 2.5.1991 – 10 U 191/90, NJW-RR 1991, 1143. 39 OLG Düsseldorf v. 7.3.2017 – 24 U 88/16, ZMR 2017, 558. 40 Vgl. BeckOK/Ehlert, § 537 BGB Rz. 5 m.w.N.; MünchKomm/Bieber, § 537 BGB Rz. 3; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 537 BGB Rz. 3; Staudinger/Emmerich, § 537 BGB Rz. 4 m.w.N. 41 OLG Düsseldorf v. 7.3.2017 – 24 U 88/16, ZMR 2017, 558. 42 KG v. 25.1.1999 – 8 U 2822/97, ZMR 1999, 705 = GE 1999, 569. 43 BGH v. 26.11.1986 – VIII ZR 354/85, MDR 1987, 402 = NJW 1987, 842. 44 BGH v. 24.9.1980 – VIII ZR 299/79, MDR 1981, 135 = NJW 1981, 43 45 Bub/Treier/v. Brunn/Paschke, III A Rz. 643.

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§ 537 Rz. 26a | Entrichtung der Miete bei persönlicher Verhinderung des Mieters dernisierungsarbeiten, die über das übliche Maß von Ausbesserungen hinausgehen46. Das gilt insbesondere, wenn der Vermieter die Mietsache z.B. durch Renovierung für die Neuvermietung herrichten lässt47.

II. § 537 Abs. 2 BGB 1. Grundsatz 27 § 537 Abs. 2 BGB greift ein, wenn der Vermieter durch die Gebrauchsgewährung an einen Dritten

außerstande ist, dem an sich persönlich verhinderten Mieter den Gebrauch zu gewähren. Dabei steht auch hier die Selbstnutzung der Überlassung an einen Dritten gleich. Von einer Selbstnutzung ist bei Ausführung umfangreicher Ausbesserungsarbeiten auszugehen48. Maßgeblich ist stets, ob er die Eigennutzung oder anderweitige Vermietung (z.B. infolge eines Kündigungsvorbehaltes) jederzeit kurzfristig beenden kann. 2. Einschränkende Anwendung a) Vertragsuntreuer Mieter 28 Hat der Mieter durch sein vertragsuntreues Verhalten die Maßnahmen des sonst vertragstreuen Ver-

mieters veranlasst, durch die die Voraussetzungen des § 537 Abs. 2 BGB herbeigeführt werden (z.B. Weitervermietung), ist es unbillig, dass er sich auf § 537 Abs. 2 BGB berufen kann, wenn die Maßnahme auch in seinem Interesse erfolgt ist49. Dies gilt vor allem bei Zahlungseinstellung und Auszug des Mieters50 oder verweigertem Bezug der Mietsache51. Beide Verhaltensweisen stellen grobe Vertragswidrigkeiten dar, die eine Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) rechtfertigen52. Das führt zu einer einschränkenden Anwendung des § 537 Abs. 2 BGB. 28a Dementsprechend entfällt der Mietzahlungsanspruch nicht schon deshalb, weil der Vermieter (weit)

vor Vertragsende die Schlüssel zurückerhält und sie zu Besichtigungen mit potentiellen Nachmietern nutzt. Der Mieter kann sich auch nicht auf § 537 Abs. 2 BGB berufen, wenn er vorzeitig ausgezogen ist und der Vermieter dem Nachfolgemieter lediglich gestattet, bereits vor dessen Vertragsbeginn für kurze Zeit Arbeiten im Mietobjekt vorzunehmen, mit denen er den für sich benötigten vertragsgemäßen Zustand herstellt53. Erst recht bleibt die Mietzahlung jedenfalls in Höhe der Differenz geschuldet, wenn der Vermieter eine neue Vermietung zu einem geringeren Preis durchführt54. Ist der Mieter ohne Grund nicht eingezogen und schließt der Vermieter mit einem Nachfolger einen Mietvertrag, kann die Mietzahlungspflicht des Mieters dennoch nach § 242 BGB weiterlaufen. Das ist z.B. anzunehmen, wenn der Nachfolgemieter keine Miete zahlt und der Vermieter gegen ihn nicht erfolgreich vollstrecken kann55. In solchen Fällen läuft die Mietzahlungspflicht (ggf. latent) weiter bis zum vorgesehenen Vertragsende oder der ersten Kündigungsmöglichkeit. Insoweit ist es unbedeutend, ob die Kündigung durch den Mieter oder den Vermieter ausgesprochen werden könnte. Im Anwendungsbereich des § 242 BGB, aus dem sich die einschränkende Anwendung des § 537 Abs. 2 BGB rechtfer-

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BGH v. 28.11.1962 – VIII ZR 77/61, NJW 1963, 341. KG v. 10.3.2011 – 8 U 187/10, MDR 2011, 591 = WuM 2012, 142 = GE 2011, 690. BGH v. 28.11.1962 – VIII ZR 77/61, NJW 1963, 341. OLG Düsseldorf v. 26.11.1992 – 10 U 212/91, MDR 1993, 340 = ZMR 1993, 114. BGH v. 31.3.1993 – XII ZR 198/91, BGHZ 122, 163 = MDR 1993, 641 = NJW 1993, 1645; OLG Düsseldorf v. 11.3.2008 – I-24 U 138/07, ZMR 2009, 23 = OLGR 2008, 621. BGH v. 22.12.1999 – XII ZR 339/97, MDR 2000, 323 = NJW 2000, 1105; BGH v. 31.3.1993 – XII ZR 198/91, BGHZ 122, 163 = MDR 1993, 641 = NJW 1993, 1645; OLG Brandenburg v. 15.11.2006 – 3 U 88/06, WuM 2007, 14 = OLGR Brandenburg 2007, 215. KG v. 8.1.2014 – 8 U 132/12, ZMR 2014, 353. OLG Koblenz v. 20.1.1994 – 5 U 494/93, MDR 1995, 251 = ZMR 1995, 157. BGH v. 31.3.1993 – XII ZR 198/91, BGHZ 122, 163 = MDR 1993, 641 = NJW 1993, 1645; KG v. 8.1.2014 – 8 U 132/12, ZMR 2014, 353. BGH v. 22.12.1999 – XII ZR 339/97, MDR 2000, 323 = NJW 2000, 1105.

604 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 32 § 537

tigt, ist der Vermieter nach § 241 Abs. 2 BGB so zu behandeln, als ob er von seiner Kündigungsmöglichkeit Gebrauch gemacht hätte. Da die einschränkende Anwendung auf Treu und Glauben (§ 242 BGB) beruht, kann eine Ausnahme 29 zu Gunsten des Mieters gerechtfertigt sein. Das soll etwa anzunehmen sein, wenn der Mieter aus nachvollziehbaren Gründen davon ausgeht, das Mietverhältnis sei beendet. Das soll der Fall sein, wenn der Vermieter eine vom Mieter gewünschte Untervermietung abgelehnt und der Mieter danach ohne namentliche Nennung des Untermieters das Sonderkündigungsrecht des § 540 Abs. 1 S. 2 BGB in Anspruch genommen hat56. Dies ist aber bedenklich. Denn diese Bewertung führt darauf hinaus, dass der Vermieter die Rechtsfolgen der fehlerhaften Rechtsausübung des Mieters trägt. Das ist mit unserer Rechtsordnung nicht vereinbar57. Im Zweifel wird der Mieter deshalb spätestens beim Streit über die Beendigung des Mietverhältnisses auf einen Weitervermietungshinweis des Vermieters verbunden mit der Ankündigung, die Mietdifferenz zu verlangen, klarstellend reagieren müssen58. Daraus kann aber eine generelle Ausnahme zur einschränkenden Anwendung des § 537 Abs. 2 BGB z.B. 29a für minderschwere Vertragsverletzungen des Mieters nicht hergeleitet werden59. Die Einschränkung beruht auf § 242 BGB. Deshalb sind stets die Umstände des Einzelfalles maßgeblich. Insbesondere ist eine Ausnahme nicht prinzipiell gerechtfertigt, weil der Mieter seine Kündigung für wirksam halten durfte. Die Folge einer solchen Bewertung führt dahin, dass der Vermieter das Risiko der Rechtsausübung des Mieters tragen muss. Eine solche Konsequenz ist mit unserer Rechtsordnung nicht vereinbar60. Auf die Vertragsuntreue kommt es nicht an – so dass § 537 Abs. 2 BGB gilt –, wenn der vorzeitig aus- 30 gezogene Mieter die Weiterzahlung der Miete anbietet und der Vermieter trotzdem – teilweise unentgeltlich – die Mietsache einem Dritten überlässt61. Denn in dieser Situation erfolgte die Weitervermietung ohne Anlass durch den Mieter, der nicht verpflichtet ist, die Mietsache bis zum Mietende zu nutzen. b) Rechtsfolge Die eingeschränkte Anwendung des § 537 Abs. 2 BGB führt zur Fortgeltung der Mietzahlungspflicht 31 des (vorzeitig) ausgezogenen Mieters. D er Vermieter muss sich allerdings die durch die Weitervermietung tatsächlich62 vereinnahmte Miete anrechnen lassen (§ 537 Abs. 1 S. 2 BGB). Fällt er mit der Miete gegenüber dem Nachfolgemieter aus, lebt die Mietzahlungspflicht des Mieters wieder (in vollem Umfang) auf. Soweit dem Vermieter Kosten durch einen zum Zwecke der Weitervermietung bewirkten Umbau der Mietsache entstanden sind, kann er diese regelmäßig nicht nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag ersetzt verlangen63.

III. Ersatzmieterstellung 1. Grundsatz der Vertragsfreiheit Ohne Regelung im Mietvertrag ist der Vermieter grundsätzlich nicht verpflichtet, den Mieter gegen 32 Stellung eines Nachmieters (vorzeitig) aus dem Mietvertrag zu entlassen (sog. Ersatzmieterstellung).

KG v. 16.9.1996 – 8 RE Miet 2891/96, ZMR 1996, 648 = WuM 1996, 696 = NJW-RR 1997, 333. BGH v. 25.10.2006 – VIII ZR 102/06, MDR 2007, 454 = WuM 2007, 24 = ZMR 2007, 103 Rz. 25 m.w.N. BGH v. 31.3.1993 – XII ZR 198/91, BGHZ 122, 163 = MDR 1993, 641 = NJW 1993, 1645. A.A. Schmidt-Futterer/Langenberg, § 537 Abs. 2 BGB Rz. 25. BGH v. 25.10.2006 – VIII ZR 102/06, MDR 2007, 454 = WuM 2007, 24 = ZMR 2007, 103 Rz. 25 m.w.N. AG Neuruppin v. 15.1.2009 – 42 C 273/08, WuM 2009, 227. OLG Düsseldorf v. 9.11.2010 – 24 U 169/09, ZMR 2011, 718; OLG Celle v. 29.1.2003 – 2 U 150/02, ZMR 2003, 343. 63 BGH v. 25.11.1981 – VIII ZR 299/80, MDR 1982, 484 = NJW 1982, 875.

56 57 58 59 60 61 62

Lützenkirchen | 605

§ 537 Rz. 32 | Entrichtung der Miete bei persönlicher Verhinderung des Mieters Auch Mietverträge sind einzuhalten. Das gilt im Grundsatz für alle Mietverhältnisse, also auch für die Wohnraummiete, wobei sich Ausnahmen aus § 242 BGB ergeben können64. 33 Der Mietanspruch entfällt in einem solchen Fall ausnahmsweise, wenn der Vermieter es arglistig un-

terlässt, das Mietobjekt an einen ihm vom Mieter benannten akzeptablen Ersatzmieter zu vermieten65. Das ist auch bei Gestellung eines akzeptablen Ersatzmieters nur dann der Fall, wenn ein berechtigtes Interesse des Mieters an seinem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Vertrag das Interesse des Vermieters an dessen Fortbestand ganz erheblich übersteigt66. Je kürzer die restliche Laufzeit des Vertrages ist, umso weniger führt die Einzelfallabwägung dazu, dass dem Vermieter das mit einem Mieterwechsel verbundene Risiko noch zuzumuten ist67. 34 Beispiele für ein überragendes Interesse des Mieters sind

– schwere Erkrankung des Mieters68, so dass eine Nutzung der Wohnung in Zukunft ausgeschlossen ist, – nicht vorhergesehene Versetzung aus beruflichen Gründen69, sofern sie nicht vom Mieter selbst gewünscht wurde, – erhebliche Vergrößerung/Verkleinerung der Familie, – Ehescheidung70. 35 An einem berechtigten Mieterinteresse zur Beendigung des Mietvertrages gegen Stellung eines Nach-

mieters fehlt es insbesondere, wenn der Mieter aus freien Stücken die Wohnung wechseln will71, zumal wenn er nach der Regelkündigungsfrist von drei Monaten nach § 573c Abs. 1 BGB gekündigt hat72 oder kündigen könnte. Dies gilt auch bei dem Wunsch des Mieters, in einer anderen Wohnung mit einem Lebensgefährten zusammenzuziehen73 oder Einrichtungsgegenstände an einen Nachfolgemieter zu veräußern. 2. Vertragliche Ersatzmieterklausel a) Zustandekommen der Ersatzmietervereinbarung 36 Ist vertraglich festgelegt, dass der Mieter zur Gestellung eines Ersatzmieters berechtigt sein soll, hat der

Vermieter den Mieter bei Benennung eines akzeptablen Interessenten für die Zukunft aus dem Mietvertrag zu entlassen74. Derartige Vereinbarungen können im Mietvertrag selbst enthalten sein, aber auch (formlos) nach Überlassung der Mietsache geschlossen werden, und zwar auch schlüssig. Sie kommen noch nicht dadurch zustande, dass der Vermieter seine Bereitschaft signalisiert, mit einem Mietinteressenten als Nachfolger des Mieters zu verhandeln. Vielmehr muss aus den Erklärungen des Vermieters abzulesen sein, dass er den Mieter gegen Stellung eines Ersatzmieters aus den vertraglichen Pflichten entlässt. 37 Davon zu unterscheiden ist die Ersatzmieterstellung durch schlüssiges Verhalten. Dies kommt ins-

besondere in Betracht, wenn der Vermieter, ohne den Mieter ausdrücklich aus dem Vertrag zu entlassen, mit einem Dritten auf Vorschlag des Mieters einen neuen Mietvertrag, z.B. zu den Konditionen 64 BGH v. 22.1.2003 – VIII ZR 244/02, MDR 2003, 562 = NJW 2003, 1246; OLG Oldenburg, OLGR 1981, 315; OLG Oldenburg v. 23.4.1981 – 5 UH 1/81, ZMR 1982, 285; OLG Karlsruhe v. 25.3.1981 – 3 REMiet 2/81, NJW 1981, 1741; OLG Hamm v. 6.4.1983 – 4 REMiet 13/82, MDR 1983, 842 = FamRZ 1983, 1117 = NJW 1983, 1564. 65 BGH v. 24.9.1980 – VIII ZR 299/79, MDR 1981, 135 = NJW 1981, 43. 66 OLG Hamm v. 22.8.1995 – 30 REMiet 1/95, MDR 1995, 1116 = ZMR 1995, 525. 67 OLG Oldenburg v. 23.4.1981 – 5 UH 1/81, ZMR 1982, 285 (für eine dreimonatige Restzeit). 68 A.A. für Gewerberaummiete: OLG Düsseldorf v. 6.6.2000 – 24 U 186/99, WuM 2002, 94 = ZMR 2001, 106 = MDR 2001, 83. 69 LG Hamburg v. 1.12.1987 – 16 S 23/87, DWW 1988, 85; LG Gießen v. 30.11.1994 – 1 S 413/94, NJW-RR 1995, 395. 70 OLG Karlsruhe v. 25.3.1981 – 3 REMiet 2/81, WuM 1981, 173. 71 OLG Karlsruhe v. 25.3.1981 – 3 REMiet 2/81, NJW 1981, 1741. 72 LG Berlin v. 3.3.2016 – 67 S 39/16, WuM 2016, 227 = GE 2016, 460. 73 AG Wiesbaden v. 12.8.1988 – 98 C 408/88, WuM 1988, 400. 74 BGH v. 2.11.1983 – VIII ZR 135/82, MDR 1984, 393 = ZMR 1984, 54.

606 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 42 § 537

des bisherigen Vertrages, schließt75. Insoweit wird in der Regel unterstellt werden können, dass der bisherige Mietvertrag einvernehmlich aufgehoben wird76. Ein solches Einverständnis ist aber dann nicht anzunehmen, wenn der Vermieter im Wege der Neuvermietung lediglich versucht, den Schaden gering zu halten. Gegen ein solches Einverständnis spricht auch, dass die Gründe, die den Mieter veranlasst haben, den Mietgebrauch aufzuheben und die Mietzahlungen einzustellen, ausschließlich in seiner Person lagen, so dass der Vermieter keinerlei Veranlassung hatte, das Bonitätsrisiko hinsichtlich des Nachmieters auf sich zu nehmen77. Hinsichtlich des Inhalts von Ersatzmieterklauseln wird in der Praxis nach unechten und echten Er- 38 satzmieterklauseln unterschieden. Welche Form der Klausel vorliegt, ist eine Auslegungsfrage78, für die zunächst der Wortlaut maßgeblich ist. Regelt die Klausel zusätzliche Anforderungen (z.B. ein dringendes berechtigtes Interesse des Mieters 39 an der Vertragsentlassung), bestehen aus § 307 BGB keine Bedenken an der Wirksamkeit. Denn die Ersatzmieterstellung (= Entlassung aus dem Mietvertrag + Abschluss eines Mietvertrages mit einem Ersatzmieter) ist eine für den Mieter vom Gesetz abweichende Regelung seines Verwendungsrisikos. Eine unangemessene Benachteiligung kommt daher allenfalls in Betracht, wenn der Vermieter über eine Aufwandsentschädigung hinaus Zahlungen des Mieters regelt, die einer Vertragsstrafe gleichkommen (§ 555 BGB). b) Unechte Ersatzmieterklausel Es ist zwischen echten und unechten Ersatzmieterklauseln zu unterscheiden79. Letztere geben dem 40 Mieter nur das Recht, bei Gestellung eines zumutbaren Ersatzmieters Entlassung aus dem Mietvertrag zu verlangen. c) Echte Ersatzmieterklausel Bei einer echten Ersatzmieterklausel hat der Mieter zudem einen Anspruch gegen den Vermieter, 41 dass der gestellte Ersatzmieter an seine Stelle in den Mietvertrag eintritt. Welche der beiden Alternativen vorliegt, ist durch Auslegung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu ermitteln. Die Ersatzmietergestellung ist in beiden Alternativen Sache des Mieters. Zumutbar ist ein Nachmietinteressent, bei dem der Vermieter nicht schlechter gestellt wird, als wenn er auf Fortsetzung des Mietverhältnisses mit dem bisherigen Mieter bestehen würde80. Ausländereigenschaft des gestellten Ersatzmieters ist für sich allein grundsätzlich kein begründeter Ablehnungsgrund81. d) Akzeptabler Ersatzmieter Die Beibringung eines Nach- oder Ersatzmieters obliegt allein dem Mieter. Er muss daher die notwen- 41a digen Voraussetzungen für dessen Eintritt schaffen82. Zwar besteht grundsätzlich eine Mitwirkungspflicht des Vermieters. Indessen kann er z.B. auch verlangen, dass ihm vor einer Besichtigung der Wohnung mit dem Interessenten oder einem persönlichen Kennenlernen die notwendigen Unterlagen überlassen werden, um die Bonität und sonstigen Bedingen der Abrede prüfen zu können83. Besteht die Pflicht des Vermieters, einen Ersatzmieter zu akzeptieren, muss er seine Entscheidung nicht 42 sofort nach Benennung der Person des Mietwilligen treffen, sondern kann dafür eine angemessene Prü-

OLG Düsseldorf v. 23.10.1997 – 10 U 39/97, WuM 1998, 483. BGH v. 21.2.2012 – VIII ZR 117/11, WuM 2012, 371 = NZM 2012, 341. OLG Düsseldorf v. 23.10.1997 – 10 U 39/97, WuM 1998, 483. Staudinger/Emmerich, § 537 BGB Rz. 17 ff. OLG Frankfurt v. 26.4.1991 – 11 U 3/91, ZMR 1991, 382. OLG Düsseldorf v. 5.1.1995 – 10 U 70/94, MDR 1995, 570 = ZMR 1995, 467; zur erforderlichen Ersatzmieterbonität vgl. BGH v. 12.7.1995 – XII ZR 95/93, NJW 1995, 3052. 81 OLG Frankfurt v. 31.5.2000 – 9 U 71/99, NZM 2001, 586 m.w.N. 82 BGH v. 7.10.2015 – VIII ZR 247/14, WuM 2015, 723 = ZMR 2015, 927. 83 BGH v. 7.10.2015 – VIII ZR 247/14, WuM 2015, 723 = ZMR 2015, 927. 75 76 77 78 79 80

Lützenkirchen | 607

§ 537 Rz. 42 | Entrichtung der Miete bei persönlicher Verhinderung des Mieters fungs- und Nachforschungsfrist beanspruchen, die zwei bis drei Monate betragen kann84. Grundsätzlich kann der Vermieter eine Mitwirkung ablehnen, wenn der Vertragszweck geändert werden soll. Bei der Gewerberaummiete soll der Nachmieter aber zu Wohnzwecken nutzen dürfen85. Dem kann – wenn überhaupt – nur für ganz besonders gelagerte Ausnahmefälle gefolgt werden. Denn grundsätzlich besteht kein Anspruch auf Änderung des Vertragszwecks. Im Übrigen richtet sich das Maß, nach dem der Vermieter einen Ersatzmieter ablehnen darf, nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB)86. 43 Der Ersatzmieter ist danach akzeptabel, wenn er bereit ist, zu den alten Bedingungen für die restliche

Vertragszeit in den bestehenden Mietvertrag einzutreten87, was grds der Mieter zu beweisen hat88. Auf den Abschluss eines neuen Mietvertrages braucht sich der Vermieter schon mit Rücksicht auf die dann – erneut – gem. § 536a Abs. 1 BGB begründete Garantiehaftung nicht einzulassen89. Darüber hinaus muss der Ersatzmieter dem Vermieter auch von der Person her zumutbar sein. Es dürfen keine Zweifel an der Bonität und der Verträglichkeit des Mieters bestehen90. Persönliche, moralische, selbst religiöse Vorbehalte des Vermieters gegen die Person des Ersatzmieters sind nicht von vorneherein unbeachtlich91. Allein vorangegangene häufige Wohnungswechsel sind kein ausreichendes Kriterium zur Ablehnung des Ersatzmieters, wenn dabei keine wesentlichen Mietschulden hinterlassen wurden92. Ein Ersatzmieter ist auch – unabhängig von der Geltung des AGG – nicht schon deshalb ungeeignet, weil er Ausländer ist93. Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn nicht die Ausländereigenschaft, sondern damit zusammenhängende besondere Risiken in Betracht kommen (z.B. befristete Arbeits- oder Aufenthaltsgenehmigung)94. 44 Einen Anspruch auf Vermietung an einen bestimmten Ersatzmieter hat der Mieter grundsätzlich

selbst dann nicht, wenn dieser zu einer Abstandszahlung an den Mieter bereit ist95. Der Vermieter kann zwischen mehreren Interessenten frei wählen. Akzeptiert er einen von ihnen und schließt mit ihm einen neuen Mietvertrag ab, hängt es von den Umständen des Einzelfalles ab, inwieweit der Mietvertrag mit dem bisherigen Mieter (durch schlüssiges Verhalten) aufgehoben wird96. 45 Lehnt der Vermieter den (ggf. ersten) Nachmieter ohne ausreichenden Grund ab, kann der Mieter

nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB fristlos kündigen und Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 BGB geltend machen97. Beim Schadensersatz ist der Mieter so zu stellen, wie er bei rechtmäßigem Verhalten des Vermieters stehen würde. Damit endet das Mietverhältnis spätestens mit Ablauf des dritten Monats nach Stellung des (geeigneten) Nachmieters. Diese zeitliche Bestimmung ergibt sich aus der Nachforschungsund Überlegungsfrist (vgl. § 537 BGB Rz. 42). Dies gilt nur dann nicht, wenn der oder die Ersatzinteressenten ohne Prüfung bzw. bei Inanspruchnahme einer kürzeren Überlegungsfrist durch den Vermieter abgelehnt werden. Hier endet die Mietzahlungspflicht im Zeitpunkt der Ablehnung98.

84 LG Gießen v. 21.8.1996 – 1 S 119/96, WuM 1997, 264; LG Saarbrücken v. 17.2.1995 – 13 BS 218/94, WuM 1995, 313; AG Steinfurt v. 14.11.1996 – 4 C 182/96, WuM 1997, 45. 85 OLG Rostock v. 14.1.2010 – 3 U 50/09, IMR 2010, 233. 86 BGH v. 29.4.1992 – XII ZR 221/90, NJW-RR 1992, 1032 (1035); OLG Düsseldorf v. 8.3.1990 – 10 U 77/88, MDR 1990, 724; OLG Hamm v. 22.8.1995 – 30 REMiet 1/95, MDR 1995, 1116 = ZMR 1995, 525. 87 OLG Düsseldorf v. 5.1.1995 – 10 U 70/94, MDR 1995, 570 = ZMR 1995, 467. 88 BGH v. 22.1.2003 – VIII ZR 244/02, MDR 2003, 562 = NJW 2003, 1246. 89 MünchKomm/Bieber, § 537 BGB Rz. 15. 90 Heile, ZMR 1990, 249 (251). 91 OLG Hamm v. 6.4.1983 – 4 REMiet 13/82, MDR 1983, 842 = FamRZ 1983, 1117 = NJW 1983, 1564. 92 LG Flensburg v. 24.9.2002 – 1 S 29/02, WuM 2007, 287. 93 BGH v. 27.11.1969 – VIII ZR 259/67, MDR 1970, 320 f.; LG Hannover v. 26.7.1977 – 8/11 S 8/75, WM 1977, 223; LG Saarbrücken v. 17.2.1995 – 13 B S 218/94, WM 1995, 313. 94 Bub/Treier/Landwehr, II Rz. 2581. 95 BGH v. 8.4.1963 – VIII ZR 219/61, NJW 1963, 1299; OLG München v. 8.9.1995 – 21 U 6375/94, ZMR 1995, 579. 96 BGH v. 21.2.2012 – VIII ZR 117/11, WuM 2012, 371. 97 OLG Frankfurt v. 31.5.2000 – 9 U 71/99, ZMR 2000, 607 = MDR 2000, 1005. 98 LG Oldenburg v. 24.5.1996 – 13 S 150/96, WuM 1997, 491.

608 | Lützenkirchen

C. Gewerberaummiete | Rz. 50 § 537

e) Zusätzliche Bedingungen des Vermieters Ob der Vermieter den Eintritt des Ersatzmieters von zusätzlichen Bedingungen abhängig machen darf, 46 ist streitig. Während Gerichte dies grundsätzlich verneinen99, ist der Verfasser der Auffassung, dass jedenfalls bei einer unechten Ersatzmieterklausel und dem überragenden berechtigten Interesse des Mieters der Vermieter z.B. eine Erhöhung der Miete oder der Kaution, eine verbesserte (= wirksame) Renovierungsklausel, geänderte Betriebskostenregelungen oder die Zustimmung zu einer Modernisierungsmaßnahme verlangen kann100. Dafür spricht bereits die Vertragsfreiheit101. Auf keinen Fall muss sich der Vermieter aber auf den Wunsch des Ersatzmieters nach Änderung der Vertragsbedingungen einlassen.

C. Gewerberaummiete I. Geltung der Grundsätze der Wohnraummiete 1. Mietzahlungspflicht Die Verteilung des Verwendungsrisikos ist in der Gewerberaummiete nicht unterschiedlich. Deshalb 47 muss auch hier der Mieter die Miete weiterzahlen, selbst wenn die Nutzung wegen behördlicher Verbote behindert ist. Dies gilt jedenfalls solange, wie die Betriebshindernisse aus der Person des Mieters oder seinem Betrieb resultieren. Erst recht liegt kein ausreichendes Gebrauchshindernis vor, wenn die Behörde dem Mieter wegen persönlicher Unzuverlässigkeit die Konzession oder Betriebserlaubnis entzieht. Dem ist eine Gesetzesänderung gleichzusetzen, wenn sie ausschließlich an den Betrieb des Mieters 48 geknüpft ist. Deshalb kann der Mieter nicht die Zahlung verweigern, weil z.B. infolge eines geänderten Nichtraucherschutzes gesetzliche Vorschriften für den Betrieb einer Gaststätte geändert werden. Solange der Zustand der Mietsache konzessionsfähig ist, trägt der Mieter das Risiko der Verwendung102. 2. § 537 Abs. 2 BGB Auch die einschränkende Anwendung des § 537 Abs. 2 BGB bei Vertragsuntreue des Mieters ist grund- 49 sätzlich bei Gewerberaummiete anwendbar. Im Hinblick auf eine bestehende Betriebspflicht (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 1103 ff.) kann der (vertragsuntreue) Mieter sogar zur Weiterzahlung der Miete verpflichtet sein, obwohl der Vermieter die Mietsache unentgeltlich einem Dritten überlassen hat103. Dies kann sich z.B. daraus ergeben, dass der Schaden des Vermieters ansonsten gerade wegen der zusätzlichen Verletzung der Betriebspflicht höher ausfallen würde.

II. Ersatzmieterstellung Auch in der Gewerberaummiete ist der Vermieter nicht ohne Weiteres verpflichtet, einen Nachmieter 50 zu akzeptieren104. Ohne eine Vereinbarung, dass der Vermieter einen vom Mieter angebotenen geeigneten Nachmieter akzeptieren und den Mieter aus dem Vertrag entlassen müsse, ist der Vermieter ebenso grundsätzlich nicht verpflichtet, mit einem vom Mieter angebotenen Nachmieter zu kontrahieren, so dass er ihn auch folgenlos ablehnen kann105.

99 BGH v. 24.5.1976 – VIII ZR 301/74, ZMR 1977, 107; OLG Koblenz v. 27.9.2001 – 5 U 467/01, DWW 2002, 127. 100 Lützenkirchen, AHB Mietrecht, C Rz. 265. 101 Vgl. auch OLG Zweibrücken v. 11.7.1996 – 3 W-RE 81/96, WuM 1998, 147. 102 OLG Koblenz v. 18.11.2009 – 1 U 579/09, MDR 2010, 501 = NZM 2010, 83; vgl. zu Ausnahmen vom Rauchverbot z.B. OLG Koblenz v. 27.1.2010 – 2 SsBs 120/09, NZM 2010, 202. 103 BGH v. 19.12.2007 – XII ZR 13/06, NJW 2008, 1148 = ZMR 2008, 278 = MDR 2008, 442. 104 OLG Naumburg v. 18.6.2002 – 9 U 8/02, WuM 2002, 537; OLG Hamburg v. 17.12.1986 – 4 U 215/85, MDR 1987, 325 = ZMR 1987, 93; OLG Hamburg v. 18.2.1987 – 4 U 22/87, DWW 1987, 98. 105 OLG Rostock v. 14.1.2010 – 3 U 50/09, MDR 2010, 1045; Wolf/Eckert/Ball, Rz. 595.

Lützenkirchen | 609

§ 537 Rz. 51 | Entrichtung der Miete bei persönlicher Verhinderung des Mieters 51 Ausnahmsweise kann der Vermieter auch bei Gewerberaummiete im Einzelfall verpflichtet sein, einen

vom Mieter angebotenen Nachmieter zu akzeptieren und den Mieter aus dem Vertrag zu entlassen, wenn die gegenseitige Interessenabwägung dies nach § 242 BGB geboten erscheinen lässt. Dazu muss das Festhalten an dem Vertrag für den Mieter eine gewisse Härte bedeuten und der Abschluss des Vertrages mit dem gestellten Ersatz- bzw. Nachmieter für den Vermieter akzeptabel sein106. Allerdings wird sich dies regelmäßig auf wenige Ausnahmefälle beschränken, weil der Mieter das Ertragsrisiko des Mietverhältnisses trägt107 und es hierfür nicht ausreicht, wenn sich nur das wirtschaftliche Risiko des Mieters realisiert108. Das Gleiche gilt für gesundheitliche Gründe109. Bei der Abwägung ist auch zu berücksichtigen, ob der Mieter die Ursachen selbst oder bewusst gesetzt hat110.

§ 538 Abnutzung der Mietsache durch vertragsgemäßen Gebrauch Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache, die durch den vertragsgemäßen Gebrauch herbeigeführt werden, hat der Mieter nicht zu vertreten. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . 2. Anwendbare Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . III. Abweichende Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . B. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vertragsgemäßer Gebrauch . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zulässige Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nutzungsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einräumung des vertragsgemäßen Gebrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Haftung des Mieters für vertragsgemäßen Gebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Haftungsbeschränkung durch Versicherung . III. Einschränkung des vertragsgemäßen Gebrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 1 2 2 3 4 7 7 8 9 12 14 17 24

IV. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Umkehr der Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Übergabeprotokoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bei Vertragsbeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bei Vertragsende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konkurrierende Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . 4. Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Brandschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rohrverstopfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gasetagenheizung . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Frostschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Feuchtigkeit und Schimmel . . . . . . . . . . . C. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zulässige Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einräumung des vertragsgemäßen Gebrauchs III. Einschränkung des vertragsgemäßen Gebrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29 29 34 34 38 40 41 41 44 46 47 48 49 49 51 55

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt 1 Die Vorschrift spricht in materiell-rechtlicher Hinsicht eigentlich eine Selbstverständlichkeit aus: Der

vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ist, weil er Zweck des Mietvertrags (§ 535 Abs. 1 BGB) und damit erlaubt ist, rechtmäßig. Die daraus resultierenden Veränderungen und Verschlechterungen beruhen mithin auf rechtmäßigem Handeln des Mieters. Rechtmäßiges Handeln kann aber nicht schuld-

106 Vgl. OLG Düsseldorf v. 14.7.1994 – 10 U 174/93, WuM 1994, 469 f.; OLG Hamburg v. 17.12.1986 – 4 U 215/ 85, MDR 1987, 325 = ZMR 1987, 93 f.; Bub/Treier/Landwehr, II Rz. 2589 f.; Fritz, NJW 1996, 2068 (2070 f.). 107 Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 537 BGB Rz. 42. 108 Palandt/Weidenkaff, § 537 BGB Rz. 10. 109 OLG Düsseldorf v. 6.6.2000 – 24 U 186/99, WuM 2002, 94 = ZMR 2001, 106 = MDR 2001, 83. 110 OLG München v. 8.9.1995 – 21 U 6375/94, ZMR 1995, 579; OLG München v. 18.11.1994 – 21 U 3072/94, ZMR 1995, 156; Wolf/Eckert/Ball, Rz. 595.

610 | Lützenkirchen und Dickersbach

§ 537 Rz. 51 | Entrichtung der Miete bei persönlicher Verhinderung des Mieters 51 Ausnahmsweise kann der Vermieter auch bei Gewerberaummiete im Einzelfall verpflichtet sein, einen

vom Mieter angebotenen Nachmieter zu akzeptieren und den Mieter aus dem Vertrag zu entlassen, wenn die gegenseitige Interessenabwägung dies nach § 242 BGB geboten erscheinen lässt. Dazu muss das Festhalten an dem Vertrag für den Mieter eine gewisse Härte bedeuten und der Abschluss des Vertrages mit dem gestellten Ersatz- bzw. Nachmieter für den Vermieter akzeptabel sein106. Allerdings wird sich dies regelmäßig auf wenige Ausnahmefälle beschränken, weil der Mieter das Ertragsrisiko des Mietverhältnisses trägt107 und es hierfür nicht ausreicht, wenn sich nur das wirtschaftliche Risiko des Mieters realisiert108. Das Gleiche gilt für gesundheitliche Gründe109. Bei der Abwägung ist auch zu berücksichtigen, ob der Mieter die Ursachen selbst oder bewusst gesetzt hat110.

§ 538 Abnutzung der Mietsache durch vertragsgemäßen Gebrauch Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache, die durch den vertragsgemäßen Gebrauch herbeigeführt werden, hat der Mieter nicht zu vertreten. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . 2. Anwendbare Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . III. Abweichende Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . B. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vertragsgemäßer Gebrauch . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zulässige Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nutzungsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einräumung des vertragsgemäßen Gebrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Haftung des Mieters für vertragsgemäßen Gebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Haftungsbeschränkung durch Versicherung . III. Einschränkung des vertragsgemäßen Gebrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 1 2 2 3 4 7 7 8 9 12 14 17 24

IV. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Umkehr der Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Übergabeprotokoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bei Vertragsbeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bei Vertragsende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konkurrierende Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . 4. Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Brandschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rohrverstopfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gasetagenheizung . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Frostschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Feuchtigkeit und Schimmel . . . . . . . . . . . C. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zulässige Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einräumung des vertragsgemäßen Gebrauchs III. Einschränkung des vertragsgemäßen Gebrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29 29 34 34 38 40 41 41 44 46 47 48 49 49 51 55

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt 1 Die Vorschrift spricht in materiell-rechtlicher Hinsicht eigentlich eine Selbstverständlichkeit aus: Der

vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ist, weil er Zweck des Mietvertrags (§ 535 Abs. 1 BGB) und damit erlaubt ist, rechtmäßig. Die daraus resultierenden Veränderungen und Verschlechterungen beruhen mithin auf rechtmäßigem Handeln des Mieters. Rechtmäßiges Handeln kann aber nicht schuld-

106 Vgl. OLG Düsseldorf v. 14.7.1994 – 10 U 174/93, WuM 1994, 469 f.; OLG Hamburg v. 17.12.1986 – 4 U 215/ 85, MDR 1987, 325 = ZMR 1987, 93 f.; Bub/Treier/Landwehr, II Rz. 2589 f.; Fritz, NJW 1996, 2068 (2070 f.). 107 Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 537 BGB Rz. 42. 108 Palandt/Weidenkaff, § 537 BGB Rz. 10. 109 OLG Düsseldorf v. 6.6.2000 – 24 U 186/99, WuM 2002, 94 = ZMR 2001, 106 = MDR 2001, 83. 110 OLG München v. 8.9.1995 – 21 U 6375/94, ZMR 1995, 579; OLG München v. 18.11.1994 – 21 U 3072/94, ZMR 1995, 156; Wolf/Eckert/Ball, Rz. 595.

610 | Lützenkirchen und Dickersbach

B. Wohnraummiete | Rz. 7 § 538

haft i.S.d. § 276 BGB sein. Denn Verschulden setzt notwendig Rechtswidrigkeit voraus1. Ihre besondere Bedeutung hat diese Bestimmung für die Darlegungs- und Beweislast (vgl. § 538 BGB Rz. 29 ff.).

II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich Anwendbar ist die Vorschrift als Teil der allgemeinen mietrechtlichen Bestimmungen auf alle Mietver- 2 hältnisse und über § 581 Abs. 2 BGB entsprechend auch auf Pachtverhältnisse. 2. Anwendbare Rechtsprechung Durch die mit Wirkung zum 1.9.2001 eingeführte Vorschrift des § 538 BGB haben sich keine Änderun- 3 gen gegenüber der früheren Rechtslage ergeben. Die Vorschrift wurde textlich unverändert aus dem bis zum 1.9.2001 geltenden § 548 BGB a.F. übernommen2. Dementsprechend ist die Rechtsprechung aus der Zeit vor dem 1.9.2001 ohne Einschränkung anwendbar.

III. Abweichende Vereinbarungen § 538 BGB ist nach allgemeiner Meinung in den Grenzen der §§ 134, 138, 307 f. BGB grundsätzlich 4 abdingbar3. Zu den besonders bedeutsamen Abänderungen gehört die Überbürdung der Instandhaltungs- und Instandsetzungspflichten (vgl. § 535 BGB Rz. 526 ff.) einschließlich der Schönheitsreparaturen (vgl. § 535 BGB Rz. 540 ff.) auf den Mieter4. Bei der Klausel „Rückgabe der Mietsache in demselben Zustand wie übernommen“ handelt es sich um 5 eine Leerformel, die nicht mehr besagt, als dass die Mietsache im vertragsgemäßen Zustand zurückzugeben ist. Aus vertragsgemäßem Gebrauch resultierende Veränderungen und Verschlechterungen der Mietsache und deren Beseitigungskosten werden dadurch nicht auf den Mieter abgewälzt5. Eine formularvertragliche Abwälzung der Haftung für Zufallsschäden auf den Mieter ist wegen § 307 6 BGB unwirksam, und zwar auch in einem Gewerberaummietvertrag6. Eine entsprechende individualvertragliche Vereinbarung verstößt jedenfalls im Bereich der Wohnraummiete gegen § 138 BGB7.

B. Wohnraummiete I. Vertragsgemäßer Gebrauch Nach § 535 Abs. 1 BGB hat der Vermieter dem Mieter die Mietsache in einem zum „vertragsgemäßen“ 7 Gebrauch geeignetem Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Der Begriff des vertragsgemäßen Gebrauchs stellt das zentrale Kriterium des Mietrechts dar. Wenn das Gesetz für die Nutzungsrechte des Mieters von dem Gebrauch ausgeht, der dem Vertrag gemäß ist, so folgt daraus, dass es sich hierbei nicht um ein objektives Kriterium handelt.

1 Palandt/Grüneberg, § 276 BGB Rz. 8. 2 Begründung des Referentenentwurfs, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Anhang Rz. 1141. 3 Vgl. Schmidt-Futterer/Langenberg, § 538 BGB Rz. 8; Blank/Börstinghaus, § 538 BGB Rz. 35; Kinne in Kinne/ Schach/Bieber, § 538 BGB Rz. 7. 4 Erman/Lützenkirchen, § 538 BGB Rz. 3. 5 OLG München v. 17.9.1986 – 21 U 5063/85, DWW 1987, 125; Palandt/Weidenkaff, § 538 BGB Rz. 2; a.A. Bub/ Treier/Scheuer/Kraemer/Paschke, V A Rz. 260. 6 BGH v. 5.10.2005 – VIII ZR 16/05, MDR 2006, 378 = NJW 2006, 47; BGH v. 1.4.1992 – XII ZR 100/91, MDR 1992, 643 = WuM 1994, 191; OLG Brandenburg v. 12.5.2004 – 7 U 165/03, MDR 2004, 1409 = NZM 2004, 905; KG v. 26.1.2006 – 8 U 128/05, NZM 2007, 41. 7 Staudinger/Emmerich, § 538 BGB Rz. 12.

Dickersbach | 611

§ 538 Rz. 8 | Abnutzung der Mietsache durch vertragsgemäßen Gebrauch 1. Zulässige Nutzung 8 Zunächst wird durch die Bestimmung, welche Nutzung nach dem Vertrag zulässig sein soll, festgelegt,

wie bzw. zu welchem Zweck der Mieter die Räume nutzen darf. Dies ist bei einem „Wohnraummietvertrag“ unproblematisch. Die Räumlichkeiten werden zu Wohnzwecken überlassen. Der Begriff der Wohnnutzung umfasst alle Tätigkeiten, die regelmäßig in Privaträumlichkeiten entfaltet werden. Auch die Einrichtung eines Arbeitszimmers fällt noch hierunter. Zur zulässigen Nutzung von Gewerberäumlichkeiten (vgl. § 538 BGB Rz. 49). 2. Nutzungsänderung

9 Eine Nutzungsänderung liegt vor, wenn die Nutzung nicht mehr den vertraglichen Absprachen ent-

spricht. Dies ist im Rahmen eines Wohnraummietvertrages insbesondere dann der Fall, wenn der Mieter die Räume ganz oder teilweise zu gewerblichen Zwecken nutzt. 10 Ohne besondere vertragliche Abrede ist der Vermieter grundsätzlich nicht verpflichtet, an einer Nut-

zungsänderung mitzuwirken. Etwas anders kann sich nur aus den Grundsätzen ergeben, die der Vermieter bei der Zustimmung zur Untervermietung (vgl. § 553 BGB Rz. 15 ff.) oder beim Eintritt eines Ersatzmieters (vgl. § 537 BGB Rz. 32 ff.) zu beachten hat8. Dazu muss ein dringendes und überwiegendes Interesse des Mieters vorliegen. 11 Jede nicht durch das Vertragswerk abgedeckte Nutzungsänderung begründet generell einen vertrags-

widrigen Gebrauch mit den möglichen Sanktionen durch die §§ 541, 543, 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB. 3. Einräumung des vertragsgemäßen Gebrauchs 12 Im Hinblick auf die Überlassungspflicht (= Kardinalpflicht) kann der Vermieter grundsätzlich das Risi-

ko, ob die vertraglich vereinbarte Nutzung in den Räumen überhaupt stattfinden kann und darf, nicht auf den Mieter abwälzen. Deshalb ist die formularmäßige Freizeichnungsklausel, wonach der Vermieter keine Gewähr dafür leistet, dass die Wohnräume den behördlichen Vorschriften entsprechen und/oder der Mieter behördliche Auflagen auf seine Kosten zu erfüllen hat, unwirksam, weil sie auch den baulichen Zustand der Räume erfasst9. 13 Mit der Vertragsunterzeichnung übernimmt der Vermieter auch die Haftung dafür, dass die Nutzung

tatsächlich stattfinden kann. Ist dies nicht der Fall, stehen dem Mieter die gesetzlichen Gewährleistungsrechte zu, insbesondere die verschuldensunabhängige Haftung des § 536a Abs. 1 Alt. 1 BGB. Auch eine (fristlose) Kündigung kommt u.U. in Betracht (vgl. § 543 BGB Rz. 175 ff.). 4. Haftung des Mieters für vertragsgemäßen Gebrauch 14 Gemäß § 538 BGB hat der Mieter Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache, die durch

den vertragsgemäßen Gebrauch entstehen, nicht zu vertreten. Er schuldet demnach keinen Schadensersatz für die mit der Nutzung verbundene Abnutzung. Diese ist durch den Vertrag gedeckt und mit der Miete abgegolten10. Bei Mietvertragsende haftet er daher grundsätzlich nicht für die Beseitigung dieser Abnutzung11. 15 Fehlt es z.B. an einer wirksamen Abwälzung der laufenden Schönheitsreparaturen auf den Mieter, kann

der Vermieter von diesem keinen Schadensersatz wegen der infolge der Wohnnutzung eingetretenen

8 KG Berlin v. 11.10.2007 – 8 U 34/07, MietRB 2008, 203 = NZM 2008, 287; OLG München v. 18.10.2002 – 21 U 2900/02, NZM 2003, 23. 9 Vgl. OLG Düsseldorf v. 16.4.2002 – 24 U 20/01, ZMR 2003, 21 (22); LG Berlin v. 28.8.2001 – 64 S 107/01, NZM 2002, 787 m.w.N. 10 BGH v. 10.7.2002 – XII ZR 107/99, MDR 2003, 22 = NZM 2002, 913; vgl. BGH v. 27.6.2018 – XII ZR 79/17, ZMR 2018, 992; Staudinger/Emmerich, § 538 BGB Rz. 1. 11 LG Bochum v. 22.2.2019 – 10 S 26/18, ZEV 2019, 528.

612 | Dickersbach

B. Wohnraummiete | Rz. 17 § 538

Abnutzung von Tapeten, Bodenbelägen usw. verlangen, sofern diese Folge einer üblichen Wohnnutzung ist (zu Schönheitsreparaturen im Einzelnen vgl. § 535 BGB Rz. 540 ff.). Weitere Beispiele für vertragsgemäßen Gebrauch (vgl. auch § 541 BGB Rz. 85 ff.): 16 – unvermeidbarer Ölverlust eines Pkw auf einem Stellplatz12; – Rollstuhlspuren auf dem Parkett13; – normale Abnutzungsspuren an den Böden des Mietobjekts14, auch durch Pfennigabsätze, jedenfalls sofern dies den jeweiligen modischen Gepflogenheiten entspricht15; – Rohrverstopfungen durch normalen langjährigen Gebrauch (vgl. aber auch § 535 BGB Rz. 44)16; – Rauchen in der Wohnung, selbst starkes, übermäßiges Rauchen, es sei denn, hierdurch werden Verschlechterungen des Mietobjekts verursacht, die nicht mehr durch normale Schönheitsreparaturen beseitigt werden können, sondern besonderer Reparaturmaßnahmen bedürfen17. Strittig ist, ob etwas anderes gilt, wenn andere Mieter durch Rauch belästigt werden (vgl. insgesamt zu dieser Thematik auch § 535 BGB Rz. 554)18; – Anbringen von Dübeln, Haken und Schrauben im üblichen Umfang, gegebenenfalls mit Durchbohrung von Fliesen19; – Verlegen eines Teppichbodens auf einen bereits vorhandenen Bodenbelag20. Zur Abwälzung von Reinigungs- und Erneuerungspflichten auf den Mieter vgl. § 535 BGB Rz. 444, – Absandungen und Abblätterungen bei nicht imprägnierten Naturstein-Fliesen im Bad aufgrund der Verwendung von Duschgelen und Shampoos sind kein von den Mietern zu ersetzender Schaden (§§ 241, 280, 281 BGB) sondern Abnutzungen im Sinne von § 538 BGB21, – Anbringung von Plakaten politischen oder jedenfalls meinungsbildenden Charakters am Balkon22. Das Versterben des Mieters in der Mietwohnung und die hierdurch bedingten Beeinträchtigungen der 16a Wohnung als Folge dieses Versterbens (Leichengeruch etc.) stellen keine Überschreitung des Gebrauchsrechts an der Mietsache dar. Geht mit der Beeinträchtigung eine Substanzverletzung der Wohnung einher, ohne deren Beseitigung die vertragsgemäße Rückgabepflicht verletzt wird, kann ein Schadensersatzanspruch ohne Verschulden des Verstorbenen oder seiner Erben nicht geltend gemacht werden23.

II. Haftungsbeschränkung durch Versicherung Das Haftungsrisiko des Mieters oder Pächters wird in eine reine Sachversicherung des Vermieters (z.B. 17 Leitungswasser- oder Feuerversicherung) grundsätzlich nicht einbezogen. Der Mieter oder Pächter ist

12 LG Mannheim v. 28.2.1974 – 12 S 92/73, WuM 1975, 33. 13 AG Leipzig v. 13.5.2004 – 167 C 12622/03, NJW-RR 2004, 1378. 14 OGL Düsseldorf v. 8.5.2008 – I-10 U 8/08, GE 2008, 731; OLG Düsseldorf v. 16.10.2003 – I-10 U 46/03, WuM 2003, 621. 15 OLG Karlsruhe v. 26.9.1996 – 11 U 13/96, NJW-RR 1997, 139; LG Mannheim v. 8.3.1968 – 5 S 126/67, ZMR 1969, 16; a.A. LG Mannheim v. 14.6.1973 – 12 S 9/72, MDR 1974, 319. 16 AG Ravensburg v. 23.2.2005 – 9 C 1470/04, NZM 2005, 538. 17 BGH v. 28.6.2006 – VIII ZR 124/05, MDR 2007, 205 = WuM 2006, 513; OLG Düsseldorf v. 1.10.2009 – I-10 U 58/09, ZMR 2010, 356; LG Köln v. 10.1.1991 – 1 S 307/90, NJW-RR 1991, 1162; LG Berlin v. 3.3.2009 – 63 S 470/08, GE 2009, 781; AG Brandenburg v. 14.6.2019 – 31 C 249/17, zitiert nach juris; AG Esslingen v. 12.11.2004 – 1 C 254/04, ZMR 2005, 199; Paschke, NZM 2008, 265. 18 Vgl. LG Berlin v. 3.3.2009 – 63 S 470/08, GE 2009, 781. 19 BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 10/92, MDR 1993, 339 = NJW 1993, 1061; OLG Frankfurt v. 19.12.1991 – 6 U 108/90, WuM 1992, 56; LG Hamburg v. 30.11.2006 – 333 S 10/06, WuM 2007, 194; AG Rheinbach v. 7.4.2005 – 3 C 199/04, NZM 2005, 822. 20 LG Mannheim v. 16.5.1974 – 12 S 103/73, WuM 1976, 49; Staudinger/Emmerich, § 538 BGB Rz. 5. 21 AG Brandenburg v. 24.2.2017 – 31 C 179/14, zitiert nach juris. 22 AG Neukölln v. 9.1.2018 – 10 C 344/17, zitiert nach juris. 23 AG Bad Schwartau v. 5.1.2001 – 3 C 1214/99, WuM 2001, 546; Palandt/Weidenkaff, § 538 BGB Rz. 9.

Dickersbach | 613

§ 538 Rz. 17 | Abnutzung der Mietsache durch vertragsgemäßen Gebrauch weder in der Leitungswasserversicherung24 noch in der Feuerversicherung25 des Vermieters mitversichert26. 18 Eine ergänzende Vertragsauslegung ergibt aber einen konkludenten Regressverzicht des Gebäudever-

sicherers für die Fälle, in denen der Mieter einen abgedeckten Schaden (z.B. Brandschaden) durch einfache Fahrlässigkeit verursacht hat, und zwar unabhängig davon, ob der Mieter haftpflichtversichert ist oder nicht27. Besteht eine solche Haftpflichtversicherung, ist der Regressverzicht gegenüber dieser nicht subsidiär. Vielmehr kommen in dieser Konstellation die Grundsätze über die Doppelversicherung im Verhältnis des Gebäudeversicherers des Vermieters und des Haftpflichtversicherers des Mieters entsprechend zur Anwendung28. 19 Eines Rückgriffs auf eine stillschweigende Beschränkung der Mieterhaftung durch Vereinbarung mit

dem Vermieter bei ausdrücklicher Übernahme der Versicherungskosten durch den Mieter bedarf es nach der neuen BGH-Rechtsprechung nicht mehr29. Während der BGH den Regressverzicht zunächst davon abhängig gemacht hatte, dass der Mieter die Kosten der Gebäudeversicherung anteilig mitträgt30, besteht nach der neueren Rechtsprechung des BGH ein konkludenter Regressverzicht in allen Fällen, in denen der Mieter einen Brandschaden durch einfache Fahrlässigkeit verursacht hat31, und zwar unabhängig davon, ob er die Versicherungsprämie ganz, anteilig oder überhaupt nicht trägt. Schließlich liegt es auch nicht im wirtschaftlichen Interesse des Vermieters, wenn das Vermögen seines Mieters mit Regressforderungen belastet wird, weil sich diese Belastungen auf die Mietzahlungen auswirken können32. 20 Vertragswidriger Gebrauch schließt die Haftungseinschränkung grundsätzlich nicht aus33. Der Mie-

ter haftet im Falle der Haftungseinschränkung nur für das eigene grobe Verschulden, nicht über § 278 BGB für Fremdverschulden34. Ein Regressverzicht des Versicherers auch gegenüber dem Mieter des Versicherten kommt aber nur insoweit in Betracht, als für den Versicherer erkennbar ist, dass es durch den Mieter zu Schäden an den versicherten Sachen kommen kann35. 21 Diese Rechtsprechung ist auf die Hausratversicherung des Vermieters nicht übertragbar36. Sie gilt

aber auch für die Pacht und die Leihe37. 22 Der Regressverzicht des Gebäudeversicherers lässt die Schadensersatzansprüche des Vermieters unbe-

rührt. Diesem gegenüber haftet der Mieter daher grundsätzlich auch bei einfacher Fahrlässigkeit. Allerdings geht der BGH von einer Nebenpflicht des Vermieters aus dem Mietverhältnis aus, den Mieter im Falle eines bestehenden Versicherungsschutzes nicht in Anspruch zu nehmen, wenn ein Regreß des 24 BGH v. 23.1.1991 – IV ZR 284/89, MDR 1991, 604 = ZMR 1991, 168. 25 BGH v. 18.12.1991 – IV ZR 259/91, VersR 1992, 311. 26 BGH v. 13.12.1995 – VIII ZR 41/95, MDR 1996, 353 = NJW 1996, 715; OLG Hamm v. 15.4.1988 – 30 U 192/ 87, ZMR 1988, 300. 27 BGH v. 28.5.2008 – IV ZR 276/06, NZM 2008, 683; BGH v. 13.9.2006 – IV ZR 273/05, MDR 2007, 211 = NJW 2006, 3707; BGH v. 8.11.2000 – IV ZR 298/99, MDR 2001, 272 = NJW 2001, 1353; OLG Hamm v. 9.1.2002 – 20 U 58/01, NZM 2002, 503; OLG Düsseldorf v. 8.5.2008 – I-10 U 24/08, ZMR 2009, 276; vgl. ausführlich Staudinger/Emmerich, § 538 BGB Rz. 9 ff. 28 BGH v. 13.9.2006 – IV ZR 273/05, MDR 2007, 211 = NJW 2006, 3707; Staudinger/Emmerich, § 538 BGB Rz. 10. 29 So noch BGH v. 26.1.2000 – XII ZR 204/97, NZM 2000, 688; BGH v. 13.12.1995 – VIII ZR 41/95, MDR 1996, 353 = NJW 1996, 715. Vgl zum Ganzen Prölls, ZMR 2001, 157; BGH v. 19.10.1995 – IX ZR 82/94, MDR 1996, 356 = NJW 1996, 321 (323); Jendrek, NZM 2003, 697. 30 BGH v. 26.1.2000 – XII ZR 204/97, NJW-RR 2000, 1110. 31 BGH v. 8.11.2000 – IV ZR 298/99, MDR 2001, 272 = NJW 2001, 1353; BGH v. 14.2.2001 – VIII ZR 292/98, VersR 2001, 856; OLG Düsseldorf v. 16.4.2002 – 24 U 137/01, WuM 2002, 489. 32 BGH v. 8.11.2000 – IV ZR 298/99, MDR 2001, 272 = NJW 2001, 1353. 33 OLG Düsseldorf v. 20.3.1997 – 24 U 102/94, NZM 1998, 728. 34 Celle v. 19.3.1998 – 2 U 184/96, NZM 1998, 731. 35 OLG Schleswig-Holstein v. 6.2.2019 – 12 U 19/18, RuS 2019, 271. 36 BGH v. 13.9.2006 – IV ZR 26/04, MDR 2007, 214 = NJW 2006, 3714; zu den Auswirkungen einer Inanspruchnahme des Mieters durch den Vermieter s. BGH v. 3.11.2004 – VIII ZR 28/04, MDR 2005, 386 = MietRB 2005, 65 = NZM 2005, 100 m. Anm. Prölls, ZMR 2005, 241 ff. und Jendrek, BGH-Report 2005, 352. 37 BGH v. 13.9.2006 – IV ZR 116/05, MDR 2007, 213 = WuM 2006, 624.

614 | Dickersbach

B. Wohnraummiete | Rz. 24 § 538

Versicherers gegen den Mieter ausgeschlossen ist und der Vermieter nicht ausnahmsweise ein besonderes Interesse an einem Schadensausgleich durch den Mieter hat, z.B. weil eine Prämienerhöhung oder Vertragskündigung im Falle der Inanspruchnahme des Versicherers droht38. Die erschwerte Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber dem Versicherer wegen einer Obliegenheitsverletzung des Vermieters stellt aber noch kein legitimes Interesse an der Inanspruchnahme des Mieters dar39. Im Prozess kann der Mieter dem Schadensersatzanspruch die Unterlassungspflicht des Vermieters einredeweise entgegenhalten40. Der BGH hingegen nimmt eine Schadensersatzpflicht des Vermieters wegen der Verletzung einer Nebenpflicht an41. Beispiele für grobe Fahrlässigkeit: 23 – Der Mieter lässt Waschmaschine längere Zeit unbeaufsichtigt laufen42. – Unvorsichtiger Umgang mit Propangasflaschen43. – Längeres Abstellen von Heizkörpern während Frostperiode, so dass diese einfrieren44. – Schäden wegen nicht rechtzeitigem Absperren der Wasserzufuhr. – Unfachmännische Rohrreinigung, die zu einem Wasserschaden führt45. – Verlassen der Wohnung, ohne den Herd abzustellen46, wobei auch ein „Augenblicksversagen“ zu berücksichtigen sein kann47. Die Rechtsprechung zum Regressverzicht des Gebäudeversicherers bei einfacher Fahrlässigkeit des Mie- 23a ters im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung48 kann nicht auf die Haftung der Vermieters übertragen werden. Verursacht dieser leicht fahrlässig einen Brand, ist der Versicherer des Mieters (z.B. wenn eine Feuer-, Einbruch-, Diebstahl- und Leitungswasserversicherung abgeschlossen wurde) nicht an einer Geltendmachung des regulierten Schadens aus übergegangenem Recht gehindert, selbst wenn den Vermieter nur leichte Fahrlässigkeit trifft49.

III. Einschränkung des vertragsgemäßen Gebrauchs Die Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs werden im Mietvertrag durch den Vertragszweck fest- 24 gelegt (vgl. § 535 BGB Rz. 1015 ff.)50. Bei einem Wohnraummietvertrag ist nur eine Wohnraumnutzung zulässig, es sei denn, es wurde auch eine (teil-)gewerbliche Nutzung geregelt (insoweit kann auf die Ausführungen unter § 538 BGB Rz. 49 ff. verwiesen werden). Den Mieter trifft zudem die nicht leistungsbezogene Nebenpflicht im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB die ihm überlassenen Mieträume in einem dem vertragsgemäßen Gebrauch nach Maßgabe von 538 BGB entsprechenden Zustand zu halten, insbesondere die Räume aufgrund der aus der Besitzübertragung folgenden Obhutspflicht scho-

38 BGH v. 10.11.2006 – V ZR 62/06, MDR 2007, 390 = MietRB 2007, 100 = NZM 2007, 88; BGH v. 3.11.2004 – VIII ZR 28/04, MDR 2005, 386 = MietRB 2005, 65 = WuM 2005, 57; LG Frankfurt v. 30.5.2006 – 2-11 S 283/ 04, ZMR 2006, 776. 39 BGH v. 10.11.2006 – V ZR 62/06, MDR 2007, 390 = MietRB 2007, 100 = NZM 2007, 88. 40 Prölls, ZMR 2005, 241. 41 BGH v. 10.11.2006 – V ZR 62/06, MDR 2007, 390 = MietRB 2007, 100 = NZM 2007, 88; Staudinger/Emmerich, § 538 BGB Rz. 10a. 42 OLG Hamm v. 27.3.1984 – 27 U 433/83, MDR 1984, 668 = NJW 1985, 332; LG München I v. 24.2.1994 – 24 O 22468/93, ZMR 1994, 478; AG Germersheim v. 27.4.1995 – 2 C 727/94, ZMR 1996, 92. 43 OLG Hamm v. 10.3.1992 – 7 U 148/91, NJW-RR 1992, 906. 44 AG Köln v. 6.10.1976 – 152 C 185/76, WuM 1985, 258. 45 AG Gießen v. 21.6.2007 – 48-M C 141/07, NJW-RR 2008, 392. 46 OLG Düsseldorf v. 10.12.2009 – 10 U 88/09, NJW-RR 2010, 695. 47 Hierzu vgl. BGH v. 8.7.1992 – IV ZR 223/91, MDR 1992, 945 = NJW 1992, 2418; OLG Köln v. 25.10.1995 – 13 U 42/95, VersR 1996, 1491. 48 Vgl. z.B. BGH v. 2.11.2004 – VIII ZR 28/04, MDR 2005, 386 = MietRB 2005, 65 = NZM 2005, 100; BGH v. 12.12.2001 – XII ZR 153/99, NJW-RR 2002, 1243. 49 BGH v. 12.12.2012 – XII ZR 6/12, MDR 2013, 266 = MietRB 2013, 71 = zitiert nach juris. 50 Staudinger/Emmerich, § 538 BGB Rz. 2.

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§ 538 Rz. 24 | Abnutzung der Mietsache durch vertragsgemäßen Gebrauch nend und pfleglich zu behandeln sowie alles zu unterlassen, was zu einer von § 538 BGB nicht mehr gedeckten Verschlechterung führen kann51. 24a Aufgrund dieser Obhutspflicht hat ein Mieter die Mietsache schonend und pfleglich zu behandeln so-

wie alles zu unterlassen, was zu einer - von dem ihm zustehenden vertragsgemäßen Gebrauch nicht umfassten - Verschlechterung oder einem Schaden an dieser führen kann.52 Gegen diese besondere Schutzpflicht, die nicht zuletzt Konsequenz des auf den Mieter übertragenen Besitzes an der Mietsache ist, kann ein Mieter jedoch nicht nur im unmittelbaren Umgang mit dieser verstoßen, sondern auch durch einen Gebrauch, welcher schädigende Einwirkungen Dritter hervorzurufen geeignet ist. So z.B. wenn er Rauschgift in der Wohnung aufbewahrt. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung muss ein Mieter, der in seiner Wohnung Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz begeht oder seine Wohnung zur Aufbewahrung von Tatmitteln aus derartigen Straftaten nutzt oder hierfür zur Verfügung stellt, ohne weiteres damit rechnen, dass es im Zuge aufgrund dessen durchgeführter strafprozessualer Maßnahmen zu Schäden an der Wohnung kommt. Mit einem derartigen Verhalten überschreitet der Mieter den ihm aufgrund seiner Mietzahlung zustehenden vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache53. 25 Überschreitet der Mieter die Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs (handelt er rechtswidrig (vgl.

§ 541 BGB Rz. 37). Der Vermieter kann dann nach Abmahnung Unterlassung verlangen (§ 541 BGB), u.U. nach §§ 543, 569 Abs. 2 BGB fristlos kündigen54 und darüber hinaus bei Verschulden des Mieters (§§ 276, 278 BGB) wegen der nicht auf vertragsgemäßem Gebrauch beruhenden Abnutzungen Schadensersatz nach § 280 BGB55 (gegebenenfalls auch nach § 823 BGB) verlangen. Dieser Schadensersatzanspruch ist sofort fällig56, und zwar sowohl in Form der Naturalrestitution als auch in Form von Geldersatz57. 26 Erfüllungsgehilfen des Mieters, für die er gemäß § 278 BGB haftet, sind sämtliche Personen, die auf

seine Veranlassung oder mit seinem Willen die Mietsache – einschließlich der zur Mitbenutzung bestimmten Räume – benutzen oder mit ihr sonst in Beziehung kommen (Näheres § 535 BGB Rz. 968)58. Erfasst werden sowohl die Familienmitglieder als auch die Mitarbeiter des Mieters sowie beauftragte Handwerker59 und etwaige Lieferanten, aber auch der Untermieter, vgl. § 540 Abs. 2 BGB, z.B. der Lebensgefährte, selbst dann, wenn die Lebensgemeinschaft beendet ist, er aber noch in der Wohnung lebt60.

27 Keine Erfüllungsgehilfen sind hingegen ungebetene Gäste61, wie z.B. die getrennt lebende Ehefrau,

die sich unerlaubt Zugang zum Mietobjekt verschafft62. Auch durch den Vermieter beauftragte Personen sind keine Erfüllungsgehilfen des Mieters63. Formularvertraglich kann die Haftung des Mieters auch nicht auf das Verschulden solcher Personen, die keine Erfüllungsgehilfen sind, ausgedehnt werden64,

51 BGH v. 27.6.2018 – XII ZR 79/17, MietRB 2018, 263 = MDR 2018, 1050. 52 Vgl. BGH v. 7.6.1989 – VIII ZR 91/88, BGHZ 108, 1, 8; BGH v. 5.10.1994 – XII ZR 15/93, NJW-RR 1995, 123; BGH v. 6.11.2013 – VIII ZR 416/12, NJW 2014, 143. 53 BGH v. 14.12.2016 – VIII ZR 49/16, WuM 2017, 10; vgl. BGH v. 14.3.2013 – III ZR 253/12, BGHZ 197, 43. 54 OLG Frankfurt v. 9.8.2018 – 2 U 9/18, NZM 2019, 411 für die nicht genehmigte Errichtung eines Schwimmbeckens. 55 BGH v. 27.6.2018 – XII ZR 79/17, MietRB 2018, 263 = MDR 2018, 1050. 56 OLG Saarbrücken v. 3.4.1996 – 1 U 581/95-93, NJW-RR 1997, 248. 57 AG Köln v. 13.12.1990 – 210 C 352/90, WuM 1991, 679; a.A. LG Berlin v. 23.9.1994 – 63 S 178/94, ZMR 1995, 258. 58 BGH v. 21.5.2010 – V ZR 244/09, MDR 2010, 1044 = NJW 2010, 2341; OLG München v. 12.1.1989 – 29 U 2366/88, NJW-RR 1989, 1499; Erman/Lützenkirchen, § 538 BGB Rz. 2. 59 BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = NJW 1991, 1750; OLG Hamburg v. 10.4.1991 – 5 U 135/ 90, WuM 1991, 385; vgl. OLG Düsseldorf v. 18.2.1988 – 10 U 137/87, MDR 1988, 584 = ZMR 1988, 222. 60 AG München v. 8.8.2019 – 414 C 20942/18, ZMR 2020, 413. 61 OLG Hamburg v. 10.4.1991 – 5 U 135/90, WuM 1991, 385; OLG Hamburg v. 29.6.1990 – 324 O 75/90, WuM 1990, 416. 62 AG Frankfurt v. 24.9.1987 – 33 C 1885/87-29, WuM 1988, 12. 63 Vgl. KG v. 26.4.1976 – 8 U 1871/74, ZMR 1976, 204. 64 BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = NJW 1991, 1750; OLG Celle v. 29.12.1989 – 2 U 200/88, WuM 1990, 103.

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B. Wohnraummiete | Rz. 33 § 538

auch nicht auf Schäden, welche von Erfüllungsgehilfen lediglich anlässlich ihrer Tätigkeit verursacht wurden65. Inhaltlich richtet sich der Schadensersatzanspruch des Vermieters nach den §§ 249 ff. BGB. Er kann 28 daher auch die Kosten der Beweissicherung, z.B. die Kosten eines Privatgutachtens66, und die Erstattung des entgangenen Gewinns geltend machen, § 252 BGB.

IV. Darlegungs- und Beweislast 1. Umkehr der Beweislast Zur Darlegungs- und Beweislast ist von dem Grundsatz auszugehen, dass der Anspruchsteller die Vo- 29 raussetzungen des von ihm geltend gemachten Anspruchs darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat. Allerdings findet sowohl nach § 538 BGB als auch nach den Regeln über die pVV bzw. § 280 BGB unter 30 bestimmten Voraussetzungen nicht nur hinsichtlich des Verschuldens, sondern auch bezüglich der objektiven Pflichtverletzung eine Umkehr der Beweislast statt67. Dazu ist erforderlich, dass der Schaden im Obhutsbereich des Nutzungsberechtigten durch Mietgebrauch entstanden ist. Kommt nur eine – wenn auch gegebenenfalls unbekannte – Schadensursache aus der Sphäre des Mieters in Betracht, entfällt die Nachweispflicht des Vermieters von vornherein. Der Mieter muss sich entlasten68. Lässt sich dagegen nicht ausschließen, dass der Schadenseintritt vom Mieter in keiner Weise veranlasst 31 oder beeinflusst worden ist, bleibt es bei der Beweislast des Vermieters69. Der Vermieter muss danach insbesondere nachweisen, dass die Schadensursache nicht aus seinem Verantwortungsbereich und auch nicht aus dem Verhalten eines Dritten (z.B. einem anderen Mieter) herrührt. Steht fest, dass die Schaden stiftende Handlung in dem durch den Mietgebrauch begrenzten Bereich stattgefunden hat, ist eine Beweislastverteilung zum Nachteil des Mieters gerechtfertigt70. Dazu muss der Vermieter ausräumen, dass eine in seinem Risiko- und Verantwortungsbereich liegende Schadensursache in Betracht kommt71. Dies bedarf regelmäßig einer sorgfältigen Analyse, die nicht nur alle in Betracht kommenden Schadensursachen erfasst, sondern z.B. auch das Schadensbild. Sind sämtliche Ursachen, die in den Obhuts- und Verantwortungsbereich des Vermieters fallen, aus- 32 geräumt, trägt der Mieter die Beweislast dafür, dass er den Schaden nicht zu vertreten hat72 bzw. dessen Ursache nicht in seinem Gefahrenbereich liegt73. Zu weit geht jedoch die Auffassung, dass der Mieter zu seiner Entlastung nachweisen müsse, dass die Schadensursache dem Verantwortungsbereich des Vermieters zuzuordnen ist74. Eine von der zuvor dargestellten Beweisregel abweichende Formularklausel, wonach die Mieter für die 33 Verstopfung von Abflussleitungen haften, deren Ursache nicht festgestellt werden kann, ist bei einem

65 66 67 68 69 70 71 72

73 74

BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = NJW 1991, 1750. AG Ratingen v. 3.6.1994 – 8 C 256/94, ZMR 1994, 519. Erman/Lützenkirchen, § 538 BGB Rz. 4. BGH v. 13.12.1990 – III ZR 336/89, NJW-RR 1991, 575; OLG Hamm v. 15.4.1988 – 30 U 192/87, ZMR 1988, 300. OLG Hamm v. 15.4.1988 – 30 U 192/87, ZMR 1988, 300; OLG Karlsruhe v. 9.8.1984 – 3 REMiet 6/84, NJW 1985, 142; z.B. Spannungsriss in Glasscheibe: AG Münster v. 16.1.2008 – 48 C 881/07, WuM 2010, 415. OLG München v. 12.1.1989 – 29 U 2366/88, NJW-RR 1989, 1499 (1501). BGH v. 18.5.1994 – XII ZR 188/92, MDR 1994, 911 = WuM 1994, 466. BGH v. 3.11.2004 – VIII ZR 28/04, MDR 2005, 386 = MietRB 2005, 65 = ZMR 2005, 116; BGH v. 10.11.2004 – XII ZR 71/01, MDR 2005, 325 = MietRB 2005, 95 = ZMR 2005, 120; vgl. zur Unterbrechung der Stromzufuhr BGH v. 15.12.2010 – VIII ZR 113/10, MDR 2011, 216 = MietRB 2011, 102 = WuM 2011, 97 = GE 2011, 261 = NZM 2011, 198 = ZMR 2011, 371. BGH v. 26.11.1997 – XII ZR 28/96, MDR 1998, 207 = NZM 1998, 117; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 538 BGB Rz. 4. LG Hildesheim v. 19.11.2004 – 7 S 220/04, WuM 2005, 717.

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§ 538 Rz. 33 | Abnutzung der Mietsache durch vertragsgemäßen Gebrauch Wohnraummietverhältnis wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 12 BGB unwirksam75. Dem Mieter kann auch nicht die Beweislast für Räume oder Einrichtungsgegenstände, die Dritten zugänglich sind, wie z.B. Briefkästen, formularvertraglich auferlegt werden76. Im Bereich der Gewerberaummiete dürfte zumindest eine generelle Beweislastumkehr unzulässig sein77. 2. Übergabeprotokoll a) Bei Vertragsbeginn 34 Eine Umkehr der Beweislast erfolgt nur dann, wenn feststeht, dass der Schaden aus der Verantwortungs-

sphäre des Mieters herrührt. Ist dies nicht offensichtlich, muss der Vermieter im Streitfall zumindest nachweisen, dass der – von ihm ebenfalls zu beweisende – Schaden bei Vertragsbeginn bzw. Übergabe des Mietobjekts noch nicht existent war78. Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich die Anfertigung eines Übergabeprotokolls. 35 Werden in dem Übergabeprotokoll keine Schäden aufgeführt, obliegt dem Mieter wegen der für das

Protokoll sprechenden Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der abgegebenen Erklärungen die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Beschädigung bereits zu Vertragsbeginn79. Hierzu gehört auch eine nachvollziehbare Erläuterung, aus welchem Grunde die Beschädigung nicht bereits im Übergabeprotokoll vermerkt wurde. 36 Nach einer weit verbreiteten Auffassung soll die Vermutungswirkung eines Übergabeprotokolls betref-

fend die Übergabe an den Mieter zugunsten des Vermieters aber nur dann greifen, wenn dieses ähnlich spezifiziert und strukturiert ist wie ein Abnahmeprotokoll. Vermerke wie „keine Mängel“ alleine würden nicht genügen80. 36a Dem ist nicht zu folgen. Im Ergebnis ist nicht auf die Aufmachung oder Strukturierung eines Übergabe-

protokolls, sondern den Inhalt der abgegebenen Erklärungen abzustellen. Bekundet der Mieter, dass keine Schäden vorliegen, ist unerheblich, ob dies auf einem „Bierdeckel“ oder in Form eines mehrseitigen Übergabeprotokolls erfolgt. Der Mieter hat bei Übergabe die Möglichkeit, das Mietobjekt gründlich zu überprüfen und Beanstandungen festzuhalten. Überdies ist er grundsätzlich nicht verpflichtet, ein Übergabeprotokoll zu unterzeichnen. Bestätigt er aber, dass keine Schäden vorhanden sind, muss er die von ihm selbst gesetzte Vermutung erschüttern. Darüber hinaus besteht keine Veranlassung, ein Übergabeprotokoll zu Vertragsbeginn rechtlich anders zu behandeln als ein Übergabeprotokoll bei Vertragsende (vgl. hierzu § 538 BGB Rz. 38 f.). 37 Allgemeine Geschäftsbedingungen, in denen der Mieter den ordnungsgemäßen Zustand bei Vertrags-

beginn bestätigt, sind hingegen wegen § 309 Nr. 12b BGB unwirksam81. Dies gilt auch für Regelungen, nach denen der Mieter Mängel innerhalb einer bestimmten Frist rügen muss, da er das Mietobjekt andernfalls als vertragsgerecht anerkennt82. b) Bei Vertragsende 38 Die Wirkung eines Übergabeprotokolls bei Mietvertragsende ist umstritten. Nach einer älteren Ent-

scheidung des BGH hat ein Übergabeprotokoll den Sinn und Zweck, den Zustand des Mietobjekts beweissicher festzuhalten83. Hiernach käme dem Übergabeprotokoll die Wirkung eines negativen Schuld75 OLG Hamm v. 19.5.1982 – 4 REMiet 10/81, MDR 1982, 852 = NJW 1982, 2005; OLG Karlsruhe v. 9.8.1984 – 3 REMiet 6/84, NJW 1985, 142. 76 LG Berlin v. 7.7.2000 – 64 S 74/00, GE 2000, 1257. 77 Staudinger/Emmerich, § 538 BGB Rz. 16. 78 OLG Stuttgart v. 22.9.1986 – 2 U 297/85, WuM 1987, 250; LG Baden-Baden v. 12.6.2007 – 5 S 19/06, MDR 2007, 1014. 79 OLG Düsseldorf v. 27.3.2003 – 10 U 64/02, MietRB 2004, 9 = NJW-RR 2004, 300. 80 Schmidt-Futterer/Langenberg, § 538 BGB Rz. 408. 81 OLG Düsseldorf v. 16.10.2003 – I-10 U 46/03, WuM 2003, 621. 82 BGH v. 10.10.1991 – III ZR 141/90, MDR 1992, 229 = NJW 1992, 575; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 538 BGB Rz. 409. 83 BGH v. 10.11.1982 – VIII ZR 252/81, MDR 1983, 394 = NJW 1983, 446.

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B. Wohnraummiete | Rz. 43 § 538

anerkenntnisses gemäß § 397 Abs. 2 BGB zu, nach dem Vermieter gehindert wäre, den vertragsgerechten Zustand zu bestreiten84. Der Vermieter könnte keine Schadensersatzansprüche wegen nicht aufgeführter Schäden geltend machen. Nach der Gegenmeinung kommt auch dem Übergabeprotokoll bei Vertragsende lediglich die Funktion eines widerlegbaren Beweisanzeichens zu85. Zunächst einmal stellt ein Übergabeprotokoll die Beschreibung des Ist-Zustandes zu einem bestimmten 39 Zeitpunkt dar86. Welcher weitergehende Erklärungswert dem Protokoll beizumessen ist, kann nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall beurteilt werden. Ohne besondere Anhaltspunkte für eine abschließende Bindung der Parteien an das Übergabeprotokoll kann diesem – ebenso wie einem Protokoll bei Vertragsbeginn – nur eine Vermutungswirkung beigemessen werden. Nur dann, wenn deutlich wird, dass die Parteien mit dem Protokoll eine weitergehende Bindung eingehen wollten, kann ausnahmsweise ein negatives Schuldanerkenntnis angenommen werden87. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn ausdrücklich bestimmt wird, dass keine weiteren Mängel vorhanden sind, oder aufgenommen wird, dass die aufgeführten Mängel von dem Mieter zu beseitigen sind. Aus dieser Formulierung ergibt sich, dass weitere Arbeiten von dem Mieter nicht durchgeführt werden sollen. 3. Konkurrierende Ansprüche Die Regelung des § 538 BGB ist nur für mietvertragliche, nicht jedoch für damit konkurrierende delik- 40 tische Ansprüche maßgebend88. Zur Beweislast bei Schadensersatzansprüchen wegen bodenbelasteter Mietgrundstücke89. 4. Einzelfälle a) Brandschaden Die vorstehend beschriebene Beweislastverteilung gilt auch im Falle eines Brandes im Mietobjekt, ins- 41 besondere auch bei dem Rückgriff des Feuerversicherers des als Vermieter fungierenden Eigentümers90, z.B. bei einem von einem Fernsehgerät ausgehenden Brand (vgl. insoweit auch § 538 BGB Rz. 18)91. Die Darlegungs- und Beweislast für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit des Mieters obliegt dem Gebäude- 42 versicherer, falls er den Mieter gemäß § 67 VVG aus vom Vermieter abgeleitetem Recht auf Ersatz der durch den Brand verursachten Schäden in Anspruch nimmt92, es sei denn, es steht fest, dass die Schadensursache aus dem Verantwortungsbereich des Mieters stammt. Dann greift auch insoweit eine Beweislastumkehr. 43 Beispiele für Beweislastumkehr: – Wohnungsbrand mit unklarer Ursache, der Brand ist aber in einem Raum entstanden, in dem ein Kleinkind unbeaufsichtigt gespielt hat93.

84 So OLG Celle v. 16.7.1997 – 2 U 70/96, MDR 1998, 149 (für einen Leasingvertrag); KG v. 13.2.2003 – 8 U 371/ 01, GE 2003, 524 (525); LG Hamburg v. 15.10.1998 – 327 S 79/98, ZMR 1999, 405 (406); AG Wesel v. 4.11.1986 – 4 C 544/86, WuM 1987, 84; AG Münster v. 9.1.1990 – 4 C 720/89, WuM 1990, 201; Blank, PiG 52, 27, 43. 85 So OLG Düsseldorf v. 27.3.2003 – I-10 U 64/02, GE 2003, 1080; Emmerich, NZM 2000, 1155 (1162); Sternel, PiG 35, 111. 86 Vgl. LG Potsdam v. 26.2.1009 – 11 S 127/08, ZMR 2009, 761. 87 Vgl. AG Hamburg v. 20.2.2006 – 644 C 111/05, zitiert nach juris. 88 BGH v. 16.3.1988 – VIII ZR 184/87, MDR 1988, 668 = NJW 1988, 1778 (1781); Erman/Lützenkirchen, § 538 BGB Rz. 5. 89 BGH v. 27.4.1994 – XII ZR 16/93, MDR 1994, 684 = NJW 1994, 1880. 90 OLG Köln v. 22.6.1988 – 13 U 24/88, MDR 1989, 543 = NJW-RR 1989, 597; OLG Hamm v. 15.4.1988 – 30 U 192/87, ZMR 1988, 300. 91 Erman/Lützenkirchen, § 538 BGB Rz. 6. 92 BGH v. 8.11.2000 – IV ZR 298/99, MDR 2001, 272 = NJW 2001, 1353; OLG Hamm v. 11.2.1998 – 30 U 167/ 97, NZM 1998, 682; Erman/Lützenkirchen, § 538 BGB Rz. 6. 93 LG Mannheim v. 8.3.1995 – 4 S 170/94, DWW 1995, 286.

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§ 538 Rz. 43 | Abnutzung der Mietsache durch vertragsgemäßen Gebrauch – Brandherd liegt im Gastraum eines Restaurants und der Brand ist im nahen zeitlichen Zusammenhang mit dem Verlassen des Raums von Personal und Gästen entstanden94. b) Rohrverstopfung 44 Bei einer Verstopfung der WC-Abwasserleitung steht zunächst fest, dass diese durch den Mieter ver-

ursacht wurde, denn ohne die Toilettenbenutzung wäre es nicht zur Rohrverstopfung gekommen. Einzustehen hat der Mieter aber für den Mangel nur, wenn er ihn zu vertreten hätte. Was der Mieter zu vertreten hat, bestimmt sich nach § 538 BGB. Danach haben die Beklagten als Mieter nur für diejenigen Mängel einzustehen, die nicht durch vertragsgemäßen Gebrauch hervorgerufen worden sind. Dabei obliegt dem Vermieter im Rahmen des § 538 BGB jedenfalls bei solchen Mängeln, die sowohl durch vertragsgemäßen Gebrauch als auch auf Mängeln der Mietsubstanz beruhen können, die Beweislast dafür, dass der konkret aufgetretene Mangel nicht in seiner Sphäre liegt95. Kann er diese Möglichkeit nicht ausräumen, kommt eine Umkehr der Beweislast nicht in Betracht96. 45 Bei einer Rohrverstopfung muss zunächst der Vermieter darlegen und beweisen, dass die Schadensursa-

che nicht in seinem Risiko- und Verantwortungsbereich liegt, also die Rohrverstopfung nicht auf Mängeln oder Schwachstellen der Bausubstanz beruht. Kann dies nach einer – gegebenenfalls sachverständigen – Überprüfung nicht ausgeschlossen werden, weil z.B. eine Rohrverkrümmung im Rohrsystem als mögliche Schadensursache festgestellt wird, geht dies zu Lasten des Vermieters97. c) Gasetagenheizung 46 Kommt als Ursache für den Defekt an einer Gasetagenheizung sowohl ein altersbedingter technischer

Verschleiß als auch ein unsachgemäßer Gebrauch durch den Mieter in Betracht, muss zunächst der Vermieter darlegen und beweisen, dass ein technischer Verschleiß als Schadensursache ausscheidet. Nur dann findet eine Beweislastumkehr zu Lasten des Mieters statt, so dass sich dieser nunmehr hinsichtlich der Schadensverursachung entlasten muss. d) Frostschaden 47 Zu den Obhutspflichten des Mieters zählen auch Vorsichtsmaßnahmen gegen Schäden an der Hei-

zungsanlage durch Frost. Sind Mieter länger abwesend, müssen sie entweder den Vermieter informieren oder für eine ausreichende Kontrolle der Wohnung Sorge tragen98, wobei für den notwendigen Umfang der Sicherungsmaßnahmen auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen ist99. Allein der Umstand, dass es während der Ortsabwesenheit in der Wohnung des Mieters zu einem Frostschaden gekommen ist, genügt aber noch nicht für eine Beweislastumkehr, so dass sich der Mieter nun seinerseits entlasten muss. Es muss zumindest feststehen, dass der Frostschaden seinen Ursprung in der Wohnung des Mieters hat. Kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Heizung zunächst außerhalb der Mietwohnung, z.B. in einer anderen Wohnung, eingefroren ist oder aufgrund eines technischen Defekts nicht mehr funktionierte, verbleibt es dabei, dass der Vermieter die anspruchsbegründenden Tatsachen darlegen und beweisen muss. Gelingt ihm dies nicht, geht dies zu seinen Lasten100. e) Feuchtigkeit und Schimmel 48 Insoweit kann auf die Ausführungen zu § 536 BGB Rz. 116 ff. verwiesen werden.

94 OLG Hamm v. 4.10.1996 – 30 U 60/96, ZMR 1997, 21. 95 LG Düsseldorf v. 8.10.1991 – 24 S 82/91, WuM 1992, 187. 96 OLG Karlsruhe v. 9.8.1984 – 3 REMiet 6/84, ZMR 1984, 418; LG Kiel v. 30.1.1985 – 1 S 76/84, DWW 1986, 118. 97 LG Kiel v. 9.8.1990 – 1 S 136/89, NJW-RR 1991, 400. 98 BGH v. 20.10.1971 – VIII ZR 164/70, NJW 1972, 34. 99 BGH v. 9.10.1968 – VIII ZR 173/66, NJW 1969, 41. 100 OLG Hamm v. 9.6.1995 – 12 U 9/95, WuM 1996, 470.

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C. Gewerberaummiete | Rz. 54 § 538

C. Gewerberaummiete I. Zulässige Nutzung Auch im Rahmen eines Gewerberaummietverhältnisses hängt die zulässige Nutzung des Mietobjektes 49 von den vertraglichen Vereinbarungen ab. Diese sind insoweit – in Hinblick auf die Vielzahl denkbarer unternehmerischer Tätigkeiten – von besonderer Bedeutung. Bei der Gewerberaummiete engt die vertragliche Festlegung des Nutzungszwecks aber zunächst die un- 50 ternehmerische Tätigkeit des Mieters ein. So wird z.B. durch die Erlaubnis zur Weitervermietung für ein Technologiezentrum der Betrieb eines Call-Centers nicht gedeckt101. Von dem Nutzungszweck „Grillstube (Gaststätte)“ ist zwar der Betrieb einer Pizzeria gedeckt, nicht aber der eines Pizza-Taxi-Betriebes102.

II. Einräumung des vertragsgemäßen Gebrauchs Im Hinblick auf die Überlassungspflicht (= Kardinalpflicht) kann der Vermieter grundsätzlich das Ri- 51 siko, ob die vertraglich vereinbarte Nutzung in den Räumen überhaupt stattfinden kann und darf, nicht auf den Mieter abwälzen. Deshalb ist die formularmäßige Freizeichnungsklausel, wonach der Vermieter keine Gewähr dafür leistet, dass die Geschäftsräume den behördlichen Vorschriften entsprechen und/ oder der Mieter behördliche Auflagen auf seine Kosten zu erfüllen hat, unwirksam, weil sie auch den baulichen Zustand der Räume erfasst103. Eine Beschränkung ist nur zulässig, soweit sie in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mie- 51a ters ihre Ursache haben104. Deshalb verstößt – jedenfalls gegenüber einem Nichtkaufmann – die Verwendung der Klausel „der Mieter übernimmt die Mieträume in dem vorhandenen und ihm bekannten Zustand nach eingehender Besichtigung (…) als vertragsgemäß, insbesondere als in jeder Hinsicht bezugsfertig und unbeschädigt mit folgenden Ausnahmen (…)“ gegen § 309 Nr. 13b BGB105. Mit der Vertragsunterzeichnung übernimmt der Vermieter auch die Haftung dafür, dass die Nutzung 52 tatsächlich stattfinden kann. Umso mehr ist – auch vom Vermieter – darauf zu achten, dass der im Vertrag über Gewerberäume formulierte Vertragszweck tatsächlich auch genehmigungsfähig ist, weil der Mieter sonst nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB außerordentlich fristlos kündigen und gegebenenfalls Schadensersatz verlangen kann (vgl. § 543 BGB Rz. 130). Allein mit der Festlegung des vertragsgemäßen Gebrauchs ist dem Vermieter aber nicht unbedingt 53 gedient. Vielmehr kann es auch sinnvoll sein, die Grenzen der Nutzung für den Mieter aufzuzeigen. Denn wird allein der Betriebszweck festgelegt, gelten nach der Verkehrsanschauung die für das jeweilige Gewerbe geltenden Umweltrichtlinien oder sonstigen Standards106, so dass der Vermieter keine Ansprüche wegen Beschädigung der Mietsache herleiten kann, wenn diese Anforderungen eingehalten und im Übrigen nichts Besonderes geregelt ist. Deshalb können bei einem Tankstellengrundstück Kontaminationen, die durch ordnungsgemäßes Be- 54 tanken von Fahrzeugen entstehen, vom vertragsgemäßen Gebrauch gedeckt sein, wenn der Betrieb die geltenden Richtlinien einhält107. Das Gleiche gilt, wenn in einem Mietvertrag über eine Tankstelle bzw. Kfz-Werkstatt nebst Verkaufsbüro eine Instandhaltung nach den gesetzlichen Vorschriften vorgesehen ist. Dann besteht im Fall einer Kontamination von Grund und Boden aufgrund Überlaufens eines Koa-

101 OLG Düsseldorf v. 5.9.2002 – I-24 U 207/01, WuM 2003, 136 = ZMR 2003, 349. 102 OLG Düsseldorf v. 29.5.2006 – 24 U 179/05, DWW 2007, 117. 103 OLG Düsseldorf v. 16.4.2002 – 24 U 20/01, ZMR 2003, 21 (22); LG Berlin v. 28.8.2001 – 64 S 107/01, NZM 2002, 787 m.w.N. 104 BGH v. 2.3.1994 – XII ZR 175/92, ZMR 1994, 253. 105 OLG Düsseldorf v. 16.10.2003 – I-10 U 46/03, WuM 2003, 621. 106 BGH v. 10.7.2002 – XII ZR 107/99, MDR 2003, 22 = ZMR 2002, 901. 107 BGH v. 28.7.2004 – XII ZR 163/03, MDR 2005, 25 = MietRB 2005, 6 = GuT 2004, 233; BGH v. 10.7.2002 – XII ZR 107/99, MDR 2003, 22 = ZMR 2002, 901.

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§ 538 Rz. 54 | Abnutzung der Mietsache durch vertragsgemäßen Gebrauch leszenzabscheiders nebst anschließender Sanierung kein Ausgleichsanspruch des Vermieters gegen den Mieter108.

III. Einschränkung des vertragsgemäßen Gebrauchs 55 Die Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs werden im Mietvertrag durch den Vertragszweck fest-

gelegt (vgl. § 535 BGB Rz. 1015), z.B. darf als Büro vermieteter Raum nicht als Ladenlokal genutzt, ein nur zur Eigennutzung überlassener Raum nicht untervermietet werden109. Aber auch die Folgen des vertragsgemäßen Gebrauchs sind von § 538 BGB erfasst. 56 Überschreitet der Mieter die Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs, handelt er rechtswidrig und der

Vermieter von Gewerberäumen kann dann die gleichen Ansprüche geltend machen, wie der Vermieter von Wohnraum (vgl. § 538 BGB Rz. 25).

§ 539 Ersatz sonstiger Aufwendungen und Wegnahmerecht des Mieters (1) Der Mieter kann vom Vermieter Aufwendungen auf die Mietsache, die der Vermieter ihm nicht nach § 536a Abs. 2 zu ersetzen hat, nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ersetzt verlangen. (2) Der Mieter ist berechtigt, eine Einrichtung wegzunehmen, mit der er die Mietsache versehen hat. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . 2. Anwendbare Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . III. Abweichende Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . B. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Aufwendungsersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mängelbeseitigung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsgrundverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fremdgeschäftsführungswillen . . . . . . . b) Interesse des Vermieters . . . . . . . . . . . . . c) Wille des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zustimmung/Genehmigung . . . . . . . . . 4. Anspruchsgegner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Höhe des Aufwendungsersatzanspruchs . . . 6. Ausschluss des Aufwendungsersatzanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Verwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 1 3 3 4 6 8 11 11 15 15 18 23 24 29 33 37 40 41 45 51 53

9. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Sonstige Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bereicherungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . b) Ausschluss des Bereicherungsanspruchs c) Bereicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Vorzeitige Vertragsbeendigung . . . . . . . . . . . a) Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bereicherungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . II. Wegnahmerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Duldungspflicht des Vermieters . . . . . . . . . . . a) Inhalt der Duldungspflicht . . . . . . . . . . . b) Verletzung der Duldungspflicht . . . . . . . c) Wegfall der Duldungspflicht . . . . . . . . . . 4. Ausübung des Wegnahmerechts . . . . . . . . . . 5. Übertragung des Wegnahmerechts . . . . . . . . 6. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Ausgleichsanspruch des Mieters . . . . . . . . . . C. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54 55 55 59 60 64 65 67 73 80 80 84 89 89 93 95 97 101 102 106 107 108

108 BGH v. 14.7.2004 – XII ZR 352/00, MietRB 2005, 5 = MDR 2005, 26; BGH v. 28.7.2004 – XII ZR 163/03, MDR 2005, 25 = MietRB 2005, 6. 109 Erman/Lützenkirchen, § 538 BGB Rz. 2.

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§ 538 Rz. 54 | Abnutzung der Mietsache durch vertragsgemäßen Gebrauch leszenzabscheiders nebst anschließender Sanierung kein Ausgleichsanspruch des Vermieters gegen den Mieter108.

III. Einschränkung des vertragsgemäßen Gebrauchs 55 Die Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs werden im Mietvertrag durch den Vertragszweck fest-

gelegt (vgl. § 535 BGB Rz. 1015), z.B. darf als Büro vermieteter Raum nicht als Ladenlokal genutzt, ein nur zur Eigennutzung überlassener Raum nicht untervermietet werden109. Aber auch die Folgen des vertragsgemäßen Gebrauchs sind von § 538 BGB erfasst. 56 Überschreitet der Mieter die Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs, handelt er rechtswidrig und der

Vermieter von Gewerberäumen kann dann die gleichen Ansprüche geltend machen, wie der Vermieter von Wohnraum (vgl. § 538 BGB Rz. 25).

§ 539 Ersatz sonstiger Aufwendungen und Wegnahmerecht des Mieters (1) Der Mieter kann vom Vermieter Aufwendungen auf die Mietsache, die der Vermieter ihm nicht nach § 536a Abs. 2 zu ersetzen hat, nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ersetzt verlangen. (2) Der Mieter ist berechtigt, eine Einrichtung wegzunehmen, mit der er die Mietsache versehen hat. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . 2. Anwendbare Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . III. Abweichende Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . B. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Aufwendungsersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mängelbeseitigung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsgrundverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fremdgeschäftsführungswillen . . . . . . . b) Interesse des Vermieters . . . . . . . . . . . . . c) Wille des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zustimmung/Genehmigung . . . . . . . . . 4. Anspruchsgegner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Höhe des Aufwendungsersatzanspruchs . . . 6. Ausschluss des Aufwendungsersatzanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Verwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 1 3 3 4 6 8 11 11 15 15 18 23 24 29 33 37 40 41 45 51 53

9. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Sonstige Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bereicherungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . b) Ausschluss des Bereicherungsanspruchs c) Bereicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Vorzeitige Vertragsbeendigung . . . . . . . . . . . a) Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bereicherungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . II. Wegnahmerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Duldungspflicht des Vermieters . . . . . . . . . . . a) Inhalt der Duldungspflicht . . . . . . . . . . . b) Verletzung der Duldungspflicht . . . . . . . c) Wegfall der Duldungspflicht . . . . . . . . . . 4. Ausübung des Wegnahmerechts . . . . . . . . . . 5. Übertragung des Wegnahmerechts . . . . . . . . 6. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Ausgleichsanspruch des Mieters . . . . . . . . . . C. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54 55 55 59 60 64 65 67 73 80 80 84 89 89 93 95 97 101 102 106 107 108

108 BGH v. 14.7.2004 – XII ZR 352/00, MietRB 2005, 5 = MDR 2005, 26; BGH v. 28.7.2004 – XII ZR 163/03, MDR 2005, 25 = MietRB 2005, 6. 109 Erman/Lützenkirchen, § 538 BGB Rz. 2.

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A. Allgemeines | Rz. 7 § 539

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt § 539 Abs. 1 BGB bestimmt, dass der Mieter unter den Voraussetzungen der Geschäftsführung ohne 1 Auftrag von dem Vermieter Ersatz für die auf die Mietsache getätigten Aufwendungen verlangen kann. § 539 Abs. 2 BGB begründet hingegen das Wegnahmerecht des Mieters hinsichtlich Einrichtungen, mit 2 denen der Mieter die Mietsache versehen hat.

II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich Die Vorschrift, für die in Bezug auf die „Mietrechtsreform 2001“ zum 1.9.2001 keine besondere Über- 3 gangsregelung besteht, gilt für alle Mietverhältnisse, auch für die des § 549 Abs. 2 und 3 BGB. Bei der Pacht sind §§ 582, 582a BGB, bei der Landpacht die §§ 590b, 591, 591a BGB zu beachten1. 2. Anwendbare Rechtsprechung Die Vorschrift hat mit Wirkung zum 1.9.2001 die früheren Regelungen der §§ 547 Abs. 2 und 547a Abs. 1 4 BGB a.F. in der jeweils bis dahin geltenden Fassung zusammengefasst. Im Interesse einer einheitlichen Terminologie innerhalb des Mietrechts wurde der bis dahin von § 547 Abs. 2 BGB a.F. verwendete Begriff der „Verwendungen“ durch „Aufwendungen“ ersetzt, ohne dass hiermit eine inhaltliche Änderung verbunden war2, so dass die vor dem 1.9.2001 ergangene Rechtsprechung nach wie vor Gültigkeit hat. Auch der „alte“ § 547a Abs. 1 BGB wurde zum 1.9.2001 durch § 539 Abs. 2 BGB inhaltlich unverändert 5 übernommen, so dass auch insoweit auf die frühere Rechtsprechung verwiesen werden kann. Allerdings entfiel die bis dahin in § 547a Abs. 1 S. 2 BGB enthaltene Regelung über die Fütterungskosten eines Tieres, da diese Regelung in der Praxis keine Rolle (mehr) spielt3.

III. Abweichende Vereinbarungen Die Vorschrift ist grundsätzlich abdingbar4. Im Bereich der Wohnraummiete ist in Bezug auf § 539 6 Abs. 2 BGB aber die Einschränkung in § 552 Abs. 2 BGB zu beachten. In der Gewerberaummiete kann der Ausschluss auch Bereicherungsansprüche erfassen5 oder den Aufwendungsersatzanspruch durch einen Bereicherungsanspruch ersetzen6. Häufig enthalten Mietverträge bereits Regelungen über das rechtliche Schicksal von Aufwendungen 7 und Einrichtungen, so dass diese grundsätzlich den Regelungen des § 539 BGB vorgehen. Von besonderem Interesse ist es insoweit, wenn der Mieter nach dem Mietvertrag aufgrund einer entsprechenden Verpflichtung tätig wurde (vgl. § 539 BGB Rz. 47) oder der Rückbau vereinbart ist (vgl. auch § 546 BGB Rz. 75 ff.)7.

1 2 3 4

Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 6. Gesetzentwurf zur Mietrechtsreform, BT-Drucks. 14/4553, S. 42. Gesetzentwurf zur Mietrechtsreform, BT-Drucks. 14/4553, S. 42. BGH v. 13.10.1959 – VIII ZR 193/58, NJW 1959, 2163; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 5; Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 2. 5 OLG Karlsruhe v. 31.10.1985 – 15 U 129/84, NJW-RR 1986, 1394. 6 LG Braunschweig v. 11.3.2008 – 6 O 1105/07 (077), ZMR 2008, 453. 7 Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 16.

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§ 539 Rz. 8 | Ersatz sonstiger Aufwendungen und Wegnahmerecht des Mieters

B. Wohnraummiete 8 Während § 539 Abs. 1 BGB den Ersatzanspruch bei Aufwendungen (zum Begriff vgl. zunächst § 539

BGB Rz. 15) regelt, normiert § 539 Abs. 2 BGB ein Wegnahmerecht des Mieters hinsichtlich eingebrachter Einrichtungen (zum Begriff vgl. zunächst § 539 BGB Rz. 84). Die Differenzierung darüber, ob eine Aufwendung oder eine Einrichtung vorliegt, ist daher wegweisend für die dem Mieter zustehenden Rechte. 9 Die notwendige Abgrenzung zwischen dem Begriff der Aufwendung und dem Begriff der Einrichtung

kann im Einzelfall Schwierigkeiten bereiten und z.T. allein anhand der konkreten Maßnahme teilweise nicht getroffen werden. So kann es sich bei einer Einbauküche der reinen Begrifflichkeit nach sowohl um eine Aufwendung als auch um eine Einrichtung handeln. In diesem Fall kann nach der diesseits vertretenen Auffassung auf die Rechtsprechung des BGH8 zur Zubehöreigenschaft gemäß § 97 BGB – die z.B. für die Frage des Eigentumserwerbs im Rahmen der Zwangsversteigerung von Bedeutung ist (§§ 90, 55 ZVG) – zurückgegriffen werden. 10 Maßgeblich ist insoweit zunächst die allgemeine Verkehrsanschauung, welche regional allerdings ver-

schieden sein kann. Geht es danach bei dem Gegenstand um eine dauerhaft eingebrachte Sache, handelt es sich um eine Aufwendung. Kann eine allgemeine Verkehrsanschauung nicht festgestellt werden, ist maßgeblich, ob nach der Zweckbestimmung des Mieters nur eine vorübergehende Benutzung der Sache, z.B. Einbauküche, für die Wohnung begründet werden sollte. Es handelt sich dann um eine Einrichtung. Anders ist dies, wenn es sich um eine eingemauerte Einbauküche handelt, welche gesondert angepasst wurde, so dass eine Verwendung in anderen Räumlichkeiten ausscheidet9. Für die Voraussetzungen des jeweils in Anspruch genommenen Rechts ist der Mieter darlegungs- und beweispflichtig.

I. Aufwendungsersatz 1. Grundsätzliches 11 § 539 Abs. 1 BGB greift nur im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter, also auch zwischen Un-

termieter und Mieter, nicht aber zwischen Hauptvermieter und Untermieter ein10. Diese können eine entsprechende Anwendung aber vereinbaren11. 12 Ob Aufwendungen eines Miteigentümers, der zugleich Mieter ist, nach den §§ 744 Abs. 2, 748 BGB

oder § 539 BGB zu behandeln sind, bestimmt sich danach, auf welchem Rechtsverhältnis die Aufwendungen beruhen12. Anhaltspunkt für die Abgrenzung von Ansprüchen des Mieters und Grundstücksmiteigentümers gegen seine Teilhaber aus dem Gemeinschaftsverhältnis einerseits und aus den mietrechtlichen Regelungen über den Aufwendungsersatz andererseits kann die Interessenlage sein, die der Maßnahme, deren Ersatz verlangt wird, zugrunde liegt. Dienen die Maßnahmen allein dem Interesse eines Miteigentümers, erfolgen sie gerade nicht in Hinblick auf das Gemeinschaftsverhältnis. Erst recht ist für einen Anspruch aus Miteigentum kein Raum, wenn es sich nicht um notwendige Erhaltungsmaßnahmen handelt. Sind notwendige Maßnahmen mit solchen verbunden, die nur nützlich oder verbessernd wirken, und kommen Nützlichkeit und Verbesserung in erster Linie dem MiteigentümerMieter zugute, so kann das gegen Ansprüche aus Miteigentum und für Ansprüche auf mietrechtlichen Aufwendungsersatz sprechen13. 13 Der Ersatzanspruch wird grundsätzlich im Zeitpunkt der Aufwendungen fällig. Die Fälligkeit kann

jedoch einvernehmlich hinausgeschoben werden.

8 9 10 11 12 13

BGH v. 20.11.2008 – X ZR 180/07, MDR 2009, 374 = MietRB 2009, 94 = NZM 2009, 121. Vgl. OLG Düsseldorf v. 2.11.1998 – 9 U 64/98, NZM 1999, 237. BGH v. 2.10.1985 – VIII ZR 326/84, MDR 1986, 227 = NJW 1986, 254; Erman/Lützenkirchen, § 539 BGB Rz. 2. BGH v. 2.10.1985 – VIII ZR 326/84, MDR 1986, 227 = NJW 1986, 254. BGH v. 13.2.1974 – VIII ZR 233/72, NJW 1974, 743. BGH v. 13.2.1974 – VIII ZR 233/72, NJW 1974, 743.

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B. Wohnraummiete | Rz. 18 § 539

Die Aufwendungen müssen während der Mietzeit vom Mieter getätigt worden sein14. Für vorher er- 14 brachte Aufwendungen, die Teil der Gegenleistung sein sollen, ist § 539 Abs. 1 BGB in der Regel entsprechend anwendbar15. Nach Vertragsende getätigte Aufwendungen sind, da der Mieter nicht mehr zum Besitz berechtigt ist, ausschließlich nach – den ansonsten während der Mietzeit nicht anwendbaren – §§ 994 ff. BGB ersatzfähig16. 2. Aufwendungen a) Begriff Aufwendungen auf die Mietsache sind solche Maßnahmen, die objektiv dazu dienen, die Mietsache 15 zu erhalten, wiederherzustellen oder zu verbessern17. Die Maßnahmen dürfen die Mietsache aber nicht grundlegend verändern18. Deshalb fällt die Bebauung eines unbebauten Grundstücks (z.B. mit einem Wohn- oder Geschäftshaus) in keinem Fall unter § 539 Abs. 1 BGB19. Dagegen können bauliche Sicherungsmaßnahmen (z.B. gegen Hochwasser oder Abrutschen des Erdreiches) oder strukturverbessernde Maßnahmen (z.B. die Errichtung eines Stalles auf einem landwirtschaftlichen oder eines Kesselhauses auf einem industriellen Grundstück) im Einzelfall Aufwendungen darstellen20. Auch ein etwaiger Wasserverbrauch stellt eine Aufwendung im Sinne dieser Vorschrift dar, wenn er anfällt, weil die Leitungen regelmäßig gespült werden müssen, um die Entstehung von Legionellen zu vermeiden. Für den Begriff der Aufwendung ist es unerheblich, ob es sich um nützliche Aufwendungen, also sol- 16 che, die den Verkehrswert des Objektes oder seiner Nutzungsmöglichkeiten steigern, oder Luxusaufwendungen handelt, die zu keiner Wertsteigerung führen21. Dieser Differenzierung kommt erst bei der Beurteilung, ob ein Ersatzanspruch des Mieters besteht, Bedeutung zu (vgl. § 539 BGB Rz. 32). Beispiele für Aufwendungen: – Mängelbeseitigungsmaßnahmen (vgl. zur Erstattungsfähigkeit insoweit aber § 539 BGB Rz. 18 ff.), – Modernisierungsmaßnahmen, wie z.B. Verbesserung der Wärmedämmung, – Umbau einer Scheune zu Gewerbeeinheiten22, – Erneuerung von Boden- und Wandbelägen, – Erneuerung/Verbesserung von Elektro- und Sanitäranlagen23, – Austausch der defekten Heizungsanlage.

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b) Mängelbeseitigung Liegt ein Mangel i.S.d. § 536 BGB vor, ist fraglich, ob der Mieter ausschließlich nach § 536a Abs. 2 18 BGB Aufwendungsersatz verlangen oder – sofern dessen Voraussetzungen nicht vorliegen – auf § 539 BGB zurückgreifen kann. Nach einer Auffassung kann in Fällen einer Selbstbeseitigung von Mängeln der Mietsache durch den Mieter auf § 539 Abs. 1 BGB zurückgegriffen werden, wenn die Voraussetzungen des § 536a Abs. 2 Nr. 1 oder 2 BGB nicht vorliegen. Hierdurch würde vermieden, dass dem

14 Palandt/Weidenkaff, § 539 BGB Rz. 1. 15 Emmerich, NZM 1998, 49 (50). 16 BGH v. 4.10.1995 – XI ZR 152/94, MDR 1996, 57 = NJW 1996, 121; BGH v. 21.12.1960 – VIII ZR 89/59, NJW 1961, 499; BGH v. 11.10.1989 – VIII ZR 285/88, MDR 1990, 330 = NJW-RR 1990, 142; OLG Karlsruhe v. 5.7.1972 – 6 U 158/71, NJW 1972, 2225; a.A. ohne nähere Begründung Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 22. 17 BGH v. 3.11.1989 – V ZR 143/87, MDR 1990, 325 = NJW 1990, 447; BGH v. 2.10.1985 – VIII ZR 326/84, MDR 1986, 227 = NJW 1986, 254; Erman/Lützenkirchen, § 539 BGB Rz. 4. 18 BGH v. 26.2.1964 – V ZR 105/61, NJW 1964, 1125; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 10. 19 BGH v. 23.10.1953 – V ZR 38/52, NJW 1954, 265. 20 BGH v. 26.2.1964 – V ZR 105/61, NJW 1964, 1125. 21 LG Bochum v. 4.7.2006 – 11 S 350/05, zitiert nach juris; Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 4; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 10. 22 BGH v. 16.9.1998 – XII ZR 136/96, ZMR 1999, 93. 23 Vgl. LG Darmstadt v. 3.2.1960 – 2 S 122/59, MDR 1962, 739; AG Wuppertal v. 16.5.1980 – 29 C 77/80, WuM 1980, 235.

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§ 539 Rz. 18 | Ersatz sonstiger Aufwendungen und Wegnahmerecht des Mieters Vermieter Vorteile erwachsen, die nur deshalb nicht ausgleichspflichtig seien, weil der Mieter das Verfahren des § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht beachtet habe24. 19 Dem ist nicht zu folgen25. Zwar kann der Wortlaut der Norm auch dahingehende verstanden werden,

dass der Vermieter grundsätzlich alle Aufwendungen zu ersetzen hat, die nicht bereits nach § 536a Abs. 2 BGB zu ersetzen sind. Dies ist aber bereits mit der Entstehungsgeschichte der Norm nicht in Einklang zu bringen. Nach den Gesetzesmaterialien hatte der Gesetzgeber bei § 539 Abs. 1 BGB gerade nicht die Beseitigung von Mängeln, sondern vornehmlich im eigenen Interesse von dem Mieter eingebrachte Einbauten im Blick, wie z.B. Ausstattung von Küchen und Badezimmern26. 20 Auch der Sinn und Zweck des § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB steht einem anderen Verständnis entgegen.

Der Vermieter soll vorrangig entscheiden können, ob und wie die Mietsache erhalten wird27. Auf diese Weise erhält der Vermieter zudem die Möglichkeit einer Untersuchung und Beweissicherung. Beseitigt der Wohnraummieter einen (vermeintlichen) Mangel der Mietsache selbst, ohne den Vermieter zuvor in Verzug gesetzt zu haben (§ 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB), und liegt auch keine Notmaßnahme i.S.v. § 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB vor, würde die Möglichkeit des Rückgriffs auf § 539 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag dazu führen, dass dem Vermieter diese Vorgehensweise genommen wird28 und § 536a BGB letztlich überflüssig wäre29. 21 Die vorstehenden Ausführungen gelten auch für den Fall eines vereinbarten Gewährleistungsausschlus-

ses für anfängliche Mängel, der im Bereich der Wohnraummiete aber nicht in Betracht kommt und auch im Bereich der Gewerberaummiete jedenfalls formularmäßig nicht möglich ist (vgl. hierzu § 536a BGB Rz. 26). Die Vereinbarung eines solchen zeigt zudem deutlich, dass nach dem Willen der Parteien der Vermieter mit den Kosten für die Beseitigung anfänglicher Mängel nicht belastet werden soll30. 22 Gleiches gilt, wenn zwar noch kein Mangel besteht, die zwangsläufige Veränderung des bestehenden

Zustandes aber darauf hinausläuft, dass alsbald die Voraussetzungen des § 536 BGB erfüllt werden (z.B. aktuelle mangelnde Renovierungsbedürftigkeit). Auch in diesem Fall kann der Mieter der Mängelbeseitigung des Vermieters nicht im Wege der Ersatzvornahme vorgreifen und für die Aufwendungen – sofern die Voraussetzungen des § 536a BGB nicht vorliegen – Aufwendungsersatz nach § 539 Abs. 1 BGB verlangen. 3. Rechtsgrundverweisung 23 Da es sich in § 539 Abs. 1 BGB um eine Rechtsgrundverweisung handelt31, müssen die Voraussetzun-

gen der §§ 663, 670 BGB vorliegen32.

24 Vgl. Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 3; Kinne/Schach/Bieber, § 539 BGB Rz. 6; Herresthal/Riehm, NJW 2005, 1457. 25 BGH v. 16.1.2008 – VIII ZR 222/06, MDR 2008, 440 = MietRB 2008, 97 = NJW 2008, 1216; OLG Düsseldorf v. 5.2.2009 – I-10 U 128/08, MDR 2009, 801; AG Münster v. 30.9.2009 – 4 C 2725/09, WuM 2009, 665. 26 BT-Drucks. 14/4553, S. 42. 27 BGH v. 16.1.2008 – VIII ZR 222/06, MDR 2008, 440 = MietRB 2008, 97 = ZMR 2008, 281. 28 Vgl. BGH v. 23.2.2005 – VIII ZR 100/04, BGHZ 162, 219 = MDR 2005, 673 zum Kaufrecht; s. auch BGH v. 11.10.1965 – VII ZR 124/63, NJW 1966, 39. 29 BGH v. 16.1.2008 – VIII ZR 222/06, MDR 2008, 440 = MietRB 2008, 97 = ZMR 2008, 281; Schmidt-Futterer/ Eisenschmid, § 536a BGB Rz. 165; Staudinger/Emmerich, § 536a BGB Rz. 41; Blank/Börstinghaus, § 539 BGB Rz. 11; Derleder, NZM 2002, 676 (681). 30 KG v. 14.5.2009 – 8 U 106/08, GuT 2010, 431. 31 BGH v. 27.5.2009 – VIII ZR 302/07, MDR 2009, 916 = MietRB 2009, 254 = ZMR 2009, 829; OLG Brandenburg v. 5.4.2007 – 5 U 129/06, zitiert nach juris; OLG Düsseldorf v. 19.10.2009 – I-24 U 58/09, ZMR 2010, 679; Lammel, § 539 BGB Rz. 12; MünchKomm/Bieber, § 539 BGB Rz. 8; Erman/Lützenkirchen, § 539 BGB Rz. 6. 32 BGH v. 24.2.1982 – IVa ZR 306/80, MDR 1982, 736 = WM 1982, 698; OLG Frankfurt v. 11.10.2013 – 2 U 168/ 12, zitiert nach juris; Palandt/Weidenkaff, § 539 BGB Rz. 6.

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B. Wohnraummiete | Rz. 28 § 539

a) Fremdgeschäftsführungswillen Die Aufwendungen müssen insbesondere mit Fremdgeschäftsführungswillen getätigt sein33. Dies setzt 24 voraus, dass der Mieter das Geschäft nicht nur als eigenes, sondern zumindest auch als fremdes führt. Er muss also das Bewusstsein und den Willen haben, auch im Interesse des Vermieters zu handeln34. Zu differenzieren ist insoweit zwischen objektiv und subjektiv fremden Geschäften. Der Fremdgeschäftsführungswille wird bei einem (auch) objektiv fremden Geschäft vermutet. Ein 25 solches liegt vor, wenn bereits nach dessen Inhalt in einen fremden Rechts- und Interessenkreis eingegriffen wird35. Ausreichend ist, wenn das Geschäft seiner äußeren Erscheinung nach nicht nur dem Mieter, sondern zumindest auch – nicht zwingend ausschließlich – dem Vermieter zugutekommt, insbesondere wenn dessen Interesse an der Vornahme der Handlung im Vordergrund steht oder gar vorrangig ist. Dies ist insbesondere bei Mängelbeseitigung der Fall, wobei hier der Vorrang des § 536a BGB zu berücksichtigen ist (vgl. § 539 BGB Rz. 20). In Betracht kommen auch Modernisierungsmaßnahmen, wie z.B. der Austausch noch funktionsfähiger einfachverglaster Fenster gegen isolierverglaste Fenster oder der Austausch alter, durch eine Vielzahl von Bohrlöchern unansehnlich gewordener Fliesen durch Fliesen mit modernem Design. Dies ist allerdings eine Frage des Einzelfalls, wobei im Falle einer Verbesserung oder einer reinen Veränderung der Mietsache im Interesse des eigenen gewerblichen Betriebs – insbesondere wenn dies nach den eigenen Bedürfnissen und Vorstellungen erfolgt – eher von einem neutralen Geschäft auszugehen ist, so dass der Fremdgeschäftsführungswille nicht vermutet werden kann36. Hingegen erhalten objektiv eigene oder neutrale Geschäfte ihren (subjektiven) Fremdcharakter allen- 26 falls durch einen Willen des Geschäftsführers zur vordringlichen Wahrnehmung fremder Interessen. Hierfür besteht grundsätzlich keine tatsächliche Vermutung. Der Wille, für jemand anderen tätig zu werden, muss sich hier eindeutig nach außen manifestieren37. Daran mangelt es, wenn der Mieter die Aufwendungen im eigenen Interesse38 oder zur Erfüllung eigener (Haupt-)Pflichten39 bewirkt hat. Allein der Umstand, dass der Mieter bei der Geschäftsführung noch nicht die Absicht hatte, später Ersatz zu verlangen, steht der Annahme einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag nicht entgegen40. Möchte ein Mieter z.B. die Mieträumlichkeiten so herrichten, dass er seinem Gewerbe nachkommen 27 kann, wird er ausschließlich im eigenen Interesse tätig41. Dies gilt erst recht, wenn die Vertragsparteien den ursprünglichen, schlechten Zustand als vertragsgerecht vereinbart haben. In diesem Fall ist das Objekt im Rechtssinne nicht mangelbehaftet42. Umstritten in Rechtsprechung und Literatur ist insbesondere der Fall, dass der Mieter aufgrund einer 28 unwirksamen Schönheitsreparaturklausel renoviert. Nach zutreffender Auffassung liegt jedenfalls dann kein Fremdgeschäftsführungswille vor, wenn der Mieter die Unwirksamkeit nicht erkannt hat43. 33 Gesetzentwurf zum Mietrechtsreformgesetz, BT-Drucks. 14/4553, S. 42; OLG Hamm v. 5.10.2017 – 18 U 23/ 15, ZMR 2018, 413. 34 Vgl. BGH v. 27.5.2009 – VIII ZR 302/07, NJW 2009, 2590 = MDR 2009, 916 = MietRB 2009, 254; BGH v. 16.9.1998 – XII ZR 136/96, ZMR 1999, 93; BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 22/92, NJW-RR 1993, 522; OLG Düsseldorf v. 19.10.2009 – I-24 U 58/09, ZMR 2010, 679. 35 Z.B. Hilfe für einen Verletzten, BGH v. 7.11.1960 – VII ZR 82/59, BGHZ 33, 251, 254 ff.; Abwendung der von einem unbeleuchteten Fahrzeug drohenden Gefahren, BGH v. 16.3.1965 – VI ZR 210/64, BGHZ 43, 188, 191 f.; Tilgung fremder Schulden, BGH v. 20.4.1967 – VII ZR 326/64, BGHZ 47, 370, 371; Veräußerung einer fremden Sache, RG v. 11.10.1932 – II 58/32, RGZ 138, 45, 48 f. 36 OLG Hamm v. 5.10.2017 – 18 U 23/15, ZMR 2018, 413. 37 BGH v. 21.10.2003 – X ZR 66/01, MDR 2004, 386 = WM 2004, 1397. 38 OLG Düsseldorf v. 19.10.2009 – I-24 U 58/09, ZMR 2010, 679; OLG München v. 21.4.1995 – 21 U 5722/94, NJW-RR 1997, 650. 39 BGH v. 27.5.2009 – VIII ZR 302/07, MDR 2009, 916 = MietRB 2009, 254 = ZMR 2009, 829 (Schönheitsreparaturen trotz unwirksamer Klausel). 40 A.A. OLG München v. 26.4.1995 – 7 U 5093/94, NJWE-MietR 1996, 10. 41 BGH v. 16.9.1998 – XII ZR 136/96, NZM 1999, 19; OLG Hamburg v. 8.11.2000 – 4 U 205/99, WuM 2001, 542; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 25. 42 LG Dortmund v. 20.11.2007 – 3 O 223/07, MietRB 2008, 267 = ZMR 2008, 376. 43 LG Berlin v. 23.10.2006 – 62 S 187/06, GE 2007, 517 (518); LG Waldshut-Tiengen v. 25.3.1999 – 1 S 66/98, WuM 2000, 240; AG Köln v. 21.1.2004 – 214 C 527/03, WuM 2006, 261 (262); AG München v. 14.5.2001 –

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§ 539 Rz. 28 | Ersatz sonstiger Aufwendungen und Wegnahmerecht des Mieters Der Mieter, der in Hinblick auf eine vermeintliche vertragliche Verpflichtung Schönheitsreparaturen in der Mietwohnung vornimmt, führt damit kein Geschäft des Vermieters, sondern wird nur im eigenen Rechts- und Interessenkreis tätig. Er möchte eine Leistung erbringen, die er als Teil der von ihm für die Gebrauchsüberlassung an der Wohnung geschuldeten Entgelts ansieht44. In Betracht kommt dann aber ein Schadensersatz- und Bereicherungsanspruch45. b) Interesse des Vermieters 29 Eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag setzt weiter voraus, dass die Geschäftsführung im In-

teresse des Vermieters liegt. Hierdurch soll der Vermieter insbesondere gegen eine aufgedrängte Bereicherung geschützt werden46. 30 Im Interesse des Vermieters liegt die Geschäftsführung regelmäßig dann, wenn sie objektiv nützlich

ist47, was insbesondere dann anzunehmen ist, wenn der Vermieter verpflichtet gewesen wäre, selbst entsprechende Maßnahmen durchzuführen48. 31 Ansonsten ist die Nützlichkeit der Maßnahme abhängig von den Umständen des konkreten Einzel-

falls. Ein Aufwendungsersatzanspruch kann insbesondere aus der Erwägung heraus abzulehnen sein, dass der Mieter regelmäßig Verbesserungen in der Wohnung nur im eigenen Interesse und zu eigenen Zwecken durchführt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Veränderungen (z.B. Deckenabhängung und Holzverkleidung) primär durch die Geschmacksvorstellungen des Mieters beeinflusst sind49. Das Risiko einer Fehleinschätzung obliegt dem Mieter50. 32 Aufwendungen, die den Verkehrswert der Mietsache nicht steigern, stellen sogenannte Luxusaufwen-

dungen dar, die grundsätzlich nicht im Interesse des Vermieters liegen und daher nicht über § 539 Abs. 1 BGB erstattungsfähig sind51. c) Wille des Vermieters 33 Im Übrigen müssen die Maßnahmen des Mieters dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Ver-

mieters entsprechen (§ 683 BGB). Maßgeblich ist insoweit der Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsführung52. Die Abhängigkeit des Aufwendungsersatzanspruchs vom Willen des Vermieters dient dem Schutz des Vermieters. Hierdurch soll verhindert werden, dass der Mieter ohne Rücksicht auf den Willen des Vermieters Maßnahmen auf Kosten des Vermieters im oder am Mietobjekt durchführt.

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453 C 17448/00, NZM 2001, 1030; Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 6; Both, WuM 2007, 3 (6); Horst, DWW 2007, 48 (52); Lange, NZM 2007, 785 (787); Paschke, WuM 2008, 647 (648 f.); Kinne, GE 2009, 358 f.; a.A. LG Landshut v. 21.11.2007 – 12 S 2236/07, WuM 2008, 335; LG Wuppertal v. 23.8.2007 – 9 S 478/06, MietRB 2008, 37 = ZMR 2007, 973; LG Karlsruhe v. 28.4.2006 – 9 S 479/05, NZM 2006, 508. BGH v. 27.5.2009 – VIII ZR 302/07, MDR 2009, 916 = MietRB 2009, 254 = ZMR 2009, 829; vgl. auch BGH v. 30.10.1984 – VIII ARZ 1/84, BGHZ 92, 363, 370 f. = MDR 1985, 400; BGH v. 1.7.1987 – VIII ARZ 9/86, BGHZ 101, 253, 262 = MDR 1987, 927; BGH v. 6.7.1988 – VIII ARZ 1/88, BGHZ 105, 71, 79 ff. = MDR 1988, 1051; BGH v. 3.6.1998 – VIII ZR 317/97, MDR 1998, 1155 = WM 1998, 2145 (unter III 2c); BGH v. 28.4.2004 – VIII ZR 230/03, MietRB 2004, 253 = NJW 2004, 2087 (unter IIIa); BGH v. 20.10.2004 – VIII ZR 378/03, MDR 2005, 266 = MietRB 2005, 62 = WuM 2005, 50 (unter II 2b); BGH v. 5.6.2002 – XII ZR 220/99, MDR 2002, 1304 = WuM 2002, 484. Ausführlich BGH v. 27.5.2009 – VIII ZR 302/07, MDR 2009, 916 = MietRB 2009, 254 = ZMR 2009, 829. Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 7. BGH v. 28.10.1992 – VIII ZR 210/91, MDR 1993, 515 = NJW-RR 1993, 200; OLG München v. 10.12.1987 – 19 U 6312/86, NJW-RR 1988, 1013. Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 32. Vgl. OLG Köln v. 23.2.1996 – 19 U 126/95, WuM 1996, 269; OLG Düsseldorf v. 28.6.2007 – I-10 U 16/07, ZMR 2008, 127; LG Dortmund v. 20.11.2007 – 3 O 223/07, MietRB 2008, 267 = ZMR 2008, 376; LG Aachen v. 21.12.1988 – 7 S 349/88, DWW 1989, 136. LG Aachen v. 21.12.1988 – 7 S 349/88, DWW 1989, 136. Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 4. LG Dortmund v. 20.11.2007 – 3 O 223/07, MietRB 2008, 267 = ZMR 2008, 376; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 37.

628 | Dickersbach

B. Wohnraummiete | Rz. 37 § 539

Maßgeblich ist zunächst der wirkliche Wille, sofern dieser ausdrücklich oder durch schlüssiges Ver- 34 halten deutlich zum Ausdruck kommt53. Ist die Geschäftsführung nicht durch den Willen des Vermieters gedeckt, scheidet ein Anspruch aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag aus, selbst wenn es sich um ein objektiv nützliches Geschäft handelt54. Dies gilt auch dann, wenn der Mieter nach den vertraglichen Regelungen nur mit Zustimmung des Vermieters zur Durchführung von baulichen Maßnahmen berechtigt sein soll. Hieraus ist für den Mieter erkennbar, dass ohne eine solche Zustimmung des Vermieters entsprechende Maßnahmen nicht mit dem Willen des Vermieters in Einklang stehen55. Gleiches gilt, wenn der Mieter eine entsprechende Nachfrage stellt, der Vermieter hierauf aber nicht reagiert. Das Risiko einer Fehleinschätzung obliegt dem Mieter. Er kann sich nicht darauf berufen, dass er die Voraussetzungen des Aufwendungsersatzanspruchs irrtümlich angenommen hat56. Ausnahmsweise ist ein der Geschäftsführung entgegenstehender Wille des Vermieters gemäß § 679 35 BGB unbeachtlich, wenn ohne die Geschäftsführung eine Pflicht des Geschäftsherrn, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt, oder eine gesetzliche Unterhaltungspflicht des Geschäftsherrn nicht rechtzeitig erfüllt werden würde. Dies ist insbesondere bei Verkehrssicherungspflichten der Fall57, z.B. die Verhinderung von Dachlawinen durch rechtzeitige Schnee- und Eisbeseitigung, aber auch die Durchführung vom Bauordnungsamt vorgeschriebener dringlicher Maßnahmen58. Ist der tatsächliche Wille des Vermieters nicht feststellbar, ist auf den mutmaßlichen Willen abzustel- 36 len. Insoweit kommt es nicht auf die Vorstellungen des Mieters an. Vielmehr ist der mutmaßliche Wille des Vermieters objektiv zu bestimmen. Ist die Maßnahme objektiv nützlich, entspricht sie – mangels anderweitiger Anhaltspunkte – regelmäßig dem mutmaßlichen Willen des Vermieters59. Hierfür genügt aber nicht bereits der Umstand, dass der Vermieter die tatsächliche Durchführung der Maßnahme erkennt, aber nicht interveniert60. d) Zustimmung/Genehmigung Hat der Vermieter der Geschäftsführung im Vorfeld zugestimmt, ist zu differenzieren, ob der Vermieter 37 hiermit lediglich zum Ausdruck bringen wollte, dass der Mieter die Maßnahmen durchführen kann, oder ob er damit einverstanden ist, dass die Maßnahmen auch für ihn, und zwar mit der Folge eines Aufwendungsersatzanspruchs des Mieters, erfolgen sollen. Letzteres kann nicht automatisch im Rahmen einer Zustimmung angenommen werden, insbesondere dann nicht, wenn die Geschäftsführung allein im Interesse des Mieters erfolgt, z.B. die Herrichtung von Geschäftsräumen. In Hinblick auf die regelmäßig in Mietvertragsformularen zu findenden Zustimmungsvorbehalte in Bezug auf bauliche Veränderungen bedeutet die ausdrückliche Zustimmung des Vermieters zunächst einmal nur, dass dieser mit einer entsprechenden Veränderung des Mietobjekts für die Dauer der Mietzeit einverstanden ist. Ein weiterer Erklärungsgehalt kann der Zustimmung nicht ohne weiteres entnommen werden61. Hierfür bedarf es eindeutiger Anhaltspunkte, dass der Vermieter die Maßnahme auch als in seinem Interesse ansieht62.

53 54 55 56 57 58 59 60 61 62

MünchKomm/Seiler, § 683 BGB Rz. 9. LG Duisburg v. 8.12.1998 – 23 S 95/98, WuM 1999, 112. Derleder, WuM 2006, 175. BGH v. 16.9.1998 – XII ZR 136/96, NZM 1999, 19; BGH v. 16.9.1998 – XII ZR 136/96, ZMR 1999, 93; OLG Düsseldorf v. 28.6.2007 – I-10 U 16/07, ZMR 2008, 127; LG Duisburg v. 8.12.1998 – 23 S 95/98, WuM 1999, 112. Prütting/Wegen/Weinreich/Fehrenbacher, § 679 BGB Rz. 5. Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 5. BGH v. 20.4.1967 – VII ZR 326/64, BGHZ 47, 370, 374; BGH v. 7.3.1989 – XI ZR 25/88, NJW-RR 1989, 970; AG Leipzig v. 13.4.1999 – 6 C 440/99, WuM 1999, 484. BGH v. 10.9.1998 – V ZB 11/98, MDR 1999, 28 m. Anm. Riecke = ZMR 1999, 43; Kinne/Schach/Bieber, § 539 BGB Rz. 2; a.A. wohl OLG Düsseldorf v. 24.11.1995 – 22 U 127/95, NJW-RR 1996, 592. OLG Hamm v. 5.10.2017 – 18 U 23/15, ZMR 2018, 413; vgl. BGH v. 13.6.2007 – VIII ZR 387/04, MDR 2007, 1123 = MietRB 2007, 256 = NZM 2007, 682; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 38. AG Lüdenscheid v. 4.11.1987 – 8 C 899/87, WuM 1988, 303.

Dickersbach | 629

§ 539 Rz. 38 | Ersatz sonstiger Aufwendungen und Wegnahmerecht des Mieters 38 Der Vermieter kann eine Geschäftsführung, die nicht seinem Interesse oder seinem Willen entspricht63,

auch genehmigen, § 684 S. 2 BGB. Dies führt allerdings nur dann zu einem Aufwendungsersatzanspruch des Mieters, wenn auch die übrigen Voraussetzungen für eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag vorliegen, also insbesondere der Fremdgeschäftsführungswille64. Die Genehmigung bedarf keiner Form und kann auch konkludent erteilt werden65. Sie wirkt zurück, so dass die Geschäftsführung von Beginn an eine berechtigte darstellt, § 184 Abs. 1 BGB. An die Annahme einer Genehmigung sind aufgrund der damit verbundenen Rechtsfolge hohe Anforderungen zu stellen. Es muss hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen, dass der Vermieter nicht nur auf einen Rückbau verzichtet, sondern die Geschäftsführung auch als in seinem Interesse vorgenommen anerkennt, z.B. ein Mieterhöhungsverlangen gemäß § 558 BGB, in dessen Rahmen der Vermieter auch die Aufwendungen des Mieters als wohnwertsteigernd ansetzt66. 39 Weiß der Mieter, dass der Vermieter nicht mit der Geschäftsführung einverstanden ist, liegt eine unech-

te Geschäftsführung gemäß § 687 Abs. 2 BGB vor. Der Vermieter kann – nicht muss – die Rechte aus den §§ 677, 678, 681, 682 BGB geltend machen. Nur dann kann der Mieter einen Bereicherungsanspruch geltend machen. 4. Anspruchsgegner

40 Der Anspruch auf Aufwendungsersatz entsteht in dem Zeitpunkt der Vornahme der Aufwendung67.

Dieser Zeitpunkt ist auch maßgeblich für die Bestimmung des Anspruchsgegners. Den Aufwendungsersatz schuldet derjenige, der zum vorgenannten Zeitpunkt Vermieter ist. Ein Vermieterwechsel, z.B. gemäß § 566 BGB, führt nicht dazu, dass auch die Person des Anspruchsgegners wechselt68. 5. Höhe des Aufwendungsersatzanspruchs 41 Liegen die Voraussetzungen der Rechtsgrundverweise des § 539 Abs. 1 BGB vor, bestimmt sich die

Höhe des Ersatzanspruchs nach den §§ 683 S. 1, 670 BGB69. Der Mieter kann die Aufwendungen ersetzt verlangen, die er nach den Umständen für erforderlich halten durfte70. Maßgeblich ist, was der Mieter unter Berücksichtigung des wirklichen oder mutmaßlichen Willen sowie der Interessen des Vermieters im Zeitpunkt der Durchführung vernünftigerweise als sachlich angemessen und notwendig erachten durfte, wobei auch der verfolgte Zweck sowie das Kosten-Nutzen-Verhältnis zu beachten ist71. 42 Sofern die Beauftragung eines Fachmanns notwendig und für die konkrete Geschäftsführung üblich

ist, ist der Einwand des Vermieters, er hätte die Arbeiten kostengünstiger durchführen können, unbeachtlich72. 43 Auch die von dem Mieter aufgewendete eigene Arbeitskraft ist – ebenso wie aufgewandte Materialkos-

ten – erstattungsfähig, und zwar unabhängig davon, ob der Mieter ein entsprechendes Gewerbe betreibt oder einen entgangenen Verdienst nachweist. Maßgeblich ist vielmehr, dass die der Erhaltung, Wiederherstellung oder Verbesserung der Sache dienende Arbeitsleistung einen Vermögenswert darstellt, den

63 Prütting/Wegen/Weinreich/Fehrenbacher, § 684 BGB Rz. 2. 64 OLG Hamm v. 5.10.2017 – 18 U 23/15, ZMR 2018, 413; OLG Düsseldorf v. 19.10.2009 – 24 U 58/09, zitiert nach juris. 65 BGH v. 16.9.1998 – XII ZR 136/96, NZM 1999, 19; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 40. 66 LG Münster v. 25.3.1999 – 8 S 260/98, WuM 1999, 515; Lente, DWW 1982, 175; Emmerich, NZM 1998, 49. 67 BGH v. 14.10.1987 – VIII ZR 246/86, MDR 1988, 226 = WuM 1988, 16. 68 BGH v. 5.10.2005 – XII ZR 43/02, MDR 2006, 505 = MietRB 2006, 94 = NZM 2006, 15; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 49. 69 Erman/Dornis, § 683 BGB Rz. 9; Palandt/Sprau, § 683 BGB Rz. 7. 70 BGH, LM BGB § 683 Nr. 17; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 41; Erman/Dornis, § 683 BGB Rz. 9. 71 Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 41; Kinne in Kinne/Schach/Bieber, § 539 BGB Rz. 3; MünchKomm/Seiler, § 670 BGB Rz. 9. 72 AG Regensburg v. 10.2.1993 – 9 C 1784/92, WuM 1993, 185.

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B. Wohnraummiete | Rz. 50 § 539

der Besitzer „geopfert“ hat, also eine geldwerte Arbeitsleistung mit einem Marktwert erbracht hat73. Zudem ist der Aufwendungsersatzanspruch nach Maßgabe des § 256 BGB zu verzinsen. Nach Ausgleich des Aufwendungsersatzanspruchs, was z.B. auch durch Verrechnung mit der Miete er- 44 folgen kann, steht das Ergebnis der Geschäftsführung dem Vermieter zu; sie gilt als vom Vermieter getätigt. Er kann sie daher auch im Rahmen eines Mieterhöhungsverlangens gemäß § 558 BGB74 oder nach § 559 BGB berücksichtigen. Er schuldet sodann aber auch gemäß § 535 Abs. 1 S. 2 BGB die Instandhaltung und Instandsetzung. 6. Ausschluss des Aufwendungsersatzanspruchs Die Vertragsparteien können den Anspruch des Mieters auf Aufwendungsersatz vertraglich ausschlie- 45 ßen75. Ein solcher Ausschluss kann sich auch aus den Umständen des Einzelfalls ergeben. Haben Vermieter und Mieter z.B. die Gestaltung der zum Mietobjekt gehörenden Freifläche oder Gär- 46 ten in das Ermessen des Mieters nach dessen individuellen Wünschen und in Abstimmung mit den Nachbarn gestellt, wird hierdurch kein Anspruch auf Aufwendungsersatz begründet, sofern dies nicht vertraglich vorgesehen ist. Die Auslegung dieser Regelung lässt bei einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung76 auf den Willen der Parteien schließen, dass der Mieter die Kosten für die Gestaltung der Freiflächen selbst tragen soll und Ansprüche auf den Ersatz von Aufwendungen insoweit ausgeschlossen sein sollen. Es kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass der Vermieter, der dem Mieter erlaubt, die Mietsache nach dessen individuellen Wünschen und in dessen eigenem Interesse zu verändern, auch noch verpflichtet sein soll, dem Mieter die Aufwendungen hierfür zu ersetzen. Damit würde er ein unabsehbares Kostenrisiko übernehmen77. Ein Aufwendungsersatzanspruch scheidet auch dann aus, wenn der Mieter sich vertraglich verpflichtet 47 hat, bestimmte Arbeiten auszuführen. Die insoweit übernommene Pflicht stellt im Zweifel eine neben die Mietzahlungsverpflichtung tretende Gegenleistung des Mieters für die Überlassung des Mietobjekts dar78. Haben die Parteien einen Aufwendungsersatz im Rahmen eines Vertrags mit Festlaufzeit ausdrück- 48 lich ausgeschlossen oder ergibt sich ein solcher Ausschluss aus den Umständen, können sich bei einer vorzeitigen Vertragsbeendigung Schadensersatz- oder Bereicherungsansprüche für den Mieter ergeben. Ein Schadensersatzanspruch kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die vorzeitige Beendigung auf einer (verschuldeten) Pflichtverletzung des Vermieters beruht. Ist die Beendigung des Mietvertrages auf ein Fehlverhalten des Mieters zurückzuführen, kommen grundsätzlich nur Bereicherungsansprüche in Betracht. Werden Bereicherungsansprüche für diesen Fall vertraglich ausgeschlossen, handelt es sich inhaltlich 49 im Ergebnis um eine Vertragsstrafe, so dass die §§ 339 ff. BGB jedenfalls entsprechend Anwendung finden79. Eine formularmäßige Verfallklausel verstoßt auch im Bereich der Gewerberaummiete gegen § 307 BGB, erst recht, wenn sie auch für den Fall gilt, dass die vorzeitige Vertragsbeendigung vom Vermieter zu vertreten ist80. Im Rahmen eines Wohnraummietverhältnisses ist die Regelung bereits nach § 555 BGB unwirksam. § 539 Abs. 1 BGB ist auch dann nicht anwendbar, wenn es sich bei den Aufwendungen des Mieters 50 nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien um einen Baukostenzuschuss oder eine Miet-

73 74 75 76 77 78 79 80

BGH v. 24.11.1995 – V ZR 88/95, MDR 1996, 1112 = NJW 1996, 921 (für Verwendungen i.S.d. § 994 BGB). BayObLG v. 24.6.1981 – AllgReg 41/81, WuM 1981, 208. Vgl. BGH v. 13.10.1959 – VIII ZR 193/58, WM 1959, 1369. Vgl. BGH v. 26.9.2002 – I ZR 44/00, BGHZ 152, 153, 156 = MDR 2003, 357; BGH v. 31.10.1995 – XI ZR 6/95, BGHZ 131, 136, 138 = MDR 1996, 322. BGH v. 13.6.2007 – VIII ZR 387/04, MDR 2007, 1123 = MietRB 2007, 256 = ZMR 2007, 684; vgl. auch LG Aachen v. 21.12.1988 – 7 S 349/88, DWW 1989, 136. BGH v. 8.11.1995 – XII ZR 202/94, ZMR 1996, 122; AG Dessau v. 10.6.1999 – C 1260/96, DWW 1999, 297. BGH v. 22.5.1968 – VIII ZR 69/66, NJW 1968, 1625; OLG Karlsruhe v. 31.10.1985 – 15 U 129/84, NJW-RR 1986, 1394. Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 21.

Dickersbach | 631

§ 539 Rz. 50 | Ersatz sonstiger Aufwendungen und Wegnahmerecht des Mieters vorauszahlung handeln soll. In diesem Fall bestimmt sich die Abwicklung allein nach den Regeln über Baukostenzuschüsse (vgl. § 547 BGB)81. Anhaltspunkte für die Annahme eines Baukostenzuschusses oder einer Mietvorauszahlung können die Verrechnung mit der Miete und Unkündbarkeit sein82. 7. Verjährung 51 Der Anspruch auf Aufwendungsersatz verjährt gemäß § 548 Abs. 2 BGB binnen sechs Monaten. Die

Frist wird ab Beendigung – und nicht wie bei § 548 Abs. 1 BGB ab Rückgabe – berechnet. Die kurze Verjährung des § 548 Abs. 2 BGB erfasst auch sämtliche Ansprüche des Mieters wegen Schönheitsreparaturen, die er während des Mietverhältnisses im Hinblick auf eine später als unwirksam erkannte Renovierungsklausel vorgenommen hat. Dies gilt sowohl für einen Bereicherungsanspruch als auch für einen etwaigen Schadensersatzanspruch des Mieters (§ 280 Abs. 1, § 241 Abs. 1, § 311 Abs. 2 BGB) unter dem Gesichtspunkt, dass den Vermieter wegen der Verwendung der unwirksamen Renovierungsklausel ein Schuldvorwurf trifft83.

52 Im Falle der Veräußerung des Mietobjekts – die keinen Einfluss auf die Person des Anspruchsgegners

hat (vgl. § 539 BGB Rz. 40) – beginnt die Frist des § 548 Abs. 2 BGB erst mit der Kenntnis des Mieters von der Veräußerung zu laufen. Ohne diese Einschränkung bestünde die Gefahr, dass die Ansprüche des Mieters verjähren, ohne dass er etwas von den tatsächlichen Voraussetzungen des Verjährungsbeginns erfährt. Wird das Grundstück veräußert, so tritt der Erwerber gemäß § 566 Abs. 1 BGB in die Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag ein. Maßgeblich sind Auflassung und Eintragung in das Grundbuch (§§ 925, 873 BGB). Zu diesem Zeitpunkt endet das Mietverhältnis zwischen dem Veräußerer und dem Mieter. Beide stehen sich nicht mehr als Vertragspartner gegenüber. Für die Kenntnis des Mieters von der Veräußerung ist darauf abzustellen, wann er von dem Zeitpunkt der Eintragung des Erwerbers im Grundbuch Kenntnis erlangt. Erst wenn der Mieter hinreichend sichere Kenntnis von der Eintragung des Erwerbers hat, ist der Beginn der kurzen Verjährungsfrist von nur sechs Monaten gerechtfertigt84. 8. Verwirkung

53 Unter bestimmten Voraussetzungen kann sich der Vermieter gegenüber dem Anspruch des Mieters

auf Erstattung von Aufwendungen auch auf den Tatbestand der Verwirkung berufen. Neben dem Zeitmoment muss aber auch das Umstandsmoment vorliegen. Der Ablauf eines auch längeren Zeitraums genügt für die Annahme einer Verwirkung nicht85. Es müssen vielmehr Umstände neben dem Zeitablauf hinzutreten, aufgrund derer der Vermieter darauf vertrauen durfte, dass der Mieter seinen Aufwendungsersatzanspruch nicht mehr geltend machen wird. Hiervon kann z.B. ausgegangen werden, wenn ein längerer Zeitraum verstrichen ist, in Hinblick auf die Verwendungen eine geringe Miete vereinbart wurde und der Mieter Ersatz für sonstige Instandsetzungsmaßnahmen geltend gemacht hat, nicht aber für die Aufwendungen86. 9. Beweislast 54 Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des Aufwendungsersatzanspruchs gemäß

§ 539 Abs. 1 BGB obliegt dem Mieter. Eine etwaige Vereinbarung über den Ausschluss des Anspruchs auf Aufwendungsersatz ist vom Vermieter darzulegen und zu beweisen.

81 Vgl. OLG Düsseldorf v. 21.11.1991 – 10 U 47/91, ZMR 1992, 110; OLG Frankfurt v. 6.5.1986 – 8 U 164/85, ZMR 1986, 358; Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 19. 82 BGH v. 21.10.1970 – VIII ZR 63/69, NJW 1970, 2289; Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 19. 83 BGH v. 4.5.2011 – VIII ZR 265/10, WuM 211, 418; BGH v. 4.5.2011 – VIII ZR 195/10, MDR 2011, 777 = MietRB 2011, 201 = NZM 2011, 452; LG München II v. 21.9.2010 – 12 S 561/10, WuM 2011, 417. 84 BGH v. 28.5.2008 – VIII ZR 133/07, MDR 2008, 850 = MietRB 2008, 226 = WuM 2008, 402. 85 MünchKomm/Bieber, § 539 BGB Rz. 9 (10 Jahre); Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 69; a.A. LG Aachen v. 21.12.1988 – 7 S 349/88, DWW 1989, 136. 86 LG Rostock v. 15.9.2004 – 4 O 73/04, ZMR 2004, 917.

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B. Wohnraummiete | Rz. 60 § 539

10. Sonstige Aufwendungen a) Bereicherungsanspruch Aufwendungen, welche die Voraussetzungen der §§ 536a Abs. 2, 539 Abs. 1 BGB nicht erfüllen, jedoch 55 zu einer Wertverbesserung der Mietsache führen, können Bereicherungsansprüche gegen den Vermieter auslösen87. Dies gilt insbesondere bei vorzeitiger Beendigung eines langfristigen Mietvertrages88 (vgl. § 539 BGB Rz. 48) oder rechtsgrundlos durchgeführter Renovierung89. Ein solcher Ausgleich kann in den Grenzen des § 138 BGB auf dem Gebiet der gewerblichen Miete – 56 nicht im Bereich der Wohnraummiete – zumindest einzelvertraglich ausgeschlossen werden90. Jedenfalls bleibt ein eventueller Vermieteranspruch auf Beseitigung der Mietermaßnahme vorrangig. Der Bereicherungsanspruch richtet sich grundsätzlich gegen den Vermieter. Bei einem Vermieterwech- 57 sel schuldet der neue Vermieter die Herausgabe der Bereicherung (vgl. § 539 BGB Rz. 75). Luxusaufwendungen begründen keinen Bereicherungsanspruch, da es insoweit an der notwendigen 58 Bereicherung fehlt. Eine Steigerung des Verkehrswerts ist mit solchen Aufwendungen gerade nicht verbunden91. b) Ausschluss des Bereicherungsanspruchs In Fällen der aufgedrängten Bereicherung kann der Mieter seine Aufwendungen allerdings dann 59 nicht nach Bereicherungsrecht ersetzt verlangen, wenn er etwa vom Vermieter von vornherein für seine Maßnahmen keinen Ersatz verlangen wollte (§ 685 Abs. 1 BGB)92 oder wenn die Parteien vereinbart haben, dass der Mieter die baulichen Veränderungen auf eigene Kosten durchführen sollte93. Ein solcher Fall liegt z.B. vor, wenn die baulichen Veränderungen bereits Gegenstand der Mietvertragsverhandlungen waren, in den Mietvertrag aber keine Aufwendungsersatzregelung aufgenommen wurde. Hieraus ergibt sich regelmäßig, dass der Mieter dann auch keinen Aufwendungsersatz verlangen wollte94. Ein solcher Ausschluss von Wertersatzansprüchen für Maßnahmen des Mieters erfasst durch ergänzende Auslegung im Übrigen auch Ansprüche aus § 951 Abs. 1, §§ 812, 818 Abs. 2 BGB95. c) Bereicherung Herauszugebende Bereicherung ist in der Regel gemäß § 818 Abs. 2 BGB nicht der Wertersatz für die 60 wertsteigernden Investitionen des Mieters nach den Kosten der getätigten Aufwendungen oder der dadurch geschaffenen objektiven Wertsteigerung des Bauwerks, sondern es ist (nur) die Differenz zwischen dem Ertragswert der Mietsache ohne die Mieterinvestition und dem durch diese Investition

87 BGH v. 16.9.1998 – XII ZR 136/96, NZM 1999, 19. 88 BGH v. 5.10.2005 – XII ZR 43/02, MDR 2006, 505 = MietRB 2006, 94 = NZM 2006, 15; BGH v. 25.10.2000 – XII ZR 136/98, NZM 2001, 425 LS; BGH v. 8.11.1995 – XII ZR 202/94, ZMR 1996, 122. 89 BGH v. 27.5.2009 – VIII ZR 302/07, MDR 2009, 916 = MietRB 2009, 254 = ZMR 2009, 829. 90 BGH v. 3.2.1967 – V ZR 59/64, NJW 1967, 1223; BGH v. 13.10.1959 – VIII ZR 193/58, NJW 1959, 2163; BGH v. 26.2.1957 – VIII ZR 277/56, NJW 1957, 827; OLG Karlsruhe v. 31.10.1985 – 15 U 129/84, NJW-RR 1986, 1394. 91 Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 4. 92 BGH v. 10.10.1984 – VIII ZR 152/83, MDR 1985, 666 = NJW 1985, 313; OLG München v. 24.1.1997 – 21 U 2244/96, ZMR 1997, 235; Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 2. 93 BGH v. 8.11.1995 – XII ZR 202/94, WM 1996, 1265; BGH v. 11.10.1989 – VIII ZR 285/88, MDR 1990, 330 = NJW-RR 1990, 142; BGH v. 10.10.1984 – VIII ZR 152/83, MDR 1985, 666 = NJW 1985, 313; OLG München v. 24.1.1997 – 21 U 2244/96, ZMR 1997, 235; OLG München v. 26.4.1995 – 7 U 5093/94, ZMR 1995, 406; Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 12. 94 BGH v. 13.6.2007 – VIII ZR 387/04, NJW-RR 2007, 1309 = MDR 2007, 1123 = MietRB 2007, 256; OLG Düsseldorf v. 19.10.2009 – I-24 U 58/09, ZMR 2010, 679. 95 BGH v. 26.9.2001 – XII ZR 130/99, NZM 2001, 1078; OLG Brandenburg v. 5.8.2009 – 3 U 110/08, zitiert nach juris (für den Ausbau einer Einliegerwohnung durch den Schwiegersohn); Palandt/Weidenkaff, § 539 BGB Rz. 8.

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§ 539 Rz. 60 | Ersatz sonstiger Aufwendungen und Wegnahmerecht des Mieters erhöhten Ertragswert zu erstatten96. Anhaltspunkt hierfür ist in erster Linie die Zahlung einer höheren Miete durch einen Nachmieter97. Dieser Bereicherungsanspruch besteht nur gegenüber demjenigen, der im Zeitpunkt der Beendigung der Geschäftsführung Vermieter war, und geht nicht auf einen Erwerber über98. 61 Die Bereicherung ist herauszugeben, wenn sie eingetreten ist, also entsprechend der mit dem Nach-

mieter vereinbarten Zahlungsmodalitäten, mithin in der Regel monatlich99. Ein – wenn auch abgezinster – Gesamtbetrag für die Restlaufzeit kann nicht geltend gemacht werden100. Zahlt der Nachmieter an den Vermieter einen Abstand für die Investitionen, erstreckt sich der Bereicherungsanspruch des Mieters auch hierauf, und zwar in voller Höhe101.

62 Nach einer teilweise vertretenen Auffassung schuldet der Vermieter auch dann nur Erstattung des er-

höhten objektiven Ertragswertes, wenn der Mieter eine Dienst- oder Werkleistung rechtsgrundlos erbracht hat, z.B. die Durchführung nicht geschuldeter Schönheitsreparaturen102. Nach Auffassung des BGH passt diese auf den Ausgleich von Grundstücksverwendungen maßgebliche Sichtweise103 jedoch nicht, weil die Leistung des Mieters darin bestanden hat, einen rechtlich und wirtschaftlich als Teil des von ihm für die Gebrauchsüberlassung an der Wohnung vermeintlich geschuldeten Entgelts durch Vornahme der Schönheitsreparaturen und damit durch eine Werkleistung zu erbringen. Daher bestimmt sich die Bereicherung in diesen Fällen grundsätzlich nach dem Wert der üblichen, hilfsweise der angemessenen Vergütung104. 63 Insoweit ist allerdings zu beachten, dass der Mieter häufig von der Möglichkeit der Selbstvornahme

Gebrauch macht. In einem solchen Fall richtete sich der maßgebliche Wert danach, was der Mieter billigerweise neben einem Einsatz an freier Zeit als Kosten für das notwendige Material sowie als Vergütung für die Arbeitsleistung seiner Helfer aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis aufgewendet hat oder hätte aufwenden müssen105. Dieser kann auch gemäß § 287 ZPO geschätzt werden106. d) Verjährung 64 Der Bereicherungsanspruch unterliegt der kurzen Verjährungsfrist des § 548 Abs. 2 BGB. Der BGH

hat bereits zum § 558 BGB a.F., der Vorgängervorschrift des jetzigen § 548 BGB, entschieden, dass unter dem damals verwendeten Begriff der „Verwendungen“ alle Aufwendungen zu verstehen sind, die das Grundstück in seinem Bestand verbessern107. Für den Begriff der „Aufwendungen“ im jetzigen § 548 BGB gilt nichts anderes, da mit der entsprechenden Änderung durch das Mietrechtsreformgesetz keine inhaltliche Änderung beabsichtigt war108. 96 St. Rspr. des BGH v. 26.7.2006 – XII ZR 46/05, GE 2006, 1224; BGH v. 5.10.2005 – XII ZR 43/02, MDR 2006, 505 = MietRB 2006, 94 = NZM 2006, 15; BGH v. 16.9.1998 – XII ZR 136/96, ZMR 1999, 93; BGH v. 8.11.1995 – XII ZR 202/94, ZMR 1996, 122. 97 BGH v. 22.5.1967 – VIII ZR 25/65, WM 1967, 750 (752); BGH v. 10.10.1984 – VIII ZR 152/83, MDR 1985, 666 = NJW 1985, 313 (315); BGH v. 28.11.1984 – VIII ZR 186/83, MDR 1985, 665 = NJW 1985, 2527 (2528); BGH v. 4.4.1990 – VIII ZR 71/89, BGHZ 111, 125, 131 = MDR 1990, 913; vgl. auch BGH v. 12.2.1959 – VIII ZR 54/58, BGHZ 29, 289, 298. 98 Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 49. 99 BGH v. 4.4.1990 – VIII ZR 71/89, MDR 1990, 913 = NJW 1990, 1789; OLG Frankfurt v. 6.5.1986 – 8 U 164/ 85, ZMR 1986, 358. 100 Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 61; a.A. BGH v. 5.10.2005 – XII ZR 43/02, MDR 2006, 505 = MietRB 2006, 94 = GuT 2006, 32. 101 BGH v. 8.11.1995 – XII ZR 202/94, ZMR 1996, 122. 102 LG Berlin v. 23.10.2006 – 62 S 187/06, GE 2007, 517 (518 f.); AG Karlsruhe v. 6.9.2005 – 5 C 212/05, DWW 2005, 374 (375); Hannemann, FS Blank, S. 189, 203. 103 Vgl. BGH v. 16.9.1998 – XII ZR 136/96, NZM 1999, 19. 104 BGH v. 27.5.2009 – VIII ZR 302/07, MDR 2009, 916 = MietRB 2009, 254 = ZMR 2009, 829; Palandt/Sprau, § 818 BGB Rz. 21; Bamberger/Roth/Wendehorst, § 818 BGB Rz. 30. 105 BGH v. 30.10.1984 – VIII ARZ 1/84, BGHZ 92, 363 = MDR 1985, 400. 106 BGH v. 27.5.2009 – VIII ZR 302/07, MDR 2009, 916 = MietRB 2009, 254 = ZMR 2009, 829. 107 BGH v. 2.10.1985 – VIII ZR 326/84, MDR 1986, 227 = NJW 1986, 254. 108 BT-Drucks. 14/4553, S. 45; BGH v. 4.5.2011 – VIII ZR 195/10, MDR 2011, 777 = MietRB 2011, 201 = NZM 2011, 452.

634 | Dickersbach

B. Wohnraummiete | Rz. 70 § 539

Die kurze Verjährung des § 548 Abs. 2 BGB findet ihre Rechtfertigung zum einen darin, dass nach Beendigung des Mietverhältnisses alsbald Klarheit über bestehende Ansprüche im Zusammenhang mit dem Zustand der Mietsache erreicht werden soll109. Zum anderen dient die in § 548 Abs. 2 BGB getroffene Spezialregelung auch dem Zweck, das laufende Mietverhältnis nicht unnötig mit Auseinandersetzungen zu belasten110. Hieraus folgt, dass sämtliche Ansprüche, die der Mieter wegen der Vornahme von Aufwendungen gegen den Vermieter erhebt, nach § 548 BGB und nicht nach §§ 199, 195 BGB verjähren, mithin auch der Anspruch aus ungerechtfertigter Bereichung nach § 812 Abs. 1 BGB111. 11. Vorzeitige Vertragsbeendigung Hat der Mieter im Rahmen eines Mietverhältnisses Aufwendungen getätigt, z.B. weil er sich vertraglich 65 hierzu verpflichtet hat, können diese nutzlos werden, wenn das Vertragsverhältnis vorzeitig endet, der Vermieter also früher als vereinbart den Nutzen an den Aufwendungen des Mieters erlangt. Dies kommt – nicht zwingend ausschließlich – insbesondere bei einer langfristigen Bindung in Be- 66 tracht. Im Rahmen eines Wohnraummietverhältnisses kann eine solche durch eine Befristung gemäß § 575 BGB oder einen Kündigungsverzicht herbeigeführt werden. Im Bereich der Gewerberaummiete bestehen insoweit grundsätzlich keine Einschränkungen. a) Schadensersatz Ein Schadensersatzanspruch des Mieters kommt dann in Betracht, wenn der Vermieter die Auflösung 67 des Mietverhältnisses zu vertreten hat, z.B. im Fall des § 543 Abs. 2 S. 1 BGB. Im Rahmen eines solchen Schadensersatzanspruchs kommt eine Erstattungspflicht für getätigte Investitionen in Betracht. Die vergeblichen („frustrierten“) Aufwendungen werden durch § 284 BGB allgemein dem negativen 68 Interesse des Gläubigers/Mieters zugeordnet112. Um Ersatz dieser Aufwendungen zu erhalten, kommt es auf eine Rentabilitätsvermutung nicht (mehr) an113. Ersatzfähig sind z.B. Finanzierungskosten, Umbaumaßnahmen, Transport und Vorsorge für Lagerung und Aufstellung114. Vor allem bei der Einrichtung von Geschäftsräumen entstehen zudem nicht selten Kosten für die Planung und behördliche Genehmigungen (Nutzungsänderung115, Betriebserlaubnis etc.). Ersetzt verlangen kann der Mieter die Aufwendungen allerdings nur, wenn er sie „billigerweise“ täti- 69 gen durfte116, es sei denn, deren Zweck wäre auch ohne die Pflichtverletzung des Schuldners nicht erreicht worden. Letzteres ist z.B. der Fall, wenn sich nach dem Bruch eines Mietvertrages über eine Halle für eine Parteiveranstaltung herausstellt, dass die vorgesehene Veranstaltung ohnehin mangels Mitgliederinteresses abgesagt worden wäre117. Aufwendungen zur Vertragsanbahnung sind nicht zu erstatten, da diese nicht im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung getätigt wurden, da ein solches erst mit Abschluss des Vertrages entstehen kann118. Da sich der Zweck i.S.v. § 284 BGB nicht auf wirtschaftliche Zielsetzungen beschränkt119, gilt der Auf- 70 wendungsersatzanspruch auch für Wohnraummietverträge120. Der Zweck, nach Abschluss des Mietvertrages die Wohnung einzurichten, ist grundsätzlich billigenswert, so dass lediglich zu überprüfen ist, inwieweit die Investitionen noch verwertbar sind.

109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120

BT-Drucks. 14/4553, S. 45. BGH v. 28.5.2008 – VIII ZR 133/07, MDR 2008, 850 = MietRB 2008, 226 = NZM 2008, 519. BGH v. 4.5.2011 – VIII ZR 195/10, MDR 2011, 777 = MietRB 2011, 201 = NZM 2011, 452. Zimmer, NJW 2002, 1 (10). Gesetzesbegründung zu § 284 BGB, BT-Drucks. 14/6040, S. 142 f.; Schmidt-Räntsch, Rz. 380. Erman/Westermann, § 284 BGB Rz. 6. Vgl. OLG Düsseldorf v. 10.7.1992 – 10 U 142/91, ZMR 1992, 446. Vgl. Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 58; dazu Canaris, JZ 2001, 499 (517). Zimmer, NJW 2002, 1 (10); Schmidt-Räntsch, Rz. 380. Erman/Westermann, § 284 BGB Rz. 7. Schmidt-Räntsch, Rz. 380. Dauner-Lieb, § 284 BGB Rz. 4; Palandt/Grüneberg, § 284 BGB Rz. 4.

Dickersbach | 635

§ 539 Rz. 71 | Ersatz sonstiger Aufwendungen und Wegnahmerecht des Mieters 71 Fraglich ist, ob neben dem Anspruch aus § 284 BGB ein auf das negative Interesse gerichteter Scha-

densersatzanspruch nach § 280 BGB, insbesondere nach § 280 Abs. 3 BGB i.V.m. §§ 281–283 BGB, in Betracht kommt. § 284 BGB ist so zu verstehen, dass der Gläubiger an Stelle des Schadensersatzes statt der Leistung die vergeblichen Aufwendungen verlangen kann. Dies zeigt bereits der Wortlaut, der nicht als „nach Maßgabe“ oder „unter den Voraussetzungen“ zu interpretieren ist121. Der Mieter kann also entweder nur Schadensersatz statt der Leistung oder Aufwendungsersatz verlangen. 72 Dagegen kommt der Ersatz vergeblicher Aufwendungen nicht im Rahmen des einfachen Schadens-

ersatzes nach § 280 BGB in Betracht. Durch den Verweis auf den Schadensersatz statt der Leistung in § 284 BGB wird deutlich, dass der Schuldner zunächst noch einmal die Chance der vertragsgemäßen Leistung haben soll122. Möglich ist aber, dass neben dem Aufwendungsersatz Schadensersatzansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB bestehen123. Weiter kommt § 536a BGB – wenn ein Mangel vorlag – als Anspruchsgrundlage in Betracht, über die der Mieter dann auch Ersatz des Mangelfolgeschadens verlangen kann124. b) Bereicherungsanspruch 73 Bei einer vorzeitigen Vertragsbeendigung kommt weiter ein Bereicherungsanspruch in Betracht125.

Der Vermieter ist in diesen Fällen ohne Rechtsgrund vorzeitig auf Kosten des Mieters bereichert. Der Mieter kann daher den erhöhten Ertragswert ersetzt verlangen (vgl. hierzu § 539 BGB Rz. 60), allerdings beschränkt auf den Zeitraum bis zur regulären Vertragsbeendigung126. 74 Dem Bereicherungsanspruch des Mieters bei vorzeitiger Beendigung kann auch nicht entgegengehal-

ten werden, dass der auf eine bestimmte Zeit fest geschlossene Mietvertrag wegen Nichteinhaltung der Schriftform des § 550 BGB mit gesetzlicher Kündigungsfrist kündbar war. Der Umstand, dass der Mietvertrag in einem solchen Fall vorzeitig kündbar ist, ändert nichts daran, dass die Parteien einen für längere Zeit unkündbaren Mietvertrag haben vereinbaren wollen. Der Abschluss eines insoweit langfristigen Vertrages bildet nach wie vor die Grundlage für die von dem Beklagten getätigten Investitionen. Mit der Beendigung des Mietvertrages vor dem von den Parteien geplanten Ende ist der Rechtsgrund für die vom Beklagten vorgenommene Investition insoweit weggefallen127 mit der Folge, dass der Vermieter bereichert sein kann128. 75 Grundsätzlich der derjenige Bereicherungsschuldner, der im Zeitpunkt der Vornahme der Investitio-

nen Vermieter war129. Bei einem Vermieterwechsel ist aber derjenige Schuldner des Bereicherungsanspruchs, der die Mietsache vorzeitig zurückerhält130. Dies beruht auf der Überlegung, dass sich der Umfang der Bereicherung nicht nach der Höhe der Aufwendung des Mieters richtet und auch nicht im Zeitwert der Investition oder der Verkehrswertsteigerung des Mietobjektes bei Rückgabe (und erst recht nicht zu einem früheren Zeitpunkt) besteht, sondern allein in der Erhöhung des Ertragswertes, soweit der Vermieter diesen früher als vertraglich vorgesehen durch anderweitige Vermietung zu einem höheren Mietzins realisieren kann.

121 122 123 124 125

126 127 128 129 130

Palandt/Grüneberg, § 284 BGB Rz. 4; Staudinger/Ott, § 284 BGB Rz. 18; Zimmer, NJW 2002, 1 (10). Dauner-Lieb, § 284 BGB Rz. 7. BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 275/04, MDR 2005, 1335 = NJW 2005, 2848. Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 57. BGH v. 22.5.1967 – VIII ZR 25/65, NJW 1967, 2255; BGH v. 14.2.1968 – VIII ZR 2/66, NJW 1968, 888; BGH v. 10.10.1984 – VIII ZR 152/83, MDR 1985, 666 = NJW 1985, 313; BGH v. 4.4.1990 – VIII ZR 71/89, NJW 1990, 1789 = MDR 1990, 913; BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 22/92, NJW-RR 1993, 522; BGH v. 16.9.1998 – XII ZR 136/96, NZM 1999, 19; OLG Rostock v. 24.2.2005 – 3 U 187/04, MietRB 2005, 230 = NZM 2005, 666. BGH v. 29.4.2009 – XII ZR 66/07, MDR 2009, 920 = MietRB 2009, 230 = NZM 2009, 514; BGH v. 10.12.1955 – VI ZR 44/53, MDR 1956, 598; BGH v. 16.9.1998 – XII ZR 136/96, ZMR 1999, 93; OLG Düsseldorf v. 19.4.2007 – I-10 U 122/06, ZMR 2007, 446; Eckert, NZM 2009, 768. BGH v. 21.1.1960 – VIII ZR 16/59, WM 1960, 497 (498). BGH v. 29.4.2009 – XII ZR 66/07, MDR 2009, 920 = MietRB 2009, 230 = NZM 2009, 514. Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 60. BGH v. 5.10.2005 – XII ZR 43/02, MDR 2006, 505 = MietRB 2006, 94 = NJW-RR 2006, 294 = NZM 2006, 15.

636 | Dickersbach

B. Wohnraummiete | Rz. 80 § 539

Um eine derartige Möglichkeit ist der Voreigentümer, der die Nutzung zum vertraglich vereinbarten 76 Mietzins dem Mieter bis zum Eigentumsübergang gewähren musste und gewährt hat, nicht bereichert worden. Bereichert ist vielmehr der neue Vermieter, der die Mietsache vor Ablauf der vereinbarten Mietzeit zurückerhält und sie dadurch zu einem höheren Mietzins weitervermieten kann131. Diese Grundsätze gelten auch bei einem Erwerb durch Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren132. Ist ein Nießbrauch bestellt, ist der Bereicherungsanspruch gegen den Nießbrauchsberechtigten gerichtet133. Ein Bereicherungsanspruch gegenüber dem Mietnachfolger kommt nicht in Betracht, selbst wenn ihm 77 die getätigten Aufwendungen zugutekommen. Der Nachmieter erlangt die Nutzungsmöglichkeit an dem Mietobjekt aufgrund des Mietvertrages mit dem Vermieter. Da somit eine Leistung vorliegt, käme nur eine Leistungskondiktion, und zwar im Verhältnis Leistender/Leistungsempfänger, in Betracht. Ein Anspruch aus Nichtleistungskondiktion scheidet aus. Ähnlich gelagert ist der Fall, dass der Mieter Aufwendungen in Hinblick auf einen späteren Erwerb 78 des Grundstücks tätigt, dieses z.B. bebaut, der Eigentumsübergang aber nicht vollzogen wird. Auch hier gesteht die Rechtsprechung dem Mieter einen Bereicherungsanspruch zu, § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB134. In diesen Fällen ist weder der Mietvertrag noch ein etwaiger bereits abgeschlossener Kaufvertrag Rechtsgrund der Bauleistung. Die condictio ob rem wird auch nicht durch die Vorschriften der §§ 994 ff. BGB ausgeschlossen. Zwar finden die Vorschriften der §§ 987 ff. BGB nach gefestigter Rechtsprechung auch auf den bei Geltendmachung des Vindikationsanspruchs nicht mehr berechtigten Besitzer Anwendung135 und schließen die Anwendbarkeit des allgemeinen Bereicherungsrechts aus136. Dies gilt jedoch nicht für Bereicherungsansprüche wegen Baumaßnahmen auf fremdem Grund und Boden, die von einem berechtigten Besitzer in der begründeten Erwartung des späteren Eigentumserwerbs vorgenommen werden137. Der Vermieter ist zur Herausgabe der Bereicherung verpflichtet. Zur Höhe des Bereicherungsan- 79 spruchs vgl. § 539 BGB Rz. 60.

II. Wegnahmerecht 1. Grundsätzliches § 539 Abs. 2 BGB gewährt dem Mieter ein Wegnahmerecht, nach überwiegender Auffassung auch dem 80 Erwerber des Eigentums an den Einrichtungen138. Eine Pflicht zur Wegnahme wird durch die Vorschrift nicht begründet. Eine solche kann sich aber aus dem Mietvertrag oder aus § 546 Abs. 1 BGB ergeben139. Nach dieser Vorschrift ist die Mietsache, abgesehen von den unvermeidlichen Änderungen infolge des vertragsgemäßen Gebrauchs, in dem Zustand zurückzugeben, in dem sie sich bei Überlassung befand (vgl. § 546 BGB Rz. 75)140.

131 BGH v. 5.10.2005 – XII ZR 43/02, MDR 2006, 505 = MietRB 2006, 94 = NJW-RR 2006, 294 = NZM 2006, 15. 132 BGH v. 29.4.2009 – XII ZR 66/07, MDR 2009, 920 = MietRB 2009, 230 = NZM 2009, 514. 133 OLG Frankfurt v. 6.5.1986 – 8 U 164/85, ZMR 1986, 358. 134 BGH v. 12.7.1989 – VIII ZR 286/88, MDR 1989, 1096 = NJW 1989, 2745; BGH v. 22.6.2001 – V ZR 128/00, MDR 2001, 1227 = NJW 2001, 3118; OLG Oldenburg v. 5.11.2007 – 15 U 19/07, MDR 2008, 150 = NJW-RR 2008, 503. 135 BGH v. 24.11.1995 – V ZR 88/95, MDR 1996, 1112 = NJW 1996, 921; BGH v. 22.6.2001 – V ZR 128/00, MDR 2001, 1227 = NJW 2001, 3118. 136 BGH v. 29.9.1995 – V ZR 130/94, MDR 1996, 1114 = NJW 1996, 52. 137 BGH v. 29.11.1965 – VII ZR 214/63, BGHZ 44, 321, 323; BGH v. 12.7.1989 – VIII ZR 286/88, BGHZ 108, 256, 262 = MDR 1989, 1096; BGH v. 29.9.1995 – V ZR 130/94, MDR 1996, 1114 = NJW 1996, 52 mit Besprechung Canaris, JZ 1996, 344 (347); a.A. Emmerich, NZM 1998, 49 der einen Ausgleich über eine ergänzende Vertragsauslegung befürwortet. 138 Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB rz. 76; Münch/Komm/Bieber, § 539 BGB Rz. 28. 139 BGH v. 8.7.1981 – VIII ZR 326/80, MDR 1981, 1008 = NJW 1981, 2564; OLG Düsseldorf v. 5.10.2009 – I-24 U 17/09, ZMR 2010, 959; Erman/Lützenkirchen, § 539 BGB Rz. 8. 140 BGH v. 10.7.2002 – XII ZR 107/99, MDR 2003, 22 = NJW 2002, 3234.

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§ 539 Rz. 81 | Ersatz sonstiger Aufwendungen und Wegnahmerecht des Mieters 81 Das Recht zur Wegnahme gemäß § 539 Abs. 2 BGB kann durch vertragliche Regelung grundsätzlich

ausgeschlossen werden, im Bereich der Wohnraummiete aber nur, wenn ein angemessener Ausgleich vorgesehen ist, § 552 Abs. 2 BGB141. Dies ist nicht der Fall, wenn die Parteien mietvertraglich vereinbaren, dass die vom Mieter angeschaffte Küche in das Eigentum des Vermieters übergehen soll, wofür dem Mieter ein Mietnachlass von 95 EUR/Monat gewährt wird, wenn nicht gleichzeitig festgestelt werden kann, für welchen Mindestzeitraum dieser Mietnachlass gewährt werden soll142. 81a Es ist auch stets zu prüfen, ob die Parteien eine abschließende Übertragung des Eigentums an der Ein-

richtung an den Vermieter beabsichtigt haben, die auch durch konkludentes Handeln erfolgen kann143. Auch ohne vertragliche Regelung ist der Vermieter gemäß § 552 Abs. 1 BGB berechtigt, das Wegnahmerecht durch eine angemessene Ausgleichszahlung abzuwenden, es sei denn, der Mieter hat ein berechtigtes Interesse an der Wegnahme. § 552 Abs. 1 BGB gilt über § 578 Abs. 2 auch für Gewerberaummietverträge. 82 Kommt der Mieter mit der Einbringung einer vertraglichen Instandhaltungs- oder Instandsetzungs-

pflicht nach, steht ihm kein Wegnahmerecht zu. Dies ist z.B. der Fall, wenn der Mieter einen Heizkessel im Rahmen von Instandhaltungs-, Instandsetzungs- oder Sanierungsmaßnahmen am Objekt einbringt, zu denen er sich gegenüber dem Vermieter vertraglich verpflichtet hat, was regelmäßig aber nur bei der Gewerberaummiete wirksam möglich sein wird144. 83 § 539 Abs. 2 BGB trifft keine Aussage darüber, ob der Mieter überhaupt berechtigt ist, eine Einrich-

tung einzubringen. Dies richtet sich allein nach den vertraglichen Regelungen und den gesetzlichen Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs, § 535 Abs. 1 BGB145. Das Wegnahmerecht besteht aber unabhängig davon, ob der Mieter zur Anbringung berechtigt war oder nicht. 2. Einrichtungen 84 Einrichtungen sind bewegliche Sachen, die vom Mieter im eigenen Interesse mit der Mietsache zusätz-

lich verbunden werden, um deren wirtschaftlichen Zweck zu dienen146. Ohne Relevanz ist die Art der Verbindung. Die verbundene Sache muss aber – sei es auch mit Mühen und Kosten verbunden – wieder abtrennbar sein147 und einen gewissen wirtschaftlichen Wert behalten148. Dies ist nicht der Fall, wenn die Sache nicht ohne Beschädigung entfernt werden kann, wie z.B. ein angebrachter Fliesenbelag149, wobei dann dennoch die Rückbauverpflichtung aus § 546 BGB besteht. Schließlich muss die verbundene Sache als Nebensache dem Mietobjekt zugeordnet sein150. Gegenstände, die lediglich aufgestellt oder an Wände gehangen werden, sind aber nicht mit dem Mietobjekt verbunden und werden von dem Begriff der Einrichtung nicht erfasst151. Daher fallen Möbel grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich des § 539 Abs. 2 BGB, es sei denn sie sind darauf ausgerichtet, mit dem Mietobjekt – z.B. durch Verschraubung – verbunden zu werden152.

141 Vgl. hierzu auch BGH v. 31.10.1952 – V ZR 36/51, BGHZ 8, 1 (7); BGH v. 10.7.1953 – V ZR 22/52, BGHZ 10, 171 (175 f.); BGH v. 21.12.1956 – V ZR 245/55, BGHZ 23, 57 (58); BGH v. 1.2.1984 – VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 70 (73 f.) = MDR 1984, 750; BGH v. 20.5.1988 – V ZR 269/86, BGHZ 104, 298 (301 f.) = MDR 1988, 946. 142 LG Bonn v. 12.12.2016 – 6 S 60/16, ZMR 2017, 245. 143 OLG Düsseldorf v. 5.2.2008 – 10 U 189/07, NZM 2009, 242. 144 OLG Brandenburg v. 25.3.2009 – 3 U 172/07, ZMR 2010, 23. 145 Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 25. 146 BGH v. 13.5.1987 – VIII ZR 136/86, MDR 1987, 927 = NJW 1987, 2861; MünchKomm/Bieber, § 539 BGB Rz. 13; Blank/Börstinghaus, § 539 BGB Rz. 16; Scholl, WuM 1998, 327. 147 Bub/Treier/Scheuer/Emmerich, V B Rz. 330. 148 Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XIII 139. 149 AG Homburg v. 18.9.2012 – 23 C 58/12 (20), WuM 2012, 674. 150 MünchKomm/Bieber, § 539 BGB Rz. 13. 151 Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 12; MünchKomm/Bieber, § 539 BGB Rz. 14. 152 BGH v. 13.5.1987 – VIII ZR 136/86, MDR 1987, 927 = NJW 1987, 2861.

638 | Dickersbach

B. Wohnraummiete | Rz. 87 § 539

Ohne Belang ist, ob die Einbauten zu einem vorübergehenden Zweck erfolgten und im Eigentum des 85 Mieters blieben (§ 95 BGB153) oder als bauliche Veränderungen zu wesentlichen Bestandteilen der Mietsache wurden und deshalb in das Eigentum des Vermieters übergingen (§§ 947 Abs. 2, 94 BGB154), wie z.B. eine eingemauerte Einbauküche155. Denn das Wegnahmerecht ist ein Aneignungsrecht und erfasst auch Veränderungen in der baulichen Substanz156. Es ist unerheblich, ob die Einrichtung zum wesentlichen Bestandteil der Mietsache geworden ist und der Mieter sein Eigentum verloren hat157. Unbeachtlich ist auch, ob der Mieter überhaupt Eigentum an der eingebrachten Einrichtung hatte158. Das Wegnahmerecht wird als dinglicher Anspruch qualifiziert159. Denn selbst wenn der Vermieter 86 durch die Einfügung Eigentümer geworden ist, kann sich der Mieter die Sache wieder aneignen. Im Übrigen wird der dingliche Charakter des Gestattungsanspruchs in der Beschränkung des Herausgabeanspruchs aus § 985 BGB in seinen Voraussetzungen und Wirkungen deutlich160. Beispiele für dem Wegnahmerecht unterliegende Einbauten: – Einbauküchen161, auch Teeküchen162, – sonstige Einbaumöbel; Badezimmereinrichtungen und sanitäre Installationen163, – Teppichböden164 und sonstige Fußbodenbeläge165, – Heizungsanlagen166, – Heizkörper, – Steckdosen und Schalter, – Beleuchtungsanlagen, – Türen, z.B. auch eine Kiosktür167, – verankerte Maschinen, – Anschlussgleise168, – umpflanzbare Anpflanzungen – auch Bäume169, – Schlösser170, – EDV- und Telefonanlagen171, – Duschabtrennungen.

153 Vgl. auch BGH v. 14.5.1997 – XII ZR 140/95, NJW-RR 1997, 1216; OLG Düsseldorf v. 5.10.2009 – I-24 U 17/ 09, ZMR 2010, 959 m.w.N. 154 Vgl. hierzu Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 27 m.w.N. 155 OLG Düsseldorf v. 2.11.1998 – 9 U 64/98, NZM 1999, 237. 156 BGH v. 8.7.1981 – VIII ZR 326/80, MDR 1981, 1008 = NJW 1981, 2564; OLG Düsseldorf v. 4.8.2011 – I-24 U 48/11, GuT 2011, 280; Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 27. 157 BGH v. 12.6.1991 – XII ZR 17/90, MDR 1992, 237 = NJW 1991, 3031. 158 OLG Frankfurt v. 9.2.2018 – 2 W 11/18, zitiert nach juris. 159 BGH v. 12.6.1991 – XII ZR 17/90, MDR 1992, 237 = NJW 1991, 3031. 160 BGH v. 8.7.1981 – VIII ZR 326/80, MDR 1981, 1008 = NJW 1981, 2564. 161 BGH v. 20.11.2008 – IX ZR 180/07, MDR 2009, 374 = MietRB 2009, 94 = WuM 2009, 129; OLG Düsseldorf v. 3.12.1998 – 10 U 191/97, NZM 1999, 668; a.A. OLG München v. 22.6.1984 – 18 U 2537/84, WuM 1985, 90. 162 LG Hamburg v. 24.1.2012 – 311 O 302/11, ZMR 2012, 871. 163 BGH v. 14.7.1969 – VIII ZR 5/68, ZMR 1969, 340; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 12. 164 KG v. 2.3.1971 – 1 W 11964/70, ZMR 1972, 80. 165 OLG Frankfurt v. 6.5.1986 – 8 U 164/85, ZMR 1986, 358. 166 BGH v. 18.11.1968 – VIII ZR 189/66, NJW 1969, 40. 167 OLG Düsseldorf v. 5.10.2009 – 24 U 17/09, ZMR 2010, 959. 168 BGH v. 9.2.1966 – VIII ZR 19/64, MDR 1966, 498. 169 OLG Köln v. 8.7.1994 – 11 U 242/93, ZMR 1994, 509; OLG Düsseldorf v. 3.4.1998 – 22 U 161/97, NJW-RR 1999, 160. 170 LG Karlsruhe v. 13.12.1996 – 9 S 271/96, WuM 1998, 22. 171 LG Hamburg v. 24.1.2012 – 311 O 302/11, ZMR 2012, 871.

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§ 539 Rz. 88 | Ersatz sonstiger Aufwendungen und Wegnahmerecht des Mieters 88 Zu den Einrichtungen zählen nicht: die Errichtung eines Gebäudes172 mit Ausnahme von Bauwer-

ken, die im Beitrittsgebiet vor dem 3.10.1990 errichtet wurden, § 12 Abs. 4 SchuldRAnpG; Sachen, die eingefügt werden, um die Mietsache erst in den vertragsgemäßen Zustand zu versetzen oder um die Mietsache zu verändern173, weil sie nicht der Verbesserung der vertragsgemäßen Benutzbarkeit dienen; bloße Baumaterialien (Tapete, Fliesenspiegel) und unter Putz verlegte Leitungen174, weil sie zur Mietsache selbst gehören und vom Verkehr nicht als Nebensache angesehen werden; bewegliche Gegenstände, wie z.B. Inventar und Mobiliar175. 88a Die Einrichtung muss vom Mieter eingebracht worden sein. In der Praxis kommt es aber immer wie-

der vor, dass die Vertragsparteien gemeinsam an der Herrichtung eines bestimmten Zustandes mitwirken, z.B. der Vermieter die Materialkosten für eine Duschabtrennung oder Laminatboden trägt, der Einbau dann aber durch den Mieter erfolgt. In einem solchen Fall ist zunächst zu prüfen, ob die Vertragsparteien eine ausdrückliche Regelung über das rechtliche Schicksal der Einrichtung getroffen haben. Ist dies nicht der Fall muss durch Auslegung ermittelt werden, ob die Einrichtung als vom Mieter eingebracht gelten soll oder nach Beendigung des Mietverhältnisses im Mietobjekt verbleiben soll. Im Zweifel ist von letzterem auszugehen, da die Lebenserfahrung zeigt, dass ein Vermieter von Wohnraum nur dann Kosten übernimmt, sofern ihm die betreffende Einrichtung dann auch über den Fortbestand des Mietverhältnisses hinaus zur Verfügung steht. Dies gilt umso mehr, als dass die Dauer des Mietverhältnisses regelmäßig nicht absehbar ist, also grundsätzlich auch schon kurze Zeit nach der Investition enden kann, z.B. aufgrund einer fristlosen Kündigung wegen des Zahlungsverzugs des Mieters. 3. Duldungspflicht des Vermieters a) Inhalt der Duldungspflicht 89 Der Vermieter schuldet Duldung der Wegnahme, nicht Herausgabe der Einrichtung176, auch keine

Mitwirkung, bis auf die Gestattung des Zutritts, soweit erforderlich177. Mit der Rückgabe der Mietsache geht das Wegnahmerecht des Mieters entsprechend § 258 S. 2 BGB in einen Anspruch auf Gestattung der Wegnahme über178. 90 Grundsätzlich ist der Vermieter zur Mitwirkung bei der Wegnahme nicht verpflichtet. Dies gilt auch

dann nicht, wenn der Vermieter dem Mieter wegen vorausgegangener erheblicher Auseinandersetzungen ein Hausverbot erteilt. Durch ein solches Hausverbot wird das Wegnahmerecht auch nicht vereitelt, sofern der Ausbau und die Wegnahme durch Beauftragte des Mieters gestattet wird179. 91 Verweigert der Vermieter die Duldung, ist der Klageantrag nicht auf Herausgabe, sondern auf die Dul-

dung der Wegnahme zu richten180. Die Vollstreckung richtet sich dann nach § 890 ZPO. Der Streitwert bemisst sich nach dem Wert der Einrichtung nach Ausbau, nicht nach dem Gebrauchswert181. 92 Der Duldungsanspruch ist gemäß § 398 BGB abtretbar, was insbesondere für die Veräußerung einer

Einrichtung an einen Nachmieter von Bedeutung ist. In der Veräußerung ist in der Regel eine zumindest konkludente Abtretung des Duldungsanspruchs zu sehen182. 172 BGH v. 8.7.1981 – VIII ZR 326/80, MDR 1981, 1008 = NJW 1981, 2564. 173 OLG Sachsen-Anhalt v. 22.1.2018 – 1 U 108/17, ZMR 2018, 748; Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 27; MünchKomm/Bieber, § 539 BGB Rz. 14; Erman/Lützenkirchen, § 539 BGB Rz. 12. 174 MünchKomm/Bieber, § 539 BGB Rz. 14; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 11. 175 BGH v. 12.6.1991 – XII ZR 17/90, MDR 1992, 237 = NJW 1991, 3031; OLG Düsseldorf v. 3.12.1998 – 10 U 191/97, WuM 2000, 21; OLG München v. 22.6.1984 – 18 U 2537/84, WuM 1985, 90. 176 OLG Düsseldorf v. 3.12.1998 – 10 U 191/97, NZM 1999, 668; Erman/Lützenkirchen, § 539 BGB Rz. 13. 177 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 1186. 178 BGH v. 8.7.1981 – VIII ZR 326/80, MDR 1981, 1008 = NJW 1981, 2564. 179 OLG München v. 24.1.1997 – 21 U 2244/96, ZMR 1997, 235. 180 BGH v. 13.5.1987 – VIII ZR 136/86, MDR 1987, 927 = NJW 1987, 2861; Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 36. 181 Vgl. KG v. 2.3.1971 – 1 W 11964/70, ZMR 1972, 80. 182 BGH v. 18.11.1968 – VIII ZR 189/66, NJW 1969, 40; LG München v. 22.2.1961 – 15 S 450/60, ZMR 1962, 198; Erman/Lützenkirchen, § 539 BGB Rz. 16.

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B. Wohnraummiete | Rz. 98 § 539

b) Verletzung der Duldungspflicht Eine Verletzung der Duldungspflicht kann einen Schadensersatzanspruch des Mieters aus § 280 Abs. 1 93 BGB (pVV) bzw. nach fruchtloser Fristsetzung aus § 281 Abs. 1 BGB begründen183, bzw. bei einer verzögerten Duldung zur Verzugshaftung gemäß § 286 BGB führen. Auch Ansprüche gemäß §§ 987 ff. BGB kommen in Betracht, allerdings erst ab dem Zeitpunkt, in dem 94 Mieter die Einrichtung wegnehmen möchte und dies verweigert wird. Bis zur Ausübung des Wegnahmerechts ist der Vermieter zum Besitz berechtigt, und zwar selbst dann, wenn das Eigentum an der Einrichtung dem Mieter zusteht184. Gleiches gilt in Bezug auf einen Nachmieter, dem der Vermieter den unmittelbaren Besitz einräumt185. Weder Vermieter noch Nachmieter schulden daher eine Nutzungsentschädigung nach den §§ 987 ff. BGB, bis der Mieter sein Wegnahmerecht ausüben möchte186. c) Wegfall der Duldungspflicht Die Duldungspflicht des Vermieters entfällt durch Ausübung des Vermieterpfandrechts. Das Vermie- 95 terpfandrecht berechtigt den Vermieter, der Entfernung der dem Pfandrecht unterworfenen Sachen des Mieters zu widersprechen. Hat der Mieter das Mietobjekt mit Einrichtungen versehen, so handelt es sich jedenfalls dann auch insoweit um eingebrachte Sachen des Mieters, als diese Einrichtungen – als Scheinbestandteile des Grundstücks (§ 95 BGB) – im Eigentum des Mieters bleiben. Ist der Vermieter berechtigt, der Entfernung der seinem Pfandrecht unterworfenen Einrichtungen des Mieters zu widersprechen, so braucht er die Wegnahme nicht zu dulden, d.h., er ist aus diesem Grunde berechtigt, seine Leistung vorübergehend, und zwar solange das Pfandrecht besteht, zu verweigern187. Teilweise wird vertreten, dass die Ausübung des Wegnahmerechts auch gegen den Grundsatz von Treu 96 und Glauben gemäß § 242 BGB verstoßen kann, nämlich dann, wenn die Wegnahme dem Mieter keinen Vorteil bringt188. Insoweit ist allerdings Zurückhaltung geboten, da grundsätzlich allein dem Mieter die Entscheidung darüber obliegt, ob er von seinem Wegnahmerecht Gebrauch macht oder nicht, zumal er über § 258 S. 1 BGB das (ehemalige) Mietobjekt wieder in den vorigen Zustand versetzen muss und der Vermieter insoweit zuvor eine Sicherheit verlangen kann, also hinreichend geschützt ist. Der Einwand von Treu und Glauben kann daher nach der hier vertretenen Meinung nur dann greifen, wenn dem Mieter die Herstellung des vorigen Zustandes nicht möglich oder unzumutbar ist189. 4. Ausübung des Wegnahmerechts Zur Ausübung des Wegnahmerechts besteht keine Anzeigepflicht des Mieters190. Korrekturen können 97 sich im Einzelfall aus § 242 BGB ergeben, wenn der Mieter kein berechtigtes Interesse (§ 552 Abs. 1 BGB) reklamieren kann und die Entfernung die Mietsache unangemessen entwertet191. Das Wegnahmerecht muss einheitlich, also hinsichtlich der gesamten Einrichtung ausgeübt werden. 98 Es kann nicht auf einzelne Bestandteile beschränkt werden. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass der Mieter lediglich besonders werthaltige Gegenstände wegnimmt oder die zurückgelassenen Bestandteile nicht mehr funktionstüchtig und damit wertlos sind. Übt er das Wegnahmerecht aus, muss er den vorigen Zustand wiederherstellen, § 258 S. 1 BGB.

183 BGH v. 18.11.1968 – VIII ZR 189/66, NJW 1969, 40; OLG München v. 24.1.1997 – 21 U 2244/96, ZMR 1997, 235. 184 BGH v. 13.5.1987 – VIII ZR 136/86, MDR 1987, 927 = NJW 1987, 2861. 185 BGH v. 8.7.1981 – VIII ZR 326/80, MDR 1981, 1008 = WuM 1982, 50. 186 BGH v. 13.5.1987 – VIII ZR 136/86, BGHZ 101, 37 = MDR 1987, 927. 187 BGH v. 13.5.1987 – VIII ZR 136/86, MDR 1987, 927 = NJW 1987, 2861. 188 Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 77; Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 31. 189 A.A. Gather, DWW 2008, 122; MünchKomm/Krüger, § 258 BGB Rz. 8, Schmidt-Futterer/Langenberg, § 539 BGB Rz. 82 (die dem Vermieter lediglich einen Schadensersatzanspruch zugestehen möchten). 190 OLG Köln v. 8.7.1994 – 11 U 242/93, ZMR 1994, 509. 191 Vgl. BGH v. 12.6.1991 – XII ZR 17/90, MDR 1992, 237 = NJW 1991, 3031; OLG München v. 22.6.1984 – 18 U 2537/84, WuM 1985, 90; Bub/Treier/Scheuer/Emmerich, V B Rz. 336, str.

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§ 539 Rz. 99 | Ersatz sonstiger Aufwendungen und Wegnahmerecht des Mieters 99 Das Wegnahmerecht kann nach Beendigung des Mietvertrags, vor oder nach der Rückgabe der Miet-

sache ausgeübt werden, aber auch schon im Verlaufe des Mietvertrags192. Im Falle des § 566 BGB richtet sich das Wegnahmerecht, wenn die Mietsache zuvor nicht zurückgegeben wurde, gegen den Erwerber193, selbst wenn der Erwerb in der Zwangsversteigerung erfolgt und das Recht dort nicht angemeldet wurde194. 100 Da es sich bei § 539 Abs. 2 BGB um ein Wegnahmerecht i.S.d. § 258 BGB handelt, ist der Mieter im

Falle der Wegnahme verpflichtet, das Mietobjekt auf seine Kosten in den vorigen Zustand zu versetzen, § 258 S. 1 BGB. Befindet sich der Vermieter vor der Wegnahme bereits wieder im Besitz des Mietobjektes, muss er die Wegnahme dulden, kann die Gestattung aber gemäß § 258 S. 2 BGB davon abhängig machen, dass der Mieter ihm für die mit der Wegnahme verbundenen Schäden Sicherheit leistet. Das Wegnahmerecht scheidet aus, wenn die Herstellung des früheren Zustandes nicht möglich ist (vgl. § 539 BGB Rz. 96). 5. Übertragung des Wegnahmerechts 101 Der Mieter kann sein Wegnahmerecht abtreten195. Eine Abtretung ist in der Regel anzunehmen, wenn

der Mieter die von ihm eingebrachten Einrichtungen dem Nachmieter einvernehmlich überlässt196. 6. Verjährung 102 Die Verjährung der von § 539 Abs. 2 BGB erfassten Ansprüche bestimmt sich grundsätzlich nach

§ 548 Abs. 2 BGB. Die Verjährungsfrist von sechs Monaten wird ab Beendigung und nicht ab Rückgabe, wie bei § 548 Abs. 1 BGB, berechnet197. 103 Die Verjährung wird nicht durch die Geltendmachung des Vermieterpfandrechts gehemmt198. Soweit

§ 205 BGB bestimmt, dass die Verjährung gehemmt wird, wenn die Einrede des Zurückbehaltungsrechts erhoben wird, ist diese Vorschrift auf das Vermieterpfandrecht nicht anwendbar. Dieses wird in § 205 BGB gerade nicht genannt. Weiter handelt es sich zweifelsohne um eine nicht analogiefähige Ausnahmeregelung199. 104 Ist der Anspruch auf Duldung der Wegnahme verjährt, so kann der Vermieter dem Mieter das Recht

zum Besitz als dauernde Einrede entgegenhalten. Damit entfällt zugleich die Möglichkeit, den Vermieter als unrechtmäßigen Besitzer auf Nutzungsvergütung gemäß §§ 987 ff. BGB oder § 812 BGB in Anspruch zu nehmen200. 105 Nach Eintritt der Verjährung stehen dem Mieter auch keine Schadensersatz- oder Bereicherungs-

ansprüche wegen Eigentumsverlusts zu, wenn der Vermieter das Mietobjekt einschließlich der eingebauten Einrichtungen veräußert201. 7. Beweislast 106 Der Mieter hat vorzutragen und zu beweisen, dass er die Einrichtung eingebracht hat. Begehrt der

Mieter eine Entschädigung nach § 552 Abs. 2 BGB, muss er die Angemessenheit der verlangten Ent192 193 194 195 196 197 198

Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 32; Bub/Treier/Scheuer/Emmerich, V B Rz. 336. BGH v. 12.6.1991 – XII ZR 17/90, MDR 1992, 237 = NJW 1991, 3031. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XIII 141. BGH v. 12.6.1991 – XII ZR 17/90, MDR 1992, 237 = NJW 1991, 3031. MünchKomm/Bieber, § 539 BGB Rz. 19; vgl. auch BGH v. 18.11.1968 – VIII ZR 189/66, NJW 1969, 40. OLG Bamberg v. 6.6.2003 – 6 U 20/03, NJW-RR 2004, 227. OLG Stuttgart v. 14.4.2008 – 13 U 139/07, MDR 2008, 679; LG Krefeld v. 20.12.2017 – 2 S 65/16, MDR 2018, 268 = MietRB 2018, 34 = MietRB 2018, 35 = NZM 2018, 787. 199 BGH v. 13.5.1987 – VIII ZR 136/86, MDR 1987, 927 = NJW 1987, 2861. 200 BGH v. 8.7.1981 – VIII ZR 326/80, MDR 1981, 1008 = NJW 1981, 2564; OLG Bamberg v. 6.6.2003 – 6 U 20/ 03, NJW-RR 2004, 227; LG Krefeld v. 20.12.2017 – 2 S 65/16, MDR 2018, 268 = MietRB 2018, 34 = MietRB 2018, 35 = NZM 2018, 787; LG Berlin v. 12.1.2004 – 99 O 82/03, zitiert nach juris. 201 BGH v. 13.5.1987 – VIII ZR 136/86, MDR 1987, 927 = NJW 1987, 2861; BGH v. 8.7.1981 – VIII ZR 326/80, BGHZ 81, 146 = MDR 1981, 1008.

642 | Dickersbach

Gebrauchsüberlassung an Dritte | § 540

schädigung darlegen und beweisen, aber auch, dass der Vermieter die Wegnahme nicht gestattet hat202. Ein behaupteter Verzicht auf das Wegnahmerecht oder eine Entschädigung ist von dem Vermieter – da für ihn günstig – darzulegen und zu beweisen. 8. Ausgleichsanspruch des Mieters Dem Mieter steht ohne vertragliche Regelung kein Ausgleichsanspruch, insbesondere kein Bereiche- 107 rungsanspruch gemäß § 812 BGB, gegen den Vermieter zu, sofern er Einrichtungsgegenstände zurücklässt. Vielmehr kann der Vermieter den Mieter auf sein Wegnahmerecht verweisen203. Der Vermieter muss sich die Einrichtungsgegenstände nicht aufdrängen lassen.

C. Gewerberaummiete Es bestehen keine Unterschiede zur Wohnraummiete.

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§ 540 Gebrauchsüberlassung an Dritte (1) Der Mieter ist ohne die Erlaubnis des Vermieters nicht berechtigt, den Gebrauch der Mietsache einem Dritten zu überlassen, insbesondere sie weiter zu vermieten. Verweigert der Vermieter die Erlaubnis, so kann der Mieter das Mietverhältnis außerordentlich mit der gesetzlichen Frist kündigen, sofern nicht in der Person des Dritten ein wichtiger Grund vorliegt. (2) Überlässt der Mieter den Gebrauch einem Dritten, so hat er ein dem Dritten bei dem Gebrauch zur Last fallendes Verschulden zu vertreten, auch wenn der Vermieter die Erlaubnis zur Überlassung erteilt hat. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . 3 2. Anwendbare Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . 6 III. Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1. § 540 Abs. 1 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2. § 540 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 3. § 540 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 IV. Abweichende Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . 10 1. Generelle Untervermietungserlaubnis . . . . . 12 2. Verbot mit Erlaubnisvorbehalt . . . . . . . . . . . 15 3. Andere Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . 17 4. Abhängigkeit des Unter- vom Hauptmietvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 V. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 VI. Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22a B. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 I. Gebrauchsüberlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 1. Untermiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2. Kündigungsschutz des Untermieters gegenüber dem Vermieter . . . . . . . . . . . . . . . 33 II. Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1. Nächste Angehörige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

2. Lebensgefährte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weitere privilegierte Personen . . . . . . . . . . . . III. Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsnatur der Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . 2. Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Umfang der Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Antrag auf Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Antragsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konkreter Untermieter . . . . . . . . . . . . . . c) Abstrakte Anfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Anspruch auf Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vertragliche Regelung . . . . . . . . . . . . . . . b) Weitere Anspruchsgrundlagen . . . . . . . . 6. Überlegungsfrist des Vermieters . . . . . . . . . . 7. Erlöschen der Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Widerruf der Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsfolgen einer verweigerten Erlaubnis . . . 1. Rechte des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kündigung nach § 540 Abs. 1 S. 2 BGB . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wichtiger Grund . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Andere Kündigungstatbestände zugunsten des Mieters . . . . . . . . . . . . b) Minderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36 37 39 42 43 47 49a 49b 50 53 55 55 60 62 63 65 68 70 73 73 73 74 77 80 81

202 Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 36. 203 LG Hamburg v. 24.1.2012 – 311 O 302/11, ZMR 2012, 871.

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Gebrauchsüberlassung an Dritte | § 540

schädigung darlegen und beweisen, aber auch, dass der Vermieter die Wegnahme nicht gestattet hat202. Ein behaupteter Verzicht auf das Wegnahmerecht oder eine Entschädigung ist von dem Vermieter – da für ihn günstig – darzulegen und zu beweisen. 8. Ausgleichsanspruch des Mieters Dem Mieter steht ohne vertragliche Regelung kein Ausgleichsanspruch, insbesondere kein Bereiche- 107 rungsanspruch gemäß § 812 BGB, gegen den Vermieter zu, sofern er Einrichtungsgegenstände zurücklässt. Vielmehr kann der Vermieter den Mieter auf sein Wegnahmerecht verweisen203. Der Vermieter muss sich die Einrichtungsgegenstände nicht aufdrängen lassen.

C. Gewerberaummiete Es bestehen keine Unterschiede zur Wohnraummiete.

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§ 540 Gebrauchsüberlassung an Dritte (1) Der Mieter ist ohne die Erlaubnis des Vermieters nicht berechtigt, den Gebrauch der Mietsache einem Dritten zu überlassen, insbesondere sie weiter zu vermieten. Verweigert der Vermieter die Erlaubnis, so kann der Mieter das Mietverhältnis außerordentlich mit der gesetzlichen Frist kündigen, sofern nicht in der Person des Dritten ein wichtiger Grund vorliegt. (2) Überlässt der Mieter den Gebrauch einem Dritten, so hat er ein dem Dritten bei dem Gebrauch zur Last fallendes Verschulden zu vertreten, auch wenn der Vermieter die Erlaubnis zur Überlassung erteilt hat. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . 3 2. Anwendbare Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . 6 III. Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1. § 540 Abs. 1 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2. § 540 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 3. § 540 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 IV. Abweichende Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . 10 1. Generelle Untervermietungserlaubnis . . . . . 12 2. Verbot mit Erlaubnisvorbehalt . . . . . . . . . . . 15 3. Andere Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . 17 4. Abhängigkeit des Unter- vom Hauptmietvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 V. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 VI. Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22a B. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 I. Gebrauchsüberlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 1. Untermiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2. Kündigungsschutz des Untermieters gegenüber dem Vermieter . . . . . . . . . . . . . . . 33 II. Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1. Nächste Angehörige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

2. Lebensgefährte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weitere privilegierte Personen . . . . . . . . . . . . III. Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsnatur der Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . 2. Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Umfang der Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Antrag auf Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Antragsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konkreter Untermieter . . . . . . . . . . . . . . c) Abstrakte Anfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Anspruch auf Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vertragliche Regelung . . . . . . . . . . . . . . . b) Weitere Anspruchsgrundlagen . . . . . . . . 6. Überlegungsfrist des Vermieters . . . . . . . . . . 7. Erlöschen der Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Widerruf der Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsfolgen einer verweigerten Erlaubnis . . . 1. Rechte des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kündigung nach § 540 Abs. 1 S. 2 BGB . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wichtiger Grund . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Andere Kündigungstatbestände zugunsten des Mieters . . . . . . . . . . . . b) Minderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36 37 39 42 43 47 49a 49b 50 53 55 55 60 62 63 65 68 70 73 73 73 74 77 80 81

202 Staudinger/Emmerich, § 539 BGB Rz. 36. 203 LG Hamburg v. 24.1.2012 – 311 O 302/11, ZMR 2012, 871.

Dickersbach und Lützenkirchen | 643

§ 540 Rz. 1 | Gebrauchsüberlassung an Dritte 2. Rechte des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beseitigung und Unterlassung, § 541 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kündigung des Mietvertrages . . . . . . . . c) Herausgabe des Mehrerlöses . . . . . . . . . aa) Bestehender Mietvertrag . . . . . . . . . bb) Erlaubte Untervermietung bei nichtigem Hauptmietvertrag . . . . . . cc) Verweigerte Herausgabe nach Mietende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Haftung des Mieters für den Untermieter (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Rechtsbeziehung Vermieter – Untermieter . . 1. Bestehender Hauptmietvertrag . . . . . . . . . . . 2. Beendeter Hauptmietvertrag . . . . . . . . . . . . .

82 82 85 87 87 89 90 91 93 93 94

C. I. II. III. IV. V.

a) Ansprüche des Vermieters . . . . . . . . . . . . aa) Räumung der Mietsache . . . . . . . . . . bb) Anspruch auf Nutzungsentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ansprüche des Untermieters . . . . . . . . . . c) Exkurs: Rechtsmangel durch Kündigung des Hauptmietvertrages? . . . . . . . . . . . . . Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antrag auf Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anspruch auf Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wichtiger Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94 94 96 98 99 101 101 103 108 112 114

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt 1 Aus § 540 Abs. 1 BGB ergibt sich mittelbar, dass der Mieter die Wohnung nur für sich nutzen darf1.

Da er deshalb das wirtschaftliche Risiko der Nutzung trägt und er seine Ansprüche grundsätzlich nicht abtreten kann, versucht die Vorschrift, einen Interessenausgleich herzustellen. Dazu macht sie die Gebrauchsüberlassung durch einen Dritten abhängig von der Zustimmung des Vermieters und schafft eine Ausstiegsmöglichkeit für den Mieter, wenn ihm die Zustimmung ohne besonderen Grund verweigert wird. 2 § 540 Abs. 2 BGB stellt klar, dass durch die Erlaubniserteilung keine Entlastung des Mieters eintritt,

wenn der Dritte schuldhaft einen Schaden verursacht. Damit wird § 278 BGB, der ohnehin gilt, klarstellend ergänzt.

II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich 3 Die Norm ist auf alle Mietverhältnisse (einschließlich § 549 Abs. 2 BGB) und über § 581 Abs. 2 BGB

grundsätzlich auch auf die Pacht entsprechend anwendbar. Zweifel bestehen bei der Rechtspacht2. Denn die Vorschrift sollte im Wesentlichen nur für die Miete unbeweglicher Sachen von Bedeutung sein3, zumal in der Mehrzahl der Fälle persönliche Eigenschaften des Mieters, sein Beruf, seine Lebensweise etc. für den Abschluss und die Bedingungen des Mietvertrags von entscheidender Bedeutung sind4. 4 Bei Wohnraummiete ist ergänzend § 553 BGB zu beachten, der allerdings grundsätzlich keine voll-

ständige Besitzüberlassung betrifft. Vielmehr ist dessen Anwendungsbereich i.d.R. auf die Aufnahme des Dritten in die Wohnung des Mieters beschränkt. 5 Im allgemeinen Pachtrecht ist das Kündigungsrecht nach § 540 Abs. 1 S. 2 BGB ausgeschlossen,

§ 584a Abs. 1 BGB. Bei der Landpacht gilt § 589 BGB.

1 2 3 4

Schmidt-Futterer/Blank, § 540 BGB Rz. 1. BGH v. 26.1.1994 – XII ZR 93/92, MDR 1994, 346 = NJW-RR 1994, 558. Mugdan, II S. 844. Mugdan, II S. 846, 1250.

644 | Lützenkirchen

A. Allgemeines | Rz. 12 § 540

2. Anwendbare Rechtsprechung Zur Vorgängervorschrift, die bis zum 31.8.2001 galt (§ 549 Abs. 1 und 3 BGB a.F.) ergeben sich keine 6 inhaltlichen Veränderungen. Deshalb ist die Rechtsprechung zu den alten Bestimmungen ohne Einschränkung auch auf § 540 BGB anzuwenden. Das MietRÄndG 2013 hat die Vorschrift nicht tangiert.

III. Zweck der Vorschrift 1. § 540 Abs. 1 S. 1 BGB Die Ansprüche des Mieters aus dem Mietvertrag sind regelmäßig nicht abtretbar, weil es auf die Per- 7 son des Mieters ankommt5. Andererseits trägt grundsätzlich der Mieter das wirtschaftliche Risiko der Nutzung. In dieser Situation soll die Bestimmung dem Mieter zunächst die Möglichkeit bieten, z.B. bei Aufgabe der Nutzung seinen wirtschaftlichen Verlust aufzufangen, indem er den Gebrauch einem Dritten (gegen Entgelt) überlässt6. Insoweit zeigt das Zustimmungserfordernis, dass dem Vermieter nicht jeder Nutzer aufgedrängt werden können soll7. Dieser Interessenausgleich kann natürlich auf alle anderen Situationen übertragen werden, in denen der Mieter an der Nutzung gehindert ist, aber weiter an den Vertrag gebunden bleibt. 2. § 540 Abs. 1 S. 2 BGB Mit der Beschränkung des Rechts des Mieters zur außerordentlichen Kündigung wird das Interesse 8 des Vermieters sichergestellt, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes in der Person des Untermieters die Erlaubnis versagen und seinen Mieter am Vertrag festhalten zu können. Demnach muss er also nicht jeden Mieter akzeptieren, sondern kann unabhängig vom Interesse des Mieters selbständig prüfen, ob er die Nutzung gerade durch diesen Mietinteressenten gestatten will8. 3. § 540 Abs. 2 BGB Diese Bestimmung hat nur klarstellende Funktion. Sie soll deutlich machen, dass der Mieter durch 9 die Erlaubnis des Vermieters nicht aus der eigenen Haftung entlassen wird. Die Haftung als solche ergibt sich schon über § 278 BGB.

IV. Abweichende Vereinbarungen § 540 BGB ist grundsätzlich abdingbar.

10

Soweit sich eine Klausel auch auf Besuch als den Aufenthalt Dritter von nicht länger als drei Monaten 11 Dauer beziehen kann, sind selbst Individualregelungen nach § 138 BGB unwirksam9, denn damit wird unzulässig in das Hausrecht des Mieters eingegriffen. 1. Generelle Untervermietungserlaubnis Eine generelle Untervermietungsbefugnis ist auch formularmäßig unproblematisch. Neben der aus- 12 drücklichen Regelung kann eine solche Befugnis z.B. schon in einer Formulierung zu sehen sein, die dem Mieter nur eine Anzeigepflicht auferlegt oder enumerativ Verbotssachverhalte aufzählt, so dass

5 BGH v. 26.1.1994 – XII ZR 93/92, MDR 1994, 346 = NJW-RR 1994, 558; zweifelnd: Kandelhard in Herrlein/ Kandelhard, § 540 BGB Rz. 48 (mit Zustimmung des Vermieters ist Abtretung möglich). 6 BGH v. 24.5.1995 – XII ZR 172/94, NJW 1995, 2034 = MDR 1995, 1115 = WuM 1995, 481. 7 Riecke in Elzer/Riecke, § 540 BGB Rz. 1. 8 Vgl. BGH v. 29.4.1992 – XII ZR 221/90, ZMR 1993, 57. 9 Blank/Börstinghaus, § 540 BGB Rz. 35.

Lützenkirchen | 645

§ 540 Rz. 12 | Gebrauchsüberlassung an Dritte der Schluss gerechtfertigt ist, dass in den nicht genannten Fällen die Gebrauchsüberlassung an Dritte ohne Zustimmung zulässig ist. Das Gleiche gilt bei einer Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt10. 13 In einem solchen Fall steht die Untervermietung im freien Ermessen des Mieters, das im Prinzip nur

durch den Vertragszweck beschränkt ist11. Denn durch die Ausübung z.B. eines anderen Gewerbes durch den Dritten ist die Nutzung als solche trotz Untervermietungserlaubnis unzulässig und kann die Rechtsfolgen der §§ 541, 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB nach sich ziehen. Entsprechendes gilt z.B., wenn Wohnraum durch den Untermieter zu gewerblichen Zwecken genutzt wird. Hat der Wohnraummieter die generelle Erlaubnis zur Untervermietung erhalten, weil er selbst die Wohnung nur zeitweise alle vierzehn Tage für den Besuch seiner Wohnung nutzt, ist er auch zu einer wechselnden Untervermietung an Feriengäste berechtigt12. 14 Auch wenn der Mieter in diesem Fall nur den vertragsgemäßen Gebrauch ausübt, muss er die Unter-

vermietung anzeigen13. Denn der Vermieter muss nicht nur, wenn er Betriebskosten nach Personen abrechnet, wissen, wer sich dauerhaft in seiner Mietsache aufhält. 2. Verbot mit Erlaubnisvorbehalt 15 Derartige Klauseln sind in der Regel auch in der Wohnraummiete unbedenklich14, sofern die Erlaub-

nis nicht von der schriftlichen Erteilung abhängig gemacht wird15. Sie finden sich in der Formulierung, dass – die Untervermietung der Erlaubnis des Vermieters bedarf, – dem Mieter die Untervermietung gestattet sei, eine besondere Nutzung (z.B. Zweckentfremdung) aber der Zustimmung des Vermieters bedarf16, – der Mieter zur Untervermietung oder sonstigen Überlassung der vermieteten Räume – ganz oder teilweise – der vorherigen Zustimmung des Vermieters bedarf17. 16 Hier gelten für die Zustimmung zur Untervermietung die gleichen Voraussetzungen, wie bei § 540

BGB Rz. 39 ff. dargestellt. Ausnahmsweise kann ein Anspruch auf Zustimmung bestehen, wenn die Parteien dazu bestimmte Voraussetzungen vereinbart haben und der Mieter deren Vorliegen darlegt. 3. Andere Beschränkungen 17 Individuell ist eine Abänderung des § 540 BGB prinzipiell möglich. In der Wohnraummiete darf je-

doch nicht in den Regelungsgehalt des § 553 BGB zu Lasten des Mieters eingegriffen werden, § 553 Abs. 3 BGB. Demnach kann das Recht zur Untervermietung generell weder ausgeschlossen noch beschränkt werden. In der Gewerberaummiete ist es aber ohne Weiteres zulässig, z.B. bestimmte wichtige Gründe zu vereinbaren oder die Untervermietung nur unter ganz besonderen Voraussetzungen (z.B. Krankheit) zuzulassen, wenn sie nicht ganz ausgeschlossen werden soll. 18 Formularmäßigen Abänderungen werden durch § 307 BGB Schranken gesetzt. Möglich erscheint ein

genereller Ausschluss des Rechts zur Untervermietung, wenn der Mietvertrag unbefristet ist.18 Denn hier kann sich der Mieter von der wirtschaftlichen Belastung durch den Mietvertrag innerhalb kurzer Zeit befreien und soll die Kündigungsfrist auch die Möglichkeit für den Vermieter einräumen, sich einen neuen Mieter zu suchen. Unwirksam sind danach jedenfalls bei langfristigen Verträgen insbesondere

10 Vgl. dazu Blank/Börstinghaus, § 540 BGB Rz. 54. 11 BGH v. 16.9.1981 – VIII ZR 161/80, NJW 1982, 376 = MDR 1982, 314; KG v. 8.9.2003 – 8 U 181/02, GE 2003, 1490 = KGR 2004, 23; OLG Düsseldorf v. 5.9.2002 – 24 U 207/01, ZMR 2003, 349 = WuM 2003, 136 = NZM 2003, 945; OLG Köln v. 12.4.1996 – 20 U 166/95, WuM 1997, 620 = ZMR 1997, 298 = OLGR 1997, 18. 12 LG Berlin v. 19.6.2013 – 65 S 449/12, GE 2013, 1277. 13 Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 540 BGB Rz. 8. 14 Hanseatisches OLG Hamburg v. 29.10.1993 – 4 U 167/93, WuM 1993, 737. 15 Vgl. BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, WuM 1991, 381 (382) = MDR 1991, 628. 16 BGH v. 16.9.1981 – VIII ZR 161/80, NJW 1982, 376 = MDR 1982, 314. 17 Hanseatisches OLG Hamburg v. 29.10.1993 – 4 U 167/93, WuM 1993, 737. 18 Schmidt-Futterer/Blank, § 540 BGB Rz. 63.

646 | Lützenkirchen

A. Allgemeines | Rz. 20 § 540

Formularklauseln, die die Untervermietung generell verbieten19. Soweit ein formularmäßiger Ausschluss für zulässig angesehen wird20, wird der Zweck des § 540 BGB nicht ausreichend gewürdigt. Denn es geht gerade darum, das wirtschaftliche Betriebsrisiko des Mieters jedenfalls für langfristige Verträge abzufangen. Ansonsten kommt eine Unzulässigkeit in Betracht, wenn die Klauseln – für die Erteilung der Untervermietungserlaubnis Schriftform verlangen21, – die Untervermietung von Leasingobjekten verbieten, weil sie mit den Besonderheiten des Finanzierungsleasings, insbesondere wegen der für die Amortisation der Gesamtkosten des Leasinggebers unbedingt erforderlichen Mindestlaufzeit, nicht vereinbar sind22, – das Sonderkündigungsrecht des Gewerberaum-23 oder Wohnraummieters24 ausschließen, – den Widerruf einer Erlaubnis zur Untervermietung ohne sachlichen Grund zulassen25, – die (Sicherungs-26)Abtretung der Untermiete an den Vermieter vorsehen27, – einen (festen) Untermietzuschlag für den Fall der Erteilung der Erlaubnis vorsehen, – eine Beschränkung für den Zuzug engster Familienangehöriger vorsehen28, – eine Abtretung des Mehrerlöses aus der Untervermietung regeln. 4. Abhängigkeit des Unter- vom Hauptmietvertrag In der Wohnraummiete können Wirksamkeit und Dauer des Untermietvertrags in den Grenzen des 19 § 572 BGB vom Bestand und der Dauer des Hauptmietvertrags abhängig gemacht werden. Demnach können die Parteien – auch formularmäßig – vereinbaren, dass die Beendigung des Hauptmietvertrages ein berechtigtes Interesse des Mieters an der Beendigung des Untermietvertrages i.S.v. § 573 Abs. 1 BGB begründet. Auf eine unmittelbare Abhängigkeit i.S.e. auflösenden Bedingung kann sich allein der Mieter berufen, § 572 Abs. 2 BGB. In der Gewerberaummiete ist eine aufschiebende Bedingung im Untermietvertrag im Hinblick auf 20 die nach § 540 BGB notwendige Erlaubnis ebenfalls unproblematisch. Eine auflösende Bedingung, die sofort und automatisch – also ohne Vor- oder Nachlauffrist – bei (vorzeitigem) Ende des Hauptmietvertrages zur Beendigung des Untermietvertrages führen soll, verstößt in der Regel gegen § 307 BGB. Denn dem Untermieter muss in der Regel die Möglichkeit gegeben werden, z.B. durch einen Räumungsverkauf die eingelagerte Ware abzuverkaufen. Eine Ausnahme kann für die Fälle vorgesehen werden, dass der Hauptmietvertrag wegen eines vertragswidrigen Verhaltens des Untermieters gekündigt wird. Erfasst die Klausel nach ihrem Wortlaut aber sogar den Fall, dass ein vertragswidriges Verhalten des Mieters/Untervermieters zur (automatischen) Beendigung des Untermietvertrages führen soll, wird dem Mieter ein Risiko überbürdet, dass nach der gesetzlichen Wertung der Vermieter zu tragen hat. Deshalb ist eine solche Formularklausel unwirksam29. Dies gilt erst recht bei einem „Shop-in-Shop-Untermietvertrag“ mit einer festen Laufzeit. Denn hier gehört der Fortbestand des Ladengeschäftes des Hauptvermieters zum vertragsgemäßen Zustand30.

19 LG Bonn v. 20.2.2002 – 2 O 346/01, NZM 2003, 397; LG München v. 8.4.1993 – 7 O 15862/92, WuM 1994, 370; offengelassen: BGH v. 24.5.1995 – XII ZR 172/94, MDR 1995, 1115 = NJW 1995, 2034; Stellmann in Lindner-Figura u.a., Kap. 18 Rz. 16; differenzierend: Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. II 263, der von einer Trennbarkeit der Klausel ausgeht, so dass nur das Schriftlichkeitsgebot unwirksam ist. 20 Palandt/Weidenkaff, § 540 BGB Rz. 2; Seyfarth, NZM 2002, 200. 21 BGH v. 24.5.1995 – XII ZR 172/94, MDR 1995, 1115 = NJW 1995, 2034; BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, WuM 1991, 381 (382) = MDR 1991, 628 = NJW 1991, 1750. 22 BGH v. 4.7.1990 – VIII ZR 288/89, MDR 1990, 1105 = CR 1991, 407 = NJW 1990, 3016. 23 BGH v. 24.5.1995 – XII ZR 172/94, MDR 1995, 1115 = NJW 1995, 2034. 24 LG Hamburg v. 19.5.1992 – 316 S 320/90, MDR 1992, 1149 = ZMR 1992, 452. 25 BGH v. 11.2.1987 – VIII ZR 56/86, MDR 1987, 753 = NJW 1987, 1692. 26 Hanseatisches OLG Hamburg v. 10.12.1997 – 4 U 98/97, WuM 1999, 278 = NZM 1999, 806. 27 OLG Celle v. 29.12.1989 – 2 U 200/88, WuM 1990, 103. 28 BayObLG v. 14.9.1983 – REMiet 8/82, MDR 1984, 55 = FamRZ 1984, 169 = NJW 1984, 60; OLG Karlsruhe v. 16.3.1987 – 3 REMiet 1/87, FamRZ 1987, 1028 = ZMR 1987, 263. 29 BGH v. 27.1.1993 – XII ZR 141/91, ZMR 1993, 320; KG v. 26.1.2006 – 8 U 128/05, NZM 2007, 41. 30 OLG Karlsruhe v. 22.6.1999 – 3 U 4/99, OLGR 1999, 316.

Lützenkirchen | 647

§ 540 Rz. 21 | Gebrauchsüberlassung an Dritte

V. Beweislast 21 Den Vermieter trifft die Darlegungs- und Beweislast für die Behauptung, die Mietsache sei dem Un-

termieter zur alleinigen Nutzung überlassen31 und dass – bei Versagung oder Widerruf der Erlaubnis – in der Person des Dritten ein wichtiger Grund liegt.

22 Der Mieter muss die Erteilung der Erlaubnis32, im Falle der Kündigung nach § 540 Abs. 1 S. 2 BGB das

Begehren um Erlaubnis, und deren Verweigerung beweisen. Im Übrigen muss der Mieter die Voraussetzungen einer Vereinbarung darlegen, wenn sich daraus ein Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis ergeben soll33.

VI. Prozessuales 22a Der Mieter, dem der Vermieter die Erlaubnis verweigert hat, kann auf Zustimmung zur Untervermie-

tung klagen. Dies erfolgt im Wege der Klage auf Abgabe einer Willenserklärung nach § 894 ZPO. 22b Befindet sich die Auseinandersetzung zwischen den Parteien noch im „Antragsstadium“, besteht für

den Vermieter die Möglichkeit der negativen Feststellungsklage, mit der er die Feststellung begehren kann, dass dem Mieter kein Anspruch auf Zustimmung zu einer Untervermietung zusteht (beachte § 543 BGB Rz. 75). Erfährt der Vermieter im laufenden Räumungsrechtsstreit von einer (unzulässigen) Untervermietung, kann er nach § 546 Abs. 2 BGB den Untermieter im gleichen Verfahren durch Klageerweiterung auf Räumung in Anspruch nehmen. Damit sollte nicht bis zum Vorliegen eines Titels gewartet werden. Denn zum einen braucht der Vermieter grundsätzlich einen Räumungstitel gegen den Untermieter (Anhang zu § 546 BGB Rz. 21). Zum anderen kann in einem Verfahren, in dem der Räumungsanspruch aus § 546 Abs. 2 BGB gesondert verfolgt wird, ein anderes Ergebnis herauskommen. Denn die Rechtskraft des Räumungstitels gegen den Mieter beschränkt sich auf die Mietvertragsparteien. Abgesehen davon setzt die in § 940a Abs. 2 ZPO vorgesehene einstweilige Verfügung voraus, dass der Vermieter erst nach der mündlichen Verhandlung Kenntnis von der Untervermietung erhält. Ist dem Vermieter der Name des Untermieters unbekannt, kann er vor der Klageerweiterung ein Auskunftsverlangen stellen. 22c Ist der Vermieter im Besitz eines Räumungstitels und erfährt, dass der Mieter beabsichtigt, die Räume

unterzuvermieten, kann er auf der Grundlage von § 1004 BGB eine einstweilige Verfügung (zur Sicherung der Räumungsvollstreckung) auf Unterlassung der Drittüberlassung gegen den Mieter erwirken34. Es muss allerdings eine Wiederholungsgefahr bestehen. Die kann z.B. dadurch geschehen, dass eine vorherige unberechtigte Untervermietung glaubhaft gemacht wird.

B. Wohnraummiete I. Gebrauchsüberlassung 23 § 540 BGB erfasst die entgeltliche und die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung der Mietsache an

einen Dritten. Der Rechtsgrund für diese Gebrauchsüberlassung ist ohne Bedeutung. In der Regel wird es sich dabei um Untermiete, Unterpacht oder Leihe handeln. Aber auch die Gebrauchsüberlassung aus Gefälligkeit ist ein Fall des § 540 BGB. Es kommt auch nicht darauf an, ob eine vollständige oder nur teilweise Gebrauchsüberlassung stattgefunden hat.

31 LG Berlin v. 7.6.2005 – 65 S 364/04, MM 2005, 335. 32 OLG Koblenz v. 27.12.2011 – 5 U 839/11, WuM 2012, 613; OLG Köln v. 1.9.2000 – 19 U 53/00, WuM 2000, 597. 33 BGH v. 8.5.1972 – VIII ZR 36/71, NJW 1972, 1267. 34 OLG München v. 4.9.2017 – 7 W 1375/17, MDR 2017, 1415 = MietRB 2017, 349, GE 2017, 1219.

648 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 29 § 540

Gebrauchsüberlassung ist die Einräumung eines selbständigen Besitzes35. Dieser muss sich nicht auf 24 die Mietsache als Ganzes beziehen. Vielmehr reicht es aus, das Teile der Mietsache (selbständig) überlassen werden. Dies kann ein Zimmer innerhalb der Wohnung des Mieters sein, wobei dem Dritten ein eigener Schlüssel zur Wohnungstür überlassen wurde, aber auch die Nutzung einer Garage bei einem einheitlichen Mietvertrag, der aus Wohnung und Garage besteht. Ein selbständiger Besitz wird nicht von Besitzdienern i.S.v. § 855 BGB ausgeübt. Sie üben den Besitz 25 innerhalb eines Haushalts oder eines Erwerbsgeschäftes aus. Darunter fallen vor allem Haushaltshilfen und Pflegepersonen sowie Arbeiter und Angestellte. Selbständigen Besitz üben aber Ehegatten, Familienangehörige, Lebenspartner, Lebensgefährten oder sonstige Personen, die sich auf Dauer in dem Haushalt des Mieters aufhalten, aus. Besitzdiener sind dagegen die minderjährigen Kinder des Mieters (Anhang zu § 546 BGB Rz. 29). Der Status ändert sich nicht mit Erreichen der Volljährigkeitsgrenze, es sei denn, in der Außenwirkung der Besitzverhältnisse treten Änderungen ein36. Letzteres ist z.B. nach dem Auszug des Mieters der Fall, wenn das Kind die Wohnung alleine nutzt. Zur Untermiete i.S.v. § 540 BGB wird die Gebrauchsüberlassung, wenn der Dritte den selbständigen 26 Besitz für längere Zeit ausüben soll37. Davon abzugrenzen ist der Besuch, dessen Aufnahme in die Wohnung in der Regel durch den vertragsgemäßen Gebrauch gedeckt ist38 und auch durch ein Hausverbot des Vermieters nicht eingeschränkt werden kann39 (§ 535 BGB Rz. 746). Besuch liegt bei vorübergehendem Aufenthalt von Personen in den Mieträumen vor. Sobald drei Monate überschritten sind, sprechen die Umstände gegen Besuch40. Ist danach von einem selbständigen Besitz des bisherigen Besuchers auszugehen, kann der Vermieter nach §§ 541, 573 Abs. 2 Nr. 1, 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB vorgehen. Dem Vermieter steht ein (einklagbarer) Auskunftsanspruch über die Umstände der Gebrauchsüberlas- 27 sung und die Person des Untermieters zu41. Er kann daher nicht nur den Namen des Dritten erfragen, sondern auch den Umfang seines Besitzes und die Modalitäten der Besitzausübung. Dieser Anspruch entfällt nach Beendigung des Untermietvertrages42. 1. Untermiete Untermiete definiert sich als die entgeltliche (vollständige oder teilweise) Gebrauchsüberlassung der 28 Mietsache auf längere Zeit durch den Mieter an den Untermieter aufgrund eines schuldrechtlichen Vertrages43. Für die Anwendung des § 540 BGB ist die Entgeltlichkeit aber keine unbedingte Voraussetzung. Vielmehr reicht jede Gebrauchsüberlassung, also auch die Leihe44. Maßgeblich ist allein, dass dem Dritten selbständiger Besitz eingeräumt wird. Der Untermietvertrag selbst wird zwischen dem Mieter und dem Dritten geschlossen und ist ein eigen- 29 ständiger Mietvertrag, der hinsichtlich der Nutzung (Wohnraum oder Gewerberaum) nach den allgemeinen Kriterien zu bewerten ist. (Unter-)Vermieter ist der Hauptmieter, Mieter ist der Dritte (Untermieter). Das Hauptmietverhältnis ist die erste Stufe, das Untermietverhältnis die zweite Stufe eines sog. gestuften Nutzungsverhältnisses (vgl. auch § 565 BGB Rz. 12). Tiefer gestufte Nutzungsverhältnisse

35 Zur früher vertretenen Auffassung, dass ein unselbständiges Gebrauchsrecht nicht erfasst sei vgl. die Darstellung bei Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 540 BGB Rz. 2. 36 BGH v. 19.3.2008 – I ZB 56/07, MDR 2008, 824 = MietRB 2008, 228 = WuM 2008, 364; KG v. 26.10.1993 – 1 W 6068/93, MDR 1994, 163 = WuM 1994, 32; a.A. Schuschke, NZM 2005, 10 (der Kindern ab 14 Jahren Mitbesitz einräumt). 37 BGH v. 5.11.2003 – VIII ZR 371/02, WuM 2003, 688 = NZM 2004, 22. 38 LG Hagen v. 11.5.1992 – 10 S 104/92, WuM 1992, 430. 39 AG Köln v. 22.9.2004 – 209 C 108/04, WuM 2004, 673. 40 OLG Hamm v. 23.10.1991 – 30 REMiet 1/91, MDR 1992, 156 = FamRZ 1992, 308 = ZMR 1992, 20; SchleswigHolsteinisches OLG v. 17.11.1992 – 4 REMiet 1/92, OLG Hamm v. 2.12.1992 – 30 REMiet 3/92, FamRZ 1993, 547 = ZMR 1993, 69. 41 Hanseatisches OLG Hamburg v. 8.4.1998 – 4 U 50/97, NZM 1998, 758; LG Kiel v. 8.3.2010 – 18 O 233/09, ZMR 2010, 532. 42 AG München v. 19.12.2016 – 415 C 10749/16, ZMR 2017, 251. 43 BGH v. 9.10.1985 – VIII ZR 198/84, MDR 1986, 226 = NJW 1986, 308; BGH, NJW 1995, 45 (48). 44 Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 21.

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§ 540 Rz. 29 | Gebrauchsüberlassung an Dritte (Unter-Unter-Mietverhältnisse usw.) sind ebenfalls nach den Voraussetzungen des § 540 BGB (ggf. unter Beachtung des § 553 BGB) zulässig. 30 Das Fehlen der Erlaubnis zur Untervermietung berührt die Wirksamkeit des Untermietvertrags

nicht45. Die Erteilung der Untervermieterlaubnis kann allerdings Bedingung des Untermietvertrags sein. Fehlt die Erlaubnis, kann ein Rechtsmangel entstehen, § 536 Abs. 3 BGB. Das ist auch der Fall, wenn der Hauptmietvertrag vor Ablauf des Untermietvertrages endet und der Vermieter dem Untermieter die Geltendmachung seiner Rechte ernsthaft in Aussicht stellt. 31 Im Hinblick auf die Eigenständigkeit der Verträge werden die Rechte und Pflichten im Rahmen der

jeweiligen Vertragsbeziehung abgewickelt. Das gilt insbesondere für Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche. Der vertragsgemäße Gebrauch des Untermieters richtet sich grundsätzlich allein nach den Abreden der Parteien des Untermietvertrages. Hat der Untervermieter mehr Rechte eingeräumt, als ihm selber zustehen, wird die Wirksamkeit des Untermietvertrages davon nicht berührt, sondern löst Erfüllungsansprüche und Gewährleistungsrechte aus. Die Miete unterliegt neben den allgemeinen Grenzen des § 138 BGB auch der Anwendung der Mietpreisbremse nach §§ 556d ff. BGB. Insbesondere ist der Mieter im Verhältnis zum Untermieter verpflichtet, die Auskunft nach § 556g Abs. 1a BGB zu erteilen. Insoweit kann er als Vormiete i.S.d. § 556e Abs. 1 BGB nicht die von ihm selbst an den Vermieter geleistete Miete heranziehen. 31a Am Ende der Mietzeit muss der Untermieter grundsätzlich die Rückgabe nach § 546 BGB an den Mie-

ter bewirken46. Der Mieter kann aber sein Recht zur Rücknahme verloren haben, wenn der Hauptmietvertrag ebenfalls (wirksam) beendet ist47. Daher kann er in diesem Fall auch keine Nutzungsentschädigung nach § 546a BGB verlangen48. Denn er hat sein Nutzungsrecht verloren. Der Mieter muss daher auf Rückgabe an den Hauptvermieter klagen. Eine Rückbaupflicht entfällt, wenn der Hauptvermieter gegenüber dem Mieter auf die Wiederherstellung des früheren Zustandes verzichtet hat49 oder die Einbauten bei der Übergabe an den Untermieter bereits vorhanden waren50. 32 Vorbehaltlich einer (wirksamen) anderslautenden Vereinbarung (vgl. dazu § 540 BGB Rz. 19) tritt

durch die Beendigung des Hauptmietvertrages grundsätzlich nicht automatisch das Ende des Untermietvertrages ein. Der Bestand der Verträge ist grundsätzlich unabhängig voneinander. 2. Kündigungsschutz des Untermieters gegenüber dem Vermieter 33 Kündigungsschutz besteht grundsätzlich nur zwischen den Parteien eines Wohnraummietvertrages.

Wohnen Mieter und Untermieter in derselben Wohnung zusammen, genießt jeder von ihnen gegenüber seinem jeweiligen Vermieter Kündigungsschutz nach den §§ 573 ff. BGB. 33a Bei einem gestuften Mietverhältnis i.S.v. § 565 BGB (§ 565 BGB Rz. 12) besteht ein Wohnraummiet-

verhältnis nur zwischen dem Untervermieter (= Mieter) und dem Endmieter. Denn in der Regel handelt der Mieter (= Untervermieter) gewerblich (schon weil er nicht selber wohnen, sondern weitervermieten soll), so dass zum Eigentümer/Vermieter ein Gewerbemietvertrag besteht. Endet der Hauptmietvertrag, besteht zunächst kein Kündigungsschutz für den Endmieter, wenn der Eigentümer (= Vermieter) z.B. aus § 985 BGB Herausgabe verlangt. Dieses Ergebnis ist verfassungsrechtlich bedenklich. Deshalb verstößt es gegen Art. 3 Abs. 1 GG, einem Mieter, der – in Kenntnis der Eigentumsverhältnisse – Wohnraum von einem gewerblichen Zwischenmieter und nicht unmittelbar vom Eigentümer gemietet hat, den Kündigungsschutz des sozialen Mietrechts zu versagen51. Aus diesen Überlegungen ist die Vorgängervorschrift des § 565 BGB entstanden. 34 Außerhalb des Anwendungsbereiches des § 565 BGB kommt es bei einem gestuften Mietverhältnis

(Vermieter – Mieter – Untermieter) für die Geltung des Kündigungsschutzes darauf an, in wessen In-

45 46 47 48 49 50 51

BGH v. 9.10.1985 – VIII ZR 198/84, MDR 1986, 226 = NJW 1986, 308. OLG Hamm v. 22.2.2017 – 30 U 115/16, ZMR 2017, 560. BGH v. 4.10.1995 – XII ZR 215/94, MDR 1996, 252 = NJW 1996, 46 Rz. 12. BGH v. 4.10.1995 – XII ZR 215/94, MDR 1996, 252 = NJW 1996, 46 Rz. 12. LG Berlin v. 22.3.1982 – 61 S 344/81, ZMR 1982, 281. Hanseatisches OLG Hamburg v. 19.4.2000 – 4 U 73/99, WuM 2000, 356 = ZMR 2000, 669 = MDR 2000, 1372. BVerfG v. 11.6.1991 – 1 BvR 538/90, MDR 1991, 864 = WuM 1991, 422.

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B. Wohnraummiete | Rz. 35a § 540

teresse die Weitervermietung erfolgt (sog. Lagertheorie)52 oder ob der Vermieter von vorneherein auch mit dem Endmieter einen Vertrag abgeschlossen hätte. Kein Kündigungsschutz des Endmieters besteht z.B., wenn ein karitativer Verein ein Gebäude mietet, um darin von ihm ausgewählte Personen einer besonderen Bevölkerungsgruppe53 oder einen Mitarbeiter54 unterzubringen, ohne dass der Vermieter ein Mitspracherecht hinsichtlich der Auswahl der Personen hat. Kündigungsschutz besteht aber, wenn ein Arbeitgeber Wohnraum vom Eigentümer mietet, um ihn an seine Mitarbeiter zu vermieten, und dem Eigentümer ein Mitspracherecht bei der Auswahl der Endmieter eingeräumt ist55. Das Gleiche gilt, wenn ein gemeinnütziger Verein mit dem Eigentümer einen Mietvertrag schließt und es der Verein satzungsgemäß übernimmt, die Wohnräume für und durch seine Mitglieder instand zu setzen56.

II. Dritte 1. Nächste Angehörige Die Gebrauchsüberlassung muss an einen Dritten erfolgen. Dritter ist grundsätzlich jede Person, die 35 nicht Partei des Mietvertrages ist. Davon ausgenommen ist nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift die Familie des Mieters wegen ihrer engen, unter dem ausdrücklichen Schutz der Verfassung (Art. 6 GG) stehenden persönlichen Beziehung57. Kein Dritter ist namentlich der Ehegatte58. Der Ehepartner, der nicht Mieter ist, wird nicht dadurch Dritter, dass der andere Ehegatte anlässlich der Trennung aus der Wohnung auszieht59. Maßgeblich ist insoweit allein, ob es sich noch um eine Ehewohnung handelt (näher dazu § 543 BGB Rz. 204a). Das hängt davon ab, ob die Überlassung an den Ehegatten noch den aktuellen Erfordernissen in der Trennungssituation geschuldet ist oder ob ihr schon eine endgültige Nutzungsüberlassung zugrundeliegt60. Der Charakter als Ehewohnung geht dagegen nicht schon deshalb verloren, dass eine bloße Überlassung an den Ehepartner stattfindet und der Mieter die Wohnung nur noch sporadisch nutzt61. Dadurch würde die Möglichkeit der Wohnungszuweisung nach § 1361b BGB bzw. § 1568a BGB unterlaufen62. Nichts anderes gilt, wenn der ausgezogene Ehegatte nicht alleiniger Mieter ist, sondern z.B. gemeinsam mit einem früheren Ehegatten. Insoweit überwiegt der Schutz der Ehe und Familie. Keine Dritte sind auch gemeinsame Kinder63, die Eltern des Mieters64, der Lebenspartner nach dem 35a LPartG (§ 20a LPartG65) und u.U. Enkel66. Denn die Aufnahme der engsten Angehörigen gehört grundsätzlich zum vertragsgemäßen Gebrauch der Mietwohnung67. Das ist selbst bei der Aufnahme von Kindern der Fall, die volljährig sind und vor dem Einzug einen eigenen Hausstand geführt haben68. Das Gleiche gilt bei der Anstellung von Hauspersonal oder Pflegepersonen69. Im Übrigen gilt das ohne Abstriche für weiteres Personal, das nicht in die Wohnung einzieht, und dem Aufenthalt von sonstigen Personen für kürzer als drei Monate, weil diese Nutzung als Besuch gilt (vgl. § 540 BGB Rz. 26). Der (zulässige) Einzug dieser privilegierten Personen wird zur unberechtigten Untervermietung, wenn ih52 KG v. 24.8.1995 – RE-Miet 4785/95, GE 1996, 49; Hanseatisches OLG Hamburg v. 16.4.1993 – 4 U 243/92, MDR 1993, 640 = NJW 1993, 2322. 53 BayObLG v. 28.7.1995 – RE-Miet 4/94, WuM 1995, 638 = NJW-RR 1996, 73 = MDR 1996, 42. 54 BayObLG v. 30.8.1995 – RE-Miet 5/94, WuM 1995, 642 = NJW-RR 1996, 71 = MDR 1996, 40. 55 BayObLG v. 30.8.1995 – RE-Miet 6/94, WuM 1995, 645 = NJW-RR 1996, 76 = MDR 1996, 41. 56 BGH v. 3.7.1996 – VIII ZR 278/95, MDR 1996, 1108 = WuM 1996, 537. 57 BGH v. 5.11.2003 – VIII ZR 371/02, MDR 2004, 141 = ZMR 2004, 100 = NJW 2004, 56. 58 Palandt/Weidenkaff, § 540 BGB Rz. 5; Schmidt-Futterer/Blank, § 540 BGB Rz. 24. 59 BGH v. 12.6.2013 – XII ZR 143/11, MietRB 2014, 37 = MDR 2013, 899 = WuM 2013, 485 = GE 2013, 999. 60 BGH v. 12.6.2013 – XII ZR 143/11, MietRB 2014, 37 = MDR 2013, 899 = WuM 2013, 485 = GE 2013, 999. 61 A.A. Schmidt-Futterer/Blank, § 540 BGB Rz. 26. 62 BGH v. 12.6.2013 – XII ZR 143/11, MietRB 2014, 37 = MDR 2013, 899 = WuM 2013, 485 = GE 2013, 999. 63 Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3019. 64 BayObLG v. 6.10.1997 – RE-Miet 2/96, MDR 1998, 35 = WuM 1997, 603 = ZMR 1998, 23. 65 Näher dazu § 563 BGB Rz. 26 f. 66 LG Wuppertal v. 25.6.1970 – 9 S 79/70, MDR 1991, 49. 67 BGH v. 14.7.1993 – VIII ARZ 1/93, MDR 1993, 970 = NJW 1993, 2528. 68 LG Potsdam v. 4.9.2012 – 4 S 96/12, WuM 2012, 612. 69 BayObLG v. 6.10.1997 – RE-Miet 2/96, MDR 1998, 35 = WuM 1997, 603 = ZMR 1998, 23.

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§ 540 Rz. 35a | Gebrauchsüberlassung an Dritte nen der Mieter (nach eigenem Auszug) die Wohnung zur alleinigen Nutzung überlässt70. Ab diesem Moment sind die privilegierten Personen „normale“ Dritte i.S.v. § 540 BGB. Maßgeblich ist insoweit, dass der Mieter den Willen, jemals wieder dauerhaft in der Wohnung zu leben, endgültig aufgegeben hat71. 35b Soweit Personen nicht als „Dritte“ zu qualifizieren sind, aber ihnen dauerhaft der Besitz an der Miet-

sache überlassen wurde, besteht eine Anzeigepflicht des Mieters. Denn der Vermieter muss wissen, wer sich (dauerhaft) in seiner Wohnung aufhält. Dieses Interesse ergibt sich bei der Umlage verbrauchsabhängiger Betriebskosten aus der Natur der Sache. Ansonsten kann der Rechtsgedanke der §§ 19 BMG, 885 ZPO herangezogen werden. 2. Lebensgefährte 36 Der Lebensgefährte, der nicht unter das LPartG fällt, gehört unabhängig von sexuellen Beziehungen

nicht zu den privilegierten Personen72 und ist daher Dritter i.S.v. § 540 BGB. Gerade wegen der weitreichenden Konsequenzen der Bildung einer Lebensgemeinschaft in der Wohnung muss der Vermieter über die Personen, die mit dem Mieter einen auf Dauer angelegten Haushalt begründen wollen, informiert werden. Immerhin erwerben sie gemäß § 563 BGB das Recht, anstelle des verstorbenen Mieters in den Mietvertrag einzutreten. Dem steht auch das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 GG) des Mieters nicht entgegen. Denn für ihn hätte der Gesetzgeber eine Ausnahme regeln müssen, weil er nach § 563 BGB in den Mietvertrag eintreten kann. 3. Weitere privilegierte Personen 37 Schließlich ist streitig, ob weitere Verwandte des Mieters als Dritte angesehen werden müssen oder

ebenfalls zu einem privilegierten Personenkreis gehören, für deren Gebrauchsüberlassung der Mieter keine Erlaubnis benötigt. Dies gilt für die Schwester des Mieters73, seinen Bruder74, seine Eltern75, seine Schwiegermutter76, seinen Schwiegersohn77, seine Schwiegertochter78, seine Schwägerin oder seinen Schwager79, sein Stiefkind80, den Verlobten seiner Tochter81 oder den Freund der Tochter82. 38 Hier kann keine allgemeingültige Lösung gefunden werden. Der Vergleich mit den Familienangehö-

rigen i.S.v. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB83 erscheint zu schematisch. Allein darauf abzustellen, wer nach § 563 BGB privilegiert wäre, ist unscharf, weil dort auch Personen erfasst werden, die keine Verwandten sind. Aber auch auf das „Wohnen“ als Vertragszweck abzustellen, ist nicht alleine zielführend84. Denn ob die Aufnahme von Verwandten zum „vertragsgemäßen Gebrauch“ des Wohnens gehört, ist eine Frage der gesellschaftlichen Einstellung und ggf. der Frage, ob, wie z.B. in ländlichen Strukturen, das Leben in der Großfamilie gesellschaftlich noch akzeptiert ist. In städtischen Wohngegenden fehlen dazu in der Regel bereits die baulichen Voraussetzungen. Andererseits ist der Mieter seinen Eltern z.B. gegen70 LG Berlin v. 7.6.2005 – 65 S 364/04, MM 2005, 335. 71 LG Berlin v. 18.4.2018 – 65 S 16/18, MietRB 2018, 260, GE 2018, 641. 72 BGH v. 5.11.2003 – VIII ZR 371/02, MDR 2004, 141 = ZMR 2004, 100 = NJW 2004, 56; a.A. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. VI 162. 73 Dafür: LG Berlin v. 21.3.1991 – 62 S 483/90, GE 1991 879; dagegen: Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3019. 74 Dagegen: BayObLG v. 29.11.1983 – REMiet 9/82, MDR 1984, 316 = WuM 1984, 13. 75 Dafür: unter bestimmten Umständen BayObLG v. 6.10.1997 – RE-Miet 2/96, MDR 1998, 35, 1Z RE-Miet 2/ 96, WuM 1997, 603; dagegen: LG München II v. 10.12.1996 – 12 S 4713/96, WuM 1997, 104. 76 Dafür: LG Berlin GE 1980, 660; dagegen: Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3019. 77 Dafür: AG Limburg v. 20.4.1989 – 4 C 54/89, WuM 1989, 372; dagegen: Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 3019. 78 Dafür: AG Köln v. 22.11.1965 – 75 C 1013/64, MDR 1966, 331. 79 Dagegen: AG Schöneberg, GE 1990, 265. 80 Dagegen: LG Berlin v. 16.10.1990 – 64 S 301/90, FamRZ 1991, 433 = ZMR 1990, 458. 81 Dafür: AG Limburg v. 20.4.1989 – 4 C 54/89, WuM 1989, 372; dagegen: LG Berlin, GE 1988, 409. 82 Dafür: LG Köln v. 20.12.1971 – 1 S 51/71, MDR 1972, 612; LG Berlin v. 28.1.1986 – 64 S 359/85, ZMR 1986, 313 (314). 83 BGH v. 3.3.2009 – VIII ZR 247/08, WuM 2009, 294 = DWW 2009, 189 = GE 2009, 714. 84 Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 540 BGB Rz. 6 m.w.N.

652 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 44 § 540

über unterhaltspflichtig und kann u.U. Pflegeleistungen einfacher in der eigenen Umgebung erbringen. Deshalb muss zumindest eine moralische Verpflichtung des Mieters zur Aufnahme der verwandten Person vorliegen, um auf die Erlaubnis verzichten zu können, weil die Gebrauchsüberlassung vom vertragsgemäßen Zustand gedeckt ist.

III. Erlaubnis § 540 BGB macht die Untervermietung von der Erlaubnis des Vermieters abhängig. Das Fehlen der 39 Erlaubnis des Hauptvermieters führt allerdings nicht zur Unwirksamkeit des Untermietvertrags85, sondern zur Unzulässigkeit der Nutzung (= vertragswidriger Gebrauch). Das gilt nicht im Beitrittsgebiet für den Grundstücksnutzer, der vor dem 3.10.1990 mit Billigung staat- 40 licher Stellen ein Wohn- oder gewerblichen Zwecken dienendes Bauwerk errichtet hat. Er ist im Rahmen des § 46 SchuldRAnpG vom Erfordernis der Untervermieterlaubnis befreit, wenn das Bauwerk nach dem Inhalt des Vertrages zwischen dem Nutzer und dem Dritten weiter genutzt werden soll. Enthält der Mietvertrag keine Selbstbindung des Vermieters und tritt durch die beabsichtigte Unterver- 41 mietung eine Nutzungsänderung ein, sind die Möglichkeiten des Mieters von vorneherein eingeschränkt86. Denn der Vermieter muss derartigen Veränderungen schon deshalb nicht zustimmen, weil sie einen wichtigen Grund i.S.v. § 540 Abs. 1 S. 2 BGB bilden können (vgl. dazu § 540 BGB Rz. 74 ff.). 1. Rechtsnatur der Erlaubnis Die Erlaubnis nach § 540 Abs. 1 BGB ist keine Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft (§§ 182 ff. BGB), 42 sondern eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die die sonst gegebene Vertragswidrigkeit der Gebrauchsüberlassung an Dritte (§§ 541, 542 Abs. 2 Nr. 2 BGB) ausschließt87. Es gelten also die §§ 104 ff., 116 ff., 130 ff. BGB. Wird die Erlaubnis dem Dritten gegenüber erklärt, wird sie wirksam, sobald sie dem Mieter zugeht88, wenn der Dritte von ihm nicht als Empfangsbote bestimmt wurde. 2. Form Für die Erlaubniserteilung ist im Gesetz keine Form vorgesehen. Selbst in einem Vertrag, der der 43 Schriftform nach § 550 BGB unterliegt, kann sie in Textform, mündlich oder stillschweigend erteilt werden89. Denn die Erlaubnis hat keine vertragsändernde Wirkung. Der Erwerber, der durch § 550 BGB geschützt werden soll (vgl. § 550 BGB Rz. 5), kann durch den Besitz des Dritten erkennen, dass der Mieter nicht selbst oder alleine nutzt90. Allerdings kann die Erlaubnis vertragsändernde Wirkung haben. Das ist z.B. anzunehmen, wenn der Mietvertrag ein ausdrückliches Verbot der Untervermietung enthält. Denn in diesem Fall wird der Vertrag in einem wesentlichen Punkt abgeändert91. Das setzt aber voraus, dass das Verbot der Untervermietung wirksam ist, was allein in der Gewerberaummiete für eine Individualvereinbarung denkbar ist (§ 540 BGB Rz. 17). Einzelvertraglich kann Schriftform für die Erlaubnis festgelegt werden. Neben ausdrücklichen Be- 44 stimmungen zur Form, kann sich eine Formvorgabe auch im Wege der Auslegung ergeben. Das soll z.B. gelten, wenn für den Fall der Zustimmung im Mietvertrag eine Vertragsanpassung vorgesehen ist. Daraus soll folgen, dass die Zustimmung nur in einem die Schriftform wahrenden Nachtrag erfolgen kann92. Im Übrigen ist zu prüfen, inwieweit die Schriftform deklaratorische oder konstitutive Wirkung haben sollte, § 155 Abs. 2 BGB. In der Regel wird sich aus dem Wortlaut der Bestimmung ein eindeu-

85 86 87 88 89 90 91 92

BGH v. 4.10.1995 – XII ZR 215/94, MDR 1996, 252 = ZMR 1996, 15. Vgl. KG v. 11.10.2007 – 8 U 34/07, MietRB 2008, 203, GE 2008, 1626. BGH v. 8.5.1972 – VIII ZR 36/71, NJW 1972, 1267. BGH v. 25.4.2008 – LwZR 10/07, GuT 2009, 110 = NZM 2008, 728. A.A. Schmidt-Futterer/Blank, § 540 BGB Rz. 42. BGH v. 23.1.2013 – XII ZR 35/11, MietRB 2013, 112 = MDR 2013, 395 = NZM 2013, 271. Schmidt-Futterer/Blank, § 540 BGB Rz. 42. OLG München v. 29.11.2018 – 32 U 4346/16, ZMR 2019, 269.

Lützenkirchen | 653

§ 540 Rz. 44 | Gebrauchsüberlassung an Dritte tiger Hinweis ergeben („… bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform …“). Ansonsten ist nach den allgemeinen Regeln der §§ 133, 157 BGB auf der Grundlage des Wortlautes die Klausel nach ihrem Sinn und Zweck auszulegen. Gilt die Schriftform, ist § 127 BGB anzuwenden, so dass nach dessen Abs. 2 im Zweifel auch die Erlaubnis per Telefax wirksam ist. 45 Formularvertraglich ist die Vereinbarung der Schriftform für die Zustimmung nicht zulässig93. Denn

bei kundenfeindlichster Auslegung hätte der Vermieter als Verwender sonst die Möglichkeit, den vertragstreuen Mieter durch Hinweis auf die vermeintlich vereinbarte Schriftform davon abzuhalten, die mündliche Erlaubnis als wirksam anzusehen und zu realisieren. 46 Solange keine Schriftform vertraglich (wirksam94) vorgesehen ist, kann die Erlaubnis auch schlüssig

erteilt werden. Das setzt aber ein Verhalten voraus, dass auf einen entsprechenden Rechtsbindungswillen schließen lässt. Dazu reicht die bloße Kenntnis des Vermieters von der Gebrauchsüberlassung oder deren Duldung95 in der Regel nicht aus. Hinzutreten muss ein Verhalten, dass als Zustimmung gewertet werden kann, was insbesondere ein Erklärungsbewusstsein voraussetzt. Dies wird i.d.R. vorliegen, wenn der Vermieter z.B. bei der Betriebskostenabrechnung den Personenschlüssel erweitert, nachdem er festgestellt hat, dass sich in der Mieteinheit eine weitere Person, die nicht Dritter ist, aufhält. Insoweit kann auch die vertragliche Situation von Bedeutung sein. Soll der Mieter z.B. nach dem Vertrag nur die Zustimmung einholen müssen, wenn er das Mietobjekt insgesamt untervermietet, kann darin bereits eine generelle Erlaubnis zur Untervermietung gesehen werden96. Dann ist aber auch das Schweigen des Vermieters auf das Gesuch, die Untervermietung einer Teilfläche zu erlauben, als Zustimmung zu werten, zumal der Vermieter die Erlaubnis nicht willkürlich verweigern darf. 3. Umfang der Erlaubnis 47 Ohne Zusatzabsprache bezieht sich die Erlaubnis nur auf die Person, für die sie erteilt wird97. Deshalb

benötigt der Mieter z.B. eine weitere Erlaubnis, wenn der Untermieter seinen Ehegatten in die Wohnung aufnehmen will98. Zieht der Untermieter aus, erlischt die Erlaubnis. Der Mieter benötigt eine neue Erlaubnis, wenn er erneut untervermieten will. 48 Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass der Mieter die Erlaubnis zur Untervermietung an mehrere

Personen eingeholt hat. Zieht eine dieser Personen aus, soll der Mieter berechtigt sein, auch einen anderen Untermieter (ersetzend) aufzunehmen99. Das ist nur insoweit richtig, als von einer antizipierten Zustimmung des Vermieters (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 301) ausgegangen werden kann. In der Wohnraummiete besteht für den Vermieter auch bei der Ersetzung das Risiko, dass der Untermieter nach § 563 BGB in den Mietvertrag eintritt, so dass er an dieser Stelle prüfen können muss, ob ein wichtiger Grund vorliegt. In der Gewerberaummiete kann nichts anderes gelten, weil auch hier der Vermieter durch seine Erlaubnis das Recht hat, den Umfang der Nutzung im Rahmen des § 540 Abs. 1 S. 2 BGB zu bestimmen und zu prüfen, ob in der Person des Dritten ein wichtiger Grund besteht. 48a Die Erlaubnis kann auch zeitlich beschränkt warden, z.B. bei einer Zustimmung nach § 553 BGB auf

die Dauer der Lebensgemeinschaft100. Davon ist auszugehen, wenn der Vermieter die Genehmigung zur „vorübergehenden Nutzung“ erteilt, wobei die zeitlichen Parameter im Zweifel durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln sind. Läuft die Befristung ab, muss der Mieter für den Auszug des Untermieters sorgen, sofern die Erlaubnis nicht verlängert wird101.

93 BGH v. 24.5.1995 – XII ZR 172/94, MDR 1995, 1115 = NJW 1995, 2034; BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = NJW 1991, 1750. 94 Vgl. dazu BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, WuM 1991, 381 (382) = MDR 1991, 628. 95 BGH v. 17.12.1986 – VIII ZR 328/85, MDR 1987, 491 = WuM 1987, 116 = ZMR 1987, 143. 96 OLG Düsseldorf v. 4.5.2010 – 24 U 170/09, ZMR 2011, 282. 97 BGH v. 15.11.2006 – XII ZR 92/04, MietRB 2007, 170 = MDR 2007, 261 = NJW 2007, 288 = GE 2007, 142. 98 AG Neukölln v. 1.3.2018 – 6 C 432/17, GE 2018, 1153. 99 LG Saarbrücken v. 25.10.1991 – 13 BS 144/91, NJW-RR 1992, 781; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. VI 171. 100 AG Schöneberg v. 18.6.2019 – 19 C 316/18, GE 2019, 1584. 101 LG Berlin v. 9.4.2015 – 67 S 28/15, MDR 2015, 640 = MietRB 2015, 228 = WuM 2015, 421 = GE 2015, 789.

654 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 51 § 540

Die Erlaubnis deckt nur einen solchen Gebrauch durch den Untermieter, der nach dem Hauptmiet- 49 vertrag zulässig ist102. Der Untermieter kann also z.B. keine (überwiegende) gewerbliche Nutzung in einer Wohnung ausüben. Ohne besondere Anhaltspunkte ist eine Gebrauchserweiterung durch den Untermieter z.B. dahin, dass er seinerseits die Mietsache untervermietet, von der Erlaubnis nicht erfasst103. Ein solcher Fall liegt auch vor, wenn der Mieter, dem eine nicht personenbezogene, generelle Untervermietungserlaubnis in der Annahme erteilt wurde, dass eine dauerhafte Untervermietung stattfinden soll, die Wohnung ständig an Touristen anlässlich von Kurzreisen überlässt104. Abgesehen davon, dass ein derartiges Handeln nicht von der Erlaubnis gedeckt wird, ändert der Mieter damit u.U. jedenfalls teilweise den Vertragszweck. Denn er nutzt die Wohnung zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§§ 2 Abs. 1 Nr. 6, 21 EStG) und ist deshalb zumindest teilweise gewerblich tätig. Davon ist auch auszugehen, wenn der Mieter nur Teile (z.B. einzelne Zimmer) seiner Wohnung untervermietet105. 4. Antrag auf Erlaubnis Der gesetzliche Vorbehalt der Zustimmung hat den Zweck, dem Vermieter die Gelegenheit einzuräu- 49a men, seine Einwände gegen den Untermieter geltend zu machen, bevor dieser in die Räume einzieht106. Daraus ergeben sich die Anforderungen an die Antragstellung. a) Antragsbefugnis Der Antrag kann von dem Mieter gestellt werden, wobei eine Stellvertretung zulässig ist. Bei einer 49b Mehrheit von Mietern muss daher grundsätzlich ein Antrag vom Vermieter nur beschieden werden, wenn er von sämtlichen Mietern gestellt wurde und keine wirksame Vollmachtsklausel (§ 542 BGB Rz. 55) im Mietvertrag besteht. Dies gilt selbst dann, wenn nur noch einer von ihnen die Wohnung nutzt, die anderen also z.B. ausgezogen sind107. b) Konkreter Untermieter Da ein Anspruch auf eine generelle Untervermietungserlaubnis nicht besteht108, muss der Mieter 50 grundsätzlich ein konkretes Begehren stellen. Ausnahmsweise ist ein (formloser) Antrag entbehrlich, wenn der Vermieter die Anfrage des Dritten beantwortet109. Eine gegenüber dem Makler abgegebene Erklärung kommt nur Bedeutung zu, wenn der Makler Übermittlungs- oder Empfangsbote oder sogar Vertreter einer Partei ist110. Bei einem Hausverwalter – nicht aber bei einem WEG-Verwalter – ist aber in der Regel davon auszugehen, dass er den Vermieter vertritt, § 164 Abs. 1 S. 2 BGB. In der Anfrage muss der Mieter die Daten zur Person des Untermieters mitteilen, die der Vermieter 51 benötigt, um Auskünfte über den Mieter einholen zu können111. Dazu gehören mindestens Name, Anschrift112 und Geburtsdatum des Dritten. Eine weitergehende Informationspflicht des Mieters, z.B. über die Konditionen des Untermietvertrages oder die wirtschaftlichen Verhältnisse, wird überwiegend abgelehnt113. Denn weder aus § 540 BGB noch aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) lässt sich ein 102 BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, MDR 1984, 571 = FamRZ 1984, 763 = NJW 1984, 1031; OLG Hamm v. 10.9.1991 – 7 U 63/91, NJW 1992, 916; AG Hamburg v. 12.11.2003 – 40 B C 149/03, ZMR 2005, 297. 103 OLG Hamm v. 17.1.1992 – 30 U 36/91, NJW-RR 1992, 783; a.A. Heintzmann, NJW 1994, 1177 (1179). 104 BGH v. 4.12.2013 – VIII ZR 5/13, MietRB 2014, 33 = MDR 2014, 77 = WuM 2014, 27; a.A. LG Berlin v. 19.6.2013 – 65 S 449/12, ZMR 2014, 282; zur Gesamtproblematik: Henke/Singbartl/Zintl, NZM 2018, 1. 105 LG Berlin v. 4.11.2015 – 65 S 318/15, MietRB 2016, 66, GE 2016, 67. 106 BayObLG v. 26.4.1995 – RE-Miet 3/94, MDR 1995, 689 = ZMR 1995, 301 = WuM 1995, 378. 107 LG Berlin v. 27.7.2016 – 65 S 172/16, GE 2016, 1280. 108 BGH v. 21.2.2012 – VIII ZR 290/11, WuM 2012, 229 = GE 2012, 826 = GuT 2012, 35. 109 BGH v. 25.4.2008 – LwZR 10/07, GuT 2009, 110. 110 OLG Koblenz v. 27.12.2011 – 5 U 839/11, WuM 2012, 613 = ZMR 2013, 35. 111 OLG Dresden v. 29.4.2004 – 16 U 237/04, MietRB 2004, 260, NZM 2004, 461. 112 A.A. LG Hamburg v. 20.12.1990 – 334 S 111/90, WuM 1991, 585. 113 LG Hamburg v. 20.12.1990 – 334 S 111/90, WuM 1991, 585; LG Berlin v. 15.1.2002 – 65 S 559/00, NZM 2002, 947; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. VI 175 m.w.N.

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§ 540 Rz. 51 | Gebrauchsüberlassung an Dritte allgemeiner Auskunftsanspruch des Vermieters über alle Umstände im Zusammenhang mit der Untermiete herleiten114. Zwar ist der Vermieter generell daran interessiert zu erfahren, ob der Mieter mit „seiner“ Wohnung Geschäfte macht. Indessen besteht prinzipiell kein rechtlich beachtliches Interesse des Vermieters, die finanziellen Konditionen des Untermietvertrages zu kennen. Diese ergibt sich auch nicht aus der Rechtsstellung des Vermieters. 51a Dies ist in Bezug auf die Vermögens- und Einkommenssituation des Untermieters insoweit richtig,

als mangelnde Einkünfte nicht unbedingt einen wichtigen Grund rechtfertigen (Beispiel: Lebensgefährtin soll gemeinsames Kind betreuen und Haushalt führen). Indessen muss z.B. berücksichtigt werden, ob dem Dritten ggf. ein Eintrittsrecht nach § 563 BGB zusteht115. Dafür ist es schon von Bedeutung, ob er schon einmal die eidesstattliche Versicherung i.S.v. § 807 ZPO abgegeben oder ein (Privat-)Insolvenzverfahren durchlaufen hat und sich die Wohnung überhaupt leisten könnte. Abgesehen davon haftet der Dritte auch bei Beschädigungen und sollen die Untermieteinnahmen oftmals sicherstellen, dass der Mieter die laufende Miete bestreiten kann. Im Hinblick darauf kann der Vermieter weitere Auskünfte verlangen, um zu ermitteln, ob Umstände für die Annahme eines wichtigen Grundes (vgl. § 540 BGB Rz. 74 ff.) vorliegen, und das Risiko als solches abzuschätzen. Deshalb kann der Vermieter Auskunft über die nach den Umständen des Einzelfalles relevanten persönlichen und vertragsbezogenen Daten verlangen116. Jedenfalls kann der Vermieter außer Name und Geburtsdatum Angaben verlangen, die ihm die Prüfung ermöglichen, ob personenbezogene Gründe gegen die Erlaubnis vorliegen. Dazu gehören im Prinzip alle Informationen, die der Vermieter auch vom Mieter vor der Vermietung sammeln darf (§ 535 BGB Rz. 487 f.), also nicht nur die aktuelle Anschrift, seinen Personalausweis in Kopie, seine Anerkennung als Flüchtling oder sonstige Dokumente über seinen Aufenthaltsstatus etc. Werden Kopien der entsprechenden Unterlagen übermittelt, sind auf Anforderung die Originale vorzulegen, auch wenn kein Fälschungsverdacht besteht. Nicht vom Informationsrecht erfasst wird aber, ob Mieter und Untermieter eine Lebensgemeinschaft oder Lebenspartnerschaft führen wollen117. Dies ist unter keinem Aspekt von Bedeutung. 52 Die Erteilung der Erlaubnis steht vorbehaltlich § 553 BGB und abweichenden Vertragsbestimmungen

nach der hier vertretenen Meinung grundsätzlich im freien Ermessen des Vermieters (vgl. dazu § 540 BGB Rz. 57). Eine Bindung kann durch eine Vertragsregelung herbeigeführt werden, in der der Vermieter generell oder bei Vorliegen bestimmter Umstände zur Erteilung verpflichtet wird. 52a Grundsätzlich kann die Erlaubnis auch stillschweigend erteilt werden. Das setzt aber ein Verhalten

des Vermieters voraus, dass einen entsprechenden Rechtsbindungswillen erkennen lässt. Dazu ist eine Anfrage in der Regel Mindestvoraussetzung. Insbesondere aus der mangelnden Ablehnung kann zumeist nicht auf eine stillschweigende Erteilung der Erlaubnis geschlossen werden. Dies widerspricht dem Grundsatz, dass aus einem Unterlassen nicht auf ein positives Tun geschlossen werden kann. Dies gilt erst recht, wenn der Vermieter zuvor eine Zustimmung ausdrücklich abgelehnt hat und auf die Bitte des Mieters, seine Entscheidung zu überdenken, nicht mehr reagiert118. c) Abstrakte Anfrage 53 Aus dem Gedanken, sich nur der Mühe der Suche nach einem Untermieter unterziehen zu wollen,

wenn der Vermieter nicht generell jede Untervermietung verbietet, ist die abstrakte Anfrage entstanden. Darin fragt der Mieter einfach nur nach, ob der Vermieter generell mit einer Untervermietung nicht einverstanden ist. Ein Anspruch auf eine generelle Untervermietungserlaubnis besteht zwar nicht119. Reagiert der Vermieter im Einzelfall aber nicht auf eine solche Anfrage, kann dem Schweigen der Erklärungswert einer Verweigerung zukommen120 mit der Folge, dass der Mieter nach § 540 Abs. 1 S. 2

114 115 116 117 118 119 120

OLG Düsseldorf v. 20.9.2012 – 10 U 33/12, MDR 2012, 1400 = MietRB 2012, 352 = ZMR 2013, 28. Ähnlich: Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 540 BGB Rz. 27. Blank/Börstinghaus, § 540 BGB Rz. 60. LG Berlin v. 10.1.2018 – 65 S 202/17, WuM 2018, 362 = GE 2018, 515. A.A. LG Stuttgart v. 11.6.2012 – 19 T 148/12, WuM 2012, 675. KG v. 11.6.1992 – 8 RE Miet 1946/92, WuM 1992, 350 = ZMR 1992, 382 = GE 1992, 819. KG v. 16.9.1996 – 8 RE Miet 2891/96, WuM 1996, 696 = ZMR 1996, 648 = GE 1996, 1363; OLG Hamm v. 2.6.1992 – 7 U 15/92, OLG-Report 1992, 275; LG Berlin v. 24.11.2000 – 64 S 237/00, NZM 2001, 231; LG

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B. Wohnraummiete | Rz. 57 § 540

BGB kündigen kann121. Das soll nicht gelten, wenn sich aus der Anfrage des Mieters nicht ergibt, dass er das Schweigen des Vermieters als Verweigerung der Erlaubnis ansehen wird122. Deshalb muss in der Anfrage deutlich zum Ausdruck kommen, dass nach Ablauf der Frist unterstellt wird, dass der Vermieter generell mit einer Untervermietung nicht einverstanden ist123. Im Übrigen kommt es nicht darauf an, ob die Anfrage des Mieters in einer Situation erfolgt, in der 54 sein Beendigungswille erkennbar ist oder sich wegen einer langen Kündigungsfrist bereits im Beendigungsstadium befindet124. Denn bis zur Beendigung des Mietvertrages kann sich der Mieter auf seine gesetzlichen und vertraglichen Rechte berufen. Grundsätzlich ist der Mieter bei seiner ersten Anfrage wegen einer generellen Untervermietungserlaubnis nicht verpflichtet, dem Vermieter einen konkreten Untermieter zu benennen125. Solange er jedoch keinen konkreten Untermieter genannt hat, führt eine Verweigerung nicht zum Kündigungsrecht nach § 540 Abs. 1 S. 2 BGB126, wenn der Vermieter seine Entscheidung von näheren Auskünften über die Person des Untermieters abhängig macht127. 5. Anspruch auf Erlaubnis a) Vertragliche Regelung Im Gegensatz zu § 553 BGB regelt § 540 Abs. 1 BGB keinen Anspruch des Mieters auf Zustimmung 55 zur Untervermietung. Unmittelbar kann sich ein solcher Anspruch daher grundsätzlich nur aus den vertraglichen Absprachen der Parteien ergeben. Die Wirksamkeit der Bestimmungen hängt im Wesentlichen davon ab, dass nicht von § 553 BGB abgewichen wird, also insbesondere das berechtigte Interesse für den Wohnraummieter nicht eingeengt wird, § 553 Abs. 3 BGB. Sieht der Mietvertrag eine generelle Erlaubniserteilung vor128, ist der Vermieter grundsätzlich ver- 56 pflichtet, im Einzelfall eine (bestätigende) Zustimmung zu erteilen (z.B. bei Wechsel des Untermieters)129. Das Gleiche gilt, wenn der Vermieter die Zustimmung nur aus wichtigem Grund verweigern kann. Auch in diesem Fall ist im Übrigen ein Anspruch auf Zustimmung gegeben130. Trotz allgemein erteilter Zustimmung zur Untervermietung kann der Vermieter der Untervermietung widersprechen. Das kommt insbesondere in Betracht, wenn auch der Mieter das Gewerbe, das der Untermieter ausüben will, nicht in der Mietsache einrichten dürfte131. Das kann z.B. der Fall sein, wenn der Untermieter anstelle des bisher betriebenen Bekleidungsgeschäfts einen Sex-Shop eröffnen will132. Regelt der Mietvertrag ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt zu der vom Mieter durchgeführten Nutzung 57 (z.B. Untervermietung), ist deren Auslegung nicht einheitlich. Während die eine Meinung die Erlaub-

121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132

Nürnberg-Fürth v. 16.6.1995 – 7 S 1697/95, WuM 1995, 587; LG Köln v. 30.6.1994 – 6 S 18/94, KM 3 Nr. 23 = WuM 1994, 468; AG Köln v. 5.6.1997 – 215 C 23/97, WuM 1998, 346; AG Bergisch Gladbach, WuM 1999, 524; a.A. OLG Koblenz v. 30.4.2001 – 4 W-RE 525/00, MDR 2001, 983 = WuM 2001, 272 = ZMR 2001, 530. Ähnlich: Schmidt-Futterer/Blank, § 540 BGB Rz. 73 (Wegen Verletzung des aus § 242 BGB herzuleitenden Anspruchs auf Verbescheidung liegt eine Vertragsverletzung vor, die zur Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB berechtigt). LG Gießen v. 28.4.1999 – 1 S 53/99, MDR 1999, 861 = WuM 1999, 458 = NZM 1999, 640; LG Mönchengladbach v. 25.6.1999 – 2 S 154/98, WuM 1999, 570; a.A. LG Mainz v. 21.6.2000 – 3 S 371/99, WuM 2000, 484. OLG Köln v. 1.9.2000 – 19 U 53/00, WuM 2000, 597. LG Hamburg v. 3.7.1998 – 311 S 8/98, NZM 1998, 1003; AG Dülmen v. 6.2.1998 – 3 C 690/97, WuM 1998, 346; a.A. LG Braunschweig v. 12.1.1999 – 6 S 184/98, WuM 1999, 217. LG Köln v. 3.12.1997 – 10 S 367/97, WuM 1998, 154; a.A. OLG Koblenz v. 30.4.2001 – 4 W-RE 525/00, MDR 2001, 983 = WuM 2001, 272 = ZMR 2001, 530. OLG Celle v. 5.3.2003 – 2 W 16/03, MietRB 2003, 7 = MDR 2003, 1044 = NZM 2003, 396. LG Köln v. 17.12.1998 – 6 S 122/98, NZM 1999, 616. BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, MDR 1984, 571 = FamRZ 1984, 763 = NJW 1984, 1031. BGH v. 2.2.2011 – VIII ZR 74/10, MietRB 2011, 102 = WuM 2011, 74 = MDR 2011, 347 = NZM 2011, 275. OLG Düsseldorf v. 1.6.2010 – 24 U 32/10, MietRB 2011, 108, GE 2011, 336 = GuT 2011, 281; OLG Düsseldorf v. 5.9.2002 – 10 U 105/01, WuM 2002, 673 = ZMR 2003, 177 = OLGR 2003, 197. BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, MDR 1984, 571 = ZMR 1984, 275 = NJW 1984, 1031. BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, MDR 1984, 571 = ZMR 1984, 275 = NJW 1984, 1031.

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§ 540 Rz. 57 | Gebrauchsüberlassung an Dritte niserteilung in das freie Ermessen des Vermieters stellt133, ist nach der Gegenansicht134 eine Interessenabwägung durchzuführen. Beide Auffassungen stimmen insoweit überein, dass die Zustimmung zu versagen ist, wenn eine Nutzungsänderung durch die vertragswidrige Handlung (z.B. Untervermietung) herbeigeführt werden soll135. Im Übrigen verdient außerhalb des Anwendungsbereichs des § 553 BGB die Auffassung den Vorzug, die dem Vermieter ein freies Ermessen einräumt. Denn es geht um die Vermietung einer Sache, mit der der Vermieter im Rahmen des Art. 14 GG und der einfachen Gesetze nach Belieben verfahren darf. Dazu gehört auch, dass er das Leben im Gebäude einheitlich, das heißt aufeinander abgestimmt, organisieren darf. In den Fällen, in denen nicht wegen besonderer oder höherwertiger Interessen des Mieters eine Ausnahme gilt, bestimmt der Vermieter den Rahmen des vertragsgemäßen Umgangs mit der Mietsache. 58 Zumindest formularmäßig kann der Vermieter als Verwender sich in der Regelung keinen Untermiet-

zuschlag versprechen lassen136. Hierauf hat er nach § 553 Abs. 2 BGB nämlich nur einen Anspruch, wenn ihm die Überlassung ansonsten unzumutbar wäre. Mithin ist eine Einzelfallabwägung erforderlich, die formularmäßig schon wegen § 553 Abs. 3 BGB nicht umgangen werden kann. 59 Im Übrigen muss der Mieter die Voraussetzungen der Vereinbarung darlegen. In diesem Fall ist der

Vermieter nicht berechtigt, die Erlaubnis von weiteren Bedingungen, die im Mietvertrag keine Stütze finden, abhängig zu machen137. b) Weitere Anspruchsgrundlagen 60 Neben der Möglichkeit des § 553 BGB für die Wohnraummiete kann ausnahmsweise z.B. ein An-

spruch auf Zustimmung bestehen, wenn der Vermieter bereits im Mietvertrag bezüglich zweier Untermieter die Erlaubnis erteilt hat, so dass beide Parteien – auch nach einer Vertragsverlängerung – von der Möglichkeit einer weiteren Untervermietung ausgehen mussten, und Nachteile für den Vermieter nicht ersichtlich sind, weder also das Hauptmietverhältnis tangiert wird, noch sich sonstige negative Auswirkungen für den Vermieter ergeben138. 61 Im Übrigen soll sich in besonders gelagerten Fällen ein Anspruch auf Zustimmung aus § 242 BGB139

oder unter dem Gesichtspunkt des Schikaneverbots ergeben140. Wegen Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB könnte eine Erlaubnis u.U. auch aus einem Schadensersatzanspruch erzwungen werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass dem Vermieter bei der Entscheidung, sofern nicht die Voraussetzungen des § 553 Abs. 1 BGB vorliegen oder der Vertrag etwas anderes regelt, ein freies Ermessen zusteht141. Ob er sich dabei von (erkennbar) sachwidrigen Motiven leiten lässt, begründet keinen Anspruch auf Zustimmung, sondern ist Ausdruck des freien Ermessens. Ohnehin kann § 242 BGB immer nur herangezogen werden, um die Subsumtion unter eine gesetzliche Vorschrift zu korrigieren, wenn das Ergebnis schlechthin untragbar ist142. Generalisierende Betrachtungen sind deshalb nicht zulässig. Vielmehr müssen die Umstände des Einzelfalles bewertet werden. Insoweit kann insbesondere eine Rolle spielen, ob sich die Verhältnisse seit Abschluss des Mietvertrages wesentlich geändert haben. Das kann z.B. der Fall sein, wenn zunächst eine Kanzlei von mehreren

133 BGH v. 16.9.1981 – VIII ZR 161/80, MDR 1982, 314 = ZMR 1992, 11 = NJW 1982, 376; OLG Hamm v. 13.1.1981 – 4 REMiet 5/80, 4 REMiet 6/80, MDR 1981, 406 = WuM 1981, 53 = ZMR 1981, 153. 134 KG v. 8.9.2003 – 8 U 181/02, GE 2003, 1490 = WE 2004, 162; Hanseatisches OLG Hamburg v. 29.10.1993 – 4 U 167/93, WuM 1993, 737. 135 Blank/Börstinghaus, § 540 BGB Rz. 51. 136 A.A. Blank/Börstinghaus, § 540 BGB Rz. 55. 137 BGH v. 8.5.1972 – VIII ZR 36/71, NJW 1972, 1267. 138 Hanseatisches OLG Hamburg v. 29.10.1993 – 4 U 167/93, WuM 1993, 737. 139 Heilmann, NZM 2016, 74 (77); Schmidt-Futterer/Blank, § 540 BGB Rz. 45. 140 Lammel, § 540 BGB Rz. 18. 141 BGH v. 16.9.1981 – VIII ZR 161/80, NJW 1982, 376 = MDR 1982, 314; KG v. 8.9.2003 – 8 U 181/02, GE 2003, 1490 = KGR 2004, 23; OLG Düsseldorf v. 5.9.2002 – 24 U 207/01, ZMR 2003, 349 = WuM 2003, 136 = NZM 2003, 945; OLG Köln v. 12.4.1996 – 20 U 166/95, WuM 1997, 620 = ZMR 1997, 298 = OLGR 1997, 18. 142 BGH v. 9.7.2003 – VIII ZR 311/02, MietRB 2003, 4 = MDR 2003, 1104 = ZMR 2003, 665 = NZM 2003, 682.

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B. Wohnraummiete | Rz. 64a § 540

Rechtsanwälten geführt wurde und nach Ausscheiden diverser Partner mit anderen Kollegen eine Bürogemeinschaft geführt werden soll143. Mit Rücksicht auf das freie Ermessen des Vermieters ist es aber zweifelhaft, ob auf Seiten des Vermie- 61a ters bereits ein rechtsmissbräuchliches Verhalten angenommen werden kann, nur weil er die Erlaubnis verweigert144. – in der Hoffnung, mit dem Untermieter einen Mietvertrag zu verbesserten Konditionen zu schließen145 (§ 540 BGB Rz. 113a), – obwohl die Überlassung an den Dritten die Belange des Vermieters nicht berühren, – obwohl der Mieter auf die Geschäftsführung des Untermieters maßgeblichen Einfluss ausüben kann. 6. Überlegungsfrist des Vermieters Der Vermieter muss die Entscheidung über die Zustimmung zur Untervermietung erst nach einer an- 62 gemessenen Prüfungszeit treffen146. Die Länge der Frist hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und kann zehn Tage147, aber auch schon einmal drei Wochen betragen. Eine vom Mieter gesetzte Frist ist unbeachtlich, wenn sie diese Überlegungsfrist nicht berücksichtigt. 7. Erlöschen der Erlaubnis Ist die Erlaubnis auf eine bestimmte Person bezogen, erlischt sie mit dem Auszug des Untermieters. 63 Dies gilt erst recht, wenn die Zustimmung auf die Dauer der Lebensgemeinschaft beschränkt wurde148. Sie kann nicht auf einen Dritten übertragen werden. Wird die Erlaubnis unter Auflagen erteilt, wird sie automatisch unwirksam, wenn die Auflagen nicht erfüllt werden. Ohne Auflagen erlischt die Erlaubnis, wenn der Mieter auszieht und mehrere Untermieter/Personen in der Wohnung zurücklässt. Dies gilt selbst dann, wenn sich die Erlaubnis auf mehrere Personen bezieht149. Dem Erlöschen gleichzustellen, ist der Tatbestand, in dem der Mieter die Wohnung mit privilegierten 64 Personen nutzt, die keine Dritte i.S.d. § 540 BGB sind (vgl. § 540 BGB Rz. 35). Diese Situation wird zur unberechtigten Untervermietung, wenn ihnen der Mieter die Wohnung zur alleinigen Nutzung überlässt150. Ansonsten, insbesondere bei einer allgemein erteilten Erlaubnis, bedarf es eines Widerrufs. Hat sich 64a der Vermieter bei der Erlaubniserteilung den jederzeitigen Widerruf nicht vorbehalten, muss regelmäßig ein wichtiger Grund vorliegen, um den Widerruf zu begründen. Damit sind insbesondere die Tatbestände des § 543 BGB gemeint. Denn wenn schon eine außerordentliche Kündigung möglich ist, ist der Widerruf das mildere Mittel. Ein solcher Fall liegt auch vor, wenn der Mieter, dem eine generelle Untervermietungserlaubnis in der Annahme erteilt wurde, dass eine dauerhafte Untervermietung stattfinden soll, die Wohnung ständig an Touristen anlässlich von Kurzreisen überlässt151 (vgl. schon oben Rz. 49).

143 BGH v. 16.9.1981 – VIII ZR 161/80, MDR 1982, 314 = ZMR 1982, 11 = NJW 1982, 376 (Rechtsanwalt in Bürogemeinschaft). 144 Vgl. dazu Schmidt-Futterer/Blank, § 540 BGB Rz. 47. 145 Vgl. dazu OLG Hamm v. 12.12.1995 – 7 U 71/95, NJWE-MietR 1996, 107 = DWW 1996, 162. 146 OLG Düsseldorf v. 2.8.2007 – I-10 U 148/06, GuT 2008, 122 = ZMR 2008, 783. 147 LG Berlin v. 6.10.1998 – 63 S 127/98, WuM 1998, 725 = NZM 1999, 405. 148 AG Schöneberg v. 18.6.2019 – 19 C 316/18, GE 2019, 1584. 149 Hess. StGH v. 18.8.1999 – P.ST. 1391, WuM 1999, 565. 150 LG Berlin v. 7.6.2005 – 65 S 364/04, MM 2005, 335. 151 BGH v. 4.12.2013 – VIII ZR 5/13, MietRB 2014, 33 = MDR 2014, 77 = WuM 2014, 27.

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§ 540 Rz. 65 | Gebrauchsüberlassung an Dritte 8. Widerruf der Erlaubnis 65 Der Widerruf der Erlaubnis ist zulässig, wenn ein wichtiger Grund dafür vorliegt152. Daneben kann

der Widerruf bei der Erteilung der Genehmigung vorbehalten worden sein153. Letzteres ist auch anzunehmen, wenn die Erlaubnis mit einer (zulässigen) Auflage verbunden wurde. So ist der Vermieter z.B. berechtigt, nach dem Auszug mehrerer Mitmieter von dem verbleibenden Mieter zu verlangen, dasss er in der Wohnung seinen Hauptwohnsitz unterhält154. kann aber auch als Verweigerung der Zustimmung aufgefasst werden, denn der Mieter hat eben keine vorbehaltlose Erlaubnis erhalten155. Der Widerruf einer unbefristet erteilten Erlaubnis kommt in Betracht, wenn nach jahrelanger Nutzung (hier: fünf Jahre) durch wechselnde Untermieter nicht erkennbar ist, dass der Mieter von der Wohnung wieder Gebrauch machen wird156. 66 Eine wirksame Klausel, mit der der Widerruf vorbehalten bleiben soll, muss auch formularmäßig kei-

nen hohen Anforderungen gerecht werden. Wenn sie als Widerrufsmöglichkeit auf den wichtigen Grund abstellt, bestehen keine Bedenken, wobei eine Beschränkung auf einige Tatbestände, die einen wichtigen Grund bilden, zulässig ist. Alle davon abweichenden Kriterien führen nach § 307 BGB zur Unwirksamkeit, weil es den Mieter unangemessen benachteiligt, wenn der Vermieter ohne wichtigen Grund widerrufen kann. Das gilt insbesondere für eine Klausel, die den Widerruf von keinen Gründen abhängig macht. 67 Dass ein wichtiger Grund auch ohne Vertragsklausel ausreicht, ergibt sich aus einem Erst-Recht-

Schluss. Wenn der Vermieter einen Mietvertrag aus wichtigem Grund kündigen (§ 543 Abs. 1 BGB) und dem Mieter dadurch den Gebrauch der Mietsache in vollem Umfang entziehen kann, muss es ihm erst recht gestattet sein, aus wichtigem Grund den Gebrauch der Mietsache durch den Widerruf der allgemein erteilten Erlaubnis zur Untervermietung nur teilweise zu entziehen. Deshalb ist vom Vorliegen eines wichtigen Grundes auszugehen, wenn Umstände vorliegen, die den Vermieter berechtigen, das Hauptmietverhältnis zu kündigen, oder eine Erlaubnisversagung gerechtfertigt hätten. 67a Neben den in § 543 BGB Rz. 75 dargestellten Fällen kann ein wichtiger Grund angenommen werden,

wenn dem Vermieter die Fortsetzung der Untervermietung unzumutbar ist157. Das kommt z.B. in Betracht, wenn der Mieter, dem eine generelle Untervermietungserlaubnis in der Annahme erteilt wurde, dass eine dauerhafte Untervermietung stattfinden soll, die Wohnung ständig an Touristen anlässlich von Kurzreisen überlässt158. Abgesehen davon, dass ein derartiges Handeln nicht von der Erlaubnis gedeckt wird, ändert der Mieter damit u.U. jedenfalls teilweise den Vertragszweck. Denn er nutzt die Wohnung zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§§ 2 Abs. 1 Nr. 6, 21 EStG) und ist deshalb zumindest teilweise gewerblich tätig. Ebenso ist ein wichtiger Grund gegeben, wenn der überwiegend im Ausland lebende Mieter schon seit Jahren seinen Lebensmittelpunkt nicht mehr in der Wohnung hat und nicht absehbar ist, dass er künftig wieder in die Wohnung einziehen wird159. Ein Widerruf ist auch zulässig, wenn dem Mieter eine Erlaubnis für drei kurzfristige Auslandsaufenthalte in einem Jahr erteilt wurde, er darauf eine dauerhafte Untervermietung durchführt und nach zwei Jahren um eine weitere Erlaubnis bittet, ohne dass ersichtlich ist, ob und wann er in die Wohnung zurückkehren wird160. 9. Prozessuales 68 Besteht (ausnahmsweise) ein Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis, muss auf Abgabe einer Willens-

erklärung geklagt werden. Im Klageantrag sind der Name des Dritten, die Mietsache und der Miet152 BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, MDR 1984, 571 = FamRZ 1984, 763 = NJW 1984, 1031; LG Berlin v. 22.3.2017 – 65 S 285/16, WuM 2017, 260. 153 A.A. Lammel, § 540 BGB Rz. 22. 154 AG Schöneberg v. 18.6.2019 – 19 C 316/18, GE 2019, 1584. 155 Riecke in Elzer/Riecke, § 540 BGB Rz. 10. 156 LG Berlin v. 22.3.2017 – 65 S 285/16, GE 2017, 893. 157 LG Berlin v. 22.3.2017 – 65 S 285/16, WuM 2017, 260. 158 BGH v. 4.12.2013 – VIII ZR 5/13, MietRB 2014, 33 = MDR 2014, 77 = WuM 2014, 27. 159 LG Berlin v. 22.3.2017 – 65 S 285/16, WuM 2017, 260. 160 LG München I v. 27.1.2016 – 14 S 11701/15, ZMR 2016, 451.

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B. Wohnraummiete | Rz. 73 § 540

zweck anzugeben. Es kann aber auch die Zustimmung zu einem bestimmten Untermietvertrag begehrt werden. Ausnahmsweise kann auch die Verfolgung im einstweiligen Verfügungsverfahren geboten und zulässig sein. Der Verfügungsgrund kann sich z.B: aus den entgangenen Mieteinnahmen von dem Untermieter ergeben; dabei entgeht der Mieter dem Einwand der Vorwegnahme der Hauptsache, indem er die beantragte Erlaubnis bis zur Entscheidung in der Hauptsache befristet161. Der Streitwert eines solchen Verfahrens richtet sich nach dem Jahresbetrag der voraussichtlichen Untermiete162. Hat der Vermieter die Erlaubnis versagt und beabsichtigt der Mieter, den Untermieter dennoch auf- 69 zunehmen bzw. ihm die Räume zu überlassen, kann der Vermieter seinen Unterlassungsanspruch aus § 541 BGB im Wege der einstweiligen Verfügung sichern163.

IV. Rechtsfolgen einer verweigerten Erlaubnis Von einer Verweigerung der Erlaubnis ist nicht nur auszugehen, wenn der Vermieter dies ausdrück- 70 lich formuliert, sondern bei jeder Äußerung, in der zum Ausdruck kommt, dass er mit einer Untervermietung nicht einverstanden ist. Derartige Erklärungen sind stets vom Empfängerhorizont, also aus der Sicht des Mieters, zu bewerten. Selbst ausweichende Antworten stellen im Zweifel eine Verweigerung dar. Äußerungen gegenüber Dritten können aber nur als Versagung der Erlaubnis angesehen werden, wenn sie als endgültig aufzufassen sind und der Vermieter den Dritten als Erklärungsboten einsetzt. Das Gleiche gilt, wenn die Zustimmung unter Auflagen erteilt wird164. Insoweit verhindert allein die Tatsache, dass die Wohnung öffentlich gefördert ist, nicht die Rechtsfolgen der Versagung165. Dem Widerspruch des Vermieters (= mangelnde Erlaubniserteilung) gegen eine Untervermietung steht 71 es gleich, wenn die Untervermietung gesetzlich nicht mehr zulässig ist und dieses Risiko der Sphäre des Vermieters zuzurechnen ist166. Das kommt in Betracht, wenn gesetzliche Bestimmungen die Nutzung der Sache gerade nur durch den Eigentümer oder den Mieter erlauben (z.B. § 7 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. MilchAbgV 2004; §§ 2 Abs. 1, 9, 28 GastG [sog. Kastellanverträge]). Eine stillschweigende Verweigerung kann insbesondere angenommen werden, wenn der Vermieter 72 die vom Mieter zur Zustimmung gesetzte (angemessene) Frist verstreichen lässt, selbst wenn der Mieter nur den Namen des Untermieters (anstatt weiterer Merkmale) angibt167. Denn benötigt der Vermieter mehr Informationen, ist eine entsprechende Rückäußerung erforderlich, § 241 Abs. 2 BGB. Ohne Angabe des Namens und/oder anderer Informationen kann das Ablaufenlassen der Frist nur als Verweigerung angesehen werden, wenn der Mieter die generelle Einstellung des Vermieters zur Untervermietung abfragt (vgl. § 540 BGB Rz. 53). 1. Rechte des Mieters a) Kündigung nach § 540 Abs. 1 S. 2 BGB aa) Allgemeines § 540 Abs. 1 S. 2 BGB bestimmt ein Recht zur außerordentlichen Kündigung mit gesetzlicher Frist 73 (§§ 573d, 580a BGB). Die Kündigung muss nicht zum erstmöglichen Termin erklärt werden. Zu langes Zuwarten kann aber zur Verwirkung führen168,169. Der Vermieter hat die Erlaubnisverweigerung auf Befragen zu begründen, damit der Mieter die Berechtigung einer Kündigung nach § 540 Abs. 1

161 LG Berlin v. 9.9.2019 – 64 T 65/19, GE 2019, 1638. 162 KG v. 10.2.2006 – 22 W 47/05, ZMR 2006, 528; OLG Celle v. 15.7.1999 – 2 W 59/99, NZM 2000, 190. 163 Brandenburgisches OLG v. 20.6.2013 – 6 U 19/13, GE 2014, 251; LG Berlin v. 1.11.2012 – 12 O 507/12, GE 2013, 125. 164 AG Albstadt v. 24.10.1997 – 6 C 660/97, WuM 1998, 556. 165 LG Berlin v. 6.10.1998 – 63 S 127/98, WuM 1998, 725 = NZM, 1999, 405. 166 BGH v. 30.9.2009 – XII ZR 39/08, MDR 2009, 1381 = NZM 2009, 908 = GuT 2009, 309. 167 LG Berlin v. 6.10.1998 – 63 S 127/98, WuM 1998, 725 = NZM 1999, 405 (10 Tage). 168 BGH v. 8.5.1972 – VIII ZR 36/71, NJW 1972, 1267. 169 BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, MDR 1984, 571 = FamRZ 1984, 763 = NJW 1984, 1031.

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§ 540 Rz. 73 | Gebrauchsüberlassung an Dritte S. 2 BGB prüfen kann170. Gründe können vom Vermieter aber jederzeit nachgeschoben werden. Erfolgt die Angabe erst nach Verzugseintritt oder im Prozess, kann dies für den Vermieter nachteilige Kostenfolgen haben171. Das Kündigungsrecht entfällt, wenn der benannte Untermieter kein ernsthaftes Anmietungsinteresse hat172. 73a In der Wohnraummiete muss die Kündigung schriftlich erfolgen, § 568 Abs. 1 BGB. Einer Begründung

bedarf es nicht. § 569 Abs. 4 BGB gilt nur für die außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund. Mit Rücksicht darauf bedarf es weder der Angabe, dass die Kündigung wegen der unberechtigten Verweigerung der Erlaubnis zur Untervermietung erfolgt, noch der Erwähnung des § 540 Abs. 1 S. 2 BGB. bb) Wichtiger Grund 74 Das Recht zur außerordentlichen Kündigung nach § 540 Abs. 1 S. 2 BGB ist ausgeschlossen, wenn in

der Person des Dritten ein wichtiger Grund liegt. Das setzt voraus, dass dem Vermieter nach den Umständen des Einzelfalles die Gebrauchsüberlassung an den Dritten nicht zugemutet werden kann. 75 Ein wichtiger Grund ist anzunehmen, wenn die Gebrauchsüberlassung an den Dritten zu einer Über-

beanspruchung der Mietsache führt oder eine sichere Beeinträchtigung des Hausfriedens, der übrigen Mieter oder des Vermieters durch Beruf (z.B. Musiker), Lebensweise (Alkoholiker, Prostituierte) oder Charakter (Dieb, Schläger, unverträglicher Mensch) des Dritten zu erwarten ist. Auch die Solvenz173 des Untermieters kann von Bedeutung sein174. Immerhin kommt ein Eintritt des Untermieters nach § 563 BGB jedenfalls dann in Betracht, wenn in einer Wohnung ein auf Dauer angelegter Haushalt geführt wird. Hier ist eine Abwägung der wechselseitigen Interessen im Einzelfall ausschlaggebend. Diese Abwägung fällt in der Regel zugunsten des Mieters aus, wenn er eine Lebensgemeinschaft gründen will. Immerhin ist auch in der klassischen Rollenverteilung einer Ehe der Ehepartner, der den Haushalt führt und die Kinder betreut, ohne Einkünfte. Bei erwiesener mangelnder Zahlungsmoral des Dritten in der Vergangenheit, die durch eine eidesstattliche Versicherung indiziert wird, kann ein solches Abwägungsergebnis schon zweifelhaft sein. Als Orientierung kann insoweit vor allem die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mieters (Bonität) selbst dienen. Je schwächer diese ausfällt, umso eher tritt die Solvenz des Dritten als ausschlaggebender Punkt für die abschlägige Entscheidung des Vermieters in den Hintergrund. Als wichtige Gründe kommen im Übrigen in Betracht: – eine Erweiterung175 oder sonstige Änderung des Verwendungszwecks176; – Festlegung des Zwecks „ausschließlich zur Büronutzung“ und beabsichtigte Nutzung für die Verwaltung eines häuslichen Pflegedienstes177, – der Betrieb eines anstößigen Gewerbes178; – Untervermietung gewerblich genutzter Räume als Wohnung179; – Unterbringung von Asylanten180;

170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180

RG v. 16.9.1910 – III 514/09, RGZ 74, 176. Blank/Börstinghaus, § 540 BGB Rz. 49. OLG Naumburg v. 15.11.2012 – 9 U 98/12, ZfIR 2013, 383. Zur Gewerberaummiete vgl. § 540 BGB Rz. 114. Kossmann, § 28 Rz. 4; a.A. Staudinger/Emmerich, § 540 BGB Rz. 23; Schmidt-Futterer/Blank, § 553 BGB Rz. 13. OLG Düsseldorf v. 2.8.2007 – I-10 U 148/06, GuT 2008, 122 = ZMR 2008, 783. BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, MDR 1984, 571, BGH v. 11.1.1984 – VIII ARZ 10/83, MDR 1984, 663 = NJW 1984, 1032; KG v. 11.10.2008 – v. 11.10.2007 – 8 U 34/07, MietRB 2008, 203, GE 2008, 1626; OLG Köln v. 12.4.1996 – 20 U 166/95, WuM 1997, 620; OLG Nürnberg v. 28.6.1967 – 2 U 86/67, WuM 1967, 202. OLG Düsseldorf v. 16.2.2016 – 24 U 63/15, MDR 2016, 702 = ZMR 2016, 440. BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, BGH v. 11.1.1984 – VIII ARZ 10/83, NJW 1984, 1032; LG Frankfurt v. 5.7.1966 – 2/11 S 115/66, MDR 1967, 216. OLG Koblenz v. 25.2.1986 – 3 U 1073/85, MDR 1986, 496. LG Berlin, GE 1984, 51 (53).

662 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 79 § 540

– erhöhte Abnutzung der Mietsache durch eine Vielzahl von Untermietern an Stelle eines Mieters181; – persönliche Feindschaft zwischen Untermieter und Vermieter oder anderen Mietern182; – Besorgnis der Belästigung der übrigen Hausbewohner183; – Beruf des Untermieters (Klavierlehrer, Berufsposaunist, Schlagzeuger, Sänger,)184; – sonstige Eigenschaften des Untermieters (Trinker, Drogenabhängiger, entlassener Serienstraftäter, chronisch Kranker mit Ansteckungsgefahr,); – fehlende Wohnberechtigung hinsichtlich einer öffentlich geförderten oder mit Wohnungsfürsorgemitteln geförderten Wohnung185, – fehlende Erfüllung der Meldepflicht eines bereits eingezogenen Untermieters186. Für eine kirchliche Organisation können auch religiöse Motive ausreichen, soweit sich ihre Stellung 76 nicht allein darauf beschränkt, wie ein Vermieter aufzutreten, sondern die kirchlichen Belange auch das Wohnumfeld prägten187. Deshalb kann auch ein „unsittlicher“ Lebenswandel in diesen Fällen einen wichtigen Grund ergeben. Dazu gehört nach religiösem Verständnis auch die nichteheliche Lebensgemeinschaft. Ansonsten sind als wichtiger Grund nicht ausreichend Homosexualität, ausländische Herkunft oder AIDS188. cc) Andere Kündigungstatbestände zugunsten des Mieters Neben § 540 Abs. 1 S. 2 BGB kann sich eine Kündigungsmöglichkeit aus § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB er- 77 geben, wenn die Erlaubnisverweigerung den vertragsgemäßen Gebrauch tangiert189. Vielmehr setzt dies voraus, dass die Untervermietung im Vertrag vorgesehen ist. Dann ist auch die Untervermietung ein Gebrauch, den der Mieter von der Mietsache macht. Denn ist sie im Vertrag allgemein gestattet, widerspricht aber der Vermieter im Einzelfall der Untervermietung, gewährt er dem Mieter den Gebrauch der Mietsache nicht mehr in dem im Vertrag vereinbarten Umfang. Er entzieht durch die Vertragsverletzung, die er durch einen unberechtigten Widerspruch begeht, dem Mieter teilweise den vertragsmäßigen Gebrauch der Mietsache. Deshalb kann der Mieter bei unberechtigtem Widerspruch gegen die Untervermietung den Mietvertrag fristlos kündigen, wenn die weiteren Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB vorliegen, wenn nämlich der Mieter erfolglos eine angemessene Frist zur Abhilfe gesetzt oder die Erfüllung des Vertrages infolge des Widerspruchs für ihn kein Interesse mehr hat (§ 543 Abs. 3 BGB). Das Gleiche gilt, wenn dem Mieter ein Anspruch auf Zustimmung zusteht, der sich insbesondere aus § 553 BGB ergeben kann, was aber auch in der Anfrage dargelegt werden muss. In allen anderen Fällen kann sich eine Kündigung nur aus § 543 Abs. 1 BGB ergeben190. Das setzt aber 78 eine Vertragsverletzung des Vermieters voraus. Diese kann nicht ohne weiteres in der Versagung gesehen werden, weil die Erteilung der Erlaubnis in freiem Ermessen des Vermieters steht. Ein Pflichtverstoß kann aber angenommen werden, wenn die Versagung schikanös ist191. In jedem Fall setzt die Kündigung aber voraus, dass der Dritte die Mietsache tatsächlich nutzen will. 79 Eine Kündigung verstößt gegen § 242 BGB, wenn der Nutzungswunsch des Dritten in Wahrheit nicht besteht192.

181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192

KG v. 29.5.1940 – 17 U 1704/40, DR 1940, 1430; OLG Königsberg, GE 1941, 340. Staudinger/Emmerich, § 540 BGB Rz. 22. LG Bamberg v. 23.6.1973 – 2 S 26/73, WuM 1974, 197. Lützenkirchen, WuM 1990, 413. LG Koblenz v. 2.12.1986 – 6 S 276/86, WuM 1987, 201. AG Tempelhof-Kreuzberg v. 29.8.2016 – 7 C 161/15, WuM 2016, 623. OLG Hamm v. 23.10.1991 – 30 REMiet 1/91, MDR 1992, 156 = FamRZ 1992, 308 = ZMR 1992, 20; LG Aachen v. 10.7.1992 – 5 S 472/90, FamRZ 1993, 325 = NJW 1992, 2897. Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 540 BGB Rz. 25; a.A. Schopp, ZMR 1994, 141. BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, MDR 1984, 571 = FamRZ 1984, 763 = NJW 1984, 1031. OLG Frankfurt v. 8.12.2005 – 2 U 128/05, InfoM 2007, 312. RG v. 28.11.1932 – VIII 350/32, RGZ 138, 359. BGH v. 11.11.2009 – VIII ZR 294/08, MietRB 2010, 33 = WuM 2010, 30 = MDR 2010, 200 = ZMR 2010, 281.

Lützenkirchen | 663

§ 540 Rz. 80 | Gebrauchsüberlassung an Dritte b) Minderung 80 Eine Minderung (§ 536 BGB) kommt erst bei einer erheblichen Gebrauchsbeeinträchtigung in Be-

tracht. Die Mietsache als solche bleibt durch die (unberechtigte) Versagung einer Erlaubnis zur Untervermietung grundsätzlich unberührt. Der Gebrauch ist nicht beeinträchtigt, solange die Untervermietung nicht dazugehört. Letzteres ist der Fall, wenn der Mieter nach dem Vertrag generell berechtigt ist, die Wohnung unterzuvermieten193, oder ein Anspruch nach § 553 Abs. 1 BGB besteht. Ist die Gebrauchsbeeinträchtigung als erheblich anzusehen, kann der Mieter die Miete mindern. c) Schadensersatz 81 Schadensersatz kommt in Betracht, wenn die unberechtigte Versagung einen Mangel begründet (vgl.

§ 540 BGB Rz. 80) oder eine Pflichtverletzung darstellt (vgl. dazu § 540 BGB Rz. 77), was bei Vorliegen eines wichtigen Grundes i.d.R. anzunehmen ist. Als Schaden kommt insbesondere die entgangene Untermiete in Betracht194. Ein Anspruch auf Herausgabe des Mehrerlöses aus der Untervermietung besteht grundsätzlich nicht195. Eine formularmäßige Abtretung des Mehrerlöses ist unwirksam196. 2. Rechte des Vermieters a) Beseitigung und Unterlassung, § 541 BGB 82 Ohne die Erlaubnis des Vermieters ist die Gebrauchsüberlassung an Dritte vertragswidrig, selbst wenn

darauf z.B. nach § 553 BGB ein Anspruch besteht. Eine Ausnahme ist anzunehmen, wenn die Untervermietung generell nach dem Vertrag ohne Zustimmung des Vermieters zulässig sein soll. 83 In diesem Fall kann der Mieter nach erfolgloser Abmahnung auf Beseitigung und Unterlassung der

Untermiete gemäß § 541 BGB klagen. Im Klageantrag ist hinsichtlich der Beseitigung der Name des Untermieters zu nennen. Bei der Unterlassung kann der Antrag nicht abstrakt formuliert werden (z.B. „… zukünftig jede Untervermietung zu unterlassen“). Der Antrag muss einschränkend vorsehen, dass der Vermieter zustimmen kann (z.B. „… zukünftig keine Untervermietung oder sonstige Gebrauchsüberlassung ohne vorherige Zustimmung des Vermieters durchzuführen“). 84 Sofern der Vermieter Eigentümer ist, kann er ergänzend aus § 1004 BGB gegen den Untermieter vor-

gehen. b) Kündigung des Mietvertrages 85 Die außerordentliche fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist treuwidrig, wenn der

Mieter die Zustimmung zur Untermiete hätte verlangen können197. Dazu müssen entweder die Voraussetzungen des § 553 Abs. 1 BGB (berechtigtes Interesse) vorliegen oder eine entsprechende vertragliche Bestimmung erfüllt sein. Im Übrigen soll die Kündigung nach vorheriger Abmahnung aber selbst dann zulässig sein, wenn der Mieter dem Untermieter nach Erhalt der Abmahnung sofort ordentlich kündigt198. Dem kann nicht uneingeschränkt gefolgt werden, weil es sonst dem Zweck der Abmahnung widerspricht, den Mieter zu einer Korrektur seines vertragswidrigen Verhaltens anzuhalten. Immerhin muss der Mieter die Möglichkeit haben, den Untermietvertrag wenigstens ordentlich zu beenden. Deshalb ist eine fristlose Kündigung erst zulässig, wenn die Gebrauchsüberlassung auch noch drei Monate seit der Abmahnung fortgesetzt wird (vgl. auch § 543 BGB Rz. 75).

193 BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, MDR 1984, 571; BGH v. 11.1.1984 – VIII ARZ 10/83, MDR 1984, 663 = NJW 1984, 1032. 194 LG Berlin v. 4.12.2006 – 67 S 425/05, GE 2007, 783. 195 BGH v. 13.12.1995 – XII ZR 194/93, MDR 1996, 461 = WuM 1996, 216. 196 Hanseatisches OLG Hamburg v. 10.12.1997 – 4 U 98/97, NJW-RR 1999, 1316. 197 BayObLG v. 26.10.1990 – RE-Miet 1/90, MDR 1991, 253 = BayObLG v. 26.10.1990 – REMiet 1/90, WuM 1991, 18. 198 LG Hamburg v. 1.9.2000 – 311 S 70/00, ZMR 2001, 39.

664 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 90 § 540

Die ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist ebenfalls eingeschränkt durch einen An- 86 spruch auf Zustimmung. Indessen kann eine ausreichende Pflichtverletzung vorliegen, wenn aus dem Verhalten des Mieters deutlich wird, dass er das Recht des Vermieters, eine Untervermietung erst dulden zu müssen, wenn er ihr zugestimmt hat, leugnet199. Davon ist auszugehen, wenn der Mieter trotz Abmahnung die Voraussetzung für eine Zustimmung (nach § 553 BGB mindestens berechtigtes Interesse, Name, Anschrift und Geburtsdatum des Untermieters) nicht darlegt (vgl. auch § 573 BGB Rz. 165 f.). c) Herausgabe des Mehrerlöses aa) Bestehender Mietvertrag Erfolgt eine unerlaubte Untervermietung kann der Vermieter vom Mieter nach den Grundsätzen der 87 ungerechtfertigten Bereicherung nicht die Herausgabe des die Hauptmiete übersteigenden Mehrbetrages der Untermiete verlangen. Denn der Untermieter leistet an den Hauptmieter ebenso mit Rechtsgrund wie der Hauptmieter an den Vermieter200. Im laufenden Mietvertrag kann der Vermieter vom Mieter die Herausgabe eines Mehrerlöses aus einer 88 Untervermietung auch nicht aus GoA oder § 812 BGB verlangen. Denn insbesondere die Reaktionsmöglichkeiten aus §§ 543 Abs. 2 Nr. 2, 541 BGB zeigen, dass der Vermieter nicht unbillig benachteiligt ist201. Im damaligen Fall hatte der Mieter bei fortgesetztem Mietverhältnis untervermietet, die im Vertrag vorgesehene Vereinbarung eines Untermietzuschlages war jedoch nicht zustande gekommen. bb) Erlaubte Untervermietung bei nichtigem Hauptmietvertrag Für den Fall der an sich erlaubten Untervermietung, bei (ex tunc) nichtigem Mietvertrag hat der 89 BGH202 die gleiche Rechtsfolge – also keine Herausgabepflicht des Mehrerlöses – angenommen. Hier sei der Mieter nicht auf Kosten des Vermieters bereichert, weil er von einer eigenen Dispositionsmöglichkeit Gebrauch mache. cc) Verweigerte Herausgabe nach Mietende Für den Fall der verweigerten Herausgabe der Mietsache nach Mietende besteht ein Anspruch auf den 90 Mehrerlös ab Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs203. Nach § 292 BGB bestimmt sich, wenn der Schuldner einen bestimmten Gegenstand herauszugeben hat, von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an der Anspruch des Gläubigers auf Herausgabe von Nutzungen nach den Vorschriften, die für das Verhältnis zwischen dem Eigentümer und dem Besitzer von dem Eintritt der Rechtshängigkeit des Eigentumsanspruchs an gelten. Herausgabeansprüche i.S.d. § 292 BGB sind auch vertragliche Ansprüche auf Rückgabe der Mietsache. Zu diesen Nutzungen gehören gemäß §§ 100, 99 Abs. 3 BGB u.a. die mittelbaren Sachfrüchte, d.h. die Erträge, die die Sache vermöge eines Rechtsverhältnisses gewährt. Das sind hier die Untermietzinsen, die der Mieter durch die Untervermietung der herauszugebenden Mieträume tatsächlich erzielt hat204, und die aufgrund einer Vereinbarung über die Auflösung des Untermietvertrages erhaltene Entschädigung.

BayObLG v. 26.4.1995 – RE-Miet 3/94, BayObLG v. 21.3.1995 – REMiet 2/94, WuM 1995, 380. OLG Celle v. 7.10.1994 – 2 U 276/93, WuM 1995, 655. BGH v. 13.12.1995 – XII ZR 194/93, MDR 1996, 461 = WuM 1996, 216. BGH v. 6.8.2008 – XII ZR 67/06, MietRB 2009, 4 = UR 2009, 155 = MDR 2009, 19 = GuT 2008, 330 = ZMR 2009, 103. 203 BGH v. 12.8.2009 – XII ZR 76/08, MietRB 2009, 284 = MDR 2009, 1267 = GE 2009, 1248 = ZMR 2010, 21. 204 BGH v. 21.9.2001 – V ZR 228/00, MDR 2002, 83 = NJW 2002, 60 (61); BGH v. 11.11.1994 – V ZR 116/93, MDR 1995, 463 = NJW 1995, 454 (455); zur Herausgabe erzielter Zinsen als Nutzungen des Kapitals: BGH v. 8.10.1987 – VII ZR 185/86, MDR 1988, 221 = BGHZ 102, 41 (47); BGH v. 6.3.1998 – V ZR 244/96, MDR 1998, 891 = BGHZ 138, 160 (163). 199 200 201 202

Lützenkirchen | 665

§ 540 Rz. 91 | Gebrauchsüberlassung an Dritte

V. Haftung des Mieters für den Untermieter (Abs. 2) 91 § 540 Abs. 2 BGB stellt im Verhältnis zu § 278 BGB klar205, dass durch die Erlaubniserteilung keine

Entlastung des Mieters eintritt, wenn der Dritte schuldhaft einen Schaden verursacht. Die Möglichkeit einer Exculpation ist nicht vorgesehen. Eine über § 278 BGB hinausgehende Wirkung kommt der Vorschrift aber nicht zu, selbst wenn sie als Spezialnorm angesehen wird206. Der Mieter haftet bei Überlassung ohne Erlaubnis auch für solche Schäden, die der Dritte ohne Verschulden herbeigeführt hat207. Ob er für eine Überschreitung des Nutzungsrechts (= Besitzexzess) des Untermieters haftet, ist umstritten208. Eine Überschreitung liegt vor, sobald der Untermieter über die Grenzen hinaus nutzt, die durch das Gebrauchsgewährsrecht des Mieters gezogen sind. Insoweit soll eine Zurechnung nach § 540 Abs. 2 BGB nicht stattfinden209, Allerdings soll sich eine Haftung daraus ergeben können, dass der Mieter gemäß § 540 Abs. 2 BGB dafür einzustehen hat, dass der Untermieter die Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs einhält210, was z.B. bei einer Kontamination des Erdreichs der Fall sein könnte211. Ob der Mieter von den Aktivitäten des Untermieters Kenntnis hat, ist unerheblich212. Die Haftung besteht auch bei Straftaten des Untermieters (z.B. Unterschlagung der Mietsache)213. 92 Verschulden des Dritten umfasst Fahrlässigkeit und Vorsatz; es muss sich aber um ein Verschulden

beim Gebrauch der Mietsache handeln. Auf ein Eigenverschulden des Mieters kommt es dann nicht an. Selbst die vorsätzliche Herbeiführung einer Explosion beim Aufenthalt in den Mieträumen erfolgt bei dem Gebrauch der Mietsache214. 92a Je nach den Umständen der Untervermietung kann sich ein Schadensersatzanspruch des Vermieters

gegen den Mieter ergeben. Vermietet der Mieter z.B. ohne Zustimmung des Vermieters obwohl ein (vorläufig vollstreckbares) Räumungsurteil gegen ihn besteht, ergibt sich ein solcher Anspruch aus § 826 BGB215.

VI. Rechtsbeziehung Vermieter – Untermieter 1. Bestehender Hauptmietvertrag 93 Zwischen dem Hauptvermieter und dem Untermieter bestehen keine unmittelbaren vertraglichen Be-

ziehungen, so dass vom Untermieter gegenüber dem Vermieter z.B. keine Gewährleistungsansprüche geltend gemacht werden können. Aus dem gleichen Grund besteht keine Konkurrenzschutzpflicht des Vermieters gegenüber dem Untermieter216. Der Untermieter ist zudem grundsätzlich nicht in den Schutzbereich des Hauptmietvertrages einbezogen217. Umgekehrt hat der Vermieter an den vom Untermieter eingebrachten Sachen kein Vermieterpfandrecht.

205 206 207 208 209 210 211 212 213 214 215 216 217

MünchKomm/Bieber, § 540 BGB Rz. 24. Sternel, Mietrecht aktuell, VI Rz. 333. MünchKomm/Bieber, § 540 BGB Rz. 25. Vgl. im Einzelnen Burbulla, NZM 2013, 558 (561). Staudinger/Emmerich, § 540 BGB Rz. 37; Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 540 BGB Rz. 41. BGH v. 10.5.2000 – XII ZR 149/98, MDR 2000, 1068 = NJW 2000, 3203; a.A. Burbulla, NZM 2013, 558 (561). BGH v. 10.5.2000 – XII ZR 149/98, MDR 2000, 1068 = ZMR 2000, 596 = NZM 2000, 1055 Rz. 20. LG Berlin v. 4.12.2015 – LG Berlin v. 4.11.2015 – 65 S 318/15, MietRB 2016, 66, GE 2016, 67. OLG Düsseldorf v. 31.10.2016 – 24 U 74/16, ZMR 2017, 559. BGH v. 17.10.1990 – VIII ZR 213/89, MDR 1991, 240 = NJW 1991, 489. OLG München v. 2.5.2019 – 32 U 1436/18, MietRB 2019, 326 = ZMR 2020, 28. OLG Naumburg v. 22.9.2009 – 9 U 129/09, GE 2009, 1621 = MietRB 2010, 197. BGH v. 15.2.1978 – VIII ZR 47/77, NJW 1978, 883.

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B. Wohnraummiete | Rz. 97 § 540

2. Beendeter Hauptmietvertrag a) Ansprüche des Vermieters aa) Räumung der Mietsache Ist das Hauptmietverhältnis beendet, kann der Hauptvermieter auch vom Untermieter Herausgabe 94 der Mietsache verlangen, § 546 Abs. 2 BGB. Dabei ist es unerheblich, ob der Untermietvertrag (ebenfalls) beendet ist. Die gesetzliche Rückgabepflicht aus § 546 Abs. 2 BGB begründet ein gesetzliches Schuldverhältnis, so dass der Untermieter dem Vermieter Schadensersatz nach den §§ 280 Abs. 2, 286 BGB schuldet, wenn er mit der Rückgabe in Verzug gerät218. Vgl. im Übrigen § 546 BGB Rz. 132 f. Für die Zwangsvollstreckung gegen den Untermieter benötigt er einen gegen diesen gerichteten Räu- 95 mungstitel219. Zur Herbeiführung dieses Titels wird die Auffassung vertreten, dass die Rechtskraft eines Räumungstitels gegen den Mieter sich insoweit auf den Untermieter erstreckt, dass dieser die Herausgabepflicht des Mieters nicht mehr leugnen können soll, wenn er seinerseits vom Vermieter auf Rückgabe nach § 546 Abs. 2 BGB in Anspruch genommen wird220. Die h.M. lehnt eine derartige Rechtskrafterstreckung auf den Untermieter jedoch ab, jedenfalls unter der Voraussetzung, dass der Untermieter den unmittelbaren Besitz vor Rechtshängigkeit des Verfahrens zwischen Vermieter und Hauptmieter erlangt hat221. Soweit eine Rechtskrafterstreckung wegen materiell-rechtlicher Abhängigkeit befürwortet wird, soll dies zwar der Vermeidung nachfolgender Prozesse zwischen anderen Parteien dienen, in denen der Streitgegenstand des ersten Verfahrens Vorfrage ist. Eine solche Durchbrechung des Grundsatzes, dass die Rechtskraft einer Entscheidung sich auf die Parteien beschränkt, zwischen denen sie ergeht, sei aber abzulehnen, wenn dies für den Dritten, der auf diese Entscheidung keinen Einfluss nehmen konnte, zu prozessual unzumutbaren Ergebnissen führen kann. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Untermieter, der vom (Haupt-)Vermieter nach Kündigung des Hauptmietvertrages bedrängt wurde, entweder einen Mietvertrag unmittelbar mit ihm zu schließen oder aber zu räumen, die Mietzahlung an den Hauptmieter einstellt und sich auf einen Rechtsmangel beruft. Sein Einwand, sein Mietbesitz sei durch das Recht eines Dritten (hier: des Hauptvermieters) beeinträchtigt, darf ihm nicht dadurch abgeschnitten werden, dass – gegebenenfalls Jahre später – in einem Verfahren zwischen den Parteien des Hauptmietvertrages rechtskräftig festgestellt wird, dass dieses Recht des Hauptvermieters auf Räumung und Herausgabe mangels wirksamer Beendigung des Hauptmietvertrages nicht bestanden hat. bb) Anspruch auf Nutzungsentschädigung Ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung des Hauptvermieters gegen den Untermieter ergibt sich 96 nicht schon aus § 546a Abs. 1 BGB, weil diese Sondervorschrift nur im Verhältnis Vermieter/Mieter anwendbar ist. Das Recht, Nutzungsentschädigung zu verlangen, kann sich aber aus §§ 987, 990 BGB ergeben. Zur Herbeiführung der Bösgläubigkeit ist es mindestens notwendig, den Untermieter durch Übersendung der Kündigung oder des befristeten Vertrages von der Beendigung in Kenntnis zu setzen. Davon kann nur abgesehen werden, wenn der Mieter den Untermieter entsprechend informiert hat. Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen der Vermieter einen unmittelbaren Anspruch gegen den 97 Untermieter auf Leistung einer Nutzungsentschädigung geltend machen kann, ist streitig. Relevanz gewinnt diese Frage vor allem bei Insolvenz des Mieters. Insoweit steht dem Eigentümer nach h.M. ein Wahlrecht zwischen der Inanspruchnahme des mittelbaren Besitzers (Mieters) und dessen unmittel-

218 BGH v. 19.10.1995 – IX ZR 82/94, MDR 1996, 356 = NJW 1996, 321 = ZMR 1996, 124. 219 BGH v. 14.8.2008 – I ZB 39/08, MDR 2008, 363, 1356, NZM 2008, 805; BGH v. 18.7.2003 – IXa ZB 116/03, MDR 2004, 53 = MietRB 2004, 7 = ZMR 2004, 324. 220 Blomeyer, Zivilprozessrecht, Erkenntnisverfahren, 2. Aufl., S. 520; Bettermann, Die Vollstreckung des Zivilurteils in den Grenzen seiner Rechtskraft, S. 218 f.; AG Hamburg v. 24.4.1992 – 43b C 1967/91, AG Hamburg v. 24.4.1992 – 43 B 1967/91, NJW-RR 1992, 1487. 221 BGH v. 21.4.2010 – VIII ZR 6/09, WuM 2010, 353 = MDR 2010, 856 = ZMR 2010, 747; BGH v. 12.7.2006 – XII ZR 178/03, MietRB 2006, 316, 320 = MDR 2007, 78 = NZM 2006, 699; vgl. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 1266; MünchKomm/Gottwald, § 325 ZPO Rz. 74; Stein/Jonas/Leipold, § 325 ZPO Rz. 91; Musielak, § 325 ZPO Rz. 18; Wieczorek, § 325 ZPO Anm. B III b; Berg, NJW 1953, 30; vgl. zum Meinungsstand auch Zöller/Vollkommer, § 325 ZPO Rz. 38.

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§ 540 Rz. 97 | Gebrauchsüberlassung an Dritte baren Besitzers (Untermieter) aus den §§ 987, 990, 991 BGB zu222. Von einer endgültigen Ausübung des Wahlrechts ist dabei noch nicht durch die Klageerhebung gegen den unmittelbaren Besitzer (Mieter) auszugehen, solange nicht der Eigentümer in voller Höhe befriedigt wurde. Denn es ist nicht zu rechtfertigen, dem Eigentümer die Inanspruchnahme des Untermieters solange zu verwehren, bis die Fruchtlosigkeit der Zwangsvollstreckung gegen den früheren Hauptmieter feststeht223. b) Ansprüche des Untermieters 98 Auch der Untermieter kann Ansprüche gegen den Vermieter geltend machen. Mangels Vertragsbezie-

hungen muss er für Verwendungsersatz z.B. auf die §§ 994 ff. BGB zurückgreifen224. In Betracht kommen aber auch Ansprüche aus GoA oder § 812 BGB. Hat der Vermieter das Eigentum des Untermieters beschädigt, haftet er nach §§ 823 ff. BGB. c) Exkurs: Rechtsmangel durch Kündigung des Hauptmietvertrages? 99 Der Rechtsmangel i.S.v. § 536 Abs. 3 BGB setzt voraus, dass ein dauerhaftes Recht eines Dritten be-

steht, das der Nutzung durch den Mieter entgegensteht. Dabei reicht das bloße Bestehen des Rechts nicht aus. Vielmehr muss es auch zu einer Gebrauchsbeeinträchtigung kommen225. Sobald der Vermieter den Untermieter zur Räumung auffordert, macht er ihm den Besitz streitig. Deshalb kann ab dem Zugang einer solchen Aufforderung eine Gebrauchsbeeinträchtigung i.S.v. § 536 Abs. 1 S. 3 BGB im Rahmen des Untermietvertrages bestehen, die den Untermieter sogar berechtigen kann, die (Unter-) Miete um 100 % zu mindern226. 100 Voraussetzung ist allerdings, dass der Hauptmietvertrag wirksam beendet ist227. Denn ansonsten

steht dem Untermieter auch gegenüber dem Vermieter ein Recht zum Besitz (z.B. i.S.d. § 986 BGB) zu bzw. liegen die Voraussetzungen des § 546 Abs. 2 BGB nicht vor. Die Rechtskraft des Räumungsurteils im Verhältnis des Vermieters zum Mieter hat keine Auswirkungen auf das Prozessrechtsverhältnis des Mieters und des Untermieters228. Umso mehr sollte z.B. durch eine Streitverkündung an den Untermieter eine Rechtskrafterstreckung herbeigeführt werden, wenn nicht eine auflösende Bedingung oder ein Sonderkündigungsrecht im Untermietvertrag für den Fall der Beendigung des Hauptmietvertrages vereinbart ist.

C. Gewerberaummiete I. Allgemeines 101 Der Gewerberaummietvertrag zwischen Mieter (als Vermieter) und Untermieter unterliegt ebenfalls

den allgemeinen Regeln. Deshalb gelten die Darstellungen in Abschnitt B entsprechend. 102 Problematisch ist insoweit der vertragsimmanente Konkurrenzschutz, da der Mieter von vorneherein

gegenüber anderen Mietern (anders als der Vermieter) keine mietrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten hat. Gleichwohl soll der Mieter eines Sondereigentümers in einem Einkaufszentrum gegenüber seinem Untermieter auch ohne besondere Vereinbarung zum Konkurrenzschutz verpflichtet sein, soweit er nicht auf eine abweichende, ihn freistellende Vereinbarung vor Abschluss des Untermietvertrages hinwirkt229. Diese Meinung ist abzulehnen, wenn der Untermieter weiß, dass er nicht vom Vermieter mietet. BGH v. 6.11.1968 – V ZR 85/65, MDR 1969, 128. Hanseatisches OLG Hamburg v. 29.5.1996 – 4 U 190/95, WuM 1997, 223. Vgl. dazu: Greiner, ZMR 1998, 403. OLG Düsseldorf v. 14.11.2011 – 24 U 43/10, MietRB 2012, 141, IMR 2012, 187. OLG Düsseldorf v. 14.11.2011 – 24 U 43/10, MietRB 2012, 141, IMR 2012, 187. KG v. 14.5.2001 – 8 U 7673/98, KGR Berlin 2001, 223. BGH v. 21.4.2010 – VIII ZR 6/09, MDR 2010, 856 = WuM 2010, 353 = GE 2010, 840; BGH v. 12.7.2006 – XII ZR 178/03, MDR 2007, 78 = MietRB 2006, 316, 320, NZM 2006, 699 = ZMR 2006, 763. 229 LG Karlsruhe v. 24.7.1990 – 8 O 436/89, WuM 1991, 83. 222 223 224 225 226 227 228

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C. Gewerberaummiete | Rz. 110 § 540

II. Dritte Auch in der Gewerberaummiete kann die Aufnahme Dritter zum vertragsgemäßen Gebrauch gehö- 103 ren. Dazu bedarf es aber regelmäßig einer ausdrücklichen Vereinbarung, wenn sich die Untervermietung nicht schon aus dem Zweck des Mietvertrages ergibt (z.B. Überlassung einer Veranstaltungshalle). In Verträgen mit konzernzugehörigen Unternehmen als Mieter gehört es heute zum Standard, für die Konzernmutter oder andere Konzerntöchter die Anwendung des § 540 Abs. 1 BGB im Mietvertrag auszuschließen. Selbstverständlich ist die Untervermietung ohne eine solche Klausel unzulässig. Der vertragsgemäße Gebrauch wird ebenfalls nicht tangiert, wenn das Gewerbe von vorneherein die 104 Überlassung an Dritte vorsieht. Neben der Zwischen- und Weitervermietung (§ 565 BGB) sind hier vor allem der Betrieb von Hotels, Pensionen o.Ä. zu nennen. Auch die Einrichtung eines Boardinghauses, in dem Berufstätige für die (kurze) Dauer einer Tätigkeit am Ort eine möblierte Wohnung beziehen können, gehört in diese Kategorie, ebenso Büroservices, bei denen möblierte Geschäfts- und Konferenzräume für Dritte überlassen werden. Problematisch ist die Einrichtung von sog. Briefkastenfirmen, weil hier keine Nutzung im eigentli- 105 chen Sinn stattfindet, sondern die Mietsache lediglich als postalische Adresse herhält. Selbst wenn der Mietvertrag zu diesem Phänomen nichts hergibt, muss im Zweifel eine erlaubnispflichtige Untervermietung angenommen werden. Denn solange keine Betriebspflicht besteht, muss auch der Gewerberaummieter die Mietsache nicht nutzen. Dann stellt sich sein Gebrauch aber in gleicher Weise dar, wie der einer Briefkastenfirma. Nur weil der Mieter die Mietsache intensiver nutzt, wird die Nutzung der Briefkastenfirma nicht zulässig. Immerhin muss jemand ihren Briefkasten nutzen. Keine Untermiete besteht bei einem Gesellschafterwechsel, und zwar auch bei der GbR (vgl. § 535 106 BGB Rz. 1008). Denn im Hinblick auf die eigene Rechtspersönlichkeit von Gesellschaften verändert sich die Person des (nutzenden) Mieters nicht. Dagegen ist die Aufnahme eines Gesellschafters durch einen Einzelkaufmann als Untermiete zu bewerten230, ebenso die Aufnahme eines Partners durch einen Freiberufler. Das Gleiche gilt für die Tatbestände des UmwG, weil hier keine „andere“ Person die Nutzung fortsetzt, sondern eine Verschmelzung oder Umwandlung stattfindet (vgl. § 535 BGB Rz. 1010). Davon zu unterscheiden ist die Veräußerung eines Handelsgeschäftes. Hier wird die Nutzung (nach 107 Veräußerung) durch einen Dritten (= Erwerber) fortgesetzt231. Nichts anderes gilt, wenn ein Freiberufler (Arzt, Rechtsanwalt, Steuerberater, Architekt etc.) seinen Betrieb veräußert. Insoweit kann keine Ausnahme von der Erlaubnispflicht oder sogar ein Anspruch auf Erlaubniserteilung begründet werden, wenn der Mietvertrag zur Rechtsnachfolge keine Regelung trifft232.

III. Antrag auf Erlaubnis Die Informationspflicht des Mieters gilt auch in der Gewerberaummiete (§ 540 BGB Rz. 50 f.).

108

Insbesondere wenn eine Betriebspflicht des Mieters besteht, ist die Solvenz des Dritten für die Ent- 109 scheidung über die Erlaubnis ein wesentliches Kriterium, so dass der Vermieter die Einkommens- und Vermögensverhältnisse eingehend überprüfen kann233. Im Ergebnis rechtfertigen daher begründete Zweifel an der Solvenz des Dritten einen wichtigen Grund i.S.d. § 540 Abs. 1 S. 2 BGB. Dafür ist im Einzelfall abzuwägen, ob die Erfüllung wesentlicher Vertragspflichten eine solide finanzielle Grundlage des Dritten erfordert. Das Gleiche gilt bei Gaststätten wegen der Zuverlässigkeit des Dritten i.S.v. § 4 GastG. Ist der Dritte 110 nicht konzessionswürdig, liegt der Schluss nahe, dass zwischen Mieter und Drittem ein sog. Kastellanvertrag besteht. Danach überlässt der Konzessionsinhaber die Gaststätte entgeltlich an einen Dritten, der diese selbständig betreibt, ohne selbst eine Konzession zu besitzen. In diesen Fällen liegt ein Verstoß gegen §§ 2 Abs. 1, 9 GastG (sog. Kastellanvertrag) vor, der über § 134 BGB zur Unwirksamkeit

230 231 232 233

BGH v. 25.4.2001 – XII ZR 43/99, MDR 2001, 862. Palandt/Weidenkaff, § 540 BGB Rz. 6. A.A. Stellmann in Lindner-Figura u.a., Kap. 18 Rz. 6 m.w.N. BGH v. 15.11.2006 – XII ZR 92/04, MietRB 2007, 170 = MDR 2007, 261 = NJW 2007, 288.

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§ 540 Rz. 110 | Gebrauchsüberlassung an Dritte des Mietvertrages führt234. Mithin kann der Vermieter mindestens (und zusätzlich) Einsicht in den Untermietvertrag verlangen. 111 Generell ist daher auch hier ein umfassendes Informationsrecht des Vermieters gegeben. Er kann die

Auskünfte verlangen, die er zur Bewertung, ob der vertragsgemäße Gebrauch (für die Dauer der Untermiete) erhalten bleibt, benötigt. Dies reicht von der Vorlage des Mietvertrages235 mit dem Untermieter über persönliche Auskünfte (Vermögen, beruflicher Werdegang, Name der Gesellschafter etc.) bis hin zur Angabe bisher betriebener Geschäfte.

IV. Anspruch auf Erlaubnis 112 Vorbehaltlich konkreter Vereinbarungen sind auch unternehmensrechtliche Kontinuitätsmodelle

grundsätzlich nicht ausreichend, um einen Anspruch auf Zustimmung zur Untermiete für die Fortführung eines Handelsgewerbes o.Ä. zu begründen236. Vor dem Hintergrund der klaren gesetzlichen Regelung, die bei keiner der Reformen trotz der bekannten Problematik verändert wurde, würde die durch das Gesetz vorgegebene Risikoverteilung zu Lasten des Vermieters verschoben. Ohne konkreten Anhaltspunkt im Vertrag besteht noch nicht einmal Anlass, über eine „vergessene“ Regelung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nachzudenken, weil der Vermieter bei Abschluss des Vertrages gerade wegen der bekannten Aufteilung der wirtschaftlichen Gefahrenkreise keinen Anlass hat, hierüber ohne Not eine Vereinbarung zu treffen. 113 Unabhängig davon, ob dem Mieter im Mietvertrag allgemein die Erlaubnis zur Untervermietung zum

Betrieb eines Gewerbes erteilt wurde oder er einen Anspruch auf Zustimmung reklamiert, ist er nicht berechtigt, die Mietsache zur Ausübung eines Gewerbes unterzuvermieten, das ihm selbst nach dem Mietvertrag nicht gestattet ist237. Deshalb besteht kein Anspruch auf Zustimmung zur Nutzungsänderung (vgl. § 535 BGB Rz. 1045). 113a Dennoch kann sich in Ausnahmesituationen aus einer Einzelfallbetrachtung über § 242 BGB ein An-

spruch auf Zustimmung zur Untervermietung ergeben (§ 540 BGB Rz. 61 f.). Dazu ist prinzipiell erforderlich, dass sich der Vertragszweck nicht ändert238. Unter dieser Bedingung ist ein solcher Anspruch denkbar, wenn eine vertraglich vorbehaltene Zustimmung zur Untervermietung eines Teils der zu Zwecken einer psychotherapeutischen Praxis angemieteten Räume geregelt ist und die Untervermietung die finanzielle Belastung des Mieters senkt, der Untermieter als weiterer Therapeut die Praxisgemeinschaft ergänzt und Nachteile für den Vermieter nicht ersichtlich sind (vgl. auch § 540 BGB Rz. 61 a.E.)239. Das Gleiche soll sich ergeben, wenn der Vermieter selbst erklärt hat, mit dem Untermieter einen Vertrag schließen zu wollen240. Insoweit bestehen aber im Hinblick auf das freie Ermessen des Vermieters Bedenken. Zwar behält der Vermieter bei Zustimmung zur Untervermietung seinen bisherigen Schuldner. Indessen kann gerade der unmittelbare Zugriff auf die Person des potentiellen Untermieters für ihn den entscheidenden Vorteil bieten. Weitere Konstellationen können sich aus einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung des Mieters an dem Untermieter ergeben241 oder einem willkürlichen Verhalten des Vermieters, dass allein darauf gerichtet ist, den Mieter zur Kündigung zu veranlassen242. 113b Vertragliche Regelungen, die dem Mieter einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis verschaffen,

sind in den unterschiedlichsten Formen denkbar. Häufig werden sie in der Weise gefasst, dass für die Person des Untermieters bestimmte negative Kriterien (z.B. in Bezug auf finanzielle Verhältnisse oder

234 OLG Düsseldorf v. 11.12.1986 – 10 U 130/86, NJW-RR 1987, 687. 235 Selbstverständlich muss der Mieter auch die beabsichtigte Nutzung mitteilen: OLG Nürnberg v. 3.11.2006 – 5 U 754/06, MDR 2007, 395 = MietRB 2007, 117, NZM 2007, 567. 236 A.A. Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 540 BGB Rz. 16 m.w.N. 237 BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, MDR 1984, 571 = FamRZ 1984, 763 = NJW 1984, 1031; KG v. 8.9.2003 – 8 U 181/02, GE 2003, 1490. 238 KG v. 8.9.2003 – 8 U 181/02, GE 2003, 1490. 239 Hanseatisches OLG Hamburg v. 29.10.1993 – 4 U 167/93, WuM 1993, 737. 240 Vgl. OLG Hamm v. 12.12.1995 – 7 U 71/95, NJWE-MietR 1996, 107 = DWW 1996, 162. 241 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 1282. 242 Staudinger/Emmerich, § 540 BGB Rz. 91.

670 | Lützenkirchen

C. Gewerberaummiete | Rz. 115 § 540

den Vertragszweck) aufgezählt werden, die eine Erlaubnisversagung rechtfertigen sollen. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass bei Abwesenheit der negativen Kriterien ein Anspruch besteht. Kann der Mieter die Erteilung der Erlaubnis zur Untervermietung verlangen, liegt zwar in der Ge- 113c brauchsüberlassung an den Dritten ohne vorherige Einholung der Erlaubnis eine Pflichtverletzung243. Einer fristlosen Kündigung steht jedoch – wie in der Wohnraummiete244 – im Regelfall § 242 BGB entgegen. Ausnahmen sind denkbar, wenn der Mieter trotz Hinweis des Vermieters keine Auskunft über die Person des Untermieters erteilt, so dass der Vermieter das Vorliegen der Voraussetzungen der Klausel nicht selbständig prüfen kann.

V. Wichtiger Grund Bei Gewerberaummietverträgen kann sich der wichtige Grund insbesondere daraus ergeben, dass das 114 Gewerbe des Dritten vom Vertragszweck abweicht. Dies ist unabhängig davon relevant, ob der Vermieter Dritten gegenüber zum Konkurrenzschutz verpflichtet ist. Selbst bei einer dem Hauptmieter allgemein erteilten Erlaubnis zur Untervermietung kann der Vermieter der Untervermietung widersprechen, wenn der Untermieter in den Mieträumen ein Gewerbe betreiben will, dessen Ausübung dem Mieter selbst nach dem Mietvertrag nicht gestattet ist245. Dies gilt erst recht, wenn die Untervermietung zu einer völligen Veränderung der Branche des in den Räumen betriebenen Geschäfts führt246. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob Umbauarbeiten o.Ä. stattfinden müssen, um den neuen Betrieb durchführen zu können247. Dies gilt erst recht, wenn durch die Untervermietung eine Konkurrenzsituation entsteht248. Deshalb kann der Mieter nicht kündigen, wenn der Vermieter die Erlaubnis versagt, weil anstelle der 115 bisherigen Nutzung – als Zahnarztpraxis mit Labor eine Tierarztpraxis für Kleintiere249, – als Supermarkt eine Spielhalle250 oder – als Metzgerei ein Geschäft für Damenoberbekleidung251 betrieben werden soll. Das Gleiche gilt, wenn – in den Räumen einer Steuerberaterpraxis der Untermieter wohnen soll252, – der Untermieter ein anstößiges Gewerbes betreibt253, – das Gewerbe des Untermieters Konkurrenz für den Vermieter oder andere Mieter herbeiführt254 oder – die bisher zur Unterbringung von Betriebsangehörigen genutzten Räume als Hotel garni untervermietet werden sollen255.

243 Ghassemi-Tabar u.a/Guhling, § 540 BGB Rz. 49 m.w.N. 244 BGH v. 2.2.2011 – VIII ZR 74/10, MietRB 2011, 102 = MDR 2011, 347 = WuM 2011, 169 = ZMR 2011, 453. 245 BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, MDR 1984, 571 = FamRZ 1984, 763 = NJW 1984, 1031 (1032); OLG Nürnberg v. 28.6.1967 – 2 U 86/67, WuM 1967, 202; OLG Koblenz v. 25.2.1986 – 3 U 1073/85, MDR 1986, 496 = NJW-RR 1986, 1343. 246 LG Nürnberg-Fürth v. 18.7.1990 – 7 O 2439/90, WuM 1991, 344. 247 OLG Köln v. 12.4.1996 – 20 U 166/95, NJW-RR 1997, 204 = WuM 1997, 620 = ZMR 1997, 298. 248 BGH v. 16.9.1981 – VIII ZR 161/80, MDR 1982, 314 = ZMR 1982, 11; Staudinger/Emmerich, § 540 BGB Rz. 22; Schmidt-Futterer/Blank, § 540 BGB Rz. 71. 249 OLG Köln v. 12.4.1996 – 20 U 166/95, WuM 1997, 620. 250 OLG Celle v. 8.3.1989 – 2 U 2/88, OLGZ 1990, 88. 251 LG Nürnberg-Fürth v. 18.7.1990 – 7 O 2439/90, WuM 1991, 344. 252 OLG Koblenz v. 25.2.1986 – 3 U 1073/85, MDR 1986, 496 = NJW-RR 1986, 1343. 253 BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, BGH v. 11.1.1984 – VIII ARZ 10/83, MDR 1984, 663 = NJW 1984, 1032. 254 BGH v. 16.9.1981 – VIII ZR 161/80, MDR 1982, 314 = ZMR 1982, 11; LG Oldenburg v. 11.5.1988 – 12 O 4090/87, NJW-RR 1989, 81. 255 OLG Nürnberg v. 28.6.1967 – 2 U 86/67, WuM 1967, 202.

Lützenkirchen | 671

§ 541 Rz. 1 | Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch

§ 541 Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch Setzt der Mieter einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache trotz einer Abmahnung des Vermieters fort, so kann dieser auf Unterlassung klagen. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . 2. Anwendbare Rechtsprechung . . . . . . . . . . . III. Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Abweichende Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . V. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . VI. Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Klageantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Streitverkündung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erledigung der Hauptsache? . . . . . . . . . . . . 4. Einstweilige Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Isolierte Anfechtung der Abmahnung . . . . 6. Streitwert/Beschwer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entstehung des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . II. Vertragswidriges Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertragswidrige Nutzung . . . . . . . . . . . . . . 2. Notwendige Erlaubniserteilung . . . . . . . . . . a) Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Widerruf der Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . 3. Gläubiger des Unterlassungsanspruchs . . . 4. Schuldner des Unterlassungsanspruchs . . .

1 1 4 4 5 6 7 9 10 10 12 14 16 17 21 23 23 25 27 31 31 37 44 45

III.

IV.

V.

VI. VII. C. I. II.

a) Mehrere Mieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zurechnung des Verhaltens Dritter . . . Abmahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Subjektive Anforderungen . . . . . . . . . . . . . 2. Inhaltliche Anforderungen . . . . . . . . . . . . . 3. Entbehrlichkeit der Abmahnung . . . . . . . . 4. Identität zwischen abgemahntem und verfolgtem Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Vermieterrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestehende Vermieterrechte . . . . . . . . . . . . 2. Rangfolge bei der Ausübung? . . . . . . . . . . . Beispiele vertragswidrigen Verhaltens . . . . . 1. Erweiterung des vereinbarten Mietgebrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Durchführung des Gebrauchs . . . . . . . . . . 3. Gebrauchsüberlassung an Dritte . . . . . . . . 4. Verletzung von Obhuts- und Sorgfaltspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Bauliche Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . ABC der Vertragswidrigkeiten . . . . . . . . . . . Verjährung des Beseitigungsanspruchs . . . . Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertragswidrige Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . Durchführung des Gebrauchs . . . . . . . . . . . .

46 49 52 53 56 60 62 65 65 68 70 71 72 73 76 80 85 206a 207 208 210

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt 1 Überschreitet der Mieter die durch den vertragsgemäßen Gebrauch i.S.d. § 535 Abs. 1 BGB gezogenen

Grenzen, verhält er sich vertragswidrig. Für diese Situation bietet § 541 BGB dem Vermieter die Anspruchsgrundlage für einen Unterlassungsanspruch, neben § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB und § 543 BGB das mildeste Mittel der möglichen Sanktionen, wobei allerdings keine der Sanktionen vorrangig ist1. Wenn ihre Voraussetzungen vorliegen, können sie geltend gemacht werden. Wurde allerdings fristlos gekündigt, besteht der Mietvertrag, der für den Anspruch aus § 541 BGB die Grundlage schafft, nicht mehr. Dazu muss zunächst eine Abmahnung erfolgen. Sobald dies erfolglos erteilt wurde, kann der Vermieter auf Unterlassung klagen. Dass er oder ein Dritter einen Schaden erleidet oder auf andere Weise beeinträchtigt wird, ist nicht erforderlich. 2 § 541 BGB ist seinem Wesen nach ein Erfüllungsanspruch, der auf die Wiederherstellung des ver-

tragsgemäßen Zustandes gerichtet ist2. Trotz der amtlichen Überschrift beschränkt sich die Rechtsfolge nicht allein auf Unterlassung, sondern bildet auch die Anspruchsgrundlage für eine Beseitigung des

1 BGH v. 15.4.2015 – VIII ZR 281/13, MDR 2015, 758 = MietRB 2015, 195 = WuM 2015, 416 = ZMR 2015, 693 = GE 2015, 853; BGH v. 5.10.2010 – VIII ZR 221/09, WuM 2011, 13 = GE 2011, 198 = ZMR 2011, 366; AG Augsburg v. 15.5.2018 – 22 C 5317/17, IMR 2018, 419 (Seiler). 2 Schmidt-Futterer/Blank, § 541 BGB Rz. 1.

672 | Lützenkirchen

A. Allgemeines | Rz. 9 § 541

vom Mieter geschaffenen vertragswidrigen Zustands3. Er hat weder eine Beschädigung des Mietobjekts noch eine Gefährdung des Rückgabeanspruchs zur Voraussetzung. Anders als § 1004 BGB richtet sich dieser vertragliche Anspruch nur gegen den Vertragspartner. Gegen 3 den Untermieter kann der (Haupt-)Vermieter nur nach § 1004 BGB vorgehen. Aus § 541 BGB kann er in diesem Fall aber gegen den Mieter klagen, der wiederum dann ebenfalls aus § 541 BGB gegen den Untermieter vorgehen kann.

II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich Die Norm ist als Teil der allgemeinen mietrechtlichen Vorschriften auf alle Mietverhältnisse und über 4 § 581 Abs. 2 BGB entsprechend auf Pachtverhältnisse anwendbar; für die Landpacht gilt § 590a BGB. 2. Anwendbare Rechtsprechung Durch die Mietrechtsreform 2001 hat der frühere § 550 BGB keine inhaltlichen Änderungen erfahren. 5 Vielmehr haben nur sprachliche Anpassungen stattgefunden. Dies macht deutlich, dass die Rechtsprechung zu § 550 BGB aus der Zeit vor dem 1.9.2001 ohne weiteres noch auf den heutigen § 541 BGB angewendet werden kann. Dementsprechend sah die Mietrechtsreform 2001 auch keine Überleitungsvorschrift vor.

III. Zweck der Vorschrift Durch § 541 BGB soll der Vermieter ein schnelles und einfaches Mittel erhalten, den vertragsgemä- 6 ßen Zustand wiederherzustellen, wenn der Mieter seine Warnung in Form einer Abmahnung nicht beachtet hat. Die Unterlassungsklage stellt nach der Abmahnung die mildeste Sanktion des Mietrechts dar.

IV. Abweichende Vereinbarung § 541 BGB ist einzelvertraglich abdingbar. Deshalb kann individuell z.B. die sofortige Unterlassungs- 7 klage ohne Abmahnung geregelt werden, was sich aber wegen § 93 ZPO nicht empfiehlt. Ist der Vermieter Verwender i.S.v. § 305 BGB, kann formularmäßig nicht auf die Abmahnung des Mie- 8 ters verzichtet werden. Denn dies führt zu einer unangemessenen Benachteiligung des Mieters, § 307 BGB4. Es können aber Formanforderungen und Zugangsbedingungen hinsichtlich der Abmahnung geregelt werden.

V. Darlegungs- und Beweislast Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs hat der Vermieter vorzutragen. 9 Der Mieter muss seine Einwendungen (z.B. dolo-petit-Einrede) darlegen und beweisen.

3 BGH v. 16.11.2005 – VIII ZR 5/05, MDR 2006, 741 = NJW 2006, 1062 m.w.N. 4 Staudinger/Emmerich, § 541 BGB Rz. 8.

Lützenkirchen | 673

§ 541 Rz. 10 | Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch

VI. Prozessuales 1. Klageantrag 10 Bei der Unterlassungsklage muss der Klageantrag die Handlungsweise des Mieters oder den vertrags-

widrigen Zustand identifizierbar beschreiben, damit er vollstreckungsfähig ist. Im oder neben dem Unterlassungsantrag kann die Androhung nach § 890 Abs. 2 ZPO formuliert werden5. Hängt das beanstandete Verhalten von einer Erlaubnis des Vermieters ab, soll der Antrag die Einschränkung enthalten müssen, dass z.B. die Tierhaltung nicht mehr ohne Zustimmung des Vermieters betrieben wird. 11 Hält der rechtswidrige Zustand nach der Abmahnung an, kann im gleichen Verfahren Beseitigung

begehrt werden, die nach § 887 ZPO vollstreckt wird. 2. Streitverkündung 12 Zumindest auf Mieterseite muss über eine Streitverkündung nachgedacht werden. Dies gilt zumindest,

wenn der vertragswidrige Zustand oder die Störung als solche (auch) von einem Dritten (z.B. Untermieter, Besuch, Handwerker) verursacht wird. 13 Auf der Vermieterseite kommt eine Streitverkündung insbesondere in Betracht, wenn mehrere ver-

schiedene Mietparteien z.B. an einer Störung des Hausfriedens beteiligt sind. Für den Fall, dass der Rechtsstreit verloren geht, kann mit der Streitverkündung Vorsorge getroffen werden. 3. Erledigung der Hauptsache? 14 Beseitigt der Mieter nach Rechtshängigkeit den vertragswidrigen Zustand oder gibt er sein vertrags-

widriges Verhalten auf, tritt keine Erledigung der Hauptsache nach § 91a ZPO ein6. Denn § 541 BGB verlangt im Gegensatz zu § 1004 BGB keine Wiederholungsgefahr. 15 Ein sofortiges Anerkenntnis i.S.d. § 93 ZPO ist bei einer Unterlassungsklage nach § 541 BGB eben-

falls undenkbar. Denn der Mieter gibt durch das vertragswidrige Verhalten, das er nach der Abmahnung fortgesetzt hat, Anlass zur Klageerhebung7. 4. Einstweilige Verfügung 16 Der Unterlassungsanspruch kann auch mittels einstweiliger Verfügung geltend gemacht werden (§ 935

ZPO). Sowohl die Unterlassungsklage als auch der Verfügungsantrag setzen keine Wiederholungsgefahr voraus; es genügt, dass der vertragswidrige Gebrauch trotz Abmahnung fortgesetzt wird. Allerdings muss eine Dringlichkeit dargelegt werden. Diese wird entweder eine Gefährdung der Mietsache, des Mieters selbst oder sonstiger Dritter voraussetzen. Im Übrigen ist zu prüfen, inwieweit die Hauptsache vorweggenommen werden darf. 5. Isolierte Anfechtung der Abmahnung 17 Bei der in §§ 541, 543 Abs. 3 BGB angesprochenen Abmahnung handelt es sich um eine rechtsgeschäfts-

ähnliche Erklärung, die darauf abzielt, der anderen Vertragspartei ein bestimmtes, als Vertragsverletzung beanstandetes Fehlverhalten vor Augen zu führen, und zwar verbunden mit der Aufforderung, dieses Verhalten zur Vermeidung weiterer vertragsrechtlicher Konsequenzen aufzugeben oder zu ändern8. Darin erschöpfen sich ihre gegenwärtigen Wirkungen für den abgemahnten Mieter, so dass einer Unter-

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Schmidt-Futterer/Blank, § 541 BGB Rz. 16a. Blank/Börstinghaus, § 541 BGB Rz. 15. Lützenkirchen/Dickersbach, AHB Mietrecht, I Rz. 285. Vgl. BGH v. 11.1.2006 – VIII ZR 364/04, MDR 2006, 864 = MietRB 2006, 211 = NJW 2006, 1585 (unter II 2b); BGH v. 18.11.1999 – III ZR 168/98, NZM 2000, 241 (unter II 2); Schmidt-Futterer/Blank, § 541 BGB Rz. 5 m.w.N.

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A. Allgemeines | Rz. 21 § 541

lassungs- und/oder Beseitigungsklage gegen die Abmahnung das Rechtsschutzbedürfnis fehlt9. Insbesondere ändert die Abmahnung nichts daran, dass der Vermieter, wenn er sich in einem späteren Rechtsstreit auf das abgemahnte Verhalten stützen will, durch die Abmahnung keinen Beweisvorsprung erlangt, sondern den vollen Beweis für die vorausgegangene Pflichtwidrigkeit zu führen hat. Die arbeitsrechtliche Beurteilung zu den Folgen einer fehlerhaften Abmahnung lässt sich nicht auf 18 das Mietrecht übertragen. Im Arbeitsrecht wird dem Arbeitnehmer über § 242 BGB und eine entsprechende Anwendung von § 1004 BGB ein Beseitigungsanspruch gegen eine zu Unrecht erteilte Abmahnung zugebilligt10. Grundlagen der Zubilligung eines Beseitigungs- und Unterlassungsanspruchs gegen eine auf arbeitsrechtlichem Gebiet liegende Abmahnung sind die ausgeprägte Fürsorgepflicht des Arbeitgebers sowie damit einhergehend weitgehende persönlichkeitsrechtliche Pflichtenbindungen. Diese sind im Mietrecht – wenn überhaupt – jedenfalls nicht in einer auch nur annähernd vergleichbaren Form anzutreffen11. Auch eine Feststellungsklage ist unzulässig, weil sie nicht auf die Feststellung eines Rechtsverhältnis- 19 ses i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet ist12. Zulässiger Gegenstand einer Feststellungsklage kann – abgesehen von der Echtheit einer Urkunde – nur das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses sein. Dazu können auch einzelne, aus einem Rechtsverhältnis sich ergebende Rechte und Pflichten gehören, nicht aber bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses, reine Tatsachen oder etwa die Wirksamkeit von Willenserklärungen oder die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens13. Bei der gegen eine Abmahnung gerichteten Feststellungsklage geht es dem Mieter nicht darum, die mietvertragliche Zulässigkeit eines von ihm praktizierten Mietgebrauchs oder dessen durch die Abmahnung in Frage gestellte Grenzen klären zu lassen. Er will mit seinem Feststellungsbegehren vielmehr die Tatsache geklärt wissen, ob er die ihm angelastete Verletzungshandlung begangen hat, um auf diesem Wege einen verbindlichen Ausspruch über die (Un-)Wirksamkeit der hierauf gestützten Abmahnung zu erlangen. Weder die zur Klärung gestellte Tatsache noch die Bewertung der hieran anknüpfenden Abmahnung als vertrags- oder rechtswidrig sind jedoch feststellungsfähig. Bleibt allein die Möglichkeit, eine Feststellungsklage wegen des einen oder anderen Rechts zu einem 20 bestimmten Gebrauch der Mietsache zu erheben oder die Klage auf Zustimmung, um die Erlaubnis für ein gewünschtes Verhalten oder einen gewünschten Zustand zu legalisieren. 6. Streitwert/Beschwer Es ist umstritten, nach welchen Kriterien und demgemäß wie hoch der Streitwert einer Klage des Mie- 21 ters auf Zustimmung des Vermieters z.B. zur Tierhaltung oder umgekehrt des Vermieters auf Unterlassung der Tierhaltung durch den Mieter zu bemessen ist14. Ausgangspunkt der Überlegungen sind die § 48 Abs. 1 S. 1 GKG, § 3 ZPO. Danach ist das Interesse der Partei maßgeblich. Dies hängt vom Einzelfall ab, wobei die Interessen der Parteien auf Beseitigung und Unterlassung (Vermieter) bzw. Zustimmung (Mieter) unterschiedlich sein können15. Der BGH hat nicht beanstandet, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes für den zur Unterlassung der Tierhaltung verurteilten Mieter nicht auf mehr als 600 Euro festgesetzt worden ist16. Für die Klage auf Zustimmung zur Tierhaltung kommt es auf die Bedeutung 9 BGH v. 20.2.2008 – VIII ZR 139/07, MDR 2008, 556 = MietRB 2008, 229 = WuM 2008, 217 = GE 2008, 473 = ZMR 2008, 446. 10 Dazu BAG v. 27.11.1985 – 5 AZR 101/84, MDR 1986, 433 = NZA 1986, 227 (228); BAG v. 30.5.1996 – 6 AZR 537/95, NZA 1997, 145 (146); BAG v. 11.12.2001 – 9 AZR 464/00, NZA 2002, 965 (966). 11 Vgl. dazu MünchKomm/Häublein, § 535 BGB Rz. 147 f. m.w.N. 12 BGH v. 20.2.2008 – VIII ZR 139/07, MDR 2008, 556 = MietRB 2008, 229 = WuM 2008, 217. 13 BGH v. 2.10.1991 – VIII ZR 21/91, WPM 1991, 2081 (unter II 1); BGH v. 19.4.2000 – XII ZR 332/97, MDR 2000, 897 = NJW 2000, 2280 (unter 1a). 14 Lützenkirchen/N. Schneider, AHB Mietrecht, N Rz. 575; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 518 f. jeweils m.w.N. 15 BGH v. 14.11.2007 – VIII ZR 340/06, MDR 2008, 134 = MietRB 2008, 131 = WuM 2008, 23 = GE 2008, 48. 16 BGH v. 6.5.2003 – VIII ZB 16/03 (Hund) und BGH v. 18.5.2005 – VIII ZB 113/04 (drei Tauben); in einem Verfahren (BGH v. 16.7.2003 – VIII ZR 11/06), das durch Rücknahme der Revision erledigt wurde, hat der Senat die Parteien im Hinblick auf eine Zurückweisung der Revision gemäß § 552a ZPO darauf hingewiesen, dass er keine Veranlassung sieht, den Wert des Beschwerdegegenstandes für den Vermieter, der mit seiner Klage auf

Lützenkirchen | 675

§ 541 Rz. 21 | Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch des Tieres für die Lebensführung des Mieters an17, was regelmäßig zu einem Streitwert von wesentlich mehr als 600 Euro führt. 22 Hat das Amtsgericht den Streitwert auf über 600 Euro festgesetzt und daher keine Veranlassung gese-

hen, die Berufung nach § 511 Abs. 4 ZPO zuzulassen, hält aber das Berufungsgericht den Beschwerdewert nicht für erreicht, muss das Landgericht, das insoweit nicht an die Streitwertfestsetzung des Erstgerichts gebunden ist18, die Entscheidung darüber nachholen, ob die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 ZPO erfüllt sind. Hat das Berufungsgericht diese Entscheidung nicht getroffen, weil es im Hinblick auf den Streitwert keine Notwendigkeit gesehen hat, hat es aber die Revision zugelassen, ist davon auszugehen, dass das Berufungsgericht die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 ZPO ebenso als erfüllt angesehen und demgemäß die Berufung als zugelassen behandelt hätte, wenn ihm die Notwendigkeit einer Entscheidung hierüber bewusst gewesen wäre19. Denn die Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO und die Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 ZPO sind identisch.

B. Wohnraummiete I. Entstehung des Anspruchs 23 Der Unterlassungsanspruch entsteht erst, wenn der Mieter wegen seines vertragswidrigen Verhaltens

vergeblich abgemahnt wurde. Dazu muss bei einem Dauerverhalten (z.B. Tierhaltung) ein angemessener Zeitraum zwischen Zugang der Abmahnung (vgl. § 541 BGB Rz. 52 ff.) und Klageerhebung liegen, wenn nicht eine gesetzte (angemessene) Frist abgelaufen ist. Ansonsten ist die Wiederholung des (konkret) abgemahnten Verhaltens erforderlich. Die Abmahnung kann keinesfalls in der Erhebung der Unterlassungs- bzw. Beseitigungsklage gesehen werden, wenn keine endgültige Erfüllungsverweigerung des Mieters vorliegt. 24 Ein besonderes Interesse für sein Unterlassungsbegehren muss der Vermieter grundsätzlich nicht dar-

legen. Es genügt, dass der Mieter gegen den vereinbarten Nutzungszweck verstößt und sich damit vertragswidrig verhält20.

II. Vertragswidriges Verhalten 25 Vertragswidrig ist der Gebrauch der Mietsache dann, wenn er nicht vertragsgemäß ist21. Was zum ver-

tragsgemäßen Gebrauch gehört, richtet sich in erster Linie nach dem Inhalt des Mietvertrags22 (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 729 ff., zu Nebenpflichten vgl. § 535 BGB Rz. 836 ff.) 26 Ist im Mietvertrag das beanstandete Verhalten nicht ausdrücklich erwähnt, ist durch Auslegung unter

Berücksichtigung des Zwecks des konkreten Mietvertrages sowie der Verkehrssitte zu ermitteln, was

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Unterlassung der Tierhaltung (zwei Katzen) unterlegen war, auf mehr als 300 Euro bis 400 Euro anzusetzen; alles zitiert nach BGH v. 14.11.2007 – VIII ZR 340/06, MDR 2008, 134 = MietRB 2008, 131 = WuM 2008, 23 = GE 2008, 48. BGH v. 30.1.2018 – VIII ZB 57/16, MDR 2018, 462 = WuM 2018, 174 = ZMR 2018, 403; LG Hamburg v. 26.7.1994 – 316 S 44/94, WuM 1996, 532; LG Braunschweig v. 3.1.1996 – 6 T 108/95, WuM 1996, 291; LG Mannheim v. 16.9.1992 – 4 S 73/92, ZMR 1992, 545; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 573 f.; ebenso zum Gebührenstreitwert: LG Berlin v. 23.9.2016 – 65 T 159/16, GE 2016, 1444; LG Kassel v. 21.4.1996 – 1 T 80/96, WuM 1998, 296. BGH v. 9.7.2004 – V ZB 6/04, NJW-RR 2005, 219 (unter II 2a m.w.N.). BGH v. 14.11.2007 – VIII ZR 340/06, MDR 2008, 134 = MietRB 2008, 131 = WuM 2008, 23 = GE 2008, 48. LG Bonn v. 24.4.2007 – 7 O 333/06, InfoM 2007, 311. BayObLG v. 4.11.1983 – REMiet 13/83, MDR 1984, 234 = WuM 1984, 12 = ZMR 1984, 85 = NJW 1984, 496. BGH v. 1.2.2010 – VIII ZR 343/08, MietRB 2010, 129 = MDR 2010, 562 = WuM 2010, 235 = ZMR 2010, 517 = NZM 2010, 356.

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B. Wohnraummiete | Rz. 31 § 541

erlaubt und was verboten ist (vgl. auch § 535 BGB Rz. 735). Eine bloß abstrakte Gefahr eines Vertragsverstoßes durch den Mieter begründet kein vertragswidriges Verhalten23. 1. Vertragswidrige Nutzung Eine vom vertraglich festgelegten Gebrauch abweichende Benutzung der Mietsache braucht der Ver- 27 mieter grundsätzlich nicht zu dulden24. Eine erhebliche Verletzung der Vermieterrechte ist für § 541 BGB im Gegensatz zu § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB oder § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht erforderlich25. Mithin kann grundsätzlich in den Grenzen der §§ 226, 242 BGB jede Vertragswidrigkeit verfolgt werden. Ob sich die veränderte Benutzung noch im Rahmen des Mietvertrags bewegt, hängt von den Umstän- 28 den des Einzelfalles ab, insbesondere den vertraglichen Abreden und – in Ermangelung einer solchen – der Verkehrsanschauung (vgl. § 535 BGB Rz. 731). Die völlige Zweckentfremdung von zu Wohnzwecken vermieteten Räumen in Gewerberäume ist z.B. ebenso vertragswidrig wie das ständige Wohnen in Gewerberäumen26. Demgegenüber muss die gewerbliche Tätigkeit in den weiterhin auch zu Wohnzwecken benutzten 29 Räumen nicht unbedingt vertragswidrig sein (vgl. auch § 573 BGB Rz. 163 f.). Denn berufliche Tätigkeiten, die der Mieter – etwa im häuslichen Arbeitszimmer – ausübt (z.B. Lehrer, Schriftsteller, Journalist, Home-Office), ohne dass sie nach außen in Erscheinung treten, fallen nach der Verkehrsanschauung von vornherein unter den Begriff des „Wohnens“. Eine Außenwirkung hat eine geschäftliche Tätigkeit des Mieters aber, sobald Publikumsverkehr stattfindet, der Mieter die Wohnung als seine Geschäftsadresse angibt, er in der Wohnung Kunden empfängt oder dort Mitarbeiter beschäftigt27. Letzteres ist auch der Fall, wenn der Mieter die Wohnung an 10–12 Stunden die Woche zur Erteilung von Gitarrenunterricht nutzt28. Ausnahmsweise kann der Vermieter im Einzelfall nach Treu und Glauben verpflichtet sein, eine Erlaubnis zur teilgewerblichen Nutzung zu erteilen (z.B. Tätigkeit ohne Mitarbeiter und ohne ins Gewicht fallenden Kundenverkehr, Existenzgründungsphase einer selbständigen Tätigkeit). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, wenn der Mieter in der Wohnung eine entgeltliche Tagespflegestelle für bis zu fünf Kleinkinder einrichten will29. Ein vertragswidriges Verhalten ist aber nicht mehr gegeben, wenn der Mieter nach der Abmahnung das Gewerbe abmeldet, den Gewerbesitz verlegt und in der Wohnung lediglich noch Abwicklungsgeschäfte tätigt30. Der Unterlassungsanspruch setzt ein Verschulden des Mieters oder des Dritten, der mit seinem Wis- 30 sen die Mietsache benutzt, nicht voraus31. Es genügt ein objektiv vertragswidriger Gebrauch. 2. Notwendige Erlaubniserteilung a) Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis Zunächst handelt ein Mieter vertragswidrig, der für sein vom vertragsgemäßen Gebrauch abweichen- 31 des Verhalten eine Erlaubnis benötigt und diese nicht eingeholt hat. Dies gilt selbst dann, wenn er letztlich einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis hat32. Dies kommt insbesondere in Betracht in den Fällen der

23 LG Hannover v. 28.10.2010 – 1 S 30/10, ZMR 2011, 211; AG Hannover v. 20.8.2010 – 546 C 2917/10, ZMR 2011, 46. 24 OLG Düsseldorf v. 18.3.1987 – 15 U 183/86, ZMR 1987, 423; OLG Hamm v. 10.9.1991 – 7 U 63/91, NJW 1992, 916 (unerlaubte Untervermietung eines Hotels an die Gemeinde zur Asylantenunterbringung). 25 BGH v. 14.7.1993 – VIII ARZ 1/93, MDR 1993, 970 = NJW 1993, 2528. 26 BGH v. 19.12.2018 – XII ZR 5/18, MDR 2019, 342 = MietRB 2019, 75 = WuM 2019, 141 = ZMR 2019, 330 = GE 2019, 245 = NZM 2019, 143; OLG Düsseldorf v. 18.3.1987 – 15 U 183/86, ZMR 1987, 423. 27 BGH v. 14.7.2009 – VIII ZR 165/08, MDR 2009, 1215 = MietRB 2009, 282 = NJW 2009, 3157. 28 BGH v. 10.4.2013 – VIII ZR 213/12, MietRB 2013, 198 = MDR 2013, 698 = GE 2013, 677 = WuM 2013, 349. 29 LG Berlin v. 24.10.2013 – 67 S 208/13, GE 2013, 1588. 30 AG Hamburg-Blankenese v. 20.11.2012 – 532 C 259/12, ZMR 2013, 360. 31 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 614. 32 MünchKomm/Häublein, § 573 BGB Rz. 52; Blank/Börstinghaus, § 543 BGB Rz. 79.

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§ 541 Rz. 31 | Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch – – – – –

Untervermietung nach § 553 BGB33, Barrierefreiheit nach § 554a BGB, Tierhaltung (vgl. § 535 BGB Rz. 767 f.), sonstigen baulichen Veränderungen (vgl. § 535 BGB Rz. 747 f.), Installation von Parabolantennen (vgl. § 535 BGB Rz. 793 f.).

32 Dennoch kann die Unterlassungsklage abzuweisen sein, wenn in diesen Fällen ein Anspruch auf Ertei-

lung der Erlaubnis besteht. Denn insoweit kann sich der Mieter auf die dolo-agit-Einrede (§ 242 BGB) berufen. Immerhin wäre es treuwidrig, den Unterlassungsanspruch gegen den Mieter durchzusetzen, wenn der Vermieter – auf Erlaubniserteilung in Anspruch genommen – seine Zustimmung erteilen müsste34. 33 Der Anspruch auf Erlaubniserteilung kann sich aus dem Mietvertrag, dem Gesetz (vgl. §§ 553, 554a

BGB) oder aus einer Interessenabwägung im Rahmen des § 535 BGB (vgl. z.B. § 535 BGB Rz. 795 für Parabolantennen) ergeben. Im Mietvertrag kann die Erlaubniserteilung unterschiedlich ausgestaltet sein (z.B. Verbot mit Erlaubnisvorbehalt). 34 Die Wirksamkeit der Vertragsregeln setzt im Geltungsbereich des § 307 BGB in der Regel voraus, dass

die Klausel nicht z.B. von § 553 BGB abweicht, wonach ein Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis bei Vorliegen eines berechtigten Interesses besteht und keine Schriftform für die Erteilung vorsieht35. Denn dadurch könnte der vertragstreue Mieter bei der für § 307 BGB maßgeblichen kundenfeindlichsten Auslegung36 davon abgehalten werden, sich auf eine mündliche Erlaubnis des Vermieters zu berufen. 35 Sieht der Mietvertrag eine generelle Erlaubniserteilung vor37, ist der Vermieter grundsätzlich ver-

pflichtet, im Einzelfall eine (bestätigende) Zustimmung zu erteilen (z.B. bei Wechsel des Untermieters)38. Das Gleiche gilt, wenn der Vermieter die Zustimmung nur aus wichtigem Grund verweigern kann. Auch in diesem Fall kann im Übrigen ein Anspruch auf Zustimmung gegeben sein39. 36 Regelt der Mietvertrag ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt zu der vom Mieter durchgeführten Nut-

zung (z.B. Untervermietung), ist deren Auslegung nicht einheitlich. Während die eine Meinung die Erlaubniserteilung in das freie Ermessen des Vermieters stellt40, ist nach der Gegenansicht41 eine Interessenabwägung durchzuführen. Beide Auffassungen stimmen insoweit überein, dass die Zustimmung zu versagen ist, wenn eine Nutzungsänderung durch die vertragswidrige Handlung (z.B. Untervermietung) herbeigeführt werden soll42. Im Übrigen verdient die Auffassung den Vorzug, die dem Vermieter ein freies Ermessen einräumt. Denn es geht um die Vermietung einer Sache, mit der der Vermieter im

33 BGH v. 2.2.2011 – VIII ZR 74/10, MietRB 2011, 102 = WuM 2011, 74 = MDR 2011, 347 = NZM 2011, 275; OLG Düsseldorf v. 5.9.2002 – 10 U 105/01, WuM 2002, 673 = ZMR 2003, 177; OLG Hamm v. 11.4.1997 – 30 REMiet 1/97, WuM 1997, 364 = ZMR 1997, 349 = NJW-RR 1997, 1370; BayObLG v. 26.4.1995 – 1Z REMiet 3/94, MDR 1995, 689 = NJW-RR 1995, 969 (970); BayObLG v. 26.10.1990 – REMiet 1/90, MDR 1991, 253 = NJW-RR 1991, 461 (462). 34 BGH v. 2.2.2011 – VIII ZR 74/10, MietRB 2011, 102 = WuM 2011, 74 = MDR 2011, 347 = NZM 2011, 275. 35 BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, WuM 1991, 381 (382) = MDR 1991, 628. 36 BGH v. 18.3.2015 – VIII ZR 185/14, MietRB 2015, 161 = MDR 2015, 578 = WuM 2015, 338 = ZMR 2015, 685 m.w.N.; BGH v. 23.4.2008 – XII ZR 62/06, MDR 2008, 1089 = ZMR 2008, 776 = NJW 2008, 2497. 37 BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, MDR 1984, 571 = FamRZ 1984, 763 = NJW 1984, 1031. 38 BGH v. 2.2.2011 – VIII ZR 74/10, MietRB 2011, 102 = WuM 2011, 74 = MDR 2011, 347 = NZM 2011, 275. 39 OLG Düsseldorf v. 1.6.2010 – 24 U 32/10, MietRB 2011, 108 = GE 2011, 336 = GuT 2011, 281; OLG Düsseldorf v. 5.9.2002 – 10 U 105/01, WuM 2002, 673 = ZMR 2003, 177 = OLGR 2003, 197. 40 BGH v. 16.9.1981 – VIII ZR 161/80, MDR 1982, 314 = ZMR 1992, 11 = NJW 1982, 376; OLG Hamm v. 13.1.1981 – 4 REMiet 5/80, MDR 1981, 406 = WuM 1981, 53 = ZMR 1981, 153. 41 KG v. 8.9.2003 – 8 U 181/02, GE 2003, 1490 = WE 2004, 162; Hanseatisches OLG Hamburg v. 29.10.1993 – 4 U 167/93, WuM 1993, 737; siehe aber auch: BGH v. 16.9.2009 – VIII ZR 67/08, NJW 2010, 436; BGH v. 10.10.2007 – VIII ZR 260/06, MietRB 2008, 1 = MDR 2008, 73 = NJW 2008, 216; BGH v. 22.1.2013 – VIII ZR 329/11, MietRB 2013, 231 = WuM 2013, 152 = GE 2013, 346 = ZMR 2013, 425. 42 Blank/Börstinghaus, § 540 BGB Rz. 51.

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B. Wohnraummiete | Rz. 43 § 541

Rahmen des Art. 14 GG und der einfachen Gesetze nach Belieben verfahren darf. Dazu gehört auch, dass er das Leben im Gebäude einheitlich, das heißt aufeinander abgestimmt, organisieren darf. In den Fällen, in denen nicht wegen besonderer oder höherwertiger Interessen des Mieters eine Ausnahme gilt, bestimmt der Vermieter den Rahmen des vertragsgemäßen Umgangs mit der Mietsache. b) Widerruf der Erlaubnis Der Vermieter kann grundsätzlich die Erlaubnis unter dem Vorbehalt des Widerrufs erteilen. Besteht 37 aber ein Anspruch auf Erteilung, ist der Vorbehalt unwirksam. Denn der Anspruch ist auf vorbehaltlose Zustimmung gerichtet. Besteht für die (beanstandete) Nutzung des Mieters keine Vereinbarung, ist der Vermieter berechtigt, 38 eine etwaige Gestattung, gleich ob diese ausdrücklich oder nur stillschweigend durch Duldung erteilt worden sein sollte, frei zu widerrufen43. Dies gilt insbesondere in den Fällen behaupteter Zustimmung durch bloße Duldung. Im Übrigen kann der Widerruf einer erteilten Erlaubnis wirksam nur aus wichtigem Grund erfol- 39 gen44. Das gilt selbst dann, wenn die Erteilung der Erlaubnis im freien Ermessen des Vermieters gestanden hat. Denn der Vermieter kann einen Mietvertrag aus wichtigem Grund kündigen und dem Mieter dadurch den Gebrauch der Mietsache in vollem Umfang entziehen. Erst recht muss es ihm gestattet sein, aus wichtigem Grund den Gebrauch der Mietsache durch den Widerruf der erteilten Erlaubnis z.B. zur Untervermietung nur teilweise zu entziehen45. Vor diesem Hintergrund kommen als wichtiger Grund die Tatbestände in Betracht, die ein Recht 40 nach § 543 BGB begründen. Auch der Wegfall der für die Erteilung der Erlaubnis maßgeblichen Umstände zählt dazu. Daneben ist ein wichtiger Grund anzunehmen bei der 41 – Untermiete, wenn – der Mieter nach Zustimmung gemäß § 553 BGB auszieht und der Untermieter die Räume alleine nutzt46, – eine Überbelegung der Wohnung eintritt, – der von vorneherein numerisch begrenzte Personenkreis überschritten wird47. 42 – Tierhaltung (vgl. auch § 535 BGB), wenn – ein anderer Mieter an einer Hunde- oder Katzenallergie leidet48, wobei es unerheblich ist, ob der Mieter im Zeitpunkt der Erlaubniserteilung bereits im Objekt wohnte, – das Tier allgemein genutzte Flächen verunreinigt, – das Tier andere Bewohner belästigt (z.B. Bellen, Heulen, Krähen49 etc.).

Ein ohne ausreichenden Grund ausgesprochener Widerruf ist unbeachtlich. Allerdings kann darin 43 auch eine teilweise Gebrauchsentziehung liegen mit der Folge, dass der Mieter nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB vorgehen kann50.

43 KG v. 14.12.2006 – 8 U 83/06, WuM 2007, 68 = ZMR 2007, 613 = MietRB 2007, 111; LG Wuppertal v. 15.9.1995 – 10 S 23/95, WuM 1996, 267 (jeweils m.w.N.). 44 BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, MDR 1984, 571 = FamRZ 1984, 763 = NJW 1984, 1031. 45 BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, MDR 1984, 571 = FamRZ 1984, 763 = NJW 1984, 1031. 46 LG Berlin v. 22.2.1993 – 66 S 126/92, WuM 1995, 38. 47 HessStGH v. 18.8.1999 – P.ST.1391, WuM 1999, 565 = ZMR 2000, 12. 48 Vgl. AG Aachen v. 5.11.2005 – 85 C 85/05, WuM 2006, 304. 49 LG Bad Kreuznach v. 15.1.2019 – 1 S 83/18, BeckRS 2019, 134. 50 BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, MDR 1984, 571 = FamRZ 1984, 763 = NJW 1984, 1031; OLG Frankfurt v. 8.12.2005 – 2 U 128/05, InfoM 2007, 312.

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§ 541 Rz. 44 | Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch 3. Gläubiger des Unterlassungsanspruchs 44 Grundsätzlich kann der Anspruch durch den Vermieter geltend gemacht werden, der nicht Eigentü-

mer sein muss. Bei mehreren müssen alle Vermieter agieren. Eine Stellvertretung ist zulässig. Sie muss aber offen erfolgen. Der Anspruch kann auch über § 432 BGB von einem Vermieter für alle geltend gemacht werden. Im Gegensatz zu dem Anspruch aus § 1004 BGB ist der aus § 541 BGB abtretbar51. 4. Schuldner des Unterlassungsanspruchs 45 Grundsätzlich ist der Mieter in der Haftung. Er hat die Obhutspflicht und muss für eine vertrags-

gemäße Nutzung Sorge tragen. a) Mehrere Mieter 46 Bei mehreren Mietern richtet sich die Unterlassungsklage grundsätzlich gegen alle Mieter, wenn sie

auch alle für den vertragswidrigen Zustand oder das vertragswidrige Verhalten verantwortlich sind. 47 Übt nur einer von mehreren Mitmietern einen vertragswidrigen Gebrauch aus (z.B. nächtliches Mus-

zieren), soll sich gemäß § 425 BGB der Unterlassungsanspruch nur gegen denjenigen Mitmieter, der die Mietsache vertragswidrig gebraucht, richten52. Andere räumen dem Vermieter eine Wahlmöglichkeit ein, ob er allein den störenden oder alle Mieter in Anspruch nimmt53. Dabei wird jedoch verkannt, dass die Nebenpflichten aus dem Mietvertag alle Beteiligten auf Mieterseite gleichermaßen treffen. Insoweit hat der „unbeteiligte“ Mieter aus § 241 Abs. 2 BGB die Verpflichtung, auf den anderen Mieter einzuwirken, sein vertragswidriges Verhalten zu unterlassen und den vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache zu unterbinden. 48 Voraussetzung ist natürlich, dass er eine Einwirkungsmöglichkeit hat. Diese fehlt, wenn ihn der ande-

re Mieter ausgesperrt hat oder er umgekehrt nach einem Verweis aus der Wohnung ohne den Willen des anderen Mieters in die Wohnung eingedrungen ist. In diesem Fall kann der Vermieter aber dennoch alle Mieter abmahnen, um für die „unbeteiligten“ Mieter die Pflicht der Einwirkung auf den „störenden“ Mieter zu schaffen. Immerhin kann die Abmahnung auch Grundlage der fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund werden (§ 543 Abs. 3 BGB) und wird der Mietvertrag als solcher auch durch die Störung nur durch einen der Mieter belastet. b) Zurechnung des Verhaltens Dritter 49 Der vertragswidrige Gebrauch braucht nicht vom Mieter selbst auszugehen. Der Mieter schuldet Un-

terlassung auch dann, wenn seine Hausgenossen, Arbeitnehmer, Untermieter und sonstigen Personen, die mit seinem Wissen die Mietsache mitbenutzen, die Mietsache vertragswidrig gebrauchen. Denn auch insoweit besteht die Pflicht des Mieters, auf die genannten Personen einzuwirken und deren vertragswidriges Verhalten zu unterbinden. 50 Diese Voraussetzungen – der Aufenthalt von Dritten in den Mieträumen mit Wissen und Wollen des

Mieters – liegen aber nicht vor, wenn der Dritte ohne oder gegen den Willen des Mieters in die Räume eingedrungen ist. Auch hier scheitert die Zurechnung an der mangelnden Einwirkungsmöglichkeit. Das ist z.B. der Fall, wenn der Ehegatte des Mieters nach einem Platzverweis durch die Polizei gewaltsam in die Mieträume eindringt und Einrichtungen des Vermieters (z.B. Wohnungstüre) beschädigt54. Dennoch kann der Vermieter den Mieter abmahnen, um eine Einwirkungspflicht zu begründen. Hat der Mieter dem Folge geleistet, haftet er nicht aus § 541 BGB, wenn sich der Vorfall ohne sein Zutun wiederholt.

51 52 53 54

BGH v. 14.5.2013 – VIII ZR 268/12, MietRB 2013, 350 = GE 2013, 999 = WuM 2013, 477. Bub/Treier/Kraemer/von der Osten, III Rz. 2582; MünchKomm/Bieber, § 541 BGB Rz. 5. Schmidt-Futterer/Blank, § 541 BGB Rz. 5. LG Würzburg v. 25.11.2010 – 3 T 2449/10, NZM 2011, 582 = NJW-RR 2011, 951 = IMR 2011, 497.

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B. Wohnraummiete | Rz. 57 § 541

Ein Verschulden des Dritten, der mit seinem Wissen die Mietsache benutzt, ist nicht erforderlich55. 51 Es genügt ein objektiv vertragswidriger Gebrauch.

III. Abmahnung Die Abmahnung gegenüber dem Mieter ist grundsätzlich Voraussetzung für die Entstehung des An- 52 spruchs aus § 541 BGB. Sie bedarf keiner besonderen Form. Deshalb kann sie auch per Mail oder mündlich erklärt werden. Sie kann auch konkludent erfolgen. Voraussetzung ist, dass der Vermieter durch sein Verhalten zum Ausdruck bringt, dass er das Verhalten des Mieters oder den von ihm geschaffenen Zustand nicht billigt und daraus u.U. Konsequenzen folgen. Der Zweck der Abmahnung besteht darin, dem Mieter vor Augen zu führen, dass die Fortsetzung eines 52a bestimmten Verhaltens oder die Aufrechterhaltung eines konkreten Zustandes vom Vermieter nicht hingenommen wird. Damit hat die Abmahnung vor allem Warnfunktion56. In dieser Funktion dient sie auch dem Schutz des Mieters vor ihren Konsequenzen (Unterlassung, Kündigung). 1. Subjektive Anforderungen Berechtigt, eine Abmahnung auszusprechen, ist der Vermieter. Bei mehreren Personen müssen alle 53 handeln. Stellvertretung ist zulässig, muss aber offen erfolgen. Verdeckte Stellvertretung führt zur Unwirksamkeit der Abmahnung. § 174 BGB gilt57. Der Erwerber ist grundsätzlich erst berechtigt, eine Abmahnung zu erteilen, wenn er in den Mietver- 54 trag nach § 566 BGB eingetreten ist. Zuvor benötigt er eine Ermächtigung des (bisherigen) Vermieters, wenn er im eigenen Namen handeln will (vgl. § 566 BGB Rz. 102). Die Abmahnung muss dem Mieter, bei mehreren allen zugehen. Auch insoweit ist Stellvertretung zu- 55 lässig, die sich insbesondere auch aus einer formularmäßigen Empfangsvollmacht58 ergeben kann. Dazu muss sie aber erkennbar an alle Mieter gerichtet sein. 2. Inhaltliche Anforderungen Eine Abmahnung ist eine rechtsgeschäftsähnliche Erklärung, die mit ihrem Zugang wirksam wird59. 56 Inhaltlich zielt sie darauf ab, der anderen Vertragspartei ein bestimmtes, als Vertragsverletzung beanstandetes Fehlverhalten vor Augen zu führen, und zwar verbunden mit der Aufforderung, dieses Verhalten zur Vermeidung weiterer vertragsrechtlicher Konsequenzen aufzugeben oder zu ändern60. Schon im Hinblick auf die Warnfunktion der Abmahnung ist es erforderlich, das beanstandete Ver- 57 halten des Mieters jedenfalls so zu beschreiben, dass es identifizierbar ist und von anderen Sachverhalten unterschieden werden kann. Hinzukommen muss eine Äußerung, der der Empfänger entnehmen kann, dass das beschriebene Verhalten beanstandet wird und er es ändern oder aufgeben soll. Diese Anforderungen können auch erfüllt werden durch – eine mündliche Erläuterung, welches Verhalten abgestellt werden soll, und die nachträgliche schriftliche Abmahnung, die auf das Gespräch zur Beschreibung des Verhaltens Bezug nimmt61;

55 56 57 58 59 60

Wolf/Eckert/Ball, Rz. 614. Schmidt-Futterer/Blank, § 541 BGB Rz. 4. OLG Celle v. 18.12.1981 – 2 U 202/81, MDR 1982, 410 = WuM 1982, 206. BGH v. 10.9.1997 – VIII ARZ 1/97, WuM 1997, 599. Schmidt-Futterer/Blank, § 541 BGB Rz. 4. BGH v. 20.2.2008 – VIII ZR 139/07, MietRB 2008, 229 = MDR 2008, 556 = WuM 2008, 217 = ZMR 2008, 446 = NJW 2008, 1303; BGH v. 11.1.2006 – VIII ZR 364/04, MDR 2006, 864 = MietRB 2006, 211 = NJW 2006, 1585 (unter II 2b); BGH v. 18.11.1999 – III ZR 168/98, NZM 2000, 241 (unter II 2); Schmidt-Futterer/Blank, § 541 BGB Rz. 5 m.w.N. 61 Blank/Börstinghaus, § 541 BGB Rz. 5.

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§ 541 Rz. 57 | Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch – ein Schreiben, in dem der Vermieter für eine in Aussicht genommene Fortsetzung des Mietverhältnisses, zu der es nach Rücknahme der ursprünglichen Räumungsklage im Ergebnis gekommen ist, unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass er zumindest für die nächsten zwölf Monate kein weiteres vertragswidriges Verhalten dulden wird62; – eine unwirksame Kündigung, die in eine Abmahnung umgedeutet werden kann, § 140 BGB63. 58 Eine Androhung von konkreten Konsequenzen, insbesondere der Erhebung der Unterlassungskla-

ge64, oder eine Fristsetzung muss die Abmahnung nicht enthalten. Der Vermieter kann nach Ablauf einer angemessenen Frist Klage erheben. Die Frist ist angemessen, wenn der Mieter in der bestimmten Zeit in der Lage ist, (wieder) den vertragsgemäßen Zustand herzustellen. 59 Im Hinblick auf die Warnfunktion kann in dem Widerruf einer Erlaubnis grundsätzlich eine Abmah-

nung nicht gesehen werden65. Allerdings kann der Widerruf mit der Abmahnung verbunden werden. 3. Entbehrlichkeit der Abmahnung 60 Aus dem Rechtsgedanken des § 543 Abs. 3 BGB sowie § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB folgt, dass auch bei § 541

eine Abmahnung zumindest bei ernsthafter und endgültiger Ablehnung des Mieters entbehrlich ist. Insoweit gelten strenge Anforderungen66. Deshalb sind diese Voraussetzungen erst erfüllt, wenn sich die Abmahnung als bloße Förmelei darstellt. Zur Annahme einer endgültigen Erfüllungsverweigerung i.S.v. § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB muss daher aufgrund des Verhaltens des Mieters und/oder seinen Äußerungen z.B. feststehen, dass er das vertragswidrige Verhalten trotz einer Abmahnung (Warnung) fortsetzen wird. 61 Die Erklärung kann auch durch schlüssiges Verhalten abgegeben werden. Das erfordert aber ein Han-

deln des Mieters, dass eindeutig, also ohne jeden Zweifel, zum Ausdruck bringt, dass er das beanstandete Verhalten oder den vertragswidrig geschaffenen Zustand in jedem Fall aufrechterhalten wird. 4. Identität zwischen abgemahntem und verfolgtem Verhalten 62 Die Abmahnung ist nur wirksam, wenn bei ihrem Ausspruch tatsächlich ein vertragswidriges Verhal-

ten (schon) vorlag67. Ansonsten ist sie für die Unterlassungsklage untauglich. 63 Der nachfolgenden Unterlassungsklage kann nicht jede Abmahnung zugrunde gelegt werden. Die

Abmahnung muss sich zumindest auf eine ähnliche Vertragsverletzung beziehen, die Gegenstand der Unterlassung sein soll. Ansonsten würde die Warnfunktion, die mit der Abmahnung verbunden ist, leerlaufen. Das ist etwa der Fall, wenn der Mieter wegen unpünktlicher Mietzahlung abgemahnt wurde und mit der Unterlassungsklage Lärmemissionen unterbunden werden sollen. 64 Die Abmahnung eines identischen kontinuierlichen Verhaltens muss in einem engen zeitlichen Zu-

sammenhang zur Kündigung stehen. Denn ansonsten wird für den Mieter nicht mehr ersichtlich, dass seine Maßnahmen gegen den Vertragsverstoß (hier: Kinderlärm) nicht erfolgreich waren68.

62 BGH v. 4.2.2009 – VIII ZR 66/08, MDR 2009, 558 = WuM 2009, 228. 63 BGH v. 26.3.1969 – VIII ZR 76/67, MDR 1969, 657; KG v. 20.12.2004 – 8 U 66/04, MietRB 2005, 121 = GE 2005, 236 = WE 2005, 257; OLG München v. 9.2.1996 – 21 U 4494/94, ZMR 1996, 487; OLG Hamm v. 3.12.1991 – 7 U 145/91, NJW-RR 1993, 1163. 64 Palandt/Weidenkaff, § 541 BGB Rz. 8. 65 Blank/Börstinghaus, § 541 BGB Rz. 5. 66 Blank/Börstinghaus, § 541 BGB Rz. 8 m.w.N. 67 AG Frankfurt v. 3.2.1999 – 33 C 3600/98-76, NZM 1999, 707. 68 LG Halle v. 11.1.2002 – 1 S 192/01, NZM 2003, 309.

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B. Wohnraummiete | Rz. 70 § 541

IV. Weitere Vermieterrechte 1. Bestehende Vermieterrechte § 541 BGB schließt im bestehenden Mietvertrag die Anwendung des § 1004 aus69. Denn er ist speziel- 65 ler und hat in seinem eigenen Anwendungsbereich die engeren Voraussetzungen. Ist der Mietvertrag allerdings beendet, kann der Vermieter (wieder) die Rechte aus § 1004 BGB geltend machen70. Verletzt die Fortsetzung des vertragsgemäßen Gebrauchs die Vermieterrechte in erheblichem Maße, 66 kann der Vermieter fristlos kündigen, §§ 543 Abs. 2 Nr. 2, 569 Abs. 2, 543 Abs. 1 BGB. Daneben ist an die ordentliche Kündigung nach § 573 BGB zu denken. Übt der Mieter schuldhaft vertragswidrigen Gebrauch aus, haftet er nach § 280 BGB wegen Pflicht- 67 verletzung auf Schadensersatz. Der Anspruch geht auf Beseitigung und Wiederherstellung des früheren Zustandes71. Daneben kann der Vermieter auch die Minderungen (§ 536 BGB), die andere Mieter infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Mieters durchgeführt haben, geltend machen72. 2. Rangfolge bei der Ausübung? Nicht selten wird vertreten, dass der Vermieter bei der Ausübung seiner Rechte den Grundsatz der 68 Verhältnismäßigkeit zu beachten habe. Deshalb soll der Vermieter selbst bei erheblichen Verletzungen von Duldungspflichten durch den Mieter darauf beschränkt sein, diese Pflichten einzuklagen und gegebenenfalls nach § 890 ZPO vollstrecken zu lassen, und ihm daneben das Recht zur außerordentlichen Kündigung verwehrt sein73. Für eine derartige Unterscheidung zwischen Duldungspflichten und sonstigen Pflichten des Mieters 69 bieten die §§ 541, 543, 573 BGB keinen Ansatzpunkt74. Gemäß § 543 Abs. 1 S. 1 BGB kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund von jeder Vertragspartei fristlos gekündigt werden. Aus § 543 Abs. 3 S. 1 BGB wird deutlich, dass der wichtige Grund in jedweder Pflichtverletzung aus dem Mietvertrag liegen kann. Die Qualität der Pflicht ist dabei nicht von Bedeutung. Mithin kommt z.B. auch die Verletzung der vertraglich festgelegten Pflicht des Mieters in Betracht, dem Vermieter Zutritt zur Wohnung zu gestatten, wenn dieser die Wohnung veräußern und deshalb Kaufinteressenten zeigen will75. Unter welchen Umständen die Zumutbarkeitsgrenze für den Vermieter überschritten ist, wenn der Mieter die Erfüllung dieser vertraglichen Pflicht beharrlich verweigert, ist eine vom Tatrichter anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles zu treffende Wertung. Innerhalb dieser Wertung kann auch die Frage erheblich sein, ob es dem Vermieter im Einzelfall zuzumuten ist, vor Ausspruch der fristlosen Kündigung einen Duldungstitel gegen den Mieter zu erwirken und gegebenenfalls Vollstreckungsversuche nach § 890 ZPO zu unternehmen. Eine generelle Pflicht des Vermieters, diesen Verfahrensgang einzuhalten, besteht aber nicht.

V. Beispiele vertragswidrigen Verhaltens Anknüpfungspunkte für vertragswidriges Verhalten können gebildet werden durch die – Erweiterung des vereinbarten Mietgebrauchs, – Durchführung des Gebrauchs, – Gebrauchsüberlassung an Dritte,

69 BGH v. 17.4.2007 – VIII ZB 93/06, MDR 2007, 1066 = MietRB 2007, 283 = WuM 2007, 387; Schmidt-Futterer/Blank, § 541 BGB Rz. 2 m.w.N. 70 OLG München v. 4.9.2017 – 7 W 1375/17, MDR 2017, 1415 = MietRB 2017, 349 = GE 2017, 1219. 71 BGH v. 26.6.1974 – VIII ZR 43/73, NJW 1974, 1463. 72 AG Bremen v. 9.3.2011 – 17 C 105/10, WuM 2011, 362. 73 Z.B. LG Baden-Baden v. 24.7.2009 – 1 S 11/09, zitiert nach juris. 74 BGH v. 5.10.2010 – VIII ZR 221/09, GE 2011, 198 = ZMR 2011, 366. 75 BGH v. 5.10.2010 – VIII ZR 221/09, GE 2011, 198 = ZMR 2011, 366.

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§ 541 Rz. 70 | Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch – Verletzung von Obhuts- und Sorgfaltspflichten, – bauliche Veränderungen. 1. Erweiterung des vereinbarten Mietgebrauchs 71 Die Erweiterung des vereinbarten Mietgebrauchs liegt vor, wenn die Nutzung durch den Mieter von

der nach dem Vertrag vorgesehenen Nutzung abweicht. Dies kann erfolgen durch – vom Vertragszweck abweichende Nutzung (vgl. § 535 BGB Rz. 1115), – Sondernutzung von Gemeinschaftsflächen (z.B. Treppenhaus, Garten). 2. Durchführung des Gebrauchs 72 Bei der Durchführung des Gebrauchs kommt insbesondere eine Verletzung von Nebenpflichten i.S.v.

§ 241 Abs. 2 BGB in Betracht. Der Mieter ist insbesondere obhutspflichtig hinsichtlich der Mietsache (vgl. § 535 BGB Rz. 836 ff.). Weiter gehört hierher die Pflicht zur Rücksichtnahme. 3. Gebrauchsüberlassung an Dritte 73 Die Gebrauchsüberlassung an Dritte ist unter den Voraussetzungen der §§ 540, 553 zulässig. Die danach

erforderliche Erlaubnis muss vor Überlassung an den Dritten vorliegen76. Zwar kann ein Vorgehen des Vermieters treuwidrig sein (vgl. § 541 BGB Rz. 32), wenn dem Mieter ein Anspruch auf Zustimmung z.B. nach § 553 BGB zusteht77. Für die Unterlassungsklage ist aber die Fortsetzung des vertragsgemäßen Gebrauchs nach Abmahnung (oder dessen Wiederholung) maßgeblich. Solange dies erst nach Rechtshängigkeit unterbleibt, muss der Mieter seinen Anspruch auf Zustimmung im Wege der Widerklage verfolgen. 74 In den Fällen des § 540 BGB ist die Untervermietung unzulässig, wenn in der Person des Dritten ein

wichtiger Grund besteht (vgl. § 540 BGB Rz. 74 f.). Ansonsten liegt ein vertragswidriger Zustand vor – bei Überlassung der Wohnung an den Sohn und dessen Familie nach Auszug und Einrichtung eines Arbeitszimmers für den Mieter78, – bei Auszug des Mieters, obwohl Genehmigung sich auf mehrere Untermieter/Personen bezieht79, – nach Auszug (Verlagerung des Lebensmittelpunktes ins Ausland) und Überlassung an seine erwachsenen Kinder80, – bei Fortdauer der Gebrauchsüberlassung nach Ablauf der befristet erteilten Erlaubnis81, – bei Vortäuschen der Zustimmungstatsachen82, – bei nachträglicher Benennung des eingezogenen Dritten und Weigerung, außer dem Namen weitere Daten anzugeben83, oder – bei ständigem Überlassen eines Schlüssels an den Freund der Tochter, um ihm den Gebrauch der Wohnung dauernd zu ermöglichen84. 75 In jedem Fall ist der Mieter bei der beabsichtigten oder bereits erfolgten Gebrauchsüberlassung an Drit-

te zur Auskunft gegenüber dem Vermieter verpflichtet85. Verletzt er die ihm obliegende Auskunftspflicht, verhält er sich vertragswidrig. Die Auskunft des Mieters soll dem Vermieter die Prüfung ermög-

76 77 78 79 80 81 82 83 84 85

BGH v. 5.11.2003 – VIII ZR 371/02, ZMR 2004, 100. BayObLG v. 26.10.1990 – REMiet 1/90, MDR 1991, 253 = WuM 1991, 18. LG Cottbus v. 30.8.1994 – 4 S 99/94, WuM 1995, 38. HessStGH v. 18.8.1999 – P.ST.1391, WuM 1999, 565. LG Frankfurt v. 25.1.2000 – 2/11 S 211/99, WuM 2002, 92. LG Stuttgart v. 21.11.1991 – 6 S 208/91, WuM 1992, 122. LG Berlin v. 22.2.1993 – 66 S 126/92, WuM 1995, 38. AG Köln v. 13.7.1999 – 210 C 110/99, KM 6 Nr. 13. AG Münster v. 17.10.1990 – 29 C 432/90, WuM 1991, 96. LG Kiel v. 8.3.2010 – 18 O 233/09, ZMR 2010, 532.

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lichen, ob er die Erlaubnis zur Gebrauchsüberlassung erteilt oder nicht. Erst recht muss er bei einer bereits erfolgten Gebrauchsüberlassung diese Prüfmöglichkeit erhalten. Notwendig ist in jedem Fall die namentliche Benennung des Dritten. Auf Nachfrage ist der Mieter auch verpflichtet, nähere Angaben zur Person zu machen86. Nur so hat er die Gelegenheit festzustellen, ob z.B. eine Störung des Hausfriedens zu befürchten ist, weil der Dritte mit einem anderen Hausbewohner verfeindet ist. Im Bereich der Gewerberaummiete ist – u.a. wegen etwaigen Konkurrenzschutzverpflichtungen – zudem das vom Dritten betriebene Gewerbe von immenser Bedeutung87. 4. Verletzung von Obhuts- und Sorgfaltspflicht Die nebenvertragliche Obhuts- und Sorgfaltspflicht des Mieters bezieht sich darauf, vorhersehbare 76 und vermeidbare Beschädigungen der Mietsache sowie sonstiger Teile des Gebäudes oder auch sonstige Beschädigungen infolge unsachgemäßen Gebrauchs der Mietsache zu unterlassen bzw. zu vermeiden88 (vgl. § 535 BGB Rz. 836). Diese Verpflichtung hat im Mietrecht eine wesentliche Bedeutung, da der Vermieter (Eigentümer) dem Mieter in der Regel sein Vermögen anvertraut. Er darf daher erwarten, dass der Mieter es vor Schaden bewahrt. Eine gesetzliche Ausgestaltung dieser Nebenverpflichtung findet sich in der Anzeigepflicht des § 536c BGB. Hat der Mieter die Mietsache beschädigt und ist der Beschädigung eine Abmahnung vorausgegangen, 77 kann Unterlassung nach § 541 BGB verlangt werden. Daneben haftet er gemäß § 280 Abs. 1 BGB auf Ersatz des hierdurch bedingten Schadens. Dabei wird ihm das Fehlverhalten seiner Hilfspersonen, die für ihn nach den tatsächlichen Verhältnissen als Erfüllungsgehilfen gemäß § 278 BGB tätig sind, zugerechnet. Maßgeblich ist, dass dem Dritten in Bezug auf die Mietsache irgendeine Funktion übertragen wurde89. Erfüllungsgehilfen sind insbesondere Arbeitnehmer des Mieters, wenn sie mit Wissen und Wollen im Pflichtenkreis des Mieters tätig werden90. Der Verantwortungsbereich des Mieters kann jedoch nicht weiter gehen, als sein vertragsgemäßer 78 Gebrauch sich erstreckt. Er beschränkt sich daher auf den durch den Mietvertrag begründeten Machtund Einflussbereich, solange im Mietvertrag nichts anderes geregelt ist91. Diese Verpflichtung hört nicht mit der Beendigung des Mietvertrages auf, sondern erlischt erst mit der 79 Rückgabe der Mietsache. Während der Mietzeit muss der Mieter daher auch bei länger andauernder Abwesenheit (z.B. Betriebsferien, Urlaub) für eine regelmäßige Betreuung der Räume und die Durchführung etwa erforderlich vorhandener Sicherungsmaßnahmen durch eine vertrauenswürdige Person sorgen92. 5. Bauliche Veränderungen Der Mieter muss die Mieträume grundsätzlich in dem Zustand belassen, in dem er sie angemietet hat. 80 Will er auf eigene Kosten bauliche Veränderungen durchführen, bedarf er prinzipiell der Zustimmung des Vermieters, und zwar auch dann, wenn der Mietvertrag keinen ausdrücklichen Erlaubnisvorbehalt enthält93. Eingriffe in die bauliche Substanz sind dem Mieter deshalb regelmäßig nicht gestattet. (vgl. § 535 BGB Rz. 747 ff.) Von der Zustimmungspflicht ausgenommen sind

86 BGH v. 15.11.2006 – XII ZR 92/04, MDR 2007, 261 = MietRB 2007, 170 = GE 2007, 142 = ZMR 2007, 184 = NZM 2007, 127; OLG Dresden v. 29.4.2004 – 16 U 237/04, MietRB 2004, 260, GuT 2005, 170 = NZM 2004, 461. 87 BGH v. 15.11.2006 – XII ZR 92/04, MDR 2007, 261 = MietRB 2007, 170 = GE 2007, 142 = ZMR 2007, 184 = NZM 2007, 127. 88 KG v. 11.2.2008 – 8 U 151/07, MDR 2008, 1029 = MietRB 2008, 360 = ZMR 2008, 618; OLG Dresden v. 17.4.2007 – 5 U 8/07, NZM 2007, 803. 89 OLG Dresden v. 17.4.2007 – 5 U 8/07, NZM 2007, 803; OLG Bamberg v. 4.12.1997 – 1 U 78/97, OLGR 1998, 213. 90 KG v. 11.2.2008 – 8 U 151/07, MDR 2008, 1029 = MietRB 2008, 360 = ZMR 2008, 618. 91 OLG Karlsruhe v. 9.8.1984 – 3 REMiet 6/84, WuM 1984, 267. 92 OLG Düsseldorf v. 19.5.1994 – 10 U 138/93, MDR 1994, 1213 = WuM 1994, 461. 93 BGH v. 26.6.1974 – VIII ZR 43/73, NJW 1974, 1463.

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§ 541 Rz. 80 | Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch – Hilfsmaßnahmen bei der Einrichtung und Ausstattung der Räume (z.B. Bildernägel, Dübel, Scheuerleisten); – Einrichtungsmaßnahmen (Raumteiler, Einbauküche); – notwendige Verwendungen (§ 539 BGB). 81 Erfasst sind jedoch von vornherein Eingriffe, die die Mietsache in ihrer räumlichen Aufteilung oder

ihrem baulichen Zustand verändern. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der jeweilige Substanzeingriff ohne Folgen für die Statik des Objektes ist und ob die Maßnahmen bei Vertragsende folgenlos beseitigt werden können. Denn der Vermieter kann seine Zustimmung von Bedingungen abhängig machen (vgl. § 535 BGB Rz. 761), die seinem schutzwürdigen Interesse dienen (z.B. Sicherheitsleistung). 82 Je nach dem Grund für die bauliche Veränderung besteht im Einzelfall ein Anspruch des Mieters auf

Zustimmung zur Durchführung der beabsichtigten Maßnahme. Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob die Veränderung z.B. zur Anpassung des Mietgebrauchs an einen üblichen Standard dient und dass sie auf Kosten des Mieters vorgenommen wird94. Hier muss im Einzelfall geprüft werden, ob die bauliche Veränderung etwa im Zusammenhang mit der Ausübung von Grundrechten (z.B. Informationsfreiheit) steht, so dass die Zustimmung zwar von Bedingungen abhängig gemacht, aber nicht versagt werden kann (z.B. Parabolantenne, s. § 535 BGB Rz. 793). Das ist nicht der Fall, wenn der Mieter den Einbau einer Gasetagenheizung begehrt, obwohl die Wohnung bereits mit Kachelöfen und GAMATAußenwandheizern ausgestattet ist95. Dies gilt auch für bauliche Maßnahmen außerhalb der angemieteten Räume und sogar dann, wenn die Maßnahmen im Interesse von Personen erfolgen sollen, die sich (nur) berechtigterweise in den Räumen aufhalten96. 83 Die Wirkung einer vom Vermieter erteilten Zustimmung bzw. der dem Vermieter obliegenden Ge-

nehmigungspflicht erstreckt sich lediglich auf die Mietzeit. Aus ihr folgt nicht, dass der Mieter bei Beendigung des Mietverhältnisses das Mietobjekt in verändertem Zustand zurückgeben darf. Dies folgt bereits aus § 546 BGB97. Deshalb hat der Mieter keinen Anspruch auf Verzicht des Rückbaus und Erstattung des Zeitwertes bei Beendigung des Mietvertrages98 und kann daher diese Bedingungen auch nicht mit dem Zustimmungsverlangen verknüpfen99. 84 Gibt der Mieter die Mietsache mit der baulichen Veränderung zurück, bestehen Beseitigungsansprü-

che des Vermieters aus § 546 BGB (vgl. § 546 BGB Rz. 75 ff.), insbesondere wenn die notwendige Zustimmung fehlt100. Ob der Beseitigungsanspruch schon während der Mietzeit geltend gemacht werden kann oder der Vermieter die bauliche Veränderung bis zum Mietende dulden muss101, ist eine Einzelfallentscheidung (§ 242 BGB)102. Entscheidend kann das Maß der Substanzverletzung oder der ästhetischen Beeinträchtigung sein103.

VI. ABC der Vertragswidrigkeiten 85 Abzugshaube. Der Mieter darf keine Abzugshaube mit Abluftsystem in der Küche installieren und

dafür die Außenwand durchbrechen. War eine Abluftanlage vorhanden und hat der Vermieter eine Wärmedämmung an der Fassade aufgebracht, hat der Mieter keinen Anspruch auf (Wieder-)Installa-

94 95 96 97 98 99 100 101 102 103

Bub/Treier/Kraemer/Ehlert, III Rz. 242. LG Berlin v. 21.12.2010 – 63 S 208/10, GE 2011, 201. BVerfG v. 28.3.2000 – 1 BvR 1460/99, MDR 2000, 756 = WuM 2000, 298. OLG Düsseldorf v. 14.10.2008 – I-24 U 7/08, ZMR 2009, 843; Brandenburgisches OLG v. 1.10.2007 – 3 U 28/ 06, zitiert nach juris. LG Dortmund v. 20.11.2007 – 3 O 223/07, MietRB 2008, 267 = ZMR 2008, 376. AG Potsdam v. 17.2.2000 – 26 C 354/99, WuM 2000, 179. LG Berlin v. 20.12.2016 – 63 S 115/16, GE 2017, 175. AG Meißen v. 4.12.2017 – 112 C 353/17, ZMR 2018, 337 für den Einbau eines Türspions in die Wohnungseingangstür. LG Berlin v. 20.4.2015 – 18 S 92/14, GE 2015, 791. AG München v. 13.12.2018 – 472 C 16138/18, ZMR 287.

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tion der Abluftanlage, wenn dadurch die Funktion der Wärmedämmung gestört wird und eine Umstellung der Abzugshaube auf Umluftsystem möglich ist104. Alarm. Wer in der irrtümlichen Annahme einer Notsituation die Feuerwehr alarmiert, die daraufhin 86 die Tür aufbricht, haftet nicht auf Schadensersatz105. Antenne

87

– Zur Installation einer Funkantenne auf dem Balkon der Wohnung im Mehrfamilienhaus benötigt 88 der Mieter eine Zustimmung106. Die Umrüstung der Gemeinschaftsantenne auf den Empfang weiterer ausgestrahlter Fernsehprogramme (auf eigene Kosten) soll dagegen ohne Zustimmung zulässig sein107. – Die Installation einer baurechtlich zulässigen Parabolantenne muss der Vermieter an einem von 89 ihm zu bestimmenden Aufstellungsort gestatten108, soweit der Mieter für die Versicherung Sorge trägt und die Rückbaukosten sicherstellt, wenn eine Abwägung ergibt, dass das Grundrecht des Mieters aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS. 2 GG, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, das Eigentumsrecht des Vermieters überwiegt (vgl. § 535 BGB Rz. 795). Das ist in der Regel bei ausländischen Mietern der Fall, für die die vorhandene Empfangsanlage keine ausreichende Informationsquelle zur Verfügung stellt109. Dies gilt auch, soweit der Mieter die Parabolantenne benötigt, um einen Sender zu empfangen, der nur in einem Mitgliedsstaat der EU ausgestrahlt wird und in der BRD keine Lizenz erhält110. Stellt der Mieter die Antenne allerdings auf dem Balkon auf, so dass sie durch die Brüstung und/oder die vorstehende Gebäudekante verdeckt wird, sind die Rechte des Vermieters nicht tangiert111. Der Vermieter kann aber die Beseitigung verlangen, wenn er nachträglich den Empfang des benötigten Senders z.B. über eine Gemeinschaftssatellitenanlage sicherstellt112. Ein vertragswidriger Gebrauch liegt durch das Aufstellen der Parabolantenne auf dem Balkon dann 90 nicht vor, wenn weder eine Substanzverletzung noch eine nennenswerte ästhetische Beeinträchtigung des Eigentums des Vermieters zu besorgen ist, sondern die Antenne keine oder lediglich geringfügige optische Beeinträchtigungen verursacht, beispielsweise weil sie im Innern des Gebäudes am Fenster113 oder auf dem Fußboden im hinteren Bereich auf einem durch Vorder- und Seitenwände sichtgeschützten Balkon aufgestellt ist114. Denn in diesen Fällen kann der Vermieter wegen des durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Interesses des Mieters am zusätzlichen Empfang von (ausländischen) Satellitenprogrammen115 nach Treu und Glauben verpflichtet sein, einer solchen Aufstellung zuzustimmen (§ 242 BGB). Anders kann es dagegen liegen, wenn eine auf dem Balkon aufgestellte Parabolantenne von au-

104 105 106 107 108 109

110 111 112 113 114 115

AG Neuss v. 31.5.2012 – 82 C 852/12, n.v. LG Berlin v. 26.1.2011 – 49 S 106/10, GE 2011, 614. AG Kenzingen v. 22.6.1993 – C 96/93, WuM 1996, 403. AG Hamburg v. 26.10.1989 – 48 C 1264/89, WuM 1990, 422. Außerhalb des Balkons des Mieters ist dieses Recht des Vermieters quasi exklusiv, wenn er (nach billigem Ermessen) einen Ort wählt, der den Empfang von Signalen gewährleistet: AG Hamburg-Bergedorf v. 23.3.2010 – 409 C 15/10, ZMR 2011, 43. BGH v. 10.10.2007 – VIII ZR 260/06, MDR 2008, 73 = MietRB 2008, 1 = NJW 2008, 216; BGH v. 16.5.2007 – VIII ZR 207/04, MietRB 2007, 259 = NJW-RR 2007, 1243; BGH v. 17.4.2007 – VIII ZR 63/04, WuM 2007, 380; BGH v. 16.11.2005 – VIII ZR 5/05, MDR 2006, 741 = NJW 2006, 1062; BGH v. 2.3.2005 – VIII ZR 118/ 04, NJW-RR 2005, 596; BVerfG v. 9.2.1994 – 1 BvR 1687/92, MDR 1994, 547 = BVerfGE 90, 27; BVerfG v. 24.1.2005 – 1 BvR 1953/00, NJW-RR 2005, 661; BGH v. 17.4.2007 – VIII ZB 93/06, MDR 2007, 1066 = MietRB 2007, 283 = GE 2007, 902. BGH v. 21.10.2009 – VIII ZR 244/08, MDR 2010, 139 = MietRB 2010, 35 = WuM 2010, 28. LG Berlin v. 26.10.2010 – 63 S 95/10, GE 2010, 1686. LG Krefeld v. 10.3.2010 – 2 S 68/09, DWW 2010, 299 = IMR 2010, 322. Vgl. AG Gladbeck v. 10.9.1998 – 5 C 493/98, NZM 1999, 221 f. Vgl. AG Herne-Wanne v. 28.7.2000 – 3 C 193/00, WuM 2001, 277; AG Siegen v. 22.6.1999 – 13 C 358/99, WuM 1999, 454; weitergehend LG Hamburg v. 18.5.1999 – 316 S 17/99, WuM 1999, 454; LG Berlin v. 12.9.2003 – 63 S 66/03, GE 2003, 1330. Vgl. BVerfG v. 9.2.1994 – 1 BvR 1687/92, MDR 1994, 547 = BVerfGE 90, 27, 32 f.

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§ 541 Rz. 90 | Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch ßen deutlich sichtbar ist und dadurch zu einer ästhetischen Beeinträchtigung des im Eigentum des Vermieters stehenden Gebäudes führt116. 91 Die Informationsfreiheit des Mieters wiegt aber nicht höher, wenn das Mietobjekt mit einem Breit-

bandkabelanschluss ausgestattet ist, der den Empfang von digitalen Zusatzprogrammen ermöglicht117. Bei der notwendigen Abwägung kann auch die Religionsfreiheit nicht ausschlaggebend sein, wenn der türkische Mieter alevitischen Glaubens ist118. Denn die Religionsfreiheit schützt nur die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, und die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbreiten, und damit das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln. Daraus kann nicht abgeleitet werden, dass Informationen über Rundfunk und Fernsehen erreichbar sein müssen, die auch durch Druckerzeugnisse erlangt werden könnten. 92 Ein kurdischstämmiger Mieter, der inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen hat,

soll wie ein Ausländer behandelt werden können, weil sich durch die Staatsangehörigkeit seine Bindung zur Heimat nicht (automatisch) löst, so dass es auch nicht auf seine Rückkehrwilligkeit ankommen soll119. 93 Die Unterscheidung zwischen Deutschen und Ausländern in den vorliegenden Fällen ist verfassungs-

rechtlich nicht zu beanstanden120. Insoweit ist es zwar richtig, dass durch die Einbürgerung die Herkunft nicht verändert wird. Es begegnet jedoch verfassungsrechtlichen Bedenken, einige Deutsche ohne sachlichen Grund deutscher zu behandeln. Dabei wird übersehen, dass der ohne Zwang gefällte Entschluss, die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen, freiwillig umgesetzt wird. Im Übrigen ist nicht verständlich, warum der Deutsche, der im Ausland geboren ist und nach 30 Jahren nach Deutschland zurückkehrt, anders behandelt werden darf, nur weil er von Anfang an Deutscher war. 94 Außenfassade. Die Verkleidung mit blauen und goldenen Keramikfliesen über die gesamte Front im

Erdgeschoss kann der Vermieter verbieten121, ebenso wie die Installation von Warenautomaten122. Reklameeinrichtungen darf der Gewerberaummieter im üblichen Umfang anbringen123, solange dies nicht vor den im Obergeschoss gelegenen Mieträumen geschehen soll124. Zustimmungspflichtig ist auch das Anbringen eines Schildes zum Hinweis auf ein vom Wohnraummieter ausgeübtes Kleingewerbe (Nachhilfe, Musikunterricht etc.)125. Das Gleiche gilt für die Anbringung einer Außenjalousie126, insbesondere wenn dadurch die Wärmedämmung beschädigt wird127. Allerdings soll für den EG-Mieter ein Anspruch auf Zustimmung bestehen, wenn er Sicherheitsrisiken reklamieren kann128. Wilden Wein, der an der Fassade rankt, muss der Mieter so lange nicht entfernen, wie der Vermieter keine konkreten Beschädigungen vorträgt129. Das Gleiche gilt für Efeu130. 95 Ausverkauf s. Räumungsverkauf

116 Vgl. BVerfG v. 24.1.2005 – 1 BvR 1953/00, NJW-RR 2005, 661 (662); BVerfG v. 17.3.2005 – 1 BvR 42/03, BeckRS 2005, Nr. 25459. 117 BGH v. 17.4.2007 – VIII ZR 63/04, WuM 2007, 380 = ZMR 2007, 676 = GE 2007, 903; BVerfG v. 14.2.2005 – 1 BvR 1908/01, WuM 2007, 379. 118 BGH v. 10.10.2007 – VIII ZR 260/06, MDR 2008, 73 = MietRB 2008, 1 = WuM 2007, 678. 119 KG v. 11.10.2007 – 8 U 210/06, MietRB 2008, 1 = WuM 2007, 618. 120 BVerfG v. 9.2.1994 – 1 BvR 1687/02, BVerfG v. 9.2.1994 – 1 BvR 1687/92, MDR 1994, 547 = NJW 1994, 1147. 121 AG Bad Säckingen v. 15.6.2001 – 1 C 40/01, GuT 2002, 18. 122 A.A. OLG Hamm v. 6.5.1958 – 4 U 4/58, NJW 1958, 1239. 123 Bub/Treier/Kraemer/von der Osten, III Rz. 2444. 124 OLG Düsseldorf v. 21.3.1958 – 10 U 99/57, NJW 1958, 1094. 125 Bub/Treier/Kraemer/von der Osten, III Rz. 2444. 126 A.A. AG Zeitz v. 16.9.1997 – 4 C 297/97, WuM 1998, 16. 127 LG Köln v. 12.6.1997 – 1 S 328/96, KM 3 Nr. 32. 128 LG Hamburg v. 2.2.2006 – 334 S 39/05, WuM 2007, 502. 129 AG Köln v. 21.2.2014 – 205 C 448/13, WuM 2016, 249. 130 AG Bonn v. 15.7.1993 – 5 C 529/92, WuM 1993, 735.

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B. Wohnraummiete | Rz. 100 § 541

Baden (und Duschen) während der Nachtzeit von 22 bis 6 Uhr ist nur in Ausnahmefällen vertrags- 96 widrig131, z.B. wenn andere Mieter unerträglich beeinträchtigt sind132. Dazu reicht die bloße Störung der Nachtruhe nicht aus133. Badewanne. Duschen (im Stehen) in der Badewanne ist nicht erlaubt, wenn die Fliesen nicht decken- 97 hoch verlegt sind und dadurch eine Durchfeuchtung des Putzes eintritt134. Badezimmer. Ein- oder Umbau eines Bades ist zustimmungspflichtig135 und kann von der Leistung 98 einer Sicherheit abhängig gemacht werden136. Dagegen sollen die Neuverfliesung137 und die Installation eines neuen Toilettentopfes138 ohne Einwilligung zulässig sein. Benutzung des Bades in einem Mehrfamilienhaus zum Duschen und Baden während der Nachtzeit von 22 Uhr bis 6 Uhr ist zulässig, selbst wenn dadurch andere Hausbewohner in ihrer Nachtruhe gestört werden können139, jedenfalls solange die nächtlichen Badegeräusche nicht zu unerträglichen Beeinträchtigungen führen140. Balkon/Loggia. Hier kann der Mieter grundsätzlich keine Verkleidung141 oder ein Plexiglasvordach 99 ohne Zustimmung installieren; allerdings soll ein Anspruch auf Zustimmung bestehen, wenn der Vermieter die Installation von Markisen und Außenvorhängen auf anderen Balkonen duldet142. Ausnahmsweise kann ein Schutz am Balkon gerechtfertigt sein, wenn ein unbekannter Täter die Loggia wiederholt mit einer Luftdruckwaffe beschießt143. Die allseitige Umhüllung des Balkons mit einem an Schienen aufgehängten Vorhang muss der Mieter wieder beseitigen144. Das Gleiche gilt für einen Sichtschutz145 und ein Katzennetz, das auch an der Hausfassade befestigt ist146. Rankgitter beeinträchtigen das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes derart, dass sie nicht ohne Zustimmung des Eigentümers/Vermieters installiert werden dürfen147. Das Pflanzen von Bäumen auf dem Balkon ist nicht vom vertragsgemäßen Gebrauch gedeckt148. Das Anbringen einer Wäschetrocken-Vorrichtung ist zustimmungsfrei, solange damit keine bauliche Veränderung (Substanzverletzung) oder eine dauerhafte optische Beeinträchtigung verbunden ist. Deshalb ist das Wäschetrocknen über eigens dafür angebrachte Vorrichtungen zulässig149. Das Gleiche gilt für das Aufstellen einer nicht störenden Parabolantenne150 oder die Installation einer Außensteckdose151. Das Wachsenlassen eines Baumes (Bergahorn), der über den Dachfirst hinausragt, ist nicht zulässig152. Barrierefreiheit. s. § 554 BGB Rz. 19 ff. 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146

147 148 149 150 151 152

100

AG Rottenburg v. 31.10.1994 – 2 C 356/94, ZMR 1995, 163. LG Köln v. 17.4.1997 – 1 S 304/96, WuM 1997, 323. OLG Düsseldorf v. 25.1.1991 – 5 Ss (OWi) 411/90 – (OWi) 181/90 I = WuM 1991, 288. LG Köln v. 24.2.2017 – 1 S 32/15, MietRB 2017, 247 = ZMR 2017, 565; a.A. LG Bochum v. 8.11.1991 – 5 S 100/91, WuM 1992, 431. LG Berlin v. 13.12.1994 – 64 S 266/94, GE 1995, 429. AG Hamburg v. 17.5.1995 – 40a C 1309/94, WuM 1996, 29. AG Schöneberg v. 3.3.1995 – 15 C 11/95, GE 1995, 703. LG Köln v. 16.2.1995 – 1 S 22/94, WuM 1996, 93. OLG Düsseldorf v. 25.1.1991 – 5 Ss (OWi) 411/90 – (OWi) 181/90 I, WuM 1991, 288. LG Köln v. 17.4.1997 – 1 S 304/96, WuM 1997, 323 = KM 3 Nr. 25. AG Köln v. 15.7.2011 – 220 C 27/11, ZMR 2011, 886; a.A. solange optische Beeinträchtigungen nicht gegeben sind bis zur Höhe des Handlaufs: AG Köln v. 15.9.1998 – 212 C 124/98, WuM 1999, 331. LG Nürnberg-Fürth v. 6.7.1990 – 7 S 1401/90, WuM 1990, 422. AG München v. 23.11.2009 – 412 C 32850/08, MDR 2010, 620 = ZMR 2010, 538. AG Münster v. 18.7.2001 – 48 C 2357/01, WuM 2001, 445. AG Köln v. 15.7.2011 – 220 C 27/11, ZMR 2011, 886. AG Wiesbaden v. 17.12.1999 – 93 C 3460/99 – 25, NZM 2000, 711; a.A. AG Köln v. 3.12.2001 – 222 C 227/ 01, WuM 2002, 605; kein Beseitigungsanspruch, wenn keine Substanzverletzung und keine optische Beeinträchtigung vorliegt: AG Schorndorf v. 5.7.2012 – 6 C 1166/11, WuM 2012, 494 (Katzengitter aus Draht); zur optischen Beeinträchtigung: Pfälzisches OLG v. 9.3.1998 – 3 W 44/98, ZMR 1998, 464 = NZM 1998, 376. Pfälzisches OLG v. 4.5.1999 – 3 W 32/99, ZMR 1999, 587. LG München I v. 8.11.2016 – 31 S 12371/16, ZMR 2017, 59. LG Nürnberg-Fürth v. 19.1.1990 – 7 S 6265/89, WuM 1990, 199; AG Nürnberg v. 27.6.1989 – 28 C 2514/89, DWW 1997, 47. AG Lichtenberg v. 28.5.2008 – 14 C 95/08; AG Lörrach v. 29.9.2004 – 3 C 72/04, WuM 2004, 658. AG Hamburg v. 10.10.2006 – 39A C 118/05, WuM 2007, 505. LG München I v. 8.11.2016 – 31 S 12371/16, GE 2016, 1567 = IMR 2016, 499.

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§ 541 Rz. 100a | Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch 100a Bauliche Veränderungen s. § 535 BGB Rz. 747 ff., ein Beseitigungsverlangen während der Mietzeit

kann rechtsmissbräuchlich sein, wenn der Vermieter Umbauten des Mieters über eine längere Zeit (hier fünf Jahre) hinnimmt153; dafür müssen aber schutzwürdige Interessen des Mieters erkennbar sein, was nicht der Fall ist, wenn der Vermieter wegen Verletzung von materiellem Baurecht ein behördliches Einschreiten befürchten muss154. 101 Befahren einer zum Mietobjekt führenden (Privat-)Straße zum Zwecke des Be- und Entladens ist er-

laubt155. S. Entladen 102 Behindertengerechte Einrichtung: Dazu zählt eine an der Wohnungstür installierte Kamera nicht,

wenn dem Bedürfnis nach ausreichend schneller Kontaktaufnahme mit Personen, die sich vor der Wohnungstür befinden, durch eine vorhandene Wechselsprechanlage Genüge getan ist156. 103 Beleidigung/Bedrohung: Rechtswidrig ist das anonyme Übersenden eines Zeitungsberichts über eine

Gasexplosion in einem Mietshaus mit Todesfolge157. Dagegen ist die Veröffentlichung eines Zeitungsartikels, in dem dem Vermieter Insiderhandel und Umlage von Instandhaltungskosten als Modernisierung unterstellt werden, wenn in der Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt wird158. Wertende subjektive Beurteilungen des Mieters („Heuschrecke“, „Sauverein“, „Vermieter verübt Betrügereien, Erpressung und Nötigung“, „ihm muss man das kriminelle Handwerk legen“) mit Sachbezug zu konkreten Vorgängen (Auseinandersetzung über Betriebskostenabrechnungen) sind bis zur Grenze der Schmähkritik gerechtfertigt159. 103a Beschädigung des Treppenhauses durch eine Schlägerei, an der der Mieter aus Notwehr beteiligt war,

hat der Mieter nicht zu verantworten160. 104 Beschuss mit Gewehr s. Balkon 104a Besichtigung: der Vermieter kann berechtigt sein, aufgrund einer Verweigerung der vertraglich ge-

schuldeten Besichtigung nach einer Abmahnung den Mietvertrag sogar ordentlich zu kündigen, ohne zuvor einen Duldungstitel herbeiführen zu müssen161. 105 Besuch. Liegt bei vorübergehendem Aufenthalt von Personen in den Mieträumen vor. Sobald drei Mo-

nate überschritten sind, sprechen die Umstände gegen Besuch. Zulässig ist das Empfangen von Personen aus der Verwandtschaft des Mieters als Besucher, obwohl mietvertraglich geregelt ist, dass bestimmte Personen aus der Verwandtschaft nicht empfangen werden dürfen162. Das Gleiche soll gelten, wenn der Mieter seinem Besucher trotz Hausverbot des Vermieters Zugang zu den Mieträumlichkeiten gewährt163. Diese Auffassung ist aber abzulehnen. Denn das Hausverbot tangiert den vertragsgemäßen Gebrauch und ist daher auch vom Mieter zu beachten. Im Übrigen sind regelmäßige Trinkgelage mit mehreren Personen unzulässig, wodurch die übrigen Mitbewohner insbesondere nachts gestört werden164. Im Rahmen der Beweiswürdigung darf das Gericht aus dem Gesamteindruck der vom Mieter benannten Zeugen auf deren Alkoholabusus und auch auf ihr dadurch bedingtes unzuträgliches Verhalten als häufige Gäste des Mieters schließen165. Fehlverhalten von Besuchern muss sich der Mieter grundsätzlich über § 278 BGB zurechnen lassen166. S. Feiern 106 Betriebspflicht s. § 535 BGB Rz. 1103 f. 107 Be- und Entladen s. Entladen 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166

LG Berlin v. 20.4.2015 – 18 S 92/14, GE 2015, 791. AG Schöneberg v. 5.2.2018 – 5 C 208/17, GE 2018, 517. AG Hamburg v. 5.4.1995 – 41a C 2114/94, WuM 1996, 534. KG v. 15.6.2009 – 8 U 245/08, WuM 2009, 738. AG Köln v. 23.5.1997 – 219 C 36/97, WuM 2000, 356. LG Leipzig v. 11.1.2002 – 14 S 6332/01, NZM 2002, 247. LG Lübeck v. 17.6.2011 – 6 O 133/11, WuM 2013, 530. AG Saarbrücken v. 7.12.2015 – 3 C 140/15, WuM 2016, 280. LG Oldenburg v. 3.8.2012 – 6 S 75/12, ZMR 2012, 956. LG Hagen v. 11.5.1992 – 10 S 104/92, WuM 1992, 430. AG Köln v. 22.9.2004 – 209 C 108/04, WuM 2004, 673. LG Köln v. 10.6.1992 – 10 S 121/92, KM 12 Nr. 17. AG Rheine v. 28.11.1996 – 4 C 627/96, WuM 1997, 217. BGH v. 9.11.2016 – VIII ZR 73/16, MietRB 2017, 34 = MDR 2017, 20 = WuM 2017, 23 = ZMR 2017, 154.

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B. Wohnraummiete | Rz. 113 § 541

Bilder. Dem Mieter ist es ohne Zustimmung des Vermieters nicht gestattet, Gemeinschaftseinrichtun- 108 gen (z.B. das Treppenhaus) zu dekorieren (z.B. Bilder)167. Dies stellt eine unzulässige Sondernutzung dar. Blumenkästen können nur mit Zustimmung des Vermieters auf äußeren Fensterbänken oder Balkon- 109 brüstungen angebracht werden168, wobei sie genügend gegen Herabstürzen gesichert und Vorkehrungen getroffen worden sein müssen169, dass z.B. auslaufendes Wasser das Mietobjekt oder parkende Autos nicht beschädigt oder Dritte belästigt werden. Auch wenn dem Mieter bei der Übergabe der Wohnung Halter zum Aufhängen von Blumenkästen durch den Architekten des Vermieters überlassen werden, folgt daraus keine Erlaubnis, die Blumenkästen an der Außenseite des Balkons aufzuhängen170. Eine in jedem Fall171 erforderliche fachgerechte Befestigung kann nicht durch eine Metallöse und Drähte geschehen, die infolge von Witterungseinflüssen verrotten können172. Das Konstrukt darf die Fassade nicht beschädigen173. Blumenkübel dürfen auf einer Terrasse aufgestellt werden (Gebrauchsflecken auf dem Boden sind 110 nicht im Rahmen der Schönheitsreparaturpflicht [Anstreicherarbeiten/Tapezierung] des Mieters zu entfernen)174. In einem Gemeinschaftsgarten darf der Mieter Blumenkübel, Liegestühle, Strandkörbe und andere Sachen jedenfalls dann nicht aufstellen, wenn der Mietvertrag vorsieht, dass der Vermieter die endgültige Regelung über die Nutzung des Gartens treffen kann175. Bodenbeläge können grundsätzlich ohne weiteres erneuert werden176, selbst wenn ein Austausch gegen 111 Laminatboden stattfindet, solange dadurch nicht die Zimmertüren gekürzt werden müssen177. Das gilt auch für Fliesen178, insbesondere in der Küche, wenn diese dadurch erst als solche nutzbar wird179. Allerdings ist das Verkleben eines Teppichbodens auf einem vorhandenen Teppichboden unzulässig180. Bohren von Dübellöchern gehört grundsätzlich zum vertragsgemäßen Gebrauch181, wenn Gegen- 112 stände installiert werden sollen, die zur Realisierung des Vertragszwecks gehören (Regalwand, Hängeschränke etc.). Das Anbohren von Fliesen z.B. im Bad ist davon aber nur ausnahmsweise gedeckt, nämlich wenn es zur Anbringung für den vertragsgemäßen Gebrauch notwendiger Gegenstände dient und die Beschädigung der Fliesen unabwendbar ist182. Das Anbohren von Fenster-Glasleisten ist vertragswidrig und nicht von § 538 BGB gedeckt183. Das Gleiche soll für normale Bohrlöcher gelten184. Bordell. Der Mietvertrag über eine Wohnung zum Betrieb eines Bordells ist nichtig, wenn die Miete 113 überhöht ist und nur durch wirtschaftliche Ausbeutung der Prostituierten vom Mieter aufgebracht und erwirtschaftet werden kann185. Die Mieterin darf in ihrer Wohnung grundsätzlich nicht der Pros-

167 AG Köln v. 15.7.2011 – 220 C 27/11, ZMR 2011, 886. 168 LG Berlin v. 3.7.2012 – 65 S 40/12, GE 2012, 1098; AG Schöneberg v. 7.12.2000 – 13 C 356/00, MM 2001, 442. 169 AG Charlottenburg v. 22.12.2011 – 325 C 169/11, ZMR 2013, 446. 170 LG Berlin v. 3.7.2012 – 65 S 40/12, ZMR 2013, 42. 171 Vgl. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 273 m.w.N. 172 AG Köln v. 22.3.2012 – 222 C 370/11, n.v. 173 Weitergehend Staudinger/Emmerich, § 535 BGB Rz. 12. 174 AG Langen v. 26.10.1990 – 3 C 248/90, WuM 1991, 31. 175 LG Berlin v. 27.1.2006 – 63 S 287/05, GE 2006, 579. 176 LG Köln v. 16.2.1995 – 1 S 22/94, WuM 1996, 93. 177 AG Lichtenberg v. 9.6.2011 – 111 C 319/09, GE 2011, 1027; a.A. AG Hamburg v. 23.6.1998 – 39A C 114/98, WuM 1998, 723. 178 A.A. AG Birkenfeld v. 2.11.1992 – 3 C 248/92, WuM 1993, 191. 179 AG Dortmund v. 30.1.1991 – 117 C 13406/90, WuM 1992, 125. 180 LG Köln v. 15.2.1989 – 10 S 80/88, KM 30 Nr. 4. 181 BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 10/92, MDR 1993, 339 = WuM 1993, 109. 182 AG Dortmund v. 26.6.2014 – 425 C 2787/14, GE 2014, 1455 = NZM 2014, 826; AG Münster v. 29.1.2008 – 28 C 3053/07, WuM 2010, 447. 183 AG Witten v. 12.4.2018 – 2 C 684/17, MietRB 2018, 323 = MDR 2018, 925. 184 AG Witten v. 12.4.2018 – 2 C 684/17, MDR 2018, 925 = MietRB 2018, 323. 185 BGH v. 16.5.1988 – II ZR 316/87, NJW-RR 1988, 1379; OLG Koblenz v. 15.5.1997 – 5 U 289/96, NZM 1998, 479.

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§ 541 Rz. 113 | Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch titution nachgehen186 und hat sich so zu verhalten, dass kein entsprechender Eindruck entsteht187. Ein Bordellbetrieb ist aber bei teilgewerblicher Vermietung von Wohnraum zulässig, wenn hierdurch keine Störungen verursacht werden188. 114 Einen Briefkasten kann der Mieter mit einem DIN-gerechten Einwurfschlitz verlangen189. 115 Brunnen, die zum Garten gehören, darf der Mieter grundsätzlich benutzen190. 116 Einen Dachboden darf der Mieter nicht zu Wohnzwecken ausbauen191. 117 Decken s. Wände 118 Deckenplatten. Alleine schon der Verdacht, dass es durch die Anbringung von Styropordecken zu

Schimmelbildungen kommen kann, reicht aus, um ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Entfernung einer solchen Decke zu begründen192. Zum vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache gehören jedenfalls nicht solche Maßnahmen des Mieters, durch die Bewohner oder das Gebäude geschädigt oder gefährdet werden können. Eine solche erhöhte Gefährdung ergibt sich daraus, dass im Falle eines Brandes geschmolzenes zähflüssiges Styropor von der Decke abtropft und bei Personen, die hiervon betroffen werden, zu erheblichen Brandverletzungen führen kann. Darüber hinaus kann giftiges Gas entstehen, was weitere Gefährdungen mit sich bringt193. 119 Dekoration von Gemeinschaftseinrichtungen/-flächen s. Bilder und s. Weihnachtsschmuck 119a Drogen: Mit der Aufbewahrung von Drogen in der Wohnung verstößt der Mieter gegen seine Obhuts-

pflicht194. 120 Dübeln s. § 541 BGB Rz. 80. 121 Duftkerzen auf dem Balkon sind unzulässig, wenn sie andere Mieter beeinträchtigen195. 122 Duschen in der Badewanne soll selbst dann zulässig sein, wenn die Fliesen nicht deckenhoch verlegt

sind und dadurch eine Durchfeuchtung des Putzes eintritt196; das gilt nicht, wenn über der halbhohen Verfliesung kein Duschaufsatz montiert ist197. 123 Duschkabinen (fahrbare) darf der Mieter im Bad und in der Küche198 aufstellen. 123a Efeu s. Außenfassade 124 Einbauküche s. Küche 125 Entladen von Fahrzeugen auf dem Grundstück ist zulässig, soweit die Ladetätigkeit mit dem Miet-

gebrauch zusammenhängt; deshalb hat der Mieter einen Anspruch auf dauerhafte Aushändigung eines Schlüssels zur Toreinfahrt199. Das Gleiche gilt für die Nutzung eines befahrbaren Zuweges zum Wohnhaus zum Be- und Entladen200, zumindest wenn dem Mieter eine Anfahrtsmöglichkeit bzw. Be- und Entlademöglichkeit unmittelbar auf der öffentlichen Straße nicht zur Verfügung steht201. Einen Gara-

186 LG Lübeck v. 20.10.1992 – 6 S 48/92, NJW-RR 1993, 525; AG Berlin-Mitte v. 6.1.1994 – 3 C 552/93, GE 1994, 813; AG Mönchengladbach-Rheydt v. 17.6.1992 – 20 C 563/90, ZMR 1993, 171. 187 AG Münster v. 14.6.1995 – 6 C 547/94, WuM 1995, 538. 188 AG Aachen v. 26.9.2006 – 10 C 181/06, ZMR 2007, 41. 189 AG Charlottenburg v. 16.5.2001 – 27 C 262/00, MM 2001, 402. 190 AG Görlitz v. 26.4.2004 – 2 C 0727/03, WuM 2004, 600. 191 LG Hamburg v. 26.4.1991 – 311 S 1/91, WuM 1992, 190. 192 LG Bad Kreuznach v. 16.5.1989 – 1 S 31/89, WuM 1990, 292. 193 Vgl. dazu LG Braunschweig v. 24.4.1985 – 12 S 231/84, WuM 1986, 248. 194 BGH v. 14.12.2016 – VIII ZR 49/16, MDR 2017, 267 = MietRB 2017, 94 = WuM 2017, 10. 195 Frage des Einzelfalls: OLG Düsseldorf v. 16.5.2003 – 3 Wx 98/03, WuM 2003, 515 = ZMR 2004, 52 = NZM 2003, 605. 196 LG Bochum v. 8.11.1991 – 5 S 100/91, WuM 1992, 431. 197 LG Köln v. 24.2.2017 – 1 S 32/15, MietRB 2017, 247, IMR 2017, 131. 198 LG Berlin v. 26.1.1990 – 63 S 216/89, WuM 1990, 421. 199 LG Wuppertal v. 15.9.1995 – 10 S 23/95, WuM 1996, 267. 200 LG Lübeck v. 4.1.1990 – 14 S 160/89, WuM 1990, 336. 201 AG Hohenschönhausen v. 22.2.2007 – 10 C 492/07, GE 2007, 725.

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B. Wohnraummiete | Rz. 130a § 541

genhof darf der Mieter zum Be- und Entladen benutzen, selbst wenn er keine Garage gemietet hat202. S. Befahren Fahrräder kann der Mieter – vorbehaltlich entgegenstehender Vereinbarungen – durch das Treppen- 126 haus sogar in die Wohnung transportieren, obwohl es dabei in der Vergangenheit zu Beschädigungen gekommen ist203. Der Mieter kann sie in seinem Kellerraum abstellen, obwohl die Hausordnung die Benutzung des eigens hergestellten Fahrradkellers regelt204. Das Gleiche soll für das Abstellen am Gitterzaun gelten, obwohl Fahrradständer vorhanden sind205, soweit keine Behinderung entsteht, auch bei Längerfristigkeit206. Das gilt ebenso für einen Fahrradanhänger für den Transport von zwei Kleinkindern im Hof207. Gestattet der Vermieter dem Mieter unentgeltlich, auf dem Innenhof ein Fahrrad abzustellen, wird ein Leih- bzw. Gefälligkeitsverhältnis begründet, auf das die Regelungen des Leihvertrages gemäß § 598 BGB anzuwenden sind. Ein solches Leihverhältnis ist – jedenfalls bei Vorliegen von sachlichen Gründen – gemäß § 604 Abs. 3 BGB jederzeit kündbar208. Dabei wird unterstellt, dass ein Fahrrad ein Fahrzeug darstellt, für dessen Abstellen die Hausordnung einen Genehmigungsvorbehalt vorsieht. Steht also ein Fahrradständer zur Verfügung, den auch andere Mieter nutzen dürfen, kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Nutzung zum vertragsgemäßen Gebrauch gehört. Das gilt aber nicht für Lastenfahrräder und Anhänger zum Transport von Kindern, mit denen ein Fahrradständer für andere Fahrräder blockiert wird. Diese Nutzung ist vertragswidrig, da der Fahrradständer nicht bestimmungsgemäß gebraucht werden kann. Feiern müssen grundsätzlich so abgehalten werden, dass andere Mieter (nachts) nicht gestört werden; 127 aus Art. 2 GG ergibt sich nicht anderes209. Das gilt auch für gelegentliche Feiern210. Eine Auszugsparty mit 120 Personen211 oder eine Gartenparty, insbes. bei Geruchsbelästigung212, sind grundsätzlich unzulässig. S. auch Besuch und s. Grillen Fenster dürfen ohne Zustimmung nicht verändert werden, insbesondere nicht Holz- gegen Kunststoff- 128 fenster ausgetauscht213 oder eine Fensteröffnung zugemauert werden214. Das absichtliche Geöffnet-Lassen von Fenstern einer ofenbeheizten Wohnung während einer längeren Abwesenheit begründet die Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB215. Das Beschädigen von Fenstern (z.B. Bohren in die Holzrahmen) ist grundsätzlich vom vertragsgemäßen Gebrauch nicht gedeckt. Ausnahmsweise kann jedoch das Anbringen von Einrichtungen zur Verdunkelung erlaubt sein. Das gilt z.B. für Fenster, die in die Dachschräge eingebaut sind, wenn keine andere Möglichkeit gegeben ist216. Für das Fensterputzen s. Reinigung Fensterln (nächtliches Einsteigen mittels einer Leiter in die Wohnung einer Mieterin gegen deren Wil- 129 len) gehört jedenfalls in Frankfurt/Main nicht zum kulturellen Erbe217. Feuerwehr s. Alarm

130

Filmaufnahmen, die der Mieter von der Mietsache selber fertigt, sind zulässig, solange das Persönlich- 130a keitsrecht Dritter nicht verletzt wird. Der Mieter darf sich auch in seiner Wohnung (gewerblich) filmen lassen, um z.B. ein Interview zu geben, selbst wenn das Mietverhältnis dabei Thema ist und der Mieter einen Streit mit dem Vermieter wiedergibt. Überlässt der Mieter aber die Räume teilweise an Dritte, 202 203 204 205 206 207 208 209 210 211 212 213 214 215 216 217

AG Augsburg v. 4.4.1997 – 2 C 705/97, WuM 1998, 438. AG Hamburg-Altona v. 5.7.2019 – 318c C 1/19, ZMR 2019, 875 = GE 2020, 122. AG Münster v. 2.6.1993 – 7 C 127/93, WuM 1994, 198. AG Schöneberg v. 6.4.1999 – 19 C 532/98, NZM 2001, 233. AG Schöneberg v. 6.4.1999 – 19 C 532/98, NZM 2001, 233. AG Schöneberg v. 12.12.2005 – 6 C 430/05, MM 2006, 39. LG Berlin v. 26.5.2011 – 67 S 70/11, GE 2011, 1087. OLG Düsseldorf v. 15.1.1990 – 5 Ss (OWi) 475/89 – (OWi) 197/89 I, WuM 1990, 116. LG Bonn v. 3.11.1994 – 6 S 251/94, WuM 1998, 439. AG Bad Homburg v. 25.2.1991 – 2 C 405/91, NJW-RR 1992, 335. OLG Düsseldorf v. 26.5.1995 – 5 Ss (OWi) 149/95 – (OWi) 79/95 I, ZMR 1995, 415. LG Berlin v. 5.3.1984 – 61 S 387/83, MDR 1985, 57. OLG Düsseldorf v. 21.12.1995 – 10 U 142/94, WuM 1996, 410. LG Berlin v. 22.1.2014 – 65 S 268/13, GE 2014, 323. AG Bremen v. 9.3.2017 – 6 C 285/14, WuM 2017, 458 = NZM 2017, 810. AG Frankfurt v. 30.11.1999 – 33 C 2982/99-67, NZM 2000, 961.

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§ 541 Rz. 130a | Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch damit diese Filmaufnahmen z.B. für Fernsehproduktionen herstellen können, liegt eine gewerbliche Nutzung vor, der der Vermieter grundsätzlich auch nicht nach § 553 Abs. 1 BGB zustimmen muss. Dies gilt auch bei einer nur kurzfristigen Überlassung. Filmaufnahmen, die ohne Zustimmung des Vermieters geführt werden, führen zu einem Bereicherungsanspruch des Vermieters218. 131 Fliesen s. Bohren 132 Fliesenspiegel gehört zur üblichen Ausstattung einer Küche219. 133 Gartengestaltung ist Sache des Mieters, solange der Mietvertrag ihm die Pflege des Gartens auferlegt.

Ein Direktionsrecht des Vermieters besteht nicht220. Das Aufstellen eines Pavillons stellt eine bauliche Veränderung dar, die der Zustimmung des Vermieters bedarf221. S. auch Gartennutzung 134 Gartennutzung. Auch soweit der Mieter einen Garten zur alleinigen Nutzung gemietet hat, ist die

Errichtung eines Gartenhauses zustimmungspflichtig222. Das Gleiche gilt für die Einrichtung eines Sandkastens223 und das Aufstellen von Wegsperren oder Einfriedungen, selbst wenn sie die Gesamterscheinung des Gartens nicht beeinträchtigen224. Vom Mietgebrauch gedeckt sind aber die Umgestaltung des zur Wohnung gehörenden Gartens (z.B. Anlage eines Rasens oder eines Nutzgartens), auch wenn dabei geringfügig Mutterboden verloren geht225, und Anpflanzungen auf Freiflächen226 nicht jedoch das Beseitigen von Bäumen und Sträuchern, die der Vermieter gepflanzt hat227. Wird nichts geregelt, ist der Mieter auch berechtigt, einen Naturgarten zu unterhalten oder ihn sonst wie zu gestalten228. Die Anlage von Gartenteichen bedarf aber grundsätzlich nicht der Zustimmung des Vermieters229, solange der Mietvertrag das nicht verbietet und der Teich bei Vertragsende folgenlos beseitigt werden kann230. Die Kosten hat der Mieter selbst dann ohne Aufwendungsersatzanspruch zu tragen, wenn der Mietvertrag ihm das Recht gibt, Freiflächen zu gestalten231. 135 Gartenpflege

Sie umfasst – auch ohne ausdrückliche Vereinbarung – Rasenmähen und Nachsäen, Schneiden von Bäumen und Sträuchern, Beseitigung von Unkraut und Reinigung des Gartens232, also einfache Pflegetätigkeiten233. Weitergehende, zeit- und kostenaufwendige sowie gärtnerisch gestaltende Arbeiten sollen nicht geschuldet sein, wenn sie nicht besonders vereinbart wurden234. Dies gilt insbesondere für Arbeiten, die Fachkenntnisse voraussetzen (z.B. Zurückschneiden von Bäumen)235. Eine solche besondere Vereinbarung wird noch nicht dadurch erreicht, dass nach dem Mietvertrag der Garten vom Mieter „gärtnerisch“ zu unterhalten ist236. Allerdings soll die Bezugnahme auf § 2 Nr. 10 BetrKV dazu verpflichten, erforderlichenfalls Bäume und Sträucher zu beschneiden, Rasenflächen neu anzulegen und kranke oder morsche Bäume zu fällen237. Dies ist zweifelhaft. Das Zurückschneiden von Bäumen setzt Fachkenntnisse voraus, die nicht als allgemein bekannt angesehen werden können. Abgesehen davon LG Hamburg v. 10.2012 – 311 S 301/10, NZM 2012, 879. AG Fürstenwalde v. 24.1.2002 – 15 C 248/01, MM 2002, 143. LG Köln v. 21.10.2010 – 1 S 119/09, ZMR 2011, 955 = IMR 2011, 54. AG Schöneberg v. 5.2.2018 – 5 C 208/17, GE 2018, 517. AG Brühl v. 7.3.1989 – 2a C 710/88, WuM 1989, 498. A.A. AG Bonn v. 23.11.1993 – 8 C 475/93, WuM 1994, 20. A.A. AG Münster v. 15.7.1997 – 5 C 3/97, WuM 1997, 486. LG Münster v. 4.7.1996 – 8 S 2/96, WuM 1996, 756. BGH v. 13.6.2007 – VIII ZR 387/04, MDR 2007, 1123 = MietRB 2007, 256 = ZMR 2007, 684. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 346; Bub/Treier/Kraemer/von der Osten, III 2484. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 273; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. II 188 m.w.N. A.A. LG Dortmund v. 18.1.2000 – 1 S 11/99, WuM 2001, 278. LG Lübeck v. 24.11.1992 – 14 S 61/92, WuM 1993, 669. BGH v. 13.6.2007 – VIII ZR 387/04, MDR 2007, 1123 = MietRB 2007, 256 = WuM 2007, 443. LG Berlin v. 23.2.1988 – 64 S 365/87, GE 1988, 355. LG Siegen v. 13.9.1990 – 3 S 211/90, WuM 1991, 85. LG Detmold v. 7.12.1988 – 2 S 180/88, WuM 1990, 289. OLG Düsseldorf v. 7.10.2004 – 10 U 70/04, WuM 2004, 603; LG Hamburg v. 29.9.2002 – 316 T 66/02, ZMR 2003, 265; LG Wuppertal v. 16.9.1997 – 16 S 54/97, WuM 2000, 353; LG Detmold v. 7.12.1988 – 2 S 189/88, WuM 1990, 389. 236 LG Wuppertal v. 16.9.1997 – 16 S 54/97, WuM 2000, 353. 237 LG Frankfurt am Main v. 2.11.2004 – 2/11 S 64/04, NZM 2005, 338. 218 219 220 221 222 223 224 225 226 227 228 229 230 231 232 233 234 235

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B. Wohnraummiete | Rz. 140 § 541

begründet eine solche Ausführungspflicht für den Mieter das Risiko, bei unfachmännischer Erledigung eine Beschädigung der Mietsache bzw. des Eigentums des Vermieters herbeizuführen, wenn der Baum z.B. infolge der fehlerhaften Pflege eingeht. Ein solches Risiko kann aber – in entsprechender Anwendung der Grundsätze über Kleinreparaturen (vgl. § 535 BGB Rz. 528) – jedenfalls formularmäßig nicht überbürdet werden. Umso mehr ist dem Mieter aber beim Beschneiden von Bäumen und Sträuchern ein großzügig zu beurteilendes Ermessen einzuräumen238, so dass er insbesondere schadhafte oder ihn optisch störende Bäume fällen darf, soweit der Vermieter derartige Maßnahmen bei Abschluss des Mietvertrages nicht ausdrücklich unter den Vorbehalt seiner Zustimmung gestellt hat239. – Der Mieter handelt aber grundsätzlich nicht rechtswidrig, wenn er Pflegearbeiten entgegen den An- 136 weisungen des Vermieters durchführt240. Ihm steht ein Zurückbehaltungsrecht an der Pflege zu, wenn der Vermieter den exklusiv vermieteten Garten als Auslauf für seinen Hund nutzt241. Er ist zur Änderung der Bepflanzung einer abschüssigen Böschung berechtigt, wenn die bauartliche und gärtnerische Gestaltung der Festigkeit dieser Fläche dient242, und darf einen Teich anlegen, solange der Mietvertrag das nicht verbietet und der Teich bei Vertragsende folgenlos beseitigt werden kann243. Er darf auch Obst von den Bäumen ernten244 und einen Naturgarten anlegen, solange der Garten nicht verwildert und verkommt245. Urinieren darf der Mieter in den Garten nicht246. Das Aufstellen einer Hundehütte im Garten kann nicht beanstandet werden247. S. Blumenkübel Gartenzwerge mit untypischen Gesten („Frustzwerge“: herausgestreckte Zunge und erhobener Mittel- 137 finger = sog. „Fuck-you“-Zeichen“) sind grundsätzlich verboten248, solange ihnen nicht der Mittelfinger verbunden und mit einer Blume verziert wurde249. Gebrauchsüberlassung s. § 541 BGB Rz. 73 ff.

138

Gehhilfen (Rollator) können im Treppenhaus jedenfalls bei alter Mieterschaft (nicht störend) abgestellt 139 werden250, jedenfalls wenn der Mieter nicht im Erdgeschoss wohnt251. S. Kinderwagen und s. Rollstuhl Gemeinschaftsfläche dürfen von Kindern der Hausbewohner zum Spielen (auch mit ihren Freunden) 139a genutzt werden252. Größere Gegenstände dürfen aber auf (nicht mitvermieteten) Stellplätzen für längere Zeit nicht abgestellt werden253. Gerüche, die beim haushaltsüblichen Kochen entstehen, können nicht unterbunden werden254, auch 140 wenn sie fremdartig sind. Wird aber das Treppenhaus infolge starken Rauchens des Mieters und mangelnder Körperhygiene von einem Geruch eingehüllt, der auch in die Wohnungen anderer Mieter zieht, kann sogar die fristlose Kündigung zulässig sein255, wobei die Erheblichkeit der Beeinträchti-

238 LG Köln v. 11.1.1996 – 1 S 149/05, NJWE-MietR 1996, 243; AG Hamburg v. 11.9.2003 – 317 C 305/03, zitiert nach juris. 239 LG Berlin v. 25.6.2019 – 67 S 100/19, ZMR 2019, 768. 240 OLG Düsseldorf v. 7.10.2004 – 10 U 70/04, WuM 2004, 603; LG Köln v. 10.1.1995 – 12 S 185/94, WuM 1996, 402. 241 LG Köln v. 10.1.1995 – 12 S 185/94, WuM 1996, 402. 242 AG Köln v. 5.12.1989 – 205 C 287/89, WuM 1991, 84. 243 LG Lübeck v. 24.11.1992 – 14 S 61/92, WuM 1993, 669. 244 AG Leverkusen v. 14.12.1993 – 28 C 277/93, WuM 1994, 199. 245 LG Köln v. 10.1.1995 – 12 S 185/94, WuM 1996, 402. 246 AG Köln v. 21.10.2010 – 210 C 398/09, WuM 2012, 272 = ZMR 2012, 708. 247 AG Hamburg-Wandsbek v. 20.11.1995 – 713b C 736/95, WuM 1996, 401. 248 AG Grünstadt v. 11.2.1994 – 2a C 334/93, NJW 1995, 889. 249 AG Elze v. 18.10.1999 – 4 C 210/99, ZMR 2001, 625. 250 AG Hannover v. 13.5.2005 – 503 C 3987/05, WuM 2006, 27. 251 AG Recklinghausen v. 27.1.2014 – 56 C 98/13, GE 2014, 750 = IMR 2014, 327. 252 LG Heidelberg v. 23.10.1996 – 8 S 2/96, WuM 1997, 38. 253 AG Hamburg v. 5.4.1995 – 41a C 2114/94, WuM 1996, 534. 254 AG Hamburg-Harburg v. 21.9.1992 – 643 C 230/92, WuM 1993, 39. 255 AG Wetzlar v. 8.1.2013 – 38 C 1389/12 (38), NZM 2014, 238.

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§ 541 Rz. 140 | Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch gung besonders festgestellt werden muss und nicht auf eine Zeugenaussage gestützt werden kann, in der die Verhältnisse innerhalb der Wohnung beschrieben werden256. 141 Gewerbliche Tätigkeit in der Wohnung s. Heimarbeit 142 Grillen kann untersagt werden, wenn dadurch Imponderabilien i.S.d. § 906 BGB einwirken, wobei der

Gestörte die Unzumutbarkeit beweisen muss257. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalles, insbesondere die Lage und Größe des Gartens bzw. der sonstigen Örtlichkeiten, die Häufigkeit des Grillens und das verwendete Grillgerät258. Insoweit wird regelmäßig das Grillen mit Holzkohle weitgehend untersagt, während die Benutzung eines Gas- oder Elektrogrills – oft werden die gleichen Essensgerüche verbreitet – weitgehend als zulässig angesehen wird259. Die erforderliche Abwägung kann dazu führen, dass der Mieter in der Zeit von März/April bis September/Oktober ein- bis dreimal260 monatlich auf dem Balkon oder der Terrasse grillen darf, wenn er die übrigen Mieter im Haus, deren Belästigung durch Rauchgase unvermeidlich ist, 48 Stunden vorher informiert261. 143 Haushaltsgeräte darf der Mieter im üblichen Umfang (Waschmaschine, Staubsauger etc.) in der Woh-

nung betreiben262, solange nicht (wirksam) etwas anderes vereinbart wurde, was i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB eindeutig geschehen muss263, formularmäßig aber grundsätzlich unzulässig ist264, insbesondere in einer Hausordnung265. Die Nutzung einer Waschmaschine in der Wohnung ist nicht wegen der vertraglichen Pflicht zur Nutzung einer Gemeinschaftswaschmaschine im Hause unzulässig266. Der Betrieb von Wäschetrocknern in der Wohnung ist grundsätzlich zulässig267. Der Anschluss von Haushaltsgeräten, insbesondere einer Waschmaschine, muss vom Mieter fachgerecht hergestellt werden und regelmäßig auf seine Betriebstauglichkeit überprüft werden268. 144 Hausreinigung kann dem Mieter auch formularmäßig überbürdet werden, wegen § 305c Abs. 1 BGB

aber nicht erst in der Hausordnung. Besteht eine wirksame Klausel, kann der Vermieter nicht ohne Einverständnis des Mieters die Hausreinigung zu seinen Lasten (z.B. § 2 Nr. 9 BetrKV) an einen Gebäudereiniger vergeben269, selbst wenn die Umlagefähigkeit zusätzlich im Vertrag geregelt ist270. Der Mieter muss dann grundsätzlich die Reinigung wie vorgesehen durchführen, ansonsten droht ihm sogar eine (fristgerechte) Kündigung271, wobei der Mieter die Reinigung anstatt zur vertraglich vorgesehenen zu einer ihm genehmen Zeit während der Woche erledigen kann272. Ein Verstoß gegen eine in der Hausordnung vorgegebene Zeitspanne für die Reinigung des Trockenbodens ist dann unerheblich, wenn eine Reinigung nach dem subjektiven Sauberkeitsempfinden des Mieters nicht notwendig 256 BGH v. 18.2.2015 – VIII ZR 186/14, MDR 2015, 450 = MietRB 2015, 129 = WuM 2015, 289 = GE 2015, 509; zum Raucherschutz des Mieters gegenüber Mitmietern: BGH v. 16.1.2015 – V ZR 110/14, MietRB 2015, 197 = MDR 2015, 638 = NZM 2015, 448. 257 LG München v. 12.1.2004 – 15 S 22735/03, WuM 2004, 368. 258 OLG Frankfurt v. 10.4.2008 – 20 W 119/06, NZM 2008, 736. 259 AG Hamburg-Blankenese v. 17.9.2014 – 539 C 7/14, ZMR 2015, 492 Rz. 65. 260 AG Halle v. 11.12.2012 – 10 C 1126/12, juris Rz. 21. 261 AG Bonn v. 29.4.1997 – 6 C 545/96, WuM 1997, 325; AG Berlin-Mitte v. 7.1.2010 – 25 C 159/09, GE 2010, 417 (gelegentlich). 262 BGH v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03, MDR 2004, 1346 = MietRB 2005, 1 = NJW 2004, 3174; LG Freiburg v. 10.12.2013 – 9 S 60/13, MietRB 2014, 98 = ZMR 2014, 363; LG Düsseldorf v. 18.4.2008 – 21 T 38/08, WuM 2008, 547. 263 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235. 264 AG Tettnang v. 19.3.2010 – 4 C 1304/(09, IMR 2010, 221. 265 LG Freiburg v. 10.12.2013 – 9 S 60/13, MietRB 2014, 98 = GE 2014, 804. 266 LG Detmold v. 18.3.1998 – 10 S 276/97, WuM 2002, 51; AG Köln v. 11.1.2001 – 207 C 221/00, WuM 2001, 276; AG Hameln v. 17.12.1993 – 23 C 380/93, WuM 1994, 426. 267 AG Mülheim v. 5.10.1979 – 19 C 493/79, WuM 1981, 12; siehe auch LG Köln v. 20.12.1989 – 10 S 201/89, WuM 1990, 385. 268 AG Hamburg-St. Georg v. 21.4.2017 – 920 C 139/15, ZMR 2017, 746. 269 AG Frankfurt v. 30.1.1997 – 2.2 C 1295/96, WuM 1997, 432; AG Düsseldorf v. 11.4.1983 – 27 C 552/82, WuM 1986, 306. 270 AG Leipzig v. 24.5.2018 – 168 C 5604/17, WuM 2018, 508. 271 AG Hamburg-Blankenese v. 18.12.1996 – 508 C 345/96, WuM 1998, 286; a.A. AG Wiesbaden v. 1.7.1999 – 91 C 2213/99-19, NZM 2001, 334. 272 AG Reichenbach v. 12.8.1993 – C 88/93, WuM 1994, 322.

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B. Wohnraummiete | Rz. 151 § 541

war273. Das Gleiche gilt, wenn das Treppenhaus montags trotz Verpflichtung in verschärfter Form („große und kleine Hauswoche“) nicht in einem blitzblanken Zustand ist274. Für die Ersatzvornahme des Vermieters ist eine vorherige Fristsetzung nicht erforderlich, wenn die Leistung kalendermäßig bestimmt ist275. Haustüren müssen nicht verschlossen werden, obwohl die Hausordnung dies ausdrücklich vorsieht276; 145 aber: eine Formularklausel, die das Abschließen gebietet, ist nicht unwirksam277. Hausverbote, die vom Mieter berechtigt ausgesprochen wurden (hier gegenüber Handwerkern nach 146 vorangegangenen nachhaltigen Auseinandersetzungen), sind vom Vermieter bei der Beauftragung zur Instandsetzung zu beachten278. Ansonsten kann der Vermieter gegenüber Besuchern des Mieters ein Hausverbot erteilen (vgl. § 535 BGB Rz. 744 f.). Heimarbeit ist in einer Wohnung solange zulässig, wie der Mieter mit einer geschäftlichen Tätigkeit 147 nicht nach außen in Erscheinung tritt, in der Wohnung keine Kunden empfängt oder dort Mitarbeiter beschäftigt279. Berufliche Tätigkeiten, die der Mieter – etwa im häuslichen Arbeitszimmer – ausübt, ohne dass sie nach außen in Erscheinung treten, fallen nach der Verkehrsanschauung von vornherein unter den Begriff des „Wohnens“; hierzu gehört die Unterrichtsvorbereitung eines Lehrers ebenso wie die Telearbeit eines Angestellten, die schriftstellerische Tätigkeit oder der Empfang oder die Bewirtung eines Geschäftsfreundes des Mieters in der Wohnung. Bei geschäftlichen Aktivitäten freiberuflicher oder gewerblicher Art, die nach außen in Erscheinung treten, liegt hingegen eine Nutzung vor, die der Vermieter einer Wohnung ohne entsprechende Vereinbarung grundsätzlich nicht dulden muss. Er kann jedoch im Einzelfall nach Treu und Glauben verpflichtet sein, eine Erlaubnis zur teilgewerblichen Nutzung zu erteilen (z.B. Tätigkeit ohne Mitarbeiter und ohne ins Gewicht fallenden Kundenverkehr, selbständige berufliche Tätigkeit in der Existenzgründungsphase). Siehe auch § 541 BGB Rz. 29. Heizen ist Gegenstand der Obhutspflicht des Mieters. Solange keine Schäden entstehen, bleibt es ihm 148 unbenommen, seine Wohnung nach individuellen Bedürfnissen zu beheizen280. Bei Abwesenheit (z.B. wegen Urlaubs) ist es vertragsgerecht, die Wohnung zwischen 15 und 25 °C zu heizen, selbst wenn ein Wasserschaden bereits eingetreten ist281. Heizung. Sowohl der Einbau einer Gasetagenheizung282 als auch die Umrüstung einer Heizung auf an- 149 dere Brennstoffe283 bedarf der Zustimmung des Vermieters. Hundegebell s. Lärm

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in sonstigen Gemeinschaftsräumen nicht installieren284,

151 Kameras darf der Mieter im Treppenhaus oder auch nicht als Attrappe285, wenn sie geeignet sind, Persönlichkeitsrechte Dritter zu verletzen286. Das ist nicht der Fall, wenn mit der Kamera öffentliche und fremde private Flächen (z.B. allgemeines Treppen-

273 274 275 276

277 278 279 280 281 282 283 284 285 286

AG Münster v. 6.4.1994 – 28a C 59/94, WuM 1994, 428. AG Braunschweig v. 12.12.2001 – 121 C 3691/01, WuM 2002, 211. AG Bremen v. 15.11.2012 – 9 C 346/12, MietRB 2013, 35 = NZM 2013, 757. BayObLG v. 14.9.1988 – BReg 2 Z 80/88, WuM 1988, 410 (zu Beschluss einer WEG, wonach der Türöffner jederzeit betätigt werden können muss); LG Trier v. 25.8.1992 – 1 S 77/92, WuM 1993, 192 (zur fristlosen Kündigung wegen Nichtverschließen der Haustüre nach 21:00 Uhr); AG Köln v. 31.7.2012 – 211 C 55/12, zitiert nach juris (keine überraschende Klausel, weil üblich); AG Hannover v. 20.3.2007 – 544 C 8633/06, WuM 2010, 446 (kein Mangel der Mietsache, wenn die Haustüre um 22:00 Uhr verschlossen werden muss); a.A. jedenfalls für die Nacht, obwohl Gründe des Brandschutzes dagegen sprechen: Jacoby, WE 2000, 156; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 337; vgl. auch Horst, WE 2008, 110. LG Köln v. 25.7.2013 – 1 S 201/12, ZMR 541 (543) m. Anm. Schmid. AG Hamburg-Blankenese v. 27.7.2007 – 509 C 45/06, ZMR 2007, 867. BGH v. 14.7.2009 – VIII ZR 165/08, MDR 2009, 1215 = MietRB 2009, 282 = NJW 2009, 3157. AG Saarbrücken v. 9.12.2009 – 4 C 487/08, ZMR 2010, 698. LG Berlin v. 17.9.2012 – 67 S 28/12, WuM 2012, 605. LG Berlin v. 5.12.1994 – 62 S 345/94, GE 1995, 109. BGH v. 8.5.1963 – VIII ZR 252/61, NJW 1963, 1539. KG v. 15.6.2009 – 8 U 245/08, WuM 2009, 738; vgl. auch BGH v. 16.3.2010 – VI ZR 176/09, MDR 2010, 682 = ZMR 2010, 619. AG Hamburg-Wandsbek v. 11.10.2007 – 716 C 230/07, WuM 2008, 22. BGH v. 16.3.2010 – VI ZR 176/09, MDR 2010, 682 = ZMR 2010, 619 mit Anm. Huff, ZMR 2010, 668.

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§ 541 Rz. 151 | Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch haus) nicht erfasst werden287. Eine installierte Kamera ist zur behindertengerechten Nutzung der Wohnung nicht erforderlich, wenn dem Bedürfnis nach ausreichend schneller Kontaktaufnahme mit Personen, die sich vor der Wohnungstür befinden, durch eine vorhandene Wechselsprechanlage Genüge getan ist288. 152 Kinderlärm s. Lärm 153 Kinderwagen können im Hausflur abgestellt werden, solange sie nicht stören, was auch vor der Brief-

kastenanlage der Fall sein kann289, wobei nicht jede Unbequemlichkeit vermieden werden muss290, solange keine Alternative für den Mieter besteht291. Dabei ist auch zu prüfen, inwieweit es dem Mieter zumutbar ist, den Kinderwagen in die Wohnung zu verbringen292. Daran ändert auch eine entgegenstehende Bestimmung in der Hausordnung nichts293. Jedenfalls ist ein formularmäßiges Verbot, das nicht auf eine Einzelfallentscheidung abstellt, regelmäßig unwirksam294. Gehören die Kinderwagen zu (haus-)fremden Kindern, die die Mieterin als Tagesmutter betreut, ist das Abstellen vertragswidrig295. S. Gehhilfen und s. Rollstuhl 154 Kriminelle Handlungen des Mieters sind vertragswidrig, wenn sie in unmittelbarem Zusammenhang

mit der Mietsache stehen. Das ist beim Anbau von Cannabis im Garten zum Konsum in den Mieträumen der Fall, wenn Maßnahmen der Ermittlungsbehörde sich nachteilig auf den Ruf des Vermieters auswirken296. Der ein- oder zweimalige Anbau von Cannabis, eventuell verbunden mit Eigenkonsum, reicht aber grundsätzlich noch nicht aus297, wenn er nicht umfangreich erfolgt298. S. Drogen 155 Küche. Das Aufstellen einer Einbauküche ist erlaubnisfrei299. 156 Lagern alter Kleidung oder Sperrmülls in der Wohnung ohne Beeinträchtigung der Sicherheit des

Hauses ist nicht verboten300, s. § 569 Abs. 2 BGB. 157 Lärm ist im Rahmen des Gebots der Rücksichtnahme zu vermeiden. Ist das Gebäude bekanntermaßen

hellhörig, kann auch von dem Mieter eine besondere Rücksichtnahme verlangt werden301. Im Übrigen sind grundsätzlich die allgemeinen Ruhezeiten zu beachten (z.B. Nachtzeit von 22 bis 6 Uhr: § 9 ImSchutzG NW). Kinderlärm erfordert eine höhere Toleranz302, muss aber, sofern er das übliche Maß überschreitet303, nicht hingenommen werden. Allerdings verkürzt eine allgemein durch die Hausordnung beachtliche Ruhezeit nicht das Toleranzgebot gegenüber der Beurteilung der Wesentlichkeit von Kinderlärm304, wobei sich die Üblichkeit nicht nach den Ruhe- und Ordnungsvorstellungen Dritter bestimmt, sondern nach den Lebensbedingungen sowie den Bedürfnissen der Kinder und ihrer pflegenden und erziehenden Eltern305. Lärmstörungen im Mehrparteienhaus darf der Gestörte nicht

287 288 289 290 291 292 293 294 295 296 297 298 299 300 301 302 303 304 305

LG Hamburg v. 2.12.2010 – 307 73/10, ZMR 2011, 288. KG v. 15.6.2009 – 8 U 245/08, WuM 2009, 738. AG Köln v. 15.5.1995 – 207 C 43/95, WuM 1995, 652. AG Reichenbach v. 12.8.1993 – C 88/93, WuM 1994, 322. BGH v. 10.11.2006 – V ZR 46/06, MDR 2007, 453 = WuM 2007, 29; LG Bielefeld v. 16.9.1992 – 2 S 274/92, WuM 1993, 37. LG Berlin v. 31.7.2012 – 63 S 576/11, GE 2012, 1377. AG Winsen v. 28.4.1999 – 16 C 602/99, NZM 2000, 237. AG Düsseldorf v. 27.3.2013 – 22 C 15963/12, WuM 2013, 348. LG Hamburg v. 6.8.1991 – 316 S 110/91, WuM 1992, 188. LG Lüneburg v. 15.12.1994 – 6 S 104/94, WuM 1995, 708. AG Köln v. 28.3.2003 – 208 C 141/02, WuM 2006, 220. AG Hamburg-Blankenese v. 8.2.2008 – 518 C 359/07, WE 2008, 137. LG Konstanz v. 14.10.1988 – 1 S 216/88, WuM 1989, 67. AG Friedberg v. 16.1.1991 – C 1690/90, WuM 1991, 686. OLG Düsseldorf v. 29.1.1997 – 9 U 218/96, WuM 1997, 221 = ZMR 1997, 465 = DWW 1997, 149. BGH v. 22.8.2017 – VIII ZR 226/16, MDR 2017, 1175 = MietRB 2017, 346 = WuM 2017, 587 = ZMR 2016, 19 = GE 2017, 1153. BGH v. 22.8.2017 – VIII ZR 226/16, MDR 2017, 1175 = MietRB 2017, 346 = WuM 2017, 587 = ZMR 2016, 19 = GE 2017, 1153; LG Berlin v. 11.1.1999 – 62 S 290/98, WuM 1999, 329. LG Heidelberg v. 23.10.1996 – 8 S 2/96, WuM 1997, 38. AG Braunschweig v. 25.6.1999 – 117 C 1270/99, WuM 2002, 50; AG Kassel v. 23.4.1991 – 872 C 855/91, WuM 1991, 558.

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B. Wohnraummiete | Rz. 162 § 541

durch Lärmstörung seinerseits beantworten306, wobei gelegentliches „Türenknallen“ und Beleidigungen der Nachbarn durch regelmäßig den Mieter besuchende Familienangehörige oder Verängstigung gegenüber sonstigen Besuchern des Mieters wohl abgemahnt werden können, aber – ohne Abmahnung – keine erhebliche Verletzung i.S.v. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB darstellen307. Vertragswidrig ist grundsätzlich vermeidbarer Lärm durch Musik, Streit und lautes Stöhnen308, auch wenn er von Behinderten ausgeht309. Das gilt erst recht für Hundegebell310. Zur Vermeidung von Lärmemissionen ist der Mieter weder verpflichtet, einen Teppichboden zu verlegen, noch die Wohnung ausschließlich mit Hausschuhen zu betreten311. S. Musizieren Liegestühle s. Blumenkübel

158

Lüften gehört im üblichen Umfang zum vertragsgemäßen Gebrauch. Deshalb handelt der Mieter ver- 159 tragswidrig, wenn er einen massiven Schimmelschaden durch Unterlassen einer zwei- bis dreimal täglichen Stoßlüftung von 10–15 Minuten herbeiführt312 oder sich weigert, das Wohn- und Lüftungsverhalten nach Modernisierung im notwendigen Umfang zu ändern313. Allerdings besteht keine Pflicht zum übermäßigen Lüften (z.B. bis zu sieben mal täglich314). Das (gelegentliche) Öffnen eines Fensters im Hausflur zum Lüften kann nicht beanstandet werden315. Allerdings kann das dauerhafte Offenlassen (gekippt) der Fenster in der ofenbeheizten Wohnung sogar eine ordentliche Kündigung rechtfertigen, wenn dadurch die Mietsache gefährdet wird (Auskühlung der Wände im Winter)316. Müllcontainer, die der Mieter für seinen privaten Gebrauch angeschafft hat, dürfen nicht außerhalb 160 der Mieträume aufgestellt werden317. Ansonsten hat der Mieter die von dem Vermieter bereitgestellten Müllcontainer zu nutzen. Stellt der Vermieter auf Mülltrennung um, hat sich der Mieter entsprechend zu beteiligen. Allerdings bedarf es insoweit einer Aufklärung durch den Vermieter. Munition s. Waffen

161

Musizieren gehört zu den Gebrauchsrechten des Mieters, es zählt zur Ausübung des Persönlichkeits- 162 rechts318. Deshalb ist ein völliger Ausschluss unzulässig, was bei dem Gebot, nur in Zimmerlautstärke zu musizieren, angenommen werden kann319. Unabhängig von der Ausgestaltung durch mietvertragliche Regelungen (vgl. § 535 BGB Rz. 162) ist die Ausübung auf Zeiten zu beschränken, die den konkreten Wohnverhältnissen im Hause Rechnung tragen320. Deshalb kann Klavierspielen über täglich bis zu 90 Minuten in einem hellhörigen Mietwohnhaus außerhalb der Ruhezeiten hinzunehmen sein321 und ein Überschreiten um 10 bis 25 Minuten der vereinbarten Hausmusikzeiten von zwei bis drei Stunden an den Wochentagen von Montag bis Samstag zwischen 15 und 19 Uhr nicht sanktioniert werden322. Auch die Übungszeiten eines Schlagzeugers im Wohngebäude sollen in zumutbarem Rahmen von den Nachbarn in die eigene Lebensgestaltung einzuplanen sein323. Das Gleiche gilt für die Erteilung von wöchentlich sechs bis sieben Stunden Musikunterricht324. Das Musizieren außerhalb der Ruhezeiten durch Berufsmusiker325 kann nicht geahndet werden, wohl aber, wenn es innerhalb der Ruhezeiten am Wo306 307 308 309 310 311 312 313 314 315 316 317 318 319 320 321 322 323 324 325

AG Hamburg v. 28.11.1995 – 47 C 1789/95, WuM 1996, 214. AG Reichenbach v. 12.8.1993 – C 88/93, WuM 1994, 322. AG Warendorf v. 19.8.1997 – 5 C 414/97, DWW 1997, 344. Köln v. 8.1.1998 – 7 U 83/96, ZMR 1998, 161. VGH Baden-Württemberg v. 28.11.1995 – 1 S 3201/94, ZMR 1996, 347. OLG Düsseldorf v. 29.1.1997 – 9 U 218/96, WuM 1997, 221 = ZMR 1997, 465 = DWW 1997, 149. AG Hannover v. 31.8.2005 – 565 C 15388/04, WuM 2005, 767. AG Erkelenz v. 26.1.1995 – 14 C 157/95, DWW 1996, 22. LG Dortmund v. 20.11.2007 – 1 S 49/07, WuM 2008, 333. AG Altena v. 9.2.1990 – 2a C 261/89, WuM 1990, 144. LG Berlin v. 22.1.2014 – 65 S 268/13, ZMR 2014, 791. AG Brühl v. 4.4.1997 – 23 C 193/96, WuM 1997, 549. LG Frankfurt v. 3.6.2005 – 2/11 T 36/05, WuM 2006, 142. BayObLG v. 23.8.2001 – 2Z BR 96/01, MDR 2001, 1345 = ZMR 2002, 64. LG Frankfurt am Main v. 12.10.1989 – 2/25 O 359/89, WuM 1990, 287. AG Frankfurt v. 22.5.1996 – 33 C 1437/96, WuM 1997, 430. AG Königstein v. 16.7.2001 – 21 C 775/01 – 12, NZM 2001, 1033. LG Nürnberg-Fürth v. 17.9.1991 – 13 S 5296/90, WuM 1992, 253. AG Freiburg v. 14.12.1990 – 10 C 2250/90, WuM 1991, 686. LG Flensburg v. 18.12.1992 – 7 S 167/92, DWW 1993, 102.

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§ 541 Rz. 162 | Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch chenende stattfindet (Sonntag ist grundsätzlich Ruhetag326). Für die Bewertung der Störung ist auf einen verständigen Durchschnittsmenschen und die bautechnischen Gegebenheiten im Gebäude abzustellen327. 163 Namens- und/oder Firmenschilder darf der Mieter im notwendigen Umfang vorbehaltlich entgegen-

stehender Bestimmungen im Vertrag anbringen. Dies gilt insbesondere für Schilder am Klingeltableau oder Briefkasten mit dem Namen des Mieters oder berechtigterweise in die Räume aufgenommener Personen328. Nach Ende der Mietzeit besteht ein Recht, an gleicher oder ähnlicher Stelle einen Hinweis auf die geänderte Anschrift anzubringen, grundsätzlich nur bei Zustimmung des Vermieters. Eine Ausnahme besteht bei der Auflösung einer Anwaltskanzlei unter Zurückbleiben eines Sozius329. 164 Parabolantenne s. Antenne 165 Parken, also das dauerhafte Abstellen eines Fahrzeuges auf dem Grundstück, ist grundsätzlich ohne

vertragliche Erlaubnis unzulässig330, insbesondere wenn Belästigungen der Hausbewohner durch Abgase entstehen331 oder es sich um eine teilweise unbefestigte Grundstücksauffahrt handelt332. Doch selbst wenn keine Behinderung anderer Bewohner eintritt, kommt eine fristgerechte Kündigung in Betracht333. Dies gilt erst recht für Stellplätze, die nicht mitvermietet sind334, oder das Abstellen eines Mofas auf dem Hof335. Ausnahmsweise kann der Vermieter nicht einschreiten, wenn das Abstellen zum Schutz des Pkw vor unvermeidbaren Beschädigungen auf dem öffentlichen Parkgrund (Karnevalsumzug) erfolgt336. Eine jahrelange Duldung des Vermieters kann ein Beseitigungsverlangen allerdings treuwidrig machen337, was eine umfassende Abwägung auch der Interessen des Vermieters erfordert338. Eine zunächst – ohne Widerrufsvorbehalt – erlaubte unentgeltliche Parkmöglichkeit soll der Vermieter nicht wegen zunehmender Motorisierung der Mieter umwidmen dürfen339. Allerdings ist eine – ausdrücklich oder stillschweigend z.B. durch Duldung gestattete – Nutzung jederzeit frei widerruflich340. Ein gemieteter Stellplatz darf auf seiner gesamten Fläche unter Beachtung des Gebots der Rücksichtnahme zum Parken genutzt werden341. Einen abgemeldeten Pkw darf der Mieter auch nicht auf einem gemieteten Stellplatz abstellen342. Der Vermieter soll eine Erlaubnis, den Pkw auf dem Wohngrundstück abzustellen, widerrufen können, sofern ein sachlicher Grund besteht343. S. Entladen 166 Pflanzen von Knöterich, der am Haus rankt, ist erlaubt344, solange durch seinen Wuchs am Gebäude

tatsächlich keine Schäden angerichtet werden345. Bäume auf dem Balkon sind vom vertragsgemäßen Gebrauch nicht gedeckt346. 167 Plakate können innerhalb der Mieträume ohne weiteres aufgehangen werden. An Fenstern und in

den Gemeinschaftsräumen hängt die Zulässigkeit von ihrem Inhalt ab347. Deshalb reichen zwei briefbogengroße Aushänge mit Politvokabular, das nicht ernst zu nehmen ist, in den straßenwärts gelege326 327 328 329 330 331 332 333 334 335 336 337 338 339 340 341 342 343 344 345 346 347

OLG Braunschweig v. 24.7.1986 – 3 W 55/86, WuM 1986, 353. BGH v. 8.5.2018 – VIII ZR 200/17, MietRB 2018, 225 = MDR 2018, 855 = WuM 2018, 437 = GE 2018, 820. AG Schöneberg v. 15.11.1999 – 109 C 178/99, MM 2000, 335. OLG Düsseldorf v. 27.5.1988 – 16 U 56/88, NJW 1988, 2545. LG Wuppertal v. 15.9.1995 – 10 S 23/95, WuM 1996, 267. AG Wiesbaden v. 17.10.1997 – 92 C 4418/97-12, WuM 1998, 605. LG Görlitz v. 8.2.1995 – 2 S 97/94, WuM 1995, 388. LG München v. 22.10.2014 – 14 S 3661/14, NZM 2015, 893. AG Hamburg v. 5.4.1995 – 41a C 2114/94, WuM 1996, 534. AG Flensburg v. 21.12.1995 – 63 C 801/94, WuM 1996, 613. AG Brühl v. 4.4.1997 – 23 C 193/96, WuM 1997, 549. AG Gießen v. 26.11.1992 – 48 C 2699/92, WuM 1994, 198. BGH v. 23.9.2009 – VIII ZR 300/08, MDR 2010, 20 = MietRB 2009, 345 = NZM 2009, 855. AG Neubrandenburg v. 1.2.1994 – C 1076/93, WuM 1994, 262. KG v. 1.12.2008 – 8 U 121/08, WuM 2009, 654 = GE 2009, 1552. AG München v. 11.6.2013 – 415 C 3398/13, ZMR 2014, 549. AG Detmold v. 21.7.1999 – 7 C 344/99, WuM 2002, 51. AG Düsseldorf v. 6.8.1993 – 32 C 4631/93, WuM 1994, 426. AG Köln v. 25.6.1993 – 221 C 362/92, WuM 1993, 604. AG Bonn v. 15.7.1993 – 5 C 529/92, WuM 1993, 735. LG München v. 8.11.2016 – 31 S 12371/16, WuM 2017, 14 = GE 2016, 1567. BayObLG v. 4.11.1983 – REMiet 13/83, MDR 1984, 234 = NJW 1984, 496.

700 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 170a § 541

nen Fenstern einer von einer Wohngemeinschaft gemieteten Wohnung jedenfalls nicht zu einer Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB348. Das Gleiche gilt für das Anbringen eines durchschnittlich auffälligen Plakates mit der Inschrift „Wir bleiben hier!“, auch wenn der Vermieter die Eigentumswohnung veräußern möchte349, oder die plakative Meinungsäußerung in kritischer Form zu dem Verhalten der Grundstückseigentümer, denen ein unseriöses und spekulatives Verhalten vorgeworfen wird, solange sie nicht als Schmähkritik zu werten ist350. Das Gleiche gilt für ein am Balkon (ohne Substanzverletzung) angebrachtes Transparent mit der Aufschrift: „Wir lassen uns nicht Luxussanieren“351. Zu beanstanden ist aber das Anbringen eines Schildes im Treppenhaus mit der Aufschrift „Militärischer Sicherheitsbereich, Unbefugtes Betreten verboten, Vorsicht Schusswaffengebrauch. Der Kasernenkommandant“352. Polizeieinsätze gegen nicht gewaltfernen Mieter wegen nachhaltiger Hausfriedensstörungen muss der 168 Vermieter nicht hinnehmen353. Propangasflaschen darf der Mieter in der Wohnung zum Kochen nicht aufstellen, wenn im Übergabe- 168a protokoll als Kochstelle „Elektro“ angekreuzt ist und auch „Gas“ hätte angekreuzt werden können354. Im Übrigen kann sich die gleiche Rechtsfolge aus der Hausordnung ergeben, wenn dort das Verbot des Lagerns feuergefährlicher Stoffe geregelt ist. Rauchen s. § 535 BGB Rz. 554 und 162 sowie s. Gerüche; in der Wohnung ist das Rauchen vorbehalt- 169 lich entgegenstehender Abreden vertragsgemäß; die Grenze des zulässigen Gebrauchs wird überschritten, wenn der Mieter das Gebot der Rücksichtnahme nicht ausreichend beachtet, indem er z.B. einfache und zumutbare Maßnahmen (Lüften, Entsorgen der Asche etc.) nicht ergreift355; es besteht in der Regel kein Anspruch des Mieters gegen einen anderen Mieter, das Rauchen auf dem Balkon zu bestimmten Zeiten zu unterlassen356; dies gilt jedenfalls uneingeschränkt, wenn der Mieter durch den Rauch nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt wird357; diese Grundsätze sind auch vom Vermieter in seinem Vorgehen gegen den rauchenden Mieter zu beachten; in einer Heimeinrichtung kann beharrliches Rauchen trotz Verbots zur Kündigung führen358. Räumungsverkauf ist generell seit der UWG-Reform 2004 innerhalb der durch die allgemeinen 170 Vorschriften des UWG geregelten Grenzen zulässig. Der Kunde darf also durch die Werbung für Räumungsverkäufe nicht getäuscht oder unzulässig beeinflusst werden. Dies gilt insbesondere für den angegebenen Grund der Verkaufsaktion und für die beworbenen Preisreduzierungen. Wer einen Räumungsverkauf wegen Geschäftsschließung (auch Ausverkauf genannt) ankündigt, muss seinen Geschäftsbetrieb aufgeben und den beworbenen Preisnachlass tatsächlich anbieten. Solange sich der Räumungsverkauf (z.B. wegen Sortimentsumstellung oder Umbau) innerhalb dieser Grenzen hält, liegt grundsätzlich auch kein vertragswidriges Verhalten vor. Dies gilt auch in einem Einkaufszentrum. Eine Formularklausel, die jede Form von besonderer Verkaufsaktion untersagt, verstößt gegen § 307 BGB. Das Gleiche gilt für einen Erlaubnisvorbehalt, wenn er die Entscheidung in das freie Ermessen des Vermieters stellt. Zwar kann der Vermieter verpflichtet sein, andere Mieter zu schützen. Indessen muss er auch die Interessen des Mieters berücksichtigen, der einer besonderen Situation, insbesondere einer Geschäftsaufgabe, Rechnung tragen will. Deshalb muss entweder eine Abwägung vorgesehen oder allein die Versagung der Erlaubnis aus wichtigem Grund möglich sein. Reinigung der allgemeingenutzten Teile des Gebäudes (Treppenhaus, Kellergänge etc.) schuldet der 170a Mieter, wenn der Vertrag dazu eine wirksame Regelung enthält (vgl. § 535 BGB Rz. 860 f.). Ist die Pflicht AG Waldkirch v. 25.1.1996 – 1 C 371/95, WuM 1996, 219. AG Stuttgart-Bad Cannstatt v. 16.8.1990 – 4 C 1832/90, WuM 1991, 28. AG Schöneberg v. 28.6.2001 – 10 C 183/01, ZMR 2001, 982. AG Mitte v. 26.2.2014 – 119 C 408/13, WuM 2014, 482 GE 2014, 1459. AG Brühl v. 14.8.1992 – 23 C 224/92, WuM 1994, 198. LG Hamburg v. 3.11.2005 – 307 S 124/05, WuM 2005, 768. AG Fürstenwalde v. 19.3.2009 – 12 C 379/08, MM 2013, Heft 6, S. 30. LG Berlin v. 10.8.2017 – 65 S 362/16, GE 2017, 1470; LG Düsseldorf v. 28.9.2016 – 23 S 18/15, ZMR 2016, 873. 356 LG Potsdam v. 14.3.2014 – 1 S 31/13, GE 2014, 801 = NZM 2014, 863. 357 BGH v. 16.1.2015 – V ZR 110/14, MietRB 2015, 197 = MDR 2015, 638 = NZM 2015, 448. 358 LG Münster v. 12.12.2016 – 2 O 114/16, ZMR 2017, 646.

348 349 350 351 352 353 354 355

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§ 541 Rz. 170a | Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch kalendermäßig i.S.v. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB bestimmt, kann der Vermieter nach Eintritt der Fälligkeit zur Ersatzvornahme schreiten359, sofern er nicht auf Erfüllung klagen will. Innerhalb der Wohnung ergibt sich die Pflicht zur Reinigung aus der Obhutspflicht des Mieters (§ 535 BGB Rz. 836 f.). Diese Reinigungspflicht umfasst auch das Fensterputzen, und zwar selbst dann, wenn die Fenster nur teilweise geöffnet werden können, so dass der Mieter einen Hubwagen benötigt360. 171 Reklameeinrichtungen s. Außenfassade 172 Rohrverstopfung ist vom Mieter vertragswidrig verursacht, wenn sie durch Fett und Essensreste in

der Küchenleitung und Haare aus dem gegenüberliegenden Waschbecken des Badezimmers hervorgerufen wurde361. 173 Rollladen darf der Mieter an den Fenstern im Erdgeschoss auch aus Sicherheitsgründen nicht ohne

die Zustimmung des Vermieters installieren362. Sind sie aber installiert, kann er sie auch nachts betätigen363. Nach Aufbringen einer Wärmedämmfassade hat der Mieter keinen Anspruch auf (Wieder-) Installation der Rollladen, wenn dadurch die Funktion der Wärmedämmung gestört wird364. 174 Rollstuhl/Rollator kann im Treppenhaus abgestellt werden, auch wenn sich dadurch der Zugang zur

Kellertreppe auf weniger als 1 m Breite verengt, sofern dem Mieter wegen der Lage seiner Wohnung der Transport nicht möglich ist365 (s. Gehhilfe). 175 Rückbau. Solange nichts anderes vereinbart wurde, muss der Mieter selbst bei Zustimmung des Ver-

mieters bauliche Veränderungen am Ende der Mietzeit zurückbauen366. Dies soll nicht gelten, wenn der Mieter nur einen allgemein üblichen Zustand (Einrichtung eines Bades) geschaffen hat367. 176 Satellitenanlage oder -schüssel s. Antenne 177 Sauna. Ihr Einbau ist zustimmungspflichtig auf der Loggia368, im Schlafzimmer369 oder im Keller-

raum. 178 Schießen. Der Gebrauch von Schusswaffen ist auch ohne vertragliche Regelung auf dem Mietgrund-

stück nicht erlaubt. S. Balkon 178a Schlägerei s. Beschädigung 178b Schönheitsreparaturen: vgl. generell § 535 BGB Rz. 540 ff. Das Anstreichen der Wohnungstüre von

außen begründet jedenfalls dann eine Pflichtverletzung, wenn ein anderer Farbton als die übrigen Türen im Hausflur gewählt wird370. 179 Schwarzarbeit ist grundsätzlich ohne Einfluss auf den vertragsgemäßen Gebrauch. Es ist daher nicht

vertragswidrig, wenn der Mieter seine Einbauküche durch „Schwarzarbeiter“ montieren lässt371. Umgekehrt kann der Vermieter eine Anzeige des Mieters gegen ihn wegen des Verdachts der Schwarzarbeit nicht ahnden, wenn objektiv ein eigenes Interesse des Mieters an der Aufklärung des ihm verdächtigen Sachverhalts vorliegt, obwohl er fahrlässig nicht erkannt hat, dass der angezeigte Sachverhalt unzutreffend ist372.

180 Sichtschutz am Balkon und der Terrasse s. Balkon 359 AG Bremen v. 15.11.2012 – 9 C 346/12, MietRB 2013, 35 = WuM 2012, 669. 360 BGH v. 21.8.2018 – VIII ZR 188/16, MietRB 2018, 353 = WuM 2018, 710 = GE 2018, 1393 = NZM 2018, 900. 361 AG Ravensburg v. 23.2.2005 – 9 C 1470/04, NZM 2005, 538. 362 LG Hamburg v. 2.2.2006 – 334 S 39/05, WuM 2007, 502. 363 AG Düsseldorf v. 29.11.2010 – 55 C 7723/10, MietRB 2011, 172 = WuM 2011, 173. 364 LG Berlin v. 22.3.2010 – 67 S 306/09, MM 2010, 182; AG Neuss v. 31.5.2012 – 82 C 852/12, n.v. 365 AG Wennigsen v. 9.5.1996 – 3 C 125/96, WuM 1996, 468; vgl. auch BGH v. 10.11.2006 – V ZR 46/06, MDR 2007, 453 = WuM 2007, 29. 366 OLG Düsseldorf v. 14.10.2008 – I-24 U 7/08, ZMR 2009, 843. 367 LG Hamburg v. 4.3.2005 – 311 S 128/04, WuM 2010, 448. 368 LG Hannover v. 22.12.1983 – 3 S 319/83, WuM 1984, 129. 369 AG Dortmund v. 28.6.1984 – 114 C 287/84, WuM 1985, 263. 370 AG Münster v. 28.7.2015 – 8 C 488/14, WuM 2015, 720 = ZMR 2016, 637. 371 AG Tiergarten v. 5.10.1999 – 2 C 177/99, MM 2000, 90. 372 LG Mannheim v. 23.2.2000 – 4 S 125/99, NZM 2000, 543.

702 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 190 § 541

Solaranlage. Solange keine Substanzeingriffe notwendig sind, kann sie ohne weiteres auf der Terrasse 181 aufgestellt werden373. Sonnenbaden (nackt) auf dem Balkon oder Garten ist zulässig, selbst wenn Nachbarn daran Anstoß 181a nehmen oder bei der Dorfgemeinschaft für Gesprächsstoff sorgen, sofern der Mieter in einem Gebäude, das Teil einer Anlage ist, mit eigenem Hauseingang wohnt374. Spielen s. Gemeinschaftsfläche

182

Staubflusen, die durch das Ausschütteln von Bodenbelägen wie Teppichen, Matten u.ä. Textilien im 183 Freien in den Wohnbereich eines Hausnachbarn fliegen, müssen hingenommen werden375. Staubsauger s. Haushaltsgeräte

184

Stellplatz in der Tiefgarage darf vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen nur zum Abstellen von 185 Autos und nicht zur Lagerung von Kartons o.ä. genutzt werden, selbst wenn andere Mieter dies in gleicher Weise tun376. S. Gemeinschaftsfläche, Parken Sterben gehört zum vertragsgemäßen Gebrauch377. Demgemäß haften die Erben des Mieters nicht für 185a die Beschädigung der Mietsache, die infolge des Leichengeruchs in der Wohnung entstanden ist, § 538 BGB. Straftat: Die Wohnung darf nicht zur Begehung von Straftaten genutzt werden (z.B. Lagerung von 185b unzulässigen Mengen von Betäubungsmitteln)378. Strandkörbe s. Blumenkübel

186

Stromversorgung. Die Stromentnahme aus der zur Wohnung gehörenden Anlage, um das nicht be- 187 heizte Badezimmer gegen Frostschäden aufzuheizen, ist zustimmungsfrei379. Styropordecken s. Deckenplatten

188

Teppichboden s. Bodenbelag

189

Tierhaltung. Die fehlende Einholung der Zustimmung des Vermieters trotz Abmahnung kann auch 190 die fristgerechte Kündigung begründen380 (vgl. zum Ganzen § 535 BGB Rz. 767 f.). Das regelmäßige Krähen eines Hahnes ab morgens 2:45 Uhr kann einen Unterlassungsanpruch begründen381. Die Tierhaltung kann nicht durch eine Formular-Klausel, die die Haltung von Haustieren ohne nähere Spezifizierung auf bestimmte Tiere verbietet, eingeschränkt werden382. Vielmehr ist stets ein eindeutiger Vorbehalt mindestens für alle Kleintiere vorzusehen383 (vgl. § 535 BGB Rz. 767). Ohne (wirksame) Klausel ist die Tierhaltung grundsätzlich von einer umfassenden Abwägung der Interessen abhängig384 (vgl. § 535 BGB Rz. 781). Es besteht kein Hindernis, die Beseitigung zu verlangen, nur weil der Hausmeister von der Tierhaltung Kenntnis hat oder ein Prokurist bei gelegentlichen Besuchen Notiz von dem Tier genommen hat385. Auch die Zustimmung der anderen Mieter ist unerheblich386. Im Hinblick auf die notwendige Abwägung bei der Aufnahme des Tieres in die Wohnung ist ein Einschreiten auch gerecht373 AG München v. 4.10.1990 – 214 C 24821/90, WuM 1991, 537. 374 AG Merzig v. 5.8.2005 – 23 C 1282/04, WuM 2005, 727 = ZMR 2013, 898; vgl. auch BGH v. 15.11.1974 – V ZR 83/73, NJW 1975, S. 170; BGH v. 12.7.1985 = V ZR 172/84, MDR 1985, 1011 = NJW 1985, S. 2833. 375 AG Kassel v. 16.5.1994 – 432 C 1145/94, WuM 1994, 610. 376 AG München v. 21.11.2012 – 433 C 7448/12, ZMR 2013, 817. 377 AG Bad Schwartau v. 5.1.2001 – 3 C 1214/99, WuM 2001, 546 = NZM 2002, 215. 378 BGH v. 14.12.2016 – VIII ZR 49/16, MDR 2017, 267 = MietRB 2017, 94 = WuM 2017, 10 = GE 2017, 165 = ZMR 2017, 236. 379 AG Potsdam v. 6.10.1994 – 26 C 205/94, WuM 1995, 40. 380 LG Berlin v. 18.5.2012 – 63 S 421/11, MM 2015, Heft 1+2, S. 37. 381 LG Bad Kreuznach v. 15.1.2019 – 1 S 83/18, BeckRS 2019, 134. 382 BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 10/92, MDR 1993, 339 = NJW 1993, 1061. 383 BGH v. 14.11.2007 – VIII ZR 340/06, MDR 2008, 134 = MietRB 2008, 131 = WuM 2008, 23. 384 BGH v. 14.11.2007 – VIII ZR 340/06, MietRB 2008, 131 = MDR 2008, 134 = WuM 2008, 23 = GE 2008, 48; nunmehr auch BGH v. 20.3.2013 – VIII ZR 168/12, MDR 2013, 580 = MietRB 2013, 166 = zitiert nach www. dejure.org. 385 AG Westerburg v. 23.2.1990 – 2 C 1213/89, WuM 1992, 600. 386 AG Spandau v. 13.4.2011 – 13 C 574/10, ZMR 2011, 650.

Lützenkirchen | 703

§ 541 Rz. 190 | Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch fertigt, obwohl die Haltung der Tiere bereits zu Beginn des Mietvertrages begonnen wurde und dies fünf Jahre zurückliegt387, insbesondere wenn erhebliche Beeinträchtigungen der Nachbarschaft verursacht wurden388. Die fehlende Einholung der Zustimmung des Vermieters trotz Abmahnung kann auch die fristgerechte Kündigung begründen389 (vgl. zum Ganzen § 535 BGB Rz. 767 f.). Zu Verunreinigung und Beschädigung durch Tierhaltung s. § 535 BGB Rz. 782a. 190a Transparent s. Plakat 191 Treppenhaus. Das Abstellen von Schuh-390 und Besenschränken sowie sonstigen Gegenständen ein-

schließlich des Aufhängens von Bildern im Hausflur kann abgemahnt werden391, auch wenn der Vermieter dies jahrelang geduldet hat392. Denn daraus ergibt sich kein Erklärungsbewusstsein für ein Einverständnis; auch Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist möglich393 (s. Kinderwagen, s. Gehhilfe und s. Rollstuhl). 192 Trinkgelage s. Besuch 193 Türen. Vertragswidrig ist das Kürzen der Türblätter zwecks Verlegung von Teppichböden394, das Aus-

hängen von Zimmertüren und Verbringen in den Keller395, nicht aber das Durchbohren der Badezimmertür zum Anbringen von Kleiderhaken396. 194 Überbelegung s. § 573 BGB Rz. 67 195 Uhr kann in der Wohnung aufgestellt werden, auch wenn ihr halbstündiges Schlagen in der Nachbar-

wohnung zu vernehmen ist397. 195a Untervermietung s. § 541 BGB Rz. 73 ff. 195b Urinieren in den Garten ist unzulässig398. Dagegen ist das Urinieren im Stehen auf der Toilette durch

einen männlichen Mieter vertragsgemäß399, solange er vom Vermieter nicht auf Gefahren für den Bodenbelag hingewiesen wurde400. 196 Verdunkelung s. Fenster 196a Verkaufsaktionen s. Räumungsverkauf 197 Videoanlage s. Kamera 198 Videokamera kann in Gemeinschaftsflächen (z.B. Hausflur, Hauseingangstür401) auch nicht als bloße

Attrappe zum Schutz des Privateigentums installiert werden402. S. Kamera 199 Waffen. Die bloße abstrakte Gefahr, die mit der Lagerung von Waffen in der Wohnung verbunden ist,

macht diese Lagerung nicht zu einer vertragswidrigen Nutzung403.

387 388 389 390 391 392 393 394 395 396 397 398 399 400 401 402 403

AG Aachen v. 13.3.1992 – 81 C 459/91, WuM 1992, 601. LG München I v. 27.1.1999 – 14 S 13615/98, WuM 1999, 217. LG Berlin v. 18.5.2012 – 63 S 421/11, MM 2015, Heft 1+2, S. 37. LG Köln v. 2.12.2016 – 10 S 99/16, MietRB 2017, 182 = ZMR 2017, 250 = NZM 2017, 360. AG Köln v. 15.7.2011 – 220 C 27/11, ZMR 2011, 886; a.A. AG Herne v. 11.7.2013 – 20 C 67/13, WuM 2013, 537 = GE 2013, 1283. A.A. AG Bergisch Gladbach v. 6.8.1993 – 61 C 291/93, WuM 1994, 197. LG Köln v. 2.12.2016 – 10 S 99/16, MietRB 2017, 182 = ZMR 2017, 250 = NZM 2017, 360. AG Lichtenberg v. 9.6.2011 – 111 C 319/09, GE 2011, 1027; a.A. LG Mannheim v. 14.10.1976 – 4 S 109/75, DWW 1977, 20; AG Köln v. 23.9.1986 – 214 C 1176/86a, WuM 1987, 152. LG Berlin v. 13.2.1995 – 67 S 351/94, WuM 1996, 138. AG Kassel v. 15.3.1996 – 451 C 7217/95, WuM 1996, 757. AG Spandau v. 25.6.2003 – 8 C 13/03, MM 2004, 264. AG Köln v. 21.10.2010 – 210 C 398/09, WuM 2012, 272 = ZMR 2012, 708. AG Düsseldorf v. 20.1.2015 – 42 C 10583/14, MietRB 2015, 68 = MietRB 2015, 69 = GE 2015, 327 = IMR 2015, 104. LG Düsseldorf v. 12.11.2015 – 21 S 13/15, ZMR 2016, 201. AG München v. 4.12.2013 – 413 C 26749/13, ZMR 2016, 551. AG Aachen v. 11.11.2003 – 10 C 386/03, NZM 2004, 339. LG Hannover v. 28.10.2010 – 1 S 30/10, ZMR 2011, 211; AG Hannover v. 20.8.2010 – 546 C 2917/10, ZMR 2011, 46.

704 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 205b § 541

Wände. Unzulässig ist das Ersetzen der Tapete durch Rauputz ohne Zustimmung des Vermieters404, das 200 Anbringen einer Holzvertäfelung405 sowie die Installation von Styroporplatten, jedenfalls wenn diese leicht entflammbar sind406. Vom vertragsgemäßen Gebrauch gedeckt ist dagegen das Aufbringen eines wischfesten Anstrichs407, das Aufstellen von Leichtbauwänden408 und die farbliche Umgestaltung, die das äußere Erscheinungsbild der Wohnung wesentlich verändert409. Warenautomaten s. Außenfassade

201

Wäschetrocknen ist erlaubt bei sog. „kleiner Wäsche“ auf einem Wäscheständer, der im Wesentlichen 202 durch die Balkonbrüstung gegen Sicht abgedeckt ist410, insbesondere wenn dies nur etwa sieben mal jährlich erfolgt, ohne dass die Mietsache erheblich gefährdet wird411. Wäschetrocknen in der Wohnung ist trotz vorhandenem Trockenraum und (unwirksamem) Verbot in der Hausordnung zulässig412, insbesondere auf dem Balkon über eigens dafür angebrachte Vorrichtungen413. Rechtswidrig ist aber das Aufstellen einer Wäschespinne im Garten eines Mehrparteienhauses, der einem anderen Mieter zur alleinigen Nutzung und Pflege überlassen ist414. Waschmaschine kann in der Wohnung genutzt werden, obwohl der Mietvertrag die Nutzung einer 203 Gemeinschaftswaschmaschine im Hause vorsieht415. S. Haushaltsgeräte Wasserversorgung. Ohne Zustimmung kann der Mieter kein Brunnenwasser zur Toilettenspülung 204 entnehmen, wenn dies von den zuständigen Wasserwerken beanstandet wird416. Weihnachtsschmuck/-dekoration muss der Vermieter in der Vorweihnachtszeit bis zum 6. Januar dul- 205 den, solange sie fachgerecht installiert ist, ein übliches Maß nicht überschreitet, die Mietsache nicht verschandelt und Nachbarn nicht beeinträchtigt417. Das Versprühen von Duftsprays im Treppenhaus ist allerdings per se verboten418. Werbung: Soweit eine entgegenstehende Vereinbarung nicht besteht, kann der Mieter grundsätzlich 205a Außenflächen des Gebäudes nur in dem Umfang nutzen, wie sie auch von anderen Mietern ohne besondere vertragliche Bestimmung genutzt werden. Deshalb darf er am Briefkasten und der Klingel seinen Namen anbringen und in der Gewerberaummiete an der Fassade ein Praxisschild, soweit eine ortsübliche Praxis für den Beruf des Mieters festgestellt werden kann (z.B. Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater, Architekten). Der Hinweis (auch nur am Briefkasten) des Wohnraummieters auf eine nicht genehmigte gewerbliche Tätigkeit in der Wohnung ist aber unzulässig419. Wilder Wein s. Außenfassade

205b

404 AG Kerpen v. 28.6.1989 – 3 C 199/89, WuM 1990, 198. 405 LG Osnabrück v. 11.2.1976 – 1 S 343/75, WuM 1986, 231. 406 LG Braunschweig v. 24.4.1985 – 12 S 231/84, NJW 1986, 322; LG Bad Kreuznach v. 16.5.1989 – 1 S 31/89, WuM 1990, 292. 407 LG Berlin v. 13.2.1995 – 67 S 351/94, WuM 1996, 138. 408 LG Essen v. 22.4.1987 – 10 S 633/86, WuM 1987, 257. 409 BGH v. 18.6.2008 – VIII ZR 224/07, MDR 2008, 1028 = MietRB 2008, 257 = NJW 2008, 2499. 410 AG Euskirchen v. 11.1.1995 – 13 C 663/94, WuM 1995, 310. 411 AG Naumburg v. 29.9.1992 – 3 C 290/92, WuM 1992, 680. 412 AG Düsseldorf v. 23.7.2008 – 53 C 1736/08, WuM 2008, 547. 413 LG Nürnberg-Fürth v. 19.1.1990 – 7 S 6265/89, WuM 1990, 199; AG Nürnberg v. 27.6.1989 – 28 C 2514/89, DWW 1997, 47. 414 AG Brilon v. 23.8.2000 – 2 C 173/00, WuM 2001, 392. 415 LG Freiburg v. 10.12.2013 – 9 S 60/13, MietRB 2014, 98 = ZMR 2014, 363; LG Aachen v. 10.3.2004 – 7 S 46/ 03, NZM 2004, 459 (Familie mit drei kleinen Kindern); LG Detmold v. 18.3.1998 – 10 S 276/97, WuM 2002, 51; AG Köln v. 11.1.2001 – 207 C 221/00, WuM 2001, 276; AG Hameln v. 17.12.1993 – 23 C 380/93, WuM 1994, 426. 416 LG Gießen v. 1.6.1994 – 1 S 507/93, WuM 1994, 681. 417 Leiß, MM 2010, Heft 12, S. 19. 418 OLG Düsseldorf v. 16.5.2003 – 3 Wx 98/03, WuM 2003, 515 = ZMR 2004, 52 = NZM 2003, 605. 419 BGH v. 31.7.2013 – VIII ZR 149/13, MietRB 2014, 36 = WuM 2013, 554 = ZMR 2014, 273.

Lützenkirchen | 705

§ 541 Rz. 205c | Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch 205c Wohnungstüre: Der Mieter ist nicht berechtigt, die Wohnungstüre von außen in einem abweichenden

Farbton zu streichen420. Allerdings kann er Dekorationsobjekte anbringen, ebenso wie er eine Schmutzmatte davor legen darf421. 206 Zweckentfremdung von Wohnraum ist im Geltungsbereich eines Zweckentfremdungsverbots grund-

sätzlich unzulässig. Die Nutzung des Mieters ist aber nur unzulässig, wenn sie ohne Einverständnis mit dem Vermieter erfolgt. Bei preisgebundenem Wohnraum, dessen Überlassung an eine bestimmte Bewohnerzahl geknüpft ist, handelt der Mieter im Fall der Unterbelegung nur vertragswidrig, wenn eine ausreichende Aufklärung stattgefunden hat422.

VII. Verjährung des Beseitigungsanspruchs 206a Der Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch nach § 541 BGB unterliegt der regelmäßigen Verjäh-

rung der §§ 195, 199 BGB423. § 548 BGB ist nicht anwendbar424. Zwar handelt es sich – jedenfalls soweit der Zustand der Mietsache betroffen ist – um Ansprüche wegen Veränderung und Verschlechterung der Mietsache. Der Zweck des § 548 BGB besteht aber darin, die zügige Abwicklung von Nebenansprüchen aus dem Mietverhältnis zu ermöglichen, die vom Zustand der Mietsache zum Zeitpunkt der Rückgabe abhängen. Voraussetzung dafür ist aber gerade die Beendigung des Mietvertrages.

206b Für den Verjährungsbeginn nach § 195 BGB ist regelmäßig auf die erste Tathandlung des Mieters und

die Kenntnis des Vermieters abzustellen425, wobei für die Unterlassung gem. § 199 Abs. 5 BGB auf die (erste) Zuwiderhandlung abzustellen ist. Strittig ist, ob die Verjährungsfrist – die Kenntnis des Vermieters unterstellt – auch dann mit der erstmaligen Zuwiderhandlung zu laufen beginnt, wenn ein sog. Dauerverstoß vorliegt426. Nach einer Auffassung soll bei vertraglich begründeten Unterlassungsansprüchen die Verjährung ohne Ausnahme mit der erstmaligen Beeinträchtigung zu verjähren beginnen, auch wenn weitere Beeinträchtigungen folgen427. Dem wird entgegengehalten, dass Dauerverpflichtungen des Vermieters oder Mieters, die sich nicht in einer einmaligen Handlung erschöpfen, bereits grundsätzlich nicht der Verjährung unterliegen428. Dies bedeutet z.B. für den Anspruch auf Beseitigung einer Parabolantenne, dass auf die Installation und die Kenntnis davon abzustellen und keine Dauerverletzung anzunehmen ist429. Bei der Nutzung einer Gewerbeeinheit als Wohnung liegt dagegen eine Dauerverletzung vor430. 206c Ist danach Verjährung eingetreten, kann der Vermieter gegen den Mieter immer noch auf Duldung

des Zutritts zum Zwecke der Entfernung klagen431. Denn der vom Mieter bleibt auch nach Eintritt der Verjährung rechtswidrig432.

C. Gewerberaummiete 207 § 541 BGB macht schon durch seine Stellung in den allgemeinen mietrechtlichen Regelungen deutlich,

dass er auch in der Gewerberaummiete gilt.

420 421 422 423 424 425 426 427 428 429 430 431 432

AG Münster v. 28.7.2015 – 8 C 488/14, WuM 2015, 720 = ZMR 2016, 637. LG Hamburg v. 7.5.2016 – 333 S 11/15, MietRB 2016, 98 = ZMR 2016, 782. AG Hamburg-Blankenese v. 4.7.2007 – 508 C 68/07, ZMR 2007, 705. AG Hamburg-Altona v. 20.1.2009 – 316 C 275/08, zitiert nach juris; Palandt/Weidenkaff, § 541 BGB Rz. 4; MünchKomm/Bieber, § 541 BGB Rz. 17. Schmidt-Futterer/Langenberg, § 548 BGB Rz. 2; MünchKomm/Bieber, § 548 BGB Rz. 28. Schmidt-Futterer/Streyl, § 548 Rz. 64; Staudinger/Peters/Jacoby, § 199 Rz. 108. Vgl. auch Schmidt-Futterer/Streyl, § 548 Rz. 64. LG Halle v. 3.3.2014 – 3 S 21/13, ZMR 2014, 644 (645); Staudinger/Peters/Jacoby, § 199 BGB Rz. 108; Erman/ Schmidt-Räntsch, § 199 BGB Rz. 5. Bub/Treier/Gramlich, Kap. VI Rz. 170. LG Halle v. 3.3.2014 – 3 S 21/13, ZMR 2014, 644. OLG Celle v. 5.1.2018 – 2 U 84/17, MDR 2018, 334 =GE 2018, 639. LG Halle v. 3.3.2014 – 3 S 21/13, ZMR 2014, 644; LG Hamburg v. ZMR 2011, 583. BGH v. 28.1.2011 – V ZR 147/10, MDR 2011, 416 = NJW 2011, 1069 = DWW 2011, 187.

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C. Gewerberaummiete | Rz. 209 § 541

I. Vertragswidrige Nutzung In der Gewerberaummiete liegt regelmäßig vertragswidriger Gebrauch vor, wenn die Tätigkeit in den 208 Mieträumen von dem beschriebenen Vertragszweck abweicht433. Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein. In erster Linie kommt es darauf an, ob der Charakter der vertraglichen Nutzung verändert wird und Störungen des Vermieters (z.B. aus dem Gesichtspunkt des Konkurrenzschutzes, § 535 BGB Rz. 1070) oder anderer Mieter (z.B. verstärkter Publikumsverkehr, Lärmbeeinträchtigung) eintreten können. 209 Deshalb ist es vertragswidrig434, – eine Kleintierpraxis anstelle einer Zahnarztpraxis zu betreiben435, – in einer „Praxis für Psychiatrie und Psychotherapie“ schwerpunktmäßig eine Drogenersatztherapie durchzuführen436, – ein Café (Tageslokal) in ein Nachtcafé mit Tanzgelegenheit437 umzuwandeln, – einen Laden in eine Gaststätte oder einen Stehimbiss438 umzuwandeln, – eine Eisdiele in ein Bierlokal439 umzuwandeln, – eine Metzgerei in einen Imbissbetrieb oder ein Bekleidungsgeschäft440 umzuwandeln, – Büroräume zur Unterbringung von Asylbewerbern zu nutzen441, – eine Sortimentserweiterung herbeizuführen (z.B. Schneiderei, die Betrieb auf industrielle Fertigung von Konfektionsware umstellt442), – Theaterveranstaltungen in einer als „Konzeptions- und Design-Center“ gemieteten Halle durchzuführen443, – einen „Laden“ als – Teestube mit Spielsalon444, – Salatrestaurant ohne Alkoholausschank445, – Gaststätte446, – Sportvereinskantine447, – Sexshop oder Sexkino448, – Kindertagesstätte bzw. Schülerladen449, – Spielsalon450

433 BGH v. 28.11.1984 – VIII ZR 186/83, MDR 1985, 665 = NJW 1985, 2527 (Umwandlung einer Kfz-Werkstatt in einen Supermarkt). 434 Zur vertragsgemäßen, aber vom Wortlaut der Vertragsbestimmung abweichenden Nutzungen vgl. § 535 BGB Rz. 1045 f. 435 OLG Köln v. 12.4.1996 – 20 U 166/95, WuM 1997, 620 = ZMR 1997, 298. 436 LG Bonn v. 12.4.2010 – 9 O 440/09, ZMR 2010, 689; a.A. OLG Köln v. 12.11.2010 – 1 U 26/10, MietRB 2011, 8 = NJW 2011, 317 = NZM 2011, 76. 437 BGH v. 8.10.1957 – VIII ZR 47/56, NJW 1957, 1833. 438 OLG Düsseldorf v. 21.12.1992 – 3 Wx 464/92, MDR 1993, 236 = NJW-RR 1993, 587. 439 OLG München v. 25.2.1992 – 25 U 3550/91, WuM 1992, 326. 440 LG Nürnberg-Fürth v. 18.7.1990 – 7 O 2439/90, WuM 1991, 344. 441 OLG Düsseldorf v. 14.2.1991 – 10 U 171/90, MDR 1991, 542 = ZMR 1991, 176. 442 BGH v. 8.10.1957 – VIII ZR 47/56, NJW 1957, 1833. 443 OLG Düsseldorf v. 21.12.1995 – 10 U 142/94, WuM 1996, 410. 444 BayObLG v. 15.2.1984 – 2 Z 113/83, WuM 1985, 235. 445 KG v. 6.3.1985 – 24 W 3538/84, MDR 1985, 675 = WuM 1985, 236. 446 BayObLG v. 21.2.1985 – BReg 2 Z 101/84, WuM 1985, 238. 447 KG v. 21.5.1986 – 24 W 1511/86, WuM 1986, 287. 448 BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, MDR 1984, 571 = ZMR 1984, 275. 449 KG v. 15.4.1992 – 24 W 3386/91, NJW-RR 1992, 1102. 450 Pfälzisches OLG v. 9.1.1987 – 3 W 198/86, MDR 1987, 410 = NJW-RR 1987, 464.

Lützenkirchen | 707

§ 541 Rz. 209 | Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch – zu nutzen. Das Gleiche gilt bei der Nutzung von „zu beliebigen geschäftlichen Zwecken“ überlassenen Räumen als Bordell451. Der Betrieb von „zur Nutzung für jeden behördlich zulässigen Zweck“ überlassenen Räumen als Wellnessbetrieb452 ist dagegen zulässig.

II. Durchführung des Gebrauchs 210 Bei der Durchführung des Gebrauchs hat der Mieter die bestehenden rechtlichen Bestimmungen zu

beachten. Diese können sich unmittelbar aus dem Mietvertrag, dem Gesetz oder der Betriebserlaubnis ergeben. 211 Der Vermieter kann sich jedoch nur auf Rechte und Pflichten berufen, in deren Schutzbereich er der-

art einbezogen ist, dass er oder Dritte, die seinem Schutz unterliegen (z.B. andere Mieter) umfasst werden. Demnach scheidet z.B. die Verletzung arbeitsschutzrechtlicher Bestimmungen durch den Mieter aus, wenn dadurch lediglich dessen Arbeitnehmer tangiert werden. Einschlägig sind insoweit bei 212

– Gaststätten: z.B. die SperrzeitVOen der Länder, die zumindest auch die Mitmieter vor nächtlichen Lärmbelästigungen schützen sollen; NichtraucherschutzG453, – Gewerbe, die mit gefährlichen Stoffen umgehen: z.B. die GefStoffVO, TA Luft oder BBodSchG, – Lärm-emittierenden Gewerben: z.B. TA Lärm nach BImSchG, LärmschutzVO, DIN 4109 oder DIN 18005, – Lagerung und Vorratshaltung: bautechnische Bestimmungen zur Tragfähigkeit und zu raumklimatischen Verhältnissen (z.B. DIN 4108, s. auch § 535 BGB Rz. 370.

213 Auf vertraglicher Grundlage kommen insbesondere die Nebenpflichten des Mieters als Ausgangs-

punkt für eine Inanspruchnahme nach § 541 BGB in Betracht. Dafür gelten die unter § 541 BGB Rz. 85 ff. dargestellten Beispiele entsprechend. 214 Speziell bei Gewerbe können noch folgende Phänomene als vertragswidriges Verhalten oder ver-

tragswidriger Zustand auftreten: 215

– – – –

Betriebspflicht, siehe § 535 BGB Rz. 1103 ff.; Be- und Entladen, siehe § 541 BGB Rz. 125; Nutzungsänderung, siehe § 535 BGB Rz. 740; Sichtschutzfolie am Fenster kann in einer Arztpraxis aus Diskretionsgründen angebracht werden, selbst wenn der Name des Praxisbetreibers darauf angegeben ist; – Werbung, siehe § 535 BGB Rz. 1052.

§ 542 Ende des Mietverhältnisses (1) Ist die Mietzeit nicht bestimmt, so kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis nach den gesetzlichen Vorschriften kündigen. (2) Ein Mietverhältnis, das auf bestimmte Zeit eingegangen ist, endet mit dem Ablauf dieser Zeit, sofern es nicht 1. in den gesetzlich zugelassenen Fällen außerordentlich gekündigt oder 2. verlängert wird.

451 KG v. 6.5.1987 – 24 W 5641/86, MDR 1987, 937 = NJW-RR 1987, 1160. 452 KG v. 20.5.2009 – 8 U 38/09, GuT 2009, 305. 453 Vgl. dazu BGH v. 13.7.2011 – XII ZR 189/09, MDR 2011, 1092 = MietRB 2011, 313 = ZMR 2011, 943.

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§ 541 Rz. 209 | Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch – zu nutzen. Das Gleiche gilt bei der Nutzung von „zu beliebigen geschäftlichen Zwecken“ überlassenen Räumen als Bordell451. Der Betrieb von „zur Nutzung für jeden behördlich zulässigen Zweck“ überlassenen Räumen als Wellnessbetrieb452 ist dagegen zulässig.

II. Durchführung des Gebrauchs 210 Bei der Durchführung des Gebrauchs hat der Mieter die bestehenden rechtlichen Bestimmungen zu

beachten. Diese können sich unmittelbar aus dem Mietvertrag, dem Gesetz oder der Betriebserlaubnis ergeben. 211 Der Vermieter kann sich jedoch nur auf Rechte und Pflichten berufen, in deren Schutzbereich er der-

art einbezogen ist, dass er oder Dritte, die seinem Schutz unterliegen (z.B. andere Mieter) umfasst werden. Demnach scheidet z.B. die Verletzung arbeitsschutzrechtlicher Bestimmungen durch den Mieter aus, wenn dadurch lediglich dessen Arbeitnehmer tangiert werden. Einschlägig sind insoweit bei 212

– Gaststätten: z.B. die SperrzeitVOen der Länder, die zumindest auch die Mitmieter vor nächtlichen Lärmbelästigungen schützen sollen; NichtraucherschutzG453, – Gewerbe, die mit gefährlichen Stoffen umgehen: z.B. die GefStoffVO, TA Luft oder BBodSchG, – Lärm-emittierenden Gewerben: z.B. TA Lärm nach BImSchG, LärmschutzVO, DIN 4109 oder DIN 18005, – Lagerung und Vorratshaltung: bautechnische Bestimmungen zur Tragfähigkeit und zu raumklimatischen Verhältnissen (z.B. DIN 4108, s. auch § 535 BGB Rz. 370.

213 Auf vertraglicher Grundlage kommen insbesondere die Nebenpflichten des Mieters als Ausgangs-

punkt für eine Inanspruchnahme nach § 541 BGB in Betracht. Dafür gelten die unter § 541 BGB Rz. 85 ff. dargestellten Beispiele entsprechend. 214 Speziell bei Gewerbe können noch folgende Phänomene als vertragswidriges Verhalten oder ver-

tragswidriger Zustand auftreten: 215

– – – –

Betriebspflicht, siehe § 535 BGB Rz. 1103 ff.; Be- und Entladen, siehe § 541 BGB Rz. 125; Nutzungsänderung, siehe § 535 BGB Rz. 740; Sichtschutzfolie am Fenster kann in einer Arztpraxis aus Diskretionsgründen angebracht werden, selbst wenn der Name des Praxisbetreibers darauf angegeben ist; – Werbung, siehe § 535 BGB Rz. 1052.

§ 542 Ende des Mietverhältnisses (1) Ist die Mietzeit nicht bestimmt, so kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis nach den gesetzlichen Vorschriften kündigen. (2) Ein Mietverhältnis, das auf bestimmte Zeit eingegangen ist, endet mit dem Ablauf dieser Zeit, sofern es nicht 1. in den gesetzlich zugelassenen Fällen außerordentlich gekündigt oder 2. verlängert wird.

451 KG v. 6.5.1987 – 24 W 5641/86, MDR 1987, 937 = NJW-RR 1987, 1160. 452 KG v. 20.5.2009 – 8 U 38/09, GuT 2009, 305. 453 Vgl. dazu BGH v. 13.7.2011 – XII ZR 189/09, MDR 2011, 1092 = MietRB 2011, 313 = ZMR 2011, 943.

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Ende des Mietverhältnisses | § 542 A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . 2. Anwendbare Rechtsprechung . . . . . . . . . . . III. Sinn und Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . IV. Abweichende Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . 1. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Mietverträge auf unbestimmte Zeit, § 542 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Mietverträge auf bestimmte Zeit, § 542 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entstehung eines Endtermins . . . . . . . . . . . 2. Auflösend bedingter Mietvertrag . . . . . . . . 3. Folgen eines vereinbarten Endtermins . . . . 4. Verlängerung der Mietzeit . . . . . . . . . . . . . . a) Verlängerung durch Vereinbarung . . . . b) Verlängerung durch Option . . . . . . . . . c) Konkurrenz von Kündigungs-/Widerspruchsrecht und Optionsklausel . . . . . III. Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kündigungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ordentliche Kündigung . . . . . . . . . . . . b) Außerordentliche fristgebundene Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund . . . . . . . . . . . . . . 3. Allgemeine Anforderungen an die Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kündigungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Handeln in fremdem Namen . . . . bb) Vollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) § 174 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Handeln aufgrund Prozessvollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Vollmachtloses Handeln . . . . . . . . ff) Handeln des Erwerbers . . . . . . . . . 5. Kündigungsadressat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Form und Begründung der Kündigung . . . 7. Zugang der Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Kündigungsfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Teilkündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Widerruf oder Rücknahme der Kündigung 11. Wiederholte Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . 12. Rechtsmissbräuchliches Verhalten im Zusammenhang mit der Kündigung . . . . . 13. Pflicht zum Ausspruch der Kündigung . . . 14. Schadensersatzanspruch des Mieters . . . . . a) Wegen unberechtigter Kündigung des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wiedereinräumung des Besitzes . . bb) Sonstiger Schaden . . . . . . . . . . . . .

1 1 4 4 6 7 8 8 9a 9b 10 10 12 12a 19 22 24 25 31 32 34 34 36 38 40 43 45 49 49 52 52 54 57 64 65a 66 72 75 78 87 90 95 96 99 102 104 104 106 109 111 111 113

cc) Mitverschulden . . . . . . . . . . . . . . . 115 dd) Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116a ee) Ausschluss des Anspruchs durch Vereinbarung über den Auszug . . 116b ff) Darlegungs- und Beweislast . . . . . 116c 15. Schadensersatzanspruch des Vermieters . . 117 a) Kosten der Kündigung . . . . . . . . . . . . . 119 b) Kündigungsfolgeschaden . . . . . . . . . . . 123 aa) Mietausfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 (1) Mitverschulden . . . . . . . . . . . . . . . 128 (2) Untervermietung . . . . . . . . . . . . . . 132 bb) Sonstige Schadenspositionen . . . . 135 cc) Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 IV. Aufhebungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 2. Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 V. Andere Formen der Beendigung . . . . . . . . . . 150 1. Rücktritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 2. Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 a) Grundsätzliche Zulässigkeit . . . . . . . . . 153 b) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 aa) Nutzungsentschädigung inklusive Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 bb) Nutzungsentschädigung inklusive verbrauchsabhängiger Nebenkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 cc) Herausgabe des Gewinns aus der Untervermietung? . . . . . . . . . . 160 3. Konfusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 VI. Ende der Mietzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162a VII. Umdeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 1. Umdeutung unwirksamer fristloser in ordentliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . 164 2. Umdeutung einer fristgemäßen Kündigung in eine außerordentliche Kündigung . . . . . 167 3. Umdeutung fristgemäßer Kündigung zu unrichtigem Beendigungstermin in Kündigung zum zulässigen Termin . . . . . . 168 4. Umdeutung unwirksamer Kündigung in Angebot zur Vertragsaufhebung . . . . . . . . 169 5. Umdeutung beiderseitiger Kündigungen in Aufhebungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . 171 6. Umdeutung einer unwirksamen Kündigung in eine Abmahnung . . . . . . . . . . . . . . 171a C. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 I. § 542 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 1. Vollmachtsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 2. Schriftform der Kündigung? . . . . . . . . . . . . 175 3. Besondere Anforderungen an die Form der Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 4. Zugang der Kündigung per Telefax . . . . . . 181 5. Zugang per E-Mail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185a II. § 542 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 1. Kündigung des Insolvenzverwalters, § 109 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 2. Kündigung des Erwerbers aus der Insolvenz, § 111 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 3. Kettenmietverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 III. Teilweise Anwendbarkeit von Wohnraummietrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198

Lützenkirchen | 709

§ 542 Rz. 1 | Ende des Mietverhältnisses

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt 1 Die Vorschrift regelt das System der Beendigung. Dazu zeigt sie in Abs. 1 auf, dass ein Mietvertrag

auf unbestimmte Zeit in jeder Art, die das Gesetz zulässt, beendet werden kann. Aus Abs. 2 wird deutlich, dass Mietverträge auf bestimmte Zeit nur außerordentlich gekündigt werden können und im Übrigen mit Zeitablauf enden, wenn sie nicht verlängert werden. 2 Damit verdeutlicht die Norm aber auch schon den Unterschied zwischen den Kündigungsarten, die

das Gesetz vorhält. Bei der Kündigung wird nach ordentlicher und außerordentlicher Kündigung unterschieden, wobei man bei der außerordentlichen Kündigung zwischen der fristlosen aus wichtigem Grund (§§ 543, 659 BGB) und der mit gesetzlicher Frist (§ 573d BGB) unterscheidet. 3 Daneben können diese Mietverträge selbstverständlich z.B. durch formfreien Aufhebungsvertrag, Be-

dingungseintritt (§ 158 Abs. 2 BGB) oder vertraglich vereinbartes Rücktrittsrecht (§ 346 BGB) beendet werden. Dabei sind aber die besonderen Vorschriften für die Wohnraummiete nach § 572 Abs. 2 BGB (auflösende Bedingung) und § 572 Abs. 1 BGB (vertragliches Rücktrittsrecht) zu beachten.

II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich 4 Der Geltungsbereich der Norm erfasst unmittelbar alle Mietverhältnisse und über § 581 Abs. 2 BGB

auch Pachtverhältnisse; für die Landpacht ist § 594 BGB maßgebend. 5 Da eine Übergangsregelung fehlt, gilt die Norm auch für Altverträge. Bei den Kündigungen selbst ist

aber Art. 229 § 3 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB zu beachten. Danach ist für die Unterscheidung der formellen und materiellen Voraussetzungen auf den Zugang der Kündigung abzustellen. 2. Anwendbare Rechtsprechung 6 Das System der Beendigung und Kündigungen hat sich durch die Mietrechtsreform 2001 nicht geän-

dert. Allein die formellen Anforderungen des § 564 BGB (Fortsetzung des Mietverhältnisses mit dem Erben) weichen wesentlich von der Vorgängernorm (§ 569c BGB a.F.) ab. Die Systematik des § 564 BGB a.F. ist in ihren Grundsätzen erhalten geblieben. Deshalb ist die Rechtsprechung aus der Zeit vor dem 1.9.2001, die die Systematik der Beendigung, insbesondere der Kündigungen betrifft, uneingeschränkt anwendbar.

III. Sinn und Zweck der Vorschrift 7 Die Vorschrift soll das System der Beendigung von Mietverträgen festigen und klarstellen, welcher

Vertrag wie beendet werden kann. Sie dient damit einerseits dem Verständnis der nachfolgenden Kündigungsregelungen1 und andererseits der Betonung des Unterschiedes zwischen ordentlicher und außerordentlicher Kündigung. Schließlich wird durch § 542 Abs. 2 BGB aber auch die Privatautonomie hervorgehoben, indem die einvernehmliche Verlängerung angesprochen wird.

IV. Abweichende Vereinbarungen 1. Wohnraummiete 8 In der Wohnraummiete sind Vertragsregelungen, die das durch § 542 BGB aufgestellte System der

Beendigung verändern, grundsätzlich unwirksam, und zwar unabhängig davon, ob sie durch indivi-

1 Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 3.

710 | Lützenkirchen

A. Allgemeines | Rz. 9a § 542

duelle Vereinbarung oder durch eine Formularklausel getroffen werden. Denn durch die §§ 575 Abs. 1 S. 2, 575 Abs. 4, 550 BGB kommt gerade zum Ausdruck, dass der Grundtypus für die Wohnraummiete in dem Mietvertrag auf unbestimmte Zeit besteht. Im Hinblick darauf sind befristete Mietverträge, die den Anforderungen des § 575 Abs. 1 oder § 550 BGB nicht standhalten, nicht als solche unwirksam. Vielmehr erstreckt sich die Wirkung eines Verstoßes allein auf die Mietzeit. Zulässig sind dagegen Vertragsabreden, die in dem durch §§ 569 Abs. 5, 573–577a BGB durch die halb- 9 zwingenden Normen vorgegebenen Rahmen die Abwicklung des Systems betreffen, ohne das System zum Nachteil des Mieters zu ändern. In Betracht kommen insbesondere Kündigungsbeschränkungen. Ein Beispiel ist der (wechselseitige) Kündigungsverzicht (vgl. § 575 BGB Rz. 11 ff.). Damit wird ein Mietvertrag auf unbestimmte Zeit, der nach § 542 Abs. 1 BGB eigentlich jederzeit kündbar ist, für die Dauer seiner Geltung unkündbar gestellt. Dadurch entsteht eine Mindestlaufzeit, die im System des § 542 Abs. 1 BGB so nicht vorgesehen ist. Bei der Prüfung der Wirksamkeit von Kündigungsbeschränkungen ist grundsätzlich nicht zwischen Individual- und Formularvereinbarungen zu differenzieren. Denn die halbzwingenden Normen (z.B §§ 569 Abs. 5, 573 Abs. 4, 573c Abs. 4, 575 Abs. 4 BGB) erfassen beide Arten von Abreden. Bei Verträgen nach §§ 542 Abs. 2, 575 BGB ist in der Regel ist auch die Schriftform des § 550 BGB zu beachten, da die Beschränkung zu einer Dauer des Mietvertrages von mehr als einem Jahr führt2. Ist eine Klausel danach unwirksam, die für den Vertragspartner des Verwenders günstiger als die gesetzliche Regelung ist, muss er (der Verwender) sich dennoch daran festhalten lassen3. Als Kündigungsbeschränkung kommen in Betracht: – einseitiger oder wechselseitiger Kündigungsverzicht auf Dauer (§ 575 BGB Rz. 11), – ein partieller Kündigungsverzicht (z.B. Verzicht auf Eigenbedarf4), – Erschwerung der Kündigungsgründe (z.B. besonders wichtiges Interesse5), – (partieller) Kündigungsverzicht aus einem Vertrag mit einem Dritten i.S.v. § 328 BGB6, – Zustimmungsvorbehalt eines Dritten (z.B. des Darlehensgebers bei öffentlich geförderter Wohnung7). 2. Gewerberaummiete Die Gewerberaummiete steht nicht unter dem Vorbehalt der halbzwingenden Normen. Dennoch kann 9a das System des § 542 BGB auch hier nicht ohne Weiteres durch den Mietvertrag abgeändert werden. Dies ergibt sich i.d.R. daraus, dass bestimmte, das System markierende Vorschriften aus ihrer Natur heraus nicht abdingbar sind (z.B. §§ 5438, 5449 BGB). Deshalb können in einem Gewerberaummietvertrag nur Bestimmungen geregelt werden, die innerhalb des durch § 542 BGB vorgegebenen Systems Tatbestände schaffen, die im Gesetz nicht vorgesehene Möglichkeiten zur einseitigen Beendigung (z.B. Sonderkündigungsrechte) schaffen oder die Konturen bestehender Kündigungstatbestände schärfen.

2 BGH v. 4.4.2007 – VIII ZR 223/06, MDR 2007, 943 = MietRB 2007, 166 = WuM 2007, 272. 3 BGH v. 8.7.1998 – XII ZR 64/96, NZM 1998, 718; BGH v. 25.3.1987 – VIII ZR 71/86, MDR 1987, 838 = WuM 1987, 259 = ZMR 1987, 292; OLG Celle v. 21.11.2013 – 2 U 179/13, MDR 2014, 143; dazu Häublein, jurisPRMietR 3/2014 Anm. 1. 4 BGH v. 4.4.2007 – VIII ZR 223/06, MDR 2007, 943 = MietRB 2007, 166 = WuM 2007, 272. 5 BGH v. 16.10.2013 – VIII ZR 57/13, MDR 2013, 1391 = MietRB 2013, 349 = WuM 2013, 739 = GE 2013, 1584; BGH v. 9.5.2012 – VIII ZR 327/11, MDR 2012, 753 = MietRB 2012, 223 = GE 2012, 889 (Rz. 23 f.) m.w.N. 6 BGH v. 14.11.2018 – VIII ZR 109/18, MDR 2019, 154 = MietRB 2019, 1 = WuM 2019, 19 = GE 2018, 1592; LG Berlin v. 14.1.2020 – 67 T 138/19, MietRB 2020, 75 (Sommer) = WuM 2020, 77; AG Charlottenburg v. 10.9.2018 – 211 C 85/18, GE 2018, 1285. 7 LG Berlin v. 9.3.2018 – 63 S 67/16, GE 2018, 998. 8 BGH v. 5.6.1992 – LwZR 11/91, MDR 1992, 770 = NJW 1992, 2628. 9 Schmidt-Futterer/Lammel, § 544 BGB Rz. 1.

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§ 542 Rz. 9b | Ende des Mietverhältnisses

V. Prozessuales 9b Die wirksame Kündigung führt zur Beendigung des Mietvertrages und lost den Rückgabeanspruch

nach § 546 BGB aus. Diesen setzt der Vermieter mit der Räumungs- und Zahlungsklage § 546 BGB Rz. 9 ff.) um. Soll festgestellt werden, dass die Kündigung unwirksam ist, kann keine Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung begehrt werden. Vielmehr ist eine Feststellungsklage zu erheben, mit der das Fortbestehen des Mietvertrages festgestellt werden soll10. Die Umdeutung eines fehlerhaften Antrages ist aber i.d.R. zulässig11.

B. Wohnraummiete I. Mietverträge auf unbestimmte Zeit, § 542 Abs. 1 BGB 10 Der Mietvertrag auf unbestimmte Zeit entspricht für die Wohnraummiete dem gesetzlichen Leitbild.

Dies erschließt sich auch aus § 575 Abs. 1 S. 2 BGB. Denn scheitert ein Mietvertrag, der befristet werden soll, am Vorliegen des Befristungsgrundes, führt dies nicht zur Unwirksamkeit, sondern es entsteht ein Mietvertrag auf unbestimmte Zeit, § 575 Abs. 1 S. 2 BGB. 11 Grundsätzlich müssen die Parteien nicht besonders regeln, dass sie einen jederzeit kündbaren Miet-

vertrag schließen wollen. Denn der Mietvertrag auf unbestimmte Zeit entsteht schon dann, wenn die Parteien keine Mietzeit geregelt haben. Dann ist nämlich im Hinblick auf das gesetzliche Leitbild im Zweifel davon auszugehen, dass der Mietvertrag auf unbestimmte Zeit laufen soll. In dieses System passt sich der Mietvertrag auf Lebenszeit i.S.v. § 544 S. 2 BGB – bei richtigem Verständnis (§ 544 BGB Rz. 50) – zwanglos ein. Erst recht entsteht ein unbefristeter Mietvertrag dadurch, dass die Parteien ausdrücklich regeln, dass der Vertrag auf unbestimmte Zeit laufen soll, oder eine ähnlich formulierte, entsprechend auszulegende Formulierung verwenden. 11a Ein unbefristetes Mietverhältnis liegt auch dann vor, wenn – kumulativ – nicht nur ungewiss ist, wann

ein Ereignis eintreten wird, das nach dem Mietvertrag zu dessen Beendigung führen soll, sondern außerdem ungewiss ist, ob dieses Ereignis überhaupt jemals eintreten wird12. Demgegenüber ist ein Mietverhältnis auf bestimmte Zeit anzunehmen, wenn es nach den vertraglichen Vereinbarungen nach Ablauf einer bestimmten Zeit ohne weitere Erklärung enden soll13. Hierzu muss die Dauer der Mietzeit im Vertrag genau bestimmt oder aufgrund des Vertragsinhalts hinreichend bestimmbar sein, sodass es keiner Kündigung oder sonstiger Erklärungen der Parteien bedarf, um das Mietverhältnis zu beenden14. 11b Schließlich kann ein solcher Mietvertrag durch eine widersprüchliche Regelung entstehen, da im

Zweifel nach § 550 BGB von einem unbefristeten Mietvertrag auszugehen ist15.

II. Mietverträge auf bestimmte Zeit, § 542 Abs. 2 BGB 12 In den durch § 575 BGB gezogenen Grenzen kann auch in der Wohnraummiete ein befristetes Mietver-

hältnis entstehen. Voraussetzung ist, das die Schriftform eingehalten ist. Denn für den Fall, dass das nicht gelungen ist, ordnet § 550 BGB gerade an, dass der wirksam geschlossene Mietvertrag auf unbestimmte Zeit und damit ein Mietvertrag i.S.d. § 542 Abs. 1 BGB besteht. 1. Entstehung eines Endtermins 12a Die Vereinbarung des Endtermins kann im Mietvertrag selbst oder in einer Zusatz-, Abänderungs-

oder Aufhebungsvereinbarung erfolgen, und zwar dergestalt, dass ein kalendermäßig exakt bestimm10 11 12 13 14 15

BGH v. 29.9.1999 – XII ZR 313/98, MDR 2000, 79 = ZMR 2000, 76. Leo, NZM 2010, 89 (90). BGH v. 1.4.2009 – XII ZR 95/07, MDR 2009, 795 = NZM 2009, 433. Palandt/Weidenkaff, § 542 BGB Rz. 9; Schmidt-Futterer/Blank, § 542 BGB Rz. 162. Staudinger/Rolfs, § 542 BGB Rz. 136. OLG Rostock v. 21.8.2000 – 3 U 135/99, MDR 2001, 208 = ZMR 2001, 27 = NZM 2001, 426.

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B. Wohnraummiete | Rz. 18 § 542

ter oder bestimmbarer Endtermin (z.B. 31.12. oder Sonntag nach Pfingsten jeweils eines bestimmten Jahres) oder dass eine sich an den Mietbeginn anschließende genau bemessene Mietzeit (z.B. ein Jahr nach Übergabe) festgelegt wird16. Die Begrenzung der Mietzeit kann sich auch aus dem Vertragszweck ergeben (z.B. Zimmermiete für 13 die Dauer einer Messe oder einer Tagung; Anmietung eines Erntegerätes für die Dauer der Ernte). Die Verknüpfung mit der Lebenszeit einer Vertragspartei nach § 544 BGB begründet aber keine Befristung (§ 544 BGB Rz. 43 f.)17. Ist in einem schriftlichen Mietvertrag, der hinsichtlich der Mietzeit keine ausdrückliche Regelung ent- 14 hält, formuliert, dass die Miete für einen bestimmten Zeitraum (z.B.: drei Jahre) „verbindlich bleiben“ soll, führt dies nicht ohne weiteres zur Unkündbarkeit des Mietvertrages für die Dauer des genannten Zeitraums18. Denn zunächst ist damit nur die Miete für einen bestimmten Zeitraum festgeschrieben. Ob dadurch auch die Mietzeit festgelegt werden sollte, kann i.d.R. nur bejaht werden, wenn sich aufgrund besonderer Umstände im Wege der Auslegung zeigt, dass die Parteien eine Verknüpfung zwischen den beiden selbständigen Elementen eines Mietvertrages herstellen wollten. Das Gleiche gilt für die Nutzung von Räumen als Mitglied einer Genossenschaft. Sehen weder der Mietvertrag noch die Satzung eine bestimmte Mietzeit oder sogar den Ausschluss der ordentlichen Kündigung vor, liegt ein Fall des § 542 Abs. 1 BGB vor. Solange nicht anzunehmen ist, dass die Vereinbarung der Mietzeit konstitutiv für die Einigung sein 15 soll, kann sie mündlich, schlüssig oder schriftlich geregelt werden (vgl. § 535 BGB Rz. 20 ff.). Soll die Mietzeit aber mehr als ein Jahr betragen, ist der Vertrag nach einem Jahr kündbar, wenn die Schriftform nicht eingehalten ist, § 550 BGB. Haben die Parteien die Laufzeit des Vertrags nicht begrenzt, aber die ordentliche Kündigung für eine 16 bestimmte Zeit ausgeschlossen, liegt ein Mietvertrag auf unbestimmte Zeit verbunden mit einer Mindestmietzeit vor (häufig bei der Gewährung von Baukostenzuschüssen19): Das Gleiche gilt bei einem sog. Kündigungsverzicht, der zu einer Mindestlaufzeit im Rahmen eines auf unbestimmte Zeit geschlossenen Mietvertrages führt (vgl. § 575 Rz. 11 ff.). Für die Dauer der Mietzeit bestehen grundsätzlich keine Höchstgrenzen. Denn § 544 S. 1 BGB macht 17 deutlich, dass der über 30 Jahre hinauslaufende Vertrag gekündigt werden kann. Das Gleiche gilt im Fall des § 557a Abs. 3 BGB; hier kann nach vier Jahren gekündigt werden. Da § 309 Nr. 9 BGB nicht unmittelbar anwendbar ist, können sich Grenzen nur aus § 307 BGB ergeben20, sofern die ungewöhnlich lange Dauer der Mietzeit nicht überraschend ist, § 305c Abs. 2 BGB. Insoweit gibt § 309 Nr. 9 BGB aber keine allgemeine Grenze (von zwei Jahren) als gesetzliches Leitbild für Dauerschuldverhältnisse vor. Dies erschließt sich schon aus § 557a Abs. 3 BGB. Deshalb sind mittelfristige Bindungen des Mieters zwischen fünf und acht Jahren auch unter dem Gesichtspunkt der Mobilität, der insbesondere die asymmetrischen Kündigungsfristen des § 573c BGB beeinflusst hat, nicht zu beanstanden. Im Zweifel sind im Rahmen der Abwägung nach § 307 BGB insoweit auch Vorteile, die dem Mieter gewährt wurden (z.B. Staffelmiete), zu berücksichtigen21. Das Gleiche gilt für die formularvertragliche Laufzeitfestlegung in Mietverträgen über Funkstandorte22. Problematisch können Befristungen sein, wenn sie für die Parteien eine unterschiedliche zeitliche Bin- 18 dung herbeiführen. Ein Unterschied kann sich z.B. daraus ergeben, dass einer Partei ein Sonderkündigungsrecht eingeräumt wurde oder für Kündigungsverzichte unterschiedliche Laufzeiten geregelt sind. Die am Gerechtigkeitsgedanken ausgerichteten wesentlichen Grundsätze des gesetzlichen Mietrechts

16 BGH v. 2.11.2005 – XII ZR 212/03, MietRB 2006, 97 = MDR 2006, 561 = ZMR 2006, 115 = NZM 2006, 54; BGH v. 2.5.2007 – XII ZR 178/04, MietRB 2007, 223 = MDR 2007, 1063 = ZMR 2007, 611 = NZM 2007, 443. 17 A.A. BayObLG v. 2.7.1993 – REMiet 5/92, MDR 1993, 972 = ZMR 1993, 462. 18 BGH v. 28.1.1976 – VIII ZR 263/74, NJW 1976, 1351 = MDR 1976, 662. 19 LG Stuttgart v. 4.10.1960 – 3 S 214/59, ZMR 1967, 113. 20 Vgl. dazu Hannemann, NZM 1999, 585 (589). 21 BGH v. 12.11.2008 – VIII ZR 270/07, MietRB 2009, 126 = MDR 2009, 135 = WuM 2009, 45 = GE 2009, 45 = NZM 2009, 80 = ZMR 2009, 189. 22 BGH v. 24.2.2016 – XII ZR 5/15, MietRB 2016, 129 = MDR 2016, 578 = GE 2016, 455 = NZM 2016, 356; Jendrek, NZM 2005, 241 f.

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§ 542 Rz. 18 | Ende des Mietverhältnisses fordern grundsätzlich keine unterschiedslos gleich lange Bindung beider Vertragspartner an das Mietverhältnis23 (§ 575 BGB Rz. 150). Deshalb kann sich eine Unwirksamkeit nur aus § 307 BGB ergeben, wenn die längere Bindung im Gesamtgefüge des Vertrages sich als weitere Benachteiligung erweist, die auch unter Berücksichtigung von Treu und Glauben als unangemessen anzusehen ist. Dabei ist aber auch zu berücksichtigen, ob und ggf. inwieweit dem Benachteiligten Vorteile gewährt wurden. Diese können z.B. darin bestehen, dass ihm für den Fall der Ausübung des Sonderkündigungsrechts eine angemessene Entschädigung versprochen wird24. 2. Auflösend bedingter Mietvertrag 19 Die Mietzeit kann auch von dem Eintritt eines bestimmten Ereignisses abhängig gemacht werden. Ist

der Eintritt des Ereignisses ungewiss, handelt es sich um ein Mietverhältnis unter auflösender Bedingung, das zugunsten des Mieters unter der Einschränkung des § 572 Abs. 2 BGB steht (vgl. § 572 BGB Rz. 15 ff.). 20 Die Frage, ob ein unter einer auflösenden Bedingung geschlossener Mietvertrag vor Bedingungsein-

tritt ordentlich gekündigt werden kann, ist vor allem im Wohnraummietrecht umstritten25. Zum einen sollen solche Verträge wie andere unbefristete Mietverhältnisse zu behandeln sein, so dass sie vor Bedingungseintritt ordentlich gekündigt werden können26. Die gegenteilige Meinung geht davon aus, dass mit der Regelung der Bedingung nicht eine Lösungsmöglichkeit zusätzlich zum Kündigungsrecht geschaffen werden sollte, sondern der Bestand des Vertrags einzig vom Eintreten der Bedingung abhängig sein sollte27. Nach einer dritten Auffassung ist auf den beim Vertragsschluss zum Ausdruck kommenden Willen der Parteien abzustellen: Solle die auflösende Bedingung der alleinige Grund für die Vertragsbeendigung sein, sei das Nutzungsverhältnis vor Eintritt der Bedingung grundsätzlich nicht ordentlich kündbar; sei die auflösende Bedingung dagegen nur als spätestmöglicher Beendigungszeitpunkt bestimmt, könne das Nutzungsverhältnis auch schon vor Bedingungseintritt ordentlich gekündigt werden28. 21 Richtigerweise kann das Problem nur im Einzelfall gelöst werden. Dabei ist von dem Grundsatz aus-

zugehen, dass die Regelung einer auflösenden Bedingung ohne weitere Bemerkungen zu einem Mietvertrag auf unbestimmte Zeit führt29. Für den Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung eines solchen Vertrages müssen besondere Umstände vorliegen, aus denen entnommen werden kann, dass die Parteien mit der Vereinbarung der auflösenden Bedingung die Beendigung abschließend regeln wollten30. Denn eine solche Auslegung führt zu dem Verzicht auf ein Recht, dass nach dem Gesetz regelmäßig besteht. Der Verzicht auf bestehende Rechte kann aber nur im Ausnahmefall angenommen werden31. 3. Folgen eines vereinbarten Endtermins 22 Mietverträge auf bestimmte Zeit, die in der Wohnraummiete nur nach § 575 BGB zulässig sind, en-

den, ohne dass es einer besonderen Erklärung bedarf, mit dem Ablauf der vereinbarten Zeit, § 542 Abs. 2 BGB. Während der festen Laufzeit kann ein solches Mietverhältnis nicht durch ordentliche Kündigung, sondern vorzeitig nur durch außerordentliche Kündigung, und zwar durch außerordentliche fristlose oder durch außerordentliche Kündigung mit gesetzlicher Frist beendet werden. Daneben kommen die sich aus allgemeinen Grundsätzen ergebenden Beendigungsgründe nach den §§ 119 ff., 313 BGB in Be23 BGH v. 30.5.2001 – XII ZR 273/98, MDR 2001, 1228 = NJW 2001, 3480 (3482). 24 LG Berlin v. 27.10.2015 – 25 O 148/15, GE 2016, 327. 25 Die Frage stellt sich grds. in gleicher Weise auch für gewerbliche Miet- oder Pachtverträge und ist dort nicht anders zu beurteilen. 26 Palandt/Weidenkaff, § 572 BGB Rz. 5. 27 Vgl. Lammel, § 572 BGB Rz. 13 m.w.N. 28 Staudinger/Rolfs, § 572 BGB Rz. 11 f. m.w.N.; Schmidt-Futterer/Blank, § 572 BGB Rz. 13. 29 BGH v. 1.4.2009 – XII ZR 95/07, NZM 2009, 433 = MDR 2009, 795. 30 BGH v. 1.4.2009 – XII ZR 95/07, NZM 2009, 433 = MDR 2009, 795. 31 BGH v. 23.3.1983 – VIII ZR 335/81, MDR 1983, 1017 = NJW 1983, 1903 (unter II 2a); BGH v. 18.1.2006 – VIII ZR 94/05, MietRB 2006, 158 = MDR 2006, 1038 = NJW 2006, 903 (unter II 1c), jeweils m.w.N.

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B. Wohnraummiete | Rz. 30 § 542

tracht (s. Vor § 535 BGB Rz. 168 ff.). Dazu ergänzend regelt § 575 Abs. 2, 3 BGB für den Zeitmietvertrag in der Wohnraummiete, welche Rechte der Mieter geltend machen kann. Die Vereinbarung einer festen Miete für eine bestimmte Zeit kann u.U. eine Mieterhöhung für die- 23 sen Zeitraum ausschließen32, bedeutet aber nicht, dass der Mietvertrag für diesen Zeitraum fest (= unkündbar) geschlossen ist33 (§ 542 BGB Rz. 14). 4. Verlängerung der Mietzeit Ein auf bestimmte Zeit abgeschlossenes Mietverhältnis endet, wie § 542 Abs. 2 Nr. 2 BGB klarstellt, 24 dann nicht, wenn es verlängert wird. Dies kann durch eine Parteiabrede (Verlängerungsvereinbarung), durch Ausübung einer Verlängerungsoption (vgl. Vor § 535 Rz. 131 ff.) oder durch stillschweigende Verlängerung nach § 545 BGB erfolgen. Wird bei einem befristeten Mietverhältnis formularvertraglich nur einer Vertragspartei ein Recht zur jederzeitigen Kündigung eingeräumt, verstößt dies in der Regel gegen § 307 BGB34. a) Verlängerung durch Vereinbarung Bei einer Verlängerungsvereinbarung ist vorrangig zu prüfen, ob sie den Abschluss eines neuen Miet- 25 vertrages oder die Fortsetzung des alten zu ggf. geänderten Konditionen bedeutet. Dabei ist zunächst vom Wortlaut auszugehen, aber auch der Zweck der Vereinbarung zu erforschen (vgl. § 536a BGB Rz. 39c). Die Formvorschrift des § 550 BGB ist jedenfalls zu beachten, wenn die Verlängerung durch Vertrag her- 26 beigeführt werden und länger als ein Jahr dauern soll. Dies gilt auch, wenn die Vereinbarung auf § 575 Abs. 3 BGB beruht oder der zu verlängernde Mietvertrag auf unbestimmte Zeit lief. In einem Mietvertrag aus der Zeit vor dem 1.9.2001 kann noch eine Verlängerungsklausel enthalten 27 sein, wonach sich ein befristeter Mietvertrag auf bestimmte oder unbestimmte Zeit verlängert, wenn nicht eine Partei kündigt bzw. der Fortsetzung widerspricht (§ 565 Abs. 1 BGB a.F.). Darin liegt ein befristetes Angebot auf Vertragsfortsetzung, das durch Schweigen angenommen wird; die etwa ausgesprochene „Kündigung“ ist keine Kündigung im technischen Sinne, sondern nur die Ablehnung eines befristeten Vertragsangebotes35. Auf den Widerspruch gegen die Vertragsfortsetzung findet § 193 BGB Anwendung36. Wird fristgerecht 28 „gekündigt“, endet das Vertragsverhältnis mit Ablauf der festgelegten Mietzeit. Wird hingegen das Mietverhältnis mangels „Kündigung“ vereinbarungsgemäß auf bestimmte Zeit fortgesetzt, gilt künftig § 542 Abs. 2 BGB; wird es allerdings entsprechend der vertraglichen Absprache auf unbestimmte Zeit verlängert, gilt mit Ablauf der festen Mietzeit § 542 Abs. 1 BGB. Wird der Vertragsfortsetzung nicht oder nicht fristgerecht widersprochen, verlängert sich das Miet- 29 verhältnis zu den alten Bedingungen. Die Identität des Mietverhältnisses bleibt erhalten; es wird wie grundsätzlich bei jeder anderen Verlängerung der Vertragszeit vor Ablauf des Mietverhältnisses auch in der Regel kein neues Mietverhältnis begründet37. Verlängerungsklauseln können auch formularmäßig vereinbart werden. § 309 Nr. 9 BGB ist auf Miet- 30 , Leasing- und Pachtverhältnisse nicht anwendbar38. Eine Verlängerungsklausel, welche die Vertragszeit ungewöhnlich verlängert, kann allerdings im Einzelfall nach § 307 BGB unangemessen sein39.

32 33 34 35 36 37 38 39

Vgl. BGH v. 14.7.2004 – VIII ZR 164/03, MDR 2004, 1434. BGH v. 28.1.1976 – VIII ZR 263/74, MDR 1976, 662 = NJW 1976, 1351. BGH v. 30.5.2001 – XII ZR 273/98, MDR 2001, 1228 = ZMR 2001, 784. BGH v. 16.10.1974 – VIII ZR 74/73, MDR 1975, 132 = NJW 1975, 40; OLG Düsseldorf v. 29.7.1993 – 10 U 253/92, MDR 1993, 1077 = ZMR 1993, 521. BGH v. 16.10.1974 – VIII ZR 74/73, MDR 1975, 132 = NJW 1975, 40; OLG Dresden v. 8.11.2013 – 5 U 1101/ 13, MDR 2014, 80 = GuT 2013, 211. BGH v. 29.4.2002 – II ZR 330/00, MDR 2002, 1199 = NJW 2002, 2170. BGH v. 13.2.1985 – VIII ZR 154/84, MDR 1986, 49 = NJW 1985, 2328 (zu § 11 Nr. 12 AGBG). OLG Karlsruhe v. 9.9.1988 – 10 U 62/88, NJW-RR 1989, 243.

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§ 542 Rz. 30 | Ende des Mietverhältnisses Überraschend ist sie regelmäßig nicht, da § 565a BGB a.F. diese Verlängerungsmöglichkeit ausdrücklich vorsah. b) Verlängerung durch Option 31 Wird in einem an sich auf unbestimmte Zeit geschlossenen Mietvertrag einer Vertragspartei eine Ver-

längerungsoption eingeräumt, endet das Mietverhältnis infolge Zeitablaufs nach § 542 Abs. 2 BGB, falls von der Option nicht oder nicht rechtzeitig Gebrauch gemacht wird. Demgegenüber wird mit der gestaltenden Optionserklärung der bestehende Mietvertrag um die Optionszeit verlängert; ein neues Mietverhältnis wird nicht begründet40 (vgl. Vor § 535 Rz. 136). c) Konkurrenz von Kündigungs-/Widerspruchsrecht und Optionsklausel 32 Enthält ein Gewerberaum-Mietvertrag neben Optionen auch Regelungen zur Kündigung, ergeben sich

in der Praxis oft Auslegungsprobleme. Oft besteht z.B. ein zweimaliges Optionsrecht, dass jeweils sechs Monate vor Vertragsende ausgeübt werden muss, und ist daneben geregelt, dass sich der Mietvertrag jeweils um ein Jahr verlängern soll, wenn er nicht innerhalb einer bestimmten Frist gekündigt oder widersprochen wird. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob der Mieter die erste und/oder die zweite Option (noch) ausüben kann, wenn sich der Mietvertrag im Stadium der befristeten Verlängerung befindet und damit das Kündigungsrecht des Vermieters unterlaufen würde. 33 Regelmäßig ist davon auszugehen, dass der Mieter sein Recht auf Ausübung der Verlängerungsopti-

on dadurch verliert, dass er eine Option verspätet oder gar nicht ausübt41. Damit verlängert sich das Mietverhältnis automatisch um die jeweils bestimmte Frist. Ist eine solche nicht geregelt, aber eine Verlängerung, kann der Mietvertrag von jeder Partei ordentlich gekündigt werden. Ein Wiederaufleben der Optionsrechte ist grundsätzlich ausgeschlossen, weil die Ausübung der Optionsrechte, und dazu gehört auch eine vereinbarte Verhandlungsoption, von einer vorhergehenden wirksamen und fortlaufenden Optionsrechtsausübung abhängt. Der zwischenzeitliche Nichtgebrauch einer Option bringt die Optionsrechte insgesamt zum Erlöschen42. Ein anderes Verständnis ist im Regelfall nicht interessengerecht, weil es die Vermieterseite einseitig benachteiligt43. Die Optionsklausel hat wirtschaftlich den Sinn, dem Mieter die Möglichkeit einer angemessenen Amortisation seiner erheblichen Investitionen dadurch zu geben, dass er eine genügend lange Mietdauer durch Ausübung der Optionen herbeiführen kann. Der Vermieter hat andererseits ein berechtigtes Interesse daran, eine längerfristige Planungssicherheit über die weitere Verwertungsmöglichkeit der Mietsache zu erhalten. Dieses Interesse wäre nicht berücksichtigt, wenn der Mieter zunächst die automatische Verlängerungsklausel anlaufen ließe und die für ihn durch fristgemäße Kündigung des Vermieters erkennbare Beendigungsabsicht durch Ausübung der Option durchkreuzen könnte. Hierbei könnte der Mieter die Gesamtdauer gegen den Willen des Vermieters mit unbestimmbarer Länge herbeiführen. Eine interessengerechte Auslegung führt deshalb regelmäßig dazu, dass die Verlängerungsoptionen nur im Anschluss an die Grundmietzeit und nur im Anschluss an eine vorhergehende ausgeübte Verlängerungsoption ausgeübt werden können. 33a Sind nebeneinander eine Verlängerungsautomatik mit Widerspruchsrecht beider Parteien und eine

Verlängerungsoption vertraglich geregelt, kann der Mieter i.d.R. das durch den Widerspruch des Vermieters drohende Auslaufen des Vertrages durch Ausübung der Option verhindern44. Nichts anderes gilt, wenn zu einem befristeten Mietvertrag vor Ablauf der Mietzeit z.B. wegen des Streits der Parteien über den Endzeitpunkt ein auf künftige Räumung gerichtetes Urteil ergeht und der Mieter seine Option fristgerecht ausübt. Hier kann der Mieter im Wege der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO die Ausübung der Option durchsetzen45.

40 41 42 43 44 45

BGH v. 20.12.1967 – VIII ZR 119/65, MDR 1968, 403 = NJW 1968, 551. OLG Düsseldorf v. 6.9.2007 – 10 U 25/07, MietRB 2008, 329 = ZMR 2008, 785. Vgl. Hanseatisches OLG Hamburg v. 23.6.1997 – 4 U 82/96, NZM 1998, 333 m.w.N. OLG Düsseldorf v. 6.9.2007 – 10 U 25/07, MietRB 2008, 329 = ZMR 2008, 785. OLG Naumburg v. 15.8.2018 – 5 U 539/18, IMR 2018, 422 (Tank). BGH v. 25.2.1985 – VIII ZR 116/84, MDR 1985, 574 = ZMR 1985, 230 = GE 1986, 177.

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B. Wohnraummiete | Rz. 35a § 542

III. Kündigung 1. Allgemeines Die Kündigung ist ein Gestaltungsrecht, das in Form einer einseitigen empfangsbedürftigen Wil- 34 lenserklärung ausgeübt wird. Ziel der Kündigung ist es, das Mietverhältnis für die Zukunft einseitig zu beenden (ex nunc), und zwar bei der fristlosen Kündigung mit sofortiger Wirkung, sonst, also bei der außerordentlichen Kündigung mit gesetzlicher Frist und der ordentlichen Kündigung, ab dem nach Vertrag oder Gesetz zulässigen Kündigungstermin. Dieser Wille kann auch schon vor Beginn des Mietverhältnisses entstehen. Ob zu diesem Zeitpunkt bereits eine Kündigung zulässig ist, hängt im Wesentlichen von den Abreden der Parteien ab. Dies ist im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln46. Dabei ist von dem Grundsatz auszugehen, dass eine Kündigung vor Übergabe oder Mietbeginn zulässig ist, sobald der Kündigungstatbestand erfüllt ist, es sei denn, der Vertrag enthält Formulierungen, die die Kündigung erst mit der Invollzugsetzung des Vertrages erlauben wollen oder nach denen jedenfalls die Kündigungsfrist erst mit Mietbeginn zu laufen anfangen soll (vgl. § 542 BGB Rz. 39, 43a, 89; § 543 BGB Rz. 34). Der auf das Ziel der einseitigen Beendigung des Mietvertrages gerichtete Wille des Kündigenden 35 muss in der Kündigungserklärung eindeutig, unmissverständlich und zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht werden47. Dabei ist die Verwendung des Wortes „Kündigung“ nicht erforderlich. Es kann z.B. ausreichen, dass der Vermieter erklärt, er sehe das Mietverhältnis wegen der Vertragsverletzungen des Mieters als beendet an48. Eine Kündigung wurde auch in der Erklärung des Mieters gesehen, er werde das Mietobjekt definitiv nicht beziehen49, er werde aus den Mieträumen ausziehen50, oder er strebe das sofortige Ende des „Nutzungsverhältnisses“ an51. Erst recht ist es als Kündigung anzusehen, wenn eine der Parteien in einem Mietvertrag nach den §§ 565a, 564b BGB a.F. der Verlängerung der Mietzeit „widerspricht“, weil dies im Mietvertrag so formuliert ist. Denn eine solche Abrede läuft den zwingenden Vorschriften der §§ 565a, 564b BGB a.F. zuwider52, ohne dass dadurch der Vertrag als solches nichtig wird. Die Erklärung kann daher nur als Kündigung aufgefasst werden. Außerhalb des Geltungsbereichs von § 568 Abs. 1 BGB und bei fehlender vertraglicher Schriftformabre- 35a de für einseitige Willenserklärungen kann zur Kündigung ein schlüssiges Verhalten ausreichend sein. Dann muss sich aus dem Verhalten einer Vertragspartei, die kündigungsbefugt ist, zweifelsfrei ergeben, dass sie das Mietverhältnis einseitig beenden möchte53. Dies kommt z.B. in Betracht, wenn sich der Mieter auf die Kündigungsandrohung des Vermieters mit der Vertragsbeendigung einverstanden erklärt54 oder wenn ein gewerblicher Mieter das Mietobjekt räumt und die Mietzahlungen einstellt55. Die (fälschliche) Verwendung der Bezeichnung „Rücktritt“ kann selbst in einem Anwaltsschreiben unschädlich sein, wenn der Wille, den Vertrag einseitig zu beenden, unmissverständlich zum Ausdruck kommt56. Ist dies nicht der Fall, so haftet der Rechtsanwalt für einen eventuellen Schaden57.

46 BGH v. 21.3.2007 – XII ZR 255/04, MDR 2007, 1126 = MietRB 2007, 169 = ZMR 2007, 444 = GuT 2007, 128; KG v. 12.9.2013 – 8 U 4/13, MietRB 2014, 40 = Info M 2013, 493 = MDR 2014, 21; KG v. 12.9.2013 – 8 U 4/ 13, MDR 2014, 21 = MietRB 2014, 40; OLG Celle v. 20.2.2002 – 2 U 183/01, ZMR 2002, 505 = OLGR Celle 2002, 91. 47 BGH v. 22.12.1999 – XII ZR 339/97, MDR 2000, 323 = NJW 2000, 1105. 48 LG Frankfurt/M. v. 10.2.1976 – 2/11 S 432/75, n.v. 49 BGH v. 10.10.2001 – XII ZR 93/99, NZM 2001, 1077 = NJW-RR 2002, 8. 50 OLG Düsseldorf v. 28.11.2002 – I-10 U 172/01, OLGR Düsseldorf 2003, 23 = GE 2003, 183. 51 OLG Düsseldorf v. 17.3.2005 – I-10 U 127/04, DWW 2005, 302 = GuT 2005, 228. 52 BGH v. 19.9.2018 – VIII ZR 261/17, MietRB 2019, 6 = WuM 2018, 758 = NZM 2018, 1017 Rz. 52. 53 BGH v. 10.10.2001 – XII ZR 93/99, NZM 2001, 1077 = NJW-RR 2002, 8; KG Berlin v. 16.1.2006 – 8 U 157/05, WuM 2006, 193 = KGR Berlin 2006, 332. 54 BGH v. 22.12.1999 – XII ZR 339/97, NJW 2000, 1105 = MDR 2000, 323. 55 OLG Frankfurt/M., NZM 2005, 619 = ZMR 2005, 617. 56 BGH, WuM 1987, 116 = MDR 1987, 491. 57 BGH v. 4.6.1996 – IX ZR 51/95, WuM 1996, 555 = NJW 1996, 2648.

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§ 542 Rz. 35b | Ende des Mietverhältnisses 35b Auch eine Räumungsklage kann die – erneute – Kündigung des Mietvertrages beinhalten (zur Voll-

machtsproblematik in diesen Fällen § 542 BGB Rz. 64 f.). Das setzt voraus, dass eindeutig erkennbar ist, dass mit dem prozessualen Schriftsatz auch materiell-rechtlich eine Willenserklärung abgegeben und nicht nur eine bereits außerprozessual erklärte Kündigung durchgesetzt werden soll58. Eine ausdrücklich als Kündigung bezeichnete Erklärung ist nicht erforderlich59. Deshalb kann eine Kündigungserklärung z.B. angenommen werden, wenn der Vermieter in der Klageschrift das Zahlungsverhalten des Mieters detailliert darlegt, auf die bereits vorprozessual ausgesprochenen fristlosen Kündigungen verweist und erklärt, dass mangels Zahlung die fristlose Kündigung nicht geheilt und der Mieter sich weiterhin mit der Zahlung von mindestens zwei Monatsmieten in Verzug befinde, so dass die Erhebung der Räumungsklage geboten sei60. Der Vermieter kann aber auch in sonstiger Weise zum Ausdruck bringen, dass das Verhalten des Prozessgegners eine Kündigung begründet61. Dazu muss aus der Klageschrift oder dem sonstigen Schriftsatz mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck kommen, dass neben der prozessualen auch eine materiell-rechtliche Erklärung abgegeben werden soll. Dies ist z.B. anzunehmen, wenn die Partei, die außergerichtlich unwirksam gekündigt hat, die Kündigungsgründe schriftsätzlich vorträgt und resümierend feststellt, dass deswegen die Kündigung erforderlich gewesen wäre. 35c Eine erneute fristlose Kündigung kann auch noch mit der Berufungsbegründung ausgesprochen wer-

den. Sie kann sich sogar stillschweigend aus der Berufungsbegründung ergeben, wenn die vorstehend (§ 542 BGB Rz. 35b) wiedergegebenen Voraussetzungen erfüllt sind62. Eine solche Kündigung ist eine neue Tatsache i.S.v. § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, die gem. § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO zu berücksichtigen ist. Denn es beruht i.d.R. nicht auf einer Nachlässigkeit des Klägers, dass er sie erst in zweiter Instanz geltend gemacht hat63. Indessen ist es unzulässig, erstmals im Berufungsverfahren den Räumungsanspruch hilfsweise auf eine (fristlose) Kündigung zu stützen, die bereits vor Schluss der mündlichen Verhandlung im Verfahren erster Instanz ausgesprochen wurde64. 35d Zu ihrer Wirksamkeit muss die prozessual erklärte Kündigung natürlich die materiell-rechtlichen Vo-

raussetzungen des Kündigungstatbestandes erfüllen. Bei einer Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB, die außerprozessual nicht wirksam erklärt wurde und im Prozess wiederholt wird, ist aber nicht zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 314 Abs. 3 BGB (vgl. dazu § 543 BGB Rz. 12 f.) vorliegen65. Denn § 314 Abs. 3 BGB ist auf die außerordentlichen Kündigungen nach §§ 543, 569 BGB nicht anwendbar66. Bei einer ordentlichen Kündigung müssen die Voraussetzungen im Zeitpunkt der Zustellung des prozessualen Schriftsatzes noch vorliegen. 2. Kündigungsarten 36 Das Gesetz unterscheidet mehrere Kündigungsvarianten, nämlich die außerordentliche und die or-

dentliche Kündigung. Bei der außerordentlichen Kündigung unterscheidet das Gesetz zwischen der fristlosen und der Kündigung mit gesetzlicher Frist. 37 Die Tatbestände der verschiedenen Kündigungsarten können kumulativ vorliegen. Der Zahlungsver-

zug kann z.B. sowohl die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB als auch des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB erfüllen, die beide nur als Regelbeispiel ihrer jeweiligen Generalklausel (§§ 543 Abs. 1, 573 Abs. 1 BGB) geregelt sind. In einem solchen Fall muss aus der Kündigung ersichtlich sein, auf welchen Tatbestand der Vermieter seine Kündigung stützt. Werden z.B. die fristlose und die fristgerechte Kündigung gleichrangig erklärt, ist die fristlose Kündigung wegen der für die Rechtssicherheit notwendigen, 58 BGH v. 6.11.1996 – XII ZR 60/95, ZMR 1997, 280; OLG Düsseldorf v. 8.1.2009 – 24 U 97/08, ZMR 2009, 845 = GuT 2009, 309 = GE 2009, 841. 59 OLG Köln v. 12.7.1995 – 2 U 45/95, ZMR 1996, 24; a.A. Schmidt-Futterer/Blank, § 542 BGB Rz. 19. 60 LG Frankfurt/M. v. 11.6.2018 – 2-11 S 9/18, IMR 2018, 412 (Krolla); LG Hagen v. 3.12.2010 – 1 T 80/10, zitiert nach juris. 61 BGH v. 6.11.1996 – XII ZR 60/95, ZMR 1997, 280. 62 BGH v. 24.11.2006 – LwZR 6/05, NJW 2007, 1269 = MDR 2007, 387. 63 LG Frankfurt/M. v. 16.1.2007 – 2/11 S 91/06, PE 2008, 131. 64 OLG Köln v. 3.3.2015 – I-22 U 82/14, ZMR 2015, 446 = MietRB 2015, 327. 65 A.A. Schmid, NZM 2013, 401 (402). 66 BGH v. 13.7.2016 – VIII ZR 296/15, MietRB 2016, 310 = MDR 2016, 1132 = WuM 2016, 616.

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B. Wohnraummiete | Rz. 40 § 542

aber fehlenden Klarheit unwirksam und die fristgerechte Kündigung deshalb, weil deren Frist wegen der möglichen Beendigung durch die fristlose Kündigung nicht wirkt. Die Rangfolge der gleichzeitig erklärten Kündigungen kann ausdrücklich dargestellt werden, aber auch aus dem Zusammenhang sichtbar sein. Sie ist in jeden Fall gegeben, wenn die fristlose und fristgerechte Kündigung in einem Stufenverhältnis (hilfsweise) erklärt werden67. Die Kündigung ist zwar als Gestaltungserklärung bedingungsfeindlich (§ 542 BGB Rz. 45 f.). Indessen ist eine sog. Rechtsbedingung (§ 542 BGB Rz. 46a), die für den Fall aufgestellt wird, dass sich die Rechtslage in Wahrheit anders gestaltet als angenommen, zulässig. Eine solche Rechtsbedingung wird in der Praxis typischerweise mit der Formulierung „hilfsweise“ zum Ausdruck gebracht. Tritt die andere Rechtslage ein, so dass die vorrangig erklärte Kündigung unwirksam wird, wirkt die nachrangige Kündigung, die auch bei der ausdrücklich hilfsweisen Erklärung als unbedingt abgegeben gilt68. Insbesondere beschränkt sich das Stufenverhältnis nicht auf den Fall, dass die fristlose Kündigung von Anfang an unwirksam war, sondern erfasst i.d.R. auch deren nachträglich Unwirksamkeit, z.B. gem. § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB69. Eine zusätzlich erklärte ordentliche Kündigung kommt auch in Betracht, wenn der Vermieter in dem Kündigungsschreiben formuliert, „hilfsweise kündigen wir das Mietverhältnis gemäß § 543 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 wegen Zahlungsverzuges fristgemäß“70. Der Durchsetzung des Räumungsanspruchs steht es i.d.R. nicht entgegen, dass der Vermieter nach der Heilung i.S.d. § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB den auf die fristlose Kündigung gestützten Räumungsrechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und nach Ablauf der Kündigungsfrist des § 573c BGB erneut Räumungsklage erhebt71. a) Ordentliche Kündigung Die ordentliche Kündigung löst mit ihrem Zugang eine bestimmte Frist aus, nach deren Ablauf das 38 Mietverhältnis endet. Die Frist berechnet sich grundsätzlich in der Wohnraummiete nach § 573c BGB, in anderen Fällen nach § 580a BGB. Die ordentliche Kündigung ist bereits vor Überlassung der Mietsache zulässig72, sofern kein vertragli- 39 cher Ausschluss vorliegt, der sich auch im Wege der Vertragsauslegung ergeben kann (§ 542 BGB Rz. 34). Für die ordentliche Vermieterkündigung ist grds. ein berechtigtes Interesse des Kündigenden erforderlich (vgl. § 573 BGB). Ob und ggfs. welche Kündigungsfrist ausgelöst wird und ob ihr Lauf schon vor Vertragsbeginn einsetzt, hängt im Wesentlichen einzelfallabhängig von den Abreden der Parteien ab. Wird im Vertrag allein darauf abgestellt, dass die ordentliche Kündigung zulässig ist, wird die Kündigungsfrist im Zweifel mit dem Zugang der Erklärung zu laufen beginnen. Bei bestehendem Kündigungsverzicht ist anzunehmen, dass die Kündigung erst zum Ablauf des Verzichtszeitraumes wirkt. b) Außerordentliche fristgebundene Kündigung Diese einseitige Beendigungsmöglichkeit knüpft das Gesetz i.d.R. an den Eintritt bestimmter Ereignis- 40 se, die zu einer Veränderung des Mietvertrages führen. Für den Vermieter sind sie in der Wohnraummiete im Gesetz abschließend geregelt. Zugunsten des Mieters können zusätzliche Tatbestände über den gesetzlichen Rahmen hinaus selbst in der Wohnraummiete vertraglich begründet werden. 67 BGH v. 19.9.2018 – VIII ZR 261/17, MietRB 2019, 6 = WuM 2018, 758 = NZM 2018, 1017; BGH v. 19.9.2018 – VIII ZR 231/17, MietRB 2019, 5 = MDR 2018, 1364 = WuM 2018, 714; BGH v. 16.2.2005 – VIII ZR 6/04, MDR 2005, 680 = MietRB 2005, 173 = ZMR 2005, 356 = NZM 2005, 334; LG Berlin v. 6.3.2018 – 67 S 22/18, WuM 2018, 369 = GE 2018, 513; LG Berlin v. 17.1.2014 – 65 S 366/13, GE 2014, 394; Schmidt-Futterer/Blank, § 573 BGB Rz. 25; Schmid, IMR 2014, 271; zweifelnd noch: BVerfG v. 15.8.1996 – 2 BvR 1694/94, NJW-RR 1996, 1479; LG Wiesbaden v. 10.3.1998 – 8 S 416/97, WuM 1998, 284; a.A. LG Berlin v. 13.10.2017 – 66 S 90/ 17, MietRB 2017, 347 = WuM 2017, 650 = ZMR 2018, 39 m. abl. Anm. Häublein/Lehmann-Richter; LG Bielefeld v. 24.4.1994 – 2 S 192/94, n.v. 68 LG Berlin v. 6.3.2018 – 67 S 22/18, ZMR 2018, 590; LG Berlin v. 1.3.2018 – 64 S 191/17, GE 2018, 763. 69 BGH v. 19.9.2018 – VIII ZR 261/17, MietRB 2019, 6 = WuM 2018, 758 = NZM 2018, 1017; BGH v. 19.9.2018 – VIII ZR 231/17, MietRB 2019, 5 = MDR 2018, 1364 = WuM 2018, 714. 70 LG Berlin v. 26.3.2014 – 65 S 234/13, MietRB 2014, 353 = ZMR 2014, 635. 71 LG Berlin v. 26.3.2014 – 65 S 234/13, MietRB 2014, 353 = ZMR 2014, 635; a.A. AG Stuttgart v. 21.9.2015 – 33 C 2614/15, WuM 2016, 40. 72 BGH v. 29.10.1986 – VIII ZR 253/85, MDR 1987, 228 = NJW 1987, 948.

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§ 542 Rz. 41 | Ende des Mietverhältnisses 41 Derartige Sonderkündigungsrechte beziehen sich sowohl auf Mietverträge, die auf bestimmte Zeit

eingegangen sind, als auch auf Mietverhältnisse auf unbestimmte Zeit. Die Kündigungsfrist ergibt sich für die Wohnraummiete aus § 573d BGB, sofern in dem einschlägigen Tatbestand keine abweichende Frist geregelt ist. In § 573d Abs. 1 BGB ist u.a. zusätzlich bestimmt, dass bei Wohnraummiete neben den Voraussetzungen des Sonderkündigungsrechtes grundsätzlich ein berechtigtes Interesse i.S.v. § 573 BGB vorliegen muss (Ausnahme: Kündigung gegenüber den Erben des verstorbenen Mieters, § 564 BGB). 42 Folgende Sonderkündigungsrechte sind besonders bedeutsam

– für den Vermieter: – § 563 Abs. 4 BGB (Kündigung gegenüber dem Eintretenden nach Tod des Mieters), – § 1056 Abs. 2 BGB (Kündigung nach Beendigung des Nießbrauchs), – § 1568a Abs. 3 S. 2 BGB (Kündigung des Vermieters nach Ausscheiden eines Mieters infolge der Scheidung (§ 535 BGB Rz. 319a), – § 2135 BGB (Kündigung bei Beendigung der Vorerbschaft), – § 57a ZVG (Kündigung des Erstehers in der Zwangsversteigerung, § 573d BGB Rz. 25 f.); – für den Mieter: – § 540 Abs. 1 S. 2 BGB (Kündigung wegen nicht erlaubter Untervermietung), – § 554 Abs. 3 S. 2 BGB (Kündigung nach Ankündigung einer Modernisierung), – § 561 BGB (Kündigung nach Geltendmachung einer Mieterhöhung), – § 109 Abs. 1 InsO (Kündigung des Insolvenzverwalters, § 542 BGB Rz. 187)73, – § 563a Abs. 2 BGB (Kündigung nach Tod des Mitmieters), – § 37 Abs. 3 S. 2 WEG (Kündigung des Erstehers bei Zwangsversteigerung eines Dauerwohnrechts), – § 111 InsO (Kündigung des Erwerbers aus der Insolvenzmasse, § 542 BGB Rz. 192); – für Vermieter und Mieter: – § 544 S. 1 BGB (Kündigung nach 30 Jahren Laufzeit), – § 564 S. 2 BGB (Kündigung des bzw. gegenüber dem Erben nach Tod des Mieters). c) Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund 43 Mit der außerordentlichen fristlosen Kündigung können sowohl befristete als auch unbefristete Miet-

verhältnisse beendet werden. Die Beendigung tritt grundsätzlich im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein. Die fristlose vorzeitige Beendigung findet ihre Rechtfertigung im Verhalten des anderen Vertragspartners oder darin, dass dem Kündigenden die Fortsetzung des Vertrags unzumutbar ist. 43a Die Kündigung nach § 543 BGB ist auch schon vor der Überlassung der Mietsache zulässig74. Denn

ist die Fortsetzung des Mietvertrages unzumutbar, kann für die Invollzugsetzung nichts anderes gelten. Soweit der Mieter Gewährleistungsrechte geltend macht, gelten bis zur Überlassung der Mietsache die allgemeinen Vorschriften (Vor § 536 BGB Rz. 25 f.)75, so dass eine Lösung vom Vertrag grundsätzlich für den Mieter nur unter den in § 323 BGB festgelegten Merkmalen möglich ist. Im Hinblick auf die nahezu identischen Voraussetzungen beider Tatbestände ist die Unterscheidung an dieser Stelle eher akademisch, zumal der BGH auch bei der Feststellung eines erheblichen Sachmangels vor Überlassung § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB anwendet76. 44 Die Tatbestände der außerordentlichen fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses sind ausdrücklich

geregelt in §§ 543, 569 BGB. An sich ist die Ausübung des Rechts zur fristlosen Kündigung an keine Frist gebunden. Der Kündigungsberechtigte kann jedoch sein Kündigungsrecht verwirken, wenn er es

73 Vgl. dazu Hanseatisches OLG Hamburg v. 29.3.2012 – 8 U 78/11, MietRB 2012, 193 = MDR 2012, 738 = GE 2012, 955 = NZM 2012, 684. 74 AG Lichtenberg v. 24.10.2017 – 18 C 261/17, GE 2018, 265. 75 BGH v. 23.9.1992 – XII ZR 44/91, MDR 1992, 1147 = NJW 1992, 3226. 76 BGH v. 4.5.2005 – XII ZR 254/01, MietRB 2005, 259 = MDR 2005, 975 = GuT 2005, 163.

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B. Wohnraummiete | Rz. 47a § 542

nach Kenntnis des Kündigungsgrundes nicht in angemessener Zeit ausübt77. Jedenfalls wird dem Zeitmoment spätestens bei der Bewertung einer Unzumutbarkeit Aufmerksamkeit geschenkt. Lässt sich der Kündigende nämlich viel Zeit mit der Sanktion, spricht das dafür, dass er die Unzumutbarkeit selbst nicht so gravierend eingeschätzt hat. 3. Allgemeine Anforderungen an die Kündigung Wie jedes Gestaltungsrecht ist auch die Kündigung bedingungsfeindlich78. Dies dient der Rechts- 45 sicherheit und dem Schutz des Erklärungsempfängers vor Ungewissheit. Die Kündigung kann also grundsätzlich weder unter einer aufschiebenden noch einer auflösenden Bedingung erklärt werden. Bedingte Kündigungen sind dann unbedenklich, wenn der Eintritt der Bedingung allein vom Willen 46 ihres Empfängers abhängt – Potestativbedingung79. Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn der Mieter unter der Bedingung kündigt, dass ein Mietvertrag über eine andere Wohnung im Haus zustande kommt. Denn das setzt den Abschluss eines Mietvertrages voraus, der zwei Willenserklärungen erfordert80. Hat der Gekündigte in die Bedingung vor Abgabe der Kündigung eingewilligt, ist die Kündigung wirksam81. Ebenso kann eine Kündigung unter einer Rechtsbedingung ausgesprochen werden82. Deshalb ist eine Kündigung zulässig, die für den Fall der Wirksamkeit des Mietvertrags oder der Unwirksamkeit eines vorausgegangenen Aufhebungsvertrags ausgesprochen wird; Gleiches gilt für die vorsorgliche/hilfsweise Erklärung einer ordentlichen Kündigung für den Fall der Unbegründetheit einer fristlosen Kündigung (§ 542 BGB Rz. 37). Wird eine Kündigung wegen Zahlungsverzuges unter der aufschiebenden Bedingung ausgesprochen, dass der Rückstand nicht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgeglichen ist, liegt zwar eine Potestativbedingung vor. Indessen wird sie nach § 112 InsO dennoch nicht wirksam, wenn der Mieter vor Ablauf der Zahlungsfrist den Antrag auf Insolvenzeröffnung stellt83. Ebenso wie die Potestativbedingung ist die Rechtsbedingung unschädlich. Diese liegt vor, wenn der 46a Kündigende deutlich macht, dass die Kündigung die Erklärung für den Fall abgibt, dass die Rechtslage abweichend von seiner Rechtsauffassung zu bewerten ist oder sich gestaltet. Eine Rechtsbedingung ist z.B. gegeben, wenn der Vermieter neben der fristlosen hilfsweise eine fristgerechte Kündigung erklärt. Abgesehen davon, dass damit beide Kündigungen gleichzeitig erklärt werden84, bringt er (eindeutig) zum Ausdruck, dass die fristgerechte Kündigung nur gelten soll, wenn seine vorrangig erklärte fristlose Kündigung von Anfang an unwirksam ist oder durch spätere Umstände (z.B. § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB) rückwirkend unwirksam wird85 (vgl. § 542 BGB Rz. 37). Im Mietvertrag kann zu Lasten des Vermieters vorgesehen sein, dass die Kündigung auch von der 47 Zustimmung eines Dritten (z.B. einer Behörde) abhängig sein soll (z.B. beim Besetzungsrecht, vgl. Vor § 535 BGB Rz. 42). Die Kündigung kann grundsätzlich auch bereits vor Vertragsbeginn erklärt werden86 (§ 542 BGB 47a Rz. 34). Abweichende Vereinbarungen können sich insbesondere durch Befristungen oder vereinbarte Mindestlaufzeiten ergeben. Problematisch ist in diesem Zusammenhang die Berechnung der Kündigungsfrist (§ 542 BGB Rz. 89).

77 BGH v. 15.2.1967 – VIII ZR 222/64, WM 1967, 515; OLG Karlsruhe v. 14.11.1986 – 14 U 149/84, ZMR 1987, 419. 78 Vgl. BGH v. 30.4.1986 – VIII ZR 112/85, MDR 1987, 49 = NJW 1986, 2245 (2246). 79 BGH v. 30.4.1986 – VIII ZR 112/85, MDR 1987, 49 = NJW 1986, 2245; Hanseatisches OLG Hamburg v. 21.7.2000 – 4 U 238/99, NZM 2001, 131. 80 Eisenhardt in Lützenkirchen, AHB Mietrecht, J Rz. 4. 81 RG v. 4.12.1917 – III 251/17, RGZ 91, 307. 82 BGH v. 30.4.1986 – VIII ZR 112/85, MDR 1987, 49 = NJW 1986, 2245. 83 KG v. 10.2.2003 – 8 U 140/02, MietRB 2004, 73 = GE 2003, 740 = KGR Berlin 2004, 105. 84 BGH v. 19.9.2018 – VIII ZR 261/17, MietRB 2019, 6 = WuM 2018, 758 = NZM 2018, 1017 Rz. 50. 85 BGH v. 19.9.2018 – VIII ZR 261/17, MietRB 2019, 6 = WuM 2018, 758 = NZM 2018, 1017; BGH v. 19.9.2018 – VIII ZR 231/17, MietRB 2019, 5 = MDR 2018, 1364. = WuM 2018, 714. 86 BGH v. 10.10.2001 – XII ZR 93/99, NZM 2001, 1077; Sternel, Mietrecht aktuell,X Rz. 10.

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§ 542 Rz. 48 | Ende des Mietverhältnisses 48 Die vom Gesetz (z.B. §§ 573c, 573d, 580a BGB) jeweils vorgesehene Frist, die mit Zugang ausgelöst

wird, kann der Erklärende jedenfalls dahin beeinflussen, dass er eine längere als die gesetzliche Frist in der Kündigung bestimmt. Das gilt selbst bei der fristlosen Kündigung. Maßgeblich ist, dass das Ende der Mietzeit vom Zugang der Kündigung an mindestens bestimmbar ist. Das ist z.B. nicht der Fall, wenn außerordentlich fristlos gekündigt wird zu dem Zeitpunkt, zu dem ein Ersatzobjekt gefunden wird87. 4. Kündigungsbefugnis a) Vertragsparteien 49 Die Kündigungsbefugnis, also das Recht, eine Kündigung aussprechen zu dürfen, liegt grundsätzlich

bei den Mietvertragsparteien (§ 535 BGB Rz. 273 ff.). Eine Kündigung muss deshalb in der Regel von allen Vermietern88 oder Mietern89 an alle Vermieter oder Mieter ausgesprochen werden. Wer dazu gehört, ist im Zweifel durch Auslegung zu ermitteln (vgl. § 535 BGB Rz. 282a und Rz. 293 f.). Eine Ausnahme kann in der Insolvenz des Mieters bestehen. Hier soll das Kündigungsrecht des Insolvenzverwalters nach § 109 Abs. 1 InsO das Mietverhältnis auch im Verhältnis zwischen Vermieter und nicht insolventem Mitmieter des Schuldners beenden90. Muss die Kündigung von mehreren Personen erklärt werden, kann dies sowohl in einer Urkunde als auch durch separate Erklärungen durch die oder gegenüber den einzelnen Personen erfolgen. Dies kommt z.B. in Betracht, wenn einer von mehreren Mietern ausgezogen ist oder die Vermieter an verschiedenen Orten wohnen. Zur Wirksamkeit ist es erforderlich, dass die Erklärungen den Adressaten in einem engen zeitlichen Zusammenhang erreichen91, was bei einer zeitlichen Differenz von 30 Tagen92 oder einem Monat, aber nicht mehr bei einem Abstand von mehr als einem Monat93 oder sogar sechs Monaten94 anzunehmen ist95. Denn der Kündigungsempfänger muss aus Gründen der Rechtssicherheit alsbald wissen, ob die an ihn adressierte Kündigung formell wirksam ist96. Für eine ordentliche Kündigung reicht in jedem Fall aus, wenn der Zugang der verschiedenen, als Kündigung zu wertenden Erklärungen in einer Weise erfolgt, dass dieselbe Frist ausgelöst wird. Ist das nicht der Fall, ist die Rechtslage umstritten. Nach einer Meinung liegt eine wirksame Kündigung nicht vor, wenn verschiedene Kündigungsfristen ausgelöst werden97. Es wird auch vertreten, dass die Kündigung nur eines von mehreren Kündigungsbefugten wirksam sei, solange der Kündigungsempfänger die einseitige Erklärung nicht zurückweise98. Nach anderer Ansicht wird die Kündigungsfrist durch den Zugang der letzten Kündigung in Lauf gesetzt99. Richtigerweise liegt die Lösung in § 182 Abs. 3 BGB. Die Kündigung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft. Wird sie mit Zustimmung aller, die zur Kündigung befugt sind, nur von einem von ihnen erklärt, hängt die Wirksamkeit davon ab, ob der Kündigungsempfänger die Kündigung nach § 182 Abs. 3, 111 S. 2, 3 BGB unverzüglich zurückweist. War die Kündigung ohne die Einwilligung des weiteren Befugten erklärt, kann die Zustimmung nachträglich erteilt werden. Bis dahin ist die Kündigung schwebend unwirksam. Die Zustimmung kann auch schlüssig erteilt werden. Letzteres ist z.B. der Fall, wenn der fehlende Befugte seinerseits eine Kündigung erklärt. Im Hinblick auf § 184 BGB hat die nachträgliche Zustimmung (= Genehmigung) zur Folge, dass die zuerst ausgesprochene Kündigung wirksam wird und daher vom Zugang dieser Kündigung die Fristen zu berechnen sind. 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99

BGH v. 22.10.2003 – XII ZR 112/02, MietRB 2004, 72 = MDR 2004, 269 = WuM 2004, 271 = ZMR 2004, 172. LG Wuppertal v. 10.12.2015 – 9 S 128/15, ZMR 2016, 455. AG Neu-Ulm v. 6.4.2016 – 5 C 228/16, IMR 2016, 467. Hanseatisches OLG Hamburg v. 29.3.2012 – 8 U 78/11, MietRB 2012, 193 = MDR 2012, 738 = ZMR 2013, 111. AG Neu-Ulm v. 6.4.2016 – 5 C 228/16, IMR 2016, 467 = juris. LG München I v. 24.2.1999 – 14 S 18218/98, WuM 1999, 218. OLG Düsseldorf v. 2.7.1987 – 10 U 23/87, MDR 1987, 1026 = NJW-RR 1987, 1369; LG Cottbus v. 30.8.1994 – 4 S 99/94, WuM 1995, 38 = ZMR 1995, 30. LG Cottbus v. 30.8.1994 – 4 S 99/94, WuM 1995, 38. Schmidt-Futterer/Blank, § 542 BGB Rz. 30. OLG Düsseldorf v. 2.7.1987 – 10 U 23/87, MDR 1987, 1026 = ZMR 1987, 423 = DWW 1987, 293. AG Neu-Ulm v. 6.4.2016 – 5 C 228/16, IMR 2016, 467 = juris. Wiese, ZMR 2020, 364. LG München I v. 24.2.1999 – 14 S 18218/98, WuM 1999, 218.

722 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 53 § 542

Bevor der Erwerber zur Kündigung befugt ist, muss der Erwerb i.S.d. § 566 BGB vollständig vollzogen 49a sein. Das setzt neben dem Erwerb vom Vermieter in der Regel die Eintragung als Eigentümer in das Grundbuch voraus (§ 566 BGB Rz. 97). Der Untervermieter verliert seine Kündigungsbefugnis gegenüber dem Untermieter nicht deshalb, weil der Hauptmietvertrag beendet ist100. Ist Vermieter eine Erbengemeinschaft, kann sie als Bruchteilsgemeinschaft ein Mietverhältnis über ein 50 gemeinschaftliches Grundstück wirksam mit Stimmenmehrheit kündigen, wenn sich die Kündigung als Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung i.S.v. § 745 Abs. 1 S. 1 i.V.m. §§ 2038, 2040 BGB darstellt101. Zwar begründet die Kündigung eine Verfügung; indessen kann sie auch als solche eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung sein. Das gilt insbesondere, wenn die Gemeinschaft durch die Kündigung die Möglichkeit erhält, das Grundstück zu den aktuellen Bedingungen zu vermieten. Deshalb soll die Kündigung eines grundsätzlich zahlungsunfähigen Mieters bei ungewisser Anschlussvermietung keine ordnungsgemäße Nachlassverwaltung darstellen102. Erst wenn bei Ausspruch der Kündigung aus objektiver Sicht der Rückstand offensichtlich uneinbringlich ist und mit einem fortdauernden Ausbleiben zu rechnen ist, soll die Kündigung durch Mehrheitsbeschluss möglich sein. Das Kündigungsrecht kann nicht selbständig abgetreten werden103. Auch bei einer Abtretung oder ei- 51 ner Pfändung der Mietzahlungsansprüche bleibt das Recht zur Kündigung beim Vermieter, und zwar auch das Kündigungsrecht wegen Zahlungsverzuges104. b) Stellvertretung aa) Handeln in fremdem Namen Die Kündigung ist kein höchstpersönliches Geschäft der Parteien und kann daher auch von einem Drit- 52 ten erklärt werden. Ob die Kündigung durch einen Vertreter ausgesprochen wird, muss aus der Kündigung hervorgehen. Dazu muss deutlich werden, dass ein Handeln in fremdem Namen erfolgt. Eine versteckte Stellvertretung ist unzulässig105. Deshalb müssen auch Parteien kraft Amtes (Insolvenz- oder Zwangsverwalter, Testamentsvollstrecker, Vergleichsverwalter, Nachlasspfleger) deutlich machen, dass sie in Ausübung ihres Amtes handeln. Dazu reicht aber aus, dass im Betreff des Schreibens auf das jeweilige Verfahren hingewiesen wird (§ 164 Abs. 1 S. 2 BGB). Problematisch kann das Handeln in fremden Namen sein, wenn der Vertreter in der Kündigung nicht 52a angibt, für wen er handelt. Abgesehen von den unter Rz. 53a behandelten Fällen kann sich eine solche Konstellation etwa ergeben, wenn der Vertreter im Kündigungsschreiben nur mitteilt, den „Vermieter“ zu vertreten, und sich die Person des Vermieters nicht aus dem Mietvertrag oder sonstigen, dem Mieter bekannten Umständen (§ 164 Abs. 1 S. 2 BGB) ergibt. Dies kommt z.B. vor, wenn eine Rechtsnachfolge nach § 1922 BGB stattgefunden hat und dem Mieter im laufenden Mietverhältnis die Person des neuen Vermieters, also des Rechtsnachfolgers des bisherigen Vermieters, nicht mitgeteilt wurde. I.d.R. hilft in solchen Fällen § 164 Abs. 1 S. 2 BGB nicht. Da auf den Empfängerhorizont abzustellen ist, ist für den Mieter ohne vorherige Benennung des neuen Vermieters dessen Person grundsätzlich unbekannt, sodass er nicht ersehen kann, für welche Person gekündigt wird. Diese Situation ist nicht vergleichbar, wenn aus der beigefügten Vollmacht der Name des Vermieters ersichtlich ist. Solange ein Hausverwalter im Kündigungsschreiben offen legt, dass er im Namen des Vermieters han- 53 delt, gelten die allgemeinen Vertretungsregeln. Danach muss die Vollmacht insbesondere wirksam erteilt sein. Das ist nach §§ 134, 5 RDG nicht der Fall, wenn der Hausverwalter zu Tätigkeiten berechtigt sein soll, die gegen das RDG verstoßen, also eine Rechtswahrnehmung des Vermieters (z.B. Prozessführung) erlauben, die keine bloße Nebenleistung zur Hausverwaltung mehr darstellt. Diese Voraus100 KG v. 1.3.2012 – 8 U 197/10, MDR 2012, 514 = MietRB 2012, 195 = ZMR 2013, 26. 101 BGH v. 20.10.2010 – XII ZR 25/09, MDR 2010, 1442 = NZM 2011, 73 = GE 2011, 53 = ZMR 2011, 202; BGH v. 11.11.2009 – XII ZR 210/05, MietRB 2010, 82 = MDR 2010, 138 = GE 2010, 57 = NZM 2010, 161. 102 LG Berlin v. 11.10.2016 – 67 S 190/16, IMR 2016, 501. 103 Staudinger/Rolfs, § 542 BGB Rz. 18; offengelassen von BGH v. 10.12.1997 – XII ZR 119/96, MDR 1998, 271 = NJW 1998, 896. 104 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 475. 105 LG Köln v. 18.1.1995 – 10 S 420/94, KM 11 Nr. 2 = WuM 1997, 219; LG München I v. 9.3.1988 – 14 S 20173/ 87, WuM 1989, 282.

Lützenkirchen | 723

§ 542 Rz. 53 | Ende des Mietverhältnisses setzungen liegen vor, wenn die Vollmacht des Hausverwalters auch die Führung von Räumungs- und Zahlungsklagen für seinen Kunden vorsieht106. 53a Zweifelhaft wird die Rechtslage, wenn der Hausverwalter nicht deutlich macht, im fremden Namen

zu handeln107. Für den Abschluss eines Vertrages durch einen Hausverwalter wird vertreten, dass ohne ausdrückliche Angabe des Namens des Eigentümers nicht die Annahme gerechtfertigt sei, der Hausverwalter habe als Vertreter des Eigentümers gehandelt108. Andererseits kann es zur Bindung des Eigentümers ausreichen, wenn die Hausverwaltung mit dem Zusatz „bevollmächtigt“ aufgeführt ist109. Richtigerweise ist aber darauf abzustellen, dass der Wille, in fremdem Namen zu handeln, sich auch aus den Umständen ergeben kann (§ 164 Abs. 1 S. 2 BGB). Insoweit macht der Hinweis auf die Tätigkeit z.B. in der Firma des Hausverwalters nach der allgemeinen Verkehrsanschauung deutlich, dass nicht im eigenen, sondern in fremdem Namen gehandelt wird110. Deshalb ist zu prüfen, ob der Hausverwalter ein typisches Verwaltergeschäft erledigt, was bei Abschluss von Mietverträgen und der Kündigung der Fall ist. Dann ist i.d.R. ein Handeln für dessen Auftraggeber anzunehmen, soweit sich aus den Umständen (§ 164 Abs. 1 S. 2 BGB) nichts anderes ergibt111. Voraussetzung ist demnach lediglich, dass dem Adressaten die Eigenschaft als Hausverwalter offen gelegt wird. Dafür reicht in der Regel ein entsprechend gestalteter Briefkopf aus112. 53b Unterschreibt der Vertreter auf dem Briefbogen des Kündigenden oder der Vertreter des Vertreters

auf dem Briefbogen des Vertreters (z.B. ein Angestellter der Hausverwaltung) mit dem Zusatz „i.A.“ kann dies im Einzelfall dafür sprechen, dass der Handelnde nicht selbst wie ein Vertreter auftreten will/soll und für den Inhalt der Erklärung nicht die Verantwortung übernehmen will113. Bei der gebotenen Auslegung (§§ 133, 157 BGB) ist jedoch zu beachten, dass im allgemeinen Sprachgebrauch nicht immer hinreichend zwischen „Auftrag“ und „Vertretung“ unterschieden wird. Vielmehr werden die Zusätze „i.V.“ und i.A.“ auch verwendet, um unterschiedliche Hierarchien deutlich zu machen. Deshalb folgt allein aus der Verwendung des Zusatzes „i.A.“ noch nicht, dass der Unterzeichner nur als Bote tätig werden sollte. Vielmehr ist auf die Gesamtumstände abzustellen. Ergibt sich danach, dass die Erklärung im Namen eines Dritten abgegeben wurde, ist ein Vertreterhandeln anzunehmen. Für die Wahrung der Schriftform (z.B. § 568 Abs. 1 BGB) ist es ohne Bedeutung, ob tatsächliche eine Bevollmächtigung bestand114. Mit Rücksicht darauf soll ein Handeln als Bote anzunehmen sein, wenn auf dem Briefbogen einer als Aktiengesellschaft organisierten und im Mietvertrag als Vertreterin ausgewiesenen Hausverwaltung zwei Personen „i.A.“ unterzeichnen, von denen eine im Kopf des Schreibens mit Namen und dem Hinweis „Forderungsmanagement“ sowie seiner Mailadresse kenntlich gemacht ist115. bb) Vollmacht

54 Dem Handelnden muss eine Vollmacht von dem Vertragspartner, der zur Kündigung befugt ist, er-

teilt worden sein. Trotz § 568 Abs. 1 BGB ist auch die mündliche Vollmacht wirksam, wenngleich das Handeln aufgrund mündlicher Vollmacht das Risiko des § 174 BGB herbeiführt (vgl. § 542 BGB Rz. 57).

106 AG München v. 5.3.2015 – 453 C 2932/14, ZMR 2015, 621. 107 Vgl. die Nachweise bei Blank/Börstinghaus, § 542 BGB Rz. 43. 108 KG v. 11.7.1983 – 12 U 506/83, MDR 1983, 1023; KG v. 8.9.1997 – 8 W 6047/97, MDR 1998, 529; OLG Düsseldorf v. 7.1.2003 – 24 U 75/02, MDR 2003, 385 = ZMR 2003, 351; AG Köpenick v. 21.10.2014 – 7 C 84/14, GE 2014, 1593. 109 LG Berlin v. 28.8.1987 – 64 S 483/86, MDR 1988, 54. 110 BGH v. 2.4.2014 – VIII ZR 231/13, MDR 2014, 644 = MietRB 2014, 161 = ZMR 2014, 625 = GE 2014, 658 = IMR 2014, 227; Brandenburgisches OLG v. 18.9.1996 – 3 U 99/96, ZMR 1997, 598. 111 BGH v. 2.4.2014 – VIII ZR 231/13, MDR 2014, 644 = MietRB 2014, 161 = ZMR 2014, 625 = GE 2014, 658 = IMR 2014, 227; BGH v. 8.1.2004 – VII ZR 12/03, MDR 2004, 743 = BGHReport 2004, 721 = MietRB 2004, 213. 112 BGH v. 2.4.2014 – VIII ZR 231/13, MDR 2014, 644 = ZMR 2014, 625 = GE 2014, 658 = IMR 2014, 227; Eupen, MietRB 2004, 298. 113 BAG v. 20.8.1997 – 2 AZR 518/96, NJW 1998, 1095. 114 BAG v. 13.12.2007 – 6 AZR 145/07, MDR 2008, 572 = NJW 2008, 1243. 115 LG Berlin v. 24.9.2014 – 65 S 64/14, GE 2014, 1588.

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B. Wohnraummiete | Rz. 57 § 542

Die in einem Formularvertrag erteilte Vollmacht („Die Mieter bevollmächtigen sich wechselseitig im 55 Rahmen des Mietverhältnisses zur Abgabe und Entgegennahme von Willenserklärungen.“ – Vollmachtsklausel) soll zur aktiven Kündigung nicht ausreichen. Denn derartige Klauseln sollen einen Verstoß gegen § 307 BGB begründen116, solange sie nicht ausdrücklich Erklärungen ausnehmen, die auf die Beendigung des Mietverhältnisses gerichtet seien117. Deshalb soll erst recht die Klausel unwirksam sein, nach der ausdrücklich auch die Kündigung eines Mieters für die übrigen Mieter wirkt118. Das Gleiche soll gelten, wenn die Erklärung gegenüber einem Mieter Gesamtwirkung für alle Mieter haben soll119. Allerdings wird eine Vollmachtsklausel als wirksam angesehen, soweit es die Empfangnahme von Erklärungen im Rahmen des fortbestehenden Mietverhältnisses betrifft120, und zwar auch dann, wenn sie Kündigungen erfasst121. Dennoch wird die formularmäßige Empfangsvollmacht als unangemessene Benachteiligung angesehen, weil sie entgegen § 425 Abs. 2 BGB die Wirkung gegen die Gesamtschuldner anordnet122, und zwar auch in der Gewerberaummiete123. Richtigerweise ist insoweit sowohl für die passive als auch die aktive Vollmacht in einer Formularklausel darauf abzustellen, ob die Klausel klar und deutlich formuliert ist, so dass der Vertragspartner des Verwenders ihre Tragweite erkennen kann. Das ist auch der Fall, wenn Kündigung und Aufhebungsvertrag nicht ausdrücklich erwähnt sind. Insoweit besteht kein Anlass, die Klausel einschränkend auszulegen, was vor dem Hintergrund von § 305c Abs. 2 BGB ohnehin problematisch ist. Auch die über eine Formularklausel erteilte Vollmacht ist widerruflich, § 307 Abs. 3 BGB. Deshalb liegt in der Reichweite der Klausel keine unangemessene Benachteiligung. Ein Widerruf der Vollmacht ist im Zweifel anzunehmen, wenn die Ehe der Mieter geschieden wird124, 56 sobald dem Vermieter dies bekannt wird. Zieht einer von mehreren Mietern aus und teilt dem Vermieter seine neue Adresse mit, wird dies – jedenfalls in der Wohnraummiete – als konkludenter Widerruf der Vollmacht angesehen125. Mangels häuslicher Gemeinschaft gilt dies selbst dann nicht für Gewerberaummieter, wenn einer von mehreren Mietern, die bisher schon nicht zusammen gewohnt haben, ins Ausland verzieht126. cc) § 174 BGB Wird dem Kündigungsschreiben des Vertreters eine Vollmacht nicht beigefügt, kann der Adressat 57 die Erklärung grundsätzlich schon deshalb nach § 174 BGB zurückweisen, wenn der Vollmachtgeber den Kündigungsempfänger nicht anderweitig über die Bevollmächtigung unterrichtet hat (§ 174 S. 2 BGB). Die Vorschrift ist nur anwendbar auf rechtsgeschäftliche Vollmachten. Handelt der gesetzliche Vertreter, ist die Vollmachtsvorlage nicht erforderlich. Insoweit muss kein Unterschied hinsichtlich der Art der Bevollmächtigung erfolgen. Es ist unerheblich, ob sich die Befugnis zur Stellvertretung aus

116 OLG Hamm v. 24.11.1983 – 4 REMiet 1/83, WuM 1984, 20. 117 KG v. 15.1.2018 – 8 U 169/16, MietRB 2018, 230 (Hoffmann) = IMR 2018, 288 (Geue) für Gewerberaum; KG v. 5.1.2004 – 12 U 122/02, MietRB 2004, 201; OLG Frankfurt v. 19.12.1991 – 6 U 108/90, WuM 1992, 56 (61); OLG Celle v. 29.12.1989 – 2 U 200/88, WuM 1990, 103 (112) (und Hinweis auf das Transparenzgebot); OLG Nürnberg v. 23.2.1988 – 3 U 2870/87, ZIP 1988, 363 (Ratenkreditvertrag); LG Kiel v. 8.1.1986 – 1 S 78/85, WuM 1986, 371 (Erklärungen nach § 10 WoBindG); LG Hannover v. 5.7.1988, WuM 1988, 259 (Verbandsklage nach § 13 AGBG). 118 OLG Düsseldorf v. 17.10.2006 – 24 U 7/06, ZMR 2006, 2008 (44) = GuT 2007, 293 m.w.N.; OLG Celle v. 29.12.1989 – 2 U 200/88, WuM 1990, 103 (112); OLG Frankfurt v. 19.12.1991 – 6 U 108/90, WuM 1992, 56 (61). 119 LG München v. 12.10.2016 – 14 S 6395/16, MietRB 2017, 185 = ZMR 2017, 56 m.w.N. 120 BGH v. 10.9.1997 – VIII ARZ 1/97, MDR 1997, 1111 = WuM 1997, 599; OLG Dresden v. 13.10.2016 – 5 U 993/16, ZMR 2017, 391; KG v. 5.1.2004, 12 U 122/02, MietRB 2004, 201 = GE 2004, 753. 121 LG Hamburg v. 10.5.2016 – 316 S 80/15, ZMR 2016, 627. 122 LG Berlin v. 13.12.2013 – 63 S 94/13, MM 3/2014, 29. 123 KG v. 15.1.2018 – 8 U 169/16, MietRB 2018, 230 = IMR 2018, 288 (Geue); ebenso: KG v. 5.1.2004 – 12 U 122/02, MietRB 2004, 201 = GE 2004,753, Rz. 38. 124 Schleswig-Holsteinisches OLG v. 22.3.1983 – 6 REMiet 4/82, WuM 1983, 130. 125 BGH v. 10.9.1997 – VIII ARZ 1/97, MDR 1997, 1111 = WuM 1997, 599. 126 OLG Dresden v. 13.10.2016 – 5 U 993/16, ZMR 2017, 391.

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§ 542 Rz. 57 | Ende des Mietverhältnisses einem öffentlichen Register (z.B. Handelsregister) ergibt, eine Partei kraft Amtes (z.B. Insolvenzverwalter, Zwangsverwalter) oder der gesetzliche Vertreter eines Minderjährigen handelt. 58 § 174 BGB greift ein, wenn die Vollmacht nicht im Original vorgelegt wird127. Das ist nicht nur der

Fall, wenn sie lediglich als Abschrift, Kopie oder Telefax dem Kündigungsschreiben beigefügt wird128, sondern auch als beglaubigte Abschrift129. Eine notarielle Vollmacht wird im Original durch Beifügung einer Ausfertigung i.S.v. § 49 BeurkG überreicht130, also mit entsprechendem Vermerk des Notars, dass es sich um eine Ausfertigung handelt. Besteht ein mehrstufiges Vertretungsverhältnis, müssen die Vollmachten im Original vorgelegt werden, die eine geschlossene Kette vom Handelnden (z.B. Rechtsanwalt) über den (Zwischen-)Vertreter (z.B. Hausverwalter) zum eigentlich Kündigungsbefugten (z.B. Vermieter) ergeben131. Wurde die Vollmacht einer Sozietät erteilt, muss keine besondere Vollmacht für den sachbearbeitenden Rechtsanwalt dokumentiert werden, wenn sein Name auf dem Briefbogen der Kanzlei steht. Denn seine Vollmacht ergibt sich aus den Umständen (§ 164 Abs. 1 S. 2 BGB). Andererseits ist § 174 BGB auf die Bevollmächtigung eines BGB-Gesellschafters durch seine Mitgesellschafter anwendbar132. Deshalb genügt es nicht, die Vollmacht des Gesellschafters (mit der er z.B. einen Rechtsanwalt beauftragt) in beglaubigter Abschrift beizufügen133. 58a Die elektronische Form kann auch zur Erklärung einer Kündigung verwendet werden, §§ 126 Abs. 3,

126a BGB. Denn im Gegensatz z.B. zu § 623 BGB wurde bei Einführung des § 126 Abs. 3 BGB in § 568 Abs. 1 BGB nicht vermerkt, dass die elektronische Form ausgeschlossen ist. Deshalb ist die Übermittlung der Kündigung insbesondere per beA134 zulässig. 59 Die Vollmachtsvorlage ist grundsätzlich auch dann erforderlich, wenn der Handelnde in der Vergan-

genheit schon einmal mit Vollmacht gegenüber dem Adressaten tätig geworden ist. Dies gilt insbesondere für Rechtsanwälte, weil insoweit davon ausgegangen werden muss, dass jeweils einzelne Mandate erteilt werden135. Ausnahmsweise kann aber auf die bereits überreichte Vollmacht Bezug genommen werden, wenn die Kündigung erneuert werden soll, sich aus der Handlung also ergibt, dass ohne Unterbrechung das gleiche Rechtsschutzziel verfolgt wird. 60 Die Zurückweisung muss aus dem in § 174 BGB angegebenen Grund erfolgen. Erhebt der Adressat

„Widerspruch“ oder verwendet er einen anderen Begriff, aus dem sich durch Auslegung ermitteln lässt, dass die Kündigung nicht akzeptiert werden soll, muss zusätzlich ersichtlich sein, dass jedenfalls auch die mangelnde Vollmachtsvorlage reklamiert wird.

61 Die Zurückweisung hat unverzüglich zu erfolgen (= ohne schuldhaftes Zögern, § 121 BGB). Schuld-

haftes Zögern setzt neben der objektiven Komponente, einem nicht mehr hinnehmbaren Zeitablauf, subjektiv ein schuldhaftes, also vorwerfbares Handeln voraus136. Ein schuldhaftes Zögern kann deshalb nur dann angenommen werden, wenn der Adressat der Kündigung ab Kenntnis der Umstände, die eine Zurückweisung nach § 174 S. 1 BGB rechtfertigen, seinen Widerspruch gegen die Kündigung zeitlich verzögert anbringt. In dieser Einzelfallbetrachtung ist zu berücksichtigen, wenn sich der Adressat bei Zugang der Kündigung in Urlaub befand137. Selbst wenn er mit dem Eingang der Kündigung rechnen musste, ist grundsätzlich allein der Zeitraum zwischen Urlaubsrückkehr und Zurückweisung zu beur-

127 Schmidt-Futterer/Blank, § 542 BGB Rz. 49. 128 OLG Hamm v. 26.10.1990 – 20 U 71/90, NJW 1991, 1185; LG Berlin v. 22.12.1995 – 65 S 259/95, NJWE-MietR 1996, 220. 129 BGH v. 10.2.1994 – IX ZR 109/93, MDR 1994, 837 = NJW 1994, 1472; BGH v. 4.2.1981 – VIII ZR 313/79, MDR 1981, 664 = NJW 1981, 1210. 130 Schmidt-Futterer/Blank, § 542 BGB Rz. 49. 131 Blank/Börstinghaus, § 542 BGB Rz. 45. 132 Hierzu ausführlich Kraemer, NZM 2002, 465. 133 OLG Karlsruhe v. 10.12.2002 – 17 U 97/02, NZM 2003, 513 = OLGR Karlsruhe 2003, 201. 134 Besonderes elektronisches Anwaltspostfach. 135 LG Hamburg v. 24.4.1987 – 11 S 209/86, WuM 1987, 209; LG Mannheim v. 1.2.1987 – 4 S 142/77, WuM 1978, 139. 136 OLG München v. 4.8.1995 – 21 U 5934/94, ZMR 1997, 286 = OLGR München 1997, 110 = NJW-RR 1997, 904. 137 OLG München v. 4.8.1995 – 21 U 5934/94, ZMR 1997, 286 = OLGR München 1997, 110 = NJW-RR 1997, 904.

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B. Wohnraummiete | Rz. 63 § 542

teilen, wenn er nach der Rückkehr umgehend tätig wird. Im Übrigen können verbindliche (zeitliche) Höchstgrenzen nicht ermittelt werden, wenngleich ohne das Vorliegen besonderer Umstände im Mietrecht von einer Regelfrist von einer Woche auszugehen sein soll138 bzw. eine Zurückweisung 7 Tage nach Zugang der Kündigung nicht mehr unverzüglich sein soll139. Der Empfänger darf sich zunächst um Rechtsrat bemühen und handelt dann innerhalb von zehn Tagen zwischen Zugang der Kündigung und der Zurückweisung noch unverzüglich140. Dies gilt umso mehr, wenn ein Wochenende dazwischen liegt141. Deshalb können auch zwei Wochen noch ausreichen142. Allerdings sind drei Wochen zu lang143. Nach § 174 S. 2 BGB ist die Zurückweisung z.B. einer Kündigung ausgeschlossen, wenn der Vollmacht- 62 geber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte. Welche Anforderungen insoweit gelten, ist einzelfallabhängig. Wird der Vertreter in eine Stellung berufen, die üblicherweise mit einer entsprechenden Vollmacht ausgestattet ist, steht dies zwar einer Mitteilung der Bevollmächtigung gleich144. Wird dagegen vom Sachbearbeiter, vom Referatsleiter oder dem Sozius des Insolvenzverwalters gekündigt, besteht das Zurückweisungsrecht145. Auch bei einem (einfachen) Sachbearbeiter einer Grundstücksgesellschaft kann grundsätzlich aus der Stellung selbst nicht hergeleitet werden, dass er vom Vermieter in eine Stellung berufen ist, die üblicherweise mit einer Vollmacht zur Kündigung des Mietvertrages ausgestattet ist146, wenn sich aus den Umständen nichts anderes ergibt, § 164 Abs. 1 S. 2 BGB. Dies soll sich auch nicht aus (vorausgegangenen) Verhandlungen mit dem Mieter über Mieterhöhungen ergeben, in deren Zuge ein Angebot zur Beendigung des Mietverhältnisses unterbreitet wurde. Denn es macht einen qualitativen Unterschied, ob Verhandlungen im Rahmen des Betriebsverhältnisses eines Mietvertrages geführt werden oder ob das Grundverhältnis begründet oder (einseitig) beendet werden soll. Nichts Anderes gilt grundsätzlich für die Kündigung durch den Hausverwalter, sofern nicht die Voraussetzungen des § 164 Abs. 1 S. 2 BGB vorliegen (§ 542 BGB Rz. 53a). Jedenfalls kann von dessen Bevollmächtigung zum Kündigungsausspruch regelmäßig ausgegangen werden, wenn der Vermieter den Mieter zuvor schriftlich über die Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hat147 oder der Hausverwalter den Mietvertrag für den Vermieter abgeschlossen hat148. Im letzten Fall kann sogar (ausnahmsweise) statt des Originals eine Kopie der Vollmacht genügen149. In Ausnahmesituationen kann die Zurückweisung der Kündigung rechtsmissbräuchlich sein. Dies 63 soll insbesondere gelten, wenn zwischen den Parteien bzw. deren Bevollmächtigten zuvor eine längere Korrespondenz geführt wurde und im Zuge dieser Korrespondenz der Vertreter als vertretungsberechtigt anerkannt wurde150. Diese Auffassung mag im Einzelfall gerechtfertigt sein, weil der handelnde Rechtsanwalt auch schon die Vertretung gegenüber der anderen Partei in vorangegangenen Rechtsstreitigkeiten hatte. Indessen dient § 174 BGB der Rechtssicherheit, so dass auch in solchen Situationen eine Vollmachtsvorlage im Zweifel zu fordern ist. Nichts Anderes gilt, wenn der Hausanwalt tätig wird151. Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass der Rechtsanwalt zur Kündigung bereits eine Vollmacht vorgelegt hat und vorsorglich eine weitere Kündigung ausspricht. Hier kann er sich bei der zweiten Kündigung auf die bereits vorgelegte Vollmacht beziehen, an der der Vertreter ohnehin Eigentum behält und sie daher auch nach § 985 BGB sofort zurückverlangen kann.

138 KG v. 23.10.2017 – 8 U 91/17, GE 2017, 1468. 139 AG Hamburg v. 25.7.2019 – 44 C 11/19, ZMR 2019, 874. 140 LG Hamburg v. 20.10.1998 – 316 S 126/98, WuM 1998, 725; LG München II v. 20.6.1995 – 12 S 5539/94, WuM 1995, 478. 141 LG München II v. 14.11.1985 – 8 S 1394/85, WuM 1986, 259. 142 LG Berlin v. 22.12.1995 – 65 S 259/95, NJWE-MietR 1996, 221. 143 LG Berlin v. 24.1.1994 – 61 S 301/94, GE 1994, 1317. 144 Vgl. BAG v. 18.12.1980 – 2 AZR 980/78, NJW 1981, 2374. 145 Vgl. Palandt/Grüneberg, § 174 BGB Rz. 7. 146 KG v. 3.8.2009 – 12 U 96/09, ZMR 2010, 180. 147 AG Tempelhof-Kreuzberg v. 16.3.2018 – 19 C 335/17, GE 2018, 938. 148 A.A. LG Berlin v. 28.8.1986 – 61 S 173/86, WuM 1986, 331 = ZMR 1986, 439. 149 OLG Frankfurt v. 17.3.1995 – 10 U 98/94, NJW-RR 1996, 10 = OLGR Frankfurt 1995, 97. 150 OLG München v. 12.7.1995 – 21 U 4334/95, ZMR 1996, 557 = OLGR München 1996, 198. 151 LG Hamburg v. 24.4.1987 – 11 S 209/86, WuM 1987, 209.

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§ 542 Rz. 64 | Ende des Mietverhältnisses dd) Handeln aufgrund Prozessvollmacht 64 Wird die Kündigung im Prozess152 durch den Prozessbevollmächtigten erklärt, bedarf es nicht der Bei-

fügung einer Originalvollmacht153. Denn der Auftrag zur Klageerhebung (= Prozessvollmacht i.S.v. § 81 ZPO) beinhaltet die Befugnis, alle materiell-rechtlichen Erklärungen abzugeben, die zur Erreichung des Prozesszieles notwendig sind. Auf die Prozessvollmacht ist § 174 BGB deshalb nicht anwendbar154. 65 Umgekehrt gilt die einem Rechtsanwalt zur Abwehr einer Räumungsklage erteilte Prozessvollmacht

regelmäßig als Empfangsvollmacht für eine Kündigungserklärung155, selbst wenn die Kündigung während des Prozesses in einem außergerichtlichen Schreiben erklärt wird. ee) Vollmachtloses Handeln 65a Handelt ein vollmachtloser Vertreter, gilt § 180 BGB unabhängig davon, ob er seine Vollmacht aus-

drücklich oder stillschweigend behauptet156. Danach ist die Erklärung grundsätzlich unwirksam (§ 180 S. 1 BGB). Sofern kein Einverständnis nach § 180 S. 3 BGB gegeben ist, muss das Handeln des Vertreters durch den Erklärungsempfänger „bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts beanstandet“ werden. Dazu sind keine anderen Handlungen wie bei der Zurückweisung i.S.v. § 174 BGB notwendig157 (§ 542 BGB Rz. 60). Jedenfalls dann, wenn sie sich gegen eine unter Abwesenden abgegebene Willenserklärung richtet, reicht es aus, wenn sie unverzüglich erfolgt158. Findet ein Handeln des vollmachtlosen Vertreters unter Anwesenden statt, muss die Beanstandung sofort, also an Ort und Stelle erfolgen. In diesem Fall bleibt die Kündigung nach § 180 S. 1 BGB unwirksam. 65b Liegt die von einem vollmachtlosen Vertreter abgegebene, unbeanstandete Kündigung vor, ist fraglich,

ob diese nachträglich genehmigt werden kann159. Für die ordentliche Kündigung wird dies überwiegend bejaht, sofern die Genehmigung innerhalb der Kündigungsfrist erfolgt160. Für die außerordentliche Kündigung mit gesetzlicher Frist kann nichts Anderes gelten. Bei der fristlosen Kündigung ist eine Genehmigung nicht möglich, weil deren Wirksamkeit im Zeitpunkt des Zugangs feststehen muss161. ff) Handeln des Erwerbers 66 Der Erwerber einer vermieteten Immobilie ist vor Eintragung in das Grundbuch nicht zur Kündi-

gung des Mietvertrages im eigenen Namen berechtigt162 (§ 566 BGB Rz. 97 f.). Eine solche unwirksame Kündigung kann auch nicht vom Voreigentümer genehmigt werden163. Der Erwerber kann sich nach h.M. die Kündigungsbefugnis vom Veräußerer auch nicht abtreten lassen164. Isoliert abtretbar ist nur der Räumungsanspruch aus § 546 BGB. Allerdings hat der BGH in der Übersendung einer Betriebskostenabrechnung für die Zeit vor dem Vermieterwechsel nach § 164 Abs. 1 S. 2 BGB das Handeln des Erwerbers im Namen des Vermieters gesehen165. Übertragen auf die Kündigung könnte eine vergleichbare Situation nur angenommen werden, wenn der Erwerber den Kaufvertrag der Kündigung beifügt,

152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165

Zu den prozessualen Auswirkungen einer Kündigung im Berufungsverfahren: Reinke, NZM 2013, 404. BGH v. 18.12.2002 – VIII ZR 141/02, WuM 2003, 149. BGH v. 18.12.2002 – VIII ZR 141/02, WuM 2003, 149. BGH v. 23.2.2000 – XII ZR 77/98, NZM 2000, 382 = NJW-RR 2000, 745. Palandt/Ellenberger, § 180 BGB Rz. 1. Palandt/Ellenberger, § 180 BGB Rz. 1. BGH v. 25.10.2012 – V ZB 5/12, MDR 2013, 17 = NJW 2013, 297. Dazu. Schmid, NZM 2013, 401. BGH v. 30.11.2012 – V ZR 234/11, MietRB 2013, 46 = MDR 2013, 209 = ZMR 2013, 288 = NZM 2013, 195; a.A. Schmidt-Futterer/Blank, § 542 BGB Rz. 56. Schmid, NZM 2013, 401 (403). OLG München v. 17.1.1997 – 21 U 5288/93 und 21 U 5618/93, OLGR München 1997, 62; OLG Celle v. 9.6.1999 – 2 U 166/98, ZMR 1999, 618 = NZM 2000, 93. LG Osnabrück v. 18.10.1989 – 1 S 248/89, WuM 1990, 81. LG Berlin v. 1.12.1995 – 64 S 271/95, ZMR 1996, 325; LG Kiel v. 31.1.1991 – 1 S 185/90, WuM 1992, 128; LG Augsburg v. 8.10.1991 – 4 S 1785/91, NJW-RR 1992, 520. BGH v. 19.3.2014 – VIII ZR 203/13, MietRB 2014, 227 = MDR 2014, 517 = WuM 2014, 286 = ZMR 2014, 620.

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B. Wohnraummiete | Rz. 70 § 542

um aus den Umständen eine Vollmacht zu begründen. Wegen § 174 BGB müsste der Kaufvertrag aber im Original oder zumindest als Ausfertigung beigefügt werden. Der Erwerber kann aber aufgrund einer Ermächtigung i.S.v. § 182 BGB (= Befugnis, im eigenen Na- 67 men ein fremdes Recht geltend zu machen) schon vor dem Vermieterwechsel nach § 566 BGB handeln. Insoweit ist es unschädlich, wenn der Erwerber aufgrund einer Ermächtigung tätig wird, aber „im Namen des Eigentümers“ handelt166. Eine Ermächtigung, die bereits im Kaufvertrag zwischen Vermieter und Erwerber geregelt werden kann, muss der Erwerber nicht (unbedingt) offen legen167. Der Mieter kann sich über die Grundlage des Handelns des Erwerbers informieren. Ob der Mieter analog §§ 180 Abs. 1, 174 BGB oder entsprechend §§ 182 Abs. 3, 111 BGB die Kündigung des Erwerbers zurückweisen kann, ist offen. Die Zurückweisung muss jedenfalls unverzüglich erfolgen. Die Zulässigkeit der Kündigung aufgrund einer Ermächtigung ist sowohl für die Wohn- als auch die 67a Geschäftsraummiete beim Zahlungsverzug anerkannt168. Zweifelhaft ist ein solches Vorgehen aber bei Kündigungen, die an das Vorliegen von in der Person des Vermieters angelegten Kündigungsgründen (z.B. Eigenbedarf nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) gebunden sind. Der bisherige Vermieter hat i.d.R. kein Beendigungsinteresse (mehr), da er mit Vollzug des Verkaufs aus dem Mietverhältnis ausscheidet. Deshalb wird die Ermächtigung nicht nur bei der Kündigung wegen Eigenbedarfs169, sondern auch bei der Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht zugelassen170. Insoweit ist es unschädlich, wenn der Erwerber aufgrund einer Ermächtigung tätig wird, aber „im Namen des Eigentümers“ handelt171. Die Umdeutung einer (unwirksamen) Abtretung des Kündigungsrechts gemäß § 140 BGB in eine 68 Ermächtigung (§ 185 BGB) zum Kündigungsausspruch mit der Folge, dass der Ermächtigte im eigenen Namen zum Kündigungsausspruch befugt ist, ist jedenfalls bei der Geschäftsraummiete möglich, weil die Ermächtigung hier generell zulässig ist172. Bei der Wohnraummiete wird die Ermächtigung jedenfalls bei der Kündigung wegen Zahlungsverzuges als zulässig angesehen173. Dies wird bezweifelt, weil der Mieter bestimmte Schutzrechte (§§ 569 Abs. 3, 574 BGB) nur gegenüber dem Vermieter geltend machen kann, insbesondere einen eventuellen Anspruch auf Vertragsfortsetzung174. Diese Bedenken greifen aber nicht durch. Denn mit der Ermächtigung handelt der Erwerber zwar in eigenem Namen. Er macht aber ein fremdes Recht geltend, so dass die Rechte dem Mieter nicht verloren gehen. Der Mieter kann sie vielmehr sowohl gegenüber dem Erwerber als auch dem Vermieter wahrnehmen. Die (ohne Zustimmung des Mieters unwirksame) Regelung in einem Grundstückskaufvertrag, dass 69 der Käufer mit dem Tag des Vertragsschlusses in einen bestehenden Mietvertrag eintritt, kann nicht in eine Ermächtigung zur Kündigung umgedeutet werden175. Der Nachweis der Ermächtigung ist gesetzlich nicht geregelt. Sie muss aber im Kündigungsschreiben 70 offen gelegt werden176. Andernfalls soll bei der Kündigung von Wohnraum jedenfalls die Schriftform (§ 568 BGB) nicht eingehalten sein177. Auch eine entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Stellvertretung (§ 174 Satz 1 BGB) bzw. die Abtretung (§ 410 Abs. 1 S. 2 BGB) wird erörtert178. Richti-

166 LG Berlin v. 2.12.2016 – 65 S 121/16, GE 2017, 173. 167 BGH v. 19.3.2014 – VIII ZR 203/13, GE 2014, 663 = ZMR 2014, 620 (zur Mieterhöhung); a.A. AG HamburgBlankenese v. 17.12.2014 – 531 C 116/14, ZMR 2015, 133. 168 BGH v. 10.12.1997 – XII ZR 119/96, WuM 1998, 99 = MDR 1998, 271 = ZMR 1998, 214; KG v. 4.2.2008 – 8 U 167/07, MietRB 2008, 163 = WuM 2008, 153. 169 AG Ahrensburg v. 27.9.2012 – 45 C 477/12, ZMR 2013, 445. 170 AG Düsseldorf v. 29.7.2016 – 28 C 41/16, GE 2017, 665; AG Pforzheim v. 29.9.2016 – 3 C 129/16, MietRB 2017, 4; AG Mitte v. 17.8.2004 – 2 C 126/04, MM 2004, 375, vgl. auch Gsell, WuM 2012, 411. 171 LG Berlin v. 2.12.2016 – 65 S 121/16, GE 2017, 173. 172 BGH v. 10.12.1997 – XII ZR 119/96, WuM 1998, 99 = MDR 1998, 271 = ZMR 1998, 214. 173 KG v. 4.2.2008 – 8 U 167/07, MietRB 2008, 163 = WuM 2008, 153. 174 Deshalb gehen von der Unzulässigkeit aus: LG München I v. 3.2.1999 – 14 S 18876/98, WuM 1999, 161; AG Berlin-Mitte v. 17.8.2004 – 2 C 126/04, MM 2004, 375. 175 OLG Celle v. 9.6.1999 – 2 U 166/98, ZMR 1999, 618 = NZM 2000, 93. 176 AG Charlottenburg v. 3.12.2013 – 203 C 278/12, MM 2014, Heft 3, S. 30. 177 AG Charlottenburg v. 3.12.2013 – 203 C 278/12, MM 2014, Heft 3, S. 30. 178 Beuermann, GE 1999, 84.

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§ 542 Rz. 70 | Ende des Mietverhältnisses gerweise muss die Ermächtigung im Kündigungsschreiben entsprechend §§ 182 Abs. 3, 111 BGB nicht offengelegt werden. Der Kündigungsadressat hat die Möglichkeit der Zurückweisung. Macht er hiervon nicht unverzüglich Gebrauch, ist die ohne Hinweis auf die Ermächtigung erklärte Kündigung wirksam179. 71 Wird die Kündigung namens des Ermächtigten von einem Bevollmächtigten ausgesprochen, ist zusätz-

lich Vollmachtsvorlage erforderlich, um das Risiko des § 174 BGB zu vermeiden. Außerdem muss klar erkennbar sein, dass der Bevollmächtigte im Namen des Ermächtigten (und nicht etwa des Ermächtigenden) handelt180. Denn die Erklärungen von Vermieter und Erwerber sind nicht von vornherein unwirksam, wie § 140 BGB dies voraussetzt. 5. Kündigungsadressat 72 Kündigungsadressat ist stets der andere Vertragspartner. Wer dazu gehört, ist im Zweifel durch Aus-

legung zu ermitteln (s. § 535 BGB Rz. 282a und Rz. 293 f.). Steht der Mieter in Wohnungsangelegenheiten (Unterbringung) unter Betreuung, ist die Kündigung dem Betreuer zu übermitteln181. Erfasst die Betreuung die Wohnungsversorgung nicht, muss sie dem Mieter zugehen. Besteht Vertretung kraft Amtes (z.B. Zwangsverwalter, Insolvenzverwalter, Testamentsvollstrecker), ist die Kündigung an diesen Vertreter zu richten, wobei die Amtsbezeichnung nicht unbedingt in der Erklärung oder Adressierung enthalten sein muss, wenn sich der Gegenstand der Kündigung aus den Umständen ergibt. Bei der Insolvenzverwaltung gilt dies solange, wie die Wohnung nicht nach § 109 Abs. 1 S. 2 InsO frei gegeben wurde182. 73 Muss die Kündigung danach mehreren natürlichen oder juristischen Personen zugehen, kommt es

für die Wirksamkeit darauf an, dass die Erklärung allen in einem zeitlichen Zusammenhang zugeht (§ 542 BGB Rz. 49 f.). Denn soweit Personenmehrheiten auf der Vermieter- oder Mieterseite eine Einheit bilden, kann auch die Kündigung nur einheitlich von und gegenüber allen beteiligten Personen abgegeben werden183. Denn über die Frage der Beendigung des Mietvertrages müssen alle Vertragspartner auf der Aktivseite der Kündigung entscheiden und alle Personen, die die Passivseite bilden, Bescheid wissen, um ggf. Gegenrechte (z.B. § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB) ausüben zu können. Wer Vertragspartei ist/ war, muss im Zweifel anhand des Mietvertrages (einschließlich seiner Nachträge – und seien sie nur mündlich geschlossen worden) ermittelt werden184. Dennoch kann eine an beide Mieter gerichtete Kündigung unter der Anschrift der Wohnung wirksam sein, obwohl der eine Mieter ausgezogen ist, wenn der Auszug dem Vermieter nicht mitgeteilt wurde (vgl. im Übrigen § 542 BGB Rz. 73b)185. 73a Eine empfangsbedürftige Willenserklärung wie die Kündigungserklärung ist gemäß §§ 133, 157 BGB

so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste. Der Erklärungsempfänger ist verpflichtet, unter Berücksichtigung aller ihm erkennbaren Umstände zu prüfen, was der Erklärende gemeint hat186. Entscheidend ist dabei der durch normative Auslegung zu ermittelnde objektive Erklärungswert des Verhaltens des Erklärenden187. Diese Grundsätze können dazu führen, dass eine an „Damen und Herren“ gerichtete Kündigung, auf der sich der handschriftliche Vermerk über den Zugang und die Weiterleitung an einen weiteren Mieter befindet, (in der gehörigen Weise) an beide Mieter gerichtet ist188. Formell wirksam ist eine 179 BGH v. 19.3.2014 – VIII ZR 203/13, GE 2014, 663 = ZMR 2014, 620 (zur Mieterhöhung). 180 Vgl. dazu LG Berlin v. 23.2.1999 – 65 S 322/98, GE 1999, 777. 181 LG Berlin v. 23.7.2014 – 65 S 225/13, IMR 2015, 56; AG Idar-Oberstein v. 21.6.2018 – 303 C 784/17, WuM 2018, 757. 182 BGH v. 9.4.2014 – VIII ZR 107/13, MDR 2014, 643 = MietRB 2014, 193 = MietRB 2014, 194 = WuM 2014, 333. 183 BGH v. 28.6.2000 – VIII ZR 240/99, MDR 2000, 1235 = NJW 2000, 3133; BGH v. 27.11.1985 – VIII ZR 316/ 84, MDR 1986, 401 = NJW 1986, 918; BGH v. 1.12.1971 – VIII ZR 88/70, MDR 1972, 318 = NJW 1972, 249. 184 BGH v. 4.5.2011 – VIII ZR 146/10, MietRB 2011, 201 = MDR 2011, 841 = GE 2011, 882. 185 AG Charlottenburg v. 3.7.2015 – 232 C 43/15, GE 2015, 1537. 186 St. Rspr.; BGH v. 21.5.2008 – IV ZR 238/06, MDR 2008, 1159 = NJW 2008 (2702) Rz. 30. 187 BGH v. 5.10.1961 – VII ZR 207/60, BGHZ 36, 30 (33); Palandt/Ellenberger, § 133 BGH Rz. 9. 188 BGH v. 10.12.2014 – VIII ZR 25/14, MDR 2015, 266 = MietRB 2015, 33 = MietRB 2015, 34 = WuM 2015, 85 = GE 2015, 113.

730 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 76 § 542

Kündigung auch, wenn sie an die „GmbH z.Hd. des Geschäftsführers X“ adressiert ist, wenn der Mieter (= Geschäftsführer) weiß, dass allein mit ihm der Mietvertrag besteht189. Im Einzelfall kann die Berufung des gekündigten Mitmieters darauf, dem anderen Mitmieter sei nicht 73b gekündigt worden, treuwidrig sein. Denn der gekündigte Mieter verhält sich widersprüchlich (venire contra factum proprium), wenn er sich zunächst weigert, an der Entlassung des ausgezogenen Mieters mitzuwirken, und sich gegen die Beendigung des Mietvertrages darauf beruft, der andere Mieter, der seinen Beendigungswillen bereits zum Ausdruck gebracht hat, sei noch Vertragspartner190. Ein solcher Fall ist auch gegeben, wenn der Ehegatte vor fast 50 Jahren ausgezogen ist und der verbliebene Ehegatte, dem gegenüber allein gekündigt wurde, weder weiß, ob der andere noch lebt, noch wo er wohnt191. Dafür ist es nicht erforderlich, dass dem Vermieter von den Mietern der Auszug angezeigt wurde192. Bei einer (rechtsfähigen) Außen-GbR als Partei des Mietvertrags ist die Kündigung durch den bzw. 74 gegenüber dem vertretungsberechtigten Gesellschafter zu erklären193. Im Falle der Gesamtvertretung muss die Erklärung durch sämtliche Gesamtvertretungsberechtigte (§§ 709, 714 BGB) erfolgen, Abgabe gegenüber einem Gesamtvertreter genügt jedoch194. Selbstverständlich können sich die Vertragspartner gegenseitig zur Abgabe der Kündigungserklärung und/oder zu deren Empfang bevollmächtigen. Gegenseitige Bevollmächtigung zum Empfang der Kündigungserklärung kann auch auf dem Gebiet der Wohnraummiete formularmäßig festgelegt werden. Die Bevollmächtigung kann, ohne dass ein entsprechender Hinweis in die Formularklausel aufgenommen werden muss, aus wichtigem Grund widerrufen werden, wobei der Auszug des Mitmieters aus dem Mietobjekt einen wichtigen Grund darstellt195. Ist nach dem Tod des Kündigungsempfängers sein Erbe unbekannt, muss der Kündigende gem. 74a § 1961 BGB beim Nachlassgericht die Anordnung einer Nachlasspflegschaft mit dem Wirkungskreis der Vertretung des unbekannten Erben bei der Beendigung und Abwicklung des Mietverhältnisses beantragen196. Liegen die Voraussetzungen von § 1961 BGB vor, muss das Nachlassgericht die Nachlasspflegschaft anordnen197. 6. Form und Begründung der Kündigung Generell bedarf die Kündigung keiner Form und kann daher sowohl mündlich wie konkludent198 er- 75 klärt werden. Für die Wohnraummiete schreibt aber § 568 BGB die Schriftform des § 126 BGB vor. Deshalb müssen in der Wohnraummiete die Grundsätze beachten werden, die im Rahmen des § 550 BGB für zusammengesetzte Urkunden entwickelt wurden, wenn das Kündigungsschreiben aus mehreren Blättern besteht oder sogar auf Anlagen Bezug genommen wird (§ 550 BGB Rz. 16 f.). Entgegen dem Wortlaut des § 568 Abs. 2 BGB ist die Begründung bei der Wohnraummiete nach den 76 §§ 573 Abs. 3, 569 Abs. 4 BGB zwingend, also Wirksamkeitsvoraussetzung. Deshalb muss der Vermieter mit Ausnahme der Kündigung nach § 564 BGB (vgl. § 573d Abs. 1 BGB) jede Kündigung begründen. Insoweit gelten für ordentliche und außerordentliche Kündigungen keine unterschiedlichen Anforderungen.

189 190 191 192 193 194 195 196 197 198

OLG Düsseldorf v. 25.7.2013 – 10 U 114/12, ZMR 2015, 543 (546). BGH v. 16.3.2005 – VIII ZR 14/04, MietRB 2005, 172 = MDR 2005, 858 = NZM 2005, 452. LG Berlin v. 4.7.2016 – 67 S 33/16, GE 2017, 231. LG Berlin v. 4.7.2016 – 67 S 33/16, GE 2017, 231; a.A. AG Wedding v. 16.12.2015 – 15a C 157/15, GE 2017, 232. Vgl. dazu BGH v. 23.11.2011 – XII ZR 210/09, MDR 2012, 79 = MietRB 2012, 37 = ZMR 2012, 261; BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, MDR 2001, 459 = NJW 2001, 1056; Kraemer, NZM 2002, 465 (471). BGH v. 23.11.2011 – XII ZR 210/09, MDR 2012, 79 = MietRB 2012, 37 = ZMR 2012, 261; BGH v. 10.9.1997 – VIII ARZ 1/97, NJW 1997, 3437 (3439). Zum Ganzen: BGH v. 10.9.1997 – VIII ARZ 1/97, NJW 1997, 3437. Pfälzisches OLG v. 7.5.2015 – 8 W 49/15, FamRZ 2016, 495 = ZEV 2015, 633; OLG Köln v. 10.12.2010 – I-2 Wx 198/10, WuM 2011, 226 = MDR 2011, 370; OLG Hamm v. 22.6.2010 – I-15 W 308/10, NJW-RR 2010, 1594 = FamRZ 2011, 63; Horst, DWW 2013, 362. KG Berlin v. 2.8.2017 – 19 W 102/17, juris. BGH v. 10.10.2001 – XII ZR 93/99, NZM 2001, 1077.

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§ 542 Rz. 77 | Ende des Mietverhältnisses 77 Der Zweck der Begründungsvorschriften besteht darin, dem Mieter zum frühestmöglichen Zeitpunkt

Klarheit über seine Rechtsposition zu verschaffen und ihn dadurch in die Lage zu versetzen, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen199. Diesem Zweck wird im Allgemeinen Genüge getan, wenn das Kündigungsschreiben den Kündigungsgrund so bezeichnet, dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden kann. Bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs ist daher grundsätzlich die Angabe der Personen, für die die Wohnung benötigt wird, und die Darlegung des Interesses, das diese Personen an der Erlangung der Wohnung haben, ausreichend200. 7. Zugang der Kündigung 78 Da die Kündigung nach § 568 BGB schriftlich erfolgen muss, ist ein Zugang durch mündliche Erklä-

rung nicht möglich. Deshalb ist eine körperliche Zustellung erforderlich, § 130 Abs. 1 BGB. In diesem Sinne ist die Kündigung zugegangen, sobald sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass bei Annahme gewöhnlicher Verhältnisse damit zu rechnen ist, er könne von ihr Kenntnis erlangen201. Das ist regelmäßig der Fall, wenn der Brief mit der Kündigung in den Briefkasten des Adressaten eingeworfen wird. Erfolgt dies zu einer Zeit, zu der damit gerechnet werden kann, dass der Empfänger den Briefkasten noch am selben Tag leert, gilt der Zugang am Tag der Zustellung als bewirkt – ansonsten einen Tag später. Das ist nicht der Fall, wenn der Vermieter die Kündigung in den Briefkasten der Wohnung wirft, obwohl der Mieter ausgezogen ist202 oder diese ausschließlich von einem Untermieter bewohnt wird203. Das Gleiche gilt bei Adressierung an die alte Anschrift des ausgezogenen Mieters204. 79 Es ist umstritten, ob ein Brief, der im privaten Verkehr vor 18:00 Uhr in den Briefkasten eingewor-

fen wird, in jedem Fall am gleichen Tag zugegangen ist, weil die Post AG und andere Dienstleister zwischenzeitlich Briefe nicht nur vormittags zustellen205. Im Hinblick auf die geänderten Lebensgewohnheiten ist ein Zugang noch am selben Tag zu bejahen. Immer mehr Menschen sind berufstätig und kommen daher erst abends nach Hause. Deshalb kann mittlerweile angenommen werden, dass Briefkästen abends geleert werden. Im Zweifel muss jedoch durch das Gericht eine entsprechende Verkehrsanschauung festgestellt werden206. 80 Im geschäftlichen Verkehr muss der Einwurf während der Geschäftszeiten erfolgen. Der Zugang einer

Willenserklärung erfolgt jedenfalls nicht mehr am selben Tag, wenn er nach Geschäftsschluss in den Briefkasten eines Betriebs eingeworfen wird. In diesem Fall kann mit einer Leerung des Briefkastens am selben Tag nicht gerechnet werden. Dies ist auch der Fall, wenn in einem Bürobetrieb Silvester nachmittags nicht gearbeitet wird, so dass kurz vor 16.00 Uhr mit einer Briefkastenleerung am selben Tag nicht mehr zu rechnen ist. Daran ändert sich auch nichts, wenn der gewerbliche Empfänger auf seinen Geschäftsbriefen angibt, an Werktagen außer freitags von 14.00 bis 17.00 Uhr Sprechzeiten abzuhalten. Denn Silvester ist jedenfalls in der Dienstleistungsbranche kein Werktag207.

199 Vgl. BT-Drucks. 6/1549, S. 6 f. zu § 564a Abs. 1 S. 1 BGB a.F. 200 So schon BayObLG v. 14.7.1981 – AllgReg 32/81, MDR 1981, 1020 = NJW 1981, 2197 (2199 f.); BGH v. 27.6.2007 – VIII ZR 271/06, MietRB 2007, 253 = MietRB 2007, 254 = MDR 2007, 1301 = NZM 2007, 679 (Rz. 23). 201 BGH v. 21.1.2004 – XII ZR 214/00, MietRB 2004, 139 = MietRB 2004, 140 = MDR 2004, 560 = NZM 2004, 258; BGH v. 26.11.1997 – VIII ZR 22/97, MDR 1998, 337 = NJW 1998, 976. 202 AG Bergheim v. 28.2.2012 – 21 C 162/11, WuM 2013, 253 (für Betriebskostenabrechnung). 203 LG München I v. 28.6.2007 – 31 S 14583/06, NZM 2008, 166. 204 AG Siegburg v. 9.9.2005 – 109 C 260/05, WuM 2005, 775 (für Betriebskostenabrechnung). 205 Vgl. zu den unterschiedlichen Meinungen Palandt/Ellenberger, § 130 BGB Rz. 6; Reichold, Juris PK-BGB, § 130 BGB Rz. 12.1; Staudinger/Singer/Benedict, § 130 BGB Rz. 75; a.A. Erman/Arnold, § 130 BGB Rz. 12; offen gelassen BGH v. 5.12.2007 – XII ZR 148/05, MDR 2008, 439 = GuT 2008, 28 = ZMR 2008, 275 = NZM 2008, 167. 206 BAG v. 22.3.2012 – 2 AZR 224/11, NZA 2012, 1320 = BB 2012, 2111. 207 BGH v. 5.12.2007 – XII ZR 148/05, MDR 2008, 439 = GuT 2008, 28 = ZMR 2008, 275 = NZM 2008, 167.

732 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 84 § 542

Der Zugang ist auch bewirkt, wenn der Adressat die Kündigung nur gelesen hat. Hat z.B. der Vermieter 81 dem Mieter in seinen Räumen die Kündigungserklärung zur Lektüre vorgehalten, der Mieter sie gelesen und anschließend das Schreiben weisungsgemäß an den Vermieter (ggf. nach schriftlicher Bestätigung der Kenntnisnahme) zurückgegeben, ist der Zugang bewirkt. Die mangelnde Überlassung des Schreibens oder mindestens einer Kopie steht der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen. Obwohl die Kündigung zugegangen ist, hat der Mieter einen Anspruch auf Überlassung des Schreibens und kann im Rahmen des Schadensersatzes verlangen, so gestellt zu werden, wie er bei sofortiger (schriftlicher) Überlassung der Kündigung gestanden hätte. Geht dem Mieter fristgerecht nur der von dem Postzusteller gefertigte Benachrichtigungsschein zu, 82 wird der Empfänger dadurch nur davon unterrichtet, dass für ihn eine Einschreibesendung bei der Post zur Abholung bereitliegt. Er enthält aber keinen Hinweis auf den Absender des Einschreibebriefes und lässt den Empfänger im Ungewissen darüber, welche Angelegenheit die Einschreibesendung zum Gegenstand hat. Der Zugang des Benachrichtigungsscheines ersetzt daher nicht den Zugang des Einschreibebriefes. Für die Zustellung einer Kündigung, die in einem prozessualen Schriftsatz ausgesprochen wird, gel- 83 ten die §§ 166 ff. ZPO. Wird der die Kündigung enthaltende Schriftsatz durch Niederlegung nach § 181 ZPO zugestellt, erfolgt der für die Wirksamkeit der Kündigung notwendige Zugang nur, wenn der Adressat das Kündigungsschreiben bei der Post auch abholt. Die Zustellungsfiktion gilt nur für den prozessualen Schriftsatz und ersetzt nicht den Zugang nach § 132 BGB. Durch eine Postzustellungsurkunde kann der Zugang nicht bewiesen werden, wenn darauf keine Angaben zum Inhalt des zuzustellenden Schriftsatzes enthalten sind und die Geschäftsstelle des Gerichts zwar die Zustellung diverser Schriftstücke vermerkt, nicht jedoch den die Kündigungserklärung beinhaltenden Schriftsatz208. Der Adressat kann sich jedoch dann nicht auf mangelnden Zugang berufen, wenn er den Zugang bewusst verzögert oder vereitelt, obwohl er nach Sachlage mit rechtsgeschäftlichen Mitteilungen des Absenders rechnen musste209. Der Verzicht auf den Zugang kann nicht allein daraus geschlossen werden, dass der Mieter seine Geschäftstätigkeit eingestellt hat210. Wann sich der Adressat einer Kündigung gemäß § 242 BGB so behandeln lassen muss, als ob ihm 84 die Kündigungserklärung rechtzeitig zugegangen wäre, ist einzelfallabhängig211. Der Empfänger einer Benachrichtigung über die Niederlegung einer Zustellung ist nicht ohne weiteres gehalten, das für ihn niedergelegte Schriftstück abzuholen212. Andererseits kann der Erklärende nach den Grundsätzen von Treu und Glauben aus seiner nicht zugegangenen Willenserklärung ihm günstige Rechtsfolgen grundsätzlich nur ableiten, wenn er alles Erforderliche und ihm Zumutbare getan hat, damit seine Erklärung den Adressaten erreichen konnte213. Dazu gehört in der Regel, dass er nach Kenntnis von dem nicht erfolgten Zugang unverzüglich einen erneuten Versuch unternimmt, seine Erklärung derart in den Machtbereich des Empfängers zu bringen, dass diesem ohne weiteres eine Kenntnisnahme ihres Inhalts möglich ist214. Ein wiederholter Zustellungsversuch ist nur dann entbehrlich, wenn der Empfänger die Annahme einer an ihn gerichteten Mitteilung grundlos verweigert, obwohl er mit dem Eingang rechtserheblicher Mitteilungen seines Vertrags- oder Verhandlungspartners rechnen muss, oder wenn der Adressat den Zugang der Erklärung arglistig verweigert. Diese Voraussetzungen lassen sich nicht allein aus dem Umstand herleiten, dass ein Dauerschuldverhältnis besteht. Deshalb muss eine Partei noch nicht mit dem Eingang einer rechtserheblichen Mitteilung rechnen215. Gegenüber einem unter Betreuung stehenden Mieter hat der Schutz des Geschäftsunfähigen grundsätzlich Vorrang216.

208 LG Berlin v. 29.11.2016 – 67 S 329/16, WuM 2017, 26 = NZM 2018, 36. 209 BGH v. 21.1.2004 – XII ZR 214/00, MietRB 2004, 139 = MietRB 2004, 140 = MDR 2004, 560 = NZM 2004, 258. 210 KG v. 12.4.2010 – 8 U 175/09, MDR 2010, 1044 = GuT 2010, 224. 211 KG v. 10.6.2010 – 8 U 11/10, ZMR 2010, 954. 212 BGH v. 3.11.1976 – VIII ZR 140/75, MDR 1977, 388 = NJW 1977, 194. 213 BGH v. 26.11.1977 – VIII ZR 22/97, MDR 1998, 337 = NJW 1998, 976. 214 BGH v. 26.11.1977 – VIII ZR 22/97, MDR 1998, 337 = NJW 1998, 976. 215 KG v. 10.6.2010 – 8 U 11/10, ZMR 2010, 954. 216 AG Idar-Oberstein v. 21.6.2018 – 303 C 784/17, WuM 2018, 757.

Lützenkirchen | 733

§ 542 Rz. 85 | Ende des Mietverhältnisses 85 Der Zugang einer Kündigung bei dem Empfangsvertreter eines von zwei Mitgliedern einer Miteigentü-

mergemeinschaft genügt zu ihrer Wirksamkeit nicht217. Grundsätzlich können sich die Parteien aber beim Zugang vertreten lassen. Das ist z.B. der Fall, wenn der (Gewerberaum-) Mieter einen Dienstleister beauftragt, die in der Postfiliale lagernde Post abzuholen. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass der Dienstleister die Post an jedem Werktag abzuholen hat218. Formularmäßige Empfangsvollmachten, die im Mietvertrag enthalten sind, sind wirksam219. Ob diese Rechtsfolge auch gilt, wenn die Empfangsvollmacht mit einer Vertretungsvollmacht kombiniert ist, ist offen. Insoweit sprechen die gleichen Argumente für die Wirksamkeit wie ohne Kombination. Der Klauselinhalt lässt eine Interpretation, wonach die Vollmacht nur auf Willenserklärungen beschränkt ist, die den Bestand des Mietvertrages nicht betreffen, nicht zu. Eine Vollmacht kann jederzeit widerrufen werden und kann daher nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Mieters führen. Hierauf kommt es aber nicht an, wenn z.B. eine Partei (etwa im Schriftverkehr) ausdrücklich erklärt, die Korrespondenz solle mit einer bestimmten Person geführt werden. Deshalb liegt eine (für die Kündigung des Vermieters) Empfangsvollmacht vor, wenn der eine Mieter dem Vermieter mitgeteilt, er können die Korrespondenz mit dem anderen Mieter führen220. 86 Ist der Adressat unbekannten Aufenthalts, kann die öffentliche Zustellung bewirkt werden, § 132 BGB.

Dazu muss der Kündigende alle der Sache nach geeigneten und zumutbaren Nachforschungen angestellt haben, um den Aufenthalt des Zustelladressaten zu ermitteln, und seine ergebnislosen Bemühungen gegenüber dem Gericht darlegen221. Allein die ergebnislose Anfrage beim Einwohnermeldeamt und dem Zustellungspostamt des letzten Wohnsitzes des Adressaten genügen dafür in der Regel nicht. 86a Der Zugang der Kündigung kann nur gegenüber einer geschäftsfähigen Person bewirkt werden, § 131

Abs. 1 BGB. Ist vor Eintritt der Geschäftsunfähigkeit eine (den Zugang von Schriftstücken umfassende) Vollmacht erteilt worden, genügt die Zustellung an den Vertreter. Die Bestellung eines Betreuers ist nicht erforderlich222. Besteht aber eine Betreuung für den Bereich der Wohnungsangelegenheiten, kann ein wirksamer Zugang nur bei dem Betreuer erfolgen223 (§ 542 BGB Rz. 72). Der Schutz des Geschäftsunfähigen hat insoweit Vorrang, so dass Aspekte von Treu und Glauben (§ 542 BGB Rz. 84) grundsätzlich nicht Platz greifen. 8. Kündigungsfristen 87 Die relevanten Kündigungsfristen sind für Wohnraum in § 573c BGB (ordentliche Kündigung) und

in § 573d Abs. 2 BGB (außerordentliche Kündigung mit gesetzlicher Frist) geregelt. Im Übrigen ergeben sich die Kündigungsfristen aus § 580a BGB. 88 Die Angabe der Kündigungsfrist ist kein konstitutives Element der Kündigung. Wird die Kündigung

ohne Frist erklärt, gilt sie regelmäßig zum nächstzulässigen Termin, sofern ihre Auslegung nicht eine fristlose Kündigung ergibt. Enthält die Kündigung des Mieters keine Frist und bestätigt der Vermieter oder dessen Hausverwalter (§ 278 BGB) die Kündigung zu einem zu späten Termin, soll daraus eine Schadensersatzpflicht des Vermieters erwachsen224. Eine Kündigung mit unrichtiger Frist kann in der Regel in eine Kündigung für den nächstzulässigen Termin nach § 140 BGB umgedeutet werden225. 88a Aus dem Grundsatz, dass ein Mehr immer auch ein Weniger rechtfertigt, folgt, dass der Kündigende die

zeitliche Wirkung der Kündigung über das gesetzliche Maß hinaus selbst bestimmen kann. Macht eine Partei z.B. von einer außerordentlichen fristlosen Kündigung Gebrauch und bestimmt für die Wirkung

217 OLG München v. 4.8.1995 – 21 U 5934/94, ZMR 1997, 286 = OLGR München 1997, 110 = NJW-RR 1997, 904. 218 LG Cottbus v. 27.12.2019 – 2 O 136/19, ZMR 2020, 408. 219 BGH v. 10.9.1997 – VIII ARZ 1/97, NJW 1997, 3437. 220 BGH v. 10.12.2014 – VIII ZR 25/14, MDR 2015, 266 = MietRB 2015, 33 = MietRB 2015, 34 = WuM 2015, 85 = GE 2015, 113. 221 BGH v. 4.7.2012 – XII ZR 94/10, MDR 2012, 1308 = HKA 2012, 22. 222 LG Hamburg v. 10.5.2016 – 316 S 80/15, ZMR 2016, 627. 223 AG Idar-Oberstein v. 21.6.2018 – 303 C 784/17, WuM 2018, 757. 224 LG Berlin v. 15.11.2010 – 67 S 115/10, ZMR 2012, 274. 225 OLG Frankfurt v. 23.1.1990 – 5 U 61/89, NJW-RR 1990, 337.

734 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 89b § 542

eine Frist (sog. Auslauffrist), tritt die Beendigung zu dem genannten Termin ein, sofern die Auslegung nicht ergibt, dass eine Räumungsfrist geltend gemacht werden soll226. Nichts anderes gilt grundsätzlich, wenn eine ordentliche Kündigung erklärt wird und ein über die gesetzliche Kündigungsfrist hinausgehender Zeitpunkt angegeben wird. Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass der Kündigende ein einen unbestimmten Zeitpunkt nennt (z.B. „… zu dem Zeitpunkt, zu dem ich Ersatzraum gefunden haben“). Eine solche unbestimmt befristete Kündigung ist regelmäßig unwirksam227. Die Kündigung schon vor Vertragsbeginn ist grundsätzlich zulässig228. Bei einer fristlosen Kündi- 89 gung ergeben sich insoweit regelmäßig keine Probleme229. Wirkt die Kündigung allerdings mit einer Frist, können sich Schwierigkeiten bei der Fristberechnung ergeben. Ob die Frist der ordentlichen oder befristeten außerordentlichen Kündigung mit dem Zugang dieser Kündigung zu laufen beginnt oder erst mit dem vorgesehenen Vertragsbeginn, hängt in erster Linie von den zwischen den Vertragsteilen getroffenen Vereinbarungen ab. Falls die Parteien eine Abrede hierüber nicht getroffen haben und eine solche auch nicht im Wege der (ergänzenden) Auslegung des Vertrages anzunehmen ist, beginnt die Frist mit dem Zugang der Kündigungserklärung230. Denn soweit nicht gesetzliche Vorschriften entgegenstehen, können die Vertragsteile vereinbaren, von welchem Zeitpunkt an eine vereinbarte oder gesetzliche Kündigungsfrist zu laufen beginnt. Das ergibt sich aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit. Der Umstand, dass der Vertrag eine ausdrückliche Regelung dieser Frage nicht enthält, steht der Annahme einer entsprechenden Vereinbarung nicht entgegen, falls die Auslegung der Erklärungen der Vertragsteile ergibt, dass diese einen Fristbeginn festlegen wollten. Das ist z.B. anzunehmen, wenn die Kündigungsfrist ausdrücklich mit dem Vertragsbeginn geregelt wird („… beginnt am … und kann mit der gesetzlichen Frist gekündigt werden“). Enthält der Vertrag eine Befristung oder eine Mindestlaufzeit muss für die ordentliche Kündigung 89a im Wege der Auslegung ermittelt werden, ob die Kündigung vor Vertragsbeginn generell zulässig sein sollte oder die zeitliche Beschränkung auch das Recht der Kündigung vor Vertragsbeginn bzw. Überlassung erfassen sollte. Im Zweifel ist von Letzterem auszugehen, da dies dem Zweck der Befristung entspricht. Leidet der Vertrag an einem Schriftformmangel, bestimmt § 550 BGB, dass die Kündigung frühestens zum Ablauf des ersten Vertragsjahr seit der Überlassung zulässig ist. Diese Frist soll nach dem Willen des Gesetzgebers auch für die Kündigung vor Invollzugsetzung gelten231, wobei auf die im Vertrag vorgesehene Überlassung abzustellen sein soll232. Andere meinen, dass in diesem Fall entgegen dem Gesetzeswortlaut für den Fristbeginn auf den Abschluss des Mietvertrages abzustellen sei233, weil die Anwendung des Gesetzeswortlautes insbesondere bei der Vermietung vom Reißbrett zu unpraktischen Ergebnissen führen könnte234. Dem ist nicht zu folgen. Die Überlassung fällt regelmäßig mit dem Vertragsbeginn zusammen. Dieser muss mindestens bestimmbar im Vertrag geregelt sein. Er kann sich auch mit Hilfe von Umständen, die außerhalb der Urkunde liegen, in den meisten Fällen ohne weiteres ermitteln lassen. Hätte der Gesetzgeber eine andere Frist für diesen Fall gelten lassen wollen, hätte er § 550 BGB anders abgefasst, zumal er mit seiner Formulierung die Unsicherheit der Vorgängervorschrift (§ 566 BGB a.F.) gerade beseitigen wollte. Bei einer außerordentlich befristeten Kündigung kommt es neben den Vertragsabreden vor allem 89b auf den Tatbestand an, auf den die Kündigung gestützt wird. Dabei sind die §§ 57a ZVG, 1056 Abs. 3 BGB regelmäßig unproblematisch, weil sie die (entsprechende) Anwendung des § 566 BGB vorausset-

226 Vgl. z.B. BGH v. 25.11.1998 – VIII ZR 221/97, MDR 1999, 307 = NJW 1999, 946; OLG Köln v. 7.9.2012 – 1 U 50/11 Rz. 67, zitiert nach juris; OLG Frankfurt v. 8.12.2005 – 2 U 128/05, zitiert nach juris. 227 BGH v. 22.10.2003 – XII ZR 112/02, MietRB 2004, 72 = MDR 2004, 269 = ZMR 2004, 172 = WuM 2004, 271. 228 BGH v. 10.10.2001 – XII ZR 93/99, NZM 2001, 1077; BGH v. 21.2.1979 – VIII ZR 88/78, WuM 1979, 139 = MDR 1979, 574; OLG Düsseldorf v. 12.1.1995 – 10 U 36/94, WuM 1995, 439 = ZMR 1995, 465; Sternel, Mietrecht aktuell, X Rz. 92. 229 Dazu: OLG Düsseldorf v. 12.1.1995 – 10 U 36/94, WuM 1995, 439 = ZMR 1995, 465. 230 BGH v. 21.2.1979 – VIII ZR 88/78, WuM 1979, 139 = MDR 1979, 574. 231 BT-Drucks. 14/4553, S. 47. 232 Palandt/Weidenkaff, § 550 BGB Rz. 13. 233 Staudinger/Emmerich, § 550 BGB Rz. 38. 234 Sternel, Mietrecht aktuell, X Rz. 10.

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§ 542 Rz. 89b | Ende des Mietverhältnisses zen. Der Vermieterwechsel i.S. dieser Vorschrift erfordert aber gerade eine Überlassung. Besteht ein Schriftformmangel ergeben sich keine Unterschiede zu § 542 BGB Rz. 89a. 9. Teilkündigung 90 Aus dem Grundsatz der Einheit des Mietvertrages folgt, dass er nicht hinsichtlich einzelner Teile ge-

kündigt werden kann, selbst wenn sie räumlich abtrennbar sind (vgl auch § 573 BGB Rz. 221). Denn die Kündigung als solche ist auf die Beendigung des Vertragsverhältnisses als Ganzes gerichtet235. Eine gesetzliche Ausnahme bildet § 573b BGB für den Spezialfall, dass der Vermieter eine nicht zum Wohnen benötigte Teilfläche zur Schaffung neuen Wohnraums benötigt. Eine weitere Ausnahme kann sich aus § 57a ZVG ergeben, wenn der Ersteher in der Zwangsversteigerung (oder Erwerber nach § 111 InsO) eine Teilfläche eines einheitlich vermieteten Objektes erwirbt236 oder eine Sondereigentumseinheit einheitlich an einen Zwischenvermieter vermietet ist237. Im Übrigen können sich Ausnahmen im Hinblick auf mögliche stärkere Sanktionen ergeben. Kann der Vermieter z.B. außerordentlich kündigen, weil der Untermieter den Hausfrieden stört, könnte er auch – als milderes Mittel – aus wichtigem Grund die Erlaubnis zur Untervermietung widerrufen (vgl. § 535 BGB Rz. 783). Das Gleiche kann für die Pflicht des Mieters zur Treppenhausreinigung gelten. Verletzt er diese Pflicht in erheblicher Weise, kann der Vermieter die mildere Sanktion der Teilkündigung dieser Pflicht ergreifen und bei entsprechender Umlagevereinbarung die Kosten der Treppenhausreinigung durch ein Fremdunternehmen oder als Eigenleistung als Betriebskosten umlegen. 91 Der Grundsatz der Unzulässigkeit der Teilkündigung gilt auch bei einem einheitlichen Mietvertrag

(vgl. Vor § 535 BGB Rz. 74). Werden z.B. Wohnung und Garage einheitlich z.B. in einer Vertragsurkunde vermietet, ist es grundsätzlich unzulässig, die Garage gesondert zu kündigen238. Dies gilt generell auch dann, wenn die zusätzliche Anmietung der Garage später erfolgt und dabei eine Vertragseinheit begründet wurde, die aber nicht allein aus einem räumlichen oder zeitlichen Zusammenhang hergeleitet werden kann239. Liegen Wohnung und Garage nicht auf demselben Hausgrundstück oder Anwesen, sondern auf verschiedenen Grundstücken, die etwa 150 Meter voneinander entfernt sind, besteht erst recht keine Vermutung für eine Einheit240. 91a Die einheitliche Urkunde kann jedoch einen Vorbehalt enthalten, wonach eine Teilkündigung zuläs-

sig sein soll. Erfolgt eine solche Bestimmung in einem Formularvertrag, ist insbesondere § 305c BGB zu berücksichtigen. Danach kann der Vorbehalt überraschend sein, wenn er im hinteren Teil zwischen einer Vielzahl weiterer Regelungen versteckt ist241. 92 Gegen die Einheit von zwei Verträgen können Indizien sprechen wie etwa

– Bestehen von zwei getrennten Verträgen242, – ein großer zeitlicher Unterschied zwischen der Begründung beider Verträge243, – unterschiedliche Vertragsparteien244,

235 236 237 238 239 240 241 242 243 244

OLG Rostock v. 3.11.2011 – 3 U 36/11, MDR 2012, 1458 = MietRB 2012, 258 = GE 2012, 1229. KG v. 8.11.2010 – 8 U 43/10, NZM 2012, 304. BGH v. 30.10.2013 – XII ZR 113/12, MDR 2014, 207 = MietRB 2014, 43 = GE 2013, 1648. BGH v. 12.11.2011 – VIII ZR 251/10, MDR 2012, 82 = MietRB 2012, 4 = WuM 2012, 14 = GE 2012, 58; LG Braunschweig v. 10.10.1985 – 7 S 145/85, ZMR 1986, 165. BayObLG v. 12.12.1990 – REMiet 2/90, ZMR 1991, 174 = BayObLGZ 1990, 329 (333); OLG Karlsruhe v. 30.3.1983 – 3 REMiet 1/83, NJW 1983, 1499. BGH v. 12.11.2011 – VIII ZR 251/10, MDR 2012, 82 = MietRB 2012, 4 = WuM 2012, 14 = GE 2012, 58. AG Schwelm v. 16.2.2017 – 27 C 228/16, WuM 2017, 188. BGH v. 9.7.2014 – VIII ZR 376/13, MDR 2014, 1017 = MietRB 2014, 285 = WuM 2014, 539 = GE 2014, 1129 = DWW 2014, 254 = ZMR 2014, 871. 18 Jahre: BayObLG v. 12.12.1990 – REMiet 2/90, WuM 1991, 78. AG Mannheim v. 21.6.1992 – 14 C 92/92, DWW 1992, 370; AG Wuppertal v. 26.3.1992 – 97 C 8/92, WuM 1992, 611; AG Dorsten v. 29.6.1990 – 8 C 444/90, WuM 1991, 35; AG Köln v. 11.9.1992 – 221 C 172/92, WuM 1993, 611.

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B. Wohnraummiete | Rz. 97 § 542

– unterschiedliche Vertragsdauer oder Kündigungsfristen245, – getrennte Zahlung der Miete oder – getrennte Abrechnung der Betriebskosten. Dennoch kann bei Eigenbedarf i.S.v. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB eine weitere Ausnahme vom Grundsatz 93 des Verbots der Teilkündigung gegeben sein. Dies soll z.B. anzunehmen sein, wenn im Einzelfall durch die den Belangen des Kündigenden entsprechende Teilkündigung die Interessen des Mieters nicht oder jedenfalls nicht unzumutbar beeinträchtigt werden246, was allgemein auf Kritik stößt247. Denn dabei werden die Grundsätze verkannt, die im Rahmen des durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG geprägten § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB gelten (s. § 573 BGB Rz. 221). Bei der Wohnraummiete kann grundsätzlich nur durch individuelle Parteivereinbarung die Zulässig- 94 keit einer Teilkündigung vereinbart werden. Formularmäßig sind derartige Bestimmungen nach § 307 BGB unwirksam. 10. Widerruf oder Rücknahme der Kündigung Ein Widerruf oder eine Rücknahme der Kündigung ist nach deren Zugang nicht mehr möglich, § 130 95 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Kündigung wirkt mit ihrem Zugang und entfaltet ab diesem Zeitpunkt unabhängig vom Verhalten der Parteien ihre gestalterische Wirkung (Ausnahme: § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB). Die Wirkungen der Kündigung können deshalb nur einvernehmlich außer Kraft gesetzt werden, was auch stillschweigend erfolgen kann248. Dazu werden von den Parteien die unterschiedlichsten Formulierungen verwendet, unabhängig davon, ob vereinbart wird, dass die Kündigung widerrufen oder zurückgenommen wird, der Vertrag unverändert fortgesetzt werden soll oder der Vermieter mitteilt, dass mit Ausgleich der Mietschulden „alles beim Alten“ bleibt und der Mieter zahlt. Denkbar ist auch, dass das Sozialamt eine Zahlung unter der Bedingung leistet, dass der Mietvertrag fortgesetzt wird und der Vermieter den gezahlten Betrag nicht zurücküberweist249. Solange die Vereinbarung über die Fortsetzung des Mietvertrages vor Ablauf der Kündigungsfrist getroffen wird, ist im Zweifel anzunehmen, dass der alte – noch bestehende – Vertrag unverändert in Kraft bleibt250. Nach Ablauf der Kündigungsfrist ist eine solche Vereinbarung grundsätzlich als Abschluss eines neuen Mietvertrages zu verstehen, so dass auch die Schriftform des § 550 BGB zu beachten ist. 11. Wiederholte Kündigung Ob der Vermieter, der im Prozess unterlegen ist, erneut kündigen kann, richtet sich nach dem Streit- 96 gegenstand des Vorprozesses. Weist das Gericht die Klage als zzt. unbegründet ab, kann der Vermieter ggf. unter Behebung des Mangels erneut (aus dem gleichen Grund) kündigen und Räumungsklage erheben251. Im Übrigen hindert die Rechtskraft eines klageabweisenden Urteils eine neue Klage nicht, wenn die Klage im Vorprozess nicht als (schlechthin) unbegründet, sondern nur als derzeit unbegründet abgewiesen worden ist, wobei es unschädlich ist, wenn dies im Tenor der Entscheidung nicht zum Ausdruck kommt252. Für Kündigungen im Arbeitsrecht entspricht es ständiger Rechtsprechung des BAG, dass ein Arbeit- 97 geber eine erneute Kündigung nicht erfolgreich auf Kündigungsgründe stützen kann, die er schon zur

245 OLG Frankfurt v. 23.1.1990 – 5 U 61/89, NJW-RR 1990, 337; a.A. LG Göttingen v. 23.1.1991 – 5 S 109/90, WuM 1991, 266; LG Osnabrück v. 18.10.1989 – 1 S 248/89, WuM 1990, 81. 246 OLG Karlsruhe v. 3.3.1997 – 3 REMiet 1/97, MDR 1997, 449 = WuM 1997, 202 = ZMR 1997, 283. 247 Lammel, § 542 BGB Rz. 51; Schmidt-Futterer/Blank, § 542 BGB Rz. 87 m.w.N. 248 Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 228. 249 LG Braunschweig v. 29.8.1997 – 6 S 159/96, WuM 1998, 218. 250 BGH v. 24.6.1998 – XII ZR 195/96, MDR 1998, 1216 = NJW 1998, 2664. 251 BVerfG v. 30.9.2003 – 1 BvR 2388/02, ZMR 2004, 94. 252 BGH v. 21.1.2009 – VIII ZR 62/08, MietRB 2009, 125 = MDR 2009, 498 = WuM 2009, 180; BVerfG v. 30.9.2003 – 1 BvR 2388/02, NJW 2003, 3759 (unter II 1b); a.A. LG Hamburg v. 31.3.1978 – 11 S 27/78, MDR 1978, 847, vgl. auch Schopp, MDR 1979, 57 f.; Stadie, MDR 1978, 798 ff.

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§ 542 Rz. 97 | Ende des Mietverhältnisses Begründung einer vorherigen Kündigung erfolglos vorgebracht hat253. Diese mit prozessualen Besonderheiten des Kündigungsschutzprozesses begründete Rechtsprechung ist jedenfalls dann nicht auf das Mietrecht anwendbar, wenn es bei der erneuten Kündigung (erneut) um die Frage geht, ob ihr deshalb der Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) entgegensteht, weil der Vermieter den Mieter bei Abschluss des unbefristeten Mietvertrages nicht darauf hingewiesen hat, dass er die Wohnung alsbald für seine erwachsene Tochter benötigen könnte254. 98 Allerdings soll Rechtsmissbrauch eintreten können, wenn die Kündigung ausschließlich auf solche

Gründe gestützt wird, die bereits Gegenstand des Vorprozesses waren255. Dem kann nicht gefolgt werden. Abgesehen davon, dass schon die Vielzahl der möglichen formellen und materiellen Abweisungsgründe eine generalisierte Betrachtung verbietet, ist die Kündigung stets nach den Umständen zu prüfen, die sie rechtfertigen sollen. Liegt aber der Tatbestand vor, können aus der Tatsache, dass der Vermieter (ggf. irrtümlich) etwa zu früh gekündigt hatte (z.B. Vorratskündigung, vgl. § 573 BGB Rz. 232), eine Alternativwohnung nicht angegeben hatte oder die Pflichtverletzungen bis dahin nicht als ausreichend erheblich angesehen werden konnten, keine Wirkungen mehr hergeleitet werden. 12. Rechtsmissbräuchliches Verhalten im Zusammenhang mit der Kündigung 99 Rechtsmissbräuchlich kann eine Kündigung insbesondere unter den Fallgruppen des venire contra

factum proprium256 oder des Ausnutzens einer formalen Rechtsposition257 sein. Ist dem Vermieter vertraglich ein jederzeitiges ordentliches Kündigungsrecht eingeräumt, ist dessen Ausübung ohne weitergehende Anhaltspunkte selbst dann nicht rechtsmissbräuchlich, wenn er mit der Kündigung zugleich bezweckt haben sollte, einem (berechtigten) Mängelbeseitigungsverlangen seines Mieters nicht mehr nachkommen zu müssen258. Im Übrigen kommt ein rechtsmissbräuchliches Verhalten in Betracht, wenn der Mieter wegen fehlender Gebrauchsmöglichkeit der Mietsache nach § 542 Abs. 2 Nr. 1 BGB kündigt, obwohl er ungeachtet des Kündigungsgrundes von der Mietsache keinen Gebrauch machen wollte259. 100 Daneben kommt insbesondere ein widersprüchliches Verhalten in Betracht, wenn die Parteien jahre-

lang in Kenntnis bestimmter Umstände das Mietverhältnis abgewickelt haben und gegenüber der Kündigung plötzlich auf die Einhaltung des durch den Mietvertrag dokumentierten Zustandes bestehen. Das ist z.B. der Fall, wenn der Mietvertrag von mehreren Mietern als Partner einer Lebens- oder Wohngemeinschaft abgeschlossen wurde und einer der Mieter auszieht. In dieser Situation verstößt der Mieter gegen Treu und Glauben (venire contra factum proprium), wenn er einerseits das Mietverhältnis nicht gemeinsam mit dem ausziehenden Mieter kündigt, sondern die Wohnung weiter nutzt, und andererseits seine Zustimmung zur Entlassung des Mitmieters verweigert, ohne dass dies durch schutzwürdige Interessen gerechtfertigt wäre. Der in dieser Weise widersprüchlich handelnde Mieter muss sich gegenüber seinen Vertragspartnern so behandeln lassen, als habe er seine Zustimmung zur Entlassung des Mitmieters und zur Fortsetzung des Mietverhältnisses mit ihm allein erteilt260. 101 Dagegen handelt eine Genossenschaft nicht widersprüchlich, wenn sie die „Rücknahme“ der Kündi-

gung des Mieters verweigert, gleichzeitig aber auf dem Fortbestand der Mitgliedschaft des Ex-Mieters besteht261. Letzteres kommt dadurch in Betracht, dass die Genossenschaft das Geschäftsguthaben nicht vor Ablauf der dafür in der Satzung vorgesehenen Kündigungsfrist (in der Regel zwei Jahre) frei gibt. 101a Schließlich kommt ein widersprüchliches Verhalten auch nach Ausspruch der Kündigung in Betracht.

Hat der Vermieter eine formell unwirksame Kündigung erklärt, nach deren Zugang aber mehrfach

BAG v. 26.8.1993 – 2 AZR 159/93, BAGE 74, 143, 149 ff. = MDR 1994, 595. BGH v. 21.1.2009 – VIII ZR 62/08, MietRB 2009, 125 = MDR 2009, 498 = WuM 2009, 180. Blank/Börstinghaus, § 542 BGB Rz. 90. Zu den Anforderungen: Erman/Hohloch, § 242 BGB Rz. 106 f. Zu den Anforderungen: Erman/Hohloch, § 242 BGB Rz. 108 f. OLG Düsseldorf v. 16.8.2010 – 10 W 114/10, MietRB 2011, 9 = GE 2010, 1337. OLG Hamm v. 13.12.2010 – 7 W 33/10, MietRB 2011, 73 = MDR 2011, 535 = NZM 2011, 277. BGH v. 16.3.2005 – VIII ZR 14/04, MietRB 2005, 172 = MDR 2005, 858 = WuM 2005, 341 = ZMR 2005, 522 = NZM 2005, 452. 261 AG Hamburg-Wandsbek v. 19.6.2012 – 716b C 75/12, ZMR 2012, 785.

253 254 255 256 257 258 259 260

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B. Wohnraummiete | Rz. 104 § 542

nachdrücklich an der Wirksamkeit festgehalten, verhält er sich rechtsmissbräuchlich, wenn er nach Auszug des Mieters darauf beharrt, dass die Kündigung unwirksam gewesen sei262. 13. Pflicht zum Ausspruch der Kündigung Eine Pflicht zum Ausspruch der fristlosen Kündigung besteht grundsätzlich nicht.

102

Ausnahmsweise kann jedoch die Fürsorgepflicht des Vermieters (§ 535 BGB Rz. 500 f.) gegenüber an- 103 deren Mietern gebieten, z.B. zur Wiederherstellung des Hausfriedens von seinem Recht Gebrauch zu machen263. Voraussetzung ist aber in der Regel eine Abmahnung gegenüber dem störenden Mieter264. Ohne eine solche Erklärung i.S.v. § 543 Abs. 3 BGB fehlen in der Regel die Anspruchsvoraussetzungen des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB für die gestörten Mieter. 14. Schadensersatzanspruch des Mieters a) Wegen unberechtigter Kündigung des Vermieters Neben der Möglichkeit, den Mietvertrag fristlos zu kündigen (vgl. § 543 BGB Rz. 153), kann der Mie- 104 ter bei einer unberechtigten Kündigung (aber nicht schon bei deren Androhung265) Schadensersatzsprüche geltend machen. Voraussetzung ist, dass der Vermieter schuldhaft eine (materiell) unberechtigte Kündigung ausspricht und dem Mieter dadurch die weitere Nutzung des Mietobjekts vorwerfbar streitig macht266. Denn durch die unbegründete Kündigung verletzt der Vermieter seine vertragliche Nebenpflicht zur Rücksichtnahme auf und seine Fürsorgepflicht (vgl. § 535 BGB Rz. 500) für den Vertragspartner. Hat der Vermieter seine Kündigung auf einen tatsächlich nicht bestehenden Kündigungsgrund gestützt, scheidet eine Pflichtverletzung allerdings aus, wenn sich die Kündigung umdeuten lässt, selbst wenn diese Kündigung erst zu einem erheblich späteren Zeitpunkt (hier zwei Jahre) wirkt267. Ob die gleiche Rechtsfolge gilt, wenn nur ein Teil der Kündigung (z.B. Angabe eines nicht existierenden Lebensgefährten in der Eigenbedarfskündigung wegen der besseren Plausibilität eines großen Wohnbedarfs) unrichtig ist, ist zweifelhaft268. Hier ist im Ergebnis maßgeblich, ob die Kündigung wirksam ist. Eine ausreichende Pflichtverletzung kommt insbesondere in Betracht bei einer – Eigenbedarfskündigung ohne tatsächlichen Selbstnutzungswunsch269, – kein Bedarf bei der angegebenen Bedarfsperson270, – auf falsche Sachdarstellung gestützten Kündigung271, – wobei das Gericht alle Tatsachen würdigen muss, also bei nachträglichem Verkauf auch die vor der Kündigung bestehende Verkaufsabsicht des Vermieters (vorgetäuschter Eigenbedarf)272, – auf Zahlungsrückstände gestützten Kündigung273, – auf eine unwirksame AGB-Klausel gestützten Kündigung274.

262 263 264 265 266 267 268 269 270 271 272 273 274

LG Nürnberg-Fürth v. 24.5.2017 – 7 S 800/17, WuM 2017, 475. Ähnlich Sternel, Mietrecht aktuell, XII Rz. 5. LG Berlin v. 27.8.2010 – 65 S 89/10, GE 2011, 616. AG Coesfeld v. 25.9.2019 – 11 C 18/19, WuM 2020, 23; AG Köpenick v. 18.5.2018 – 4 C 200/17, GE 2018, 879. BGH v. 15.3.2000 – XII ZR 81/97, MDR 2000, 875 = WuM 2000, 598 = ZMR 2000, 590; BGH v. 6.2.1974 – VIII ZR 239/72, MDR 1974, 838. OLG Frankfurt v. 23.1.2013 – 2 U 276/12, ZMR 2013, 433. Dazu: Abramenko, ZMR 2014, 930. BGH v. 18.5.2005 – VIII ZR 368/03, MietRB 2006, 2 = MDR 2005, 1218 = NJW 2005, 2395 (unter II 1); AG Coesfeld v. 25.9.2019 – 11 C 18/19, WuM 2020, 23; AG Münster v. 17.1.2014 – 61 C 568/13, WuM 2014, 274. BGH v. 29.3.2017 – VIII ZR 44/16, MDR 2017, 693, GE 2017, 658. BGH v. 4.6.2014 – VIII ZR 289/13, MDR 2014, 950 = MietRB 2014, 254 = WuM 2014, 495 = NZM 2014, 635; BGH v. 18.5.2005 – VIII ZR 368/03, MDR 2005, 1218 = MietRB 2006, 2 = ZMR 2005, 702 = NZM 2005, 580; BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 255/82, BGHZ 89, 297, 302 = MDR 1984, 571 = ZMR 1984, 163 (164). BGH v. 10.5.2016 – VIII ZR 214/15, MietRB 2016, 227 = MDR 2016, 817 = WuM 2016, 426 = ZMR 2016, 611. BGH v. 15.3.2000 – XII ZR 81/97, MDR 2000, 875 = WuM 2000, 598 = ZMR 2000, 590. BGH v. 8.7.1998 – XII ZR 64/96, NZM 1998, 718 (unter 2a).

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§ 542 Rz. 104 | Ende des Mietverhältnisses Handelt der Erwerber vor Eintragung, kommen grundsätzlich keine Ansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB in Betracht, da er noch nicht Vermieter ist und daher keine Verletzung des Mietvertrages besteht275. Denkbar ist aber eine cic (§§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB) oder insbesondere Schadensersatz aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, wenn z.B. nicht bestehender Eigenbedarf geltend gemacht wird. 104a Grundsätzlich hat derjenige, der aus der Verletzung vertraglicher Verpflichtungen Rechte herleiten

will, deren tatsächliche Voraussetzungen darzulegen und zu beweisen. Das führt dazu, dass der Mieter in den Fällen des vorgetäuschten Kündigungsgrundes der Beweis obliegt, dass z.B. der Eigenbedarf des Vermieters tatsächlich nicht gegeben war276. Dies kann aber auch zu erhöhten Anforderungen an die Darlegungen des Vermieters führen, ohne dass damit die Beweislast verlagert wird. Der fehlende Selbstnutzungswille ist z.B. eine innere Tatsache, zu der der Mieter naturgemäß keine Angaben machen kann. Diesem Umstand wird dadurch Rechnung getragen, dass den Vermieter gesteigerte Darlegungspflichten treffen277. Der Mieter hat in die für den Eigenbedarf geltend gemachten Tatsachen regelmäßig keinen Einblick und kann ohne nähere Darlegung seitens des Vermieters nicht beurteilen, ob dessen Kündigung wegen Eigenbedarfs, die den Mieter zum Auszug veranlasst hat, berechtigt war. Setzt der Vermieter den behaupteten Selbstnutzungswillen nach dem Auszug des Mieters nicht in die Tat um, liegt der Verdacht nahe, dass der Eigenbedarf nur vorgeschoben gewesen ist. Unter diesen Umständen ist es dem Vermieter – auch unter Berücksichtigung des Art. 14 GG – zuzumuten, substantiiert und plausibel darzulegen, aus welchem Grund der mit der Kündigung vorgebrachte Eigenbedarf nachträglich entfallen sein soll. Hieran sind strenge Anforderungen zu stellen278. Erst wenn der Vortrag des Vermieters den oben genannten Anforderungen genügt, obliegt dem Mieter der Beweis für seine Behauptung, dass ein Selbstnutzungswille des Vermieters schon vorher nicht bestand. Spielt in der Darstellung eine dritte Person eine entscheidende Rolle (z.B. Lebensgefährte), und weigert sich der Vermieter, deren Name und Anschrift zu benennen, kann dies im Rahmen der freien Beweiswürdigung als Beweisvereitelung (zu Lasten des Vermieters) gewertet werden279. Trägt der Vermieter zum nachträglichen Wegfall des Eigenbedarfs widersprüchlich vor, haftet er auf Schadensersatz280. 104b Haben die Parteien einen (gerichtlichen) Vergleich über die Räumungspflicht des Mieters geschlos-

sen, kann es dem Mieter verwehrt sein, sich auf das Nichtbestehen von Kündigungsgründen zu berufen. Wegen der Begründung seiner Räumungspflicht durch den Vergleich ist es dem Mieter verwehrt, seine Schadensersatzansprüche darauf zu stützen, dass der tatsächlich geltend gemachte Bedarf aus Rechtsgründen die ausgesprochene Kündigung nicht gerechtfertigt hätte (venire contra factum proprium). Er ist aber nicht gehindert zu behaupten, die vom Vermieter dargelegte Bedarfssituation habe in Wahrheit nicht vorgelegen (vorgetäuschte Kündigungsgründe)281. 105 Diese Grundsätze, die sich aus der Frage herleiten, ob sich der Vermieter zu Unrecht auf einen nicht

bestehenden (materiellen) Kündigungsgrund berufen hat, sollen sich nicht auf die Situation übertragen lassen, in der die Nichteinhaltung der formellen Kündigungsvoraussetzungen (z.B. die fehlende Angabe der Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der ordentlichen Kündigung, § 573 Abs. 3 BGB) reklamiert wird282. Insoweit soll keine vertragliche Nebenpflicht des Vermieters bestehen, eine aus formellen Gründen unwirksame Kündigung zu unterlassen. Der Zweck der Begründungspflicht liege darin, dem Mieter zum frühestmöglichen Zeitpunkt über seine Position Klarheit zu verschaffen und ihn in die Lage zu versetzen, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen283. Nach der gesetzlichen Regelung sei die Begründung der ordentlichen Kündigung des Vermieters von Wohnraum Wirksamkeitsvoraussetzung, eine Kündigung ohne Angabe konkreter

OLG Stuttgart v. 6.3.2006 – 5 U 197/05, WuM 2007, 64. BGH v. 18.5.2005 – VIII ZR 368/03, MietRB 2006, 2 = MDR 2005, 1218 = NJW 2005, 2395. AG Münster v. 17.1.2014 – 61 C 568/13, WuM 2014, 274. BGH v. 18.5.2005 – VIII ZR 368/03, MietRB 2006, 2 = MDR 2005, 1218 = NJW 2005, 2395. BGH v. 13.6.2012 – VIII ZR 356/11, GuT 2012, 384. LG Berlin v. 5.3.2018 – 64 S 72/17, GE 2018, 766. BGH v. 23.8.2016 – VIII ZR 178/15, MDR 2016, 1348 = WuM 2016, 628 = ZMR 2016, 852 Rz. 16 f. BGH v. 15.12.2010 – VIII ZR 9/10, MietRB 2011, 33 = MDR 2011, 150 = WuM 2011, 33; kritisch dazu Sternel, ZMR 2014, 928. 283 Vgl. BT-Drucks. 6/1549, S. 6 f. zu § 564a Abs. 1 S. 1 BGB a.F. 275 276 277 278 279 280 281 282

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B. Wohnraummiete | Rz. 108 § 542

Gründe mithin von vornherein unwirksam284. Dem Interesse des Mieters, die Kündigungsgründe frühzeitig zu erfahren und die Wahrnehmung seiner Rechte darauf einzustellen, werde somit bereits durch die Rechtsfolge der Unwirksamkeit einer nicht mit Gründen versehenen Kündigung umfassend Rechnung getragen. Diese Auffassung ist zweifelhaft. Für den juristisch nicht vorgebildeten Kündigungsempfänger ist es nicht erkennbar, ob die Kündigung formell wirksam ist. Faktisch macht der Vermieter dem Mieter daher den Besetz streitig und erschüttert die Vertrauensgrundlage, zumal der Mieter nicht erkennen kann, ob materiell ein Kündigungsrecht besteht. Deshalb macht sich der Vermieter auch schadensersatzpflichtig, wenn der Eigenbedarf zwar entgegen § 573 Abs. 3 S. 1 BGB nicht im Kündigungsschreiben als berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses angegeben und die Kündigung deshalb unwirksam ist, der Vermieter dem Mieter den Eigenbedarf aber schlüssig dargetan und der Mieter keine Veranlassung hatte, die Angaben des Vermieters in Zweifel zu ziehen285. b) Verschulden Für die Annahme eines Verschuldens reicht grundsätzlich jede Fahrlässigkeit des Vermieters. Um er- 106 mitteln zu können, ob der Vermieter bei seiner Rechtsausübung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat, muss er vortragen, auf welcher tatsächlichen und/oder rechtlichen Grundlage er seine Rechte geltend macht. Hat er insoweit annehmen dürfen, dass seine Kündigung wirksam ist, liegt ein die Schuld ausschließender Rechtsirrtum vor. In tatsächlicher Hinsicht muss der Vermieter alle Erkenntnisquellen ausschöpfen, die für ihn in zu- 107 mutbarer Weise erreichbar sind. Danach muss sich der Sachverhalt für ihn ohne Zweifel so darstellen, dass er zur Rechtsausübung berechtigt ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, befindet er sich in einem entschuldigenden Rechtsirrtum, wenn eine für ihn nicht erkennbare erhebliche Tatsache der Kündigung entgegensteht. Dazu muss er auch überprüfen, ob z.B. die Vertragsstörung des Mieters auf eine Ursache zurückzuführen ist, die seinem eigenen Verantwortungsbereich zuzuordnen ist (z.B. Ursachenbeitrag zur Pflichtwidrigkeit des Mieters), der eigene Rechtsstandpunkt mithin plausibel ist286. Mit dieser Plausibilitätskontrolle287 hat es grds. sein Bewenden. Bleibt dabei ungewiss, ob tatsächlich eine Pflichtverletzung der anderen Vertragspartei vorliegt, darf der Vermieter z.B. die sich aus einer Pflichtverletzung ergebenden Rechte geltend machen, ohne den Vorwurf schuldhaften Verhaltens befürchten zu müssen, auch wenn sich sein Verlangen im Ergebnis als unberechtigt herausstellt288. Dies soll auch bei einer Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB gelten, wenn der Mieter wegen einer (im Nachhinein) begründeten Flächenabweichung gemindert hat289. Insoweit hätte aber mindestens eine eigene Überprüfung der Fläche verlangt werden können. Im Übrigen muss der Vermieter die Rechtslage unter Einbeziehung der höchstrichterlichen Rechtspre- 108 chung sorgfältig prüfen. Entschuldigt ist ein Rechtsirrtum bei unsicherer Rechtslage insoweit grundsätzlich nur dann, wenn der Irrende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte290. Dazu kann nicht von dem Grundsatz ausgegangen werden, dass zweifelhafte Rechts- und Tatsachenfragen in Forderungsprozessen auszutragen sind, so dass ein Verschulden erst angenommen werden kann, wenn für den Vermieter durch eine erstinstanzliche Entscheidung die reale Erkenntnismöglichkeit besteht, dass seine tatsächliche und rechtliche Wertung unzutreffend ist291. Dafür bietet weder das Gesetz noch der Gedanke des

284 Blank/Börstinghaus, § 573 BGB Rz. 173; vgl. auch BGH v. 22.6.2005 – VIII ZR 326/04, WuM 2005, 584 (unter II 2), betreffend § 569 Abs. 4 BGB. 285 BGH v. 8.4.2009 – VIII ZR 231/07, MietRB 2009, 283 = MDR 2009, 794 = WuM 2009, 359 = GE 2009, 710. 286 Vgl. BGH v. 23.1.2008 – VIII ZR 246/06, MDR 2008, 373 = NJW 2008, 1147 (1148). 287 Ähnlich Kaiser, NJW 2008, 1709 (1712) (Evidenzkontrolle). 288 BGH v. 16.1.2009 – V ZR 133/08, MDR 2009, 438 = NJW 2009, 1262; BGH v. 23.1.2008 – VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147 (1148); Haertlein, MDR 2009, 1 (2). 289 LG Köln v. 10.11.2011 – 1 S 243/10, ZMR 2012, 190. 290 BGH v. 12.7.2006 – X ZR 157/05, MDR 2007, 200 = BB 2006, 1819; BGH v. 26.1.1983 – IVb ZR 351/81, MDR 1983, 651 = NJW 1983, 2318; BGH v. 18.4.1974 – KZR 6/73, NJW 1974, 1903. 291 A.A. LG Frankfurt v. 14.11.2003 – 2-11 U 326/02, NZM 2004, 297; AG Hamburg-Altona v. 8.1.2008 – 318c C 67/07, ZMR 2008, 297.

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§ 542 Rz. 108 | Ende des Mietverhältnisses Mieter- oder Kündigungsschutzes eine Grundlage. Vielmehr wird dadurch das Risiko der eigenen Rechtsausübung durch den Mieter ohne rechtfertigenden Grund auf den Vermieter verlagert292. Deshalb muss der Vermieter im Zweifel Rechtsrat einholen, bevor er kündigt, wobei er sich ein Verschulden des Rechtsberaters zurechnen lassen muss293. c) Kausalität 109 Der Kausalzusammenhang zwischen einer vom Vermieter erklärten unwirksamen Kündigung und

dem Schaden des Mieters wird durch eine einvernehmliche Beendigung des Mietverhältnisses nicht unterbrochen, obwohl er zu diesem Zeitpunkt mangels ordnungsgemäß begründeter Kündigungserklärung nicht zur Räumung des Mietobjekts verpflichtet war294. Unerheblich ist schließlich, ob der Mieter bei Abschluss des Aufhebungsvertrags bereits eine neue Wohnung angemietet hat. Steht die Anmietung der neuen Wohnung unter dem Eindruck der scheinbar materiell gerechtfertigten (Eigenbedarfs-)Kündigung, ist auch insoweit die arglistige Täuschung des Vermieters ursächlich für den hieraus entstehenden Schaden des Mieters295. 110 Teilweise wird angenommen, die Kausalität bestehe nicht, wenn die Mietvertragsparteien die Beendi-

gung des Mietverhältnisses im Wege eines (gerichtlichen) Vergleichs vereinbaren, durch den der Streit über den vom Vermieter behaupteten, vom Mieter in Abrede gestellten Eigenbedarf beigelegt wird296. Danach soll mit dem Vergleich gerade die Situation bereinigt und dem Streit der Parteien die Grundlage entzogen werden. Damit sei es regelmäßig nicht vereinbar, wenn aus dem (streitigen) Sachverhalt, der Grundlage des Vergleichs war, noch Schadensersatzansprüche hergeleitet werden könnten. Dem kann aber nur in Ausnahmefällen gefolgt werden (vgl. § 542 BGB Rz. 116b). 110a Zieht der Mieter aber aus, obwohl er davon überzeugt ist, dass die Kündigung des Vermieters un-

wirksam ist, soll es an der Kausalität fehlen297. d) Schaden aa) Wiedereinräumung des Besitzes 111 Hat der Vermieter eine unwirksame (z.B. Eigenbedarfs-)Kündigung erklärt (z.B. weil der Eigenbedarf

nicht bestand), kann der Mieter auf Wiedereinräumung des Besitzes klagen. Anspruchsgrundlage für dieses Begehren kann einmal § 535 Abs. 1 BGB sein, weil der (ursprüngliche) Mietvertrag nicht beendet wurde. Die gleiche Rechtsfolge vermittelt aber auch ein Schadensersatzanspruch (§ 249 BGB = Naturalrestitution). 112 Ist das Objekt in der Zwischenzeit veräußert, stellt sich die Frage, ob dieses Leistungshindernis das

Rechtsschutzbedürfnis der Klage des Mieters tangiert. Insoweit wird vertreten, dass der Schuldner – hier der Vermieter – auch unter der Geltung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes ohne Beweisaufnahme zur Leistung verurteilt werden kann, wenn die Unmöglichkeit zwischen den Parteien streitig ist, sie aber in jedem Fall von dem Schuldner zu vertreten wäre298. Diese Frage kann offen bleiben, wenn der Mieter keinen Erfüllungsanspruch, sondern einen auf Wiedereinräumung der vertraglichen Rechte gerichteten Schadensersatzanspruch auf Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) geltend macht, an dessen Stelle bei einer etwaig bestehenden Unmöglichkeit der Herstellung ein Anspruch auf Geld-

292 BGH v. 25.10.2006 – VIII ZR 102/06, MietRB 2007, 59 = MietRB 2007, 60 = MietRB 2007, 61 = MDR 2007, 454 = GE 2007, 46 = WuM 2007, 24. 293 BGH v. 25.10.2006 – VIII ZR 102/06, MietRB 2007, 59 = MietRB 2007, 60 = MietRB 2007, 61 = MDR 2007, 454 = GE 2007, 46 = WuM 2007, 24. 294 Vgl. OLG Karlsruhe v. 7.10.1981 – 3 REMiet 6/81, NJW 1982, 54 (55); BayObLG v. 25.5.1982 – REMiet 2/82, MDR 1982, 939 = NJW 1982, 2003 (2004); AG Coesfeld v. 1.10.2019 – 4 C 156/19, WuM 2019, 712; MünchKomm/Häublein, § 573 BGB Rz. 108; Schmidt-Futterer/Blank, § 573 BGB Rz. 79. 295 OLG Karlsruhe v. 7.10.1981 – 3 REMiet 6/81, NJW 1982, 54 (56). 296 Vgl. dazu OLG Frankfurt v. 6.9.1994 – 20 REMiet 1/93, MDR 1995, 35 = NJW-RR 1995, 145 (146). 297 AG Gelsenkirchen v. 16.12.2016 – 411 C 45/16, ZMR 2017, 982. 298 Vgl. Schur, NJW 2002, 2518 ff.; Kaiser, MDR 2004, 311 ff.; Kohler, AcP 205 (2005), 93 ff.; jeweils m.w.N.

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B. Wohnraummiete | Rz. 113 § 542

entschädigung tritt (§ 251 Abs. 1 BGB)299. Eine – von dem Vermieter darzulegende und zu beweisende300 – Unmöglichkeit der Herstellung führt deshalb dazu, dass der Vermieter den Mieter in Geld zu entschädigen hat301. Er kann aber nicht zur Wiedereinräumung der Besitz- und Mietrechte an der Wohnung verurteilt werden, ohne dass geklärt wird, ob ihm dies noch möglich ist, §§ 249 Abs. 1, 251 Abs. 1 BGB. bb) Sonstiger Schaden Neben der Naturalrestitution kommen alle anerkannten wirtschaftlichen Schadenspositionen in Be- 113 tracht302. Speziell auf Seiten des Mieters kommen insoweit in Betracht – die Kosten – der Rechtsberatung303, jedenfalls wenn für den Vermieter bei pflichtgemäßer Prüfung ersichtlich gewesen wäre, dass das beanstandete Handeln des MIeters rechtmäßig war304, wobei die Erstattungspflicht nicht entfällt, weil der Mieter auch Beratungshilfe hätte in Anspruch nehmen können305; die Tätigkeit zur Einholung der Deckungszusage des Rechtsschutzversicherers begründet aber keine notwendige Schadensposition306, – des Räumungsprozesses307, – des Umzugs – für den Transport des Umzugsgutes308, – für die Vergütung an private Hilfspersonen309, – der Beschaffung des Ersatzraumes – Kosten für eine SCHUFA-Auskunft, die der neue Vermieter verlangt310, – der Maklerprovision311, beachte aber § 2 Abs. 1a WoVermittG (Bestellerprinzip), nicht aber solche für den Erwerb eines Hausgrundstücks312 – des Inserats, – zur Finanzierung und Herrichtung einer Eigentumswohnung313, – der neuen Wohnung – für Ummeldung314,

299 BGH v. 16.12.2009 – VIII ZR 313/08, MietRB 2010, 65 = MDR 2010, 375 = WuM 2010, 165 = GE 2010, 339 = NZM 2010, 273. 300 Vgl. Baumgärtel/Helling, § 251 BGB Rz. 1; MünchKomm/Oetker, § 251 BGB Rz. 72; jeweils m.w.N. 301 Vgl. BGH v. 29.2.1984 – IVa ZR 188/82, MDR 1984, 1008 = NJW 1984, 2570 ff. 302 Siegmund, WuM 2017, 613. 303 AG Hamburg-Altona v. 23.8.1984 – 317b C 351/84, WuM 1985, 121; AG Hamburg-Wandsbek v. 9.11.1990 – 715 C 390/90, NJW-RR 1991, 973; AG Waldbröl v. 15.3.1991 – 6 C 1/91, WuM 1993, 121. 304 LG Berlin v. 19.12.2019 – 65 S 219/19, ZMR 2020, 403. 305 BGH v. 24.2.2011 – VII ZR 169/10, MDR 2011, 697 = WuM 2011, 376. 306 BGH v. 9.3.2011 – VIII ZR 132/10, MietRB 2011, 170 = MDR 2011, 512 = WuM 2011, 214 = ZMR 2011, 536. 307 LG Karlsruhe v. 25.8.1994 – 5 S 185/94, DWW 1995, 145; LG Berlin v. 24.6.1988 – 64 S 30/88, ZMR 1988, 387; AG Hildesheim v. 14.7.1994 – 19 C 611/93, WuM 1995, 179. 308 BGH v. 29.3.2017 – VIII ZR 44/16, MDR 2017, 693 = WuM 2017, 510 = GE 2017, 658; LG Hamburg v. 6.11.1992 – 311 S 180/91, WuM 1995, 175; LG Karlsruhe v. 25.8.1995 – 5 S 185/94, DWW 1995, 145; AG Bad Oldesloe v. 26.8.1992 – 2 C 629/91, WuM 1995, 170. 309 LG Stuttgart v. 4.10.1990 – 13 S 148/90, WuM 1991, 41; LG Tübingen v. 7.3.1991 – 1 S 257/90, WuM 1991, 493; AG Betzdorf v. 16.12.1994 – 3 C 817/93, WuM 1995, 172. 310 AG Tempelhof-Kreuzberg v. 7.7.2016 – 23 C 196/15, WuM 2017, 660. 311 BGH v. 16.12.2009 – VIII ZR 313/08, MietRB 2010, 65 = MDR 2010, 375 = WuM 2010, 165 = ZMR 2010, 355. 312 AG Braunschweig v. 31.7.2019 – 31 C 131/18, IMR 2019, 410 (Blank). 313 LG Karlsruhe v. 12.7.1991 – 9 S 530/90, DWW 1992, 22. 314 LG Karlsruhe v. 25.8.1994 – 5S 185/94, DWW 1995, 145; AG Tempelhof-Kreuzberg v. 7.7.2016 – 23 C 196/ 15, WuM 2017, 660; AG Pforzheim v. 2.3.1994 – 2 C 426/93, DWW 1995, 144.

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§ 542 Rz. 113 | Ende des Mietverhältnisses – für Nachsendung der Post315, – für Telefon-Anschluss-Kosten316, – für die Mietdifferenz317, einschließlich der Kosten für Schönheitsreparaturen, falls sie in der bisherigen Wohnung nicht vom Mieter geschuldet wurden; dabei sollen die Bruttowarmmieten gegenübergestellt werden müssen318; bei der reinen Miete muss eine Vergleichbarkeit mit der bisherigen Wohnung bestehen oder hergestellt werden können (§ 287 ZPO)319, die höhere Miete darf also nicht auf einem anderen Wohnwert (z.B. wegen besserer Ausstattung, Zuschnitts, Lage oder Größe der neuen Wohnung) beruhen320; der Höhe nach sind auch die §§ 556d BGB einschlägig (§ 536a BGB Rz. 88a); Schadensersatz ist bis zu dem Zeitpunkt zu leisten, zu dem der Vermieter das Mietverhältnis durch eine berechtigte Kündigung (z.B. nach § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nrn. 2 oder 3 BGB) hätte beenden können321 oder die Familienentwicklung des Mieters einen Auszug geboten hätte322, wobei die zukünftige Entwicklung der Miete zu berücksichtigen ist323, mit Rücksicht auf § 9 ZPO längstens aber 3 ½ Jahre324, – für die Anfangsrenovierung325, – für die Übernahme des Mobiliars des Vormieters/Vermieters326, in dieser Allgemeinheit zweifelhaft, da Mieter einen Gegenwert erhält; – der (vorübergehenden) doppelten Mietzahlung327, – Zinsverluste bei der Kaution328; – der Verlust noch nicht abgewohnter Investitionen durch bauliche Maßnahmen329, insoweit ist allerdings § 284 BGB zu beachten, – der Verlust von nicht mehr verwendbaren Einrichtungsgegenständen330, insoweit ist allerdings § 284 BGB zu beachten, – entgangener Gewinn331, – Schmerzensgeld332, – Detektivkosten333,

315 AG Tempelhof-Kreuzberg v. 7.7.2016 – 23 C 196/15, WuM 2017, 660. 316 LG Karlsruhe v. 13.7.1990 – 9 S 507/89, WuM 1991, 272. 317 BGH v. 29.3.2017 – VIII ZR 44/16, MDR 2017, 693 = WuM 2017, 510 = GE 2017, 658; BGH v. 16.12.2009 – VIII ZR 313/08, MietRB 2010, 65 = MDR 2010, 375 = WuM 2010, 165 = ZMR 2010, 355. 318 AG Tempelhof-Kreuzberg v. 7.7.2016 – 23 C 196/15, WuM 2017, 660. 319 LG Berlin v. 24.6.1988 – 64 S 30/88, ZMR 1988, 387; LG Düsseldorf v. 10.1.1995 – 24 S 214/94, DWW 1996, 280; LG Wuppertal v. 28.10.1997 – 16 S 80/97, WuM 1997, 681; AG Betzdorf v. 16.12.1994 – 3 C 817/93, WuM 1995, 172. 320 BGH v. 29.3.2017 – VIII ZR 44/16, MDR 2017, 693 = WuM 2017, 510 = GE 2017, 658 Rz. 40. 321 LG Köln v. 27.9.1991 – 10 T 230/91, WuM 1992, 14; Siegmund, WuM 2017, 613 (619); vgl. auch Eisenhardt, MDR 1999, 1481; a.A. LG Düsseldorf v. 10.1.1995 – 24 S 214/94, DWW 1996, 280: Begrenzung auf ein Jahr; AG Saarlouis v. 27.10.1993 – 24b C 893/91, WuM 1995, 173: Begrenzung auf drei Jahre; dazu: Staudinger/ Rolfs, § 573 BGB Rz. 237. 322 Siegmund, WuM 2017, 613 (619). 323 LG Darmstadt v. 8.10.1993 – 6 T 20/93, WuM 1995, 165; Siegmund, WuM 2017, 613 (619) m.w.N. 324 AG Coesfeld v. 1.10.2019 – 4 C 156/19, WuM 2019, 712. 325 LG Düsseldorf, DWW 1996, 280; LG Karlsruhe v. 13.7.1990 – 9 S 507/89, WuM 1991, 272; AG Nürnberg v. 10.1.1991 – 25 C 1000/90, WuM 1995, 180. 326 AG Siegen v. 9.8.1994 – 5 C 108/94, WuM 1995, 167. 327 LG Hamburg v. 6.11.1992 – 311 S 180/91, WuM 1995, 175; LG Köln v. 23.6.1983 – 6 S 52/83, WuM 1984, 197. 328 AG Saarlouis v. 27.10.1993 – 24b C 893/91, WuM 1995, 173. 329 OLG Karlsruhe v. 2.9.1975 – 1 U 61/75, WuM 1976, 99; AG Heidelberg v. 29.3.1973 – 23 C 364/72, WuM 1973, 185. 330 AG Saarlouis v. 27.10.1993 – 24b C 893/91, WuM 1995, 173. 331 BGH v. 27.10.2010 – XII ZR 128/09, WuM 2011, 256 = GuT 2010, 343 = GE 2010, 1741. 332 AG Reinbek v. 20.5.2008 – 5 C 624/96, ZMR 2008, 719; zweifelnd Staudinger/Rolfs, § 573 BGB Rz. 234. 333 Einzelfallabhängig: LG Berlin v. 9.12.1997 – 84 T792/97, WuM 2000, 313; AG Hamburg v. 10.10.1996 – 38 C 110/96, WuM 1997, 220; a.A. stets zu ersetzen, wenn adäquat kausal: Schmidt-Futterer/Blank, § 573 BGB Rz. 81.

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B. Wohnraummiete | Rz. 116a § 542

– entgangener Urlaub, soweit er für Wohnungsbesichtigungen genommen wurde334, – entgangener Gewinn für die Zeit, bis der Vermieter erstmals ordentlich kündigen konnte335. Ist die neue Wohnung günstiger als die bisherige, braucht der Mieter sich diesen Vorteil nicht auf die 114 übrigen Schadenspositionen wie Umzugskosten etc. anrechnen zu lassen336. cc) Mitverschulden Grundsätzlich kommt eine Kürzung des Schadens nach § 254 BGB in Betracht, wenn der Mieter einen 115 Ursachenbeitrag zur Entstehung des Schadens geliefert hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass den Mieter keine Obliegenheit trifft, den Schadenseintritt zu verhindern337. Ausreichende Anhaltspunkte können sich aber ergeben, wenn der Mieter – vor der Räumung nicht prüft, ob die Gründe stichhaltig sind, die der Vermieter angegeben hat338, – nicht prüft, ob ein Widerspruch nach § 574 BGB Erfolg verspricht339, – keinen kompetenten Rechtsrat einholt340. Im zuerst genannten Fall kann dem Mieter jedoch der Auszug ohne Gegenwehr nur vorgeworfen werden, wenn die Unwirksamkeit der Kündigung auf der Hand liegt oder wenn ihm aus anderen Gründen des konkreten Einzelfalles zugemutet werden kann, sich zur Wehr zu setzen341. Liegt der Kündigung eine arglistige Täuschung des Vermieters zugrunde, kann ein Mitverschulden des 116 Mieters grundsätzlich unberücksichtigt bleiben342. Ob er sich auf einen Rechtsstreit einlassen muss, ist eine Frage des Einzelfalles343. Die generelle Ablehnung dieser Verpflichtung344 erscheint jedenfalls zweifelhaft. Soweit z.B. Umstände aus seinem eigenen Wahrnehmungskreis die Kündigung rechtfertigen sollen und der Vermieter seine Kündigung auf die von anderen Mietern mitgeteilten Umstände stützt, ist es dem Mieter zumutbar, seine Rechtsposition im Prozess zu verteidigen. Immerhin muss er bei einer Schadensersatzklage ebenso verfahren und trägt in diesem Verfahren dann auch noch die Beweislast. Demgegenüber muss der Vermieter im Räumungsprozess den Kündigungstatbestand beweisen, also auch die behauptete Pflichtverletzung. Erst recht muss sich der Mieter nicht auf einen Rechtsstreit einlassen. dd) Verjährung Der Anspruch verjährt nicht in der kurzen Frist des § 548 Abs. 2 BGB, sondern nach der Regelfrist 116a des § 195 BGB345.

334 LG Karlsruhe v. 25.8.1994 – 5 S 185/94, DWW 1995, 145; AG Pforzheim v. 2.3.1994 – 2 C 426/93, DWW 1995, 144. 335 BGH v. 17.3.2004 – XII ZR 254/00, GuT 2004, 120. 336 OLG Düsseldorf v. 14.5.1998 – 10 U 123/97, MDR 1998, 1405, NZM 1998, 916 (keine Vorteilsausgleichung). 337 OLG Düsseldorf v. 11.4.2013 – 10 U 68/12, ZMR 2013, 956. 338 AG Aschaffenburg v. 14.3.1984 – C 1943/83 (M), WuM 1984, 249; AG Saarlouis v. 27.10.1993 – 24b C 893/ 91, WuM 1995, 173; a.A. LG Kassel v. 16.10.1986 – 1 S 245/85, WuM 1987, 85. 339 LG Kassel v. 27.8.1987 – 1 S 58/87, WuM 1989, 392; LG Hamburg v. 22.4.1976 – 11 S 193/75, MDR 1976, 844. 340 Vgl. dazu z.B. BGH v. 10.2.2011 – VII ZR 8/10, MDR 2011, 479 = NZM 2011, 320 (Rz. 44). 341 BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 255/82, MDR 1984, 571 = ZMR 1984, 163; OLG Düsseldorf v. 11.4.2013 – 10 U 68/12, ZMR 2013, 956. 342 Staudinger/Rolfs, § 573 BGB Rz. 238. 343 LG Tübingen v. 10.10.1979 – 1 S 109/79, WuM 1980, 248. 344 So z.B. BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 255/82, BGHZ 89, 296, 307 = MDR 1984, 571 = NJW 1984, 1028; LG Freiburg v. 2.10.1984 – 9 S 127/84, WuM 1985, 116; LG Mannheim v. 8.11.1995 – 4 S 138/94, WuM 1995, 711; LG Mosbach v. 7.12.1991 – S 91/91, WuM 1992, 192. 345 OLG Düsseldorf v. 11.4.2013 – 10 U 68/12, ZMR 2013, 956.

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§ 542 Rz. 116b | Ende des Mietverhältnisses ee) Ausschluss des Anspruchs durch Vereinbarung über den Auszug 116b Vereinbaren die Parteien die Beendigung des Mietverhältnisses im Wege des Vergleichs, nachdem der

Mieter z.B. nach erfolgter Eigenbedarfskündigung das Vorliegen von Eigenbedarfsgründen ausdrücklich bestritten hat, kann mit Abschluss dieses Vergleichs auch der Streit über die Berechtigung des Eigenbedarfs beigelegt werden sein346. Der Vergleichsabschluss kann in einem solchen Fall zugleich einen Verzicht des Mieters auf Schadensersatzansprüche wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs beinhalten. Ob der Vergleich die Schadensersatzansprüche des Mieters tatsächlich erfasst, ist im Einzelfall zu prüfen, wobei der Verzichtswille eindeutig sein muss347. Enthält die Vereinbarung keinen ausdrücklichen Verzicht, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob sich daraus ein Hindernis für die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen ergibt. In jedem Fall müssen aber bedeutsame Umstände gegeben sein. Mit Rücksicht darauf ist die Gewährung einer Räumungsfrist im Zweifel ohne Bedeutung, zumal wenn sie sich innerhalb der Grenzen des § 721 ZPO hält. Besondere Umstände können aber etwa darin liegen, dass sich der Vermieter zu einer substantiellen Gegenleistung – also eine über die üblichen Umzugskostenpauschalen hinausgehende Zahlung – verpflichtet348. Dies soll bei einer Abstandzahlung von 21.000 € der Fall sein349. Im Übrigen kann auch die Zerrüttung des Mietverhältnisses in die Auslegung einfließen. Das setzt aber voraus, dass sie im Räumungsklageverfahren auch festgestellt wird. ff) Darlegungs- und Beweislast 116c Grundsätzlich ist der Mieter im Rahmen der für § 280 BGB geltenden Grundsätze darlegungs- und

beweispflichtig. Dies gilt erst recht, wenn bloß die Ankündigung von Eigenbedarf Anlass für seinen Auszug gewesen sein soll350. 116d Gerade wenn der Vermieter seine Kündigung auf persönliche Gründe (z.B. Eigenbedarf) stützt, befin-

det sich der darlegungspflichtige Mieter in einem Dilemma. Er muss Tatsachen vortragen, in die er regelmäßig keinen Einblick hat. Liegt ihm z.B. nur eine kurz begründete Kündigung vor, kann er ohne nähere Darlegung seitens des Vermieters deshalb nicht beurteilen, ob dessen Kündigung, die ihn zum Auszug veranlasst hat, berechtigt war. Setzt der Vermieter den behaupteten Selbstnutzungswillen nach dem Auszug des Mieters nicht in die Tat um, liegt der Verdacht nahe, dass der angegebene Kündigungsgrund nur vorgeschoben war351. In dieser Situation soll es dem Vermieter zuzumuten sein, substantiiert und plausibel, also „stimmig“ darzulegen, warum der Kündigungsgrund nicht realisiert wurde, insbesondere also z.B., aus welchem Grund der behauptete Eigenbedarf nachträglich entfallen sein soll. Insoweit werden strenge Anforderungen gestellt352. Erst wenn der Vortrag des Vermieters diesem Maßstab genügt, obliegt dem Mieter der Beweis, dass ein Selbstnutzungswille des Vermieters schon vorher nicht bestand353. Insoweit kann geprüft werden, ob sich der Mieter in Beweisnot befindet und daher seine Parteivernehmung nach § 448 ZPO oder seine Parteianhörung nach § 141 ZPO stattfinden kann354. 116e Der Vermieter erfüllt die Anforderungen an seine Darlegungs- und Beweislast z.B. nicht, wenn der

Vermieter in seinem Vortrag keine plausible Erklärung dafür liefert, warum er nicht alsbald, nachdem feststand, dass der Mieter auszieht (z.B. aufgrund eines gerichtlichen Titels), mit der Bedarfsperson 346 OLG Frankfurt v. 6.9.2994 – 20 REMiet 1/93, MDR 1995, 35 = WuM 1994, 600 = ZMR 1995, 67; LG Hamburg v. 14.12.2010 – 316 S 45/10, juris. LG Düsseldorf v. 14.9.1999 – 24 S 160/99, ZMR 2000, 675; AG HamburgBlankenese v. 4.9.2013 – 531 C 351/12, ZMR 2013, 964. 347 BGH v. 10.6.2015 – VIII ZR 99/14, MietRB 2015, 258 = MDR 2015, 996 = WuM 2015, 510 = ZMR 2015, 758; BGH v. 7.9.2011 – VIII ZR 343/10, WuM 2011, 634. 348 BGH v. 10.6.2015 – VIII ZR 99/14, MDR 2015, 996 = MietRB 2015, 258 = WuM 2015, 510. 349 AG München v. 29.3.2018 – 432 C 1222/18, MietRB 2018, 359 = ZMR 2018, 604. 350 AG München v. 29.3.2018 – 432 C 1222/17, ZMR 2018, 604. 351 BGH v. 18.5.2005 – VIII ZR 368/03, MietRB 2006, 2 = MDR 2005, 1218 = WuM 2005, 521 = ZMR 2005, 702 unter II 3 b cc. 352 BGH v. 11.10.2016 – VIII ZR 300/15, MDR 2017, 21 = MietRB 2017, 35 = ZMR 2017, 97 Rz. 25; BGH v. 18.5.2005 – VIII ZR 368/03, MietRB 2006, 2 = MDR 2005, 1218 = WuM 2005, 521 = ZMR 2005, 702 m.w.N. 353 BGH v. 18.5.2005 – VIII ZR 368/03, MietRB 2006, 2 = MDR 2005, 1218 = WuM 2005, 521 = ZMR 2005, 702. 354 LG Berlin v. 25.9.2014 – 67 S 198/14, WuM 2014, 677 = NZM 2014, 786.

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B. Wohnraummiete | Rz. 121 § 542

einen Mietvertrag abgeschlossen oder sich mit ihm über die genaue Miethöhe geeinigt hat355. Gegen die Stimmigkeit der Kündigung kann im Falle des Eigen- oder Betriebsbedarfs auch sprechen, dass im Gebäude oder der Wohnanlage Wohnraum freistand, der für die Bedarfsperson geeignet war356. Schließlich kann auch etwa die kurze Zeit zwischen Mietende und z.B. der Mitteilung der Bedarfsperson, die Wohnung nicht mehr zu benötigen, ein Indiz für vorgeschobenen Eigenbedarf darstellen, dass der Vermieter nicht erst entkräften muss, wenn der Mieter darauf hinweist. Das Gleiche kann gelten, wenn der in der Kündigung behauptete Eigenbedarf nur für eine kurze Zeit realisiert wurde. Zur Höhe des Schadens reicht es i.d.R. aus, die einzelnen Tatsachen (z.B. Umzugskosten, Mietdiffe- 116f renz) vorzutragen357 (vgl. § 536 BGB Rz. 9 ff.). 15. Schadensersatzanspruch des Vermieters Schadensersatzansprüche des Vermieters kommen in Betracht, wenn er den Mietvertrag wegen einer 117 Pflichtwidrigkeit des Mieters kündigt. Dies ist insbesondere bei Zahlungsverzug denkbar, aber auch bei sonstigen Pflichtverletzungen etwa wegen Hausfriedensstörungen, unpünktlicher Mietzahlung oder Beschädigungen der Mietsache. Ebenso wie auf Seiten des Mieters kommt als Anspruchsgrundlage insbesondere § 280 Abs. 1 BGB in 118 Betracht. Das Verschulden muss deshalb nicht besonders festgestellt werden, solange die Pflichtverletzung feststeht. Es liegt am Mieter, entlastende Umstände vorzutragen. Insoweit kommt insbesondere ein Rechtsirrtum aus (falscher) Würdigung der Tatsachen (vgl. § 542 BGB Rz. 107) oder der Rechtslage (vgl. § 542 BGB Rz. 108) in Betracht. Fehlt es für die Kündigung wegen Zahlungsverzuges nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB bereits am verzugsbegründenden Verschulden (vgl. § 543 BGB Rz. 256 ff.), kommt in der Regel auch kein Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB in Betracht. a) Kosten der Kündigung Über § 249 BGB kann der Geschädigte Aufwendungen ersetzt verlangen, die zur Wahrung und Durch- 119 setzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren358. Deshalb bilden die durch die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts entstehenden Kosten grundsätzlich eine Schadensposition. Die Beauftragung ist aber nicht notwendig, wenn eine Vermietungsgesellschaft einen Rechtsanwalt 120 beauftragt, um eine ohne weiteres gerechtfertigte Kündigung wegen unzweifelhaft bestehendem Verzug mit zwei Monatsmieten nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB auszusprechen359. Dies gilt auch für eine im Ausland ansässige Gesellschaft mit inländischem Wohnungsbestand360. Ob die Vermietungsgesellschaft eine eigene Rechtsabteilung unterhält, ist unerheblich. Maßgeblich ist insoweit nur, ob der Vermieter anwaltlicher Hilfe bei der Abfassung des Kündigungsschreibens bedarf. Dies ist für jeden Vermieter im Einzelfall und objektiv zu bestimmen. Bei einem gewerblichen Großvermieter bedarf es grundsätzlich keiner anwaltlichen Hilfe bei der Ab- 121 fassung eines auf Zahlungsverzug gestützten Kündigungsschreibens, da dieses ohne weiteres durch das kaufmännische Personal eines gewerblichen Großvermieters gefertigt werden kann. Auch die formalen Anforderungen an ein Kündigungsschreiben erfordern kein Tätigwerden eines Rechtsanwalts. Die Kündigung eines Mietverhältnisses bedarf gemäß § 568 Abs. 1 BGB der schriftlichen Form, außerdem ist nach § 569 Abs. 4 BGB der zur Kündigung führende wichtige Grund in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Es genügt aber zur Wirksamkeit einer auf Mietzahlungsverzug gestützten Kündigung des Vermieters, dass der Mieter anhand der Begründung des Kündigungsschreibens erkennen kann, von welchem Mietrückstand der Vermieter ausgeht und dass er diesen Rückstand als gesetzlichen Grund

BGH v. 29.3.2017 – VIII ZR 44/16, MDR 2017, 693 = WuM 2017, 342 = GE 2017, 658. BGH v. 29.3.2017 – VIII ZR 44/16, MDR 2017, 693 = WuM 2017, 342 = GE 2017, 658. BGH v. 29.3.2017 – VIII ZR 44/16, MDR 2017, 693 = WuM 2017, 510 = GE 2017, 658. BGH v. 30.4.1986 – VIII ZR 112/85, MDR 1987, 49 = NJW 1986, 2243 (unter B II 2b); BGH v. 8.11.1994 – VI ZR 3/94, BGHZ 127, 348 (350) = MDR 1995, 150; MünchKomm/Oetker, § 249 BGB Rz. 175. 359 BGH v. 6.10.2010 – VIII ZR 271/09, MietRB 2011, 7 = MDR 2011, 151 = GE 2010, 1741 = NZM 2011, 34. 360 BGH v. 31.1.2012 – VIII ZR 277/11, NZM 2012, 607.

355 356 357 358

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§ 542 Rz. 121 | Ende des Mietverhältnisses für die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs heranzieht. Darüber hinausgehende Angaben sind selbst dann nicht erforderlich, wenn es sich nicht um eine klare und einfache Sachlage handelt361. 122 Dies kann aber anders zu beurteilen sein, wenn der Vermieter zuvor eine Mahnung erklärt hat und

der Mieter hierauf nicht reagierte. Stellt sich die Beauftragung des Rechtsanwalts durch den Vermieter als nächste Stufe im Eskalationsszenario dar, sind die Kosten zu ersetzen. Denn in dieser Situation ist der Vermieter berechtigt anzunehmen, dass die Einschaltung des Rechtsanwalts zu einer Verbesserung der Zahlungsmoral des Mieters führen wird362. 122a Ebenso notwendig kann die Beauftragung eines Rechtsanwalts sein, wenn die Sach- oder Rechtslage

schwierig ist. In Betracht kommen hier Fälle, in denen der Mieter die Miete z.B. beim Amtsgericht hinterlegt und die Voraussetzungen des § 372 BGB zweifelhaft sind363. Überhaupt ist die Geltendmachung von Gegenrechten durch den Mieter in der Regel Anlass genug, um die Kosten einer Kündigung als ersatzfähigen Schaden des Vermieters anzuerkennen. b) Kündigungsfolgeschaden 123 Hat der Vermieter den Mietvertrag wegen einer Pflichtverletzung des Mieters gekündigt (z.B. wegen

Zahlungsverzuges, Hausfriedensstörung), kann ihm ein Kündigungsfolgeschaden entstehen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen haftet der Mieter dem Vermieter nicht nur für den Mietausfall, sondern auch für die Kosten für die Suche nach einem neuen Mieter und die erforderliche Herrichtung der Räume, um sie wieder schneller oder zumindest ebenso gut wie bisher vermieten zu können. Eine Haftung des Mieters kommt in Betracht, wenn der Vermieter aus vom Mieter zu vertretenden Gründen – fristlos aus wichtigem Grund kündigt364, – ein befristetes Mietverhältnis vorzeitig durch fristlose Kündigung endet365. aa) Mietausfall 124 Wurde der Mietvertrag infolge einer Pflichtwidrigkeit des Mieters vorzeitig beendet, entsteht ein Scha-

den des Vermieters durch die entgangenen Mieten. Dieser Schaden ist grundsätzlich auf den Zeitraum beschränkt, bis zu dem der Mieter erstmalig ordentlich hätte kündigen können366. Liegt ein befristeter Mietvertrag vor, kann der Vermieter also grundsätzlich bis zum Ablauf der vorgesehenen Mietzeit die vereinbarte Miete (einschließlich Betriebs- und Heizkosten367) als Schaden geltend machen, wobei der Schaden grundsätzlich nur entsprechend der Fälligkeit der ausgefallenen Mieten (sukzessive) geltend gemacht werden kann368. 125 Eine Verkürzung der Dauer, für die der Schaden anfällt, tritt ein, wenn der Mieter seinerseits den

Mietvertrag fristlos kündigen kann369. Insoweit kann sich der Mieter aber nicht darauf berufen, der Vermieter sei infolge einer Weitervermietung (zu einem geringeren Mietpreis) nicht mehr in der Lage, ihm den Besitz einzuräumen370. Allerdings kann er sein Kündigungsrecht verwirken, wenn er sich nicht zeitgerecht darauf beruft371. Leidet der Mietvertrag aber unter einem Schriftformmangel i.S.v.

361 362 363 364 365 366 367 368 369 370 371

BGH v. 12.5.2010 – VIII ZR 96/09, MietRB 2010, 260 = MDR 2010, 979 = NZM 2010, 548 (Rz. 32 ff.). AG Schöneberg v. 21.6.2012 – 106 C 61/12, NZM 2012, 806. Vgl. dazu etwa BGH v. 12.12.2003 – XII ZR 23/00, NZM 2003, 315. BGH v. 30.6.2004 – VIII ZR 379/03, MDR 2004, 1408 = WuM 2004, 542 = ZMR 2004, 802; BGH v. 15.9.1997 – II ZR 94/96, MDR 1998, 95 = ZMR 1998, 20 = NZM 1998, 75. BGH v. 16.2.2005 – XII ZR 162/01, MietRB 2005, 203 = MietRB 2005, 175 = MDR 2005, 618 = ZMR 2005, 433 = NZM 2005, 340. BGH v. 15.9.1997 – II ZR 94/96, MDR 1998, 95 = ZMR 1998, 20 = NZM 1998, 75. KG v. 21.12.2000 – 2 U 1591/00, GE 2001, 624. BGH v. 11.7.1979 – VIII ZR 183/78, MDR 1979, 1016 = WuM 1980, 197 = ZMR 1979, 351; a.A. LG Krefeld v. 20.12.2017 – 2 S 156/17, ZMR 2018, 329 (Mietsfallschaden ist sofort fällig, bei der Schadensberechnung sind künftige Mieteinnahmen im Rahmen des § 287 ZPO zu schätzen). OLG Bamberg v. 28.6.1984 – 1 U 229/83, ZMR 1984, 373. OLG Nürnberg v. 18.6.1999 – 6 U 288/99, MDR 1999, 1131 = NZM 1999, 1099. OLG Köln v. 24.11.1998 – 13 W 38/98, WuM 1999, 288.

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B. Wohnraummiete | Rz. 129 § 542

§ 550 BGB, umfasst die Ersatzpflicht nur die Mieten bis zum Ablauf des ersten Vertragsjahres bzw. danach bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist372. Im Gegensatz zu dem Mietausfallschaden, der für die Zeit nach Ablauf des Mietvertrages geltend gemacht wird, muss der Vermieter hier nicht vortragen, dass ein Nachfolgemieter zur Verfügung stand373. Die Schadenshöhe wird im Umfang durch die Miete bestimmt, die der Vermieter bei ordnungsgemä- 126 ßer Abwicklung des Mietvertrages erhalten hätte, § 252 BGB (entgangener Gewinn)374. Sie wird regelmäßig durch ein Insolvenzrisiko nicht beeinflusst. Ein derartiges Risiko kann darin bestehen, dass der Vermieter zur Geringhaltung des Schadens mit einem Dritten einen Folgemietvertrag abschließt und dieser notleidend wird375. Allerdings soll der Vermieter verpflichtet sein, zunächst den Nachmieter in Anspruch zu nehmen und (erfolglos) die Zwangsvollstreckung zu betreiben376. Ist im Mietvertrag allerdings vereinbart, dass der gekündigte Mieter für den Mietausfall (nur) bis zur Weitervermietung haftet, erledigt sich der Schadensersatzanspruch mit der ersten Anschlussvermietung377. Andere Formularklauseln, die den Schaden pauschalieren sind an § 309 Nr. 5 BGB zu messen. Die Anrechnung einer höheren Miete, die der Vermieter nach Ablauf der ursprünglichen Mietzeit 127 erzielt, findet nicht statt. Denn eine Vorteilsausgleichung ist von zwei Voraussetzungen abhängig: Zum einen muss zwischen dem schädigenden Ereignis und dem entstandenen Vorteil ein adäquater Kausalzusammenhang bestehen378; zum anderen muss die Anrechnung des Vorteils aus der Sicht des Geschädigten zumutbar sein, sie muss dem Zweck des Schadensersatzes entsprechen und darf den Schädiger nicht unbillig entlasten379. Vorteile aus einem von dem Geschädigten abgeschlossenen günstigen Vertrag sind in der Regel nicht anzurechnen, werden ausnahmsweise jedoch dann berücksichtigt, wenn sie nach Art und Entstehung mit dem entstandenen Nachteil in einem unlösbaren inneren Zusammenhang stehen380. Zwischen dem Mietausfall und den (späteren) Mehreinnahmen des Vermieters besteht schon kein adäquater Kausalzusammenhang381. (1) Mitverschulden Ein Mitverschulden des Vermieters führt zu einer Kürzung des Schadens, § 254 BGB. Dazu muss der 128 Vermieter die Maßnahmen unterlassen, die ein ordentlicher und verständiger Geschädigter zur Schadensbegrenzung oder -minderung ergreifen würde. Deshalb muss sich der Vermieter grundsätzlich um eine Weitervermietung bemühen382, um durch die Erzielung einer angemessenen, ggf. auch geringeren Miete den Schaden des Mieters in einem erträglichen Maß zu halten383. Dies bedeutet weder, dass der Vermieter immer nur zum bisherigen Preis vermieten darf, noch dass 129 er den erstbesten Interessenten nehmen muss. Selbst bei schwierigen Marktverhältnissen ist der Vermieter regelmäßig nicht verpflichtet, eine Weiterverpachtung nur auf der Grundlage einer niedrigeren Miete vorzunehmen. Vielmehr darf er zunächst versuchen, einen Mietvertrag zu den bisherigen finanziellen Konditionen abzuschließen384. Es ist dem Vermieter sogar erlaubt, neue Bedingungen zur Ver-

372 OLG Düsseldorf v. 6.5.2008 – 24 U 188/07, MietRB 2008, 292 = ZMR 2008, 711. 373 Sternel, Mietrecht aktuell,XII Rz. 192. 374 In der Gewerberaummiete regelmäßig ohne Umsatzsteuer: OLG Frankfurt v. 21.6.2012 – 2 U 46/12, ZMR 2013, 29. 375 OLG Düsseldorf v. 18.1.2001 – 10 U 152/99, ZMR 2001, 529 = GE 2001, 345 = DWW 2001, 301. 376 KG v. 22.11.2001 – 20 U 3584/00, MDR 2002, 692 = GE 2002, 329. 377 KG v. 22.11.2001 – 20 U 3584/00, MDR 2002, 692 = GE 2002, 329. 378 BGH v. 13.7.1981 – II ZR 91/80, MDR 1981, 996 = NJW 1982, 32. 379 BGH v. 17.5.1984 – VII ZR 169/82, MDR 1984, 833. 380 Palandt/Grünberg, Vor § 249 BGB Rz. 69. 381 OLG Düsseldorf v. 14.5.1998 – 10 U 194/96, MDR 1998, 1217 = ZMR 1998, 622 = NZM 1998, 916. 382 BGH v. 16.2.2005 – XII ZR 162/01, MietRB 2005, 203 = MietRB 2005, 175 = MDR 2005, 618 = ZMR 2005, 433. 383 OLG Düsseldorf v. 22.3.2007 – 10 U 145/06, ZMR 2007, 780 = GuT 2007, 210. 384 OLG Düsseldorf v. 18.1.2001 – 10 U 152/99, ZMR 2001, 529 = GE 2001, 345 = DWW 2001, 301.

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§ 542 Rz. 129 | Ende des Mietverhältnisses mietung zu stellen, insbesondere eine höhere Miete zu verlangen385, ohne dass er sich eine Kürzung seines Anspruchs gefallen lassen müsste386. 130 Der Vermieter verstößt nicht gegen seine Schadensminderungspflicht, wenn er nicht sofort einen Mak-

ler einschaltet, sondern zunächst Zeitungsanzeigen schaltet und ein Vermietungsschild aufstellt387. Für die Annahme einer Pflicht zur teilweisen Vermietung ist erforderlich, dass die Vermietung der gesamten Fläche aussichtslos ist388. Auch eine vom Mietinteressenten gewünschte Nutzungsänderung muss der Vermieter nicht akzeptieren. Deshalb ist er nicht gehalten, einen branchenfremden Mieter zu nehmen oder sogar eine Wohnraumnutzung im Gewerbe zu billigen389. 131 Eine zeitliche Grenze, ab der nicht mehr allein die unternehmerischen Überlegungen des Vermieters

maßgeblich sind, kann nur im Einzelfall gefunden werden. Als Orientierung kann ein Zeitraum von sechs Monaten nach dem Auszug des Mieters dienen390. (2) Untervermietung 132 Grundsätzlich schuldet der Untermieter dem Mieter einen Kündigungsfolgeschaden in dem gleichen

Umfang wie der Mieter gegenüber dem Hauptvermieter. Bei vorzeitiger Beendigung des Untermietvertrages wegen einer Pflichtverletzung des Mieters kann also grundsätzlich bis zum (ordentlichen) Ablauf der Mietzeit der Mietausfall geltend gemacht werden (vgl. § 542 BGB Rz. 124). 133 Als Folge der Verletzung seiner Pflichten aus einem langfristigen Untermietvertrag kann sich die Er-

satzpflicht des Untermieters auf den Mietausfallschaden erstrecken, der von dem Hauptvermieter gegen den Mieter geltend gemacht wird. Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn die Auflösung des Hauptmietvertrages darauf beruht, dass der Untermieter seine Mietzahlungen eingestellt hat391 und die Miete im Hauptmietvertrag höher ist. Daneben hat er als Verzugsschaden den Betrag zu ersetzen, den der (Unter-)Vermieter seinerseits an den Hauptvermieter als Abfindung für die deswegen erfolgte vorzeitige Beendigung des Hauptmietvertrags geleistet hat392. Er kann sich nicht darauf berufen, dass ihm durch die vorzeitige Beendigung des Hauptmietvertrags die Mietsache nicht mehr zur Verfügung gestellt werden könne. 134 Besteht ein Zwischenmietverhältnis i.S.v. § 565 BGB, ergibt sich keine Änderung der Rechtslage393.

Auch der Zwischenmieter haftet dem Vermieter, wenn der Endmieter nicht räumt. bb) Sonstige Schadenspositionen 135 Muss der Vermieter Aufwendungen tätigen, um die Mietsache in einen vermietbaren Zustand zu ver-

setzen, kann er die notwendigen Kosten als Schaden bei dem vertragsuntreuen Mieter geltend machen. Dazu zählen insbesondere Renovierungskosten und Aufwendungen, die sonstige Abnutzungserscheinungen oder Schäden betreffen. Nicht erfasst sind aber Einbauten oder Umbauten, die dem Eigentum des Vermieters zugutekommen394. 136 Daneben kommen alle adäquat kausal entstandenen Schadenspositionen in Betracht. Dazu gehören

u.a. die Maklerkosten sowie Rückbaukosten z.B. für eine auf Mieterwunsch eingebrachte Deckenkonstruktion395.

385 386 387 388 389 390 391 392 393 394 395

KG v. 20.8.2001 – 20 U 1221/00, GE 2001, 1402. OLG Frankfurt v. 10.6.1992 – 19 U 113/91, WuM 1992, 436 = ZMR 1993, 64. LG Hamburg v. 13.5.2003 – 307 O 175/02, ZMR 2003, 841. BGH v. 16.2.2005 – XII ZR 162/01, MietRB 2005, 203 = MietRB 2005, 175 = MDR 2005, 618 = ZMR 2005, 433. LG Berlin v. 9.2.1995 – 67 S 328/94, WuM 1996, 145 = GE 1996, 187. LG Lüneburg v. 9.4.2002 – 6 S 201/01, WuM 2002, 267 = DWW 2002, 207. Saarländisches OLG v. 2.6.2005 – 8 U 180/04, NZM 2006, 180. OLG Nürnberg v. 18.6.1999 – 6 U 288/99, MDR 1999, 1131 = NZM 1999, 1099. BGH v. 28.2.1996 – XII ZR 123/93, MDR 1996, 896 = WuM 1996, 413. OLG Düsseldorf v. 5.11.1987 – 10 U 73/86, ZMR 1988, 94 = NJW-RR 1988, 652. KG v. 29.9.2003 – 8 U 323/02, KGR 2004, 154.

750 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 141 § 542

Nicht ersatzfähig ist der eigene Zeitaufwand des Vermieters. Denn der allgemeine, mit einem Woh- 137 nungswechsel verbundene Zeitaufwand (Wohnungsabnahme/Wahrnehmung von Besichtigungsterminen/Ausfertigung des neuen Mietvertrags usw.) gehört grundsätzlich zum allgemeinen Pflichtenkreis des Vermieters396. Das Gleiche gilt für etwaige Materialkosten (z.B. für das Vertragsmuster). Allerdings ist es ein Trugschluss anzunehmen, dass der ohnehin bestehende personelle und organisatorische Verwaltungsaufwand durch Vertragsbeendigungen, die durch einzelne Mieter verschuldet worden sind, nicht messbar erhöht sein werde397. Denn gerade bei der vorzeitigen Beendigung drängen die Mieter auf die Übernahme durch einen Nachmieter. Im Übrigen war gerade diese Neuvermietung nicht geplant, so dass es zumindest gerechtfertigt erscheint, dem Vermieter die allgemeine Schadenspauschale von 50 Euro zuzubilligen. cc) Verjährung Für die Schadensersatzansprüche gilt nicht die kurze Verjährungsfrist des § 548 BGB, sondern die 138 dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB398.

IV. Aufhebungsvertrag 1. Allgemeines Der Freiheit der Parteien zum Abschluss eines Mietvertrags entspricht ihre Freiheit, ihn durch Vertrag 139 aufzuheben. Dem stehen die Kündigungsschutzrechte des Wohnraummieters nicht entgegen. Gegebenenfalls besteht sogar ein Anspruch auf Herbeiführung eines Aufhebungsvertrages wie z.B. bei einer wirksamen Ersatzmieterklausel (vgl. § 537 BGB Rz. 36 ff.). Für das Zustandekommen des Mietaufhebungsvertrages, dass derjenige zu beweisen hat, der sich da- 140 rauf beruft399, gelten die allgemeinen Regeln für den Abschluss von Verträgen. Das Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages kann z.B. darin gesehen werden, dass der Vermieter in der ordentlichen Kündigung mitteilt, es sei für ihn kein Problem, falls der Mieter vor Ablauf der Kündigungsfrist ausziehen wolle400. Ist der Mietvertrag bereits beendet, kann das alte Mietverhältnis nicht wieder aufleben; vielmehr bewirkt hier z.B. die einvernehmliche „Rücknahme der Kündigung“ in der Regel den schlüssigen Abschluss eines neuen Mietvertrags zu den Bedingungen des beendeten Mietvertrags, so dass bei Laufzeiten von mehr als einem Jahr § 550 BGB zu beachten ist401. Allein die Einstellung des Betriebes durch die mietende GmbH lässt aber nicht den Schluss auf einen Aufhebungsvertrag oder den (konkludenten) Verzicht auf den Zugang einer Kündigung zu402. Der Mietaufhebungsvertrag kann auch konkludent geschlossen werden. Insoweit ist Vorsicht geboten, 141 Erklärungen der Parteien, mit denen sie ihren mangelnden Willen, das Mietverhältnis fortzusetzen, zum Ausdruck bringen, sind schon als Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu werten. Je nach den Umständen kann eine solche Erklärung nämlich auch als bloße Unmutsäußerung verstanden werden. Entscheidend ist, ob eine solche Erklärung mit Rechtsbindungswillen abgegeben wurde. An ihn sind vor allem auf Seiten des Wohnraummieters hohe Anforderungen zu stellen. Er muss sich bewusst sein, durch die Vereinbarung auf jeglichen Kündigungsschutz zu verzichten403. Die bloße Erklärung des Mieters, er wolle sich um eine Ersatzwohnung bemühen, ist deshalb kein Angebot zur Aufhebung des Mietvertrags404. Das Gleiche gilt, wenn der Mieter auf eine Kündigungserklärung des Vermieters mitteilt, er habe eine neue Wohnung gefunden405. Nicht ausreichend ist die Übersendung 396 397 398 399 400 401 402 403 404 405

Schmidt-Futterer/Blank, § 542 BGB Rz. 113. So aber Schmidt-Futterer/Blank, § 542 BGB Rz. 113. KG v. 29.9.2003 – 8 U 323/02, KGR 2004, 154. OLG Koblenz v. 9.4.2018 – 5 U 1323/17, DWW 2018, 300 = IMR 2018, 330 (Biebelheimer). AG Zweibrücken v. 26.6.2013 – 2 C 71/13, ZMR 2014, 218. BGH v. 24.6.1998 – XII ZR 195/96, MDR 1998, 1216 = NJW 1998, 2664. KG v. 12.4.2010 – 8 U 175/09, MDR 2010, 1044 = GE 2010, 1337 = ZMR 2010, 953. LG Köln v. 25.2.1993 – 6 S 321/92, WuM 1993, 675. LG Detmold v. 16.5.1990 – 2 S 50/90, WuM 1990, 301. LG Düsseldorf v. 28.5.1991 – 24 S 117/91, WuM 1991, 673.

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§ 542 Rz. 141 | Ende des Mietverhältnisses der Schlüssel zu den Mieträumen und deren kommentarlose Annahme durch den Vermieter406, selbst wenn eine Wohnungsabnahme durchgeführt wird407. Die Erklärung des Vermieters, der Mieter könne „sich ungeachtet des befristeten Mietvertrages kurzfristig nach einer Ersatzwohnung umsehen“, ist kein Angebot zum Abschluss einer Mietaufhebungsvereinbarung, sondern der Verzicht, sich auf die Befristung des Vertrages zu berufen; der Mieter hat damit die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung408. Dagegen kann sich die mündliche Äußerung des Vermieters – „dann zieht doch endlich aus“ – als Angebot zur Vertragsaufhebung darstellen, welches der Mieter durch umgehenden Auszug konkludent annehmen kann409. 142 Liegt ein Angebot auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages vor, kann dies nur innerhalb der Frist des

§ 147 Abs. 2 BGB angenommen werden. Insoweit ist die Annahme nach zwei Monaten in der Regel verspätet410. Auch § 154 Abs. 1 BGB ist anwendbar mit der Folge, dass die Aufhebung des Mietvertrages grundsätzlich solange nicht zustande gekommen ist, wie nicht über alle Punkte, die nach dem Willen nur einer Partei zu regeln sind, eine Einigung erzielt wurde. Bei einer konkludenten Vereinbarung ist darauf abzustellen, inwieweit noch Fragen offen sind, über die bei einer vorzeitigen einvernehmlichen Beendigung vernünftigerweise Regelungen getroffen werden411. Dabei ist jedoch zu beachten, dass § 154 Abs. 1 BGB nur eine Auslegungsregel darstellt. Obwohl noch nicht alle Rechtsfolgen verbindlich festgelegt sind, ist deshalb für eine Auslegung kein Raum, wenn sich die Parteien (z.B. wegen wechselseitiger Kündigungen) darüber einig sind, dass der Mietvertrag beendet ist412. 142a Auch eine Vertretung ist zulässig, da es sich um kein höchstpersönliches Geschäft handelt. Selbst

wenn vollmachtlose Vertreter auftreten, ist der Aufhebungsvertrag wirksam, wenn das Handeln der Personen i.S.d. § 177 BGB unverzüglich genehmigt wird413. 143 Ein Mietaufhebungsvertrag kann sittenwidrig sein, wenn darin jeder Räumungs- und Vollstreckungs-

schutz ausgeschlossen ist414. Bedenken gegen die Wirksamkeit einer Mietaufhebungsvereinbarung ergeben sich auch, wenn diese vom Erwerber der Mieträume vor Eintragung im Grundbuch geschlossen wurde415. Allein das Bestehen eines Untermietvertrages führt nicht schon zur Sittenwidrigkeit416. Dies gilt erst recht, wenn der Untermietvertrag kündbar ist. Im Übrigen ist eine verwerfliche Absicht der Parteien des Hauptmietvertrages gerade zur Schädigung des Untermieters erforderlich. 144 Mietaufhebungsverträge unterliegen auch den Bestimmungen über das Haustür-417 und Fernabsatz-

geschäfte, § 312 Abs. 4 BGB (vgl. § 535 BGB Rz. 70 ff.). Deshalb kann der Mieter einen außerhalb der Geschäftsräume des Vermieters zustande gekommenen Aufhebungsvertrag noch zwölf Monate und 14 Tage (§ 356 Abs. 3 BGB) nach Abschluss widerrufen, wenn er nicht entsprechend § 356 BGB belehrt wurde418. Daneben sind die Vorschriften über allgemeine Geschäftsbedingungen anwendbar. Das ist insbesondere zu beachten, wenn schon im Formular-Mietvertrag eine bestimmte Regelung für den Fall der vorzeitigen Vertragsbeendigung vorgesehen ist. 145 Wirksam ist eine Klausel, die für den Neuvermietungsaufwand des Vermieters eine Pauschalabgel-

tung in Höhe einer Monatsmiete netto/kalt vorsieht419.

406 OLG Köln v. 9.7.1997 – 27 U 5/97, OLGR Köln 1997, 277 = ZMR 1998, 91; LG Gera v. 19.11.2003 – 1 S 332/ 03, WuM 2005, 647. 407 LG Wuppertal v. 5.11.2015 – 9 S 69/15, ZMR 2016, 117. 408 LG Koblenz v. 24.6.1998 – 12 S 416/97, NZM 1998, 859. 409 AG Bergheim v. 22.12.1998 – 22 C 167/98, WuM 1999, 218. 410 LG Berlin v. 24.7.1998 – 64 S 230/98, ZMR 1998, 776. 411 KG v. 12.5.2005 – 8 U 7/05, NZM 2005, 946 (947). 412 BGH v. 27.6.2014 – V ZR 51/13, NZM 2014, 790 (793). 413 AG München v. 14.11.2017 – 473 C 13483/17, ZMR 2018, 950. 414 BGH v. 18.4.2018 – XII ZR 76/17, MietRB 2018, 198 = MDR 2018, 856 = NZM 2018, 601 = GE 2018, 870; LG Heidelberg v. 23.4.1993 – 5 S 231/92, WuM 1993, 397. 415 LG Ellwangen v. 15.5.1991 – 1 S 119/91-10, WuM 1991, 489. 416 BGH v. 18.4.2018 – XII ZR 76/17, MietRB 2018, 198 = MDR 2018, 856 = NZM 2018, 601 = GE 2018, 870. 417 LG Heidelberg v. 23.4.1993 – 5 S 231/92, WuM 1993, 397. 418 Erman/Koch, § 312 BGB Rz. 66. 419 Hanseatisches OLG Hamburg v. 17.4.1990 – 4 U 22/89, WuM 1990, 244 = MDR 1990, 724 = ZMR 1990, 270.

752 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 151 § 542

Ist die Mietaufhebungsvereinbarung gleichzeitig mit einer Vertragsübernahme verbunden, muss eine 146 etwaige Anfechtung sowohl gegenüber dem bisherigen Mieter als auch gegenüber dem Ersatzmieter erklärt werden420. Sie ist im Falle der Anfechtung gemäß § 123 BGB nicht begründet, wenn nur einer der beiden Anfechtungsgegner getäuscht hat, während der andere diese weder gekannt hat noch kennen musste421. Hat der Mieter die Mieträume untervermietet und schließt er mit dem Vermieter eine Mietaufhe- 147 bungsvereinbarung gegen Zahlung einer Abfindung, muss er diese gemäß § 285 BGB an den Untermieter herausgeben422. Andererseits bewirkt die rechtskräftige Feststellung der Beendigung des Hauptvertrages grundsätzlich keine automatische Herausgabepflicht des Untermieters, weil die Rechtskraft der Entscheidung allein zwischen Vermieter und Mieter wirkt423. Die vorstehenden Grundsätze gelten entsprechend für die Entlassung eines von mehreren Mietern aus 148 dem Mietvertrag. Auch hier sind die Umstände des Einzelfalls zu werten und es ist zu ermitteln, inwieweit eine dreiseitige Vereinbarung vorliegt, die das Ausscheiden eines Mieters und die Fortführung des Mietvertrages mit dem oder den restlichen Mietern umfasst. Zur Annahme einer solchen Entlassung reicht es aber weder aus, dass der Ehemann seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau Hausverbot erteilt und dies dem Vermieter mitgeteilt haben soll, noch der Umstand, dass die Ehefrau schon seit mehr als zwei Monaten nicht mehr in der Mietsache gesehen worden sein soll424. 2. Form Für die Mietaufhebungsvereinbarung gilt kein Formzwang, sie unterliegt auch nicht der Form, die für 149 den Abschluss bzw. die Änderung des Vertrags maßgeblich ist425. § 568 Abs. 1 BGB ist weder direkt noch analog anwendbar426. Zwar besteht der Zweck dieser Vorschrift insbesondere in der Warnfunktion. Indessen ist angesichts der Vorschrift des § 542 BGB kein Anhaltspunkt dafür gegeben, dass der Gesetzgeber die Privatautonomie beim Aufhebungsvertrag beschränken wollte. Die Mietaufhebungsvereinbarung kann also grundsätzlich auch mündlich abgeschlossen werden, und zwar auch bei der Wohnraummiete427. Dies gilt sogar bei bestehender Schriftformklausel428.

V. Andere Formen der Beendigung 1. Rücktritt Der Rücktritt vom Vertrag hat im Mietrecht geringe Bedeutung. Gesetzliche Rücktrittsrechte sind 150 weitestgehend beschränkt auf den Zeitraum vor Überlassung des Mietgebrauchs. Die Ausübung gesetzlicher Rücktrittsrechte scheidet nach Überlassung des Mietgebrauchs jedenfalls dann aus, wenn die Möglichkeit zur fristlosen Kündigung (insbesondere gem. § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB) besteht429. Auch vertragliche Rücktrittsrechte haben praktische Bedeutung fast nur vor Gebrauchsüberlassung. 151 Für die Wohnraummiete regelt § 572 Abs. 1 BGB, dass der Vermieter sich auf ein vertragliches Rücktrittsrecht nach Überlassung des Wohnraums nicht berufen kann.

BGH v. 27.11.1985 – VIII ZR 316/84, BGHZ 96, 302 = MDR 1986, 401 = NJW 1986, 918. BGH v. 3.12.1997 – XII ZR 6/96, MDR 1998, 394 = NZM 1998, 113. BGH v. 19.11.1984 – II ZR 6/84, MDR 1985, 647 = WuM 1986, 54 = ZMR 1985, 87. BGH v. 12.7.2006 – XII ZR 178/03, MietRB 2006, 316 = MietRB 2006, 320 = MDR 2007, 78 = GE 2006, 1095. OLG Düsseldorf v. 29.9.2005 – 10 U 20/05, GE 2006, 325. LG Aachen v. 2.12.1992 – 7 S 388/92, WuM 1993, 734. A.A. LG Hanau v. 6.6.2014 – 2 S 40/14, IMR 2014, 324. BGH v. 2.6.1976 – VIII ZR 97/74, MDR 1976, 925 = BGHZ 66, 378; a.A. AG Köln v. 15.6.1992 – 206 C 227/ 91, WuM 1993, 119. 428 Vgl. dazu BGH v. 21.9.2005 – XII ZR 312/02, MietRB 2006, 62 = NJW 2006, 138 = MDR 2006, 508 = ZMR 2006, 104. 429 BGH v. 10.7.1968 – VIII ZR 120/66, BGHZ 50, 312. 420 421 422 423 424 425 426 427

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§ 542 Rz. 152 | Ende des Mietverhältnisses 152 Die Erklärung des Rücktritts kann in eine Kündigung umzudeuten sein, wenn der rechtsgeschäftliche

Wille, das Vertragsverhältnis unter allen Umständen zu beenden, unmissverständlich zum Ausdruck kommt430. 2. Anfechtung a) Grundsätzliche Zulässigkeit 153 Ein Mietvertrag kann von Vermieter und Mieter wegen Irrtums (§ 119 BGB), falscher Übermittlung

(§ 120 BGB), arglistiger Täuschung oder Drohung (§ 123 BGB) durch Erklärung gegenüber dem anderen Vertragsteil (§ 143 Abs. 1 BGB) angefochten werden, wobei die Anfechtungsfristen der §§ 121, 124 BGB zu beachten sind. Er ist dann von Anfang an nichtig und muss gemäß §§ 812 ff. BGB rückabgewickelt werden431. 154 Im Übrigen kann ein Anfechtungsrecht angenommen werden bei objektiv unzutreffenden Erklärun-

gen des Vermieters über die Wohnungsgröße anlässlich der Vertragsverhandlungen (Anfechtung vor Überlassung)432, bei abredewidrigem Ausfüllen eines mit Blankounterschrift versehenen Formularmietvertrags433, bei Täuschung des Vermieters über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Mieters bei Abschluss eines Mietvertrages434 (falsche Angaben zu vorangegangener Insolvenz435) oder Mietvorvertrages436. 155 Ein Anfechtungsrecht wurde verneint bei gelegentlichem Rauchen der Mieterin in der Einliegerwoh-

nung trotz ihrer Versicherung bei Vertragsschluss, sie habe aufgehört zu rauchen437, und bei der Anmietung eines Gemeindesaals durch einen Mann zur „Feier seiner Hochzeit“, obwohl es sich um die Feier einer vom Vertragspartner begründeten Lebensgemeinschaft mit einem anderen Mann i.S.d. Lebenspartnerschaftsgesetzes handelt438. 156 Daneben kommt eine Anfechtung wegen des Fehlens einer verkehrswesentlichen Eigenschaft (§ 119

Abs. 2 BGB) in Betracht. Von diesem Recht kann z.B. eine alleinerziehende Mutter Gebrauch machen, die ohne Besichtigung der Wohnung einen Mietvertrag abschließt, nachdem sie darauf hingewiesen hat, für sie komme nur eine kinderfreundliche Wohnung in Betracht, und beim ersten Besuch der Wohnung (vor dem Einzug) beschwert sich eine Nachbarin über das Trampeln des Kindes439. Dem Mieter soll eine verkehrswesentliche Eigenschaft (Zahlungsfähigkeit) fehlen, wenn er bei Vertragsschluss nicht offenbart hat, dass er die eidesstattliche Versicherung gemäß § 807 ZPO abgegeben hat440. Vgl. im Übrigen zur Anfechtung Vor § 535 BGB Rz. 47 f. b) Rechtsfolgen aa) Nutzungsentschädigung inklusive Umsatzsteuer 157 Die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB) eines unwirksamen

Mietvertrages erfolgt nach den Grundsätzen der Saldotheorie, indem durch Vergleich der durch den Bereicherungsvorgang hervorgerufenen Vor- und Nachteile ermittelt wird, ob sich für den Vermieter

430 BGH v. 17.12.1986 – VIII ZR 328/85, MDR 1987, 491 = WuM 1987, 116. 431 BGH v. 6.8.2008 – XII ZR 67/06, MietRB 2009, 4 = MDR 2009, 19 = GuT 2008, 330; BGH v. 29.1.1971 – V ZR 112/68, WPM 1971, 528; KG v. 4.10.2001 – 8 U 1086/00, KGR Berlin 2001, 394. 432 LG Mannheim v. 15.11.1973 – 12 S 42/73, MDR 1974, 672. 433 LG Köln v. 8.6.1977 – 9 S 93/77, WuM 1980, 235. 434 LG München I v. 25.3.2009 – 14 S 18532/08, ZMR 2010, 367; AG Saarlouis v. 17.9.1999 – 29 C 739/99, NZM 2000, 459; LG Mannheim v. 8.11.1989 – 4 S 173/89, ZMR 1990, 303. 435 AG Hamburg v. 6.5.2003 – 48 C 636/02, MietRB 2004, 133 = ZMR 2003, 744. 436 AG Wolfsburg v. 9.8.2000 – 22 C 498/99, NZM 2001, 987. 437 LG Stuttgart v. 2.7.1992 – 16 S 137/92, NJW 1993, 73 = NJW-RR 1992, 1360. 438 AG Neuss v. 25.7.2003 – 77/32 C 6064/02, NZM 2003, 975. 439 LG Essen v. 20.7.2004 – 15 S 56/04, WuM 2005, 47. 440 AG Hagen v. 5.7.1984 – 13 C 414/84, WuM 1984, 296; a.A. LG Ravensburg v. 8.3.1984 – S 264/83, WuM 1984, 297 (Vorrang der Kündigungsmöglichkeit).

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B. Wohnraummiete | Rz. 161 § 542

ein Überschuss (Saldo) ergibt441. Eine Einschränkung der Saldotheorie zum Schutz eines arglistig Getäuschten ist grundsätzlich nicht geboten, wenn der Täuschende Bereicherungsausgleich verlangt. Nach der Saldotheorie werden Gegenansprüche des Getäuschten ohne weiteres als Abzugspositionen in die Saldierung einbezogen. Herauszugeben ist gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB das durch die Leistung des Vermieters Erlangte. 158 Das ist regelmäßig die gewährte Gebrauchsüberlassung der Räume. Da die Herausgabe der Gebrauchsüberlassung wegen ihrer Beschaffenheit nicht möglich ist, hat der Mieter als gutgläubiger Bereicherungsschuldner nach § 818 Abs. 2 BGB deren Wert zu ersetzen. Dessen Höhe richtet sich nach dem objektiven Verkehrswert des rechtsgrundlos Erlangten, somit nach der Miete, die auf dem örtlichen Markt für vergleichbare Objekte erzielt wird442. bb) Nutzungsentschädigung inklusive verbrauchsabhängiger Nebenkosten Der nach § 818 Abs. 2 BGB zu ersetzende Wert der erlangten Gebrauchsvorteile bestimmt sich nach 159 der ortsüblichen Miete. Diese beinhaltet in dem Umfang, in dem verbrauchsunabhängige Nebenkosten ortsüblich als Teil der Miete mit vereinbart werden, auch diese Nebenkosten. Da bei der Geschäftsraummiete die vereinbarte Miete abweichend von der gesetzlichen Bestimmung in § 535 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB in der Regel die Grundmiete und verbrauchsunabhängige Nebenkosten enthält, spricht eine Wahrscheinlichkeit dafür, dass üblicherweise bestimmte verbrauchsunabhängige Nebenkosten vom Mieter zu tragen sind443. Ob und in welchem Umfang dies der Fall ist, muss erforderlichenfalls durch Sachverständigengutachten festgestellt werden. Ferner sind im Rahmen des Bereicherungsanspruchs des Vermieters die verbrauchsabhängigen Nebenkosten nur zu berücksichtigen, wenn der Vermieter sie konkret darlegt, was z.B. durch Vorlage der Nebenkostenabrechnungen geschehen kann. cc) Herausgabe des Gewinns aus der Untervermietung? Neben dem Anspruch auf Ersatz des objektiven Mietwerts für die Gebrauchsüberlassung ist ein An- 160 spruch auf Herausgabe eines durch eine Untervermietung evtl. erzielten Gewinns nicht gegeben444. Mit der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung des fehlgeschlagenen Mietvertrages im Wege der Leistungskondition sollen die gegenseitigen, von den Parteien aufgrund des unwirksamen Mietvertrages vorgenommenen Vermögensverschiebungen rückabgewickelt werden. Die Gewinne des Mieters aus einer Untervermietung beruhen jedoch nicht auf einer rückabzuwickelnden Leistung des Vermieters, sondern auf seiner eigenen vermögensmäßigen Disposition. Dem Mieter stand es frei, den Bereicherungsgegenstand – die Gebrauchsüberlassung – selbst, gar nicht oder durch Untervermietung zu nutzen. Mit der Erstattung des objektiven Mietwerts für die Gebrauchsüberlassung wird erschöpfender Ersatz für den Wert des erlangten Gebrauchsvorteils geleistet445. 3. Konfusion Ein Schuldverhältnis setzt nach allgemeiner Auffassung voraus, dass Gläubiger und Schuldner ver- 161 schiedene Personen sind. Genauso wie ein Schuldverhältnis zwischen denselben Personen nicht entstehen kann446, erlischt es i.d.R. wieder, wenn sich Forderung und Schuld nachträglich in einer Person vereinen447. Dementsprechend kann ein Mietverhältnis nicht wirksam entstehen, wenn auf Gebrauchs-

441 BGH v. 10.2.1999 – VIII ZR 314/97, MDR 1999, 695 = NJW 1999, 1181. 442 BGH v. 22.10.1997 – XII ZR 142/95, MDR 1998, 94, NZM 1998, 192 (194); BGH v. 21.3.1996 – III ZR 245/ 94, BGHZ 132, 198, 207; BGH v. 5.7.2006 – VIII ZR 172/05, MDR 2006, 1155 = BGHZ 168, 220, 239. 443 BGH v. 6.8.2008 – XII ZR 67/07, GuT 2008, 330. 444 BGH v. 6.8.2008 – XII ZR 67/06, MietRB 2009, 4 = MDR 2009, 19 = GuT 2008, 330. 445 Vgl. für bereicherungsrechtliche Ansprüche bei Verletzung gewerblicher Schutzrechte: BGH v. 24.11.1981 – X ZR 7/80, BGHZ 82, 299, 307 f. = MDR 1982, 489. 446 LG Berlin v. 13.6.2017 – 63 S 278/16, GE 2017, 1162. 447 BGH v. 14.6.1995 – IV ZR 212/94, MDR 1995, 1234, WPM 1995, 1693 unter 3 a; BGH v. 4.7.1991 – III ZR 101/90, MDR 1991, 1132 = BGHZ 115, 116 (121); BGH v. 1.6.1967 – II ZR 150/66, BGHZ 48, 214 (218) jeweils m.w.N.

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§ 542 Rz. 161 | Ende des Mietverhältnisses nutzerseite eine Person beteiligt ist, die zugleich Vermieterstellung einnimmt448. Deshalb erlischt ein Mietverhältnis (wieder), wenn der Mieter nachträglich das Eigentum mit dem daraus fließenden Gebrauchsrecht an der Mietsache erwirbt449. Die Konfusion, die in seiner Person eintritt und sein Mietverhältnis beendet, führt zum Erlöschen des gesamten Mietvertrages, selbst wenn daran noch weitere Mieter beteiligt sind450. Im Rahmen der Zwangsversteigerung endet der Mietvertrag z.B. durch Konfusion, wenn der Mieter oder einer von mehreren den Zuschlag erhält451. Keine Konfusion tritt aber ein, wenn eine Eigentümergemeinschaft als Vermieter mit einem ihrer Mitglieder einen Mietvertrag abschließt452. 162 Der Annahme eines Mietvertrages steht es aber nicht entgegen, wenn die Personen auf Vermieter- und

Mieterseite (nur) teilidentisch sind. Das ist z.B. bei der Vermietung an einen Miteigentümer durch die Miteigentümergemeinschaft der Fall453, aber auch bei einer entgeltlichen Gebrauchsüberlassung durch einen Erbbauberechtigten an einen weiteren Erbbauberechtigten und dessen Ehefrau454. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass sich Gewährleistungsansprüche teilweise gegen den „Mieter“ selber richten oder eine Pflicht besteht, einen Teil der Kosten zu tragen, selbst wenn nur eine reduzierte Miete gezahlt wird.

VI. Ende der Mietzeit 162a Tritt das Ende der Mietzeit ein, hört der Mietvertrag auf zu existieren. Grundsätzlich bestehen keine

vertraglichen Pflichten mehr. Ausnahmsweise können sich nachvertragliche Pflichten ergeben, wenn Treu und Glauben dies gebieten oder es um bloße Ordnungsbestimmungen geht, die das Bestehen eines Mietvertrages nicht unbedingt voraussetzen. 162b Ausnahmsweise lebt der Mietvertrag wieder auf, wenn bei der Wohnraummiete die Voraussetzungen

des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB herbeigeführt werden. Die mit der (fristlosen) Kündigung insoweit verbundene Beendigung des Mietvertrages wird rückwirkend im Wege der Fiktion wieder beseitigt455. Diese Fiktion ist z.B. entscheidend für die Beurteilung der Ansprüche, die während der Dauer der Vorenthaltung i.S.v. § 546a BGB entstanden sind (§ 546a BGB Rz. 33). Ansonsten ist die Fortsetzung des Mietvertrages vom Willen der Parteien abhängig. Es steht ihnen frei, eine entsprechende Vereinbarung zu treffen. Auch die positive Prognose nach entsprechender Behandlung (Psychiatrie) bei einem vermindert schuldfähig handelnden Mieter, demgegenüber (wirksam) fristlos gekündigt wurde, begründet davon keine Ausnahme456. 162c Eine Einigung der Parteien, die nach Beendigung des Mietvertrages getroffen wird und die Fortset-

zung des Mietvertrages zum Inhalt hat, bedeutet stets die Neubegründung des Mietvertrages. Insoweit spielt es keine Rolle, wie die Parteien den Inhalt ihrer Vereinbarung formulieren. Egal, ob sie den Mietvertrag fortsetzen, die Kündigung aufheben, oder eine ähnliche Formulierung wählen. Im Hinblick auf

448 BGH v. 4.7.1991 – III ZR 101/90, MDR 1991, 1132 = BGHZ 115, 116 (121); BFH v. 7.6.2006 – IX R 14/04, Rz. 15. 449 BGH v. 9.6.2010 – VIII ZR 189/09, MDR 2010, 916 = MietRB 2010, 264 = WuM 2010, 518 Rz. 18 m.w.N.; ebenso schon RGZ 49, 285 (286). 450 BGH v. 27.4.2016 – VIII ZR 323/14, MDR 2016, 818 = MietRB 2016, 201 = WuM 2016, 341 = ZMR 2016, 771 = GE 2016, 849. 451 BGH v. 9.6.2010 – VIII ZR 189/09, MietRB 2010, 264 = MDR 2010, 916 = NZM 2010, 698; BGH v. 17.12.2008 – VIII ZR 13/08, MDR 2009, 373 = MietRB 2009, 134 = NJW 2009, 1076 = WuM 2009, 127 = GE 2009, 260 = NZM 2009, 151. 452 BGH v. 25.4.2018 – VIII ZR 176/17, MietRB 2018, 194 = MDR 2018, 1052 = WuM 2018, 352 = ZMR 2018, 742. 453 BGH v. 11.9.2000 – II ZR 324/98, MDR 2001, 151 = ZMR 2001, 90 (92) = NZM 2001, 45 (unter II 1b); BGH v. 15.9.1997 – II ZR 94/96, MDR 1998, 95 = NJW 1998, 372 (unter I); BGH v. 17.12.1973 – II ZR 59/72, NJW 1974, 364 (unter II 2b); BGH v. 8.1.1969 – VIII ZR 184/66, WPM 1969, 298 (unter 1b). 454 Vgl. BGH v. 15.9.2010 – VIII ZR 16/10, MDR 2010, 1306 = ZMR 2011, 109. 455 BGH v. 19.9.2018 – VIII ZR 231/17, MietRB 2019, 5 = MDR 2018, 1364 = WuM 2018, 714 = NZM 2018, 941. 456 AG Hannover v. 4.2.2014 – 406 C 8685/13, ZMR 2014, 547.

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B. Wohnraummiete | Rz. 165 § 542

die Beendigung des Mietvertrages wird durch jede nachfolgende Einigung über die Fortsetzung ein neuer Mietvertrag begründet, auch wenn dieser den Inhalt des alten Mietvertrages haben sollte.

VII. Umdeutung Einseitige Rechtsgeschäfte, wie z.B. Kündigungserklärungen, sind fehleranfällig. Eine nichtige Erklä- 163 rung lässt sich jedoch bisweilen durch Umdeutung retten. Gemäß § 140 BGB müssen dazu zwei Voraussetzungen vorliegen: – Das tatsächlich vorgenommene, nichtige Rechtsgeschäft entspricht zugleich den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts und – es ist anzunehmen, dass bei Kenntnis der Nichtigkeitsgründe das andere, wirksame Rechtsgeschäft vorgenommen worden wäre. Beide Voraussetzungen müssen im Einzelfall überprüft werden, da es keine allgemeingültigen Umdeutungsregeln gibt. Unabhängig von der Frage der Umdeutung wird in den Fällen unwirksamer Kündigung meist entscheidend sein, dass der Kündigende sich nach Treu und Glauben nicht zu Lasten des Vertragspartners auf die Unwirksamkeit seiner Kündigungserklärung berufen kann, da er sich zu seinem eigenen Verhalten in Widerspruch setzt und rechtsmissbräuchlich handelt457. 1. Umdeutung unwirksamer fristloser in ordentliche Kündigung Sie ist – schon wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen – nicht in jedem Fall möglich458, aber z.B. 164 dann, wenn der Wille, den Vertrag auf jeden Fall zum nächstmöglichen Termin zu beenden, für den Kündigungsempfänger zweifelsfrei erkennbar ist459. Dabei kann sich der maßgebliche Wille auch aus Umständen außerhalb der Kündigungserklärung ergeben460. Das ist nicht nur der Fall, wenn die ordentliche Kündigung ausdrücklich hilfsweise erklärt wurde461, sondern insbesondere bei entsprechenden mündlichen oder anderen schriftlichen Äußerungen des Erklärenden der Fall462, wie z.B. der Ankündigung des Mieters, zu einem bestimmten Zeitpunkt auszuziehen463. Dagegen soll die Bezugnahme auf eine Vertragsklausel, in der für den Fall der Untervermietung das Recht zur fristlosen Kündigung geregelt ist, der Umdeutung entgegenstehen, wenn der Mieter seine Erklärung mit dem Hinweis abschließt, er stehe bei Rückfragen zur Verfügung464. Ob die gleichen Grundsätze gelten, wenn ein Rechtsanwalt außergerichtlich handelt, kann zweifelhaft 165 sein. Immerhin kann von einem Rechtsanwalt, den der Mandant im Vertrauen auf dessen Rechtskenntnisse beauftragt, erwartet werden, dass er die juristische Terminologie beherrscht und zur Vermeidung von Unklarheiten „kündigt“, wenn er kündigen will465. Deshalb soll es nicht möglich sein, eine unwirksame ordentliche Kündigung eines Rechtsanwalts in eine außerordentliche fristlose Kündigung umzudeuten466. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Selbst die Mitteilung des Mieters, er werde die Mieträume nicht beziehen, wird als ordentliche Kündigung angesehen467. Deshalb ist in einem anwaltlichen Schriftsatz eine ordentliche Kündigung zu sehen, wenn er deutlich den Willen der Partei erkennen lässt, sich möglichst bald aus dem Mietverhältnis zu lösen, ohne das Wort „Kündi-

457 458 459 460 461 462 463 464 465 466 467

LG Berlin v. 11.11.1986 – 65 S 86/86, GE 1987, 93. BGH v. 15.1.2003 – XII ZR 300/99, MDR 2003, 591 = ZIP 2003, 667 (669). BGH v. 24.7.2013 – XII ZR 104/12, MDR 2013, 1211 = MietRB 2013, 318 = WuM 2013, 668. BGH v. 12.1.1981 – VIII ZR 332/79, MDR 1981, 665 = WuM 1981, 106 = ZMR 1981, 113; Hanseatisches OLG Hamburg v. 23.6.1997 – 4 U 82/96, WuM 1998, 160 = NJW-RR 1998, 807; OLG Düsseldorf v. 12.7.1990 – 10 U 212/89, DWW 1990, 304; a.A. AG Münster v. 20.2.2008 – 48 C 61/08, WuM 2008, 218. Nur dann: AG Köln v. 19.12.2013 – 214 C 149/13, WuM 2016, 250. BGH v. 24.7.2013 – XII ZR 104/12, MDR 2013, 1211 = MietRB 2013, 318 = WuM 2013, 668. BGH v. 11.4.2018 – XII ZR 43/17, ECLI:DE:BGH:2018:110418UXIIZR43.17.0, MietRB 2018, 199 = MDR 2018, 922 = ZMR 2018, 661 = GE 2018, 704. Brandenburgisches OLG v. 21.3.2013 – 5 U (Lw) 28/11, ZMR 2013, 624. BGH v. 4.6.1996 – IX ZR 51/95, NJW 1996, 2648. OLG Köln v. 9.7.1997 – 27 U 5/97, ZMR 1998, 91. BGH v. 10.10.2001 – XII ZR 93/99, NZM 2001, 1077 (1078).

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§ 542 Rz. 165 | Ende des Mietverhältnisses gung“ zu verwenden468. Das gilt selbst dann, wenn die (fristlose) Kündigung durch einen Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht erklärt wurde469 166 Eine Umdeutung ist nur erfolgreich, wenn die fristlose Kündigung den im Einzelfall an die ordentliche

Kündigung zu stellenden Wirksamkeitsanforderungen genügt; bei Kündigung von Wohnraum gemäß § 573 BGB muss sie z.B. ausreichend begründet sein (§ 573 Abs. 3 BGB)470. 2. Umdeutung einer fristgemäßen Kündigung in eine außerordentliche Kündigung 167 Ob diese Möglichkeit nicht von vorneherein ausgeschlossen ist, weil die außerordentliche Kündigung

nicht als Minus in der ordentlichen Kündigung enthalten ist, ist umstritten. Während eine Meinung eben deshalb die Möglichkeit ausschließt471, hält der BGH sie grundsätzlich für denkbar472. Eine Umdeutung scheitert aber regelmäßig daran, dass der Mieter durch die Angabe einer Kündigungsfrist nicht den sofortigen Beendigungswillen zum Ausdruck bringt473. 3. Umdeutung fristgemäßer Kündigung zu unrichtigem Beendigungstermin in Kündigung zum zulässigen Termin 168 Eine solche Umdeutung wird in den meisten Fällen möglich sein474. Denn die exakte Kündigungsfrist

ist in der Regel kein bestimmendes Moment für die Entscheidung zum Kündigungsausspruch475. Liegt zwischen dem angegebenen und dem nächstmöglichen Kündigungstermin nur ein verhältnismäßig geringer Zeitraum, so kann davon ausgegangen werden, dass die Kündigung hilfsweise zum nächstmöglichen Termin wirken soll, falls keine gewichtigen Anhaltspunkte für einen abweichenden Willen bestehen476. Richtigerweise ist aber die Angabe einer falschen Kündigungsfrist solange unschädlich, wie der Kündigende nicht zum Ausdruck bringt, dass nur der von ihm angegebene Endtermin gelten soll. Denn auch die Kündigung, die keine Angaben zur Frist enthält, aber als ordentliche Kündigung ausgelegt werden kann, ist wirksam477. Deshalb fehlt die maßgebliche Voraussetzung für eine Umdeutung. 4. Umdeutung unwirksamer Kündigung in Angebot zur Vertragsaufhebung 169 Schon bei der Auslegung von Erklärungen einer Partei, die im Rahmen von Differenzen geäußert

werden, ist Vorsicht geboten, ob sie als Angebot zum Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung zu werten sind478. Umso mehr kann eine unwirksame Kündigung des Vermieters, die den Mieter zur Räumung der Mieträume veranlasst, grundsätzlich nicht in ein Angebot zur Vertragsaufhebung umgedeutet werden, welches der Mieter annimmt, indem er die Mieträume herausgibt479. Denn regelmäßig kann der Kündigungsempfänger schon nicht erkennen, dass er zur Abgabe einer Willenserklärung (Annah-

468 OLG Rostock v. 28.12.2001 – 3 U 173/00, NZM 2002, 955 (957). 469 BGH v. 11.4.2018 – XII ZR 43/17, ECLI:DE:BGH:2018:110418UXIIZR43.17.0, MietRB 2018, 199 = MDR 2018, 922 = ZMR 2018, 661 = GE 2018, 704; OLG Düsseldorf v. 25.4.2017 – 24 U 150/16, MietRB 2017, 252 = ZMR 2017, 471. 470 LG Hamburg v. 17.10.1989 – 16 S 140/89, WuM 1990, 19; LG Berlin v. 23.4.1991 – 64 S 453/90, GE 1991, 1033. 471 Schmidt-Futterer/Blank, § 542 BGB Rz. 22 m.w.N. 472 BGH v. 2.3.2004 – XI ZR 288/02, MDR 2004, 737 = NJW-RR 2004, 873 = GuT 2004, 89; BGH v. 12.1.1981 – VIII ZR 332/79, MDR 1981, 665 = WuM 1981, 106. 473 BGH v. 22.6.2005 – VIII ZR 326/04, WuM 2005, 584. 474 LG Berlin v. 12.4.1991 – 64 T 59/91, GE 1991, 575. 475 AG Hamburg-Barmbek v. 30.1.2004 – 819 C 277-03, ZMR 2005, 202. 476 OLG Frankfurt v. 23.1.1990 – 5 U 61/89, NJW-RR 1990, 337; a.A. LG Göttingen v. 23.1.1991 – 5 S 109/90, WuM 1991, 266; LG Osnabrück v. 18.10.1989 – 1 S 248/89, WuM 1990, 81. 477 LG Berlin v. 15.11.2010 – 67 S 115/10, ZMR 2012, 274 = MM 2011, Heft 3, S. 29. 478 AG Gelsenkirchen v. 29.11.2016 – 210 C 398/16, ZMR 2017, 981 („Sie können Ihre Klamotten nehmen und gehen.“). 479 BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 255/82, BGHZ 89, 296 = MDR 1984, 571 = NJW 1984, 1028; BGH v. 7.12.1983 – VIII ZR 206/82, WPM 1984, 171 = GE 1984, 377; BGH 24.9.1980 – VIII ZR 299/79, MDR 1981, 135 = NJW 1981, 43 (44); OLG Dresden v. 19.10.2011 – 13 U 1179/10, MietRB 2012, 12 = ZMR 2012, 268.

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B. Wohnraummiete | Rz. 171a § 542

me) aufgefordert werden soll480. Etwas anderes kann allenfalls gelten, wenn das Zustandekommen eines Aufhebungsvertrages dem beiderseitigen Interesse entspricht oder für den Erklärungsgegner erkennbar ist, dass mit seiner Stellungnahme gerechnet wird481. Dazu muss aber auch ein Einigungswille unterstellt werden können. Nimmt der Vermieter die unwirksame Kündigung des Mieters ausdrücklich an, bietet er damit dem Mieter die Aufhebung des Mietvertrages an. In der stillschweigenden Hinnahme dieser Erklärung durch den Mieter kann dann die Annahme des Angebots liegen482, zumal wenn er kurz danach auszieht. Die Umdeutung einer einseitigen rechtsgestaltenden Willenserklärung in ein annahmebedürftiges Ver- 170 tragsangebot ist nur dann zulässig, wenn sich aus der Erklärung ergibt, dass sie hilfsweise auf den Abschluss einer Vereinbarung gerichtet ist, was z.B. in einer Aufforderung zur Stellungnahme zum Ausdruck kommen kann483. Ist diese Aufforderung jedoch mit weiteren Forderungen verknüpft – z.B. Anerkennung einer Schadensersatzpflicht –, ist in der Regel kein annahmefähiges Angebot zur Vertragsbeendigung gegeben484. Weist der Vermieter im Kündigungsschreiben aber darauf hin, dass es für ihn kein Problem darstellt, wenn der Mieter früher auszieht, soll vom Empfängerhorizont diese Erklärung als Angebot zur vorzeitigen Vertragsaufhebung zu verstehen sein485. Insoweit ist aber zusätzlich stets zu prüfen, ob das Angebot im Zeitpunkt der Annahme nicht bereits erloschen ist, § 147 Abs. 2 BGB (vgl. dazu auch § 535 BGB Rz. 30 f.). Schließlich ist daran zu denken, dass die Berufung des Kündigenden auf die Unwirksamkeit seiner 170a Erklärung auch gegen Treu und Glauben verstoßen kann. Denn es ist grundsätzlich widersprüchlich (venire contra factum proprium), wenn der Kündigende sich vehement auf einen Kündigungsgrund beruft (hier: Mangel der Mietsache) und dann doch nicht räumen will486. 5. Umdeutung beiderseitiger Kündigungen in Aufhebungsvereinbarung Auch wenn Vermieter und Mieter wechselseitig unwirksame Kündigungen aussprechen, kommt eine 171 Mietaufhebungsvereinbarung nur dann zustande, wenn dies mit den jeweiligen Erklärungen erkennbar als Hilfsziel bezweckt wurde. Letzteres ist keineswegs selbstverständlich, wenn man bedenkt, dass eine berechtigte fristlose Kündigung Schadensersatzansprüche auslösen kann. Droht nach fristloser Kündigung durch den Vermieter erheblicher Schaden durch Mietausfall, so hat der Mieter ein vitales Interesse, den Vertrag seinerseits fristlos zu kündigen, um den Mietausfall zu begrenzen. Daraus folgt jedoch nicht, dass er das Mietverhältnis auf jeden Fall beenden wollte. Davon kann aber ausgegangen werden, wenn es nach wechselseitiger unwirksamer Kündigung zur einvernehmlichen Rückgabe der Mieträume kommt. Denn darin kann eine schlüssige Mietaufhebungsvereinbarung zu sehen sein487. 6. Umdeutung einer unwirksamen Kündigung in eine Abmahnung Die unwirksame Kündigung wegen Pflichtverletzungen enthält als Minus stets auch eine Abmah- 171a nung488. Dies gilt für die fristlose Kündigung in gleichem Maß wie für die ordentliche Kündigung. Denn im Zweifel ist anzunehmen, dass der Erklärende eine Abmahnung oder Fristsetzung erteilt hätte, wenn er die Unwirksamkeit der Kündigung aus diesem Grund vorausgesehen hätte, § 140 BGB. Dies übersieht die Gegenmeinung489. Zweifel sind allenfalls denkbar, wenn der Kündigende sowohl eine

480 OLG Düsseldorf v. 4.12.2012 – 24 U 69/12, MietRB 2013, 324 = GE 2013, 1275. 481 BGH v. 27.6.2014 – V ZR 51/13, NZM 2014, 790 (793); BGH v. 24.9.1980 – VIII ZR 299/79, MDR 1981, 135 = NJW 1981, 43. 482 OLG Düsseldorf v. 16.10.2003 – 10 U 46/03, WuM 2003, 621; OLG Hamm v. 9.10.1996 – 33 U 17/96, NJWRR 1997, 264. 483 BGH v. 24.9.1980 – VIII ZR 299/79, MDR 1981, 135 = WuM 1981, 57 = ZMR 1981, 84. 484 OLG Köln v. 2.8.2001 – 8 U 24/01, MDR 2002, 390 = ZMR 2001, 967. 485 AG Zweibrücken v. 26.6.2013 – 2 C 71/13, WuM 2013, 537. 486 OLG Düsseldorf v. 4.12.2012 – 24 U 69/12, MietRB 2013, 324 = GE 2013, 1275. 487 KG Berlin v. 10.9.1998 – 8 U 8910/97, NZM 1999, 462. 488 BGH v. 1.6.2011 – VIII ZR 91/10, MietRB 2011, 238 = MDR 2011, 909 = ZMR 2011, 783; LG Berlin v. 22.10.2010 – 63 S 690/09, GE 2010, 1623. 489 LG Köln v. 20.8.2003 – 9 S 126/03, MietRB 2004, 35.

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§ 542 Rz. 171a | Ende des Mietverhältnisses fristlose als auch hilfsweise eine fristgerechte Kündigung erklärt hat. In diesem Fall wird deutlich, dass er Eventualitäten bedacht hat. Daher kann im Einzelfall der Schluss gerechtfertigt sein, dass eine Abmahnung nicht gewollt war. Denn wenn alle Möglichkeiten hätten ausgeschöpft werden sollen, hätte hilfsweise auch eine Abmahnung erklärt werden können.

C. Gewerberaummiete I. § 542 Abs. 1 BGB 172 Der Mietvertrag auf unbestimmte Zeit ist eher selten, weil die Parteien auf beiden Seiten des Ge-

werberaummietvertrages Planungssicherheit brauchen. Denn auf beiden Seiten wird nicht nur zu Beginn der Mietzeit in den Umbau und die Herbeiführung des vertragsgemäßen Zustandes investiert, sondern auch während der Mietzeit, wobei sich der Vermieter auf die Erhaltung konzentriert und die Investitionen des Mieters seinem Unternehmen zugutekommen sollen. Dennoch werden Mietverträge auf unbestimmte Zeit nicht nur geschlossen, wenn sich die Parteien z.B. mündlich über eine Vermietung einigen, sondern entstehen insbesondere durch Verstöße gegen die Schriftform des § 550 BGB. Diese Vorschrift ordnet nämlich an, dass ein Mietvertrag nach einem Jahr den Bestimmungen des § 542 Abs. 1 BGB folgt, wenn er länger als ein Jahr gelten sollte, die Schriftform aber nicht eingehalten ist. 172a Ein unbefristetes Mietverhältnis kann aber auch entstehen, wenn nicht nur ungewiss ist, wann ein Er-

eignis eintreten wird, das nach dem Pachtvertrag zu dessen Beendigung führen soll, sondern wenn außerdem ungewiss ist, ob dieses Ereignis überhaupt jemals eintreten wird. Diese Voraussetzungen liegen z.B. vor, wenn der Mietvertrag solange laufen soll, bis die Nutzung behördlich untersagt wird490. Allerdings kann sich die Befristung auch aus dem Zweck der Vermietung ergeben (z.B. Vermietung eines Messestandes)491. 172b Ob der unter einer auflösenden Bedingung geschlossene Mietvertrag vor Bedingungseintritt ordent-

lich gekündigt werden kann, ist umstritten. Nach einer Auffassung sind solche Verträge wie andere unbefristete Mietverhältnisse zu behandeln mit der Folge, dass sie vor Bedingungseintritt ordentlich gekündigt werden können.492 Demgegenüber wird vertreten, solche Verträge seien nicht ordentlich kündbar; denn mit der Aufnahme der Bedingung solle nicht eine Lösungsmöglichkeit zusätzlich zum Kündigungsrecht geschaffen, sondern der Bestand des Vertrags einzig vom Eintreten der Bedingung abhängig gemacht werden.493 Nach einer dritten Meinung ist auf den beim Vertragsschluss zum Ausdruck kommenden Willen der Parteien abzustellen: soll die auflösende Bedingung der alleinige Grund für die Vertragsbeendigung sein, sei das Nutzungsverhältnis vor Eintritt der Bedingung grundsätzlich nicht ordentlich kündbar. Sei die auflösende Bedingung dagegen nur als spätestmöglicher Beendigungszeitpunkt bestimmt, könne das Nutzungsverhältnis auch schon vor Bedingungseintritt ordentlich gekündigt werden.494 172c Der BGH495 folgt im Ergebnis der letztgenannten Auffassung. Unter einer auflösenden Bedingung ge-

schlossene Pachtverträge seien als unbefristete Verträge zwar grundsätzlich ordentlich kündbar. Die Vertragsparteien seien jedoch nicht gehindert, die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung auszuschließen. Ein solcher Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung könne auch schon in der Vereinbarung einer auflösenden Bedingung als solcher zu finden sein. Dies sei allerdings nur dann der Fall, wenn die Parteien mit der auflösenden Bedingung die Beendigung des Nutzungsverhältnisses – vorbehaltlich des Eintritts außerordentlicher Kündigungsgründe – abschließend hätten regeln und nicht nur einen Zeitpunkt festlegen wollen, zu dem das Nutzungsverhältnis in jedem Falle – also unbeschadet der Möglichkeit einer früheren Auflösung – habe enden sollen. Ob der Vereinbarung einer aufBGH v. 1.4.2009 – XII ZR 95/07, MDR 2009, 795 = NZM 2009, 433. Zöll in Lindner-Figura u.a., Kap. 9 Rz. 13. Palandt/Weidenkaff, § 572 BGB Rz. 5. Vgl. etwa Lammel, § 572 BGB Rz. 13 m.w.N. Staudinger/Rolfs, [2006], § 572 BGB Rz. 11 f. m.w.N.; ähnlich auch Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 9. Aufl., § 572 BGB Rz. 13. 495 BGH v. 1.4.2009 – XII ZR 95/07, MDR 2009, 795 = NZM 2009, 433 = GuT 2009, 108.

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C. Gewerberaummiete | Rz. 177 § 542

lösenden Bedingung eine solche weitergehende, das ordentliche Kündigungsrecht ausschließende Bedeutung zukomme, habe im Streitfall diejenige Vertragspartei darzulegen und zu beweisen, die sich auf diese Bedeutung berufe. Für die ordentliche Kündigung gelten die in Abschnitt B. dargestellten Grundsätze in gleicher Weise. 173 Allerdings bestehen folgende Besonderheiten: 1. Vollmachtsklauseln Auch bei der Gewerberaummiete sollen Vollmachtsklauseln unwirksam sein496. Richtigerweise gelten 174 hier die gleichen Anforderungen wie bei der Wohnraummiete (vgl. § 542 BGB Rz. 55). Ist die Klausel nicht an versteckter Stelle geregelt und ihr Inhalt klar und verständlich, besteht kein Grund zur Beanstandung nach § 307 BGB, jedenfalls in der Form der Empfangsvollmacht497. Der Mieter muss nicht vor seinem Mitmieter geschützt werden. Das Interesse des Vermieters an Rechtssicherheit ist vorrangig. Ein konkludenter Widerruf soll jedoch – anders als in der Wohnraummiete – nicht bereits in dem 174a bloßen Auszug eines von mehreren Mietern und der Mitteilung der neuen Anschrift zu sehen sein498. Denn mehrere Gewerberaummieter bilden nicht typischerweise eine Lebens- oder Wohngemeinschaft, sondern besitzen als bloße Geschäftspartner unterschiedliche (Wohn-) Adressen. 2. Schriftform der Kündigung? Da § 578 BGB nicht auf § 568 BGB verweist, gilt für die Kündigung des Gewerberaummietvertrages 175 grundsätzlich keine Schriftform. Ohne besondere Vereinbarung kann sie also auch mündlich erklärt werden. Dies gilt selbst dann, wenn der Mietvertrag als solcher (wegen § 550 BGB) der Form bedarf und die Schriftform eingehalten ist, hinsichtlich der Form der Kündigung aber keine Regelung getroffen wurde499. Soll die Wirksamkeit einer Kündigung von der Schriftform abhängen, muss dies ausdrücklich verein- 176 bart werden. Insoweit werden keine hohen Anforderungen an die Wirksamkeit entsprechender Klauseln gestellt. Weder die Formulierung, dass die Kündigung der Schriftform bedarf500, noch die Regelung, dass alle einseitigen Willenserklärungen zu ihrer Wirksamkeit schriftlich erklärt werden müssen, können beanstandet werden. Immerhin dient die Vereinbarung der Schriftform der Verkehrssicherheit501. Dies gilt selbst dann, wenn im Mietvertrag geregelt ist, dass die Kündigungserklärung schriftlich zu erfolgen hat und durch eingeschriebenen Brief übermittelt werden muss502. Denn Regelungen über die Versendungsart sollen nur den Zugang der Kündigungserklärung und damit den Beweis sichern. Deshalb wird bei einer solchen Klausel regelmäßig nur die Schriftform als Wirksamkeitserfordernis für die Kündigungserklärung vereinbart, so dass deren Zugang auch auf andere Weise wirksam erfolgen kann503. Wird die Schriftform vereinbart, ist gemäß § 127 Abs. 2 BGB die telekommunikative Übermittlung 177 nicht ausreichend, wenn nicht ein anderer Wille anzunehmen ist. Dies ist der Fall, wenn der Vertrag ausdrücklich die Schriftform des § 126 BGB verlangt oder sich ein entsprechender Wille der Parteien im Wege der Auslegung ermitteln lässt. Letzteres kann nicht allein daraus gefolgert werden, dass die

496 KG v. 5.1.2004 – 12 U 122/02, MietRB 2004, 201 = GE 2004, 753; OLG Koblenz v. 20.5.1999 – 5 U 2044/98, WuM 1999, 694; a.A. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 51; Fritz, Rz. 196. 497 OLG Dresden v. 13.10.2016 – 5 U 993/16, ZMR 2017, 392. 498 OLG Dresden v. 13.10.2016 – 5 U 993/16, ZMR 2017, 392. 499 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 876. 500 Oprée in Lindner-Figura u.a., Kap. 15 Rz. 26. 501 OLG Hamm v. 23.11.1981 – 4 REMiet 8/81, NJW 1982, 452. 502 BGH v. 21.1.2004 – XII ZR 214/00, MietRB 2004, 139 = MietRB 2004, 140 = MDR 2004, 560 = WuM 2004, 269 = ZMR 2004, 344 = NZM 2004, 258. 503 BGH v. 22.4.1996 – II ZR 65/95, NJW-RR 1996, 866 (867); BAG v. 20.9.1979 – 2 AZR 967/77 – NJW 1980, 1304.

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§ 542 Rz. 177 | Ende des Mietverhältnisses Schriftform für die Kündigung vereinbart wurde. Allerdings reicht schon die Vereinbarung, dass eine besondere Übersendungsart gelten soll (z.B. Einschreiben). 178 Besteht kein entgegenstehender Wille der Parteien, reicht eine Übersendung der Kündigung per Tele-

fax, E-Mail, SMS, Fernschreiben oder Telegramm aus504. Für diesen Fall besteht ein Anspruch des Adressaten, die Kündigung (nachträglich) durch eine der Form nach § 126a BGB (Textform) entsprechende Erklärung zu bestätigen oder ggf. sogar die Abgabe in der Form des § 126 BGB zu verlangen, § 127 Abs. 2 S. 2 BGB. 3. Besondere Anforderungen an die Form der Kündigung 179 Gemäß § 309 Nr. 13 BGB dürfen Erklärungen, die dem Verwender gegenüber abzugeben sind, nicht an

besondere Zugangserfordernisse gebunden sein. Darunter fällt nach allgemeiner Auffassung auch die Vereinbarung der Übermittlung durch eingeschriebenen Brief505, was sich im Zweifel aus dem Transparenzgebot des § 307 BGB ergibt506. Deshalb genügt auch die Übermittlung per Telefax507. 180 Ist vereinbart, dass die Kündigung durch eingeschriebenen Brief erfolgen soll, hat die Schriftform im

Zweifel konstitutive Bedeutung, während die Versendung als Einschreiben im Zweifel nur den Zugang sichern soll. Dann ist nur die schriftlich erklärte Kündigung gültig; ihr Zugang kann aber auch in anderer Weise als durch Einschreibebrief wirksam erfolgen508. Nichts anderes gilt bei der Vereinbarung der Übersendung per Einschreiben/Rückschein509. Gegenüber einem Verbraucher kann formularmäßig ohnehin nicht wirksam festgelegt werden, dass eine Kündigung per Einschreiben zu erfolgen hat, § 309 Nr. 13 BGB. 4. Zugang der Kündigung per Telefax 181 Gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 BGB ist eine Willenserklärung dann zugegangen, wenn sie so in den Bereich

des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen objektiv in der Lage war, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen510. Zum Bereich des Empfängers gehören alle Einrichtungen, die zur Entgegennahme von Erklärungen bereitgestellt werden, wie z.B. Briefkasten, Postfach511, Anrufbeantworter und Telefaxgerät512. 182 Bei der Übermittlung per Telefax ist von einem Zugang beim Empfänger erst mit Abschluss des Druck-

vorganges an dessen Gerät auszugehen513. Insoweit ist der Zugang dann vollendet, wenn nach der Verkehrsanschauung zugleich auch die Kenntnisnahme durch den Empfänger zu erwarten ist. Da die Möglichkeit der Kenntnisnahme abstrakt zu verstehen ist, kommt es auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisnahme durch den Empfänger nicht an, wenn dieser bei Eingang des Faxschreibens z.B. wegen Krankheit oder Urlaubs ortsabwesend ist. In einem solchen Fall besteht für den Empfänger die Verpflichtung, Vorkehrungen für eine zeitnahe Kenntnisnahme zu treffen514. Dies gilt umso mehr, wenn der Adressat dem Erklärenden den Telefaxanschluss zu Korrespondenzzwecken angegeben hat. Dann muss er an diesem Anschluss ein Telefaxgerät bereithalten und sicherstellen, dass der Zugang von Sen504 OLG Dresden v. 22.2.2017 – 5 U 961/16, MietRB 2017, 160 = ZMR 2017, 465 = NZM 2017, 442 (zur Option); Oprée in Lindner-Figura u.a., Kap. 15 Rz. 26. 505 BGH v. 28.2.1985 – IX ZR 92/84, MDR 1985, 668 = NJW 1985, 2585; LG Hamburg v. 16.10.1985 – 17 S 277/ 84, NJW 1986, 262. 506 OLG Naumburg v. 15.4.1999 – 7 U 94/98, WuM 2000, 117 = NZM 2000, 90. 507 OLG Frankfurt v. 21.1.1999 – 4 U 61/98, NZM 1999, 419. 508 BGH v. 21.1.2004 – XII ZR 214/00, MietRB 2004, 139 = MietRB 2004, 140 = MDR 2004, 560 = NZM 2004, 258 m.w.N.; BAG v. 20.9.1979 – 2 AZR 967/77, NJW 1980, 1304. 509 BGH v. 14.10.2015 – XII ZR 84/14, MDR 2015, 1411 = MietRB 2015, 356 = NZM 2015, 861. 510 A.M. vgl. nur BGH v. 26.11.1997 – VIII ZR 22/97, MDR 1998, 337 = NJW 1998, 976 (977); Palandt/Grüneberg, § 130 BGB Rz. 5 m.w.N. 511 BGH v. 14.6.2012 – V ZB 182/11, MDR 2012, 1055 = GuT 2012, 271. 512 KG v. 19.8.2002 – 8 U 380/01-KGR Berlin 2003, 149 = GE 2002, 1559. 513 BGH v. 7.12.1994 – VIII ZR 153/93, MDR 1995, 952 = NJW 1995, 665 (667). 514 BGH v. 21.1.2004 – XII ZR 214/00, MietRB 2004, 139 = MietRB 2004, 140 = MDR 2004, 560 = NZM 2004, 258.

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C. Gewerberaummiete | Rz. 186 § 542

dungen nicht durch Umstände, die in seinem Verantwortungs- und Organisationsbereich liegen, verhindert wird515. Ob die Vorlage einer Faxsendebestätigung ausreicht, um den Zugang zu beweisen, ist umstritten. 183 Nach einer Auffassung ist das Sendeprotokoll nur geeignet, das Bestehen einer Telefonverbindung zwischen dem Faxgerät des Absendenden und dem Faxgerät des Empfängers zu beweisen, aber nicht die Übermittlung bestimmter Daten516. Die Datenübertragung könne nicht nur an Defekten des Empfangsgerätes, sondern auch an Leitungsstörungen, die zum Abbruch der Verbindung geführt hätten, gescheitert sein, ohne dass dies im Sendebericht dokumentiert werde. Im Hinblick auf derartige Leitungsfehler, die nach dem Grundgedanken des § 120 BGB in den Risikobereich des Absenders fielen, könnte der „O.K.“-Vermerk nur ein Indiz für den Zugang bieten, nicht aber einen Anscheinsbeweis rechtfertigen. Die Gegenansicht räumt zwar ein, dass der „O.K.“-Vermerk lediglich das Zustandekommen der Ver- 184 bindung belegt517. Infolgedessen könne aber belegt werden, dass in einem bestimmten Zeitraum zwischen zwei Faxgeräten (Festnetznummern) eine Leitungsverbindung bestanden habe, was zur Annahme ausreiche, dass das versendete Dokument beim Adressaten auch angekommen sei. Dies soll jedenfalls dann gelten, wenn die einwandfreie Funktionsweise des Absendegerätes außer Zweifel steht. Deshalb kann durch die Vorlage des Sendeprotokolls allein nicht der wirksame Zugang eines Faxes bewiesen werden518. Diese Gegenansicht verdient den Vorzug. Die moderne Übertragungstechnik liefert in der Regel ein- 185 wandfreie Ergebnisse und vermerkt auch auf größeren Strecken Übertragungsfehler im Sendeprotokoll. Deshalb kommt diesen Dokumenten durchaus ein Beweiswert zu. Dieser Anscheinsbeweis kann aber durch Vorlage des Empfangs-Journals der Faxstelle entkräftet werden. Denn kann davon ausgegangen werden, dass das Empfängerfaxgerät zum fraglichen Zeitpunkt technisch in Ordnung und nicht durch den Empfang anderweitiger Nachrichten blockiert war, und ergibt sich deshalb neben der Möglichkeit einer vom Sendegerät nicht erkannten Übermittlungsstörung die nicht auszuschließende Möglichkeit einer Manipulation, so reicht die Vorlage des in Ablichtung überreichten Sendeberichts mit dem „O.K.“-Vermerk allein nicht aus519. 5. Zugang per E-Mail Im Hinblick darauf, dass § 127 Abs. 2 BGB die telekommunikative Übermittlung ausreichen lässt, 185a kommt auch eine elektronische Übersendung per Mail in Betracht. Hierfür gelten die zum Telefax dargestellten Grundsätze entsprechend (§ 542 BGB Rz. 181 f.). Der Beweis des Zugangs kann i.d.R. durch das Protokoll des Servers erbracht werden, wenn keine Lese- oder Zugangsbestätigung angefordert wird.

II. § 542 Abs. 2 BGB In der Praxis der Gewerberaummiete ist der befristete Mietvertrag weit verbreitet und kann als Grund- 186 typus bezeichnet werden. Denn im Hinblick auf die Investitionen, die beide Parteien tätigen, um den vertragsgemäßen Zustand herzustellen und den vertragsgemäßen Gebrauch zu gewährleisten, kann eine Amortisation der Kosten nur gelingen, wenn eine feste Laufzeit entweder die Kostendeckung herbeiführt bzw. die Möglichkeit der „Abnutzung“ einräumt, Im Hinblick auf die Anforderungen ergeben sich grundsätzlich keine nennenswerten Unterschiede zur Wohnraummiete (§ 542 BGB Rz. 12 ff.). Die Probleme spielen sich bei den einschlägigen Verträgen in der Regel im Rahmen des § 550 BGB ab. Bei wirksamer Befristung kann die Ausübung von Sonderkündigungsrechten zu erheblichen wirtschaftli-

515 KG v. 19.8.2002 – 8 U 380/01, GE 2002, 1559 = KGR Berlin 2003, 149. 516 BGH v. 7.12.1994 – VIII ZR 153/93, MDR 1995, 952 = NJW 1995, 665. 517 OLG Karlsruhe v. 30.9.2008 – 12 U 65/08, DB 2008, 2479; OLG Celle v. 19.6.2008 – 8 U 80/07, VersR 2008, 1477; OLG Jena v. 18.5.2006 – 9 U 50/03, GuT 2008, 54 (Faxschreiben mit „O.K.“-Vermerk bei Sendung an den Vermieter); OLG München v. 8.10.1998 – 15 W 2631/98, MDR 1999, 286. 518 LG Berlin v. 22.5.2002 – 64 T 34/01, ZMR 2002, 751. 519 OLG Düsseldorf v. 26.5.1999 – 3 Wx 53/99, ZMR 1999, 656 = OLGR 2000, 39.

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§ 542 Rz. 186 | Ende des Mietverhältnisses chen Auswirkungen führen: Neben den unter § 542 BGB Rz. 42 aufgeführten Tatbeständen ergeben sich speziell in der Gewerberaummiete folgende Möglichkeiten: 1. Kündigung des Insolvenzverwalters, § 109 InsO 187 Die Insolvenzordnung gewährt dem Verwalter gemäß § 109 Abs. 1 S. 1 InsO ein Sonderkündigungs-

recht. Das Kündigungsrecht ist nicht zu einem bestimmten Termin auszuüben, sondern besteht während des gesamten Verfahrens520. Das Sonderkündigungsrecht gilt allerdings nicht für Mietverträge, die der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Verfahrens neu abgeschlossen hat. Hierbei verbleibt es bei den sonstigen mietrechtlichen Regelungen. 188 Die Kündigungsfist beträgt gemäß § 109 Abs. 1 S. Hs. 2 InsO für alle Mietverhältnisse drei Monate

zum Monatsende, wenn nicht eine kürzere Frist maßgebend ist. 189 Das Privileg des Vermieters, als Massegläubiger einen Anspruch auf vorrangige Befriedigung aus einer

laufenden Mietforderung zu erlangen, wirkt naturgemäß nur soweit, wie die Insolvenzmasse ausreicht, sämtliche Masseverbindlichkeiten zu erfüllen. Sobald der Insolvenzverwalter feststellt, dass die Masse nicht ausreicht, um fällige oder sonstige Verbindlichkeiten zu befriedigen, ist er gemäß § 208 Abs. 1 InsO verpflichtet die Unzulänglichkeit der Masse anzuzeigen. In jedem Fall hat der Insolvenzverwalter die Masse zunächst zur Begleichung der Verfahrenskosten, im Anschluss gemäß § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO zur Befriedigung von Masseverbindlichkeiten zu verwenden, die nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet wurden. Gleichgestellt sind diesen gemäß § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO Mieten aus Dauerschuldverhältnissen für die Zeit nach dem ersten Termin zu dem der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigen konnte sowie gemäß § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen, soweit der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit die Gegenleistung für die Insolvenzmasse noch in Anspruch genommen hat521. 190 Bei § 109 InsO kann es problematisch werden, wenn der Insolvenzverwalter nur für einen von mehre-

ren Mietern tätig ist. Denn ob die Kündigung des Insolvenzverwalters, die auf § 109 Abs. 1 InsO gestützt wird, in diesem Fall das Mietverhältnis insgesamt mit Wirkung für und gegen sämtliche Beteiligte beendet, ist streitig. Dies wird teilweise abgelehnt mit der Begründung, § 109 InsO sichere nur die Interessen der Masse. Dafür reiche es aus, allein die Masse aus dem Mietverhältnis zu entlassen522. Teilweise wird danach differenziert, ob der weitere Mieter nur die Mithaftung für die durch den Mieter eingegangenen Verpflichtungen übernehmen oder gleichberechtigter Mieter sein sollte523. Überwiegend wird generell davon ausgegangen, dass die Kündigung des Insolvenzverwalters das Mietverhältnis insgesamt mit Wirkung für und gegen sämtliche Beteiligte beendet524. 191 Überzeugender erscheint ein Differenzierung: sollte der andere „Mieter“ nur als zusätzliches Haf-

tungssubjekt dienen, ohne dass dadurch lediglich ein Schuldbeitritt begründet wurde525, besteht kein Anlass, das Mietverhältnis mit ihm fortzusetzen. Die Kündigung des Insolvenzverwalters hat umfassende Wirkung und beendet den Mietvertrag insgesamt. Sollten der oder die anderen Mieter jedoch zur einheitlichen Nutzung mit dem insolventen Mieter berechtigt sein, besteht kein Grund, ihnen die Nutzungsberechtigung zu entziehen. Sie wirken an der Kündigung nicht mit. Sie soll § 109 Abs. 1 InsO nicht schützen. Vielmehr soll die Masse geschützt werden, so dass es gerechtfertigt ist, eine Ausnahme von dem Grundsatz des Verbots der Teilkündigung zuzulassen.

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Begründung, RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 71, 147. Lützenkirchen/Gemeinhardt/Weber, AHB Mietrecht, P Rz. 199. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 1589; MünchKomm/Eckert, § 109 InsO Rz. 37 ff. m.w.N. Hörndler in Lindner-Figura u.a., Kap. 20 Rz. 68 ff.; Lützenkirchen/Gemeinhardt/Weber, AHB Mietrecht, P Rz. 202 jeweils m.w.N. 524 Hanseatisches OLG Hamburg v. 29.3.2012 – 8 U 78/11, MietRB 2012, 193 = MDR 2012, 738 = GE 2012, 955 = NZM 2012, 684; OLG Düsseldorf v. 2.7.1987 – 10 U 23/87, MDR 1987, 1026 = NJW-RR 1987, 1369; OLG Celle v. 15.2.1974 – 2 U 62/73, MDR 1974 673 = NJW 1974, 2012. 525 Vgl. dazu LG Lübeck v. 25.3.2010 – 14 S 146/09, ZMR 2010, 857; LG Leipzig v. 26.1.2005 – 1 S 5846/04, NZM 2006, 175; vgl. § 551 BGB Rz. 195 ff.

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C. Gewerberaummiete | Rz. 198 § 542

2. Kündigung des Erwerbers aus der Insolvenz, § 111 InsO Dem Erwerber, der ein Grundstück aus der Insolvenzmasse erwirbt, steht nach § 111 InsO grundsätz- 192 lich ein außerordentliches Kündigungsrecht zu. Schon der Wortlaut der Vorschrift macht deutlich, dass sich die Kündigungsvoraussetzungen an § 57a ZVG orientieren (vgl. dazu § 573d BGB Rz. 25 ff.). Die Kündigungsbefugnis erhält der Erwerber erst mit Vollendung des Erwerbs i.S.d. § 566 Abs. 1 193 BGB, also in der Regel erst mit Eintragung als Eigentümer im Grundbuch. Mit Eintritt in die Vermieterstellung muss der Erwerber für den ersten Termin kündigen, für den sie zulässig ist, § 111 S. 2 InsO. Das ist in der Regel spätestens der dritte Werktag des nächsten Quartals, § 580a Abs. 2 BGB. Da zwischen dem schuldrechtlichen und dem dinglichen Erwerbsvorgang zumeist eine größere Zeitspanne liegt, ist es nicht erforderlich, dem Erwerber eine Überlegungsfrist wie bei § 57a ZVG zuzubilligen (vgl. § 573d BGB Rz. 26). Lässt der Erwerber die Frist verstreichen, ist das Sonderkündigungsrecht hinfällig. Um das Risiko der Sonderkündigung nach § 111 InsO zu vermeiden, bietet sich die Eintragung einer 194 beschränkten persönlichen Dienstbarkeit in das Grundbuch an (vgl. § 535 BGB Rz. 1151). Die schuldrechtliche Begründung dieses dinglichen Rechts erfordert keine notarielle Beurkundung des Mietvertrages, weil ein Fall des § 311b BGB nicht vorliegt. 3. Kettenmietverträge § 565a BGB a.F. sah bis zum 31.8.2001 vor, dass in der Wohnraummiete ein Mietvertrag auf Zeit 195 eingegangen werden konnte, der sich automatisch um eine bestimmte Zeit verlängerte, wenn er nicht zuvor unter bestimmten Bedingungen gekündigt wurde. Dieses Modell ist für die Wohnraummiete abgeschafft, wie sich aus § 575 BGB ergibt. In der Gewerberaummiete findet es sich aber nahezu standardmäßig, oftmals sogar als ergänzende Regelung zur Option526. Hier hat sie oftmals den Sinn, die Verlängerung des Mietvertrages z.B. um ein Jahr herbeizuführen, wenn die Option nicht ausgeübt wurde und keine der Parteien sich gegen eine Verlängerung ausgesprochen hat. Die Ausgestaltung der Klauseln ist unterschiedlich. Manche verlangen zur Vermeidung der Verlänge- 196 rung einen Widerspruch; andere sehen die Möglichkeit der Kündigung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vor. In beiden Varianten ist eine automatische Verlängerung vorgesehen, falls die entsprechende Erklärung nicht erfolgt. Wird der Begriff der Kündigung verwendet, wird dabei – abweichend von dem gewöhnlichen Verständnis – nicht die Beendigung eines unbefristet laufenden Dauerschuldverhältnisses mit Wirkung für die Zukunft bezeichnet, sondern eine Erklärung, welche die Verlängerung des bis zu einem bestimmten Zeitpunkt laufenden Vertrages verhindert. Der BGH hat dies für eine vergleichbare Regelung in einem Pachtvertrag in seinem Urteil vom 16.10.1974527 klargestellt. Danach enthält die vertragliche Regelung bereits das wechselseitige Angebot der Vertragsparteien, das Mietverhältnis um ein Jahr zu verlängern, welches durch Schweigen der Vertragspartner angenommen wird. Gleichzeitig wird den Vertragspartnern die Möglichkeit eröffnet, mit einer Erklärung bis zu einem be- 197 stimmten Zeitpunkt die Vertragsverlängerung i.S.v. § 542 Abs. 2 Nr. 2 BGB zu verhindern. Auf eine solche Erklärung aber ist die Regelung in § 193 BGB anzuwenden528.

III. Teilweise Anwendbarkeit von Wohnraummietrecht Grundsätzlich gelten in der Gewerberaummiete keinen anderen Anforderungen, als sie durch § 542 198 BGB angeordnet werden. Insbesondere besteht keine andere Dogmatik.

526 Krüger in Ghassemi-Tbar u.a., § 542 BGB Rz. 69; Palandt/Weidenkaff, Einf. v. § 535 BGB Rz. 13; SchmidtFutterer/Blank, § 542 BGB Rz. 192. 527 BGH v. 16.10.1974 – VIII ZR 74/73, NJW 1975, 40. 528 OLG Dresden v. 8.11.2013 – 5 U 1101/13, MDR 2014, 80 = GuT 2013, 211 = ZMR 2014, 277; ebenso BGH v. 16.10.1974 – VIII ZR 74/73, NJW 1975, 40; OLG Düsseldorf v. 29.7.1993, 10 U 253/92, MDR 1993, 1077 = ZMR 1993, 521.

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§ 542 Rz. 199 | Ende des Mietverhältnisses 199 Doch selbst wenn der Wille auf die Begründung eines Gewerberaummietvertrages gerichtet ist, kann

jedenfalls teilweise Wohnraummietrecht z.B. in der Form des Kündigungsschutzes anwendbar sein (§ 549 BGB Rz. 44). Ist das der Fall, gilt nicht nur der Begründungszwang nach den §§ 573 Abs. 3, 569 Abs. 4 BGB, sondern auch die Formvorschrift des § 568 Abs. 1 BGB, also die Schriftform des § 126 BGB.

§ 543 Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund (1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. (2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn 1. dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird, 2. der Mieter die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletzt, dass er die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet oder sie unbefugt einem Dritten überlässt oder 3. der Mieter a) für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder b) in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht. Im Falle des Satzes 1 Nr. 3 ist die Kündigung ausgeschlossen, wenn der Vermieter vorher befriedigt wird. Sie wird unwirksam, wenn sich der Mieter von seiner Schuld durch Aufrechnung befreien konnte und unverzüglich nach der Kündigung die Aufrechnung erklärt. (3) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag, so ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Dies gilt nicht, wenn 1. eine Frist oder Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg verspricht, 2. die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist oder 3. der Mieter mit der Entrichtung der Miete im Sinne des Absatzes 2 Nr. 3 in Verzug ist. (4) Auf das dem Mieter nach Absatz 2 Nr. 1 zustehende Kündigungsrecht sind die §§ 536b und 536d entsprechend anzuwenden. Ist streitig, ob der Vermieter den Gebrauch der Mietsache rechtzeitig gewährt oder die Abhilfe vor Ablauf der hierzu bestimmten Frist bewirkt hat, so trifft ihn die Beweislast. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . 2. Anwendbare Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . 3. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . a) § 543 Abs. 1 BGB zu §§ 543 Abs. 2, 569 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 314 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) § 313 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) § 573 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1 1 4 4 5 9 9 13 17 18

III. IV. V. VI. B. I.

e) § 541 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Anfechtung, §§ 119, 123 BGB . . . . . . . . . Sinn und Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . Abweichende Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . Beratungsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 543 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abwägung der beiderseitigen Interessen . . . . 2. Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19 21 22 23 30 31 34 34 35 44

§ 542 Rz. 199 | Ende des Mietverhältnisses 199 Doch selbst wenn der Wille auf die Begründung eines Gewerberaummietvertrages gerichtet ist, kann

jedenfalls teilweise Wohnraummietrecht z.B. in der Form des Kündigungsschutzes anwendbar sein (§ 549 BGB Rz. 44). Ist das der Fall, gilt nicht nur der Begründungszwang nach den §§ 573 Abs. 3, 569 Abs. 4 BGB, sondern auch die Formvorschrift des § 568 Abs. 1 BGB, also die Schriftform des § 126 BGB.

§ 543 Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund (1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. (2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn 1. dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird, 2. der Mieter die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletzt, dass er die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet oder sie unbefugt einem Dritten überlässt oder 3. der Mieter a) für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder b) in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht. Im Falle des Satzes 1 Nr. 3 ist die Kündigung ausgeschlossen, wenn der Vermieter vorher befriedigt wird. Sie wird unwirksam, wenn sich der Mieter von seiner Schuld durch Aufrechnung befreien konnte und unverzüglich nach der Kündigung die Aufrechnung erklärt. (3) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag, so ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Dies gilt nicht, wenn 1. eine Frist oder Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg verspricht, 2. die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist oder 3. der Mieter mit der Entrichtung der Miete im Sinne des Absatzes 2 Nr. 3 in Verzug ist. (4) Auf das dem Mieter nach Absatz 2 Nr. 1 zustehende Kündigungsrecht sind die §§ 536b und 536d entsprechend anzuwenden. Ist streitig, ob der Vermieter den Gebrauch der Mietsache rechtzeitig gewährt oder die Abhilfe vor Ablauf der hierzu bestimmten Frist bewirkt hat, so trifft ihn die Beweislast. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . 2. Anwendbare Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . 3. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . a) § 543 Abs. 1 BGB zu §§ 543 Abs. 2, 569 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 314 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) § 313 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) § 573 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. IV. V. VI. B. I.

e) § 541 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Anfechtung, §§ 119, 123 BGB . . . . . . . . . Sinn und Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . Abweichende Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . Beratungsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 543 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abwägung der beiderseitigen Interessen . . . . 2. Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19 21 22 23 30 31 34 34 35 44

A. Allgemeines | Rz. 2 § 543 3. Kurzfristige Beendigung des Vertrages? . . . . 4. Zeitkomponenten der Abwägung . . . . . . . . . 5. Kasuistik: Wichtige Gründe . . . . . . . . . . . . . a) Für den Vermieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Für den Mieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gebrauchsentziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verschulden des Vermieters . . . . . . . . . . . . . 3. Erhebliche Beeinträchtigung . . . . . . . . . . . . . 4. Abmahnung oder Fristsetzung . . . . . . . . . . . 5. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . 6. § 543 Abs. 4 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. § 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vernachlässigung von Sorgfaltspflichten . . . 2. Unbefugte Überlassung an einen Dritten . . a) Mangelnde Erlaubniserteilung . . . . . . . . b) Erhebliche Verletzung der Rechte des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abmahnung und Fristsetzung . . . . . . . . d) Fortbestand der Rechtsverletzung . . . . . e) Rechtsmissbräuchliche Kündigung . . . . f) Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB (Zahlungsverzug) . . . 1. Miete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rückstandsermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . aa) Erlöschen durch Zahlung, § 543 Abs. 2 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . bb) Erlöschen durch Aufrechnung . . . . b) § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. a Alt. 1 BGB . . . . c) § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. a Alt. 2 BGB . . . . d) § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. b BGB . . . . . . . . . 3. Verzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fällige Mieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine Einrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verschulden des Mieters . . . . . . . . . . . . . aa) Eigenes Verschulden . . . . . . . . . . . .

47 48 53 54 130 175 175 182 184 187 193 195 198 199 204 205 207 208 211 213 215 216 217 223 227 229 233 240 242 245 248 248 250 256 256

(1) (2) (3) (4)

V.

C. I.

II.

Lastschrifteinzug . . . . . . . . . . . . . . . . Hinterlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überzogene Minderung . . . . . . . . . . Nichtbeachtung einer Mieterhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zurechnung fremden Verschuldens . d) Treuwidrige Kündigung . . . . . . . . . . . . . . e) Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abmahnung und Fristsetzung . . . . . . . . . . . . . . 1. Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fristsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abmahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Form und Inhalt der Fristsetzung/Abmahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen Abmahnung und Kündigung . . . . . 6. Kündigung trotz fehlender Abmahnung oder Fristsetzung (Umdeutung) . . . . . . . . . . . 7. Entbehrlichkeit der Abmahnung oder Fristsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Offensichtliche Erfolglosigkeit . . . . . . . . b) Sofortige Kündigung aus besonderen Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zahlungsverzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wichtiger Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertragliche Festlegung des wichtigen Grundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vertragliche Regelungen zum Zahlungsverzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nicht unerheblicher Rückstand i.S.v. § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. a BGB . . . . . . . . . . . . . . 4. Aufrechnung nach § 543 Abs. 2 S. 3 BGB . . . 5. Kündigungssperre im Insolvenzverfahren . . . Abmahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

258 262 267 276 278 282 286 287 291 292 295 298 302 304 305 306 312 316 317 318 319 324 327 329 330 336

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt Die Vorschrift enthält in Abs. 1 die Generalklausel für die außerordentliche fristlose Kündigung aus 1 wichtigem Grund für alle Mietverträge. Trotz der in § 543 Abs. 1 BGB enthaltenen Definition des wichtigen Grundes hielt es der Gesetzgeber – in Anlehnung an § 573 BGB – für sinnvoll, in Abs. 2 typisierte Fälle als Regelbeispiele für den wichtigen Grund zu regeln1. Die Tatbestände des Abs. 2 bilden eigenständige, gesetzlich definierte Kündigungsgründe, die weder 2 eine weitere Unzumutbarkeitsprüfung oder sonstige Abwägung i.S.v. Abs. 1 erfordern2 noch als Kündigungsgrund entkräftet werden können3. Liegen die Voraussetzungen der Nr. 1–3 vor, besteht ein wichtiger Grund i.S.v. Abs. 1 ohne weitere Prüfung4. Allerdings kann bei der Ausfüllung von unbestimmten

1 Sternel, Mietrecht aktuell, XII Rz. 2. 2 BGH v. 18.10.2006 – XII ZR 33/04, MDR 2007, 391 = NZM 2006, 929; a.A. LG Frankfurt v. 16.3.2018 – 2-21 O 167/17, ZMR 2018, 670 = GE 2018, 997. 3 Kraemer, NZM 2001, 553 (558); Lammel, § 543 BGB Rz. 60; Palandt/Weidenkaff, § 543 BGB Rz. 6. 4 BGH v. 29.4.2009 – VIII ZR 142/08, MDR 2009, 793 = MietRB 2009, 189 = WuM 2009, 349.

Lützenkirchen | 767

§ 543 Rz. 2 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund Rechtsbegriffen in den Regelbeispielen der einzelnen Kündigungstatbestände der Grundtatbestand des § 543 Abs. 1 BGB zu beachten sein5. 3 Daneben werden generelle (zusätzliche) Anforderungen wie die Fristsetzung und Abmahnung (Abs. 3)

bestimmt. Für das Regelbeispiel des § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist ergänzend die Anwendbarkeit der §§ 536b, 536d BGB und einer Beweislastverteilung normiert (Abs. 4). Damit wird auch klargestellt, dass § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB – wie schon vor dem 1.9.2001 – ein Teil des Gewährleistungsrechts bleibt.

II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich 4 Die Norm ist unmittelbar auf alle Mietverhältnisse und über § 581 Abs. 2 BGB entsprechend auf

Pachtverhältnisse anwendbar. Für Wohnraummietverträge und für Mietverhältnisse über andere Räume (vgl. § 578 Abs. 2 BGB) wird der Anwendungsbereich teilweise durch § 569 BGB ergänzt. Bei der Landpacht ist § 594e BGB einschlägig. 2. Anwendbare Rechtsprechung 5 Das bis zur Mietrechtsreform 2001, also bis zum 31.8.2001 gültige Recht regelte das Recht zur fristlosen

Kündigung für den Mieter in den §§ 542, 544 BGB der seinerzeitigen Fassung, für den Vermieter in den §§ 553, 554 BGB a.F. und für beide Parteien in § 554a BGB a.F., der als Auffangtatbestand angesehen wurde6. Daneben konnte der Mietvertrag wie jedes andere Dauerschuldverhältnis auch aus wichtigem Grund gekündigt werden7. Während eine Kündigung gemäß § 554a BGB a.F. ein Verschulden der anderen Vertragspartei voraussetzte, bestand die Kündigungsmöglichkeit aus wichtigem Grund verschuldensunabhängig8. Gemeinsam war beiden Kündigungen, dass aufgrund der verschuldeten oder unverschuldeten Umstände der betroffenen Partei die Fortsetzung des Mietverhältnisses objektiv unzumutbar geworden sein musste9. Dabei wurde der Maßstab eines vernünftigen Durchschnittsbetrachters, der die Besonderheiten von Mietverhältnissen kennt, angelegt10. Diese Entwicklung war bereits durch das Reichsgericht begründet worden, das in Analogie zu den §§ 626, 723 BGB, §§ 89a, 133 HGB den allgemeinen Grundsatz aufstellte, dass Rechtsverhältnisse von längerer Dauer, die ein persönliches Zusammenarbeiten der Beteiligten und daher ein gutes Einvernehmen erfordern, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes in Gestalt der Unzumutbarkeit einer weiteren Zusammenarbeit gekündigt werden können11. 6 Diese Grundsätze waren am 1.9.2001 der Ausgangspunkt, um ein allgemeines und unabdingbares

Recht bei der Vertragsparteien zur fristlosen Kündigung zu schaffen und das bislang aus allgemeinen Rechtssätzen hergeleitete Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund sowie die über mehrere Einzelvorschriften verstreuten speziellen Kündigungsgründe in einer Vorschrift zusammenzufassen12. Dazu wurde in § 543 Abs. 1 BGB eine Generalklausel bestimmt, die die allgemeinen Anforderungen an den wichtigen Grund regelt. Diese Generalklausel wird durch die Regelbeispiele in §§ 543 Abs. 2 und 569 Abs. 1, 2 BGB ergänzt. Diese Beispiele sollten nach dem Willen des Gesetzgebers 2001 die bisherigen Kündigungstatbestände (§§ 542, 544, 553, 554, 554a BGB a.F.) als Anwendungsfälle des wichtigen Grundes festlegen13.

5 6 7 8 9 10 11 12 13

Kraemer, NZM 2001, 553 (558); ähnlich Palandt/Weidenkaff, § 543 BGB Rz. 6. OLG Koblenz v. 16.7.1997 – 4 W RE 602/96, MDR 1997, 1113 = ZMR 1997, 578 = WuM 1997, 482. A.M., vgl. nur Emmerich/Sonnenschein (7. Aufl.), § 553 BGB Rz. 9 m.w.N. BGH v. 27.2.1963 – V ZR 100/61, MDR 1963, 576 = NJW 1963, 1451; BGH v. 4.6.1969 – VIII ZR 134/67, MDR 1969, 1003 = NJW 1969, 1845. BGH v. 2.6.1959 – VIII ZR 20/59, MDR 1959, 754 = NJW 1959, 2017; BGH v. 4.6.1969 – VIII ZR 134/67, MDR 1969, 1003 = NJW 1969, 1845. Staudinger/Emmerich (1998), § 554a BGB Rz. 10. RG v. 27.2.1912 – Rep. II 445/11, RGZ 78, 385; RG v. 13.12.1918 – Rep. III 265/18, RGZ 94, 234. Begr. d. RefE, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Anhang Rz. 1145. Begr. d. RefE, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Anhang Rz. 1145.

768 | Lützenkirchen

A. Allgemeines | Rz. 12 § 543

Mit Rücksicht darauf ist die Rechtsprechung aus der Zeit vor dem 1.9.2001 grundsätzlich auf die Re- 7 gelbeispiele der §§ 543 Abs. 2, 569 Abs. 1, 2 BGB ohne Weiteres anwendbar14. Das Gleiche gilt für die Rechtsprechung zur Kündigung aus wichtigem Grund nach § 543 Abs. 1 BGB. Noch nicht abschließend geklärt ist diese Frage für das Regelbeispiel des § 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Da- 8 nach müssen durch die sorgfaltswidrige Gefährdung der Mietsache und/oder die unbefugte Gebrauchsüberlassung der Mietsache die Rechte des Vermieters in erheblichem Maße verletzt sein. Insoweit soll auf die Rechtsprechung zu § 553 BGB a.F., wonach die beiden Kündigungstatbestände des § 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB gesetzlich geregelte Beispiele einer erheblichen Verletzung der Vermieterinteressen waren15, nicht zurückgegriffen werden können. Denn nach der Fassung von § 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB soll es sich bei den beiden darin angeführten Kündigungstatbeständen nicht mehr um Beispiele eines Grundtatbestandes, sondern um zwei die gesamte Norm der Nr. 2 ausfüllende Sondertatbestände handeln16. In Hinblick darauf, dass der Gesetzgeber am 1.9.2001 für die Anwendung der in § 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB geregelten Tatbestände nichts ändern wollte, muss die gegenüber § 553 BGB a.F. abweichende Formulierung als Redaktionsversehen angesehen werden mit der Folge, dass auch hier die ältere Rechtsprechung anwendbar bleibt17. 3. Verhältnis zu anderen Vorschriften a) § 543 Abs. 1 BGB zu §§ 543 Abs. 2, 569 BGB § 543 Abs. 1 BGB bildet eine Generalklausel als Auffangtatbestand für die außerordentliche fristlose 9 Kündigung und definiert den wichtigen Grund. Abs. 2 der Vorschrift zeigt dazu Regelbeispiele auf. Es ist umstritten, ob bei Vorliegen eines der Regelbeispiele die in § 543 Abs. 1 BGB genannten Voraus- 10 setzungen, wie etwa die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung, zusätzlich vorliegen müssen18. Mit der h.M. ist davon auszugehen, dass bei Vorliegen der Tatbestände des § 543 Abs. 2 BGB eine Kündigung aus wichtigem Grund möglich ist, ohne dass die in § 543 Abs. 1 BGB genannten Voraussetzungen zusätzlich erfüllt sein müssen19. Nach der Gesetzessystematik handelt es sich bei den in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BGB aufgeführten Kündigungsgründen um gesetzlich typisierte Fälle der Unzumutbarkeit. Soweit deren tatbestandliche Voraussetzungen erfüllt sind, ist grundsätzlich auch ein wichtiger Grund i.S.v. § 543 Abs. 1 BGB zur fristlosen Kündigung gegeben20. Nicht anders ist das Verhältnis von § 569 BGB zur Generalklausel zu werten. Auch die dort geregelten 11 Fälle sind Regelbeispiele des wichtigen Grundes21. Daher ist eine Abmahnung nach § 543 Abs. 3 BGB grundsätzlich auch für diese Anwendungsfälle obligatorisch, wenn der wichtige Grund auf einer Pflichtverletzung beruht. Andererseits ist bei Vorliegen der Voraussetzungen eine Interessenabwägung i.S.v. § 543 Abs. 1 S. 2 BGB nicht erforderlich. Kündigungsgründe aus § 543 Abs. 2 und § 569 Abs. 1, 2 BGB können miteinander konkurrieren. Auf- 12 grund der fehlenden Spezialität oder einer anderen Rangordnung bestehen die einzelnen Tatbestände nebeneinander. Sind die Voraussetzungen eines Regelfalles der §§ 543 Abs. 2, 569 BGB nicht (voll) erfüllt, kann die fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB gerechtfertigt sein, auch wenn sich der kündigende Mieter ausdrücklich auf eines der Regelbeispiele berufen hat.

14 Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 5. 15 BGH v. 28.11.1984 – VIII ZR 186/83, MDR 1985, 665 = NJW 1985, 2527; OLG Hamm v. 11.4.1997 – 30 REMiet 1/97, ZMR 1997, 349; BayObLG v. 26.10.1990 – REMiet 1/90, MDR 1991, 253 = WuM 1991, 18. 16 Sternel, Mietrecht aktuell, XII Rz. 3; ähnlich Kraemer, NZM 2001, 553 (560). 17 Blank/Börstinghaus, § 543 BGB Rz. 74. 18 So MünchKomm/Bieber, § 543 BGB Rz. 22, 23; einschränkend Kraemer, NZM 2001, 553 (557 f.). 19 BGH v. 18.10.2006 – XII ZR 33/04, MDR 2007, 391 = NJW 2007, 147 (Rz. 10); Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 3 m.w.N.; Lammel, § 543 Rz. 60; Palandt/Weidenkaff, § 543 BGB Rz. 6; Kandelhard in Kandelhard/ Herrlein, § 543 BGB Rz. 3. 20 BGH v. 29.4.2009 – VIII ZR 142/08, MietRB 2009, 189 = MDR 2009, 793 = WuM 2009, 349 = GE 2009, 709 = NZM 2009, 431. 21 BGH v. 13.4.2010 – VIII ZR 206/09, MietRB 2010, 190 = WuM 2010, 352 = NZM 2011, 32; BGH v. 18.4.2007 – VIII ZR 182/06, MietRB 2007, 193 = WuM 2007, 319 = MDR 2007, 1064 = ZMR 2007, 601.

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§ 543 Rz. 13 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund b) § 314 BGB 13 Diese Vorschrift im Allgemeinen Teil des Schuldrechts bildet die generelle Grundlage für die außer-

ordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund bei Dauerschuldverhältnissen. Im Hinblick darauf wird sie durch speziellere Vorschriften des besonderen Teils des Schuldrechts verdrängt. Dazu gehören auch § 543 Abs. 1, 2 BGB22. Die Spezialität wirkt jedoch nur soweit, wie § 543 BGB Regelungen enthält, also zunächst nur gegenüber § 314 Abs. 1, 2 BGB. 14 Nach § 314 Abs. 3 BGB kann die Kündigung aus wichtigem Grund nur innerhalb angemessener Frist

ab Kenntnis des Kündigungsgrundes23 ausgesprochen werden. Die Regelung bezweckt zum einen eine beschleunigte Herbeiführung klarer Verhältnisse; zum anderen liegt ihr die Erwägung zugrunde, dass nach längerem Zuwarten auch die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht unzumutbar ist24. Denn wartet der zur Kündigung Berechtigte zu lange, kann dies den Schluss rechtfertigen, dass ihm die Fortsetzung des Vertrages in Wahrheit doch zuzumuten ist, weil er damit zu erkennen gibt, dass er die Vertragsverletzung selbst als nicht so schlimm angesehen25 oder sein Kündigungsrecht verwirkt hat26. 15 Für die Gewerberaummiete hat der XII. Senat bei einer Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB die an-

gemessene Frist i.S.d. § 314 Abs. 3 BGB bejaht27, so dass sich die Frage der Anwendbarkeit nicht stellte. Der für die Wohnraummiete zuständige VIII. Senat hat die Geltung des § 314 Abs. 3 BGB für die §§ 543, 569 BGB generell ausgeschlossen28. Der Entscheidung des VIII. Senats liegt eine historische und systematische Gesetzesauslegung zugrunde, so dass zu erwarten ist, dass auch der XII. Senat sich ihr anschließen wird. Trotzdem wäre wünschenswert gewesen, dass der VIII. Senat die Entscheidung gemeinsam mit dem XII. Senat herbeigeführt hätte, um Klarheit in einer solch wichtigen Frage herzustellen. 16 Wird der Auffassung gefolgt, dass die Dauer zwischen der Erlangung der Kenntnis vom wichtigen

Grund der Kündigung kein selbständiges Tatbestandmerkmal bei der außerordentlichen Kündigung bildet, kann sie also nur noch eine Rolle spielen, wenn Verwirkung zu prüfen ist oder im Rahmen der Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung die Abwägung vollzogen wird (§ 543 BGB Rz. 35a f.). c) § 313 Abs. 3 BGB 17 Bei einem Wegfall der Geschäftsgrundlage kann eine Beendigung des Mietvertrages auch über § 313

Abs. 3 BGB herbeigeführt werden, sofern eine Anpassung des Vertrages für eine Partei nicht möglich oder ihr unzumutbar ist (vgl. zu einem Beispiel § 535 BGB Rz. 975a und 1037a). § 313 BGB ist generell subsidiär gegenüber den spezielleren mietrechtlichen Vorschriften. Vor diesem Hintergrund ist er aber uneingeschränkt anwendbar29, wenn ein Regelbeispiel der §§ 543 Abs. 2, 569 BGB nicht vorliegt und auch die Generalklausel des § 543 Abs. 1 BGB nicht zum Ziel führt. Dabei fallen die Begründungen durchaus unterschiedlich aus30. 22 Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 2; Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 5. 23 Vgl. dazu BGH v. 21.3.2007 – XII ZR 36/05, MietRB 2007, 168 = MDR 2007, 1009 = GE 2007, 711 = ZMR 2007, 525 Rz. 21. 24 OLG Hamm v. 13.12.2010 – 7 W 33/10, MietRB 2011, 73 = MDR 2011, 535 = NZM 2011, 277. 25 BGH v. 23.3.1983 – VIII ZR 336/81, WuM 1983, 661; OLG Düsseldorf v. 5.9.2002 – 10 U 105/01, ZMR 2003, 177; AG Tempelhof-Kreuzberg v. 14.2.2013 – 8 C 192/12, WuM 2013, 304 (drei Monate bei verspäteter Mietzahlung). 26 BGH v. 7.12.1983 – VIII ZR 257/82, NJW 1984, 871 = MDR 1984, 573. 27 BGH v. 21.3.2007 – XII ZR 36/05, MietRB 2007, 168 = MDR 2007, 1009 = GE 2007, 711 = ZMR 2007, 525; Blank/Börstinghaus, § 543 BGB Rz. 1; unklar insoweit Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 2; offengelassen BGH v. 13.4.2010 – VIII ZR 206/09, MietRB 2010, 190 = WuM 2010, 352 = GE 2010, 842 = NZM 2011, 32 Rz. 5 a.E. 28 BGH v. 13.7.2016 – VIII ZR 296/15, MietRB 2016, 310 = MDR 2016, 1132 = WuM 2016, 616 mit kritischer Anm. v. Kuntze/Tietzsch. 29 OLG Dresden v. 8.2.2017 – 5 U 1669/16, MietRB 2017, 189 = ZMR 2017, 468 = MDR 2017, 568; KG v. 14.7.2014 – 8 U 140/13, MietRB 2014, 258 = MDR 2014, 952 = IMR 2014, 385; Blank/Börstinghaus, § 543 BGB Rz. 1. 30 Vgl. Hirsch, NZM 2007, 110 (zum Meinungsstand insgesamt); Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 3.

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A. Allgemeines | Rz. 22 § 543

d) § 573 BGB Das Recht des Wohnungsvermieters, aufgrund desselben Sachverhalts das Mietverhältnis gemäß § 573 18 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB z.B. wegen einer Pflichtverletzung ordentlich zu kündigen, wird durch § 543 BGB nicht ausgeschlossen31. Dieselbe Pflichtverletzung kann im Einzelfall eine fristlose und eine ordentliche Kündigung des Wohnraumvermieters rechtfertigen. Insoweit kann von dem Grundsatz ausgegangen werden, dass bei Vorliegen eines Tatbestandes der §§ 543, 569 BGB erst recht das Regelbeispiel des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB erfüllt ist. Denn liegt eine schwere Pflichtverletzung vor, die die fristlose Kündigung begründet, kann eine fristgerechte Kündigung, die eine weniger schwere Pflichtverletzung erfordert, nicht unbegründet sein. Deshalb sollten sie stets in einem Stufenverhältnis (§ 542 BGB Rz. 37) ausgesprochen werden. e) § 541 BGB Nicht selten wird vertreten, dass der Vermieter bei der Ausübung seiner Rechte den Grundsatz der 19 Verhältnismäßigkeit zu beachten habe. Deshalb soll der Vermieter selbst bei erheblichen Verletzungen z.B. von Duldungspflichten durch den Mieter darauf beschränkt sein, diese Pflichten einzuklagen und ggf. nach § 890 ZPO vollstrecken zu lassen, und ihm daneben das Recht zur außerordentlichen Kündigung verwehrt sein32. Für eine derartige Unterscheidung zwischen Duldungspflichten und sonstigen Pflichten des Mieters 20 bietet § 543 BGB keinen Ansatzpunkt33. Gemäß § 543 Abs. 1 S. 1 BGB kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund von jeder Vertragspartei fristlos gekündigt werden. Dazu definiert § 543 Abs. 1 S. 2 BGB den wichtigen Grund. Aus § 543 Abs. 3 S. 1 BGB wird deutlich, dass der wichtige Grund in jedweder Pflichtverletzung aus dem Mietvertrag liegen kann, mithin auch in der Verletzung der vertraglich festgelegten Pflicht des Mieters, dem Vermieter z.B. Zutritt zur Wohnung zu gestatten, wenn dieser die Wohnung veräußern und deshalb Kaufinteressenten zeigen will. Unter welchen Umständen die Zumutbarkeitsgrenze für den Vermieter überschritten ist, wenn der Mieter die Erfüllung dieser vertraglichen Pflicht beharrlich verweigert, ist im konkreten Einzelfall anhand der festgestellten Tatsachen zu bewerten. Innerhalb dieser Wertung kann auch die Frage erheblich sein, ob es dem Vermieter im Einzelfall zuzumuten ist, vor Ausspruch der fristlosen Kündigung einen Duldungstitel gegen den Mieter zu erwirken und ggf. Vollstreckungsversuche nach § 890 ZPO zu unternehmen. Ein genereller Vorrang wird dadurch aber nicht begründet. f) Anfechtung, §§ 119, 123 BGB § 543 BGB verdrängt auch nach Übergabe der Mietsache nicht die Anfechtung wegen arglistiger Täu- 21 schung nach § 123 BGB, wobei auch eine Einschränkung der ex-tunc-Rechtsfolge nicht gerechtfertigt ist34. Das Gleiche gilt für eine Anfechtung nach § 119 BGB35 (vgl. im Einzelnen § 542 BGB Rz. 153 f.).

III. Sinn und Zweck der Vorschrift Der Zweck des § 543 BGB besteht vor allem darin, die gesetzlichen Anforderungen der außerordentli- 22 chen fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund für die Miete festzulegen. Dies kommt insbesondere 31 Vgl. z.B. BGH v. 16.2.2005 – VIII ZR 6/04, MietRB 2005, 173 = MDR 2005, 680 = ZMR 2005, 356 = NZM 2005, 334; OLG Stuttgart v. 28.8.1991 – 8 REMiet 2/91, WuM 1991, 526 = NJW-RR 1991, 1487; OLG Karlsruhe v. 19.8.1992 – 3 REMiet 1/92, WuM 1992, 517 = NJW-RR 1993, 79. 32 Z.B. OLG Dresden v. 11.6.1999 – 22 U 2401/98, NZM 2002, 165; LG Baden-Baden v. 24.7.2009 – 1 S 11/09, zitiert nach juris; AG Lichtenberg v. 20.1.2003 – 7 C 319/02, NZM 2003, 153 = ZMR 2003, 506; Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 210. 33 BGH v. 15.4.2015 – VIII ZR 281/13, MDR 2015, 758 = MietRB 2015, 195 = WuM 2015, 416 = ZMR 2015, 693 = GE 2015, 853; BGH v. 5.10.2010 – VIII ZR 221/09, WuM 2011, 13 = GE 2011, 198 = ZMR 2011, 366; AG Augsburg v. 15.5.2018 – 22 C 5317/17, IMR 2018, 419 (Seiler). 34 BGH v. 6.8.2008 – XII ZR 67/06, MietRB 2009, 4 = MDR 2009, 19 = ZMR 2009, 103 = GuT 2008, 330. 35 A.A. Bub/Treier/Bub, II Rz. 2205.

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§ 543 Rz. 22 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund in den Absätzen 2 bis 4 zum Ausdruck. Dabei wird mit jedem einzelnen Regelbeispiel in § 543 Abs. 2 BGB ein besonderer Zweck verfolgt, der dem Schutz des Mieters (Abs. 2 Nr. 1 BGB) oder dem Schutz des Vermieters (Abs. 2 Nr. 2 und 3 BGB) dient und dazu, den Grenzen der (Haupt-)Pflichten der jeweils anderen Vertragspartei Konturen zu verschaffen. Die Fristsetzung oder Abmahnung gem. § 543 Abs. 3 BGB bezweckt in den erfassten Fällen vor der stärksten bzw. härtesten Sanktion der Mietrecht, die andere Vertragspartei zu warnen, dass die Fortsetzung oder Wiederholung des vertragswidrigen Verhaltens Konsequenzen haben wird (§ 541 BGB Rz. 52a).

IV. Abweichende Vereinbarungen 23 Aus dem Wesen der außerordentlichen fristlosen Kündigung folgt ihre grundsätzlich Unabdingbarkeit.

Generell ist es also nicht zulässig, das Recht zur fristlosen Kündigung durch Vertrag auszuschließen36. Für die Wohnraummiete ist in § 569 Abs. 5 S. 2 BGB zusätzlich bestimmt, dass der Vermieter im Mietvertrag den Katalog der Tatbestände, die einen wichtigen Grund bilden können, nicht erweitern kann. 24 Verschärfungen zu Lasten des Verwenders von AGB sind im Rahmen des § 569 Abs. 5 S. 2 BGB grund-

sätzlich zulässig, zu Lasten des Kunden (in der Regel: der Mieter) scheitern sie an § 307 BGB. Setzt eine Kündigung aus wichtigem Grund also z.B. nach dem Mietvertrag einen nachhaltigen Verstoß gegen die Interessen des Vermieters voraus, ist hierfür ein erheblicher Vertragsverstoß erforderlich, der sich über einen längeren Zeitraum hinzieht37. Darüber hinaus kann durch die Formulierung die Beschränkung eines gesetzlichen Regelbeispiels nach § 543 Abs. 2 BGB eintreten. Soll eine Kündigung des Gewerberaummietvertrages z.B. bei einer Monatsmiete allerdings nach Mahnung möglich sein, sollen die (weiteren) Tatbestände des § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB im Zweifel ausgeschlossen sein, wenn nicht zusätzlich klargestellt wird, dass daneben auch die gesetzlichen Kündigungsgründe anwendbar sein sollen38. Das ist zweifelhaft. Bei der Auslegung von Verträgen müssen von dem Begünstigten besondere Umstände vorgetragen werden, aus denen sich ergibt, dass der Vertragspartner auf bestehende Rechte verzichten wollte. Ansonsten gelten sie unverändert fort39. 24a In jedem Fall muss geprüft werden, ob außerhalb des Vertrages Bindungen des Kündigenden beste-

hen, die eine Kündigung verhindern können. In Betracht kommen insoweit Satzungen nach §§ 175 ff. BauGB, die für ein bestimmtes Gebiet einer Gemeinde Veränderungsgebote o.Ä. festlegen. Daraus ergeben sich regelmäßig Vereinbarungen zwischen dem Vermieter und der Gemeinde, die auch eine Beschränkung des Kündigungsrechts vorsehen können. Oftmals muss dabei ein bestimmtes Verfahren eingehalten werden40. 25 Die Notwendigkeit der Abmahnung kann formularvertraglich nicht abbedungen werden41. Es ist je-

doch zulässig, die Ausnahmen des § 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB etwa durch die Aufzählung einschlägiger Beispielsfälle inhaltlich zu spezifizieren. 26 Formularmäßig kann die Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB durch die Notwendigkeit einer

besonderen Zahlungsaufforderung (Abmahnung etc.) erschwert werden, wenn der Vermieter der Verwender ist. Diese ist für den Vermieter selbst dann bindend (§ 242 BGB), wenn die Klausel im Übrigen wegen Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam ist42. Eine solche Unwirksamkeit kann daraus resultieren, dass die Klausel einen unverschuldeten Rückstand für die Kündigung ausreichen lässt43. 36 BGH v. 5.6.1992 – LwZR 11/91, MDR 1992, 770 = NJW 1992, 2628. 37 OLG Düsseldorf v. 29.9.2005 – 10 U 20/05, GuT 2006, 37 = GE 2006, 325; zum Begriff der Nachhaltigkeit vgl. § 569 BGB Rz. 70. 38 OLG Celle v. 21.11.2013 – 2 U 179/13, MDR 2014, 143 = ZMR 2014, 276. 39 BGH v. 22.4.2015 – IV ZR 504/14, juris Rz. 15; BGH v. 6.2.2013 – VIII ZR 374/11, MDR 2013, 400 = NJW 2013, 1365 Rz. 12; BGH v. 18.9.2012 – II ZR 178/10, MDR 2012, 1480 = WM 2012, 2231 Rz. 22; BGH v. 9.5.2012 – VIII ZR 327/11, MDR 2012, 753 = MietRB 2012, 223 = NJW 2012, 2270 Rz. 26; BGH v. 26.10.2009 – II ZR 222/08, MDR 2010, 94 = NJW 2010, 64 Rz. 18; BGH v. 21.11.2006 – VI ZR 76/06, MDR 2007, 555 = NJW 2007, 368 Rz. 9; jeweils m.w.N. 40 Z.B. LG Berlin v. 22.8.2019 – 67 S 51/19, GE 2019, 1579. 41 LG Hannover v. 15.12.1983 – 3 S 277/83, MDR 1984, 670. 42 BGH v. 25.3.1987 – VIII ZR 71/86, MDR 1987, 838 = NJW 1987, 2506. 43 OLG Celle v. 21.11.2013 – 2 U 179/13, MDR 2014, 143 = ZMR 2014, 276.

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A. Allgemeines | Rz. 31 § 543

Ohnehin genießen Regelungen in Mietverträgen, die die außerordentliche Kündigung betreffen und 27 nicht unter § 569 Abs. 5 S. 2 BGB fallen, im Zweifel jedenfalls dann Vorrang vor den gesetzlichen Bestimmungen, wenn sie sich zum Nachteil des Verwenders auswirken. Dies ergibt sich schon aus dem Grundsatz des venire contra factum proprium44. Regelt der Vertrag also z.B. das Recht des Vermieters zur fristlosen Kündigung mit Beispielsfällen, ohne die vom Gesetz vorgesehenen Regelbeispiele erschöpfend zu erfassen und deutlich zu machen, dass die Bestimmung eine nicht abschließende Aufzählung enthält, ist im Zweifel anzunehmen, dass andere als die geregelten Fälle zu Lasten des Verwenders ausgeschlossen sein sollen. Deshalb ist mit der Regelung, die dem Vermieter das Recht zur Kündigung bei Bestehen eines Rückstandes von zwei Monatsmieten einräumt, die Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3a) BGB (konkludent) abbedungen45 (vgl. auch § 543 BGB Rz. 24). Auf eine etwaige Unwirksamkeit einer oder aller Regelungen, die das Kündigungsrecht ausschließen oder beschränken, kann sich der Verwender ebenfalls nicht berufen46. Vielmehr macht er sich mit einer Kündigung, die er auf eine unwirksame Klausel stützt, schadensersatzpflichtig (vgl. § 542 BGB Rz. 104 ff.). Die Höhe der zur Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB berechtigenden Mietschuld kann formular- 28 vertraglich nicht auf den Teil einer Mietrate herabgesetzt und auch nicht auf einen bloßen – verschuldensunabhängigen – Zahlungsrückstand statt auf den Zahlungsverzug beschränkt werden47. Individualvereinbarungen sind neben § 569 Abs. 5 S. 2 BGB für die Wohnraummiete grundsätzlich an §§ 138, 242 BGB zu messen. Soweit eine im Mietvertrag geregelte Kündigungsmöglichkeit auf eine Vermögensverschlechterung 29 abstellt, kommt eine Kollision mit § 112 InsO in Betracht. Danach besteht eine Kündigungssperre für Mietrückstände, die vor Stellung des Antrags auf Insolvenzeröffnung entstanden sind. Deshalb sind Klauseln – zumal in Gewerberaummietverträgen – unwirksam, die diese Kündigungssperre umgehen sollen48. Dazu zählen alle Regelungen, die auf eine Vermögensverschlechterung, Zahlungseinstellung oder sonstige wirtschaftliche Verhältnisse des Mieters abstellen und jedenfalls nicht ausschließen, dass eine Kündigung des Vermieters auch für den Fall der Beantragung eines Insolvenzverfahrens möglich sein soll. Unabhängig davon kann auch in der Gewerberaummiete das Recht zur außerordentlichen Kündigung 29a formularvertraglich nicht über den gesetzlich geregelten Bereich hinaus erweitert werden, weil dies dem Bestandsschutz von Mietverhältnissen zuwiderlaufen würde49. Daher kann z.B. der Zahlungsverzug nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht auf einen Rückstand von einer Monatsmiete verkürzt werden. Allerdings ist es möglich, einen dem § 569 Abs. 2a BGB entsprechenden Tatbestand zu regeln, mit dem die Nichtzahlung der Kaution sanktioniert wird50.

V. Darlegungs- und Beweislast Der Kündigende trägt die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen seines Kündigungsrechtes. 30 Lediglich dann, wenn der Pflichtverstoß in einer falschen Verdächtigung oder üblen Nachrede liegt, muss der Kündigungsgegner die Richtigkeit seiner Behauptung oder aber beweisen, dass er in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt hat.

VI. Beratungsrisiko Gerade wenn der Mieter die Mietzahlungen z.B. zur Ausübung einer Minderung oder eines Zurück- 31 behaltungsrechts (teilweise) einstellen will, muss der Rechtsanwalt über das Kündigungsrisiko aus BGH v. 8.7.1998 – XII ZR 64/96, NZM 1998, 718. LG Aachen v. 9.3.2016 – 8 O 355/15, MietRB 2016, 103 = ZMR 2016, 779. BGH v. 8.7.1998 – XII ZR 64/96, NZM 1998, 718. BGH v. 27.1.1993 – XII ZR 141/91, ZMR 1993, 320; BGH v. 22.3.1989 – VIII ZR 154/88, MDR 1989, 731 = NJW 1989, 1673. 48 BGH v. 22.10.2013 – II ZR 394/12, MDR 2014, 182 = MietRB 2014, 76 = NZM 2014, 76 = ZIP 2014, 23. 49 BGH v. 30.5.2001 – XII ZR 273/98, MDR 2001, 1228 = ZMR 2001, 784 = NJW 2001, 3480. 50 Alberts in Ghassemi-Tabar u.a., § 543 BGB Rz. 83. 44 45 46 47

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§ 543 Rz. 31 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund § 543 Abs. 1 Nr. 3 BGB aufklären. Dies gilt auch bei der Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen, die zur Einstellung der Mietzahlung führt. Insoweit sind insbesondere Klauseln zu beachten, die sich an § 556b Abs. 2 BGB orientieren und eine Ankündigungsfrist für die Aufrechnung verlangen51. In allen Situationen sollte mit dem Mieter erörtert werden, dass der sicherste Weg darin besteht, die Zahlung unter Vorbehalt zu leisten und seine Rechte (klageweise) geltend zu machen. 32 Macht der Mieter von seinem Recht zur fristlosen Kündigung Gebrauch, muss darauf hingewiesen

werden, dass damit der Mietvertrag sofort endet und die vertraglichen Leistungsansprüche gegen den Vermieter ihre Grundlage verlieren (§ 546a BGB Rz. 83 ff.). Es kann also zu einer Versorgungssperre kommen52. Sind die Tatsachen unsicher, droht das Risiko der unbegründeten Kündigung mit der Folge, dass der Mietvertrag bestehen bleibt. Deshalb sollte immer geprüft werden, inwieweit eine Sicherung der Beweismittel möglich ist, insbesondere auch durch einen außergerichtlich bestellten Sachverständigen. Allerdings besteht kein (Schadensersatz-)Anspruch auf Erstattung der durch die Einholung eines Privatgutachtens entstandenen Kosten, wenn das Gutachten erst während eines laufenden Zivilprozesses, in dem über die nämliche Fragestellung gestritten wird, in Auftrag gegeben wird53. Im Übrigen hat der Vermieter gegen den Mieter Anspruch auf Schadensersatz bei unberechtigter Kündigung durch den Mieter54. 33 Der Vermieter muss bedenken, dass seine fristlose Kündigung eine Schadensersatzpflicht55 (vgl. § 542

BGB Rz. 104 f.) oder ein Kündigungsrecht des Mieters56 herbeiführen kann, wenn sie unbegründet ist. Denn mit einer unbegründeten Kündigung57 macht der Vermieter dem Mieter den Besitz streitig. Dies rechtfertigt – nach Abmahnung – den Tatbestand des § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Im Übrigen verletzt der Vermieter seine Fürsorgepflicht. Denn er muss sich im Zweifel darüber beraten lassen, ob er zur (fristlosen) Kündigung berechtigt ist.

B. Wohnraummiete I. § 543 Abs. 1 BGB 34 Die in diesem Absatz geregelte Generalklausel enthält in S. 2 die Legaldefinition des wichtigen Grun-

des. Danach muss für den Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, ggf. also auch der Suizidgefahr beim Mieter58, die das Schuldverhältnis tragende Vertrauensgrundlage derart zerstört sein, dass ihm unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses auch bei Anlegung eines strengen Maßstabes nicht mehr zugemutet werden kann59. Diese Situation kann auch schon vor dem vereinbarten Beginn des Mietvertrages bestehen60 (§ 542 BGB Rz. 34, 43a).

51 OLG Düsseldorf v. 14.12.2010 – I-24 U 126/10, MDR 2011, 395 = WuM 2011, 114. 52 BGH v. 6.5.2009 – XII ZR 137/07, MietRB 2009, 223 = MietRB 2009, 224 = MDR 2009, 919 = WuM 2009, 469 = GE 2009, 775 = NJW 2009, 1947. 53 AG Nürtingen v. 9.6.2010 – 42 C 1905/09, MietRB 2011, 40, zitiert nach juris. 54 AG Nürtingen v. 9.6.2010 – 42 C 1905/09, MietRB 2011, 40, zitiert nach juris. 55 BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 255/82, BGHZ 89, 297, 302 = MDR 1984, 571 (betreffend eine auf falsche Sachdarstellung gestützte Kündigung); BGH v. 8.7.1998 – XII ZR 64/96, NZM 1998, 718 (unter 2a – betreffend eine auf eine unwirksame AGB-Klausel gestützte Kündigung); BGH v. 18.5.2005 – VIII ZR 368/03, MietRB 2006, 2 = MDR 2005, 1218 = NJW 2005, 2395 (unter II 1 – betreffend eine Eigenbedarfskündigung ohne tatsächlichen Selbstnutzungswunsch). 56 BGH v. 18.5.2005 – VIII ZR 368/03, MDR 2005, 1218 = MietRB 2006, 2 = NJW 2005, 2395 (unter II 1) m.w.N. 57 Zur formell unwirksamen Kündigung vgl. BGH v. 15.12.2010 – VIII ZR 9/10, MietRB 2011, 33 = MDR 2011, 150 = WuM 2011, 33 = ZMR 2011, 278. 58 BGH v. 8.12.2004 – VIII ZR 218/03, ZMR 2005, 183 = WuM 2005, 125 = NZM 2005, 300. 59 BGH v. 15.9.2010 – XII ZR 188/08, MietRB 2010, 354 = MDR 2010, 1305 = NZM 2010, 901 = ZMR 2011, 29; Kinne in Kinne/Schach/Bieber, § 543 BGB Rz. 3. 60 BGH v. 21.3.2007 – XII ZR 255/04, MDR 2007, 1126 = MietRB 2007, 169 = ZMR 2007, 444 = GuT 2007, 128; KG v. 12.9.2013 – 8 U 4/13, MietRB 2014, 40 = Info M 2013, 493 = MDR 2014, 21; KG v. 12.9.2013 – 8 U 4/

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B. Wohnraummiete | Rz. 36 § 543

Der Kündigung hat i.d.R. nach Abs. 3 eine Abmahnung vorauszugehen. Daraus folgt, dass die Kündi- 34a gung gegenüber dem abgemahnten Sachverhalt auf neue Umstände gestützt werden muss61. Ein Verschulden muss nicht unbedingt vorliegen, wie der Wortlaut zeigt. Demnach kann auch die Kündigung wegen Zahlungsverzuges aus § 543 Abs. 1 BGB begründet werden, wenn der Mieter schuldlos einen nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB relevanten Kündigungsrückstand herbeigeführt hat. 1. Abwägung der beiderseitigen Interessen Für eine Mietvertragspartei kann ein Recht zur fristlosen Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB beste- 35 hen, wenn infolge des Verhaltens des anderen Vertragsteils die Durchführung des Vertrages wegen der Zerstörung der das Schuldverhältnis tragenden Vertrauensgrundlage derart gefährdet ist, dass dem Kündigenden unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses auch bei Anlegung eines strengen Maßstabes nicht mehr zugemutet werden kann62. Über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB ist auf Grund einer umfassenden Interessenabwägung zu entscheiden63. Hierfür sind die Interessen des Kündigenden an der Vertragsbeendigung und die Interessen der anderen Vertragspartei an der Fortdauer des Mietverhältnisses zu ermitteln und zu bewerten64. Frühere Vertragsverletzungen des Kündigungsgegners können berücksichtigt werden65, selbst wenn diese für sich genommen eine Kündigung nicht rechtfertigen würden66. Bei der Kündigung gegenüber dem Mieter kann beachtlich sein, dass er sich auf Härtegründe i.S.v. § 574 BGB berufen kann67. Derartige Gründe können nicht erst im Rahmen des § 765a ZPO geprüft werden. Insoweit kann nicht allein auf die einzelne z.B. zuletzt begangene Pflichtverletzung abgestellt werden. 35a Die Unzumutbarkeit einer Vertragsfortsetzung kann sich – unabhängig von einer Abmahnung – aus – einem einmaligen schweren Verstoß, – der Dauer des pflichtwidrigen Verhaltens (z.B. 10 Jahre pflichtwidrige gewerbliche Nutzung der Wohnung68) oder – dem kumulativen Vorliegen mehrerer (gleichgewichtiger) Vertragsverletzungen (Abstellen von Möbeln im Hausflur, Vermüllung der Wohnung und Halten von ca. 80 Vögeln in der Wohnung69 ergeben. Ein wesentlicher Anhaltspunkt für die Unzumutbarkeit ist die Reaktionszeit des Kündigungsberechtigten. Je länger er mit der Kündigung abwartet, umso eher war das Verhalten des Kündigungsgegners noch zumutbar (zu Einzelheiten vgl. § 543 BGB Rz. 37 f.). Die notwendige Abwägung ist auf die Umstände zu stützen, die im Zeitpunkt des Ausspruchs der 36 Kündigung vorlagen70. Deshalb kann z.B. eine Notwehrlage (§ 227 BGB) aber auch deren Überschreitung zu berücksichtigen sein71. Die Abwägung muss aber nicht allein auf aktuelle Verfehlungen gestützt werden. Auch längere Zeit zurückliegende Vorfälle können zur Rechtfertigung einer fristlosen Kündigung unter dem Gesichtspunkt einer schuldhaft schweren Pflichtverletzung herangezogen werden, wenn neuerliche Verstöße gegen die vertraglichen Verpflichtungen hinzutreten72.

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13, MDR 2014, 21 = MietRB 2014, 40; OLG Celle v. 20.2.2002 – 2 U 183/01, ZMR 2002, 505 = OLGR Celle 2002, 91. AG Hamburg v. 15.7.2016 – 46 C 144/16, ZMR 2016, 883. BGH v. 23.1.2002 – XII ZR 5/00, NJW-RR 2002, 946; BGH v. 10.4.2002 – XII ZR 37/00, NJW-RR 2002, 947 (948); Wolf/Eckert/Ball, Rz. 1030; Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 163. Blank/Börstinghaus, § 543 BGB Rz. 6; Bub/Treier/Grapentin, IV Rz. 291 m.w.N. Emmerich/Sonnenschein, § 543 BGB Rz. 4. KG v. 4.12.2017 – 8 U 236/16, ZMR 2018, 303 = NZM 2018, 607. Müller/Walther, § 543 BGB Rz. 5. BGH v. 9.11.2016 – VIII ZR 73/16, MDR 2017, 20 = MietRB 2017, 34 = WuM 2017, 23 = ZMR 2017, 154; dazu Pielsticker, NZM 2017, 64. BGH v. 10.4.2013 – VIII ZR 213/12, MietRB 2013, 198 = MDR 2013, 698 = WuM 2013, 349 = ZMR 2013, 623. AG Menden v. 5.2.2014 – 4 C 286/13, WuM 2014, 713 = DWW 2014, 340. Sternel, Mietrecht aktuell, XII Rz. 20. BGH v. 4.6.2014 – VIII ZR 289/13, MDR 2014, 950 = MietRB 2014, 254 = WuM 2014, 495. OLG Düsseldorf v. 27.5.2010 – I-10 U 147/09, MDR 2010, 1447 = ZMR 2011, 544.

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§ 543 Rz. 37 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund 37 Verschiedentlich wird das nachfolgende Verhalten insbesondere des Kündigungsgegners als Abwä-

gungskriterium herangezogen73. Dies ist in der Regel aber zweifelhaft. Nicht nur bei einem einmaligen Verstoß ergibt sich die Unzumutbarkeit nach einer Abwägung auch aus der Prognose, ob aufgrund der im Zeitpunkt der Kündigung bestehenden Tatsachen die Fortsetzung des Mietvertrages unzumutbar ist. Demnach muss z.B. aus einem einmaligen Verhalten abgelesen werden können, dass der Kündigende das Vertrauen in das vertragsgemäße Verhalten des Kündigungsadressaten – zu Recht – verloren hat, also die Vertrauensgrundlage zerstört wurde. Insoweit ist insbesondere zu beachten, dass der Kündigung eine Abmahnung vorauszugehen hat, § 543 Abs. 3 BGB. Demnach kommt es darauf an, ob trotz des zwar einmaligen, aber nach einer Abmahnung wiederholten Verhaltens des Kündigungsempfängers die Annahme gerechtfertigt ist, dass das beschädigte Vertrauen des Kündigenden in ein vertragsgemäßes Verhalten seines Vertragspartners wieder auf die notwendige Grundlage gestellt werden kann74. Das setzt aber gerade eine Prognose voraus, für die auf den Zeitpunkt der Kündigung abgestellt wird. Denn der Kündigende hat nicht die Möglichkeit, das nachfolgende Verhalten zu erkennen oder zu bewerten. Ihm für den Fall eines entsprechenden Hinweises des Gerichts, dass das nachfolgende Verhalten die Erheblichkeit der Pflichtverletzung oder die Gefahr einer Wiederholung entfallen lässt, eine Erledigung der Hauptsache nach § 91a ZPO anzubieten75, ist dogmatisch verfehlt, selbst wenn der Tatbestand des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens herangezogen wird76. Denn für die Wirksamkeit der Kündigung ist auf den Zeitpunkt ihres Zugangs abzustellen. Selbst wenn eine Abmahnung nicht erforderlich ist, kann die Schwere der Pflichtverletzung durch nachfolgendes Verhalten deshalb nicht milder beurteilt werden77. 38 Die von § 543 Abs. 1 BGB vorgeschriebene Abwägung kann sich vor allem an folgenden Kriterien

orientieren78: – die objektive Bedeutung der Störung (unmittelbare und mittelbare Auswirkungen), – die Dauer und der (störungsfreie?) Verlauf des Mietvertrages, – das Verschulden einer oder beider Parteien, – das Gewicht der beiderseitigen Interessen, – eine Wiederholungsgefahr. 39 Es ist nicht gerechtfertigt, allein aus der Schwere des Vertragsverstoßes wegen des Grundsatzes der

Verhältnismäßigkeit zunächst andere Sanktionen, also z.B. das Vorgehen nach § 541 BGB zu fordern, und daran den wichtigen Grund scheitern zu lassen79 (§ 543 BGB Rz. 19). Denn eine Geltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist in den mietrechtlichen Vorschriften nicht geregelt. Deshalb kommt es allein darauf an, ob die Voraussetzungen des § 543 Abs. 1 BGB vorliegen. 40 In der Interessenabwägung ist stets das Verhalten beider Parteien zu würdigen, vor allem inwieweit

der Kündigende zur Störung des Vertrauensverhältnisses beigetragen hat. Liegt ein solcher Fall vor, ist damit die Annahme des wichtigen Grundes nicht ausgeschlossen. Vielmehr muss dieser Umstand in der Abwägung hinreichend gewürdigt werden80. Dazu reicht es nicht aus, z.B. allein auf die Anzahl der Prozesse zwischen den Parteien abzustellen81. Es kann aber das Verhalten des Kündigungsempfängers abmildern, wenn der Kündigende es durch eigenes pflichtwidriges Verhalten provoziert hat82.

73 Z.B. LG Karlsruhe v. 29.1.2014 – 9 S 258/13, NZM 2014, 350 = GE 2014, 1274; AG Hamburg-Harburg v. 7.12.2010 – 642 C 271/10, ZMR 2011, 302. 74 BGH v. 11.1.2006 – VIII ZR 364/04, MietRB 2006, 211 = WuM 2006, 193 = MDR 2006, 864 = ZMR 2006, 425. 75 LG Karlsruhe v. 29.1.2014 – 9 S 258/13, MietRB 2014, 264, GE 2014, 1274. 76 So: Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 569. 77 LG Karlsruhe v. 30.7.2013 – 9 S 57/13, GE 2014, 465. 78 Lützenkirchen/Eisenhardt, AHB Mietrecht, J Rz. 262. 79 BGH v. 5.10.2010 – VIII ZR 221/09, WuM 2011, 13 = GE 2011, 198 = ZMR 2011, 366. 80 BGH v. 8.10.1990 – VIII ZR 247/89, MDR 1991, 143 = NJW 1991, 102; BGH v. 11.2.1981 – VIII ZR 312/79, MDR 1981, 839 = NJW 1981, 1264; OLG Celle v. 7.10.2008 – 2 U 99/08, MietRB 2009, 96 = ZMR 2009, 192 (194) = OLGR Celle 2008, 886. 81 OLG Düsseldorf v. 27.5.2010 – 10 U 147/09, MDR 2010, 1447 = ZMR 2011, 544. 82 BGH v. 4.6.2014 – VIII ZR 289/13, MDR 2014, 950 = MietRB 2014, 254 = WuM 2014, 495 = GE 2014, 1053 = ZMR 2014, 963.

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B. Wohnraummiete | Rz. 44 § 543

Das Gleiche gilt für Umstände, die aus dem Risikobereich einer Partei stammen. Denn grundsätzlich 41 kann eine Kündigung aus wichtigem Grund nur ausgesprochen werden, wenn der Kündigungsgegner die maßgeblichen Umstände auch beeinflussen konnte83. Andererseits kann zu berücksichtigen sein, inwieweit sich die Parteien in der Vergangenheit immer wie- 42 der über wesentliche Streitpunkte geeinigt haben, so dass einem neu eingetretenen Streit noch kein hinreichendes Gewicht beizumessen ist, um eine Unzumutbarkeit herbeizuführen84. Ebenso abmildernd kann die Ursache für das Verhalten des Störers wirken, das z.B. durch seelische, alters- oder krankheitsbedingte Zwänge ausgelöst sein kann. Eine Suizidgefahr, die sich durch die Räumung ergeben soll, wird prinzipiell erst im Verfahren der Zwangsvollstreckung berücksichtigt. Wird sie jedoch bereits durch die Gefahr des Wohnungsverlustes ausgelöst, kann sie in die Abwägung einbezogen werden85. Aus der rügelosen Hinnahme von Vertragsverletzungen lässt sich grundsätzlich für den Kündi- 42a gungsempfänger nichts herleiten86. Allenfalls wenn die Vertragsverletzung kontinuierlich über eine beträchtlich lange Zeit (hier: vier Jahre unpünktliche Mietzahlung) begangen wurde, kann daraus eine Erschwernis bei der Abwägung entstehen87, und zwar auch für den Erwerber88. Dies kann jedoch für die Zukunft durch eine Abmahnung beseitigt werden. Weitere Anforderungen, vor allem eine besondere Darlegung der Unzumutbarkeit oder die Vorschaltung einer Feststellungsklage89, können nicht gestellt werden. Mit der Abmahnung bringt der Kündigende zum Ausdruck, dass er nicht mehr gewillt ist, vertragswidriges Verhalten hinzunehmen. Für die Zukunft gelten damit wieder allgemeine Anforderungen. Grundsätzlich ist bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen auch zu berücksichtigen, ob sich der 43 Kündigende selbst nicht vertragstreu verhalten hat90. Ist das der Fall, wiegt das den Vertragsverstoß des Anderen regelmäßig auf. Voraussetzung ist aber, dass die Vertragsverstöße in einem inneren Zusammenhang stehen und der Vertragsverstoß des Kündigenden zeitlich fortwirkt91. Allein weil der Kündigende vor langer Zeit einmal einen Vertragsverstoß begangen hat, ist es ihm nicht verwehrt, sich auf die Unzumutbarkeit der Durchführung des Mietvertrages zu berufen. Das Gleiche gilt, wenn die eigene Pflichtverletzung gegenüber dem Vertragsverstoß des Kündigungsempfängers als Bagatelle wirkt. 2. Verschulden Ein Verschulden ist nicht – wie der Wortlaut zeigt – zwingende Voraussetzung. Handelt der Störende 44 aber schuldlos, werden besonders strenge Voraussetzungen für die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung zu fordern sein92. Insoweit steht insbesondere die Schwere des Verstoßes im Vordergrund der Abwägung93. Deshalb liegt ein wichtiger Grund vor, wenn der infolge einer seelischen Erkrankung für seine Handlungen nicht verantwortliche Mieter die Eingangstür eines anderen Mieters mit Kot verschmiert und dort Essensreste auskippt94. Auch massive Ruhestörungen und Belästigungen anderer Mieter können ausreichen95, zumal wenn sie mit wiederholten Tätlichkeiten einhergehen96. Ist ein Be-

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Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 5. LG Bielefeld v. 21.11.2008 – 3 O 365/06, zitiert nach juris. BGH v. 8.12.2004 – VIII ZR 218/03, ZMR 2005, 183 = WuM 2005, 125 = NZM 2005, 300. BGH v. 14.9.2011 – VIII ZR 301/10, WuM 2011, 674 = NZM 2012, 22. BGH v. 4.5.2011 – VIII ZR 191/10, MietRB 2011, 241 = MDR 2011, 840 = WuM 2011, 418 = ZMR 2011, 708. LG Berlin v. 8.1.2014 – 65 S 213/13, IMR 2014, 325. So Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 174a. BGH v. 21.3.2007 – XII ZR 255/04, MietRB 2007, 169 = MDR 2007, 1126 = NZM 2007, 401 (402). Vgl. z.B. KG v. 4.12.2017 – 8 U 236/16, ZMR 2018, 303. Vgl OLG Karlsruhe v. 14.12.1999 – 3 U 20/99, MDR 2000, 578; LG Wuppertal v. 10.12.2015 – 9 S 128/15, ZMR 2016, 455; LG München v. 20.3.2002 – 14 S 17178/01, NZM 2002, 697. AG Hannover v. 4.2.2014 – 406 C 8685/13, ZMR 2014, 547; AG Düren v. 22.9.2010 – 47 C 117/10, WuM 2010, 627. AG Braunschweig v. 18.2.2005 – 119 C 3037/04, ZMR 2005, 369. AG Tempelhof-Kreuzberg v. 12.9.2014 – 25 C 219/13, GE 2015, 257 = WuM 2016, 27; AG Hannover v. 4.2.2014 – 406 C 8685/13, ZMR 2014, 547. AG Charlottenburg v. 13.6.2014 – 232 C 53/14, GE 2014, 1011.

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§ 543 Rz. 44 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund treuer mit entsprechender Zuständigkeit (Empfang von Postsendungen, Wohnungsaufenthalt) bestellt, muss die Kündigung an diesen gerichtet werden. Ansonsten geht sie dem Mieter unmittelbar zu, solange seine beschränkte Geschäftsfähigkeit nicht festgestellt wurde97. Im Rahmen der Abwägung ist die Wertentscheidung des Grundgesetzes zu berücksichtigen, dass im Zusammenleben mit behinderten und kranken Menschen ein erhöhtes Maß an Toleranzbereitschaft erforderlich ist98. 45 Ansonsten ist bei der Abwägung nach § 543 Abs. 1 S. 2 BGB das Verschulden beider Parteien an der

Zerrüttung zu berücksichtigen99. Demgemäß kann auch der Kündigende schuldhaft zur Zerrüttung beigetragen haben. Insoweit ist nicht jede seiner Vertragsverletzungen hinderlich. Je größer aber der schuldhafte Zerrüttungsbeitrag des Kündigenden ist, umso weniger kann die Abwägung (für ihn) eine Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung ergeben100. Insbesondere der Partei, die das (beanstandete) Verhalten des Mieters provoziert hat, wird in der Regel die Kündigungsbefugnis versagt sein101. 46 Im Rahmen des Verschuldens ist grundsätzlich eine Zurechnung von Fehlverhalten Dritter nicht aus-

geschlossen (§ 543 BGB Rz. 278). Insoweit ist der Begriff des Dritten nicht identisch mit dem in §§ 540, 553 BGB (vgl. dazu § 540 BGB Rz. 35 ff.), wo Dritter z.B. nicht die engsten Familienmitglieder des Mieters sind. Nach § 543 BGB muss sich der Mieter auch für das Verhalten von engen Familienangehörigen (z.B. Kinder, Ehegatte) verantworten, die mit ihm in der Wohnung leben. Maßgeblich ist insoweit allein, dass der Dritte mit seinem Wissen und Wollen in seinen Pflichtenkreis (= Erfüllungsgehilfe, § 278 BGB) einbezogen worden ist. Das ist nicht der Fall, wenn der Dritte in Wahrnehmung eigener (hoheitlicher) Aufgaben handelt, was z.B. bei unpünktlichen Mietzahlungen (§ 543 BGB Rz. 93) relevant sein kann102. Andererseits ist nicht Voraussetzung für die Zurechnung, dass der sich vertragsmäßig verhaltende Mieter vor Ausspruch der Kündigung es unterlassen hat, mit seinen Möglichkeiten auf den Mitmieter oder sonstigen Dritten einzuwirken103. Deshalb soll der Mieter sich nicht ohne Weiteres das Verhalten eines Besuchers zurechnen lassen müssen104. Dies soll insbesondere gelten, wenn dieser den Vermieter ohrfeigt, ohne dass der Mieter die Möglichkeit hatte, in die Situation einzugreifen105, zumal wenn er mit einem Hausverbot belegt ist106. Daneben kommt insbesondere bei Gesellschaften eine Haftung für Vertragsverletzungen aus § 31 BGB in Betracht107. 3. Kurzfristige Beendigung des Vertrages? 47 Wie schon der Wortlaut des § 543 Abs. 1 S. 2 BGB hervorhebt, kommt der Frage, welche andere Mög-

lichkeit besteht, sich kurzfristig vom Vertrag zu lösen, im Rahmen der Abwägung maßgebliche Bedeutung zu. Dabei muss von dem Gedanken ausgegangen werden, dass die Frist des § 573c Abs. 1 BGB von drei Monaten die Zeitspanne repräsentiert, die der Mieter benötigt, um einen Wohnungswechsel zu organisieren, und der Vermieter, um einen neuen Mieter zu finden108. Deshalb gibt § 543 Abs. 1 BGB für die Abwägung vor, dass nicht darauf abzustellen ist, ob dem Kündigenden die Fortsetzung ab sofort, sondern ob sie ihm bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Damit wird einerseits deutlich, dass die außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund die Ultima Ratio der Sanktionsmöglichkeiten darstellen soll. 97 LG Dresden v. 29.3.1994 – 9 S 0311/93, WuM 1994, 377. 98 BGH v. 8.12.2004 – VIII ZR 218/03, WuM 2005, 125; AG Tempelhof-Kreuzberg v. 12.9.2014 – 25 C 219/13, GE 2015, 257 = WuM 2016, 27. 99 BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 119/76, MDR 1978, 487 = ZMR 1978, 207. 100 LG Köln v. 26.9.1990 – 10 S 117/90, WuM 1991, 98. 101 BGH v. 4.6.2014 – VIII ZR 289/13, MDR 2014, 950 = MietRB 2014, 254 = WuM 2014, 495; LG Frankfurt v. 10.9.1996 – 2/11 S 309/95, PE 1999, 49. 102 BGH v. 29.6.2016 – VIII ZR 173/15, MietRB 2016, 309 = MDR 2016, 1080 = ZMR 2016, 683; BGH v. 21.10.2009 – VIII ZR 64/0, MDR 2010, 75 = MietRB 2010, 19, WuM 2009, 736 (für Jobcenter bei der Auszahlung der Transferleistungen); a.A. Lorenz, WuM 2013, 202 (205). 103 AG Hamburg v. 27.9.2002 – 47 C 145/02, ZMR 2003, 581. 104 BGH v. 9.11.2016 – VIII ZR 73/16, MDR 2017, 20 = MietRB 2017, 34 = WuM 2017, 23 = ZMR 2017, 154; LG Berlin v. 14.2.2014 – 12 O 213/13, ZMR 2015, 125 (Gäste einer Gaststätte). 105 AG Neukölln v. 17.10.2012 – 5 C 84/12, GE 2013, 750. 106 LG Berlin v. 25.4.2013 – 65 S 494/12, ZMR 2014, 205. 107 BGH v. 15.9.2010 – XII ZR 188/08, MietRB 2010, 354 = MDR 2010, 1305 = NZM 2010, 901 = ZMR 2011, 29. 108 Begr. d. RefE, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Anhang Rz. 1202.

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B. Wohnraummiete | Rz. 51a § 543

Andererseits ergibt sich die scheinbar paradoxe Situation109, dass eine fristlose Kündigung umso eher zuzulassen ist, je länger die Parteien sich ursprünglich vertraglich binden wollten bzw. je länger die Kündigungsfrist oder die Restlaufzeit des Vertrages ist. Dogmatisch soll dies dadurch aufzulösen sein, dass die Kündigung aus wichtigem Grund als verselbständigter Sonderfall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage anzusehen ist110. Für die Praxis ist daraus zu schließen, dass für den Mieter von Wohnraum neben den in §§ 543 Abs. 2, 569 BGB geregelten Beispielsfällen des wichtigen Grundes eine außerordentliche fristlose Kündigung eines Mietvertrages auf unbestimmte Zeit nur noch in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht kommt111. Denn der Mieter kann in diesen Fällen immer mit Frist von drei Monaten kündigen, § 573c Abs. 1 BGB. Aber auch im Übrigen ist die Restlaufzeit112 ein maßgebliches Kriterium der Abwägung zur Feststellung der Unzumutbarkeit. 4. Zeitkomponenten der Abwägung Soweit keine Ausnahme von § 543 Abs. 3 BGB vorliegt, kann nur diejenige Pflichtverletzung des Ver- 48 tragspartners einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung des Vermieters darstellen, die zeitlich nach der letzten Abmahnung erfolgt ist. Denn nur dann war die Abmahnung erfolglos i.S.v. § 543 Abs. 3 BGB. Unerheblich ist, wann der Andere von einer Pflichtverletzung erfährt; maßgeblich ist allein, ob der Mieter trotz der letzten Abmahnung erneut eine Pflicht aus dem Mietvertrag verletzt hat113. Unabhängig davon, ob § 314 Abs. 3 BGB anwendbar ist (vgl. § 543 BGB Rz. 13 ff.), kann die Feststel- 49 lung der Unzumutbarkeit insbesondere von zeitlichen Faktoren abhängen. Nimmt der Vermieter z.B. ein vertragswidriges Verhalten des Mieters über einen längeren Zeitraum hin, kann dies ein Indiz dafür sein, dass er die Fortsetzung des Mietvertrages selbst nicht als unzumutbar angesehen hat114. Andererseits kann gerade bei Verstößen ohne Dauercharakter eben auch der Zeitraum zwischen Ver- 50 tragsverstoß und Ausspruch der Kündigung als Indiz für die Zumutbarkeit gewertet werden. Welche Zeiträume insoweit herangezogen werden können, ist noch nicht abschließend geklärt und im Ergebnis auch vom Einzelfall abhängig115. Einigkeit besteht aber insoweit, dass § 626 Abs. 2 BGB nicht (analog) anzuwenden ist, weil diese Vorschrift keinen allgemeinen Rechtsgedanken enthält116. Allerdings kann der Zeitraum zwischen dem letzten Verstoß und der Kündigung im Rahmen der 51 Abwägung als Indiz dafür herangezogen werden, dass der Kündigende die Vertragsverletzung selbst nicht als so schwerwiegend angesehen hat, dass er die Fortsetzung des Mietvertrages als unzumutbar bewertet. Insoweit sind weder schematische Bewertungen noch starre Fristen zulässig. Vielmehr ist auf die konkreten Umstände des Einzelfalles abzustellen117. Maßgeblich ist allein, ob das abwartende Verhalten des Kündigenden zeigt, dass er die Fortsetzung des Mietvertrages selbst nicht als unzumutbar empfunden hat. Um den Einzelfall richtig bewerten zu können, können folgende Kriterien, die keinen Anspruch auf 51a Vollständigkeit erheben, herangezogen werden: – § 626 Abs. 2 BGB gilt weder als starre Vorgabe noch als „Regelfrist“118, – der Bewertungszeitraum beginnt mit Kenntnis des Kündigenden von den maßgeblichen Umständen zu laufen119,

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Kraemer, WuM 2001, 163 (167). Kraemer, WuM 2001, 163 (167). Häublein, ZMR 2005, 1; Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 6. OLG Celle v. 7.10.2008 – 2 U 99/08, MietRB 2009, 96 = ZMR 2009, 192 (194) = OLGR Celle 2008, 886. AG Charlottenburg v. 14.7.2010 – 213 C 111/10, GE 2010, 1205. BGH v. 29.9.1999 – XII ZR 313/98, MDR 2000, 79 = NJW 2000, 354 = NZM 2000, 36 = ZMR 2000, 76 m.w.N. Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 64. BGH v. 27.1.1982 – VIII ZR 295/80, MDR 1982, 662 = NJW 1982, 2432; a.A. OLG Frankfurt v. 24.6.1991 – 11 U 3/91, WuM 1991, 475 = NJW-RR 1992, 143; LG Berlin v. 14.5.2001 – 67 S 385/00, GE 2001, 1676. 117 Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 5. 118 BGH v. 25.11.2010 – Xa ZR 48/09, MDR 2011, 148 = NJW 2011, 1438; a.A. LG Berlin v. 18.11.1991 – 62 S 220/91, MM 1992, 135. 119 BGH v. 11.3.2009 – VIII ZR 115/08, WuM 2009, 231 = ZMR 2009, 521.

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§ 543 Rz. 51a | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund – der Zeitraum bis zur Kündigung darf die Dauer nicht wesentlich überschreiten, die erforderlich ist für die Abklärung der Kündigungsmöglichkeiten und die Vorbereitung der eigenen Entscheidung über die Beendigung des Mietvertrages durch Kündigung nach §§ 543, 569 BGB, die durchaus mehrere Monate dauern kann, – bei dreimaliger unpünktlicher Mietzahlung kann die Zeitdauer von drei Monaten gegen die Unzumutbarkeit sprechen120, – bei der Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB sollen drei Monate zu lang sein121, – ein Dauerverstoß (Rauchen, das die Nachbarn stört, soll eine Kündigung begründen, die sechs Monate nach der letzten Abmahnung ausgesprochen wurde122, – bei Streitigkeiten zwischen Mietern trifft den Vermieter eine besondere Sorgfaltspflicht (vgl. § 535 BGB Rz. 502); deshalb kann zu berücksichtigen sein, dass der Vermieter zunächst Einsicht in die Ermittlungsakten nehmen muss123, – bei der Kündigung des Mieters nach § 569 Abs. 1 BGB (Gesundheitsgefährdung) infolge defekter Lüftungs- und Heizungsanlage) soll der Zeitraum von nahezu einem Jahr zwischen Fristsetzung und Kündigung unangemessen lang sein; jedenfalls soll der Mieter den Vermieter durch erneute Fristsetzung warnen müssen, wenn er den gesundheitsgefährdenden Zustand nach dieser Zeit nicht hinnehmen will (§ 242 BGB)124, – bei der Kündigung des Mieters wegen einer Pflichtverletzung des Vermieters kann zu berücksichtigen sein, dass der Mieter zunächst angemessenen Ersatzraum finden muss, was sich je nach Marktlage einfach oder schwierig, also zeitraubend gestalten kann, die Größe des Haushalts oder des Betriebes, die umgesiedelt werden sollen, sind in die Überlegungen einzubeziehen125, – die außergerichtliche Kündigung erweist sich als unwirksam, weil sie verspätet ausgesprochen wurde; in diesem Fall kann die Kündigung als Abmahnung umgedeutet und auf eine im Prozess erneut erklärte Kündigung abgestellt werden126, – der Vermieter handelt noch rechtzeitig, wenn er am 10.11. eine Frist zum 30.11. setzt, Weihnachten und anschließend weitere drei Monate abwartet, ob der Mieter die titulierte Forderung ausgleicht, bevor er wegen Zahlungsverzuges kündigt127, – vier Monate wegen Nichtzahlung der Kaution sind akzeptabel128, 14 Monate aber zu lang129, – drei Jahre sind nach Kenntnis von der gefälschten Vorvermieterbescheinigung vergangen (§ 242 BGB)130, – selbst wenn die angemessene Frist abgelaufen ist, kann eine fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzuges wirksam sein, wenn ein Vertrauen des Mieters, der Vermieter werde einen entstandenen Mietrückstand hinnehmen und auch bei einem weiteren Anstieg des Rückstands von seinem Kündigungsrecht keinen Gebrauch machen, jeglicher Grundlage entbehrt, was jedenfalls noch nach fünf Monaten der Fall sein soll131, – bei einer Täuschung durch den Mieter kann die Frist auch nur einen Monat betragen132. 52 Selbst wenn aber wegen Zeitablaufs nach Abmahnung eine Berufung auf Unzumutbarkeit verwirkt ist,

ist die jeweilige Partei berechtigt, durch eine erneute Abmahnung oder Fristsetzung deutlich zu ma-

LG Berlin v. 9.10.2013 – 65 S 140/13, WuM 2014, 93. Saarländisches OLG v. 23.9.1998 – 1 U 969/97-185, MDR 1999, 86. LG Düsseldorf v. 26.6.2014 – 21 S 240/13, MietRB 2014, 256 = ZMR 2014, 888 (890) = GE 2014, 1062 (1063). AG Frankfurt v. 26.3.2015 – 33 C 3506/14, ZMR 2015, 620. OLG Braunschweig v. 17.9.2015 – 9 U 196/14, MietRB 2016, 5 = ZMR 2016, 108 = GE 2016, 192. A.A. KG v. 27.2.2003 – 8 U 316/01, KGR Berlin 2003, 186: Zeitraum beträgt stets zwei Monate. LG Berlin v. 10.10.2003 – 63 S 143/03, GE 2004, 481. Hanseatisches OLG Bremen v. 5.4.2007 – 2 U 7/07, ZMR 2007, 688. BGH v. 21.3.2007 – XII ZR 36/05, MietRB 2007, 168 = MDR 2007, 1009 = ZMR 2007, 525 = NZM 2007, 400. OLG Nürnberg v. 10.2.2010 – 12 U 1306/09, ZMR 2010, 524. BGH v. 9.4.2014 – VIII ZR 107/13, MietRB 2014, 193 = MietRB 2014, 194 = MDR 2014, 643 = WuM 2014, 333 = NZM 2014, 429. 131 BGH v. 11.3.2009 – VIII ZR 115/08, WuM 2009, 231 = ZMR 2009, 521. 132 BGH v. 15.2.1967 – VIII ZR 222/64, WPM 1967, 515.

120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130

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B. Wohnraummiete | Rz. 55 § 543

chen, dass sie das vertragswidrige Verhalten des Anderen nicht länger hinzunehmen bereit ist133. Beachtet der Andere dieses Begehren nicht, besteht grundsätzlich die Möglichkeit zur (erneuten) Kündigung. 5. Kasuistik: Wichtige Gründe Nachfolgend werden Einzelfälle skizziert, die wichtige Gründe bilden können134. Dabei muss aller- 53 dings beachtet werden, dass in der Regel erst die Erfolglosigkeit einer Abmahnung die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung begründen kann. Im Übrigen müssen die Umstände des Einzelfalles belegen, dass die für eine Fortsetzung des Mietvertrages notwendige Vertrauensgrundlage zerstört ist und dem Kündigenden eine Fortsetzung des Mietvertrages unzumutbar ist. a) Für den Vermieter Abriss. Ein befristeter Mietvertrag im Wohnhochhaus kann vom Vermieter nicht bereits deswegen au- 54 ßerordentlich gekündigt werden, weil er den Abriss des im Übrigen leer stehenden Gebäudes plant135. 55 Anschuldigungen – Grundsätzlich ist die Erstattung einer Strafanzeige oder ein ansonsten z.B. gegen den Vermieter gerichteter Antrag bei einer Behörde nicht pflichtwidrig; maßgeblich für eine Kündigung ist die Frage, ob das Verhalten des Mieters schuldhaft falsch war136; kann der Mieter den der Anzeige zugrundeliegenden Sachverhalt nicht beweisen, ist seine Strafanzeige grundlos und berechtigt zur Kündigung137, – daher kann die Strafanzeige eine zur Kündigung berechtigende Pflichtvberletzung darstellen, wenn sie – auf erfundenen Tatsachen beruht, – leichtfertigt erstattet wurde, – nicht in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt wird oder – die Strafanzeige unangemessen ist138, – unangemessen ist eine Strafanzeige, wenn der Anzeigenerstatter wahre oder aus seiner Sicht wahre Tatsachen zum Anlass der Strafanzeige nimmt, in Wahrnehmung berechtigter Interessen handelt, zur Klärung der Streitigkeit aber der Zivilrechtsweg offen steht und nicht im Einzelfall Anlass für ein behördliches Einschreiten besteht139, – vorsätzlich falsche Anschuldigung eines Mieters gegen andere Mieter140 oder des Vermieters bei Behörden141, bei mehrfacher Verleumdung ohne Abmahnung142, wobei der Mieter beweisen muss, dass die Anschuldigung richtig war143, – leichtfertig falsche Strafanzeige144, wobei maßgeblich darauf abzustellen ist, ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel gewahrt ist145,

133 KG v. 22.11.2010 – 8 U 87/10, MietRB 2011, 106 = MDR 2011, 536 = GE 2011, 481 = ZMR 2011, 543; OLG Hamm v. 20.5.1998 – 30 U 193/97, NZM 1999, 1050. 134 Weitere Fälle unter § 541 BGB Rz. 85 ff. 135 OLG Dresden v. 3.12.2002 – 5 U 1270/02, WuM 2003, 32 = NZM 2003, 356 = NJW-RR 2003, 1819. 136 AG Hamburg v. 14.4.2016 – 42 C 61/15, ZMR 2016, 630. 137 LG München I v. 4.4.2017 – 14 S 284/17, ZMR 2017, 484; AG München v. 23.3.2016 – 424 C 21138/15, ZMR 2017, 169; AG München v. 14.7.2016 – 421 C 23576/15, ZMR 2016, 969. 138 LG Freiburg v. 2.5.2019 – 3 S 266/18, GE 2019, 1114. 139 LG Freiburg v. 2.5.2019 – 3 S 266/18, GE 2019, 1114. 140 LG Kaiserslautern v. 22.3.1983 – 2 S 104/82, WuM 1983, 263. 141 LG Frankfurt v. 10.8.1993 – 2/11 S 142/93, WuM 1994, 15; vgl. aber auch AG Schöneberg v. 22.8.1989 – 12 C 42/89, GE 1990, 429. 142 LG Dresden v. 21.12.2016 – 4 S 304/16, IMR 2017, 137. 143 LG Karlsruhe v. 17.6.2014 – 9 S 483/13, DWW 2014, 337. 144 BVerfG v. 2.10.2001 – 1 BvR 1372/01, WuM 2002, 22; KG v. 24.6.2002 – 8 U 87/01, KGR 2003, 153. 145 KG v. 24.6.2002 – 8 U 87/01, KGR Berlin 2003, 153 = GE 2002, 1265.

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§ 543 Rz. 55 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund – unverhältnismäßige Anzeige aus Böswilligkeit oder geringem Anlass, selbst wenn sie auf zutreffenden Angaben beruht146, solange der Mieter die angegebenen Tatsachen nicht für wahr halten konnte oder im Rahmen berechtigter Interessen gehandelt hat147, – Strafanzeige des Mieters gegen den Vermieter wegen Betrugs, wobei das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt wird, berechtigt zunächst zur ordentlichen Kündigung des Vermieters gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB; Belästigungen des Vermieters können zu einem Kündigungsrecht nach § 543 Abs. 1 BGB führen, weil es dem Vermieter in einem solchen Fall aufgrund des Verhaltens des Mieters nicht mehr zuzumuten ist, länger am Mietvertrag festzuhalten148, – leichtfertige und unangemessene Strafanzeige auf der Grundlage erfundener Tatsachen, um dem Vermieter Schaden zuzufügen und nicht um eigene Interessen zu wahren149, – Strafanzeige wegen Beleidigung und Behauptung gegenüber dem Jugendamt, die Vermieterin sei alkoholkrank und randaliere150, – Beschwerde gegen Einstellung gem. § 170 Abs. 2 StPO wegen einer Strafanzeige wegen Betruges, weil der Vermieter bei der Mieterhöhung (angeblich) das falsche Rasterfeld des Mietspiegels angegeben hat151, – nicht, wenn der der Anzeigenerstatter sorgfältig geprüft hat, ob Anlass zur Anzeige besteht152, – nicht, wenn das „Anschwärzen“ des Vermieters durch ein objektives eigenes Interesse des Mieters an der Aufklärung des verdächtigen Sachverhalts gerechtfertigt ist (hier bejaht wegen der Tätigkeit der angeblichen Schwarzarbeiter in der Mietwohnung) und der Mieter fahrlässig nicht erkannt hat, dass der angezeigte Sachverhalt nicht zutrifft153, – nicht, wenn kein Verstoß gegen die mietvertragliche Treuepflicht vorliegt und sich der Mieter selbst als Opfer einer Straftat ansieht154, – nicht eine Anzeige wegen Zweckentfremdung von Wohnraum, wenn die zuständige Behörde einen Verstoß verneint, der Mieter aber ohne Schädigungsabsicht in Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte gehandelt hat155, – nicht, wenn die angezeigte Straftat zwar nicht bewiesen ist, aber Anhaltspunkte für den vom Mieter behaupteten Geschehensablauf vorliegen156; Darlegungslast des Mieters, dass er die Anzeige nicht leichtfertig, insbesondere aber in Wahrnehmung berechtigter Interessen nach § 193 StGB erstattet hat157, – nicht aber, wenn der Mieter eine Betrugsanzeige erstattet und der Vermieter zuvor versucht hat, eine unberechtigte Forderung durchzusetzen158, – nicht, wenn der Mieter eine Zeugenaussage eines Mitarbeiters des Vermieters als Falschaussage bezeichnet159,

146 Brandenburgisches OLG v. 19.4.2006 – 3 U 157/05, MietRB 2007, 65; vgl. aber auch LG Wiesbaden v. 2.5.1995 – 8 S 411/94, WuM 1995, 707; LG Osnabrück v. 6.8.1993 – 11 T 66/93, WuM 1993, 617; LG München v. 20.3.2002 – 14 S 17178/01, NZM 2002, 697. 147 AG München v. 23.3.2016 – 424 C 21138/15, ZMR 2017, 169. 148 AG Gummersbach v. 12.7.2010 – 10 C 172/09, ZMR 2010, 864. 149 LG Freiburg v. 2.5.2019 – 3 S 266/18, GE 2019, 1114; LG Düsseldorf v. 6.11.2014 – 21 S 48/14, ZMR 2015, 552; AG Rostock v. 25.4.2018 – 53 C 12/18, ZMR 2018, 678. 150 AG Pforzheim v. 19.10.2018 – 4 C 205/18, IMR 2018, 509 (Mettler). 151 AG Hamburg-Altona v. 30.12.2015 – 319a C 83/15, ZMR 2016, 460. 152 LG Freiburg v. 2.5.2019 – 3 S 266/18, GE 2019, 1114. 153 LG Mannheim v. 23.2.2000 – 4 S 125/99, NZM 2000, 543 = NJW-RR 2000, 675. 154 LG Frankfurt v. 15.4.2013 – 16 S 230/12, MietRB 2013, 257 = WuM 2013, 355 = ZMR 2014, 209. 155 AG München v. 25.3.2015 – 424 C 27079/14, ZMR 2015, 941. 156 AG Hamburg v. 14.4.2016 – 42 C 61/15, ZMR 2016, 630. 157 LG München I v. 4.4.2017 – 14 S 284/17, ZMR 2017, 484. 158 LG Wuppertal v. 2.10.1969 – 9 S 121/69, WuM 1970, 60. 159 AG Hamburg v. 15.6.2018 – 49 C 344/17, ZMR 2018, 947.

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B. Wohnraummiete | Rz. 58 § 543

– nicht, wenn gegenüber dem langjährigen Mieter aufgrund hohen Alters bei bisher ungetrübtem Mietverhältnis ein erhöhtes Maß an Rücksichtnahme und Verständnis geboten ist160. Aufklärung/Auskunft 56 Vorsätzlich falsche Selbstauskunft zu vertragswesentlichen Punkten161, insbesondere zu Schulden, selbst wenn die Mietzahlung pünktlich erfolgt und dem Vermieter kein Schaden entstanden ist162, – Selbst gefertigte Vorvermieterbescheinigung163, – Vorlage wahrheitswidriger Erklärung des Arbeitgebers des Mieters, es bestehe keine Gehaltspfändung164, – wahrheitswidrige Erklärung keine relevanten Schulden oder laufende Zahlungsverpflichtungen bzw. Unterhaltsverpflichtungen zu haben, wobei es eine Bagatellgrenze von 500 € monatlich nicht gibt und bei Insolvenzeröffnung im ersten Mietjahr gekündigt werden kann165, – frei erfundene Erklärung des Vorvermieters über Dauer des Mietvertrages und pünktliche Mietzahlung166, – verweigerte Auskunft über künftige Zahlungsfähigkeit des Mieters bei begründetem Anlass167, – Täuschen des Vermieters über Umsätze bei Umsatzmiete168, – nicht, widersprüchliche oder missverständliche Angaben, die dazu dienen, eine Wohnungsbewerbung in günstigerem Licht erscheinen zu lassen169, – nicht kritische Äußerungen in einem Fernsehinterview zu einer Verwertungskündigung des Vermieters170, – s. auch Täuschungen. Auseinandersetzungen. Eine Hausfriedensstörung, verbunden mit einem tätlichen Angriff auf eine 57 andere Mietpartei, begründet auch ohne Abmahnung die fristlose Kündigung des Wohnraummietverhältnisses durch den Vermieter171; s. auch Gewalt und s. Hausfriedensstörung. Bauliche Veränderung 58 – Eigenmächtiger Umbau, insbesondere Ausbau eines Dachbodens zu Wohnzwecken172 oder Beseitigung einer tragenden Wand173, – eigenmächtige Veränderungen an der Heizungsanlage174, – eigenmächtiges Beseitigen der Trennwand zwischen Gäste-WC und Bad (ordentliche Kündigung)175,

160 LG München I v. 20.3.2002 – 14 S 17178/01, NZM 2002, 697. 161 LG München I v. 25.3.2009 – 14 S 18532/08, ZMR 2010, 367; LG Itzehoe v. 28.3.2008 – 9 S 132/07, WuM 2008, 281; LG Wuppertal v. 17.11.1998 – 16 S 149/96, WuM 1999, 39; LG Mannheim v. 8.11.1989 – 4 S 173/89, ZMR 1990, 303; AG München v. 10.7.2015 – 411 C 26176/14, ZMR 2016, 121; AG Saarlouis v. 17.9.1999 – 29 C 739/99, NZM 2000, 459. 162 LG Lüneburg v. 13.6.2019 – 6 S 1/19, ZMR 2019, 868. 163 BGH v. 9.4.2014 – VIII ZR 107/13, MDR 2014, 643 = MietRB 2014, 193 = MietRB 2014, 194 = WuM 2014, 333 = GE 2014, 737. 164 OLG Koblenz v. 6.5.2008 – 5 U 28/08, MietRB 2008, 324 = WuM 2008, 471. 165 LG Lüneburg v. 13.6.2019 – 6 S 1/19, ZMR 2019, 868. 166 BGH v. 9.4.2014 – VIII ZR 107/13, MDR 2014, 643 = MietRB 2014, 193 = MietRB 2014, 194 = WuM 2014, 333 = GE 2014, 737. 167 Mieter hat kein geregeltes Einkommen, kein Bankkonto und zahlt unregelmäßig die Miete, LG Hamburg v. 2.6.1998 – 316 S 23/98, WuM 2001, 281. 168 OLG Düsseldorf v. 14.11.2000 – 24 U 34/00, NZM 2001, 1033. 169 LG Freiburg v. 12.10.2018 – 3 S 98/18, IMR 2019, 140 (Discher). 170 AG Augsburg v. 2.7.2018 – 17 C 1190/18, WuM 2019, 715. 171 AG Münster v. 28.8.2006 – 48 C 1739/06, WuM 2007, 19. 172 LG Hamburg v. 26.4.1991 – 311 S 1/91, WuM 1992, 190. 173 LG Lüneburg v. 14.11.2012 – 6 S 80/12, ZMR 2013, 804. 174 AG Saarburg v. 31.10.2001 – 5 C 392/01, WuM 2003, 357. 175 LG Berlin v. 3.9.2012 – 67 S 514/11, MM 2013, Heft 10 S. 30.

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§ 543 Rz. 58 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund – Verweigerung der Entfernung ungenehmigter Einbauten (Dusche, Handwaschbecken und Toilettenschüssel) trotz Abmahnung176, – Einbau einer Toilettenspülanlage zur Nutzung von Brunnenwasser nach Beanstandung durch städtisches Wasserwerk und Abmahnung durch Vermieter177, – Einbau eines modernen Fensters in Altbau178 gegen den ausdrücklichen Willen des Vermieters179, – Einbau eines betonierten Schwimmbeckens anstelle eines Bio-Teiches180, – Installation eines Kamins an der Außenseite des Gebäudes trotz ausdrücklichen Verbots181, – Vergrößerung des Ausschnittes der Wohnungseingangstür182, – nicht aber, wenn sie sich als Verbesserung darstellen (WC-Schüssel, Fußbodenbeläge)183 – nicht, wenn durch sie erst der vertragsgemäße Zustand hergestellt wird184, – nicht Einbau einer einbruchssicheren Wohnungstür185, – nicht, wenn der Vermieter die Baumaßnahme vier Jahre geduldet hat186. 59 Bedrohen

– eines Mitmieters mit einem Schlagring, selbst wenn der Mieter unter Alkoholeinfluss steht187, – des Hauswarts durch Klopfen an der Tür und Bezeichnung als „Faschista“ und „Bandita“188, – eines Wohnungsnachbarn mit dem Tod („Ich ficke Deine Frau, Deine Frau, Dein Kind, komm’ raus Du Feigling, Du wirst rauskommen müssen, ich mache Dich und Deine Familie fertig, ich bringe Euch alle um.“, nachdem diese Nachbarn der Ehefrau des Mieters Zuflucht vor ihrem prügelnden Ehemann gewährt hatten und die Morddrohung Tage später noch einmal wiederholt wurde („Lass mich in Ruhe, sonst stirbst Du.“) – ohne Abmahnung189, – eines anderen Mieters durch „ich hau Dir aufs Maul, wenn du das Grundstück noch einmal betrittst!“190, – Ankündigung, nach dem Auszug mit einem Zelt in den Garten des Vermieters zu ziehen und ihm in das Frühstück zu rülpsen191, – nicht, wenn der Mieter dazu durch ständige Vorhaltungen, Unterstellungen, Gängelversuche und Nachspionieren provoziert wird192. 60 Belästigung mit Mängelrügeschreiben (174 Schreiben in knapp drei Monaten)193.

176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193

AG Tiergarten v. 16.11.1999 – 2 C 394/98, GE 2000, 127. LG Gießen v. 1.6.1994 – 1 S 507/93, WuM 1994, 681. AG Schöneberg v. 29.3.2000 – 7 C 521/99, ZMR 2000, 685. LG Köln v. 15.9.1998 – 12 S 173/98, KM 12 Nr. 44. OLG Frankfurt v. 9.8.2018 – 2 U 9/18, IMR 2018, 465 (Weber). LG Köln v. 25.4.2018 – 18 O 184/15, juris. AG Mitte v. 26.9.2013 – 6 C 68/13, GE 2014, 257 (Abmahnung nicht erforderlich). LG Köln v. 16.2.1995 – 1 S 22/94, WuM 1996, 93. OLG Frankfurt v. 19.8.1998 – 23 U 116/95, NZM 1999, 125. LG Detmold v. 18.3.1998 – 10 S 276/97, WuM 2002, 51 (nur Beseitigungsanspruch bei Mietende). LG Lüneburg v. 14.11.2012 – 6 S 80/12, ZMR 2013, 804. AG Tempelhof-Kreuzberg v. 6.5.2010 – 15 C 241/09, GE 2010, 1207. AG Karlsruhe v. 19.12.2012 – 6 C 387/12, ZMR 2013, 968. AG München v. 7.4.2013 – 474 C 18956/16, ZMR 2018, 338. AG Hamburg-Blankenese v. 27.5.2015 – 531 C 323/14, ZMR 2016, 783. LG Berlin v. 27.4.2016 – 65 S 83/16, GE 2016, 1215. AG Homburg v. 9.11.2018 – 4 C 216/18 (11), WuM 2019, 75. LG Bielefeld v. 26.7.2001 – 22 S 240/01, WuM 2001, 553.

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B. Wohnraummiete | Rz. 61 § 543

Beleidigung194 61 – Bewusste und wiederholte grobe Beleidigung195, soweit nicht in Wahrnehmung berechtigter Interessen i.S.v. § 193 StGB bzw. im Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG196 oder im Rahmen eines verständlichen Wutausbruchs197 gehandelt wird, – insbesondere durch „Götz“-Zitat198, – die Bezeichnung des Vermieters als „Arschloch“199, „Sie promovierter Arsch“200 oder kumulativ als „dumme Kuh“ und „Arschloch“201 bzw. „Penner“ und „Sau“202 oder als „Schwein“203, auch gegenüber Angehörigen, Mitarbeitern oder dem Hausverwalter des Vermieters204, bei Mitarbeitern eines Großvermieters nur nach Abmahnung205, – Bezeichnung des Vermieters als „Huso“ (= Hundesohn oder Hurensohn) in einem öffentlichen Netzwerk206, – Bezeichnung des Vermieters als „Terrorist“ und „nazi-ähnlichen braunen Misthaufen“ durch Pfleger einer 95-jährigen, bettlägerigen Mieterin207, – Vorwurf massiver oder brutaler Sterbehilfe gegenüber der Mieterhöhung nach § 558 BGB und Vergleich der Wohnsituation mit „als die Deutschen die Juden in die Öfen geschoben haben“208, – Bezeichnung anderer Mieter als „Saujude“, „Drecksack“ oder „altes Schwein“209, – Beleidigung („blöder Sack“) eines Mitmieters neben Verschmutzungen der Terrasse mit Salat und nächtlichen Ruhestörungen nach Abmahnung210, – Beleidigungen per SMS („dumme Kuh“ und „Arschloch“)211, Mail („faschistischer Touch“ und durchkonstruierte Storys“)212 oder Transparent an der Außenwand213, in der Presse veröffentlicht214, – Tätlicher Angriff und massive Beleidigung des Hausmeisters mit den Worten „Arschloch“ und „Scheiß Ausländer“215,

194 Übersicht bei Riecke, ZMR 2014, 941. 195 LG Köln v. 21.1.1993 – 1 S 365/92, WuM 1993, 349. 196 OLG München v. 9.2.1996 – 21 U 4494/94, ZMR 1996, 487; LG Leipzig v. 11.1.2002 – 14 S 6332/01, NZM 2002, 247. 197 LG Köln v. 14.8.1996 – 10 S 178/96, KM 12 Nr. 7. 198 LG Köln v. 21.1.1993 – 1 S 365/92, WuM 1993, 349; LG Berlin v. 13.5.1986 – 63 S 24/85, WuM 1987, 56; a.A. LG Offenburg v. 1.10.1985 – 1 S 347/94, WuM 1986, 250. 199 LG Berlin v. 15.10.1990 – 62 S 46/90, GE 1991, 151. 200 AG München v. 28.9.2014 – 474 C 18543/14, WuM 2015, 355 = ZMR 2015, 725 (ohne Abmahnung). 201 LG Berlin v. 22.2.2005 – 63 S 410/04, GE 2005, 675. 202 LG Berlin v. 15.1.1991 – 64 S 297/90, GE 1991, 933. 203 AG München v. 9.8.2013 – 411 C 8027/13, ZMR 2014, 651. 204 LG Berlin v. 13.5.1986 – 63 S 24/85, WuM 1987, 56; AG Berlin-Neukölln v. 22.4.2009 – 16 C 481/08, GE 2009, 1193. 205 LG Fulda v. 13.3.2006 – 1 S 176/05, WuM 2007, 220; a.A. AG Neuruppin v. 16.4.2019 – 43 C 61/18, ZMR 2019, 882. 206 AG Düsseldorf v. 11.7.2019 – 27 C 346/18, MietRB 2019, 296 = ZMR 2019, 870. 207 LG München I v. 20.1.2016 – 14 S 16950/15, ZMR 2016, 449; siehe aber BGH v. 9.11.2016 – VIII ZR 73/16, MDR 2017, 20 = MietRB 2017, 34 = WuM 2017, 23. 208 AG München v. 19.11.2014 – 452 C 16687/14, ZMR 2016, 466. 209 AG Dortmund v. 2.11.1994 – 127 C 11283/94, DWW 1996, 282. 210 LG Köln v. 15.4.2016 – 10 S 139/15, ZMR 2016, 705. 211 LG Berlin v. 22.2.2005 – 63 S 410/04, GE 2005, 675. 212 LG Frankfurt v. 22.7.2015 – 11 S 103/15, IMR 2015, 400 (ordentliche Kündigung). 213 LG München I v. 20.7.1983 – 14 S 18033/81, WuM 1983, 263. 214 LG Köln v. 7.4.1988 – 1 S 463/87, DWW 1988, 325. 215 AG Neuruppin v. 16.4.2019 – 43 C 61/18, ZMR 2019, 882 = NZM 2019, 691 (ohne Abmahnung).; AG Gronau v. 19.11.2018 – 2 C 121/18, WuM 2019, 435 (ohne Abmahnung).

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§ 543 Rz. 61 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund – Beschimpfung der Objektbetreuerin mit „fette Kaugummidrecksau“ und „dreckige Schweinedrecksau“ sowie Bedrohungen ohne Abmahnung zumindest ausreichend für ordentliche Kündigung216, – Bezeichnung einer Mieterin als „Fotze“217, was auch für eine entsprechende Beleidigung von Mitarbeitern der Mieterin gilt, – Bespucken und Beschimpfung des Hausmeisters mit den Worten „Halt’s Maul“ und „blödes Arschloch“218; – Beleidigungen von Handwerkern und anderen Mietern, insbesondere im Beisein eines zwölfjährigen Kindes, wie „Ich fick dich in den Arsch, du Wichser und Arschloch“ oder „Arschloch, verpiss dich“219, – Beschimpfung von anderen Mietern als „Pack“, „Judensau“ oder „Du bist so hässlich, wie das Arschloch da oben“220, – Beleidigung („eure beschissene/verschissene Anfeindungscharakter“, „perverse Anfeindungstendenzen“, „feige Lästerin“) durch den Betreuer des Mieters gegenüber dem Vermieter und dem Verwalter221, – Beschimpfung einer Mitmieterin („Kommst Du runter, Du Hure, ich mach dich tot, Du Hure, ich bring Dich um!“) und Abschlagen eines Türkranzes mit einem Samuraischwert, bei Abführen durch die Polizei die Drohung: „Das wirst Du büßen!“ und Verurteilung wegen Beleidigung222, – Beleidigung einer Angestellten einer anderen Mieterin im Haus („Fotze“)223, – drastische Formulierungen in Schreiben des Mieters, u.a. „Wenn ich ausziehen muss, ziehe ich mit einem Zelt und Lagerfeuer in Ihren Garten!! Ja, das tue ich!! Wie die Hottentotten werde ich hausen und verachtend in Ihr Frühstück rülpsen!“224; – Vorwurf in prozessualem Schriftsatz, der Vermieter arbeite mit einem kriminellen Trick, einer erfundenen, verlogenen Falschaussage, böswillig erfundenen Behauptungen, in infamer Weise und mit mafiösen Praktiken225; – nicht aber eine vulgäre Beschimpfung der Familie des Hauswarts, wenn auch dieser sich gegenüber dem Mieter vulgär ausdrückt226, – nicht die einmalige Beleidigung während eines Streits, bei dem es zu wechselseitigen Beleidigungen gekommen ist, selbst wenn der Mieter auch das Postgeheimnis verletzt hat227, – nicht schriftliche Schimpftiraden gegen den Vermieter und dessen Rechtsanwälte u.a. mit „illegale türkische Freimaurer“, Terroristen von Polizei und Justiz“, wenn sie offensichtlich pathologischer Natur sind (auch nicht fristgerecht)228, – nicht Beleidigungen nicht in der Wohnanlage wohnender Verwandten des Vermieters229, – nicht, bei Beleidigungen von Bewohnern benachbarter Häuser230,

216 217 218 219 220 221 222 223 224 225 226 227 228 229 230

LG München v. 13.1.2015 – 14 S 24161/14, ZMR 2015, 856. AG Neuruppin v. 16.4.2019 – 43 C 61/18, ZMR 2019, 882 = NZM 2019, 691 (ohne Abmahnung). AG Frankfurt-Höchst v. 30.3.2017 – 381 C 1469/16 (37), MietRB 2017, 187. AG Hamburg-Blankenese v. 27.5.2015 – 531 C 323/14, ZMR 2016, 783. AG Brandenburg v. 31.7.2019 – 31 C 181/18, IMR 2019, 409 (Binder). BGH v. 9.11.2016 – VIII ZR 73/16, MDR 2017, 20 = MietRB 2017, 34 = WuM 2017, 23 = ZMR 2017, 154; OLG Frankfurt v. 29.5.2019 – 2 U 121/18, MDR 2019, 1304 = ZMR 2019, 1026. LG München I v. 27.9.2018 – 14 S 288/17, ZMR 2018, 47. AG Neuruppin v. 16.4.2019 – 43 C 61/18, GE 2019, 802. LG Berlin v. 27.4.2016 – 65 S 83/16, GE 2016, 1215. AG Neustadt v. 25.8.2016 – 1 C 321/15, WuM 2017, 196. AG Neukölln v. 25.7.2005 – 6 C 93/05, GE 2005, 1555. AG München v. 1.3.2019 – 461 C 24378/17, ZMR 2020, 41. LG Berlin v. 16.1.2018 – 67 S 280/17, GE 2018, 394. AG München v. 7.2.2013 – 411 C 25348/12, MietRB 2013, 170 = MietRB 2013, 171 = ZMR 2013, 450. AG Brandenburg v. 6.6.2014 – 35 C 92/13, WuM 2015, 741.

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B. Wohnraummiete | Rz. 63 § 543

– nicht ernstzunehmendes Gerede („Der Vermieter ist ein Drecksack, den man erschießen sollte.“)231, – nicht ausreichend ist die Äußerung des Mieters, der Vermieter sei „krankhaft streitsüchtig“232, ein „Massenmörder“233 oder sein Pkw sei ein „Zuhälterwagen“234, – nicht, wenn Mitarbeiterin des Vermieters als „faul“ und „talentfreie Abrissbirne“ bezeichnet wird235, – nicht, wenn der Brief an den Verwalter des Vermieters mit „Sehr geehrtes Verwalterlein“ anfängt und der Inhalt im Übrigen den Sarkasmus und Zynismus früherer Korrespondenz nicht übertrifft236, – bei allen Beleidigungen ist immer zu prüfen, inwieweit der Vermieter die Handlung provoziert hat, – nicht, einmalige drastische Meinungsäußerung (kriminelle Hausverwaltungsgeschäfte und Machenschaften) im Rahmen eines gerichtlichen Mahnverfahrens, solange diese nicht offensichtlich falsch sind und daher als Schmähkritik einzuschätzen sind237; – nicht, bei fast 10 Jahre unbeanstandet verlaufendem Mietvertrag, wenn Beleidigungen und Drohungen darauf zurückzuführen sind, dass der Mieter manisch-depressiv ist und in einer manischdepressiven Hochphase gegen den Rat des Arztes seine Medikamente abgesetzt hat238; – nicht, die Bezeichnung von Mitarbeitern des Vermieters als „faul“ und „talentfreie Abrissbirne“239; – auch s. üble Nachrede. Besichtigung 61a – mehrfache Vereitelung von angekündigten Besichtigungsterminen, ohne Alternativtermine zu nennen240, – Rügen zahlreicher Mängel über einen längeren Zeitraum bei gleichzeitiger hartnäckiger Weigerung, dem Verwalter und dem Rechtsanwalt des Vermieters eine Besichtigung zu gewähren, so dass Termine mit Handwerkern nicht möglich sind241; das Gleiche gilt, wenn der Mieter trotz Mängelrügen bestimmten Personen (Rechtsanwalt des Vermieters und Angestellte des Hausverwalters) eine Besichtigung beharrlich verweigert242, – grundlose Verweigerung des vertraglichen Besichtigungsrechts243, – nicht, wenn der Vermieter sein Recht im Rahmen eines 20-jährigen Mietverhältnisses selbst nur zögerlich verfolgt (zwischen erstem und zweitem Begehren nach Besichtigung liegt ein Jahr)244, – nicht, wenn der Mieter den Vermieter mit Gewalt von einem unberechtigten Zutritt abhält245. Betriebskosten s. Nebenkosten

62

Betriebspflicht. Verletzung der Betriebspflicht trotz Abmahnung246.

63

231 LG Stuttgart v. 22.7.1987 – 13 S 90/87, DWW 1988, 45; vgl. auch OLG Bamberg v. 25.4.1996 – 1 U 109/95, zitiert nach juris. 232 LG Mannheim v. 25.1.1995 – 4 S 63/94, DWW 1995, 316. 233 LG Berlin v. 24.8.1989 – 62 S 89/89, GE 1990, 537. 234 AG Hamburg-Harburg v. 14.6.1995 – 647 C 96/95, WuM 1997, 266. 235 AG Charlottenburg v. 30.1.2015 – 216 C 461/14, IMR 2015, 277. 236 LG Berlin v. 13.6.2008 – 63 S 352/07, GE 2008, 1197 = ZMR 2009, 207. 237 LG Berlin v. 20.3.2013 – 65 S 403/12, ZMR 2014, 39 = GE 2013, 1655 (auch keine ordentliche Kündigung). 238 AG Darmstadt v. 21.1.2014 – 313 C 13/14, ZMR 2015, 39. 239 AG Charlottenburg v. 30.1.2015 – 216 C 461/14, GE 2015, 389. 240 LG Berlin v. 18.2.2015 – 65 S 527/14, IMR 2015, 399. 241 AG Pankow/Weißensee v. 8.12.2016 – 3 C 190/16, GE 2017, 540. 242 LG Berlin v. 2.6.2017 – 63 S 316/16, GE 2017, 1410. 243 LG Oldenburg v. 3.8.2012 – 6 S 75/12, ZMR 2012, 956. 244 LG Berlin v. 11.8.2016 – 65 S 202/16, GE 2016, 1385. 245 LG Düsseldorf v. 23.8.2017 – 23 S 92/16, NZM 2017, 808. 246 BGH v. 29.4.1992 – XII ZR 221/90, NJW-RR 1992, 1032; OLG Düsseldorf v. 21.1.1997 – 10 W 153/96, ZMR 1997, 296.

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§ 543 Rz. 64 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund 64 Blumenkästen/-töpfe. Aufstellen auf dem Balkon trotz vorherigem Hinweis (Abmahnung) auf die Ge-

fährdung von Passanten247. 65 Brandgefahr

– Wiederholte Verursachung einer Brandgefahr in kurzer Zeit248, – auch durch die unbeaufsichtigten Kinder des Mieters249. 66 Denunzieren s. Anschuldigung 67 Diebstahl

– Strom-Diebstahl zu Lasten des Vermieters250, – auch des Untermieters251, – nicht ohne Abmahnung252, sofern der Tatbestand nur ein- bis zweimal im Monat durch Kellerbesuche verwirklicht wird; ohne Abmahnung, wenn dadurch die Stromversorgung der Wohnung herbeigeführt wird253; – jedenfalls nicht bei geringfügiger Beeinträchtigung254; – nicht bei Entnahme von Allgemeinstrom aus frei zugänglicher Steckdose zum gelegentlichen Betrieb einer Lampe oder eines Staubsaugers im Keller255; – nicht, wenn weder die Menge des unberechtigt entnommenen Stroms noch die Dauer der Pflichtverletzung dargelegt ist (dann auch keine ordentliche Kündigung)256; – nicht, wenn die Stromentnahme erfolgt, weil der Vermieter einen Stromausfall in der Wohnung nicht beseitigt257. 68 Drogen

– Aufbewahrung von258 oder Handel mit Drogen259 in der Wohnung (ohne Abmahnung) oder in der Wohnanlage260, – Cannabis-Anbau im Garten261, in erheblichem Umfang in der Wohnung262, in Keller und Mansarde in speziellem „Growschrank“263 oder auf dem Balkon in strafbarer Menge264.265 69 Drohung

– mit Gewaltanwendung266, – selbst wenn sie durch eine bedrohliche Geste erfolgt (angedeuteter Stockschlag in Richtung Kopf); – soweit sie ernst zu nehmen ist267, 247 248 249 250 251 252 253 254 255 256 257 258 259 260 261 262 263 264 265 266 267

LG Berlin v. 26.11.2009 – 67 S 278/09, GE 2010, 203 = WE 2010, 236. AG Charlottenburg v. 15.10.2003 – 212 C 150/03, GE 2004, 353. A.A. AG Siegen v. 22.5.1990 – 5 C 752/90, WuM 1990, 503. KG v. 18.11.2004 – 8 U 125/04, MietRB 2005, 33 = WuM 2004, 721 (722) = NZM 2005, 254; LG Köln v. 17.3.1994 – 1 S 251/93, NJW-RR 1994, 909. LG Berlin v. 6.5.2002 – 34 O 554/01, GE 2002, 996. LG Berlin v. 21.10.2014 – 67 S 304/14, GE 2014, 1653. AG Wedding v. 10.2.2015 – 11 C 103/14, GE 2015, 390. KG v. 18.11.2004 – 8 U 125/04, MietRB 2005, 33 = DWW 2005, 21. AG Köln v. 27.1.2017 – AG Köln v. 27.1.2016 – 222 C 359/15, WuM 2017, 605. LG Berlin v. 2.9.2014 – 67 S 304/14, GE 2014, 1653. LG Berlin v. 19.7.2016 – 18 S 330/15, GE 2016, 1279. AG Linz v. 11.3.1991 – 2 C 992/90, NJW-RR 1991, 1225. LG Berlin v. 9.1.1990 – 65 S 254/89, GE 1990, 255. AG Pinneberg v. 29.8.2002 – 68 C 23/02, NJW-RR 2003, 944 (ohne Abmahnung). LG Lüneburg v. 15.12.1994 – 6 S 104/94, WuM 1995, 708. AG Köln v. 25.3.2008 – 219 C 554/07, WuM 2008, 595. AG Karlsruhe v. 3.2.2017 – 6 C 2930/16, juris. LG Ravensburg v. 6.9.2001 – 4 S 127/01, WuM 2001, 608. AG München v. 9.10.2013 – 472 C 7153/13, ZMR 2015, 41. OLG Düsseldorf v. 8.3.2005 – 10 U 32/05, NZM 2006, 295; LG Berlin v. 15.1.1991 – 64 S 297/90, GE 1991, 933. LG Berlin v. 22.2.2000 – 64 S 418/99, GE 2000, 541; AG Wedding v. 24.9.2014 – 13 C 109/13, GE 2014, 1463.

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B. Wohnraummiete | Rz. 70 § 543

– Einschüchtern von Mitmietern und künftigen Zeugen im Mietprozess trotz 40-jähriger Mietdauer268, z.B. mit der Drohung, Körperteile abzuschneiden269, – Einschüchtern des Vermieters durch Einschaltung eines privaten Fernsehteams, um ihn an den Pranger zu stellen270; – Repressalien (Prügel) gegenüber einem anderen Mieter als Reaktion auf dessen Aussage im Räumungsprozess gegen einen anderen Mieter (ohne Abmahnung)271, – Drohung, der Hausmeister solle sich nicht mehr in die Siedlung trauen, sonst würden ihm die Zähne eingeschlagen272; – nicht, bei fast 10 Jahre unbeanstandet verlaufendem Mietvertrag, wenn Beleidigungen und Drohungen darauf zurückzuführen sind, dass der Mieter manisch-depressiv ist und in einer manischdepressiven Hochphase gegen den Rat des Arztes seine Medikamente abgesetzt hat273. Duldung 70 – verweigerte Duldung von Erhaltungsmaßnahmen274, – verweigerter Zutritt zur Durchführung von Instandsetzungsmaßnahmen275, nicht aber bei ungenügender Ankündigung276, zumal wenn sie für die Abendstunden erfolgt277, – verweigerte Duldung der gesetzlich vorgeschriebenen Installation von Rauchwarnmeldern278, ggf. ohne Abmahnung oder Fristsetzung, – verweigerte Duldung von Modernisierungsmaßnahmen, zu der sich der Mieter im Prozessvergleich verpflichtet hat, sofern der Vermieter seine Verpflichtungen zur Unterbringung ordnungsgemäß erfüllt279, – verweigerte Duldung von Modernisierungen trotz rechtskräftiger Verurteilung rechtfertigt fristlose Kündigung280; es ist nicht erforderlich, dass der Vermieter gegen den Mieter zuvor einen Duldungstitel erstritten hat281; – Weigerung, Heizkostenverteiler anbringen zu lassen282, nur bei Hinzutreten weiterer Umstände; – hartnäckige Zutrittsverweigerung nach mehrfachen Mängelrügen283; – nicht, wenn der Vermieter seine Rücksichtnahmepflicht dadurch verletzt, dass er den Mieter erst mit einem Vorlauf von fünf Tagen über eine notwendige Umsetzung (unzureichend) informiert284; – nicht schon wegen mangelnder Kooperation des Mieters bei der Beseitigung von (Bagatell-)Mängeln bei langjährig beanstandungsfreiem Mietverhältnis285;

268 269 270 271 272 273 274 275 276 277 278 279 280 281 282 283 284 285

LG München I v. 10.10.2012 – 14 S 9204/12, ZMR 2013, 541. AG Frankfurt v. 26.3.2015 – 33 C 3506/14, ZMR 2015, 620. AG Wiesbaden v. 21.3.2014 – 93 C 4456/13, IMR 2015, 23. LG Berlin v. 12.5.2016 – 67 S 110/16, WuM 2016, 419 = GE 2016, 868. AG Köln v. 21.11.2014 – 208 C 151/14, DWW 2015, 298. AG Darmstadt v. 21.1.2014 – 313 C 13/14, ZMR 2015, 39. LG Saarbrücken v. 8.2.2008 – 10 S 33/08, ZMR 2008, 974; LG Schwerin v. 22.12.1995 – 6 S 76/95, WuM 1996, 767. BGH v. 15.4.2015 – VIII ZR 281/13, MDR 2015, 758 = MietRB 2015, 195 = WuM 2015, 416 = ZMR 2015, 693 = GE 2015, 853. LG Berlin v. 17.3.2016 – 65 S 289/15, MietRB 2016, 193 = WuM 2016, 285 = GE 2016, 527. LG Lüneburg v. 20.11.2013 – 6 S 62/13, ZMR 2015, 449. AG Augsburg v. 16.5.2018 – 22 C 5317/17, IMR 2018, 419 (Seiler). LG München v. 11.11.2015 – 14 S 4128/15, MietRB 2016, 32 = WuM 2015, 726. AG Frankfurt/M. v. 5.8.2009 – 33 C 4733/08-28, Info M 2009, 472. BGH v. 15.4.2015 – VIII ZR 281/13, MietRB 2015, 195 = WuM 2015, 416 = MDR 2015, 758. LG Hamburg v. 18.2.1992 – 316 S 188/91, WuM 1992, 245. AG Berlin-Pankow/Weißensee v. 8.12.2016 – 3 C 190/16, GE 2017, 540. LG Berlin v. 17.3.2016 – 65 S 289/15, MietRB 2016, 193 = WuM 2016, 285 = GE 2016, 527. LG Berlin v. 7.2.2017 – 67 S 20/17, WuM 2017, 134 = GE 2017, 358.

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§ 543 Rz. 70 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund – nicht, wenn Vermieter seinerseits seine vertragliche Rücksichtnahmepflicht bezüglich vorübergehender Ersatzunterkunft erheblich verletzt hat286; – nicht bei verweigerter Duldung von Modernisierungen bei gleichzeitiger Duldung von Instandsetzungen bei langjährig störungsfreiem Mietverhältnis287. 71 Eidesstattliche Versicherung s. Vermögensverfall 72 Einzugsermächtigung. Widerruf durch den Insolvenzverwalter reicht nicht, weil Mieter sich dessen

Verhalten nicht zurechnen lassen muss288. 73 Erfüllungsverweigerung

– Erklärung des Mieters (hier: Insolvenzverwalter), keine Miete mehr zu zahlen (weiterzuleiten), schon bevor ein Mietrückstand überhaupt entstanden ist289, – der Mieter kündigt oder ficht den Vertrag ohne Grund an290, – die grundlose Verweigerung einer ohne Zweifel geschuldeten Vertragsanpassung291. 74 Fensterln s. Hausfriedensbruch 74a Freiheitsberaubung. Hindern des Mitarbeiters des Vermieters am Verlassen der Wohnung292. 74b Garten s. Benutzung als Toilette (Urinieren gegen Bäume und Sträucher)293 75 Gebrauchsüberlassung

– (Unberechtigte) trotz Abmahnung294, sofern dem Mieter kein Anspruch auf Erlaubnis zusteht295, – auch bei vorübergehender Überlassung (z.B. als Ferienwohnung)296, insbesondere wenn die Überlassung an Feriengäste gewerbsmäßig erfolgt (ohne Abmahnung)297, auch wenn generelle Untervermietungserlaubnis vorliegt298, – wenn der Vermieter die Erlaubnis wegen unzureichender Unterlagen verweigert und vom Vermieter strenge Anforderungen gestellt werden dürfen, weil es in der Vergangenheit zu Unredlichkeiten bei der Untervermietung gekommen ist299, – bei nicht angezeigter und ungenehmigter Überlassung an Touristen (ohne Abmahnung300)301, selbst wenn die Annonce auf einem einschlägigen Portal nach Abmahnung aufrechterhalten wird und es zu keiner weiteren Gebrauchsüberlassung kommt302,

286 LG Berlin v. 17.3.2016 – 65 S 289/15, MietRB 2016, 193 = WuM 2016, 285 = GE 2016, 527; LG Berlin v. 17.2.2016 – 65 S 301/15, WuM 2016, 282 = GE 2016, 725. 287 AG Berlin-Wedding v. 5.10.2016 – 18 C 152/16, WuM 2017, 28. 288 LG Hamburg v. 30.4.2010 – 311 S 107/09, ZinsO 2010, 958; AG Hamburg-Bergedorf v. 20.10.2010 – 410A C 192/10, ZinsO 2011, 342. 289 BGH v. 9.3.2005 – VIII ZR 394/03, MietRB 2005, 254 = NJW 2005, 2552 = MDR 2005, 1043 = ZMR 2005, 688. 290 BGH v. 29.10.1986 – VIII ZR 144/85, MDR 1987, 312 = ZMR 1987, 51 (53). 291 LG Heilbronn v. 1.6.2001 – 6 O 2489/00, ZMR 2001, 803 (805). 292 LG Berlin v. 16.7.2013 – 67 S 232/13, ZMR 2014, 638 = IMR 2014, 237 (ordentliche Kündigung). 293 AG Köln v. 21.10.2010 – 210 C 398/09, WuM 2012, 272 = ZMR 2012, 708. 294 BGH v. 28.11.1984 – VIII ZR 186/83, MDR 1985, 665; Pfälzisches OLG v. 16.1.1996 – 8 U 43/94, OLGR 1998, 78; OLG Frankfurt v. 10.10.1988 – 20 REMiet 4/88, MDR 1989, 67; Hanseatisches OLG Hamburg v. 17.12.1981 – 4 U 130/81, NJW 1982, 1157; AG Berlin-Mitte v. 26.1.2017 – 21 C 55/16, GE 2017, 422. 295 BGH v. 2.2.2011 – VIII ZR 74/10, MietRB 2011, 102 = MDR 2011, 347 = WuM 2011, 169 = ZMR 2011, 453. 296 LG Berlin v. 27.7.2016 – 67 S 154/16, MDR 2016, 1134 = MietRB 2016, 347 = WuM 2016, 559; AG Frankfurt v. 23.12.2015 – 33 C 2762/15 (51), WuM 2016, 209; AG München v. 17.4.2012 – 473 C 2781/12, WuM 2012, 614. 297 BGH v. 8.1.2014 – VIII ZR 210/13, MietRB 2014, 65 = WuM 2014, 142 = MDR 2014, 268; LG Berlin v. 4.11.2015 – 65 S 318/15, MietRB 2016, 66 = GE 2016, 67; LG Berlin v. 18.11.2014 – 67 S 360/14, MDR 2015, 80 = WuM 2015, 31; AG Mitte v. 13.7.2009 – 20 C 66/09, MM 9/2013, 29. 298 BGH v. 8.1.2014 – VIII ZR 210/13, MDR 2014, 268 = MietRB 2014, 65 = WuM 2014, 142 = NJW 2014, 622. 299 AG Tempelhof-Kreuzberg v. 29.8.2016 – 7 C 161/15, WuM 2016, 623 = IMR 2017, 98. 300 LG Berlin v. 18.11.2014 – 67 S 360/14, MDR 2015, 80, GE 2015, 57; a.A. LG Amberg v. 9.8.2017 – 24 S 299/ 17, MietRB 2017, 311 (generell erst nach Abmahnung). 301 LG Berlin v. 6.10.2016 – 67 S 203/16, MietRB 2017, 130 = MietRB 2017, 131 = ZMR 2017, 237. 302 LG Berlin v. 3.2.2015 – 67 T 29/15, MDR 2015, 203 = MietRB 2015, 102 = WuM 2015, 156.

790 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 76 § 543

– erneute Untervermietung nach Widerruf einer für kurze Zeiträume (berufliche Abwesenheit des Mieters) erteilten Erlaubnis (ohne Abmahnung)303, – bei Überlassung der gesamten (Einzimmer-)Wohnung an Familienangehörigen304, – nicht jedoch bei Anspruch auf Erlaubniserteilung305, – nicht bei einmaliger tageweiser Untervermietung über airbnb an Feriengäste ohne Abmahnung306, auch wenn dies mehrfach erfolgt307, – nicht bei Überlassung der Wohnung an Familienangehörige nach Auszug des Mieters308, – nicht nach Widerruf der Untervermietungserlaubnis, wenn der Mieter durch eigene Kündigung und Räumungsklage gegen den Untermieter vorgeht309, selbst wenn sechs Monate später ein Räumungsvergleich zwischen Mieter und Untermieter geschlossen wird, der dem Untermieter eine Räumungsfrist einräumt310, – nicht bei Aufnahme der Lebensgefährtin bei langjährig unbeanstandet geführtem Mietvertrag311, – nicht, wenn der Mieter die Wohnung nur drei Monate im Jahr selbst bewohnt und sie in der übrigen Zeit seiner Tochter überlässt312, – nicht, wenn die Mieterin aus der mit ihrem erwachsenen Sohn bewohnten Wohnung auszieht und ihm die Wohnung insgesamt überlässt313, – nicht, wenn die Untervermietung einen einmaligen Vorgang darstellt, nur kurzzeitig (15.2.-6.4.) stattfand und seitdem elf Monate vergangen sind314, – nicht, wenn der Vermieter bei der Ermittlung, ob eine unzulässige Gebrauchsüberlassung vorliegt, das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mieters erheblich verletzt hat (Betreten der Wohnung ohne Zustimmung des Mieters)315, – s. auch § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB. 76 Gemeinschaftsfläche – Aufstellen eines oder mehrerer Schuhregale im Treppenhaus316; – Abstellen von Gegenständen (Wasserflaschen, Umzugsgut etc.) im Treppenhaus317 (ordentliche Kündigung); – Lagerung von Hausrat, Sperrmüll, Hausmüll und sonstigem Unrat im Treppenhaus (ordentliche Kündigung)318; – nicht: Aufstellen eines Schrankes im Treppenhaus, wenn der Vermieter nur pauschal auf eine Gefahr der Schimmelbildung und den Umstand verweist, dass hinter dem Schrank befindliche Fenster weder geöffnet noch gereinigt werden können319.

303 LG München I v. 27.1.2016 – 14 S 11701/15, ZMR 2016, 451. 304 AG Mitte v. 26.1.2017 – 21 C 55/16, GE 2017, 422. 305 BGH v. 2.2.2011 – VIII ZR 74/10, MietRB 2011, 102 = WuM 2011, 74 = MDR 2011, 347 = NZM 2011, 275; BayObLG v. 26.10.1990 – REMiet 1/90, MDR 1991, 253 = WuM 1991, 18; OLG Düsseldorf v. 5.9.2002 – 10 U 105/01, WuM 2002, 673. 306 LG Berlin v. 27.7.2016 – 67 S 154/16, MDR 2016, 1134 = ZMR 2016, 695 = MietRB 2016, 347 = IMR 2016, 462; AG Frankfurt v. 23.12.2015 – 33 C 2762/15 (51), WuM 2016, 209. 307 LG Arnsberg v. 9.8.2017 – 24 S 299/17, ZMR 2018, 317. 308 LG Frankfurt v. 9.10.1992 – 2/17 S 370/91, NJW-RR 1993, 143; LG Hannover v. 29.4.1993 – 16 S 270/92, ZMR 1993, 473. 309 BGH v. 4.12.2013 – VIII ZR 5/13, MietRB 2014, 33 = MDR 2014, 77 = WuM 2014, 27. 310 BGH v. 4.12.2013 – VIII ZR 5/13, MietRB 2014, 33 = MDR 2014, 77 = WuM 2014, 27. 311 LG Berlin v. 16.5.2017 – 67 S 119/17, WuM 2017, 409 = ZMR 2017, 732 = GE 2017, 781. 312 AG München v. 2.3.2016 – 424 C 10003/15, ZMR 2017, 67. 313 AG Berlin-Wedding v. 10.2.2015 – 11 C 271/14, GE 2015, 456. 314 LG Berlin v. 18.6.2018 – 65 S 39/18, ZMR 2018, 930. 315 LG Berlin v. 3.7.2018 – 67 S 20/18, MietRB 2018, 258 = ZMR 2018, 935 = GE 2018, 936 = DWW 2018, 302. 316 AG Hamburg v. 18.1.2017 – 49 C 15/17, juris. 317 LG Köln v. 2.12.2016 – 10 S 99/16, MietRB 2017, 182 = ZMR 2017, 250 = NZM 2017, 360. 318 LG Osnabrück v. 22.9.2017 – 1 S 226/17, juris. 319 LG Düsseldorf v. 23.8.2017 – 23 S 92/16, NZM 2017, 808.

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§ 543 Rz. 76a | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund 76a Geruchsbelästigungen

– Unzumutbare Geruchsbelästigungen – aus der Wohnung, die auch nach Schließen der täglich mehrfach geöffneten Wohnungstüre noch einige Zeit im Hausflur verbleiben320, – durch Zigarettenrauch, der sich im ganzen Gebäude verteilt321; – durch auffälligen Mangel an Körperhygiene der Wohnungsnutzer und das Unterlassen hinreichender Reinigungsarbeiten (§ 569 Abs. 2 BGB)322, – durch starken Gestank in der Wohnung323, der durch Pferdesalbe und mangelnde Hygiene vor allem im Sanitärbereich von einem 83-jährigen Mieter, der seit 50 Jahren in der Wohnung lebt, verursacht wird324, – durch Katzenhaltung325 – im Treppenhaus durch „Gastro-Imbiss“ des gewerblichen Mieters326, – im Treppenhaus infolge starken Rauchens des Mieters und mangelnder Körperhygiene, der auch in die Wohnungen anderer Mieter zieht327, wobei die Erheblichkeit der Beeinträchtigung besonders festgestellt werden muss und nicht auf eine Zeugenaussage gestützt werden kann, in der die Verhältnisse innerhalb der Wohnung beschrieben werden328; – maßgeblich ist, ob sich die anderen Mieter gestört fühlen und nicht nur Mitarbeiter der Hausverwaltung; abzustellen ist auf durchschnittlich empfindliche Mieter329. 77 Geschäftsgrundlage

– Störung der Geschäftsgrundlage durch dringenden Bedarf an dem vermieteten Grundstück zum Bau eines Kraftwerks330, – durch Versagung der Betriebserlaubnis, die nach (unwirksamer) Klausel im langfristigen Mietvertrag vom Mieter einzuholen war, und der Vermieter erfolglos alternative (zulässige) Nutzungszwecke angeboten hat331, – nicht aber die Unvereinbarkeit der vertragsgemäßen Nutzung mit Teilungserklärung332 oder Leerstand aller übrigen Räume des Gebäudes333, 78 Gewalt

– ist mit dem Erfordernis eines friedlichen Zusammenlebens im Hause nicht vereinbar334, – durch Zerschlagen von Mobiliar in der Wohnung mittels einer Eisenstange und Bedrohung eines Mitbewohners335, 320 LG Braunschweig v. 10.4.2007 – 6 S 313/06 (101), ZMR 2007, 536. 321 LG Düsseldorf v. 26.6.2014 – 21 S 240/13, MietRB 2014, 256 = ZMR 2014, 888 = GE 2014, 1062; AG Düsseldorf v. 31.7.2013 – 24 C 1355/13, zitiert nach juris. 322 AG Wetzlar v. 8.1.2013 – 38 C 1389/12 (38), GE 2013, 1007. 323 LG Hamburg v. 26.5.1987 – 16 S 307/85, WuM 1988, 18. 324 AG Bonn v. 2.10.2014 – 201 C 334/13, ZMR 2015, 38 = IMR 2014, 511 (zumindest fristgerechte Kündigung nach Abmahnung). 325 LG Berlin v. 30.9.1996 – 67 S 46/96, NJW-RR 1997, 395; AG Münster v. 8.3.2011 – 3 C 4334/10, WuM 2012, 372. 326 Brandenburgisches OLG v. 27.5.2009 – 3 U 85/08, zitiert nach juris. 327 LG Berlin v. 10.8.2017 – 65 S 362/16, GE 2017, 1470; LG Düsseldorf v. 28.9.2016 – 23 S 18/15, ZMR 2016, 873; LG Düsseldorf v. 26.6.2014 – 21 S 240/13, MietRB 2014, 256 = ZMR 2014, 888 = GE 2014, 1062; AG Wetzlar v. 8.1.2013 – 38 C 1389/12 (38), NZM 2014, 238. 328 BGH v. 18.2.2015 – VIII ZR 186/14, MDR 2015, 450 = MietRB 2015, 129 = WuM 2015, 289 = ZMR 2015, 376 = GE 2015, 509. 329 LG Berlin v. 24.6.2015 – 65 S 148/15, GE 2015, 1599. 330 BGH v. 13.12.1995 – XII ZR 185/93, ZMR 1996, 309. 331 KG v. 14.7.2014 – 8 U 140/13, MietRB 2014, 258 = MDR 2014, 952 = IMR 2014, 385. 332 BGH v. 29.11.1995 – XII ZR 230/94, MDR 1996, 355. 333 OLG Dresden v. 3.12.2002 – 5 U 1270/02, WuM 2003, 32. 334 LG Berlin v. 26.6.2008 – 67 S 337/07, GE 2008, 1052. 335 LG Hamburg v. 25.4.2014 – 311 O 27/14, ZMR 2014, 794.

792 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 80 § 543

– durch Bedrohung des Vermieters mit einem Messer336 oder einer Pistole337, auch Schusswaffengebrauch des Mieters gegen Nachbarn338, – durch Bedrohung mit körperlicher Gewalt in einem sozialen Netzwerk339, – Einschlagen der Wohnungstür eines Nachbarn aus Rache für dessen Zeugenaussage im Prozess mit dem Vermieter (fristlose Kündigung ohne Abmahnung)340; – gewaltsames Entreißen des Fotoapparates während des Besichtigungstermins und längeres Umklammern von hinten eines Mitarbeiters der Hausverwaltung, wodurch sich dieser bedroht fühlt341, – Verletzung eines Beauftragten des Vermieters durch Faustschläge342, – Tätlichkeiten gegen Hausverwalter343 oder Beauftragten des Vermieters344 oder seinen Vater345, – anlassloser tätlicher und gefährlicher Angriff des Ehegatten des Mieters auf einen Mitarbeiter des Vermieters (Hauswart)346, – Angriff auf Mitmieter (Tritte und Faustschläge) und Versuch, in dessen Wohnung einzudringen347, – Versuch des Mieters, im Haus eine Gasexplosion herbeizuführen348, – nicht Tätlichkeiten eines Besuchers gegen den Vermieter, wenn der Mieter selbst damit nicht rechnen konnte349, – nicht bei leichter Rangelei mit Hausmeister350 oder Tätlichkeiten gegen Mieter des Hauses351 oder eines anderen Hauses352. – s. auch Drohung 79 Grillen – Hausordnungswidriges Grillen und Frittieren auf dem Balkon trotz Abmahnung353, – im normalen Umfang und bei normaler Bauweise ist dem Mieter durchaus gestattet, gelegentlich auf dem Balkon zu grillen354; – s. auch § 541 BGB Rz. 142 „Grillen“ und § 569 Abs. 2 BGB.

Hausfriedensbruch. Durch nächtliches Eindringen des Mieters in bewohnte Wohnung im Haus 80 durch offen stehendes Fenster355 oder Eintreten der Wohnungstür356.

336 337 338 339 340 341 342 343 344 345 346 347 348 349 350 351 352 353 354 355 356

AG Plau am See v. 5.10.1995 – 2 C 95/95, DWW 1996, 342. AG Warendorf v. 27.6.1995 – 10 C 75/95, WuM 1996, 412. LG Berlin v. 23.7.1992 – 67 S 132/92, GE 1993, 207. AG Düsseldorf v. 11.7.2019 – 27 C 346/18, GE 2019, 1313. LG Berlin v. 12.5.2015 – 67 S 110/16, GE 2016, 868. LG Berlin v. 5.5.2008 – 67 S 160/07, GE 2008, 871. LG Berlin v. 26.6.2008 – 67 S 337/07, GE 2008, 1052. LG Köln v. 1.2.1980 – 12 S 316/79, WuM 1981, 233. LG Berlin v. 3.9.2001 – 67 S 210/00, GE 2001, 1673. LG Kleve v. 9.8.2012 – 6 S 37/11, zitiert nach juris. LG Karlsruhe v. 30.7.2013 – 9 S 57/13, GE 2014, 465 (ohne Abmahnung). AG Münster v. 28.8.2006 – 48 C 1739/06, WuM 2007, 19. AG Helmstedt v. 14.1.1988 – 3 C 908/87, WuM 1989, 569. AG Berlin-Neukölln v. 17.10.2012 – 5 C 84/12, GE 2013, 750. AG Köln v. 7.7.2004 – 211 C 78/04, WuM 2005, 249. LG Karlsruhe v. 20.5.2014 – 9 S 30/14, MietRB 2014, 318 = IMR 2014, 285 (einmalige Ohrfeige); kritisch dazu Schulze Steinen, IMR 2014, 285. LG Paderborn v. 5.12.1991 – 5 S 237/91, WuM 1992, 191. LG Essen v. 7.2.2002 – 10 S 438/01, ZMR 2002, 597. AG Berlin-Mitte v. 7.1.2010 – 25 C 159/09, GE 2010, 417 m. Anm. Bieber, GE 2010, 379. AG Frankfurt v. 30.11.1999 – 33 C 2982/99-67, NZM 2000, 961. LG Berlin v. 21.10.1983 – 64/63a S 147/83, GE 1984, 83.

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§ 543 Rz. 81 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund 81 Hausfriedensstörung

– der Hausfrieden begründet die gemäß § 241 Abs. 2 BGB aus dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme folgenden Pflicht, sich bei der Nutzung der Mietsache so zu verhalten, dass die anderen Bewohner des Hauses nicht mehr als unvermeidbar belästigt werden357, – durch eigenmächtige Abschaltung des Heizungsstroms eines Hausnachbarn bei sehr kaltem Wetter358, – Belästigung von Mitmietern durch nächtliche Beleuchtung der Hausfassade durch Scheinwerfer mit Bewegungsmelder359, – Lagerung sperrigen Gerümpels (Matratzen, Einkaufswagen, Müll) in großem Umfang auf Gemeinschaftsflächen innerhalb und außerhalb des Hauses durch psychisch kranken Mieter nach Abmahnung360, – Provokation mehrfacher Polizeieinsätze durch lautstarke handgreifliche Auseinandersetzungen zwischen den Mietern einer Wohnung361, – wiederholte schwere Belästigungen und grundlose Verursachung von Polizeieinsätzen durch paranoide (schuldunfähige) Mieterin362, – trotz Abmahnung wiederholte (Todes-)Bedrohung anderer Mieter durch Mieter, der an paranoidhalluzinatorischer Schizophrenie leidet363, – trotz Abmahnung seit Jahren Störungen durch Weinen, Schreien, Herumpoltern eines psychisch erkrankten Mieters zu allen Tageszeiten, insbesondere nachts, seit Jahren nachhaltig, so dass andere Hausbewohner verängstigt werden364, – Störungen durch einen alkoholkranken Mieter in einem Mehrfamilienhaus, die sich nicht in vereinzelten Ruhestörungen erschöpfen, sondern deutlich über das hinausgehen, was in einem Mehrfamilienhaus hinzunehmen ist (hier: Belästigungen und Bedrohungen von anderen Mietern). Dem alkoholkranken Mieter sind diese Störungen insbesondere vorwerfbar, wenn er sich zuvor einer medizinischen Behandlung seiner ihm bewussten Alkoholkrankheit entzogen hat, dann ist mindestens eine (hilfsweise ausgesprochene) ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wirksam365, – teilweise nur im Minimalbereich liegende häufige und intensiver Störungen der Nachtruhe durch laute Musik und Geräusche eines psychisch gestörten Mieters366, – Schreien in der eigenen Wohnung von Beschimpfungen und Obszönitäten, wenn der Mieter wegen der Hellhörigkeit des Hauses wissen muss, dass seine Schreie in den Nachbarwohnungen gehört werden können367; – wiederholte Störung der Nachtruhe durch Lärm und laute Musik, Verschmutzung der Terrasse eines Mitmieters mit Müll, Beleidigung von Mitmietern368, – Offenstehenlassen der Hauseingangstür, Brennenlassen der Kellerbeleuchtung, Tyrannisieren der Mitbewohner durch Lärm, Verschließen der Feuerschutztür, Beschimpfen und Beleidigen der Nachbarn sowie Diebstahl eines Teppichs der Nachbarin369. Keine Unzumutbarkeit wurde angenommen: – Bei Störungen des Hausfriedens durch krankheitsbedingt schuldunfähigen Mieter, wenn die bisherige Mietzeit (15 Jahre) störungsfrei verlief, der Mieter die Erkrankung nicht durch eigenes Verhal-

357 358 359 360 361 362 363 364 365 366 367 368 369

AG Schöneberg v. 20.5.2019 – 5 C 318/18, GE 2019, 969. LG Münster v. 6.9.2001 – 8 S 265/01, WuM 2002, 52. Lützenkirchen/Eisenhardt, AHB Mietrecht, J Rz. 286 (Hausfriedensstörung). LG Frankfurt v. 10.10.2005 – 2/11 S 42/05, PE 2007, 133. LG Hamburg v. 3.11.2005 – 307 S 124/05, WuM 2005, 768. LG Berlin v. 11.6.2001 – 62 S 570/00, NZM 2002, 733. AG Wedding v. 25.6.2013 – 7 C 148/12, ZMR 2014, 378 = IMR 2013, 503. LG Frankfurt v. 26.4.2018 – 2-11 S 192/17, NZM 2018, 904 = IMR 2018, 323 (Geue). AG Berlin-Pankow-Weißensee v. 22.10.2009 – 102 C 213/09, WuM 2010, 755. AG Spandau v. 7.3.2014 – 3 C 122/13, GE 2014, 525. AG Würzburg v. 15.7.2015 – 13 C 3394/14, ZMR 2017, 70. LG Köln v. 15.4.2016 – 10 S 139/15, ZMR 2016, 705. AG München v. 14.9.2017 – 418 C 6420/17, ZMR 2018, 603 (ohne Abmahnung).

794 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 84a § 543

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ten herbeigeführt hat und die Notwendigkeit einer Behandlung einsieht, und wenn zu erwarten ist, dass er sich dementsprechend verhalten wird370, wobei es je nach Schwere der krankheitsbedingt schuldlosen Pflichtverletzung darauf ankommt371, ob sie nicht doch die ordentliche oder außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grunde rechtfertigt, bei Störungen durch Wohnverhalten und persönliches Befinden eines hochbetagten und langjährigen Mieters372, trotz erheblicher Störungen nach Abmahnung, wenn bei psychisch krankem Mieter im Falle der Räumung ernsthafte Suizidgefahr besteht373, bei Belästigungen durch altersbedingt geistig verwirrten Mieter, wenn sie als hinnehmbar angesehen werden müssen374, bei Beleidigungen von Bewohnern benachbarter Häuser375, bei Beeinträchtigungen durch vertragsgemäße Nutzung der Mieträume als Swinger-Club376, grundsätzlich ist eine erfolglose Abmahnung des Mieters erforderlich377; s. auch § 569 Abs. 2 und § 541 BGB.

Hausordnung 82 – Beharrliche Verweigerung der zur ordnungsgemäßen Durchführung des Mietvertrages erforderlichen Zusammenarbeit mit dem Hausverwalter378, – nachhaltige Verletzung der Hausordnung trotz mehrfacher Abmahnung (Grillen auf dem Balkon und Gestattung des Parkens Dritter im Hof379), – Entfernen der Wäschepfähle und Wäscheleinen vom Wäschetrockenplatz380, – nicht aber das Unterlassen des Abschließens der Hauseingangstüre zu den in der Hausordnung angegebenen Zeiten381. Hausverbot 83 – Nicht der Empfang von Besuchern, denen der Vermieter ohne hinreichenden Grund Hausverbot erteilt hat382, ein sachlicher Grund ist aber gegeben, wenn der Dritte (Besucher) wiederholt und nicht unerheblich den Hausfrieden stört383, – ein Hausverbot gegen den störenden Mieter ist kein geeignetes Mittel, um eine Fortsetzung des Mietverhältnisses mit dem nicht störenden Mieter zumutbar zu machen384. Instandsetzung. Erhebliche Substanzgefährdung der vermieteten Räume durch Verzug des Mieters 84 mit vertraglichen Instandsetzungspflichten385. Investitionen. Zur Absicherung des Vermieterpfandrechts versprochene Anschaffungen von Inventar 84a bei gleichzeitigem Vermögensverfall386. 370 371 372 373 374 375 376 377 378 379 380 381 382 383 384 385 386

LG Frankfurt v. 17.1.2006 – 2/17 S 1/05, PE 2007, 415. AG Düren v. 22.9.2010 – 47 C 117/10, WuM 2010, 627. LG Siegen v. 10.1.2006 – 1 S 117/05, WuM 2006, 158. BGH v. 8.12.2004 – VIII ZR 218/03, ZMR 2005, 183 = WuM 2005, 125 = NZM 2005, 300. OLG Karlsruhe v. 14.12.1999 – 3 U 20/99, MDR 2000, 578; LG München I v. 20.3.2002 – 14 S 17178/01, NZM 2002, 697. AG Brandenburg v. 6.6.2014 – 35 C 92/13, WuM 2015, 741. KG v. 1.9.2003 – 12 U 20/03, MietRB 2004, 40 = ZMR 2004, 261. AG Wedding v. 29.9.2010 – 3 C 22/10, GE 2010, 1545. LG Göttingen v. 15.11.1989 – 5 S 60/89, WuM 1990, 18. LG Essen v. 7.2.2002 – 10 S 438/01, ZMR 2002, 597. LG Göttingen v. 15.11.1989 – 5 S 60/89, WuM 1990, 18. LG Trier v. 25.8.1992 – 1 S 77/92, WuM 1993, 192. AG München v. 16.9.2013 – 424 C 14519/13, ZMR 2015, 140; AG Köln v. 22.9.2004 – 209 C 108/04, WuM 2004, 673. AG München v. 16.9.2013 – 424 C 14519/13, ZMR 2015, 140. A.A. AG Hamburg v. 27.9.2002 – 47 C 145/02, ZMR 2003, 581 = WE 2004, 17. LG Düsseldorf v. 14.10.1997 – 24 S 273/97, WuM 1999, 333. KG v. 12.9.2013 – 8 U 4/13, MDR 2014, 21 = MietRB 2014, 40.

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§ 543 Rz. 85 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund 85 Kaution

– Hinsichtlich der Nichtleistung der Kaution gibt § 569 Abs. 2a BGB für die Wohnraummiete vor, unter welchen besonderen Voraussetzungen ein wichtiger Grund angenommen werden kann, sofern der Mietvertrag nach dem 30.4.2013 geschlossen wurde. Daneben kommt aber auch die Anwendung des § 543 Abs. 1 BGB in Betracht, wenn die Voraussetzungen des § 569 Abs. 2a BGB (noch) nicht vorliegen. Denn als bloßes Regelbeispiel kommt § 569a BGB kein Ausschließlichkeitscharakter zu. Ein wichtiger Grund kann auch nicht deshalb verneint werden, weil dem Vermieter mildere Sanktionen bei Nichtzahlung der Kaution offenstehen. Zwar kann der Vermieter bei einer vereinbarten Barkaution den Zahlungsanspruch als milderes Mittel einklagen. Regelmäßig bietet ihm dazu das Urkundenverfahren eine erleichterte Möglichkeit. Wegen des Sicherungsinteresses kann der Vermieter aber nicht darauf verwiesen werden, seinen Leistungsanspruch zunächst einzuklagen. Im Übrigen ist grundsätzlich davon auszugehen, dass nach einer Abmahnung in solchen Fällen ein Recht zur fristlosen Kündigung des Vermieters besteht387, was in der Gewerberaummiete schon wegen des Vertrauensverlustes, der mit der fehlenden Sicherstellung des Vermieters verbunden ist, unzweifelhaft ist388. In der Wohnraummiete ist außerhalb des Anwendungsbereiches des § 569 Abs. 2a BGB streitig, ob der wichtige Grund schon bei Fehlen einer Kautionsrate389 oder in Anlehnung an § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB erst dann vorliegen kann, wenn ein Rückstand von mehr als einer Monatsmiete gegeben ist390. Richtigerweise sind die Umstände des Einzelfalls zu bewerten. Zwar müssen keine zusätzlichen Pflichtverletzungen festgestellt werden, sondern reicht grundsätzlich auch die Nichtzahlung der ersten Rate391. Indessen macht es qualitativ bei der Abwägung im Rahmen des § 543 Abs. 1 BGB einen Unterschied, ob der Mieter die Kaution nicht zahlt, weil er ein vermeintliches Zurückbehaltungsrecht reklamiert oder er den Vermieter einfach nur nicht absichert. Ausreichend ist auch bei Wohnraummiete die hartnäckige Weigerung, die Kaution zu erbringen392, wobei schon die Erklärung eines von mehreren Mietern bei Vertragsbeginn, er könne die vereinbarte Kaution nicht zahlen, ausreichen kann393. Sieht der Mietvertrag vor, dass eine Nachfrist von vierzehn Tagen zu setzen ist, ist eine Kündigung unwirksam, die der Vermieter nach Setzung einer kürzeren Frist erklärt394. Ein wichtiger Grund ist i.d.R. gegeben, wenn der Mieter eine Rate der Kaution rückständig ist oder bleibt und sich ein weiterer Zahlungsrückstand ergibt, der mehr als eine Monatsmiete ausmacht, aber zwei Monatsmieten noch nicht erreicht. Dies gilt erst recht, wenn im Übrigen die Mietzahlungen unpünktlich erfolgen. In der Gewerberaummiete begründet die Nichtzahlung der Kaution nach Abmahnung einen wichtigen Grund395, jedenfalls wenn dadurch das Sicherungsbedürfnis des Vermieters erheblich tangiert ist396, z.B. bei unberechtigten Abzügen von der Miete397 oder bei auch ansonsten unzuverlässigem Zahlungsverhalten des Mieters398; dies gilt auch, wenn der Zustand der Mietsache bei Überlassung nicht vertragsgemäß ist; Vermieter muss Kaution nicht einklagen399; Kündigung schon möglich, wenn einer von mehreren Mietern bei Vertragsbeginn erklärt, er könne die vereinbarte Kaution nicht zahlen400; 387 LG Berlin v. 17.10.2011 – 67 S 58/11, GE 2011, 1684; LG Berlin v. 24.8.2000 – 61 T 23/00, GE 2000, 1475; vgl. mit zahlreichen Nachweisen Horst, DWW 2012, 162 (164); a.A. Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 184; Palandt/Weidenkaff, § 551 BGB Rz. 5. 388 BGH v. 21.3.2007 – XII ZR 36/05, MietRB 2007, 168 = MDR 2007, 1009 = ZMR 2007, 525 = GE 2007, 711 = NZM 2007, 400; OLG Koblenz v. 3.6.2011 – 2-793/10, MietRB 2011, 376 = MDR 2011, 1162 = GuT 2011, 391; OLG Düsseldorf v. 25.3.2010 – 10 U 136/09, MietRB 2011, 14 = ZMR 2011, 284. 389 LG Berlin v. 17.10.2011 – 67 S 58/11, GE 2011, 1684; LG München I v. 8.12.1999 – 14 S 12619/99, WuM 2001, 359; LG Kassel v. 6.8.1987 – 1 S 192/87, NJW-RR 1997, 1495. 390 Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 184; Hinz, ZMR 2012, 153 (161). 391 Horst, DWW 2012, 162 (165). 392 LG Berlin v. 24.8.2000 – 61 T 23/00, GE 2000, 1475. 393 OLG Düsseldorf v. 12.1.1995 – 10 U 36/94, WuM 1995, 438. 394 OLG Nürnberg v. 10.2.2010 – 12 U 1306/09, ZMR 2010, 524. 395 BGH v. 21.3.2007 – XII ZR 36/05, MietRB 2007, 168 = MDR 2007, 1009 = NJW-RR 2007, 886; OLG München v. 17.4.2000 – 3 W 1332/00, MDR 2000, 1006 = GE 2000, 749; OLG Celle, ZMR 2002, 505 = NZM 2003, 64. 396 OLG Celle v. 23.4.1997 – 2 U 118/96, ZMR 1998, 272 = NZM 2003, 64. 397 BGH v. 21.3.2007 – XII ZR 36/05, MietRB 2007, 168 = MDR 2007, 1009 = NJW-RR 2007, 886. 398 OLG Düsseldorf v. 12.1.1995 – 10 U 36/94, WuM 1995, 438 = NJW-RR 1995, 1100. 399 OLG Düsseldorf v. 21.2.2017 – 10 U 87/16, MietRB 2017, 134. 400 KG v. 19.4.1999 – 8 U 4279/97, GE 1999, 715.

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B. Wohnraummiete | Rz. 89 § 543

– ein wichtiger Grund kommt auch in Betracht, wenn der Mieter bei einer anderen Anlage i.S.v. § 551 Abs. 3 S. 2 BGB seine Nachschusspflicht gem. § 240 BGB verletzt (§ 551 BGB Rz. 288 ff.) oder nach einer zulässigen Inanspruchnahme der Kaution durch den Vermieter im laufenden Mietvertrag der Wiederauffüllungsanspruch nicht bedient wird; – nicht, wenn der Vermieter selbst nicht vertragstreu ist und z.B. trotz mehrfacher Fristsetzungen eine Mietsache anbietet, die sich nicht im vertragsgemäßen Zustand befindet401, – nicht, wenn seit der Fälligkeit des Kautionsanspruchs zehn Monate vergangen sind402, was sich auch aus der Anwendung des § 314 Abs. 3 BGB ergeben kann403, – nicht, wenn der Kautionsanspruch verjährt ist404. Körperverletzung. 86 – Schlagen von Kindern anderer Mieter405; – krankenhausreifes Verprügeln eines Mitbewohners in der Wohnung durch einen unter Betreuung stehenden Mieter406; s. auch Gewalt. Kündigung. Eine unberechtigte fristlose Kündigung407.

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88 Lagern – von Gerümpel und Müll in einer Weise oder einem Umfang, dass andere Mieter (z.B. durch Gerüche) belästigt werden oder die Bausubstanz konkret gefährdet wird (z.B. durch das Gewicht der abgestellten Sachen)408, – von Waffen und Munition in der Wohnung im Zusammenhang mit weiteren, das Sicherheitsgefühl der übrigen Mieter beeinträchtigenden Umständen (Schusswaffengebrauch in der Nähe der Wohnung, SEK-Einsatz gegen den Mieter)409, bloße Lagerung stört den Hausfrieden410, – nicht das Abstellen von Gegenständen auf einem nur dem Mieter zugänglichen Laubengang bis zur maximalen Höhe der Brüstung411, – von leicht entzündbarer oder explosiver Flüssigkeit im Keller412, – nicht die Lagerung feuergefährlicher Stoffe (25 kg Munition und 2 l Petroleum) in Räumen zum Betrieb eines Dentallabors, wenn keine Gefährdung der Mieträume ersichtlich ist413. 89 Lärm – durch Türenknallen und Schreien aus Nachbarwohnung414, – anhaltender Lärm – bisweilen mehrfach am Tag mehr als zwei Stunden – auch nach 22 Uhr415, – quietschender Lärm und Lärm durch Fallenlassen und Schieben von Gegenständen während der nächtlichen Ruhezeiten416, 401 BGH v. 21.3.2007 – XII ZR 255/04, MietRB 2007, 169 = ZMR 2007, 444 = MDR 2007, 1126 = NZM 2007, 401; OLG München v. 17.4.2000 – 3 W 1332/00, MDR 2000, 1006; OLG Celle v. 23.4.1997 – 2 U 118/96, ZMR 1998, 272. 402 OLG Koblenz v. 3.6.2011 – 2793/10, MietRB 2011, 376 = MDR 2011, 1162 = GuT 2011, 391. 403 Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 183. 404 LG Wiesbaden v. 22.8.2013 – 3 S 71/13, WuM 2013, 668. 405 AG Saarburg v. 21.12.2007 – 5 C 372/07, zitiert nach juris. 406 AG München v. 18.11.2014 – 425 C 16113/14, ZMR 2016, 552. 407 OLG Düsseldorf v. 8.2.2001 – 10 U 202/99, OLGR 2001, 239 = NZM 2002, 292. 408 AG Rheine v. 2.7.1986 – 3 C 73/86, WuM 1987, 153; AG Dortmund v. 6.3.1989 – 109 C 570/88, DWW 1990, 179. 409 LG Berlin v. 26.2.2018 – 65 S 6/18, GE 2018, 934. 410 LG Berlin v. 25.6.2018 – 65 S 54/18, IMR 2018, 507 (Agatsy). 411 LG Berlin v. 9.5.2008 – 63 S 376/07, MM 2009, 74. 412 Kinne in Kinne/Schach/Bieber, § 543 BGB Rz. 45. 413 OLG Stuttgart v. 15.9.2005 – 13 U 63/05, ZMR 2005, 953. 414 AG Pinneberg v. 21.3.2005 – 64 C 144/04, WE 2005, 209. 415 LG Frankfurt v. 1.4.2003 – 2/11 S 230/02, PE 2006, 175. 416 AG München v. 3.2.2014 – 417 C 17705/13, ZMR 2015, 458 = IMR 2014, 510.

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§ 543 Rz. 89 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund – auch Kinderlärm, der das Maß der Sozialadäquanz überschreitet, was insbesondere bei vermeidbaren Störungen der Fall ist417, – Lärm sowohl tagsüber als auch in den Abend- und Nachtstunden von unter Betreuung stehendem Mieter durch lautstarke und körperliche Auseinandersetzungen mit Besuchern, die sich auch außerhalb der Wohnung abspielen, und Polizeieinsätze im Abstand von zwei Tagen sowie Klingeln bei den Nachbarn418, – aus einer nicht gewöhnlichen Wohnnutzung resultierende Geräuschimmissionen, die vorsätzlich, vermutlich in disziplinierender Absicht gegenüber anderen Hausbewohnern verursacht werden419, – Lärmstörungen durch unerlaubt gehaltenen Hund420, – wiederholte lautstarke Trinkgelage421, – nicht aber laute Musik in den Abendstunden zweimal in fünf Monaten422, – nicht normaler Kinderlärm423, insbesondere bei öffentlich geförderten, familientauglichen Wohnungen424, auch wenn er als solcher nicht (mehr) sozialadäquat ist, aber regelmäßig innerhalb der Ruhezeiten stattfindet425, – nicht Geschrei und gelegentliches Trampeln von Kleinkindern426, – nicht provozierter Lärm427, – nicht durch altersgerechtes kindliches Verhalten ausgelöste Störungen428; – auch → Nachtruhe. 90 Lüften. Mangelnde Lüftung der Mieträume, so dass Schimmelpilzbildung entsteht, sofern die Entste-

hung dieses Mangels nicht aus dem Risikobereich des Vermieters herrührt (vgl. § 536 BGB Rz. 121); nicht ausreichendes Lüften trotz starken Rauchens429; 91 Messie-Syndrom s. Vermüllung und § 569 Abs. 2 BGB. 92 Mieterhöhung

– Grundlose Ablehnung einer nach § 558 BGB geschuldeten Zustimmung430, – schuldhafte Weigerung, an einer vertraglich vorgesehenen Mietanpassung mitzuwirken431, – bei Nichtzahlung nach Verurteilung ist § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB zu beachten. 93 Mietzahlungen

– Unpünktliche Mietzahlungen nach einer oder mehreren Abmahnungen432, 417 BGH v. 29.4.2015 – VIII ZR 197/14, MDR 2015, 819 = MietRB 2015, 225 = WuM 2015, 478 = ZMR 2015, 697 = GE 2015, 849; LG Frankfurt v. 24.9.2018 – 2-11 S 155/18, IMR 2018, 457 (Freudenreich). 418 AG Tempelhof-Kreuzberg v. 12.9.2014 – 25 C 219/13, GE 2015, 257 = WuM 2016, 27. 419 AG München v. 18.1.2019 – 417 C 12146/18, ZMR 2019, 878. 420 AG Frankfurt v. 18.8.1976 – 33 C 4380/75, WuM 1978, 127. 421 LG Köln v. 10.6.1992 – 10 S 121/92, KM 12 Nr. 8. 422 LG Bonn v. 3.11.1994 – 6 S 251/94, WuM 1998, 439. 423 LG Lübeck v. 31.1.1984 – 6 S 354/83, WuM 1989, 627. 424 LG Berlin v. 5.9.2016 – 67 S 41/16, GE 2016, 1388. 425 LG Hannover v. 4.3.2015 – 19 S 88/14, IMR 2015, 273. 426 AG Frankfurt v. 9.9.2005 – 33 C 3943/04, WuM 2005, 764. 427 AG Hamburg v. 15.7.2016 – 46 C 144/16, ZMR 2016, 883. 428 LG Halle v. 11.1.2002 – 1 S 192/01, NZM 2003, 310 m.w.N. 429 LG Düsseldorf v. 26.6.2014 – 21 S 240/13, MietRB 2014, 256 = ZMR 2014, 888 = GE 2014, 1062; AG Düsseldorf v. 31.7.2013 – 24 C 1355/13, ZMR 2014, 372. 430 Blank, WuM 2007, 655. 431 LG Heilbronn v. 1.6.2001 – 6 O 2489/00, ZMR 2001, 803. 432 BGH v. 1.6.2011 – VIII ZR 191/10, MietRB 2011, 241 = MDR 2011, 840 = WuM 2011, 418 = ZMR 2011, 708; BGH v. 21.10.2009 – VIII ZR 64/09, MDR 2010, 75 = MietRB 2010, 1 = WuM 2009, 736; BGH v. 4.2.2009 – VIII ZR 66/08, MDR 2009, 558 = WuM 2009, 228; BGH v. 28.11.2007 – VIII ZR 145/07, MietRB 2008, 100 = MDR 2008, 258 = WuM 2008, 31; BGH v. 19.1.2007 – V ZR 26/06, MietRB 2007, 143 = MDR 2007, 799 = WuM 2007, 155; BGH v. 11.1.2006 – VIII ZR 364/04, MietRB 2006, 211 = MDR 2006, 864 = WuM 2006,

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B. Wohnraummiete | Rz. 93 § 543

– in Ausnahmefällen kann schon die einmalige unpünktliche Zahlung nach Abmahnung genügen433, i.d.R. muss aber vor und nach der Abmahnung eine nachhaltige Unpünktlichkeit vorliegen434; das kann grundsätzlich bei sechs unpünktlichen Zahlungen innerhalb von zwölf Monaten angenommen werden435; nicht aber bei drei vor und zwei Monaten nach der Abmahnung und geringer zeitlicher Verzögerung in einem langjährigen Mietverhältnis436; maßgeblich ist insoweit, ob das Vertrauen des Vermieters in die (zukünftige) pünktliche Zahlung bis zur Kündigung wiederhergestellt ist437, also die weitere unpünktliche Zahlung keine wesentliche Störung der Vertrauensgrundlage bildet und der Vermieter nicht unbedingt auf die pünktliche Zahlung zur Bedienung seiner eigenen Verbindlichkeiten angewiesen ist, – selbst wenn nach der letzten von vielen Abmahnungen zunächst pünktlich gezahlt wird438, – wobei grundsätzlich unbeachtlich ist, dass der Vermieter die unpünktlichen Zahlungen einige Zeit unbeanstandet gelassen hat439, was allerdings auch zu einer Veränderung der Fälligkeitsregelung führen kann, wenn zuvor diverse Abmahnungen erfolgt sind440, – so dass aus der jahrelangen widerspruchslosen Hinnahme unpünktlicher Zahlungen nicht hergeleitet werden können darf, dass dem Vermieter die Fortsetzung des Mietvertrages nach wiederholten unpünktlichen Zahlungen trotz Abmahnung zugemutet werden kann441, – obwohl der Mieter auf Leistungen des Job-Centers angewiesen ist und dieses die Rückstände bisher nicht übernommen hat, denn auch eine unverschuldete Zahlungsunfähigkeit befreit nicht von der Leistungspflicht442; insoweit ergeben sich bei Krankheit keine Unterschiede443; – selbst wenn die unpünktlichen Zahlungen durch das Job-Center mangels Eigenschaft als Erfüllungsgehilfe verschuldensmäßig nicht zurechenbar sind, können die Umstände des Einzelfalles (Anzahl der Verspätung; Dauer der Verspätung; Anzahl der Abmahnungen, pünktliche Beantragung der Transferleistungen, Bedürfnis des Vermieters an pünktlicher Zahlung [Lebensunterhalt, Kreditverbindlichkeiten], störungsfreier Verlauf des Mietverhältnisses, vorangegangene Kündigungen, andere Pflichtverletzungen) eine Kündigung begründen444, – vormals aufgelaufene Mietrückstände, die zwar Gegenstand einer außerordentlichen Kündigung waren, aber durch eine Schonfristzahlung unbeachtlich wurden, sollen im Rahmen der Abwägung nicht berücksichtigt werden dürfen445; – der Mieter kommt jedenfalls auch dann in Verzug, wenn er nicht alles getan hat, um die pünktlichen Zahlungen durch die ARGE zu gewährleisten446;

433 434 435 436 437 438 439 440 441 442 443 444 445 446

193; BGH v. 23.9.1987 – VIII ZR 265/86, MDR 1988, 225 = NJW-RR 1988, 77; OLG Düsseldorf v. 8.7.2008 – 24 U 177/07, MietRB 2009, 33 = MDR 2008, 1386 = ZMR 2009, 196; OLG Hamm v. 3.12.1991 – 7 U 145/91, NJW-RR 1993, 1163; vgl. auch OLG Rostock v. 7.10.2001 – 3 U 90/02, OLGR 2003, 30; OLG Karlsruhe v. 10.12.2002 – 17 U 97/02, NJW-RR 2003, 945. BGH v. 11.1.2006 – VIII ZR 364/04, MietRB 2006, 211 = MDR 2006, 864 = WuM 2006, 193 = NZM 2006, 338; LG Berlin v. 22.10.2010 – 63 S 690/09, GE 2010, 1623; a.A. AG Tempelhof-Kreuzberg v. 14.2.2013 – 8 C 192/12, WuM 2013, 304. LG Berlin v. 28.1.2014 – 29 O 323/13, ZMR 2014, 539. LG Würzburg v. 10.7.2013 – 42 S 406/13, WuM 2014, 548. LG Berlin v. 29.11.2016 – 67 S 329/16, WuM 2017, 26 = NZM 2018, 36. LG Berlin v. 31.10.2010 – 65 S 505/09, GE 2010, 1341. LG Berlin v. 25.10.2011 – 65 S 409/10, GE 2011, 1621. BGH v. 14.9.2011 – VIII ZR 301/10, GE 2012, 57. LG Berlin v. 22.1.2014 – 65 S 213/13, GE 2014, 323. BGH v. 4.5.2011 – VIII ZR 191/10, MietRB 2011, 241 = MDR 2011, 840 = WuM 2011, 418 = ZMR 2011, 708. LG Berlin v. 9.2.2010 – 67 T 18/10, GE 2010, 487. A.A. LG Berlin v. 16.9.2014 – 63 S 322/13, GE 2014, 1652. BGH v. 29.6.2016 – VIII ZR 173/15, MietRB 2016, 309 = MDR 2016, 1080 = WuM 2016, 491 = ZMR 2016, 683. LG Stuttgart v. 7.2.2017 – 5 S 291/16, WuM 2017, 153. LG Bonn v. 9.7.2010 – 6 T 144/10, ZMR 2011, 551.

Lützenkirchen | 799

§ 543 Rz. 93 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund – soweit die Fälligkeitstermine zwar jeweils nur um einige Tage überschritten wurden, dies aber im Laufe des Jahres für neun Monate festzustellen war447, – wobei der nachträgliche Ausgleich bestehender Rückstände die Kündigung nicht heilt448, – Änderung des pflichtwidrigen Zahlungsverhaltens nach Zugang der Kündigung lässt Wirksamkeit der Kündigung unberührt449, – nicht, wenn nur pauschal vorgetragen wird, der Mieter zahle die Miete nicht am dritten Werktag, sondern regelmäßig erst am Achten bis Zehnten eines Monats, ohne dass die Zahlungstermine konkret angegeben werden450, – zu geringere Mietzahlungen stehen der unpünktlichen Leistung gleich,451 94

– bezieht der Mieter neben Arbeitslosengeld nach § 117 SGB III lediglich Krankengeld und lebt in engen finanziellen Verhältnissen, ist er gehalten, sich ggf. bereits im Vorfeld der Zahlungen der Betriebskrankenkasse, spätestens jedoch, nachdem diese das Krankengeld erstmals erst im Nachhinein erbracht hatte, und erst recht, nachdem er erstmals abgemahnt wurde, wegen eines Dispenses von der pünktlichen Mietzahlung an den Vermieter zu wenden und sich zudem mit der Betriebskrankenkasse in Verbindung zu setzen, um auf eine Beschleunigung der Bearbeitung und Auszahlung des Krankengeldes hinzuwirken452, – nicht bei Fehlen einer Miete und Verrechnung späterer Zahlungen durch den Vermieter jeweils auf den Vormonat (keine „ständig unpünktliche Mietzahlung“)453, – nicht bei langjährigem Mietvertrag454, – nicht, bei insgesamt drei verspäteten Zahlungen, wovon zwei Mieten nur um einen Tag und die Dritte um drei Tage verspätet eingegangen sind455, – nicht bei Nichtzahlung titulierter Mieterhöhung, wenn der Vermieter die Mietrückstände mehrfach mit Guthaben aus Nebenkostenabrechnungen verrechnet hat456, – nicht bei Zahlung unter dem Vorbehalt der Rückforderung über einen Zeitraum von zwei Jahren457.

95 Möblierung. Die Auslagerung der mitvermieteten Möblierung während der Mietzeit reicht nicht

aus458. 96 Modernisierung. Hat der Mieter eine Modernisierung verhindert, muss der Vermieter konkret darle-

gen, welche Maßnahmen durchgeführt werden sollten, weil eine Vertragsverletzung nur angenommen werden kann, wenn der Mieter duldungspflichtig war459; die Verweigerung der Duldung von Modernsierungen bei gleichzeitigem Gewähren des Zutritts für Instandsetzungen rechtfertigt keine erhebliche Pflichtverletzung460.

447 LG Hagen v. 7.5.2010 – 1 S 13/10, zitiert nach juris; a.A. LG Würzburg v. 10.7.2013 – 42 S 406/13, WuM 2014, 548; neben der nachhaltigen unpünktlichen Zahlweise (mindesten 6 Monate = 6 Tage) sollen noch mindestens 13 Tage (insgesamt) an Verspätung erforderlich sein und dem Vermieter einen gravierenden Nachteil entsteht: AG Würzburg v. 4.6.2014 – 13 C 900/14, WuM 2014, 548. 448 OLG Düsseldorf v. 8.7.2008 – I-24 U 177/07, ZMR 2009, 196. 449 LG Düsseldorf v. 29.6.2016 – 23 S 100/15, juris; BGH v. 23.9.1987 – VIII ZR 265/86, MDR 1988, 225 = WuM 1988, 125 = ZMR 1988, 16. 450 OLG Köln v. 19.5.2017 – 1 U 25/16, MietRB 2017, 319, juris. 451 AG Karlsruhe v. 4.4.2014 – 4 C 41/14, IMR 2014, 288; vgl. auch BGH v. 29.6.2016 – VIII ZR 173/15, MietRB 2016, 309 = MDR 2016, 1080 = ZMR 2016, 683. 452 LG Frankfurt v. 15.7.2010 – 2/11 S 342/09, NZM 2011, 152. 453 AG Hamburg-Bergedorf v. 1.4.2010 – 509 C 336/09, ZMR 2010, 696. 454 LG Berlin v. 13.9.2018 – 67 T 137/18, ZMR 2019, 26. 455 LG Berlin v. 9.10.2013 – 65 S 140/13, WuM 2014, 93 (auch keine fristgerechte Kündigung). 456 AG Mitte v. 4.9.2014 – 117 C 102/14, GE 2015, 386. 457 AG München v. 30.3.2015 – 425 C 731/15, NZM 2016, 314. 458 LG Landau v. 27.4.1993 – 1 S 13/93, WuM 1997, 428. 459 LG Berlin v. 26.2.2010 – 63 S 236/09, ZMR 2011, 550. 460 AG Wedding v. 5.10.2016 – 18 C 152/16, WuM 2017, 28.

800 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 99 § 543

Nachtruhe 97 – Wiederholte Störung der Nachtruhe der Mitbewohner im Haus durch lautstarke Auseinandersetzungen der Mieter461, – anhaltender Lärm – bisweilen mehrfach am Tag mehr als zwei Stunden – auch nach 22 Uhr462, – nicht bei Störungen durch Schnarchgeräusche in Altbauwohnung mit Holzdecken463, – Belästigung von Mitmietern durch nächtliche Beleuchtung der Hausfassade durch Scheinwerfer mit Bewegungsmelder464 – teilweise nur im Minimalbereich liegende häufige und intensiver Störungen der Nachtruhe durch laute Musik und Geräusche eines psychisch gestörten Mieters465. 98 Nebenkosten – Wiederholt unpünktliche Leistung der Vorauszahlungen auf Nebenkosten, wenn besondere Umstände hinzutreten (§ 543 Abs. 1 BGB)466, – Rückstand mit einer Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung in Höhe von zwei Monatsmieten über länger als zwei Monate467, – mehrmonatiger Zahlungsverzug mit Heiz- und Wasserkosten in Höhe von annähernd zwei Monats-Pachtzinsbeträgen468, – nicht aber die bloße Nichtzahlung einer Betriebskostennachforderung469, selbst wenn sie tituliert ist470, was jedenfalls dann zweifelhaft erscheint, wenn der Mieter die Eidesstattliche Versicherung abgegeben hat; in jedem Fall sollte aber eine fristgerechte Kündigung geprüft werden, – nicht, wenn der Mieter sachlich begründete Einwendungen gegen die Betriebskostenabrechnung erhoben hat471. 99 Nichtzahlung – eines titulierten Vergleichsbetrages trotz Mahnung und Kündigungsandrohung472, – nicht bei allein vom Jobcenter zu verantwortender Nichtzahlung, solange der Mieter davon keine Kenntnis hat und eine nach den Umständen des Einzelfalles zu bemessende Frist, die mit Kenntniserlangung beginnt, zur Rücksprache beim Jobcenter noch nicht abgelaufen ist473 (vgl. § 543 BGB Rz. 271), – nicht aber unpünktliche Mietzahlungen durch das Sozialamt474 oder das Jobcenter475, sofern der Mieter selbst alles ihm Obliegende getan hat, um pünktliche Mietzahlung durch die ARGE zu gewährleisten476,

461 462 463 464 465 466 467

468 469 470 471 472 473 474 475 476

LG Berlin v. 11.2.2010 – 67 S 382/09, GE 2010, 488. LG Frankfurt v. 1.4.2003 – 2/11 S 230/02, PE 2006, 175. AG Bonn v. 25.3.2010 – 6 C 598/08, NZM 2010, 619 = NJW-RR 2010, 1239 = GE 2010, 1753. Lützenkirchen/Eisenhardt, AHB Mietrecht, J Rz. 286 (Hausfriedensstörung) m.w.N. AG Spandau v. 7.3.2014 – 3 C 122/13, GE 2014, 525. OLG München v. 28.2.2001 – 3 U 5169/00, MDR 2001, 745. LG Berlin v. 24.11.2015 – 63 S 158/15, GE 2016, 126; LG Berlin v. 20.2.2015 – 63 S 202/14, MietRB 2015, 324 = GE 2015, 452; a.A. OLG Koblenz v. 26.7.1984 – 4 W RE 386/84, ZMR 1984, 351; LG Dessau-Roßlau v. 29.12.2016 – 5 S 141/16, MietRB 2017, 95 = ZMR 2017, 481 m.w.N.; AG Köpenick v. 15.8.2013 – 13 C 66/13, GE 2013, 1283. BGH v. 28.5.1975 – VIII ZR 70/74, WPM 1975, 897. AG Köpenick v. 15.8.2013 – 13 C 66/13, WuM 2013, 679; AG Hamburg-Bergedorf v. 4.12.2012 – 409 C 174/ 12, ZMR 2013, 203. LG Köln v. 22.6.1994 – 10 S 140/96, KM 12 Nr. 37. Brandenburgisches OLG v. 22.8.2012 – 3 U 67/11, Info M 2012, 424 = MK 2012, 181. LG Berlin v. 24.5.2005 – 65 S 39/05, GE 2005, 1195. LG Berlin v. 24.7.2014 – 67 S 94/14, MDR 2014, 953 = MietRB 2014, 317 = WuM 2014, 607 = ZMR 2015, 547 = GE 2014, 1200 = IMR 2014, 507. KG v. 11.12.1997 – 8 RE-Miet 1354/96, MDR 1998, 586 = WuM 1998, 85 a.A. AG Bremen v. 2.5.2013 – 9 C 565/12, MietRB 2013, 259 = ZMR 2013, 808. BGH v. 21.10.2009 – VIII ZR 64/09, MDR 2010, 75 = MietRB 2010, 1 = WuM 2009, 736. LG Bonn v. 9.7.2010 – 6 T 144/10, zitiert nach juris.

Lützenkirchen | 801

§ 543 Rz. 99 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund – nicht die Nichtzahlung der titulierten Kosten aus einem nach § 91a ZPO wegen § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB erledigten Räumungsrechtsstreits477. 100 Nutzungsänderung

– Der Mieter darf die vertraglich festgelegte Nutzung grundsätzlich nicht ohne Zustimmung des Vermieters überschreiten oder ändern; maßgeblich ist aber in der Regel, dass die Änderung nach außen in Erscheinung tritt478 und von erheblichem Umfang ist, – durch teilgewerbliche Nutzung einer Wohnung als Ingenieurbüro mit Publikumsverkehr gemeinsam mit einem Berufskollegen, der nicht Mieter ist479, – nicht jedoch Ausübung von Buchhaltungs- und Bürotätigkeiten ohne Publikumsverkehr durch Mieterin allein480, – nicht Ausübung einer Nebentätigkeit als Versicherungsvertreter481, – Betrieb einer Krabbelstube in Mietwohnung täglich von 8.30 Uhr bis 13.30 Uhr482, – nicht aber fünfminütiges Parken auf dem Mietgrundstück und die damit verbundenen Beeinträchtigungen Dritter beim Bringen und Abholen der von der Tagesmutter in der Mietwohnung erlaubterweise betreuten Kinder483, – vollständige Wohnungsnutzung eines ausschließlich zur Freizeitnutzung vermieteten Grundstücks484, – die teilweise Nutzung zu Wohnzwecken einer zu gewerblichen Zwecken vermieteten Wohnung in einem Mehrfamilienhaus485, – Unterbringung von Asylbewerbern statt vereinbarter Nutzung als Lager, Ausstellungsräume und Café mit Betriebswohnungen486, – prinzipiell ist eine Abmahnung erforderlich487, – nicht bei Angebot einer Drogenersatztherapie in zum Betrieb einer Praxis für Psychiatrie und Psychotherapie vermieteten Räumen488. 101 Obhutspflichtverletzung

– Wiederholte Verursachung von schweren Wasserschäden durch Verletzung der Obhutspflicht an der Bausubstanz489, – unterlassene Entfernung einer unerlaubt in die Wohnungstür eingebauten Katzenklappe trotz Abmahnung490, – Verursachung von Feuchtigkeitsschäden in Mietwohnung durch falsches Lüftungsverhalten trotz Abmahnung491, – Verursachung einer beträchtlichen Brandgefahr trotz Abmahnung und Feuerbeschau492,

477 BGH v. 14.7.2010 – VIII ZR 267/09, MietRB 2010, 317 = MDR 2010, 1105 = GE 2010, 1197 = WuM 2010, 571. 478 Vgl. dazu BGH v. 14.7.2009 – VIII ZR 165/08, MietRB 2009, 282 = MDR 2009, 1215 = GE 2009, 1117. 479 LG Schwerin v. 4.8.1995 – 6 S 96/94, WuM 1996, 214. 480 LG Frankfurt/M v. 28.7.1995 – 2/17 S 42/95, WuM 1996, 532. 481 AG Charlottenburg v. 13.1.1992 – 3 C 548/91, MM 1992, 357. 482 Lützenkirchen/Eisenhardt, AHB Mietrecht, J Rz. 286 (vertragswidriger Gebrauch) m.w.N. 483 AG Wiesbaden v. 26.11.2002 – 92 C 546/02 – 34, WuM 2003, 88. 484 Lützenkirchen/Eisenhardt, AHB Mietrecht, J Rz. 286 (vertragswidriger Gebrauch) m.w.N. 485 OLG Köln v. 12.7.1995 – 2 U 45/95, NJW-RR 1996, 265. 486 OLG München v. 26.1.2001 – 21 U 3595/94, OLGR 2001, 63 = ZMR 2001, 347. 487 OLG Düsseldorf v. 4.5.2010 – 24 U 170/09, ZMR 2011, 282. 488 OLG Köln v. 12.11.2010 – 1 U 26/10, MietRB 2011, 8 = ZMR 2011, 285; a.A. LG Berlin v. 12.4.2010 – 9 O 440/09, ZMR 2010, 689. 489 LG Berlin v. 26.11.1987 – 62 S 103/87, GE 1988, 145; AG Wiesbaden v. 15.5.1991 – 98 C 189/91, NJW-RR 1992, 76. 490 LG Berlin v. 24.9.2004 – 63 S 199/04, GE 2004, 1394. 491 AG Hannover v. 31.8.2005 – 565 C 15388/04, WuM 2005, 767. 492 LG Coburg v. 7.9.2001 – 33 S 96/01, GuT 2002, 20.

802 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 104a § 543

– nicht aber eine einmalige Obhutspflichtverletzung493, zumal wenn der Schaden von Kindern verursacht wurde494. Parabolantenne – Installation einer Parabolantenne auf der Fensterbank trotz Abmahnung495, – Wiederanbringung einer Parabolantenne trotz rechtskräftiger Verurteilung zur Beseitigung496.

102

102a Parken – s. Nutzungsänderung und s. Hausordnung – die Nutzung der das Gebäude umgebenden Freifläche zum Abstellen von Kraftfahrzeugen bedarf grundsätzlich der Genehmigung des Vermieters497, – nicht unerlaubtes Parken auf dem Grundstück, wenn es zuvor längere Zeit geduldet oder gestattet wurde498.

Polizeieinsätze 103 – Wiederholte nächtliche Polizeieinsätze gegen gewalttätigen Mieter499, – Veranlassung eines Polizeieinsatzes und Weigerung, dieser die Tür zu öffnen, so dass die Wohnungstür aufgebrochen werden muss500. Prostitution 104 – Förderung der Prostitution in Räumen, die als Diskothek und Tanzbar angemietet wurden501, – vertragswidrige Bordell-Nutzung von Gewerbe-502 oder Wohnraum503, – allein der nahe liegende Verdacht kann nicht genügen, auch wenn die Mieterin ihn nicht ausräumt504, – nicht bordellartige Einrichtung, wenn das Mietobjekt nach Erlass des Prostitutionsgesetzes „zu Wohnzwecken und auch zu gewerblichen Zwecken“ vermietet wurde, nicht gegen Vorschriften des öffentlichen Rechts verstoßen wird und Mitbewohner nicht belästigt werden505, – nicht bei Einverständnis des Vermieters mit der Nutzung der Wohnung als Bordell506. 104a Prozessbetrug – das wahrheitswidrige Bestreiten eines Kündigungsgrundes kann eine gesonderte Kündigung rechtfertigen, wenn die ursprüngliche Kündigung schlüssig und das in Abrede gestellte Vorbringen des Vermieters für die Schlüssigkeit der Räumungsklage unerlässlich war507; – vorsätzlich wahrheitswidriger Prozessvortrag (während des Mietverhältnisses ist es zu keinerlei Beanstandungen des Vermieters gekommen) genügt508, – die auf bewusst wahrheitswidrigem Tatsachenvortrag beruhende Mängelbeseitigungsklage509,

493 494 495 496 497 498 499 500 501 502 503 504 505 506 507 508 509

LG Wuppertal v. 29.10.1991 – 16 S 189/91, WuM 1992, 370 (Wohnungsbrand). AG Siegen v. 22.5.1990 – 5 C 752/90, WuM 1990, 503. AG Köln v. 16.6.1998 – 209 C 559/97, KM 12 Nr. 45. LG Kleve v. 29.3.1995 – 6 S 351/94, ZMR 1995, 313. LG Berlin v. 29.4.1997 – 64 S 554/96, ZMR 1997, 422. AG Offenbach v. 4.12.2013 – 37 C 180/13, ZMR 2014, 297. LG Hamburg v. 3.11.2005 – 307 S 124/05, WuM 2005, 768. LG Mannheim v. 20.10.1993 – 4 S 113/93, DWW 1994, 50. BGH v. 10.9.1997 – XII ZR 222/95, MDR 1998, 148. AG Berlin-Mitte v. 6.1.1994 – 3 C 552/93, GE 1994, 813 (ohne Abmahnung). LG Lübeck v. 20.10.1992 – 6 S 48/92, NJW-RR 1993, 525. A.A. AG Münster v. 14.6.1995 – 6 C 547/94, WuM 1995, 538. AG Aachen v. 26.9.2006 – 10 C 181/06, ZMR 2007, 41. AG Köln v. 3.10.1983 – 203 C 726/83, WuM 1984, 281. LG Berlin v. 15.4.2014 – 67 S 81/14, ZMR 2014, 788. AG Neukölln v. 2.4.2019 – 18 C 318/18, GE 2019, 603. LG Berlin v. 12.4.2017 – 18 S 308/14, GE 2017, 1098.

Lützenkirchen | 803

§ 543 Rz. 104a | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund – nicht die unwahre Behauptung, die Tochter der Vermieterin sei „drogensüchtig geworden, weil die Vermieterin ihr den Mann ausgespannt habe“510. 104b Rauchen s. Geruchsbelästigung;

– in einer Heimeinrichtung kann beharrliches Rauchen trotz Verbots zur Kündigung führen511. 105 Rauschgift s. Drogen 106 Rechtsstreitigkeiten

– Eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten reicht allein nicht aus512, sofern darin nicht eine querulatorische Veranlagung des Mieters zum Ausdruck kommt, – eine Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses ist nicht schon bei einer Vielzahl gerichtlicher Verfahren anzunehmen, auch wenn dies einen hohen Lästigkeitswert hat513, – insbesondere wenn die Prozesse sachlich geführt wurden514, – Versuch der Zeugenbeeinflussung im Räumungsprozess515. 107 Sachbeschädigung

– Ob eine Abmahnung erforderlich ist, richtet sich nach der Schwere der Tat, insbesondere nach dem Schuldvorwurf, – nicht ohne Abmahnung, wenn anzunehmen ist, dass es sich um eine einmalige Entgleisung handelt516. – unterlassene Entfernung einer unerlaubt in die Wohnungstür eingebauten Katzenklappe trotz Abmahnung mit Fristsetzung517, – nicht eine einmalige Obhutsverletzung (Wohnungsbrand)518; – nicht bei von Kindern verursachtem Wohnungsbrand519. 107a Schikane. Rügen zahlreicher Mängel über einen längeren Zeitraum und hartnäckige Weigerung, mit

dem Verwalter und dem Rechtsanwalt des Mieters eine Besichtigung durchzuführen520. 108 Schönheitsreparaturen. Beharrliche Verweigerung der Vornahme vertraglich geschuldeter Schön-

heitsreparaturen521. 108a Sonnenbaden (nackt). Auf dem Balkon oder Garten ist zulässig, selbst wenn Nachbarn daran Anstoß

nehmen oder bei der Dorfgemeinschaft für Gesprächsstoff sorgen, sofern der Mieter in einem Gebäude, das Teil einer Anlage ist, mit eigenem Hauseingang wohnt522. 109 Stellplatz

– Vertragswidrige Nutzung eines Pkw-Stellplatzes als Kfz-Werkstatt523, – wiederholtes Parken auf fremdem Stellplatz (Kündigung des gemieteten Stellplatzes)524.

LG Saarbrücken v. 18.1.2019 – 10 S 53/18, WuM 2019, 254. LG Münster v. 12.12.2016 – 2 O 114/16, ZMR 2017, 646. OLG Hamm v. 5.6.1992 – 30 U 305/91, NJW-RR 1993, 16. LG Hamburg v. 23.6.2005 – 307 S 32/05, ZMR 2005, 867. OLG Hamm v. 5.6.1992 – 30 U 305/91, NJW-RR 1993, 16. BGH v. 4.12.1985 – VIII ZR 33/85, WuM 1986, 60. AG Hamburg-Harburg v. 7.12.2010 – 642 C 271/10, ZMR 2011, 302. LG Berlin v. 24.9.2004 – 63 S 199/04, GE 2004, 1394. LG Wuppertal v. 29.10.1991 – 16 S 189/91, WuM 1992, 370. AG Siegen v. 22.5.1990 – 5 C 752/90, WuM 1990, 503. AG Pankow/Weißensee v. 8.12.2016 – 3 C 190/16, GE 2017, 540. LG Hamburg v. 2.3.1982 – 16 S 287/81, WuM 1984, 85; AG Hamburg v. 15.11.2001 – 41B C 90/01, NZM 2002, 735. 522 AG Merzig v. 5.8.2005 – 23 C 1282/04, WuM 2005, 727 = ZMR 2013, 898; vgl. auch BGH v. 15.11.1974 – V ZR 83/73, NJW 1975, 170; BGH v. 12.7.1985 = V ZR 172/84, MDR 1985, 1011 = NJW 1985, 2833. 523 LG Berlin v. 11.10.1991 – 64 S 230/91, GE 1991, 1253. 524 AG Lörrach v. 3.11.1988 – 1 C 395/88, WuM 1989, 180. 510 511 512 513 514 515 516 517 518 519 520 521

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B. Wohnraummiete | Rz. 113 § 543

Strafanzeige s. Anschuldigung

110

Straftaten. Dabei ist zunächst zwischen der Verdachtskündigung und der Tatkündigung zu unterschei- 111 den. Bei einer Verdachtskündigung525 muss gerade das nicht erwiesene Verhalten das für die Vertragsfortsetzung notwendige Vertrauen erschüttern526. Bei der Tatkündigung kommt es auf die Ausführung der Straftat an. Dabei ist immer zu prüfen, ob dem Vermieter durch die Straftat ein Schaden entstanden ist. Ist das nämlich nicht der Fall oder ist nur ein unerheblicher Schaden eingetreten, soll die Vertragsfortsetzung zumutbar sein527. – Duldung der Begehung durch Dritte aus der Wohnung heraus528; – muss der der Mieter aufgrund einer Straftat (hier: Aufbewahrung von unzulässiger Menge von Marihuana) mit dem Eingreifen Dritter (z.B. Polizei) rechnen, verletzt er seine Obhutspflicht529; – Vollstreckungsvereitelung (§ 288 StGB), selbst wenn der Eigennutz der Höhe nach nicht die Voraussetzungen erfüllt, die § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB stellt530; – Stromdiebstahl531, nicht ohne Abmahnung, – nicht: Verwendung einer Fotokopie der Vollmacht des Mitmieters (kein § 267 StGB)532. – auch s. Anschuldigung, s. Drogen und s. Gewalt. Strom-Diebstahl s. Diebstahl

112

113 Täuschungen – Wenn sie gehäuft auftreten und dass Vertrauensverhältnis dadurch zerstört wird533, – Täuschungsabsicht des Mieters ist nicht generell erforderlich534, – bei einer einzelnen Täuschung ist abzuwägen, inwieweit hierdurch die Belange einer Partei erheblich verletzt oder gefährdet werden. Das kommt in Betracht, wenn durch die Täuschung ein Schaden beim Vertragspartner entsteht oder dieser von der Wahrung seiner Interessen abgehalten wird. Diese Anforderungen können als erfüllt angesehen werden, wenn wesentliche Vertragsinteressen des Vermieters verletzt oder gefährdet sind535. Das ist nicht der Fall, wenn der Mieter eine Prozessvollmacht auch mit der angeblichen Vollmacht des Mitmieters unterschreibt536, – bei einer frei erfundenen Bescheinigung des früheren Vermieters (Mietschuldnfreiheitbescheinigung) über angeblich pünktliche Mietzahlungen537, – auf bewusste Falschbehauptungen gestütztes Mängelbeseitigungsverlangen538, – bewusst wahrheitswidrige Angaben über Vermögensverhältnisse in der sog. Mieterselbstauskunft werden gemacht539, wenn

525 BAG 26.3.1992 – 2 AZR 519/91, NJW 1993, 83. 526 LG Itzehoe v. 20.7.2018 – 9 S 70/17, ZMR 2018, 829. 527 KG v. 18.11.2004 – 8 U 125/04, MietRB 2005, 33, NZM 2005, 254; Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 199. 528 Hanseatisches OLG Hamburg v. 4.11.1991 – 4 U 24/91, MDR 1991, 1165 = ZMR 1992, 23. 529 BGH v. 14.12.2016 – VIII ZR 49/16, MDR 2017, 267 = MietRB 2017, 94 = WuM 2017, 10 = GE 2017, 165 = ZMR 2017, 236. 530 BGH v. 27.6.2014 – V ZR 51/13, NZM 2014, 790. 531 LG Berlin v. 21.10.2014 – 67 S 304/14, GE 2014, 1653. 532 LG Berlin v. 15.4.2014 – 67 S 81/14, ZMR 2014, 788. 533 LG Berlin v. 16.4.2010 – 65 S 307/09, MDR 2011, 19 = MietRB 2011, 40 = WuM 2011, 220. 534 OLG Düsseldorf v. 6.7.2001 – 24 U 174/00, NZM 2001, 1033; a.A. LG Berlin v. 16.4.2010 – 65 S 307/09, MDR 2011, 19 = MietRB 2011, 40 = WuM 2011, 220; Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 202. 535 Hanseatisches OLG Hamburg v. 3.7.1996 – 4 U 109/96, WuM 1997, 216. 536 LG Berlin v. 15.4.2014 – 67 S 81/14, GE 2014, 936. 537 BGH v. 9.4.2014 – VIII ZR 107/13, MietRB 2014, 193 = MietRB 2014, 194 = MDR 2014, 643 = WuM 2014, 333 = NZM 2014, 429. 538 LG Berlin v. 12.4.2017 – 18 S 308/14, GE 2017, 1098. 539 LG München I v. 25.3.2009 – 14 S 18532/08, ZMR 2010, 367; LG Itzehoe v. 28.3.2008 – 9 S 132/07, WuM 2008, 281; LG Wuppertal v. 17.11.1998 – 16 S 149/96, WuM 1999, 39; LG Mannheim v. 8.11.1989 – 4 S 173/89, ZMR 1990, 303; AG München v. 10.7.2015 – 411 C 26176/14, ZMR 2016, 121.

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§ 543 Rz. 113 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund – die eidesstattliche Versicherung entgegen der Mitteilung in der Selbstauskunft abgegeben wurde540, – bekannt wird, dass Anträge auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vorliegen, solange das Mietobjekt noch nicht übergeben ist541, – wahrheitswidrige Angaben über einen angeblichen Arbeitgeber gemacht und drei – gefälschte – Gehaltsbescheinigungen vorgelegt werden542, – der Lebensgefährte des Mieters wegen sexuellen Missbrauchs der gemeinsamen Tochter durch die Vermieterin gekündigt wird, nachdem er auf der Grundlage eines Geständnisses verurteilt wurde, obwohl das Urteil nicht rechtskräftig ist543, – nicht aber, wenn Falschangabe in Selbstauskunft erst entdeckt wird, nachdem die Miete längere Zeit beanstandungslos gezahlt wurde544, – wenn wiederholt unrichtige Umsatzangaben bei vereinbarter Umsatzmiete erfolgen545, – nicht aber bei wahrheitswidrigem Bestreiten des Zugangs einer schriftlichen Abmahnung546, – nicht bei Vortäuschen des Besitzes wertvoller Gemälde, um Vorschussanspruch wegen beabsichtigter Modernisierung zu begründen547, – nicht bei falschen Angaben zur Miethöhe gegenüber dem Jobcenter, da es an der erforderlichen Beziehung zum Mietverhältnis fehlt548, – nicht ohne Weiteres die Verwendung einer gefälschten Sterbeurkunde neben unpünktlichen Mietzahlungen (aber fristgerechte Kündigung möglich)549. 114 Tierhaltung

– Übermäßige Tierhaltung, z.B. 60 Chinchillas in 40 Käfigen (auch in ländlicher Gegend unzumutbar550), 80 Kanarienvögel551 bzw. 100 freifliegende Vögel in Zwei-Zimmer-Wohnung552, zwei Schäferhunde in Ein-Zimmer-Wohnung in Mehrfamilienhaus553 (vgl. auch § 535 BGB Rz. 773), – monatelange Haltung mehrerer Igel in der Wohnung und auf dem Balkon (nach Abmahnung)554, – zooähnliche Tierhaltung von drei Schweinen, Kaninchen, Meerschweinchen, Schildkröten und Vögeln am Rande einer Großstadt, wenn der Mietvertrag nur Haltung eines Hundes erlaubt555, – unerlaubte Hundehaltung trotz Abmahnung auch, wenn im Haus Erlaubnis zur Haltung einer Katze erteilt wurde556 oder der Vermieter den Hund kurzfristig geduldet hatte557, – Fortsetzung ungenehmigter Tierhaltung trotz rechtskräftiger Verurteilung558, – Fortsetzung trotz berechtigt widerrufener Genehmigung559,

540 LG Wiesbaden v. 29.4.2004 – 2 S 112/03, WuM 2004, 399; AG Hagen v. 5.7.1984 – 13 C 414/84, WuM 1984, 296. 541 OLG München v. 6.10.1993 – 27 W 227/93, OLGR 1994, 85. 542 AG Köln v. 7.6.2017 – 214 C 219/16, ZMR 2018, 57. 543 LG Itzehoe v. 20.7.2018 – 9 S 70/17, ZMR 2018, 829. 544 LG Wiesbaden v. 29.4.2004 – 2 S 112/03, WuM 2004, 399. 545 OLG Düsseldorf v. 6.7.2001 – 24 U 174/00, NZM 2001, 1033. 546 LG Köln v. 27.3.1996 – 10 S 431/95, ZMR 1996, 666. 547 LG Berlin v. 16.4.2010 – 65 S 307/09, MDR 2011, 19 = MietRB 2011, 40 = WuM 2011, 220. 548 LG Berlin v. 18.2.2015 – 65 S 527/14, GE 2015, 733. 549 LG Berlin v. 13.9.2018 – 67 T 137/18, GE 2018, 1279. 550 Lützenkirchen/Eisenhardt, AHB Mietrecht, J Rz. 286 (Tierhaltung) m.w.N. 551 AG Menden v. 5.2.2014 – 4 C 286/13, WuM 2014, 713 = DWW 2014, 340. 552 LG Karlsruhe v. 12.1.2001 – 9 S 360/00, NZM 2001, 891. 553 AG Frankfurt v. 4.6.1999 – 33 C 4476/98 – 67, WuM 2000, 569. 554 AG Spandau v. 11.11.2014 – 12 C 133/14, GE 2015, 1605. 555 AG München v. 18.12.1998 – 462 C 27294/98, NZM 1999, 616. 556 LG Waldshut-Tiengen v. 22.11.2002 – 2 S 39/02, DWW 2003, 36. 557 AG Waldshut-Tiengen v. 24.5.2002 – 7 C 59/02, DWW 2002, 234. 558 LG Köln v. 3.4.1991 – 10 S 520/90, KM 12 Nr. 10. 559 LG Berlin v. 1.10.1992 – 62 S 276/92, GE 1993, 97.

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B. Wohnraummiete | Rz. 116 § 543

– Haltung eines Kampfhundes trotz Abmahnung560, auch wenn Tierhaltung durch Mietvertrag nicht untersagt ist und der Hund den Hausfrieden nicht stört561, – freies Laufen von Hunden auf Gemeinschaftsflächen wie Grünflächen, Kinderspielplatz etc. entgegen der Hausordnung und mehrerer Abmahnungen562, – Lärmstörungen durch unerlaubt gehaltenen Hund563, – lautes und anhaltendes Hundegebell und Gestank564, – drei Frettchen sowie unpünktliche Mietzahlung und Verlegung von Stromkabeln ohne Erlaubnis565, – unzulässiges Füttern von Tauben mit Verschmutzung des Hauses und Lärmbelästigung trotz mehrfacher Abmahnung566, – Geruchsbelästigungen durch Katzenhaltung567, – nicht gelegentliches Urinieren des Hundes ins Treppenhaus568, – nicht die Errichtung von Taubenschlägen auf gemietetem Hausgrundstück, wenn diese problemlos entfernt werden können569, Treppenhaus s. Gemeinschaftsfläche

114a

115 Überbelegung – Erhebliche Überbelegung durch Zuzug von Kindern des Mieters, nur wenn Interessen des Vermieters beeinträchtigt sind570, – nicht die bloße Überschreitung der vereinbarten Bewohnerzahl571. 116 Üble Nachrede – Insoweit trägt analog § 186 StGB derjenige die Beweislast für die Richtigkeit der Behauptung, der sie aufgestellt hat572, – reicht zur Kündigung, wenn Mieter gegenüber dem Baufinanzierer einen Vermögensverfall des Vermieters andeutet und behauptet, dass grundlose Kündigungen ausgesprochen werden573, – bedarf der Abmahnung, auch wenn die Behauptungen in einem emotional geführten Prozess aufgestellt werden574, – diffamierende Äußerungen mit Bezug auf Glaubensrichtung und Nationalität der Leiterin eines vom Vermieter betriebenen Seniorenstifts, die nicht mehr durch Art. 5 GG gedeckt sind575, – nicht aber, wenn sie durch Art. 5 GG gedeckt ist576 oder die Äußerung (kriminelle Hausverwaltungsgeschäfte und Machenschaften) im Rahmen einer zivilgerichtlichen Auseinandersetzung als Wahrnehmung berechtigter Interessen gilt577,

560 561 562 563 564 565 566 567 568 569 570 571 572 573 574 575 576 577

AG Spandau v. 22.3.2002 – 3b C 956/01, GE 2002, 670. A.A. LG Berlin v. 6.5.2005 – 64 S 503/04, GE 2005, 871. BGH v. 2.1.2020 – VIII ZR 328/19, WuM 2020, 98 = GE 2020, 253 = NZM 2020, 105. AG Frankfurt v. 18.8.1976 – 33 C 4380/75, WuM 1978, 127. AG Potsdam v. 22.2.2001 – 26 C 76/00, NZM 2002, 735. AG Neukölln v. 15.6.2012 – 2 C 340/11, GE 2012, 1045. AG Bonn v. 20.4.2018 – 204 C 204/17, IMR 2018, 326 (Rave); AG Nürnberg v. 8.4.2016 – 14 C 7772/15, WuM 2017, 150; AG Frankfurt v. 17.12.1975 – 33 C 4831/74, WuM 1977, 66. LG Berlin v. 30.9.1996 – 67 S 46/96, NJW-RR 1997, 395. AG Köln v. 8.8.2000 – 208 C 164/00, WuM 2001, 512. AG Jülich v. 25.4.2006 – 11 C 19/06, WuM 2006, 562. BGH v. 14.7.1993 – VIII ARZ 1/93, MDR 1993, 970 = WuM 1993, 529 = ZMR 1993, 508; BVerfG v. 18.10.1993 – 1 BvR 1335/93, WuM 1994, 119 = ZMR 1994, 10 = NJW 1994, 41. LG Kempten v. 26.7.1995 – 5 S 1276/95, NJW-RR 1996, 264. BGH v. 13.12.1995 – XII ZR 97/94, BGHR BGB § 554a Üble Nachrede 1. LG Potsdam v. 17.8.2011 – 4 S 193/10, ZMR 2012, 627. AG Neustadt v. 25.8.2016 – 1 C 321/15, WuM 2017, 196. LG Duisburg v. 7.6.2016 – 6 O 219/13, IMR 2016, 512. LG Leipzig v. 11.1.2002 – 14 S 6332/01, NZM 2002, 247. LG Berlin v. 20.3.2013 – 65 S 403/12, WuM 2013, 354.

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§ 543 Rz. 116 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund – nicht öffentliche Kritik an überhöhter Miete578; – auch s. Beleidigung. 117 Umsatzmiete. Wenn der Mieter sich weigert, dem Vermieter Einsicht in die testierten Jahresabschlüsse

und andere Umsatznachweise zu gewähren, obwohl er sich zur Meldung der Umsätze verpflichtet hat579. 117a Ungeziefer s. Verwahrlosung

– nicht die bloße Gefahr des Befalls oder der Befall mit Kakerlaken, wenn der Mieter sich um die Beseitigung bemüht580. 118 Untervermietung s. Gebrauchsüberlassung 119 Urinieren

– im Hausflur mit Kot, zusätzlich Beleidigungen von Mitmietern und belästigen durch Klingeln und Klopfen, trotz krankheitsbedingten Handelns581, – im Keller582, – in den gemeinschaftlichen Garten583 – nicht: Wasserlassen durch männlichen Mieter im Stehen, das wegen der Spritzer zu Beschädigungen das Marmorbodens führt584. 119a Verdachtskündigung s. Straftat 120 Vermögensverfall

– Bloße Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gem. § 807 ZPO ist allein noch kein Kündigungsgrund585, anders, wenn dadurch eine berechtigte Nebenkostennachforderung nicht durchsetzbar ist und der Mieter die Zahlung verweigert586, – die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist kein Kündigungsgrund wegen Kündigungssperre gem. § 109 InsO587, – nicht die Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse588, – nicht die fruchtlose Zwangsvollstreckung aus einem Kostentitel, der aus einem nach § 91a ZPO erledigten Räumungsklageverfahren wegen Zahlungsverzuges stammt589. 121 Vermüllung (auch s. Messie-Syndrom)

– Totale Vermüllung trotz wiederholter Versuche des Vermieters zur Abhilfe590, – Messie-Syndrom mit Herumliegen und -stehen von Unrat, Kartons mit abgelaufenen und verschimmelten Lebensmitteln, Küche nicht zugänglich wegen herumliegendem Müll591; 578 579 580 581 582 583 584 585 586 587 588 589 590 591

AG Solingen v. 24.10.1990 – 10 C 399/90, WuM 1991, 97. LG Berlin v. 25.3.2011 – 12 O 449/10, GE 2011, 690. LG Berlin v. 24.6.2015 – 65 S 148/15, GE 2015, 1599. AG Lichtenberg v. 25.3.2014 – 6 C 425/13, MietRB 2014, 354 = GE 2014, 877 = IMR 2014, 419. AG Zerbst v. 31.3.2003 – 6 C 614/02, NZM 2003, 897. AG Köln v. 21.10.2010 – 210 C 398/09, ZMR 2012, 708 (nach Abmahnung); AG Salzgitter v. 28.9.1990 – 13 C 423/90, WuM 1990, 550 (zusätzlich: nackt durch das Treppenhaus laufen und Entwenden von BHs und Damenslips vom Trockenboden). AG Düsseldorf v. 20.1.2015 – 42 C 10583/14, MietRB 2015, 68 = MietRB 2015, 69 = GE 2015, 327 = IMR 2015, 104. OLG München v. 7.6.1991 – 21 U 4248/90, ZMR 1997, 458; LG Berlin v. 15.6.2005 – 29 O 769/04, ZMR 2005, 789. Brandenburgisches OLG v. 14.11.2007 – 3 U 86/07, ZMR 2008, 116. OLG Hamm v. 7.3.2001 – 30 U 192/00, NZM 2002, 343. BGH v. 23.1.2002 – XII ZR 5/00, NZM 2002, 524. BGH v. 14.7.2010 – VIII ZR 267/09, MietRB 2010, 317 = MDR 2010, 1105 = WuM 2010, 571 = NZM 2010, 696 = ZMR 2011, 16. AG Rheine v. 26.2.2008 – 4 C 731/07, WuM 2008, 218. AG München v. 8.8.2018 – 416 C 5897/18, ZMR 2019, 40.AG Neustadt v. 25.8.2016 – 1 C 321/15, WuM 2017, 196, AG Hamburg-Harburg v. 18.3.2011 – 641 C 363/10, ZMR 2011, 644.

808 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 122a § 543

– für sich allein kein Kündigungsgrund592, aber wenn die Bausubstanz gefährdet ist593, – langes Lagern von Lebensmittel auf dem Balkon und im Kühlschrank trotz qualifizierter Abmahnung, so dass sich Gestank verbreitet und die Wohnung alle drei Wochen professionell gereinigt werden muss594, – nicht (verfrüht), wenn in der Abmahnung eine Zwei-Wochen-Frist gesetzt wurde und im Zeitpunkt der Kündigung sieben Wochen später erste Schritte zur Änderung des Wohnungszustandes unternommen wurden595. Verschmutzungen 122 – durch Müllabwurf aus dem Fenster in den Hof trotz mehrfacher Abmahnung596, – Verschmieren der Wohnungstür eines Mitmieters mit Fäkalien (fristlose Kündigung ohne Abmahnung trotz Schuldunfähigkeit des Mieters597), – Verunreinigung der Wohnung mit Fäkalien, Schmutz, Abfall und Essensresten, selbst wenn der Mieter unter depressiver Störung leidet, die in depressiven Episoden auftritt (Abmahnung)598, – nein, wenn keine Störung des Hausfriedens oder substantielle Schädigung der Mietsache gegeben ist (Exkremente, Unordnung)599. Vertragswidrige Nutzung 122a – teilgewerbliche Nutzung einer Wohnung als Ingenieurbüro mit Publikumsverkehr gemeinsam mit einem Berufskollegen, der nicht Mieter ist600; nicht jedoch Ausübung von Buchhaltungs- und Bürotätigkeiten ohne Publikumsverkehr durch Mieterin allein601 oder Ausübung einer Nebentätigkeit als Versicherungsvertreter602; nicht, wenn Mieter nach Abmahnung das Gewerbe abmeldet, den Gewerbesitz verlegt und in der Wohnung nur noch Abwicklungstätigkeiten entfaltet603; nicht freiberufliche Tätigkeit als Versicherungsmakler mit bloßer Bürotätigkeit ohne nennenswerten Kundenverkehr604 (siehe auch § 573 BGB Rz. 163 f.), – unerlaubte Umnutzung eines als „Hotel“ vermieteten Objektes zur Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Asylsuchender nach erfolgloser Abmahnung605; Betrieb einer Krabbelstube in der gemieteten Wohnung täglich von 8.30 Uhr bis 13.30 Uhr606, – Umwandlung einer ländlichen Gaststätte in eine Diskothek607, Unterbringung von Asylbewerbern statt vereinbarter Nutzung als Lager, Ausstellungsräume und Café mit Betriebswohnungen608, – vollständige Wohnungsnutzung eines ausschließlich zur Freizeitnutzung vermieteten Grundstücks609, – nicht die Angabe der Wohnanschrift als Kanzleianschrift eines Rechtsanwalts, wenn diese zwar als Postanschrift genutzt wird, dort aber keinerlei Mandantenverkehr stattfindet610; eine ordentli-

592 593 594 595 596 597 598 599 600 601 602 603 604 605 606 607 608 609 610

LG Berlin v. 23.7.2014 – 65 S 225/13, IMR 2015, 56. LG Berlin v. 19.1.2018 – 66 S 230/17, ZMR 2018, 416. AG Oldenburg v. 29.5.2018 – 6 C 6035/18, ZMR 2018, 951. AG Hamburg v. 3.7.2018 – 43b C 62/18, ZMR 2018, 832. Lützenkirchen/Eisenhardt, AHB Mietrecht, J Rz. 286 (Verschmutzungen) m.w.N. AG Braunschweig v. 18.2.2005 – 119 C 3037/04, ZMR 2005, 369. LG Berlin v. 19.1.2018 – 66 S 230/17, GE 2018, 393. LG Berlin v. 24.6.2015 – 65 S 148/15, GE 2015, 1599. LG Schwerin v. 4.8.1995 – 6 S 96/94, WuM 1996, 214 = NJW-RR 1996, 1223. LG Frankfurt/M v. 28.7.1995 – 2-17 S 42/95, WuM 1996, 532. AG Charlottenburg v. 13.1.1992 – 3 C 548/91, MM 1992, 357. AG Hamburg-Blankenese v. 20.11.2012 – 532 C 259/12, ZMR 2013, 360. LG Berlin v. 6.3.2015 – 65 S 366/14, MM 10/2015, 29. LG Darmstadt v. 14.10.2016 – 1 O 226/16, ZMR 2017, 44. Lützenkirchen/Eisenhardt, AHB Mietrecht, J Rz. 286 „vertragswidriger Gebrauch“. AG Aichach v. 17.4.1979 – C 591/78, juris. OLG München v. 26.1.2001 – 21 U 3595/94, ZMR 2001, 347. Lützenkirchen/Eisenhardt, AHB Mietrecht, J Rz. 286 „vertragswidriger Gebrauch“. LG Berlin v. 4.3.2016 – 63 S 199/15, GE 2016, 526.

Lützenkirchen | 809

§ 543 Rz. 122a | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

– – – – –

che Kündigung kommt jedoch in Betracht, wenn der Inhaber eines Gewerbebetriebes für Montagearbeiten und Schwertransporte seine Wohnanschrift als Betriebsstätte angibt611, nicht die Nutzung der als „Gaststätte mit Alkoholausschank“ vermieteten Räume zum Betrieb einer Shisha-Bar612, nicht das Abstellen von Gegenständen auf einem nur dem Mieter zugänglichen Laubengang bis zur maximalen Höhe der Brüstung613, nicht die im Mietvertrag mit Schriftformklausel für Änderungen und Ergänzungen nicht vorgesehene Lagerung von Brennholz in einer an die Mietsache grenzenden Scheune, wenn diese Nutzung mit dem Voreigentümer mündlich vereinbart war614, nicht die Lagerung feuergefährlicher Stoffe (25 kg Munition und 2 l Petroleum) in Räumen zum Betrieb eines Dentallabors, wenn keine Gefährdung der Mieträume ersichtlich ist615, nicht die teilweise Nutzung einer zu gewerblichen Zwecken vermieteten Wohnung in einem Mehrfamilienhaus zu Wohnzwecken616.

123 Vertrauensbruch

– Eine Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses ist anzunehmen, wenn die Durchführung des Mietvertrages durch Zerstörung der das Schuldverhältnis tragenden Vertrauensgrundlage durch das Verhalten eines Vertragspartners derart gefährdet ist, dass sie dem Kündigenden auch bei strenger Prüfung nicht mehr zugemutet werden kann617 (vgl. auch § 543 BGB Rz. 45); das setzt i.d.R. eine Gefährdung von Vermögenswerten des Vermieters voraus618; ist eine Zerrüttung eingetreten, ohne dass sich noch ermitteln lässt, wer sie herbeigeführt hat, kann jede Partei kündigen619; – ist nicht schon bei einer Vielzahl gerichtlicher Verfahren anzunehmen, auch wenn dies einen hohen Lästigkeitswert hat620, insbesondere wenn die Prozesse sachlich geführt wurden621 und wechselseitig angestrengt werden622, – durch unsachlich herabsetzende Äußerungen zur Mietwohnung gegenüber Kaufinteressenten623, – Unterstützung von Hausbesetzern durch den Mieter624, – Einbeziehung des Arbeitgebers des Vermieters in Mietstreitigkeit625, – nicht die Aufzeichnung eines Gesprächs mit dem Vermieter in der Wohnung mit sichtbar bedientem Diktiergerät626, – nicht kritische Meinungsäußerungen des Mieters zu Vorhaben des Vermieters in Bezug auf die Mietsache, wenn die Grenze zur Schmähkritik nicht überschritten wird627, – nicht die Verteilung von Flugblättern an Kaufinteressenten mit dem Aufdruck „Mieter wehren sich erfolgreich“, wenn dies durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt ist628,

611 612 613 614 615 616 617 618 619 620 621 622 623 624 625 626 627 628

BGH v. 31.7.2013 – VIII ZR 149/13, MietRB 2014, 36 = WuM 2013, 554 = NZM 2013, 786. OLG Köln v. 19.5.2017 – 1 U 25/16, MietRB 2017, 319, juris. LG Berlin v. 9.5.2008 – 63 S 376/07, MM 2009, 74. AG Vaihingen v. 1.12.2016 – 1 C 217/16, WuM 2017, 459. OLG Stuttgart v. 15.9.2005 – 13 U 63/05, ZMR 2005, 953 = OLGR Stuttgart 2006, 39. OLG Köln v. 12.7.1995 – 2 U 45/95, NJW-RR 1996, 265 = WuM 1996, 270. BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 119/76, MDR 1978, 487 = ZMR 1978, 207. AG Dortmund v. 30.10.2018 – 425 C 4296/17, MietRB 2019, 41 = IMR 2019, 22 (Neumann). OLG Celle v. 7.10.2008 – 2 U 99/08, MietRB 2009, 96 = ZMR 2009, 192. LG Hamburg v. 23.6.2005 – 307 S 32/05, ZMR 2005, 867. OLG Hamm v. 5.6.1992 – 30 U 305/91, NJW-RR 1993, 16. OLG Celle v. 7.10.2008 – 2 U 99/08, MietRB 2009, 96 = ZMR 2009, 192. LG Hannover v. 2.6.1995 – 9 S 199/94, WuM 1995, 538. AG Wedding v. 2.6.1981 – 5 C 162/81, WuM 1981, 210. LG Münster v. 6.9.2001 – 8 S 265/01, WuM 2002, 52. LG Hamburg v. 11.3.1999 – 333 S 110/98, WuM 1999, 333. LG Berlin v. 22.9.2006 – 63 S 126/06, GE 2007, 723. VerfGH Berlin v. 22.1.2008 – VerfGH 70/06, ZMR 2008, 605.

810 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 126a § 543

– nicht überlange Schriftsätze im Gerichtsverfahren und der Versuch zu bestimmen, mit welchem der mehreren Vermieter er redet629; – nicht Aufruf an Mitmieter zur Unterstützung im Kampf gegen „Willkür“ des Vermieters630. Verwahrlosung 124 – Verwahrlosung der Wohnung, wenn dadurch die Substanz des Mietobjektes gefährdet ist631, – unzumutbarer Gestank, der ins Treppenhaus und die übrigen Räume eindringt632, – jedenfalls nach Abmahnung633, – erhebliche Verschmutzung des Badezimmers, die trotz rechtskräftiger Verurteilung zur Reinigung und weiterer Fristsetzung nicht behoben wurde, sowie Ungezieferbefall der Wohnung mit Fliegen und Maden634, insbesondere wenn der Mieter sich hartnäckig weigert, an der Beseitigung und Vermeidung mitzuwirken635, – Gefährdung der Mietsache durch Überlastung der Räume, ungenügende Beheizung, Verschmutzung und Vermüllung der Wohnung636, insbesondere wenn die Vermüllung sich auf die Bausubstanz auswirkt637, – ohne Abmahnung, wenn die ganze Wohnung flächendeckend vollgestellt ist, das Bad nicht mehr zu betreten und zu benutzen ist und Rattenbefall mit Rattenkegeln in der ganzen Wohnung und angeknabberten Türen vorhanden ist638, – nicht durch bloße Anhäufung von Gerümpel639, – nicht durch die bloße Ansammlung von übelriechendem Unrat und Sperrmüll über mehrere Wochen640. Vorwürfe. Nicht, wenn der Vermieter zuvor z.B. durch eine Kündigung versucht hat, sich seinen 125 Pflichten aus dem Mietvertrag zu entziehen641. Wäschetrocknen. Nicht: unbefugtes Trocknen von Wäsche auf dem Geländer des Laubenganges642.

126

126a Wasserschaden: – wiederholte Verursachung von schweren Wasserschäden643, – erheblicher Wasserschaden im Zustand der Trunkenheit nach vorangegangenen alkoholbedingten weiteren Störungen des Hausfriedens durch den Mieter644, – nicht vom Mieter fahrlässig verursachter Schaden durch bedingungswidriges Austreten von Wasser ist weder Anlass zur fristlose noch fristgerechte Kündigung, wenn das langjährige Mietverhältnis bis dahin beanstandungsfrei geführt wurde645.

629 630 631 632 633 634 635 636 637 638 639 640 641 642 643 644 645

AG Dortmund v. 30.10.2018 – 425 C 4296/17, MietRB 2019, 41 = ZMR 2019, 284. LG Koblenz v. 10.6.1975 – 6 S 377/74, WuM 1976, 98. AG Frankfurt v. 16.1.1998 – 33 C 2515/97-67, WuM 1998, 343. LG Hamburg v. 26.5.1987 – 16 S 307/85, WuM 1988, 18; AG Münster v. 8.3.2011 – 3 C 4334/10, WuM 2012, 372; AG Saarbrücken v. 29.10.1993 – 37 C 267/93, DWW 1994, 186. AG Rheine v. 26.2.2008 – 4 C 731/07, WuM 2008, 218. AG Frankfurt v. 7.9.2016 – 33 C 1702/16 (93), MietRB 2017, 5. AG Hamburg-Harburg v. 18.3.2011 – 641 C 363/10, ZMR 2011, 644. AG Neustadt v. 25.8.2016 – 1 C 321/15, WuM 2017, 196; bestätigt durch LG Nürnberg-Fürth v. 23.2.2017 – 7 S 7084/16, MK 2017, 56. LG Berlin v. 19.1.2018 – 66 S 230/17, ZMR 2018, 416 = GE 2018, 393. LG Berlin v. 2.3.2017 – 67 S 8/17, GE 2017, 591. AG Friedberg v. 16.1.1991 – C 1690/90, WuM 1991, 686. LG Osnabrück v. 22.9.2017 – 1 S 226/17, juris. OLG München v. 13.9.1996 – 21 U 5861/95, ZMR 1996, 654 (656). LG Berlin v. 22.2.2007 – 62 S 277/05, MM 2007, 181. LG Berlin v. 26.11.1987 – 62 S 103/87, GE 1988, 145; AG Wiesbaden v. 15.5.1991 – 98 C 189/91, NJW-RR 1992, 76. AG Pforzheim v. 18.5.2018 – 8 C 63/18, IMR 2018, 420 (Mettler). LG Berlin v. 2.2.2017 – 67 S 410/16, MDR 2017, 512 = GE 2017, 293 = WuM 2017, 154.

Lützenkirchen | 811

§ 543 Rz. 127 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund 127 WEG. Nicht: die Untersagung der Vermietung von Teileigentum durch Eigentümergemeinschaft646. 127a Zahlungsrückstände: für Rückstände wegen Mietzahlungen vgl. § 543 BGB Rz. 216 ff. Im Übrigen

kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an. Sowohl Rückstände aus Betriebskostennachforderung (vgl. § 543 BGB Rz. 98 und 218a) als auch aus Schadensersatz (vgl. dazu auch § 573 BGB Rz. 125 f.) können jedenfalls nach Abmahnung einen wichtigen Grund bilden. Dies gilt erst recht, wenn die Forderung des Vermieters tituliert ist647. 127b Zerrüttung

– s. Vertrauensbruch – nicht ohne weiteres, wenn der Mieter Arbeiten behindert, lange Schreiben verfasst und belehrend gegenüber dem Vermieter und Dritten auftritt648. 128 Zugang. Bestreiten des Erhalts einer Abmahnung im Prozess reicht nicht aus, selbst wenn es wahr-

heitswidrig ist649. 128a Zutritt

– Beharrliche Verweigerung der Zutrittsgewährung für Kaufinteressenten, auch nach Vorliegen eines Duldungstitels650; nicht ohne weiteres jedoch, wenn ein Duldungstitel nur gegen den Untermieter, nicht gegen den Mieter selbst vorliegt651; – beharrliche Verweigerung des Zutritts nach Mängelrüge des Mieters652; – wiederholte Verweigerung des Zutritts zur Feststellung der Ursachen eines Wasserschadens653; – nicht bloße Verweigerung654, wobei die Umstände des Einzelfalles maßgeblich sind655, weil hier die Grundrechte des Mieters aus Art. 13 und Art. 14 GG zu beachten sind656, – Verweigerung der Wohnungsbesichtigung durch Kaufinteressenten657, – nicht die Duldung von nur einer Besichtigung pro Woche658, – Installation einer ungewöhnlichen Einbruchssicherung, die ungewollt einen Gerichtsvollzieher von der Wohnungsdurchsuchung abhält659. 129 Zwischenvermietung. Nicht die enttäuschte Erwartung steuerlicher Vorteile aus der Zwischenvermie-

tung im Bauherrenmodell660. b) Für den Mieter 130 Bauliche Mängel des Gebäudes

– Das Fehlen ausreichender Rettungswege im Brandfall661, – fehlendes Geländer an einer Galerie des Obergeschosses im gemieteten Haus662,

646 647 648 649 650 651 652 653 654 655 656 657 658 659 660 661 662

BGH v. 29.11.1995 – XII ZR 230/94, MDR 1996, 355 = NJW 1996, 714. LG Berlin v. 3.2.2015 – 63 S 230/14, GE 2015, 514. AG Dortmund v. 30.10.2018 – 425 C 4296/17, MietRB 2019, 41 = BeckRS 2018, 26909. LG Berlin v. 9.10.2013 – 65 S 140/13, WuM 2014, 93. BGH v. 5.10.2010 – VIII ZR 221/09, WuM 2011, 13 = ZMR 2011, 366. BGH v. 31.7.2013 – XII ZR 81/12, MietPrax-AK § 543 BGB Nr. 29. AG Pankow/Weißensee v. 8.12.2016 – 3 C 190/16, GE 2017, 540. LG Frankfurt/M. v. 8.9.2015 – 2-11 S 172/15, MietRB 2015, 323. LG Berlin v. 31.3.2000 – 64 S 534/99, ZMR 2000, 535 = NZM 2001, 40. BGH v. 5.10.2010 – VIII ZR 221/09, WuM 2011, 13 = GE 2011, 198 = ZMR 2011, 366. BVerfG v. 16.1.2004 – 1 BvR 2285/03, MDR 2004, 266. BGH v. 5.10.2010 – VIII ZR 221/09, WuM 2011, 13 = GE 2011, 198 = ZMR 2011, 366; a.A. AG Erkelenz v. 4.1.1985 – 8 C 461/84, WuM 1986, 251. LG Kiel v. 1.6.1992 – 1 S 315/91, WuM 1993, 52. LG Frankfurt v. 16.7.1991 – 2/11 S 637/90, WuM 1992, 608. LG Tübingen v. 25.3.1991 – 1 S 547/90, WuM 1991, 553. KG v. 22.9.2003 – 12 U 15/02, MietRB 2004, 41 = GuT 2003, 215. Brandenburgisches OLG v. 2.7.2008 – 3 U 156/07, ZMR 2009, 190.

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B. Wohnraummiete | Rz. 134 § 543

– eine Einsturzgefahr verpachteter Hühnerställe663, – nicht die bloß formelle Baurechtswidrigkeit ohne konkret drohende Gefahr der Gebrauchsentziehung664, Baumaßnahmen des Vermieters 130a – Umfangreiche Bauarbeiten über einen Zeitraum von acht Monaten, die eine vertragsgemäße Nutzung der Praxisräume für Neurologie und Psychiatrie unmöglich machen665; – auch schon bei unmittelbarem Bevorstehen ernsthaft angekündigter Baumaßnahmen (Kündigung für den Beginn der den Mietgebrauch entziehenden Maßnahme)666. 131 Bedrohung – mit Messer durch Sohn des Vermieters667, – durch die Ankündigung des Vermieters die Türe einzutreten und den Mieter beim Arbeitgeber anzuschwärzen668, – anhaltend bedrohliches, beleidigendes und aggressives Verhalten eines Mitbewohners669, – des Vermieters in einem sozialen Netzwerk mit körperlicher Gewalt670, – nicht Äußerung des Vermieters, die Fristsetzung des Mieters zur Mängelbeseitigung wirke wie eine Nötigung671. – siehe auch Beleidigung (§ 543 BGB Rz. 61) und Gewalt (§ 543 BGB Rz. 78) 132 Behördliche Genehmigung – wie z.B. die Nichterteilung der Schankerlaubnis wegen bauordnungsrechtlicher Beanstandungen, wenn dem Mieter der zeitlich nicht absehbare Schwebezustand nicht zumutbar ist672, – ein behördliches Vertriebsverbot (nach der HackfleischVO) wegen mangelhafter Einrichtung der als „Fleischwarenverkaufsstelle“ vermieteten Räume673. 132a Beleidigung – nicht der Gebrauch des Begriffs „Fräulein“ durch die über 80-jährigen Vermieter gegenüber einer Mieterin674.

Belichtung. Mangelnde Belichtung der Mieträume durch Bebauung des Nachbargrundstücks über 133 das durch öffentlich-rechtliche Vorschriften vorgegebene Maß hinaus675. 134 Beschuldigung. – Grundlose Beschuldigung, Mieter verhalte sich querulantenhaft und aufwieglerisch676, – willkürliche (herabwürdigende) Behauptungen ins Blaue hinein, die keinen Bezug zum Mietverhältnis habe677.

663 664 665 666 667 668 669 670 671 672 673 674 675 676 677

OLG Koblenz v. 12.5.1992 – 3 U 1765/91, NJW-RR 1992, 1228. LG Frankfurt/M v. 29.12.1999 – 2/17 S 99/99, NZM 2000, 1053. BGH v. 31.10.2012 – XII ZR 126/11, MietRB 2013, 40 = MDR 2013, 82 = WuM 2013, 37. Brandenburgisches OLG v. 26.2.1997 – 3 U 219/96, NJWE-MietR 1997, 224. LG Hannover v. 14.3.2000 – 18 S 665/99, WuM 2001, 446. AG Speyer v. 27.2.2019 – 32 C 32/18, ZMR 2019, 886. OLG Köln v. 6.2.2006 – 16 Wx 197/05, OLGR 2006, 524. AG Düsseldorf v. 11.7.2019 – 27 C 346/18, MietRB 2019, 296 = ZMR 2019, 870; AG Speyer v. 27.2.2019 – 32 C 32/18, ZMR 2019, 886. OLG Düsseldorf v. 19.7.2011 – 24 U 31/11, MDR 2012, 83 = GuT 2012, 358. OLG Düsseldorf v. 16.6.1988 – 10 U 177/87, MDR 1988, 866. OLG Rostock v. 29.4.2002 – 3 U 12/01, NZM 2002, 701. AG Frankfurt v. 27.6.2019 – 29 C 1220/19, GE 2019, 1424. OLG Hamm v. 22.6.1982 – 7 U 13/81, MDR 1983, 579. AG Borken v. 5.11.1998 – 12 C 161/98, WuM 2000, 189. OLG München v. 22.11.2018 – 32 U 1376/18, MietRB 2019, 40 = ZMR 2019, 266 = IMR 2019, 149 (Pützenbacher).

Lützenkirchen | 813

§ 543 Rz. 135 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund 135 Betriebskosten

– – – –

Unredlichkeiten bei der Abrechnung der Betriebskosten678, wiederholt vorsätzlich falsche Abrechnung und Verweigerung der Einsicht in Belege679, nicht grundlose Verzögerung der Abrechnung680, nicht bei inhaltlichen Fehlern der Abrechnung und Meinungsverschiedenheiten über die Abrechnungsweise681.

136 Briefgeheimnis. Öffnen der Post des Mieters durch Vermieter und Weitergabe des Inhalts an Drit-

te682. 137 Einbruchgefahr

– Gefahr des Diebstahls durch offene Verkaufsfläche, die außerhalb der Geschäftszeiten für Dritte zugänglich ist683, – Verlust des Versicherungsschutzes nach Einbruchsserie in Geschäftsräume684. 138 Einsturzgefahr. Gesundheitsgefährdung (§ 569 Abs. 1 BGB), wenn die Nutzung der Mietsache zum

vertragsgemäßen Gebrauch als Imbiss- und Restaurantbetrieb infolge eines beschädigten Stahlträgers der Kellerdecke insgesamt betroffen ist und sich nicht nur auf den Kellerbereich beschränkt685; Einsturzgefahr eines Holzdaches, auch wenn das Risiko nur bei außergewöhnlichen Belastungen besteht, gleichwohl aber als real einzustufen ist686. 139 Feuchtigkeit

– – – –

Eindringen von Feuchtigkeit wegen Dachundichtigkeit687, nach Fenstermodernisierung688, Feuchtigkeitsschäden mit Schimmelpilzbefall durch bauliche Mängel689, infolge Überschwemmung der Wohnung bei Hochwasser690, jedenfalls dann, wenn der Zeitpunkt der Schadensbeseitigung nicht absehbar ist691, – nicht bei unerheblicher Gebrauchsminderung (Schimmel in einer Fuge im Bad, Wasserschaden und Schimmelbildung im Keller)692, – nicht ohne vorherige Fristsetzung und Zutrittsgewährung693;

678 LG Gießen v. 12.6.1996 – 1 S 571/95, WuM 1996, 767; OLG Düsseldorf v. 20.12.1990 – 10 U 137/90, DWW 1991, 78. 679 LG Konstanz v. 20.12.2012 – 61 S 28/12 C, WuM 2013, 418; LG Berlin v. 24.6.2003 – 65 S 421/02, GE 2003, 1081. 680 OLG München v. 10.1.1997 – 21 U 2464/95, ZMR 1997, 233. 681 OLG Frankfurt v. 27.2.2015 – 2 U 144/14, MietRB 2015, 168 = ZMR 2015, 709 = MDR 2015, 882. 682 AG Rendsburg v. 20.5.1986 – 11 C 124/86, WuM 1989, 178. 683 OLG Dresden v. 11.12.2007 – 5 U 1526/07, InfoM 2008, 68; vgl. auch BGH v. 7.6.2006 – XII ZR 34/04, MDR 2007, 22 = MietRB 2006, 264 = NZM 2006, 626. 684 Kündigungsrecht bejaht: OLG Naumburg v. 16.12.1996 – 1 U 175/96, NZM 1998, 438; verneint: KG v. 29.9.1997 – 20 U 4599/97, NZM 1998, 437; OLG Rostock v. 25.6.2001 – 3 U 162/00, OLGR 2002, 34. 685 OLG Düsseldorf v. 14.1.2010 – 10 U 74/09, MietRB 2010, 134. 686 OLG Düsseldorf v. 16.2.2016 – I-10 U 202/15, MietRB 2016, 223. 687 OLG Düsseldorf v. 28.7.1998 – 24 U 173/97, MDR 1999, 220. 688 LG Düsseldorf v. 8.10.1991 – 24 S 82/91, WuM 1992, 187. 689 LG München I v. 26.9.1990 – 31 S 20071/89, WuM 1991, 584; LG Düsseldorf v. 9.9.1988 – 21 S 625/87, WuM 1989, 13; LG Duisburg v. 23.1.2001 – 13/23 S 359/00, NZM 2002, 214; AG Saarbrücken v. 23.8.2017 – 4 C 348/16 (04), WuM 2017, 634; a.A. LG Mainz v. 14.11.1997 – 3 T 102/97, DWW 1999, 295. 690 AG Köln v. 8.9.1994 – 214 C240/94, WuM 1997, 261; AG Döbeln v. 11.9.2003 – 1 C 0227/03, NZM 2004, 499. 691 AG Grimma v. 22.1.2003 – 2 C 0983/02, NJW 2003, 904. 692 AG Schöneberg v. 24.9.2008 – 103 C 30/08, GE 2009, 55. 693 AG Hamburg-Wandsbek v. 26.7.2016 – 715 C 109/16, WuM 2017, 625.

814 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 143 § 543

Flächenabweichung – bei Unterschreitung der vereinbarten Mietfläche um mehr als 10 % vor Überlassung der Räume694, – nach dreijähriger Nutzung695, – nicht bei Angabe einer falschen Wohnungsgröße in einer Zeitungsanzeige696.

140

Gebrauchsentziehung 141 – durch bevorstehende Modernisierung für die Dauer von neun Monaten, in denen eine vertragsgemäße Nutzung nicht möglich ist697, – Nicht bei einem Aufzugsausfall an 21 Tagen in drei Jahren, wenn der Vermieter jeweils umgehend Abhilfe geschaffen hatte698, – nicht bei Entzug einer nur gefälligkeitshalber überlassenen, nicht mitvermieteten Fläche699; Geruchsbelästigung – durch städtische Kläranlage700, – durch Lebensmittelbetrieb infolge unzureichender Abluftanlage701, – durch Zigarettenrauch702, – durch Essensgerüche703.

142

Gerüst 142a – Aufstellen eines Gerüstes mit Auffangkonstruktion im unteren Bereich zum Schutz der Passanten vor herabfallenden Putzteilen, so dass die Einsicht in das Ladenlokal im Erdgeschoss gemindert ist704. Geschäftsgrundlage 143 – Eine Störung der Geschäftsgrundlage durch erheblichen Leerstand von Ladenlokalen in einem Einkaufszentrum oder einer Ladenpassage, wenn der Vermieter das Funktionieren seines Konzeptes der Branchenmischung zu seinem Risiko gemacht hat705, – eine solche Risikoübernahme ergibt sich nicht schon daraus, dass der Vermieter ein Gesamtkonzept für das Einkaufszentrum entwickelt hat, in welches sich der Betrieb des Mieters einfügt706, – Geschäftsaufgabe des Hauptmieters, der mit dem Untermieter einen „Kombiladen Bäcker/Fleischer“ betreibt707 oder mit diesem einen „Shop in Shop“-Untermietvertrag hat708, oder der Mietzweck beschrieben ist mit „Bäcker in der Vorkassenzone des XXX-Marktes“709, – Kündigung des Untermieters (Bäcker), der sein Geschäft in räumlichem Zusammenhang mit einem Lebensmittelmarkt betreibt, nach Kündigung des Lebensmittelmarktes durch den gemeinsamen Vermieter710,

BGH v. 4.5.2005 – XII ZR 254/01, MietRB 2005, 259 = MDR 2005, 975. BGH v. 29.4.2009 – VIII ZR 142/08, MDR 2009, 793 = MietRB 2009, 189 = WuM 2009, 349. AG Frankfurt v. 5.5.2006 – 33 C 582/06-50, MDR 2007, 26. BGH v. 31.10.2012 – XII ZR 126/11, MietRB 2013, 40 = MDR 2013, 82 = WuM 2013, 37 = GE 2013, 52. KG v. 12.4.2007 – 12 U 65/06, MDR 2007, 1305 = ZMR 2007, 862 = NZM 2008, 42. OLG Düsseldorf v. 19.10.2000 – 10 U 227/99, MDR 2001, 446. LG Augsburg v. 1.2.1984 – 7S 4332/83, WuM 1986, 137. OLG Brandenburg v. 4.11.1998 – 3 U 46/98, OLGR 2000, 150. LG Stuttgart v. 27.5.1998 – 5 S 421/97, WuM 1998, 724. Lützenkirchen/Eisenhardt, AHB Mietrecht, J Rz. 456 (Gerüche). KG v. 15.5.2014 – 8 U 12/13, MietRB 2014, 358 = ZMR 2015, 538. OLG Naumburg v. 9.4.1998 – 3 U 1062/97, zitiert nach juris. BGH v. 16.2.2000 – XII ZR 279/97, MDR 2000, 821; BGH v. 19.7.2000 – XII ZR 176/98, MDR 2001, 22. OLG Düsseldorf v. 19.2.2009 – 10 U 142/08, NZM 2010, 477; OLG Dresden v. 10.4.2001 – 23 U 3114/00, NZM 2002, 292. 708 OLG Karlsruhe v. 22.6.1999 – 3 U 4/99, OLGR 1999, 316. 709 OLG Dresden v. 8.2.2017 – 5 U 1669/16, MietRB 2017, 189 = ZMR 2017, 468 = MDR 2017, 568. 710 OLG Hamm v. 9.10.1996 – 33 U 17/96, NJW-RR 1997, 264; ähnlich OLG München v. 23.6.1999 – 3 U 6412/ 98, MDR 1999, 1434. 694 695 696 697 698 699 700 701 702 703 704 705 706 707

Lützenkirchen | 815

§ 543 Rz. 143 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund – Schließung des Operationssaales einer Privatklinik, auf deren Gelände Anästhesist im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung vom Klinikbetreiber Praxisräume angemietet hat711, – nicht aus Umständen, die unter den Mangelbegriff von § 536 BGB fallen712; – nicht, wenn Wegfall der Geschäftsgrundlage schon vorhersehbar ist (Leerstand eines Wohnheims wegen Rückgang von Asylbewerber)713, oder – nicht bei einer schweren Erkrankung des Mieters714. 144 Geschäftsschädigung. Nicht, wenn sich ein Rechtsanwalt, der überwiegend strafrechtlich tätig ist,

durch die Vermietung von Räumen im gleichen Haus an Staatsanwaltschaft beeinträchtigt fühlt715. 145 Gesundheitsgefährdung

– durch fehlendes Geländer an einziger Treppe zu dem im Obergeschoss gelegenen Büroraum716, – Brandgefahr in Gewerberäumen wegen nicht funktionsfähiger Brandschutzvorrichtungen717, – mangelnde Aufklärung über den Umfang eines Legionellenbefalls trotz mehrfacher Aufforderung718, – nicht bei Errichtung einer Mobilfunkanlage in der Nähe der Wohnung, wenn die Grenzwerte der 26. BImSchVO eingehalten sind719, – nicht bei Legionellenbefall, wenn Mieter längere Zeit mit Kündigungsausspruch (neun Wochen) gewartet hat (Schadensersatzanspruch des Mieters bejaht)720, – nicht, wenn der Gesundheitszustand des Mieters eine Nutzung der Wohnung nicht zulässt, ohne dass der Vermieter dazu beigetragen hat721, – nicht allein die Demenz des Mieters, der aufgrund seines Gesundheitszustandes die Wohnung nicht mehr nutzen kann722. 146 Hausfriedensbruch

– durch Betreten der Wohnung des Mieters ohne Ankündigung723, Ausnahme nur, wenn ein zwingender Grund vorliegt und der Mieter nicht erreichbar ist724, – durch unbefugtes Betreten der Wohnung mittels Zweitschlüssel725, – Zugangsgewährung für Dritte zur Wohnung ohne Kenntnis des Mieters726, – eigenmächtige Inbesitznahme der vom Mieter nicht mehr benutzten Wohnung zwecks Vornahme von Renovierungsarbeiten727, – nicht einmaliges unerlaubtes Betreten der nach Auszug des Mieters noch nicht zurückgegebenen Wohnung durch den Vermieter mit Kaufinteressenten728, erst recht nicht ohne Abmahnung729,

711 OLG Koblenz v. 8.11.2004 – 12 U 1470/03, OLGR 2005, 652. 712 BGH v. 11.12.1991 – XII ZR 63/90, WuM 1992, 313 = ZMR 1992, 239; OLG Frankfurt/M. v. 17.6.1999 – 12 U 71/98, ZMR 1999, 700. 713 Brandenburgisches OLG v. 19.6.1998 – 3 U 104/95, NZM 1999, 222. 714 OLG Düsseldorf v. 6.6.2000 – 24 U 186/99, MDR 2001, 83 = ZMR 2001, 106. 715 OLG Köln v. 13.1.2004 – 22 U 125/03, MDR 2004, 660. 716 LG Landau v. 26.3.2002 – 1 S 323/01, GuT 2003, 214. 717 KG v. 22.9.2003 – 12 U 15/02, MietRB 2004, 41 = ZMR 2004, 259. 718 LG Nürnberg-Fürth v. 8.11.2016 – 7 S 1713/16, ZMR 2017, 566. 719 LG Hamburg v. 26.1.2006 – 307 S 130/05, ZMR 2007, 198. 720 LG Nürnberg-Fürth v. 8.11.2016 – 7 S 1713/16, ZMR 2017, 566. 721 AG Charlottenburg v. 8.11.2018 – 205 C 172/18, GE 2018, 1530. 722 LG Berlin v. 22.5.2019 – 64 S 2/19, GE 2019, 969. 723 LG Berlin v. 9.2.1999 – 64 S 305/98, WuM 1999, 332 = ZMR 1999, 400; LG Köln v. 23.9.1993 – 6 S 130/93, ZMR 1994, VI Nr. 9. 724 OLG Celle v. 5.10.2006 – 13 U 182/06, WuM 2007, 201. 725 LG Berlin v. 9.2.1999 – 64 S 305/98; WuM 1999, 332 = ZMR 1999, 400 = NZM 2000, 543. 726 AG Magdeburg v. 13.11.2012 – 163 C 2857/11 (163), WuM 2012, 676. 727 AG Braunschweig v. 26.6.2002 – 117 C 4321/01, ZMR 2003, 499. 728 LG Lüneburg v. 9.5.2005 – 6 S 51/05, WuM 2005, 586. 729 OLG Düsseldorf v. 29.11.2012 – 10 U 44/11, ZMR 2013, 706 = DWW 2014, 44.

816 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 152 § 543

– nicht durch einmaliges Betreten mittels eines Schlüssels, der vom Mieter nach seinem Auszug dem Vermieter überlassen wurde, wenn der Mieter nicht versucht hat, den Schlüssel zurück zu bekommen730, – nicht das einmalige Auswechseln des Schlosses zur Eingangstür und sofortiger Rückbau nach Belehrung durch die Polizei731. Hausfriedensstörung 147 – durch vom Vermieter geduldeten Aufenthalt unbekannter Personen in leerstehender Wohnung desselben Hauses732, – unzumutbare Belästigung durch Mitmieter (unberechtigte Vorwürfe, Strafanzeige, Drohbriefe, lautes Schreien ohne erkennbaren Anlass, Klopfen gegen die Decke, nächtliches Klingeln und Tritte gegen die Wohnungstür, Abstellen des Stroms)733. 148 Heizung – Ungenügende Beheizbarkeit der Mieträume734, – mangelnde Erwärmung in Büroräumen im November und Dezember mit Temperaturen anhaltend – teils erheblich – unter 20 °C735, – wiederholter Heizungsausfall in der Wohneigentumsanlage auf Grund einer Stromabschaltung nach offenen Rechnungen des Elektrizitätswerks736 und in Geschäftsräumen737; – s. auch Raumtemperatur.

Insolvenz des Vermieters – nicht die Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse738, – nicht die Löschung des Vermieters im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit739.

149

150 Instandsetzung – Wenn Vermieter einer regelmäßigen Instandsetzungspflicht nicht nachgekommen ist oder nachhaltige Verzögerungen der Sanierungsarbeiten verursacht hat740, – Weigerung trotz wiederholter Aufforderung, durch geeignete Baumaßnahmen behördliche Auflagen zur Instandsetzung zu erfüllen741. 151 Konkurrenzschutz – Verstoß gegen den vertraglich zugesicherten Konkurrenzschutz742, – nicht jede Überschneidung der Angebote im Nebensortiment reicht für eine Konkurrenzschutzverletzung aus („Lebensmitteldiscounter“ gegen Geschäft mit zum großen Teil russischen Lebensmitteln)743.

Krankheit des Mieters reicht nicht744.

730 731 732 733 734 735 736 737 738 739 740 741 742 743 744

152

OLG Düsseldorf v. 29.11.2012 – 10 U 44/11, ZMR 2013, 706 = DWW 2014, 44. KG v. 2.4.2009 – 12 U 118/08, ZMR 2010, 111 = NZM 2009, 820 = GE 2009, 978. LG Göttingen v. 5.2.1986 – 5 S 15/85, WuM 1990, 75. LG Berlin v. 8.6.2006 – 67 S 465/05, MM 2007, 333. LG Landshut v. 18.12.1985 – 1 S 1222/85, WuM 1989, 175. KG v. 28.4.2008 – 8 U 209/07, MietRB 2009, 6 = MietRB 2009, 7 = MietRB 2009, 11 = ZMR 2008, 790. LG Saarbrücken v. 17.6.1994 – 13 BS 58/94, WuM 1995, 159. OLG Dresden v. 18.6.2002 – 5 U 260/02, WuM 2002, 541. BGH v. 23.1.2002 – XII ZR 5/00, NZM 2002, 524. BGH v. 10.4.2002 – XII ZR 37/00, NZM 2002, 525. KG v. 26.8.2002 – 8 U 181/01, GE 2002, 1561 = KGR 2003, 124; LG Berlin v. 30.3.2001 – 32 O 759/00, GE 2001, 993. OLG Frankfurt v. 21.2.1979 – 13 U 227/77, WuM 1980, 133. KG v. 3.3.1997 – 20 U 1624/96, KGR 1997, 133. KG v. 6.5.2010 – 12 U 150/09, MietRB 2010, 231 = GuT 2010, 208 = GE 2010, 1338 = ZMR 2011, 30. OLG Düsseldorf v. 6.6.2000 – 24 U 186/99, MDR 2001, 83 = WuM 2002, 94; OLG Düsseldorf v. 25.7.2008 – I-24 W 53/08, MietRB 2008, 327 = MDR 2008, 1204; LG Berlin v. 22.5.2019 – 64 S 2/19, GE 2019, 969.

Lützenkirchen | 817

§ 543 Rz. 153 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund 153 Kündigung

– Schuldhaft unberechtigte Kündigung des Vermieters745, wobei die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung gesondert zu prüfen ist746, die aber regelmäßig vorliegen wird, wenn die grundsätzlich notwendige747 Abmahnung vorausgegangen ist (§ 543 Abs. 3 BGB); – gegenüber der fristlosen Kündigung des Mieters verhält sich der Vermieter treuwidrig, wenn er selbst zuvor mehrfach fristlos gekündigt und Räumungsklage gegen den Mieter geführt hat748; – nicht aber eine Kündigung, die ohne Anhaltspunkte auf eine Verletzung der Schriftform gestützt wird, wenn nach dem Mietvertrag zwei Jahre später zur Vermeidung einer Verlängerung ohnehin eine Kündigung erforderlich ist, so dass sich die Kündigung im Zweifel als solche zum falschen Termin darstellt749. – s. auch Räumungsverlangen. 154 Lärm

– – – – –

Störungen durch Lärm aus Nachbarwohnung über längeren Zeitraum750, nächtliche Ruhestörungen durch lautstarke Auseinandersetzungen von Nachbarn751, Lärmbelästigungen aus Gaststätte752, Klopfgeräusche der Heizungsanlage753, nicht, wenn es sich um den in einem Mehrfamilienhaus üblichen Lärm der Mitbewohner handelt, der als sozialverträglich anzusehen ist754.

155 Mietpreisüberhöhung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab755. 156 Nutzungsbeschränkung

– Die Nutzungsuntersagung durch die Behörde, wobei eine Abmahnung nicht erforderlich ist756, – die behördliche Androhung von Zwangsmitteln kann ausreichen, weil damit die Nutzung als solche ungewiss wird757, – wenn trotz bisheriger Duldung mit einem Einschreiten der Behörde während der vereinbarten Vertragszeit zu rechnen ist758, – obwohl die Behörde eine weiträumige Räumungsfrist gewährt, innerhalb derer auch eine ordentliche Kündigung möglich wäre759,

745 BGH v. 15.3.2000 – XII ZR 81/97, MDR 2000, 875 = WuM 2000, 598 = ZMR 2000, 590; OLG Düsseldorf v. 8.2.2001 – 10 U 202/99, OLGR 2001, 239; vgl. aber auch OLG Düsseldorf v. 26.6.1997 – 10 U 95/96, WuM 1997, 556. 746 OLG Düsseldorf v. 26.6.1997 – 10 U 95/96, WuM 1997, 556 = ZMR 1997, 596. 747 Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 20. 748 LG Stuttgart v. 30.1.2019 – 4 S 233/18, WuM 2019, 433. 749 OLG Frankfurt v. 23.1.2013 – 2 U 276/12, ZMR 2013, 433. 750 AG Köln v. 11.7.1997 – 201 C 37/97, KM 13 Nr. 10. 751 LG Duisburg v. 15.3.1988 – 7 S 252/87, WuM 1988, 264. 752 LG Hamburg v. 21.10.1986 – 16 S 32/86, WuM 1987, 218; AG Berlin-Mitte v. 10.9.1998 – 16 C 196/98, MM 1999, 36. 753 LG Darmstadt v. 25.10.1978 – 7 S 131/78, WuM 1980, 52. 754 AG München v. 18.1.2019 – 417 C 12146/18, ZMR 2019, 878. 755 OLG Frankfurt v. 7.8.2000 – 20 RE-Miet 1/98, WuM 2000, 537; bejaht: LG Darmstadt v. 12.3.1997 – 21 S 210/96, WuM 1997, 442; verneint: LG Berlin v. 19.2.1998 – 67 S 506/96, NZM 1999, 305; LG Berlin v. 20.12.2004 – 67 S 213/04, MM 2005, 145. 756 LG Itzehoe v. 16.12.2011 – 9 S 24/11, ZMR 2012, 555. 757 BGH v. 24.10.2007 – XII ZR 24/06, MietRB 2008, 103 = ZMR 2008, 274; BGH v. 22.6.1988 – VIII ZR 232/87, MDR 1988, 1052. 758 OLG Frankfurt v. 26.3.1993 – 2 U 110/92, OLGR 1994, 254. 759 AG Plettenberg v. 22.7.1998 – 1 C 131/98, NZM 1998, 862.

818 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 160 § 543

– nicht, wenn eine formlose Mitteilung der Gemeinde in der aktuellen Planlage das von dem Mieter ausgeübte Gewerbe in den Mieträumen nicht vorsieht, zumal wenn das Schreiben der Gemeinde am Ende die Gelegenheit „zu einem gemeinsamen Gespräch“ anbietet760, – nicht das bloße Fehlen der erforderlichen behördlichen Nutzungsgenehmigung761. Nutzungsbeschränkung durch Teilungserklärung. Wenn dem vermietenden Teileigentümer durch 157 rechtskräftiges Urteil aufgegeben wurde, die mietvertraglich vereinbarte Nutzung zu beenden, und dieser daraufhin den Mieter unter Androhung von Schadensersatzansprüchen zur Räumung auffordert762. Prostitution 158 – in Nachbarwohnung763, – insbesondere wegen der Gefahr für weibliche Mieter, durch Freier belästigt zu werden764, – auch ohne Abmahnung, wenn Abhilfe ungewiss ist765, – nicht bei bordellartigem Massageinstitut im Mehrparteienhaus, wenn damit keine konkrete Beeinträchtigung des vertragsgemäßen Gebrauchs der Mietsache verbunden ist766. Raumtemperatur 159 – von mehr als 35 °C767, – Eindringen von Kälte und Zugluft durch offene Zwischendecke zum Dachgebälk768, – nicht aber, wenn Kündigung wegen Raumüberhitzung während der Sommermonate im Winter ausgesprochen wird, der Mangel leicht zu beheben und der Vermieter zu sofortiger Abhilfe bereit ist769, – nicht, wenn die Raumtemperatur an zwei Tagen außerhalb der Heizperiode unter 20 °C lag770; – s. auch Heizung. Räumungsverlangen 160 – des Hauptvermieters gegenüber Untermieter nach wirksamer Beendigung des Hauptmietvertrags (Kündigungsrecht des Mieters)771, – nicht nach unwirksamer Kündigung des Hauptmietvertrages, denn eine Androhung der Räumung steht dem Gebrauchsentzug durch den Eigentümer nur unter der Voraussetzung gleich, dass der Eigentümer den Untermieter nach § 546 BGB bzw. § 985 BGB auf Herausgabe und Räumung gerichtlich in Anspruch nehmen kann und dies androht; insoweit reicht es nicht aus, dass der Untermieter sich lediglich auf die fristlose Kündigung des Eigentümers gegenüber dem Hauptmieter beruft, denn es kommt darauf an, ob die fristlose Kündigung auch berechtigt war772, – Zahlungsaufforderung unter Räumungsandrohung des Eigentümers gegenüber dem Untermieter nach Beendigung des Hauptmietverhältnisses, aber vor Beendigung des Untermietverhältnisses773,

760 OLG Rostock v. 1.7.2010 – 3 U 37/10, MDR 2011, 127. 761 OLG Köln v. 10.11.1997 – 19 W 48/97, MDR 1998, 709 = WuM 1998, 152; OLG Nürnberg v. 16.7.1998 – 8 U 197/98, ZMR 1999, 255. 762 OLG Düsseldorf v. 8.7.1998 – 10 U 159/97, WuM 1999, 37. 763 LG Kassel v. 2.10.1986 – 1 S 376/85, WuM 1987, 122. 764 AG Osnabrück v. 12.12.2007 – 83 C 186/07, WuM 2008, 84. 765 AG Köln v. 25.3.2002 – 22 C 324/01, WuM 2003, 145. 766 BGH v. 26.9.2012 – XII ZR 122/11, MietRB 2013, 7 = WuM 2012, 671 = NZM 2013, 27. 767 OLG Düsseldorf v. 4.6.1998 – 24 U 194/96, MDR 1998, 1217. 768 AG Schöneberg v. 1.12.1999 – 7 C 67/99, ZMR 2000, 101. 769 OLG Naumburg v. 24.9.2002 – 9 U 44/02, WuM 2003, 144; KG v. 2.9.2002 – 8 U 146/01, GE 2003, 48 = KGR Berlin 2003, 97. 770 OLG Düsseldorf v. 25.10.2001 – 10 U 122/00, MDR 2002, 575 = ZMR 2002, 46. 771 BGH v. 30.10.1974 – VIII ZR 69/73, NJW 1975, 1108. 772 KG v. 14.5.2001 – 8 U 7673/98, KGR Berlin 2001, 223. 773 OLG Hamm v. 26.8.1987 – 30 REMiet 1/87, MDR 1987, 1025 = ZMR 1987, 462.

Lützenkirchen | 819

§ 543 Rz. 160 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund – schuldhaft unberechtigte Räumungsklage774, – nicht Räumungsverlangen des Eigentümers gegenüber Untermieter bei fortbestehendem Hauptmietverhältnis775. 161 Rechtsmängel in Form von Sicherungseigentum Dritter an mitgemieteten Gegenständen reicht

nicht, solange dadurch der Gebrauch nicht beeinträchtigt wird776; s. auch § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB. 162 Schadstoffbelastung

– – – –

durch Holzschutzmittel777, durch DDT778, durch Formaldehyd779, Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Insektizide780.

163 Täuschung

– durch Verschweigen des Vermieters, dass er selbst nicht Eigentümer ist781, sofern dies für den Mieter erkennbar von Bedeutung ist782, – Verschweigen von Schwierigkeiten der Erlangung einer behördlichen Genehmigung für die beabsichtigte Nutzung783, – unrichtige Angaben zum erzielbaren Umsatz eines verpachteten Unternehmens784. 164 Trinkwasser. Rostverfärbung785. 164a Übergabe

– keine fristgerechte Übergabe trotz Abmahnung, wobei auch der Rücktritt nach § 323 BGB in Betracht kommt786. 165 Unbenutzbarkeit der Mieträume

– – – –

durch einen (vom Mieter nicht zu vertretenden) Brand787, durch Stromsperre des Elektrizitätswerks wegen unbezahlter Rechnungen788, nicht bei Unbenutzbarkeit der Wohnung durch einen vom Mieter zu vertretenden Brand789, nicht, wenn der Mieter ungeachtet des Kündigungsgrundes von der Mietsache keinen Gebrauch machen wollte790.

166 Ungeziefer

– Befall einer Mietwohnung – mit Kakerlaken791,

774 775 776 777 778 779 780 781 782 783 784 785 786 787 788 789 790 791

BGH v. 28.11.2001 – XII ZR 197/99, NZM 2002, 291. Hanseatisches OLG Hamburg v. 27.3.1990 – 4 U 236/89, WuM 1990, 340. OLG Düsseldorf v. 18.7.1991 – 10 U 180/90, DWW 1992, 15. Z.B. Lindan: LG Lübeck v. 6.11.1997 – 14 S 135/97, ZMR 1998, 433 (mit Anm. Schläger); AG Stade v. 14.3.2000 – 63 C 437/98, WuM 2000, 417. Brandenburgisches OLG v. 7.2.2017 – 6 U 169/14, ZMR 2017, 387. LG München I v. 26.9.1990 – 31 S 20071/89, WuM 1991, 584. AG Trier v. 14.8.2001 – 6 C 549/00, WuM 2001, 486. LG Kiel v. 30.4.1986 – 1 S 165/85, 1 S 172/85, WuM 1987, 319. OLG Düsseldorf v. 19.10.2000 – 10 U 227/99, MDR 2001, 446. LG Nürnberg-Fürth v. 19.1.1999 – 7 O 5596/98, NZM 2000, 384. BGH v. 16.4.1997 – XII ZR 103/95, JurBüro 1997, 555. LG Köln v. 25.3.1986 – 12 S 488/85, WuM 1987, 122. LG München I v. 28.1.2013 – 15 O 8703/10, ZMR 2013, 543. BGH v. 25.2.1987 – VIII ZR 88/86, MDR 1987, 753 = WuM 1987, 315. LG Saarbrücken v. 17.6.1994 – 13 BS 58/94, WuM 1995, 159. LG Frankfurt v. 30.5.2006 – 2-11 S 283/04, ZMR 2006, 776. OLG Hamm v. 13.12.2010 – 7 W 33/10, MietRB 2011, 73 = MDR 2011, 535 = NZM 2011, 277. LG Freiburg v. 30.5.1985 – 3 S 1/85, WuM 1986, 246.

820 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 171 § 543

– Silberfischen792, – Taubenzecken793, – Kellerasseln794, – Mäusen795, jedoch nicht in ländlicher Gegend796, – Rattenbefall von Geschäftsräumen, sofern die Erheblichkeit der Beeinträchtigung aus den Angaben im vorausgegangenen Abhilfeverlangen ersichtlich war797; der akute und nachhaltige Rattenbefall muss aber konkret festgestellt werden und eine Abmahnung ist erforderlich798; dazu reicht eine Ratte, die aus einer Spielzeugkiste springt, nicht aus799, – nicht, wenn der Mangel bei Kündigungsausspruch nicht mehr bestand800 oder der Mieter den Fortbestand des Mangels nicht beweisen kann801. Unrentabilität 167 – nicht durch Verschlechterung der Ertragslage eines Geschäftslokals802, – nicht die fehlende Kundenakzeptanz eines Einkaufszentrums, wenn aus dem Vertrag keine eindeutige Risikoübernahme durch den Vermieter ersichtlich ist803. Untervermietung 168 – Verweigerung der Erlaubnis im Einzelfall ohne ausreichenden Grund bei allgemein erteilter Erlaubnis zur Untervermietung804; hier kann der Vermieter in der Regel nur aus wichtigem Grund widersprechen805, – Entziehung vereinbarter Untervermietererlaubnis unter Androhung der fristlosen Kündigung für den Fall weiterer Untervermietung806. Verkehrsanbindung. Veränderung im öffentlichen Nahverkehrsnetz mit der Folge erschwerter Er- 169 reichbarkeit eines Geschäftslokals807. Vermieterpfandrecht. Unbegründete Geltendmachung und dadurch bedingte Behinderung des ver- 169a tragsgemäßen Gebrauchs des Mieters808. Versorgungssperre nach wiederholter Androhung aus Gründen, die von dem Mieter (einer Arztpra- 170 xis) nicht zu vertreten sind809. 171 Vertrauensbruch – durch Kontaktaufnahme mit Arbeitgeber des Mieters, um Druck auszuüben, damit er auszieht810,

792 793 794 795 796 797 798 799 800 801 802 803 804 805 806 807 808 809 810

LG Kiel v. 9.1.1980 – 1 S 222/79, WuM 1980, 235. LG Berlin v. 24.3.1997 – 67 S 219/96, GE 1997, 689. LG Saarbrücken v. 12.6.1989 – 13 BS 123/88, WuM 1991, 91. AG Wedding v. 21.5.2001 – 19 C 577/00, MM 2001, 444; AG Brandenburg v. 6.8.2001 – 32 C 520/00, WuM 2001, 605; AG Tiergarten v. 30.1.1997 – 6 C 177/96, MM 1997, 243. AG Prüm v. 11.7.2001 – 6 C 434/00, ZMR 2001, 808. OLG Düsseldorf v. 30.1.2003 – 10 U 16/02, MietRB 2003, 102 = NZM 2003, 553. OLG Düsseldorf v. 12.4.2016 – 24 U 143/15, GE 2016, 857. AG Dresden v. 7.12.2016 – 144 C 2816/16, ZMR 2017, 167. OLG Rostock v. 8.3.2004 – 3 U 118/03, MietRB 2004, 227 = NZM 2004, 460. OLG Düsseldorf v. 12.4.2016 – 24 U 143/15, GE 2016, 857. OLG Düsseldorf v. 13.12.1990 – 10 U 84/90, MDR 1991, 446. BGH v. 16.2.2000 – XII ZR 279/97, MDR 2000, 821 = WuM 2000, 593 = ZMR 2000, 508. BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, MDR 1984, 571 = NJW 1984, 1031; OLG Düsseldorf v. 19.4.1994 – 24 U 160/93, WuM 1995, 585. OLG Düsseldorf v. 4.5.2010 – 24 U 170/09, ZMR 2011, 282. OLG Frankfurt v. 8.12.2005 – 2 U 128/05, Info M 2007, 312. LG Düsseldorf v. 10.6.2003 – 24 S 49/03, NZM 2003, 899. OLG Frankfurt v. 3.2.2012 – 2 U 122/11, ZMR 2012, 943. OLG Düsseldorf v. 21.3.2006 – I-24 U 132/05, OLGR Düsseldorf 2006, 670. LG Bonn v. 26.2.1998 – 6 S 264/97, WuM 1998, 486.

Lützenkirchen | 821

§ 543 Rz. 171 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund – Androhung der Anzeige einer vermuteten ungenehmigten Nebentätigkeit des Ehegattens des Mieters811. 171a Videoüberwachung

– Vorwurf der Installation, des Betriebes und der unterlassenen Entfernung einer Überwachungskamera im Flur der Wohngemeinschaft812. 172 Vormietrecht

– Vereitelung des Rechts813, – nicht bei Vormietrecht über Kfz-Stellplatz bei Gewerberaummietvertrag814. 173 Warmwasserversorgung. Störung durch Vorlauf von Kaltwasser von ca. 10 Litern815. 174 Zugangshindernisse

– durch Straßenarbeiten der Gemeinde z.B. bei U-Bahnbau816, – sonstige Baustellen = jahrelange Baugrube vor Geschäftslokal bei vereinbarter attraktiver Lage817, – Beschädigung des Schließzylinders der Hauseingangstür, so dass die Haustür nicht mehr von außen zu öffnen ist818, – Blockieren der (einzigen) Zufahrt zum Mietgrundstück durch den Vermieter (nach Abmahnung)819.

II. § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB 1. Gebrauchsentziehung 175 Die Bestimmung räumt nur dem Mieter ein Recht zur fristlosen Kündigung ein. Dazu muss ihm der

vertragsgemäße Gebrauch ganz oder teilweise (a) überhaupt nicht oder (b) nicht rechtzeitig gewährt oder (c) wieder entzogen worden sein. Der Nichtgewährung und Entziehung des Gebrauchs stehen (erhebliche) Sachmängel820, das Fehlen zugesicherter Eigenschaften und Rechtsmängel gleich (vgl. dazu § 536 BGB Rz. 264), ebenso wie die Verzögerung der Gebrauchsgewährung aus sonstigen Gründen und eine Teilleistung, also Teilnichterfüllung (z.B. beim Leasingvertrag über Hardware und Software wird die Hardware nur teilweise821 oder die Software nicht geliefert822). 176 Bis zur Überlassung der Mietsache gelten die allgemeinen Vorschriften823, so dass eine Lösung vom

Vertrag grundsätzlich nur unter den in § 323 BGB festgelegten Merkmalen möglich ist (Vor § 536 BGB Rz. 33). Im Hinblick auf die nahezu identischen Voraussetzungen beider Tatbestände ist die Unterscheidung an dieser Stelle eher akademisch, zumal der BGH auch bei der Feststellung eines erheblichen Sachmangels vor Überlassung § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB anwendet824. 811 812 813 814 815 816 817 818 819 820 821 822 823 824

LG Braunschweig v. 24.3.2015 – 7 S 56/15, juris. AG München v. 28.5.2019 – 432 C 2881/19, ZMR 2019, 772. BGH v. 6.2.1974 – VIII ZR 239/72, MDR 1974, 838. KG v. 28.10.2002 – 8 U 213/01, zitiert nach juris. AG Köpenick v. 15.11.2000 – 12 C 214/00, MM 2001, 106. Bejaht: OLG Köln v. 9.5.1972 – 15 U 180/71, NJW 1972, 1814, verneint: OLG Düsseldorf v. 18.11.1997 – 24 U 261/96, MDR 1998, 768 = ZMR 1999, 471. OLG Dresden v. 18.12.1998 – 5 U 1774/98, ZMR 1999, 241. LG Berlin v. 3.12.1999 – 64 S 325/99, ZMR 2000, 176. OLG Düsseldorf v. 8.3.2016 – 24 U 59/15, MietRB 2017, 8 = DWW 2016, 330 = GE 2016, 1506 = IMR 2016, 510. BGH v. 1.12.2004 – XII ZR 3/03, MDR 2005, 576 = NJW 2005, 500; BGH v. 22.10.1975 – VIII ZR 160/74, MDR 1976, 217 = WuM 1976, 95 = ZMR 1976, 46 = NJW 1976, 796. BGH v. 7.10.1992 – VIII ZR 182/91, MDR 1993, 317 = NJW 1993, 122. BGH v. 1.7.1987 – VIII ZR 117/86, MDR 1988, 137 = NJW 1988, 204. BGH v. 23.9.1992 – XII ZR 44/91, MDR 1992, 1147 = NJW 1992, 3226. BGH v. 4.5.2005 – XII ZR 254/01, MietRB 2005, 259 = MDR 2005, 975 = GuT 2005, 163; AG Lichtenberg v. 24.10.2017 – 18 C 261/17, GE 2018, 265.

822 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 180 § 543

Das Gleiche gilt für die teilweise und nicht rechtzeitige Gewährung. Auch hier sind bis zur Überlas- 177 sung die allgemeinen Vorschriften, insbesondere § 323 BGB, anwendbar. Nach der Überlassung werden diese durch die §§ 536 f., 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB als lex specialis verdrängt. Insoweit ist aber insbesondere § 543 Abs. 4 BGB zu beachten825. Denn die Entgegennahme einer mangelhaften Sache ohne Vorbehalt kann das Kündigungsrecht ausschließen, §§ 543 Abs. 4 S. 1, 536b BGB. Eine Entziehung des vertragsgemäßen Gebrauchs liegt entweder vor, wenn ein nachträglicher (er- 178 heblicher) Mangel i.S.d. § 536 BGB (vgl. § 536 BGB Rz. 67 ff.) eintritt oder der Vermieter auf sonstige Weise dem Mieter den vertragsgemäßen Gebrauch streitig macht. Letzteres liegt z.B. nicht nur vor, wenn der Vermieter bei allgemein erteilter Erlaubnis zur Untervermietung dieser im Einzelfall widerspricht826. Vielmehr kann auch die unbegründete Kündigung eine Gebrauchsentziehung darstellen827. Steht eine Gebrauchsentziehung – unzweifelhaft – unmittelbar bevor, muss der Mieter mit der Kün- 178a digung nicht abwarten, bis sie eingetreten ist, sondern kann schon vorher kündigen. Deshalb kann er bei angekündigter Modernisierung, die für neun Monate eine vertragsgemäße Nutzung ausschließt und daher eine Härte i.S.d. § 555d Abs. 2 BGB begründet, nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB kündigen, obwohl die Frist des § 555e BGB bereits verstrichen ist828. Problematisch wird ein solches Handeln aber dann, wenn der Vermieter bereit ist, auf die Belange des Mieters, die eine Härte begründen, Rücksicht zu nehmen. Denn damit entfällt u.U. die Härte und die Erheblichkeit des Mangels, weil der Mieter die Modernisierung dulden muss. Bei einem öffentlich-rechtlichen Mangel (§ 536 BGB Rz. 194 f.) ist es für die Gebrauchsentziehung unerheblich, ob die Behörde den Bescheid über ein künftiges Nutzungsverbot (schon) mit unmittelbarem Zwang verfolgt829. Denn der Mieter ist spätestens bei Unanfechtbarkeit des Bescheides in seinem Gebrauch erheblich beeinträchtigt. Ansonsten kommt es darauf an, ob eine langwährende Unsicherheit über die Zulässigkeit der behördlichen Nutzungsuntersagung die begründete Besorgnis bewirkt, das Grundstück nicht zum vertragsgemäßen Gebrauch nutzen zu können830. Das ist z.B. der Fall, wenn der Bescheid nach § 80 VwGO sofort vollziehbar ist831. Daneben kommen Eingriffe in den Mietgebrauch in Betracht, z.B. das eigenmächtige Auswechseln 179 des Türschlosses832 oder der unbefugte Zutritt zur Wohnung. Allerdings muss im ersten Fall die rechtswidrige Situation im Zeitpunkt der Kündigung noch bestehen. Das ist nicht der Fall, wenn der Vermieter nach Belehrung durch die Polizei das Schloss wieder zurückbaut833. Dann kommt aber – nach vorheriger Abmahnung – im Wiederholungsfall eine Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB in Betracht. Neben den im ABC des wichtigen Grundes (§ 543 BGB Rz. 54 ff.) aufgeführten Nutzungsbeschrän- 180 kungen kommen als Gebrauchsentziehung in Betracht: – wiederholter Heizungsausfall834; nach § 3 Abs. 1 der ArbeitsstättenVO müssen Arbeitsstätten so eingerichtet werden, dass von ihnen keine Gefährdung der Gesundheit der Beschäftigten ausgeht, wozu nach Ziffer 3.5 des Anhangs zu § 3 Abs. 1 der ArbeitsstättenVO eine gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur erreicht werden muss; das setzt die Erwärmung der Räume auf eine Mindesttemperatur von 20 °C voraus835; – Absicht des Vermieters, das Mietobjekt umfangreich zu sanieren, so dass die Mieträume über einen nicht unerheblichen Zeitraum nicht erreichbar sind836,

825 Vgl. dazu Blank/Börstinghaus, § 543 BGB Rz. 150. 826 BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, MDR 1984, 571 = ZMR 1984, 275. 827 OLG Düsseldorf v. 8.2.2001 – 10 U 202/99, OLGR 2001, 239; vgl. aber auch OLG Düsseldorf v. 26.6.1997 – 10 U 95/96, WuM 1997, 556. 828 BGH v. 31.10.2012 – XII ZR 126/11, MietRB 2013, 40 = MDR 2013, 82 = WuM 2013, 37 = GE 2013, 52. 829 BGH v. 2.11.2016 – XII ZR 153/15, MDR 2017, 572 = WuM 2017, 18. 830 Vgl. BGH v. 20.11.2013 – XII ZR 77/12, MDR 2014, 141 = MietRB 2014, 39 = NZM 2014, 165 Rz. 20. 831 BGH v. 2.11.2016 – XII ZR 153/15, MDR 2017, 572 = WuM 2017, 18. 832 OLG Düsseldorf v. 7.7.2005 – 10 U 202/04, ZMR 2005, 710 = OLGR Düsseldorf 2005, 331. 833 KG v. 2.4.2009 – 12 U 118/08, NZM 2009, 820 = KGR Berlin 2009, 685 = ZMR 2010, 111. 834 OLG Dresden v. 18.6.2002 – 5 U 260/02, ZMR 2003, 346 = OLGR Dresden 2003, 201 = WuM 2002, 541. 835 KG v. 28.4.2008 – 8 U 209/07, MietRB 2009, 6 = MietRB 2009, 7 = MietRB 2009, 11 = ZMR 2008, 790 = KGR Berlin 2008, 774 = DWW 2008, 347. 836 Brandenburgisches OLG v. 26.2.1997 – 3 U 219/96, NJWE-MietR 1997, 224.

Lützenkirchen | 823

§ 543 Rz. 180 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund – Auftreten von Ungeziefer in den Mieträumen837, – ständiges Eindringen von Wasser in die Mieträume838, – beabsichtigte Modernisierung mit Lärm- und Erschütterungen in einer Praxis für Neurologie und Psychiatrie839, – Flächenabweichung von mehr als 10 %840. 181 Grundsätzlich kann sich der Mieter jedoch auf das außerordentliche Kündigungsrecht wegen fehlen-

der Gebrauchsmöglichkeit der Mietsache nur berufen, wenn er ungeachtet des Kündigungsgrundes von der Mietsache Gebrauch machen will841. Denn es verstößt gegen das aus § 242 BGB abzuleitende Verbot widersprüchlichen Verhaltens, wenn der Mieter trotz fehlender Bereitschaft, die vermieteten Räume zu nutzen, den Vermieter erst nach Fassen und Mitteilung des Auszugentschlusses zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes der Mietsache auffordert, um sich sodann unter Hinweis auf die nicht erfolgte Mangelbeseitigung aus dem Vertrag zu lösen842. 2. Verschulden des Vermieters 182 Ein Verschulden des Vermieters ist in allen Anwendungsfällen des § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB (vgl. § 543

BGB Rz. 175) nicht erforderlich. Ein Verschulden ist nur Voraussetzung für einen Anspruch auf Ersatz des Kündigungsfolgeschadens, sofern nicht die Voraussetzungen der Garantiehaftung nach § 536a Abs. 1 BGB vorliegen. 183 Die Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist selbst dann zulässig, wenn der Vermieter auf die Um-

stände, die zur Gebrauchsentziehung oder -einschränkung führen, keinen Einfluss hat843. Hat aber der Mieter die Störung des vertragsgemäßen Gebrauchs verursacht844 oder gar zu vertreten845, ist er nicht zur fristlosen Kündigung berechtigt. Das Gleiche gilt, wenn der mangel der Mietsache dem Risikobereich des Mieters entspringt (vgl. § 536 BGB Rz. 68). 3. Erhebliche Beeinträchtigung 184 Unerhebliche Einschränkungen des vertragsgemäßen Gebrauchs können nur bei Vorliegen eines be-

sonderen Mieterinteresses relevant sein846. Auch wenn diese Einschränkung nicht ausdrücklich in Nr. 1 enthalten ist, ergibt sie sich aus der Wertung im Grundtatbestand des § 543 Abs. 1 BGB847, zumindest aber aus § 242 BGB. Dieses Ergebnis wird unterstrichen durch die Einschränkung der Minderung in § 536 Abs. 1 S. 3 BGB848. Ist nämlich die Minderung in Bagatellfällen ausgeschlossen, ist nicht einsichtig und mit der Rechtslogik nicht zu vereinbaren, dass in diesen Fällen das weit einschneidender Recht zur fristlosen Kündigung gegeben sein soll. Ein solcher Bagatellfall liegt vor, wenn z.B. ein Raum von 9 m² bei einer Gesamtfläche von 350 m² infolge von Mängeln nicht mehr nutzbar ist849.

837 838 839 840 841 842 843 844 845 846 847 848 849

LG Freiburg v. 30.5.1985 – 3 S 1/85, WuM 1986, 246. OLG Düsseldorf v. 19.5.2005 – 10 U 196/04, ZMR 2006, 923 = GE 2006, 1295. BGH v. 31.10.2012 – XII ZR 126/11, MietRB 2013, 40 = MDR 2013, 82 = WuM 2013, 37 = GE 2013, 52. BGH v. 29.4.2009 – VIII ZR 142/08, MDR 2009, 793 = MietRB 2009, 189 = WuM 2009, 349; BGH v. 4.5.2005 – XII ZR 254/01, MietRB 2005, 259 = MDR 2005, 975 = ZMR 2005, 612 = GuT 2005, 163. OLG Hamm v. 13.12.2010 – I-7 W 33/10, MietRB 2011, 73 = MDR 2011, 535 = NZM 2011, 277; Lammel, § 543 BGB Rz. 74; Bieber in Kinne/Schach/Bieber, § 543 BGB Rz. 24; a.A. Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 11. OLG Celle v. 31.10.2001 – 2 U 96/01, ZMR 2002, 187. BGH v. 29.4.2009 – VIII ZR 142/08, MDR 2009, 793 = MietRB 2009, 189 = WuM 2009, 349. BGH v. 15.12.2010 – VIII ZR 113/10, MietRB 2011, 102 = MDR 2011, 216 = WuM 2011, 97 = GE 2011, 261 = NZM 2011, 198; MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 32 m.w.N.; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 572. BGH v. 10.11.2004 – XII ZR 71/01, MDR 2005, 325 = MietRB 2005, 95 = ZMR 2005, 120. BGH v. 4.5.2005 – XII ZR 254/01, MietRB 2005, 259 = MDR 2005, 975 = ZMR 2005, 612 = GuT 2005, 163. Kraemer, NZM 2001, 553 (560); ähnlich Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XII 4. Lammel, § 543 BGB Rz. 75; im Ergebnis ähnlich MünchKomm/Bieber, § 543 BGB Rz. 23. BGH v. 14.7.1970 – VIII ZR 173/68, MDR 1970, 1004 = NJW 1970, 1791.

824 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 191 § 543

Für die Einzelfallentscheidung, ob die Gebrauchsbeeinträchtigung erheblich ist, ist maßgeblich auf 185 den Vertragszweck abzustellen850. Dabei können vor allem Dauer, Häufigkeit und Intensität der Störung von Bedeutung sein. Insoweit ist zunächst davon auszugehen, dass jede Gebrauchsbeeinträchtigung nicht unerheblich ist. Ist das nicht der Fall, muss für die Feststellung des besonderen Interesses des Mieters ebenfalls auf den Vertragszweck abgestellt werden. Es ist insbesondere zu bejahen, wenn sich der Mieter eine bestimmte Form des Gebrauchs oder eine besondere Eigenschaft der Mietsache ausbedungen hat851. Deshalb berechtigt eine Abweichung der tatsächlichen von der vereinbarten Mietfläche um mehr als 186 10 % vor Überlassung der Räume zur Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB852, selbst wenn sie erst nach dreijähriger Nutzung festgestellt wird853. Daneben kommen insbesondere Heizungsausfall (im Winter)854, aber auch Wasser- oder Feuchtigkeitsschäden als relevante Mängel in Betracht, Letzteres aber nur, wenn die Entstehung des Mangels in den Risikobereich des Vermieters fällt (vgl. § 536 BGB Rz. 68, vgl. im Übrigen die Stichworte § 543 BGB ab Rz. 53). 4. Abmahnung oder Fristsetzung Die Kündigung ist grundsätzlich erst nach Ablauf einer angemessenen Abhilfefrist zulässig, § 543 Abs. 3 187 BGB (vgl. dazu § 543 BGB ff. Rz. 287 ff.). Diese muss zur Behebung bestimmter, genau bezeichneter Gebrauchsbeeinträchtigungen gesetzt werden855. Dabei reicht es, wenn der Mieter deutlich macht, dass er diesen Zustand nicht hinnehmen will856. Eine bloße Mängelanzeige gemäß § 536c Abs. 1 BGB erfüllt die Voraussetzungen jedoch nicht857. Die Kündigung kann schon im Abhilfeverlangen für den Fall erklärt werden, dass innerhalb der Frist 188 keine Abhilfe geschaffen wird. Zwar ist eine Kündigung grundsätzlich bedingungsfeindlich; dies gilt jedoch nicht für Bedingungen, deren Eintritt der Erklärungsgegner allein in der Hand hat858. Hat der Mieter für den Fall des Fristablaufs die Ersatzvornahme oder eine Klage auf Mängelbeseiti- 189 gung angedroht, soll er nur kündigen können, wenn er dem Vermieter zuvor eine erneute Frist zur Mängelbeseitigung setzt859. Dies kann wegen § 543 Abs. 3 Nr. 1 BGB aber dann nicht gelten, wenn der Vermieter den Mangel durchgängig bestreitet860. Hat sich der Mieter die Ersatzvornahme bloß vorbehalten, kann er nach Ablauf der Frist ohne Weiteres kündigen861. Die erste Fristsetzung ist nicht mehr maßgeblich, wenn die Parteien danach erfolglos zunächst über einen Termin zur Mängelbeseitigung verhandeln. Nach dem Scheitern der Verhandlungen muss dann eine erneute Frist gesetzt werden862. Eine ausdrückliche Fristsetzung ist entbehrlich, wenn auf eine behördliche Verfügung Bezug genommen wird, die dem Vermieter unter Fristsetzung die Mängelbeseitigung aufgibt863. Wird eine zu kurze Frist gesetzt, ist die Fristsetzung nicht insgesamt unwirksam; vielmehr tritt an die 190 Stelle der unangemessen kurzen Frist grundsätzlich eine angemessene Frist. Kündigt der Mieter erst nach deren Ablauf, war die zu kurze Fristbemessung unschädlich. Die Angemessenheit der Frist beurteilt sich auch danach, ob dem Vermieter der Mangel schon vor 191 Fristsetzung, u.U. auch unabhängig von der Mängelanzeige oder Abhilfeforderung des Mieters bekannt

850 851 852 853 854 855 856 857 858 859 860 861 862 863

Bub/Treier/Grapentin, IV Rz. 328. Palandt/Weidenkaff, § 543 BGB Rz. 19; Bub/Treier/Grapentin, IV Rz. 328. BGH v. 4.5.2005 – XII ZR 254/01, MietRB 2005, 259 = MDR 2005, 975. BGH v. 29.4.2009 – VIII ZR 142/08, MDR 2009, 793 = MietRB 2009, 189 = WuM 2009, 349. Z.B. KG v. 28.4.2008 – 8 U 209/07, MietRB 2009, 6 = MietRB 2009, 7 = MietRB 2009, 11 = ZMR 2008, 790. OLG Naumburg v. 30.6.1999 – 6 U 92/98, OLGR Naumburg 2000, 218. LG Berlin v. 3.12.1999 – 64 S 325/99, ZMR 2000, 176 = GE 2000, 206. LG Berlin v. 17.8.1998 – 62 S 87/98, GE 1999, 45; Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 74. Hanseatisches OLG Hamburg v. 21.7.2000 – 4 U 238/99, ZMR 2001, 25 = NZM 2001, 131. OLG Hamm v. 25.9.1990 – 7 U 48/90, NJW-RR 1991, 1035. BGH v. 13.6.2007 – VIII ZR 281/06, MietRB 2007, 257 = MDR 2007, 1182 = ZMR 2007, 686. OLG Celle v. 15.7.2014 – 2 U 83/14, MietRB 2014, 323 = MDR 2014, 1250. AG Köln v. 28.6.2005 – 223 C 265/04, KM 13 Nr. 19. BGH v. 23.3.1983 – VIII ZR 336/81, WPM 1983, 660.

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§ 543 Rz. 191 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund war864. Bei sehr erheblicher Gebrauchsbeeinträchtigung (Eindringen von Regenwasser durch undichtes Dach) muss der Vermieter u.U. sofortige Notmaßnahmen ergreifen, wenn innerhalb der Abhilfefrist eine Reparatur nicht möglich ist865. 192 Wegen der Entbehrlichkeit von Fristsetzung und Abmahnung nach den gesetzlichen Ausnahmen

vgl. § 543 BGB Rz. 305 ff. 5. Darlegungs- und Beweislast 193 Der Mieter muss den Mangel der Mietsache866 oder die sonstige Störung, die Fristsetzung oder die Tat-

sachen, die eine Fristsetzung überflüssig machen, die Kündigung, sein besonderes Interesse an der Beendigung trotz Unerheblichkeit der Vorenthaltung sowie bei Zerstörung der Mietsache infolge des Mietgebrauchs sein fehlendes Verschulden darlegen und beweisen867. 194 Den Vermieter trifft die Darlegungs- und Beweislast für rechtzeitige Gebrauchsgewährung868 oder Ab-

hilfe (§ 543 Abs. 4 S. 2 BGB). Auch die Unerheblichkeit der Behinderung oder Vorenthaltung ist vom Vermieter darzulegen und ggf. zu beweisen869. 6. § 543 Abs. 4 BGB 195 Die Bestimmung stellt klar, dass die allgemeinen Ausschlusstatbestände für die Gewährleistungsrechte,

nämlich §§ 536b, 536c BGB, auch für die Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB gelten. Damit wird zugleich deutlich, dass das Kündigungsrecht nicht durch § 536 Abs. 1a BGB tangiert wird. Führt also eine energetische Modernisierung i.S.v. § 555b Nr. 1 BGB zu einer erheblichen Gebrauchsbeeinträchtigung, kann der Mieter zwar möglicherweise nicht mindern. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung wegen Gebrauchsentziehung steht ihm aber offen. 196 Der Ausschluss nach § 536b BGB setzt voraus, dass der Mieter bei Abschluss des Mietvertrages von

dem Gebrauchshindernis positive Kenntnis hatte oder ihm der Mangel infolge grober Fahrlässigkeit unbemerkt geblieben ist. Insoweit trifft den Mieter aber in der Regel keine Untersuchungs- oder Erkundigungspflicht870. Erst wenn sich ein Mangel geradezu aufdrängt, darf der Mieter nicht wegsehen. In vielen Mietverträgen findet sich die Formulierung: „Der Mieter hat das Objekt besichtigt und übernimmt es im derzeit vorhandenen Zustand“. Eine derartige Klausel dient allein der Beschreibung des Mietobjektes871. Ein Hinweis auf verborgene Mängel oder gar darauf, dass dem Mieter solche bekannt gewesen seien, mit der Rechtsfolge des § 536b BGB, könne ihr nicht entnommen werden. 197 Schließlich kann der Mieter, falls er die gebotene Mängelanzeige unterlassen hat, ohne Bestimmung

einer angemessenen Abhilfefrist wegen dieses Mangels nicht kündigen, § 536c Abs. 2 Nr. 3 BGB.

III. § 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB 198 Nach dieser Norm rechtfertigt nicht jede trotz Abmahnung fortgesetzte Vertragspflichtverletzung

eine fristlose Kündigung durch den Vermieter, sondern nur einer der beiden aufgeführten Tatbestände, nämlich die Gefährdung der Vermieterrechte durch Vernachlässigung der Mietsache und die unbefugte Überlassung der Mietsache an einen Dritten. Andere Pflichtverletzungen durch den Mieter können zu einem wichtigen Grund nach § 543 Abs. 1 BGB führen.

864 LG Frankfurt/M v. 18.11.1986 – 2/11 S 219/86, WuM 1987, 55. 865 OLG Düsseldorf v. 28.7.1998 – 24 U 173/97, ZMR 1999, 26; OLG Düsseldorf v. 18.11.1997 – 24 U 261/96, NJW-RR 1998, 1236 = MDR 1998, 768. 866 BGH v. 13.2.1985 – VIII ZR 154/84, MDR 1986, 49 = NJW 1985, 2328. 867 BGH v. 26.11.1997 – XII ZR 28/96, MDR 1998, 207 = NJW 1998, 594. 868 OLG Köln v. 18.12.1996 – 27 U 17/96, ZMR 1997, 230. 869 BGH v. 22.10.1975 – VIII ZR 160/74, NJW 1976, 796. 870 BGH v. 4.4.1977 – VIII ZR 143/75, NJW 1977, 1236. 871 BGH v. 18.4.2007 – XII ZR 139/05, MietRB 2007, 195 = MDR 2007, 1065 = GuT 2007, 208 = ZMR 2007, 605 = GE 2007, 840 = NZM 2007, 484.

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B. Wohnraummiete | Rz. 202 § 543

1. Vernachlässigung von Sorgfaltspflichten Vom Zeitpunkt der Überlassung der Mietsache (nicht ab Vertragsschluss) bis zur Rückgabe der Miet- 199 sache ist der Mieter verpflichtet, die Mietsache sorgfältig und pfleglich zu behandeln (vgl. § 535 BGB Rz. 836 f.). Demgemäß verletzt der Mieter seine Sorgfaltspflicht z.B., wenn er Heizkörper bei Frostgefahr abstellt872, das Mietobjekt durch vertragswidrigen Gebrauch Brandgefahren aussetzt873, die Mieträume nicht im gebotenen Maße lüftet, (wirksam874) übernommene Instandhaltungs- und/oder Instandsetzungsmaßnahmen unterlässt oder seiner Anzeigepflicht nach § 536c BGB nicht nachkommt875. Vgl. im Übrigen die Stichworte im ABC der wichtigen Gründe ab Rz. 53 ff. Allein weil der Mieter die Mietsache nicht nutzt, liegt i.d.R. noch keine Pflichtverletzung vor876. Des- 200 halb ist auch der Grund für eine Einstellung der Nutzung nicht relevant (z.B. Einstellung des Betriebes zur Vermeidung eines Insolvenzverfahrens877). Das ist natürlich anders zu beurteilen, wenn eine Betriebspflicht878 (§ 535 BGB Rz. 1103 ff.) besteht oder infolge der mangelnden Nutzung Vertragsverletzungen entstehen. Letzteres ist z.B. möglich, wenn während der Abwesenheit des Mieters (§ 535 BGB Rz. 838) Schäden an der Mietsache entstehen, die bei Wahrnehmung der Obhutspflicht hätten vermieden werden könne. Nach einer Fristsetzung oder Abmahnung, also im Wiederholungsfall, kann deshalb auch die mangelnde Nutzung zu einer ausreichenden Sorgfaltspflichtverletzung führen. Die Pflichtverletzung muss die Mietsache gefährden. Letzteres kommt bei der Implosion eines Fernse- 201 hers nicht in Betracht879, solange sie nicht vorhersehbar war. Im Übrigen muss durch die Pflichtverletzung zwar noch kein Schaden eingetreten sein, ein Schadenseintritt aber konkret drohen880, wozu substantiiert vorgetragen werden muss881. Eine Gefährdung kann z.B. angenommen werden, wenn der Mieter Gegenstände abstellt, deren Gewicht die zulässige Tragfähigkeit der Decken überbeansprucht oder die eine konkrete Brandgefahr hervorruft. Bei mangelndem Lüftungs- und Heizverhalten besteht die Gefahr i.d.R. in der zu erwartenden Schimmelbildung. Allerdings reicht es nicht aus, dass die Mieter über oder unter der Mieteinheit des Mieters reklamieren, besonders intensiv heizen zu müssen, weil der Mieter sparsam heizt882. Vielmehr ist eine Gefahr oder sogar ein Schaden (z.B. Einfrieren von Rohren883) an der Mietsache selbst erforderlich. Deshalb kann auch der unbeaufsichtigte Betrieb von Elektrogeräten die Kündigung rechtfertigen, 202 wenn mit ihrem Betrieb ein Schaden entstehen kann, der bei einer Beaufsichtigung vermieden werden könnte. Dies ist nicht von vorneherein bei jedem Gerät der Fall; selbst wenn – unbemerkt – hinter der Spülmaschine Wasser versickert, muss dies nicht für eine Kündigung reichen884. Auch der bloße unbeaufsichtigte Betrieb einer Wasch- oder Spülmaschine reicht für sich genommen noch nicht aus. Die ausreichende Gefährdung ist aber anzunehmen bei Geräten, die nicht einwandfrei funktionieren und in der Vergangenheit bereits Defekte gezeigt oder Schäden verursacht haben885. Insbesondere reicht zur Kündigung die Verursachung von 16 Wasserschäden in zwei Jahren886 oder auch nur vier mit erheblichen Auswirkungen in vier Jahren887.

872 873 874 875 876 877 878 879 880 881 882 883 884 885 886 887

LG Görlitz v. 25.3.1994 – 2 S 79/93, WuM 1994, 669. AG Siegen v. 22.5.1990 – 5 C 752/90, WuM 1990, 503. Vgl. dazu z.B. KG v. 4.12.2017 – 8 U 236/16, ZMR 2018, 303. AG Erfurt v. 24.11.2010 – 11 C 1158/09, zitiert nach juris. BGH v. 8.12.2011 – VIII ZR 93/10, MietRB 2011, 72 = WuM 2011, 98. BGH v. 7.10.2004 – I ZR 18/02, MDR 2005, 973 = NJW 2005, 1360. BGH v. 29.4.1992 – XII ZR 221/90, NJW-RR 1992, 1032; OLG Düsseldorf v. 21.1.1997 – 10 W 153/96, ZMR 1997, 296. LG Stendal v. 27.5.1993 – 22 S 4/93, WuM 1993, 597. Bub/Treier/Grapentin, IV Rz. 353. LG Karlsruhe v. 22.5.2019 – 9 S 2/19, WuM 2019, 436. Kinne in Kinne/Schach/Bieber, § 543 BGB Rz. 45. Vgl. dazu LG Görlitz v. 25.3.1994 – 2 S 79/93, WuM 1994, 669; AG Tempelhof-Kreuzberg v. 9.1.1987 – 10 C 533/86, GE 1987, 283. LG Gießen v. 27.11.1996 – 1 S 379/96, MDR 1997, 452 = ZMR 1997, 301. AG Achern v. 17.1.1994 – C 203/73, DWW 1974, 237. AG Görlitz v. 28.3.1994 – 4 C 0676/93, WuM 1994, 668. AG Wiesbaden v. 15.5.1991 – 98 C 189/91, NJW-RR 1992, 76.

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§ 543 Rz. 202a | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund 202a Demgegenüber reicht die Darstellung einer bestehenden Unordnung durch aufgetürmte gefüllte Plas-

tiktüten grundsätzlich nicht aus, selbst wenn sie nur 50-60 cm breite Durchgänge zulassen und das Lüften unmöglich machen. Denn daraus allein lässt sich keine Gefahr für die Mietsache ableiten888. Das kann wiederum anders zu beurteilen sein, wenn dadurch ein Ungezieferbefall auftritt (siehe auch § 543 BGB Rz. 91). 203 Durch die sorgfaltswidrige Gefährdung der Mietsache müssen die Rechte des Vermieters im erhebli-

chen Maße verletzt sein (zum Streit über die Anwendung des Tatbestandsmerkmals vgl. § 543 BGB Rz. 207). Dies muss anhand der Umstände des Einzelfalles unter Berücksichtigung von Treu und Glauben und bei Abwägung der Interessen beider Parteien ermittelt werden889. 2. Unbefugte Überlassung an einen Dritten 204 Dazu wird zunächst auf die Kommentierung der §§ 540, 553 BGB verwiesen. Wegen der Rechtslage,

wenn der Mieter zwar einen Anspruch auf Erteilung einer Untervermietung hat, diese aber nicht eingeholt hat, s. § 541 BGB Rz. 31 ff. S. auch § 543 BGB Rz. 75. 204a Handelt es sich um die Ehewohnung und zieht der Mieter unter Zurücklassung des anderen Ehegatten

aus, kommt dies äußerlich betrachtet einer Untervermietung gleich. Allerdings ist ist insoweit allein maßgeblich die Frage, ob es sich nach wie vor um eine Ehewohnung handelt. Solange dies der Fall ist, ist der in der Wohnung verbliebene Ehegatte kein Dritter i.S.d. §§ 540, 553 BGB890. Die Qualifizierung als Ehewohnung hängt nicht davon ab, dass noch beide Ehegatten in der Wohnung leben bzw. der in der Wohnung verbliebene Ehegatte auch Mietvertragspartei ist891. Die Wohnung verliert ihre Eigenschaft als Ehewohnung deshalb nicht schon dadurch, dass der (mietende) Ehegatte die Wohnung dem anderen – ggf. auch für einen längeren Zeitraum – überlassen hat bzw. diese nur noch sporadisch nutzt892. Erst wenn der Ehegatte, der die Wohnung verlassen hat, diese endgültig aufgibt, verliert sie ihren Charakter als Ehewohnung893. Dabei kommt es maßgeblich darauf an, ob die Überlassung an den anderen Ehegatten noch den aktuellen Erfordernissen in der Trennungssituation geschuldet ist oder ob ihr schon eine endgültige Nutzungsüberlassung zugrunde liegt. Eine andere Sichtweise würde die vom Gesetzgeber geschaffene Möglichkeit der Wohnungszuweisung (nach § 1361b BGB während des Getrenntlebens und nach § 1568a BGB für die Zeit nach Rechtskraft der Scheidung) unterlaufen894. Kündigt der mietende Ehegatte allerdings von sich aus, ist diese Kündigung wirksam und kann von dem zurückbleibenden Ehegatten nicht mit Erfolg gegenüber dem Vermieter bekämpft werden895. a) Mangelnde Erlaubniserteilung 205 Für den Kündigungstatbestand macht es keinen Unterschied, ob die vollständige oder teilweise Über-

lassung der Mieträume an Dritte entgeltlich als Untervermietung oder unentgeltlich als sonstige Gebrauchsüberlassung stattfindet. Entscheidend ist zunächst, ob der Mieter zur Überlassung berechtigt ist. Dies ist er nur mit der Erlaubnis des Vermieters. Deshalb verletzt der Mieter durch eine Untervermietung ohne die Erlaubnis seines Vermieters seine vertraglichen Pflichten auch dann, wenn er einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis hat896. Selbst wenn eine Erlaubnis erteilt wurde, kann die Untervermietung unzulässig sein. Das kommt z.B. in Betracht, wenn die durchgeführte Gebrauchsüberlassung von der Erlaubnis nicht gedeckt ist (§ 540 BGB Rz. 47). In der Gewerberaummiete liegt ein solcher Fall bereits vor, wenn der Untermieter den Vertragszweck (einseitig) ändert. In der Wohn888 LG Karlsruhe v. 22.5.2019 – 9 S 2/19, WuM 2019, 436 (aber ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB). 889 BVerfG v. 18.10.1993 – 1 BvR 1335/93, ZMR 1994, 10 (11); OLG Stuttgart v. 20.1.1989 – 2 U 259/88, ZMR 1989, 377. 890 BGH v. 12.6.2013 – XII ZR 143/11, MietRB 2014, 37 = MDR 2013, 899 = WuM 2013, 485 = GE 2013, 999. 891 BGH v. 12.6.2013 – XII ZR 143/11, MietRB 2014, 37 = MDR 2013, 899 = WuM 2013, 485 = GE 2013, 999. 892 So aber Schmidt-Futterer/Blank, § 540 BGB Rz. 26. 893 Johannsen/Henrich/Götz, § 1361b BGB Rz. 11 m.w.N. 894 BGH v. 12.6.2013 – XII ZR 143/11, MietRB 2014, 37 = MDR 2013, 899 = WuM 2013, 485 = GE 2013, 999. 895 OLG Frankfurt v. 20.2.2013 – 5 UF 14/13, MietRB 2014, 2 = ZMR 2014, 279. 896 BGH v. 2.2.2011 – VIII ZR 74/10, MietRB 2011, 102 = WuM 2011, 74 = MDR 2011, 347 = NZM 2011, 275.

828 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 207 § 543

raummiete sollen kurzfristige Vermietungen an Touristen nicht zulässig sein, wenn der Vermieter eine Erlaubnis erteilt hat in der Annahme, die Untervermietung sei dauerhafter Natur897. Richtigerweise wird in einem solchen Fall schon anzunehmen sein, dass der Mieter den Vertragszweck ändert. Denn mit der ständigen Vermietung an Touristen liegt eine gewerbliche Tätigkeit vor. Der Mieter erzielt Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.S.v. §§ 2 Abs. 1 Nr. 6, 21 EStG. Ein Fall der mangelnden Erlaubnis ist auch anzunehmen, wenn die Befristung, unter der die Zustim- 205a mung erteilt wurde (§ 540 BGB Rz. 48a), abgelaufen ist. In diesem Fall muss der Mieter alles rechtlich Mögliche unternehmen, um eine Beendigung des Untermietverhältnisses und den Auszug des Untermieters herbeizuführen898. Die fortdauernde Untätigkeit stellt insbesondere nach erfolgter Abmahnung eine schwere Pflichtverletzung dar. Die Erlaubnis kann schon im Mietvertrag vereinbart sein oder nachträglich erteilt werden. Zumin- 206 dest bei Vorliegen eines berechtigten Interesses hat der Wohnraummieter nach § 553 Abs. 1 BGB einen gesetzlichen Anspruch auf die Erteilung der Untervermietungserlaubnis (vgl. § 553 BGB Rz. 13 ff.). Daneben kommen vertragliche Ansprüche oder besondere aus § 242 BGB zu rechtfertigende Tatbestände in Betracht (vgl. § 540 BGB Rz. 55 ff.). Ein solcher Anspruch ersetzt im Allgemeinen aber nicht schon die ausdrückliche Erlaubnis. Das Kündigungsrecht besteht aber nicht, wenn der Vermieter nach der im Mietvertrag vorgesehenen Regelung die Erlaubnis nur aus wichtigem Grund verweigern darf und ein solcher nicht vorliegt bzw. nicht dargetan ist899. b) Erhebliche Verletzung der Rechte des Vermieters Die Rechtsfrage, ob die außerordentliche Kündigung wegen vertragswidriger Gebrauchsüberlassung 207 an einen Dritten voraussetzt, dass die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletzt worden sind900, oder – wie es vormals zu § 553 BGB a.F. angenommen wurde – die unrechtmäßige Gebrauchsüberlassung bereits für sich allein der wichtige, die außerordentliche Kündigung rechtfertigende Grund ist901, ist streitig. Diese Erheblichkeit soll fehlen, wenn der Mieter einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis hat902. Richtigerweise ist aber auch hier die Frage der Erheblichkeit von einer Interessenabwägung abhängig, die im Regelfall zugunsten des Mieters ausfällt903. Richtigerweise ist eine zusätzliche Prüfung im Sinne eines weiteren Tatbestandsmerkmals durch § 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht geboten. Durch die unbefugte Gebrauchsüberlassung (oder die Sorgfaltspflichtverletzung, § 543 BGB Rz. 199) werden die Rechte des Vermieters als solche bereits verletzt. Bei der unbefugten Gebrauchsüberlassung wird sein Mitspracherecht missachtet und bei der Sorgfaltspflichtverletzung sein Eigentum zumindest konkret gefährdet. Dadurch, dass diese Rechtsverletzungen erheblich sein müssen, kommt zum Ausdruck, dass z.B. eine einmalige oder versehentliche Pflichtverletzung nicht ausreichen soll. Zwar indiziert eine Abmahnung i.d.R. die Erheblichkeit904. Indessen soll die Erfüllung des Tatbestandes einen wichtigen Grund bilden, so dass je nach Einzelfall trotz Fristsetzung oder Abmahnung gesondert zu prüfen ist, ob die Schwere der Pflichtverletzung ausreicht, um die stärkste Sanktion des Mietrechts zu rechtfertigen. Allerdings kann z.B. die wiederholte pflichtwidrige Untervermietung durch § 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB geahndet werden905.

897 898 899 900 901 902 903 904 905

BGH v. 4.12.2013 – VIII ZR 5/13, MietRB 2014, 33 = MDR 2014, 77 = WuM 2014, 27. LG Berlin v. 9.4.2015 – 67 S 28/15, MDR 2015, 640 = MietRB 2015, 228 = WuM 2015, 421 = GE 2015, 789. OLG Düsseldorf v. 5.9.2002 – 10 U 105/01, WuM 2002, 673 = ZMR 2003, 177 = OLGR 2003, 197. So AnwK-BGB/Klein-Blenkes, § 543 BGB Rz. 16; Kraemer, DWW 2001, 110 (118), Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 68, 70. So MünchKomm/Bieber, § 543 BGB Rz. 40; Palandt/Weidenkaff, § 543 BGB Rz. 20; Soergel/Heintzmann, § 543 BGB Rz. 20. Blank/Börstinghaus, § 543 BGB Rz. 79; Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 543 BGB Rz. 51. BayObLG v. 26.10.1990 – RE-Miet 1/90, MDR 1991, 253 = WuM 1991, 18 = ZMR 1991, 64 = NJW-RR 1990, 461. BGH v. 28.11.2007 – VIII ZR 145/07, MietRB 2008, 100 = MDR 2008, 258 = WuM 2008, 31. BayObLG v. 26.4.1995 – REMiet 3/94, MDR 1995, 689 = WuM 1995, 378 (zur ordentlichen Kündigung).

Lützenkirchen | 829

§ 543 Rz. 208 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund c) Abmahnung und Fristsetzung 208 Im Hinblick auf § 543 Abs. 3 BGB ist die Kündigung grundsätzlich erst nach Abmahnung oder Frist-

setzung zulässig (vgl. allgemein § 543 BGB Rz. 287 ff.). 209 Die Abmahnung des Vermieters ist unwirksam, wenn sie zu einem Zeitpunkt erfolgte, in dem die Un-

tervermietung noch befristet gestattet war906. Die Kündigung soll nach vorheriger Abmahnung auch dann zulässig sein, wenn der Mieter dem Untermieter nach Erhalt der Abmahnung sofort ordentlich kündigt907. Dies widerspricht jedoch dem Zweck der Abmahnung, dem Mieter Gelegenheit zu einer Korrektur seines vertragswidrigen Verhaltens zu geben. Immerhin ist eine Kündigung wegen unberechtigter Untervermietung unbegründet, wenn diese im Zeitpunkt der vorangehenden Abmahnung bereits beendet war908. Dann muss der Mieter aber auch überhaupt die Gelegenheit haben, zu einem vertragsgemäßen Gebrauch zurückzufinden. Erklärt der Untermieter nach der Aufforderung/Kündigung durch den Mieter, nicht ausziehen zu wollen, oder zieht er nach Ablauf einer angemessenen Frist nicht aus, kann der Vermieter gegenüber dem Mieter aber nur kündigen, wenn der Mieter nichts weiter unternommen hat, um die unbefugte Gebrauchsüberlassung zu beenden. Geht er schon vor dem Widerruf der Untervermietungserlaubnis nach eigener Kündigung mit einer Räumungsklage gegen den Untermieter vor, hat er alles Erforderliche getan, selbst wenn sechs Monate später ein Räumungsvergleich zwischen Mieter und Untermieter geschlossen wird, der dem Untermieter eine Räumungsfrist einräumt909. Nichts anderes gilt, wenn die Kündigung und die Räumungsklage erst nach einem Widerruf der Untervermietungserlaubnis stattfinden. 210 Eine Abmahnung wegen unbefugter Nutzungsüberlassung ist solange nicht entbehrlich, wie nicht

feststeht, dass der Mieter eindeutig nicht in der Lage oder nicht willens ist, die Nutzung selbst (wieder) zu übernehmen. Neben der endgültigen Erfüllungsverweigerung durch den Mieter kommt insoweit auch die entsprechende Erklärung des Untermieters in Betracht, solange der Mieter im Hinblick auf den Auszug des Untermieters untätig bleibt. Allein weil der Vertrag mit dem Untermieter grundsätzlich nicht (außerordentlich) kündbar ist, entfällt nicht das Abmahnerfordernis. Denn es ist immer zu berücksichtigen, dass für den Mieter auch die Möglichkeit besteht, einen Aufhebungsvertrag zu schließen. Der Umstand, dass ein Gewerbemieter (Pächter) sein Einzelunternehmen abmeldet, ist für die Annahme der Erfolglosigkeit dann nicht ausreichend, wenn der Mieter eine GbR zum gemeinsamen Betrieb des Gewerbes gründet und in dieser Form die Mietsache vertragsgemäß bewirtschaften kann910. d) Fortbestand der Rechtsverletzung 211 Der Vermieter kann nur kündigen, wenn die unberechtigte Gebrauchsüberlassung im Zeitpunkt der

Kündigung noch fortbesteht. Führt der Mieter in diesem Zeitpunkt bereits einen Räumungsprozess gegen den Untermieter, in dem er einen Räumungsvergleich mit einer viermonatigen Ziehfrist schließt, liegen die Voraussetzungen für eine Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht vor911. Ansonsten verstößt die Untervermietung, die ohne Zustimmung des Vermieters stattfindet oder nach Widerruf der Erlaubnis fortgesetzt wird, gegen §§ 540, 553 BGB, sofern nicht ein Anspruch auf Zustimmung besteht. Ob der Mieter den Untermietvertrag kündigen kann, ist unerheblich912. Denn die Rechtsverletzung liegt in der unzulässigen Gebrauchsüberlassung. Abgesehen davon kann der Mieter einen Aufhebungsvertrag schließen. Insoweit kann ihm die Treuepflicht gegenüber dem Vermieter gebieten, dem Untermieter z.B. eine Auszugsprämie oder andere Incentives zu bieten. Hat der Mieter im Untermietverhältnis nicht dafür gesorgt, den Vertrag ggf. kurzfristig beenden zu können (z.B. Vereinbarung des Entzuges der Untervermietungserlaubnis als wichtigen Grund i.S.v. § 543 Abs. 1 BGB), kann ihn dieses Versäumnis gegenüber dem Vermieter nicht entlasten.

906 907 908 909 910 911 912

AG Frankfurt v. 3.2.1999 – 33 C 3600/98-76, NZM 1999, 707. LG Hamburg v. 1.9.2000 – 311 S 70/00, ZMR 2001, 39. LG Berlin v. 23.6.1998 – 64 S 45/98, ZMR 1998, 636 = NZM 1999, 71 = GE 1998, 1089. BGH v. 4.12.2013 – VIII ZR 5/13, MietRB 2014, 33 = MDR 2014, 77 = WuM 2014, 27. Brandenburgisches OLG v. 8.7.2010 – 5 U (Lw) 118/09, zitiert nach juris. BGH v. 4.12.2013 – VIII ZR 5/13, MDR 2014, 77 = MietRB 2014, 33 = WuM 2014, 27. A.A. Schmid, IMR 2014, 51.

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B. Wohnraummiete | Rz. 214a § 543

Ansonsten muss die Kündigung in angemessenem Zeitraum nach der Abmahnung erfolgen (§ 543 212 BGB Rz. 48 ff.). Insoweit soll es auch darauf ankommen, inwieweit der Vermieter die unbefugte Gebrauchsüberlassung in der Vergangenheit ohne einzuschreiten geduldet hat913, wobei 15 Monate schon ausreichen sollen, um die Kündigung auszuschließen914, jedenfalls aber zehn Jahre915. Richtigerweise ist in diesen Fällen anhand der konkreten Umstände zunächst zu bewerten, ob das Verhalten des Vermieters als Zustimmung/Genehmigung aufzufassen ist. Insoweit sind aber strenge Anforderungen zu stellen, insbesondere kann die bloße Kenntnis von der Gebrauchsüberlassung nicht als Einwilligung in das vertragswidrige Verhalten verstanden werden. Denn als empfangsbedürftige Willenserklärung muss auch die konkludente Zustimmung von einem Erklärungsbewussten getragen sein. Dazu ist mindestens eine entsprechende Information durch den Mieter mit Angabe des Namens und der letzten Anschrift des Untermieters zu fordern. Immerhin bezieht sich die Untervermietungserlaubnis i.d.R. auf eine konkrete Person. Liegt danach keine Erlaubnis vor, kann der Vermieter grundsätzlich auch nach längerer Kenntnis des vertragswidrigen Zustandes eine Abmahnung erteilen und damit einen eventuell entstandenen Verwirkungstatbestand ausräumen. Danach kann er innerhalb angemessener Zeit kündigen, wobei zu berücksichtigen ist, wie viel Zeit der Vermieter z.B. dafür benötigt, den Namen des Untermieters, den er, um einen vollständigen Räumungserfolg zu erreichen, nach § 546 Abs. 2 BGB in Anspruch nehmen muss (Anh. § 546 BGB Rz. 45), zu ermitteln. e) Rechtsmissbräuchliche Kündigung Ein Mieter, der eine Untervermietung vornimmt, ohne die erforderliche Erlaubnis seines Vermieters 213 einzuholen, verletzt damit seine vertraglichen Pflichten auch dann, wenn er letztlich einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis hat916. Indessen ist die Kündigung des Vermieters rechtsmissbräuchlich, wenn dem Mieter ein Anspruch auf Erlaubniserteilung zusteht917. In diesem Fall kann aber eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt sein (vgl. § 573 BGB Rz. 165 f.). Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten (§ 242 BGB) kommt in Betracht, wenn der Vermieter wegen 214 einer unberechtigten Untervermietung das Mietverhältnis kündigt und anschließend mit dem bisherigen Untermieter ein Mietverhältnis eingeht, nur um eine höhere Miete zu erzielen. Denn hier nützt der Vermieter möglicherweise lediglich eine formale Rechtsposition aus, die mit dem Sinn und Zweck der Untermieterregelungen, zumal wenn sie vertraglich besonders fixiert sind, nicht zu vereinbaren wäre. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten liegt jedoch nicht vor, wenn die Bedingungen des Untermietvertrages nicht den berechtigten Interessen des Vermieters entsprechen918. Das Erfordernis der Erlaubnis zur Untervermietung dient aber auch der Sicherstellung, dass die Bedingungen des Untermietverhältnisses den Interessen des Vermieters entsprechen. Insoweit geht z.B. das Interesse des Vermieters einer Gaststätte für gewöhnlich dahin, dass der Betreiber der Gaststätte nicht allzu häufig wechselt und das Objekt nicht leer steht. Denn dadurch wird der Good-Will des Betriebes geschädigt und die Vermietbarkeit beeinträchtigt. Es ist deshalb eine durchaus berechtigte Sorge, wenn der Vermieter die Gesamtbelastungen des Untermieters aufgrund des Untermietvertrages als zu hoch ansieht und deshalb fürchtet, der Untermieter werde diese Gesamtbelastungen nicht tragen können. Ein Rechtsmissbrauch entfällt in einem solchen Fall nur dann, wenn diese Sorge völlig unbegründet wäre. Erwirbt der Untermieter die von ihm genutzte Wohnung, soll seine Kündigung gegenüber dem Mie- 214a ter rechtsmissbräuchlich sein, wenn er sie auf eine fehlende Erlaubnis zur Untervermietung stützt919. Dem kann nur dann gefolgt werden, wenn der Untermieter als Vermieter dem Mieter vor der Kündigung einen Aufhebungsvertrag angeboten hat und der Mieter damit nicht einverstanden war. Ansonsten hat der Untermieter keine Möglichkeit, den Mietvertrag als Vermieter seines (Unter-)Vermieters zu kün913 914 915 916 917

Blank/Börstinghaus, § 543 BGB Rz. 146. OLG Düsseldorf v. 5.9.2002 – 10 U 105/01, WuM 2002, 673 = ZMR 2003, 177 = OLGR 2003, 197. LG München I v. 10.4.1991 – 14 S 4544/89, WuM 1991, 548 = NJW-RR 1991, 1112. BGH v. 2.2.2011 – VIII ZR 74/10, MietRB 2011, 102 = MDR 2011, 347 = WuM 2011, 169 = ZMR 2011, 453. BGH v. 2.2.2011 – VIII ZR 74/10, MietRB 2011, 102 = MDR 2011, 347 = WuM 2011, 169 = ZMR 2011, 453; BayObLG v. 26.10.1990 – REMiet 1/90, MDR 1991, 253 = WuM 1991, 18 = NJW-RR 1991, 461 (462); Blank/ Börstinghaus, § 543 BGB Rz. 79. 918 OLG Hamm v. 12.12.1995 – 7 U 71/95, DWW 1996, 162 = OLGR 1996, 97. 919 OLG Oldenburg v. 1.4.2014 – 3 U 168/10, IMR 2014, 245.

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§ 543 Rz. 214a | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund digen. Kündigt er den Untermietvertrag selbst, muss er räumen, § 546 BGB, obwohl er nun als Eigentümer nutzen will. f) Beweislast 215 Der Vermieter hat grundsätzlich alle Voraussetzungen seines Kündigungsrechts nach § 543 Abs. 2 Nr. 2

BGB darzutun und ggf. zu beweisen920. Die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die den Anspruch auf Erlaubniserteilung sowie den Rechtsmissbrauch ergeben sollen, obliegt jedoch dem Mieter.

IV. § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB (Zahlungsverzug) 216 Die Kündigung des Vermieters wegen Zahlungsverzuges setzt zunächst fällige, vom Mieter laufend

geschuldete Mieten voraus. Ferner dürfen die Mietzahlungsansprüche des Vermieters zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung921 noch nicht (vollständig) erfüllt sein. Im Hinblick auf die weiteren Voraussetzungen (Verzug) sind allein durch einen rechtskräftigten Titel über den Rückstand die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht bindend festgestellt922. Maßgeblich ist, dass einmal ein Kündigungstatbestand entstanden ist, der bis zum Zugang der Kündigungserklärung nicht wieder erloschen ist923. Die Abwägungskriterien des § 543 Abs. 1 BGB finden keine zusätzliche Anwendung924. 216a § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB bezweckt den Schutz des Vermieters. Er soll davor bewahrt werden, über

einen längeren Zeitraum seiner Pflicht zur Gebrauchsüberlassung nachkommen zu müssen, aber nicht das Entgelt dafür zu erhalten, das er im Rahmen seiner Wirtschaftlichkeitsberechnung im Voraus fest eingeplant hat und das er zur Erfüllung seiner eigenen regelmäßigen Zahlungsverpflichtungen dringend benötigt925. 1. Miete 217 Miete i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB ist grundsätzlich der für den letzten vereinbarten Zeitabschnitt lau-

fend geschuldete Betrag (§ 556b BGB Rz. 25). Das ist die nach den aktuellen Vereinbarungen der Parteien für den relevanten Zeitraum (z.B. Monat) vereinbarte Brutto- oder Gesamtmiete926, selbst wenn eine Minderung nach § 536 BGB berechtigt ist927. Dementsprechend gehören neben der Grundmiete auch die laufend mit der Miete zu zahlenden Betriebskostenpauschalen und/oder -vorauszahlungen dazu928. 218 Der ausreichende Rückstand kann sich sogar allein aus den laufenden Zahlungen auf die Betriebs-

kosten (Vorauszahlungen, Pauschale) zusammensetzen929, sofern z.B. bei Teilzahlungen des Mieters entgegen der Auslegungsregel des § 366 Abs. 2 BGB (§ 556b BGB Rz. 98) eine Verrechnung nur auf die anderen Teile der Miete in Betracht kommt. Insoweit ist weder relevant, ob die Abrechnungsperiode abgelaufen ist930, noch ob inzwischen Abrechnungsreife eingetreten ist. Denn sanktioniert werden 920 OLG Köln v. 12.7.1995 – 2 U 45/95, ZMR 1996, 24. 921 BGH v. 14.7.2010 – VIII ZR 267/09, MietRB 2010, 317 = MDR 2010, 1105 = GE 2010, 1197 = WuM 2010, 571 = NZM 2010, 696 = ZMR 2011, 16; a.A. LG Duisburg v. 24.3.2006 – 13 T 28/06, WuM 2006, 257; LG Köln v. 18.1.2001 – 6 S 221/00, ZMR 2002, 123. 922 BGH v. 10.4.2019 – VIII ZR 39/18, MietRB 2019, 198 = MDR 2019, 927 = WuM 2019, 315 = ZMR 2019, 842. 923 BGH v. 23.9.1987 – VIII ZR 265/86, MDR 1988, 225 = WuM 1988, 126. 924 BGH v. 4.2.2015 – VIII ZR 175/14, MDR 2015, 327 = MietRB 2015, 98 = MietRB 2015, 109 = WuM 2015, 152 = ZMR 2015, 287 = GE 2015, 313. 925 OLG Koblenz v. 26.7.1984 – 4 W-RE 386/84, WuM 1984, 269 = ZMR 1984, 351 = juris Rz. 9. 926 Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 84. 927 BGH v. 27.9.2017 – VIII ZR 193/16, MietRB 2017, 343 = MDR 2017, 1352 = WuM 2017, 644 = ZMR 2018, 17; OLG Dresden v. 24.9.2018 – 5 U 1055/18, ZMR 2019, 580. 928 BGH v. 28.5.1975 – VIII ZR 70/74, WM 1975, 897. 929 BGH v. 25.10.2006 – VIII ZR 102/06, MietRB 2007, 59 = MietRB 2007, 60 = MietRB 2007, 61 = MDR 2007, 454 = WuM 2007, 24; LG Leipzig v. 31.3.2006 – 01HK O 4441/05, ZMR 2006, 608. 930 LG Berlin v. 12.8.1985 – 61 S 22/85, MDR 1986, 412 f.

832 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 220 § 543

soll die unterlassene Mietzahlung. Ob der dadurch entstehende Rückstand noch als Zahlungsforderung geltend gemacht werden kann, ist davon unabhängig. Denn ein einmal entstandener Kündigungstatbestand entfällt erst, wenn der Rückstand ausgeglichen ist, § 543 Abs. 2 S. 2 BGB. Die Zeitkomponente wird erst im Rahmen des Verzuges relevant, wenn z.B. Verjährung der Mietforderung eingetreten ist (§ 543 BGB Rz. 224). Demgegenüber sollen die Nachforderungen aus den jährlichen Betriebskostenabrechnungen im 218a Rahmen der Rückstandsermittlung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. b) BGB nicht zu berücksichtigen sein931. Dies ist – jedenfalls in dieser Allgemeinheit – zweifelhaft932. Auf jeden Fall ist § 543 Abs. 1 BGB zu prüfen, wobei die geforderte Unzumutbarkeit u.U. eine besondere Hürde begründen kann933. Für die Anwendung des § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. b) BGB spricht zunächst, dass bei der Vereinbarung von Vorauszahlungen auf Betriebskosten – wie sich aus § 556 Abs. 3 BGB ergibt – eine Jahresmiete geschuldet wird, deren Höhe der Vermieter durch Vorlage der Betriebskostenabrechnung (endgültig) bestimmt934. Der BGH hat den Rückstand mit Nachforderungen aus Betriebskostenabrechnungen in Höhe von nahezu zwei Monatsmieten als erhebliche Pflichtverletzung935 und die Nachforderung als wiederkehrende Leistung i.S.v. § 216 BGB936 angesehen. Damit liegen schon einmal zwei entscheidende Merkmale vor, die zur Anwendung des § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB führen können. Gemäß § 556 Abs. 1 BGB sind Betriebskosten Miete937. Betriebskostenvorauszahlungen sind Bestandteil der Miete und daher laufende bzw. wiederkehrende Leistungen. Diesen Charakter büßen sie nicht ein, wenn sie in Form der Nachforderung geschuldet werden. Vielmehr ist die Nachforderung ebenfalls eine wiederkehrende Leistung938. Deshalb ist z.B. § 536 BGB auf die Nachforderung anwendbar939. Wenn die Nachforderung aus einer Betriebskostenabrechnung aber einen Teil der vereinbarten Miete darstellt, kann sie jedenfalls den Tatbestand des § 543 Abs. 3 Nr. 2b) BGB begründen, sofern der Gesamtrückstand des Mieters aus laufender Miete und Nachforderung oder nur aus der Nachforderung mindestens zwei Monatsmieten erreicht. Gerade weil der Gesetzgeber zum 1.9.2001 den Sprachgebrauch der mietrechtlichen Vorschriften vereinheitlichen wollte, ist es nicht gerechtfertigt, den Begriff Miete in den §§ 535, 536, 543 Abs. 2 Nr. 3, 556 BGB unterschiedlich zu interpretieren. Abgesehen davon benötigt der Vermieter die Nachforderung auch dazu, um seine laufenden Kosten bestreiten zu können, nämlich die Betriebskosten. Im Übrigen sind Kumulationen von laufendender Miete und Nachforderungen in jeder Form zulässig. Zumindest ergibt sich daraus ein wichtiger Grund i.S.v. § 543 Abs. 1 BGB, wenn zwei Monatsmieten erreicht sind940. Neben dem Entgelt für die Überlassung sind alle vereinbarten Zuschläge in die Rückstandsberech- 219 nung einzubeziehen. Dazu gehören insbesondere die Zuschläge für Möblierung, Modernisierung, Schönheitsreparaturen, Untervermietung, gewerbliche Nutzung etc.941. Bei einem einheitlichen Mietvertrag (vgl. Vor § 535 BGB Rz. 74 f.) kommt es ebenfalls auf die gesam- 220 te Miete an. Eine (Teil-)Kündigung ist grundsätzlich nicht gerechtfertigt, weil der Mieter z.B. für die mit der Wohnung einheitlich vermietete Garage keine Mietzahlungen mehr leistet, sofern der Rück-

931 OLG Koblenz v. 26.7.1984 – 4 W RE 386/84, ZMR 1984, 351 = WuM 1984, 269; LG Dessau-Roßlau v. 29.12.2016 – 5 S 141/16, MietRB 2017, 95 = ZMR 2017, 481 = IMR 2017, 132; AG Köpenick v. 15.8.2013 – 13 C 66/13, GE 2013, 1283. 932 LG Berlin v. 24.11.2015 – 63 S 158/15, GE 2016, 126; LG Berlin v. 20.2.2015 – 63 S 202/14, MietRB 2015, 324, GE 2015, 452; Hinz, WuM 2019, 673; Börstinghaus, MietRB 2017, 95 = WuM 2017, 254 (255). 933 Hinz, WuM 2019, 673 (676 f.). 934 BGH v. 13.4.2011 – VIII ZR 223/10, MDR 2011, 718 = MietRB 2011, 169 = WuM 2011, 284; BGH v. 30.3.2011 – VIII ZR 133/1, MietRB 2011, 2430, WuM 2011, 370 = ZMR 2011, 710. 935 BGH v. 28.5.1975 – VIII ZR 70/74, WPM 1975, 897. 936 BGH v. 20.7.2016 – VIII ZR 263/14, MDR 2016, 1323 = MietRB 2016, 311 = WuM 2016, 620 = ZMR 2016, 768 = NZM 2016, 762. 937 A.A. OLG Koblenz v. 26.7.1984 – 4 W RE 386/84, ZMR 1984, 351. 938 BGH v. 20.7.2016 – VIII ZR 263/14, MDR 2016, 1323 = MietRB 2016, 311 = WuM 2016, 620 = ZMR 2016, 768 = NZM 2016, 762. 939 BGH v. 13.4.2011 – VIII ZR 223/10, MDR 2011, 718 = MietRB 2011, 169 = WuM 2011, 284. 940 LG Berlin v. 20.2.2015 – 63 S 202/14, MietRB 2015, 324, GE 2015, 452; a.A. LG Dessau-Roßlau v. 29.12.2016 – 5 S 141/16, MietRB 2017, 95 = ZMR 2017, 481 m.w.N. 941 Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 89; Kinne in Kinne/Schach/Bieber, § 543 BGB Rz. 73.

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§ 543 Rz. 220 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund stand insgesamt nicht zwei Gesamtmieten erreicht. Umgekehrt ist bei getrennten Verträgen der Rückstand separat zu ermitteln942. Das gilt erst recht bei zusammengesetzten Verträgen (z.B. Mietvertrag und Bierlieferungsvertrag). 221 Anzusetzen ist die für den jeweiligen Zeitabschnitt dem Grunde und der Höhe nach geschuldeten

Miete. Ist eine Staffelmiete vereinbart, ist ab Eintritt der Staffel die danach zu zahlende Miete maßgeblich. Auch wenn die Staffel erst in dem Monat wirksam geworden ist, in dem die Kündigung ausgesprochen wird, ist sie maßgeblich (§ 543 BGB Rz. 225). Das Gleiche gilt grundsätzlich auch für vereinbarte oder aufgrund einseitiger, wirksamer Mietänderung (z.B. nach §§ 558, 559 oder § 560 BGB) eingetretene Erhöhungen. Allerdings ist insoweit § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB zu beachten. Dies gilt vor allem bei rückwirkend vereinbarten Mieterhöhungen, die für sich ein Kündigungsrecht begründen können, wenn sie sich z.B. gleichmäßig auf die relevanten Zeitabschnitte vereinbarungsgemäß verteilen sollen943 und nicht eine bloße Einmalzahlung vereinbart wird. 222 Bei Einmalzahlungen führt die Nichtzahlung selbst dann nicht zur Anwendung des § 543 Abs. 2 Nr. 3

BGB, wenn ihr Rückstand bezogen auf die vorgesehene Mietzeit den auf zwei Monate entfallenden Betrag erreicht oder sogar übersteigt. Dies gilt selbst dann, wenn sich der Mieter in einem gerichtlichen Vergleich zur Nachzahlung von Miete, die angesichts einer ungewissen Rechtslage dadurch möglicherweise überhaupt erstmals begründet ist, verpflichtet und der Zahlbetrag die Summe von zwei Monatsmieten übersteigt944. Klassische Einmalzahlungen sind Nachforderungen aus Betriebskostenabrechnungen oder Baukostenzuschüsse, Mietvorauszahlungen und Kaution945, aber auch Prozesskosten. 222a Haben die Parteien nur eine Miete mit symbolischem Charakter z.B. vom 1 € vereinbart, kann zur

Rückstandermittlung nicht auf die vereinbarte Miete abgestellt werden. Vielmehr muss der Berechnung der Wert des Nutzungsinteresses zugrunde gelegt werden, dass sich an der ortsüblichen Vergleichsmiete orientiert946. 2. Rückstandsermittlung 223 Bei der Rückstandsberechnung ist allein der Betrag der für den Zeitabschnitt vereinbarten Mietschuld

maßgeblich947. Ist eine Monatsmiete geschuldet und hat das Mietverhältnis nicht am Ersten des Monats begonnen, ist eine Tagesmiete (und nicht z.B. die Hälfte der Monatsmiete bei Beginn am 16.) der Rückstandsermittlung zugrunde zu legen948. Wegen der kalendermäßigen Bestimmung der Fälligkeit (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB) nach dem dritten Werktag geschuldeter Zinsen und sonstiger Verzugsschäden kann jedenfalls nicht nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB gekündigt werden. 224 Außer Betracht bleiben bei der Rückstandsermittlung verjährte und verwirkte Mieten949. Dazu muss

sich der Mieter nicht erst die Einrede der Verjährung erheben. Denn das Leistungsverweigerungsrecht nach § 214 BGB hindert bereits den Verzug950. 225 Hat sich eine Mieterhöhung ergeben, ist bei allen drei Varianten des § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB die erhöhte

Miete maßgeblich, weil es auf die Miethöhe im Zeitpunkt der Kündigung ankommt und nicht auf die Fälligkeit der jeweiligen Miete951. Dabei ist es ohne Bedeutung, auf welcher Grundlage die Mieterhöhung erfolgt ist. In Betracht kommen alle gesetzlich zugelassenen Tatbestände, also § 557 Abs. 1 BGB ebenso wie §§ 557a, 557b, 558, 559, 560 BGB. Maßgeblich ist allein, dass die Mieterhöhung (wirksam) eingetreten ist. Kommt es auf den erheblichen Rückstand an, der sich nach § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB nach AG Hannover v. 25.5.2009 – 414 C 1533/09, WuM 2009, 480. Blank/Börstinghaus, § 543 BGB Rz. 112; a.A. LG Köln v. 9.7.1992 – 6 S 9/92, WuM 1993, 191. OLG München v. 9.12.2002 – 15 U 2940/02, NZM 2003, 554. Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 49. BGH v. 15.5.2018 – VIII ZR 150/17, WuM 2018, 514. Vgl. die Beispielsfälle bei Breiholdt, ZMR 2017, 788. AG Charlottenburg v. 15.8.2019 . 210 C 348/18, GE 2020, 675. LG Berlin v. 17.3.1983 – 61 S 165/82, MDR 1983, 843; Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 57; a.A. Sternel, WuM 2009, 699. 950 Blank/Börstinghaus, § 543 BGB Rz. 82. 951 LG Osnabrück v. 13.5.1988 – 11 S 102/88, WuM 1988, 268; AG Lübeck v. 9.1.2017 – 31 C 2199/16, WuM 2017, 200 = ZMR 2017, 405; Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 59. 942 943 944 945 946 947 948 949

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B. Wohnraummiete | Rz. 229 § 543

der Monatsmiete richtet, bildet der erhöhte Betrag ebenso die Hürde wie bei der Bemessung des Gesamtrückstandes i.S.v. § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. b BGB. Deshalb kann i.d.R. nach einer Mieterhöhung nur nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. a BGB gekündigt werden. Im Falle der Minderung gemäß § 536 BGB ist die vertragliche Sollmiete (ohne Minderung) Ausgangs- 226 punkt der Berechnung952. Das führt dazu, dass der kündigungsrelevante Rückstand stets gleichbleibt, also nicht von Schwankungen nach § 536 BGB abhängt. Wurde die Miete z.B. mit 500 € wirksam vereinbart, beträgt der Rückstand mit zwei Monatsmieten immer 1 000 €. Darf der Mieter die Miete um 20 % (= 100 €) mindern, zahlt aber nur 300 € monatlich, kann der Vermieter erst im zehnten Monat kündigen. Denn erst dann liegt ein Rückstand von 1 000 € vor. Nach der Auffassung der Gegenmeinung wäre der Rückstand bereits nach acht Monaten erreicht. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit unterliegt der Begriff der Miete im Hinblick auf die Vereinbarung der Parteien allen Schwankungen durch §§ 138, 556d BGB, § 5 WiStrG oder § 8 Abs. 2 WoBindG. a) Maßgeblicher Zeitpunkt Für die Rückstandsberechnung ist nicht auf die Verhältnisse bei der Abgabe der Kündigungserklä- 227 rung953, sondern bei Zugang der Erklärung abzustellen954. Zwar unterliegt auch die Kündigung wegen Zahlungsverzuges dem Begründungserfordernis des § 569 Abs. 4 BGB und kann der Vermieter im Kündigungsschreiben eine Zahlung nicht berücksichtigen, die er nicht kennt955. Indessen wäre in diesem Fall eine Kündigung wirksam, obwohl der Vermieter (materiell vollständig) befriedigt ist, so dass die Zahlung des Mieters nur noch nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB berücksichtigt werden kann. Dies hätte zur Folge, dass die nächste Kündigung des Vermieters innerhalb von zwei Jahren vom Mieter nicht mehr geheilt werden könnte, obwohl für den Eintritt der Wirksamkeit der Kündigung kein ausreichender Rückstand i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB mehr bestanden hat. Abgesehen davon kommt es auf den Verzug des Mieters an. Dieser entfällt aber z.B. durch Erfüllung unabhängig vom Willen und der Kenntnis des Vermieters. Es ist nicht erforderlich, dass in dem Zeitpunkt der Abgabe oder des Zugangs der Kündigung einer der 228 drei Tatbestände des § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB (noch) vollständig vorliegt. Vielmehr reicht es aus, dass er einmal (in der Vergangenheit) entstanden und bis zum Zugang der Kündigungserklärung nicht wieder erloschen ist956. Erlöschen kann der Tatbestand nur durch Erfüllung, also Zahlung, Aufrechnung oder (zulässige) Hinterlegung. aa) Erlöschen durch Zahlung, § 543 Abs. 2 S. 2 BGB Ist einer der Kündigungstatbestände nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. a oder b BGB einmal entstanden, 229 hat der Mieter also z.B. zwei Monate hintereinander keine Miete gezahlt, erlischt das Recht zur Kündigung nach § 543 Abs. 2 S. 2 BGB erst, wenn der Rückstand vollständig ausgeglichen ist957. Die vor 952 BGH v. 27.9.2017 – VIII ZR 193/16, MietRB 2017, 343 = MDR 2017, 1352 = WuM 2017, 644 m. abl. Anm. Blank = ZMR 2018, 16; Kinne in Kinne/Schach/Bieber, § 543 BGB Rz. 88 (geschuldete Miete); ohne Aussage: BGH v. 11.7.2012 – VIII ZR 138/11, MDR 2012, 1084 = MietRB 2012, 285 = GE 2012, 1161 = ZMR 2012, 1161 = NZM 2012, 637 Rz. 16; a.A. Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 114a; Kellendorfer in Spielbauer/ Schneider, § 543 BGB Rz. 21; Lammel, § 543 BGB Rz. 109. 953 LG Köln v. 18.1.2001 – 6 S 221/00, ZMR 2002, 123; LG Köln v. 18.10.1990 – 1 S 215/90, MDR 1991, 157 = WuM 1991, 263; Sternel, Mietrecht aktuell, 3. Aufl., Rz. 1186. 954 BGH v. 14.7.2010 – VIII ZR 267/09, MietRB 2010, 317 = MDR 2010, 1105 = GE 2010, 1197 = WuM 2010, 571 = NZM 2010, 696 = ZMR 2011, 16; OLG Dresden v. 24.9.2018 – 5 U 1055/18, ZMR 2019, 580. 955 LG Duisburg v. 24.3.2006 – 13 T 28/06, WuM 2006, 257. 956 BGH v. 23.9.1987 – VIII ZR 265/86, MDR 1988, 225 = WuM 1988, 126 = NJW-RR 1988, 77 = ZMR 1988, 16; KG v. 7.1.2016 – 8 U 205/15, GE 2016, 459. 957 BGH v. 27.9.2017 – VIII ZR 193/16, MietRB 2017, 343 = MDR 2017, 1352 = WuM 2017, 644 = ZMR 2018, 16 m.w.N.; BGH v. 24.8.2016 – VIII ZR 261/15, MDR 2016, 1257 = MietRB 2016, 312 = WuM 2016, 658 = ZMR 2017, 30 = GE 2016, 1272 Rz. 22; BGH v. 23.9.1987 – VIII ZR 265/86, MDR 1988, 225 = WuM 1988, 126 = NJW-RR 1988, 77 = ZMR 1988, 16; LG Flensburg v. 28.3.2014 – 1 T 8/14, ZMR 2014, 984; AG Pankow/Weißensee v. 14.4.2014 – 9 C 381/13, GE 2014, 805; AG Dortmund v. 2.11.2004 – 125 C 10067/04, WuM 2004, 720; Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 125.

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§ 543 Rz. 229 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund dem Zugang der Kündigung958 erfolgte (vollständige) Zahlung auf den bis dahin entstandenen Rückstand kann auch unter Vorbehalt bewirkt werden. Denn auch mit einer solchen Zahlung wird ein Erlöschen der Mietschuld herbeigeführt. Der Vorbehalt soll lediglich das Risiko aus § 814 BGB vermeiden, also die Annahme, dass die Zahlung in Kenntnis einer Nichtschuld erfolgte959. Ob die Zahlung in Teilbeträgen oder als Einmalzahlung herbeigeführt wird, ist unerheblich. Maßgeblich ist allein das Ergebnis bis zum Zugang der Kündigung, nämlich die Rückführung des Mietkontos (bezogen auf die laufende Miete) auf Null. 230 Der Vermieter muss – bezogen auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung – vollständig befrie-

digt werden960. Eine Teilleistung, mag sie auch erheblich sein und/oder den maßgeblichen Rückstand in einer Weise reduzieren, dass kein relevanter Rückstand mehr besteht, genügt für § 543 Abs. 2 S. 2 BGB grundsätzlich nicht961. Ausnahmen kommen nach § 242 BGB in Betracht, wenn das Ergebnis untragbar962 ist. Dafür reicht der bloße (geringe) Rückstand jedoch i.d.R. nicht aus963. Vielmehr sind auch die Ereignisse vor und nach Zugang der Kündigung zu würdigen. Auf die Höhe des (geringfügigen) verbleibenden Rückstands kommt es nicht an, auch nicht aus dem Gesichtspunkt von § 242 BGB. Dagegen ist für die Rechtzeitigkeit die Erfüllungshandlung maßgeblich964. Verjährte Forderungen sollen nur zu tilgen sein, solange sich der Mieter nicht auf Verjährung beruft965. Dies ist zweifelhaft. Denn insoweit besteht bereits kein Verzug, weil die Forderung einredebehaftet ist.

231 Da jedenfalls in der Wohnraummiete für die Leistungshandlung des Mieters auf die Bewirkung der

Zahlung abzustellen ist (vgl. dazu § 556b BGB Rz. 29), ist auch mit Blick auf § 543 Abs. 2 S. 2 BGB auf das Prioritätsprinzip abzustellen. Finden Zugang der Kündigung und Zahlung am selben Tag statt, muss im Zweifel der Vermieter darlegen und beweisen, dass der Zugang der Kündigung i.S.v. § 130 BGB vor der Zahlung des Mieters erfolgte. 232 § 543 Abs. 2 S. 3 BGB, wonach eine unverzügliche Aufrechnung zur Unwirksamkeit der Kündigung

führt, kann schon deshalb nicht auf andere Erfüllungsarten (z.B. Zahlung) analog angewandt werden, da dann der Schutzzweck der Norm in sein Gegenteil verkehrt würde (§ 543 BGB Rz. 216a). Es ist also unerheblich, ob der Mieter bereits vor Zugang der Kündigung hätte zahlen oder hinterlegen können. bb) Erlöschen durch Aufrechnung 233 Nach § 543 Abs. 2 S. 3 BGB hat die Aufrechnung die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge, wenn die

Gegenforderung bereits vor der Kündigung bestanden hatte und der Mieter unverzüglich nach Zugang der Kündigung die Aufrechnung erklärt. Maßgeblich ist, dass durch die Aufrechnung eine vollständige Tilgung des Rückstandes herbeigeführt wird966. Tritt die vollständige Tilgung nicht ein, bleibt die Kündigung grundsätzlich wirksam967. Ausnahmen kommen nach § 242 BGB in Betracht, wenn das Ergebnis untragbar ist968. Dafür reicht der bloße (geringe) Rückstand jedoch i.d.R. nicht aus969. Vielmehr sind auch die Ereignisse vor und nach Zugang der Kündigung zu würdigen. Davon sind auch Auf-

958 BGH v. 24.8.2016 – VIII ZR 261/15, MDR 2016, 1257 = MietRB 2016, 312 = WuM 2016, 658 = ZMR 2017, 30 = GE 2016, 1272 Rz. 22. 959 LG Frankfurt/M v. 7.7.1987 – 2/11 S 32/87, WuM 1987, 318. 960 BGH v. 24.8.2016 – VIII ZR 261/15, MDR 2016, 1257 = MietRB 2016, 312 = WuM 2016, 658 = ZMR 2017, 30 = GE 2016, 1272 Rz. 22 m.w.N. 961 BGH v. 14.7.1970 – VIII ZR 12/69, ZMR 1971, 27; a.A. LG Berlin v. 9.8.1994 – 65 S 125/94, WuM 1997, 216 (Rest von 2,31 DM). 962 BGH v. 5.11.2003 – XII ZR 134/02, MietRB 2004, 103 = MDR 2004, 325 = ZMR 2004, 106 = NJW 2004, 1103. 963 A.A. LG Berlin v. 9.8.1994 – 65 S 125/94, WuM 1997, 216 (Rest von 2,31 DM). 964 BGH v. 11.1.2006 – VIII ZR 364/04, MietRB 2006, 211 = MDR 2006, 864 = NJW 2006, 1585. 965 Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XII 149. 966 BGH v. 27.9.2017 – VIII ZR 193/16, MietRB 2017, 343 = MDR 2017, 1352 = WuM 2017, 644 = ZMR 2018, 17; BGH v. 14.7.1970 – VIII ZR 12/69, ZMR 1971, 27. 967 BGH v. 14.7.1970 – VIII ZR 12/69, ZMR 1971, 27. 968 BGH v. 5.11.2003 – XII ZR 134/02, MietRB 2004, 103 = MDR 2004, 325 = ZMR 2004, 106 = NJW 2004, 1103. 969 A.A. LG Berlin v. 9.8.1994 – 65 S 125/94, WuM 1997, 216 (Rest von 2,31 DM).

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B. Wohnraummiete | Rz. 239 § 543

rechnungen erfasst, die vor dem Zugang der Kündigung oder gleichzeitig mit ihr erklärt werden. Die Aufrechnungslage muss schon vor der Kündigung bestanden haben970. Der Rechtsgrund der vom Mieter zur Aufrechnung gestellten Forderung ist ohne Belang. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Bestehen der Aufrechnungslage ist der Zugang der Kündigung971. Ist 234 die Forderung des Mieters bis dahin entstanden, kann er aufrechnen. Ansonsten bleibt ihm nur der Weg über § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB, sofern dessen Voraussetzungen vorliegen. Davon zu unterscheiden ist die Aufrechnung vor Zugang der Kündigung. Sie tilgt den Rückstand und 235 lässt damit den Kündigungsgrund entfallen. Dieser Fall ist gegeben, wenn die Aufrechnungserklärung vor dem Zugang der Kündigung zugeht. Tilgt sie die Forderung des Vermieters nur teilweise, führt dies in der Regel nicht zum Erlöschen des Kündigungsgrundes972. Die Höhe der nicht getilgten Restforderung des Vermieters ist unerheblich. Denn nur die vollständige Tilgung führt zu einem Wegfall eines einmal entstandenen Kündigungsrechts, § 543 Abs. 2 S. 2 BGB. Das Bestehen einer Aufrechnungsbeschränkung ist in der Wohnraummiete grundsätzlich unbeacht- 236 lich. Denn solche Regelungen werden durch § 569 Abs. 5 S. 1 BGB verboten, sofern sie genau dafür keinen Vorbehalt vorsehen (§ 556b BGB Rz. 58a). Zwar bestimmt § 556b Abs. 2 BGB, dass z.B. mit den dort bezeichneten Ansprüchen trotz eines (wirksamen) Aufrechnungsverbots nach vorheriger Ankündigung von einem Monat aufgerechnet werden kann. § 556b BGB setzt aber ein wirksames Aufrechnungsverbot voraus. Da ein Aufrechnungsverbot die Schutzvorschrift des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB zu Lasten des Mieters einschränkt, ist es unwirksam. Ein entsprechender Vorbehalt lässt die Wirksamkeit der Klausel zwar unberührt, führt indessen zur Aufrechnungsmöglichkeit in der Situation der Kündigung wegen Zahlungsverzuges. Die Aufrechnung muss grundsätzlich ausdrücklich erklärt werden (§ 388 BGB), was aber formfrei 237 möglich ist. Zwar kann auch die Aufrechnung durch schlüssiges Verhalten, etwa durch die Aufzählung von Gegenansprüchen geltend gemacht werden, wenn sich daraus ablesen lässt, dass der Mieter die Forderung des Vermieters mit den z.B. aufgezählten Ansprüchen tilgen will. In der Übersendung einer Mängelliste kann aber eine eindeutige Aufrechnungserklärung jedenfalls nicht gesehen werden973. Ob die Handlungsweise des Mieters unverzüglich ist, beurteilt sich nach § 121 Abs. 1 BGB. Demnach 238 muss der Mieter ohne schuldhaftes Zögern handeln. Diese Voraussetzungen liegen zwei Monate nach Zugang der Kündigung nicht mehr vor974. Im Übrigen ist – ähnlich wie bei § 174 BGB (§ 542 BGB Rz. 61) – zu berücksichtigen, dass es sich um eine Rechtshandlung handelt, so dass der Mieter auch noch unverzüglich handelt, wenn er zuvor Rechtsrat einholt. Daher wird auch hier die Frist noch gewahrt, wenn der Mieter innerhalb von einer Woche die Aufrechnung erklärt. Der Anspruch auf Auskehrung der Kaution kann vom Mieter nicht unverzüglich zur Aufrechnung gestellt werden. Abgesehen von mangelnder Fälligkeit (vgl. § 551 BGB Rz. 162 f.) schränkt § 543 Abs. 2 S. 3 BGB den § 389 BGB (rückwirkende Kraft der Aufrechnung) aus Gründen der Rechtssicherheit zugunsten des Vermieters dahin ein, dass die Aufrechnungslage bereits vor der Kündigung bestanden haben muss. Mit einem nicht fälligen Anspruch kann der Mieter nicht aktiv aufrechnen, § 387 BGB. Im Übrigen kann die Aufrechnungserklärung des Mieters nur dann zur Unwirksamkeit der fristlosen 239 Kündigung wegen Zahlungsverzuges führen, wenn die Gegenforderung so bestimmt bezeichnet ist, dass sie der Vermieter prüfen kann975. Der allgemeine Hinweis auf eine Aufrechnungsbefugnis genügt nicht976. Anderenfalls ließe sich nicht feststellen, welche konkrete Gegenforderung aus einem bestimmten Lebenssachverhalt im Wege der Aufrechnung mit den rückständigen Mietforderungen gemäß § 389 BGB erloschen ist und damit anderweitig nicht mehr geltend gemacht werden kann. Werden mehrere Forderungen aufgerechnet, ergibt sich die Tilgungsreihenfolge im Zweifel aus §§ 395, 366 Abs. 2 BGB.

970 971 972 973 974 975 976

BGH v. 2.6.1959 – VIII ZR 20/59, MDR 1959, 754 = NJW 1959, 2017. Blank/Börstinghaus, § 543 BGB Rz. 121. A.A. Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 66 (a.E.). Brandenburgisches OLG v. 5.1.2011 – 3 U 55/10, MietRB 2011, 174. LG Hamburg v. 20.8.2010 – 311 S 156/10, ZMR 2011, 129 (für Gewerberaummietvertrag). OLG Celle v. 16.2.2007 – 2 U 9/07, MietRB 2007, 140 = OLGR Celle 2007, 349 = GE 2007, 1252. Bub/Treier/Grapentin, IV Rz. 377.

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§ 543 Rz. 240 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund b) § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. a Alt. 1 BGB 240 Danach muss sich der Mieter mit zwei aufeinander folgenden Mieten in Verzug befinden. Diese Alter-

native wirft keine sonderlichen Probleme auf. Voraussetzung ist, dass der Mieter an zwei aufeinander folgenden Terminen überhaupt keine Miete zahlt. Dagegen stellt § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 lit. a BGB nicht darauf ab, ob bei einem Gesamtvergleich der für eine gewisse Zeit zu entrichtenden Miete mit den real geleisteten Zahlungen eine Differenz verbleibt, die der Entgeltschuld für zwei aufeinander folgende Termine ganz oder weitgehend entspricht977. 241 Mit Zahlungsterminen, auf die hier abgestellt wird, sind die Fälligkeitstermine gemeint, an denen

nach dem Vertrag oder, sofern eine Regelung dazu fehlt, nach § 556b Abs. 1 BGB die Miete zu entrichten ist. Dabei kann es sich z.B. um Wochen-, Monats-, Quartals- oder Jahrestermine handeln. Das führt bei der vereinbarten Jahresmiete dazu, dass der zweite Termin bis zur Kündigung abgewartet werden muss978. c) § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. a Alt. 2 BGB 242 Diese Alternative setzt voraus979, dass der nicht unerhebliche Gesamtrückstand aus zwei aufeinander

folgenden Terminen resultiert980. Der erhebliche Rückstand bemisst sich für die Wohnraummiete nach § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB und muss daher mehr als eine Monatsgesamtmiete betragen. Das ist schon bei einem Rückstand von einer Monatsmiete + 0,01 Euro der Fall. Hat sich von dem einen zum anderen Zahlungstermin eine Mieterhöhung ergeben, ist für die Bemessung des ausreichenden Rückstandes die höhere Miete maßgeblich (§ 543 BGB Rz. 225). 243 Die Bewertung hat allein anhand der Summe der beiden aufeinanderfolgenden Mieten, die nicht

oder nicht vollständig bezahlt wurden, zu erfolgen. Insoweit ist es unerheblich, ob die Miete monatlich oder für längere Zeiträume geschuldet wird981. Dies macht bereits der Wortlaut deutlich. Andererseits genügt zur Erfüllung dieses Tatbestandes nicht, dass sich der Rückstand in Höhe von mehr als einer Monatsmiete (§ 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB) aus Einzelbeträgen zusammensetzt, die für einen Zeitraum von mehr als zwei aufeinander folgenden Terminen angefallen sind982. § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3a Alt. 2 BGB setzt vielmehr voraus, dass der nicht unerhebliche Gesamtrückstand aus zwei aufeinander folgenden Mieten resultiert983. Diese Auslegung von § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3a BGB ergibt sich aus dem Wortlaut, der systematischen Stellung und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift984. Deshalb ist es rechtsirrig, für jede der beiden aufeinander folgenden Monate einen nicht unerhbelichen Rückstand der Mieten zu fordern, der nicht bestehen soll, wenn eine Monatsmiete nicht gezahlt wurde und zu der weiteren Miete ein Rückstand von nur 19 % besteht, der die Summe der geschuldeten Vorauszahlungen auf Betriebs- und Heizkosten nicht erreicht.985. 244 Allenfalls kann für Altverträge aus der Zeit vor dem 1.9.2001 § 551 Abs. 2 BGB a.F. eingreifen, wo-

nach mangels anderweitiger Regelung eine vierteljährliche Zahlung geschuldet ist. In der Wohnraummiete muss der Rückstand für die beiden Monate mehr als eine Monatsmiete betragen (§ 569 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Daraus ist für andere Mietverträge zu folgern, dass der für Abs. 2 Nr. 3 lit. a relevante Rückstand auch geringer als eine Miete sein kann.

Brandenburgisches OLG v. 24.2.2010 – 3 U 112/09, zitiert nach juris. LG Wuppertal v. 16.7.1992 – 9 S 543/91, WuM 1992, 668. BGH v. 23.7.2008 – XII ZR 134/06, MietRB 2008, 355 = MDR 2008, 1265 = WuM 2008, 595. BGH v. 15.4.1987 – VIII ZR 126/86, MDR 1987, 928 = NJW-RR 1987, 903. BGH v. 17.9.2008 – XII ZR 61/07, MietRB 2009, 3 = MDR 2009, 18 = ZMR 2009, 106. OLG Düsseldorf v. 30.3.2006 – 10 U 166/05, DWW 2006, 240. BGH v. 15.4.1987 – VIII ZR 126/86, MDR 1987, 928 = NJW-RR 1987, 903; MünchKomm/Bieber, § 543 BGB Rz. 46; Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 52; Gramlich, § 553 BGB Rz. 10. 984 BGH v. 17.9.2008 – XII ZR 61/07, MietRB 2009, 3 = MDR 2009, 18 = ZMR 2009, 106. 985 A.A. LG Berlin v. 8.1.2019 – 66 S 181/18, WuM 2020, 73. 977 978 979 980 981 982 983

838 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 248 § 543

d) § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. b BGB Bei diesem Tatbestand muss der Mieter über mehr als zwei Zahlungstermine etwas schuldig geblieben 245 sein. Die Fälligkeitstermine brauchen nicht hintereinander zu liegen. Vielmehr kann sich der Rückstand über einen längeren Zeitraum von der Grenze der Verjährung bis zur aktuellen Situation entwickelt haben. Der Gesamtrückstand muss die Höhe der Miete für zwei Monate erreichen. Ob er sich aus (teilweiser) 246 Nichtzahlung der Gesamtmiete oder einzelner Elemente (Grundmiete, Betriebskostenvorauszahlungen, -pauschale, Zuschläge) zusammensetzt, ist unerheblich. Maßgeblich ist allein, dass der Rückstand in der Summe zwei Monatsmieten erreicht und aus den laufend geschuldeten Mietzahlungen herrührt. Insoweit ist im Falle einer Mieterhöhung auf die zuletzt gültige Miete abzustellen (§ 543 BGB Rz. 225). Es genügt, wenn Verzug mit diesem Betrag im Zeitpunkt der Kündigung besteht986 oder einmal bestanden hat und bis zur Kündigung nicht beseitigt wurde987. Das ist aber noch nicht der Fall, wenn sich die Parteien angesichts einer ungewissen Rechtslage über die Höhe der Miete vergleichen und erst dadurch möglicherweise überhaupt erstmals eine Mietforderung begründen988. Die Vorschrift kann auf Verträge, bei denen die Miete in längeren als Monatsabschnitten zu zahlen 247 ist, nicht entsprechend angewendet werden989. Andererseits soll ausnahmsweise eine Abmahnung erforderlich sein, wenn sich dem Vermieter der Schluss aufdrängen muss, dass die Nichtzahlung der Miete nicht auf Zahlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit beruht990. Dazu muss das Ausbleiben der Zahlungen auf einem bloßen Versehen oder auf sonstigen von ihm nicht zu vertretenden Umständen beruhen. Das kommt z.B. in Betracht, wenn die Mietzahlungen im allseitigen Einvernehmen durch den Untermieter unmittelbar an den Vermieter erfolgen und der Untermieter die Zahlungen vom Mieter unbemerkt einstellt. Gleicht der Mieter unverzüglich nach dem Bekanntwerden dieser Umstände den Rückstand aus, kann angenommen werden, dass der Rückstand aufgrund eines Versehens entstanden ist991. Hat der Mieter schon vor der Kündigung Zahlungen erbracht, die aber nicht zu einer vollständigen Tilgung des Rückstandes geführt haben, bleibt die Kündigung grundsätzlich wirksam992. Ausnahmen kommen nach § 242 BGB in Betracht, wenn das Ergebnis untragbar ist993. Dafür reicht der bloße (geringe) Rückstand jedoch i.d.R. nicht aus994. Vielmehr sind auch die Ereignisse vor und nach Zugang der Kündigung zu würdigen. 3. Verzug a) Fällige Mieten Die Voraussetzungen des Verzuges im Zeitpunkt der Kündigung können nicht schon deshalb angenom- 248 men werden, weil in der Zwischenzeit der (relevante) Zahlungsrückstand rechtkräftig festgestellt ist. Denn die Rechtskraft eines allein auf Zahlung gerichteten Titels erstreckt sich nach § 322 ZPO allein auf die Zahlungsforderung als solche. § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB verlangt aber zusätzlich die Voraussetzungen des Verzuges i.S.d. § 286 BGB. In diesem Zusammenhang ist der Zahlungsrückstand allein eine Vorfrage, die bindend zwischen den Parteien festgestellt ist995. Verzug (§ 286 BGB) mit der Mietzahlung setzt

986 LG Berlin v. 27.9.1991 – 64 S 141/91, MDR 1992, 376 = ZMR 1992, 24; Nierwetberg, NJW 1991, 1804; Palandt/Weidenkaff, § 543 BGB Rz. 25; Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 110. 987 BGH v. 15.4.1987 – VIII ZR 126/86, MDR 1987, 928 = NJW-RR 1987, 903. 988 OLG München v. 9.12.2002 – 15 U 2940/02, NZM 2003, 554. 989 Palandt/Weidenkaff, § 543 BGB Rz. 25; Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 118; a.A. Staudinger/Emmerich, Rz. 58; ähnlich MünchKomm/Bieber, § 543 BGB Rz. 48. 990 OLG Düsseldorf v. 25.3.2004 – I-10 U 109/03, MietRB 2004, 323 = MDR 2004, 1234 = ZMR 2004, 570; OLG Hamm v. 24.4.1998 – 33 U 97/97, WuM 1998, 485 = ZMR 1998, 493; LG Berlin v. 9.8.1994 – 65 S 125/94, WuM 1997, 216; a.A. OLG Frankfurt v. 10.8.2007 – 2 U 229/06, zitiert nach juris. 991 OLG Düsseldorf v. 25.3.2004 – I-10 U 109/03, MietRB 2004, 323 = MDR 2004, 1234 = ZMR 2004, 570. 992 BGH v. 14.7.1970 – VIII ZR 12/69, ZMR 1971, 27. 993 BGH v. 5.11.2003 – XII ZR 134/02, MietRB 2004, 103 = MDR 2004, 325 = ZMR 2004, 106 = NJW 2004, 1103. 994 A.A. LG Berlin v. 9.8.1994 – 65 S 125/94, WuM 1997, 216 (Rest von 2,31 DM). 995 BGH v. 10.4.2018 – VIII ZR 12/18, MDR 2019, 729 = MietRB 2019, 197 = WuM 2019, 315 = GE 2019, 725.

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§ 543 Rz. 248 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund (zusätzlich) zunächst deren Fälligkeit voraus. Diese richtet sich nach dem Vertrag, sonst nach §§ 556b, 579 BGB. Unter Berücksichtigung der Zahlungsdiensterichtlinie996 ist die Mietschuld nur in der Gewerberaummiete grundsätzlich als Bringschuld zu qualifizieren997. Deshalb kommt es auf den Eingang des Geldes auf dem Konto des Vermieters an998. In der Wohnraummiete bleibt die Mietzahlungspflicht qualifizierte Schickschuld (§ 556b BGB Rz. 28), so dass den Mieter bei rechtzeitiger Veranlassung der Überweisung nicht die Verzögerungsgefahr trifft. Wegen der damit zusammenhängenden Probleme wird auf die Kommentierung zu § 556b BGB Rz. 18 ff. (Wohnraummiete) und Rz. 106 (Gewerberaummiete) verwiesen. 249 Die Mietschuld ändert sich z.B. in eine Holschuld, wenn der Mieter vereinbarungsgemäß eine Last-

schrift-Einzugsermächtigung erteilt hat (vgl. dazu § 556b BGB Rz. 35 ff.). Hier muss der Vermieter bei der Erfüllung mitwirken und die Lastschrift der Bank vorlegen. Auch wenn die Miete mehrfach zurückbelastet wurde, kann der Vermieter das Verfahren nur aussetzen, wenn dies vereinbart ist, also das Recht zur Teilkündigung besteht999. Deshalb kann auch nicht auf § 314 BGB zurückgegriffen werden1000. 249a Im Hinblick auf die kalendermäßige Bestimmung der Fälligkeit durch § 556b Abs. 1 BGB oder ent-

sprechende Vertragsklauseln ist der Eintritt des Verzuges nach § 286 Abs. 2 BGB grundsätzlich nicht von einer Mahnung abhängig. Erklärt der Vermieter aber eine fristgebundene (Ab-)Mahnung, kann er nicht vor Ablauf der Frist kündigen. Insoweit kann es dahinstehen, ob er mit der Fristsetzung auf das Kündigungsrecht vorübergehend verzichtet hat1001 oder eine Stundung (§ 543 BGB Rz. 253a) eintritt. In jedem Fall liegt ein venire contra factum proprium (widersprüchliches Verhalten) vor, wenn er vor Ablauf der selbst gesetzten Frist kündigt. b) Keine Einrede 250 Verzug kann nur eintreten, wenn die Forderung (hier: auf Mietzahlung) nicht einredebehaftet ist1002.

Grundsätzlich reicht das bloße Bestehen einer Einrede um den Verzug zu hindern1003. Dazu muss sich der Mieter auf eine Einrede stützen können, die ihm ein dauerndes (z.B. § 214 BGB) oder wenigstens zeitweiliges (Stundung) Leistungsverweigerungsrecht gewährt1004. War der Verzug bereits eingetreten, bevor die Einrede entstand, findet er mit deren Entstehung sein Ende1005. Das kann z.B. der Fall sein, wenn ein Mangel der Mietsache nach Ablauf des Fälligkeitstermins für die Miete eintritt. 251 Das gilt grundsätzlich auch für die Einrede des nicht erfüllten Vertrags (§ 320 BGB)1006. Dabei handelt

es sich zwar um ein vorübergehendes Leistungshindernis. Sobald sich der Mieter aber auf Mängel beruft – und sei es erst im Prozess –, reklamiert er eine Schlechtleistung des Vermieters und damit eine Störung des Gegenseitigkeitsverhältnisses. Dazu muss er sich nicht ausdrücklich auf die Einrede berufen1007. Es reicht grundsätzlich aus, dass er sich auf Mängel der Mietsache beruft, die nicht seinem Risikobereich zugerechnet werden müssen. In diesem Fall wirkt das Leistungsverweigerungsrecht im Umfang seines

996 RL 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13.11.2007 über Zahlungsdienste im Binnenverkehr, zur Änderung der Richtlinien 97/7EG, 2002/65/EG, 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie der Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG, ABlEG Nr. L 319 v. 5.12.2007, S. 1. 997 Herresthal, NZM 2011, 833 (837). 998 EuGH v. 3.4.2008 – C-306/06, ECLI:EU:C:2008:187, NJW 2008, 1935. 999 BGH v. 7.12.1983 – VIII ZR 257/82, MDR 1984, 573 = NJW 1984, 871. 1000 A.A. OLG Stuttgart v. 2.6.2008 – 5 U 20/08, MietRB 2008, 358 = ZMR 2008, 967 = GuT 2008, 349. 1001 So LG Berlin v. 26.9.2017 – 67 S 166/67, WuM 2017, 655. 1002 Palandt/Grüneberg, § 286 BGB Rz. 10. 1003 Erman/Hager, § 286 BGB Rz. 21 m.w.N. 1004 BGH v. 16.5.1984 – VIII ZR 18/83, MDR 1985, 134, WPM 1984, 1095, 1097 unter II 2 a m.w.N. 1005 BGH v. 16.3.1988 – VIII ZR 184/87, MDR 1988, 668 = ZMR 1988, 291 = NJW 1988, 1778. 1006 BGH v. 18.4.2007 – XII ZR 139/05, MietRB 2007, 195 = MDR 2007, 1065 = GE 2007, 840 = ZMR 2007, 605 Rz. 24 m.w.N. 1007 BGH v. 7.5.1982 – V ZR 90/81, MDR 1982, 836 = NJW 1982, 2242; vgl. dazu auch Lammel, WuM 2014, 16; a.A. AG Neukölln v. 11.7.2013 – 6 C 540/12, WuM 2014, 26.

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B. Wohnraummiete | Rz. 253 § 543

Bestehens auf den Zeitpunkt zurück, in dem sich der Vermieter mit der Mängelbeseitigung in Verzug befindet; der Verzug ist mit der Entstehung der Einrede beendet1008. Ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB wegen mangelndem Nachweis der insolvenzfesten Anla- 251a ge der Kaution (s. § 551 BGB Rz. 44) hindert den Verzug grundsätzlich nicht nachträglich. Denn dieses Zurückbehaltungsrecht setzt voraus, dass sich der Vermieter in Verzug befand oder der Mieter den Nachweis zumindest vor Entstehung des Zahlungsverzuges geltend gemacht hat. Zugleich muss sich der Mieter auf die Geltendmachung dieser Einrede berufen haben, was auch stillschweigend geschehen kann. Letzteres ist nachträglich i.d.R. nicht möglich. Deshalb kann eine Einrede nicht angenommen werden, wenn der Mieter ausdrücklich erklärt, dass die einbehaltene Miete als Minderung zu verstehen sei, jedenfalls ein Zurückbehaltungsrecht nicht geltend gemacht werden soll1009. Für die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts wegen mangelnder Abrechnung der Betriebskosten gilt nichts Anderes. Ist der Erwerber in den Mietvertrag eingetreten und hat sich der bisherige Vermieter aus der Kaution wegen Zahlungsrückständen befriedigt, ist es jedenfalls treuwidrig, sich auf ein Zurückbehaltungsrecht zu berufen1010. Hat der Vermieter die Leistung erbracht, wegen der das Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht wur- 252 de, entfällt das Leistungshindernis und tritt grundsätzlich (sofort) Verzug ein1011. Eine zusätzliche Aufforderung zur Zahlung ist regelmäßig nicht erforderlich1012, denn der Mieter weiß, was er zurückbehalten hat. Nicht nur wenn eine solche Aufforderung erfolgt, hängt es von den Umständen des Einzelfalles ab, ob dem Mieter zusätzlich noch eine Prüfungsfrist zuzubilligen ist, ob die Mängelbeseitigung erfolgreich war1013. Dies wird in der Regel insbesondere dann zu verneinen sein, wenn der Vermieter die Arbeiten durch Fachkräfte hat ausführen lassen. In allen Fällen muss der Mieter aber die (zeitliche) Möglichkeit haben, die Zahlung zu bewirken. Daher wird eine unmittelbar nach der Mängelbeseitigung ausgesprochene Kündigung zur Unzeit zugehen. Eine Ortsabwesenheit des Mieters, der jederzeit mit einer Mängelbeseitigung durch den Vermieter rechnen muss1014, entlastet den Mieter ebenso wenig wie das Argument, das Geld habe erst flüssig gemacht werden müssen, wenn zwischen der Mängelbeseitigung und dem Zugang der Kündigung ein Zeitraum von 17 Tagen liegt1015. Es ist ihm in der Regel auch verwehrt, sich auf eine (noch) längere – am Einzelfall zu bemessende – (Rechnungs-)Prüfungsfrist zu berufen, auch wenn sich der Zahlungsanspruch des Vermieters aus einem mehrere Seiten umfassenden Rechenwerk ergibt1016. Die Möglichkeit, gegenüber der Mietforderung aufzurechnen, steht dem Verzug mit der Mietzahlung 253 nicht entgegen1017. Das ist anders, wenn der Vermieter dem Mieter die Mietzahlung etwa durch Ratenzahlung (teilweise) gestundet hat, und zwar auch, wenn der Rückstand die für § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB maßgebliche Höhe erreicht. In diesem Fall ist der Verzug wegen der Einrede der Stundung gehindert. Hält der Mieter aber die Stundungsvereinbarung zur Raten- und pünktlichen Mietzahlung nicht ein, lebt das Recht zur fristlosen Kündigung nach 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB ohne erneute Abmahnung wieder auf, wenn die Vereinbarung für den Fall der Nicht- oder Zuspätzahlung eine auflösende Bedingung enthält1018. Andernfalls müssen die Modalitäten der Stundungsvereinbarung eingehalten werden. Mit dem Wegfall der Stundungseinrede gerät der Mieter unmittelbar in Verzug mit den rückständigen Mietzahlungen.

1008 1009 1010 1011 1012 1013 1014 1015 1016 1017 1018

BGH v. 16.3.1988 – VIII ZR 184/87, MDR 1988, 668 = ZMR 1988, 291 = NJW 1988, 1778 Rz. 19. LG Berlin v. 3.7.2015 – 63 S 305/14, GE 2015, 974. LG Berlin v. 6.3.2014 – 67 S 425/13, MDR 2014, 768 = IMR 2014, 370. BGH v. 17.6.2015 – VIII ZR 19/14, MietRB 2015, 291 = MietRB 2015, 294 = MDR 2015, 876 = GE 2015, 1089; a.A. Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 99. BGH v. 17.6.2015 – VIII ZR 19/14, MietRB 2015, 291 = MietRB 2015, 294 = MDR 2015, 876 = GE 2015, 1089; a.A. LG Berlin v. 21.3.1995 – 64 S 290/94, GE 1995, 821. BGH v. 16.9.2014 – VIII ZR 221/14, MietRB 2015, 65 = WuM 2014, 681 = IMR 2015, 10. BGH v. 16.9.2014 – VIII ZR 221/14, MietRB 2015, 65 = WuM 2014, 681 = IMR 2015, 10. BGH v. 16.9.2014 – VIII ZR 221/14, MietRB 2015, 65 = WuM 2014, 681 = IMR 2015, 10. BGH v. 16.9.2014 – VIII ZR 221/14, MietRB 2015, 65 = WuM 2014, 681 = IMR 2015, 10. BGH v. 15.4.1987 – VIII ZR 126/86, MDR 1987, 928 = ZMR 1987, 289; vgl. aber § 543 Abs. 2 S. 3 BGB. OLG Düsseldorf v. 7.12.2010 – 24 U 141/10, MietRB 2011, 290 = GE 2011, 1159.

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§ 543 Rz. 253a | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund 253a Eine Stundung kann auch durch eine Fristsetzung erfolgen. Denn das Setzen einer Frist trotz ein-

getretenen Verzuges im kündigungsrelevanten Umfang kann vernünftigerweise nur dahin ausgelegt werden, dass der Vermieter die mögliche Kündigung bis zum Ablauf der Frist zurückstellen wollte1019. 254 Wegen der Kündigungsmöglichkeit infolge Rückstandes mit Erhöhungsbeträgen nach §§ 558–560

BGB ist § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB zu beachten. Die Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB und die danach erhobene Räumungsklage (§ 546 Abs. 1 BGB) setzen nicht voraus, dass der Vermieter die rückständige Miete (zunächst) in einem gesonderten Verfahren eingeklagt hat1020 (vgl. § 569 BGB Rz. 159). 255 Die Bestellung von Sicherheiten zugunsten des Vermieters verhindert den Mieterverzug grundsätzlich

nicht1021. Der Vermieter ist nicht gehalten, zur Abwendung des Mieterverzuges auf die Mietkaution oder andere Sicherheiten zurückzugreifen1022, selbst wenn er es ausnahmsweise darf. c) Verschulden des Mieters aa) Eigenes Verschulden 256 Die nicht geleistete oder verspätete Zahlung muss auf Umständen beruhen, die der Mieter zu vertre-

ten hat, § 286 Abs. 4 BGB. Für das Verschulden gelten die allgemeinen Vorschriften (§ 276 BGB), insbesondere hat der Mieter für seine Leistungsfähigkeit einzustehen, selbst wenn er auf Sozialleistungen einer öffentlichen Stelle angewiesen ist1023. Deshalb entlastet es den Mieter nicht, wenn die zugesagten Direktzahlungen des Job-Centers an den Vermieter irrtümlich nicht erfolgen und er erst durch die fristlose Kündigung davon erfährt1024 (zum Rechtsirrtum vgl. § 543 BGB Rz. 270 f.). Der Fall, dass das Job-Center weiterhin an den Zwangsverwalter zahlt anstelle des Erstehers, ist auch dann nicht anders zu beurteilen, wenn der Mieter dem Job-Center die maßgeblichen Informationen weitergeleitet hat1025. Die bloße – wenn auch unverschuldete – Zahlungsunfähigkeit genügt zur Entlastung nicht. Das gilt selbst dann, wenn der Mieter sich ernsthaft bemüht, die bestehenden Rückstände abzubauen1026. 257 Ein Verschulden kann z.B. fehlen, wenn nach dem Tod des Vermieters Ungewissheit über die Rechts-

nachfolge besteht, weil im Grundbuch zwar eine Erbengemeinschaft eingetragen wird, insoweit aber ein Vorbehalt wegen eines Nießbrauchs besteht, über dessen Berechtigung noch keine Klarheit (mangels Eintragung) besteht1027. Das Gleiche soll gelten, wenn eine ausländische Limited als Erwerber auftritt und infolge mehrfachen Verwalterwechsels berechtigte Zweifel bestehen, dass es sich um eine existierende Gesellschaft oder einen wirklich berechtigten Anspruchsteller handelt1028. Liegt der Mieter nach einem Herzinfarkt im Koma, kommt er mangels Verschuldens nicht in Verzug1029. Das Gleiche gilt bei einer Depression, die den Mieter erheblich und nahezu vollständig an der Bewältigung seines Alltags sowie der Klärung seiner finanziellen Angelegenheiten einschließlich der Bezahlung der Miete hindert, zumal wenn er fortlaufender intensiver ärztlicher und psychologischer Betreuung bedarf1030.

1019 1020 1021 1022 1023 1024 1025 1026 1027 1028 1029 1030

LG Berlin v. 26.9.2017 – 67 S 166/17, GE 2017, 1224. BVerfG v. 15.3.1989 – 1 BvR 1428/88, NJW 1989, 1917. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 910. BGH v. 12.1.1972 – VIII ZR 26/71, MDR 1972, 411. BGH v. 4.2.2015 – VIII ZR 175/14, MDR 2015, 327 = MietRB 2015, 98 = MietRB 2015, 109 = WuM 2015, 152 = ZMR 2015, 287 = GE 2015, 313. BGH v. 17.2.2015 – VIII ZR 236/14, ZMR 2015, 374 = GE 2015, 653. LG Berlin v. 24.11.2017 – 63 S 66/17, GE 2017, 1557. LG Berlin v. 22.1.2016 – 65 S 442/15, GE 2016, 258. BGH v. 7.9.2005 – VIII ZR 24/05, MietRB 2006, 89 = MDR 2006, 438 = WuM 2005, 769. AG Hagen v. 17.6.2010 – 10 C 155/09, ZMR 2011, 729. LG Hannover v. 17.8.2016 – 4 T 20/16, ZMR 2016, 957. LG Kassel v. 26.1.2017 – 1 S 170/15, MietRB 2019, 10 = IMR 2018, 413 (Kasper).

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B. Wohnraummiete | Rz. 262 § 543

(1) Lastschrifteinzug Bei erteilter Einzugsermächtigung (§ 556b BGB Rz. 35) soll sich der Mieter darauf verlassen können, 258 dass der Vermieter davon regelmäßig Gebrauch macht1031. Dennoch besteht auch insoweit eine Kontrollpflicht des Mieters, so dass er in der Regel einmal im Quartal überprüfen muss, ob seine Mietzahlungen erfolgt sind. Spätestens nach Ablauf dieses Zeitraums handelt der Mieter fahrlässig, wenn er sein Konto nicht überprüft. Mit der Vereinbarung des Lastschrift-Einzugsverfahrens zur Mietzahlung verändert sich die gesetzlich 259 vorgesehene Leistungsmodalität für Geldschulden von einer qualifizierten Schickschuld gemäß § 270 Abs. 1 BGB in eine Holschuld gemäß § 269 BGB1032. Im Hinblick darauf tritt der Schuldnerverzug gemäß § 286 BGB grundsätzlich nicht ein, wenn der Gläubiger (= Vermieter) seiner Mitwirkungshandlung – Vornahme der Abbuchung in den konkreten Monaten – nicht nachkommt1033. An diesem Ergebnis ändert die Frage, ob das Konto gedeckt war, in der Regel nichts. Denn die bei der Holschuld erforderliche Mitwirkungshandlung des Gläubigers ist für die Annahme des Schuldnerverzugs grundsätzlich nur dann entbehrlich, wenn eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung des Schuldners (= Mieters) vorliegt, § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Diese kann nicht allein in der mangelnden Deckung auf dem Schuldnerkonto gesehen werden. Hierauf kann allenfalls verzichtet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Konto des Schuldners zum Zeitpunkt der Fälligkeit keine Deckung aufweist1034. Die Anhaltspunkte für eine mangelnde Deckung müssen so konkret sein, dass sie insbesondere auch 260 für den Schuldner so eindeutig auf der Hand liegen, dass es treuwidrig wäre, wenn er sich weiterhin auf das Lastschriftverfahren berufen dürfte1035. Auch für ihn muss es aus Gründen der Rechtsklarheit und zur Vermeidung von Doppelzahlungen eindeutig erkennbar sein, dass die vereinbarte Abbuchung wegen offensichtlicher Unzumutbarkeit nicht mehr erfolgen wird und er selbst unzweifelhaft für die Rechtzeitigkeit der Leistung zu sorgen hat. Um diese Voraussetzungen zu erfüllen, genügt ein vorübergehender Liquiditätsengpass trotz mehrmaligen Scheiterns des Lastschriftverfahrens jedenfalls dann nicht, wenn in der Vergangenheit jeweils erfolgreiche Absprachen über die Begleichung der Rückstände getroffen wurden. Allerdings kann der Schuldnerverzug trotzdem eintreten, wenn der Schuldner das Unterbleiben der 261 Mitwirkungshandlung des Gläubigers in von ihm zu vertretender Weise (mit-)veranlasst hat1036. Insoweit gilt für den Verschuldensmaßstab des Schuldners § 300 Abs. 1 BGB, weil die Voraussetzungen des Gläubigerverzugs vorliegen. Dazu müsste der Mieter dem Vermieter aber z.B. mitteilen, dass keine ausreichende Deckung auf dem Konto vorhanden ist, oder er müsste die Einzugsermächtigung widerrufen. Die Rücklastschriften der Vormonate und eine vereinbarte Ratenzahlung genügen nicht für eine schuldhafte – grob fahrlässige – Veranlassung der Nichtabbuchung. (2) Hinterlegung Gemäß § 372 S. 2 BGB kann der Mieter u.a. dann den Anspruch auf Mietzahlung durch Hinterlegung 262 erfüllen, wenn er infolge einer nicht auf Fahrlässigkeit beruhenden Ungewissheit über die Person des Gläubigers seine Verbindlichkeit nicht oder nicht mit Sicherheit erfüllen kann. Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein Schuldner verpflichtet ist, bei nicht einfach gelagerten Sachverhalten professionellen, kostenpflichtigen Rechtsrat einzuholen, bevor er sich zur Hinterlegung entschließt, ist im Einzelnen umstritten1037.

1031 KG v. 9.6.2008 – 8 U 217/07, MDR 2008, 1331 = ZMR 2009, 30. 1032 BGH v. 7.12.1983 – VIII ZR 257/82, MDR 1984, 573 = NJW 1984, 871 (872). 1033 BGH v. 23.1.1996 – X ZR 105/93, MDR 1996, 567 = NJW 1996, 1745; BGH v. 28.6.1994 – X ZR 95/92, NJW-RR 1994, 1469 ff. 1034 BGH v. 19.10.1977 – IV ZR 149/76, NJW 1978, 215. 1035 OLG Stuttgart v. 2.6.2008 – 5 U 20/08, MietRB 2008, 358 = GuT 2008, 349 (351). 1036 BGH v. 28.6.1994 – X ZR 95/92, NJW-RR 1994, 1469 ff. 1037 Palandt/Grünberg, § 372 BGB Rz. 6 m.w.N.

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§ 543 Rz. 263 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund 263 Die Voraussetzungen für eine Hinterlegung sind aber nicht gegeben, wenn im Mietvertrag das Konto

des Verwalters für die Mietzahlungen angegeben ist, der Vermieter den Verwaltervertrag kündigt und Zahlung an sich verlangt, während der Verwalter weiterhin Zahlung auf das im Mietvertrag angegebene Konto verlangt1038. Hier besteht über die Person des Gläubigers keine Ungewissheit. Welche Umstände dem Zahlungsverlangen des Verwalters zugrunde liegen, ist für die Gläubigerstellung unerheblich. 264 Eine (unverschuldete) Ungewissheit führt auch ohne eine Hinterlegung nach § 372 BGB zum Aus-

schluss eines Verschuldens und damit zur Unbegründetheit einer Kündigung wegen Zahlungsverzuges. Dies gilt insbesondere bei der Rechtsnachfolge wegen des Todes des Gläubigers (Vermieters). 265 In diesem Fall darf der Mieter abwarten, bis der oder die Erben unter Bezeichnung ihrer Rechtsstel-

lung an ihn herantreten. Solange das nicht geschieht und der Schuldner auch auf andere Weise Sicherheit darüber gewinnen kann, wer sein Gläubiger ist, unterbleibt die Leistung infolge eines Umstandes, den er nicht zu vertreten hat1039. 266 Obwohl der Schuldner auf andere Weise, z.B. durch Einsicht in das Grundbuch, Sicherheit gewinnen

kann, handelt er unverschuldet, wenn im Grundbuch zwar die Erben eingetragen sind, deren Eintragung aber unter dem Vorbehalt eines Nießbrauchs steht und dem Grundbuch nicht zu entnehmen ist, dass der Nießbrauch infolge des Todes erloschen ist1040. Allerdings muss der Erbe zum Nachweis nicht unbedingt einen Erbschein vorlegen. Vielmehr hat er auch die Möglichkeit, einen anderen Nachweis zu erbringen (z.B. durch ein eröffnetes Testament1041). (3) Überzogene Minderung 267 Durfte der Mieter nicht mindern (z.B. Feuchtigkeit verursacht durch falsches Lüftungs- und Heizungs-

verhalten) oder hat er zu hoch gemindert und wird der kündigungsrelevante Rückstand auch nicht durch § 320 BGB gehindert (vgl. § 543 BGB Rz. 251), kann die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs nur noch ausgeschlossen sein, wenn sich der Mieter unverschuldet zur Minderung berechtigt gehalten hat1042. Teilweise wird sogar die Auffassung vertreten, solange sich der Mieter auf einen Mangel der Mietsache berufe, könne der Vermieter nicht kündigen; der Streit über das Minderungsrecht sei im Verfahren der Leistungsklage auszutragen1043. Dieser Meinung kann aber nicht gefolgt werden. Auch im Wohnraummietrecht sind an das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums strenge Anforderungen zu stellen, insbesondere besteht kein Grund, im Rahmen des § 543 Abs. 3 BGB zugunsten des Mieters einen milderen Sorgfaltsmaßstab anzulegen1044. Auch bei einem im Bereich des Tatsächlichen – wie z.B. der Ursache einer Schimmelpilzbildung angesiedelten – Irrtums ist eine geänderte Beurteilung nicht gerechtfertigt1045. Nach § 286 Abs. 4 BGB kommt der Schuldner nicht in Verzug, solange die Leistung aufgrund eines Umstandes unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat; zu vertreten hat der Schuldner gemäß § 276 BGB Vorsatz und Fahrlässigkeit. Wäre es gerechtfertigt, die bloße Einschätzung, z.B. ein Schimmelbefall sei auf einen vom Vermieter zu vertretenden Baumangel zurückzuführen, für eine Entschuldigung des Mieters ausreichen zu lassen, liefe dies darauf hinaus, dass sich die Haftung des Mieters auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkte1046. Für eine derartige Privilegierung des Mieters besteht kein Anlass, zumal er nicht mindern muss. Denn der Mieter kann den Minderungsbetrag, den er für angemessen hält, unter dem einfachen, lediglich die Wirkungen des § 814 BGB ausschließenden Vorbehalt der Rückforderung an den Vermie1038 1039 1040 1041 1042 1043 1044 1045 1046

BGH v. 12.12.2003 – XII ZR 23/00, NZM 2003, 315. BGH v. 7.2.1973 – VIII ZR 205/71, WPM 1973, 386 (387). BGH v. 7.9.2005 – VIII ZR 24/05, MietRB 2006, 89 = MDR 2006, 438 = WuM 2005, 769. BGH v. 7.6.2005 – XI ZR 311/04, MDR 2005, 1352 = WuM 2005, 524. LG Frankfurt/M v. 14.11.2003 – 2-11 S 326/02, NZM 2004, 297; LG Kassel v. 8.11.1994 – 1 T 61/94, ZMR 1996, 90; LG Görlitz v. 28.9.1994 – 2 S 48/94, WuM 1994, 601 (602). LG Berlin v. 22.2.2007 – 62 S 277/05, GE 2007, 1486; Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 103 f. BGH v. 25.10.2006 – VIII ZR 102/06, MietRB 2007, 59 = MietRB 2007, 60 = MietRB 2007, 61 = MDR 2007, 454 = WuM 2007, 24 = ZMR 2007, 103 Rz. 25 ff. Vgl. BGH v. 27.9.1989 – IVa ZR 156/88, NJW-RR 1990, 160 (161). BGH v. 11.7.2012 – VIII ZR 138/11, MDR 2012, 1084 = MietRB 2012, 285 = GE 2012, 1161 = ZMR 2012, 1161 = NZM 2012, 637.

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B. Wohnraummiete | Rz. 271a § 543

ter zahlen, so dass ihm die Möglichkeit bleibt, eine gerichtliche Klärung seiner Rechte herbeizuführen, ohne dem Risiko einer fristlosen Kündigung ausgesetzt zu sein. Einer Anzeige des Mieters, die Miete zukünftig zu mindern, bedarf es nicht. Es reicht die Anzeige des 268 (angenommenen) Mangels der Mietsache. Die Mietminderung tritt von Gesetzes wegen ein1047. Vor diesem Hintergrund kann ein Verschulden des Mieters ausgeschlossen sein, wenn der Vermieter 269 eine laufende Minderung über längere Zeit hingenommen hat und der Mieter diese trotz zwischenzeitlicher Zahlungsaufforderung des Vermieters fortsetzt1048. Diese Voraussetzungen können aber nicht angenommen werden, wenn der Vermieter (schon) nach sechs Monaten die rückständige Miete anmahnt1049. Dennoch kann eine überzogene Minderung schuldhaft sein, so dass die Kündigung durch den unbe- 270 rechtigten Teil der Kürzungen gerechtfertigt sein kann1050. Insoweit ist bei der Frage, ob der Mieter bei seiner Rechtsausübung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat, zu berücksichtigen, auf welcher tatsächlichen oder rechtlichen Grundlage er seine Rechte geltend macht (§ 543 BGB Rz. 273). Hat der Mieter in tatsächlicher Hinsicht alle Erkenntnisquellen ausgeschöpft, so dass sich der Sach- 271 verhalt für ihn ohne Zweifel so darstellt, dass er zur Rechtsausübung berechtigt ist, befindet er sich in einem entschuldigenden Tatsachenirrtum. Dabei ist auf den objektiven Tatbestand abzustellen1051. Dazu muss er auch überprüfen, ob die Vertragsstörung auf eine Ursache zurückzuführen ist, die dem eigenen Verantwortungsbereich zuzuordnen (z.B. eigenes Heizungs- und Lüftungsverhalten), der eigene Rechtsstandpunkt mithin plausibel ist1052. Mit dieser Plausibilitätskontrolle1053 hat es grundsätzlich sein Bewenden. Bleibt dabei ungewiss, ob tatsächlich eine Pflichtverletzung der anderen Vertragspartei vorliegt, darf der Gläubiger (hier also der Mieter) die sich aus einer Pflichtverletzung ergebenden Rechte geltend machen, ohne den Vorwurf schuldhaften Verhaltens befürchten zu müssen, auch wenn sich sein Verlangen im Ergebnis als unberechtigt herausstellt1054. Die im Verkehr erforderliche Sorgfalt wird aber außer Acht gelassen, wenn der Mieter wegen Feuchtigkeit mindert, obwohl er infolge Tierhaltung von vornherein nur eingeschränkt lüften kann1055. Ein Tatsachenirrtum liegt auch vor, wenn der Mieter keine Kenntnis davon hat, dass eine Behörde (hier: JobCenter) aufgrund eines eigenen Versehens die Mietzahlungen an den Vermieter nicht geleistet hat. Allerdings trifft den Mieter bei Pflichterfüllungen durch Dritte eine Überprüfungspflicht, die in der Regel nach einem Monat einsetzt. Verletzt der Mieter diese eigene Pflicht, handelt er ab diesem Zeitpunkt schuldhaft1056. Beruft sich der Mieter auf Unkenntnis der Nichtzahlung des Jobcenters, hat er seine Unkenntnis zu beweisen. Entgegnet der Vermieter, er habe zuvor abgemahnt, muss der Mieter den mangelnden Zugang beweisen1057. Großzügiger soll verfahren werden können, wenn der Mieter die Minderungsquote oder das Zurück- 271a behaltungsrecht im Ergebnis zu hoch, aber noch im vertretbaren Rahmen bestimmt bzw. ausgeübt hat (Abwägungsirrtum)1058. Dies ist nicht gerechtfertigt. In der konkreten Situation sind die vom Mieter vorgetragenen Umstände nicht vorhanden oder nicht so dramatisch, wie er sie dargestellt hat. Unabhängig davon, ob die fehlerhafte Bewertung auf einem Tatsachen- oder Rechtsirrtum beruht, können keine anderen Maßstäbe bei der Bemessung der Minderungsquote angesetzt werden. Denn die Differenz zwi-

1047 1048 1049 1050 1051 1052 1053 1054 1055 1056 1057 1058

AG Köpenick v. 14.10.2010 – 13 C 156/09, GE 2010, 1627. OLG Köln v. 4.2.2000 – 1 U 92/99; ZMR 2000, 459 (Kürzung der Miete über acht Jahre). BGH v. 11.4.2012 – XII ZR 48/10, WuM 2012, 323 (325). BGH v. 15.1.2013 – VIII ZR 411/12, ZMR 2014, 26 = GE 2013, 609. LG Bückeburg v. 2.12.2010 – 1 S 9/10, ZMR 2012, 623. Vgl. BGH v. 23.1.2008 – VIII ZR 246/06, MDR 2008, 373 = NJW 2008, 1147 (1148). Ähnlich Kaiser, NJW 2008, 1709 (1712) (Evidenzkontrolle). BGH v. 16.1.2009 – V ZR 133/08, MDR 2009, 438 = NJW 2009, 1262; BGH v. 23.1.2008 – VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147 (1148); Haertlein, MDR 2009, 1 (2). BGH v. 11.7.2012 – VIII ZR 138/11, MDR 2012, 1084 = MietRB 2012, 285 = GE 2012, 1161 = ZMR 2012, 1161 = NZM 2012, 637. LG Berlin v. 24.7.2014 – 67 S 94/14, MDR 2014, 953 = MietRB 2014, 317 = WuM 2014, 607 = GE 2014, 1200 = ZMR 2015, 547 = IMR 2014, 507. LG Berlin v. 13.10.2016 – 67 S 285/16, MietRB 2017, 9 = GE 2016, 1507. Harke, NZM 2016, 449 (453).

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§ 543 Rz. 271a | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund schen der angenommenen und von einem Gericht festgesetzten Quote zeigt, dass eine Unsicherheit bestand. Wird dem Mieter aber ein Spielraum zugestanden, wird das Risiko seiner Rechtsausübung auf den Vermieter abgewälzt, was unserer Rechtsordnung fremd ist1059. Ausnahmen können allenfalls bei marginalen Differenzen aus besonderen Umständen des Einzelfalles aus dem Gesichtspunkt von § 242 BGB gerechtfertigt werden, wenn das Ergebnis schlechthin untragbar ist. Dabei ist neben dem absoluten Betrag des Einbehalts zu prüfen, inwieweit ein Verhalten des Vermieters zu dem Irrtum beigetragen hat, der Mieter sich auf eine wirklich vergleichbare Einzelfallentscheidung des konkreten oder eines anderen Gerichts berufen kann oder entsprechende Zugeständnisse des Vermieters gegenüber anderen Mietern vorliegen. Dabei sind auch die Interessen des Vermieters zu würdigen. Ist der Vermieter z.B. wegen eigener Darlehensverpflichtungen auf die Mietzahlung angewiesen, ist für die Anwendung des § 242 BGB i.d.R. kein Raum. 272 Die Rechtslage muss der Schuldner unter Einbeziehung der höchstrichterlichen Rechtsprechung sorg-

fältig prüfen. Entschuldigt ist ein Rechtsirrtum insoweit grundsätzlich nur dann, wenn der Irrende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte1060. Dazu kann nicht von dem Grundsatz ausgegangen werden, dass zweifelhafte Rechts- und Tatsachenfragen in Forderungsprozessen auszutragen sind, so dass ein Verschulden erst angenommen werden kann, wenn für den Mieter durch eine erstinstanzliche Entscheidung die reale Erkenntnismöglichkeit besteht, dass seine tatsächliche und rechtliche Wertung (hier: der Hellhörigkeit seiner Wohnung) unzutreffend ist1061. Dafür bietet weder das Gesetz noch der Gedanke des Mieteroder Kündigungsschutzes eine Grundlage. Vielmehr wird dadurch das Risiko der eigenen Rechtsausübung durch den Mieter ohne rechtfertigenden Grund auf den Vermieter verlagert1062. 273 Befindet sich der Mieter in einem Rechtsirrtum, ist sein Verschulden ausgeschlossen, höchstens aber

solange ihm das Gericht seine gegenteilige Rechtsansicht nicht mitgeteilt hat1063. Ein Rechtsirrtum kommt in Betracht, wenn sich die Situation für den Mieter unter Abwägung aller Umstände und Einholung von Rechtsrat so darstellt, dass er ein Minderungs- und/oder Zurückbehaltungsrecht1064 auch in der durchgeführten Höhe ausüben darf (vgl. dazu Vor § 536 BGB Rz. 13). Dazu kann sich der Mieter aber nicht auf eine tägliche Zeitungslektüre berufen, weil hier meist nicht erkennbar ist, auf welchem Sachverhalt die (zugelassene) Reduzierung der Miete beruht1065. Ebenso handelt der Mieter schuldhaft, wenn er durchgängig mindert, der Mangel jedoch nur zeitweise auftritt1066. Auch von einem redlichen Mieter kann verlangt werden, dass er statt der Minderung eine Vorbehaltszahlung leistet, wenn sein Einbehalt nicht auf gesicherten Erkenntnissen beruht, so dass sich im Prozess nach Einholung eines Sachverständigengutachtens ergibt, dass einzelne Mängel nicht vorlagen und wegen anderer zu hoch gemindert wurde1067. 274 Irrt sich der Mieter über den Umfang einer Aufrechnungsforderung (nur teilweise erforderlicher Auf-

wendungsersatz wegen Beseitigung von Feuchtigkeitsschäden), soll es am Verschulden fehlen1068. Dies erscheint angesichts der dargestellten strengen Maßstäbe zweifelhaft. 275 Wird ein Verschulden des Mieters festgestellt, kommt eine Treuwidrigkeit nur in besonders gelagerten

Ausnahmefällen in Betracht1069. Denn insoweit ist immer zu berücksichtigen, dass mit der Versagung 1059 BGH v. 25.10.2006 – VIII ZR 102/06, MietRB 2007, 59 = MietRB 2007, 60 = MietRB 2007, 61 = MDR 2007, 454 = GE 2007, 46 = WuM 2007, 24. 1060 BGH v. 12.7.2006 – X ZR 157/05, MDR 2007, 200 = BB 2006, 1819; BGH v. 26.1.1983 – IVb ZR 351/81, MDR 1983, 651 = NJW 1983, 2318; BGH v. 18.4.1974 – KZR 6/73, NJW 1974, 1903. 1061 A.A. LG Frankfurt/M v. 14.11.2003 – 2-11 U 326/02, NZM 2004, 297; AG Hamburg-Altona v. 8.1.2008 – 318c C 67/07, ZMR 2008, 297. 1062 BGH v. 25.10.2006 – VIII ZR 102/06, MietRB 2007, 59 = MietRB 2007, 60 = MietRB 2007, 61 = MDR 2007, 454 = GE 2007, 46 = WuM 2007, 24. 1063 LG Frankfurt/M v. 14.11.2003 – 2-11 U 326/02, NZM 2004, 297; AG Hamburg-Altona v. 8.1.2008 – 318c C 67/07, ZMR 2008, 297. 1064 VerfGH Berlin v. 19.8.2005 – VerfGH 84/04, ZMR 2005, 842. 1065 LG Berlin v. 18.11.2004 – 67 S 173/04, MM 2005, 75. 1066 LG Berlin v. 18.4.2011 – 67 S 502/10, GE 2011, 691. 1067 A.A. AG Lübeck v. 15.6.2011 – 24 C 4044/09, ZMR 2012, 277. 1068 LG Berlin v. 22.2.2007 – 62 S 277/05, GE 2007, 1486. 1069 A.A. LG Berlin v. 22.10.2010 – 63 S 690/09, GE 2010, 1623 (grundsätzliche Treuwidrigkeit).

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B. Wohnraummiete | Rz. 279 § 543

des Räumungsanspruchs das Risiko der Rechtsausübung ohne sachlichen Grund auf den Vermieter abgewälzt wird. Immerhin kann der Mieter das Risiko vermeiden, indem er unter Vorbehalt zahlt1070. Den Vermieter demgegenüber auf eine Zahlungsklage zu verweisen, kann allenfalls gerechtfertigt sein, wenn der Mieter – sichtbar – den geminderten Betrag zurück- oder hinterlegt. (4) Nichtbeachtung einer Mieterhöhung Bei Mieterhöhungen nach § 559 und § 560 BGB tritt eine unmittelbare Mietänderung ein. Da § 569 276 Abs. 3 Nr. 3 BGB den Mieter nur schützt, wenn der Vermieter zunächst auf Zahlung der Erhöhungsbeträge geklagt hatte (vgl. § 569 BGB Rz. 159), besteht also für den Mieter, der eine Mieterhöhung für unberechtigt hält, das Risiko der Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Ergeben sich keine formellen Fehler oder ist ein materieller Fehler der Mieterhöhung aus dem Be- 277 gehren selbst nicht evident (z.B. falscher Wirkungszeitpunkt), kann der Mieter den Standpunkt, die Mieterhöhung nicht leisten zu müssen, unter Beachtung der erforderlichen Sorgfalt nur plausibel vertreten (vgl. dazu § 543 BGB Rz. 271), wenn er sich mit den Grundlagen der Mieterhöhung befasst hat. Dazu muss er zumindest Einsichtnahme in die Berechnungsgrundlagen genommen haben, worauf er sowohl bei § 559 BGB (s. § 559b BGB Rz. 28) als auch bei § 560 BGB einen Anspruch hat. Zu § 560 BGB ergibt sich dies bereits daraus, dass die Erhöhung der Vorauszahlungen im Zusammenhang mit der Abrechnung erfolgt, zu der der Mieter Einsicht verlangen kann (vgl. § 556 BGB Rz. 748 ff.). Bei einer Erhöhung der Pauschale ist das Recht zur Einsichtnahme ebenfalls zulässig. bb) Zurechnung fremden Verschuldens Grundsätzlich findet auch im Rahmen des § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Zurechnung des Verschuldens 278 Dritter über § 278 BGB statt1071. Erfüllungsgehilfe ist insoweit, wer nach den tatsächlichen Verhältnissen des gegebenen Falles mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung der diesem obliegenden Verbindlichkeit als seine Hilfsperson tätig wird. Damit wird prinzipiell jede Person erfasst, die im Pflichtenkreis des Mieters mit dessen Kenntnis handelt, also Familienangehörige, Besucher, Betreuer1072 etc. Deshalb muss sich der Mieter Verzögerungen der kontoführenden Bank des Vermieters bei der Mietgutschrift nicht zurechnen lassen1073, sehr wohl aber der eigenen Bank. Letzteres ist aber nur relevant, wenn die Mietzahlung als Bringschuld besteht (§ 543 BGB Rz. 248). Ein Rechtsberater (Rechtsanwalt, Mieterverein etc.) wird nicht zur Ausführung der eigentlichen Erfül- 279 lungshandlung (= der Zahlung der Miete) tätig, sondern berät den Mieter in rechtlicher Hinsicht bei der Entscheidung darüber, ob erfüllt werden oder z.B. von einem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht werden soll. Ob ein in dieser Weise mitwirkender Rechtsberater als Erfüllungsgehilfe anzusehen ist, ist umstritten. Teilweise wird die Auffassung vertreten, der Beratene hafte nur für ein Auswahlverschulden1074. Zu Recht geht die überwiegende Ansicht aber davon aus, dass der Mieter für ein Verschulden seines Rechtsberaters, auch eines Rechtsanwalts, nach § 278 BGB einzustehen hat1075. Allein so wird eine angemessene Risikoverteilung zwischen Gläubiger und Schuldner ermöglicht und eine ungerechtfertigte Privilegierung des Beraters verhindert. Müsste der Schuldner nur für eine sorgfältige Auswahl des Beraters haften, ginge eine etwaige Falschberatung durch diesen zulasten des Gläubigers, der an dem Beratungsverhältnis nicht beteiligt ist und dem auch kein Schadensersatzanspruch gegen

1070 BGH v. 25.10.2006 – VIII ZR 102/06, MietRB 2007, 59 = MietRB 2007, 60 = MietRB 2007, 61 = MDR 2007, 454 = GE 2007, 46 = WuM 2007, 24. 1071 BGH v. 25.10.2006 – VIII ZR 102/06, MietRB 2007, 59 = MietRB 2007, 60 = MietRB 2007, 61 = MDR 2007, 454 = GE 2007, 46 = WuM 2007, 24. 1072 BGH v. 9.11.2016 – VIII ZR 73/16, MDR 2017, 20 = MietRB 2017, 34 = WuM 2017, 23 = ZMR 2017, 154; OLG Frankfurt v. 29.5.2019 – 2 U 121/18, MDR 2019, 1304 = ZMR 2019, 1026. 1073 AG Hamburg-Barmbek v. 6.7.2004 – 815 C 550/03, WuM 2005, 769. 1074 LG Karlsruhe v. 23.3.1990 – 5 S 563/89, WuM 1990, 294. 1075 BGH v. 25.10.2006 – VIII ZR 102/06, MietRB 2007, 59 = MietRB 2007, 60 = MietRB 2007, 61 = MDR 2007, 454 = GE 2007, 46 = WuM 2007, 24; BGH v. 12.7.2006 – X ZR 157/05, MDR 2007, 200 = BB 2006, 1819; Staudinger/Löwisch, § 286 BGB Rz. 163; Fischer, ZMR 1994, 309 (311); Kinne in Kinne/Schach/Bieber, § 543 BGB Rz. 87.

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§ 543 Rz. 279 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund den Berater zustünde, während der Schuldner dadurch geschützt ist, dass er bei seinem Rechtsberater Regress nehmen kann. 280 Auch das Fehlverhalten staatlicher Stellen kann dem Mieter im Rahmen des § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB

grundsätzlich zugerechnet werden1076. Denn insoweit geht es um die Nichtzahlung der laufenden Schulden und nicht um die Pflichtverletzung, die das Vertrauen in eine zukünftige Vertragserfüllung erschüttert (vgl. dazu § 543 BGB Rz. 46). Der Mieter trägt auch das Risiko, dass die Behörde rechtzeitig an den Erwerber i.S.v. § 566 BGB leistet1077. Beruht die Nichtzahlung der Behörde auf deren eigenem Fehler, befindet sich der Mieter in einem Tatsachenirrtum, solange er keine Kenntnis davon hat1078. Allerdings muss der Mieter auch bei Einschaltung der Behörde in regelmäßigen Abständen prüfen, ob seine Schulden bezahlt werden. Der angemessene Prüfungszeitraum beträgt im Regelfall mindestens einen Monat1079. Ein Verschulden des Mieters besteht erst recht, wenn der Mieter eine verspätete Auszahlung von Transferleistungen dadurch verursacht hat, dass er Nachfragen der Behörde zu seinem Antrag nicht sofort beantworten konnte1080. Im Übrigen soll es gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn der Vermieter weiß, dass die Miete vom Sozialamt gezahlt wird, und er Mietrückstände auflaufen lässt, die die fristlose Kündigung rechtfertigen, ohne sich vorher mit dem Sozialamt in Verbindung zu setzen1081. Dies kann aber nur in besonderen Ausnahmefällen angenommen werden. Denn zunächst erhält der Vermieter bei der Behörde keinerlei Auskünfte. Im Übrigen ist der Mieter für die Mietzahlung selbst verantwortlich und muss die Erfüllung auch überwachen, wenn sie durch eine staatliche Stelle bewirkt wird1082. 281 Wird die Versagung der staatlichen Unterstützung dadurch herbeigeführt, dass der Vermieter sich wei-

gert, dem Mieter eine Mieterbescheinigung auszustellen, bleibt die Nichtzahlung des Mieters verschuldet. Denn es besteht keine vertragliche (Neben-)Pflicht des Vermieters, dem Mieter eine Bescheinigung auszustellen, damit dieser öffentliche Mittel zur Unterhaltssicherung erhält1083. Die Mitwirkungspflicht nach § 60 SGB II besteht nur gegenüber der Behörde. d) Treuwidrige Kündigung 282 Eine Kündigung nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3a BGB erfordert grundsätzlich keine Abmahnung, was

durch § 543 Abs. 3 S. 2 BGB auch ausdrücklich klargestellt ist. Der Vermieter ist aber vor einer fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzuges ausnahmsweise gehalten, den Mieter unter konkreter Darstellung der Zahlungsrückstände abzumahnen, wenn sich ihm der Schluss aufdrängen muss, dass die Nichtzahlung der Miete nicht auf der Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungsunwilligkeit, sondern auf einem bloßen Versehen und auf sonstigen von ihm nicht zu vertretenden Umständen beruht1084. Gleicht der Mieter unverzüglich nach dem Bekanntwerden dieser Umstände den Rückstand aus, kann angenommen werden, dass der Rückstand aufgrund eines Versehens entstanden ist1085. Hat der Mieter schon vor der Kün1076 LG Berlin v. 24.7.2014 – 67 S 94/14, MDR 2014, 953 = MietRB 2014, 317 = WuM 2014, 607 = ZMR 2015, 547 = GE 2014, 1200; AG Augsburg v. 11.8.2014 – 16 C 408/14, WuM 2014, 611; AG Frankfurt v. 9.6.2010 – 33 C 1381/10-76, InfoM 2010, 325; Abgrenzung BGH v. 21.10.2009 – VIII ZR 64/09, MietRB 2010, 1 = MDR 2010, 75 = NJW 2009, 3781; LG Berlin v. 19.1.2001 – 64 S 334/00, NZM 2002, 289; LG Mönchengladbach v. 19.2.1983 – S S 345/92, ZMR 1993, 571; a.A. LG Berlin v. 9.1.2012 – 65 T 227/11, NZM 2013, 121 (ausschließliches Fehlverhalten des Jobcenters); Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XII 131. 1077 AG Bremen v. 2.5.2013 – 9 C 565/12, MietRB 2013, 259 = ZMR 2013, 808. 1078 LG Berlin v. 24.7.2014 – 67 S 94/14, MDR 2014, 953 = MietRB 2014, 317 = WuM 2014, 607 = ZMR 2015, 547 = GE 2014, 1200. 1079 LG Berlin v. 24.7.2014 – 67 S 94/14, MDR 2014, 953 = MietRB 2014, 317 = WuM 2014, 607 = ZMR 2015, 547 = GE 2014, 1200. 1080 KG v. 24.7.2008 – 8 U 26/08, DWW 2008, 379 = MM 2008, 334. 1081 LG Saarbrücken v. 30.6.2005 – 13B T 17/05, ZMR 2006, 46; LG Berlin v. 9.8.1994 – 65 S 125/94, WuM 1997, 216; LG Karlsruhe v. 14.7.1989 – 9 S 57/89, ZMR 1989, 421. 1082 BGH v. 17.2.2015 – VIII ZR 236/14, ZMR 2015, 374 = GE 2015, 653. 1083 LG Köln v. 20.4.1994 – 1 S 39/04, WuM 1995, 104; AG Wetzlar v. 19.2.2009 – 38 C 1681/08 (38), WuM 2009, 289; a.A. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XII 132. 1084 Vgl. OLG Hamm v. 24.4.1998 – 33 U 97/97, WuM 1998, 485 = ZMR 1998, 493; OLG Düsseldorf v. 8.3.2002 – 10 U 17/01, DWW 2002, 260; LG Berlin v. 9.8.1994 – 65 S 125/94, WuM 1997, 216. 1085 OLG Düsseldorf v. 25.3.2004 – I-10 U 109/03, MietRB 2004, 323 = MDR 2004, 1234 = ZMR 2004, 570.

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B. Wohnraummiete | Rz. 286 § 543

digung Zahlungen erbracht, die aber nicht zu einer vollständigen Tilgung des Rückstandes geführt haben, bleibt die Kündigung grundsätzlich wirksam1086. Ausnahmen kommen nach § 242 BGB in Betracht, wenn das Ergebnis untragbar ist1087. Dafür reicht der bloße (geringe) Rückstand jedoch i.d.R. nicht aus1088. Vielmehr sind auch die Ereignisse vor und nach Zugang der Kündigung zu würdigen. Fehlt es bei einer derartigen Sachlage an einer Abmahnung, verstößt die Kündigung des Vermieters gegen Treu und Glauben. Dies gilt auch, wenn die Mietzahlungen des Untermieters im Einvernehmen mit dem Vermieter seit längerer Zeit unmittelbar an diesen erfolgt1089. Dann obliegt es dem Vermieter, dem Mieter vor der Kündigung die konkreten Zahlungsrückstände mitzuteilen, da diese wegen der Zahlungen durch den Untermieter nur ihm bekannt sein können. Zahlungsverzug des Mieters tritt auch dann ohne Abmahnung ein, wenn der Vermieter über einen län- 283 geren Zeitraum verspätete Zahlungen unbeanstandet hinnimmt1090. Hat aber der Vermieter einen Rückstand, der ihn zur Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB berechtigt hätte, längere Zeit ohne Beanstandung hingenommen, muss er vor Ausspruch der Kündigung dem Mieter unmissverständlich zu verstehen geben (§ 242 BGB), dass er bei weiterem Verzug kündigen werde bzw. dass er in Zukunft pünktliche Zahlung erwarte1091. Der Zeitraum muss ein halbes Jahr aber deutlich überschreiten. Ob frühere Kündigungslagen, die der Vermieter nicht zum Anlass der Kündigung genommen hat, 284 eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtsmissbräuchlich machen, ist einzelfallabhängig1092. Denn letztlich ist das eine Frage der Verwirkung, so dass beim Mieter ein Vertrauenstatbestand entstanden sein muss, der Vermieter werde höchstens nach Abmahnung oder Fristsetzung kündigen. Dem kann der Vermieter schon dadurch entgegenwirken, dass er überhaupt (zeitnah) z.B. Widerspruch gegen eine Minderung erhebt1093. Insoweit kann insbesondere keine gerichtliche Geltendmachung verlangt werden, um die evtl. doch zwischenzeitlich eingetretene Verwirkung für die Zukunft zu beseitigen1094. Allein weil eine Kaution dem Vermieter eine Befriedungsmöglichkeit bietet, ist die Kündigung nicht 285 rechtsmissbräuchlich1095. Das Gleiche gilt, wenn dem Vermieter die Kündigung gelegen kommt, weil er eine bessere Verwertungs- oder Vermietungsmöglichkeit für das Mietobjekt hat1096. Schließlich kann eine Kündigung wegen Zahlungsverzugs treuwidrig sein, wenn der Vermieter durch 285a sein eigenes Verhalten die Zahlungsrückstände mitverursacht hat. Ob diese Voraussetzungen bereits vorliegen, wenn der Vermieter durch eigene Mitteilung einer falschen Miethöhe das Zahlungsverhalten des Mieters beeinflusst hat, muss im Einzelfall entschieden werden. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben liegt in einer Kündigung aber jedenfalls dann, wenn der Vermieter durch eine eigene, später wieder aufgehobene (Vor-)Pfändung des Mieterkontos Zahlungen des Mieters verhindert hat1097. War die Pfändung allerdings berechtigt, kann der Mieter sich auf einen Treueverstoß nicht berufen. e) Beweislast Der Vermieter muss zunächst die Voraussetzungen seines Kündigungsrechtes, also einen ausreichen- 286 den Zahlungsrückstand, und den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung1098 dartun und beweisen. So1086 BGH v. 14.7.1970 – VIII ZR 12/69, ZMR 1971, 27. 1087 BGH v. 5.11.2003 – XII ZR 134/02, MietRB 2004, 103 = MDR 2004, 325 = ZMR 2004, 106 = NJW 2004, 1103. 1088 A.A. LG Berlin v. 9.8.1994 – 65 S 125/94, WuM 1997, 216 (Rest von 2,31 DM). 1089 OLG Düsseldorf v. 25.3.2004 – I-10 U 109/04, ZMR 2004, 570 = NZM 2004, 786 = GuT 2004, 122. 1090 BGH v. 24.2.1959 – VIII ZR 33/58, MDR 1959, 386 = NJW 1959, 766. 1091 BGH v. 22.9.1971 – VIII ZR 135/70, ZMR 1972, 306; BGH v. 24.2.1959 – VIII ZR 33/58, MDR 1959, 386 = NJW 1959, 766; OLG Hamm v. 9.9.1994 – 30 U 73/94, ZMR 1994, 560. 1092 Vgl. OLG Hamm v. 9.9.1994 – 30 U 73/94, ZMR 1994, 560; LG Hamburg v. 9.1.1996 – 316 S 174/95, NJWE-MietR 1996, 104. 1093 BGH v. 4.2.2004 – VIII ZR 171/03, WuM 2004, 198 = MietRB 2004, 161. 1094 A.A. OLG Naumburg v. 4.11.2003 – 9 U 50/03, WuM 2004, 91. 1095 BGH v. 12.1.1972 – VIII ZR 26/71, MDR 1972, 411; a.A. Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 61. 1096 Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 61. 1097 LG Hamburg v. 6.9.2012 – 307 S 133/11, ZMR 2012, 948. 1098 Wolf/Eckert/Ball, Rz. 913; a.A. MünchKomm/Bieber, § 543 BGB Rz. 57.

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§ 543 Rz. 286 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund dann muss der Mieter darlegen und beweisen die Befriedigung vor Kündigungszugang (§ 543 Abs. 2 S. 2 BGB), Aufrechnungslage vor Kündigungszugang und Unverzüglichkeit der Aufrechnung (§ 543 Abs. 2 S. 3 BGB).

V. Abmahnung und Fristsetzung 287 Die fristlose Kündigung wegen Vertragsverletzungen ist in aller Regel erst nach vergeblicher Abmah-

nung oder Fristsetzung begründet. Denn generell erlangt die Pflichtverletzung das für eine Kündigung erforderliche Gewicht erst dadurch, dass dem Anderen sein Fehlverhalten vor Augen geführt und klargestellt wird, dass es nicht (mehr) geduldet werden wird. Damit kommt der Abmahnung und Fristsetzung auch eine Warnfunktion zu. Erst wenn durch Fortsetzung des abgemahnten Verhaltens die Gefahr weiterer Vertragsuntreue droht, wird die Vertragsfortsetzung unzumutbar1099. 288 Abmahnung und Fristsetzung sind rechtsgeschäftliche Erklärungen, so dass die Voraussetzungen ei-

ner einseitigen, empfangsbedürftigen Willenserklärung vorliegen müssen (vgl. § 542 BGB Rz. 45 f.). Auch ist § 174 BGB anwendbar. Inhaltlich muss die Abmahnung eine unbedingte Aufforderung enthalten, ein näher bezeichnetes als vertragswidrig angesehenes Verhalten zur Vermeidung weiterer Konsequenzen aufzugeben oder zu ändern1100. 289 Die Abmahnung ist nur wirksam, wenn bei ihrem Ausspruch tatsächlich ein vertragswidriges Verhal-

ten (schon) vorlag1101. Dies kann aber erst im Räumungsprozess ermittelt werden, weil Abmahnung und Fristsetzung nicht isoliert gerichtlich angreifbar sind (z.B. mit einer negativen Feststellungsklage)1102. Denn als solche sind sie zunächst ohne Konsequenzen. Anders als im Arbeitsrecht kommt der Existenz der Abmahnung oder Fristsetzung in der Mieterakte keine Bedeutung zu, solange keine Kündigung erklärt wird. 290 Eine unbegründete Abmahnung stellt grundsätzlich keine Persönlichkeitsrechtverletzung dar, die die

Menschenwürde des Mieters antastet und deshalb zu einem Schmerzensgeldanspruch führen würde1103. 1. Pflichtverletzung 291 Durch die Anknüpfung an Vertragsverletzungen wird jede Missachtung der Haupt- und Nebenpflich-

ten aus dem Mietvertrag durch den Kündigungsgegner dem § 543 Abs. 3 BGB unterworfen1104. Auf die Bedeutung der Pflicht kommt es allenfalls bei der Frage an, ob die Fristsetzung oder Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich ist. Selbst ein Zustand der Mietsache kann von § 543 Abs. 3 BGB erfasst sein, wenn er auf einer Pflichtverletzung beruht. Das kommt z.B. bei einem gesundheitsgefährdenden Zustand in Betracht, weil er regelmäßig auf einer Verletzung der Erhaltungspflicht nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB beruht1105. 2. Fristsetzung 292 Die Fristsetzung dient in der Regel dazu, den Empfänger zur Beseitigung eines vertragswidrigen Zu-

standes anzuhalten, wie z.B. den mangelhaften Zustand der Mietsache (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB) oder die unbefugte Gebrauchsüberlassung (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Eine allgemein gültige Abgrenzung zur Abmahnung ist entbehrlich, weil beide Begriffe im Zusammenhang mit § 543 BGB synonym verwendet werden und materiell gleich bedeutend sind1106. OLG Koblenz v. 10.7.1998 – 8 U 1229/97, OLGR Koblenz 1998, 469. LG Düsseldorf v. 26.6.2014 – 21 S 240/13, MietRB 2014, 256 = ZMR 2014, 888 = GE 2014, 1062. AG Frankfurt v. 3.2.1999 – 33 C 3600/98-76, NZM 1999, 707. BGH v. 20.2.2008 – VIII ZR 139/07, MietRB 2008, 229 = MDR 2008, 556 = WuM 2008, 217. AG Neukölln v. 26.1.2009 – 22 C 85/08, GE 2009, 329. Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 72; Blank/Börstinghaus, § 543 BGB Rz. 130. BGH v. 18.4.2007 – VIII ZR 182/06, MietRB 2007, 193 = MDR 2007, 1064 = WuM 2007, 319 = ZMR 2007, 601 = GE 2007, 841 = NZM 2007, 439. 1106 BGH v. 18.4.2007 – VIII ZR 182/06, MietRB 2007, 193 = MDR 2007, 1064 = WuM 2007, 319 = ZMR 2007, 601 = GE 2007, 841 = NZM 2007, 439. 1099 1100 1101 1102 1103 1104 1105

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B. Wohnraummiete | Rz. 296 § 543

Inhaltlich muss die Fristsetzung die bestimmte Aufforderung zur Beseitigung oder Unterlassung be- 293 stimmter Vertragswidrigkeiten unter Fristsetzung enthalten. Hier gelten die gleichen Anforderungen wie an eine Mahnung i.S.v. § 286 BGB oder die Fristsetzung nach §§ 281, 323 BGB. Der Erklärungsempfänger muss aus der Fristsetzung erkennen können, was er innerhalb der gesetzten Frist zu tun oder zu unterlassen hat. Dafür muss mindestens das beanstandete Verhalten oder der beanstandete Zustand inhaltlich bestimmt beschrieben werden. Eine bestimmte Fristsetzung im Sinne eines Endtermins ist nicht notwendige Voraussetzung (s. 293a § 535 BGB Rz. 656). Vielmehr reicht es aus, dass ein Begriff verwendet wird, der ein Zeitmoment enthält, so dass die angemessene Frist im Wege der Auslegung ermittelt werden kann (z.B. unverzüglich, umgehend, sofort). Allerdings ist im Zweifel davon auszugehen, dass der Vermieter während des Laufs der Frist keine Kündigung aussprechen kann, die auf die gerügte Pflichtverletzung gestützt wird1107 (§ 543 BGB Rz. 253a). Nur wenn neue Pflichtverstöße hinzutreten, verhält er sich ohne eine weitere Fristsetzung mit einer Kündigung innerhalb der von ihm gesetzten Frist nicht widersprüchlich. Dann kann aber das Abmahnerfordernis des § 543 Abs. 3 BGB problematisch sein, wenn nicht bereits zuvor eine Abmahnung oder Fristsetzung erklärt wurde. Die Länge der angemessenen Frist beurteilt sich nach dem Einzelfall. Für den Empfänger muss die 294 Möglichkeit bestehen, innerhalb der gesetzten Frist die Pflichtverletzung abzustellen1108. Insoweit setzt eine unangemessene Frist grundsätzlich eine angemessene Frist in Lauf1109. Gerade deshalb ist es nicht unbedingt erforderlich, einen Endtermin zu setzen. Vielmehr können auch Begriffe ohne Zeitangabe verwendet werden, die eine bestimmbare Frist ergeben („umgehend“, „unverzüglich“)1110. Maßgeblich ist insoweit, dass der Adressat erkennen kann, dass ihm nur noch ein begrenzter Zeitraum zur Verfügung steht, um zu einem rechtmäßigen Verhalten zurückzukehren. 3. Abmahnung Das Ziel der Abmahnung besteht darin, den Anderen zum Unterlassen einer Vertragsstörung zu ver- 295 anlassen1111. Deshalb kommt sie – im Gegensatz zur Fristsetzung – eher bei vertragswidrigem Verhalten in Betracht, wie z.B. der unpünktlichen Mietzahlung, und kann sich insbesondere aus einer unwirksamen Kündigung ergeben1112 (vgl. § 542 BGB Rz. 171a). Schon wegen der Gleichstellung mit der Fristsetzung muss die Abmahnung keine Kündigungsandro- 296 hung enthalten1113, wenngleich dies empfehlenswert ist1114. Die Gegenansicht1115 lässt sich mit dem Wortlaut des § 543 Abs. 3 BGB nicht vereinbaren. Denn wenn schon die Fristsetzung als Vorstufe der Kündigung ausreicht, kann nicht zusätzlich bei der Abmahnung eine Kündigungsandrohung verlangt werden. Allerdings reicht die bloße Aufforderung zur Stellungnahme nicht aus1116. Vielmehr muss der Empfänger unzweideutig der Erklärung entnehmen können, dass sein Verhalten missbilligt wird, so dass eine Fortsetzung Konsequenzen nach sich ziehen kann. Dass das Mietverhältnis „auf dem Spiel“ steht, muss aus der Erklärung nicht hervorgehen1117.

1107 LG Berlin v. 26.9.2017 – 67 S 166/67, ZMR 2018, 44. 1108 LG Mannheim v. 12.8.1981 – 4 S 111/80, WuM 1985, 262. 1109 BGH v. 12.8.2009 – VIII ZR 254/08, MDR 2009, 1329 = NJW 2009, 3153; OLG Nürnberg v. 10.2.2010 – 12 U 1306/09, ZMR 2010, 524. 1110 BGH v. 12.8.2009 – VIII ZR 254/08, MDR 2009, 1329 = WuM 2009, 580; a.A. KG v. 9.2.2004 – 8 U 160/03, MDR 2004, 1437 = MietRB 2004, 234; vgl. im Übrigen auch dazu Erman/Westermann, § 281 BGB Rz. 13 m.w.N. 1111 Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 71. 1112 BGH v. 1.6.2011 – VIII ZR 91/10, MietRB 2011, 238 = MDR 2011, 909 = ZMR 2011, 783. 1113 BGH v. 13.6.2007 – VIII ZR 281/06, MietRB 2007, 257 = MDR 2007, 1182 = WuM 2007, 570 = ZMR 2007, 686; BGH v. 18.4.2007 – VIII ZR 182/06, MietRB 2007, 193 = MDR 2007, 1064 = WuM 2007, 319 = ZMR 2007, 601 = GE 2007, 841 = NZM 2007, 439. 1114 LG Hamburg v. 29.8.1985 – 7 S 69/85, WuM 1986, 338 = NJW-RR 1986, 11; LG Frankfurt/M v. 21.4.1992 – 2/11 S 421/91, WuM 1992, 370; AG Hamburg-Altona v. 26.4.2002 – 318 C 327/01, NZM 2003, 60. 1115 Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 128; Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 78. 1116 OLG Frankfurt v. 8.9.2010 – 15 U 53/10, ZMR 2011, 121. 1117 A.A. AG Gelsenkirchen v. 27.10.2016 – 205 C 5/16, WuM 2017, 648.

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§ 543 Rz. 297 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund 297 Ob im Einzelfall dem Abgemahnten zusätzlich eine Prüfungs- oder Abhilfefrist eingeräumt werden

muss, hängt von den Umständen ab1118. Bei der unbefugten Gebrauchsüberlassung an Dritte muss dem Mieter ausreichend Zeit bleiben, die Untervermietung zu beenden. Dafür ist nicht der Lauf der Kündigungsfrist innerhalb des Untermietvertrages maßgeblich, sondern die Kündigung des Mieters gegenüber dem Untermieter. Insoweit benötigt der Mieter eine Prüfungsfrist, die allerdings in der Regel acht bis zehn Tage nicht überschreiten muss. Erklärt der Untermieter sodann, nicht ausziehen zu wollen, oder zieht er nach Ablauf einer angemessenen Frist nicht aus, kann der Vermieter kündigen (vgl. auch § 543 BGB Rz. 75). 297a Verbindet der Vermieter die Abmahnung mit einer Frist, kann er im Zweifel innerhalb der Frist nicht

kündigen, wenn sie ausschließlich auf den abgemahnten Tatbestand gestützt wird1119 (vgl. § 543 BGB Rz. 293a). 4. Form und Inhalt der Fristsetzung/Abmahnung 298 Eine besondere Form ist für die Abmahnung oder Fristsetzung nicht vorgesehen, so dass sie auch

mündlich oder schlüssig erklärt werden können1120. § 569 Abs. 4 BGB ist – auch nicht in der Wohnraummiete – analog anwendbar. Denn es fehlt an einer planwidrigen Lücke. Immerhin hat sich der Gesetzgeber am 1.9.2001 mit Formvorschriften besonders auseinandergesetzt. Unabhängig davon empfiehlt sich schon aus Beweisgründen die Schriftform, wobei ein Telefax ausreicht1121.

299 Sieht der Mietvertrag für Willenserklärungen oder sonstige einseitige Rechtsgeschäfte die Schriftform

vor, ist im Zweifel davon auszugehen, dass diese Regelung nur eine deklaratorische Wirkung herbeiführen soll. Ergibt die Auslegung aber, dass der Schriftform konstitutive Wirkung beizumessen ist, gilt insbesondere § 127 Abs. 2 BGB. Bedenken wegen § 307 BGB bestehen gegen ein solches Formerfordernis nicht. 300 Inhaltlich sollen Abmahnung und Fristsetzung so abgefasst sein, dass der Erklärungsempfänger den

Vertragsverstoß, der ihm vorgeworfen wird, erkennen kann. Dazu soll es erforderlich sein, die Vertragsstörungen genau zu bezeichnen1122, jedenfalls so greifbar zu beschreiben, dass z.B. für den Mieter nachvollziehbar ist, welches Verhalten der Vermieter als vertragswidrig ansieht1123. Denn nur die ausdrücklich gerügten Verstöße gegen Vertragspflichten sollen bei der nachfolgenden fristlosen Kündigung berücksichtigt werden können1124. Deshalb sollen z.B. pauschale Hinweise auf „Störungen der Nachtruhe“ nicht ausreichen1125. Diese strengen Anforderungen sind übertrieben und lassen sich vor allem dem Gesetz nicht entnehmen. Es reicht aus, dem Mieter – wie bei der Kündigung – die Kerntatsachen mitzuteilen, die den Sachverhalt von anderen unterscheidbar machen. Der Vertragspartner muss wissen, dass und wie er gegen welche Pflicht verstoßen haben soll. Dazu reicht z.B. der Hinweis auf die Störung der Nachtruhe. Der Erklärungsempfänger weiß selbst, ob dies bei seinem Wohnverhalten in Betracht kommt. Aufgrund dieser Angaben kann er ermitteln, ob seine Täterschaft möglich ist, und ggf. sein Verhalten einstellen oder ändern/anpassen1126. Denn es geht außergerichtlich nicht um eine Überzeugungsbildung, sondern die Beanstandung vertragswidrigen Verhaltens. Die Anforderungen sind aber nicht erfüllt, wenn aus der Abmahnung nicht hervorgeht, gegenüber wem der Mieter „laut geworden“ sein soll und ob eine vorgebrachte Beschwerde unberechtigt war1127. 1118 BGH v. 11.1.2006 – VIII ZR 364/04, MietRB 2006, 211 = MDR 2006, 864 = NJW 2006, 1585 = WuM 2006, 193 (195) Rz. 16. 1119 LG Berlin v. 26.9.2017 – 67 S 166/67, ZMR 2018, 44. 1120 Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 74; Palandt/Weidenkaff, § 543 BGB Rz. 47; Schmidt-Futterer/Blank, § 541 BGB Rz. 5. 1121 Kinne in Kinne/Schach/Bieber, § 543 BGB Rz. 130. 1122 OLG Naumburg v. 30.6.1999 – 6 U 92/98, WuM 2000, 246 = ZMR 2000, 381; LG Gießen v. 29.9.1980 – 7 T 270/80, WuM 1981, 232. 1123 LG Berlin v. 17.10.2014 – 63 S 166/14, GE 2015, 323. 1124 OLG Düsseldorf v. 30.1.2003 – 10 U 16/02, MietRB 2003, 102 = NZM 2003, 553; LG Frankfurt v. 12.12.1996 – 15 S 114/96, GE 1997, 306. 1125 LG Berlin v. 17.10.2014 – 63 S 166/14, GE 2015, 323. 1126 AG Berlin-Mitte v. 7.1.2010 – 25 C 159/09, GE 2010, 417. 1127 AG Köln v. 19.7.2011 – 209 C 170/11, WuM 2012, 371.

852 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 304 § 543

Darüber hinaus muss aus der Abmahnung und Fristsetzung deutlich werden, dass das beanstandete 301 Verhalten nicht geduldet oder beanstandet wird1128. Denn nur so ist der Schuldner in der Lage, die Konsequenzen seines Verhaltens zu erkennen1129, um es abzustellen oder aber inhaltlich die Abmahnung zurückzuweisen. Nur die ausdrücklich gerügten Vertragsstörungen werden bei der nachfolgenden fristlosen Kündigung berücksichtigt1130. Immerhin muss sich zeigen, ob sich die Warnfunktion realisiert hat. 5. Sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen Abmahnung und Kündigung Einer nachfolgenden Kündigung kann nicht jede Abmahnung zugrunde gelegt werden. Die Abmah- 302 nung muss sich zumindest auf eine ähnliche Vertragsverletzung beziehen, die Gegenstand der Kündigung sein soll. Ansonsten würde die Warnfunktion, die mit der Abmahnung verbunden ist, leer laufen. Wurde in der Abmahnung für den Fall der Missachtung eine bestimmte Handlung angekündigt (z.B. Unterlassungsklage), kommt bei nachfolgender Kündigung (ohne erneute Abmahnung) ein widersprüchliches Verhalten (§ 242 BGB) in Betracht. Bestreitet der Kündigungsgegner aber im Prozess die Pflichtverletzung, kann er sich nicht darauf berufen, dass eine andere Konsequenz angedroht wurde1131. Denn aus dem Bestreiten ist zu schließen, dass er sich bei „richtiger“ Ankündigung sein Verhalten auch nicht angepasst hätte. Für die Kündigung kann unter besonderen Umständen die Notwendigkeit eines angemessenen Zeit- 303 zusammenhangs bestehen (§ 543 BGB Rz. 48 f.). Deshalb wurde ein Zeitraum von drei Jahren zwischen Abmahnung und kündigungsrelevantem Verhalten als zu lang angesehen1132. Das Gleiche gilt bei einer Zwischenzeit von 15 Monaten1133. Daraus kann jedoch eine generelle Betrachtungsweise nicht abgeleitet werden. Maßgeblich sind insoweit die Umstände des Einzelfalls. Setzt der Vertragspartner sein rechtswidriges Verhalten unverändert fort, wird die Wirkung der Abmahnung allenfalls unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung verblassen. Denn § 543 BGB gibt grundsätzlich keinen Zeitrahmen für die hier relevanten Tatbestände vor, zumal § 314 Abs. 3 BGB nicht anwendbar ist (§ 543 BGB Rz. 12). Allenfalls bei den Tatbeständen, bei denen eine Unzumutbarkeit vorliegen muss, kommt dem Zeitmoment unmittelbare Relevanz zu (§ 543 BGB Rz. 48 f.). Hat der Vertragspartner aber Maßnahmen gegen den Vertragsverstoß (hier: Kinderlärm) getroffen, hat er sich der Warnfunktion ergeben und kann bei längerer Fortdauer darauf vertrauen, dass seine Maßnahmen erfolgreich waren1134. Dann muss aufgezeigt werden, dass immer noch Grund zur Beanstandung besteht. Für den Mieter ergibt sich das bereits aus § 536c BGB (vgl. § 536c BGB Rz. 33a). Generell sind aber die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere der Grund für das längere Zuwarten, entsprechende Äußerung des Kündigungsberechtigten in der Zwischenzeit und die Art der Pflichtverletzung. 6. Kündigung trotz fehlender Abmahnung oder Fristsetzung (Umdeutung) Außer in den in § 543 Abs. 3 BGB ausdrücklich genannten Ausnahmefällen ist eine außerordentliche 304 Kündigung ohne vorausgehende Abmahnung grundsätzlich unwirksam. Die unwirksame Kündigung stellt aber grundsätzlich selbst eine Abmahnung dar1135. In der Regel kann sie umgedeutet werden1136. Denn im Zweifel ist anzunehmen, dass der Erklärende eine Abmahnung oder Fristsetzung erteilt hätte, wenn er die Unwirksamkeit der Kündigung aus diesem Grund vorausgesehen hätte, § 140 BGB. Dies übersieht die Gegenmeinung1137. 1128 1129 1130 1131 1132 1133 1134 1135 1136 1137

BGH v. 4.2.2009 – VIII ZR 66/08, MDR 2009, 558 = WuM 2009, 228. OLG Frankfurt v. 8.9.2010 – 15 U 53/10, ZMR 2011, 121. OLG Düsseldorf v. 30.1.2003 – 10 U 16/02, MietRB 2003, 102, NZM 2003, 553. BGH v. 13.6.2007 – VIII ZR 281/06, MietRB 2007, 257 = MDR 2007, 1182 = WuM 2007, 570 = ZMR 2007, 686; LG Köln v. 2.12.2016 – 10 S 99/16, MietRB 2017, 182 = ZMR 2017, 250. AG Recklinghausen v. 9.8.2017 – 56 C 16/17, WuM 2017, 719. LG Halle v. 11.1.2002 – 1 S 192/01, NZM 2003, 309. LG Halle v. 11.1.2002 – 1 S 192/01, NZM 2003, 309. BGH v. 1.6.2011 – VIII ZR 91/10, MietRB 2011, 238 = MDR 2011, 909 = ZMR 2011, 783; LG Berlin v. 22.10.2010 – 63 S 690/09, GE 2010, 1623. LG Berlin v. 22.10.2010 – 63 S 690/09, GE 2010, 1623; LG Berlin v. 3.8.2010 – 63 S 607/09, GE 2010, 1271. LG Köln v. 20.8.2003 – 9 S 126/03, MietRB 2004, 35.

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§ 543 Rz. 305 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund 7. Entbehrlichkeit der Abmahnung oder Fristsetzung 305 Ob eine der in § 543 Abs. 3 BGB genannten Ausnahmen vorliegt, ist im Einzelfall zu prüfen.

a) Offensichtliche Erfolglosigkeit 306 Abmahnung oder Fristsetzung sind ausnahmsweise entbehrlich, wenn eine Frist oder Abmahnung

offensichtlich keinen Erfolg verspricht. Damit sind die Fälle erfasst, bei denen sich das Abmahnerfordernis als bloße Förmelei darstellt. 307 Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn der Kündigungsempfänger eine endgültige Erfüllungs-

verweigerung erklärt hat1138. Dazu ist aber eine Erklärung erforderlich, die als sein letztes Wort zu verstehen ist. Besteht noch Anlass zu der Vermutung eines Sinneswandels, können Abmahnung oder Fristsetzung ihre Funktion noch erfüllen und sind daher nicht entbehrlich. Deshalb ist die sofortige Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB z.B. nicht gerechtfertigt, wenn der Vermieter sofort nach der Mängelanzeige reagiert1139. Auch die psychische Verfassung des Mieters bei Hausfriedensstörungen ist allein nicht ausreichend, den Ausnahmetatbestand des § 543 Abs. 3 BGB anzunehmen1140. 308 Die Entbehrlichkeit kann sich aber aus dem (vertragswidrigen) Bestehen eines unveränderbaren Zu-

standes ergeben1141. Das ist z.B. bei (nachträglichen) unbehebbaren Mängeln der Fall1142 oder wenn der Vermieter weder rechtlich noch tatsächlich in der Lage ist, den Mangel zu beseitigen1143. Die Ausnahme kommt auch in Betracht, wenn die Abhilfe eine zu lange Zeit in Anspruch nehmen würde oder für den Kündigenden unzumutbare Belastungen hervorruft1144. Dies trifft bei angestiegenem Grundwasser in den Kellerräumen zu, wenn der Vermieter auch zukünftiges Eindringen nicht verhindern kann1145. Auch der Betrieb einer Großbaustelle, die erhebliche Staub- und Lärmbeeinträchtigungen verursacht und noch länger als sechs Monate dauert, kann zu einer sofortigen Kündigung Anlass geben1146, weil der Vermieter regelmäßig weder rechtlich noch tatsächlich in der Lage ist, die Einstellung der Großbaustelle herbeizuführen, und keine Möglichkeit besteht, für nachträgliche und wirksame Schallschutzmaßnahmen zu sorgen. 309 Auch das Fixgeschäft macht – wie schon § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB zeigt – die Abmahnung oder Fristset-

zung entbehrlich, weil die Leistung nicht nachgeholt werden kann. Indessen ist zu differenzieren, ob die Leistung insgesamt oder nur ein Teil unmöglich geworden ist. Ist nur die erste Zeit einer Vertragslaufzeit vergangen, ist aber die Restzeit des Vertrages erfüllbar, kommt eine Kündigung nicht ohne Abmahnung oder Fristsetzung in Betracht, wenn der Vermieter erfüllungsbereit und -fähig ist. 310 Auch die Art der Vertragsstörung kann das Abmahnerfordernis entfallen lassen1147. Dies gilt insbeson-

dere bei kurzer Laufzeit und langer Mängelbeseitigungsfrist1148. Ähnlich ist die Situation, wenn die Straße, an welcher ein Verkaufsgeschäft (z.B. Kiosk) liegt, zur Durchführung von mehrere Jahre dauernden U-Bahn-Bauarbeiten aufgebrochen und dadurch der Zugang zum Laden erheblich erschwert wird1149.

1138 1139 1140 1141 1142 1143 1144 1145 1146 1147 1148 1149

BGH v. 22.10.1975 – VIII ZR 160/74, MDR 1976, 217 = ZMR 1976, 46. AG Hamburg-Wandsbek v. 26.7.2016 – 715 C 109/16, ZMR 2016, 885. AG Gelsenkirchen v. 27.10.2016 – 205 C 5/16, WuM 2017, 648 = ZMR 2017, 63. Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 80. BGH v. 29.4.2009 – VIII ZR 142/08, MietRB 2009, 189 = MDR 2009, 793 = WuM 2009, 349 = ZMR 2009, 681. LG Hamburg v. 4.7.1986 – 11 S 80/86, WuM 1986, 313 = MM 1986, Heft 10, 26. RG v. 1.11.1918 – Rep. III 190/18, RGZ 94, 29; Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rz. 34 m.w.N. OLG Düsseldorf v. 19.5.2005 – 10 U 196/04, OLGR Düsseldorf 2007, 103 = ZMR 2006, 923 = GE 2006, 1295; LG Köln v. 29.3.2012 – 1 S 176/11, ZMR 2012, 625 (6 Wochen noch laufende Trocknungsgeräte nach Wasserschaden). LG Hamburg v. 4.7.1986 – 11 S 80/86, WuM 1986, 313 = MM 1986, Heft 10, 26. BGH v. 28.11.1979 – VIII ZR 302/78, MDR 1980, 306 = NJW 1980, 777 = WuM 1981, 92. OLG Karlsruhe v. 11.3.1988 – 14 U 313/86, MDR 1988, 580 = ZMR 1988, 223. OLG Köln v. 9.5.1972 – 15 U 180/71, NJW 1972, 1814.

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B. Wohnraummiete | Rz. 314 § 543

Namentlich können Ausnahmen entstehen bei 311 – einer Vertragsstörung durch eine Straftat1150, – einer Erklärung des vorläufigen Insolvenzverwalters des Zwischenmieters, die Miete nicht mehr an die Eigentümer weiterzuleiten1151, – unbehebbaren Mängeln1152, – wenn der vertragsgemäße Zustand der Miet- oder Pachtsache nicht in angemessener Zeit hergestellt werden kann (z.B. schon ein Jahr andauernde Mängelbeseitigung dauert noch mehrere Monate)1153. b) Sofortige Kündigung aus besonderen Interessen Die zweite Fallgruppe des § 543 Abs. 3 BGB umfasst besonders schwerwiegende Vertragsverletzun- 312 gen, welche auch nach früherer Rechtsprechung ausnahmsweise schon nach einmaliger Begehung eine Kündigung rechtfertigten, wenn die Vertrauensgrundlage des Vertrages endgültig zerstört ist1154. Insbesondere wenn der Vertragsverletzung das Verhalten eines Dritten zugrunde liegt, sollte von einem Abmahnerfordernis ausgegangen werden1155. 313 Beispielsfälle für die Entbehrlichkeit der Abmahnung nach diesem Tatbestand bilden – der Schusswaffengebrauch des Mieters gegen Nachbarn1156, – eine erweislich falsche Anschuldigung des Vermieters bei Behörden1157, – eine in der Presse veröffentlichte schwere Beleidigung1158, – eine vertragswidrige Bordell-Nutzung von Gewerberaum1159, – Handel mit Drogen in der Wohnung oder im Hausflur1160, – eine Hausfriedensstörung verbunden mit einem tätlichen Angriff auf eine andere Mietpartei1161, – der Betrieb von Trocknungsgeräten für weitere 1,5 Monate zur Behebung eines Wasserschadens im Einzimmerappartment1162, – unberechtigte Geltendmachung des Vermieterpfandrecht mit unbegründeter fristloser Kündigung und Behinderung des vertragsgemäßen Gebrauchs1163, – die Anordnung eines sofort vollziehbaren Nutzungsverbots, wenn die Behörde den Vermieter zuvor mehrfach zur Beseitigung des Mangels (z.B. fehlender Brandschutz) aufgefordert hat1164.

Ob eine unberechtigte Stromentnahme stets einen Straftatbestand (§ 248c StGB) darstellt, der gem. 314 § 543 Abs. 3 Nr. 1 BGB den Verzicht auf das Abmahnungserfordernis rechtfertigt, wird nicht einheitlich gesehen. Ohne Abmahnung kommt eine Kündigung in Betracht, wenn der Mieter unberechtigt Strom entnommen hat, um sein Badezimmer aufzuheizen1165. Das Gleiche soll gelten, wenn der Mieter mit dem gestohlenen Strom Kühlschrank und Telefon betrieben hat1166. Dagegen soll wegen der unerhebli1150 AG Köln v. 19.7.2011 – 209 C 170/11, WuM 2012, 371. 1151 BGH v. 9.3.2005 – VIII ZR 394/03, MietRB 2005, 254 = MDR 2005, 1043 = WuM 2005, 401. 1152 BGH v. 29.4.2009 – VIII ZR 142/08, MietRB 2009, 189 = MDR 2009, 793 = WuM 2009, 349 = ZMR 2009, 681. 1153 OLG Düsseldorf v. 14.1.1993 – 10 U 88/92, DWW 1993, 99. 1154 BGH v. 11.2.1981 – VIII ZR 312/79, MDR 1981, 839. 1155 AG München v. 9.8.2002 – 473 C 18703/02, WuM 2004, 204. 1156 LG Berlin v. 23.7.1992 – 67 S 132/92, GE 1993, 207. 1157 LG Frankfurt v. 10.8.1993 – 2/11 S 142/93, WuM 1994, 15. 1158 LG Köln v. 7.4.1988 – 1 S 463/87, DWW 1988, 325. 1159 AG Berlin-Mitte v. 6.1.1994 – 3 C 552/93, GE 1994, 813. 1160 AG Pinneberg v. 29.8.2002 – 68 C 23/02, NZM 2003, 553. 1161 AG Münster v. 28.8.2006 – 48 C 1739/06, WuM 2007, 19. 1162 LG Köln v. 29.3.2012 – 1 S 176/11, ZMR 2012, 625. 1163 OLG Frankfurt v. 3.2.2012 – 2 U 122/11, ZMR 2012, 943. 1164 BGH v. 2.11.2016 – XII ZR 153/15, MDR 2017, 572 = WuM 2017, 18. 1165 AG Potsdam v. 6.10.1994 – 26 C 205/94, WuM 1995, 40. 1166 LG Köln v. 17.3.1994 – 1 S 251/93, NJW-RR 1994, 909.

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§ 543 Rz. 314 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund chen Schädigung die Stromentnahme zum Betrieb der Beleuchtung seines Einzelkellers keine Ausnahme vom Abmahnerfordernis bilden, wenn der Mieter nur ein bis zwei Mal im Monat den Keller aufsucht und Licht einschaltet1167. Dies ist zweifelhaft. Zwar ist auf den Einzelfall abzustellen. Ob das Ausmaß der Schädigung aber in solchen Fällen maßgeblich sein kann, muss bezweifelt werden. Allein die Tatsache, dass eine Strafnorm verletzt ist, macht die Warnfunktion der Abmahnung überflüssig. 315 Auf Mieterseite kommt die Ausnahme zur Anwendung, wenn dem Mieter das Abwarten bis zur Durch-

führung bzw. Beendigung der Mängelbeseitigung nicht zugemutet werden kann. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Erfolgslosigkeit einer Abmahnung von vornherein feststeht, weil der Vermieter weder rechtlich noch tatsächlich in der Lage ist, den Mangel zu beseitigen. Letzteres kommt z.B. bei einer störenden Großbaustelle in Betracht, bei der auch keine Möglichkeit besteht, für nachträgliche und wirksame Schallschutzmaßnahmen zu sorgen1168. Auch bei einer Überschwemmung der Wohnung infolge Hochwasser kann die Abmahnung entbehrlich sein, weil nicht absehbar ist, wann der vertragsgemäße Zustand wiederhergestellt sein wird1169. c) Zahlungsverzug 316 Der Zahlungsverzug ist zwar generell vom Abmahnerfordernis ausgenommen. Dennoch können sich

davon Ausnahmen ergeben, wenn sich dem Vermieter der Schluss aufdrängen muss, dass die Nichtzahlung der Miete nicht auf Zahlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit beruht1170.

C. Gewerberaummiete 317 Für die Gewerberaummiete gelten die in den Abschnitten A. und B. dargestellten Grundsätze regel-

mäßig entsprechend. Deshalb wurden auch schon wesentliche Beispielsfälle (§ 543 BGB ab Rz. 53 ff.) alphabetisiert aufgeführt. Dennoch bestehen einige Unterschiede:

I. Wichtiger Grund 318 Für die Beurteilung des wichtigen Grundes nach § 543 Abs. 1 BGB oder die Prüfung der Regelbeispiele

des Abs. 2 sind die gleichen Anforderungen wie in der Wohnraummiete zu stellen. Deshalb ist der Vermieter nicht berechtigt, den befristeten Mietvertrag außerordentlich zu kündigen, weil er das Objekt abreißen will und der Mieter der letzte Nutzer im Gebäude ist1171. Denn dieser Sachverhalt begründet keinen wichtigen Grund. Andererseits kann der Vermieter aber genauso wie in der Wohnraummiete kündigen, wenn die Kaution nicht entrichtet wurde1172. 1. Vertragliche Festlegung des wichtigen Grundes 319 Für die Gewerberaummiete ist anerkannt, dass § 543 Abs. 1 BGB in einem gewissen Rahmen disponi-

bel ist1173. Die Grenzen werden in §§ 138, 307 BGB gesehen und sollen dadurch bestimmt sein, dass der Vermieter bzw. der Verwender nicht über die Regelbeispiele des § 543 Abs. 2 BGB hinaus ein unbeschränktes außerordentliches Kündigungsrecht erhält1174. Ist der Mieter der Verwender oder die treibende Kraft, gelten diese Grundsätze entsprechend. Auch für ihn darf die Bindung an den Mietvertrag nicht beliebig sein.

1167 1168 1169 1170 1171 1172 1173 1174

KG v. 18.11.2004 – 8 U 125/04, MietRB 2005, 33, NZM 2005, 254. LG Hamburg v. 4.7.1986 – 11 S 80/86, WuM 1986, 313. OLG Düsseldorf v. 19.5.2005 – 10 U 196/04, ZMR 2006, 923 = GE 2006, 1295. OLG Düsseldorf v. 25.3.2004 – 10 U 109/03, MietRB 2004, 323 = MDR 2004, 1234 = ZMR 2004, 570. OLG Dresden v. 3.12.2002 – 5 U 1270/02, WuM 2003, 32. KG v. 27.9.2018 – 8 U 145/14, MietRB 2019, 134 = IMR 2019, 67 (Hofele). OLG Hamm v. 4.11.1994 – 30 U 185/94, NJW-RR 1995, 750 = ZMR 1995, 248. Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 100.

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C. Gewerberaummiete | Rz. 325 § 543

Vor diesem Hintergrund sind die Parteien aber insbesondere berechtigt, im Mietvertrag weitere Fall- 320 gestaltungen, die einen wichtigen Grund bilden sollen, zu definieren oder Regelbeispiele des § 543 Abs. 2 BGB zu verschärfen1175. Als individuelle Vereinbarung ist dies ohne weiteres zulässig1176. Insbesondere bei formularmäßigen Bedingungen ist insoweit zu beachten, dass zu Lasten des Vertragspartners des Verwenders nicht von dem Abmahnerfordernis abgewichen wird und der Beispielsfall so bedeutend ist, dass er eine Zerstörung der Vertrauensgrundlage bildet. Denn eine in AGB erfolgte Festlegung von Kündigungsgründen, die noch innerhalb der Zumutbarkeitsgrenze liegen, ist mit dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar1177. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass die Parteien, die eine Pflicht im Mietvertrag aus- 321 drücklich regeln, dieser eine erhebliche Bedeutung beimessen1178. Deshalb stellt die Missachtung solcher Pflichten in der Regel eine so massive Vertragsverletzung dar, dass daraus ein wichtiger Grund hergeleitet werden kann. Wird also bei der Aufzählung von wichtigen Gründen im Mietvertrag auf eine ausdrücklich geregelte Pflicht des Vermieters oder des Mieters Bezug genommen oder diese in der Aufzählung besonders geregelt, kann darin regelmäßig ein für die Annahme eines wichtigen Grundes ausreichendes Fallbeispiel gesehen werden. Diesen Anforderungen genügt insbesondere eine Klausel nicht, wonach dem Vermieter ein Recht zur 322 fristlosen Kündigung schon dann zustehen soll, wenn eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Mieters bloß einzutreten droht. Eine nachhaltige Beeinträchtigung der Belange des Vermieters, die es für ihn unzumutbar macht, an dem Vertrag festzuhalten, wird erst dann angenommen, wenn sich eine Gefährdung seiner Ansprüche aus objektiven Umständen wie Maßnahmen der Zwangsvollstreckung oder Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ergibt1179. Das bloße Drohen ist hingegen so zu verstehen, dass der Vermieter die Kündigung schon bei der bloßen Befürchtung einer Vermögensverschlechterung beim Mieter erklären kann, ohne dass sich die Vermögensverschlechterung bereits tatsächlich äußerlich dokumentiert haben muss. Damit wird das Kündigungsrecht des Vermieters auf einen Zeitpunkt vorverschoben, zu dem die Leistungsfähigkeit des Mieters und damit auch die Erfüllung des Vertrags durch diesen lediglich potenziell und nicht bereits tatsächlich gefährdet ist1180. Nicht zu beanstanden ist dagegen die Klausel, die dem Vermieter nach Abmahnung u.a. die fristlose 323 Kündigung zubilligt, wenn der Mieter den Betrieb untervermietet. Befindet sich die Formulierung aber in einem einheitlichen Mietvertrag über Gewerbe- und Wohnräume, beschränkt sie zugleich das Kündigungsrecht des Vermieters nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf die unbefugte Untervermietung der Gewerberäume1181. Findet eine unzulässige Gebrauchsüberlassung der Wohnung statt, ist der Vermieter auf seine Rechte aus § 541 BGB beschränkt. 2. Vertragliche Regelungen zum Zahlungsverzug Durch Individualvertrag kann das Kündigungsrecht aus § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB auf den Fall erweitert 324 werden, dass sich der Mieter mit einer Miete in Verzug befindet1182. Eine solche Erweiterung führt nicht dazu, dass der Rest des Kündigungstatbestandes ausgeschlossen wird. Dies ergibt sich schon aus einem Erst-Recht-Schluss. Fraglich ist aber der umgekehrte Fall, wenn in einer enumerativen Aufzählung von wichtigen Gründen 325 z.B. nur der Tatbestand des § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. a 1. Alt. BGB genannt ist. Auch wenn dies im Ergebnis durch Auslegung ermittelt werden muss, sprechen gute Gründe für eine Beschränkung des Kündigungsrechts, also den Ausschluss der beiden weiteren Varianten. Denn es ist kein sachlicher Grund dafür er-

OLG Hamm v. 4.11.1994 – 30 U 185/94, NJW-RR 1995, 750 = ZMR 1995, 248. Oprée in Lindner-Figura u.a., Kap. 15 Rz. 230. BGH v. 8.10.1990 – VIII ZR 247/89, MDR 1991, 143 = NJW 1991, 102 = BGHZ 112, 279. BGH v. 2.10.1996 – XII ZR 65/95, WuM 1997, 217 = NJW 1997, 394. BGH v. 8.10.1990 – VIII ZR 247/89, MDR 1991, 143 = NJW 1991, 102 = BGHZ 112, 279; OLG Dresden v. 1.9.1999 – 8 U 1458/99, ZMR 2000, 375; Schmidt in Ulmer/Brandner/Hensen, Anh. § 310 BGB Rz. 547; Stoffels in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, L 166. 1180 LG Kiel v. 27.7.2009 – 18 O 68/09, NJW-RR 2010, 518. 1181 OLG Hamm v. 4.11.1994 – 30 U 185/94, NJW-RR 1995, 750 = ZMR 1995, 248. 1182 Oprée in Lindner-Figura u.a., Kap. 15 Rz. 230.

1175 1176 1177 1178 1179

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§ 543 Rz. 325 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund sichtlich, den einen Tatbestand besonders hervorzuheben, wenn ansonsten das Gesetz (uneingeschränkt) gelten soll. Deshalb sind derartige Regelungen grundsätzlich eng zu interpretieren1183. 326 Formularvertraglich kann der Tatbestand nicht auf einen bloßen Rückstand, also einen unverschulde-

ten Zahlungsverzug beschränkt werden1184. Andererseits kann der Tatbestand z.B. zu Lasten des Verwenders/Vermieters dadurch verschärft werden, dass die Kündigung nur nach vorheriger Fristsetzung zulässig sein soll1185. Ist der Mieter Verwender, ist eine entsprechende Klausel wegen Verstoß gegen § 307 BGB unwirksam. 3. Nicht unerheblicher Rückstand i.S.v. § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. a BGB 327 Ein Verzug mit einem nicht unerheblichen Teil der Miete i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. a 2. Alt. BGB liegt

bei vereinbarter monatlicher Mietzahlung auch bei der Geschäftsraummiete jedenfalls dann vor, wenn der Rückstand den Betrag von einer Monatsmiete übersteigt1186. Allerdings reicht ein solcher Rückstand für diesen Kündigungstatbestand nur aus, wenn er aus zwei aufeinanderfolgenden Zahlungszeiträumen (hier: Monaten) resultiert. Ein Rückstand, der diese Voraussetzung nicht erfüllt, weil er (auch) aus anderen Zahlungszeiträumen herrührt, rechtfertigt die außerordentliche fristlose Kündigung lediglich, wenn seine Höhe zwei Monatsmieten erreicht1187, § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. b BGB. 328 Ein Rückstand von einer Monatsmiete oder weniger kann auch – und nur dann – erheblich sein,

wenn besondere Einzelfallumstände hinzutreten1188. Die in § 569 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 BGB für die Wohnraummiete geregelte Grenze von einer Monatsmiete erlaubt zwar den Erst-recht-Schluss, dass bei vermietetem Gewerberaum jedenfalls ein Rückstand von über einer Monatsmiete nicht als unerheblich angesehen werden kann. Dass Rückstände unterhalb dieser Schwelle keinesfalls als erheblich einzustufen sind, lässt sich dem jedoch nicht entnehmen. Anderenfalls, also wenn § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 lit. a Alt. 2 BGB stets nur bei einem Rückstand von über einer Monatsmiete anwendbar wäre, hätte es der speziellen Schutzvorschrift für Wohnraummieter in § 569 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 BGB nicht bedurft. Allerdings beinhaltet diese Bestimmung die allgemeine Wertung des Gesetzgebers, dass ein Rückstand für sich genommen regelmäßig erst ab der im Gesetz genannten Grenze zur außerordentlichen fristlosen Kündigung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 lit. a Alt. 2 BGB berechtigen soll. Diese Einschätzung korrespondiert zum einen mit der anderen in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 lit. a BGB enthaltenen Regelung, wonach Kündigungsgrund die Nichtentrichtung zweier voller Monatsmieten ist. Mit Blick darauf erscheint es sachgerecht, für die Erheblichkeit teilweiser Nichtzahlungen regelmäßig zumindest die Hälfte dessen, mithin also eine Monatsmiete, zu verlangen. Sie wird zum anderen dadurch gerechtfertigt, dass die außerordentliche fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung möglich ist (§ 543 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BGB). Diese einschneidende Sanktion erfordert im Regelfall mindestens eine offene Monatsmiete.

328a Um ausnahmsweise auch bei einem geringeren Rückstand zur Erheblichkeit zu gelangen, bedarf es

daher des Hinzutretens besonderer Umstände des Einzelfalls, die den Schluss auf die Erheblichkeit im betreffenden Mietverhältnis zulassen. In der Gewerberaummiete können hierfür neben der Kreditwürdigkeit des Mieters1189 insbesondere die finanzielle Situation des Vermieters und die Auswirkungen des konkreten Zahlungsrückstands auf diese Bedeutung erlangen.

1183 Staudinger/Emmerich, § 543 BGB Rz. 101. 1184 Oprée in Lindner-Figura u.a., Kap. 15 Rz. 230. 1185 BGH v. 25.3.1987 – VIII ZR 71/86, MDR 1987, 838 = NJW 1987, 2506 = BGH v. 15.4.1987 – VIII ZR 126/ 86, MDR 1987, 928 = NJW-RR 1987, 903. 1186 BGH v. 23.7.2008 – XII ZR 134/06, MietRB 2008, 355 = MDR 2008, 1265 = ZMR 2009, 19. 1187 BGH v. 23.7.2008 – XII ZR 134/06, MietRB 2008, 355 = MDR 2008, 1265 = ZMR 2009, 19. 1188 BGH v. 13.5.2015 – XII ZR 65/14, MietRB 2015, 231 = MDR 2015, 878 = WuM 2015, 619. 1189 BeckOK BGB/Ehlert, § 543 BGB Rz. 25a; Bub/Treier/Grapentin, IV Rz. 374; NK-BGB/Klein-Blenkers, § 543 BGB Rz. 38; Oprée in Lindner-Figura u.a., Kap. 15 Rz. 217; Palandt/Weidenkaff, § 543 BGB Rz. 24.

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C. Gewerberaummiete | Rz. 333 § 543

4. Aufrechnung nach § 543 Abs. 2 S. 3 BGB Das Bestehen einer Aufrechnungsbeschränkung ist hier unbeachtlich. Liegt also z.B. ein wirksames 329 Aufrechnungsverbot vor, das die Aufrechnung nur mit rechtskräftig festgestellten oder unstreitigen Forderungen zulässt, läuft eine Aufrechnung leer. 5. Kündigungssperre im Insolvenzverfahren § 112 InsO, der auch bei Mietkauf gilt1190, verbietet die Kündigung wegen Mietrückständen, die vor 330 Beantragung des Insolvenzverfahrens aufgelaufen sind, in zwei Fällen, nämlich – wenn der Mieter bereits vor dem Insolvenzantrag mit den Mietzahlungen in Verzug geraten war, – wenn die Vermögensverhältnisse des Mieters sich verschlechtern. Die Vorschrift gilt auch für die private Wohnung des Schuldners und wirkt auch zugunsten eines Mit- 331 mieters1191. Gibt der Insolvenzverwalter die Wohnung nach § 109 Abs. 1 S. 2 InsO frei, fällt die Kündigungssperre (rückwirkend) fort. Eine wegen § 112 InsO unwirksame Kündigung lebt in diesem Fall aber nicht wieder auf. Vielmehr kann der Vermieter (ggf. erneut) wegen der Rückstände, die vor Antragstellung aufgetreten sind, kündigen1192. Da die unbedingte Kündigung als Willenserklärung mit ihrem Zugang beim Empfänger wirksam wird 332 (§ 130 BGB), bleiben bereits ausgesprochene Kündigungen, die vor dem Eingang des Insolvenzantrages beim Amtsgericht zugegangen sind, wirksam1193. Andererseits wird dem Vermieter das schon entstandene Kündigungsrecht genommen, wenn zwar sämtliche Kündigungsvoraussetzungen bei Antragstellung vorlagen, er aber noch nicht gekündigt hatte1194. Dies veranschaulicht der Sachverhalt der Entscheidung des KG vom 10.3.20031195: Mit Schreiben vom 12.1.2001 erklärte der Kläger gegenüber der Fa. A. die Kündigung wegen Zahlungsverzuges, sofern der Ausgleich des Rückstandes nicht bis zum 20.1.2001 erfolgt sei. Am 15.1.2001 wurde Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Fa. A. gestellt. Die Beklagte, die sich für Mietforderungen gegenüber dem Kläger verbürgt hat, ist der Auffassung, der Mietvertrag sei durch die Kündigung vom 12.1.2001 beendet. Die Erklärung vom 12.1.2001 ist als Kündigung unter einer zulässigen Bedingung (sog. Potestativbedingung) auszulegen, weil der Eintritt der Kündigungswirkung allein vom Willen des Mieters abhing. Als maßgeblicher Zeitpunkt für die Kündigungssperre, die nach § 112 InsO mit der Antragstellung verbunden ist, ist auf den Eintritt der Bedingung (hier: 20.1.2001) abzustellen. Denn erst zu diesem Zeitpunkt hat die Kündigung Wirkung entfalten sollen. § 112 InsO verbietet aber Kündigungen wegen vor Antragstellung aufgelaufener Mietrückstände. Wenn bis zum 20.1.2001 aber ungewiss gewesen war, ob die Kündigung wirksam wurde, konnte der Eintritt der Bedingung nicht auf den Zeitpunkt des Zugangs zurückwirken, wenn inzwischen ein Antrag auf Insolvenzeröffnung gestellt wurde. Da der Kündigungsschutz des § 112 InsO bisherige Sanierungschancen erhalten soll, indem die wirtschaftliche Einheit im Besitz des Schuldners nicht vorzeitig auseinandergerissen wird1196, ist es konsequent, die Rückwirkung der unter einer Potestativbedingung erklärten Kündigung zu verbieten, wenn zwischenzeitlich eine Antragstellung nach der InsO erfolgt ist. Der geschilderte Fall ist mit der (unbedingten) Kündigung unter Gewährung einer dem § 569 Abs. 3 333 BGB nachgebildeten Schonfrist nicht vergleichbar1197. Denn dabei hat der Mieter die Möglichkeit, die unbedingt eingetretenen Wirkungen der Kündigung nachträglich zu heilen. Hier greift die Sperre des § 112 InsO ebenso wenig ein wie in dem Fall, in dem der Vermieter die Kündigung wegen Zahlungsverzuges mit einer Kündigungsfrist ausspricht.

1190 OLG Düsseldorf v. 17.11.2008 – 24 U 51/08, ZMR 2009, 601. 1191 AG Köln v. 11.9.2009 – 205 C 158/09, NZM 2010, 473. 1192 BGH v. 17.6.2015 – VIII ZR 19/14, MietRB 2015, 291 = MietRB 2015, 294 = MDR 2015, 876 = GE 2015, 1089. 1193 Franken, Rz. 175. 1194 Kübler/Prütting, § 112 InsO Rz. 8. 1195 KG v. 10.2.2003 – 8 U 140/02, KGR 2003, 740 = GE 2004, 104 = MietRB 2004, 73. 1196 Kübler/Prütting, § 112 InsO Rz. 1. 1197 Vgl. dazu MünchKomm/Eckert, § 112 InsO Rz. 21; Wimmer in Frankfurter Kommentar, § 112 InsO Rz. 8.

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§ 543 Rz. 334 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund 334 Ob die Sperre auch für andere Kündigungsgründe, bei denen ein Zusammenhang mit der Zahlungs-

pflicht besteht (z.B. wegen unpünktlicher Mietzahlungen) gilt1198, ist noch nicht geklärt. Für rückständige Nebenkostenforderungen soll sie jedenfalls nicht gelten1199. Das Recht zur ordentlichen Kündigung und zur fristlosen Kündigung aus anderen als den in § 112 InsO genannten Gründen bleibt unberührt. 335 Ist ein Treuhänder bestellt, der die Aufgaben des Insolvenzverwalters wahrnimmt (§§ 80 Abs. 1, 108 f.,

148, 304 Abs. 1, 313 InsO), ist er der richtige Kündigungsempfänger1200.

II. Abmahnung 336 Das Abmahnerfordernis nach § 543 Abs. 3 BGB gilt ohne Einschränkung auch im Gewerberaum-

mietrecht. Ihm gleichgestellt ist die Fristsetzung. 337 Keine Abmahnung ist z.B. erforderlich, wenn der Mieter sich weigert, dem Vermieter Einsicht in die

testierten Jahresabschlüsse und andere Umsatznachweise zu gewähren, obwohl die Parteien eine Umsatzmiete vereinbart haben und sich der Mieter zur Meldung der Umsätze verpflichtet hat1201.

Anhang zu § 543: Mietrecht in der COVID-19-Pandemie Art. 240 EGBGB Gesetz über vertragsrechtliche Regelungen aus Anlass der COVID-19-Pandemie §1 Moratorium (1) … (4) Die Absätze 1 und 2 gelten ferner nicht 1. im Zusammenhang mit Miet-, Pacht- und Darlehensverträgen sowie … §2 Beschränkung der Kündigung von Miet- und Pachtverhältnissen (1) Der Vermieter kann ein Mietverhältnis über Grundstücke oder über Räume nicht allein aus dem Grund kündigen, dass der Mieter im Zeitraum vom 1.4.2020 bis 30.6.2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Der Zusammenhang zwischen COVID-19-Pandemie und Nichtleistung ist glaubhaft zu machen. Sonstige Kündigungsrechte bleiben unberührt. (2) Von Absatz 1 kann nicht zum Nachteil des Mieters abgewichen werden. (3) Die Absätze 1 und 2 sind auf Pachtverhältnisse entsprechend anzuwenden. (4) Die Absätze 1 bis 3 sind nur bis zum 30.6.2022 anzuwenden. I. II. III. IV. V. 1. 2.

1198 1199 1200 1201

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichende Vereinbarungen . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ratenzahlungsvereinbarungen . . . . . . . . . . .

1 4 6 7 8 8 13

VI. VII. 1. 2. 3.

So Minuth/Wolf, NZM 1999, 289. LG Karlsruhe v. 13.2.2003 – 5 S 149/02, NZM 2004, 137. LG Karlsruhe v. 13.2.2003 – 5 S 149/02, NZM 2004, 137. LG Berlin v. 25.3.2011 – 12 O 449/10, GE 2011, 690.

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a) Am 1.4.2020 bestehende Vereinbarungen . b) Vereinbarung ab 1.4.2020 . . . . . . . . . . . . . . Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kündigungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erfasste Kündigungstatbestände . . . . . . . . . . Miete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Relevanter Zeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

14 16 19 21 22 26 31

§ 543 Rz. 334 | Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund 334 Ob die Sperre auch für andere Kündigungsgründe, bei denen ein Zusammenhang mit der Zahlungs-

pflicht besteht (z.B. wegen unpünktlicher Mietzahlungen) gilt1198, ist noch nicht geklärt. Für rückständige Nebenkostenforderungen soll sie jedenfalls nicht gelten1199. Das Recht zur ordentlichen Kündigung und zur fristlosen Kündigung aus anderen als den in § 112 InsO genannten Gründen bleibt unberührt. 335 Ist ein Treuhänder bestellt, der die Aufgaben des Insolvenzverwalters wahrnimmt (§§ 80 Abs. 1, 108 f.,

148, 304 Abs. 1, 313 InsO), ist er der richtige Kündigungsempfänger1200.

II. Abmahnung 336 Das Abmahnerfordernis nach § 543 Abs. 3 BGB gilt ohne Einschränkung auch im Gewerberaum-

mietrecht. Ihm gleichgestellt ist die Fristsetzung. 337 Keine Abmahnung ist z.B. erforderlich, wenn der Mieter sich weigert, dem Vermieter Einsicht in die

testierten Jahresabschlüsse und andere Umsatznachweise zu gewähren, obwohl die Parteien eine Umsatzmiete vereinbart haben und sich der Mieter zur Meldung der Umsätze verpflichtet hat1201.

Anhang zu § 543: Mietrecht in der COVID-19-Pandemie Art. 240 EGBGB Gesetz über vertragsrechtliche Regelungen aus Anlass der COVID-19-Pandemie §1 Moratorium (1) … (4) Die Absätze 1 und 2 gelten ferner nicht 1. im Zusammenhang mit Miet-, Pacht- und Darlehensverträgen sowie … §2 Beschränkung der Kündigung von Miet- und Pachtverhältnissen (1) Der Vermieter kann ein Mietverhältnis über Grundstücke oder über Räume nicht allein aus dem Grund kündigen, dass der Mieter im Zeitraum vom 1.4.2020 bis 30.6.2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Der Zusammenhang zwischen COVID-19-Pandemie und Nichtleistung ist glaubhaft zu machen. Sonstige Kündigungsrechte bleiben unberührt. (2) Von Absatz 1 kann nicht zum Nachteil des Mieters abgewichen werden. (3) Die Absätze 1 und 2 sind auf Pachtverhältnisse entsprechend anzuwenden. (4) Die Absätze 1 bis 3 sind nur bis zum 30.6.2022 anzuwenden. I. II. III. IV. V. 1. 2.

1198 1199 1200 1201

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichende Vereinbarungen . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ratenzahlungsvereinbarungen . . . . . . . . . . .

1 4 6 7 8 8 13

VI. VII. 1. 2. 3.

So Minuth/Wolf, NZM 1999, 289. LG Karlsruhe v. 13.2.2003 – 5 S 149/02, NZM 2004, 137. LG Karlsruhe v. 13.2.2003 – 5 S 149/02, NZM 2004, 137. LG Berlin v. 25.3.2011 – 12 O 449/10, GE 2011, 690.

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a) Am 1.4.2020 bestehende Vereinbarungen . b) Vereinbarung ab 1.4.2020 . . . . . . . . . . . . . . Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kündigungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erfasste Kündigungstatbestände . . . . . . . . . . Miete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Relevanter Zeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

14 16 19 21 22 26 31

II. Regelungsgehalt | Rz. 4 Anhang zu § 543 4. Fälligkeit der Miete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 5. Zusammenhang mit Covid-19-Pandemie . . 40 a) Darlegung von Tatsachen . . . . . . . . . . . . . . 40 b) Glaubhaftmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 c) Veränderung der Umstände . . . . . . . . . . . . 50 d) Prozessuale Auswirkungen . . . . . . . . . . . . 53 e) Veräußerung der Mietsache . . . . . . . . . . . . 56 6. Sonstige Kündigungstatbestände . . . . . . . . . 57 a) Kündigungsrechte des Vermieters . . . . . . . 57 aa) Kollision von Satz 3 und Satz 1 in Art. 240 § 2 Abs. 1 EGBGB . . . . . . . . . 57 bb) Verletzung einer Betriebspflicht . . . . . 61 cc) Nichtzahlung der Mietsicherheit . . . . 64 dd) Weitere Kündigungstatbestände . . . . . 71 b) Kündigungsrechte des Mieters . . . . . . . . . 74 VIII. Pflicht zur Inanspruchnahme staatlicher Hilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 1. Bestehen einer Antragspflicht . . . . . . . . . . . . 78 2. Abtretung der staatlichen Hilfeleistung . . . 81 IX. Das Schicksal des Mietzahlungsanspruchs . 85 X. Rechtslage vom 1.7.2020 bis zum 30.6.2022 90 1. Kündigung wegen Zahlungsverzuges . . . . . . 90 2. Mietzahlungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 3. Verhältnis zu § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB . . . . . 93 XI. Sonstige Rechte der Parteien . . . . . . . . . . . . . 103

1. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mangel der Mietsache/Minderung der Miete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schließung/Beschränkung der Öffnungszeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Shopping-Center . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verschließen der Zugänge . . . . . . . (2) Schließung der überwiegenden Zahl der Geschäfte . . . . . . . . . . . . . cc) Einrichtung von Home-Office . . . . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anpassung der Miete nach § 313 BGB . . . . c) Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Mitwirkungspflichten des Vermieters . . . . . e) Kündigungsrecht des Mieters . . . . . . . . . . . aa) § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . bb) § 543 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) § 540 Abs. 1 Satz 2 BGB . . . . . . . . . . . . 2. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mangel der Mietsache . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ausgangssperre/Kontaktverbot . . . . . . bb) Nicht vorhandene Einrichtung für ein Home-Office . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Störung des Internetempfangs . . . . . . . dd) Schließung von Spiel- und Bolzplätzen b) Mitwirkungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . .

103 103 105 112 112 115 117 119 120 123 124 128 130 133 134 138 138 138 142 149 151 155

I. Allgemeines Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der CO- 1 VID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht am 25.3.2020 verabschiedet1. Danach wurden im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) diverse Vorschriften platziert, die vorübergehend die Folgen der staatlichen Anordnungen aufgrund des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) für die Wirtschaft und Verbraucher abfedern sollen. Für das Zivilrecht wurden in Art. 240 EGBGB besondere Regelungen eingeführt, welche Schuldnern, die wegen der COVID-19-Pandemie ihre vertraglichen Pflichten nicht erfüllen können, im Ausgangspunkt generell die Möglichkeit einräumen, die Leistung einstweilen zu verweigern oder einzustellen, ohne dass hieran für sie (zunächst) nachteilige rechtliche Folgen geknüpft werden. Für das Mietrecht hielt der Gesetzgeber ein solches vorübergehendes Leistungsverweigerungsrecht nicht für zielführend, sondern beschloss eine Kündigungssperre. Hier bietet sich aber vielen Mietern die Möglichkeit, staatliche Sofort-Hilfen in Anspruch zu nehmen, um die Mietschulden bezahlen zu können2. Diese Regelungen sind in Art. 5 des Gesetzes, mit dem Art. 240 EGBGB eingeführt wurde, enthalten, 2 in dem die für das Zivilrecht bestimmten Ausnahmevorschriften zeitlich befristet zusammengefasst sind. Für Mietverhältnisse wurden die Bestimmungen in Art. 240 § 2 EGBGB gebündelt. Gemäß Art. 6 des Gesetzes sind die Vorschriften des Art. 5 zum 1.4.2020 in Kraft getreten.

3

II. Regelungsgehalt Da das Leistungsverweigerungsrecht nach Art. 240 § 1 EGBGB nach dessen Abs. 4 für Miet- und Pacht- 4 verhältnisse nicht gilt3, sichert Art. 240 § 2 EGBGB den Mietern von Grundstücken sowie Räumen, die zu privaten oder gewerblichen Zwecken angemietet sind, Kündigungsschutz in der Form, dass der nicht 1 BGBl. I v. 27.3.2020, S. 569. 2 www.bmwi.de. 3 Vgl. auch Klimesch/Walther, ZMR 2020, 354.

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Anhang zu § 543 Rz. 4 | Mietrecht in der COVID-19-Pandemie gezahlte Mieten aus der Zeit vom 1. April bis 30.6.2020 bis zum 30.6.2022 nicht Grundlage einer Kündigung wegen Zahlungsverzugs sein sollen. Denn entweder gelten in diesem Zeitraum die infolge der COVID-19-Pandemie auf der Grundlage des IfSG erlassenen behördlichen Beschränkungen4 oder es herrschen noch die im Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzes abzusehenden weitreichenden wirtschaftlichen Einbußen bei den Mitgliedern der relevanten Mieterkreise. 5 Diese Einbußen können sich unmittelbar insbesondere bei Solo-Selbständigen und Kleinstunterneh-

mern, aber auch bei privaten Mietern auf ihre Leistungsfähigkeit auswirken, was sie grundsätzlich gegenüber einer Kündigung wegen Zahlungsverzuges nicht schützt5. Deshalb droht vielen Mietern der Verlust der Mietsache. Dieses Risiko beruht letztlich auf staatlichen Anordnungen. Deshalb legt der Gesetzgeber ein vorübergehendes Schutzschild über die einschlägigen Mietverhältnisse für den Fall, dass ein Zusammenhang zwischen der mangelnden Leistungsfähigkeit des Mieters und den Auswirkungen der aufgrund der COVID-19-Pandemie erlassenen Anforderungen nicht auszuschließen ist.

III. Zweck der Vorschrift 6 Durch Art. 240 § 2 Abs. 2 EGBGB soll verhindert werden, dass die zu erwartenden negativen wirtschaft-

lichen Auswirkungen infolge der COVID-19-Pandemie dazu führen, dass Mieter die Wohnräume und Gewerbetreibende die angemieteten Räume und Flächen und damit die Grundlage ihrer Erwerbstätigkeit verlieren6. Letzteres gilt für die Wohnraummiete entsprechend. Denn die wirtschaftlichen Auswirkungen können die private Existenz in der gleichen Weise tangieren, so dass zu befürchten ist, dass der Mieter, für den die Wohnung i.d.R. die Grundlage seines Lebensmittelpunktes darstellt, einen wichtigen Bezugspunkt verliert.

IV. Anwendungsbereich 7 Art. 240 § 2 Abs. 2 EGBGB ist auf alle Mietverhältnisse über Grundstücke sowie Wohn- oder Ge-

werberaum anwendbar. Dabei ist es gleichgültig, ob die Mietverträge zu Beginn des Schutzzeitraums am 1.4.2020 bereits bestanden oder erst danach geschlossen wurden. Die Vorschrift ist grundsätzlich auf alle einschlägigen Mietverträge anwendbar, die im relevanten Zeitraum bestehen. Art. 240 § 2 Abs. 3 EGBGB erweitert den Anwendungsbereich der Kündigungssperre auf Pachtverträge. Dabei wird keine Differenzierung getroffen. Im Hinblick auf Art. 240 § 2 Abs. 1 EGBGB ist der Anwendungsbereich aber auf solche Pachtverträge über Grundstücke und Räume beschränkt, so dass auch die Landpacht geschützt ist.

V. Abweichende Vereinbarungen 1. Allgemeines 8 Art. 240 § 2 Abs. 2 EGBGB verbietet abweichende Vereinbarungen zum Nachteil des Mieters. Die Ge-

setzesbegründung weist ausdrücklich darauf hin, dass dieses Verbot auch für Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gelten soll7. Damit soll eine ähnliche Unsicherheit vermieden werden, wie sie mit der Einführung des Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB im Jahre 2001 hervorgerufen wurde8 und zum Erlass des BGH-Korrekturgesetzes9 geführt hat, vermieden werden. Ergänzend ist auf die Corona-

4 Für NRW z.B. u.a.: https://www.land.nrw/sites/default/files/asset/document/200317_fortschreibung_der_erlas se_15._und_17.3.2020_kontaktreduzierende_massnahmen.pdf. 5 BGH v. 4.2.2015 – VIII ZR 175/14, MDR 2015, 327 = WuM 2015, 152. 6 BT-Drucks. 19/18110, S. 42. 7 BT-Drucks. 19/18110, S. 42. 8 BGH v. 18.6.2003 – VIII ZR 240/02, MDR 2003, 1106 = NJW 2003, 2739. 9 BGBl. I 2005, S. 1425.

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V. Abweichende Vereinbarungen | Rz. 14 Anhang zu § 543

schutzverordnungen der Bundesländer zu verweisen10. Darin wird die Abhaltung von diversen Veranstaltungen, Messen etc. verboten. Soweit Mietverträge dagegen verstoßen, können sie unwirksam sein11. Da Abs. 1 von Art. 240 § 2 EGBGB sowohl für Wohn- als auch für Gewerberaum gilt12, sind also die 9 Mieter beider Mietvertrags-Gattungen geschützt unabhängig davon, ob die abweichende Vereinbarung individuell ausgehandelt oder vom Vermieter für eine Vielzahl von Fällen gestellt wurde. Ob dies auch für Mietvertragsmuster gilt, die vom Mieter gestellt wurden, wie dies in der Gewerberaummiete häufig von Filialisten erfolgt kann dahinstehen. Es ist kaum denkbar, dass dieser Verwender i.S.d. § 305 BGB Klauseln vorgesehen hat, die selbst bei kundenfeindlichster Auslegung den Vermieter unter allen Umständen zur Kündigung wegen Zahlungsverzuges berechtigten. Die Einschränkung der Vertragsfreiheit soll unabhängig davon gelten, zu welchem Zeitpunkt eine zum 10 Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung getroffen wurde. Damit sind auch Klauseln in Mietverträgen erfasst, die vor dem 1.4.2020 vereinbart wurden. Dies kollidiert nicht mit dem aus Art. 20 GG herzuleitenden Verbot echter Rückwirkung von Gesetzen. Denn der damit verbundene Vertrauensschutz gilt nur für solche Vertragsbestimmungen, die abgeschlossene Sachverhalte regulieren13. Abgesehen davon, dass dem EGBGB nur ein vorübergehender Charakter in einer Ausnahmesituation beikommt, würde ein Verstoß gegen das Verbot echter Rückwirkung nur vorliegen, wenn ein vor dem 1.4.2020 entstandener Kündigungstatbestand wegen Zahlungsverzug erfasst wäre. Das ist gerade nicht der Fall. Denn in der Begründung des Gesetzes wird ausdrücklich klargestellt, dass die Wirksamkeit von Kündigungsrechten für Zahlungsrückstände, die vor dem 1.4.2020 angefallen sind oder nach dem 30.6.2020 anfallen, unberührt bleibt14. Zum Nachteil des Mieters weicht eine Vereinbarung von Art. 240 § 2 Abs. 1 EGBGB ab, wenn sie den 11 Mieter in Bezug auf den dort beschriebenen Kündigungsschutz schlechter stellt. Das ist insbesondere der Fall, wenn eine Regelung den Kündigungsschutz ausschließt, aber auch unter bestimmten Bedingungen zulässt. Die Verschärfung der Tatsachen, die den Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie begründen können, ist ebenso für den Mieter nachteilig wie eine Erschwerung der Glaubhaftmachung. Im Übrigen können bei der Bewertung des Nachteils auch Vorteile berücksichtigt werden15, sodass eine Benachteiligung durch eine vorteilhafte Klausel grundsätzlich aufgefangen werden kann. Es ist aber kaum vorstellbar, dass dem Mieter vertraglich ein Vorteil eingeräumt wird, der dem durch Gesetz angeordneten Verbot der Kündigung wegen Zahlungsverzuges gleich- oder sogar höherwertig ist. In welcher Art und Weise die abweichenden Vereinbarungen zustandegekommen sind, ist unerheblich. 12 Es werden nicht nur abweichende Bestimmungen in Mietverträgen oder Nachträgen erfasst, sondern unabhängig vom Zeitpunkt der Vereinbarung alle mündlich, konkludent oder schriftlich vereinbarten Regelungen, die dem Kündigungsschutz für die Zeit vom 1.4.2020 bis zum 30.6.2020 entgegenstehen könnten.

2. Ratenzahlungsvereinbarungen Ein besonderes Problem könnte sich für Ratenzahlungsvereinbarungen stellen.

13

a) Am 1.4.2020 bestehende Vereinbarungen Laufende Ratenzahlungsvereinbarungen über Mietrückstände aus der Zeit vor dem 1.4.2020 bleiben 14 wirksam, auch wenn sie im Zeitraum von April bis Juni 2020 bedient werden müssen. Sieht die Vereinbarung als Sanktion für die Nichtleistung von Raten die Durchsetzung eines bestehenden Räumungs-

10 11 12 13

Z.B. GV.NRW 2020, 220a f. (beachte die fortlaufende Änderung der Verordnungen). Leo/Götz, NZM 2020, 402 (404). Blank/Börstinghaus, § 535 BGB Rz. 736. BGH v. 24.6.2009 – XII ZR 145/07, MDR 2009, 1098 = GE 2009, 1039 = ZMR 2009, 837; BGH v. 9.3.2005 – VIII ZR 381/03, MDR 2005, 1044 = WuM 2005, 404 = ZMR 2005, 686. 14 BT-Drucks. 19/18110, S. 42. 15 Lehmann-Richter, WuM 2020, 3.

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Anhang zu § 543 Rz. 14 | Mietrecht in der COVID-19-Pandemie anspruchs vor, tangiert das die Wirksamkeit der Vereinbarung nicht, Art. 240 § 2 Abs. 2 EGBGB verbietet nur die Kündigung. 15 Das ist anders zu beurteilen, wenn die Vereinbarung zur Ratenzahlung als Sanktion ein Recht des Ver-

mieters zur Kündigung des Mietvertrages wegen Zahlungsverzuges vorsieht. Werden davon auch die im Zeitraum April bis Juni 2020 fälligen Raten erfasst, ist §§ 134 BGB, Art. 240 § 2 Abs. 4 EGBGB mit der Einschränkung anwendbar, dass die Regelung über die Sanktion insoweit unwirksam ist, als der Vermieter dadurch zur Kündigung auch wegen rückständiger Raten aus dem 2. Quartal 2020 berechtigt sein könnte. Denn bei Verbotsgesetzen nach § 134 BGB richtet sich der Umfang der Unwirksamkeit nach dem Zweck des Verbotsgesetzes16. Der Zweck des Art. 240 § 2 Abs. 1 EGBGB beschränkt sich aber gerade auf diesen Zeitraum. Art. 240 § 2 Abs. 2 EGBGB ist insoweit einschlägig. Zwar werden Raten auf frühere Rückstände gezahlt. Es handelt sich aber um Mietzahlungen, die aufgrund der Stundungsvereinbarung im relevanten Zeitraum zu zahlen sind. b) Vereinbarung ab 1.4.2020 16 Hier ist Art. 240 § 2 Abs. 4 EGBGB zu beachten. Daraus ist zu entnehmen, dass der Mieter über

2 Jahre, nämlich bis 30.6.2022 Zeit haben soll, den in der Zeit von April bis Juni 2020 entstandenen Rückstand zu tilgen17. 17 Diesem Zweck könnte eine Ratenzahlungsvereinbarung zuwiderlaufen, die über Mietrückstände aus

dem 2. Quartal 2020 getroffen wird und durch die eine Tilgung vor Ablauf des Monats Juni 2022 erreicht würde. Indessen kann Art. 240 § 2 Abs. 4 EGBGB nicht als Verbotsgesetz i.S.v. § 134 BGB gewertet werden. Daher können nach dem 1.4.2020 auch Ratenzahlungsvereinbarungen getroffen werden, die zu einer Tilgung der Forderung vor dem 30.6.2022 führen. 18 Unwirksam wäre eine solche Ratenzahlungsvereinbarung allerdings nach §§ 134 BGB, Art. 240 2 Abs. 2

EGBGB, wenn sie als Sanktion die Kündigung des Vermieters wegen Zahlungsverzuges vor dem 30.6.2022 zulassen würde. Dies würde dem klaren Wortlaut des Art. 240 § 2 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 EGBGB widersprechen. Das wäre allenfalls unbeachtlich, wenn Art. 240 § 2 Abs. 4 EGBGB abdingbar wäre. Das ist aber nicht der Fall, auch wenn die Stellung der Regelung im Gefüge der Vorschrift einen anderen Eindruck erwecken könnte. Abgesehen davon, dass damit eben auch der in Bezug genommene Art. 240 § 2 Abs. 2 EGBGB entgegen seinem Wortlaut abdingbar würde, handelt es sich um eine der Dispositionsfreiheit der Parteien entzogene Gültigkeitsregelung über eine gesetzliche Vorschrift.

VI. Prozessuales 19 Art. 240 § 2 EGBGB begründet keine Einrede, die der Mieter im Prozess geltend machen muss. Viel-

mehr handelt es sich um eine Einwendung, die von Amts wegen zu berücksichtigen ist. Erheblich ist ein Vortrag über den Zusammenhang der Leistungsunfähigkeit mit der COVID-19-Pandemie allein gegenüber einer Räumungsklage des Vermieters. 20 Hat der Vermieter außergerichtlich aufgefordert, den Zusammenhang zu erläutern und/oder glaubhaft

zu machen, und der Mieter nicht (ausreichend) reagiert, verliert der Mieter nicht sein Recht, den Zusammenhang in der von Art. 240 § 2 EGBGB notwendigen Weise darzustellen und glaubhaft zu machen. Vielmehr bleibt eine Kündigung, die der Vermieter natürlich auch ohne eine solche Aufforderung erklären kann, zunächst schwebend wirksam. Erhebt der Vermieter Räumungsklage und trägt der Mieter unter ausreichender Glaubhaftmachung die notwendigen Tatsachen im Prozess vor, erledigt sich die Räumungsklage nach § 91a ZPO. Im Prozess gelten insoweit keine höheren Anforderrungen an den beweisbelasteten Mieter. Da sich der Mieter mit den Nachweisen seiner Leistungsunfähigkeit bzw. mit der Kausalität zur COVID-19-Pandemie aber in Verzug befand, sind ihm nach billigem Ermessen die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

16 Palandt/Ellenberger, 78. Aufl. § 134 BGB Rz. 19. 17 BT-Drucks. 19/18110, S. 42.

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VII. Kündigungsverbot | Rz. 26 Anhang zu § 543

VII. Kündigungsverbot Art. 240 § 2 Abs. 1 EGBGB ist das Kernstück der Regelung. Die Vorschrift zeigt auf, unter welchen 21 Voraussetzungen der gesetzliche Kündigungsschutz vorübergehend gewährt wird.

1. Erfasste Kündigungstatbestände Die Vorschrift unterscheidet nicht nach den verschiedenen Kündigungsarten i.S.v. § 542 BGB. Aller- 22 dings wird in der Begründung für den Fall des Ausbleibens von Mietzahlungen nur das Recht des Vermieters zur fristlosen Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB erörtert18. Eine solche Beschränkung des Kündigungsverbots auf die Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB lässt sich dem Wortlaut jedoch nicht entnehmen. Deshalb sind alle Tatbestände, die aufgrund eines Rückstandes mit der Miete in Betracht kommen, von dem Kündigungsverbot des Art. 240 § 2 Abs. 1 EGBGB erfasst. Der Rückstand mit fälliger Miete kann zunächst das Recht des Vermieters zur außerordentlichen frist- 23 losen Kündigung aus wichtigem Grund begründen. Unabhängig von besonderen vertraglichen Regelungen sieht das Gesetz in § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB für diesen Fall mehrere Varianten vor. Danach ist eine außerordentliche fristlose Kündigung zulässig, – sobald der Mieter an zwei aufeinanderfolgenden Terminen keine Miete zahlt, – durch die Zahlungsweise des Mieters in zwei aufeinanderfolgenden Terminen ein nicht unerheblicher Rückstand entsteht, – über einen längeren Zeitraum ein Rückstand entsteht, der zwei Monatsmieten erreicht. Der Vermieter kann wegen Zahlungsrückständen entweder selbständig oder in Verbindung mit einer 24 fristlosen Kündigung hilfsweise nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB ordentlich kündigen. Für die danach erforderliche schuldhafte nicht unerhebliche Pflichtverletzung muss sich der Mieter i.d.R. mit einer Miete über die Dauer von einem Monat mit Mietzahlungen schuldhaft in Rückstand befinden19. Daneben ist im Einzelfall zu prüfen, ob ein Verschulden des Mieters vorliegt und trotz besonderer Umstände die Annahme einer ausreichenden Erheblichkeit der Pflichtverletzung gerechtfertigt ist. Vom Wortlaut wird auch die Kündigung wegen unpünktlicher Mietzahlung erfasst, die sowohl als frist- 25 lose als auch (ggfs. hilfsweise) ordentliche Kündigung ausgesprochen werden kann20. Hat der Mieter bereits vor dem 2. Quartal 2020 unpünktliche Mietzahlungen geleistet und wurde abgemahnt (§ 543 Abs. 3 BGB), kommt es darauf an, ob die unpünktlichen Zahlungen vor dem 1.4.2020 ausreichen, um den Kündigungstatbestand zu erfüllen. Ist das nicht der Fall, eine Kündigung nicht (auch) auf die verspäteten Zahlungen im 2. Quartal 2020 gestützt werden. Das gilt bis 30.6.2022, Art. 240 § 2 EGBGB. Der Kündigungstatbestand lebt aber wieder auf, wenn der Mieter auch nach dem 30.6.2020 keine vertragsgerechten Zahlungen leistet.

2. Miete In materieller Hinsicht beschränkt sich der Wortlaut von Art. 240 § 2 Abs. 1 EGBGB das Kündigungs- 26 verbot auf den Rückstand mit Mieten i.S.v. § 535 Abs. 2 BGB. In der Regel handelt es sich um die laufend nach den Vereinbarungen im Mietvertrag (einschließlich der letzten Mieteränderung) geschuldete Miete. Erfasst werden dabei alle Formen der Miete, also z.B. Nettokaltmiete mit Betriebskostenvorauszahlungen, Bruttomiete und Umsatzmiete. 18 BT-Drucks. 19/18110, S. 2. 19 BGH v. 10.10.2012 – VIII ZR 107/12, MDR 2013, 24 = WuM 2012, 682 = NZM 2013, 20; LG Berlin v. 7.7.2014 – 18 S 64/14, GE 2014, 1590; LG Berlin v. 1.3.2012 – 67 S 42/11, GE 2012, 548; LG Berlin v. 18.4.2011 – 67 S 502/10, GE 2011, 691. 20 BGH v. 1.6.2011 – VIII ZR 191/10, MDR 2011, 840 = WuM 2011, 418 = ZMR 2011, 708; BGH v. 21.10.2009 – VIII ZR 64/09, WuM 2009, 736; BGH v. 4.2.2009 – VIII ZR 66/08, MDR 2009, 558 = WuM 2009, 228; BGH v. 28.11.2007 – VIII ZR 145/07, MDR 2008, 258 = WuM 2008, 31; BGH v. 19.1.2007 – V ZR 26/06, MDR 2007, 799 = WuM 2007, 155; BGH v. 11.1.2006 – VIII ZR 364/04, MDR 2006, 864 = WuM 2006, 193.

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Anhang zu § 543 Rz. 27 | Mietrecht in der COVID-19-Pandemie 27 Eine Ausnahme muss bei atypischer Gegenleistung nicht unbedingt gelten. Darunter fällt beispiels-

weise die Wohnung des Hausmeisters, der die „Miete“ durch die Ableistung seiner Dienste erbringt. Insoweit ist vorstellbar, dass z.B. bei einem Hausmeister wegen eines positiven Tests auf COVID-19 die „Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht“. In diesem Fall ist auch die Kündigung nach § 576 Abs. 1 Nr. 2 BGB ausgeschlossen. Denn es ist mit dem Zweck des Art. 240 § 2 Abs. 1 BGB nicht vereinbar, dass der Mieter seine Wohnung infolge der Auswirkungen der COVID-19Pandemie verliert, zumal sein Ausfall aufgrund seiner mangelnden Leistungsfähigkeit eingetreten ist.

28 Nach h.M. gehört zwar die Nachforderung aus einer Betriebskostenabrechnung nicht zu dem nach

§ 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB relevanten Mietrückstand21. Nach § 556 Abs. 1 BGB handelt es sich bei den Betriebskosten aber um Miete. Die Nachforderung aus einer Betriebskostenabrechnung wird mit Zugang der Abrechnung fällig22. Da auch wegen des Rückstandes mit einer solchen Nachforderung jedenfalls nach Abmahnung oder Fristsetzung (§ 543 Abs. 3 BGB) sowohl eine fristlose23 als auch eine fristgerechte24 Kündigung in Betracht kommt, erfasst das Kündigungsverbot auch diesen Tatbestand, wenn der Zugang der Betriebskostenabrechnung im relevanten Zeitraum erfolgt. 29 Schließlich kommen auch (wirksam) vereinbarte (Sonder-) Kündigungsrechte in Betracht, sofern der

Vermieter sie wegen einer Nichtzahlung der Mieter heranziehen kann. Denkbar ist dies z.B. bei der Vereinbarung einer Umsatzmiete, wenn die Umsätze des Mieters die Erwartungen des Vermieters nicht erfüllen und der Vermieter deshalb sich im Vertrag ein außerordentliches Kündigungsrecht vorbehalten hat. 30 Es kommt für keinen der erfassten Kündigungstatbestände zunächst darauf an, ob die Miete gemin-

dert ist oder ein Leistungsverweigerungsrecht besteht. Diese Frage wird erst relevant, wenn der Vorbehalt, unter dem das Kündigungsverbot steht, nicht erfüllt ist oder nicht (ausreichend) glaubhaft gemacht werden kann.

3. Relevanter Zeitraum 31 Erfasst werden Rückstände mit Miete, deren Fälligkeit im Zeitraum zwischen dem 1.4.2020 und

30.6.2020 eingetreten ist. Soweit der Mieter also für April, Mai und/oder Juni 2020 keine Miete zahlt, kann der Vermieter keine außerordentliche oder ordentliche Kündigung erklären und zwar grundsätzlich nicht bis zum 30.6.2022. 32 Im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift kann sich der Anwendungsbereich des Art. 240 § 2 Abs. 1

EGBGB erweitern, wenn ein bis dahin nicht relevanter Rückstand an Miete aus der Zeit vor dem 1.4.2020 hinzutritt. Hat also der Mieter z.B. im März 2020 keine Mietzahlungen geleistet und entsteht bei Fälligkeit der Miete im April 2020 ein Rückstand von zwei Monatsmieten, ist die fristlose Kündigung durch Art. 240 § 2 Abs. 1 EGBGB ausgeschlossen25, sofern der Mieter glaubhaft macht, dass der Rückstand im April 2020 auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beruht. Das Gleiche gilt, wenn eine der anderen Varianten des § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB erst durch die Nichtzahlung der Mieten für April, Mai oder Juni erfüllt wird, obwohl sie zusammen mit einem vorher entstandenen Rückstand für die Kündigung ausreichen würde. In diesem Fall ist aber zu prüfen, ob die fristgerechte Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB möglich ist (Rückstand von einem Monat über die Dauer von einem Monat), sofern ein entsprechender Rückstand aus der Zeit vor dem 1.4.2020 resultiert. 33 Nach dem 30.6.2020 können die Tatbestände des § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB zunächst nur zur Kündigung

herangezogen werden, wenn ihnen ein Rückstand allein aus der Zeit vor dem 1.4.2020 und/oder nach 21 OLG Koblenz v. 26.7.1984 – 4 W RE 386/84, ZMR 1984, 351 = WuM 1984, 269; LG Dessau-Roßlau v. 29.12.2016 – 5 S 141/16, ZMR 2017, 481 = IMR 2017, 132; AG Köpenick v. 15.8.2013 – 13 C 66/13, GE 2013, 1283. 22 BGH v. 23.11.1981 – VIII ZR 298/80, MDR 1982, 483 = NJW 1982, 573. 23 LG Berlin v. 24.11.2015 – 63 S 158/15, GE 2016, 126; LG Berlin v. 20.2.2015 – 63 S 202/14, GE 2015, 452; a.A. OLG Koblenz v. 26.7.1984 – 4 W RE 386/84, ZMR 1984, 351; LG Dessau-Roßlau v. 29.12.2016 – 5 S 141/16, ZMR 2017, 481 m.w.N.; AG Köpenick v. 15.8.2013 – 13 C 66/13, GE 2013, 1283. 24 LG Berlin v. 13.4.2018 – 63 S 217/17, GE 2018, 1462. 25 Klimesch/Walther, ZMR 2020, 353 (355).

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VII. Kündigungsverbot | Rz. 40 Anhang zu § 543

dem 30.6.2020 zugrundeliegt. Dies ändert sich erst ab dem 1.7.2022, Art. 240 § 2 Abs. 4 EGBGB. Geht dem Mieter an diesem Tag eine Kündigung des Vermieters zu, die sich auch auf einen Rückstand aus dem 2. Quartal 2020 stützt, wird diese Kündigung nicht (mehr) von der Kündigungssperre erfasst. Nichts Anderes gilt für eine ordentliche Kündigung, die auf einen Rückstand aus März 2020 (oder 34 davor) gestützt wird. Hier kann der Vermieter im April 2020 (Rückstand von einem Monat über einen Monat) nicht kündigen, wenn dem Mieter die Glaubhaftmachung gelingt, dass der Rückstand mit der Covid-19-Pandemie im Zusammenhang steht. Dazu muss er glaubhaft machen, dass er z.B. nur wegen seiner Arbeitslosigkeit ab 20.3.2020 außerstande war, die Miete bis zum 2.4.2020 zu leisten. Denn erst am folgenden Tag wäre die Voraussetzung eines Rückstandes über einen Monat erfüllt gewesen. Erst recht ist ein Kündigungsrecht nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht gegeben, wenn der Mieter für 35 April, Mai und Juni 2020 keine Miete zahlt und nun auch die Miete für Juli 2020 zum Fälligkeitszeitpunkt schuldig bleibt. Die ausstehende Miete für Juli 2020 kann allenfalls die außerordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzug begründen, wenn auch für März 2020 oder ein Monat davor keine Mietzahlungen erfolgt sind.

4. Fälligkeit der Miete Vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen der Parteien, tritt die Fälligkeit i.S.v. § 271 Abs. 1 BGB 36 der Miete ein für – Grundstücke gemäß § 579 Abs. 1 BGB am Ende des vereinbarten Zeitabschnitts – Wohnraum gemäß § 556b Abs. 1 BGB am dritten Werktag des vereinbarten Zeitabschnitts, – Gewerberaum gemäß §§ 579 Abs. 2, 556b Abs. 1 BGB am dritten Werktag des vereinbarten Zeitabschnitts. Nach Art. 240 § 2 Abs. 1 EGBGB ist maßgeblich, dass die Miete, auf die die Kündigung gestützt werden 37 soll, in dem Zeitraum vom 1. April bis zum 30.6.2020 fällig wird. Bei der Wohn- und Gewerberaummiete sind das i.d.R. die Mieten für die Monate April, Mai und Juni 2020, die am dritten Werktag der Monate fällig werden. Für die Miete von Grundstücken ergibt sich dazu grundsätzlich kein Unterschied, außer dass die Fälligkeit der Miete erst am Ende des Monats eintritt, wenn keine abweichende Vereinbarung getroffen wurde. Problematisch ist jedoch die Behandlung von Mieten, die im relevanten Zeitraum zwar fällig werden, 38 materiell aber auch eine Zeit abdecken, die außerhalb dieses Zeitraums liegt. Dies kommt etwa bei einer Quartals- oder Jahresmiete in Betracht, die zwischen dem 1. April und dem 30.6.2020 zu zahlen ist. Nach dem Wortlaut des Art. 240 § 2 Abs. 1 EGBGB kommt es allein auf den Fälligkeitszeitpunkt an. Dies spricht dafür, dass die Kündigungssperre auch diese Mieten erfasst. Relevant wird die Nichtzahlung einer solchen Miete, wenn im relevanten Zeitraum entweder der zweite Termin i.S.v. § 543 Abs. 2 Nr. 3a BGB liegt oder in dem Zeitraum zwischen dem 30.6.2020 und dem 30.6.2022 eine weitere (Quartalsoder Jahres-) Miete nicht gezahlt wird. In beiden Fällen kann der Rückstand aus der Zeit von April bis Juni 2020 nicht unter den für die Kün- 39 digung maßgeblichen Tatbestand subsumiert werden. Die Quartalsmiete, die am 1.4.2020 fällig wird, kann also in keinem Fall in der Rückstandsberechnung berücksichtigt werden, wenn die Kündigung bis zum 30.6.2022 erklärt werden soll.

5. Zusammenhang mit Covid-19-Pandemie a) Darlegung von Tatsachen Das Kündigungsverbot nach Art. 240 § 2 Abs. 1 EGBGB steht unter dem Vorbehalt, dass die Nicht- 40 zahlung der Miete jedenfalls in dem Zeitraum April bis Juni 2020 auf den Auswirkungen der Covid19-Pandemie beruht. Gemeint sind damit die behördlichen Einschränkungen zur Eindämmung der Verbreitung der Pandemie, wovon der Gesetzgeber selbst die Schließung einer Vielzahl von Freizeitund Kultureinrichtungen, Kinderbetreuungseinrichtungen, Gastronomiebetrieben und EinzelhandelsLützenkirchen | 867

Anhang zu § 543 Rz. 40 | Mietrecht in der COVID-19-Pandemie geschäften sowie zahlreiche öffentliche Veranstaltungen aufzählt26. Der notwendige Zusammenhang kann aber auch dann bestehen, wenn die mangelnde Leistungsfähigkeit des Mieters darauf beruht, dass er wegen (freiwilliger) Quarantäne aufgrund eines Kontaktes mit einer infizierten Person nicht in der Lage ist, seine geschäftliche Tätigkeit auszuführen. Der Wohnungsmieter wird regelmäßig durch die COVID-19-Pandemie betroffen sein, wenn sein Arbeitgeber Kurzarbeit abgemeldet hat oder der Mieter im gleichen Zusammenhang arbeitslos geworden ist. 41 Der Mieter muss nicht selbst unmittelbar durch die Pandemie betroffen sein. Ein Zusammenhang

kann sich auch daraus ergeben, dass ein Dritter von den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie tangiert ist, wenn sich dieser Umstand auf die Leistungsfähigkeit des Mieters auswirkt. Das ist z.B. der Fall, wenn ein Student auf die Unterstützung seiner Eltern angewiesen ist und ein Elternteil infolge der COVID-19-Pandemie Einkommenseinbußen erleidet, so dass der Student nicht mehr unterstützt werden kann. In der Gewerberaummiete kann sich eine ähnliche Situation ergeben, wenn der Mieter z.B. keine Ware mehr erhält, weil sein Zulieferer infolge der COVID-19-Pandemie nicht liefern kann, etwa weil alle Mitarbeiter infiziert sind. 42 Fraglich ist, ob in allen erfassten Fällen allein das Vorliegen der äußeren Umstände (z.B. Schließung des

Geschäfts des Mieters) ausreicht, um den Zusammenhang darzustellen, oder der Mieter – spätestens wenn der Vermieter entsprechende Einwendungen erhebt – auch gezwungen sein kann, Abhilfemöglichkeiten zu ergreifen. Zu denken ist hierbei zum einen an die Inanspruchnahme von staatlichen (Sofort-) Hilfen, die im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie gewährt werden27. Andererseits kann aber auch der Selbstständige, der sich in Quarantäne befindet, möglicherweise entweder ein Home-Office betreiben oder einen Ersatzmann beschäftigen.

43 In der gesetzlichen Begründung wird darauf verwiesen, dass die notwendige überwiegende Wahr-

scheinlichkeit für einen bestehenden Zusammenhang insbesondere durch den Nachweis der Antragstellung bzw. die Bescheinigung über die Gewährung staatlicher Leistungen, Bescheinigungen des Arbeitsgebers oder andere Nachweise über das Einkommen bzw. über den Verdienstausfall sein28. Mieter von Gewerbeimmobilien sollen darüber hinaus den Zusammenhang zwischen COVID-19-Pandemie und Nichtleistung der Miete z.B. regelmäßig mit Hinweis darauf herstellen können, dass der Betrieb ihres Unternehmens im Rahmen der Bekämpfung des SARS-CoV-2-Virus durch Rechtsverordnung oder behördliche Verfügung untersagt oder erheblich eingeschränkt worden sei und dies derzeit etwa Gaststätten oder Hotels betreffe, deren Betrieb zumindest für touristische Zwecke in vielen Bundesländern untersagt sei29. 44 Dies spricht dafür, dass das Kündigungsverbot besteht, sobald der Mieter den bloßen Zusammenhang

zwischen seiner mangelnden Leistungsfähigkeit und der COVID-19-Pandemie aufgezeigt und glaubhaft gemacht hat. Besondere Anforderungen können nicht gestellt werden. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob der Mieter auf Rücklagen zurückgreifen könnte, um seine (Miet-) Schulden auszugleichen30. Eine solche Einschränkung des Kündigungsverbots ist schon vom Wortlaut nicht gedeckt. 45 Diese Auslegung ist auch vom Zweck des Art. 240 § 2 EGBGB gedeckt. Im Hinblick auf die behördli-

chen Anordnungen, die das Wirtschaftsleben beschränken oder jedenfalls mittelbar erhebliche Auswirkungen auf die Einkommenssituation des (Wohnraum-) Mieters haben, soll eine Absicherung des betroffenen Personenkreises stattfinden, indem für einen kurzen Zeitraum von drei Monaten verhindert wird, dass dem Mieter die Existenzgrundlage, die eine Mietsache regelmäßig bildet, wegen der behördlichen Maßnahmen entzogen wird. Der Bestand der Existenzgrundlage für die Zeit nach der Pandemie soll nicht durch einen Streit über die Werthaltigkeit der vorgetragenen Umstände im relevanten Zeitraum zusätzlich gefährdet werden. 46 Demgemäß sind Einwendungen des Vermieters mit dem Ziel, den Zusammenhang durch alternatives

Verhalten des Mieters zu widerlegen, unbeachtlich. Spätestens wenn der Mieter die zur Begründung

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BT-Drucks. 19/18110, S. 42. www.bmwi.de. BT-Drucks. 19/18110, S. 42. BT-Drucks. 19/18110, S. 42/43. A.A. Klimesch/Walther, ZMR 2020, 353 (355).

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VII. Kündigungsverbot | Rz. 52 Anhang zu § 543

vorgetragenen Tatsachen glaubhaft gemacht sind, besteht eine grundsätzlich unwiderlegliche Vermutung für den notwendigen Zusammenhang. b) Glaubhaftmachung Für die Glaubhaftmachung, die Art. 240 § 2 Abs. 1 Satz 2 EGBGB vorsieht, gilt § 294 ZPO31. Der Mieter 47 muss dazu Tatsachen darlegen, aus denen sich eine überwiegende Wahrscheinlichkeit32 dafür ergibt, dass seine Nichtleistung auf der COVID-19-Pandemie beruht. Dies kann insbesondere im Rahmen einer eidesstattlichen Versicherung des Mieters erfolgen. In der eidesstattlichen Versicherung muss der Mieter allerdings seine wirtschaftliche Situation substantiiert darlegen. Eine Orientierung hinsichtlich der materiellen Anforderungen bieten dabei die Antragsunterlagen für die staatlichen Leistungen, die aufgrund der COVID-19-Pandemie zur Verfügung gestellt werden. Insoweit kommt es für die Antragsberechtigten nicht darauf an, ob und ggfs. in welcher Höhe Ersparnisse bestehen. Daneben kann der Mieter die Antragsunterlagen oder eine Bescheinigung des Arbeitgebers selbst 48 vorlegen33. Da diese Unterlagen keine Aussage darüber treffen, ob der Antragsteller tatsächlich bedürftig ist, kommt es allein darauf an, dass ein Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden kann. Vielmehr reicht es aus, dass nach dem Inhalt der vorgelegten Unterlagen hervorgeht, dass die Leistungsfähigkeit des Mieters durch Maßnahmen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie zumindest mittelbar beeinträchtigt ist. Bei einheitlichen Mietverträgen muss wegen des Verbots der Teilkündigung nicht zwischen den ver- 49 schiedenen Anteilen der Miete differenziert werden. Hier kann aber ein Problem bei der Glaubhaftmachung eintreten. Werden z.B. Wohnung und Garage vermietet und macht der Mieter glaubhaft, dass seine Leistungsfähigkeit infolge der Corona-Pandemie beeinträchtigt ist, bezieht sich die Kündigungssperre auf die Gesamtmiete. Ein Gewerbemieter, der ein Verkaufsgeschäft mit angeschlossenem Internethandel betreibt und dafür neben einem Laden (einheitlich) Lagerräume gemietet hat, muss in besonderer Weise glaubhaft machen, dass beide Geschäftszweige in gleichem Maß betroffen sind. c) Veränderung der Umstände Fraglich ist, ob der Mieter zu jedem neuen Fälligkeitszeitpunkt der Miete im relevanten Zeitraum die 50 Voraussetzungen des Art. 240 § 2 Abs. 1 EGBGB glaubhaft machen muss oder ein z.B. im April 2020 glaubhaft gemachter Zusammenhang zwischen seiner Leistungsunfähigkeit und der COVID-19-Pandemie automatisch bis zum 30.6.2020 gilt. Der Fall ist z.B. denkbar, wenn die behördlichen Einschränkungen vor dem 30.6.2020 aufgehoben werden oder sich durch negative Bescheidung eines Antrags auf Hilfeleistungen herausstellt, dass der Mieter wegen bereits bestehender Überschuldung nicht förderungswürdig ist. Der Zweck und die relativ kurze Dauer der Kündigungssperre sprechen vordergründig dafür, dass der- 51 artige Änderungen der Umstände keine Überprüfung der einmal festgestellten Rechtslage herbeiführen sollen. Indessen steht der Mietrückstand für jeden einzelnen Monat unter dem Vorbehalt des Zusammenhangs mit der COVID-19-Pandemie34. Deshalb sind Änderungen im Sachverhalt während des Zeitraums vom 1. April bis 30.6.2020 relevant. Wann der Vermieter, der insoweit die Darlegungs- und Beweislast trägt, davon Kenntnis erlangt ist 52 unerheblich. Selbst wenn er von der Änderung erst nach dem 30.6.2020 erfährt, kann er eine Räumungsklage auf eine Kündigung wegen Zahlungsverzug noch auf den Rückstand aus dem nach Art. 240 § 2 Abs. 1 EGBGB relevanten Zeitraum stützen.

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BT-Drucks. 19/18110, S. 42. BGH v. 21.12.2006 – IX ZB 60/06, MDR 2007, 669 = NJW-RR 2007, 776 Rz. 11. Art. 240 § 2 Abs. 1 EGBGB. BT-Drucks. 19/18110, S. 4.

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Anhang zu § 543 Rz. 53 | Mietrecht in der COVID-19-Pandemie d) Prozessuale Auswirkungen 53 Spätestens die Glaubhaftmachung nach Art. 240 § 2 Abs. 1 Satz 2 EGBGB führt zu einer unwiderlegli-

chen Vermutung. Daher begründet dieses Recht eine Einrede, die vom Mieter geltend gemacht werden muss35. Insbesondere für die Zeit nach dem 30.6.2020 stellt sich die Frage, ob der Vermieter an das Kündigungsverbot noch gebunden ist, wenn sich herausstellt, dass die zur Begründung des notwendigen Zusammenhangs vorgetragenen Tatsachen wahrheitswidrig glaubhaft gemacht wurden. Dies kommt insbesondere im Rahmen der Prüfung, ob staatliche Hilfe in Anspruch genommen werden können, in Betracht, wenn sich herausstellt, dass die Leistungsfähigkeit des Mieters schon vor dem 1.4.2020 insolvenzreif war, gegenüber dem Vermieter jedoch darauf verwiesen wurde, dass die Schließung des Verkaufsgeschäfts aufgrund entsprechender behördlicher Anordnungen der Grund gewesen sei. Bei der Wohnraummiete ist z.B. denkbar, dass das Arbeitsverhältnis des Mieters bereits vor dem 1.4.2020 gekündigt wurde, sein Betrieb aber innerhalb der Kündigungsfrist schließen musste und er daher mit einer entsprechenden Bescheinigung des Arbeitgebers seine mangelnde Leistungsfähigkeit unterlegt hat. 54 § 156 StGB stellt nur die falsche eidesstattliche Versicherung gegenüber einer Behörde unter Strafe. Ob

das Verhalten des Mieters als (versuchter) Betrug nach §§ 263, 22 StGB zu Lasten des Vermieters gewertet werden kann, ist vom Einzelfall abhängig. Im Zivilprozess (i.d.R. die Räumungsklage des Vermieters) begründet Art. 240 § 2 Abs. 1 EGBGB eine Kündigungssperre, sobald die Voraussetzungen vorliegen, also eine Glaubhaftmachung erfolgt ist. Die Rechtsfolge der Kündigungssperre führt zu einem Ausschluss der Kündigung, die auf einen relevanten Rückstand gestützt wird. Demnach sind Räumungsklagen, die innerhalb des Zeitraums nach Art. 240 § 2 Abs. 1 EGBGB eingeleitet werden, unbegründet. 55 Es ist allerdings kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich, warum derartiges zumindest unsolidari-

sches Verhalten des Mieters nach dem 30.6.2020 noch belohnt werden sollte. Im Hinblick auf die Konsequenzen (zwei Jahre Sperrfrist) kann der Vermieter in einer spätestens nach dem 30.6.2020 eingeleiteten Räumungsklage vortragen, dass die materiellen Voraussetzungen des Art. 240 § 2 Abs. 1 EGBGB nicht vorliegen. In diesem Fall trägt der Vermieter die Darlegungs- und Beweislast auch dafür, dass die Glaubhaftmachung zu Unrecht erfolgte, also der notwendige Zusammenhang mit den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie gerade nicht besteht. e) Veräußerung der Mietsache 56 Die Veräußerung der Mietsache führt nach § 566 BGB (ggfs. i.V.m. § 578 Abs. 2 BGB) dazu, dass der

Erwerber mit der Vollendung der Eigentumsübertragung anstelle des veräußernden Vermieters in den Mietvertrag eintritt. Für die Wirkung des Kündigungsverbots des Art. 240 § 2 Abs. 1 EGBGB ist es unerheblich, ob die Veräußerung i.S.d. § 566 BGB vor, während oder nach Ablauf der Sperrzeit vom 1. April bis 30.6.2020 stattgefunden hat. Insoweit wirkt die Kündigungssperre absolut.

6. Sonstige Kündigungstatbestände a) Kündigungsrechte des Vermieters aa) Kollision von Satz 3 und Satz 1 in Art. 240 § 2 Abs. 1 EGBGB 57 Art. 240 § 2 Abs. 1 Satz 3 EGBGB stellt ausdrücklich klar, dass sonstige Kündigungsrechte unberührt

bleiben. Damit soll insbesondere gemeint sein, dass der Vermieter das Mietverhältnis auch noch während der Geltungsdauer des Gesetzes aufgrund von Mietrückständen kündigen kann, die in einem früheren Zeitraum aufgelaufen sind bzw. die aus einem späteren Zeitraum resultieren werden36. 58 In Satz 1 der Vorschrift ist aber formuliert, dass der Vermieter „nicht allein aus dem Grund kündigen

kann, dass der Mieter im Zeitraum vom 1.4.2020 bis 30.6.2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet“. Diese Passage lässt sich auch dahin interpretieren, dass ein vom Kündigungsverbot erfasster Rückstand z.B. gemeinsam mit einer weiteren Pflichtverletzung des Mieters eine Kündigung etwa nach § 543

35 Klimesch/Walther, ZMR 353 (356). 36 BT-Drucks. 19/18110, S. 43.

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VII. Kündigungsverbot | Rz. 65 Anhang zu § 543

Abs. 1 BGB rechtfertigen kann. Da § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB ein Regelbeispiel des wichtigen Grundes i.S.v. § 543 Abs. 1 BGB darstellt, wäre also eine fristlose Kündigung begründet, wenn die Umstände des Einzelfalles eine Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietvertrages für den Vermieter ergeben. Das könnte dann z.B. auch bei einer Pflichtverletzung des Mieters und einem Rückstand von nur einem Monat aus der Zeit von April bis Juni 2020 der Fall sein. Neben der Aussage in der Begründung sprechen auch systematische Gründe gegen eine solche Aus- 59 legung. Die Kündigungssperre nach Art. 240 § 2 Abs. 1 EGBGB soll unabhängig von einer einschlägigen Vorschrift, die den Tatbestand des Zahlungsverzuges regelt, alle Kündigungen erfassen, die die mangelnde Leistungsfähigkeit des Mieters sanktionieren können. Würde die (vorübergehende) mangelnde Leistungsfähigkeit gemeinsam mit anderen Verstößen des Mieters zu einer Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB oder § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB führen können, wäre der Zweck des Gesetzes unterlaufen bzw. würde in einer Vielzahl von Fällen leer laufen. Daher kann kein Rückstand an Miete, sei es die Gesamtmiete oder nur einzelne Bestandteile wie Vo- 60 rauszahlung auf Betriebskosten oder eine Pauschale, aus dem 2. Quartal 2020 auch nicht gemeinsam mit einer Pflichtverletzung des Mieters zur Begründung einer Kündigung herangezogen werden und zwar unabhängig von seiner Höhe. bb) Verletzung einer Betriebspflicht Haben die Parteien ausdrücklich oder stillschweigend eine Betriebspflicht des Gewerberaummieters 61 vereinbart, kann der Vermieter bei deren Verletzung nach einer Abmahnung den Mietvertrag nach § 543 Abs. 1 BGB i.d.R. fristlos kündigen37. Auch wenn die Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB nicht unbedingt ein Verschulden bei der Vertrags- 62 verletzung voraussetzt, kann der Kündigungstatbestand im Regelfall nicht begründet sein, wenn der Mieter in der Zeit vom 1. April bis 30.6.2020 sein Geschäft nicht geöffnet hält. Denn die Verletzung beruht auf der gleichen Ursache, wie die vorübergehend nicht bestehende Leistungsfähigkeit des Mieters. Diese soll aber gerade durch Art. 240 § 2 EGBGB unter Schutz gestellt werden. Voraussetzung ist natürlich, dass der Mieter glaubhaft den Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie macht. Allenfalls, wenn der Mieter schon vor dem 1.4.2020 gleichartige Pflichtverletzungen trotz Abmahnung 63 begangen hat oder nach dem 30.6.2020 sein vertragswidriges Verhalten fortsetzt, können die Voraussetzungen des § 543 Abs. 1 BGB angenommen werden. Es ist nicht denkbar, dass eine solche Kündigung wegen der Schließung im Zeitraum vom 1.4.2020 bis zum 30.6.2020 begründet werden kann. cc) Nichtzahlung der Mietsicherheit Trotz des relativ kurzen Zeitraums, in dem Art. 240 § 2 EGBGB gelten soll, ist es nicht ausgeschlossen, 64 dass der Mieter die vereinbarte Kaution nicht beibringen kann. Dies gilt in der Wohnraummiete umso mehr, als der Mieter nach § 551 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB die Mietsicherheit in Teilzahlungen leisten kann, so dass sogar Mietsicherheiten erfasst sein können, die vor der COVID-19-Pandemie vereinbart wurden. Dies kann nach § 569 Abs. 2a BGB und in der Gewerberaummiete jedenfalls nach Abmahnung38 zur fristlosen Kündigung des Vermieters führen. In diesen Fällen ist Art. 240 § 2 EGBGB nicht direkt anwendbar. Denn die Mietsicherheit ist keine 65 Miete, auch wenn sie sich regelmäßig der Höhe nach daran orientiert. Deshalb ist fraglich, ob die Vorschrift analog angewendet werden kann. Dafür muss eine planwidrige Lücke vorliegen. Ob eine derartige Lücke vorhanden ist, die im Wege der Analogie ausgefüllt werden kann, ist vom Standpunkt des Gesetzes und der ihm zugrundeliegenden Regelungsabsicht zu beurteilen. Das Gesetz muss also, gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht, unvollständig sein39.

37 BGH v. 29.4.1992 – XII ZR 221/90, NJW-RR 1992, 1032; OLG Düsseldorf v. 21.1.1997 – 10 W 153/96, ZMR 1997, 296. 38 BGH v. 21.3.2007 – XII ZR 36/05, MDR 2007, 1009 = ZMR 2007, 525 = GE 2007, 711; OLG Düsseldorf v. 25.3.2010 – 10 U 136/09, ZMR 2011, 284. 39 BGH v. 13.11.2001 – X ZR 134/00, MDR 2002, 471.

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Anhang zu § 543 Rz. 66 | Mietrecht in der COVID-19-Pandemie 66 Nach dem Zweck von Art. 240 § 2 EGBGB soll das Risiko, das durch die staatlichen Anordnungen

zur Vermeidung von Ansteckungen mit dem SARS-CoV-2-Virus für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Wohn- und Geschäftsraummietverträgen entsteht, ein zeitlich befristetes Schutzschild aufgespannt werden. Wenn ein Geschäftsraummieter sein Geschäft, das er gerade zum 1. April oder 1.5.2020 angemietet hat, nicht eröffnen kann, kann seine Leistungsfähigkeit ebenso beeinträchtigt sein, wie diejenige des Mieters, der sein Geschäft seit langem betreibt. In der Wohnraummiete sind vergleichbare Fälle denkbar. Zu denken ist etwa, dass der Mieter im relevanten Zeitraum eine neue Arbeitsstelle in einem Betrieb antreten soll, der geschlossen oder Kurzarbeit eingeführt hat, und/oder eine neue Wohnung beziehen soll. 67 Gegen die Analogie spricht der eindeutige Wortlaut von Art. 240 § 2 Abs. 1 Satz 3 EGBGB. Danach

sollen (alle) sonstigen Kündigungsrechte unberührt bleiben. Allerdings lässt sich der Begründung gerade nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber den Fall des § 569 Abs. 2a BGB nicht erfassen wollte. Die Beispiele, die er für Kündigungen wegen Vertragsverletzungen aufführt, sind § 543 Abs. 2 BGB entnommen40. Im Übrigen wurde das Gesetz innerhalb von einer Woche entwickelt, so dass eine umfassende Diskussion nicht stattfinden konnte. 68 Vor diesem Hintergrund kann angenommen werden, dass eine planwidrige Lücke im Sinne einer

nicht beabsichtigten Unvollständigkeit des Gesetzes vorliegt41. 69 Zwar stellt Art. 240 § 2 EGBGB eine Sonderregelung42 dar und sind derartige Regelungen grundsätz-

lich nicht analogiefähig. Hier gebietet aber ihr Zweck eine analoge Anwendung. Immerhin soll in der konkreten Situation der COVIC-19-Pandemie und mit deren Eindämmung verbundenen wirtschaftlichen Verwerfungen der Fortbestand des Mietverhältnisses vorrangig sein43, wobei der Gesetzgeber selbst davon ausgeht, dass die Einnahmeverluste der betroffenen Mieter regelmäßig mehr als zwei Monatsmieten betragen werden44. In der Eile45, in der das Gesetz verabschiedet wurde, wurde § 569 Abs. 2a BGB und die – für die Gewerberaummiete – auf § 543 Abs. 1 BGB gestützte Möglichkeit des Vermieters zur sofortigen Beendigung des Mietvertrages, die ebenfalls auf einer durch die COVID-19-Pandemie beeinträchtigte Leistungsfähigkeit des Mieters beruhen kann, übersehen. Dies rechtfertigt mit Rücksicht auf den Zweck des § 2 EGBGB dessen analoge Anwendung. 70 Vor diesem Hintergrund kann es dahinstehen, ob der Vermieter sich das Recht zur Kündigung wegen

Kautionsrückstand „erschlichen“ hat, indem er z.B. die Kaution mit den rückständigen Mieten verrechnet hat. Abgesehen davon, dass dies nur in eingeschränktem Umfang zulässig ist, ist nach diesseitiger Meinung der Kündigungstatbestand eben auch vom Kündigungsverbot erfasst46. dd) Weitere Kündigungstatbestände

71 Aus Art. 240 § 2 Abs. 1 Satz 3 EGBGB kann entnommen werden, dass die vorübergehende Kündigungs-

sperre nach Satz 1 der Vorschrift auf Kündigungsrechte des Vermieters beschränkt sein soll, die mit der Leistungsfähigkeit des Mieters in Zusammenhang stehen. Demnach bleiben alle Kündigungstatbestände, für die die Leistungsfähigkeit des Mieters ohne Bedeutung ist, nach Art. 240 § 2 Abs. 1 Satz 3 EGBGB erhalten. Zu denken ist hier insbesondere an Kündigungen aufgrund von Vertragsverletzungen anderer Art, beispielsweise unbefugter Überlassung der Mietsache an Dritte (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB) oder wegen Eigenbedarfs (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB)47. 72 Kündigt der Vermieter z.B. nach § 543 Abs. 1 BGB auch wegen sonstiger Vertragsverletzungen und

reklamiert zugleich Mietrückstände aus der Zeit vom 1. April bis 30.6.2020, kommt es darauf an, ob allein die sonstigen Pflichtverletzungen ausreichen, einen wichtigen Grund anzunehmen. Auch insoweit wirkt die Kündigungssperre, indem sie verbietet, die Zahlungsrückstände in die notwendige Ab40 41 42 43 44 45 46 47

BT-Drucks. 19/18110, S. 43. Ebso im Ergebnis: Mahdi/Rosner, NZM 2020, 416 (419). BT-Drucks. 19/18110, S. 42. BT-Drucks. 19/18110, S. 42. BT-Drucks. 19/18110, S. 2. Das Gesetz wurde innerhalb einer Woche verabschiedet. Im Ergebnis ebso: Klimesch/Walther, ZMR 2020, 353 (356); a.A. Lindner, AnwZert MietR 6/2020 Anm. 2. BT-Drucks. 19/18110, S. 43.

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VIII. Pflicht zur Inanspruchnahme staatlicher Hilfen | Rz. 80 Anhang zu § 543

wägung einzubeziehen, sofern sie aus dem 2 Quartal 2020 stammen. Dabei ist es unerheblich, wann die Kündigung ausgesprochen wird, solange der 30.6.2022 noch nicht erreicht ist, Art. 240 § 2 Abs. 4 EGBGB. Ebenso soll das Recht des Vermieters bei einem Mietvertrag über Gewerberaum, der auf unbestimmte 73 Zeit geschlossen wurde, ordentlich zu kündigen, nicht durch die Kündigungssperre tangiert werden48. Denn hier hat die COVID-19-Pandemie kein Ungleichgewicht für die bisherige Risikoverteilung herbeigeführt. b) Kündigungsrechte des Mieters Dem Wortlaut nach erfasst Art. 240 § 2 Abs. 1 Satz 3 EGBGB auch die Kündigungsrechte des Mieters. 74 Soweit nach § 542 BGB eine Kündigung möglich ist, kann der Mieter sie also erklären. Bei einem (wirksam) befristeten Gewerberaummietvertrag kann sich für den Mieter die Möglichkeit 75 einer außerordentlichen Kündigung mit gesetzlicher Frist bieten, wenn ein solches Recht vereinbart ist oder ihm im Gesetz eingeräumt wurde. Als gesetzliche Kündigungstatbestände kommen ernsthaft nur in Betracht die §§ 544, 580 BGB. Vertraglich werden z.B. Kündigungsrechte eingeräumt, die die mit der Anlaufzeit eines neuen Ver- 76 kaufsgeschäftes i.S.v. § 3 Abs. 1 LÖG NRW verbundenen Risiken abfedern sollen. Derartige Sonderkündigungsrechte werden häufig an die Umsatzentwicklung in den ersten zwei oder drei Jahren geknüpft. Wenn nun diese Anlaufzeit in das 2 Quartal 2020 fällt, könnte der Vermieter argumentieren, dass der Bewertungszeitraum mindestens um drei Monate verlängert werden muss. Denn die erwirtschafteten Umsätze sind durch die Einnahmeverluste aus der Zeit vom 1. April bis 30.6.2020 unplanmäßig beeinflusst. Unabhängig davon, ob ein solcher Anspruch aus § 313 BGB hergeleitet werden kann, kommt auch bei 77 der Anwendung von § 242 BGB, der andernfalls einschlägig ist, stets nur eine Einzelfallbetrachtung in Frage. Dabei wird insbesondere die durchschnittliche Entwicklung vor dem 1.4.2020 von Bedeutung sein als auch die Entwicklung nach dem 30.6.2020.

VIII. Pflicht zur Inanspruchnahme staatlicher Hilfen 1. Bestehen einer Antragspflicht Der Homepage des Bundesministers für Wirtschaft und Energie ist zu entnehmen, dass die mit 78 Art. 240 § 1 Ff. EGBGB gleichzeitig beschlossenen staatlichen Hilfen auch Mietzuschüsse beinhalten49. Antragsberechtigt ist aber nur der Unternehmer (Mieter). Deshalb ist fraglich, ob der Vermieter von ihm verlangen kann, dass er solche Hilfen in Anspruch nimmt, wenn er im relevanten Zeitraum keine Miete zahlt. Gemäß § 241 Abs. 2 BGB entspricht es dem Wesen der Schuldverhältnisse, dass insbesondere auf die 79 Interessen des Vertragspartners Rücksicht zu nehmen ist50. Dies kann dazu führen, dass der Mieter positive Handlungen vorzunehmen hat51. Abgesehen davon, dass der Mieter durch einen entsprechenden Antrag sein eigenes Risiko verringert, 80 ist es allein aus der Risikoverteilung des Art. 240 § 2 EGBGB gerechtfertigt, ihm eine Pflicht zur Antragstellung aufzuerlegen. Durch die Kündigungssperre trägt der Vermieter bis 20.6.2022 das Insolvenzrisiko des Mieters. Auch wenn der Mieter das Geld möglicherweise besser für andere Investitionen o.Ä. in der wirtschaftlich schwierigen Zeit brauchen kann, wird es zweckgebunden zur Verfügung gestellt und dient der Abfederung des Risikos des Vermieters. Daher ist es gerechtfertigt, den Mieter zur Antragstellung zu verpflichten.

48 49 50 51

BT-Drucks. 19/18110, S. 43. Vgl. z.B. Soforthilfe für Solo-Selbständige und Kleinstbetriebe. Vgl. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 14. Aufl., § 535 BGB Rz. 178 f. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, 14. Aufl. § 535 BGB Rz. 275 m.w.N.

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Anhang zu § 543 Rz. 81 | Mietrecht in der COVID-19-Pandemie

2. Abtretung der staatlichen Hilfeleistung 81 Z.B. im Rahmen einer Stundungsvereinbarung könnten die Parteien vereinbaren, dass der Mieter

schon bei der Antragstellung die Behörde bittet, die Zahlung unmittelbar an den Vermieter zu leisten oder eine Abtretung des Auszahlungsanspruchs an den Vermieter regeln. 82 Vorbehaltlich der Prüfung der einschlägigen Vorgaben der jeweiligen staatlichen Hilfe ist im Hinblick

auf § 53 Abs. 2 SGB I davon auszugehen, dass staatliche Geldleistungen vom Leistungsempfänger grundsätzlich vom Mieter an den Vermieter von Wohnraum abgetreten werden können. Dies gilt nach § 53 Abs. 2 Nr. 2 SGB I insbesondere, wenn der zuständige Leistungsträger feststellt, dass die Übertragung oder Verpfändung im wohlverstandenen Interesse des Berechtigten liegt. Letzteres ist ausschließlich nach den Interessen des Berechtigten zu ermitteln, so dass Pfändungsgrenzen und § 400 BGB keine Anwendung finden52. 83 Da die beantragte Leistung im Interesse des Vermieters gewährt wird und für die Forderungen be-

stimmt ist, die der Abtretung zugrundeliegen, bestehen keine Bedenken, dass eine Abtretung des Auszahlungsanspruchs hinsichtlich der staatlichen Hilfe wirksam vereinbart werden kann. 84 Dies gilt entsprechend auch für die staatlichen Hilfen für Gewerbemieter.

IX. Das Schicksal des Mietzahlungsanspruchs 85 Nach § 535 Abs. 2 BGB kann der Vermieter vom Mieter die vereinbarte Miete fordern. Unter Anwen-

dung der gesetzlichen Fälligkeitsregeln der §§ 556b Abs. 1, 579 BGB gerät der Mieter nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB automatisch in Verzug, wenn er zum Fälligkeitstermin nicht leistet. Da er im Rahmen des § 286 Abs. 4 BGB für seine Leistungsfähigkeit einzustehen hat53, kann ihn der Hinweis auf die staatlichen Anordnungen, auf die seine wirtschaftliche Misere zurückzuführen ist, nicht entlasten. Daher wurde die Kündigungssperre durch Art. 240 § 2 EGBGB eingeführt. 86 Die durch die COVID-19-Pandemie eingetretene Situation lässt erst recht den Erfüllungsanspruch un-

berührt. Denn die persönliche Verhinderung führt nicht zum Entfall des Anspruchs aus § 535 Abs. 2 BGB54. Ein Mangel der Mietsache tritt nicht ein (vgl. Anhang zu § 543 BGB Rz. 104 f.) und das Leistungsverweigerungsrecht des Art. 240 § 1 EGBGB ist nach dessen Abs. 4 nicht anwendbar. 87 Allerdings könnte Art. 240 § 2 Abs. 4 EGBGB dem Mieter das Recht einräumen, den Zahlungsanspruch

aus § 535 Abs. 2 BGB erst zu einem späteren Zeitpunkt, der aber vor dem 30.6.2022 liegen muss, erfüllen zu dürfen. Immerhin soll der Vermieter bis dahin wegen eines Verzuges mit Mietzahlungen aus der Zeit von April bis Juni 2020 nicht kündigen können. In diesem Sinne könnte Art. 240 § 2 Abs. 4 EGBGB eine Stundungseinrede enthalten. 88 Durch Art. 240 § 2 Abs. 4 EGBGB soll dem Mieter zwar ab dem 30.6.2020 über zwei Jahre Zeit ein-

geräumt werden, einen zur Kündigung berechtigenden Mietrückstand auszugleichen55. Dafür setzt der Gesetzgeber aber allein das Kündigungsrecht des Vermieters bis dahin aus. Das zeigt, dass der Mietzahlungsanspruch als solcher unberührt bleiben soll. 89 Im Hinblick darauf kann der Mieter eben in Verzug geraten und schuldet daher nach zwei Jahren gemäß

§§ 280, 286 BGB für diesen Zeitraum auch Zinsen und sonstigen Verzugsschaden.

52 53 54 55

LSozG Rheinland-Pfalz v. 14.9.1999 – L 7 Ar 225/98, juris. BGH v. 4.2.2015 – VIII ZR 175/14, WuM 2015, 152. Leo/Götz, NZM 2020, 402 (403); Zehelein, NZM 2020, 390 (391). BT-Drucks. 19/18110, S. 43.

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X. Rechtslage vom 1.7.2020 bis zum 30.6.2022 | Rz. 98 Anhang zu § 543

X. Rechtslage vom 1.7.2020 bis zum 30.6.2022 1. Kündigung wegen Zahlungsverzuges Nach Art. 240 § 2 Abs. 4 EGBGB kann auch in diesem Zeitraum keine Kündigung wegen Zahlungs- 90 verzug erklärt werden, sofern der maßgebliche Rückstand aus den drei Monaten vor dem 1.7.2020 resultiert. Der Mieter ist nicht gehindert den Rückstand auszugleichen, muss eine Kündigung wegen dieses Rückstandes aber erst nach dem 30.6.2022 befürchten. Die durch Art. 240 § 2 Abs. 4 EGBGB angeordnete Verlängerung der Kündigungssperre ist so an- 91 zuwenden, dass neue Rückstände, die ab dem 1.7.2020 entstehen, eine fristlose und fristgerechte Kündigung wegen Zahlungsverzuges begründen können, wenn der dafür einschlägige Rückstand eintritt. Insoweit kann der neue Rückstand auch mit nicht gezahlten Mieten aus der Zeit vor dem 1.4.2020 addiert werden. Erfüllt er die Anforderungen eines Kündigungstatbestandes, wird der Mieter durch Art. 240 § 2 EGBGB nicht geschützt.

2. Mietzahlungsanspruch Auch in der hier relevanten Periode bleibt der Mietzahlungsanspruch von Art. 240 § 2 EGBGB unbe- 92 rührt (vgl. IX.).

3. Verhältnis zu § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB Die Anwendung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB kann in verschiedenen Konstellationen problematisch 93 sein. Dies soll anhand von Fallbeispielen aus der Wohnraummiete erläutert werden: Fall 1: M hat im April und Mai 2020 keine Miete gezahlt. Den Rückstand gleicht er am 1.9.2021 aus. 94 Im Oktober und November 2021 gerät er erneut in Verzug mit der Miete. Daher kündigt V am 10.11.2021 fristlos. Im Dezember 2021 wird der Rückstand von M vollständig ausgeglichen. Ergebnis: Die Kündigung ist nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB geheilt. Zwar war in der Zwei-Jahres-Frist 95 bereits ein kündigungsrelevanter Rückstand entstanden. Deshalb wurde jedoch nicht gekündigt. Die Zwei-Jahres-Frist hat nicht zu laufen begonnen. Selbst wenn V gekündigt hätte, wäre die Heilungswirkung eingetreten. Denn der Ausschluss der zweiten Kündigung nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB knüpft nur an eine erste wirksame Kündigung an56. Diese liegt aber nicht vor, weil die hier unterstellte Kündigung gegen Art. 240 § 2 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 EGBGB verstoßen hätte. Fall 2: M hat im April und Mai 2020 keine Miete gezahlt. Im Oktober und November 2021 gerät er 96 erneut in Verzug mit der Miete. Daher kündigt V am 10.11.2021 fristlos. Im Dezember 2021 zahlt M einen Betrag, der den Rückstand für Oktober, November und Dezember 2021 ausgleicht. Die Mieten für April und Mai 2020 stehen nach wie vor offen. Ergebnis: Die Kündigung ist nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB geheilt. Zwar tritt die Heilungswirkung 97 grundsätzlich nur ein, wenn sämtliche – also nicht nur die im Kündigungsschreiben angegebenen – bis zur Befriedigung aufgelaufenen Mieten und Nutzungsentschädigungen nach § 546a Abs. 1 BGB ausgeglichen werden57. Ausgenommen sind verjährte oder verwirkte Rückstände58, also Zahlungsansprüche denen eine Einrede oder Einwendung entgegensteht. Art. 240 § 2 EGBGB begründet eine Einwendung. Wegen der erfassten Rückstände kann bis zum 30.6.2022 nicht gekündigt werden. Dementsprechend kann M diese Rückstände bei seiner Zahlung nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB unberücksichtigt lassen. Fall 3: M hat im April und Mai 2020 keine Miete gezahlt. Im Oktober und November 2021 gerät er 98 erneut in Verzug mit der Miete. Daher kündigt V am 10.11.2021 fristlos. Im Dezember 2021 zahlt M

56 BeckOGK/Geib, 1. Aufl., § 569 BGB Rz. 67. 57 BGH v. 14.7.1970 – VIII ZR 12/69, ZMR 1971, 27. 58 Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl., § 543 BGB Rz. 84.

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Anhang zu § 543 Rz. 98 | Mietrecht in der COVID-19-Pandemie einen Betrag, der den Rückstand für Oktober, November und Dezember 2021 ausgleicht. Die Mieten für April und Mai 2020 stehen nach wie vor offen. Mit Schreiben vom 29.6.2022, das M am 1.7.2022 zugeht, erklärt V die Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3b BGB wegen der nicht gezahlten Mieten für April und Mai 2020. Im August 2022 gleicht M die Rückstände aus April und Mai 2020 aus. Weitere Rückstände bestehen nicht. 99 Ergebnis: Die Kündigung bleibt wirksam. Dass V die Kündigung vor dem 30.6.2022 aufgesetzt hat, ist

unerheblich. § 2 Abs. 4 BGB verbietet allein die Kündigung wegen Zahlungsverzuges bis zum 30.6.2022, sofern die Kündigung auf rückständige Miete aus dem von dessen Abs. 1 erfassten Zeitraum herrührt. Die Kündigung wird als empfangsbedürftige Willenserklärung mit ihrem Zugang wirksam. Also kann sie ab dem 1.7.2022 wirksam erklärt werden. Die Kündigung wurde innerhalb der Zwei-Jahres-Frist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB erklärt. Denn die erste Kündigung stammte vom 10.11.2021. Also konnte keine Heilungswirkung eintreten. 100 Fall 4: M hat im April und Mai 2020 keine Miete gezahlt. Diesen Rückstand tilgt er im Juni 2022. Im

Juli und August 2022 gerät er erneut in Verzug mit der Miete. Daher kündigt V am 10.8.2022 fristlos und erhebt Räumungsklage, die M im Oktober 2022 zugestellt wird. Im November 2022 zahlt M einen Betrag, der den bis dahin aufgelaufenen Rückstand ausgleicht. 101 Ergebnis: V muss die Räumungsklage nach § 91a ZPO für erledigt erklären. Denn M hat den Rückstand

innerhalb von zei Monaten nach Rechtshängigkeit ausgeglichen. Die vorherige Tilgung des Rückstandes aus Mai und Juni 2020 ist unerheblich, weil sie nicht Gegenstand einer (wirksamen) Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB war. 102 Die Fälle zeigen, dass Art. 240 § 2 EGBGB im Rahmen der Anwendung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB zu

beachten ist. Bei konsequenter Umsetzung des Zwecks des Art. 240 § 2 EGBGB kann der Schutz des Wohnraummieters im angeordneten Umfang gewährleistet werden.

XI. Sonstige Rechte der Parteien 1. Gewerberaummiete a) Mangel der Mietsache/Minderung der Miete 103 Nach § 536 Abs. 1 BGB, der § 275 BGB verdrängt (vor § 536 BGB Rz. 31)59, kann der Mieter die Miete

mindern, wenn die Mietsache mit einem Mangel behaftet ist. Ist die Tauglichkeit der Mietsache aufgehoben, braucht der Mieter keine Miete zu zahlen. Die Vorschrift sieht vor, dass die entsprechende Reduzierung der Miete automatisch eintritt. 104 Unabhängig davon, dass in den meisten Mietverträgen über Gewerberaum (Ladengeschäfte, Büros etc.)

der Automatismus der Minderung zulässigerweise60 ausgeschlossen ist, sodass der Mieter zu viel gezahlte Miete zurückfordern muss, ist durch die behördlichen Beschränkungen und Verbote, die sich gegen das Verhalten der Gewerbemieter richten, ein Mangel der Mietsache grundsätzlich nicht gegeben. aa) Schließung/Beschränkung der Öffnungszeiten 105 Durch die Erlasse der Bundesländer sind die betroffenen Gewerbetreibenden gezwungen, ihre Läden,

insbesondere Verkaufsgeschäfte i.S.v. § 3 LÖG NRW61, zu schließen oder können (z.B. Gaststätten) nur innerhalb bestimmter Öffnungszeiten ihr Geschäft betreiben, sofern nicht eine Ausgangsperre oder ein Kontaktverbot auch die Schließung dieser Geschäfte verbietet. Dies könnte einen Mangel der Mietsache i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB begründen. 106 Ein Mangel der Mietsache liegt vor, wenn die tatsächliche Beschaffenheit der Mietsache von der nach

dem Vertrag vorausgesetzten Beschaffenheit für den Mieter negativ abweicht. Insoweit kommt ein sog. 59 Deshalb kann auch die Entscheidung des RG v. 20.2.1917 – III 384/16, GE 2020, 601 nicht (mehr) herangezogen werden. 60 Dazu BGH v. 23.4.2008 – XII ZR 62/06, MDR 2008, 1089 = GE 2008, 981 = ZMR 2008, 776. 61 Die Ladenöffnungsgesetze der anderen Bundesländer enthalten gleichlautende Definitionen.

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XI. Sonstige Rechte der Parteien | Rz. 111 Anhang zu § 543

öffentlich-rechtlicher Mangel in Betracht. Ein öffentlich-rechtlicher Mangel ist gegeben, wenn die Mietsache infolge behördlichen Einschreitens in ihrer Nutzung eingeschränkt ist62. Diese Voraussetzungen könnten noch gegeben sein. Immerhin darf der Mieter sein Geschäft nach dem Erlass der Landesregierung (= Behörde) entweder nicht mehr öffnen oder nur noch in beschränkten Zeiten. Weitere Voraussetzung für einen zur Minderung berechtigenden Mangel der Mietsache ist jedoch, 107 dass der Umstand, der zur Gebrauchsbeeinträchtigung führt, aus dem Risikobereich des Vermieters stammt63. Im Hinblick auf die Verantwortlichkeit des Vermieters für die Erhaltung der Mietsache gemäß § 535 Abs. 1 BGB wird allgemein angenommen, dass der Vermieter das Risiko des baulichen Zustandes der Mietsache trägt. Demgegenüber trägt der Mieter das Verwendungsrisiko der Mietsache64. Dazu gehört vor allem das 108 Risiko, durch die Nutzung des Mietobjektes Gewinne erzielen zu können. Erfüllt sich seine Gewinnerwartung nicht, verwirklicht sich damit ein typisches Risiko des gewerblichen Mieters65. Ebenso unterliegt die Betriebsführung durch den Mieter allein seinem Risiko66. Dies wird nicht dadurch aufgeweicht, dass (auch) der Vermieter infolge der Hoheitsakte aufgrund der COVID-19-Pandemie gehindert ist, sein Gebäude für die bestimmungsgemäße Nutzung durch die Öffentlichkeit zugänglich zu halten67, was jedenfalls bei Einkaufszentren der Fall sein könnte. Denn selbst wenn er die Zugänglichkeit gewährleisten würde, dürfte der Mieter, der eine Verkaufsstätte betreibt, nicht öffnen. Öffentlich-rechtliche Anordnungen, Auflagen und sonstige Maßnahmen, die den Betrieb des Mieters 109 einschränken, werden dem Risikobereich des Mieters zugeordnet68. Ergeben sich aufgrund von gesetzgeberischen Maßnahmen während eines laufenden Mietverhältnisses Beeinträchtigungen des vertragsmäßigen Gebrauchs eines gewerblichen Mietobjekts, kann dies nachträglich einen Mangel i.S.v. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB begründen69. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die durch die gesetzgeberische Maßnahme bewirkte Gebrauchsbeschränkung unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Mietobjekts in Zusammenhang steht70. Andere gesetzgeberische Maßnahmen, die den geschäftlichen Erfolg beeinträchtigen, fallen dagegen in den Risikobereich des Mieters71. Denn der Vermieter von Gewerberäumen ist gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB lediglich verpflichtet, den Mietgegenstand während der Vertragslaufzeit in einem Zustand zu erhalten, der dem Mieter die vertraglich vorgesehene Nutzung ermöglicht. Die behördlichen Erlasse, die die Öffnung von Geschäften verbieten oder die Öffnungszeiten be- 110 schränken, haben ihre Grundlage nicht in der Beschaffenheit der Mietsache. Vielmehr betreffen sie die Art des Geschäftes des Mieters und fallen damit in sein Verwendungsrisiko72. Ein öffentlich-rechtlicher Mangel ist daher nicht gegeben.

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62 BGH v. 28.11.1979 – VIII ZR 302/78, MDR 1980, 306; OLG Düsseldorf v. 20.9.2010 – 24 U 202/09, ZMR 2011, 865; OLG Düsseldorf v. 21.1.1993 – 10 U 90/92, ZMR 1993, 275. 63 BGH v. 5.12.2018 – VIII ZR 271/17, MDR 2019, 150. 64 BGH v. 21.9.2005 – XII ZR 66/03, MDR 2006, 506; BGH v. 26.5.2004 – XII ZR 149/02, MDR 2004, 1233: BGH v. 29.9.1999 – XII ZR 313/98, MDR 2000, 79; BGH v. 16.2.2000 – XII ZR 279/97, MDR 2000, 821 m. Anm. Leo = NJW 2000, 1714 (1716); BGH v. 19.7.2000 – XII ZR 176/98, MDR 2001, 22. 65 LG Düsseldorf v. 19.7.2017 – 23 O 372/16, ZMR 2017, 807. 66 Vgl. BGH v. 21.9.2005 – XII ZR 66/03, MDR 2006, 506; BGH v. 26.5.2004 – XII ZR 149/02, MDR 2004, 1233; BGH v. 19.7.2000 – XII ZR 176/98, MDR 2001, 22; BGH v. 16.2.2000 – XII ZR 279/97, MDR 2000, 821 m. Anm. Leo = NJW 2000, 1714 (1716); BGH v. 29.9.1999 – XII ZR 313/98, MDR 2000, 79. 67 A.A. Sentek/Ludley, NZM 2020, 406 (409). 68 BGH v. 13.7.2011 – XII ZR 189/09, MDR 2011, 1092 (Rauchverbot in Gaststätten). 69 Vgl. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 14. Aufl. § 536 BGB Rz. 63. 70 Blank/Börstinghaus, § 535 BGB Rz. 749. 71 Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 10. Aufl., Rz. 200. 72 LG Frankfurt v. 7.8.2020 – 2 -05 O 160/20, GE 2020, 1252: i.E. ebso. Walburg, GE 2020, 423.

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Anhang zu § 543 Rz. 112 | Mietrecht in der COVID-19-Pandemie bb) Shopping-Center (1) Verschließen der Zugänge 112 In Shopping-Centern ist es denkbar, dass Zugangsbehinderungen eintreten, weil der überwiegende

Teil der Geschäfte geschlossen ist und einzelne Mieter, die ihre Geschäfte geöffnet halten dürfen/müssen (z.B. Apotheken) nicht erreicht werden können, weil der Betreiber die allgemeinen Zugänge zur Mall (teilweise) verschließt. 113 In diesem Fall liegt grundsätzlich ein Mangel der Mietsache vor. Der Mieter kann infolge einer Maß-

nahme des Vermieters den vertragsgemäßen Gebrauch (z.B. Führung einer Apotheke) nicht ausüben. Insoweit dürfte eine 100-%ige Minderung gerechtfertigt sein. 114 Werden die Zugänge nur teilweise verschlossen, sodass die dem Geschäft des Mieters räumlich näher

liegenden Zugänge jedenfalls geöffnet sind, besteht ein Anspruch des Mieters, an den verschlossenen Eingängen Hinweisschilder anzubringen, die dem potentiellen Kunden den Weg zu seinem Ladengeschäft aufzeigen. Verhindert der Vermieter diese Möglichkeit, wird eine Minderungsquote gerechtfertigt sein, die sich am Umsatzrückgang orientieren kann, jedenfalls aber 10 % der Gesamtmiete. (2) Schließung der überwiegenden Zahl der Geschäfte 115 Für den Mieter, der nach den Erlassen der Bundesländer sein Geschäft offenhalten darf/muss, können

zusätzlich dadurch Umsatzeinbußen eintreten, dass die im Shopping-Center angesiedelten Verkaufsgeschäfte i.S.v. § 3 LÖG geschlossen sind und dadurch das Shopping-Center als solches seine Anziehungskraft auf Kunden verliert. 116 Dieses Phänomen ist vergleichbar mit dem (überwiegenden) Leerstand in einem Einkaufszentrum.

Dieser Umstand wird ebenfalls dem Verwendungsrisiko des Mieters zugeordnet und berechtigt daher nicht zur Minderung73. cc) Einrichtung von Home-Office 117 Insbesondere Mieter von Büroräumen, die zur Verringerung der Kontaktaufnahme ihren Mitarbeitern

Arbeitsplätze zum Home-Office einrichten, sind mit zusätzlichen Ausgaben belastet (Einrichtung des Home-Office-Arbeitsplatz) und benötigen den angemieteten Büroraum jedenfalls nicht mehr vollständig. 118 Abgesehen davon, dass diese Maßnahme auf einer eigenverantwortlichen Entscheidung des gewerb-

lichen Mieters beruht, fällt die Tatsache, dass der Mieter die angemietete Fläche wegen der Verringerung der Mitarbeiter nicht mehr vollständig nutzen kann, in das Verwendungsrisiko des Mieters. Daher liegt ein Mangel der Mietsache nicht vor und ist eine Minderung nicht begründet. dd) Zwischenergebnis 119 Aufgrund der öffentlich-rechtlichen Beschränkungen, die durch die Erlasse der Bundesländer den Ge-

werbetreibenden auferlegt werden, kann der Mieter von Gewerberaum grundsätzlich nicht die Miete nach § 536 Abs. 1 BGB mindern. Eine Minderung kommt allenfalls in Betracht, wenn durch Maßnahmen des Vermieters der Zugang zu Geschäften, die geöffnet bleiben dürfen, behindert wird. b) Anpassung der Miete nach § 313 BGB 120 Eine Reduzierung der Miete könnte sich wegen der unvorhesehbaren Pandemie und ihrer Folgen aus

dem Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB ergeben74.

73 BGH v. 17.3.2010 – XII ZR 108/08, MDR 2010, 737. 74 Vgl. dazu auch Walburg, GE 2020, 423; Zehelein, NZM 2020, 390 (397); Ekkenga/Schirrmacher, NZM 2020, 410; Horst, MietRB 2020, 144; Butenberg, IMR 2020, 176; Sittner, NJW 2020, 1169; Weller/Lieberknecht/Habrich, NJW 2020, 1017.

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XI. Sonstige Rechte der Parteien | Rz. 127 Anhang zu § 543

Es ist bereits zweifelhaft, ob die Risikoverteilung des Mietvertrages, die das Verwendungsrisiko dem 121 Mieter zuordnet (Anhang zu § 543 BGB Rz. 108), überhaupt Platz für die Anwendung des § 313 BGB bietet75. Jedenfalls ist es dem Mieter aber nicht unzumutbar, für die Zeit der staatlichen Schließungsanordnungen das Risiko (allein) zu tragen76. Auch wenn die Geschäftsgrundlage dadurch gebildet werden sollte, dass die Parteien übereinstimmend davon ausgehen, dass die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses herrschenden wirtschaftlichen, politischen und sozialen Rahmenbedingungen sich nicht ändern und die Vertragsdurchführung gefährdet wird77, handelt es sich um einen kurzfristigen (vorübergehenden) Eingriff in die unternehmerische Freiheit, der eine von § 313 BGB vorausgesetzte Unzumutbarkeit nicht herbeiführen kann. Daneben haben viele Mieter die Möglichkeit, für die damit verbundenen Benachteiligungen staatliche 122 Hilfen in Anspruch zu nehmen, die in ihrer Ausgestaltung auch seine Belastung durch laufende Mietzahlungen berücksichtigen. Deshalb kann auch keine Parallele zu der Rechtsprechung gezogen werden, die eine Erbbauzinsreduzierung bei einer 60 %-prozentigen Geldentwertung zulässt78. c) Schadensersatz Da ein Mangel der Mietsache nicht vorliegt und in der Regel auch keine Pflichtverletzung des Vermie- 123 ters dazu beigetragen hat, dass Vorräte des Mieters verderben, Mietausfall z.B. wegen des Verbots von Veranstaltungen entsteht, soweit der Mieter entsprechende Räume untervermieten durfte, Umsatzausfälle eintreten und Kosten für die Einrichtung von Heimarbeitsplätzen entstehen, bestehen keine Schadensersatz-, Entschädigungs- oder Aufwendungsersatzansprüche des Mieters gegen den Vermieter. d) Mitwirkungspflichten des Vermieters Es ist davon auszugehen, dass der Erhalt staatlicher Hilfen jedenfalls teilweise von der Mitwirkung des 124 Vermieters abhängig sein wird. Insbesondere ist anzunehmen, dass der Mieter bei den Behörden seinen Mietrückstand durch eine Bestätigung des Vermieters nachweisen muss. Sofern in den Vorschriften über die Gewährung derartiger Leistungen an den Mieter keine besondere 125 Mitwirkungspflicht des Vermieters geregelt wird, kommt eine solche Pflicht aus dem Gesichtspunkt der Nebenpflichten in Betracht. Gemäß § 241 Abs. 2 BGB entspricht es dem Wesen der Schuldverhältnisse, dass insbesondere auf die Interessen des Vertragspartners Rücksicht zu nehmen ist. Daraus können insbesondere bestimmte Auskunfts- und Mitteilungspflichten entstehen79. Zwar hat der BGH80 eine Pflicht des Vermieters zur Ausstellung einer Mietschuldenfreiheitsbescheini- 126 gung verneint. Indessen beruhte die Begründung dieser Entscheidung auf der Nähe zur Ausgleichsquittung, worauf der Mieter keinen Anspruch haben soll. In der vorliegenden Konstellation geht es aber darum, die Konsequenzen der von außen an den Mieter herangetragenen Störung des Geschäftsbetriebes abzufedern. Insoweit entspricht es bereits der Fürsorge, zu der der Vermieter verpflichtet ist, den Mieter vor Schaden (bis hin zum Verlust seiner Existenz) zu bewahren, die den Vermieter auch zu einem positiven Tun zwingen kann81. Daher ist der Vermieter verpflichtet, dem Mieter auf Anfrage eine Bestätigung über die eingetretenen 127 Mietrückstände vorzulegen. Verweigert der Vermieter die Aushändigung einer solchen Bestätigung, kann der Mieter ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB zustehen. Sofern dieser Fall eintritt, ist eine 75 Vgl. dazu BGH v. 8.5.2002 – XII ZR 8/00, MDR 2002, 1114 = ZMR 2002, 654 Rz. 13; verneinend für CoronaFälle: Leo/Götz, NZM 2020, 402 (405). 76 Vgl. dazu BGH v. 8.5.2002 – XII ZR 8/00, MDR 2002, 1114 = ZMR 2002, 654 Rz. 19; LG Zweibrücken v. 11.9.2020 – HKO 17/20, BeckRS 2020 24356; Klimesch/Walther, ZMR 2020, 557; a.A. Blank/Börstinghaus, § 535 BGB Rz. 758; Gerlach/Manzke, ZMR 2020, 551; Zehelein, NZM 2020, 390 (398); Ekkenga/Schirrmacher, NZM 2020, 410; Horst, MietRB 2020, 144; Butenberg, IMR 2020, 176; Sittner, NJW 2020, 1169; Weller/Lieberknecht/Habrich, NJW 2020, 1017. 77 So: Zehelein, NZM 2020, 390 (398); Ekkenga/Schirrmacher, NZM 2020, 410 (412). 78 BGH v. 21.2.1985 – V ZR 195/84, MDR 1986, 662 = WuM 1986, 285 = ZMR 1986, 354. 79 Vgl. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 14. Aufl., § 535 BGB Rz. 178 f. 80 BGH v. 30.9.2009 – VIII ZR 238/08, MDR 2010, 18. 81 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 14. Aufl., § 535 BGB Rz. 100 m.w.N.

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Anhang zu § 543 Rz. 127 | Mietrecht in der COVID-19-Pandemie außerordentliche (fristlose) Kündigung wegen Zahlungsverzugs ausgeschlossen. Denn die Einrede des Mieters (Zurückbehaltungsrecht) hindert den Eintritt des Verzuges. e) Kündigungsrecht des Mieters 128 Ist eine Befristung des Gewerberaummietvertrages nicht vereinbart oder wurde der befristete Vertrag

unter Verletzung der gesetzlichen Schriftform (§ 550 BGB) geschlossen, kann der Mietvertrag ordentlich gekündigt werden, § 542 Abs. 1 BGB. Solange keine abweichenden Vereinbarungen getroffen wurden, bestimmt sich die Kündigungsfrist nach § 580a Abs. 2 BGB mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende des Quartals. 129 In der Gewerberaummiete werden regelmäßig befristete Verträge geschlossen. Diese können nur au-

ßerordentlich gekündigt werden, § 542 Abs. 2 BGB. Ein solches Recht des Mieters ist ohne weiteres nicht erkennbar. aa) § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB 130 Ein Mangel der Mietsache kann im Hinblick auf die behördlichen Maßnahmen nur vorliegen, wenn

der Vermieter n einem Shopping-Center nicht den freien Zugang zu einem Geschäft ermöglicht, das trotz der behördlichen Schließungsanordnung geöffnet bleiben darf. 131 Eine Entziehung des vertragsgemäßen Gebrauchs i.S.v. § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB liegt entweder vor,

wenn ein nachträglicher (erheblicher) Mangel i.S.d. § 536 BGB eintritt oder der Vermieter auf sonstige Weise dem Mieter den vertragsgemäßen Gebrauch streitig macht. Weiterhin ist Voraussetzung, dass die Gebrauchsbeeinträchtigung erheblich ist82. 132 Dies kann nur im Einzelfall entschieden werden. Zugangsbehinderungen können grundsätzlich einen

erheblichen Mangel begründen, wenn sie sich massiv auf die Nutzung auswirken83. Dafür muss nicht unbedingt der Zugang völlig unmöglich sein. Die Schwere des Mangels kann sich auch erst nach einer Abmahnung oder Fristsetzung zeigen, die nach § 543 Abs. 3 BGB ohnehin erforderlich ist. bb) § 543 Abs. 1 BGB 133 Dieses Kündigungsrecht könnte sich z.B. daraus ergeben, dass der Vermieter die Bestätigung der Schul-

den des Mieters verweigert. Eine solche Pflichtverletzung könnte nach einer Abmahnung (§ 543 Abs. 3 BGB) einen wichtigen Grund gemäß § 543 Abs. 1 BGB rechtfertigen. Dafür sind jedoch die Umstände des Einzelfalles maßgeblich. Aufgrund der Weigerung muss es dem Mieter unzumutbar sein, das Mietverhältnis bis zu seinem Ende fortzusetzen. Insoweit wird zu berücksichtigen sein, wie sich der Vermieter ansonsten hinsichtlich der Mietrückstände verhalten hat. cc) § 540 Abs. 1 Satz 2 BGB 134 Nach dieser Norm kann der Mieter außerordentlich mit gesetzlicher Frist kündigen, wenn der Ver-

mieter die Bitte des Mieters, die Räume (teilweise) unterzuvermieten, abschlägig bescheidet und in der Person des potentiellen Untermieters kein wichtiger Grund vorliegt. 135 Da der Mieter grundsätzlich das wirtschaftliche Risiko der Nutzung trägt, soll § 540 BGB dem Mieter

zunächst die Möglichkeit bieten, z.B. bei Aufgabe der Nutzung seinen wirtschaftlichen Verlust aufzufangen, indem er den Gebrauch einem Dritten (gegen Entgelt) überlässt84. 136 Es ist relativ unwahrscheinlich, dass der Mieter ein Zustimmungsverlangen zur Untervermietung an

den Vermieter richtet. In der gegebenen Situation müsste er nämlich einen Untermieter finden, der nicht den Beschränkungen hinsichtlich der Öffnung seines Geschäftes unterliegt. Wird ein solches Ver-

82 BGH v. 29.4.2009 – VIII ZR 142/08, WuM 2009, 349; BGH v. 4.5.2005 – XII ZR 254/01, MDR 2005, 975 = ZMR 2005, 612 = GuT 2005, 163. 83 OLG Düsseldorf v. 7.7.2005 – 10 U 202/04, ZMR 2005, 710 = OLGR Düsseldorf 2005, 331. 84 BGH v. 24.5.1995 – XII ZR 172/94, NJW 1995, 2034 = MDR 1995, 1115 = WuM 1995, 481.

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XI. Sonstige Rechte der Parteien | Rz. 146 Anhang zu § 543

langen dennoch gestellt, kann der Vermieter unter Umständen die Untervermietung aber schon deshalb ohne nachteilige Folgen verbieten, wenn durch die Nutzung des Untermieters eine Änderung des Vertragszwecks, insbesondere wenn bauliche Veränderungen notwendig werden oder eine Konkurrenzsituation zu anderen Mietern eintritt85. Letzteres ist insbesondere der Fall, wenn das Geschäft des Untermieters zu einer anderen Branche gehört. Eine solche Entscheidung muss im Einzelfall getroffen werden.

137

2. Wohnraummiete a) Mangel der Mietsache aa) Ausgangssperre/Kontaktverbot Für die Bewertung eines Mangels geltend in der Wohnraummiete grundsätzlich die gleichen Anfor- 138 derungen wie in der Gewerberaummiete (vgl. Anhang zu § 543 BGB Rz. 103). Die zuständigen Behörden haben mittlerweile Kontaktverbote und teilweise Ausgangssperren angeordnet. Im Rahmen dieser Beschränkungen sollen die Bürger nur noch aus notwendigem Anlass (z.B. Weg zur Arbeit, Einkauf) das Haus verlassen dürfen und nur noch mit einer bestimmten Anzahl nicht zur Familie gehörender Personen zusammentreffen dürfen. Dadurch, dass der Mieter z.B. zur Freizeitgestaltung seine Wohnung nicht mehr verlassen darf, ist kein 139 Mangel der Mietsache gegeben. Die Mietsache befindet sich in ihrer Bausubstanz nach wie vor in dem bisherigen (unterstellt: vertragsgemäßen) Zustand. Die Möglichkeit für den Mieter, sich außerhalb seiner Wohnung frei zu bewegen, unterliegt nicht dem 140 Risikobereich des Vermieters. Damit liegt ein Mangel der Mietsache nicht vor. Eine Minderung kommt nicht in Betracht.

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bb) Nicht vorhandene Einrichtung für ein Home-Office Um einen häuslichen Arbeitsplatz (Home-Office) einrichten zu können, benötigt der Mieter eine In- 142 ternetverbindung. Haben die Mietvertragsparteien keine ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung darüber ge- 143 troffen, dass zur Ausstattung der Wohnung ein Internetanschluss gehört, führt das Fehlen einer solchen Einrichtung nicht zu einem Mangel der Mietsache. Zwar soll ein Telefonanschluss schon lange zum Standard einer Wohnung gehören86 und kann deshalb nach der Lebnenserfahrung unterstellt werden, dass ein Festnetzanschluss in einer Wohnung vorhanden ist. Gebäude, die seit Ende 2006 errichtet wurden, muss im Übrigen gemäß § 77k Abs. 4 TKG ein Netzabschlusspunkten mit hochgeschwindigkeitsfähigen passiven Netzinfrastrukturen sowie einem Zugangspunkt zu diesen passiven gebäudeinternen Netzkomponenten vorhanden sein. Schon ein Festnetzanschluss bietet i.d.R. die Möglichkeit, eine Internetverbindung einzurichten/herzu- 144 stellen. Ist diese Internetverbindung jedoch nicht vorhanden, fällt es grundsätzlich in den Risikobereich des Mieters mit seinem Festnetzanbieter eine entsprechende Erweiterung des Leistungspakets zu vereinbaren. Dies gilt auch dann, wenn zwar ein Internetanschluss geschuldet wird, der Mieter aber für das Home- 145 Office eine höhere Kapazität (Geschwindigkeit) benötigt. Denn selbst wenn im Mietvertrag keine bestimmte Qualität des Internetanschlusses vereinbart ist, schuldet der Vermieter allein die bei Vertragsbeginn vorhandene Kapazität. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob der Mieter ohne weiteres oder nur mit Zustimmung 146 des Vermieters einen Internetanschluss einrichten oder erweitern darf, sofern die dafür notwendigen 85 BGH v. 16.9.1981 – VIII ZR 161/80, ZMR 1982, 11; OLG Köln v. 12.4.1996 – 20 U 166/95, WuM 1997, 620; OLG Celle v. 8.3.1989 – 2 U 2/88, OLGZ 1990, 88. 86 BGH v. 5.12.2018 – VIII ZR 17/18, WuM 2019, 23.

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Anhang zu § 543 Rz. 146 | Mietrecht in der COVID-19-Pandemie Einrichtungen nicht vorhanden sind und vom Vermieter ausnahmsweise nicht geschuldet werden. Die Beantwortung dieser Frage hängt davon ab, ob der Internetanschluss mit einer baulichen Veränderung (Substanzverletzung der Mietsache) verbunden ist. Bauliche Veränderungen dürfen grundsätzlich nämlich nur mit Zustimmung des Vermieters durchgeführt werden87. 147 Selbst wenn eine bauliche Veränderung notwendig sein sollte, hat der Mieter einen Anspruch auf Zu-

stimmung des Vermieters. Zwar steht die Zustimmung – vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen im Mietvertrag – grundsätzlich im freien Ermessen des Vermieters. Indessen ist ebenfalls zu prüfen, inwieweit die Maßnahme vom vertragsgemäßen Gebrauch gedeckt ist. Insbesondere weil keine wesentliche Beeinträchtigung der Bausubstanz zu erwarten sind und der Mieter in der gegebenen Situation auf den häuslichen Arbeitsplatz angewiesen ist, überwiegen im Rahmen der notwendigen Abwägung der beiderseitigen Interessen in der konkreten Situation i.d.R. die Belange des Mieters. In diesem Fall kann der Vermieter den Verlauf etwaiger Leitungen mitbestimmen und eine zusätzliche Mietsicherheit (Kaution) in Höhe der ungefähren Rückbaukosten verlangen88.

148 Es besteht also ein Anspruch auf Zustimmung zur Durchführung einer baulichen Veränderung zum

Zwecke der Einrichtung eines Internetanschlusses bzw. der Erweiterung eines vorhandenen Anschlusses. cc) Störung des Internetempfangs 149 Besteht ein Internetanschluss trifft den Vermieter auch dazu die Erhaltungspflicht nach § 535 Abs. 1

Satz 2 BGB und zwar unabhängig davon, ob der Internetanschluss ausdrücklich im Mietvertrag erwähnt ist89. Dementsprechend schuldet der Vermieter die Instandsetzung (Reparatur), sofern Störungen auftreten. Diese Pflicht ist unabhängig davon, ob der Mieter z.B. über seinen Festnetz-Anbieter ebenfalls die Wiederherstellung eines störungsfreien Betriebes erreichen kann. 150 Ist der störungsfreie Betrieb nicht gewährleistet, kann der Mieter für die Dauer der Beeinträchtigung

die Miete mindern. Die Höhe der Minderung wird vom Einzelfall abhängen, wobei eine objektive Bewertung erfolgt. Je nach der Qualität der Störung kommt eine Minderung zwischen 5-10 % in Betracht. dd) Schließung von Spiel- und Bolzplätzen 151 Nach den Erlassen der Landesregierungen sollen Spiel- und Bolzplätze nicht genutzt werden dürfen.

Diese Beschränkung gilt sowohl für öffentliche, als auch für private Einrichtungen dieser Art. 152 Auch ohne besondere Erwähnung im Mietvertrag gehört ein (privater) Spiel- und/oder Bolzplatz zum

Leistungsspektrum des Vermieters nach § 535 Abs. 1 BGB, wenn er auf dem Grundstück vorhanden ist und keine Einschränkung der Nutzung nur für bestimmte Mieter oder sonstige Personen im Mietvertrag geregelt ist. Wird der Spiel- und/oder Bolzplatz nun gesperrt, wird damit der (mögliche) vertragsgemäße Gebrauch beeinträchtigt. 153 Damit liegt ein Mangel der Mietsache vor90, weil der Mieter nicht mehr wie vorher alle zur Verfügung

stehenden Gemeinschaftsflächen nutzen kann. Denn die Nutzbarkeit einer zum vertragsgemäßen Gebrauch gehörenden Einrichtung unterliegt dem Risikobereich des Vermieters. Insoweit ist es unerheblich, dass die Einschränkung durch eine behördliche Maßnahme erfolgt ist und ob der Vermieter dies vorhersehen konnte. Denn der Mangel ist objektiv zu ermitteln91. Deshalb kann auch der Mieter ein 87 BGH v. 16.9.2009 – VIII ZR 67/08, NJW 2010, 436; BGH v. 10.10.2007 – VIII ZR 260/06, MDR 2008, 73; BGH v. 16.5.2007 – VIII ZR 207/04, NJW-RR 2007, 1243; BGH v. 17.4.2007 – VIII ZR 63/04, WuM 2007, 380; BGH v. 16.11.2005 – VIII ZR 5/05, MDR 2006, 741; BGH v. 2.3.2005 – VIII ZR 118/04, NJW-RR 2005, 596; BVerfG v. 9.2.1994 – 1 BvR 1687/92, BVerfGE 90, 27, 32 ff.; BVerfG v. 24.1.2005 – 1 BvR 1953/00, NJW-RR 2005, 661; BVerfG v. 27.10.2006 – 1 BvR 1320/04, GE 2007, 902. 88 OLG Frankfurt v. 19.12.1991 – 6 U 108/90. WuM 1992, 56 (62). 89 BGH v. 5.12.2018 – VIII ZR 17/18, WuM 2019, 23. 90 Artz/Brinkmann/Pielsticker, MDR 2020, 527 (530); a.A. Blank/Börstinghaus, § 535 BGB Rz. 750; Selk, GE 2020, 585 (590). 91 Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 14. Aufl., § 536 BGB Rz. 10.

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A. Allgemeines | Rz. 1 § 544

Minderungsrecht reklamieren, der an sich – z.B. weil er keine Kinder hat – als Nutzer der Einrichtung nicht in Betracht kommt. Bei Wegfall eines Spielplatzes wird in der Regel eine Minderungsquote von 5 % zuerkannt92.

154

b) Mitwirkungspflichten Im Rahmen seiner Fürsorgepflicht trifft auch den Vermieter von Wohnraum die Pflicht, Schaden vom 155 Mieter abzuhalten bzw. abzuwenden. Der Vermieter ist also unter den gleichen Voraussetzungen wie der Vermieter von Gewerberaum (Anhang zu § 543 BGB Rz. 120) angehalten, den Mieter bei der Stellung von Anträgen bei der Behörde zwecks Erzielung von Einkommen zu unterstützen.

§ 544 Vertrag über mehr als 30 Jahre Wird ein Mietvertrag für eine längere Zeit als 30 Jahre geschlossen, so kann jede Vertragspartei nach Ablauf von 30 Jahren nach Überlassung der Mietsache das Mietverhältnis außerordentlich mit der gesetzlichen Frist kündigen. Die Kündigung ist unzulässig, wenn der Vertrag für die Lebenszeit des Vermieters oder des Mieters geschlossen worden ist. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . 2. Anwendbare Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . III. Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Abweichende Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . V. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . B. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Laufzeit des Mietvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . 1. 30-Jahres-Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirksame Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 575 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schriftform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Formularmäßige Vereinbarungen . . . . . II. Kündigungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kündigungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . .

1 1 2 2 5 7 8 10 11 11 11 17 18 19 21 25 25

2. Kündigungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verträge auf Lebenszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begründung der Lebenszeitabrede . . . . . . . . . 2. Wirksamkeit der Abrede . . . . . . . . . . . . . . . . a) Herrschendes Meinungsbild . . . . . . . . . . aa) Verträglichkeit mit § 575 Abs. 4 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Geltung von Altverträgen aus der Zeit vor dem 1.9.2001 . . . . . . . . . . . . cc) Eintrittsrecht nach § 563 BGB . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mehrere Personen als Mieter . . . . . . . . . . . . . 4. Schriftform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kündigungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verträge auf Lebenszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30 31 31 33 33 34 37 39 43 57 58 59 62 65 66

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt Die Norm erfasst in S. 1 alle Mietverträge, deren Laufzeit mehr als 30 Jahre beträgt. Für diese Verträge 1 wird angeordnet, dass sie ab dem 31. Vertragsjahr außerordentlich kündbar sind, sofern sie nicht auf Lebenszeit einer der beiden Vertragsparteien geschlossen wurden. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung gilt grundsätzlich für beide Parteien, also für Vermieter und Mieter. Insoweit wird § 544 S. 1 BGB z.B. für den individuellen Kündigungsverzicht in der Wohnraummiete als Orientierung für die höchstzulässige Dauer herangezogen1. § 544 S. 2 BGB ist vor dem Hintergrund des gesetzlichen Modells des Mietvertrages auf unbestimmte Zeit zu verstehen. Daher bestimmt der Mietvertrag auf Lebenszeit einen unbefristeten Mietvertrag, der für die Dauer der Lebenszeit der Bezugsperson vom 92 LG Freiburg v. 18.2.1975 – 9 S 197/74, ZMR 1976, 210; AG Köpenick v. 11.7.2007 – 6 C 71/07, MM 2007, 299. 1 BGH v. 8.5.2018 – VIII ZR 200/17, MietRB 2018, 225 = MDR 2018, 855 = WuM 2018, 437 = GE 2018, 820 m.w.N.

Lützenkirchen | 883

A. Allgemeines | Rz. 1 § 544

Minderungsrecht reklamieren, der an sich – z.B. weil er keine Kinder hat – als Nutzer der Einrichtung nicht in Betracht kommt. Bei Wegfall eines Spielplatzes wird in der Regel eine Minderungsquote von 5 % zuerkannt92.

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b) Mitwirkungspflichten Im Rahmen seiner Fürsorgepflicht trifft auch den Vermieter von Wohnraum die Pflicht, Schaden vom 155 Mieter abzuhalten bzw. abzuwenden. Der Vermieter ist also unter den gleichen Voraussetzungen wie der Vermieter von Gewerberaum (Anhang zu § 543 BGB Rz. 120) angehalten, den Mieter bei der Stellung von Anträgen bei der Behörde zwecks Erzielung von Einkommen zu unterstützen.

§ 544 Vertrag über mehr als 30 Jahre Wird ein Mietvertrag für eine längere Zeit als 30 Jahre geschlossen, so kann jede Vertragspartei nach Ablauf von 30 Jahren nach Überlassung der Mietsache das Mietverhältnis außerordentlich mit der gesetzlichen Frist kündigen. Die Kündigung ist unzulässig, wenn der Vertrag für die Lebenszeit des Vermieters oder des Mieters geschlossen worden ist. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . 2. Anwendbare Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . III. Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Abweichende Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . V. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . B. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Laufzeit des Mietvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . 1. 30-Jahres-Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirksame Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 575 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schriftform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Formularmäßige Vereinbarungen . . . . . II. Kündigungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kündigungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . .

1 1 2 2 5 7 8 10 11 11 11 17 18 19 21 25 25

2. Kündigungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verträge auf Lebenszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begründung der Lebenszeitabrede . . . . . . . . . 2. Wirksamkeit der Abrede . . . . . . . . . . . . . . . . a) Herrschendes Meinungsbild . . . . . . . . . . aa) Verträglichkeit mit § 575 Abs. 4 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Geltung von Altverträgen aus der Zeit vor dem 1.9.2001 . . . . . . . . . . . . cc) Eintrittsrecht nach § 563 BGB . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mehrere Personen als Mieter . . . . . . . . . . . . . 4. Schriftform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kündigungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verträge auf Lebenszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30 31 31 33 33 34 37 39 43 57 58 59 62 65 66

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt Die Norm erfasst in S. 1 alle Mietverträge, deren Laufzeit mehr als 30 Jahre beträgt. Für diese Verträge 1 wird angeordnet, dass sie ab dem 31. Vertragsjahr außerordentlich kündbar sind, sofern sie nicht auf Lebenszeit einer der beiden Vertragsparteien geschlossen wurden. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung gilt grundsätzlich für beide Parteien, also für Vermieter und Mieter. Insoweit wird § 544 S. 1 BGB z.B. für den individuellen Kündigungsverzicht in der Wohnraummiete als Orientierung für die höchstzulässige Dauer herangezogen1. § 544 S. 2 BGB ist vor dem Hintergrund des gesetzlichen Modells des Mietvertrages auf unbestimmte Zeit zu verstehen. Daher bestimmt der Mietvertrag auf Lebenszeit einen unbefristeten Mietvertrag, der für die Dauer der Lebenszeit der Bezugsperson vom 92 LG Freiburg v. 18.2.1975 – 9 S 197/74, ZMR 1976, 210; AG Köpenick v. 11.7.2007 – 6 C 71/07, MM 2007, 299. 1 BGH v. 8.5.2018 – VIII ZR 200/17, MietRB 2018, 225 = MDR 2018, 855 = WuM 2018, 437 = GE 2018, 820 m.w.N.

Lützenkirchen | 883

§ 544 Rz. 1 | Vertrag über mehr als 30 Jahre Vermieter nicht kündbar ist. In der Wohnraummiete soll § 544 BGB durch § 575a BGB überlagert werden. Eine weitere Beschränkung soll durch § 575 BGB stattfinden2.

II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich 2 Die Bestimmung gilt für die Miete und entsprechend für die Pacht (§ 581 Abs. 2 BGB) einschließlich

Untermiete und Unterpacht sowie für miet- und pachtähnliche Rechtsverhältnisse3. Das Sonderkündigungsrecht greift auch bei Verträgen, die dem Berechtigten die Möglichkeit einräumen, Versorgungsleitungen durch ein fremdes Grundstück zu führen4. Ist das Entgelt im Voraus in einer Summe bezahlt worden, greift ggf. § 547 BGB. 3 Die Regelung ist auch auf Vorverträge anwendbar5. Der Gegenmeinung6 ist zwar zuzugeben, dass § 544

BGB zunächst die Verfügungsbefugnis des Vermieters schützen will und diese unmittelbar durch einen Vorvertrag nicht beeinträchtigt wird. Der Vermieter ist aber auch durch einen Vorvertrag in seiner Verfügungsgewalt insoweit eingeschränkt, als dass er nur noch Miet- oder sonstige Nutzungsverträge über das Mietobjekt abschließen kann, die eine Realisierung des Anspruchs aus dem Vorvertrag nicht verhindern. Diese Beschränkung wird auch vom Schutzzweck des § 544 BGB erfasst. 4 Ob eine analoge Anwendung auf andere Vertragstypen (z.B. Leihe) in Betracht kommt7, ist zweifel-

haft. Auch wenn der Zweck der Vorschrift bei anderen Überlassungsverträgen ebenso relevant sein kann, ist doch zu bedenken, ob das Gesetz den Fall nicht bereits geregelt hat. Dies ist für die Leihe in § 605 BGB geschehen. Danach kann der Entleiher die Sache jedenfalls dann zurückfordern, wenn er sie benötigt, und zwar auch bei einer Befristung und insbesondere bei Abschluss auf Lebenszeit8. 2. Anwendbare Rechtsprechung 5 Gegenüber § 567 BGB in der Fassung bis zur Mietrechtsreform 2001 hat es zum 1.9.2001 keine inhalt-

lichen Änderungen gegeben. Vielmehr haben nur sprachliche Anpassungen stattgefunden. So wurde der Wortlaut wegen der neuen einheitlichen Terminologie für die verschiedenen Kündigungsarten („außerordentlich mit der gesetzlichen Frist“) geändert. Durch eine weitere sprachliche Umformulierung wurde zudem ausdrücklich klargestellt, dass die Kündigung erst nach Ablauf von dreißig Jahren, gerechnet ab dem Zeitpunkt der (vereinbarten) Überlassung der Mietsache, möglich ist. 6 Dies macht deutlich, dass die Rechtsprechung zu § 567 BGB in der Fassung aus der Zeit vor dem

1.9.2001 ohne Weiteres heute noch angewendet werden kann. Deshalb gibt es auch keine Überleitungsvorschrift zu § 544 BGB.

III. Zweck der Vorschrift 7 Durch § 544 BGB soll die Verfügungsgewalt des Vermieters geschützt werden9. Spätestens nach

30 Jahren soll er die Möglichkeit haben, die Sache zurückzuerhalten, so dass der Mieter sich nicht als „Erbmieter“ oder in einem vergleichbaren Verhältnis fühlen kann10. Ansonsten würde außerhalb des

2 Schmidt-Futterer/Lammel, § 544 BGB Rz. 3. 3 BGH v. 17.4.1996 – XII ZR 168/94, MDR 1996, 784 = NJW 1996, 2028 = WuM 1996, 476 = ZMR 1996, 424; RG v. 30.3.1928 – III 504/26, RGZ 121, 11. 4 BGH v. 8.7.1993 – III ZR 146/92, MDR 1993, 1062 = NJW 1993, 313. 5 Staudinger/Emmerich, § 544 BGB Rz. 2. 6 Schmidt-Futterer/Lammel, § 544 BGB Rz. 13; MünchKomm/Bieber, § 544 BGB Rz. 2. 7 Dafür: OLG Celle v. 29.6.1994 – 20 U 9/94, NJW-RR 1994, 1473; Blank/Börstinghaus, § 544 BGB Rz. 3. 8 Vgl. Erman/Graf v. Westphalen, § 605 BGB Rz. 2. 9 Schmidt-Futterer/Lammel, § 544 BGB Rz. 1. 10 BGH v. 27.11.2003 – IX ZR 76/00, MietRB 2004, 138 = MDR 2004, 439 = ZMR 2004, 328; BGH v. 20.5.1994 – V ZR 292/92, MDR 1994, 796 = WuM 1994, 460 = ZMR 1994, 457.

884 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 11 § 544

Numerus clausus der Sachenrechte und des Buchungszwangs der Grundstücksrechte die Verkehrsfähigkeit des Grundeigentums gefährdet11. Insoweit setzt die Vorschrift auch einen wesentlichen Grundpfeiler für das Mietrecht, indem sie deutlich macht, dass eine mietrechtliche Überlassung immer nur vorübergehend bleibt. Denn der Gesetzgeber12 geht davon aus, dass nach 30 Jahren die Schwelle zur ewigen Nutzung im Sinne eines Gewohnheitsrechts überschritten wird. Praktische Bedeutung gewinnt dieser Zweck vor allem bei Verträgen, bei denen die Parteien erheblich investieren oder die dem Nutzer seine Existenz sichern. § 544 S. 2 BGB bezweckt zusätzlich einen gewissen Mieterschutz. Wird ein Mietvertrag auf Lebenszeit 7a eingegangen, wird damit das Recht des Vermieters zur ordentlichen Kündigung für diese Dauer ausgeschlossen. Dem Mieter soll für die vereinbarte Dauer sein Lebensmittelpunkt erhalten bleiben, den er aber freiwillig aufgeben kann. Dazu muss er eine ordentliche Kündigung erklären.

IV. Abweichende Vereinbarung Die Vorschrift enthält zwingendes Recht13. Verträge, die gegen § 544 BGB verstoßen, sind gültig, erhal- 8 ten nur ohne Rücksicht auf den Willen der Vertragsparteien mit Bezug auf die Vertragsdauer einen anderen Inhalt14, soweit nicht eine Gesamtunwirksamkeit über § 139 BGB angenommen werden muss. Eine abweichende Vereinbarung liegt auch vor, wenn § 544 BGB erst nach einer Laufzeit von mehr als 9 30 Jahren anwendbar sein soll15 oder die Ausübung der Kündigung erschwert wird. Letzteres ist der Fall, wenn der Mietvertrag vorsieht, dass sich die Kündigungsfrist nach 30 Jahren gegenüber der gesetzlichen Frist verlängert16.

V. Darlegungs- und Beweislast Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Kündigungsbeschränkung muss derjenige darlegen und be- 10 weisen, der sich auf § 544 BGB beruft. Das ist in der Regel der Kündigungsempfänger.

B. Wohnraummiete I. Laufzeit des Mietvertrages 1. 30-Jahres-Frist § 544 S. 1 BGB setzt voraus, dass der Mietvertrag für eine längere Zeit als 30 Jahre abgeschlossen wur- 11 de. Dafür ist auf die Sichtweise der Vertragsparteien im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages abzustellen17. Dabei ist die Vertragszeit, also gerechnet ab (vereinbartem) Vertragsbeginn, und nicht das Kalenderjahr maßgeblich18. Auch eine vor Vertragsbeginn liegende Überlassung (etwa zur Durchführung von Renovierungsarbeiten) ist nicht mitzurechnen19. Wird die relevante Bindung, die auch in einem (einseitigen) Kündigungsausschluss bestehen kann, erst in einem Nachtrag geschaffen, läuft die 30-Jahres-Frist vom Abschluss der Verlängerungsvereinbarung an20. Bei Kettenmietverträgen ist zu 11 BGH v. 27.11.2003 – IX ZR 76/00, MietRB 2004, 138 = MDR 2004, 439 = ZMR 2004, 328. 12 Motive II, S. 413. 13 BGH v. 27.11.2003 – IX ZR 76/00, MDR 2004, 439 = MietRB 2004, 138 = ZMR 2004, 328; OLG Hamm v. 11.6.1999 – 30 U 238/98, NZM 1999, 753 (jeweils zu § 567 BGB a.F.). 14 BGH v. 27.9.1951 – I ZR 85/50, LM § 581 BGB Nr. 2; RG v. 14.6.1907 – III 12/07, RGZ 66, 216, 218; RG v. 20.10.1930 – VIII 229/30, RGZ 130, 143, 146. 15 Blank/Börstinghaus, § 544 BGB Rz. 25. 16 OLG Frankfurt v. 21.1.1999 – 4 U 61/98, NZM 1999, 419. 17 Bub/Treier/Grapentin, IV Rz. 442 m.w.N. 18 OLG Düsseldorf v. 6.7.2001 – 24 U 214/00, ZMR 2002, 189 (190); Blank/Börstinghaus, § 544 BGB Rz. 17. 19 Schach in Kinne/Schach/Bieber, § 544 BGB Rz. 2. 20 BGH v. 17.4.1996 – XII ZR 168/94, MDR 1996, 784 = NJW 1996, 2028.

Lützenkirchen | 885

§ 544 Rz. 11 | Vertrag über mehr als 30 Jahre unterscheiden: Sieht der Mietvertrag eine Verlängerungsautomatik vor, wonach er immer wieder um einen bestimmten Zeitraum (z.B. fünf Jahre) verlängert wird, muss zur Berechnung der Frist des § 544 S. 1 BGB auf den Vertragsbeginn abgestellt werden. 11a Wird ein bereits ausgelaufener Mietvertrag „verlängert“, handelt es sich – unabhängig von den Formu-

lierungen der Parteien – stets um eine Neubegründung des Mietvertrages. Denn ein beendeter Mietvertrag kann dogmatisch nicht verlängert oder fortgesetzt werden. Die Frist des § 544 S. 1 BGB beginnt also mit der Überlassung der Mietsache aufgrund dieses neuen Mietvertrages zu laufen. Stellen die Parteien ihr Mietverhältnis vor Ablauf der Mietzeit auf eine neue Grundlage, ist auf den Beginn des neuen Mietvertrages nur abzustellen, sofern sich im Wege der Auslegung ergibt, dass der Neuabschluss eines Mietvertrages stattgefunden haben sollte21. Maßgeblich ist also der Wille der Parteien. Lässt sich dieser nicht mit ausreichender Sicherheit ermitteln, kann indiziell darauf abgestellt werden, dass z.B. durch die Änderungen wesentlicher Regelungen eine neue, selbständige Grundlage für die Vertragsbeziehung der Parteien geschaffen werden sollte. Das ist z.B. nach einer Modernisierung denkbar, mit der die Wohnung wesentlich verändert wurde und für deren Überlassung die Parteien ganz andere Pflichten übernehmen. Ansonsten ist die für § 544 S. 1 BGB maßgebliche Dauer vom Beginn des auslaufenden Vertrages an zu berechnen.

11b Ein Neuabschluss kommt in Betracht, wenn ein gewillkürter Wechsel einer Mietpartei stattfindet.

Auch in diesem Fall ist aber zu untersuchen, ob eine Neubegründung sattfinden oder der neue Vertragspartner den alten Mietvertrag fortsetzen sollte. Insoweit reicht für die Annahme einer Neubegründung die bloße Veränderung von Konditionen nicht aus, zumal wenn im Vertrag dessen „Übernahme“ formuliert ist. Vielmehr müssen die Parteien eine neue Grundlage für ihr Mietverhältnis schaffen wollen und in dem Bewusstsein gehandelt haben, den Mietvertrag nicht fortzusetzen, sondern neu zu begründen. 12 Vor diesem Hintergrund sind zunächst solche Mietverträge von der Vorschrift erfasst, in denen von

vorneherein eine Laufzeit von mehr als 30 Jahren festgelegt worden ist. Weiter unterfallen § 544 S. 1 BGB aber auch Verträge mit unbestimmter Dauer, bei denen für einen oder beide Teile die Kündigung für diese Zeit, also mehr als 30 Jahre, ausgeschlossen22 wurde. 13 Schließlich unterliegen dem Anwendungsbereich jene Verträge, die über eine oder mehrere Verlänge-

rungsoptionen die maßgebliche Laufzeit erreichen23. Sind im Mietvertrag Verlängerungsoptionen und Verlängerungsautomatik geregelt, kann der Mieter grundsätzlich eine (weitere) Option nicht ausüben, wenn inzwischen die Verlängerungsautomatik in Kraft getreten ist24. Bei einem Mietvertrag mit einer Grundmietzeit von 15 Jahren und einem Optionsrecht des Mieters über eine Fortführung des Vertrages für insgesamt weitere 15 Jahre kann eine Klausel, nach der sich das Mietverhältnis nach Ablauf der Mietzeit (einschließlich der Optionszeiträume) jeweils um fünf Jahre verlängert, falls es nicht seitens einer Vertragspartei gekündigt wird, dahingehend auszulegen sein, dass mit „Ablauf der Mietzeit“ der Ablauf der gesamten möglichen Mietzeit von 30 Jahren gemeint ist25. 14 Daneben kommt auch ein Mietvertrag unter einer auflösenden Bedingung in Betracht, wenn das be-

stimmte Ereignis, auf das zumindest eine Partei keinen Einfluss hat, erst später als 30 Jahre nach Abschluss des Vertrags eintreten kann26. Aus § 572 Abs. 2 BGB geht hervor, dass derartige Verträge in der Wohnraummiete nicht unwirksam sind. Vielmehr kann sich der Vermieter nicht auf den Eintritt der Bedingung berufen.

21 OLG Hamm v. 11.6.1999 – 30 U 238/98, NZM 1999, 753; Sommer, MietRB 2014, 335 (336). 22 OLG Hamm v. 11.6.1999 – 30 U 238/98, NZM 1999, 753; OLG Frankfurt v. 21.1.1999 – 4 U 61/98, NZM 1999, 419. 23 BGH v. 27.11.2003 – IX ZR 76/00, MDR 2004, 439 = MietRB 2004, 138 = ZMR 2004, 328; MünchKomm/Bieber, § 544 BGB Rz. 4. 24 OLG Düsseldorf v. 6.9.2007 – 10 U 25/07, MietRB 2008, 329 = ZMR 2008, 785 m.w.N. 25 OLG Hamm v. 21.12.2010 – 7 U 33/10, InfoM 2011, 170 (171). 26 BGH v. 20.2.1992 – III ZR 193/90, MDR 1992, 583 = NJW-RR 1992, 780.

886 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 20 § 544

Wird die zeitliche Bindung an einen Mietvertrag, der auf unbestimmte Zeit läuft, erst in einem Nach- 15 trag geregelt, beginnt die 30-Jahres-Frist erst mit Abschluss dieser Vereinbarung27. Die bis dahin aufgelaufene Vertragszeit wird nicht hinzugerechnet28. Das Gleiche gilt für jede freiwillige Verlängerung eines Mietvertrages oder den Abschluss mehrerer aufeinander folgender Mietverträge29. Der Vermieterwechsel (§ 566 BGB) bleibt grundsätzlich ohne Einfluss auf die Berechnung der relevanten Laufzeit30. Es gibt also weder eine Zäsur der Laufzeit noch verändern sich die Kündigungsmöglichkeiten. § 544 S. 1 BGB ist auch anzuwenden, wenn die Kündigung an sich nach 30 Jahren möglich, aber durch 16 Entschädigungspflicht, Ankaufsrecht oder andere wirtschaftliche Nachteile erschwert ist31. Maßgeblich ist insoweit, ob die vertragliche Konstellation geeignet ist, den Zweck des § 544 S. 1 BGB, keine Erbmiete zu schaffen, tangiert und die Ausübung des unabdingbaren Kündigungsrechts nach 30 Jahren so einschränkt, dass auf diese Weise tatsächlich eine Gebundenheit einer Partei eintritt, die dem Gesetz widerspricht32. 2. Wirksame Vereinbarung Einer außerordentlichen Kündigung bedarf es nur, wenn die Befristung als solche wirksam ist. Eine 17 längere als die 30-jährige Laufzeit als solche führt noch nicht zur (Teil-)Unwirksamkeit, sondern nur zur Kündbarkeit des Vertrages nach 30 Jahren gem. § 544 BGB33. Das Gleiche gilt nach der Anordnung des § 550 BGB, wenn die Schriftform nicht eingehalten ist. a) § 575 BGB Diese Norm bestimmt in ihrem Abs. 1 S. 2, dass eine zeitliche Befristung, die nicht aus einem der in 18 § 575 Abs. 1 S. 1 Nr. 1–3 BGB genannten Gründe vereinbart wird, unwirksam ist und der Mietvertrag als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gilt. Demnach kann – abgesehen von Verträgen aus der Zeit vor dem 1.9.2001 – auch eine außerordentliche Kündigung nach § 544 BGB nur in Betracht kommen, wenn die Befristung § 575 Abs. 1 BGB standhält. Zum Einfluss von § 544 S. 2 BGB vgl. § 544 BGB Rz. 34 ff. b) Schriftform Liegt in der Schriftform ein konstitutives Element der Einigung (§ 154 Abs. 2 BGB), ist der Vertrag im 19 Zweifel unwirksam, wenn die Schriftform nicht beachtet ist (vgl. § 535 BGB Rz. 36 ff.). Die konstitutive Wirkung der Schriftform ist nach einer derart langen Laufzeit aber regelmäßig ohne Bedeutung. Denn bei einem Leistungsaustausch über 30 Jahre ist zumindest ein Mietvertrag durch schlüssiges Verhalten (Überlassung der Mietsache gegen Entgegennahme der Miete) zustande gekommen. Zwar ist zweifelhaft, ob die Handlungen der Parteien, die von einem wirksamen Vertragsschluss ausgehen, von dem notwendigen Erklärungsbewusstsein getragen werden, im Zweifel durch die Abwicklung des (unwirksamen) Mietvertrages ein (neues) Mietverhältnis zu begründen34. Im Zweifel ist den Parteien aber die konstitutive Bedeutung der Schriftform bekannt, so dass sie den Vollzug und die Abwicklung des Mietvertrages in dem Bewusstsein durchführen, eine mögliche Unwirksamkeit des Mietvertrages zu „heilen“. Dann wirkt sich die fehlende Schriftform über § 550 BGB aus, so dass der Mietvertrag ordentlich gekündigt werden kann. Da § 544 BGB zumindest eine einseitige Bindung von mehr als einem Jahr voraussetzt, ist § 550 BGB 20 zu beachten. Bei einem Verstoß ist die Befristung unwirksam und damit eine ordentliche Kündigung möglich. Neben den Schriftformmängeln, die in der Kommentierung zu § 550 BGB dargestellt wur27 BGH v. 17.4.1996 – XII ZR 168/94, MDR 1996, 784 = NJW 1996, 2028 = WuM 1996, 476 = ZMR 1996, 424; OLG Hamm v. 21.9.2001 – 30 U 54/01, NZM 2002, 218. 28 Blank/Börstinghaus, § 544 BGB Rz. 19. 29 Fritz, Rz. 401 (der diese Art aufeinanderfolgender Verträge aber fälschlicherweise Kettenmietverträge nennt). 30 OLG Karlsruhe v. 21.12.2007 – 1 U 119/07, MDR 2008, 620 = MietRB 2008, 165 = ZMR 2008, 533. 31 Bub/Treier/Grapentin, IV Rz. 442; a.A. Lammel, § 544 BGB Rz. 14. 32 BGH v. 27.11.2003 – IX ZR 76/00, MietRB 2004, 138 = MDR 2004, 439 = ZMR 2004, 328. 33 BGH v. 7.11.1991 – IX ZR 3/91, MDR 1992, 755 = NJW-RR 1992, 291. 34 BGH v. 24.2.2016 – XII ZR 5/15, MietRB 2016, 129 = MDR 2016, 57 = GE 2016, 455 = NZM 2016, 356.

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§ 544 Rz. 20 | Vertrag über mehr als 30 Jahre den, kommt hier eine Unwirksamkeit der Befristung z.B. in Betracht, wenn die Parteien in Wirklichkeit den Willen hatten, einen Vertrag auf Lebenszeit des Mieters abzuschließen und dies, statt eine entsprechende Formulierung zu wählen, durch die Vereinbarung einer Laufzeit von 99 Jahren zum Ausdruck bringen wollten35. c) Formularmäßige Vereinbarungen 21 Es ist streitig, ob eine Vertragslaufzeit von mehr als 30 Jahren formularmäßig vereinbart werden kann.

Überwiegend wird dies mit dem Argument abgelehnt, in dieser langen Bindung liege eine unangemessene Benachteiligung des Mieters (§ 307 Abs. 1 BGB)36, wobei auch eine überraschende Klausel angenommen wird37. Jedenfalls soll eine Laufzeit von mehr als fünf Jahren unwirksam sein38. Andere sehen dagegen in der Länge der Laufzeitbindung auch unter dem Gesichtspunkt der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB kein Problem39. 22 Zunächst ist festzuhalten, dass das Gesetz selbst erst nach Ablauf von dreißig Jahren Anlass sieht, die

Parteien im Hinblick auf eine vereinbarte Laufzeit zu schützen. Deshalb können geringere Laufzeiten grundsätzlich auch unter dem Gesichtspunkt des § 307 BGB ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht als solche beanstandet werden40. 23 Im Übrigen hängt richtigerweise die Antwort von der Art der Laufzeitvereinbarung und den wechsel-

seitigen Interessen ab. Bei der Vereinbarung einer auflösenden Bedingung oder einer Verlängerungsoption ist es schon kaum denkbar, dass eine formularmäßige Regelung zustande kommt. Denn die Laufzeit ist in der Regel bei Abschluss eines Vertrages ein so wesentlicher Gesichtspunkt, dass darüber verhandelt wird. Abgesehen davon werden einer solchen Formularklausel durch § 572 Abs. 2 BGB in der Wohnraummiete unabdingbare Grenzen gesetzt, die im Rahmen des § 307 BGB zu berücksichtigen sind. Bei der Verlängerungsoption scheidet eine unangemessene Benachteiligung schon deshalb aus, weil sie für den Mieter grundsätzlich einen Vorteil bildet. Doch selbst wenn der Mieter Verwender i.S.v. § 305 BGB ist, kommt eine Benachteiligung des Vermieters nicht in Betracht. Immerhin sieht das Gesetz als Modell vor, dass Verträge eine Laufzeit von 30 Jahren haben können. Ein Verstoß gegen § 307 BGB kann dann allenfalls vorliegen, wenn weitere Benachteiligungen des Vermieters bestehen (z.B. fehlende Mietanpassungsmöglichkeit während der Laufzeit des Mietvertrages). Beim formularmäßigen (einseitigen oder wechselseitigen) Kündigungsverzicht werden die Grenzen durch § 557a Abs. 3 BGB gesetzt41 (§ 575 BGB Rz. 22). 24 Andererseits ist unabhängig von der Verwendereigenschaft Unwirksamkeit anzunehmen, wenn der

Vertrag für beide Parteien – selbst nach Ablauf von 30 Jahren – nur aus (jeweils) einem ausdrücklich geregelten Grund kündbar ist42. Das Gleiche gilt bei einem völligen Ausschluss des Kündigungsrechts jedenfalls dann, wenn nach der Art des Vertrages nur eine von vorneherein begrenzte Nutzung in Betracht kommt (Mietvertrag über Werbetafel)43.

35 OLG Frankfurt v. 22.4.1994 – 2 U 259/93, OLGR Frankfurt 1994, 146. 36 OLG Celle v. 16.8.1989 – 2 U 219/88, MDR 1990, 154; LG Kassel v. 29.7.1993 – 4 O 802/93, NJW-RR 1995, 269; Schmidt-Futterer/Lammel, § 544 BGB Rz. 11; Staudinger/Emmerich, § 544 BGB Rz. 1. 37 Blank/Börstinghaus, § 544 BGB Rz. 16. 38 Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 544 BGB Rz. 19. 39 OLG Hamm v. 15.11.1991 – 30 U 164/91, NJW-RR 1992, 270; LG Berlin v. 15.1.2002 – 65 S 559/00, NZM 2002, 947 (948). 40 OLG Jena v. 21.7.2005 – 1 U 114/05, OLGR-NL 2005, 265 = NJW-RR 2006, 809 (20 Jahre); LG Stuttgart v. 30.10.2009 – 19 O 181/08, DWW 2010, 189 (21 Jahre). 41 BGH v. 23.8.2016 – VIII ZR 23/16, MietRB 2016, 341 = WuM 2016, 656 = GE 2016, 1441 = ZMR 2016,851; BGH v. 7.10.2015 – VIII ZR 247/14, MDR 2016, 77 = MietRB 2015, 353 = WuM 2015, 723; BGH v. 8.12.2010 – VIII ZR 86/10, MDR 2011, 151 = MietRB 2011, 33 = WuM 2011, 35 = ZMR 2011, 364; BGH v. 6.4.2005 – VIII ZR 27/04, MDR 2005, 801 = MietRB 2005, 197 = WuM 2005, 346. 42 OLG Celle v. 16.8.1989 – 2 U 219/88, MDR 1990, 154. 43 LG Kassel v. 29.7.1993 – 4 O 802/93, NJW-RR 1995, 269.

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B. Wohnraummiete | Rz. 31 § 544

II. Kündigungsrecht 1. Kündigungsbeschränkung Nach dem klaren Wortlaut kann erst nach Ablauf von 30 Jahren gerechnet ab Überlassung der Miet- 25 sache außerordentlich mit gesetzlicher Frist gekündigt werden. Mit der Überlassung ist nur dann die tatsächliche Invollzugsetzung des Mietverhältnisses gemeint, wenn der Mietvertrag mit der Übergabe beginnen sollte. Ansonsten kommt es auf den nach dem Vertrag maßgeblichen (vereinbarten) Beginn an44. Maßgeblich ist also der vertraglich vorgesehene Zeitpunkt der Überlassung45. Das Kündigungsrecht kann vor Ablauf dieser Frist nicht wirksam ausgeübt werden46. Eine dennoch 26 erklärte Kündigung wird nicht mit Ablauf der 30-Jahresfrist wirksam, sondern bleibt ungültig. Sind die 30 Jahre abgelaufen, kann von dem Kündigungsrecht jederzeit Gebrauch gemacht werden. Die Kündigung muss nicht zum erstzulässigen Termin erklärt werden47. Immerhin steht das Recht beiden Parteien zu. Eine analoge Anwendung des Fortsetzungsanspruchs nach § 575 Abs. 3 BGB nach Ablauf von 30 Jah- 27 ren scheidet aus48. Insoweit fehlt es nicht nur an der planwidrigen Lücke für eine Analogie. Vorrangig kommt zum Tragen, dass ein solcher Anspruch dem Sinn und Zweck des § 544 S. 1 BGB zuwiderlaufen würde, keine Erbmiete zu schaffen (§ 544 BGB Rz. 7). Im Allgemeinen ist das Berufen darauf, die Kündigung nach § 544 S. 1 BGB sei eine unzulässige Rechts- 28 ausübung, nicht möglich49. Selbst wenn die Laufzeit „erkauft“ wurde, sind im Zweifel die erbrachten Leistungen z.B. nach § 547 BGB zurückzugewähren, bevor der Zweck des § 544 BGB (§ 544 BGB Rz. 7) unterlaufen wird50. Denn die Vorschrift gibt ja gerade vor, dass jede Partei nach einer Laufzeit von 30 Jahren mit der Kündigung des anderen Vertragspartners rechnen muss51. Schließlich ist § 575a Abs. 1 BGB zu beachten, so dass auch nach 30 Jahren eine außerordentliche Kün- 29 digung des Vermieters grundsätzlich nur bei Bestehen eines berechtigten Interesses zulässig ist (§ 573 BGB)52 und die Kündigung begründet werden muss. Durch den beschränkten Verweis in § 575a BGB auf § 573a BGB soll die Teilkündigung nach § 573b BGB nicht ausgeschlossen werden. 2. Kündigungsfrist Für die Kündigungsfrist gilt § 575a Abs. 3 BGB und damit die gesetzliche Drei-Monats-Frist, sofern 30 nicht Wohnraum i.S.v. § 549 Abs. 2 Nr. 2 BGB vorliegt. Allerdings findet § 573a Abs. 1 S. 2 BGB keine Anwendung (§ 575a Abs. 3 S. 2 BGB) und tritt auch sonst keine Verlängerung der Frist ein.

III. Verträge auf Lebenszeit 1. Begründung der Lebenszeitabrede Die Regelung in § 544 S. 2 BGB gilt nur für natürliche Personen. Denn juristische Personen haben 31 kein Leben und damit auch keine Lebenszeit53. Der Hauptanwendungsbereich liegt also in der Wohnraummiete. 44 OLG Düsseldorf v. 6.7.2001 – 24 U 214/00, ZMR 2002, 189 (190); Blank/Börstinghaus, § 544 BGB Rz. 18 m.w.N. 45 Bub/Treier/Grapentin, IV Rz. 443. 46 BGH v. 10.2.1994 – IX ZR 109/93, MDR 1994, 837 = NJW 1994, 1473; OLG Hamm v. 29.11.1996 – 30 U 109/ 96, ZMR 1997, 182. 47 BGH v. 20.2.1992 – III ZR 193/90, MDR 1992, 583 = WuM 1992, 318 = NJW-RR 1992, 780. 48 Blank/Börstinghaus, § 544 BGB Rz. 22. 49 Bub/Treier/Grapentin, IV Rz. 443. 50 BGH v. 20.11.1967 – VIII ZR 92/65, BB 1967, 1451. 51 Blank/Börstinghaus, § 544 BGB Rz. 20. 52 A.A. Schach in Kinne/Schach/Bieber, § 544 BGB Rz. 2. 53 Allg. Meinung: Blank/Börstinghaus, § 544 BGB Rz. 26; MünchKomm/Häublein, § 575 BGB Rz. 11; Staudinger/Rolfs, § 575 BGB Rz. 8; Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 544 BGB Rz. 6; BeckOK/Herrmann, § 544 BGB Rz. 9.

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§ 544 Rz. 32 | Vertrag über mehr als 30 Jahre 32 Die von § 544 S. 2 BGB vorausgesetzte Dauer des Mietvertrages kommt noch nicht durch eine zeitli-

che Bestimmung zustande, von der die Parteien wissen, dass der Mieter das Ende der vereinbarten Mietzeit nicht erleben wird (z.B. Vertrag über 99 Jahre)54. In diesem Fall gilt § 544 S. 1 BGB, soweit die Voraussetzungen des § 575 Abs. 1 BGB vorliegen. Der Vertrag auf Lebenszeit kann auch nicht durch erbrechtliche Zuwendung (z.B. Wohnrecht im Wege des Vermächtnisses) begründet werden55. Solange nicht in Vollzug dieser erbrechtlichen Zuwendung ein Mietvertrag auf Lebenszeit geschlossen wird, besteht allein ein erbrechtliches Verhältnis zwischen Erben und Vermächtnisnehmer. Die Anwendung des § 544 S. 2 BGB kann aber z.B. dadurch begründet werden, dass der Mietvertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und zusätzlich geregelt wird, dass ab einem bestimmten Ereignis (z.B. Erreichen des 65. Lebensjahres durch den Mieter) der Vertrag auf „die Lebenszeit des Mieters“ gelten soll. Dann ist der Mietvertrag bis zum Eintritt des Ereignisses wie ein unbefristetes Mietverhältnis i.S.v. § 542 Abs. 1 BGB zu behandeln. Danach gelten die Rechtsfolgen des § 544 S. 2 BGB. 2. Wirksamkeit der Abrede a) Herrschendes Meinungsbild 33 Ein Mietvertrag auf Lebenszeit ist nach h.M. anzunehmen, wenn die Laufzeit eines Mietvertrages vom

Tod des Vermieters oder Mieters, je nachdem, an wen die Dauer des Mietvertrages geknüpft ist, abhängig sein soll56. Dies soll im Zweifel durch Auslegung zu ermitteln sein. Durch die Verknüpfung der Laufzeit mit dem Tod des Mieters soll nach § 544 S. 2 BGB ein auflösend befristeter Mietvertrag57 entstehen. aa) Verträglichkeit mit § 575 Abs. 4 BGB 34 Allerdings kollidiert § 544 S. 2 BGB bei diesem Verständnis in der Wohnraummiete mit § 575 BGB,

der in Abs. 4 zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarungen verbietet. 35 Deshalb wird die Auffassung vertreten, § 544 S. 2 BGB sei in der Wohnraummiete nicht anwendbar58.

Dem wird teilweise entgegengehalten, § 575 BGB liege ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers zugrunde, der die Vorschrift im allgemeinen Teil des BGB übersehen habe59. Denn mit der Anknüpfung an die Lebenszeit werde regelmäßig der Zweck verfolgt, dem Mieter eine preisgünstige Wohnung zu sichern60, jedenfalls aber seinen Lebensmittelpunkt. Das Bestandsinteresse des Mieters werde aber durch § 575 BGB nicht geschützt, so dass Lebenszeitverträge wirksam seien61. Schließlich soll § 544 BGB als Spezialvorschrift zu § 575 BGB zu verstehen sein, zumal § 575 Abs. 4 BGB nur Vereinbarungen zum Nachteil des Mieters verbiete62. Demnach soll § 544 S. 2 BGB Vorrang einzuräumen sein63. 36 Andere Autoren halten die konsequente Anwendung des § 575 Abs. 4 BGB für richtig. Danach soll

die „Befristung“ durch den Tod der im Vertrag genannten Person unwirksam sein64. Der Mietvertrag laufe gem. § 575 Abs. 1 S. 2 auf unbestimmte Zeit65, sofern nicht gleichzeitig Befristungsgründe nach

54 55 56 57

58 59 60 61 62 63 64 65

OLG Frankfurt v. 22.4.1994 – 2 U 259/93, OLGR 1994, 146. Staudinger/Emmerich, § 544 BGB Rz. 11. Blank/Börstinghaus, § 544 BGB Rz. 24. BayObLG v. 2.7.1993 – RE-Miet 5/92, MDR 1993, 972 = WuM 1993, 523 = ZMR 1993, 462; Blank, ZMR 2002, 801; Staudinger/Emmerich, § 544 BGB Rz. 13; unklar, weil auf die auflösende Bedingung abstellend: SchmidtFutterer/Streyl, § 563 BGB Rz. 12; a.A. AG Bruchsal v. 13.5.1982 – 1 C 416/81, WuM 1983, 142; MünchKomm/Häublein, § 563 BGB Rz. 5. Schmidt-Futterer/Lammel, Mietrecht, § 544 BGB Rz. 3; Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 544 BGB Rz. 6. Schmidt-Futterer/Blank, § 575 BGB Rz. 80. LG Freiburg v. 21.3.2013 – 3 S 368/12, ZMR 2014, 449 = IMR 2014, 321; Blank/Börstinghaus, § 575 BGB Rz. 86. Schmidt-Futterer/Lammel, § 544 BGB Rz. 4. Schmidt-Futterer/Streyl, § 563 BGB Rz. 12; Bub/Treier/Grapentin, IV Rz. 445. Staudinger/Emmerich, § 544 BGB Rz. 10; Blank/Börstinghaus, § 544 BGB Rz. 24. Hinz, NZM 2003, 659 (662); MünchKomm/Häublein, § 563 BGB Rz. 5. Soergel/Heintzmann, § 544 BGB Rz. 5.

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B. Wohnraummiete | Rz. 42 § 544

§ 575 Abs. 1 S. 1 BGB geregelt seien66. Die Parteierklärungen seien so auszulegen, dass die Vermieterkündigung bis zu dem vereinbarten Ereignis ausgeschlossen sei. Diese Meinung erklärt aber nicht, warum die „Lebenszeit“ unter der Geltung des § 567 S. 2 BGB a.F. eine auflösende Befristung gewesen sein und in § 544 BGB einen anderen Inhalt bekommen haben soll, obwohl der Gesetzgeber ausdrücklich nur sprachliche Änderungen herbeiführen wollte67. bb) Geltung von Altverträgen aus der Zeit vor dem 1.9.2001 Die vereinbarte Dauer auf Lebenszeit in Mietverträgen aus der Zeit vor dem 1.9.2001 soll nach einer 37 Meinung über diesen Zeitpunkt hinaus wirksam bleiben68. Art. 229 § 3 EGBGB regelt zwar insoweit keine besondere Übergangsvorschrift, so dass nach Art. 11 MRRG die aktuellen Vorschriften auch auf Mietverträge anzuwenden sein könnten, die am 1.9.2001 bereits bestanden. Insoweit soll aber Art. 229 § 3 Abs. 3 EGBGB, der die einfach befristeten Mietverträge aus der Zeit vor dem 1.9.2001 betrifft, analog anwendbar sein69. Dem wird wegen der fehlenden Überleistungsvorschrift die konsequente Anwendung des § 575 Abs. 4 38 BGB entgegengehalten mit der Folge, dass sich der Mietvertrag in einen solchen auf unbestimmte Zeit umwandelt, bei dem die Vermieterkündigung bis zum Tod der im Mietvertrag angegebenen Person eingetreten ist70. cc) Eintrittsrecht nach § 563 BGB Das Eintrittsrecht von Personen, die mit dem Mieter einen auf Dauer angelegten Hausgehalt geführt 39 haben, steht unter dem Schutz des § 563 Abs. 5 BGB. Danach dürfen keine zum Nachteil des Mieters oder der Begünstigten i.S.v. § 563 Abs. 1 und Abs. 2 BGB wirkenden Vereinbarungen getroffen werden. Der Vorbehalt des § 563 Abs. 5 BGB entspricht der Regelung in § 569 Abs. 5 BGB a.F. Dennoch wird die Auffassung vertreten, im Anwendungsbereich des § 544 S. 2 BGB sei § 563 BGB 40 nicht anwendbar71. Schon das BayObLG72 hat in der Begründung seines Rechtsentscheides darauf hingewiesen, dass das 41 Eintrittsrecht von Personen, die mit dem Mieter einen auf Dauer angelegten Hausgehalt geführt haben, analog § 569 BGB a.F. (= § 563 BGB) in den beendeten Mietvertrag eintreten sollten. Dem folgt die h.M. mit der Einschränkung, dass die Fortsetzung nach dem Eintritt auf unbestimmte Zeit zu erfolgen habe73. Immerhin sei der Zweck des § 544 BGB, das Mietverhältnis nicht zu verewigen74. Die Vertreter der konsequenten Anwendung des § 575 BGB kommen ebenfalls zu einem Eintritts- 42 recht nach § 563 BGB, weil nach ihrer Auffassung der Mietvertrag nach § 575 Abs. 1 S. 2 BGB auf unbestimmte Zeit läuft75.

66 Hinz, NZM 2003, 659 (662); Staudinger/Rolfs, § 575 BGB Rz. 8. 67 BT-Drucks. 14/4553, S. 44. 68 LG Freiburg v. 21.3.2013 – 3 S 368/12, ZMR 2014, 449 = IMR 2014, 321; Schmidt-Futterer/Lammel, § 544 BGB Rz. 22; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. X 120; Schmidt-Futterer/Streyl, § 563 BGB Rz. 12. 69 Schmidt-Futterer/Lammel, Mietrecht, § 544 BGB Rz. 22. 70 Hinz, NZM 2003, 659 (662); MünchKomm/Häublein, § 563 BGB Rz. 5; ähnlich Prütting/Feldhahn, § 544 BGB Rz. 4. 71 Nomos-Kommentar/Hinz, § 544 BGB Rz. 10; Emmerich/Sonnenschein, § 544 BGB Rz. 8. 72 BayObLG v. 2.7.1993 – RE-Miet 5/92, MDR 1993, 972 = WuM 1993, 523 = ZMR 1993, 462. 73 Butenberg, ZMR 2015, 189 (190); Schmidt-Futterer/Streyl, § 563 BGB Rz. 12; Schmidt-Futterer/Blank, § 575 BGB Rz. 80; Staudinger/Rolfs, § 563 BGB Rz. 33; Sternel, ZMR 2004, 713 (714); Blank/Börstinghaus, § 575 BGB Rz. 86. 74 Vgl. dazu BGH v. 27.11.2003 – IX ZR 76/00, MietRB 2004, 138 = MDR 2004, 439 = ZMR 2004, 328; BGH v. 20.5.1994 – V ZR 292/92, MDR 1994, 796 = WuM 1994, 460 = ZMR 1994, 457. 75 MünchKomm/Häublein, § 563 BGB Rz. 5.

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§ 544 Rz. 43 | Vertrag über mehr als 30 Jahre b) Stellungnahme 43 Die Verknüpfung mit der Lebenszeit einer Vertragspartei führte bis zum 1.9.2001 und führt heute erst

recht zu einem Mietvertrag auf unbestimmte Zeit, der für die vereinbarte Dauer der Lebenszeit der im Mietvertrag genannten Person von Mieter und Vermieter nicht gekündigt werden kann. 44

– Bereits ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers des MRRG ist zweifelhaft. Abgesehen davon, dass die Anwendung des Gesetzes einfacher werden sollte, bildete die Auseinandersetzung mit den Befristungsgründen am 1.9.2001 einen Schwerpunkt der Mietrechtsreform. Demgemäß hat der Gesetzgeber ganz bewusst die einfache Befristung des § 564c BGB a.F. abgeschafft und in § 575 BGB einen abschließenden Katalog ausreichender Befristungsgründe geschaffen76.

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– Auch für die Annahme einer Spezialität des § 544 S. 2 BGB sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Schon die Stellung im Allgemeinen Teil der mietrechtlichen Vorschriften und der mangelnde Verweis in § 575 BGB sprechen gegen diese Annahme. Abgesehen davon bringt § 575 Abs. 4 BGB zum Ausdruck, das nur solche Vereinbarungen unwirksam sind, die sich zum Nachteil des Mieters auswirken. § 544 S. 2 BGB regelt aber – nach dem Verständnis der h.M. – eine Vereinbarung zugunsten des Mieters, wenn sie das Mietverhältnis z.B. auf dessen Lebenszeit befristet77. Wird es an die Lebenszeit des Vermieters geknüpft, müssten im Einzelfall die Vor- und Nachteile abgewogen werden78.

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– Alle dargestellten Meinungen – die Vertreter der konsequenten Anwendung des § 575 BGB jedenfalls für Mietverträge aus der Zeit vor dem 1.9.200179 – gehen davon aus, dass durch eine Vereinbarung nach § 544 S. 2 BGB ein auflösend befristeter Mietvertrag80 entsteht81. Es ist zwar richtig, die Verknüpfung der Laufzeit mit dem Tod einer Person als (auflösende) Befristung zu sehen82. Daraus im Rahmen des § 544 BGB einen befristeten Mietvertrag herzuleiten, ist aber zweifelhaft. § 544 S. 2 BGB kann nicht ohne § 544 S. 1 BGB gelesen werden. Danach ist eine Kündigung bei einem Mietvertrag, der für eine längere Zeit als 30 Jahre geschlossen wurde, nach Ablauf von 30 Jahren zulässig. Diese Anordnung war notwendig, weil § 542 Abs. 2 BGB das Recht zur ordentlichen Kündigung für befristete Mietverträge ausschließt und während der Befristung nur außerordentliche Kündigungen zulässt. Dieser außerordentlichen Kündigung wirkt § 544 S. 2 BGB entgegen, indem er für die vertraglich unabdingbare außerordentliche Kündigung gem. § 544 S. 1 BGB eine Ausnahme anordnet. Damit bestimmt er einen Kündigungsausschluss für den in S. 1 der Vorschrift geregelten Mietvertrag mit einer Laufzeit von mehr als 30 Jahren. Wenn aber § 544 S. 2 BGB in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich „nur“ einen Kündigungsausschluss regelt, kann die durch § 544 S. 2 besetzte Formulierung in anderen Fällen ohne besondere Vereinbarung83 keine Befristung der Mietzeit herbeiführen. Denn bei der Auslegung von Verträgen ist diese Bedeutung zu berücksichtigen84.

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– In der Wohnraummiete wurde das gesetzliche Leitbild schon vor dem 1.9.2001 durch den Mietvertrag auf unbestimmte Zeit bestimmt85. Deshalb ordnete z.B. § 566 BGB a.F. (= § 550 BGB) für 76 BT-Drucks. 14/4553, S. 69. 77 Schmidt-Futterer/Streyl, § 563 BGB Rz. 12. 78 Dazu Lehmann-Richter, WuM 2010, 3; dagegen allerdings BGH v. 7.2.2007 – VIII ZR 122/05, MDR 2007, 707 = MietRB 2007, 137 = WuM 2007, 133 = GE 2007, 510. 79 Vgl. MünchKomm/Häublein, § 563 BGB Rz. 4. 80 BayObLG v. 2.7.1993 – RE-Miet 5/92, MDR 1993, 972 = WuM 1993, 523 = ZMR 1993, 462 unter Bezugnahme auf RG v. 29.3.1911 – V 335/10, RGZ 76, 89 (90). 81 Blank, ZMR 2002, 801; Staudinger/Emmerich, § 544 BGB Rz. 13; Schmidt-Futterer/Lammel, § 544 BGB Rz. 21; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. X 120; zweifelnd: Schmidt-Futterer/Streyl, § 563 BGB Rz. 12. 82 Erman/Armbrüster, § 163 BGB Rz. 1; Palandt/Ellenberger, § 163 BGB Rz. 1; a.A. AG Bruchsal v. 13.5.1982 – 1 C 416/81, WuM 1983, 142; ebenso: Schmidt-Futterer/Streyl, § 563 BGB Rz. 12. 83 Z.B. „Der Mietvertrag wird auf die Lebenszeit des Mieters befristet“. 84 BGH v. 23.11.2005 – VIII ZR 154/04, MDR 2006, 924 = MietRB 2006, 153 = NJW 2006, 1056 (Rz. 8 ff.); BGH v. 25.1.2006 – VIII ZR 3/05, MDR 2006, 920 = MietRB 2006, 153 = NJW 2006, 1059 (Rz. 13 ff.), für die Auslegung eines Kündigungsverzichts im Lichte des § 557a Abs. 3 BGB. 85 Vgl. BR-Drucks. 439/00, S. 176 ff.; Begr. d. RefE, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Anhang Rz. 1208; Grundmann, NJW 2001, 2497; Jansen, BBauBl. 2001, 12 (17).

892 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 51 § 544

den Fall einer Verletzung der Schriftform auch für die Wohnraummiete an, dass der Mietvertrag auf unbestimmte Zeit laufen sollte. Der überwiegenden Anzahl von Vorschriften über die einseitige Beendigung von Mietverträgen über Wohnraum lag spätestens seit dem 2. Wohnraumkündigungsgesetz vom 18.12.197486 der Kündigungsschutz zugrunde. Davon wurden zwar Ausnahmen normiert (z.B. §§ 564c, 565 BGB a.F.). In der Regel galt jedoch die Prämisse eines Mietvertrages auf unbestimmte Zeit. Diese Prämisse war Grundlage der Gesetzesauslegung. Dies wird heute durch § 575 Abs. 1 S. 2 BGB verdeutlicht. – Hätte der Mietvertrag auf Lebenszeit schon vor dem 1.9.2001 eine besondere Art der Befristung 48 dargestellt, wäre damals schon § 567 S. 2 BGB a.F. (= § 544 S. 2 BGB) überflüssig gewesen. Denn die (auflösende) Befristung des Mietvertrages auf Lebenszeit einer Vertragspartei war durch die einfache Befristung i.S.v. § 564c Abs. 1 BGB a.F. gedeckt. Nach § 564c Abs. 1 BGB war eine Befristung in ihrer Dauer unbegrenzt und ohne Grund zulässig. Spätestens mit der Einführung des 2. Wohnraumkündigungsgesetzes vom 18.12.197487 hätte der Gesetzgeber damit § 567 BGB a.F. jedenfalls für die Wohnraummiete aufheben müssen, wenn damit eine Befristung hätte herbeigeführt werden sollen. Denn der Mieter hätte sofort ausziehen müssen, wenn der Vertrag an den – für ihn i.d.R. nicht vorhersehbaren – Tod des Vermieters gekoppelt gewesen wäre. Darüber hinaus kollidierte die von der h.M. angenommene auflösende Befristung damals schon mit § 569 Abs. 5 BGB a.F. Denn bei der Verknüpfung der Laufzeit mit dem Tod des Mieters – so die h.M. – endete der Mietvertrag. Die durch § 569 BGB a.F. privilegierten Personen hätten ausziehen müssen. – Für Analogien von Art. 229 § 3 Abs. 3 EGBGB oder § 563 BGB (aber auch § 569 BGB a.F.) fehlt 49 die dafür notwendige Lücke. Der Gesetzgeber hat sich am 1.9.2001 mit den befristeten Mietverhältnissen intensiv auseinandergesetzt und die einfache Befristung zur Stärkung des Kündigungsschutzes abgeschafft. Dabei hat er zwar am 1.9.2001 § 544 BGB nur sprachlich und nicht inhaltlich reformiert. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass er sich von dem Regelungsgehalt der Vorgängervorschrift (§ 567 BGB a.F.) ein Bild verschafft und sich mit der Rechtslage zumindest anhand der bestehenden Rechtsentscheide vertraut gemacht hat88. Demnach war ihm nach dem Rechtsentscheid des BayObLG klar, dass der Mietvertrag mit dem Tod des Mieters enden sollte. In der logischen Sekunde vor dem Eintritt der Begünstigten nach § 563 BGB würde damit der Mietvertrag enden. Wenn er in dieser Situation keine Regelung für die durch § 563 BGB begünstigten Personen schafft, diese Normen aber zugleich (für sich genommen) inhaltlich anpasst, kann daraus nur der Schluss gezogen werden, dass er die Situation für § 544 BGB gerade nicht regeln wollte. Bei richtigem Verständnis lösen sich die Probleme alle von selbst. Zunächst ist zu berücksichtigen, 50 dass die §§ 549 ff. BGB sich am Leitbild des Mietvertrages auf unbestimmte Zeit orientieren, das der Gesetzgeber durch die Beschränkungen des § 575 BGB ganz bewusst herausheben wollte89. Dies kommt z.B. in § 575 Abs. 1 S. 2 BGB und nicht minder deutlich in § 550 BGB zum Ausdruck. Dieses gesetzliche Modell wird flankiert durch den unabdingbaren § 542 Abs. 1 BGB, wonach ein unbefristeter Mietvertrag jederzeit kündbar ist und nach § 575 Abs. 4 BGB nur ausnahmsweise befristet werden darf. Der Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts ist selbst nach dem Willen des Gesetzgebers jedenfalls vorübergehend zulässig. Eine weitere inhaltliche Prägung erfährt das generelle Modell eines Mietvertrages auf unbestimmte 51 Zeit durch § 563 Abs. 5 BGB. Danach sind nämlich auch Regelungen zum Nachteil der in § 563 Abs. 1 und 2 BGB genannten Begünstigten unzulässig. Begründet aber § 544 S. 2 BGB eine auflösende Befristung, würde eine nach § 563 Abs. 5 BGB, dessen Inhalt mit § 569 BGB a.F. identisch ist, unwirksame Vereinbarung vorliegen. Denn das Eintrittsrecht wäre ausgeschlossen. Da in den §§ 549 ff. BGB aber auch nicht bestimmt ist, dass § 544 S. 2 BGB nicht gilt, kann der Mietvertrag auf Lebenszeit des Vermieters oder des Mieters nur in dem Sinne verstanden werden, dass es sich um einen Mietvertrag auf

86 BGBl. I, 3603. 87 BGBl. I, 3603. 88 Ähnlich für § 577a BGB: BGH v. 27.6.2007 – VIII ZR 271/06, MietRB 2007, 253 = MietRB 2007, 254 = MDR 2007, 1301 = WuM 2007, 515 = ZMR 2007, 772. 89 Vgl. BR-Drucks. 439/00, S. 176 ff.; Begr. d. RefE, Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Anhang Rz. 1208; Grundmann, NJW 2001, 2497; Jansen, BBauBl. 2001, 12 (17).

Lützenkirchen | 893

§ 544 Rz. 51 | Vertrag über mehr als 30 Jahre unbestimmte Zeit handelt, der für die Lebenszeit des Genannten einen Ausschluss der ordentlichen Kündigung vorsieht. 52 Ob dies allein zu einem Ausschluss der Kündigung zu Lasten des Vermieters führt90, ist zweifelhaft.

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass § 544 BGB auch für Gewerberaummietverträge gilt. Ohne besondere Umstände oder sogar Vereinbarungen ist daher gemäß dem Wortlaut davon auszugehen, dass die Kündigungssperre für beide Parteien gelten soll. Denn § 544 S. 2 BGB schließt zunächst unterschiedslos die Kündigung nach Ablauf von 30 Jahren für beide Parteien aus und differenziert auch nicht danach, an wessen Leben die Laufzeit gekoppelt ist. Deshalb ist im Zweifel davon auszugehen, dass die Kündigungssperre für beide Parteien gilt. 53 Von diesem Grundsatz ist auch in der Wohnraummiete auszugehen, solange keine besonderen Um-

stände vorliegen. Dies gilt bei Individualvereinbarungen selbst dann, wenn die Laufzeit des Kündigungsausschlusses an das Leben des Vermieters geknüpft ist, solange keine für §§ 134, 138 BGB relevanten Umstände vorliegen, also z.B. die Unerfahrenheit des Mieters oder dessen Zwangslage ausgenutzt wurde. Im Übrigen ist bei Verbraucherverträgen § 310 Abs. 3 BGB einschlägig. 54 Hat der Vermieter aber den Mietvertrag auf Lebenszeit i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB gestellt, verstößt der

Mietvertrag auf Lebenszeit grundsätzlich gegen § 307 BGB. Insoweit bestimmt § 557a Abs. 3 BGB das gesetzliche Leitbild für einen Kündigungsausschluss, so dass Kündigungssperren zu Lasten des Mieters, die länger als vier Jahre seit Abschluss der Vereinbarung gelten sollen, unwirksam sind91 (§ 575 BGB Rz. 22). Zwar könnte auch § 544 S. 2 BGB dieses gesetzliche Leitbild prägen und daher eine Ausnahme begründen, zumal eine Staffelmiete auch auf Lebenszeit vereinbart werden kann. Indessen ist bei der Prüfung des § 307 BGB auch darauf abzustellen, inwieweit der Mieter auf Mobilität und Flexibilität angewiesen hat (§ 575 BGB Rz. 15). Je jünger der Mieter bei Abschluss des Mietvertrages ist, um so größer ist sein Bedürfnis nach Flexibilität im Hinblick auf Lebens- und Berufsplanung. Im Alter können der Angemessenheit der formularmäßigen Klausel über die Lebenszeit Grenzen durch eine mögliche Gebrechlichkeit des Mieters gesetzt werden. Deshalb ist im Regelfall davon auszugehen, dass der Mietvertrag über Wohnraum gegen § 307 BGB verstößt. 55 Auf deren Unwirksamkeit kann sich der Vermieter aber nicht berufen, wenn er Verwender i.S.d. § 305

Abs. 1 BGB ist. Dem steht das Verbot widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) entgegen92. Die damit geschaffene unterschiedliche zeitliche Bindung der Vertragsparteien ist unserer Rechtsordnung als solcher nicht fremd und weicht auch nicht von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab93. Selbst wenn die Laufzeit des Kündigungsverzichts an den Tod des Mieters geknüpft ist, ist der Vermieter nach dessen Tod berechtigt, den auf unbestimmte Zeit laufenden Vertrag nach §§ 563 Abs. 4, 564, 573 BGB zu kündigen. 56 Findet ein Eintritt nach § 563 BGB statt, kann der Vermieter sein Kündigungsrecht nach § 573 BGB

geltend machen, wenn ein berechtigtes Interesse besteht. Die Begünstigten i.S.v. § 563 Abs. 1 und 2 BGB können in den (unbefristeten) Mietvertrag eintreten und, soweit dies nicht geschieht, muss der Erbe nach § 564 BGB das Mietverhältnis beenden. Der Vermieter, der seinen Mieter absichern wollte und dessen Interessen hinter den Schutz des § 563 Abs. 1 und 2 BGB bei einem Mietvertrag auf unbestimmte Zeit zurücktreten, kann den Mietvertrag ebenfalls nach § 564 BGB ohne besonderen Grund (einseitig) beenden. § 544 S. 2 BGB kollidiert weder mit einer Vorschrift der §§ 549 ff. BGB noch ist eine Analogie erforderlich, um den Schutzbereich des Mietvertrages auf Lebenszeit zu verteidigen. Abgesehen davon bleiben Mietverträge aus der Zeit vor dem 1.9.2001 wirksam, weil sie nicht mit § 575 BGB kollidieren und daher Art. 11 MRRG unmittelbar gilt.

90 MünchKomm/Häublein, § 563 BGB Rz. 5. 91 BGH v. 23.8.2016 – VIII ZR 23/16, MietRB 2016, 341 = WuM 2016, 656 = GE 2016, 1441 = ZMR 2016, 851; BGH v. 7.10.2015 – VIII ZR 247/14, MietRB 2015, 353 = MDR 2016, 77 = WuM 2015, 723; BGH v. 8.12.2010 – VIII ZR 86/10, MDR 2011, 151 = MietRB 2011, 33 = WuM 2011, 35 = ZMR 2011, 364; BGH v. 6.4.2005 – VIII ZR 27/04, MDR 2005, 801 = MietRB 2005, 197 = WuM 2005, 346. 92 BGH v. 8.7.1998 – XII ZR 64/96, NZM 1998, 718. 93 BGH v. 24.2.2016 – XII ZR 5/15, MietRB 2016, 129 = MDR 2016, 578 = GE 2016, 455 = NJW 2016, 1441; BGH v. 30.5.2001 – XII ZR 273/98, MDR 2001, 1228 = NJW 2001, 3480 (3482).

894 | Lützenkirchen

C. Gewerberaummiete | Rz. 64 § 544

3. Mehrere Personen als Mieter Soweit der Mietvertrag z.B. nicht auf eine namentlich genannte Einzelperson abstellt, kommt es bei 57 mehreren Personen auf Vermieter- oder Mieterseite auf den Tod des Längstlebenden an94. So lange besteht die (einseitige) Kündigungssperre des § 544 S. 2 BGB. Nach dem Ableben des Längstlebenden finden auf Mieterseite die §§ 563 ff. BGB (unmittelbare) Anwendung. 4. Schriftform Für den Mietvertrag auf Lebenszeit einer Vertragspartei muss die Schriftform des § 550 BGB gewahrt 58 sein. Denn aus Sicht der Parteien hat er i.d.R. eine Laufzeit von mindestens einem Jahr. 5. Rechtsfolge Entgegen der h.M. besteht bei einem Mietvertrag auf Lebenszeit des Vermieters oder des Mieters kein 59 auflösend befristeter Mietvertrag95, der mit dem Tod des Mieters oder Vermieters endet. Vielmehr besteht ein Mietvertrag auf unbestimmte Zeit, der bis zum Tod der Bezugsperson vom Vermieter nicht ordentlich gekündigt werden kann. Der Mieter kann selbst dann ordentlich kündigen, wenn der Mietvertrag mit seiner Lebenszeit verknüpft ist. Stirbt der Mieter, auf dessen Lebenszeit der Mietvertrag abgeschlossen wurde, kann der Mietvertrag 60 nach § 564 BGB vom Vermieter und dem/den Erben gekündigt werden, soweit nicht die Voraussetzungen des § 563 BGB vorliegen. War die Mindestlaufzeit mit dem Leben des Vermieters verbunden, entfällt der Kündigungsausschluss, so dass dessen Erben nach § 573 BGB kündigen können, sofern kein anderer Kündigungstatbestand reklamiert werden kann. Den Belangen derjenigen Personen, die mit dem verstorbenen Mieter in der Mietwohnung als Ehe- 61 gatte, Partner einer Lebenspartnerschaft oder einer eheähnlichen Gemeinschaft oder Familienangehörige einen gemeinsamen Hausstand geführt und in gleicher Weise wie der Mieter den Mittelpunkt ihrer Lebens- und Wirtschaftsführung in dieser Wohnung hatten, wird dadurch Rechnung getragen, das ihnen in unmittelbarer Anwendung von § 563 BGB ein Fortsetzungsanspruch eingeräumt wird. Eine Analogie ist nicht notwendig96. Soweit der Erbe in den Mietvertrag eintritt, weil alle Begünstigten nach § 563 Abs. 1 und 2 BGB einen Eintritt (wirksam) abgelehnt haben, können der Erbe und der Vermieter nach § 564 BGB kündigen. In diesem Fall muss der Vermieter kein berechtigtes Interesse i.S.v. § 573 BGB geltend machen.

C. Gewerberaummiete Nicht erst seit dem 1.9.2001, der für die Wohnraummiete die Restriktion des § 575 S. 1 BGB gebracht 62 hat, liegt der Hauptanwendungsbereich des § 544 BGB in der Gewerberaummiete. Denn hier sind lange Laufzeiten üblich, insbesondere Verlängerungsoptionen und Kettenmietverträge, bei denen sich die Laufzeit automatisch auf bestimmte Zeit verlängert, wenn nicht gekündigt oder widersprochen wird. In der Regel sind beide Parteien im Hinblick auf ihre Investitionen, ihren Standort oder sonstige Ge- 63 sichtspunkte an einer langen Laufzeit interessiert. Das ist bei der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB, einer formularmäßigen Laufzeit und ihrer Verlängerung zu berücksichtigen97. Grundsätzlich ergeben sich keine Besonderheiten gegenüber der Darstellung in Abschnitt A. und B.

94 Blank/Börstinghaus, § 544 BGB Rz. 24. 95 Staudinger/Emmerich, § 544 BGB Rz. 13. 96 A.A. BayObLG v. 2.7.1993 – RE-Miet 5/92, MDR 1993, 972 = WuM 1993, 523 = ZMR 1993, 462; Blank, ZMR 2002, 801; Schmidt-Futterer/Streyl, § 563 BGB Rz. 12. 97 Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 544 BGB Rz. 21.

Lützenkirchen | 895

64

§ 544 Rz. 65 | Vertrag über mehr als 30 Jahre

I. Kündigungsfrist 65 In der Gewerberaummiete bemisst sich die Frist der außerordentlichen Kündigung nach § 580a Abs. 4

BGB. Demnach kommt die Frist des § 580a Abs. 2 BGB zur Anwendung, die (vereinfacht ausgedrückt) sechs Monate zum Ende des Quartals beträgt.

II. Verträge auf Lebenszeit 66 Da eine juristische Person keine Lebenszeit hat, kommt der Kündigungsausschluss nach § 544 S. 2

BGB nur zur Anwendung, wenn auf das Ableben einer natürlichen Person auf Vermieter- oder Mieterseite abgestellt wird. Das kommt z.B. in Betracht, wenn der Mietvertrag regelt, dass er so lange nicht kündbar ist, wie der namentlich benannte Mieter das konkrete Gewerbe (hier: Apotheke) führt98. In diesem Fall läuft der Mietvertrag auch länger als 30 Jahre. Immerhin soll die Kündigung auch vor der Geschäftsaufgabe zeitig möglich sein, wenn der Mieter zuvor verstirbt. Die Anknüpfung an eine juristische Person insbesondere für den Fall der Insolvenz ist ausgeschlossen. Eine solche Regelung würde auch § 112 InsO widersprechen. 67 Auch wenn das gesetzliche Modell für die Gewerberaummiete nicht der Mietvertrag auf unbestimmte

Zeit ist (§ 575 BGB Rz. 147), besteht mit einem Gewerbetreibenden ein Mietvertrag auf unbestimmte Zeit, der – vorbehaltlich abweichender Regelungen – für die Dauer der Lebenszeit der im Mietvertrag angegebenen Vertragspartei für beide Parteien nicht kündbar ist (§ 544 BGB Rz. 39). Er muss daher vom Vermieter oder von dem Erben des Mieters nach dem Tod des Mieters gem. § 580 BGB gekündigt werden.

§ 545 Stillschweigende Verlängerung des Mietverhältnisses Setzt der Mieter nach Ablauf der Mietzeit den Gebrauch der Mietsache fort, so verlängert sich das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit, sofern nicht eine Vertragspartei ihren entgegenstehenden Willen innerhalb von zwei Wochen dem anderen Teil erklärt. Die Frist beginnt 1. für den Mieter mit der Fortsetzung des Gebrauchs, 2. für den Vermieter mit dem Zeitpunkt, in dem er von der Fortsetzung Kenntnis erhält. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . 2. Anwendbare Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . III. Sinn und Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . IV. Abweichende Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . V. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . B. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Beendigung des Mietvertrages . . . . . . . . . . . . . . II. Fortsetzung der Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 1 3 3 6 8 9 12 13 13 15

1. Gebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Dauer der Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtszustand während der Schwebezeit . . . . III. Widerspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausdrücklicher Widerspruch . . . . . . . . . . . . . 2. Konkludenter Widerspruch . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwei-Wochen-Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Schlüssige Fortsetzung des Mietvertrages . . . C. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98 LG Stuttgart v. 26.3.1992 – 16 S 384/91, WuM 1992, 438 = NJW-RR 1992, 908.

896 | Lützenkirchen

15 22 22a 23 23 30 32 36 38 40

§ 544 Rz. 65 | Vertrag über mehr als 30 Jahre

I. Kündigungsfrist 65 In der Gewerberaummiete bemisst sich die Frist der außerordentlichen Kündigung nach § 580a Abs. 4

BGB. Demnach kommt die Frist des § 580a Abs. 2 BGB zur Anwendung, die (vereinfacht ausgedrückt) sechs Monate zum Ende des Quartals beträgt.

II. Verträge auf Lebenszeit 66 Da eine juristische Person keine Lebenszeit hat, kommt der Kündigungsausschluss nach § 544 S. 2

BGB nur zur Anwendung, wenn auf das Ableben einer natürlichen Person auf Vermieter- oder Mieterseite abgestellt wird. Das kommt z.B. in Betracht, wenn der Mietvertrag regelt, dass er so lange nicht kündbar ist, wie der namentlich benannte Mieter das konkrete Gewerbe (hier: Apotheke) führt98. In diesem Fall läuft der Mietvertrag auch länger als 30 Jahre. Immerhin soll die Kündigung auch vor der Geschäftsaufgabe zeitig möglich sein, wenn der Mieter zuvor verstirbt. Die Anknüpfung an eine juristische Person insbesondere für den Fall der Insolvenz ist ausgeschlossen. Eine solche Regelung würde auch § 112 InsO widersprechen. 67 Auch wenn das gesetzliche Modell für die Gewerberaummiete nicht der Mietvertrag auf unbestimmte

Zeit ist (§ 575 BGB Rz. 147), besteht mit einem Gewerbetreibenden ein Mietvertrag auf unbestimmte Zeit, der – vorbehaltlich abweichender Regelungen – für die Dauer der Lebenszeit der im Mietvertrag angegebenen Vertragspartei für beide Parteien nicht kündbar ist (§ 544 BGB Rz. 39). Er muss daher vom Vermieter oder von dem Erben des Mieters nach dem Tod des Mieters gem. § 580 BGB gekündigt werden.

§ 545 Stillschweigende Verlängerung des Mietverhältnisses Setzt der Mieter nach Ablauf der Mietzeit den Gebrauch der Mietsache fort, so verlängert sich das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit, sofern nicht eine Vertragspartei ihren entgegenstehenden Willen innerhalb von zwei Wochen dem anderen Teil erklärt. Die Frist beginnt 1. für den Mieter mit der Fortsetzung des Gebrauchs, 2. für den Vermieter mit dem Zeitpunkt, in dem er von der Fortsetzung Kenntnis erhält. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . 2. Anwendbare Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . III. Sinn und Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . IV. Abweichende Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . V. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . B. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Beendigung des Mietvertrages . . . . . . . . . . . . . . II. Fortsetzung der Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 1 3 3 6 8 9 12 13 13 15

1. Gebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Dauer der Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtszustand während der Schwebezeit . . . . III. Widerspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausdrücklicher Widerspruch . . . . . . . . . . . . . 2. Konkludenter Widerspruch . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwei-Wochen-Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Schlüssige Fortsetzung des Mietvertrages . . . C. Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98 LG Stuttgart v. 26.3.1992 – 16 S 384/91, WuM 1992, 438 = NJW-RR 1992, 908.

896 | Lützenkirchen

15 22 22a 23 23 30 32 36 38 40

A. Allgemeines | Rz. 5 § 545

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt Die Norm regelt die Rechtslage, wenn der Mieter trotz Beendigung des Mietvertrages die Nutzung fort- 1 setzt und keine Partei zum Ausdruck gebracht hat, dass damit kein Einverständnis besteht. Für diesen Fall ordnet § 545 BGB die Fortsetzung des Mietvertrages kraft Gesetzes, also unabhängig vom Willen der Parteien an. Ohne die (gesetzlich) angeordnete Verlängerung des Mietverhältnisses würde die erfasste Situation, von 2 den Vertragsparteien häufig unbemerkt, zu einem vertragslosen Zustand führen, dessen (rechtlich im Einzelnen umstrittene) Abwicklung nach Bereicherungsrecht oder den Grundsätzen über das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (§§ 987 ff. BGB) nicht sachgerecht wäre und in den meisten Fällen auch dem mutmaßlichen Willen der Vertragsparteien nicht entspräche1.

II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich Die allgemeine mietrechtliche Vorschrift ist auf alle Mietverhältnisse, insbesondere auch über beweg- 3 liche Sachen und über Wohnraum, anwendbar. Für die Pacht kommt die Anwendbarkeit durch § 581 Abs. 2 BGB zustande. Die Landpacht ist von der Anwendung ausgeschlossen2. Gemäß § 4 Abs. 1 BKleingG greift sie auch auf Kleingartenpachtverträge3. Kein Anwendungsfall des § 545 BGB liegt vor, wenn die Parteien die sofortige Beendigung des Miet- 4 vertrages vereinbaren, dem Mieter aber noch eine Räumungsfrist gewährt wird4. Denn aus dieser Konstellation ergibt sich zumindest ein schlüssiger Widerspruch des Vermieters. Immerhin beinhaltet die Vereinbarung eine Stundung des Räumungsanspruchs5. Das Gleiche gilt bei gerichtlichen Räumungsvergleichen6, in denen eine Beendigung des Mietvertrages geregelt ist. Ebenso ausgenommen sind regelmäßig außergerichtliche Vergleiche über eine Räumung7. Allerdings muss sowohl bei der gerichtlichen wie bei der außergerichtlichen Variante auf die Formulierung geachtet werden. Wird z.B. geregelt, dass der Mieter „Miete“ zahlen soll, liegt die Annahme des Abschlusses eines Mietvertrages nicht fern8. Auch die gerichtliche Anordnung von Räumungsfristen nach § 721 oder § 765a ZPO führen nicht 5 zur Anwendung des § 545 BGB9. Allerdings führt eine Verlängerung des Mietvertrages z.B. nach § 574 BGB dazu, dass nach Beendigung des Vertrages ein Widerspruch erfolgen muss, um die Rechtsfolge des § 545 BGB zu vermeiden10. Insoweit ist es unerheblich, ob die (befristete) Fortsetzung des Mietvertrages gerichtlich oder außergerichtlich zustande gekommen ist. Selbst wenn der Vermieter bereit in der Kündigung oder auf andere Weise vor der Erhebung des Widerspruchs nach § 574 BGB zum Ausdruck gebracht hat, dass er mit einer Fortsetzung des Mietvertrages nicht einverstanden ist, muss nach Ablauf der durch § 574 BGB (befristet) verlängerten Mietzeit rechtzeitig ein Widerspruch i.S.v. § 545 BGB erhoben werden. Denn der Verlängerung des fortgesetzten Mietvertrages wurde bis dahin nicht widersprochen.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Begr. d. RegE in Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Rz. 1147. OLG Köln v. 11.1.1990 – 23 U 9/89, AgrarR 1990, 263. BGH v. 25.1.1991 – V ZR 116/90, MDR 1991, 517 = WuM 1991, 276 = ZMR 1991, 213. Both in Herrlein/Kandelhard, § 545 BGB Rz. 8 m.w.N. Schmidt-Futterer/Blank, § 545 BGB Rz. 10. Schmidt-Futterer/Blank, § 545 BGB Rz. 10; Wolf/Eckert/Ball, Rz. 879; a.A. Haase, ZMR 2001, 557 (559). Both in Herrlein/Kandelhard, § 545 BGB Rz. 8. Blank, NZM 2010, 31. MünchKomm/Bieber, § 545 BGB Rz. 7; Schmidt-Futterer/Blank, § 545 BGB Rz. 11. Schmidt-Futterer/Blank, § 545 BGB Rz. 11.

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§ 545 Rz. 6 | Stillschweigende Verlängerung des Mietverhältnisses 2. Anwendbare Rechtsprechung 6 § 545 BGB hat den früheren § 568 BGB in seiner Fassung vor der Reform 2001 übernommen, wobei

eine sprachliche Überarbeitung erfolgte. Die bis dahin als Fiktion formulierte Rechtsfolge wirkte nach Auffassung des Gesetzgebers11 sprachlich schwerfällig und die schlichte Anordnung der Verlängerung sollte mit geringerem sprachlichen Aufwand die gleiche Rechtsfolge zum Ausdruck bringen. Der Wechsel von der Fiktion zur gesetzlichen Anordnung hat aber keine materiellen Änderungen herbeigeführt12. Auch Satz 2 sollte im Hinblick auf den unterschiedlichen Fristbeginn für Mieter und Vermieter durch die Aufteilung in zwei Ziffern gegenüber der bisherigen Fassung nur äußerlich verändert werden13. 7 Dies macht deutlich, dass keine Änderung der Rechtslage gegenüber dem ehemaligen § 568 BGB ein-

getreten ist. Die Rechtsprechung aus der Zeit vor dem 1.9.2001 ist also ohne Einschränkung anwendbar, soweit nicht die Rechtsentwicklung eine Einschränkung erzwingt.

III. Sinn und Zweck der Vorschrift 8 Die Vorschrift bezweckt, einen vertragslosen Zustand zu verhindern und innerhalb kurzer Zeit, näm-

lich zwei Wochen nach Vertragsende, Klarheit für beide Vertragsteile zu schaffen, ob ein Vertrag fortbesteht14. Damit kommt ihr eine Ordnungs-, aber keine mieterschützende Funktion15 zu. Vielmehr dient die Bestimmung der Rechtssicherheit16.

IV. Abweichende Vereinbarung 9 Die Vorschrift enthält nachgiebiges Recht und kann selbst bei der Wohnraummiete durch Formular-

vertrag abbedungen werden17. Die Anwendung des § 545 BGB kann schon dadurch verhindert werden, dass im Mietvertrag ein Widerspruch gegen die Fortsetzung des Mietvertrages nach Ende der Mietzeit formuliert wird. 10 Insoweit soll allerdings der bloße Hinweis, dass die Vorschrift als solche nicht gelte, nicht ausreichen,

§ 305c BGB18. Ein wirksamer Ausschluss soll daher (formularmäßig) nur erreicht werden können, wenn neben der Vorschrift in der vertraglichen Regelung auch der entsprechende Sachverhalt beschrieben wird, der von § 545 BGB erfasst wird („Eine Verlängerung des Mietvertrages durch widerspruchslose Fortsetzung der Nutzung nach § 545 BGB wird ausgeschlossen.“). 11 Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Durch die Fiktion, dass gesetzliche Vorschriften seit ihrer

Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt (o.Ä.) allgemein wahrgenommen werden19, kann auch unterstellt werden, dass dem Mieter der Inhalt des § 545 BGB bekannt ist20. Wenn er diese Norm nun im Mietvertrag liest, hat er keine Verständnisprobleme. Abgesehen davon enthält jeder halbwegs durchdachte Mustervertrag den Ausschluss, so dass eigentlich das Gegenteil überraschend ist. Allenfalls die 11 12 13 14 15 16 17

Begr. d. RegE in Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Rz. 1147. Schmidt-Futterer/Blank, § 545 BGB Rz. 1. Begr. d. RegE in Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Rz. 1147. BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = ZMR 1991, 291. Blank/Börstinghaus, § 545 BGB Rz. 1 BGB. Begr. d. RegE in Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Rz. 1147. BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = NJW 1991, 1750; für die Gewerberaummiete: KG v. 20.1.2014 – 8 U 168/13, MietRB 2014, 285 = IMR 2014, 289. 18 Schleswig- Holsteinisches OLG v. 27.3.1997 – 4 RE-Miet 1/93, NJW 1995, 2858 = WuM 1996, 85 = ZMR 1996, 254; kritisch dazu Voelskow, ZMR 1996, 431; OLG Frankfurt v. 8.11.1999 – 20 REMiet 1/97, WuM 2000, 15; LG Berlin v. 8.7.1996 – 61 S 4/96, WuM 1996, 707; Blank/Börstinghaus, § 545 BGB Rz. 28; Staudinger/Emmerich, § 545 BGB Rz. 12; Horst, Rz. 1419. 19 Both in Herrlein/Kandelhard, § 545 BGB Rz. 11; Wolf/Eckert/Ball, Rz. 792. 20 OLG Dresden v. 13.10.2016 – 5 U 993/16, ZMR 2017, 391; OLG Köln v. 7.9.2012 – 1 U 50/11, zitiert nach juris; OLG Rostock v. 29.5.2006 – 3 U 167/05, MietRB 2006, 289 = ZMR 2006, 692 = NZM 2006, 692 = OLGR Rostock 2006, 740; LG Erfurt v. 29.2.2008 – 2 T 318/07, WuM 2008, 283.

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B. Wohnraummiete | Rz. 14 § 545

Stellung an einem Ort im Mietvertrag, an dem mit der Regelung nicht gerechnet werden muss, kann zur Anwendung des § 305c BGB führen. Das wird verhindert, wenn der Ausschluss im Zusammenhang mit der Regelung der Mietzeit oder den Kündigungsfristen formuliert wird. Ein entsprechende Klausel im Kapitel über die Beendigung des Mietvertrages ist auch nicht schädlich.

V. Darlegungs- und Beweislast Die Gebrauchsfortsetzung durch den Mieter muss derjenige beweisen, der sich auf die Vertragsver- 12 längerung beruft. Insoweit ist es aber im Rahmen der Räumungsklage nicht erforderlich, dass der Vermieter zu der Fortsetzung nach § 545 BGB etwas vorträgt21. Erklärung, Zugang und Rechtzeitigkeit des Widerspruchs muss derjenige beweisen, der trotz der Gebrauchsfortsetzung die Vertragsbeendigung geltend macht22. Behauptet der Mieter, der Vermieter habe vor dem von ihm eingeräumten Zeitpunkt Kenntnis von der Gebrauchsfortsetzung gehabt, muss er diesen Sachverhalt beweisen23. Ohne dass eine Partei eine Vertragsfortsetzung anspricht oder die dafür erheblichen Tatsachen vorträgt, 12a darf das Gericht eine Erörterung zu § 545 BGB nicht durchführen oder einen Hinweis nach § 139 ZPO erteilen24. Auch wenn es sich um eine prozessuale Einwendung handelt, kann die Fortsetzung nicht ohne Anlass problematisiert werden. Die bei einer Räumungsklage unausweichlich gegebene Situation, dass der Mieter (immer noch) im Besitz der Mietsache ist, begründet keinen ausreichenden Anlass25.

B. Wohnraummiete I. Beendigung des Mietvertrages Die Vorschrift ist grundsätzlich auf jede Beendigung des Mietvertrages anwendbar, unabhängig davon, 13 ob sie durch Zeitablauf bzw. vom Mieter oder Vermieter z.B. durch Kündigung herbeigeführt worden ist. Bei einer Anfechtung findet aber kein Ablauf der Mietzeit statt26. Der Mietvertrag wird ex tunc unwirksam. Die Mietzeit i.S.v. § 545 BGB setzt schon sprachlich einen Mietvertrag voraus. Abgesehen davon weist die amtliche Überschrift auf die Verlängerung des Mietverhältnisses hin. Ein nicht existentes Mietverhältnis kann aber nicht verlängert werden. Bei der vereinbarten Mietaufhebung ist dies streitig. Hier wird die Anwendbarkeit des § 545 ebenso 14 befürwortet27 wie abgelehnt28. Richtigerweise muss differenziert werden29: Kommt in der Vereinbarung zum Ausdruck, dass nach Ablauf der (Rest-)Laufzeit § 545 BGB ausgeschlossen sein soll, ist die Norm nicht anwendbar. Dazu reicht natürlich der ausdrückliche Ausschluss in der Aufhebungsvereinbarung. Daneben sind aber insbesondere Fälle denkbar, in denen die Parteien z.B. die Abwicklungsmodalitäten geregelt haben (z.B. Zustand bei Rückgabe), so dass zum Ausdruck kommt, dass mit der vorgesehenen Beendigung das Abwicklungsstadium eintreten soll. Dies gilt erst recht, wenn eine Räumungsfrist gewährt wurde30. Denn in der zugestandenen Nutzung ohne vertragliche Grundlage zeigt sich, dass der fortgesetzte Gebrauch gerade nicht die Wirkungen des § 545 BGB herbeiführen sollte. Aber auch der Anlass der Vereinbarung kommt als Anhaltspunkt in Betracht, insbesondere wenn zuvor eine Situation bestand, die den Vermieter zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund berechtigte. In wessen Interesse die Aufhebungsvereinbarung zustande gekommen ist, spielt für die Bewertung des § 545 BGB kei-

21 Schmidt-Futterer/Blank, § 545 BGB Rz. 36; a.A. KrG Meißen v. 22.1.1992 – 4 C 218/91, WuM 1992, 537; Sternel, Mietrecht, IV Rz. 90. 22 Brandenburgisches OLG v. 21.4.2010 – 3 U 75/09, MietRB 2010, 194. 23 Saarländisches OLG v. 5.7.2007 – 8 U 655/05, OLGR Saarbrücken 2007, 736. 24 A.A. Schmidt-Futterer/Blank, § 545 BGB Rz. 37. 25 A.A. Schmidt-Futterer/Blank, § 545 BGB Rz. 37. 26 A.A. Blank/Börstinghaus, § 545 BGB Rz. 5. 27 Staudinger/Emmerich, § 545 BGB Rz. 4; Both in Herrlein/Kandelhard, § 545 BGB Rz. 16. 28 Lammel, § 545 BGB Rz. 10; Schmid/Harz, § 545 BGB Rz. 3; Palandt/Weidenkaff, § 545 BGB Rz. 2. 29 Vgl. auch Schmidt-Futterer/Blank, § 545 BGB Rz. 9. 30 Schmidt-Futterer/Blank, § 545 BGB Rz. 10.

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§ 545 Rz. 14 | Stillschweigende Verlängerung des Mietverhältnisses ne Rolle31. Andernfalls, also vor allem in der bestimmten Verlängerung der bisherigen Mietzeit (z.B. bis zum Auszug), kann § 545 BGB ohne weiteres angewendet werden, wenn sein Ausschluss nicht ausdrücklich, stillschweigend und wirksam vereinbart wurde.

II. Fortsetzung der Nutzung 1. Gebrauch 15 Mit diesem Tatbestandsmerkmal wird lediglich an ein tatsächliches Verhalten des Mieters an-

geknüpft32, so dass eine Anfechtung wegen fehlenden Fortsetzungswillens ausscheidet. Auf den Willen der Parteien, das Mietverhältnis fortzusetzen, kommt es nicht an. 16 Zur Fortsetzung des Mietgebrauchs müssen Art und Umfang des Mietgebrauchs, wie er bis zur Be-

endigung der Mietzeit ausgeübt wurde, auch über den Zeitpunkt der Beendigung hinaus aufrechterhalten bleiben33. Hat der Mieter also z.B. einen von mehreren Schlüsseln bereits abgegeben und die Mietsache geräumt, ist zwar möglicherweise eine Vorenthaltung i.S.v. § 546a BGB gegeben, eine Fortsetzung des Gebrauchs liegt aber nicht vor. Überhaupt verlangt eine Fortsetzung des Gebrauchs mehr als die bloße Vorenthaltung i.S.d. § 546a BGB34, für den abgesehen von subjektiven Voraussetzungen die bloße Nichterfüllung der Rückgabepflicht genügt. Dennoch muss der Mieter den Gebrauch aktiv betreiben35. Deshalb kommt die Rechtsfolge des § 545 BGB nicht in Betracht, wenn der Mieter zwar ausgezogen ist, aber seine Wohnungseinrichtung noch in den Mieträumen steht. 17 Welche Motive der Mieter mit der Fortsetzung des Gebrauchs verfolgt, ist unerheblich36. Deshalb liegen

die Voraussetzungen des § 545 BGB selbst dann vor, wenn der Mieter davon ausgeht, dass der Mietvertrag fortbesteht. Selbst die Gebrauchstauglichkeit ist für dieses Tatbestandmerkmal grundsätzlich ohne Bedeutung37. Allenfalls wenn die Mietsache untergegangen ist (z.B. durch Zerstörung), kann es an der Fortsetzung des Gebrauchs fehlen38. 18 Auf die Zulässigkeit des Mietgebrauchs kommt es nicht an39. Insoweit können sowohl öffentlich-recht-

liche Bestimmungen als auch die vereinbarte Nutzung als Hindernisse auftreten, ohne dass dadurch die Annahme des Tatbestandsmerkmals ausgeschlossen wird. 19 Ob die Nutzung durch einen von mehreren Mietern ausreicht, ist umstritten. Weil es sich inhaltlich

nicht um den gleichen Gebrauch handelt, wird die Fortsetzung durch einen Mieter teilweise nicht als Fall des § 545 BGB gewertet40. Dagegen stellt die Gegenmeinung auf die äußere Situation41 ab und bejaht die Anwendbarkeit. Diese Sicht verdient den Vorzug. Im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift, Klarheit zu schaffen, kann es nicht darauf ankommen, ob alle Mieter den Gebrauch fortsetzen. Dies wird jedenfalls der Vermieter von außen ohnehin nicht feststellen. Abgesehen davon reicht es aus, wenn ein Mieter widerspricht. Deshalb können die scheidenden (vertragstreuen) Mieter aus eigener Initiative für Klarheit sorgen. 20 Für die GbR gelten keine Besonderheiten42. Die gemeinschaftliche Vertretung nach §§ 709, 714 BGB

verlangt nicht, dass der Gebrauch durch alle Gesellschafter fortgesetzt wird43. Maßgeblich ist, ob sich von außen die Situation so darstellt, dass der Mieter die Nutzung in gleicher Weise wie vor der Beendigung des Mietvertrages durchführt. 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43

Schmidt-Futterer/Blank, § 545 BGB Rz. 10; a.A. AG Borken v. 7.3.1996 – 3 C 27/96, WuM 1996, 273. BGH v. 9.4.1986 – VIII ZR 100/85, MDR 1986, 1016 = ZMR 1986, 274. BGH v. 16.9.1987 – VIII ZR 156/86, MDR 1988, 225 = ZMR 1988, 18 = WuM 1988, 59 m.w.N. BayObLG v. 1.9.1981 – AllgReg 58/81, MDR 1982, 56 = NJW 1981, 2759 = ZMR 1982, 16 = WuM 1981, 253. Blank/Börstinghaus, § 545 BGB Rz. 10. Staudinger/Emmerich, § 545 BGB Rz. 8. Blank/Börstinghaus, § 545 BGB Rz. 10. OLG Koblenz v. 16.2.1989 – 5 U 1071/88, NJW-RR 1989, 1526 = BB 1989, 1997. BGH v. 16.9.1987 – VIII ZR 156/86, MDR 1988, 225 = ZMR 1988, 18 = WuM 1988, 59. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. IV 82; Staudinger/Emmerich, § 545 BGB Rz. 8. Lammel, § 545 BGB Rz. 15; Schmidt-Futterer/Blank, § 545 BGB 14. A.A. Both in Herrlein/Kandelhard, § 545 BGB Rz. 22. Blank/Börstinghaus, § 545 BGB Rz. 12.

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B. Wohnraummiete | Rz. 24 § 545

Eine Eigennutzung ist nicht erforderlich. Sowohl die Fortsetzung der Nutzung durch einen Untermie- 21 ter als auch durch Ehegatten, Lebenspartner oder enge Familienangehörige als Personen, die keine Dritten i.S.v. §§ 540, 553 BGB sind, führt die Rechtsfolgen des § 545 BGB herbei44. Auch der innere Wille des Untermieters ist nicht relevant. Deshalb kommt eine Fortsetzung i.S.v. § 545 BGB in Betracht, wenn der Untermieter den Gebrauch unverändert fortsetzt, obwohl mit dem Hauptvermieter ein Mietvertrag geschlossen wurde, er aber nicht erklärt, diesen aktiv ausführen zu wollen45. Auch auf die Zulässigkeit der Untervermietung kommt es nicht an. Selbst wenn sie erst nach Beendigung des Mietvertrages erfolgt, inhaltlich aber der bisherigen Nutzung entspricht, setzt sich der Vertrag mangels Widerspruchs fort. 2. Dauer der Nutzung Wie schon die Widerspruchsfrist deutlich macht, reicht eine bloße Überschreitung des Endtermins 22 nicht aus. Vielmehr ist eine Nutzung von gewisser Dauer erforderlich. Dazu soll die Fortsetzung des Gebrauchs lediglich für eine Übergangszeit bis zu der schon für den nächsten Tag ins Auge gefassten Räumung nicht ausreichen46. Insoweit stellt die Widerspruchsfrist klare Anforderungen. Jeder fortgesetzte Gebrauch der Mietsache, der eine Dauer von 14 Tagen erreicht, führt die Rechtsfolge des § 545 BGB herbei. Darunterliegende Nutzungen genügen nicht. 3. Rechtszustand während der Schwebezeit Da das Mietverhältnis beendet ist, gelten die gleichen Grundsätze wie bei § 546a BGB. Dementspre- 22a chend gelten die für das bestehende gesetzliche Schuldverhältnis geltenden Regeln (§ 546a BGB Rz. 83 f.). Materiell sind also alle vertraglichen und gesetzlichen Bestimmungen anwendbar, die nicht zum mietvertraglichen Synallgma gehören. Läuft die Zwei-Wochen-Frist ohne Widerspruch einer Partei ab, soll der Mietvertrag ex-nunc auf- 22b leben47. Da § 545 BGB aufgrund seiner systematischen Stellung für Wohn- wie Gewerberaummiete gilt, kann dieser Auffassung nicht gefolgt werden. Denn eine vergleichbare Situation ist in § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB geregelt. Dort besteht ebenfalls ein Schwebezustand (bis zwei Monate nach Rechtshängigkeit der Räumungsklage). Hier wie dort tritt eine rückwirkende Fortsetzung des Mietvertrages ein, wobei es sich insoweit um eine Fiktion handelt48. Die während des Schwebezustandes entstandenen Ansprüche bleiben bestehen. Im weiteren Verlauf wird der Mietvertrag nur als durchgehend wirksam behandelt. Demnach kann der Erwerber ohne Weiteres in das Abwicklungsverhältnis, das während der Schwebezeit besteht, eintreten (§ 566 BGB Rz. 44)49.

III. Widerspruch 1. Ausdrücklicher Widerspruch Der gegen die gesetzlich angeordnete Verlängerung gerichtete Widerspruch wird durch formlose, emp- 23 fangsbedürftige Willenserklärung zum Ausdruck gebracht. Eine besondere Form ist nicht vorgesehen, so dass sie auch mündlich oder in Textform abgegeben werden kann. Der Widerspruch ist bedingungsfeindlich und darf auch keine Auflage enthalten50. Zulässig sind aber 24 stets sog. Potestativbedingungen, also Bedingungen, deren Eintritt vom Willen des Erklärungsempfän-

BGH v. 9.4.1986 – VIII ZR 100/85, MDR 1986, 1016 = ZMR 1986, 274 = WuM 1986, 281. OLG Düsseldorf v. 4.6.1992 – 10 U 147/91, MDR 1993, 45 = DWW 1992, 366. Staudinger/Emmerich, § 545 BGB Rz. 8. Leo/Götz, NZM 2019, 601 (604) für die Gewerberaummiete. Zu § 569 BGB: BGH v. 19.9.2018 – VIII ZR 231/17, MietRB 2019, 5 = MDR 2018, 1364 = WuM 2018, 714 = NZM 2018, 941; OLG Stuttgart v. 28.8.1991 – 8 REMiet 2/91, WuM 1991, 526 = ZMR 1991, 429. 49 A.A. Leo/Götz, NZM 2019, 601 (604) für die Gewerberaummiete. 50 BayObLG v. 1.9.1981 – AllgReg 58/81, MDR 1982, 56 = WuM 1981, 253 = ZMR 1982, 16 = NJW 1981, 2759. 44 45 46 47 48

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§ 545 Rz. 24 | Stillschweigende Verlängerung des Mietverhältnisses gers abhängen. Deshalb kann der Vermieter z.B. bei einem einheitlichen Mietvertrag die Fortsetzung des Mietvertrages an die Rückgabe eines Teils der (einheitlichen) Mietsache knüpfen. 25 Allerdings muss ein eindeutiger Wille, die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses abzulehnen, aus der

Erklärung hervorgehen51. Dies ist bei ausdrücklicher Formulierung eines Widerspruchs („einer Verlängerung des Mietvertrages wird widersprochen“) unzweifelhaft. Aber auch eine Äußerung, die deutlich macht, dass der Erklärende in die Abwicklung des beendeten Mietvertrages eintritt (z.B. Angebot der Kautionsauszahlung oder deren Forderung), ist ausreichend. Dies kann z.B. dadurch geschehen, dass der Vermieter darauf hinweist, dass bei unterlassener Räumung Klage erhoben wird52. Ausreichend ist auch der Hinweis des Vermieters, dass weitere Mietzahlungen als Nutzungsentschädigung entgegengenommen werden53, oder die Bitte um Mitteilung des Räumungstermins bei gleichzeitigem Verlangen nach Bestätigung der Beendigung des Mietvertrages54. 26 Daneben kommt ein für § 545 BGB ausreichender Widerspruch zweifelsfrei durch die Erhebung55

oder die Aufrechterhaltung einer vorzeitigen Räumungsklage56 (vgl. § 259 ZPO) zum Ausdruck, was eine Zustellung bis zum Ablauf der Zweiwochenfrist voraussetzt57. Ebenso ausreichend ist der Klageabweisungsantrag gegenüber der Feststellungsklage des Mieters auf Fortbestand des Mietvertrages58 sowie die Aufforderung des Vermieters zur Rückgabe der Mietsache und zur Räumung des Mietobjekts59 spätestens innerhalb der Zwei-Wochen-Frist. Eine vergleichbare Erklärung liegt in der Gewährung einer Räumungsfrist. Der Mieter kann seinen Widerspruch dadurch zum Ausdruck bringen, dass er seine Auszugsbereitschaft unter Hinweis auf die mangelnde Bezugsfertigkeit seines neuen Domizils erklärt60. 27 Wird von einer Partei der Fortsetzung des Mietverhältnisses im Rahmen von erfolglosen Verhandlun-

gen über die Aufhebung des Mietvertrages widersprochen, soll dieser Erklärung nicht die Wirkung eines Widerspruchs i.S.v. § 545 BGB zukommen61. Dieser Auffassung kann jedoch nicht gefolgt werden. Sie beruht noch auf dem Gedanken, dass der Widerspruch i.S.v. § 545 BGB in einem zeitlichen Zusammenhang mit dem Ablauf einer (langen) Kündigungsfrist erklärt werden muss62. Diese Sicht der Rechtslage hat der BGH ausdrücklich aufgegeben63. 28 Auch die auf die Kündigung des Vermieters folgende Erklärung des Mieters, ein zukünftiger Mietver-

trag könne nur noch über einen Teil der Räumlichkeiten zustande kommen, stellt einen Fortsetzungswiderspruch i.S.d. § 545 BGB dar64. Denn der Mieter bringt klar zum Ausdruck, dass er einen neuen (reduzierten) Mietvertrag mit veränderten Konditionen schließen will. 29 Bei mehreren Mietern ist der Widerspruch eines Mieters ausreichend65. Das Gleiche gilt bei mehreren

Vermietern, allerdings müssen alle positive Kenntnis von der Gebrauchsfortsetzung haben66.

51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66

BGH v. 16.9.1987 – VIII ZR 156/86, MDR 1988, 225 = ZMR 1988, 18 = WuM 1988, 59. LG Bonn v. 5.10.1992 – 6 S 213/92, WuM 1992, 617. Blank/Börstinghaus, § 545 BGB Rz. 19. OLG München v. 10.9.1993 – 21 U 2281/93, OLGR München 1994, 63. OLG Köln v. 12.7.1995 – 2 U 45/95, ZMR 1996, 24. Blank/Börstinghaus, § 545 BGB Rz. 19. BGH v. 21.4.2010 – VIII ZR 184/09, MietRB 2010, 222 = MDR 2010, 856 = WuM 2010, 418. BGH v. 25.1.1991 – V ZR 116/90, MDR 1991, 517 = WuM 1991, 276 = ZMR 1991, 213. MünchKomm/Bieber, § 545 BGB Rz. 12. OLG Hamm v. 25.5.1993 – 7 U 146/92, OLGR Hamm 1993, 221. OLG Köln v. 23.9.2005 – 1 U 43/04, MietRB 2006, 96 = MietRB 2006, 98 = OLGR Köln 2005, 697 = GuT 2006, 14. Vgl. dazu BGH v. 21.4.2010 – VIII ZR 184/09, MietRB 2010, 222 = WuM 2010, 418 = MDR 2010, 856 = ZMR 2010, 671 zur aktuellen Rechtslage und BGH v. 9.4.1986 – VIII ZR 100/85, NJW-RR 1986, 1020 = ZMR 1986, 274 = MDR 1986, 1016 = WuM 1986, 281. BGH v. 21.4.2010 – VIII ZR 184/09, MietRB 2010, 222 = WuM 2010, 418 = MDR 2010, 856 = ZMR 2010, 671. A.A. OLG Hamm v. 19.2.1997 – 30 U 197/96, NJWE-MietR 1997, 268. OLG Rostock v. 23.3.2004 – 3 U 273/03, MDR 2004, 1292 = MietRB 2004, 288, NZM 2004, 423. BayObLG v. 1.9.1981 – AllgReg 58/81, MDR 1982, 56 = NJW 1981, 2759 = ZMR 1982, 16 = WuM 1981, 253.

902 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 33 § 545

2. Konkludenter Widerspruch Der Widerspruch gegen eine Vertragsverlängerung auf unbestimmte Zeit gemäß § 545 BGB kann auch 30 durch konkludentes Verhalten abgegeben werden. Dabei muss sich allerdings der Wille, die Fortsetzung des Mietverhältnisses abzulehnen, eindeutig ergeben67. Auf frühere Erklärungen kann dabei nur insoweit zurückgegriffen werden, als sie für etwaige Rückschlüsse auf den entgegenstehenden Willen im maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsendes noch Aussagekraft haben68. Ein Widerspruch durch schlüssiges Verhalten kann mit dem Ausspruch der fristlosen Kündigung ver- 31 bunden sein, wobei es im Einzelfall auf das Gewicht der Kündigungsgründe und deren Bedeutung ankommt69. Bei einer auf grobe Vertragsverstöße, insbesondere auf eine daraus resultierende Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung gestützten fristlosen Kündigung liegt ein konkludenter Widerspruch besonders nahe. Enthält die Kündigung zugleich eine Räumungsaufforderung, bedarf es daneben keines ausdrücklichen Widerspruchs mehr70, zumal wenn die Räumungsfrist nur zwei Tage betragen soll und sich der Vermieter der Formulierung „sollten“ bedient71. Dies gilt erst recht bei einer Räumungsaufforderung, die separat, aber vor Ablauf der Zwei-Wochen-Frist des § 545 BGB erklärt wird72. Dem steht der Fall gleich, dass eine weitere Kündigung ausgesprochen wird73. Gewährt der Vermieter gleichzeitig mit der fristlosen Kündigung eine Räumungsfrist, bringt er damit objektiv einen der Fortsetzung des Gebrauchs der Mietsache entgegenstehenden Willen zum Ausdruck74. Für den Willen des Vermieters, mit der außerordentlichen Kündigung zugleich die Fortsetzung des Mietverhältnisses abzulehnen, kann das Beharren des Vermieters auf Zahlung vorher geforderter höherer Miete sprechen75. Gleiches gilt für das Mietergesuch um Räumungsaufschub76. Im Anschluss an einen Räumungstitel bedarf es keines gesonderten Widerspruchs gegen eine Gebrauchsfortsetzung77. Allerdings kann die Vollstreckung aus einem Räumungstitel bei ungebührlich verzögerter Vollstreckung unter besonderen Umständen wegen Verstoßes gegen § 242 BGB unzulässig werden78. 3. Zwei-Wochen-Frist Die zweiwöchige Widerspruchsfrist beginnt – für den Mieter mit der Fortsetzung des Gebrauchs (S. 2 Nr. 1), – für den Vermieter mit der Kenntnis davon (S. 2 Nr. 2).

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Die Frist berechnet sich unter Berücksichtigung der §§ 187, 188, 193 BGB. Sie beginnt für den Mieter 33 regelmäßig mit der rechtlichen Beendigung des Mietvertrages unabhängig davon, ob er Kenntnis davon hat79. Die Norm stellt nur bezüglich des Vermieters auf subjektive Momente ab. Insoweit ist aber positive Kenntnis80 des Vermieters, bei mehreren Personen aller Vermieter erforderlich81.

67 BGH v. 12.7.2006 – XII ZR 178/03, MietRB 2006, 316 = MietRB 2006, 320 = MDR 2007, 78 = ZMR 2006, 763 = NJW-RR 2006, 1385; OLG Köln v. 23.9.2005 – 1 U 43/04, MietRB 2006, 96 = MietRB 2006, 98 = OLGR Köln 2005, 697 = GuT 2006, 14; OLG Rostock v. 23.3.2004 – 3 U 273/03, MietRB 2004, 288 = MDR 2004, 1292 = WuM 2004, 470 = NZM 2004, 423. 68 Brandenburgisches OLG v. 21.4.2010 – 3 U 75/09, MietRB 2010, 194. 69 BGH v. 16.9.1987 – VIII ZR 156/86, MDR 1988, 225 = ZMR 1988, 18 = WuM 1988, 59. 70 Brandenburgisches OLG v. 5.1.2011 – 3 U 55/10, zitiert nach juris. 71 BGH v. 24.1.2018 – XII ZR 120/16, MDR 2018, 516 = ZMR 2018, 663 = GE 2018, 450 = IMR 2018, 149 (Neuhaus). 72 BGH v. 12.7.2006 – XII ZR 178/03, MietRB 2006, 316 = MietRB 2006, 320 = MDR 2007, 78 = NZM 2006, 699. 73 LG Frankfurt v. 28.4.1988 – 2/11 S 71/88, PE 1989, 294. 74 Schleswig- Holsteinisches OLG v. 23.11.1981 – 6 RE-Miet 2/81, MDR 1982, 322 = NJW 1982, 449. 75 Vgl. BGH v. 8.1.1969 – VIII ZR 184/66, WuM 1969, 298. 76 MünchKomm/Bieber, § 545 BGB Rz. 12. 77 OLG Hamm v. 1.10.1981 – 4 REMiet 6/81, MDR 1982, 147 = NJW 1982, 341. 78 OLG Hamm v. 1.10.1981 – 4 REMiet 6/81, MDR 1982, 147 = NJW 1982, 341. 79 BGH v. 26.3.1980 – VIII ZR 150/79, MDR 1980, 749 = NJW 1980, 1577; MünchKomm/Bieber, § 545 BGB Rz. 14 (allg.M.). 80 Schmidt-Futterer/Blank, § 545 BGB Rz. 24; Both in Herrlein/Kandelhard, § 545 BGB Rz. 34. 81 BayObLG v. 1.9.1981 – AllgReg 58/81, MDR 1982, 56 = NJW 1981, 2759 = ZMR 1982, 16 = WuM 1981, 253.

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§ 545 Rz. 34 | Stillschweigende Verlängerung des Mietverhältnisses 34 Maßgebend für die Fristwahrung ist der Zugang des Widerspruchs beim Erklärungsgegner. Wird der

Gebrauchsfortsetzung in einer (Räumungs-)Klageschrift widersprochen, gilt § 167 ZPO. Selbst wenn der Widerspruch in der Räumungsklage nicht ausdrücklich erklärt wird, die Einreichung innerhalb der Zweiwochenfrist und die Zustellung demnächst i.S.v. § 167 BGB erfolgt, ist die Frist gewahrt82. Durch eine verfristete Zustellung wird die Frist nicht gewahrt83. 35 Der Widerspruch kann schon vor Ablauf der Mietzeit84, z.B. im Kündigungsschreiben85, ausgespro-

chen werden. Ebenso zulässig ist ein Widerspruch außerhalb der Kündigung etwa bei der Übergabe des Kündigungsschreibens. Auf den zeitlichen Zusammenhang mit dem Endtermin kommt es grundsätzlich nicht an86. Generell kann der Widerspruch nämlich vor Ablauf der Kündigungsfrist87 erklärt (bzw. zum Ausdruck gebracht) werden. Ist dies geschehen, muss nach Beendigung des Mietverhältnisses der Widerspruch nicht wiederholt werden, und zwar auch dann nicht, wenn die Kündigungsfrist neun Monate beträgt88. 4. Rechtsfolge 36 Liegt ein Widerspruch nicht vor, tritt die Verlängerung des Mietverhältnisses ein89, ohne dass ein auf

den Eintritt dieser Rechtsfolge gerichteter Parteiwille erforderlich ist90. Selbst bei bisheriger Befristung wird das Vertragsverhältnis auf unbestimmte Zeit verlängert. Da das alte Mietverhältnis fortgesetzt wird, ist für die Frage, ob ein Anfangsmangel i.S.d. § 536a Abs. 1 BGB vorliegt, weiterhin nur der Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgebend91. Allerdings treten die gesetzlichen an die Stelle eventuell vertraglich vereinbarter Kündigungsfristen. 37 Ein bereits begründetes Vermieterpfandrecht dauert fort. Gleiches gilt für vom Mieter rechtsgeschäft-

lich bestellte Sicherheiten. Ob Bürgschaften und Pfänder Dritter sich auch auf den Verlängerungszeitraum beziehen, richtet sich nach den zugrundeliegenden Absprachen, wird aber im Zweifel nur anzunehmen sein, wenn diese Personen mit der Vertragsfortsetzung und ihrer Haftung für die Verlängerungszeit einverstanden sind92. Die bürgenähnliche Haftung des Veräußerers gemäß § 566 Abs. 2 S. 1 BGB findet trotz Verlängerungsfiktion ihr Ende (vgl. § 566 BGB Rz. 169). 5. Schlüssige Fortsetzung des Mietvertrages 38 Ob trotz vertraglichem Ausschluss von § 545 BGB die Fortsetzung des Vertrags schlüssig vereinbart

sein kann, wird nicht einheitlich bewertet. Die h.M. nimmt an, dass dies möglich ist, wenn der Mieter nach Ablauf eines Mietverhältnisses den Mietgebrauch unter Weiterzahlung des als Miete vereinbarten Entgelts fortsetzt und der Vermieter dieses Verhalten hinnimmt93. Die Gegenmeinung geht davon aus, dass ein Wohnraummietverhältnis nach erfolgter Kündigung nicht durch monatelange beiderseitige Erfüllung wiederauflebt, wenn im Mietvertrag die Anwendung des § 545 BGB wirksam abbedungen worden ist94.

82 BGH v. 25.6.2014 – VIII ZR 10/14, MDR 2014, 949 = MietRB 2014, 253 = WuM 2014, 485 (486) = GE 2014, 1135 = ZMR 2014, 961. 83 OLG Stuttgart v. 9.3.1987 – 8 REMiet 1/86, MDR 1987, 499 = ZMR 1987, 179. 84 BGH v. 16.9.1987 – VIII ZR 156/86, MDR 1988, 225 = ZMR 1988, 18; OLG Rostock v. 23.3.2004 – 3 U 273/ 03, MietRB 2004, 288 = MDR 2004, 1292 = WuM 2004, 470 = NZM 2004, 423. 85 Hanseatisches OLG Hamburg v. 27.7.1981 – 4 U 27/81, NJW 1981, 2258. 86 BGH v. 21.4.2010 – VIII ZR 184/09, MDR 2010, 856 = MietRB 2010, 222 = WuM 2010, 418. 87 BayObLG v. 1.9.1981 – AllgReg 58/81, MDR 1982, 56 = NJW 1981, 2759 = ZMR 1982, 16 = WuM 1981, 253. 88 BGH v. 21.4.2010 – VIII ZR 184/09, MDR 2010, 856 = MietRB 2010, 222 = WuM 2010, 418. 89 Keine Fiktion wie bei § 568 a.F.: BT-Drucks. 14/4553, S. 44. 90 BGH v. 9.4.1986 – VIII ZR 100/85, MDR 1986, 1016 = ZMR 1986, 274. 91 MünchKomm/Bieber, § 545 BGB Rz. 9, Staudinger/Emmerich, § 545 BGB Rz. 15. 92 LG Gießen v. 19.10.1994 – 1 S 376/94, ZMR 1995, 33; Staudinger/Emmerich, § 545 BGB Rz. 16. 93 OLG Düsseldorf v. 8.6.2006 – 24 U 189/05, MietRB 2007, 89 = OLGR Düsseldorf 2007, 138 = GE 2007, 222; OLG Oldenburg v. 28.9.2000 – 8 U 140/00, DWW 2001, 88 m.w.N. 94 AG Halle v. 16.12.2010 – 93 C 2291/10, WuM 2011, 209.

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Rückgabepflicht des Mieters | § 546

Richtigerweise ist auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen95. Eine Fortsetzung oder Neubegrün- 39 dung des Mietvertrages setzt Kenntnis der wesentlichen Umstände und ein daran anknüpfendes Erklärungsbewusstsein voraus. Dazu gehört nicht nur die bloße Fortsetzung der Nutzung, sondern vor allem die Beendigung des Mietvertrages und das Bewusstsein, dass die bloße Fortsetzung wegen des Ausschlusses von § 545 BGB nicht zu einer vertraglichen Beziehung führt. Letzteres wird in der Praxis kaum feststellbar sein. Die Folge wäre, dass der Leistungsaustausch allein an § 812 BGB gemessen werden könnte. Insbesondere § 818 Abs. 2 BGB führt dabei zu einem nicht praxisgerechten Ergebnis96, denn weichen die Zahlungen des Mieters von der objektiv zu bewertenden Nutzungsentschädigung ab97, kommt es entweder zu erheblichen Nach- oder Rückzahlungen. Je nach Dauer der Nutzung kann dies ruinöse Auswirkungen nach sich ziehen.

C. Gewerberaummiete Die Vorschrift ist ohne Einschränkung auch auf Gewerberaummietverträge anwendbar. Es gelten die 40 in Abschnitt A. und B. dargestellten Grundsätze. Hinsichtlich der Frage des konkludenten Widerspruchs ist streitig, ob das mit einer Kündigung verbun- 41 dene Verlangen nach einer höheren Miete zur Annahme eines Fortsetzungswiderspruchs gegen die Verlängerung des befristeten Mietverhältnisses ausreicht98. Für die Gewerberaummiete ist das zu bejahen. Denn ist die Kündigung möglich, beendet sie den Mietvertrag. Sie ist nicht unwirksam, wenn daran eine Fortsetzung unter der Bedingung der höheren Miete geknüpft wird. Diese Bedingung ist allein vom Willen des Erklärungsempfängers abhängig (= Potestativbedingung) und damit zulässig (vgl. § 542 BGB Rz. 46). Abgesehen davon kommt in dem Verlangen eindeutig zum Ausdruck, dass der Mietvertrag beendet bleibt, wenn die Bedingung nicht eintritt. Also äußert der Vermieter einen der Fortsetzung des Mietvertrages entgegenstehenden Willen.

§ 546 Rückgabepflicht des Mieters (1) Der Mieter ist verpflichtet, die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben. (2) Hat der Mieter den Gebrauch der Mietsache einem Dritten überlassen, so kann der Vermieter die Sache nach Beendigung des Mietverhältnisses auch von dem Dritten zurückfordern. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . 3. Anwendbare Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . III. Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Abweichende Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . VI. Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Herbeiführung eines Titels . . . . . . . . . . . . . . a) Ordentliches Verfahren . . . . . . . . . . . . . aa) Ziehfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 1 2 2 3 4 5 6 7 9 9 9 10

bb) Versäumnisurteil vor Ablauf der Schonfrist? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Klage auf künftige Räumung . . . . . (1) Kalendermäßige künftige Leistung (§ 257 ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Besorgnis der nicht rechtzeitigen Erfüllung (§ 259 ZPO) . . . . . . . . . . dd) Räumungsklage und Vermieterpfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einstweilige Verfügung . . . . . . . . . . . . . c) Rückgabeanspruch in der Insolvenz des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Richtiger Kläger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Richtiger Beklagter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

14 16 18 21 28 30 33 36 38

95 Vgl. BGH v. 2.5.2012 – XII ZR 88/10, MDR 2012, 833 = MietRB 2012, 190, GE 2012, 822. 96 Ebenso Fritz, Rz. 82. 97 Vgl. dazu BGH v. 6.8.2008 – XII ZR 67/06, MDR 2009, 19 = MietRB 2009, 4, GuT 2008, 330; KG v. 4.10.2001 – 8 U 1086/00, KGR Berlin 2001, 394. 98 Dafür: Blank/Börstinghaus, § 545 BGB Rz. 19; dagegen: OLG Hamm v. 19.2.1997 – 30 U 197/96, NJWE-MietR 1997, 268; Both in Herrlein/Kandelhard, § 545 BGB Rz. 24.

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Rückgabepflicht des Mieters | § 546

Richtigerweise ist auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen95. Eine Fortsetzung oder Neubegrün- 39 dung des Mietvertrages setzt Kenntnis der wesentlichen Umstände und ein daran anknüpfendes Erklärungsbewusstsein voraus. Dazu gehört nicht nur die bloße Fortsetzung der Nutzung, sondern vor allem die Beendigung des Mietvertrages und das Bewusstsein, dass die bloße Fortsetzung wegen des Ausschlusses von § 545 BGB nicht zu einer vertraglichen Beziehung führt. Letzteres wird in der Praxis kaum feststellbar sein. Die Folge wäre, dass der Leistungsaustausch allein an § 812 BGB gemessen werden könnte. Insbesondere § 818 Abs. 2 BGB führt dabei zu einem nicht praxisgerechten Ergebnis96, denn weichen die Zahlungen des Mieters von der objektiv zu bewertenden Nutzungsentschädigung ab97, kommt es entweder zu erheblichen Nach- oder Rückzahlungen. Je nach Dauer der Nutzung kann dies ruinöse Auswirkungen nach sich ziehen.

C. Gewerberaummiete Die Vorschrift ist ohne Einschränkung auch auf Gewerberaummietverträge anwendbar. Es gelten die 40 in Abschnitt A. und B. dargestellten Grundsätze. Hinsichtlich der Frage des konkludenten Widerspruchs ist streitig, ob das mit einer Kündigung verbun- 41 dene Verlangen nach einer höheren Miete zur Annahme eines Fortsetzungswiderspruchs gegen die Verlängerung des befristeten Mietverhältnisses ausreicht98. Für die Gewerberaummiete ist das zu bejahen. Denn ist die Kündigung möglich, beendet sie den Mietvertrag. Sie ist nicht unwirksam, wenn daran eine Fortsetzung unter der Bedingung der höheren Miete geknüpft wird. Diese Bedingung ist allein vom Willen des Erklärungsempfängers abhängig (= Potestativbedingung) und damit zulässig (vgl. § 542 BGB Rz. 46). Abgesehen davon kommt in dem Verlangen eindeutig zum Ausdruck, dass der Mietvertrag beendet bleibt, wenn die Bedingung nicht eintritt. Also äußert der Vermieter einen der Fortsetzung des Mietvertrages entgegenstehenden Willen.

§ 546 Rückgabepflicht des Mieters (1) Der Mieter ist verpflichtet, die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben. (2) Hat der Mieter den Gebrauch der Mietsache einem Dritten überlassen, so kann der Vermieter die Sache nach Beendigung des Mietverhältnisses auch von dem Dritten zurückfordern. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . 3. Anwendbare Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . III. Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Abweichende Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . VI. Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Herbeiführung eines Titels . . . . . . . . . . . . . . a) Ordentliches Verfahren . . . . . . . . . . . . . aa) Ziehfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 1 2 2 3 4 5 6 7 9 9 9 10

bb) Versäumnisurteil vor Ablauf der Schonfrist? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Klage auf künftige Räumung . . . . . (1) Kalendermäßige künftige Leistung (§ 257 ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Besorgnis der nicht rechtzeitigen Erfüllung (§ 259 ZPO) . . . . . . . . . . dd) Räumungsklage und Vermieterpfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einstweilige Verfügung . . . . . . . . . . . . . c) Rückgabeanspruch in der Insolvenz des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Richtiger Kläger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Richtiger Beklagter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

14 16 18 21 28 30 33 36 38

95 Vgl. BGH v. 2.5.2012 – XII ZR 88/10, MDR 2012, 833 = MietRB 2012, 190, GE 2012, 822. 96 Ebenso Fritz, Rz. 82. 97 Vgl. dazu BGH v. 6.8.2008 – XII ZR 67/06, MDR 2009, 19 = MietRB 2009, 4, GuT 2008, 330; KG v. 4.10.2001 – 8 U 1086/00, KGR Berlin 2001, 394. 98 Dafür: Blank/Börstinghaus, § 545 BGB Rz. 19; dagegen: OLG Hamm v. 19.2.1997 – 30 U 197/96, NJWE-MietR 1997, 268; Both in Herrlein/Kandelhard, § 545 BGB Rz. 24.

Lützenkirchen | 905

§ 546 Rz. 1 | Rückgabepflicht des Mieters a) Familie und Lebensgemeinschaften . . . . b) Untermieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtskrafterstreckung eines Titels gegen den (Unterver-)Mieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Haftungsfalle „kalte Räumung“ . . . . . . . . . . 6. Haftungsfalle Ablöseforderung . . . . . . . . . . . B. Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rückgabepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beendigung des Mietvertrages . . . . . . . . . . . 3. Anspruchsberechtigter . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Schuldner der Rückgabepflicht . . . . . . . . . . . 5. Inhalt der Rückgabepflicht . . . . . . . . . . . . . . a) Besitzübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Räumlicher Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zustand bei Rückgabe . . . . . . . . . . . . . . aa) Wiederherstellungs- und Beseitigungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Reinigung der Mietsache . . . . . . . . . cc) Beseitigung von Abnutzungsspuren dd) Vereinbarungen anlässlich der Rückgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Abnahmeprotokoll . . . . . . . . . . . . . . (2) Sonstige Vereinbarungen . . . . . . . . . 6. Erfüllungsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Fälligkeit des Rückgabeanspruchs . . . . . . . . 8. Annahmeverzug des Vermieters . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Annahmeverzug bei vorzeitiger Rückgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Rechtsfolgen der Verletzung der Räumungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verzögerte Rückgabe . . . . . . . . . . . . . . . b) Schadensersatz wegen Schlüsselverlust . aa) Haftungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . .

42 45 47 48 52a 53 53 53 56 58 63 66 66 74 74a

II.

75 81 82

III. IV.

84 88 99 101 102 104 104

C. I.

108 110 110 112 112

II.

bb) Umfang des Schadens . . . . . . . . . . . 118 c) Schadensersatz wegen unterbliebenem Rückbau; Beschädigung und Abhandenkommen von Einrichtungen . . . . . . . . . 123 d) Versorgungssperre . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Räumungsanspruch gegen Dritte, § 546 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 1. Inhalt des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 2. Beendigung des Hauptmietvertrages . . . . . . 134 a) Hauptmietvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 b) Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 3. Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 4. Besitz des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 5. Verhältnis Vermieter zu Mieter/Untermieter 145 6. Fälligkeit des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . 148 7. Rechtsfolge: Räumungspflicht . . . . . . . . . . . 149a 8. Rechtsfolgen der Rückgabe (nachvertragliche Pflichten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150a Wohnungsabnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Selbsthilfe (kalte Räumung) und ihre Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156b 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156b 2. Darlegungs- und Beweislast bei Schadensersatz des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 3. Umfang des Schadens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Gewerberaummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 Inhalt der Rückgabepflicht . . . . . . . . . . . . . . . 165 1. Reklame- und Hinweisschilder . . . . . . . . . . 165 2. Teilrückgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 3. Bodenkontaminationen und vertragsgemäßer Gebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 4. Bereicherung bei vorzeitiger Rückgabe . . . . 172 Versorgungssperre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

A. Allgemeines I. Regelungsgehalt 1 § 546 BGB gewährt einen schuldrechtlichen Rückgabeanspruch, der mit der Beendigung des Mietver-

trages fällig wird und selbständig neben anderen gesetzlichen Ansprüchen steht, die eine Rückgabe anordnen (z.B. § 985 BGB). Abs. 1 regelt dabei den Anspruch auf Rückgabe durch den Mieter. Abs. 2 gewährt einen inhaltsgleichen Anspruch gegen einen Dritten, der seinen Besitz an der Mietsache von dem Mieter ableitet. Wie bereits der Wortlaut zeigt, unterscheiden sich beide Ansprüche grundsätzlich allein im Hinblick auf die Voraussetzungen für die Fälligkeit.

II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich 2 Die Vorschrift gilt als Teil der allgemeinen Mietvorschriften für alle Mietverhältnisse. Auf dem Gebiet

der Pacht wird ihr Regelungsgehalt durch § 582a Abs. 3 BGB variiert, zur Landpacht s. §§ 596, 596b BGB. 2a Unabdingbar setzt die unmittelbare Anwendung des § 546 BGB einen beendeten Mietvertrag voraus.

Dieser liegt auch vor, wenn der Mietvertrag auflösend bedingt war und der Mieter nach Eintritt der

906 | Lützenkirchen

A. Allgemeines | Rz. 6 § 546

Bedingung die Mietsache nicht zurückgibt1. War der Vertrag von Anfang an nichtig, ergeben sich die Rechtsfolgen aus den §§ 812, 818 BGB bzw. beim Widerruf im Rahmen eines Verbrauchervertrages nach den §§ 312 Abs. 4, 312b, 312c BGB aus den §§ 355 ff. BGB. 2. Verhältnis zu anderen Vorschriften Der dingliche Herausgabeanspruch aus § 985 BGB steht ggf. gleichberechtigt neben § 546 Abs. 1 oder 3 2 BGB2. Soweit sich der Räumungsanspruch mit § 985 BGB deckt, gewährt er in der Insolvenz ein Aussonderungsrecht3. Die Aussonderung beschränkt sich ihrem Umfang nach stets auf die Verschaffung des unmittelbaren Besitzes an der Mietsache. Ein (etwaiger) weitergehender Räumungsanspruch begründet demgegenüber allenfalls eine Insolvenzforderung. 3. Anwendbare Rechtsprechung § 546 BGB hat durch das Mietrechtsänderungsgesetz 2001 ohne inhaltliche Änderung § 556 BGB a.F. 4 ersetzt. Deshalb ist die vor dem 1.9.2001 ergangene Rechtsprechung ohne weiteres anwendbar.

III. Zweck der Vorschrift Die Vorschrift dient der Abwicklung beendeter Mietverträge und hat zunächst eine Ordnungsfunk- 5 tion. Denn sie regelt eine Selbstverständlichkeit4: Wenn gegenseitige Dauerschuldverhältnisse beendet sind, muss der Zustand wiederhergestellt werden, der den Leistungsaustausch nicht mehr zulässt. Gerade darin liegt aber die Bedeutung des § 546 BGB. Denn er bildet die Grundlage für das gesetzliche Schuldverhältnis, dass durch § 546a BGB nur unvollkommen ausgeprägt ist (§ 546a BGB Rz. 18 ff.). Zwar könnte der Vermieter sein Ziel auch über § 812 BGB erreichen, und – wenn er Eigentümer wäre – sogar über § 985 BGB. Indessen zeigt die ausdrückliche Bestimmung der Rückgabepflicht als Gegenstück zu § 535 Abs. 1 BGB5, dass eine selbständige (nach-)vertragliche Leistungspflicht6 begründet werden soll, die für die Dauer der Vorenthaltung i.S.v. § 546a BGB die Grundlage für ein gesetzliches Schuldverhältnis bildet7.

IV. Beweislast Der Vermieter muss die anspruchsbegründenden Tatsachen, also bei § 546 Abs. 1 BGB insbesondere 6 die wirksame Begründung und Beendigung des Mietvertrags, den Zeitpunkt der Beendigung8 und eventuelle Veränderungen der Mietsache beweisen. Der Mieter hat die Einwendung zu beweisen, dass er den Rückgabeanspruch durch Übertragung des Besitzes erfüllt hat und die Veränderungen auf vertragsgemäßem Gebrauch beruhen. Bei der Anwendung des § 546 Abs. 2 BGB muss der Vermieter den Nachweis für die Beendigung des Mietvertrages zu einem bestimmten Zeitpunkt und die Aufforderung an den Dritten führen. Der Dritte trägt die Beweislast, dass er den Anspruch aus § 546 Abs. 2 BGB durch Rückgabe an den Mieter oder eine sonstige empfangsberechtigte Person erfüllt hat.

1 Schmidt-Futterer/Streyl, § 546 BGB Rz. 3. 2 BVerfG v. 14.6.1991 – 1 BvR 1437/90, NJW 1991, 2894; BGH v. 21.1.1981 – VIII ZR 41/80, MDR 1981, 490 = NJW 1981, 865. 3 BGH v. 7.7.2010 – XII ZR 158/09, ZMR 2010, 943 = GuT 2010, 244 = NZM 2011, 75. 4 So Schmidt-Futterer/Streyl, § 546 BGB Rz. 1 BGB. 5 Bub/Treier/Scheuer/Emmerich, V Rz. 1. 6 Schmidt-Futterer/Streyl, § 546 BGB Rz. 1. 7 Blank/Börstinghaus, § 546 BGB Rz. 1. 8 Schmidt-Futterer/Streyl, § 546 BGB Rz. 143.

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§ 546 Rz. 7 | Rückgabepflicht des Mieters

V. Abweichende Vereinbarungen 7 Die Rückgabe gehört zum Wesen der Miete und bildet eine nicht abdingbare Hauptpflicht. Davon

abweichende allgemeine Geschäftsbedingungen verstoßen gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Deshalb ist insbesondere eine Klausel unwirksam, wonach der Vermieter bei Verletzung der Räumungspflicht das Mietobjekt selbst öffnen und räumen lassen darf9. 8 Allerdings kann die Rückgabe inhaltlich in den Grenzen des §§ 307, 138 gestaltet werden. Dazu bie-

ten sich insbesondere Regelungen über Ort und Zeit10, aber auch über eine Wohnungsabnahme an. Damit kann der Vermieter nicht nur den Rückgabetermin innerhalb seiner Arbeitszeiten festlegen, sondern auch eine Bestimmung treffen, wie zu verfahren ist, wenn der letzte Tag der Mietzeit auf einen Sonnabend, Sonn- oder Feiertag fällt. Für diesen Fall kann im Mietvertrag z.B. festgelegt werden, dass die Rückgabe am letzten davor liegenden Werktag zu erfolgen hat. Daneben kann auch eine Pflicht zur Ausfertigung und Unterschrift eines Abnahmeprotokolls begründet werden. Mit Rücksicht darauf verstößt die Klausel „Ein- und Ausbauten … (sind) … zu entfernen“, wenn durch sie „eine weitere Vermietung erschwert sein (sollte)“, nicht gegen § 307 BGB11. Denn sie begünstigt den Mieter gegenüber der gesetzlichen Regelung, weil der Rückbauanspruch erst entsteht, wenn der Nachfolgemieter die Beseitigung der Einbauten verlangt12. 8a Es ist unbedenklich, wenn der Vermieter von vornherein auf die Beseitigung von Mieterein- oder

-umbauten verzichtet13. Klauseln, die in diesem Zusammenhang jedoch eine Selbstvornahme durch den Vermieter ohne Fristsetzung regeln, sind nach § 307 BGB zu verwerfen. Siehe auch § 546 BGB Rz. 80, 83, 87e, 103, 109, 114, 152, 153, 156.

VI. Prozessuales 1. Herbeiführung eines Titels a) Ordentliches Verfahren 9 Der Räumungsanspruch des Vermieters aus § 546 BGB kann grundsätzlich nur im ordentlichen Ver-

fahren (Erkenntnisverfahren) durchgesetzt werden. Dies setzt die Erhebung einer Räumungsklage voraus14. Selbst wenn der Mieter die Räume untervermietet hat und daher nur mittelbarer Besitzer ist, fehlt einer allein gegen ihn gerichteten Räumungsklage nicht das Rechtsschutzbedürfnis15. Ist die Räumungsklage eingereicht und wird der Kostenvorschuss erst mehr als ein Jahr später bei Gericht eingezahlt, soll die Annahme einer Verwirkung gerechtfertigt sein16. 9a Hat der Erwerber i.S.v. § 566 BGB sein Eigentum in der Zwangsversteigerung erworben, bildet der Zu-

schlagsbeschluss zwar einen Räumungstitel gegen den (besitzenden) Schuldner (= bisherigen Eigentümer). Gegen etwaige Mieter muss jedoch ein gesonderter Räumungstitel herbeigeführt werden. aa) Ziehfrist 10 Unter einer Ziehfrist wird die Zeitspanne verstanden, die dem Mieter zu gewähren sein soll, um seine

Räumungspflicht nach der Beendigung des Mietvertrages zu erfüllen. Sie spielt bei der ordentlichen Kündigung keine Rolle, weil sich der Mieter hier während der Kündigungsfrist auf die Räumung vorbereiten kann. Da aber die außerordentliche fristlose Kündigung das Mietverhältnis sofort beendet, vermeidet eine Ziehfrist in diesem Fall für den Mieter das Kostenrisiko einer Räumungsklage, wenn er

9 10 11 12 13 14 15 16

LG Duisburg v. 28.2.2012 – 13 S 243/12, ZMR 2012, 550. Bub/Treier/Bub, II 1728 m.w.N. OLG Düsseldorf v. 21.4.2009 – 24 U 56/08, MietRB 2009, 256 = MDR 2009, 977 = ZMR 2009, 754. Schmidt-Futterer/Streyl, § 546 BGB Rz. 144. OLG Düsseldorf v. 6.2.2012 – 24 U 227/11, MDR 2012, 634 = GE 2012, 547. Vgl. dazu Lützenkirchen/N. Schneider, AHB Mietrecht, M Rz. 128 f. KG v. 4.12.2017 – 8 U 236/16, ZMR 2018, 303. AG Mitte v. 4.12.2013 – 9 C 202/12, GE 2015, 195.

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A. Allgemeines | Rz. 15 § 546

sich nach Zugang der Kündigung unverzüglich um Alternativwohnraum bemüht und innerhalb kürzester Zeit auszieht. Die Bedeutung der Ziehfrist liegt in der Kostenfolge: Erhebt der Vermieter z.B. mit der fristlosen Kün- 11 digung zugleich Räumungsklage oder kündigt er erst in der Klageschrift, erledigt sich der Räumungsanspruch durch den Auszug des Mieters. Wird nach Zugang der Kündigung eine Ziehfrist angenommen, hat der Mieter bei einer Räumung innerhalb dieser Zeitspanne keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben und sich auch nicht in Verzug befunden. Denn die Wirkung der Ziehfrist ist ähnlich einer Stundung. Dies führt regelmäßig dazu, dass der Vermieter die Kosten des Rechtsstreits nach dem Rechtsgedanken des § 93 ZPO zu tragen hat. Teilweise räumen Gerichte dem Mieter eine Ziehfrist von bis zu zwei Wochen ein17, und zwar auch 12 bei einer fristlosen Kündigung des Mieters18. Auf die Erklärung der Mieter, im Hinblick auf die fristlose Kündigung drei Monate später auszuziehen, muss der Vermieter allerdings nicht vertrauen und kann sofort Räumungsklage erheben19. Die Ziehfrist stellt eine Korrektur des Gesetzes, insbesondere der prozessualen Kostenregelungen dar, 13 die auf dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) beruhen. Es kann Einzelfälle geben, in denen die Anwendung gerechtfertigt ist. Im Allgemeinen ist sie aber abzulehnen. Der Mieter, der die außerordentliche fristlose Kündigung erhält, hat sich regelmäßig vertragswidrig verhalten und schon deshalb schadensersatzpflichtig gemacht. Im Hinblick auf die hohe Schwelle, die bei den §§ 543, 569 BGB für die Kündigung gelten, und das grundsätzliche Abmahnerfordernis nach § 543 Abs. 3 BGB trifft ihn die Kündigung nicht überraschend. Im Übrigen stellt das Gesetz dem Mieter z.B. durch die Beantragung einer Räumungsfrist oder ein Vorgehen nach § 93b Abs. 3 ZPO20 Möglichkeiten zur Verfügung, die seiner Situation Rechnung tragen. Für die (antragslose) Gewährung einer Ziehfrist ist daher kein Raum. Allenfalls, wenn der Mieter unverzüglich nach Erhalt der Kündigung seinen Auszug innerhalb einer Frist von z.B. acht Tagen ankündigt oder eine entsprechend kurze Räumungsfrist beantragt, kann dem Vermieter, der trotzdem Räumungsklage erhebt, das Kostenrisiko auferlegt werden. bb) Versäumnisurteil vor Ablauf der Schonfrist? Es ist umstritten, ob nach fristloser Kündigung eines Mietvertrages über Wohnraum wegen Zahlungs- 14 verzugs gegen den beklagten Mieter ein Versäumnisurteil schon vor Ablauf der zweimonatigen Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB erlassen werden darf. Immerhin beträgt diese Frist zwei Monate, während im schriftlichen Verfahren nach § 276 ZPO bereits zwei Wochen nach Rechtshängigkeit der Räumungsklage ein Versäumnisurteil ergehen kann, weil der Mieter seine Verteidigungsbereitschaft nicht angezeigt hat, § 331 Abs. 3 ZPO. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass vor Erlass eines Versäumnisurteils der Ablauf der Schon- 15 frist abzuwarten sei21. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Sie ist mit dem Gesetz nicht vereinbar und führt zu einer unangemessenen Einschränkung der Interessen des Vermieters. Die vom Vermieter ausgesprochene fristlose Kündigung ist wirksam. Der auflösend bedingte Räumungsanspruch ist entstanden. Der Klagevortrag ist daher schlüssig, so dass auf entsprechenden Antrag ein Versäumnisurteil ergehen muss. Wenn der beklagte Mieter innerhalb der Schonfrist zahlt und die Kündigung damit unwirksam wird, kann er sich durch Einspruch oder Vollstreckungsgegenklage verteidigen22, sofern der Vermieter die Unwirksamkeit der Kündigung nicht freiwillig anerkennt. 17 LG Baden-Baden v. 14.5.1996 – 1 T 17/96, WuM 1996, 472 = NJWE-MietR 1997, 4 (ein bis zwei Wochen); LG Berlin v. 8.4.1994 – 63 T 29/94, GE 1994, 707 (mindestens eine Woche); LG Hannover v. 6.2.1992 – 9 T 229/ 91, NJW-RR 1992, 659 (vierzehn Tage); LG München II v. 26.1.1989 – 2 T 2301/88, WuM 1989, 181; AG Bergisch Gladbach v. 27.9.1989 – 23 C 223/89, WuM 1990, 297. 18 LG Hannover v. 6.2.1992 – 9 T 229/91, NJW-RR 1992, 659. 19 AG Idar-Oberstein v. 7.2.2003 – 3 C 773/02, MietRB 2003, 97 = WuM 2003, 178. 20 Vgl. dazu etwa KG v. 31.10.2016 – 8 W 82/16, GE 2017, 292; LG Aurich v. 21.10.2016 – 1 T 275/16, GE 2017, 833. 21 Hanseatisches OLG Hamburg v. 23.2.1988 – 7 W 6/88, ZMR 1988, 225 = WuM 1989, 139. 22 LG Köln v. 21.10.2003 – 1 T 375/03, NZM 2004, 65; LG Köln v. 1.10.2003 – 12 T 199/03, NZM 2004, 66; LG Hamburg v. 5.3.2003 – 311 T 16/03, WuM 2003, 275 = NZM 2003, 432; LG Kiel v. 9.1.2002 – 13 T 263/01, WuM 2002, 149; LG Stuttgart v. 18.10.2002 – 5 T 26/02, MK 2002, 190.

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§ 546 Rz. 16 | Rückgabepflicht des Mieters cc) Klage auf künftige Räumung 16 Bei der fristgebundenen Kündigung, z.B. nach §§ 573, 573a, 573b, 573d BGB, muss der Vermieter

grundsätzlich den Ablauf der Kündigungsfrist abwarten, weil der Rückgabeanspruch nach § 546 Abs. 1 BGB erst nach Beendigung der Mietzeit fällig wird. Denn § 257 ZPO gilt nicht für Wohnraummietverhältnisse. Ausnahmsweise kann eine Klage auf künftige Räumung zulässig sein, wenn die Voraussetzungen des § 259 ZPO vorliegen. Dazu muss zu besorgen sein, dass sich der Mieter einer rechtzeitigen Räumung entziehen wird. 17 Diese Voraussetzungen sind nicht nur zu prüfen, wenn der Vermieter/Kläger einen Antrag auf künfti-

ge Räumung stellt. Auch ein Klageantrag auf „sofortige Räumung“ z.B. einer Mietwohnung enthält als „Weniger“ den Anspruch auf zukünftige Räumung23. Das ist auch nicht anders zu beurteilen, wenn die Klageschrift von einem Rechtsanwalt stammt. Demnach sind im Rahmen des § 308 ZPO die Voraussetzungen für eine künftige Räumung auch zu prüfen, wenn das Gericht z.B. die Kündigungsfrist abweichend bewertet oder aus sonstigen Gründen ein späteres Mietende annimmt.

(1) Kalendermäßige künftige Leistung (§ 257 ZPO) 18 Eine Klage auf künftige Räumung ist nach § 257 ZPO zulässig, wenn die Fälligkeit der Räumung an

„den Eintritt eines Kalendertages“ geknüpft ist. Die Räumung ist nicht nur dann an „den Eintritt eines Kalendertages“ geknüpft, wenn ein befristetes Mietverhältnis ausläuft, sondern auch dann, wenn das Mietverhältnis gekündigt worden ist und auf Grund der Kündigung in Verbindung mit den entsprechenden vertraglichen oder gesetzlichen Kündigungsfristen nunmehr die Fälligkeit feststeht24.

19 Die Vorschrift des § 257 ZPO ist auf Gewerberaum beschränkt; sie gilt – im Gegensatz zu § 259 ZPO

– nicht für Wohnraummietverhältnisse. Dafür ist wiederum – im Gegensatz zu § 259 ZPO – für die Zulässigkeit der Klage keine Besorgnis der nicht rechtzeitigen Erfüllung erforderlich.

20 Ein besonderes Rechtsschutzinteresse setzt die Klage nach § 257 ZPO nicht voraus. Die Klage ist daher

auch dann zulässig, wenn Räumungsanspruch und Fälligkeit unstreitig sind und der Beklagte räumungsbereit ist. Der Kläger hat dann allerdings bei einem sofortigen Anerkenntnis des beklagten Räumungsschuldners die Kosten des Verfahrens nach § 93 ZPO zu tragen. (2) Besorgnis der nicht rechtzeitigen Erfüllung (§ 259 ZPO) 21 Im Gegensatz zu § 257 ZPO fordert § 259 ZPO als Zulässigkeitsvoraussetzung, dass die Besorgnis der

nicht rechtzeitigen Erfüllung bestehe. Fehlt es an der Besorgnis, ist die Klage unzulässig und nicht etwa nur unbegründet. Die Vorschrift ist auch auf Wohnraummietverhältnisse anwendbar25. 22 Bei einer Klage nach § 259 ZPO muss die Besorgnis gegeben sein, dass der Mieter ohne Klageerhebung

nicht rechtzeitig erfüllen werde. Häufig wird dabei verkannt, dass nicht die Besorgnis der Nichterfüllung gegeben sein muss, sondern dass die Besorgnis der nicht rechtzeitigen Erfüllung ausreicht26. Die Voraussetzungen des § 259 ZPO sind daher nicht nur dann gegeben, wenn der Schuldner den Räumungsanspruch überhaupt nicht erfüllen will, sondern auch dann, wenn er erst zu einem späteren Zeitpunkt räumen will und damit die Besorgnis begründet, er werde den Anspruch bei dessen Fälligkeit nicht erfüllen. 23 Die erforderliche Besorgnis ist immer gegeben, wenn der Mieter die Wirksamkeit der Kündigung be-

streitet27. Eine Ausnahme soll insoweit vorliegen, wenn die Kündigung nur aus formellen Gründen angegriffen wird28. Dem kann nicht gefolgt werden. Denn auch durch die Auffassung, die Kündigung 23 LG Köln v. 19.5.2010 – 10 S 264/09, ZMR 2010, 764. 24 Zöller/Greger, § 257 ZPO Rz. 5. 25 AG Bonn v. 31.3.1992 – 6 C 74/92, WuM 1992, 611; AG Münster v. 18.6.1985 – 29 C 46/85, WuM 1988, 364; Hartmann in Baumbach/Lauterbach, § 259 ZPO Rz. 6. 26 So auch Monschau, MietRB 2008, 117 ff. 27 OLG Karlsruhe v. 10.6.1983 – 9 REMiet 1/83, WuM 1983, 253 = GE 1983, 863; LG Bochum v. 8.7.1982 – 11 T 48/82, WuM 1983, 56 m.w.N. 28 LG Berlin v. 10.2.1997 – 62 S 513/96, GE 1997, 429.

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A. Allgemeines | Rz. 24b § 546

wäre formell unwirksam, wird deutlich, dass mangels Entstehens eines Räumungsanspruchs eine Rückgabe i.S.v. § 546 BGB nicht erfolgen soll29. Erst recht wird die Besorgnis i.S.v. § 259 ZPO durch den Widerspruch gegen die Kündigung gemäß 24 § 574 BGB begründet30. Erfolgt der Widerspruch „vorsorglich“, soll das keine Besorgnis i.S.v. § 259 ZPO begründen31. Dabei wird aber übersehen, dass auch der vorsorgliche Widerspruch zunächst eine Erklärung des Mieters enthält, den Räumungsanspruch nicht zu erfüllen. Da es bei § 259 ZPO nicht um eine endgültige Erklärung geht, sondern die Herbeiführung der Besorgnis ausreicht, begründet auch der vorsorgliche Widerspruch das vorzeitige Klagerecht des Vermieters. Dies gilt selbst dann, wenn der Widerspruch im Räumungsprozess hilfsweise erhoben wird. Nicht ausreichend soll es sein, dass der Mieter auf eine Anfrage des Vermieters, ob er fristgerecht aus- 24a ziehen werde, keine Auskunft erteilt, also schweigt. Insoweit soll eine entsprechende Erklärungspflicht des Mieters über seine Herausgabebereitschaft nicht bestehen32. Das ist zweifelhaft. Denn bei einer Modernisierungsankündigung ergibt sich aus Treu und Glauben eine Antwortpflicht33. Auch dort braucht der Vermieter Planungssicherheit. Im Stadium der Beendigung des Mietvertrages gebietet es § 241 Abs. 2 BGB, dass der Mieter auf die Belange des Vermieters Rücksicht nimmt34. Im Übrigen reicht für die Anwendung des § 259 ZPO die Besorgnis aus. Abgesehen davon, dass die Praxis zeigt, dass der erfüllungsbereite Mieter kooperativ ist, braucht der Vermieter gerade bei der ordentlichen Kündigung aus mehrfacher Hinsicht Planungssicherheit. Denn entweder steht sein eigener oder der Umzug eines Familienangehörigen an oder er muss eine Neuvermietung organisieren bzw. Handwerker bei der Verwertungskündigung z.T. sogar mit Millionenprojekten beauftragen. Zum Anderen muss auch der Mieter einen Umzug zeitlich vor Ablauf der Kündigungsfrist organisieren, sofern er sich rechtmäßig verhalten will. Abgesehen davon, dass eine Rechtsauffassung unzulässig ist35, die den Mieter zum Vertragsbruch verleitet, soll die Kündigungsfrist dem Mieter die Wohnungssuche in zeitlicher Hinsicht ermöglichen und nicht die Wohndauer verlängern. Deshalb kann nicht nur eine Besorgnis angenommen werden, wenn der Mieter auf mehrfaches Nachfragen schweigt36. Die Voraussetzungen des § 259 BGB können aber herbeigeführt werden, indem der Vermieter den 24b Mieter auffordert, ihm die Wirksamkeit seiner Kündigung zu bestätigen37. Reagiert der Mieter auf die zweimalige Aufforderung, in der der Vermieter den Mieter darauf hinweist, dass er ansonsten unterstellt, dass er die Kündigung für unwirksam hält, nicht, ist eine Besorgnis i.S.v. § 259 BGB begründet. Dabei ist dem Mieter insgesamt eine Prüfungsfrist von einem Monat zu gewähren. Denn der Vermieter hat spätestens zu diesem Zeitpunkt, zu dem der Mieter – jedenfalls innerhalb der ersten fünf Jahre der Mietzeit – auch die Prüfung der Voraussetzungen des § 574 BGB abgeschlossen haben muss, ein berechtigtes Interesse, rechtzeitig eine Antwort zu erhalten, wann die Wohnung geräumt und übergeben wird, insbesondere wenn er bereits nachvermietet hat38. Denn der Widerspruch nach § 574 BGB muss nach der Idee des Gesetzes nicht erhoben werden, wenn die Kündigung unwirksam ist. Abgesehen davon besteht noch ein Mietvertrag, aus dem der Mieter nach § 241 Abs. 2 BGB zur Rücksichtnahme auf die

29 Wie hier: Both, DWW 2010, 82 (89). 30 Jeweils zu § 556a BGB a.F.: OLG Stuttgart v. 11.11.1968 – 8 W 71/68, MDR 1969, 314 = NJW 1969, 240; LG Aachen v. 20.4.1976 – 3 T 5/76, MDR 1976, 848; LG Bonn v. 7.12.1970 – 6 S 334/70, NJW 1971, 433; LG Bochum v. 8.7.1982 – 11 T 48/82, WuM 1983, 56; LG Wiesbaden v. 3.5.1989 – 8 T 14/89, WuM 1989, 428; a.A. OLG Celle v. 11.11.1965 – 4 W 156/65, NJW 1966, 668; LG Braunschweig v. 2.3.1972 – 7 S 242/71, MDR 1972, 695; LG Hamburg v. 11.12.1969 – 7 S 126/69, MDR 1971, 138; LG Hamburg v. 16.12.1969 – 16 S 109/69, MDR 1971, 397. 31 LG Köln v. 3.3.1995 – 10 T 35/95, NJW-RR 1996, 778. 32 LG Berlin v. 13.1.2016 – 32 O 476/15, GE 2018, 456; AG Hersbruck v. 23.8.2012 – 3 C 461/12, WuM 2012, 687; AG Berlin-Charlottenburg v. 21.4.1989 – 13 T 179/89, WuM 1989, 427; AG Köln v. 12.5.1976 – 154 C 3915/75, ZMR 1977, 240. 33 KG v. 16.7.2009 – 8 U 77/09, MietRB 2010, 6 = WuM 2009, 669 = ZMR 2010, 180. 34 BGH v. 6.11.2013 – VIII ZR 416/12, MDR 2014, 78 = MietRB 2014, 34 = WuM 2014, 23. 35 BGH v. 9.7.2003 – VIII ZR 311/02, MietRB 2003, 4 = MDR 2003, 1104 = WuM 2003, 463 = ZMR 2003, 665. 36 Lützenkirchen/N. Schneider, AHB Mietrecht, M Rz. 162. 37 Lützenkirchen, GE 2017, 1384. 38 LG Bonn v. 17.10.2013 – 6 S 33/13, ZMR 2014, 283.

Lützenkirchen | 911

§ 546 Rz. 24b | Rückgabepflicht des Mieters Belange des Vermieters verpflichtet ist. Die Gefahr, dass eine Erklärung als Anerkenntnis zu werten ist39, ist unbeachtlich. Es besteht kein schützenswertes Interesse für den Mieter, seine Antwort zurückzuhalten, weil bis zum Ablauf der Kündigungsfrist die Einsicht kommen könnte, die unwirksame Kündigung zu akzeptieren. Die Bestätigung der Wirksamkeit verhindert weder die Gewährung einer Räumungsfrist noch den Weg über § 93b Abs. 3 BGB. Deshalb begründet auch die Erklärung des Mieters, seine Wohnungssuche sei bisher noch erfolglos gewesen, zu diesem Zeitpunkt eine Besorgnis des Vermieters i.S.v. § 259 ZPO40. 25 Auch ein allgemeiner Widerspruch gegen die Kündigung begründet die Anwendbarkeit des § 259

ZPO. Dieser ist auch in dem Angebot zum Abschluss eines Räumungsvergleichs zu sehen41. Denn ein Vergleich kommt durch gegenseitiges Nachgeben zustande. Damit bringt ein vorbehaltloses Vergleichsangebot aber erst einmal zum Ausdruck, dass der Mieter mit der Kündigung, wie sie ausgesprochen wurde, nicht einverstanden ist. Dies gilt erst recht, wenn damit eine Zahlungsaufforderung (z.B. hinsichtlich etwaiger Umzugskosten) verbunden ist42. Eine vorzeitige Räumungsklage ist zulässig, wenn der Mieter der Kündigung mit der Begründung widersprochen hat, der vom Vermieter angegebene Kündigungsgrund liege nicht vor43. Insoweit soll die Prämisse gelten, dass durch vorzeitig erhobene Räumungsklage das Widerspruchsrecht nach § 574 BGB nicht verkürzt werden darf, so dass die Klage aufgrund der mündlichen Verhandlung als unzulässig abzuweisen ist, zu deren Termin der Widerspruch noch nicht erklärt werden brauchte44. 26 Zweifel an der Zulässigkeit einer Klage auf künftige Räumung nach § 259 ZPO bestehen, wenn der Mie-

ter bereits vor Ablauf der Widerspruchsfrist des § 574 Abs. 2 BGB den Räumungsanspruch des Vermieters anerkannt und lediglich eine Räumungsfrist erbeten hat, die über den Kündigungszeitpunkt hinausgeht, sofern die geforderte Räumungsfrist nicht unangemessen lang ist. 27 Die antragsgemäße Verurteilung des Mieters zu zukünftiger Räumung beinhaltet nicht bereits die Ge-

währung einer Räumungsfrist45. Dies kann vielmehr gem. § 721 Abs. 2 ZPO auch bei einer Verurteilung zu künftiger Räumung noch begehrt werden. dd) Räumungsklage und Vermieterpfandrecht 28 Hat der Vermieter mit der Kündigung sein Pfandrecht nach § 562 BGB geltend gemacht, steht diese

Ausübung einem Räumungsanspruch grundsätzlich entgegen. Hat der Vermieter also z.B. fristlos wegen Zahlungsverzuges gekündigt, ist eine Räumungsklage abzuweisen46. Der Vermieter kann nur Herausgabe verlangen47. Denn der Mieter ist bei rechtmäßigem Verhalten gerade nicht in der Lage, die Mietsache zu räumen, weil er die dem Vermieterpfandrecht unterliegenden Gegenstände in den Räumen zurücklassen muss. Allerdings kann er ihm z.B. durch Aushändigung der Schlüssel die tatsächliche Gewalt über die Mieteinheit verschaffen. 29 Davon zu unterscheiden ist der Fall, in dem das Vermieterpfandrecht auf einige wertvolle bzw. gut ver-

wertbare Gegenstände beschränkt wird. In diesem Fall kann mit der entsprechenden Einschränkung

39 40 41 42 43 44 45 46 47

So aber: Schmidt-Futterer/Streyl, § 546 BGB Rz. 128. AG Waiblingen v. 20.12.1988 – 8 C 1928/88, WuM 1989, 428. A.A. LG Berlin v. 17.8.2010 – 63 T 156/10, WuM 2011, 257 = GE 2010, 1338. Die Forderung nicht geschuldeter Vermögensvorteile kann eine Erpressung des Vermieters nach § 253 StGB darstellen, die ggf. sogar zur Anfechtung des Räumungsvergleichs nach § 123 BGB berechtigt, OLG Frankfurt v. 10.6.2015 – 2 U 201/14, MietRB 2015, 339 = NZM 2015, 783. OLG Karlsruhe v. 10.6.1983 – 9 REMiet 1/83, NJW 1984, 2953 = WuM 1983, 253; KG v. 12.1.1981 – 8 W REMiet 4154/80, WuM 1981, 54; a.A. LG Kempten v. 3.6.1992 – S 790/92, NJW-RR 1993, 1101, jeweils zu § 556a BGB a.F. LG Kempten v. 3.6.1992 – S 790/92, NJW-RR 1993, 1101, jeweils zu § 556a BGB a.F. LG Düsseldorf v. 26.4.1990 – 21 S 26/90, WuM 1993, 471. KG v. 14.2.2005 – 8 U 144/04, MietRB 2005, 288 = WuM 2005, 348 = NZM 2005, 422. KG v. 18.7.2016 – 8 U 234/14, MietRB 2016, 315 = ZMR 2016, 939; Schmidt-Futterer/Streyl, § 546 BGB Rz. 40; MünchKomm/Bieber, § 546 BGB Rz. 8.

912 | Lützenkirchen

A. Allgemeines | Rz. 33 § 546

der Räumungsanspruch grundsätzlich geltend gemacht werden. Andererseits kann der Räumungsanspruch von vorneherein nur auf Herausgabe (= Besitzverschaffung) beschränkt werden48. b) Einstweilige Verfügung Die Schaffung eines Räumungstitels im Wege der einstweiligen Verfügung ist gemäß § 940a BGB auf 30 Ausnahmefälle beschränkt. Erforderlich ist nach § 940a Abs. 1 ZPO zumindest eine verbotene Eigenmacht oder eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben49. Letzteres muss sich nicht zwingend gegen den Gläubiger richten. Bloße Befürchtungen oder Angst reichen aber nicht aus50. Das Gleiche gilt, wenn zwar mehrfach Schnaps- und Weinflaschen vor dem Haus gefunden wurden, ohne dass jedoch beobachtet wurde, dass der allein verbliebene Mieter sie aus dem Fenster seiner Wohnung geworfen hat51. Eine verbotene Eigenmacht liegt nicht vor, wenn der Mieter nach der Beendigung des Mietvertrages 31 die Schlüssel zur Wohnung einem Mitbewohner/Untermieter überlässt. Dies gilt selbst dann, wenn in der Zwischenzeit ein Räumungstitel vorliegt52. Schon der Wortlaut macht deutlich, dass diese einengenden Voraussetzungen nur bei der Wohnraummiete gelten. Bei Gewerberaum kann eine einstweilige Verfügung in Betracht kommen, wenn der Mieter nach Beendigung des Mietvertrages die Räume einem Dritten überlässt und dadurch eine Verschlechterung der Mietsache droht53. Diese Gefahr kann bereits in einer anderen als der vertraglich zulässigen Nutzung liegen54. Das Gleiche gilt, wenn der Mieter seinen Besitz erkennbar aufgrund eines neuen Entschlusses nicht mehr aus einem (früheren) Vertragsverhältnis ableitet, sondern auf eine angemaßte und nicht schützenswerte vermeintliche Rechtsposition stützt55. Dazu muss sich der Mieter i.d.R. aber unrechtmäßig den Besitz an der Mietsache verschafft haben. Der Erlass der einstweiligen Verfügung führt nicht zu einer Erledigung im Hauptsacheprozess56. Zum 32 Anspruch aus § 940a Abs. 2 BGB vgl. die Erläuterungen unter Anhang zu § 546 BGB Rz. 107 ff. und aus § 940a Abs. 3 BGB vgl. die Erläuterungen unter Anhang zu § 546a BGB Rz. 46 f. c) Rückgabeanspruch in der Insolvenz des Mieters Ist das Mietverhältnis vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst worden, sind der Rückgabe- 33 anspruch gemäß § 546 BGB sowie alle Abwicklungsansprüche bereits vor Eröffnung entstanden und folglich grundsätzlich Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO57. Dies schließt den Anspruch des Vermieters auf Entschädigung bei verspäteter Rückgabe ein; auf dessen Fälligkeit kommt es insoweit nicht entscheidend an58. Wird der Mietvertrag erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beendet, gelten im Prinzip die gleichen Grundsätze. Denn der Räumungsanspruch ist aufschiebend bedingt durch die Beendigung des Mietvertrages bereits bei der Begründung des Mietvertrages entstanden. Daher ist er auch in dieser Situation grundsätzlich als Insolvenzforderung gemäß §§ 38, 108 Abs. 3 InsO zu qualifizieren59. 48 BGH v. 10.8.2006 – I ZB 135/05, MDR 2007, 238 = WuM 2006, 580; BGH v. 17.11.2005 – I ZB 45/05, MDR 2006, 836 = MietRB 2006, 121 = NZM 2006, 149 = WuM 2006, 50. 49 LG Bonn v. 12.3.2014 – 6 T 50/14, ZMR 2015, 550. 50 AG Bremen v. 30.4.2015 – 5 C 135/15, WuM 2015, 562. 51 AG Brandenburg v. 21.4.2017 – 31 C 37/17, GE 2017, 599. 52 LG Lüneburg v. 16.11.2011 – 6 S 88/11, WuM 2011, 672; a.A. LG Hamburg v. 13.3.2003 – 311 O 62/03, ZMR 2003, 493. 53 LG Hamburg v. 13.3.2003 – 311 O 62/03, ZMR 2003, 492. 54 OLG Celle v. 26.7.2000 – 2 W 58/00, NZM 2001, 194 = ZMR 2001, 194. 55 LG Wuppertal v. 20.5.2015 – 17 O 108/15, MietRB 2015, 330 = ZMR 2017, 61. 56 LG München I v. 10.10.2012 – 14 S 9204/12, ZMR 2013, 541. 57 BGH v. 16.10.2008 – IX ZR 207/06, GE 2009, 322; BGH v. 21.12.2006 – IX ZR 66/05, MietRB 2007, 110 = MDR 2007, 914 = WuM 2007, 387 = ZMR 2007, 348 m.w.N. 58 BGH v. 18.5.1995 – IX ZR 189/94, BGHZ 130, 38 (41) = MDR 1995, 1225; vgl. auch MünchKomm/Hefermehl, § 55 InsO Rz. 140 f.; Wolf/Eckert/Ball, Rz. 1646 ff. 59 BGH v. 21.12.2006 – IX ZR 66/05, MDR 2007, 914 = MietRB 2007, 110 = ZIP 2007,340; vgl. OLG Celle v. 20.7.2007 – 2 U 85/07, MietRB 2007, 287 = ZIP 2007,1914, Tz. 82, rechtskräftig durch BGH v. 17.4.2008 – IX ZR 144/07, GE 2008, 865.

Lützenkirchen | 913

§ 546 Rz. 34 | Rückgabepflicht des Mieters 34 Die Räumungspflicht kann nur unter den hierfür allgemein geltenden Regeln (§ 55 InsO) zur Masse-

verbindlichkeit werden. Grundsätzlich hat die Unterscheidung zwischen Masseverbindlichkeit und Insolvenzforderung danach zu erfolgen, owann das Räumungsgut auf das Grundstück verbracht wurde. Soweit die zu räumenden Gegenstände und Einrichtungen bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf dem Mietgrundstück vorhanden waren, begründet der Räumungsanspruch eine Insolvenzforderung, die im Forderungsfeststellungsverfahren mit ihrem Schätzwert für die Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geltend zu machen ist60. Dieser Grundsatz ist durchbrochen, wenn der Insolvenzverwalter die Mietsache nach Verfahrenseröffnung (weiter) nutzt und den Vermieter oder Verpächter dabei gezielt vom Besitz ausschließt61. Dies kommt in Betracht, wenn sich (noch) Gegenstände des Schuldners (Mieters) in der Mietsache befinden, die der Verwaltungsbefugnis des Insolvenzverwalters unterliegen62. Allerdings ist die schlichte Übernahme der Masse nach § 148 InsO für die Annahme der Weiternutzung nicht ausreichend63. Der Räumungsanspruch ist dann als Masseverbindlichkeit – bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO – zu berichtigen, wenn der Insolvenzverwalter einen vertragswidrigen Zustand durch eigene oder ihm zurechenbare Handlungen verursacht hat64. Soweit der Insolvenzverwalter den vertragswidrigen Zustand durch eigene oder ihm zurechenbare Handlungen verursacht hat, wie Entfernung wertvoller Einrichtungen (z.B. Gleise, Silos, Krananlagen), ist die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes als Masseverbindlichkeit zu qualifizieren65. Haben sowohl der Schuldner vor als auch der Insolvenzverwalter nach Verfahrenseröffnung die Mietsache durch eigene Handlungen verändert, ist die vertragliche Herstellungspflicht bei Rückgabe des Mietobjektes aufzuteilen. Der einheitliche Räumungsanspruch wird in eine Insolvenzforderung (vorinsolvenzliche Veränderungen durch den Schuldner) und eine Masseverbindlichkeit (nachinsolvenzliche Veränderungen durch den Verwalter) gespalten. Die Insolvenzmasse haftet nur für die neuen, vom Insolvenzverwalter nach Eröffnung verursachten Verschlechterungen.66 Insolvenzrechtlich bevorzugt ist nur die Wiederherstellung derjenigen nachteiligen Veränderungen, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten sind67. 35 Darlegungs- und beweisbelastet für die Weiternutzung ist der Vermieter68.

2. Richtiger Kläger 36 Den Räumungsanspruch aus § 546 BGB muss der Vermieter geltend machen. Ist ein Erwerber in den

Mietvertrag eingetreten, müssen die Voraussetzungen des § 566 BGB vorgetragen werden, also regelmäßig der Erwerb vom Vermieter und die Eintragung als Eigentümer in das Grundbuch. Findet dieser Erwerb während des laufenden Verfahrens statt, bleibt der Prozess dadurch grundsätzlich unberührt, § 265 ZPO. Der Kläger/Vermieter ist Prozessstandschafter des Erwerbers, muss den Räumungsantrag aber auf Herausgabe an den Erwerber umstellen69, sofern er die Hauptsache nicht für erledigt erklärt. Hat der (frühere) Vermieter einen Titel geschaffen, kann der Erwerber den Räumungstitel nach § 727 ZPO auf sich umschreiben lassen. Das gilt nicht, wenn der Erwerb vom Zwangsverwalter stattgefunden hat, weil der Erwerber nicht dessen Rechtsnachfolger ist70. 60 BGH v. 11.4.2019 – IX ZR 79/18, MDR 2019, 764 = MietRB 2019, 234 = ZMR 2019, 853. 61 BGH v. 21.12.2006 – IX ZR 66/05, MietRB 2007, 110 = MDR 2007, 914 = WuM 2007, 387 = ZMR 2007, 348 m.w.N.; OLG Dresden v. 13.8.1998 – 7 U 1192/98, ZMR 1999, 170 = ZIP 1998, 1725; OLG Dresden v. 24.6.1999 – 4 U 928/99, DZWIR 1999, 388; OLG Hamm v. 26.10.1992 – 31 U 130/92, OLGR 1993, 229 = ZIP 1992, 1563. 62 OLG Düsseldorf v. 14.4.2011 – 10 U 160/10, ZMR 2012, 13. 63 Hanseatisches OLG Hamburg v. 17.12.2008 – 4 U 112/06, ZMR 2009, 603; OLG Dresden v. 13.8.1998 – 7 U 1192/98, ZMR 1999, 170 = ZIP 1998, 1725. 64 BGH v. 5.7.2001 – IX ZR 327/99, MDR 2002, 54 = NJW 2001,2966 = NZI 2001, 531 Rz. 18; vgl. OLG Hamm v. 21.11.2013 – 18 U 145/12, MDR 2014, 583 = ZIP 2014, 190 Rz. 71; Saarländisches OLG v. 9.3.2006 – 8 U 199/05, ZinsO 2006,779 Rz. 29 jeweils im Ergebnis verneint. 65 Kölner Kommentar/Cymutta, § 108 InsO Rz. 37. 66 BGH v. 5.7.2001 – IX ZR 327/99, MDR 2002, 54 = NJW 2001, 2966 = NZI 2001, 531. 67 BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, MDR 2015, 611 = MietRB 2015, 140, NZM 2015, 337 Rz. 82. 68 OLG Düsseldorf v. 14.4.2011 – 10 U 160/10, ZMR 2012, 13. 69 OLG Düsseldorf v. 21.2.2017 – 10 U 87/16, MietRB 2017, 134 = ZMR 2017, 726; Gsell, WuM 2012, 411 (416) m.w.N. 70 BGH v. 14.6.2012 – VII ZB 47/10, MDR 2012, 997 = WuM 2012, 457 = GE 2012, 1033.

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A. Allgemeines | Rz. 40a § 546

Mehrere Vermieter sind gemeinschaftliche Gläubiger i.S.v. § 432 BGB71. Denn die Räumungspflicht 37 ist eine im Rechtssinne unteilbare Leistung. Deshalb kann ein Vermieter alleine klagen; dabei muss er jedoch auf Räumung und Herausgabe an alle Vermieter beantragen72. Eine Ausnahme gilt, wenn auf Feststellung des Bestehens eines Mietvertrages geklagt wird73. Denn die Wirksamkeit eines Mietvertrages kann nur einheitlich zwischen den Parteien festgestellt werden. 3. Richtiger Beklagter Um eine erfolgreiche Zwangsvollstreckung durchzuführen, ist grundsätzlich ein eigener Räumungstitel 38 gegen alle Personen, die Besitz an den herauszugebenden Räumlichkeiten haben, erforderlich, und zwar unabhängig davon, ob sie Mieter sind oder nicht oder zu den in § 885 Abs. 2 ZPO genannten nahen Angehörigen zählen74. Deshalb muss die Räumungs- und Herausgabeklage zumindest gegen den/die Mieter gerichtet werden. Dies gilt auch dann, wenn einer von mehreren Mietern bereits ausgezogen ist. Denn der Auszug allein kann den vertraglichen Räumungsanspruch nicht erfüllen. Immerhin ist eine willensgetragene Besitzübergabe erforderlich. Deshalb fehlt der Räumungsklage gegen den nicht mehr besitzenden Mitmieter nicht das Rechtsschutzbedürfnis75. Die Rückgabe ist dem ausgezogenen Mieter auch nicht unmöglich (§ 275 BGB). Denn objektiv kann der verbliebene Mieter die Räumung vollziehen. Subjektiv kann der ausgezogene Mieter ihn auf Räumung in Anspruch nehmen76. Eine Ausnahme von dem Grundsatz der Notwendigkeit eines Räumungstitels ist nicht gerechtfertigt, 39 nur weil sich der Nutzer ohne Wissen bzw. ohne Erlaubnis des Vermieters in den Mieträumen aufhält77. Denn durch die nach § 885 Abs. 1 ZPO durchzuführende Zwangsvollstreckung wird auch der Mitbesitzer aus dem Besitz gesetzt und daher sein Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung gemäß Art. 13 GG tangiert (vgl. auch Anhang § 546 BGB Rz. 122). Besitz an den Mieträumen hat auch der Mitbesitzer. Deshalb muss auch er klageweise in Anspruch ge- 40 nommen werden, um die Zwangsvollstreckung erfolgreich zu gestalten. Ob eine (weitere) Person Mitbesitzer ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Nach der Lebenserfahrung wird als Mitbesitzer zumindest die Person anzusehen sein, deren Name auf dem Klingel- oder Briefkastenschild steht78. Auch das Aufstellen eigener Möbelstücke oder der Besitz eines Haus- und/oder Wohnungsschlüssels lassen Mitbesitz vermuten. Daneben ist bei der Vermietung an eine OHG oder KG an den/die persönlich haftenden Gesellschafter zu denken79. Verändert sich während des Mietverhältnisses die Zahl der Bewohner durch Zu- und Auszug, trifft 40a den Mieter grundsätzlich eine Mitteilungspflicht80. Deshalb hat er die Kosten des Rechtsstreits aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes zu tragen, wenn der Vermieter ohne Kenntnis vom Auszug gegen einen Dritten Räumungsklage erhoben hatte, der mit in die Wohnung eingezogen war. Darüber hinaus besteht ein Auskunftsanspruch des Vermieters gegen den Mieter, wer sich neben den bekannten Personen in der Wohnung dauerhaft aufhält81. Erteilt der Mieter keine Auskunft, kann der Vermieter mit der Räumungsklage einen Antrag auf Auskunftserteilung verbinden. Wurde der Vermieter zu einem früheren Zeitpunkt über einen Mitbewohner oder Untermieter informiert, kann er anlässlich der Vertragsbeendigung Auskunft verlangen, ob die genannte Person immer noch in den Mieträumen

71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81

OLG Düsseldorf v. 24.8.1999 – 24 U 93/98, ZMR 2000, 210. OLG Düsseldorf v. 10.7.1996 – 9 U 10/96, NJW-RR 1998, 11. OLG Celle v. 12.1.1994 – 2 U 14/93, NJW-RR 1994, 854. KG v. 26.10.1993 – 1 W 6068/93, WM 1994, 32 = MDR 1994, 162. BGH v. 22.11.1995 – VIII ARZ 4/95, MDR 1996, 251 = NJW 1996, 515. LG Berlin v. 3.8.2016 – 65 S 163/16, GE 2017, 229. BGH v. 5.11.2004 – IXa ZB 51/04, MDR 2005, 535 = FamRZ 2005, 269; OLG Düsseldorf v. 27.5.1998 – 3 W 192/98, MDR 1998, 1474 = ZMR 1998, 621; Hanseatisches OLG Hamburg v. 19.8.1992 – 6 W 49/92, MDR 1993, 274 = WM 1992, 548. Hanseatisches OLG Hamburg v. 5.9.2011 – 8 W 55/11, NZM 2012, 387. BGH v. 1.4.1987 – VIII ZR 15/86, MDR 1987, 838 = NJW 1987, 2367. AG Frankfurt v. 30.7.2014 – 33 C 2126/14, MietRB 2014, 321. Hanseatisches OLG Hamburg v. 8.4.1998 – 4 U 50/97, ZMR 1999, 106 = NZM 1998, 758; Hanseatisches OLG Hamburg v. 29.5.1996 – 4 U 190/95, WuM 1997, 223 = GE 1997, 489; LG Nürnberg-Fürth v. 30.7.2008 – 7 O 4106/08, GuT 2008, 348.

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§ 546 Rz. 40a | Rückgabepflicht des Mieters lebt82. Wird der Auskunftsanspruch erst nach Erlangung eines Räumungstitels gegen den Hauptmieter geltend gemacht, kann nach § 940a Abs. 2 ZPO vorgegangen werden (Anhang zu § 546 BGB Rz. 107 f.). Der Mieter haftet wegen der dem Vermieter durch die verzögerte Auskunftserteilung entstandenen Schäden auf Schadensersatz83. 41 In der Insolvenz des Mieters kommt es nach der Eröffnung des Verfahrens darauf an, ob der Insol-

venzverwalter – aktiv – Besitz von der Mietsache ergriffen hat. Im Übrigen bleibt der Anspruch aus § 546 BGB eine einfache Insolvenzforderung (vgl. auch § 546a BGB Rz. 79). Das Mietverhältnis ist nach Abgabe der Erklärung gem. § 109 Abs. 1 S. 2 InsO nur noch drei Monate massezugehörig. In jedem Fall setzt ein Herausgabeanspruch gegen den Insolvenzverwalter jedoch dessen Besitz voraus84. Insoweit verleiht der Räumungsanspruch dem Vermieter ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO. Da das Aussonderungsrecht mit Verschaffung des unmittelbaren Besitzes erfüllt ist85, stellt das Hinterlassen von Gegenständen in der Mietsache oder von Materialien auf dem Mietgrundstück keinen Anspruch gegen die Masse dar. Aus der Nichterfüllung der Räumungspflicht kann lediglich eine Insolvenzforderung entstehen86. Lediglich für den Fall, dass der Verwalter nach Verfahrenseröffnung Gegenstände in die Mietsache eingebracht hat oder rechtskräftig zur Räumung verurteilt wurde, ist die Räumungspflicht eine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. a) Familie und Lebensgemeinschaften

42 Die dargestellten Grundsätze gelten auch, wenn beide Eheleute Mieter sind und ein Ehegatte – be-

kanntermaßen – ausgezogen ist87. Denn allein durch den Auszug kann sich der Mieter nicht seiner Rückgabepflicht entledigen. Ein Räumungstitel gegen den mitbesitzenden Ehegatten ist erst recht notwendig88, wenn er zwar nicht Mieter ist, aber in den Mieträumen lebt.

43 Nichts anderes gilt für den Lebenspartner nach dem LPartG oder das Mitglied einer nichtehelichen

Lebensgemeinschaft89. Voraussetzung ist stets, dass der Partner, der nicht Mieter ist, Mitbesitz hat. Dies ist bei Ehegatten und Lebenspartnern nach dem LPartG in der Regel unproblematisch, wenn sie in der Wohnung leben. Allerdings kann bei einem Lebensgefährten allein aus der Aufnahme in die Wohnung nicht ohne weiteres auf einen Mitbesitz geschlossen werden. Vielmehr muss die Einräumung des Mitbesitzes an den Lebensgefährten durch eine Handlung des Mieters nach außen dokumentiert sein90. Relevante Indizien können z.B. durch die Mitteilung an den Vermieter über die Aufnahme des Lebensgefährten oder seine melderechtliche Anmeldung in der Wohnung begründet werden91. 44 Minderjährige Kinder haben grundsätzlich keinen Mitbesitz an der mit den Eltern benutzten Woh-

nung. Für eine Räumungsvollstreckung reicht deshalb ein Vollstreckungstitel gegen die Eltern aus. Die Besitzverhältnisse ändern sich im Regelfall auch nicht, wenn das Kind volljährig wird und mit seinen Eltern weiter zusammenwohnt92. Selbst wenn es zwischendurch ausgezogen ist, soll ein Titel gegen das volljährige Kind des Mieters nicht erforderlich sein93.

82 AG Frankfurt v. 30.7.2014 – 33 C 2126/14 (94), MietRB 2014, 321. 83 BGH v. 27.11.2008 – I ZB 46/08, MDR 2009, 468 = WuM 2009, 142 = NJW-RR 2009, 433; LG Kiel v. 8.3.2010 – 18 O 233/09, ZMR 2010, 532. 84 BGH v. 5.7.2001 – IX ZR 327/99, MDR 2002, 54 = ZMR 2001, 792 = NJW 2001, 2966 (zu einem Herausgabeanspruch im Gesamtvollstreckungsverfahren); a.A. Eckert, NZM 2001, 260. 85 BGH v. 5.7.2001 – IX ZR 327/99, MDR 2002, 54 = ZMR 2001, 792 = NJW 2001, 2966. 86 BGH v. 5.10.1994 – XII ZR 53/93, MDR 1995, 687 = ZMR 1995, 13 = NJW 1994, 3232. 87 OLG Düsseldorf v. 27.5.1998 – 3 W 192/98, MDR 1998, 1474 = ZMR 1998, 621; Hanseatisches OLG Hamburg v. 6.12.1990 – 6 W 73/90, MDR 1991, 453 = WuM 1992, 70; a.A. u.a. Palandt/Weidenkaff, § 546 BGB Rz. 13. 88 BGH v. 5.11.2004 – IXa ZB 51/04, MDR 2005, 535 = FamRZ 2005, 269; BGH v. 25.6.2004 – IXa ZB 29/04, MietRB 2005, 2 = MDR 2004, 1257 = NZM 2004, 701 m. Anm. Schuschke, NZM 2005, 10; OLG Köln v. 5.9.1996 – 2 W 101/96, MDR 1997, 782. 89 BGH v. 19.3.2008 – I ZB 56/07, MDR 2008, 824 = MietRB 2008, 228 = NJW 2008, 1959 = NZM 2008, 400. 90 Lützenkirchen/N. Schneider, AHB Mietrecht, M Rz. 104. 91 BGH v. 19.3.2008 – I ZB 56/07, MDR 2008, 824 = MietRB 2008, 228 = NJW 2008, 1959 = NZM 2008, 400. 92 BGH v. 19.3.2008 – I ZB 56/07, MDR 2008, 824 = MietRB 2008, 228 = NJW 2008, 1959 = NZM 2008, 400; AG München v. 25.7.2017 – 414 C 24067/16, ZMR 2017, 984. 93 LG Berlin v. 17.10.2011 – 51 T 589/11, GE 2011, 1555.

916 | Lützenkirchen

A. Allgemeines | Rz. 48 § 546

b) Untermieter Hat der Mieter die Räume untervermietet, kann sowohl gegen den Hauptmieter als auch gegen den 45 Untermieter geklagt werden. Beide haften als Gesamtschuldner94, selbst wenn einer ausgezogen ist95. Bei teilweiser Untervermietung besteht nur hinsichtlich des untervermieteten Teils Gesamtschuldnerschaft96. Die Klage aus § 546 Abs. 2 BGB kann auch gesondert verfolgt werden. Dabei ist sowohl eine gleich- 46 zeitige wie nachfolgende Verfahrensweise zulässig. Die Rechtskraft einer der beiden Entscheidungen lässt das jeweils andere Verfahren unberührt (vgl. § 546 BGB Rz. 47), so dass auch gegenläufige Entscheidungen denkbar sind. Unabhängig von der fehlenden Rechtskrafterstreckung entspricht es regelmäßig billigem Ermessen, das zwischen Vermieter und Untermieter geführte Folgeverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Verfahrens zwischen Vermieter und Mieter nach § 148 ZPO auszusetzen97. Erhält der Vermieter erst nach der letzten mündlichen Verhandlung im Räumungsprozess Kenntnis von 46a der Untervermietung, kann er den Weg über § 940a Abs. 2 ZPO wählen (vgl. Anhang zu § 546 BGB Rz. 108 f.). Hat der Mieter schon einmal eine unberechtigte Untervermietung durchgeführt, kann der Vermieter im Wege der einstweiligen Verfügung einen Unterlassungsanspruch gegen den (ehemaligen) Mieter geltend machen, um die Vollstreckung seines Räumungstitels zu sichern98. 4. Rechtskrafterstreckung eines Titels gegen den (Unterver-)Mieter Es wird die Auffassung vertreten, dass die Rechtskraft eines Räumungstitels gegen den Mieter sich in- 47 soweit auf den Untermieter erstreckt, dass dieser die Herausgabepflicht des Mieters nicht mehr leugnen können soll, wenn er seinerseits vom Vermieter auf Rückgabe nach § 546 Abs. 2 BGB in Anspruch genommen wird. Eine derartige Rechtskrafterstreckung auf den Untermieter ist abzulehnen99. Zwar kann eine Rechtskrafterstreckung der Vermeidung nachfolgender Prozesse zwischen anderen Parteien dienen. Die Umsetzung kann aber zu prozessual unzumutbaren Ergebnissen führen. Das ist z.B. der Fall, wenn der Untermieter, der vom (Haupt-)Vermieter nach Kündigung des Hauptmietvertrages bedrängt wurde, entweder einen Mietvertrag unmittelbar mit ihm zu schließen oder aber zu räumen, die Mietzahlung an den Hauptmieter einstellt und sich auf einen Rechtsmangel beruft. Sein Einwand, sein Mietbesitz sei durch das Recht eines Dritten (hier: des Hauptvermieters) beeinträchtigt, darf ihm nicht dadurch abgeschnitten werden, dass – ggf. Jahre später – in einem Verfahren zwischen den Parteien des Hauptmietvertrages rechtskräftig festgestellt wird, dass dieses Recht des Hauptvermieters auf Räumung und Herausgabe mangels wirksamer Beendigung des Hauptmietvertrages nicht bestanden hat. 5. Haftungsfalle „kalte Räumung“ Insbesondere wegen der wirtschaftlichen Konsequenzen nach einer fristlosen Kündigung wegen Zah- 48 lungsverzug (Mietausfall, Prozesskosten, Kosten der Zwangsvollstreckung) sind Vermieter kreativ auf der Suche, Mittel und Wege zu finden, die den Mieter zur „freiwilligen“ Aufgabe des Besitzes veranlassen können. Die häufigsten Maßnahmen bestehen in der Einrichtung einer Versorgungssperre (§ 535 BGB Rz. 506 f.) und der Ausübung des Vermieterpfandrechts bzw. von falsch ausgeübten Begleitmaßnahmen (z.B. Auswechseln der Schlösser). Abgesehen davon, dass in beiden Fällen auch strafrechtliche

94 95 96 97 98

Sternel, Mietrecht aktuell, XIII Rz. 69. BGH v. 22.11.1995 – VIII ARZ 4/95, MDR 1996, 251 = NJW 1996, 515. AG Hamburg v. 24.4.1992 – 43b C 1967/91, DWW 1992, 245 = NJW-RR 1992, 1487. LG Berlin v. 29.5.2012 – 63 T 78/12, WuM 2012, 389. OLG München v. 4.9.2017 – 7 W 1375/17, MDR 2017, 1415 = MietRB 2017, 349 = GE 2017, 1219 = NZM 2017, 813 m. Anm. Heilmann. 99 BGH v. 21.4.2010 – VIII ZR 6/09, MDR 2010, 856 = WuM 2010, 353 = GE 2010, 840; BGH v. 12.7.2006 – XII ZR 178/03, MDR 2007, 78 = MietRB 2006, 316 = NZM 2006, 699 = ZMR 2006, 763; Wolf/Eckert/Ball, Rz. 1266; Zöller/Vollkommer, § 325 ZPO Rz. 38; MünchKomm/Gottwald, § 325 ZPO Rz. 74; Stein/Jonas/Leipold, § 325 ZPO Rz. 91; Musielak, § 325 ZPO Rz. 18; ZPO-HK/Saenger, § 325 ZPO Rz. 22; Wieczorek, § 325 ZPO Anm. B III b.

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§ 546 Rz. 48 | Rückgabepflicht des Mieters Tatbestände erfüllt sein können (z.B. §§ 123, 240 StGB), kann eine Mitwirkung des Rechtsanwalts haftungsträchtig sein. 49 Der um Rat gebetene Rechtsanwalt ist seinem Auftraggeber zu einer umfassenden und erschöpfen-

den Belehrung verpflichtet100. Er muss den ihm vorgetragenen Sachverhalt dahin überprüfen, ob er geeignet ist, den vom Auftraggeber erstrebten Erfolg herbeizuführen, und er hat die Schritte zu empfehlen, die zu dem erstrebten Ziel führen können. Der Rechtsanwalt muss den Auftraggeber vor Nachteilen bewahren, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er dem Mandanten den sichersten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit er eine sachgerechte Entscheidung treffen kann. Zweifel und Bedenken, zu denen die Sachlage Anlass gibt, muss der Rechtsanwalt darlegen und mit dem Auftraggeber erörtern101. 50 Die Ausübung der Versorgungssperre (vgl. § 535 BGB Rz. 514 ff.) muss sich z.B. stets als Zurück-

behaltungsrecht darstellen. Eine davon abweichende, unzulässige Selbstvollstreckung kommt insbesondere bei der „Sibirischen Räumung“ in Betracht. Hier soll der Mieter durch Abstellen der Heizung zum Auszug bewegt werden102. Davon kann erst recht ausgegangen werden, wenn der Vermieter unter Bezugnahme auf die gerade verkündete Entscheidung im Räumungsrechtsstreit die Unterbrechung der Wasserversorgung ankündigt103. Es kommt also maßgeblich auf die Formulierung an. 51 Der Rechtsanwalt muss auch vom Auswechseln der Türschlösser abraten, wenn der Mandant ihm

mitteilt, er werde auf diese Weise sein Vermieterpfandrecht geltend machen104, weil der Mieter seinen Auszug angekündigt habe. Er kann sich nicht auf den Hinweis beschränken, die Ausübung des Vermieterpfandrechts müsse angekündigt werden105. Kündigt der Mieter aufgrund des eigenmächtigen Auswechselns der Schlösser fristlos, haftet der Anwalt für den gesamten Mietausfallschaden – selbst bei einer bloß telefonischen Information des Anwalts durch den Vermieter106. 52 Auch auf die Schadensersatzfolgen muss der Mandant hingewiesen werden. Denn zum einen kann

sich eine Garantiehaftung aus § 231 BGB ergeben. Zum anderen bestehen erhebliche Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Vermieters (vgl. § 546 BGB Rz. 161) zu einem solchen Schaden, die er in der Regel nur durch Vorlage eines Inventarverzeichnisses und einer Wertermittlung bzw. -schätzung durch einen Sachverständigen erfüllen kann107. Insbesondere bei abhanden gekommenen Kunstwerken ist der Geldwert nach § 287 ZPO zu schätzen, wobei mangels anderer Anknüpfungstatsachen auf Werke anderer Künstler zurückgegriffen werden kann108. Klar muss sein, dass auch die Ausübung des Vermieterpfandrechts oder ein unbekannter Aufenthalt des (ehemaligen) Mieters keine Änderung der Eigentumsverhältnisse herbeiführen. Die Einrichtung bleibt Eigentum des Mieters. Ob im Einzelfall ein Selbsthilfeverkauf zulässig ist, kann zweifelhaft sein. Sie kann sich seiner Weigerung, die Sache zurückzunehmen ergeben109. Schmerzensgeld wurde dem Mieter zugesprochen, weil die kalte Räumung eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts begründen soll110. War die Kündigung des Vermieters wirksam, kommt allerdings kein Anspruch des Mieters wegen entgangenem Gewinn in Bteracht111.

100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111

BGH v. 19.3.2009 – IX ZR 214/07, NJW 2009, 2949 m.w.N. BGH v. 20.10.1994 – IX ZR 116/93, MDR 1995, 417 = WuM 1995, 212 = ZMR 1995, 64 = NJW 1995, 449. LG Koblenz v. 24.5.2011 – 6 S 8/11, WuM 2012, 140. OLG Celle v. 28.4.2005 – 11 U 44/05, NZM 2005, 741. Dazu OLG Rostock v. 8.6.2017 – 3 U 70/13, GE 2019, 798. OLG Koblenz v. 16.10.2003 – 5 U 197/03, MDR 2004, 180 = MietRB 2004, 99 = WuM 2003, 693 = NZM 2004, 39. OLG Koblenz v. 16.10.2003 – 5 U 197/03, MDR 2004, 180 = MietRB 2004, 99 = WuM 2003, 693 = NZM 2004, 39. BGH v. 23.6.2017 – V ZR 175/16, MietRB 2018, 9 = GE 2017, 1217; BGH v. 14.7.2010 – VIII ZR 45/09, MDR 2010, 1106 = MietRB 2010, 286 = WuM 2010, 578 = GE 2010, 1189 = NZM 2010, 701 = ZMR 2011, 23. OLG Nürnberg v. 23.8.2013 – 5 U 160/12, ZMR 2014, 534. AG Hamburg-St. Georg v. 27.2.2014 – 923 C 181/13, ZMR 2014, 546. AG Schöneberg v. 14.8.2019 – 6 C 276/18, GE 2019, 1245; AG Reinbek v. 20.5.2008 – 5 C 624/06, ZMR 2008, 719. OLG Rostock v. 8.6.2017 – 3 U 70/13, GE 2019, 798.

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B. Wohnraummiete | Rz. 55 § 546

6. Haftungsfalle Ablöseforderung Insbesondere bei eindeutiger Rechtslage, die i.d.R. durch eine Kündigung wegen Zahlungsverzuges 52a (§ 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB) herbeigeführt wird, kann der Tatbestand des § 253 StGB erfüllt werden, wenn der Mieter Bedingungen für eine freiwillige Räumung stellt. Dies kann zu einer Schadensersatzpflicht u.a. nach § 826 BGB führen. Hieran ist der Rechtsanwalt beteiligt (§ 830 Abs. 1, 2 BGB), wenn er die (unberechtigten) Forderungen für den Mieter stellt112.

B. Wohnraummiete I. Rückgabepflicht 1. Rechtsnatur § 546 Abs. 1 BGB legt eine vertragliche Abwicklungspflicht fest, die zu den Vermieterpflichten zwar 53 nicht im synallagmatischen Zusammenhang steht, aber dennoch eine Hauptpflicht bildet113. Denn sie stellt das Gegenstück zur Übergabe nach § 535 Abs. 1 BGB dar, die eine Hauptpflicht darstellt. Ihre Verletzung führt zu Ansprüchen aus § 546a BGB und weiter grundsätzlich zu solchen aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB, unter Umständen auch aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB114. § 546 Abs. 1 BGB gilt auch im Rahmen eines Untermietverhältnisses zwischen Mieter und Untermieter115. Selbst wenn der Untermieter zwischenzeitlich einen Mietvertrag mit dem Hauptvermieter geschlossen hat, kann der Mieter von ihm die Rückgabe verlangen, solange der Hauptmietvertrag nicht beendet ist116. Auch wenn § 546 BGB als Hauptpflicht anerkannt ist, soll eine Anwendung des § 281 BGB nicht in 54 Betracht kommen. Nach dieser Vorschrift könnte der Vermieter im Fall der Nicht-Räumung dem Mieter eine (angemessene) Frist setzen und nach ergebnislosem Ablauf gemäß § 281 Abs. 4 BGB „Schadensersatz statt der Leistung“ fordern. Dieser Schadensersatz würde im Ergebnis auf den Ersatz des Wertes der Mietsache (gegen deren Übereignung), also eine Art „Zwangsverkauf“ hinauslaufen117. Im Gesetzgebungsverfahren ist dieses Problem erkannt worden, im Hinblick auf andere Fallgestaltungen jedoch davon abgesehen worden, allein für den Räumungsanspruch eine einschränkende Formulierung in den Gesetzestext aufzunehmen; das Problem wurde „übergangen“ mit dem Hinweis darauf, dass es sich um eine theoretische Fallgestaltung handelt und Missbrauchsfälle über § 242 BGB gelöst werden sollen118. Dies soll an dieser Stelle unkommentiert bleiben, wobei allerdings darauf hinzuweisen ist, dass die Korrektur von Missbrauchsfällen über § 242 BGB zumindest ein unredliches Verhalten des Gläubigers voraussetzt; zunächst macht aber der Vermieter beim „Zwangsverkauf“ nur von seinem Recht aus § 281 Abs. 1 BGB Gebrauch. Deshalb ist es bei der Wohnraummiete nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass die Geltendmachung gegen § 571 BGB verstößt119. In der Insolvenz des Mieters begründet der Anspruch aus § 546 Abs. 1 BGB ein Aussonderungsrecht120, 55 selbst wenn das Mietverhältnis vor Insolvenzeröffnung beendet wurde121. Das Aussonderungsrecht ist durch § 985 BGB begrenzt, so dass z.B. Rückbaupflichten lediglich eine Insolvenzforderung begründen122, soweit der Insolvenzverwalter den vertragswidrigen Zustand nicht in ihm zurechenbarer Weise verursacht hat123.

112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123

OLG Frankfurt v. 10.6.2015 – 2 U 201/14, MietRB 2015, 339 = GE 2015, 1529. H.M. z.B. MünchKomm/Bieber, § 546 BGB Rz. 1 m.w.N. BGH v. 13.1.2010 – IV ZR 188/07, ZMR 2010, 431; a.A. Fervers, WuM 2017, 429. OLG München v. 8.12.1988 – 21 W 3055/88, NJW-RR 1989, 524. BGH v. 4.10.1995 – XII ZR 215/94, MDR 1996, 252 = NJW 1996, 46 Rz. 12; OLG Hamm v. 22.2.2017 – 30 U 115/16, ZMR 2017, 560; OLG Celle v. 27.11.1952 – 4 W 364/52, NJW 1953, 1474 (1475). Schmidt-Räntsch, Rz. 339. BT-Drucks. 14/6040, S. 138 f. So aber: Schmidt-Futterer/Streyl, § 546a BGB Rz. 86 m.w.N. OLG Celle v. 6.10.2003 – 2 W 107/03, ZMR 2004, 505. BGH v. 5.10.1994 – XII ZR 53/93, MDR 1995, 687 = NJW 1994, 3232. BGH v. 7.7.2010 – XII ZR 158/09, ZMR 2010, 943. BGH v. 5.7.2001 – IX ZR 327/99, MDR 2002, 54 = NJW 2001, 2966.

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§ 546 Rz. 56 | Rückgabepflicht des Mieters 2. Beendigung des Mietvertrages 56 Das Mietverhältnis muss – gleich aus welchem Grund – beendet sein (z.B. infolge Zeitablaufs, Kündi-

gung, Aufhebungsvereinbarung). Ist der Mietvertrag wegen Anfechtung oder aus sonstigen Gründen von Anfang an nichtig, ergibt sich ein Anspruch aus § 812 BGB; § 546 Abs. 1 BGB ist nicht anwendbar. 57 Die Beendigung entfällt nachträglich, wenn eine stillschweigende Fortsetzung des Mietvertrages nach

§ 545 BGB stattfindet. Darüber hinaus können die Umstände ergeben, dass die Parteien konkludent durch den Leistungsaustausch einen Mietvertrag begründet haben. Das setzt aber auf beiden Seiten ein auf den Abschluss eines Mietvertrages gerichtetes Erklärungsbewusstsein voraus (§ 535 BGB Rz. 39 f.). Das setzt zumindest voraus, dass Zweifel am Fortbestand des Mietvertrages bestehen bzw. die Parteien übereinstimmend davon ausgehen, dass die Rückgabe fällig ist. 3. Anspruchsberechtigter 58 Gläubiger des Anspruchs aus § 546 Abs. 1 BGB ist der Vermieter, der nicht Eigentümer zu sein

braucht. Anspruchsinhaber ist daher auch der Mieter gegenüber seinem Untermieter, der wahlweise Rückgabe an sich oder den Vermieter verlangen kann124. 59 Ist der Vermieter zugleich Eigentümer, kann er seinen Anspruch auch auf § 985 BGB stützen125. Eine

weitere Anspruchsgrundlage kann § 812 BGB bilden. Sind mehrere Miteigentümer vorhanden, von denen nur einer Vermieter ist, können der obligatorische und der dingliche Anspruch jedenfalls dann gleichzeitig geltend gemacht werden, wenn sich die Parteien über die Person des Rückgabeberechtigten einig sind126. 60 Mehrere Vermieter sind gemeinschaftliche Gläubiger i.S.v. § 432 BGB127. Denn die Räumungspflicht

ist eine im Rechtssinne unteilbare Leistung. Deshalb kann ein Vermieter alleine klagen; dabei muss er jedoch Räumung und Herausgabe an alle Vermieter beantragen128. Eine Ausnahme gilt, wenn auf Feststellung des Bestehens eines Mietvertrages (parallel) geklagt wird129. Denn die Wirksamkeit eines Mietvertrages kann nur einheitlich zwischen den Parteien festgestellt werden. 61 Die Abtretung des Räumungsanspruchs ist grundsätzlich zulässig130 und kann schon in der kaufver-

traglichen Vereinbarung des Übergangs von Besitz und Nutzungen bei Kaufpreiszahlung gesehen werden131. Anders wird die Zulässigkeit der Abtretung gesehen, wenn der Räumungsanspruch auf eine ordentliche Kündigung gem. § 573 BGB gestützt wird, weil ein Widerspruch gem. § 574 BGB eine Interessenabwägung zwischen den Mietvertragsparteien voraussetzt.132. Diese Interessenabwägung wird durch die Abtretung allerdings nicht gehindert. Vielmehr bleiben dem Mieter seine Einwendungen gegenüber dem Räumungsanspruch erhalten, § 404 BGB. 62 Der Erwerber gemäß § 566 BGB tritt nach h.M. auch in das Abwicklungsverhältnis ein und wird da-

mit Gläubiger des Anspruchs aus § 546 Abs. 1 BGB133. 4. Schuldner der Rückgabepflicht 63 Schuldner ist der Mieter. Bei einer OHG oder KG als Mieterin haftet auch der nach der Anmietung

ausgeschiedene Komplementär134. Das Gleiche gilt für die Gesellschafter der GbR.

124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134

OLG München v. 8.12.1988 – 21 W 3055/88, NJW-RR 1989, 524. Schmidt-Futterer/Streyl, § 546 BGB Rz. 11 m.w.N. Blank/Börstinghaus, § 546 BGB Rz. 6. OLG Düsseldorf v. 24.8.1999 – 24 U 93/98, ZMR 2000, 210. OLG Düsseldorf v. 10.7.1996 – 9 U 10/96, NJW-RR 1998, 11. OLG Celle v. 12.1.1994 – 2 U 14/93, NJW-RR 1994, 854. BGH v. 13.10.1982 – VIII ZR 197/81, MDR 1983, 306 = NJW 1983, 112; OLG München v. 23.9.1994 – 21 U 2235/94, NJW-RR 1996, 907. Brandenburgisches OLG v. 15.2.2012 – 4 U 146/11, zitiert nach juris. LG München I v. 3.2.1999 – 14 S 18876/98, WuM 1999, 161. BGH v. 28.6.1978 – VIII ZR 139/77, MDR 1979, 134 = NJW 1978, 2148. BGH v. 1.4.1987 – VIII ZR 15/86, MDR 1987, 838 = NJW 1987, 2367.

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B. Wohnraummiete | Rz. 67 § 546

Bei mehreren Mietern besteht gemäß § 431 BGB eine gesamtschuldnerische Haftung135. Der Rück- 64 gabeanspruch aus § 546 Abs. 1 BGB setzt nicht voraus, dass der Mieter unmittelbarer oder mittelbarer Besitzer der Mietsache ist136 bzw. noch ist137. Verpflichtet ist jeder durch den Mietvertrag gebundene Mieter, selbst wenn er aus den Räumen ausgezogen ist (vgl. § 546 BGB Rz. 38). Dies ist anders zu beurteilen, wenn der Besitz des im Mietobjekt verbliebenen Mieters auf einem selbständigen Rechtsgrund beruht. Dieser Fall kann z.B. durch eine Vereinbarung zwischen Vermieter einerseits und im Objekt verbliebenem Mitmieter andererseits geschaffen werden, wonach der zurückgebliebene Mitmieter erst zum Verbleib im Mietobjekt bewegt wird. Die geschuldete Rückgabe der Mietsache vom ausgezogenen Mieter erfolgt dann nicht aus Gründen, die in seine Sphäre fallen, sondern hat ihre Ursache in den neu zwischen dem Vermieter und dem im Objekt verbliebenen Mieter getroffenen Abreden138. Das Gleiche gilt, wenn der verbliebene Mieter zunächst auszieht und anschließend im Wege der verbotenen Eigenmacht wieder Besitz von den Räumen ergreift. Der Insolvenzverwalter ist Schuldner des Anspruchs aus § 546 BGB (und auch des aus § 985 BGB), 65 wenn er Besitz an der Mietsache ausübt139 oder unter Anerkennung des fremden Eigentums das Recht beansprucht, die Mietsache für die Masse zu nutzen und darüber zu entscheiden, ob, wann und in welcher Weise er sie an den Vermieter zurückgibt140 (§ 546 BGB Rz. 41). Ein Ausnahmetatbestand ist nicht begründet, wenn der Insolvenzverwalter die Räumungs- und Verwertungsmöglichkeit erlangt, innerhalb vertretbarer Zeit davon Gebrauch macht und die Mietsache anschließend zurückgibt141. 5. Inhalt der Rückgabepflicht a) Besitzübertragung Gleichzeitig mit der rechtlichen Beendigung des Mietvertrags hat der Mieter den Gebrauch einzustellen 66 und die Mietsache dem Vermieter zurückzugeben. Die Räumung verhält sich zu der Übergabe i.S.v. § 535 Abs. 1 BGB spiegelbildlich. Deshalb muss der Mieter von Räumen dem Vermieter grundsätzlich den unmittelbaren Besitz an der Mietsache verschaffen142, was auch eine willentliche Besitzübertragung voraussetzt143. Dies gilt unabhängig davon, ob der Mieter die Mietsache – befugt oder unbefugt – einem Dritten (z.B. Untermieter) überlassen hat144, unmittelbarer oder mittelbarer Besitzer ist145 oder überhaupt eine tatsächliche Zugriffsmöglichkeit hat. Der unmittelbare Besitz kann dem Vermieter grundsätzlich nur verschafft werden, indem die Räume zumindest von allen beweglichen Sachen, die der Mieter eingebracht hat, „entleert“ werden. Denn er muss nach der Rückgabe die Sachherrschaft über die Mietfläche ausüben können (vgl. zur Teilrückgabe § 546 BGB Rz. 72 und Rz. 168). Bei der Überlassung an Dritte genügt grundsätzlich nicht das Angebot zur Abtretung des eigenen He- 67 rausgabeanspruchs146. Allerdings beschränkt sich bei einem gestuften Mietverhältnis, das die Voraussetzungen des § 565 BGB nicht erfüllt, die Rückgabepflicht des Zwischenvermieters bei Fortbestehen des Endmietvertrages auf das Verlangen auf Abtretung des Räumungsanspruchs147. Dies beruht auf der Erwägung, dass der Wegfall des Hauptmietverhältnisses dem Zwischenvermieter regelmäßig kein berechtigtes Interesse i.S.d. § 573 BGB an der Beendigung der Wohnraummietverhältnisse gegeben hätte. 135 BGH v. 22.11.1995 – VIII ARZ 4/95, MDR 1996, 251 = NJW 1996, 515. 136 BGH v. 2.10.1992 – V ZR 185/91, MDR 1992, 1147 = NJW 1993, 55; BGH v. 30.6.1971 – VIII ZR 147/69, NJW 1971, 2065. 137 BGH v. 22.11.1995 – VIII ARZ 4/95, MDR 1996, 251 = NJW 1996, 515. 138 Hanseatisches OLG Hamburg v. 17.12.2008 – 4 U 112/06, ZMR 2009, 603. 139 BGH v. 16.10.2008 – IX ZR 207/06, BGHZ 148, 252, 260 = MDR 2002, 54; BGH v. 19.6.2008 – IX ZR 84/07, MDR 2008, 1240 = MietRB 2008, 299 = NZI 2008, 554 (555) Rz. 14 f. 140 BGH v. 5.10.1994 – XII ZR 53/93, BGHZ 127, 156, 161 = MDR 1995, 687. 141 BGH v. 16.10.2008 – IX ZR 207/06, GE 2009, 322. 142 BGH v. 11.5.1988 – VIII ZR 96/87, MDR 1988, 855 = NJW 1988, 2665; OLG Hamm v. 26.6.2002 – 30 U 29/ 02, NZM 2003, 26. 143 BGH v. 21.1.2014 – VIII ZR 48/13, GE 2014, 661. 144 BGH v. 30.6.1971 – VIII ZR 147/69, NJW 1971, 2065. 145 BGH v. 1.4.1987 – IX ZR 68/86, MDR 1987, 840 = NJW 1987, 2367. 146 BGH v. 30.6.1971 – VIII ZR 147/69, NJW 1971, 2065. 147 BGH v. 28.2.1996 – XII ZR 123/93, MDR 1996, 896 = WuM 1996, 413.

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§ 546 Rz. 67 | Rückgabepflicht des Mieters Dem Hauptvermieter steht dagegen zur Zeit des Vertragsschlusses der Herausgabeanspruch nach § 546 Abs. 2 BGB zu, wenn dem End- oder Untermieter bei Abschluss seines Mietvertrages bekannt war, dass sein Vermieter nicht Wohnungseigentümer ist. Denn in diesem Fall hätte er erkennen können, nur gegenüber seinem Vertragspartner, nicht aber gegenüber dem Wohnungseigentümer Kündigungsschutz zu genießen148. Deshalb kann der Zwischenvermieter selbst nur dann für die Räumung der Wohnungen – notfalls im Wege der Klage – Sorge tragen, wenn ihm der Vermieter zur Erfüllung der Verpflichtung zur Rückgabe wiederum seine Herausgabeansprüche gegen den Endmieter abtritt149. Demgemäß schuldet der Zwischenvermieter die Räumung der Wohnung nur gegen Abtretung wirksamer Herausgabeansprüche des Eigentümers/Vermieters. Besteht kein Rückgabeanspruch gegen den Endmieter, ist dem gewerblichen Zwischenvermieter die Herausgabe unmöglich, wenn die Voraussetzungen des § 565 BGB vorliegen. Immerhin ist dann nur der Zwischenmietvertrag erloschen, was nach dieser Vorschrift dazu führt, dass der Vermieter in den Endmietvertrag eintritt150. 68 Ebenso wenig genügt die bloße Besitzaufgabe151. Demnach ist das einfache Zurücklassen der Schlüssel

in den Mieträumen oder Einwurf in den Briefkasten des Vermieters grundsätzlich nicht ausreichend, um die Voraussetzungen des § 546 BGB zu erfüllen152. Denn in diesen Fällen fehlt die von beiden Seiten getragene willentliche Besitzübertragung. Das Gleiche gilt für die Aushändigung an einen im Hause wohnenden anderen Mieter153 oder den Hauswart, sofern dieser nicht ausdrücklich vom Vermieter dazu beauftragt wurde154. In diesen Fällen kann ebenso wie bei der unangekündigten Übersendung der Schlüssel i.d.R. erst eine Rückgabe angenommen werden, wenn der Vermieter von den Schlüsseln Gebrauch machen kann. Maßgeblich sind aber auch hier die Umstände des Einzelfalls. Kündigt der Mieter z.B. die Übersendung der Schlüssel an und sendet der Vermieter sie nicht unmittelbar nach Erhalt zurück, kann darin eine willentliche Besitzübertragung gesehen werden, sobald der Vermieter Kenntnis vom Eingang der Schlüssel hat155. Ausnahmsweise entfällt die Rückgabeverpflichtung eines ausgezogenen Mieters i.S.v. § 546 Abs. 1 BGB, wenn die verweigerte Räumung des verbliebenen früheren Mitmieters darauf beruht, dass der Vermieter mit diesem eine Vereinbarung getroffen hat, an der der ausgezogene Mieter nicht beteiligt wurde und die den anderen Mieter erst zum Bleiben verleitet hat156. Das Gleiche gilt, wenn eine entsprechende Vereinbarung mit dem Untermieter zustande kommt. 69 Bei der Raummiete wird die notwendige Besitzverschaffung regelmäßig durch die Aushändigung von

Schlüsseln dokumentiert, die grundsätzlich vollständig zurückzugeben sind157. Dies ist aber nicht zwingend. Maßgebend ist vielmehr, ob der Mieter – bei wertender Betrachtung – den Besitz am Mietobjekt aufgegeben und dem Vermieter verschafft hat158. Dazu kann auch die Übergabe eines (von mehreren) Schlüsseln ausreichen159. Dies gilt ohne weiteres, wenn sich aus der Übergabe der Wille zur endgültigen Rückgabe ableiten lässt. Dies ist der Fall, wenn die restlichen Schlüssel verloren gegangen sind, ohne dass die Gefahr des Missbrauchs besteht. Wird jedoch über die Schlüsselübergabe eine Quittung ausgestellt, die als Grund einen „Wasserschaden“ bezeichnet, fehlt es in der Regel an der endgültigen Rückgabe160.

148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160

BGH v. 21.4.1982 – VIII ARZ 16/81, MDR 1982, 747 = WuM 1982, 178. BGH v. 28.2.1996 – XII ZR 123/93, MDR 1996, 896 = WuM 1996, 413. BGH v. 30.10.2013 – XII ZR 113/12, MDR 2014, 207 = MietRB 2014, 43 = GE 2013, 1648. OLG Hamm v. 26.6.2002 – 30 U 29/02, NZM 2003, 26; OLG Düsseldorf v. 15.1.1987 – 10 U 122/86, ZMR 1987, 377; OLG München v. 17.5.1985 – 21 U 4708/84, ZMR 1985, 298. LG Köln v. 2.7.1987 – 1 S 609/86, DWW 1987, 236. LG Berlin v. 4.3.1983 – 65 S 333/82, GE 1983, 437. BGH v. 23.10.2013 – VIII ZR 402/12, MDR 2014, 18 = MietRB 2014, 1 = WuM 2013, 729 = GE 2013, 1647 = ZMR 2014, 270; KG v. 2.7.2001 – 8 U 1044/99, MDR 2002, 272. LG Krefeld v. 27.12.2018 – 2 T 28/18, MDR 2019, 603 = WuM 2019, 78 = ZMR 2019, 282 = GE 2019, 191. Hanseatisches OLG Hamburg v. 17.12.2008 – 4 U 112/06, ZMR 2009, 603. BGH v. 10.1.1983 – VIII ZR 304/81, MDR 1983, 395 = NJW 1983, 1049; OLG Hamm v. 26.6.2002 – 30 U 29/ 02, NZM 2003, 26; AG Brandenburg v. 1.9.2014 – 31 C 32/14, MietRB 2014, 320 = IMR 2014, 512. Brandenburgisches OLG v. 24.3.1999 – 3 U 216/98, NZM 2000, 463. OLG Düsseldorf v. 13.3.2008 – 10 W 4/08, GuT 2008, 359; OLG Köln v. 27.1.2006 – 1 U 6/05, ZMR 2006, 859; zweifelnd OLG Düsseldorf v. 29.11.2012 – 10 U 44/11, ZMR 2013, 706. KG v. 30.1.2012 – 8 U 192/10, MDR 2012, 576 = MietRB 2012, 229 = GE 2012, 752 = ZMR 2012, 693.

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B. Wohnraummiete | Rz. 73 § 546

Ob die kommentarlose Übersendung der Schlüssel eine Rückgabe i.S.v. § 546 BGB herbeiführt, muss 69a im Einzelfall entschieden werden. Viel spricht dafür, dass der Vermieter jedenfalls nach Inbesitznahme der Schlüssel eine Rückgabe vollzieht, wenn er nicht unverzüglich widerspricht. Denn die äußeren Umstände, insbesondere die Beendigung des Mietvertrages sprechen dafür, dass der Mieter mit der Übersendung ein (konkludentes) Angebot zur Rückgabe abgeben will. Das kann schon anders zu beurteilen sein, wenn die Mietsache nicht geräumt ist. Hat der Vermieter aber keine Kenntnis von der Sendung oder den in seinen Machtbereich gelangten Schlüsseln, kann nicht allein aus der schlüssig erklärten Besitzaufgabe auf eine Besitzübertragung geschlossen werden161. Es mag zwar sein, dass sich der natürliche Besitzwille auf alle im Herrschaftsbereich befindlichen Gegenstände bezieht. Dies ersetzt aber noch nicht den notwendigen Willensakt, der für eine Besitzübertragung notwendig ist. Aus dem latent vorhandenen Besitzwillen kann auf einen rechtsgeschäftlichen Willen des Vermieters nicht geschlossen werden. Deshalb fällt auch der Verlust des Schlüssels auf dem Postweg in den Risikobereich des Mieters162. Da die Rückgabe als solche ein Realakt ist, kann der Hauswart weder Erfüllungsgehilfe des Vermie- 70 ters noch Besitzdiener sein, da zunächst der Mieter allein Besitz hat. Deshalb kann § 546 Abs. 1 BGB durch Rückgabe an einen Dritten auch nur unter der Voraussetzung des § 854 Abs. 2 BGB erfüllt werden. Besteht ein Räumungstitel und erlangt der Vermieter wieder Besitz an der Mietsache, tritt dennoch kei- 71 ne Erfüllungswirkung ein, solange der Mieter z.B. mit der Berufung unverändert (auch) den Räumungs- und Herausgabeanspruch bekämpft. Denn eine Erfüllung kommt nur in Betracht, wenn der Mieter Erfüllungsbereitschaft gehabt hätte163. Daran fehlt es, solange er die Mieträume wegen des angedrohten Räumungszwangs und deshalb unfreiwillig zurückgegeben hat164. Eine Teilrückgabe ist grundsätzlich unzulässig, § 266 BGB165, und führt grundsätzlich zur Nichterfül- 72 lung der Räumungspflicht. Sie liegt vor, wenn nicht alle Räume zurückgegeben werden oder der Vermieter z.B. durch zurückgelassene Sachen an einer Inbesitznahme gehindert wird. Denn eine Rückgabe i.S.d. § 546 BGB kann weder dann angenommen werden, wenn der Mieter zwar seine Sachen aus den Mieträumen fortschafft, aber die Schlüssel mitnimmt, noch dann, wenn er zwar die Räume unter Rückgabe der Schlüssel verlässt, aber seine Sachen nicht aus den Räumen entfernt. In jedem der beiden Fälle gibt der Mieter die Mietsache nicht zurück und enthält sie dem Vermieter vor166. Von daher stehen dem Vermieter die Ansprüche nach § 546a BGB auch dann zu, wenn der Mieter bei Auszug aus der Wohnung eine erhebliche Anzahl ihm gehörender Gegenstände zurücklässt (hier: eine komplette Einbauküche, einen Einbauschrank im Badezimmer, eine Garderobe im Flur, Rollos an den Fenstern, ferner eine Balkonverkleidung und einen von dem Mieter eingebrachten Teppichboden). Insoweit ist eine Bagatellgrenze zu beachten, die z.B. dann zur Annahme einer vollständigen Räumung führen kann, wenn im Keller nur Müll hinterlassen wird, den der Vermieter ohne große Mühe entsorgen kann167. In diesem Fall können dem Vermieter Schadensersatzansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB in Form des Mietausfallschadens zustehen. Vgl. im Einzelnen § 546a BGB Rz. 39 ff. Vom Mieter zurückgelassene Sachen hat der Vermieter vor Beschädigungen und Verlust zu bewah- 73 ren168. Zur Vermeidung einer Schadensersatzpflicht muss er eine Inventarliste erstellen und eine Wertermittlung durchführen169. Im Einzelnen vgl. § 546 BGB Rz. 163.

161 A.A. Schmidt-Futterer/Steyl, § 546 BGB Rz. 27. 162 AG Brandenburg v. 1.9.2014 – 31 C 32/14, MietRB 2014, 320 = IMR 2014, 512. 163 Vgl. BGH v. 19.3.1998 – I ZR 264/95, MDR 1998, 1494 = NJW-RR 1998, 1572 f.; OLG Düsseldorf v. 24.6.2008 – 24 U 74/08, MDR 2008, 1029 m.w.N. 164 OLG Düsseldorf v. 6.11.2008 – 24 U 149/07, ZMR 2011, 629. 165 BGH v. 11.5.1988 – VIII ZR 96/87, MDR 1988, 855 = NJW 1988, 2665. 166 LG Köln v. 4.7.1996 – 1 S 331/95, NJW-RR 1996, 1480. 167 KG v. 13.4.2015 – 8 U 212/14, MietRB 2015, 232 = MDR 2015, 759 = WuM 2015, 524 = GE 2015, 1094. 168 BGH v. 27.4.1971 – VI ZR 191/69, WPM 1971, 943. 169 BGH v. 14.7.2010 – VIII ZR 45/09, MDR 2010, 1106 = MietRB 2010, 286, = WuM 2010, 575 = GE 2010, 1189 = NZM 2010, 701 = ZMR 2011, 23.

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§ 546 Rz. 74 | Rückgabepflicht des Mieters b) Räumlicher Umfang 74 Die Rückgabeverpflichtung bezieht sich zunächst auf die Mieträume. Daneben sind das überlassene Zu-

behör, Nebenräume und sonstige Grundstücksteile, auf denen der Mieter im Rahmen der Nutzung (unberechtigt) z.B. Gegenstände abgestellt hat, zurückzugeben170. Insoweit ist es unerheblich, ob die Nebenflächen durch den Mieter exklusiv oder anteilig genutzt wurden und genutzt werden durften. Maßgeblich ist sein (Mit-)Besitz, der rückgängig zu machen ist. c) Zustand bei Rückgabe 74a Wie sich bereits aus § 538 BGB ergibt, muss der Mieter Veränderungen oder Verschlechterungen, die

auf seinem vertragsgemäßen Gebrauch beruhen, nicht beseitigen. Liegen darüberhinausgehende Beschädigungen vor, muss der Mieter beweisen, dass er sie nicht schuldhaft herbeigeführt hat171 (§ 546 BGB Rz. 125b). Zu Schönheitsreparaturen vgl. § 535 BGB Rz. 649 f. aa) Wiederherstellungs- und Beseitigungspflicht 75 Die Mietsache ist vom Mieter grundsätzlich in dem (baulichen) Zustand zurückzugeben, in dem sie sich

bei Mietbeginn befunden hat172. Deshalb muss der Mieter bei Mietende das Inventar entfernen173, solange der Vermieter nicht gleichzeitig ein Vermieterpfandrecht geltend macht174 oder die eingebrachten Sachen einvernehmlich zurückbleiben sollen. Vom Vormieter zurückgelassene Sachen (Einrichtungen und bauliche Veränderungen) muss der Mieter nur fortschaffen, wenn er sie im Einverständnis mit dem Vermieter übernommen hat175. Dazu muss der Vermieter eine konkrete Vereinbarung zwischen Vorund Nachmieter vortragen und kann sich nicht auf eine Klausel im Mietvertrag berufen, in der generell vorgegeben ist, dass „aufstehende Baulichkeiten zu entfernen“ sind176. Daneben kommt in Betracht, dass der Mieter auf die Räumung durch den Vormieter verzichtet hat177. 75a Hat der Mieter die Einbauten im Rahmen eines zwischenzeitlich beendeten Mietvertrages vorgenom-

men und wurde anschließend ein neuer Mietvertrag begründet, in dem die Ein- oder Aufbauten nicht als solche des Mieters gekennzeichnet sind, ist problematisch, auf welchen „früheren Zustand“ abzustellen ist. Die Tatsache, dass die Mietsache in dem neuen Mietvertrag z.B. nur nach ihrer Lage beschrieben ist und die baulichen Veränderungen oder Einrichtungen nicht erwähnt werden, spricht zunächst dafür, dass die Ein- und Ausbauten zum vertragsgemäßen Zustand gehören und nicht zurückzubauen sind178. Eine solche schematische Betrachtungsweise ist aber nicht gerechtfertigt. Sie impliziert eine konkludente Vereinbarung über den vertragsgemäßen Zustand, die u.U. sogar eine (konkludente) Regelung über den Übergang des Eigentums des Mieters auf den Vermieter beinhaltet. Deshalb ist in jedem Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln179, ob der Vermieter tatsächlich die Verantwortung aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB für vom Mieter durchgeführte bauliche Veränderungen oder Einrichtungen, mit denen der Mieter die Räume im beendeten Mietverhältnis ausgestattet hatte, übernehmen wollte. Auch das Interesse des Mieters an dem Fortbestand seines Wegnahmerechts nach § 539 Abs. 2 BGB muss berücksichtigt werden. Immerhin kann eine solche mit § 552 Abs. 2 BGB kollidieren. Abgesehen davon kann der Mieter von seinem Wegnahmerecht selbst dann Gebrauch machen, wenn ihm der Vermieter eine angemessene Entschädigung zahlen will, § 552 Abs. 1 BGB.

170 BGH v. 23.6.2010 – XII ZR 52/08, MietRB 2010, 292 = MDR 2010, 1042 = GuT 2010, 229 (230). 171 BGH v. 14.4.1976 – VIII ZR 288/74, WuM 1978, 90 = ZMR 1978, 141. 172 BGH v. 10.7.2002 – XII ZR 107/99, MDR 2003, 22 = ZMR 2010, 431; BGH v. 3.7.2002 – XII ZR 107/99, MDR 2003, 22 = NJW 2002, 3234; zur rechtlichen Einordnung dieser Verpflichtung Kandelhard, NJW 2002, 3291 (3292 ff.). 173 BGH v. 11.5.1988 – VIII ZR 96/87, MDR 1988, 855 = NJW 1988, 2665. 174 KG v. 14.2.2005 – 8 U 144/04, MietRB 2005, 288 = NZM 2005, 422. 175 OLG Hamburg v. 13.6.1990 – 4 U 118/89, ZMR 1990, 341. 176 KG v. 10.12.2018 – 8 U 55/18, MietRB 2019, 230 = WuM 2019, 78. 177 Staudinger/Rolfs, § 546 BGB Rz. 22. 178 So: Staudinger/Rolfs, § 546 BGB Rz. 31 unter Hinweis auf KG, JW 1934, 847. 179 Zur Auslegung in einem ähnlichen Fall: BGH v. 23.9.2009 – VIII ZR 300/08, MDR 2010, 20 = MietRB 2009, 345 = GE 2009, 1426 = NZM 2009, 855.

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B. Wohnraummiete | Rz. 77 § 546

Der Räumungspflicht unterliegen nicht solche Einbauten oder Einrichtungen, mit denen der Mieter 75b den vertragsgemäßen Zustand erst hergestellt hat180 oder der Vermieter bei der Zustimmung deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass ein Rückbau nicht erfolgen muss181. Insoweit ist auch das Wegnahmerecht des Mieters ausgeschlossen182. Zur Räumung gehört auch die Entfernung von Einrichtungen und Ausbauten, mit denen der Mieter 76 die Mietsache versehen oder vom Vormieter übernommen hat, sofern dies im Einverständnis mit dem Vermieter erfolgt ist183; Gleiches gilt für Umbauten184. Selbst ein vom Mieter auf dem Mietgrundstück errichtetes Gebäude ist, falls nichts anderes vereinbart ist, bei Vertragsende abzureißen und der ursprüngliche Zustand des Grundstücks wiederherzustellen185. Der Mieter kann die Erfüllung dieser Pflicht nicht wegen der Höhe der Rückbaukosten ablehnen186. Auch eine Veränderung der vom Mieter eingebrachten Sachen hat auf die Räumungsverpflichtung grundsätzlich keinen Einfluss. Vielmehr sind auch Scheinbestandteile i.S.v. § 95 BGB als bewegliche Sachen anzusehen. Insoweit kommt es darauf an, welcher Zweck dem Einbau bzw. der Installation zugrunde lag. Beruhte dieser auf dem Mietvertrag, liegen die Voraussetzungen des § 95 BGB unabhängig davon vor, ob die (technische) Lebensdauer abgelaufen ist oder die Parteien bei Abschluss des Mietvertrages angenommen haben, dass das am Ende der Mietzeit der Fall sei187. Deshalb sind die Einbauküche188, das Gartenhaus189 aus dem Baumarkt oder einer Halle190 auf der Gewerbefläche zu beseitigen, weil es der Verkehrsanschauung entspricht, dass Mieter diese Gegenstände nur für die Dauer des Mietvertrages installieren, § 95 BGB. Die Wiederherstellungspflicht besteht grundsätzlich unabhängig davon, ob der Vermieter der bauli- 77 chen Veränderung zugestimmt hat191, was auch konkludent geschehen kann192. Das kann nur anders beurteilt werden, wenn der Vermieter bei der Zustimmung zum Ausdruck gebracht hat, dass ein Rückbau nicht erfolgen muss (§ 546 BGB Rz. 75). Es ist auch unerheblich, ob die eingebauten Sachen in das Eigentum des Vermieters übergegangen sind193. Dies wird übersehen, wenn dem Vermieter der Anspruch aus § 546 BGB versagt wird, weil ihm wegen vom Mieter vorgenommenen Anpflanzungen (Thujahecke) nicht der Beweis gelungen ist, dass die Sachen nur zum vorübergehenden Zweck eingebracht wurden194. Denn im Zweifel kommt § 95 BGB zur Anwendung. Eine Ausnahme kommt regelmäßig nicht in Betracht, wenn die Einbauten/Umbauten des Mieters nicht zu einer Werterhöhung geführt haben195. Ist das aber der Fall und behält die Wertverbesserung über das Ende der Mietzeit ihre Bedeutung, soll die Rückbaupflicht entfallen, wenn die Entfernung der Einbauten nur mit erheblichem Aufwand möglich ist und zu einer Verschlechterung der Mietsache führt (z.B. Einbau von Nachtspeicheröfen und Elektrokabel über vom Mieter abgehängte Decken)196. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden, weil sie dem Vermieter gegen seinen Willen einen Zustand der Mietsache aufzwingt, für den er gegenüber dem Nachmieter gewährleistungspflichtig wird197. Auf jeden Fall ist aber zurück-

180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196 197

Staudinger/Rolfs, § 546 BGB Rz. 28. OLG Düsseldorf v. 8.2.1990 – 10 U 127/89, MDR 1990, 551 = ZMR 1990, 218. OLG Naumburg v. 22.1.2018 – 1 U 108/17, MietRB 2018, 363 = ZMR 2018, 748 = IMR 2018, 329 (Drude). Hanseatisches OLG Hamburg v. 13.6.1990 – 4 U 118/89, ZMR 1990, 341. BGH v. 23.10.1985 – VIII ZR 231/84, MDR 1986, 226 = NJW 1986, 309. BGH v. 27.4.1966 – VIII ZR 148/64, ZMR 1966, 238. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 1005. BGH v. 7.4.2017 – V ZR 52/16, MDR 2017, 758 = GE 2017, 712 = ZMR 2018, 465. BGH v. 20.11.2008 – IX ZR 180/07, MietRB 2009, 94 = MDR 2009, 374 = WuM 2009, 129 = ZMR 2009, 271 und stellt auch kein Zubehör i.S.v. § 97 BGB dar. Flatow, ZMR 2014, 937. AG Pirna v. 16.11.1998 – M 1331/96, DGVZ 1999, 63. BGH v. 14.5.1997 – XII ZR 140/95, ZMR 1997, 568 = GE 1997, 1160 = NJW-RR 1997, 1216; OLG Düsseldorf v. 14.10.2008 – 24 U 7/08, MietRB 2009, 229 = ZMR 2009, 843. KG v. 17.6.2010 – 12 U 51/10, ZMR 2010, 956. BGH v. 17.5.1995 – XII ZR 235/93, MDR 1996, 254 = ZMR 1995, 478. So aber: LG Detmold v. 26.3.2014 – 10 S 218/12, GE 2014, 1275. AG Warendorf v. 13.9.2001 – 5 C 865/00, WuM 2001, 488. LG Berlin v. 6.7.2010 – 65 S 355/09, GE 2010, 1269. Vgl. auch BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MietRB 2010, 129 = MDR 2010, 562 = WuM 2010, 235 = NZM 2010, 356 Rz. 26.

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§ 546 Rz. 77 | Rückgabepflicht des Mieters zubauen, wenn aus den Umständen, unter denen die Zustimmung erklärt wurde, ein anderer Wille des Vermieters nicht gefolgert werden kann. 78 Dies ist noch nicht der Fall, wenn die Parteien im Mietvertrag eine Regelung getroffen haben, deren

Inhalt sich auf die Wiedergabe der ohnehin bestehenden Verpflichtung aus § 546 BGB beschränkt. Wird in diesem Fall der Rückbau durch Umbauabsichten des Vermieters hinfällig, ergibt die Auslegung, dass der Vermieter weder Rückbau noch Ausgleich in Geld für das Entfallen der Wiederherstellungspflicht verlangen kann198. Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass der Mieter zur Durchführung von Schönheitsreparaturen (vgl. dazu § 535 BGB Rz. 649 ff.) oder Instandsetzungen199 verpflichtet war. In diesem Fall ergibt die ergänzende Vertragsauslegung einen unmittelbaren Anspruch auf Geldleistung, wenn die Arbeiten infolge geplanter Umbaumaßnahmen des Vermieters sinnlos werden200. Allerdings gehört ein bestimmter Dekorationszustand grundsätzlich nicht zur Rückgabe i.S.v. § 546 Abs. 1 BGB, die allein die Besitzverschaffung im ursprünglichen baulichen Zustand betrifft. Deshalb ist der Vermieter nicht berechtigt, die Rücknahme zu verweigern, wenn der Mieter die Mietsache nicht oder fehlerhaft renoviert hat201. 78a Die Rückbauverpflichtung erfasst auch die Beseitigung von individuellen Einrichtungsartikeln, die

dem persönlichen Geschmack des Mieters entsprechen (z.B. Aufkleber auf Türen und Fliesen). Unabhängig von der Frage, ob derartige Maßnahmen über den vertragsgemäßen Gebrauch hinausgehen202, führt ihre Beseitigung jedenfalls zu erheblichem Aufwand (z.B. Beseitigung von Kleberesten) und u.U. einer Beschädigung der Mietsache (z.B. Festkleben von Farbe). Deshalb ist deren Beseitigung zumindest im Rahmen der Rückgabe geschuldet, da der Mieter nach § 241 Abs. 2 BGB Rücksicht auf die Interessen des Vermieters nehmen muss, der eine reibungslose Neuvermietung durchführen will203. 79 Bauwerke gemäß § 5 Abs. 1 SchuldRAnpG, die vor dem 3.10.1990 im Beitrittsgebiet vom Nutzer auf

fremdem Grundeigentum errichtet wurden, unterliegen dem Wegnahmerecht des Mieters (§ 12 Abs. 4 SchuldRAnpG), wodurch allerdings grundsätzlich keine Pflicht herbeigeführt wird. Mit Vertragsende wird der Grundstückseigentümer gemäß § 11 SchuldRAnpG auch Eigentümer der errichteten Baulichkeiten und hat den Nutzer/Mieter dann grundsätzlich zu entschädigen (§ 12 Abs. 1 SchuldRAnpG). 80 Im Hinblick darauf ist die formularmäßig geregelte Verpflichtung des Mieters, „Ein- und Ausbau-

ten … zu entfernen“, wenn durch sie „eine weitere Vermietung erschwert sein (sollte)“, rechtlich unbedenklich204. Denn jeder Mieter schuldet kraft Gesetzes gemäß § 546 Abs. 1 BGB die Entfernung seiner Sachen (Inventar, Einbauten) nach Beendigung des Mietvertrages205. Die Klausel begünstigt den Mieter im Vergleich zur gesetzlichen Regelung insofern, als der Rückbau nicht unbedingt (allein vom Willen des Vermieters abhängig) zu erfolgen hat, sondern nur dann, wenn der Nachfolgemieter das wünscht. Die Fälligkeit des Rückbauanspruchs hängt in einem solchen Fall von einem entsprechenden Beseitigungsverlangen des Nachmieters ab.

80a Prozessual muss der Vermieter die Verpflichtung des Mieters, Aufbauten und Anlagen zu beseitigen,

ausdrücklich titulieren lassen. Der bloße Räumungstitel ist nicht ausreichend, weil er nicht erkennen lässt, inwieweit Grundstücksbestandteile i.S.v. § 94 BGB zu beseitigen sind. Die Entscheidung darüber muss im Erkenntnisverfahren herbeigeführt werden und kann nicht in die Zwangsvollstreckung verlagert werden206.

198 199 200 201 202 203 204 205 206

BGH v. 23.10.1985 – VIII ZR 231/84, MDR 1986, 226 = NJW 1986, 309. Was im relevanten Umfang nur in der Gewerberaummiete in Betracht kommt. BGH v. 5.6.2002 – XII ZR 220/99, MDR 2002, 1304 = WuM 2002, 484 = ZMR 2002, 735. BGH v. 6.11.2013 – VIII ZR 416/12, MDR 2014, 78 = MietRB 2014, 34 = WuM 2014, 23 = GE 2014, 49 Rz. 15; BGH v. 10.1.1983 – VIII ZR 304/81, MDR 1983, 395 = BGHZ 86, 204, 209 f. So: LG Düsseldorf v. 4.9.2001 – 24 S 196/01, WuM 2001, 487. BGH v. 6.11.2013 – VIII ZR 416/12, MietRB 2014, 34 = MDR 2014, 78 = WuM 2014, 23. OLG Düsseldorf v. 21.4.2009 – 24 U 56/08, MDR 2009, 977 = MietRB 2009, 256 = GE 2009, 1045. Vgl. BGH v. 23.10.1985 – VIII ZR 231/84, MDR 1986, 226 = WuM 1986, 57 = ZMR 1986, 48; OLG Düsseldorf v. 8.6.2006 – 24 U 166/05, GE 2007, 515 = DWW 2007, 20 = OLGR 2007, 71; OLG Düsseldorf v. 20.12.2001 – 10 U 145/00, ZMR 2002, 513 = GuT 2002, 81 = NZM 2002, 563. OLG Düsseldorf v. 26.2.2015 – 24 W 21/14, ZMR 2015, 852.

926 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 83 § 546

bb) Reinigung der Mietsache Die Rückgabe hat in gereinigtem Zustand zu erfolgen207. Ist der Mieter nach dem Vertragstext ver- 81 pflichtet, die Mieträume ordnungsgemäß gereinigt zu übergeben, handelt es sich lediglich um eine übliche Reinigung von dem sich allmählich ansammelnden Schmutz etwa durch Staubsaugen. Sie ergibt sich aus der vertraglichen Sorgfalts- und Obhutspflicht des Mieters zur Beseitigung von Verschmutzungen und entspricht dem Abwischen von verschmutzten Heizkörpern, Fenstern Türen und Sanitäranlagen208. Bei der Klausel, die eine Rückgabe in besenreinem Zustand fordert, gelten geringere Anforderungen. Denn danach kann nur eine Beseitigung grober Verschmutzungen gefordert werden („mit dem Besen grob gereinigt“209). Dazu soll das Fensterreinigen nicht gehören210 und kann eine professionelle Reinigung nicht gefordert werden211. Mangels vertraglicher Abrede ist der Mieter auch nicht zu einer Grundreinigung von Sanitäranlagen verpflichtet212. cc) Beseitigung von Abnutzungsspuren Die Beseitigung von Abnutzungen und verschleißbedingten Veränderungen infolge vertragsgemäßen 82 Gebrauchs sind jedenfalls nicht Inhalt der Rückgabepflicht213. Deshalb schuldet der Mieter am Ende der Mietzeit nicht automatisch Schönheitsreparaturen. Vielmehr ist dafür grundsätzlich eine wirksame Renovierungsklausel sowie Fälligkeit der Renovierungsleistung erforderlich. Der Vermieter kann aber Schadensersatz wegen einer Nebenpflichtverletzung der Rückgabe verlangen, wenn der Mieter die Wohnung nicht in hellen, deckenden und neutralen Farben zurückgibt214. Denn anlässlich der Rückgabe hat er auf die Belange des Vermieters Rücksicht zu nehmen. Insoweit überwiegt das Interesse des Vermieters, die Wohnung in einem Zustand zurückzuerhalten, die den durchschnittlichen Geschmacksvorstellungen am Mietmarkt entsprechen (§ 535 BGB Rz. 595). Auch weitere Abnutzungen sind vom Mieter grundsätzlich nicht zu verantworten, § 538 BGB. Dies 82a gilt vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen für Leichengeruch, der sich infolge eines lange unbemerkt gebliebenen Todes des Mieters in der Wohnung festgesetzt hat215, solange er nicht auf einem dem Mieter zurechenbaren Verbrechen oder Selbstmord beruht216. Führt das Urinieren einer – berechtigt gehaltenen – Katze dazu, dass die Mietwohnung nach Auszug des Mieters erheblich nach Katzenurin riecht, stellt dies eine Beschädigung des Mietobjektes dar, für die der Mieter nicht nur aus dem Vertrag, sondern auch als Tierhalter nach § 833 Satz 1 BGB einzustehen hat217. Ähnliche Phänomene können nach dem Auszug des Mieters durch die häufige Verwendung von Räucherstäbchen oder das Rauchen (§ 535 BGB Rz. 554) in der Wohnung auftreten. Dazu im Widerspruch steht, dass das Abstumpfen von Marmorböden, das durch beim Urinieren im Stehen auftretende Spritzer herbeigeführt worden ist, ohne Folgen für den Mieter bleiben soll218. Formularklauseln, die dieses Risiko generell dem Mieter zuordnen, soweit der durch vertragsgemä- 83 ßen Gebrauch entstandene Geruch nach der Rückgabe nicht von selbst verschwindet, sind grundsätzlich unbedenklich, wenn sie auf Belästigungen beschränkt sind, die sich nicht von selbst erledigen. Immerhin hat der Mieter bei seinem Auszug Rücksicht auf die Interessen des Vermieters an einer reibungslosen Weitervermietung zu nehmen219. Im Rahmen der Formulierung ist darauf zu achten, dass der Klausel207 Dies Verpflichtung kann aber nicht mit dem Räumungstitel vollstreckt werden: Flatow, ZMR 2014, 937. 208 Vgl. BGH v. 8.10.2008 – XII ZR 15/07, MDR 2009, 255 = MietRB 2009, 69 = GE 2009, 111 = GuT 2008, 484 = WuM 2009, 225. 209 BGH v. 29.3.2006 – VIII ZR 250/05, MDR 2006, 1275 = WuM 2006, 260 = NJW 2006, 2915. 210 LG Berlin v. 8.3.2016 – 63 S 213/16, GE 2016, 531. 211 AG Ottweiler v. 24.11.2016 – 16 C 170/15, WuM 2017, 63 = IMR 2017, 101. 212 OLG Düsseldorf v. 1.10.2009 – I-10 U 58/09, MietRB 2010, 7 (8) = GE 2009, 1553. 213 BGH v. 10.7.2002 – XII ZR 107/99, MDR 2003, 22 = NJW 2002, 3234. 214 BGH v. 6.11.2013 – VIII ZR 416/12, MietRB 2014, 34 = MDR 2014, 78 = WuM 2014, 23. 215 AG Bad Schwartau v. 5.1.2001 – 3 C 1214/99, WuM 2001, 546 = NZM 2002, 215. 216 Palandt/Weidenkaff, § 538 BGB Rz. 9. 217 AG Bremen v. 22.12.2014 – 19 C 479/13, juris m. Anm. Schickedanz, ZMR 2015, 860. 218 AG Düsseldorf v. 20.1.2015 – 42 C 10583/14, MietRB 2015, 68 = MietRB 2015, 69 = WuM 2015, 79 = ZMR 2015, 318 m. Anm. Schickedanz, ZMR 2015, 860. 219 BGH v. 6.11.2013 – VIII ZR 416/12, MietRB 2014, 34 = MDR 2014, 78 = WuM 2014, 23 = GE 2014, 49.

Lützenkirchen | 927

§ 546 Rz. 83 | Rückgabepflicht des Mieters inhalt nicht ausufert und z.B. auf Gerüche anwendbar ist, die nach kurzer Zeit von selbst verschwinden. Dazu könnte z.B. ein Zeitpuffer („… auch nach der Renovierung der Wohnung …“) eingebaut werden. Das gilt nicht für Klauseln, nach denen der Mieter bei Mietende ohne Einschränkung verpflichtet ist, Dübel zu entfernen, Bohrlöcher unkenntlich zu schließen und etwa durchbohrte Kacheln durch gleichartige zu ersetzen. Derartige Formularbestimmungen verstoßen jedenfalls bei der Wohnraummiete gegen § 307 BGB220, weil sie Maßnahmen erfassen, die anlässlich einer fachgerechten Renovierung – durch entsprechende Vorarbeiten – beseitigt werden. dd) Vereinbarungen anlässlich der Rückgabe 84 Gibt der Mieter nach Beendigung des Mietvertrages die Wohnung an den Vermieter zurück, treten die

Umstände, aus denen der Vermieter seine Ansprüche herleiten kann, regelmäßig offen zu Tage. Das Gleiche gilt für den Mieter insbesondere im Hinblick auf die von § 548 Abs. 2 BGB erfassten Ansprüche. Umso mehr sind die Parteien in der Lage, über ihre Ansprüche zu verhandeln und eine Einigung zu erzielen, wenn sie die Rückgabe nicht auf einen bloßen Austausch der Schlüssel beschränken, sondern sich im Mietobjekt zusammenfinden und es gemeinsam begehen. Dabei bietet sich eine breite Palette von Möglichkeiten, Vorsorge zu treffen und Streit zu vermeiden. 85 Die kleinste Lösung besteht darin, dass der Rückgabezustand gemeinsam festgehalten wird. Dazu

wird in der Praxis häufig ein „Abnahmeprotokoll“ (vgl. § 546 BGB Rz. 88) gefertigt. Darüber hinaus können die Parteien natürlich die Ansprüche, die sich aus dem Zustand ergeben können, anlässlich des Rückgabetermins aber auch im Zuge der weiteren Abwicklung des beendeten Mietvertrages regeln.

86 Findet eine Rückgabe quasi unter Abwesenden statt, ist der Vermieter nicht gehalten, die Mietsache

unverzüglich zu untersuchen221. Welche Zeitkomponente er zu berücksichtigen hat, gibt § 548 BGB vor. Allerdings läuft der Vermieter Gefahr, dass sich die Beweislast zu seinen Ungunsten verändert. Denn solange er nachweisen kann, dass eine Beschädigung bei der Übergabe nicht vorhanden war und sie bei der Rückgabe festgestellt wird, spricht nach der Lebenserfahrung eine Vermutung dafür, dass sie vom Mieter herbeigeführt wurde222. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich um eine Verschlechterung der Mietsache handelt, die typischerweise auf einer von § 538 BGB nicht gedeckten Nutzung des Mieters beruht. 87 Unterlässt der Vermieter aber eine zeitnahe Zustandsfeststellung, eröffnet er dem Mieter den Einwand,

eine Verschlechterung sei nicht von ihm verursacht. Haben in der Zwischenzeit bereits Dritte (z.B. Makler, Nachmieterinteressenten, Handwerker) die Mieträume betreten, erhält sein Bestreiten sogar Substanz. Dennoch ist dem Unterlassen der Untersuchung durch den Vermieter kein Erklärungswert beizumessen. Ein wie auch immer geartetes Einverständnis mit einem schlechten Zustand kann daraus grundsätzlich nicht hergeleitet werden223. Das Gegenteil kann nur angenommen werden, wenn die Parteien zuvor über den Zustand gesprochen haben224. Allerdings kann gegenüber dem Vermieter, der bei Beginn des Mietvertrages ein umfangreiches Übergabeprotokoll erstellt hat, der Einwand des widersprüchlichen Verhaltens erhoben werden, wenn er zum vereinbarten Rückgabetermin grundlos nicht erscheint und dem Kautionsrückzahlungsanspruch umfangreiche Schadensersatzansprüche entgegenstellt225. 87a Findet die Rückgabe bei gleichzeitiger Anwesenheit von Vermieter und Mieter in der Wohnung statt,

kann dadurch ein Verlust von Schadensersatzansprüchen des Vermieters wegen Verschlechterung der Mietsache (§ 280 Abs. 1 BGB) eintreten, wenn er die Mietsache vorbehaltlos zurücknimmt226. Denn es ist grundsätzlich anerkannt, dass bei einer entsprechenden ausdrücklichen Bescheinigung des Ver220 BGH v. 20.1.1993 – VIII ZR 10/92, MDR 1993, 339 = NJW 1993, 1061. 221 Schmidt-Futterer/Streyl, § 546 BGB Rz. 54. 222 AG Bremen v. 24.5.2007 – 21 C 269/05, NZM 2008, 247; Lützenkirchen/Horst, AHB Mietrecht, K Rz. 18 f.; Blank, ZdW Bay 1998, 67 f. 223 Schmidt-Futterer/Streyl, § 546 BGB Rz. 54 m.w.N. 224 KG v. 13.2.2003 – 8 U 371/01, GE 2003, 524 = WE 2004, 91; vgl. aber MünchKomm/Bieber, § 546 BGB Rz. 12. 225 AG Donaueschingen v. 27.8.2015 – 2 C 65/15, WuM 2015, 730. 226 KG v. 13.2.2003 – 8 U 371/01, GE 2003, 524.

928 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 87e § 546

mieters im Abnahmeprotokoll (vgl. § 546 BGB Rz. 88) bezüglich der Mangelfreiheit der Mietsache es dem Vermieter versagt ist, sich später auf bestehende Mängel, die dieser hätte wahrnehmen können, zu berufen227. Entsprechendes wird angenommen, wenn es nicht zur Erstellung eines Rückgabeprotokolls kommt, der Vermieter aber nach Übergabe der Mietsache und Abnahme des Zustandes der Mietsache keinerlei Vorbehalte mehr macht228. Ob der Vermieter die Mietsache vorbehaltlos „abgenommen“ (= akzeptiert) hat, beruht auf tatsäch- 87b lichen Feststellungen, nämlich auf dem Erklärungswert des Verhaltens des Vermieters im Einzelfall229. Der rechtliche Gehalt der Rückgabe einer Mietsache, die mit Feststellung ihres Zustands verbunden ist, ist daher durch Auslegung im Einzelfall zu ermitteln230. Deshalb kann es ausreichen, dass der Vermieter der Wohnung anlässlich der Rückgabe erklärt, die Wohnung sei „in Ordnung“231 und der Mieter könne sich die Kaution in ein bis zwei Tagen abholen232. Rechtsgrundlage des Abschneidens von Ansprüchen des Vermieters nach vorbehaltloser Rücknahme 87c einer Mietwohnung kann im Einzelfall ein Erlassvertrag, eine Verzichtserklärung bzw. ein negatives Schuldanerkenntnis i.S.v. § 397 Abs. 2 BGB sein, unter Umständen auch ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis oder ein Verstoß gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens gem. § 242 BGB sein233 (vgl. § 546 BGB Rz. 89 f.). Bei der Annahme eines (stillschweigenden) Verzichts des Vermieters auf Ansprüche, die nach der Rückgabe bestehen, ist Vorsicht geboten: Denn an die Feststellung eines Verzichtswillens, der nicht vermutet werden darf, sind strenge Anforderungen zu stellen234. Gerade bei Erklärungen, die als Verzicht, Erlass oder in ähnlicher Weise rechtsvernichtend gewertet werden sollen, ist das Gebot einer interessengerechten Auslegung zu beachten und haben die der Erklärung zugrunde liegenden Umstände besondere Bedeutung. Wenn feststeht oder davon auszugehen ist, dass eine Forderung entstanden ist, verbietet dieser Umstand im Allgemeinen die Annahme, der Gläubiger habe sein Recht einfach wieder aufgegeben. Das bildet in solchen Fällen die Ausnahme235. Die Partei, die sich auf einen Ausnahmefall beruft, muss deshalb einen nachvollziehbaren Grund darlegen, warum der Forderungsinhaber bereit gewesen sein sollte, auf seine Forderung zu verzichten236. Ein Erklärungswert, der die Voraussetzungen einer dieser Rechtsgrundlagen erfüllt, ist nicht festzustel- 87d len, nur weil der Vermieter den Zustand der Mietsache gesichtet hat237 und keine Erklärung in der Art abgibt, dass die Wohnung „in Ordnung“ sei o.Ä. Dies gilt selbst dann, wenn der Vermieter verbal nichts bemängelt oder nur wenig verbal beanstandet (z.B. Matratze, loser Dreck auf einem neuen Teppich, Ausgestaltung des Bades), aber schriftlich nichts festgehalten wird, sondern bloß zahlreiche Fotografien des Zustands der Mietsache gefertigt werden. Fertigt der Vermieter bei Rückgabe der Mietsache Lichtbilder der Mietsache, kann der Mieter dem regelmäßig nicht den Erklärungswert beimessen, dass der Vermieter keine Ansprüche wegen des Zustands der Mietsache verfolgen will238. Denn das Anfertigen von Fotografien dient in einer solchen Situation typischerweise zu Beweiszwecken. Denn Sinn und Zweck dessen ist es, den Zustand der Mietsache möglichst beweissicher festzuhalten. Ob die Bedingungen, die bei der Rückgabe im Hinblick auf das Verhalten der Parteien über die Pflicht, 87e ein Rückgabeprotokoll zu fertigen (§ 546 BGB Rz. 153) und es zu unterschreiben, hinaus geregelt werden können, ist zweifelhaft. Dies kann allenfalls für das Verhalten des Vermieters gelten. Hier kann z.B. 227 Vgl. BGH v. 10.11.1982 – VIII ZR 22/81, BGHZ 85, 267 = MDR 1983, 394 = NJW 1983, 446, unter VI = juris, Rz. 32. 228 Vgl. hierzu LG Mannheim v. 21.3.1974 – 12 S 114/73, WuM 1975, 118 (119). 229 OLG Hamm v. 10.5.2012 – 28 U 166/11, MDR 2012, 1155 = MietRB 2013, 70 = ZMR 2012, 864. 230 Schmidt-Futterer/Streyl, § 546 BGB Rz. 55. 231 LG Berlin v. 7.5.1999 – 63 S 446/98, GE 1999, 1053. 232 LG Mannheim v. 21.3.1974 – 12 S 114/73, WuM 1975, 118 (119). 233 Nachweise bei Schmidt-Futterer/Streyl, § 546 BGB Rz. 55; Sternel, Mietrecht aktuell, XIII Rz. 33 f.; Blank/Börstinghaus, § 538 Rz. 6; Lehmann-Richter, ZMR 2006, 833 f. 234 Z.B. BGH v. 3.6.2008 – XI ZR 353/07, MDR 2008, 1051 = NJW 2008, 2842; BGH v. 19.9.2006 – X ZR 49/05, zitiert nach juris. 235 BGH v. 15.1.2002 – X ZR 91/00, MDR 2002, 749 = NJW 2002, 1044. 236 BGH v. 19.9.2006 – X ZR 49/05, zitiert nach juris; BGH v. 10.5.2001 – VII ZR 356/00, MDR 2001, 859 = NJW 2001, 2325. 237 OLG Hamm v. 10.5.2012 – 28 U 166/11, MDR 2012, 1155 = MietRB 2013, 70 = ZMR 2012, 864. 238 OLG Hamm v. 10.5.2012 – 28 U 166/11, MDR 2012, 1155 = MietRB 2013, 70 = ZMR 2012, 864.

Lützenkirchen | 929

§ 546 Rz. 87e | Rückgabepflicht des Mieters auch in einem vom Vermieter gestellten Vertrag bestimmt werden, dass bei der Rücknahme der Wohnung nicht ausdrücklich gerügte Zustände einen Verzicht auf weitergehende Schadensersatzansprüche bedeuten. Die formularmäßige Regelung, dass der Mieter festgestellte Beschädigungen stets innerhalb einer bestimmten Frist zu beseitigen hat, begegnet aber nicht nur Bedenken aus dem Gesichtspunkt des § 309 Nr. 4 BGB. Vielmehr begründen derartige formularmäßige Vorgaben regelmäßig eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB, weil die Angemessenheit der Fristsetzung eine Einzelfallabwägung voraussetzt und daher die „wahre“ Frist nicht nur kürzer, sondern auch länger sein kann. Abgesehen davon sind zeitliche Vorgaben regelmäßig auch überflüssig. Denn soweit die Beschädigungen auf vertragswidrigem Gebrauch beruhen, unterliegen sie § 280 BGB239, so dass die Verfolgung keiner Fristsetzung bedarf. (1) Abnahmeprotokoll 88 Eine Pflicht zur Durchführung einer Abnahme ist gesetzlich nicht geregelt. Die Rückgabe ist bereits

vollzogen, wenn die Besitzverhältnisse nach den Vorgaben des § 546 BGB verändert werden. Allerdings lässt sich eine Pflicht zur Abnahme, also mindestens eine einvernehmliche Zustandsfeststellung, vertraglich regeln. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn die Parteien im Mietvertrag bestimmt haben, dass über die Rückgabe und den vorgefundenen Zustand ein Protokoll zu fertigen ist (§ 546 BGB Rz. 152 f.). 89 Es ist anerkannt, dass bei Bescheinigung des Vermieters im Abnahmeprotokoll bezüglich der Mangel-

freiheit der Mietsache es dem Vermieter grundsätzlich versagt sein kann, sich später auf bestehende Mängel, die er hätte visuell wahrnehmen können, zu berufen240. Rechtsgrundlage des Abschneidens von Ansprüchen des Vermieters nach vorbehaltloser Rücknahme einer Mietwohnung kann im Einzelfall – ein tatsächliches Anerkenntnis, – ein Erlassvertrag, – eine Verzichtserklärung, – ein negatives Schuldanerkenntnis i.S.v. § 397 Abs. 2 BGB, – ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis oder – ein Verstoß gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens gemäß § 242 BGB sein241. Die Abgrenzung erfolgt nach den Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen und der abgegebenen Erklärungen242. 90 Beschränkt sich der Erklärungswert im Einzelfall (§ 546 BGB Rz. 87c) auf die bloße Beschreibung des

Zustandes, liegt regelmäßig ein tatsächliches Anerkenntnis vor. Dies führt zwar keine Verbindlichkeit der Feststellung herbei. Indessen trägt derjenige, der sich auf einen abweichenden Zustand beruft, dafür die volle Beweislast243. 91 Ein Erlassvertrag i.S.v. § 397 Abs. 1 BGB kommt in Betracht, wenn zwischen den Parteien Einigkeit

über das Bestehen einer Forderung (z.B. des Vermieters) herrscht und diese Schuld (z.B. zugunsten des Mieters) erledigt werden soll, ohne dass das der Schuld zugrundeliegende Schuldverhältnis aufgehoben wird. Da der Mietvertrag in der gegebenen Situation regelmäßig beendet ist, kommt diese Erledigung in der Praxis kaum vor.

239 BGH v. 27.6.2018 – XII ZR 79/17, MDR 2018, 1050 = MietRB 2018, 263 = ZMR 2018, 922 = GE 2018, 994 = NZM 2018, 717; BGH v. 28.2.2018 – VIII ZR 157/17, MDR 2018, 658 = ZMR 2018, 492 = GE 2018, 633 = NZM 2018, 320. 240 BGH v. 10.11.1982 – VIII ZR 252/81, MDR 1983, 394 = ZMR 1983, 93 = NJW 1983, 446; KG v. 13.2.2003 – 8 U 371/01, GE 2003, 524. 241 Nachweise bei Schmidt-Futterer/Streyl, § 546 BGB Rz. 55; Sternel, Mietrecht aktuell, XIII Rz. 33 f.; Blank/Börstinghaus, § 538 BGB Rz. 6; Lehmann-Richter, ZMR 2006, 833 f. 242 Vgl. auch Erman/Wagner, § 397 BGB Rz. 1. 243 BGH v. 11.11.2008 – VIII ZR 265/07, MDR 2009, 192 = GuT 2009, 122 = NJW 2009, 580.

930 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 96 § 546

Der Verzichtsvertrag kommt zustande, wenn durch Vereinbarung festgestellt wird, dass der Gläubiger 92 den ihm zustehenden Anspruch aufgibt244. Oftmals lässt sich der Verzicht nur schwer vom Erlass unterscheiden. Häufig handelt es sich beim Verzicht auch um ein einseitiges Rechtsgeschäft. In vielen Fällen wird das Protokoll, das anlässlich einer Wohnungsübergabe über den Zustand der Räu- 93 me gefertigt wird, als negatives Schuldanerkenntnis der Parteien, insbesondere des Vermieters i.S.v. § 397 Abs. 2 BGB angesehen245. Das setzt voraus246, dass die Vertragsparteien das Schuldverhältnis ganz oder teilweise dem Streit oder der Ungewissheit der Parteien entziehen wollen und sich dahingehend einigen247. Ansprüche bzw. Zustände, die für bestimmte Ansprüche vorliegen müssen, die in dem Protokoll nicht vermerkt sind, können danach nicht mehr geltend gemacht werden. Allerdings sind derartige Erklärungen einschränkend auszulegen. Denn eine Vermutung für einen Verzicht auf Rechte besteht nicht248. Die Anerkenntniswirkung gilt auch dann, wenn die äußeren Umstände nicht geeignet waren, den 94 Zustand vollständig zu erfassen (z.B. schlechte Beleuchtung bei abendlicher Rückgabe), oder sich erst bei näherer Untersuchung feststellen lassen, die Parteien, insbesondere der Vermieter aber eine bloße visuelle Prüfung durchgeführt haben249. Der Mieter darf insoweit annehmen, der Vermieter verzichte auf Ansprüche aus Zuständen, die er bei gehöriger Prüfung hätte erkennen können250. Allerdings ist der Vermieter grundsätzlich nicht mit Ansprüchen ausgeschlossen, wenn sich die dazu notwendigen Feststellungen erst bei Hinzuziehung eines Sachverständigen oder sonstigen Fachmannes treffen lassen251. Das Gegenteil muss – eindeutig252 – vereinbart werden. Ohne ein schriftliches Protokoll soll eine Anerkenntniswirkung entstehen, wenn der Vermieter sich 95 anlässlich der Wohnungsübergabe zufrieden über den Renovierungszustand geäußert hat253 oder die sofortige Rückzahlung der Kaution zugesagt254, im Ergebnis also keinerlei Vorbehalte gemacht hat255. Dies gilt erst recht, wenn er dem Mieter versichert, mit der Schlüsselrückgabe sei die Sache erledigt256. Erst recht gelten diese Grundsätze im kaufmännischen Verkehr, wenn ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben vorliegt, also eine Partei nach der Abnahme die dabei getroffenen Abreden einseitig schriftlich festhält und die andere Partei dem nicht widerspricht257. Die für die Annahme eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses notwendigen Umstände liegen in 96 der Regel vor, wenn die Parteien anlässlich der Rückgabe nicht nur Zustandsfeststellungen treffen, sondern auch über die daraus herzuleitenden Ansprüche (z.B. wegen Schönheitsreparaturen) debattieren und deren Bestehen regeln258. Insoweit ist es unbedeutend, ob die Durchführung, Abgeltung oder die Leistung von Schadensersatz vereinbart wird. Solange die Parteien die Wirkungen nicht ausdrücklich festlegen, muss auch bei dem deklaratorischen Schuldanerkenntnis geprüft werden, ob die Vertragspar-

244 Erman/Wagner, § 397 BGB Rz. 1. 245 LG Potsdam v. 26.2.2009 – 11 S 127/08, GE 2009, 519; LG München I v. 25.9.2002 – 15 S 22038/01, NZM 2003, 714; LG Hamburg v. 15.10.1998 – 327 S 79/98, ZMR 1999, 405 = NZM 1999, 838; AG Leonberg v. 3.2.2015 – 4 C 469/14, IMR 2015, 278; Blank, PiG 52, 43. 246 BGH v. 11.1.2007 – VII ZR 165/05, MDR 2007, 712 = NJW-RR 2007, 530 m.w.N. 247 BGH v. 1.12.1994 – VII ZR 215/93, MDR 1995, 244 = NJW 1995, 960; BGH v. 11.7.1995 – X ZR 42/93, MDR 1996, 352 = NJW 1995, 3311; BGH v. 29.4.1999 – VII ZR 248/98, MDR 1999, 992 = BauR 1999, 1021 = ZfBR 1999, 310; BGH v. 6.12.2001 – VII ZR 241/00, MDR 2002, 450 = BauR 2002, 613 = NZBau 2002, 338. 248 BGH v. 13.1.1999 – XII ZR 208/96, NZM 1999, 371 = NJW-RR 1999, 593. 249 Lehmann-Richter, ZMR 2006, 834 (835). 250 Schmidt-Futterer/Streyl, § 546 BGB Rz. 57. 251 Schmidt-Futterer/Streyl, § 546 BGB Rz. 57. 252 BGH v. 13.1.1999 – XII ZR 208/96, NZM 1999, 371 = NJW-RR 1999, 593. 253 LG Köln v. 18.5.2000 – 1 S 307/99, KM 36 Nr. 7. 254 AG Köln v. 30.11.1999 – 201 C 341/99, KM 36 Nr. 8. 255 OLG Hamm v. 10.5.2012 – 28 U 166/11, MDR 2012, 1155 = MietRB 2013, 70, zitiert nach juris m.w.N. 256 LG Görlitz v. 10.2.1999 – 2 S 112/98, WuM 1999, 363. 257 OLG Düsseldorf v. 18.12.2003 – I-10 U 184/02, NZM 2004, 260. 258 Lehmann-Richter, ZMR 2006, 834 (836).

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§ 546 Rz. 96 | Rückgabepflicht des Mieters teien das Schuldverhältnis ganz oder teilweise dem Streit oder der Ungewissheit der Parteien entziehen wollen und sich dahingehend einigen259. 97 Gerade weil Erklärungen vom Empfängerhorizont auszulegen sind, kann dem deklaratorischen Schuld-

anerkenntnis keine Wirkung beigemessen werden, die über die Kenntnis der Erklärenden hinausgeht. Deshalb kann z.B. in der Verpflichtung zur Durchführung einer Renovierung keine Bestätigung einer unwirksamen Klausel im Mietvertrag gesehen werden, solange der Mieter die Unwirksamkeit nicht kannte260. Der Mieter kann sein Anerkenntnis also nach § 812 Abs. 2 BGB kondizieren, wenn die Parteien nicht ausdrücklich die Unwirksamkeit der Klausel angesprochen hatten261. 98 Sind die Erklärungen, die zu dem Anerkenntnis führen, im Protokoll für eine Vielzahl von Fällen vor-

formuliert, ist zu unterscheiden. Die Beweislastumkehr, die durch das Anerkenntnis herbeigeführt wird, begründet keinen Verstoß gegen § 309 Nr. 12 BGB262. Denn sie ist Rechtsfolge der Vereinbarung und nicht Gegenstand. Werden aber Erklärungen fingiert (§ 308 Nr. 5 BGB) oder soll der Vermieter das Recht haben, auch ohne Mahnung Schadensersatz z.B. für nicht ausgeführte Schönheitsreparaturen zu verlangen (§ 309 Nr. 4 BGB), muss eine Inhaltskontrolle stattfinden. Eine vorformulierte Auftragserteilung an den Vermieter mit Verpflichtung zum Aufwendungsersatz wegen der auftragsgemäß durchgeführten Renovierung ist nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, weil sie auch den Fall erfasst, dass der Mieter nicht (wirksam) zur Renovierung verpflichtet war263. Will der Vermieter darstellen, dass die Vereinbarung dennoch ausgehandelt wurde, trifft ihn die Beweislast. 98a Unabhängig davon, wie der Inhalt des Rückgabeprotokolls gewertet wird (vgl. § 546 BGB Rz. 89), liegt

jedenfalls ein Vertrag bei der Vermietung von Wohnraum vor, so dass die Grundsätze über Widerrufsgeschäfte anwendbar sein können, wenn ein Verbrauchervertrag vorliegt, § 312 Abs. 4 BGB (§ 535 BGB Rz. 70 f.). Deshalb kann der Mieter eine z.B. im Abnahmeprotokoll dokumentierte, außerhalb der Geschäftsräume des Vermieters (§ 312b BGB) zustande gekommene Vereinbarung über Renovierungsund/oder Schadensbeseitigungspflichten noch ein Jahr und 14 Tage (§ 357 Abs. 3 BGB) nach Abschluss widerrufen, wenn er nicht entsprechend § 356 Abs. 3 BGB belehrt wurde. Dies kann im Hinblick auf die Verjährung nach § 548 BGB verheerende Folgen haben. Denn durch den Widerruf wird der Vertrag beseitigt und es gilt der vor der Vereinbarung bestehende Zustand. Hat eine Information über das Widerrufsrecht stattgefunden, ist der Vermieter gut beraten, gegenüber dem Mieter dennoch (vorsorglich) die gesetzlichen Voraussetzungen für seine evtl. nach dem Widerruf wiederauflebende Ansprüche herbeizuführen. Daher sollte er vorsorglich z.B. zum Ablauf der Widerrufsfrist eine Fristsetzung nach § 281 BGB wegen unterlassener Schönheitsreparaturen erklären. (2) Sonstige Vereinbarungen 99 Im Rahmen der Rückgabe können die Parteien über ihre (wechselseitigen) Ansprüche verhandeln und

sie z.B. durch ein Anerkenntnis oder eine Abgeltung regeln. Denkbar ist insoweit, dass der Mieter auf die Rückzahlung der Kaution verzichtet oder eine – ggf. darüber hinausgehende – Pauschale zur Abgeltung der Ansprüche des Vermieters vereinbart wird. Auch eine Ausgleichsquittung, mit der beide Parteien auf ihre wechselseitigen Ansprüche verzichten, kommt in Betracht. Bei der Annahme stillschweigender Einigungen über einen Erlass oder Verzicht weitergehender Ansprüche ist aber Vorsicht geboten. Allein die Rückzahlung der Kaution kann ohne besondere (zusätzliche) Umstände einen solchen Verzicht nicht begründen264.

259 BGH v. 11.1.2007 – VII ZR 165/05, MDR 2007, 712 = NJW-RR 2007, 530; BGH v. 6.12.2001 – VII ZR 241/ 00, MDR 2002, 450 = BauR 2002, 613 = NZBau 2002, 338; BGH v. 29.4.1999 – VII ZR 248/98, MDR 1999, 992 = BauR 1999, 1021 = ZfBR 1999, 310; BGH v. 11.7.1995 – X ZR 42/93, MDR 1996, 352 = NJW 1995, 3311; BGH v. 1.12.1994 – VII ZR 215/93, MDR 1995, 244 = NJW 1995, 960. 260 AG Hildesheim v. 27.2.2009 – 49 C 144/08, NJW-RR 2009, 1613; Lehmann-Richter, GE 2009, 1023 (1024). 261 Lehmann-Richter, ZMR 2006, 834 (837); im Ergebnis ebenso, jedoch durch Auslegung: LG Berlin v. 28.5.2013 – 63 S 347/12, IMR 2013, 499. 262 BGH v. 5.3.1991 – XI ZR 75/90, MDR 1991, 841 = NJW 1991, 1677. 263 BGH v. 29.5.2013 – VIII ZR 285/12, MDR 2013, 900 = MietRB 2013, 230 = GE 2013, 997. 264 OLG Düsseldorf v. 17.3.2011 – 10 U 156/10, ZMR 2013, 626.

932 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 104 § 546

Die Grenzen für die Zulässigkeit solcher Abreden ergeben sich regelmäßig aus §§ 134, 138 BGB, so- 100 fern die Rückgabe nicht als Geschäft i.S.v. § 312b BGB zu werten ist (§ 546 BGB Rz. 98a)265 oder Klauseln zur Anwendung kommen, die der Vermieter für eine Vielzahl von Fällen vorformuliert hat (§ 546 BGB Rz. 98). 6. Erfüllungsort Räume und Grundstücke können nur an dem Ort, an dem sie sich befinden, zurückgegeben werden. 101 Bewegliche Sachen sind, da die Rückgabepflicht eine Bringschuld ist266, am Wohn- oder Geschäftssitz des Vermieters herauszugeben267. Letzteres betrifft insbesondere die Schlüssel zur Mietsache. Deshalb trägt der Mieter das Risiko der Versendung der Schlüssel auf dem Postweg268. Die Parteien können einen anderen Erfüllungsort festlegen. 7. Fälligkeit des Rückgabeanspruchs Nach seinem Wortlaut soll die Fälligkeit des Räumungsanspruchs nach Beendigung des Mietverhältnis- 102 ses eintreten. Obwohl der Vermieter damit eigentlich erst am Tag nach der Beendigung des Mietvertrages eine Rückgabe verlangen kann (§ 271 BGB), geht die überwiegende Meinung davon aus, dass der Anspruch bereits am letzten Tag der Mietzeit fällig wird269. Dies ist dem praktischen Bedürfnis geschuldet, dass der Wohnungswechsel regelmäßig mit dem Ultimo des Monats vereinbart wird und der Vertragsbeginn auf den Anfang des Monats gelegt wird. Bedenken ergeben sich aber daraus, dass der Gesetzgeber am 1.9.2001 trotz der Meinungsverschiedenheit keine Klarstellung herbeigeführt hat. § 193 BGB ist anwendbar270. Dies kann zu praktischen Komplikationen führen. Deshalb ist auch ein 103 formularvertraglicher Ausschluss zulässig und sogar regelbar, dass in den Fällen des § 193 BGB eine vorzeitige Rückgabe stattzufinden hat. Voraussetzung für die Wirksamkeit gemäß § 307 BGB ist aber, dass der Anspruch auf Erstattung zu viel gezahlter Miete nicht ausgeschlossen ist und Ausnahmefälle möglich sind. Letzteres erfordert mindestens, dass eine Karenzzeit (z.B. 10 Tage) vorgesehen wird. 8. Annahmeverzug des Vermieters a) Allgemeines Der Annahmeverzug tritt nicht automatisch mit dem Angebot zur Erfüllung der Rückgabeverpflich- 104 tung nach § 546 Abs. 1 BGB ein271. Zwar genügt ein wörtliches Angebot des Mieters gemäß § 295 S. 1 BGB für den Annahmeverzug, weil der Vermieter an der Bewirkung der Leistung (= Rückgabe) mitwirken muss272. Immerhin ist eine Besitzverschaffung und damit eine Mitwirkung des Vermieters geschuldet. Während der Rückgabeschuldner bei einer beweglichen Sache aber die Möglichkeit hat, sich durch Hinterlegung unter den Voraussetzungen des § 372 BGB von seiner Verpflichtung zu befreien, muss derjenige, der zur Herausgabe eines Grundstücks verpflichtet ist, neben der Räumung zur Herbeiführung des Annahmeverzugs des Gläubigers nach § 303 S. 2 BGB die Besitzaufgabe androhen, bevor er sie realisiert. Werden diese Vorgaben beachtet, tritt gleichzeitig mit der Besitzaufgabe eine

265 AG Köln v. 18.8.2005 – 222 C 82/05, KM 31 Nr. 52; Löfflad, MietRB 2004, 87. 266 Zweifelnd Palandt/Weidenkaff, § 546 BGB Rz. 9. 267 MünchKomm/Bieber, § 546 BGB Rz. 18; Staudinger/Rolfs, § 546 BGB Rz. 36; a.A. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 976 (danach im Zweifel Rückgabe am Überlassungsort). 268 AG Braunschweig v. 1.9.2014 – 31 C 32/14, MietRB 2014, 320 = IMR 2014, 512. 269 BGH v. 19.10.1988 – VIII ZR 22/88, MDR 1989, 247 = NJW 1989, 451 (452) = juris Rz. 13 (Entfernen von Einrichtungen und Einbauten); LG Düsseldorf v. 19.11.1991 – 24 S 294/91, WuM 1992, 191; Blank/Börstinghaus, § 546 BGB Rz. 13; Schmidt-Futterer/Streyl, § 546 BGB Rz. 74; Bamberger/Roth/Ehlert, § 546 BGB Rz. 19; a.A. AG Lichtenberg v. 26.4.2005 – 6 C 442/04, GE 2005, 807; AG Köln v. 8.3.1985 – 218 C 285/84, WuM 1985, 265; MünchKomm/Bieber, § 546 BGB Rz. 15; Sternel, Mietrecht aktuell, XIII Rz. 28; Bub/Treier/Scheuer/Emmerich, V Rz. 13 m.w.N. 270 OLG Hamm v. 4.11.1980 – 4 U 136/80, WuM 1981, 40 (41). 271 OLG Düsseldorf v. 16.1.1997 – 10 U 6/96, MDR 1997, 342 = WuM 1997, 218. 272 OLG Naumburg v. 10.12.2018 – 1 U 25/18 (HS), ZMR 2019, 674 = NZM 2019, 409.

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§ 546 Rz. 104 | Rückgabepflicht des Mieters schuldbefreiende Wirkung ein. Nach der Besitzaufgabe (Preisgabe) kann der Gläubiger keine Herausgabe mehr verlangen273. 105 § 303 BGB ist auf den vertraglichen Herausgabe- und Räumungsanspruch gemäß § 546 Abs. 1 BGB

anwendbar274, soweit er auf die Rückgabe gemieteter Räume gerichtet ist. Danach setzt ein Erlöschen des Rückgabeanspruchs eine Besitzaufgabe i.S.v. §§ 303, 856 Abs. 1 BGB voraus, die allein durch eine bloße Rückgabe sämtlicher Schlüssel noch nicht herbeigeführt wird. Vielmehr ist dazu grundsätzlich auch die vollständige Räumung der Mietsache erforderlich. Deshalb kommt der Vermieter noch nicht in Annahmeverzug, weil er die Rückgabe der Räume wegen des vertragswidrigen Zustandes ablehnt275. 106 Weitere Voraussetzung ist, dass der Mieter ausdrücklich oder durch konkludentes Verhalten vor der

Besitzaufgabe eine Erklärung abgibt, die als Androhung i.S.v. § 303 BGB verstanden werden kann. Diese Anforderung bezweckt, Klarheit über das Vorhaben des Mieters zu schaffen und dem Herausgabegläubiger die erforderliche Planungssicherheit zu geben276. Deshalb kann von einer Androhung nicht allein deshalb abgesehen werden, weil der Mieter sämtliche Schlüssel zurückgegeben hat. Denn allein durch die Schlüsselrückgabe ist aus Sicht des Vermieters nicht klar, ob der Mieter seinen Besitz nunmehr als beendet ansieht oder ob er ihn mit Rücksicht z.B. auf einen nur teilgeräumten Zustand des Mietobjekts weiterhin ausüben möchte. 107 Nur in Ausnahmefällen ist eine vorherige Androhung der Besitzaufgabe entbehrlich. Sie muss untun-

lich sein (§ 303 S. 2 BGB). Das kommt z.B. in Betracht, wenn der Vermieter zum vereinbarten Übergabetermin nicht erscheint oder die Rücknahme des Objekts unberechtigterweise verweigert277. Letzteres ist auch der Fall, wenn der Vermieter nicht bereit ist, vor dem Auszug des Mieters einen Übergabetermin zu benennen278. In diesen Fällen reicht die Besitzaufgabe durch den Mieter, die z.B. durch die Schlüsselübergabe dokumentiert werden kann279, aus, um einen Annahmeverzug zu begründen. Dazu muss die Übergabe der Schlüssel aber wenigstens in Form des § 295 BGB angeboten werden. b) Annahmeverzug bei vorzeitiger Rückgabe 108 Ob bei einer vorzeitigen, also vor Beendigung des Mietvertrages angebotenen Rückgabe überhaupt ein

Annahmeverzug des Vermieters eintreten kann, ist umstritten. Nach einer Auffassung280 ist dies möglich und der Vermieter grundsätzlich zur Rücknahme der Mietsache vor Ende der Mietzeit verpflichtet. Dies soll uneingeschränkt jedoch nur dann gelten, wenn das Ende der Mietzeit unmittelbar bevorsteht281, nicht jedoch, wenn der Mieter die Räume etwa fünf Monate vor dem Ablauf des Vertrages zurückgeben will. Demgegenüber wird die Meinung vertreten282, der Vermieter sei nicht verpflichtet, die Schlüssel zur Mietsache vor Beendigung des Mietvertrages zurückzunehmen. Im konkreten Fall hatte der Mieter ca. zehn Tage vor Ablauf der Mietzeit die Rückgabe der Mietsache angeboten. Vermittelnd soll ein Recht zur vorzeitigen Rückgabe nur beim Vorliegen eines berechtigten Interesses des Mieters bestehen283.

273 OLG Düsseldorf v. 21.1.1999 – 10 U 32/98, MDR 1999, 538 = WuM 1999, 279 = NZM 1999, 1142 = ZMR 1999, 326. 274 OLG Düsseldorf v. 16.1.1997 – 10 U 6/96, MDR 1997, 342 = WuM 1997, 218. 275 OLG Hamburg v. 6.12.1989 – 4 U 26/89, MDR 1990, 247 = WuM 1990, 75. 276 OLG Düsseldorf v. 21.1.1999 – 10 U 32/98, MDR 1999, 538 = WuM 1999, 279 = NZM 1999, 1142 = ZMR 1999, 326. 277 OLG Düsseldorf v. 21.1.1999 – 10 U 32/98, MDR 1999, 538 = WuM 1999, 279 = ZMR 1999, 391. 278 LG Lüneburg v. 29.10.2008 – 6 S 96/08, ZMR 2010, 765. 279 OLG Düsseldorf v. 16.1.1997 – 10 U 6/96, MDR 1997, 342 = WuM 1997, 218. 280 OLG Dresden v. 20.6.2000 – 23 U 403/00, MDR 2001, 82 = ZMR 2001, 265 = NZM 2000, 827; LG Berlin v. 5.6.2014 – 6 S 173/13, ZMR 2014, 977; ähnlich BezG Cottbus v. 9.11.1993 – 3 S 44/93, WuM 1994, 146; LG Mannheim v. 28.10.1981 – 4 S 62/81, WuM 1982, 298. 281 LG Berlin v. 5.6.2014 – 6 S 173/13, ZMR 2014, 977; Schmidt-Futterer/Streyl. § 546 BGB Rz. 77. 282 KG v. 6.5.1999 – 8 U 1700/98, KGR 1999, 265 = NZM 2000, 92; OLG Düsseldorf v. 19.5.1988 – 8 U 163/87, VersR 1989, 46; offengelassen BGH v. 12.10.2011 – VIII ZR 8/11, MietRB 2012, 3 = MDR 2012, 18 = WuM 2012, 95 = ZMR 2012, 175; BGH v. 15.3.2006 – VIII ZR 123/05, MDR 2006, 1398 = MietRB 2006, 231 = NJW 2006, 1588. 283 Staudinger/Rolfs, § 546 BGB Rz. 34.

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B. Wohnraummiete | Rz. 111 § 546

Unabhängig davon, dass eine klarstellende Regelung im Mietvertrag grundsätzlich auch formular- 109 mäßig zulässig ist (§ 546 BGB Rz. 103), sofern sie für Ausnahme- bzw. Einzelfälle einen Vorbehalt vorsieht (z.B. „im Allgemeinen“), verdient die Meinung den Vorzug, die eine vorzeitige Rücknahmepflicht des Vermieters prinzipiell ablehnt. Denn der Vermieter ist schon nicht verpflichtet, die Mietsache quasi auf Zuruf zurückzunehmen284. Dies gilt erst recht, wenn eine Beendigung des Mietvertrages noch nicht herbeigeführt wurde. Abgesehen davon beginnt mit der Rückgabe grundsätzlich die Verjährung nach § 548 Abs. 1 BGB und entfällt mit der Rücknahme vor Beendigung des Mietvertrages regelmäßig nach § 537 BGB der Anspruch des Vermieters auf Mietzahlung. Bei der Begründung einer entsprechenden Pflicht wird daher einseitig auf die Interessen des Mieters abgestellt, wofür ein sachlicher Grund nicht ersichtlich ist. Dies gilt umso mehr, als der Vermieter mit der Rücknahme auch die Obhutspflicht für die Mietsache zurückgewinnt, was u.U. zu einem besonderen Aufwand führt. Deshalb kann eine Pflicht des Vermieters nur angenommen werden, wenn sich der Mieter in der Androhung der Besitzaufgabe gleichzeitig bereit erklärt, den Mietausfall zu übernehmen und eventuelle Mehrkosten durch eine notwendige Beaufsichtigung der Wohnung zu tragen. Ausnahmefälle können sich nach einer Interessenabwägung aus § 242 BGB ergeben285. Allein die (vorzeitige) Entgegennahme von Schlüsseln begründet keinen (konkludenten) Aufhebungsvertrag, so dass der Mieter auch für die Restlaufzeit die Miete schuldet. Dafür müssen weitere Umstände vorliegen, die insbesondere ein entsprechendes Erklärungsbewusstsein des Vermieters erkennen lassen. Nur weil der Vermieter zuvor einen Aufhebungsvertrag angeboten hat, dessen Annahmefrist abgelaufen ist, bestehen solche Umstände nicht286. 9. Rechtsfolgen der Verletzung der Räumungspflicht a) Verzögerte Rückgabe Eine verspätete Rückgabe kann zu Ansprüchen aus § 546a Abs. 1 BGB (bei Wohnraummiete ist § 571 110 BGB zu beachten) und ggf. auch zu Ansprüchen auf Ersatz des weiteren Verzugsschadens (§§ 546a Abs. 2, 280 Abs. 1, 2, 286 BGB) führen287. Verzug tritt dabei ohne Mahnung ein, weil die Leistung durch die Rückgabepflicht am letzten Tag der Mietzeit kalendermäßig bestimmt ist288. Ein Verschulden kann durch einen Rechtsirrtum behaftet sein (vgl. § 543 BGB Rz. 267 f.); allerdings muss sich der Mieter das Verschulden seines Rechtsberaters zurechnen lassen289. § 281 BGB soll bei einer unterbliebenen Rückgabe nicht anwendbar sein290. Zwar stellt die Rückgabe 111 eine Hauptpflicht des Mieters dar. Der Schadensersatz statt der Leistung liefe aber unter Anwendung des § 281 Abs. 4 BGB im Ergebnis auf den Ersatz des Wertes der Mietsache (gegen deren Übereignung), also eine Art „Zwangsverkauf“ hinaus291. Das Problem wurde im Gesetzgebungsverfahren „übergangen“ mit dem Hinweis, dass es sich um eine theoretische Fallgestaltung handelt und Missbrauchsfälle über § 242 BGB gelöst werden sollen292. Da schon kein Missbrauch (durch den Vermieter) ersichtlich ist, bleibt auch die Rechtsfolge einer Anwendung von § 242 BGB unklar. Um dieses durch die Schuldrechtsmodernisierung bewusst hervorgerufene Dilemma zu beseitigen, werden derzeit folgende Lösungsansätze diskutiert: – mangelndes Vertretenmüssen der unterlassenen Rück- bzw. Herausgabe293, – Rechtsmissbrauch bei unterlassener Rück- bzw. Herausgabe294,

BGH v. 12.10.2011 – VIII ZR 8/11, MietRB 2012, 3 = MDR 2012, 18 = WuM 2012, 95 = ZMR 2012, 175. Vgl. Pauly, NZM 2012, 553; MünchKomm/Bieber, § 546 BGB Rz. 16. LG Kassel v. 26.10.2018 – 1 S 218/18, DWW 2019, 173. Gruber, WuM 2002, 252 (253); näheres unter § 546a BGB Rz. 88 ff. Staudinger/Rolfs, § 546 BGB Rz. 31. LG Bonn v. 11.3.2011 – 6 S 170/09, zitiert nach juris. Palandt/Grüneberg, § 281 BGB Rz. 4; a.A. Fervers, WuM 2018, 429. Dazu: Köhler, NZM 2014, 729. BT-Drucks. 14/6040, S. 138; vgl. auch Kandelhard, NJW 2002, 3291 (3294 ff.); zu einem praktischen Fall OLG Brandenburg v. 24.10.2012 – 3 U 106/11, MietRB 2013, 53 = Info M 2013, 34. 293 MünchKomm/Ernst, § 281 BGB Rz. 116a. 294 BT-Drucks. 14/6040, S. 138; Palandt/Grüneberg, § 281 BGB Rz. 4. 284 285 286 287 288 289 290 291 292

Lützenkirchen | 935

§ 546 Rz. 111 | Rückgabepflicht des Mieters – – – – –

Grundsätzlicher Ausschluss von Schadensersatz bei Besitzherausgabeansprüchen295, Vorrang von Schuldnerschutz bei unverhältnismäßig hoher Belastung durch Schadensersatz296, Schadensersatz Zug um Zug gegen Übereignung297, Schadensersatz nach dem Wert des Besitzrechtes298, Beschränkung der Anwendung des § 281 Abs. 4 BGB auf den Nichteigentümer-Gläubiger, der gegenüber dem Eigentümer berechtigter Besitzer ist und zusätzlich negatorischen Besitzschutz nach § 823 Abs. 1 BGB reklamieren kann299.

b) Schadensersatz wegen Schlüsselverlust aa) Haftungsgrund 112 Zu den Obhutspflichten des Mieters gehört es, die Schlüssel zur Mietsache sorgsam aufzubewahren

und darauf zu achten, dass sie nicht in Verlust geraten300. Deshalb muss der Mieter Sicherungsvorkehrungen dagegen treffen301. Ein Verlust auf dem Postweg fällt in seinen Risikobereich302. Rührt ein Schaden an der Mietsache aus der Sphäre des Mieters her, ist es seine Sache, sich dahin zu entlasten, dass der Schaden unvermeidbar war303. Durch den Verlust der Schlüssel zu den Mieträumen verletzt der Mieter nicht nur das Eigentum des Vermieters an den Schlüsseln, sondern zusätzlich die Sachgesamtheit304 „Schließanlage“ für das Gebäude, wenn eine missbräuchliche Verwendung der zu der Schließanlage passenden Schlüssel infolge der bei dem Verlust bestehenden Umstände zu befürchten ist305. Letzteres ist auch anzunehmen, wenn der Mieter zu den Umständen des Verlustes nicht näher vorträgt306 oder die Umstände ungeklärt bleiben307. 113 Kann der Mieter nicht alle Schlüssel zur Wohnung zurückgeben, besteht daher grundsätzlich ein Scha-

densersatzanspruch des Vermieters. Dies gilt auch dann, wenn der/die fehlenden Schlüssel vom Mieter selbst angeschafft wurden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn ein Missbrauch droht, so dass Gefahr für die Sicherheit der anderen Bewohner des Hauses oder einen Nachmieter besteht. 114 Ein Schadensersatzanspruch, der sich zusätzlich aus § 280 BGB wegen des Verlustes bzw. der Schlecht-

erfüllung der Rückgabe ergeben kann, setzt allerdings voraus, dass der Mieter den Verlust zu vertreten hat308. Mit Rücksicht darauf ist eine Formularklausel in einem Mietvertrag über Wohnraum, nach der der Vermieter bei Verlust eines Schlüssels berechtigt ist, auf Kosten des Mieters ein Austauschschloss anzubringen und die erforderliche Anzahl von Schlüsseln anzufertigen, nach § 307 BGB unwirksam. Denn sie eröffnet eine verschuldensunabhängige Haftung des Mieters309. 115 Ein ausreichendes fahrlässiges Verhalten liegt z.B. vor, wenn der mietende Arzt den Generalschlüssel

im Behandlungszimmer offen liegen lässt und er von dort gestohlen wird, zumal wenn es sich um eine

295 296 297 298 299 300 301 302 303 304 305 306 307 308 309

Staudinger/Gursky, § 985 BGB Rz. 80 m.w.N. Jost, FS Derleder, S. 145 (152). OLG Brandenburg v. 24.10.2012 – 3 U 106/11, MietRB 2013, 53 = Info M 2013, 34. Katzenstein/Hüftle, NZM 2004, 601 (604); Schwab, NZM 2003, 50; Brauer, NotBZ 2002, 402 (405). Köhler, NZM 2014, 729 (742). Vgl. LG Hamburg v. 14.7.1998 – 316 S 55/98, NZM 1999, 410 = NJW-RR 1999, 663 = WuM 1999, 327 f.; Landvoigt, GE 2007, 1301 (1303). OLG Bamberg v. 25.6.1987 – 1 U 30/87, zitiert nach juris, Rz. 2. AG Braunschweig v. 1.9.2014 – 31 C 32/14, MietRB 2014, 320 = IMR 2014, 512. Vgl. Wolf/Eckert/Ball/Eckert, Rz. 549. Zum Begriff vgl. Palandt/Ellenberger, Überbl. v. § 90 BGB Rz. 5. KG v. 11.2.2008 – 8 U 151/07, MDR 2008, 1029 = MietRB 2008, 360 = DWW 2008, 145 = GE 2008, 599 = GuT 2008, 113 = ZMR 2008, 618; LG Münster v. 14.7.1989 – 10 S 63/89, WuM 1989, 508 f. LG Berlin v. 8.3.2016 – 63 S 213/15, GE 2016, 531. LG Berlin v. 2.12.2016 – 63 S 112/16, GE 2017, 228. AG Spandau v. 10.12.2012 – 6 C 546/12, GE 2013, 271; AG Halle/Saale v. 17.3.2009 – 93 C 4044/08, NZM 2009, 739; AG Hamburg v. 26.8.1999 – 47 C 178/99, WuM 1999, 687 = NZM 1999, 618. LG Hamburg v. 14.7.1998 – 316 S 55/98, NJW-RR 1999, 663; AG Spandau v. 10.12.2012 – 6 C 546/12, GE 2013, 271.

936 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 119 § 546

Praxis handelt, in der Drogentherapie betrieben wird310. Gleiches gilt, wenn der Mieter die Schlüssel in einem unbeaufsichtigt abgestellten Pkw zurücklässt und diese bei einem Einbruch entwendet werden311, selbst wenn sich der Schlüssel in einer Notebooktasche unter dem Sitz des abgeschlossenen Pkw befindet312. Hat der Mieter aber den Schlüssel im Krankenhaus in einem Wertfach deponiert, hat er für einen Diebstahl nicht einzustehen313. Denn ein solches Schließfach wird ja gerade zur Vermeidung von Diebstahl o.Ä. angemietet. Der Mieter muss sich über § 278 BGB auch das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen zurechnen las- 116 sen314. Dazu zählen Mitarbeiter315, Angehörige oder sonstige Personen, die mit Wissen und Wollen des Mieters im Rahmen seiner Obhutspflicht tätig werden. Ist der Vermieter Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft, haftet er den übrigen Miteigentümern nach § 278 BGB für das Verschulden seiner Mieter und Untermieter316 und kann als Schadensersatz vom Mieter Freistellung (Zahlung an die Wohnungseigentümergemeinschaft) verlangen, soweit er wegen des abhanden gekommenen Schlüssels seinerseits Schadensersatzansprüchen der Wohnungseigentümergemeinschaft ausgesetzt ist. Der Schadensersatzanspruch ist ausgeschlossen, wenn der Vermieter dem Mieter in einer Aufhebungs- 117 vereinbarung eine Generalquittung erteilt hat. Dies gilt jedenfalls für einen Schlüsselverlust vor Abschluss der Aufhebungsvereinbarung317. Für einen späteren Verlust des Schlüssels, der von der Generalquittung nicht erfasst wird, ist der Vermieter darlegungs- und beweispflichtig. bb) Umfang des Schadens Der Umfang des Schadensersatzanspruchs richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Ist aus- 118 geschlossen, dass ein Dritter den Schlüssel einer bestimmten Wohnung zuordnen kann, haftet der Mieter nur für die Kosten der Beschaffung eines Ersatzschlüssels. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn der Schlüssel auf einer Bootsfahrt an einer unzugänglichen Stelle über Bord geht. Ergibt sich aus den Umständen ein besonderes Gefährdungsrisiko318, ist der Vermieter nicht nur auf 119 die Ersatzbeschaffung eines Schlüssels beschränkt. Vielmehr können auch Kosten für Sicherungsmaßnahmen ersetzt verlangt werden319. Ein ausreichendes Gefährdungspotential ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Schlüssel zusammen mit Ausweispapieren abhandenkommen, so dass eine Identifikation der Mieträume für einen Dritten ohne weiteres möglich ist320. Gleiches gilt, wenn sich die Schlüssel im Besitz eines sonstigen Dritten befinden, z.B. des ehemaligen Lebensgefährten, der die Herausgabe verweigert und die Wohnung kennt. Ebenso kann von dem Dienstwagen eines Mitarbeiters auf den Hauptsitz des Mieters geschlossen werden321 und erst recht, wenn die verlorenen Schlüssel beschriftet waren322. Für die Beurteilung der Gefahr ist es unerheblich, ob weitere Schlüssel zur Schließanlage fehlen323. Denn die Gefahr wird dadurch zumindest erhöht. Die Gefahr entfällt auch nicht da-

310 AG Frankfurt v. 12.5.2010 – 33 C 4131/09-30, GE 2010, 1750. 311 AG Hohenschönhausen v. 27.7.2004 – 5 C 348/03, GE 2004, 1397. 312 KG v. 11.2.2008 – 8 U 151/07, MDR 2008, 1029 = MietRB 2008, 360 = DWW 2008, 145 = GE 2008, 599 = GuT 2008, 113 = ZMR 2008, 618. 313 AG Ahrensburg v. 25.6.2010 – 47 C 1171/09, GE 2010, 1750. 314 AG Frankfurt v. 12.5.2010 – 33 C 4131/09-30, GE 2010, 1750. 315 KG v. 11.2.2008 – 8 U 151/07, MDR 2008, 1029 = MietRB 2008, 360 = DWW 2008, 145 = GE 2008, 599 = GuT 2008, 113 = ZMR 2008, 618. 316 KG v. 15.7.2002 – 24 W 21/02, NZM 2002, 869; BayObLG v. 18.3.1970 – BReg 2 Z 36/69, NJW 1970, 1551; LG Dortmund v. 15.2.2000 – 9 T 1211/99 WEG, NZM 2000, 1016; Bärmann/Klein, § 14 WEG Rz. 48 m.w.N.; Kirchhoff, ZMR 1989, 323, 324; Schmid, MDR 2010, 1367 (1369). 317 AG Hamburg v. 22.1.2009 – 40A C 303/08, ZMR 2009, 927. 318 AG Frankfurt v. 12.5.2010 – 33 C 4131/09, ZMR 2010, 862 (für Arztpraxis mit Drogentherapie); AG Ludwigshafen v. 13.4.2010 – 8 C 3212/09, WuM 2010, 355; Zich, MietRB 2004, 302. 319 OLG Dresden v. 20.8.2019 – 4 U 665/19, MietRB 2020, 3 (Mettler) = GE 2019, 1418. 320 AG Neuss v. 6.2.1991 – 30 C 439/90, WuM 1991, 679. 321 KG v. 11.2.2008 – 8 U 151/07, MDR 2008, 1029 = MietRB 2008, 360 = DWW 2008, 145 = GE 2008, 599 = GuT 2008, 113 = ZMR 2008, 618. 322 OLG Dresden v. 20.8.2019 – 4 U 665/19, MietRB 2020, 3 (Mettler) = GE 2019, 1418. 323 OLG Dresden v. 20.8.2019 – 4 U 665/19, MietRB 2020, 3 (Mettler) = GE 2019, 1418.

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§ 546 Rz. 119 | Rückgabepflicht des Mieters durch, dass seit dem Verlust ein längerer Zeitraum vergangen ist. Immerhin muss damit gerechnet werden, dass Diebe jede Gelegenheit ergreifen324. Ist eine Zentralschließanlage vorhanden, zu der die verlorenen Schlüssel passten, kann der Vermieter sämtliche Schließzylinder im Haus auswechseln lassen und die Kosten von dem Mieter ersetzt verlangen325. 120 Besteht kein Gefährdungspotential, reicht regelmäßig zunächst das Auswechseln der Schlösser und

Schlüssel aus, die zu der jeweiligen Schließanlage gehören (z.B. Haustür, Zwischentür oder Zimmertür)326. Lassen sich die Umstände des Verlustes nicht klären, ist im Zweifel von einer Missbrauchsgefahr auszugehen327. 121 Teilweise wird vertreten, dass ein Schadensersatzanspruch bei Schlüsselverlust nur dann bestehen soll,

wenn der Schlüssel bzw. das Schloss auch tatsächlich ausgetauscht wird (konkrete Schadensberechnung); denn durch einen verlorenen Schlüssel und der damit einhergehenden Befürchtung, damit könne Missbrauch betrieben werden, erleide die Mietsache keine Wertminderung, sodass auf der Grundlage eines Kostenvoranschlages durch abstrakte Schadensberechnung kein Schadensersatz gewährt werden könne328. Dem ist der BGH329 für die abstrakte Schadensberechnung eines vermietenden Sondereigentümers gefolgt und hat einen Vermögensschaden verneint, solange die Schließanlage durch die Eigentümergemeinschaft nicht ausgetauscht worden sei. Der schuldhafte Verlust eines Schlüssels stelle keine Substanzverletzung der Sachgesamtheit330 „Schließanlage“ dar. Da allein die Sicherungsfunktion beeinträchtigt sei, komme eine abstrakte Schadensberechnung nicht in Betracht331. 122 Ob bei der Berechnung des Schadens ein Abzug „neu für alt“ vorzunehmen ist, wird nicht einheitlich

gesehen. Während dies einerseits generell bejaht und eine Nutzungsdauer von 20-25 Jahren angenommen wird332, stellen andere darauf ab, ob die Schließanlage im Zeitpunkt des Austausches funktionsfähig war. In diesem Fall soll sich der Abzug „neu für alt“ verbieten333. Letzteres ist zutreffend. Bei der Schließanlage handelt es sich um eine Sachgesamtheit334, so dass die Vorteilsausgleichung zwar anwendbar ist335. Durch die Vorteilsaugleichung soll aber die Wertsteigerung ausgeglichen werden336. Bei der Bewertung der Schließanlage steht ihre Funktion im Vordergrund337. Diese ist unabhängig vom Alter gewährleistet, solange sie nicht reparaturbedürftig ist. Eine regelmäßige Pflege kann dazu führen, dass die Schließanlage über einen nicht mehr überschaubaren Zeitraum in Gebrauch bleiben kann. Deshalb ist eine Wertsteigerung überhaupt nicht messbar, was indessen Voraussetzung für den Abzug „neu für alt“ ist338. Daher ist eine Kürzung aus dem Gesichtspunkt des Abzuges „neu für alt“ nicht gerechtfertigt. Das gilt erst recht, wenn nur Teile einer Schließanlage ausgetauscht werden, weil dadurch die 324 KG v. 11.2.2008 – 8 U 151/07, MDR 2008, 1029 = MietRB 2008, 360 = DWW 2008, 145 = GE 2008, 599 = GuT 2008, 113 = ZMR 2008, 618; LG Heidelberg v. 24.6.2013 – 5 S 52/12, MDR 2013, 902 = MietRB 2013, 232 = ZMR 2014, 41 = GE 2013, 945; a.A. AG Wolfratshausen v. 30.7.2013 – 8 C 1056/12, ZMR 2014, 47. 325 AG Hohenschönhausen v. 27.7.2004 – 5 C 348/03, GE 2004, 1397. 326 LG Köln v. 29.7.1992 – 10 S 150/92, VersR 1994, 690. 327 LG Heidelberg v. 24.6.2013 – 5 S 52/12, MDR 2013, 902 = MietRB 2013, 232 = ZMR 2014, 41 = GE 2013, 945. 328 LG Freiburg v. 9.4.2013 – 7 C 234/12, IMR 2013, 371; LG Wiesbaden v. 17.12.1998 – 1 S 146/97, NZM 1999, 308; AG Ludwigshafen v. 13.4.2010 – 8 C 3212/09, WuM 2010, 355; AG Rheinbach v. 7.4.2005 – C 199/04, NZM 2005, 822. 329 BGH v. 5.3.2014 – VIII ZR 205/13, MietRB 2014, 163 = WuM 2014, 279 = NZM 2014, 303. 330 Zum Begriff vgl. Palandt/Ellenberger, Überbl. v. § 90 BGB Rz. 5. 331 A.A. LG Heidelberg v. 24.6.2013 – 5 S 52/12, MDR 2013, 902 = MietRB 2013, 232 = ZMR 2014, 41 = GE 2013, 945. 332 OLG Dresden v. 20.8.2019 – 4 U 665/19, MietRB 2020, 3 (Mettler) = GE 2019, 1418; LG Heidelberg v. 24.6.2013 – 5 S 52/12, MDR 2013, 902 = MietRB 2013, 232 = ZMR 2014, 41 = GE 2013, 945; LG Freiburg v. 23.4.2013 – 9 S 154/12, Info M 2013, 327; AG Brandenburg v. 1.9.2014 – 31 C 32/14, NZM 2015, 307. 333 KG v. 11.2.2008 – 8 U 151/07, MDR 2008, 1029 = MietRB 2008, 360 = DWW 2008, 145 = GE 2008, 599 = GuT 2008, 113 = ZMR 2008, 618; AG Frankfurt v. 12.5.2010 – 33 C 4131/09, ZMR 2010, 862. 334 BGH v. 5.3.2014 – VIII ZR 205/13, MietRB 2014, 163 = WuM 2014, 279 = NZM 2014, 303; zum Begriff vgl. Palandt/Ellenberger, Überbl. v. § 90 BGB Rz. 5. 335 Erman/Ebert, vor § 249 BGB Rz. 104 m.w.N. 336 Erman/Ebert, vor § 249 BGB Rz. 104 m.w.N. 337 BGH v. 5.3.2014 – VIII ZR 205/13, MietRB 2014, 163 = WuM 2014, 279 = NZM 2014, 303. 338 Erman/Ebert, vor § 249 BGB Rz. 104 m.w.N.

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B. Wohnraummiete | Rz. 124 § 546

Lebenszeit der gesamten Anlage nicht verlängert wird339. Die Darlegungs- und Beweislast für einen Abzug trägt im Übrigen der Mieter als Schädiger340. c) Schadensersatz wegen unterbliebenem Rückbau; Beschädigung und Abhandenkommen von Einrichtungen Grundsätzlich führt die Schlechterfüllung der Räumungspflicht nicht zur Nichterfüllung des § 546 123 BGB, sondern zu einem Schadensersatzanspruch des Vermieters nach § 280 Abs. 1 BGB341. Denn die Beseitigungspflicht des Mieters ist eine Nebenpflicht der eigentlichen Räumungspflicht342. Dieser Ersatzanspruch wird mit der Beendigung und Rückgabe der Mietsache fällig. Nichts anderes gilt für Ansprüche wegen Beschädigung der Mietsache, die am Ende der Mietzeit geltend gemacht werden343. Die Gegenmeinung, die eine Verletzung der Obhutspflicht durch den Mieter annimmt und deshalb die Anspruchsgrundlage aus § 281 Abs. 1 BGB herleitet344, verkennt, dass diese Pflichtverletzung zu Ansprüchen aus § 280 BGB führt, die sich durch die Beendigung und Rückgabe nicht „umwandeln“345 (§ 546 BGB Rz. 124). Macht der Vermieter Schadensersatz wegen Beeinträchtigung der Bausubstanz geltend, ist zu unter- 123a scheiden: Liegt eine Abnutzung der Renovierung vor, sind Schönheitsreparaturen geschuldet, sofern sie wirksam übertragen wurden (§ 535 BGB Rz. 556 f.). Daraus kann ein Schadensersatzanspruch nur unter den Voraussetzungen des § 281 BGB hergeleitet werden (§ 535 BGB Rz. 649 f.). Liegen dagegen Substanzschäden (z.B. vom Mieter verursachter Schimmel) vor, die bereits während der Mietzeit eingetreten sind, ergibt sich der Schadensersatzanspruch grundsätzlich ohne Fristsetzung aus § 280 Abs. 1 BGB346. Dies gilt bei Beschädigungen der Mietsache347 aus der Verletzung von Obhutspflichten jedenfalls aus- 124 nahmslos, solange der Mietvertrag keine abweichende Vereinbarung enthält. Letzteres kann z.B. der Fall sein, wenn der Mietvertrag ausdrücklich anordnet, dass nach Beendigung des Mietvertrages Schadensersatz wegen Beschädigung der Mietsache nur nach vorheriger Fristsetzung (mit Ablehnungsandrohung?) verlangt werden kann. Ausnahmsweise ist aber eine Fristsetzung gem. § 281 BGB bei Verletzung der Rückbauverpflichtung auf jeden Fall erforderlich, wenn der Rückbau mit Blick auf Umfang und Kosten der Maßnahmen zu erheblichen Aufwendungen führt348 und im Mietvertrag eine Regelung enthalten ist, die den Mieter ausdrücklich zum Rückbau verpflichtet349. Denn dadurch kommt zum Ausdruck, dass auch die Verletzung der Hauptpflicht zur Rückgabe (§ 546 BGB) eine hauptpflichtähnliche Bedeutung haben sollte. Die Erheblichkeitsgrenze wird bei 2.500 Euro angelegt350. In diesem Fall soll eine Hauptverpflichtung des Mieters anzunehmen sein351, so dass § 281 BGB zwar nicht unmittel-

339 LG Berlin v. 2.12.2016 – 63 S 112/16, GE 2017, 228. 340 Erman/Ebert, vor § 249 BGB Rz. 84. 341 OLG Düsseldorf v. 28.3.2013 – 10 U 72/12, ZMR 2013, 629; AG Wipperfürth v. 4.4.2014 – 1 C 207/13, ZMR 2014, 806. 342 BGH v. 2.10.1996 – XII ZR 65/95, NJWE-MietR 1996, 266; offen gelassen BGH v. 16.3.1988 – VIII ZR 184/ 87, MDR 1988, 668 = NJW 1988, 1779 (1780). 343 LG Saarbrücken v. 21.11.2014 – 10 S 60/14, MietRB 2015, 170 = IMR 2015, 57. 344 OLG Düsseldorf v. 12.1.2016 – 24 U 62/15, ZMR 2017, 639; Schmidt-Futterer/Streyl, § 546 BGB Rz. 48; Wolf/ Eckert/Ball, Rz. 660. 345 BGH v. 27.6.2018 – XII ZR 79/17, MietRB 2018, 263 = MDR 2018, 1050 = GE 2018, 994 = DWW 2018, 260; BGH v. 28.2.2018 – VIII ZR 157/17, MDR 2018, 658 = ZMR 2018, 492 = GE 2018, 633 = NZM 2018, 320. 346 BGH v. 27.6.2018 – XII ZR 79/17, MietRB 2018, 263 = MDR 2018, 1050 = GE 2018, 994 = DWW 2018, 260; BGH v. 28.2.2018 – VIII ZR 157/17, MDR 2018, 658 = ZMR 2018, 492 = GE 2018, 633 = NZM 2018, 320; LG Saarbrücken v. 21.11.2014 – 10 S 60/14, MietRB 2015, 170 = ZMR 2015, 32. 347 BGH v. 27.6.2018 – XII ZR 79/17, MietRB 2018, 263 = MDR 2018, 1050 = GE 2018, 994 = DWW 2018, 260; BGH v. 28.2.2018 – VIII ZR 157/17, MDR 2018, 658 = ZMR 2018, 492 = GE 2018, 633 = NZM 2018, 320. 348 OLG Düsseldorf v. 21.4.2009 – 24 U 56/08, MDR 2009, 977 = MietRB 2009, 256 = GE 2009, 1045 (hier: 3 361,08 Euro). 349 BGH v. 2.10.1996 – XII ZR 65/95, WuM 1997, 217 = NJWE-MietR 1996, 266. 350 Lützenkirchen/Horst, AHB Mietrecht, K Rz. 328 m.w.N. 351 Brandenburgisches OLG v. 26.3.1997 – 3 U 159/96, ZMR 1997, 584.

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§ 546 Rz. 124 | Rückgabepflicht des Mieters bar, sondern mittelbar über §§ 323, 325 BGB anzuwenden ist352. Tatsächlich muss die Frage aber im Einzelfall beantwortet werden. Für eine Hauptleistungspflicht beim Rückbau spricht jedenfalls, wenn der Rückbau im Vertrag ausdrücklich erwähnt ist; denn dadurch bringen die Parteien im Zweifel zum Ausdruck, dass der Rückbaupflicht ein besonderes Gewicht beizumessen ist353. 125 Der Anspruch aus § 281 BGB wird zwar erst mit der Beendigung des Mietvertrags fällig, so dass grund-

sätzlich auch erst danach Verzug eintreten und wirksam eine Frist i.S.d. §§ 325, 281 Abs. 1 BGB gesetzt werden kann. Dieser Voraussetzung bedarf es aber dann nicht, wenn der Mieter bereits vor Eintritt der Fälligkeit die Leistung endgültig und ernsthaft ablehnt354. Dies kann insbesondere angenommen werden, wenn die ablehnende Haltung des Mieters nach Beratung durch einen Rechtsanwalt erfolgt355. 125a Die Rückbauverpflichtung entfällt vollständig, wenn der Vermieter (oder auch der Nachmieter356)

nach der Rückgabe Umbauarbeiten plant, die die Durchführung des Rückbaus sinnlos machen. Das muss mit ausreichender Sicherheit feststehen357. Dann entfällt auch ein Schadensersatzanspruch. Ein Ausgleichsanspruch ist dem Vermieter grundsätzlich nicht zu gewähren, da die Rückbaupflicht unabhängig von der Höhe der Miete besteht358 (§ 546 BGB Rz. 78). 125b Macht der Vermieter einen Schadensersatzanspruch wegen Beschädigung der Mietsache geltend, trifft

den Mieter grundsätzlich die Beweislast, dass ihn an der Beschädigung kein Verschulden trifft359. 125c Soll ein Anspruch wegen Beschädigung der Mietsache, deren Anlagen oder Einrichtungen geltend

gemacht werden, muss beim Austausch von Teilen (Türen, Fenster etc.) der Schädiger (i.d.R. der Mieter) die Voraussetzungen vortragen360. Insoweit reicht es aber aus, dass er die nach seiner Wahrnehmung messbare Wertsteigerung angibt. Den Vermieter trifft insoweit ein sekundäre Darlegungslast, da er die Bemessungsgrundlage kennt, insbesondere den Preis und das Alter der beschädigten Teile. Da über die Vorteilsausgleichung die Wertsteigerung erfasst werden soll, ist zu ermitteln, ob dem Vorteil, der ausgeglichen wird, ein entsprechender Nachteil zugeordnet werden kann361. Ob dies der Fall ist, kann vor einer Gesamtsaldierung der Vermögenslagen allerdings nur in Bezug auf die einzelnen Schadenspositionen beurteilt werden, weil grundsätzlich nur solche Vorteile anrechenbar sind, die mit einem bestimmten Nachteil korrespondieren. Die Vorteilsausgleichung erfolgt also nicht bei der Endsaldierung aller Aktiv- und Passivposten gegenüber dem Gesamtbetrag des Schadens, sondern betrifft nur den Schadensposten, der mit dem Vorteil kongruent ist362. Ob sich ein Vorteil ergibt, ist nach den Verhältnissen des Geschädigten zu beurteilen. Deshalb kommt trotz Erneuerung einer Einrichtung eine Vorteilsausgleichung nicht in Betracht, wenn sie für den Geschädigten keinen spürbaren Vorteil bringt, also sich das individuelle Nutzungspotenzial für den Geschädigten nicht erhöht hat. Das ist z.B. der Fall, wenn das Objekt in absehbarer Zeit (hier: zwei Jahre) abgerissen wird363. 125d Mit Rücksicht darauf kommt es darauf an, ob das einzelne beschädigte Teil für sich genommen eine

messbare Wertsteigerung erfahren hat. Handelt es sich z.B. um einen Teil der Mietsache, der wesentlicher Bestandteil der Mietsache ist und nach dessen Entfernung zerstört wird, lässt sich bei wertender Betrachtung eine relevante Wertsteigerung nicht feststellen, solange nicht die Hauptsache (i.d.R. das Gebäude oder zumindest die Wohnung) eine (spürbare) Wertsteigerung erfährt. Deshalb findet bei der Erneuerung von acht Jahre alten (Abwasser-)Leitungen kein Abzug „neu für alt“ statt, weil für das Gebäude auch unter Berücksichtigung von künftig ersparten Reparaturarbeiten keine (spürbare) Wert-

352 Vgl. BGH v. 20.10.1976 – VIII ZR 51/75, NJW 1977, 36; BGH v. 16.3.1988 – VIII ZR 184/87, MDR 1988, 668 = NJW 1988, 1779 (1780) (unter II 1b); BGH v. 2.10.1996 – XII ZR 65/95, NJWE-MietR 1996, 266, jeweils zu § 326 BGB a.F.; Palandt/Weidenkaff, § 546 BGB Rz. 7. 353 BGH v. 19.10.1988 – VIII ZR 22/88, MDR 1989, 247 = NJW 1989, 451 (452). 354 Vgl. BGH v. 19.10.1988 – III ZR 22/88, MDR 1989, 247 = NJW 1989, 451 (452) (unter II 2c). 355 OLG Düsseldorf v. 21.4.2009 – I-24 U 56/08, MDR 2009, 977 = MietRB 2009, 256 = GE 2009, 1045. 356 Langenberg/Zehelein, Schönheitsreparaturen, III Rz. 86 m.w.N. 357 Langenberg/Zehelein, Schönheitsreparaturen, III Rz. 86. 358 BGH v. 23.10.1985 – VIII ZR 231/84, MDR 1986, 226 = WuM 1986, 57 = ZMR 1986, 48. 359 BGH v. 14.4.1976 – VIII ZR 288/74, WuM 1978, 90 = ZMR 1978, 141. 360 Erman/Ebert, vor § 249 BGB Rz. 84. 361 BGH v. 6.6.1997 – V ZR 115/96, MDR 1997, 924 = GE 1997, 1577. 362 BGH v. 6.6.1997 – V ZR 115/96, MDR 1997, 924 = GE 1997, 1577. 363 OLG Köln v. 1.8.2014 – 11 U 23/14, zitiert nach juris.

940 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 125g § 546

steigerung festgestellt werden kann364. Bodenbelag bildet mit der Mieteinheit eine Sachgesamtheit, jedenfalls liegt ein wesentlicher Bestandteil des Grundstücks/Gebäudes nach § 94 BGB vor, wenn der Bodenbelag fest verbunden/verklebt ist. Denn textile Bodenbeläge, PVC- oder Linoleumböden, Parkett- oder Laminatboden können bei dieser Verbindung i.d.R. nicht ohne Zerstörung herausgenommen werden. Erst recht gehören dazu Fliesen und keramische Bodenbeläge, die die Lebensdauer des Gebäudes erreichen365. Ein Abzug „neu für alt“ findet erst recht nicht statt, wenn die Beseitigung einer Beschädigung sich als Inhalt einer übernommenen Vertragspflicht darstellt, was regelmäßig nur in der Gewerberaummiete bei wirksamer Überbürdung der Instandsetzungspflicht in Betracht kommt366. Dagegen können frei bewegliche Teile wie z.B. Türen und Fenster sowie die Badezimmerausstattung 125e die Vorteilausgleichung rechtfertigen, wenn eine messbare Vermögensmehrung auf Seiten des Vermieters durch die Ersparnis von Reparaturaufwand oder die Verlängerung der Lebensdauer eintritt, bei denen vorteilhafte Auswirkungen für den Vermieter regelmäßig anzunehmen sind367. Dafür ist als Bemessungsgrundlage der Preis inklusive der Arbeitskosten anzurechnen. Ohne Anrechnung bleiben hingegen die schadensbedingten Mehrkosten368. Die Bemessungsgrundlage ist in Relation zur technischen Lebensdauer zu setzen. Dazu kann die Anlage 5 zur Wertermittlungsverordnung, die allerdings gem. § 24 ImmoWertV zum 1.7.2010 außer Kraft getreten ist369, herangezogen werden, in der die technische Lebensdauer für viele bei der Errichtung von Gebäuden verwendeten Baustoffe aufgeführt sind. Die Darlegungs- und Beweislast für den Vorteil trägt der Schädiger370, hier i.d.R. also der Mieter.

125f

Die nachfolgende Tabelle soll eine Orientierung bieten, wie der Abzug „neu für alt“ berechnet werden 125g kann. Nachdem die Anlage 5 zur Wertermittlungsverordnung weggefallen ist, wurden die Werte dem Tabellenhandbuch zur Ermittlung des Verkehrswerts und des Beleihungswerts von Grundstücken371 und der Lebensdauertabelle des (Schweizer) Mieterinnen- und Mieterverbandes372 entnommen und mit Zitaten einschlägiger Rechtsprechung versehen: Ausstattung Bad

Ausführung

Lebensdauer

Badewanne, Duschtasse Acryl

25 Jahre

Badewanne

35 Jahre373

Duschtasse aus Stahl oder emailliert

35 Jahre

WC- Anlage, Pissoir (Keramik)

35 Jahre374

Duschkabine Kunststoff

15 Jahre

Duschkabine Glaswände

25 Jahre

Spiegel

20 Jahre

Seifenschalenhalter, verchromt

15 Jahre

Zahnglashalter, verchromt

15 Jahre

364 OLG Koblenz v. 12.10.1989 – 5 U 535/89, NJW-RR 1990, 149. 365 Palandt/Grüneberg, Vorb v § 249 BGB Rz. 98. 366 OLG Hamm v. 28.9.2018 – 30 U 90/17, ZMR 2020, 107 = juris Rz. 138; OLG Koblenz v. 12.4.2013 - 10 U 832/12, MDR 2013, 964 = GE 2013, 1336 = ZMR 2013, 882 = juris Rz. 62. 367 Erman/Ebert, vor § 249 BGB Rz. 104. 368 Palandt/Grüneberg, Vorb v § 249 BGB Rz. 98. 369 VO v. 19.5.2010, BGBl. I, S. 639. 370 BGH v. 24.4.1985 – VIII ZR 95/84, MDR 1985, 754 = NJW 1985, 1539. 371 https://www.bundesanzeiger-verlag.de/xaver/wertermittlerportal/start.xav?start=%2F%2F*%5B%40attr_id% 3D%27wertermittlerportal_15007957259%27%5D#__wertermittlerportal__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D% 27wertermittlerportal_15007957259%27%5D__1552425851026. 372 http://willkommen.imwerk.ch/wp-content/uploads/2014/11/Lebensdauertabelle_MV.pdf. 373 AG Münster v. 1.8.2012 – 48 C 4169/10, WuM 2012, 610; AG Hamburg-Altona v. 30.4.2007 – 314A C 72/06, WuM 2008, 551; AG Herborn v. 29.9.2006 – 50 C 291/06, WuM 2006, 64. 374 AG Köln v. 28.4.2014 – 201 C 47/14, WuM 2018, 183; AG Osnabrück v 3.11.2003 – 47 C 9/03 (XXXII), WuM 2007, 406 (20 Jahre).

Lützenkirchen | 941

§ 546 Rz. 125g | Rückgabepflicht des Mieters Ausstattung

Ausführung Handtuchstange, verchromt

Balkone

Bodenbelag

Lebensdauer 15 Jahre

Haltestange, verchromt

15 Jahre

Vorhangstange, verchromt

10 Jahre

Keramikplatten, lasiert

30 Jahre

Steinzeug-, Steingutplatten; Glasmosaik (eingefärbt)

30 Jahre375

Feinsteinzeugplatten, durchgefärbt, ohne Lasur

40 Jahre

Fugendichtungen, Kittfugen

8 Jahre376

Holzkonstruktion

30 Jahre

Metallkonstruktion

40 Jahre

Zementplatten

30 Jahre

Feinsteinzeugplatten

25 Jahre

Geländer, Holzlatten, gestrichen

20 Jahre

Geländer, Metallprofile, Rohre, Bleche, gestrichen oder einbrennlackiert

30 Jahre

Linoleum

30 Jahre

Textilbeläge

10 Jahre

Deckenverkleidung

Styroporplatten

20 Jahre377

Elektrik

TV-Antenne/Satellitenschüssel

10 Jahre378

Steckdosen

15 Jahre379

Schalter

15 Jahre380

Leuchten, Decken- und Wandleuchten in Küche, Bad, WC

20 Jahre

Heizung Küche

Leitungen

40 Jahre

TV-Kabelanschluss

10 Jahre

ISDN-Anschluss

10 Jahre

Etagengasheizung

22 Jahre381

Heizkörper und -leitungen

30 Jahre382

Tiefkühltruhe

15 Jahre

Gaseinbauherd, mit Backofen

15 Jahre

Glaskeramikkochfeld

15 Jahre

Induktionskochfeld

15 Jahre

AG Brandenburg v. 24.2.2017 – 31 C 179/14, juris (bis 50 Jahre). AG Berlin-Mitte v. 29.4.2017 – 5 C 93/16, GE 2017, 1227. KG Berlin v. 9.6.2005 – 8 U 211/04, MietRB 2005, 311 = MDR 2006, 440 = GE 2005, 917 = NZM 2005, 663. Hanseatisches OLG Hamburg v. 14.1.1991 – 2 W 54/89, WuM 1991, 311 = NJW-RR 1991, 1119. AG Mönchengladbach-Rheydt v. 2.8.2012 – 11 C 329/11, ZMR 2013, 724. AG Köln v. 28.4.2014 – 201 C 47/14, WuM 2018, 183. AG Tempelhof-Kreuzberg v. 28.10.2010 – 3 C 184/10, GE 2010, 1625; a.A. LG Berlin v. 17.7.2015 – 63 S 376/ 14, MietRB 2016, 1 = GE 2015, 1101 (18 Jahre). 382 LG Itzehoe v. 25.11.2011 – 9 S 81/10, ZMR 2012, 872.

375 376 377 378 379 380 381

942 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 125g § 546 Ausstattung

Ausführung Kochherd und Backofen

Lebensdauer 15 Jahre

Waschmaschine

15 Jahre383

Herdplatten elektrisch, konventionell

15 Jahre

Schrank

Einbauschrank

35 Jahre384

Treppenstufen

Hartholz, Stein

50 Jahre

Weichholz

30 Jahre

Tür/Fenster

Verdunklung

Wasseraufbereitung

Hartholz

50 Jahre

Weichholz

30 Jahre

Treppenbelag

10 Jahre385

Fensterbänke

30 Jahre

Fensterläden

30 Jahre

Außentüren, Hartholz

50 Jahre386

Innentüren

40 Jahre387

Außentüren, Weichholz

30 Jahre388

Öl- oder Kunstharz-Farbanstriche bei Türen und Türrahmen

20 Jahre

Glaseinsatz bei Türen

30 Jahre389

Schiebetüren, Holzwerkstoff oder massiv Faltwände

30 Jahre

Schiebetüren, Faltwände Rollen

15 Jahre

Türrahmen- und Schwellen, innen aus Holz

30 Jahre

Türrahmen- und Schwellen, innen aus Metall

40 Jahre

Fenstersimse, innen, lackiert, Öl-, Acryl- oder Kunstharzfarbanstrich

20 Jahre

Holzfenster

40 Jahre390

Rollläden Aluminium, Metall

30 Jahre

Lamellenstoren innen, Aluminium oder Kunststoff

15 Jahre

Lamellenstoren außen, Aluminium

25 Jahre

Kombiboiler, mit Heizung kombiniert, Elektroboiler, Gasapparate

20 Jahre391

LG Detmold v. 1.4.1999 – 2 T 13/99, WuM 1999, 463 (deutlich über 10 Jahre). LG Essen v. 17.2.2011 – 10 S 344/10, WuM 2011, 256. AG Hannover v. 28.4.2016 – 541 C 3858/15, ZMR 2017, 898. AG Köln v. 28.4.2014 – 201 C 47/14, WuM 2018, 183. LG Saarbrücken v. 6.3.2015 – 10 S 160/14 (13), NZM 2015, 692–694 = MietRB 2015, 130. LG Köln v. 22.11.1999 – 10 S 308/99, WuM 2000, 548 (bis 35 Jahre). LG Berlin v. 26.2.2013 – 63 S 199/12, GE 2013, 1005. Hanseatisches OLG Hamburg v. 4.12.2009 – 2 Wx 34/09, ZMR 2010, 388 = MietRB 2010; a.A. AG Köln v. 25.11.1988 – 205 C 331/88, WuM 1989, 136 (60–90 Jahre). 391 LG Berlin v. 27.11.1995 – 67 S 293/95, juris.

383 384 385 386 387 388 389 390

Lützenkirchen | 943

§ 546 Rz. 126 | Rückgabepflicht des Mieters d) Versorgungssperre 126 Grundsätzlich entfällt mit der Mietvertragsbeendigung auch die Pflicht des Vermieters zur Gebrauchs-

überlassung gemäß § 535 Abs. 1 BGB. Denn der Mietvertrag fällt als Anspruchsgrundlage weg. Allerdings können nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) einzelne Verpflichtungen des Vermieters noch nach der Vertragsbeendigung bestehen, wozu auch die Pflicht zur Erbringung von Versorgungsleistungen gehören kann392. 127 Solche nachvertraglichen Pflichten können sich im Einzelfall aus der Eigenart des – beendeten – Miet-

vertrages (z.B. Wohnraummiete) oder den besonderen Belangen des Mieters (z.B. Gesundheitsgefährdung oder etwa durch eine Versorgungssperre drohender, besonders hoher Schaden) ergeben393. Eine über die Vertragsbeendigung hinausgehende Versorgungsverpflichtung würde allerdings allein den Interessen des Mieters dienen. Die trotz beendeten Vertrages aus Treu und Glauben nach § 242 BGB herzuleitende Verpflichtung lässt sich daher nur rechtfertigen, wenn sie auf der anderen Seite den berechtigten Interessen des Vermieters nicht in einer Weise zuwiderläuft, die ihm die weitere Leistung unzumutbar macht. Ist dem Vermieter die Weiterbelieferung nicht zumutbar, so kommt es anders als bei bestehendem Mietvertrag auf den Umfang und die Grenzen eines Zurückbehaltungsrechts nicht an, weil der Vermieter in diesem Fall schon nicht mehr zur Gebrauchsüberlassung verpflichtet ist. Davon ist – auch bei der Wohnraummiete – grundsätzlich auszugehen, wenn der Mietvertrag wegen Nichtzahlung der Miete (fristlos) gekündigt wurde. 128 Die Einrichtung einer Versorgungssperre (= Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts an der Lieferung

von Energie und Wasser) stellt keine verbotene Eigenmacht i.S.v. § 858 BGB dar394. Der Zufluss von Versorgungsleistungen kann zwar Voraussetzung für den vertragsgemäßen Gebrauch sein (der nach Beendigung des Vertrages grundsätzlich nicht mehr geschuldet wird). Er ist hingegen nicht Bestandteil der tatsächlichen Sachherrschaft als solcher. Die Einstellung der Versorgungsleistungen beeinträchtigt weder den Zugriff des Besitzers auf die Mieträume noch schränkt sie die sich aus dem bloßen Besitz ergebende Nutzungsmöglichkeit ein. Versorgungsleistungen führen vielmehr dazu, dass die im Besitz liegende Gebrauchsmöglichkeit erweitert wird. Die Gewährleistung der Versorgungsleistungen kann sich demnach allein aus dem ihnen zugrunde liegenden Vertragsverhältnis ergeben. 129 Die im Rahmen des § 242 BGB notwendige Abwägung führt bei einem Wohnraummietvertrag zur aus-

nahmsweisen Pflicht des Vermieters, den Mieter weiterhin mit den vorhandenen Medien zu versorgen, solange sich der Mieter nicht in einem Zahlungsrückstand befindet, der die fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB rechtfertigt395. 130 Die Versorgungssperre ist unzulässig, wenn sich die Unterbrechung als (unzulässige) Selbstvollstre-

ckung eines noch nicht rechtkräftigen Räumungstitels darstellt. Das ist der Fall, wenn der Vermieter unter Bezugnahme auf die gerade verkündete Entscheidung im Räumungsrechtsstreit die Unterbrechung der Wasserversorgung ankündigt396. 131 Will der Mieter die Versorgung (nach Mietende) bis zum Auszug wieder erreichen, genügt es nicht,

dem Vermieter die künftige Zahlung von Abschlägen oder der Miete/Nutzungsentschädigung anzubieten. Vielmehr muss der gesamte Zahlungsrückstand ausgeglichen werden, weil sonst das Zurückbehaltungsrecht des Vermieters nicht entfällt397.

392 Vgl. MünchKomm/Bieber, § 546a BGB Rz. 28 ff.; allgemein MünchKomm/Ernst, § 280 BGB Rz. 109 ff. 393 BGH v. 6.5.2009 – XII ZR 137/07, MDR 2009, 919 = MietRB 2009, 223 (224) = WuM 2009, 469 = GE 2009, 775 = NJW 2009, 1947 = ZMR 2010, 263. 394 BGH v. 6.5.2009 – XII ZR 137/07, MDR 2009, 919 = MietRB 2009, 223 (224) = WuM 2009, 469 = GE 2009, 775 = NJW 2009, 1947 = ZMR 2010, 263. 395 BGH v. 6.5.2009 – XII ZR 137/07, MDR 2009, 919 = MietRB 2009, 223 (224) = WuM 2009, 469 = GE 2009, 775 = NJW 2009, 1947 = ZMR 2010, 263. 396 OLG Celle v. 28.4.2005 – 11 U 44/05, NZM 2005, 741. 397 KG v. 19.4.2010 – 20 U 247/08, MietRB 2010, 323 = GE 2010, 482.

944 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 136 § 546

II. Räumungsanspruch gegen Dritte, § 546 Abs. 2 BGB 1. Inhalt des Anspruchs Die Regelung in § 546 Abs. 2 BGB ist erforderlich, weil der Vermieter z.B. mangels Eigentums nicht 132 immer aus § 985 BGB vorgehen kann. Deshalb wird ein vertraglicher Anspruch besonderer Art398 geregelt, der den vertraglichen Rückgabeanspruch auf dritte, nicht am Vertrag beteiligte Personen erweitert. Die Verpflichtungen aus § 546 Abs. 1, 2 BGB sind inhaltlich grundsätzlich gleich399. Mieter und Dritter 133 haften als Gesamtschuldner, soweit sich ihr Besitz deckt (vgl. § 546 BGB Rz. 45). Da sich der Anspruch aus § 546 Abs. 2 BGB aus dem Hauptmietverhältnis ableitet, stehen dem Dritten gegenüber dem Vermieter sämtliche Einwendungen des (Haupt-)Mieters zu400. Hinsichtlich eines Rückbaus besteht für den Untermieter aber keine Verpflichtung, die Einbauten des Mieters zu beseitigen401. Diese Leistung schuldet der Mieter im Verhältnis zum Vermieter allein. Umgekehrt besteht aber eine gesamtschuldnerische Haftung, soweit der Untermieter Veränderungen vorgenommen oder Einbauten herbeigeführt hat. 2. Beendigung des Hauptmietvertrages a) Hauptmietvertrag § 546 Abs. 2 BGB setzt voraus, dass ein Hauptmietverhältnis wirksam begründet worden ist. Dafür 134 gelten die allgemeinen Anforderungen. Liegen die Voraussetzungen vor, kann der Vermieter bei bestehendem Hauptmietvertrag von dem Dritten nur Herausgabe an den Mieter verlangen402. Bei Nichtigkeit des Hauptmietvertrages ergeben sich die Rechtsfolgen aus den §§ 985, 812 BGB. Ist auch der Untermietvertrag unwirksam, kann der Dritte nicht an den Mieter herausgeben403. Hat der Mieter die Mietsache jedoch an den Vermieter herausgegeben, wird die Erfüllung eines Bereicherungsanspruchs aus § 812 Abs. 1 BGB für den Dritten nach § 275 Abs. 1 BGB unmöglich404. Sind Haupt- und Untermietvertrag unwirksam, kann der Mieter von dem Dritten keine Räumung, sondern nur die Herausgabe aus § 812 BGB verlangen405. Andere (Haupt-)Nutzungsverhältnisse (z.B. Leihe) rechtfertigen die Anwendung von § 546 Abs. 2 135 BGB nicht406. Hier muss aus §§ 985, 812 BGB vorgegangen werden. Leitet der Dritte den Besitz von dem berechtigten Besitzer ab, besteht grundsätzlich ein Recht zum Besitz i.S.v. § 986 Abs. 1 BGB407, allerdings nur solange, wie der mittelbare Besitzer zum Besitz berechtigt ist408. Sind Haupt- und Untermietvertrag unwirksam, kann der Mieter von dem Dritten keine Räumung, sondern nur die Herausgabe aus § 812 BGB verlangen409. b) Beendigung Für die Beendigung kommt es nicht auf die Beendigung der Nutzung (= Räumung) durch den 136 (Haupt-)Mieter an. Vielmehr muss das Hauptmietverhältnis rechtlich beendet sein410. Insoweit kommen alle vertraglichen Beendigungsgründe in Betracht, also insbesondere Kündigung, Zeitablauf oder Aufhebungsvereinbarung, aber auch in den Grenzen des § 572 BGB Rücktritt und Bedingungseintritt.

398 399 400 401 402 403 404 405 406 407 408 409 410

RG v. 17.3.1932 – VIII 551/31, RGZ 136, 33. BGH v. 22.11.1995 – VIII ARZ 4/95, MDR 1996, 251 = NJW 1996, 515. Bub/Treier/Scheuer/Emmerich, V A Rz. 56. Sternel, Mietrecht aktuell, XIII Rz. 69 m.w.N. OLG München v. 29.11.2018 – 32 U 4346/16, ZMR 2019, 269. OLG München v. 29.11.2018 – 32 U 4346/16, ZMR 2019, 269. OLG München v. 29.11.2018 – 32 U 4346/16, ZMR 2019, 269. OLG München v. 29.11.2018 – 32 U 4346/16, ZMR 2019, 269. Schleswig- Holsteinisches OLG v. 14.3.1990 – 4 U 131/89, WuM 1990, 194. Vgl. Erman/Ebbing, § 986 BGB Rz. 24 f. Palandt/Bassenge, § 986 BGB Rz. 7. OLG München v. 29.11.2018 – 32 U 4346/16, ZMR 2019, 269. RG v. 15.11.1937 – IV 152/17, RGZ 156, 150 (153); OLG Hamm v. 4.11.1980 – 4 U 136/80, WuM 1981, 40.

Lützenkirchen | 945

§ 546 Rz. 136 | Rückgabepflicht des Mieters Ein Aufhebungsvertrag kann in den Grenzen des § 138 BGB zwischen den Parteien trotz des Bestehens eines Untermietvertrages geschlossen werden, insbesondere wenn dem Mieter gegen den Dritten ein Kündigungsrecht zusteht411. Die Anfechtung nach §§ 119, 123 BGB vernichtet den Mietvertrag rückwirkend und führt zur Anwendung der §§ 985, 812 BGB. 137 Die Rechtskraft eines zwischen den Parteien des Hauptmietvertrags ergangenen Räumungsurteils er-

streckt sich jedenfalls dann nicht auf das Untermietverhältnis, wenn die Mietsache dem Untermieter bereits vor dem Eintritt der Rechtshängigkeit überlassen worden war412. Das Räumungsurteil gegen den Hauptmieter hat auch keine Bindungswirkung im Prozess gegen den Dritten413. Deshalb muss die Beendigung des Hauptmietvertrages ggf. noch einmal gesondert festgestellt werden (vgl. § 546 BGB Rz. 47). 3. Dritter 138 Der Begriff des Dritten ist in § 546 weiter gefasst als in §§ 540, 553 BGB. Passiv legitimiert ist jeder,

dem der Mieter oder ein Untermieter (usw.) das Mietobjekt zum Gebrauch überlassen hat. Es genügt, wenn die Mietsache mit Wissen, mindestens mit Duldung des Mieters vom Dritten in Gebrauch genommen wird. 139 Wirksamkeit der Gebrauchsvereinbarung zwischen Mieter und Drittem ist nicht Voraussetzung. Sie

muss nicht einmal vorliegen, denn der Anspruch richtet sich gegen jeden Dritten, der die Mietsache (dauerhaft) nutzt und sein Besitzrecht vom Mieter ableitet. Deshalb kommt § 546 Abs. 2 BGB bei einer Besitzerlangung durch verbotene Eigenmacht414 ebenso wenig in Betracht wie Besitzdienerschaft. Ob selbständiger oder unselbständiger Gebrauch stattfindet, ist unerheblich. Entscheidend ist, dass der Dritte infolge Gebrauchsüberlassung Besitzer geworden ist415 und den Besitz bis zur Inanspruchnahme nicht verloren hat. Das ist z.B. der Fall, wenn der Dritte als Familien- oder Haushaltsangehöriger seinen Besitz vom Mieter ableitet. 140 § 546 Abs. 2 BGB gilt auch für Zwischenmietverhältnisse gegenüber dem Endmieter, so dass er sich

grundsätzlich nicht auf Kündigungsschutz gegenüber dem Vermieter berufen kann. Voraussetzung ist nach der sog. Lagertheorie, dass der Zwischenvermieter im Lager des Mieters steht (§ 565 BGB Rz. 17). Wegen der hiervon abweichenden Rechtslage bei gewerblicher Weitervermietung vgl. § 565 BGB und die dortigen Erläuterungen. 4. Besitz des Dritten 141 Der Dritte muss die Mietsache nicht unbedingt noch (teilweise) in Besitz haben. Ebenso wenig, wie

sich der Mieter durch Aufgabe des unmittelbaren Besitzes dem Räumungsanspruch entziehen kann416, kann der Untermieter den Anspruch aus § 546 Abs. 2 BGB durch Besitzaufgabe erfüllen417. Gegenüber dem Vermieter kann die Besitzaufgabe allenfalls ausreichen, wenn der Dritte seine Sachen aus den Mieträumen entfernt hat und eine Rückgabe der Schlüssel und damit Einräumung des unmittelbaren Besitzes an den Mieter stattgefunden hat. Insoweit gelten die Voraussetzungen des § 303 BGB nicht. Denn hier geht es nicht um die Frage, ob sich der Vermieter oder der Mieter in Annahmeverzug befinden, sondern ob der Dritte Besitz an der Mietsache ausübt, den er vom Mieter ableitet. 142 Der Besitz entfällt, wenn der Dritte den Rückgabeanspruch aus § 546 Abs. 2 BGB erfüllt. Gibt der Un-

termieter die Mietsache nach beendetem Hauptmietvertrag an den Hauptvermieter zurück, erfüllt er damit gleichzeitig seine Rückgabepflicht gegenüber dem Untervermieter418. Daneben entfällt § 546 411 BGH v. 18.4.2018 – XII ZR 76/17, MietRB 2018, 198 = MDR 2018, 856 = NZM 2018, 601. 412 BGH v. 12.7.2006 – XII ZR 178/03, MDR 2007, 78 = MietRB 2006, 316 = MietRB 2006, 320 = NZM 2006, 699. 413 BGH v. 21.4.2010 – VIII ZR 6/09, MDR 2010, 856 = NZM 2010, 699. 414 Blank/Börstinghaus, § 546 BGB Rz. 45. 415 Staudinger/Rolfs, § 546 BGB Rz. 64. 416 Staudinger/Rolfs, § 546 BGB Rz. 67. 417 OLG München v. 6.3.2012 – 32 U 4456/11, MDR 2012, 703 = MietRB 2012, 227 = ZMR 2012, 620. 418 LG Berlin v. 23.2.2011 – 29 S 8/10, GE 2011, 819.

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B. Wohnraummiete | Rz. 149a § 546

Abs. 2 BGB, wenn der Dritte die Mietsache dem Mieter zurückgibt419. Findet die Rückgabe während des Prozesses statt, tritt Erledigung i.S.v. § 91a ZPO ein. Die Beweislast für die Erfüllung trägt der Dritte. Zum Rückgabeanspruch des Mieters gegen den Untermieter siehe § 540 BGB Rz. 31a.

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Einstweilen frei.

144

5. Verhältnis Vermieter zu Mieter/Untermieter Mieter und Dritter haften aus § 546 Abs. 1, 2 BGB als Gesamtschuldner für die Rückgabe420, soweit 145 die Mietobjekte identisch sind, § 428 BGB. Der Vermieter kann beide Gesamtschuldner gleichzeitig oder in getrennten Verfahren auf Räumung und Herausgabe verklagen. Ist auch das Untermietverhältnis beendet, tritt der Herausgabeanspruch des Mieters gegen den Un- 146 termieter aus § 546 Abs. 1 BGB neben den Herausgabeanspruch des Vermieters aus § 546 Abs. 2 BGB421. Er erlischt auch nicht dadurch, dass der Hauptmietvertrag später endet422. Vorrangig ist keiner der beiden. Der Mieter kann in dieser Situation neben dem Vermieter auch auf Herausgabe klagen, muss sein Begehren aber auf Herausgabe an den Vermieter beschränken423. Im Hinblick auf § 428 BGB wird der Dritte durch Leistung an einen seiner beiden Gesamtgläubiger 147 befreit424, so dass insbesondere die Rückgabe an den Eigentümer/Hauptvermieter zur Erfüllung auch gegenüber dem Mieter führt425. Selbstverständlich kann bei Beendigung von Haupt- und Untermietverhältnis der Mieter verlangen, dass der Untermieter unmittelbar an den Vermieter leistet. 6. Fälligkeit des Anspruchs Nach dem Wortlaut des § 546 Abs. 2 BGB kann der Vermieter von dem Dritten nach Beendigung des 148 Hauptmietvertrages die Mietsache zurückfordern. Damit unterscheidet sich § 546 Abs. 2 BGB von § 546 Abs. 1 BGB. Dort ist nämlich geregelt, dass der Mieter die Mietsache nach Beendigung zurückzugeben hat. Demnach wird der Rückgabeanspruch nach § 546 Abs. 1 BGB automatisch mit der Beendigung fällig (§ 546 BGB Rz. 102). Nicht nur der Wortlaut, sondern auch die übliche Konstellation, die dem § 546 Abs. 2 BGB zugrunde 149 liegt, legen nahe, dass die Fälligkeit des Anspruchs von einer besonderen Aufforderung gegenüber dem Dritten abhängig ist426. Neben dem Wortlaut, der für ein besonderes Verlangen als Fälligkeitsvoraussetzung spricht, verkennt die Gegenmeinung427, dass der Dritte i.d.R. aus eigener Beobachtung nicht feststellen kann, ob eine Beendigung in der Beziehung zwischen Vermieter und Mieter eingetreten ist428. Um Verzug des Dritten herbeizuführen, ist eine weitere Aufforderung erforderlich429. 7. Rechtsfolge: Räumungspflicht Grundsätzlich unterscheidet sich der Inhalt der Rückgabepflicht des Dritten nicht von der des Mie- 149a ters (§ 546 BGB Rz. 66 f.). Maßgeblich ist, dass der Dritte Besitz an den Räumen hat, wobei auch mit-

419 OLG München v. 8.12.1988 – 21 W 3055/88, NJW-RR 1989, 524. 420 BGH v. 22.11.1995 – VIII ARZ 4/95, MDR 1996, 251 = NJW 1996, 515; OLG München v. 8.12.1988 – 21 W 3055/88, NJW-RR 1989, 524. 421 KG v. 1.3.2012 – 8 U 197/10, MDR 2012, 514 = MietRB 2012, 195 = ZMR 2013, 26. 422 KG Berlin v. 1.3.2012 – 8 U 197/10, MDR 2012, 514 = ZMR 2013, 26 = MietRB 2012, 195. 423 KG v. 1.3.2012 – 8 U 197/10, MDR 2012, 514 = MietRB 2012, 195 = ZMR 2013, 26; OLG München v. 8.12.1989 – 21 W 3055/88, NJW-RR 1989, 524. 424 Vgl. auch BGH v. 4.10.1995 – XII ZR 215/94, MDR 1996, 252 = ZMR 1996, 15 = WuM 1996, 32. 425 LG Bonn v. 11.3.2011 – 6 S 170/09, zitiert nach juris. 426 RG v. 15.11.1937 – IV 152/17, RGZ 156, 150 (153); Blank/Börstinghaus, § 546 BGB Rz. 51; Schmidt-Futterer/ Streyl, § 546 BGB Rz. 103. 427 Sternel, Mietrecht aktuell, XIII Rz. 64; MünchKomm/Bieber, § 546 BGB Rz. 22; Staudinger/Rolfs, § 546 BGB Rz. 70; Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 546 BGB Rz. 62; Lammel, § 546 BGB Rz. 34. 428 RG v. 15.11.1937 – IV 152/17, RGZ 156, 150 (153). 429 MünchKomm/Bieber, § 546 BGB Rz. 22.

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§ 546 Rz. 149a | Rückgabepflicht des Mieters telbarer Besitz ausreichen kann430. Hat er zwischenzeitlich an den Mieter zurückgegeben und das Untermietverhältnis beendet, ist der Anspruch aus § 546 Abs. 2 BGB erloschen431. 149b Soweit der Besitz des Dritten reicht, schuldet er Räumung und Herausgabe. Konnte er die Wohnung

unbeschränkt nutzen, haftet er auf Rückgabe der ganzen Mieteinheit als Gesamtschuldner mit dem Mieter. Beschränkte sich sein Nutzungsrecht nur auf einzelne Teile/Flächen der Mieteinheit, kann nur in diesem Umfang Räumung und Herausgabe (gesamtschuldnerisch) begehrt werden. Deshalb schuldet der Untermieter im Falle der gewerblichen Zimmervermietung z.B. nur die Rückgabe des Zimmers und der anteiligen Gemeinschaftsflächen432. 150 Die Nichterfüllung aus § 546 Abs. 2 BGB führt zu Schadensersatzansprüchen des Vermieters aus §§ 280

Abs. 1, 2, 286 BGB gegen den Dritten. § 546a BGB ist im Verhältnis zwischen Vermieter und Dritten nicht anwendbar. Zum ersatzpflichtigen Schaden können die zur Durchsetzung des Räumungsanspruchs aufgewendeten vorgerichtlichen Kosten des Rechtsanwalts des Vermieters gehören. Gleiches gilt für die Kosten der Räumungsklage, die nach Herausgabe durch den Mieter/Untermieter zurückgenommen wird. Voraussetzung ist in beiden Fällen, dass der Vermieter den Untermieter durch eine Räumungsaufforderung in Verzug gesetzt hat433. Nutzungsentschädigung kann der Vermieter nur verlangen, wenn er nach §§ 987, 990 BGB vorgeht434. Der Höhe nach bemisst sich der Anspruch auf der Grundlage des Nutzungswertes der Teile der Mietsache, die der Dritte in Besitz hatte. 8. Rechtsfolgen der Rückgabe (nachvertragliche Pflichten) 150a Nachvertraglichen Pflichten des Vermieters können sich im Einzelfall aus der Eigenart des – beendeten

– Mietvertrages (z.B. Wohnraummiete) oder den besonderen Belangen des Mieters (z.B. Gesundheitsgefährdung) ergeben435. Auch ein ansonsten zu erwartender besonders hoher Schaden des Mieters kann eine Pflicht des Vermieters, über das Vertragsende hinaus tätig zu werden, begründen436. Dabei müssen die gegenseitigen Interessen der Vertragsparteien und die Rechtsfolge bei Annahme einer Verpflichtung abgewogen werden, Die trotz beendeten Vertrages aus Treu und Glauben nach § 242 BGB herzuleitende Verpflichtung lässt sich nur rechtfertigen, wenn sie auf der anderen Seite den berechtigten Interessen des Vermieters nicht in einer Weise zuwiderläuft, die ihm die weitere Leistung unzumutbar macht437.

150b Ohne Zweifel ist der Vermieter nach Mietende verpflichtet, über die Kaution abzurechnen (vgl. § 551

BGB Rz. 163). Er muss dem Mieter auch Zutritt zu den Mieträumen gewähren, wenn er ihm eine Frist nach § 281 BGB setzt, weil er die Nachholung geschuldeter Renovierung- oder Instandsetzungsmaßnahmen fordert. Über die nachvertragliche Änderung von Umständen, die zur Beendigung des Mietvertrages geführt haben (z.B. Eigenbedarf), muss der Vermieter nicht aufklären438. Die Annahme einer solchen Pflicht, würde den Mieter zum Vertragsbruch verleiten. 150c Dagegen ist es insbesondere dem Gewerberaummieter erlaubt, Hinweisschilder auf sein neues Domizil

für eine Übergangszeit noch am Gebäude anzubringen, sofern dies üblich ist (vgl. § 546 BGB Rz. 165). Hat der Mieter keinen Nachsendeantrag gestellt oder gerät aus sonstigen Gründen Post nach dem Auszug in den Gewahrsam des Vermieters, kann er sich der Postsendungen nicht durch Einwurf in einen öffentlichen Briefkasten entledigen; vielmehr muss er sie aufbewahren und dem Mieter aushändigen439.

430 OLG München v. 6.3.2012 – 32 U 4456/11, MDR 2012, 703 = MietRB 2012, 227 = ZMR 2012, 620; SchmidtFutterer/Streyl, § 546 BGB Rz. 98. 431 OLG München v. 8.12.1988 – 21 W 3055/88, NJW-RR 1989, 524 m.w.N. 432 KG v. 20.8.2018 – 8 U 118/17, GE 2019, 56. 433 AG Charlottenburg v. 22.3.2012 – 210 C 370/11, GE 2012, 957. 434 LG Kempten v. 14.12.1994 – 5 S 1550/94, WuM 1996, 34. 435 BGH v. 6.5.2009 – XII ZR 137/07, MDR 2009, 919 = MietRB 2009, 223 (224) = WuM 2009, 469 = GE 2009, 775 = NJW 2009, 1947 = ZMR 2010, 263. 436 Brandenburgisches OLG v. 29.6.2011 – 3 U 52/10, CuR 2012, 79. 437 BGH v. 6.5.2009 – XII ZR 137/07, MDR 2009, 919 = MietRB 2009, 223 (224) = WuM 2009, 469 = GE 2009, 775 = NJW 2009, 1947 = ZMR 2010, 263. 438 BGH v. 9.11.2005 – VIII ZR 339/04, MDR 2006, 626 = MietRB 2006, 93 = WuM 2005, 782. 439 LG Darmstadt v. 30.12.2013 – 25 T 138/13, MietRB 2014, 74.

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B. Wohnraummiete | Rz. 155 § 546

III. Wohnungsabnahme Die Rückgabe der Mietsache erfordert grundsätzlich nur die reine Besitzverschaffung, was regelmäßig 151 durch die Übergabe der Schlüssel dokumentiert werden kann. Viele Vermieter, aber auch Mieter sind der Auffassung, dass neben der reinen Besitzverschaffung auch eine „Abnahme“ im handwerklichen Sinne stattzufinden hat. Das Gesetz sieht diese Abnahme nicht vor. Insbesondere im Hinblick auf die Verpflichtung des Mieters zur Durchführung von Schönheitsreparaturen, aber auch zur (gemeinschaftlichen) Feststellung des Umfangs von Schadensersatzansprüchen wegen Beschädigung der Mietsache, ist es vielerorts Praxis, einen gemeinsamen Termin in der Wohnung durchzuführen, bei dem der Zustand der Mietsache (gemeinsam) bewertet wird. Vor diesem Hintergrund kann auch formularmäßig eine Pflicht zur Wohnungsabnahme begründet 152 werden. Eine entsprechende Klausel ist wirksam, wenn die Belange der Parteien angemessen berücksichtigt sind. Dazu gehört auf Mieterseite insbesondere, dass die Abnahme nicht dazu führen darf, dass der Mietvertrag unzulässig verkürzt und ein Termin, den der Vermieter vorgibt, verbindlich ist. Die Terminbestimmung muss vielmehr durch gegenseitiges Nachgeben erfolgen. Andererseits kann der Vermieter grundsätzlich verlangen, dass die Abnahme innerhalb seiner üblichen Bürozeiten stattfindet. In der formularmäßigen Regelung kann auch vorgesehen sein, dass ein Protokoll zu fertigen und zu 153 unterschreiben ist. Eine solche Klausel verstößt nicht gegen § 309 Nr. 12 BGB. Die Klausel darf nur nicht den Eindruck erwecken, dass darin nicht auch abweichende Standpunkte des Mieters festgehalten werden dürfen. Nach überwiegender Meinung440 wird das Protokoll, das anlässlich einer Wohnungsübergabe über 154 den Zustand der Räume gefertigt wird, als deklaratorisches Schuldanerkenntnis des Vermieters i.S.v. § 397 Abs. 2 BGB angesehen441, weil damit eine bestehende Schuld lediglich bestätigt und keine neue Schuld geschaffen wird442. Ansprüche bzw. Zustände, die für bestimmte Ansprüche vorliegen müssen, die in dem Protokoll nicht vermerkt sind, sollen nicht mehr vom Vermieter geltend gemacht werden können443. Ohne ein schriftliches Protokoll soll dies sogar gelten, wenn der Vermieter sich anlässlich der Wohnungsübergabe zufrieden über den Renovierungszustand geäußert444 oder die sofortige Rückzahlung der Kaution zugesagt hat445. Erst recht gelten diese Grundsätze im kaufmännischen Verkehr, wenn ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben vorliegt, also eine Partei nach der Abnahme die dabei getroffenen Abreden einseitig schriftlich festhält und die andere Partei dem nicht widerspricht446. Tatsächlich kann die rechtliche Bewertung aber nur im Einzelfall erfolgen (§ 546 BGB Rz. 87c). Es ist aber nicht erforderlich, dass aus dem Inhalt des Protokolls hervorgeht, dass und ggf. in wel- 155 chem Umfang Ansprüche geltend gemacht werden sollen. Vielmehr reicht es aus, den beanstandeten Zustand festzuhalten. Aus dem Protokollvermerk „Trennwand und Tür zum Treppenhaus mieterseits“ ist zu entnehmen, dass der Vermieter den vorhandenen Zustand, nämlich den Einbau einer Einrichtung „mieterseits“, bemängelt und verlangen kann, diese zu beseitigen447. Dies gilt selbst dann, wenn bezüglich anderer bemängelter Punkte konkrete Arbeitsanweisungen in das Protokoll aufgenommen wurden. Denn dadurch, dass die Verpflichtung des Mieters zur Beseitigung bestimmter Mängel im Protokoll festgehalten wird, wird kein Vertrauenstatbestand dahingehend begründet, der Rückbau der Trennwand werde nicht mehr verlangt werden448.

440 Zum Meinungsstand Lehmann-Richter, ZMR 2006, 833. 441 LG München I v. 25.9.2002 – 15 S 22038/01, NZM 2003, 714; LG Hamburg v. 15.10.1998 – 327 S 79/98, ZMR 1999, 405; Blank, PiG 52, 43; Harsch, Schönheitsreparaturen, Rz. 606; zweifelnd aber mit dem gleichen Ergebnis: Langenberg, Schönheitsreparaturen, L Rz. 15; vgl. auch BGH v. 10.11.1982 – VIII ZR 252/81, MDR 1983, 394 = NJW 1983, 446; zum Beweiswert derartiger Protokolle: Schneider, NZM 2014, 743. 442 LG Berlin v. 21.2.2005 – 62 S 349/04, MM 2005, 146. 443 LG Potsdam v. 26.2.2009 – 11 S 127/08, GE 2009, 519 = ZMR 2009, 761; AG Ottweiler v. 24.11.2016 – 16 C 170/15, WuM 2017, 63 = IMR 2017, 101. 444 LG Köln v. 18.5.2000 – 1 S 307/99, KM 36 Nr. 7. 445 AG Köln v. 30.11.1999 – 201 C 341/99, KM 36 Nr. 8. 446 OLG Düsseldorf v. 18.12.2003 – 10 U 184/02, NZM 2004, 260. 447 LG Potsdam v. 26.2.2009 – 11 S 127/08, GE 2009, 519 = ZMR 2009, 761. 448 LG Potsdam v. 26.2.2009 – 11 S 127/08, GE 2009, 519 = ZMR 2009, 761.

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§ 546 Rz. 156 | Rückgabepflicht des Mieters 156 Die Wirkungen des Abnahmeprotokolls in einer vertraglichen Regelung aufzuheben, würde den Sinn

und Zweck des Protokolls unterlaufen und daher bei Vorliegen einer Formularklausel zu einer unangemessenen Benachteiligung des Mieters nach § 307 Abs. 2 BGB führen. Auch in dem Protokoll vorformulierte Pflichten des Mieters unterliegen der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB. Sollen also z.B. Schadensersatzansprüche aus § 281 BGB ohne die notwendige Fristsetzung geltend gemacht werden können, liegt ein Verstoß gegen § 309 Nr. 4 BGB vor. Unwirksam ist auch eine vorformulierte Beauftragung des Vermieters mit der Pflicht zur Einholung eines Kostenvoranschlages zum Aufwendungsersatz für unterlassene Renovierungsarbeiten, wenn in der Klausel nicht danach differenziert wird, ob die Renovierungsklausel wirksam ist449. Sehen die Regelungen vor, dass sie ergänzt werden (z.B. durch eine Ausführungsfrist), spricht eine Vermutung dafür, dass ihre endgültige Fassung im Einzelnen ausgehandelt wurde. 156a Sobald das Abnahmeprotokoll rechtsgeschäftliche Regelungen enthält, liegt im Zweifel in der Wohn-

raummiete eine Verbrauchervertrag i.S.v. § 310 Abs. 3 BGB vor. Damit kann das Widerrufsrecht des Mieters nach den §§ 355 ff. BGB begründet werden, wenn die Voraussetzungen der §§ 312 Abs. 4, 312b BGB vorliegen (§ 546 BGB Rz. 98a).

IV. Selbsthilfe (kalte Räumung) und ihre Rechtsfolgen 1. Allgemeines 156b Schon während der Mietzeit kann der Vermieter nur in ganz besonderen Ausnahmesituationen zur

Selbsthilfe greifen, indem er den Besitz des Mieters stört oder ihm sogar entzieht. In der Regel begründet ein derartiges Handeln eine verbotene Eigenmacht nach § 858 BGB, der sich der Mieter durch einstweilige Verfügung erwehren kann450. Das soll auch hinsichtlich eines Gemeinschaftsraumes (z.B. Waschküche) gelten, selbst wenn der Vermieter den Raum zur sicheren Aufbewahrung von in seinem Eigentum stehenden Gegenständen benötigt451 oder der Vermieter Inventar des Mieters in andere Räume schafft, um (angekündigte) Erhaltungsmaßnahmen durchzuführen452. Zugunsten des Mieters streitet in solchen Fällen § 231 BGB, der eine Garantiehaftung des Störers anordnet (vgl. dazu § 546 BGB Rz. 159). 157 Räumt der Mieter nach Beendigung des Mietvertrages nicht freiwillig, steht dem Vermieter kein

Selbsthilferecht zu, und zwar weder an der Wohnung noch an Zubehörräumen (z.B. Garage)453. Vielmehr folgt aus Art. 20 GG, dass dem Staat das Monopol für die zwangsweise Durchsetzung von materiellen Ansprüchen zusteht. Übt der Vermieter dennoch Selbsthilfe, liegt regelmäßig mindestens eine verbotene Eigenmacht i.S.v. § 858 BGB454 und Hausfriedensbruch i.S.v. § 123 StGB vor. Eine verbotene Eigenmacht liegt erst recht vor, wenn der Vermieter nach Beendigung des Mietvertrages den Zugang zur Mietsache verweigert455. Eine Selbsthilfe kommt allenfalls in Betracht, wenn der Vermieter einen nicht gekennzeichneten und keinem Mieter zugewiesenen Keller öffnet und ausräumt456. 158 Ein Selbsthilferecht kann dem Vermieter auch nicht vorab (z.B. im Mietvertrag) wirksam eingeräumt

werden457. Denn es kommt auf den tatsächlichen Willen zur Duldung der Selbsthilfe an, so dass trotz vorheriger Zusage verbotene Eigenmacht vorliegen kann458. Mangels Gebrauchsbefugnis kann der

449 450 451 452 453 454 455 456 457 458

BGH v. 29.5.2013 – VIII ZR 285/12, MDR 2013, 900 = MietRB 2013, 230 = GE 2013, 997. OLG Dresden v. 14.6.2017 – 5 U 1426/16, ZMR 2018, 501 = IMR 2018, 151 (Ramm). AG München v. 12.7.2017 – 452 C 3269/17, ZMR 2018, 338. OLG Dresden v. 14.6.2017 – 5 U 1426/16, ZMR 2018, 501 = IMR 2018, 151 (Ramm). KG v. 14.7.2011 – 12 U 149/10, ZMR 2011, 859; AG München v. 27.6.2017 – 461 C 9942/17, ZMR 2018, 515. OLG Karlsruhe v. 27.3.2014 – 12 U 11/14, ZMR 2015, 295; OLG Naumburg v. 18.5.2012 – 1 W 17/12, ZMR 2013, 112; OLG Hamm v. 23.8.2012 – 10 U 68/12, ZMR 2013, 31; OLG Rostock v. 4.8.2010 – 3 U 82/10, MDR 2011, 476. OLG Karlsruhe v. 27.3.2014 – 12 U 11/14, IMR 2014, 332. AG Mitte v. 19.11.2014 – 9 C 303/13, GE 2015, 60. OLG Hamm v. 20.12.1991 – 30 U 93/91, MDR 1992, 644 = ZMR 1992, 152. BGH v. 6.7.1977 – VIII ZR 277/75, NJW 1977, 1818.

950 | Lützenkirchen

B. Wohnraummiete | Rz. 162 § 546

Mieter für eine ihm durch die verbotene Eigenmacht entgangene Gebrauchsmöglichkeit keinen Schadensersatz verlangen459. Die nicht durch einen gerichtlichen Titel gedeckte eigenmächtige Inbesitznahme einer Wohnung und 159 deren eigenmächtiges Ausräumen durch den Vermieter stellen jedenfalls solange, wie der Mieter seinen an der Wohnung bestehenden Besitz nicht erkennbar aufgegeben hat, eine verbotene Eigenmacht i.S.v. § 858 Abs. 1 BGB und zugleich eine unerlaubte Selbsthilfe i.S.v. § 229 BGB dar, für deren Folgen der Vermieter verschuldensunabhängig nach § 231 BGB haftet460. Das gilt selbst dann, wenn der gegenwärtige Aufenthaltsort des Mieters unbekannt und/oder das Mietverhältnis wirksam gekündigt und dadurch ein vertragliches Besitzrecht des Mieters entfallen ist461. Vielmehr ist der Vermieter auch in diesen Fällen verpflichtet, sich – ggf. nach öffentlicher Zustellung der Räumungsklage – einen Räumungstitel zu beschaffen und zwecks rechtmäßiger Besitzverschaffung aus diesem vorzugehen. Wie sich schon aus dem Wortlaut des § 231 BGB ergibt, kann sich der Vermieter bei einer sog. kalten 160 Räumung auch nicht darauf berufen, sich über die Voraussetzungen und den Umfang seines Selbsthilferechts geirrt zu haben462. Von der Ersatzpflicht erfasst wird insbesondere eine eigenmächtige Entsorgung des hierbei in Besitz genommenen Hausrats und der sonst in der Wohnung vorgefundenen Gegenstände. Denn den Vermieter trifft mit seiner Inbesitznahme zugleich eine Obhutspflicht, welche einer Entsorgung grundsätzlich entgegensteht463. 2. Darlegungs- und Beweislast bei Schadensersatz des Mieters Die – bei Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung zumindest nachvertragliche – Obhutspflicht 161 i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB hat nur zur Folge, dass der Vermieter die nachweislich in Obhut genommenen Gegenstände vollständig und in einem gegenüber dem Zustand bei Inobhutnahme nicht verschlechterten Zustand wieder herausgeben muss. Im Falle einer Unmöglichkeit der Herausgabe oder einer im Vergleich zum übernommenen Zustand nachweislich eingetretenen Verschlechterung der herauszugebenden Gegenstände hat er sich darüber hinaus – wie § 280 Abs. 1 S. 2 BGB zeigt – zu entlasten, so dass ihn und nicht den Mieter insoweit die Darlegungs- und Beweislast trifft464. Die Umkehr der Darlegungs- und Beweislast reicht zu Lasten des Vermieters aber noch weiter und 162 erstreckt sich zugleich auf den Bestand, den Zustand und die wertbildenden Merkmale der Gegenstände, die sich in der durch verbotene Eigenmacht (§ 858 BGB) in Besitz genommenen Wohnung befunden haben465. Denn zu den Obhutspflichten des Vermieters bei Inbesitznahme der Wohnung und der darin befindlichen (Einrichtungs-)Gegenstände gehört auch die Pflicht, die Interessen des durch Ortsabwesenheit und mangelnde Kenntnis von der Inbesitznahme an einer eigenen Interessenwahrnehmung verhinderten Mieters zu wahren. Der Vermieter muss nicht nur dafür Sorge tragen, dass an den in Besitz genommenen Gegenständen während der Dauer ihrer Obhut oder der anschließenden Einlagerung keine Beschädigungen oder Verluste eintreten. Es obliegt ihm vielmehr schon bei Inbesitznahme, ein aussagekräftiges Verzeichnis der verwahrten Gegenstände aufzustellen und deren Wert schätzen zu lassen, um dem Mieter eine Sicherung seiner Ansprüche zu ermöglichen466. 459 BGH v. 21.1.1981 – VIII ZR 41/80, MDR 1981, 490 = NJW 1981, 865. 460 BGH v. 6.7.1977 – VIII ZR 277/75, WPM 1977, 1126 (unter II 2); BGH v. 1.10.2003 – VIII ZR 326/02, MDR 2004, 226 = WuM 2003, 708 (unter III); Sternel, Mietrecht aktuell, XIII Rz. 25; vgl. ferner OLG Köln v. 25.7.1995 – Ss 340/95, NJW 1996, 472 (473); Horst, NZM 1998, 139 (140); Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 546 BGB Rz. 34; Lehmann-Richter, NZM 2009, 177 (178). 461 OLG Celle v. 10.11.1993 – 2 U 115/93, WuM 1995, 188; Kandelhard in Herrlein/Kandelhard, § 546 BGB Rz. 34; Staudinger/Rolfs, § 546 BGB Rz. 39; Bamberger/Roth/Ehlert, § 546 BGB Rz. 22; Horst, NZM 1998, 139 (140). 462 BGH v. 14.7.2010 – VIII ZR 45/09, MDR 2010, 1106 = MietRB 2010, 286 = WuM 2010, 578 = GE 2010, 1189 = NZM 2010, 701 = ZMR 2011, 23. 463 BGH v. 1.10.2003 – VIII ZR 326/02, MDR 2004, 226 = WuM 2003, 708; vgl. ferner BGH v. 27.4.1971 – VI ZR 191/69, WM 1971, 943 (unter II 1b). 464 Vgl. BGH v. 5.10.1989 – III ZR 126/88, MDR 1990, 416 = WPM 1990, 438 (unter III 1). 465 BGH v. 14.7.2010 – VIII ZR 45/09, MDR 2010, 1106 = MietRB 2010, 286 = WuM 2010, 578 = GE 2010, 1189 = NZM 2010, 701 = ZMR 2011, 23. 466 Vgl. BGH v. 27.9.1951 – IV ZR 155/50, BGHZ 3, 162, 172 f.; OLG Naumburg v. 18.5.2012 – 1 W 17/12, ZMR 2013, 112.

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§ 546 Rz. 163 | Rückgabepflicht des Mieters 3. Umfang des Schadens 163 Bei einer Verletzung der Inventarisierungs- und Schätzungspflicht ist der Vermieter deshalb zugleich

verpflichtet, den Schaden auszugleichen, der darin liegt, dass der Mieter hinsichtlich des Bestandes, Zustandes und Wertes seiner (Einrichtungs-)Gegenstände zur Zeit der Inbesitznahme durch den Vermieter in Beweisnot geraten ist467. Denn um dem Mieter eine vom Bestand und Wert der Sachen ausgehende Schadensberechnung bezogen auf den Zeitpunkt, als der Vermieter den Besitz ergriffen hat, zu ermöglichen, ist dieser verpflichtet, bei der Inbesitznahme ein vollständiges Bestandsverzeichnis aufzustellen und den Wert der darin aufgenommenen Gegenstände feststellen zu lassen. Wenn er dem nicht nachkommt, geht der dem Mieter aus einer Verletzung dieser Pflicht zustehende Schadensausgleich deshalb auch dahin, dass der Vermieter seinerseits verpflichtet ist zu beweisen, in welchem Umfang Bestand und Wert der der Schadensberechnung zugrunde gelegten Gegenstände von den Angaben abweichen, die der Mieter hierzu gemacht hat, soweit die vom Mieter angesetzten Werte plausibel sind.

C. Gewerberaummiete 164 Als allgemeine Vorschrift gilt § 546 BGB in der Gewerberaummiete unmittelbar. Die Rückgabe voll-

zieht sich grundsätzlich auch nicht nach anderen als in Abschnitt B. dargestellten Regeln. Allerdings bestehen aus der Natur der Gewerberaummietverträge u.a. folgende Besonderheiten:

I. Inhalt der Rückgabepflicht 1. Reklame- und Hinweisschilder 165 Reklame- und sonstige Schilder, die am Gebäude befestigt sind und auf den Betrieb des Mieters hinwei-

sen, sind bei der Rückgabe zu entfernen. Dabei ist der ursprüngliche bauliche Zustand wiederherzustellen. Zusätzlich darf der Mieter aber im Regelfall neue Hinweisschilder installieren, die auf die neue Betriebsstätte des Mieters verweisen468 unter Beachtung der gleichen Grundsätze wie für die Installation von Werbeschildern (vgl. § 535 BGB Rz. 1053). Danach kommt es vorbehaltlich entgegenstehender Vertragsbestimmungen469 auf die Ortssitte an. Besteht ein Anspruch des Mieters, müssen die neuen Schilder grundsätzlich gut sichtbar sein, dürfen aber im Übrigen nur an einem Ort angebracht werden, der mit dem Vermieter abgestimmt ist. Dabei sind auch die Belange des Nachmieters zu berücksichtigen. Sofern also z.B. an der Außenwand des Gebäudes, in dem ein Einkaufscenter betrieben wird, eine Sammelschildanlage installiert ist, auf der der Mieter bisher schon ein Hinweisschild hatte, ist er berechtigt, auf diesem Hinweisschild seine neue Adresse vorübergehend mitzuteilen. Diese Grundsätze gelten nicht für Werbeschilder470. Diese sind in jedem Fall zu demontieren. 165a Ob eine entgegenstehende Klausel im Mietvertrag gegen § 307 BGB verstößt, hängt von weiteren Um-

ständen ab. Bezieht sich eine solche Klausel z.B. auch auf das an der Gebäudewand installierte Praxisoder Kanzleischild, auf dem der Mieter den Hinweis auf die neue Anschrift anbringen könnte, liegt auch unter Berücksichtigung der Interessen des Vermieters bei kundenfeindlichster Auslegung eine unangemessene Benachteiligung vor. Ansonsten wird z.B. in einem Einkaufscenter das Interesse des Vermieters, die Kunden nicht auf andere Geschäftsadressen zu verweisen, überwiegen. Dies gilt uneingeschränkt, wenn das Hinweisschild im Inneren des Centers installiert werden soll. 166 Die Größe der Hinweisschilder orientiert sich maximal an dem bisherigen Format, wobei die Funk-

tion im Vordergrund steht. Danach soll der Kunde, der zu der bisherigen Adresse des ehemaligen Mieters kommt, ohne Schwierigkeiten erkennen können, wohin der Mieter verzogen ist. Dazu reichen Schilder in der Größe von maximal 30 × 40 cm aus. Die Installation einer Leucht-Reklame o.Ä. (z.B. 467 BGH v. 14.7.2010 – VIII ZR 45/09, MDR 2010, 1106 = MietRB 2010, 286 = WuM 2010, 575 = GE 2010, 1189 = NZM 2010, 701 = ZMR 2011, 23. 468 OLG Düsseldorf v. 27.5.1988 – 16 U 56/88, NJW 1988, 2545 = BRAK-Mitt. 1988, 282; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 535 BGB Rz. 198. 469 AG Hamburg v. 28.3.2019 – 44 C 275/18, ZMR 2019, 598 = IMR 2020, 61 (Castor). 470 Guhling/Günter/Menn, § 535 BGB Rz. 65.

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C. Gewerberaummiete | Rz. 171 § 546

Werbebanner) an der Fassade kann der Mieter nur mit einer besonderen Vereinbarung, die auch ein Entgelt regeln kann, erreichen. Denn für derartige Anlagen ist oftmals eine Baugenehmigung notwendig und wird die Gebäudehaftung nach § 836 BGB ausgelöst. Der nachvertragliche Anspruch auf Duldung der Hinweisschilder am Gebäude besteht für eine an- 167 gemessene Zeit, z.B. sechs Monate471. Danach hat der Mieter das Hinweisschild auf seine Kosten zu entfernen und den ursprünglichen Zustand auch ohne besondere Vereinbarung wiederherzustellen. 2. Teilrückgabe Auch in der Gewerberaummiete gilt der Grundsatz des § 266 BGB (§ 546 BGB Rz. 72). Dennoch wird 168 eine Teilrückgabe als zumutbar angesehen, wenn bei verständiger Würdigung der Interessen des Mieters und der Lage des Mieters keine berechtigten Belange der Rückgabe entgegenstehen472. Beispielhaft werden die Weitervermietung von Teilflächen an verschiedene Personen473 und die Rückgabe von Teilflächen unbebauter Grundstücke474 angeführt. Dem kann nicht uneingeschränkt zugestimmt werden. Es mag Fälle geben, in denen sich das Berufen 169 des Vermieters auf § 266 BGB in der gegebenen Situation als das Ausnutzen einer formalen Rechtsposition i.S.v. § 242 BGB darstellt. Indessen muss berücksichtigt werden, dass Art. 14 GG auch vorsieht, dass der Vermieter in der bisherigen Weise eine (teilbare) Mietsache einheitlich vermieten will oder sein Konzept ändert. Ebenso wenig wie ein Gericht dem Vermieter vorschreiben kann, wie er seinen Eigenbedarf befriedigt475, kann dem Vermieter unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten ein unternehmerisches Konzept aufgezwungen werden. Mit Rücksicht darauf kommen überhaupt nur ganz besonders gelagerte Ausnahmefälle in Betracht, die den vertragswidrig handelnden Mieter entlasten können. Eine solche Ausnahme ist z.B. nicht gegeben, wenn eine Gaststätte mit Wirtewohnung vermietet wurde und nur eine der beiden Einheiten zurückgegeben wird476. 3. Bodenkontaminationen und vertragsgemäßer Gebrauch Gemäß § 538 BGB haftet der Mieter nicht für Verschlechterungen der Mietsache, die infolge des ver- 170 tragsgemäßen Gebrauchs eingetreten. Dafür wird grundsätzlich allein auf den Vertragszweck abgestellt, sofern keine zusätzlichen Abreden bestehen. Wird aber allein der Betriebszweck festgelegt, gelten nach der Verkehrsanschauung insbesondere die für das jeweilige Gewerbe geltenden Umweltrichtlinien oder sonstigen Standards477, so dass der Vermieter keine Ansprüche wegen Beschädigung der Mietsache herleiten kann, wenn diese Anforderungen eingehalten sind und im Übrigen nichts Besonderes geregelt ist. Deshalb können bei einem Tankstellengrundstück Kontaminationen, die durch ordnungsgemäßes Betanken von Fahrzeugen entstehen, vom vertragsgemäßen Gebrauch gedeckt sein, wenn der Betrieb die geltenden Richtlinien einhält478. Das Gleiche gilt, wenn in einem Mietvertrag über eine Tankstelle bzw. Kfz-Werkstatt nebst Verkaufsbüro eine Instandhaltung nach den gesetzlichen Vorschriften vorgesehen ist; hier besteht im Fall einer Kontamination von Grund und Boden aufgrund Überlaufens eines Koaleszenzabscheiders nebst anschließender Sanierung kein Ausgleichsanspruch des Vermieters gegen den Mieter479. Diese Rechtslage ändert sich durch § 24 BBodSchG nicht480. Danach besteht ein Ausgleichsanspruch 171 zwischen mehreren Verursachern von Bodenkontaminationen, wofür eine Inanspruchnahme eines 471 Vgl. OLG Düsseldorf v. 27.5.1988 – 16 U 56/88, NJW 1988, 2545. 472 OLG Hamm v. 25.5.1994 – 11 U 3/94, ZMR 1995, 25 (26) = juris Rz. 18; Pietz/Leo in Lindner/Figura u.a., Kap. 16 Rz. 39. 473 Bub/Treier/Scheuer/Emmerich, V Rz. 45. 474 OLG Köln v. 5.10.2004 – 22 U 112/04, GuT 2004, 232. 475 BVerfG v. 11.11.1993 – 1 BvR 696/93, WuM 1993, 729 = ZMR 1994, 208 = NJW 1994, 309. 476 OLG Hamm v. 25.5.1994 – 11 U 3/94, ZMR 1995, 25 (26) = juris Rz. 18. 477 BGH v. 10.7.2002 – XII ZR 107/99, MDR 2003, 22 = ZMR 2002, 901. 478 BGH v. 12.7.2004 – XII ZR 163/03, MDR 2005, 25 = MietRB 2005, 6 = GuT 2004, 233; BGH v. 10.7.2002 – XII ZR 107/99, MDR 2003, 22 = ZMR 2002, 901. 479 BGH v. 28.7.2004 – XII ZR 163/03, MDR 2005, 26 = ZMR 2004, 898 = MietRB 2005, 6. 480 Pietz/Leo in Lindner-Figura u.a., Kap. 16 Rz. 41.

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§ 546 Rz. 171 | Rückgabepflicht des Mieters von ihnen durch die zuständige Behörde nicht unbedingt erforderlich ist481. Dieser Ausgleichsanspruch steht aber gemäß § 24 Abs. 2 S. 2 BBodSchG unter dem Vorbehalt einer anderweitigen Vereinbarung zwischen den Parteien. Eine solche anderweitige Vereinbarung bildet vor dem Hintergrund von § 538 BGB grundsätzlich die Festlegung des Vertragszwecks im Mietvertrag482. Dann muss der Mieter aber die gefahrbringende Anlage mitgemietet haben. Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass der Mieter nur ein Grundstück gemietet und die gefährlichen Anlagen (hier: Tankstellenausstattung) selbst geschaffen hat483. Dann muss der Mieter die Mietsache (Tankstelle) so betreiben, dass für den Vermieter kein Schaden entsteht. Hat der Mieter sodann die Mietsache (Tankstelle) so geführt, dass eine schädliche Bodenveränderung eingetreten ist, hat er sich damit nicht vertragsgemäß verhalten und kann sich nicht auf eine den Ausgleichsanspruch ausschließende Vereinbarung berufen. 4. Bereicherung bei vorzeitiger Rückgabe 172 Dem Mieter kann ein Bereicherungsanspruch (§ 812 Abs. 1, 2. Alt. BGB = Bereicherung in sonstiger

Weise) zustehen, weil der Vermieter vorzeitig, und zwar in Folge z.B. einer außerordentlichen Kündigung und nicht erst mit Ablauf der vertraglich vorgesehenen Mietzeit, in den Genuss von wertsteigernden Investitionen des Mieters kommt484. Dem steht nicht entgegen, dass der auf eine bestimmte Zeit fest geschlossene Mietvertrag wegen Nichteinhaltung der Schriftform des § 550 BGB mit gesetzlicher Kündigungsfrist kündbar war485. Der Umstand, dass der Mietvertrag in einem solchen Fall vorzeitig kündbar ist, ändert nichts daran, dass die Parteien einen auf bestimmte Zeit unkündbaren Mietvertrag vereinbaren wollten. Der Abschluss eines insoweit langfristigen Vertrages bildet die Grundlage für die Investitionen des Mieters. Mit der Beendigung des Mietvertrages vor dem von den Parteien geplanten Ende ist der Rechtsgrund für die von der Beklagten vorgenommene Investition weggefallen486 mit der Folge, dass der Vermieter bereichert sein kann. 172a Das Gleiche kommt in Betracht, wenn der Mieter in der begründeten Erwartung eines künftigen Ei-

gentumserwerbs auf einem Grundstück Bauarbeiten vornimmt und diese Erwartung später enttäuscht wird. Begründet ist die Erwartung schon dann, wenn die Bebauung und der spätere Eigentumserwerb auf einer tatsächlichen Willensübereinstimmung zwischen dem Bauenden und dem Grundstückseigentümer beruhen487. 173 Schuldner eines solchen Bereicherungsanspruchs ist entweder der Vermieter oder – nach einer Ver-

äußerung i.S.v. § 566 BGB – der Erwerber488 und sogar der Ersteher in der Zwangsversteigerung489. Der Anspruch entsteht nicht im Zeitpunkt der Investition, sondern im Zeitpunkt der vorzeitigen Beendigung des Mietvertrages. Denn der Umfang der Bereicherung richtet sich nicht nach der Höhe der Aufwendungen des Mieters und besteht auch nicht im Zeitwert der Investition und der Verkehrswertsteigerung des Mietobjektes bei Rückgabe (und erst recht nicht zu einem früheren Zeitpunkt), sondern allein in der Erhöhung des Ertragswertes, soweit der Vermieter diesen früher als vertraglich vorgesehen durch anderweitige Vermietung zu einer höheren Miete realisieren kann. Um eine derartige Möglichkeit ist der Voreigentümer, der die Nutzung zur vertraglich vereinbarten Miete dem Mieter bis zum Eigentumsübergang gewährt hat, nicht bereichert. Bereichert ist vielmehr der neue Vermieter, der die Mietsache vor Ablauf der vereinbarten Mietzeit zurückerhält und sie dadurch zu einer höheren Miete weitervermieten kann490.

481 BGH v. 1.10.2008 – XII ZR 52/07, MDR 2009, 16 = NZM 2008, 933 = GuT 2009, 327. 482 BGH v. 28.7.2004 – XII ZR 163/03, MDR 2005, 26 = ZMR 2004, 898 = MietRB 2005, 6. 483 BGH v. 1.10.2008 – XII ZR 52/07, MDR 2009, 16 = NZM 2008, 933 = GuT 2009, 327; Hanseatisches OLG Bremen v. 23.3.2007 – 5 U 44/06, MietRB 2007, 262 = OLGR 2007, 673 = NZM 2008, 85. 484 BGH v. 5.10.2005 – XII ZR 43/02, MietRB 2006, 94 = MDR 2006, 505 = ZMR 2006, 185 = NJW-RR 2006, 294. 485 BGH v. 16.9.2009 – XII ZR 71/07, NZM 2009, 783 = NJW-RR 2010, 86. 486 BGH v. 21.1.1960 – VIII ZR 16/59, WPM 1960, 497 (498). 487 BGH v. 19.7.2013 – V ZR 93/12, MDR 2013, 1393 = MietRB 2014, 75. 488 BGH v. 20.5.2009 – XII ZR 66/07, MietRB 2009, 230 = MDR 2009, 920 = ZMR 2009, 749 = NJW 2009, 2374. 489 BGH v. 16.9.2009 – XII ZR 71/07, NZM 2009, 783 = NJW-RR 2010, 86. 490 BGH v. 20.5.2009 – XII ZR 66/07, MietRB 2009, 230 = MDR 2009, 920 = ZMR 2009, 749 = NJW 2009, 2374.

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Räumungszwangsvollstreckung | Anhang zu § 546

Zur Höhe muss der Mieter darlegen und beweisen, dass der Vermieter durch die Weitervermietung 174 mehr erlöst, als er nach dem bisherigen Vertrag erhalten hat. Nur dann liegt eine Bereicherung vor. Erlöst der Vermieter nur das, was er bisher erhalten hat, besteht kein Anspruch gegen ihn. Zeitlich ist der Anspruch auf die ursprüngliche Dauer des vorzeitig beendeten Mietvertrages beschränkt.

II. Versorgungssperre Auch gegenüber dem Gewerberaummieter ist grundsätzlich die Versorgungssperre zulässig, wenn der 175 Mietvertrag beendet ist491 (vgl. § 546 BGB Rz. 126). Ausnahmen ergeben sich aus Treu und Glauben (§ 242 BGB). Vor diesem Hintergrund soll der Vermieter selbst dann, wenn er aufgrund der Beendigung des Mietver- 176 hältnisses nicht mehr zur Gebrauchsüberlassung verpflichtet sein sollte, nach Treu und Glauben zur Erbringung der Versorgungsleistungen, insbesondere der Wasserversorgung verpflichtet sein, wenn der Mieter vertragsgemäß in den Mieträumen ein Friseurgeschäft betreibt492. Da ein Friseurgeschäft ohne Wasser nicht betrieben werden kann, droht dem Mieter bei fehlender Wasserversorgung zwar ein besonders hoher Schaden, zumal wenn der weit überwiegende Anteil der von ihm angebotenen Dienstleistungen ohne Wasser nicht erbracht werden kann, so dass der Laden mangels Wasserversorgung geschlossen werden müsste und erhebliche Umsatzeinbußen entstünden. Eine über die Vertragsbeendigung hinausgehende Versorgungsverpflichtung würde aber allein den Interessen des Mieters dienen. Jedenfalls wenn der Mieter sich in Zahlungsverzug befindet und für die Dauer der Vorenthaltung nach § 546a BGB auch keine Zahlungen geleistet werden, kann eine Versorgungssperre eingerichtet werden, obwohl der Mieter das Medium zur Fortsetzung seines Gewerbes bzw. der Erbringung seiner Dienstleistung benötigt. Ein Recht zur Kürzung der Nutzungsentschädigung wegen einer zulässigen Versorgungssperre besteht nicht493 (§ 546a BGB Rz. 77). Im Prinzip ist nahezu jeder Gewerbebetrieb auf Versorgung mit Strom, Heizenergie und Wasser ange- 177 wiesen. Denn regelmäßig läuft kein Computer ohne Strom und kann nichts ohne Wasser produziert werden. Mit Rücksicht darauf ist auch hier der Anwendungsbereich in der Regel auf die Kündigung wegen Nichtzahlung der Mieter beschränkt.

Anhang zu § 546: Räumungszwangsvollstreckung A. Räumungszwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Räumungstitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Urteil und Beschluss nach § 940a ZPO . b) Der gerichtliche Räumungsvergleich . . . c) Die Einstweilige Verfügung . . . . . . . . . . d) Die vollstreckbare notarielle Urkunde . e) Der Anwaltsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . f) Der Schiedsspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Der Zuschlagsbeschluss . . . . . . . . . . . . . h) Der Beschluss nach § 149 Abs. 2 ZVG . i) Der Eröffnungsbeschluss über das Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . j) Die Zuweisung der Ehewohnung . . . . . 2. Räumungsschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Untermieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Nichteheliche Lebensgefährten . . . . . . .

1 1 4 5 6 8 9 14 15 16 18 19 20 21 21 23 27 28

e) Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Sonstige Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Rechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Teilräumung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j) Auskunftsanspruch des Vermieters . . . . . II. Ablauf der Räumungsvollstreckung nach § 885 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besitzeinweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Räumung, § 885 Abs. 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . a) Bewegliche Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beseitigung von Aufbauten . . . . . . . . . . . 4. Verwahrung des Räumungsgutes, § 885 Abs. 3 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Verwertung des Räumungsgutes, § 885 Abs. 4 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29 30 31 34 36 37 39 39 43 45 45 51 53 60 68

491 BGH v. 6.5.2009 – XII ZR 137/07, MDR 2009, 919 = MietRB 2009, 223 (224) = WuM 2009, 469 = GE 2009, 775 = NJW 2009, 1947 = ZMR 2010, 263. 492 KG v. 16.5.2011 – 8 U 2/11, MietRB 2011, 244 = GE 2011, 1082. 493 BGH v. 27.5.2015 – XII ZR 66/13, MietRB 2015, 265 = MDR 2015, 998 = ZMR 2015, 754 = NZM 2015, 695.

Lützenkirchen und Lützenkirchen/Dickersbach | 955

Räumungszwangsvollstreckung | Anhang zu § 546

Zur Höhe muss der Mieter darlegen und beweisen, dass der Vermieter durch die Weitervermietung 174 mehr erlöst, als er nach dem bisherigen Vertrag erhalten hat. Nur dann liegt eine Bereicherung vor. Erlöst der Vermieter nur das, was er bisher erhalten hat, besteht kein Anspruch gegen ihn. Zeitlich ist der Anspruch auf die ursprüngliche Dauer des vorzeitig beendeten Mietvertrages beschränkt.

II. Versorgungssperre Auch gegenüber dem Gewerberaummieter ist grundsätzlich die Versorgungssperre zulässig, wenn der 175 Mietvertrag beendet ist491 (vgl. § 546 BGB Rz. 126). Ausnahmen ergeben sich aus Treu und Glauben (§ 242 BGB). Vor diesem Hintergrund soll der Vermieter selbst dann, wenn er aufgrund der Beendigung des Mietver- 176 hältnisses nicht mehr zur Gebrauchsüberlassung verpflichtet sein sollte, nach Treu und Glauben zur Erbringung der Versorgungsleistungen, insbesondere der Wasserversorgung verpflichtet sein, wenn der Mieter vertragsgemäß in den Mieträumen ein Friseurgeschäft betreibt492. Da ein Friseurgeschäft ohne Wasser nicht betrieben werden kann, droht dem Mieter bei fehlender Wasserversorgung zwar ein besonders hoher Schaden, zumal wenn der weit überwiegende Anteil der von ihm angebotenen Dienstleistungen ohne Wasser nicht erbracht werden kann, so dass der Laden mangels Wasserversorgung geschlossen werden müsste und erhebliche Umsatzeinbußen entstünden. Eine über die Vertragsbeendigung hinausgehende Versorgungsverpflichtung würde aber allein den Interessen des Mieters dienen. Jedenfalls wenn der Mieter sich in Zahlungsverzug befindet und für die Dauer der Vorenthaltung nach § 546a BGB auch keine Zahlungen geleistet werden, kann eine Versorgungssperre eingerichtet werden, obwohl der Mieter das Medium zur Fortsetzung seines Gewerbes bzw. der Erbringung seiner Dienstleistung benötigt. Ein Recht zur Kürzung der Nutzungsentschädigung wegen einer zulässigen Versorgungssperre besteht nicht493 (§ 546a BGB Rz. 77). Im Prinzip ist nahezu jeder Gewerbebetrieb auf Versorgung mit Strom, Heizenergie und Wasser ange- 177 wiesen. Denn regelmäßig läuft kein Computer ohne Strom und kann nichts ohne Wasser produziert werden. Mit Rücksicht darauf ist auch hier der Anwendungsbereich in der Regel auf die Kündigung wegen Nichtzahlung der Mieter beschränkt.

Anhang zu § 546: Räumungszwangsvollstreckung A. Räumungszwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Räumungstitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Urteil und Beschluss nach § 940a ZPO . b) Der gerichtliche Räumungsvergleich . . . c) Die Einstweilige Verfügung . . . . . . . . . . d) Die vollstreckbare notarielle Urkunde . e) Der Anwaltsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . f) Der Schiedsspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Der Zuschlagsbeschluss . . . . . . . . . . . . . h) Der Beschluss nach § 149 Abs. 2 ZVG . i) Der Eröffnungsbeschluss über das Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . j) Die Zuweisung der Ehewohnung . . . . . 2. Räumungsschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Untermieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Nichteheliche Lebensgefährten . . . . . . .

1 1 4 5 6 8 9 14 15 16 18 19 20 21 21 23 27 28

e) Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Sonstige Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Rechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Teilräumung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j) Auskunftsanspruch des Vermieters . . . . . II. Ablauf der Räumungsvollstreckung nach § 885 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besitzeinweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Räumung, § 885 Abs. 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . a) Bewegliche Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beseitigung von Aufbauten . . . . . . . . . . . 4. Verwahrung des Räumungsgutes, § 885 Abs. 3 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Verwertung des Räumungsgutes, § 885 Abs. 4 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29 30 31 34 36 37 39 39 43 45 45 51 53 60 68

491 BGH v. 6.5.2009 – XII ZR 137/07, MDR 2009, 919 = MietRB 2009, 223 (224) = WuM 2009, 469 = GE 2009, 775 = NJW 2009, 1947 = ZMR 2010, 263. 492 KG v. 16.5.2011 – 8 U 2/11, MietRB 2011, 244 = GE 2011, 1082. 493 BGH v. 27.5.2015 – XII ZR 66/13, MietRB 2015, 265 = MDR 2015, 998 = ZMR 2015, 754 = NZM 2015, 695.

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Anhang zu § 546 | Räumungszwangsvollstreckung III. Alternativen zu § 885 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Frankfurter Räumung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Hamburger Räumung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Berliner Räumung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beschränkter Vollstreckungsauftrag, § 885a ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 885a Abs. 1 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Pfändungsprotokoll, § 885a Abs. 2 ZPO c) Verwahrung des Inventars, § 885a Abs. 3 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Selbsthilfeverkauf, § 885a Abs. 4 ZPO . . e) Behandlung unpfändbarer Sachen . . . . f) Aufklärungspflicht des Gerichtsvollziehers, § 885a Abs. 6 ZPO . . . . . . . g) Kostenregelung, § 885a Abs. 7 ZPO . . . IV. § 940a Abs. 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Statthaftigkeit des Antrags . . . . . . . . . . . . . . 3. Bestehen eines Räumungstitels . . . . . . . . . . . 4. (Mit-)Besitz eines Dritten . . . . . . . . . . . . . . . 5. Mangelnde Kenntnis des Vermieters . . . . . . 6. Name des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Rechtliches Gehör . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Erfüllung und Verwirkung des Räumungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Neubegründung eines Mietverhältnisses c) Einzelfälle für angenommene Verwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Einzelfälle für abgelehnte Verwirkung . e) Prozessuale Geltendmachung . . . . . . . . B. Räumungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Räumungsfrist nach § 721 ZPO . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verzicht auf Räumungsfrist . . . . . . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wohnraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Interessen des Vermieters . . . . . . . . bb) Interessen des Mieters . . . . . . . . . . . 4. Beendigung des Mietverhältnisses durch Mieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70 71 73 75 77 79 80 87 93 98 101 105 107 108 111 112 115 117 120 123 124 124 125 125 127 130 134 139 141 141 141 144 146 146 147 156 157 162

5. Auflagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Materiell-rechtliche Auswirkungen der Räumungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Verlängerung und Verkürzung . . . . . . . . . . . . 8. Zeitliche Begrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsbehelfe des Mieters . . . . . . . . . bb) Rechtsbehelfe des Vermieters . . . . . . cc) Anschlussbeschwerde . . . . . . . . . . . . dd) Verfahrensablauf . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Versorgungsleistungen des Vermieters . . . . . II. Räumungsfrist nach § 794a ZPO . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erstmalige Bewilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Antragsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Verlängerung und Verkürzung . . . . . . . . . . . . 8. Dauer der Räumungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Räumungsschutz nach § 719 ZPO . . . . . . . . . . IV. Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konkurrenz zu anderen Vollstreckungsschutzvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antragsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Berücksichtigungsfähige Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gefahr für Leben und Gesundheit . . d) Materielle Einwendungen und Einreden e) Einzelfälle aus der Praxis . . . . . . . . . . . . . 4. Eilentscheidung des Gerichtsvollziehers . . . . 5. Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfahrensablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auflagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

168 170 173 177 179 179 181 182 187 189 190 191 192 192 193 195 196 200 203 206 208 209 212 216 216 218 224 224 228 232 234 237 242 243 253 255 255 258 261 264 265

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A. Räumungszwangsvollstreckung § 885 ZPO Herausgabe von Grundstücken oder Schiffen (1) Hat der Schuldner eine unbewegliche Sache oder ein eingetragenes Schiff oder Schiffsbauwerk herauszugeben, zu überlassen oder zu räumen, so hat der Gerichtsvollzieher den Schuldner aus dem Besitz zu setzen und den Gläubiger in den Besitz einzuweisen. Der Gerichtsvollzieher hat den Schuldner aufzufordern, eine Anschrift zum Zweck von Zustellungen oder einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen. (2) Bewegliche Sachen, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind, werden von dem Gerichtsvollzieher weggeschafft und dem Schuldner oder, wenn dieser abwesend ist, einem Bevollmächtigten des Schuldners oder einem erwachsenen Familienangehörigen, einer in der Familie beschäftigten Person oder einem erwachsenen ständigen Mitbewohner übergeben oder zur Verfügung gestellt. (3) Ist weder der Schuldner noch eine der bezeichneten Personen anwesend oder wird die Entgegennahme verweigert, hat der Gerichtsvollzieher die in Absatz 2 bezeichneten Sachen auf Kosten des Schuldners in die

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A. Räumungszwangsvollstreckung | Rz. 1 Anhang zu § 546 Pfandkammer zu schaffen oder anderweitig in Verwahrung zu bringen. Bewegliche Sachen, an deren Aufbewahrung offensichtlich kein Interesse besteht, sollen unverzüglich vernichtet werden. (4) Fordert der Schuldner die Sachen nicht binnen einer Frist von einem Monat nach der Räumung ab, veräußert der Gerichtsvollzieher die Sachen und hinterlegt den Erlös. Der Gerichtsvollzieher veräußert die Sachen und hinterlegt den Erlös auch dann, wenn der Schuldner die Sachen binnen einer Frist von einem Monat abfordert, ohne binnen einer Frist von zwei Monaten nach der Räumung die Kosten zu zahlen. Die §§ 806, 814 und 817 sind entsprechend anzuwenden. Sachen, die nicht verwertet werden können, sollen vernichtet werden. (5) Unpfändbare Sachen und solche Sachen, bei denen ein Verwertungserlös nicht zu erwarten ist, sind auf Verlangen des Schuldners jederzeit ohne weiteres herauszugeben. § 885a ZPO Beschränkter Vollstreckungsauftrag (1) Der Vollstreckungsauftrag kann auf die Maßnahmen nach § 885 Absatz 1 beschränkt werden. (2) Der Gerichtsvollzieher hat in dem Protokoll (§ 762) die frei ersichtlichen beweglichen Sachen zu dokumentieren, die er bei der Vornahme der Vollstreckungshandlung vorfindet. Er kann bei der Dokumentation Bildaufnahmen in elektronischer Form herstellen. (3) Der Gläubiger kann bewegliche Sachen, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind, jederzeit wegschaffen und hat sie zu verwahren. Bewegliche Sachen, an deren Aufbewahrung offensichtlich kein Interesse besteht, kann er jederzeit vernichten. Der Gläubiger hat hinsichtlich der Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. (4) Fordert der Schuldner die Sachen beim Gläubiger nicht binnen einer Frist von einem Monat nach der Einweisung des Gläubigers in den Besitz ab, kann der Gläubiger die Sachen verwerten. Die §§ 372 bis 380, 382, 383 und 385 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind entsprechend anzuwenden. Eine Androhung der Versteigerung findet nicht statt. Sachen, die nicht verwertet werden können, können vernichtet werden. (5) Unpfändbare Sachen und solche Sachen, bei denen ein Verwertungserlös nicht zu erwarten ist, sind auf Verlangen des Schuldners jederzeit ohne Weiteres herauszugeben. (6) Mit der Mitteilung des Räumungstermins weist der Gerichtsvollzieher den Gläubiger und den Schuldner auf die Bestimmungen der Absätze 2 bis 5 hin. (7) Die Kosten nach den Absätzen 3 und 4 gelten als Kosten der Zwangsvollstreckung. § 940a ZPO Räumung von Wohnraum (1) Die Räumung von Wohnraum darf durch einstweilige Verfügung nur wegen verbotener Eigenmacht oder bei einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben angeordnet werden. (2) Die Räumung von Wohnraum darf durch einstweilige Verfügung auch gegen einen Dritten angeordnet werden, der im Besitz der Mietsache ist, wenn gegen den Mieter ein vollstreckbarer Räumungstitel vorliegt und der Vermieter vom Besitzerwerb des Dritten erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung Kenntnis erlangt hat. (3) Ist Räumungsklage wegen Zahlungsverzugs erhoben, darf die Räumung von Wohnraum durch einstweilige Verfügung auch angeordnet werden, wenn der Beklagte einer Sicherungsanordnung (§ 283a) im Hauptsacheverfahren nicht Folge leistet. (4) In den Fällen der Absätze 2 und 3 hat das Gericht den Gegner vor Erlass einer Räumungsverfügung anzuhören.

I. Allgemeines Dem Vermieter (= Gläubiger) ist die eigenmächtige Durchsetzung eines Räumungs- und Herausgabe- 1 anspruchs nach Beendigung des Mietverhältnisses verwehrt. Die nicht durch einen Titel gedeckte Inbesitznahme stellt eine unerlaubte Selbsthilfe dar, für deren Konsequenzen der Vermieter gemäß § 231 BGB verschuldensunabhängig haftet1. Das gilt selbst dann, wenn der Vermieter die Mieteinheit eigenmächtig räumt, um Schäden (infolge Mängel) für das Inventar des Mieters zu verhindern2. Insoweit

1 BGH v. 14.7.2010 – VIII ZR 45/09, MDR 2010, 1106 = MietRB 2010, 286 = WuM 2010, 579; BGH v. 1.10.2003 – VIII ZR 326/02, MDR 2004, 226 = WuM 2003, 708. 2 OLG Dresden v. 14.6.2017 – 5 U 1426/16, IMR 2018, 151 (Ramm).

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Anhang zu § 546 Rz. 1 | Räumungszwangsvollstreckung kommt ein Mitverschulden des Mieters, der z.B. kein Schloss an der Kellertür angebracht hat und auf einen Zettel des Vermieters, er möge sich melden, nicht reagiert hat, nicht in Betracht3. Schmerzensgeld schuldet er aber mangels Rechtsgrundlage in § 253 BGB nicht4, es sei denn, durch die Selbsthilfe sind adäquat kausal Gesundheitsbeeinträchtigungen eingetreten. 2 Der Vermieter muss einen Räumungstitel erwirken und anschließend die Zwangsvollstreckung be-

treiben. Für die Zwangsvollstreckung des titulierten Räumungs- und Herausgabeanspruchs müssen die allgemeinen (§ 750 ZPO) sowie die etwaigen weiteren besonderen (§§ 751 ff. ZPO) Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen5. Zu beachten ist insbesondere die Vorschrift des § 751 Abs. 1 ZPO. Hängt die Geltendmachung des Anspruchs von dem Eintritt eines Kalendertages ab, so darf die Zwangsvollstreckung erst mit Ablauf dieses Kalendertages beginnen. 3 Die Zwangsräumung erfolgt gemäß § 885 ZPO durch den Gerichtsvollzieher, der den Mieter (= Schuld-

ner) aus dem Besitz des Mietobjektes setzt und die Räumung vornimmt6. Vollstreckt der Gerichtsvollzieher ohne Vollstreckungstitel, handelt er pflichtwidrig und ist dem Mieter – bei Verschulden – zum Ersatz des aus Anlass der Räumungszwangsvollstreckung entstandenen Schadens verpflichtet7. 1. Die Räumungstitel 4 Voraussetzung für die Durchführung der Zwangsräumung ist ein Vollstreckungstitel, aus dem die Ver-

pflichtung zur Räumung und Herausgabe folgt. a) Urteil und Beschluss nach § 940a ZPO 5 Die zwangsweise Durchsetzung einer sich aus einem Urteil ergebenden Räumungs- und Herausgabe-

verpflichtung erfolgt gemäß § 724 ZPO aufgrund einer mit der Vollstreckungsklausel versehenen Ausfertigung des Urteils. Diese wird grundsätzlich von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts erteilt, bei dem der Rechtsstreit anhängig ist. Hängt die Vollstreckung von weiteren von dem Vermieter zu beweisenden Tatsachen – nicht von der Erbringung einer notwendigen Sicherheitsleistung – ab, ist der Rechtspfleger (§ 20 Nr. 12 RPflG) zuständig und der Vermieter muss den Beweis für den Eintritt der Bedingung durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden führen, § 726 Abs. 1 ZPO. Bei einem Räumungsurteil ist eine solche Konstellation die Ausnahme, da auch die Gewährung einer Räumungsfrist nach § 721 ZPO hiervon nicht erfasst wird. Diese stellt zwar eine besondere Voraussetzung der Zwangsvollstreckung dar, welche jedoch von § 751 Abs. 1 ZPO geregelt wird8. 5a Die vorstehenden Ausführungen gelten für den Beschluss nach § 940a Abs. 2 ZPO entsprechend mit

Ausnahme der Räumungsfrist nach § 721 ZPO. Dem Besitzer, gegen den nach § 940a Abs. 2 ZPO die Räumung angeordnet wird, kann aber eine Räumungsfrist nach § 765a ZPO gewährt werden9 (vgl. Anhang zu § 546 BGB Rz. 237 f.). b) Der gerichtliche Räumungsvergleich 6 Die Parteien eines Rechtsstreits können einen gerichtlichen Räumungsvergleich gemäß § 794 Abs. 1

Nr. 1 ZPO schließen. Die Zuständigkeiten für die Erteilung der Vollstreckungsklausel entsprechen den Regelungen bei einem Urteil. Wird die Zwangsvollstreckung von einer Bedingung abhängig gemacht, greift § 726 ZPO. Die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts fällt nicht hierunter, sofern Adressat des Widerrufs das Gericht ist, § 795b ZPO10. Anders verhält es sich, wenn die Räumungsverpflichtung durch den Mieter davon abhängig ist, dass der Vermieter zuvor eine Entschädigungszahlung leistet. Ver-

3 4 5 6 7 8 9 10

AG Hannover v. 6.11.2013 – 502 C 7971/13, GE 2013, 1657. A.A. AG Reinbek v. 20.5.2008 – 5 C 624/06, ZMR 2008, 719. Hierzu ausführlich Zöller/Stöber, §§ 750 ff. ZPO. Vgl. hierzu Schuschke, NZM 2005, 681. OLG Celle v. 15.12.1987 – 16 U 242/86, NJW-RR 1988, 913. Thomas/Putzo/Hüßtege, § 726 ZPO Rz. 2. LG Berlin v. 21.3.2016 – 51 T 167/16, GE 2016, 529. BGH v. 30.9.2005 – V ZR 275/04, MDR 2006, 284 = NJW 2005, 3576.

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A. Räumungszwangsvollstreckung | Rz. 11 Anhang zu § 546

einbaren die Parteien die Räumung des Mietobjekts Zug-um-Zug gegen Zahlung eines Abstandsbetrages, stellt die Räumung eine aufschiebende Bedingung i.S.d. § 151 Abs. 1 BGB für den Zahlungsanspruch dar, so dass für die diesbezügliche Erteilung der Vollstreckungsklausel der Rechtspfleger zuständig ist. Der Mieter muss den rechtszeitigen Auszug mittels öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunden nachweisen11. Vereinbaren die Parteien, die Räumung so lange nicht zwangsweise durchzuführen, wie der Mieter die zugesagten Raten pünktlich leistet (sog. Verfallklausel), bleibt es hingegen bei der Zuständigkeit des Urkundsbeamten nach § 724 BGB, da der Mieter – anders als von § 726 Abs. 1 ZPO vorausgesetzt – die Beweislast für die rechtzeitige Leistung trägt12. Die Ausführungen zum Prozessvergleich gelten gemäß § 797a ZPO entsprechend für Vergleiche vor 7 den in § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO aufgeführten Gütestellen. Allerdings kann die jeweilige Landesjustizverwaltung den Vorsteher einer Gütestelle ermächtigen, die Aufgabe des Urkundsbeamten zu übernehmen, § 797a Abs. 4 S. 1 ZPO. c) Die Einstweilige Verfügung Eine Einstweilige Verfügung kann ebenfalls Grundlage für eine Zwangsräumung sein. Allerdings darf 8 gemäß § 940a Abs. 1 ZPO im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich nicht auf Räumung einer Wohnung erkannt werden (vgl. dazu § 546 BGB Rz. 30). Der Erlass der einstweiligen Verfügung führt nicht zu einer Erledigung der Hauptsache im Hauptsacheprozess13. d) Die vollstreckbare notarielle Urkunde Gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO kann die Räumungsvollstreckung aufgrund einer notariellen Urkunde 9 über die Räumungsverpflichtung betrieben werden, wenn sich der Mieter in dieser der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat und nicht der Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum betroffen ist. Daher kann die Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung auch die Räumungsverpflichtung eines Gewerberaummieters betreffen14. Die Unterwerfungserklärung kann auch bereits bei Vertragsabschluss abgegeben werden. Materielle Einwendungen gegen die Räumungsverpflichtung kann der Mieter dann nur im Wege der Vollstreckungsgegenklage nach §§ 767, 797 Abs. 4 ZPO geltend machen. Bei Wohnraummietverhältnissen scheidet ein solches Vorgehen aus. Damit wird dem gegenüber dem 10 Gewerberaummieter erhöhten Schutzbedürfnis des Wohnraummieters Rechnung getragen. Unzulässig ist daher die Errichtung einer vollstreckbaren notariellen Urkunde bei Beginn des Wohnraummietverhältnisses oder während dessen Fortbestands über die künftige Räumungsverpflichtung des Mieters15. Ist das Mietverhältnis beendet, kann sich der Mieter aber wegen dem dann bestehenden Räumungsanspruch der sofortigen Zwangsvollstreckung in einer notariellen Urkunde unterwerfen16. Der Umstand, dass es sich um eine Abwicklungsvereinbarung zum beendeten Mietverhältnis handelt, steht dem nicht entgegen, da dessen Bestand selbst nicht betroffen ist17. Personen, welche selbst nicht in unmittelbarer vertraglicher Beziehung zum Vermieter stehen, können sich jederzeit der sofortigen Zwangsvollstreckung eines Räumungsanspruchs unterwerfen18. Bei gemischten Mietverhältnissen kommt die Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung grundsätz- 11 lich nicht in Betracht, auch wenn die überwiegend gewerbliche Nutzung das Mietverhältnis schwer-

11 LG Kassel v. 6.1.1994 – 1 S 438/93, NJW-RR 1994, 466; a.A. LG Frankfurt am Main v. 5.9.1989 – 2/11 S 177/ 89, WuM 1990, 196. 12 BGH v. 14.10.2009 – VIII ZR 272/08, MDR 2010, 17 = MietRB 2009, 352 = WuM 2009, 739; BGH v. 30.9.1964 – V ZR 143/62, DNotZ 1965, 544. 13 LG München I v. 10.10.2012 – 14 S 9204/12, ZMR 2013, 541. 14 Vgl. hierzu Moeser, NZM 2004, 769; Groh, NZM 1999, 698. 15 Thomas/Putzo/Hüßtege, § 794 ZPO Rz. 51. 16 Zöller/Stöber, § 794 ZPO Rz. 26. 17 A.A. AG Detmold v. 17.2.2003 – 9 M 298/2003, DGVZ 2003, 60. 18 Staudenmayer, InfoM 2006, 256.

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Anhang zu § 546 Rz. 11 | Räumungszwangsvollstreckung punktmäßig prägt (vgl. Vor § 535 BGB Rz. 64 ff.)19. Teilweise wird dies anders beurteilt, sofern Gewerbeund Wohnräume dergestalt baulich und funktional getrennt sind, dass diese unabhängig voneinander herausgegeben werden können20. Dies ist abzulehnen, da dies zu einer Splittung eines einheitlichen Mietverhältnisses führen würde. Durch den Abschluss nur eines Vertrages haben die Vertragsparteien zum Ausdruck gebracht, dass sie die Überlassung der Räume als einheitliches Rechtsgeschäft ansehen, welches auch in rechtlicher Hinsicht einheitlich behandelt werden soll. Ein Grund, hiervon im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens abzuweichen, besteht nicht. Dies kann auch nicht mit dem besonderen Schutz des Wohnraummieters begründet werden, da es sich hier gerade nicht um ein Wohnraummietverhältnis, sondern um ein Mietverhältnis handelt, das den Regeln über das Gewerberaummietrecht unterfällt. 12 Die vollstreckbare Ausfertigung einer notariellen Urkunde erteilt gemäß § 797 Abs. 2 ZPO der Notar,

der die Urkunde verwahrt oder die Behörde, bei der sich die Urkunde in Verwahrung befindet. 13 Hat sich ein Gewerberaummieter hinsichtlich seiner Räumungsverpflichtung der sofortigen Zwangs-

vollstreckung unterworfen, kann die Vertragsauslegung ergeben, dass der Notar die Vollstreckungsklausel nur dann erteilen darf, wenn er aufgrund der im Kündigungsschreiben angegebenen Gründe selbst feststellen kann, dass diese nach dem Vertrag auch die (fristlose) Kündigung rechtfertigen und damit die Beendigung des Vertrages glaubhaft gemacht ist21. e) Der Anwaltsvergleich 14 Die Ausführungen zur notariellen Urkunde gelten entsprechend für den Anwaltsvergleich gemäß

§ 796a ZPO. Der Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum darf nicht betroffen sein. Die materiell-rechtliche Vereinbarung über die Beendigung des Mietverhältnisses bleibt hiervon unberührt. Ist das Mietverhältnis bereits beendet, kann die Räumungsverpflichtung tituliert werden. Zuständig für die Vollstreckbarerklärung ist das Amtsgericht, bei dem der Vergleich niedergelegt wurde, im Falle des § 796c ZPO der Notar. f) Der Schiedsspruch 15 Die Zwangsräumung kann auch aufgrund eine Schiedsspruchs erfolgen. Eine Schiedsvereinbarung

über den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum ist aber unwirksam, §§ 794 Abs. 1 Nr. 4a, 1030 Abs. 2 ZPO. Die Räumungsverpflichtung infolge eines beendeten Wohnraummietverhältnisses wiederum kann Gegenstand einer Schiedsvereinbarung sein. Die Zuständigkeit für die Vollstreckbarerklärung richtet sich nach § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO. g) Der Zuschlagsbeschluss 16 Wird das Eigentum an einem Grundstück aufgrund des Zuschlagsbeschlusses im Rahmen der Zwangs-

versteigerung erlangt, kann der Ersteher gemäß § 93 ZVG aus diesem selbst die Räumungs- und Herausgabevollstreckung gegen den (früheren) Eigentümer und dessen mitbesitzenden Familienangehörigen betreiben. Hierzu bedarf es zunächst einer Klauselerteilung, die analog § 726 ZPO erfolgt. 17 Die Zwangsräumung gegen einen Mieter aus dem Zuschlagsbeschluss ist nicht möglich, da der Erste-

her gemäß § 93 Abs. 1 S. 2 ZVG i.V.m. §§ 57 ZVG, 566, 578 BGB in das bestehende Mietverhältnis eintritt, sofern das Mietobjekt dem Mieter bereits vor der Versteigerung überlassen wurde22. Der Ersteher kann aber von seinem Sonderkündigungsrecht gemäß § 57a ZVG (vgl. § 573d BGB Rz. 25) Gebrauch machen, das aber lediglich zu einer Verkürzung der Kündigungsfrist führt und bei Wohn-

19 OLG Oldenburg v. 22.7.2014 – 12 U 46/14, MietRB 2015, 75, GE 2014, 1650; Musielak/Lackmann, § 794 ZPO Rz. 32; Prütting/Gehrlein/Scheuch, § 794 ZPO Rz. 51 a.E.; Schultes, DBVZ 1998, 177; Wolfsteiner, DNotZ 1999, 306. 20 Zöller/Stöber, § 794 ZPO Rz. 26. 21 LG Wuppertal v. 10.3.2000 – 6 T 91/00, ZMR 2000, 836. 22 BGH v. 27.2.2004 – IXa ZB 269/03, NZM 2004, 478; BGH v. 19.10.1983 – VIII ZR 159/82, MDR 1984, 575 = WPM 1983, 1364.

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A. Räumungszwangsvollstreckung | Rz. 21 Anhang zu § 546

raummietverhältnissen unter dem Vorbehalt des gesetzlichen Kündigungsschutzes des Mieters steht23. Leistet der Mieter dem aus der Kündigung resultierenden Räumungsanspruch keine Folge, muss der Ersteher Räumungsklage erheben. Ein Rückgriff auf den Zuschlagsbeschluss ist nicht möglich. h) Der Beschluss nach § 149 Abs. 2 ZVG Im Rahmen der Zwangsverwaltung kann das Gericht dem die Wohnung selbst nutzenden Eigentümer 18 unter den Voraussetzungen des § 149 Abs. 2 ZVG die Räumung durch Beschluss aufgeben. Hierbei handelt es sich um einen Vollstreckungstitel i.S.d. § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO24, der allerdings nur gegenüber dem Wohnungseigentümer durchgreift und nicht gegen (mit-)besitzende Angehörige25 oder Mieter. Ist das Grundstück oder die Wohnung mit einem Nießbrauch belastet, kann in analoger Anwendung des § 149 Abs. 2 ZVG – nach vorheriger Anordnung der Verwaltung des Nießbrauchs nach § 857 Abs. 4 ZPO – ein Räumungstitel gegen den Nießbraucher erwirkt werden26. i) Der Eröffnungsbeschluss über das Insolvenzverfahren Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens muss der Insolvenzverwalter gemäß § 148 Abs. 1 InsO das ge- 19 samte zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen in Besitz nehmen. Aus dem Eröffnungsbeschluss kann gemäß § 148 Abs. 2 InsO auch die Herausgabevollstreckung nach § 885 ZPO betrieben werden, sofern der Insolvenzschuldner die Herausgabe verweigert. Der Beschluss ist ein Herausgabetitel i.S.d. § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO27. Ob aus diesem auch gegen den besitzenden Ehegatten die Räumungsvollstreckung betrieben werden kann, ist strittig28. In Hinblick auf § 750 ZPO ist dies aber abzulehnen29. Bei gemieteten Wohnungen ist § 109 Abs. 1 S. 2 InsO zu beachten. j) Die Zuweisung der Ehewohnung Durch das Gesetz zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts vom 6.7.2009 20 (BGBl. I, S. 1696) wurden die Vorschriften der Hausratsverordnung, also auch die Regelungen über die Zuweisung der Ehewohnung, in die §§ 1568a und 1568b BGB übernommen30. 2. Räumungsschuldner a) Allgemeines Gemäß § 546 Abs. 1 BGB ist der Mieter nach Beendigung des Mietverhältnisses zur Rückgabe des Miet- 21 objektes verpflichtet, so dass er auch gerichtlich auf Räumung und Herausgabe in Anspruch genommen werden kann. Ein Räumungs- und Herausgabetitel gegen den Mieter allein genügt aber nicht, wenn er den Gebrauch der Mieträume Dritten überlassen hat, selbst wenn dies gegenüber dem Vermieter verschwiegen wurde31. Gemäß § 750 Abs. 1 S. 1 ZPO kann die Zwangsvollstreckung nur gegen die im Titel und der Vollstreckungsklausel als Schuldner bezeichneten Personen betrieben werden. Ob materiellrechtlich ein Herausgabe- und Räumungsanspruch gegen nicht im Vollstreckungstitel genannte Personen besteht (vgl. § 546 Abs. 2 BGB), ist grundsätzlich unerheblich32 (vgl. aber auch Anhang zu § 546 BGB Rz. 107 ff.). 23 BGH v. 21.4.1982 – VIII ARZ 16/81, MDR 1982, 747 = ZMR 1982, 274; LG Saarbrücken v. 18.12.2009 – 5 T 627/09, zitiert nach juris. 24 BGH v. 12.1.2006 – IX ZR 131/04, MietRB 2006, 293 = MDR 2006, 949 = NJW 2006, 1124. 25 Hogenschurz, NZM 2005, 611. 26 BGH v. 12.1.2006 – IX ZR 131/04, MietRB 2006, 293 = MDR 2006, 949 = NJW 2006, 1124. 27 BGH v. 21.9.2006 – IX ZB 127/05, MDR 2007, 360 = ZInsO 2006, 1105. 28 Vgl. Schmidt/Jarchow, § 148 InsO Rz. 29. 29 LG Trier v. 4.4.2005 – 4 T 4/05, NZM 2005, 599. 30 Vgl. dazu z.B. die Kommentierung bei Erman/Blank, § 1568a BGB ff. 31 BGH v. 18.7.2003 – IXa ZB 116/03, MDR 2004, 53 = MietRB 2004, 7 = ZMR 2003, 826; a.A. KG Berlin v. 11.12.2001 – 25 W 220/01, GE 2002, 799. 32 BGH v. 14.8.2008 – I ZB 39/08, MietRB 2008, 363 = MDR 2008, 1356 = WuM 2008, 678; BGH v. 18.7.2003 – IXa ZB 116/0, MietRB 2004, 73, MDR 2004, 53 = WM 2003, 1825.

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Anhang zu § 546 Rz. 22 | Räumungszwangsvollstreckung 22 Der Vollstreckungstitel muss die zur Räumung und Herausgabe verpflichtete Person hinreichend

konkret bezeichnen33. Ein Titel gegen unbekannt genügt grundsätzlich nicht. Handelt es sich aber bei den unbekannten Personen um einen nach räumlichen und zeitlichen Kriterien zumindest vorübergehend feststehenden Personenkreis, also um eine bestimmte Anzahl von nicht wechselnden Personen, ist eine hinreichende Konkretisierung gegeben34, z.B. den gewalttätigen Untermieter oder Dauergast des Mieters. b) Untermieter 23 Hat der Mieter weitere Personen in die Mieträume aufgenommen oder diese Dritten zur Nutzung über-

lassen, kommt eine Zwangsräumung nur dann in Betracht, wenn gegen sämtliche besitzende Personen ein Räumungstitel vorliegt. Deshalb genügt ein gegen den Mieter erwirkter Räumungstitel bei der Untervermietung an natürliche oder juristische Personen nicht, da diese aufgrund des Untermietvertrages ein eigenes Besitzrecht für sich beanspruchen35. Vollstreckt der Gerichtsvollzieher dennoch, handelt er pflichtwidrig und ist dem Untermieter – bei vorliegendem Verschulden – zum Ersatz des aus Anlass der Räumungszwangsvollstreckung entstandenen Schadens verpflichtet36. 24 Erfahren der Gläubiger bzw. der Gerichtsvollzieher erst anlässlich des Vollstreckungstermins, dass ein

Dritter (angeblich) Mitbesitz an den Räumen haben soll, muss der Gerichtsvollzieher diese Angaben überprüfen. Zur Glaubhaftmachung des Mitbesitzes reicht eine bloße Meldebescheinigung nicht aus. Auch ein vorgelegter Untermietvertrag spricht nicht ohne Weiteres für den Besitz des Dritten37. Vielmehr muss sich der Gerichtsvollzieher anhand der tatsächlichen Verhältnisse vor Ort ein Bild vom Umfang des Besitzes machen38. Ist der Dritte bei der Vollstreckung nicht anwesend, kann er seine Rechte gegenüber dem Gerichtsvollzieher nicht wahrnehmen. 25 Fraglich ist, inwieweit von dem Grundsatz, dass die Räumungsvollstreckung gegen einen Untermieter

grundsätzlich einen gegen diesen gerichteten Vollstreckungstitel erfordert39, Ausnahmen gerechtfertigt sind. Ansatzpunkte ergeben sich aus § 242 BGB. Denn auch das Zwangsvollstreckungsverfahren steht unter dem Grundsatz von Treu und Glauben40. Insbesondere die Berufung auf eine nur formale Rechtsstellung kann den Grundsätzen von Treu und Glauben widersprechen und daher rechtsmissbräuchlich sein. Eine Person, gegen die die Zwangsvollstreckung stattfinden soll, beruft sich jedoch nicht auf eine nur formale Rechtsstellung, wenn sie geltend macht, die Zwangsvollstreckung sei nach § 750 Abs. 1 S. 1 ZPO unzulässig, weil sie in dem Titel oder der Klausel namentlich nicht bezeichnet sei41. Die Bestimmung des § 750 Abs. 1 S. 1 ZPO sichert nicht lediglich die Einhaltung einer Formalität, sondern gewährleistet, dass staatlicher Zwang nur zur Durchsetzung eines urkundlich bereits ausgewiesenen Anspruchs gegen die in dem Titel oder der Klausel genannten Personen ausgeübt wird42. Deshalb ist die Räumungsvollstreckung des Vermieters gegen den im Räumungstitel nicht genannten Untermieter selbst dann unzulässig, wenn feststeht, dass das Mietverhältnis zwischen dem Vermieter und dem Hauptmieter beendet und der Untermieter daher nach § 546 Abs. 2 BGB zur Herausgabe der Mietsache an den Vermieter verpflichtet ist43. Billigkeitserwägungen sollen es erst recht nicht rechtferti33 OLG Köln v. 18.8.1981 – 3 W 24/81, NJW 1982, 1888. 34 OLG Oldenburg v. 24.2.1995 – 5 W 24/95, MDR 1995, 793 = WuM 1996, 1164; LG Krefeld v. 30.7.1981 – 5 O 303/81, NJW 1982, 289. 35 Vgl. BGH v. 18.7.2003 – IXa ZB 116/03, MietRB 2004, 7 = MDR 2004, 53 = NJW-RR 2003, 1450 (1451) = ZMR 2003, 337. 36 OLG Celle v. 15.12.1987 – 16 U 242/86, NJW-RR 1988, 913. 37 AG Mitte v. 16.1.2017 – 31 M 8004/17, ZMR 2018, 51. 38 AG Wedding v. 28.6.2012 – 31 M 8006/12, GE 2012, 1705. 39 BGH v. 18.7.2003 – IXa ZB 116/03, MDR 2004, 53 = MietRB 2004, 7 = NJW-RR 2003, 1450 (1451). 40 Vgl. BGH v. 19.3.2008 – I ZB 56/07, MDR 2008, 824 = MietRB 2008, 228 = NJW 2008, 1959 Rz. 17. 41 BGH v. 14.8.2008 – I ZB 39/08, MDR 2008, 1356 = MietRB 2008, 363 = GE 2008, 1317 = NZM 2008, 805. 42 Vgl. BGH v. 25.6.2004 – IXa ZB 29/04, BGHZ 159, 383, 385 f. = MDR 2004, 1257 = MietRB 2005, 2; BGH v. 18.7.2003 – IXa ZB 116/03, MDR 2004, 53 = MietRB 2004, 7 = NJW-RR 2003, 1450 (1451); BGH v. 29.5.2008 – IX ZB 102/07, MDR 2008, 1125 = ZIP 2008, 1338 Rz. 14. 43 Vgl. BGH v. 25.6.2004 – IXa ZB 29/04, BGHZ 159, 383, 385 f. = MDR 2004, 1257 = MietRB 2005, 2; BGH v. 18.7.2003 – IXa ZB 116/03, MDR 2004, 53 = MietRB 2004, 7 = NJW-RR 2003, 1450 (1451); BGH v. 29.5.2008 – IX ZB 102/07, MDR 2008, 1125 = ZIP 2008, 1338 Rz. 14.

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A. Räumungszwangsvollstreckung | Rz. 28 Anhang zu § 546

gen, die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung außer Acht zu lassen und staatlichen Zwang gegen Personen auszuüben, gegen die kein Vollstreckungstitel bzw. keine Vollstreckungsklausel vorliegt44. Diese Grundsätze führen zu dem Dilemma, dass der Vermieter im schlimmsten Fall seine Räume nie 26 zurückerhält, weil bei jedem neuen Räumungstermin, den der Gerichtsvollzieher ansetzt, eine neue Person auftritt, die zumindest Mitbesitz an der Mieteinheit ausübt. Neben § 940a Abs. 2 ZPO kann ein Ausweg aus dieser enteignenden Situation darin gefunden werden, dass der Mieter (Vollstreckungsschuldner) vor dem Räumungstermin um Auskunft gebeten wird, ob sich weitere Personen in der Wohnung befinden. Antwortet er nicht oder abschlägig, soll dennoch aus dem Räumungstitel auch gegen evtl. angetroffene Personen, die im Vollstreckungstitel nicht genannt sind, vollstreckt werden können45. Dies soll sich, worauf der BGH selbst hinweist, aus Treu und Glauben ergeben. Das Auskunftsbegehren kann schon in die Kündigung aufgenommen werden46. c) Ehegatten Nicht einheitlich wurde die rechtliche Beurteilung bei Familienangehörigen des Mieters vorgenommen. 27 Bei Ehegatten ist regelmäßig von Mitbesitz auszugehen, selbst wenn nur einer von ihnen Mieter ist. Dies ergibt sich aus dem Gebot der ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1352 Abs. 1 BGB), aus dem die Pflicht zur Einräumung der Mitbenutzung der ehelichen Wohnung folgt. Ohne besondere Anhaltspunkte kann der Ehegatte des Mieters nicht lediglich als Besitzdiener ohne selbständige Nutzungsbefugnis an der Wohnung qualifiziert werden47. Grundsätzlich bedarf es daher auch eines gegen den Ehegatten gerichteten Räumungs- und Herausgabetitels. Gleiches gilt für den Lebenspartner i.S.d. Lebenspartnerschaftsgesetzes. d) Nichteheliche Lebensgefährten Für den nichtehelichen Lebensgefährten wurde teilweise die Notwendigkeit zur Erwirkung eines eige- 28 nen Räumungs- und Herausgabetitels verneint, wenn er sein Besitzrecht nicht vom Vermieter ableitete48 oder ohne dessen Willen begründet und vor diesem verheimlicht hatte49. Der BGH50 hat zwischenzeitlich klargestellt, dass maßgeblich ist, ob der nichteheliche Lebensgefährte – was vom Gerichtsvollzieher im Rahmen der Zwangsräumung zu prüfen ist – Mitbesitz begründet hat oder nicht. Anders als bei Ehegatten rechtfertigt allein die Aufnahme in die Wohnung die Annahme von Mitbesitz nicht. Dies muss anhand der Gesamtumstände klar und eindeutig festzustellen sein, z.B. durch die Anmeldung nach den jeweiligen landesrechtlichen Meldegesetzen51, die Mitteilung über die Aufnahme gegenüber dem Vermieter oder die Anbringung eines Namensschildes am Briefkasten. Ob der Vermieter sein Einverständnis zu der Aufnahme erteilt hat, ist unerheblich.

44 Vgl. BGH v. 18.7.2003 – IXa ZB 116/03, MDR 2004, 53 = NJW-RR 2003, 1450 (1451); BGH v. 29.5.2008 – IX ZB 102/07, ZIP 2008, 1338 (Rz. 14); a.A. Hanseatisches OLG Hamburg v. 19.8.1992 – 6 W 49/92, MDR 1993, 274; KG v. 11.12.2001 – 25 W 220/01, NZM 2003, 105; AG Lübeck v. 11.10.1994 – 51 M 4071/94, DGVZ 1995, 92; AG Ludwigshafen v. 20.3.2001 – 3a M 200/00, ZMR 2003, 197; AG Hamburg-St. Georg v. 21.2.2007 – 903a M 1682/06, ZMR 2007, 280. 45 Scholz, ZMR 2009, 99; Klimesch, ZMR 2009, 431. 46 Klimesch/Wedel, ZMR 2012, 679 (681). 47 BGH v. 16.1.2008 – VIII ZR 254/08, MDR 2009, 1329 = NZM 2008, 281; BGH v. 19.3.2008 – I ZB 56/07, MDR 2008, 824 = MietRB 2008, 228 = NZM 2008, 400; BGH v. 25.6.2004 – IXa ZB 29/04, MDR 2004, 1257 = MietRB 2005, 2 = NZM 2004, 701; Thüringer OLG v. 16.1.2002 – 6 W 10/02, WuM 2002, 221. 48 LG Lübeck v. 2.4.1991 – 7 T 203/91, JurBüro 1992, 1967; LG Berlin v. 25.8.1993 – 81 T 391/93, DGVZ 1993, 173. 49 KG v. 11.12.2001 – 25 W 220/01, NZM 2003, 105; AG Hamburg-St. Georg v. 21.2.2007 – 903a M 1682/06, ZMR 2007, 280. 50 BGH v. 19.3.2008 – I ZB 56/07, MDR 2008, 824 = MietRB 2008, 228 = WuM 2008, 364. 51 A.A. AG Bad Neuenahr-Ahrweiler v. 2.7.2009 – 1 M 1017/09, DGVZ 2009, 167.

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Anhang zu § 546 Rz. 29 | Räumungszwangsvollstreckung e) Kinder 29 Ein Räumungsurteil gegen die minderjährigen in der Wohnung lebenden Kinder des Mieters ist nicht

notwendig, da diese lediglich Besitzdiener sind. Der gegen die Eltern gerichtete Titel genügt daher. Der Eintritt der Volljährigkeit ändert an den Besitzverhältnissen in der Regel nichts. Nur wenn eine Änderung der Besitzverhältnisses nach außen deutlich wird, kann ausnahmsweise etwas anders gelten52, z.B. bei Zuweisung bestimmter Räume zur ausschließlichen Nutzung und eigener Haushaltsführung53 oder Beteiligung an der Miete, wodurch je nach Ausgestaltung auch ein Untermietverhältnis zustande kommen kann. Zieht das Kind nach einem zwischenzeitlichen Umzug jedoch wieder zurück zu den Eltern, soll ein Titel gegen das volljährige Kind des Mieters nicht erforderlich sein54. f) Sonstige Personen 30 Für sonstige (erwachsene) Angehörige, wie Eltern oder Geschwister, gilt die gleiche Rechtslage wie für

nichteheliche Lebensgefährten, selbst wenn sie dauerhaft in die Wohnung aufgenommen werden. Nur wenn diese nach außen hin einen eigenen (Mit-)Besitz begründen, bedarf es eines eigenen Räumungstitels gegen diese Personen55. Besucher des Mieters oder Bedienstete sind, da gegenüber dem Mieter weisungsabhängig, lediglich Besitzdiener, so dass kein gesonderter Räumungstitel notwendig ist56. Insoweit ist im Einzelfall zu klären, ob sich die betreffende Person nur vorübergehend in der Wohnung aufhält. g) Insolvenzverwalter 31 Ist ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Mieters anhängig, scheidet eine Einzelvollstreckung

gemäß § 89 Abs. 1 InsO aus. Dies gilt aber nicht für die Zwangsräumung57. Da das Mietverhältnis massezugehörig ist, besteht gegenüber dem Insolvenzverwalter ein Herausgabeanspruch. Ein Titel gegen den Insolvenzverwalter ist aber nur dann notwendig, wenn dieser gemäß § 148 InsO Besitz an den Räumlichkeiten begründet hat58 oder unter Anerkennung des fremden Eigentums das Recht beansprucht, die Mietwohnung für die Masse zu nutzen und darüber zu entscheiden, ob, wann und in welcher Weise er sie an den Vermieter zurückgibt59. Die Vollstreckung aufgrund eines gegen den Mieter gerichteten Titels scheidet dann aus60. Es ist ein gegen den Insolvenzverwalter gerichteter Titel notwendig. Hat der Insolvenzverwalter keinen Besitz begründet, bedarf es auch keiner Aussonderungsklage neben der Klage auf Räumung und Herausgabe gegenüber dem Mieter61. 32 Hat der Insolvenzverwalter die Erklärung gemäß § 109 Abs. 1 S. 2 InsO abgegeben, ist ein Zugriff auf

die Wohnung nicht mehr möglich62. Ist der Insolvenzverwalter zur Räumung verurteilt worden, kann eine Freigabe aus der Insolvenzmasse nicht mehr zum Erlöschen dieser Masseverbindlichkeit führen63. Gleiches gilt für die im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs geregelte Räumungs- und Herausgabeverpflichtung. Hat der Insolvenzverwalter bei Abschluss eines Räumungsvergleichs über die

52 BGH v. 19.3.2008 – I ZB 56/07, MDR 2008, 824 = MietRB 2008, 228 = WuM 2008, 364; KG v. 26.10.1993 – 1 W 6068/93, MDR 1994, 163 = WuM 1994, 32; a.A. Schuschke, NZM 2005, 10 (der Kindern ab 14 Jahren Mitbesitz einräumt). 53 A.A. offenbar Prütting/Gehrlein/Olzen, § 885 ZPO Rz. 16. 54 LG Berlin v. 17.10.2011 – 51 T 589/11, GE 2011, 1555. 55 A.A. LG Baden-Baden v. 15.4.1992 – 1 T 29/92, WuM 1992, 493 (das grundsätzlich davon ausgeht, das Mietbesitz begründet wird). 56 Prütting/Gehrlein/Olzen, § 885 ZPO Rz. 19. 57 LG Hannover v. 17.7.1990 – 11 T 145/90, DGVZ 1990, 170. 58 BGH v. 21.12.2006 – IX ZR 66/05, MDR 2007, 914 = MietRB 2007, 110 = ZIP 2007, 340 (341); LG Mannheim v. 9.11.2005 – 4 S 69/05, WuM 2006, 694 = NZM 2007, 443; Zöller/Stöber, § 885 ZPO Rz. 14; vgl. BGH v. 5.7.2001 – IX ZR 327/99, MDR 2002, 54 = NJW 2001, 2966. 59 BGH v. 19.6.2008 – IX ZR 84/07, MDR 2008, 1240 = MietRB 2008, 299 = NZM 2008, 606. 60 Zöller/Stöber, § 885 ZPO Rz. 14. 61 Lützenkirchen/Gemeinhardt/Weber, AHB Mietrecht, P Rz. 224; a.A. Eckert, NZM 2001, 260. 62 Lützenkirchen/Gemeinhardt/Weber, AHB Mietrecht, P Rz. 224. 63 BGH v. 2.2.2006 – IX ZR 46/05, MDR 2006, 1190; vgl. hierzu auch Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XIII 73.

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A. Räumungszwangsvollstreckung | Rz. 36 Anhang zu § 546

Rechte des Mieters verhandelt, kann hierdurch Besitz begründet werden mit der Folge einer Herausgabeverpflichtung des Insolvenzverwalters64. Ergreift der Insolvenzverwalter erst nach Erlass eines rechtskräftigen Räumungs- und Herausgabeurteils 33 Besitz an der Wohnung, kommt in entsprechender Anwendung des § 727 Abs. 1 ZPO eine Titelumschreibung in Betracht65. Voraussetzung ist, dass die Rechtsnachfolge bzw. das Besitzverhältnis offenkundig ist oder durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen wird. Hieran wird es regelmäßig fehlen, so dass nur eine Klage auf Erteilung der Vollstreckungsklausel gemäß § 731 ZPO in Betracht kommt. Einer selbständigen neuen Räumungs- und Herausgabeklage gegen den Insolvenzverwalter fehlt aber nicht das Rechtsschutzbedürfnis66. h) Rechtsnachfolge Überlässt der Mieter den Besitz an den Räumlichkeiten Dritten, nachdem ein Räumungsprozess 34 rechtshängig geworden ist, kann der Vermieter gemäß § 727 Abs. 1 ZPO unter den Voraussetzungen des § 325 Abs. 1 Alt. 2 ZPO die Erteilung einer Vollstreckungsklausel gegen diese Dritten verlangen67. Allerdings muss die Rechtsnachfolge sowie deren Zeitpunkt in der von § 727 Abs. 1 ZPO geforderten Form erbracht werden, also offenkundig sein oder durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde nachgewiesen werden, z.B. durch einen Erbschein. In der Praxis wird es regelmäßig an der Offenkundigkeit fehlen und ein Nachweis in der verlangten 35 Form nicht möglich sein, sofern nicht das Protokoll des Gerichtsvollziehers zur Verfügung steht. Neben der Möglichkeit, nach § 940a Abs. 2 ZPO vorzugehen (vgl. dazu Anhang zu § 546 BGB Rz. 107 ff.), kann der Vermieter gemäß § 731 ZPO Klage auf Erteilung der Vollstreckungsklausel erheben. Teilweise wird vertreten, dass die Möglichkeit der Klage nach § 731 ZPO einer neuen selbständigen Räumungsund Herausgabeklage das notwendige Rechtsschutzbedürfnis nimmt68. Dem kann nicht gefolgt werden. Räumt das Gesetz verschiedene Rechtsbehelfe für das gleiche Anliegen ein, steht dem Rechtsschutzsuchenden grundsätzlich ein Wahlrecht zu, welchen Rechtsbehelfs er sich bedient. Eine Einschränkung dieses Wahlrechts ist nur dann geboten, wenn sich die verschiedenen Vorgehensweisen nach Einfachheit und Billigkeit eindeutig unterscheiden. Dies ist hier nicht der Fall. Es handelt sich in beiden Fällen um ein Erkenntnisverfahren, welches den gleichen prozessualen Regelungen unterliegt. Insbesondere ist der Prüfungsumfang der gleiche. Mangels Rechtskrafterstreckung kann der Rechtsnachfolger sowohl der Klage aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis als auch der Klage aus § 731 ZPO sämtliche Einwendungen entgegenhalten69. i) Teilräumung Liegt nur ein Räumungstitel gegen einen von mehreren Besitzern vor, kommt eine Teilräumung nicht 36 in Betracht. Die Zwangsräumung erfolgt gemäß § 885 ZPO, indem die besitzende Person aus dem Besitz gesetzt und der Gläubiger in den Besitz eingewiesen wird. Zwar kann einer von mehreren Besitzern der Räumlichkeiten verwiesen werden, der Vermieter aber nicht – ohne Zustimmung des verbleibenden Besitzers – in den Besitz eingewiesen werden, da dies ein Eingriff in den unmittelbaren (Mit-)Besitz des verbleibenden Besitzers wäre, der mangels Vollstreckungstitel nicht legitimiert ist. Diesem würde ohne Titel ein neuer Mitbesitzer, nämlich der Vermieter, aufgedrängt. Daher führt die Einstellung der Zwangsräumung gegenüber einem von mehreren Besitzern praktisch zur Einstellung der Zwangsräumung insgesamt.

64 Gemeinhardt, InfoM 2008, 390. 65 BGH v. 5.7.2005 – VII ZB 16/05, MDR 2006, 53 = Rpfleger 2005, 610. 66 BGH v. 9.4.1987 – IX ZR 138/86, MDR 1987, 840 = NJW 1987, 2863; A.A. Thomas/Putzo/Hüßtege, § 731 ZPO Rz. 1; Stein/Jonas/Münzberg, § 731 ZPO Rz. 6. 67 LG Münster v. 30.5.1973 – 5 T 191/73, MDR 1973, 934. 68 Thomas/Putzo/Hüßtege, § 731 ZPO Rz. 1; Stein/Jonas/Münzberg, § 731 ZPO Rz. 6. 69 So auch BGH v. 9.4.1987 – IX ZR 138/86, MDR 1987, 840 = NJW 1987, 2863; sofern eine Rechtskrafterstreckung bejaht wird, hätte dies ebenfalls keinen Einfluss, da sich diese in beiden Prozessen in gleichem Umfang auswirken würde.

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Anhang zu § 546 Rz. 37 | Räumungszwangsvollstreckung j) Auskunftsanspruch des Vermieters 37 Der Mieter ist verpflichtet, dem Vermieter Namen und Anschriften der Personen mitzuteilen, denen

er den Gebrauch des Mietobjektes überlassen hat, z.B. im Rahmen eines Untermietverhältnisses. Verweigert der Mieter die Mitteilung, kann der Vermieter nicht auf Grundlage eines Räumungstitels gegen den Mieter die Namhaftmachung zwangsweise durchsetzen, insbesondere kein Zwangsmittel nach § 888 Abs. 1 ZPO festsetzen lassen70. Er muss den Auskunftsanspruch selbst gerichtlich geltend machen. 38 Unter Umständen kann der Vermieter aber bei einem rechtzeitigen Auskunftsverlangen die Zwangs-

vollstreckung auch gegen unbekannte Dritte durchführen (vgl. Anhang zu § 546 BGB Rz. 26).

II. Ablauf der Räumungsvollstreckung nach § 885 ZPO 1. Allgemeines 39 Die Räumungs- und Herausgabevollstreckung nach § 885 Abs. 1 S. 1 ZPO setzt zunächst voraus, dass

der zu vollstreckende Titel hinsichtlich der Person des Schuldners hinreichend bestimmt ist (vgl. Anhang zu § 546 BGB Rz. 22). 40 Hinsichtlich des Gegenstandes der Zwangsvollstreckung, also insbesondere der Wohnung, genügt re-

gelmäßig die Angabe der postalischen Anschrift sowie die Lage im betreffenden Gebäude. Fehlt eine solche Anschrift, muss der Vermieter das Grundstück auf sonstige Weise hinreichend konkret benennen. Gegebenenfalls muss er das herauszugebende Grundstück grundbuchmäßig (Gemarkung, Band, Blatt und Flurstücksnummer) bezeichnen. Der Gerichtsvollzieher muss sich anhand der Angaben im Titel über die Lage der dort genannten Flurstücksnummern mit allgemein zugänglichen Hilfsmitteln wie Grundbuchauszug und Flurkarte in Kenntnis setzen71. 40a Die Beschreibung im Titel ist ausreichend, wenn der Gegenstand der Zwangsvollstreckung bestimm-

bar ist. Das ist z.B. der Fall, wenn allein die Wohnung im Gebäude bezeichnet ist, obwohl sie mittels eines Durchbruchs auf Flächen im Nachbarhaus erweitert wurde. Maßgeblich ist insoweit, dass der Gerichtsvollzieher mit allgemein zugänglichen Hilfsmitteln (z.B: Bauplänen) und unter Heranziehung von Hilfspersonen klären kann, was zu dem zu räumenden Gegenstand gehört72. 41 Der Ablauf der Räumungs- und Herausgabevollstreckung richtet sich nach den §§ 885 ZPO, 180, 181

GVGA73. Sie hat möglichst schonend und kostengünstig zu erfolgen. Der Gerichtsvollzieher bestimmt aufgrund des Vollstreckungsauftrages des Gläubigers einen Räumungstermin. Dieser soll nach § 18 Nr. 2 GVGA dem Mieter (bzw. dem besitzenden Dritten) rechtzeitig im Vorfeld angekündigt werden. Nur in Kenntnis des Räumungstermins ist es dem Mieter möglich, die Frist des § 765a Abs. 3 ZPO (vgl. Anhang zu § 546 BGB Rz. 228) zur Stellung eines Räumungsschutzantrages zu wahren. 42 Der Gerichtsvollzieher kann nicht wegen Befangenheit abgelehnt werden74.

2. Besitzeinweisung 43 Bei der Vollstreckung setzt der Gerichtsvollzieher den Mieter aus dem Besitz und weist den Gläubiger

in den Besitz ein. Dies setzt die Übertragung der Sachherrschaft über die Räumlichkeiten voraus, also die Übergabe sämtlicher Schlüssel zu den Mieträumlichkeiten. 44 Widersetzt sich der Mieter/Schuldner der Besitzentziehung, ist der Gerichtsvollzieher berechtigt, Ge-

walt anzuwenden und Amtshilfe bei den Polizeibehörden anzufordern, § 758 Abs. 3 ZPO. Die Anwesenheit des Vermieters oder einer von ihm beauftragten Person ist nicht zwingend erforderlich. In die70 BGH v. 27.11.2008 – I ZB 46/08, MDR 2009, 468 = WuM 2009, 142. 71 BGH v. 4.12.2008 – I ZB 120/05, MDR 2009, 289 = GuT 2009, 39; OLG München v. 18.12.1998 – 14 W 311/ 98, DGVZ 1999, 56. 72 BGH v. 11.4.2013 – I ZB 61/12, MDR 2013, 812 = MietRB 2013, 239 = WuM 2013, 368 = GE 2013, 1001. 73 Vgl. Hüermann, WuM 2004, 135. 74 BGH v. 24.9.2004 – IXa ZB 10/04, MDR 2005, 169; LG Köln v. 8.2.2001 – 32 T 8/01, MDR 2001, 89.

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A. Räumungszwangsvollstreckung | Rz. 47 Anhang zu § 546

sem Fall muss der Gerichtsvollzieher dem Vermieter durch Übermittlung des Schlüssels die Möglichkeit geben, die tatsächliche Gewalt über das Grundstück bzw. die Räume auszuüben75. Bei einem brachliegenden Grundstück erfolgt die Zwangsvollstreckung dergestalt, dass der Gerichtsvollzieher den Vermieter durch Protokollerklärung in den Besitz einweist, selbst wenn mangels Grenzsteinen oder sonstiger Markierungen die Grenzen des Grundstücks vor Ort nicht bestimmt werden können76. Eine Räumung in Form eines schriftlichen Verfahrens kommt mangels gesetzlicher Grundlage nicht in Betracht. 3. Räumung, § 885 Abs. 2 ZPO a) Bewegliche Sachen Neben der Zuweisung des Besitzes an den Räumlichkeiten an den Vermieter obliegt dem Gerichtsvoll- 45 zieher gemäß § 885 Abs. 2 S. 1 ZPO die Entfernung der beweglichen Sachen, die sich in diesen befinden.77 Ob das Räumungsgut im Eigentum des Mieters oder einer dritten Person steht, bleibt bei der Anwendung der § 885 Abs. 2 bis 4 ZPO unberücksichtigt78. Deshalb sind auch Scheinbestandteile i.S.v. § 95 BGB als bewegliche Sachen anzusehen, so dass auch die Einbauküche dazu gehört79. Auch beim Aufstellen eines Gartenhauses80 aus dem Baumarkt oder einer Halle81 auf der Gewerbefläche entspricht es der Verkehrsanschauung, dass der Mieter diese Gegenstände nur für die Dauer des Mietvertrages installiert. Nimmt der Mieter, ein von ihm beauftragter Dritter oder eine andere in § 885 Abs. 2 ZPO genannte 46 Person das Räumungsgut nicht bei der Räumung in Empfang, hat der Gerichtsvollzieher diese in dem Pfandlokal oder anderweitig einzulagern, § 180 Nr. 5 GVGA. Bei der Einlagerung außerhalb des Pfandlokals kommt kein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis zwischen Mieter und Gerichtsvollzieher zustande. Der Lagerführer ist kein Verwaltungshelfer, für dessen Fehlverhalten der Gerichtsvollzieher bzw. der Staat im Wege der Amtshaftung einstehen muss. Verwahrungsverträge i.S.d. § 885 Abs. 3 ZPO schließt der Gerichtsvollzieher regelmäßig als Vertreter des Justizfiskus82. Eine Sortierung des Räumungsguts kann der Mieter nicht verlangen. Vielmehr obliegt es dem Mieter, 47 sich entsprechend einzurichten, sobald der Räumungstermin bekannt ist83. Objektiv wertlose Sachen, die kein Unrat sind, unterfallen aber der Einlagerungspflicht des § 885 Abs. 4 S. 2 ZPO. Eine Entsorgung, sofern es sich nicht offensichtlich um wertloses Räumungsgut handelt84, oder das Abstellen auf der Straße85 ist dem Gerichtsvollzieher verwehrt und begründet Amtshaftungsansprüche. Der Gerichtsvollzieher ist nicht verpflichtet, die Gegenstände in die neue Wohnung des Mieters zu verbringen86. Etwas anderes kann gelten, wenn der Mieter die hierfür entstehenden Kosten verauslagt87. Auch die Verbringung des Räumungsguts durch den Vermieter in die neue Wohnung des Mieters kann aus Kostengründen dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichtsvollziehers entsprechen88.

75 Prütting/Gehrlein/Olzen, § 885 ZPO Rz. 21. 76 BGH v. 4.12.2008 – I ZB 120/05, MDR 2009, 289 = GuT 2009, 39. 77 Die Beseitigung von auf dem Grundstück gelagerten großen Mengen von Abfall soll aber über das dem Gerichtsvollzieher im Rahmen der Herausgabevollstreckung obliegende „Wegschaffen von beweglichen Sachen“ hinaus gehen und nach § 887 ZPO zu vollstrecken sein, LG Limburg v. 20.4.2004 – 7 T 352/03, DGVZ 2005, 70. 78 Prütting/Gehrlein/Olzen, § 885 ZPO Rz. 22. 79 BGH v. 20.11.2008 – IX ZR 180/07, MietRB 2009, 94 = MDR 2009, 374 = WuM 2009, 129 = ZMR 2009, 271 und stellt auch kein Zubehör i.S.v. § 97 BGB dar. 80 Flatow, ZMR 2014, 937. 81 AG Pirna v. 16.11.1998 – M 1331/96, DGVZ 1999, 63. 82 BGH v. 17.6.1999 – IX ZR 308/98, MDR 1999, 1220 = ZMR 1999, 744. 83 AG Siegen v. 20.12.1988 – 10 M 7612/88, DGVZ 1989, 44. 84 Pfälzisches OLG v. 5.9.1997 – 3 W 152/97, DGVZ 1998, 8; AG Leverkusen v. 11.7.1995 – 45 M 2019/95, DGVZ 1996, 44; AG Bremen v. 6.9.1996 – 2 C 115/95, DGVZ 1999, 63. 85 OLG Karlsruhe v. 18.2.1974 – 1 W 90/73, Rpfleger 1974, 408. 86 LG Aschaffenburg v. 7.2.1997 – 4 T 232/96, DGVZ 1997, 115; Zöller/Stöber, § 885 ZPO Rz. 17. 87 AG Herne v. 27.7.1979 – 12 M 2622/79, DGVZ 1980, 30; Zöller/Stöber, § 885 ZPO Rz. 22. 88 Schuschke, NZM 2005, 681; a.A. Lörrach, DGVZ 2005, 109.

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Anhang zu § 546 Rz. 48 | Räumungszwangsvollstreckung 48 Das soll nach teilweise vertretener Auffassung der Fall sein, wenn die Verbringung des Räumungsgutes

in die neue Wohnung günstiger ist als die Verwahrung89. Dem ist nicht zu folgen. Bei einer solchen Vorgehensweise begibt sich der Gerichtsvollzieher eines Druckmittels gegenüber dem Mieter. Gemäß § 885 Abs. 4 ZPO ist er nach Einlagerung nur gegen Zahlung der Kosten zur Herausgabe verpflichtet, wodurch das Interesse des Vermieters besonders berücksichtigt wird. Andernfalls kann er nach Ablauf von zwei Monaten das Räumungsgut veräußern. Diese Veräußerung erfolgt zwar von Amts wegen aber zumindest auch im Interesse des Vermieters, der nach Hinterlegung die Möglichkeit der Pfändung des Auszahlungsanspruchs des Mieters gemäß § 829 ZPO hat. 49 Können die auf einem zu räumenden Grundstück befindlichen beweglichen Sachen, z.B. große Land-

maschinen, nicht in einem Pfandraum untergebracht werden und ist die Anmietung von Lagerraum bei einem gewerblichen Lagerhalter und der Transport dorthin mit erheblichen Kosten verbunden, dann hat der Gerichtsvollzieher zur Kostenersparnis möglichst für eine Unterbringung bei dem Gläubiger oder nahe des zu räumenden Objektes Sorge zu tragen. Ist der Abtransport des Räumungsgutes in Hinblick auf die hohen Kosten wirtschaftlich nicht zu vertreten, kann die Zwangsräumung dergestalt erfolgen, dass der Gerichtsvollzieher den Schuldner aus dem Besitz setzt und die beweglichen Gegenstände des Schuldners in den Räumen des Gläubigers in Verwahrung nimmt90. 50 Tiere sind im Rahmen der Zwangsvollstreckung wie bewegliche Sachen zu behandeln91, § 90a BGB.

Nimmt der Mieter oder eine andere der in § 885 Abs. 2 ZPO genannten Personen die Tiere nicht in Empfang, soll der Gerichtsvollzieher nach einer teilweise vertretenen Meinung nicht zur Unterbringung oder Pflege der Tiere verpflichtet sein. Vielmehr soll er die Räumungsvollstreckung gegebenenfalls vorübergehend einstellen müssen, um die zuständigen Ordnungs- und Polizeibehörden zu unterrichten, damit diese im Rahmen der Gefahrenabwehr tätig werden92. Dem kann nicht gefolgt werden. Bei den üblichen Haustieren wie Hund, Katze und Kleintieren kommt ohne Weiteres eine Unterbringung nach § 885 Abs. 3 ZPO in einem Tierheim in Betracht. Ggf. sind insoweit auf Tiertransporte spezialisierte Unternehmen hinzuzuziehen. Eines Rückgriffs auf ordnungsbehördliche Vorschriften bedarf es nicht. Bei Exoten muss auch eine Unterbringung in einem Zoo geprüft werden. Bei einem zu räumenden landwirtschaftlichen Betrieb kann die Belassung auf dem zu räumenden Grundstück oder eine Unterbringung auf einem anderen landwirtschaftlichen Betrieb pflichtgemäßem Ermessen entsprechen. Die voraussichtlichen Kosten der Unterbringung sowie des Transports durch Spezialfirmen sind gegenüber dem Vermieter zu erheben. b) Beseitigung von Aufbauten 51 Wenn ein Mieter/Schuldner ein Grundstück zu räumen hat, muss er notwendig auch das darauf er-

richtete Gebäude verlassen bzw. aus dessen Besitz gesetzt werden. Mit einer Beseitigung des Gebäudes durch den Schuldner im Vollstreckungsverfahren hat dies indes nichts zu tun. Insoweit erfasst ein Titel auf Herausgabe und Räumung eines Grundstücks auch die Räumungsverpflichtung hinsichtlich eines darauf errichteten Gebäudes93. 52 Für die notwendigen Leistungen zur Beseitigung von Aufbauten (= Abbruch, Entfernung, Entsorgung

und Rückbau der auf dem geräumten Grundstück befindlichen Gebäude und Anlagen) muss in der Regel ein auf eine vertretbare Handlung gerichteter Vollstreckungstitel nach § 887 ZPO vorliegen94. Eine entsprechende (titulierte) Leistungsverpflichtung lässt sich einem Räumungsurteil grundsätzlich auch im Wege der Auslegung nicht entnehmen, solange der Tenor nur die Räumung und Herausgabe in geräumtem Zustand vorsieht. Dadurch werden nur die Besitzverschaffung und das Wegschaffen der beweglichen Sachen erfasst. Allenfalls aus den Entscheidungsgründen kann sich ergeben, dass die titu-

AG Herne v. 27.7.1979 – 12 M 2622/79, DGVZ 1980, 30; Zöller/Stöber, § 885 ZPO Rz. 22. LG Detmold v. 15.1.1996 – 2 T 5/96, DGVZ 1996, 171. BGH v. 4.4.2012 – I ZB 19/11, MDR 2012, 999 = GE 2012, 1164. OLG Karlsruhe v. 4.12.1996 – 14 W 64/96, ZMR 1997, 78; Schneider, MDR 1998, 1133 (1136) m.w.N. Vgl. OLG Celle v. 30.1.1962 – 8 W 9/62, NJW 1962, 595; OLG Hamm v. 24.8.1965 – 15 W 327/65, NJW 1965, 2207. 94 OLG Frankfurt v. 21.11.2002 – 26 W 122/02, MietRB 2003, 8 = MDR 2003, 655; OLG Düsseldorf v. 5.7.1999 – 3 W 195/99, MDR 2000, 414 = NJW-RR 2000, 533; OLG Celle v. 30.1.1962 – 8 W 9/62, NJW 1962, 595.

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A. Räumungszwangsvollstreckung | Rz. 58 Anhang zu § 546

lierte Verpflichtung weitergehende Leistungen der Schuldnerin beinhalten sollte als die auf der Grundlage von § 885 ZPO durchzuführende Räumung95. Welche Einbauten konkret davon erfasst sind und (sofort) im Wege der Zwangsvollstreckung beseitigt werden können, kann sich z.B. aus dem Tatbestand und den Entscheidungsgründen des Räumungsurteils ergeben96, zu dessen Auslegung dann ein im Prozess vorgelegtes Abnahmeprotokoll herangezogen werden kann. Erstrebt ein Gläubiger aber eine weitergehende Leistung, bedarf es grundsätzlich der gesonderten Titulierung des Anspruchs auf Beseitigung von Baumaßnahmen und Rückbau, wie er sich aus § 546 BGB oder einer entsprechenden mietvertraglichen Abrede ergeben kann97. 4. Verwahrung des Räumungsgutes, § 885 Abs. 3 ZPO Nach Satz 1 der Regelung kann der Gerichtsvollzieher grundsätzlich den Abtransport und die Einlage- 53 rung der Habseligkeiten des Schuldners nicht nur durchführen, wenn dieser oder eine der bezeichneten Personen beim Räumungstermin abwesend ist, sondern auch dann, wenn die Übernahme verweigert wird. Der Abwesenheit des Schuldners steht es gleich, wenn zwar eine der in Abs. 2 genannten Personen anwesend ist, diese sich aber weigert, die Sachen entgegenzunehmen98. Durch den Hinweis auf die „in Absatz 2 bezeichneten Sachen“ wird deutlich, dass nur solche Gegen- 54 stände in die Verwahrung zu nehmen sind, die nicht als Zubehör oder in sonstiger Weise gleichzeitig Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind, z.B. wegen einer Geldforderung (titulierte Mietrückstände, Kosten etc.). Vom Gerichtsvollzieher nach § 803 Abs. 1 ZPO parallel zur Räumung gepfändete bewegliche Sachen hat er gemäß § 808 Abs. 1 ZPO in Besitz zu nehmen. Nach § 885 Abs. 3 S. 2 ZPO sollen bewegliche Sachen, an deren Aufbewahrung offensichtlich kein In- 55 teresse besteht, unverzüglich vernichtet werden. Hierbei ist vom offensichtlichen Fehlen eines Interesses an der Aufbewahrung nur unter engen Voraussetzungen auszugehen99. Ein offensichtliches Fehlen eines Interesses an der Aufbewahrung kann bei gewöhnlichem Abfall und Unrat angenommen werden. Sie sollen nicht in die Verwahrung gebracht, sondern der Verwertung oder der Beseitigung unter Beachtung der einschlägigen abfallrechtlichen Bestimmungen zugeführt werden. Die Entsorgung von Müll oder Unrat ist in der Praxis vielfach üblich und als ordnungsgemäßes Vorgehen bei dem Verfahren zur Sonderung und Verwahrung der in der unbeweglichen Sache befindlichen Gegenstände anerkannt100. Diese Sachen sollen grundsätzlich vernichtet werden. Dem Gerichtsvollzieher steht aber die Möglich- 56 keit offen, in Ausnahmefällen von der Vernichtung abzusehen. Dies gilt insbesondere, wenn der Schuldner sein Interesse daran, die Sachen ausgehändigt zu bekommen, im Vorfeld der Räumung substantiiert dargelegt hat. Nicht unverzüglich zu vernichten sind demgegenüber wertlose oder im gegenwärtigen Zustand nicht 57 (mehr) gebrauchsfähige Sachen, deren weitere Verwendung durch den Schuldner bei Betrachtung durch einen objektiven Dritten nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann. Diese Sachen sind im Zweifel in die Verwahrung zu nehmen, es sei denn, es bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Schuldner sie nicht mehr behalten will. Dies ergibt sich auch aus dem Regelungsgehalt des § 885 Abs. 5 ZPO, der die Herausgabe unverwertbarer Sachen regelt, deren Nutzung gleichwohl für den Schuldner weiterhin von Interesse sein kann. Demgegenüber ist die unmittelbare Beseitigung durch den Gerichtsvollzieher in solchen Fällen nicht 58 vom Vollstreckungsauftrag umfasst, die eine aufwändige und kostenintensive Entsorgung von sehr 95 Vgl. zur Auslegung eines Räumungstitels: dazu BGH v. 19.3.2004 – IXa ZB 328/03, MDR 2004, 1021 = GE 2004, 811 = NJW-RR 2005, 212. 96 OLG Celle v. 20.7.2007 – 2 U 85/07, MietRB 2007, 287 = ZMR 2007, 956. 97 Derleder, JurBüro 1994, 450 (452). 98 Vgl. Hanseatisches OLG Hamburg v. 19.7.1966 – 6 W 77/66, NJW 1966, 2319; OLG Karlsruhe v. 18.2.1974 – 1 W 90/33, DGVZ 1974, 114 (115); LG Essen v. 30.4.1974 – 11 T 174/73, DGVZ 1974, 118; Zöller/Stöber, § 885 ZPO Rz. 17; Musielak/Lackmann, § 885 ZPO Rz. 15. 99 BT-Drucks. 17/10485, S. 30. 100 OLG Karlsruhe v. 18.2.1974 – 1 W 90/33, DGVZ 1974, 114 (115); LG Berlin v. 21.7.1980 – 81 T 314/80, DGVZ 1980, 154; LG Bochum v. 10.1.1968 – 7 T 282/67, DGVZ 1968, 86; Zöller/Stöber, § 885 ZPO Rz. 18; Musielak/Lackmann, § 885 ZPO Rz. 14; Stein/Jonas/Brehm, § 885 ZPO Rz. 33.

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Anhang zu § 546 Rz. 58 | Räumungszwangsvollstreckung großen Mengen Mülls, die auf dem herauszugebenden Grundstück gelagert sind, oder von Altlasten erforderlich machen. Ein zivilrechtlicher Beseitigungsanspruch, der in einer über die Herausgabeverpflichtung hinausgehenden eigenständigen Handlungspflicht des Schuldners besteht, ist nach den Bestimmungen der §§ 887 und 888 ZPO durchzusetzen101. 59 Das Gleiche gilt, wenn der Mieter zur Herausgabe eines Grundstückes verurteilt wurde, auf dem er ei-

nen Betrieb geführt hatte. Soll der Mieter auch zur Überlassung der Geschäftsunterlagen verpflichtet sein, damit der Vermieter nach der Herausgabe zur Fortführung in der Lage ist, muss darüber ein gesonderter Titel herbeigeführt worden sein102. 5. Die Verwertung des Räumungsgutes, § 885 Abs. 4 ZPO 60 Nach dieser Bestimmung erfolgt die Liquidation des Verwahrgutes ohne weiteres in entsprechender

Anwendung der Bestimmungen über die Pfandversteigerung, insbesondere die Versteigerung im Internet. Dies wird durch die Formulierung „veräußert“ und die Bezugnahme der Vorschriften über die Pfandversteigerung ausdrücklich geregelt. 61 Durch § 885 Abs. 4 ZPO ist die bisher streitige Frage, nach welchen Vorschriften die Verwertung des

Räumungsgutes erfolgt, seit Inkrafttreten des MietRÄndG 2013 gesetzlich geklärt. Auf der Grundlage des bisher geltenden Rechts wurde teilweise vertreten, die Verwertung könne im Wege des Selbsthilfeverkaufs nach den §§ 383 ff. BGB erfolgen103, teilweise wurden auch die Vorschriften über die öffentliche Versteigerung104 in Bezug genommen. Als weitere Möglichkeit wurde die freihändige Veräußerung nach § 825 ZPO105 erörtert. Gegen eine Veräußerung nach den Vorschriften über die Pfandverwertung wurde auf der Grundlage des bisher geltenden Rechts eingewendet, dass es nicht um die Versteigerung gepfändeter Sachen gehe106. Die Vorschrift regelt nunmehr ausdrücklich, dass die Veräußerung unter entsprechender Anwendung der Vorschriften über die Pfandverwertung zu erfolgen hat. Dadurch wird die Liquidation des Räumungsguts zwar nicht zur echten Pfandverwertung. Wie bisher sind verwahrte Sachen, sofern sie nicht zugleich wegen einer Geldforderung für den Gläubiger gepfändet sind, nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung, so dass Vollstreckungsschutzbestimmungen (§ 803 Abs. 2, §§ 811, 812, 813a, 813b, 816, 817a ZPO) grundsätzlich nicht eingreifen. Indessen hat der Gerichtsvollzieher zu berücksichtigen, dass die mit der Verfügung über das nicht abgeholte Eigentum verbundene Beendigung der kostenträchtigen Verwahrung vorrangig den Belangen des Schuldners selbst dient. Er hat daher Härten, z.B. eine Veräußerung während eines Krankenhausaufenthalts des Schuldners, möglichst zu vermeiden107. 62 Der für die Pfandverwertung vorgesehene Gewährleistungsausschluss ist für die hoheitliche Liquida-

tion von Räumungsgut entsprechend anwendbar, um Haftungsrisiken für die öffentliche Hand bei der Veräußerung zu begrenzen. 63 Der Schuldner muss zur Vermeidung der Verwertung seinen Herausgabeanspruch fristgerecht geltend

machen. Insoweit hat sich die Frist durch das MietRÄndG 2013 von zwei Monaten auf einen Monat verkürzt. Die Verkürzung dient der Harmonisierung mit dem neu eingefügten § 885a Abs. 4 S. 1 ZPO. Gleichzeitig bleiben die Rechte des Schuldners, der seinen Herausgabeanspruch binnen eines Monats geltend macht, im bisherigen Umfang gewahrt. Er hat gemäß § 885 Abs. 4 S. 2 ZPO binnen zwei Monaten die Kosten zu zahlen. Zahlt der Schuldner die Kosten binnen zwei Monaten nicht, veräußert der Gerichtsvollzieher die Sachen. 64 Das Räumungsgut ist zwei Monate einzulagern. Auf Verlangen des Mieters ist das Räumungsgut vom

Gerichtsvollzieher herauszugeben. Diesem steht wegen der offenen Kosten ein Zurückbehaltungsrecht

101 BGH v. 19.3.2004 – IXa ZB 328/03, MDR 2004, 1021 = DGVZ 2004, 88; BGH v. 25.6.2004 – IXa ZA 9/04, DGVZ 2005, 70. 102 BGH v. 14.2.2003 – IXa ZB 10/03, ZMR 2004, 734 = DGVZ 2003, 88. 103 Musielak/Lackmann, § 885 ZPO Rz. 16; Stein/Jonas/Brehm, § 885 ZPO Rz. 42. 104 MünchKomm/Gruber, § 885 ZPO Rz. 46. 105 Zöller/Stöber, § 885 ZPO Rz. 25. 106 Musielak/Lackmann, § 885 ZPO Rz. 16. 107 Zöller/Stöber, § 885 ZPO Rz. 28 f.

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A. Räumungszwangsvollstreckung | Rz. 68 Anhang zu § 546

an den pfändbaren Gegenständen zu, selbst wenn diese durch den Vorschuss gedeckt sind108. Dieses Zurückbehaltungsrecht kann auch gegenüber Dritten, vor allem dem Eigentümer, bis zum Ausgleich der anteiligen Transport- und Lagerkosten geltend gemacht werden109. Macht ein Dritter sein Eigentum gegenüber dem Gerichtsvollzieher an dem eingelagerten Räumungsgut geltend, ist eine Herausgabe der Gegenstände nur mit Zustimmung des Mieters zulässig. Andernfalls hat er den Dritten auf eine Herausgabeklage zu verweisen110. Dies gilt auch dann, wenn der Dritte ein naher Angehöriger des Mieters, z.B. Ehegatte, ist. Der Gerichtsvollzieher ist zur Überprüfung der materiellen Rechtslage gerade nicht befugt111. Eine Herausgabeklage ist gegen den Mieter, nicht gegen den Gerichtsvollzieher zu richten112. Nicht einzulagern sind Gegenstände, an deren Aufbewahrung offensichtlich kein Interesse besteht, 65 § 885 Abs. 3 S. 2 ZPO (vgl. Anhang zu § 546 BGB Rz. 55). Unter den gleichen Voraussetzungen können die einschlägigen Gegenstände (i.d.R. Abfall und Unrat) der Verwertung oder der Beseitigung unter Beachtung der einschlägigen abfallrechtlichen Bestimmungen zugeführt werden. Die Entsorgung von Müll oder Unrat ist in der Praxis vielfach üblich und gilt regelmäßig als ordnungsgemäßes Vorgehen bei dem Verfahren zur Sonderung und Verwahrung der in der unbeweglichen Sache befindlichen Gegenstände113. Gemäß § 811 Abs. 1 ZPO der Pfändung nicht unterfallende Gegenstände sowie Gegenstände, die 66 einen Verwertungserlös nicht erwarten lassen, sind auf Verlangen des Mieters herauszugeben, ohne dass ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht werden kann, § 885 Abs. 3 S. 2 ZPO. Letzteres wird nicht ausdrücklich geregelt, ergibt sich aber aus dem Wortlaut der Norm („ohne weiteres“). Der Mieter kann die Herausgabe bis zum Verkauf oder bis zur Vernichtung verlangen. Nach Ablauf einer Frist von zwei Monaten ab der Räumung ist das Räumungsgut zu verkaufen und der 67 Erlös zu hinterlegen. Unverwertbare Gegenstände sind zu vernichten, § 885 Abs. 4 S. 1 ZPO. Die Beurteilung der Verwertbarkeit obliegt dem Gerichtsvollzieher, wobei die Grundsätze des § 813 Abs. 1 S. 1 ZPO entsprechende Anwendung finden. Im Einzelfall kann es pflichtgemäßem Ermessen entsprechen, das Räumungsgut weiterhin in Verwahrung zu halten, z.B. bei aufbewahrungspflichtigen Geschäftsunterlagen. 6. Kosten Für die Kosten der Zwangsräumung ist der Vermieter nach § 13 Abs. 1 Nr. GvKostG i.V.m. § 4 Abs. 1 68 S. 1 GvKostG vorschusspflichtig114. Das Einfordern des Vorschusses stellt eine Amtspflicht des Gerichtsvollziehers dar. Er hat insoweit keinen Ermessensspielraum115. Bei der Bemessung des Vorschusses sind Kosten eines Schlossers, Kosten für die Einlagerung des Räumungsgutes und für die sofortige Vernichtung nicht einlagerungsfähiger Sachen sowie für die Vernichtung nicht abgeholter Sachen aus § 811 ZPO nach Ablauf der Lagerfrist zu berücksichtigen, so dass ein Vorschuss für eine Wohnung mit 90 qm in Höhe von 5000 Euro angemessen sein kann116. Der Räumungstermin wird erst nach Zahlung des Vorschusses bestimmt. Es liegt im Ermessen des Gerichtsvollziehers, ob er eine ihm bekannte vertrauenswürdige oder eine vom Gläubiger genannte, ihm aber nicht bekannte preisgünstigere Spedition mit dem Transport des Räumungsguts beauftragt117.

108 Thomas/Putzo/Hüßtege, § 885 ZPO Rz. 18; Schultes, DGVZ 1999, 1. 109 LG Berlin v. 4.7.1974 – 81 T 158/74, DGVZ 1974, 156; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 885 ZPO Rz. 18. 110 AG Essen v. 23.2.2000 – 32 M 634/00, DGVZ 2000, 125; a.A. Brox/Walker, Rz. 1057a, wonach die Darlegung der Eigentümerstellung und der fehlende Widerspruch des Mieters ausreichen soll. 111 A.A. AG Siegburg v. 8.5.1998 – 33 M 797/98, DGVZ 1998, 190. 112 AG Essen v. 23.2.2000 – 32 M 634/00, DGVZ 2000, 125; Prütting/Gehrlein/Olzen, § 885 ZPO Rz. 28. 113 Zöller/Stöber, § 885 ZPO Rz. 18; Musielak/Lackmann, § 885 ZPO Rz. 14; Stein/Jonas/Brehm, § 885 ZPO Rz. 33 jeweils m.w.N. 114 Riecke, ZMR 2006, 919; Schuschke, NZM 2005, 681. 115 LG Frankenthal v. 25.8.2004 – 1 T 198/04, DGVZ 2004, 187; AG Leipzig v. 15.1.2009 – 431 M 26798/08, DGVZ 2009, 169. 116 LG Heidelberg v. 20.5.2009 – 6 T 20/09b, DGVZ 2009, 168. 117 AG Hamburg-St. Georg v. 23.9.2004 – 903c M 1057/04, ZMR 2005, 298.

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Anhang zu § 546 Rz. 69 | Räumungszwangsvollstreckung 69 Die verauslagten Kosten können von dem Vermieter über § 788 ZPO erstattet verlangt werden. Auf

Antrag sind sie von dem Vollstreckungsgericht festzusetzen. Hat der Vermieter aber sein Vermieterpfandrecht geltend gemacht, kann er später anfallende Kosten für Transport, Einlagerung und/oder Entsorgung/Entrümpelung von Räumungsgut nicht über § 788 ZPO zu erstatten verlangen, da diese Kosten gerade nicht im Rahmen der Zwangsräumung angefallen sind. Kosten, die dem Vermieter aufgrund des geltend gemachten Vermieterpfandrechts entstanden sind, muss er gegenüber dem Mieter im ordentlichen Erkenntnisverfahren nach der ZPO titulieren lassen118.

III. Alternativen zu § 885 ZPO 70 Bei der klassischen Räumung wird das Räumungsgut (in der Regel das Inventar des Mieters) durch eine

hinzugezogene Spedition in die Pfandkammer oder den anderweitigen Verwahrungsort verbracht. Die dadurch hervorgerufenen Kosten führen grundsätzlich zu einem hohen Kostenvorschuss, den der Gerichtsvollzieher vor Einleitung der Zwangsvollstreckung vom Gläubiger/Vermieter fordert (z.B. werden für die Räumung einer 2-Zimmer-Wohnung oftmals 3000 Euro als Vorschuss verlangt). Alternativ dazu sind verschiedene Kostensenkungsmodelle entwickelt worden, die als „Frankfurter Räumung“119, „Hamburger Räumung“120 und „Berliner Räumung“121 bezeichnet werden. 1. Frankfurter Räumung 71 Bei dieser Methode führt der Gläubiger die Räumungsvollstreckung durch eigenes Personal durch.

Das Räumungsgut wird überdies durch dieses Personal in eigene oder von ihm angemietete Räume verbracht122. Diese Art der Räumungsvollstreckung ist zulässig123, wenn – die Räumung durch fachkundiges Personal durchgeführt wird (erforderlich ist die Eignung zum fachgerechten Abbau von Möbeln), – das Räumungsgut in einem bereits gestellten und abgetrennten Raum eingelagert wird, – dem Gerichtsvollzieher durch die Übergabe von Schlüsseln eine eigene Zugangsmöglichkeit eingeräumt wird, – der Gläubiger sich verpflichtet, dem Schuldner etwaige Schäden zu ersetzen, – der Gerichtsvollzieher von einer etwaigen Haftung freigestellt wird124. 72 Der Vorteil der Frankfurter Räumung besteht in den geringeren Kosten aufgrund der Einschaltung

von eigenem Personal und der Zurverfügungstellung eigener Räumlichkeiten125. 2. Hamburger Räumung 73 Diese Art der Räumungsvollstreckung wird in mehreren Schritten vollzogen. Zuerst wird der Schuld-

ner durch den Gerichtsvollzieher aus der Wohnung gesetzt und ihm durch den Einbau eines neuen Schlosses der Zutritt zur Wohnung unmöglich gemacht126. Die neuen Schlüssel händigt der Gerichtsvollzieher nicht dem Gläubiger aus, um auf diese Weise die Zwangsvollstreckung noch nicht zu beenden, sondern übergibt sie den Mitarbeitern der hinzugezogenen Spedition, der er die weitere Veranlassung hinsichtlich des Räumungsguts überlässt127. Die hinzugezogene Spedition wird zugleich angewiesen, das Mietobjekt erst nach zwei Wochen zu räumen. Meldet sich der Schuldner in dieser Frist und gibt er

118 119 120 121 122 123 124 125 126 127

AG Hannover v. 25.8.2010 – 703 M 35462/10, zitiert nach juris. Horst, MDR 2006, 249 (251). Riecke, GE 2006, 623. Schuschke, NZM 2006, 284. Riecke, GE 2006, 623. AG Frankfurt am Main v. 1.12.2003 – 33 M 59/03-28, NZM 2004, 359. Horst, MDR 2006, 249 (251). Riecke, GE 2006, 623 (624). Horst, MDR 2006, 249 (250). Schuschke, NZM 2005, 681 (684).

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A. Räumungszwangsvollstreckung | Rz. 78 Anhang zu § 546

einen Bestimmungsort für das Räumungsgut an, so verweist der Gerichtsvollzieher auf den beauftragten Spediteur. Diesen weist er an, das Räumungsgut zu dem vom Schuldner genannten Bestimmungsort zu bringen, wenn der Kostenvorschuss dies zulässt oder der Schuldner selbst die Kosten vorstreckt128. Ansonsten sichtet die hinzugezogene Spedition die in dem Mietobjekt befindlichen Sachen, entsorgt den Müll und verbringt die verbliebenen Sachen in das Pfandlokal oder zu einem anderweitigen Verwahrungsort. Im Übrigen wird wie im Fall der klassischen Räumung verfahren. Das Einsparpotential bei der Hamburger Räumung liegt in der Arbeitsökonomie129. Die zweiaktige 74 Räumung hat den Vorteil, dass wirklich nur die notwendigen Hilfskräfte und Lkw-Kapazitäten angefordert werden130. Darüber hinaus können verschiedene Transporte miteinander verbunden werden. 3. Berliner Räumung Bei diesem Modell beschränkt der Vermieter den Räumungsantrag an den Gerichtsvollzieher darauf, 75 den Mieter aus der Wohnung zu setzen (Herausgabevollstreckung), während alle Sachen in dem Mietobjekt verbleiben, weil der Vermieter zuvor an dem Inhalt der Mietsache das Vermieterpfandrecht geltend gemacht hat131. Dadurch wird der Kostenvorschuss um die Transport- und Lagerkosten reduziert. Es bleiben nur die Kosten für das Öffnen der Wohnungstür durch einen Schlüsseldienst und die Gebühren des Gerichtsvollziehers. Besteht das Vermieterpfandrecht nicht, ist die Berliner Räumung unzulässig132. Die Zulässigkeit der Berliner Räumung war seit dem Beschluss des BGH vom 17.11.2005133 nicht 76 mehr streitig. Denn der BGH hatte herausgestellt, dass der Gerichtsvollzieher nicht berechtigt ist, eine Prüfung, ob die bei Durchführung der Herausgabevollstreckung in der Wohnung befindlichen Sachen vom Vermieterpfandrecht erfasst werden, vorzunehmen, weil er als Vollstreckungsorgan grundsätzlich nicht zuständig ist, materiell-rechtliche Ansprüche der Parteien im Rahmen der Zwangsvollstreckung zu klären. 4. Beschränkter Vollstreckungsauftrag, § 885a ZPO Durch das MietRÄndG 2013 ist ein der Berliner Räumung nachgebildetes Vollstreckungsmodell in 77 § 885a ZPO verankert worden. Um die Vorteile der Berliner Räumung zu erreichen, musste gleichzeitig, spätestens jedoch im Vollstreckungstermin das Vermieterpfandrecht nach den §§ 562 ff. BGB hinsichtlich des Inventars ausgeübt werden. Die beschränkte Herausgabevollstreckung nach § 885a ZPO erfolgt aber nicht als Teil des Vermieterpfandrechts134. Vielmehr unterliegt das Inventar der Aufsicht des Gerichtsvollziehers, der ein Pfändungspfandrecht begründet (§ 885a Abs. 2 ZPO) und die Sachen vom Vermieter verwahren lässt (§ 885a Abs. 3 ZPO). Die Bestimmungen der beschränkten Herausgabevollstreckung bringen vor allem für den Gläubiger 78 (Vermieter) Rechtssicherheit. Durch das in § 885a ZPO klar geregelte Prozedere und die Haftungsmilderungen werden nämlich die wesentlichen Risiken der Berliner Räumung abgefangen. Denn die Vorschrift bestimmt eine – Dokumentation des Inventars, § 885a Abs. 2 ZPO, – Haftungsprivilegierung des Vermieters, § 885a Abs. 3 ZPO, – erleichterte Verwertung, § 885a Abs. 4 ZPO.

128 129 130 131 132 133 134

Horst, MDR 2006, 249 (251). Horst, MDR 2006, 249 (251). Riecke, GE 2006, 623 (624). Schuschke, NZM 2006, 284. Schleswig-Holsteinisches OLG v. 28.10.2014 – 5 W 42/14, NZM 2015, 624. BGH v. 17.11.2005 – I ZB 48/05, NZM 2006, 149 = ZMR 2006, 199; kritisch z.B. Flatow, NJW 2006, 1396. Vgl. dazu Dötsch, NZM 2012, 73.

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Anhang zu § 546 Rz. 79 | Räumungszwangsvollstreckung a) § 885a Abs. 1 ZPO 79 Die Vorschrift stellt klar, dass der Vollstreckungsauftrag auf die Herausgabevollstreckung nach § 885

Abs. 1 ZPO beschränkt werden kann. Dazu muss ein entsprechend beschränkter Zwangsvollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher erteilt werden, der aus dem Räumungstitel ersehen kann, dass er zur Vorbereitung des Vollstreckungstermins einen Schlüsseldienst organisieren muss. Der Geltendmachung des Vermieterpfandrechts bedarf es nicht135. Allerdings kann die Vollstreckung nach § 885a ZPO auch mit einem Vollstreckungsauftrag nach § 885 ZPO kombiniert werden. Das kommt z.B. bei mehreren abtrennbaren Mieteinheiten oder Räumen in Betracht, wenn sich in einem Teil der Mieteinheit unstreitig pfändbare und wertvolle Sachen befinden oder trennbare Mieteinheiten bestehen, von denen der Gläubiger eine unbedingt sofort frei geräumt haben will. Der Räumungstitel ist mit der Inbesitzsetzung des Vermieters (Gläubigers) verbraucht136. b) Pfändungsprotokoll, § 885a Abs. 2 ZPO 80 Bis zum Inkrafttreten der Vorschrift entstanden nach der Herausgabevollstreckung im Berliner Modell

regelmäßig ein großes Defizit und Unsicherheit: Da das Vermieterpfandrecht durch Verwertung nach den §§ 1228 ff. BGB realisiert werden musste, vielen Vermietern dieser Aufwand aber zu groß war, weil das Inventar des Mieters wegen seiner geringen Qualität keine Erlöse erwarten ließ, schritten Vermieter oftmals zur „kalten Räumung“ mit der Folge des Schadensersatzrisikos nach § 231 BGB (vgl. § 546 BGB Rz. 52). Diesem Risiko konnten sie grundsätzlich nur vorbeugen, indem sie ein Inventar mit Wertermittlung oder zumindest eine vollständige Dokumentation der vorgefundenen Sachen errichteten, die eine spätere Wertermittlung ermöglichte137. 81 Dieses Risiko minimiert § 885a Abs. 2 ZPO, der durch ein Haftungsprivileg des Vermieters in § 885a

Abs. 3 ZPO flankiert wird. Nach § 885a Abs. 2 ZPO hat der Gerichtsvollzieher die frei ersichtlichen Sachen im Vollstreckungsprotokoll nach § 762 ZPO aufzunehmen und kann (auf besonderen Antrag: muss) die Dokumentation durch Bildaufnahmen ergänzen138. Damit erhält der Gläubiger jedenfalls hinsichtlich der frei ersichtlichen Sachen die notwendigen Informationen, um einem etwaigen Schadensersatzanspruch des Schuldners wegen Beschädigung oder (angeblichem) Verlust von Inventar vorbeugen zu können. Allerdings entspricht das Protokoll keinem Inventarverzeichnis, was durch die Beschränkung der Dokumentation auf frei ersichtliche Sachen deutlich werden soll139. 82 Frei ersichtlich werden in der Regel die Sachen sein, die im Raum stehen und liegen (was allerdings

auch schon einen erheblichen Umfang annehmen kann). Auf keinen Fall gehört der Inhalt von Schränken, Schubladen, Tüten, Taschen etc. dazu. Auch Sachen, die sich hinter Schränken u.Ä. befinden, werden nicht erfasst. 83 Fraglich ist, auf welchen Zeitpunkt für die Beurteilung der freien Ersichtlichkeit abzustellen ist. In

Betracht kommen der Beginn der Vollstreckungshandlung, also in der Regel das Betreten der Räume durch den Gerichtsvollzieher, oder die Beendigung des Vollstreckungsauftrages. Wäre das Ende des Auftrages maßgeblich, hätte der Gläubiger die Möglichkeit, den Protokollumfang zu erweitern, indem er z.B. den Inhalt der Schränke „frei ersichtlich“ macht. Wortlaut und Zweck der Vorschrift sprechen dafür, auf den Beginn der Maßnahme abzustellen. Denn das Protokoll soll eine Übersicht über die Habe des Mieters liefern und ein Inventar gerade nicht ersetzen. 84 Das Risiko, dass durch die nicht vollständige Inventarisierung entsteht, wird durch die fotografische

Dokumentation, die der Gerichtsvollzieher nach § 885a Abs. 2 S. 2 ZPO herstellt, nicht wesentlich verringert. Denn damit werden ebenfalls nur die frei ersichtlichen Sachen festgehalten. Die Bilder sollen das Protokoll ergänzen, so dass die Dokumentation nur in dem durch § 885a Abs. 2 S. 1 gezogenen Rahmen stattfindet.

135 BT-Drucks. 17/10485, S. 31. 136 OLG Rostock v. 15.10.2013 – 3 U 80/13, GE 2015, 970. 137 BGH v. 14.7.2010 – VIII ZR 45/09, MDR 2010, 1106 = MietRB 2010, 286 = WuM 2010, 578 = GE 2010, 1189 = NZM 2010, 701 = ZMR 2011, 23. 138 Kritisch dazu Dötsch, NZM 2012, 73. 139 BT-Drucks. 17/10485, S. 31, 32.

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A. Räumungszwangsvollstreckung | Rz. 91 Anhang zu § 546

Das Protokoll i.S.d. § 762 ZPO ist eine öffentliche Urkunde. Damit begründet es gemäß §§ 415 ff. 85 ZPO den vollen Beweis für seinen Inhalt. Durch die ergänzende Dokumentation in Form der Fotografien, die zur Augenscheinseinnahme nach § 371 ZPO geeignet sind, ist der Vermieter in der Lage, in einem evtl. nachfolgenden Schadensersatzprozess dem Gericht jedenfalls einen Eindruck über den Bestand und Zustand der vom Mieter hinterlassenen Gegenstände zu verschaffen. Die Vorschrift leidet nicht darunter, dass ihr eine dem § 885 Abs. 5 ZPO entsprechende Bestimmung 86 fehlt140. Durch die Aufnahme der Gegenstände in das Protokoll nach § 762 ZPO entsteht ein Pfändungspfandrecht. Hierüber kann der Gerichtsvollzieher auch nach § 885 Abs. 5 ZPO verfügen. Denn ob sich die Sachen in der Pfandkammer oder im Gewahrsam des Gläubigers befinden, tangiert die Befugnis des Gerichtsvollziehers nicht. Deshalb können auch unpfändbare Sachen ohne weiteres herausgegeben werden. c) Verwahrung des Inventars, § 885a Abs. 3 ZPO Schon ohne § 885a ZPO hatte der Vermieter im Rahmen der Berliner Räumung die Verantwortung für 87 die in der Wohnung zurückgelassenen Sachen des Mieters, mit denen er sorgfältig umzugehen hatte141. Nunmehr bestimmt § 885a Abs. 3 ZPO, wie mit den beweglichen Sachen, die in der Wohnung verblieben sind, verfahren werden kann. § 885a Abs. 3 S. 1 ZPO räumt dem Vermieter die Befugnis ein, die beweglichen Sachen, die in der Woh- 88 nung zurückgeblieben sind, im Anschluss an die Herausgabevollstreckung an einen anderen Ort zu verbringen und sie dort zu verwahren. Trotz der Haftungsmilderung nach § 885a Abs. 3 ZPO muss der Ort, an den der Vermieter die Sachen verbringt, sicher sein, also vor dem Zugriff Dritter geschützt sein. In Betracht kommen insoweit z.B. abschließbare Keller, Lagerräume und Garagen. Das Wegschaffen der beweglichen Sachen ist indes – anders als bei der Räumung nach § 885 Abs. 2 ZPO – nicht obligatorisch. Kommt eine kurzfristige erneute Vermietung nicht in Betracht oder erscheint es dem Gläubiger aus anderen Erwägungen vorzugswürdig, die beweglichen Sachen zunächst nicht wegzuschaffen, kann er sie ohne Weiteres zunächst in der Wohnung belassen. Nach § 885a Abs. 3 S. 2 ZPO kann der Vermieter Sachen, an deren Aufbewahrung offensichtlich kein 89 Interesse besteht, vernichten. Diese Voraussetzung sind in jedem Fall bei Unrat und Müll gegeben142. Von einer Vernichtung ist aber abzusehen, wenn der Mieter sein Interesse an einer Aushändigung der Sachen zum Ausdruck gebracht hat, was auch vor der Räumung, spätestens aber vor der Vernichtung erfolgen muss. Insoweit reicht eine allgemeine Erklärung, Wert auf seine Sachen zu legen, aber nicht aus. Vielmehr muss der Mieter die Sachen, die nicht vernichtet werden sollen, spezifizieren. Die Kosten der Müllbeseitigung kann der Vermieter als Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 885a Abs. 5 ZPO geltend machen. Von der Vernichtungsbefugnis ausgenommen sind wertlose oder im gegenwärtigen Zustand nicht 90 (mehr) gebrauchsfähige Gegenstände, deren weitere Verwendung durch den Mieter bei objektiver Betrachtung nicht von vorneherein ausgeschlossen werden kann. Diese Gegenstände sind nur dann nicht in die Verwahrung zu nehmen, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Mieter sie nicht mehr behalten will. Im Hinblick auf das Risiko, vom Schuldner wegen einer Verschlechterung oder des Verlustes seines 91 Hausrates auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden, ordnet § 885a Abs. 3 S. 3 ZPO eine Haftungsmilderung zugunsten des Vermieters an. Die Geltung der Haftungsmilderung, die auf dem Rechtsgedanken des § 300 BGB aufbaut143, setzt voraus, dass sich der Vermieter in den Grenzen des § 885a ZPO gehalten hat. Demnach schützt sie im Rahmen der Sonderung, der Vernichtung, des Wegschaffens und des Verwahrens, wie sie in § 885a ZPO vorgesehen sind. Werden aber z.B. Sachen vernich-

140 141 142 143

A.A. Hinz, ZMR 2012, 153 (160); Schwieren, ZMR 2011, 765 (769). BGH v. 17.11.2005 – I ZB 48/05, NZM 2006, 149 = ZMR 2006, 199 (Rz. 15). BT-Drucks. 17/10485, S. 32. BT-Drucks. 17/10485, S. 32.

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Anhang zu § 546 Rz. 91 | Räumungszwangsvollstreckung tet, die nicht wertlos sind, haftet der Vermieter auch bei fahrlässigem Handeln144. Erst recht gilt das Haftungsprivileg nicht für die Durchführung des Selbsthilfeverkaufs nach § 885a Abs. 4 ZPO145. 92 Die Haftungsmilderung erstreckt sich auch auf den Verlust von Inventar, das nicht in dem Protokoll

nach § 885a Abs. 2 ZPO aufgeführt ist, weil es z.B. nicht frei ersichtlich war. Das betrifft insbesondere Wertgegenstände, die sich in den Schränken, Schubladen oder sonstigen Behältnissen befanden. Denn im Hinblick auf die Ankündigung durch den Gerichtsvollzieher nach § 885a Abs. 5 ZPO hat der Mieter ausreichend Gelegenheit, der staatlichen Anordnung der Räumung nachzukommen, zumindest aber vorzubereiten und seine Wertgegenstände zu schützen. d) Selbsthilfeverkauf, § 885a Abs. 4 ZPO 93 Hat der Vermieter das Inventar einen Monat seit dem Vollstreckungstermin verwahrt, kann er die

Sachen verwerten. Eine Pflicht besteht nicht. Vielmehr kann der Vermieter die Sachen auch weiter aufbewahren146. 94 Einer besonderen Ankündigung der Verwertung, wie sie etwa in den §§ 384, 1234 Abs. 2 ZPO vor-

gesehen ist, bedarf es nicht. Immerhin hat der Gerichtsvollzieher nach § 885a Abs. 6 ZPO bereits auf das Verwertungsrecht des Vermieters hingewiesen. 95 Für die Verwertung gelten die Vorschriften der Hinterlegung nach den §§ 372 ff. BGB entsprechend,

soweit nicht die Anwendung bestimmter Vorschriften in § 885a Abs. 4 ZPO ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Letzteres gilt z.B. für § 381 BGB, der eigentlich die Kostentragung zu Lasten des Gläubigers anordnet. 96 Die zentrale Norm der Verwertung bildet § 383 BGB. Danach kann der Vermieter grundsätzlich das

Inventar durch den dafür am Versteigerungsort bestellten Gerichtsvollzieher oder einen öffentlich bestellten Versteigerer öffentlich versteigern lassen. Für das Prozedere gilt die VersteigerungsVO. Am Ende der Versteigerung kann der Gläubiger gegen den Erstattungsanspruch des Schuldners mit seinen titulierten und nicht titulierten Forderungen aufrechnen. Ein freihändiger Verkauf kommt nur ausnahmsweise in Betracht. Die in § 384 BGB vorgesehene Androhung der Versteigerung kann gemäß § 885a Abs. 4 S. 3 ZPO unterbleiben, weil dem Mieter das Verfahren bereits durch die Hinweise nach § 885a Abs. 5 ZPO bekannt gemacht wurde. 97 Sachen, die nicht verwertet werden können, kann der Vermieter vernichten. Das setzt nicht voraus,

dass ein erfolgloser Verwertungsversuch unternommen wurde. Die Befugnis, über die sofortige Vernichtung zu entscheiden, liegt aber letztlich beim Gerichtsvollzieher entsprechend § 885 Abs. 4 S. 4 ZPO. Denn er soll die Versteigerung durchführen, so dass er auch entscheiden kann, welche Gegenstände im Zweifel keinen Erlös versprechen. e) Behandlung unpfändbarer Sachen 98 Unpfändbare Sachen und solche Sachen, bei denen ein Verwertungserlös nicht zu erwarten ist, sind

nach § 885a Abs. 5 ZPO auf Verlangen des Schuldners jederzeit ohne weiteres herauszugeben. Durch diese Bestimmung wird klargestellt, dass der Mieter (Schuldner) auch bei einem beschränkten Vollstreckungsauftrag die gleichen Rechte ausüben kann, wie bei der Räumungs- und Herausgabevollstreckung nach § 885 ZPO. 99 Das Verlangen des Schuldners nach § 885a Abs. 5 ZPO ist formlos möglich. Es kann vor und nach der

Zwangsvollstreckung gestellt werden. Die Fristen nach § 885a Abs. 4 ZPO sind nur insoweit relevant, als noch keine Verwertung oder Entsorgung stattgefunden hat. 100 Auf das Verlangen ist der Gläubiger (Vermieter) zur jederzeitigen Herausgabe verpflichtet. Der Schuld-

ner kann eine sofortige Herausgabe verlangen. Die Pflicht muss jedoch nicht zur Unzeit (z.B. in den

144 Zweifelnd Hinz, ZMR 2012, 153 (164). 145 BT-Drucks. 17/10485, S. 33. 146 BT-Drucks. 17/11894, S. 35.

976 | Lützenkirchen/Dickersbach

A. Räumungszwangsvollstreckung | Rz. 107 Anhang zu § 546

Nachtstunden) erfüllt werden147. Allerdings muss dem Vermieter die Herausgabe möglich sein. Ein Fall der faktischen Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 2 BGB) kann eintreten, wenn die herausverlangten Sachen aus einer Vielzahl von Umzugskartons (hier: mehr als 200) herausgesucht werden müssen148. Weigert sich der Vermieter unberechtigterweise, die Sachen herauszugeben, steht dem Mieter die Erinnerung nach § 766 ZPO offen. f) Aufklärungspflicht des Gerichtsvollziehers, § 885a Abs. 6 ZPO Die Vorschrift dient dazu, den Vermieter in die Lage zu versetzen, im unmittelbaren Anschluss an die 101 Vollstreckungsmaßnahme nach § 885a Abs. 1 ZPO sachgerecht über das weitere Vorgehen im Hinblick auf die vorgefundenen beweglichen Sachen entscheiden zu können149. Sie soll damit letztlich zu einer Beschleunigung des Verfahrens beitragen. Voraussetzung dafür ist eine umfassende Aufklärung durch den Gerichtsvollzieher über das in § 885a 102 ZPO vorgesehene Verfahren, insbesondere – die skizzenhafte Protokollierung, – die Aussonderung von Müll und Unrat, – die Verwahrungs- und Vernichtungsbefugnis des Vermieters, – die Fristen nach § 885a Abs. 3 und 4 ZPO, – die ohne weitere Ankündigung mögliche Verwertung, – die Haftungsmilderung des Vermieters. Die notwendigen Hinweise haben mit der Mitteilung des Vollstreckungstermins nach § 885a Abs. 1 103 ZPO zu erfolgen. Wird der Termin abgesetzt, etwa weil eine Beschlagnahme zur Vermeidung von Obdachlosigkeit durch die Ordnungsbehörde erfolgt, müssen die Hinweise für den weiteren Vollstreckungstermin wiederholt werden. Ist der Schuldner/Mieter nicht erreichbar, muss die Mitteilung öffentlich zugestellt werden. Unterlässt der Gerichtsvollzieher die Hinweise bei der Mitteilung, kann er sie bis zum Beginn des Ter- 104 mins nachholen. Ansonsten ist die Zwangsvollstreckung unzulässig, was der Schuldner mit der Erinnerung nach § 766 ZPO geltend machen kann. Wird die Vollstreckung dennoch durchgeführt und vollzieht der Gläubiger die Rechte nach § 885a Abs. 4 ZPO, bleibt sein Handeln ohne Sanktion, soweit er nicht seine Befugnisse nach § 885a Abs. 3 und 4 ZPO überschreitet. Die Haftungsmilderung nach § 885a Abs. 3 S. 3 ZPO greift auch insoweit. g) Kostenregelung, § 885a Abs. 7 ZPO Die Kosten, die dem Vermieter durch den Vollstreckungsauftrag nach § 885a Abs. 1 ZPO entstehen, 105 sind Kosten der Zwangsvollstreckung i.S.v. § 788 ZPO. Ergänzend ordnet § 885a Abs. 6 ZPO an, dass der Aufwand, den der Vermieter durch das Verfahren nach § 885a Abs. 3, 4 ZPO betreibt, ebenfalls zu diesen Kosten der Zwangsvollstreckung gehört. Zwar wird durch diese Anordnung ein Erkenntnisverfahren über die Kostentragung des Mieters, wie es 106 ansonsten bei einem Verfahren nach den §§ 372 ff. BGB notwendig wäre, erspart. Indessen kann der Schuldner den Einwand unangemessen hoher Kosten mit der Erinnerung nach § 766 ZPO verfolgen.

IV. § 940a Abs. 2 ZPO Vor der Erweiterung des § 940a ZPO durch das MietRÄndG 2013 konnte eine einstweilige Räumungs- 107 verfügung des Vermieters von Wohnraum gegen einen bis dahin unbekannten Untermieter mangels verbotener Eigenmacht und bestehendem Besitzrecht des Untermieters nicht erwirkt werden. Das galt

147 BT-Drucks. 17/11894, S. 35. 148 LG Krefeld v. 4.10.2013 – 2 T 31/13, GE 2014, 61 = DWW 2014, 21. 149 BT-Drucks. 17/10485, S. 33.

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Anhang zu § 546 Rz. 107 | Räumungszwangsvollstreckung selbst dann, wenn der Hauptmieter die Wohnung aufgrund eines Räumungsurteils, ohne dass eine Zwangsräumung erfolgt war, verlassen und er seinem Mitbewohner/Untermieter den Wohnungsschlüssel überlassen hatte150. Räumung von Gewerberaum konnte bisher schon im Wege der einstweiligen Verfügung ausschließlich nach § 940 ZPO erwirkt werden. Bei der Fall-Konstellation, dass (plötzlich) ein Untermieter im Rahmen der Zwangsvollstreckung auftaucht, sollte immer überlegt werden, ob dem Mieter nicht durch einstweilige Verfügung untersagt werden soll, eine (weitere) Untervermietung durchzuführen151. Damit kann der nächste Räumungstermin jedenfalls gesichert werden. 1. Ausgangslage 108 Die Vorschrift des § 940a Abs. 2 ZPO regelt den einen Fall, dass sich nach Schaffung des Räumungs-

titels gegen den Mieter (und ggf. bekannte Mitbewohner) herausstellt, dass es ohne Kenntnis des Vermieters weitere (Mit-)Besitzer der Wohnung gibt. Dazu muss nicht notwendigerweise bereits der Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung aus dem Räumungstitel durchgeführt bzw. abgebrochen haben. Erfährt der Vermieter nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung im Räumungsprozess, dass ein oder mehrere weitere Besitzer in der Wohnung sind, kann er das Verfahren nach § 940a Abs. 2 ZPO eröffnen. Hat die Besitzüberlassung an den Dritten nach dem errlass des (ggfs. vorläufig vollstreckbaren) Urteil stattgefunden, kommen daneben Schadensersatzansprüche aus § 826 BGB in Betracht152. 109 Der Rechtsbehelf des § 940a Abs. 2 ZPO kann in Konkurrenz zur Erinnerung nach § 766 Abs. 2 ZPO

stehen. Denn allein die Behauptung des Mieters/Schuldners oder eines Dritten, der Dritte habe Mitbesitz an den Räumen, reicht als solches nicht aus, die begonnene Zwangsvollstreckung nach § 885 ZPO oder § 885a ZPO einzustellen. Vielmehr muss der Gerichtsvollzieher diese Angaben überprüfen. Insoweit kann der Gerichtsvollzieher seine Erkenntnis nicht auf eine Meldebescheinigung des Dritten beschränken, sondern muss sich anhand der tatsächlichen Verhältnisse vor Ort ein Bild vom Umfang des Besitzes machen153. Ist der Dritte bei der Vollstreckung nicht anwesend, kann er seine Rechte gegenüber dem Gerichtsvollzieher nicht wahrnehmen. 110 Voraussetzung der Titelschaffung ist neben § 940a Abs. 4 ZPO, dass

– – – –

ein Räumungstitel gegen den Mieter besteht154, ein Dritter, der im Räumungstitel nicht benannt ist, (Mit-)Besitz hat, der Vermieter vom Besitz des Dritten im Erkenntnisverfahren keine Kenntnis hatte und der Name des Dritten bekannt ist.

2. Statthaftigkeit des Antrags 111 Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nach § 940a Abs. 2 ZPO ist nur statthaft, wenn die

Räumung von Wohnraum begehrt wird. Ist im Mietvertrag eine (ausschließliche) gewerbliche Nutzung der Mieteinheit vorgesehen, hat der Antrag demnach keine Aussicht auf Erfolg. Bei Mischmietverhältnissen ist nach der Übergewichtstheorie (vgl. Vor § 535 BGB Rz. 64 ff.) darauf abzustellen, welche Nutzung den Schwerpunkt bildet. Nutzt der Mieter und/oder der Dritte die als Wohnung überlassene Mieteinheit, die behördlich nur zur gewerblichen Nutzung zugelassen ist, bleibt § 940a Abs. 2 ZPO anwendbar. Zwar könnte nach dem Wortlaut auch das nach öffentlich-rechtlichen Bestimmungen als Wohnraum geltende Mietobjekt erfasst sein, so dass selbst bei einem Gewerbemietvertrag über diese Einheit § 940a ZPO einschlägig wäre. Indessen wollte der Gesetzgeber den Vermieter von Wohnraum privilegieren155. Deshalb kommt es auf die Qualität des Mietvertrages an. Ist sein Gegenstand die Ver-

150 LG Lüneburg v. 16.11.2011 – 6 S 88/11, WuM 2011, 672. 151 Dazu: OLG München v. 4.9.2017 – 7 W 1375/17, MietRB 2017, 349 = MDR 2017, 1415 = GE 2017, 1219 = NZM 2017, 813 m. Anm. Heilmann. 152 OLG München v. 2.5.2019 – 32 U 1436/18, MietRB 2019, 326 = ZMR 2020, 28. 153 AG Wedding v. 28.6.2012 – 31 M 8006/12, GE 2012, 1705. 154 LG Mönchengladbach v. 10.12.2013 – 2 T 62/13, MietRB 2014, 77 = WuM 2014, 105 = ZMR 2014, 293 = DWW 2014, 20 = NZM 2014, 132. 155 BT-Drucks. 17/10485, S. 34.

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A. Räumungszwangsvollstreckung | Rz. 114 Anhang zu § 546

mietung von Wohnraum, ist § 940a Abs. 2 ZPO selbst dann anwendbar, wenn der Nutzung als Wohnraum öffentlich-rechtliche Bestimmungen entgegenstehen. Als Ausnahmevorschrift ist die Bestimmung nicht analogiefähig156. § 940a ZPO stellt nämlich gene- 111a rell eine Ausnahmevorschrift zu § 940 ZPO dar. Deshalb kann der Vermieter von Gewerberaum oder sonstigen Mietsachen grundsätzlich nur nach § 940 ZPO vorgehen. Insoweit kommt der Erlass einer entsprechenden Leistungsverfügung regelmäßig in Betracht, wenn der Vermieter aufgrund einer besonderen Notlage dringend auf die Herausgabe der streitbefangenen Gewerbeeinheit angewiesen ist157 und der Besitzer durch kollusives Zusammenwirken mit dem Mieter die Vollstreckung nur verzögern oder vereiteln will158. Ansonsten kann bei der Bewertung nicht außer Acht gelassen werden, dass der Gesetzgeber in der Wohnraummiete, die einen höheren Schutz genießt, die einstweilige Verfügung gegen den besitzenden Nichtmieter gerade zugelassen hat159. Liegen daher vergleichbare Fälle vor, wird in der Gewerberaummiete dem Antrag auf Erlass eine (Leistungs-)Räumungsverfügung kaum noch der Erfolg versagt werden können160. Dies gilt insbesondere, wenn der Vermieter erst nach der mündlichen Verhandlung Kenntnis davon erlangt, dass ein Dritter im Besitz der Mieträume ist und eine Abwägung ein Übergewicht der Interessen des Vermieters ergibt. Bei gemischter Nutzung kommt es darauf an, auf welcher Nutzung der Schwerpunkt liegt161 (vgl. Vor § 535 BGB Rz. 64). 3. Bestehen eines Räumungstitels Auf welcher Rechtsgrundlage der Räumungstitel ergangen ist, ist unerheblich. Er kann auf Zahlungs- 112 verzug beruhen, aber auch Folge einer ordentlichen Kündigung sein. Ein Titel nach § 940a Abs. 1 ZPO reicht nur aus, wenn zwischen den Prozessparteien in dem Verfahren, in dem der Räumungstitel erwirkt wurde, ursprünglich ein Mietvertrag bestand. Denn der Räumungstitel, aus dem die Zwangsvollstreckung nicht mehr erfolgreich betrieben werden kann, muss gegen den Mieter ergangen sein. Damit bleiben Räumungstitel aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis162 (§ 985 BGB) vom Anwendungsbereich des § 940a ZPO ebenso ausgeschlossen wie die Herausgabetitel aus anderen Schuldverhältnissen (z.B. Leihe), selbst wenn sie Wohnraum betreffen. Der bestehende Räumungstitel muss nicht rechtskräftig sein. Es kann sich auch um einen vorläufig 113 vollstreckbaren Titel nach § 708 Nr. 7 ZPO handeln. Insoweit ist es weder notwendig, dass der Schuldner versucht hat, die Zwangsvollstreckung nach § 711 ZPO abzuwenden, noch dass der Vermieter die danach erforderliche Sicherheit geleistet hat. Es kann sich auch um einen nach § 727 ZPO auf den Erwerber umgeschriebenen Titel handeln, wobei der Erwerb auch im Rahmen der Zwangsversteigerung stattgefunden haben kann163. Vollstreckungsschutzanträge des Mieters, z.B. im Berufungsverfahren nach § 712 ZPO, sind weder 114 Voraussetzung noch Hindernis im Verfahren nach § 940a Abs. 2 ZPO. Das Fehlen solcher Anträge kann allenfalls als Indiz dafür gewertet werden, dass der Mieter und der Dritte allein in der Absicht handeln, die Zwangsvollstreckung zu vereiteln.

156 OLG Celle v. 22.11.2014 – 2 W 237/14, MDR 2015, 147 = MietRB 2015, 12 = ZMR 2015, 13; KG v. 5.9.2013 – 8 W 64/13, MDR 2013, 1337 = GE 2013, 1514 = NZM 2013, 791; LG Köln v. 12.6.2013 – 1 T 147/13, ZMR 2013, 721 = MietRB 2013, 204 = NZM 2013, 732; a.A. LG Hamburg v. 27.6.2013 – 334 O 104/13, NZM 2013, 860 = ZMR 2015, 29; Schmidt-Futterer/Streyl, § 940a BGB Rz. 2, 3. 157 OLG Celle v. 26.7.2000 – 2 W 58/00, ZMR 2000, 752. 158 LG Berlin v. 5.9.2018 – 29 O 150/18, GE 2019, 190; LG Hamburg v. 10.12.2014 – 334 O 251/14, ZMR 2015, 380; LG Hamburg v. 27.6.2013 – 334 O 104/13, ZMR 2015, 29 = NZM 2013, 860; AG Brandenburg v. 21.4.2017 – 31 C 37/17, juris. 159 Schmid, IMR 2014, 3; Klüver, IMR 2014, 410. 160 KG v. 9.5.2019 – 8 W 28/19, ZMR 2019, 855 = GE 2019, 797; OLG München v. 12.12.2017 – 32 W 1939/17, MDR 2018, 427 = MietRB 2018, 296 = ZMR 2018, 220; OLG Dresden v. 29.11.2017 – 5 U 1337/17, MDR 2018, 204 = ZMR 2008, 212 = GE 2018, 52 = DWW 2018, 55; LG Krefeld v. 8.3.2016 – 2 S 60/15, MDR 2016, 580 = MietRB 2016, 135 = ZMR 2016, 448 = GE 2016, 461; LG Hamburg v. 27.6.2013 – 334 O 104/13, NZM 2013, 860 = ZMR 2015, 29 mit Anm. Klüver, ZMR 2015, 10; Klüver, ZMR 2018, 196. 161 LG Karlsruhe v. 27.7.2005 – 4 O 510/05, ZMR 2005, 869. 162 LG Arnsberg v. 25.2.2014 – 3 S 11/14, MietRB 2014, 237 = ZMR 2014, 631 (632). 163 Vgl. dazu Derleder, ZMR 2013, 88 f.

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Anhang zu § 546 Rz. 114a | Räumungszwangsvollstreckung 114a Allein das Bestehen eines Räumungstitels macht die materiell-rechtliche Prüfung, ob der Hauptmiet-

vertrag beendet ist, nicht überflüssig. Vielmehr muss auch ein Verfügungsanspruch bestehen164. Dies ergibt sich bereits aus dem Grundsatz, dass die Rechtskraft des Räumungstitels sich nicht auf einen Dritten erstreckt, der am Verfahren nicht beteiligt war165 (vgl. § 546 BGB Rz. 47). Trägt der Mieter schlüssig vor, dass der Hauptmietvertrag noch besteht bzw. bestreitet er, dass eine wirksame Kündigung vorliegt (z.B. mangelnder Zugang), kann selbst dann keine Einstweilige Verfügung nach § 940a Abs. 2 ZPO ergehen, wenn der Vermieter erst nach der mündlichen Verhandlung Kenntnis vom Besitz des Dritten erlangt hat. Denn Voraussetzung für den Erlass einer Einstweiligen Verfügung nach § 940a Abs. 2 ZPO ist – wie bei jeder Einstweiligen Verfügung nach den §§ 935 ff. ZPO – das Vorliegen eines Verfügungsanspruchs (z.B. §§ 985, 546 Abs. 2 BGB). Allein der Verfügungsgrund wird durch die Voraussetzungen des § 940a Abs. 2 ZPO ersetzt. Deshalb ist es unerheblich, wie lange der Vermieter mit der Antragstellung zugewartet hat166. 114b Gegenüber dem Verfügungsanspruch kann der Dritte einwenden, die Kündigung gegenüber dem Mie-

ter sei unwirksam (z.B. wegen mangelndem Zugang). Nur wenn es der Vermieter schafft, die Kündigung ggfs. (rechtzeitig) nachzuholen, kann eine Entscheidung zu seinen Gunsten im Verfahren nach § 940a Abs. 2 ZPO ergehen. Dies ist bei einer ordentlichen Kündigung fast undenkbar. Daher muss der Vermieter das Verfahren ggf. wiederholen. 114c Die Situation kann aber auch zu einer Regressfalle für den Mieter (bzw. dessen Anwalt) werden. Denn

durch den Räumungsanspruch des Vermieters nach § 546 Abs. 2 BGB entsteht ein Rechtsmangel (vgl. § 536 BGB Rz. 264 f.) im Verhältnis Mieter/Untermieter. Sobald der Vermieter den Untermieter zur Räumung auffordert, macht er ihm den Besitz streitig. Deshalb kann ab dem Zugang einer solchen Aufforderung eine Gebrauchsbeeinträchtigung i.S.v. § 536 Abs. 1 S. 3 BGB im Rahmen des Untermietvertrages bestehen, die den Untermieter sogar berechtigen kann, die (Unter-)Miete um 100 % zu mindern167. 4. (Mit-)Besitz eines Dritten 115 Grundsätzlich benötigt der Vermieter/Eigentümer einen Titel gegen Drittbesitzer/Untermieter selbst

dann, wenn der Verdacht besteht, dass der Mieter dem Dritten den Besitz nur eingeräumt hat, um die Zwangsvollstreckung zu vereiteln168. Vor diesem Hintergrund soll § 940a Abs. 2 ZPO dem Vermieter von Wohnraum die Möglichkeit einräumen, ohne u.U. zeitraubendes Erkenntnisverfahren einen Titel im Wege der einstweiligen Verfügung gegen den Dritten herbeizuführen. Liegen die Voraussetzungen des § 940 Abs. 2 ZPO vor, ist die Abwägung nach § 940 BGB entbehrlich169. 116 Der Antrag ist gegen alle Personen zu richten, die die Wohnung in (Mit-)Besitz haben und von denen

der Vermieter erst nach dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung im Räumungsprozess Kenntnis erlangt hat, soweit es sich nicht um minderjährige Kinder handelt. Volljährige Kinder sind vom Räumungstitel gegen den Mieter so lange erfasst, wie sie sich noch in der Ausbildung befinden oder eine eigene Wohnung suchen, da sie in diesen Fällen keinen selbständigen Besitz haben sollen170. Dafür gelten die zu § 546 BGB Rz. 38 f. gegebenen Erläuterungen. Hatte er eine Person übersehen und muss daher gegen sie einen Räumungstitel im Erkenntnisverfahren erstreiten, hindert dies die Zulässigkeit des Verfügungsverfahrens gegen einen Dritten, der unter die Anwendung des § 940a Abs. 2 ZPO fällt, nicht. 164 LG Mönchengladbach v. 10.10.2013 – 2 T 62/13, MietRB 2014, 77 = WuM 2014, 105 = DWW 2014, 20 = NZM 2014, 132; Fleindl, ZMR 2013, 677 (679); Schmidt-Futterer/Streyl, § 940a ZPO Rz. 17; a.A. AG Hanau v. 17.9.2013 – 34 C 170/13, NZM 2013, 728; Fischer, NZM 2013, 249 (252); vgl. auch Zehelein, WuM 2013, 133 (141). 165 BGH v. 21.4.2010 – VIII ZR 6/09, MDR 2010, 856 = WuM 2010, 353 = GE 2010, 840; BGH v. 12.7.2006 – XII ZR 178/03, MDR 2007, 78 = MietRB 2006, 316 = NZM 2006, 699 = ZMR 2006, 763. 166 LG Mönchengladbach v. 10.10.2013 – 2 T 62/13, MietRB 2014, 77 = WuM 2014, 105 = = DWW 2014, 20 = NZM 2014, 132; a.A. LG Berlin v. 30.1.2015 – 67 T 14/15, GE 2015, 597. 167 OLG Düsseldorf v. 14.11.2011 – 24 U 43/10, MietRB 2012, 141 = ZMR 2012, 436 = IMR 2012, 187. 168 BGH v. 14.8.2008 – I ZB 39/08, MDR 2008, 1356 = MietRB 2008, 363 = GE 2008, 1317 = NZM 2008, 805. 169 LG Mönchengladbach v. 10.10.2013 – 2 T 62/13, MietRB 2014, 77 = WuM 2014, 105 = DWW 2014, 20 = NZM 2014, 132. 170 AG Wiesbaden v. 21.5.2015 – 92 C 1677/15 (30), NZM 2015, 782.

980 | Lützenkirchen/Dickersbach

A. Räumungszwangsvollstreckung | Rz. 117a Anhang zu § 546

Umgekehrt wird ein solches Räumungsklageverfahren gegen den übersehenen Mitbewohner nicht erst zulässig, wenn ein Hauptsacheverfahren nach der einstweiligen Verfügung eingeleitet wird. Der Besitz des Dritten kann durch das Protokoll über den Räumungsversuch des Gerichtsvollziehers glaubhaft gemacht werden171. Da Herausgabe nur hinsichtlich der im Besitz befindlichen Räume verlangt werden kann, ist der Antrag 116a auf die Räume und Flächen zu beschränken, die der Dritte tatsächlich im Besitz hat172. Deshalb muss bei mehreren Untermietverhältnissen ggf. eine Differenzierung stattfinden. Im Vollstreckungsverfahren kann sich der Schuldner nicht auf den Mitbesitz eines Dritten berufen, wenn dieser nicht am Verfahren beteiligt ist173. Vielmehr muss der Dritte aus seinem Mitbesitz z.B. im Wege der Vollstreckungsgegenklage vorgehen. 5. Mangelnde Kenntnis des Vermieters Der Vermieter darf keine Kenntnis von der Überlassung der Mietsache an den Dritten haben. Maßgeb- 117 lich ist die positive Kenntnis des Vermieters von der Änderung der Besitzverhältnisse gegenüber der durch den Räumungstitel dokumentierten Situation. Insoweit ist auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Räumungsprozess abzustellen174. Denn hatte der Vermieter zu diesem Zeitpunkt (positive) Kenntnis vom Besitz des Dritten und dessen Namen, hätte er die Klage erweitern können175. Ob sich die Schaffung eines Räumungstitels gegen den Mieter dadurch verzögert hätte, ist unerheblich. Insoweit kann ein Hinweis auf § 272 Abs. 4 ZPO und ein Antrag auf Verkürzung der Ladungsfristen gemäß §§ 226 Abs. 1, 217 ZPO helfen. Im Übrigen reicht auch eine grob fahrlässige Unkenntnis nicht aus176. Kenntnis liegt z.B. vor, wenn der Vermieter an die Person vermietet hat, gegen die der Räumungstitel erwirkt wurde, und wusste, dass dieser Mieter geheiratet oder eine sonstige Person mit in die Wohnung aufgenommen hat, sofern ihm der Name des Dritten bekannt ist177 (Anhang zu § 546 BGB Rz. 120). Insoweit kommt es nicht darauf an, wann der Dritte in die Wohnung eingezogen ist. Es ist auch unerheblich, ob es der Vermieter im Vorfeld unterlassen hat, eigene Recherchen anzustellen und ggfs. einen Auskunftsanspruch geltend zu machen. Dies rechtfertigt insbesondere keine „Korrektur“ des Gesetzes über § 242 BGB178, selbst wenn der Vermieter in der Nachbarschaft wohnt und daher von einer Änderung der Besitzverhältnisse Kenntnis hat. Ebenso gut darf sich der Vermieter in dieser Situation darauf verlassen, dass der Mieter sich rechtmäßig verhält und bei einer begründeten Beendigung des Mietvertrages dafür sorgt, dass der mitbesitzende Dritte die Räume verlässt. Das Gesetz stellt bewusst auf die positive Kenntnis des Vermieters ab. Dazu gehört auch der Name des Dritten. Denn nur dann wäre der Vermieter in der maßgeblichen mündlichen Verhandlung in der Lage gewesen, die Klage zu erweitern, also die von § 940a Abs. 2 ZPO beschriebene Situation zu verhindern. Als Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ist der letzte Gerichtstermin im erstinstanzlichen 117a Verfahren anzusehen179. Denn in zweiter Instanz ist eine Parteierweiterung nur noch mit Zustimmung des Dritten zulässig180. Damit wäre die Möglichkeit des § 940a ZPO von der Willkür des Dritten abhängig. Dafür spricht aber auch, dass der Vermieter zu diesem Zeitpunkt durch Klageerweiterung z.B. einen Auskunftsanspruch gegen den beklagten Mieter hinsichtlich der Person des Dritten geltend machen kann. Erhält der Vermieter die positive Kenntnis in der mündlichen Verhandlung, erfährt er also die Änderung der Besitzverhältnisse und den Namen des Dritten, muss er zu diesem Zeitpunkt die richtigen Prozesshandlungen vornehmen (ggf. Vertagung beantragen, um die Klageerweiterung durchzuführen,

171 LG Mönchengladbach v. 10.10.2013 – 2 T 62/13, MietRB 2014, 77 = WuM 2014, 105 = DWW 2014, 20 = NZM 2014, 132. 172 LG Berlin v. 21.7.2015 – 67 T 149/15, MietRB 2015, 329, NZM 2016, 239. 173 BGH v. 11.4.2013 – I ZB 61/12, MDR 2013, 812 = MietRB 2013, 239 = WuM 2013, 368 = GE 2013, 1001. 174 LG Frankfurt an der Oder v. 18.4.2016 – 16 S 151/15, NZM 2016, 816. 175 BT-Drucks. 17/11894, S. 35. 176 Schmidt-Futterer/Streyl, § 940a ZPO Rz. 26. 177 Schmidt-Futterer/Streyl, § 940a ZPO Rz. 26; a.A. Börstinghaus/Eisenschmid, § 940a ZPO Rz. 26. 178 A.A. Fleindl, NZM Heft 20/2013, Info, S. V (VI). 179 A.A. LG Berlin v. 28.5.2015 – 63 T 22/15, GE 2015, 863 (mündliche Verhandlung im Berufungsverfahren). 180 Schmidt-Futterer/Streyl, § 940a ZPO Rz. 27.

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Anhang zu § 546 Rz. 117a | Räumungszwangsvollstreckung sofern dies nicht zu Protokoll erklärt werden kann). Versäumt er diese Maßnahme, ist er mit dem Rechtsbehelf des § 940a Abs. 2 ZPO ausgeschlossen181. 118 Die mangelnde Kenntnis ist im Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom Vermieter schlüs-

sig vorzutragen und glaubhaft zu machen182, § 940a Abs. 2 ZPO. Dazu gehört auch die mangelnde Kenntnis vom (Mit-)Besitz des Dritten. 119 Die davon zu unterscheidende Darlegungs- und Beweislast für die Kenntnis des Vermieters trägt aber

im Übrigen der Dritte183. Zweifel an der vorherigen Kenntnis gehen also zu seinen Lasten. Insoweit reicht es nicht aus vorzutragen, dass der Vermieter die Person des Dritten kannte und wusste, dass er sich in der Wohnung aufhält. Denn die bloße Aufnahme eines Dritten in die Mieträume reicht zur Besitzbegründung nicht aus184. Vielmehr muss durch den Dritten dargelegt werden, dass der Vermieter positive Kenntnis davon hatte, dass ihm, dem Dritten, (Mit-)Besitz an der Wohnung eingeräumt wurde. Dazu muss z.B. vorgetragen werden, dass der Dritte einen eigenen Wohnungsschlüssel hatte und der Vermieter davon wusste. 6. Name des Dritten 120 Ohne den Namen des Dritten, der auch jeder nahe Familienangehörige sein kann185, kann der Vermie-

ter keinen Antrag nach § 940a Abs. 2 ZPO stellen. In der Regel erfährt der Vermieter den Namen aus dem Protokoll über die erfolglose Vollstreckung (ggf. nach § 885a ZPO). Denn der Gerichtsvollzieher muss den Namen der angetroffenen Personen ermitteln. Ohne eine solche Ermittlung kann er nicht prüfen, ob die Zwangsvollstreckung gegen nicht im Titel benannte Personen stattfindet186. 121 Weigern sich die Angetroffenen, dem Gerichtsvollzieher den Namen des Dritten zu nennen, kann die

Zwangsvollstreckung fortgesetzt werden187. Diese Befugnis des Gerichtsvollziehers ergibt sich entgegen der Auffassung der Entwurfsverfasser zu § 940a Abs. 2 ZPO188 nicht aus dem Gedanken des Rechtsmissbrauchs189. Zwar klingt es zunächst schlüssig, in der Weigerung der Namensnennung ein kollusives Zusammenwirken zu sehen und daraus einen Rechtsmissbrauch nach § 242 BGB zu konstruieren. Insoweit beruft sich die Entwurfsbegründung aber zu Unrecht auf das LG Lübeck190. Diese Entscheidung wurde nämlich durch den BGH191 aufgehoben. Aber auch unabhängig davon ist die Heranziehung von Treu und Glauben nicht erforderlich. Vielmehr kann der Gerichtsvollzieher ohne die Namensnennung nicht vollständig prüfen, ob tatsächlich ein Vollstreckungshindernis gegeben ist. Solange dies aber nicht vorliegt, bleibt die Zwangsvollstreckung zulässig. Immerhin könnte es sich um ein Kind des Schuldners handeln, das bereits als Minderjährige (= Besitzdiener) in der Wohnung gelebt hat, und zwischendurch ausgezogen ist. Denn gegen eine solche Person ist ein Titel nicht erforderlich, selbst wenn in der Zwischenzeit die Volljährigkeit eingetreten ist192. 122 Dennoch kann die Namensermittlung nicht von vorneherein unterbleiben. Die Alternative zu einem

personenbezogenen Titel, nämlich die objektbezogene Verfügung, ist grundsätzlich nicht zulässig193. Sie lässt sich insbesondere nicht mit der Rechtsprechung vereinbaren, wonach gegen jeden Besitzer einer Wohnung im Hinblick auf Art. 13 GG ein Titel erforderlich ist194. 181 A.A. AG Hanau v. 17.9.2013 – 34 C 170/13, NZM 2013, 728. 182 LG Mönchengladbach v. 10.10.2013 – 2 T 62/13, MietRB 2014, 77 = WuM 2014, 105 = DWW 2014, 20 = NZM 2014, 132; BT-Drucks. 17/10485, S. 34. 183 A.A. LG Berlin v. 18.10.2016 – 67 S 327/16, MDR 2017, 144 = GE 2017, 227 = NZM 2017, 189 m.w.N. (non liquet geht zu Lasten des Vermieters). 184 BGH v. 19.3.2008 – I ZB 56/07, MietRB 2008, 228 = MDR 2008, 824 = WuM 2008, 364 = ZMR 2008, 695. 185 LG Frankfurt an der Oder v. 18.4.2016 – 16 S 151/15, NZM 2016, 816. 186 Stein/Jonas/Münzberg, § 750 ZPO Rz. 28. 187 Hinz, ZMR 2012, 153 (165); zweifelnd Dötsch, ZMR 2012, 83 (84). 188 Vgl. BT-Drucks. 17/10485, S. 34. 189 BGH v. 14.8.2008 – I ZB 39/08, MDR 2008, 1356 = MietRB 2008, 363 = GE 2008, 1317 = NZM 2008, 805. 190 LG Lübeck v. 23.4.2008 – 7 T 193/08, DGVZ 2008, 172. 191 BGH v. 14.8.2008 – I ZB 39/08, MDR 2008, 1356 = MietRB 2008, 363 = GE 2008, 1317 = NZM 2008, 805. 192 LG Berlin v. 17.10.2011 – 51 T 589/11, GE 2011, 1555. 193 Vgl. Musielak/Huber, § 940 ZPO Rz. 4 m.w.N. 194 Hinz, ZMR 2012, 153 (165).

982 | Lützenkirchen/Dickersbach

A. Räumungszwangsvollstreckung | Rz. 126 Anhang zu § 546

7. Rechtliches Gehör § 940a Abs. 4 ZPO ordnet auch für das Verfahren nach § 940a Abs. 2 ZPO die Gewährung rechtlichen 123 Gehörs an. Dadurch werden der Dritte und der Mieter zwar gewarnt, was dem Zweck der Vorschrift zuwiderlaufen kann195. Indessen können durch entsprechend abgekürzte Einlassungs- und Ladungsfristen nach § 226 ZPO die Möglichkeiten zu (weiterem) kollusiven Zusammenwirken eingeengt werden. Dazu ist allerdings ein Antrag erforderlich.

V. Erfüllung und Verwirkung des Räumungsanspruchs 1. Erfüllung Führt der Gerichtsvollzieher die Zwangsräumung durch und weist er den Vermieter in den Besitz der 124 früheren Mieträume ein, ist der Räumungs- und Herausgabeanspruch des Vermieters erfüllt, und zwar auch gegenüber einem Mitmieter, der die Mieträume selbst nicht mehr in Mitbesitz hatte196. Übt der Vermieter sein Vermieterpfandrecht aus, wählt also die sog. Berliner Räumung (vgl. Anhang zu § 546 BGB Rz. 75 f.), endet die Zwangsräumung bereits mit Austausch des Schlosses und Übergabe der Schlüssel an den Vermieter. Er kann nicht anschließend erneut Räumung oder Nutzungsentschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB verlangen. Eine nochmalige Beauftragung des Gerichtsvollziehers mit der Zwangsräumung scheidet aufgrund der Erfüllung des titulierten Räumungsanspruchs ebenfalls aus bzw. ist auf eine Vollstreckungsgegenklage hin für unzulässig zu erklären. 2. Verwirkung a) Voraussetzungen Rechtskräftig titulierte Anspruche verjähren gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB in 30 Jahren. Dies gilt auch 125 für titulierte Räumungsansprüche. Unterlässt der Vermieter aber eine zeitnahe Einleitung der Zwangsräumung, kann sich der Mieter ggf. auf den Tatbestand der Verwirkung berufen, wobei der Grund für die Beendigung des Mietverhältnisses unerheblich ist, also auch ein aufgrund nachhaltiger Störung des Hausfriedens erwirkter Räumungstitel verwirken kann197. Dies richtet sich nach den jeweiligen Umständen des konkreten Einzelfalls198. Erforderlich ist zunächst das Zeitmoment. Eine Mindestfrist ist nicht zu verlangen199. Andererseits ge- 126 nügt das Verstreichenlassen eines längeren Zeitraums allein ebenfalls nicht200. Nach acht Jahren soll das Zeitmoment aber gegeben sein201. Es muss stets noch das Umstandsmoment hinzukommen, also ein Verhalten des Vermieters, aus dem der Mieter schließen darf, dass eine Vollstreckung aus dem Räumungstitel nicht betrieben werden wird. Diese Anforderungen liegen nicht vor, wenn der Vermieter zwölf Jahre nicht aus einem Räumungsvergleich vollstreckt, weil der Mieter weitere Verpflichtungen aus dem Vergleich erfüllt und der Vermieter darauf hinweist, dass ein neues Mietverhältnis nicht entstehen soll202.

195 196 197 198 199 200 201 202

Vgl. dazu Hinz, ZMR 2012, 153 (166). BayObLG v. 26.7.1989 – RE-Miet 5/88, WuM 1989, 1291; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XIV 81. LG Itzehoe v. 14.7.1993 – 1 T 88/93, WuM 1995, 662. OLG Hamm v. 1.10.1981 – 4 REMiet 6/81, MDR 1982, 147 = MDR 1981, 1019 = ZMR 1981, 342; LG Mönchengladbach v. 2.2.1990 – 2 T 44/89, WuM 1990, 161. A.A. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XIV 158 (der von einer untersten Grenze von 5 Jahren ausgeht, die gegebenenfalls auf 3 Jahre herab zu setzen sein soll). A.A. AG Hamburg v. 26.10.2005 – 46 C 89/05, zitiert nach juris (wonach sich der Vermieter innerhalb von 2 Jahren entscheiden muss, ob er die Zwangsvollstreckung betreiben möchte oder nicht); ähnlich AG Hamburg-Altona v. 1.3.2005 – 316 C 635/04, WuM 2006, 697. LG Bonn v. 30.5.2017 – 6 S 38/17, ZMR 2017, 734. LG Bonn v. 30.5.2017 – 6 S 38/17, ZMR 2017, 734.

Lützenkirchen/Dickersbach | 983

Anhang zu § 546 Rz. 127 | Räumungszwangsvollstreckung b) Neubegründung eines Mietverhältnisses 127 Es ist zu differenzieren, ob tatsächlich der Tatbestand der Verwirkung erfüllt ist oder die Parteien durch

schlüssiges Verhalten nachträglich ein neues Mietverhältnis begründet haben (vgl. hierzu auch § 535 BGB Rz. 39 f.). Häufig wird beides zusammenfallen203. Es sind aber auch Konstellationen denkbar, in denen dies nicht der Fall ist. Erweckt der Vermieter beim Mieter – um seine Zahlungsansprüche zu realisieren – den Eindruck, beim Ausgleich der Mietrückstände endgültig nicht mehr aus dem Räumungstitel zu vollstrecken, greift der Tatbestand der Verwirkung. Hierin muss aber nicht automatisch der Abschluss eines neuen Mietvertrages liegen, insbesondere wenn deutlich wird, dass der Vermieter einen solchen Abschluss von dem Zahlungsverhalten des Mieters in der Zukunft abhängig macht. 128 Der Abschluss eines neuen Mietvertrages ist z.B. zu bejahen, wenn der Vermieter trotz erwirktem

Räumungsurteil nicht vollstreckt, sondern den Mieter über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr durch Übersendung von Überweisungsformularen zur Mietzahlung auffordert und die Mietzahlungen entgegennimmt204. Ein neues Mietverhältnis kommt aber noch nicht zustande, wenn der Vermieter die Zahlung einer Nutzungsentschädigung über einen längeren Zeitraum widerspruchslos entgegennimmt205, selbst wenn er diese sogar aktiv verlangt. Der Mieter ist nach Beendigung des Mietverhältnisses gemäß § 546a Abs. 1 BGB verpflichtet, eine entsprechende Leistung zu erbringen. In die bloße Annahme einer geschuldeten Leistung durch den Gläubiger kann kein Rechtsbindungswille zum Abschluss eines neuen Vertragsverhältnisses hineininterpretiert werden. Auch für eine Änderung des Mietvertrages durch schlüssiges Verhalten bedarf es eindeutiger Anhaltspunkte206. Dies gilt erst recht für die Neubegründung eines solchen. Zum Teil wird aus der Vorschrift des § 569 Abs. 3 Nr. 2 S. 2 BGB gefolgert, dass, wenn zwei Jahre keine Zwangsräumung eingeleitet wird, ein neues Mietverhältnis entsteht207. Hierbei wird unberücksichtigt gelassen, dass § 569 BGB gerade die Beendigung des Mietverhältnisses regelt und nicht die Begründung. Der Abschluss eines Vertrages unterliegt vielmehr den allgemeinen Regeln, die von dieser Vorschrift nicht tangiert werden. 129 Hinzu kommt, dass titulierte Räumungsansprüche gemäß § 197 Abs. 1 BGB erst nach 30 Jahren verjäh-

ren. Dieser besondere gesetzliche Schutz würde ausgehöhlt, würde nach Erwirken eines Räumungstitels die bloße – gegebenenfalls auch längere – widerspruchlose Entgegennahme der geschuldeten Nutzungsentschädigung zur Begründung eines neuen Mietverhältnisses ausreichen. Es bedarf eindeutiger Anhaltspunkte im Verhalten von Vermieter und Mieter, dass der Neuabschluss eines Mietvertrages gewollt ist. c) Einzelfälle für angenommene Verwirkung 130 Der Tatbestand der Verwirkung wurde in der Praxis in folgenden Fällen bejaht, wobei regelmäßig nicht

zwischen Verwirkung und Abschluss eines neuen Mietvertrages differenziert wird: 131

– Vermieter lässt Mieter 2½ Jahre nach Erlass des Räumungsurteils in der Wohnung trotz unpünktlicher Mietzahlung verweilen und nimmt Räumungsaufträge nach Bestimmung eines Räumungstermins mehrfach nach Ausgleich der Rückstände zurück, missbraucht den Räumungstitel also als Druckmittel208.

132

– Vermieter vollstreckt mehrere Jahre nicht aus einem wegen Zahlungsverzugs erwirkten Räumungsurteil, sondern verlangt auch weiterhin die Zahlung von Nutzungsentschädigung, wobei mehrfach die Vollstreckung aus dem Räumungsurteil für den Fall der Nichtzahlung angedroht wird209.

203 AG Hamburg-Altona v. 1.3.2005 – 316 C 635/04, WuM 2006, 697 (geht davon aus, dass Verwirkung und Neuabschluss immer zusammenfällt). 204 LG Düsseldorf v. 16.2.1979 – 21 S 402/78, MDR 1979, 496. 205 A.A. AG Frankfurt am Main v. 3.10.1986 – 3 C 2297/86, NJW-RR 1988, 204; AG Hamburg v. 26.10.2005 – 46 C 89/05, zitiert nach juris. 206 BGH v. 10.10.2007 – VIII ZR 279/06, MDR 2008, 197 = MietRB 2008, 66 (67) = WuM 2007, 694. 207 Vgl. LG Hamburg v. 20.5.1988 – 11 S 384/87, WuM 1989, 32; AG Hamburg-Blankenese v. 8.3.2006 – 508 C 416/05, ZMR 2006, 783. 208 LG Hamburg v. 29.10.1985 – 2 T 239/85, WuM 1987, 233. 209 OLG Hamm v. 1.10.1981 – 4 REMiet 6/81, MDR 1982, 147 = MDR 1981, 1019 = ZMR 1981, 342.

984 | Lützenkirchen/Dickersbach

B. Räumungsschutz | Rz. 140 Anhang zu § 546

– Vermieter gewährt trotz Räumungstitels über längere Zeit hinweg Verlängerungen der Räumungs- 133 frist gegen Zahlung einer Nutzungsentschädigung und verlangt die Erhöhung derselben in der Form des § 2 MHG (= § 558 BGB)210. d) Einzelfälle für abgelehnte Verwirkung Der Tatbestand der Verwirkung wurde in folgenden Fällen verneint:

134

– Vermieter sieht von der Durchführung der Zwangsvollstreckung zunächst ab, da er mit dem Woh- 135 nungsamt über eine Regulierung der Mietrückstände verhandelt211. – Zuwarten mit der Zwangsräumung über einen Zeitraum von fast fünf Jahren und Vermieter teilt 136 dem Mieter nach Erwirken des Räumungsurteils mit, dass eine Fortsetzung des beendeten Mietverhältnisses nicht gewünscht wird, die Wohnung nur zur Nutzung überlassen und sofort vollstreckt wird, wenn erneuter Zahlungsverzug eintritt212. – Der Vermieter nimmt mehrfach Nutzungsentschädigung entgegen mit dem ausdrücklichen Hin- 137 weis, dass aus sozialen Gründen die Zwangsvollstreckung vorläufig nicht betrieben wird213. – Mehrmalige Rücknahme des Vollstreckungsauftrages und Verwendung des Vollstreckungstitels als 138 Druckmittel in einem Zeitraum von zwei Jahren214. e) Prozessuale Geltendmachung Sowohl die Einrede der Verwirkung als auch die Behauptung, es sei zum Abschluss eines neuen Miet- 139 verhältnisses gekommen, ist im Wege der Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO geltend zu machen. Dafür werden in der Regel die Voraussetzungen des § 767 Abs. 2 vorliegen. Die Darlegungs- und Beweislast für Verwirkung oder Neubegründung eines Mietvertrages trägt in al- 140 ler Regel der Mieter.

B. Räumungsschutz I. Räumungsfrist nach § 721 ZPO § 721 ZPO Räumungsfrist (1) Wird auf Räumung von Wohnraum erkannt, so kann das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen dem Schuldner eine den Umständen nach angemessene Räumungsfrist gewähren. Der Antrag ist vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung zu stellen, auf die das Urteil ergeht. Ist der Antrag bei der Entscheidung übergangen, so gilt § 321; bis zur Entscheidung kann das Gericht auf Antrag die Zwangsvollstreckung wegen des Räumungsanspruchs einstweilen einstellen. (2) Ist auf künftige Räumung erkannt und über eine Räumungsfrist noch nicht entschieden, so kann dem Schuldner eine den Umständen nach angemessene Räumungsfrist gewährt werden, wenn er spätestens zwei Wochen vor dem Tag, an dem nach dem Urteil zu räumen ist, einen Antrag stellt. §§ 233 bis 238 gelten sinngemäß. (3) Die Räumungsfrist kann auf Antrag verlängert oder verkürzt werden. Der Antrag auf Verlängerung ist spätestens zwei Wochen vor Ablauf der Räumungsfrist zu stellen. §§ 233 bis 238 gelten sinngemäß. (4) Über Anträge nach den Absätzen 2 oder 3 entscheidet das Gericht erster Instanz, solange die Sache in der Berufungsinstanz anhängig ist, das Berufungsgericht. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss. Vor der Ent-

210 211 212 213 214

Vgl. AG Pinneberg v. 5.7.1994 – 40 C 150/93 (38), NJW-RR 1995, 76. AG Hamburg v. 8.7.2008 – 48 C 421/07, WuM 2008, 609. LG Mönchengladbach v. 2.2.1990 – 2 T 44/89, WuM 1990, 161. AG Hohenschönhausen v. 4.11.1998 – 9 C 614/97, GE 1999, 114. AG Hamburg-Blankenese v. 8.3.2006 – 508 C 416/05, ZMR 2006, 783.

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Anhang zu § 546 Rz. 140 | Räumungszwangsvollstreckung scheidung ist der Gegner zu hören. Das Gericht ist befugt, die im § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. (5) Die Räumungsfrist darf insgesamt nicht mehr als ein Jahr betragen. Die Jahresfrist rechnet vom Tage der Rechtskraft des Urteils oder, wenn nach einem Urteil auf künftige Räumung an einem späteren Tage zu räumen ist, von diesem Tage an. (6) Die sofortige Beschwerde findet statt 1. gegen Urteile, durch die auf Räumung von Wohnraum erkannt ist, wenn sich das Rechtsmittel lediglich gegen die Versagung, Gewährung oder Bemessung einer Räumungsfrist richtet; 2. gegen Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 2 oder 3. (7) Die Absätze 1 bis 6 gelten nicht für Mietverhältnisse über Wohnraum im Sinne des § 549 Abs. 2 Nr. 3 sowie in den Fällen des § 575 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Endet ein Mietverhältnis im Sinne des § 575 des Bürgerlichen Gesetzbuchs durch außerordentliche Kündigung, kann eine Räumungsfrist höchstens bis zum vertraglich bestimmten Zeitpunkt der Beendigung gewährt werden.

1. Allgemeines 141 Der Mieter (= Schuldner) von Wohnraum kann im Erkenntnisverfahren die Bewilligung einer Räu-

mungsfrist gemäß § 721 ZPO mit der Folge des § 751 Abs. 1 ZPO beantragen. Der Antrag kann hilfsweise für den Fall der Verurteilung zur Räumung zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden, aber auch wenn der Räumungsanspruch als solcher anerkannt wird215. Da die Vorschrift unter anderem im Interesse der Allgemeinheit einer drohenden Obdachlosigkeit entgegenwirken soll216, hat das Gericht auch ohne Antrag von Amts wegen die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Räumungsfrist zu prüfen217, so dass – aufgrund eines entsprechenden Sachvortrags des Vermieters – selbst in einem Versäumnisurteil eine solche zuerkannt werden kann218. Ohne Anhaltspunkte und Antrag ist keine Entscheidung veranlasst219. Der Mieter kann die Bewilligung einer Räumungsfrist auch erstmals im Berufungsverfahren beantragen220, allerdings nur vor Schluss der mündlichen Verhandlung. Die unterlassene (hilfsweise) Beantragung durch einen Rechtsanwalt kann Regressansprüche begründen221. 141a Die Vorschrift ist schon nach ihrem Wortlaut nicht auf Gewerberäume anwendbar. Das gilt auch dann,

wenn ein Gewerberaummietvertrag über (eigentliche) Wohnräume besteht, wie z.B. bei der Zwischenvermietung. Die Rechtslage ändert sich auch nicht, wenn der Mieter in der Mietsache ein Wohn- und Pflegeheim oder eine Einrichtung des Betreuten Wohnens betreibt222. Allerdings kann hier den Endnutzern das Recht aus § 721 ZPO zustehen. 142 Hat das Gericht einen Antrag des Mieters auf Gewährung einer Räumungsfrist im Urteil übergangen,

kann der Mieter die Ergänzung des Urteils nach §§ 721 Abs. 1 S. 3, 321 ZPO verlangen. Voraussetzung ist, dass der Antrag rechtzeitig gestellt, aber weder im Tenor noch in den Entscheidungsgründen beschieden, also übergangen wurde. Dies gilt auch, wenn lediglich eine kürzere als die beantragte Räumungsfrist gewährt wurde und eine Auseinandersetzung mit den vom Mieter vorgetragenen Gründen im Urteil nicht erfolgt223. Ergibt sich allerdings aus dem Tenor oder den Gründen, dass eine Zurückweisung erfolgte und die vorgebrachten Gründe nicht akzeptiert wurden, fehlt es an einem Übergehen des Antrages, ebenso wenn der Mieter keinen Antrag gestellt hat und das Gericht auch nicht von Amts wegen hierüber entschieden hat224. Wurde der Antrag des Vermieters auf Zurückweisung des Räumungs-

215 AG Brandenburg v. 10.9.2018 – 31 C 34/18, IMR 2018, 511 (Krolla). 216 KG v. 4.7.2008 – 11 W 9/08, MDR 2008, 1090 = ZMR 2009, 200; a.A. Schmidt-Futterer/Blank, Anhang 1 zu §§ 574–574c BGB Rz. 1. 217 BVerfG v. 17.12.1998 – 2 BvR 1556/98, ZMR 1999, 224; LG Rostock v. 11.8.2000 – 2 T 253/00, NZM 2002, 213. 218 LG München v. 15.1.1982 – 14 T 21414/81, WuM 1982, 81 für zweites Versäumnisurteil. 219 AG Hamburg-Blankenese v. 30.4.2010 – 532 C 3/10, ZMR 2010, 695. 220 OLG Köln v. 11.2.1980 – 20 U 198/79, MDR 1980, 764; LG Münster v. 8.12.2006 – 8 S 157/06, WuM 2007, 19. 221 OLG Hamm v. 25.10.1994 – 28 U 40/94, WiB 1995, 444. 222 KG v. 18.7.2016 – 8 U 111/16, MDR 2016, 1170 = MietRB 2016, 348 = ZMR 2016, 858. 223 Stein/Jonas/Münzberg, § 721 ZPO Rz. 19. 224 LG Rostock v. 11.8.2000 – 2 T 253/00, NZM 2000, 213.

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B. Räumungsschutz | Rz. 147 Anhang zu § 546

fristantrages übergangen, kommt eine Urteilsberichtigung mangels Rechtsschutzbedürfnis nicht in Betracht, da eine Räumungsfrist gerade nicht bewilligt wurde. Der Antrag auf Urteilsergänzung muss innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Urteils gestellt werden, § 321 Abs. 2 ZPO. Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand ist nicht möglich. Zuständig für die Entscheidung über die Urteilsergänzung ist das Gericht, dass über den Räumungsfristantrag zu entscheiden hat. Ist der Mieter rechtskräftig zur Räumung verurteilt, kann keine Räumungsfrist nach § 721 ZPO ge- 143 währt werden, selbst wenn die maßgeblichen Umstände erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung entstanden sind. Der Mieter kann nur noch Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO beantragen225. 2. Verzicht auf Räumungsfrist Der Mieter kann vertraglich auf die Möglichkeit zur Gewährung einer Räumungsfrist ganz oder teil- 144 weise verzichten. Unzulässig soll aber der Verzicht bereits bei Mietvertragsabschluss sein226. Dem kann nicht ohne weiteres gefolgt werden. Ob der Mieter im Rahmen eines Vergleichs (vgl. hierzu Anhang zu § 546 BGB Rz. 197) oder im Mietvertrag auf die Einräumung einer Räumungsfrist verzichtet, kann grundsätzlich nicht anders beurteilt werden. Allerdings verstößt ein formularvertraglicher Verzicht ohne konkreten Anlass gegen § 307 Abs. 1 BGB. Bedenken gegen die individualvertragliche Vereinbarung eines Verzichts im Mietvertrag bestehen hingegen nicht. Der Verzicht umfasst auch solche Sachverhalte, die der Schuldner beim Abschluss des Vergleichs nicht 145 vorhergesehen hat oder nicht vorhersehen konnte227. Ein unwirksamer Verzicht auf den Vollstreckungsschutz des § 765a ZPO kann in einen Verzicht auf Gewährung einer Räumungsfrist gemäß § 721 ZPO umgedeutet werden228. 3. Voraussetzungen a) Urteil § 721 Abs. 1 ZPO gilt nur für Urteile. Für Räumungsvergleiche enthält § 794a ZPO eine eigenständige 146 Regelung. Über die Räumungsfrist ist im Urteil zu entscheiden. Sie kann weder vorab229 noch nachträglich (z.B. nach Einspruch gegen Versäumnisurteil) durch Beschluss bewilligt werden. Eine ohne Beachtung dieser Vorgaben ergangene Entscheidung ist auf die sofortige Beschwerde ohne nähere Prüfung aufzuheben230. Hat der Mieter keinen Antrag auf Bewilligung einer Räumungsfrist gestellt und unterlässt das Gericht eine Entscheidung von Amts wegen, findet keine Urteilsergänzung statt231. b) Wohnraum Das Urteil muss sich auf Wohnraum beziehen (vgl. Vor § 535 BGB Rz. 27 ff.). Der Begriff des Wohn- 147 raums erfasst alle Räume, die bestimmungsgemäß Wohnzwecken dienen232, also die Wohn- und Schlafräume, die Räume für das Lagern und Zubereiten von Nahrungsmitteln sowie die Räume für die Körperpflege. Erfasst werden auch Arbeitsräume, in denen eine berufliche Tätigkeit ausgeübt wird, die üblicherweise in der Wohnung stattfindet, z.B. Vor- und Nachbereitung des Unterrichts durch einen Lehrer. Auf eine bauordnungsrechtliche Genehmigung kommt es nicht an233. 225 226 227 228 229 230 231 232 233

LG Darmstadt v. 24.1.2000 – 5 T 44/2000, NZM 2000, 376. Schmidt-Futterer/Blank, Anhang 1 zu §§ 574–574c BGB Rz. 77. LG München I v. 26.3.2008 – 14 T 4822/08, ZMR 2009, 371. Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XIV 176. BGH v. 24.4.2014 – V ZR 74/14, WuM 2014, 354; OLG Dresden v. 19.6.2019 – 5 U 1168/19, MietRB 2020, 43 (Schach) = ZMR 2019, 861; OLG München v. 19.2.2010 – 32 W 827/10, ZMR 2010, 524 = GE 2010, 1267 = NZM 2010, 720. OLG München v. 19.2.2010 – 32 W 827/10, ZMR 2010, 524; vgl. LG Rostock v. 11.8.2000 – 2 T 253/00, NZM 2002, 213. LG Rostock v. 11.8.2000 – 2 T 253/00, NZM 2002, 213. Zöller/Stöber, § 721 ZPO Rz. 2. Prütting/Gehrlein/Kroppenberg, § 721 ZPO Rz. 3.

Lützenkirchen/Dickersbach | 987

Anhang zu § 546 Rz. 148 | Räumungszwangsvollstreckung 148 Ob der Wohnraum von dem Mieter (z.B. auf einem unbebauten Grundstück) selbst errichtet wurde,

ist unerheblich234. Erfasst werden auch die zur Wohnung gehörenden Nebenräume. Die Möglichkeit, die als Wohnung genutzten Räume zu entfernen, ist unerheblich. Maßgeblich ist allein, dass sie mit dem Boden fest verbunden sind, so dass auch Wohncontainer oder ein Gartenhäuser in den Anwendungsbereich des § 721 Abs. 1 ZPO fallen, sofern sie zu Wohnzwecken genutzt werden235. 149 Auf Gewerberäume ist die Vorschrift nicht anwendbar, auch nicht auf die Zwischenvermietung, in der

der Mieter Wohnräume vereinbarungsgemäß an Dritte weitervermietet236. Wird die Räumung unmittelbar von dem Dritten begehrt, kann dieser den Schutz des § 721 Abs. 1 ZPO selbst in Anspruch nehmen, auch wenn er Kenntnis von der gewerblichen Zwischenvermietung hat und weiß, dass er dem Eigentümer gegenüber nicht zum Besitz berechtigt ist237. Hier ist zudem gegebenenfalls § 565 BGB zu beachten. 150 Teilweise wird für die Anwendung des § 721 Abs. 1 ZPO nur auf die tatsächliche Nutzung abgestellt,

unabhängig von den schuldrechtlichen Vereinbarungen238. Dem ist nicht ohne weiteres zu folgen. Denn sonst müsste auch dem Mieter Räumungsschutz gewährt werden, der zu gewerblichen Zwecken gemietete Räume vertragswidrig zu Wohnzwecken nutzt. Damit würde dem Mieter die Möglichkeit eingeräumt, durch ein vertragswidriges Verhalten selbst die Voraussetzungen für die Gewährung einer Räumungsfrist zu schaffen, und dessen mangelnde Vertragstreue sogar noch honoriert. Dies ist mit der Rechtsordnung nicht in Einklang zu bringen. Aus einem nicht vertragsgerechten Verhalten können keine rechtlichen Vorteile erwachsen. Maßgeblich ist daher, ob der Mieter oder sonstige Nutzer die Räumlichkeiten bestimmungsgemäß zu Wohnzwecken nutzen darf, wobei der Rechtsgrund selbst nicht entscheidend ist. Denkbar ist neben der Miete auch Pacht, Nießbrauch, Dienstbarkeit, Leihe). 151 Wurden die Räumlichkeiten zu Wohnzwecken überlassen, werden diese tatsächlich aber anders ge-

nutzt, ist § 721 ZPO nach seinem Sinn und Zweck nicht anwendbar. Die Norm dient dem Schutz des Mieters und soll diesem die Beschaffung von Ersatzwohnraum ermöglichen und eine drohende Obdachlosigkeit vermeiden. 152 Bei gemischten Mietverhältnissen ist die Vorschrift nur anwendbar, wenn die Wohnnutzung über-

wiegt (vgl. Vor § 535 BGB Rz. 64 ff.). Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass der tatsächliche Schwerpunkt der Nutzung nicht maßgeblich sei, da der Schuldner nicht weniger schutzwürdig wird, wenn er die Räumlichkeiten auch gewerblich nutzt239. Denn auch das materielle Recht schützt den Mieter nur im notwendigen Umfang. Der Gesetzgeber hat eine solche Schutzbedürftigkeit nur bei Wohnraummietverhältnissen angenommen und nur für diese einen besonderen Kündigungsschutz normiert. Besondere Regelungen für Mischmietverhältnisse schuf der Gesetzgeber nicht. Auch im Rahmen der Mietrechtsreform führte der Gesetzgeber trotz Kenntnis der ständigen Rechtsprechung zur Qualifizierung von Mischmietverhältnissen240 keine eigenständige Regelung ein. Hiermit brachte er sein Einverständnis mit dieser Rechtsanwendung zum Ausdruck und bestätigte, dass der Mieter bei überwiegend gewerblicher Nutzung nicht schutzbedürftig ist und das Mietverhältnis insgesamt als gewerbliches einzuordnen ist. § 721 ZPO setzt den materiellen Schutz des Mieters auf vollstreckungsrechtlicher Ebene fort241, beruht also auf dem gleichen Schutzgedanken wie die §§ 573 ff. BGB. Ein Grund, zwischen der Schutzbedürftigkeit des Mieters auf materieller und zwangsvollstreckungsrechtlicher Ebene zu differenzieren, besteht nicht, auch dann nicht, wenn sich Wohn- und Geschäftsräume baulich und funktional voneinander trennen lassen242. Auf die Zumutbarkeit für den Vermieter kommt es nicht an, da diese Überlegung nur dann relevant wäre, wenn § 721 Abs. 1 ZPO dem Grunde nach anwendbar wäre.

Hanseatisches OLG Hamburg v. 29.5.1996 – 4 U 47/96, ZMR 1998, 28. Zöller/Stöber, § 721 ZPO Rz. 2; Stein/Jonas/Münzberg, § 721 ZPO Rz. 8. A.A. LG Lübeck v. 12.2.1993 – 6 S 244/92, WuM 1996, 717 (für ein sog. Frauenhaus). LG Stuttgart v. 8.2.1990 – 16 S 416/89, NJW-RR 1990, 654. Prütting/Gehrlein/Kroppenberg, § 721 ZPO Rz. 3. Prütting/Gehrlein/Kroppenberg, § 721 ZPO Rz. 3. Vgl. nur BGH v. 16.4.1986 – VIII ZR 60/85, MDR 1986, 842 = WuM 1986, 274; OLG Köln v. 10.10.2006 – 22 U 74/06, GuT 2007, 114. 241 Prütting/Gehrlein/Kroppenberg, § 721 ZPO Rz. 3. 242 A.A. LG Hamburg v. 30.12.1992 – 316 T 100/92, MDR 1993, 444 = ZMR 1993, 419; LG Mannheim v. 26.11.1992 – 4 T 314/92, NJW-RR 1993, 713; Stein/Jonas/Münzberg, § 721 ZPO Rz. 8.

234 235 236 237 238 239 240

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B. Räumungsschutz | Rz. 157 Anhang zu § 546

Bei beweglichen Wohngelegenheiten wie Schiffen oder Wohnwagen findet die Vorschrift keine An- 153 wendung. Etwas anderes gilt dann, wenn an sich bewegliche Gegenstände fest mit dem Boden verbunden werden und nur noch Wohnzwecken dienen (vgl. Vor § 535 BGB Rz. 27 ff.). Teilweise wird unter Verweis auf den Gleichbehandlungsgrundsatz die entsprechende Anwendung 154 des § 721 Abs. 1 ZPO auf die aus einem Zuschlagsbeschluss nach § 93 ZVG resultierende Räumungsverpflichtung vertreten243. Dies ist abzulehnen244. Anders als bei einem gerichtlichen Räumungsprozess steht bei einer Zwangsversteigerung von vornherein fest, dass der Schuldner sein Eigentum und damit sein Besitzrecht verlieren wird. Aufgrund der Dauer eines Versteigerungsverfahrens hatte er hinreichend Zeit für die Suche nach Ersatzwohnraum. Daher ist er nicht gleichermaßen schutzwürdig, wie der von einem für ihn positiven Ausgang des Räumungsprozesses ausgehende Mieter. Mangels vergleichbarer Sachverhalte scheidet eine Analogie aus. Eine Einschränkung des Anwendungsbereichs enthält § 721 Abs. 7 ZPO. Nach dieser Vorschrift ist bei 155 Mietverhältnissen i.S.d. § 549 Abs. 2 Nr. 3 BGB, also mit juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder mit einem anerkannten privaten Träger der Wohlfahrtspflege, keine Räumungsfrist zu gewähren. Bei Zeitmietverträgen gemäß § 575 BGB kommt die Bewilligung einer Räumungsfrist nur bei vorzeitiger Beendigung des Mietverhältnisses durch eine außerordentliche Kündigung, höchstens bis zum regulären Beendigungszeitpunkt in Betracht. Ist eine Befristung wegen Verstoßes gegen § 550 BGB, mangels Befristungsgrundes oder dem fehlenden schriftlichen Hinweis auf diesen unwirksam, findet § 721 ZPO uneingeschränkt Anwendung. c) Interessenabwägung Ob und wie lange eine Räumungsfrist zu bewilligen ist, ist im Rahmen einer Interessenabwägung zu 156 ermitteln, welche im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts steht245. Geht es dabei um die Frage der Bemühungen des Mieters um Ersatzwohnraum, sollen deren Zeitpunkt und die Intensität nur dann zu seinen Lasten wirken, wenn die Suche im Falle rechtzeitiger und hinreichend intensiver Bemühungen zum Erfolg geführt hätte. Das soll bei prekären persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Mieters jedenfalls zweifelhaft sein, wenn die Mietsache in einer Gemeinde liegt, in der die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Preisen ausweislich einer Landesverordnung gefährdet ist (hier: MietenbegrenzungsVO Berlin)246. aa) Interessen des Vermieters Zugunsten des Vermieters ist zu berücksichtigen, dass er oder Verwandte die Wohnung dringend selbst 157 beziehen müssen, um eine drohende Obdachlosigkeit abzuwenden247, oder diese als Werkwohnung benötigt wird. Gegen die Bewilligung einer Räumungsfrist spricht auch, dass der Vermieter die Wohnung bereits ab dem Räumungstermin weitervermietet hat und bei nicht fristgerechter Übergabe an den Nachmieter Schadensersatzansprüche drohen248. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Kündigung offensichtlich wirksam war. In diesem Fall musste der Mieter mit einer Verurteilung rechnen. Hat er dann entsprechende Vorkehrungen unterlassen, kann dies nicht zu Lasten des Vermieters gehen. Nur dann, wenn der Mieter seine Bemühungen belegen kann, kann auch bei bereits erfolgter Anschlussvermietung die Abwägung zugunsten des Mieters ausfallen. Nur eine solche eingeschränkte Auslegung des § 721 ZPO wird dessen Ausnahmecharakter gerecht. Kurze Verzögerungen im Zusammenhang mit geplanten baulichen Maßnahmen sind für den Vermieter zumutbar, es sei denn, die Verzögerung würde zu erheblichen Preissteigerungen führen oder andere Nachteile im Zusammenhang mit bereits 243 LG Aschaffenburg v. 17.12.2001 – 5 T 174/01, DGVZ 2992, 169; LG Kiel v. 11.2.1992 – 1 T 137/91, NJW 1992, 1174. 244 So auch Zöller/Stöber, § 721 ZPO Rz. 3. 245 OLG Hamm v. 25.10.1994 – 28 U 40/94, NJW-RR 1995, 526; LG Mannheim v. 26.11.1992 – 4 T 314/92, NJW-RR 1993, 713. 246 BGH v. 5.4.2018 – 67 T 40/18, WuM 2018, 383. 247 Vgl. LG Hamburg v. 25.10.1990 – 307 S 231/90, WuM 1991, 38. 248 A.A. LG Mannheim v. 28.11.1966 – 5 T 31/66, MDR 1967, 596; AG Dortmund v. 4.3.1969 – 37 C 5/69, ZMR 1970, 372.

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Anhang zu § 546 Rz. 157 | Räumungszwangsvollstreckung abgeschlossenen Verträgen mit sich bringen, z.B. die Verwirkung einer Vertragsstrafe. Auch hier überwiegen die Interessen des Vermieters jedenfalls dann, wenn der Mieter bislang keine Bemühungen für die Anmietung von Ersatzwohnraum unternommen hat. 158 Weiter ist zu berücksichtigen, ob von dem Mieter oder dessen Familienangehörigen und Besuchern Ge-

fahren für den Vermieter oder die übrigen Mitbewohner ausgehen. Eine Räumungsfrist wird daher regelmäßig dann ausscheiden, wenn die Begehung von Straftaten, z.B. Beleidigung, Körperverletzung, Nötigung, zu befürchten ist249. Auch sonstige Störungen des Hausfriedens nach Ausspruch der Kündigung, wie nächtliches Lärmen oder lautstarkes Streiten, sprechen gegen die Gewährung einer Räumungsfrist250. 159 Beruht die Kündigung auf Zahlungsverzug, kommt die Bewilligung einer Räumungsfrist von Amts we-

gen grundsätzlich nicht in Betracht251. Auch auf Antrag ist ihre Gewährung nur dann zu erwägen, wenn der Mieter zur Zahlung der Nutzungsentschädigung während der Räumungsfrist bereit ist und diese sicherstellt oder der Vermieter zumindest eine hinreichende Sicherheit für die anfallende Nutzungsentschädigung erhält252. Dies kann z.B. durch die Zusage einer öffentlichen Stelle, die Verpfändung werthaltiger Gegenstände oder durch eine Bankbürgschaft erfolgen. Dem Vermieter kann nicht zugemutet werden, dass finanzielle Ausfälle noch weiter ansteigen253. Allein der Umstand, dass weitere in der Wohnung lebende Familienangehörige von der Räumung betroffen sind, hat hierauf keinen Einfluss254. 160 Besteht zwischen den Parteien keine Einigkeit hinsichtlich der Höhe der Nutzungsentschädigung, z.B.

weil der Mieter eine Vielzahl von Mängeln behauptet, hat das Gericht diese unter Berücksichtigung des Sachvortrages der Parteien und in Hinblick auf § 546a Abs. 1 BGB zu bestimmen. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine der Rechtskraft fähige, sondern lediglich vorläufige Regelung ohne materiellrechtliche Wirkung. Materiell-rechtliche Streitfragen können auch nicht im Rahmen des § 721 ZPO geklärt werden. Ein Vermieter kann daher im Anschluss an die Räumung noch eine aus seiner Sicht höhere Nutzungsentschädigung geltend machen. Die Bestimmung der zu zahlenden Nutzugsentschädigung durch das Gericht dient allein der Beschränkung der gewährten Räumungsfrist zugunsten des Gläubigers. 161 Hat das Mietverhältnis aus anderen Gründen als Zahlungsverzug durch die fristlose Kündigung des

Vermieters geendet, scheidet eine Räumungsfrist ebenfalls grundsätzlich aus, da ansonsten die Wirkung der fristlosen Kündigung ausgehebelt würde. Erforderlich ist für eine solche stets ein wichtiger Grund, also regelmäßig eine schwerwiegende Vertragsverletzung seitens des Mieters, welche eine Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Vermieter bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar erscheinen lässt. Hieraus ergibt sich aber zugleich die Unzumutbarkeit einer Räumungsfrist für den Vermieter. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass es zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung schon längere Zeit nicht mehr zu Störungen durch den Mieter gekommen ist255. Hierdurch würde die fristlose Kündigung und ihre Wirkung nachträglich relativiert werden. bb) Interessen des Mieters 162 Auf Seiten des Mieters sind insbesondere die persönlichen Lebensumstände zu berücksichtigen. Dazu

gehören vor allem Situationen, die einen kurzfristigen Umzug oder die Anmietung von Ersatzwohnraum erschweren, wie z.B. das Alter256, Behinderung257, Erkrankung, fortgeschrittene Schwanger-

249 250 251 252 253 254 255 256 257

AG Helmstedt v. 24.10.1984 – 3 C 1112/83, WuM 1987, 63; Musielak/Lackmann, § 721 ZPO Rz. 6. AG Dortmund v. 3.1.1990 – 117 C 681/89, DWW 1990, 242; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XIV 185. AG Dortmund v. 2.11.2004 – 125 C 10067/04, WuM 2004, 720. OLG Stuttgart v. 7.6.2006 – 13 U 89/06, NZM 2006, 880; LG Bonn v. 27.4.2004 – 6 T 91/04, zitiert nach juris. LG Berlin v. 11.10.2007 – 67 T 105/07, GE 2007, 1637; a.A. LG Düsseldorf v. 26.1.1993 – 24 S 430/92, DWW 1993, 103 (das bei Mietrückständen offenbar kategorisch die Bewilligung einer Räumungsfrist ablehnt). LG Berlin v. 7.5.2007 – 65 T 65/07, GE 2007, 1253. AG Bremen v. 3.3.2004 – 17 C 144/04, zitiert nach juris. LG Essen v. 19.9.1967 – 11 T 477/67, WuM 1968, 132; AG Hamm v. 21.8.2008 – 27 C 377/07, DWW 2009, 104. LG München v. 28.6.1989 – 14 S 15492/88, WuM 1989, 412.

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B. Räumungsschutz | Rz. 166 Anhang zu § 546

schaft258. Auch die finanzielle Leistungsfähigkeit des Mieters259 sowie die ausländische Herkunft260 können zu Schwierigkeiten bei der Anmietung von Wohnraum führen und sind daher zu berücksichtigen261. Gleiches gilt für etwaige aktuelle berufliche Erschwernisse, wie z.B. der unmittelbar bevorstehende Abschluss einer Promotion262, Abschluss des Referendariats263 oder des Examens264. Allein der Umstand einer drohenden Obdachlosigkeit ist i.d.R. unbeachtlich265. Neben diesen persönlichen Umständen ist auch die objektive Lage am Wohnungsmarkt beacht- 163 lich266. Die Dauer der bisherigen Mietzeit ist hingegen unerheblich267, da dies keinen Einfluss auf die Beschaffung von Ersatzwohnraum hat. § 721 ZPO ermöglicht es dem Mieter unter bestimmten Umstände trotz entsprechender Räumungsverpflichtung noch vorübergehend in der Wohnung zu bleiben. Die hiermit verbundene Einschränkung der grundrechtlich geschützten Eigentumsgarantie des Vermieters rechtfertigt sich nur in Hinblick auf die Vermeidung einer unverschuldeten drohenden Obdachlosigkeit des Mieters, ist also zukunftsorientiert. Hierauf hat die Dauer des Mietverhältnisses keinen Einfluss. Neben den persönlichen Lebensumständen und der Lage am Wohnungsmarkt muss der Mieter seine 164 subjektiven Bemühungen zur Erlangung von Ersatzwohnraum darlegen268. Ab welchem Zeitpunkt der Mieter sich um Ersatzwohnraum bemühen muss, ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Ist die Kündigung offensichtlich begründet, muss der Mieter umgehend mit der Suche nach Ersatzwohnraum beginnen. Nur wenn ihm dies im Rahmen seiner persönlichen Möglichkeiten nicht gelingt, kann eine Räumungsfrist bewilligt werden. Muss der Mieter hingegen nicht zwingend mit einer Verurteilung rechnen, ist er nicht gehalten, umgehend mit der Suche nach Ersatzwohnraum zu beginnen269. Häufig wird ein solcher – sofern er gefunden wird – auch nicht bis zum Abschluss des Verfahrens reserviert werden können. Allerdings darf der Mieter mit dem Beginn seiner Bemühungen auch nicht bis zur Rechtskraft des Räumungsurteils zuwarten270. Zumindest nach einer Verurteilung in der ersten Instanz und damit einem vorläufig vollstreckbarem Urteil muss der Mieter mit einer Zwangsräumung rechnen271. Nur wenn er keinen Ersatzwohnraum trotz entsprechender Bemühungen findet, kommt die Bewilligung einer Räumungsfrist im Berufungsurteil in Betracht272. Wird das erstinstanzliche Räumungsurteil in der Berufung aufgehoben und sind dem Mieter bereits Kosten für die Beschaffung von Ersatzwohnraum entstanden, z.B. Maklerkosten, doppelte Mietzahlung wegen der bereits erfolgten Anmietung, steht ihm ein Schadensersatzanspruch zu. Wäre ein Zwischenumzug notwendig, da der Mieter Ersatzwohnraum gefunden hat, diesen aber noch 165 nicht sofort beziehen kann, ist ihm gegebenenfalls eine Räumungsfrist zu bewilligen273. Auch dies setzt aber voraus, dass der Mieter darlegen und beweisen kann, dass er trotz intensiver Bemühungen keinen anderen früher verfügbaren Wohnraum anmieten konnte. Besteht keine konkrete Aussicht, dass der Mieter innerhalb einer Räumungsfrist Ersatzwohnraum fin- 166 den wird, ist diese objektiv sinnlos und nicht zu gewähren274. Die Versorgung des Mieters mit Wohn-

258 259 260 261 262 263 264 265 266 267 268 269 270 271 272 273 274

AG Bergheim v. 11.1.1999 – 22 C 234/98, WuM 1999, 530. AG Hamburg v. 28.11.2007 – 46 C 24/07, zitiert nach juris. LG Hamburg v. 3.2.1998 – 316 T 3/98, WuM 1999, 365. LG Mannheim v. 29.3.1990 – 4 T 66/90, WuM 1990, 307. Vgl. AG Tübingen v. 22.4.1985 – 8 C 203/85, WuM 1989, 240 = ZMR 1986, 60. Vgl. AG Lübeck v. 23.1.1989 – 22 C 5528/88, WuM 1989, 413. LG Aachen v. 27.2.1985 – 7 S 182/84, NJW-RR 1986, 313. LG Berlin v. 9.7.2019 – 67 T 69/19, MietRB 2019, 300 = ZMR 2019, 769. LG Essen v. 12.12.1991 – 11 T 746/91, WuM 1992, 202; Prütting/Gehrlein/Kroppenberg, § 721 ZPO Rz. 6. A.A. AG Hamm v. 21.8.2008 – 27 C 377/07, DWW 2009, 104. BGH v. 27.6.1990 – XII ZR 73/90, MDR 1990, 1003 = DWW 1991, 45; LG Berlin v. 5.4.2018 – 67 T 40/18, WuM 2018, 383; LG Berlin v. 7.5.2007 – 65 T 65/07, GE 2007, 1253. AG Hamburg v. 5.6.2009 – 46 C 21/09, zitiert nach juris. A.A. LG Wuppertal v. 17.10.1994 – 6 T 792/94, WuM 1996, 429; LG Hamburg v. 6.4.1983 – 16 S 52/83, WuM 1987, 62. Vgl. LG Münster v. 8.12.2006 – 8 S 157/06, WuM 2007, 19. Vgl. auch Stein/Jonas/Münzberg, § 721 ZPO Rz. 10a. Prütting/Gehrlein/Kroppenberg, § 721 ZPO Rz. 6. LG Berlin v. 7.5.2007 – 65 T 65/07, GE 2007, 1253.

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Anhang zu § 546 Rz. 166 | Räumungszwangsvollstreckung raum obliegt dann der öffentlichen Hand im Rahmen der Gefahrenabwehr zur Vermeidung von Obdachlosigkeit. 4. Beendigung des Mietverhältnisses durch Mieter 167 § 721 ZPO ist auch dann anwendbar, wenn das Mietverhältnis durch den Mieter selbst gekündigt oder

der Mieter an einer Mietaufhebungsvereinbarung mitgewirkt hat, dann aber nicht auszieht. Allerdings ist in diesem Fall ein deutlich überwiegendes Interesse des Mieters an der Bewilligung einer Räumungsfrist notwendig, da die Beendigung des Mietverhältnisses (auch) aus dem Verantwortungsbereich des Mieters herrührt. In Betracht kommen Fälle, in denen das bereits abgeschlossene neue Mietverhältnis ohne Verschulden des Mieters aufgelöst oder nicht umgesetzt werden kann, z.B. weil der andere Mieter nicht auszieht, das Gebäude unbewohnbar wird und die Mieter trotz entsprechender Bemühungen noch keinen Ersatzwohnraum finden konnten. Auch bei einer fristlosen Kündigung wegen schwerwiegender Vertragsverletzungen seitens des Vermieters, z.B. Beleidigung, Bedrohung, kommt eine Räumungsfrist in Betracht. Andernfalls müsste sich der Mieter zwischen Obdachlosigkeit und der Ausübung des ihm zustehenden Kündigungsrechts entscheiden. 5. Auflagen 168 Grundsätzlich kommt die Bewilligung einer Räumungsfrist nur dann in Betracht, wenn die Zahlung

der Nutzungsentschädigung sichergestellt ist. Das Gericht kann dies als Auflage zur Räumungsfrist ausgestalten275, so dass bei einer schuldhaften Verletzung der Auflage eine Verkürzung der Räumungsfrist in Betracht kommt. 169 Die Gewährung einer Räumungsfrist ist bedingungsfeindlich. Dies ergibt sich daraus, dass sie jederzeit

auf Antrag abgeändert werden kann. Die Räumungsfrist kann also nicht derart ausgestaltet werden, dass sie bei Einstellung der Zahlungen automatisch entfällt. Es ist nur ein Antrag auf Verkürzung möglich. Andererseits kann nicht bestimmt werden, dass sie sich jeweils für einen bestimmten Zeitraum verlängert, sofern die Nutzungsentschädigung fristgerecht geleistet wird276. Die Rechtzeitigkeit von Zahlungen ist durch den Gerichtsvollzieher gerade nicht zu prüfen. Wird die Räumungsfrist unter einer unzulässigen Bedingung gewährt, kann diese aber in eine Auflage umgedeutet werden277. Eine Sicherheitsleistung kann dem Mieter mangels entsprechender Rechtsgrundlage für die Dauer der gewährten Räumungsfrist nicht abverlangt werden278. 6. Materiell-rechtliche Auswirkungen der Räumungsfrist 170 Die Bewilligung einer Räumungsfrist lässt die materiell-rechtlichen Beziehungen zwischen den Partei-

en grundsätzlich unberührt. Es bleibt bei der Regelung des § 546a BGB (vgl. § 546a BGB Rz. 36). Insbesondere bleibt das Mietverhältnis beendet, so dass die Verpflichtung zur Zahlung der Nutzungsentschädigung mit der Räumung entfällt279. 171 Den Mieter trifft aber die nachvertragliche Pflicht, den beabsichtigten Auszugstermin mitzuteilen, so

dass der Vermieter die Wohnung alsbald neu vermieten kann280. Verletzt der Mieter seine Verpflichtung, kommt ein Schadensersatzanspruch in Betracht. Dessen Höhe hängt davon ab, ob eine unmittelbare oder zumindest frühere Anschlussvermietung bei rechtzeitiger Mitteilung möglich gewesen wäre. Die Darlegungs- und Beweislast obliegt insoweit dem Vermieter (vgl. dazu § 546 BGB Rz. 6). Dieser genügt der Vermieter grundsätzlich nicht, wenn er z.B. lediglich zwei in einem Monat hervorgetretene Mietinteressenten benennt, ohne angeben zu können, ab wann diese die Wohnung überhaupt hätten anmieten wollen. Dies gilt umso mehr, wenn der Wohnungsmarkt am Ort nicht derart angespannt ist, dass allein schon aus dem Angebot der Wohnung am Markt auf deren umgehende Weitervermietung hätte ge275 276 277 278 279 280

LG Mainz v. 19.12.1995 – 3 T 118/95, WuM 1997, 233. A.A. Thomas/Putzo/Hüßtege, § 721 ZPO Rz. 11. LG Hamburg v. 2.1.1991 – 311 T 118/90, WuM 1992, 491; Sternel, Mietrecht aktuell, Rz. XIV 191. Schmidt-Futterer/Blank, Anhang 1 zu §§ 574–574c BGB Rz. 36. LG Freiburg v. 31.12.1979 – 9 S 226/79, WuM 1980, 224. LG Mönchengladbach v. 15.11.1991 – 2 S 23/91, DWW 1992, 215.

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B. Räumungsschutz | Rz. 176 Anhang zu § 546

schlossen werden können281. Trägt der Vermieter aber den Anforderungen entsprechend vor, kann es nicht dahinstehen, ob der von ihm benannte Mietinteressent tatsächlich einen Mietvertrag abgeschlossen hätte282. Zwar ist es in der Tat dem Vermieter nicht zuzumuten, einen Nachfolgevertrag mit kalendermäßig bestimmtem Mietbeginn abzuschließen, wenn zunächst ungewiss ist, wann der säumige Mieter die Sache zurückgibt. Er braucht sich nicht der Gefahr auszusetzen, sich dem Nachfolgemieter gegenüber schadensersatzpflichtig zu machen283. Indessen kann auch unter Berücksichtigung des § 252 BGB eine für § 286 ZPO ausreichende Wahrscheinlichkeit eines Vertragsschlusses erst angenommen werden, wenn wenigstens einer der beiden potentiellen Partner abschlussbereit war. Während der Räumungsfrist sind Schadensersatzansprüche wegen einer verspäteten Rückgabe der 172 Wohnung gemäß § 571 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Der Ausschluss erfasst den Zeitraum ab Beginn der Berechtigung des Mieters zum Besitz bis zum Ende der bewilligten Räumungsfrist und nicht erst ab der gerichtlichen Bewilligung einer Räumungsfrist284. 7. Verlängerung und Verkürzung Eine Verlängerung oder Verkürzung der im Urteil bewilligten Räumungsfrist kann nach § 721 Abs. 3 173 ZPO auf Antrag erfolgen. Insoweit sind die gegenläufigen Interessen der Parteien im Rahmen einer Ermessensentscheidung abzuwägen. In die Abwägung hat auch der Umstand einzufließen, dass nicht über die erstmalige Gewährung einer Räumungsfrist, sondern die Gewährung einer weiteren oder die Verkürzung einer bereits bewilligten Räumungsfrist zu entscheiden ist. Beantragt der Mieter die Verlängerung einer Räumungsfrist, kommt es für eine sachgerechte Beurtei- 174 lung des Antrags auf Verlängerung der Räumungsfrist wesentlich darauf an, ob der Räumungsschuldner sich nach der erstmaligen Bewilligung dieser Frist hinreichend um eine Ersatzwohnung bemüht hat285 und zu erwarten ist, dass der Mieter alsbald eine neue Wohnung finden wird286. Hat der Mieter bereits eine neue Wohnung gefunden, kann diese aber nicht sofort beziehen, kann die Verlängerung der Räumungsfrist zur Vermeidung eines Zwischenumzugs geboten sein287. Ist ein sofortiger Umzug aus dem Grunde nicht möglich, weil die neue Wohnung erst noch kernsaniert werden muss, muss der Mieter nachvollziehbar darlegen, dass die Anmietung von anderem Ersatzwohnraum nicht möglich war288. Persönliche oder krankheitsbedingte Einschränkungen des Mieters sind nur von untergeordneter Relevanz und regelmäßig nicht zu berücksichtigen289. Sie wurden in der Regel bereits bei der erstmaligen Gewährung der Räumungsfrist berücksichtigt und führten zu der festgelegten Räumungsfrist. Gegebenenfalls sind sie bei der Frage zu berücksichtigen, welche Bemühungen einem Mieter im Zusammenhang mit der Suche nach Ersatzwohnraum abzuverlangen sind. Verändern sich die im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Umstände zu Lasten 175 des Mieters, kommt eine Verkürzung der im Urteil gewährten Räumungsfrist in Betracht, z.B. wenn der Mieter die Zahlung der Nutzungsentschädigung einstellt, den Vermieter beleidigt oder bedroht. Der Antrag auf Verlängerung muss spätestens zwei Wochen vor Ablauf der Räumungsfrist gestellt 176 werden. Der letzte Tag der Räumungsfrist ist bei der Berechnung der zwei Wochen zu berücksichtigen. Endet die Räumungsfrist am 31.7., ist der Antrag bis zum 17.7. zulässig, wobei der Eingang bei Gericht maßgeblich ist. Fällt das Ende der vom Gericht gewährten Räumungsfrist auf einen Feiertag/Sonntag, berechnet sich die Zwei-Wochen-Frist zur Antragstellung einer Fristverlängerung gemäß § 222 Abs. 2

281 282 283 284 285 286 287 288 289

BGH v. 13.7.2010 – VIII ZR 326/09, WuM 2010, 632 = GE 2010, 1265 = NZM 2010, 815. OLG Düsseldorf v. 8.5.2012 – 24 U 195/11, ZMR 2012, 861. Vgl. Wolf/Eckert/Ball, Rz. 1144. LG Stuttgart v. 8.2.1990 – 16 S 416/89, NJW-RR 1990, 654. BGH v. 27.7.1990 – XII ZR 73/90, MDR 1990, 1003 = DWW 1991, 45; KG v. 4.7.2008 – 11 W 9/08, MDR 2008, 1090 = ZMR 2009, 200; LG Wiesbaden v. 16.2.2007 – 2 S 80/06, WuM 2007, 201; Buche, MDR 1972, 189; AG Köln v. 30.5.2003 – 201 C 253/02, MietRB 2003, 33. Vgl. LG Münster v. 10.11.1992 – 5 T 461/92, WuM 1993, 62; LG Waldshut-Tiengen v. 15.11.1993 – 1 T 71/ 93, WuM 1996, 53; LG Berlin v. 7.5.2007 – 65 T 65/07, GE 2007, 1253. Prütting/Gehrlein/Kroppenberg, § 721 ZPO Rz. 6. LG Köln v. 7.10.2010 – 10 T 266/10, n.v. LG München v. 10.3.2004 – 14 T 4140/04, NZM 2005, 360.

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Anhang zu § 546 Rz. 176 | Räumungszwangsvollstreckung ZPO nach dem ersten folgenden, zur Räumung verpflichtenden Werktag290. Wird die Frist versäumt, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand in Betracht, § 721 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 2 ZPO, aber auch ein Vollstreckungsschutzantrag gemäß § 765a ZPO. 8. Zeitliche Begrenzung 177 Zeitlich ist die Räumungsfrist auf maximal ein Jahr begrenzt, und zwar ab Rechtskraft des Urteils bzw.

bei einer Verurteilung auf künftige Räumung von diesem Tag an, § 721 Abs. 5 ZPO. Eine Überschreitung dieser Zeitspanne durch Verlängerung nach § 721 Abs. 3 ZPO ist unzulässig. Sofern es die örtlichen Gegebenheiten zulassen, kann die Räumungsfrist auf einzelne Räume beschränkt oder für verschiedene Räume unterschiedlich lange festgesetzt werden, nicht aber bei einem Mischmietverhältnis, welches als Gewerberaummietverhältnis zu qualifizieren ist (vgl. Anhang zu § 546 BGB Rz. 149). 178 Das Ende der Räumungsfrist muss nicht zwingend mit Datum konkret bezeichnet werden. Ein sol-

ches Erfordernis stellt § 721 ZPO nicht auf. Die Frist kann daher auch nach Monaten, Wochen oder Tagen bestimmt werden. Unschädlich ist auch, wenn kein bestimmter Anfangstermin genannt wird, da die Frist entsprechend § 721 Abs. 5 S. 2 ZPO jedenfalls nicht vor Rechtskraft des Urteils zu laufen beginnt. Zur Vermeidung von Unklarheiten ist es aber sachdienlich, das Ende der Räumungsfrist mit dem konkreten Datum zu benennen, da sich aus dem Urteil selbst nicht ergibt, wann es rechtskräftig wird. Auf eine sofortige Beschwerde hin kann eine nur nach Zeitabschnitten bezeichnete Räumungsfrist in eine Frist mit konkretem Enddatum umgewandelt werden291. 9. Prozessuales a) Zuständigkeit 179 Zuständig für die Bewilligung der Räumungsfrist nach § 721 Abs. 1 ZPO ist das Prozessgericht, welches

das Räumungsurteil erlässt. Ist das Verfahren in der Berufungsinstanz anhängig, entscheidet das Berufungsgericht292. Eine Räumungsfrist kann auch noch im Revisionsurteil ausgesprochen werden293. Sie kann – mit Ausnahme des Falls einer Verurteilung zur künftigen Räumung nach § 721 Abs. 2 ZPO – nicht vom Urteil isoliert bewilligt werden294. 180 Für die Verlängerung oder Abkürzung einer bereits bewilligten Frist ist das Gericht der ersten In-

stanz, im Rahmen des Berufungsverfahrens das Berufungsgericht zuständig, § 721 Abs. 4 ZPO. Befindet sich das Verfahren in der Revision, bleibt das Gericht der ersten Instanz zuständig, da der Revision als reine Rechtsinstanz die notwendige (neue) Tatsachenermittlung verwehrt ist295. Die Entscheidung über die Verlängerung oder Verkürzung einer Räumungsfrist ergeht durch Beschluss und bedarf keiner mündlichen Verhandlung, § 128 Abs. 4 ZPO. Der Gegner ist zuvor zu hören. Das Gericht kann aber vor Erlass der Entscheidung eine einstweilige Anordnung nach § 732 Abs. 2 ZPO erlassen. b) Rechtsbehelfe 181 Der zutreffende Rechtsbehelf richtet sich nach der beabsichtigten Zielrichtung.

aa) Rechtsbehelfe des Mieters 182 Möchte der Mieter gegen seine in einem Urteil erkannte Räumungsverpflichtung vorgehen, muss er

Einspruch oder Berufung, gegebenenfalls auch Revision einlegen. Die Räumungsfrist ist dann zu über-

290 LG Hamburg v. 5.2.1990 – 307 T 13/90, WuM 1993, 470; a.A. LG Berlin v. 3.4.1992 – 64 T 36/92, 64 T 38/92, ZMR 1992, 394; Prütting/Gehrlein/Kroppenberg, § 721 ZPO Rz. 8. 291 LG Berlin v. 16.2.2006 – 65 T 17/06, GE 2006, 653. 292 LG Münster v. 8.12.2006 – 8 S 157/06, WuM 2007, 19. 293 BGH v. 27.4.2010 – VIII ZR 282/09, WuM 2010, 322; BGH v. 13.3.1963 – V ZR 224/60, NJW 1963, 1307. 294 BGH v. 27.4.2010 – VIII ZR 282/09, WuM 2010, 322. 295 BGH v. 27.7.1990 – XII ZR 73/90, MDR 1990, 1003 = DWW 1991, 45; Prütting/Gehrlein/Kroppenberg, § 721 ZPO Rz. 7.

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B. Räumungsschutz | Rz. 187 Anhang zu § 546

prüfen, wenn sich das Rechtmittel auch gegen diese richtet. Handelt es sich bei dem Urteil um ein Versäumnisurteil, richtet sich der Einspruch grundsätzlich auch gegen die Versagung einer Räumungsfrist296. Ein Einspruch kann – jedenfalls bei einer anwaltlich vertretenen Partei – aber nicht als sofortige Beschwerde gegen die Nichtbewilligung einer Räumungsfrist ausgelegt werden297. Akzeptiert der Mieter das Räumungsurteil grundsätzlich, möchte aber gegen die Entscheidung über die 183 Gewährung einer Räumungsfrist im Urteil nach § 721 Abs. 1 ZPO vorgehen, ermöglicht § 721 Abs. 6 Nr. 1 ZPO die isolierte Anfechtbarkeit im Wege der sofortigen Beschwerde, selbst wenn das Urteil Ausführungen zur Räumungsfrist nicht enthält, da sie dann als versagt gilt298, und zwar auch bei einem ersten299, nicht aber bei einem zweiten Versäumnisurteil300. Die Notfrist des § 569 Abs. 1 ZPO beginnt mit Zustellung der Entscheidung zu laufen. Erfolgte die Entscheidung über die Räumungsfrist erst im Urteil des Berufungsgerichts, kommt die Rechtsbeschwerde nur dann in Betracht, wenn sie zugelassen wurde, § 574 Abs. 1 ZPO. Gegen eine Entscheidung über die Verlängerung oder Versagung einer Räumungsfrist durch das Pro- 184 zessgericht gemäß § 721 Abs. 2 und 3 ZPO ist nach § 721 Abs. 6 Nr. 2 ZPO ebenfalls die sofortige Beschwerde statthaft. Entscheidungen des Berufungsgerichts durch Beschluss sind nur anfechtbar, wenn die Rechtsbeschwerde zugelassen wird, § 574 Abs. 1 ZPO. Die gleichzeitige Einlegung von Berufung und sofortiger Beschwerde ist nicht möglich. Eine solche 185 sofortige Beschwerde ist mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 721 Abs. 6 Nr. 1 ZPO. Hiernach findet die sofortige Beschwerde nur dann statt, wenn sich das Rechtsmittel „lediglich gegen die Versagung, Gewährung oder Bemessung einer Räumungsfrist richtet“. Gleiches gilt, wenn zunächst – während der laufenden Berufungsfrist – Beschwerde und später unbeschränkt Berufung eingelegt wird. In diesem Fall entfällt das Rechtsschutzbedürfnis nachträglich und die Beschwerde ist für erledigt zu erklären301. Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt aber nur bei Zulässigkeit des Rechtsmittels. Wird die Berufung zu spät oder auf sonstige Weise nicht in zulässiger Form eingelegt, findet eine Entscheidung über die Berufung in der Sache nicht statt. Bei der Rücknahme einer zulässigen Berufung kann die Rücknahme auf den Ausspruch über die Räumungsverpflichtung beschränkt werden, so dass eine Entscheidung über die Räumungsfrist dem Berufungsgericht auch weiterhin möglich ist. Das Gleiche gilt, wenn der Mieter erstinstanzlich keinen Antrag auf Bewilligung einer Räumungs- 186 frist gestellt hat, gegen die Versagung von Amts wegen dann sofortige Beschwerde einlegt und anschließend in der Berufungsinstanz erstmals einen Antrag stellt. Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass gegen das Berufungsurteil Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 544 Abs. 1 ZPO eingelegt ist302. Solange der Nichtzulassungsbeschwerde nicht stattgegeben wird, bleibt unklar, ob die Entscheidung über die Räumungsfrist in der Revision überprüft werden wird. Die sofortige Beschwerde über die Verlängerung oder Verkürzung einer Räumungsfrist nach § 721 Abs. 2 und 3 ZPO bleibt daher zulässig. Eine sofortige Beschwerde über die Verlängerung oder Verkürzung kann auch vor Rechtskraft des Räumungsurteils zu Lasten des Mieters beschieden werden, zumal dieser über § 717 Abs. 2 S. 1 ZPO hinreichend geschützt ist. bb) Rechtsbehelfe des Vermieters Der Vermieter kann gegen die in einem Urteil oder nach § 721 Abs. 2 und 3 ZPO bewilligte Räu- 187 mungsfrist sofortige Beschwerde einlegen. Das Rechtsschutzbedürfnis bleibt auch bei der Einlegung

296 LG München v. 20.8.1998 – 14 T 14943/98, NZM 1999, 308. 297 OLG München v. 19.2.2010 – 32 W 827/10, ZMR 2010, 524; LG Köln v. 14.3.1986 – 9 T 45/86, NJW-RR 1987, 143. 298 LG Köln v. 14.3.1986 – 9 T 45/86, NJW-RR 1987, 143. 299 LG Berlin v. 16.2.2006 – 65 T 17/06, GE 2006, 653. 300 LG Dortmund v. 13.4.1965 – 9 T 149/65, MDR 1965, 579. 301 Prütting/Gehrlein/Kroppenberg, § 721 Rz. 12; a.A. LG Düsseldorf v. 26.4.1990 – 21 S 26/90, WuM 1993, 471; Stein/Jonas/Münzberg, § 721 ZPO Rz. 37. 302 Vgl. KG v. 4.7.2008 – 11 W 9/08, MDR 2008, 1090 = ZMR 2009, 200; a.A. LG Wuppertal v. 17.10.1994 – 6 T 792/94, WuM 1996, 429; LG Essen v. 12.12.1991 – 11 T 746/91, WuM 1992, 202.

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Anhang zu § 546 Rz. 187 | Räumungszwangsvollstreckung der Berufung durch den Mieter erhalten. Er ist nicht gezwungen (unselbstständige) Anschlussberufung einzulegen303, da über diese wegen § 524 Abs. 4 ZPO nicht zwingend entschieden wird und es zu Verzögerungen in der Zwangsvollstreckung kommen kann. Legt der Vermieter allerdings hinsichtlich der Räumungsfrist Anschlussberufung ein, ist die sofortige Beschwerde für erledigt zu erklären. 188 Hat das Gericht erster Instanz erstmals durch Beschluss eine Räumungsfrist bewilligt, z.B. nach Ein-

spruch gegen Versäumnisurteil, aber vor der Entscheidung über den Einspruch, ist der Beschluss auf die sofortige Beschwerde des Vermieters hin ohne Sachprüfung aufzuheben, da über die erstmalige Bewilligung einer Räumungsfrist nur durch Urteil zu entscheiden ist304. cc) Anschlussbeschwerde 189 Wird eine sofortige Beschwerde eingelegt, kann von der Gegenseite auch nach Ablauf der Beschwerde-

frist Anschlussbeschwerde eingelegt werden, § 567 Abs. 3 S. 1 ZPO. Diese ist nicht fristgebunden. Wird die sofortige Beschwerde zurückgenommen, verliert auch die Anschlussbeschwerde ihre Wirkung, § 567 Abs. 3 S. 2 ZPO. dd) Verfahrensablauf 190 Der Verfahrensablauf richtet sich nach den allgemeinen Regeln der §§ 567 ff. ZPO. Die Kostenent-

scheidung richtet sich nach den §§ 91 ff. ZPO. Der Antrag auf Gewährung einer Räumungsfrist nach § 721 Abs. 1 ZPO erhöht den Streitwert nicht, so dass allein die Bewilligung einer solchen nicht zu einer Kostenbelastung des Vermieters führt305. Erkennt der Mieter den Räumungsanspruch aber sofort an und wird ihm eine Räumungsfrist bewilligt, können die gesamten Kosten des Rechtsstreits unter den Voraussetzungen des § 93b Abs. 3 ZPO dem Vermieter auferlegt werden306. Anders gilt, wenn der Mieter zuvor die Räumungsverpflichtung grundsätzlich bestritten hat307. 10. Versorgungsleistungen des Vermieters 191 Versorgungsleistungen, z.B. Beheizung und Lieferung von Wasser, muss der Vermieter während einer

gerichtlich gewährten Räumungsfrist nicht erbringen, da das Mietverhältnis bereits beendet ist (vgl. § 535 BGB Rz. 514 ff.). Mit der Beendigung der vertraglichen Beziehung endet auch die Versorgungsverpflichtung des Vermieters. Teilweise wird vertreten, dass dies unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben im Einzelfall anders zu bewerten sein kann308. Auch der BGH hält dies bei einer nach den §§ 721, 765a, 794a ZPO gewährten Räumungsfrist für denkbar309, was aber abzulehnen ist. Durch eine Räumungsfrist wird lediglich die zwangsweise Vollstreckung eines Räumungstitels hinausgeschoben, um eine drohende Obdachlosigkeit zu vermeiden. Die Beendigung des Mietverhältnisses wird nicht tangiert, vielmehr ist diese gerade zwingende Voraussetzung für die Bewilligung einer Räumungsfrist. Um eine drohende Obdachlosigkeit abzuwenden, bedarf es aber gerade nicht der Aufrechterhaltung von Versorgungsleistungen. Zudem kann der Mieter eine Beheizbarkeit selbst sicherstellen, indem er einen Radiator an das Stromnetz anschließt. Die anfallenden Stromkosten rechnet der Mieter in der Regel unmittelbar mit dem Energieversorger ab. Handelt es sich bei der Stromversorgung ausnahmsweise ebenfalls um eine vom Vermieter geschuldete Versorgungsleistung, ist auch diese nicht mehr geschuldet. Ein Eingriff in Versorgungsleistungen Dritter, z.B. die Unterbrechung der Strom- und Wasserlieferung auf-

303 Schmidt-Futterer/Blank, nach §§ 574–574c BGB Rz. 68; a.A. LG Gießen v. 21.4.1994 – 1 T 39/93, WuM 1994, 551. 304 OLG München v. 19.2.2010 – 32 W 827/10, ZMR 2010, 524; vgl. LG Rostock v. 11.8.2000 – 2 T 253/00, NZM 2002, 213. 305 OLG Stuttgart v. 28.6.1956 – 2 W 46/56, MDR 1956, 555; OLG München OLGReport 1994, 172. 306 AG Warendorf v. 23.9.1969 – 5 C 366/69, ZMR 1971, 156; AG Münster v. 30.4.1969 – 7 C 148/69, ZMR 1971, 156. 307 OLG Koblenz v. 22.7.2004 – 5 W 475/04, WuM 2004, 621. 308 Vgl. MünchKomm/Bieber, § 546a BGB Rz. 28 ff. 309 BGH v. 6.5.2009 – XII ZR 137/07, MDR 2009, 919 = MietRB 2009, 223 (224) = ZMR 2010, 263.

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B. Räumungsschutz | Rz. 195 Anhang zu § 546

grund unmittelbarer Verträge zwischen dem Mieter und einem Versorgungsunternehmen, ist dem Vermieter nicht gestattet.

II. Räumungsfrist nach § 794a ZPO § 794a ZPO Zwangsvollstreckung aus Räumungsvergleich (1) Hat sich der Schuldner in einem Vergleich, aus dem die Zwangsvollstreckung stattfindet, zur Räumung von Wohnraum verpflichtet, so kann ihm das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Wohnraum belegen ist, auf Antrag eine den Umständen nach angemessene Räumungsfrist bewilligen. Der Antrag ist spätestens zwei Wochen vor dem Tag, an dem nach dem Vergleich zu räumen ist, zu stellen; §§ 233 bis 238 gelten sinngemäß. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss. Vor der Entscheidung ist der Gläubiger zu hören. Das Gericht ist befugt, die im § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. (2) Die Räumungsfrist kann auf Antrag verlängert oder verkürzt werden. Absatz 1 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. (3) Die Räumungsfrist darf insgesamt nicht mehr als ein Jahr, gerechnet vom Tag des Abschlusses des Vergleichs, betragen. Ist nach dem Vergleich an einem späteren Tag zu räumen, so rechnet die Frist von diesem Tag an. (4) Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts findet die sofortige Beschwerde statt. (5) Die Absätze 1 bis 4 gelten nicht für Mietverhältnisse über Wohnraum im Sinne des § 549 Abs. 2 Nr. 3 sowie in den Fällen des § 575 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Endet ein Mietverhältnis im Sinne des § 575 des Bürgerlichen Gesetzbuchs durch außerordentliche Kündigung, kann eine Räumungsfrist höchstens bis zum vertraglich bestimmten Zeitpunkt der Beendigung gewährt werden.

1. Allgemeines Zweck der Vorschrift ist die Vermeidung unnötiger Prozesse und von Obdachlosigkeit. Sie will verhin- 192 dern, dass sich der Mieter nur aus dem Grunde einer vergleichsweisen Regelung verschließt, um sich die Beantragung einer Räumungsfristverlängerung offen zu halten, falls nachträglich unvorhergesehene Umstände eintreten310. Die Regelung entspricht im Wesentlichen § 721 ZPO. 2. Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich der Norm ist auf gerichtliche Vergleiche beschränkt, in denen sich einer der 193 Verfahrensbeteiligten zur Räumung von Wohnraum verpflichtet. Für Räumungsvergleiche über Gewerberäume gilt sie nicht. Bei Bestehen eines Mischmietverhältnisses ergeben sich keine Unterschiede zur Situation bei § 721 ZPO (vgl. Anhang zu § 546 BGB Rz. 141 ff.). Außergerichtliche Vergleiche, welche nicht Grundlage einer Räumung im Wege der Zwangsvollstreckung sein können, fallen nicht unter § 794a ZPO311. In diesem Fall droht keine unmittelbare Zwangsräumung, welche es abzuwenden gilt. Für vollstreckbare Anwaltsvergleiche gelten die §§ 796a ff. ZPO. Die Ausschlusstatbestände des § 794a Abs. 5 ZPO entsprechen denen des § 721 Abs. 7 ZPO (vgl. An- 194 hang zu § 546 BGB Rz. 155). 3. Erstmalige Bewilligung Die erstmalige Bewilligung einer Räumungsfrist richtet sich nach § 794a Abs. 1 ZPO. Eine erstmalige 195 Räumungsfrist in diesem Sinne liegt sowohl dann vor, wenn die Parteien eine fristgerechte Räumung zum Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses vereinbart haben312, als auch dann, wenn die im

310 LG Kiel v. 1.10.1990 – 1 T 114/90, WuM 1993, 555; vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege, § 794a ZPO Rz. 1. 311 Vgl. nur Zöller/Stöber, § 794a ZPO Rz. 1; a.A. Dengler, ZMR 1968, 316. 312 LG Wuppertal v. 28.11.1980 – 6 T 780/80, WuM 1981, 113.

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Anhang zu § 546 Rz. 195 | Räumungszwangsvollstreckung Räumungsvergleich vereinbarte Räumungsfrist abläuft und der Mieter einen weiteren Aufschub beantragt313. 4. Antrag 196 Die Räumungsfrist wird nur auf Antrag bewilligt. Eine Gewährung von Amts wegen ist nicht vorgese-

hen. 197 Hat der Mieter im Räumungsvergleich auf Räumungsschutz nach § 794a ZPO verzichtet, ist der Antrag

unzulässig314. Ein Verzicht ist auch konkludent möglich, z.B. wenn die Parteien vereinbaren, dass die Höchstfrist des § 721 Abs. 3 ZPO von einem Jahr ab Vergleichsschluss gelten soll und nicht der Räumungstermin zu ermitteln ist315. Der Verzicht umfasst auch solche Sachverhalte, die der Schuldner beim Abschluss des Vergleichs nicht vorhergesehen hat oder nicht vorhersehen konnte316. In Hinblick auf die Privatautonomie bestehen keine Bedenken an der Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung. Der Mieter ist nicht gezwungen, eine solche vergleichsweise Vereinbarung abschließen. Härtefälle sind über den Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO hinreichend abgedeckt, auf den im Vorfeld nicht verzichtet werden kann (vgl. Anhang zu § 546 BGB Rz. 227). Ein unwirksamer Verzicht auf den Vollstreckungsschutz des § 765a ZPO kann in einen Verzicht auf Gewährung einer Räumungsfrist gemäß § 794a ZPO umgedeutet werden317. 198 Die Verkürzung einer zwischen den Parteien im Räumungsvergleich vereinbarten Räumungsfrist auf

Antrag des Vermieters kommt nicht in Betracht. § 794a ZPO bietet hierfür keine Rechtsgrundlage318. Eine entsprechende Zuständigke