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German Pages [847] Year 2012
böhlau
STUDIEN ZU DENKMALSCHUTZ UND DENKMALPFLEGE BAND XXII
HERAUSGEBER Bundesdenkmalamt Wien
REDAKTIONELLE LEITUNG Andreas Lehne
MAX DVOØÁK
SCHRIFTEN ZUR DENKMALPFLEGE Gesammelt und kommentiert von Sandro Scarrocchia
Lektorat SABINE BAUER, PAUL MAHRINGER Bildredaktion GABRIELE ROITHNER Satz und Layout ELISABETH WÖLCHER
BÖHLAU VERLAG WIEN–KÖLN–WEIMAR
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Covernachweis: Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek
© 2012 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H und Co. KG, Wien –Köln –Weimar Wiesingerstraße 1, A-1010 Wien, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Umschlaggestaltung: Michael Haderer Druck und Bindung: Dimograf Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in Poland ISBN 978 -3-205 -78681-8 ISSN 0586 -6871
INHALT Barbara Neubauer ZUM GELEIT
13
Hans Aurenhammer VORWORT
14
Sandro Scarrocchia DANKSAGUNG
17
Sandro Scarrocchia EINLEITENDE BEMERKUNGEN
19
HINWEISE FÜR DIE BENUTZUNG
21
Sandro Scarrocchia
DENKMALPFLEGE UND MODERNE: DIE LEHRE MAX DVOØÁKS I.
MAX DVOØÁK: DIE KUNSTGESCHICHTE UND DIE KULTUR DER DENKMALPFLEGE
1. Biographische Umrisse: Geographischer und kultureller Hintergrund
23
2. «Wiener Epitaphe»
27
3. Beziehungen der Wiener Schule der Kunstgeschichte zur Denkmalpflege von der Jahrhundertwende bis zu den 1920er Jahren
30
4. Dvoøáks Aktualität in der Kultur der Denkmalpflege
35
5. Die italienische Perspektive
37
6. Dvoøák und die Methode der «critica operativa»
39
7. Die Rezeption der sogenannten «Marseillaise der Denkmalpflege» in Italien
41
II. BAUSTELLEN DER ERHALTUNG UND RESTAURIERUNG: WIEN, SPLIT, KRAKAU, PRAG, TRIENT UND AQUILEIA VOM GLANZ UND ELEND DES HABSBURGERREICHES 1. Die Wiener Altstadt als «Ensemble» und die Entwicklung der zeitgenössischen Architektur 1.1
«Finis Vindobonae»: Das Wien von Dvoøák und Tietze
43 44 49
INHALT 1.2
Der Wiederaufbau der Nachkriegszeit und das Projekt Step 94
53
1.3 Der Karlsplatz und das Problem des historischen Stadtmuseums 2. Der Diokletianspalast in Split: Altertumswert gegen Alterswert
55 58
2.1
Split zwischen Barcelona und Bilbao
59
2.2
Alois Riegl und die Bemühungen um die Erhaltung der mittelalterlichen und modernen Bauschichten in der Altstadt: Die Entdeckung des Ensembles
64
2.4
Dvoøáks Stellungnahme gegen Freilegungen und für die Belassung des Palastes in seinem überkommenen Zustand: Der Schutz des Ensembles Gustavo Giovannoni und der Studienauftrag der italienischen Mission
66 70
2.5
Split auf der Mailänder Triennale
73
2.6
Auf der Suche nach einem Modell für Split
76
2.7
Neokolonialistische Perspektiven und neoliberalistische Tendenzen: World Bank, das Projekt der Stadtverwaltung zur Restaurierung der Kulturgüter und «adriatic heritage»
79
Der Plan der Denkmalbehörde zur Privatisierung einiger Denkmale und die Petition der Bürger gegen ihre kommerzielle Nutzung: Darf Rockefeller im Diokletianspalast wie ein römischer Kaiser schlafen? Split als Modell
80 81
2.3
2.8
2.9
3. Die königliche Residenz und der Krakauer Dom auf dem Wawel: Historischer Wert gegen Alterswert
86
3.1
Beginn der Restaurierungsgeschichte des Wawel: August Ottmar Essenweins Bericht über die mittelalterlichen Denkmale von Krakau und die Umwandlung des Wawels, Camillo Boitos Reisebilder und Tomasz Prylinskis Bauaufnahme
88
3.2
Das Projekt von Zygmunt Hendel und die Vorschläge von S³awomir Odrzywolski, Stanis³aw Wyspiañski und W³adis³aw Ekielski
90
3.3
Die gegensätzlichen Positionen von Dvoøák und Stanis³aw Tomkowicz: Die Starrheit des Begriffs »Alterswert« und die Rechtfertigung des historischen Wertes
93
Der galizische Vorschlag für eine gesetzliche Neuorganisation der Denkmalpflege und die Restaurierungsvorschriften von 1909
99
3.4 3.5
Die 22. Bauschicht und weitere Bauschichten des Wawel: Die unterschiedlichen Aufassungen vom historischen Wert und seine Aporien. Die Restaurierungsprojekte und die Denkmalpflege von Adolf Szyszko-Bohusz, Witold Minkiewicz und Alfred Majewski: Von der «kreativen» zur «philologischen» Restaurierung, die Beiträge der archäologischen Forschung und die Ergebnisse im Museumswesen 101
4. Das Prager Schloss und die moderne Architektur
104
5. Das Castello del Buonconsiglio und der Dom von Trient: Die Schwierigkeit, die Denkmale in dem «uns überkommenen Zustand» zu erhalten
110
6. Der Dom von Aquileia
115
7. Der Schutz der Denkmale im Krieg
118
INHALT III. DIE VORLESUNGEN ÜBER DENKMALPFLEGE UND DER VORTRAG ÜBER GARTENKUNST 1. Die Vorlesungen über Denkmalpflege an der Universität Wien (1906 und 1910) 2. Die Vorlesungen über Denkmalpflege von 1906: Die Langzeitwirkung des Manierismus
126
3. Die Vorlesungen von 1910: Die erste kritische Untersuchung von Riegls Denkmalkultus und die Theorie von Riegl bis Brandi
127
4. Gartenkunst und Denkmalpflege
130
5. Der Vortrag über Gartenkunst (1913–1914)
131
123
IV. ENTSTEHUNGSGESCHICHTE UND ERFOLG DES KATECHISMUS DER DENKMALPFLEGE Der Katechismus als «Marseillaise der Denkmalpflege» 1. Franz Ferdinand, die Reform der Zentralkommission und die Entstehung des Katechismus 2. Max Dvoøáks Katechismus der Denkmalpflege 3. Der Gesetzesentwurf von Karl Holey 4. Spuren des Katechismus bei Adolf Loos 5. Bezugspunkte zum Katechismus in den Vorschriften von Cesare Brandi und Giulio Carlo Argan
133 134 141 146 148 149
V. DIE KULTUR DER DENKMALPFLEGE UND DIE FORDERUNGEN DER MODERNE Die Denkmalpflege als Schnittpunkt verschiedener Disziplinen 1. Die Denkmalpflege als Kunstgeschichte bewirkende Disziplin 1.1 Die Kunsttopographie als Genealogie der Gegenwart 1.2 1.3 1.4 2. 2.1
2.2 2.3
Streit der Titanen: Dvoøáks, Dehios und Clemens unterschiedliche Meinungen zur Kunsttopographie Institutions- und Ausbildungsprojekte Tätigkeitsbereich der Denkmalpflege und Restaurierung Denkmalpflege, Heimatschutzbewegung und Werkbund Tagungen zur Denkmalpflege 1900–1921: Der «Weg der Vorschriften» und die Forderungen der Moderne, der Weltkrieg, Dvoøáks geistiges Vermächtnis und Tietzes «Wende» Die gemeinsamen Tagungen von Denkmalpflege und Heimatschutz 1911–1920: Ihre Fusionierung, Dvoøáks Zustimmung und seine Vorbehalte
152 153 156 158 163 166 169
172 178
Der Werkbund, die Denkmalpflege und die Restaurierung: Die Kultur des Projekts und der Erhaltung
181
3. Die Denkmalpflege und die moderne Kunst und Architektur: Dvoøák, Kokoschka und Loos
183
INHALT 3.1 3.2 3.3
Borromini als Restaurator – Über die Beziehung zwischen Manierismus und Moderne
185
Die letzte Renaissance und die Richtung der modernen Klassik: Dvoøáks Posthistorismus
188
Gedanken zu Dvoøáks Grabmal
194
VI. SCHLUSSBETRACHTUNGEN UND FORSCHUNGSPERSPEKTIVEN 1.
Die neue Auffassung der Denkmalerhaltung. Dvoøák und Riegl – eine Gegenüberstellung
195
Die Person des Konservators und die Entwicklung einer neuen wissenschaftlichen Gemeinschaft
197
2.1
Dvoøák und seine deutschen Kollegen Dehio, Clemen und Gurlitt
198
2.2
Dvoøáks Kreis
199
2.3
Hans Sedlmayr und die Tradition der Wiener Denkmalpflege
202
2.
3. Vom Nutzen einer unzeitgemäßen Lehre
206
MAX DVOØÁKS SCHRIFTEN, VORLESUNGEN UND VORTRÄGE ZUR DENKMALPFLEGE 1905–1921 Bemerkungen zur folgenden Schriftensammlung I.
TEIL: PUBLIZIERTE SCHRIFTEN
1.
GESCHICHTE DER DENKMALPFLEGE
213
1.1
Francesco Borromini als Restaurator (1907)
217
1.2
Gedanken über Denkmalpflege (1910)
223
1.3
Entwicklung und Ziele der Denkmalpflege in Österreich (1911)
225
1.4
Rezension: Geschichte der Gartenkunst von Marie Luise Gothein (1914)
236
1.5
Duino (1917)
245
1.6 1.7
Einrichtung des Kunstschutzes in Österreich (1919) Ein Brief an die italienischen Fachgenossen (1919)
250 263
2. PERSÖNLICHKEITEN 2.1
Alois Riegl (1905)
267
2.2
Erzherzog Franz Ferdinand (1914)
283
INHALT 3.
DENKMÄLERTOPOGRAPHIE
3.1
Topographie der historischen und Kunstdenkmale im Königreiche Böhmen (1902)
286
3.2
Deutsche Kunsttopographien I (1906)
287
3.3
Das Kloster Monte Merlo bei Tkon auf der Insel Pasman (1907)
294
3.4
Einleitung, I. Band der Österreichischen Kunsttopographie (1907)
296
3.5
Denkmäler der deutschen Kunst (1908–1909)
310
3.6
Die Kunst des Mittelalters und der Neuzeit an der österreichischen Küste der Adria (1911) Italienische Kunstwerke in Dalmatien (1911) Die Denkmäler der deutschen Kunst (1913) Die Kunsttopographie von Voralberg (1919)
313 322 325 331
3.7 3.8 3.9
4. 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5
4.6 4.7 4.8 4.9 4.10 4.11 4.12 4.13 4.14
RESTAURIERUNGSFRAGEN Bericht über die Wandmalereien in den Pfarrkirchen zu Dublovice, Kosteletz und Teindles (1903) Restaurierungsfragen: I. Die Prager Königsburg (1908) Restaurierungsfragen: II. Das Königsschloß am Wawel (1908) Restaurierung des Königlichen Schlosses auf dem Wawel in Krakau (1909) Bericht der westgalizischen Konservatoren und Korrespondenten über ihre Tätigkeit in den Jahren 1907 und 1908 (II. Teil), Sitzung vom 21. Juni 1908 (1909) Restaurierungsfragen: III. Spalato (1909) Der Diokletianische Palast in Spalato (1909) Der Diokletianische Palast in Spalato (1913) Proberestaurierung der Apsis - Gemälde des Domes von Aquileja (1907) Die Mosaikenfunde von Aquileja (1909) Die neuaufgedeckten Mosaiken in der Basilika zu Aquileja (1909) Die Statuengruppen des hl. Franz Xaverius, des hl. Ignatius und der hl. Luitgardis auf der Karlsbrücke in Prag (1909) Zur Frage der Bilderrestaurierung an der kaiserlichen Gemäldegalerie (1916) Der Diokletianische Palast in Spalato (1920)
333 336 342 347 356
361 375 387 397 398 399 405 409 411
5. ERHALTUNG DES HISTORISCHEN STADTKERNS, STADTBILD- UND LANDSCHAFTSSCHUTZ, MODERNE ARCHITEKTUR 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5
Die Verbauung des Karlsplatzes in Wien (1907) Wiener Verkehrsrücksichten (1908) Die Karlsplatzfrage (1909) Der Museumsbau auf dem Karlsplatze (1910) Vorwort (Zur Rettung Alt-Wiens) (1910)
412 414 416 421 427
INHALT 5.6
Aufruf ! (1911)
430
5.7
Verbauung des Ausblickes auf das Emauser Kloster in Prag (1910)
432
5.8
Vorschläge zur Reform der Architekturschulen in Wien aus dem Jahre 1801 (1911)
434
5.9
Erhaltung und Verwendung ehemals fürstlicher Schlösser und Gärten in Bezug auf Denkmalpflege und Heimatschutz (1920)
436
6.
KURZBERICHTE, MONUMENTA DEPERDITA
6.1
Das alte Rautterhaus in Villach (1905)
6.2
Eine zerstörte Decke im Schlosse von Eggenburg (1906)
441
6.3
Mein Ruf sind Felsenhieroglyphen (1908)
443
6.4
82 Reliefs der rechten Triumphsäule vor der Karlskirche in Wien (1908)
443
6.5
Unter dem Leuchter pflegt es finster zu sein (1909)
444
6.6
Das grüne Gitter (1909)
444
6.7
Monumenta deperdita: Zwei romanische Türme (1909)
445
6.8
Monumenta deperdita: Das Haus des Bildhauers Braun in Prag; Alte Häuser in Pilsen; Alt-Wien (1910)
446
6.9
Monumenta deperdita: Finis Vindobonae; Der Hrvojaturm in Spalato (1911)
448
6.10 Die Verpfändung der Gobelinsammlung (1920)
441
450
6.11 Die Balkanisierung Wiens (1920)
451
6.12 Die Albertina (1921)
453
7.
THEORIE, FORSCHUNG UND DIDAKTIK DER DENKMALPFLEGE
7.1
Promemoria über die Reorganisation der staatlichen Denkmalpflege in Österreich (1910)
455
7.2
Denkmalkultus und Kunstentwicklung (1910)
469
7.3
Denkmalpflege und Kunst (1910)
485
7.4
Schaffung einer Österreichischen Staatsgalerie (1910)
489
7.5
Lokalmuseen (1911)
492
7.6
Museen und Bibliotheken (1911)
495
7.7
«Mona Lisa». Ein Vorschlag zum Schutze der Kunstwerke (1911)
498
7.8
Österreichische Staatsgalerie (1912)
500
7.9
Bericht über die wichtigsten Aktionen zur Erhaltung von Gemälden und die hiebei zu beachtenden Grundsätze (1912)
504
7.10 Sammler, Museen und Denkmalpflege (1915) 7.11 Die Aufgaben der österreichischen Staatsgalerie (1915)
507
7.12 Katechismus der Denkmalpflege (1916/18)
521
7.13 Denkmalpflege (1920)
721
514
INHALT 8.
DENKMALSCHUTZGESETZ
8.1
Ein Denkmalzerstörungsgesetz (1909)
727
8.2
Österreichisches Denkmalschutzgesetz (1910)
729
8.3
Denkmalschutzgesetz (1910)
732
8.4
Denkmalschutz und Kirchenschutz (1911)
735
8.5
Die Besteuerung des Kunstbesitzes (1916)
741
8.6
Ausfuhrverbot für alte Kunstwerke (1918)
743
II. TEIL: UNVERÖFFENTLICHTE MANUSKRIPTE 1. 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5
2.
VORLESUNGEN, VORTRÄGE UND FRAGMENTE Denkmalpflege, Vorlesungsmanuskript (1906) Denkmalpflege, Vorlesungsmanuskript (1910) Gartenkunst, Vortragsmanuskript (1913–1914) Österreichs und Italiens Beziehungen in der Kunstwissenschaft (undatiert) Kunst und Nationalismus (undatiert)
747 759 777 783 788
BRIEFE, BERICHTE, GUTACHTEN
2.1
Briefe 1–6
2.2
Berichte, Gutachten 1–8
2.2.1 Aktenvermerk vom 1.4.1908, Votum zum Projekt des Oberingenieurs Natale Tommasi für die Restaurierung des Castells del Buonconsiglio in Trient 2.2.2 Aktenvermerk vom 8.7.1908, Votum zum Projekt des Oberingenieurs Natale Tommasi für die Restaurierung des Castells del Buonconsiglio in Trient 2.2.3 Ausbildung von Denkmalpflegern. Vorschläge des Professors Dr. Dvoøák zur Einführung eines halbjährigen praktischen Kursus und einer Studienreise, 1913
789
793 794
794
2.2.4 Bericht pro April 1913
796
2.2.5 Vorschlag für Studienreise, 1913 2.2.6 Neues Programm für die praktische Heranbildung der kunsthistorischen und technischen Beamten der Zentralkommission
797 798
2.2.7 Bericht pro Mai 1913
799
2.2.8 Amtsbericht über Sparmaßnahme, 1913
799
Abbildungen
801
Bibliographie
810
Personenregister
832
Ortsregister
842
Abbildungsverzeichnis, Abbildungsnachweis
848
ZUM GELEIT
D
ie entscheidende Phase für die Entwicklung des modernen Denkmalschutzgedankens fällt zeitlich mit der geistigen Blüte Wiens in den Jahren „Um 1900“ zusammen. Es ist daher kein Wunder, dass in dieser Stadt auch auf dem Gebiet von Denkmalschutz und Denkmalpflege Grundlegendes und bis heute Gültiges gedacht und geschrieben wurde. Alois Riegl und Max Dvoøák sind die beiden bedeutendsten Exponenten einer neue Ideologie der Denkmalpflege, die sich sowohl vom Erbe des Historismus als auch des Nationalismus emanzipiert und eine autarke ideelle, humanistische Basis sucht. Während Alois Riegls gesammelte Schriften zur Denkmalpflege bereits 1995 in einer von Ernst Bacher kommentierten Ausgabe erschienen, fehlte bisher eine vergleichbare Arbeit zu seinem Nachfolger Max Dvoøák. Als Prof. Sandro Scarrocchia vor einigen Jahren an das Bundesdenkmalamt mit dem Vorschlag, sich dieser anspruchsvollen Aufgabe zu unterziehen, herantrat, haben wir freudig zugestimmt. Mit der nun vorliegenden Gesamtausgabe der einschlägigen Schriften Max Dvoøáks hat Scarrocchia diesem nachdenklichen Vordenker, bei dem sich überzeugtes und überzeugendes Engagement für die Denkmalpflege mit enormem kunsthistorischen Wissen und einer vornehm-zurückhaltenden Gesinnung und Sprache verband, ein bleibendes Denkmal gesetzt. Die Bedeutung Dvoøáks für die mitteleuropäische Denkmalpflege wird damit der interessierten Öffentlichkeit aufs Neue bewusst gemacht werden. Dr. Barbara Neubauer Präsidentin des Bundesdenkmalamtes
13
MAX DVOØÁK DENKMALPFLEGE ALS PRAKTISCHE REALISIERUNG DER KUNSTGESCHICHTE IN DER MODERNE
Max Dvoøák, einer der Protagonisten der sogenannten «Wiener Schule», zählt ohne Zweifel zu den Klassikern der Kunstgeschichte. Sein Werk erfuhr jedoch eine eigentümlich verschobene und partielle Aufnahme. Zu Lebzeiten war er vor allem durch die frühe Hauptschrift Das Rätsel der Kunst der Brüder Van Eyck (1903) bekannt, als Spätmittelalter-Experte von strenger formalistisch-entwicklungsgeschichtlicher Observanz. Sein Nachruhm gründet sich hingegen bis heute auf Kunstgeschichte als Geistesgeschichte (1923), eine postum edierte Sammlung von Texten seiner allerletzten Jahre, deren emphatisch übersteigerter Idealismus schon bald anachronistisch erschien. Mehr noch als in seinen Publikationen offenbarte sich Dvoøáks wissenschaftliche Originalität und Konsequenz aber wahrscheinlich in den von ihm von 1905 bis zu seinem Tod 1921 gehaltenen Vorlesungen. Ihre Manuskripte liest man heute wie das faszinierende Protokoll einer intellektuellen Krise und des Versuchs ihrer Überwindung. Dvoøák unterzog hier seine zunächst der Lehre von Franz Wickhoff und Alois Riegl verpflichtete methodische Position einer grundlegenden Selbstkritik. Deutlich wird dabei, wie sehr sein Blick auf die historische Kunst von der Erfahrung der sich ständig wandelnden Kunst seiner Gegenwart geprägt war. Das gilt nicht nur für die Neubewertung von «Verfallsstilen» wie dem Barock oder dem Manierismus, sondern für die Interpretation der nachantiken Kunstgeschichte insgesamt, die er jeweils «vom Standpunkt unserer Kunstentwicklung» – vom Impressionismus bis zu Expressionismus und Abstraktion fortschreitend – aktualisierte. Genau dieser intrinsische Bezug zur Moderne aber prägte, wie der vorliegende Band eindrucksvoll zeigt, nicht nur den Kunsthistoriker, sondern auch den Denkmalpfleger Dvoøák. Dvoøák wurde nicht nur an der Universität Wien Riegls Nachfolger, sondern 1905 auch als Generalkonservator der k.k. Zentralkommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale. Das Maßstab setzende Programm einer Reform der österreichischen Denkmalpflege, das Riegl kurz vor seinem Tod nur mehr skizzieren konnte, wurde erst von Dvoøák als «Vollstrecker seines Vermächtnisses» (Eva Frodl-Kraft) vorangetrieben. Dennoch hat Dvoøáks 16-jährige Tätigkeit für die Zentralkommission, für die er sich offenbar bis an die Grenzen der Belastbarkeit engagierte, bisher nicht die adäquate Aufmerksamkeit gefunden. Bekannter
14
wurde vor allem der 1916 erschienene Katechismus der Denkmalpflege und seine Bild und Gegenbild kontrastierende visuelle Rhetorik. Die (etwa in der HistorismusKritik) polemisch zugespitzten Beitexte vermitteln vom Denken des Denkmalpflegers Dvoøák allerdings nur eine reduktive Vorstellung. Auch die rezente wissenschaftsgeschichtliche Forschung zu Dvoøák als Kunsthistoriker blendet sein Wirken als Generalkonservator fast vollständig aus. Schon Ernst Bacher, der Herausgeber von Riegls Schriften zur Denkmalpflege (1995), hatte daher auch eine Edition der entsprechenden Texte Dvoøáks geplant, sein Vorhaben aber nicht mehr realisieren können. Dieses Vorhaben nun löst die neue Gesamtpublikation ein, die von Sandro Scarrocchia, einem anerkannten Historiographen der Kunstgeschichte und Denkmalpflege, nach intensiven Recherchen erarbeitet wurde. Damit wird nun endlich das Wirken eines der zentralen Vertreter der modernen Denkmalpflege zu Beginn des 20. Jahrhunderts zum ersten Mal in seiner ganzen Breite und Vielfalt dokumentiert. Versammelt sind hier natürlich Dvoøáks bis heute exemplarische Kommentare zu brisanten Restaurierungsprojekten wie jenen auf dem Krakauer Wawel oder im Diokletianspalast in Split. Man findet hier aber auch Reflexionen zu zahlreichen anderen damals wie heute aktuellen Fragen, zu Altstadterhaltung und Ensembleschutz, zu der durch Dvoøák begründeten «Österreichischen Kunsttopographie», der staatlichen Museumspolitik oder den juridischen Grundlagen der Denkmalpflege. Zu diesen aus wissenschaftlichen Organen und Tageszeitungen stammenden Texten Dvoøáks kommen hier durch Scarrocchia erstmals veröffentlichte Schriften. Hervorgehoben seien besonders die beiden 1906 bzw. 1910 gehaltenen Vorlesungen über Denkmalpflege, welche den anscheinend Fragment gebliebenen Aufsatz Denkmalkultus und Kunstentwicklung (1910) vorbereiten und die dort nur unvollständig überlieferte kritische Auseinandersetzung Dvoøáks mit Riegls Theorie der «Denkmalwerte» in wesentlichen Punkten überhaupt erst nachvollziehen lassen. Dass für die erste Ausgabe von Dvoøáks Denkmalpflege-Schriften mit Sandro Scarrocchia ein italienischer Forscher verantwortlich ist, der etwa auch zu Riegl schon grundlegende Studien verfasste, ist kein Zufall. Das in den letzten Jahrzehnten neu erwachte Interesse an der Modernität der Wiener Kunstgeschichte um 1900 ging ja zu einem nicht geringen Teil gerade von Italien – und hier nicht nur von Fachhistorikern, sondern auch von Philosophen und Architekten – aus. Und wie Scarrocchia in seiner Einleitung wiederholt ausführt, bedeutete auch für die italienische Denkmalpflegedebatte Dvoøák (und Riegl) eine wichtige Referenz. Scarrocchias diesem Band vorangestellter Text Denkmalpflege und Moderne, der alle hier veröffentlichten Schriften Dvoøáks auf erhellende Weise in ihren Denkfiguren analysiert und in ihren ideengeschichtlichen Kontext einordnet, ist weit mehr als eine erläuternde Einleitung, sondern besitzt in Umfang wie Gehalt den Charakter einer veritablen Monographie. Ihr soll nicht vorgegriffen werden. Aus den vielen neuen Erkenntnissen sei hier nur eine entscheidende Schlussfolgerung hervorgehoben: Scarrocchia sieht
15
den Konservator Dvoøák ebenso von der ästhetischen Kultur der Moderne geprägt, wie dies auch für den Kunstwissenschaftler gilt. Interpretierte dieser die vergangene Entwicklung jeweils aus einer Gegenwartsperspektive, so war für den Denkmalpfleger Dvoøák das Verhältnis von Altem und Neuem die zentrale Frage. Das angestrebte «harmonische Gesamtbild» sollte ihm zufolge dabei nicht durch stilreine Anpassung, sondern im Dialog zwischen einer selbstbewussten Moderne und der in ihrer Authentizität bewahrten Geschichte entstehen. Nicht zufällig widmete Dvoøák der die überkommene Struktur beibehaltenden, aber gleichzeitig in eine originelle neue Fassung bringenden Restaurierung der Lateranskirche durch Francesco Borromini eine programmatische Studie; den eigenschöpferischen, nicht sklavisch Regeln befolgenden Barock verstand er als der Moderne wesensverwandt. Nach Scarrocchias scharfsinnigen Analysen wird man Dvoøáks kunsthistorische Arbeiten also nicht mehr wie bislang von seinen Interessen als Konservator einfach trennen können. Dvoøák verstand Denkmalpflege als konkrete Fortführung und Vollendung seiner akademischen Forschung, als «angewandte Wissenschaft» (Otto Benesch), als eine in der Gegenwart kultur- und gesellschaftspolitisch intervenierende Kunstgeschichte. Die Widersprüchlichkeit dieser Haltung zeigt sich, wenn er Otto Wagners Museumsneubau neben der Wiener Karlskirche ablehnt, aber das pathetisch-monumentale Turmneubauprojekt von Bruno Schmitz für den Freiberger Dom befürwortet. Entscheidend blieb es für Dvoøák jedoch, zwischen der modern-aktualisierenden Perspektive einerseits und der Alterität der historischen Kunst andererseits die Spannung zu halten. Wie er 1914 schrieb, erhoffte er sich die «Stärkung unseres eigenen künstlerischen Gegenwartsbewusstseins» gerade durch die Fremdheit der vergangenen Kunst. Diese gelte es durch die Wissenschaft in ihrem Eigenwert anzuerkennen und – so muss man nach der Lektüre von Dvoøáks Schriften in diesem Band ergänzen – durch die Denkmalpflege zu bewahren. Hans Aurenhammer (Frankfurt am Main)
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DANKSAGUNG
M
ein aufrichtiger Dank geht an die Leitung des Instituts für Kunstgeschichte der Universität Wien, die es mir gestattete, Dvoøáks Manuskripte, die die Denkmalpflege und Gartenkunst betreffen, herauszugeben. Insbesondere danke ich Hans Aurenhammer, der seinerzeit für die Bewahrung des Nachlasses von Max Dvoøák verantwortlich war. Aurenhammer verdanke ich die wissenschaftliche und persönliche Unterstützung des gesamten Veröffentlichungsprojektes und Georg Wilhelm Rizzi, dem ehem. Präsidenten des österreichischen Bundesdenkmalamtes, die Bereitschaft, es zu akzeptieren und sich persönlich dafür einzusetzen. Besonders verbunden bin ich auch Frau Präsidentin Neubauer für die Realisierung des Projektes. Die Arbeit wäre ohne die aktive Unterstützung der Wiener Freunde und Kollegen, insbesondere des ehemaligen Leiters des Archivs am Bundesdenkmalamt, Theodor Brückler, nicht möglich gewesen, der mir Material aus dem Archiv zur Verfügung stellte und mir riet, mich bei meiner Forschungsarbeit an das Österreichische Staatsarchiv, Kriegsarchiv in Wien zu wenden. Zu der besonderen Aufmerksamkeit, die ich der Stadt Split schenkte, fühlte ich mich nicht allein durch die Bedeutung verpflichtet, die der Stadt in der Denkmalpflege zukommt, sondern auch durch die Verehrung, die Ivo Babiæ, Joško Belamariæ, Jerko und Tomislav Marasoviæ, Mirko Petriæ, Tomislav Lerotiæ und Ingrid Brock der Stadt entgegenbringen und die sie mir vermittelt haben. Die Rekonstruktion der Geschichte des Wawels, die sowohl für die polnische Nation als auch für ihre Kulturhauptstadt Krakau eine bedeutende Rolle spielt, ist das Ergebnis von zwei Aufenthalten im Jahr 2003. Diese Arbeit wäre ohne die Mitarbeit und außerordentliche Unterstützung der Kollegen der Fakultät für Erhaltung und Restaurierung von Kunstwerken der Kunstakademie «Jan Matejko» nicht möglich gewesen. Ich bin deshalb Gra¿ina Korpal, Maria Ragó¿, Pawe³ Penkakowski, W³adis³aw Zalewski, Bogus³ Krasnowolski, Ireneusz P³uska zu besonderem Dank verpflichtet. Außerdem bedanke ich mich bei der Direktion des Schlosses für ihr Interesse und ihre Hilfsbereitschaft, insbesondere bei Krysztof CzyŸewski und Jadwiga Gwizda³ aus dem historischen Archiv sowie bei der Bibliotheksdirektion. Weiters bin ich Jiøì Špaèek, Zuzana Güllendi-Cimprichová, Jiøí KríŞek und Ing. Petr Chotebor, Architekt der Denkmalpflegeabteilung im Büro des Präsidenten der tschechischen Republik, für ihr kollegiales Entgegenkommen verbunden. Zu besonderem Dank fühle ich mich Mimma Primerano, Pino Mantovani, Alberto Giorgio Cassani und Gianni Contessi verpflichtet, die das Manuskript mit großer Geduld durchlasen, und Gisela Jaager, ohne deren freundliche Mitarbeit die Endfassung meines deutschen Textes nicht zustande gekommen wäre.
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Georg Mörsch, der hervorragenden Persönlichkeit der deutschen Denkmalpflege, Andrea Emiliani, dem Eckpfeiler der italienischen Denkmalkultur, und Marco Dezzi Bardeschi, dem Präsidenten von ICOMOS-Italia, verdanke ich fachliche Anregungen und freundliche Unterstützung. Ihnen allen möchte ich dafür meine tiefe Dankbarkeit aussprechen. Ernst Bacher, der schon als Generalkonservator des österreichischen Bundesdenkmalamtes die Absicht hatte, Dvoøáks Werk als Denkmalpfleger zusammenzufassen, hat das Forschungsprojekt von Anfang an gefördert. Leider hat er das Manuskript erst kurz vor seinem plötzlichen Tod erhalten. In tiefer, freundschaftlicher Verbundenheit widme ich meine Arbeit seinem Gedenken. Sandro Scarrocchia
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EINLEITENDE BEMERKUNGEN
D
ie Kunstgeschichte, mit Ausnahme der monographischen Ausgabe eines Sonderhefts der Österreichischen Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege (ÖZKD) aus dem Jahr 19741, ignorierte sehr lange den Beitrag, den Max Dvoøák als Verantwortlicher der staatlichen österreichischen Denkmalpflege leistete. Abgesehen von dieser Tatsache, die nicht nur Dvoøák betrifft, sondern ebenso viele seiner Lehrer und Kollegen, die für die Kultur des 19. Jahrhunderts von gleich großer Bedeutung sind, wie beispielsweise Alois Riegl, Paul Clemen, Cornelius Gurlitt, Hans Tietze und Dagobert Frey, stellt sich die Frage nach den Gründen, die heutzutage zu einer Neuinterpretation seines Werkes führen. Dvoøák wird in der Geschichte der Denkmalpflege zusammen mit seinem Lehrer und Vorläufer Alois Riegl als der Begründer der Disziplin genannt. Man weiß jedoch so viel wie nichts von der Rolle, die er tatsächlich innerhalb der Institutionalisierung und Konsolidierung der Disziplin spielte. Mit Ausnahme seines populären Katechismus der Denkmalpflege (Katechismus) aus dem Jahr 1914, bei dem man sowohl die Motive als auch den Kontext und die Absichten ignorierte, die zu seiner Abfassung führten, ist der Rest seiner Schriften zur Denkmalpflege in Vergessenheit geraten. Die vergleichende Analyse dieses Textes mit Riegls entschieden umfangreicherem Text Entwurf einer gesetzlichen Organisation der Denkmalpflege in Österreich (aus dem Jahr 1903, er enthält die berühmte Schrift Der moderne Denkmalkultus) macht die absolute Überlegenheit des Lehrers und Kollegen in Bezug auf Kohärenz, Systematik und wissenschaftliche wie fachliche Relevanz des Beitrages deutlich. Auch die Übernahme von Riegls Bewertungssystem durch Dvoøák erscheint eher oberflächlich als substanziell. Das beweist: a) das Aufgeben der (in der fachlichen Theorie Riegls) grundlegenden Kategorie des «Alterswertes», unter dem der «Wert des Alten» schlechthin zu verstehen ist und der darin besteht, dass die Zeit in ihrem Vergehen Spuren hinterlässt, die von ihr Zeugnis ablegen. Es handelt sich also nicht nur um einen «Wert des Alters» und schon gar nicht um einen «Altertumswert», da letzterer Begriff zu dem Wertsystem einer Kunstgeschichte gehört, die die Geschichte im Allgemeinen in mehr oder weniger bedeutende Perioden einteilt und somit das genaue Gegenteil von Riegls Absichten ausdrückt, die in allen vom Menschen geschaffenen Werken das Denkmalhafte, d. h. den kulturellen und geistigen Wert hervorhebt, der ihnen als Zeugnissen der Zeit zukommt;
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Max Dvoøák. 1874–1921, in: ÖZKD, 28, 1974, H. 3.
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EINLEITENDE BEMERKUNGEN
b) die Verdammung der gesamten Periode des Historismus, die sich als weniger vorausschauend erwies als Riegls Intuitionen, die sich auf die Bedeutung der künstlerischen Ausdrucksweisen und auf die stilistischen Untersuchungen dieser Periode beschränkten. Außerdem steht diese Verdammung im Widerspruch zu der von der Wiener Schule erfolgreich ausgeübten Kritik am Konzept «Dekadenz». Sie war, kurz und gut, einfach unzutreffend. Dvoøáks Werk geht jedoch weit über den Katechismus hinaus. Es eröffnet neue didaktisch-pädagogische Horizonte für die Denkmalerhaltung insgesamt: Denkmale werden zu primären Dokumenten für die Geschichte, für das gemeinschaftliche historische Bewusstsein wie für die Bildung. Dvoøáks umfangreiches Schaffen stellt somit ein wesentliches Kapitel in der Geschichte und Kultur der Denkmalpflege dar, ein Kapitel, das zudem durch eine ausführliche, lebhafte, äußerst gebildete und mitreißende Prosa gekennzeichnet ist. Seine ausgezeichnete literarische Darstellungsweise kann heute noch als Vorbild dienen, um sich der von den Medien bewirkten Entmaterialisierung entgegenzusetzen, die das Kulturgut bedroht und die von Françoise Choay angeprangert wird, die übrigens Dvoøáks Beitrag in keinster Weise in Betracht zieht.2 Der bedeutendste und innovativste Aspekt von Dvoøáks Beitrag besteht jedoch darin, dass mit ihm die Denkmalpflege zum ersten Mal und im Gegensatz zu Riegls Postulat der «Unparteilichkeit der Denkmalpflege»3 für eine künstlerische Tendenz «Partei ergreift», und zwar nicht deshalb, weil Dvoøák weniger bewertungsneutral war als sein Lehrer (dem war zweifellos so), sondern weil sich der kulturelle Kontext verändert hatte. Die Widersprüche innerhalb der Moderne wurden deutlicher, es machten sich sogar Tendenzen bemerkbar, die das Verhältnis von Gegenwart, Geschichte und historischem Bewusstsein in Frage stellten. Dvoøák verzichtet nicht auf die Aufmerksamkeit, wie sie Riegl dem «modernen Kunstwollen» und der modernen Kunstforschung widmet, im Gegenteil, gerade weil er sich zu einer Richtung, und zwar zur klassischen Moderne vom Typ Schinkel – Messel – Loos bekennt4, teilt er die Auffassung, dass die Denkmalpflege in Fragen, die erneuernde Eingriffe in das Kulturgutes betreffen, nicht neutral bleiben kann. Indem sich Dvoøák auf die Seite der «New Tradition» stellt, der Begriff wurde 1929 von Henry-Russell Hitchcocks in seiner Arbeit Modern Architecture. Romanticism and Reintegration geprägt5, wird ein Aspekt der Analyse und Reflexion erschlossen, der für die moderne Denkmalpflege von ganz besonderem Interesse ist.
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F. CHOAY: Das architektonische Erbe. Eine Allegorie. Geschichte und Theorie der Baudenkmale, (Bauwelt Fundamente, 109), Braunschweig–Wiesbaden 1997. S. SCARROCCHIA: Introduzione, in: SCARROCCHIA 1995, S. 25–116 und SCARROCCHIA 2006. AURENHAMMER 1997. H.-R. HITCHCOCK: Modern Architecture. Romanticism and Reintegration, New York 1929.
EINLEITENDE BEMERKUNGEN
Er betrifft die Beziehung zwischen Altem und Neuem, d. h. den Dialog zwischen Erhaltung und neuer Architektur im historischen Kontext. Die vorliegende Arbeit beabsichtigt, diesen Aspekt zu analysieren und seine Auswirkungen auf dem Gebiet der Denkmalerhaltung und der Architektur eingehend zu untersuchen. Es ist für mich die größte Ehre, dass mein tiefes Interesse für die Geschichte des Denkmalschutzes in Österreich in der Veröffentlichung aller Schriften Max Dvoøáks zur Denkmalpflege seinen Ausdruck finden darf. Mit dieser vorgelegten Schriftensammlung sollen seine Anliegen weiter getragen werden. Sandro Scarrocchia, Bergamo, 2003/04 (Revision Jänner 2007)
HINWEISE FÜR DIE BENUTZUNG Die Arbeiten am Manuskript Denkmalpflege und Moderne: Die Lehre Max Dvoøáks wurden von Sandro Scarrocchia schon 2003/04 abgeschlossen, der Text wurde
dann 2007 nochmals überarbeitet. Da die Bibliographie aber dem Stand von 2011 entsprechen sollte, waren Autor und Redaktion bemüht, auch die Fußnoten entsprechend zu aktualisieren. Was die publizierten Schriften Dvoøáks betrifft, hat man die Aufsätze gescannt, in lesbaren Text umgewandelt und mit minimalen Eingriffen (Streichung von Abbildungshinweisen etc.) in verändertem Satz wiedergegeben. Lediglich der Katechismus der Denkmalpflege erscheint als Faksimile-Druck. Hinsichtlich der Auswahl wurden nur diejenigen Arbeiten wieder abgedruckt und in die Bibliographie aufgenommen, die sich unmittelbar mit Fragen von Denkmalschutz und Denkmalpflege befassen. Eine Ausnahmen bilden die Texte Die Letzte Renaissance (Dvoøák 1912/2) und das Vorwort zu O. Kokoschka: Variationen über ein Thema (Dvoøák 1921/2), die wegen ihrer mehrfachen Erwähnung in der Arbeit Scarrocchias in die Bibliographie aufgenommen, aber, da sie sich mit kunsthistorischen Fragen beschäftigen, nicht wieder abgedruckt wurden. Die Anordnung der Texte entspricht einer inhaltlichen Gliederung, auf die auch in der (chronologisch geordneten) Bibliographie verwiesen wird. Wenn nicht anders vermerkt, wurden die Transkriptionen der nicht veröffentlichten Schriften von Gisela Jaager vorgenommen, weitere Angaben zur Vorgangsweise bei der Transkription finden sich in den entsprechenden Fußnoten. Der Druck erfolgt mit Genehmigung des Staatsarchivs, des Archivs des Trienter Castello del Buonconsiglio und des kunsthistorischen Institutes der Universität Wien. Orts- und Stadtnamen wurden generell in ihrer ursprünglichen Form belassen, doch wird im Register auf die heute gültigen Namen verwiesen.
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EINLEITENDE BEMERKUNGEN
Er betrifft die Beziehung zwischen Altem und Neuem, d. h. den Dialog zwischen Erhaltung und neuer Architektur im historischen Kontext. Die vorliegende Arbeit beabsichtigt, diesen Aspekt zu analysieren und seine Auswirkungen auf dem Gebiet der Denkmalerhaltung und der Architektur eingehend zu untersuchen. Es ist für mich die größte Ehre, dass mein tiefes Interesse für die Geschichte des Denkmalschutzes in Österreich in der Veröffentlichung aller Schriften Max Dvoøáks zur Denkmalpflege seinen Ausdruck finden darf. Mit dieser vorgelegten Schriftensammlung sollen seine Anliegen weiter getragen werden. Sandro Scarrocchia, Bergamo, 2003/04 (Revision Jänner 2007)
HINWEISE FÜR DIE BENUTZUNG Die Arbeiten am Manuskript Denkmalpflege und Moderne: Die Lehre Max Dvoøáks wurden von Sandro Scarrocchia schon 2003/04 abgeschlossen, der Text wurde
dann 2007 nochmals überarbeitet. Da die Bibliographie aber dem Stand von 2011 entsprechen sollte, waren Autor und Redaktion bemüht, auch die Fußnoten entsprechend zu aktualisieren. Was die publizierten Schriften Dvoøáks betrifft, hat man die Aufsätze gescannt, in lesbaren Text umgewandelt und mit minimalen Eingriffen (Streichung von Abbildungshinweisen etc.) in verändertem Satz wiedergegeben. Lediglich der Katechismus der Denkmalpflege erscheint als Faksimile-Druck. Hinsichtlich der Auswahl wurden nur diejenigen Arbeiten wieder abgedruckt und in die Bibliographie aufgenommen, die sich unmittelbar mit Fragen von Denkmalschutz und Denkmalpflege befassen. Eine Ausnahmen bilden die Texte Die Letzte Renaissance (Dvoøák 1912/2) und das Vorwort zu O. Kokoschka: Variationen über ein Thema (Dvoøák 1921/2), die wegen ihrer mehrfachen Erwähnung in der Arbeit Scarrocchias in die Bibliographie aufgenommen, aber, da sie sich mit kunsthistorischen Fragen beschäftigen, nicht wieder abgedruckt wurden. Die Anordnung der Texte entspricht einer inhaltlichen Gliederung, auf die auch in der (chronologisch geordneten) Bibliographie verwiesen wird. Wenn nicht anders vermerkt, wurden die Transkriptionen der nicht veröffentlichten Schriften von Gisela Jaager vorgenommen, weitere Angaben zur Vorgangsweise bei der Transkription finden sich in den entsprechenden Fußnoten. Der Druck erfolgt mit Genehmigung des Staatsarchivs, des Archivs des Trienter Castello del Buonconsiglio und des kunsthistorischen Institutes der Universität Wien. Orts- und Stadtnamen wurden generell in ihrer ursprünglichen Form belassen, doch wird im Register auf die heute gültigen Namen verwiesen.
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Sandro Scarrocchia I. MAX DVOØAK: DIE KUNSTGESCHICHTE UND DIE KULTUR DER DENKMALPFLEGE 1. BIOGRAPHISCHE UMRISSE: GEOGRAPHISCHER
UND KULTURELLER
HINTERGRUND
Max Dvoøák stehend, elegant gekleidet, dunkler Anzug, weißes Hemd, Fliege, Hände auf die Stuhllehne gestützt, intensiver Blick, gutmütiger Ausdruck, Haltung der Ermüdung: Das ist das fotografische Portrait, wie es uns in der Bildergalerie der Begründer der Disziplin in vielen Universitätsinstituten für Kunstgeschichte oder auch von den Wänden wichtiger Fachbibliotheken entgegenblickt. Max Dvoøák wurde am 14. Mai 1874 in Raudnitz an der Elbe (Roudnice nad Labem) als Sohn des Archivars und Bibliothekars des Fürsten von Lobkowitz geboren.6 Er verbrachte seine Kindheit auf dem Schloss der adeligen Familie, wo er alle Vorteile einer aristokratischen Erziehung und einer höfischen Kultur genoss, die für ihn auch auf künstlerischer, literarischer, musikalischer und nicht zuletzt auch national-patriotischer Ebene von Bedeutung war. Die Familie hatte, obwohl sie vom Land stammte, und zwar aus Javornice bei Rychnov in Ostböhmen, keinen bäuerlicher Hintergrund. Dvoøáks Beamteneleganz und sein professoraler Charme sind eher anthropologische und geographische Merkmale dieses genius loci.7 An der Universität Prag bildete er sich unter Professor Jaroslav Goll (1846–1929) zum Historiker aus. Goll war nicht nur ein bedeutender Mediävist und Kenner der böhmischen Literatur in Europa, sondern auch ein Freund des Schriftstellers Jan Neruda und Übersetzer des polnischen Nationalepos Pan Tadeusz des Dichters Adam Mickiewiecz. Aus der Gollschen Schule, die vom Selbstbewusstsein einer Studentengeneration gekennzeichnet war, die stark auf die böhmische Nationalgeschichte einwirken sollte, gingen auch Dvoøáks Freunde Josef Pekaø und Josef Susa hervor, sowie sein ältester Prager Schüler Jaroslav Helfert (1883–1972), Enkel von Josef Alexander Freiherr von Helfert, einem der Begrün-
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Der namensgleiche Vater Max Dvoøák verfasste u. a. drei wichtige historiographische Schriften auf deutsch: Geschichte des Raudnitzer Schloß-Baues 1652–1684 als Beitrag zur Geschichte der Preise für die Collectiv-Ausstellung der Handels- und Gewerbekammer in Prag. Prag 1873; Maria Loretto am Hradschin zu Prag, Prag 1883 bzw. Briefe Kaiser Leopold I. an Wenzel Euseb Herzog in Schlesien zu Sagan, Fürsten von Lobkowitz 1657–1674. Nach den Originalen des Fürstlich von Lobkowitz'schen Familienarchives zu Raudnitz an der Elbe in Böhmen, in: Archiv für österreichische Geschichte, 80, 1894, S. 459–514. Als solchen stellte ihn H. Rokyta, der Dvoøák für den größten europäischen Kunsthistoriker seiner Zeit hielt, in seiner Biographie auf überschwängliche Art dar; s. ROKYTA 1974.
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1. | BIOGRAPHISCHE UMRISSE: GEOGRAPHISCHER
UND KULTURELLER
HINTERGRUND
der der staatlichen österreichischen Denkmalpflege, und Antonin Matìjèek (1889– 1950), sein jüngster Schüler und Mitarbeiter in der ZK, eine der bedeutendsten Gestalten des Prager Kulturlebens zwischen den beiden Weltkriegen. Diesen Lehrjahren verdanken wir eine Reihe historischer Studien, deren Höhepunkt die Monographie bildet, die der Bibliothek des Augustinerklosters von Raudnitz gewidmet und 1900 veröffentlicht wurde. Wie viele seiner Landsmänner und die meisten Schüler von Goll studierte auch Dvoøák am Wiener Institut für Österreichische Geschichtsforschung, wo er Schüler von Wickhoff und Riegl war. Er wurde dort nicht nur Wickhoffs Lieblingsschüler und Assistent, sondern auch Riegls Nachfolger auf dem zweiten Lehrstuhl für Kunstgeschichte nach dessen frühem Tod im Jahre 1905. Von Riegl übernahm er auch die Verpflichtungen in der staatlichen Denkmalpflege, die er bis an sein Lebensende wahrnahm, ohne deshalb seine Lehrtätigkeit aufzugeben. In seiner kritischen Geschichtsschreibung lassen sich, grob gesehen, zwei Perioden unterscheiden. Die erste betrifft die zum 50. Geburtstag von Wickhoff geschriebene Studie zu den Sarkophagen der Nekropolis Les Aliscans bei Arles, Studien zu den byzantinischen Einflüssen in der Miniaturmalerei des Trecento sowie zu Giottos Einfluss jenseits der Alpen, besonders auf jene Miniaturmaler, die unter Johannes von Neumarkt, dem Kanzler Karl IV., in Prag gewirkt hatten. Diese Studienserie gipfelt in der berühmten Abhandlung aus dem Jahr 1903 Das Rätsel der Brüder von Eyck. Abgesehen davon, dass er als Kenner in Anlehnung an die Methode Morellis, die in der Wiener Schule große Beachtung gefunden hatte,8 in dem Altarbild von Gent jeweils die Handschrift von Hubert und Jan auszumachen vermochte, rekonstruiert er in dem Text den Einfluss der französischen Miniaturmalerei des frühen 14. Jahrhunderts auf den flämischen Naturalismus. Als lebendige Quelle dieser französischen Miniaturmalerei weist er wiederum auf die italienische darstellende Kunst des 13. Jahrhunderts hin. Artur Rosenauer betonte, dass die Herleitung der Kunst der Brüder Van Eyck aus dem vorangehenden Naturalismus weniger befriedigend und weniger gelungen sei als Riegls Argumentation in dessen monographischer Schrift über das Gruppenportrait,9 in der die Kunst Rembrandts
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Vgl. G. C. SCIOLLA: Il metodo morelliano e la «Scuola di Vienna» 1880–1915. Una traccia di ricerca, in: Giovanni Morelli e la cultura dei conoscitori 1880–1915, G. Agosti (Hrsg.), Kongressakt Bergamo 1987, Bergamo 1993, Bd. 2, S. 371–387; A. ROSENAUER: Giovanni Morelli und Franz Wickhoff, ebenda, S. 359–370; S. SCARROCCHIA: Due commentatori del metodo morelliano. Dollmayr e Patrizi, ebenda, S. 409–426. Von Bedeutung ist der bei dieser Gelegenheit stattgefundene Meinungsaustausch zwischen A. Rosenauer und C. Ginzburg über die morellianische Methode und die historische Forschung; vgl. Dibattito, ebenda, S. 431–432 bzw. S. 444–445. A. ROSENAUER: Das Rätsel der Kunst der Brüder Van Eyck. Max Dvoøák und seine Stellung zu Wickhoff und Riegl, in: Wien und die Entwicklung der kunsthistorischen Methode. (Akten des XXV. internationalen Kongresses für Kunstgeschichte, 1), Kongressakt Wien 1983, Wien–Graz–Köln 1984, S. 45–52. SWOBODA 1974, S. 79. Ebenda.
DIE KUNSTGESCHICHTE
UND DIE
KULTUR
DER
DENKMALPFLEGE | I.
als das Ergebnis der holländischen Malerei des 16. Jahrhunderts betrachtet wird. Dvoøáks Untersuchung konzentriert sich jedoch auf spezielle Momente der Veränderung, wobei er den historischen, sozialen und kulturellen Zusammenhang im Auge behält. Somit wird Riegls Doktrin nicht aufgegeben, sondern zu einer Interpretation des Kunstwerkes und seiner Bedeutungen erweitert, die mit den zeitgenössischen Kunstbewegungen im Einklang steht. Rosenauer weist außerdem darauf hin, dass die Prägnanz von Riegls Definitionen so zwar verloren gehen könne, der erschlossene hermeneutische Horizont jedoch nichts von seiner Aktualität verliere. Die zweite Periode beginnt mit der Abhandlung Idealismus und Naturalismus in der gotischen Skulptur und Malerei aus dem Jahr 1918, deren Inhalt schon in einem Vorlesungszyklus enthalten war, und endet schon drei Jahre später mit Dvoøáks plötzlichem frühem Tod. Die Abhandlung bedeutet eine Art Wendepunkt in Dvoøáks historiographischer Einstellung und ist gekennzeichnet durch das Aufgeben des Naturalismus – insofern dieser eine durchgehende Tendenz in der Entwicklung der Kunst darstellt – und die Bejahung des Idealismus, der, wie Karl Maria Swoboda sagte, «eine Vorstellung» sei, nach der «es immer wieder Epochen in der Geschichte der Kunst gibt, in denen an Stelle der Objektivierung schöner natürlicher Verhältnisse im Kunstwerk die Tendenz überwiegt, den Ausdruck psychischer Gehalte, die die Menschen jeweilig bewegen, zur primären Aufgabe der künstlerischen Gestaltung zu machen».10 Unter diesem Gesichtspunkt, der das subjektiv Geistige hervorhebt, welches der Epoche eigen ist, und in und mit dem künstlerischen Schaffen anthropologische, soziale und kulturelle Bezüge enthüllt, die dazu beitragen, die entsprechende Weltanschauung zu definieren und historisch herauszubilden, widmet sich Dvoøák – nachdem er Romanik und Gotik als Kunstperioden, die der goldenen Zeit der Vergangenheit entsprechen, die gebührende Ehre erwiesen hat – dem Studium einer Zeit der Krise und der Veränderung: der späten Renaissance und den Anfängen des Barock. Es entstehen so seine grundlegenden und bahnbrechenden Schriften über den späten Michelangelo, über Tintoretto, Brueghel und El Greco, die den Manierismus neu bewerteten und posthum von seinen Schülern Swoboda und Johannes Wilde unter dem Titel Kunstgeschichte als Geistesgeschichte zusammengefasst wurden. Swoboda weist im Besonderen darauf hin, dass dieses Werk eine epistemologische Wende bedeutet: «Es ergab sich damit eine ganz neue Methode der Kunstbetrachtung, in welcher der Gegenstand nicht mehr ein bloßes überflüssiges Anhängsel des Kunstwerks ist, sondern die besondere Formung aus der besonderen Auffassung des Gegenstandes verstanden wird. Damit war zugleich die Welt der Kunstwerke in einer neuen, unmittelbaren Weise mit dem übrigen geschichtlichen Geschehen voll unabhängiger, isolierter Vorgang».11 Diese Wende bildet die Grundlage für die weitere methodologische und historiographische Entwicklung von Ikonographie und Ikonologie. Zwischen der ersten und der zweiten Periode übt Dvoøák unermüdlich seine Tätigkeit als Generalkonservator der österreichischen Denkmalbehörde aus. Sie findet ihren Niederschlag zum Teil in kurzen Äußerungen, wie den Abschnitten Monu-
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1. | BIOGRAPHISCHE UMRISSE: GEOGRAPHISCHER
UND KULTURELLER
HINTERGRUND
menta deperdita in den Mitteilungen der k. k. Zentral-Kommission für Denkmalpflege (Mitteilungen), die Bauwerken oder monumentalen Komplexen, denen der endgültige Verfall drohte, gewidmet waren –, größtenteils aber in detaillierten Berichten, die als echte Beweisaufnahmen zu Problemen der Restaurierung und Denkmalpflege in ihrer ganzen Komplexität betrachtet werden können. Dazu gehören die verschiedenen Beiträge zur Rettung der Wiener Altstadt, zur Erhaltung des Diokletianspalastes in Split und zur Restaurierung des Wawel in Krakau. In den 15 Jahren, die dem Ersten Weltkrieg vorausgehen, arbeitet Dvoøák die institutionelle Neuorganisation der kaiserlichen Denkmalpflege und das Statut des kunsthistorischen Institutes des Zentralamtes aus. 1907 beginnt er mit der Abfassung der Österreichischen Kunsttopographie. Es gelingt ihm, auch dank der außerordentlichen Mitarbeit von Hans Tietze, eine imponierende Zahl von Bänden zu veröffentlichen, die die Bewunderung einer angesehenen Persönlichkeit wie Paul Clemen hervorrief. Auf Wunsch des Thronfolgers Franz Ferdinand, der die gesamte Tätigkeit der Denkmalpflege unter die Obhut seiner Militärkanzlei stellte, verfasst er das «Vademecum» Katechismus der Denkmalpflege, ein erfolgreiches Brevier, das in ganz Europa großes Ansehen genoss und in den 1970er Jahren neue Bedeutung erlangte. Dvoøák wird Mitbegründer der Denkmäler der Deutschen Kunst, Herausgeber von Wickhoffs Katalog der österreichischen Miniaturen sowie der Kunstgeschichtlichen Anzeigen, die ebenfalls von Wickhoff ins Leben gerufen worden waren. Außerdem koordiniert er unermüdlich die Maßnahmen zur Rettung der Kunstschätze vor Kriegsschäden. All das bezeugt ein überaus aktives Leben, das keine Schonung kennt. Nach Kriegsende beschließt Dvoøák angesichts der unklaren Situation in der neuen tschechoslowakischen Republik und trotz eines Angebotes seitens der Universität Köln, das seine finanziellen Sorgen sicherlich hätte verringern können, in Wien zu bleiben. Er betrachtet sich als einen böhmischen Österreicher, der seinen Briefverkehr und seine Freundschaften weiter in tschechischer Sprache pflegt und gleichzeitig für seine Studien und sein öffentliches Auftreten das Hochdeutsch eines Universitätsprofessors benutzt. Schon bei seiner Ernennung zum Ordinarius protestierten nationalistische österreichische Studenten gegen ihn, während die böhmisch-österreichischen Studenten, die ihm herzlich zugetan waren, ihn in seinen Vorlesungen öffentlich verteidigten.12 Insbesondere gelang es einem seiner Schüler, dem Grafen Khuen-Belasi, Dvoøáks prekäre finanzielle Situation zu verbessern, indem er ihm eine sichere Unterkunft zum Studium und zur Erholung auf Schloss Emmahof (Emín zamék) in Grußbach bei Znaim (Hrušovany nad Jevišovkou), unmittelbar hinter der Grenze, verschaffte. Hugo Rokyta berichtet, in Anlehnung an Jaroslav Helferts Erinnerungen, dass Dvoøák so zu einem wöchentlichen «Grenzgänger» wurde. Nach dem Schwächeanfall, den er während einer seiner Vorlesungen über die Spätrenaissance und den Manierismus erleidet, wird er sofort auf das Schloss gebracht, wo er am 8. Februar 1921 stirbt. Der Rückblick auf ein kurzes,
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So J. A. von Helfert in: ROKYTA 1974, S. 89.
DIE KUNSTGESCHICHTE
UND DIE
KULTUR
DER
DENKMALPFLEGE | I.
aber intensives Leben macht seine existenzielle Situation voller persönlicher, geistiger und kultureller Schwierigkeiten deutlich, deren anthropologischer und geographischer Hintergrund nach der Kriegskatastrophe von tiefgehenden Veränderungen gekennzeichnet ist. Die mährische Landschaft, die Dvoøák zuletzt genießen durfte, mag dazu beigetragen haben, den Schmerz seines böhmischen Herzens zu lindern. Zu den letzten Darlegungen von Max Dvoøák gehören das Vorwort zu einer Sammlung von Zeichnungen Oskar Kokoschkas und der Beitrag zum Denkmalpflegetag 1920 in Bregenz. Beide Arbeiten wurden posthum veröffentlicht. Es handelt sich um zwei bedeutende Schriften, die das Interesse für die zeitgenössische Kunst eng mit der Denkmalpflege als Institution und Bewegung verbinden.13 Die erste Arbeit ist einer Reihe von Portraits gewidmet, die Kamilla Swoboda, die Frau des Dvoøákschülers Karl Maria Swoboda, darstellen, während sie dem Klaviervortrag ihres Mannes zuhört. Kokoschka gab ihnen den Titel «Variationen über ein Thema». Dvoøák betrachtete diese Kohlezeichnungen als Übergang zum Geistigen in der Kunst und als Ausdruck des deutschen Neoidealismus. Tietze, der das großformatige Mappenwerk rezensierte, das der Begegnung des großen Vertreters der expressionistischen Kunst mit dem Gelehrten huldigt, jener Tietze also, der mehr als jeder andere den Weg zur kritischen Aufnahme Kokoschkas bereitet hatte, sieht in der Tatsache, dass Dvoøák verstorben ist und Kokoschka die Stadt verlassen hat, ein Zeichen für den drohenden Untergang der Wiener Kultur: «Der eine flieht, der andere fällt; die Verteidigung Wiens siegt und unterliegt mit den Begabungen, die sich ihrer annehmen.»14 Dvoøáks Beitrag auf der Bregenzer Tagung stellt eine Art Testament dar, in welchem er auf die ideelle, kulturelle und ethische Bedeutung der Denkmalpflege abzielt, wobei er sich bewusst gegen Materialismus und Vorherrschaft der Technik stellt. Er gibt der Hoffnung Ausdruck, dass die «Forderungen und Gründe der Denkmalpflege [sich] in allgemeine Gesinnung verwandeln [werden] und aus dem Samen des Denkmalschutzes [...] der Baum einer neuen Pietät emporwachsen [wird].»15
2. «WIENER EPITAPHE» In den Gedenkschriften von Schülern und Kollegen wird der Beitrag, den Dvoøák zur zunehmenden institutionellen Bedeutung der Denkmalpflege lieferte, als ein wichtiges Werkzeug der Kunst- und Architekturgeschichte hervorgehoben: «So haben Riegl und Dvoøák das österreichische Denkmalwesen auf eine Höhe gebracht, in der es zur Lehrmeisterin Europas wurde, nicht nur wissenschaftlich-theoretisch,
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DVOØÁK 1921/2 bzw. DVOØÁK 1920/3. Der Beitrag aus 1920 hier abgedruckt als Text I.7.13, S. 721. H. TIETZE: Oskar Kokoschka. Variationen über ein Thema. (Rezension von 1921), in: Oskar Kokoschka. Das Konzert. Variationen über ein Thema. Hommage à Kamilla Swoboda, Reinhold Bethusy-Huc (Hrsg.), Salzburg 1988, S. 33. DVOØÁK 1920/3, S. 97.
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2. | « WIENER EPITAPHE»
sondern auch praktisch. Es war das klassische Zeitalter dieser Institution».16 Darüber hinaus betont Otto Benesch in der seinem Lehrer gewidmeten Biographie die Affinität der beiden Gelehrten in der engen Verbindung von historiographischer Forschung und Denkmalpflege: «Riegl, bei dem die philosophische Veranlagung überwog, bezeichnete in seiner theoretischen Schrift Der moderne Denkmalkultus den alle Geschichtszeugnisse verbindenden Alterswert schlechthin als ideelle Begründung der Denkmalpflege. Dvoøák, bei dem die künstlerische Veranlagung überwog, sah in der Denkmalpflege das vornehmste Instrument der Erhaltung stets lebendiger und gegenwärtiger künstlerischer Werte.»17 Für Dvoøák wie für Riegl stellt das organisatorische, pädagogische, didaktische und publizistische Engagement auf dem Gebiet der Denkmalpflege ein Ganzes dar, das nicht von der Arbeit als Kunsthistoriker und Kritiker zu trennen ist und das von der Malerei zur Gartenkunst, von der Sammlertätigkeit zur Architektur, vom häuslichen Ambiente der aristokratischen Residenzen der verschieden Länder des Kaiserreiches zu den Städten und Landschaften seiner Territorien reicht. Diese Anerkennung veranlasst Julius von Schlosser dazu, in seinem Nachruf auf Dvoøák in der Zeitung der Akademie der Wissenschaften, auf die unglaubliche Menge seiner «weniger bedeutenden» Schriften aufmerksam zu machen: «Seine Forschertätigkeit ist mit seiner Tätigkeit als Lehrer und Denkmalpfleger derart verwachsen gewesen, daß sie davon, mag sie auch manche Hemmung dadurch erfahren haben, nicht zu trennen ist.»18 Hans Tietze ist noch apodiktischer und präziser in seiner Definition dieser Verbindung und in der Bedeutung dieser Unterscheidung. Zwischen der ersten Periode, also zu Lebzeiten von Wickhoff und Riegl, und der zweiten, in der Dvoøák sowohl die Lehrtätigkeit als auch die Verantwortung für die Denkmalpflege übernimmt, habe er sich in einer tiefen Krise befunden. Das Konzept, auf welches sich die Tradition der Wiener Schule gründet, wonach die Beurteilung eines Stils mit der Rekonstruktion aller inneren Charakteristika einer Formgestalt in ihrer historischen Evolution zusammenfällt, habe sich als prekär erwiesen, da die evolutionistische Interpretation die Intuition voraussetze. Nicht zufällig habe Riegl seinen Positivismus einen teleologischen genannt und für seine Forschungen den Begriff «Stil» durch den neuen Begriff «Kunstwollen» ersetzt. Dieser Begriff sollte in den theoretisch-methodologischen Debatten der zwanziger und dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts, die unter Neoidealisten und Neokantianern geführt wurden, eine wesentliche Rolle spielen. Es handelte sich darum, einen Ausweg aus dem Historismus oder eine Erweiterung desselben zu finden. Als Möglichkeiten zeichneten sich am Horizont die Theorie der reinen Anschauung und die Kunstphilosophie ab. In beiden Fällen ginge entweder die Verbindung mit der Weltanschauung und der so-
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BENESCH 1957, S. 194. Ebenda, S. 193. SCHLOSSER 1921, S. 255.
DIE KUNSTGESCHICHTE
UND DIE
KULTUR
DER
DENKMALPFLEGE | I.
zialen Gesamtheit verloren oder das Gebiet der Kunst wurde zugunsten seiner Grundbegriffe verlassen. An diesem Scheideweg verweist Tietze auf die Bedeutung der Denkmalpflege. «Gerade die Denkmalpflege rückt das alte Grundproblem in ein neues Licht; hier sind Individualität des Kunstwerkes und seine Aufgabe als Ausdruck vielfach verquickter Geistigkeiten verknotet und versöhnt. Hier gibt es keine Hälften, sondern nur ein Ganzes; das Ganze, das auf einmal im Gefühl gefaßt werden kann. Kunst ist weder Form noch Begriff; die Probleme der Anschaulichkeit und der philosophische Dogmatismus lösen sich in der höchsten historischen Einstellung, die der Erfassung der gesamten herrschenden Geistigkeit gilt.»19 Nach Tietze verläuft der Übergang vom frühen Dvoøák zum späten auf dem Gebiet der Denkmalpflege. Die Wiederzusammenführung der traditionellen Wiener kunsthistorischen Forschung und der deutschen neoidealistischen Bewegung vollzieht sich dank Dvoøák und reift innerhalb (oder dank) seines Wirkens auf dem Gebiet der Denkmalpflege heran.20 Der Nachruf, den Dvoøák Riegl widmete, bekommt daher eine Bedeutung, die weit über die bloße Anerkennung der bahnbrechenden Arbeit hinausgeht, die Riegl für die Zukunft der staatlichen österreichischen Denkmalpflege geleistet hatte. Er gibt Aufschluss über seinen Autor und über die Bedeutung, die die Denkmalpflege für diesen hatte, d. h. über die Auseinandersetzung der zeitgenössischen Kunst mit allen Manifestationen der Kunst der Vergangenheit. «Wer das bunte Kunsttreiben unserer Zeit unter dem Gesichtspunkte eines, gleichgültig ob höheren oder niedrigeren Kunstgeschmackes betrachtet, dem entschwindet das, was allen Kunstbetrachtungen unserer Zeit zugrunde liegt, doch leicht wird das Verknüpfende, den gemeinsamen Stil, entdecken, wer die Kunsterscheinungen auf ihre gemeinsame geschichtliche Grundlage zurückzuführen vermag. So war es auch bei Riegl, der im Anschlusse an seine universalgeschichtliche Auffassung der einheitlichen Kunstentwicklung auch für die modernste Kunst einen ihrer wesentlichsten Charakterzüge, der ihr überall in allen ihren Erscheinungen zugrunde liegt, so verschiedenartig sie auch sein möge, und der sie von allen vergangenen Kunstperioden scharf unterscheidet, klargelegt hat. Es handelt sich dabei um das Verhältnis der Kunst und der Menschen älteren Kunstperioden gegenüber». Er fährt später fort: «Man lernte einsehen, daß es sich in unserem Verhältnisse zur alten Kunst nicht darum handelt, dieses oder jenes angebliche goldene Zeitalter der Kunst, wie es die dogmatische Forschung und Kunst beabsichtigte, der Gegenwart zu oktroyieren und alten Kunstwerken nur so weit Wert beizulegen, als sie restauriert und ergänzt als Spezimina der Kunst jener Zeitalter betrachtet werden können, sondern darum, daß die alten Kunstwerke einen Schatz von künstlerischen Potenzen enthalten, die nicht als Prin-
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TIETZE 1921, S. 443. M. Seiler bietet einen Überblick über das Verhältnis von Realismus und Idealismus in der Wiener Schule für Kunstgeschichte mit Bezug auf die Wiederaufnahme von Riegls Konzept des Kunstwollens durch Dvoøák, Tietze, Schlosser, Strzygowski; vgl. SEILER 2000. Mein Dank für den Hinweis gilt G. Vasold.
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3. | BEZIEHUNGEN
DER
WIENER SCHULE
DER
KUNSTGESCHICHTE
ZUR
DENKMALPFLEGE
zipien oder Regeln einer bestimmten Kunstlehre, nicht als Zeugnisse für die Vorzüge dieser oder jener Stilart, sondern, dank der Entwicklung der Kunst, in den letzten Jahrhunderten und im Spiegel unserer modernen Kunstempfindung ebenso unmittelbar zu unseren Herzen zu sprechen vermögen, wie die Natur selbst oder wie Kunstschöpfungen unserer Zeit, und eine Quelle von künstlerischen Sensationen bilden, die um so reichhaltiger und ungetrübter ist, je weniger in ihr das Vermächtnis der Zeiten durch einseitige moderne Interpretationen angetastet wurde. Das empfinden heute alle Leute von Geschmack und Bildung, doch niemand hat dieses Phänomen, vielleicht das wichtigste in der Geschichte der modernen Kunst, vor Riegl auf seine historischen Grundlagen zurückgeführt».21 Dvoøák ist überzeugt, dass Riegl auf diese Weise der Denkmalpflege den Platz wiedergibt, der ihr als bedeutender Ausdruck der zeitgenössischen Kunst gebührt. Die antinormative Kunstgeschichte ermöglicht einen direkten Dialog mit der Kunst der Vergangenheit, der Gegenwartsbezug in Bewegung und ständiger Erneuerung bedeutet. Ein solches System der Interpretation und Bewertung gestattet nicht, den materiellen Bestand von Kunstwerken der Vergangenheit im Namen einer hypostasierten Geschichtsauffassung zu verändern. Mit dieser neuen Auffassung der Kunstgeschichte beginnt sich ein Prozess der Autonomie der Denkmalpflege abzuzeichnen, wobei die Gültigkeit dieser Auffassung experimentell verifizierbar wird.
3. BEZIEHUNGEN DER WIENER SCHULE DER KUNSTGESCHICHTE VON DER JAHRHUNDERTWENDE BIS ZU DEN 1920ER JAHREN
ZUR
DENKMALPFLEGE
Die Gedenkschriften zu Riegls Tod machen von Anfang an auch Dvoøáks Distanz zu den philosophischen und ökonomisch-politischen Grundlagen der historiographischen Auffassungen seines Lehrmeisters deutlich: «Wie hätten auch Zimmermanns unproduktive Variationen auf die schon damals antiquierte Herbartsche Philosophie oder Büdingers mechanische Polyhistorie einen vorwärts strebenden Geist befriedigen können? Wenn eine Spur dieser Lehrer in Riegls Schriften bemerkbar ist, so äußert sie sich als eine direkte Negation ihrer Lehren und Methode.»22 Hier kommt nicht so sehr Riegls Unzufriedenheit als vielmehr die des Autors mit dem, was das Herz und das Fundament der Wiener Schule darstellt, zum Ausdruck. Nach
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DVOØÁK 1905/2, Sp. 275 f. Hier abgedruckt als Text I.2.1, S. 267. Dvoøáks anschließende Kritik an der von Riegl vollzogenen genealogischen Rekonstruktion der Werte, die die moderne Denkmalpflege beeinflusst haben, stellt eine tiefgehende Untersuchung des eben beschriebenen Gesichtspunktes dar. Sie hebt die Starrheit des Begriffs «Alterswert» hervor und ersetzt ihn durch den fluktuierenden Begriff «ästhetischer Bezug». S. weiters DVOØÁK 1910/3. Hier abgedruckt als Text I.7.2, S. 469. DVOØÁK 1905/2, Sp. 256. Zu Riegls reichem kulturellen Hintergrund und zu dessen Einstellung zu Lehrern, Kollegen und Gesprächspartnern – vor allem zu Beginn seiner Tätigkeit an der Abteilung Textilien des Museums für angewandte Kunst – s. die überaus gute Darstellung G. VASOLD: Alois Riegl und die Kunstgeschichte als Kulturgeschichte. Überlegungen zum Frühwerk des Wiener Gelehrten, (Edition Parabasen, 4), Freiburg/Br. 2004.
DIE KUNSTGESCHICHTE
UND DIE
KULTUR
DER
DENKMALPFLEGE | I.
Karl Clausberg beruhen diese Prinzipien des Wiener Empirismus auf der Beziehung, die die Wiener Schule mit jenen der Kunst gegenüber besonders aufgeschlossenen kritischen Bewegungen in einer «Epoche der technischen Reproduzierbarkeit» verband, d. h. dem russischen Formalismus und dem Prager Strukturalismus.23 Wie sind nun aber Dvoøáks Worte zu verstehen? Man muss sich bewusst sein, dass seine Persönlichkeit und sein Werk in eine Übergangszeit einzuordnen sind, die für die Entwicklung der Wiener Schule von wesentlicher Bedeutung ist. Einerseits übernimmt sie das gesamte Vermächtnis ihrer Begründer, das von Theodor von Sickel, Rudolph Eitelberger von Edelberg und Moritz Thausing bis hin zu ihren direkten Lehrmeistern, Franz Wickhoff und Alois Riegl reicht, andererseits befindet sie sich in einem in erster Linie methodologischen und rein wissenschaftlichen Konflikt, der zu der Teilung (auch im realen Sinne) der Schule in zwei Institute mit zwei verschiedenen Niederlassungen führt. Dasjenige, das nach Übernahme von Riegls Lehrstuhl durch Dvoøák geleitet wird, wird 1920 II. Kunsthistorisches Institut genannt, obwohl es den historischen Sitz beibehält und die Kontinuität garantiert, während dasjenige, das nach Übernahme von Wickhoffs Lehrstuhl durch Josef Strzygowski geleitet wird, I. Kunsthistorisches Institut genannt wird. Letzteres wird 1934 mit der Pensionierung Strzygowskis geschlossen. Julius von Schlosser, schon potenzieller Nachfolger Riegls anstelle von Dvoøák und ab 1922 Nachfolger des Letzteren, wird damit beauftragt, die verschiedenen Wege, die die Wiener Schule eingeschlagen hatte, wieder unter einem einzigen Dach zusammenzuführen. Soweit in Kürze die institutionelle Geschichte. An diesem Punkt aber stellt sich die Frage, worin der Konflikt eigentlich bestand, weshalb und inwieweit er von Bedeutung war und in welchem Kontext er gesehen werden muss. Martin Seiler machte in seiner gelungenen Rekonstruktion von Motiven des Wiener Empirismus im Konzept der Wiener Schule deutlich, dass die Lehre Riegls nicht nur ermöglicht, die gesellschaftliche und individuelle Einordnung eines Bauwerkes aufgrund seiner Analyse als Kunstobjekt festzulegen, sondern auch das Werk in einer Perspektive zu verstehen, in der sich die Entwicklung der künstlerischen Formen in einen systematischen allgemeineren Kontext einordnen lässt. In dem hermeneutischen «hausgemachten» System von Riegl, das mehr als jedes andere die philosophische Eigenart hat, für multidisziplinäre Interessen offen zu sein, konvergieren sowohl Motive der empiristischen als auch der neoidealistischen Tradition oder, wie Tietze sagt, Induktion und Intuition. Wenn man sich zu der oben angedeuteten Bipolarität bekennt, dann lassen sich die radikalsten Ergebnisse dieses Neoidealismus (wie beispielsweise Schlossers Kunstgeschichte als «Geschichte der Künstler», der sich der späte Tietze als Verfechter des «Mysteriums des Künstlers» und des «geheimen Wortes der künstlerischen Eigenschaft» verbunden fühlte) statt als Gegensatz zu Riegls
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K. CLAUSBERG: Wiener Schule, Russischer Formalismus, Prager Strukturalismus. Ein komparatistisches Kapitel Kunstwissenschaft, in: Idea. Jahrbuch der Hamburger Kunsthalle, 2, 1983, S. 151–180.
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DER
WIENER SCHULE
DER
KUNSTGESCHICHTE
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DENKMALPFLEGE
Konzept des «Kunstwollens»24 als Kontinuität des wiedererweckten idealistischen Interesses interpretieren, das schon im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts beginnt und in Riegls Anschauungen seinen eigentlichen Ausdruck findet.25 Diese Kontinuität wiederum führt nicht zu einer Verringerung der Unterschiede zwischen kritischer und historischer Sicht in den Beiträgen von Schlosser, Dvoøák, Tietze und Strzygowski, sondern erlaubt es, den Neoidealismus als eine Pflanze zu betrachten, die dem Stamm der realistischen und empirischen Wiener Tradition entspringt.26 Auch in Dvoøáks Fall vollzieht sich die neoidealistische Wende nicht durch äußeren Anstoß, sondern auf Wegen, die eine Verbindung zu Traditionen und persönlichen Zuneigungen schaffen. Auf diesem Weg hatte auch Schlosser Benedetto Croces Ästhetik entdeckt und den neapolitanischen Idealismus nach Wien, in das Herz des «Silicon Valley des Geistes» verpflanzt.27 Dvoøáks Neoidealismus dagegen geht aus dem Vermächtnis Riegls und der Philosophie gegenüber besonders aufgeschlossener Zirkel der drei kulturellen Hauptstädte Wien–Prag–Budapest hervor. Dvoøák fühlt sich vor allem jenem Intellektuellenkreis verwandt und verbunden, der sich unter dem Namen «Sonntagskreis» einmal in der Woche in einem Budapester Café zu treffen pflegte und die Zeitschrift «A Szellem», d. h. «Der Geist», ins Leben rief. Unter den Teilnehmern befanden sich besonders hervorstechende Persönlichkeiten wie der Philosoph Lajos Fülep, der in einer bahnbrechenden Rezension zu Croces Ästhetik Begriffe wie Naturalismus und Idealismus, Geistiges und Weltanschauung, die für Dvoøáks Wende ausschlaggebend sind, vorwegnimmt, der junge Georg Lukács, der 1911 Die Seele und die Formen veröffentlicht, der Theoretiker Béla Zalai, der Dichter Béla Balász, der Soziologe Wilhelm Szilasi, die vier Dvoøákschüler Friedrich Antal, Arnold Hauser, Johannes Wilde und Charles de Tolnay sowie Karl Mannheim, der in seiner Theorie der Interpretation der Weltanschauung Dvoøák zusammen mit Riegl, Heidrich, Weber, Lukács und Troeltsch in den Olymp der um eine Synthese bemühten Forscher hebt.28 Dieses Umfeld ermöglicht uns, Tietzes Behauptung zu verstehen: «Diese geisteswissenschaftliche Einstellung ist nicht Absage an die entwicklungsgeschichtliche Auffassung, wie sie Dvoøáks Rätsel der Kunst der Brüder van Eyck oder meiner Methode im wesentlichen zugrunde liegt, sondern ihre notwendige und folgerichtige Fortbildung.»29 Es handelt sich um einen äußerst wichtigen Übergang, der den Begründern der Schule Ehre erweist und gleichzeitig die «Neue Wiener Schule» für
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25 26 27
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32
Als Gegensatz habe auch ich ihn in meinen Riegl-Studien dargestellt, die aufzeigen wollen, dass Croce und Schlosser eine Barriere für die Aufnahme von Riegls Gedankengut in Italien bedeuten; vgl. SCARROCCHIA 2006. SEILER 2000, S. 80 ff. S. hierzu NAUTZ/VAHRENKAMP 1993. Die italienische Kunstgeschichte als institutionelle Disziplin war überzeugt, auf diesem Weg die ganze Wiener Schule sozusagen «einkassiert» zu haben, wobei sie sich offensichtlich auf dem Holzweg befand. MAROSI 1983; HAUSER 1981; D. Frey: Max Dvoøáks Stellung in der Kunstgeschichte, in: Jahrbuch für Kunstgeschichte, 1, (15), 1921/22, S. 1–21; MANNHEIM 1921; NEUMANN 1962.
DIE KUNSTGESCHICHTE
UND DIE
KULTUR
DER
DENKMALPFLEGE | I.
Kunstgeschichte ankündigt und einen neuen Horizont in künstlerischem Schaffen, Kunstkritik und Kunstverständnis eröffnet.30 Wenn man dem plurinationalen und multikulturellen Kontext in einer «Zeit der Dekadenz» Rechnung trägt – wobei sich der Terminus «Zeit der Dekadenz» nicht auf deren Durchsetzung und Verbreitung bezieht –, so kann man die tatsächliche Tragweite von Dvoøáks Hermeneutik voll verstehen: Die Konzentration auf das Geistige, auf die ideelle Essenz des künstlerischen Schaffens heißt seinen innersten und gleichzeitig allgemein gültigen Wert bewahren. So sind auch die Worte zu verstehen, mit denen Dvoøák die Variationen zu einem Thema von Kokoschka schließt. Es handelt sich dabei um ein Zitat von Delacroix: «Die Tatsache zählt nicht, denn sie vergeht. Nur ihre Idee bleibt und sie besteht in Wirklichkeit nur als Idee.»31 Die Interpretation von Rudolf Alamar Métall, für den Hans Kelsens reine Theorie des Staates notgedrungen aus einem in Kultur, Volksstämmen, Religion und Geschichte so komplex differenzierten Staat hervorgehen musste und jegliche soziopsychologische und soziobiologische Theorie eine Verfälschung bedeutet hätte32, scheint daher auch auf Dvoøáks Absichten zuzutreffen: die zeitgenössische Kunst, die so inkonsistent und subtil geworden war, dass sie sich jedweder Beeinflussung entzogen hatte, neu zu definieren und gleichzeitig die Berücksichtigung des antiken Vermächtnisses neu zu beleben und neu zu orientieren. (Die Kunst der großen impressionistischen Tradition hatte noch einen naturalistischen Bezug.) Es handelte sich also darum, die zeitgenössische künstlerische Tendenz zu ihrer Essenz zurückzuführen, d. h. zu ihrer Idee, ihrem geistigen Inhalt, zu dem, was nach dem Verfall aller materiellen, funktionellen und technischen Hüllen übrig bleibt. Riegls «Kunstwollen» wird letztlich von allen Bezugspunkten zu den technisch-materiellen Elementen gereinigt, die bei Semper noch eine Rolle spielen und die Riegl polemisch als «Reibungskoeffizienten der schöpferischen Kraft» bezeichnet, und in «Weltanschauung» geläutert.33 Auch die Arbeit des Kunsthistorikers wandelt sich in der Denkmalpflege allmählich zu der des reinen Geisteswissenschaftlers. Moritz Thausing hatte in der Tat behauptet, dass die Geschichte der Kunst die Geschichte der Denkmäler sei. Dvoøák hatte sich die Wiener Mentalität so zu eigen gemacht, dass er, auch wenn er den Inhalt als die Essenz der Kunst betrachtete, die Hälfte seines Lebens damit verbrachte, den technisch-materiellen Palimpsest zu verteidigen, eine Haltung, die einer Praxis Bedeutung verleiht, die sich eben nicht in sich selbst erschöpft, sondern wesentlich zur kulturellen Bildung beiträgt. So wird auch verständlich, weshalb sich das Forschungsinstitut zum Studium der Denkmale nicht in die
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H. TIETZE: Hans Tietze (Geisteswissenschaftliche Kunstgeschichte), in: Die Kunstwissenschaft der Gegenwart in Selbstdarstellung, J. Jahn (Hrsg.), Leipzig 1924, S. 183–198, hier S. 185. AURENHAMMER 2002; M. SCHAPIRO: The New Viennese School, in: The Art Bulletin, 18, 1936, S. 258– 266. DVOØÁK 1921/2. R. A. MÉTALL: Hans Kelsen. Leben und Werk, Wien 1969. SEILER 2000, S. 86.
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3. | BEZIEHUNGEN
DER
WIENER SCHULE
DER
KUNSTGESCHICHTE
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DENKMALPFLEGE
Richtung entwickelt, die den Inhalt, d. h. die ikonographische und ikonologische Forschung, vorzieht, sondern dem harten Boden der Kunsttopographie, der Geographie der Kunstwerke, der Lokalisierung der künstlerischen Ausdrucksformen verhaftet bleibt. Aus diesem Grund konnte Hermann Bahr, der große Theoretiker der Moderne, den ersten Band der österreichischen Kunsttopographie zum Politischen Bezirk Krems (er war Riegl gewidmet und wurde von Dvoøák betreut und eingeleitet und von Tietze redigiert) als «das schönste Buch, das in den letzten Jahren in Österreich erschienen ist» (siehe S. 160) bezeichnen. Dvoøák wurde Riegls Nachfolger nicht nur als Universitätsprofessor, sondern auch als Generalkonservator der österreichischen Denkmalpflege. Diese doppelte Verantwortung, einerseits die Tradition der Wiener Schule in der Nachfolge von Wickhoff und Riegl fortzusetzen und andererseits die fachliche Unabhängigkeit der Denkmalpflege zu bewirken und zu ihrer institutionellen Neuordnung im Sinne Riegls beizutragen, bezeugt noch einmal, dass die enge Verbindung von kunsthistorischer Forschung und Praxis der Denkmalpflege ein Charakteristikum der Wiener Schule ist und einen bedeutenden Moment in ihrer Entwicklung spezifischer, in die Zukunft weisender Werte darstellt, zu denen Dvoøák als erster die Impulse gab. Obwohl die Besonderheiten dieser Verbindung schon mehrmals hervorgehoben wurden (wie zum Beispiel in den Nachrufen auf Dvoøák von Otto Benesch, Hans Tietze und Julius von Schlosser) und obwohl die grundlegenden Studien zur Entwicklung der österreichischen Denkmalpflege (wie die von Walter Frodl, Ernst Bacher, Eva Frodl-Kraft und den oben Genannten) des Öfteren darauf aufmerksam machten, fehlt nach wie vor eine Rekonstruktion der realen Vorgänge.34 Es erscheint deshalb notwendig, zumindest drei wichtige Punkte in Erinnerung zu rufen. Die österreichische Denkmalpflege hatte bei ihrer Entstehung nicht unmittelbar juridische Befugnisse, die die Verfügung über Kulturgüter zu Gunsten des höheren nationalen Interesses einschränkten – wie es beispielsweise im wilhelminischen Preußen
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FRODL 1988; BACHER 1995; FRODL -KRAFT 1997. Auch in der Geschichte der Kunstgeschichte als Disziplin findet man allgemein kaum einen Hinweis auf diesen Mangel, den sie ihren Anwendungsgebieten, d. h. dem Denkmalschutz und dem Museumswesen, gegenüber aufweist. Die Idee vom Denkmal, wie sie Riegl entwickelt, wurzelt in seiner zehnjährigen Tätigkeit am Österreichischen Museum für Kunst und Industrie in Wien. Auf dem XXV. Internationalen Kongress für Kunstgeschichte im Jahr 1983 schloss Jan Bia³ostocki seine Darstellung des methodologischen Beitrags der Wiener Schule mit dem bedeutenden Hinweis: «But the problem of the Denkmalpflege in the Vienna school is too important to be simply appended […]. It would require a separate treatment.»; J. BIALOSTOCKI: Museum work and history in the development of the Vienna School, in: Wien und die Entwicklung der kunsthistorischen Methode. (Akten des XXV. internationalen Kongresses für Kunstgeschichte, 1), Kongressakt Wien 1983, Wien–Graz–Köln 1984, S. 9–15, hier bes. S. 14. Der Diskurs wurde teilweise auf dem Folgekongress 1986 in Washington wieder aufgenommen; vgl. F. CHOAY: Riegl, Freud et les monuments historiques. Pour une approche sociétale de la préservation, in: World Art. Themes and unity in diversity. Acts of the XXVIth International Congress of the History of Art, I. Lavin (Hrsg.), Kongressakt Washington, DC 1986, University Park–London 1989, Bd. 3, S. 799–807; E. BACHER: Kunstwerk und Denkmal, ebenda, S. 821–826. NEUMANN 1962, S. 192.
DIE KUNSTGESCHICHTE
UND DIE
KULTUR
DER
DENKMALPFLEGE | I.
oder in Italien nach der gewonnen Einheit der Fall war –, sondern vielmehr einen rein beratenden Auftrag, der in Hinsicht auf die Verfassung des Habsburgerreiches notwendigerweise den verschiedenen Nationen und Volksstämmen Rechnung trug. Deshalb war in der Institution, die den Staat repräsentierte, d. h. in der ZK, die Aufgabe der Denkmalpflege und -erhaltung mit dem Studium und der Erforschung des Kunstbesitzes verbunden. Aus dieser institutionellen Beschaffenheit ergibt sich der zweite Punkt, und zwar die direkte Einbeziehung von wissenschaftlicher Forschung und Kunstgeschichte in die staatliche Verwaltung. Die Denkmalpflege wird somit zur angewandten, d. h. operativen Kunstgeschichte, und als solche wird sie auch ausgeübt. Forschung und Erhaltung bilden zusammen die neue, autonome Disziplin der Denkmalpflege. Den dritten Punkt bildet der Bezug von Forschung und Kunstgeschichte. Die in der Praxis auf die Denkmale angewandte kunstgeschichtliche Forschung vollzieht sich in einem wechselseitigen Bezug von Forschung und kunstgeschichtlicher Erkenntnis und Vertiefung, wie sie an der Universität betrieben wird. Die institutionelle Geschichte des österreichischen Denkmalschutzes von Riegl zu Dvoøák spiegelt somit die Besonderheiten der Wiener Kultur vom Fin-deSiècle bis zum «Finis Austriae» wider mit beachtlichen Folgen für die Entwicklung der deutschen Denkmalpflege im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts wie auch für die Denkmalpflege der damals neu gebildeten Nachfolgestaaten, d. h. von Jugoslawien, Polen und der Tschechoslowakei. Italien nimmt in diesem Kontext eine besondere Position ein. Erstens, weil es nach dem Ersten Weltkrieg Gebiete erhielt, die vorher zu Österreich gehörten wie Südtirol und Friaul-Julisch Venetien, und zweitens, weil es unter der faschistischen Besetzung Dalmatiens nach eigenen Denkmalpflegemodellen agierte, die vor Ort in Konfrontation mit dem österreichischen Vermächtnis gerieten, welches von den betroffenen Gebieten und Gemeinden mehr oder weniger akzeptiert worden war. Geopolitik, Kunstgeschichte, Wissenschaft, Technik und Verwaltung sind Bezugspunkte für die Einschätzung der Rolle, die Dvoøák in der institutionellen Entwicklung der Denkmalpflege zu einer selbstständigen Disziplin spielte. Es handelt sich dabei um eine österreichische Geschichte von europäischer Relevanz.
4. DVOØÁKS AKTUALITÄT
IN DER
KULTUR
DER
DENKMALPFLEGE
Zu den wenigen Kunsthistorikern, die Dvoøáks Werk im Ganzen betrachteten, gehört Jaromir Neumann. In Würdigung der Bedeutung, die dem Werk noch Anfang der 1960er Jahre beigemessen wurde, bemerkt er: «In der Theorie der Denkmalpflege knüpfte Dvoøák an Riegl an, zugleich aber korrigierte und erweiterte er bedeutend dessen Konzeption: Zum Schutz der Denkmäler führe und berechtige uns seiner Meinung nach nicht nur ihr Alters- sondern auch ihr Gegenwartswert, die Fähigkeit alter Kunstwerke, lebendig und intensiv auf die Gegenwart einzuwirken.»35 Neumann bezieht sich dabei auf die Revision der Werte, wie sie Dvoøák in seinem Aufsatz Denkmalkult und Kunstentwicklung vorgenommen hatte. So heißt es bei Neumann
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4. | DVOØAKS AKTUALITÄT
IN DER
KULTUR
DER
DENKMALPFLEGE
weiter: «Gerade diese These, die nicht genügend entfaltet und durchgedacht wurde, scheint eine bedeutsame Anregung für die heutige Theorie der Denkmalpflege zu enthalten: Dvoøák betonte in diesem Zusammenhang die Bedeutung des Kunstwerts, und obgleich er die ganze Problematik keiner endgültigen theoretischen Lösung zuführte, deuten seine ganze Auffassung und die Richtung seiner wissenschaftlichen Entwicklung indirekt den Weg zu einer neuen Theorie der Denkmalpflege an. Dvoøák zeigte, dass man beim Denkmalschutz nicht nur von den formalen Grundzügen ausgehen kann, wie es Riegl tat, der besonders die Altersmerkmale schätze, sondern dass zugleich und vor allem vom Inhalt des Denkmals ausgegangen werden muss, von der Erfassung aller historischen Momente und vom komplizierten Ideengehalt, in dem die Sendung des Werkes zum Ausdruck gelangt, seine Beziehung zum Milieu und seine Bedeutung für die Gegenwart.»36 Dvoøák wird das Verdienst zuerkannt, die Bedeutung des künstlerischen Wertes und die Rolle der modernen Rezeption hervorgehoben zu haben, die nicht als Übernahme von konsolidierten, mehr hypostasierten als gegebenen Werten seitens einer modernen Sensibilität zu verstehen ist, sondern als mögliche und gelebte Transformation der Werte selbst. All das stellt in Bezug auf Riegls Wertsystem nichts Neues dar. In Riegls Gegenwartswert wurde all das schon vorausgesehen und als konfliktgeladene Basis einer kulturell wirksamen Restaurierung erkannt.37 Zweifellos fanden die von Dvoøák hervorgehobenen besonderen Kennzeichen der Denkmalpflege in Cesare Brandis Denkmaltheorie eine Bestätigung. Brandis Theorie wurde zur gleichen Zeit veröffentlicht, in der auch Neumann seine Schrift verfasste.38 In Neumanns umfassender Beurteilung von Dvoøáks Beitrag wird dessen Schrift Borromini als Restaurator als besonders bedeutungsvoll hervorgehoben, da sie aufzeige, wie die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit auf die Kunst in ihrer historischen Entwicklung einwirkt, mit anderen Worten, wie der große Vertreter des Barock, synchronische und diachronische Analysen verknüpfend, die Lateranbasilika erneuerte, indem er die überkommenen architektonischen und formalen Werte erkannte und auswählte und ihnen durch eine neue, nie da gewesene einheitliche Raumsynthese Aktualität verlieh.39 Die staatliche österreichische Denkmalpflege dagegen erwies dem Konservator Dvoøák in einer bedeutenden monographischen Ausgabe der ÖZKD Ehre. Sie enthält außer den schon zitierten Nachrufen von Swoboda und Rokyta einen Beitrag von Walter Frodl über die Aktualität des Katechismus für die Denkmalpflege. Frodl macht darauf aufmerksam, dass die Schrift alle Charakteristika eines Manifestes besitzt und auch ihre Funktion darin sah, die öffentliche Meinung zu sensibilisieren 36 37 38 39
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Ebenda. S. SCARROCCHIA: Le concept moderne de monument e la valeur de l'ancien. Pour une anthropologie de la conservation du patrimoine, in: Revue de l'art, 145, 2004, S. 19–29. S. SCARROCCHIA: La ricezione della teoria della conservazione di Riegl fino all'apparizione della teoria di Brandi, in: ANDALORO 2006, S. 35–50. DVOØÁK 1907/4. Hier abgedruckt als Text I.1.1, S. 217. Neumann macht auch auf die Rolle aufmerksam, die Dvoøáks Abhandlung in der Folgezeit für die Aufwertung der böhmischen Gotik durch seinen Schüler Zdenek Wirth gespielt hat.
DIE KUNSTGESCHICHTE
UND DIE
KULTUR
DER
DENKMALPFLEGE | I.
und eine Bewegung hervorzurufen, wie dies etwa die Schriften der künstlerischen Avantgarde taten. Allerdings konnte sie, da sie während des Ersten Weltkrieges verfasst wurde, nicht mit der Verbreitung und dem Erfolg rechnen, die sie in normalen Zeiten gehabt hätte, denn das Publikum, an das sie sich wandte, existierte effektiv nicht mehr. Die Probleme, mit denen sich Dvoøáks Mitarbeiter nach seinem Tod und in den darauf folgenden Jahren auseinandersetzen mussten, waren anderer Art. Wieder völlig andere Probleme brachte schließlich der Zweite Weltkrieg mit sich. Sie waren von der Beseitigung der Kriegsschäden und den unaufhörlich wachsenden bürokratisch-administrativen Aufgaben gekennzeichnet. Die heute noch aktuelle Bedeutung der Lehre Dvoøáks besteht in dem ethischen, moralischen und im oben genannten Sinn «ideellen» Anstoß, der sie belebt und der nach wie vor einen in der Praxis obligaten und unauslöschlichen Bezugspunkt darstellt, auch wenn heutzutage andere komplexere Notwendigkeiten im Vordergrund stehen.40 Unbestritten bleibt in jedem Fall der Beitrag, den Dvoøák zur Kenntnis und Katalogisierung der österreichischen Kunstschätze leistete und der ein Vorbild für viele europäische Länder bleibt, wie Géza Hajós und Eva Frodl-Kraft in der oben genannten monographischen Ausgabe der ÖZKD betonten. Letztere bemerkt jedoch, dass die Kriterien in der Auswahl, in der Definition neuer Kategorien von Kulturgütern und Denkmalen, in der Spezialisierung der Katalogisierungsarbeit und im Bezug zur Denkmalpflege komplexer geworden seien.41 Herta Kuben, Autorin der einzigen monographischen Arbeit über Dvoøák als Denkmalpfleger, macht, wenn auch in den Grenzen einer Diplomarbeit, auf eine Simplifizierung von Riegls Pionierleistung aufmerksam.42 Insbesondere sieht Kuben in Dvoøáks unwiderruflicher Verdammung des Historismus eine begriffliche und fachliche Beschränkung, die durch die unbestreitbare Tatsache bestätigt wird, dass vielen der Restaurierungen und Eingriffe, die im Katechismus gebrandmarkt werden, heute Denkmalcharakter zuerkannt wird. Es bleibt jedoch zu untersuchen, wie diese «Verdammung» in den fachlichen und historischen Kontext einzuordnen ist, und ob es eventuell Gründe gibt, die Dvoøáks seinerzeitige Position rechtfertigen, was dazu beitragen könnte, den Historismus und die Moderne besser zu verstehen.
5. DIE
ITALIENISCHE
PERSPEKTIVE
Die italienische Historiographie wandte Dvoøák schon frühzeitig ihre Aufmerksamkeit zu, allerdings ausschließlich dem Kunsthistoriker. Aldo Bertini machte auf Dvoøáks kritische Schriften aufmerksam und Gian Alberto Dell’Acqua untersuchte
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FRODL 1974. HAJÓS 1974; FRODL -KRAFT 1974/2. KUBEN 1993.
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5. | DIE
ITALIENISCHE
PERSPEKTIVE
und kommentierte 1935 in einer langen Abhandlung Dvoøáks Schriften über die italienische Kunst. Beide Wissenschaftler betonten Dvoøáks Weitsicht und seine Fähigkeit, Inhalt und Form des künstlerischen Schaffens durch Hinweis auf die kulturellen Entwicklungen auf philosophischem, literarischem und religiösem Gebiet zu kontextualisieren. In Anlehnung an das von Lionello Venturi in seinen der Geschichte der Kunstkritik gewidmeten Schriften Behauptete, sind sie der Meinung, dass Dvoøáks Desinteresse für künstlerische Werturteile eine Grenze seiner ansonst genialen Kritik darstellt.43 Für Dell’Acqua mindert «das relative Desinteresse für die ästhetische Beurteilung» jedoch nicht Dvoøáks Fähigkeit, ganzen Kunstperioden neue Beachtung zu schenken, einzelne bis dahin wenig beachtete Künstlergestalten ins rechte Licht zu rücken und vor allem neue Interpretationen zu formulieren, wie es beispielsweise für die mittelalterliche Kunst der Fall ist, in der Dvoøák den Einfluss der thomistischen Ästhetik erkennt. Dasselbe gilt für seine Überlegungen zu Giotto, Correggio, aber vor allem Tintoretto, die für so aufschlussreich und zutreffend gehalten werden, «dass jegliche Zusammenfassung ihnen nicht gleichkommen kann und eine direkte Lektüre gefordert werden muss.»44 Erst Anfang der 1980er Jahre lässt sich ein ebenso eingehendes wie motiviertes Interesse feststellen. Es kommt Gianni Carlo Sciolla das Verdienst zu, Schlossers historisch-methodologischen, memoirenhaften Rückblick auf die Geschichte der Wiener Schule wieder aufgenommen und neu bearbeitet zu haben, indem er den Beitrag der Wiener Schule in den Kontext der Kunstkritik des 20. Jahrhunderts einbezog. Das Kapitel über Dvoøák schließt mit dem Hinweis auf die «kontinuierliche Beachtung des Problems der Erhaltung und Bewahrung des Kunstvermächtnisses, das die Grundlage jeder historischen Untersuchung bildet.»45 In der neuesten Ausgabe seines kritischen Werkes hielt Sciolla es für nötig, nicht nur die Aktualität der Beiträge Dvoøáks zu Problemen der Denkmalpflege, sondern auch die Verbindung von Kunstgeschichte und Denkmalerhaltung, also die methodologische Einheit von Geschichte und Denkmalpflege innerhalb von Dvoøáks vielseitiger Aktivität zu betonen. «Wichtig ist das Konzept von Kulturgut, das Dvoøák ausarbeitete und als Zeugnis vom Leben einer bestimmten Kultur verstand. Als solches», fährt er fort, «muss es respektiert werden, unabhängig von seiner Qualität oder vom Stil, der es charakterisiert; es muss aus Respekt vor der Vergangenheit erhalten und vor Ignoranz, vor
43
44
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BERTINI 1931; DELL'ACQUA 1935; L. VENTURI: Storia della critica d'arte, (Piccola biblioteca Einaudi, 38), 2. Aufl., Torino 1964; vgl. G. C. SCIOLLA: Percorso intellettuale di Aldo Bertini, in: Arte documento. Rivista di storia e tutela dei beni culturali, 7, 1993, S. 355–359. DELL'ACQUA 1935, S. 93 (Übersetzung des Verfassers). Insbes. Dell'Acqua vergleicht die Interpretationen Dvoøáks mit denen seiner Vorgänger Riegl, Wölfflin und Schmarsow wie auch mit denen zeitgenössischer italienischer Gelehrter wie Venturi, Delogu, Coletti und Longhi, wobei er sich auf die entschiedene Hegemonie der Ästhetik Croces bezieht. Er liefert so eine Darstellung der Kritik in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre, die weiterhin von großem methodologischem und historischem Interesse ist. SCIOLLA 1980, S. 20 (Übersetzung des Verfassers) und SCIOLLA 1995, S. 29. S. weiters auch SCIOLLA 1993.
DIE KUNSTGESCHICHTE
UND DIE
KULTUR
DER
DENKMALPFLEGE | I.
der Spekulation von Antiquitätenhändlern vor einer falschen Auffassung sowohl von Fortschritt, der man leider oft begegnet, als auch von Ästhetik geschützt werden. Wesentlich ist bei Dvoøák außerdem die Betrachtung des Kunstwerkes (oder Denkmals) als primäre Quelle der Kunstgeschichte, als Vermittler von technischen, ideellen und ästhetischen Werten, als Zeugnis, das immer auf die Geschichte und Umwelt bezogen werden muss.»46 Kürzlich rekonstruierte Riccardo Marchi mit Feingefühl und einer Fülle von Zitaten die Überwindung des Formalismus sowie den Bezug von «Weltanschauung» und «geistigem Auge» – Termini, die zur expressionistischen Avantgarde, insbesondere zu Kokoschka und Kandinsky gehören – zur Kunstgeschichte als Geistesgeschichte als Kommentar zu seiner Übersetzung von Dvoøáks Abhandlung Idealismus und Naturalismus in der gotischen Skulptur und Malerei. Marchi macht darauf aufmerksam, dass sich Dvoøáks Abhandlung mit der avantgardistischen Kunst absolut in Einklang befindet, welche «das System der Gewohnheiten, der Erwartungen und der kritischen Ausdrucksweise herausfordert, das die abendländische Kultur mit Hilfe der klassischen Tradition und der italienischen Renaissance entwickelt hatte, um vom Kunsterlebnis Rechenschaft abzulegen; auf diese Weise verwandelte es auch das Verständnis für die Vergangenheit.»47 Obwohl die Frage der Beziehung zwischen Kunstgeschichte und Denkmalpflege nicht berührt wird, fordert diese Schlussfolgerung über die Aktualität des Dvoøákschen «Manifestes» indirekt dazu auf, Dvoøáks Einsatz für die Denkmalerhaltung als einen Aspekt eben seiner Gegenwartsbezogenheit zu betrachten.
6. DVOØÁK
UND DIE
METHODE
DER
«CRITICA
OPERATIVA»
Man sollte einen Gesichtspunkt zu dem direkten Bezug von Historiographie und Gegenwart nicht vergessen, der die internationale Kulturszene am Ende der 1960er und zu Beginn der 1970er Jahre stark beeinflusste. Wir finden ihn in Manfredo Tafuris Teorie e storia dell’architettura. Nach Tafuris Meinung «legitimiert Dvoøák die kunsthistorische Neubewertung als spezifische Methode», d. h. die historische Interpretation, die programmatisch durch eine bestimmte Poetik inspiriert ist, mit anderen Worten die «critica operativa», die «angewandte Kritik». Deshalb sei er mit seiner Schrift Über Greco und den Manierismus der bedeutendste Vertreter jener Richtung der Kunstgeschichte, die mit Wickhoffs Wiener Genesis begann und in Giedions Space, Time and Architecture und Bruno Zevis Michelangelo architetto ihren Höhepunkt erreichte. Tafuri bezweifelt, dass die retrospektive, ideologisch orientierte Prophetie und die Neuauslegung der Vergangenheit, die in dieser Tendenz eine programmatische Funktion ausübt, dem Verständnis der Vergangenheit
46 47
SCIOLLA 1980, S. 29 (Übersetzung des Verfassers). MARCHI 2003, S. 158 (Übersetzung des Verfassers).
39
6. | DVOØÁK
UND DIE
METHODE
DER «CRITICA OPERATIVA»
und der Freiheit der modernen Kunst dienen kann. Dennoch ist er geneigt, die «didaktische» Nützlichkeit der Programme der sogenannten angewandten Kritik anzuerkennen, die darin besteht «dass die philologische Aufschlüsselung der Vergangenheit nur möglich ist, wenn man von den modernen Aufschlüsselungsmethoden ausgeht.»48 Er führt weiter aus: «Die Geschichte ist von Natur aus ein Spiel der Gleichgewichte, dem die angewandte Kritik dadurch Gewalt antut, dass sie der Gegenwart nicht die ihr zustehende Bedeutung verleiht.» Es ist eine interessante Feststellung, dass in Tafuris «Manifest» Teorie e storia dell’architettura – welches seinerseits stark programmatische Züge aufweist – das der angewandten Kritik gewidmete Kapitel eine zentrale und strategische Position einnimmt. Es ging darum, neue forcierte Vorstellungen – wie jene Wickhoffs von einem Impressionismus in der antiken Kunst, jene Dvoøáks vom Expressionismus im Manierismus und jene Zevis vom Informellen beim späten Michelangelo – zu kritisieren, um die Kunstkritik zu befähigen, heteronyme und allgemein soziale Probleme anzugehen. Die Wiederaufnahme von Ideen Max Webers am Ende dieses bedeutenden Versuches, neue Schlüssel für die Interpretation zu finden, bezeugt, dass das Problem eines neuen Bezugs zur Vergangenheit und einer neuen Untersuchung derselben noch nicht gelöst ist. Die historiographische und kritische Tätigkeit, der sich Dvoøák gewidmet hatte und die einen Teil seiner Hermeneutik ausmacht, übte also weiterhin eine gewisse Faszination aus. Das Gesamtbild der beschriebenen Situation wäre noch komplexer, wenn Tafuri in seinem Werk, Teoria e storia dell’architettura wenigstens am Rande auch die Denkmalpflege und die Restaurierung in Betracht gezogen hätte. Das geschieht jedoch nur andeutungsweise am Anfang des Kapitels, das der angewandten Kritik gewidmet ist und auf Camillo Boito und Emmanuel Viollet-le-Duc Bezug nimmt. Die Praxis der Denkmalpflege ist in der Tat das Gebiet, auf dem die angewandte Kritik Dvoøáks aufhört gewollte Ideologie zu sein und sich in didaktische Tätigkeit und angewandte Forschung verwandelt.49
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M. TAFURI: Teorie e storia dell'architettura, (Biblioteca di cultura moderna, 649), Bari 1973, S. 179 (Übersetzung des Verfassers). Vgl. G. PIGAETTA: Architettura moderna e ragione storica. La storiografia italiana sull'architettura moderna. 1928–1976, (Universita), Milano 1998, insbes. S. 193 ff.; La critica operativa e l'architettura, L. Monica (Hrsg.), (Ricerche di architettura), Milano 2002, bes. verwiesen sei auf die Beiträge von G. C. ARGAN: [zur] Lezione, 23 febbraio 1982, ebenda, S. 60–80; D. SHERER: Un colloquio «inquietante», Manfredo Tafuri e la critica operativa 1968–1980, S. 108– 120, und das Nachwort von L. MONICA: La critica operativa come letteratura artistica dell'architettura negli ultimi cinquant'anni, S. 156–196; M. BIRAGHI: Progetto di crisi. Manfredo Tafuri e l'architettura contemporanea, (Vita delle forme, 4), Milano 2005, bes. S. 35–37. Eine Anspielung in diesem Sinn findet sich bei L. PATETTA: Alla ricerca degli esordi della critica operativa, in: La critica operativa e l'architettura, G. La Monica (Hrsg.), (Ricerche di architettura), Milano 2002, S. 88–99. Monica selbst endet seinen Beitrag mit einem Hinweis auf die Beziehung zwischen Kunstökonomie, militanter Kritik und Kampf gegen die Restaurierung im Werk Ruskins. M. DVOØÁK: Catechismo per la tutela dei monumenti, (Ital. Übers. M. Bacci), in: Paragone, 22, 1971, Nr. 257, S. 30–63. S. RINALDI: Roberto Longhi e la teoria del restauro di Cesare Brandi, in ANDALORO 2006, S. 101–115. Italia nostra. Bollettino dell'Associazione Nazionale «Italia Nostra», 14, 1972.
DIE KUNSTGESCHICHTE
7. DIE REZEPTION
DER SOGENANNTEN
UND DIE
«MARSEILLAISE
DER
KULTUR
DER
DENKMALPFLEGE | I.
DENKMALPFLEGE»
IN
ITALIEN
Während Frodl in der schon erwähnten Ausgabe der ÖZKD seinen Kommentar zum Katechismus der Denkmalpflege mit einer negativen Antwort auf die Frage schließt, ob Dvoøák einer Wiederveröffentlichung seines Pamphlets zugestimmt hätte, wird die von Frodl als «Marseillaise der Denkmalpflege» bezeichnete Schrift in Italien von Mina Bacci übersetzt und 1971 in der von Roberto Longhi gegründeten Zeitschrift Paragone50 veröffentlicht. Longhi war zusammen mit Giulio Carlo Argan und Cesare Brandi an der Gründung des Zentralinstitutes für Restaurierung beteiligt, für die sich der Kultusminister Giuseppe Bottai51 eingesetzt hatte. Dem Erscheinen der Übersetzung der Schrift Dvoøáks in der zitierten kunsthistorischen Zeitschrift muss somit eine gewisse Bedeutung zugemessen werden. Der Text wird in der Übersetzung von Mina Bacci im Folgejahr als eine Art Manifest in der Zeitschrift Italia Nostra publiziert.52 Die Wiederveröffentlichung wird von der Publikation der Vorschriften für die Denkmalpflege begleitet, die Brandi verfasst hatte und die die Carta del Restauro aus 197253 darstellen. Fast zur gleichen Zeit beschäftigt sich Giuseppe La Monica kritisch mit Dvoøáks Beitrag.54 Es stellt sich also die Frage, wie das so weitverbreitete italienische Interesse für den betreffenden Text zu verstehen ist. Dem Katechismus kommt eine doppelte Bedeutung zu: Einerseits vereinfacht er Riegls Werteskala und überträgt die Bewertung, die die Denkmalpflege vornimmt, auf das Gebiet der Kunstgeschichte, andererseits führt er eine strenge Trennung, der nun als Gegensatz verstandenen Begriffe von Restaurierung und Erhaltung ein mit der daraus folgenden summarischen Verdammung der Restaurierungspraxis des 19. Jahrhunderts. Außerdem stellt er bestimmte allgemein gültige Normen für die Praxis der Erhaltung auf, die der zeitgenössischen Kultur eher entsprechen würden. Es handelt sich um einen Katalog von Vorschriften, für die die italienische Denkmalpflege besonders aufgeschlossen ist und der dem Interesse sowohl der Fachleute als auch der öffentlichen Meinung entspricht, die nach klaren Regeln verlangen. Es soll noch auf eine Tatsache von historischer und fachlicher Bedeutung hingewiesen werden, und zwar darauf, dass die Aufnahme Dvoøáks in Italien vor der Riegl-Rezeption stattfindet, also in völliger Unkenntnis des eigentlichen Ursprungs aller Überlegungen zur Denkmalpflege der Wiener Schule. Man kann also, ohne polemisch zu erscheinen, behaupten, dass die italienische Rezeption viele Mängel aufweist. Dies bezeugt übrigens auch die unbestreitbare Tatsache, dass die Zeitschriften Paragone und Italia Nostra dem in der Folgezeit erwachendem Interesse für die Wiederentdeckung Riegls keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt haben.55 Die
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Carta del Restauro 1972, in C. Brandi: Teoria del restauro, (Piccola biblioteca Einaudi), Torino 1978, S. 131–154. G. LA MONICA: Ideologie e prassi del restauro con antologia di testi, Palermo 1974. S. SCARROCCHIA: La ricezione di Riegl in Italia dalla Carta di Venezia ad oggi, in: RIEGL 2008, S. 305–332.
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7. | DIE REZEPTION
DER SOG.
«MARSEILLAISE
DER
DENKMALPFLEGE»
IN ITALIEN
italienische Perspektive ist bis jetzt dahin orientiert, etwas zu finden, was den traditionellen Normen Italiens neue Kraft verleiht, die Suche von Regeln und die Verbreitung von Schriften unterstützt, die dazu beitragen können, die Denkmalpflege gegen kulturelle und soziale Schwankungen wie auch gegen den subjektiven Bezug zur Gegenwart abzusichern, also genau gegen das, was für die beiden Väter der österreichischen Denkmalpflege Anlass und Grundlage ihrer Aktivität darstellte.56
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Andeutungen in diesem Sinn finden wir bei Marco Pratellis kurzer Biographie Dvoøáks; vgl. PRATELLI 2009. Nicht zufällig macht Pratelli darin auf die Schrift Borromini als Restaurator aufmerksam, S. 261–268 [mit Übersetzung], in der sich nach Neumann die Verbindung der Denkmalpflege mit der künstlerischen Praxis ausdrückt, zu deren Kontext Restaurierung und Erhaltung gehören und deren Kontext sie ausmachen; vgl. NEUMANN 1962.
II. BAUSTELLEN DER ERHALTUNG UND RESTAURIERUNG: WIEN, SPLIT, KRAKAU, PRAG, TRIENT UND AQUILEIA
VOM GLANZ
UND
ELEND
DES
HABSBURGERREICHES
Der Glanz: Das ist an erster Stelle Wien, die Hauptstadt des Kaiserreiches, die im Vergleich zum Territorium «Österreich» unverhältnismäßig große Stadt, die Hauptstadt auch der Idee «Österreich», an zweiter Stelle Split, die römische Stadt an der dalmatinischen Küste, ein Gemisch aus Rom und Venedig, eingebettet in eine romantische Landschaft, wo Olivenbäume und Zypressen bis an das Meer und die Granitküste heranreichen und die Erinnerungen an Griechenland und den Gardasee wachrufen. Das Elend: Das ist das habsburgische Militär, das sich im Krakauer Schloss auf dem Wawel einquartierte und es in eine Kaserne verwandelte. In der Mitte liegt Prag, das historische Zentrum, mit seinem Schloss und dem Veitsdom auf dem Hradschin, die Stadt, die mehr als alle anderen die Idee des Vielvölkerstaats Österreich verkörpert, und schließlich Trient, das Tor von Italien nach Deutschland mit dem Castello del Buonconsiglio und dem Dom. Diesen Städten und Monumenten, die für die Geschichte und Kultur der Doppelmonarchie von vitaler und strategischer Bedeutung waren, widmete Dvoøák als Generalkonservator seine besondere Aufmerksamkeit. Die Qualität der Beiträge, die er dazu leistete, enthüllt jedoch trotz einer einheitlichen Grundeinstellung ein unterschiedliches Interesse für die real anstehenden Probleme. Während er als Fürsprecher der Bewegung für die Bewahrung der Wiener Altstadt und der historischen Schichten des Diokletianspalastes in Split auftritt, beweist er eher Gleichgültigkeit bei der Behandlung der Hauptstadt seiner böhmischen Heimat und bei den beiden größten Trienter Monumentalkomplexen. Zu starr und alles in allem den Problemen nicht gewachsen zeigt er sich bei der Restaurierung des Wawel im polnischen Kulturzentrum. Die hier genannten Beispiele stecken im Großen und Ganzen das Gebiet ab, das Dvoøáks Argumentationen in der Denkmalpflege umfasst. Im Vergleich zur Vielzahl anderer großer monumentaler Komplexe von nationaler und internationaler Bedeutung ist es also eher begrenzt. Dvoøáks Beiträge, die alle diese fünf Bereiche der österreichischen Denkmalpflege behandeln, stellen dennoch nicht nur ein wichtiges Kapitel in der Geschichte der Denkmalerhaltung als selbständiger Disziplin dar, sondern bilden vor allem ein Kompendium ihrer Theorie und Praxis vom Jahrhundertbeginn bis zum Anfang der 1920er Jahre. Auch wenn es nicht all die zahlreichen Anregungen und Argumentationen umfasst, die in jenen Jahren aus Deutsch-
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1. | DIE WIENER ALTSTADT
ALS
«ENSEMBLE»
land und Europa kommen, leistet es doch zweifellos einen maßgebenden Beitrag dazu, der schon zu jener Zeit mit einer Tradition rechnen kann.
1. DIE WIENER ALTSTADT ALS «ENSEMBLE» UND DIE ENTWICKLUNG DER ZEITGENÖSSISCHEN ARCHITEKTUR Die Wiener Altstadt wird in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von einer urbanen Ausdehnung bedroht, die die kaiserliche Residenzstadt und das aristokratische Machtzentrum in eine Metropole der Industrie und Manufaktur verwandelt. Der junge Kaiser Franz Joseph beschließt 1857 kurz nach seiner Thronbesteigung, den bis dahin von Befestigungsmauern und dem militärischen Verteidigungswall eingenommenen Raum zu beseitigen und den frei gewordenen Raum zur Modernisierung der Hauptstadt und zur Verbindung des Zentrums mit der Peripherie zu nutzen. So wird ein weites Stadtgebiet für den Wohnungsbau und vor allem für repräsentative und administrative Bauten freigestellt. Damit kommt er den Bedürfnissen entgegen, die die zunehmende Verstädterung der Bevölkerung und die kaiserlichen politischen Ambitionen mit sich bringen. Die Stadtbevölkerung verdoppelt sich in der Tat von 431.000 Einwohnern im Jahr 1850 auf 817.000 im Jahr 1890; und auch wenn verschiedene Faktoren (wie z. B. der Verlust der italienischen Gebiete 1859, die Bildung des Deutschen Reiches 1871, die politische Gleichstellung Ungarns und die damit verbundene wachsende Bedeutung von Budapest, die Forderungen der anderen kulturellen Zentren Prag, Krakau und Zagreb) dazu beitragen, die internationale politische Rolle der Stadt drastisch zu reduzieren, so ist sie doch am Ende des 19. Jahrhunderts mit einer Einwohnerzahl von 1.877.000 eine Industriemetropole ersten Ranges. Dieses Wachstum ist nicht nur auf eine zunehmende Immigration zurückzuführen, sondern vor allem auf die Expansionspolitik Wiens, die die Randgemeinden südlich der Donau der Stadt einverleibt. Sie wird von dem christlich-sozialen Rechtsanwalt Karl Lueger betrieben, der die Stadt als Bürgermeister von 1895 bis 1910 ohne Unterbrechung leitet und eine Politik vertritt, die die primären Dienstleistungen wie Wasser- Licht- und Gasversorgung sowie das Gesundheits- und das städtische Verkehrswesen in den Vordergrund stellt. In der Zeit, in der Lueger die Stadt verwaltet, entwickelt sich eine bedeutende Arbeiterbewegung, aus der am Ende die Sozialdemokratie hervorgehen sollte. Es ist die Zeit wichtiger literarischer, künstlerischer und musikalischer Veranstaltungen, eine Blütezeit auf allen wissenschaftlichen Gebieten, die sowohl die Wirtschaft als auch die Medizin, die Mathematik wie die Physik betreffen und Wien zu einer der attraktivsten und einflussreichsten Metropole Europas machen. In dem «kulturellen Dreieck», das die Stadt zusammen mit Prag und Budapest bildet, nimmt Wien eine hervorragende Stellung ein.57 Die wichtigen Maßnahmen auf dem Gebiet der Dienstleistungen und Infrastrukturen kennzeichnen den Übergang von der liberalen (aristokratischen) zu der von den Volksparteien (der christlich-sozialen Partei unter Lueger und der sozialdemokratischen Partei unter dem Arzt Victor Adler) verwalteten Stadt. Dem Ausbau des
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BAUSTELLEN
DER
ERHALTUNG
UND
RESTAURIERUNG | II.
Verkehrswesens gehört der Vorrang in der Stadtentwicklung. So wird die Anlage des Rings beendet. Der spekulative Bau von gründerzeitlichen Wohnblöcken schreitet fort. Er wird in der Zwischenkriegszeit die Reaktion der sozialdemokratischen Politik herausfordern. Die Ausdehnung der Stadt bis zur Peripherie erfordert weiters eine Antwort auf die Frage, wie die Außenbezirke mit dem Zentrum verbunden werden sollen. Daraus ergibt sich wiederum die Problematik der Durchquerung des Zentrums und seiner Erhaltung als einheitlicher Komplex, als Stadtdenkmal. Aus dem angedeuteten Entwicklungsbild geht hervor, dass die Idee von «GroßWien» eine monozentrische Ausdehnung voraussetzt, die das Gegenteil zu dem bildet, was später in Berlin passiert, wo im Stadtplan die Einbeziehung der Außenbezirke in einer polyzentrischen Entwicklung vorgesehen ist. Die monozentrische Ausdehnung Wiens ist in seinem antiken und mittelalterlichen Stadtkern mit seinen späteren Renaissance- und Barockstrukturen begründet, kurz gesagt, in der vorindustriellen Stadt. Die industrielle Entwicklung führt zu einer Intensivierung der Handelsbeziehungen mit Böhmen im Nordosten, mit Ungarn im Südosten und mit der adriatischen Küste im Süden und folglich zu einem Ausbau der für die Verbindungen erforderlichen Infrastrukturen. Diese Achsen hätten das Zentrum umgehen können, ja sogar müssen, da sie zum kreisförmigen Ausdehnungssystem von Ring und Gürtel gehörten. In diesem Sinn war die Wiener Ringstraße ein Modell für die Stadtplanung in vielen europäischen Städten.58 In Wirklichkeit spart die monozentrische Entwicklung trotz des Schutzkordons in Form der Ringstraße das historische Zentrum nicht aus, und auch Alt-Wien muss sich den Modernisierungsplänen beugen, die den Fahrzeugen Zugang verschaffen selbst unter der Gefahr, damit die historische Stadtanlage zu zerstören, was größtenteils auch geschah. Dasselbe Schicksal ereilte am Ende des Jahrhunderts fast alle europäischen Städte, die einen vorindustriellen historischen Kern besitzen, wie beispielsweise Bologna und Florenz. Vor diesem Hintergrund bildet sich der «Verein zum Schutz und zur Erhaltung der Kunstdenkmäler Wiens und Niederösterreichs», der sowohl der ZK als auch der neu entstandenen «Heimatschutzbewegung» zur Seite steht. 1910 sammelt Dvoøák eine Reihe wichtiger Beiträge, die diese Bewegungen der Rettung des historischen Kerns des Wiener Zentrums widmeten.59 Die Reden und Aufsätze (sie erschienen auch in der bedeutenden Tageszeitung «Neue Freie Presse») verschiedener angesehener Persönlichkeiten, wie des Soziologen Werner Sombart und des Grafen Lanckoroñski, stimmen völlig mit Dvoøáks Ansichten zu den komplexen Problemen überein, die die Er-
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E. SCHMIDT: Die Geschichte der Stadt Wien, Wien–München, 1978. Dies wird zum Beispiel in den 1860er Jahren in Köln von Joseph Stübben aufgenommen. Auch Marcello Piacentini nimmt in seinen Vorschlägen zur Stadtentwicklung von Rom in den Jahren 1916 und 1925 hierzu mehrfach Bezug; vgl. R. WITTKOWER: Die städtebauliche Zukunft Roms im 20. Jahrhundert, in: Kunstchronik und Kunstmarkt, 1926, Nr. 44/45, S. 673–677; V. FRATICELLI: Roma 1914–1929. La città e gli architetti tra la guerra e il fascismo, (Collana di architettura), Roma 1982, S. 84 f. ALT-WIEN 1910.
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1. | DIE WIENER ALTSTADT
ALS
«ENSEMBLE»
haltung des historischen, monumentalen, künstlerischen und kulturellen Erbes mit sich bringt. Sie vermitteln nicht nur ein Bild von den Meinungen der Fachleute und der kritischen Öffentlichkeit, sondern auch von dem weitverbreiteten Interesse für die Denkmalerhaltung und für die kulturellen Werte, auf denen sie gründet. In der Einleitung dieses Kompendiums verurteilt Dvoøák die Situation, die mit der Gründerzeit, d. h. den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts, entstand und die von einem Industrialisierungsboom, müheloser Bereicherung, rapidem Verlust an Werten und Traditionen und sozialen, kulturellen und künstlerischen Umwälzungen gekennzeichnet war. In seiner Kritik lässt sich die Beeinflussung durch Nietzsche erkennen, die jedoch keine besondere Betonung verdient, da es sich um Meinungen handelt, die von einem großen Teil der liberal, konservativ, christlich-sozial und sozialdemokratisch gesinnten Volksschichten geteilt wurden. Dvoøák macht den Verlust der Tradition und der damit verbundenen Möglichkeit deutlich, einen Zugang zum Kunstverständnis zu finden, woraus wiederum der Mangel an Sensibilität und der Zerstörungsdrang gegenüber dem Überlieferten herrühren. Er wendet sich gegen die Reproduzierbarkeit und die industrielle Massenproduktion von Kunst, gegen den schlechten Geschmack, die Bedeutungslosigkeit und die Anpassung des künstlerischen Schaffens an den Zeitgeschmack, die sich vor allem in den Kultstätten zeigen, insbesondere in ihren Verzierungen und ihrer Ausstattung, gegen die Dekadenz der Architektur und des Kunstgewerbes, die sich in der Hand von Spekulanten, Unternehmern und Fabrikanten von Serienartikeln, Anstreichern und Handlangern, Ingenieuren und Bürokraten, Theoretikern und Antiquitätenhändlern befinden. Besondere Aufmerksamkeit verdient in diesem Zusammenhang nicht nur die Rückschrittlichkeit dieser antikapitalistischen Auffassungen, sondern vor allem die Tatsache, dass das alte Wien, das Herz der Stadt, ihr Bild – ihr «Gesicht», laut Marcello Piacentini – die historische und künstlerische Tradition und den Grundgedanken der Kunst verkörpert. Dvoøáks Überlegungen zur Verteidigung der Wiener Altstadt werden von einer unverhohlenen Kritik an der Architektur der Gründerzeit begleitet. Er stellt sich damit klar auf die Seite einer neuen Richtung, die den Bezug zur Tradition aufrecht erhalten will, ohne Stilrichtungen zu imitieren. Diese Richtung will die geistige Verbindung mit der künstlerischen Entwicklung wiederherstellen, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch den eklektischen Historismus unterbrochen worden war. Es handelt sich um eine moderne Bewegung, die die Vergangenheit zwar nicht aufgibt, sie jedoch nicht imitieren will und sich ihr in Bezug auf Material, Funktion und Technik nicht entgegenstellt. Nach Julius August Lux sucht diese Bewegung nach einem «harmonischen Kontrast».60 Eine Gelegenheit zur Verteidigung dieser Richtung bietet sich, als der Bau einer neuen Straße, parallel zur Kärntnerstraße, entlang der Achse Laurenzerberg und Akademiestraße durch das Herz der Altstadt geplant wird. Der Bau hätte Demolierungen bei den Kreuzungen mit der Annagasse, der Johannesgasse und der Himmelpfortgasse mit sich gebracht. Da schon Eingriffe am Neuen Markt, am alten Universitätsplatz, beim alten Kriegsministerium Am Hof, am Franziskanerplatz und am Hei-
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BAUSTELLEN
DER
ERHALTUNG
UND
RESTAURIERUNG | II.
ligenkreuzerhof vorgenommen worden waren, hätte der historische Stadtkern so eine weitere Reduktion erfahren. Unter den kritischen Beiträgen ist jener von Sombart besonders bemerkenswert, der sich durch die Weite seines Horizontes auszeichnet. Sombart verficht die These von Wien als einer Kulturhauptstadt. Berlin betrachtet er dagegen als eine Peripherie von New York, einer Stadt, die er als Wüste bezeichnet. Wien ist für ihn eine Alternative zu Berlin und zur Amerikanisierung.61 Diese Auffassungen werden vom Grafen Lanckoroñski wieder aufgegriffen, der die Entwicklung kleiner Städte gegen die der Metropolen verteidigt, so zum Beispiel Florenz gegen Wien und Paris. Er verteidigt das Stadtbild gegen architektonische Eingriffe, die er wie die Prankenhiebe eines Löwen empfindet. Es ist die konservative Haltung der Modernität. Für den einflussreichen galizischen Grafen stellt die neue Straße durch das alte Wien eine absolute Absurdität dar, die ebenso unvorstellbar sei wie eine Straße durch das alte Zentrum von Rom, das zum «Idealbesitz der Menschheit» gehöre.62 Kurioserweise wurde ein solcher Alptraum von Gustavo Giovannoni, dem Begründer der italienischen Restaurierung, in dem Projekt «La Burbera» für das «Grande Roma» Mussolinis vorgeschlagen.63 Andere Beiträge betreffen Fragen der städtischen Elemente. Heinrich Sitte zielt als Erster auf eine Definition des Platzes als «Ensemble» ab: Ein architektonischer Komplex, der die Bezeichnung «Platz» verdient, muss alle wesentlichen Eigenschaften einer Einheit aufweisen: «Ein die künstlerische Bezeichnung Platz verdienendes Gebilde der Baukunst muß die allen Kunstwerken durchaus wesentliche Grundeigenschaft der Einheit in sich aufweisen, der sinnlich – nicht bloß intellektuell – erfaßbaren Einheit eines in sich abgeschlossenen Ganzen.»64 Seine Erläuterung ist für die Ausbildung des Konzepts von monumentalen Denkmaleinheiten (z. B. Stadtdenkmalen) interessant. Auch auf den Beitrag von Lux muss hingewiesen werden, der genau Dvoøáks Absichten entspricht, alles so zu erhalten, wie es uns überkommen ist (laut Ruskin): «Erhaltung des Bestehenden»! Dieses Gebot wird bedingungslos, ja fast bedenkenlos eingehalten. Dabei muss man sich der kulturellen und professionellen Konflikte bewusst sein, die seit einem Vierteljahrhundert die Denkmalerhaltung charakterisieren: «Das ist eine in ihrer tiefen inneren Berechtigung nicht mehr zu erschütternde Pflicht, die uns keineswegs in Konflikt mit den praktischen und künstlerischen Forderungen des Neuschaffens zu bringen vermag». Andererseits lautet die Lösung, die Lux erhofft und die Dvoøáks Überzeugung entspricht: «Die künstlerische Sensibilität wird
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J. A. LUX: Die Rettung Wiens, in: ALT-WIEN 1910, S. 54-66. W. SOMBART: Wien, in: ALT-WIEN 1910, S. 8-14. K. LANCKOROÑSKI: Die Zerstörung Wiens, in: ALT-WIEN 1910, S. 49-54. Der Begriff des Gemeinbesitzes der Menschheit als Horizont der Denkmalpflege wurde von Riegl in dessen Denkmalkultus eingeführt. V. FRATICELLI: Roma 1914–1929. La città e gli architetti tra la guerra e il fascismo (Collana di architettura), Roma 1982, S. 425 f. H. SITTE: Am Hof, in: ALT-WIEN 1910, S. 23–31, hier S. 24.
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1. | DIE WIENER ALTSTADT
ALS
«ENSEMBLE»
in einem solchen Konflikt immer die richtigen Wege finden». Der Wiener Idealismus «put art in command». Es handelt sich um einen radikalen, tendenziell autoreferenziellen Gesichtspunkt, da der Hauptzweck von Riegls Projekt für eine Neuorganisation der österreichischen Denkmalpflege darin bestand, den Konflikt und nicht seine Beseitigung in den Mittelpunkt einer Denkmalerhaltung zu stellen, die letztlich ihre Entscheidungen nach künstlerischen Erwägungen fällte. Einer Denkmalerhaltung, die von ihrem Programm her stärker Partei nimmt, de facto aber eher geschwächt ist, entspricht eine bedeutende Erhellung des Bezugs/Konflikts zwischen Altem und Neuen: Der Erhaltung des Alten ausschließlich in dem uns überkommenen Zustand entspricht eine ebenso scharfe und entschlossene Ablehnung sowohl des «Ambientismus», den in der Folgezeit Gustavo Giovannoni vertreten wird, als auch der «getarnten Integrationen», d. h. der Praxis der «Auskernung», die von Georg Mörsch gebrandmarkt worden ist.65 Die neue Architektur soll im klassischen Sinn neu sein, d. h. sie soll ein «Werk der Baukunst» sein. Loos bezeichnete sich deshalb gern als Baumeister. Ein «Werk der Baukunst» soll nach Loos den Kriterien der Einfachheit und der Integration in die Straßenzeile entsprechen. Dvoøáks Programm der Denkmalerhaltung macht sich Loos’ Auffassungen von einer neuen Architektur zu eigen. Eine Verbindung der Denkmalerhaltung mit der neuen Architektur herzustellen ist auch Absicht des Heimatschutzes, der als Organisation das Alte verteidigt und gleichzeitig für eine unverfälschte Architektur als Ausdruck der eigenen Zeit eintritt. Unter diesem Aspekt ist der Heimatschutz hauptsächlich Ausdruck eines künstlerischen und noch nicht eines «völkischen» Interesses. Es geht auch ihm darum, das Bestehende zu erhalten, «weil dieses Bestehende einen durch keine Nachahmung ersetzlichen Wert darstellt, der auch für das seelische Leben der Stadt, für ihre Charakteristik und für ihre organische Vollständigkeit eine große Bedeutung hat.»66 Keine neue Technik kann die «kulturelle Funktion» ersetzen, die die historische Stadt ausübt, und auch nicht das «biologische notwendige Ergebnis des städtischen Werdeganges», das sie darstellt: Der historische und künstlerische Charakter der Stadt ist ein «Gemeingut», «ein unendlich hohes, wertvolles, geistiges und zugleich auch wirtschaftliches Kapital.»67 Es soll hier auch auf die Hinweise aufmerksam gemacht werden, die Lux bezüglich der modernen Tendenz in der Architektur gab: München und indirekt auch die Schule von Theodor Fischer seien Beispiele für ein Bauen, das sich nicht der Imitation bedient, sich der Zeit anpasst und imstande ist, ein harmonisches Ergebnis auch durch Kontraste zu erzielen. Dazu seien Mittelalter und Barock fähig gewesen, nicht aber die «Biedermeierei», d. h. der historistische Stileklektizismus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In der neuen Richtung lassen sich auch deutlich Analogien zu den Auffassungen feststellen, die Dvoøák in seiner Abhandlung Borromini als Restaurator vertritt, wie auch zu seiner Ablehnung der Architektur der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Architekten, die diese Linie vertreten, sind außerdem dieselben, die Dvoøák in seiner Konferenz über Die letzte Renaissance zitiert und zwar Messel, Geßner, Endell, Schmitz und Behrens. Weitere Äußerungen nehmen auch auf die Umfrage «Was braucht Wien?» Bezug, die das Illustrierte Wiener Extrablatt angeregt hatte und die die Stellungnahmen des
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BAUSTELLEN
DER
ERHALTUNG
UND
RESTAURIERUNG | II.
Staatsrats Josef Alexander Freiherr von Helfert, des Regierungsrats Julius Leisching und des Architekturprofessors der Kunstakademie Friedrich Ohmann enthält. Die Publikation schließt mit der Wiedergabe weiterer Beiträge, etwa jenem zum Wert des Heimatschutzes von Wilhelm Freiherr von Weckbecker und von Alfred Schnerich, zum unmodernen Charakter Wiens von Marion von Kendler und Hans Hartmeyer sowie des Grafen Lanckoroñski. Letzterer zieht eine Parallele zwischen Wien und Rom und behauptet, dass beide Städte, da sie von der Architektur des 19. Jahrhunderts zerstört worden seien, eine Rekonstruktion verdienten, d. h. Gegenstand einer urbanen Rekonstruktion nach den Prinzipien der Denkmalerhaltung werden müssten. Dabei müsse die Architektur der neuen Tendenz Folge leisten, die das Moderne mit dem historischen Kontext verknüpft. Der galizische Graf geht noch weiter, indem er den Anstoß dazu gibt, bei der Frage der Verteidigung von Alt-Wien auf die Rekonstruktion des Schlosses auf dem Krakauer Wawel Bezug zu nehmen. Er führt das Kriterium des Nationalstolzes ein, das zur Rechtfertigung einer Rekonstruktion herangezogen wird. Damit kommt zur Rekonstruktion und Restaurierung eines Bauwerks ein neues, äußert widersprüchliches Element hinzu, mit dem sich Dvoøáks Konzept der Denkmalerhaltung in der Folgezeit auseinanderzusetzen hat. Diese Auseinandersetzung sollte in der Tat auf dem Wawel stattfinden, der zum Streitobjekt und zum Ort wird, an dem diese ausgetragen wird.68 Abschließend kann man sagen, dass die Verteidigung Alt-Wiens im Kontext der Studien gesehen werden muss, die zur selben Zeit zur Stadt als «Ensemble», als Monument in großem Maßstab, betrieben werden. Sie muss aber auch in der Perspektive einer langen Entwicklung gesehen werden, die es ermöglicht, rückblickend die Veränderungen besser zu verstehen, die durch die Ereignisse in der Folgezeit notwendig wurden.
1.1 FINIS VINDOBONAE: DAS WIEN
VON
DVOØÁK
UND
TIETZE
Was war aber nun der Grund für Dvoøáks Initiative, allgemein geteilte und weitverbreitete Meinungen zur Verteidigung von Alt-Wien zu sammeln? Handelt es sich um eine der vielen Initiativen, die fast überall in den historischen Städten Europas entstanden, für die die industrielle Entwicklung und der damit verbundene zunehmende Verkehr eine Bedrohung ihrer geschichtlich gewachsenen Struktur darstellte?
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J. A. LUX: Die Rettung Wiens, in: ALT-WIEN 1910, S. 54–66. G. GIOVANNONI: Questioni di architettura nella storia e nella vita. Edilizia, estetica architettonica, restauri, ambiente dei monumenti, Roma 1925; G. MÖRSCH: Die Wirklichkeit der Denkmäler. Überlegungen zur heutigen Erhaltungspraxis, in: Bauwelt, 75, 1984, S. 368–372. J. A. LUX: Die Rettung Wiens, in: ALT-WIEN 1910, S. 62. Ebenda, S. 64. Bezüglich einer Aktualisierung des angedeuteten Horizonts der Denkmalpflege, die die Rekonstruktionen «en pastiche» und eine neue traditionalistische Architektur einbegreift, vgl. unser Kap. V.
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1.1 | FINIS VINDOBONAE: DAS WIEN
VON
DVOØÁK
UND
TIETZE
Aus den gesammelten Beiträgen, insbesondere aus der speziellen Aufmerksamkeit, die dem Bezug zwischen der Verteidigung der historischen Struktur, der Kontinuität ihrer Entwicklung und der modernen Architektur geschenkt wird, gehen vor allem zwei Anliegen hervor, die im 19. Jahrhundert wachsende Bedeutung erlangen und nicht nur bestimmte Disziplinen wie die Stadtplanung, die territoriale Planung, die Architektur und den Schutz des Kulturbesitzes, sondern die Lebens- und Umweltqualität im Allgemeinen betreffen. Das dringlichste Anliegen besteht im Schutz des historischen Kerns als des nicht reproduzierbaren und die Identität verbürgenden Charakteristikums der Stadt. Das zweite damit verbundene Anliegen besteht darin, die neue Architektur als einen Faktor zu betrachten, der die Stadt, ihr Schicksal und die Denkmalpflege selbst qualifiziert. Es handelt sich also darum, die enge Verbindung von Altem und Neuem anzuerkennen und zwar nicht als ein nebensächliches Problem einer Denkmalerhaltung, die das Moderne abschätzig ignoriert, sondern als Dialog, der nicht nur wünschenswert, sondern notwendig ist. Dvoøák hatte die Probleme, die die Erhaltung Alt-Wiens mit sich brachten, schon in einem kurzen Beitrag im Jahrbuch der k. k. Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale (Jahrbuch) zusammengefasst. Er betont darin, dass es sich bei den Personen, die sich für die Erhaltung einsetzen, nicht um einzelne unverbesserliche Förderer und Liebhaber der Kunst handle. Der Denkmalkult betreffe nicht nur wenige Gelehrte, die sich von einer dogmatischen Auffassung der Kunst inspirieren ließen, er habe vielmehr ein allgemeines weit verbreitetes Interesse für die Überreste der Vergangenheit erweckt. Der Beitrag ist besonders interessant, weil er einerseits Dvoøáks grundlegende Übereinstimmung mit Riegls Auffassungen zur Denkmalerhaltung bestätigt – auch wenn er in der Frage der Rezeption im Vergleich zu Riegls Auffassung von seinem Nutzen für die Massen eher vage bleibt –, andererseits aber eine Verbindung zu den die Umwelt betreffenden Aspekten der Denkmalpflege herstellt und damit eine Brücke zur deutschen Denkmalpflege schlägt. Unter diesem Aspekt ist Dvoøáks Behauptung zu verstehen, dass der Denkmalkult in Zeiten seiner weiten Verbreitung auch den Gefühlsbereich betreffe. Er hätte Liebe zum Herkunftsort, zum Vaterland eingeschlossen, wobei «Vaterland» nicht im Sinn der Aufklärung und der Revolutionszeit zu verstehen sei, die nur den Patriotismus gekannt hätten, sondern als «Heimatliebe», als «amor patriae», die «auf dem beruht, was seit jeher die Menschen mit territorialer Eigenart und geschichtlichen Momenten verknüpfte, auf der Anhänglichkeit zu dem Boden, auf dem sich das Ringen der Vorfahren um die Bewältigung der Lebensaufgaben abspielte, und zu den Monumenten, die Ahnenbildern vergleichbar von diesem Ringen eine stumme und doch beredte Zeugenschaft ablegen». In diesem Sinn hätten die historischen Denkmäler die gleiche Funktion ausgeübt wie die Ahnenfotografien, d. h. im romantischen und Rieglschen Sinn, Zeugen vom Werden und Vergehen, von den Wechselfällen im menschlichen Leben zu sein. Im Vergleich zu diesem pädagogischen und ethischen Aspekt der Denkmalpflege müssten die Argumente derer geradezu lächerlich erscheinen, die darin einen Fortschritt sehen, dass der Verkehr durch regulierende Eingriffe in den Straßenverlauf von Alt-Wien
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UND
RESTAURIERUNG | II.
erleichtert wird.69 Das Thema wird in Dvoøáks Schrift zum Schutz des historischen Zentrums von Split wieder aufgenommen, aber auch darin werden einige Prinzipien aufgestellt, die seine Auffassung von Denkmalpflege charakterisieren. Er konnte dabei noch mit einer breiten öffentlichen Unterstützung rechnen, mit einer gesellschaftlich anerkannten Meinung, die bereit war, den Fehlern und Nachteilen der Zivilisation im Namen der Kultur entgegenzuwirken. Der Wert des Kunstbesitzes bestand primär in seiner Funktion für die Bildung, die Erziehung und den Respekt vor der Umwelt. Diejenigen, die heute mit Sarkasmus über den Begriff «Identität» und die Gefahr vor damit verbundenen Ideologien diskutieren – vor allem vor dem Hintergrund rezenter «völkisch» motivierter rassistischer Äußerungen in Österreich und Italien –, können hier Bezugspunkte finden, die diese Diskussionen zu ihrem Ursprung, d. h zu einer liberalen und demokratischen Tradition zurückführen, die der rassistischen Instrumentalisierung diametral entgegengesetzt ist. Man muss sich jedoch bewusst sein, dass das Problem im ganzen 20. Jahrhundert anzutreffen ist und einen wichtigen Aspekt der Denkmalpflege ausmacht. Der bisher behandelte Gesichtspunkt wurde von einer kulturellen und politischen Elite zweifellos geteilt. Er wurde langsam auch zu einem Bezugspunkt sowohl für die Bedürfnisse der Denkmalpflege als auch für die Erneuerung der architektonischen Forschung. Zu seinem besseren Verständnis tragen zwei Schriften bei: eine lange dreiteilige Abhandlung über den Kampf für die Erhaltung des historischen Zentrums und ein bahnbrechender Stadtführer. Beide Schriften wurden von einer anderen Persönlichkeit abgefasst, die für die österreichische Denkmalpflege jener Zeit von großer Bedeutung war. Es handelt sich um Dvoøáks engen Mitarbeiter Hans Tietze. Sein Werk Wien ist ein moderner Führer durch den Kulturbesitz der Stadt. Es rekonstruiert ihre Entwicklung in einer periodischen Gliederung und unter kunstgeschichtlichem Aspekt: die römische Kolonisation und das romanische Mittelalter; Gotik, Renaissance, Barock und Spätbarock; das Zeitalter Maria Theresias und Joseph II.; das Kaiserreich und die revolutionären Bewegungen; das Zeitalter Franz Josephs. Zu jeder Periode erforscht er die verschiedenen Bereiche künstlerischen Schaffens: Architektur, Malerei, Bildhauerei, Kunstgewerbe, Literatur und Musik. Gleichzeitig gibt er einen Überblick über die wichtigsten historischen, sozialen, politischen und kulturellen Ereignisse. Es handelt sich um ein Werk der Kunstliteratur, das sich kaum mit anderen Werken dieser Gattung vergleichen lässt. Wenn man zum Beispiel das vielbändige, von Corrado Ricci betreute Werk Italia Artistica damit vergleicht, in dem immerhin bemerkenswerte Autoren wie Pietro Toesca, der Autor des bekannten Turin-Führers, zur Sprache kommen, kann man sich eine Vorstellung von Tietzes informativer Ausführlichkeit, Genauigkeit in der Beurteilung, literarischer Qualität, kritischem Verständnis und moderner Aufgeschlossenheit machen. Er verfolgt mit seinem Führer
69
DVOØÁK 1908/5. S. auch DVOØÁK 1911/5. Beides hier abgedruckt als Texte I.5.2, S. 414. bzw. I.6.9, S. 448.
51
1.1 | FINIS VINDOBONAE: DAS WIEN
VON
DVOØÁK
UND
TIETZE
insbesondere die Absicht, die wesentlichen Charakteristika der Stadt zu erforschen und bekannt zu machen, d. h. das zu untersuchen, was sie zu einem einzigartigen Kulturbesitz macht, der geschützt werden und mit dem sich die moderne Architektur auseinandersetzen muss. Auch wenn sich darin eine Übereinstimmung mit Dvoøáks Initiative feststellen lässt, so unterscheidet sich Tietze doch durch seine positive Beurteilung der Bauperiode, die Kaiser Franz Joseph mit dem Plan zum Bau der Ringstraße einleitet. Besonders positiv ist seine Haltung zu dem historistischen Bau des Burgtheaters von Hasenauer, dem Parlament von Hansen, der Votivkirche von Ferstel und dem Rathaus von Schmidt. Auch die moderne Architektur von Otto Wagner und Josef Hoffmann findet seine volle Zustimmung. Im Vergleich zu Dvoøák scheint sich seine Kritik an der historistischen Dekadenz, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts besonders auf künstlerischem und architektonischem Gebiet stattfand, auf das Kunstschaffen der 1870er Jahre zu beschränken.70 Die Neuauflage des Wien-Führers (1931) präsentiert die Stadt als Kulturgut in Form einer Monographie, die einen Beitrag zu «Kultur, Kunst und Geschichte», wie der vollständigeTitel lautet, leistet. Der Text ist durch statistische Daten und einige Diagramme zum wirtschaftlichen und demographischen Wachstum erweitert worden, aber der literarische Stil zeichnet sich weiterhin durch Lebhaftigkeit und Kreativität aus und bleibt der Absicht treu, die hervorstechenden und grundlegenden Charakteristika der Stadt, das Wesen des urbanen Organismus deutlich zu machen. Tietzes kunstkritische Betrachtungen erregen großes Interesse dadurch, dass sie den einzelnen Fachdisziplinen ihre Aufmerksamkeit zuwenden, ohne dabei das Leitmotiv, d. h. die Stadt Wien, aus dem Auge zu verlieren. Dabei werden Ansichten deutlich, die für die Denkmalpflege und ihren Konflikt mit den Bedürfnissen der Moderne äußerst aufschlussreich sind: «Gleiches Zurückbleiben, gleiches Zurückbleibenwollen begegnet immer wieder; vom dreizehnten Jahrhundert, das dem anderwärts überwundenen romanischen Stil eine späte Nachblüte bereitet, bis zum achtzehnten Jahrhundert, in dem lokales Barock fruchtbar und mächtig in eine ganz veränderte neue Zeit hineinwächst und bis in die Gegenwart, da ein unüberwindliches Traditionsbedürfnis dem schärfsten Radikalismus eingebunden bleibt.»71
70
71
52
H. TIETZE: Der Kampf um Alt-Wien. I. Alt-Wiener Friedhöfe, in: KuJbZK, 2, 1908, Beibl., Sp. 45–56 und ebenda: Der Kampf um Alt-Wien. II. Ein Verkehrshindernis, Sp. 113–122 und derselbe: Der Kampf um Alt-Wien. III. Wiener Neubauten, in: KuJbZK, 4, 1910, Beibl., Sp. 33–62; s. a. derselbe: Wien. Kultur, Kunst, Geschichte, Wien–Leipzig 1931. Tietze nimmt hier Dvoøáks Gedanken wieder auf, gibt ihnen aber eine einheitlichere Gestalt. E. Frodl-Kraft betrachtet Tietzes Führer als einmalige kritische, historische und literarische Darstellung; FRODL -KRAFT 1980, S. 53 f. H. TIETZE: Wien. Kultur, Kunst, Geschichte, Wien–Leipzig 1931, S. 35. Tietzes kritische Darstellungen der mittelalterlichen Siedlung römischen Ursprungs mit Burg und Befestigungen und der Stephanskirche als ihrem Symbol, der Entwicklung der Stadt zum Zentrum von Handwerk und Handel und ihre Umwandlung von einer kaiserlichen Residenz in das mit dem Ring begonnene Projekt «Groß-Wien» bewegen sich somit in einem interdisziplinären Rahmen, der im Vergleich zur ersten Ausgabe noch weiter gesteckt ist. Dazu wird alles durch archäologische und sprachwissenschaftliche Forschungsergebnisse und eine Fotoreportage noch besonders verdeutlicht.
BAUSTELLEN
1.2. DER WIEDERAUFBAU
IN DER
NACHKRIEGSZEIT
DER
ERHALTUNG
UND DAS
UND
RESTAURIERUNG | II.
PROJEKT STEP 94
Die Überlegungen zur Denkmalpflege und die Betrachtung der historischen Stadt in ihrem Bezug zur Moderne, die mit Dvoøák begannen und von Tietze meisterhaft dargelegt und erweitert wurden, greift ein anderer Dvoøákschüler auf, der seinerseits eine hervorragende Persönlichkeit der Wiener Schule für Kunstgeschichte und Denkmalpflege war: Dagobert Frey. Er machte sie zum Ausgangspunkt seiner systematischen Überlegungen zur Behebung der Schäden, die durch den Zweiten Weltkrieg verursacht worden waren. Nach dem inzwischen seit einer Generation anerkannten Prinzip «die Stadt als Ganzes ist Denkmal» behandelt er 1. die Erhaltung und Erweiterung des historischen Stadtorganismus, 2. die Erhaltung des Stadtcharakters und Stadtbildes, 3. die Erhaltung von Straßenkreuzungen und Plätzen, 4. die Rolle der Modelle zur Simulation moderner Architekturelemente in der historischen Struktur, 5. die Unterstützung der modernen städtischen Baukunst durch die Kultur der Denkmalpflege, 6. bauliche und technische Einzelheiten der Reparaturmaßnahmen, Ersetzung und Erneuerung von Türen, Fenstern, Verputz, Schaufenstern und Schildern, 7. Naturschutz von Parks und Gärten, Wiesen und Wäldern. Diejenigen, die die Abwesenheit der «Deutschen» in der 1931 in Athen stattfindenden Versammlung der Konservatoren und Restauratoren oberflächlich kritisiert haben, – in der sicherlich einige Richtlinien für die internationale Denkmalpflege festgelegt wurden – täten gut daran, Freys Schrift zu lesen und die Vorbildlichkeit der Wiener Denkmalpflege unter Riegl, Dvoøák, Tietze, Frey, Demus und Frodl zu erkennen, um wenigstens zu verstehen, dass die Erklärung der Stadt Wien zum UNESCO-Weltkulturerbe auf einer stets präsenten, allgemein anerkennten Grundidee beruht. Retrospektiv, d. h. mit dem Blick auf die von Dvoøák und Tietze aufgeworfenen Probleme, interessieren uns besonders Freys Argumente zum Schutz von Alt-Wien und zum Bezug zwischen Denkmalerhaltung und neuer Architektur in der historischen Struktur. Zu den drohenden Demolierungen aus Verkehrsgründen schreibt er in Verteidigung des städtischen Organismus: «Die Stadt als Ganzes ist ‚Denkmal’. Jede gewachsene Stadt stellt einen lebendigen Organismus von Verkehrsbahnen und Lebenszentren dar, in dessen baulicher Gestaltung an sich die Geschichte und das Schicksal, das Wesen und der Charakter des Stadtindividuums zum Ausdruck gelangen. Hiezu gehört ebenso die Wahrung und lebendige Weiterentwicklung der Gesamtstruktur des Altstadtkernes, der ihn umfassenden Ringe von Vorstädten und Vororten mit ihren eigenen alten Siedlungszentren und der sich daraus ergebenden Aufgliederung durch Ring- und Radialstraßen wie die schonungsvolle Erhaltung der Altstadt selbst in ihrer geschichtlich und sozial bedingten Plananlage. Die ‚Innere Stadt’ zeigt in dieser Hinsicht eine sehr klare und historisch aufschlussreiche Struktur mit der Kernzelle des römischen Castrums zwischen dem ‚Graben’ und dem Abbruch der Uferterrasse gegen den Donaukanal, mit der nordsüdlichen Verkehrsachse der Rotenturm- und Kärntnerstraße, mit der auf einen römischen Straßenzug zurückgehenden diagonal verlaufenden Herrengasse und den parallel geführten eng gereihten Gassen zwischen Her-
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1.2 | DER WIEDERAUFBAU
IN DER
NACHKRIEGSZEIT
UND DAS
PROJEKT STEP 94
rengasse und Graben in nordöstlicher Richtung, zwischen Kärntner- und Rotenturmstraße und dem östlichen Stadtrand in westöstlicher. Ein Durchbruch, wie er in der Akademiestraße vorgesehen war – ein Regulierungsprojekt, das glücklicherweise heute als erledigt gelten kann –, ist nicht nur darum grundsätzlich abzulehnen, weil dadurch wertvolle Einzelbauten mit dem Abbruch bedroht würden, sondern weil er vollkommen unorganisch den alten gewachsenen Stadtkörper durchschneidet.»72 Die Hauptkriterien für die Erhaltung der Wiener Altstadt werden bestätigt und in Übereinstimmung mit den eben beschriebenen Forderungen weiterentwickelt. «Wahrung der charakteristischen Strukturierungsform der Stadtanlage darf aber nicht einen entwicklungshemmenden Konservativismus bedeuten. Jede lebensvolle Entwicklung bringt ebenso aus geistigen wie materiellen Beweggründen notwendig Veränderungen des Lebensraumes mit sich. Wesentlich ist nur, daß diese Veränderungen eine organische Weiterbildung aus dem Geiste und der besonderen Lebensgesetzlichkeit der Stadtindividualität darstellen. Es wird gerade Aufgabe einer traditionsgebundenen Neuplanung sein, Gestaltungsmöglichkeiten, die im überkommenen Stadtorganismus latent vorhanden sind, zu erschließen. So wichtig es ist, auf Grund wissenschaftlicher Vorarbeiten die Umgebung und Umbauung einzelner bedeutender Baudenkmäler, die alten Platzbildungen und Straßenführungen und ihren Wandel zu studieren, wäre es ein lebensferner Romantizismus, wollte man versuchen, diese alten Stadtbilder zu rekonstruieren [...] der Einblick in das geschichtliche Werden der Stadtanlage hat vielmehr dazu zu dienen, ihre zutiefst im Volkscharakter gründende Bildungsgesetzlichkeit zu erkennen und aus ihr heraus neu zu schaffen.»73 Die Rekonstruktion unter einem konservativen Gesichtspunkt muss also insbesondere die Aufteilung der Gebäude beachten, ihre Fronten und Profile, die Komposition der Fassaden, der Reliefs und der dekorativen Teile, den Rhythmus und die Dynamik der Komposition, die Farben, die typischen Materialien und die Techniken und Technologien, die angewandt werden müssen, um eine Vereinbarkeit mit der Tradition zu garantieren. Frey fährt erklärend fort: «Anpassung bei der Eingliederung von Neubauten in geschlossene alte Straßen oder Platzbilder soll weder Historismus noch Purismus bedeuten, sondern hat auf dem Empfinden für den überzeitlichen und überstilistischen Charakter der architektonischen Gestaltungsweise zu beruhen.»74 Hier zeigt sich wieder die Aporie der Denkmalerhaltung, ihr Versuch, Garant für die kommenden Generationen zu sein, ihre zeitliche Bedingtheit vor der modernen Gegenwart zu verbergen. Die Denkmalerhaltung versucht im Grunde damit, der Restaurierung ihren Respekt vor der Geschichte streitig zu machen. An diesem Punkt nimmt auch Frey, wie vor ihm seine Lehrer, Partei für die Wiener Tradition, die sich nach und nach erneuert hat, also als modern, oder wie Loos und Piacentini zu sagen pflegten, als klassisch bezeichnet werden kann. Die Arbeiten zur Denkmalerhaltung betreffen: den barocken Teil des Amalienhofes in der Hofburg (Anfang des 17. Jahrhunderts und Mitte des 18. Jahrhunderts), das von Lukas von Hildebrandt entworfene Palais auf dem Platz «Am Hof» (1730), das sogenannte Schubladkastenhaus von Andreas Zach (1774), den klassizistischen Schottenhof von Josef Kornhäusel (1826–1832), das von Adolf Loos entworfene Gebäude auf dem Michaelerplatz
54
BAUSTELLEN
DER
ERHALTUNG
UND
RESTAURIERUNG | II.
(1910) sowie das von Otto Wagner entworfene Miethaus auf dem Rennweg (1889), das Frey im Gegensatz zu Dvoøák, aber in Übereinstimmung mit Tietze wie folgt beurteilt: «Wagner war auch als künstlerischer Revolutionär ‚Wiener’ und ist – mag es auch fast paradox klingen – nur aus der Tradition des Wiener Barock und der Ringstraßenzeit richtig zu verstehen».75 Es handelt sich hierbei also um ein Bauwerk, das Spuren der Wiener Tradition enthält. Seine Renovierung setzt die Fähigkeit voraus, diese Tradition in ihrer Entwicklung richtig zu interpretieren. Das aber ist gerade die Aufgabe der neuen Architektur in der historischen Stadtstruktur. Der Denkmalpflege fällt die Verpflichtung zu, dieses Bewusstsein zu schaffen. Abschließend scheint es daher angebracht, darauf zu verweisen, dass das monozentrische und strahlenförmige Stadtbild, von dem sowohl Dvoøáks als auch Tietzes und Freys Überlegungen ausgehen und das in dem von Otto Wagner geplanten Projekt Die unbegrenzte Großstadt aus dem Jahr 1911 bestätigt wird, bis zur Ausarbeitung eines neuen Projekts anfangs der 1990er Jahre beibehalten wurde. Das Projekt Step 94 verzichtet auf das alte Modell zugunsten einer axialen Stadtentwicklung, durch die die österreichische Hauptstadt ihre zentrale Bedeutung innerhalb der neuen Konfiguration Europas und seiner Ausdehnung nach Osten zurückgewinnen soll.76
1.3 DER KARLSPLATZ
UND DAS
PROBLEM
DES HISTORISCHEN
STADTMUSEUMS
Ein anderes Thema, mit dem sich Frey auseinandersetzt, betrifft die öffentlichen Wettbewerbe. Er ist der Meinung, dass sie nicht zum Aushängeschild einzelner Architekten werden dürften, sondern dazu dienen sollten, die Aspekte und Probleme klarzustellen, die die Einfügung neuer Architektur in den historischen Kontext mit sich bringt. Die Integration selbst solle dann Thema einer weiteren Wettbewerbsphase sein. Eines der in diesem Zusammenhang genannten Beispiele ist das damals geplante Stadtmuseum auf dem Karlsplatz, unmittelbar neben der von Fischer von Erlach entworfenen Kirche, einem Symbol des Wiener Barock. Das Problem wurde Anfang der 1950er Jahre durch den von Oswald Haerdtl entworfenen Neubau (1954– 58) gelöst.
72
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D. FREY: Städtebauliche Probleme des Wiederaufbaues von Wien. Denkmalpflegerische Betrachtungen, in: Österreichische Zeitschrift für Denkmalpflege, 1, 1947, S. 3–24, hier 7 f. Im gleichen Jahrgang schreibt R. Bianchi Bandinelli über die Probleme des Wiederaufbaus in Italien, wobei er besonders auf die Notwendigkeit hinweist, die Kunstwerke zu retten; vgl. R. BIANCHI BANDINELLI: Der künstlerische Wiederaufbau in Italien, in: Österreichische Zeitschrift für Denkmalpflege, 1, 1947, S. 102–112. D. FREY: Städtebauliche Probleme des Wiederaufbaues von Wien. Denkmalpflegerische Betrachtungen, in: Österreichische Zeitschrift für Denkmalpflege, 1, 1947, S. 10. Ebenda, S. 11. Ebenda. A. KLOTZ: Urbanistica viennese, in: Casabella, 63, 1999, Nr. 665, S. 21; B. M. RADOJKOVIC/C. BÄRNTHALER: La questione urbana e lo schema Step 94, ebenda, S. 21–39.
55
1.3 | DER KARLSPLATZ
UND DAS
PROBLEM
DES HISTORISCHEN
STADTMUSEUMS
Das Thema «Wettbewerbe» und das Beispiel des Stadtmuseums führen uns wieder zu Dvoøák und auch zu Wagner zurück. Für Wagner stellte das Projekt für das Kaiser Franz Joseph-Stadtmuseum den Inbegriff seiner Vorstellungen von einer Großstadtarchitektur dar. Er arbeitete von 1900–1910 ununterbrochen daran, auf der Suche nach immer neuen Versionen. Sein Projekt stellt eine Wende dar. Indem er sich von dem Vorbild «Ringstraße» befreit, wendet er sich einem zeitgemäßen architektonischen Funktionalismus zu, der ihn zum Streitfall der sezessionistischen Revolte werden lässt. Zehn Jahre lang steht er im Mittelpunkt der heftigen Auseinandersetzungen zwischen Tradition und Moderne.77 Dvoøáks Ansichten zum Problem «Stadtmuseum» drücken sich gleich zu Anfang in einer wichtigen Erklärung aus. Er schließt kategorisch aus, dass die Streitigkeiten die Frage «In welchem Stil sollen wir bauen?» betreffen, dass es also nicht darum gehe, ob die architektonischen Eigenschaften des neuen Museums eher der Tradition entsprechen oder ein klarer Ausdruck der Moderne sein sollen. Die Frage sei vielmehr, ob die Karlskirche eines Fischer von Erlach ein ebenso repräsentatives, vielleicht sogar noch imposanteres Bauwerk wie das dem Kaiser gewidmete Stadtmuseum ertragen könne: «Es ist also eigentlich eine Karlskirchen-, nicht eine Museumsfrage».78 Die Frage betreffe in erster Linie die Denkmalpflege und -erhaltung und erst in zweiter Linie und indirekt die moderne Architektur. Die Errichtung eines so bedeutenden Bauwerkes im historischen Kontext stelle eine Bedrohung des schon Vorhandenen dar, sie betreffe somit den urbanen Organismus. Bei seiner Verteidigung müsse man sich deshalb in erster Linie fragen, ob ein derartiges Vorhaben vertretbar sei. Die Kompatibilität sei erst ein Aspekt zweitrangiger Bedeutung. Der Akzent wird wieder auf den städtischen Organismus gesetzt, für den die Kirche einen ungemein hohen Wert darstellt. Die Denkmalpflege müsse deshalb die Gründe für ihre Verteidigung darlegen, vor allem für die Bewahrung der verschiedenen Blickwinkel, von denen aus die Kirche gesehen werden könne und die sie zu einem hervorstechenden Element des Gesamtbildes mache. Schon der Bau des Polytechnikums (der heutigen Technischen Universität), die Bauarbeiten für die Straßenbahngleise und die Regulierung des Kanals, der die Stadt durchquert, hätten den ursprünglichen Zustand der Stadt verändert. Weiters werde durch das Museum die Karlskirche, die für das Stadtbild ein Element von wesentlicher Bedeutung sei, zu einem zweitrangigen Gebäude, wenn nicht sogar zu einem Nebengebäude degradiert. Wenn man der Kirche gegenüber stehe, behindere der Neubau des Museums außerdem ihre Seitenansicht und stelle somit eine Eingren-
77
78 79 80 81
56
Vgl. dazu Otto Wagner und das Kaiser Franz Josef-Stadtmuseum. Das Scheitern der Moderne in Wien, Austellungskatalog Wien 1988, (Sonderausstellung/Historisches Museum der Stadt Wien, 114), Wien 1988. DVOØÁK 1910/1, S. 5. Hier abgedruckt als Text I.5.4, S. 421. Ebenda, S. 14. DVOØÁK 1907/5. Hier abgedruckt als Text I.5.1, S. 412. Von Dvoøák erstmals behandelt in DVOØÁK 1907/4. S. unser Kap. V, S. 152.
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DER
ERHALTUNG
UND
RESTAURIERUNG | II.
zung ihrer Fassade dar. Das Prinzip, das hier betont wird, besteht darin, dass die Denkmalpflege wesentlich von der Stadtbildpflege abhängt und dies auch zu berücksichtigen wäre. Dvoøák betrachtet die Verzögerungen, die sich über zehn Jahre hinziehen, die Ausarbeitung von Teilmodellen im Maßstab 1:1 und die heftigen Diskussionen zu dem Projekt Wagners – das als Inbegriff der Moderne angesehen wird und das sich dem ausgesprochen traditionalistischen Projekt von Friedrich Schachner entgegenstellt – als einen Beitrag zu den zu treffenden Entscheidungen. Damit diese dem Kontext entsprechen, müssten sie seiner Meinung nach langsam über eine gewisse Zeit heranreifen. Dvoøák neigt nach dem Londoner Vorbild von South Kensington (Victoria & Albert-Museum) dazu, den neuen Museumskomplex außerhalb des historischen Zentrums zu errichten. Es handelt sich dabei nicht um eine Stellungnahme zum neuen Museum und zu den auf dem Kirchenvorplatz vorgesehenen Eingriffen – die in sich Thema neuer Projekte sind –, sondern vielmehr um ein Festhalten an der Verteidigung des Wertes, den die Karlskirche für ihre Umgebung und für die Stadt darstellt, also «nicht um einen Kampf gegen eine Person oder deren Projekt».79 Zwischen den Zeilen erkennt man hier eine Distanznahme gegenüber dem Begründer der neuen Wiener Architektur, der direkte Zusammenstoß mit Wagner wird jedoch erst später stattfinden. Schon drei Jahre vorher hatte Dvoøák in einem didaktisch einwandfreien Beitrag im Jahrbuch, der dem Stadtmuseum und seiner Integration in den historischen Kontext gewidmet war, seinen unmissverständlichen Gesichtspunkt zu den Eigenschaften und zur Absicht der Aufnahme neuer Bauwerke in den historischen Kontext geäußert.80 Es handelt sich dabei nicht um eine Stellungnahme zu den architektonischen Lösungen oder zu der Tatsache, dass sie das Werk eines Fischer von Erlach beeinträchtigen, indem sie, wie Dvoøák aus eigener Kenntnis der großen Barockkirche versichert, deren Ansichten verbauen, sondern um den Versuch, ganz objektiv drei Punkte hervorzuheben, durch die ein solcher Eingriff in den historischen Kontext legitimiert werden kann. Erstens müsse ein so vollendetes Bauwerk wie die Karlskirche mit denselben Kriterien in einen modernen Komplex integriert werden wie ein gotischer Bau in eine barocke Kirche81, zweitens müssten die Eingriffe auf dem Vorplatz die Absicht verfolgen, die Ansichten der Kirche aufzuwerten und drittens seien die neuen Eingriffe nur soweit erlaubt, als sie die Ansichten nicht beeinträchtigen. Der erste Punkt kommt der Rechtfertigung entgegen, die der Modernismus vorbringt, für den das Bestehende als Kontext gilt, sozusagen eine Begleitfunktion ausübt. Der zweite Punkt bezieht sich auf eine in der Kultur des Denkmalschutzes vorherrschende Meinung. Der dritte Punkt führt eine Tendenz der modernen Architektur ein, die den Erneuerungsbedürfnissen der Denkmalpflege entspricht und sich mit ihnen vereinbaren lässt. Aber welche Tendenz meint Dvoøák eigentlich genau? Es handelt sich hier um den ersten Versuch des bedeutendsten Vertreters der kaiserlichen Denkmalpflege, mit den Verfechtern der modernen Tendenzen der Architektur ins Gespräch zu kommen: «Diese neueste Richtung in der modernen Architektur, die von England und Belgien ausgeht und in Deutschland immer mehr
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2. | DER DIOKLETIANSPALAST
IN
SPLIT
Boden gewinnt, beruht auf der Überzeugung, daß eine neue Architektur sich wohl von jedem immitierenden Historismus fernhalten und eine neue, den modernen technischen Voraussetzungen und dem modernen formalen Empfinden entsprechende Bewältigung der architektonischen Probleme anstreben muß, dabei aber nicht ganz darauf verzichten darf, was als ein Vermächtnis der alten künstlerischen Kultur angesehen werden kann und besonders dort, wo es sich darum handelt, im Rahmen alter künstlerischer Kultur Neues zu schaffen, das Neue sich dem historisch gewordenen Gesamtbilde zu unterordnen hat. Es muß wohl nicht ausgeführt werden, wie nahe diese Richtung den neuen Anschauungen der Denkmalpflege steht, die es als eine ihrer Hauptaufgaben betrachtet, die überlieferte dokumentarische Bedeutung der Denkmale für die Geschichte der künstlerischen Kultur und deren im Laufe der Zeiten entstandene Wirkung als Quelle modern künstlerischer Sensationen möglichst unberührt und unverändert zu erhalten.»82 Einen ähnlichen Versuch unternimmt Dehio, allerdings beschränkt er sich dabei auf den bloßen Wunsch nach einem Gespräch zwischen Denkmalpflege und moderne Architektur.83 Dvoøák exponiert sich hier im Gegensatz zu Riegl, aber in Übereinstimmung mit seinen Kollegen, Clemen und besonders Gurlitt. Er geht sogar so weit, Partei für eine bestimmte Richtung zu ergreifen, die sich innerhalb der Moderne herauskristallisiert, d. h. nicht für die Moderne im Allgemeinen, sondern für die «neue Tradition», auch «moderne Klassik» genannt. In Dvoøáks Beitrag künden sich die Beweggründe an, die im Vortrag über Die letzte Renaissance von 1912 ausführlich erläutert werden. Es zeichnet sich darin außerdem der ganze Umfang neuer Perspektiven für die Denkmalpflege ab, die mit denen der modernen Architektur in verblüffender Weise übereinstimmen.
2. DER DIOKLETIANSPALAST
IN
SPLIT: ALTERTUMSWERT
GEGEN
ALTERSWERT
Der erste Band der Österreichischen Kunsttopographie, der von Hans Tietze verfasst wurde und den Kulturgütern des Politische Bezirks Krems in Niederösterreich gewidmet ist, enthält in der Einleitung außer dem Datum ihrer Abfassung, September 1907, auch die Angabe des Ortes, an dem sie verfasst wurde: Split (Spalato). Da es sich um eine Kunst-Topographie handelt, kommt dem Aufenthaltsort des Verfassers der Einleitung besondere Bedeutung zu. Der erste Band dieses für die österreichische Denkmalpflege des Kaiserreiches grundlegenden Werkes wird nicht in der Hauptstadt Wien signiert, sondern in Split. Wenn man Dvoøáks Behauptung, Riegl habe ihm noch auf dem Sterbebett mit den Worten «Vergessen Sie Split nicht»
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DVOØÁK 1907/5. «Eine echte, gesunde, moderne, deutsche Baukunst – werden wir ihre Geburt noch erleben? [...] Ohne Glaube gelingt kein Werk.», s. G. DEHIO: Denkmalschutz und Denkmalpflege im neunzehnten Jahrhundert in: derselbe: Kunsthistorische Aufsätze, München–Berlin 1914, S. 282.
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DER
ERHALTUNG
UND
RESTAURIERUNG | II.
das Schicksal der Stadt anvertraut, mit dieser Tatsache in Zusammenhang bringt, dann wird man diese Episode wohl kaum als eine der vielen Anekdoten aus Kakanien abtun können. Stattdessen muss man daraus die Folgerung ziehen, dass den beiden österreichischen Lehrmeistern die Erhaltung der dalmatinischen Stadt ganz besonders am Herzen lag. Split verkörperte in der Tat den Kulturbesitz des Kaiserreiches in besonderer Weise. In dieser Stadt stand das Schicksal der institutionellen österreichischen Denkmalpflege auf dem Spiel. Sie wurde zur Bühne, auf der zahlreiche Figuren agierten, die im 20. Jahrhundert für die Kunstgeschichte, den Denkmalschutz und die Restaurierung von internationaler Bedeutung waren. Hier wurde der große Konflikt zwischen dem «Altertumswert» mit all seiner mythischen und symbolischen Strahlkraft und dem «Alterswert» ausgetragen, der sich in den Spuren manifestiert, die die Zeit in ihrem Vergehen hinterlässt und der in Split in den verschiedenen Schichten der Stadt abzulesen war, die als Einheit bewahrt werden sollten. Der Alterswert mit seinen anthropologischen und sozialen Implikationen konnte erst nach drei großen Katastrophen, zwei Weltkriegen und einem nicht weniger tragischen und verhängnisvollen innerstaatlichen ethnischen Konflikt, in seiner ganzen Bedeutung klar erkannt werden. Die Wiener Lehrmeister, die sich der strategischen Rolle bewusst waren, die Split innerhalb des neu entstandenen Faches «Denkmalerhaltung» spielte, betrachteten die Stadt schon sechzig Jahre vor der «Carta di Gubbio» aus 1960 als ein einzigartiges Denkmal und gerade wegen ihrer vielfachen Schichtungen als einen kostbaren architektonischen Besitz der Menschheit.84
2.1 SPLIT
ZWISCHEN
BARCELONA
UND
BILBAO
Manuel Vázquez Montalbán schenkte in seiner gesamten literarischen Tätigkeit den Veränderungen von Haut und Knochen einer Stadt, speziell seiner Stadt Barcelona, besondere Aufmerksamkeit.85 In seinem berühmten Roman Schuß aus dem Hinterhalt taucht an einer Stelle die Frage auf: «Split. Sind Sie schon einmal in Split gewesen? Das ist eine Stadt an der Adria, die aus einem Palast des Diokletian entstanden ist. Es ist, als würde sie ihre ursprüngliche Lebensberechtigung bewahren, als würde sie unter den Röcken des Diokletianspalastes weiter wachsen. Genial». In dem für die bevorstehende Fußballweltmeisterschaft umgestalteten Barcelona treffen sich der Trainer Campus O’Shea und der Kommissar Pepe Carvalho vor dem Stadion, das für das große Ereignis von Vittorio Gregotti neu hergerichtet wurde. Beide versuchen, das Leben des Mittelstürmers Palacin zu retten. Sie kommen auf
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Mit ihr pflegt man in Italien den Beginn des Schutzes historischer Zentren zu datieren; B. GABRIELLI: Il recupero della città esistente. Saggi 1968–1992, (Scienze del territorio. Architettura, urbanistica e ambiente), Milano 1993. Vgl. den Verweis von G. CASSANI: Le Barcellone perdute di Pepe Carvalho, (Le città letterarie), Milano 2000.
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2.1 | SPLIT
ZWISCHEN
BARCELONA
UND
BILBAO
das Thema Erhaltung und Erneuerung des Stadions zu sprechen. O’Shea ist für seine Erneuerung und uneingeschränkte Erhaltung. Die Idee, dass die Fassade des Stadions erhalten bleiben, aber der Rest mit der alten Haut neu gemacht werden soll, gefällt ihm nicht. Ihm gefallen die alten Städte wie Palenque, Machu Picchu, Pompeji und Split. Split ist die letzte in der Liste der Städte, aber die erste in Bezug auf die Faszination, die sie ausüben. Daher seine bewundernde Feststellung: «genial».86 Die Meinungen zu Erhaltung, Restaurierung und moderner Architektur, die Manuel Vázquez Montalbán einer seiner Romangestalten in den Mund legt, sind – auch wenn sie in der bewusst ordinären Ausdrucksweise eines Fußballtrainers wiedergegeben werden – symptomatisch für eine Denkmalpflege, die der öffentlichen Meinung und den Medien, durch die sie sich formt, Rechnung trägt. Besonders bemerkenswert ist die Tatsache, dass der Schriftsteller gerade die Stadt Split an die Spitze der Städte stellt, die symbolisch das Erbe der Vergangenheit darstellen. Das Wesen der Stadt Split lässt sich nur mit feinsten Instrumenten erfassen, die dem außerordentlichen Reichtum und der Dichte seiner kulturellen Schichtung angepasst sind. Ivo Babiè sprach von einer Situation, in der die chronologischen und geologischen Koordinaten nicht übereinstimmen: «A Split, ce qui est le plus bas ne veut pas dire le plus ancien, ce qui est le plus haut ne veut pas dire le plus récent. Sous l’architrave du Protiron, sur le Perystile, se sont glissées deux petites églises di XVIème et du XVIIème siècles. Mais, très haut, dans les couloirs des chemins de ronde, au-dessus des Portes ouest et nord, se sont repliées de petites églises du haut moyen âge.»87 In Split geht man mit Grüften und Gräbern unter den Füßen spazieren. Wie Babiè und vor ihm Dvoøák bemerkt haben, handelt es sich um eine außergewöhnliche Situation, die eine Verbindung zwischen einer Geologie der Kultur und einer Speläologie des Gewissens erfordert. Split ist von einzigartigem Wert. Die Stadt besitzt die Überreste eines der imposantesten Monumente der römischen Kaiserzeit. Rom baut sich auf der Autorität auf, es ist die Demonstration der Autorität κατ’εξοχην.88 Split ist der Palast der Autorität, aber einer Autorität, die der Vergangenheit angehört. Während des Verfalls der Autorität erwächst aus ihrem Symbol, dem Palast, die Stadt. Dabei bleibt das Symbol bewahrt. Von den aristokratischen und kaiserlichen Residenzen, seien es die der Medici oder Schönbrunn, Karlsruhe oder Potsdam, Versailles oder Neuschwanstein, erlebte keine eine Entwicklung, die sich auch nur im Entferntesten mit der des Diokletianspalastes vergleichen lässt. Wenn man dazu auch den enormen Unterschied
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M. MONTALBÁN VÁZQUEZ: Schuß aus dem Hinterhalt, dt. Erstausg., (Rororo, 2955. Rororo-Thriller), Reinbek bei Hamburg 1990, (Originaltitel: El delantero centro fue asesinado al atardecer). S. dazu auch A. G. CASSANI: Montalbán Manuzel Vázquez sulle tracce di Barcellona. Intervista a Manuel Vázquez Montalbán. Indagini su Barcellona, in: Casabella, 65, 2001, Nr. 690, S. 90–99. BABIÈ 1997. Nach W. HAUSENSTEIN: Europäische Hauptstädte, Erlenbach–Zürich–Leipzig 1932; derselbe: Die unentrinnbare Stadt. Wilhelm Hausenstein über Rom, (Architextbook, 13), Berlin 1988, erschien ursprünglich als ein Kapitel in Europäische Hauptstädte.
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DER
ERHALTUNG
UND
RESTAURIERUNG | II.
zwischen dem Refugium des römischen Kaisers an der dalmatinischen Küste und Hitlers Residenz auf den Bergen bei Berchtesgaden betrachtet, wird man sich eine genaue Vorstellung von dem unmöglichen Versuch des Nationalsozialismus machen können, römische Vorbilder nachahmen zu wollen.89 Von jeher bedeutete das Interesse für die Stadt Split auch gleichzeitig Interesse für den Palast. Die Stadt selbst entwickelte sich in und auf dem Palast in einer ganz anderen Weise als Urbino, eine Stadt, die zwar die Form eines Palastes hat, wo es aber zwischen Palast und Stadt große typologische, topographische und stratigraphische Unterschiede gibt. Die Beschreibung, die Italo Calvino von Urbino gibt, scheint deshalb eher auf Split zuzutreffen: «ein Palast, der, statt sich innerhalb der Stadtmauern auszubreiten, in seinem Inneren eine Stadt enthält».90 Wenn man den Herzogspalast wegnähme, bliebe Urbino weiterhin eine zwar schlichte, aber gleichzeitig doch bedeutende Stadt in den Marken. Dagegen wäre es völlig unmöglich, ja undenkbar, den Palast aus Split wegzunehmen. Nach der Zerstörung und dem Verfall von Salona erwächst aus dem Diokletianspalast die Stadt Split. Früher waren die Stadt und der Palast einige Meilen voneinander entfernt.91 Später bildeten die Stadt und der Palast eine Einheit. Dieser Synthese und der daraus entstandenen einzigartigen Schichtung ist es zu verdanken, dass der Palast zu jeder Zeit, von Andrea Palladio bis hin zu Herman Hertzberger, eine universale Anziehungskraft ausübte.92 In Split deckt sich die Geschichte der Stadt mit der Geschichte der Denkmalerhaltung. Den verschiedenen historischen Epochen, die die Stadt erlebte und in denen sie sich verschiedenen Herrschern unterwerfen musste, entsprechen ebenso viele kulturelle und künstlerische Auffassungsweisen des antiken monumentalen Komplexes. Die Studien und graphischen Rekonstruktionen beginnen im letzten Jahrhundert der venezianischen Herrschaft mit dem großen Vertreter des österreichischen Barock, Fischer von Erlach. Es folgt eine Bereisung unter Robert Adam, an der auch der französische Maler Charles-Louis Clérisseau teilnimmt und die eine erste Monographie über den Diokletianspalast mit sich bringt.93 Eine sehr detaillierte Darstel-
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A. SCOBIE: Hitler's state architecture. The impact of classical antiquity, (Monographs on the fine arts, 45), University Park, Pa.–London 1990; S. SCARROCCHIA: Albert Speer e Marcello Piacentini. L'architettura del totalitarismo negli anni trenta, (Biblioteca di architettura Skira, 4), Ginevra–Milano 1999. I. CALVINO: Le città invisibili, (Nuovi corall, 182), Torino [1972]. I. BABIÈ: Contribution à la connaissance de l'histoire de la documentation graphique des monuments archéologiques de Salone, in: Vjesnik za arheologiju i historiju dalmatinsku/Bulletin d'archéologie et d'histoire dalmates, 77, 1984, S. 133–150. Vgl. die entsprechenden Zeichnungen Andrea Palladios in der British Architectural Library am Royal Institute of British Architects, London. Hermann Hertzberger war Mitwirkender am INDESEM 1988 Seminar in Split, welches von der Architectural Association Split in Zusammenarbeit mit dem Berlage Institute, Rotterdam, organisiert wurde. In ähnlicher Weise fand 1997 ein Seminar zum Thema «Split 1700+». International architectural seminar on Diocletian Palace in Split, September 8–13, 1997 statt. R. ADAM: Ruins of the palace of the emperor Diocletian at Spalato in Dalmatia, London 1764. Für eine Neuauflage s. R. ADAM: Ruins of the palace of the emperor Diocletian at Spalato in Dalma-
61
2.1 | SPLIT
ZWISCHEN
BARCELONA
UND
BILBAO
lung von Split liefert gegen Ende des 18. Jahrhunderts der französische Maler LouisFrançois Cassas, auch wenn es ihm dabei mehr auf die künstlerischen Werte ankommt.94 Die österreichische Herrschaft, die von 1796 bis 1918 dauerte, wurde durch eine kurze französische Regierungszeit (1806–1813) unterbrochen, die jedoch für die Entwicklung der Stadt von einschneidender Bedeutung war. So bewirkte zum Beispiel der von Marschall A. F. L. Marmont entwickelte Stadtplan die Ausdehnung von Split «extra moenia». Während der österreichischen Herrschaft lassen sich mindestens drei wichtige Momente für die Denkmalpflege feststellen. Der erste ist durch die Tätigkeit des Architekten Vinko Andriæ (1793–1866) gekennzeichnet. Andriæ studierte an der Accademia di San Luca in Rom, war Schüler von Canova und von 1854 bis 1864 Konservator für Baudenkmale für den Kreis Zara und Split.95 Das Studium, die ideelle Rekonstruktion und der Schutz des Diokletianspalastes standen im Mittelpunkt seines Lebens und seiner Tätigkeit als Architekt, die sich insgesamt in der klassizistischen Kultur bewegt. Der von ihm ausgearbeitete Plan zur Restaurierung des Palastes, der ihn bis an sein Lebensende beschäftigte, wurde 1873 von der Kommission abgelehnt. Der zweite Moment lässt sich in dasselbe Jahr datieren. 1873 fand nämlich eine wichtige Besprechung des dalmatinischen Komitees über die antiken Kunstdenkmäler statt, an der Alois Hauser, Alexander Conze und Georg Niemann teilnahmen. Dabei distanzierte man sich im Namen der Postulate des Historismus von einer bereinigenden Restaurierung unter romantischer und neoklassischer Beeinflussung und begann mit Vermessungen auf breiter Basis, die von dem Architekten Niemann selbst ausgeführt wurden.96 Der dritte Moment beginnt mit einer lokalen Inspektion, die von Alois Riegl in seiner Funktion als erster Konservator der ZK in Split vorgenommen wurde. Riegl sollte ein offizielles Urteil über die Konflikte abgeben, die zwischen den diversen Personen entstanden waren, die sich an der Rettungsaktion des Palastes und seiner Restaurierung beteiligten. Der 1903 von Riegl verfasste Bericht, in dem zum ersten Mal nicht nur die historische Schichtung des Palastes, sondern auch alle von der Rettungsaktion ins Treffen geführte Interessen und Werte wissenschaftlich gerechtfertigt wurden, bedeutet den Beginn der Denkmalerhaltung als selbständige Disziplin. Zu ihrer vollen Entfaltung trägt dann Dvoøáks Kampf für die Unantastbarkeit des historischen Stadtkerns von Split bei.
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tia, M. Navarra (Hrsg.), (Learning from), Cannitello 2001. Zum Kreis um Charles-Louis Clérisseau s. G. CONTESSI: Scritture disegnate. Arte, architettura e didattica da Piranesi a Ruskin, (Nuova biblioteca Dedalo, 227), Bari 2000, insbes. S. 56–61. J. LAVALLEE/L.–F. CASSAS: Voyage pittoresque et historique ed l'Istrie et de la Dalmatie, Paris 1802. D. KECKEMET: Vicko Andriæ. Arhitekt i konservator 1793–1866, (Posebna izdanja Regionalnog Zavoda za Zaštitu Spomenika Kulture u Splitu, 3), Split 1993 und Andrich/Andriæ, Vinzenz/Vinko in: BRÜCKLER/NIMETH 2001, S. 10. Das Jahr bedeutet auch eine Wende für die ZK. Vgl. FRODL 1988; S. SCARROCCHIA: Inizi della tutela dei monumenti in Austria. Il contributo di Walter Frodl, in: L'Ippogrifo, 2, 1989, S. 213–226.
BAUSTELLEN
DER
ERHALTUNG
UND
RESTAURIERUNG | II.
In der Zeit unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg erscheinen die beiden wichtigen Publikationen von Georg Niemann und Ernest Hébrard, die die Resultate der Altertumswissenschaft des 19. Jahrhunderts zusammenfassen.97 Mit dem Ende der österreichischen Herrschaft fallen auch die letzten Bollwerke, die die lokal-nationalen Wünsche nach historisch, archäologisch und patriotisch motivierten Eingriffen hätten beschränken können. Der Archäologe Frane Buliæ und der Historiker Ljubo Karaman veröffentlichen 1927 ein Kompendium der wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Palastkomplex, das auch heute noch eine vertrauenswürdige Quelle darstellt.98 Schwerwiegende Eingriffe werden im Bereich des Peristyls vorgenommen und ein erster Versuch wird gemacht, den Bezug zwischen dem antikem Zentrum und der Entwicklung der Stadt architektonisch und urbanistisch neu zu definieren. Während der italienischen Besatzung wurde Split große Beachtung geschenkt. An der Accademia d’Italia wurde eine eigene, von Gustavo Giovannoni geleitete Kommission eingerichtet. Der von ihr ausgearbeitete Vorschlag übte auch über die kurze Zeit der faschistischen Herrschaft hinaus seinen Einfluss aus. Seine kulturellen und fachlichen Auswirkungen verdienen auch heute noch unsere Aufmerksamkeit. In der Nachkriegszeit beginnen in den fünfziger Jahren von Jerko Marasoviæ geleitete systematische Vermessungsarbeiten und intensive Restaurierungen, die in den bis heute noch nicht abgeschlossenen Ausgrabungen im südöstlichen Teil und in der sehr zweifelhaften «Instandsetzung» der Fenster und der römischen Mauern der Südfront ihren Höhepunkt erreichen. Es handelt sich um Eingriffe, die die Aporie der Kultur- und Restaurierungskrise kennzeichnen. Die Denkmalerhaltung umfasst somit in Split ein weites Spektrum. Es reicht von den durch Piranesi und Canova inspirierten Anfängen bis zu den von Riegl eingeleiteten spezifischen Erhaltungsverfahren, von einer ersten Definition als «historisches Zentrum», als Stadtkern – der nach Dvoøáks Meinung vor dem im Namen der Modernisierung ausgeübten Druck geschützt werden muss – bis zu den Restaurierungsvorschlägen unter der italienischen Besatzung; von den Restaurierungen der Nachkriegszeit bis zu den heutigen, die notwendigerweise den gesamten mittlerweile historischen Prozess mitreflektieren müssen. Diese «Historisierung» erfordert in gewisser Weise ein Überdenken der in der Denkmalpflege angewandten Strategien und ein stärkeres Bewusstsein für das Potenzial, das sie in der jüngsten Vergangenheit dargestellt haben und noch heute für die kollektive Identität und die Kultur der Menschheit darstellen.
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J. ZEILLER/E. M. HÉBRARD: Spalato. Le palais de Dioclétién, Paris 1912; G. Niemann: Der Palast Diokletians in Spalato, Wien 1910. Zu den Ansätzen einer Rekonstruktion und Interpretation durch Johann Bernhard Fischer von Erlach, Robert Adam und Ernest Hébrard s. A. LORENZI: Un'idea di città. Il palazzo di Diocleziano a Spalato. Tesi di dottorato di ricerca in composizione architettonica, Venezia, Istituto universitario di architettura di Venezia/Dipartimento di progettazione architettonica, 1998. Ingrid Brock, Bamberg, arbeitet zurzeit an einer Neubewertung von Georg Niemann. F. BULIÆ/L. KARAMAN: Palaca cara Dioklecijana u Splitu, Zagreb 1927. Buliæ war ab 1884 Leiter des heutigen Arheološki muzej Split. Vgl. auch Buliæ, Frane/Franz, in: BRÜCKLER/NIMETH 2001, S. 36.
63
2.2 | ALOIS
RIEGLS
BEMÜHUNGEN
UM DIE
ERHALTUNG
DER
BAUSCHICHTEN
Die verschiedenen Phasen und Perioden der Denkmalpflege und der Restaurierung der Stadt scheinen somit deutlich feststellbar, auch wenn eine historische Rekonstruktion unter fachlichen Gesichtspunkten weiterhin fehlt.99 Vor einigen Jahren machte eine Wanderausstellung auf die Probleme der Integration des monumentalen Komplexes in die Gesamtentwicklung der Stadt 100 aufmerksam, wobei die Beendigung der Ausgrabungen im südöstlichen Teil besonders problematisch erscheint. Seit dem Ende der verhängnisvollen Jugoslawienkriege, die sich auch an der Küste und in den Städten Dalmatiens abspielten, ist Split zu einem neuen Zentrum von in erster Linie wirtschaftlichem und touristischem Interesse geworden, vor allem aber ist es bedeutend für die Forschungen zur Archäologie, Denkmalerhaltung, Denkmalpflege und Architekturgeschichte. Die wirtschaftliche Bedeutung, die man der Stadt beimisst, lässt sich quantitativ am «Hilfsprogramm» der World Bank ermessen, in dem der Bau eines neuen ethnographischen Museums im Inneren des Diokletianspalastes vorgesehen war, der einem renommierten Architekten des «star systems» anvertraut werden sollte. Das Projekt sollte einer von der Kulturvermarktung inspirierten Entwicklung Antrieb geben. Die Stadtverwaltung konnte jedoch nicht die nötigen «Garantien» dafür geben, und so konnte das Projekt, von dem man sich einen «Bilbao-Effekt» erhofft hatte, bisher nicht realisiert werden. Allerdings besteht das Vorhaben weiter, die Stadt zu einem Laboratorium kultureller Experimente zu machen. Sie stellt eine große Ressource dar. Man müsste jedoch neue originelle Strategien für ihre Aufwertung und Innovation ausarbeiten, anstatt schon bestehende Modelle nachzuahmen. Es geht also darum, ein Modell auszuarbeiten, das imstande ist, einen «Split-Effekt» zu schaffen. Es ist jedoch nicht möglich, ein solches Modell zu umreißen, bevor man nicht wenigstens die wesentlichen Etappen dieses komplexen Kapitels der Denkmalpflege verstanden hat.
2.2 ALOIS RIEGLS BEMÜHUNGEN UM DIE ERHALTUNG DER MITTELALTERLICHEN UND MODERNEN BAUSCHICHTEN IN DER ALTSTADT: DIE ENTDECKUNG DES ENSEMBLES 1903 erschien in den Mitteilungen ein Bericht von Riegl, der sich auf die Vorschläge für Demolierungen bezieht, die im Zentrum von Split vorgenommen werden sollten. Sie waren von einer eigens dafür geschaffenen Kommission gemacht worden und wurden mit historischen, archäologischen und sanitären, aber auch mit versteckt nationalistischen Motivationen gerechtfertigt. Riegls Stellung zugunsten der Erhaltung der mittelalterlichen und modernen Zeugnisse ist unmissverständlich. In dem Bericht, den die internationalen Fachleute für Urbanistik bisher unverständlicherweise ignorierten, wird zum ersten Mal die Notwendigkeit betont, das Problem der Erhaltung des historischen Zentrums vom «stratigraphischen» Gesichtspunkt aus anzugehen. Riegl beendet seinen Bericht, indem er ganz besonders darauf aufmerksam macht, «dass gerade das allgemeine Interesse an der Erhaltung des mit den antiken Resten historisch so reich verbundenen mittelalterlichen und neuzeitlichen Alt-
64
BAUSTELLEN
DER
ERHALTUNG
UND
RESTAURIERUNG | II.
Spalato mit seinem unvergleichlichen und unersetzlichen Stimmungsreiz die Schaffung eines seine Integrität gewährleistenden Schutzgesetzes mindestens ebenso dringend und überzeugend fordert, als das vorwiegend wissenschaftliche Interesse an der Erhaltung der antiken Palastreste allein.»101 Innerhalb des vom Diokletianspalast gebildeten Komplexes, das die ministerielle Kommission als tatsächliches historisches Zentrum von Split anerkennt, betrachtet Riegl das historisch durch Schichtungen gewachsene Monument als das Objekt, auf das die neuen Auffassungen der Denkmalerhaltung angewandt werden sollen. Dazu arbeitet er gut durchdachte Maßnahmen aus, die zur Erhaltung der aus den unterschiedlichen Epochen stammenden historischen Substanz getroffen werden sollen. Die Kommission schlug die Demolierung der Gebäude vor, die sich mit der Zeit am Dom, am Baptisterium und an dem Eisernen Tor angesiedelt hatten. Riegl widersetzt sich der Demolierung des Bischofspalastes und warnt auch vor drohenden Demolierungen beim Baptisterium, wobei er sich im ersten Fall auf den Alterswert und im zweiten Fall auf den historischen Wert des Kontextes beruft. Er weist auf die Konsequenzen hin, die die geplanten Freilegungen haben würden, d. h. auf den Verlust eines historisch gewachsenen Kontextes zugunsten eines neuen, aber schwer vorstellbaren, ungewissen Gesamtbildes. Da er den Konflikt (der in diesem Fall die auf dem Domplatz vorgesehenen Demolierungen betrifft) zwischen historisch-archäologischen und modernen Wertvorstellungen (der Restaurierung) einerseits und dem Alterswert und der Erhaltung der historischen Teile, die eine Erinnerung an die Vergangenheit darstellen, andererseits, voraussieht, überlässt er die Entscheidung dem Ministerium, insofern dieses als politische Autorität berufen ist, alle auf dem Spiel stehenden Werte abzuwägen. Indem Riegl bei dieser Gelegenheit den Bezug zwischen Urbanistik, Denkmalerhaltung und Innovation, einschließlich der Restaurierung, deutlich macht, erweist er sich als ausgesprochen weitblickend.102
Vgl. das Forschungsprojekt Erhaltung und Erneuerung von Stadtgefügen in antiken Großbauten. Das Beispiel Split, Kroatien; mit Vergleichen zu Rom (Area archeologica centrale – Piazza Augusto Imperatore) und zu Trier von Achim Hubel und Ingrid Brock. S. I. BROCK: Split. Ein Beispiel par excellence. Erhaltung und Erneuerung von Stadtgefügen in antiken Großbauten. Das Beispiel Split (Kroatien), mit Vergleichen zu Altstadtbereichen in Rom und Trier, in: Forschungsforum. Berichte aus der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, 2001, Nr. 10, S. 80–84; I. BROCK: Ausstellung «Split – Stadt & Diokletianspalast: eine Symbiose?», in: Historische Kulturlandschaft und Denkmalpflege. Definition, Abgrenzung, Bewertung, Elemente, Umgang, B. Franz/A. Hubel (Hrsg.), (Veröffentlichung des Arbeitskreises Theorie und Lehre der Denkmalpflege, 19), Holzminden 2010, S. 220– 229. 100 Vgl. MARASOVIÆ 1997; S. a. D. Marasoviæ: Rehabilitation of the historic core of Split, Bd. 2, Split 1998. 101 A. RIEGL: Bericht über im Auftrag des Präsidiums der k. k. Zentral-Kommission zur Wahrung des Interessen und mittelalterlichen und neuzeitlichen Denkmale innerhalb des ehemaligen Diokletianischen Palastes zu Spalato durchgeführte Untersuchung, in: BACHER 1995, S. 173–181. 102 Am Kolloqium (Workshop) Stadterhaltung Split, 10.–14. Oktober 2000 an der Universität Bamberg referierte Hubel in seinem Beitrag Überlegungen zur Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis der Denkmalpflege im 20. Jahrhundert – das Beispiel Split anhand der Studien von Brock die wohlüberlegten Vorschläge Riegls zur Erhaltung des Gesamtkomplexes. 99
65
2.3 | DVOØAKS STELLUNGNAHME
2.3. DVOØÁKS STELLUNGNAHME IN SEINEM ÜBERKOMMENEN
GEGEN
FREILEGUNGEN
FREILEGUNGEN UND FÜR DIE BELASSUNG ZUSTAND: DER SCHUTZ DES ENSEMBLES
GEGEN
DES
PALASTES
Auf Riegls Bericht folgen Dvoøáks Überlegungen zur Verteidigung der Unantastbarkeit von Split, die er von 1907 an auf verschiedenen Versammlungen der ZK äußert und die wir in einem Aufsatz für das Jahrbuch wieder finden, mit dem 1909 die Serie Restaurierungsfragen beginnt. Seine Überlegungen werden in weiteren Sitzungen der Kommission wieder aufgenommen, in den Berichten von 1909 und 1913 für die Mitteilungen zusammengefasst und schließlich 1920 in einem leidenschaftlichen Appell für die Unantastbarkeit der historischen Substanz der Stadt noch einmal wiederholt.103 Dvoøáks Beitrag beginnt und schließt mit dem brennenden Problem des Bischofspalastes, eines aus dem 17. Jahrhundert stammenden, im Nordosten an den Dom angrenzenden Gebäudes, das von den örtlichen Instanzen für unbedeutend gehalten wird und somit demoliert werden soll. Riegl hatte sich unermüdlich zu seinem Verteidiger gemacht und Dvoøák erinnert sich, dass er ihm auch in diesem Fall ausdrücklich ans Herz gelegt hatte, keine Zugeständnisse zu machen. Er ist der Meinung, dass die Forderungen nach einer Demolierung weder der Notwendigkeit besserer Straßenverbindungen entspringt, die viele geltend machen wollen, noch sanitären Bedürfnissen, da deren Beachtung, auf das ganze Zentrum bezogen, seine vollständige Zerstörung mit sich bringen würde. Der Wunsch, das alte Gebäude zu beseitigen, scheint ihm dagegen rein ästhetischer Natur zu sein. Er ist überzeugt, dass das Prinzip der Isolierung des Doms und der Freilegung des Peristyls den Kriterien der «dekadenten» Ästhetik des Eklektizismus entspricht. Dvoøák stellt den Bereinigungseifer, der sich seiner Meinung nach in der stilistischen Restaurierung offenbare und zu Beschädigung und Verlust bedeutender Monumente und Gebäudekomplexe führe, in engen Bezug zur künstlerischen Unfähigkeit des Historismus. Er benutzt außerdem die Gelegenheit zu einer scharfen Kritik am verdorbenen Geschmack als einer Konsequenz der neuen reproduktiven Techniken der Industriegesellschaft und an der Kulturverarmung der Gründerzeit nach dem Vorbild der heftigen, von Nietzsche begonnenen Anklage.104 In dieser Dekadenz sieht er den Ausgangspunkt der Tendenz zur Bereinigung, zur stilistischen Selektion und zur Restaurierung als «restitutio in integrum». Dagegen macht er darauf aufmerksam, dass sich die neue Kultur der Denkmalerhaltung zu allen künstlerischen Ausdrucksweisen und Perioden der Vergangenheit bekenne und den Respekt vor jenem Zustand verlange, in dem uns die Werke der Vergangenheit überkommen sind. Er ist sich jedoch gleichzeitig bewusst, dass sich das Festhalten an diesen Prinzipien nicht in ein Gesetz verwandeln lässt. Es benötige vielmehr eine allmählich zunehmende Sensibilisierung derer, die die Kultur vertreten, und zwar nicht durch die Ausarbeitung
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66
DVOØÁK 1909/3, sowie leidenschaftlich DVOØÁK 1920/2, S. 901. Hier abgedruckt als Texte I.4.6, S. 361. bzw. I.4.14, S. 411. F. NIETZSCHE: Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben, (Reclams Universal-Bibliothek, 7134), Stuttgart 1951.
BAUSTELLEN
DER
ERHALTUNG
UND
RESTAURIERUNG | II.
abstrakter Prinzipien der Denkmalpflege, sondern durch konkrete Beispiele der Denkmalerhaltung, die auch als Bezugspunkt für den Fall Split dienen könnten. Dvoøáks Schutzkonzept für Split, seine Ablehnung von Freilegungen und Rekonstruktionen entspringt einem neuen Kunstempfinden, das sich nicht auf den Wert eines einzelnen hervorstechenden Monuments beschränkt, sondern den ganzen architektonischen Komplex als Einheit umfasst. Am 7. Dezember 1907 erteilen die Kommissionsmitglieder, der Archäologe Frane Buliæ, der Architekt Georg Niemann und das stellvertretende Ratsmitglied Madirizza, ihre Zustimmung zur Umwandlung des Bischofspalastes in ein zum Dom gehöriges Bauwerk nach dem Vorbild von Orvieto, Florenz und Siena. Dvoøák setzt sich in der selben Sitzung außerdem für die Erhaltung der beiden Kapellen St. Barbara und St. Rochus ein, weist auf die schweren Schäden des Rundbaus hin, die seine Stabilität so gefährden, dass er geschlossen werden muss, und verurteilt die qualitätlosen Arbeiten, die in dem kleinen Dominikanerkloster an der Porta Aurea wie auch am Südufer von einem Privatmann ausgeführt wurden. In der Versammlung vom 26. Juni 1908 wird der zuletzt genannte Eingriff als Argument für die Notwendigkeit eines Gesetzes betrachtet, das solche Verunstaltungen verhindert. Außerdem werden die zahlreichen Probleme hervorgehoben, die die Instabilität verschiedener Teile des monumentalen Komplexes mit sich bringt. Dazu gehören auch das Peristyl und die Porta Argentea. Die Ortsgruppe gibt jedoch der Frage des Bischofspalastes den Vorrang. Dvoøák nennt die Absicht, das Peristyl zu isolieren, «Dilettantendogmatismus» und stellt ihr die «moderne» Auffassungsweise entgegen, die auf einer Überwindung der stilistisch orientierten Denkmälerbewertung beruht und nicht das einzelne Monument als ausschlaggebend für ein Werturteil betrachtet, sondern das Ensemble, «nach welchem jedes Monument in seiner historisch gewordenen Gestalt und insbesondere die historischen Stadtbilder den Gegenstand der größten Pietät bilden müssen». In den Erfahrungen, die bei den Ausgrabungen und der Konsolidierung der archäologischen Funde zur gleichen Zeit in Rom auf dem Palatin, im Forum und bei den Thermen gemacht wurden, sieht er einen sicheren und allgemein gültigen Bezugspunkt.105 Dvoøáks Argumente überzeugen den Archäologen Buliæ und den Architekten Niemann, die anfangs für die puristischen Demolierungen und die die Antike nachahmenden Restaurierungen gestimmt hatten. Die archäologische Kommission, der sie angehören, kann somit eine Stellungnahme abfassen, die sich ganz entschieden dem Vorhaben entgegensetzt, die Verkehrsverbindungen zu intensivieren und das Zentrum zu sanieren, ein Vorhaben, das die Einzigartigkeit der historischen und künstlerischen Schichtung des gesamten Komplexes gefährdet.106 Die Stellungnahme der archäologischen Kommission ermöglicht der ZK schließlich die Befugnis, die Pläne, die Straßen für den wachsenden Verkehr zu erweitern und Demolierungen
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DVOØÁK 1909/3. Die Ausgrabungen wurden von Lanciani veröffentlicht, für den ein Lehrstuhl für römische Topographie eingerichtet worden war. R. L ANCIANI: Storia degli scavi di Roma e notizie intorno le collezioni romane di antichità, Bde. 1–4, Roma 1902–1912. Die Stellungnahme der archäologischen Kommission wird von Dvoøák ebenda wiedergegeben.
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2.3 | DVOØAKS STELLUNGNAHME
GEGEN
FREILEGUNGEN
zur Isolierung der antiken Monumente des Palastes vorzunehmen, nicht nur für inkongruent, sondern für inakzeptabel zu erklären. In den Versammlungen vom 16. und 17. April 1909 wird außerdem ein Projekt des Architekten Karl Holey vorgelegt, das verschiedene Maßnahmen an einzelnen Teilen des Komplexes, an dem Rundbau, den Säulen am Eingang des Mausoleums, dem östlichen Tor, der Porta Aurea und dem Baptisterium, vorsieht. Das Projekt entspricht den Kriterien der Kommission, «das zu erhalten, was vorhanden ist und nichts zu verfälschen», Kriterien, die besonders stark von Dvoøák und dem Architekten der Zentral-Kommission Julius Deininger unterstützt werden. In dieser von Dvoøák geleiteten Sitzung verteidigt die Kommission kategorisch den geschlossenen Platz, verbietet die Freilegung des Peristyls und setzt sich für die Beibehaltung der Gebäude ein, in denen es sich befindet. Sie setzt sich noch einmal für die Erhaltung der Rochuskapelle ein und überlässt es dem Architekten Niemann, abzuwägen, ob der Ostflügel des Bischofspalastes auf einen Vorschlag des Ingenieurs Tonèiæ hin abgerissen werden soll. In einer Klausel wird Niemann jedoch freie Entscheidungsgewalt zugestanden, unabhängig von der Qualität und Plausibilität des Projektes, das sich daraus entwickeln könnte. Niemann präsentiert sein Projekt für den nördlichen Teil des Mausoleums in der Versammlung vom 1. April 1910.107 Der Bericht, der 1913 in den Mitteilungen erscheint, fasst die Situation vor Ausbruch des Krieges zusammen und nimmt Dvoøáks Hauptgedanken dazu wieder auf. Es wird auf die Untersuchungen von Niemann und Hébrard als auch auf die besten Beiträge dazu verwiesen. Außerdem werden die zur selben Zeit in Rom stattfindenden Ausgrabungen als Vorbild genannt. Zum ersten Mal wird der Ausdruck «Split als Modell» verwendet und zwar nicht zu rhetorischen Zwecken, sondern wegen der Originalität und potenziellen Vorbildlichkeit des Falles Split, vorausgesetzt, dass die neuen Prinzipien der Erhaltung respektiert werden. Abschließend wird noch einmal die Notwendigkeit bekräftigt, mit der Kommission und mit Erzherzog Franz Ferdinand, der inzwischen die Rolle des Protektors der österreichischen Denkmalpflege übernommen hatte, übereinzukommen, um so die Errichtung neuer Gebäude innerhalb des monumentalen Komplexes zu verhindern, die die Stadtsilhouette dominieren würden, wie es erst kürzlich durch die Niederlassung einer Bank am Südufer, in unmittelbarer Nähe der venezianischen Stadterweiterung, geschehen ist. An diesem Punkt muss noch einmal hervorgehoben werden, was die österreichische Denkmalpflege kurz vor dem Ersten Weltkrieg wesentlich kennzeichnet. Es handelt sich in erster Linie um eine Denkmalpflege, die darauf ausgerichtet ist, den
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DVOØÁK 1909/11, Sp. 527. Hier abgedruckt als Text I.4.7, S. 375. Für die Geschichte der Restaurierungstechniken erscheint Holeys Projekt zur Festigung des Rundbaus interessant, welches eine Struktur aus einem Bronze- und Stahlbetongemisch zur statischen Sicherung der Kuppel vorsah. Aus Kostengründen wurde die Struktur schließlich in Stahlbeton ausgeführt. Zu Niemanns Projekten für den Diokletianspalast s. Der Diokletianische Palast in Spalato. Auszug aus dem Protokolle der am 1. April 1910 abgehaltenen sechsten Sitzung der Palastkommission zur Erhaltung, Pflege und Erforschung des Diokletianischen Palastes in Spalato, in: MZK, 3. F., 9, 1910, Sp.381–390.
BAUSTELLEN
DER
ERHALTUNG
UND
RESTAURIERUNG | II.
Alterswert des Ensembles zu verteidigen. Die Zielsetzung besteht nicht so sehr im Abwägen verschiedenster Interessen, sondern in der Beschränkung auf Mikroeingriffe und Restaurierungstechniken, die möglichst wenig invasiv und sichtbar sind, soweit das eben die Technologien der Zeit zulassen. Dass Dvoøák dabei stets wachsam präsent war, belegen seine kontinuierlichen Stellungnahmen bei den Kommissionssitzungen. Seine Tätigkeit ist somit ausschlaggebend dafür, dass die Eingriffe in die historische Struktur der Stadt sozusagen auf eine «Mikroerhaltung» beschränkt werden. Die kulturellen Kreise von Split scheinen dagegen wenig geneigt, seinen Hinweisen zu folgen, wie die Abschlussbemerkungen der lokalen Autoritäten am Ende der Versammlungen bescheinigen. Sie geben klar ihre gegensätzliche Meinung wieder und ihre Bereitschaft, den Beschlüssen der Kommission nur aus Respekt vor der Mehrheit zu folgen.108 In der Tat nimmt der Historiker Ljubo Karaman sofort nach dem Krieg das Thema der Demolierung des Bischofspalastes wieder auf. 1920, nach Ende des Kaiserreiches, gedenkt Dvoøák, inzwischen nur noch als Gelehrter und Liebhaber der Stadt, in Übereinstimmung mit Cornelius Gurlitt der verschiedenen Zielsetzungen der deutsch-österreichischen Denkmalpflege (siehe Dvoøák I.4.8). Der Bischofspalast geht durch eine vielleicht vorsätzliche Brandstiftung in Flammen auf und wird 1924 endgültig zerstört, so dass in der historischen Struktur eine Bresche geschlagen werden kann, die für jene Partei sehr wichtig ist, die für die Isolierung des Mausoleums und die Freilegung des östlichen Säulengangs des Peristyls eintritt. Es muss außerdem darauf hingewiesen werden, dass 1923 ein Architekturwettbewerb ausgeschrieben wird, der die Instandsetzung der Meeresfront des Palastes vorsieht und als ein erster Versuch betrachtet werden muss, der zeitgenössischen Architektur bei einer neuen Definition der Beziehung zwischen antikem Zentrum und moderner Stadtentwicklung Rechnung zu tragen.109 Aus der Zeit der 1920er und 1930er Jahre stammt auch Pleèniks bedeutendes Projekt, eine Verbindung zwischen der dem Meer zugekehrten Palastfront und dem Hafen zu schaffen.110 Pleèniks Projekt zeigt dem Diokletianspalast gegenüber keine Minderwertigkeitskomplexe und macht seine Vorstellung von der Kontinuität zwischen zeitgenössischer Architektur und historischem Kontext deutlich, die er in Prag
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DVOØÁK 1909/11, Sp. 527. Für die lokalen Vorbehalte s. die Äußerung von Bürgermeister Mihaljevic, ebenda, Sp. 536. DVOØÁK 1920/2; L. KARAMAN: Pitanje odstranjenja zgrade stare biskupije u Dioklecijanovoj Palaèi u Splitu, (Vjesnik za arheologiju i historiju dalmatinsku), Sarajevo 1920; derselbe: L'incendio del vecchio Vescovado a Nord del Mausoleo di Diocleziano a Spalato, in: Vijesnik za archeologiju i historiju dalmatinsku, 47/48, 1924/25, S. 152 f.; C. GURLITT: Die Freilegung des Domes zu Spalato, in: Stadtbaukunst aus alter und neuer Zeit, 1, 1920/21, S. 293 f. Der Wettbewerb wurde von den Architekten A. Keller und W. Schürmann gewonnen, die die Kulisse der neuen Konstruktionen ausführten, die zwischen 1924 und 1927 vorgenommen wurden. Vgl. den Beitrag von T. VALENA, Pleèniks Plan für Split. Reflexionen über das Selbstverständnis eines Baukünstlers im Umgang mit dem Baudenkmal, am Kolloqium (Workshop) Stadterhaltung Split, 10.–14. Oktober 2000 an der Universität Bamberg.
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2.4 | GUSTAVO GIOVANNONI
UND DER
STUDIENAUFTRAG
DER ITALIENISCHEN
MISSION
und Laibach in direktem Kontakt mit Dvoøákschülern weiterentwickelt. Mit Pleèniks Projekt beginnt ein neues Kapitel in der Restaurierungsgeschichte des Palastes.
2.4 GUSTAVO GIOVANNONI
UND DER
STUDIENAUFTRAG
DER ITALIENISCHEN
MISSION
Fast vierzig Jahre nach Riegls Bericht und dreißig nach Dvoøáks ebenso entschlossener Stellungnahmen hat sich die politische Szene geändert. Split ist nun italienische Provinz. Eine Kommission der Accademia d’Italia wird mit demselben Thema betraut, mit dem sich vorher die beiden österreichischen Generalkonservatoren beschäftigt hatten. Gustavo Giovannoni, der als Begründer der selbstständigen Disziplin «architektonische Restaurierung» betrachtet wird111, verfasst 1941 einen Bericht, der von Amedeo Maiuri, Luigi Marangoni, Ugo Ojetti, Roberto Paribeni und Marcello Piacentini unterschrieben wird.112 Was in dem italienischen Bericht ins Auge fällt – abgesehen von dem Hinweis auf eine Hitlerallee, die in der Zone «extra moenia» vorgesehen ist und den kriegerischen nazi-faschistischen Hintergrund aller Überlegungen und Vorschläge enthüllt –, ist das Ende einer Auffassung, die von der Bewahrung der «stratigraphischen» Werte des historischen Zentrums von Split getragen wird. Freilich berücksichtigt man die Schichten (immerhin zählen die Kommissionsmitglieder zu den bedeutendsten Persönlichkeiten der italienischen Kultur der Zeit), doch handelt es sich um ein typologisches und ideologisches «Schichtungsmodell», das nach großen Epochen vorgeht und drei Perioden als bedeutend hervorhebt: die römische, die venezianische und die moderne. In letzterer stellt sich das dringliche Problem einer Planung, die den Schutz des antiken Zentrums mit einbezieht. Bei genauer Betrachtung handelt es sich um ein Schema, das wir schon in Piacentinis Vorschlag zum Bebauungsplan für Rom von 1925 finden, das eine Unterteilung in römische Stadt, Stadt der Päpste und Stadt der unkontrollierten modernen Entwicklung vornahm.113 Aus diesem Schema geht ein Plan hervor, der versucht, Erhaltung und Erneuerung miteinander in Einklang zu bringen. Für den Diokletianspalast planen die italienischen Kommissionsmitglieder die Freilegung von drei Mauerseiten mit Ausnahme der Seite, an der sich venezianische Bauten befinden. Von den Freilegungen sind alle Gebäude am Baptisterium betroffen sowie die Gebäude auf dem St. Doimo-Platz und an der Westseite des Peristyls, wo auch eine Versetzung der Renaissancebauten vorgesehen ist, die in diesen Teil des Peristyls integriert waren. Im Rest des historischen Zentrums soll ein Eingriff 111 112
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Giovannoni hatte den Lehrstuhl für architektonische Restaurierung seit der Gründung der Architekturfakultät in Rom inne. Spalato romana. Relazione della Commissione Accademica di Studi, 22 Novembre 1941–XX, Roma 1942. Die Wirkung und die Rezeption der Arbeit dieser Kommission prüft kritisch I. BROCK: Spalato romana. Die Mission der Königlichen Akademie Italiens nach Split (29. Sept.–3. Okt. 1941– XIX), in: Römische Historische Mitteilingen, 50, 2008, S. 557–649. Vgl. R. WITTKOWER: Die städtebauliche Zukunft Roms im 20. Jahrhundert, in: Kunstchronik und Kunstmarkt, 1926, Nr. 44/45, S. 673–677.
BAUSTELLEN
DER
ERHALTUNG
UND
RESTAURIERUNG | II.
nach der «teoria del diradamento edilizio» («Baulichtungstheorie») ausgeführt werden, die von Giovannoni für das Renaissanceviertel von Rom ausgearbeitet und in der Altstadt von Bergamo von Angelini verwirklicht worden war.114 Die Berichte von Riegl bzw. Dvoøák und jener der italienischen Kommissionsmitglieder bezeugen eine unterschiedliche Auffassung von Geschichte und Denkmalerhaltung. Der Universalismus, der Riegls und Dvoøáks Rekonstruktion historischer Werte kennzeichnet, zeigt sich in der Praxis in einer äußerst respektvollen Haltung jedem einzelnen Gebäude gegenüber, in einer topographischen Erhaltung der historischen Zeugnisse, die die Einzigartigkeit und die Identität der dalmatinischen Stadt ausmachen. Die Haltung der italienischen Kommissionsmitglieder zur Bewahrung und Bewertung des historischen Zentrums spiegelt dagegen die Meinung wider, dass die italienische Kultur dazu berufen sei, hier eine bedeutende Kulturleistung zu erbringen. Nicht zufällig prägt Piacentini in diesen Jahren den Ausdruck «Aktualität der italienischen Architektur». Auch die Restaurierungspraxis hat daher sehr stark diesen evokativen Charakter, den man wegen seiner geschichtlichen, kulturellen und politischen Auswirkungen auf keinen Fall übersehen darf.115 Der Bericht der Kommissionsmitglieder kommt außerdem den Technikern und Politikern Splits entgegen, die nach einer «Modernisierung» und «Freilegung» verlangen und unter den gefährdeten Monumenten eine Auswahl treffen wollen. Abgesehen von der Ideologie der Wiedergeburt des römischen Imperiums handelt es sich um die Purifizierung der Monumente und um eine Beschädigung der gesamten baulichen Substanz des Palastes, die Dvoøák zwei Jahrzehnte hindurch so heftig und entschlossen bekämpft hatte. In Split trennt sich somit die italienische Denkmalpflege endgültig von der Denkmalerhaltung und zwar im Namen von Disziplinen, die andere Ziele verfolgen als die Denkmalerhaltung, nämlich die Restaurierung, vertreten durch Giovannoni und die Urbanistik, vertreten durch Piacentini. Nicht zufällig sieht sich das Kommissionsmitglied Luigi Marangoni dazu verpflichtet, seine starken Vorbehalte gegenüber den von italienischer Seite geplanten Lösungen zu äußern. Der Kommentar, den die Kommissionsmehrheit zu seinen Äußerungen abgibt, lautet: «Das Kommissionsmitglied Marangoni dagegen hält diese Vorschläge für unvereinbar mit dem Kriterium, die verschiedenen künstlerischen und baulichen Ausdrücke zu respektieren, die sich in den verschiedenen Zeiten in dem Monument übereinander geschichtet haben. Es ist der Meinung, dass die Besucher und Erforscher des großen Peristyls, denen sich die linke Seite ohne alle dazu gehörigen Strukturen bietet, es für eine geistige
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G. GIOVANNONI: Vecchie città ed edilizia nuova. Il quartiere del Rinascimento in Roma, Roma 1913; S. SCARROCCHIA: Bergamo alta di Luigi Angelici, in: Restauro & città. Rivista quadrimestrale di studio, ricerca e cultura del restauro, 2, 1987, S. 249–259 und S. 207–212. Zu Angelinis Beitrag s. a. A. G. CASSANI: «Ambiente» e «modernità». Luigi Angelini e il piano di risanamento di Bergamo alta, in: Ananke, 1995, Nr. 11, S. 16–27 und F. IRACE: Le due città: Piacentini e Angelini, in: Bergamo e il suo territorio, G. RUMI/G. MEZZANOTTE/A. COVA (Hrsg.), (Provincie di Lombardia), Milano 1997, S. 161–197.
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2.4 | GUSTAVO GIOVANNONI
UND DER
STUDIENAUFTRAG
DER ITALIENISCHEN
MISSION
Vorstellung des gesamten Peristyls nicht nötig haben, wertvolle Elemente zu opfern, die die Kunst des 16. Jahrhunderts und späterer Jahrhunderte auf seiner rechten Seite übereinander geschichtet hat. Es weist außerdem darauf hin, dass die Kapitelle und Säulen, die teilweise im Mauerwerk dieser rechten Seite des Peristyls eingeschlossen sind, in einem viel unsicheren Zustand der Erhaltung erscheinen als die der gegenüberliegenden Seite und dass es somit angebracht sei, bevor man ihre Freilegung durch eine Versetzung des Mauerwerks beschließt, sie gründlicher zu untersuchen, auch in den Teilen, die augenblicklich in den Mauern eingeschlossen sind».116 Wie man anhand von Dokumenten feststellen kann, bringt Marangoni dieselben Argumente vor, wenn auch unbewusst, – sonst hätte er sie wohl dazu benutzt, den Auffassungen der Minderheit, zu der er gehörte, Nachdruck zu verleihen – die zuvor schon Riegl vertreten hatte und an denen Dvoøák mit Überzeugung festhielt. Vor Kurzem beurteilte Françoise Choay die Figur von Gustavo Giovannoni positiv. Als aktiver Kritiker helfe er, die Umwandlung des Kulturbesitzes in Allegorie zu verstehen und zwar durch die Bedeutung, die der Projektion verliehen werde.117 Wenn man der Behauptung der Aktualität Giovannonis Glauben schenken will – die auf der ununterbrochenen Restaurierungsgeschichte in Italien begründet ist, welche sich durch eine tief verwurzelte Verbindung von Erhaltung und Erneuerung auszeichnet – darf man nicht verschweigen, dass sich selbst Dvoøák, im Gegensatz zu Riegl, mit dem Bezug zwischen neuer Architektur und ihrem historischem Kontext beschäftigt hatte. Er tat es jedoch auf eine völlig andere Weise als der italienische Architekt und Architekturhistoriker. Er wies der neuen Architektur die hohe Aufgabe zu, dem Kulturbesitz in Form seiner historischen Bausubstanz nicht zu schaden und gleichzeitig die Tradition fortzusetzen. Riegl und Dvoøák stellen sich ihrerseits allen Tätigkeiten entgegen, die durch eine Veränderung der materiellen Konsistenz des Gesamtkomplexes seinen symbolischen Wert, also das, was die antike Stadt für uns, so wie sie uns überkommen ist, ausmacht, zu verringern. Denn die urbane Schichtung des Zentrums von Split ist für sie schon lange vor der Erklärung der ICOMOS vom 29. Oktober 1979 «Kulturbesitz der Menschheit».118 Die Folgerung, die man logischerweise daraus ziehen muss, lautet: Die Geschichte des Faches ver-
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Vgl. C. THOENES: Bramante-Giovannoni. Il Rinascimento interpretato dall'architettura fascista, in: Casabella, 60, 1996, Nr. 633, S. 64–73; S. SCARROCCHIA: Piazza della Vittoria a Brescia di Marcello Piacentini: Premessa all'attualismo architettonico italiano, in: Anni Venti e Trenta. L'arte a Brescia fra le due guerre. Catalogo della mostra tenutasi a Brescia, Palazzo Bonoris, 16 novembre 2002– 12 gennaio 2003, C. Zani (Hrsg.), Ausstellungskatalog Brescia 2002/03, Brescia 2002, S. 65–76; J. T. SCHNAPP: Anno 10. La Mostra della rivoluzione fascista del 1932, (Piste, 4), Pisa–Roma 2003 und M. I. CATALANO: Dall'esperienza dell'arte all'estetica. La «Sala delle Mostre» dell'Istituto Centrale del Restauro, in: ANDALORO 2006, S. 179–197. Zu Marangonis Vorbehalten s. Spalato romana. Relazione della Commissione Accademica di Studi, 22 Novembre 1941–XX, Roma 1942., S. 13. F. CHOAY: L'allegoria del patrimonio, E. d'Alfonso/I. Valente (Hrsg.), Roma, 1995; s. a. G. GIOVANNONI: Dal capitello alla città, G. Zucconi (Hrsg.), (Di fronte e attraverso, 435), Milano 1997 und M. GIAMBRUNO: Verso le dimensione urbana della conservazione, (Cultura, storia, progetto, 3), Firenze 2002.
BAUSTELLEN
DER
ERHALTUNG
UND
RESTAURIERUNG | II.
läuft nicht linear und im Fall von Split ist die modernere, aktuelle und weitsichtige Position diejenige, die die österreichischen Konservatoren schon vierzig Jahre vorher eingenommen hatten.
2.5 SPLIT
AUF DER
MAILÄNDER TRIENNALE
1957 findet im Rahmen der Mailänder Triennale ein großer internationaler Kongress zum Thema «Städtebauliche Aktualität des Denkmals und des antiken Umfelds» statt.119 Der Kongress will eine Bilanz der wichtigsten Erfahrungen ziehen, die den Schutz des architektonischen Erbes betreffen und beim Wiederaufbau der Nachkriegszeit herangereift sind. Teilnehmer sind, außer dem Gastland, die Tschechoslowakei, China, Frankreich, Deutschland, England, Jugoslawien, Polen und die Vereinigten Staaten. Jugoslawien präsentiert hauptsächlich die städtebaulich und archäologisch relevanten Arbeiten am Diokletianspalast, die von dem Architekten Jerko Marasoviæ geleitet und von seinem Bruder, dem Kunsthistoriker und Mediävisten Tomislav Marasoviæ, erläutert werden.120 Die Arbeiten entwickeln sich in drei Richtungen. Sie umfassen die Verbindung zwischen dem monumentalen Zentrum und dem Südufer, die Ausgrabungen der unterirdischen Nebenräume des Palastes und die Instandsetzung der verfallenen mittelalterlichen Strukturen, denen eine neue Funktion als Sitz von Instituten und kulturellen Einrichtungen zugewiesen wird. Es wird außerdem das Projekt zur Wiederherstellung der antiken Hauptstraße präsentiert, die bisher im Peristyl endete, nun aber wie «ursprünglich» bis ans Meer geführt werden soll. Im Mittelpunkt steht dabei die Rekonstruktion des Kreuzgewölbes des Vestibulum und die Entdeckung der Treppe, die das Vestibulum mit den unterirdischen Räumen verbindet. Von daher scheint die Annahme plausibel, dass die Hauptstraße
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T. MARASOVIÆ: Il palazzo di Diocleziano. Patrimonio culturale mondiale. Spalato, Croazia, Zagreb– Split 1995. Zu den Rechtsvorschriften, auf die sich Riegl bezieht, s. M. FRIGO: Brevi note sul progetto di legge per la riorganizzazione della tutela dei monumenti in Austria del 1903, in: SCARROCCHIA 1995, S. 495–500. Attualità urbanistica del monumento e dell'ambiente antico. Corso del congresso internazionale ..., indetto dall'Undecima Triennale di Milano e tenutosi al Palazzo dell'arte nei giorni 28–30 settembre 1957, Centro studi della Triennale di Milano (Hrsg.), (Triennale di Milano ), Milano 1958. Vgl. R. PANE: Restauro dei monumenti e conservazione dell'ambiente antico, ebenda, S. 7–18; eine noch heute aktuelle Stellungnahme gegen das bürokratische und wissenschaftliche Selbstbewusstsein der Denkmalämter; vgl. bes. S. 17 «[…] Selbst die beste Bürokratie kann aufgrund ihrer Struktur und Zuständigkeit nicht Probleme lösen, für die eine praktische kulturelle Vorbereitung und ein besonderes erfinderisches Talent verlangt werden. […] die normale Tätigkeit eines Beamten betrifft nur Verwaltungs- und Kontrollaufgaben und nicht die Erfindung. […] Folglich besteht die eigentliche Schuld der Denkmalverwaltung in Italien darin, ihre Verantwortung mit niemand teilen zu wollen und so zu tun, als genügten ein größerer Etat und mehr Personal, damit alles besser funktioniert.» (Übersetzung des Verfassers). T. MARASOVIÆ: Intervento urbanistico-archeologico nel centro del palazzo di Diocleziano a Split (Spalato), ebenda, S. 83–90.
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2.5 | SPLIT
AUF DER
MAILÄNDER TRIENNALE
dank dieser Treppe bis zur Mauergrenze auf der Höhe der Südküste verlief. Es werden auch die ersten Freilegungen unterirdischer Säle präsentiert sowie die Instandsetzung einiger mittelalterlicher Gebäude, die sich an das Vestibulum anlehnen und zum Sitz des dalmatinischen Städtebauamtes umgewandelt wurden. Schon zu diesem Zeitpunkt ist die Absicht, die mit den forcierten archäologischen Untersuchungen sowie der Instandsetzung und Funktionalität des Diokletianspalastes bis heute verfolgt wird, klar erkennbar. Man will ein imposantes archäologisches Ausgrabungsprogramm mit der Restaurierung des Palastes und seiner Einbeziehung in die moderne Stadtentwicklung vereinbaren. Das erfordert jedoch eine genaue Analyse der Baustruktur des monumentalen Komplexes, die in der Tat nach einer ersten von Jerko Marasoviæ vorgenommenen Vermessung die wichtigsten Aufgabe des Institutes zum Schutz historischer Monumente in den sechziger Jahren darstellt, das für den gesamten Diokletianspalast Planaufnahmen im Maßstab 1:200 herstellte. Zu diesen Untersuchungsarbeiten gehören auch wichtige Vermessungen einzelner Teile im Maßstab 1:50 und 1:20, die in den siebziger Jahren im Rahmen eines Gemeinschaftsprojektes des Urbanistièki Zavod Dalmacije, Split, und der University of Minnesota, Minneapolis, MN, vorgenommen werden.121 In der Zeit von 1956 bis 1959 werden zirka zwanzig unterirdische Säle erschlossen. 1958 werden auf der Südostseite des Peristyls die Überreste von zwei Rundbauten entdeckt, die Venus und Kybele geweiht waren. 1960 ist der Fußboden des Peristyls wieder hergestellt, und von 1958 – 1963 wird die große unterirdische Passage, die Fortsetzung der römischen Hauptstraße auf Küstenhöhe, vollendet. 1960 werden auch verschiedene Gebäude aus dem Mittelalter, die sich in der Nähe der Porta Aurea befinden, in gotischem Stil erneuert, 1966 wird der südwestliche Turm restauriert und zirka zehn Jahre später der nordwestliche Turm, der Brandschäden erlitten hatte. Zusätzlich zu all diesen Tätigkeiten müssen noch zwei weitere emblematische Eingriffe erwähnt werden: die Rekonstruktion der Renaissanceloggia des Palastes Cipci im Inneren des Peristyls, die 1982 vorgenommen wird, und 1989 die Restaurierung des Palastes Papaliæ, der zum Sitz des Stadtmuseums bestimmt wird. Im ersten Fall handelt es sich um eine Rekonstruktion nach philologischen Gesichtspunkten, die sich auf neu gewonnene bauliche Befunde gründet, im zweiten Fall um eine Rekonstruktion nach stilistischen Kriterien. Unermüdlicher Leiter aller Restaurierungsarbeiten, die sowohl den Diokletianspalast als auch das gesamte Stadtgebilde von Split umfassen, ist Jerko Marasoviæ, Direktor am Mediterranean Center for Built Heritage, ein Befürworter des «schrittweisen Vorgehens» und Erzfeind jeder «Null-Lösung».122
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Diocletian's Palaèe. Report on joint excavations = Dioklecijanova palaèa, Urbanistièki Zavod Dalmacije/University of Minnesota (Hrsg.), Bd. 1–3, Split 1972–79. Antrittsvorlesung, gehalten am 1. Mai 1997 am Mediterranean Center for Built Heritage in Split, für die im Rahmen der Kurse Teoria e storia del restauro und Caratteri costruttivi dell'edilizia antica des Mailänder Polytechnikums veranstaltete Exkursion Palazzo di Diocleziano e zone archeologiche di età antica e medievale limitrofe, 30. April–7. Mai 1997.
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DER
ERHALTUNG
UND
RESTAURIERUNG | II.
Man kommt nicht umhin, dieses umfangreiche Unterfangen einer neuen Betrachtung zu unterziehen. Man sollte es nicht einfach abwerten, da es einen wesentlichen Teil der Restaurierungsgeschichte des 20. Jahrhunderts ausmacht, wie etwa auch der Erfolg seiner Präsentation auf der Mailänder Triennale von 1957 beweist.123 Das schließt jedoch nicht aus, ja es fordert uns als Spezialisten bzw. einfache Beobachter einer anderen Generation geradezu auf, dass wir dieses Unterfangen kritisch betrachten. Einen ersten Anhaltspunkt für eine solche kritische Betrachtung liefert uns Ivo Babiè. Indem er die Äußerungen Riegls und Dvoøáks wieder aufnimmt, prangert er das Beharren auf archäologischen Ausgrabungen, auf einer puristischen Restaurierung im Stil des 19. Jahrhunderts und einer rekonstruktiven Restaurierung im Stil des 20. Jahrhunderts an, das systematisch zu einem Verlust der mittelalterlichen Schichten der Stadt führte. Babiè ist jedoch bereit, auch den positiven Aspekt der von Marasoviæ geleiteten Restaurierungen anzuerkennen, der in der Rettung völlig ruinöser Teile des Palastkomplexes besteht, die sonst verloren gegangen wären.124 Ich teile seine Beurteilung, die eine Rieglsche Pietät der Tätigkeit des Restaurators gegenüber bezeugt. Außerdem bin ich der Meinung, dass man in Jerko Marasoviæs Wirken deutlich Verhaltensweisen finden kann, die typisch sind für seine Generation. Auf den ersten Blick lassen sich Gemeinsamkeiten mit der Theorie und Praxis feststellen, die die Restaurierungen eines Piero Sanpaolesi in der Toskana charakterisieren.125 Es handelt sich nicht nur um Analogien, die sich mit der Zugehörigkeit zu derselben Generation erklären lassen, sondern auch um Analogien in Bezug auf die Zielsetzung. Sie zeigen sich zum Beispiel in der Umwandlung der Vermessung als Instrument der Erkenntnis in ein Instrument zur Durchsetzung eines Projektes, das sich den Ergebnissen einer wissenschaftlichen Analyse nicht verpflichtet fühlt. Stattdessen wird die architektonische Interpretation vorgezogen, was im Endeffekt einer Vorliebe für den Stil auf Kosten der Schichtung gleich kommt. Indem Untersuchungs- und Bewertungsschemata benutzt werden, die auf die Archäologie zurückgreifen, werden Schichten neueren Datums im Namen der Wiederherstellung älterer Schichten geopfert. Ein derartiges Vorgehen wurde von Riegl und Dvoøák heftig kritisiert. Beide sind als Theoretiker und Vertreter des Prinzips der Denkmalerhaltung der Generation eines Marasoviæ, Sanpaolesi, Pane, Bonelli, Papini, kurz gesagt, der ganzen auf der Triennale versammelten Gruppe, vollständig unbekannt. Die sich so lange hinziehenden Tätigkeiten im Diokletianspalast haben außerdem dazu geführt, dass die einheitliche Anwendungsmethode die durchge-
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Vgl. den gegenteiligen Standpunkt in Spalato. Fotocronaca di uno scempio «filologico», in: Ananke, 1997, Nr. 20, S. 88–94. Hiermit sollte eine Diskussion hervorgerufen werden, die jedoch ohne Ergebnis blieb. BABIÈ 1997, S. 73, Anm. 48: «Certaines interventions eurent lieu à Split dans les années cinquante, sous la direction de J. Marasoviè qui en fut le pionnier, ainsi le bâtiment de l'Institut urbanistique de Dalmatie, celui de l'Université ouvrière et tant d'autres, qui permirent de rénover et de revitaliser de fond en comble des constructions jusqu'alors tout à fait abandonnées de manière catastrophique.» P. SANPAOLESI: Discorso sulla metodologia generale del restauro dei monumenti, Firenze 1973.
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2.6 | AUF
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NACH EINEM
MODELL
FÜR
SPLIT
führten Eingriffe der Verwitterung aussetzte, statt sie davor zu schützen. Die Eingriffe der achtziger Jahre an den beiden Palästen Cipci und Papaliæ können als Aporien der in dem vorhergehenden Jahrzehnt bevorzugten Verbindung von Restaurierung und architektonischer Intervention betrachtet werden.126 Die Bedeutung, die in Split den archäologischen Ausgrabungen zuteil wird und der starke Hang zur Rekonstruktion – die beide auf die enge Verbindung von Archäologie und Urbanistik zurückzuführen sind – haben unterschiedlich starke Nachwirkungen.127
2.6 AUF
DER
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NACH EINEM
MODELL
FÜR
SPLIT
Alle Probleme, die bis zu diesem Punkt mehr oder weniger summarisch behandelt wurden, scheinen sich nun, fast ein halbes Jahrhundert nach der Triennale, auf der das «Modell Split» gepriesen wurde,128 neu zu stellen. Auch wenn sie zugenommen haben und sich auf den Bereich der Urbanistik, der Gesellschaft, der Wirtschaft, des Tourismus und des Wohnungsbaus erstrecken, scheinen sie sich im südöstlichen Quadrant der Palastmauern und innerhalb desselben zu konzentrieren. An dieser Stelle sind die Ausgrabungen der letzten Säle des Erdgeschoßes, mit denen die Arbeiten zur Freilegung der Funktionsräume des kaiserlichen Wohnsitzes hätten abgeschlossen werden sollen, ins Stocken geraten. Besondere Untersuchungen sind erforderlich, denn es stellen sich mehrere große Probleme: 1. Um die Ausgrabungen fortzusetzen, müsste ein mittelalterliches Turmhaus demoliert werden, eines der letzten Zeugnisse des historischen Teils, der sich einst um das Mausoleum/den Dom herum befand und die antiken Schichten in sich aufgenommen hatte, aber den Arbeiten zur Isolierung/Freilegung des Mausoleums/Doms zum Opfer gefallen war. 2. An der Südwand eines der zuletzt ausgegrabenen Räume entdeckte man während der Arbeiten eine Mauer aus vorrömischer Zeit oder zumindest aus einer Zeit, die dem Palastbau vorausgeht. Es stellt sich also die Frage, ob man, um das Ziel der Ausgrabungen zu erreichen, in einer anderen Richtung weitergraben oder die Ausgrabungen überhaupt einstellen soll. 3. Innerhalb des südöstlichen Quadranten findet man eine Öffnung, durch die man alle Ausgrabungsschichten und alle bisherigen Eingriffe zur Stabilisierung und Rekonstruktion erkennen kann. 4. Durch die Demolierung der Häuser im historischen Teil, die man bisher vornahm, um das Endstück der antiken Mauer dem Meer gegenüber «freizulegen», wurde das Mauer-
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G. CARBONARA: La reintegrazione dell'immagine. Problemi di restauro dei monumenti, (Ricerche architettura), Roma 1976, S. 166 f. J. J. WILKES: Diocletian's Palace, Split: Residence of a retired Roman emperor (Ian Sanders memorial lecture in classical archaeology, 2), (Occasional publications/Department of Ancient History and Classical Archaeology, 2), Sheffield 1986. Die theoretischen Grundlagen der Denkmalpflege in der Nachkriegszeit hat Hubel sehr genau zusammengefasst (zit. Anm. 102).
BAUSTELLEN
DER
ERHALTUNG
UND
RESTAURIERUNG | II.
werk so mitgenommen, dass es eine wenig überzeugende «Prothese» benötigte, die aus einem Gerüst aus Eisenstangen besteht, das mit Natursteinen aus Braè verkleidet wurde. An diesem Punkt scheint mir die sprichwörtliche Bemerkung eines zynischen Chirurgen mehr als angebracht: «Die Operation ist bestens gelungen, aber der Patient ist leider dabei gestorben!» Bezüglich des ersten Punktes glaube ich, dass viele die Entscheidung zur Demolierung des letzten Turmhauses für verhängnisvoll halten und dass ihre ablehnende Haltung einer solchen Eventualität gegenüber ein unmissverständliches Anzeichen für eine neue Betrachtungsweise der Probleme der Stadterhaltung bedeutet. Der zweite Punkt betrifft ausschließlich die Archäologie und jede Frage, was zu tun sei, kann nur im fachlichen Rahmen eine Antwort finden. Nach Meinung des Generalkonservators Joško Belamariæ,129 der die Untersuchungen vornimmt, ist der Palast von Diokletian nicht als völlig neues Gebäude errichtet worden. Er sei vielmehr als eine Festung auf einem älteren Gebäude aufgebaut worden, in dem Textilien für die römische Kolonie hergestellt wurden. Außerdem sei der Bau dieser Festung nie beendet worden, worauf auch die von Adam, Hébrard und den Brüdern Marasoviæ vorgenommenen Rekonstruktionen schließen lassen. Auch für die archäologischen Arbeiten bedeuten diese Untersuchungen somit eine Wende. Der dritte Punkt betrifft meiner Meinung nach eine äußerst komplexe Problematik. Die Öffnung in unmittelbarer Nähe des Doms kann nicht länger eine Art archäologische Baustelle bleiben, die von jedermann besichtigt werden kann. Neue Ausgrabungen, wie sie Andrea Carandini für die Via dei Fori Imperiali in Rom mit zahlreichen, zum Teil auch faszinierenden Argumenten vorschlug, kommen für den Bereich des monumentalen Komplexes in Split nicht in Frage.130 Nach einem ganzen Jahrhundert kann Dvoøáks Rat, die römische archäologische Schule zum Vorbild zu nehmen, nicht mehr befolgt werden. Auch eine Reparatur darf sich nicht einfach auf eine Konsolidierung nach Gesichtspunkten der Ingenieurswissenschaft beschränken. Eine derartige Lösung findet man schon auf der Innenseite der südlichen Mauer des südöstlichen Quadranten, wo sich die Benutzung von Eisenprofilen und Verblendungen aus Naturstein (von der Insel Braè) vom strukturellen und ästhetischen Gesichtspunkt her nur schwer rechtfertigen lässt. Ebenso unangebracht ist die gerade beendete Rekonstruktion «römischer» Mauern, die nach Art einer «amerikanischen Archäologie» eine Rekonstruktion der ursprünglich im ersten Stock befindlichen Säle auf der Ebene des Peristyls und des Doms vorsieht.
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J. Belamariæ hielt am 24. Februar 2003 in San Doimo einen Vortrag für die Studenten des Fachbereiches «Architektonische Restaurierung» der Architekturfakultät Aldo Rossi der Universität Bologna mit Sitz in Cesena. Vgl. J. BELAMARIÆ: Il problema delle «fosse urbane» del quadrante sud-est del Palazzo di Diocleziano a Spalato, in: Archeologia urbana e progetto di architettura : seminario di studi (Roma 1–2 dicembre 2000), M. M. Segurra Lagunes (Hrsg.), Roma 2002, S. 19–28. Vorbehalte gegen die Ausführung der neuen archäologischen Ausgrabungen in Rom wurden auch am Kolloqium (Workshop) Stadterhaltung Split, 10.–14. Oktober 2000, an der Universität Bamberg geäußert.
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2.6 | AUF
DER
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NACH EINEM
MODELL
FÜR
SPLIT
Als Alternative bietet sich die Rekonstruktion der mittelalterlichen Stadtstruktur an, die auf das ganze Viertel ausgedehnt werden soll, und nach dem Prinzip, «genauso an derselben Stelle» («come e dovè era»), eine Art «Rekonstruktion der Stadt» darstellt, wie sie übrigens auch Prinz Charles gefallen würde. Eine andere Möglichkeit besteht darin, der modernen Architektur und der modernen künstlerischen Kreativität die Aufgabe anzuvertrauen, mutig das Unvereinbare zu vereinbaren, d. h. die durch die Ausgrabungen im historischen Teil entstandene Bresche mit der Suche nach Einheit in Einklang zu bringen, einer Einheit, die von der engen Zugehörigkeit dieses Teils zum monumentalen Komplex gefordert wird. Paradoxerweise handelt es sich wie schon 1957 darum, neue (traditionell «historistische» oder moderne, etwa «dekonstruktivistische High-tech» oder minimalistische) Architektur in die historische Struktur einzufügen. Ich halte die genannten Alternativen nicht für falsch, sondern, um es mit Marx zu sagen, für eine Farce, denn nur in Form einer Farce ist die Geschichte wiederholbar. In den inzwischen vergangenen Jahren haben sich einige Hypothesen abgezeichnet, die im Folgenden kurz untersucht werden sollen.131 Abschließend soll dann aufgezeigt werden, dass die Auffassungen der Wiener Lehrmeister, obwohl sie so weit zurückliegen, auch für das heutige Split noch Gültigkeit haben können und dass die Stadt nur in sich selbst ein Modell finden kann, was die verkannten und vergessenen Urväter der Denkmalpflege schon lange vorher erkannt hatten.
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Zusammen mit dem Architekten Alessandro Baldassari, Präsident des Zentrums «Gilberto Guidi» in Pisa, schlug ich auf der gemeinsam mit dem Generalkonsul der Republik Kroatien am Mailänder Polytechnikum/ Fachbereich Erhaltung und Geschichte der Architektur organisierten Tagung I restauri del Palazzo di Diocleziano e la conservazione della città di Spalato, die als Fortsetzung der oben genannten Exkursion (s. Anm. 122) nach Split stattfand, einen Wettbewerb für Architekten und Künstler unter 40 vor. Diese Tagung fand am 27. Februar 1997 im Rahmen der Ausstellung Spalato 1700 anni. Dal Palazzo di Diocleziano alla città moderna statt, die im Archäologischen Museum von Mailand organisiert wurde; vgl. auch T. MARASOVIÆ (zit. Anm 100). Unter anderen nahmen Marasoviæ, Vorsitzender des kroatischen Komitees ICOMOS, Joško Belamariæ, der für die regionale Oberaufsicht der Denkmale verantwortlich war, Ivo Babiæ von der Philosophischen Fakultät an der Universität Split und Robert Plejiæ, Urbanistikreferent der Stadtverwaltung Split, daran teil. Das Zentrum «Gilberto Guidi» schrieb in Zusammenarbeit mit der Stadt Neapel, dem Fachbereich «Architekturgeschichte und Restaurierung» der neapolitanischen Universität Federico II und dem Istituto Italiano per gli Studi Filosofici einen ähnlichen Wettbewerb für die «Piazza del Mercato» in Neapel aus; vgl. G. ALISIO: Concorso Piazza Mercato, Napoli 1996. Informationen über die Bestrebungen der Verwaltung haben freundlicherweise Kate Marasoviæ und Robert Plejiæ erteilt. Das Projekt konnte nicht verwirklicht werden, weil die örtlichen Autoritäten die Organisation eines internationalen Wettbewerbs von größerer Relevanz im Auge hatten (zu dem nur die Vertreter des Star-Systems eingeladen werden sollten). Das Mediterranean Center for Built Heritage unter Leitung von Jerko Marasoviæ hätte dazu einen ausführlichen Bericht mit entsprechenden Pläne liefern sollen. Auch dies wurde nicht realisiert. Das hat Ernst Bacher bei verschiedenen Gelegenheiten betont. Dazu s. S. SCARROCCHIA: Riegls Rezeption in Italien. Von der Charta von Venedig bis heute, in: Alois Riegl revisited. Beiträge zu Werk und Rezeption. [Tagungsband zum Symposion «Alois Riegl 1905/2005», Wien, 20.–22. Oktober 2005], P. Noever (Hrsg.), (Veröffentlichungen der Kommission für Kunstgeschichte/Österreichische Akademie der Wissenschaften, 9), Wien 2010, S. 69–83.
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DER
ERHALTUNG
UND
RESTAURIERUNG | II.
2.7 NEOKOLONIALISTISCHE PERSPEKTIVEN UND NEOLIBERALISTISCHE TENDENZEN: WORLD BANK, DAS PROJEKT DER STADTVERWALTUNG ZUR RESTAURIERUNG DER KULTURGÜTER UND «ADRIATIC HERITAGE» 1995 wird die Stadtverwaltung zum Förderer eines «Projektes zur Restaurierung der Kulturgüter des historischen Zentrums». Das Projekt wird von einem Hilfsprogramm der Weltbank zur Wiederinstandsetzung des städtischen Kulturbesitzes finanziell unterstützt. Duško Marasoviæ behauptet, dass der Ausarbeitung des Projektes Befragungen, Interviews und Diskussionen mit den Bewohnern des Zentrums und anderer Stadtviertel wie auch mit Touristen und Wirtschaftsfachleuten vorausgegangen seien. Daraus resultiere eine hohe Wertschätzung der Vergangenheit, was das Zentrum und besonders den Palast betreffe, aber auch tiefe Empörung über seinen aktuellen heruntergekommenen Zustand sowie ein weitverbreitetes, starkes Interesse für die Restaurierung des Zentrums nach allgemein anerkannten Modalitäten und Strategien. Außerdem gehe aus den Meinungen der befragten Fachleute die Absicht hervor, die Ziele von Erhaltung, Schutz und Restaurierung mit den Forderungen nach Veränderung, ja sogar nach neuer Bebauung in Einklang zu bringen. Eine Art städtischer Behörde bzw. eine mit Autorität ausgestattete Institution solle diesen Prozess einleiten und als Vermittlerin der öffentlichen Meinung fungieren. Was die Prioritäten des Projektes betrifft, seien sich alle Parteien einig, dass die Eingriffe in den unterirdischen Teilen und im südöstlichen Teil des Palastes in der Nähe der Porta Argentea und des Jupitertempels am dringlichsten seien. Die Zielsetzungen des Projektes wurden anschließend in einer gemeinsamen Forschungsarbeit von Fachinstituten der Universität Bari, Padua und Venedig entwickelt, deren Resultate man auf der Website von «Adriatic Heritage» ersehen konnte. Von dem Projekt der Stadtverwaltung ausgehend, untersuchte die italienische Forschungsarbeit vor allem den Verfall des Mauerwerks und der Holzstrukturen und erforschte ihre Gefährdung durch Erdbeben. Außerdem gab sie Hinweise für die Rekonstruktion der zerstörten Teile und hob die Bedeutung eines Kulturvermarktungskonzeptes und des Modells Bilbao hervor. Meine Kritik an dem Projekt und an seiner vertiefenden Untersuchung in der italienischen Forschungsarbeit ist folgende: 1. Man ignoriert weiterhin den spezifischen Beitrag der österreichischen Denkmalpflege, die die Charta von Venedig 1964 um Jahrzehnte vorwegnahm132, was zu einer Verunklärung der Geschichte der Denkmalpflege des Palastes und der Stadt Split führt. 2. Die historische Entwicklung, die zu dem heutigen Verfall des Zentrums geführt hat, lässt sich nicht mehr eindeutig rekonstruieren und zwar nicht nur, weil die politischen Gründe nicht immer leicht erkennbar sind (überraschend ist zum Beispiel, dass der von Giovannoni zur Zeit des faschistischen Protektorats erstellte Plan unter dem Kommunismus der Nachkriegszeit fortgesetzt wurde), sondern vor allem weil sich die kulturellen und wissenschaftlichen Motivationen nicht
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2.7 | NEOKOLONIALISTISCHE PERSPEKTIVEN
UND NEOLIBERALISTISCHE
TENDENZEN
leicht nachvollziehen lassen. Obwohl in der Denkmalpflege von Split und in dem Versuch der Aufwertung seines Zentrums die besten Kräfte eingesetzt wurden, stehen wir vor einem katastrophalen Ergebnis. Wenn nicht geklärt wird, wie es dazu kommen konnte, wie sollen wir dann sicher sein, dass aus den heutigen Strategien nicht ein für die kommenden Generationen ebenso unbefriedigendes Ergebnis hervorgeht? 3. Zu den neuen Konstruktionen, die im Zentrum vorgesehen sind, hätte als vermutlich bedeutendster Eingriff der Bau eines großen Museums gehören sollen, mit der Aufgabe, im ganzen Zentrum eine Art «Bilbao Effekt» zu erzielen, ganz nach der aktuellen Forderung nach «Kulturvermarktung». Ein solches Vorhaben scheint mir zu oberflächlich. Es trägt den Diskussionen nicht Rechnung, die in diesen Jahren in Italien und auch anderswo über die anthropologische, geographische, historische und künstlerische Besonderheit der verschiedenen Museumsmodelle stattgefunden haben. Da es keine genauen Hinweise für eine derartige Reflexion gibt und es außerdem an einer Museumspolitik mangelt, die das ganze Museumssystem von Split einbezieht, erscheint der Bezug auf Bilbao geradezu «neokolonialistisch».
2.8 DER PLAN DER DENKMALBEHÖRDE ZUR PRIVATISIERUNG EINIGER DENKMALE UND DIE PETITION DER BÜRGER GEGEN IHRE KOMMERZIELLE NUTZUNG: DARF ROCKEFELLER IM DIOKLETIANSPALAST WIE EIN RÖMISCHER KAISER SCHLAFEN? «Mangels genauer Hinweise auf neue Planungsvorhaben» beteiligten sich angesichts der Gefahr einer regellosen Kommerzialisierung mehrere Hundert besorgte Bürger an einer Petition. Sie reagierten damit auf den kürzlich von der Stadtverwaltung gebilligten Plan der Denkmalbehörde, einige Monumente durch Privatleute instand setzen zu lassen. In Wirklichkeit handelt es sich um eine Liste von zirka zwanzig verschiedenen Denkmalstätten, die – unter Aufhebung der bestehenden Normen und mangels eines genauen Bebauungsplans für das historische Zentrum und präziser Hinweise für jedes Bauwerk/jeden Baukomplex – Gegenstand öffentlicher oder vor allem privater Investitionen werden sollten. Mit ihrer Instandsetzung wird auch ihre kommerzielle Nutzung beabsichtigt. Auch in dieser Liste hat das südöstliche Viertel besondere strategische Bedeutung. Der neue Bebauungsplan sagt jedoch nicht viel über seine Bestimmung aus. Im Gegensatz zum Modell «historisches Zentrum Bologna» der 1970er Jahre und zur «vorsichtigen Stadterneuerung» der 1980er Jahre im Kreuzbergviertel von Berlin erscheint in Split die Lage vieler Bevölkerungsschichten eher prekär. Daher ist ihre Sorge verständlich, dass bisherige Wohnviertel nur für gehobenere Bevölkerungsschichten vorgesehen sein könnten und dass sie sich mit der Tatsache einer Privatisierung abfinden müssen, wie es in Italien und auch anderswo weitgehend der Fall ist. Die Tendenz zu einer Kommerzialisierung des Kulturbesitzes durch Aufhebung der bestehenden Gesetze und durch Steuerausgleich, die sich in vielen europäischen
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BAUSTELLEN
DER
ERHALTUNG
UND
RESTAURIERUNG | II.
Ländern durchgesetzt hat, scheint auch Split nicht auszusparen. Auch diese Stadt scheint das überall vorherrschende merkantilistische Modell übernehmen zu wollen, statt nach einem eigenen zu suchen.
2.9 SPLIT
ALS
MODELL
Ein Gang durch den Diokletianspalast lässt sich mit dem Gang durch die unterirdische etruskische Stadt von Perugia oder durch die Gäßchen von Matera vergleichen. Man muss sich vorsichtig, aufmerksam und «umsichtig» verhalten, wie Walther Hämer in den achtziger Jahren in Bezug auf das Berliner Kreuzbergviertel sagte. Dasselbe gilt für die derzeit geplanten Eingriffe. Das Motto «weniger ist mehr» ist alt, bekommt aber in diesem Fall eine neue Bedeutung. Man muss nicht befürchten, langweilig zu erscheinen («less is a bore» sagte in der Tat der postmoderne Robert Venturi in seiner Polemik gegen das internationale Credo «less is more»), denn das, was in Split existiert, ist in sich «spektakulär» und jede gewollte Hinzufügung kann nur «kitschig» erscheinen, wie es für viele europäische Werke von Frank O. Gehry zutrifft. Sie sind zwar sensationell, aber doch immer befremdende kalifornische Versatzstücke! Im Gegensatz zu einigen meiner italienischen Kollegen bin ich von der Aktualität und Brauchbarkeit der Ansichten Riegls und Dvoøáks überzeugt. Split ist so, wie es ist, außergewöhnlich und es hat es nicht nötig, etwas anderes zu werden. Das Problem ist nur: Wie soll man die Bedeutung des Modells, das die Stadt in sich selbst darstellt, sichtbar machen? Vor allem muss die Geschichte der Stadt bis heute, d. h. die österreichische Herrschaft, das napoleonische Intermezzo, das faschistische Protektorat und die kommunistische Periode, durch angemessene Initiativen allgemeiner Kulturbesitz werden. Das bedeutet wahrscheinlich, dass noch nicht verheilte Wunden wieder geöffnet und akzeptiert werden müssen, aber gerade darin zeigt sich ja die Reife einer Gemeinschaft, darin besteht nach Dvoøák die didaktische und pädagogische Funktion der Denkmalpflege.133 Gleichzeitig müsste eine Befragung über die auf dem Spiel stehenden Werte in die Wege geleitet werden, über die Werte, die die österreichische Denkmalpflege hervorgehoben hat sowie die, die im Laufe eines Jahrhunderts hinzugekommen sind, über ihre Verflechtungen und Konflikte. Die Befragung müsste – ähnlich wie bei einer Volksbefragung – in Schulen, Arbeitsstätten, beruflichen Verbänden und Interessensvertretungen, kurz gesagt, in der gesamten Bevölkerung durchgeführt werden. Wie bei der Marktforschung müssten auch Touristen in einer adäquaten Auswahl befragt werden. Die Zielsetzungen einer solchen Befragung müssten viel deutlicher erkennbar sein, als es bei den bisher von der Stadtverwaltung durchgeführ-
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Zur Stadtgeschichte in Antike, Mittelalter und Moderne vgl. weiterhin MARASOVIÆ 1997.
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2.9 | SPLIT
ALS
MODELL
ten Befragungen der Fall war, die 1995 das Projekt zur Restaurierung der Kulturgüter des historischen Zentrums begleiteten und darauf ausgerichtet waren, ganz allgemeine Verhaltensweisen zum «gegenwärtigen» und «zukünftigen» Stadtbild festzustellen. Auf diese Weise konnten die Instrumente des zukünftigen Szenariums, also die Projekte, in keinster Weise beeinflusst werden. Die Befragung müsste dagegen zur Vorbereitung und Unterstützung der Voruntersuchung dienen, also die Projekte direkt beeinflussen. Die Aufgabe der Voruntersuchung besteht nämlich darin, alle im Spiel stehenden Werte und Interessen zu ermitteln. Der Denkmalpflege und ihren Fachleuten kommt es dann zu, sie anzuerkennen, ihre Plausibilität und Berechtigung abzuwägen und einen sinnvollen Kompromiss zwischen Erwartungen und Vorsätzen zu schließen. Dabei sollte das Ziel der Denkmalpflege so weit wie nur möglich aufrechterhalten werden, die historische Struktur Splits und des Palastes in ihren historischen Schichtungen möglichst unverändert beizubehalten, sodass auch künftige Generationen sie so erleben können, wie wir sie erlebt haben trotz oder/und dank der vielen Menschen, die sich damit beschäftigt haben. Die endgültigen Entscheidungen in unvermeidlichen Interessenskonflikten zu fällen, kommt jedoch den Politikern als Vertretern der Gesellschaft zu. Denn ein Kulturbesitz der Menschheit kann weder ein Jagdrevier für Architekten noch ein Gebiet sein, das ausschließlich den Konservatoren zusteht, auch wenn es ihrem Schutz unterstellt worden ist. Der Denkmalschutz kann bestenfalls den politischen Entscheidungen ihre Alibis nehmen und zur Bildung einer öffentlichen Meinung beitragen, die sich bewusst ist, was auf dem Spiel steht. Das Ergebnis wird sich somit aus Kompromissen ergeben, die von Mal zu Mal, von einem spezifischen Fall zum anderen, geschlossen werden müssen in dem Bewusstsein, dass es dabei weder Sieger noch Besiegte, sondern nur Beteiligte (oder, wie Riegl sagen würde, «Werte und Interessen») geben kann, unter denen ein Ausgleich geschaffen werden muss, damit der allem zugrunde liegende Wert bewahrt wird: der Alterswert, der, wenn auch sehr reduziert, im historischen Zentrum mit seinen Schichtungen nach wie vor vorhanden ist. Zu diesen Schichtungen gehören auch die fünfzig Jahre dauernden Ausgrabungen und Restaurierungen mit ihren jeweiligen Aporien.134 Wenn wir uns in die Mitte des südwestlichen Viertels begeben, finden wir drei Wohngebäude vor, die sich an eine Seite des St. Doimo-Doms anlehnen. Eines ist schlecht und ohne Fachkenntnis wieder aufgebaut worden, die beiden anderen sind im Wiederaufbau begriffen. Die dabei angewandten Bautechniken scheinen angemessener, mit Ausnahme der Eisenverzierungen, die ohne Überlegung angebracht wurden und nicht einmal der Tradition entsprechen (man wollte so die schmiede-
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S. hierzu MARASOVIÆ 1997 und I. CARABELLESE, G. BERARDI, T. D'AVANZO: The conservation sites on the two shores of the Adriatic Sea. The comparison between the old and the new in the cases of Bari and Split, in: Cultural heritage as foundation of civilisation development. Conference papers, October 23–26, 2000 = Dziedzictwo kulturowe fundamentem rozwoju cywilizacji, Kongressakt Kraków, Kraków 2000, S. 353–358.
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DER
ERHALTUNG
UND
RESTAURIERUNG | II.
eisernen Verzierungen ersetzen). In östlicher Richtung befinden sich die heruntergekommenen, von Hausbesetzern okkupierten Häuser, die instand gesetzt werden müssen, sowie ein Mauerstück, an das sich ein Haus aus dem 19. Jahrhundert anlehnt, das man schon immer als erhaltenswert angesehen hat. Im Süden ist nur ein einziges Haus des mittelalterlichen Bestandes übrig geblieben, zu dem auch die römische Mauer gehörte, sowie das Stück einer Mauer, die bis zum alten Klara-Kloster «freigelegt» und «befestigt» worden ist. Das Kloster im Westen und die aus unterschiedlichen Zeitschichten stammenden Häuser stellen wieder die Verbindung mit dem Peristyl und dem Dom her. In ihrer Mitte liegt der eingebrochene Hof, der auf Höhe der Grundmauern in das Triclinium führt. Auf der anderen Seite einer neu geschaffenen betretbaren Zone tut sich das tiefe Loch auf, das die unterbrochenen Ausgrabungen hinterlassen haben. Für ein neues Projekt müssen also folgende Elemente berücksichtigt werden: noch bestehende, besonders typische Wohnhäuser bzw. deren mögliche Rekonstruktion; das beschädigte und langsam verfallende Klara-Kloster; die beiden (wegen nicht in Angriff genommener Restaurierungsmaßnahmen an dem östlichen und der durchgeführten Restaurierungseingriffe an dem südlichen Teils des südöstlichen Quadranten) verfallenen Mauerstücke; ein unbedeutendes, nachgebildetes Geschoß, dessen neue Mauern den Verlauf des hypothetischen kaiserlichen Hauptgeschoßes angeben sollen; zwei Ausbrüche zwischen Hauptgeschoß und Grundmauern, die beide den archäologischen Ausgrabungen zuzuschreiben sind. Die Lücke, die auf die Unterbrechung der letzten Ausgrabungen zurückzuführen ist, scheint von einer Naturkatastrophe oder einer Bombardierung hervorgerufen worden zu sein. Mangels eines städtischen Bebauungsplans, der das Vorgehen im gerade beschriebenen Viertel im Einzelnen festlegt, darf die Ausschreibung eines internationalen Wettbewerbs, aus dem ein Überblick der möglichen Neugestaltung der betreffenden Zone hervorgehen soll, nicht länger aufgeschoben werden. Der Wettbewerb darf jedoch nicht unter dem Motto «Ass sticht alle Karten» stehen. Denn anschließend müssten weitere Wettbewerbe stattfinden, bei denen jedes einzelne gefährdete Element im Mittelpunkt zu stehen hat: die Wohnhäuser, das Klara-Kloster, das Ausgrabungsloch und die leeren Stellen, die die vorhergehenden Restaurierungen hinterlassen haben. Bezüglich dieser drei Elemente gibt es schon Untersuchungen, die im Rahmen des Forschungsprogramms der drei vorher genannten italienischen Universitäten vorgenommen worden sind und für die Ausschreibungsprozeduren der Wettbewerbe ausreichen würden. Es fehlen jedoch die Voruntersuchungen und ein Erhaltungsund Restaurierungsprogramm. Dies wäre jedoch für eine neue Festlegung der Eingriffszone notwendig und müsste jedem vorzunehmenden Eingriff vorausgehen. Es müsste ein genaues Erhaltungsprogramm ausgearbeitet werden, das die Werte (und Interessen) sowie die gerechte Aufteilung der Kosten festlegt, die für das Projekt und die in den Eingriffen angewandten Techniken vorhergesehen sind. An diesen Themen haben Studenten gearbeitet, die die Vorlesungen und Restaurierwerkstätten, der in Cesena befindlichen Architekturfakultät «Aldo Rossi» der Universität Bologna besuchen. Damit scheint der Gegensatz von typologischer Res-
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2.9 | SPLIT
ALS
MODELL
taurierung und Erhaltung, von «Rekonstruktion en pastiche» und neuer Architektur obsolet. Die Betonung läge somit auf dem Instrument des Wettbewerbs, auf der Art, wie er vorbereitet und ausgeschrieben wird, abhängig vom Bildungsniveau der Juroren, die ihn vorbereiten und beurteilen würden. Es gibt natürlich keine Garantie dafür, dass damit unglückliche Ergebnisse ausgeschlossen wären. Dennoch sind Wettbewerbe Instrumente, die es der Öffentlichkeit ermöglichen, direkt am Prozess der Denkmalpflege und an der Aufwertung der Stadt teilzunehmen.135 Falls man in Split an die Schaffung einer Museumsstruktur denkt, müsste diese unbedingt als Gegenmodell zu Bilbao konzipiert werden, um eine auch nur annähernd ähnliche Wirkung zu erzielen. Das Museum sollte ganz einfach als «Informationszentrum» für den Palast fungieren, vergleichbar mit dem virtuellen Museum von Padua, in dem Giottos Fresken besichtigt werden können und das ihre reale Besichtigung in der Arenakapelle vervollständigt.
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Vgl. S. SCARROCCHIA: Il progetto di restauro come progetto ponderato, in: Architettura 11, 2003. Catalogo della Facoltà di Architettura «Aldo Rossi», S. 114–116 sowie die von A. Baldassari eingeleiteten Materialien der Studentengruppe, Il quarto orientale del Palazzo di Diocleziano a Spalato, ebenda, S. 120–125. Ein Modell, wie man vorgehen sollte, stellt der Wettbewerb zur Wiederherstellung des Ägyptischen Museums auf der Museumsinsel in Berlin dar. Der Wettbewerb wurde in zwei Jahren von einer Kommission vorbereitet, die aus Konservatoren gebildet war. Sie legten die Forderungen und Erwartungen der Denkmalpflege fest. Der Wettbewerb fand in zwei Phasen statt. Die erste Phase gewann Giorgio Grassi mit einem Projekt, das den von der Kommission festgelegten Grundsätzen am meisten entsprach, die zweite David Chipperfield mit einem Projekt, das teilweise den Forderungen der Kommission widersprach, aber einen vernünftigen Kompromiss zwischen den Forderungen der Erhaltung und denen der Kulturvermarktung darstellt, das der Berliner Museumsverwaltung am Herzen liegt. In Grassis Entwurf werden der Wiederaufbau des zerbombten Flügels des Neuen Museums und die neue Verbindung mit dem Pergamon-Museum in einer architektonischen Weise ausgeführt, die auf die klassische Tradition des Umfeldes von Schinkel bis hin zu Hoffmann und Messel Bezug nimmt, aber eine moderne Klassizität des strukturellen Gesamtbilds anstrebt. Grassis Vorschlag war so überzeugend, dass selbst Chipperfield in seiner Version (die in der zweiten Wettbewerbsphase den Sieg errang) die Lehre Grassis berücksichtigte, wenn nicht gar nachahmte. In dem Restaurierungsentwurf, den Chipperfield zusammen mit Julian Harrap für die innere Gestaltung des Museums vorlegte, werden außerdem die Spuren erhalten, die die Schüsse der Roten Armee bei der Befreiung Berlins von den Nationalsozialisten hinterlassen haben, ebenso Fragmente der groben Betonbefestigungen aus kommunistischer Zeit, sodass das bedeutendste deutsche Museum des 19. Jahrhunderts im wiedervereinigten Deutschland in seinem «uns überkommenen Zustand», d. h. mit seiner ganzen historischen Vergangenheit erscheint. Vgl. Museumsinsel Berlin. Wettbewerb zum Neuen Museum. Eingeladener Wettbewerb für die Planung der Wiederherstellung des Neuen Museums und der Errichtung von Ergänzungs- und Verbindungsbauten zur Zusammenführung der Archäologischen Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz auf der Museumsinsel, Amber Sayah (Red.), Stuttgart–Berlin–Paris 1994; D. CHIPPERFIELD: Wiederaufbau Neues Museum Berlin. Planungsprozesse in der Restaurierung. 29. September 2003, Berlin 2003; J. ARRAP: Das Neue Museum. Denkmalpflegerisches Restaurierungskonzept, in: Das Neue Museum Berlin. Konservieren, Restaurieren, Weiterbauen im Welterbe, Staatliche Museen zu Berlin, Stiftung Preußischer Kulturbesitz/ Bundesdenkmalamt für Bauwesen und Raumordnung/ Landesdenkmalamt Berlin (Hrsg.), Berlin 2009, S. 59–64; T. WILL: Reparieren. Die Kunst des Notwendigen, in: DENKmalWERTE. Beiträge zur Theorie und Aktualität der Denkmalpflege, H.-R. Meier/I. Scheurmann (Hrsg.), Berlin–München, 2010, S. 203–216.
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DER
ERHALTUNG
UND
RESTAURIERUNG | II.
Absichten und Inhalt eines solchen Museums lassen sich am besten in der Beschreibung zusammenfassen, die Ivo Babiè von Split «als Poesie des Palastes und der um ihn herum gewachsenen Stadt» gibt. Ein so geartetes Museum könnte auch als Display des gesamten Museumssystems von Split fungieren, ohne dass große Räume in Anspruch genommen werden müssten. Vorbild wäre in diesem Fall nicht Bilbao, sondern eher «les maisons des écrivains» in Frankreich oder die «Parchi Letterari» in Italien. Ähnliche Überlegungen gelten auch für den Fall, dass man im Bereich des Diokletianspalastes ein Hotel plant. Es gibt keinen plausiblen Grund dafür, dass ein Ölscheich auf Durchreise in Dalmatien unbedingt dieselben Erfahrungen machen muss, die er in so vielen anderen exklusiven Residenzen machen kann. Ein hypothetisches «Hotel Diokletian» in Split müsste genau dieselbe Struktur haben wie die traditionellen Wohngebäude und den Wert eines Wohnerlebnisses betonen, den man nur hier erfahren kann. Ein Wettbewerb für Kunst und Architektur müsste auch die Integrierung des Raums zwischen den rekonstruierten Gebäuden, die Stellen auf dem Hauptgeschoß, die leer bleiben sollen und die ausgegrabenen Säle des unteren Geschoßes betreffen. Der künstlerische Aspekt könnte eine Besonderheit des oben genannten allgemeinen Plans darstellen.136 Was auch immer die Stadtverwaltung und die regionale Denkmalbehörde beschließen sollten, jedem möglichen Eingriff oder Wettbewerb muss auf jeden Fall eine gewissenhaft ausgeführte Voruntersuchung vorausgehen, wie sie Riegl und Dvoøák vor einem Jahrhundert vorgenommen haben oder wie sie die Kommission der Konservatoren für die Wiederherstellung des Ägyptischen Museums von Berlin vorgenommen hat. Ob die Ergebnisse des Wettbewerbs unmittelbare Folgen haben, hängt jedoch weder von der Wettbewerbspraxis noch von der Qualität der Voruntersuchungen ab, wie der Wiederaufbau des Theaters La Fenice in Venedig und die Wiederherstellung des Ägyptischen Museums in Berlin zeigen. Ich ziehe daraus den Schluss, dass jedwede Erneuerung (zu der auch die Restaurierung gehört) genaue Erwägung erfordert (siehe Habermas’ Strukturwandel der Öffentlichkeit), damit die Symbole des Kulturbesitzes der Menschheit (wie auch alle vom Menschen geschaffenen Werke, die vor einer Zerstörung im Namen der Zivilisation gerettet werden müssen) nicht zu leeren Allegorien verkommen. Das zu
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Die Vorschläge zur Gestaltung der Stadt brauchen Zeit, sie können jedoch angesichts des augenblicklichen Zustands der Stadt nicht mehr aufgeschoben werden. Die Schutzvorschriften, die die Projekte zur Erhaltung, Restaurierung und Erneuerung des architektonischen Bestandes betreffen, müssen vor und nicht erst nach der Endfassung der Projekte erteilt werden. Die Denkmalpflege-Institutionen müssen dann feste Grenzen ziehen, innerhalb derer sie den Umfang ihrer Eingriffe, d. h. ihres Projektes, festlegen. Da es sich um leere, aber bedeutungsvolle Stellen handelt, wo Eingriffe immer wieder herausgeschoben wurden, muss die Denkmalpflege die Gesichtspunkte ihres Projektes klar darlegen. Auf dieses Konfliktfeld versuchen Robert Plejiæ, der für den urbanistischen Bereich zuständig ist, und Goran Nikšiæ, der für die Erhaltung des architektonischen Bestand zuständig ist, einzuwirken.
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3. | DIE
KÖNIGLICHE
RESIDENZ
UND DER
KRAKAUER DOM
AUF DEM
WAWEL
vermeiden ist die eigentliche Aufgabe des Denkmalschutzes. Die Restaurierung muss die Grenzen ihrer Tätigkeit akzeptieren, indem sie die Berechtigung anderer Formen und Tendenzen moderner technischer und künstlerischer Eingriffe akzeptiert, die jedoch als solche sichtbar sein müssen. Die zeitgenössischen Kreativen müssen ihrerseits ihre Planungen begründen und genau über ihre Eingriffe Rechenschaft ablegen, wenn sie sich mit den leeren, aber bedeutungsschweren Stellen des Kaiserpalastes messen wollen. In der «Werkstatt Split» als Kulturbesitz der Menschheit haben bloße Spezialisten und Exhibitionisten nichts zu suchen. Beim Nachdenken über den Charakter der ursprünglich römischen Stadt erkannte Aldo Rossi die Wiederbenutzung der antiken Strukturen im Mittelalter als Wesenszug ihrer Entwicklung. Architektonische Brechungen und Kreuzungen, stilistische Verschmelzungen, ein konfliktreiches Miteinander von Kulturen bilden ein Ganzes nach besonderen, unwiederholbaren Maßstäben und Kriterien. Seine Gedanken wandern etwa zum Theater des Marcellus in Rom oder zum Platz des Amphitheaters in Lucca, aber «das überwältigendste Beispiel», «der deutlichste Fall» dieser Stadtphänomenologie ist, nach Rossi, Split, «wo der Palast eine Erfahrung ‚in vitro’ von der Dynamik der Stadt unter Beibehaltung der monumentalen Teile darstellt». Das daraus hervorgehende Gesamtbild ist einzigartig. Als symbolische Stätte der Erinnerung war Split eine Quelle sentimentaler und rationaler Inspiration für die romantische wie für die klassische Kultur, eine große Baustelle zum Studium archäologischer Restaurierung und moderner Architektur.137 Aus diesem Grund versuchten die Lehrmeister der Wiener Schule für Kunstgeschichte und Begründer der modernen Denkmalpflege mit allen Mitteln, jegliche «Bereinigung» der Stadt zu verhindern und aus demselben Grund versuchte Pleènik, die Dynamik der Stadt durch eine souveräne Architektur zu erhalten. Split braucht keine anderen Modelle, es ist selbst ein Modell, das von Palladio bis heute seine Wirkung ausstrahlt. Die Wiener Lehrmeister hatten das «Modell Split» als Erste erkannt und zu schützen versucht. Jetzt geht es darum, seinen Wert durch Initiativen und Vorhaben, die seiner Einzigartigkeit entsprechen, hervorzuheben und zum Vorbild zu machen.
3. DIE KÖNIGLICHE RESIDENZ UND DER KRAKAUER DOM HISTORISCHER WERT GEGEN ALTERSWERT
AUF DEM
WAWEL:
«Development and evolution of idea of protection of architectural monuments on the Polish territories was always characterized by the strong romantic element, resulting from patriotic expectations caused by the political situation». Die politische Situation, auf die sich Andrzej Kad³uczka in seiner Darstellung der Geschichte der Denkmalpflege in Krakau bezieht138, ist speziell durch ein traumatisches Ereignis gekennzeichnet, das dazu führte, dass man sich lange keinen klaren Begriff von der polnischen Nation machen konnte: die Aufteilung Polens zwischen Preußen, Russland und Österreich am Ende des 18. Jahrhunderts.
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BAUSTELLEN
DER
ERHALTUNG
UND
RESTAURIERUNG | II.
Der Wawel ist der monumentale Komplex Polens par excellence: königliche und fürstliche Residenz und ab dem Jahr 1000 Bischofssitz. Er erlebte die traumatischen Auswirkungen der Fremdherrschaft, an ihm lässt sich die Sehnsucht nach nationaler Befreiung ablesen, mit ihm ist das Schicksal Krakaus als kulturelle und geistige Hauptstadt Polens aufs Engste verbunden. Seine gotischen Strukturen aus der Zeit der Jagiellonenherrschaft und seine Renaissancestrukturen, zu denen die von Sigismund I. bevorzugten italienischen Baumeister einen großen Beitrag lieferten, unterlagen vielfachen Schicksalsschlägen wie Bränden (1595), Verwüstungen und Zerstörungen durch kriegerische Ereignisse (die schwedische Invasion in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und weitere Invasionen in der zweiten Hälfte des 18. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts). Zu seinem zunehmenden Verfall trug auch die Verlagerung der Hauptstadt nach Warschau im Jahr 1609 bei, auch wenn er seine Funktion als Grabstätte und Schatzhaus des Königshauses beibehielt.139 Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wird der Wawel unter der österreichischen Besatzung zunächst in eine militärische Festung verwandelt und später durch ein 1880 vom Parlament beschlossenes Gesetz zum Nationaldenkmal und zur kaiserlichen Residenz erhoben. Mit der Anerkennung der historischen und nationalen Bedeutung des Wawel durch Kaiser Franz Joseph beginnt eine der bedeutendsten europäischen Restaurierungsgeschichten, bei der zwei Gesichtspunkte der Denkmalpflege einander gegenüberstehen bzw. aufeinanderstoßen: auf der einen Seite der traditionsbewusste Gesichtspunkt der ZK – der zumindest intern Zustimmung findet, auf die Erhaltung der Monumente im überkommenen Zustand abzielt und lediglich technische Schutzmaßnahmen vorsieht, die Möglichkeit für Eingriffe zukünftiger Generationen offen zu halten –, auf der anderen Seite der Gesichtspunkt einer noch jungen nationalen Schule, die bereit ist, ihre intellektuelle und moralische Integrität in einer rekonstruktiven neohistoristischen Restaurierung aufs Spiel zu setzen und wenig geneigt ist, den Gesichtspunkt einer Kultur anzuerkennen, die trotz ihres Pluralismus doch immer die Kultur einer Besatzungsmacht bleibt. Der Wawel wird somit zum Schauplatz, wo auf dem Hintergrund gegensätzlich orientierter und letztlich unvereinbarer Perspektiven und Bestrebungen der Konflikt zwischen «Alterswert» und «historischem Wert», zwischen verschiedenen Auffassungen von Gegenwart und Geschichte ausgetragen wird. In diesem Konflikt, der kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges seinen Höhepunkt erreicht, spielen die beiden bedeutendsten Vertreter
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Zu Split als Chance für zeitgenössische Architektur vgl. S. SCARROCCHIA: Splitski virtualni muzej, in: Èovjek i prostor, 2002, Nr. 9/10, S. 51 bzw. A. LORENZI: Il Palazzo di Diocleziano a Spalato. Un'idea di città, in: Ayon, 2003, Nr. 3, S. 25–35. A. KADLUCZKA : Protection of Monuments of Cracow. History and Present Development, in: Cultural heritage as foundation of civilisation development. Conference papers, October 23–26, 2000 = Dziedzictwo kulturowe fundamentem rozwoju cywilizacji, Kongressakt Kraków, Kraków 2000, S. 57–73. J. SZABLOWSKI: Wawel, son passé et ses monuments, in: Katalog zabytków sztuki w Polsce = Catalogue of art monuments in Poland = Catalogue des monuments d'art en Pologne, Bd. IV, Teil I, Wawel, Warszawa 1965, S. 203–228.
87
3.1 | BEGINN
DER
RESTAURIERUNGSGESCHICHTE
DES
WAWEL
des Wiener und der Krakauer Denkmalpflege, Max Dvoøák und Stanislaw Tomkowicz, eine Hauptrolle. Der Konflikt sollte sich das ganze 20. Jahrhundert hindurch hinziehen und die gesamte Geschichte des Wawel kennzeichnen. Er bezieht auch die Vertreter der Moderne mit ein und macht die unvermeidlichen Aporien deutlich, die der zentrale Begriff der Krakauer Tradition, der «historische Wert» beinhaltet.
3.1 BEGINN DER RESTAURIERUNGSGESCHICHTE DES WAWEL: AUGUST OTTMAR ESSENWEINS BERICHT ÜBER DIE MITTELALTERLICHEN DENKMALE VON KRAKAU UND DIE UMWANDLUNG DES WAWELS, CAMILLO BOITOS REISEBILDER UND TOMASZ PRYLINSKIS BAUAUFNAHME Die österreichische Besatzung verwandelt den Wawel in der Mitte des 19. Jahrhunderts in eine Art Festung zur Überwachung der Grenzen und der durch Unabhängigkeitsbewegungen bedrohten inneren Ordnung. Um für ein Lazarett und einen Exerzierplatz Platz zu schaffen werden die Michaels- und die Georgskirche demoliert. Auch Teile der Befestigungsmauer werden zunächst abgerissen, dann rekonstruiert und um zwei Türme im Norden und Nordosten erweitert.140 Es wird sogar erwogen, sämtliche Baustrukturen abzureißen, die sich vom Schlossberg bis zur Dominikanerkirche erstrecken, was den Wawel endgültig in eine Art «polnisches Kufstein» verwandelt hätte.141 Jacek Purchla sieht in «der brutalen militärischen Befestigung», eine Maßnahme, die zehn Jahre in Anspruch nimmt und bis zu den revolutionären Unruhen von 1848 dauert, eine Ursache für die enorme Zunahme der «symbolischen patriotischen Bedeutung der Krakauer Monumente».142 In Folge der Anerkennung der Unabhängigkeit Galiziens, die im Rahmen des größeren Liberalismus der 1860er Jahre im österreichisch-ungarischen Kaiserreich stattfindet, wird Krakau im Jahr 1866 die städtische Selbstverwaltung zugestanden. Auch die umfassenden Restaurierungsarbeiten, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges vorgenommen werden und außer dem Wawel auch die Marienkirche, die Kirchen im Kazimierz-Viertel, die Dominikaner- und Franziskanerkirche, das Collegium Maius und die Tuchhalle (Sukiennice) betreffen, entsprechen den Absichten des Kaisers und der Stadtverwaltung – allerdings mit unterschiedlicher, oft gegensätzlicher Akzentsetzung und Sensibilität –, die Stadt zur «geistigen Hauptstadt Polens» zu machen.143 In die Zeit, in der die österreichischen Liberalisierungstendenzen beginnen, fällt ein wichtiger Bericht über die mittelalterlichen Denkmale der Stadt. Er wird von
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88
Ebenda, S. 225. J. PURCHLA: Krakau unter österreichischer Herrschaft 1846–1918. Faktoren seiner Entwicklung, Wien–Köln–Weimar 1993, S. 28–30. Ebenda, S. 35. Ebenda, S. 35–37 und derselbe: Wien – Krakau im 19. Jahrhundert, (Zwei Studien über österreichisch-polnische Beziehungen in den Jahren 1866–1914), Wien [1989], S. 16–17. Vgl. auch M. FABIAÑSKI/J. PURCHLA: Historia architektury Krakowa w zarysie, Kraków, 2001.
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DER
ERHALTUNG
UND
RESTAURIERUNG | II.
August Ottmar Essenwein abgefasst, dem Direktor des Germanischen Museums in Nürnberg und Mitglied der königlichen Kommission Bayerns zur Erhaltung der Denkmale. Er ignoriert das neue Befestigungssystem, das er als «Verkleidung» der mittelalterlichen Strukturen, denen er seine ganze Aufmerksamkeit zuwendet, ablehnt. In Wirklichkeit kommt das österreichische «Kleid» den Galiziern von Krakau allzu eng vor.144 Für die Kathedrale schlägt er eine Restaurierung in romanischem Stil vor, die seinen ausführlichen Studien und Projekten für die romanischen Kirchen in Trient und Köln entspricht.145 Eindrücke vom Verfall des monumentalen Komplexes zu jener Zeit vermittelt uns eine andere, nicht weniger bedeutende Persönlichkeit der Denkmalpflege, die mütterlicherseits mit Polen verbunden war: Camillo Boito. «Nach und nach», schreibt er, «begann ich in der dunklen Masse, die ich vor mir hatte, die Mauern und Türme einer alten Festung, den Glockenturm einer Kirche, kurzum das Schloss und die Kathedrale zu erkennen, die, auf einer Erhebung aufgebaut, die Stadt beherrschen. Meine Seele erfasste ein fast beängstigendes Gefühl der Verehrung für diese ‚Ruinen der glanzvollen Residenz’ polnischer Könige. Der längste und schönste Teil der Geschichte eines unglücklichen Volkes ist mit der Geschichte des Bergs Wawel verknüpft, der jedem Polen, sobald er davon spricht, die Tränen in die Augen treibt. Die einst von Marmor, Gold und Wandteppichen strotzenden Säle sind zu ‚kahlen, stinkenden Schlafsälen eines Lazaretts und einer Kaserne’ verkommen. Brände, Verwüstungen und Plünderungen jeder Art haben die Erinnerung an die prachtvolle Vergangenheit des Schlosses ausgelöscht […]. Alles ist verschwunden. Schade auch für uns Italiener! […] und wenn es nicht die Zerstörungswut der Menschen gegeben hätte, könnten wir unserer Kunstgeschichte so manches schöne Werk hinzufügen, so manchen Namen in die glorreiche Reihe unserer Kunstschöpfer aufnehmen».146 Camillo Boitos Reisebilder weisen nicht nur auf den Verfallszustand und die dadurch hervorgerufene emotionale Bewegtheit hin, sondern auch auf die direkte Ursache dieses Zustandes: die Umwandlung in ein Militärquartier. Zwischen den Zeilen wird ein nationales Element, mehr noch ein italienisches Mitgefühl für das unglückliche Schicksal des polnischen Volkes deutlich.
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A. O. Essenwein: Die mittelalterlichen Kunstdenkmale der Stadt Krakau, Leipzig 1869, S. 71–73. Zu August Ottmar Essenwein vgl. G. SCHIEDLAUSKY: Essenwein, August Ottmar Ritter von. in: Neue Deutsche Biographie, 4, 1959, S. 657. S. a. unseren Abschnitt zur Restaurierung des Doms zu Trient; Kap. II. 5. Näheres in unserem Kap. II. 5, S. 110. C. BOITO: Gite di un artista, Milano 1884. Aus einem Hinweis in einem Brief an seinen Bruder Arrigo bezüglich eines Ausfluges nach Krakau ist anzunehmen, dass Boitos Reiseeindrücke aus dem Jahr 1867 stammen; vgl. C. BOITO: Pensieri di un architetto del secondo Ottocento. Documenti e frammenti per una biografia intellettuale di Camillo Boito critico militante e architetto, M. Maderna (Hrsg.), Milano [1998], S. 93–94. Die Accademia di belli Arti di Brera verwahrt eine Fotodokumentation, die sich auf die Besichtigung des Wawel bezieht; vgl. C. BOITO: Camillo Boito. La raccolta fotografica. Una selezione, R. Cassanelli/F. Brunetti/G. Agosti (Hrsg.), Milano 1996, bes. Kat. FB 17. Texthervorhebungen durch den Verfasser.
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3.2 | DAS PROJEKT
VON
ZYGMUNT HENDEL
Auf Essenwein und Boito lassen sich zwei moderne Weisen, sich der Geschichte des Wawel zu nähern, zurückführen: auf Essenwein eine historisierende, die darauf abzielt, ein mittelalterliches, philologisch begründetes Bild zu fixieren, dabei jedoch die zeitliche, nicht weniger geschichtliche Kontinuität aufhebt; auf Boito eine sentimentale, der es darum geht, den Niedergang hervorzuheben, der seit dem Goldenen Zeitalter fortdauert und schwerlich aufzuhalten ist. Die jüngere Restaurierungsgeschichte des Wawel beginnt mit Vermessungen, einer Bestandsaufnahme und dem Restaurierungsprojekt zur königlichen Residenz, mit denen der Architekt Tomasz Prylinski 1880 infolge der Erklärung des Wawel zum Nationaldenkmal und zur Residenz beauftragt wird und die er in zirka sechzehn Monaten ausführt. Prylinski hatte an der Technischen Hochschule in München studiert und schon die Restaurierung der Krakauer Tuchhalle 147 von 1874 bis 1879 ausgeführt. Er nimmt eine der ersten Untersuchungen vor, um den effektiven Zustand des Komplexes zu erkunden und einzuschätzen.148 Dem Projekt, das er zur Rekonstruktion der königlichen Residenz liefert, fehlt es nicht an fantasievollen Elementen. Es gibt den Fenstern ihre Renaissancewürde zurück, legt die Arkaden der Hofgalerie frei und fügt neue historisierende Elemente hinzu, die Bilddokumenten aus dem 17. Jahrhundert entnommen sind und die vor allem Giebel und Dächer von Türmen und Bastionen, wie auch Kamine und Zinnen betreffen.149 Das Projekt besteht aus 60 Tafeln, von denen die ersten 16 die Zustandsaufnahme des Jahres 1882 wiedergeben. Die übrigen Tafeln sind Besonderheiten der verschiedenen historischen Schichtungen gewidmet und gründen sich auf die Bestandsaufnahmen aus den Jahren 1679, 1692, 1709/10, 1725, 1736 und 1739.150 Das Projekt hat großen Erfolg auf den Ausstellungen, die 1882 in Lwow (Lemberg), München und Turin stattfinden. Prylinskis Vorschlag enthält bereits jene Themen, über deren Bedeutung in der Folgezeit der Streit ausbrechen wird.
3.2 DAS PROJEKT VON ZYGMUNT HENDEL UND DIE VORSCHLÄGE VON S£AWOMIR ODRZYWOLSKI, STANIS£AW WYSPIAÑSKI UND W£ADIS£AW EKIELSKI Die Umwandlung der Anlage des Wawel in eine Festung bedroht Krakau als ein Zentrum des kulturellen Erbes direkt und indirekt und verhindert die Entwicklung der Stadt. Aus diesem Grund sind alle Interessen zugunsten der Stadtentwicklung gegen eine militärische Nutzung der Stadt gerichtet, für die die Besetzung des Wawel ein Symbol darstellt. Solange diese Nutzung anhält, muss ihr das administrative
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H. KITA: Tomasz Pryliñski (1847–1895), in: Rocznik krakowski, 39, 1968, S. 119–149. R. SKOWRON: Tomasza Pryliñskiego Zdanie sprawy ze studiów i poszukiwañ do planów zamku królewskiego na Wawelu, in: Studia Waweliana, 4, 1995, S. 143–165. MAJEWSKI 1997, S. 49–55. Die Unterlagen werden im Archiv am Zamek Królewski na Wawelu verwahrt und konnten 2003 eingesehen werden.
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DER
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UND
RESTAURIERUNG | II.
und wirtschaftliche Potenzial der Stadt geopfert werden. Trotz des Projektes für eine Verbindung zwischen Krakau und Triest – das letztlich nicht zustande kommt – stellt der von Österreich in eine Kaserne verwandelte Wawel die Quintessenz der Unterdrückung und der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Abhängigkeit dar. Wie auch Purchla bemerkt, unterscheidet sich die Geschichte Krakaus und folglich auch die Geschichte seines Denkmalschutzes aufgrund der österreichischen Militärpolitik von der anderer Städte des Kaiserreiches wie Graz und Zagreb, die ansonsten ähnliche Dimensionen und Funktionen aufweisen.151 Vor diesem Hintergrund muss das Projekt des Architekten Zygmunt Hendel (1862–1929) zur Restaurierung des Wawel gesehen werden. Es steht im Zusammenhang mit den Feierlichkeiten zur fünfzigjährigen Herrschaft Kaiser Franz Josephs, die das nationale Parlament des Königreiches Galizien und Lodomerien zusammen mit dem Großherzog von Krakau als Zeichen der Dankbarkeit und als Bewährungsprobe der wiedererlangten Unabhängigkeit begehen will. Parallel zur Demilitarisierung des Wawel und zum Beschluss, aus ihm ein Nationaldenkmal und eine königliche Residenz zu machen, wird seine Restaurierung in Auftrag gegeben, um die gemeinschaftlichen patriotischen Bestrebungen zu verwirklichen. Leiter des Auftrages ist ab 1905 für das folgende Jahrzehnt der Restaurierungsfachmann Hendel, der seine Ausbildung in Wien erhalten hatte. Er braucht drei Jahre, um den effektiven Zustand des Wawel zu ermitteln, eine Bestandsaufnahme zu machen und einen Restaurierungsvorschlag auszuarbeiten. Wie alle Autoren, die sich mit dem Problem beschäftigt haben152, gemeinsam feststellen, wird der Wawel von dem Moment an zum Laboratorium der Ideen und Techniken der neuen Schule der Denkmalpflege der polnischen Nation. Hendel nimmt nicht nur die Vermessungsarbeiten von Prylinski wieder auf, sondern auch dessen rekonstruktive Überzeugungen, mit der Absicht, dem Wawel die alte Pracht eines Renaissancehofes zurückzugeben. Entsprechend der architektonischen Interpretation seines verstorbenen Kollegen entwirft er für den Außenbau die Fenster und Fensterumrahmungen, Kamine und Turmgiebel, weicht aber insofern von dessen Konzept ab, als er die Dachschräge der Kathedrale und ihre farbige Keramikabdeckung betont, wobei er sich ausdrücklich auf den Stephansdom
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J. PURCHLA (zit. Anm. 141), S. 118–119. MAJEWSKI 1997, S. 53; FRYCZ 1975; FUCHS 1962; KALINOWSKI 1974/1; J. PIOTROWSKI: Ochrona zabytków a odbudowa kraju, Lwów 1916; K. LANCKOROÑSKI: Nieco o nowych robotach w Katedrze na Wawelu, Wien 1903; J. Muczkowski: Jak restaurowac zabytki przesz³oœci?, in: Architekt, 5, 1904, S. 139–140; J. REMER: Drogi rozwoju konserwatorstwa polskiego, in: Ochrona Zabytków, (73) 19, 1966, Nr. 2, S. 8–12; Z. M¥CZEÑSKI: Wspomnienia z czasów powstania I dzialanalnósci Towarzysrwa Opieki nad Zabytkami Przeszlósci w Warszawie w latach 1906–1915, in: Ochrona Zabytków Sztuki, 1930–31, S. 67–84; B. RYMASZEWSKI: Klucze ochrony zabytków w Polsce, Warszawa 1992; J. ZACHWATOWICZ: O polskiej szkole odbudowy i konserwacji zabytków, in: Ochrona Zabytków, (132/133) 34, 1981, Nr. 1/2, S. 4–10; K. PIWOCKI: Pierwsza nowoczesna teoria sztuki. Pogl¹dy Aloisa Riegla, Warszawa 1970; P. M. STÊPIEN: Restoration works at the Wawel castle in Krakow at the turn of the 20th century, in: RIEGL 2008, S. 267–284.
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3.2 | DAS PROJEKT
VON
ZYGMUNT HENDEL
in Wien und den Veitsdom in Prag bezieht. Hendel bedient sich für sein Projekt auch zweier Modelle, die im Zweiten Weltkrieg leider zerstört wurden. Es gibt davon einige Fotografien, die den Zustand des Schlosses als österreichische Kaserne und nach der rekonstruktiven Restaurierung zeigen.153 Hendels Projekt ist nicht nur eine Fortsetzung der rekonstruktiven Absichten Prylinskis, sondern entspricht auch dem großen kulturellen und politischen Interesse für die Restaurierung und Wiederbenutzung des Wawel. 1880–82 und 1899 hatte S³awomir Odrzywolski (1846–1933), der seine Ausbildung an der Bauakademie in Berlin erhielt und für die Restaurierung der Kathedrale und der Sigmundkapelle verantwortlich war, zwei Zeichnungen veröffentlicht, die zum Bildmaterial der Geschichte und der Restaurierung des Wawel gehören.154 Auf der ersten sieht man Truppen bei Übungen in einem Hof des Schlosses, der in einem Zustand vor den österreichischen Eingriffen dargestellt ist, also das endgültige Aussehen des wiederhergestellten Hofes um dreißig Jahre vorwegnimmt. Es handelt sich um eine seltsam widersprüchliche Darstellung, in der das Schloss, von den militärischen Veränderungen befreit und zur alten Pracht zurückgeführt, jedoch nach wie vor militärisch genützt wiedergegeben ist. Es ist also eine ausdrückliche, wenn auch feine Kritik an der Gleichgültigkeit, mit der die Österreicher die erste militärische Einquartierung vorgenommen hatten. Auf der zweiten Zeichnung, die den Wawel von Südwesten her darstellt, stechen die Fialen der erneuerten Türme und Glockentürme in den von Prylinski erdachten Formen hervor. Gleichzeitig mit Hendels Projekt, aber schon ab 1904 wird der Dichter und Maler Stanis³aw Wyspiañski (1869–1907) zum Wortführer der eigentlichen Apotheose des Wiederaufbaus und der «Revitalisierung» des Wawel als kulturelles und künstlerisches Zentrum der Nation. Der Wawel hätte nach Auffassung von Wyspiañski und des Kunstkomitees, das sich inzwischen in der Stadt gebildet hat und dem bedeutende Persönlichkeiten wie Feliks Kopera, Józef Mehoffer und Tadeusz Stryjeñski angehören, die «Akropolis» der galizischen Hauptstadt darstellen sollen, d. h. eine Art Gesamtkunstwerk, das die Vergangenheit der glorreichen Herrscherhäuser heraufbeschwören und den Wunsch nach einer nationalen Wiedergeburt ausdrücken sollte. Der Architekt W³adis³aw Ekielski ist sehr empfänglich für Wyspiañskis Idee
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Vgl. MAJEWSKI 1997, S. 56–57 und FRYCZ 1975, S. 214–215. Für Abbildungen der Modelle s. A. RIEGL: Il restauro degli affreschi della cappella della Santa Croce nel Duomo sul Wawel a Cracovia, in: SCARROCCHIA 1995, S. 263, mit Abb. 53, 54. Im Archiv am Wawel ist nicht Hendels Originalprojekt aufbewahrt, sondern Reproduktionen, die die Grundlage für spätere Ausarbeitungen von SzyszkoBohusz und Majewski bildeten. Sie wurden bei Majewski reproduziert, s. MAJEWSKI 1997, S. 56. Zu Odrzywolski s. H. GÓRSKA: Dzia³alnoŒÆ architektoniczna S³owomira Odrzywolskiego (1846–1933), in: Teka komisji URBANISTYKI i architektury, 16, 1982, S. 239–246. Vgl. weitere Werke Wyspiañskis mit Bezug auf den Wawel, wie Boles³aw Smialy, aus 1903; vgl. MAJEWSKI 1997, S. 63. FUCHS 1962, bes. S. 32 f. TERLECKI 1933, S. 54.
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DER
ERHALTUNG
UND
RESTAURIERUNG | II.
einer deartigen «Akropolis» – mit dieser Bezeichnung betitelt der Dichter übrigens auch ein Theaterstück, das er dem Wawel widmet155 – und auch dazu bereit, sie zu verwirklichen. Ekielski hatte an der Restaurierung der Franziskuskirche mitgearbeitet und an der Erneuerung der Wandmalereien der Marienkirche, an der auch Jan Matejko teilnahm. Das gemeinsame Projekt des Künstlers und des Architekten geht weit über eine rekonstruktive Instandsetzung hinaus und sieht auch auf der Südund Südwestseite neue imposante monumentale Gebäudekomplexe in einer historisierenden Stilvielfalt vor. Die Projektdarstellung, die in Krakau im Wyspiañski-Museum aufbewahrt wird, ist insofern von Bedeutung, als sie eine Vorstellung von dem kulturellen und politischen Engagement für die Wiederinstandsetzung des Wawel und vom gemeinschaftlichen Interesse für seine neuen Bestimmungen vermittelt. Zu einer Auseinandersetzung, wie sie das Projekt von Hendel hervorgerufen hatte, kommt es vor allem wegen der geplanten weiteren Bauvorhaben nicht. Für die Restaurierungsgeschichte und die Ikonographie des Wawel dagegen eröffnet das Projekt ein bisher unbekanntes Szenarium, in dem das Schloss, die Kathedrale und das historische Ambiente zur Kulisse neuer Bauprojekte werden. Eine derartige Projektionsfläche für architektonisches Gestaltungspotential bietet der Wawel auch zwischen den beiden Weltkriegen. Im Gegensatz zum Projekt Wyspiañski-Ekielski, das nach historisierender Kontinuität von schon Bestehendem und Hinzugefügtem strebt, wird der Wawel zu einem Laboratorium für neue Adaptierungen und Bauvorhaben, die so radikal wie utopisch sind und keinerlei Bezug mehr zur historischen Stätte haben.
3.3 DIE
POSITIONEN VON DVOØÁK UND STANIS£AW TOMKOWICZ: DIE STARRBEGRIFFS «ALTERSWERT» UND DIE RECHTFERTIGUNG DES HISTORISCHEN WERTES
GEGENSÄTZLICHEN
HEIT DES
Hendels Projekt, das den Bezugspunkt in den Auseinandersetzungen um die Restaurierung des Wawel darstellt, hat eine lange Entstehungsgeschichte, die Franciszek Fuchs sehr genau rekonstruierte.156 Es wird darüber in verschiedenen Versammlungen diskutiert, von denen zwei besonders wichtig sind, weil Max Dvoøák und Stanis³aw Tomkowicz als Hauptpersonen daran teilnehmen und die Gesichtspunkte des Kaiserreiches einerseits und die Unabhängigkeit von Krakau und Galizien andererseits vertreten. Die Auseinandersetzungen stellen deshalb ein wesentliches Kapitel der Theorie und Geschichte der Denkmalpflege und der Geschichte der polnischen Kultur dar. Das Krakau zugehörige Komitee Westgaliziens (das Komitee Ostgaliziens gehört zu Lemberg) setzt sich aus Mitgliedern und Korrespondenten der ZK zusammen, zu denen Stanis³aw Estreicher, Marjan Soko³owski, die schon erwähnten Kopera, Stryjeñski, Odrzywolski und der Referent Tomkowicz gehören.157 Das Komitee analysiert das Projekt und gibt den Anstoß zu seiner weiteren Entwicklung in fünf Versammlungen am 2. Juli und 12. Dezember 1907 sowie am 28. Januar, 18. Februar und 17. März 1908. Daraus geht eine Art Denkschrift hervor, in der folgende Prinzipien aufgestellt werden, die eine positive Beurteilung des Projektes ermöglichen
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3.3 | DIE
GEGENSÄTZLICHEN
POSITIONEN
VON
DVOØÁK
UND
TOMKOWICZ
sollen: Beachtung der historischen, künstlerischen und nationalen Werte; Bewahrung und Konsolidierung des historischen Bestandes, Verzicht auf Verschönerungen und Beseitigung der nach der dritten Polnischen Teilung von 1795 hinzugekommenen Teile, sodass der Wawel für die Nachkommen das Denkmal einer Zeit bedeutet, in der Polen eine Nation darstellte und nicht einer Zeit, in der es diese Nation noch nicht gab; Wiederherstellung der ursprünglichen Neigung des Daches; Neugestaltung der Turmgiebel, bei denen man die unter König Sobieski vorgenommene Lösung positiv beurteilt, während man die unter Sigmund III. ausgeführte ablehnt und darüber diskutiert, ob man das Dach in den ursprünglichen vier Farben wiederherstellen oder das bestehende matte Rot beibehalten soll.158 In der Sitzung vom 2. Juli erwartet Stryjeñski, dass das Komitee Hendels Projekt zustimmt, da es auf einer «historischen Dokumentation» beruhe, bei den notwendigen Ergänzungen die «Prinzipien der Restaurierung» auch vom künstlerischen Standpunkt her respektiere und dem «nationalen Interesse» voll und ganz entspräche.159 In der Sitzung vom 20. Oktober 1908 verhandelt man dagegen noch darüber, ob man den Wawel zum Nationalmuseum machen soll. An der Sitzung vom 21. Juni nimmt der Generalkonservator Max Dvoøák teil, wobei er seine gegensätzliche Meinung entschieden äußert. Die von ihm angeführten Argumente sind dieselben, die er in dem im Jahrbuch erschienenen Beitrag in der Rubrik Restaurierungsfragen, der dem Schloss auf dem Wawel gewidmet ist160, klar dargelegt hatte. Der Beitrag beginnt mit einem Hymnus des Nationaldichters Juliusz S³owacki, der ein heroisch-symbolisches Bild des Wawel voller Gespenster, Geister und Ritter zeichnet und Richtung und Ton von Dvoøáks Kritik an Hendels Projekt erkennen lässt. Dvoøák ist sich bewusst, dass dem historisch-politischen Wert des Baukomplexes eine Bedeutung zukommt, die seine Funktion, eine bestimmte Kunstepoche darzustellen, bei Weitem übertrifft. Dabei spielt sein allgemeiner Gebrauchswert eine besondere Rolle, vor allem seine Wiederbenutzung als Kaserne in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die durchgreifende Veränderungen des Daches, des Hofes und des Mauerringes mit sich gebracht hatten und die man nun rückgängig machen will, indem man dem Komplex durch das Restaurierungsprojekt Hendels seine vorherige Gestalt zurückgeben will. Dvoøák hält ein solches Unternehmen schlichtweg für eine «Parodie der Vergangenheit», letztlich also für eine Fälschung: «Und als Fälschungen sehen wir heute alle historisierenden Ergänzungen und Erneuerungen an, als Fälschungen, welche das Verlorene nicht ersetzen können, das Erhaltene aber entwerten, wie falsche Ahnenbilder eine Ahnengalerie oder moderne Interpretationen ein altes Dokument». Für Dvoøák fehlt einer solchen Nachahmung das Leben, sowohl das vergangene wie das gegenwärtige. Sie ist für ihn reine Lüge. Er sieht für Galizien und seine Hauptstadt eine Zeit voraus, in der Res-
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Ebenda. FUCHS 1962. DVOØÁK 1908/4. Hier abgedruckt als Text I.4.3, S. 342.
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DER
ERHALTUNG
UND
RESTAURIERUNG | II.
taurierungen nach dem Motto «genau wo und wie es war» als anachronistische Mittel der Verjüngung verurteilt werden würden, wie dies schon jetzt in kulturell fortgeschrittenen Nationen geschehe. Eine solche Leugnung der historischen Veränderungen sei ebenso lächerlich wie die Illusion, dass man ein ganzes Gemälde aufgrund einer kleinen Skizze oder eines Fragments wiederherstellen könne. Auf diese Weise werde der Wawel nicht länger Denkmal der Nation sein, sondern zum Zeugnis ihrer Ignoranz werden. Dadurch würden Verluste und Zerstörungen hervorgerufen, die schlimmer seien als Kriege und politische Katastrophen. Als Beispiel dafür nennt er die jagiellonische Bibliothek, das sogenannte Collegium Maius, das 1838 bis 1859 von Karol Kremer restauriert worden war. Es handelt sich sozusagen um das «Aschenbach-Syndrom», das den betagten Professor aus Thomas Manns Der Tod in Venedig befällt, der sich die Haare färbt, um die Aufmerksamkeit des jungen Tazio zu erregen. Dvoøák untersucht Punkt für Punkt die Vorschläge des Restaurierungsprojektes für den Wawel und stellt sich dann gegen die Beseitigung der Arkadenfüllungen der Hofgalerien, die nicht nur aus finanziellen und funktionellen Gründen vorgenommen werden sollten, sondern auch um der schlechten Statik der Struktur entgegenzuwirken. Nach Dvoøák hätte ihre Beseitigung die Erneuerung von drei Viertel der Elemente von Galerien und Arkaden zur Folge. Durch die Erneuerung von Fassaden, Dach und Turmgiebeln würden außerdem die einzelnen charakteristischen Architekturformen ausgelöscht, die zur Gesamtform des Wawel beitrügen. Um seinen Text zu illustrieren, wählt er nicht zufällig ein Foto, das den Wawel von Südosten, vom anderen Ufer der Weichsel her, also von Weitem gesehen darstellt und den Wert des Denkmals als Ensemble hervorhebt. Da auch er sich bewusst ist, dass das Schloss nicht in dem Zustand eines Militärmagazins belassen werden kann, stellt sich die Frage, wie die unerlässlichen Restaurierungen ausgeführt werden sollten. Drei Regeln werden dabei als wesentlich herausgestellt und ausformuliert: 1. Eine Demolierung der österreichischen militärischen Anbauten ist nur da vertretbar, wo sie eine Bedrohung, Behinderung und Verarmung des historischen Bauwerks darstellen. Es dürfen jedoch keine Rekonstruktionen stattfinden, da dies dem Denkmalwert widersprechen würde. Die technischen Maßnahmen zur Festigung des Bauwerks dürfen deshalb nicht Selbstzweck sein, als ob es sich um eine neue Konstruktion handle, sondern müssen dem Überleben der historischen Substanz untergeordnet werden. 2. Die Fenster und Fensterrahmen dürfen nicht in historisierendem Stil ausgeführt werden, sondern müssen als «Ersatz der fehlenden Teile» erkennbar bleiben. 3. Die bei den jüngsten Restaurierungen hinzugefügten Teile sollen beseitigt werden, wodurch eine bessere Wirkung erzielt werde als durch jedwede «rekonstruktive Restaurierung». In der Sitzung vom 21. Juni, in der Dvoøák diese Standpunkte verteidigt, reicht Stanis³aw Tomkowicz seinen Rücktritt als Verantwortlicher Westgaliziens ein, da ihm die Positionen von Nationalkomitee und ZK zu entgegengesetzt und unvereinbar erscheinen. Seiner Meinung nach sollte die Restaurierungsfrage nicht vom ästhetischen Gesichtspunkt, sondern von ihrem Kontext her angegangen werden. Das pol-
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3.3 | DIE
GEGENSÄTZLICHEN
POSITIONEN
VON
DVOØÁK
UND
TOMKOWICZ
nische Volk betrachte den Wawel als «lebendiges Monument», deshalb dürfe er nicht wie eine leblose Schlossruine oder wie eines der vielen historisch, künstlerisch und politisch unbedeutenden Schlösser behandelt werden. Tomkowicz macht darauf aufmerksam, dass man seit zirka achtundzwanzig Jahren daran arbeite, dem Schloss den ehemaligen Glanz einer Königsresidenz zurückzugeben. Er betont außerdem, dass der Wawel nicht nur erhalten werden, sondern dass ihm auch eine neue Funktion gegeben werden müsse, die ein derartiges Bild wiedererwecken soll. Die Arbeiten zur militärischen Einquartierung seien zudem mit sparsamen Mitteln ausgeführt worden und deshalb nicht der Mühe wert, erhalten zu werden. Für Tomkowicz muss die Rekonstruktion, d. h. die Integration durch Restaurierung oder die Restaurierung als Integration, aufgrund von Dokumenten durchgeführt werden und darauf abzielen, das ehemalige Bild wiederherzustellen. Die Eingriffe an Fenstern, Arkadenbögen und Dach müssen diesem Ziel entsprechen. In Tomkowicz Rede herrscht der «historische Wert» als nationales Interesse vor. Dvoøák interpretiert ihn als «emotionalen Wert» und stellt ihm den «wissenschaftlichen (historisch-künstlerischen) Wert» der ZK entgegen.161 Dvoøák zeigt sich vermittlungsbereit und lädt deshalb die Vertreter der galizischen Denkmalpflege zu einer Diskussion mit der ZK ein, die am 21. Mai des darauffolgenden Jahres stattfindet und von der ein ausführliches Protokoll in den Mitteilungen erhalten ist.162 Darin wird nach einer kurzen Zusammenfassung der einführenden Worte von Präsident Helfert Dvoøáks Beitrag wörtlich wiedergegeben mit der Anmerkung, dass die Redaktion damit ein konkretes Beispiel der wesentlichen Kriterien liefern wolle, denen die ZK in dem emblematischen Fall «eines der bedeutendsten Denkmale der Monarchie» zu folgen beabsichtige. An der Sitzung nehmen die bedeutendsten Vertreter der Wiener und der galizischen Denkmalpflege teil wie der Architekt Johann Deininger, Joseph Neuwirth, Wilhelm von Weckbecker, Graf Karl von Lanckoroñski, Graf Johann von Szeptycki und Tomkowicz. Bei dieser Gelegenheit wiederholt Dvoøák Punkt für Punkt seine schon in Krakau dargelegten Argumente und bekräftigt damit seine Überzeugung, dass das Projekt Hendels als 21. Schicht zu den 20 Schichten verschiedener Bauepochen hinzukomme, die man im Wawel erkennen könne. Er lehnt entschieden jeden Eingriff zur Erneuerung von Dächern, Fenstern und Turmgiebeln ab, überlässt jedoch der Versammlung die Entscheidung über die Beseitigung der österreichischen militärischen Anbauten im Hof. Tomkowicz behauptet, dass die Erneuerung des Daches nicht aus ästhetischen Gründen notwendig sei, sondern aus Respekt vor den lokalen typologischen Besonderheiten. Es habe ebenso keinen Sinn, die Fenster in dem Zustand zu erhalten, in dem sie sich seit den Veränderungen befänden, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts stattgefunden haben und der unangemessenen Nutzung
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Ich folge hier der Rekonstruktion von FUCHS 1962. DVOØÁK 1909/9. Hier abgedruckt als Text I.4.4., S. 347. Aus dem Bericht sind die in diesem Abschnitt wiedergegebenen Zitate der Erläuterung Dvoøáks entnommen.
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DER
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UND
RESTAURIERUNG | II.
als Kaserne zuzuschreiben seien. Die Instandsetzung des Hofes bedeute keine Rekonstruktion, sondern eine Wiederherstellung der Struktur, die er vor den militärischen Zubauten gehabt habe, die das «Unikum» polnischer und europäischer Renaissancearchitektur so verunstaltet hätten, dass es nicht wiederzuerkennen sei. Der galizische Konservator bestreitet außerdem Dvoøáks These, dass die Bedeutung der Erhaltung inzwischen von der internationalen Denkmalpflege anerkannt worden sei und Restaurierung Vandalismus bedeute. In diesem Zusammenhang weist er darauf hin, dass in Frankreich gerade eine Wiederaufwertung des Werkes von Viollet-le-Duc stattfinde. Die Positionen von Dvoøák und Tomkowicz sind der noble Ausdruck eines harten Aufeinandertreffens von Alterswert und historischem Wert, vom Wert der verschiedenen Bauschichten als Ensemble und dem Wert der Selektion, der dem nationalen Interesse entspricht. Die Ursache des Konfliktes besteht darin, dass jene Bauschicht, die Dvoøák – im Namen der von der ZK übernommenen These von der Vorrangigkeit der Erhaltung und in Ablehnung der 21. Bauschicht, die Hendels Restaurierungsprojekt darstellt – beibehalten will, effektiv die 20. ist, d. h. die der Umwandlung des alten polnischen Königshofes in ein österreichisches Militärquartier. Die anschließenden Diskussionen sind ein Zeichen dafür, dass man versucht, beide Interessen zu vereinbaren. Besonders Lanckoroñski behauptet, dass die vorgesehene Erneuerung des Daches völlig unwirtschaftlich sei, da es sich noch in einem guten Zustand befinde. Außerdem sollten bei der Instandsetzung des Hofes die Säulen und Gesimse der Fenster nicht in Analogie zu den wiedergefundenen hergestellt werden, sondern in einem «nicht abgeschlossenen», rohen Zustand belassen werden, als ob sie noch im Bau seien, und nicht wie die Arbeit erfahrener Steinmetze aussehen. Man solle sich außerdem auf die bisher vorgenommenen Beseitigungen der provisorischen Ergänzungen an der Südfassade des Hofes beschränken, da sie für die ideelle Wiederherstellung der alten Renaissancegestalt ausreichen würden. Neuwirth begrüßt Lanckoroñskis Diskussionsbeitrag als Annäherungsversuch der österreichischen und polnischen Positionen. Deininger dagegen betont das Problem des Hofes und macht auf den schlechten Zustand und die schlechte Qualität der Ergänzungen aufmerksam und verlangt deshalb eine Wiederherstellung des Hofes so wie er vor der militärischen Umwandlung gewesen war. Der endgültige Beschluss bestätigt die Ablehnung von Hendels Projekt und aller Arbeiten, die für eine rekonstruktive Restaurierung vorgesehen sind, d. h. die das Dach, die Türme und Fenster betreffen und stimmt der Wiederöffnung der Arkaden zu, womit jedoch nicht freie Bahn für neue Rekonstruktionsversuche erteilt wird. Die ZK erhofft sich letztlich ein neues Restaurierungsprojekt, das sich nach den Prinzipien der Erhaltung des Bestehenden richtet, und eine damit vereinbare neue Funktion ermöglicht. Der Fall macht hinreichend deutlich, dass die zentrale Autorität des Kaiserreiches in der Denkmalpflege einem präzisen Gesichtspunkt und einer Tendenz folgte, die der Erhaltung den Vorrang gab und sich endgültig von der rekonstruktiven Restaurierung verabschiedete. Diese Auffassung war von Riegl in seinem Werk Der moderne Denkmalkultus ausführlich dargelegt worden. Dieses Werk muss daher als
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3.3 | DIE
GEGENSÄTZLICHEN
POSITIONEN
VON
DVOØÁK
UND
TOMKOWICZ
eine Manifestation der Prinzipien der Institution, als Bezugspunkt für alle spezialisierten Arbeiten und technischen Eingriffe an Bauwerken betrachtet werden. Die Kommission versuchte jedoch auch, unter Anerkennung eben der Werte Riegls, eine ausgleichende Funktion auszuüben. In dieser Hinsicht ging Dvoøák jedoch schematischer vor. Er übernimmt die Verteidigung des Alterswertes gegen den historischen Wert und seine restaurativen Bestrebungen, wie er es schon in Split getan hatte. Er unterscheidet somit nicht die Interessen, auf denen dieser Wert beruhte und die zunächst nur insofern als ähnlich angesehen werden konnten, als sie einen nationalistischen Charakter hatten und auf einem überholten und «dekadenten Historismus» beharrten. Dvoøáks Beurteilungen haben ihre Grenze in der Geringschätzung, besser gesagt, in der immer grundsätzlich negativen Beurteilung des Historismus des 19. Jahrhunderts, seiner Epigonen und Aporien. Es lässt sich außerdem ein gewisser Widerspruch in Dvoøáks Untersuchung feststellen. Da niemand die Grobheit der Veränderungen in Zweifel zieht, die das österreichische Militär am Baukomplex vorgenommen hatte, verbietet Dvoøáks Verteidigung des Überkommenen die Anerkennung des patriotischen Wertes, dessen Legitimität er in seinen Vorlesungen jedoch zugibt.163 Diese Widersprüchlichkeit verringert die Möglichkeit der Kommission, einen Ausgleich zu finden. Die Abhandlung Dvoøáks über das Königsschloss am Wawel schreitet konsequent und auf ihre Weise kohärent fort, hat jedoch in der negativen Beurteilung des Historismus, die sich in seiner Kritik an den «modernen Interpretationen eines alten Dokuments» als Anachronismus erweist, Schiffbruch erlitten. Sicherlich muss seine Abhandlung im Zusammenhang mit seiner Ausbildung an der Prager und Wiener Schule gesehen werden, für die die minuziöse und philologische Untersuchung ein unverzichtbares Prinzip darstellt. Welche Rolle hat aber dabei die Interpretation? Ist sie nicht, wie bei Riegl und Tietze Bestandteil jeder Bewertung? Läuft man sonst nicht Gefahr, den Historismus zu einer Karikatur werden zu lassen? Dvoøák behauptet in der Tat mit einer «vis polemica», die eines Ruskin und Nietzsche würdig ist: «Nur eine Zeit, in der das Verständnis für die künstlerischen Qualitäten des architektonischen Schaffens so tief gesunken ist, daß die Baukunst mit technischem und antiquarischem Wissen identifiziert wurde, konnte der Meinung sein, daß aus der Alchymistenstube der Altertumsforscher und Restauratoren die alten Bauwerke in jener Gestalt wieder hervorgehen können, in der sie ursprünglich geschaffen wurden». Die Konsequenz dieses Radikalismus ist eine Reduktion und somit eine falsche Bewertung der Kunst des 19. Jahrhunderts, die sich auch in der Verurteilung der stilistischen Restaurierung ausdrückt. Woher aber kommt dieser Radikalismus und wie erklärt er sich?
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Siehe das betreffende Kapitel S. 128 bzw. S. 759ff. Bauer hatte an Riegls Entwurf einer gesetzlichen Organisation der Denkmalpflege in Österreich mitgearbeitet; vgl. BACHER 1995; S. SCARROCCHIA: Alois Riegl. Teoria e prassi della conservazione dei monumenti. Antologia di scritti, discorsi, rapporti 1898–1905. Con una scelta di saggi critici, (Saggi studi ricerche/Accademia Clementina di Bologna, 4), Bologna 1995.
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Der absolute Respekt für den Alterswert und die Verurteilung der rekonstruktiven Restaurierung bekommen eine Bedeutung, die über den Kontext und die dargestellte historische Situation hinausgeht. Dvoøák war sich bewusst geworden, dass Riegls von der ZK übernommene Vorschrift eines «kopistenhaften, auf sich verzichtenden Sichanbequemens» (d. h. einer vorsichtigen Restaurierung, die den Charakteristika eines Bauwerks wie ein Kopist folgt) eine Aporie darstellte, so als könne man sich die Hände waschen, ohne nass zu werden. Aus diesem Grund neigt er zu einer Radikalisierung. Die von ihm befürworteten bzw. bekämpften Maßnahmen zeugen daher von einer außerordentlichen Unnachgiebigkeit. Beim Fall des Wawel etwa sind sie voller moderner Emphase, zeigen jedoch im Gegensatz zu Riegls Vorgehen in der Praxis wenig Bereitschaft zu einem Entgegenkommen. Letztlich geht so die Besonderheit des «Problems Wawel», sein wesentlicher Unterschied zum «Problem Split», verloren. Im ersten Fall ist mit dem monumentalen Baukomplex ein direktes nationales Interesse verbunden, das auf die Mitarbeit an seiner (Re)Definition, d. h. an der «Rekonstruktion eines Wertes» Anspruch erhebt. Im zweiten Fall ist es ein indirektes Interesse, das auf die «Auswahl bestimmter Werte» einwirken will. Indem für Dvoøák der «Fall Wawel» die Bedrohung des Alterswertes, des überkommenen Zustands eines Denkmals schlechthin darstellt, verliert er den Aspekt der Pflege aus den Augen, der seine Argumentation auf wissenschaftliche Basis gestellt und seine Äußerungen nicht in einem bloßen Befehl verwandelt hätte. Andererseits nimmt Dvoøáks Radikalismus moderne, speziell antirestaurative Erhaltungstendenzen vorweg oder stellt zumindest einen maßgebenden Präzedenzfall dar. Die Arbeiten, die kürzlich unter der Leitung des Landeskonservators am Neuen Museum in Berlin von Chipperfield und einer Schar von Restauratoren vorgenommen wurden, scheinen geradezu von Dvoøáks Kriterien inspiriert zu sein. Das Beispiel zeigt somit Vitalität, Aktualität, Bedeutung des «Minimalismus» im wörtlichen Sinn der Kunstbewegung, die das ganze 20. Jahrhundert kennzeichnet, von Loos’ Antiornamentalismus zum «less is more» des Funktionalismus, vom Brutalismus und von der arte povera bis zu Chipperfields Manifest der Minimalrestaurierung, die von den Berliner Konservatoren theoretisiert und angewandt wurde.
3.4 DER GALIZISCHE VORSCHLAG FÜR EINE GESETZLICHE NEUORGANISATION DENKMALPFLEGE UND DIE RESTAURIERUNGSVORSCHRIFTEN VON 1909
DER
Gleichzeitig mit der dargestellten Diskussion präsentieren die beiden Denkmalschutz-Komitees Galiziens einen gemeinsamen Entwurf zur institutionellen Neuorganisation, der zum Entwurf des Präsidenten der ZK, Helfert, hinzukommt. Diese Erwähnung ist insofern von Interesse, als sie zu einem besseren Verständnis der dargestellten Auseinandersetzungen beitragen kann. In seinem Kommentar zur geplanten Neuorganisation der ZK‚ übt Maximilian Bauer 164 scharfe Kritik an der Unbestimmtheit des im galizischen Vorschlag enthaltenen Begriffsdefinition des «Denkmals». Dieser müsse zur Bestimmung des zu schützenden Objekts auf künstlerische
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VORSCHLAG
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Kategorien und selektive Kriterien zurückgreifen, die nur auf der Grundlage einer gesetzlich vorgeschriebenen Katalogisierung angewendet werden könnten. In dem galizischen Vorschlag dagegen werden Werke als Denkmale bezeichnet, die einen künstlerischen Wert und eine große Bedeutung für die Geschichte der Menschheit besitzen. Dieser Auffassung stellt Bauer die Definition entgegen, die in dem von Helfert vorgeschlagenen Gesetz vorgesehen ist und Riegls Definition «jedes von menschlicher Hand erschaffenes Werk nach sechzig Jahren seiner Erschaffung» wieder aufnimmt.165 Bauer betont außerdem, dass Helferts Entwurf die umfassendste Definition des Konzepts «Kontext» liefert und erkennt an, dass die beiden Vorschläge zum Thema Dezentralisierung übereinstimmen. Er hebt jedoch einen wesentlichen Unterschied zum Wiener Entwurf hervor: Der galizische sieht die rechtliche Unterstellung der Denkmalpflege unter eine politische Struktur vor sowie die Bevollmächtigung der nationalen Komitees, die Entscheidungen in der Materie zu treffen. Auf diese Weise verlieren jedoch zwei wesentliche Prinzipien ihre Gültigkeit, die Unabhängigkeit der Denkmalpflege von der politischen Macht und die Eigenständigkeit fachspezifischen Handelns. Wie man sieht, handelt es sich dabei um äußerst wichtige und fortschrittliche Prinzipien, die noch heute Ursache für die großen Unterschiede zwischen den organisatorischen und gesetzlichen Strukturen der verschiedenen europäischen Länder sind.166 Das Wiener Modell erweist sich als absolut außergewöhnlich gegenüber dem galizischen, das eher den Entwürfen ähnelt, über die auch in anderen Ländern diskutiert wurde.167 Vor diesem Hintergrund muss auch die effektive Bedeutung der «Restaurierungsvorschriften» gesehen werden, die 1909 vom galizischen Komitee akzeptiert wurden.168 Sie machen sich in der Tat die Ergebnisse der Auseinandersetzung zu eigen, die im selben Jahr in Wien zwischen den österreichischen und polnischen Konservatoren stattgefunden hatte und verdeutlichen die Annäherung der Gesichtspunkte der beiden Parteien, für die sich Lanckoroñski und Neuwirth so sehr eingesetzt hatten; allerdings mit Ausnahme eines Punktes, der in der Folgezeit eine große Rolle spielen wird, und zwar des Paragraphen b des II. Kapitels, der das Prinzip vertritt, dass spätere An- und Überbauten beseitigt werden könnten, wenn
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M. BAUER: Ein neuer Entwurf eines österreichischen Denkmalschutzgesetzes, in: KuJbZK, 3, 1909, Sp. 9–26. L. BOBBIO [Hrsg.]: Le politiche dei beni culturali in Europa, (Organizzazione e funzionamento della pubblica amministrazione), Bologna [1992]. Vgl. R. BALZANI: Per le antichità e le belle arti. La legge n. 364 del 20 giugno 1909 e l'Italia giolittiana, (Dibattiti storici in Parlamento, 2), Bologna 2003. Als «Carta del restauro 1909» bezeichnet von C. BELLANCA: L'Ottocento in Polonia. Alcuni interventi sui monumenti e una poco nota Carta del restauro, in: Saggi in onore di Guglielmo De Angelis D' Ossat, S. Benedetti (Hrsg.), (Quaderni dell'Istituto di Storia dell'Architettura, N.S., Fasc. 1/10), Roma 1987, S. 925–934. M. BORUSIEWCZ-LISOWSKA: W setn¹ rocznicê orodzin Adolfa Szyszko-Bohusza. Tendencje modernistyczne w twórczoœci, in: Teka komisji urbanistyki i architektury, 19, 1985, S. 199–206. S. MAJEWSKI 1997, S. 68–70.
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ihnen keine künstlerisch-historische Bedeutung zukommt. Ein solches Zugeständnis war für Dvoøák und für alle Wiener inakzeptabel, da es Riegls Grundsätzen der Erhaltung, die sich im Kriterium der Bewahrung des überkommenen Zustandes zusammenfassen lassen, widersprach. Die Polen dagegen verteidigten damit ihr Recht als Nation, ihre Denkmale, und in erster Linie den Wawel, von den beleidigenden Eingriffen zu befreien, die die Besatzungsmacht vorgenommen hatte.
3.5 DIE 22. BAUSCHICHT UND WEITERE BAUSCHICHTEN DES WAWEL: DIE UNTERSCHIEDLICHEN AUFFASSUNGEN VOM HISTORISCHEN WERT UND SEINE APORIEN. DIE RESTAURIERUNGSPROJEKTE UND DIE DENKMALPFLEGE VON ADOLF SZYSZKO-BOHUSZ, WITOLD MINKIEWICZ UND ALFRED MAJEWSKI: VON DER «KREATIVEN» ZUR «PHILOLOGISCHEN» RESTAURIERUNG, DIE BEITRÄGE DER ARCHÄOLOGISCHEN FORSCHUNG UND DIE ERGEBNISSE IM MUSEUMSWESEN 1914 übernimmt Adolf Szyszko-Bohusz (1883–1948) die Leitung der Restaurierung des Wawel. Nach seiner Ausbildung in St. Petersburg war er zunächst Professor in Lemberg, dann in Warschau. Sein Tätigkeitsgebiet umfasste die Restaurierung und die modere Architektur.169 Bis 1946, also zirka dreißig Jahre lang, war er für diese Baustelle verantwortlich, mit Ausnahme der fünfjährigen nationalsozialistischen Besatzung Polens, in der der Wawel zur Residenz des berüchtigten Generalgouverneurs Hans Frank wurde. Szyszko-Bohusz arbeitete vier Projekte für die Restaurierung des Wawel aus. Das erste ist noch von der österreichisch-polnischen Auseinandersetzung beeinflusst, das zweite nimmt die Idee einer Akropolis wieder auf, für die sich die künstlerischen und patriotischen Kreise Galiziens besonders eingesetzt hatten. Die letzten beiden Projekte sind gekennzeichnet durch massive Zubauten und einschneidende Restaurierungen. Sie können daher nicht dem Themenkreis der Erhaltung zugerechnet werden. In den von ihm 1914 gelieferten sehr nützlichen axonometrischen Zeichnungen lässt sich die Gesamtheit und die Wirkung der drei noch bestehenden österreichischen militärischen Baukörper erkennen, die in dem ersten Restaurierungsprojekt (1914–1917) beibehalten werden und das neue Nationalmuseum aufnehmen sollen. Darüber hinaus ist es interessant, dass Szyszko-Bohusz anfangs die Beseitigung der Vermauerungen in den Arkaden des Schlosshofes plant und beabsichtigt, die in den vorausgehenden Diskussionen festgelegten Punkte zu beachten. Diese Einstellung ändert sich in den ersten Jahren der Nachkriegszeit. Der zweite, 1919 gemachte Vorschlag sieht vor, die österreichischen militärischen Baukörper abzureißen, eine große Freifläche mit monumentaler und repräsentativer Funktion zu schaffen und dem Schloss seine Funktion als Sitz des Staatsoberhauptes zurückzugeben. Im dritten und vierten Projekt werden die drei Baukörper der österreichischen Besatzungszeit vollständig beseitigt, um Platz zu schaffen für eine Freifläche, die immer mehr eine Machtvorstellung ohne jede symbolische Bedeutung vermitteln soll. Außerdem soll der dazugehörige Mauerring erneuert werden. Dieses Tendieren zur freien Interpretation sieht auch eine Entbarockisierung der Kathedrale vor.170
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Abgesehen von der Idee einer Akropolis – die sich auch aufgrund ihrer Unbestimmtheit nicht konkretisieren lässt, bei der aber dennoch die Erhaltung des Bestehenden überwiegt – lässt sich am Ende von Szyszko-Bohusz’ Tätigkeit der Abriss von zwei österreichischen Gebäuden feststellen und vor allem, wie Majewski hervorhebt, eine Art der Erhaltung des Schlosshofes, die sich völlig von den bisherigen Restaurierungsvorhaben des Wawel unterscheidet. Szyszko-Bohusz versucht, die fünfeckige Form des Hofes auf eine regelmäßige viereckige Form zu reduzieren und «führt völlig neue architektonische Elemente in den bisher intakten Arkadenkomplex ein».171 Er gibt dem Teçzynska-Turm eine neue Form und reißt das Pfarrhaus ab. Bei dem Versuch, den gotischen Teil des Chors der Kathedrale wieder instand zu setzen, zerstört er auch ihren barocken Innenraum. Szyszko-Bohusz verwirklichte, was Dvoøák befürchtete: die 22. Bauschicht. Übrigens hielt auch Tomkowicz dessen Fähigkeiten für viel geringer als die von Hendel. Sofort nach dem Krieg, also 1945–51, übernimmt Witold Minkiewicz die Leitung und in der darauffolgenden Zeit sein ehemaliger Assistent Alfred Majewski. Minkiewicz ist die Wiederherstellung des im Krieg schwer beschädigten Mauerzugs und des Baukörpers am Thieves-Turm zu verdanken, Majewski die grundlegende Umwandlung des gesamten Wawel in ein «Laboratorium» der Konservierung, Restaurierung und Museologie, in dem die archäologischen Ausgrabungen und die Forschungen zur Struktur des Baukomplexes einen besonderen Platz einnehmen. In dem begrenzten Umfang der Darstellung erscheint es sinnvoll, die Grundlinien dieser äußerst wichtigen Phase der Restaurierungsgeschichte des Wawel zu untersuchen. Diese Phase ist gekennzeichnet durch die bereits erwähnte polnische Restaurierschule, die an Qualität und Wert zugenommen hat, sodass der Konflikt, der am Ende der Doppelmonarchie und am Anfang der republikanischen Unabhängigkeit auftrat, in einem anderen Licht gesehen werden muss. Von einem Ideenwettbewerb im Jahr 1953 zur Instandsetzung des Wawel ausgehend, bei der Majewski und seine Mitarbeiter die Rekonstruktion des Psaltergebäudes vorsehen, umfasst der Instandsetzungsplan von 1968, der die Grundlinien von Majewskis Erhaltungs- und Restaurierungsprogramm enthält, die Beseitigung des letzten österreichischen militärischen Baukörpers, den Wiederaufbau der Mauerfronten der südlichen und westlichen Befestigung, die Umwandlung der Freifläche in einen archäologischen Park und die Neugestaltung des ehemaligen nationalsozialistischen Hauptquartiers.172 Dieses Programm stellt einen großen Fortschritt gegenüber der frei interpretierenden Restaurierung von Szyszko-Bohusz dar, da es auf archäologischen Forschungen und auf Vermessungen beruht sowie auf einer Restaurierungsphilosophie, die auf das philologische Gebiet zurückkehrt und sich auf Dokumente stützt.
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Ebenda, S. 79. Ebenda, S. 155 f. Ebenda, S. 100.
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Majewski sind außer den bedeutenden und umfassenden Arbeiten zur Behebung der Kriegsschäden auch Arbeiten zur Sicherung der Baustrukturen, technische Eingriffe zur Verbesserung der Anlage, die Pflasterung sowie die Instandsetzung der Innenräume des Schlosses zu verdanken – nach Kriterien, für die sich zum Teil schon Lanckoroñski eingesetzt hatte (Differenzierung der Ersatzmaterialien bei der Ergänzung fehlender Teile, Ausführung von Arbeiten, die als «nicht abgeschlossen» erscheinen sollen). Diese folgen unmissverständlich einer funktionalistischen Ästhetik. Vor allem aber ist Majewski die Einrichtung des Museums in dem ehemaligen Küchengebäude, der späteren Residenz des nationalsozialistischen Generalgouverneurs, zu verdanken. Das Museum zur Geschichte des Wawel, «wie er früher war» beherbergt archäologische Funde und weiteres historisches Material, das auf eine moderne und ästhetisch kohärente Art ausgestellt ist, wobei die Hand des Architekten (hinter der des Restaurators) nicht gänzlich verschwindet, sondern Spuren hinterlässt, die die Selbständigkeit der Epoche bezeugen, der er angehört. Majewskis Grenzen liegen jedoch darin, dass er es noch für möglich hält, historische, philologisch korrekte Rekonstruktionen auszuführen. Sein Schwanken in der architektonischen Praxis zeigt sich besonders deutlich in den verschiedenen Hypothesen zur Rekonstruktion des Pfarrhauses.173 Er verfällt damit unvermeidlich in die Aporie, die 24. Bauschicht herzustellen, so historisch und dokumentiert sie auch sein mag (wenn die von Minkiewicz durchgeführten Wiederaufbauarbeiten nach dem Krieg als 23. Bauschicht betrachtet werden können ). Die Präsentation der Reste der beiden kleinen romanischen Kirchen, die unter der Freifläche zutage kamen, entspricht zweifellos der Absicht, den gesamten Baukomplex musealen Zwecken zu widmen. Die Eingriffe zur Verschönerung der Säulenvorhalle des Gebäudes der ehemaligen Küchen und späteren Residenz des nationalsozialistischen Generalgouverneurs sind jedoch in jeder Hinsicht absurd. Ebenso ahistorisch ist die geplante Beseitigung der letzten habsburgischen Kaserne. Es handelt sich um eine Entstellung, die noch eklatanter wird, wenn man sie mit dem Entschluss zur Erhaltung des nationalsozialistischen Militärquartiers vergleicht, der Residenz des Hauptverantwortlichen für jene grauenhaften Ereignisse, die das Land erschütterten und zum Verlust seines jüdischen Volksteils führten. All das erfordert ein neues, aufmerksames Durchdenken der «Lektion» Dvoøáks. Sie war in ihrem zeitlichen Kontext nicht völlig berechtigt, denn sie betrachtete das nationale Interesse als einen Überrest aus vorkaiserlicher Zeit und nicht als eine lebendige Notwenigkeit der galizischen und polnischen Bevölkerung. Rückblickend behält sie jedoch ihre ganze Aktualität, wie gerade Majewskis Aporien deutlich machen. Die Restaurierungsprogramme, die in den letzten zehn Jahren des 20. Jahrhunderts an der Kathedrale und im Schloss fortgesetzt wurden und insbesondere die Trinitätskapelle, die Heiligkreuzkapelle, die noch nicht abgeschlossenen Arbeiten in der Sigmundkapelle, die Pflasterung des Hofes und die Restaurierungen der Wandmalereien im Schloss betrafen, die der «Charta zur Restaurierung Krakaus» von 2000 den Weg bereiten und an denen die Meister der Fakultät für Restaurierung an der historischen Akademie der Bildenden Künste «Jan Matejko» persönlich beteiligt wa-
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ren, beweisen ebenso wie die Baustellen zur Instandsetzung der Türme «Jordanska», «Dunska» und «Kurza Stopka» einen größeren Respekt gegenüber der «Minimalintervention».174 Auch dem Beitrag, den die Krakauer Tradition zur Beachtung des Denkmalwertes als «collective memory and cultural identity» liefern kann, muss in seiner ganzen historischen Komplexität Rechnung getragen werden. Andernfalls läuft man Gefahr, wieder bei einer Art von Restaurierung anzukommen, die – diesmal unter angelsächsischem Decknamen – im Wesentlichen geschmackliche und ideologische Kriterien berücksichtigt. Eine derartige Restaurierung zu überwinden, war aber gerade die Absicht der österreichischen Denkmalpflege.
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Die Erhaltungsgeschichte des Prager Schlosses nimmt unter gewissen Aspekten jene des Krakauer Wawel vorweg. Sie beginnt mit der Bedrohung durch eine stilistische Restaurierung, insbesondere jenes ältesten auf uns gekommenen Teils, der aus der Erneuerung des Königspalastes hervorging, die Wladislaw II. befohlen und der bayerische Architekt Benedikt Ried (1454–1534) ausgeführt hatte. Dieses Restaurierungsprojekt sah eine Betonung der gotischen Elemente zum Nachteil jener Teile vor, die die Renaissance vorwegnehmen und für die Geschichte der spätmittelalterlichen Architektur Mitteleuropas von großer Bedeutung sind. Der bemalte Putz der Fassade sollte erneuert, die Fialen und die Galerie vervollständigt werden. Da der vorangegangene romanische Baubestand 1303 zerstört worden war, stellt der architektonische Palimpsest, der in gotischem Stil erneuert oder einer modernen Gotik angepasst werden sollte, in der Tat den ältesten zu Ende gebauten Teil des bedeutenden Komplexes dar.175 Dvoøák nahm die geplante Restaurierung des Prager Schlosses zum Anlass, um ihr im Jahrbuch im Kapitel «Restaurierungsfragen», in dem die brennendsten, noch offen stehenden Restaurierungsproblemen der bedeutendsten Denkmale des Kaiser-
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A. KAD£UCZKA (zit. Anm. 138); E. KOSAKOWSKI: Projectowanie konserwatorskie/Restoration Designing, in: Studia i Materialy, 9, 2, 2000, S. 76–113; W. ZALEWSKI: Malowid³o bizantyñsko -ruskie. Historia konserwacji malowide³ bizantyñskich (1470) w kaplicy Œwiêtokrzyskiej. w katedrze na Wawelu = History of conservation of the Byzantine paintings in Œwiêtokrzyska Chapel at the Wawel Cathedral, in: Biuletyn Informacyjny Konserwatorów Dzie³ Sztuki = Journal of Conservation-Restoration, 9, Nr. 3 (34), 1998, S. 2–15 u. 70–75. Für eine Gesamtübersicht vgl. Kraków w odnowie. Konserwacja i restauracja dziedzictwa architektoniczno-urbanistycznego w latach 1815–2003. Katalog wystawy, czerwiec-sierpieñ 2003, Ausstellungskatalog Kraków 2003, Kraków 2003. Die mit der Assanierung des ehemaligen Judenviertel und der Altstadtsanierung begonnene Auseinandersetzung über die Erhaltung des baulichen Erbes von Prag gipfelt in der Frage des Wladislawsaals, die eine hitzige Konfrontation zwischen der Partei der Puristen und der der Fortschrittlichen auslöste. Während die Puristen, deren führende Vertreter der Architekt Josef Hlávka war, eine Restaurierung des Saals im neogotischen Stil anstrebten, unterstützten die Fortschrittlichen, zu denen der Architekt Jan Kotìra zählte, die Erhaltung des Saals im überlieferten Zustand,
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reiches abgedruckt wurden, eine Rubrik zu widmen. Im Fall des Prager Schlosses verschwendet er kein Wort über den Autor des Projekts, das für ihn nur ein Beispiel für die «Banalitäten der modernen Pseudogotik» ist und ihm somit als eine Art Vorwand dient, um die Erhaltungsprinzipien darzulegen, die ihm am Herzen liegen.176 Am Anfang seiner Schrift, die er dem Prager Schloss als dem Beispiel eines Bauwerks widmet, das in seiner Gesamtheit erhalten werden soll, macht er den Vorschlag, das Jahr 1907 als «dies festus» der Denkmalerhaltung anzusehen, weil das Parlament von Baden-Württemberg in diesem Jahr ein für alle Mal beschlossen hatte, von jedweder Rekonstruktion des Otto Heinrich-Baus im Heidelberger Schloss abzusehen. Auf diesen Vorschlag, der die Prinzipien der Erhaltung in den Vordergrund stellt – und nicht zufällig auf einen klassischen Ort der neuen Erhaltungskultur Bezug nimmt –, die, wie wir sehen werden, an verschiedenen Orten von der Bewegung für den Schutz der Denkmale und des Territoriums177 wieder aufgenommen werden, folgt ein Exkurs über die gesellschaftlichen Ursachen der Restaurierung, die er als «Vandalismus» und große Gefahr für die Kulturgüter bezeichnet. Die Restaurierung sei ein Kind des 19. Jahrhunderts, das man in Zukunft als «Jahrhundert der großen Phrasen» erkennen werde, mit anderen Worten das Jahrhundert der Entdeckung der historischen Werte durch neue Gesellschaftsschichten und durch Personen, die sich beruflich mit diesen Werten beschäftigten. Dvoøák betrachtet die neue gesellschaftliche Nutzung antiker Werte, die für Nietzsche den Untergang der «Kultur» und die Selbstbehauptung der «Zivilisation» darstellt, als den wahren Ursprung der Restaurierung. Sie sei das Resultat einer «Bastardisierung» der Kunst. Die neuen industriellen Produktionsmittel, die eine technische Reproduzierbarkeit des Kunstwerkes möglich machen, würden eine Bedrohung seiner Essenz bedeuten. Dvoøák vergleicht den Historismus des 19. Jahrhunderts mit einem Fluss, der alle Strömungen der Geschichte in sich aufnimmt, aber seinen Lauf schnell beendet und mangels eines kreativen Ausgangs notgedrungen in der Restaurierung mündet. Er verurteilt deshalb die sich immer mehr verbreitenden Eingriffe, die im Namen der Restaurierung vorgenommen werden, in erster Linie die Rekonstruktionen,
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wobei sie sich dafür einsetzten, dass die unterschiedlichen Zeitschichten deutlich ablesbar sein sollten. Vgl. J. PAVEL: Max Dvoøák – ochránce památek = Max Dvoøák – der Denkmalschützer, in: Monumentorum tutela, 10, 1973, S. 223–340; u. ausführlich: Z. GÜLLENDI-CIMPRICHOVÁ: Z. GÜLLENDICIMPRICHOVÁ: Architekt Josip Pleènik und seine Unternehmungen in Prag im Spannungsfeld zwischen denkmalpflegerischen Prinzipien und politischer Indienstnahme, Bamberg, Univ., Diss., 2010, hier besonders Kap. 3. M. VILIMKOVA/D. LIBAL: Stavebne historický pruzkum Prazskeho hradù. Stary kralovsky palac, unpubliziertes Manuskript [1974] im Archiv des Prager Schlosses. K FIALA: Archeologicke pruzkumy a konservacni prace, in: Ceský svet, 24, 1927, H. 5/6. DVOØÁK 1908/1. Hier abgedruckt als Text I.4.2, S. 336. Das Restaurierungsprogramm wurde nach Hlávkas Vorschlägen von der Archäologischen Kommission der Tschechischen Akademie der Wissenschaften ausgearbeitet. Vgl. Z. GÜLLENDI-CIMPRICHOVÁ (zit. Anm. 175), S. 70–76. Für die Bedeutung von Dvoøáks Stellungnahme innerhalb der tschechischen Denkmalpflege s. I. HLOBIL: Alois Riegl a teorie moderní památkové péèe, in: A. RIEGL: Moderní památková péèe, I. HLOBIL. KRUIS (Hrsg.), Praha 2003, S.101–138 [mit Übersetzung S. 139–167]. S. unser Kap. V, S. 152.
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die vorgeben, die Denkmale retten zu wollen, aber vor allem die stilistischen und/oder philologischen Restaurierungen, die darauf abzielen, den Denkmalen eine Gestalt zu geben, die den Ergebnissen der historischen Forschung möglichst entsprechen soll. In diesem Zusammenhang weist er darauf hin, dass es seit Mitte des 19. Jahrhunderts eine anders orientierte Bewegung gibt. Als die «Pioniere der modernen Denkmalerhaltung» nennt er an erster Stelle Ruskin, dann Camillo Boito und dessen Kampagne gegen die Restaurierung der Fassade des Mailänder Doms und der Kirche San Donato in Murano, vor allem aber auch Deutschland und Österreich, wo man schon seit langem zur Überzeugung gekommen sei, dass die Kulturgüter mehr vor der Restaurierung als vor dem Verfall beschützt werden müssen. Nach dem Ende des Habsburgerreiches bestand die erste Tat der neuen republikanischen Regierung unter Tomáš Garrigue Masaryk, einem der damals bedeutendsten demokratischen Regierungschef Mitteleuropas, in der Umstrukturierung des Schlosses zur Residenz des Regierungspräsidenten und damit zum Symbol für nationale Unabhängigkeit und Demokratie.178 Es handelte sich um ein politisches Programm, das im Vergleich zu dem des Krakauer Wawel völlig anders orientiert war. Der Unterschied wird auch in der Haltung dem schon Bestehenden gegenüber deutlich sowie in der Behandlung der jeweiligen monumentalen Baukomplexe. Für Masaryk sollte die Gestaltung des Schlosses keinen vergangenen Traum von Unabhängigkeit und Freiheit widerspiegeln, sondern die Ideale von Demokratie, kultureller Teilhabe und Integration als Anhaltspunkte für die Zukunft des neuen Mehrvölkerstaates verkörpern. In der großen demokratischen Gesinnung Masaryks ist kein Platz für antihabsburgische Ressentiments und noch weniger für eine idealisierende Restaurierung der Vergangenheit. Was er im Auge behält, ist eine multiethnische Idee, die sich nach dem Scheitern des österreichischen Kaiserreiches auf ganz Europa ausdehnen soll, deren Eckpfeiler die Tschechoslowakei bildet und deren Symbol das Schloss darstellt. Mit der Verwirklichung dieser Idee wird JoŞe Pleènik (1872–1957) beauftragt. Er schafft am Hradschin originelle architektonische Werke von großer Bedeutung und hohem poetischem Wert wie den Paradiesgarten, den Wallgarten, den Bastionsgarten und den Hirschgraben. Außerdem nimmt er die Instandsetzung der drei Türme und einiger Innenräume der Präsidentenresidenz vor. Jeder Eingriff kann seinem Genre entsprechend analysiert werden, womit die Historiographie und die Kunstkritik begonnen haben, die Eingriffe Pleèniks als bemerkenswerte Beispiele der Geschichte der Architektur, der Gartenkunst und des Innendesigns zu rühmen. Die gesamte Prager Tätigkeit des slowenischen Architekten hat den einheitlichen Charakter eines künstlerischen Programms, das mit seinen beiden direkten Auftraggebern, dem Philosophen Masaryk und dessen kunstverständigen Tochter, Alice Masarykova, entwickelt und abgesprochen wurde. Es folgt insbesondere drei Gesichtspunkten einer modernen Architektur 179: dem Dialog mit der Umgebung, dem Verhältnis zwischen Altem und Neuem und der Übereinstimmung mit den lokalen Besonderheiten. Diese drei Aspekte erlauben uns, seine Eingriffe von Dvoøáks Maximen her zu
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beurteilen. Dabei kann es sich selbstverständlich nicht um einen direkten Vergleich handeln, schon allein auf Grund des politischen Vetos nicht, das Franz Ferdinand gegen den slowenischen Architekten ausgesprochen hatte und gegen das Dvoøák seiner amtlichen Position wegen nicht öffentlich auftreten konnte,180 und dann natürlich auf Grund der Chronologie nicht, da Dvoøák schon verstorben war, als Pleènik mit seiner Tätigkeit begann. Abgesehen von Masaryks politischen Überzeugungen, die Dvoøák vermutlich nicht teilte, da er das Angebot, in seine Heimat zurückzukehren, ausschlug, das ihm die junge Republik sofort nach dem Krieg gemacht hatte181, muss man sich fragen, wie der große Wiener Konservator nach dem «Finis Austriae» Pleèniks Eingriffe aufgenommen hätte. Wir wissen, dass Pleènik, da er vom Präsidenten selbst den Auftrag erhalten hatte, auch die Einbeziehung des Schlosses in die gesamte Stadtentwicklung auszuarbeiten, nicht nur Schwierigkeiten urbanistischer Art mit dem Komitee für Groß-Prag hatte, sondern besonders mit den für den Denkmalschutz zuständigen Architekten, wie z. B. Karel Fiala, aber auch mit 245 Frauen, die eine Petition «zur Verteidigung des Schlosses vor dem fremden Eindringling, der die böhmischen Denkmale erbarmungslos entstellt»182, eingereicht hatten. Einige Charakteristika von Pleèniks Interventionen am Hradschin scheinen Dvoøáks Prinzipien der Denkmalerhaltung zu entsprechen, vor allem seine Ablehnung jedweder Lösung, die sich dem stilistischen Historismus nähert, aber auch sein Dialog mit der Tradition, d. h. seine moderne Interpretation klassischer Themen mit einigen ethnischen, allgemein slawischen und besonders slowenischen Bezügen. Eine solche an Loos erinnernde Einstellung hätte vom künstlerischen Gesichtspunkt her die volle Zustimmung des Generalkonservators gefunden. Man bedenke außerdem, dass sich der Historiker und Funktionär der Denkmalpflege Franz Stelé, also ein Schüler Dvoøáks und einer seiner frühesten Mitarbeiter, als erster mit Pleènik kritisch befasst hatte. Pleènik zollt dem gesamten Schlosskomplex mit seinen Bauschichten großen Respekt. Seine architektonische Ausdrucksweise ist modern, nimmt aber klassische und
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Vgl. F. LEONCINI: Tomáš Garrigue Masaryk (1850–1937), in: I giardini del castello di Praga. Premio internazionale Carlo Scarpa per il giardino, tredicesima edizione. Treviso 11 maggio 2002, Treviso 2002, S. 54–57, mit Hinweisen auf Benedetto Croce. Ich beziehe mich auf die Rekonstruktion nach Damjan Prelovšek in D. PRELOVŠEK: Josef Pleènik. 1872–1957. Architectura perennis, Salzburg–Wien 1992, S. 128–161. Prelovèeks Arbeit ist Franz Stelé gewidmet. Zu Pleèniks Zugang zur Denkmalpflege s. Z. GÜLLENDI-CIMPRICHOVÁ (zit. Anm. 175). Die Übernahme des nach Otto Wagner vakanten Lehrstuhls für Architektur an der Akademie für bildende Künste durch Pleènik war auf einseitigen Beschluss des Erzherzogs Franz Ferdinand verhindert worden; s. MKFF, 1913, 165, Nr. 35/1. Dvoøák hielt dennoch den Kontakt zu seinen alten Freunden und Studienkollegen aufrecht, wie z. B. zu dem Historiker und Kunstkritiker Vincenc Kramáø. Bezüglich des Schriftwechsels Dvoøáks mit Kramáø vgl. auch M. KREJÈI: Dopisy Maxe Dvoøáka Vincenci Kramáøovi, in: Umìní, 52, 2004, S. 353–369 bzw. J. KØÍŞEK: Dopisy Maxe Dvoøáka Vincenci Kramáøovi z let 1900–1921, in: Zprávy památkové péèe. Èasopis státní památkové péèe, 64, 2004, S. 554–557. D. PRELOVŠEK (zit. Anm. 179), S. 160.
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archaische Rhythmen und Formen zum Maßstab einer neuen Interpretation, um so eine zeitgenössische Nutzung des Schlosses zu ermöglichen. Das vom Präsidenten und seiner Tochter angestrebte Ziel wird voll und ganz erreicht. Es ist die neue Funktion, die das Schloss «demokratisch» macht und nicht die Beseitigung der Spuren vergangener Zeiten oder die Rekonstruktion einer nicht mehr bestehenden und/oder nie bestandenen Gestalt. Pleènik verwendet nicht der Instrumente der Restaurierung, sondern die der Architektur. Seine Architektur zwingt sich dem Bestehenden nicht auf, sondern führt damit einen Dialog, stellt neue Bezüge her und versucht, seine verschiedenen Bedeutungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Alles ist unter dem von den beiden Wiener Lehrern entwickelten Gesichtspunkt der «reinen Theorie» der Denkmalerhaltung her absolut kohärent. Es gibt auch einen Beitrag von Dvoøák zur Verteidigung der Silhouette der Neustadt, insbesondere des Ausblicks auf den Visehrad und das Emauskloster (Emauzy na Slovanech), der zu weiteren Überlegungen veranlasst. Am nahen Moldauufer waren neue große Gebäudekomplexe geplant, die den Blick völlig verstellt und das Bild dieses Stadtteils stark beeinträchtigt hätten, ein Bild, das nicht weniger Faszination ausübt als das von jeher bekannte des Hradschin. Für Dvoøák sind die geplanten Neubauten ein Anlass, den Vorschlag des Architekten Alois Dryák zu veröffentlichen, der die Bewahrung des Klosters und eine Neugestaltung seiner Umgebung mit modernen antidekorativen Bauwerken vorsieht. Die Gründe, die Dvoøák gegen die geplanten Neubauten anführt, entsprechen auch in diesem Fall den Eckpfeilern der Erhaltungskultur. Mangelnde Beachtung des Architekturbestandes und «Hypertrophie» des modernen Dekorativismus hätten die Bedeutung der Stadt unterhöhlt. Um einer solchen Verarmung der künstlerischen Kultur entgegenzuwirken, sei es notwendig, «eine Vertiefung des modernen künstlerischen Geschmackes nach dieser [antidekorativen] Richtung hin, dann aber durch die Betonung und gewissermaßen künstlerische Neuentdeckung der Schätze, die uns in alten Emporien der schönen Städtebildung ein günstiges Schicksal erhalten hat.»183 Wenn man der Tatsache Rechnung trägt, dass sich Pleènik ausdrücklich auf die architektonische Tradition der italienischen Städte beziehen wollte und dass für ihn dieser Bezug auch von ethischer und pädagogischer Bedeutung war, dann kann man seine Eingriffe am Schloss als optimale Anwendung der Prinzipien des letzten kaiserlichen Konservators betrachten. Bei der Untersuchung der wichtigsten Entwicklungsformen der Gartenkunst, die Dvoøák im Rahmen eines speziell diesem Thema gewidmeten Vortrags vornahm, schließt er mit Feststellungen, die genau auf die Prager Gestaltung zutreffen. In seiner kritischen Betrachtung der katastrophalen Ergebnisse, zu der die Nachahmung des englischen Gartens führte – und zwar seine Nachahmung auf begrenztem Raum in kleinen, mittelgroßen und großen Städten der verschiedenen europäischen Länder –, sieht er voraus, dass die Architektur bei der Neugestaltung der städtischen Grünanlagen und bei der Neubewertung der Natur eine Hauptrolle spielen wird. Ihr schreibt er die Aufgabe zu, Ausmaß und Gestalt des Grüns im europäischen Territorium, das sich durch Strukturreichtum und alten architektonischen Bestand aus-
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zeichnet, neu zu bestimmen. So erklärt er: «Die große allgemeine Wichtigkeit dieser englischen Parks bestand darin, dass sie unendlich viel dazu beigetragen haben, das Interesse für landschaftliche Schönheiten zu wecken, welches, wie ich ja nicht weiter auszuführen brauche, zu den wertvollsten Gütern der Gegenwart gehört. Der Fehler, der sich später einstellte, bestand darin, dass man dasselbe System auch auf kleine Gärten und städtische Parkanlagen übertrug, obwohl es eigentlich nur für große Räume geeignet war, was schließlich dazu führte, dass man heute all die kleinen Parks mit willkürlich zerstreuten Bäumen und Sträuchern als eine Geschmacklosigkeit zu empfinden beginnt und in der Gartenkunst sich eine neue Wandlung zu vollziehen beginnt, bei der die Architektur wieder eine größere Rolle zu spielen berufen zu sein scheint und deren Ergebnis vorläufig noch nicht übersehen werden kann».184 Die Begründung, mit der die Jury den Gärten des Prager Schlosses den Preis der 13. Ausstellung «Premio Internazionale Carlo Scarpa per il Giardino» verlieh, nimmt auf die bisher behandelten Gesichtspunkte Bezug: «Diese Gärten, die Masaryk beauftragt und die Pleènik mit örtlichem Material und Personal verwirklicht hat, sind für uns heute eine der höchsten Verkörperungen der zeitgenössischen europäischen Kunst. Die Ideen und Werke, die dieser Ort umfasst, sind der deutlichste Beweis dafür, dass ausgesprochen innovative Eingriffe in eine komplexe schon bestehende Struktur möglich sind, ohne dass sie diese leugnen oder verletzen, sondern sie im Gegenteil als Zeugnisse der Vergangenheit lebendiger und in ihrem Erinnerungswert verständlicher machen.»185 Der «Prager Fürst», wie Else Lasker-Schüler und Max Brod Angelo Maria Ripellino nannten, stellte noch in den siebziger Jahren fest: «Es ist doch seltsam, je mehr sie dich, schwesterliche Stadt, russifizieren wollen, desto mehr Habsburger ‚Muff’ kommt hervor».186 Pleènik versuchte nicht, den «Habsburger Muff» durch einen anderen zu ersetzen. Leider lernten die Prager Nasen, einschließlich der fürstlichen Nase des aus Palermo stammenden Schriftstellers, die reine Luft nie kennen. Vielleicht lässt sich gerade mit diesem besonderen und seltsamen Festhalten am «Prager Alterswert» die ebenso seltsam erscheinende Tatsache erklären, dass gerade in Prag eine moderne und gleichzeitig klassische, auf den Ort bezogene Architektur realisiert wurde, die sich dem schon Bestehenden nicht als neue Bauschicht hinzufügt, sondern den Wert des Alten (und seine Distanz dazu) anerkennt.
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DVOØÁK 1910/9. Hier abgedruckt als Text I.5.7, S. 432. M. DVOØÁK: Gartenkunst, Vortragsmanuskript. Hier abgedruckt als Text II.1.3, S. 777. S. unser Kap. III, S. 123. I giardini del castello di Praga. Premio internazionale Carlo Scarpa per il giardino, tredicesima edizione. Treviso 11 maggio 2002, Treviso 2002, S. 8, 12 (tschechisch), 62 (englisch). Motive der Jury, bestehend aus Sven-Ingvar Andersson, Carmen Añón, Domenico Luciani, Monique Mosser, Ippolito Pizzetti und Lionello Puppi. A. M. RIPELLINO: Praga magica (Saggi, 514), Torino [1973], S. 346–348.
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5. DAS CASTELLO DEL BUONCONSIGLIO UND DER DOM VON TRIENT: DIE SCHWIERIGKEIT, DIE DENKMALE IN DEM «UNS ÜBERKOMMENEN ZUSTAND» ZU ERHALTEN Nach August Ottmar Essenwein ist Trient das italienische Tor zu den deutschsprachigen österreichischen Gebieten.187 Die Geschichte, die den österreichischen Schutz der beiden bedeutendsten Denkmale Trients, des Castello del Buonconsiglio und des Doms, betrifft, ist äußerst wichtig, um die realen Bezüge und Verbindungen der beiden Sprachgebiete, die Kontinuitäten und Brüche der jeweiligen technischen und administrativen Leistungen für die Erhaltung des Denkmalbesitzes zu rekonstruieren. Die moderne Restaurierungsgeschichte der beiden Bauwerke beginnt mit dem Studienauftrag, der 1858 Essenwein erteilt wird und setzt sich in den Projekten fort, die daraus hervorgehen.188 Essenwein trifft in Trient als bedeutender Romanikspezialist und Kenner der mittelalterlichen Bautechniken ein.189 Zur selben Zeit ist er noch als Eisenbahningenieur beschäftigt. Sein Projekt für die Restaurierung des Doms geht in gewisser Weise über das Prinzip einer «restitutio in integrum» hinaus und stellt sich als neuromanische Architektur des 19. Jahrhunderts dar, die die his-
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«Trient, an der Grenze Italiens und Deutschlands gelegen, wendete sich mit Erlöschen der kaiserlichen Macht, die Italien und Deutschland so zu sagen zu einem Reiche vereinigt hatte, und mit entschiedenerer Trennung der Nationalitäten der italienischen Seite zu, und so wurden auch die specifisch-italienischen Bauformen daselbst heimisch.», A. ESSENWEIN Die Loggia im Castello vecchio zu Trient, in: MZK, 6, 1859, S. 156–158. hier S. 157. Zu Essenwein s. K. HOLZAMER: August Essenwein 1831–1892. Architekt und Museumsmann. Seine Zeichnungen und Entwürfe in Nürnberg, Darmstadt 1985 und P. SPRINGER: Das Kölner Dom-Mosaik. Ein Ausstellungsprojekt des Historismus zwischen Mittelalter und Moderne, (Studien zum Kölner Dom, 3), Köln 1991. Weitere Hinweise bei B. DENEKE/R. KAHSNITZ (Hrsg.): Das Germanische Nationalmuseum Nürnberg 1852– 1977. Beiträge zu seiner Geschichte, München–Berlin 1978 u. S. SCARROCCHIA: Essenwein a Trento. Tra Vienna, Colonia e Norimberga, in: PRIMERANO/SCARROCCHIA 2008, S. 47–70. Die ersten Studien dazu wurden von Domenica Primerano, der Vizedirektorin des Diözesanmuseums von Trient, und mir vorgenommen, dann von Adriano Peroni im Rahmen einer kunstgeschichtlichen Untersuchung der Kathedrale San Vigilio wieder aufgenommen und schließlich von Primerano und Michele Anderle in einer Darstellung der Restaurierungsgeschichte der Kathedrale in der Übergangszeit vom 19. zum 20. Jahrhundert zusammengefasst. Vgl. D. PRIMERANO/S. SCARROCCHIA: August Essenwein e il restauro a Trento nella seconda metà dell'Ottocento, in: Restauro e Città, 3, 8/9, 1987, S. 54–64 (Teil I) u. ebenda, 4, 11/12, 1989, S. 9–24 (Teil II). Dort auch die italienische Übersetzung von Essenweins handgeschriebenem Projekt für die Restaurierung der Kathedrale (A. ESSENWEIN: Progetto di restauro del Duomo di Trento, in: Restauro e Città, 3, 8/9, 1987, S. 65–98 u. ebenda, 4, 11/12, 1989, S. 25–46); wieder abgedruckt in: PRIMERANO/SCARROCCHIA 2008, S. 545–551 bzw. S. 553–559; A. PERONI: La cattedrale trentina prima e dopo il Concilio: Gli accrescimenti e i restauri moderni, in: Il duomo di Trento. Architettura e scultura, E. Catelnuovo/A. Peroni (Hrsg.), Bd. 1, Trento 1992, S. 55–101; D. PRIMERANO/M. ANDERLE: Restauro, conservazione e ri-produzione negli interventi operati sulla cattedrale di San Vigilio tra Ottocento e novecento, in: In factis mysterium leggere. Miscellanea di studi in onore di Iginio Rogger in occasione del suo ottantesimo compleanno, E. Curzel (Hrsg.), (Pubblicazioni dell'Istituto di Scienze Religiose in Treno, Series maior, 6), Bologna 1999, S. 605–637. A. ESSENWEIN: Die Entwicklung des Pfeiler- und Gewölbe-Systems in der kirchlichen Baukunst vom Beginne des Mittelalters bis zum Schluße des XIII. Jahrhunderts, Wien 1858.
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torische Struktur in eine neue Interpretation des Bauwerks einbezieht. Nicht zufällig findet es die Anerkennung des Präsidenten der ZK und kann deshalb als Beispiel für das Werden der staatlichen Denkmalpflege in Österreich betrachtet werden.190 Es bedeutet außerdem den Beginn der unermüdlichen Tätigkeit des Architekten und Restaurators, die sich an den Kölner Baustellen der romanischen Kirchen Sankt Maria im Kapitol, Groß-Sankt Martin, Sankt Gereon, Sankt Kunibert und des Doms fortsetzt und in der Erweiterung und Neuorganisation des Germanischen Museums in Nürnberg gipfelt, zu dessen Leiter und Erneuerer er ernannt wird.191 Essenweins Projekt für die Restaurierung des Doms von Trient sieht außer der strukturellen Festigung des Hauptschiffes, der Erneuerung der durch einen Schneefall zerstörten Dachdeckung, einem neuen südlichen Glockenturm und einer neuen Spitze des nördlichen Glockenturms auch Eingriffe im Innenraum vor, wie die Rekonstruktion der Krypta, die Dislozierung der Orgeltribüne und die Dekoration der Orgel, eine neue Dekoration der Gewölbe und die Erneuerung des Fußbodens, der Fenster und der Portale. Es muss besonders hervorgehoben werden, dass das Projekt für den Dom von Trient, was seinen Umfang betrifft, Essenweins in den romanischen Kirchen von Köln vorgenommene Eingriffe vorweg nimmt, die eine wichtige Hinterlassenschaft für die Geschichte der Kirchenkunst und der rheinischen Denkmalpflege darstellen. Die Tatsache, dass nur ein sehr geringer Teil des Projektes zur Ausführung gelangte, mindert jedoch nicht seinen didaktischen und programmatischen Wert. Nicht ohne Grund wird es zu einem Bezugspunkt für die ganze folgende Restaurierungsgeschichte. Es muss auch darauf hingewiesen werden, dass die Essenweinsche Fensterrose der Westfassade 1965 ersetzt wurde und für diese keine Dokumente mehr existieren, was nicht nur die örtliche Gleichgültigkeit deutlich macht, sondern auch die tiefe Unkenntnis der deutschen Fachliteratur dem Beitrag des großen Restaurators und Wissenschaftlers gegenüber. Um den ernsten statischen Problemen der Wölbung und des Hauptschiffes, die auch Friedrich von Schmidt bei einer Inspektion persönlich festgestellt hatte, entgegenzuwirken, wird die Leitung der Restaurierung des Doms zu Beginn der 1880er Jahre Enrico Nordio anvertraut. Nordio, gebürtiger Triestiner und ehemaliger Schüler Schmidts in Wien, war zu jener Zeit Direktor der Schule für angewandte Kunst in Trient.192
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FRODL 1988. Leider wird Essenweins Nachlass im erst kürzlich neu gestalteten Germanischen Nationalmuseum kaum oder gar nicht in Betracht gezogen. S. dagegen G. U. GROSSMANN: Architektur und Museum. Bauwerk und Sammlung. Das Germanische Nationalmuseum und seine Architektur, (Kulturgeschichtliche Spaziergänge im Germanischen Nationalmuseum, 1), (Jahresgabe für die Freunde und Förderer des Germanischen Nationalmuseums, 1997), Ostfildern–Ruit 1997. Zu Nordio s. Enrico Nordio. 1851–1923. Disegni di architettura. Dalla raccolta dell'Istituto Statale d'Arte di Trieste. [Anlässlich der Ausstellung, Trieste, Civico Museo Revoltella, 29.10.–27.11.1994], Ausstellungskatalog Trieste 1994, Trieste 1994 u. G. CONTESSI: Nelle province dell'Impero. Enrico Nordio architetto tra neogotico e neorinascimento, in: PRIMERANO/SCARROCCHIA 2008, S. 193–201. Zum Geschehen in Trient beziehe ich mich auf D. PRIMERANO/M. ANDERLE (zit. Anm. 188).
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Sein Projekt weicht aus zwei Motiven von Essenweins Entwurf ab. Es konzentriert sich erstens auf die Versteifung der Baustruktur durch Begradigung und Erhöhung der Gewölbekämpfer des Hauptschiffes und zweitens auf die Gestaltung neuer Teile wie der Strebebögen an der Westfassade und der Türmchen des Kuppeltambours, die sich auf traditionelle, vor allem lombardische Vorbilder bezieht. Nordio bleibt also der historistischen Schule enger verbunden und folgt den Auffassungen Schmidts.193 Nordios Restaurierung fand in den 1880er Jahren statt, nachdem die ZK die im Hauptschiff und an der Westfassade ausgeführten Arbeiten gebilligt hatte. Bezüglich der Türmchen des Tambours und der endgültigen Lösung der Erneuerung der Kuppel machte sie jedoch einige Einwände. Die interessanteste Phase, in der sich an diesem Beispiel des Doms von Trient jene neue Orientierung der ZK zeigte, die zu Riegls und dann zu Dvoøáks Zeiten herangereift war, bestand in der Vollendung der Arbeiten durch Natale Tommasi 194 und die für die Malereien zuständigen Restauratoren, die direkt aus Wien dazu entsandt worden waren. Von 1903 bis 1907 restaurierte Tommasi die Galerien und die Tympana wie auch den unteren Teil des Glockenturms, um dann die Sicherung des Nordportals vorzunehmen, die 1913 abgeschlossen wurde. Dabei kam es zu Auseinandersetzungen mit den Vertretern der ZK, insbesondere mit Julius Deininger, über zwei neuralgische Fragen, die die neuen Bekrönungsbögen der Galerie der Nordfassade und die Ersetzung der schadhaften Steine betrafen. In beiden Fällen zeigten die Vertreter der staatlichen österreichischen Denkmalpflege eine neue und stärker konservative Tendenz. Sie waren gegen eine stilistische Vervollständigung der Bögen und für eine behutsame Lösung, die es ermöglichte, die Bauelemente der instand zu setzenden Teile «Stein für Stein» zu befunden, um die Baustruktur möglichst wenig zu verändern. Die Restaurierungsarbeiten der Fresken wurden 1910 von dem Restaurator der kaiserlichen Sammlungen und Spezialisten der ZK, Hermann Ritschl 195, unter Mitarbeit von Gustav Hartinger und Paul Unbereit, vorgenommen. Außer Deininger beschäftigten sich auch Riegl und Dvoøák direkt mit den Baustellen in Trient. Riegl nahm zwischen 1903 und 1904 gründliche Inspektionen im Trentino vor, über die er diverse Berichte verfasst, von denen zwei die Arbeiten be-
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Die zahlreichen Vorarbeiten zu dem Projekt wurden kürzlich von Giovanni Dellantonio, Soprintendenza per i Beni Storico Artistici Trento, im Tiroler Landesarchiv, Innsbruck, Baudirektionspläne R 8, aufgefunden und veröffentlicht, in: PRIMERANO/SCARROCCHIA 2008, Kat.-Nrn. 22, 23, 25, 27–30, 32–47. Zu Tommasi siehe M. CUNACCIA/F. PONTATI: Natale Tommasi (1853–1923) e i rilievi acquarellati del Buonconsiglio, in: Un museo nel Castello del Buonconsiglio. Acquisizioni, contributi, restauri. [Trento, Castello del Buonconsiglio, 2 giugno–3 settembre 1995], L. Dal Prà (Hrsg.), Ausstellungskatalog Trento 1995, Trento 1995, S. 79–85; Tommasi, Natale, in: BRÜCKLER/NIMETH 2001, S. 274 u. M. CUNACCIA: Natale Tommasi e il progetto di restauro e di riforma dei timpani del Duomo di Trento, in: PRIMERANO/SCARROCCHIA 2008, S. 203–231. Ritschl, Hermann, in: BRÜCKLER/NIMETH 2001, S. 226.
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treffen, die zur Instandhaltung und Restaurierung des Castello del Buonconsiglio und der Gobelins des neuen Trienter Diözesanmuseums ausgeführt werden sollten. Diese Dokumente sind zumindest aus zwei Gründen äußerst wichtig: erstens, weil sie die verbreitete Meinung, Riegls Tätigkeit auf dem Gebiet der Denkmalpflege habe im Wesentlichen theoretischen Charakter gehabt, widerlegen und zweitens, weil sie ein großes Interesse seitens der kaiserlichen Institution für dieses Land zeigen, dem auch unter kulturellem Aspekt strategische Bedeutung beigemessen wird.196 Dvoøáks Präsenz in Trient ist zumindest bis heute nicht dokumentiert. Seine Berichte und Beiträge zu Trienter Problemen erlauben uns jedoch, einige Überlegungen sowohl zu seiner Haltung als Konservator als auch zu der Entwicklung der zentralen Institution im Allgemeinen anzustellen. Dvoøák scheint hier Riegls Vorbild nicht zu folgen. Wie wir bei der nachfolgenden Kommentierung seiner Schriften zur Denkmalpflege feststellen werden, war er mit Arbeit überlastet. Die Ersetzung von Honorarreferenten durch spezialisiertes Personal hatte noch nicht stattgefunden, wurde aber erwartet und angekündigt. Durch die insgesamt bevorstehende Neuorganisation der Wiener Denkmalpflege hatten die Verpflichtungen ihres Leiters zu einer aktiven Präsenz stark zugenommen, es konnte jedoch kaum mit einer Unterstützung durch Honorarmitglieder gerechnet werden. Unter Riegl hatte die ZK die Prinzipien der Denkmalerhaltung allgemein anerkannt, unter Dvoøak wurde sie dafür technisch und bürokratisch ausgestattet.197 Aus einer genauen Durchsicht der Mitteilungen, insbesondere der Sitzungsprotokolle, geht hervor, dass Dvoøák die negative Meinung der ZK zu dem Projekt, den Dom freizulegen und somit das «Schlösschen» zu isolieren, beeinflusst oder zumindest unterstützt hatte198, treu dem Prinzip, ein einheitliches Ambiente zu bewahren. In den Protokollen, die im historischen Archiv des Castello del Buonconsiglio aufbewahrt werden, lassen sich fünf interessante Fälle feststellen, bei denen sich Dvoøák mit Trienter Themen beschäftigt. So versucht er, Natale Tommasi von seiner Absicht abzubringen, die Kunstgegenstände ins Schloss zurückzubringen, die verlagert worden waren, als das Schloss als Kaserne benutzt wurde. Bei der zweiten Gelegenheit geht es um Feuerschutznormen und -maßnahmen, mit denen sich schon Riegl in einem sehr ausführlichen Bericht befasst hatte. Dvoøák beschränkt sich darauf, die Regeln der ZK zu wiederholen, die eine Abweichung von den bestehenden Vorschriften im Namen eines höheren Rechts der Denkmalpflege vorsehen. Es geht also wieder um die Beachtung des monumentalen Gesamtbildes, dem sich in diesem Fall
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Hierzu ausführlich A. RIGO: Alois Riegl in Trentino (1903–1904). Der moderne Denkmalkultus: un viaggio nella prassi, in: Ananke, 1998, Nr. 21, S. 4–30 u. derselbe: La corrispondenza di Alois Riegl dal Trentino. Viaggio nella «pratica dei valori», in: PRIMERANO/SCARROCCHIA 2008, S. 147–153. S. unser Kap. V, S. 152. MKZ, 3. F., 10, 1911, Sp. 79. Eine genaue Aufarbeitung der MZK wurde seinerzeit durch Gerhard Seebach im Rahmen einer durch das Museo Diocesano Tridentino angeregten Untersuchung zur Restaurierungsgeschichte des Doms vorgenommen. Die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen.
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selbst die Sicherheitsvorschriften beugen müssen. Bei der dritten Gelegenheit bittet er den für Tirol zuständigen Konservator, Prof. Rudolf Dannesberger, um Informationen über den Architekten Mario Sandonà, Mitarbeiter von Tommasi und dessen Nachfolger in den Restaurierungen der folgenden Jahre. Dvoøák will sich so ein Bild machen über die Absichten der Restauratoren, die am Castello del Buonconsiglio am Werk sind. Bei der vierten Gelegenheit handelt es sich um Tommasis Vorschlag, die Restaurierungsarbeiten am Schloss zu veröffentlichen. Dvoøák antwortet ihm darauf in hartem Ton: «Die Zeit, wo einzelne hervorragende Bauwerke als Motivenschatz für Architekten publiziert wurden, ist vorbei und es ist nicht zu wünschen, dass sie wiederkehrt». Er übernimmt diese Antwort später wortwörtlich in seinen Beiträgen zur Kunsttopographie und zu den Kriterien der Inventarisierung. Die fünfte Gelegenheit betrifft Tommasis Projekt für die Restaurierung des Castello del Buonconsiglio. Dvoøák lehnt es rundweg ab. Es handelt sich bei seiner Ablehnung um ein wichtiges Dokument, von dem im Folgenden einige Auszüge hervorgehoben werden sollen. Essenwein hatte dem Castello del Buonconsiglio ein im Wesentlichen rekonstruktives Projekt gewidmet, das wahrscheinlich um 1859, jedenfalls später als sein Projekt für den Dom zu datieren ist.199 Die ZK hatte Natale Tommasi 1896 mit dem Projekt für das Schloss beauftragt, das somit seiner Arbeit am Dom vorausgeht. Dvoøák nahm dagegen dezidiert Stellung: Auch wenn sich die ZK ursprünglich für dieses Projekt ausgesprochen hätte, könne doch «dessen Ausführung nach den heutigen Anschauungen kaum in Betracht gezogen werden […]. Es strebt eine Rekonstruktion des Schlosses an, die mit den heutigen Gesichtspunkten, nach welchen jedes Denkmal und insbesondere ein Denkmal von solcher Bedeutung wie das Kastell in der überlieferten dokumentarischen Form zu erhalten ist und alle historisierenden Ergänzungen und Erneuerungen streng zu vermeiden sind.»200 Die Stellungnahme Dvoøáks ist apodiktisch und unwiderruflich und stimmt mit den Auffassungen überein, die er zur Wiener Altstadt, zu Split und vor allem aufgrund der typologischen Affinität zu Krakau und Prag geäußert hatte und die klar und unmissverständlich die Linie wiedergeben, der die österreichische Denkmalerhaltung folgte. Auch in Trient lehnte die nationale Denkmalpflege der Nachkriegszeit die habsburgische Hinterlassenschaft im Wesentlichen ab. In dem Kommentar, den eine bedeutende Persönlichkeit wie der italienische Sopraintendente von Trient,
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Vgl. Teil II der von Primerano und Scarrocchia vorgenommen Untersuchung (zit. Anm. 188). Archivio provinciale di Trento, Zentral-Kommission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst und historischen Denkmale di Vienna, Fascicolo Nr. 324, Trento. Castello del Buonconsiglio, 1901– 1915, Protokolle 5/1906 (28.12.); 1069/1905 (26.05); 2469/1906 (24.09); 1114/1907 (24.04); 3629/1907 (14.12.), (aus den zwei letzten Protokollen stammen die beiden oben wiedergegebenen Zitate, die entsprechenden Schriftstücke sind hier vollständig als Texte II.B.2.1 und II.B.2.2 wiedergegeben). Die Protokolle des Castello del Buonconsiglio wurden von Cecilia Betti im Rahmen eines Forschungsprogramms untersucht, zu dem auch die Übersetzung von Dvoøáks Schriften zur Denkmalpflege gehört. Das Programm wurde von der Accademia Clementina Bologna angeregt und von mir geleitet.
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Giuseppe Gerola, zu dem Projekt von Tommasi abgab, werden «eine Reihe schwerwiegender Veränderungen und sehr eigenmächtiger Hinzufügungen» kritisiert, es werden jedoch auch «viele weise Wiederherstellungen» eingeräumt.201 Auch in Trient geht das wenig geschätzte habsburgische Erbe – man bedenke, dass in dem Schloss die Märtyrer der Unabhängigkeitsbewegung, darunter Cesare Battisti, hingerichtet wurden – verloren. Es beginnt sich jedoch auch die Idee einer Restaurierung durchzusetzen, die nicht die Erhaltung, sondern einen neuen «wertfreien» Historismus anstrebt, der den technischen Gesichtspunkt als einziges Kriterium für die Auswahl seiner Eingriffe gelten lässt. Ein Rest der Wiener Lehre wird in Antonio Morassis Kritik an den am Dom vorgenommenen Restaurierungen deutlich, die er für «verhängnisvoll in ihren Auswirkungen» hält, «und außer Stande, in den Kunstdenkmalen die logische, natürliche und historische Gestalt zu erkennen, jenes Übereinander verschiedener, zu einem neuen Organismus zusammengewachsener Stile».202 Die Äußerung des italienischen Dvoøákschülers gegen die rekonstruktive Restaurierung bestätigt die Gültigkeit der neuen Regeln, die der Begründer der österreichischen Denkmalpflege aufgestellt und weiterentwickelt hatte, die auf der Ähnlichkeit des Denkmalorganismus mit einem natürlichen Organismus beruhen und die kulturellen Werte verteidigen, die uns durch ihn und mit ihm übermittelt worden sind.
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Die Restaurierungsarbeiten im Dom von Aquileia, die Karl von Czoernig zu verdanken sind203, wurden in den 1870er Jahren, der Reformperiode der österreichischen Denkmalpflege, in Angriff genommen. Die Arbeiten hatten eingehende Untersu-
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G. GEROLA: Il restauro del Buon Consiglio, in: Bollettino d'arte, 17, 1923/24, S. 464–469, hier Anm. 9; Gerola wiederholt diese Auffassungen in derselbe: Il Castello del Buonconsiglio nelle sue vicende e nel suo ripristino, Trento 1931. Dazu A. TURELLA: Tra tutela dei monumenti e recupero della tradizione artistica locale: Giuseppe Gerla e l'insediamento dell'Ufficio di Antichità e Belle Arti a Trento, in: PRIMERANO/SCARROCCHIA 2008, S. 311–329. A. MORASSI: Le traversie del Duomo di Trento nel secolo scorso, in: Studi Trentini, 11, 1930, S. 29– 35. Zu Morassi s. Antonio Morassi alla scuola di Max Dvoøák. Per i settant'anni di Teresio Pignatti, W. Dorigo (Hrsg.), (Quaderno di Venezia arti), Roma 1992; D. CLINI: Breve nota su Antonio Morassi, in: PRIMERANO/SCARROCCHIA 2008, S. 333–337. Czoernig war Mitbegründer der ZK und eng mit der Stadt Görz und der Kulturlandschaft Friauls verbunden; FRODL 1988, S. 85 ff.; Czoernig von Czernhausen, Karl, in: BRÜCKLER/NIMETH 2001, S. 43 f.; S. TAVANO: I monumenti fra Aquileia e Gorizia 1856–1918. La cura, gli studi e la fototeca del Seminario Teologico Centrale, (Ricerche per la storia della chiesa in Friuli, 1), Udine–Gorizia 1988, S. 31. Zu Czoernig in Istrien siehe: S. TAVANO: Karl von Czoernig da Vienna a Gorizia (1850–1889), in: Karl von Czoernig fra Italia e Austria. [Atti del convegno di studi su Karl von Czoernig nel centenario della morte, Gorizia, 15 dicembre 1989], (Fonti e studi di storia sociale e religiosa, 8), Kongressakt Gorizia 1989, Gorizia 1992, S. 79–140. Eine nützliche und kritische Untersuchung lieferten CASTELLAN 1988 u. D. CASSAN: I restauri promossi dalla Zentral Kommission nella Basilica patriarcale di Aquileia, in: PERUGINI/FAGIANI 2008, S. 171–184.
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chungen und Ausgrabungen zur Folge, die von Graf Karl von Lanckoroñski, dem Vizepräsidenten der ZK, gefördert wurden und in einer wichtigen, ausführlichen Veröffentlichung ihren Niederschlag fanden. Der wissenschaftliche Teil wurde von dem Archäologen Heinrich Swoboda, der die Aufnahmen betreffende Teil von dem Architekten Georg Niemann betreut.204 In dieser Zeit wurden in der Apsis die Stuckverzierungen aus dem 18. Jahrhundert beseitigt, sodass der Freskenzyklus, der auf den unter dem Patriarchen Poppo wieder aufgebauten und 1031 eingeweihten Dom zurückgeht, und der spätere Zyklus mit der Legende der Heiligenfiguren Hermagoras und Fortunatus wieder ans Licht kamen. Dvoøák zählt diese Fresken zu «den wichtigsten Denkmalen der mittelalterlichen Kunst in Österreich».205 Die Fresken zeigten starke Spuren der vor dem Auftragen des Stuckdekors mit dem Spitzeisen durchgeführten Aufrauung. Die Beseitigung des Stucks hatte einen weiteren Zerfall der Freskenoberfläche mit sich gebracht. Nachdem man diverse Restaurierungsproben gemacht hatte, legte Dvoøák die Richtlinien für die Restaurierung fest: Er sprach sich für einen minimalen Eingriff mit neutraler Retusche im Lokalton, ohne Erneuerung der Konturen, aus. Das heißt mit Dvoøáks Worten: «ohne dass irgendeine Verfälschung stattfinden würde, da bei den so getönten Ausfüllungen selbstverständlich jede Einzeichnung oder Modellierung vermieden werden muss». Wie er betonte, handelte es sich dabei nicht um allgemeine Normen, sondern um die Anwendung des Grundprinzips der ZK auf den Einzelfall. Seit Riegl sah nämlich die ZK Aufgabe und Ziel von Restaurierungsarbeiten darin, Kunstwerke im überkommenen Zustand zu erhalten.206 Gerade in Aquileia hatte Riegl mit der Ausarbeitung eines Programms für die Erhaltung des zum Dom gehörigen Glockenturms Gelegenheit gehabt, die Erhaltung der von der Zeit hinterlassenen Spuren, d. h. des Alterswertes, als Grundprinzip bei dem Eingriff zur Konsolidierung bzw. Auswechslung der nicht wiederherstellbaren Steinquader festzulegen. Der Eingriff bestand aus einer teilweisen Verfugung mit hellem Wasserkalkmörtel, wobei versucht wurde, «die stimmungweckende Wirkung dieser Fugen» so wenig wie möglich zu verändern, da Riegl sie als nicht reproduzierbar erkannt hatte.207 Die Entfeuchtung der Grundmauern, die 1909 im Zusammenhang mit den Ausgrabungen stattfand, zeitigte ein Ereignis, das die internationale Aufmerksamkeit auf den monumentalen Komplex richtete. Unerwartet tauchte nämlich ein um 310 entstandener, dem Patriarchen Theodorus gewidmeter Mosaikenzyklus aus dem Zeitalter Konstantins auf. Verglichen mit dem Bilderzyklus in der Basilika Santa Maria
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C. v. LANCKOROÑSKI-BRZEZIE/G. NIEMANN/H. SWOBODA: Der Dom von Aquileia. Sein Bau und seine Geschichte, Wien 1906. DVOØÁK 1907/3. Hier abgedruckt als Text I.4.9, S. 397. Für eine kritische Untersuchung s. M. KOLLER: Teoria e prassi negli interventi di restauro effettuati dalla Zentral-Kommission in Austria, in: PERUGINI/FAGIANI 2008, S. 39–52. S. J. Hermann und A. Riegl in der Sitzung vom 8.1.1904, Sitzung vom 8. Januar 1904, in: MZK, 3. F., 3, 1904, Sp. 9.
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Maggiore aus späterer Zeit (Ende 4. bis Anfang 5. Jahrhundert), über dessen Bedeutung zur selben Zeit nur unsichere und fragmentarische Aussagen gemacht werden konnten, handelte es sich dabei um «eine ganze Pinakothek von Gemälden aus der entscheidenden Periode mit unwiderlegbarer Beweiskraft».208 Dvoøák betonte sofort, dass damit eine Lücke in der Kenntnis der Entwicklung der frühchristlichen Kunst ausgefüllt werde. «Sie sind der weitaus umfangreichste Gemäldezyklus, der sich uns im Original aus dem Zeitalter Konstantin des Großen erhalten hat, und zeigen dasselbe Nachlassen in der Behandlung der zeichnerischen und plastischen naturalistischen Form, wie wir es bei den Skulpturen aus derselben Zeit beobachten können, dagegen eine Steigerung in der Auflösung der Form in die farbigen Valeurs, die zu den Wunderwerken in S. Maria Maggiore hinüberleitet.»209 Die Entdeckung warf das große Problem von Ausgrabungen und archäologischen Funden an einem liturgischen Ort auf, mit der daraus folgenden Notwendigkeit, den Gebrauchswert mit dem kunsthistorischen Wert zu vereinbaren, ohne den Rieglschen Alterswert aus dem Auge zu verlieren, was für Dvoøák bedeutete, die Zeitspuren, d. h. den überkommenen Zustand, zu bewahren. Er stellte folgende Richtlinien für die Restaurierung auf: 1. möglichst vollständige Sichtbarkeit des Mosaikzyklus; 2. Bewahrung der Gesamtgestalt der Basilika in dem überkommenen Zustand; 3. Ausgleich zwischen kunsthistorischem Wert, Alterswert und liturgischem Wert. Bezüglich dieses Punktes sah er 4. vor, einen Teil des Zyklus zu dokumentarischen Zwecken an seiner ursprünglichen Stelle (der Ausgrabungsstelle) zu belassen; 5. den Teil des Zyklus, der sich im Hauptschiff und im nördlichen Schiff befand, zu nivellieren, indem man den Fußboden in dem Zustand wiederherstellte, in dem er sich vor den Ausgrabungen befunden hatte. Dvoøák verwarf folgende ebenfalls gemachte Vorschläge: Belassen der Funde an der Ausgrabungsstelle und Wiederherstellung der vor den Ausgrabungen bestehenden Bodenhöhe durch einen Zementfußboden, wodurch jedoch dem Publikum die Sicht verbaut worden wäre; Verlagerung in eine allerdings noch nicht bestehende Museumsstruktur; Übertragung der aufgefundenen Mosaike auf die Kirchenwände, was aber ihrer Historizität und der Architektur der Kirche widersprochen hätte. Da man beim Beginn der Bauarbeiten sofort die Unmöglichkeit erkannte, die Mosaike von der Fundstelle auf die Höhe des ehemaligen Fußbodens zu übertragen, optierte man für einen Minimaleingriff. Das von Karl Holey entwickelte Projekt wurde von dem Architekten Anton Gnirs ausgeführt.210 Es umfasste die Sicherung der Mosaike an der Fundstelle, die Ausfüllung fehlender Teile durch Steine in
208 209 210
DVOØÁK 1909/1. Hier abgedruckt als Text I.4.10, S. 398. Ebenda. A. GNIRS: Die Basilika in Aquileja. Bericht über die gelegentlich der Restaurierungsarbeiten im Jahre 1914 beobachteten Funde, in: MZK, 3. F., 14, 1915, S. 59–68 und derselbe: Die Basilika in Aquileja. Bericht über die gelegentlich der Restaurierungsarbeiten im Frühjahre 1915 beobachteten Funde, ebenda, S. 133–135. Zu Gnirs s. Gnirs, Anton, in: BRÜCKLER/NIMETH 2001, S. 84 f, zu Holey s. Holey, Karl, in: BRÜCKLER/NIMETH 2001, S. 113 f.
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neutraler Farbe, die Steinverkleidung der Säulenfundamente in Form von Sitzmöglichkeiten sowie den Bau von Treppen zum Eingang und zum Presbyterium. Die Aufsehen erregende Entdeckung und der Zeitdruck bei der Ausführung der Arbeiten kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges hatten zur Folge, dass der mittlere Teil der Mosaike, die vermutlich aus der Zeit nach Attila stammten, verloren ging211 und dass man die Restaurierung der frühchristlichen Mosaike nicht fortsetzen konnte, die bei den Ausgrabungen an der Umfassungsmauer entdeckt und ans Licht gebracht worden waren. Die Eingriffe und die Entdeckungen im Dom von Aquileia während der Zeit der österreichischen Denkmalpflege führten zu einer Aufwertung des monumentalen Komplexes, mit der sich außer Dvoøák auch zwei seiner istrischen Schüler, Leo Planiscig und Antonio Morassi, befassten.212 Morassi gelang es auch, die unmittelbar darauf folgende Zeit der italienischen Denkmalpflege ohne nationalistische Ressentiments zu betrachten. In jener Zeit wurden die archäologischen Ausgrabungen zu Ende geführt und der Mosaikzyklus an der Außenwand des Doms instand gesetzt. Die Besucher können ihn heute durch einen vor kurzem gebauten Umgang aus Glas und Stahl betrachten. Der Geltungsdrang der italienischen Denkmalpflege hatte jedoch zur Folge, dass man über die Wiederherstellung der Apsis, die Morassi für plausibel und nützlich hielt, hinausging und in den dreißiger Jahren die Steinverkleidung der Säulenfundamente und die Flachdecke aus österreichischer Zeit beseitigte sowie in den fünfziger Jahren den Verputz außen und innen, mit Ausnahme jenes der Seitenschiffe, komplett entfernte. In den 1960er Jahren ging man so weit, die Ergänzung der fehlenden dritten Bogenöffnung im Atrium und die Beseitigung des Ziboriums zu planen, das die 1881 von Franz Joseph gestiftete Orgel enthielt.213 In diesem Fall entsprach die angewendete Methode («critica operativa» nach Zevi und Tafuri) einem historiographischen Geltungsdrang, der nichts mit der Wiener Schule und ihren Bestrebungen zu tun hatte, historische Schichtungen so weit wie möglich zu erhalten und Eingriffe auf ein Minimum zu beschränken.214
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Dvoøáks für das ethische Niveau der österreichischen Denkmalpflege beispielhafte moralische Position tritt bei seiner Verteidigung der Denkmale im Ersten Weltkrieg deutlich hervor. Sein diesbezüglicher, in einem von Paul Clemen herausgegebenen Doppelband veröffentlichter Bericht215 legt davon hinreichend Zeugnis ab. Dvoøák beschreibt darin vor allem das letzte Jahrzehnt der Reform der Institution, die er selbst auf «ideelle Zentralisierung und praktische Dezentralisierung» ausgerichtet hatte. Die Maßnahmen, die in den Kriegsgebieten getroffen werden sollten, gehörten somit zur Kompetenz der dezentralisierten Organe. Es folgt eine Liste der Maßnahmen, die in den Gebieten der italienischen Front, insbesondere im Friaul, und der russischen Front, insbesondere in Galizien und dem zu Russ-
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land gehörigen Polen, getroffen worden waren. Die veröffentlichten Dokumente belegen, wie die ZK den militärischen Befehlshabern gegenüber agierte, um durch Koordination entsprechender Maßnahmen Denkmale in den besetzten Gebieten zu retten. Ein Dokument verdient darunter besondere Aufmerksamkeit. Es handelt sich um die Anweisungen für den Schutz der italienischen Territorien, für den Hans Tietze verantwortlich war. Die Anweisungen lauteten: Verbleib des Kunstbesitzes an Ort und Stelle, genaue Katalogisierung der gesamten Kunstwerke (Beschreibung, Lokalisierung, Nachweis des Eigentümers, Feststellung des Sicherheitsgrades und des vorgesehenen Depotortes), Registrierung ihrer Beschädigungen, Entfernung oder Verlegung sowie ein monatlicher Rechenschaftsbericht, Genehmigung militärischen Sonderurlaubs im Zusammenhang mit diesen Dienstleistungen.216 Eine zusätzliche Anweisung betont: «Wo private Sammlerbegierden oder materielle Sonderinteressen auftreten, ist solchen Auswüchsen mit aller Schärfe entgegenzutreten; es darf kein Werk der Kunst und Wissenschaft ohne Nötigung zerstört, keines ohne ausdrückliche schriftliche Erlaubnis von seiner Stelle entfernt werden».217 Auch im Kriegszustand wird so die Wiener Auffassung vom Denkmal aufrechterhalten und in «anthropologischem» Sinn auch auf weniger bedeutende Denkmale übertragen. Der wichtigste Aspekt von Dvoøáks Bericht kommt jedoch auf der letzten Seite zum Ausdruck, auf der die Bilanz der effektiv ausgeführten Tätigkeiten gezogen wird. Obwohl Dvoøák als Generalkonservator jene Macht vertrat, die den Krieg begonnen hatte und die durch den Krieg zugrunde ging, findet sich bei ihm keine Spur irgendeines Ressentiments dem Feind gegenüber, höchstens ein Bedauern darüber, dass er nicht mehr hatte tun können, weil ein österreichisches Denkmalschutz-
211 212
213
214
215 216
217
Vgl. L. BERTACCHI: La basilica postattiliana di Aquileia. Relazione preliminare dei recenti scavi, in: Aquileia Nostra, 42, 1971, Sp. 15–54. DVOØÁK 1911/2. Hier abgedruckt als Text I.3.6, S. 313. L. PLANISCIG: La Basilica d'Aquileja, in: Emporium, 33, 1911, S. 274–293; A. MORASSI: La «mia» basilica, in: Aquileia Nostra, 2, 1931, Sp. 99–118; derselbe: Il restauro dell'abside della basilica di Aquileia, in: Bollettino d'Arte, 3, Serie 2, 1923–24, S. 75– 94; derselbe: Restauri e scoperte di pitture nella Venezia Giulia, ebenda, S. 419–431; derselbe: Monumenti d'Aquileia restaurati dopo guerra. in: Architettura e Arti Decorative, 4, 1925, S. 281–287. Seltsamerweise wurde der Vorschlag 1969 von Sergio Tavano gemacht, der in den folgenden zwanzig Jahren der Bedeutung des Vermächtnisses der österreichischen Denkmalpflege im Friaul seine besondere Aufmerksamkeit widmete. Vgl. S. TAVANO: Proposte per la Basilica di Aquileia, in: Iniziativa Isontina, 44, 1969, S. 90–98 und TAVANO 1988. In diesem Zusammenhang s. B. ZEVI: Architettura in nuce, Venezia–Roma 1960. Vgl. Zevis Vorschlag für die Instandsetzung des kleinen Platzes vor dem Dom in Grado, aber auch die kritischen Betrachtungen bei CASTELLAN 1988, S. 70. DVOØÁK 1919/2. Hier abgedruckt als Text I.1.6, S. 250. Die Glaubwürdigkeit solcher Prozeduren wurde kürzlich von Giuseppina Perusini untersucht. Aus direkten Erfahrungen und Familienerinnerungen geht die positive Rolle hervor, die die österreichische Denkmalpflege während des Krieges unter der Leitung von Tietze im Friaul spielte; vgl. G. PERUSINI: L'attivitá della Commissione austro-tedesca per la tutela dei monumenti (Kunstschutzgruppe) nel Friuli occupato (1917–1918), in: PERUGINI/FAGIANI 2008, S. 209–226. DVOØÁK 1919/2, S. 9.
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gesetz fehlte, das man noch kurz vor dem Krieg vergeblich durchzusetzen versucht hatte. Auf diesen Mangel war die bürokratische Langwierigkeit zurückzuführen, die in manchem Fall die Wirksamkeit der Erhaltungstätigkeit verringerte. Vor allem aber wird in Dvoøáks Schlussworten sein Bewusstsein von der besonderen Kriegssituation deutlich: «Ich habe viel von den Zerstörungen in Belgien und Frankreich und auch die ‚Stätten des Todes’ am Isonzo gesehen. […] Wie hätte man einzelne Denkmäler in Gegenden retten können, wo Wochen, Monate, Jahre mit allen technischen Mitteln der Gegenwart gekämpft und alles vernichtet wurde.»218 Am Ende des Satzes fehlt das Ausrufezeichen, es ist nur eine bittere Feststellung. Auf die von ihm selbst gestellte Frage «Wen trifft da die Schuld?» lautet seine Antwort: «Man kann die Anklage nur gegen den Krieg, doch nicht gegen diese oder jene Nation erheben».219 Sie ist ein klares Bekenntnis zum Pazifismus, so wie seine Weigerung, den einzelnen Nationen ihre Vergehen vorzurechnen, eine bewusste Erklärung seines Antinationalismus ist. Diese «Wiener Werte» finden sich in dem allgemeingültigen und, wenn man so will, utopischen Charakter seiner Schlussbetrachtungen wieder. «Doch auch, wo ihm nur ein geringer Erfolg beschieden war, blieb der Kampf um den Denkmalschutz nicht ohne Gewinn. In der Sündflut der gegenseitigen haßerfüllten Vernichtung wirkten in ihm überall ethische Kräfte für allgemeine Kulturgüter der Menschheit und diese Tatsache allein wird gewiß auch fernerhin gute Früchte tragen. Man vermehre die Streitfragen nicht durch neue, sondern begrabe die alten und die Erinnerung an das getrennte und doch ideell gleichgerichtete Wirken, wird das Bewußtsein stärken, daß die Völker Europas über alles politisch und wirtschaftlich Trennende hinweg durch gemeinsame Pflichten den gemeinsamen geistigen Gütern gegenüber verbunden sind und im Interesse ihrer ganzen geistigen Kultur verbunden bleiben müssen.»220 Diese einem Testament vergleichbaren Betrachtungen enthalten Riegls Auffassung des Denkmals als Kulturerbe der Menschheit, wobei das Erhaltungsinteresse über nationale Anliegen hinausgeht. Im Vergleich zu Dvoøáks Betrachtungen erscheinen Clemens Schriften von der Westfront pathetisch, voller nationalistischer Ressentiments und letztlich sogar kindisch. «Clemen stellte sich damit in die Reihe derjenigen Intellektuellen und Künst-
218 219 220 221
222
Ebenda. Ebenda. Ebenda. T. GOEGE: Kunstschutz und Propaganda im Ersten Weltkrieg. Paul Clemen als Kunstschutzbeauftragter an der Westfront, in: Paul Clemen zur 125. Wiederkehr seines Geburtstages, U. MAINZER (Hrsg.), Köln–Kevelaer 1991, S. 149–168. Goeges Arbeit stellt Clemen erbarmungslos als Nationalisten dar. Vgl. auch das umfassende Porträt das Heinrich Lützeler Clemen widmet; H. LÜTZELER: Persönlichkeiten. Konrad Adenauer, Paul Clemen, Kardinal Frings, Johannes XXIII., Erich Rothacker, Max Scheler. Auf der anderen Seite Funktionäre, Bosse, Bürokraten, (Herderbücherei, 668), Freiburg/Br–Basel–Wien 1978, S. 62-81. M. DVOØÁK: Österreichs und Italiens Beziehungen in der Kunstwissenschaft. Hier abgedruckt als Text II.1.4, S. 783. Dazu BLOWER 2009.
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ler, die der These von den ‚zwei Deutschland’, dem geistigen Deutschland Goethes und dem militärischen Deutschland Bismarcks, in dem bekannten ‚Aufruf der 93’ vom 4. Oktober 1914 widersprechen und unter Aufgabe jeglicher Kritikfähigkeit sich bedingungslos dem Militarismus unterworfen hatten».221 Dvoøák dagegen ist ein überzeugter Verteidiger der «Gelehrtenrepublik», was auch aus seiner während des Krieges verfassten Schrift hervorgeht, die den kunsthistorischen Beziehungen zwischen Italien und Österreich gewidmet ist. Sie kann als ein pazifistischer Appell an die italienischen Kollegen verstanden werden, an diese Beziehungen, die Dvoøák für unerlässlich hält, aufs Neue anzuknüpfen. In seiner Schrift lebt die Idee von Italien als geistigem Vaterland Mitteleuropas, d. h. Deutschlands, aber vor allem Österreichs, wieder auf, eine Idee, die auf Winckelmann zurückgeht und in Rumohr, Burckhardt, Müntz, Courajod und Ruskin weiterlebt. Er erwähnt außerdem den besonderen Beitrag, den Thausing, Wickhoff, Riegl, Dollmayr, Tietze und Schlosser zur Wahrnehmung der Eigenständigkeit der römischen Kunst, zur Aufwertung sowohl des Manierismus und Barock, als auch der sogenannten zweitrangigen Künste und des gesamten Kunst- und Kulturbesitz Italiens geleistet haben. All das erklärt nach Dvoøák die besondere Stellung, die Italien an den deutschösterreichischen Universitäten zukommt, in denen mehr Vorlesungen über die italienische Kunst stattfänden als über die eigene, wie auch die Notwendigkeit, eine friedliche Beziehung nicht zu unterbrechen, die für die Entwicklung der Völker diesseits und jenseits der Alpen nur Vorteile bringe und vor allem für Europa von vitaler Bedeutung sei, das ohne die Mittelmeerkultur, deren Zentrum Italien bildet, undenkbar sei. «Denn», so heißt es bei Dvoøak wörtlich, «die europäische Kultur, ihre führende Stellung und ihre immense Evolution beruhte nicht auf der Entwicklung einer Nation oder auf getrennter Entwicklung mehrerer Nationen, sondern auf ihrem geistigen Wettstreite einerseits, andererseits auf Entwicklungsreihen geistigen Zusammenarbeitens, unter denen neben jener, in der sich die Völker des europäischen Westens immer wieder fanden, die wichtigste die war, welche die Völker diesseits und jenseits der Alpen seit Jahrhunderten verbunden hat. Zerstören wir sie, vernichten wir zugleich eine der wichtigsten Voraussetzungen für die weitere Kontinuität der europäischen Kultur und schlagen in das unschätzbare Vermächtnis der alten Mittelmeerkultur eine Bresche, die, nicht mehr ausfüllbar, Europa um einen wichtigen Teil seiner geistigen Prärogativen berauben würde. Und deshalb schließe ich mit Petrarcas Appell: Io vo gridando: pace, pace, pace».222 Dvoøáks Bekenntnis zu Pazifismus und Internationalismus, das sich bei ihm noch auf Mitteleuropa beschränkt, macht seine bitteren Äußerungen zu Kunst und Nationalismus verständlich223, aber vor allem seine Ablehnung des Lehrstuhls, der ihm von der Universität Köln angeboten worden war, die sich nicht allzu weit von der Universität Bonn befindet, an der zuerst Dehio und dann Clemen einen Lehrstuhl innehatten. Verständlich wird so auch seine Weigerung, in sein Heimat-
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7. | DER SCHUTZ
DER
DENKMALE
IM
KRIEG
land zurückzukehren, das inzwischen unter Masaryk zu einer Republik geworden war. Als überzeugter Verfechter der Idee von Italien als geistigem Vaterland Europas konnte er das politische Vaterland dieser Idee, d. h. Österreich, nicht verlassen.
223
«Der eigentliche Grund des Weltkrieges Nationalismus (wie der eigentliche Grund des Dreißigjährigen Krieges die religiöse Intoleranz). Der gegenwärtige Imperialismus beruht auf nationalem Egoismus. […] Gegen nationale Intoleranz.» M. DVOØÁK: Kunst und Nationalismus. Hier abgedruckt als Text II.1.5, S. 788.
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III. DIE VORLESUNGEN ÜBER DENKMALPFLEGE UND DER VORTRAG ÜBER GARTENKUNST
1. DIE VORLESUNGEN
ÜBER
DENKMALPFLEGE
AN DER
UNIVERSITÄT WIEN (1906
UND
1910)
In den letzten 30 Jahren hat die Geschichte der Denkmalpflege und der Restaurierung fast gleichzeitig mit den Studien über das Werden der Kunstgeschichte als Institution begonnen, sich zu einem selbstständigen Fachbereich zu entwickeln.224 Zu dem Beginn der Denkmalpflege als Institution gehören zweifellos die beiden Vorlesungsreihen, die Max Dvoøák in den Sommersemestern 1906 und 1910 zu diesem Thema am Kunsthistorischen Institut an der Universität Wien hielt. Von den Denkmalpflege-Vorlesungen sind uns zwei Manuskripte von 43 bzw. 98 Seiten erhalten. Obwohl sie einige Lücken aufweisen, vermitteln sie uns eine genaue Vorstellung von den didaktischen und wissenschaftlichen Zielen Dvoøáks.225 Die beiden Vorlesungsreihen müssen im Zusammenhang mit seinen Grundgedanken zur Neuorganisation der staatlichen Denkmalpflege gesehen werden. Angesichts der wachsenden Verantwortung und der zunehmenden wissenschaftlichen, technischen und bürokratischen Probleme der Denkmalpflege stellt Dvoøák die berufliche Spezialisierung des Konservators in den Mittelpunkt seiner Neuorganisation. Gleichzeitig plant er die Einrichtung eines kunsthistorischen Institutes als wissenschaftliches Forschungsinstitut. Dazu soll ein für eine begrenzte Teilnehmerzahl bestimmter Ausbildungskurs dienen, an dem nur Studenten teilnehmen dürfen, die schon vier Semester an einem kunsthistorischen Institut oder einem Polytechnikum studiert haben. Der Kurs soll mit einem Praktikum und einem Examen abgeschlossen werden. Der Studienplan soll die folgenden Fächer beinhalten: «1. Österreichische Kunstgeschichte. 2. Denkmalpflege und Heimatschutz. 3. Technischer Kurs. 4. Musealkunde. 5. Die Kunst vom liturgischen Standpunkt. 6. Einführung in die Inventarisierungsarbeiten und Aufnahme der Denkmale. 7. Ausgrabungen. 8. Denkmalrecht
224
225
H. DILLY : Kunstgeschichte als Institution. Studien zur Geschichte einer Disziplin, Frankfurt/M. 1979; G. BAZIN: Histoire de l'histoire de l'art de Vasari à nos jours, Paris 1986: G. AGOSTI: La nascita della storia dell'arte in Italia. Adolfo Venturi: dal museo all'università 1880–1940, Venezia 1996; A. GEBEßLER/W. EBERL: Schutz und Pflege von Baudenkmälern in der Bundesrepublik Deutschland. Ein Handbuch, Köln [u.a.] 1980; HUSE 1984; FRODL 1988; J. JOKILEHTO: A history of architectural conservation, (Butterworth-Heinemann Series in Conservation and Museology), Oxford 1999; M. P. SETTE: Il restauro in architettura. Quadro storico, (Architettura), Torino 2001. M. DVOØÁK: Denkmalpflege, Vorlesungsmanuskripte, 1906 bzw. 1910. Hier abgedruckt als Texte II.1.1, S. 747 bzw. II.1.2., S. 759.
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1. | VORLESUNGEN
ÜBER
DENKMALPFLEGE
AN DER
UNIVERSITÄT WIEN (1906
UND
1910)
und Verwaltung.»226 Außerdem sollen auch diejenigen Konservatoren der ZK und der Landeskommissionen, die schon eine Fachausbildung an einer humanistischen Fakultät oder einem Polytechnikum erhalten haben, an einem speziellen Kurs zur Denkmalpflege teilnehmen.227 Dvoøáks Vorlesungen sind bahnbrechend für die deutschen Universitäten, die seinem Vorbild folgen. Sie sind also nicht nur für die Geschichte der Denkmalpflege als Institution bedeutend, sondern auch für die Geschichte der denkmalpflegerischen Didaktik. Es muss deshalb darauf hingewiesen werden, dass man diesen Schulungsvorhaben auf den Jahrestagungen der Denkmalpflege entsprechende Beachtung zuwandte und dass auf der dritten Tagung, die 1903 in Erfurt abgehalten wurde, Georg Dehio darüber Bericht erstattete.228 Er betonte bei dieser Gelegenheit, dass die «dualistische» Ausbildung, d. h. die technische Ausbildung der Architekten und die humanistische der Kunsthistoriker, eine Gefahr für die neue Disziplin darstelle. Dieser Dualismus sei in der Tat Schuld an der Fortdauer von Widerständen gegen die «antirestaurative» Erhaltung des architektonischen Besitzes. Dehio ordnete deshalb an, dass die Denkmalpflege weiterhin eng mit den historischen Disziplinen verbunden werden sollte. Seine zukünftigen Mitarbeiter, sowohl der von der Universität kommende Kunsthistoriker als auch der vom Polytechnikum kommende Architekt, sollten deshalb vor ihrer beruflichen Tätigkeit einen Weiterbildungskurs besuchen oder besser noch ein Praktikum bei einem Denkmalamt absolvieren. Außerdem schlug er vor, dass der Architekt seine Ausbildung mit einem Doktorat in Kunstgeschichte abschließen müsse. In einer solchen technischen und zugleich historischen Ausbildung zum Architekten und Historiker (der Architektur) sah er eine Garantie für eine erfolgreiche Praxis der Denkmalerhaltung. Joseph Neuwirth, Dvoøáks Kollege in der ZK, machte bei dieser Gelegenheit darauf aufmerksam, wie außergewöhnlich Vorlesungen zum Thema «Denkmalpflege» an den deutschen Universitäten noch seien und wie wichtig es deshalb wäre, in die Studienreform des Wiener Polytechnikums ein spezifisches Seminar dazu aufzunehmen, das er selbst zu halten bereit sei. Wie man sieht, handelte es sich um ganz neue, bahnbrechende Überlegungen zu einer heute noch aktuellen Problematik.229
226 227 228 229
Vgl. DVOØÁK 1910/2. Hier gedruckt als Text I.7.1, S. 263. Zu den Implikationen von Dvoøáks Plan zur Neuorganisation s. unsere Kap. IV, S. 133 und V, S. 152. Ebenda. G. DEHIO: Vorbildung zur Denkmalpflege. Erfurt 1903, in: OECHELHAEUSER 1910–13, Bd. 1, S. 13–20. Zu den Jahrestagungen der deutschen Denkmalpflege siehe. Kap. V, S. 152. In Anschluss daran werden in Italien parallel mit dem ersten Studiengang in Denkmalpflege an der Universität Udine Kurse an den höheren Schulen (Kunstgymnasium), Universitäten, Polytechniken und Akademien eingeführt. Über Gründung, Ziele, Horizonte, Kontext und Studienordnung des ersten italienischen Lehrgangs für Denkmalpflege an der Universität Udine vgl. Arte documento. Rivista e collezione di storia e tutela dei beni culturali, 1, 1988. Das acht Semester dauernde Studium zur Erhaltung architektonischer Güter des IUAV in Venedig, zu dem Manfredo Tafuri die Anregung gab und das Paolo Morachiello leitete, kann als Verwirklichung von Dehios Vorschlägen angesehen werden.
124
VORLESUNGEN
ÜBER
DENKMALPFLEGE
UND
VORTRAG
ÜBER
GARTENKUNST | III.
In Dvoøáks Vorlesungsreihe von 1906, die darauf abzielt, den Denkmalwert herauszustellen, lassen sich zwei Argumentationslinien erkennen. Die erste ist eine nicht offen ausgesprochene Kritik an Riegls Theorie der Entwicklung von Werten. Die zweite stellt dem die Entwicklung des Kunstempfindens und der künstlerischen Werte entgegen. Dieselbe Gliederung wird auch in der zweiten Vorlesungsreihe von 1910 beibehalten, allerdings tritt dabei Dvoøáks Absicht entschieden deutlicher hervor, den Begriff «Denkmal» genau festzulegen und seine Auswirkungen auf die Praxis der Denkmalpflege aufzuzeigen. Die uns erhaltenen Abschnitte behandeln tatsächlich ausschließlich den ersten Aspekt. Es ist anzunehmen, dass Dvoøák schon zu dieser Zeit daran dachte, seine Überlegungen zu den Aufgaben der Denkmalpflege in einer abgeschlossenen Form zusammenzufassen und dass sie das Leitmotiv eines zweiten (nicht überlieferten) Teils der Vorlesungen darstellen sollten Wenn man den Katechismus als Schrift betrachtet, in der die praktischen Auswirkungen seiner Überlegungen, wenn auch in einer allgemein verständlichen Form, klar zusammengefasst werden, dann ist das Manuskript als Voraussetzung dazu zu verstehen und als Festlegung des Bereiches, in dem die Untersuchungen stattfinden und angewandt werden sollen. Die Analyse der beiden Manuskripte ergibt eine Kritik an dem Begriff «Denkmal», wie ihn Riegl definiert hatte, sowie an dem «Alterswert» als Grundlage seiner Bewertung und Erhaltungspraxis. Dvoøák erkennt zwar Riegls Definitionen als neu und intelligent an, er neigt jedoch dazu, die Denkmalpflege als zur Kunstphänomenologie und Kunstkultur gehörig anzusehen. Es muss darauf hingewiesen werden, dass er sich in den Vorlesungen nicht darauf beschränkt, die hermeneutische und innovative Bedeutung von Riegls «Alterswert» zu reduzieren, wie er es in seiner in demselben Jahr erschienenen Schrift Denkmalkultus und Kunstentwicklung getan hatte230, sondern dass er auch die historische Entwicklung der Beziehung der modernen Kunst zur klassischen und antiken Kunst untersucht, wobei er die unveränderliche Dominanz der Antike in der Kunstgeschichte kritisiert. Dvoøák sieht die Denkmalpflege und -bewertung im Zusammenhang mit der dynamischen Entwicklung des Kunstempfindens und der Kultur. Die Kritik an Riegls Auffassungen kann als jener Aspekt erscheinen, der in seinen Vorlesungen am deutlichsten hervortritt, aber sein Interesse für die künstlerischen Veränderungen, für eine nicht an Normen gebundene Interpretation der Klassik und ihrer Rezeption wird nicht weniger deutlich. Insbesondere besteht er auf einer Definition der Tradition als lebendigem und kreativem Bezug zur antiken Kunst.231 Ein emblematisches Beispiel für eine so verstandene Tradition stellt für Dvoøák die barocke Kunst dar, die als neue Kunst die antike in sich aufnimmt. Aus denselben Überlegungen geht auch seine Schrift Francesco Borromini als Restaurator aus dem Jahr 1907 hervor. Sie schlägt eine Brü-
230 231
DVOØÁK 1910/3. Dieser kritischen Haltung folgen Aby Warburg, Cesare Gnudi und Francesco Arcangeli.
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2. | VORLESUNGEN
ÜBER
DENKMALPFLEGE
VON
1906: L ANGZEITWIRKUNG
DES
MANIERISMUS
cke von der Kunstgeschichte zur Denkmalpflege und stellt ein bedeutendes Kapitel in Dvoøáks «Phänomenologie der Denkmalpflege» dar.232 Die Vorlesungen sind somit sozusagen ein «Schmelztiegel», in dem seine Auffassungen von den großen Umwälzungen der Kunst, seine «Philosophie der Kunstgeschichte», Gestalt annehmen und zum Ausgangspunkt der schon zitierten «Phänomenologie» werden. Sie bilden die theoretische Basis der «neuen Tradition», die er, wenn auch in der begrenzten Form eines Vortrags, in seinem Beitrag Die letzte Renaissance 233 klar darlegt. In den Vorlesungen deutet sich außerdem eine «Phänomenologie der Betrachtungsweise» an, die die Umgebung, d. h. das gesamte Landschaftsbild, mit einbezieht, also wiederum eine Brücke von der Kunstgeschichte zur Denkmalpflege schlägt. Auf diese Weise führt seine Analyse des Manierismus zum Verständnis der Denkmale.234
2. DIE VORLESUNGEN ÜBER DENKMALPFLEGE DIE LANGZEITWIRKUNG DES MANIERISMUS
VON
1906:
Den ersten Teil seiner Vorlesungen widmet Dvoøák der Erforschung der Beziehung der einzelnen Kunstepochen zu den Denkmalen und Kunstformen der vorhergehenden Epochen. Er geht von der These aus, dass sich in der Blütezeit der römischen Kunst ein Interesse für die ältere antike Kunst gezeigt habe. Ein ähnliches Interesse habe auch die moderne Kunst seit der Renaissance charakterisiert. Es handle sich dabei um eine Art Historismus «ante litteram», um ein Phänomen, das es im Mittelalter nicht gegeben habe, wie die gotische Interpretation der antiken Kunst im Zeichenbuch von Villard de Honnecourt beweise. Eine erste konkrete Auseinandersetzung mit der antiken Kunst zeige sich bei Nicola Pisano und in der klassizierenden Skulpturengruppe der Kathedrale von Reims. Sie erreiche dann ihre höchste Ausdruckskraft bei Brunelleschi. Zum Modell und Bezugspunkt für den Geschmack werde die Antike in der Renaissance, aber erst mit Raffael, Mantegna und Giulio Romano bekomme sie ihre eigentliche Bedeutung und zwar dank der Unabhängigkeit und Reife, die die Kunst dieser Zeit erlangt habe. Auf diese Unabhängigkeit gründe sich dann der Ruinenkult der Barockzeit. Der von Dvoøák gegebene Überblick versucht die Statik der historischen Entwicklung von Werten zu überwinden, wie sie Riegl in seinem Werk Der moderne Denkmalkultus vorgeführt und die Dvoøák selbst später in Denkmalkultus und Kunstentwicklung zusammengefasst hatte.235 Die Grundlage von Dvoøáks Theorie bildet
232 233 234 235
Vgl. hierzu unser Abschlusskapitel VI.1 über das Verhältnis Dvoøák–Riegl, S. 195. Vgl. unser Kap. V über zeitgenössische Kunst und Architektur, S. 152. Vgl. unser Kap. V über zeitgenössische Kunst und Architektur und besonders Paragraph 3.1, in dem die Anwendung des Manierismusbegriffs eingehend dargelegt wird, S. 185. DVOØÁK 1910/3.
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VORLESUNGEN
ÜBER
DENKMALPFLEGE
UND
VORTRAG
ÜBER
GARTENKUNST | III.
immer das Erkennen des zeitgenössischen Kunstwollens als leitende Kraft beim Erkennen des Alterswertes, im Grunde also ein denkmalpflegerisches Interesse. Im zweiten Teil seiner Vorlesungen behandelt er die Entwicklung der Beziehung der zeitgenössischen Kunst zur antiken Kunst in den barocken Kunstwerken eines Michelangelo, Bernini und Borromini und in der Gartenkunst eines Giacomo della Porta und Vignola bis hin zum englischen Garten und zum Ruinenkult. Dvoøáks Überzeugung, dass sich in den künstlerischen Ausdrucksweisen des 18. Jahrhunderts, die von der Romantik wieder aufgenommen wurden, die Bedeutung des Alterswertes konzentriere, wird in seinen Worten deutlich: «Nicht die Altersspuren an und für sich, nicht die Risse und Fugen als ein Merkmal der Zerstörung waren es, die man in dieser Zeit beobachtet hat, sondern die Altersspuren als die Veranlassung von Eindrücken, welche, mit der umliegenden Landschaft zusammengesehen, im Beschauer eine bestimmte Stimmung des Sentiments oder der optischen Sensation erwecken, jener Art, wie sie die Kunst jener Zeit im allgemeinen angestrebt hat. So sehen wir aber, daß weder das Verständnis für die ursprünglich durch Restaurierungen ungestörte Erscheinung eines Objektes, wie auch für die den Altersspuren dieser Objekte entspringenden malerischen Erscheinungswerte, nicht erst in unserer Zeit entstanden ist, sondern schon im 18. Jahrhundert und zu Beginn des 19. Jahrhunderts allgemein als das Resultat der allgemeinen Entwicklung der Kunst und der künstlerischen Kultur vorhanden war.» Auf diesen höchsten Bewusstseinsgrad sei dann eine Zeit des Verfalls, ein neues Mittelalter, gefolgt, das in Viollet-le-Duc einen wichtigen Vertreter gehabt habe und dessen Dogmen gelautet hätten: 1. stilistischer Relativismus; 2. stilistische Reproduktion; 3. Anwendung der stilistischen Reproduzierbarkeit auf alle Epochen der Vergangenheit. Zu diesem Niedergang habe die Industrialisierung und die Ersetzung der Werte des Ancien Régime durch die Werte der Massenproduktion beigetragen. An die Stelle von Adel und Klerus seien die Bauunternehmer getreten, denen man den modernen Städtebau verdanke. Mit Nietzsches Worten hieße das: An die Stelle der Werte der «Kultur» sind die Werte der «Zivilisation» getreten. Für diese Wandlung sei die Kärntnerstraße in Wien ein klares Beispiel, in der jedes neue Gebäude eine eigene Modernität anstrebe, aber nicht imstande sei, ein harmonisches Gesamtbild zu schaffen. Gerade dazu aber müsse die moderne Betrachtungsweise des antiken Vermächtnisses führen. Sie müsse eine Kunst und Architektur schaffen, die dem zeitgenössischen Empfinden entspreche, d. h. sie müsse so weit wie möglich die historische Struktur in ihrem überkommenen Zustand bewahren und sich im modernen Städtebau für eine Kontinuität, d. h. für eine künstlerische Fortsetzung unter anderen Vorzeichen, einsetzen.
3. DIE VORLESUNGEN VON 1910: DIE ERSTE KRITISCHE UNTERSUCHUNG RIEGLS DENKMALKULTUS UND DIE THEORIE VON RIEGL BIS BRANDI
VON
Das Manuskript der zweiten Vorlesungsreihe stellt zwei Argumente in den Vordergrund: erstens die Definition des Denkmalbegriffs und zweitens die Aufgaben
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3. | VORLESUNGEN
VON
1910: DIE
ERSTE KRITISCHE
UNTERSUCHUNG
der Denkmalpflege. Es wird jedoch nur der erste Punkt behandelt, der die Thematik der ersten Vorlesungsreihe in einem größeren Rahmen wieder aufnimmt.236 Dvoøáks Beurteilungskriterien sind ungewöhnlich originell, aber kohärent, wie seine Worte zu Borromini und dessen Vorgehen in San Giovanni in Laterano zeigen: «Der Meister, der an Kühnheit seiner Neuerungen zu Grunde ging, war also im Lateran bestrebt, möglichst viel zu erhalten, sowohl in der ganzen Form des Baues als in dessen innerer Ausschmückung. Auf der einen Seite die radikalste Rücksichtslosigkeit jeder Überlieferung gegenüber, auf der anderen eine unerhörte Rücksicht für das Überlieferte. Ist [das] nicht ein sonderbares Problem? Es führt uns zu einem neuen künstlerischen Verhältnisse zu alten Monumenten.» Norbert Huse hat darauf hingewiesen, dass man Borrominis Tätigkeit in der Lateranskirche nicht als das Werk eines Pioniers der Denkmalpflege auffassen könne, da seine Entscheidungen zur Erhaltung (der Gesamtanlage und der mittelalterlichen Wandmalereien) finanzieller Natur gewesen seien und seiner Absicht entsprochen hätten, das Neue dem Bestehenden gegenüber besonders hervorzuheben. Es ist aber gerade Borrominis Anerkennung des Alten (auch wenn sie, wie Huse meint, zweckbedingt gewesen sein sollte), die Dvoøák hervorzuheben beabsichtigt, da sie der Entdeckung des künstlerischen Gesamtwertes seitens der Manieristen entspricht. Indem er Riegls Bezugnahme auf die Sezession durch die Bezugnahme auf den Manierismus ersetzt, scheint er den Ursprung der modernen Denkmalpflege um drei Jahrhunderte vorzudatieren. Dvoøáks Beurteilungskriterien entwickeln sich aus der Auseinandersetzung mit den von Riegl im Werk Der moderne Denkmalkultus aufgestellten Thesen. Einerseits erkennt er Riegls Werk als Grundlage für die fachliche Theorie der Denkmalpflege an237, andererseits liefert er den ersten kritischen Kommentar dazu. Er legt die eigene Auffassung der Wertentwicklung dar, die den religiösen, politischen, bürgerlichen, nationalen und historischen Wert betrifft und im Wesentlichen mit Riegls Unterscheidung von «gewolltem Erinnerungswert» und «historischem Wert» übereinstimmt. Der eigentliche Unterschied zu Riegl besteht in der kritischen Kontraposition von Alterswert und ästhetischem Wert, wobei Dvoøák Letzterem den Vorrang gibt. Indem er Riegls Entwicklung des Alterswertes rekonstruiert, macht er den Konflikt zwischen kunsthistorischem Wert (in dem die Restaurierung ihre Rechtfertigung findet) und Alterswert deutlich: «Der historische und künstlerische Wert verlangte die möglichste Erhaltung der Form an der es [das Denkmal] angekommen ist, daher die so viel beliebten Restaurierungen, die den Zweck verfolgen, die Form zu erhalten, der Alterswert fordert dagegen in erster Linie die Erhaltung des überlieferten Bestandes ohne alle Eingriffe, die nur geeignet sind, die Altersspuren zu verwischen und das Denkmal in seiner vielseitigen Bedeutung zu verfälschen.»
236
237
M. DVOØÁK: Denkmalpflege, Vorlesungsmanuskript, 1910. Die Seiten 55–98 setzen die in der ersten Vorlesungsreihe entwickelten Gedanken fort, während die auf S. 98 unterbrochenen Gedanken in den Schlussbetrachtungen des ersten Manuskriptes eine logische Fortsetzung haben. SCARROCCHIA 1997 und SCARROCCHIA 2006.
128
VORLESUNGEN
ÜBER
DENKMALPFLEGE
UND
VORTRAG
ÜBER
GARTENKUNST | III.
Dvoøák lobt Riegls «höchst geistvolle Darstellung», kritisiert sie aber dennoch und distanziert sich davon aus zwei Motiven: 1. weil sie seiner Meinung nach nicht der historischen Entwicklung der Denkmalwerte entspreche. So würden den Riegelschen Darstellungen etwa die römische Sammlerleidenschaft, die in der Renaissance zur Erinnerung errichteten Denkmale oder die erstmals im Hochmittelalter stattgefundenden Vermessungen antiker Monumente widersprechen; 2. weil der evolutionäre Wert der modernen Denkmalauffassung nicht mit dem Alterswert übereinstimme. In diesem Zusammenhang verweist er erstens auf das geringe Interesse für archäologische Objekte bzw. Funde aus prähistorischer Zeit, die doch einen hohen Altersgrad besäßen und einen bedeutenden Platz in der Entwicklungsgeschichte der Menschheit einnähmen; zweitens auf die Reste von monumentalen Komplexen, die von ihrem ursprünglichen Ort an eine andere Stelle gebracht worden seien und auf monumentale Komplexe, die zwar intakt gelassen worden seien, deren Umgebung jedoch von unangemessenen Verwandlungen so bedroht sei, dass trotz ihres intakten Alterswertes und ihres historischen Wertes ihr Wert als Monument gefährdet sei. Dvoøák betont 3., dass der Alterswert, um anerkannt zu werden, ein gebildetes Publikum voraussetzt. Diese Überzeugung kommt klar in seinen Worten zum Ausdruck: «Der gute Geschmack – man könnte auch sagen die künstlerische Erziehung, die künstlerische Kultur – das ist nichts Gegebenes, sondern stets der Ausdruck der allgemeinen künstlerischen Voraussetzungen und Quelle einer bestimmten Kunstund Kulturperiode.» Seine drei Einwände sind auch weiterhin von unveränderter Aktualität (auch wenn sie dem Ziel, das Riegl in seinen Überlegungen verfolgte, nicht widersprechen). Dvoøák ersetzt den Alterswert seines Lehrers durch einen künstlerischen Evolutionskoeffizienten, der «nicht auf dem absoluten Kunstwerte oder einem objektiv gegebenen absoluten stilistischen Inhalte, sondern auf den Beziehungen der allgemeinen Auffassung der künstlerischen Probleme zu bestimmten Erscheinungsqualitäten der Kunstwerke der Vergangenheit beruht». Dieser nicht absolute, sondern von der Bildung des einzelnen Künstlers wie der Gemeinschaft abhängige ästhetische Wert stellt einen zeitlich angemessenen, kreativen Bezug zu den Werken der Vergangenheit her und legt Ausmaß und Art der Denkmalerhaltung fest. Dvoøáks neue Überzeugungen haben mindestens drei Konsequenzen: 1. die drastische Reduktion des Wertepluralismus und die Aufhebung des Rieglschen Relativismus zugunsten des ästhetischen Werturteils; 2. seine Entscheidung für die Tendenz der «neuen Tradition», d. h. für eine kreative Neuinterpretation der Klassik nach Art der Meister des Manierismus, des Barock und des Neoklassizismus und nicht nach der mechanischen Art des eklektischen Historismus des 19. Jahrhunderts; 3. die Offenheit der Denkmalpflege für urbanistische Fragen sowie Probleme der Raumordnung und des Landschaftsschutzes in Auseinandersetzung mit den Tendenzen der zeitgenössischen Architektur (siehe Punkt 2), die sich auf die Neugestaltung des Kontextes und die Neuinterpretation der Werte des Kunsterbes auswirken. Dvoøák findet so einen Mittelweg zwischen Riegls Theorie der Denkmalpflege, die sich in anthropologischem Sinn auf alle von menschlicher Hand geschaffenen Werke der
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4. | GARTENKUNST
UND
DENKMALPFLEGE
Vergangenheit bezieht, und der späteren Restaurierungstheorie Cesare Brandis, die die Erkennung des Kunstwertes eines Werkes in den Mittelpunkt stellt und zur Voraussetzung für den Eingriff zur Bewahrung macht. Die beiden Theorien sind zweifellos Vorbild für alles, was im 20. Jahrhundert auf dem Gebiet von Denkmalschutz und Denkmalpflege erarbeitet wurde.
4. GARTENKUNST
UND
DENKMALPFLEGE
Mit Dvoøáks kunsthistorischem Interesse wie auch mit seinen didaktischen Zielsetzungen ist sein Augenmerk für die Gartenkunst verbunden, von der auch seine in lebhaftem und unversöhnlichem Ton abgefasste Rezension zu dem ausführlichen und bahnbrechenden Werk von Maria Luise Gothein, sein Vortrag zu diesem Thema sowie ein weiterer Beitrag für den Kongress Denkmalpflege und Heimatschutz Zeugnis ablegen.238 Von seinem Vortrag Gartenkunst ist uns ein wertvolles Manuskript erhalten, dessen Transkription hier in dem Abschnitt «Unveröffentlichte Manuskripte» (II.1.3) wiedergegeben wird. Wie seine Beiträge beweisen, ist sich Dvoøák der wachsenden Bedeutung bewusst, die die architektonische Komposition in der Gartenkunst einnimmt. Die Gedanken, mit denen er seinen Konferenzbeitrag schließt, scheinen JoŞe Pleèniks Grundsatz bei der Gestaltung der Prager Schlossgärten vorwegzunehmen.239 Ein Auszug aus der Rezension zu dem Werk von Maria Luise Gothein könnte eine Einleitung zum Vortrag über Gartenkunst sein und als Verbindung zwischen den Überlegungen zu dieser Kunstform und den in den beiden Vorlesungsreihen dargestellten Zielsetzungen der Denkmalpflege angesehen werden: «Der Garten als künstlerische Gestaltung war nie und nirgends ein notwendiges Produkt der geographischen Verhältnisse und der materiellen Kultur, sondern dadurch vom Nutzanbau sich unterscheidend, ein Werk der unerschöpflich sich erneuernden Fantasie, die, erfüllt von religiösen Ideen, Mythos, Symbolen der Lebensmächte und Lebensquellen, Jagd und Kampf, Spiel- und Prunkbedürfnis, poetischen Vorstellungen, Gefühlsassoziationen und Weltanschauungsbekenntnissen, geleitet vom allgemeinen, rationell unerklärlichen Stilempfinden eine nur historisch bedingte und jeder vom naiven Positivismus des vorigen Jahrhundertes erträumten gesetzmäßigen Ableitung sich entziehende Abfolge von Kunst- und Kulturwerten geschaffen hat.»240
238
239 240
DVOØÁK 1913/2. Hier abgedruckt als Text I.1.4, S. 236. Zu Dvoøáks Beitrag zur Erhaltung historischer Schlösser und Gärten auf der dritten gemeinsamen Tagung für Denkmalpflege und Heimatschutz siehe Kap. V, S. 152. Vgl. oben unser Kap. II.4, S. 104. DVOØÁK 1913/2, S. 136.
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VORLESUNGEN
ÜBER
DENKMALPFLEGE
UND
VORTRAG
ÜBER
GARTENKUNST | III.
Dvoøák kritisiert, dass die Bedeutung des Naturalismus des Hochmittelalters, der das künstlerische Empfinden in der darstellenden Kunst inspiriert hatte, unterschätzt worden ist. Er betont, dass die Epoche der großen Kathedralen die Gartenkunst nicht gekannt habe, weil die Architektur anfänglich den Naturalismus und seine vielfachen Ausdrucksformen vorgezogen habe. In seiner Untersuchung des Werkes von Gothein hebt er deshalb den Konflikt zwischen architektonischem und naturalistischem Garten (oder Park) hervor. Letzterer habe die – wie es in dem ersten italienischen Gesetz zum Landschaftsschutz heißt – «natürliche Schönheit» verherrlichen wollen. Dvoøák übersieht so die enorme Arbeit, die die Autorin mit der Zusammenfassung und Interpretation spezifischer Themen leistete, die die historische Entwicklung der Gärten direkt betreffen oder damit verbunden sind, wie z. B. die künstlichen Ruinen und die mechanisch bewegten Elemente.241 Außerdem hatte er selbst eine kurze Geschichte über die Entwicklung der Gartenkunst verfasst.
5. DER VORTRAG
ÜBER
GARTENKUNST (1913–1914)
Der gesamte Vortrag ist in 40 Manuskriptseiten überliefert und umfasst die Entwicklung von den häuslichen und landschaftlichen Grünanlagen der ägyptischen Kultur bis zur eigentlichen zeitgenössischen Gartenkunst. Dvoøák behandelt die Entstehung von Hausgärten und Parks in der Antike, insbesondere in der griechischen und römischen Kultur; die Entwicklung des mittelalterlichen Blumengartens und des Nutzgartens mit Obstbäumen, Gemüse und Kräutern, in dessen Spezialisierung antike Reminiszenzen wie Pavillons und Lauben überleben, aber auch ästhetische und Gebrauchswerte hervortreten; die Neuheit des italienischen Parterres, in dem zum ersten Mal der künstlerischen Komposition der natürlichen gegenüber der Vorrang gegeben wird, sodass eine naturalistisch-kulturelle Synthese von landschaftlichem Wert entsteht, die der Architektur neue Horizonte eröffnet. Ein charakteristisches Element des barocken Parks ist dagegen die Aufwertung des Wassers in architektonischen und landschaftlichen Formen urbanistischer Herkunft, wie Springbrunnen, Wasserfällen, Kanälen und Seen. Die barocke Gartenkunst folgt somit der Entwicklung der urbanen Architektur und der architektonischen Gestaltung der Umgebung. Mit der Entstehung der holländischen Blumenzucht wird die italienische Gartenkunst für die Gestaltung europäischer Hauptstädte bedeutsam. Dvoøák nennt als Beispiele Versailles, Schönbrunn und das Belvedere in Wien sowie den Schlosspark von Stockholm. Im Gegensatz zu diesen architektonisch gestalteten Gärten besteht das «Kunstwollen» bei den englischen Parks in der Hervorhebung der natürlichen Schönheit
241
Hierauf verweist M. DE VICO FALLANI: Introduzione all'edizione italina, in: M. L. GOTHEIN: Storia dell'arte dei giardini, M. De Vico Follani/M. Bencivenni (Hrsg.), (Giardini e paesaggio, 16), Firenze 2006, Bd. 1, S. VII–XXIII.
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5. | VORTRAG
ÜBER
GARTENKUNST (1913–1914)
und einem (scheinbar) minimalen Planungseingriff. Sie greifen auf verschiedene kulturelle, literarische, philosophische und künstlerische Komponenten zurück, wie die englische Dichtung, die französische Aufklärung, die holländische Landschaftsmalerei, die deutsche Romantik sowie orientalische Einflüsse. Ihre Bedeutung besteht, wie Dvoøák sagt, «darin, daß sie unendlich viel dazu beigetragen haben, das Interesse für landschaftliche Schönheiten zu wecken, welches, wie ich ja nicht weiter auszuführen brauche, zu den wertvollsten Gütern der Gegenwart gehört.» Die Bedeutung von Dvoøáks Beitrag besteht darin, die Gartenkunst als Gartendenkmalpflege aufgefasst und in ihrer kulturellen Bedeutung klar erkannt zu haben.242 «Jedenfalls ist die Liebe für die Gärten und ihre Naturelemente ein treuer Spiegel der künstlerischen Kultur einer Zeitperiode, eines Volkes und jedes einzelnen Menschen und diese Liebe zu pflegen und zu erziehen, ist uns allen Pflicht und Schuldigkeit.» Auch wenn Dvoøák hier unter dem Gesichtspunkt der Geschichte der Denkmalpflege keinen bestimmten Garten oder keine bestimmte Gartenanlage als Denkmal erwähnt, ist er sich doch ihrer Bedeutung als Umraum architektonischer Monumente voll bewusst. Ein derartiges Bewusstsein zeigt sich auch in diversen Tendenzen des 20. Jahrhunderts, die in der Entwicklung landschaftlicher Werte miteinander wetteifern und unmittelbare Auswirkungen auf die Pflege der Denkmale in ihrem sowohl historischen als auch landschaftlichen Kontext sowie auf die Gestaltung naturhafter Elemente und deren Integration in den Gesamtzusammenhang des architektonischen Entwurfs und städtebaulichen Planes haben.243
242
243
Diese Auffassung auch bei Paul Clemen; vgl. P. CLEMEN: Probleme der Erhaltung fränkischer Barockgärten, in: Tag für Denkmalpflege und Heimatschutz, Würzburg 1928, Kongressakt Würzburg 1928, Berlin 1929, S. 167–169. S. a. D. KARG: Paul Clemen und die Gartendenkmalpflege, in: Paul Clemen zur 125. Wiederkehr seines Geburtstages, U. Mainzer (Hrsg.), Köln–Kevelaer 1991, S. 93–96. Vgl. jüngst G. HAJÓS: Max Dvoøák und die universal-geschichtliche Betrachtung der Gartenkunst, in: Historische Gärten, 17, 2011, H. 1, S. 24–29. Vgl. oben unser Kap. II.4, S. 104. Vgl. W. LIPP: Natur, Geschichte, Denkmal. Zur Entstehung des Denkmalbewußtseins der bürgerlichen Gesellschaft, Frankfurt/M.–New York 1987; L. ZANGHERI: Storia del giardino e del paesaggio. Il verde nella cultura occidentale, (Giardini e paesaggio, 6), Firenze 2003; s. jüngst: B. EULER-ROLLE: Die Entdeckung der historischen Kulturlandschaft seit Max Dvoøák und ihre Konsequenzen für die Denkmalpflege, in: Historische Kulturlandschaft und Denkmalpflege. Definition, Abgrenzung, Bewertung, Elemente, Umgang, B. Franz/A. Hubel (Hrsg.), (Veröffentlichung des Arbeitskreises Theorie und Lehre der Denkmalpflege, 19), Holzminden 2010, S. 120–128.
132
IV. ENTSTEHUNGSGESCHICHTE UND ERFOLG DES KATECHISMUS DER DENKMALPFLEGE
DER KATECHISMUS
ALS
«MARSEILLAISE
DER
DENKMALPFLEGE»
Das bekannteste Werk von Max Dvoøák ist zweifellos der Katechismus der Denkmalpflege, der 1916 erschien und 1918 eine zweite Auflage erfuhr. Es kann als Meilenstein in der Fachgeschichte und als Standardwerk für viele später erschienene ähnliche Abhandlungen betrachtet werden. Zur Zeit seines Erscheinens bestand in Österreich noch kein Gesetz zum Schutz der Denkmale, auch wenn es viele Projekte dazu gab und viele Nationen des Kaiserreiches dabei waren, ihre eigenen Vorschriften zu entwickeln.244 Er gilt deshalb als Manifest der Denkmalpflege, ihrer modernen Prinzipien, Absichten und praktischen Richtlinien. Auch Riegls Werk Der moderne Denkmalkultus, auf den der Titel von Dvoøáks Schrift indirekt Bezug zu nehmen scheint, hat den Charakter einer grundsätzlichen Abhandlung und folgt somit dem Vorbild der verschiedenen Aufrufe der modernen Bewegungen und der historischen Avantgarde, angefangen mit Hermann Bahrs Werk Die Moderne, das eines der ersten derartigen Manifeste darstellt. Der Katechismus legt jedoch zum ersten Mal die Prinzipien der Denkmalpflege fest, also der Disziplin, die Riegl in ihren Grundrissen beschrieben hatte und fasst sie systematisch zusammen. Das Werk erscheint zu einem Zeitpunkt, in der sich das Kaiserreich in Auflösung befindet, seine Entstehung reicht jedoch in die Jahre zurück, in der die österreichische Denkmalpflege Erzherzog Franz Ferdinand unterstand.245 Die Zeit des republikanischen Intervalls zwischen den beiden Weltkriegen wurde jedoch bisher in den Untersuchungen zur Institutionalisierung der österreichischen Denkmalpflege nicht in Betracht gezogen.246 Anlässlich des hundertsten Geburtstages von Dvoøák analysierte Walter Frodl als Erster den Katechismus in Zusammenhang mit seinen institutionellen, theoretischen, pädagogischen und ökologischen Aspekten und verwies dabei auch auf die Rolle, die der Thronfolger Franz Ferdinand für die zeitgenössische Denkmalpflege gespielt
244
245 246
Ausgehend von den Projekten von Helfert, Riegl/Bauer und den ministeriellen Projekten bis zum Erlass des Gesetzes von 1923 gab es zirka 70 Projekte einschließlich ihrer Revisionen. Für die genaueste und vollständigste Rekonstruktion s. BRÜCKLER 1991. Vgl. BRÜCKLER 2009. FRODL 1988; BACHER 1995; SCARROCCHIA 1995; FRODL-KRAFT 1997; außerdem: F. v. SCHUBERT-SOLDERN: Zur Geschichte der Denkmalpflege in Österreich, in: Deutsche Kunst und Denkmalpflege, 1934, S. 108–115; derselbe: Die Denkmalpflege in Österreich bis zur Systemzeit, in: Deutsche Kunst und Denkmalpflege, 1938, S. 119–123; DEMUS 1948, S. 393–411; W. FRODL: Die staatliche Denkmalpflege in Österreich, in: Denkmalpflege in Österreich 1945–1970, Ausstellungskatalog Wien 1970, Wien 1970, S. 9–17; FRODL 1984.
133
1. | FRANZ FERDINAND,
DIE
REFORM
DER
ZK
UND DIE
ENTSTEHUNG
DES
KATECHISMUS
hatte. Frodl rechnet Dvoøák neben Riegl zu den Ahnherren der modernen österreichischen Denkmalpflege, der «modernen Schule», die sich der eines Dehio und Ebhardt entgegenstellte. Er fügt jedoch hinzu, dass wohl selbst der Autor des Katechismus fünfzig Jahren nach seiner Veröffentlichung eine Neuausgabe für unaktuell und hinsichtlich der veränderten gesellschaftlichen und kulturellen, aber vor allem fachlichen Realität für unangebracht gehalten hätte.247 Frodl ist der brillante Einfall zu verdanken, den Katechismus als eine Art «Marseillaise der Denkmalpflege» zu bezeichnen. Norbert Huse zählt Dvoøáks Werk in seiner Anthologie über drei Jahrhunderte deutscher Denkmalpflege zu den bedeutendsten Texten der Denkmalpflege- und Heimatschutzbewegung und betont, dass es gerade Dvoøáks Interesse an der Verteidigung des Stadtbildes war, das die Zustimmung der Avantgarde und speziell von Adolf Loos fand, wie aus seinem Manifest Richtlinien für ein Kunstamt von 1919 hervorgeht.248 Herta Kuben lieferte dagegen dank wertvoller Hinweise von Theodor Brückler eine genaue Darstellung der Rolle, die der Thronfolger und Schutzpatron der österreichischen Denkmalpflege bei der Entstehung des Katechismus spielte. Außerdem zeigte sie in ihren kritischen Überlegungen die Grenzen und Widersprüche des Werkes auf, wie beispielsweise die Simplifizierung der Auffassungen Riegls und die uneingeschränkte Verurteilung der Restaurierungen des 19. Jahrhunderts.249 Franz Ferdinand übte sicherlich einen bedeutenden Einfluss nicht nur auf die Entstehung des Katechismus aus, sondern auch auf die Art, wie die Denkmalpflege darin dargestellt wird. Diese Aspekte sollen deshalb genauer untersucht werden, bevor eine Textanalyse vorgenommen wird.
1. FRANZ FERDINAND,
DIE
REFORM
DER
ZK
UND DIE
ENTSTEHUNG
DES
KATECHISMUS
Karl Kraus beschreibt den Thronfolger als einen schwierigen Menschen, der zwar kein Reaktionär war, wohl aber dem Fortschritt ablehnend gegenüberstand und in der Volkskunst ein Bollwerk gegen die «falsche Modernität» sah: «...Franz Ferdinands Wesen war, alles in allem, den Triebkräften österreichischer Verwesung, dem Gemütlichen und dem Jüdischen, unfassbar und unbequem».250 Er stand einem speziellen Militäramt vor, das eigens zu dem Zweck eingerichtet worden war, seine Machtübernahme nach dem Tod Kaiser Franz Josephs vorzube-
247 248 249 250 251
FRODL 1974. S. auch unser Kap. V, S. 152. N. HUSE: Denkmalpflege und Heimatschutz, in: HUSE 1984, S. 150–160, hier S. 158 f. KUBEN 1993 und BRÜCKLER 2009. Die Arbeit Brücklers erreichte mich erst nach Abschluss des Manuskripts. S. a. jüngst BLOWER 2010. K. KRAUS: Franz Ferdinand und die Talente, in: Die Fackel, 16, 1914, Nr. 400–403, 10.7.1914, S. 1–4. R. EGGER: Die Militärkanzlei des Erzherzog-Thronfolgers Franz Ferdinand und ihr Archiv im Kriegsarchiv in Wien, in: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs, 28, 1975, S. 141–163; E. ZÖLLNER: Geschichte Österreichs. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, 8. Aufl., Wien–München 1990, S. 441 f.
134
ENTSTEHUNGSGESCHICHTE
UND
ERFOLG
DES
KATECHISMUS
DER
DENKMALPFLEGE | IV.
reiten. Das Amt wurde 1906 in eine Militärkanzlei umgewandelt, diese übte einen gewissen Einfluss auf die Innenpolitik aus und und übernahm im Laufe der Jahre auch kulturelle Funktionen.251 So unterstützte sie den Thronfolger, der seit 1904 Ehrenmitglied, ab 1910 Protektor der ZK war, bei den Aufgaben, die diese Position mit sich brachte. Den Akten der Militärkanzlei lässt sich entnehmen, mit welch großem Engagement sich Franz Ferdinand dieser Tätigkeit widmete.252 So setzte er sich für den Schutz des Städtchens Oberwölz in der oberen Steiermark, des Vintschgauertors in Meran, der Weiherburg in Innsbruck, der alten Häuser auf dem Domplatz von Trient, jener in der Nähe des Zentrums von Olmütz in Mähren und jener bei der Ägidiuskirche am Fuß des Krakauer Wawels ein oder verhinderte die (stilistische) Restaurierung des Schlosses im Südtiroler Taufers und von Schloss Ambras, das er zu seiner eigenen Residenz bestimmt hatte. Es gibt kaum eine kleine oder große Kirche auf österreichischem Gebiet, die er nicht vor purifizierenden Eingriffen oder falsch verstandenen Restaurierungen bewahrte, von Maria Tax bei Stans in Tirol bis zu den Dominikaner- und Franziskanerkirchen in Bozen, von San Giusto in Triest bis zur Borromäuskapelle in Prag, von den galizischen Holzkirchen und Synagogen bis zum Dom von Budweis. Einen emblematischen Fall stellte die Pfarrkirche in Schwaz dar, wo zwei Gesichtspunkte in offenen Konflikt gerieten, und zwar jener der modernen Denkmalpflege, die die Kirche exakt in ihrer historischen Struktur erhalten wollte, und jener der kirchlichen Autoritäten, die darin eine staatliche Einmischung in ihre primär religiöse Funktion als «Gotteshaus» sahen.253 Kraft seiner politisch-militärischen Rolle gab der Erzherzog der damals kritischen Situation der kaiserlichen Denkmalpflege einen neuen Impuls. Die Denkmalpflege hatte aus verschiedenen Gründen an Bedeutung verloren. Dazu gehörte auch der schon erwähnte Mangel an einem Denkmalschutzgesetz, der sich aufgrund der Autonomiebestrebungen der verschiedenen Nationalitäten der Doppelmonarchie als besonders schwerwiegend erwies. Da Franz Ferdinand durch die Landeskonservatoren der ZK monatliche Berichte über störende Eingriffe in die Kulturlandschaft und über den illegalen Handel mit Kunstwerken zur Verfügung hatte, wurde jede Schädigung des Kulturbesitzes durch die Position, die der Erzherzog einnahm, zu einer «Beleidigung der Obrigkeit».254 Seine Doppelrolle wirkte sich auch auf seine Ansichten und seinen Charakter aus. So führte seine obsessive Verteidigung eines konservativen Traditionalismus schließlich zu den vernichtenden Äußerungen über Klimt, Kokoschka oder Wagner und über sezessionistische Tendenzen der zum Österreichischen Museum für Kunst und Industrie gehörigen Schulen sowie zu einer
252
253 254 255
Vgl. das Aktenmaterial im Österreichischen Staatsarchiv, Kriegsarchiv, Militärkanzlei Franz Ferdinand (MKFF), sogenannte «Kunstakten» 1910–1914, Karton 155–170. Was die Aktenmappen 155– 160 betrifft, beziehe ich mich auf Brücklers Exzerpte, die dieser mir freundlicherweise zur Verfügung stellte. S. jüngst jedenfalls BRÜCKLER 2009. MKFF, 155, Nr. 94. HOFFMANN 1994, S. 59. Ebenda, Kap. 3, S. 39–60.
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1. | FRANZ FERDINAND,
DIE
REFORM
DER
ZK
UND DIE
ENTSTEHUNG
DES
KATECHISMUS
so massiven Einmischung in die Kompetenzen der Kunstakademie, sodass sich das Kollegium gezwungen sah, JoŞe Pleèniks Berufung zum Nachfolger Wagners auf dem Lehrstuhl für Architektur abzulehnen.255 Abgesehen von seinem persönlichen tiefen, antimodernen und antiurbanen Konservativismus beruhte seine Tätigkeit auf dem Gebiet der Denkmalpflege auf einem politischen Pragmatismus, wie seine heftige Beschwerden über die Trägheit der ZK zu Beginn des Jahrhunderts (die sich jedoch im Laufe der Jahre in vorbehaltslose Anerkennung verwandelten) ebenso beweisen25, wie seine einander widersprechenden Äußerungen zum Looshaus am Michaelerplatz, das er vom Fenster der Hofburg aus sehen konnte und das er einerseits als gefährliches Beispiel moderner Architektur, andererseits als ihren aufrichtigen und passenden Ausdruck ansah.257 Seine anfängliche Auffassung der staatlichen Denkmalpflege als zentralisierende Autorität258 wich nach und nach dem Vorsatz, ihre mangelnde gesetzliche Organisation durch eine von der Heimatschutzbewegung unterstützte Regionalisierung zu kompensieren.259 Während Franz Ferdinand und Max Dvoøák hinsichtlich der zeitgenössischen Kunst sehr unterschiedliche Standpunkte vertraten, scheinen ihre Ansichten auf dem Gebiet der Denkmalpflege friktionsfrei übereingestimmt zu haben.260 Diese Übereinstimmung – fast ein Gedankenaustausch»261 – erreichte ihren Höhepunkt in der Abfassung des Katechismus. Das Vorhaben, die Prinzipien der Denkmalpflege bezüglich der veralteten Richtlinien der ZK (1853, 1883) zu erneuern, führt in die Zeit zurück, in der der Erzherzog seine Tätigkeit als Protektor der Denkmalpflege aufnahm. Nicht zufällig wandte er sich 1910 an den Minister für Öffentliche Arbeit, um von ihm Unterstützung für seine Tätigkeit und für seinen Plan zu erlangen, alle technischen Ämter mit der ZK in Verbindung zu bringen, damit diese dort Informationen über die neuen Zielsetzungen einholen könnten.262 Im Juli 1911 erhielt die ZK ein neues Statut, das nicht nur die Neuorganisation der Präsidentschaft, des staatlichen Denkmalamtes, der regionalen Ämter und des aus Ehrenmitgliedern bestehenden Rates festlegte, die Funktionen der technisch und historisch ausgebildeten Konservatoren einführte und ein eigenes kunstgeschichtliches Institut vorsah, das für die Inventarisierung (Kunsttopographie) und die Ausbildung des dafür nötigen Personals zuständig sein sollte, sondern auch fachliche Definitionen wie den Begriff «Denkmal» festsetzte, sodass es, wie Brückler meint, «als verhülltes Denkmalschutzgesetz» betrachtet werden kann.263
256 257 258 259 260 261 262 263
Ebenda, S. 52. Ebenda, S. 48. MKFF, 157, Nr. 214. MKFF, 165, Nr. 35, 5/5–2 («Konferenz der Landeskonservatoren [1913]»), Paragraph 11. HOFFMANN 1994, S. 54. Ebenda, S. 55. MKFF, 157, Nr. 290. BRÜCKLER 1991, S. 170. S. Zentralkommission für Denkmalpflege, in: MZK, 3. F., 10, 1911, Sp. 323–328.
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ENTSTEHUNGSGESCHICHTE
UND
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Gleichzeitig wurden genaue Anweisungen für die regionalen Konservatoren ausgearbeitet, um das ganze System der österreichischen Denkmalpflege über die neuen, in der Praxis anzuwendenden Prinzipien auf dem Laufenden zu halten. Die Texte dieser Richtlinien enthalten, abgesehen von einigen Abweichungen und Anpassungen, die Punkte, die für die Praxis ausschlaggebend sein und deren Qualität und Homogenität verbürgen sollten.264 Dazu gehören: 1. die «aktive» Funktion der Denkmalpflege, also keine bloße «Überwachung der Restaurierungen», sondern eine Tätigkeit zur Kontrolle und Sicherung der Denkmale, sodass künftige große Restaurierungen vermieden werden können; 2. die Anwendung des Grundprinzips «erhalten, nicht restaurieren», was soviel heißt wie «Erhaltung des überlieferten Bestandes und der überlieferten historischen Erscheinung»; 3. die Gültigkeit dieses Prinzips nicht nur für die einzelnen Denkmale, sondern auch «für ihren Zusammenhang mit der Umgebung»; 4. die Beachtung des Kriteriums der «Funktionalität» bei den Schutzmaßnahmen, damit sie den praktischen Bedürfnissen nicht widersprechen, was vor allem im liturgischen Bereich wichtig ist; 5. die Anpassung des Neuen an das Alte ohne historisierende Absichten, die eine Verfälschung darstellen. Dazu heißt es wörtlich: «Bei unvermeidlichen neuen Zutaten zu alten Denkmalen – z. B. Zubauten, Ausmalungen – ist bei Vermeidung doktrinären Historisierens oder Kopierens die harmonische Einfügung des Neuen in die alte Erscheinung des Denkmales oder der Denkmalgruppe, und wo eine selbständige künstlerische Note am Platz ist, eine möglichst hohe künstlerische Qualität des Neuen anzustreben. Unter allen Umständen ist jede Fälschungsabsicht zu vermeiden».265 Es ist also nicht übertrieben, wenn man diese Richtlinien als eine Art «Charta der Denkmalpflege» betrachtet. Außerdem enthalten diese für die Praxis gültigen Richtlinien auch eine sehr bedeutende Charakterisierung der österreichischen Denkmalpflege und ihrer kulturellen Zielsetzungen, die in den Worten zum Ausdruck kommt: «Da die Denkmalpflege nicht als ein starres System von Vorschriften und Regeln, sondern als eine in lebendiger Entwicklung begriffene geistige und künstlerische Strömung aufzufassen ist, ist es unumgänglich notwendig, dass sich die Landeskonservatoren weiterbilden und den Kontakt mit dem Fortschritte in den leitenden Ideen der Denkmalpflege nicht verlieren».266 Im April 1912 hielt der Denkmalrat die erste Sitzung nach dem neuen Statut ab.267 Dabei wurden einige der oben genannten Prinzipien von den Generalkonservato-
264 265 266 267
Die verschiedenen Texte und Versionen in: MKFF, 161–164. Art. 3, 4, 6, 7 der Instruktionen für die Landeskonservatoren vom 6.3.1912 (statt richtig 26.9.1911), die von (Vinzenz Graf Baillet de) Latour unterschrieben sind; MKFF, 161, Nr. 369 und 162, Nr. 90. Ebenda, Art. 17. Hervorhebung des Verfassers. S. a. Bauers Überlegungen in Kap. II, Paragraph 3.4. Protokoll der I. Session des Denkmalrates, 12. und 13. April 1912, Wien 1912; s. a. MKFF, 164, Nr. 207. Zu den Äußerungen Dvoøák über die Erhaltung von Gemälden vgl. DVOØÁK 1912/3. Hier abgedruckt als Text I.7.9, S. 504.
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ren, die die höchste wissenschaftliche Autorität der ZK auf dem Gebiet Denkmalpflege darstellten, erörtert. Joseph Neuwirth betrachtete besonders den Aspekt der Erhaltung von kirchlichen und profanen Denkmalen, wobei er auf die zahlreichen Eingriffe aufmerksam machte, die zwischen den beiden Extremen «Wiederherstellung» und «dem Verfall überlassen» vorgenommen werden können. Außerdem fügte er den architektonischen, bautechnischen und an die Umwelt gebundenen Werten auch die intimen und persönlichen Werte hinzu, die mit der Nutzung verbunden sind, «jene Momente der Tradition, die mit dem Worte Gefühlsimponderabilien zusammengefasst werden können». Nur im Land eines Musil und Freud konnte eine Denkmalpflege, die unter dem Einfluss der kreativen Gedanken Riegls stand und von dem Verfechter der Kunstgeschichte als Geistesgeschichte geleitet wurde, es für vernünftig halten, «Gefühlsimponderabilien» als ein ihre praktischen Tätigkeit inspirierendes Prinzip anzuerkennen! Der zweite Teil seines Beitrages betraf funktionelle und anlagentechnische Aspekte wie Maßnahmen zur Verhinderung von Feuchtigkeit, von Belüftung, Beleuchtung, Fenster- und Türenschließung, Vervollständigungsarbeiten, Verzierungen usw. Julius Deiningers Beitrag bestand darin, einige konkrete Beispiele für die Erweiterung alter Kirchenanlagen wie die der Pfarrkirche von Schenna in Südtirol, von Rossitz und Saitz in Mähren oder Vöcklabruck in Oberösterreich zu erläutern. Die Beispiele waren auch vom Gesichtspunkt der landschaftlichen Integrierung her beachtenswert. Seine Erläuterungen zielten auf die Ablehnung des Prinzips stilistischer Einheitlichkeit und wiesen genau auf das hin, was die ZK als gute Integrierung des Neuen in das schon Bestehende ansah. Dvoøáks Beitrag wurde besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Er bestand aus drei Teilen und handelte von der Gemäldeerhaltung und den Prinzipien, die dabei beachtet werden müssen. In der Einleitung wies er darauf hin, dass die architektonische Restaurierung im Vergleich zu der Restaurierung von Gemälden im 19. Jahrhundert eine größere Rolle gespielt habe. Im ersten Teil seines Beitrages behandelte er die verschiedenen Gefahren, denen Gemälde ausgesetzt sein können (Beschädigung des Trägermaterials, der Farbschichten, des Rahmens, Verkrustungen und Schmutzschichten, Übermalungen usw.), zu denen er auch den restaurativen «Vandalismus» zählte. Im zweiten Teil nannte er einige Beispiele für eine destruktive Restaurierung wie die des Mosaiks im Dom von Parenzo. Im dritten Teil gab er die Prinzipien an, die befolgt werden müssen, um ein Gemälde zu erhalten. So behauptete er 1. jedwede Erneuerung der Malerei sei strikt zu vermeiden; 2. «Ebenso erscheinen weitgehende kompositionelle Ergänzungen unzulässig, die der Fälschung historischer Dokumenten gleich zu achten seien»; 3. «…die Ergänzungen [müssten] doch noch als solche bei näherer Prüfung kenntlich bleiben […] der Ton der Ergänzung [sei] selbstverständlich, also keinerlei künstlerische Wahl»; 4. die Tendenz zur Wiederherstellung des angeblich originalen Zustandes sei als reiner Irrsinn zu betrachten; 5. der Geschmack des Publikums müsse so ausgebildet werden, dass es für die künstlerischen und historischen Werke empfänglich
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ERFOLG
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KATECHISMUS
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wird und ihnen respektvoll gegenübertritt. Aus all diesen Gründen «müssen die Denkmale der Entwicklung der Malerei, die nichts geringeres als die fortschreitende Entwicklung genauer Naturbetrachtung zu erkennen gebe, vor jedem Eingriff behütet werden.» Dvoøáks Beitrag verärgerte Hermann Ritschl, den ersten Restaurator der kaiserlichen Gemäldegalerie, der sich dadurch als Fachmann übergangen fühlte. Ritschl forderte alle Mitglieder dazu auf, sein Privatlabor und seine Schule zu besichtigen. Mit seiner Reaktion, die auch Franz Ferdinand direkt betraf,268 rief er eine epochale Wende hervor: die Restaurierung wurde von nun an der Denkmalschutz-Institution unterstellt. Auch die Hinweise, die Dvoøák wie auch Neuwirth, Deininger und als Letzter Wilhelm Kubitschek zu der Behandlung des archäologischen Besitzes gaben, entsprangen den neuen Prinzipien der Denkmalpflege auf dem Gebiet der Restaurierung. Am Ende der Sitzung konzentrierten sich die Beiträge auf die Beziehung zwischen Denkmalpflege und Heimatschutz.269 Da kein Mitglied der ZK an eine schnelle Verwirklichung des Denkmalschutzgesetzes glaubte, drückte sich die allgemeine Meinung in dem Wunsch aus, dass die Landtage einzelner Kronländer Gesetze zum Landschaftsschutz erlassen sollten, in denen jedoch eine Koordination mit der Tätigkeit der zentralen Autorität auf diesem Gebiet vorgesehen sein sollte. Die Frage der Durchsetzung und Wirksamkeit der neuen Struktur der ZK im Allgemeinen und in ihrem Bezug zu den regionalen Strukturen war Thema der ersten Konferenz der Landeskonservatoren, die am 6. Februar 1913 stattfand. Bei diesem Anlass erläuterte der Vizepräsident der ZK, Graf Latour, Punkt für Punkt die oben genannten «Anweisungen». Der Erzherzog äußerte seinen Wunsch nach einer intensiven Propagandaaktion zugunsten der Denkmalpflege, die er als «Hauptmittel in der Erziehung der in Betracht kommenden Öffentlichkeit» ansah und als Weg, die Ziele der Denkmalpflege leichter durchzusetzen. Die Aktion sollte mit Hilfe der Presse durchgeführt werden und zwar durch «anschaulich geschriebene Artikel in den am flachen Land gelesenen Zeitungen und Zeitschriften mit entsprechenden Abbildungen und Beispielen». Dass es ihm dabei besonders auf die Gegenüberstellung der neuen und alten Konzeption ankam, wird in den Worten deutlich: «Die richtige und unrichtige Auffassung, die entsprechende und nicht entsprechende Erhaltung von Denkmälern und Kunstgegenständen sind hier sehr am Platze».270 Franz Ferdinand betraute – vermutlich zwischen Februar und März – Max Dvoøák mit der Aufgabe, eine Art volkstümliches Brevier abzufassen, mit der zweifachen Absicht, die er schon auf der Konferenz der Landeskonservatoren dargelegt hatte, einerseits die Öffentlichkeit zu «erziehen» und andererseits ein übereinstimmendes Verhalten der staatlichen Organe zu erreichen.
268 269 270
Ebenda. S. unser Kap. V, S. 152. MKFF, 165, Nr. 35, 5/5–2, Nr. 972.
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DIE
REFORM
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UND DIE
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Dvoøák präsentierte sofort ein Schema, das er im April bei der Aushändigung des zweiten, die «Grundsätze» betreffenden Kapitels wie folgt zusammenfasste: Das erste Kapitel sollte die Geschichte der Denkmalpflege kurz zusammenfassen, das dritte sollte «Beispiele und Gegenbeispiele» beinhalten, das vierte sollte der österreichischen Organisation gewidmet sein und das fünfte sollte praktische «Ratschläge» enthalten.271 Anschließend wurden das erste und vierte Kapitel dem Erzherzog auf seinen Wunsch zu einer Überprüfung des «work in progress» ausgehändigt, der dazu den Kommentar «langweilige Abhandlungen» abgab.272 Er teilte Dvoøák mit, dass er mit dem Inhalt des zweiten Kapitels einverstanden sei, empfahl ihm jedoch, das erste (Geschichte der Denkmalpflege) und vierte (Organisation) wegzulassen und das dritte (Beispiele und Gegenbeispiele) als Erläuterung des zweiten (Grundsätze) aufzufassen. Das Schlusskapitel mit den praktischen Ratschlägen solle er auf ein Minimum reduzieren und darin eventuell einige Hinweise auf die Organisation aufnehmen.273 Zum Jahresende hatte Dvoøák seine Arbeit beendet und abgeliefert. Sie entsprach nun völlig den Wünschen des Erzherzogs. Das Kapitel zur Geschichte der Denkmalpflege war weggefallen, weil der Meinung des Erzherzogs nach «alle historische Exkurse [...] in einem populären Buche wenig am Platze» waren. Die Hinweise auf die neuen Tendenzen der Denkmalpflege waren in eine kurze Einleitung aufgenommen worden. Dvoøák hielt es jedoch für nötig, außer den praktischen Ratschlägen einige Überlegungen zu den Aufgaben der Denkmalpflege hinzuzufügen und sich damit direkt an den Klerus und die dafür zuständigen Funktionäre des Staates und der Länder zu wenden, da unter ihnen noch die Auffassung von der Denkmalpflege als «unnütze Belästigung»274 verbreitet sei. In dieser Form (kurze Einleitung und drei Kapitel: Grundsätze, Pflichten, Ratschläge), die aus einer internen Diskussion in der Militärkanzlei hervorging und den Absichten des Thronfolgers entsprach, wurde der Katechismus im Januar 1914 gebilligt und zur weiten Verbreitung bestimmt. Zu diesem Zweck wurde auch seine Übersetzung in alle Sprachen der Nationen des Kaiserreiches vorbereitet wie auch die Adaptierung des Teils Beispiele und Gegenbeispiele entsprechend besonders signifikanter lokaler Gegebenheiten.275
271
272 273 274 275
Schreiben Max Dvoøák an Oberst Dr. Karl Bardolff, Wien, am 1.4.1913 bzw. Schreiben Max Dvoøák an Oberst Dr. Karl Bardolff, Wien, am 10.4.1913. Hier abgedruckt als Texte II.2.1.1 bzw. II.2.1.2, S. 789. MKFF, 165, Nr. 35, 5/5–9, Nr. 10739. MKFF, 165, Nr. 35, 5/5–9, Nr. 3069. Schreiben Max Dvoøák an Oberst Dr. Karl Bardolff, Wien, am 17.12.1913. Hier abgedruckt als Text II.2.1.4, S. 790. Schreiben Max Dvoøák an Oberst Dr. Karl Bardolff, Wien, am 12.1.1914. Hier abgedruckt als Text II.2.1.5, S. 791. An der Bibliothek des BDA liegt ein Exemplar des Katechismus vor, das durchaus bereits 1914 direkt im Verlag der ZK, der Druck erfolgte wie die späteren Ausgaben aus 1916 und 1918 bei Rudolf M. Rohrer in Brünn, erschien. Die Ausgabe 1914 weist keine Abbildungen aus, wenngleich auf Seite V nur als Titel ein Verzeichnis der Abbildungen angeführt wird und die Seiten VI–VIII blank bleiben. Zur Finalisierung des Katechismus s. jüngst BLOWER 2010, S. 436 ff. mit Hinweis auf das Quellenmaterial bei BRÜCKLER 2009, S. 348 f. und S. 544.
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ENTSTEHUNGSGESCHICHTE
UND
ERFOLG
DES
KATECHISMUS
DER
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Aus den Dokumenten des Archivs der Militärkanzlei wie auch aus dem Verlauf der Reform der österreichischen Denkmalpflege und der Festlegung des Zeitraums, in dem sie stattfinden sollte, kann man den Schluss ziehen, dass sich Franz Ferdinand nicht darauf beschränkte, Einfluss auf die ZK auszuüben, sondern dass seine Bestrebungen dahin gingen, ihr eine neue Form zu geben, wobei er sich einer bis dahin unbekannten und modernen Art der Propaganda bediente. Dvoøáks Katechismus muss deshalb auch – ohne dass der Autor dabei verliert – als Publikation «auf Bestellung» betrachtet werden. Es handelt sich um ein im Sinne moderner Marketingmethode erstelltes, für die weite Verbreitung bestimmtes Werbemittel, was sich, wenn auch «in nuce», in seiner literarischen Form und typographischen Struktur widerspiegelt.
2. MAX DVOØÁKS KATECHISMUS
DER
DENKMALPFLEGE
Wie wir festgestellt haben, ist der Katechismus in erster Linie ein Text auf Bestellung, der von Franz Ferdinand gewünscht und von Dvoøák als dem bedeutendsten Fachtheoretiker, Generalkonservator und Leiter des kunsthistorischen Instituts der ZK geschrieben wurde. Der 1914 vom Erzherzog in seiner Funktion als Protektor der staatlichen österreichischen Denkmalpflege gebilligte Text wurde 1916, also nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs, veröffentlicht. Eine zweite Ausgabe erschien zwei Jahre später, also nach dem «Finis Austriae». Der Katechismus besteht aus zwei Teilen, einem kurzen Textteil von 51 Seiten und einem Bildteil mit 139 Abbildungen von Beispielen und Gegenbeispielen, die von einem erläuternden Text begleitet werden, der immer einen mehr oder weniger umfassenden, fast immer apodiktischen Kommentar enthält. Der kurze Textteil beinhaltet drei Hauptthemen, die in sechs Kapiteln behandelt werden: Grundsätze, Aufgaben und Vorschriften. Die Zahl der Kapitel übertrifft somit die Gliederung, die der Erzherzog gebilligt hatte und die mit den drei Hauptthemen übereinstimmen. Wenn man jedoch das zweite, dritte und vierte Kapitel, die sich jeweils mit dem Wert des Denkmalbesitzes, mit dem umfassenden Begriff der Denkmalpflege und mit dem restaurativen «Vandalismus» befassen, als zum Thema «Grundsätze» gehörig betrachtet, dann besteht kein wesentlicher Unterschied zwischen der veröffentlichten und der vom Thronfolger gebilligten Version. Wenn Dvoøák nachträglich Änderungen hätte vornehmen können, hätte er vermutlich einige Widersprüche korrigiert. Einen solchen Widerspruch stellt zum Beispiel seine schneidende Kritik an Friedrich von Schmidt als Restaurator dar, der sonst für ihn «ein wirklicher großer Künstler» ist, ein Vertreter jener historischen Kontinuität bei Eingriffen an Denkmalen, die eine bis zu Alberti und Borromini zurückreichende Tradition darstellt. Im Katechismus wird dagegen seine Restaurierung der Klosterkirche Klosterneuburg als Beispiel einer «falsch verstandenen und dogmatischen» Restaurierung verurteilt.276 276
Darauf verweisen KUBEN 1993, S. 83 und bes. E. BACHER: 'Restauratio' und Historismus, Friedrich von Schmidt und die Denkmalpflege, in: Friedrich von Schmidt, (1825–1891), Ein gotischer Ra-
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2. | MAX DVOØAKS KATECHISMUS
DER
DENKMALPFLEGE
Das sonst differenzierte und aufmerksame Urteil des Kunsthistorikers ist in diesem Fall wohl aufgrund der Vorgaben des Thronfolgers gezwungen, sich den eindeutigen Ansprüchen, Absichten und Tendenzen der Denkmalpflege zu beugen. Die Tatsache, dass der Katechismus nach dem Tod des Erzherzogs erschien, ändert nichts an seinen propagandistischen Absichten und an dem populären Charakter seines Textes. Auch wenn er auf Bestellung geschrieben wurde, spiegelt er die Übereinstimmung des Erzherzogs und Dvoøáks in der Denkmalpflege wider, also zweier ansonsten in Geschmack, Ausbildung und künstlerischen Neigungen sehr verschiedener Persönlichkeiten. Am Anfang des Katechismus wird in Form einer Erzählung die kritische Situation einer kleinen Stadt aufgezeigt, die verschiedene Veränderungen erlitt, die sie entstellten und ihr einzigartiges Bild im landschaftlichen Kontext zerstörten. Schuld an der Zerstörung war nur indirekt die industrielle Revolution. Die eigentlich verheerenden Auswirkungen brachte die von ihr herbeigeführte Zivilisation mit sich, vor allem eine Restaurierung, die Beschädigung, Verminderung und Neuinterpretation der Jahrhunderte alten historischen, künstlerischen, religiösen Struktur bedeutet; ferner auch die Ersetzung alter Bauwerke durch neue, die in keinem Bezug zur Umgebung stehen und so als zusammenhanglose Einzelteile im alten Stadtbild erscheinen, und schließlich die Demolierung der alten Stadtmauern und Tore, die unter dem Vorwand einer Verbesserung der Verkehrssituation das Ende der «forma urbis», der historisch gewachsenen Stadt, besiegelt, ohne dass sie durch etwas Gleichwertiges ersetzt wurde. Die Situation der kleinen Stadt steht somit beispielhaft für den kulturellen Konflikt der beiden verschiedenen Auffassungen von «Modernität», wobei es Aufgabe der Denkmalpflege ist, gegen die Fehlentwicklung anzukämpfen. Der Katechismus wendet deshalb der gesellschaftlichen Veränderung und den Gefahren, die sie für den kulturellen Besitz mit sich bringt, besondere Aufmerksamkeit zu. Schließlich erstreckt sich ja sein intendierter Wirkungsbereich von Anfang an auf die verschiedenartigsten städtischen, architektonischen, baulichen und landschaftlichen Strukturen. In allgemein verständlicher Ausdrucksweise wird so auf die Bedeutung eines «Umweltschutzes» hingewiesen, auf den sich die Gesetze beziehen, die in jenen Jahren in verschiedenen europäischen Ländern verabschiedet wurden und die auch in der Doppelmonarchie zur Diskussion standen, wie die Grundsätze, Aufgaben und Vorschriften des Katechismus bezeugen. Dvoøáks Schrift behandelt unter dem Gesichtspunkt der Denkmalpflege als selbständiger Disziplin dieselben Probleme, auf die auch die neue Disziplin der Stadtplanung ihre wissenschaftliche Aufmerksamkeit richtet und für die sich die Bewegung des Heimatschutzes so begeistert engagiert. In der Untersuchung des kulturellen Verfalls, der den Kunstbesitz und sein Fortbestehen bedroht, werden dafür verantwortlich gemacht: Ignoranz und Indolenz, d. h. mangelnde Bildung und geringes Wertebewusstsein, wie willkürliche Veränderungen und fehlende Wartung beweisen; der krampfhafte Versuch der Antiquitätenhändler, den gesamten Kunstbesitz zu erwerben, mit seiner daraus folgenden Verstreuung; falsch verstandene Bedürfnisse des Fortschritts und unannehmbare Forderungen der Modernität; typologische, mit der Umgebung nicht vereinbare Charakteristika neuer
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ENTSTEHUNGSGESCHICHTE
UND
ERFOLG
DES
KATECHISMUS
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Bauwerke; Abrisse aus nicht motivierten Verkehrsgründen auch in kleinen Stadtzentren; Verwüstung historischer Stadtkerne durch die Niederlassung ausschließlich gewinnorientierter Unternehmen; falsch verstandene Verschönerungen und Ersetzen der sakralen Innenausstattung und des Kirchengeräts durch vulgäre Serienprodukte. Was Dvoøak in allen Einzelheiten darstellt, drückt er auch zusammenfassend mit den Worten aus: «Während die alte bürgerliche Kunst bescheiden und zweckentsprechend war, eine gute lokale Handwerkerkunst, will man heute überall großstädtische Paläste haben, denen man die alten schönen Bürgerhäuser opfert und die, da man für wirkliche Paläste weder Geldmittel besitzt noch Künstler heranziehen kann, zumeist zu abstoßenden Missgeburten der Baukunst sich gestalten. An Stelle der alten bodenständigen Kunst, ihre Werke vernichtend, tritt, durch diese falsche Prunksucht hervorgerufen, eine trostlose Gleichmacherei, die alten Orten ihre Schönheit raubt und sie in künstlerisch hohle, langweilige Allerweltsstädte verwandelt.»277 Es tauchen hier Argumente der Heimatschutzbewegung auf, wie auch Schlagworte einer konservativen antiurbanen Polemik, die in den folgenden Jahren auch völkisch-rassistische Züge annimmt, die ihre positiven Absichten in gefährlicher Weise ins Negative verkehrt. Dvoøák geht es nicht darum, sich der Großstadt entgegenzustellen, sondern innerhalb der modernen Stadtentwicklung Vorsorge für das Überleben ihrer historischen Strukturen zu treffen, was mit einer modernen Urbanistik durchaus vereinbar ist. Der Wert des Denkmalbesitzes, der sich aus der Beziehung der Denkmale zu ihrem Kontext, d. h. zu den Orten und ihrer historischen und landschaftlichen Umgebung ergibt, wird dem Wert des Neuen, seinem auf Ignoranz und schlechtem Geschmack beruhenden Anspruch auf Vorherrschaft, entgegengestellt. Es geht also nicht notwendigerweise um den Kampf gegen die Modernität an sich, sondern gegen ihre vulgären Ausdrucksformen. Ein Beispiel für eine solche Fehlentwicklung liefert die Praxis der destruktiven Eingriffe an Denkmalen. Die stilistische Restaurierung entspricht somit in kleinerem Maßstab den großen Eingriffen in die historische Stadtstruktur. Die Denkmalpflege ist deshalb nicht nur durch die technische Entwicklung betroffen, es betrifft sie die gesamte Kultur. Ihre Aufgabe ist daher universal. Sie geht nicht nur den Konservator an, sondern jeden einzelnen Menschen, die einzelnen religiösen Gemeinschaften, Verbände, die staatlichen Autoritäten jeden Ortes und jeder Nation. Was sie lehrt, drückt Dvoøák mit dem Wort «Pietät» aus. Durch sie wird jede Tätigkeit zu einer pädagogischen Aufgabe, die den Sammler so gut wie die den Künstler, Architekten, ja fast jeden Fachmann verpflichtet. Der Breviercharakter des Katechismus geht besonders aus den dreizehn abschließenden Geboten hervor, die den Bildanhang einleiten und die man als eine Charta, als
277
tionalist, Ausstellungskatalog Wien, (Sonderausstellung/Historisches Museum der Stadt Wien, 148), Wien 1991, S. 40–46. Vgl. DVOØÁK 1916/1 und DVOØÁK 1911/3 bzw. nach dem Wiederabdruck DVOØÁK 1974, vgl. insbes. S. 132. DVOØÁK 1911/3 hier abgedruckt als Text I.1.3, S. 225. Der Katechismus in der Ausgabe aus 1916 wird hier vollständig als Text I.7.12 wiederabgedruckt, S. 521. DVOØÁK 1916/1, S. 20.
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2. | MAX DVOØAKS KATECHISMUS
DER
DENKMALPFLEGE
Manifest der Denkmalpflege, auffassen kann. Ziel dieses Manifestes ist in erster Linie (Art. 1) die Erhaltung der Denkmäler in dem uns überkommenen Zustand, «in ihrer alten Bestimmung und Umgebung [...] in ihrer unverfälschten Gestalt und Erscheinung». Bei der Behandlung von Ruinen (Art. 2) sind, wo es notwendig erscheint, Zusätze erlaubt, aber nur in einfachen, der Gesamtgestalt untergeordneten, auf gar keinen Fall historisierenden Formen. Verbesserungsmaßnahmen und Eingriffe an der Baustruktur (Art. 3) müssen dem Kriterium der «Anpassung» folgen und mit dem schon Bestehenden vereinbar sein. In diesem Sinn sollen bei einer auch teilweisen Erneuerung von Dächern und Fußböden (Art. 4) alte Materialien wieder verwendet werden, während bei der Erneuerung des Verputzes neutrale Farbtöne (grau für außen, weiß-grau für innen) vorgezogen werden sollten. Auf jeden Fall wären hervorstechende Farben zu vermeiden. Das Projekt (Art. 5) der Denkmalpflege darf nicht alleinige Aufgabe der Architekten und auch nicht des Auftraggebers/Eigentümers und schon gar nicht des Bauunternehmens oder der Bauleitung sein, sondern das Ergebnis eines Dialogs mit den dafür zuständigen Ämtern. Es folgen einige Hinweise, um eine falsch verstandene Modernisierung, vor allem in Kultstätten, zu verhindern, wie die Übermalung von Statuen und dekorativen Elemente aus Marmor und Stuck, den Austausch von Altären, Beichtstühlen und anderen Kultgegenständen, die Entfernung der Patina auch bei sakralen Geräten aus Metall (Art. 6–10). Insbesondere wird auf die Notwendigkeit verwiesen, Eingriffe an Wandmalereien, an Gemälden auf Leinwand oder Holztafeln spezialisierten Restauratoren zu überlassen (Art. 8) und dabei das dafür zuständige Amt zur Beratung heranzuziehen (Art. 9). Dvoøák trägt der Kritik der kirchlichen Autoritäten Rechnung, dass Kirchen keine Museen für Kunstgeschichte seien, sondern Kultstätten mit einem spezifisch geistlichen Gebrauchswert und einer hauptsächlich liturgischen Funktion278 und rät deshalb zur Einrichtung von Sammlungen religiöser Kunst in kleinen Kirchenmuseen (Art. 10). Auf diese Weise soll vermieden werden, dass sich alter Kunstbesitz in einen Gegenstand merkantilistischer Interessen verwandelt (Art. 11). Die beiden letzten Artikel betreffen unmittelbar zeitgenössische Werte und nehmen zu strittigen Fragen der Moderne Stellung. Historischer Dekor an Gebäuden soll bewahrt werden. Falls sich seine Erneuerung wie auch die Erneuerung von Fenstern oder anderer typischer Ausstattungsund Einrichtungsgegenstände als notwendig erweisen, soll man nicht auf bestehende Modelle zurückgreifen, sondern auf innovative künstlerische Arbeiten, die sich durch Originalität und Qualität auszeichnen. «Die Entwürfe» sollen bei «Künstlern in Auftrag gegeben werden, die nicht nach Schablonen arbeiten, sondern soviel Verständnis und Begabung besitzen, um ein Werk zu schaffen, das selbständigen künstleri-
278
S. in diesem Zusammenhang die Regotisierungen der Pfarrkirchen in Enns, Schwaz und Kindberg, die zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen der ZK und der Kirche führen. MKFF, 155, 1909–1910, Nrn. 33, 94 u. 96. Das Problem wird auch von Holey (siehe das folgende Kapitel) hervorgehoben.
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ENTSTEHUNGSGESCHICHTE
UND
ERFOLG
DES
KATECHISMUS
DER
DENKMALPFLEGE | IV.
schen Wert hat und dabei mit der monumentalen Gesamtwirkung des Baues und dessen altem Gepräge im Einklang steht.»279 Das Kriterium der «Anpassung» erfährt hier eine bedeutende Interpretation: Es soll nicht auf historisierende Modelle zurückgegriffen werden, auf Formen eines stilistischen Eklektizismus, sondern es werden ausdrücklich selbständige zeitgenössische Eingriffe empfohlen, die als solche erkennbar bleiben sollen, weil sie eine Aufwertung des monumentalen Kontextes bedeuten. Es wird somit die Bedeutung der «konservativen Innovation» anerkannt.280 Künstler und fähige Handwerker sollen zusammenarbeiten, um die Verbreitung wertloser Massenprodukte in einem jahrhundertealten kulturellen Umfeld zu verhindern. Unter diesem Aspekt bezieht sich die Denkmalpflege direkt auf die Auseinandersetzungen über den Wert und die Bedeutung der künstlerisch-industriellen Bewegung. Zu dieser Konfrontation mit der zeitgenössischen Kunst gehören auch die abschließenden Hinweise, die die Architektur, die Urbanistik und die Bedeutung der Landschaft betreffen. Die neuen Eingriffe in den historischen Kontext sollen einfach und funktionell sein, die Tradition respektieren und «bodenständig» sein, d. h. aus dem Ort selbst hervorgehen und ihm angepasst sein. Im Anhang wird als Beispiel das neue, von Theodor Fischer entworfene Postgebäude in Hall in Tirol gezeigt, das diese Tendenz innerhalb der zeitgenössischen Architektur vertritt.281 Ein neues Gebäude soll dem Landschaftsbild untergeordnet sein und die ihm entsprechende Vegetation soll einem speziellen gärtnerischen Konzept entsprechen. Außerdem muss sich die Denkmalpflege, soll sie sich nicht gegen das Konzept der unbegrenzten Großstadt stellen, mit der Urbanistik auseinandersetzen, es muss ihr innerhalb derselben ein genauer Platz zuerkannt werden, sodass sich die Stadtentwicklung mit der Erhaltung ihrer historischen Struktur vereinbaren lässt. Abschließend kann man sagen, dass der Katechismus eine Synthese der neuen Prinzipien und Tendenzen der Denkmalpflege darstellt und das Ziel verfolgt, einerseits das Interesse der öffentlichen und privaten Autoritäten auf die neuen Restaurierungskriterien (der ZK) zu lenken und andererseits in der breiten Öffentlichkeit das Bewusstsein für die gegenseitige Abhängigkeit des zu schützenden Denkmals und seines kulturellen und territorialen Umfeldes zu wecken. Letzteres ist die spezielle Absicht der Heimatschutzbewegung. Der Katechismus kann deshalb als eines der ersten Dokumente betrachtet werden, das auf die Beziehung zwischen Denkmalpflege und Urbanistik aufmerksam macht. Außerdem betont er in seinen praktischen Ratschlägen das Prinzip der Anpassung neuer Eingriffe an die historische Struktur. Dieses Prinzip ist weder der «stilistischen» Erneuerung, die eine Fälschung bedeutet, noch dem «ambientismo» (laut Gustavo Giovannonis Restaurierungslehre),
279 280 281
DVOØÁK 1916/1, S. 49. Die Bezeichnung übernommen bei A. EMILIANI: L'innovazione conservativa. Più realismo per il patrimonio artistico italiano, Bologna [1989]. DVOØÁK 1916/1, Abb. 133.
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3. | DER
GESETZESENTWURF VON
KARL HOLEY
das heißt einer auf dem Wesen der Tradition und des «genius loci» bezogenen Bauens, gleichzusetzen, die das Potential qualitätvoller Gegenwartsarchitektur ignoriert. Was im Katechismus die drei Themen der modernen Denkmalpflege, also die Theorie der Restaurierung, die Beziehung von Denkmalpflege und Urbanistik und die Integrierung des Neuen in die historische Struktur – Themen, die im ganzen 20. Jahrhundert immer wieder auftauchen – untereinander verbindet, ist Dvoøáks Konzept der künstlerischen Einheit des monumentalen Komplexes. Darin wird dem geistigen und kulturellen Inhalt vor den ethnischen und/oder sozialen Komponenten der Vorrang gegeben und darauf beruht seine Übereinstimmung mit (wie auch seine Distanz zu) jenen Bewegungen, die in diesen Jahren die Verwirklichung derselben Themen zum Ziel ihrer Aktivität machen wie der Heimatschutz und der Werkbund.
3. DER GESETZESENTWURF
VON
KARL HOLEY
Bei einem Kommentar zum Katechismus darf der Hinweis auf das mehrbändige Werk Kulturarbeiten von Paul Schultze-Naumburg nicht fehlen, das zu Beginn des Jahrhunderts eine bedeutende Rolle für die Anerkennung der «Umweltwerte» spielte und die didaktisch-illustrative Darstellung von Beispiel und Gegenbeispiel für das auf den verschiedenen Gebieten der Kulturarbeiten – vom Haushaltsgerät zur Kleidung, von den Infrastrukturen zu Siedlungen jedweder Art282 – Richtige oder Falsche als Standardform einführte. Ein anderes Beispiel für diese polemisch-propagandistische Darstellungstechnik, das jedoch der «Wiener Tradition» näher steht, bietet ein Kommentar von Karl Holey zum Gesetzentwurf zum österreichischen Denkmalschutz.283 Nach dem Studium am Wiener Polytechnikum arbeitete Holey als Architekt in der ZK. Er veröffentlichte eine Erläuterung zum Entwurf eines österreichischen Denkmalschutzgesetzes, an dem ein parlamentarischer Ausschuss arbeitete, um die vorausgehenden Vorschläge von Helfert und Graf Leo von Piniñski zu vereinen.284 Holeys kleiner Band wurde vom Erzherzog günstig aufgenommen, der deshalb eine möglichst weite Verbreitung unter den Mitgliedern der ZK empfahl.285 Es weist einige Charakteristika auf, die der Erzherzog zum Vorbild für die Schrift genommen
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P. SCHULTZE-NAUMBURG: Kulturarbeiten, Bd. 1–9, München 1902–1917. Vgl. HUSE 1984, S. 160; KUBEN 1993, S. 77. Das Werk von Schultze-Naumburg bildet «eine Bastion germanisierender Kulturpolitik»; s. H.–W. KRUFT: Geschichte der Architekturtheorie. Von der Antike bis zur Gegenwart, München 1985, S. 448. Darauf verweist AURENHAMMER 1997, S. 14 mit Anm. 18. K. Holey: Ein Denkmalschutzgesetz für Österreich, (Flugschriften des Vereins zum Schutze und zur Erhaltung der Kunstdenkmäler Wiens und Niederösterreichs ; 5), Wien 1911. Zu Holey s. Holey, Karl, in: BRÜCKLER/NIMETH 2001, S. 113 f., zu Pininski s. Pininski, Leo, in: BRÜCKLER/NIMETH 2001, S. 205. Zum parlamentarischen Ausschuss vgl. BRÜCKLER 1991, S. 169. MKFF, 160, Nr. 279. K. HOLEY (zit. Anm. 284), S. 19.
146
ENTSTEHUNGSGESCHICHTE
UND
ERFOLG
DES
KATECHISMUS
DER
DENKMALPFLEGE | IV.
haben könnte, mit der er anschließend Dvoøák beauftragte. Jedenfalls trägt diese Schrift dazu bei, die endgültige Form des Katechismus besser zu verstehen. Der Text Holeys besteht aus drei Teilen. Der erste enthält die 37 Artikel des vom parlamentarischen Ausschuss ausgearbeiteten Entwurfs zum Denkmalschutzgesetz, der zweite liefert den historisch-kritischen Kommentar dazu und der dritte besteht aus 90 Abbildungen. Die Artikel sind gruppenweise zusammengefasst, der Kommentar entspricht dieser Gliederung. Der Kommentar zu den ersten beiden Artikeln des Gesetzentwurfes, in denen das öffentliche Interesse im Denkmalschutz festlegt wird, besteht faktisch aus einem kurzen Überblick über die Fachgeschichte, die mit dem Breve von Papst Paul III. beginnt und über Raffaels Brief an Leo X. zu den ersten gesetzlichen Regelungen des 18. Jahrhunderts in Italien, Portugal, Schweden und England führt, sich in den Maßnahmen der nachrevolutionären Zeit in Frankreich fortsetzt, über die Romantik und den deutschen Historismus zur stilistischen Restaurierung und der antirestaurativen Gegenbewegung führt und schließlich in den Prinzipien der modernen Denkmalpflege gipfelt, die von Riegl und Gurlitt vertreten werden und von denen es heißt: «An die Stelle der älteren, intoleranten Richtung ist eine jüngere, tolerante getreten, für die alle Stilepochen als gleich erhaltenswert gelten, alle sind sie als ehrwürdige Zeugen der Vergangenheit, als authentische Urkunden früherer Kulturen und als Glieder in der Entwicklungsreihe, die uns das ewig geheimnisvolle, große Mysterium der Entstehung der Welten und Kulturen näherrücken, für das öffentliche Interesse von gleicher Bedeutung und des öffentlichen Schutzes in gleicher Weise bedürftig».286 In dem Kommentar zum dritten Artikel, der die Frage der Klassifizierung der Denkmale betrifft, setzt sich Holey mit den in Frankreich und Deutschland verwendeten Inventarisierungsmethoden auseinander. Der Kommentar zu der zweiten Artikelgruppe (5–18) besteht aus einer Zusammenfassung der neuen Kriterien, die bei der Erhaltung von Denkmalimmobilien angewandt werden sollen, die zum öffentlichen Besitz gehören. Besondere Beachtung gebührt dabei der «dauernden Erhaltung in ihrem geschichtlichen Zustand», der Verteidigung des Alterswertes sowie nicht invasiven und nur technisch begründeten Eingriffen und Zusätzen (Art. 5–6). Die Betrachtungen, die Artikel 7 betreffen, sind besonders interessant. Sie betonen die Ablehnung einer Restaurierung, die die stilistische Einheitlichkeit wiederherstellen will und geben für den Fall, in dem eine neue Konstruktion unvermeidlich ist, um einen Baukomplex insgesamt zu bewahren, den präzisen Hinweis: «Man wende sich an einen Künstler, der allein ein dem alten ebenbürtiges Kunstwerk zu schaffen vermag». Den Prinzipien Riegls getreu wird mit folgenden Worten betont, dass nicht alle Restaurierungen gleich sind: «Wenn sich infolge der Benützung eines Bauwerkes unabweisliche Forderungen nach Änderungen, Umbauten oder Anbauten ergeben, dann scheue man sich nicht, das Neue neben das Alte zu stellen; aber das Neue soll sich dem Alten unterordnen; nicht in der künstlerischen Qualität, da soll es ebenbürtig sein; wohl aber in einer bescheidenen Art der Formgebung, in einer harmonischen Eingliederung in das Gesamtbild des alten Baues».
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4. | SPUREN
DES
KATECHISMUS
BEI
ADOLF LOOS
In dem Kommentar zu Artikel 8 wird der Begriff «Zubehör» an Beispielen erklärt. Zubehör eines Schlosses ist nicht nur seine Einrichtung, sondern auch sein Park, Zubehör einer Kirche ist nicht nur ihre Inneneinrichtung, sondern auch ihr Vorplatz, Zubehör einer Stadt sind ihre Häuser und ihre Stadtmauern. Aufgabe der Denkmalpflege ist es, den Kontext eines Denkmals zu bewahren, alles was mit ihm in einem Bezug steht. Aus diesen Überlegungen ergibt sich notwendigerweise die Verbindung der Denkmalpflege mit den baulichen Vorschriften (Art. 12). Wenn man die Artikel zur «Verländerung» der Denkmalpflege, der Dvoøák ablehnend gegenüberstand, auslässt und diejenigen, die Maßnahmen zum Schutz von privaten Immobilien betreffen, wie Steuererleichterungen, Enteignung, Begrenzung der Verfügbarkeit (III. Teil, Art. 20–25) ebenso wie auch jenen Teil, der Hinweise zur Behandlung von archäologischen Funden und Ausgrabungen enthält (Teil IV), dann kann man die Ähnlichkeit der Kommentare Holeys mit dem von Dvoøák abgefassten und vom Protektor der ZK «beauftragten» Text feststellen. Dazu muss man noch hinzufügen, dass sich einige Beispiele und Gegenbeispiele in beiden Texten finden, wie das Restaurierungsprojekt für die Pfarrkirche von Schenna in Südtirol, der Wiederaufbau der Schlösser Karlstein und Hartenstein, Schmidts Restaurierung des Stifts Klosterneuburg, die Demolierung der Häuser auf dem Stadtplatz von Steyr und das Restaurierungsprojekt des Wawel in Krakau. Angesichts der Gemeinsamkeiten mit Holeys Schrift scheint es berechtigt, den Katechismus als Ergebnis einer umfassenden kulturellen, juristischen und wissenschaftlichen Debatte zu betrachten. Er entsteht jedoch auch aus der politischen Notwendigkeit, einen passenden Weg zu finden, um die Gunst einer möglichst breiten Öffentlichkeit für die neuen Auffassungen der Denkmalpflege zu erlangen.
4. SPUREN
DES
KATECHISMUS
BEI
ADOLF LOOS
Loos nimmt die Denkmalpflege in seine Schrift Richtlinien für ein Kunstamt auf, die er als sein wichtigstes Werk betrachtet.287 In dem Paragraphen, der der Bewahrung des Stadtbildes gewidmet ist, verkündet er: «Entscheidende Änderungen des alten Stadtbildes dürfen nur aus praktischen Gründen, niemals aber aus ästhetischen Gründen erfolgen», da ästhetische Vorschriften keine Berechtigung mehr hätten und selbst die besten ästhetischen Absichten einmal zerstörte Monumente nicht ins Leben zurückrufen könnten. Außerdem soll die Integration neuer Architektur in den historischen Bestand von der Denkmalpflege beaufsichtigt werden. «Alle Ände-
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A. LOOS (Hrsg.): Richtlinien für ein Kunstamt, Wien 1919; (erschienen als Nr. 62, in: Der Friede. Wochenschrift für Politik, Volkswirtschaft und Literatur.). Es handelt sich hierbei um ganz knapp gehaltene Richtlinien zu Bildender Kunst, Theater (beides von Loos selbst), Literatur (ungenannt) und Musik (von Arnold Schönberg). Zum Unterkapitel Denkmalpflege s. S. 6 f. Dazu H. AMANSHAUSER: Untersuchungen zu den Schriften von Adolf Loos (Dissertation der Universität Salzburg, 21), Wien 1985, S. 129 f.
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ENTSTEHUNGSGESCHICHTE
UND
ERFOLG
DES
KATECHISMUS
DER
DENKMALPFLEGE | IV.
rungen und Neubauten bedürfen der Genehmigung des Denkmalamtes» lautet die Forderung von Loos, die Erzherzog Franz Ferdinand wohl unterschrieben, Riegl jedoch sicher abgelehnt hätte aus der Überzeugung, dass die Denkmalpflege nur da Berechtigung hat, wo historische Substanz vorhanden ist. Es handelte sich auf jeden Fall um ein dringliches Problem, dessen Bedeutung klar erkannt wurde, als man begann, nicht mehr nur das einzelne Monument für schützenswert zu halten, sondern auch seine Umgebung, das gesamte Umwelt- und Landschaftsbild. In diesem Sinn scheinen Loos’ Äußerungen zur Frage, wie bei der Integration von neuer Architektur in den historischen Kontext vorgegangen werden soll, Dvoøáks Forderungen nach künstlerischer Qualität und Vereinbarkeit von Alt und Neu nahezustehen. «Neubauten fügen sich nur dann harmonisch ins Stadtbild ein», heißt es bei Loos, «wenn sie im Geiste der Zeit, also weder in kitschigen Stilanklängen noch im echtesten Werkbundstil (Edelarbeit!) ausgeführt werden». Wenn man Loos’ Polemik gegen das Kunsthandwerk durch Dvoøáks Polemik gegen Otto Wagners Antitraditionalismus ersetzt, dann folgen beide demselben Prinzip. Loos erklärt außerdem genau, was er unter dem Geist seiner eigenen Zeit versteht: «Im Geist ihrer Zeit ausgeführte Bauwerke sind jene, die die traditionelle Bauweise, die wir besaßen, bevor die Nachahmung der verschiedenen Baustile einsetzte, bewusst mit Hilfe der letzten Erfindungen und Erfahrungen fortsetzen». Hier verbindet sich die Aussage des Katechismus mit der modern-klassischen Richtung, für die Loos und Dvoøák eintraten.288
5. BEZUGSPUNKTE ZUM KATECHISMUS IN DEN VORSCHRIFTEN CESARE BRANDI UND GIULIO CARLO ARGAN
VON
1971 erschien in Paragone eine von Mina Bacci herausgegebene Übersetzung des Katechismus, die ein Jahr später von dem einflussreichen Verein Italia Nostra übernommen wurde. Damit hat die italienische Forschung – was des Öfteren passiert – vor der österreichischen Denkmalpflege eine Neuuntersuchung von Dvoøáks Text durchgeführt. Es soll auch darauf hingewiesen werden, dass zur gleichen Zeit die Vorschriften von Cesare Brandi zur Erhaltung der Kulturgüter verbreitet wurden, die unter dem Namen (neue) Carta del restauro bekannt sind.289 Die Redakteure der Zeitschrift Paragone wandten sich unter der Leitung von Mina Gregori – unter Bezugnahme auf verschiedene Zerstörungen, die im Namen der Restaurierung vorgenommen und von Benedict Nicolson und Angiola Maria Romanini heftig kritisiert worden waren – an Artur Rosenauer, um ihm die Wiederveröffentlichung des Katechismus vorzuschlagen, der klar und deutlich die interpretative, in der Praxis invasive und destruktive Restaurierung verurteilte und als populärstes Ma-
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S. unser Kap. V, S. 152. Die Carta bildet von da an einen Anhang zu seiner Teoria; vgl. C. BRANDI: Teoria del restauro, (Piccola biblioteca Einaudi), Torino 1978, S. 131–154.
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5. | BEZUGSPUNKTE
ZUM
KATECHISMUS
BEI
CESARE BRANDI
UND
GIULIO
CARLO
ARGAN
nifest der Denkmalpflege, ein Gegenmittel zum Protagonismus der Restaurierung darstellte. Der Vorschlag sollte somit einen Gesichtspunkt unterstützen, der sich von Brandis Auffassungen unterschied und sich von Zugeständnissen an ästhetische Kriterien distanzierte, die im Kern in Brandis Theorie enthalten waren und in der Carta del restauro fehlen.290 Dass das Ziel zweckbedingt war, wenn auch im positiven Sinn – da es ja auf alle Fälle eine Gelegenheit darstellte, dem italienischen Publikum einen «klassischen», in Italien noch unbekannten Text vorzustellen –, beweist auch das absolute Desinteresse der Zeitschrift an dem Zusammenhang, aus dem der Text Dvoøáks hervorgegangen war, was wiederum auf eine recht eigenartige Betrachtungsweise der italienischen Denkmalpflege zurückzuführen ist. Dennoch bestehen Bezugspunkte zwischen Brandis Theorie und Dvoøáks Katechismus,291 auch wenn Brandi selbst kein Interesse für die Wiener Auffassungen der Denkmalpflege zeigte. Es fragt sich nun, ob der Katechismus schon vor der oben genannten Übersetzung in irgendeiner Weise in Italien Beachtung gefunden hat. Was wir mit Sicherheit wissen, ist, dass die Kultur der Denkmalpflege bzw. der Restaurierung von architektonischen Denkmälern in den 1920er und 1930er Jahren in Italien durch Gustavo Giovannoni vertreten wurde. Wir können deshalb sein Vorgehen in der Praxis mit der Tätigkeit der österreichischen Denkmalpflege von Riegl und Dvoøák anhand der Geschichte des Diokletianspalastes in Split vergleichen.292 Die ebenfalls mit Carta del restauro bezeichneten Istruzioni (Hinweise) aus 1942, die mit einem Kommentar von Giulio Carlo Argan eingeleitet werden,293 distanzieren sich von Giovannonis in der Carta del restauro von 1932 zusammengefassten Auffassungen. Sie sind Ausdruck der Reformen, die der Minister Bottai auf dem Gebiet der Denkmalpflege vornehmen wollte und die 1939 mit der Gründung des Istituto Centrale per il restauro (Zentralinstitut für Restaurierung) begannen. Der Text zeigt grundsätzliche Ähnlichkeiten mit den Prinzipien des Katechismus, auch wenn man die inzwischen vergangenen zwanzig Jahre in Betracht ziehen muss. Im dritten Artikel der Istruzioni werden Renovierungen, Vervollständigungen und Zusätze strikt untersagt, «die nicht unbedingt notwendig sind für die Stabilität, die Erhaltung und das Verständnis des Bauwerks». Im vierten Artikel wird genau angegeben, dass sich ein eventueller Zubau «in den Grenzen einer absoluten Einfachheit halten und
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293
M. DVOØÁK: Catechismo per la tutela dei monumenti, (Ital. Übers. M. Bacci), in: Paragone, 22, 1971, Nr. 257, S. 30–63; M. GREGORI: Per la tutela dei beni artistici culturali, ebenda, S. 3–18; B. NICOLSON: Restauro di monumenti in Toscana, ebenda, S. 19–23; A. M. ROMANINI: A proposito di restauro architettonico, ebenda, S. 23–28. Vgl. G. CARBONARA (zit. Anm. 126), S. 84 f. Siehe auch hier Schlussbetrachtungen zu Dvoøák-Riegl; Kap. VI.6.1, S. 195. Siehe unser Kap. II, S. 43 und I, S. 23. BROCK: Spalato romana. Die Mission der Königlichen Akademie Italiens nach Split (29. Sept.–3. Okt. 1941–XIX), in: Römische Historische Mitteilungen, 50, 2008, S. 557–649. Zur Entstehung und zu den Auffassungen dieser neuen Carta s. P. NICOLOSO: La carta del restauro di Giulio Carlo Argan in: Annali di Architettura, 6, 1994, S. 101–115. Die Schrift enthält im Anhang die Carta del restauro von 1932, die Transkription von Argans Manuskript La carta del restauro von 1939 und den Text der Istruzioni von 1942.
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ENTSTEHUNGSGESCHICHTE
UND
ERFOLG
DES
KATECHISMUS
DER
DENKMALPFLEGE | IV.
mit Material und Techniken ausgeführt werden soll, die ihn als modern kenntlich machen und durch die Vermeidung jeder dekorativen und figurativen Wiederaufnahme jedwede Möglichkeit ausschließen, als historisch angesehen zu werden.» Dieses Prinzip bestätigt die Notwendigkeit, das Moderne erkennbar zu machen und zeigt die Tendenz, dekorative und figurative Eingriffe wie auch die stilistische Nachahmungen abzulehnen, womit auf die veränderte künstlerische Situation mit der Gründung des Faschismus hingewiesen werden soll. Artikel 5 erkennt das Prinzip an, die historische Struktur eines Denkmals zu bewahren und lehnt seine stilistische Rekonstruktion ab, Artikel 8 gesteht der Umgebung das gleiche Recht auf Erhaltung zu, das dem Denkmal zugestanden wird, und Artikel 9 lehnt Anpassungsarchitektur im Sinne von Giovannonis «ambientismo» als Verfälschung der historisch gewachsenen Umgebung ab. Argan betont besonders die Distanzierung von einer auf den genius loci bezogenen Architektur und von jedweder Verschleierung des Modernen bei der Integration neuer Elemente in die historische Struktur. Wieder einmal wird die Denkmalpflege dazu berufen, Partei zu nehmen für die Moderne und ihre Haltungen. Außer der grundsätzlichen Übereinstimmung mit der Wiener Denkmalpflege in der Bewahrung der historischen Struktur und in der Ablehnung ihrer Verfälschungen durch Nachahmungen oder ähnliche Eingriffe, kann man hier dasselbe Anliegen feststellen, einen Beitrag zur Definition der Moderne und ihrer Kennzeichen liefern zu wollen. Diejenigen, die sich für die Moderne engagierten, hatten damit auch die Denkmalpflege in ihr Programm aufgenommen. Auch die Denkmalpflege konnte sich deshalb nicht länger der Moderne verschließen.294
294
Es bleibt noch zu klären, ob im Rahmen der von Giuseppe Bottai gewünschten Reform der Denkmalpflege, mit der Carlo Argan, Cesare Brandi, Roberto Longhi und Marino Lazzeri beauftragt worden waren, auch eine Befassung mit den österreichischen Erfahrungen stattfand, die sich mit der Auseinandersetzung mit der deutschen Gesetzgebung vergleichen lässt, die Virgilio Testa anlässlich der italienischen Gesetzgebung zur Urbanistik vornahm; vgl. V. TESTA: La legislazione urbanistica prussiana, in: Architettura, 13, 1934, S. 491–497; derselbe: La legislazione urbanistica sassone, ebenda, S. 563–570 u. derselbe: La legislazione urbanistica bavarese, ebenda, S. 631–637; s. a. S. SCARROCCHIA: Albert Speer e Marcello Piacentini. L'architettura del totalitarismo negli anni trenta (Biblioteca di architettura Skira, 4), Ginevra-Milano 1999, S. 216–219 bzw. S. SETTIS: Paesaggio Costituzione cemento. La battaglia per l'ambiente contro il degrado civile (Passaggi Einaudi), Torino 2010, bes. III.5: 1938–1948. Patrimonio, paesaggio, costituzione, S. 122–136; wo er schreibt: «ma è difficile, allo stato della documentazione pubblicata, individuare quali possano essere state la individuali influenze o contributi alla redazione finale delle leggi [di Bottai]», S. 123.
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V. DIE KULTUR DER DENKMALPFLEGE UND DIE FORDERUNGEN DER MODERNE
DIE DENKMALPFLEGE ALS SCHNITTPUNKT VERSCHIEDENER DISZIPLINEN Aus dem Bewusstsein von der «künstlerischen Dekadenz» in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die sich in der Restaurierungspraxis als Imitation und Beschädigung des historischen Bestandes ausdrückt, und durch die Ausdehnung des Erhaltungsprinzips vom einzelnen Bauwerk auf das Ensemble, entsteht eine Denkmalpflege von weiter wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Bedeutung, die zum Schnittpunkt für die komplexen künstlerisch-industriellen Bewegungen der zeitgenössischen Kunst einerseits und der Urbanistik und Ökologie andererseits wird. Als Verbindungsglied tritt dabei die moderne Architektur auf, die in Form der Restaurierung seit Beginn der Denkmalpflege und nun, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als unabhängige Ausdrucksform Anerkennung verlangt. Sie gleicht die retrospektiven Tendenzen der Denkmalerhaltung aus und gibt ihrem modernen Vorgehen in der Praxis Auftrieb. Max Dvoøáks gesamte Tätigkeit als Konservator ist darauf ausgerichtet, Lösungen zu finden und Hinweise zu geben für die neuen Aufgaben, die sich der Denkmalpflege in ihrer erweiterten und komplexen Funktion auf gesellschaftlicher und allgemein kultureller Ebene stellen. Bemerkenswert und umfangreich sind Dvoøáks sogenannte «kleine» Schriften und auch die Fülle der Arbeiten, zu denen er als Konservator verpflichtet war, wie Studienaufträge, Inspektionen, Untersuchung von Projekten und Ausarbeitung von Programmen. Alle zusammen bilden die Teile eines Puzzles, das noch zusammengesetzt werden muss, das aber unentbehrlich ist, um sich ein Bild von der Denkmalpflege während des Übergangs von der Doppelmonarchie zur Republik Österreich machen zu können. Auch wenn dieses Puzzle nicht vollständig ist, so kann es doch zumindest den Grad der Komplexität dieser Entwicklung aufzeigen. Soziale und kulturelle Bewegungen, neue administrative, technische und wissenschaftliche Fachrichtungen verknüpfen sich hier vor einem tragischen historischen Hintergrund. Hinter dem Papierparavent, der vom Windstoß der Krise sofort umgestoßen wird, tanzen Disziplinen wie zerbrechliche Marionetten. Die historische Forschung ist uns noch eine Erklärung über den Ursprung der trügerischen Sicherheiten schuldig, die uns bis in das Laboratorium ihrer Anwendung, d. h. bis zur Denkmalpflege begleiten.
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DIE KULTUR
1. DIE DENKMALPFLEGE
DER
ALS
DENKMALPFLEGE
KUNSTGESCHICHTE
UND DIE
FORDERUNGEN
BEWIRKENDE
DER
MODERNE | V.
DISZIPLIN
So wie die Architektur für Saverio Muratori Stadtgeschichte bewirkt,295 so bewirkt die Denkmalpflege für Dvoøák Kunstgeschichte. Im Gegensatz zu Dehios Definition «Die Denkmalpflege ist angewandte Wissenschaft, ein besonderes Fach innerhalb der historischen Disziplinen»296 betont Dvoøák die theoretische und praktische Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Denkmalpflege. Zu einem besseren Verständnis seiner Auffassung der Disziplin verhelfen zwei Beiträge, die er zu der Jahrestagung von 1920 in Bregenz lieferte, die aber erst posthum veröffentlicht wurden. Während der erste Beitrag eine kunsthistorische Analyse darstellt, ist der zweite der Denkmalpflege gewidmet. Aus den beiden Beiträgen entwickelt Dvoøák einen einzigen zusammenhängenden Gedanken, der hier kurz zusammengefasst werden soll. Für Dvoøák stellt die Kunst ebenso wie die Religion, die Philosophie und die Dichtung einen Teil der Geistesgeschichte der Menschheit dar. Als solcher, sagt er, trage sie zur kulturellen Bildung bei. Ihre Kenntnis führe zur Wertschätzung des Kunstbesitzes im gesamten Territorium wie in den einzelnen Ortschaften. «Wer den Geist einer gotischen Kathedrale oder eines barocken Doms zu erfassen vermag, dem wird auch deren bescheidenes Widerspiel in seiner heimatlichen Dorfkirche unendlich viel besagen», heißt es wörtlich. Auf diese Weise verwandle sich die angelesene Bücherkultur in «lebendige Seelenbildung» und trage zur Entwicklung der Menschheit bei.297 Wie die Kunst(geschichte) so bilde auch die Denkmalpflege «eine Brücke zur besseren Zukunft». Anstelle einer Antwort auf die Frage, was denn nun aber die Denkmalpflege eigentlich sei, lässt Dvoøák verschiedene Personen auftreten: einen leidenschaftlichen Verteidiger der örtlichen Gebräuche und Traditionen, einen Historiker, für den die Denkmale unanfechtbare Dokumente darstellen, einen Künstler, der für das hohe Fachwissen derjenigen eintritt, die die Restaurierung vornehmen sollen, einen Beamten, der auf die Normen zum Denkmalschutz und auf die Abwägung der verschiedenen Interessen verweist. Die Äußerungen der Personen enthalten, jede mit der gleichen Berechtigung, die Antwort. Hierin zeigt sich, dass die Vertreter der Wiener Schule, auch wenn sie «ex cathedra» sprechen, nie ihren geistreichen menschlichen Zug verlieren. Dvoøák ist der Meinung, dass sich die vielfachen unterschiedlichen Interessen nicht in einen Topf werfen lassen und dass es gut wäre, wenn sich auch die sogenannte «wissenschaftliche» Denkmalpflege diese Erkenntnis zu Herzen nehmen würde.
295
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S. MURATORI: Studi per una operante storia urbana di Venezia, Roma 1960; derselbe: Studi per una operante storia urbana di Roma, Roma 1963 und derselbe: Autocoscienza e realtà nella storia delle ecumeni civili. Lezioni 1971–72, G. Marinucci (Hrsg.), Roma 1976. G. DEHIO: Referat gehalten am Tag für Denkmalpflege Erfurt 1903, in: OECHELHAEUSER 1910, S. 13–20; (Hervorhebung des Verfassers). M. DVOØÁK: Kunstbetrachtung. Vortrag, gehalten am Denkmalpflegetag. Bregenz 1920, in: Belvedere, 5/6, 1924, S. 85–91.
153
1. | DIE DENKMALPFLEGE
ALS
KUNSTGESCHICHTE
BEWIRKENDE
DISZIPLIN
Eine erschöpfende Antwort gibt er dann mit einer geistesgeschichtlichen Rekonstruktion. Im Mittelalter sei der Bezug zu den Kunstwerken von «Pietät» und «Harmonie» (von Altem und Neuem) bestimmt. Mit Ausnahme der vorchristlichen antiken Kunst drücke der Bezug zum überlieferten Bestand «Kontinuität, keine Dissonanz, Einheitlichkeit und formale Adhärenz» aus. Die Renaissance spiegle die «Autonomie der Kunst», den Wettstreit mit der Vergangenheit und das Selbstbewusstsein der Zeit wider. Sie bedeute deshalb das Ende der «Pietät» den Kunstwerken der Vergangenheit gegenüber. Die Verurteilung der «barbarischen» Ausdrucksformen vollziehe sich gleichzeitig mit der Verherrlichung der Antike. Symbol dieser pietätlosen Befreiung von der Vergangenheit sei die Erneuerung des Petersdoms. Der Bildersturm der Reformation besiegle schließlich die Säkularisierung als destruktiven Prozess. Eine noch destruktivere Epoche, von Dvoøák als «das technische Zeitalter» bezeichnet, kündige sich mit der industriellen Revolution an, in dem sich die Vorherrschaft der Wissenschaft über das Gefühl durchsetze. Als Beispiele – die wahrscheinlich in Form von Diapositiven auf dem Kongress gezeigt wurden und die schon im Bildteil des «Katechismus» verwendet wurden – dienen: ein alter Turm in Pettau, der in die Anlage einer Bierbrauerei integriert worden ist, ein Friedhof, an dem eine neue Straße unmittelbar entlang führt, ein Schloss, das in eine Kaserne verwandelt wurde, die Reste eines Stadttors, das zerstört wurde, um Platz zu schaffen für einen neuen Stadtzugang. Die Denkmalpflege zeige sich damit als Produkt des 19. Jahrhunderts, das mit der Vorherrschaft von Wissenschaft und Technik den Sieg der materiellen Werte über die geistigen Werte darstelle. Mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte sich jedoch eine kritische Haltung als Ausdruck eines gesellschaftlichen Unbehagens. In der Denkmalpflege würden die antimaterialistischen Werte in den Vordergrund gestellt, in der Philosophie stelle sich der Neoidealismus dem Positivismus entgegen, und in der Kunst würden sich die antinaturalistischen Bewegungen durchsetzen. Der Weltkrieg sei eine Katastrophe für die europäische Kultur und damit auch für die Denkmalpflege gewesen. In der Nachkriegszeit müssten deshalb Sieger und Besiegte notwendigerweise den «geistigen Gütern» mehr Bedeutung geben als dem Profit und dem technischen Fortschritt. Auf dieser Grundlage sei sowohl eine neue Epoche der Denkmalpflege denkbar als auch die Entwicklung einer neuen «Pietät».298 Zu diesen hier schematisch wiedergegebenen Gedanken lassen sich einige Randbemerkungen machen. Dvoøák geht davon aus, dass allen Epochen in Bezug auf die gesamte Geschichte die gleiche Bedeutung zukommt, doch stehen manche seiner Überlegungen dazu im Widerspruch. Seine apokalyptische Vision der industriellen Revolution bildet das Gegenstück zu Walter Benjamins tiefgehenden gesellschaftlichen Analysen, wie sie in seinen Hörspielen über das andere Deutsch, d. h. über die Arbeitersprache in der Fabrik, und vor allem in «Paris, die Hauptstadt des 19.
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154
DVOØÁK 1920/3.
DIE KULTUR
DER
DENKMALPFLEGE
UND DIE
FORDERUNGEN
DER
MODERNE | V.
Jahrhunderts» zum Ausdruck kommt. Auch Hans Tietze hält die Kulturentwicklung für nicht so katastrophal und ist geneigt, auch die Fabrik und die von ihr geschaffene Umwelt unter Dvoøáks Aspekt der «Pietät» zu betrachten. Zu den Beispielen, die Dvoøák als Zeichen der Destruktion zitiert, gehört auch die Umwandlung eines Schlosses in eine Kaserne. Sollte dies darauf hindeuten, dass der Konservator im Innersten seines Herzens seine unnachgiebige Haltung gegenüber dem Verlangen der Polen, «ihren» Wawel wiederhaben zu wollen, doch noch nachträglich bereut? Er behauptet außerdem, dass der Erste Weltkrieg einen Einschnitt in der Geschichte der Denkmalpflege bedeutet habe. Es handelt sich dabei um eine Auffassung, die man auch in der Folgezeit bis heute in der Denkmalpflege antreffen kann. Auf die Beziehungen zwischen Kunstgeschichte und Denkmalpflege weist Dvoøák auch am Anfang einer anderen bedeutenden Schrift zur Methode der kunstgeschichtlichen Forschung nachdrücklich hin. Er nimmt darin Bezug auf Tietzes Schrift von 1913 Die Methode der Kunstgeschichte, zu der seine Überlegungen in der Tat eine ausführliche Rezension darstellen.299 Dvoøak verteidigt in seiner Schrift das Institut für Kunstgeschichte der Wiener Universität gegen Joseph Strzygowskis Anschuldigung, kein reines Forschungsinstitut, sondern vorwiegend auf die Praxis der Denkmalpflege ausgerichtet zu sein. Strzygowski hatte auf diese Ausrichtung mit der Gründung eines Instituts für Geisteswissenschaften reagiert, in dem die Kunstgeschichte die ihr zustehende wissenschaftliche Forschungsaufgabe wiedererlangen sollte.300 Dvoøák weist in seiner Verteidigung darauf hin, dass es eine große Schule mit klaren, stichhaltigen Forschungsprinzipien gebe, auf deren Grundlage sicherlich praktische Zielsetzungen in der Denkmalpflege und im Museumswesen verfolgt würden. Während für Strzygowski die Denkmalpflege das Studium der Denkmale zu wissenschaftlichen Zwecken beinhaltet, ist sie für Dvoøák eine auf der reinen Wissenschaft begründete angewandte Disziplin und als solche ein Eckpfeiler der Wiener Schule. Tietze hatte in dem zitierten Werk der Denkmalpflege eine wesentliche Rolle innerhalb der Methodik der historischen Forschung auf dem Gebiet der Kunst zugewiesen. Unter den Hilfswissenschaften betrachtet er die Denkmalpflege (zusammen mit der Museumskunde) als eine praktische Disziplin. Obwohl er sich der kulturellen Bedeutsamkeit und der wissenschaftlichen Autonomie, die die Denkmalpflege erreicht hatte, bewusst ist, beschränkt er sich in seiner Schrift darauf, auf ihre Bedeutung für die Kunstgeschichte hinzuweisen, die seiner Meinung nach vor allem darin bestehe, einen Zugang zum Studium der Denkmale als «direkte Quellen» zu verschaffen. Die Denkmalpflege spiele – zusammen mit der Museumskunde – insofern eine Rolle in der kunstgeschichtlichen Forschung, als sie zur «Analyse», zur
299
300
M. DVOØÁK: Über die dringendsten methodischen Erfordernisse der Erziehung zur kunstgeschichtlichen Forschung, in: Die Geisteswissenschaften, 1, 1913–14, S. 932–936, 958–961. Wiederabdruck in: WrJbKG, 27, 1974, S. 7–19. Zur Situation der beiden Institute nach Riegls Tod s. o. Kap. I, S. 23 und AURENHAMMER 2002.
155
1.1 | DIE KUNSTTOPOGRAPHIE
ALS
GENEALOGIE
DER
GEGENWART
«Kritik» und zur «Interpretation» der Quellen beitrage.301 Sie ermögliche durch die Instrumente der «Kunsttopographie», d. h. durch die Inventarisierung und Katalogisierung, die formale und ikonographische Analyse. Der Beitrag, den die Kunstgeschichte liefere, bestehe dagegen in der kritischen Analyse der «Originalität» (und «Authentizität») der Denkmale, der «Fälschungsprozesse», zu denen auch die Restaurierungen gehörten, die absichtlich die «Zeitbedingtheit» der Denkmale modifizieren, wie auch der «Dekontextualisierung», d. h. der traumatischen Veränderungen des «Ortes und seiner verschiedenen Bedeutungen». Die Denkmalpflege komme schließlich auch der Interpretation zu Hilfe, da sie die Basis für die formale und ikonographische Analyse darstelle und den Vergleich mit anderen indirekten Quellen ermögliche. Die Kunstgeschichte arbeite außerdem daran mit, die Ziele der Denkmalpflege zu bestimmen, die – frei von fixen Normen, wie kaum eine andere Disziplin – aus der Entwicklung der Kritik lebenswichtige Impulse erhalte. In einem Aufsatz über die Sammlertätigkeit, die Museumskunde und die Denkmalpflege verurteilt Dvoøák die negativen Aspekte des Kunstmarktes wie die Ausplünderung der Denkmale und die dadurch verursachte kulturelle Verarmung des ländlichen Bereiches. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, beruft er sich auf die Mitarbeit der Museen. Indem er auf die gemeinsamen Interessen und Zielsetzungen von Museen und Denkmalpflege verweist, gibt er ein klares Bild von seiner Auffassung der Denkmalpflege als primär geistiger Bewegung. So heißt es wörtlich: «Die Interessen und Ziele der Museen berühren sich darin auf das engste mit den Zielen der Denkmalpflege, die nicht mehr, wie einst, nur Restaurierungsprojekte und Konservierungsrezepte vermittelt, sondern eine mächtige geistige Bewegung ist, deren letzter Zweck eine Vertiefung der antiquarischen Gesichtspunkte des vorigen Jahrhunderts durch lebendigere Gefühlsassoziationen und Kunstbeziehungen bedeutet.»302 Aus seinen Überlegungen zieht er die folgenden Schlüsse: Einerseits muss die Kunstgeschichte aus der praktischen Arbeit an den Denkmalen aufbauen, andererseits müssen die Experten der Denkmalpflege eine erstklassige kunstgeschichtliche Ausbildung vorweisen können. Der erste Aspekt betrifft die kunsttopographische Arbeit, für deren Förderung er sich besonders einsetzte, der zweite Aspekt betrifft seine Gedanken und Vorschläge zur Institutionalisierung der Denkmalpflege und zur Ausbildung der Konservatoren.
1.1 DIE KUNSTTOPOGRAPHIE
ALS
GENEALOGIE
DER
GEGENWART
Im September 1907 beendet Dvoøák in Split seine Einleitung zum ersten Band der von Tietze geschriebenen Kunsttopographie, die dem Politischen Bezirk Krems in Niederösterreich gewidmet ist. In seinem Überblick über die Geschichte der Katalogisierung nimmt Dvoøák Italien zum Ausgangspunkt, «das Land der künstlerischen Prädestination», mit seinen Stadtbeschreibungen und Künstlerbiographien, die
156
DIE KULTUR
DER
DENKMALPFLEGE
UND DIE
FORDERUNGEN
DER
MODERNE | V.
dazu dienten, den Wert eines Territoriums hervorzuheben. In Nordeuropa – so heißt es in Dvoøáks Überblick – habe es damals noch keine derartigen kulturellen Unternehmungen gegeben. Von der Reformationszeit an werde die Kunstbewertung in der ganzen modernen Geschichte unabhängig vom Ort vorgenommen und vorwiegend von kulturellen Bewegungen bestimmt. Daraus, wie auch aus der Entwicklung des Kunstmarktes, würden sich die ersten administrativen Inventare des Kunstbesitzes erklären. Mit dem Historismus des 19. Jahrhunderts sei die Inventarisierung nicht länger Ausdruck von Bauspekulationen oder Instrument von Handelsverboten, sondern Kontrollinstrument jedes einzelnen Moments der geschichtlichen Evolution. Die «historistische» Betrachtungsweise relativiere auch die urteilende Bewertung, die nun «alle Denkmale umfaßt, die geeignet sind, in dem Beschauer Impressionen hervorzurufen, die in einer seelischen Anteilnahme an den Denkmalen als Dokumenten der das Werden und Vergehen bestimmenden Entwicklungsgesetze ihren Ursprung haben.»303 So wie der Körper im Mittelpunkt des künstlerischen Interesses der antiken Kunst und ihrer Weiterentwicklung (in Mittelalter, Renaissance und Barock) gestanden habe, so habe jetzt die Beziehung zur Natur vorherrschende Bedeutung. Die Naturliebe bestimmt auch das Verhältnis zu den Denkmalen, die immer mehr in ihrem kulturellen und territorialen (heimatlichen) Kontext wahrgenommen würden. Diese Überlegungen führen Dvoøák dazu, die Denkmale in ihrer zweifachen Zeitlichkeit anzusehen: Einerseits als «Dokumente der alten Kulturzusammengehörigkeit», andererseits als «Genealogie der Gegenwart». Dvoøák ist der Überzeugung, dass der neue anthropologische Aspekt der Denkmalpflege bei der Klassifizierung von Kunstwerken über das Kriterium wissenschaftlicher Normen, aber auch über das staatliche und administrative Interesse hinausgehe. Stattdessen könnten bei der Klassifizierung andere, neue Kriterien angewandt werden, die auch unter dem pädagogischen Aspekt wichtig seien und den neuen kulturellen Erwartungen entsprächen. Außerdem würde neben dem Künstlerkult auch dem neuen Denkmalkult die Anerkennung geschenkt, die ihm gebührt und die es möglich macht, «die heimatlichen Kunstschätze auf Grund ihrer Bedeutung für die Geschichte der lokalen und allgemeinen Kunst für die Öffentlichkeit zu erschließen, so daß nicht nur dem äußeren historischen Apparate, sondern auch der Beurteilung der Denkmale selbst der entwicklungsgeschichtliche Maßstab zugrunde zu legen ist, was nicht nur eine wissenschaftliche Forderung ist, sondern, da beides aus derselben Quelle stammt, auch in dem modernen Denkmalkultus seine Begründung hat und einzig und allein wie einst der Künstlerkultus eine Resonanz im heutigen geistigen Leben finden kann.»304
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H. TIETZE: Die Methode der Kunstgeschichte. Ein Versuch, Leipzig 1913, insbes. Kap. III, § 2 B, S. 224–240; Kap. III, § 4 B, S. 264–287; Kap. IV B, S. 307–341 und Kap. V, § 1 II, S. 357–406. DVOØÁK 1915/1. Hier abgedruckt als Text I.7.10, S. 507. DVOØÁK 1907/1. Hier abgedruckt als Text I.3.4, S. 296. Ebenda.
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1.2 | STREIT
DER
TITANEN: DVOØÁK, DEHIO
UND
CLEMEN
Eine derartige Inventarisierung gründet sich – unter ausdrücklichem Bezug auf die Lehre Riegls – auf einer genauen Festlegung der Periode («wann?»), der Urheberschaft («wer?»), der künstlerischen Lokalisierung («wo?») und der stilistischen Analyse («wie?»).305 Auf diese Weise soll weder eine Kunstgeographie noch eine lokale Kunstgeschichte geschaffen, sondern die Geschichte der künstlerischen Kultur in ihrer territorialen Dimension und in ihrer Bedeutung für die Gegenwart dargestellt werden. Bei einer solchen Auffassung steht das Problem des Werturteils nicht im Vordergrund und zwar nicht, weil an seine Stelle ein «inkompetenter Relativismus» treten soll, sondern weil dafür eine Filigranarbeit erforderlich ist, wie sie großen Werken zukommt. Auch das Problem der Strukturierung scheint überwunden. Die alphabetische Ordnung (nach Gemeinden) kann beibehalten werden, ihr soll aber eine synthetische Übersicht vorangestellt werden, die die Bedeutung der Denkmalkomplexe als Ganzes und die Individualität der einzelnen Orte, d. h. die Besonderheit und Einzigartigkeit der Werte ihres kulturellen Umfeldes, hervorhebt. Letzteres ist für Dvoøák der eigentliche Zweck der Topographie, das Verzeichnis ist nur bloßes Instrument.
1.2 STREIT DER TITANEN: DVOØÁKS, DEHIOS MEINUNGEN ZUR KUNSTTOPOGRAPHIE
UND
CLEMENS
UNTERSCHIEDLICHE
«Herrgott, was sind diese jungen Österreicher doch zu beneiden!» Paul Clemen, Österreichische Kunsttopographie, 1912 In den von Wickhoff gegründeten «Kunstgeschichtlichen Anzeigen», in denen man, wie Clemen sagte, «die schärfste kritische Luft im deutschen Blätterwald zu spüren gewohnt ist», übt Dvoøák 1906 eine wahrhaft wenig entgegenkommende Kritik an den allgemeinen Kriterien der deutschen Kunsttopographie.306 Er prangert die Heterogenität der Topographien der verschiedenen Länder an mit Ausnahme von Rheinland und Baden, die sich seiner Meinung nach durch die hohe Qualität ihrer Register auszeichneten. Vor allem hebt er die fehlende Verbindung zwischen Forschung und Inventarisierung hervor, die eine genaue Darstellung des lokalen kunsthistorischen Besitzes und seines Bezugs zum Gesamtbestand verhindere, sowie die unterschiedliche Behandlung der verschiedenen Perioden und den Mangel an einer kritischen historischen Einordnung. Außerdem ficht er die alphabetische Ordnung an und bemängelt die unprofessionelle Beurteilung sowie die geringe Beachtung der Quellen. Insbesondere betont er, dass Kunsttopographie und Museumska-
305
306
158
Verschiedentlich wird darauf Bezug genommen; vgl. A. RIEGL: Historische Grammatik der bildenden Künste, K. M. Swoboda u. O. Pächt (Hrsg.), Graz–Köln 1966; s. a. SCARROCCHIA 2006 und die Schlussbetrachtungen der vorliegenden Arbeit, S. 195. DVOØÁK 1906/1. Hier abgedruckt als Text I.3.2, S. 287.
DIE KULTUR
DER
DENKMALPFLEGE
UND DIE
FORDERUNGEN
DER
MODERNE | V.
taloge zwei Instrumente sind, die sich wechselseitig ergänzen müssen, damit Kunstgeschichte praktisch wirksam sein kann. Auf Dvoøáks unverhohlene Kritik antwortet Dehio zum ersten Mal 1909. Er bezieht sich dabei auf die ersten beiden von Tietze bearbeiteten Bände der Kunsttopographie, die inzwischen veröffentlicht worden waren. Der zweite Band ist Wien, und zwar den Bezirken XI–XXI, gewidmet und umfasst diverse Vororte sowie das Schloss Schönbrunn.307 Dehio macht darauf aufmerksam, dass die deutsche Kunsttopographie immerhin vierzig Bände umfasst. Er lobt Tietzes Arbeit, hält jedoch die Veröffentlichung der Grundrisse zu den jeweiligen Bauwerken für unzureichend und die Beachtung, die den einzelnen Bauwerken gegeben wird, für zu unterschiedlich. In der Einleitung zum dritten Band, der dem Bezirk Melk gewidmet ist, gibt Dvoøák zu, dass der Erläuterung der einzelnen Bauwerke viel Platz eingeräumt wurde, insbesondere dem Kloster Melk, wo die Publikation fast monographische Züge annimmt. Dehio dagegen fragt sich in seiner Rezension, ob eine Kunsttopographie der richtige Ort für eine so ausführliche wissenschaftliche Abhandlung sei oder ob damit nicht vielmehr der didaktische Charakter verloren gehe, den eine Darstellung der Denkmale in einer Kunsttopographie haben solle. Für eine direkte Besichtigung der Ortschaften scheinen ihm solche Führer von dreieinhalb Kilo nicht besonders handlich.308 Offensichtlich hat Dehio dabei sein Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler im Sinn, einen Führer in Taschenbuchformat, der das genaue Gegenteil zu den großformatigen Bänden darstellt, die man in den Bibliotheken neben den Mitteilungen und dem Jahrbuch finden kann.309 Paul Clemen gratuliert Dvoøák sofort beim Erscheinen des ersten Bandes in einem Brief, in dem er seine Bewunderung für die außerordentliche Genauigkeit seiner Arbeit ausdrückt und für die Energie, mit der er sie in Angriff genommen hat.310 Zwei Jahre später zieht er in einer Rezension zu den ersten neun Bänden der österreichischen Kunsttopographie den Schluss aus den Diskussionen um die Kriterien und Systeme der Katalogisierung und Inventarisierung, die in Österreich und Deutschland angewandt werden. Er hebt darin vor allem die unterschiedlichen Auffassungen hervor. Die deutsche Kunsttopographie, sagt er, verzichte nicht auf ein traditionelles Grundprinzip, das – wie Cornelius Gurlitt auf der ersten 1900 in Dresden stattfindenden Tagung für Denkmalpflege betont habe – darin bestehe, in erster Linie der Verwaltung und der Pflege der Denkmale zu dienen. Clemen bezwei-
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G. DEHIO: [Rezension]: Österreichische Kunsttopographie, in: Repertorium für Kunstwissenschaft, 32, 1909, S. 192–197. G. DEHIO: [Rezension]: Österreichische Kunsttopographie, in: Repertorium für Kunstwissenschaft, 33, 1910, S. 276 f. Ähnliche Überlegungen in derselbe: [Rezension]: Österreichische Kunsttopographie, in: Repertorium für Kunstwissenschaft, 34, 1911, S. 470 f. Zum Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, in deren zweiter Abteilung 1933 und 1935 die beiden Österreich-Bände erschienen, die nur im Vorwort als Österreichisches Dehio-Handbuch angesprochen werden, s. FRODL -KRAFT 1997, S. 89 f. und dieselbe: Der «Dehio» – Erbe im Wandel, in: Deutsche Kunst und Denkmalpflege, 40, 1982, S. 70–81. P. CLEMEN: Brief vom 6.09.1911, MKFF, 161, Nr. 306.
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1.2 | STREIT
DER
TITANEN: DVOØAK, DEHIO
UND
CLEMEN
felt, dass sich Inventarisierung und Forschung in einer Kunsttopographie zusammenfassen lassen, die sowohl der Denkmalpflege als auch der Historiographie nützlich sein solle. Die Forschung gründe sich einerseits auf die Archive, die an sich eine Erkenntnisquelle darstellen, andererseits auf die Evolution der kritischen Beurteilungskriterien, wie Riegl ausführlich dargelegt habe und wie Gurlitts Überlegungen zur Barockkunst und besonders die Ausdehnung des Denkmalwertes und der Denkmalpflege auf die Stadt und das Territorium beweisen würden. Diese Faktoren machen seiner Meinung nach die Beachtung und die Veröffentlichung von Überlegungen nötig, die direkt die Urbanistik betreffen. Clemen hält die unter Dvoøáks Leitung entstandene österreichische Kunsttopographie für ein außergewöhnliches Produkt, vor allem, weil sie die Inventarisierung mit der kritischen monographieartigen Behandlung vereinbart. Damit, meint er, würde allerdings das typische Inventarschema aufgegeben werden.311 Er ist der Überzeugung, dass Dvoøáks Veröffentlichung weniger umfangreich sein solle und Monographie und Topographie besser getrennt behandelt werden sollten. Außerdem erwägt er, ob die Sammlungen, der archäologische Bestand sowie andere Quellen und Materialien nicht besser in eigenen fachlichen Veröffentlichungen Platz finden sollten. Andererseits erkennt er durchaus den Wert von Dvoøáks Unternehmen an, dem es gelungen sei, die «Kulturgeschichte eines Territoriums» darzustellen und diese bisher als zweitrangig angesehene historische Forschungsarbeit in ein kritisches und literarisches Produkt ersten Ranges zu verwandeln. Clemen weist an drei Stellen seiner Rezension darauf hin, dass der einflussreiche Kunstkritiker Hermann Bahr den ersten Band einer bemerkenswerten Erwähnung gewürdigt hatte. In seiner Dalmatinischer Reise hatte sich Bahr etwas sarkastisch folgendermaßen geäußert: «Wir hätten jetzt in Wien einen, den jungen Doktor Hans Tietze. Das ist ein Schüler Wickhoffs und irgendeine Art von Genie. Er hat eine Topographie des politischen Bezirks Krems verfasst, das schönste Buch, das in den letzten Jahren in Österreich erschienen ist, niemand kennt es. Hier wird Topographie zum erstenmal als Kunst betrieben. Dem müsste man sehr viel Geld geben und ihn auf drei Jahre nach Dalmatien schicken. Wir wüssten dann erst, was wir in Dalmatien haben.»312 Der Erfolg der österreichischen Kunsttopographie beruht sowohl auf Dvoøáks Beharrlichkeit und Unnachgiebigkeit als auch auf der Beteiligung genialer Wissenschaftler. Darunter sind Hans Tietze und dessen Ehefrau und unermüdliche Mitarbeiterin, Erika Conrat, zu nennen, denen acht der ersten neun Bände zu verdanken
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Dazu muss darauf hingewiesen werden, dass der nach Gattungen und Perioden gegliederte Corpus der kunstgeschichtlichen Denkmale im Rahmen eines Programms veröffentlicht wurde, das mehrere Nationen umfasst und sich von der topographischen Inventarisierung unterscheidet. Vgl. DVOØÁK 1908/3 und DVOØÁK 1913/1. In beiden Beiträgen betont Dvoøák die Beziehung zwischen kunstgeschichtlicher Forschung und Denkmalpflege. Hier abgedruckt als Texte I.3.5, S. 310 und I.3.8, S. 325. P. CLEMEN: [Rezension]: Österreichische Kunsttopographie, in: Kunstgeschichtliche Anzeigen. Beiblatt der Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, 1912, Nr. 3/4, S. 69–82; Rezension der Bände I–IX; und besonders H. BAHR: Dalmatinische Reise, 2. Aufl., Berlin 1909, S. 35–36.
DIE KULTUR
DER
DENKMALPFLEGE
UND DIE
FORDERUNGEN
DER
MODERNE | V.
sind, wie auch dem feinsinnigen Kunsthistoriker und Betreuer des achten Bandes, Paul Buberl. Clemen drückt seine Bewunderung auf sehr sympathische Weise in der Behauptung aus, dass er sich, wenn er 20 Jahre jünger wäre, für den Band über Dalmatien als Autor vormerken lassen würde, selbst wenn er für die Teilnahme an einem so einmaligen Unternehmen Kroatisch lernen müsste. Abschließend deutet er auf die Entwicklung der Inventarisierung in Schweden, Holland, Großbritannien und Italien hin. In Bezug auf die italienische Inventarisierung spart er nicht mit Kritik. Sie ignoriere die Diskussionen, die in Deutschland geführt würden und bleibe in den ersten beiden Bänden des Catalogo delle cose d’arte e di antichità, die Aosta und Pisa gewidmet sind und von Pietro Toesca und Roberto Papini bearbeitet wurden, weit unter dem österreichischen Niveau. Sie gehe zwar in der monographischen, auf ein administratives Inventar ausgerichteten Behandlung ähnlich vor, zeige aber nicht dieselbe Konsequenz in der Benutzung der archivalischen Quellen. Im italienischen Inventar stellt Clemen, wenn auch mit polemischer Absicht, einen grundsätzlichen Schwachpunkt fest, den auch Federico Zeri erkannte. Es handelt sich um die zu deutliche Trennung zwischen dem «Inventar», das damals nur in Form von unsystematisch herausgegebenen Kunstführern, bzw. Handbüchern veröffentlicht wurde, und dem von den Behörden geführten Denkmalverzeichnis, wobei nur diesem Verzeichnis wissenschaftlicher Wert zuerkannt wird, ganz zum Nachteil des Inventars.313 In der Folge hat auch Gustavo Giovannoni, der italienische Gründungsvater der Architekturgeschichte und architektonischen Restaurierung, auf die Defizite der italienischen Inventarwerke hingewiesen und die Notwendigkeit hervorgehoben, innerhalb des Systems zur Erhebung des Kunstbesitzes die Erforschung der einzelnen architektonischen und lokalen Kunstwerke zu intensivieren und diese auch entsprechend zu dokumentieren.314 Einer solchen Notwendigkeit war sich Giovannoni schon in seiner polemischen Auseinandersetzung mit Adolfo Venturis «ästhetischer» Interpretation der Architektur wie auch im Zuge der Diskussionen über das neu gegründete Zentralinstitut für Restaurierung bewusst geworden. Giovannonis deutlicher Hinweis hatte zur Folge, dass sich im italienischen System die Trennung von Inventar und Denkmalverzeichnis in ihrer territorialen Lokalisierung nur noch verstärkte und die Unterschiede zwischen dem italienischen Katalogisierungssystem und dem System der österreichischen und deutschen Kunsttopographie noch
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Vgl. F. ZERI: Il patrimonio storico artistico italiano. in: Le isole del tesoro. Proposte per la riscoperta e la gestione delle risorse culturali, Milano 1988, S. 45–103 und F. NEGRI ARNOLDI: Il catalogo dei beni culturali e ambientali. Principi e tecniche di indagine, (Beni culturali, 6), 2. Aufl., Roma 1988. S. a. S. Scarrocchia, 1995, S. 109–110. G. GIOVANNONI: Il metodo nella storia dell'architettura, in: Palladio, 3, 2, 1939, S. 77–79 und derselbe: Per un inventario ragionato dei monumenti italiani, in: Bollettino del Centro nazionale di studi di storia dell'architettura, sezione di Roma, 1,1, 1943, (Beilage der Zeitschrift Roma, 21, 2) S. 75–76; Vgl. G. AGOSTI: Dall'archivio di Adolfo Venturi. Alcune testimonianze sui dialoghi con Gustavo Giovannoni, in: Bollettino del Centro di Studi per la Storia dell'Architettura, 36, 1990, S. 142–146.
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1.2 | STREIT
DER
TITANEN: DVOØAK, DEHIO
UND
CLEMEN
deutlicher hervortraten. Leider wurden die Inventarisierung in den deutschsprachigen Ländern und die damit einhergehende Debatten von italienischer Seite weiterhin ignoriert, so wie es auch bis heute zu keinem Vergleich zwischen den verschiedenen Systemen und ihrer Entwicklung gekommen ist.315 Während Clemen grundsätzliche Probleme hervorhebt, beschränkt sich Dehio darauf, eine mangelnde spezifische Beachtung der Architektur zu kritisieren. Clemen hingegen betont die Kriterien der Auswahl, der Chronologie, der Gattung und der Qualität. Eva Frodl-Kraft aktualisiert und synthetisiert die oben dargestellte Auseinandersetzung, indem sie auf die besondere Form, die Dvoøák der österreichischen Kunsttopographie verlieh, hinweist.316 Sie stellt die entscheidende Frage, ob sich die Denkmalpflege und folglich auch das Verzeichnis von Denkmalen mit «Kunstwerken» oder mit «Denkmalen» befassen solle oder ob «Denkmale als Kunstwerke in weitem Sinn» zu verstehen seien. Die Frage enthält selbstverständlich schon die Antwort, denn wenn das Anwendungsgebiet der Denkmalpflege nur die Kunstwerke beträfe, dann gäbe es die Probleme nicht, die Dehio und vor allem Clemen hervorgehoben hatten. In dem Fall würden für das Verzeichnis dieselben Kriterien gelten wie für die Kunstgeschichte. Die Einbeziehung des Kontextes, der Umgebung, des Ensembles, der Parks und Gärten, des Stadt- und Landschaftsbildes, der Kulturlandschaft erfordert dagegen andere, reifere Beurteilungs- und Auswahlkriterien, die sich nicht auf fachliche Gegenüberstellungen und grobe interdiziplinäre Zusammenfassungen beschränken dürfen. Seit die Denkmalpflege ein Denkmalkonzept übernommen hat, das kulturelle Gesichtspunkte und Umweltaspekte einschließt, kommt die Erhaltungstätigkeit notgedrungen in Berührung mit den großen Entwicklungs- und Veränderungsprozessen der Stadt und des Territoriums und macht die Konfrontation und den Dialog mit den modernen Ausdrucksweisen der Architektur und der Raumkomposition in allen ihren Formen unausweichlich. Daraus entspringt auch die Notwendigkeit, neue Begriffe in die Denkmalpflege aufzunehmen, wie beispielsweise den der «höheren Denkmaleinheit», den Walter Frodl Anfang der 1970er Jahre geprägt hat317, oder Begriffe neu zu verwenden, was in Italien mit dem Begriff «Typologie» geschehen ist, mit dem die Erhaltungskriterien in der Urbanistik umschrieben werden.318
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Zumindest bis zu dem ernsthaften Versuch, unter Ausschluss deutschsprachiger Länder, bei L. BOBBIO: Le politiche dei beni culturali in Italia, in: Le politiche dei beni culturali in Europa, L. Bobbio (Hrsg.), Bologna 1992, S. 149–182. Die polemische Bemerkung von CLEMEN (zit. Anm. 312) «Sind in dem italienischen Kulturministerium die deutschen und österreichischen Inventare gänzlich unbekannt?» bringt diese Kritik auf den Punkt. FRODL -KRAFT 1974/2. Ebenda, S. 121 mit Anm. 12. Ich beziehe mich dabei auf die Erhaltung der historischen Zentren in Bologna und Como, wo der Typologiebegriff (laut den Studien von Saverio Muratori und Egle Trincanato) auf die Restaurierung und von dieser auf die Urbanistik übertragen wurde, wie die unterschiedlichen Pläne von Gianfranco Caniggia und Pier Luigi Cervellati/Roberto Scannavini zur Altstadtsanierung zeigen. Einen Überblick gibt I. BROCK: Entwicklung der Stadterhaltungspolitik in Italien, in: Bulletin van de Koninklijke Nederlandse Oudheidkundige Bond, 76, 1977, S. 140–164.
DIE KULTUR
1.3 INSTITUTIONS-
UND
DER
DENKMALPFLEGE
UND DIE
FORDERUNGEN
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MODERNE | V.
AUSBILDUNGSPROJEKTE
«Man war bis vor kurzem der Meinung, Denkmalpflege erfordere keine Spezialkenntnisse: deshalb gab es fast nur falsche Autoritäten auf diesem Gebiet. Und die Führung übernahm die Bürokratie.» Max Dvoøák, Gedanken über Denkmalpflege, 1910 An der Debatte über das österreichische Denkmalschutzgesetz beteiligt sich Dvoøák mit zwei Beiträgen.319 Der erste bezieht sich auf einen von Graf Latour ausgearbeiteten Gesetzesentwurf und betont noch einmal die Gültigkeit jener beiden Prinzipien, die die Eckpfeiler der gesamten österreichischen Denkmalpflege darstellen sollten, nämlich den Verzicht sowohl auf Klassifizierung/Selektion der Denkmale als auch auf Eingriffe in Privateigentum. Einerseits wird damit die Notwendigkeit betont, die Auswahl der Denkmale dem neuesten Stand der kunstgeschichtlichen Forschung anzupassen und die modernen Bewertungskriterien anzuerkennen, die das Denkmal als eine Einheit mit seinem Kontext verstehen; andererseits wird in Hinblick auf die privaten Objekte der Tatsache Rechnung getragen, dass die «Pietät», die das praktische Vorgehen in der Denkmalpflege bestimmen soll, nicht durch drakonische Normen aufgezwungen werden kann, sondern in einer kulturell entwickelten Gesellschaft in – wie wir heute sagen würden – positiven Begleitmaßnahmen (etwa Steuernachlässen) bestehen soll. In dem zweiten Beitrag – einem Promemoria zur Neuorganisation der staatlichen Denkmalpflege – wiederholt er mit Nachdruck den Standpunkt der österreichischen Tradition. Er distanziert sich darin von dem Dezentralisierungsprojekt der galizischen Konservatoren, erkennt allerdings die Notwendigkeit eines intensiveren Bezugs zur Region an. Sein Interesse konzentriert sich vor allem auf das, was seiner Meinung nach für ein gutes Funktionieren der Denkmalpflege ausschlaggebend ist, d. h. auf die Einrichtung eines Zentralinstitutes für Denkmalschutz, eines Forschungsinstitutes für die Kunsttopographie und einer Fachschule für Konservatoren. Während die österreichischen Konservatoren die Bedeutung von Dvoøáks Schriften für die Geschichte der Denkmalpflege anerkannten, scheint die übrige Wissenschaftswelt ihr nicht jene Beachtung zu schenken, die ihr schon deshalb zukommen müsste, weil sie Themen behandelt, die in anderen Ländern erst eine Generation, wenn nicht sogar zwei Generationen später in Angriff genommen wurden.320
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Es handelt sich um die Beiträge DVOØÁK 1910/6, hier abgedruckt als Text I.8.2, S. 729 und DVOØÁK 1910/2. In diesem Zusammenhang soll auch auf DVOØÁK 1910/5 hingewiesen werden, woraus die Zitate stammen, die einigen Kapiteln als Motto vorangestellt sind; wie auch auf den Beitrag Ein Denkmalzerstörungsgesetz, DVOØÁK 1909/5, wo Dvoøák mit Sarkasmus die Steuermaßnahmen kritisiert, die er als schädlich für die Denkmalpflege betrachtet. Hier abgedruckt als Texte I.1.2, S. 223 und I.8.1, S. 727. Dies läßt sich aus der Gründung des Zentralinstituts für Restaurierung und den Arbeiten des parlamentarischen Ausschusses Franceschini schließen, aber vor allem aus den Diskussionen um die Statuten der regionalen Institute für den Kunstbesitz – angefangen mit dem Institut der Re-
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1.3 | INSTITUTIONS-
UND
AUSBILDUNGSPROJEKTE
Das galizische Projekt sah die Bildung einer nationalen Kommission und entsprechender Landeskommissionen vor sowie die Einrichtung einer staatlichen Aufsichtsbehörde und entsprechender Landesdenkmalämter, kurz eine «Verländerung» der Denkmalpflege. Dvoøák setzt sich dagegen für eine stärkere zentrale Gewalt ein, die für die wissenschaftliche Theorie, Methodologie und Forschung zuständig sein soll, stimmt jedoch der «Verländerung» für den Vollzug der Denkmalpflege zu. Er tritt für ein einziges Denkmalamt ein, das sich in der Form eines Staatsdenkmalamtes und entsprechender Landesdenkmalämter darstellt, denen Entscheidungsgewalt zuerkannt wird. Zweck der neuen Organisation soll es sein, ein besseres Funktionieren der Denkmalpflege und nicht eine grundlegende Veränderung herbeizuführen, was auch in den überall gleichermaßen gültigen Verordnungen zum Ausdruck kommt. Außer den genannten Ämtern und der ZK soll es Landeskommissionen geben, die die Interessen, Wertvorstellungen und Sonderanliegen der Länder vertreten und vom Minister ernannt werden sollen. Sie sollen in zweiter Instanz, die ZK in dritter Instanz bei den Verfahren entscheiden, die von den Landesämtern und Landeskommissionen geführt werden, und in zweiter Instanz bei Verfahren, die vom Staatsdenkmalamt geführt werden. Dvoøák sieht außerdem vor, dass bestimmte Forschungsbereiche, die bis dahin der ZK unterstanden, wissenschaftlichen Instituten übergeben werden sollen und zwar dem Archäologischen Institut und dem neu gegründeten Kunsthistorischen Institut, das auch für die Kunsttopographie zuständig sein soll. Diese Institute sollen
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gion Emilia–Romagna –, die von der Gründung der Regionen in den 1970er Jahren ausgelöst werden. Eine wesentliche Darstellung der Geschichte der österreichischen Denkmalpflege liefern BRÜCKLER 1991 und BRÜCKLER 1990. Auf Dvoøáks Vorschlag hin sollten die ersten Vorlesungen außer von ihm selbst von Tietze und Julius von Schlosser gehalten werden und jeweils die Fächer Denkmalkritik, Untersuchung der Denkmalquellen, Untersuchung der musealen Quellen betreffen. Die Eignungsprüfung sollte vorläufig am Institut für Österreichische Geschichtsforschung abgehalten werden. Siehe MKFF, 1914, Nr. 35, 1/4–2. Zu den spezifischen Fächern des Fortbildungskurses vgl. S. 468. Das Projekt wird mit dem Statut vom 31. Juli 1911 von Franz Ferdinand gebilligt, der jedoch für eine deutlichere Zentralisierung durch die Bildung eines einzigen, aus 50 Mitgliedern bestehenden Staatsrats und für eine Beseitigung der von Dvoøák geplanten Länderräte eintritt. Vgl. Zentralkommission für Denkmalpflege, in: MZK, 3. F., 10, 1911, Sp. 323–328. Vorschläge und ein Dossier von Dvoøák über die Ausbildung der Restauratoren in: MKFF, 1910, Nr. 1; Dvoøák äußert seine Besorgnis über das Statut in einem Brief an Liechtenstein von 1910, s. MKFF, 1910, Nr. 327: «Die Verschleppung der Entscheidung in der Angelegenheit des Statutes macht mir eine große Sorge. Es gibt so viele Faktoren, die an der Erhaltung der jetzigen skandalösen Verhältnisse ein Interesse haben und eine Sanierung der ZK und Umgestaltung auf fachlicher Grundlage perhorreszieren, dass ich fürchte, es geschieht wiederum nicht.» (Transkription von Theodor Brückler) Ausbildung von Denkmalpflegern. Vorschläge des Professors Dr. Dvoøák zur Einführung eines halbjährigen praktischen Kurses und einer Studienreise, 5.2.1913. Hier abgedruckt als Text II.2.2.3, S. 794. Auf dieser Studienreise sollten ihn Josef Garber, Franz Stelé, Walter von Semetkowski und der Architekt Franz Adolf Gerhart begleiten, die schon als Praktikanten in der ZK arbeiteten. M. Dvoøák: Brief vom 8.5.1913, Programm und Liste der Teilnehmer, MKFF, 1913, Nr. 35–5/5–11.
DIE KULTUR
DER
DENKMALPFLEGE
UND DIE
FORDERUNGEN
DER
MODERNE | V.
auch die Ausbildung des Personals übernehmen, eine Aufgabe, der für die Neuorganisation von Anfang an besondere Bedeutung zuerkannt wird. Es geht nicht darum, Archäologen, Kunsthistoriker und Architekten zu beschäftigen, die ein Studium an einer Universität oder einem Polytechnikum nachweisen können. Die Ämter sollen vielmehr von Konservatoren und technischen Beratern besetzt werden, die ihren Doktor in Kunstgeschichte gemacht oder zumindest das erste Staatsexamen an einer technischen Fakultät bestanden haben. Die künftigen Denkmalpfleger müssen alle, unabhängig von ihrem Bildungsniveau, einen Weiterbildungskurs von zwei Semestern besuchen, ein Praktikum von einem Semester absolvieren, eine Studienreise unternehmen und ein Abschlussexamen vor einer Kommission ablegen, die aus den Universitätsdozenten, die den Kurs abgehalten haben, und aus den Mitgliedern des Denkmalamtes zusammengesetzt sein soll. In dem Projekt werden auch die acht Fächer genannt, die der Weiterbildungskurs beinhalten soll.321 Dvoøáks Vorhaben ist keine Traumvorstellung. Es überzeugt durch die Einfachheit und Klarheit, mit der der wissenschaftliche und der organisatorische Aspekt zu einer Einheit zusammengefasst werden. Es bildet in der Tat die Grundlage zur Neuorganisation der österreichischen Denkmalpflege vor dem Ersten Weltkrieg, nicht nur wegen seiner organisatorischen Strukturierung, sondern auch wegen der Vergrößerung des Denkmalamtes, die den Konservatoren der ZK mehr berufliche Autonomie einräumt und wegen der Einrichtung des Kunsthistorischen Institutes als wissenschaftliches Forschungsinstitut, dem die Weiterbildungskurse für die Fachbeamten und Restauratoren unterstehen.322 Die Studienreisen sollten eine Reihe praktischer Übungen vor Ort umfassen. Sie sollten vom Direktor des Kunsthistorischen Forschungsinstitutes als eine Art Jahresinspektion festgelegt werden. In einem ersten Projekt ist eine Reise nach Dalmatien geplant, bei der folgende Bauwerke und historische Zentren auf der Hin- und Rückfahrt besichtigt werden sollen: die Pfarrkirche in Wiener Neustadt, San Giusto in Triest, die Basilika in Poreè, die Ausgrabungen in Brioni bei Pula, die historischen Altstädte von Arbe (Rab) und Trau (Trogir), der Diokletianspalast in Split, St. Chrysogonus in Zadar, Aquileia, die Kirche in Heiligenblut und die historische Altstadt von Steyr.323 Ziel einer anderen Studienreise, die einige Monate später geplant wurde und an der auch vier Praktikanten teilnehmen sollten, ist das südöstliche Gebiet der Ukraine bzw. Südmähren.324 Um die Vorschläge zur Ausbildung der neuen Konservatoren beurteilen zu können, ist es angebracht, auf die Diskussionen hinzuweisen, die zu diesem Thema zu Beginn des Jahrhunderts geführt wurden. Auf den Tagungen der deutschen Denkmalpflege, die 1903 in Erfurt und 1904 in Mainz abgehalten wurden, wird insbesondere die Frage behandelt, wie die Konservatoren ausgebildet werden sollen. Dehio zeigte in Erfurt in einem Referat die Grundlinien auf, die im ganzen Jahrhundert nicht nur in den deutschsprachigen Ländern zu einem festen Bezugspunkt in den Diskussionen und Initiativen zur Fachausbildung werden sollten. Er ging von der Feststellung aus, dass die in der Denkmalpflege beschäftigten Kräfte vorwiegend aus dem Bereich Kunst und Architektur stammen und betonte deshalb vor allem
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1.4 | TÄTIGKEITSBEREICH
DER
DENKMALPFLEGE
UND
RESTAURIERUNG
die Notwendigkeit, die Ausbildung an einer humanistischen Fakultät oder einer technischen Schule durch eine Spezialausbildung zu ergänzen, die juristische, technische und administrative Fächer umfassen soll, die im Wesentlichen mit denen übereinstimmen, die auch in Dvoøáks späterem Projekt enthalten sind. Außerdem schlug er vor, dem Spezialkurs ein dreijähriges Praktikum in einem Denkmalamt folgen zu lassen und die technische Tätigkeit des Architekten – die vorwiegend im Bereich der Restaurierung eine Rolle spiele – von der administrativen und fachlichen Tätigkeit des Konservators zu trennen, wobei er ausdrücklich betonte, dass der Wirkungskreis des Architekten die Kunst, der des Konservators die historischen Wissenschaften betreffe. In außergewöhnlichen Fällen könnten die beiden Tätigkeiten auch von einer einzigen Person ausgeführt werden, wie es zum Beispiel für eine große Persönlichkeit wie Gurlitt zutreffe. Innerhalb des Architekturstudiums solle ein Ausbildungsbereich für die Restaurierung ausgespart werden. Von den Architekten, die in der Denkmalpflege beschäftigt sind, verlangte er Verzicht auf Kreativität. Die Leitung der Denkmalpflege solle der Denkmalerhaltung als angewandter Wissenschaft zukommen. Auf der Mainzer Tagung machte Joseph Neuwirth, Generalkonservator für den technischen Bereich und Dozent am Wiener Polytechnikum, darauf aufmerksam, dass in Österreich die von Dehio vorgeschlagenen Kurse schon zur Fachausbildung gehören würden und dass man dort, wie er in aller Bescheidenheit sagen müsse, schon lange über dieses Thema und die Erfahrungen auf diesem Gebiet diskutiere.325 Wie auch Walter Frodl betont,326 bedeutete der Krieg und das Ende des Kaiserreiches eine Unterbrechung für den von Riegl und Dvoøák begonnenen Versuch, der fachlichen Autonomie der Denkmalpflege eine institutionelle Gestalt zu verleihen. Nichtsdestotrotz gab es von nun an drei Eckpfeiler: das zentrale Staatsdenkmalamt (aus dem später mit dem neuen Statut von 1920 das heute noch bestehende Bundesdenkmalamt wurde), das zu ihm gehörige Kunsthistorische Institut (das die Kunsttopographie und die internationale Auseinandersetzung mit der Denkmalpflegekultur fortsetzte) und die Landeskonservatorate für Salzburg, Tirol, Oberösterreich und die Steiermark.
1.4. TÄTIGKEITSBEREICH
DER
DENKMALPFLEGE
UND
RESTAURIERUNG
Vom Vorkriegsjahrzehnt bis zum Gesetz von 1923 übte die ZK weiterhin eine beratende Funktion aus. Sie konnte allerdings nur im Einvernehmen mit den Statthaltereien tätig werden. Diese Struktur wurde auch unter Erzherzog Franz Ferdinand beibehalten und erinnert an die von Musil in seinem Roman Der Mann ohne Eigenschaften geschilderte «Parallelaktion». Die österreichische Denkmalpflege betrachtete sie jedoch voll Stolz als Beweis dafür, dass sie sich nicht auf festen Normen gründet, sondern auf hohe kulturelle Bildung, gemeinsame Auffassungen und Überzeugungen, Dialog und Propaganda – oder, wie man heute sagen würde, auf
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DIE KULTUR
DER
DENKMALPFLEGE
UND DIE
FORDERUNGEN
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MODERNE | V.
Promotion, Präsentation und Kommunikation – sowie auf einer konstanten Auseinandersetzungen mit der Kunst und Architektur. Außer dem «hohen» Auftrag, Kultur zu verbreiten, erledigte sie weniger große, aber ebenso wichtige Arbeiten wie Besichtigungen, Korrespondenz und Verfassung von Berichten der Konservatoren, die über Vorgänge auf territorialer Ebene informierten. Dvoøák wurde nicht nur, wie schon sein Vorgänger, als Berater bei den wichtigsten Baustellen (Wiener Altstadt und Karlsplatz, Diokletianspalast und historisches Zentrum von Split, Schloss auf dem Wawel in Krakau, Hradschin und Moldauufer in Prag) tätig, sondern auch bei unzähligen anderen Gelegenheiten hinzugezogen. Dazu gehören beispielsweise die geplante Demolierung der Johannes-Nepomuk-Kapelle in Koschumberg,327 die Restaurierung von San Giusto in Triest,328 die Frage der Erhaltung der vom Abriss bedrohten barocken Häuser bei der Ägidiuskirche auf dem Krakauer Wawel,329 die Erhaltung der Mosaike in der Basilika in Aquileia,330 die Demolierung des Reitmayer-Hauses in Steyr331 oder die Erweiterung und inneren Veränderungen der Kirche in Pardubitz.332 Auch die periodisch vorzunehmenden Inspektionen gehörten zu seinem Tätigkeitsbereich. So reiste er im April 1913 nach Istrien, Pula und Kotor, wo er die Baustellen zur Restaurierung des Doms und der Franziskanerkirche besichtigte, nach Orechovac und Dobrota zur Begutachtung von Kirchen und Denkmalen in Privatbesitz, nach Ragusa (Dubrovnik) zur Besichtigung der Baustellen des Franziskanerklosters, der Jesuitenkirchen und des Doms, nach Canosa, nach Split zur Besichtigung der Restaurierungen im Diokletianspalast und im Dom und schließlich nach Zadar, wo er an den Arbeiten der Kommission zur Restaurierung der Chrysogonuskirche teilnahm und die Pläne für die Restaurierung des Doms, die Ausgrabungen bei der Donatuskirche und den Neubau der Votivkirche erörterte.333 Im Mai dieses Jahres begab er sich nach Nürnberg, dann nach Böhmen,334 im Jahr darauf in das Suganatal, nach Garda, nach Südwestmähren und in die südliche Steiermark.335 Diese Bereisungen bezeugen eine Veränderung, die in der Aktivität der Or-
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Die Referate von Dehio auf der Tagung Erfurt 1903 und von Neuwirth auf der Tagung Mainz 1904, in: OECHELHAEUSER 1910, unter dem Kapitel Vorbildung zur Denkmalpflege, S. 13–20 bzw. 44–45. Neuwirth führte als Professor am Wiener Polytechnikum die ersten Vorlesungen über Denkmalpflege ein, war ab 1905 Generalkonservator und nahm auch an den Tagungen für Denkmalpflege in Düsseldorf 1902, Erfurt 1903 und Lübeck 1908 teil. FRODL 1990. MKFF, 1910, 157, Nr. 234. Besichtigung mit Deininger, MKFF, 1911, 158, Nr. 40. MKFF, 1911, 161, Nr. 374. MKFF, 1912, 163, Nr. 122. BDA, Archiv, Topographische Aktenablage, Oberösterreich, Karton 8, Steyr 2, Reitmayer-Haus, Zl. 104/1913. MKFF, 1913, 166, Nr. 35/14–71. Bericht des Professors Dvoøák, ebenda, 1913, 165, Nr. 35–5/14–2. MKFF, 1913, 165, Nr. 35–5/14–4. MKFF, 1914, 35–1/7.
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1.4 | TÄTIGKEITSBEREICH
DER
DENKMALPFLEGE
UND
RESTAURIERUNG
gane der Denkmalpflege stattfand. Die Generalkonservatoren und die Landeskonservatoren trafen Entscheidungen vor Ort, in direktem Kontakt mit den lokalen Autoritäten, hatten aber entsprechend dem Statut von 1911 laufend an die Zentrale zu berichten. Außerdem wurde in diesem Statut die berufliche Tätigkeit der General- und Landeskonservatoren, der Kuratoren und der ehrenamtlichen Korrespondenten, kurz die gesamte Hierarchie der ZK (nach dem Statut von 1911) genau festgelegt.336 Viele dieser Tätigkeiten werden in Sonderberichten in den Mitteilungen und im Jahrbuch festgehalten.337 Dvoøák steht im Jahrbuch eine besondere Rubrik zur Verfügung, die dem Vandalismus und Vergehen gegen den Denkmalbesitz gewidmet ist, die auf mangelnde Kultur, Vorurteile, Spekulation oder veraltete künstlerische Auffassungen zurückzuführen sind. Diese Rubrik hat den Titel Monumenta deperdita. Die erste Meldung betrifft das Schicksal von 82 dekorativen Reliefs in der Wiener Karlskirche.338 Es folgt der Bericht über die Demolierung zweier romanischer Türme (hier abgedruckt als Text I.6.7), und zwar des Glockenturms von Oberndorf und des Frangipaniturms auf der Insel Krk.339 Dvoøáks Kommentar dazu ist mehr als bitter: «Eine Denkmalpflege, die nichts erfährt, weil sie schlecht organisiert ist, und die machtlos ist, wenn sie etwas erfährt: so könnte auch die allgemeine Bilanz der Z. K. zusammengefaßt werden.» Die nächsten Meldungen betreffen die geplante Demolierung des Hauses des Bildhauers Braun in Prag und die Erhaltung der alten Häuser im historischen Zentrum von Pilsen und Wien.340 Der letzte Bericht betrifft weiterhin Alt-Wien, das als Ganzes als Denkmal angesehen wird, sowie Fragen des dalmatinischen Denkmalschutzes, insbesondere die Demolierung der Ambrosius-Kirche in Nona, den Bau eines Hotels in Arbe und die Demolierung der «Casa Borelli» neben dem Hrvoja-Turm in Split, die einem neuen, am Strand platzierten Bankgebäude Platz machen soll.341 Es ist interessant, dass sich die Aufmerksamkeit von Erzherzog Franz Ferdinand, der eine Neuorganisation der Mitteilungen unter einer stärkeren Einbeziehung des Landschaftsschutzes wünschte, besonders dieser Rubrik zuwandte. Er forderte die Redaktion auf, einen neuen, für die Öffentlichkeit leichter verständlichen Titel zu
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MKFF, 1913, 165, Nr. 35–5/19. Wie z. B. DVOØÁK 1903/1. Hier abgedruckt als Text I.4.1, S. 333; DVOØÁK 1905/3. Hier abgedruckt als Text I.6.1. S. 441; DVOØÁK 1906/2. Hier abgedruckt als Text I.6.2, S. 441; derselbe, Spanische Bilder einer österreichischen Ahnengalerie, in: KuJbZK, I, 1907, S. 13–28; Die mittelalterlichen Wandmalereien in Muggia Vecchia, in: KuJbZK, I, 1907, Beibl., Sp. 15–28; M. DVOØÁK/P. HAUSER: Sgraffiti im Schlosse zu Leitomischl, in: ebenda, Sp. 77–84; DVOØÁK 1907/2. Hier abgedruckt als Text I.3.3, S. 294; DVOØÁK 1907/3; DVOØÁK 1909/1; DVOØÁK 1909/8. Hier abgedruckt als Text I.4.12, S. 405; DVOØÁK 1911/7. Hier abgedruckt als Text I.7.5, S. 492; DVOØÁK 1916/2. Hier abgedruckt als Text I.1.5, S. 245. DVOØÁK 1908/6. Hier abgedruckt als Text I.6.4, S. 443. DVOØÁK 1909/7. Hier abgedruckt als Text I.6.7, S. 445. DVOØÁK 1910/4. Hier abgedruckt als Text I.6.8, S. 446. DVOØÁK 1911/5. Vgl. auch die Notizen ohne Namenszeichnung Monumenta deperdita. 1. Ruine Kropfsberg in Tirol, in: KuJbZK, 1, 1907, Beibl., Sp. 87 f. und Monumenta deperdita. 2. Palazzetto beim Palazzo di Venezia, ebenda, Sp. 88.
DIE KULTUR
DER
DENKMALPFLEGE
UND DIE
FORDERUNGEN
DER
MODERNE | V.
finden. Die Redaktion schlug daraufhin Titel vor, die sich auf den Katechismus beziehen, wie «Gegenbeispiele der Denkmalpflege», «Denkmalverunstaltungen», «Verstöße gegen die Grundsätze der Denkmalpflege», «verlorene Denkmäler» oder «das schwarze Buch der Denkmalpfleger».342 Diese Episode illustriert die Bemühungen, der gesamten Praxis der ZK eine neue, zeitgemäßere Struktur zu geben. Dem militärischen Verständnis des Erzherzogs gemäß sollte sie eine Art Behörde darstellen, die die Wünsche nach Zentralisierung und Dezentralisierung in Einklang bringen, das Funktionieren der staatlichen Länderorgane und der Zentralorgane überprüfen und durch den Hinweis auf die Verluste der Denkmalpflege größeren Nachdruck verleihen und zu ihrer größeren Verbreitung beitragen soll. Außerdem beweist diese Episode, dass sich die Prinzipien des Katechismus langsam in der ganzen Organisation durchsetzten und sich immer mehr verbreiteten.
2. DENKMALPFLEGE, HEIMATSCHUTZBEWEGUNG
UND
WERKBUND
«Nicht jeder Patriotismus führt zur Denkmalpflege und nicht jede Denkmalpflege ist patriotisch. Wie in vielen Sachen, ist auch da das Wissen und Können wichtiger als das Empfinden.» Max Dvoøák, Gedanken über Denkmalpflege, 1910 Zu Dvoøáks Lebzeiten fällt die Entwicklung der österreichischen Denkmalpflege mit der Entwicklung des «Heimatschutzes» und der Entstehung des «Werkbundes» zusammen. Denkmalpflege, eine ländliche anti-industrielle Romantik und das neue Kunstgewerbe, das sich auf die historische Volkskunst bezieht, sind Teil einer großen Reformbewegung, die durch die Kritik an der Industriegesellschaft ausgelöst wird. Die verschiedenen Bewegungen stehen miteinander in Verbindung und haben viele gemeinsame, aber in den einzelnen Ländern auch unterschiedliche Charakteristika. Das gilt für Deutschland – das mit Persönlichkeiten wie Avenarius, Rudorff und Damaschke an der Spitze der Reformbewegung steht –, aber auch für Österreich, die Schweiz, Holland, Schweden, Norwegen, England, Spanien, die Tschechoslowakei, Polen, Italien, Slowenien usw. Die Übereinstimmungen zeigen sich vor allem in den ersten zwanzig Jahren des 20. Jahrhunderts, in den dreißiger Jahren dagegen werden die Unterschiede deutlicher. Es stellt sich nun die Frage, wie weit die ganze Geschichte dieser Reformbewegung überhaupt bekannt ist, welchen Einfluss sie auf die Entwicklung der Denkmalpflege im Allgemeinen und auf die österreichische Denkmalpflege im Besonderen ausübte und wie sich Letztere zu den Bewegungen «Heimatschutz» und «Werkbund» tatsächlich verhielt.
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MKFF, 1914, Nr. 35/1–5.
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2. | DENKMALPFLEGE, HEIMATSCHUTZBEWEGUNG
UND
WERKBUND
Hartmut Frank schließt seine ausgezeichnete Darstellung der Beziehungen zwischen Heimatschutzbewegung und typologischen Entwürfen (besonders in der Zeit des Wiederaufbaues nach dem Ersten Weltkrieg in Ostpreußen) mit der trockenen Bemerkung: «Die Geschichte der Heimatschutzbewegung in Europa ist noch nicht geschrieben. Aber ohne sie wird es auch keine Geschichte der europäischen Architektur des 20. Jahrhunderts geben, die diesen Namen verdient. Die Avantgarde hat nur einen Teil des Kampfes um die zeitgemäße Architektur geführt».343 Franks Bemerkungen entspringen einer bedeutenden Initiative des Frankfurter Architekturmuseums von 1992,344 die auf die Notwendigkeit hinwies, die Tendenzen der Moderne in ihren Verknüpfungen und ihrem Pluralismus zu sehen, also nicht nur in einer einzigen Richtung und nicht nur in Kontraposition zum Antimodernismus. Franks recht emphatisch ausgedrückte Feststellung trifft sehr gut die Situation.345 Obwohl in Deutschland eine anthropologische Betrachtung des Begriffs «Heimat» und des Bezugs zwischen territorialer Zugehörigkeit und Identitätsbewusstsein schon in den 1970er Jahren begann, wird man sich erst Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre eigentlich bewusst, welchen Beitrag die Heimatschutzbewegung zur Reformbewegung im Allgemeinen und im Besonderen zu den neuen architektonischen und künstlerisch-industriellen Tendenzen wie auch zur Urbanistik, speziell aber zur Denkmalpflege lieferte.346 Das Bild, das aus diesen Untersu-
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H. FRANK: Heimatschutz und typologisches Entwerfen. Modernisierung und Tradition beim Wiederaufbau von Ostpreußen 1915–1927, in: Moderne Architektur in Deutschland 1900 bis 1950. Reform und Tradition. [Ausstellung im Deutschen Architektur-Museum, Frankfurt/M., 15.8.– 29.11.1992], V. Magnago Lampugnani/R. Schneider (Hrsg.), (Ausstellungskatalog Frankfurt/Main 1992), Stuttgart 1992, S. 105–131. Frank verweist in diesem Zusammenhang auf Arbeiten von Christian F. Otto zur deutschen Bewegung, von Ludovica Scarpa zu Werner Lindner, auf die Gruppe um Ed Taverne in den Niederlanden und anstehende Ergebnisse von Björn Linn. Diese jeweiligen Unternehmungen begannen, die Situation in ihren eigenen Ländern zu untersuchen. Frank legt jedoch dar, dass ihm keine Untersuchungen zu Österreich und die Schweiz bekannt sind, ebenda S. 131, mit Anm. 138. S. dagegen E. KLUETING (Hrsg): Antimodernismus und Reform. Zur Geschichte der deutschen Heimatbewegung, Darmstadt 1991 und das durch G. Hajós konzipierte Themenheft «Heimatstil» und Denkmalpflege der ÖZKD, 43, 1989, S. 144–181. Wichtig erscheinen in diesem Zusammenhang die Beiträge von Magnago Lampugnani zur Stuttgarter Kochenhofsiedlung, s. V. MAGNAGO LAMPIGNANI: Vom «Block» zur Kochenhofsiedlung, in: V. MAGNAGO LAMPIGNANI/R. SCHNEIDER (zit. Anm. 343), S. 267–281 und von Höhns über die Auswirkungen der Bewegung in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, s. U. HÖHNS: Grenzenloser Heimatschutz 1941. Neues, altes Bauen in der «Ostmark» und der «Westmark», ebenda, S. 283–301. Die Arbeiten zur Geschichte der Architektur und Urbanistik, über die wir heute verfügen, behandeln diese Bewegungen – falls sie überhaupt darauf Bezug nehmen – unter ihrem modernen Gesichtspunkt, d. h. sie projizieren die modernen Prinzipien dieser Disziplin auf die geschichtlichen Ereignisse, die sie darstellen wollen. Beispiele dafür sind u.a. M. TAFURI/F. DAL CO: Architettura contemporanea, (Storia universale dell'architettura), Milano 1976; P. SICA: Storia dell'urbanistica, (Grandi opere), Bari 1980; K. FRAMPTON: Die Architektur der Moderne. Eine kritische Baugeschichte, 1. Aufl. der überarb. und erw. Neuausg. in dt. Sprache, München 2010; D. CALABI: Storia dell'urbanistica europea, Torino [2000]. Eine Ausnahme macht J. PETSCH: Architektur und Gesellschaft. Zur Geschichte der deutschen Architektur im 19. und 20. Jahrhundert, Köln– Wien 1973.
DIE KULTUR
DER
DENKMALPFLEGE
UND DIE
FORDERUNGEN
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MODERNE | V.
chungen hervorging, ist differenziert und voller nationaler und regionaler Besonderheiten, aber gleichzeitig unmissverständlich. Der generellen Feststellung, dass die Bewegung an sich weder reaktionär noch antimodern war, muss hinzugefügt werden, dass sie die industrielle und kapitalistische Entwicklung und ihre Grenzen von einem anderen Gesichtspunkt aus betrachtete als die Avantgarde. Diesen Gesichtspunkt vertraten große Persönlichkeiten wie Alfred Lichtwark und der Schriftsteller Hermann Hesse. Zum Verfall und zur historischen Verurteilung der Bewegung trug in den dreißiger Jahren die Entstellung ihrer sozialen, nationalen, territorialen, naturalistischen und landschaftlichen Inhalte durch den Nationalsozialismus bei. Jedenfalls lässt es sich nicht leugnen, dass die Heimatschutzbewegung die Denkmalpflege in den ersten zwanzig Jahren des Jahrhunderts begleitete, ja sogar entschieden mitbestimmte. Bedeutende Persönlichkeiten wie Clemen, Gurlitt, Tietze und Holey nahmen an beiden Bewegungen, Heimatschutz und Werkbund, aktiv teil, andere, darunter vor allem Architekten wie Theodor Fischer, Paul Schultze-Naumburg und Fritz Schumacher, nahmen Thematiken des Werkbundes in die Heimatschutzbewegung auf. In Österreich begründete der Generalkonservator für Archivalien, Karl Giannoni, den «Heimatschutzbund».347 Da seine Auffassungen der von Franz Ferdinand mit dem Reformstatut beabsichtigten Dezentralisierung und «Verländerung» der Vollzugsorgane der Denkmalpflege entgegenkamen, spiegeln sie sich auch in Dvoøáks Katechismus wider. Außerdem erklärte sich der Werkbund vor Ausbruch des Krieges bereit, als juristische Person in den österreichischen Heimatschutzbund einzutreten.348 Von dem Moment an ist es unmöglich, die Entwicklung der Denkmalpflege von der Entwicklung der modernen Kunst und Architektur zu trennen. Nur vor dem Hintergrund dieser vielfachen Verflechtungen der Reformbewegung werden die Entstehung des Katechismus und Dvoøáks weitere Stellungnahmen verständlich. Wenn Walter Frodl in den 1970er Jahren eine Neuauflage des Katechismus mit Recht ablehnte, da er ihm nicht mehr aktuell erschien, so interessiert uns heute dieses «Vademecum» der Denkmalpflege als historisches Dokument, das wichtige Aspekte jener Reformbewegung klären helfen kann, der es selbst auf besondere Weise angehörte.
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Vgl. E. KLUETING (zit. Anm. 343), hier besonders B. RINGBECK: Architektur und Städtebau unter dem Einfluß der Heimatschutzbewegung, S. 216–287; und vor allem das Themenheft «Heimatstil» und Denkmalpflege (zit. Anm. 343) mit den wesentlichen Beiträgen BRÜCKLER 1989; G. HAJÓS: Heimatstil – Heimatschutzstil, ebenda, S. 156–159; A. LEHNE: Heimatstil – Zum Problem der Terminologie, ebenda, S. 159–164; F. ACHLEITNER: Gibt es einen mitteleuropäischen Heimatstil? (oder: Entwurf einer peripheren Architekturlandschaft), ebenda, S. 165–169; S. MUTHESIUS: Die Diskussion über «Restauration» und «Preservation» sowie die Bewegung «Vernacular Revival» im England der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, ebenda, S. 170–173; W. HARTUNG: Denkmalpflege und Heimatschutz im Wilhelminischen Deutschland 1900 bis 1913, ebenda, S. 173–181. Giannoni, Karl, in: BRÜCKLER/NIMETH 2001, S. 82. Der Hinweis auf das diesbezügliche Dokument bei BRÜCKLER 1989, S. 149.
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2.1 | TAGUNGEN
ZUR
DENKMALPFLEGE 1900–1921
2.1 TAGUNGEN ZUR DENKMALPFLEGE 1900–1921: DER «WEG DER VORSCHRIFTEN» UND DIE FORDERUNGEN DER MODERNE, DER WELTKRIEG, DVOØÁKS GEISTIGES VERMÄCHTNIS UND TIETZES «WENDE» «Hier haben wir, die Männer vom 20. Jahrhundert, mit guter Überlegung des Alten, unter Verehrung für das Alte, Überkommene, geschaffen in unserem Sinne» Cornelius Gurlitt, Einführungsreferat zum Tag der Denkmalpflege, Lübeck 1908
Der Tag für Denkmalpflege, der alljährlich stattfand und 1900 auf Initiative der (fünften) Abteilung «Volkskunde» der «Deutschen Geschichts- und Altertumsvereine» ins Leben gerufen wurde, stellt die Gründung der Denkmalpflege als selbstständige Disziplin auf deutschsprachigem Gebiet dar. An ihm nahmen die bedeutendsten Vertreter aus den Bereichen Verwaltung, Universitäten, freie Berufe und Verbände teil. Hier wurde öffentlich über die verschiedenen Theorien, über aktuelle Baustellen, kulturelle Tendenzen und wissenschaftliche Probleme diskutiert, die im Mittelpunkt der Denkmalpflege standen und die Kulturgüter der Archäologie, der Kunstgeschichte, der Architektur, der Urbanistik und der Landschaft betrafen. Während man bei den ersten Tagungen praktisch alle Gebiete der Denkmalpflege behandelte, versuchte man später Themenschwerpunkte zu setzen.349 Hier begegneten einander die Modelle und Erfahrungen des national orientierten deutschen und des plurinationalen österreichischen Kaiserreiches und schufen die Grundlage für eine Annäherung der österreichischen Denkmalpflege an die «deutsche Denkmalpflege», die in den zwanziger Jahren auf dem Gebiet des Publikationswesens stattfand und in den späten dreißiger Jahren allerdings unter völlig anderen Vorzeichen fortgeführt wurde.350 Bei den ersten zehn Tagungen wurde der Frage, wie Restaurierungen ausgeführt werden sollen, besondere Bedeutung zuteil, insbesondere dem Problemkreis von Integration, Rekonstruktion und Vollendung, mit anderen Worten, es ging um den Bezug von Altem und Neuem im historischen Kontext. Es war das Verdienst des Baurats und Leiters der Arbeiten am Dom von Metz, Paul Tornow, auf der ersten Tagung in Dresden im Jahr 1900 neue Verhaltensregeln für die Leitung von Restaurierungen sowie sechzehn Prinzipien für die Restaurierung aufgestellt zu haben. Diese Prinzipien bejahen einerseits die Unterscheidung von Altem und Neuem
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Die stenographischen Protokolle der Referate, Diskussionen und Beiträge der ersten zwölf Tagungen in Dresden 1900, Freiburg/Br. 1901, Düsseldorf 1902, Erfurt 1903, Mainz 1904, Bamberg 1905, Braunschweig 1906, Mannheim 1907, Lübeck 1908, Trier 1909, Danzig 1910 und Halberstadt 1912 wurden nach und nach auch separat veröffentlicht. Zusammengefasst bei OECHELHAEUSER 1910–13; Bd. 1, 1910: Vorbildungs- und Stilfragen, Gesetzgebung, Staatliche und Kommunale Denkmalpflege; Bd. 2, 1913: Technische Probleme, Erhaltung und Restaurierung von Kunstdenkmälern, Einfluss der Vegetation, Verhandlungen über moderne Restaurationstätigkeit. Die Referate auf den der unterschiedlichen Tagungen werden thematisch gegliedert. Zur Eingliederung der österreichischen Denkmalpflege in die deutsche s. FRODL -KRAFT 1997.
DIE KULTUR
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in Stil und Material, für die sich schon Camillo Boito und die V. Konferenz der italienischen Ingenieure und Architekten (Rom 1883) eingesetzt hatten,351 sie gestehen andererseits aber stilistische Anpassungen zu, im Gegensatz zu der Auffassung, dass neue zeitgenössische Eingriffe erkennbar sein müssen. Eine Ausnahme stellen jene Eingriffe dar, die aufgrund ihrer Technik als solche klar erkennbar sind. Sie müssen sich jedoch dem Kontext unterordnen und dürfen seine Bedeutung nicht verändern.352 Es handelt sich also um die Position der neostilistischen und neohistoristischen Rekonstruktion, die in Deutschland eine lange Tradition hatte und für das ganze 20. Jahrhundert von Bedeutung sein wird und auch in Italien, dem Land der Kunstschätze und dem Vaterland der Restaurierung, wenn auch in anderen Formen, anzutreffen ist.353 Die Berechtigung solcher Prinzipien sollte, wie Bodo Ebhardt vorschlug, durch sehr genaue Beschreibungen der an den Denkmalen vorgenommenen Restaurierungsarbeiten und ihrer Charakteristika festgestellt werden.354 Der «Weg der Vorschriften» den Tornow, – erfahrener Baumeister und Kunstkenner – vorschlug, löste die prompte Reaktion von Cornelius Gurlitt, seinem Bruder Wilhelm355 – Dozent in Graz, Mitglied der ZK und ehrenamtlicher Konservator für die Steiermark – und Paul Clemen aus. Dieses Kunsthistoriker-Terzett behauptete, dass da, wo der Denkmalpflege an die Grenzen des überlieferten Bestandes stoße, auch die Restaurierung aufhöre, deren Zweck immer die Instandsetzung sein müsse, niemals aber die Rekonstruktion. Über die Denkmalpflege hinaus, d. h. da, wo es keinen historischen Bestand zu erhalten gebe, müsse das Neue als solches in Erscheinung treten. Sie vertraten damit eine Art Mittelweg zwischen Boito und Dehio, wobei sich der Akzent von dem Prinzip «erhalten, nicht restaurieren» auf die Legitimität und Erkennbarkeit des Neuen verschob.356 Die Diskussionen über dieses Thema flammten erneut 1909 auf der Trierer Tagung auf, einige Jahre nach dem Erscheinen des Werks Der Moderne Denkmalkultus und Riegls heftiger Reaktion auf Dehio und Bodo Ebhardt 357 sowie nach dem Bericht, den Gurlitt 1902 auf der Düsseldorfer Tagung über die wissenschaftlichen Fortschritte in der Kenntnis von Materialien und Techniken der Erhaltung erstattet
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Vgl. Documento presentato al IV Congresso degli ingegneri e architetti italiani, Roma 1883 in: Trattato di restauro architettonico, G. Carbonara (Hrsg.), Rist., Turin 1999, Bd. 4, S. 413–415; C. BOITO: Questioni pratiche di belle arti. Restauri, concorsi, legislazione, professione, insegnamento, Milano 1893; derselbe: Il nuovo e l'antico in architettura, M. A. Crippa (Hrsg.), Milano 1989, S. 107–126. Vgl. das Referat von P. Tornow gehalten auf der Tagung in Dresden 1900, in: OECHELHAEUSER 1910, S. 46–53. Ein überzeugter Fortsetzer dieser Gesichtspunkte ist der italienische Theoretiker und Restaurator Paolo Marconi; vgl. insbes. P. MARCONI: Materia e significato. La questione del restauro architettonico, (Grandi opere), Roma–Bari 1999. S. Ebhardts Referate und Debattenbeiträge auf den Tagungen Düsseldorf 1902, Erfurt 1903 und Mainz 1904 in: OECHELHAEUSER 1913, S. 156–158, 159–167, 179–181, 182–184, 198–199. Gurlitt, Wilhelm, in: BRÜCKLER/NIMETH 2001, S. 93. S. die entsprechenden Debattenbeiträge zur Tagung Dresden 1900, in: OECHELHAEUSER 1910, S. 53–58. A. RIEGL: Neue Strömungen in der Denkmalpflege, in: BACHER 1995, S. 217–233.
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2.1 | TAGUNGEN
ZUR
DENKMALPFLEGE 1900–1921
hatte.358 An den Diskussionen nahmen u. a. Gurlitt, Dehio und Clemen teil.359 Ihre mit einer gewissen Vorsicht und Gelassenheit vorgebrachten Einwände brachten jedoch keine wesentlich neuen Standpunkte, im Gegensatz zu den beiden Hauptreferaten, und zwar dem von Karl Weber, Architekt aus Danzig, und dem von Carl Rehorst, Landesbaurat und Conservator aus Köln. Diese bezogen sich ausdrücklich auf das Referat des Architekten Julius Gräbner, der zusammen mit Rudolf Schilling die Kreuzkirche in Dresden restauriert hatte, wobei das Alte erhalten wurde und die neuen, zur Instandsetzung notwendigen Eingriffe in einer architektonisch modernen Formensprache ausgeführt worden waren.360 Gräbner hatte ein Jahr vorher in Lübeck die Forderungen der Moderne gegen die «Gotiker» – oder «Hypergotiker»,361 wie sie Marco Dezzi Bardeschi nennen wird – verteidigt, gegen die stilistischen «Fälscher», die das von Tornow in seinen Vorschriften verfochtene Prinzip der stilistischen Analogie akzeptiert hatten. Weber unterscheidet die Denkmale, die erhalten werden sollen, nach dem Zustand, in dem sie sich befinden, in «Ruinen», «tote Denkmale» und «lebendige Denkmale», womit wiederum die Frage ihrer Wiederbenutzung und Funktionalität verbunden ist, die auch Clemen später in seinen Schriften behandelte.362 Er hält die Vorgangsweise der historischen Schule von Essenwein, Schmidt, Schäfer oder Tornow für legitim, solange man zwischen historistischen, d. h. philologischen, und «analogen» Eingriffen, d. h. einer stilistischen Imitation, unterscheidet. Dabei verteidigt er die ersten und verwirft die zweiten. Außerdem weist Weber auf die Sinnlosigkeit des «Weges der Vorschriften» als Hypostasierung der Forschung hin, die dagegen jedoch ständige Bewegung bedeutet und nach dem pragmatischen Prinzip «Fall für Fall» verfährt. Noch bedeutungsvoller war das Referat des Kölner Baurats Rehorst. Er bejahte die Legitimität der Prinzipien Tornows, allerdings unter Berücksichtigung des Weberschen Einwands, bei der Ergänzung fehlender Teile sei eine historisch dokumentierte stilistische Kontinuität zu bewahren, was vor allem eine formale und technische Frage darstelle. Er hält somit das Streben nach einer Kontinuität der Tradition für berechtigt. Was seine Überlegungen besonders bemerkenswert macht und sie von einem simplen Plädoyer für die Stilkopie unterscheidet, ist sein Hinweis auf die Bedeutung der Kontinuität, ein Thema, das er in Betrachtungen à la Dvoøák weiter ausführt. Rehorst zieht bei dem Restaurierungsprojekt auch den Aspekt der Harmonie und Disharmonie in Betracht und betont die «höhere Einheit» als Ziel, das die Restaurierung anstreben soll. Er unterscheidet zwischen dem klassischen Historismus eines Essenwein und Schmidt und dem Neohistorismus des ausgehenden Jahrhunderts, also dem
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Siehe Cornelius Gurlitts Referat auf der Tagung Düsseldorf 1902, in: OECHELHAEUSER 1913, S. 32–38. S. die jeweiligen Debattenbeiträge, in: OECHELHAEUSER 1910, S. 114–123. Ebenda, S. 93–111. Nach M. DEZZI BARDESCHI (Hg.): Gotico, neogotico, ipergotico. Architettura e arti decorative a Piacenza. 1865–1915, Piacenza, dal 23 dicembre 1984 al 3 marzo 1985, Ausstellungskatalog Piacenza 1984/85, Piacenza [1984]. P. Clemen: Die Deutsche Kunst und die Denkmalpflege. Ein Bekenntnis, Berlin 1933.
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UND DIE
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einer jüngeren Generation. Letzteren betrachtet er als endgültig überwunden und stellt ihm die Moderne entgegen, und zwar nicht als stilistische Modernität, etwa des Jugendstils, sondern als eine Kunst, die imstande ist, die Kontinuität auf eine neue und lebendige Weise auszudrücken. Seine Überzeugungen spiegeln sich klar in den Worten wider: «Wir wollen auf einem anderen Weg zu einer modernen Kunst kommen und sind es schon: Wir wollen genaues Studium der Alten, wollen aber frei werden von ihrem Stil. Wir wollen über dem Stil stehen und ihn nach dem Empfinden unserer Zeit ausgestalten und weiterbilden».363 Das bedeutet soviel wie Stil und Kontinuität im Sinne Sempers. Alle «progressiven Konservatoren» hätten seine Worte unterschrieben. Als Pionier dieser «modernen Kontinuität» muss Theodor Fischer angesehen werden, dessen Lektion von allen verstanden wurde, von Clemen und Gurlitt bis zu Rehorst selbst. Dvoøák stimmte Rehorsts Auffassungen voll und ganz zu, wie die Tatsache beweist, dass er am Ende seines Katechismus auf diesen als Vorbild verweist. Rehorst zählte Martin Dülfer, Fritz Schumacher, Bruno Schmitz, Hermann Billing, Ludwig Hoffmann und Joseph Maria Olbrich zu den Anhängern der neuen Haltung. Dvoøák nimmt in einem drei Jahre später gehaltenen Vortrag auf Rehorsts Gedanken Bezug, wenn er von der «Letzten Renaissance» spricht.364 Webers und vor allem Rehorsts Auffassungen wurden von Vertretern der fortschrittlichen Richtung der Denkmalpflege («konservieren, nicht restaurieren») als zu nachgiebig gegenüber der von Tornow postulierten rekonstruktiven Restaurierung kritisiert, allerdings weniger heftig als sonst. Gurlitt beschränkte sich darauf, bei seinem Freund Gräbner den Mut eines Modernisten anzuerkennen, Dehio forderte alle zur Toleranz auf, auch wenn er nicht verhehlen konnte, dass er Gräbner deutlich Weber vorzog, und Clemen berief sich in Sempers Namen auf die Unverfälschtheit der zeitgenössischen Baukunst. Das Terzett neigte eher jenem Radikalismus zu, mit dem Architekt Emil Högg (in der Sektion, die der Rekonstruktion der Hamburger Michaeliskirche gewidmet war) die Erkennbarkeit und Urheberschaft der Modernität im Rekonstruktionsprojekt verlangte und der Mannheimer Anwalt Theodor Alt (in der dem Heidelberger Schloss gewidmeten Sektion) den Respekt vor dem uns Überkommenen forderte.365 Die Diskussionen bezeugen jedenfalls das hohe Niveau, das die wissenschaftliche Debatte über Geschichte, Architektur und Restaurierung zu Jahrhundertbeginn in Deutschland erreicht hatte. Sie zeigen aber auch die Schwierigkeiten auf, die die neue Kultur der Denkmalerhaltung und die zeitgenössische Architektur in der Praxis der Denkmalpflege miteinander hatten. Clemen stellte damals scharfsinnig fest, dass sich die Leute nach einigen Jahren darüber wundern würden, wie man sich nach dem Frühstück einen ganzen Tag lang mit derartigen «Diatriben» hatte beschäftigen können! Rückblickend müssen wir feststellen, dass
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S. C. Rehorsts Referat auf der Tagung Trier 1908, in: OECHELHAEUSER 1910, S. 103–110. Rehorst initiierte die Kölner Werkbundausstellung 1914. S. unten Abschnitt 3.2, S. 188 ff. S. E. Höggs Referat auf der Tagung Trier 1909, in: OECHELHAEUSER 1913, S. 456–466 bzw. das Referat von T. Alt auf der Tagung Bamberg 1905, ebenda, S. 386–396.
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2.1 | TAGUNGEN
ZUR
DENKMALPFLEGE 1900–1921
die modernen Konservatoren den Widerstand der neohistoristischen Bewegung sehr unterschätzt hatten. Die österreichische Denkmalpflege hatte mit Riegl und Dvoøák eine Position eingenommen, die weit über den «Weg der Vorschriften» hinausging. Wie Walter Frodl in seinen Überlegungen zur Bedeutung des Katechismus feststellt, hielt sie an der Erhaltung in dem uns überkommenen Zustand fest und begann, ohne sich lange mit unnützen Debatten und falschen Problemen abzugeben, sich mit dem Problem des Neuen im historischen Kontext zu befassen. Auf dieser Ebene begegneten sich die österreichische und die deutsche Erhaltungskultur. Die Distanz, die die österreichische Denkmalpflege gegenüber dem nationalen Eifer der deutschen Denkmalpflege einnahm, lässt sich an Dvoøáks geistigem Vermächtnis ermessen. In seiner letzten Rede vor den österreichischen Konservatoren, die sich 1921 nach dem schon besiegelten «Finis Austriae» in Bregenz versammelt hatten, spürt man den Geist der reinen Theorie der Denkmalpflege, den Geist der epistemologischen Tradition der Wiener Schule. Für Dvoøák ist der fachliche Auftrag der Denkmalpflege in erster Linie ethisch und pädagogisch, sie bietet die Möglichkeit, die Technik als wichtigsten Faktor einer Epoche und den Materialismus als Weltanschauung zu überwinden. Der Erste Weltkrieg sei eine Katastrophe nicht nur für die europäische Kultur, sondern auch für die Denkmalpflege gewesen, aus seiner Asche könne aber eine neue Welt und ein neuer Denkmalschutz hervorgehen: «Bei Sieger und Besiegten erhielt sie in dem vulkanischen Ausbruch den Todesstoß und heute bereits kann man freudigen Auges überall das Werden einer neuen Welt wahrnehmen, in der geistige Güter wertvoller sein werden als technischer Fortschritt, Erwerb und Bequemlichkeit und bis dieser Prozeß vollendet und die Verblendung einer nur auf materiellen Errungenschaften aufgebauten Glücksvorstellung von den Menschen gewichen sein wird, werden sich auch die Forderungen und Gründe der Denkmalpflege in allgemeine Gesinnung verwandeln und aus dem Samen des Denkmalschutzes wird der Baum einer neuen Pietät emporwachsen. An uns liegt es, diese Entwicklung zu beschleunigen.»366 Leider werden die hier ausgestreuten Samenkörner von anderen, noch weitaus schlimmeren Konflikten begraben werden, die den alten Kontinent in seinen Grundfesten erschüttern sollten. Der Erste Weltkrieg führte notgedrungen zu einer Annäherung der österreichischen und deutschen Denkmalpflege, die sich mehr und mehr zu einer Abhängigkeit der österreichischen Institution von der deutschen entwickelt. Clemen und Dvoøák, unterstützt von Tietze, Fortunat von Schubert-Soldern und Paul Weber, leiteten die Initiative zum Schutz der Denkmale in den vom Krieg betroffenen Gebieten.367 Dvoøák stellt nachträglich voller Bitterkeit fest, dass weder Italiener noch Deut-
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DVOØÁK 1920/3, S. 97. P. CLEMEN (Hrsg.): Kunstschutz im Kriege. Berichte über den Zustand der Kunstdenkmäler auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen und über die deutschen und österreichischen Maßnahmen zu ihrer Erhaltung, Rettung, Erforschung, Bd. 1–2, Leipzig 1919. S. a. Dreizehnter Tag für Denkmalpflege. Augsburg, 20. und 21. September 1917, Berlin [1917].
DIE KULTUR
DER
DENKMALPFLEGE
UND DIE
FORDERUNGEN
DER
MODERNE | V.
sche gezögert hatten, Denkmale und Städte in Schutt und Asche zu legen. Die Schuld daran gibt er nicht den einzelnen Nationen, sondern dem Krieg. Er hätte mit allen Mittel vermieden werden müssen, sagte er später in einem Vortrag über Österreichs und Italiens Beziehungen in der Kunstwissenschaft, denn der Krieg habe die Besonderheit Europas, die in der Kontinuität der Mittelmeerkultur diesseits und jenseits der Alpen bestand, zunichtegemacht.368 Nach der Kriegskatastrophe habe der Denkmalschutz überall da, wo es zu retten gelang, was noch zu retten war, nicht nach nationalen, sondern nach höheren ethischen Prinzipien gehandelt, d. h. nach dem Respekt vor den «Kulturgütern der Menschheit».369 Nach Dvoøáks Tod fühlte sich Tietze als sein Schüler und langjähriger Mitarbeiter dazu berufen, der österreichischen Denkmalpflege innerhalb der deutschen die Bedeutung zurückzugeben, die ihr von der hervorragenden Wiener Tradition her zustand. Das beweist sein kurzer, aber genialer Beitrag auf dem XIV. Tag der Denkmalpflege in Münster im Jahr 1921.370 Er stellte eine Verbindung zwischen Dvoøáks und Riegls Überzeugungen her, indem er das Denkmal als etwas definierte, «das weniger, aber gleichzeitig auch mehr ist als ein Kunstwerk». Tietze stellt eine Annäherung von Kunstwerk und Denkmal fest, die durch die «Kunstkrise» ausgelöst worden sei. Er sieht in der Denkmalpflege eine «kulturelle Macht» innerhalb der Krise,371 d. h. innerhalb der literarischen und künstlerischen radikalen Avantgarde. Er weist auf die Ähnlichkeiten zwischen der gegenwärtigen Situation und dem Ursprung der Denkmalpflege hin, die, so meint er, darin bestehen, dass beide von dem Konflikt zwischen Antikem und Modernem, zwischen Vergangenheit und Gegenwart gekennzeichnet seien. Die Annäherung von Kunstwerk und Denkmal stellt nach Tietze den Übergang von einer extensiven Phase des neuen Denkmalkonzeptes zu einer intensiven dar. Die bestehende Trümmerwelt verlange nach einem Epos, sie brauche «Helden» und «Pioniere». Zu Helden und Pionieren werden sich auch Clemen und Pevsner äußern. Tietzes epische Denkmalpflege, die die Qualität und die Individualität wiederentdeckt, bedeutet jedoch nicht nur «Pflege des kulturellen Vermächtnisses», wie Riegl gemeint hatte, sondern in Dvoøáks Sinn praktische «Geisteswissenschaft», eine aktive und kreative «kulturelle Tätigkeit», die auf die zerstörerischen Tendenzen der modernen Kulturkrise reagiert. Die neuen ethischen und ästhetischen Werte, mit denen Tietze das Denkmalkonzept bereichert, nähern sich Clemens «symbolischem Denkmalwert» und weisen der Denkmalpflege eine Stellung zwischen Metaphysik und Theorie der Bewertung zu – in dem unmöglichen Versuch, sie der noch ver368 369 370 371
M. DVOØÁK: Österreichs und Italiens Beziehungen in der Kunstwissenschaft, Kap. II, Abschnitt 7. Hier abgedruckt als Text II.1.4, S. 783. DVOØÁK 1919/2, S. 10. H. TIETZE: Das Verhältnis der Denkmalpflege zum geistigen Leben der Gegenwart, in: Vierzehnter Tag der Denkmalpflege. Münster i. W., 22. und 23. September 1921, Berlin [1921], S. 55–60. H. TIETZE: Lebendige Kunstwissenschaft. Zur Krise der Kunst und der Kunstgeschichte, Wien 1925. Zum Begriff Krise grundlegend M. CACCIARI: Krisis. Saggio sulla crisi del pensiero negativo da Nietzsche a Wittgenstein, (I fatti e le idee, 332. Biblioteca di filosofia), 3. Aufl., Milano 1977.
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2.2 | DIE
GEMEINSAMEN
TAGUNGEN
VON
DENKMALPFLEGE
UND
HEIMATSCHUTZ 1911–1920
hängnisvolleren Epoche der Totalitarismen der dreißiger Jahre anzupassen – und liefern außerdem wertvolle Instrumente zu ihrer Interpretation. Die Aufgabe, die wissenschaftliche und publizistische Tätigkeit der österreichischen Denkmalpflege nach dem Zerfall des Kaiserreiches fortzusetzen und zu garantieren, wird – auch auf Drängen der deutschen Kollegen hin – Dagobert Frey zugeteilt, einem anderen großen Schüler und Mitarbeiter von Dvoøák.372
2.2 DIE GEMEINSAMEN TAGUNGEN VON DENKMALPFLEGE UND HEIMATSCHUTZ (1911–1920): IHRE FUSIONIERUNG, DVOØÁKS ZUSTIMMUNG UND SEINE VORBEHALTE «Die Ideen des Heimatschutzes sind noch nicht etwas so allgemein Geklärtes, daß sie wie ein Dogma in einem Katechismus oder in einer Vorschriftensammlung aufgespeichert werden könnten…» Paul Schulze-Naumburg, Einleitungsreferat, Gemeinsame Tagung für Denkmalpflege und Heimatschutz, Salzburg 1911 Die Diskussionen zur Urbanistik begannen in den oben genannten Tagungen unter dem Aspekt der unterschiedlichen Positionen kommunaler Denkmalpflege. Einige Begründer der Disziplin wie Cornelius Gurlitt, Charles Buls und Joseph Stübben nahmen daran teil. Sie erörterten die wichtigsten Themen wie die Rolle der Verwaltung, die Straßenführung und die Bauvorschriften, das Verkehrsproblem und die Erhaltung der historischen Zentren, die Freilegung von Denkmalen und die Beachtung neuer Architektur.373 In diesen Rahmen gehören auch die gemeinsamen Tagungen von Denkmalpflege und Heimatschutz an denen Österreicher und Deutsche teilnahmen. Die erste Tagung fand nicht zufällig 1911 in Salzburg unter der Schirmherrschaft von Erzherzog Franz Ferdinand statt. Der erste Tag war einer Gegenüberstellung von Denkmalpflege und Heimatschutz gewidmet. Clemen und Dvoøák referierten jeweils über die Entwicklung und die Zielsetzungen der deutschen und österreichischen Denkmalpflege, Schultze-Naumburg, Giannoni und Semetkowski über die jeweiligen Entwicklungen und Zielsetzungen des Heimatschutzes. Gurlitt hielt das Abschlussreferat über die Erhaltung der historischen Zentren im Allgemeinen.374 Dvoøáks Referat verdient aus drei Motiven besondere Beachtung: Erstens bietet es einen Überblick über die institutionelle Geschichte der Denkmalpflege, zweitens eine Konfrontation mit der deutschen Tradition und drittens macht es Dvoøáks Distanz zur deutschen Denkmalpflege und dem Heimatschutz deutlich. Dvoøák beschreibt die verschiedenen Entwicklungsphasen der österreichischen Denkmalpflege und der ZK von der Präsidentschaft Czoernigs bis zur Ära Helfert, von der «aggressiven» Restaurierung zu der «bürokratisierten», um am Ende die «große Wandlung» hervorzuheben, die mit Riegl stattfand. «Riegl, dessen Standpunkt der radikalste Konservatismus Ruskins war, ist es zu verdanken, dass dieselbe Zentralkommission, die kurz vorher Restaurierungsprojekte in alter Bedeutung des Wortes verhandelte, ganz
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DIE KULTUR
DER
DENKMALPFLEGE
UND DIE
FORDERUNGEN
DER
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und gar bis zum ältesten Gremiumsmitglied von der neuen Auffassung durchdrungen wurde und die territoriale Entwicklung in Österreich überflügelnd auf dem allermodernsten Standpunkte stand.» Er fährt später fort: «Es ist ein Irrtum, wenn man die große Wandlung in den Anschauungen, welche die letzten 25 Jahre der Denkmalpflege charakterisiert, einzig und allein auf englische und französische Einflüsse zurückführt.»375 Er betont, dass die «Wandlung» dagegen auf eine Entwicklung zurückzuführen sei, die sich in den historischen Disziplinen vollzogen habe, sodass es möglich geworden sei, die «schlimmsten historisierenden Banalitäten und Brutalitäten» kritisch zu betrachten. Moritz Thausing habe die Restaurierung nicht ohne Grund «aggressiv» genannt, so schädlich wie die Reblaus, die die Weinberge zerstört.376 Dvoøáks Verhältnis zur deutschen Denkmalpflege und zur Heimatschutzbewegung zeigt – abgesehen von einem Vergleich, der in seinen Ausführungen indirekt enthalten ist, aber über die vorliegenden Betrachtungen hinausgeht – Aspekte, die miteinander verflochten sind. Im Gegensatz zum Thronfolger, der den antiurbanen und romantisch-ländlichen Tendenzen der Heimatschutzbewegung nahestand, aber vor allem darin die Möglichkeit erkannte, die Erlassung eines Denkmalschutzgesetzes für Österreich zu umgehen, verlangt Dvoøák, dass zwei Prinzipien als Charakteristika der österreichischen Denkmalpflege anerkannt werden: erstens eine Dezentralisierung der Tätigkeiten des Vollzugs bei Landesbehörden, die allerdings zentral koordiniert werden sollten, wobei man sich auf eine starke Tradition und vor allem auf den von Riegl gegebenen innovativen Impuls berufen kann; zweitens die fachliche Autonomie. Seine dazu geäußerten Worte bedeuten weit mehr als eine bloße Distanznahme. Sie zeigen klar und deutlich die Grenzen des Heimatschutzes und die Aufgaben einer modernen Denkmalpflege auf: «Ein rückständiger Dilettantismus, eine rückständige Kunst kann, wie die Vergangenheit lehrt, alten Denkmälern
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FRODL -KRAFT 1997. Vgl. OECHELHAEUSER 1910–13. Oechelhaeusers Zusammenstellungen der, wie er selbst betont, wichtigeren Referate und Debatten der vergangenen zehn Jahre, das umspannt die Tagungen Freiburg/Br. 1901 bis Trier 1909, wurde aus Gründen der Übersicht in quasi 'Sektionen' gegliedert; s. OECHELHAEUSER 1910, Vorwort, S. III. Clemen war Koreferent auf der Tagung Düsseldorf 1902, s. OECHELHAEUSER 1910, S. 347–354, an der auch Stübben teilnahm, s. Debatte, ebenda, S. 354–358. Außerdem berichtete Stübben als Referent auf der Tagung Erfurt 1903, ebenda, S. 372–380, an der auch Gurlitt als zweiter Koreferent teilnahm, ebenda, S. 384–385, und schließlich war Stübben Koreferent auf der Tagung Mainz 1904, ebenda, S. 279–287. Gurlitt war Referent auf der Tagung Lübeck 1908, ebenda, S. 446–462. Koreferent war Buls, ebenda, S. 462–471. Gleichfalls Referent auf der Tagung in Lübeck 1908 war Clemen, ebenda, S. 474–486. S. die Referate von Clemen und Dvoøák zum Thema Entwicklung und Ziele der Denkmalpflege in Deutschland und Österreich, in: Gemeinsame Tagung für Denkmalpflege und Heimatschutz. Salzburg, 14. und 15. September 1911, Berlin [1911], S. 51–75; die Referate von Schultze-Naumburg, Giannoni u. Semetkowsi zum Thema Entwicklung und Ziele des Heimatschutzes in Deutschland und Österreich, ebenda, S. 75–104 und schließlich das Referat von Gurlitt zum Thema Erhaltung des Kernes alter Städte, ebenda, S. 107–116. DVOØÁK 1911/3. Wiederabdruck in DVOØÁK 1974. M. THAUSING: Wiener Kunstbriefe. Phylloxera renovatrix, in: Neue Freie Presse, Morgenblatt, Nr. 6344, 26.4.1882, S. 1–3.
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2.2 | DIE
GEMEINSAMEN
TAGUNGEN
VON
DENKMALPFLEGE
UND
HEIMATSCHUTZ 1911–1920
ebenso viel schaden wie eine vorsätzliche Zerstörung, und gerade in der großen Ausdehnung der Idee der Denkmalpflege, in der großen populären Grundlage, die sie gewonnen hat, scheint mir eine sehr naheliegende Gefahr zu liegen, die Gefahr neuer Verirrung, ja, was tausendmal ärger ist, die Gefahr einer platten, formelhaften Auffassung. Ich bin gewiß der letzte, der die hohe ethische und soziale Bedeutung des Heimatschutzes unterschätzen würde, der berufen ist, an dem Ausbau der Denkmalpflege in der aktivsten Weise teilzunehmen; aber hüten wir uns, daß unsere Begeisterung, daß unsere Pietät nicht bei einer efeuumsponnenen Mauer stehen bleibt, hüten wir uns, daß der Heimatschutz, die Heimatkunde nicht auf das Niveau der alten Altertumskunde herabsinkt und vergessen läßt, daß typische Erscheinungen nur ein Widerschein der großen Kunstbewegungen gewesen sind, zu denen in erster Linie das allgemeine Verständnis, die allgemeine Pietät emporgehoben werden muß. Das heißt mit anderen Worten: die staatliche Denkmalpflege hat noch andere Ziele, als sich von der allgemeinen Bewegung tragen zu lassen, sie muß diese Bewegung leiten, sie muß diese Bewegung tiefer bilden, sie hat eine große pädagogische Aufgabe.»377 Die Aufgabe der Denkmalpflege besteht nach Dvoøák nicht darin, Verbote aufzustellen, sondern einen Beitrag zur Bildung zu leisten. Die Denkmalpflege hält den Kunstbesitz nicht zurück, sondern gibt ihn weiter: «Was wir wollen, ist eine Denkmalpflege, welche nicht im Gegensatz zur Gegenwart und ihren Bedürfnissen steht, eine Denkmalpflege, welche nicht die Gegenwart durch die Vergangenheit verfälschen, welche die Vergangenheit nicht zu einem Scheinleben erwecken, sondern eine Denkmalpflege, welche den alten Kunstbesitz als kostbaren Edelstein in das Werk der neuen Entwicklung einfügen will.»378 Die Betonung des künstlerischen Wertes und der Beziehung der Denkmale zur Kunst nimmt die Rede, die Tietze in Münster hielt, vorweg und kann als Kritik und Ablehnung gegenüber einer Ausdehnung des Denkmalbegriffes betrachtet werden. Es handelt sich dabei um ein Problem, das das ganze 20. Jahrhundert kennzeichnet und in den siebziger Jahren mit einer neuen Phase der industriellen Entwicklung mit Macht hervortritt. Dabei kommt der Rolle, die die Denkmalpflege für die Kunst und die Kunstforschung spielt, besondere Beachtung zu. In einem anderen Beitrag zur Beziehung zwischen Denkmalpflege und Kunst sind Dvoøáks Äußerungen zu den Grenzen des Heimatschutzes recht lapidar: «Ebensowenig kann ein Appell an die auf Begriffen und nicht auf Kunsterlebnissen beruhenden Heimatsliebe zum Ziele [der Kunstentwicklung] führen, sie ersetzt höchstens alte Rezepte durch neue, lokalisierbare.»379 Indem er auf Distanz geht, scheint Dvoøák die Komplexität der Heimatschutzbewegung zu unterschätzen. In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass Schultze-Naumburg, der Leiter der deutschen Heimatschutzbewegung, in 377 378 379
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DVOØÁK 1911/3. Hier nach dem Wiederabdruck DVOØÁK 1974, S. 135 f. Ebenda, S. 137. DVOØÁK 1910/7. Hier abgedruckt als Text I.7.3, S. 485. Die Beifügung in Klammern vom Verfasser.
DIE KULTUR
DER
DENKMALPFLEGE
UND DIE
FORDERUNGEN
DER
MODERNE | V.
seinem Referat im Vergleich zur Denkmalpflege eine gewisse Rückständigkeit der Heimatschutz-Bewegung beklagte, die in der Unfähigkeit bestehe, Prinzipien aufzustellen, die sich unter dem Terminus Katechismus zusammenfassen lassen.380 Diese Formulierung muss den Beratern des Thronfolgers aufgefallen sein, sie mag den Ausschlag dafür gegeben haben, dass eines der berühmtesten Dokumente der Denkmalpflege so betitelt wurde. Trotz der Vorbehalte, die Dvoøák dem Heimatschutz gegenüber hatte, kommt 1920 auf der dritten gemeinsamen Tagung in Eisenach in einem seiner letzten Beiträge seine grundsätzlich positive Haltung gegenüber dieser komplexen Bewegung zum Ausdruck.381
2.3 DER WERKBUND, DIE DENKMALPFLEGE UND DIE RESTAURIERUNG: DIE KULTUR DES ENTWERFENS UND DER ERHALTUNG «[…] in allerletzter Zeit […] ist ganz plötzlich die Forderung, daß Ingenieurbauten ästhetischen Ansprüchen genügen müssen, zur Selbstverständlichkeit geworden. Freilich war dazu viel aufklärende Arbeit notwendig, der sich neben einzelnen vor allem die großen Organisationen, der Werkbund und der Heimatschutz, unterzogen haben.» German Bestelmeyer, Einführungsreferat, Zweite gemeinsame Tagung für Denkmalpflege und Heimatschutz, Dresden 1913 Der Werkbund, eine der bedeutendsten Organisationen was die Steigerung der Wertschätzung des Industrieproduktes und die Förderung moderner Architektur betrifft, stimmte bei seiner Entstehung in vieler Hinsicht mit der Heimatschutzbewegung überein, mit der er aktiv zusammenarbeitet. Wie Joan Campbell feststellt, gab es starke Überschneidungen der verschiedenen Vereinigungen. Der Architekt Paul Schultze-Naumburg zum Beispiel, einer der Begründer des Werkbunds, arbeitet regelmäßig an dem von Avenarius herausgegebenen Kunstwart mit und ist gleichzeitig ein einflussreiches Mitglied des Heimatschutzbundes. Auch die dem Dürerbund angehörigen Friedrich Naumann und Fritz Schumacher schreiben im Kunstwart. 1912 ist fast die Hälfte des Exekutiv-Komitees des Werkbunds auch Mitglied des Dürerbunds.382 Sicherlich tragen diese Überschneidungen dazu bei, das Interesse für die zentralen Themen zu stärken. Die Teilnehmerzahl der Tagungen für Denkmalpflege liegt durchschnittlich bei dreihundert, sie steigt dagegen bei der ersten und zweiten gemeinsamen Tagung mit der Heimatschutzbewegung auf zirka 800 an.
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Vgl. auch das Motto dieses Kapitels. Der Terminus scheint schon bei Eduard von Sackens stilistischer Anthologie auf; s. E. v. SACKEN: Katechismus der Baustyle oder Lehre der architektonischen Stylarten von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart, Leipzig 1861. DVOØÁK 1920/1. Hier abgedruckt als Text I.5.9, S. 436. J. CAMPBELL: Il Werkbund tedesco. Una politica di riforma nelle arti applicate e nell' architettura, (Polis), Venezia 1987, S. 30.
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2.3 | DER WERKBUND,
DIE
DENKMALPFLEGE
UND DIE
RESTAURIERUNG
Der Bezug zwischen Werkbund, Denkmalpflege und Heimatschutz gründet sich auf der gemeinsamen Überzeugung, dass Projekte für neue industrielle Niederlassungen durch den Respekt für die Umwelt und den historischen Kontext gekennzeichnet sein müssen. Diese Überzeugung stellt eines der Hauptthemen der zweiten gemeinsamen Tagung von Denkmalpflege und Heimatschutz dar, die 1913 in Dresden stattfindet.383 German Bestelmayer betont bei dieser Gelegenheit den Beitrag, den Werkbund und Heimatschutz diesbezüglich zur Sensibilisierung geleistet haben. Sesselberg, der Berliner Vertreter des Werdandibunds – einer Organisation, der Avenarius und Theodor Heuss angehören und die mit ähnlichen Argumenten wie der Werkbund die Autonomie der neuen Techniken und Materialien verteidigt und die Vertreter des Heimatschutzes als Träumer von «gotischen Lokomotiven» lächerlich macht – fordert das Recht auf disharmonische Gestaltung beim Entwerfen neuer Konstruktionen. Außerdem verlangt er eine breite Diskussion, ohne auf den Vorrang der modernen Forderungen verzichten zu müssen. Schon zu Beginn des Jahrhunderts äußern sich zwei bedeutende Vertreter des Werkbundes, Theodor Fischer und Hermann Muthesius, zu Restaurierungsfragen und zu Tornows Vorschriften. Sie nehmen, wenn auch mit unterschiedlicher Akzentsetzung, von Rekonstruktionen und stilistischen Ergänzungen Abstand und fordern das Recht auf neue und erkennbare Ausdrucksweisen bei Eingriffen in den historischen Bestand.384 Auch Gurlitt kritisiert 1903 in der Wiener Neuen Freien Presse heftig die Tornowschen Prinzipien und verteidigt das Recht auf Modernität bei Restaurierungsprojekten, die nicht durch Schriften und Hinweisschilder, wie Ebhardt meint, sondern durch den Eingriff selbst klar erkennbar sein soll. Jede stilistische Nachahmung betrachtet er als eine Fälschung, da sie, im Gegensatz zur historischen und philologischen Rekonstruktion, direkt am historischen Dokument vorgenommen werde.385 Dvoøák betont in den Organen der österreichischen Denkmalpflege die Bedeutung der Beiträge beider deutscher Kollegen. 1907 veröffentlicht er eine von Gurlitt konzipierte Leitlinie für die Erhaltung von Ruinen, mit der er voll und ganz übereinstimmt. Gurlitt behauptet darin, dass eventuell notwendige Zubauten – abgesehen von den Schutzmaßnahmen und der deutlichen Erkennbarmachung des modernen Charakters von Eingriffen zur statischen Konsolidierung – «im Geist und Respekt des Alten» ausgeführt werden sollen. Dabei stellt er klar, dass dieser Geist nur modern, also nicht nachahmend, sein dürfe, sich dem Bestand jedoch unter-
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Zweite gemeinsame Tagung von Denkmalpflege und Heimatschutz, Dresden, 25. und 26. September 1913. Stenographischer Bericht, Berlin [1913]. Th. FISCHER: Über das Restaurieren. (1902), in: HUSE 1984, S. 115–118; H. MUTHESIUS: Die Wiederherstellung unserer alten Bauten (1902), ebenda, S. 118–121. Vgl. zuletzt M. Boriani: Hermann Muthesius e il restauro. L'influsso di Ruskin e Morris su un padre del Moderno, in: Ananke, 1997, Nr. 17/18, S. 13–16. Aus diesem Grund ist die «Entrestaurierung» antiker Skulpturen erlaubt, d. h. die Beseitigung der Integrationen, die den Torso verfälschen. C. GURLITT: Vom Restaurieren, in: Neue Freie Presse, Morgenblatt, Nr. 13866, 3. April 1903, S. 1–3.
DIE KULTUR
DER
DENKMALPFLEGE
UND DIE
FORDERUNGEN
DER
MODERNE | V.
ordnen solle.386 Diese höhere Einheit mache die Qualität eines Projektes aus und zeige das Einfühlungsvermögen seines Entwerfers. Zwei Jahre danach weist er besonders auf Clemens Forderungen nach Laboratorien zur chemischen Analyse der Materialien und zum Studium ihrer Erhaltungstechniken hin, insbesondere von Steinmaterial, das von der modernen Umweltverschmutzung bedroht wird. Seine besondere Aufmerksamkeit gehört den Ergebnissen der wissenschaftlichen Forschung und neuen Präparaten wie den Silikaten.387
3. DIE DENKMALPFLEGE UND DIE MODERNE KUNST DVOØÁK, KOKOSCHKA UND LOOS
UND
ARCHITEKTUR:
«Alte und neue Bauten. Die letzteren waren die ärgsten Feinde der ersteren, solange sie sklavisch von ihnen abhängig waren.» Max Dvoøák, Gedanken über Denkmalpflege, 1910 «Man könnte vielleicht noch fragen, warum die alte Kultur unterbrochen und der Zusammenhang erst neu gefunden werden musste?» Max Dvoøák, Die letzte Renaissance, 1912 Die Bedeutungssteigerung der Denkmalpflege durch die Verbreitung des Denkmalwertes auch im ländlichen Bereich und die Forderungen der Moderne, die sich mit der industriellen Revolution und den neu entwickelten Materialien durchzusetzen begannen, brachten Dvoøák dazu, in Kunstfragen Partei zu ergreifen; er erkannte, dass Denkmalpflege auch eine pädagogische Aufgabe sei und zunehmend kritisches Engagement erfordere. Wenn ein Konservator nicht länger «Berater in Geschmacksfragen» sein kann, wie Riegl ein für allemal proklamiert hatte, so kann er sich nun, wenn er weiterhin seinen Einfluss ausüben will, dennoch nicht enthalten, kritisch zu den modernen Tendenzen in Kunst und Architektur Stellung zu nehmen. Das Thema, um das nun Dvoøáks Überlegungen kreisen und das auch seine Gedanken in der Praxis der Denkmalpflege leitet, ist die Kontinuität der Klassik. Mit anderen Worten eine Kunstforschung, die die Tradition studiert und genau kennt, sie aber subjektiv neu erlebt, interpretiert und zu neuem Leben erweckt.388 Genau das ist die Vorstellung von Kokoschka und Loos. In einer seiner letzten Schriften kommentiert Dvoøák eine Reihe von Portraits, die Kokoschka von Kamilla Swoboda, der Frau des Dvoøákschülers Karl Maria Swoboda, gezeichnet hatte. Dem Künstler war es hier gelungen, einem stark subjektiv empfundenen Ausdruck klassische Objektivität zu verleihen. Dvoøák betrachtet Kokoschka deshalb als eine Persönlichkeit, die imstande ist, den Wiener Neoidealismus auf die Malerei zu übertragen, eine 386 387 388
Wie soll man Ruinen erhalten, in: KuJbZK, 1, 1907, Beibl., Sp. 85 f. W. von WECKBECKER: Sterbende Bauwerke, in: MZK, 3. F., 8, 1909, Sp. 258–260. S. SETTIS: Futuro del classico, (Vele, 6), Torino [2004].
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3. | DIE DENKMALPFLEGE
UND DIE MODERNE
KUNST
UND
ARCHITEKTUR
neue und klassische Kunst, eine eigene innovative aber gleichzeitig vollendete, somit klassische Einheit zu schaffen.389 Mit Loos stimmt Dvoøák in seiner Distanzierung zu Heimatschutzbewegung und Werkbund überein. 1911 veröffentlicht Dvoøák ein Reformprogramm für die Architekturschulen aus dem Jahr 1801 mit derselben Absicht, mit der Loos einen Wiener Schrifttyp aus dem ausgehenden 18. Jahrhundert für seine Zeitschrift «Das Andere»390 übernimmt. Beide sind der Meinung, dass der Klassizismus des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts die letzte Moderne darstelle, und aus dieser Überzeugung heraus kritisieren sie den Modernismus des beginnenden 20. Jahrhunderts. Als Manifest dieser Überzeugung kann der Vortrag betrachtet werden, den Dvoøák 1912 unter dem Titel Die letzte Renaissance hielt. Er distanziert sich darin von Otto Wagners Funktionalismus, den er auf kompositorischer Ebene noch für historisierend hält. Als Pioniere der neuen Richtung gelten Karl Friedrich Schinkel, Alfred Messel und Josef Hoffmann. Ihnen folgen andere bedeutende Persönlichkeiten wie Joseph Maria Olbrich, Hermann Billing und Martin Dülfer und einige diskutable Figuren wie zum Beispiel Bruno Schmitz, den Marcello Piacentini als Vertreter einer stümperhaften Auffassung der Denkmalkultur heftig kritisieren wird.391 Loos dagegen ist, wie Tietze betont, ihr Vertreter par excellence. Für Tietze ist das Haus auf dem Michaelerplatz absolut neu in Ausdruck und Form, aber gleichzeitig den Bedürfnissen der Wiener Stadtarchitektur, ihrer Tradition und seiner besonderen Lage angepasst. Sein positives Urteil ist ohne die Lehre Dvoøáks nicht denkbar, auch wenn es davon unabhängig gefällt wurde.392 Loos und Kokoschka sind sozusagen die Fackelträger der Auffassungen Dvoøáks. Eine Übereinstimmung der Ansichten, wie sie sich hier in Kunst, Architektur – in ihrer ganzen kritischen und kulturellen Dimension, die ihr Dvoøák verleiht – und Denkmalpflege zeigt, ist zweifellos etwas Außergewöhnliches. Hans Aurenhammer hat unter kunstgeschichtlichem Gesichtspunkt das Verhältnis der drei Persönlichkeiten sehr gut dargestellt, wobei er besonders die
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DVOØÁK 1921/2 und AURENHAMMER 1998. DVOØÁK 1911/6. Hier abgedruckt als Text I.5.8, S. 434; A. LOOS: Was man druckt, in: derselbe, Gesammelte Schriften, A. Opel (Hrsg.), Wien 2010, S. 279. Mit der Wiederaufnahme des Reformprogramms von Freiherr J. Beck, Professor an der Wiener Kunstakademie, bekräftigt Dvoøák seine Übereinstimmung mit Loos in der Auffassung von der gesellschaftlichen Rolle der Architektur: «Es ist falsch zu sagen, daß jeder Bauherr bauen kann, wie er will, nur die innere Einteilung gehört sein. Diese kann er verwinkeln lassen, wie er will, das Äußere aber gehört dem Publikum.», s. DVOØÁK 1911/6, Sp. 194. Aldo Rossi nahm Dvoøáks und Loos' Auffassung in seinen Schriften, seinem Schaffen und auch im Film Ornamento e Delitto, Regie Luigi Durissi, Contemporafilm, 1973 wieder auf. «[…] il famoso Monumento della Battaglia di Lipsia del 1913, testé inauguratasi e che costituisce l'esempio più spiccato della vacua e indigesta architettura monumentale germanica!» in: M. Piacentini: L’Esposizione d’architettura a Lipsia, in: Annuario d’architettura, Milano 1914, S. 9–20 (Reprint in: derselbe: Architettura moderna, M. Pisani (Hrsg.), Venezia 1996, S. 84–89 H. TIETZE: Der Kampf um Alt-Wien. III. Wiener Neubauten, in: KuJbZK, 4, 1910, Beibl., Sp. 33–62. Tietze macht außer auf das Haus auf dem Michaelerplatz auch auf eine Villa von Josef Hoffmann in der Steinfeldgasse auf der Hohen Warte aufmerksam.
DIE KULTUR
DER
DENKMALPFLEGE
UND DIE
FORDERUNGEN
DER
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enge Verbindung hervorhebt, die hier – wenn auch nicht zum ersten Mal, so doch auf besonders bedeutende Weise – zwischen den Forderungen der Moderne und der Kultur der Denkmalpflege, zwischen kritischem und konservativem Engagement zustande kommt.393 Die Originalität dieser Verbindung soll im Folgenden vom Gesichtspunkt der Denkmalpflege her untersucht werden, um ihre Bedeutung für die Fachgeschichte aufzuzeigen und ihre Aktualität deutlich zu machen.
3.1 BORROMINI ALS RESTAURATOR – ÜBER DIE BEZIEHUNG ZWISCHEN MANIERISMUS
UND
MODERNE
Als eigentliches Manifest der Denkmalpflege sollte nicht der Katechismus betrachtet werden, sondern vielmehr Dvoøáks kurze, aber keineswegs weniger bedeutende Schrift Francesco Borromini als Restaurator. Sie erschien 1907 im Jahrbuch der ZK. Da die Kunsthistoriker der Restaurierung bis dahin wenig Beachtung geschenkt hatten (und auch danach weiterhin wenig Interesse dafür zeigen sollten), handelte es sich um eine ungewöhnliche Veröffentlichung, der wegen ihres theoretischen, allerdings im Mantel einer kunstgeschichtlichen Untersuchung verdeckten Ansatzes besondere Bedeutung zukommt.394 Dvoøák vertritt darin als Kunstkritiker die Meinung, dass es möglich sei, die Wesenszüge der räumlichen Gestaltung und des innovativen Rückgriffs auf die Antike, die er später dem Manierismus zuwies, auf die Architektur anzuwenden, was sich nach Michelangelo am Werk Borrominis am deutlichsten nachweisen lasse. Er erkennt darin und vor allem in der Erneuerung der Basilika San Giovanni in Laterano, die von Papst Innozenz X. für das Heilige Jahr 1650 gewünscht worden war, den Beginn einer neuen Denkmalauffassung und eines neuen Bezugs zum historischen Denkmal an sich. Der Manierismus ist somit nicht nur Ausdruck einer kritischen Kunstbetrachtung, sondern wird auch zum Ausgangspunkt der modernen Denkmalpflege. In Dvoøáks Überlegungen zur Kunstentwicklung von Tintoretto und El Greco bis zu Kokoschka wird er zum Bezugspunkt einer künstlerischen nachklassischen Tendenz, die stark vom «Geistigen» geprägt ist. Der Manierismus stellt nach Dvoøák eine Verbindungslinie zwischen zwei Krisen her: der des 16. Jahrhunderts und der postimpressionistischen Krise, von der die Wiener Kunst- und Kulturwelt betroffen ist. Aufgrund dieser Auffassungen wird Dvoøák allgemein als Pionier der Aufwertung der Epoche des Manierismus betrachtet, besser gesagt spielt er diese Rolle für zwei Krisenepochen.395 393 394
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AURENHAMMER 1998; AURENHAMMER 1996 und AURENHAMMER 1997, mit zahlreichen bibliographischen Verweisen. DVOØÁK 1907/4. Anstoß zur neuen Betrachtung Borrominis gab Riegl in seinen Vorlesungen; A. RIEGL: Die Entstehung der Barockkunst in Rom. Akademische Vorlesungen, A. Burda/M. Dvoøák (Hrsg.), Wien 1908. So in der genauen Darlegung G. WEISE: Storia del termine «Manierismo», in: Manierismo, Barocco, Rococò. Concetti e termini. Convegno internazionale, Roma 21–24 aprile 1960. Relazioni e discussioni, (Quaderno/Accademia Nazionale dei Lincei, 52), Kongreßakt Roma 1960, Roma
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3.1 | BORROMINI
ALS
RESTAURATOR
Mit der Schrift über Borromini als Restaurator wird der Versuch, die Kunstkrise zu verstehen und eine Antwort darauf zu finden, um sich dann davon zu lösen, auch auf die Denkmalpflege übertragen. Die Krise der klassischen Ausdrucksformen der Renaissance, wie sie sich im Manierismus äußert, macht auch die Suche nach einer neuen Beziehung zur Vergangenheit und zu den überkommenen Monumenten notwendig. Die These, die Dvoøák vertritt lautet: Ohne diese neue Beziehung wäre auch das Denkmalkonzept selbst, so wie es von Ruskin und Riegl definiert worden war, nicht möglich gewesen. Ein passender Untertitel zu seiner Schrift wäre deshalb: «Borromini und der Ursprung der Denkmalpflege». Ohne weiter auf die technischen Einzelheiten einzugehen, hebt Dvoøák in der Restaurierung der Lateransbasilika drei Aspekte als besonders bedeutend hervor: 1. den Respekt für die ursprüngliche architektonische Anlage bei der Umgestaltung des Innenraumes, 2. die Präsentation der Kunstdenkmale, 3. die einheitliche räumliche Gestaltung.396 Der erste Aspekt hatte schon Passeri beeindruckt, der in seinem Werk von 1772 Vite de’ pittori, scultori ed architetti betont, dass die Erneuerung «senz’ alterare la pianta, senza muovere mura e senza componimento del tutto» vorgenommen worden war, was eine historische Neuheit darstellte, die von den Zeitgenossen sofort wahrgenommen wurde. Der zweite Aspekt stellte im Vergleich zu der architektonischen Neuordnung älterer Werke, wie sie in den Kirchen Santa Croce in Florenz, SS. Giovanni und Paolo in Venedig und in der Peterskirche in Rom vorgenommen worden waren, eine absolute Neuheit dar. Während sich dort der aristokratische, patriotische und religiöse Denkmalwert in Form eines «Mausoleums der kommunalen Vergangenheit» und der Kirchengeschichte ausdrückt, stellt Borromini mittelalterliche Tafelbilder und Skulpturen in neu geschaffenen Altären auf, wobei der zeitliche Kontrast im Projekt für die Neuanordnung vorgesehen ist. Die neue Konzeption Borrominis veranlasst Dvoøák zu der Feststellung: «Auf der einen Seite also die weitestgehende Rücksichtslosigkeit jeder Überlieferung gegenüber, auf der anderen eine unerhörte Rücksicht für das Überlieferte», die mit der rhetorischen Frage endet: «Ist das nicht ein sonderbares Problem?».397
396
186
1962, S. 27–38 bzw. bei E. RAIMONDI: Per la nozione di Manierismo letterario. (Il problema del Manierismo nelle letterature europee), ebenda, S. 57–79. Es ist also kein Zufall, dass gerade die Dvoøákschüler Dagobert Frey, Friedrich Antal, Hans Sedlmayr und Arnold Hauser die bedeutendsten Untersuchungen zu diesem Thema lieferten. S. insbes. D. FREY: Beiträge zur Geschichte der römischen Barockarchitektur, in: WrJbKG, 3 (17), 1924, S. 5–113 und derselbe: Architettura barocca, Roma 1929; F. ANTAL: Zum Problem des niederländischen Manierismus, in: Kritische Berichte zur kunstgeschichtlichen Literatur, 2, 1928/29, S. 207–256; H. SEDLMAYR: Die Architektur Borrominis, 2. Aufl., München 1939; A. Hauser: Der Manierismus. Die Krise der Renaissance und der Ursprung d. modernen Kunst, München 1964. Dazu W. OECHSLIN: Borromini e l'incompresa «intelligenza» della sua architettura. 350 anni di interpretazioni e ricerche, in: Borromini e l'universo barocco, R. BÖSEL/Ch. L. FROMMEL (Hg.), (Documenti di architettura), Milano 2000, S. 107–117. Dvoøák bezieht sich auf H. EGGER: Francesco Borrominis Umbau von S. Giovanni in Laterano, in: Beiträge zur Kunstgeschichte. Franz Wickhoff gewidmet, Wien 1903, S. 154–162.
DIE KULTUR
DER
DENKMALPFLEGE
UND DIE
FORDERUNGEN
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Diese besondere Art, alte überkommene Denkmale zu bewahren, ohne sie zu «restaurieren», wird auch von Arnoldo Bruschi als Kennzeichen der neuen Architektur Borrominis hervorgehoben, die in San Giovanni in Laterano zutage tritt. So heißt es in seinem Werk Borromini: manierismo spaziale oltre il Barocco: «Die Absicht, die Überreste der Grabdenkmale der antiken Basilika zu bewahren, ist für Borromini ein Anreiz zu neuen, einzigartigen Erfindungen, bei denen verschiedene und gegensätzliche Elemente nebeneinander gestellt werden».398 Bruschis Erläuterung folgend, kann man feststellen, dass die Bedeutung von Borrominis räumlichem Manierismus für Dvoøák Anlass gewesen sei, einen Vergleich zu den Überlegungen zu ziehen, die die Baukünstler des frühen 20. Jahrhunderts zu Theorie und Methode des Entwerfens anstellten. Dvoøáks Betonung der «freien Behandlung der Räume» durch den Restaurator Borromini stimmt tatsächlich mit Adolf Loos Überlegungen zum «Raumplan» und mit Fritz Schumachers Idee der «Raumgestaltung» überein.399 Dvoøák hält Borromini aufgrund seines Subjektivismus für den «wahren Erben Michelangelos», andererseits stellt er die innovative Gestaltung in einen postklassischen Bezugsrahmen von außerordentlicher Modernität, wie aus seinen Worten hervorgeht: «Da die tektonischen Glieder ihre künstlerische Bedeutung verloren haben, ist auch ihre Form irrelevant geworden und so werden tausendjährige Normen aufgegeben, Gebälke biegen sich und krümmen sich, als wenn sie von Teig wären, Säulen tragen nichts, die Mauern werden ausgebaucht wie elastische Stoffe und die Skulptur ist ganz gleichgültig, sie ist nichts weiter als ein Glied in der großen dekorativen Gesamtwirkung und es kommt deshalb gar nicht darauf an, wie sie in ihren Details beschaffen ist.»400 Diese Interpretation bekräftigt Bruschis Meinung, dass Borromini «über das Barock» hinausgeht und evoziert Bilder von postmodernen, dekonstruktivistischen Architekturen eines Aldo Rossi, Robert Venturi, Frank O. Gehry, Daniel Libeskind oder Peter Eisenman. In Bezug auf die Denkmalpflege hat das Beispiel Borrominis zweierlei Auswirkungen. Erstens führt es zu einer neuen Art, sich mit der Antike auseinanderzusetzen.401 Zweitens wird durch Borromini eine lebendige, zeitgenössische Beziehung zu den Denkmalen der Vergangenheit hergestellt, die nach Dvoøák im Gegensatz zu den Absichten der «Antiquare in der Wissenschaft und Kunst» steht und es er-
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DVOØÁK 1907/4, Sp. 95. A. BRUSCHI: Borromini: manierismo spaziale oltre il barocco, Bari 1978, mit Kommentar zu den Abbn. 79–80. Fast unverändert in der Neuauflage derselbe: Francesco Borromini: manierismo spaziale oltre il barocco, (Universale di architettura, 63), Torino 1999, S. 68. Zum Raumplan von Loos s. K. FRAMPTON, (zit. Anm. 345), S. 88 f. mit Hinweisen auf den Bezug zu De Stijl; H.-W. KRUFT (zit. Anm. 282), S. 422. Kruft tendiert dagegen dazu, den logischen Charakter in Loos' Raumplanung hervorzuheben, in dem er eine Beeinflussung durch Wittgensteins Gedanken zur Architektur sieht. Zu Fritz Schumachers Idee vgl. F. Schumacher: Das bauliche Gestalten, (Birkhäuser-Architektur-Bibliothek), Basel–Berlin–Boston 1991. DVOØÁK 1907/4, Sp. 97 Ebenda, Sp. 98. Zur Erhaltung in der byzantinischen Kunst s. vor allem C. MANGO: I bizantini e la conservazione dei monumenti = Byzantine attitudes to the conservation of monuments, in: Casabella, 55, 1991, Nr. 581, S. 38–40.
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3.2 | DIE
LETZTE
RENAISSANCE
UND DIE
RICHTUNG
DER MODERNEN
KLASSIK
möglicht «die Wirkung eines alten Denkmales nach dem Verhältnisse zu einer höheren architektonischen Einheit abzuschätzen.»402 Ohne den künstlerischen Beitrag Borrominis wäre man – angefangen mit Ruskin und Riegl – nie so weit gekommen, das Denkmal in seinem historischen und landschaftlichen Kontext zu betrachten, d. h. als eine höhere Einheit, die über das einzelne Denkmal hinausgeht. All das macht den Bezug zwischen Kunstgeschichte und Denkmalpflege deutlich und betont die Aufgabe der Denkmalerhaltung, aktiv Kunstgeschichte zu schreiben. Außerdem ist Dvoøáks Beurteilung von Borromini ein Zeichen für die Aktualität seiner Auffassungen in einer nach-Rieglschen Epoche.
3.2 DIE LETZTE RENAISSANCE UND DVOØÁKS POSTHISTORISMUS
DIE
RICHTUNG
DER MODERNEN
KLASSIK:
Der Manierismus stellt für Dvoøák eine Synthese von Klassizismus und Moderne dar. Sein Borromini ist postklassisch in dem Sinn, in dem Francesco Arcangeli den antiklassischen manieristischen Geist definiert hat: «eine geniale Revolte, die jedoch innerhalb des klassizistischen Geistes selbst stattfindet».403 Dem Thema der Krise und des Chaos der zeitgenössischen Kunst ist ein wichtiger Vortrag mit dem symptomatischen Titel Die letzte Renaissance gewidmet, den Dvoøák am 22. Februar 1912 im Österreichischen Museum für Kunst und Industrie, dem heutigen MAK, hält. Obwohl den exakten Zeitangaben in der vorliegenden Arbeit sonst keine übertriebene Beachtung geschenkt wird, ist sie in diesem Fall sehr wichtig, denn am Abend desselben Tages spricht Otto Wagner im Festsaal des Niederösterreichischen Gewerbevereins über Die Qualität des Baukünstlers. Diese Koinzidenz ist aus zwei Gründen bedeutend: erstens, weil sich beide Redner mit den Tendenzen der zeitgenössischen Architektur auseinandersetzen, und zweitens, weil Dvoøák öffentlich seine kritische Stellungsnahme zu Wagners Auffassungen kundgibt, die er unter kunstgeschichtlichem Gesichtspunkt für überholt hält. Wagners Architektur beurteilt er deshalb als bloßes Präludium zu einer neuen modernen Richtung, deren andere Zielsetzungen er deutlich hervorhebt.404 Dvoøáks harte, unmissverständliche Worte werden noch im Verlauf der zwanziger Jahre und zu Beginn der dreißiger Jahre widerhallen, bis die totalitären Regime jeden kritischen Beitrag annullieren und Kunst und Architektur in Politik mit anderen Mitteln verwandeln. In weniger schrecklichen Zeiten tauchen sie hier und da noch einmal auf, bis sie in unserer heutigen Zeit, in der der Kritiker zum Presseagent eines Stararchitekten, zu einem der vielen Mitglieder seines Teams geworden ist, endgültig verschwinden. Während Wagners Beitrag damals mehrfach abgedruckt wurde, sofort auf Beachtung stieß und auch kürzlich wieder publiziert wurde, blieb der Text von Dvoøáks Vortrag unbekannt, bis er 1995 mit einem Kommentar von Hans Aurenhammer405 zum ersten Mal veröffentlicht wurde. Soweit es die Begrenztheit der vorliegenden Abhandlung erlaubt, soll auf Dvoøáks Vortrag und den Kommentar von Aurenhammer eingegangen werden, da sie mir als äußerst wertvoll erscheinen, um die
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DIE KULTUR
DER
DENKMALPFLEGE
UND DIE
FORDERUNGEN
DER
MODERNE | V.
Bedeutung aufzuzeigen, die die höchste Autorität der österreichischen Denkmalpflege der Beziehung zwischen der Kultur der Denkmalpflege und den Forderungen der modernen Architektur verlieh. Dvoøáks Überlegungen gehen von einer Kunstsituation aus, die der Laie als Chaos und der Kritiker als Krise empfindet. Sie beginnt und überschneidet sich mit dem dekadenten Eklektizismus des 19. Jahrhunderts. Die unwiderrufliche Verurteilung des Eklektizismus beweist die aristokratische Sensibilität des Historikers Dvoøák wie auch seinen Widerwillen gegen das «Protzertum» und den schlechten Geschmack, der die Gründerzeit kennzeichne. Er erkennt die Relativität des historischen Urteils an, d. h. er hält in Nachfolge von Riegl und Tietze nicht das ganze 19. Jahrhundert und seinen Historismus für wertlos. Dennoch habe sich darin, wie Dvoøák sagt, die üble Angewohnheit ausgebildet, bescheidene, aber würdevolle und vor allem für ihre Entstehungszeit charakteristische Bauwerke durch prätentiöse und mit künstlicher Geschichtlichkeit beladene Gebäude zu ersetzen, wie es mit dem «Haus zur goldenen Kugel» auf dem zentral gelegenen Wiener Platz Am Hof geschehen war, der Dvoøák besonders am Herzen lag. Einer ebenso negativen Haltung habe es entsprochen, grandiose, anachronistische Bauten zu errichten wie den von Julius Carl Raschdorff entworfenen Berliner Dom (1894–1904). Diese Art von Historismus stellt für Dvoøák das letzte Kapitel einer Geschichte dar, die mit dem späten Michelangelo begonnen habe und die als Barock definiert werden könne. Als Beispiel dafür nennt er Sempers Projekt für das «Kaiser-Forum» in Wien, das in Anlehnung an Michelangelos Piazza del Campidoglio in Rom konzipiert worden sei. Während jedoch die barocke gestalterische Vielfalt zu einer höheren Einheit geführt habe, habe der eklektische Historismus dieses Ziel verfehlt, sodass die gestalterischen Differenzierungen banal und reiner Selbstzweck geworden seien. Dvoøák hält jedoch nicht das ganze 19. Jahrhundert für banal. So unterstreicht er zum Beispiel die absolute Originalität der Eisenkonstruktionen und erkennt darin vielleicht als Erster – und in Anlehnung an Cornelius Gurlitts Ästhetik der neuen Materialien – «eine neue Sachlichkeit, technische Ehrlichkeit und Gediegenheit».406
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406
Ebenda, Sp 98; auch wenn diese «höhere architektonische Einheit» in der Rezeption Arata Isozakis als unsystematisch zu betrachten ist. Vgl. P. PORTOGHESI: Borromini e l'achitettura moderna, in: R. BÖSEL/Ch. L. FROMMEL (zit. Anm. 395), S. 129–137, mit Nennung der Arbeit Dvoøáks, S. 129 und S. 137 mit Anm. 4. F. ARCANGILI: Rezension: G. BRIGANTI: Il manierismo e Pellegrino Tibaldi, Roma 1945, in: Leonardo, 15, 1946, S. 159, nach E. RAIMONDI (zit. Anm. 395), S. 77 mit Anm. 47. Eine konzise Darstellung von Dvoøáks Stellungnahme liefert AURENHAMMER 1997. M. DVOØÁK: Die letzte Renaissance. Vortrag, gehalten am 2. Februar 1912 im Österreichischen Museum für Kunst und Industrie. Nach dem Originalmanuskript hrsg. von H. Aurenhammer, in: WrJbKG, 50, 1997, S. 9–21 mit dem Kommentar in: AURENHAMMER 1997. M. DVOØÁK: Die letzte Renaissance. Vortrag, gehalten am 2. Februar 1912 im Österreichischen Museum für Kunst und Industrie. Nach dem Originalmanuskript hrsg. von H. Aurenhammer, in: WrJbKG, 50, 1997, S. 13; C. GURLITT: Die deutsche Kunst des neunzehnten Jahrhunderts. Ihre Ziele und Taten, Das neunzehnte Jahrhundert in Deutschlands Entwicklung, 2) Themen, Berlin 1899. Mit den Eisenkonstruktionen befasste sich in jenen Jahren aufschlussreich Alfred Gotthold Meyer
189
3.2 | DIE
LETZTE
RENAISSANCE
UND DIE
RICHTUNG
DER MODERNEN
KLASSIK
Vor allem aber erkennt er den Einfluss, den der Werkbund und die neue Industriekultur ausübten. Eine kritische Version dieser Sicht auf die Industriekultur lieferte besonders Adolf Loos407, wenn er vom Denkmal spricht, das nicht mehr als zu restaurierendes, perfektionierendes, integrierendes Stildepot aufgefasst werden kann. Aus der modernen Kunstindustrie und Industriekultur geht eine neue Kultur der Erhaltung hervor, die mehr ist als bloße Restaurierung. Auch Otto Wagner und seine Schule haben in diesem Sinn eine innovative Funktion ausgeübt, doch fühlten sich die Exponenten der neuen Architektur nicht mehr durch Wagner repräsentiert. Dvoøák kritisiert Wagners neuen Akademie-Entwurf als Übersetzung des dekorativen Credos Van de Veldes. Eine solche für den Wiener Gelehrten ungewöhnliche Kritik à la Loos hat die strategische Absicht, für die neuen Tendenzen der zeitgenössischen Architektur einzutreten. Als Beispiele für diese neue Richtung nennt Dvoøák Joseph Maria Olbrichs Werke für die Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe in Darmstadt, Hermann Billings Ausstellungspavillon in Mannheim und Martin Dülfers Projekt für ein Theater in der westfälischen Stadt Hagen. Als Beispiele für die Einbeziehung von Neuem in einen historischen Kontext weist er auf Bruno Schmitz’ Projekt für die neue Westfront des Doms im sächsischen Freiberg und auf Alfred Messels Projekt für das Museum für deutsche und nahöstliche Altertümer auf der Berliner Museumsinsel hin. Bei den beiden letzteren handelt es sich um zwei sehr unterschiedliche Beispiele. Das erste ist, wenn auch gewissenhaft ausgeführt, eher banal und nichtssagend. In seiner simplen Modernität ist es kaum von der Fassade eines Einkaufszentrums wie dem von Wilhelm Kreis in Köln geschaffenen Kaufhof zu unterscheiden. Das zweite dagegen ist äußert wichtig, da es eine sehr enge Verbindung zu den schon bestehenden Museen, der Alten Pinakothek von Schinkel und dem Neuen Museum seines Schülers August Stüler, zu schaffen vermag. Außerdem wird es zu einem Bezugspunkt für die ganze weitere Geschichte der Museumsinsel, angefangen bei dem Riesenprojekt, das Wilhelm Kreis im Rahmen des NS-Konzepts für ein Berlin-Germania entwerfen sollte, bis hin zu den Instandsetzungsmaßnahmen von Kriegsruinen in der jüngsten Vergangenheit.408 Dvoøak ist der Auffassung, dass die Rückkehr zur Klassik jedes Mal dann auftritt, wenn man die Tektonik aus den Augen verliert und ins Dekorative verfällt. Das gelte für die Romanik des beginnenden 9. Jahrhunderts ebenso wie für die Renaissance des beginnenden 15. Jahrhunderts und gelte weiterhin für die Moderne des beginnenden 20. Jahrhunderts. Schon im 19. Jahrhundert habe eine
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vgl. A. G. MEYER/W. v. TETTAU: Eisenbauten. Ihre Geschichte und Ästhetik, Esslingen 1907. Walter Benjamin über die Arbeit Meyers: «Wenn Riegl den Expressionismus vorweg nahm, so dieses Buch die neue Sachlichkeit», W. BENJAMIN: Bücher, die lebendig geblieben sind, in: Kritiken und Rezensionen, Hella Tiedemann-Bartels (Hrsg.), (Gesammelte Schriften, 8), (Edition Suhrkamp Werkausgabe), Frankfurt/M. 1980, S. 170. A. LOOS: Ins Leere gesprochen, Paris–Zürich 1921. Vgl. Berlins Museen. Geschichte und Zukunft, Zentralinstitut für Kunstgeschichte, München (Hrsg.), München–Berlin 1994. Zu Piacentinis Vorbehalten Schmitz gegenüber s. Anm. 391.
DIE KULTUR
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Reaktion auf das Rokoko stattgefunden409, die sich besonders deutlich in Karl Friedrich Schinkel ausdrückte, dessen (Neo)Klassizismus Dvoøák als Manierismus (im Sinn des schon zitierten Francesco Arcangeli, aber auch von Borromini) interpretiert, da sich in ihm eine barocke Neigung zeige, die jedoch antike Ausdrucksformen benutze. Als vergleichbare Reaktion betrachtet er auch die Wiederkehr klassischer Formen im 12. und 13. Jahrhundert und die Bezugnahme auf die klassizistischen Strömungen des 17. und 18. Jahrhunderts in den Werken Anselm von Feuerbachs und Hans von Marées. Dvoøák fasst die neue Richtung als modernen Klassizismus auf oder – anders ausgedrückt – als moderne Klassik. Sie wird unter anderen kulturellen, historischen und sozialen Bedingungen in den zwanziger Jahren in der von Werner Hegemann und Leo Adler gegründeten Zeitschrift Wasmuths Monatshefte für Baukunst wieder aufgenommen, lässt sich in den dreißiger Jahren bei Marcello Piacentini und der von ihm geleiteten Zeitschrift Architektur nachweisen und ist schließlich auch bei Aldo Rossi in einer postmodernen Perspektive, die auch Dichtung und Malerei einschließt, erkennbar.410 Dieser moderne Klassizismus in Dvoøáks Deutung wurzelt im Humanismus und lehnt jede Form von Nationalismus ab. Als Beweis dafür kann seine Bewunderung für Pleènik angesehen werden, der als ein Vertreter des Panslawismus gilt. Diese Tatsache verdient besondere Beachtung, wenn man sich die Vorliebe Dvoøáks für alles Deutsche vor Augen hält.411 Dvoøáks Vortrag schließt in der Tat mit einem Plädoyer zugunsten der humanistischen Kultur, die, wie er meint, als einzige die geistigen Werte der neuen Richtung in sich aufnehmen, die technische Kultur ergänzen und einer Spezialisierung entgegenwirken könne, die zu einer Trennung der beiden Kulturen führe. Die von Dvoøák als Die letzte Renaissance beschriebene post-historistische Situation führt die Denkmalpflege unvermeidlich zu einer Praxis, die über die Restaurierung hinausgeht. Seine Kritik des Historismus ist so radikal und unwiderruflich,
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411
S. H. SEDLMAYR: Zur Charakteristik des Rokoko, in: Epochen und Werke. Gesammelte Schriften zur Kunstgeschichte, Bd. 3, Mittenwald 1982, S.180–188. Zu Piacentinis Architektur, die auch in den ersten verhängnisvollen Jahren der Achse Berlin– Rom ihren humanistischen, wenn auch dem Nationalismus sich unterwerfenden Zug behielt, wie auch zu seiner Bezugnahme auf den Weimarer Klassizismus vgl. S. SCARROCCHIA: Albert Speer e Marcello Piacentini. L'architettura del totalitarismo negli anni trenta, (Biblioteca di architettura Skira, 4), Ginevra–Milano 1999. Bezüglich des hohen humanistischen Wertes, den Aldo Rossi Denkmalen beimaß, vgl. die Betrachtungen bei V. SAVI: L'architettura di Aldo Rossi, (Collana di architettura), Milano 1976. Zur Geschichte und Kritik der traditionalistischen Bewegungen s. G. PIGAFETTA/I. ABBONDANDOLO: Le teorie tradizionaliste nell'architettura contemporanea, (Università Laterza., Architettura, 9), Roma–Bari 1997; G. PIGAFETTA: Architettura moderna e ragione storica. La storiografia italiana sull'architettura moderna. 1928–1976, (Univeristà), Milano 1993 und derselbe: Modernismus. Storia come tradizione, in: R. BLOMFIELD: Modernismus, (Collana di traduzioni e riedizioni di testi rari, 1), Firenze 1996, S. 7–26. Zur Unbegründetheit der Tradition vgl. E. J. HOBSBAWM: The Invention of Tradition, (Past and present publications), Cambridge 1983. Siehe unser Kap. II.4 Prag betreffend. Zum Verhältnis Dvoøák–Pleènik s. Z. GÜLLENDI-CIMPROCHOVÁ (zit. Anm 175).
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LETZTE
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RICHTUNG
DER MODERNEN
KLASSIK
dass sie im Vergleich zu Tietzes Kritik zu verallgemeinernd erscheinen kann, während sie eigentlich eine Ergänzung dazu darstellt. Tietzes Analyse der zeitgenössischen Kunstkrise stimmt mit Dvoøáks Überzeugungen überein, sie ist jedoch in der Beurteilung des Pluralismus der Tendenzen, die sich infolge der vom Historismus hervorgerufenen Stilvielfalt entwickelt haben, weniger drastisch. Tietze verkehrt Dvoøáks Radikalismus in sein Gegenteil, indem er in dem chaotischen und noch unverständlichen Pluralismus die Ursache für die Vermehrung moderner und zeitgenössischer künstlerischer Werte erkennt, die es der Denkmalpflege wiederum ermöglicht, eine posthistoristische Position einzunehmen, die über die Restaurierung hinausgeht.412 Mit seiner Kritik am Historismus wendet sich Dvoøák ganz entschieden gegen die Zeit der aggressiven stilistischen Restaurierung, die den Geschmack verdorben sowie künstlerischen, architektonischen und urbanistischen Niedergang bewirkt habe.413 Er stellt eine Beziehung zwischen der technischen Reproduzierbarkeit von Kunstwerken und der Restaurierung her, wobei er Letztere einer Fälschung und Kopie gleichstellt.414 In seiner radikalen Überzeugung sieht er die Praxis der stilistischen Restaurierung des 19. Jahrhunderts als einen einzigen riesigen Fälschungsprozess an, dem konsequenterweise der Kunstverfall der Gründerzeit entspricht. Wie begrenzt und verfehlt seine Beurteilung auch erscheinen mag, so dient sie Dvoøák doch dazu, die Denkmalpflege von historistischen Gesichtspunkten zu befreien und ihr eine andere Richtung zu geben. Diese Richtung kann Dvoøáks Meinung nach nicht von einer «neuen» Kunst kommen, wie sie Dehio forderte, denn das würde sofort wieder zu einer weiteren Bewegung, zu einem neuen «Ismus» führen. Um seine Absichten klarzumachen, gebraucht er das Adjektiv «letzte» anstelle von «neue». Was er meint, ist, dass sich Die letzte Renaissance der Klassik in der gegenwärtigen Zeit, d. h. in der Moderne manifestiere. Er meint auch nicht jene Kunst, für die die Heimatschutzbewegung eintritt, da diese, wie er sagt, auf Konzepten und nicht auf künstlerischen Erfahrungen beruhe und «alte Rezepte» mit Lokalkolorit verbreite. Zur Durchsetzung «seiner» Richtung der Denkmalpflege schlägt Dvoøák erstens eine möglichst große Verbreitung der Kenntnisse des Kunstbesitzes in der Öffentlichkeit vor, sodass sich diese mehr und mehr seiner Bedeutung bewusst wird, und zweitens die Ausbildung eines kritischen Bewusstseins dem Kunstschaffen gegenüber. Auch wenn sich Dvoøáks Auffassung anscheinend von der Tietzes unterscheidet, der eine positive Beziehung zwischen Heimatschutzbewegung und Moderne eher für möglich hält415 (was angesichts des Werks eines Meisters wie Heinrich Tessenow durchaus plausibel erscheint), so stimmen die Beurteilungen der beiden großen Ver-
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S. hierzu H. TIETZE: Moderne Kunst und Denkmalpflege, in: KuJbZK, 3, 1909, Beibl., Sp. 1–8. DVOØÁK 1910/7. Im Gegensatz zu Riegls Auffassungen im Denkmalkultus; s. hierzu auch unser Kap. VI, S. 195. Wie Anm. 412.
DIE KULTUR
DER
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UND DIE
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MODERNE | V.
treter der österreichischen Denkmalpflege doch in der Überzeugung überein, dass ein Bezug zwischen Kunst, zeitgenössischer Architektur und Denkmalpflege besteht, auch wenn Tietze das als Pluralismus bewertet, was für Dvoøák eine Richtung darstellt.416 Dass Dvoøáks ablehnende Haltung bestimmten Tendenzen gegenüber keinem Radikalismus à la Loos entspringt, zeigt seine Teilnahme an der dritten gemeinsamen Tagung von Denkmalpflege und Heimatschutz in Eisenach 1920, zu der er einen seiner letzten Beiträge liefert. Diese Tatsache wäre völlig unverständlich, wenn er der Meinung gewesen wäre, dass auf der Tagung nur «alte Rezepte» behandelt würden. In Eisenach nimmt er dagegen das Thema der Erhaltung und Umnutzung der großen Anlagen der Kaiserzeit, wie Schlösser und Parks, in ihrem neuen republikanischen Kontext in Angriff. Er hebt dabei die Notwendigkeit hervor, den Charakter dieser Denkmale mit ihrer neuen Nutzung in Einklang zu bringen und kritisiert deshalb das falsche «revolutionäre Gehabe», das fordert, dort Schulen, Krankenhäuser und ähnliche soziale Strukturen unterzubringen, was nicht dem Wert dieser Denkmale entspreche und daher unwirtschaftlich sei.417 Er betont, dass die Aufgabe der Denkmalpflege wesentlich darin bestehe, eine «Schule des Widerstands» zu sein418, die die ideellen Werte den materiellen vorziehe und die verschiedenen Parteien, Interessen und Tendenzen verteidige. Eine Denkmalpflege, die sich von den Defekten des 19. Jahrhunderts befreit hat, könne sich deshalb auch dem Wertpluralismus öffnen, der Tietze so am Herzen liege. Eine derartige Schlussfolgerung übertrifft alle damals möglichen utopistischen Vorstellungen. Die deutschen Kollegen sind bereit, Dvoøák einen Lehrstuhl für Kunstgeschichte an der Kölner Universität anzubieten, was ihm im Vergleich zu der schwierigen Situation in Österreich zu besseren wirtschaftlichen Verhältnissen verholfen hätte.419 Dvoøák beschließt jedoch, in Wien zu bleiben. Aus dem zerfallenen Kaiserreich entspringt seine hoffnungsvolle Vision: Während die Denkmalpflege im 19. Jahrhundert nur wenige Erfolge gegenüber den Materialismus verzeichnen könne, sei nun ein Neuanfang möglich, bei dem die ideellen Werte über die materiellen triumphieren würden. Zusammen mit den großen kulturellen Bewegungen der Renaissance, der Reformation und des Christentums werde eine neue Geistigkeit auch zu einer
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417 418
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Zum Historismus und seiner Überwindung s. R. WAGNER-RIEGER: Wiens Architektur im 19. Jahrhundert, Wien 1970; die Untersuchungen von P. HEIKO: Otto Wagner, Adolf Loos und der Wiener Historismus. «Die Potemkin'sche Stadt» und die «Moderne Architektur», in: Wien um 1900. Kunst und Kultur, Wien–München 1985, S. 297–304; derselbe: Otto Wagner, Adolf Loos und die Tradition. Architektur als Ausdruck des politischen Machtanspruchs, in: Das Pult, 12, 1980, F. 57, S. 40–60, sowie AURENHAMMER 1997, bes. S. 33 f. Einen allgemeinen Überblick liefert M. SCHARABI: Architekturgeschichte des 19. Jahrhunderts, Tübingen–Berlin 1993. DVOØÁK 1920/1. Elias Canetti spricht von «Schule des Widerstands», s. E. CANETTI: Karl Kraus, Schule des Widerstands, in: derselbe: Macht und Überleben. Drei Essays, (LCB-Editionen), Berlin 1972, S. 25–37, um seine Befreiung von der Faszination zu beschreiben, die Karl Kraus auf ihn ausgeübt hatte. «Schule des Widerstands» wird bei Dvoøák als Synonym für Befreiung gebraucht. E. Frodl-Kraft rekonstruiert die Verpflichtung der österreichischen Denkmalpflege der deutschen gegenüber; vgl. FRODL -KRAFT 1997.
193
3.3 | GEDANKEN
ZU
DVOØAKS GRABMAL
neuen «Pietät», als dem Prinzip der Denkmalpflege, führen. Nichts hätte den Bezug zwischen den Forderungen der Moderne und der Kultur der Denkmalpflege im Denken und Wirken Dvoøáks besser und tiefer ausdrücken können als diese Vision. Sie ist auf dieselbe Art expressionistisch, wie es Loos’ konkrete Utopien420 für eine Kunstwerkstatt und noch mehr seine Siedlungen für ein Rotes Wien sind oder auch Bruno Tauts Pläne für ein neues sozialdemokratisches Magdeburg.
3.3 GEDANKEN
ZU
DVOØÁKS GRABMAL
Dvoøáks Beerdigungsstätte befindet sich an der Mauer, die den Friedhof von Grußbach (Hrušovany) bei Znaim umschließt. Es ist eine Schenkung des Grafen Franz Liechtenstein. Er wählte sie persönlich aus und kennzeichnete sie durch ein wertvolles neobarockes schmiedeeisernes Kruzifix, das von einer Auge-Gottes-Darstellung bekrönt wird. Das Kreuz wurde in einer traditionellen, aristokratischen und doch vertrauten Form als Zeichen der Dankbarkeit für den großen Interpreten des Manierismus errichtet. Einen ganz anderen Eindruck vermittelt der Kenotaph, der zu Dvoøáks Andenken am Wiener Zentralfriedhof errichtet werden sollte. Es wurde von Adolf Loos entworfen, blieb aber unausgeführt. Es handelt sich um einen unbehandelten Granitwürfel mit einer Spitze in Form einer Zikkurat, der außer den Fresken im Innenraum, die Oskar Kokoschka hätte ausführen sollen, keinerlei Verzierungen aufweist und als Sakralisierung architektonischer und künstlerischer Werte zu Ehren eines der größten zeitgenössischen Kritiker geschaffen werden sollte. Wie Eva Frodl-Kraft scharfsinnig feststellte421, vertreten die beiden Grabmale, die beide auf das Jahr 1921 zurückgehen, zwei ganz bestimmte Momente der Denkmalgeschichte als Geistesgeschichte. Während das erste im Betrachter Emotionen hervorruft und auf traditionelle barocke Formen Bezug nimmt, verzichtet das zweite völlig darauf. Die Form ist auf ein Minimum reduziert, auch wenn eine Anspielung auf Formen der Vergangenheit (Zikkurat) nicht fehlt. So wird darauf hingewiesen, dass auch das Grabmal ein architektonisches Werk darstellt422, das eigenen Wert hat und nicht als Alternative zur Tradition verstanden sein will.423 420
421 422
423
194
Der Ausdruck wird hier in dem Sinn Italo Calvinos verwendet, der damit das Festhalten an konkreten sozialen Projekten meint. Er unterscheidet sich damit vom üblichen visionären Expressionismus, wie bei P. SCHEERBARTS: Glasarchitektur, Berlin 1914; vgl. P. KUON: Critica e progetto dell'utopia. «Le città invisibili» di Italo Calvino, in: La visione dell'invisibile. Saggi e materiali su «Le città invisibili» di Italo Calvino». [Le città in/visibili, Triennale di Milano, 5 novembre 2002– 9 marzo 2003], M. Berenghi/G. Canova/B. Falcetto (Hrsg.), Milano 2002, S. 24–41. FRODL -KRAFT 1974/3, S. 144. S. in diesem Zusammenhang M. CACCIARI: Adolf Loos e il suo Angelo, in: A. LOOS: Das Andere. Ein Blatt zur Einführung abendländischer Kultur in Österreich, (IDEM), Milano 1981, S. 9–34, bes. der Abschnitt Sulla tomba di Loos. Vgl. A. ROSSI: Saggio introduttivo, in: A. LOOS: La civilta occidentale. «Das Andere» e altri scritti, (TAM, 4), Bologna 1981, S. 7–16.
VI. SCHLUSSBETRACHTUNGEN
UND FORSCHUNGSPERSPEKTIVEN
1. DIE NEUE AUFFASSUNG DER DENKMALERHALTUNG. DVOØÁK UND RIEGL – EINE GEGENÜBERSTELLUNG Was die Auswirkungen der Kunstgeschichte auf die Denkmalpflege betrifft, kann man sich Dvoøák ohne Riegl nicht vorstellen. Ohne Riegls Bemühungen zur Begründung einer Disziplin, ohne seine auf das Denkmal bezogene Wertetheorie und ohne sein Vorbild in der Praxis wären Dvoøáks Überlegungen zur Denkmalpflege und die Bedeutung, die er ihrer geistigen, ethischen, pädagogischen und kulturellen Dimension gibt, nicht möglich gewesen. Es ist Riegls Verdienst, den Konflikt zwischen dem «Neuheitswert» und dem «Alterswert», auch in seinen Auswirkungen auf den «historischen Wert» und die Restaurierung, erkannt zu haben. Ohne diese Erkenntnis hätte der «Kunstwert» nicht die Bedeutung in der Denkmalpflege erlangt, die ihm Dvoøák in der kritischen Auseinandersetzung mit der Praxis der aggressiven Restaurierung zuteilte und die über den Neubeginn einer unterbrochenen historischen Kontinuität hinausgeht. Es war nötig, den «Denkmalwert» auch auf nicht künstlerische Werke auszudehnen, wie es der Begründer der Disziplin, Riegl, getan hatte, damit sein Nachfolger Dvoøák diesen Wert auf den Kontext, auf die Umgebung, auf die höhere Einheit mit der Landschaft ausdehnen konnte, wie sie sich im Konzept des «Ensembles» ausdrückt.424 Selbstverständlich gibt es in der fachlichen Beziehung der beiden großen Konservatoren Kontinuitäten und Brüche, die gleichermaßen wichtig sind. Wie aus seinen Vorlesungen von 1906 und 1910 hervorgeht, kritisiert Dvoøák an Riegls Werteskala die mangelnde Betonung des künstlerischen Werts. Es handelt sich dabei nicht um ein Urteil, das der Überzeugung von der Existenz eines einzigen elitären oder esoterischen Wertes entspringt, sondern um die Anerkennung der Relativität bzw. Pluralität und der Veränderung der Beurteilung im Laufe der Zeit, was im Grunde nicht weit von Riegls Überzeugungen entfernt ist. Dvoøák lehnt den Alterswert als den Denkmalen innewohnendes immanentes Prinzip ab und ersetzt ihn durch einen visuellen (künstlerischen, ästhetischen) reinen Anschauungswert, der Riegls «Kunstwollen» wieder aufnimmt, und betont seinen kulturellen und geistigen Gehalt, der ebenso in Riegls Konzept der «Stimmung», d. h. des sentimentalen, emotionalen Bezugs der Denkmalbetrachtung ent-
424
S. dazu die Zusammenfassung BENTMANN 1976.
195
1. | DIE
NEUE
AUFFASSUNG
DER
DENKMALERHALTUNG. DVOØÁK
UND
RIEGL
halten ist. Er hält die Erkenntnis von der Notwendigkeit, den Kunstbesitz zu schützen, für den Beginn der Denkmalpflege und begründet den «Gegenwartswert» der Denkmale auf ihrem «künstlerischen Wert». Daraus ergibt sich für Dvoøák die kulturelle, didaktische und pädagogische Funktion der Denkmalpflege wie auch ihre Aufgabe, die zeitgenössische Kunst und Architektur zu unterstützen. Auch darin besteht ein grundlegender Unterschied zu Riegls Auffassungen, der für die weitere fachliche Entwicklung von Bedeutung war. Beide sehen im Gegenwartswert der Denkmale den Anlass zur denkmalpflegerischen Tätigkeit, entsprechend Hegels Prinzip, dass ein Denkmal an sich noch kein Denkmal ist. Für Riegl fällt jedoch der Gegenwartswert mit dem «Alterswert» als Quintessenz des Konfliktes zwischen dem «Neuem» und der «Geschichte» in der Gegenwart zusammen, für Dvoøák dagegen mit dem «künstlerischen Wert». Dvoøáks Auffassung kann deshalb im Vergleich zu jener Riegls rückschrittlich erscheinen. Als ähnlich rückschrittlich könnte auch seine Verdammung der Restaurierungen des 19. Jahrhunderts, wie sie im Katechismus zum Ausdruck kommt, interpretiert werden (die heute große Anerkennung erlangt haben). Dvoøáks Haltung kann aber auch fortschrittlich erscheinen, da Dvoøák auch den anderen Aspekt des Konflikts zwischen dem «Neuen» und der «Geschichte» in der Gegenwart in Betracht zieht, und zwar die Rolle der Kunst in der Kulturkrise und ihre Auswirkungen auf das Schicksal des «Kunstbesitzes». Er erkennt die Veränderungen, die in der Denkmalpflege vorgehen, und macht verständlich, weshalb der Kunst ein höherer «kommunikativer Wert» zugewiesen werden soll. Auf diesen Wert nehmen Kollegen wie Clemen mit seiner Definition des «symbolischen Wertes», Tietze und Schlosser mit ihrer Theorie der «hohen Werte» des vom Genie erschaffenen Kunstwerkes und der isolierten Stellung des Künstlers Bezug. Ohne diese Voraussetzungen ist die Hermeneutik der Monumentalisierung der Kunst und Architektur in den totalitären Regimen der dreißiger Jahre kaum zu verstehen. Indem Dvoøák den Wert des Ensembles als höhere Denkmaleinheit im Katechismus und auch an anderer Stelle erkennt, bring er die Denkmalpflege mit den modernen Instrumenten der Raum- und Stadtplanung in Verbindung. Riegl wies dem Denkmal einen Platz zu, der über seine künstlerische Bedeutung hinausgeht. Indem er bei der Erhaltung von Denkmalen auf künstlerische Ansprüche verzichtet, bereitete er die Denkmalpflege auf die Anerkennung einer «Mischkultur» und ihrer Dissonanzen vor und ermöglichte ihr, den durch die Krise hervorgerufenen Konflikten zwischen unvereinbaren Werten Herr zu werden. Dvoøák dagegen stellte die Kunst wieder in den Mittelpunkt der Denkmalpflege, dehnte ihre Bedeutung aber so weit aus, dass sie auch das Stadt- und Landschaftsbild integrierte, wobei die Denkmalpflege zum Antriebsfaktor für die Haltung der zeitgenössischen Kunst und Architektur wurde.
196
SCHLUSSBETRACHTUNGEN
2. DIE PERSON
DES
KONSERVATORS UND GEMEINSCHAFT
DIE
UND
ENTWICKLUNG
FORSCHUNGSPERSPEKTIVEN | VI.
EINER NEUEN
WISSENSCHAFTLICHEN
«Das schwierigste Problem der Denkmalpflege – waren seit jeher die Denkmalpfleger.» Max Dvoøák, Gedanken über Denkmalpflege, 1910
Seit jener Zeit, in der Riegl zum Leiter der ZK ernannt wurde, um die österreichische Denkmalpflege neu zu organisieren, aber vor allem seit Dvoøák dessen Nachfolge antrat, wurde die Funktion des Generalkonservators von einem hohen staatlichen Beamten ausgefüllt, der direkt den Regierungsvertretern unterstellt war, aber eine große fachliche und operative Autonomie besaß. Diese Autonomie beruhte vor allem auf der kulturellen und gesellschaftlichen Bedeutung der Denkmalpflege als Institution und dem allgemein anerkannten Prestige ihres Leiters. Es handelte sich dabei um eine in beruflicher Hinsicht völlig neue Figur. Riegl erhebt den Konservator zu einem «Anwalt der Denkmalpflege», einem Entscheidungsträger in den Konflikten, die durch die verschiedenen Werte der Denkmale und der damit verbundenen Interessen hervorgerufen werden. Mit Dvoøák dagegen «wird der Denkmalpfleger bereits zur Partnerschaft mit der Stadt- und Raumplanung aufgerufen».425 Die neuen Aufgaben des Konservators stellen sich innerhalb der Krise des kapitalistischen Systems und fordern Widerstand gegen Materialismus und die Vorherrschaft der Technik. Die Denkmalpflege verfolgt humanistische Ziele und sieht es deshalb auch als ihre pädagogische Aufgabe an, zur Bildung beizutragen. Die staatliche Anerkennung dieser Funktion führt zur Entwicklung einer echten wissenschaftlichen Gemeinschaft, wie die Tagungen der Denkmalpflege der deutschsprachigen Länder bezeugen, die am Anfang des 20. Jahrhunderts beginnen und jedes Jahr stattfinden und in gemeinsamen Tagungen mit den Vertretern der verschiedenen Vereinigungen, die zu der großen Bewegung des Heimatschutzes gehören, ihre Fortsetzung finden. Ohne vergleichbare nationale Traditionen schmälern zu wollen, muss doch gesagt werden, dass die Tatsache, dass man die Diskussionen, die auf diesen Tagungen geführt wurden, ignoriert hat, noch heute schwer auf der europäischen Denkmalkultur lastet. Die Überschätzung ähnlicher
425
Ebenda, S. 229: «..., hier fungiert er – zumindest postuliert – als Umweltpfleger, als Mitplaner und Bewahrer eines humanen Environments unter Einbeziehung der geschichtlichen Monumente und kulturellen Spuren». So lautete Bentmanns Interpretation in den 1970er Jahren, die jedoch nicht an Gültigkeit verloren hat. Sie bezieht sich auf das Gesetz, das 1974 in Hessen in Kraft trat und die Einbeziehung der Denkmalpflege in die Stadtplanung festlegte. Damit wurde einer damals in vielen europäischen Ländern verbreiteten Orientierung ein rechtlicher Rückhalt gegeben. In den 1980er Jahren wurden die Gesetze in den Ländern der BRD spezifischer mit dem Ziel, die rechtliche Autonomie der Denkmalpflege als solche und nicht als Hilfswissenschaft anderer Disziplinen, wie der Urbanistik, klar zu umreißen. Zum Bezug zwischen Kunstgeschichte und Urbanistik in der Zeit, in der sich diese zu selbständigen Disziplinen entwickelten, s. D. WIECZOREK: Camillo Sitte et les débuts de l'urbanisme moderne, (Architecture + Recherches, 16), Bruxelles 1981.
197
2. | DVOØÁK
UND SEINE DEUTSCHEN
KOLLEGEN
Initiativen des späteren 20. Jahrhunderts in Historiographie und Theorie erklärt sich aus der mangelnden Kenntnis dieser so bedeutenden Diskussionen.
2.1 DVOØÁK
UND SEINE DEUTSCHEN
KOLLEGEN DEHIO, GURLITT
UND
CLEMEN
Die gemeinsamen Veranstaltungen, Einladungen und Auseinandersetzungen, die im Verlauf der ersten zwanzig Jahre des 20. Jahrhunderts immer wieder stattfanden, zeugen davon, dass sich unter den Denkmalpflegern eine echte wissenschaftliche Gemeinschaft bildete. Sie begegneten einander in den Länder- und Gemeindeverwaltungen, den Diözesen, den Planungsämtern, im Zeitungswesen, in den Universitäten, unter den Kunstliebhabern und Museumsfreunden und in diversen patriotischen Vereinigungen. Die österreichisch-deutsche Denkmalpflege gelangte jedoch zur Überzeugung, dass die von allen ihren Mitgliedern als wichtigster Gesprächspartner anerkannte öffentliche Meinung bei dem Vorhaben, eine eigene wissenschaftliche Gemeinschaft zu gründen, gehört werden müsse. Die öffentliche Meinung auf ihre Seite zu bringen, wäre für eine moderne Denkmalpflege unbedingt notwendig. Mit diesen Gedanken beschäftigen sich alle Pioniere der Denkmalpflege, mit denen Dvoøák Kontakt hat und mit denen er sich auseinandersetzt, vor allem Dehio, Gurlitt und Clemen, mit deren Auffassungen er in vieler Hinsicht übereinstimmt. Mit Dehio verbindet ihn das Streben nach einer spezialisierten Ermittlungs- und Forschungstätigkeit in der Denkmalpflege (trotz einiger Differenzen in der strategischen Auswahl der Forschungsobjekte), sowie nach einer Inventarisierung des Denkmalbesitzes, bei der der pädagogische und didaktische Wert der Denkmale zu berücksichtigen ist426, das Prinzip der Bewahrung der verschiedenen historischen Schichten eines Denkmals427 und der Wunsch nach einer Architektur ohne die Fesseln des Historismus. Mit Clemen stimmt er in der Auffassung überein, dass Riegls Werteskala Ergänzungen benötige. Clemens «symbolischer Wert» ist in der Tat ohne Dvoøáks Ergänzung der «kulturellen Werte» nicht denkbar, welche eng mit seiner Interpretation der Denkmalgeschichte als Geistesgeschichte verbunden sind. Dieser Interpretation kommt nach Clemen eine neue Legitimität innerhalb der verschiedenen Interpretationen des
426
427
Zu Dehio s. M. WOHLLEBEN: Vorwort, in: G. DEHIO/A. RIEGL: Konservieren nicht restaurieren. Streitschrift zur Denkmalpflege um 1900, (Bauwelt Fundamente, 80), Braunschweig–Wiesbaden 1988, S. 7–33; G. MÖRSCH: ... und heute?. Georg Dehio und Alois Riegl, 1987 gelesen, ebenda, S. 120– 125 sowie auch P. BETTHAUSEN: Georg Dehio. Ein deutscher Kunsthistoriker, München–Berlin 2004, S. 247 f. Diesen Aspekt vertritt in Italien besonders DEZZI BARDESCHI 2002. Vgl. auch A. HUBEL: Denkmalpflege zwischen Restaurieren und Rekonstruieren, in: Denkmalpflege zwischen Konservieren und Rekonstruieren. Dokumentatiom der Jahrestagung 1989 in Hildesheim, A. Hubel (Hrsg.), (Dokumentation der Jahrestagungen/Arbeitskreis Theorie und Lehre der Denkmalpflege, 6), Bamberg 1993, S. 81–101; mit Hinweisen auf den deutschen Kontext, insbes. auf den Wiederaufbau der Frauenkirche in Dresden, S. 100 f.
198
SCHLUSSBETRACHTUNGEN
UND
FORSCHUNGSPERSPEKTIVEN | VI.
Kunstgeschehens des 20. Jahrhunderts zu.428 Wie Dvoøák ist auch Clemen Leiter der Denkmalpflege, sodass zwischen ihnen ein für beide gewinnbringender Meinungsaustausch stattfindet. Obwohl die staatliche österreichische Denkmalpflege durch Zentralisierung und die deutsche durch Dezentralisierung gekennzeichnet ist, verbindet beide eine zwar unterschiedliche, aber gleichermaßen bedeutende Tradition und der gemeinsame Einsatz für den Wiederaufbau in der Nachkriegszeit. Wodurch sich Dvoøák jedoch aufgrund der österreichischen Tradition und der Rieglschen Positionierung sowohl von Clemen wie von Dehio distanziert, ist die nationalistische Haltung, die ein typisches Kennzeichen der deutschen Denkmalpflege bleibt.429 Gurlitt, einer vielseitig begabten Persönlichkeit der deutschen Denkmalpflege, steht er durch seine Tätigkeit als Kritiker der zeitgenössischen Kunst nahe. Er teilt dessen Auffassung, dass die Kunstgeschichte nicht von der Kunstkritik getrennt werden kann, eine Auffassung, die in der Folgezeit Theorie und Praxis der Denkmalpflege charakterisiert.430 Mit ihm verbindet ihn die mutige Verteidigung des Denkmals in dem uns überkommenen Zustand und seine Betrachtung nicht als Formendepot, sondern als Dokument kreativer Kontinuität, mit anderen Worten, der «innovativen Tradition» des künstlerischen Schaffens.431 Vor allem aber teilt er Gurlitts Meinung, dass es notwendig sei, sich nicht nur ganz allgemein auf die Seite der modernen Architektur und Kunst zu stellen, sondern die Tendenzen zu unterstützen, die ihre Dynamik ausmachen, da von ihrem Verständnis und ihrer Bewertung auch das Schicksal des Kunstbesitzes und die Wertschätzung seines gesamten Bestandes abhängt. Vielleicht hat die moderne Architektur dieser Erkenntnis noch nicht genügend Rechnung getragen.
2.2 DVOØÁKS KREIS Der Beginn einer beruflich spezialisierten Denkmalpflege kann in mancherlei Hinsicht als heroisch angesehen werden, vor allem wenn man bedenkt, wie klein das Team des Wiener Zentralamtes war, das die Aufgabe hatte, die Kontrolle über den gesamten Denkmalbestand des Kaiserreiches auszuüben. Bei dieser Tätigkeit
428 429 430
431
Ähnliche Auffassungen in MARCHI 2003. Zu Clemen s. Paul Clemen zur 125. Wiederkehr seines Geburtstages, U. Mainzer (Hrsg.), Köln–Kevelaer 1991. S. diesbezügliche Hinweise in unserem Kap. II.7, S. 118; wie auch BENTMANN 1976. Zu Gurlitt s. M. v. BIEGELEBEN: Cornelius Gurlitt zum 80. Geburtstag. (1. Januar 1930). Ein Glückwunsch der Denkmalpflege, in: Die Denkmalpflege, 1930, S. 3–4. Biegelebens Beitrag folgt C. Gurlitt: Autobiographie Aus meinem Leben,ebenda, S. 4–6; bes. S. 5 f., hier erinnert Gurlitt an seinen Konflikt mit dem Metzer Dombaumeister Tornow auf den Tagungen in Dresden, 1900 und in Bamberg, 1905. CH. F. HELLBRÜGGE: Konservieren, nicht restaurieren. Bedeutungswandel und Anwendungspraxis eines Prinzips der Denkmalpflege im 20. Jahrhundert in Deutschland, Bonn 1991; derselbe: «Konservieren, nicht Restaurieren». Ein Mythos der Denkmalpflege? Vortrag anlässlich des Symposiums «Nachdenken über Denkmalpflege» im Haus Stichweh, Hannover am 3. November 2001, in: Kunsttexte.de, 2, 2002, http://edoc.hu-berlin.de/kunsttexte/download/denk/hellbruegge.PDF, [Abruf: 20.5.2011].
199
2.2 | DVOØAKS KREIS
standen Dvoøák Josef Neuwirth und Karl Holey zur Seite, die wegen ihres Beitrages zu den Themen, die die Bewahrung der Bauwerke und die Lösung des Konfliktes zwischen Altem und Neuem betreffen, besondere Erwähnung verdienen. Neuwirth hatte sich in Prag ausgebildet und war dann nach Wien berufen worden, um den Lehrstuhl für Kunstgeschichte am Polytechnikum zu übernehmen, wo er das Fach «Denkmalpflege» einführte432 und sich mit dem Projekt für eine neue Bauordnung für Wien und Niederösterreich beschäftigte.433 Der Architekt und Dombaumeister von St. Stephan, Holey, war als Generalkonservator für den architektonischen Besitz zuständig. Er legte unter anderem die Kriterien zur Ergänzung und Erweiterung der Kirchen fest, die auf eine schlichte, nicht auf Nachahmung beruhende zeitgenössische Architektur abzielten.434 Dvoøák konnte außerdem mit der Mitarbeit anderer bedeutender Kollegen rechnen, zu denen Wilhelm Kubitschek, Generalkonservator für den archäologischen Besitz und Redakteur der Mitteilungen, der Architekt Julius Deininger, ehemaliger Schüler von Ferstel und Schmidt, und Maximilian Bauer, Mitarbeiter an Riegls Projekt zur Neuorganisation der Denkmalpflege, gehörten. Sie alle garantierten die Fortsetzung von Dvoøáks Werk. Besonders nahe standen Dvoøák sein Freund Hans Tietze und sein Lieblingsschüler Dagobert Frey, zwei bedeutende Wissenschaftler und hervorragende Vertreter der Denkmalpflege.435 Tietze war und blieb als Autor von 13 Bänden der österreichischen Kunsttopographie, die erfahrene Kritiker wie Hermann Bahr und angesehene Wissenschaftler wie Paul Clemen in Erstaunen versetzten, mit seinen treffenden Bemerkungen zum Historismus, zur Erhaltung des historischen Zentrums von Wien und zur Qualität der zeitgenössischen Architektur eine konstante, außerordentliche Stütze in der Leitung der Denkmalpflege, so wie sie Dvoøák verstand.436 Der Architekt und Kunsthistoriker Frey war Assistent für den Bereich des «architektonischen Besitzes» des Zentralamtes und übernahm nach Dvoøáks Tod die Leitung des Kunsthistorischen Institutes des Zentralamtes für Denkmalpflege. Er leitete mit sicherer Hand die gesamte österreichische Organisation in der Nachkriegszeit.437 432 433 434
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436 437
Seit 1908 nach Neuwirth, Joseph, in: BRÜCKLER/NIMETH 2001, S. 188; vgl. auch Neuwirths Debattenbeitrag auf der Tagung für Denkmalpflege Mainz 1904, in: Oechelhaeuser 1910, S. 44–45. S. hierzu allgemein P. HAUSER: Bauordnungen, Denkmalpflege und Heimatschutz, in: MKZ, 3. F., 9, 1910, Sp. 280–298. Auf Holeys Projekt wurde bei uns in Kap. IV, S. 146 hingewiesen. K. HOLEY: Kirchenerweiterungen vom Standpunkte der Denkmalpflege: (Die Erweiterung der Kirchen in Rossitz, in Mähren und Schenna in Tyrol), in: MZK, 3. F., 9, 1910, Sp. 64–75; derselbe: Heimatschutz und Baukunst, ebenda, Sp. 116–127. Holey weist in Übereinstimmung mit Neuwirth und Dvoøák auf die Nützlichkeit hin, negative und positive Beispiele gegenüber zu stellen. Auf Holeys Versagen beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg, insbes. bei den Arbeiten am Salzburger Dom, verweisen BRÜCKLER/NIMETH 2001, S. 113. Im Jahr 1912 arbeiteten an der ZK Hans Tietze (seit 1905), Karl Holey (seit 1908), Dagobert Frey (seit 1911), Paul Buberl (seit 1908), Oskar Oberwalder (seit 1910) und Georg Kyrle (seit 1912); vgl. MKFF, 1912, 164, Nr. 301. FRODL -KRAFT 1980; zu Tietze s. Tietze, Hans, in: BRÜCKLER/NIMETH 2001, S. 272 f. FRODL -KRAFT 1997; zu Frey s. Frey, Dagobert, in: BRÜCKLER/NIMETH 2001, S. 72 f. Brückler/Nimeth machen auch darauf aufmerksam, dass Frey Inventarisierungen von Denkmalen auf italienischem
200
SCHLUSSBETRACHTUNGEN
UND
FORSCHUNGSPERSPEKTIVEN | VI.
Um ein Gesamtbild von Dvoøáks Schülern und ihrer Rolle bei der Entstehung einer beruflich spezialisierten Denkmalpflege in den ehemaligen Staaten der Doppelmonarchie vermitteln zu können, wäre noch enorm viel Forschungsarbeit erforderlich, die aber sicherlich nützlich wäre, um die Kontinuität der «Wiener Schule der Denkmalpflege» und die Eigenart ihrer nationalen Entwicklung aufzuzeigen.438 Schon ein bloßer Überblick über die Liste seiner Schüler439 reicht aus, um sich eine Vorstellung davon zu machen, wie stark sich Dvoøáks Lehre verbreitet und welche entscheidenden Auswirkungen sie auf weite Gebiete Europas hatte. Dabei soll besonders auf die bedeutenden Konservatoren in Tirol, Josef Weingartner und Josef Garber, verwiesen werden440, denen wir Beiträge «von grundlegender Bedeutung sowohl für das Studium der Südtiroler Kunstgeschichte als auch für die Praxis der Denkmalpflege» verdanken.441 Was Istrien betrifft, müssen insbesondere zwei Vertreter der italienischen Denkmalpflege genannt werden: Antonio Morassi, der ein Verbindungsglied zwischen der Wiener Schule und der italienischen Schule von Adolfo Venturi darstellt, und Leo Planiscig, eine herausragende, aber bisher wenig beachtete Persönlichkeit. Morassi hielt Planiscig für den größten Kenner der italienischen Bildhauerkunst des 15. Jahrhunderts. Aufgrund seines Argumentationsstils und seines kritischen Scharfsinns kann Planiscig geradezu als ein Vorgänger von Sergio Bettini betrachtet werden, der in der nachfolgenden Generation die Rolle eines Vertreters der Wiener Schule einnahm.442
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Gebiet in Gemona, Venzone, Spielberg, Cividale, Udine u. a. vornahm, die während des Ersten Weltkrieges besetzt worden waren. Frodl-Kraft weist darauf hin, dass Ungarn seit den 1870er Jahren über eine gewisse Autonomie verfügte, auch wenn es in einer konstanten, indirekten Verbindung mit Wien stand; s. a. MAROSI 1987. Außerdem derselbe: Die ungarische Kunstgeschichtssdchreibung am Anfang des 20. Jhs., in: MAROSI 1983, S. 67–69; J. SISA: Vienna e le origini della storiografia dell'arte e della tutela dei monumenti in Ungheria, in: POZZETTO 1996, S. 163–168. In Bezug auf Galizien s. unser Kap. II. 3, S. 86. S. Associati e laureati alla Scuola Viennese di Storia dell'Arte, in: POZZETTO 1996, S. 259–293 und AURENHAMMER 2002. Eine Liste befindet sich auch bei B. BALLEY: Max Dvoøák. Eine monografische Studie. Leben und Werk, Salzburg, Univ., Dipl.-Arb., 1997. Weingartner, Josef, in: BRÜCKLER/NIMETH 2001, S. 289–290 bzw. Garber, Josef, in: BRÜCKLER/NIMETH 2001, S. 79 und FRODL -KRAFT 1997, S. 66 f. Helmut Stampfer, ehem. Landeskonservator, Landesdenkmalamt Bozen, Brief vom 15.10.2000 an den Verfasser, Prot. Nr. 13. Das Schreiben bezieht sich auch auf J. WEINGARTNER: Die Kunstdenkmäler Südtirols, Bde. 1–4, 1923–1930; J. GARBER: Die Romanischen Wandgemälde Tirols, Wien 1928. Zu Morassi s. DORIGO 1992; S. VIANI: Antonio Morassi. L'articolazione della metodologia viennese nell'area italiana, in: POZZETTO 1996, S. 229–232 und bes. die eingehenden Untersuchungen D. CLINI: Antonio Morassi e Adolfo Venturi, in: Studi Goriziani, 87/88, 1988, S. 219–247; weiters dieselbe: Sculture barocche nel Duomo di Gorizia. Un articolo di Antonio Morassi del 1915, in: Memorie storiche forogiuliesi, 80, 2000, S. 77–116. Zu Planiscig s. S. TAVANO: Leo Planiscig, in: POZZETTO 1996, S. 211–227; D. CLINI: Una vivace polemica. Adolfo Venturi e Leo Planiscig, in: Studi Goriziani, 91/92, 2000, S. 123–137; dieselbe: Contaminazioni. Riegl, Planiscig e la Gestalt-Theorie, in: Memorie storiche forogiuliesi, 82, 2002, S. 243–254. Ich bin Sergio Tavano für den Hinweis auf die eigenen wie auch auf die von Daria Clini vorgenommenen Untersuchungen zu besonderem Dank verpflichtet.
201
2.3 | HANS SEDLMAYR
UND DIE
TRADITION
DER
WIENER DENKMALPFLEGE
Besondere Erwähnung gebührt schließlich Francè Stelé443, dem entschlossenen Verteidiger von Jož e Pleèniks Gedanken der «Denkmalintegration», der den absolut eigenständigen Charakter der staatlichen slowenischen Denkmalpflege prägte. Auch Dvoøáks Schüler und Landsmänner wie Antonin Matejèek, der Begründer der böhmischen Kunstgeschichte, Jaroslav Helfert, Enkel des Präsidenten der ZK, der auch in der Denkmalpflege wissenschaftlich aktiv tätig war, Jaromir Peèìrka, der den Katechismus ins Tschechische übersetzte, und Zdenek Wirth, Aktivist im «Klub für das alte Prag», dürfen hier nicht unerwähnt bleiben.444 Einen anderen Aspekt, der eine genauere Untersuchung verdiente, stellt die Beziehung des Zentralamtes zu den Gemälde- und Wandmalereirestauratoren dar. Dvoøák beurteilt zum Beispiel die Tätigkeit des Restaurators von Gemälden und Fresken, Gustav Lang, als «nicht autonom», trotz dessen sechsjähriger Lehrzeit bei dem Maler, Restaurator und Dozenten an der Wiener Akademie, Hans Viertelberger.445 Dvoøáks Urteil ist ein Beweis für die Strenge, mit der er die Restaurierungspraxis kontrolliert hat und für die Bedeutung, die ihr damit gegeben wurde.
2.3 HANS SEDLMAYR
UND DIE
TRADITION
DER
WIENER DENKMALPFLEGE
In den zwanziger Jahren beginnt man, das Werk von Le Corbusier als «absolute Architektur» aufzufassen. Einer anderen, wenn auch zur gleichen Zeit entstandenen Auffassung ist der Schüler Dvoøáks, Emil Kaufmann. Er sieht darin vielmehr das Ergebnis einer «autonomen Architektur», die mit Ledoux und den revolutionären französischen Architekten beginnt. Zur selben Zeit machte sich Hans Sedlmayr in der Nachfolge Dvoøáks zum Verteidiger der Wiener Altstadt, indem er, in Anlehnung an die Charta von Athen446, den Vorschlag machte, den Bau eines neuen modernen Stadtzentrums in einem äußeren Bezirk der Stadt vorzunehmen. Das Projekt des neuen modernen Zentrums verliert jedoch durch den nationalsozialistischen «Anschluss» Österreichs den Cha-
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Stelé, Franz: in: BRÜCKLER/NIMETH 2001, S. 262; FRODL -KRAFT 1997, S. 4 f.; E. Cevc: Gli echi della Scuola di Vienna. Francè Stelé e Vojeslav Molé, in: POZZETTO 1996, S. 199–204. Siehe auch unser Kap. II.5, S. 110. ROKYTA 1974; Wirth, Zdenek, in: BRÜCKLER/NIMETH 2001, S. 299; M. BENEŠOVÁ: Praga e Vienna, in: POZZETTO 1996, S. 117–122; BAKOŠ 1996; Hinweise auch in I. HLOBIL: Alois Riegl a teorie moderní památkové péce, in: A. RIEGL: Moderní památková péce, I. HLOBIL/I. KRUIS (Hrsg.), Praha 2003, S.101–138, hier bes. S. 117–121 [mit Übersetzung S. 151–154]. Jirí KriŞek bereitet die Ausgabe des Briefwechsel zwischen Dvoøák und seinen böhmischen Kollegen und Freunden vor. MKFF, 1913, Nr. 167, 35/17–27 und Viertelberger, Hans, in: BRÜCKLER/NIMETH 2001, S. 280 f. Auch das Vorgehen des Restaurators Alfons Siber, der besonders in Tirol tätig war und die Idee einer Restaurierung von Gemälden ohne strenge Vorschriften vertrat, wurde von Franz Ferdinand mit «invasiv» beurteilt. Siber wurde deshalb für öffentliche Aufträge nicht geeignet erklärt. Vgl. auch M. KOLLER (zit. Anm. 206). TH. HILPERT (Hrsg.): Le Corbusiers «Charta von Athen». Texte und Dokumente. Kritische Neuausgabe, (Bauwelt Fundamente, 56), Braunschweig–Wiesbaden 1984.
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rakter einer autonomen Architektur und sieht eine Bebauung vor, die den Ansprüchen eines totalitären Systems entspricht.447 Aurenhammer hat hierzu eine Untersuchung geliefert, die auf die Person Sedlmayrs einen Schatten wirft. Die Nachfolge der Wiener Schule und ihrer Tradition, die Sedlmayr für sich selbst in Anspruch nahm, wird ihm nach dem Krieg im Verlauf der Entnazifizierung von der Wiener Schule selbst aberkannt. Nach seiner Rehabilitierung und der Übernahme des Lehrstuhls für Kunstgeschichte an der Universität Salzburg nahm Sedlmayr in einem Plädoyer für die Erhaltung der Salzburger Altstadt das Thema Denkmalschutz wieder auf. Der Text ist insofern von Bedeutung, als er eine Verbindung herstellt zwischen der Tradition der Wiener Schule, d. h. in diesem Fall zwischen der Lehre Dvoøáks und der sich zu dieser Zeit abzeichnenden Problematik der Erhaltung historischer Stadtkerne und der Beziehung zwischen neuer Architektur und historischer Struktur. Sedlmayr übernimmt dabei Ansichten, die Roberto Pane in Italien zu demselben Themenkreis entwickelte und die sich später in der Charta von Venedig niederschlagen sollten. Damit bereitete er zum ersten Mal das Terrain für eine echte Auseinandersetzung zwischen der österreichischen und der italienischen Denkmalpflegekultur. Bis dahin hatte sich Italien nicht ernsthaft mit der österreichischen Tradition beschäftigt. Nun aber machte ein österreichischer Wissenschaftler ausdrücklich auf die Aktualität dieser Tradition aufmerksam, wobei er noch dazu auf ihr Weiterleben in einer der fortschrittlichsten Positionen innerhalb der italienischen Debatte hinwies. Die Schrift Die demolierte Schönheit – ein Aufruf zur Rettung der Altstadt Salzburgs aus dem Jahr 1965 besteht aus acht Kapiteln.448 Der Autor geht von dem Problem der Erhaltung der Altstadt aus, die unter dem Druck des Wiederaufbaues der Nachkriegszeit, vor allem aber der wirtschaftlichen neokapitalistischen Entwicklung steht. «Das alte Lied» wiederholt sich nach Sedlmayr bei einer Rekonstruktion und Integration der historisch gewachsenen Strukturen in Form und Gestalt der zeitgenössischen Architektur. Als «Illusionen» bezeichnet er sowohl die Manifestationen eines provinziellen Modernismus als auch den stilgerechten Wiederaufbau. Indem er die banalisierende Verfälschung beim Wiederaufbau und bei der Modernisierung des historischen Baubestandes anprangert, weist er auf die Aktualität von Dvoøáks Katechismus hin, aus dem er jene Teile wörtlich zitiert, die die Bedrohung des historischen Vermächtnisses (durch Unkenntnis, falsche Auffassung von Fortschritt und künstlerische Dekadenz) betreffen. Außerdem macht er auf die Regelungen aufmerksam, die im öffentlichen und nationalen Interesse vom Staat, in Verteidigung der geistigen Werte von der Kirche und der künstlerischen Werte im Allgemeinen vorgenommen werden sollten. In diesem Zusammenhang weist er darauf hin, wie sehr sich Dvoøák dafür eingesetzt hatte, der österreichischen Denkmalpflege eine professionelle Organisation zu geben. Er beklagt die Tatsache, dass Ös447 448
Um Hans Sedlmayrs Position in die Geschichte der Wiener Schule während des Nationalsozialismus einordnen zu können, sei hier auf die erhellende Arbeit AURENHAMMER 2004 verwiesen. SEDLMAYR 1965.
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2.3 | HANS SEDLMAYR
UND DIE
TRADITION
DER
WIENER DENKMALPFLEGE
terreich im Vergleich zu anderen Ländern bezüglich der Gesetzgebung einen starken Nachholbedarf hat und nennt als positives Beispiel Frankreich, wo mit dem Gesetz von 1930 der aus dem Jahr 1913 stammende veralterte Begriff «Stätte» (site) erweitert wurde und wo man sich auf der Grundlage der «Loi Malraux» von 1962 anschickte, historische Viertel auf sehr fortschrittliche Weise zu sanieren, aber auch Holland, das sich einer Stadt wie Maastricht rühmen kann, die gut 1400 historisch bedeutende Wohnbauten unter Denkmalschutz gestellt hat. An diesem Punkt stellt sich die entscheidende Frage nach der Beziehung zwischen Altem und Neuem. Wer soll hier steuernd eingreifen? Haben die Architekten wirklich die nötigen historischen, technischen und ästhetischen Kenntnisse, die schon Dvoøák verlangte? Sedlmayr drückt hierzu in seiner Rede sehr persönliche Ansichten aus, die eine genaue Untersuchung verdienen. Er behauptet, dass die Kontinuität der Bautradition in den Jahren 1910–1925 durch die Bewegung «Neues Bauen» unterbrochen worden sei.449 Man müsse diese Kontinuität zurückgewinnen, wie Norberg-Schulz fordere, und der neuen, etwa von dem jungen Frei Otto geschaffenen Architektur anderswo, d. h. in den neuen Ausdehnungsgebieten, Raum schaffen. Die Alternative, die Sedlmayr für wünschenswert hält, bestünde im Respekt vor der Salzburger Bautradition, vor allem aber in der Verlegung der Neubautätigkeit in Erweiterungsgebiete außerhalb der Altstadt, wo das Neue dann in den radikalen Formen der zeitgenössischen Architektur ausgeführt werden sollte. Kurz gesagt: Neotraditionalismus in der Altstadt, gemäß der Linie Dvoøák–Norberg-Schultz, und neue Architektur nach Frei Otto in der neuen Stadt, außerhalb des historischen Zentrums.450 Bei seinem Hinweis auf die Gefahren, denen der überkommene Baubestand ausgesetzt ist, macht sich Sedlmayr im 5. Kapitel, dem wichtigsten Abschnitt seiner Abhandlung, die Ansichten zu eigen, die Roberto Pane 1957 auf der Tagung der Mailänder Triennale über Attualità urbanistica del monumento e dell’ambiente antico geäußert hatte. Pane wollte damit nicht nur deutlich auf die Bauspekulationen hinweisen, die zu einer ständig zunehmenden Neubautätigkeit führen und die überlieferte Gestalt und den «Alterswert» historischer Zentren zerstören, sondern auch die mangelnde Bereitschaft der zeitgenössischen Architektur anprangern, sich angesichts der funktionellen Bedürfnisse effektiv für die Erhaltung dieser Gestalt durch angemessene Eingriffe zur Instandsetzung, Restaurierung und Integration einzusetzen.451 Pane hatte bei dieser Gelegenheit den Vorschlag gemacht, den Bereich des zu erhaltenden historischen Zentrums genau festzulegen, dort eine strikte Beachtung der Raumaufteilung und der historischen Struktur vorzuschreiben und ein Register von 449
450 451
W. OECHSLIN: Neues Bauen in der Welt. Messa al bando delle nazioni, in: Rassegna, 1989, Nr. 38, S. 6–9; S. SCARROCCHIA: Cultura tecnica. Materiale e conservazione dei beni architettonici, (Quaderni e dispense dell Istituto di Storia del’Università di Udine, 23), [Udine] 1990. CH. NORBERG-SCHULZ: Logik der Baukunst, (Bauwelt Fundamente, 15), Frankfurt/M.–Wien 1965; F. OTTO: Das hängende Dach. Gestalt und Struktur, Berlin 1954. R. PANE: Restauro dei monumenti e conservazione dell'ambiente antico, in: Attualità urbanistica del monumento e dell'ambiente antico. [Congresso internazionale, Milano, 28–30 settembre 1957], Milano [1958], S. 7–18.
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beruflich einschlägig spezialisierten Architekten anzulegen, die mit den zuständigen Behörden des Denkmalschutzes zusammenarbeiten sollten. Sedlmayr übernimmt aus Panes Beitrag vor allem die Kritik an der Unfähigkeit der zeitgenössischen Architektur, die Stadtentwicklung mit Werten und Eigenschaften der Vergangenheit fortzusetzen und dem spekulativen Druck entgegenzuwirken, der sich sowohl auf die historische Struktur als auch auf die neuen Ausdehnungsgebiete auswirkte. Roberto Panes Kritik bedeutet jedoch keineswegs eine Verurteilung der gesamten zeitgenössischen Architektur und ihrer Plausibilität in der historischen Struktur. Wie hätte er sonst zusammen mit Ernesto Nathan Rogers und Bruno Zevi das Projekt von Frank Lloyd Wright für die «Fondazione Masieri» in Venedig unterstützen können! Außerdem entwickelt er in voller Anerkennung des Potenzials der zeitgenössischen Architektur und der Notwendigkeit ihrer Integrierung in den historischen Bestand seinen Beitrag zur Definition des «principio additivo», das 1965 in der Charta von Venedig Gestalt annimmt und eine doppelte Anforderung an das Restaurierungsprojekt stellt. Einerseits soll es nichts von dem uns überkommenen Zustand beseitigen, andererseits muss der zeitgenössische Charakter der notwendigen Ergänzungen klar erkennbar sein.452 Sedlmayr bekennt sich zwar im 6. Kapitel zum «principio additivo», sieht seine Anwendung jedoch in den urbanen Ausdehnungsbereichen außerhalb des historischen Stadtzentrums vor. Er erkennt wie Frei Otto somit die Notwendigkeit und das Potenzial der zeitgenössischen Architektur an, zum urbanen Wert beizutragen, sie muss jedoch nach «draußen» verlegt werden, also vom Stadtzentrum entfernt sein. Aus dieser Überzeugung erklärt sich seine Äußerung «die Behauptung, daß sich qualitätsvoll Modernes neben Altem immer und überall harmonisch behaupten könne, ist ein Märchen».453 Ausgehend von der Kritik an der Unfähigkeit des «neuen Bauens», eine neue historische Schichte darzustellen, schließt Sedlmayr seine Überlegungen damit, dass er seine Kritik an der modernen Architektur auf die Praxis der Denkmalpflege überträgt und somit eine antihistorische Theorie der Erhaltung entwickelt. Etwas sehr Ähnliches passierte, wie wir wissen, Dvoøák mit der Verurteilung des gesamten Historismus und vieler Eingriffe (wie beispielsweise die von Friedrich von Schmidt), die zur Erhaltung vorgenommen worden waren und dann im Laufe des Jahrhunderts Denkmalwert erlangt hatten. Dass Dvoøák und Sedlmayr zu demselben Ergebnis kamen, ist auf die mangelnde Beachtung des Rieglschen Postulats der Werterelativität zurückzuführen. Es ist kein Zufall, dass Sedlmayr in seiner Einführung zur Sammlung der Schriften Riegls von 1929 dem Werk Der moderne Denkmalkultus keine Beachtung schenkt und auch in seinem Salzburger Manifest die Lehren des Begründers der Denkmalpflege als selbständige Disziplin keiner Erwähnung würdigt. 452 453
Vgl. S. SCARROCCHIA (zit. Anm. 55) u. das Themenheft Viaggio nell'Italia dei restauri. Dalla didattica ai cantieri. 1964–2006, in: ANANKE, 2007, Nr. 50/51. SEDLMAYR 1965, S. 30.
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Andererseits kann Sedlmayrs Verurteilung des neuen Bauens in keiner Weise auf Dvoøák zurückgeführt werden, da sie nicht von seiner Verurteilung der autonomen Architektur zu trennen ist, deren Evolution Emil Kaufmann beginnend mit der Aufwertung der Architektur der Aufklärung und Revolution erforschte, wobei er die Stellungnahme des gemeinsamen Lehrmeisters zu Gunsten der klassischen Richtung der Moderne weiterentwickelte. Was mir jedoch für die Entwicklung der österreichischen Denkmalpflege von Riegl bis Dvoøák bedeutend erscheint, ist die Tatsache, dass Dvoøáks Gedankengut über Sedlmayr mit den italienischen Auffassungen von Roberto Pane in Kontakt kommt, die dann in die Charta von Venedig einfließen. Sedlmayr selbst berühren dagegen die Forderungen der Charta nicht, die innerhalb historisch gewachsener Strukturen einen Ausgleich zwischen der Kultur der Restaurierung und der gegenwärtigen Architektur verlangen. In seinem Manifest bekräftigt er, dass die zeitgenössische Architektur den Verlust der Mitte und der Kontinuität bedeute. Die Mitte ist für ihn mit der Entstehung der Kathedrale verbunden, also mit der Ausbildung einer Architektur von einheitlichen symbolischen, moralischen und nicht reproduzierbaren, aber vor allem unerreichbaren Werten.454 Wie wenig dieser Pessimismus, den sich die italienische Denkmalpflege der 1970er Jahre trotz der Charta von Venedig zu eigen gemacht hatte und der Riegl und Dvoøák fremd war, der Kultur der Erhaltung genutzt hat, macht die Erhaltung historischer Strukturen deutlich, die sich in vielen Fällen noch auf die Nachbildung bzw. Verfälschung des baulichen Erbes beschränkt.
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Aus der ethischen und pädagogischen Bedeutung, die Dvoøák der Denkmalpflege verleiht, ergibt sich sein Widerstand gegen die Vorherrschaft der Technik und Wirtschaft, die er summarisch als Materialismus kritisiert. Es ist völlig unverständlich, dass seine Lehre in ihrer ganzen umfassenden Bedeutung bis heute ignoriert wurde, dass ihr also ein ähnliches Schicksal zuteil wurde wie jener seines Lehrmeisters und Vorgängers Alois Riegl, was ein Beweis dafür ist – falls es überhaupt eines solchen Beweises bedarf –, dass der Erste Weltkrieg tatsächlich eine Katastrophe und eine Zäsur für Europa bedeutete. Von diesem Moment an hat die deutsche Sprache an Gewicht und Einfluss verloren. Der Zweite Weltkrieg hat ihr dann den Todesstoß versetzt und sie ins Museum des 20. Jahrhunderts verwiesen, zusammen mit vielen absolut innovativen und gerade in Bezug auf das 20. Jahrhundert kritischen Inhalten, sodass die europäische Kultur bis heute keine Kenntnis von zweifellos grundlegenden Beiträgen hat. 454
H. SEDLMAYR: Verlust der Mitte. Die bildende Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts als Symbol der Zeit, 2. Aufl., Salzburg 1948; derselbe: Die Entstehung der Kathedrale, Zürich 1950. Beide Texte wurden schon ab Mitte der dreißiger Jahre verfasst.
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In Italien gehört der Denkmalschutz zum Rechtswesen und hat deshalb nur rein legislative Bedeutung. Weder in den juridischen noch in den kunstgeschichtlichen Vorlesungen der humanistischen Fakultäten und auch nicht in den Lehrveranstaltungen an den Architektur- und Ingenieurfakultäten wird darauf Bezug genommen.455 Obwohl es eine universitäre Ausbildung gibt, die auch zur Erlangung des Doktortitels führen kann, existieren kein eigener Lehrstuhl für «Denkmalpflege» und keine Vorlesungen dazu, mit anderen Worten, es gibt Denkmalpflege nicht als autonomes Fach.456 Sie besteht in Italien aus dem Zusammenwirken von Techniken und Technologien unterschiedlicher Disziplinen. So stellt sie sich in den Charten und deren verschiedenen Revisionen bis zur kürzlich stattgefundenen Abfassung eines Testo unico dei Beni Culturali, eines einheitlichen Textes zu den Kulturgütern, dar.457 Interessant ist zweifellos die polemische Auseinandersetzung mit diesem Text durch Marco Dezzi Bardeschi.458 Dezzi Bardeschi ist überzeugt, dass eine radikale Erhaltungspraxis wieder aufgenommen und zu neuem Leben erweckt werden solle, da sie die einzige Garantie für die Bewahrung des Kunstbesitzes in der uns überkommenen Form darstelle. Sie solle durch künstlerische Ausdrucksformen und Eingriffe ergänzt und aufgewertet werden, die jedoch deutlich als zur Gegenwart gehörig erkennbar sein müssten. Jenseits der Alpen bietet sich uns ein anderes Bild. Ein neuer Liberalismus will der Denkmalpflege den Garaus machen und die Denkmalpfleger so verhasst machen, wie sie es für den Landklerus im k. k. Österreich waren. Außerdem hat die Bologna-Erklärung von 1999 der Einheitlichkeit der Ausbildungskurse ein Ende be-
455 456
457
458
Vgl. dahingehend F. VENTURA (Hrsg.): Beni culturali. Giustificazione della tutela, (Regole dei luoghi, 1), Milano 2001. Ein zweijähriger Kurs in Teoria e prassi di conservazione dei monumenti, bei dem ein Abschlussdiplom in Erhaltung und Restaurierung des Kulturbesitzes vorgesehen ist, wurde an der Accademia Albertina in Turin auf experimenteller Basis eingeführt. Dieser wurde von mir über die ersten sechs Jahre geleitet. Es handelt sich dabei jedoch um eine Ausnahme im italienischen Bildungssystem, sowohl was die Universitäten als auch die Akademien betrifft (auch wenn der genannte Kurs endgültig anerkannt werden soll). Die Bezeichnung des Kurses nimmt ausdrücklich auf den Titel der italienischen Anthologie der Rieglschen Schriften zur Denkmalpflege Bezug; vgl. SCARROCCHIA 1995. DEZZI BARDESCHI 2002; Dezzi Bardeschi betont voller Optimismus, dass der Testo unico dei Beni Culturali das Ende von Restaurierung als Integration bedeutet, indem er die Grenzen einer nicht regenerativen Erhaltung anerkennt. Er unterlässt jedoch, darauf hinzuweisen, dass auch diese Richtlinie keine genaue Definition der Denkmalpflege enthält, es sei denn, dass er sie, wie gehabt, der Restaurierung unterstellt. Meiner Meinung nach beseitigt der Testo unico nicht die Verwirrung, die zwischen Technik (Gebiet der Restaurierung) und Vorgehen (Gebiet der Erhaltung, der staatlichen Denkmalpflege) besteht; vgl. La nuova disciplina dei beni culturali e ambientali. Commento al Testo unico approvato con il Decreto legislativo 29 ottobre 1999, Nr. 490, Marco Cammelli (Hrsg.), Bologna 2000. Das Codice dei beni culturali lässt die Frage unverändert; vgl. M. GUCCIONE: Art. 29 Conservazione, in: Il Codice dei beni culturali e del paesaggio. Commento al decreto legislativo 22 gennaio 2004, Nr. 42, M. Cammelli (Hrsg.), Bologna [2004], S. 179–187. DEZZI BARDESCHI 2002. Dezzi Bardeschi fasst die sich im Laufe der Zeit gebildeten Stellungsnahmen und Gedanken zusammen. Vgl. hierzu auch L. GIOENI: Genealogia e progetto. Per una riflessione filosofica sul problema del restauro, (Ex fabrica), Milano 2006.
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reitet. So müssten alle diejenigen beunruhigt sein, denen eine jahrhundertealte verwaltungsmäßige, fachliche und wissenschaftliche Tradition am Herzen liegt! In der Architektur findet heutzutage eine epochale Veränderung statt, die aus ihr etwas ganz anderes macht, als sie zu Dvoøáks Zeiten war.459 Dvoøáks Gedanken zur Architektur und ihren Vertretern können jedoch dazu beitragen, den schwierigen Bezug zwischen Geschichte, Denkmalerhaltung und Architektur des 20. Jahrhunderts besser zu verstehen. Man könnte sagen, dass sie eine Epoche der Denkmalpflege, ihrer Geschichte und Kultur, abschließen, für die die «Kontinuität» (um die es, freilich auf andere Weise und mit unterschiedlichen fachlichen Zielsetzungen, auch Peter Behrens, Alfred Messel, Adolf Loos, Josef Pleènik, Marcello Piacentini, Saverio Muratori, Aldo Rossi und Giorgio Grassi zu tun war) eine Möglichkeit darstellte, Geschichte und Geschichtsbewusstsein zu verbinden. Es stellt sich die Frage, was nun aber geschehen soll, da die Architektur und ihre Umgebung, auf deren Erhaltung die Denkmalpflege ausgerichtet war, eine derartig rapide Entwicklung verzeichnen, dass man von einer «planetarischen», nicht nur materiellen, technischen und wirtschaftlichen, sondern auch kulturellen und epistemologischen Veränderung sprechen kann. Möglicherweise verliert die Botschaft der beiden Wiener Lehrer an unmittelbarer Wirksamkeit. Sie behält jedoch in jedem Fall ihre Bedeutung darin, dass sie deutlich darlegt, dass die Denkmalpflege wie alle anderen humanistischen und wissenschaftlichen Disziplinen nicht ein für allemal festgelegten Paradigmen folgt. Sie hilft uns, die Aufgaben und Ziele der Denkmalpflege zu überdenken und fordert uns auf, nach den Gründen zu fragen, weshalb es in unserer scheinbar globalisierten Welt nötig ist, jeden kleinsten Teil des Erbes als kostbares Fragment der Vergangenheit und Ressource für die zukünftige Entwicklung zu bewahren. Es könnte sich auch ein anderes Szenario aus der oben erwähnten Veränderung ergeben, d. h. eine globalisierte Welt mit Kathedralen, die in sich einen Wert darstellen und den Raumstationen auf einem neuen, noch zu kolonisierenden Planeten vergleichbar sind, kurz, eine Erde, die die ersetzt, die wir bisher gekannt haben und auf der es keine Entwicklung in unserem Sinn von Evolution und Involution mehr gibt, sondern etwas völlig Unbekanntes, das wir nicht definieren können. Vielleicht bleiben einige bedeutende Überreste unserer alten lokalen Kultur erhalten, an denen sich auch die Kennzeichen der ersten und zweiten industriellen Revolution ablesen lassen. In gewissem Sinn bilden dann die von der UNESCO zum Kulturgut der Menschheit erklärten Stätten den «Jurassic Park» einer Kultur, die diese Denkmale einst errichtete und vor allem auch beschützte. In einem derartigen Szenario hätte die Beachtung von Alltagsobjekten als Zeugnisse historischer Kultur nichts zu suchen, für die sich – wenn auch mit unterschiedlicher Akzentsetzung – die Pioniere der modernen Denkmalpflege einsetzten und die sich in einem Kult äußerte, der für Riegl der Religion vergleichbar war, und für Dvoøák die Utopie der Kontinuität darstellte, die mit Pietät kultiviert werden sollte. Um den Mäandern der Entwicklung der Denkmalpflege und ihrem titanischen Bemühen nachzugehen, die Spuren der Geschichte und der Erinnerung zu erhal-
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ten, sind wir Dvoøák gefolgt. Unsere Forschungen mögen dazu dienen, die Bedeutung und Solidität jenes Floßes zu erkennen, das es uns ermöglich hat, die wirbelnde Strömung der Moderne zu durchfahren, das heute aber dem Vergessen ausgesetzt ist. In seinem Referat, das Dvoøák 1921 auf der Tagung der Denkmalpflege in Bregenz hielt und das sozusagen sein Testament darstellt, stellte er voller Bitterkeit fest, dass der Krieg das Ende der Denkmalpflege bedeutet hat, die Beseitigung des Bollwerks, das sie gegen die drohende Verheerung der europäischen Kultur errichtet hatte. Seit dieser Zeit haben zwei weitere Kriege in Europa stattgefunden, der Zweite Weltkrieg und der Krieg im ehemaligen Jugoslawien, der als ein regionaler Krieg angesehen wird, aber den Krieg wieder in den alten Kontinent, Europa, eingeführt und für viele dazu gehörige Länder die Perspektive eines nationalen Protagonismus neu eröffnet hatte. Wenn man sich Europa weiter als echten Kulturträger vorstellen will, dann kommt man nicht daran vorbei, jenem Beitrag Rechnung zu tragen, den Dvoøák der Wiener Schule zur Theorie der Denkmalpflege geleistet hat. Für die Hermeneutik der Restaurierung bedeutet das eine Umkehrung der negativen Beurteilung des Historismus, wie sie Tietze auf der Grundlage Riegls in der Zeit nach Dvoøak vollzogen hat, indem er Dvoøáks Interpretation des Manierismus auf die neue Tradition übertrug460, was wiederum direkte Auswirkungen auf die Theorie und Methodologie des Restaurierens hatte. Wenn die Restaurierung vorwiegend als Methode der Erhaltung, d. h. im Sinn Riegls als Denkmalpflege und im erweiterten Sinn Dvoøáks als pädagogische und kulturelle Aufgabe aufgefasst wird, dann kann sich ihr Wirken nicht auf einzelne Maßnahmen beschränken und auch nicht auf eine mechanische Anwendung schematischer Vorschriften. Im Restaurierungsprojekt muss, wie in den Eingriffen zur Instandsetzung, die Tendenz der zeit-
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Kurt W. Forster versuchte diese auf der 9. Mostra internazionale di architettura di Venezia, 2004 darzustellen. Überlegungen hierzu, mit Bezug auf Viollet-le-Duc und Brandi, bei A. G. CASSANI: Prefazione. «La tela di Penelope». Qualche osservazione sui paradossi del restauro a Forlì, come in qualunque luogo, in: G. FURANI: Forlì, (Restauro dei monumenti), Firenze [2002]. S. 9–30. Zur Behandlung der Themen (Anti/Posthistorismus – Klassizismus – Moderne auf der Linie Pevsner – Gombrich) und zu ihrer Rezeption in Italien mit einigen, wie Aurenhammer sagen würde, «unbewussten» Anspielungen auf österreichisch-deutsche Quellen s. A. PINELLI: Introduzione, in: N. PEVSNER: Le accademie d'arte, (Piccola biblioteca Einaudi, 430), Torino [1982], [Im Original: Academies of art. Past and present], S. VII–XLII; derselbe: La maniera. Definizione di campo e modelli di lettura, in: Storia dell'arte italiana, Bd. 6. 1, Torino 1982, S. 87–181; derselbe: La bella maniera. Artisti del Cinquecento tra regola e licenza, (Piccola biblioteca Einaudi, 590), Torino [1993]; D. J. WATKIN: Pevsner. Uno studio sullo «storicismo», in: N. PEVSNER: La trama della storia, F. Irace (Hrsg.), (Quaderni del Dipartimento di Conservazione e Storia dell'Architettura, 2), Milano 1992, S. 57–69; M. ROSSO: La storia utile. Patrimonio e modernità nel lavoro di John Summerson e Nikolaus Pevsner. Londra 1928–1955, (Confini di Comunità, 8), Torino 2001. Dagegen s. S. DIMITRU: Rapporti con l'architettura contemporanea, in: POZZETTO 1996, S. 101–106, bes. S. 104: «Egli [Dvoøák] non criticò la nuova architettura ma parlò unicamente della buona vecchia architettura. L'affermazione resta ambigua, come se avesse senso solamente proteggere la buona vecchia dalla nuova e pessima architettura».
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genössischen Kunst und Architektur erkennbar sein. Die Theorie und Praxis der Erhaltung bewegt sich somit zwischen zwei Polen. Einerseits erkennt sie die Beschränkung auf möglichst wenige Eingriffe zur Instandsetzung – was Riegl mit dem Konzept der «Entsagung» ausdrückt – ebenso an wie die von ihm für notwendig gehaltene genaue Abwägung von miteinander im Konflikt stehenden Werten, andererseits stimmt sie «für die Legitimität und Autonomie des Neuen, das sich mit dem historischen Dokument auseinandersetzen muss» und dessen Tendenzen sie nach Dvoøák zu berücksichtigen hat.461 Vom Sinn und Wert, der dem Denkmalbesitz durch Instandsetzung, Pflege und Schutz verliehen wird, hängt das Ausmaß der zeitgenössischen Integration ab, die über die bloße Reintegration hinausgeht.462 Die Lehre, die man daraus ziehen muss, lautet: Es gibt keine ernsthafte Denkmalpflege, wenn es keine große Architektur, das heißt keine hohe Kultur der Architektur gibt. Die Größe aber hängt immer von der Sensibilität und Rücksichtnahme der zeitgenössischen Architektur in der Beziehung zum denkmalpflegerischen Kontext ab.463 Die Praxis der Restaurierung kann nicht so tun, als ob sie dieser Zusammenhang nichts anginge und sich aus der Zeitlichkeit, aus deren Begrenztheit und Bestrebungen zurückziehen, wie es die wissenschaftliche Restaurierung mit ihrer strukturalistischen Utopie getan hatte, deren Auswirkungen noch heute zu spüren sind.464 Sie würde sich so in eine Apologie der Technik als Grundtendenz unserer Zeit, d. h. in eine neue Form der Enthistorisierung der Denkmale und der Praxis der zeitgenössischen Denkmalpflege und -erhaltung, verwandeln.
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DEZZI BARDESCHI 2002, S. 15. D. h. nach Paolo Scrivano über die Überwindung der Zäsur zwischen Architektur und Technik hinaus, in dem Sinn, den Hitchcock dem Begriff «Reintegration» verlieh; s. P. SCRIVANO: Introduzione, in: H.-R. HITCHCOCK: L'architettura dell'Ottocento e del Novecento, (Biblioteca di Comunità, 16), Torino 2000, S. XXXI, und über die Wiederherstellung der potenziellen Einheit des Kunstwerkes hinaus im Sinn von Brandi und Bonelli, wie G. CARBONARA (zit. Anm. 126) behauptet. T. VALENA: Beziehungen. Über den Ortsbezug in der Architektur, Berlin 1994. Gemeint ist der «wissenschaftliche Nominalismus», auf den Aurenhammer anspielt; vgl. AURENHAMMER 1996, S. 38.
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Sandro Scarrocchia BEMERKUNGEN ZUR SCHRIFTENSAMMLUNG
Für die Zusammenstellung der vorliegenden Schriftensammlung von Max Dvoøák zur Denkmalpflege wurde die Bibliographie berücksichtigt, die von Johannes Wilde und Karl Maria Swoboda der Schriftensammlung Dvoøáks beigestellt wurde, sowie die Hinweise auf den Bestand des Nachlasses Max Dvoøáks am Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien bei Jaromir Neumann.1 Außerdem wurde im Österreichischen Staatsarchiv und im Archiv des Castello del Buonconsiglio in Trient recherchiert. Als besonders hilfreich erwies sich auch die Mitwirkung Theodor Brücklers, dem ehemaligen Leiter des Archivs des Bundesdenkmalamtes. Die Zusammenstellung besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil enthält die bereits veröffentlichten Schriften, der zweite die unveröffentlichten Manuskripte. Die veröffentlichten Schriften erschienen an verschiedenen Orten, zu verschiedenen Anlässen, teilweise auch, wie es zum Beispiel beim Katechismus der Fall ist, als unabhängige Veröffentlichungen. Sie werden in sieben Themengruppen unterteilt: 1. Geschichte der Denkmalpflege, 2. Persönlichkeiten, 3. Denkmälertopographie, 4. Restaurierungsfragen, 5. Erhaltung des historischen Stadtkerns, Stadtbild- und Landschaftsschutz, moderne Architektur, 6. Kurzberichte, Monumenta Deperdita, 7. Theorie, Forschung, Ausbildung und Didaktik der Denkmalpflege, 8. Denkmalschutzgesetz. Insgesamt handelt es sich um 77 Beiträge, die in dieser Zusammenstellung fachliche Themen zur Sprache bringen und – ohne dass dabei die Verschiedenartigkeit, die Dringlichkeit und der Pragmatismus des denkmalpflegerischen Handelns verloren geht, das immer «in vorderster Linie», «vor Ort» stattfindet – die Einheitlichkeit von Dvoøáks Grundeinstellung, seines Stiles und die Kohärenz seiner historischen, theoretischen und methodischen Haltung bezeugen. Die unveröffentlichten Schriften bestehen aus fünf Manuskripten. Es handelt sich um zwei Vorlesungszyklen aus den Jahren 1906 und 1910, einen Vortrag über Gartenkunst, einen Brief an die italienischen Kollegen über die italienisch-österreichischen Beziehungen in der Kunstwissenschaft und um ein Schriftstück, das auf das Thema des vorher genannten Briefes Bezug nimmt, d. h. auf die Kunst, den Nationalismus und den Krieg. Sie gehören alle zum Dvoøák-Nachlass, der im Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien aufbewahrt wird. Den Manuskripten ist die Korrespondenz mit der von Franz Ferdinand geleiteten Militärkanzlei hinzu-
1
Bibliographie der Schriften Max Dvoøáks, in: M. DVOØÁK: Gesammelte Aufsätze zur Kunstgeschichte, J. Wilde u. K. M. Swoboda (Hrsg.), München 1929, S. 371–381; NEUMANN 1962.
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BEMERKUNGEN
ZUR
SCHRIFTENSAMMLUNG
gefügt worden. Diese betrifft Reise- und Kostenberichte und persönliche Stellungnahmen zu aktuellen Denkmalpflegefällen (Brief an den Präsidenten des Industriellenverbandes) und zur Frage der Veröffentlichung der am Dom von Trient vorgenommenen Restaurierungsarbeiten. Diese Korrespondenz vermittelt einen lebendigen Eindruck von der praktischen Tätigkeit, die Dvoøák als höchster Beamter des österreichischen Denkmalschutzes ausgeübt hat. Dvoøáks Schriften unterscheiden sich in Tonfall, Länge und gehaltlicher Tiefe. In der Tagespresse und den Organen diverser Vereine publiziert, wenden sie sich an ein breites Publikum. Der «öffentlichen Meinung», die schon in Riegls Schriften berücksichtigt wird, trägt Dvoøák insofern Rechnung, als er dem Erwartungshorizont der Leser der verschiedenen Presseorgane in Sprache und Argumentation entgegenkommt. Seine Ausdrucksweise zeichnet sich durch ruhige Überlegenheit und Argumentationsstärke aus, lässt aber hin und wieder auch die Sehnsucht nach seiner böhmischen Heimat, der Landschaft seiner Kindheit, und nach dem Prag seiner Jugendjahre wie auch die Sorge um das Schicksal seiner österreichischen Wahlheimat und deren Hauptstadt Wien verspüren, die aufgrund einer zunehmenden «Balkanisierung» um ihr Überleben fürchten muss. In den bisher veröffentlichten Schriften, die in dem ersten Teil der vorliegenden Sammlung enthalten sind, bilden die Kapitel über die institutionelle Entwicklung und das fachliche Werden der österreichischen Denkmalpflege den roten Faden. Kapitel 1 beginnt mit einem Aufsatz, der Francesco Borromini gewidmet ist (I.1.1). Es enthält außer Überlegungen zur fachlichen Entwicklung der Denkmalpflege (I.1.3) und Darstellungen der Tätigkeiten, die während der Kriegszeit zur Verteidigung des Kunstbestandes vorgenommen wurden (I.1.6), die Rezension des bedeutenden Werkes von Marie Luise Gothein über die Geschichte der Gartenkunst (I.1.4) sowie zwei verzweifelte Appelle, in denen die Zerstörung von Duino verurteilt wird und die italienischen Kollegen aufgefordert werden, den kriegerischen Zerstörungen des kulturellen Erbes Einhalt zu gebieten (I.1.7). Kapitel 2 ist den beiden bedeutendsten Persönlichkeiten der damaligen Denkmalpflege, Alois Riegl und Franz Ferdinand, gewidmet. Kapitel 3 enthält Ausführungen zur Kunsttopographie sowie wichtige Äußerungen zu den unterschiedlichen Ansichten auf deutscher und österreichischer Seite sowie eine aufschlussreiche Darstellung der italienischen Präsenz in Dalmatien und ihres künstlerischen Einflusses (I.3.7). Kapitel 4 «Restaurierungsfragen» nimmt den Titel wieder auf, den Dvoøák einer Reihe von Aufsätzen gegeben hatte, die Fragen der Erhaltung der bedeutendsten künstlerischen Zentren der Doppelmonarchie gewidmet waren: Split, Krakau, Prag und Aquileia. Es enthält außerdem in der Anlage die Protokolle der entsprechenden Versammlungen der ZK und der Diskussionen, die unter Dvoøáks Anwesenheit in den entsprechenden Sitzungen stattfanden. Kapitel 5 behandelt Wien zu Dvoøáks Zeiten, Dvoøáks Bemühungen um die Erhaltung des historischen Stadtkerns der kaiserlichen Hauptstadt (I.5.6) sowie seine
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BEMERKUNGEN
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SCHRIFTENSAMMLUNG
entschlossene Stellungnahme für eine moderne, im Wesentlichen nach-Wagnersche Architektur (I.5.3 und I.5.4). Kapitel 6 und 7 enthalten diverse Beiträge, denen unterschiedliche Bedeutung beizumessen ist, die jedoch alle einer einheitlichen theoretischen und pädagogischen Absicht entspringen. Sie beginnen mit einer «Monumenta deperdita» genannten Publikationsfolge, die zur Verbreitung und Propagierung der Denkmalpflege unter dem Protektorat von Franz Ferdinand hätte wirken sollen, und schließen mit dem Katechismus, der im Faksimiledruck wiedergegeben wird. Wie in diesem Beitrag schon mehrfach hervorgehoben wurde, sind viele Fallbeispiele, die schon Dvoøák zitierte, um auf Aporien und Fehler in der Restaurierung aufmerksam zu machen, heute wiederum Studienobjekte für den Denkmalschutz und die Denkmalerhaltung geworden, wie zum Beispiel die von Schmidt vorgenommene Restaurierung von Klosterneuburg. Außer verschiedener Beiträgen zu institutionellen Fragen der Denkmalpflege (I.7) und der Museen (I.7.5–11) enthalten diese Kapitel Dvoøáks bedeutende Überlegungen zur Beziehung zwischen Denkmalpflege und Kunst (I.7.3), seine Anleitungen zur Durchführung von Gemälderestaurierungen (I.7.9) sowie den hier in Faksimiledruck wiedergegebenen Katechismus der Denkmalpflege (I.7.12). Kapitel 8 umfasst Dvoøáks Beiträgen zu legislativen und juridischen Fragen. Sie bezeugen seine Haltung, einen Liberalismus, der sich gegen drakonische, das Eigentumsrecht beschränkende Maßnahmen stellt, mit der Verteidigung des Kunstbesitzes vor der Gefahr seiner Versprengung zu vereinbaren. Dieselbe Haltung bestätigt auch sein Beitrag zur Nutzung von Gärten und Schlössern, mit dem das 5. Kapitel abschließt (I.5.9). Unter den bis jetzt noch unveröffentlichten Manuskripten sind vor allem die beiden Vorlesungszyklen (II.1.1 bzw. II.1.2) und der Vortrag über Gartenkunst von Bedeutung (II.1.3), da sie einen weiteren Beleg für die Entwicklung der österreichischen Denkmalpflege liefern. Die Vorlesungen sind in zweifacher Hinsicht bemerkenswert: Einerseits geht daraus Dvoøáks Beziehung zur Lehre Riegls hervor und sie weisen auf die Entstehung des Katechismus voraus (siehe dazu auch die Korrespondenz II.2.1), andererseits sind sie außerordentliche Dokumente für die Anfänge einer Didaktik der Denkmalpflege und damit auch für die Errungenschaft einer sowohl institutionellen als auch wissenschaftlichen Autonomie des Faches. Dass die Denkmalpflege als eigenständiges Fach in die staatliche Verwaltung und in das Ausbildungssystem aufgenommen wurde und übernationale Relevanz erhielt, ist ohne Zweifel Dvoøáks Verdienst. Seiner Auffassung nach beruht die «allgemeine Bedeutung»2 des Denkmals auf einer sozial weit verbreiteten «Pietät»3, die den Begriff «Heimat» als anthropologi-
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DVOØÁK 1910/6. DVOØÁK 1915/1.
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BEMERKUNGEN
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SCHRIFTENSAMMLUNG
sches und kulturelles «Ambiente»4 versteht, d. h. als Kontext, in dem sich die Verbindung zwischen Betrachter und erlebter Umgebung vollzieht. Die Denkmalpflege, die diesen Kontext schützt, ist somit «nicht minder wertvoll als die Sprache».5 Besondere Aufmerksamkeit schenkt Dvoøák der italienischen Kunst im Allgemeinen und dem italienischen Kunstbesitz unter österreichischer Herrschaft im Besonderen. Außer auf den bahnbrechenden Aufsatz über Borromini (I.1.1), den Aufsatz über Duino (I.1.5), den Appell an die italienischen Kollegen (I.1.7 und II.1.4), die Darstellung der italienischen Kunst in Dalmatien (I.3.7) und die Berichte über den Dom von Aquileia (I.4.9-11) muss auch auf die (unter I.1.6 aufgeführten) Maßnahmen zur Verteidigung des italienischen Kunstbesitzes während der Kriegszeit hingewiesen werden. Sein tadelloses Verhalten, das er als Generalkonservator und höchste Autorität der ZK beim Denkmalschutz in den vom Krieg betroffenen Gebieten beweist, verwandelt sich nach Kriegsende in eine entschlossene Distanzierung von nationalistischen Forderungen Italiens. Als gebürtiger Italiener mit italienischer Muttersprache erlaube ich mir nicht, diesbezüglich oberflächliche und unbegründete Vermutungen zu äußern. Ich kann nur darauf hinweisen, dass das Ressentiment, das in Dvoøáks letzten Betrachtungen zum Ausdruck kommt, mir die tiefe Bewegtheit in Erinnerung ruft, mit der Frau Professor Maya Schrenzel, meine erste Deutschlehrerin an der Wiener Universität, von dem Jahr 1920 und dem Verlust von Triest sprach. Autoren wie Claudio Magris haben für die Bewohner diesseits und jenseits der Alpen mit ihren Veröffentlichungen zweifellos viel geleistet, um die damalige politische und kulturelle Apokalypse zu erhellen und verständlich zu machen. In der vorliegenden Einleitung habe ich mich darauf beschränkt, auf das zu verweisen, was von dem gesamten Beitrag, den Dvoøák zur Denkmalpflege lieferte, die Zeiten überdauert hat und was für die jeden Eingriff in den Bestand bestimmenden Grundsätze relevant ist. Es hat durch die veränderte geopolitische Situation Europas neue fachliche und territoriale Aktualität erlangt. Unter diesem Aspekt scheint mir eine neue Betrachtung seines Werkes gerechtfertigt, die nicht nur kritisch und in historiographischer Retrospektive vorgeht, sondern eng mit dem Schicksal der europäischen Kultur und ihren heutigen unterschiedlich fachlichen Ausdrucksformen verbunden ist. Dass auch die Denkmalpflege den Anspruch erheben kann, zu den zuletzt genannten zu gehören, verdanken wir in erster Linie dem Beitrag Max Dvoøáks.
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Ebenda. Ebenda.
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I. Teil: Publizierte Schriften FRANCESCO BORROMINI ALS RESTAURATOR (1907) *
D
ie allerehrwürdigste Kirche des Christentums, die alte Lateranische Basilika, mater ecclesiarum, mußte im XVII. Jh. umgebaut werden, weil sie einzustürzen drohte.1 Es handelte sich bei diesem Umbaue darum, superare grandissime difficoltà, wie Baldinucci berichtet;2 wir werden hören warum. Die Durchführung der Aufgabe ist Francesco Borromini übertragen worden. Das dürften viele von den Zeitgenossen als das allergrößte Wagnis angesehen haben. Wir alle, die ganz jungen unter uns ausgenommen, hatten das Glück zu beobachten, wie sich eine neue Kunst alten Traditionen gegenüber durchgerungen hat. Als der Kampf am heftigsten tobte, mochte es wohl manchem scheinen, ähnliches hätte es früher nie gegeben, nie früher hätte das Neue so heftig um Daseinsberechtigung und Anerkennung kämpfen müssen, wie in unseren Tagen. Es wäre dies eine irrige Meinung. Bis zum Cinquecento hören wir wohl nichts von Kunstkämpfen, weil das Neue stets als eine allgemein gesuchte unpersönliche Lösung allgemein verbreiteter Probleme sich kampflos die Welt eroberte. Das wurde anders, als die neuzeitliche Individualisierung der künstlerischen Schöpfung der subjektiven Anteilnahme der Künstler an Lösungen künstlerischer Probleme einen weit größeren Spielraum ließ als in irgendeiner früheren Periode. Da haben Künstlerfehden begonnen und Künstlertragödien, die darin ihren Ursprung hatten, daß eine neue Auffassung künstlerischer Probleme eine längere Zeit zum Siege brauchte, als das Leben ihres Schöpfers gedauert hat. Einer solchen Tragödie ist Borromini zum Opfer gefallen. Es gibt wenig Architekten, deren Kunst einen so großen Einfluß auf ganz Europa durch Jahrhunderte ausgeübt hätte, wie jene des unglücklichen Meisters vom Luganosee. Nur Michelangelo und Palladio könnte man neben ihm nennen. Von Michelangelos Tode an hat sich eine Stilwandlung in der Architektur vorbereitet, deren Inhalt als der Sieg des architektonischen Subjektivismus über traditionelle architektonische Normen bezeichnet werden kann. Die tektonischen Gesetze, auf welchen die Gotik und Renaissance beruhte, haben bereits in den Bauschöp-
* Max Dvoøák: Francesco Borromini als Restaurator, in: Kunstgeschichtliches Jahrbuch der k. k. Zentralkommission, 1, 1907, Beibl., Sp. 89–98. 1 Über den trostlosen Zustand der alten Basilka vergl. Rasponi, De Basilica et Patriarchio Lateranensi. Roma 1657, pag. 37 und 79 und die wertvolle Untersuchung H. Eggers, Francesco Borrominis Umbau von S. Giovanni in Laterano in den «Beiträgen zur Kunstgeschichte», Franz Wickhoff gewidmet. Wien 1903. S. 154ff. 2 Ausgabe vom J. 1773. Bd. XVII. S. 65.
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fungen Michelangelos ihre Bedeutung verloren und die Souveränität der subjektiven architektonischen Komposition trat an ihre Stelle. Doch die alten tektonischen Normen und Formen wirkten ähnlich wie heute die Prinzipien der barocken monumentalen Malerei, obwohl sie ihren künstlerischen Sinn verloren hatten, noch lange nach, Götzen vergleichbar, an die man nicht mehr glaubte, die ganz aufzugeben man sich jedoch noch nicht entschlossen hatte. Auch Bernini wagte dies nur im dekorativen Beiwerke. Borromini hat aber in der großen Architektur mit der Tradition gebrochen, die bis dahin durch Jahrtausende die Grundlage einer jeden architektonischen Schöpfung gewesen ist, und hat eine neue Architektur geschaffen, in der nicht nur für die Gesamtkomposition, sondern auch für die Form und Verwendung sämtlicher Bauglieder ohne Rücksicht auf ihren tektonischen Ursprung und ihre einstige tektonische Bedeutung einzig und allein die vom Künstler subjektiv angestrebte Gesamtwirkung des Baues maßgebend gewesen ist. Diesem Revolutionär in der Kunst, wie es ihrer nur wenige in der Geschichte der Kunst gegeben hat, wurde die Instandsetzung der Basilika Konstantins anvertraut. Sollte man nicht meinen, daß für ihn, wie für seine großen Vorgänger und noch mehr als für sie, das Alte nur ein Hindernis bilden müßte, welches er noch skrupelloser als seine Vorgänger beseitigt, da seine Kunst einen vollständigen Bruch mit jahrtausendelanger Tradition bedeutet. Statt dessen berichten bereits die zeitgenössischen Biographen mit Verwunderung, daß er den Umbau vollzogen habe senz’ alterare la pianta, senza muovere mura e senza scomponimento del tutto.3 Er hat also vom alten Baue erhalten, was nur zu erhalten war 4, und das scheint im Hinblicke auf seine Kunst, die im schroffen Gegensatze zu der Vergangenheit stand, geradezu paradox zu sein. Man kann da nicht auf frühere, gewiß nicht seltene Beispiele hinweisen, wo alte Bauten, auch wenn sie baufällig gewesen sind, einfach ausgebessert, mit neuen Anbauten verbunden oder mit neuen Einbauten versehen wurden. In allen diesen Fällen hat man sich aus irgendwelchem Grunde nicht entschlossen, einen Umbau vorzunehmen. Borromini mußte jedoch einen Umbau durchführen und hat ihn auch, wie man noch heute bewundern kann, in grandioser Weise durchgeführt, weil die Kirche luminosa, ornata e vaga werden sollte, und weil es sich also nicht darum gehandelt hat, quieta non movere, sondern wo bei den notwendigen Rekonstruktionen zugleich etwas Neues, den modernen Anforderungen Entsprechendes geschaffen werden sollte. Keinem seiner Vorgänger wäre es in einem solchen Falle auch nur im Traume eingefallen, sich um den alten Bestand irgendwie zu kümmern, es sei, daß man aus finanziellen oder technischen Gründen an ihn gebunden war. In allen Fällen, wo der Architekt früher frei schalten und walten konnte, änderte er vor allem die ganze
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Passeri. Vite de’ pittori, scultori ed architetti. Ausgabe vom J. 1772, S. 386. H. Egger hat in der genannten Untersuchung nachgewiesen, daß er auch die Stützenstellung, soweit es möglich war, Rainaldis Kassettendecke und sogar die konstantinische Ostfassade beibehalten hat.
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GESCHICHTE
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Disposition, ohne auf das Alte Rücksicht zu nehmen. Bramante und auch noch Michelangelo hätten es nicht verstanden, wenn man von ihnen verlangt hätte, die Peterskirche umzubauen senz’ alterare la pianta, senza muovere le mura e senza scomponimento del tuto. Die Änderung der Gesamtform war für die früheren Generationen die selbstverständliche Konsequenz des Bestrebens, einen Bau den modernen künstlerischen Forderungen anzupassen. Man hat das Alte beibehalten, wo man dem Neuen nicht die Tore öffnen wollte, wo man es aber tat, hörte das Alte auf eine künstlerische Rolle zu spielen. Borromini hat es jedoch in den Rahmen seiner künstlerischen Neuschöpfung einbezogen. Es gibt einen eklatanten Beweis dafür, daß er es ohne äußeren Zwang deshalb getan hat, weil in seiner neuen Kunst auch ein neues Verhältnis zu den Denkmalen der Kunst der vorangehenden Perioden enthalten war. An den Langhauswänden von S. Giovanni hat Borromini Grabdenkmale aufgestellt, welche die ältere Lateranskirche geschmückt haben.5 Man hat sonst alte Denkmale stehen lassen, solange der Bau bestand, in dem sie untergebracht gewesen sind, als «gewollte Denkmale», die über ein Ereignis der Nachwelt Bericht erstatten sollten, an welche sich Familienerinnerungen, zünftige Interessen oder kommunalpatriotische Reminiszenzen knüpften. So ist z. B. S. Croce in Florenz oder S. Giovanni e Paolo in Venedig nach und nach zu einem überwältigenden Mausoleum der kommunalen Vergangenheit geworden. Wo es sich jedoch darum handelte, den Kunstbedürfnissen der Gegenwart Rechnung zu tragen und einen alten Bau durch einen neuen zu ersetzen, wurde auf die im alten Baue befindlichen Denkmale keine Rücksicht genommen und man hat sie im besten Falle in Nebenräumen aufgestellt, gewöhnlich aber ganz beseitigt. Die Grabmäler, Epitaphien und Statuen, welche sich in der alten Peterskirche befunden haben und von welchen einige, wie der Sarkophag Ottos II., mit weltgeschichtlichen Erinnerungen verknüpft waren, andere, die wie das Grabmal Pauls II., Marksteine der römischen Kunstentwicklung gewesen sind, mußten erbarmungslos in die Grotten wandern. Nur die alte Peterstatue hat man in den Neubau übertragen, wohl aus Devotionsgründen. Borromini hat dagegen die Grabdenkmale der alten Basilika in der neuen umgebauten Kirche wieder aufstellen lassen, und zwar nicht ganz unverändert. Er stellte sie in flache Wandnischen, wobei vielfach ihre alte Gesamtform verändert oder auch einzelne Teile weggelassen werden mußten, ließ aber sonst die alten Teile ohne Umgestaltung, so wie sie waren, und versuchte auch nicht sie zu einer neuen Einheit, welche der alten Bestimmung entsprochen hätte, durch eine Zusammenstellung oder Ergänzung des Fehlenden zusammenzustellen, sondern hat die einzelnen Teile durch eine neue, rein dekorative, prächtige architektonische Umrahmung verbunden, die
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Es sind Kosmatenarbeiten, gotische Grabmäler, das Grabmal des Kardinals Antonius de Clavibus († 1477), des Ranuccio Farnese von Vignola usw., auch ein Teil des Fresko Giottos ist auf diese Weise erhalten worden.
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bei den einzelnen Denkmalen verschieden ist, überall aber im Zusammenhange mit der ganzen neuen architektonischen Dekoration der Lateranskirche erfunden wurde. Wie man in der Renaissance antiken Intaglien eine kostbare Fassung zu geben pflegt, so sind hier mittelalterliche oder auch Renaissanceskulpturen in Rahmen gespannt worden, die zu dem Schönsten gehören, was sich uns von der Kunst Borrominis erhalten hat. Einen Beweis dafür, wenn es eines bedürfen würde, daß diese Umrahmungen von dem Meister selbst entworfen wurden, bietet eine Reihe von Zeichnungen zu diesen Dekorationen, die sich in der Wiener Hofbibliothek erhalten haben und von welchen wir eine abbilden (Abb. 1). Sie sind unzweifelhaft von der Hand Borrominis. Der Meister, der an der Kühnheit seiner Neuerungen zugrunde ging, war also in der Lateranischen Basilika bestrebt, möglichst viel vom Alten zu erhalten, und zwar sowohl in der allgemeinen Gestalt des Baues als in dessen innerer Ausschmückung, wobei er das Alte in sein neues künstlerisches Programm aufgenommen hat. Auf der einen Seite also die weitestgehende Rücksichtslosigkeit jeder Überlieferung gegenüber, auf der andern eine unerhörte Rücksicht für das Überlieferte – ist das nicht ein sonderbares Problem? Dieses Problem führt uns zur Quelle eines neuen Verhältnisses zu alten Denkmalen. Wir müssen uns vor allem fragen, ob Borromini das Alte als ein Dokument bestimmter künstlerischer Regeln und formaler Prinzipien so gefallen hat, daß er es erhalten wollte. Es ist dies kaum wahrscheinlich, da er wohl sonst nicht der Versuchung widerstanden hätte, die alten Formen irgendwie nachzuahmen. Auch historische Motive können kaum in Betracht gezogen werden; alles was wir über Borromini wissen, schließt es aus, daß sein Interesse auf historischen Voraussetzungen und Erwägungen beruht hätte. Doch wenn wir uns die Bedeutung dessen, was er verfochten und wofür er mit seinem Leben büßen mußte, das Wesen seines Stiles, vor die Augen führen, wird es klar, daß die Berücksichtigung des alten Bestandes nicht nur nicht im Widerspruche zu seinen sonstigen Neuerungen stand, sondern im Gegenteil eine ihrer Folgen gewesen ist. Bis dahin war die tektonische, plastische oder malerische Einzelform das primäre und maßgebende Element des architektonischen Schaffens und der kunstverständigen Anteilnahme an Architekturen, deren Gesamtbild mehr oder weniger durch eine in erster Reihe durch die Tradition und den Stil der Zeit bestimmte Kombination solcher Einzelelemente bedingt gewesen ist. Am allerdeutlichsten ist es vielleicht in der Architektur des Quattrocento, welche die Antike nachzuahmen glaubte, indem sie einzelne tektonische Motive und plastische Formen der klassischen Kunst nachgeahmt hat, diese Nachahmungen jedoch mit Gebäuden verbunden hat, deren Grundriß und Aufbau mit der Antike in keinem direkten Zusammenhange stand, sondern von der vorangehenden Entwicklung abhängig gewesen ist. Die architektonische Gesamterfindung war an bestimmte Schemen gebunden, deren Umgestaltung nur allmählich und mehr durch Änderung der Einzelmotive als durch unvermittelte Neuerungen und ein freies Schalten und Walten in der Massen- und Raumdisposition erfolgte.
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GESCHICHTE
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Michelangelo war da wie in allem der Begründer neuer Werte. Er war der erste, der das Gleichgewicht der tektonischen Glieder und Skulpturen durch das Gleichgewicht der Massen ersetzte und der dieses Gleichgewicht nicht auf die überlieferten Regeln und Grundsätze aufgebaut hat (ob sie nun in der ihm unmittelbar vorangehenden Entwicklung ihren Ursprung hatten oder aus der klassischen Architektur übernommen wurden), sondern, wie wir bereits hörten, seine subjektive Erfindung auch in der Gesamtkomposition zum höchsten Gesetze der architektonischen Gestaltung erhoben hat. Nie früher hat ein Mensch ähnliches gewagt. Die Weiterentwicklung erfolgte nach drei Richtungen möglich. Zunächst führte sie zu einer ganz andern Behandlung der Außenerscheinung der Bauten, die als Ganzes konzipiert, als ein einheitlich wirkendes Gesamtbild erfunden wurde und wirken sollte. Das öffnete aber den Blick für die Gesamterscheinung der Bauten überhaupt und so ist es erklärlich, daß Palladio Gebäude zu entwerfen vermochte oder teilweise auch ausgeführt hat, die nicht nur im Detail, sondern auch in der Gesamterscheinung alte klassische Vorbilder wiedergeben. Von einer freien Behandlung der Massen zu einer freien Behandlung der Räume ist nur ein kleiner Schritt und so sehen wir, wie die Nachfolger Michelangelos unermüdlich bestrebt gewesen sind, einheitliche Raumwirkungen zu erfinden. Die Folge dieser beiden Neuerungen war es, daß auch die Bedeutung des Einzelmotives eine ganz andere geworden ist. Die alten Residuen der klassischen Tektonik verloren ebenso ihre Bedeutung als Skulpturen oder Malereien, welchen im Gebäude früher eine Sondermission beschieden war. Ihre Hauptfunktion bestand nun darin, der vom Architekten angestrebten Gesamtwirkung zu dienen und sie zu erhöhen. Michelangelo und seine Epigonen haben diesem Bestreben noch die alte klassische Tektonik und statuarische Skulptur zugrunde gelegt, die aber tatsächlich dadurch ihrer eigentlichen Bedeutung enthoben wurde und nur dem Scheine nach ihre alte Rolle spielte. Am weitesten in dieser Scheinbedeutung der tektonischen Form und der statuarischen Skulptur sind Pietro da Cortona und Bernini gegangen, die jedoch kaum irgendeinem ihrer Zeitgenossen als weitgehende Neuerer erschienen sein mochten (als welche sie zu betrachten wir gewohnt sind), da ihre Kunst der natürliche Abschluß einer fast hundertjährigen Entwicklung gewesen ist. Borromini war aber der wahre Erbe Michelangelos. Er hat aus dessen Subjektivismus die letzten Konsequenzen gezogen und hat alles über Bord geworfen, was den neuen architektonischen Idealen gegenüber keine künstlerische Funktion mehr hatte. Da die tektonischen Glieder ihre künstlerische Bedeutung verloren haben, ist auch ihre Form irrelevant geworden und so werden tausendjährige Normen aufgegeben, Gebälke biegen sich und krümmen sich, als wenn sie von Teig wären, Säulen tragen nichts, die Mauern werden ausgebaucht wie elastische Stoffe und die Skulptur ist ganz gleichgültig, sie ist nichts weiter als ein Glied in der großen dekorativen Gesamtwirkung und es kommt deshalb gar nicht darauf an, wie sie in ihren Details beschaffen ist. Jeder Raum repräsentiert eine künstlerische Potenz, man muß ihn nur richtig zu deuten wissen, und für ein architektonisches Gesamtbild kann jede Architektur von Bedeutung sein, in welchem Stile sie immer ausgeführt
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ist, weil es ja nicht auf die Einzelform ankommt, sondern eben auf das Gesamtbild und dieses Gesamtbild den Maßstab der schöpferischen Phantasie und die Quelle der künstlerischen Genüsse des Beschauers bilden muß. All das, was die Vergangenheit geschaffen hat, ist durch diese neue Auffassung der architektonischen Probleme der Kunst neu erschlossen worden, nicht als ein Vorrat bestimmter Formen, nicht als ein «Lehrbuch der verschiedenen Ordnungen», sondern als ein Mittel zur Erzielung architektonischer Gesamteffekte, die das angestrebte Ziel der Kunst seit den kapitolinischen Bauten Michelangelos gewesen ist und für die von nun an auch das Vermächtnis der Kunst vergangener Zeiten verwertet werden konnte. Es war aber Borromini, dem wir diese unerhörte Bereicherung der künstlerischen Sensationen verdanken. In dem wunderbaren Klosterhofe von S. Carlo alle Quattro Fontane verwendete er Bramantes Formen, weil ja jede Form gleich wert gewesen ist, wo es sich um ein malerisches Gesamtbild handelte, und in S. Giovanni änderte er nicht die Kirchenanlage, weil es für ihn einen größeren Reiz hatte, sie zu benutzen. Aus demselben Grunde hat er, wie es schon die Architekten der spätrömischen und byzantinischen Kunst getan haben, auch alte Skulpturen neu architektonisch verwertet. Wie seine ganze Kunst, die mit den letzten Resten der Überlieferung gebrochen hat, seinen Zeitgenossen ein Buch mit sieben Siegeln gewesen ist und über die sie nichts anderes zu sagen wußten, als daß sie di qualche capricciosa irregolarità gewesen wäre, so war ihnen auch sein Verhältnis zu dem Vermächtnisse der Vergangenheit kaum verständlich. Von der Restaurierung der Lateransbasilika berichtet Baldinucci, er hätte sie con tante capricci e bizarrerie durchgeführt, daß man darüber allgemein erstaunt gewesen sei. Er hat zwar mehr aus persönlichen Gründen eine kurze Zeit päpstliche Gunst genossen, aber die leichter verständliche Kunst Berninis siegte zunächst. Was Borromini wollte, hat man noch nicht verstanden. Er war kein Kompromißmensch, seine Entwürfe wurden immer kühner, wie jene Rembrandts in derselben Zeit. Man fing an ihn für irrsinnig zu halten. Er schloß sich immer mehr ab, eines Tages verbrannte er seine Zeichnungen und bald darauf beging er einen Selbstmord. Es kann hier nicht verfolgt werden, wie seine Kunst nach seinem Tode sich die Bahn gebrochen hat, um bis auf den heutigen Tag die Wege der weiteren Entwicklung der Architektur in ganz Europa zu weisen. Ähnlich aber wie sein Stil die Welt eroberte, so hat auch die neue Rolle, die er alten Denkmalen im neuen Kunstempfinden zugewiesen hat, weiter gewirkt. Noch heute ist nicht die Einzelform, sondern die Gesamterscheinung eines Denkmales im Verhältnisse zur Umgebung die wichtigste Quelle künstlerischer Anteilnahme an allen architektonischen Kunstwerken. Und das verdanken wir gewiß nicht den Antiquaren in der Wissenschaft und Kunst. Für uns ist wohl vor allem ein Naturausschnitt die höhere Einheit, die die modernkünstlerische Bedeutung eines alten Baudenkmales bestimmt; dazu wäre es aber nie gekommen, wenn wir nicht früher gelernt hätten, die Wirkung eines alten Denkmales nach dem Verhältnisse zu einer höheren architektonischen Einheit abzuschätzen.
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GEDANKEN ÜBER DENKMALPFLEGE (1910)*
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n den nachgelassenen Papieren eines jüngst verstorbenen Konservators fand ich ein kleines Heft mit allgemeinen Bemerkungen über Denkmalpflege, von denen mir einige der Veröffentlichung wert zu sein scheinen. Denkmalpflege und Patriotismus. Nicht jeder Patriotismus führt zur Denkmalpflege und nicht jede Denkmalpflege ist patriotisch. Wie in vielen Sachen, ist auch da das Wissen und Können wichtiger als das Empfinden. Pietät. Mir sind alte Kunstwerke heilig, sagte der Trödler, der sie verkaufte, und der Architekt, der sie restaurierte. Budgetfragen. Ohne Geld gibt es keine Denkmalpflege, doch der Mangel an Geld macht oft die Denkmalpflege entbehrlich. Autoritären: Man war bis vor kurzem der Meinung, Denkmalpflege erfordere keine Spezialkenntnisse: deshalb gab es fast nur falsche Autoritäten auf diesem Gebiete. Und die Führung übernahm die Bureaukratie. Denkmalpflege und Kirche: Die Kirche ist kein Museum, doch vertrat sie durch Jahrhunderte die Museen – zum Nutzen der Kirche und Religion. Noch einmal dieselbe Frage: Die Kirche ist kein Museum – sicher nicht, doch auch nicht ein Hotelzimmer, in dem Okkasionsmöbel aufgestellt werden und die Wände alljährig neu tapeziert werden müssen. Alte und neue Bauten. Die letzteren waren die ärgsten Feinde der ersteren, solange sie sklavisch von ihnen abhängig waren. Das schwierigste Problem der Denkmalpflege – waren seit jeher die Denkmalpfleger. Ein Seufzer. Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch den Verstand dazu. Wenn das nur auch für die Denkmalpflege gelten würde! Aus einem Vortrag. «Man muß vor allem das Interesse erwecken» – sagte der Redner – «alles andere kommt nach.» Ja, was nachkommt! Das ist das Traurigste in der Denkmalpflege, daß großes Interesse oft schädlicher ist als vollständige Gleichgültigkeit. Das müßte vor allem anders werden. Die alte Mauer. Auf dem Wege zur Fabrik erfreute mich täglich die schöne Umfriedungsmauer des Pfarrgartens. Sie war altersgrau, ein wenig zerbröckelt, mit Moos und und Pflanzen bedeckt und von überhängenden Sträuchern beschattet. Mein Heimatsort ist öde und bietet nichts Bemerkenswertes, doch die alte Mauer verlieh
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Max Dvoøák: Gedanken über Denkmalpflege, in: Kunstgeschichtliches Jahrbuch der k. k. Zentralkommission, 4, 1910, Beibl., Sp. 211–214.
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1.2. | GEDANKEN
ÜBER
DENKMALPFLEGE
ihm eine gewisse Anmut und Poesie, und es ist keine Überschwenglichkeit, wenn ich behaupte, daß sie mir das Leben verschönerte. Einmal mußte ich auf zwei Wochen verreisen und als ich zurückkam, erkannte ich die Mauer kaum wieder. Die Pflanzen, die sie bedeckten, waren verschwunden, die Sträucher, die sich einst zum Vorbeigehenden herunterneigten, so zugestutzt, daß sie kaum mehr die Mauer überragten, die ganz ausgebessert und wie eine Kasernenhofmauer verputzt und weiß getüncht war. Als ich noch ganz fassungslos die Mauer betrachtete, kam gerade der alte freundliche Pfarrer des Weges. «Nicht wahr schön ist's geworden,» sagte er, als er sah, daß mein Blick auf die Mauer gerichtet war. «Es war aber auch schon die höchste Zeit.» Ich sagte nichts, denn wie hätte ich mich mit ihm verständigen sollen. Verkehrshindernisse. Ein altes Denkmal ist für den Pöbel stets ein Hindernis, entweder materiell oder geistig.
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ENTWICKLUNG UND ZIELE DER DENKMALPFLEGE IN ÖSTERREICH (1911)*
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ch bin ein Gast in der Denkmalpflege und muß Sie deshalb um Verzeihung bitten, wenn ich vielleicht manches vorbringe, was Ihnen ganz überflüssig erscheinen könnte, dagegen manches vielleicht nicht berühre, was Sie von mir erwarten. Vor allem möchte ich sagen, daß ich, was den prinzipiellen Gesichtspunkt anbelangt, mich vollinhaltlich dem anschließen möchte, was mein verehrter Vorredner soeben in so glänzender Weise ausgesprochen hat .** Es ist leichter, die Entwickelung der Denkmalpflege in Österreich zu schildern als die reichsdeutsche Entwickelung, leichter und doch wiederum schwerer. Leichter, weil die Entwickelung in Österreich seit jeher viel mehr zentralisiert war, schwerer deshalb, weil sich an diese Zentralisierung individuelle Umstände geknüpft haben, die nicht immer leicht ein Gegenstand der Erörterung sein können. Gewiß hat es auch in Österreich Sonderentwickelungen gegeben. Diese Sonderentwickelungen spielten aber nicht eine so große Rolle wie in Deutschland. Die Hauptsache war in Österreich stets eine zentrale bureaukratische Behörde, die, wenn ich so sagen darf, das Herz der ganzen Entwickelung in Österreich gewesen ist und deren Geschichte vor allem geschildert werden muß, wenn wir uns einen Überblick über die Entwickelung der österreichischen Denkmalpflege verschaffen wollen – einen Überblick, der von einem anderen Gesichtspunkte aus einen höchst merkwürdigen Beitrag zur Geschichte der Bureaukratie liefern könnte, was natürlich nicht hierher gehört. Die Zentralkommission wurde im Jahre 1853 vom Handelsministerium begründet. Man darf dabei nicht an jene merkantilistischen Strömungen denken, welche so viel zur Begründung des Nationalgedankens, zur Begründung des Begriffs einer von Staats wegen zu schützenden alten und neuen Kunst beigetragen haben. Nach den Stürmen des Jahres 1848 entwickelte sich eine große Präponderanz der Bureaukratie in Österreich, der der tatsächliche historische alte Wirkungskreis vielfach nicht entsprochen hat, so daß die einzelnen Ministerien trachten mußten, diesen Wirkungskreis zu erweitern, wobei natürlich oft fremde Vorbilder die allmähliche Entwickelung ersetzten. Es waren die Institutionen, welche ein französischer Architekt im Zusammenhang mit einer höchst komplizierten literarischen und künstle-
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Max Dvoøák: Entwicklung und Ziele der Denkmalpflege in Österreich, in: Gemeinsame Tagung für Denkmalpflege und Heimatschutz, Salzburg 14. und 15. September 1911 [Sektion Entwicklung und Ziele der Denkmalpflege in Deutschland und Österreich, Stenographischer Bericht, Berlin 1911], S. 64–75. P. Clemen: Entwicklung und Ziele der Denkmalpflege in Deutschland, ebenda, S. 51–64 [Anm. des Hrsg.].
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ZIELE
DER
DENKMALPFLEGE
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rischen Kampagne geschaffen hat, um seinem künstlerischen Schaffen einen geeigneten staatlich sanktionierten Rahmen zu verschaffen, welche dem damaligen Handelsminister Bruck, der, wie Sie ja wissen, an der Kühnheit seiner Pläne so tragisch zugrunde ging, ein geeignetes Mittel erschienen, die Kompetenz des seinem Ministerium unterstellten Hochbaudepartements zu erweitern, indem, wie es in dem Vortrag an den Kaiser hieß, die Erhaltung der alten Bauwerke in die Hände des Staates gelegt werde. Es wurde zur Unterstützung jenes Departements eine Zentralkommission für alte Baudenkmäler einberufen, welche vorwiegend aus Vertretern der einzelnen Ministerien bestanden hat, also einen rein bureaukratischen Charakter hatte, der uns allein schon erklären kann, daß ihre Tätigkeit zunächst eine sehr geringe war. Sie beschränkte sich in den ersten drei Jahren im wesentlichen darauf, daß man mit einzelnen Regierungen über die Maßnahmen verhandelte, welche zur Erhaltung der alten Bauwerke getroffen werden könnten. Damals hat der österreichische Statthalter in Venedig an das Handelsministerium den Antrag geleitet, man möchte vor allem den Canale grande austrocknen, damit die venezianischen Paläste erhalten werden könnten, ein Rat, der zum Glück nicht befolgt ward. Doch auch sonst muß man froh sein, daß diese erste Zentralkommission nicht eine intensive Tätigkeit entfaltet hat, welche notwendig im Geiste der damaligen Staats- und Dikasterialbauten gehalten worden wäre. Dessenungeachtet war diese Gründung von der allergrößten Bedeutung. Denn eine solche zentrale Institution war damals und noch viel später in Österreich die einzig mögliche Quelle einer Umgestaltung der Verhältnisse, einer Konzentration der zahlreich vorhandenen, aber wenig organisierten Kräfte. Es war ein großer Glücksfall, daß der erste Präsident der Zentralkommission, Karl Freiherr von Czoernig, mehr ein Gelehrter als ein Bureaukrat war. Er war wohl seinem Berufe nach ein Statistiker (hat auch später die Leitung der Statistischen Zentralkommission übernommen), schloß sich aber bei der Übernahme des Präsidiums in der neuen Kommission an Gelehrte an, wodurch er der neuen Institution bald zu einer selbständigen und nicht geringen Bedeutung verholfen hat. Damals, Mitte der fünfziger Jahre, war Wien eines der wichtigsten Zentren der Entwickelung der deutschen Kunstwissenschaft. Namen wie Semper, wie Eitelberger erweisen das zur Genüge; und bei diesen Männern suchte Freiherr von Czoernig Stütze, wodurch sich die Kommission aus einer rein bureaukratischen Behörde zu einem wissenschaftlichen Institute umzugestalten begann. Der Schwerpunkt wurde auf die Publikationen, auf die kunstgeschichtliche Erforschung Österreichs gelegt. Das Kunstgeschichtliche Jahrbuch der damaligen Zentralkommission war damals das führende periodische Organ für Kunstgeschichte in Deutschland, durch Beiträge von Männern wie Springer und Schnaase auszeichnet, und unter Eitelbergers Leitung wurde eine Durchforschung Österreichs eingeleitet, welche, wenn sie nicht unterbrochen worden wäre, eine ähnliche vorbildliche Bedeutung für die territoriale Kunstforschung gewonnen hätte wie eine andere Schöpfung Eitelbergers, nämlich das Österreichische Museum für Kunst und Industrie für die Entwickelung des fachlichen Musealwesens. Als dann Graf Leo Thun das Unterrichtsministerium übernahm und jene glänzende Periode der Um-
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gestaltung des österreichischen Bildungswesens begann, von der Österreich noch heute zehrt, gelang es, diesem selbständigen Aufschwunge auch äußere Anerkennung zu verschaffen. Die Zentralkommission wurde im Jahre 1859 vom Handelsministerium losgetrennt und als eine selbständige Behörde dem Unterrichtsministerium angegliedert. Es war ein Fluch der rein bureaukratischen Einrichtung der neuen Behörde, daß diese erste Entwickelung nicht auf einem festen Programm, sondern nur auf bestimmten Persönlichkeiten beruhte. In der Mitte der sechziger Jahre zogen sich aus Gründen, die hier nicht weiter ausgeführt werden können, die bis dahin maßgebenden Persönlichkeiten von der Zentralkommission zurück. Andere traten an ihre Stelle, und es wurde eine neue Richtung eingeschlagen, die vielleicht am besten durch die Worte eines der damaligen Mitglieder dieser Kommission gekennzeichnet werden kann, der gesagt hat: «Tausende von Aufgaben harren der Zentralkommission, denn überall sieht man Kirchen, Burgen, Paläste, die in beklagenswertem Zustande, durch An- und Umbauten verunstaltet, nach einer stilgetreuen Restauration zu rufen scheinen.» Bis dahin hat sich die konservatorische Tätigkeit der Zentralkommission in Maßnahmen zur Erhaltung der Denkmäler, in einem Kampfe gegen «Barbarei und Unbildung», wie es einmal heißt, bewegt, wobei es freilich an tatkräftiger Initiative fehlte. Von da, also von den sechziger Jahren an, bemächtigte sich auch der Zentralkommission die große europäische Welle der nicht nur defensiven, sondern auch offensiven Denkmalpflege, jene Welle des Restaurierens, bei der das Restaurieren nicht ein Mittel zum Zweck, sondern der Selbstzweck gewesen ist. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß es sich bei dieser unglückseligen Periode, der weit mehr Denkmäler zum Opfer gefallen sind, als je durch Kriege und Revolutionen vernichtet wurden, viel weniger um historische Interessen und Pietät, um sentimentale oder intellektuelle Momente, als um die Entartung einer bestimmten Kunstrichtung, der Kunstrichtung der historisierenden Stile, handelte. Wir sind heute – wir haben das heute bereits einmal gehört – so weit von den Ereignissen entfernt, daß wir sie ganz überblicken können und daß wir, ich glaube ganz objektiv, beweisen können, daß diese sogenannten historischen Stile in jener großen Entwickelung, welche unsere heutige moderne Architektur mit der ganzen Evolution der architektonischen Probleme verknüpft, die sich in der Neuzeit seit der Renaissance vollzogen hat, nur ein Zwischenstadium, nur eine Episode gewesen sind. Bereits die grandiose Entwickelung der Architektur im 17. und 18. Jahrhundert führte dazu, daß, ähnlich wie in der römischen Kaiserzeit, einzelne historische Formen, Konstruktionen, ja ganze Bauwerke in den neuen Massenkompositionen aufgenommen wurden, und aus dem erweiterten Bestreben nach dieser Richtung hin, die baulichen Erfindungen malerisch zu bereichern und sich allmählich zu einer neuen tektonisch strengen und klaren Architektonik durchzuringen, entstanden im Zusammenhang mit einem Zeitalter, das vorwiegend didaktisch-literarisch war, Kunstströmungen, bei denen wie im 15. Jahrhundert bei Leone Battista Alberti die antiquarisch-literarischen Elemente in den
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Vordergrund traten, ja zeitweilig die eigentlichen künstlerischen Probleme ganz verschleierten. An und für sich hätte diese historisierende Kunst, sofern sie von wirklichen Künstlern vertreten wurde, gewiß nicht den alten Denkmälern einen größeren Schaden zugefügt als die barocke. Wir könnten dafür, um bei der Geschichte der Zentralkommission zu bleiben, ganz glänzende Aussprüche des einstigen Dombaumeisters Schmidt anführen, der ein wirklicher großer Künstler war. Aber es kam etwas anderes hinzu, was ebenfalls von Herrn Geheimrat Clemen bereits angedeutet wurde. Neben dieser Kunst des 19. Jahrhunderts entwickelte sich gleichzeitig mit einer Pseudoliteratur eine Pseudokunst, die, eine Folge der künstlerischen Unkultur und der unkünstlerischen fabrikmäßigen Kunstproduktion, nach und nach die künstlerischen Probleme durch falsche Stillehren, Vorlagebücher und durch sklavische Nachahmungen ersetzte. An diese Kunstverirrung hat man sich in den sechziger Jahren auch in Österreich angeschlossen und begann nach ihren historisch unhaltbaren und künstlerisch inhaltslosen Stilbegriffen die Monumente zugrunde zu restaurieren. Die unmittelbare Folge davon war der wissenschaftliche Niedergang der Zentralkommission, deren Forschungstätigkeit auf jene Altertumskunde zusammenschrumpfte, wie sie für manche Altertumsvereine, der siebziger und achtziger Jahre charakteristisch war und die die Geschichte der Kunst nur vom Gesichtswinkel der kulturhistorischen Lokalfunde betrachtet hat. Dagegen war ein Vorteil der Entwickelung, daß das allgemeine Interesse an den alten Denkmälern wachgerufen wurde. Denn die neue Restaurierungsrichtung war eine durchaus populäre; sie entsprach dem damaligen künstlerischen Durchschnittsniveau. Und so konnte das, was bis dahin vergeblich angestrebt wurde, die auf Amateuren beruhende Organisation der Zentralkommission durch geeignete Kräfte auszubauen, nun leicht vollendet werden. Österreich wurde in beiläufig 120 Verwaltungsbezirke geteilt, die von ehrenamtlich fungierenden Konservatoren verwaltet wurden. Sie hatten ihre Berichte und Restaurierungsprojekte der Zentralbehörde vorzulegen, bei der sie von einem zwanziggliedrigen Gremium, das hauptsächlich aus Künstlern bestand, begutachtet wurden. Dieser administrative Ausbau führte naturgemäß zu dem Bestreben, dieser Kommission größere Rechte zu verleihen, um welches sich besonders der zweite Präsident der Zentralkommission, Alexander Freiherr von Helfert, die größten Verdienste erworben hat. Freiherr von Helfert war in erster Linie ein Staatsmann und ein Politiker, wie man auch aus seinen Schriften ersehen kann, und stand den eigentlichen künstlerischen Fragen, welche die Grundlage der Bestrebungen der Behörde waren, zu deren Leitung er durch eine Fügung der Verhältnisse berufen wurde, fremd gegenüber. Dabei überließ er aber stets mit der größten Objektivität die Bestimmung der Grundsätze, nach welchen alte Monumente behandelt werden sollen, dem Gremium der Zentralkommission. Er sah seine Hauptaufgabe in der administrativen und gesetzlichen Regelung der Denkmalpflege in Österreich, für welche er sich mit einer Energie und Zähigkeit eingesetzt hat, die ihm ein stets dankbares Andenken in der österreichischen Denkmalpflege sichert.
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Leider konnten aber diese Bestrebungen ebensowenig als die Bemühungen vieler ausgezeichneter Männer, die sich damals im Gremium der Zentralkommission und außerhalb desselben um die österreichische Denkmalpflege bemüht haben, nicht die fortschreitende Versandung der Institution verhüten. Sie beruhte auf Voraussetzungen, die sich allmählich verschoben haben, sie beruhte aber auch auf Kräften, die auf die Dauer nicht ausreichten. Denn wenn auch theoretisch ihre Funktionäre abgesetzt werden konnten, so geschah dies tatsächlich nur ganz ausnahmsweise, und so waren ihre Hauptstützen Altertumsfreunde und Künstler, deren Zeit nicht im Verordnungsblatte, doch im Leben längst abgelaufen war, so daß die Zentralkommission von der Kunst und Wissenschaft, man könnte beinahe sagen vom Leben selbst abgeschnitten, allmählich von der tatsächlichen Entwickelung überholt wurde, nicht nur von der allgemeinen europäischen Entwickelung der Denkmalpflege, sondern auch von der Entwickelung, die sich außerhalb der Zentralkommission in Österreich in der öffentlichen Meinung, in den einzelnen Teilen Österreichs vollzogen hat, wie einzelne damals entstandene selbständige oder relativ selbständige Organisationen beweisen, die sich wie die beiden Konservatorengremien in Galizien oder die Archäologische Kommission der Prager Akademie eine nicht geringe selbständige Bedeutung errungen haben. Es ist ein Irrtum, wenn man die große Wandlung in den Anschauungen, welche die letzten 25 Jahre der Denkmalpflege charakterisiert, einzig und allein auf englische und französische Einflüsse zurückführt. Es war die ganze Entwicklung der historischen Disziplinen, welche unabhängig von ästhetischen Glaubensbekenntnissen und verbunden mit einer Läuterung des Geschmackes dazu führte, daß man von den Pflichten alten Dokumenten gegenüber eine neue Anschaung bekam und sich ein Verantwortungsgefühl entwickelte, das zur Vermeidung der schlimmsten historisierenden Banalitäten und Brutalitäten führte. Und diese neue Moral, möchte ich sagen, der Denkmalpflege hat sich in Österreich früher in einzelnen Privatorganisationen, bei einzelnen führenden Männern entwickelt als in der Zentralbehörde, und führte zu Konflikten, von welchen als bedeutsamster der Kampf um die Gralsburg der Luxemburger, Karlstein, oder der Kampf um das Riesentor der Stephanskirche in Wien zu nennen wäre. In den neunziger Jahren hat sich daraus eine fast allgemeine Opposition gegen die Zentralkommission als rückständige Behörde entwickelt, und es hatte den Anschein, daß die Führung in den Angelegenheiten der Denkmalpflege ganz und gar auf lokale private Vereinigungen übergehe, von denen sich der Verein zum Schutze und zur Erhaltung der Kunstdenkmäler Wiens und Niederösterreichs in Wien und der Klub zur Erhaltung von Alt-Prag besonders große Verdienste erworben haben. Es hatte den Anschein, als ob die österreichische Denkmalpflege ganz in das Gebiet der privaten Initiative hinübergeleitet werden müßte, was für einzelne Gebiete vielleicht von Nutzen gewesen wäre, in anderen Gebieten aber ein vollständiges Preisgeben der Monumente bedeutet hätte. Da vollzog sich nun zu Beginn unseres Jahrhunderts plötzlich ein Wandel. Wie so oft bei bedeutsamen Sachen, spielte ein Zufall dabei eine Rolle. Im Jahre 1901 ist der damalige Redakteur der Mitteilungen der Zentralkommission gestorben, und
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die Redaktionsgeschäfte wurden meinem hochverehrten Lehrer Alois Riegl anvertraut, der eine viel zu tief angelegte Natur war, als daß er diese Aufgabe als eine rein geschäftliche aufgefaßt hätte, und der mit einer bewundernswürdigen Hingabe, mit einem Eifer, als ob er es geahnt hätte, daß seine Zeit bemessen war, die letzten drei Jahre seines Lebens der Reorganisation der Zentralkommission gewidmet hat. Es war ein unvergeßliches Schauspiel zu beobachten, wie Riegls hinreißende Persönlichkeit und seine glühende Überzeugung es vermochten, in der kürzesten Zeit der Zentralkommission eine neue ideelle Grundlage zu verschaffen. Riegl, dessen Standpunkt der radikalste Konservatismus Ruskins war, ist es zu verdanken, daß dieselbe Zentralkommission, die kurz vorher Restaurierungsprojekte in alter Bedeutung des Wortes verhandelte, ganz und gar bis zum ältesten Gremiumsmitglied von der neuen Auffassung durchdrungen wurde und die territoriale Entwickelung in Österreich überflügelnd auf dem allermodernsten Standpunkte stand. Und da zeigte sich wie im Schlechten der Nachteil, im Guten der Vorteil der zentralen Institution. Riegl, der zum Generalkonservator ernannt wurde, war unermüdlich bemüht, die neuen Gesichtspunkte auch in allen konkreten Angelegenheiten bei Kommissionen und Bereisungen in den einzelnen Teilen Österreichs zur Geltung zu bringen, und es gelang ihm, in kurzer Zeit überall in Österreich ein neues Leben in der Denkmalpflege zu begründen, ein neues Leben, welches das Unzureichende der alten Organisation um so greller hervortreten lassen mußte. Da es sich nicht mehr um Begutachtung von Restaurationsprojekten, sondern um Erhaltung der Monumente, nicht mehr darum handelte, ästhetische Gutachten abzugeben, sondern auf Grund einer Autopsie Maßnahmen zu treffen, welche zur Erhaltung der Monumente notwendig waren, mußte die alte gremiale Behandlung ganz versagen. Das alte Gremium hörte von selbst auf zu funktionieren, und die ganze Last der Geschäfte lag auf dem einen Generalkonservator, der ein Wundertäter hätte sein müssen, wenn er das alles hätte bewältigen sollen. Deshalb hat Riegl einen großen Organisationsentwurf ausgearbeitet, den er mit einem Denkmalschutzgesetz verknüpfte. Sein Denkmalschutzgesetz war ein sehr weitgehendes. Es hätte alle Denkmäler, alle Werke der menschlichen Hand umfassen sollen, von deren Entstehung 60 Jahre verflossen sind, soweit sie sich im öffentlichen Besitz befunden haben. Als Denkmalbehörde, welche die alte Zentralkommission ersetzen sollte, hat Riegl Landesdenkmalämter mit Landesdenkmalräten und ein Staatsdenkmalamt mit einem Staatsdenkmalrat vorgeschlagen. Ich muß mich ja nicht darüber verbreiten, wie schwer es in Österreich ist, eine große gesetzliche Regelung einer Institution herbeizuführen, und insbesondere eine große gesetzliche Regelung, welche große finanzielle Opfer erfordert, und so blieb leider Riegls Bestreben zunächst ohne Erfolg. Als nach Riegls allzufrühem Tode das Generalkonservatorat von Herrn Hofrat Neuwirth, von mir und Herrn Oberbaurat Deininger übernommen wurde, mußten wir einsehen, daß an eine solche radikale Änderung der Verhältnisse vorläufig nicht zu denken war, und so konzentrierte sich unser Bestreben darauf, den alten Bestand der Zentralkommission nach und nach auszubauen, wobei wir besonders drei
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Wege eingeschlagen haben. Wir bemühten uns, fachlich geschulte Beamte in der Zentralkommission anzustellen; wir bemühten uns, die wissenschaftliche Bedeutung der Zentralkommission hauptsächlich durch die Durchführung der Kunsttopographie wieder zu heben; und wir bemühten uns auch, das Gremium der Zentralkommission durch Einberufung von Männern, welche sich um die Kunst und Wissenschaft in Österreich verdient gemacht haben, neu zu beleben. Die Anstellung von fachkundigen Beamten ging freilich nur langsam vorwärts, so daß es erst in den letzten Jahren gelang, den Beamtenapparat so weit zu vermehren, daß wir heute von zwei Sekretären, vier Assistenten und einigen Praktikanten in der Handhabung der Denkmalpflege unterstützt werden. Nun, Sie haben ja gehört, welchen Aufschwung die Denkmalpflege in Österreich genommen hat, um ja wohl ohne weiteres zuzugestehen, daß diese zwei Sekretäre und vier Assistenten, soviel wir auch von den alten Ehrenkonservatoren unterstützt wurden, dem tatsächlichen Bedürfnis einer so großen Monarchie, wie es Österreich ist, um so weniger entsprechen konnten, als sich für die Denkmalpflege in Österreich in den letzten fünf Jahren ein im Vergleiche zu der vorangehenden Zeit unvergleichlich größeres Interesse entwickelte. Österreich ist das Land der verborgenen Kräfte, welche nur ihres Herrn und Meisters harren, wie ein Däne vor 50 Jahren gesagt hat; und einmal wachgerufen, haben die Interessen für alten Kunstbesitz bei uns eine Steigerung erfahren, die gewiß der reichsdeutschen Entwickelung nicht nachsteht, ja vielleicht noch viel intensiver dadurch geworden ist, daß es bei uns keine Übergangsstadien, keine Kompromisse gibt, sondern, wenn ich mich so ausdrücken darf, nur zwei Lager, ein großes rückständiges und ein kleines, aber lebensfrohes, fortschrittliches, bei dem es keinem Zweifel unterliegen kann, daß ihm die Zukunft, und zwar die nächste Zukunft gehören wird. So hat aber dieser Aufschwung dazu geführt, daß sich die Unhaltbarkeit der alten ehrwürdigen Behörde immer mehr erwies, einer Behörde, die nun hauptsächlich durch Riegls Verdienst auf einer ganz modernen ideellen Grundlage stand, die aber nicht die Machtmittel hatte, dieser ihrer ideellen Grundlage in ihrer Geschäftsführung Geltung zu verschaffen. Es stellt sich eine Verschleppung des Geschäftsganges ein, die ganz unerträglich war, es fehlte die Autopsie, es fehlte die Kenntnis der realen Verhältnisse: und so begann man allmählich die Zentralkommission als eine geistig hochstehende, aber schlecht funktionierende Behörde in Österreich anzusehen. Doch die Fundamente für die neue Entwickelung waren gelegt, und durch glückliche Umstände ist es gelungen, diese Fundamente rascher als man ursprünglich dachte, aufzubauen. Es war vor allem die hohe Förderung unseres Protektors, des Durchlauchtigsten Erzherzogs Franz Ferdinand, der stets mit der größten Sachkenntnis und der größten Energie sein Machtwort in die Wagschale legte, wo es sich darum handelte, den Forderungen der österreichischen Denkmalpflege Geltung zu verschaffen. Es war die Energie des neuen Präsidiums, das sich um die Organisation der Zentralkommission bemühte, es war der Druck der öffentlichen Meinung, die immer wieder auf die Unhaltbarkeit der Verhältnisse hingewiesen hat, es war
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nicht zum wenigsten das Verdienst der einstigen Konservatoren, welche ebenfalls nach einer Reform der Zentralkommission gerufen haben: so daß es gelungen ist, die Reform durchzuführen, die durch ein seit drei Monaten Allerhöchst genehmigtes Statut ihren Ausdruck findet. Es sind zwei Grundsätze, welche dieser Reform zugrunde liegen: einmal die ideelle Einheitlichkeit der österreichischen Denkmalpflege bei geschäftlicher Dezentralisation und zweitens der Aufbau der neuen Organisation auf einer durchaus fachlichen wissenschaftlichen Grundlage, und zwar ein Aufbau, der nicht mehr auf Ehrenfunktionären wie bisher, sondern auf verantwortlichen Beamten beruht. Diese beiden Grundsätze waren das Ergebnis der Lehre, die wir aus der alten Entwickelung der Zentralkommission gezogen haben. Sie beruhte aber auch auf einer Auffassung der Denkmalpflege, die vielleicht von der allgemeinen etwas abweicht, so daß ich Sie um die Erlaubnis bitte, sie mit einigen Worten zu erläutern. Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, daß heute die staatliche Fürsorge für den alten Kunstbesitz ihre Tätigkeit nicht darauf beschränken kann, erst das Interesse für alte Kunstwerke zu erwecken, um die wertvollsten davon vor Vandalismen schützen zu können. Nicht als ob solche Vandalismen nicht mehr vorkommen könnten; sie kommen gewiß heutigentags wie früher vor, sind aber mehr das Ergebnis utilitärer Beweggründe als einer allgemeinen Verständnislosigkeit, die überwunden wurde. Die Pietät, die Ehrfurcht vor alten Kunstwerken gehört im Gegenteil zu den wichtigsten Strömungen unseres heutigen Kulturlebens, so daß es wahrlich hieße Eulen nach Athen tragen, wenn man sie erst wachrufen wollte. Es wäre aber ein verhängnisvoller Irrtum, wenn man glauben würde, daß dadurch alle Gefahren für die alten Denkmäler beseitigt wurden. Ein rückständiger Dilettantismus, eine rückständige Kunst kann, wie die Vergangenheit lehrt, alten Denkmälern ebensoviel schaden als eine vorsätzliche Zerstörung, und gerade in der großen Ausdehnung der Idee der Denkmalpflege, in der großen populären Grundlage, die sie gewonnen hat, scheint mir eine sehr naheliegende Gefahr zu liegen, die Gefahr neuer Verirrung, ja, was tausendmal ärger ist, die Gefahr einer platten, formelhaften Auffassung. Ich bin gewiß der letzte, der die hohe ethische und soziale Bedeutung des Heimatschutzes unterschätzen würde, der berufen ist, an dem Ausbau der Denkmalpflege in der aktivsten Weise teilzunehmen; aber hüten wir uns, daß unsere Begeisterung, daß unsere Pietät nicht bei einer efeuumsponnenen Mauer stehen bleibt, hüten wir uns, daß der Heimatschutz, die Heimatkunde nicht auf das Niveau der alten Altertumskunde herabsinkt und uns vergessen läßt, daß typische Erscheinungen nur ein Widerschein der großen Kunstbewegungen gewesen sind, zu denen in erster Linie das allgemeine Verständnis, die allgemeine Pietät emporgehoben werden muß. [Beifall.] Das heißt mit anderen Worten: die staatliche Denkmalpflege hat noch andere Ziele, als sich von der allgemeinen Bewegung tragen zu lassen, sie muß diese Bewegung leiten, sie muß diese Bewegung tiefer bilden, sie hat eine große pädagogische Aufgabe. [Beifall.]
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Nun werden Sie mir vielleicht einwenden oder einige von Ihnen, daß es ja kaum denkbar ist, daß die Denkmalpflege der Gegenstand einer planmäßigen Weiterbildung, eines planmäßigen Unterrichts, wenn ich mich so ausdrücken darf, sein kann, da sie durch Momente bestimmt wird, welche nicht im voraus berechnet werden können. Doch gerade eine solche Auffassung muß auf das strikteste bestritten werden. Wer sich von den Schlagworten, welche in den letzten Jahren und Jahrzehnten die Denkmalpflege beherrscht haben, losringt und historisch die Entwickelung des Verhältnisses der Menschen zu alten Monumenten überblickt, der wird bald zu der Überzeugung gelangen, daß jene Auffassung der Denkmalpflege, welche wir als die Offenbarung des 19. Jahrhunderts betrachtet haben, nicht erst im 19. Jahrhundert begründet wurde. Er wird sich leicht überzeugen lassen, daß die Wertschätzung der malerischen Schönheit, welche auf Altersspuren beruht und auf dem Zusammenhang der Monumente mit ihrem Ambiente, nicht erst von englischen Präraffaeliten oder von französischen Kunstkritikern entdeckt wurde; er wird sich ferner überzeugen lassen, daß auch jene unbedingte Hochachtung vor der Authentizität der Kunstwerke nicht erst in dieser Periode ihren Ursprung hat, sondern beides tief in der ganzen Evolution der modernen Kunst und Wissenschaft, der menschlichen Anschauung und der menschlichen Forschung, der menschlichen Erkenntnis wurzelt, die sich in der Neuzeit vollzogen hat. [Beifall.] Wer sich darüber Klarheit verschaffen will, was uns an alten Städten, an alten Bauwerken und Landschaften, die mit architektonischer Staffage versehen sind, interessiert und packt, der braucht nur – um die letzten Stadien zu nennen – den Weg zu wandeln, der etwa von Guardi zu Turner, von Turner zu Whistler führt, deren Werke unwiderleglich beweisen, daß die Schönheit alter Bauten und Städte nicht durch Kunstschriftsteller des 19. Jahrhunderts entdeckt wurde, sondern auf der ganzen Entwickelung des künstlerischen Sehens beruht, und wer in das Wesen unseres rigorosen Verhältnisses zu der Authentizität der Kunstwerke eindringen will, braucht sich nur zu vergegenwärtigen, welche Wandlung sich in der Auffassung der historischen Wahrheit und Ihrem Verhältnis zu den Dokumenten seit der Renaissance und Reformation vollzogen hat. Wer aber diese Genesis des modernen Denkmalkults einmal kennen gelernt hat, der wird daraus notwendig die Konsequenz ziehen müssen, daß die Denkmalpflege wohl der Gegenstand eines Bildungsinstituts sein kann, welches im wesentlichen auf der modernen kunsthistorischen Auffassung aufgebaut werden muß. Ist schon der Österreichischen Kunsttopographie an Stelle des einfachen Inventarisierens der Zusammenhang mit der Entwickelungsgeschichte der Kunst eines Territoriums zugrunde gelegt worden, so soll nun im Zusammenhange mit der Zentralkommission ein Kunstgeschichtliches Institut für die Durchforschung Österreichs begründet werden, welches die Aufgabe übernimmt, nach und nach die territoriale Entwickelung der österreichischen Kunst klarzulegen, und welches zweitens die große Mission hat, geeignete Kräfte, geeignete Kunsthistoriker für den praktischen Denkmalschutz in Österreich zu erziehen, wie das Institut für österreichische Geschichtsforschung Beamte für den Archivdienst. Denn nur so qualifizierten Beamten soll in der Zukunft die Verwaltung des österreichischen Denkmalbesitzes anver-
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traut werden, wobei der Schwerpunkt der neuen Organisation in den Landeskonservatoraten liegen wird, die im ganzen und großen selbständige Verfügungen werden treffen können und selbständig für die Erhaltung des Denkmalbesitzes ihres Landes zu sorgen haben werden. Nur die allerwichtigsten Fragen von prinzipieller Bedeutung bleiben der Zentralbehörde, den von Sekretären unterstützten Generalkonservatoren, vorbehalten, die auch die Kontrolle der Amtsführung der Landeskonservatorate zu besorgen haben werden. Doch nicht nur die alte Kunst, sondern auch die neue Kunst, die Bedürfnisse des heutigen Lebens sollen nach denjenigen Gesichtspunkten, welche Herr Geheimrat Clemen ausgeführt hat, in der neuen Organisation ihre Geltung bekommen. Jedem kunsthistorischen Landeskonservator wird als ein vollkommen gleichberechtigter Kollege ein technischer Landeskonservator (der jedoch eine Spezialausbildung durch das Kunsthistorische Institut erhalten hat) zur Seite stehen, die Gutachten der beiden Landeskonservatoren sollen durchaus paritätisch sein, und nur in Fällen, wo sie sich nicht einigen können, wird die Entscheidung der Zentralbehörde vorbehalten. Es ist aber kaum zu befürchten, daß solche Uneinigkeiten vorkommen, denn wer dazu erzogen wurde, die Dinge von denjenigen Gesichtspunkten zu betrachten, die anzudeuten ich mir erlaubte, der wird bald einsehen, daß eine Uneinigkeit zwischen dem kunstgeschichtlich modern geschulten Beamten und zwischen einem Techniker, der der modernen Kunst nahe steht, nicht bestehen kann. So hoffen wir, daß diese neue Organisation eine neue Grundlage für die Weiterentwickelung der österreichischen Denkmalpflege schaffen wird. Wir hoffen, daß dabei vielleicht eines der schwierigsten Probleme der österreichischen Denkmalpflege wenn auch nicht gelöst, so doch zum Teil gegenstandslos gemacht wird: das Problem der Tendenz des Zentralismus und der Dezentralisation. Es ist ja klar, daß in einem so komplizierten Organismus, wie es der österreichische Staat ist, sich bei der Verwaltung des alten Denkmalbesitzes verschiedene zentrifugale und zentralistische Tendenzen geltend machen, Tendenzen der einzelnen Länder, der einzelnen Organisationen, Tendenzen, die bis auf den heutigen Tag vielleicht das größte Hindernis einer durchgreifenden gesetzlichen Regelung dieser hier in Betracht kommenden Probleme gewesen sind. Ich glaube nicht, daß diese Tendenzen in der Zukunft verschwinden werden, aber ich glaube wohl, daß ihnen die Spitze abgebrochen wird, wenn die Streitfrage den Tageskämpfen entzogen und auf das neutrale Gebiet des wissenschaftlichen und künstlerischen Fortschritts übergeleitet wird. Und dann hoffe ich noch etwas anderes. Neue Quellen der Bildung, neue Verhältnisse und Anschauungen erfordern ohne Zweifel neue Institutionen, und ich hoffe – vielleicht ist es eine Utopie –, daß diese neue Organisation, welche auf einheitlicher Vorbildung ihrer Träger, auf einheitlichen Voraussetzungen und Zielen beruht, als ein Drittes zu den Institutionen der künstlerischen Bildung auf historischer Grundlage, zu dem kunstgeschichtlichen Unterricht auf den Universitäten und zu den Museen sich gesellen wird, als ein Drittes, welches, weil es in der Erforschung der individuellen Eigenart der einzelnen Territorien beruht, vielleicht das allermeiste
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dazu beitragen könnte, unserem höchsten Ziele, einer neuen künstlerischen Kultur, die Wege zu ebnen. Auch das Denkmalschutzgesetz hat in Österreich in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. In der Kommission des Herrenhauses, welche seinerzeit noch auf Anregung des Freiherrn von Helfert zusammengestellt ist, wurde ein Entwurf vom Grafen Latour eingebracht und in der Spezialkommission durchberaten, dessen Annahme im Plenum des Herrenhauses wohl nur durch die Auflösung des Reichsrats verhindert wurde. Dieser Entwurf beruht auf denselben Tendenzen wie das neue Statut der Zentralkommission. Er sieht vor allem von jeder Klassierung der Denkmäler ab, die ja unseren heutigen modernen Anschauungen widerspricht. Er bezieht nicht den Privatbesitz ein, nicht nur deshalb, weil sich Maßnahmen zum Schutze des Privatbesitzes, soweit sie drakonischer Natur sind, stets als unwirksam erwiesen haben, sondern auch deshalb, damit das Gesetz nicht als unerträglicher Zwang empfunden wird. Dafür umfaßt er, wie gesagt, alle Denkmäler, die sich im öffentlichen Besitz befinden, schränkt aber das Gesetz durch die höchst wichtige und moderne Bestimmung ein, daß sie dem Schutz des Gesetzes nur insoweit unterliegen, als es mit ihrer Zweckbestimmung vereinbar ist. Diese Einschränkung charakterisiert vielleicht am besten die Tendenz unseres Reformwerks. Was wir wollen, ist eine Denkmalpflege, welche nicht im Gegensatz zur Gegenwart und ihren Bedürfnissen steht, eine Denkmalpflege, welche nicht die Gegenwart durch die Vergangenheit verfälschen, welche die Vergangenheit nicht zu einem Scheinleben erwecken, sondern eine Denkmalpflege, welche den alten Kunstbesitz als kostbaren Edelstein in das Werk der neuen Entwicklung einfügen will. Wir wollen eine Denkmalpflege, welche nicht als ein Zwang, sondern als eine Wohltat, als eine Bildungswohltat empfunden wird, eine Denkmalpflege, die nicht im Widerspruch zum modernen Leben und dessen kostbarsten Gütern, der modernen Kunst und Wissenschaft, steht, sondern daraus emporwächst. [Lebhafter anhaltender Beifall.]
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REZENSION: GESCHICHTE DER GARTENKUNST VON MARIE LUISE GOTHEIN (1914)*
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it großer Vorliebe haben sich in den letzten Jahrzehnten, besonders in England Frauen mit Gärten, ihrer malerischen und geschichtlichen Darstellung beschäftigt. Die Vorliebe des vorigen Jahrhunderts für lyrische Naturstimmungen und das Feminine der Blumenpflege mochte ihnen diesen Stoff als besonders geeignet für eine künstlerische und literarische Ausfüllung ihrer Mußestunden haben erscheinen lassen. Mit diesen modernen Evelinen hat Frau Gothein nichts zu tun. Ihre zwei umfangreichen, reich illustrierten Bände sind das Werk einer profunden Gelehrtenarbeit. Mit unendlichem Fleiße und mit großer Ausdauer, wie auch auf Grund einer erstaunlichen Belesenheit und Vertrautheit mit dem Materiale der Gesamtentwicklung der Gartenkunst von ihren geschichtlichen Anfängen bis auf den heutigen Tag wurde darin gesammelt, was sich an bedeutsamen Quellen und Denkmälern für die Geschichte der Gartenkunst von ihren Anfängen bis in die Gegenwart erhalten hat. Das riesige Material wurde mit Umsicht und kluger Berücksichtigung des Wesentlichen zu einer klar und gut geschriebenen Darstellung verarbeitet, die eine wissenschaftliche Kultur bezeugt, wie sie in der Gartengeschichte nicht gar zu häufig ist. In der Erörterung der eigentlichen Probleme hat sich die Verfasserin, wie es scheint, mit wohlbedachter Absicht eine gewisse Einschränkung auferlegt. Sie verfolgte, ohne sich in kulturgeschichtlichen Einzelheiten zu verlieren, den formalen Gesamtcharakter des Gartens in seiner geschichtlichen Entwicklung, doch unterließ sie es bis auf wenige Ausnahmen, dessen Zusammenhänge mit der allgemeinen Stilentwicklung zu untersuchen, wie es für bestimmte Perioden von Wölfflin oder Riegl vorbildlich durchgeführt wurde. Die Anregungen, die die Kunstgeschichte aus solchen Untersuchungen empfangen könnte, wenn man sie auf den ganzen Verlauf der Geschichte des Gartens ausdehnen würde, wären überaus groß. Ich weiß, daß manche Gründe für diese Zurückhaltung angeführt werden können. Es gibt große Perioden der allgemeinen Kunstentwicklung, die noch immer fast ausschließlich nur antiquarisch erforscht wurden und bei denen wir vorläufig weit davon entfernt sind, in die ihnen eigentümliche künstlerische Auffassung tiefer einzudringen, so daß eine die allgemeine Stilentwicklung berücksichtigende Geschichte der Gartenkunst mit großen Schwierigkeiten kämpfen und auf einem sehr
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Max Dvoøák: Rezension: Marie Luise Gothein, Geschichte der Gartenkunst, Jena, 1914, in: Kunstgeschichtliche Anzeigen, Beiblatt der «Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung», 1913, S. 126–138.
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schwankenden Grunde aufgebaut werden müßte, wogegen eine mehr deskriptive und auf die formalen Wandlungen der Gartenkunst beschränkte Schilderung gesicherte und bleibende Ergebnisse zu ermöglichen scheint. Dagegen ist aber einzuwenden, daß, abgesehen davon, daß dabei, wie schon angedeutet wurde, viel verloren geht, was man dem Buche verdanken könnte, diese Sicherheit vielfach nur eine scheinbare ist und in der Tat auf Annahmen beruht, die immer wieder durch das fortschreitende Eindringen in die allgemeine Stilentwicklung korrigiert werden. Denn so sehr sich auch die Verfasserin bemühte, einfach die Tatsachen aneinanderzureihen, so konnte sie sich natürlich doch nicht ihrer Aufgabe ohne kunstgeschichtliche Einwertungen und Erklärungsversuche entledigen und wäre darin ohne Zweifel zu anderen Ergebnissen gelangt, wenn sie die allgemeinen Kunstzustände mehr berücksichtigt hätte. So hätte sie meines Erachtens die Eigenart und große Bedeutung der Gartenkunst der römischen Kaiserzeit anders beurteilt, wenn sie zur Erläuterung ihres künstlerischen Charakters die gleichzeitige Monumentalarchitektur herangezogen hätte. Oder ein anderes Beispiel: Die größte und anscheinend fast plötzlich eintretende Wandlung in der Geschichte der Gartenkunst der Neuzeit bedeutet die Entstehung und der Siegeslauf des englischen Landschaftsgartens, dessen Ursprung Frau Gothein, nachdem sie mit Recht die ältere Ableitung von ostasiatischen Gärten abgelehnt hat, aus der gleichzeitigen poetischen und philosophischen Literatur erklären will. Sicher waren damals die Beziehungen zwischen Literatur und Gartenkunst besonders stark, doch nicht minder stark waren sie, wie der Verfasserin nicht entgangen ist, zwischen der Gartenkunst und Malerei, wobei die letztere sicher nicht aus der gleichzeitigen Poesie erklärt werden kann. Wäre Frau Gothein dieser Spur nachgegangen, so hätte sie sich leicht überzeugen können, daß die Übereinstimmung zwischen der romantischen Literatur und Gartenkunst nicht notwendig als Ursache und Wirkung aufgefaßt werden muß. Die Revolution in der Gartenkunst hätte sich kaum so elementar vollzogen und verbreitet, wenn sie nicht schon lange früher durch eine neue Bedeutung des Naturausschnittes für die Kunst vorbereitet gewesen wäre. Bereits um die Wende des XV. und XVI. Jahrhunderts sind Gemälde entstanden, in denen der Landschaft und ihren Stimmungswerten gegenüber der Mensch und seine Werke nur ein Attribut bedeuten und wenn auch in der Zeit der Reformation und Gegenreformation dieser positivistische Kultus der Allmacht und Schönheit der freien Natur durch andere Ideale zurückgedrängt wurde, so ist er nie ganz verschwunden. Es haben sich nicht nur in der Malerei Motive und Probleme besonders nördlich der Alpen erhalten, die ein Weiterleben jener merkwürdigen Naturverehrung bezeugen, sondern was wichtiger ist als diese Sonderströmung, allmählich lockerte das neue Verhältnis zur Natur in allen Künsten die ältere tektonische Gesetzmäßigkeit und Isolierung und man begann auch Bauwerke und Statuen subjektiv vom Gesichtspunkte der optischen Erscheinung in einer gegebenen Szenerie zu sehen und zu erfinden. Das gehörte bereits zu den wichtigsten Neuerungen der Seicentokunst, sowohl im Norden als auch in Italien. Der objektive architektonische Rhythmus als das höchste Gesetz der künstlerischen Gestaltung war längst tot, als ihm die Dichter und Natur-
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philosophen des 18. Jahrhunderts den Krieg erklärten. Bereits Borromini gab ihm den Todesstoß und nördlich der Alpen war er auch in seinem höchsten Glanze nie der einzige Ausdruck der gesamten künstlerischen Kultur. Es standen ihm auch in der Zeit seiner offiziellen Geltung andere Traditionen gegenüber, von denen wir noch sprechen werden. Wie viel früher als in der neuen landschaftlichen Gartenkunst begann in der Baukunst und im Kunstgewerbe die Vorliebe für asymmetrische und undulierende Linien, wie viel älter als man nach der literarischen Schwärmerei des 18. Jahrhundertes für die «von der Kunst unberührte» Natur schließen könnte, war ihr tatsächlicher Einfluß auf das künstlerische Empfinden. Beziehungen zum unbegrenzten Raume, zu weiten landschaftlichen Prospekten beginnen, um nur ein Beispiel anzuführen, bereits hundert Jahre früher die in sich geschlossene malerische Dekoration der monumentalen Innenräume aufzulösen. Bei Betrachtung der gesamten Kunstentwicklung ergibt sich also mit zwingender Notwendigkeit, daß der landschaftliche Garten und die seinen Idealen entsprechende Poesie und Philosophie Parallelerscheinungen waren, deren gemeinsame Wurzeln in einer viel weiter zurückreichenden allgemeinen Kunstkomponente gesucht und für die vielleicht noch tiefere Zusammenhänge angenommen werden müssen. Denn bei aller angestrebten Objektivität ist doch die Darstellung der Frau Gothein, wie ich glaube, etwas einseitig auf die Ausbildung des architektonischen Gartens eingestellt, was leicht aus der Bedeutung zu erklären ist, die er für die Kunst der Gegenwart gewonnen hat. Es fragt sich aber, ob historisch nicht mit gleichem Rechte die Entwicklungslinie zu verfolgen wäre, die zu dem Landschaftsgarten des 18. Jahrhunderts führte, ohne mit ihm abgeschlossen zu sein und deren Erforschung ohne Zweifel manchen Erscheinungen, ja vielleicht ganzen Perioden, einen neuen Sinn verleihen würde. So erscheint das Mittelalter, wenn man es mit dem Maßstabe des klassischen Altertums oder der Renaissance- und Barockgärten messen will, wie ein Aschenbrödel in dem Wettstreite der großen Kulturperioden, oder wie ein Lückenbüßer, bescheiden im Wollen und Können und ohne nachhaltige Wirkung auf die Gesamtentwicklung der Gartenkunst. Doch wie soll man an unentwickelte Kunstlosigkeit glauben in einer Zeit, die die romanischen Dome, die gotischen Kathedralen entstehen sah, oder an durch wirtschaftliche und soziale Gründe bedingte Anspruchslosigkeit, von der man besonders im späteren Mittelalter (doch auch schon früher) wahrlich weit entfernt war! Ebensowenig fehlte es an Anknüpfungspunkten. Die spätantiken Überlieferungen sind nie ganz verloren gegangen, die Wunder des Orient waren in Aller Munde. Doch wie wenig vermochte man tatsächlich mit diesen Vorbildern zu wetteifern. Alle Nachahmungen waren kaum mehr als Kuriositäten, wie die Moscheen oder Pagoden in den Gärten des 18. Jahrhunderts. Man versuche jedoch die Dinge von einem andern Gesichtswinkel zu sehen. Was vor allem die mittelalterlichen Gärten von allen vorangehenden unterscheidet, ist ein neues Verhältnis zur Natur, wie man es auch in der ganzen gleichzeitigen Kunst beobachten kann. Zu den Kennzeichen ihrer Entwicklung gehört die steigende Bedeutung der vegetabilen Motive, wobei jedoch alte Kulturpflanzen zurücktreten oder zum mindesten ihre führende Bedeutung einbüßen, um durch Wald- und Wiesen-
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blumen, durch heimatliche Bäume und Sträucher ersetzt zu werden. Es handelte sich dabei durchaus nicht nur um neue Motive, sondern zugleich um eine vollständige Umwertung der Naturfreunde und ihrer Quellen. Diese mittelalterliche Naturliebe unterschied sich mehrfach von den Beziehungen zur Natur im Altertum. Sie war vor allem nicht anthropozentrisch. Sie knüpfte nicht an Naturprodukte an, die im Laufe der Kulturentwicklung für den Kampf ums Leben, für religiöse Vorstellungen, für die soziale Entwicklung eine besondere Bedeutung gewonnen oder durch lange Kultivierung sich von der freien, unberührten Natur weit entfernt und zu einer Schöpfung der Kunstpflege und zur Verkörperung bestimmter Luxusbedürfnisse im Rahmen der Natur verwandelt haben. Noch heute stehen Völker, die am längsten und treuesten das Vermächtnis des klassischen Altertums bewahrt haben, mehr oder weniger auf diesem Standpunkte und haben, wie schon Hehn hervorgehoben hat, wenig Verständnis für wild wachsende Blumen und ebensowenig für wilde, unkultivierte Landschaften. Den Völkern, die nördlich der Alpen im Mittelalter eine neue Kultur geschaffen haben, war dagegen eine solche Einschränkung ganz fremd. Sie liebten und bewunderten die Natur, nicht der Bedeutung wegen, die sie im Einzelnen für die Menschheit gewonnen hat, sondern in ihrer Gesamtheit und um ihrer selbst willen. Als die Brüder van Eyck auf ihrem berühmten Schreine die heilige Gemeinschaft in den Gefilden der Seligen darstellen wollten, malten sie das Paradies nicht als einen kunstvollen Garten und schmückten es nicht mit Parkgewächsen und Gartenblumen, sondern versuchten die Pracht und Mannigfaltigkeit der heimatlichen Wald- und Wiesenflora zu schildern. Und blickt man zurück, findet man überall in der mittelalterlichen Kunst die Ansätze zu diesem allumfassenden Naturalismus, der keine Einschränkung kennt, sondern in allem was die Natur geschaffen hat, ein Werk der göttlichen Offenbarung und eine freudige Lebensbereicherung sieht, der sich mit derselben Liebe dem bescheidenen Veilchen oder Masliebchen zuwendet, wie den kostbarsten Kulturpflanzen und der, was mir das wichtigste zu sein scheint, die Natur nicht von Gesichtspunkte gegebener Kunstnormen betrachtet, sondern im Gegenteil, die unerschöpfliche Variabilität der Naturformen bis zu ihren geringsten individuellen Spielarten zur höchsten Norm des Verhältnisses zwischen Kunst und Natur erhoben hat. Man braucht jedoch nur etwa einen der gemalten Rosen- oder Liebesgärten anzusehen, um sich zu überzeugen, wie stark diese neue Naturauffassung auf die Gartenkunst des Mittelalters eingewirkt hat. Und wenn man vom Gesichtspunkte dieser Auffassung die Entwicklung der Gärten vom Mittelalter bis zur Gegenwart betrachten würde, fände man eine nicht minder durchlaufende Entwicklung wie beim architektonischen Garten. Beide Gesichtspunkte standen sich da durchaus nicht so schroff gegenüber, wie man nach den literarischen Kämpfen des 18. Jahrhunderts annehmen könnte, sondern bestanden als durchlaufende Entwicklungsfaktoren nebeneinander, wobei in bestimmten Perioden oder Gebieten der eine dem anderen gegenüber in den Vordergrund trat, beide jedoch der allgemeinen Stilumbildung unterworfen waren. Es scheint mir, daß eine solche Betrachtung auch für die Beurteilung der Gartenkunst des vorigen Jahrhundertes von Belang wäre. In der Darstellung der Frau
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Gothein erscheint sie als eine Periode des Niederganges, dem gegenüber erst in der jüngsten Zeit ein neues, fruchtbares Weiterschreiten beobachtet werden kann. Man könnte fragen, wie diese Stagnation in einem Zeitalter zu deuten sei, in dem Naturbewunderung einen Grad und allgemeine Verbreitung erreicht, wie nie früher in der Geschichte der Menschheit und nicht nur für die Poesie und Malerei, sondern für das ganze Leben eine nie dagewesene Bedeutung gewonnen hat. Doch liegt nicht gerade darin der Grund für die eigenartige Stellung der Gartenkunst des vorigen Jahrhunderts? Verwandelte sich nicht in der allgemeinen Empfindung die ganze unbegrenzte Natur in eine Quelle der Lebensfreude und geistigen Erhebung, der gegenüber die schönsten Parks und Gärten nur ein unbedeutendes Surrogat bedeuten? Und ist nicht diese beispiellose Bevorzugung und Bewunderung der natürlichen landschaftlichen Szenerie die natürliche Folge und Weiterentwicklung jener Bewegung, die im 18. Jahrhundert zum landschaftlichen Garten führte, damals aber noch nicht minder wie die gleichzeitige architektonische Gartenkunst an komponierte Landschaften oder mit anderen Worten, der formalen Unendlichkeit der Natur gegenüber an mehr oder wenig begrenzte Vorstellungen von Stil und Größe in der Landschaft gebunden war, die Natur ebenso korrigierte, wie die Entwürfe der großen Gartenarchitekten! Gerade darin bestand die Wichtigkeit dieses Zwischenstadiums, weit mehr als in der literarisch gepriesenen Anlehnung an die Natur, die nur den Zeitgenossen neu erschien, weil sie neu dosiert war. Während im Mittelalter und in der Renaissance die Bewunderung und Nachahmung der Natur mehr oder weniger in Einzeleindrücken bestand, die addiert wurden, lernte man im 17. und 18. Jahrhunderte sowohl in architektonischen Gestaltungen, als auch in dem Wettstreite mit der Natur die Gesamteindrücke, die großen Prospekte, die Wirkung der Flächen, der Massen, des ganzen Stiles, der einheitlichen Stimmung eines landschaftlichen Gebildes zu beobachten, was schließlich zu der Entdeckung führen mußte, daß alle diese Werte in der wirklichen großen Natur unvergleichlich inhaltsreicher und wirkungsvoller vorhanden sind, als in ihren Gartenparaphrasen, wodurch die Kunstgärten viel von ihrer Sonderbedeutung eingebüßt haben. Und doch hat diese Entwicklung auch auf sie in mancher Beziehung fördernd eingewirkt. Mit Recht hat die Verfasserin auf das Anwachsen der botanischen Interessen hingewiesen, das in der Gartenkunst des vorigen Jahrhundertes beobachtet werden kann. Dies war nur natürlich in einem Zeitalter, in dem Wissenschaften und besonders positive Wissenschaften als Ausdruck der neuen genetisch-pantheistischen Weltanschauung einen so gewaltigen Einfluß auf das ganze geistige Leben gewonnen haben. Vielleicht kommt einmal die Zeit und vielleicht ist sie nicht so ferne, wo man die Einwirkungen des naturwissenschaftlichen Materialismus auf die Kunst nicht anders beurteilen wird, wie jeden anderen Einfluß einer teleologischen Deutung der Welt auf die künstlerische Fantasie, und sie nicht als eine Preisgabe der Kunst an die Wissenschaft, sondern als die notwendige Folge einer neuen allgemeinen geistigen Orientierung der sichtbaren Welt gegenüber auffassen wird. Die Glashäuser, die Kultivierung neuer Pflanzen, die aus der ganzen Welt zusammengetragen wurden, der neue Blumenluxus, der alles vorangehende übertrifft, sind gewiß nicht nur Erschei-
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nungen eines botanischen Bildungsphilisteriums, sondern hängen geradeso wie ähnliche Erscheinungen in der ägyptischen oder römischen Kultur mit einer neuen künstlerischen Kultur zusammen, deren eigentümlichen Inhalt erst zukünftige Generationen genauer übersehen werden können und die sicher nicht nur gegenständlich für die Gartenkunst von Bedeutung war, sondern auch auf ihre formalen Aufgaben den größten Einfluß ausgeübt hat. In den architektonischen und landschaftlichen Gärten der Barockzeit hatte man wenig Verständnis für das Wesentliche der natürlichen Erscheinung oder gar für den individuellen Charakter der vegetabilen Motive, dem die gotische Kunst in der vorangehenden Periode so viel Liebe und Studium entgegenbrachte. Wie groß ist der Umschwung, der nach dieser Richtung hin in der Gartenkunst des 19. Jahrhunderts beobachtet werden kann und der sich nicht nur auf die Bewunderung der «Solitärbäume» beschränkt, sondern dazu führte, daß die meisten Pflanzengattungen, die in der Gartenkunst verwendet werden, durch gesteigerte Pflege ihrer Wachstumsbedingungen zur höchsten Entfaltung ihrer Eigenart gezogen wurden, deren naturalistische oder stilisierende Bewältigung auch in der gleichzeitigen Malerei eine so bedeutsam Rolle spielte. Man kann die Gartenkunst des vorigen Jahrhundertes kaum richtig verstehen, wenn man sich nicht vergegenwärtigt, wie viel wichtiger und ergötzlicher als die genialste architektonische Gartenkomposition unseren Eltern ein blühender Garten oder auch nur ein blühender Strauch war, der durch besondere Blütenpracht das Auge fesselte. Malerische Darstellungen von Gärten aus der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhundertes können uns darüber am besten belehren. Daß für diesen modernen Pflanzenkult, der das natürliche Korrelat des allgemeinen Naturkultes in der Kunstgärtnerei war, wichtiger als Künstler Berufsgärtner waren, ist wohl nebensächlich; sie waren ebenso Interpreten allgemeiner ästhetischer Bedürfnisse wie im Mittelalter die Steinmetzen, die gotische Dome gebaut haben. Außerdem glaube ich, daß man verschiedene Merkmale der Gartenkunst des 19. Jahrhunderts erst dann verstehen wird, bis man die neueste Gartenkunst besser überblicken wird. Ihre Neuerungen sind ebensowenig wie jene des landschaftlichen Gartens ohne ältere Anknüpfungspunkte denkbar, die nicht allein in den architektonischen Gärten der Barockzeit gesucht werden können. Und da drängt sich wiederum die Frage auf, ob man die Entwicklung des architektonischen Gartens vom Mittelalter bis zur Gegenwart als eine einheitliche auffassen kann. Die heutigen architektonischen Gärten sind von den architektonischen Anlagen des 17. und 18. Jahrhunderts zumindest ebenso verschieden, wie die letzteren von gleichzeitigen Landschaftsgärten, wobei es sich nicht nur um verschiedene Phasen der Bewältigung der Aufgaben, sondern weit mehr um eine ganz verschiedene Stellung zu denselben handelt. Zwei Eigentümlichkeiten unterscheiden grundsätzlich die heutigen architektonischen Gärten von den barocken. Einmal, worauf auch von der Verfasserin hingewiesen wurde, das Bestreben nach einer in sich geschlossenen Raumwirkung und die damit zusammenhängende Abgrenzung der Landschaft gegenüber, die man als Aussicht liebt, doch ohne sie in die architektonische Form der Gärten einzubeziehen. Nicht minder bezeichnend ist aber der streng tektonische Charakter für den Gartenstil der Gegenwart. Für Barockgärten
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galt als höchstes Gesetz unbedingte Rücksicht auf die einheitliche und zentralisierte Gesamtwirkung. Einer subjektiven architektonischen Idee mußten sich das Gelände, das Wasser, die Vegetation und die Gartenarchitektur vollständig unterordnen und hatten, zu Massen geformt, keine künstlerische Bedeutung, die nicht aus dieser dienenden Rolle sich ergeben würde, für die in der Regel die größtmögliche Betonung des Hauptbaues als der künstlerischen Dominante der Anlage maßgebend war. In den architektonischen Gärten der Gegenwart herrscht dagegen ein tektonischer Rhythmus, ein harmonisches Verhältnis zwischen dem Ganzen und allen Teilen, die auch gesondert ihren eigenen künstlerischen Wert besitzen, so daß eine gewisse Gesetzmäßigkeit der Proportionen, des Verhältnisses zwischen Form und Fläche und selbst der farbigen Wirkungen überall beobachtet werden kann, in die auch die Bauten und Skulpturen einbezogen werden. Sind das ganz neue Erscheinungen, für die es keine vorangehenden Analogien gibt? Man findet unschwer ähnliche Bestrebungen in antiken Gärten einer bestimmten Entwicklungsstufe, in der Renaissance, in Palladianischen Parks und im Klassizismus, so daß zumindest vom Anfang des 15. Jahrhunderts an eine fortlaufende Entwicklung des tektonischen Gartens verfolgt werden könnte, die eine neue Beurteilung einiger in der Darstellung der Frau Gothein etwas zurücktretender Phasen in der Geschichte der Gartenkunst ermöglichen würde. Sicher waren die italienischen Quattrocentogärten ein Übergang und eine Vorbereitung zu den großen, unübertroffenen Villen des 16. Jahrhunderts, doch waren sie nur dies? Mit demselben Rechte könnte man behaupten, daß Donatellos Werke nur als eine Vorstufe der Werke Michelangelos aufzufassen sind. Am meisten leiden jedoch durch die Vernachlässigung dieser Gesichtspunkte die deutschen Renaissancegärten, die sich so vielfach in der glücklichen Vereinigung der tektonischen Gebundenheit mit der sich fast notwendig in der Gartenkunst aus ihr ergebenden räumlichen Geschlossenheit mit der heutigen Gartenkunst berühren. Nach der Auffassung der Verfasserin hatte die deutsche Kunst keinen wesentlichen selbständigen Anteil an der Entwicklung der Gartenkunst, was ich für einen Irrtum halte. Doch auch die klassizistischen Gärten besitzen meines Erachtens den barocken gegenüber eine eigene und nicht geringe Bedeutung, auf der z. B. der eigentümliche Reiz beruht, den die Villa Albani auf uns ausübt und der schwer erklärlich wäre, wenn es sich nur um eine späte und unselbständige Variante der italienischen Gärten des 16. und 17. Jahrhunderts handeln würde. Die Entwicklung ist eben nicht, wie die ältere genetische Geschichtsforschung glaubte und zuweilen noch heute glaubt, – zumindest nicht in der Geschichte der Kunst, eine geradelinig fortschreitende, sondern setzt sich aus verschiedenen intermittierenden genetischen Abfolgen zusammen, die sie zuweilen zu scheinbar überwundenen Phasen zurückleiten, die sich kreuzen und, vorübergehend durch gemeinsame Berührungspunkte verbunden, nebeneinander bestehen können und die freilich in ihrem letzten Sinne und Ziele zu einem einheitlichen Stadium in der historischen Evolution der Kunst zusammenfließen, doch als Produkte des einheitlichen Umbildungsprozesses der Kunst nur von großen historischen Distanzen und nie auf Grund eines einzelnen begrenzten künstlerischen Problems übersehen werden können.
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Doch um zu dem Buche der Frau Gothein zurückzukehren, vermindern, wie ich ausdrücklich betonen möchte, die verschiedenen Desiderien und Einwendungen, die vom kunstgeschichtlichen Standpunkte erhoben werden könnten, kaum wesentlich den Wert des trefflichen Werkes, dessen Bedeutung mir vor allem darin zu liegen scheint, daß es brauchbare bleibende Unterlagen für alle zukünftigen Forschungen auf dem Gebiete der Gartenkunst geschaffen, dem jedoch die Kunstgeschichte auch sehr viel unmittelbare Belehrung zu verdanken hat. Einzelne Entwicklungsstadien des Gartens wurden von Frau Gothein zum ersten Male näher untersucht und dargelegt, es gelang ihr manche interessante Beziehungen nachzuweisen und was sicher nicht das Unwichtigste ist: der Versuch, ein bestimmtes Gebiet des künstlerischen Schaffens von seinen historisch feststellbaren Anfängen bis auf die Gegenwart zu verfolgen, bietet, ohne vorgefaßte Hypothesen durchgeführt, an und für sich, auch wo nicht ausdrücklich darauf hingewiesen wird, wertvolle Einblicke in allgemeine Fragen der Kunstgeschichte. Zwei scheinen mir besonders beachtenswert zu sein. Unter allen Künsten ist die Gartenkunst naturgemäß am stärksten von der Bodenbeschaffenheit, Vegetation, klimatischen Verhältnissen und dem Zustande der materiellen Kultur abhängig und dennoch haben auch auf diesem Gebiete der Kunst, das die Natur in natura in seine Kreise einbezieht, geographische Voraussetzungen auf den stilistischen Inhalt nur einen mittelbaren und keineswegs immer entscheidenden Einfluß ausgeübt. Die künstlerischen Elemente, die die Gartenkunst von dem Nutzanbau unterscheiden, waren davon wenig abhängig, und zwar bereits in den ältesten Zeiten. Im blumenarmen Ägypten hat sich der Blumenkult entwickelt, in den Ebenen Mesopotamiens baute man in den Gärten künstliche Berge. In China, dem Lande der intensivsten Bodenbebauung, ergötzte man sich an landschaftlichen Szenerien, im Landleben wurzelt dagegen der architektonische Garten und die Bewohner der Riesenstädte der Gegenwart flüchten sich, Erholung suchend, in Berge und Wälder. In Sandwüsten wird der große Wasserreichtum geschaffen, in waldreichen Gebieten zierliche Blumengärten. Der Garten als künstlerische Gestaltung war nie und nirgends ein notwendiges Produkt der geographischen Verhältnisse und der materiellen Kultur, sondern dadurch vom Nutzanbau sich unterscheidend, ein Werk der unerschöpflich sich erneuernden Fantasie, die, erfüllt von religiösen Ideen, Mythos, Symbolen der Lebensmächte und Lebensquellen, Jagd und Kampf, Spielund Prunkbedürfniss, poetischen Vorstellungen, Gefühlsassoziationen und Weltanschauungsbekenntnissen, geleitet vom allgemeinen, rationell unerklärlichen Stilempfinden eine nur historisch bedingte und jeder vom naiven Positivismus des vorigen Jahrhundertes erträumten gesetzmäßigen Ableitung sich entziehende Abfolge von Kunst- und Kulturwerten geschaffen hat. Eine zweite allgemeine Feststellung, die man dem geschilderten Gesamtverlaufe der Gartenkunst entnehmen kann, bezieht sich auf die historische Kontinuität. Man kann auf keinem anderen Gebiete der Kunst so deutlich beobachten, daß alles, was die Kunst in historisch übersehbaren und untereinander zusammenhängenden Kulturperioden geschaffen hat, nie mehr ganz verloren ging, sondern immanent zum Inhalte der ganzen folgenden Entwicklung gehörte, dabei aber immer wieder eine neue Bedeutung
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bekam. Das gilt sowohl für einzelne Motive, als auch für allgemeine Richtungen und Lösungen. Sie verschwinden scheinbar oder verkümmern, um oft nach Jahrhunderten und ohne daß man auf ihre Entstehungszeit zurückgreifen würde, neu aufgenommen und in eine neue Entwicklung eingefügt werden, etwa wie uralte Märchen, die sich in der Volkstradition oder sonst irgendwie erhalten haben, in neuen Dichtungen eine Auferstehung feiern. Wie alt ist z. B. die Ahnenreihe des Bronzebaumes der Madame de Montespan oder des Schneckenhügels der Wahlverwandtschaften, ohne daß wir sie in ihrem Verlaufe und ihren Verzweigungen verfolgen könnten. Wie lehrreich für die Beobachtung historischer Zusammenhänge ist die Geschichte der gemalten oder gewebten Gärten, die wirkliche vortäuschen sollen. Sie erstreckt sich von der altägyptischen Kunst bis zur Gegenwart, wobei Perioden, in denen sie auf einer hohen künstlerischen Stufe stand, mit solchen wechseln, in denen sie, wie in den späteren orientalischen Teppichen, in den abendländischen, spätmittelalterlichen Verduren oder in der heutigen Ausmalung der Gasthausgärten zu einer kaum mehr verstandenen handwerksmäßigen Formel herabgesunken war. Weder Vorbilder, die es kaum gab, noch literarische Beeinflussung können erschöpfend die weitgehenden Übereinstimmungen zwischen den architektonischen Gärten der späteren Antike und der italienischen Renaissance erklären, Übereinstimmungen, die ebensowenig aus geographischen Vorbedingungen abgeleitet, als auf selbständige Parallelschöpfungen zurückgeführt werden können, sondern in historischen Kontinuitäten, die genau zu verfolgen wir nicht imstande sind, ihre Ursache haben müssen. Die Kunstwerke vergehen, doch das geistige Faktum, das in ihnen verkörpert war, bleibt auch über ihre materielle Existenz hinaus, ein integrierender Teil der ganzen folgenden Kunstentwicklung. Es liegt darin eine Warnung. Unter dem Einflusse der alten pragmatischen Begriffsbildung operieren wir in der Kunstgeschichte noch viel zu viel mit scharf von einander abgegrenzten Kunstperioden oder Kunstkreisen, deren gegenseitiges Verhältnis man oft auch dort durch renaissancemäßige Bewegungen, durch unmittelbare Einflüsse alter Kunstperioden auf neue erklärt, wo es sich um eine autonome Entwicklung inhärenter Niederschläge vergangener Kunstperioden handelt, die zu einem neuen selbständigen Leben erwachten, wodurch umgekehrt erst allmählig alte Kunstwerke ähnlicher Art in den Kreis der allgemeinen Beachtung und ästhetischer Würdigung gezogen wurden. Fehler und Trugprobleme dieser Art werden um so leichter vermieden, je mehr man sich bemüht, nicht nur Übereinstimmungen, sondern auch stilistische Unterschiede der Kunstwerke verschiedener Zeiten und Gebiete ins Auge zu fassen und von ihrem besonderen historisch determinierten Stilcharakter auszugehen, dessen richtige Deutung das beste Mittel bietet, alle Beeinflußungstheorien auf das richtige Maß einzuschränken. Das scheint selbstverständlich zu sein, geschieht aber höchst selten. Zum Schlusse möchte ich mir erlauben, eine Anregung zu geben. Es könnte der verehrten Verfasserin kaum eine große Mühe verursachen, ihr grundlegendes Werk durch einen Textband zu ergänzen, der wichtige oder besonders bezeichnende Gartenschilderungen aus Zeiten und Gebieten enthalten würde, für die wir nur geringes Anschauungsmaterial besitzen. Ein solches Quellenbuch würde der Kultur- und Kunstgeschichte große Dienste leisten und sicher auch sonst Freunde und Leser finden.
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DUINO (1917)*
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in altes Schloß am Meere ist zerschossen worden! In dem Strome der Schrecknisse, von dem wir umgeben sind und in dem alles, was Kriege in den letzten tausend Jahren an Vernichtung und Verwüstung zur Folge hatten, während der kurzen Spanne von zwei Jahren überboten wurde, bedeutet dies nur eine nebensächliche Episode. Wieviele Schlösser – in wirklicher und übertragener Bedeutung des Wortes – alte Kulturgüter, bescheidene und reiche, weniger bekannte oder allgemein bedeutsame Stätten alter Überlieferungen, tief wurzelnder Lebensbezüge, mannigfach verzweigter Erinnerungen wurden zerstört. Und doch scheint mir, als ob der Fall von Duino in der Chronik der Ereignisse, die in unfaßbarer Eindrucksstärke an uns vorbeiziehen, eine besondere Beleuchtung erfordern würde. Die Ruinen der alten Burg auf der Rocca dei Duinati (Abb. 2, 3) und das neue Schloß von Duino waren weit und breit, besonders von der Meerseite aus, die Fernsicht beherrschend, unlösbar verwachsen mit dem merkwürdigen landschaftlichen Gepräge, der die blühende Bucht von Sistiana einsäumenden und ins Meer sich stürzenden Karstfelsen, sagenumsponnen und zugleich historisch ehrwürdig, ein monumentales, gleichsam im Kreuzungspunkte der vom Osten und Westen, vom Norden und Süden kommenden Wege und Kulturströme im Laufe der Zeiten entstandenes Wahrzeichen der nördlichen Adriaküste. Eine prähistorische Siedelung befand sich dort, später ein römisches Kastell, dann eine mittelalterliche Burg und endlich ein renaissancemäßiges Schloß. In den Besitz und die Hoheitsrechte teilten sich der Süden mit dem Norden. Die Patriarchen von Aquileja, deutsche Kaiser, Venezianer, die Habsburger übten die letzteren aus und als Besitzer kamen nach den autochthonen «Dynasten» von Duino die österreichischen Herren von Walsee; nach diesen und nach einer Periode, in der das Schloß von österreichischen Pflegern und Statthaltern verwaltet wurde, in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit der Flutwelle der italienischen kulturellen Expansion die aus der Lombardei stammenden Grafen de la Torre, denen seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts wiederum deutsche Geschlechter folgten. Und mit den Besitzern veränderten sich auch die Bauten. Der Kern des neuen Schlosses stammt aus dem Ende des 14. Jahrhunderts. Damals mochten die neuen Anforderungen an Bequemlichkeit und Luxus, welche die werdende Renaissance mit sich brachte, die neuen Besitzer bewogen haben, sich eine neue Residenz zu
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Max Dvoøák: Duino, in: Mitteilungen der k. k. Zentralkommission, 3. F., 15, 1916–17, S. 53–58.
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bauen in der Nähe der alten Felsenburg, die von da an nur als ein Nebenbau gedient zu haben scheint, bis sie genau vor vier Jahrhunderten von den Venezianern zerschossen wurde, wie heuer das neue Schloß von der Italia unita. Dieses neue Schloß wies in seinem baulichen Charakter Spuren verschiedener Jahrhunderte auf. In merkwürdiger und sehr wirksamer Verbindung vereinigen sich mit einer im wesentlichen noch mittelalterlichen Burganlage mit ihren felsenartigen, wenig gegliederten Massen, Bauten, die den aufs Wohnliche und architektonisch Regelmäßige gerichteten Sinn der Baukunst der Renaissance erkennen lassen, daneben wiederum barocke Formen, wie sie in ihrer schweren, stolzen Pracht Scamozzi liebte, bernineske Statuen und in den Sälen, die eine Fülle von Kunstwerken bargen, zierliche Stuckdecken aus dem 18. Jahrhundert. Das Gesamtbild war besonders in Verbindung mit Landschaft und Vegetation ungemein malerisch und gehörte zu Eindrükken, die unvergeßlich sind. Darum sind wir nun ärmer geworden und die Umstände, die diesen Verlust begleiten, gestalten ihn nicht nur von unserem, sondern auch von allgemein menschlichem Standpunkte besonders schmerzlich. Es sind viele Kunstwerke in diesem furchtbaren Kriege vernichtet worden, aus unabwendbarer Notwendigkeit – das wissen heute unsere Feinde so gut wie wir, und wir beklagen es, auch wenn es sich um ihre Denkmäler handelt, nicht minder als sie – doch davon kann bei Duino keine Rede sein. Das Schloß war keine militärische Position, kein Beobachtungsposten, kein Zufluchtsort: unbewohnt, nur von einem Verwalter bewacht und friedlich lag es hinter der Front, entfernt von jeder militärischen Stellung – und trotzdem hat man unberührt von der Schönheit des Anblickes eines Tages hineingeschossen und später wieder, zwecklos, bis die alten Gebäude zusammenfielen. Man kann gewiß nicht von Soldaten im allgemeinen kunsthistorische Kenntnisse verlangen. Darum handelte es sich bei der Zerstörung von Duino auch nicht. In alten Zeiten gab es ästhetische Werte, die von jedem theoretischen Kunstverständnis unabhängig sind und mehr oder weniger durch den allgemeinen Zustand der Geistes- und Gefühlsbildung einer Epoche oder einer Nation bestimmt werden. In ihnen drückt sich das Maß des wahren Verhältnisses eines Gemeinwesens zur Kunst aus, das nicht angelernt oder vorgetäuscht werden kann, sondern ähnlich, wie gesellschaftlicher Anstand oder persönlicher Takt als das Ergebnis einer allgemeinen Kulturstufe eine unbewußte Selbstverständlichkeit bedeutet. Wohl ist die Kunst in der Gegenwart, wie nie früher, ein abstraktes Bildungselement geworden; dennoch wäre es aber ein Irrtum zu glauben, sie könne keine jedem zugänglichen und überall, unabhängig vom Wissen und gesellschaftlicher Stellung, erhebend und veredelnd wirksamen Eindrücke bieten. Wie die Weltanschauung heute unendlich differenzierter ist als je vorher, so trägt auch ihr Spiegelbild, die Kunst, einen scheinbar weniger einheitlichen Charakter als in früheren Zeiten und ist vielfach mit Subtilitäten verbunden, die nur schwer unmittelbar in der allgemeinen Auffassung einen Widerhall finden können. Doch auf dem Urgrunde aller künstlerischen Prozesse liegt auch in der Gegenwart ein einheitliches, künstlerisches Empfinden. Zu seinen wichtigsten Merkmalen gehört außer der Versenkung in die Geheimnisse des subjektiven
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GESCHICHTE
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Seelenlebens und Weltbewußtseins die Bewunderung der Naturschönheit und der Naturgewalten als der Verkörperung der kosmischen Gesetze und des großen Hintergrundes des geschichtlichen Geschehens, dem gegenüber alles Alltägliche oder nur materiell Faßbare entschwindet und durch eine traumhafte Fernsicht ersetzt wird, in der aus dem Gegensatze der Unendlichkeit der hier waltenden Kräfte zu der Begrenztheit und Bedingtheit des individuellen Daseins jene geistige Erhebung entsteht, die den wichtigsten gemeinverständlichen Inhalt einer künstlerischen Empfindung bedeutet. Werke der Kunst, monumentale Zeugnisse der Vergangenheit verwandeln sich über ihren besonderen Kunstwert hinaus in diesem Zusammenhange in Erscheinungsformen der auf dem Wirken der Urgewalten der Natur und der Verbindung der Geschicke der Menschheit mit ihr beruhenden Schönheit und Erhabenheit, und während die komplizierten Probleme eines bahnbrechenden Kunstwerkes, einer tiefen Dichtung schwerer als je sich dem allgemeinen Verständnis erschließen können und nie in dem Maße Gemeingut werden, wie in Zeiten, wo sich die formellen Aufgaben restlos mit einem allgemeinen zugänglichen geistigen Inhalt gedeckt haben, finden die auf dieser Schönheit und Erhabenheit beruhenden Eindrücke überall, beim naiven Beobachter nicht minder als beim Unterrichteten, einen Widerhall, wo von einer wirklichen künstlerischen Kultur in der heutigen Bedeutung des Wortes gesprochen werden kann. Die Bildung eines Volkes ist aber nach seinem Verhalten zu solchen Werten zu beurteilen, die einen Niederschlag dessen bedeuten, was die Kunst in ihrer Gesamtheit für die Gegenwart geworden ist, und dazu gehören zweifellos in der Gegenwart Werte der geschilderten Art. Nicht darum handelt es sich, wie viel man von Botticelli oder Holbein, von gotischen Kathedralen oder barocken Palästen weiß; doch roh und ungebildet sind Menschen, in denen ein Gesamtbild, wie jenes von Duino, in dem sich Natur und Vergangenheit zu einem hinreißenden Akkord vereinigten, keine anderen Gefühle als die der maßlosesten Zerstörungswut zu erwekken vermochte. Die Erzählung, die den Dichter der «Göttlichen Komödie» auf dem kleinen Felsen unterhalb Duinos um sein verlorenes Vaterland trauern läßt, mag ein Phantasiespiel sein. Welche Bedeutsamkeit gewinnt jedoch diese Legende als eine Parabel dessen, was sich in der Gegenwart vollzogen hat. In einer tragischen Bedeutung des Wortes ist ein neues Italien entstanden: – wir alle, die wir das alte näher kennen, haben mit Schaudern das Werden des neuen beobachtet – ein Italien, dem die Geister fremd sind, die es einst nach Dantes Worten in einen Garten der Welt verwandelt haben. Es ist eine merkwürdige Ironie der Geschichte, daß bei den italischen Nachkommen jenes Volkes, das auf politischem, mit einer genialen Begabung für die Einrichtung rechtlich geordneter Zustände verbundenen Machtwillen nicht nur seine Weltherrschaft aufgebaut, sondern auch für alle Zeiten der staatlichen Betätigung der Völker neue Bahnen gewiesen hat, die politische Entwicklung sich fast durchwegs nicht in Übereinstimmung mit den höchsten geistigen Idealgütern der Nation, sondern im Widerspruche dazu vollzogen hat. Im Mittelalter und in der Renaissance blieb den letzteren zum Segen für das italienische und ganze europäische
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Geistesleben das Übergewicht gewahrt, im vorigen Jahrhundert siegten aber politische Ziele zum Nachteil des geistigen Reichtums und der geistigen Fruchtbarkeit Italiens. Man versuche einmal von der hohen Warte der allgemeinen geistigen Bedeutung einen Vergleich zu ziehen zwischen dem gegenwärtigen Italien und nicht etwa dem Italien Dantes und Petrarcas, Michelangelos und Ariosts, nein, jenem Italien, welches noch vor hundert, vor fünfzig Jahren dank der Bedeutung seiner führenden Männer und ihrer Ideen innerhalb des geistigen Ringens der europäischen Völker eine selbständige und wichtige Rolle spielte. Wo ist das Italien Vicos, Parinis, Manzonis, Cavours, Carduccis? Advokaten, Beamte und Berufspolitiker sind Führer der Nation geworden, prägten die Schlagworte, die sie beherrschen und auf deren Grunde man die Kasuistik einer längst veralteten Prozessualordnung, die Horizontenge eines zum Selbstzweck gewordenen Beamtentums und das hohle Pathos einer Volksvertretung finden kann, in der wie bei keiner zweiten in Europa an Stelle einer fruchtbaren und lebensvollen, geistigen Weiterbildung ein auf den seichtesten politischen oder sozialen Theorien aufgebautes Geschick im Parteikampfe, in Massenbeeinflussung und Verwirklichung persönlicher Ziele getreten ist. Es fehlen sicher nicht Männer von einer höheren Bedeutung, doch sie haben dem Andrange politischer Gemeinplätze gegenüber den Einfluß auf die Schicksale der Nation verloren, sind geistige Emigranten geworden wie Dante vor 600 Jahren und mußten Banausen weichen, die von einer Rückkehr zur lateinischen Kultur sprechen und keine Ahnung haben, daß sie deren Niedergang verkörpern. Den Niedergang jener nachantiken italienischen Kultur, die nicht im Gegensatze, sondern im Wettstreite mit dem geistigen Leben nördlich der Alpen, und zwar nicht mit dessen stammverwandt lateinischen, sondern im Gegenteil mit seinen heterogenen, auf dem Einflusse der neuen nordischen Völker beruhenden Elementen seine Fortschritte in sich aufnehmend und eigenartig verarbeitend, groß geworden ist. Diese Bande wurden unter dem Einflusse der politischen Entwicklung gelockert und die Folge war, daß Italien den Zusammenhang mit der allgemeinen geistigen Entwicklung Europas immer mehr verloren hat und die politische Umgestaltung mit einer Einbuße an kultureller Bedeutung bezahlen mußte. – In diesen Zuständen sind aber auch die Ursachen des Verhaltens der Italiener zu ihrem eigenen und zum fremden Kunstbesitze zu suchen. Es gibt überall künstlerisch empfindende und gefühllose Menschen, wie ja auch überall Kunstwerke der Gewinnsucht oder dem Unverstande zum Opfer fallen; doch während im übrigen Europa in den letzten hundert Jahren die Schätzung der aus einem künstlerischen Verhältnisse zur Natur und alten Kunst entstehenden geistigen Idealgüter immer mehr allen Gebildeten gemeinsam wurde, können wir in Italien beobachten, daß der Mangel an Verständnis dafür keineswegs geringer, sondern im Gegenteil immer mehr eines der auffallendsten Merkmale der neuen italienischen Gesellschaft wurde. In dem Lande, das noch vor einem halben Jahrhundert nach Hehns Worten nicht zuletzt «des angebotenen künstlerischen Sinnes der Bevölkerung wegen» allgemein geliebt und bewundert wurde, herrscht heute tatsächlich der größte Verfall des durchschnittlichen Kunstempfindens. Man schätzt und schützt wohl Denkmäler, die ziffermäßig einen Teil des Nationalvermögens be-
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deuten, man prahlt mit jenen, von denen man glaubt, daß sie dazu geeignet sind, man handelt mit Kunstwerken, beschreibt, photographiert sie für Fremde, sie sind ein Teil des staatlichen Fiskalismus und der Fremdenindustrie, doch eine selbstlose, freudig erhebende Hingabe an die Glut einer reinen künstlerischen Begeisterung, wie sie im modernen Menschen nördlich der Alpen Natur und künstlerische Vergangenheit erwecken, und die damit zusammenhängende innere Verpflichtung und Pietät findet man in Italien selbst in gebildeten Kreisen höchst selten. Wie das banale und zugleich auch geradezu abstoßend geschmacklose neue Rom nicht nur, wie wir es zuweilen bei alten erneuerten Städten nördlich der Alpen finden, seine neue Gestalt neuen technischen oder hygienischen Anforderungen verdankt, sondern noch weit mehr als ein treuer Spiegel des allgemeinen künstlerischen Tiefstandes im heutigen Italien aufgefaßt werden kann, so ist zweifellos auch jener Führer der radikalsten italienischen Künstlergruppe der Gegenwart, der vor kurzem den Schlachtruf erschallen ließ: «Weg mit den Raffaels und Michelangelos, weg mit allem alten Gerümpel, das uns in unserer wahren neuen lateinischen Kultur behindert«, nicht etwa ein vereinzelter Schwätzer, sondern ein aufrichtiger und folgerichtiger Verkünder von Anschauungen, die längst, freilich zumeist unbewußt in Italien die herrschenden waren und auf die es in erster Linie zurückzuführen ist, daß das schöne Schloß an der Adria, an dessen Geschichte und Erscheinung der Norden wie der Süden im gleichen Maße beteiligt waren, nutzlos und frevelhaft in einen Schutthaufen verwandelt wurde und das unwürdige Erben einer großen Vergangenheit ein Verbrechen gegen die gerade von unseren Gegnern so vielfach angerufene Kultur begangen und, wie in Italien selbst ideell im großen, dort an der Nordküste der Adria in natura im kleinen ein Denkmal, das ein Symbol dieser Vergangenheit war, vernichtet haben.
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EINRICHTUNG DES KUNSTSCHUTZES IN ÖSTERREICH (1919)*
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ie im Folgenden veröffentlichten Aufsätze enthalten Berichte über österreichische Denkmalpflege in den Kriegsjahren auf den Kriegsschauplätzen und im Hinterlande. Es sei mir erlaubt, diesen Berichten allgemeine Bemerkungen und Erläuterungen, einige Dokumente wie auch einige Sentenzen voranzuschicken. Zunächst ein Wort über die Organisation. Der Grundgedanke der in den letzten zehn Jahren durchgeführten Reform der staatlichen Denkmalpflege im alten Österreich war die ideelle Zentralisierung und praktische Dezentralisierung. Das Staatsdenkmalamt in Wien hatte die Aufgabe, den lebendigen Kontakt mit der fortschreitenden Entwicklung der Denkmalpflege in ihren allgemeinen Grundsätzen und Anschauungen aufrecht zu halten. Die Durchführung der konkreten Aufgaben war den Landeskonservatoren anvertraut, die dementsprechend auch in erster Linie in ihren vom Kriege heimgesuchten Gebieten alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen hatten. Sie haben ihre Pflicht im vollen Maße erfüllt und getan, was nur menschenmöglich war. Man war bei uns auf den Krieg nicht vorbereitet. Niemand dachte an ihn und so fehlte es auch in der Denkmalpflege an allem, was man als Mobilisierungsplan in Kunstschutzfragen bezeichnen könnte. In aller Eile mußten erst nach Kriegsausbruch Vorkehrungen getroffen werden, zu retten, was zu retten war. Um zu zeigen, wie zahlreich und zum Teil auch verschiedenartig die zu lösenden Aufgaben waren, erlaube ich mir, sie in einem Kalendarium kurz zusammenzustellen. 1914. Unmittelbar nach Beginn der Feindseligkeiten werden die politischen Behörden vom Unterrichtsministerium angewiesen, unverzüglich Maßnahmen zum Schutze bedrohter Kunstwerke überall zu treffen, wo Gefahr im Verzuge war und die Landeskonservatoren in Krakau, Spalato und Pola erhielten vom Staatsdenkmalamte den Auftrag, darüber hinaus alles für die Sicherung der unbeweglichen und beweglichen Kunstwerke in Galizien, Dalmatien und den Küstenlanden vorzusorgen. Im 1. 2. 3.
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wesentlichen handelte es sich dabei um dreierlei Maßnahmen. Schutz wertvoller Gebäude vor Beschießung. Möglichste Abwendung der mit Einquartierung verbundenen Gefahren. Bergung der mobilen Kunstwerke.
Max Dvoøák: Einrichtungen des Kunstschutzes in Österreich, in: Kunstschutz im Kriege, Paul Clemen (Hrsg.), Bd. 2, Leipzig 1919, S. 1–10. (Die Hervorhebungen im Text sind vom Verfasser.)
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In dem Aufmarsch- und Schlachtengebiete Ostgaliziens war an derartige Vorkehrungen nicht mehr zu denken und so hatten wir dort auch große Verluste zu beklagen, nicht nur an Bauwerken, bei denen sie nicht abzuwenden gewesen wären, sondern auch an Sammlungsobjekten, die bei rechtzeitiger Bergung gerettet hätten werden können. In Westgalizien konnten dagegen alle wichtigeren beweglichen Kunstwerke rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden. In Dalmatien und den Küstenlanden lag die Gefahr im ersten Kriegsjahre hauptsächlich in der Beschießung der Küstenstädte, weshalb wertvolles Kunstgut ins Hinterland gebracht oder in bombensicheren Räumen aufbewahrt wurde. Weitgehende Vorkehrungen zum Schutze einzelner Gebäude waren nicht möglich. 1915. Frühjahr. Nach der Kriegserklärung Italiens wurde eine umfassende Bergungsaktion längst der neuen Front in den Küstenlanden, Kärnten und Tirol zum Teil unter sehr schwierigen Verhältnissen durchgeführt. 1915. Sommer. Beginn der Arbeiten für den Wiederaufbau Galiziens. Nach Aufnahme der Schäden und Verluste wurde ein umfassendes Programm für die Sicherung und Wiederherstellung der beschädigten Denkmäler mit entsprechenden Projekten und Kostenvoranschlägen aufgestellt. Die dringendsten Sicherungsarbeiten wurden gleich in Angriff genommen. Bemühungen, eine weitere Verschleppung von Kunstwerken zu verhindern und wertvolle Gebäude von der Einquartierung zu befreien. 1915. Herbst. Entsendung des Landeskonservators Szyd³owski in das österreichische Okkupationsgebiet in Russisch-Polen. Verhandlungen mit dem Generalgouvernement in Lublin über die Organisation der Denkmalpflege in diesem Gebiete, mit der Dr. Komornicki unter Szyd³owskis Leitung betraut wird. 1916. Winter. Erste Glockenrequisition. Das Staatsdenkmalamt hatte den ganzen Bestand aufzunehmen, um die kunsthistorisch wertvollen Glocken vor der Einschmelzung zu retten. 1916. Frühjahr. Beschlagnahme der Kupferdächer, wie auch der Zinn- und Kupfergeräte im Privatbesitz. Vorbereitende Schritte zum Schutze italienischer Denkmäler für den Fall einer österreichischen Offensive in Italien. 1916. Sommer. Entsendung des Dr. Buberl nach Serbien und einer wissenschaftlichen Expedition nach Albanien. 1917. Frühjahr. Zweite Glockenrequisition und Beschlagnahme der Zinngeräte im kirchlichen Besitz. 19I7. Herbst. Requisition der Orgelpfeifen. 1917. Winter. Organisation der Denkmalpflege im Friaul. Sicherung der bedrohten Denkmäler und Bergung der beweglichen Kunstwerke. 1918. Inventarisierung und photographische Aufnahme der Kunstwerke im Friaul. Es sind hier nur die zeitlichen Ansätze der wichtigsten Arbeiten angeführt zur Übersicht der Fülle der zu bewältigenden Aufgaben, deren Durchführung, über die die einzelnen Berichte Aufschluß geben, teilweise bis zum Kriegsende gedauert hat. Einige Dokumente mögen nun illustrieren, von welchen Intentionen dabei die Denkmalpflege-Organe und mit ihnen alle österreichischen Kunstkreise erfüllt wa-
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ren oder welche Wege gesucht wurden, um den Verlust von Kunstwerken sowohl im eigenen als auch im feindlichen Lande möglichst abzuwenden. In den ersten Kriegsmonaten glaubten wir noch an die Wirksamkeit der Vereinbarungen der Haager Konvention. So hat der Landeskonservator von Dalmatien, Monsignore Buliæ, als dem geringen Küstenschutzdetachement in Spalato der Befehl gegeben wurde, einen Landungsversuch der französischen Flotte durch Beschießung abzuwehren, an den Armeeoberkommandanten in Dalmatien folgende Depesche gerichtet: «Im Namen der Bürgerschaft der Stadt Spalato, welche durch die Gerüchte beunruhigt ist, daß die Stadt im Falle des Landungsversuches einer feindlichen Macht, durch den Widerstand des unbedeutenden zur Verfügung stehenden Küstenschutzdetachements den Charakter einer offenen Stadt verlieren könnte und hiedurch von der Wohltat des Artikels I des Haager Übereinkommens vom 18. Oktober 1907, betreffend die Beschießung durch Seestreitkräfte in Kriegszeiten ausgeschlossen würde, richtet der ergebenst Gefertigte an Euer Exzellenz die untertänigste Bitte – insoweit dies höhere militärische und politische Rücksichten erlauben – veranlassen zu wollen, daß die durch die zahlreichen Kunstdenkmäler weltbekannte Stadt Spalato von den Gefahren einer Beschießung verschont werde.» Die Antwort hatte folgenden Inhalt: «Auf das Telegramm vorn 28.X.1914 beehre ich mich Euer Hochwürden mitzuteilen, daß ich alle in meiner Macht stehenden Verfügungen getroffen habe, daß Spalato und seine Kunstdenkmäler von einer Beschießung durch feindliche Seestreitkräfte verschont bleiben.» Der Verlauf des ersten Kriegsjahres hat uns allerdings belehrt, daß die Haager Bestimmungen von keiner Seite respektiert wurden, in vielen Fällen tatsächlich auch technisch und militärisch im modernen Kriege kaum anwendbar waren, und so versuchten wir zu Beginn des italienischen Feldzuges, sie zugunsten des eigenen und feindlichen Kunstbesitzes durch Verfügungen zu ersetzen, von denen eher ein Erfolg zu erwarten war. Sämtliche Truppenkommandos der Südwestarmee erhielten vom Armeeoberkommando ein vom Landeskonservator Gnirs ausgearbeitetes und mit genauen Ortsangaben versehenes Verzeichnis aller künstlerisch wertvollen Bauwerke zu beiden Seiten der Front mit dem Auftrage, sie nicht zu beschießen, Kämpfe in ihrer Nähe nach Möglichkeit zu vermeiden und bei der Besetzung der Orte sie nicht nur nicht für militärische Zwecke in Anspruch zu nehmen, sondern auch alles zu ihrem Schutze vorzukehren. Vor den Offensiven im Jahre 1916 und 1917 wurden die Verzeichnisse auch auf die voraussichtlichen neuen italienischen Kampfgebiete ausgedehnt. Außerdem wurde von den höchsten Kommanden bei jedem Regiment ein Offizier bestellt, der bei der Besetzung einer Ortschaft die sofortige Schließung und Bewachung der Kirchen, Paläste, Museen oder auch die sichere Verwahrung einzelner Objekte zu verfügen hatte. Manches Denkmal ist dadurch gerettet worden, und wenn diese Maßregel nicht überall den gewünschten Erfolg hatte, so beruhte dies auf Gewalten, die durch keine Schutzmaßregel zu beseitigen waren und auf die ich noch zurückkommen möchte.
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Zu solchen durch keine Verordnungen abwendbaren Gewalten gehörten unter anderem die Fliegerbomben. Gleich am Anfang ihres Vormarsches haben die Italiener durch Bombenwurf den Dom von Görz, das wichtigste Baudenkmal der Stadt, mit dem schönen Deckengemälde Quaglios in eine Ruine verwandelt und in einem späteren Zeitpunkte der Arena von Pola, dem wichtigsten Zeugnisse der römischen Kultur in Istrien, die größten Schäden gefügt. Ich glaube, daß dies ebensowenig mit Absicht geschah, als es in der Absicht der österreichischen Flieger lag, venezianische Kunstwerke gegen die ihnen erteilten Befehle zu treffen. Die Quelle des Übels lag in dem Bombardement der Städte und den dabei unvermeidlichen Zufällen, nicht in individuellen Böswilligkeiten. Wie uns insbesondere Venedigs Schicksal naheging, bezeugt die Eingabe, die das österreichische Staatsdenkmalamt am 14. März 1918 an den Oberstkommandierenden der Südwestfront gerichtet hat und in der ausgeführt wurde: «Die Akademie der Wissenschaften und das Professoren-Kollegium der Universität Lemberg haben das beifolgende Telegramm an die Zentralkommission gerichtet mit der inständigen Bitte, ihren Einfluß dahin geltend zu machen, daß weitere Zerstörungen, wie sie der letzte große Fliegerangriff auf Venedig zur Folge hatte, in Hinkunft unterbleiben. Obgleich es nicht in die Kompetenz der Zentralkommission fällt, für den Bestand und die Erhaltung von Denkmälern außerhalb Österreichs und der von österreichisch-ungarischen Truppen besetzten Gebiete Sorge zu tragen, so fühlt sie sich doch auf den an sie ergangenen Hilferuf hin verpflichtet, Ihrer k. u. k. Hoheit untertänigst über die ihr zugegangenen beunruhigenden Nachrichten Bericht zu erstatten, da eine etwaige Wiederholung derartiger Vorkommnisse das Ansehen Österreichs dem Auslande gegenüber auf das schwerste gefährden könnte. Auch sind die kulturellen Interessen des Vaterlandes insofern berührt, als die Zerstörung von Kunstdenkmälern, wie San Giovanni e Paolo nicht bloß für Italien, sondern auch für die gesamte Kulturwelt einen unersetzlichen Verlust bedeuten würde und als es sich um Denkmäler handelt, an denen sich durch Jahrhunderte die Kunstliebe der Kunstfreunde und Kunstgelehrten Österreichs erfreut, aus denen die einheimischen Künstler immer neue Anregungen für ihr eigenes Schaffen gewonnen haben und die gleichsam zum geistigen Besitzstand unseres Kulturlebens gehören. Im eigensten Interesse der künstlerischen Kultur Österreichs wäre es daher zu wünschen, daß derartige Denkmäler auch dann erhalten und geschont werden, wenn sie sich im feindlichen Auslande befinden.» Venedig wurde nicht mehr beschossen, nach Triest kamen aber die feindlichen Flieger nach wie vor in jeder hellen Nacht. Als Beleg für unsere Bemühungen um die Organisation des Kunstschutzes im österreichischen Okkupationsgebiet in Russisch-Polen füge ich zwei Briefe aus der Korrespondenz mit dem Militärgouverneur in Lublin ein. Wien, am 24. November 1915. An Seine Exzellenz den Herrn k. u. k. Generalmajor Erich Freiherrn von Diller, Militärgouverneur in Lublin
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Euerer Exzellenz beehre ich mich mitzuteilen, daß das k. u. k. Armeeoberkommando auf Grund eines h. a. Ersuchens die Entsendung des Landeskonservators in Krakau Dr. Thaddäus von Szydlowski in die unter österreichischer Verwaltung stehenden Teile Polens genehmigt hat und der Stellung weiterer konkreter Anträge entgegensieht. Ich beehre mich daher, Euerer Exzellenz jene Anträge, die die Zentralkommission nach erfolgter Berichterstattung durch den Landeskonservator beim k. u. k. Armeeoberkommando vorzulegen gedenkt, mit der Bitte zu übermitteln, Euere Exzellenz wolle die Güte haben, dieselben zu prüfen und im Genehmigungsfalle beim k. u. k. Armeeoberkommando zu unterstützen. Behufs sachgemäßer Wahrung der Interessen der Denkmalpflege und systematischer Inventarisierung und Sicherung der Denkmäler in den Euerer Exzellenz unterstellten Gebieten Polens würde es sich empfehlen, dem Generalgouvernement in Lublin zunächst einen Kunsthistoriker zuzuteilen, der im Einvernehmen mit dem Landeskonservator in Krakau die Denkmäler Südpolens zu überwachen, zu inventarisieren und zu sichern hätte. Für diese Stelle erlaube ich mir Euerer Exzellenz den derzeitigen dem Platzkommando in Sandomier zugeteilten Kadett-Fähnrich der polnischen Legion Dr. Mieczys³av Skrudlik vorzuschlagen, der h. a. als Praktikant längere Zeit erfolgreich tätig war und seit dem Frühjahre 1914 dem Landeskonservatorenamte in Krakau zur Dienstleistung zugewiesen wurde. Der Genannte besitzt sohin eine ausreichende Erfahrung, um im Einvernehmen mit dem Landeskonservator in Krakau die Interessen der Denkmalpflege in Südpolen erfolgreich zu wahren. Bezüglich eines Technikers, der dem Generalgouvernement zur Beratung in den technischen Fragen der Denkmalpflege zuzuweisen wäre, glaube ich mich vorläufig eines Vorschlages enthalten zu können, da ich vermute, daß Euerer Exzellenz genügend technische Kräfte zur Verfügung stehen werden, welche im Einvernehmen mit dem genannten kunsthistorischen Funktionär die erforderlichen technischen Sicherungsarbeiten leiten könnten. Sollten Euere Exzellenz jedoch einem Vorschlag meinerseits entgegensehen, so wäre ich gerne bereit, Euerer Exzellenz einen solchen namhaft zu machen. Nach Analogie des deutschen Generalgouvernements in Warschau, wo mit der Ordnung der Archive der Geheime Regierungsrat Dr. Warschauer betraut wurde, würde es sich ferner empfehlen, auch dem Generalgouvernement in Lublin einen Archiv-Sachverständigen zuzuteilen, der mit der Überwachung und Ordnung der in Südpolen vorhandenen Archive und des daselbst befindlichen Aktenmaterials zu betrauen wäre. Einen diesbezüglichen Vorschlag wird der Archivrat zu erstatten sich erlauben. Vor der Regelung dieser Angelegenheit würde sich jedoch eine Sperrung der Archive und Verwaltungsregistraturen empfehlen. Die Zuteilung eines Archivsachverständigen wäre schon deshalb sehr wünschenswert, weil die vollständige Erhaltung des Aktenmaterials für die künftige Verwaltung Südpolens von unschätzbarem Werte sein dürfte.
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Da die Arbeitskraft des dem Generalgouvernement zugeteilten Kunsthistorikers kaum ausreichen dürfte, die Denkmäler Südpolens ständig zu überwachen und die zu ihrer Sicherung und Erhaltung erforderlichen Maßregeln zu treffen, was ein unausgesetztes Hin- und Herreisen erfordern würde, so wird es sich als notwendig erweisen, in den verschiedenen Verwaltungsbezirken Südpolens Korrespondenten zu ernennen, welche das Militärgouvernement bzw. den ihm zugeteilten kunsthistorischen Funktionär zu unterstützen und über alle Vorgänge auf dem Gebiete der Denkmalpflege Südpolens auf dem laufenden zu erhalten haben werden. Der Landeskonservator in Krakau wird sich daher mit der polnischen Organisation für Denkmalschutz ins Einvernehmen zu setzen haben und von derselben eine Liste derjenigen Mitglieder dieser Organisation erbitten, die als Korrespondenten für die unter der k. u. k. Verwaltung stehenden Teile Polens in Betracht kämen. Diese Liste wird sich die Zentralkommission erlauben, Euerer Exzellenz mit der Bitte vorzulegen, diejenigen Personen zu bezeichnen, welche der k. u. k. Militärverwaltung als Korrespondenten genehm wären. Eines der schwierigsten und wichtigsten Probleme der Denkmalpflege bietet die Verhinderung der Plünderung Polens durch gewissenlose Antiquitätenhändler. Das deutsche Militärgouvernement in Warschau ist in voller Würdigung dieser Gefahr mit gutem Beispiele vorangegangen, indem der Militärgouverneur von Warschau Exzellenz von Beseler für die deutschen Gebiete Polens ein strenges Verbot des Antiquitätenhandels erlassen, den Kreischefs zur Bekanntmachung übermittelt und zur Kenntnis sämtlicher Bischöfe und geistlichen Funktionären gebracht hat. Dieses Verbot setzt drakonische Strafen auf den Verkauf von Antiquitäten ohne behördliche Genehmigung. Die Zentralkommission wird sich beehren, Euere Exzellenz die betreffende Verordnung des Militärgouvernements in Warschau vorzulegen und die Bitte daran zu knüpfen, Euere Exzellenz wollen seinerzeit mit Rücksicht darauf, daß ein paralleles Vorgehen der verbündeten Regierungen in Polen auf der Ende August 1915 abgehaltenen gemeinschaftlichen Kriegstagung für Denkmalpflege in Brüssel angeregt und von beiden Regierungen wärmstens begrüßt wurde, eine gleiche Verordnung auch für Südpolen zu erlassen. Mit Rücksicht darauf jedoch, daß die Zeit bis zum Inkrafttreten dieser Verordnung von gewissenlosen Antiquitätenhändlern leicht dazu benutzt werden könnte, alle erreichbaren Kunstschätze zu erwerben und in Sicherheit zu bringen, würde es sich dringend empfehlen, daß bis zum Eintritt dieses Zeitpunktes allen Antiquitätenhändlern die Ausfolgung bzw. Vidierung von Pässen verweigert und ihnen so die Möglichkeit genommen würde, das Land zum Zwecke des Ankaufes von Antiquitäten zu bereisen. Über solche Objekte, bezüglich deren Verdacht unrechtmäßiger Erwerbung durch die derzeitigen Besitzer besteht und deren Eigentumstitel nicht überzeugend nachgewiesen werden kann, ist seitens der Zentralkommission für das Gebiet von Galizien die Verhängung der Sequestration angeregt worden. Diese erfolgt über Beschluß des zuständigen Gerichtes über Antrag der politischen Behörde 1. Instanz und wird durch die betreffenden Amtsblätter, oder wenn solche nicht vorhanden
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sind, durch Anschlag unter Angabe einer bestimmten Edikatalfrist (etwa 1 Jahr) öffentlich bekannt gemacht. Wenn sich innerhalb dieser Frist der rechtmäßige Eigentümer nicht meldet, so wären die betreffenden Objekte dem derzeitigen Besitzer zurückzuerstatten. Ich erlaube mir darauf hinzuweisen, daß sich eine derartige Maßregel auch für Südpolen außerordentlich wirksam erweisen würde und hier wohl auch auf geringere Schwierigkeiten stoßen dürfte, da sie lediglich auf administrativem Wege zur Durchführung gelangen könnte. Bezüglich der Beschaffung der Mittel für die Sicherung der Denkmäler Südpolens erlaube ich mir darauf hinzuweisen, daß in den unter deutscher Verwaltung stehenden Gebieten Polens, die den Kreischefs zur Verfügung stehenden Fonds zum Wiederaufbau von Heimstätten, auch für die Sicherung der durch die kriegerischen Ereignisse beschädigten Kirchen herangezogen wurden. Vielleicht wäre es möglich, ähnliche Verfügungen auch für die unter österr.-ungar. Verwaltung stehenden Teile Polens zu treffen. Auf Anregung der Zentralkommission hat das k. u. k. Armeeoberkommando gestattet, daß für die Sicherung der durch den Krieg zerstörten Denkmäler Galiziens auch Pionier- und Genietruppen herangezogen werden dürfen, welche auf Ansuchen des Landeskonservators diesem seitens der zuständigen Militärkommanden zur Verfügung gestellt werden. Die Zentralkommission beabsichtigt nunmehr einen gleichen Antrag auch bezüglich der unter österreichisch-ungarischer Verwaltung stehenden Teile Polens zu stellen, um eine beschleunigte Durchführung der Sicherungsarbeiten zu ermöglichen. Ich bitte Euere Exzellenz die obigen Anregungen und Vorschläge gütigst zur Kenntnis nehmen und mich wissen lassen zu wollen, ob Euere Exzellenz sich mit denselben einverstanden erklären. Bejahenden Falles würde sich die Zentralkommission erlauben, dieselben zu konkretisieren und nach eingeholter Genehmigung des k. u. k. Armeeoberkommandos Euerer Exzellenz vorzulegen. Genehmigen Euere Exzellenz den Ausdruck meiner ausgezeichneten Hochachtung Euer Exzellenz ergebener Liechtenstein m. p.» Auf diesen Brief kam folgende Antwort:
„An Seine Durchlaucht Fürsten Franz von und zu Liechtenstein, als Präsidenten der k. u. k. Zentralkommission für Denkmalpflege in Wien. Lublin, am 29. Dezember 1915. In Beantwortung des sehr geschätzten Schreibens vom 24. November 1915 Z. 233 präs. und unter Berufung auf die gelegentlich meines jüngsten Wiener Aufenthaltes mit Euer Durchlaucht gepflogenen Rücksprache, beehre ich mich zunächst neuerlich zu versichern, daß ich gerne bereit bin, an den Maßnahmen zur Erhaltung der Bau- und Kunstdenkmäler in dem meiner Amtsführung anvertrauten Okkupationsgebiete Polens mitzuwirken, jede in diesem Belange an mich gelangende An-
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regung ernstlich zu prüfen und dieselben allerdings unter Bedachtnahme auf die noch nicht definitiv geregelten Verhältnisse des Gebietes durchführen zu lassen. Zur Besprechung der im geschätzten Schreiben enthaltenen Anregungen übergehend, gestatte ich mir Nachstehendes zu eröffnen: Gegen die Zuteilung des Kunsthistorikers Dr. Mieczys³aw Skrudlik, sowie eines Archivsachverständigen erhebe ich um so weniger eine Einwendung, als die Militärverwaltung auf die Dauer eines sachverständigen Beirates auf den in Betracht kommenden Gebieten nicht entraten könnte. – Im Sinne der von Euer Durchlaucht geäußerten Absicht überlasse ich die Erstattung der diesbezüglichen Einberufungsvorschläge der Zentralkommission und bemerke nur – um eventuellen Mißverständnissen vorzubeugen –, daß die gedachten Sachverständigen hieramts nicht als selbständige Referenten, sondern als Beiräte des h. ä. Referates für Kultus und Unterricht verwendet werden würden und ihre Agenden administrativer Natur im Rahmen dieser Geschäftsabteilung zu bearbeiten hätten. Ich bitte daher bei Erstattung der Zuweisungsvorschläge an das Etappenoberkommando auf diese Art der Verwendung ausdrücklich hinweisen zu lassen. Für technische Fragen der Denkmalpflege habe ich den bisher beim Kreiskommando in Lublin eingestellten Architekten Stefan Ritter von Zelenski in Aussicht genommen und dessen Zuteilung zum Gouvernement bereits eingeleitet. Anlangend die Frage der Verwahrung der Archive, Verwaltungsregistraturen und diverser Sammlungen bemerke ich, daß dieselben – soweit sie von den Russen nicht mitgenommen wurden –, teils unter amtliche Sperre gelegt, teils vertrauenswürdigen Korporationen oder Persönlichkeiten zur Verwahrung übergeben worden sind. Übrigens nehme ich die vorliegende Gelegenheit wahr, um die Kreiskommanden auf die Notwendigkeit einer entsprechenden Verwahrung eventuell vorgefundener Archive, Verwaltungsregistraturen und diverser Sammlungen noch besonders aufmerksam zu machen und zugleich die Vorlage von Verzeichnissen über die unter Sperre gestellten Objekte anzuordnen. Die Notwendigkeit der Ernennung einer entsprechenden, auf das ganze Okkupationsgebiet zu verteilenden Zahl von Korrespondenten ist einleuchtend und sehe ich den diesbezüglichen Vorschlägen des Landeskonservators entgegen. Was hingegen den Handel mit Antiquitäten anbelangt, so bin ich leider aus wirtschaftlichen Rücksichten nicht in der Lage, denselben innerhalb des Okkupationsgebietes zu untersagen. Um jedoch die Ausfuhr von antiken Kunstgegenständen aus dem Okkupationsgebiete tunlichst zu erschweren, unterbreite ich unter Einem dem Etappenkommando den Antrag auf Erlassung eines diesbezüglichen Ausfuhrverbotes und stelle an dasselbe zugleich die Bitte um geeignete Veranlassung, daß den Antiquitätenhändlern seitens der Paßvisumstellen der Eintritt in das Okkupationsgebiet wenn nicht ganz verwehrt, so doch wenigstens tunlichst erschwert werden möge und ihre Eigenschaft auf den Pässen ausdrücklich vermerkt werde. Gegen die angeregte Maßnahme der Sequestration von Antiquitäten verdächtiger Provenienz würde ich prinzipielle Einwendungen nicht erheben, erlaube mir jedoch darauf hinzuweisen, daß sich hierzulande in dem gedachten Belange nur sel-
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ten Gelegenheit zur Anwendung dieser Maßnahme ergeben dürfte und daß hiefür zunächst eine rechtliche Basis erwirkt werden müßte, da zu deren Einführung im administrativen Wege keine Grundlage vorhanden wäre. Was hingegen die Mittel für die Sicherung der Denkmäler anbelangt, gestatte ich mir hervorzuheben, daß bereits in mehreren Fällen die vom Landeskonservator notwendig befundenen Adaptierungen von Kirchen kunsthistorischer Bedeutung durch unentgeltliche Zuwendung des erforderlichen Bauholzes aus den Staatsforsten gefördert wurden und daß ich bereit bin, in ähnlichen Fällen die gleiche Unterstützung, sowie erforderlichenfalls die Beistellung eines Staatstechnikers zur Überwachung der bezüglichen Reparaturen zu bewilligen. Eine weitergehende etwa finanzielle Unterstützung vermöchte ich hingegen angesichts der noch nicht eingetretenen Stabilität der Verhältnisse und mangels spezieller Fonds nicht in Aussicht zu stellen. Gegen die Erwirkung der prinzipiellen Bewilligung zur eventuellen Heranziehung von Pionier- und Genietruppen zur beschleunigten Durchführung dringender Sicherungsarbeiten an beschädigten Denkmälern würde meinerseits eine Einwendung nicht erhoben werden. Genehmigen Euer Durchlaucht den Ausdruck meiner Verehrung. Diller, G. M. m. p.“
Und zum Schlusse sei hier noch die Instruktion mitgeteilt, die über Antrag der Denkmalpflegeorgane den mit dem Schutze der Kunstdenkmäler im besetzten Italien betrauten Denkmalpflegern vom Heeresgruppenkommando erteilt wurde: Instruktionen für die mit dem Kunstschutze im besetzten Gebiet Italiens betrauten Kunstsachverständigen. 1. Denkmäler der Kunst und Wissenschaft dürfen ohne schriftlichen Befehl des Heeresgruppenkommandos aus dem besetzten Gebiete nicht entfernt werden. 2. Verzeichnis. Die Kunstsachverständigen haben sämtliche Kunstdenkmäler und Kunstgegenstände des ihnen zugewiesenen Arbeitsgebietes in einem Verzeichnisse aufzunehmen. Dasselbe hat zu enthalten: a) eine Beschreibung des Kunstwerkes; b) dessen Aufstellungsort; c) dessen Eigentümer mit der Angabe, ob derselbe oder der verantwortliche Verwahrer anwesend oder geflohen ist; d) die Angabe, ob das Kunstwerk genügend gesichert ist oder ob ein spezieller Schutz bzw. eine Bergung und aus welchem Grunde notwendig war und erfolgt ist; e) im Falle der Bergung den derzeitigen Aufbewahrungsort und die Empfangsbestätigung des allfälligen Übernehmers. 3. Behandlung des Kunstwerkes. Bei unbeweglichen Kunstwerken ist protokollarisch festzulegen, ob sie vollkommen intakt oder beschädigt sind; die Beschädi-
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gungen sind womöglich unter Feststellung ihrer Ursache oder des Beschädigers an Ort und Stelle zu erheben und aufzunehmen; die Protokolle sind von verläßlichen einheimischen Personen bestätigen zu lassen. Falls eine Ausbesserung von Bauwerken von künstlerischem oder geschichtlichem Werte auch bei Berücksichtigung der gegebenen schwierigen Verhältnisse unschwer möglich erscheint und durch deren Vornahme der sonst allenfalls drohende Untergang des Kunstwerkes vermieden werden kann, haben die Kunstsachverständigen die Vornahme der Reparatur unter genauer Darlegung des Sachverhaltes und eines Vorschlages über die Art und Mittel für die Durchführung der Ausbesserung zu beantragen. Bewegliche Kunstwerke, die wegen Gefahr der Verschleppung oder Beschädigung an ihrem bisherigen Aufstellungsorte nicht belassen werden können, ohne daß sie zugleich ihren Eigentümern zurückgestellt bzw. nach deren Wünschen in Sicherheit gebracht werden könnten, sind grundsätzlich in der Nähe ihres bisherigen Aufenthaltsortes zu bergen. Die Bergung hat in erster Linie durch Übergabe an Verwandte oder Verwalter des bisherigen Kunsteigentümers, sodann an das GemeindePfarramt oder an die ständige örtliche Militärbehörde und erst mangels solcher an eine in der Nähe des bisherigen Standortes wohnhafte angesehene und verläßliche Person zu erfolgen. Die Übergabe hat immer nur gegen Empfangsbestätigung, worin das in Verwahrung gegebene Kunstwerk genau beschrieben ist, zu geschehen und die Empfangsbestätigungen bilden einen wesentlichen Teil des Verzeichnisses ad 2 (Punkt e). Nur in Fällen, in denen die vorgezeichnete Bergung keine genügende Sicherheit für die Erhaltung des Kunstwerkes oder für den Schutz des abwesenden Eigentümers bietet, kann insbesondere bei Kunstwerken von großem Werte die endgültige Bergung derselben in Udine in der städtischen Bibliothek oder in der Kirche S. Antonio beim Heeresgruppenkommando beantragt werden. Bei Gefahr im Verzuge, kann diese endgültige Bergung eines Kunstwerkes auch ohne vorherige Bewilligung des Heeresgruppenkommandos von Kunstsachverständigen bei gleichzeitiger Verständigung der nächsten örtlichen Militärbehörde auf eigene Verantwortung veranlaßt werden. Doch ist diesfalls die nachträgliche Genehmigung des Heeresgruppenkommandos unter Begründung der Notwendigkeit der sofortigen Bergung einzuholen. 4. Die Nachforschungen der Kunstsachverständigen sind auch auf alle in der Literatur oder durch spezielle Reiseführer usw. bekannte, hervorragende Kunstwerke des besetzten Gebietes, die derzeit nicht mehr auffindbar sind, in der Hinsicht auszudehnen, daß durch Protokollierung von Zeugenaussagen, Bestätigungen durch Gemeindevorsteher, Pfarrer usw., soweit möglich zu erheben und festzustellen ist, wohin und auf welche Veranlassung hin die betreffenden Kunstwerke weggekommen sind. 5. Sämtliche Meldungen, Anträge und Anfragen der Kunstsachverständigen sind dem Heeresgruppenkommando (Verwaltungs-Abteilung) bzw. der Deutschen Vertretung im besetzten Italien vorzulegen, von wo die nötigen Entscheidungen getroffen werden.
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ÖSTERREICH
6. Die Kunstsachverständigen haben allmonatlich und zwar bis spätestens 4. jeden Monats die nach Distrikten und Orten geordneten Verzeichnisse und die Berichte an das Heeresgruppenkommando bzw. an die Deutsche Vertretung im besetzten Italien einzusenden, welche Verzeichnisse und Berichte in der gemeinsamen Arbeitsstätte, der Bibliothek von Udine, gesammelt, bearbeitet und aufbewahrt werden. Sie stehen dort jedem Kunstsachverständigen zur Einsicht und Benützung frei und dienen als Unterlage für die Weiterarbeit. Die am Sitze des Heeresgruppenkommandos (Verwaltungs-Abteilung) und der Deutschen Vertretung befindlichen Kunstsachverständigen legen ihrer vorgesetzten Dienststelle jeweils nach Ablauf von zwei Monaten einen Sammelbericht über die gesamte Tätigkeit aller Kunstreferenten für die betreffende Zeit vor, welchem Berichte die abschriftlichen Verzeichnisse aller in derselben Zeit aufgenommenen, sowie der auf ihre Veranlassung in Udine oder sonstwo im Lande geborgenen Kunstwerke beizulegen sind. Diese Berichte, und zwar sowohl jene der österr.-ung. Kunstsachverständigen wie jene der Deutschen Vertretung werden spätestens am 7. des betreffenden Monats beim Heeresgruppenkommando (Politische Gruppe) gesammelt und dem Armeeoberkommando vorgelegt. 7. Die Kunstsachverständigen erhalten vom Heeresgruppenkommando ausgestellte Legitimationen, welche sie zur Bereisung des besetzten Gebietes, Besichtigung und Aufnahme der Kunstdenkmäler, Bergung und allfälligen Abtransport derselben ermächtigen. Sämtliche Kommanden und Behörden haben den Kunstsachverständigen, welche sich durch diese Vollmacht legitimieren, möglichst an die Hand zu gehen. Ergeht an sämtliche Kunstsachverständigen, an sämtliche Distriktskommanden, an Kis. Qu. Abt., 6. A.-K. Qu. Abt., Etappen-Gruppenkommando Belluno, Deutsche Vertretung im besetzten Italien, H.-G.-K. F.-M. Frh. von Conrad und 11. A.-K. Qu.-Abt. Udine, im Feber 1918. Boroëviæ, F.-M. m. p. Und in einem diese Instruktion ergänzenden Armeebefehl heißt es: «Wo private Sammlerbegierden oder materielle Sonderinteressen auftreten, ist solchen Auswüchsen mit aller Schärfe entgegenzutreten; es darf kein Werk der Kunst und Wissenschaft ohne Nötigung zerstört, keines ohne ausdrückliche schriftliche Erlaubnis von seiner Stelle entfernt werden.» Diese Proben dürften zur Illustration der Absichten und Bestrebungen genügen, von denen die für den Denkmalschutz verantwortlichen Ämter und mit ihnen alle gebildeten und kunstfreundlichen Kreise in Österreich während des ganzen Krieges erfüllt waren. Es gab darin keinen Zwiespalt der Meinungen. Und die Ergebnisse? Im Vergleiche zu den überwindenden Schwierigkeiten können sie im ganzen und großen als günstig bezeichnet werden. Der rechtzeitigen Bergung, die sich überall als das beste Schutzmittel erwiesen hat, ist es zu verdanken, daß in Westgalizien und im ganzen Süden der ehemaligen Monarchie von den beweglichen Kunstwerken nichts wirklich Wichtiges dem Kriege
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GESCHICHTE
DER
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zum Opfer fiel. Dasselbe gilt für das Okkupationsgebiet in Italien. Doch auch die Verluste an Bauwerken wären zweifellos viel größer gewesen, hätten nicht die geschilderten Vorkehrungen viel Unheil abgewendet. Während der italienischen Offensive und Defensive diesseits und jenseits der Grenze Unersetzliches zum Opfer fiel – es sei nur auf Duino oder auf Conegliano hingewiesen, wurde beim österreichischen Vormarsch in Italien kein wichtiges Bauwerk zerstört und die Zahl der Kirchen in Galizien, die durch rasch durchgeführte Sicherungen vor vollständigem Verfall bewahrt wurden, ist nicht gering. Manches Kunstwerk, das verloren schien, ist mit unsagbaren Mühen und unter Lebensgefahr gerettet worden, wobei nie ein Unterschied zwischen dem feindlichen und eigenen Kunstbesitz gemacht wurde. Im Inneren des Reiches wurde viel fruchtbringende Arbeit geleistet, auf den Kriegsschauplätzen konnte dem ärgsten Wüten der Kriegsfurie und der Kriegshyänen entgegengewirkt werden und in den besetzten fremden Gebieten fand der alte Kunstbesitz eine ebenso sachkundige als von besten Absichten erfüllte Vertretung. Auch die wissenschaftlichen Arbeiten im Friaul und Serbien können in diesem Zusammenhange genannt werden. Der Erfolg war freilich nicht überall unseren Bestrebungen beschieden, oder zumindestens nicht in dem Maße, wie wir es gewünscht hätten. Verschiedene Ursachen haben da mitgewirkt. Das alte Österreich besaß kein Denkmalschutzgesetz, was sich auch im Kriege rächen mußte. Als notwendig erkannte Maßnahmen, die auf gesetzlicher Grundlage einfach verfügt worden wären, konnten vielfach nur durch langwierige Verhandlungen vereinbart werden und zuweilen blieben solche Verhandlungen, des Unverstandes der lokalen Faktoren wegen, ganz erfolglos. So bemühten wir uns auch noch im Kriege, ein Denkmalschutzgesetz zu schaffen, was an politischen Schwierigkeiten gescheitert ist. Ein noch größeres Hindernis bestand in der Schwerfälligkeit und Umständlichkeit des Geschäftsganges bei den militärischen Behörden. Was sofort zu entscheiden war, erfuhr in den meisten Fällen eine zeitraubende bureaukratische Behandlung und bei den meisten Anträgen haben verschiedene Instanzen mitgewirkt, was alle Entscheidungen unendlich erschwerte. Dazu kam in den letzten zwei Jahren auch noch die wachsende wirtschaftliche Not, der zunehmende Mangel an Hilfsmitteln jeder Art. Man darf nicht vergessen, daß wir wie in einer belagerten Stadt waren, wo schließlich alles zur Neige geht, nicht zuletzt auch die moralische Widerstandskraft der Bevölkerung und die Fähigkeit etwas anderes als die tägliche Not im Auge zu behalten. Die auf solchen besonderen Verhältnissen beruhenden Mißerfolge waren aber doch nur gering jenen gegenüber, die allgemeine Ursachen hatten. Ich sprach oben von unseren Bemühungen, wertvolle Gebäude in der eigentlichen Kampfzone zu schützen. Es ist durch solche Bemühungen, wie auch bereits erwähnt wurde, dies und jenes gerettet worden. Doch im Ganzen? Ich habe viel von den Zerstörungen in Belgien und Frankreich und auch die «Stätten des Todes» am Isonzo gesehen. Das Bild war im gleichen Maße furchtbar im Westen und im Süden, wies dieselben Momente auf, durch welches Heer auch immer es verursacht wurde und lehrte überall, daß in Gebieten, in denen der Kampf seine volle elementare Kraft entfaltet hat,
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1.6. | EINRICHTUNG
DES
KUNSTSCHUTZES
IN
ÖSTERREICH
alle Denkmalschutzbestrebungen machtlos geworden sind. Wie hätte man einzelne Denkmäler in Gegenden retten können, wo Wochen, Monate, Jahre mit allen technischen Mitteln der Gegenwart gekämpft und alles vernichtet wurde. Ebenso könnte man verlangen, daß ein Erdbeben an hervorragenden Bauwerken vorbeigeht. Hätte Giotto die Arenafresken in Görz gemalt, so wären sie italienischen Geschossen zum Opfer gefallen, wie die Wandgemälde in Colalto, die der breiten Menge auch als Giottos Werke gegolten haben. Das angreifende Heer wird immer mehr zerstören, als das sich verteidigende und so haben die Italiener, als sie ihre Angriffe vortrugen, Städte, Kirchen und Schlösser ebenso zerschossen, wie die Deutschen im Westen, und nicht anders war es, als dort die Verbündeten und im Süden die Österreicher verlorenes Gebiet wieder zu erobern versuchten. Wen trifft da die Schuld? Man kann die Anklage nur gegen den Krieg, doch nicht gegen diese oder jene Nation erheben. In den ersten Kriegsjahren konnte man, den neuen Krieg mit alten Maßstäben messend, darüber noch im unklaren sein, heute nimmermehr, was man doch endlich, statt sich gegenseitig zu beschuldigen, eingestehen sollte. Doch auch, wo ihm nur ein geringer Erfolg beschieden war, blieb der Kampf um den Denkmalschutz nicht ohne Gewinn. In der Sündflut der gegenseitigen haßerfüllten Vernichtung wirkten in ihm überall ethische Kräfte für allgemeine Kulturgüter der Menschheit und diese Tatsache allein wird gewiß auch fernerhin gute Früchte tragen. Man vermehre die Streitfragen nicht durch neue, sondern begrabe die alten und die Erinnerung an das getrennte und doch ideell gleichgerichtete Wirken, wird das Bewußtsein stärken, daß die Völker Europas über alles politisch und wirtschaftlich Trennende hinweg durch gemeinsame Pflichten den gemeinsamen geistigen Gütern gegenüber verbunden sind und im Interesse ihrer ganzen geistigen Kultur verbunden bleiben müssen.
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EIN BRIEF AN DIE ITALIENISCHEN FACHGENOSSEN (1919)*
E
s war kein schöner Impuls, meine Herren, der Euch bewogen hat, die Wiener Bilder und Kodices zu verlangen. Denn Ihr seid die geistigen Urheber dieser Requisition fremder Kulturgüter, ohne Euren Rat wäre Eure Regierung kaum auf den Gedanken gekommen, in dieser Weise ihre Macht zu mißbrauchen. Und ich will Euch mit aller Offenheit sagen, warum Eure Handlung ein Unrecht war, nicht nur der Rechtslage nach, woran nicht gezweifelt werden kann, sondern nicht minder, wie ich darlegen möchte, vom Standpunkte jener ungeschriebenen Gesetze einer loyalen und vornehmen Gesinnung, die bei gebildeten Völkern ebenso hoch zu halten sind wie die geschriebenen. «Alla terra madre d’Italia» lautet die Widmung, die kurz vor dem Kriege ein österreichischer Forscher seiner kritischen Aufgabe der Kommentare Lorenzo Ghibertis vorangestellt hat, Empfindungen Ausdruck gebend, die uns durch viele Jahrzehnte mit der alten italienischen Kunst verbunden haben und denen Eure Heimat viel zu verdanken hat. Von ihren Anfängen an, seit Winckelmann und Rumohr kannte die deutsche Kunstgeschichte, soweit sie sich nicht den griechischen Denkmälern zugewendet hat, kein höhers Ziel, als selbst unter Hintansetzung der heimatlichen Kunst den Inhalt und historischen Sinn der italienischen Kunstentwicklung zu erforschen. Das wißt Ihr meine Herren ebensogut wie ich, dennoch möchte ich Euch an einige Tatsachen erinnern, die geeignet sind, Euer Vorgehen im richtigen Lichte erscheinen zu lassen. Damals als neapolitanische Klöster eine Reihe von Handschriften dem kaiserlichen Hofe schenkten, weil sie für die Besitzer wertlos geworden waren, und später als aus den vernachlässigten, kaum unter Aufsicht stehenden Bilderdepots von Venedig, aus welchen, wie uns Ludwig belehrte, soviel spurlos verschwunden ist, eine Anzahl von Gemälden nach Wien überführt wurde – es sind dies die Kunstwerke, die Ihr nun zurückverlangt – damals war es in Eurem Lande schlecht bestellt um die Erforschung seiner alten Kunst und um das Verständnis für die Bedeutung ihrer einstigen Blütezeiten. Eine lokalgeschichtliche, in den Überlieferungen des 17. und 18. Jahrhunderts wurzelnde Kunstliteratur, kritiklos und ohne höhere Gesichtspunkte, war das einzige dürftige Band, das Euch noch mit jenen Blütezeiten ver-
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Max Dvoøák: Ein Brief an die italienischen Fachgenossen, in: Hans Tietze: Die Entführung von Wiener Kunstwerken nach Italien. Eine Darlegung unseres Rechtsstandpunktes, Wien 1919, S. 3–9.
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1.7. | EIN BRIEF
AN DIE ITALIENISCHEN FACHGENOSSEN
knüpfte und die verhältnismäßig beste kunstgeschichtliche Leistung jener Periode in Italien, Lanzis Geschichte der italienischen Malerei, war kaum mehr als eine Sammlung solcher Lokalgeschichten. Nicht diesen traurigen Epigonen Vasaris und der übrigen alten Vitenschreiber, sondern dem deutschen Gelehrten Jakob Burckhardt habt Ihr es zu verdanken, daß der Begriff der italienischen Renaissance als eines Höhepunktes und zugleich Wendepunktes in der geistigen Geschichte der Menschheit eine so große Bedeutung für das historische Denken gewonnen hat und Eure alte Kunst in einem neuen Glanze erstrahlen ließ. Erst in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, nachdem Burckhardts Schriften überall direkt oder indirekt eingewirkt haben, begann man sich allgemeiner für die Geschichte der Renaissancekunst neu zu interessieren, wobei jedoch charakteristische Unterschiede beobachtet werden können. So war man in Frankreich stets vor allem auf den Ruhm der eigenen Vergangenheit bedacht und die Bemühungen der französischen Kunsthistoriker gingen, soweit es sich nicht um archivalische Forschungen wie bei Eugen Müntz handelte, in erster Linie dahin, die Verdienste der Erneuerung der Kunst nach dem Ablauf der klassischen für Frankreich allein in Anspruch zu nehmen. Es war vor allem der Bedeutendste unter den französischen Kunstgelehrten, Louis Courajod, der sich bemühte, die Renaissance als eine Schöpfung des französischen Ingeniums hinzustellen und seine Lehren haben sich bei seinen Schülern und Nachfolgern bis auf den heutigen Tag erhalten. Scheinbar wärmer, in der Wirklichkeit jedoch noch weit einseitiger und eigennütziger waren englische und amerikanische Beziehungen zur italienischen Kunst. Wie die Franzosen, so nahmen auch die Engländer die alte italienische Kunst für sich in Anspruch, freilich nicht für die englische Vergangenheit, was nicht möglich war, wohl aber für die englische Gegenwart, als Quelle eines raffinierten Kunstgenusses, wie er von Ruskin dem Reisepublikum gepredigt oder von betriebsamen Kaufleuten in Handelsartikel umgesetzt wurde, in eine Ware, durch die man dank der wirtschaftlichen Überlegenheit die Früchte einer fremden künstlerischen Kultur in englische Schlösser und Paläste verpflanzen konnte. Dies wurde später auch von den Amerikanern mit noch größeren Geldmitteln nachgeahmt und es entwickelte sich daraus jener entsetzliche Kunstschacher, der eine Schmach unserer Zeit bedeutet und dessen Kosten vor allem der italienische Kunstbesitz zu tragen hatte. Was nach Österreich kam, ist kaum der Erwähnung wert, dem gegenüber, was Euch die Engländer und Amerikaner entführt haben. Umsomehr bemühte man sich aber in Wien, die wissenschaftliche Erschließung der italienischen Kunst weiter auszubauen. Es ist sicher kein Zufall, daß Werke, die zu den höchsten Ruhmestiteln der österreichischen Kunstforschung gehören, Wickhoffs Geschichte der römischen Kunst und Riegls Betrachtungen über die Entwicklung der italienischen Barockkunst, den schöpferischen Anteil Italiens an der allgemeinen Evolution der Kunst auch für Perioden dargelegt haben, die bis dahin in dieser Bedeutung von den Italienern selbst nicht erkannt wurden. Während für die ältere Archäologie die Kunstwerke des römischen Altertums nur als eine Nachahmung der Griechen gegolten haben, zeigte
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GESCHICHTE
DER
DENKMALPFLEGE | 1.
Wickhoff zum ersten Male, mit welcher Wucht und Genialität sich in den Schöpfungen der römischen Kaiserzeit neue künstlerische Anschauungen durchgerungen haben und mag auch früher bereits zuweilen die italienische Barockkunst Beachtung gefunden haben, so waren es doch erst Riegls Studien, durch die sie als eine allem Vorangehenden gleich berechtigte Frucht der italienischen Kunstentwicklung für die Gegenwart und Zukunft dauernd gewonnen wurde. Ich nenne diese Beispiele, weil sie besonders deutlich zeigen, wofür sich auch sonst die zahlreichsten Belege anführen ließen. In Österreich hat man auf Eitelbergers Anregung begonnen, die alten italienischen Kunstschriftsteller systematisch neu zu veröffentlichen, in Österreich ist die falsche Theorie von der Rückständigkeit der italienischen Kunst im Mittelalter zuerst bekämpft, der erste wissenschaftliche Katalog einer Sammlung italienischer Handzeichnungen veröffentlicht worden. Einem Österreicher verdanken wir ein monumentales sechsbändiges Corpus der römischen altchristlichen und mittelalterlichen Wandgemälde und unmittelbar vor dem Kriege ist ein groß angelegtes Unternehmen zum Zwecke der Veröffentlichung sämtlicher Archivalien und Quellenschriften zur Geschichte der römischen Barockkunst von österreichischen Gelehrten begründet worden. Auch sonst bemühen sich seit mehr als einem halben Jahrhundert fast alle österreichischen Fachgenossen mehr oder weniger um das, was Eure Aufgabe gewesen wäre. Viele Namen und Untersuchungen könnten da genannt werden. Doch das Gesagte genügt wohl – nur noch eines möchte ich berühren, so peinlich es Euch sein dürfte. Es sind dies Eure Arbeiten. Die ihnen zugrunde liegende Methode und Auffassung der Probleme berührt sich viel mehr mit der deutschen und österreichischen Kunstforschung als mit der französischen oder englischen. Dies ist kein Zufall, sondern erklärt sich aus den engen Beziehungen, die uns einst verbunden haben. Es ist nicht Überhebung, wenn ich behaupte, daß Ihr viel von uns gelernt und übernommen habt nicht nur an wissenschaftlichen Ergebnissen, sondern in der ganzen Organisation der kunstgeschichtlichen Arbeit. Wissenschaftlich seid Ihr nicht nur unsere Bundesgenossen, sondern auch unsere Schüler gewesen und nun setzt Ihr Handgranaten in Bewegung, die die Türen unserer Museen und Bibliotheken sprengen sollen. Ihr könnt Euch nicht auf irgendwelche Prinzipien berufen, denn nie ist es Euch eingefallen z. B. die kostbaren Manuskripte Leonardos, die Euer rechtmäßiges, von Napoleon geraubtes Eigentum sind, von den Franzosen zurückzuverlangen. Auch ein Hinweis auf die Pflichten der Vaterlandsliebe kann Euch nicht entschuldigen, denn die Bilder, die Ihr uns genommen habt, bedeuten für Euch nichts oder wenig und die Mehrzahl wird wiederum in die Gruft eines Bildermagazines wandern. Ihr habt bessere Cimas, Tintorettos, Paolos als die geraubten. Uns sind sie aber unersetzlich. Man könnte glauben, daß Ihr, die offiziellen Vertreter der alten Kunst, Bekenner und Propheten jener unter Euren Künstlergruppen geworden seid, die in der Wertschätzung der alten Meister eine künstlerische Verirrung sieht und von der Vernichtung ihrer Werke das Heil der Kunst erwartet, und ihr Programm an uns erproben wollt.
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1.7. | EIN BRIEF
AN DIE ITALIENISCHEN FACHGENOSSEN
Nein, es gibt keine Gründe, auf die Ihr Euch stützen könntet, weder rechtliche noch ideelle. Es war einzig und allein die Gelegenheit, die Euch verführte, Eurer Regierung etwas zu empfehlen, was man allgemein als Plünderung zu bezeichnen pflegt. Es ist wahr, auch in Euren Städten im Friaul wurde geplündert; es ist jedoch ein großer Unterschied, ob arme halbverhungerte Soldaten, Disziplin und Verbote mißachtend, Unentbehrliches aus verlassenen Privathäusern holen, um ihr Leben zu fristen, oder ob Gelehrte, die das Gewissen und die edelsten Eigenschaften der Nation verkörpern sollten, ein wehrloses Volk durch offizielle Gewalt zwingen, Kunstwerke auszuliefern und es dadurch aus Eitelkeit oder um der blinden aufgeregten Menge zu schmeicheln, künstlerisch und kulturell schädigen. Als wir in Eurem Lande waren, lag uns nichts ferner, als in dieser Weise unsere Erfolge auszubeuten. Ich kenne so ziemlich genau die Gesinnung der österreichischen Kunstforscher und Kunstfreunde und weiß, daß es unter ihnen keinen einzigen gab, der auch nur einen Augenblick daran gedacht hätte, Euren Kunstbesitz anzutasten. Keiner, der nicht immer und überall den Standpunkt vertreten hätte, daß Eure Kunstwerke ebenso mit allen Mitteln vor jeder Beschädigung und Verschleppung zu schützen sind wie unsere eigenen. Ihr habt uns bereits in den Kriegsjahren in Euren Büchern und Aufsätzen mit Schmähungen und Verleumdungen überschüttet, wir führten aber nie Krieg gegen Eure Kultur, Kunst und Wissenschaft. In uns blieb der Geist lebendig, dem einst einer Eurer größten Söhne, der Politiker und Kunstforscher Morelli, in folgenden schönen Worten Ausdruck gab: «Die erhabene Kunst, die reine Wissenschaft, zu denen das deutsche und das italienische Volk mehr als andere Völker vom Himmel angewiesen zu sein scheinen, haben sie gegenseitig selbst in den Zeiten vereint gehalten, in denen das wüste Getriebe der Mächtigen es für zweckmäßig fand, die blutige Fackel der Zwietracht zwischen sie zu schleudern.» Euch, meine Herren, ist dieser Geist verloren gegangen und das bedeutet nicht Sieg, sondern Niederlage.
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ALOIS RIEGL (1905) *
A
m 17. Juni ist in Wien der Generalkonservator der Z. K. Hofrat Alois Riegl gestorben. Er hat sich unvergängliche Verdienste um die Denkmalpflege in Österreich erworben, welchen ein posthumer Dank in diesem Nachrufe abgestattet werden soll. Man muß das ganze Lebenswerk Riegls ins Auge fassen, wenn man sein Wirken für die Reorganisation der Denkmalpflege in Österreich verstehen will, denn weder als Bureaukrat noch als ausübender Künstler, sondern als Forscher widmete er sich dem Studium der theoretischen Fragen und den praktischen Aufgaben, welche sich aus dem Verhältnisse der Kultur unserer Zeit alten Denkmälern gegenüber ergeben, und hat ihnen gerade dadurch neue Ziele und eine bis dahin ungeahnte Bedeutung gegeben. Er war der erste, der die Bedeutung des modernen Denkmalkultus in seinem universalhistorischen Charakter erfaßt und daraus die notwendigen Konsequenzen gezogen hat. Man müßte ihn, selbst wenn das die einzige Tat seines Lebens gewesen wäre, zu den führenden Geistern unserer Zeit rechnen. Er ist jung gestorben, doch es wäre unmöglich, sein Wirken in diesem Epitaphium zu erschöpfen, so reichhaltig war es. Es liegt aber seinem ganzen Lebenswerke eine einheitliche Entwicklung zugrunde, die zu schildern mir als das Notwendigste erscheint, denn es beruht auf ihr nicht nur sein Eingreifen in die Aufgaben und Fragen der Denkmalpflege, weshalb sie an dieser Stelle vor allem erörtert werden muß, sondern sie zeigt auch klarer als alles andere, wen wir in Riegl verloren haben.
DIE ÜBERWINDUNG DER KULTURGESCHICHTLICHEN
RICHTUNG
IN DER
KUNSTGESCHICHTE
Riegl wurde am 14. Jänner 1858 in Linz geboren. Von seinem Vater, einem Tabakfabriksbeamten, wurde er ungemein ernst erzogen, nie bekam er als Kind ein Spielzeug, aber mit 4 Jahren konnte er vollkommen lesen und schreiben. Es mag dies nicht ohne Einfluß auf seine Entwicklung geblieben sein. Denn so fröhlich und heiter und hoffnungsvoll selbst in den schwersten Zeiten seines Lebens Riegl auch gewesen ist, so war doch der fast sakrale Ernst, mit welchem er alle Fragen, die ihn beschäftigten, selbst die unbedeutendsten, in ihren allertiefsten Ursachen stets sub specie aeternitatis zu erfassen bestrebt gewesen ist, und der ihn vor den letzten und
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Max Dvoøák: Alois Riegl, in: Mitteilungen der k. k. Zentralkommission, 3. F., 4, 1905, Sp. 255–276.
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2.1 | ALOIS RIEGL (1905)
kühnsten Konsequenzen nicht zurückschrecken ließ, einer der Hauptzüge seines Wesens. Riegls Vater wurde nach Krems, später nach Zab³otów in Galizien versetzt, wo er im Jahre 1873 gestorben ist. Darauf übersiedelte die Familie wieder zurück nach Linz, wo Riegl die auf den polnischen Gymnasien in Kolomea und Stanislau begonnenen Gymnasialstudien beendete. Die Matura machte er mit 16 Jahren in Kremsmünster. Auf Wunsch seines unerbittlichen Vormundes mußte er Jurist werden, und erst nach zwei Jahren konnte er sich jenen Studien widmen, zu welchen er sich berufen fühlte. Er wollte damals Philosophie und Universalgeschichte studieren, gab jedoch beides wieder auf. Besser gesagt, er gab seine Lehrer auf, nicht seine Neigung. Wie hätten auch Zimmermanns unproduktive Variationen auf die schon damals antiquierte Herbartsche Philosophie oder Büdingers mechanische Polyhistorie einen vorwärts strebenden Geist befriedigen können? Wenn eine Spur dieser Lehrer in Riegls Schriften bemerkbar ist, so äußert sie sich als eine direkte Negation ihrer Lehren und Methode. Man kann immer wieder die Beobachtung machen, daß begabte Forscher sich in ihren Studienjahren jenem Zweige ihrer Wissenschaft zuwenden, der am weitesten vorgeschritten ist. Dies war in den siebziger und achtziger Jahren in Wien ohne Zweifel in den historischen Disziplinen die Erforschung der mittelalterlichen Geschichte, wie sie am Institute für österreichische Geschichtsforschung gelehrt und angewendet wurde. Es gibt heute Leute, welche auf die historischen Hilfswissenschaften von oben herabsehen und ihren Betrieb als eine nutzlose Spielerei eines kurzsichtigen Fachsimpeltums darzustellen sich bemühen, wodurch sie nur beweisen, daß sie keine Ahnung von der Entwicklung der modernen humanistischen Wissenschaften und von der Bedeutung haben, welche der exakten, in erster Reihe auf den methodischen Prinzipien der historischen Hilfswissenschaften beruhenden mittelalterlichen Quellenforschung für diese Entwicklung beizumessen ist. Im Gegensatze zu dem mehr literarischen als wissenschaftlichen Pragmatismus der älteren Geschichtschreibung lernte man da historische Erscheinungen rein historisch, d. h. als Zwischenglieder einer Reihe ähnlicher, zeitlich und örtlich bedingter Erscheinungen betrachten, wie es in den Naturwissenschaften schon längst der Fall gewesen ist. Nirgends konnte man aber diese neuen Prinzipien der wissenschaftlichen Forschung damals besser sich aneignen, als in der Schule Sickels. Plötzlich hört bei Riegl, der durch Fanta auf das Institut für österreichische Geschichtsforschung aufmerksam gemacht, im J. 1881 Mitglied dieses Institutes geworden ist, jedes Schwanken auf. Mit großem Eifer widmete er sich als Institutsmitglied und auch noch später als römischer Stipendiat den historischen Studien, als deren Ergebnis er auch eine Untersuchung über die Fälschungen Ceccarellis veröffentlichte.1 Diese historischen Lehrjahre waren bei Riegl mehr als eine einfache biographische Tatsache. Ich habe wenig Leute kennen gelernt, bei welchen das, worauf es schließlich in der Wissenschaft einzig und allein ankommt, das allgemeine erkenntnistheoretische Problem ihrer Wissenschaft, so deutlich vom An-
1
Mitteilungen des Institutes für österr. Geschichtsforschung XV 193 ff.
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PERSÖNLICHKEITEN | 2.
fang an die Quelle und das Ziel des wissenschaftlichen Schaffens gewesen wäre wie bei Riegl. Es ist ein neues Kredo des ehemaligen Schülers Büdingers, wenn wir auf der ersten Seite, die Riegl drucken ließ, die Worte lesen, daß Polyhistorie allein nicht mehr genügt, um Fragen zu lösen, an die nur der wissenschaftlich geschulte Fachmann herantreten darf, ohne Gefahr zu laufen, Mühe und Zeit unnütz zu verschwenden, und wie wir sehen werden, wurde durch diese Schulung die Forschungsmethode, die Tendenz und der Inhalt aller späteren Werke Riegls bestimmt. In den Institutsjahren hat er sich der Kunstgeschichte zugewendet. Mag dies auch eine äußere Veranlassung gehabt haben, so waren es doch wohl eine tiefe ästhetische Neigung einerseits, die Freude an weiten Horizonten, an psychologischen und universalgeschichtlichen Betrachtungen anderseits, die ihn von der historischen Quellenforschung auf ein Gebiet geführt haben dürften, welches dieser Seite seines Wesens mehr entsprochen hat. Wie weit dabei der damalige Lehrer der Kunstgeschichte am Institute für österreichische Geschichtsforschung Thausing auf Riegl eingewirkt hat, vermag ich nicht zu sagen; in den Arbeiten Riegls findet man wenig, was auf eine Beeinflussung durch Thausing hinweisen würde, und das gleiche Bestreben, die Kunstgeschichte nach den Gesetzen der objektiven historischen Methode zu behandeln, dürfte eher einen gemeinsamen Ursprung in der allgemeinen historischen Schulung gehabt haben, als auf eine Einwirkung Thausings zurückgehen. Das beweist auch gleich die erste wichtigere kunstgeschichtliche Untersuchung Riegls. Es ist dies eine Abhandlung über die mittelalterliche Kalenderillustration, die in den Mitteilungen des Institutes erschienen ist.2 Sie ist höchst merkwürdig und bedeutungsvoll. Riegl verfolgte darin die Entwicklung bestimmter Kalenderdarstellungen in der antiken Kunst und im Mittelalter und kommt zu dem Resultate, daß sich dieselben typischen Kompositionen bis zum X. Jh. erhalten haben, im XI. Jh. dann durch neue ersetzt wurden. Um die Bedeutung dieser Untersuchung zu verstehen, muß man sich den damaligen Stand der Kunstgeschichte vergegenwärtigen. Deutlich lassen sich in der ganzen kunstgeschichtlichen Literatur jener Zeit noch immer die drei Hauptrichtungen unterscheiden, welche sich um die Mitte des Jahrhunderts entwickelt haben, und die wir die kulturgeschichtliche, die ästhetisch dogmatische und die historisch dogmatische nennen können. Es genügt die Namen Schnaase, Semper, Burckhardt zu nennen, um diese drei Richtungen zu charakterisieren. Die erste ist aus der Romantik und der vaterländischen Altertumskunde hervorgegangen und begnügte sich damit, in chronologischen Zusammenstellungen das kulturelle und künstlerische Leben der Vergangenheit zu schildern; die zweite, deren Ursprung in einer naiven Anwendung der Theorien der englischen Rationalisten auf neue Kulturbestrebungen zu suchen ist, versuchte den Ursprung und die Entwicklung der Kunst auf mechanische Gesetze zurückzuführen, die dritte, an deren Wiege
2
Band X 1. Im Zusammenhange mit dieser Untersuchung sind die Abhandlungen: «Ein angiovinisches Gebetbuch in der Wiener Hofbibliothek» (daselbst VIII 3) und «Die Holzkalender des Mittelalters und der Renaissance» (ebenda XI) entstanden.
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2.1 | ALOIS RIEGL (1905)
die Selbstberäucherung der Humanisten, die Lehren des Klassizismus und Hegels Religion der absoluten Idee gestanden sind, betrachtete die Geschichte der Kunst vom Standpunkte gegebener ewiger Werte. Dazu kam noch die altchristliche Archäologie, deren exegetische Methode sich in bezug auf historische Zusammenhänge stets in einem circulus vitiosus bewegen mußte. Wie groß der allgemeine wissenschaftliche Fortschritt, den Riegls erste Untersuchung gegen die damals geläufige Art der kulturgeschichtlichen Forschung bedeutet, kann man aus einem Vergleiche mit der wenige Jahre früher erschienenen Arbeit Springers über die mittelalterliche Psalterillustration ersehen, die ja ein ähnliches Thema behandelt. Auf Grund einer einzigen Handschrift versuchte da Springer eine große, bis dahin unbekannte nationale Kunst zu entdecken, ohne sich zu bemühen auf Grund des gesammelten Materiales diese Handschrift historisch exakt zu bestimmen, und so blieben seine Ausführungen, so geistreich sie auch an und für sich gewesen sind, vollkommen haltlos und wurden bald überwunden. Dabei war Springer gewiß noch unverhältnismäßig besser wissenschaftlich geschult, als die meisten seiner Fachgenossen. Wie die Theologen der Reformationszeit logische Deduktionen, so zogen die damaligen Kunsthistoriker – und es geschieht vielfach auch heute noch – die historische Methode nur für das biographische oder kulturgeschichtliche Beiwerk heran, ohne sie jedoch, ähnlich wie jene Theologen mit den Grundwahrheiten verfahren, an die eigentliche Materie ihres Faches anzulegen, welches noch wie früher «dem reinen Denken und Fühlen» überlassen wurde. Sollte jedoch die Kunstgeschichte aufhören, die Domäne der spekulativen Willkür zu sein, mußten einerseits die Denkmäler nach den Grundsätzen der modernen historischen Kritik untersucht und bestimmt werden, anderseits mußte man lernen die Entwicklungsprobleme der Kunst historisch zu behandeln. Es war besonders diese zweite Aufgabe, der sich Riegl von Aufang an zugewendet hat und die für ihn in erster Reihe bestimmend für seine Forschungen gewesen ist. Seine erste Untersuchung zeigt uns deutlich, woher der Anstoß dazu gekommen ist. Ganz analog wie in einer Untersuchung über eine mittelalterliche Urkundenart werden da die Monumente von der Antike bis zum späten Mittelalter als Glieder einer in sich geschlossenen Reihe auf ihren Zusammenhang untersucht, wodurch ein glänzendes Vorbild gegeben wurde, wie ikonographische Fragen in exakt wissenschaftlicher Weise zur Erforschung der allgemeinen Entwicklung der Kunst herangezogen werden können. Wir mußten darauf eingehen, denn im Unterschiede zu vielen anderen Forschern, die die Geschichte der künstlerischen Probleme, die seitdem Mode geworden ist, wie einst die Ästheten und Kulturhistoriker nur als Belege für ihre auf vagen hypothetischen historischen Schlüssen beruhende allgemeine Theorien behandeln, entsprechen bei Riegl, wie wir noch sehen werden, im Gegenteil, wie es wissenschaftlich einzig und allein zulässig ist, die entwicklungsgeschichtlichen Ergebnisse vollkommen den Grenzen und den sachlichen Ergebnissen seiner speziellen Untersuchung, so daß sie auf Grund einer exakten historischen Methode gewonnen wurden. Wie er aber diese Methode in ihrer Anwendung auf die Geschichte der Kunst von Arbeit zur Arbeit vertiefte, und wie er gerade dadurch der Geschichte der Kunst
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PERSÖNLICHKEITEN | 2.
in einer bewunderungswürdigen Gradation nach und nach einen neuen Inhalt zu geben wußte, ist nicht nur der wichtigste Inhalt seines einheitlichen wissenschaftlichen Lebenswerkes, sondern auch eine der merkwürdigsten Erscheinungen in der Geschichte der modernen historischen Wissenschaften. Nicht minder bedeutend waren die tatsächlichen Ergebnisse jener Untersuchung. So bescheiden und ohne jedes Generalisieren sie auch vorgebracht wurden, so eröffneten sie dennoch in der Tat unseren Blick für die Kontinuität der antiken und mittelalterlichen Kunstentwicklung auch über die Völkerwanderungszeit hinaus und bestimmten zum erstenmal den wahren Epochenanfang der neuzeitlichen Kunst, dessen Richtigkeit erst heute immer mehr und mehr erkannt wird. Das was Riegl in der alten Polyhistorie nicht finden konnte, fand er auf dem Wege exakter Untersuchung, weite universalgeschichtliche Zusammenhänge, und wir werden sehen, wie er auch in dieser Richtung in einer fortlaufenden Ausgestaltung bis an sein Lebensende das Programm auszugestalten wußte, welches er in dieser ersten Arbeit entdeckte.
DIE ÜBERWINDUNG DER ÄSTHETISCH-DOGMATISCHEN
RICHTUNG
IN DER
KUNSTGESCHICHTE
Im Jahre 1886 trat Riegl als Volontär in das österreichische Museum für Kunst und Industrie ein und wurde dort ein Jahr später zum Kustosadjunkten ernannt und mit der Verwaltung der textilen Abteilung betraut, in welcher Stellung er elf Jahre geblieben ist. Es ist hier nicht der Ort zu erzählen, welche Verdienste er sich um die Sammlungen des Museums erworben hat. Für seine wissenschaftliche Laufbahn war diese Anstellung deshalb von Bedeutung, weil er durch seine museale Beschäftigung auf Kunstgebiete gewiesen wurde, welchen er die Hauptthemen seiner späteren Werke entnommen hat, und wir werden bald sehen, daß dies für ihn mehr bedeutete als ein neues Forschungsgebiet. Es ist die Geschichte des Ornamentes, mit der er sich von nun an hauptsächlich beschäftigte. Es gibt Gelehrte, und es sind dies vielleicht die meisten, die ihr ganzes Leben lang unzähligemal eine und dieselbe Abhandlung schreiben, wobei sie wohl den Stoff und Umfang ihrer Arbeiten wechseln, doch ähnlich wie Reisende, die einmal in der Jugend eine Reise gemacht haben und bis in ihr Alter davon erzählen, bedienen sie sich immer eines und desselben Forschungsformulares, welches sie einmal gefunden haben. Bei Riegl war es beinahe umgekehrt. Seine letzte Arbeit behandelte dasselbe Thema, wie seine Institutsarbeit – Salzburgs Architekturgeschichte – was liegt jedoch alles dazwischen – und wenn wir seine ganzen Werke übersehen, so scheinen sie alle einer einzigen Aufgabe zu gelten, doch wie veränderte sich der Weg dazu und die Ergebnisse. «Der beste Kunsthistoriker ist der, welcher keinen persönlichen Geschmack besitzt, denn es handelt sich in der Kunstgeschichte darum, objektive Kriterien der historischen Entwicklung zu finden», sagte mir Riegl einmal, und wenn wir von diesem Gesichtspunkte seine Werke betrachten, erscheinen sie uns in einer fast gesetzmäßigen Aufeinanderfolge.
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2.1 | ALOIS RIEGL (1905)
Im Jahre 1891 veröffentlichte Riegl sein Buch über altorientalische Teppiche,3 zwei Jahre später «Die Stilfragen». Es sind dies Werke von allerwichtigsten sachlichen, wirklich grundlegenden Ergebnissen. Auf dem einen beruht unsere ganze Auffassung von der Entwicklung der orientalischen Kunst; wie viel wir dem zweiten verdanken, läßt sich nicht so kurz sagen. Wenn man sich eine Vorstellung davon machen will, welch unermeßlicher Fortschritt in der Auffassung des historischen Werdens von Ereignissen und Kulturzuständen uns von den vorangehenden Generationen trennt, nehme man irgendein älteres Buch über die Geschichte des Orientes in die Hand. Da ist alles noch wirklich wie in Tausend und einer Nacht, in Wüsten werden plötzlich Schlösser hervorgezaubert, «weil es so sein mußte», blühende Städte und große Kulturländer entstehen, von dem und dem Prinzen «begründet», und wie ein Zauberer wandert der Historiker in dem Märchenlande und berichtet alles, «was sich ereignet hat». Es ist deshalb kein Wunder, daß sich seit jeher in dieses Wunderland Dilettanten geflüchtet haben und Erfinder von phantastischen oder doktrinären Theorien. So war es auch in der Kunstgeschichte. Die orientalische Kunst ist seit der großen Londoner Weltausstellung Mode geworden und da man von ihrer geschichtlichen Entstehung nichts wußte und sich darum auch nicht kümmerte, konnte man sie unangefochten für die sonderbarsten geschichtlichen und ästhetischen Theorien ausbeuten, ähnlich wie es einst, bevor die Gesetze der Chemie bekannt und allgemein verbreitet gewesen sind, es die Alchymisten mit chemischen Prozessen getan haben. Eine dieser ästhetischen und kunstphilosophischen Lehren, die wir bis ins XVI. Jh. zurückverfolgen können, gelangte, da sie von einem gefeierten Künstler und geistvollen Schriftführer herrührte, im dritten Viertel des XIX. Jh. zur großen Verbreitung. Es war dies Sempers technisch materielle Erklärung des Ursprunges der dekorativen Künste, welche die Stileigentümlichkeiten einzelner Kunsterzeugnisse aus den materiellen und technischen Bedingungen ihrer Entstehung erklären wollte. Einer solchen Theorie waren alle geschichtlichen Zusammenhänge im Wege, und so wurden sie einfach beiseite geschoben, als ob sie nicht bestehen würden, oder durch solche ersetzt, welche, da sie ganz imaginärer Art gewesen sind, einer beliebigen Stilerklärung nicht hinderlich waren. Als nun Riegl durch sein Musealamt veranlaßt, sich mit den Erzeugnissen der orientalischen Textilkunst zu beschäftigen hatte, so konnte er sich mit solchen Phantastereien nicht begnügen, sondern suchte, wie es dank seiner historischen Schulung gar nicht anders möglich war, den Stil der orientalischen Kunstwerke auf seine historische Entstehung zurückzuführen. Diese Bestrebungen hatten unerwartete und geradezu epochale Ergebnisse. Nicht nur, daß das geschichtliche Verhältnis der einzelnen Kunstgebiete des Orientes zum erstenmal klargelegt, nicht
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Den Forschungen zu diesen Werken verdanken auch noch folgende Arbeiten ihre Entstehung: «Die ägyptischen Textilfunde am k. k. österr. Museum» (Wien 1889), «Neuseeländische Ornamente» (Mitteil. der anthropol. Gesellsch. in Wien XX), «Volkskunde, Hausfleiß und Hausindustrie» (Berlin 1894), «Ein orientalischer Teppich vom J. 1202 n. Chr. und die ältesten orientalischen Teppiche» (Berlin 1895).
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nur, daß der große Einfluß der ostasiatischen Kunst auf den ganzen Orient zum ersten Male beobachtet und nachgewiesen wurde, was noch weit wichtiger war, auch die Quellen der ganzen orientalischen Kunst wurden da zum ersten Male bloßgelegt. Auf Grund einer ähnlichen, nur weit umfangreicheren historischen Analyse, welcher er sich in seinen ersten Untersuchungen bediente, ist es Riegl zunächst gelungen, im allgemeinen nachzuweisen, daß die orientalische Kunst des Mittelalters nicht als eine autochthone Schöpfung des Orientes betrachtet werden darf, sondern, nicht minder als die europäische Kunst, als eine Fortsetzung und Weiterentwicklung der Kunst des klassischen Altertums entstanden ist. So wurde nicht nur die wissenschaftliche Geschichte der orientalischen Kunst durch Riegl begründet, sondern auch die universalhistorische Bedeutung der klassischen Kunst über den Kreis der europäischen Kunstentwicklung hinaus erkannt und nachgewiesen. Dieser Nachweis der gemeinsamen Grundlagen der europäischen und asiatischen Zivilisation, durch den allen transzendentalen und rationell phantastischen Hypothesen und Märchen für immer der Boden entzogen wurde, ist aber zugleich vielleicht der wichtigste Fortschritt in der Auffassung des Verlaufes der neueren Weltgeschichte seit Voltaires Essai sur les mœurs et l’esprit des nations, in dem zum ersten Male der Glaube an dogmatische Deutungen der Universalgeschichte erschüttert wurde. Wenn Riegl vielleicht weniger bekannt gewesen ist, als manche Forscher von weit geringerer Bedeutung und als nach den angeführten Entdeckungen geschlossen werden könnte, so ist daran einesteils die Bescheidenheit schuld, mit der er seine Funde in seinen Werken, fast könnte man sagen, verborgen hat, anderenteils das rastlose Bestreben, über die eigenen Ergebnisse hinaus die Probleme neu zu formulieren und zu lösen. Er begnügte sich damit, in einzelnen Spezialuntersuchungen über die leitenden Ideen seiner Forschungen mit einer sachlichen Einfachheit und Selbstverständlichkeit zu berichten, daß die Ununterrichteten glauben mußten, es handle sich um Entdeckungen, die längst – von anderen gemacht wurden, und während diese Ideen sich langsam nach und nach verbreiteten und eine neue Etappe in den betreffenden Forschungsgebieten geschaffen haben, waren sie für Riegl längst schon wieder überholt und überwunden. Es ist dafür besonders bezeichnend, daß bereits zwei Jahre nach dem Werke über die Quellen der orientalischen Kunst ein Buch wie «Die Stilfragen» erschienen ist. Es ist dies eine Untersuchung über die Entstehung und Geschichte der wichtigsten griechischen Ornamente, doch mit Zielen, die weit über die Grenzen einer solchen Untersuchung hinausgehen. Riegl führte darin den Beweis, daß die wichtigsten Motive der hellenischen, hellenistischen, römischen und orientalischen Ornamentik nicht als zufällige, in einer beliebigen Zeit möglich und durch die künstlerische Absicht oder technische Bedingungen bedingte Stilisierungen von Naturvorbildern entstanden sind, sondern sich in einer ununterbrochenen historischen Entwicklungsreihe aus einigen wenigen ursprünglichen Grundmotiven, die sich bis in die altägyptische Kunst zurück verfolgen lassen, entwickelt haben. Es ist dies fast wie ein Gegenbeweis für die allgemeine Richtigkeit der Ergebnisse der Untersuchungen über den Stil der orientalischen Teppiche. Dort wurde die geschichtliche Tatsache bewiesen,
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hier die Physiologie des Prozesses, der zu solchen Tatsachen führte, an einem Beispiele, dem berühmtesten, das es geben konnte, mit einer geradezu naturwissenschaftlichen Präzision dargelegt. Die Möglichkeiten, historische Zusammenhänge auf Grund von ikonographischen Übereinstimmungen und augenfälligen Umgestaltungen nachzuweisen, wie es Riegl in seinen früheren Arbeiten getan hat, waren sehr beschränkt und konnten leicht da ausfallen, wo ein neuer Vorstellungskreis die alten Götter und Helden entthronte. Und dann beweist eine Übereinstimmung der Darstellung an und für sich eine historische, kontinuierliche Evolution? Wenn sich jedoch, wie in der Palaeographie an der Umgestaltung der Buchstaben, an der Umgestaltung der ornamentalen Motive das ununterbrochene Fortleben und Ausgestalten bestimmter Kunstformen nachweisen läßt, ist da nicht ein objektives Beweismittel gewonnen für das Fortleben alter künstlerischer Kulturen allen ästhetisch-dogmatischen Theorien gegenüber? Darin bestand vor allem die große wissenschaftliche Tat der «Stilfragen». Meilenweit entfernten sie sich von der damals geläufigen Auffassung der kunstgeschichtlichen Forschung, die sich damit begnügte, die Palmette als den reinsten Ausdruck der harmonischen Organisation des griechischen Genius zu erklären, meilenweit ist jedoch auch Riegl selbst seinen älteren Forschungen gegenüber vorgeschritten. Emanzipierte er sich in seiner Jugend auf Grund des allgemeinen Fortschrittes der historischen Wissenschaften von der alten Polyhistorie und lexikalen Kulturgeschichte, so ist es ihm nun gelungen, auf Wegen, die er selbst der Wissenschaft eröffnete, wiederum der Kunstgeschichte wenigstens für die archaischen und superstitionellen Perioden der Kunst weltgeschichtliche Perspektiven zu eröffnen, ohne dabei auf die Waffen der strengen Wissenschaftlichkeit verzichten zu müssen. Man sprach wohl schon früher von Beziehungen der griechischen Kunst zu älteren Kunstperioden, doch wer hätte ahnen können, daß sich die ganze Kunst des Altertums zu einer entwicklungsgeschichtlichen Reihe zusammenschließen läßt? Voll freudevoller Zuversicht schrieb auch Riegl bald darauf in einem Essai über Kunstgeschichte und Universalgeschichte, der dem alten «Polyhistor» Büdinger gewidmet war, daß wohl nun selbst die «Anarchisten» in der Kunstgeschichte freudig die vermeintliche Sisiphusarbeit der alten Weltgeschichte beginnen werden, indem sie nunmehr von der universalgeschichtlichen Betrachtung der Kunstgeschichte einen Beitrag zur Lösung des großen Welträtsels erhoffen, dessen Bezwingung im letzten Grunde jede menschliche Wissenschaft zum Ziele hat. Erst später ist es klar geworden, daß dies ein zukunftsfrohes Selbstbekenntnis gewesen ist. Es war ein merkwürdiger Zug seiner Persönlichkeit, daß er, der grübelnde Denker, bei dem sich «alle Dinge in ein Problem verwandelten», zugleich voll Wollen und Sehnsucht war, nicht nur auf dem langsamen Wege der Bücherwissenschaft Neues zu schaffen, sondern unmittelbar in die Gegenwart einzugreifen, indem er wie wenige die Gabe hatte, die Ergebnisse seiner historischen Forschung in kulturelle Gegenwartswerte umzusetzen. Man kann sich kaum ausdenken, was aus dem Museum geworden wäre, an dem er angestellt gewesen ist, wenn ihm vergönnt gewesen wäre, als Leiter dieses Museums das zu schaffen, was er schaffen wollte und
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konnte. Man hat es nicht verstanden. Ich hatte nach seinem Ausscheiden aus dem Museum Gelegenheit, fast täglich mit ihm zu reden. Er klagte nie und klagte noch weniger jemanden an, doch war er, einer der erfolgreichsten Forscher seiner Wissenschaft, damals so unglücklich und unzufrieden als nur möglich. «Ich habe keinen Beruf», sagte er oft.
DIE ÜBERWINDUNG DER HISTORISCH IN DER KUNSTGESCHICHTE
DOGMATISCHEN
RICHTUNG
Auf der Universität habilitierte sich Riegl im Jahre 1889, im Jahre 1895 wurde er außerordentlicher Professor und im Jahre 1897, nach seinem Ausscheiden aus dem österreichischen Museum, Ordinarius, von welchem Zeitpunkte an er sich durch einige Jahre ausschließlich seinem Lehrberufe gewidmet hat. Mit dieser Zeit fällt der dritte Abschnitt seiner wissenschaftlichen Entwicklung zusammen. Noch in den Museumsjahren faßte Riegl den Plan, sich an einer von Masner geplanten Geschichte des antiken Kunstgewerbes durch die Bearbeitung der nachkonstantinischen Periode zu beteiligen. Es sollten die so zahlreichen und prunkvollen spätantiken kunstgewerblichen Funde aus Österreich in einem großen Sammelwerke veröffentlicht werden. Es ist selbstverständlich, daß es sich Riegl dabei um mehr handelte, als um eine Prachtpublikation. Es sollte darin eine Entdeckung von nicht minder großer Bedeutung als jene, die seinen früheren Büchern zugrunde liegen, ausführlich dargelegt werden. Die vermeintliche, auf technischen und ästhetischen Neuschöpfungen beruhende Ursprünglichkeit der dekorativen Kunst in Griechenland und in der orientalischen Kunst des Mittelalters war widerlegt, es gab jedoch noch eine Kunstperiode, für die man noch immer die Entstehung einer ganz neuen, auf nationalen Eigentümlichkeiten beruhenden Kunst angenommen hat. Es war dies die Kunst der Völkerwanderungszeit, von der man angenommen hat, daß sie bei dem Siegeslaufe neu in die Gebiete der alten Zivilisation eindringender Völker als eine Schöpfung ihrer barbarischen Kultur in das zerfallende römische Weltreich hereingebracht wurde. Riegl machte nun die Beobachtung, daß an dieser vermeintlichen barbarischen Kunst in dem ganzen Gebiete der römischen Kunst dieselben Stilmerkmale und dieselben Stilveränderungen nachgewiesen werden können, die sich durchwegs organisch den letzten Stilphasen der klassischen Kunst anschließen, so daß diese gefeierte Urkunst ebenfalls nur als eine Weiterbildung der Kunst des klassischen Altertums betrachtet werden muß, und der einheitliche Verlauf der Weltgeschichte der Kunst auch in dieser Richtung geschlossen werden kann. Das sollte in zwei großen Bänden ausgeführt werden, von welchen der erste die Frage nach den Schicksalen der Kunstindustrie bei den bisherigen Trägern der allgemeinen Entwicklung, den Mittelmeervölkern in der nachkonstantinischen Zeit beantworten, der zweite das Maß des schöpferischen Anteiles der damals in die Kulturwelt neu eingetretenen nordischen Barbarenvölker an der Gestaltung der bildenden Kunst in den fünfthalb Jahrhunderten zwischen Konstantin dem Großen
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und Karl dem Großen feststellen sollte. Es ist nur der erste Band erschienen, der eine Geschichte der spätrömischen Kunst enthält.4 Man könnte sich wohl vorstellen, daß Riegls neues Werk ähnlich angelegt worden wäre wie seine älteren Bücher, denn es handelte sich ja wiederum um die Entwicklungsgeschichte einer bestimmten Dekorationsart. Doch das neue Werk ist von jenen Büchern ganz verschieden. Es äußert sich darin eine neue Wandlung, die sich in der Kunstgeschichte vollzogen hat, und die in Riegl, der einer ihrer Begründer gewesen ist, einen der eifrigsten und konsequentesten Verfechter gefunden hat. Man kann kurz diese Wandlung als den Sieg der psychologisch-historischen Auffassung der Geschichte der Kunst über die absolute Ästhetik bezeichnen. Seit dem Zeitpunkte, in dem die christliche Kunst begonnen hat, die eigenen Leistungen mit antiken Vorbildern zu vergleichen, wurde die Geschichte der Kunst vom Gesichtspunkte der jeweiligen neuen Aufgaben und Bestrebungen der modernen Kunst gesehen. Historisch müßte man von einer Renaissance sprechen, die vom XI. Jh. bis in unsere Zeit dauert und in jedem Jahrhunderte eine neue Antike entdeckte. Daran hat auch die auf jede Ästhetik verzichtende Monumentenforschung des vorigen Jahrhunderts keine Änderung geschaffen, denn hinter dem angeblichen Jenseits aller Wertschätzung verbarg sich nach wie vor die Tyrannei einer gegebenen aprioristischen geschichtlichen Kunstlehre, und nur auf dem Umwege vager historischer Erwägungen oder mühsam gewonnener, nebensächlicher Kriterien konnte man sich über die Geschichte der Künstler hinaus auch über die Geschichte der Kunst einige Klarheit verschaffen. Freilich schrieb schon seit langem die moderne Kunst ein Menetekel auf die Wände der Lehrsäle, in welchen noch immer «die Kunst im höchsten und spezifischen Sinne» bewundert wurde und Arbeiten wie Justis Velazquez oder Wölfflins Renaissance und Barock haben, wenn sie auch noch von der alten Adoration der klassischen Kunst ausgehen, in die alte Betrachtungsweise eine Bresche geschlagen, indem sie hohe künstlerische Ziele in Perioden nachgewiesen haben, in welchen man bis dahin nur membra disjecta einer desorganisierten Kunst zu sehen gewohnt gewesen ist; doch erst an der Schwelle unseres Jahrhunderts wurde in einer Reihe von Arbeiten das entwicklungsgeschichtliche Prinzip, das allen übrigen Wissenschaften schon längst zugrunde liegt, auch auf die Geschichte der künstlerischen Probleme bewußt und konsequent angewendet. Es waren Wickhoffs Forschungen über die Geschichte der römischen Kunst, in welchen zum ersten Male für eine ganze und überaus wichtige Periode der Kunst die alte ästhetisch historische Dogmatik durch eine genetische Geschichte der künstlerischen Probleme ersetzt wurde. Das war aber gerade das, worauf Riegls ganze vorangehende Entwicklung hinzustreben schien, und sein neues Buch wurde naturgemäß, fast könnte man sagen eine Ergänzung und Fortsetzung von Wickhoffs 4
Wien 1901. Dem Ideenkreise dieser Zeit gehören auch noch folgende Arbeiten an: der genannte Aufsatz in der Büdinger-Festschrift, der zu ihnen hinüberleitet, und «Oströmische Beiträge» in den Beiträgen zur Kunstgeschichte, Franz Wickhoff gewidmet.
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Studien, freilich eine Fortsetzung von individuellem Gepräge. Hat Wickhoff nachgewiesen, daß die Kunst des römischen Weltreiches, die man mit der Brille der ewigen künstlerischen Ideale versehen, früher als minderwertiges Epigonentum angesehen hat, eine der wichtigsten und einflußreichsten Schöpfungen des menschlichen Geistes bildet, wenn man sie nur verstehen lernt, so hat Riegl dargelegt, daß die Kunst der nächstfolgenden Periode, die man einzig und allein als einen Verfall der römischen Kunst aufzufassen gewohnt war, nicht minder von selbstständigen künstlerischen Intentionen erfüllt gewesen ist, die ebenso sich der ganzen vorangehenden Geschichte der Kunst anschlossen, als zur Entwicklung der Kunst im Mittelalter und der Neuzeit hinüberleiten. In der allgemeinen Geschichte bildet wohl längst ein mannigfaltig erörtertes und viel umstrittenes Thema der Untergang der Antike, nicht jener Untergang, der in den Handbüchern von bestimmten Jahren und Ereignissen an gerechnet wird, sondern die unverkennbare innere Auflösung oder Umprägung der antiken Kultur, die bald darauf beginnt, nachdem diese Kultur scheinbar die größte Blüte erreichte. In genialer Weise zeigte nun Riegl, daß in der Kunst dieser Periode, was vom Standpunkte bestimmter aprioristischer, ästhetischer und historischer Voraussetzungen als Verfall betrachtet wurde, in der Wirklichkeit ein Fortschreiten zu neuen künstlerischen Idealen gewesen ist, zu Idealen, welche für die ganze Folgezeit maßgebend wurden. In einer Analyse der Architekturen, Bildwerke, Malereien und kunstgewerblichen Gegenstände, die, wenn es erlaubt ist, so disparate Dinge zu vergleichen, in ihrer Eindringlichkeit an Rankes Papstbildnisse erinnert, führt uns Riegl vor Augen, daß das Verhältnis der Objekte zum Raume in Licht und Schatten vom Beschauer gesehen oder mit anderen Worten: die fortschreitende Subjektivisierung der Kunst die treibende Kraft der Kunstbestrebungen in diesem Finale der alten und dem Introitus der neuen Kunst gewesen ist, eine Kraft, die wir nicht nur in der gleichzeitigen Literatur ebenfalls beobachten können, sondern ohne welche das ganze Christentum, die Religion subjektiver Empfindungen und Beziehungen zur Welt und Ewigkeit nicht möglich gewesen wäre. Am deutlichsten und stärksten offenbarte sich die auf subjektiver Wahrnehmung der Raumschönheit beruhende Tendenz der spätantiken Kunst in jener Kunst, der die nächste Zukunft gehörte, in der Architektur, und so lernen wir verstehen, warum fast über dem Grabe der Antike so herrliche Bauten entstehen konnten, wie St. Vitale in Ravenna, die herrlichsten vielleicht, die das Altertum geschaffen hat, Bauten, die was wichtiger ist, in der Architektur des Mittelalters und der Neuzeit bis auf S. Pietro und Gesù eine fortlaufende Weiterentwicklung gefunden haben. Doch auch für die übrigen Gebiete der Kunst wurde zum erstenmal das Wesen des Stiles, der eine Brücke zwischen dem Altertum und der Neuzeit bildet, klargelegt, und die historische Notwendigkeit dieses Stiles aus der Kontinuität der vorangehenden und folgenden Erscheinungen nachgewiesen. So wurde aber «die letzte große Lücke in unserer Kenntnis der allgemeinen Kunstgeschichte der Menschheit wenigstens im ganzen und großen geschlossen». Wie bei großen Künstlern, die sich wie Rembrandt oder Michelangelo ihr ganzes Leben mit einem Problem der Kunst beschäftigten, nach und nach das ganze
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Problem, die ganze Auffassung der Kunst durch diese eine Aufgabe einen neuen Inhalt erhält, so führte auch Riegl die immer intensiver sich steigende Beschäftigung mit einem Forschungsprobleme zu einer neuen Auffassung des Verlaufes der ganzen Geschichte der Kunst. Von Anfang an war seine Forschung darauf gerichtet, das Wesen und geschichtliche Werden «der inneren Notwendigkeit, die allen Kunstwerken einer Periode gemeinsam ist, und die man als Stil zu bezeichnen pflegt», zu ergründen. Als ihm nun gelungen war, für eine Periode der Kunst, die man gerade in dieser Beziehung für steril hielt, eine Fülle von neuen künstlerischen Intentionen nachzuweisen, von Intentionen, auf welchen die Zukunft beruhte, mußte ihm notwendigerweise die ganze Geschichte des künstlerischen Stiles, an den neu gefundenen stilistischen Merkmalen gemessen, in einem neuen Lichte erscheinen. Diese Weltgeschichte des Stiles beschäftigte Riegl am meisten in den letzten Jahren seines Lebens. In seinen Schriften findet man nur Reflexe davon, aber seine Vorlesungen und Gespräche waren in dieser schaffensfrohen Zeit voll von neuen Ideen über den Verlauf der Geschichte der Kunst. Riegl war ein glänzender Redner, nicht ein Schönredner jener Art wie man sie früher schätzte, bei welchen wohl angewandtes Pathos und stimmungsvoll skandierte Phrasen vor allem auf das Publikum einwirken mußten, und die uns heute so widerwärtig geworden sind, sondern seine Rednergabe bestand darin, daß er durch eine aus tiefer Überzeugung und Arbeitsfröhlichkeit hervorquellende Beredsamkeit den mitdenkenden Hörer auf den Weg seiner Ideen mitzunehmen wußte. Wenn ich jetzt an jene Zeit zurückdenke, so scheint es mir, als ob er damals schon geahnt hätte, daß ihm kein langes Leben beschieden sein werde, so fieberhaft war er bestrebt, das kühne Gebäude seiner Stilgeschichte oder Geschichte des Kunstwollens, wie er es nannte, auszudenken. Es waren Kapitel darin von allergrößter Schönheit, genialster Konzeption und neue Bahnen weisenden Ergebnissen – so hätte eine Geschichte der barocken Kunst, wie sie seine Schüler von ihm kennen lernten, wenn er sie niedergeschrieben hätte, den Ursprung und das Wesen der neuzeitlichen Barocke, ich kann nicht anders sagen, neu entdeckt, wie er den Ursprung und das Wesen der spätantiken Barocke entdeckte; ihn interessierte jedoch in dieser Zeit mehr als dieses sein Wissen – sein Suchen, welches bis zu den tiefsten Ursachen der Geschichte durchdringen wollte. Nachdem die alten dogmatischen Theorien endgültig zertrümmert waren, wollte er, worauf sein ganzes Leben von Anfang hinzielte, eine Universalgeschichte der Kunst an ihre Stelle setzen, und da er, von einer einzelnen Entwicklungsreihe ausgehend, die Geschichte des Stiles mit der Geschichte der Kunst identifizierte, glaubte er auch das historische Gesetz dieser Entwicklung gefunden zu haben.5 Mitten in dieser Mittagszeit seiner wissenschaftlichen Laufbahn hat sich Riegl einer ganz neuen Tätigkeit zugewendet.
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Dafür kommen hauptsächlich folgende Arbeiten in Betracht: «Das holländische Gruppenporträt» (Jahrb. der kunsthist. Samml. des Allerh. Kaiserhauses XXIII 1902); «Über altchristliche Basiliken» (Jahrb. der Z. K. 1903) und «Salzburgs Stellung in der Kunstgeschichte» (Salzburg 1905).
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DIE
MODERNE
DENKMALPFLEGE
Es ist unlängst von Riegl gesagt worden, sein Kunstfühlen sei von vornherein auf die Seite des rhythmischen Empfindens gewiesen gewesen. Das ist zweifellos richtig, doch wird dadurch Riegls Verhältnis zur Kunst nur teilweise charakterisiert. Die Kunstbetrachtung beruhte bei ihm weit weniger auf einer gegebenen Neigung als auf intellektualen Schlüssen. Ich kenne keinen Kunsthistoriker, der so objektiv alten Kunstwerken gegenüber gewesen wäre wie er, ohne daß er doch empfindungslos ihren künstlerischen Qualitäten gegenüber geblieben wäre. Für ihn deckte sich die Abschätzung künstlerischer Werte vollkommen mit den Ergebnissen seiner historischen Analyse der Kunstwerke, doch war diese Abschätzung bei ihm nicht nur ein totes Forschungsresultat, sondern zugleich auch ein inneres Erlebnis, ein wahres Genießen der Kunstwerke auf Grund beiläufig derselben ästhetischen Werte, auf Grund welcher sie bewußt oder unbewußt ihre Schöpfer genossen haben dürften. Er hat sich sein Kunstsehen selber nach und nach errungen (was mir stets als das merkwürdigste an ihm vorkam) und wußte das Gefundene mit einer suggestiven Überzeugungsgabe anderen mitzuteilen. So vermochte er sich nicht nur in das harmonische Spiel primitiver Ornamente hineinzuleben, sondern auch einen barocken Bau oder ein Bild Rembrandts in einer Weise zu interpretieren, die jedem Hörer, der ihm folgen konnte, unvergeßlich bleiben wird. Wie tief begründet in seinem Wesen dieser Historismus gewesen ist, kann man daraus ersehen, daß er selbst die Kunst unserer Tage unter einem historisch objektiven Gesichtspunkte sah. Wie in der Politik und Literatur, beurteilen wir auch in der Kunst die Erscheinungen unserer Zeit vom Standpunkte unserer subjektiven Bildung, betrachten die Werke, die ihr entsprechen, als die Kunst unserer Zeit und suchen die Berechtigung dieser Kunst aus ihrer historischen Notwendigkeit abzuleiten, wobei wir vergessen, daß sich unsere subjektive Auffassung der Kunst keinesfalls mit dem allgemeinen Kunstempfinden unserer Zeit zu decken pflegt. Anders war es bei Riegl. In früheren Jahren sprach er selten von Kunstströmungen unserer Zeit und dies stets ohne besonderes Interesse. Man wird einmal lächeln, falls sich unsere Tagesblätter und Revuen erhalten sollten, über die Fülle von angeblichen Kunstrichtungen, deren Entstehung in diesem außerordentlichen Säkulum uns Künstler und Kunstschriftsteller glaubhaft machen wollen, ähnlich wie wir heute über die zahllosen sozialpolitischen Theorien des XVIII. Jh. zu lächeln pflegen. Man wird einsehen lernen, daß auch die Kunst des XIX. Jh. und der Folgezeit wie immer früher einen einheitlichen Komplex bildet, welcher der barocken Kunst gegenüber, an deren Einheitlichkeit niemand heute zweifeln dürfte, wohl eine Weiterbildung, doch keinesfalls eine Umwälzung oder auch nur eine prinzipielle Neuerung bedeutet. Wer das bunte Kunsttreiben unserer Zeit unter dem Gesichtspunkte eines, gleichgültig ob höheren oder niedrigeren Kunstgeschmackes betrachtet, dem entschwindet das, was allen Kunstbestrebungen unserer Zeit zugrunde liegt, doch leicht wird das Verknüpfende, den gemeinsamen Stil, entdecken, wer die Kunsterscheinungen auf ihre gemeinsame geschichtliche Grundlage zurückzuführen vermag. So war es auch bei Riegl, der im Anschlusse an seine uni-
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versalgeschichtliche Auffassung der einheitlichen Kunstentwicklung auch für die modernste Kunst einen ihrer wesentlichsten Charakterzüge, der ihr überall in allen ihren Erscheinungen zugrunde liegt, so verschiedenartig sie auch sein möge, und der sie von allen vergangenen Kunstperioden scharf unterscheidet, klargelegt hat. Es handelt sich dabei um das Verhältnis der Kunst und der Menschen älteren Kunstperioden gegenüber. Nicht nur die Kunstschriftsteller, sondern auch die Künstler und das Publikum betrachteten bis zum Cinquecento, ähnlich wie die Politiker oder Theologen jener Zeit die Geschichte überhaupt nur zum Beweise für ihre Theorien herangezogen haben, auch ältere Kunstwerke nur als einen Beleg der eigenen konkreten Kunstauffassung und vernichteten sie erbarmungslos oder blieben doch ihnen gegenüber vollkommen gleichgültig, wo eine Beziehung dieser Art nicht möglich war. Das hat sich erst in der Barockzeit nach und nach geändert. Der Grund davon ist in einer neuen Auffassung der Aufgaben der Kunst zu suchen. Während noch die Renaissance wie alle älteren Perioden jedes Kunstwerk als eine isolierte Einheit geschaffen und genossen hat (was selbst für die Gliederungen eines einzelnen Kunstwerkes gilt), lernte man seit dem Zeitalter Michelangelos immer mehr alle Einzelheiten großen räumlichen Gesamtwerten unterzuordnen. Man sieht antike Bauwerke nicht nur, wie es früher der Fall war, in ihren einzelnen architektonischen Motiven, sondern in ihrer Gesamterscheinung. Man zieht wieder die verachteten gotischen Formen heran, nicht weil man sich für gotische Konstruktion interessiert, sondern weil man so weit ist, den ihnen eigentümlichen malerischen Reiz zu verstehen. Man entdeckt nach und nach alle älteren Stile wieder, nicht weil die Kunst zu ihren Entwicklungsstadien zurückgekehrt ist, sondern weil im Rahmen der barocken (und modernsten Kunst) die Möglichkeit vorhanden ist, wie jeder landschaftlichen Vedute, wie jeder Lebensszene auch jedem alten Kunstwerke einen künstlerischen Genuß abzugewinnen. Die Gelehrten und Pedanten unter den Künstlern, welche die alten Stile vermeintlich wissenschaftlich entdeckten, ließen es sich nicht träumen, daß sie demselben künstlerischen Gesetze gehorchten, welches Gesù geschaffen hat und Turner oder Constable die moderne Landschaft entdecken ließ. Wo aber ihre Gelehrsamkeit die Grenzen unserer Kunst überschritten hat und alte Kunstwerke und Stile einfach aus dem Grabe wiedererwecken wollte, da stellte sich bald eine Reaktion ein. Diese Reaktion geht heute wie ein mächtiger Strom durch die ganze Welt, ohne daß sie jedoch eine Schöpfung der letzten Tage wäre, da sie durch die ganze Entwicklung der barocken Kunst begründet wurde. Man lernte einsehen, daß es sich in unserem Verhältnisse zur alten Kunst nicht darum handelt, dieses oder jenes angebliche goldene Zeitalter der Kunst, wie es die dogmatische Forschung und Kunst beabsichtigte, der Gegenwart zu oktroyieren und alten Kunstwerken nur so weit Wert beizulegen, als sie restauriert und ergänzt als Spezimina der Kunst jener Zeitalter betrachtet werden können, sondern darum, daß die alten Kunstwerke einen Schatz von künstlerischen Potenzen enthalten, die nicht als Prinzipien oder Regeln einer bestimmten Kunstlehre, nicht als Zeugnisse für die Vorzüge dieser oder jener Stilart, sondern, dank der Entwicklung der Kunst, in den letzten Jahrhunderten und im Spiegel unserer modernen Kunstempfindung ebenso unmittelbar zu unseren Herzen zu sprechen vermögen, wie die
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Natur selbst oder wie Kunstschöpfungen unserer Zeit, und eine Quelle von künstlerischen Sensationen bilden, die um so reichhaltiger und ungetrübter ist, je weniger in ihr das Vermächtnis der Zeiten durch einseitige moderne Interpretationen angetastet wurde. Das empfinden heute alle Leute von Geschmack und Bildung, doch niemand hat dieses Phänomen, vielleicht das wichtigste in der Geschichte der modernen Kunst, vor Riegl auf seine historischen Grundlagen zurückgeführt.6 Ich sprach davon, wie bekümmert er einst gewesen war, als es ihm unmöglich gemacht wurde, die Früchte seiner Forschungen unmittelbar durch die Ausgestaltung eines großen Museums dem Leben unserer Zeit nutzbar zu machen. Nun bot ihm – nicht eine äußere Veranlassung, denn es hat sich weder in seinen persönlichen Verhältnissen etwas verändert, noch in den Verhältnissen der Institution, der er seine Tatkraft zuwenden wollte – sondern die Entwicklung seines Geistes zum zweiten Male eine Gelegenheit dazu. Wäre ihm um Popularität oder äußere Anerkennung zu tun gewesen, wäre er wohl bald einer der gefeiertsten Gelehrten und Universitätslehrer geworden; so wendete er sich aber, weil er es für seine Pflicht hielt, Aufgaben zu, um die ihn damals kaum jemand beneidet haben dürfte, die halbvergessen und unerkannt in Aktenbündeln schlummerten, und die man höchstens als einen bureaukratischen Annex der Kunstgeschichte zu betrachten gewohnt gewesen ist. Es folgt nun der tragische Schluß. Der stille einsame Mann, der bis dahin schon durch seine Schwerhörigkeit von der Welt halb abgesondert, fern dem Tagesleben und den Tageskämpfen seinen Ideen und Forschungen lebte, ist plötzlich ein glühender, unermüdlicher Organisator geworden. Die neue Auffassung der Pflichten der Denkmalpflege und die Änderung der Aufgaben, die diese Auffassung mit sich bringt, machte es notwendig, auch die staatlichen Institutionen, welchen die Fürsorge für die Erhaltung alter Denkmäler obliegt, einer Reorganisation zu unterwerfen, und der rigorosere Inhalt dieser Pflichten und Aufgaben verlangte nach einer legislativen Unterstützung. Für beides hat Riegl Entwürfe ausgearbeitet, die wohl die besten sind, die nur möglich waren, und die, wenn sie durchgeführt werden, mustergültig für die ganze moderne staatliche Denkmalpflege werden dürften.7 Doch das war nur der geringere Teil seiner Verdienste um die Z. K. und österreichische Denkmalpflege. Das trefflichste Statut und Gesetz bleibt ein totes Stück Papier, wenn nicht die Durchführungsbedingungen gewährleistet sind, und diese zu schaffen war das rastlose, fast übermenschliche Bemühen Riegls in den letzten Jahren. Er war kein Organisator im geläufigen Sinne des Wortes, wonach die «praktische Organisationsgabe» vor allem in Ausnützung der Fehler und Schwächen der Mitmenschen besteht, bei Riegl war es im Gegenteil nebst seiner Superiorität den Aufgaben gegenüber und nebst seinem beispiellosen Feuereifer, mit dem er, damals schon ein todkranker Mann, alles auf sich nahm, was zu leisten war, vor allem die seltene Gabe, alle Herzen durch ein freundliches Verständnis für die individuellen Bildungs- und Gefühlsdispositionen zu ge6 7
Der moderne Denkmalkultus, sein Wesen und seine Entstehung. Wien 1903. Als Manuskript gedruckt [in E. Bacher (Hg.), Kunstwerk oder Denkmal? Alois Riegls Schriften zur Denkmalpflege, Wien–Köln–Weimar 1995, S. 51–144, wiederabgedruckt].
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winnen, die das Gelingen seiner Reform der öffentlichen Denkmalpflege erhoffen ließ. Mit den edelsten Waffen hätte da einer der edelsten Männer ein Werk geschaffen, welches eine neue dauernde Grundlage unserer künstlerischen Kultur geworden wäre. Nicht weit vom Ziele ist er zusammengebrochen.
ALOIS RIEGL (1905) *
V
èervnu zemøel professor dìjin umìni na Vídeòské universitì Alois Riegl ve stáøí 48 let. Byl to historik velkých smìrodatných ideí, který uvedl dìjiny umìni v mnohém smìru na úplnì nové dráhy. Vyšel ze školy Sicklovy a náleŞel vedle Wickhoffa k prvním, kteøí na místo døívìjšího doktrinarismu dìjiny umìní postavili na základ historického pragmatismu. Hned první jeho práce «Über die Kalenderillustration des Mittelalters» je tohoto smìru. R. v ní na pøíkladu illustrací ke kalendáøùm dokázal, Şe antické umìní nepøestává stìhováním národù, nýbrŞ udrŞuje se dále aŞ do doby karolinské – these, která se dnes zdá býti samozøejmou, tenkráte však byla smìlým prùlomem panujících názorù. V nejbliŞší práci «Über altorientalische Teppiche» dokázal R., Şe umìní Orientu nevzniklo samostatnì, nebo v pøímé souvislosti s umìním starobabylonským, jak se døíve soudilo, nýbrŞ rovnìŞ z klassického umìní øeckého a øímského. Je to jeden z nejdùleŞitìjších objevù dìjin umìní, na nìmŞ spoèívaji veškeré pozdìjší práce o orientálním umìní. Neménì dùleŞitou byla kniha, jeŞ pod názvem «Mitfragen» obsahuje dìjiny øecké ornamentiky. Pøed ní byl rozšíøen názor, Şe øecká ornamentika vznikla pøíleŞitostním a stále se opakujícím nápodobením rostlin a jiných pøedmìtù. R. proti tomu dokázal, Şe vznikla postupným nepøetrŞtým pøetvoøovánim nìkolika málo motivù, které moŞno sledovati nazpìt aŞ k umìní staroegyptskému. Nièím nebyla dogmatická interpretace dìjin umìní tolik otøesena jako tímto dùkazem. To, co bylo v tìchto pracích (uvedl jsem jen nejdùleŞitìjší) provedeno jednotlivì, zamýšlel R. v posledních letech svého Şivota provéstí pro celou periodu pozdní antiky a staršího støedovìku. Pracoval na velkém díle, jeŞ mìlo obsahovati dìjiny øimského umìni od doby, od které se døíve povaŞovaly za ukonèené, t. j. od 2. stoleti po Kristu aŞ do doby karolinské. Tohoto díla vyšel prvý svazek, v nìmŞ R. provedl dùkaz, Şe po dobì Flavijovcu nejen Şe rímské umìní nezaniká, nýbrŞ se dále vyvíjí k novým umìleckým úkolùm a prostøedkum. V druhém svazku chtìl R. dokázati, Şe tak zv. barbarské umìní doby stìhování národù nebylo produktem nových do kruhu antické civilisace vstoupivších národù, nýbrŞ opìt jen novou phasí ve vývoji umìní, jeŞ bylo dìdictvím celé pøedcházející antické kultury. Tento svazek zùstal nedokonèen. Tak všecky práce Rieglovy tìsnì souvisely, ne onou souvislostí odborové specialisace, nýbrŞ souvislostí nového grandiosního názoru na his-
*
Max Dvoøák: Alois Riegl, in: Èeský èasopis historický, 11, 1905, S. 368–369.
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torický problem v dìjinách umìní. Bohatství ideji odpovídato u R. bohatství èinnosti. Mìl u uèencù tak vzácnou vlastnost opravdové skromnosti a ujímal se rád vìci zdánlivì nepatrných a zanedbávaných, z nichŞ obratem ruky dovedl utvoøiti materialie netušeného významu. A to platí nejen pro èinnost historickou. V posledních letech ujal se R. úkolu reorganisovati správu starých umìleckých památek v Rakousku. V pøedešlem èisle È. È. H. bylo poukázáno k Dehiovì pøednášce o uchováváni umìleckých památek. Je to ojedinìlý hlas ve velké revoluci v názorech o našich povinnostech ku starým památkám, jeŞ se v posledním desítiletí v literatuøe a praksi odehrála. Nikdo nepochopil tento pøevrat historický a v jeho konsekvencích tak hluboce, jako R. v knize: "Die moderne Denkmalpflege". Ale nepøestal na teoretické úvaze, nýbrŞ vypracoval projekt pro zákon a reorganisaci správy starých památek v Rakousku, s nímŞ nelze nic podobného srovnávat. Aè byl jiŞ dlouho na smrt nemocen, provedl v posledních letech pøípravy k této reorganisaci s duševní i fysickou energií, jaké jsem pøed tím nikdy nepoznal. Krátce pøed cílem zlomila jej smrt.
ERZHERZOG FRANZ FERDINAND (1914) *
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ie Zentralkommission für Denkmalpflege trauert an der Bahre ihres Protektors. Am 22. Jänner 1910 geruhte Seine k. u. k. Apostolische Majestät Erzherzog Franz Ferdinand zum Protektor der Zentralkommission, die ihn schon früher zu ihren Ehrenmitgliedern zählte und deren Aufgaben und Arbeiten er seit Jahren alle erdenkliche Förderung angedeihen ließ, zu ernennen. Wie viel Erzherzog Franz Ferdinand für die Zentralkommission in den wenigen Jahren getan hat, in denen er ihr als Protektor vorstand, kann in diesem trauererfüllten Nachrufe nur angedeutet werden und soll später in diesen Blättern eine ausführliche Schilderung erfahren. Denn die Bemühungen des verewigten Thronfolgers um die österreichische Denkmalpflege waren so intensiv und tiefgreifend, und sind so wichtig sowohl für die Beurteilung seiner Persönlichkeit und seiner Bestrebungen als auch für die Geschichte der staatlichen Kunstverwaltung, daß sie, wozu es unter dem erschütternden Eindrucke des unübersehbaren Verlustes an der notwendigen Sammlung fehlt, ausführlich geschildert werden müssen. Die innere Organisation der Zentralkommission war, als Erzherzog Franz Ferdinand das Protektorat übernahm, ganz veraltet und unzweckmäßig, die äußere Stellung aber die der größten Ohnmacht und Einflußlosigkeit. Mit der Entwicklung der Denkmalpflege vertraute Männer haben zwar das alte Kollegium auf eine neue geis-
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Max Dvoøák: Erzherzog Franz Ferdinand, in: Mitteilungen der k. k. Zentralkommission, 3. F., 13, 1914, S. 157–159.
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2.2 | ERZHERZOG FRANZ FERDINAND (1914)
tige Grundlage erhoben, doch die bestehenden Einrichtungen reichten nicht aus, um den Kampf für die neuen Ideen und gegen die allgemeine Pietätlosigkeit und Indolenz zu einem erfolgreichen zu gestalten. Es fehlte jede gesetzliche Regelung, doch auch jeder zeitgemäße Ausbau der Denkmalpflege, die zwar zu den Pflichten und Prärogativen der Staatsverwaltung gezählt wurde, der man jedoch weder geschulte und verantwortliche Arbeitskräfte noch ausreichende Geldmittel zur Verfügung stellte und die in ihren Bestrebungen von kirchlichen und autonomen Behörden nicht nur nicht wirksam unterstützt, sondern zumeist im Stiche gelassen oder bekämpft wurde. Diesem unwürdigen und unhaltbaren Zustande hat Erzherzog Franz Ferdinand ein Ende bereitet. Wir sind ihm in erster Linie dafür Dank schuldig, daß es in kurzer Zeit gelang, die alte Zentralkommission in ein den heutigen Anforderungen entsprechendes Denkmalamt zu verwandeln, mit den notwendigsten Geldmitteln auszustatten und ihren Bestrebungen und Interventionen eine größere Beachtung und Unterstützung zu sichern. Denn, wo es sich darum handelte, alte österreichische Kunstwerke vor Zerstörung zu retten oder vor Verunstaltung zu bewahren und dem Denkmalschutze Hindernisse aus dem Wege zu räumen, zögerte Erzherzog Franz Ferdinand nie, seine ganze Autorität in die Waagschale zu werfen. Von seiner Jugend an ein leidenschaftlicher Sammler und Kunstfreund, wie so viele seiner Ahnen, unermüdlich im Besuche alter Kunststätten, hat er aus eigener Erfahrung den traurigen Zustand des österreichischen einst so reichen und herrlichen Denkmalbesitzes, wie auch die Gefahren, die ihn bedrohen, genau kennen gelernt und erachtete es für seine Pflicht und Lebensaufgabe, wie er überall das historische Vermächtnis Österreichs vor inneren und äußeren Feinden schützen und zur neuen Geltung bringen wollte, auch auf diesem ihm besonders nahestehenden Gebiete der fortschreitenden Schädigung und Verarmung des Reiches eine Grenze zu setzen. Mit der ihm eigentümlichen Eindringlichkeit beschränkte er sich dabei nicht auf allgemeine Wünsche und Weisungen, sondern nahm an allen Fragen, die zu lösen waren, an allen Schritten, die unternommen wurden oder unternommen werden sollten, den lebhaftesten persönlichen Anteil, indem er sich über alles, oft selbst über ganz geringfügige Angelegenheiten genau berichten ließ, um überall, wo es notwendig war, eingreifen zu können, doch auch, um sich über die Wirksamkeit des staatlichen Denkmalschutzes, die Zweckmäßigkeit seiner Organisation, die Eignung seiner Organe und den Nutzen seiner Verfügungen unmittelbar zu informieren und darin seinen Wünschen und Anschauungen Ausdruck zu geben, so daß er der Reform der Zentralkommission nicht nur die Wege geebnet, sondern vielfach auch gewiesen hat. Das gilt ganz besonders für die administrativen Grundsätze der Amtsführung der Zentralkommission. In sachlichen Entscheidungen teilte Erzherzog Franz Ferdinand den radikalkonservativen Standpunkt der heutigen Denkmalpflege, die nicht nur den absoluten Kunstwert einzelner Denkmäler, sondern das Gesamtbild der überlieferten künstlerischen Kultur schützen will und jeden über die notwendigen Erhaltungsmaßregeln
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PERSÖNLICHKEITEN | 2.
hinausgehenden Eingriff in die alte Gestalt und Erscheinung der Kunstwerke als eine Wertverminderung bekämpft. Doch in der praktischen Durchführung ihrer Mission war Erzherzog Franz Ferdinand der Zentralkommission nicht nur ein Helfer, sondern auch ein Lehrer. Nachdem das beabsichtigte Denkmalschutzgesetz an parlamentarischen Widerständen scheiterte, drang er, von der Anschauung ausgehend, daß die Disproportionierung zwischen Voraussetzungen und Erfolgen einzelner Reichsinstitutionen weniger auf die Schwierigkeit der Aufgaben als auf bureaukratische Schwerfälligkeit, geringe Initiative und Tatkraft zurückzuführen sei, mit unbeugsamem Willen darauf, daß sich die Amtstätigkeit der Zentralkommission nicht auf kanzleimäßige Erledigungen und akademische Postulate beschränke, sondern durch ständige Überwachung des Denkmalbestandes, initiatives Vorgehen, rasches und energisches Handeln, durch Beharrlichkeit und Entschiedenheit, die jedem Paktieren aus dem Wege geht, den alten Kulturgütern Österreichs ihr Recht zu erringen versuche, um auf diese Weise den gesetzlichen Zwang durch zielbewußt gesteigerte Verwaltungsarbeit entbehrlich zu machen, als deren Vorbedingung er eine nach allen Seiten möglichst unabhängige Stellung der Zentralkommission angesehen hat. Wie wichtig und segensreich dieses Programm war, das den allgemeinen Bestrebungen des Erzherzogs entsprochen hat, hat sich schneller erwiesen, als man hoffen konnte, denn in der kürzesten Zeit hat die Zentralkommission jenen autoritativen Einfluß auf die Schicksale des alten österreichischen Denkmalbesitzes gewonnen, den sie früher ein halbes Jahrhundert lang nicht zu erzielen vermochte. Solange sie ein Aschenbrödel unter den Ämtern war, ein konsultatives Amt, wurde sie nicht nur auf das rücksichtsloseste von allen bekämpft, die Sonderinteressen höher stellten als öffentliche Wohlfahrt, sondern vielfach auch von jenen wenig geachtet, denen alte Kunstwerke nicht gleichgültig waren, die jedoch die alte Zentralkommission mehr für ein bureaukratisches Organ oder für eine macht- und zwecklose offizielle Scheinrepräsentanz der Denkmalpflege als für einen lebendigen Kulturfaktor gehalten haben. Seitdem jedoch das neue aktive Wirken sich überall geltend zu machen begann, wurde die Zentralkommission fast automatisch der natürliche Mittelpunkt aller Kräfte, die sich bis dahin zersplittert um Denkmalschutz bemühten und begann sich rasch zu einem Institute zu entwickeln, welches, was früher unmöglich schien, allen den besonderen Komplikationen und Hindernissen, mit denen die Denkmalpflege in Österreich zu kämpfen hat, vollständig gewachsen war. Bevor die Früchte seiner rastlosen Fürsorge reifen konnten, wurde uns Erzherzog Franz Ferdinand durch eine Schandtat geraubt, die mit grauenvoller Niedertracht in ihm Österreichs Zukunft vernichten wollte. Wir wollen treu sein Vermächtnis bewahren und ihm unsere tiefe Dankbarkeit in aller Zukunft dadurch beweisen, daß wir, was unter seiner Leitung in der österreichischen Denkmalpflege geschaffen wurde, ohne Zagen und Kleinmut, stark durch innere Kraft und Regsamkeit, so wie es sein Feuergeist wollte, weiter ausbauen im Dienste der Öffentlichkeit und des Staatsgedankens, als dessen Herold und Beschirmer er der Mordkugel zum Opfer fiel.
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TOPOGRAPHIE DER HISTORISCHEN UND KUNSTDENKMALE IM KÖNIGREICHE BÖHMEN (1902) *
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erausgegeben von der archäologischen Commission bei der böhmischen Kaiser
Franz Josef-Akademie für Wissenschaften, Literatur und Kunst Bd. I–X. Prag 1898–1900. Seit Jahrzehnten arbeitet man in Deutschland daran, den erhaltenen Bestand an Kunstdenkmälern durch genaue Inventare festzustellen und eine stattliche Reihe von Bänden zeigt, wie weit diese Unternehmungen, die in gleicher Weise zur Erhaltung des Bestehenden beitragen als Material der localen und weiteren Kunstforschung zuführen sollen, vorgeschritten sind. In Oesterreich wurde einmal ein Anlauf genommen ähnliches durchzuführen, doch nachdem er missglückt war, liess man die Sache auf sich beruhen. Nun unternimmt es die böhmische Akademie der Wissenschaften die Denkmale in Böhmen zu inventarisiren. Die Verzeichnisse sollen bis zum Anfange des Jahrhunderts hinaufgehen und sind nach den politischen Verwaltungsbezirken eingetheilt. Bisher sind 10 Hefte erschienen, die je einen Bezirk umfassen. (I. Kolin von Madl, II. Laun von Matìjka, III. Sedlèan von Podlaha und Šittler, IV. Raudnitz von Matìjka, V. Milevsko von Podlaha und Šittler, VI. Melnik von Podlaha, VII. Klattau von Vanek, Hostaš und Borovsky, VIII. Budweis von Braniš, IX. Rokycany von Podlaha und X. Wittingau von Mareš und Sedláèek. Die Inventare erscheinen böhmisch und deutsch und sind, soweit ich Gelegenheit hatte sie nachzuprüfen im ganzen und grossen gut gemacht, wenn auch nicht gleichmässig. Die Abbildungen lassen manchmal zu wünschen übrig, man sollte nur ganz ausnahmsweise Aufnahmen von Dilettanten benützen.
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Max Dvoøák: Topographie der historischen und Kunstdenkmale im Königreiche Böhmen, in: Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung, 23, 1902, S. 371.
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DEUTSCHE KUNSTTOPOGRAPHIEN I (1906) *
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an sollte glauben, dass es in einer geschichtlichen Disziplin kein wichtigeres Ereignis geben kann, als die Veröffentlichung von Verzeichnissen des ganzen Denkmalbestandes. Wie oft las man in alten kunstgeschichtlichen Abhandlungen eine Klage darüber, wie schwer es ist, zu gesicherten kunstgeschichtlichen Resultaten zu gelangen, weil es keine Publikationen gibt, aus welchen man Belehrung darüber schöpfen könnte, was sich an altem Kunstbesitz in Deutschland erhalten hat. Nun erscheinen seit beinahe drei Jahrzehnten solche Verzeichnisse, bilden bereits beinahe eine kleine Bibliothek, in der wahrlich viel Arbeit und Fleiss niedergelegt wurde und die auch viel Geld gekostet hat. Man sollte glauben, dass da Anzeige auf Anzeige folgte, Diskussion auf Diskussion, wie bei den ersten Urkundenpublikationen der Monumenta Germaniae. Handelt es sich doch um eine neue Grundlage der ganzen deutschen kunstgeschichtlichen Forschung, die nicht so bald neu aufgebaut werden dürfte und bei der sich also alle, denen die Kunstgeschichte am Herzen liegt, zusammentun werden, um dem Unternehmen auf Grund eingehender Auseinandersetzung über die leitenden Prinzipien die für die Wissenschaft brauchbarste und dauerhafteste Form zu verleihen. Es ist wohl nichts bezeichnender dafür, wie schlecht es noch um die Wissenschaftlichkeit der Kunstgeschichte bestellt ist, als dass von all dem nichts eingetroffen ist. Die Topographien erscheinen Band für Band und niemand kümmert sich darum, wie sie gemacht werden, niemand, mit Ausnahme einiger Denkmalpflegespezialisten, findet es der Mühe wert, über sie auch nur ein Wort zu verlieren. Deshalb wollen wir in diesen Blättern versuchen, den wissenschaftlichen Wert dieser Publikationen zu erörtern und zwar sollen in dieser ersten Anzeige die allgemeinen, bei der Abfassung der Kunsttopographien befolgten Grundsätze besprochen, in weiteren Anzeigen dann die einzelnen Inventare auf ihre Verlässlichkeit und die in ihnen befolgte Methode untersucht werden. Man könnte vielleicht dieser Absicht gleich von vornherein den Einwand entgegenstellen, dass es sich ja weniger um wissenschaftliche Veröffentlichungen handelt, als um Verzeichnisse, welche in erster Reihe administrativen Zwecken als Grundlage der Denkmalüberwachung und des Denkmalschutzes dienen sollen, doch würde dieser Einwand weder der Absicht, welche diesen Unternehmungen zu Grunde lag, entsprechen, noch der Art und Weise, in der man sie durchführt. Man lese nur die Vorworte, und welchen Sinn hätten in administrativen Verzeichnissen die historischen Ex-
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Max Dvoøák: Deutsche Kunsttopographien. I., in: Kunstgeschichtliche Anzeigen, Beiblatt der «Mittheilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung», 3, 1906, S. 59–65.
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3.2 | DEUTSCHE KUNSTTOPOGRAPHIEN (1906)
kurse und der ganze gelehrte Apparat! Es sollte zumindestens beides erreicht werden, eine Verknüpfung, die, wie wir hören werden, schlimme Folgen hatte und zwar in doppelter Beziehung. Es kann wohl kein Zweifel sein, dass die meisten Kunsttopographien bei weitem nicht den Anforderungen entsprechen, welche vom Standpunkte der Denkmalpflege an solche Verzeichnisse gestellt werden müssen; damit haben wir uns in dieser Zeitschrift nicht zu beschäftigen. Ebensowenig kann man jedoch daran zweifeln, dass auch die wissenschaftlichen Ergebnisse der Inventarisirungsarbeit bisher nicht das gehalten haben, was man sich versprochen hat. Ich kenne keine ernste und bedeutendere kunstgeschichtliche Arbeit, die durch die Kunsttopographien angeregt worden wäre oder auf ihnen beruhen würde, unbenützt stehen die langen Reihen in den Bibliotheken und selten sucht jemand etwas darin. Es ist dies um so auffallender, als man gerade in den letzten Jahren begonnen hat, sich mehr mit der Geschichte der deutschen Kunst zu beschäftigen und so das, was man sich als eine Frucht der Kunsttopographien erhoffte, unabhängig davon gekommen ist. Es ist dies ein Beweis, dass nicht Mangel an Interesse, sondern die Art der Durchführung der Topographien daran schuld ist, dass sie nicht den Zweck erfüllen, den sie erfüllen sollten. Nichts wäre jedoch ungerechter, als wenn man generaliter behaupten wollte, dass der Fehler in ungenauer, nachlässiger Arbeit zu suchen sei. Es gibt, wie wir sehen werden, unter den deutschen Kunstopographien einige, die auch in dieser Beziehung vieles zu wünschen übrig lassen, die meisten aber sind mit grosser Sorgfalt hergestellt und es gibt einzelne darunter, wie die rheinländische oder die badensische, die als wahre Musterleistungen eines mit der grössten Genauigkeit und Akribie durchgeführten Publikationsprogrammes gelten können. So muss, wenigstens bei diesen letzteren, der Fehler in diesem Programme gesucht werden und da scheinen mir allerdings prinzipielle Bedenken vorzuliegen, die mehr oder weniger gegen alle bisherigen Kunsttopographien vorgebracht werden können. Ich will nur die wichtigsten hervorheben. Es mag auf die eben erwähnte Verbindung des administrativen Inventars mit der wissenschaftlichen Publikation zurückgehen, dass in den meisten Topographien keine oder eine nicht ausreichende Scheidung des wissenschaftlich wichtigen und unwichtigen Materials vorgenommen wird. «Ja, ist denn nicht für die Kunstgeschichte jedes Denkmal gleich wichtig?» werden da wohl alle Pedanten mit Erstaunen fragen und man kann ihnen getrost mit einem Nein antworten. Gewiss ist alles gleich wichtig – sub specie aeternitatis und die möglichste Vollständigkeit der Inventare ist gewiss anzustreben, doch bedeutet diese Vollständigkeit an und für sich keinen grossen wissenschaftlichen Fortschritt, wenn sie eine uniforme Behandlung der wichtigen und unwichtigen Denkmäler zur Folge hat, bei der die wichtigen Monumente notwendig zu kurz kommen müssen. Es kann gewiss unter Umständen wichtig sein, alte Glocken und Grabsteine kennen zu lernen, doch ist es vom Standpunkte der kunstgeschichtlichen Forschung ein Übelstand, wenn über einen Gemäldezyklus aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts nicht mehr gesagt wird, als über einen Grabstein oder eine Glocke. So haben z. B. provinziale Bauformen des 15. oder 16. Jahrh. im
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allgemeinen nur eine lokalgeschichtliche Bedeutung, über die sich die Lokalforscher auch ohne eine Kunsttopographie leicht informiren können, dagegen ist es ein grosser Nachteil, wenn über eine private oder eine öffentliche Sammlung nichts weiter gesagt wird, als dass sich darin Bilder von Lorenzo da Credi, Tizian etc. befinden oder befinden sollen, dass die Sammlung auch «mehrere» Handzeichnungen Rembrandts oder wertvolle Holzskulpturen aus dem 15. Jahrh. enthalte, wenn also nicht mehr gesagt wird als das, was man in jedem Reisehandbuche. finden kann. Gerade in den kleinen Sammlungen gibt es vielfach kunstgeschichtliches Material, welches aus der ganzen Welt zusammengetragen, eine über die Grenzen der lokalen Kunstgeschichte hinausgehende Bedeutung besitzt. Dazu kommt noch, dass in den Kunsttopographien nicht alle Kunstperioden gleichmässig behandelt werden. Es wirkt da noch die Romantik und der Klassizismus, die patriotische, antiquarisch kulturgeschichtliche und ästhetisch-dogmatische Wertschätzung der Kunstwerke nach. Während nämlich die Denkmäler der romanischen und gotischen Kunst oder der Renaissance nicht nur ausführlich beschrieben, sondern oft auch näher charakterisirt werden, begnügt man sich bei Denkmälern der übrigen Kunstperioden mit ganz allgemeinen Angaben und Beschreibungen. So bildet in den meisten Topographien die antike Kunst nur den Anfangs- und die barocke Kunst nur den Schlusschnörkel der einzelnen Aufsätze. Es nützt dem Forscher gar nichts, wenn er in der Topographie etwa folgende Angaben findet: «Die umfangreiche Sammlung antiker Vasen erstreckt sich teils auf schwarzfigurige, teils auf rotfigurige Gefässe, deren Mehrzahl aus Sepukralstücken der griechisch kolonisirten Landschaften Unteritaliens und der Insel Sizilien, Einzelnes aber auch aus dem griechischen Mutterlande stammt.» Solche Angaben erreichen selbst in einem Fremdenführer nicht das Mass des Wünschenswerten. Womöglich noch ärger als mit der Antike ist es in vielen Topographien mit der barocken Kunst bestellt. Die geläufige Formel lautet: Die Altarbilder sind gute oder schlechte Arbeiten des 17. oder 18. Jahrh., oder die Kanzel ist ein reich geschnitztes Werk der Barockzeit, oder gar wie in einer Topographie stereotyp zu lesen ist: die Inneneinrichtung der Kirche – Zopf. Um festzustellen, dass es in Hessen oder Thüringen barocke Bilder, Kanzeln und Rokokokircheneinrichtungen gibt, dazu bedarf es wahrlich nicht des grossen kostspieligen Apparates der Kunsttopographien. Diese oberflächliche Behandlung der antiken und barocken Kunst ist aber gerade im umgekehrten Verhältnisse zur wissenschaftlichen Wichtigkeit des Stoffes. Besonders was die mittelalterlichen Kunstschätze anbelangt, werden die Kunsttopographien noch lange nicht, vielleicht überhaupt nie, Spezialpublikationen ersetzen können. Die allgemeinen Probleme, welche die Erforschung der Geschichte der Kunst im Mittelalter vor allem bewältigen muss und für die das Material in der ganzen Welt zerstreut ist, können natürlich nicht durch die Bearbeitung des in einem politischen Bezirke befindlichen Materials gelöst werden, so lange sie aber nicht gelöst sind, kann auch die kunstgeschichtliche Bedeutung dieses Materials nicht erschöpfend bestimmt werden. Anders verhält es sich aber mit der spätantiken und barocken Kunst. Da ist es gerade die territoriale Entwicklung, die er-
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3.2 | DEUTSCHE KUNSTTOPOGRAPHIEN (1906)
forscht werden muss, wenn wir über allgemeine Phrasen hinauskommen wollen. Da ist also eine möglichst ausführliche Behandlung notwendig, wenn die Topographien ihren wissenschaftlichen Zweck erfüllen sollen. Doch auch die ausführlichste Beschreibung hat nur einen höchst problematischen wissenschaftlichen Wert, wenn ihr nicht eine exakte Untersuchung über die historische Bedeutung der einzelnen Denkmäler und Denkmalgruppen zu Grunde liegt. Gerade in dieser Beziehung ist es aber mit den Kunsttopographien am schlimmsten bestellt und darin, scheint mir, ist die ausschlaggebende Ursache ihrer wissenschaftlichen Unfruchtbarkeit zu suchen. Man könnte in dieser Beziehung vielleicht die Kunsttopographien mit den alten Quellen- und Urkundenpublikationen der gelehrten Geistlichen des 17. und 18. Jahrh. vergleichen. Endlose Foliantenreihen sind erschienen, eine Unmasse von erzählenden Quellen, Urkunden und Aktenstücke wurde abgedruckt und doch hatten diese Riesenwerke zum grossen Teil eine rein bibliographische Bedeutung und werden in Bezug auf wissenschaftliche Erfolge oft von einem einzigen Bande der modernen Quellenpublikationen weit überholt. Der Unterschied besteht darin, dass die alten Publikationen ein einfach kompilirtes, die modernen ein wissenschaftlich verarbeitetes Quellenmaterial enthalten und mit den Quellen auch die wissenschaftlichen Probleme aufstellen, welche sich an diese Quellen knöpfen. So werden aber auch die Kunsttopographien solange keine einschlagende wissenschaftliche Bedeutung haben, solange sie sich darauf beschränken werden, die Kunstwerke eines bestimmten Territoriums zu kompiliren oder wie man es da bezeichnet, in beschreibender Form zu inventarisiren und solange mit dieser Inventarisirung nicht auch eine historische Durchforschung des veröffentlichten Materials verbunden sein wird. Ja geschieht das nicht? könnte man einwenden. Werden nicht den einzelnen Absätzen der Topographien ausführliche historische Einleitungen vorangeschickt, ganze Ortsgeschichten, manchmal umfangreicher als das folgende Inventar, nebst erschöpfenden Literaturangaben? Das ist wohl sehr zu begrüssen, doch die Hauptsache ist es nicht, die eigentliche historische Bearbeitung des inventarisirten Materials wird dadurch nicht erledigt, wie man allgemein zu glauben scheint. Eine Liste der Besitzer eines Ortes vom 12. bis zum 18. Jahrh. wird vielleicht in hundert Fällen einmal für den Kunsthistoriker von Bedeutung sein, doch das, was er bei jedem inventarisirten Kunstdenkmale unter allen Umständen in der Kunsttopographie suchen wird, sind möglichst exakte Aufschlüsse über die Entstehungszeit, die Künstler und die allgemeine und territoriale Bedeutung der besprochenen Kunstwerke, über die Gruppen, zu welchen sie sich vereinigen lassen, über die historischen Fragen und Aufgaben, welche sie bieten. Solche Aufschlüsse enthalten aber die Kunsttopographien nur dann, wenn und soweit sie ohnedies bekannt, an den Kunstwerken ersichtlich sind oder mühelos festgestellt werden können. Sonst verlässt man sich bei den meisten Zeitbestimmungen auf das «Gefühl und die Erfahrung», bei Künstlerbestimmungen wiederholt man die Mesnerangaben oder nimmt besonders bei barocken Kunstwerken die Anonymität als selbstverständlich und begnügt sich bei der Feststellung der Bedeutung der einzelnen Monumente mit ei-
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nem ästhetischen Lobe oder Tadel. «Das Altarbild ist ein gutes Werk eines barocken Meisters aus dem 17. Jahrh.,» ähnliches liest man immer und immer wieder; wie soll da der Forscher den Band nicht enttäuscht bei Seite legen. Soll jedoch die Kunstopographie mehr bieten als solche allgemeine, ganz nutzlose «Kennerurteile», so muss mit der Inventarisirung zweierlei Arbeit verbunden werden. Erstens eine Durchforschung der Archive. Man findet wohl in einzelnen Topographien Hinweise auf einzelne Archive und Archivalien, doch nur ganz ausnahmsweise wird besonders für die Neuzeit das archivalische Material zur Bestimmung der chronologischen Ansätze und der Künstler in dem Umfange herangezogen, wie es, wie ich mich selbst vielfach überzeugte, möglich und wünschenswert wäre. Es kommen da nicht nur die an Ort und Stelle befindlichen Archivalien in Betracht, auf die ja manchmal hingewiesen wird, sondern auch anderweitige dokumentarische Quellen, womit freilich nicht gesagt werden soll, dass alles, was solche Quellen bieten, herangezogen und veröffentlicht werden muss, doch wie bei Urkundenveröffentlichungen mit Fug und Recht verlangt wird, dass für Erledigung aller kritischen Fragen das gesamte auffindbare Material verwendet werde, so muss man auch bei den Kunsttopographien, wenn sie mehr bieten sollen als ein administratives Inventar, fordern, dass alle vorhandenen Quellenbehelfe wenigstens soweit herangezogen werden, als es die möglichst genaue chronologische und stilistische Fixirung der inventarisirten Denkmäler verlangt. Das gilt natürlich umsomehr für die monumentalen Quellen der Geschichte der Kunst in dem inventarisirten Gebiete, deren möglichst lückenlose Verwertung für die Zeit- und Stilbestimmungen eine wissenschaftliche conditio sine qua non für eine jede Kunsttopographie bilden muss. Ich kann mir keine Disziplin vorstellen, in der man Monumente verzeichnen würde, ohne dass sich die Herausgeber um zusammengehörige Objekte kümmern würden und wenn dies nicht geschieht, so ist das Inventar eben kein wissenschaftliches. Was würde man z. B. zu einem Galeriekataloge sagen, der die Bilder einfach beschreibt, ohne sich die Frage zu stellen, welchen Schulen oder Künstlern, welchen engeren Gruppen die einzelnen Bilder zuzuweisen sind. Und doch könnten die Kunsttopographien in dieser Richtung noch eine wichtigere Mission erfüllen als die Museumskataloge. Ein Beispiel mag es illustriren. In einer Landkirche befindet sich ein Bild, welches Rubens, oder ein Bild, welches Guido Reni zugeschrieben wird. In der Regel würde man da nun in den Kunsttopographien, deren Autoren doch nicht übersehen konnten, dass die Bilder unmöglich von Rubens oder Guido Reni selbst sein können, lesen, dass sich in der Kirche «Bilder aus dem 17. Jahrh. in der Richtung des Rubens oder Guido Reni» befänden. Eine solche Angabe ist vollkommen wertlos, denn Bilder aus dem 17. Jahrh. in der Richtung des Rubens oder Guido Reni findet man so ziemlich überall. Wenn sich nun aber der Herausgeber der Topographie in benachbarten Orten und Gebieten manchmal engeren, manchmal weiteren Umkreises umschaut, wird er in der Regel mehrere Bilder von demselben Meister finden und in den meisten Fällen wird sich für das eine oder das andere dieser Bilder archivalisch oder auf Grund einer anderweitigen Überlieferung auch ein bestimmter Künstlername feststellen lassen. In Italien sind solche Untersuchun-
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3.2 | DEUTSCHE KUNSTTOPOGRAPHIEN (1906)
gen nicht notwendig, weil sich die Künstler und die Schulen auf Grund der alten kunsttheoretischen Literatur, der Viten und der Guiden leicht feststellen lassen, bei uns sind jedoch die Kunstwerke selbst des 17. und 18. Jahrh. zumeist traditionslos und diese Tradition für bestimmte lokale Gebiete nach Möglichkeit zu ersetzen, betrachte ich als eine der wichtigsten Aufgaben der Kunsttopographien. Oder um ein anderes Beispiel zu nennen: Ein spätgotischer oder barocker Bau ist in den seltensten Fällen in einem bestimmten Gebiete stilistisch vereinzelt; welchen Vorteil es aber mit sich bringt, wenn die stilistisch verwandten Bauten eines Territoriums zusammengestellt werden, wobei sich in der Regel auch eine zeitliche Abgrenzung der Dauer einer bestimmten Stilrichtung ergeben dürfte, muss nicht erst hervorgehoben werden. Dasselbe gilt für die so interessanten und wichtigen spätgotischen Schnitzereien oder für die herrlichen süddeutschen Barockkircheneinrichtungen, die zu dem schönsten gehören, was die menschliche Phantasie geschaffen hat. Der Mangel einer geläufigen historischen Gliederung ist gewiss nicht zu allerletzt daran Schuld, dass nicht nur das Publikum, sondern auch die Kunstgeschichte diesen Kunstschätzen so wenig Beachtung bisher gewidmet hat und es ist kein Zweifel, dass auch in dieser Richtung die Kunsttopographien eine neue Grundlage zur Erforschung der heimatlichen Kunst schaffen könnten und schaffen sollten. Ein kritiklos zusammengetragenes Material kann freilich eine solche Grundlage nicht bilden. Man könnte da nun fragen, ob eine solche Ausgestaltung der Kunsttopographien, die dem Inventar eine kunstgeschichtliche Erforschung der inventarisirten Denkmäler zu Grunde legt, nicht die Beendigung der ganzen Inventarisirungsarbeit in eine unabsehbare Zukunft verschieben würde. Gewiss würde sie mehr Arbeit und Zeit beanspruchen, als die jetzt geläufige Praxis. Doch das Plus wäre nicht so bedeutend, dass es nicht die Vorteile lohnen würde und würde sich überdies bei einer entsprechenden Arbeitsteilung bedeutend einschränken lassen. Und überdies – dürfte es heute jemand überhaupt nur wagen, dafür zu sprechen, dass man bei einer Urkundenpublikation von einer kritischen Bearbeitung des Materials absieht und zu der alten Übung zurückkehrt, weil sie ein viel schnelleres Fortschreiten der Publikation möglich macht? Gibt es nicht in der Wissenschaft Forderungen, die einfach nicht übergangen worden können, mögen sie noch so viel Zeit und Mühe kosten? Das was wir beanspruchen, muss früher oder später durchgeführt werden und es wäre nichts natürlicher und zweckmässiger, als dass es gleich im Anschlusse an die Inventarisirungsarbeiten geschieht. Ich muss ja wohl nicht erst betonen, dass es sich nicht darum handelt, alle kunstgeschichtlichen Fragen zu beantworten, zu welchen die inventarisirten Kunstdenkmäler Veranlassung bieten könnten, es genügt vollkommen, wann die zeitliche und stilistische Provenienz der die Monumente berührenden Probleme richtig, d. h. auf Grund methodischer Verwertung des gesamten Materiales gestellt werden. Wenn dies durchgeführt wird, so werden die Kunsttopographien, wie man es sich erhoffte, wirklich von fundamentaler Bedeutung für die Erforschung der deutschen Kunst werden. Und eine grosse Schar von Forschern wird
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überdies überall für das arbeiten, was wir alle anstreben, nämlich die Ausgestaltung der Kunstgeschichte zu einer exakten historischen Wissenschaft. Die Durchführung dieses Prinzipes würde allerdings auch eine Änderung in der Anlage der Kunsttopographien bedingen. Es ist an und für sich jetzt schon die alphabetische Anordnung ein Misstand insoferne, als zusammengehörende Kunstwerke getrennt werden und selbst da, wo ihre Zusammengehörigkeit betont wird, die ganzen Bände durchgelesen werden müssen, wenn man sich darüber informiren will, eine Zumutung, welche wohl so gross ist, dass sie die Benützung der Topographien in dieser Hinsicht fast illusorisch macht. Die alphabetische Anordnung aufzugeben wird sich wohl aus vielen Gründen, die nicht eigens aufgezählt werden müssen, kaum empfehlen, doch kann der Mangel leicht behoben werden, wenn chronologische Übersichten und stilgeschichtliche Einleitungen den alphabetischen Verzeichnissen vorangeschickt werden, aus welchen sich der Benützer leicht unterrichten könnte, was er in dem Bande suchen und finden kann. Ausführliche, nach verschiedenen Gesichtspunkten zusammengestellte Register könnten diese Einleitungen noch ergänzen.
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DAS KLOSTER MONTE MERLO BEI TKON AUF DER INSEL PASMAN (1907) *
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hnlich wie es dank der modernen Malerei heute nicht mehr notwendig ist, wie man einst dachte, bestimmten «heroischen und romantischen» Landschaften nachzureisen, wenn man die Natur künstlerisch genießen will, da jene Eigenschaften der landschaftlichen Schönheit, die den modernen Menschen interessieren und anziehen, nicht an bestimmte auserwählte Motive gebunden sind, ähnlich sind auch die Grenzen durchbrochen worden, an welche durch akademische Theorien über den absoluten «ewigen» Wert bestimmter Kunstperioden und Kunstwerke unser Verhältnis zu den Kunstschöpfungen der Vergangenheit gebunden gewesen ist. Heute kann man eine größere Anzahl der Rompilger, die nach alter Sitte eine «italienische Reise» unternommen haben, im chiostro di San Paolo oder beim Hain der Egeria finden als vor der Laokoongruppe, gewiß nicht nur Leute, die für künstlerische Werte empfindungslos sind und gewiß auch nicht deshalb, weil man die künstlerische Bedeutung der griechischen Skulpturen nicht mehr anerkennen würde: man hat an den alten Denkmalen Qualitäten zu schätzen gelernt, die von dem wirklichen oder vermeintlichen absoluten Kunstwerte unabhängig sind und die an keine kunsttheoretische Vorbildung gebunden in allen Herzen, die künstlerischen Sensationen nicht verschlossen sind, eine Resonanz zu erwecken vermögen. Zu dem kunstgeschichtlichen Werte gesellte sich ein Denkmalwert, der sich mit dem letzteren nicht ganz deckt, der weniger durch historische Erwägungen, als durch die allgemeine künstlerische Kultur unserer Zeit bestimmt wird. Auch vom Gesichtspunkte dieses modernen Denkmalwertes können unerwartete Entdeckungen gemacht werden, deren eine hier verzeichnet werden soll. Eine halbe Stunde von dem freundlichen Dorfe Tkon, auf der Insel Pasman, Zara Vecchia gegenüber liegt auf dem Monte Merlo ein verlassenes Benediktinerkloster. Es ist, wie eine Inschrift über dem Seitenportale der Kirche berichtet, im Jahre 1369 erbaut worden, von den Venezianern offenbar, denn venezianische Kunst tritt uns überall entgegen. Die architektonischen Details und die Skulpturen, welche das Kloster und die Klosterkirche schmücken, besonders das prächtige Portal der Kirchenfassade mit einer thronenden Madonna im Tympanon, erinnern an die phantasievollen Werke der Meister, die um die Mitte des Trecento am Dogenpalast gearbeitet haben, und der schöne gemalte Kruzifixus, der sich in der Kirche befindet und
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Max Dvoøák: Das Kloster Monte Merlo bei Tkon auf der Insel Pasman, in: Kunstgeschichtliches Jahrbuch der k. k. Zentralkommission, 1, 1907, Beibl., Sp. 33–35.
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aus der Zeit ihrer Erbauung stammt, steht den Bildern des Lorenzo Veneziano nahe. Venezianisch ist auch die Gesamtanlage. Es ist nicht die typische mittelalterliche Klosteranlage, bei der die Gebäude nach einem traditionellen Schema auf Grund eines geometrisch regelmäßigen Gesamtplanes ausgeführt wurden. Das Kloster gleicht eher einem Kastell, doch sind die einzelnen Höfe durch kleine in verschiedener Höhe angelegte Gärten ersetzt. An Stelle des Kreuzganges ist eine Terrasse gebaut worden, wie sie jeder venezianische Patrizier bei seinem Hause hatte. Es ist eine jener märchenhaften architektonischen Anlagen, wie wir sie auf Carpaccios Gemälden sehen können. In der Lagunenstadt selbst, wo der Phantasie der Architekten durch Wasser und Sand bestimmte Grenzen gesetzt wurden, hat sich nichts ähnliches erhalten. Das wäre an und für sich interessant genug. Und doch bietet der phantastische, efeuumsponnene, hoch über dem Meere schwebende Bau, dessen dem Untergange geweihte Mauern blühende Gärten bergen und dessen weltentrückte und dem Leben verschlossene Räume und Terrassen einen Blick von unvergeßlicher Schönheit über Land und Meer gewähren, noch tausendmal mehr als das, was sich in kunstgeschichtliche Analysen fassen läßt. All die, die nach Subiaco oder S. Francesco in Deserto pilgern, mögen die Reise auf den Monte Merlo wagen, die solitudo dieser Klosterruine steht nicht nach jenen berühmten Stätten der Stimmung und Weihe.
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EINLEITUNG I. BAND DER ÖSTERREICHISCHEN KUNSTTOPOGRAPHIE (1907) *
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ie Nützlichkeit, ja Notwendigkeit der Inventarisierung des Denkmalbesitzes wird heute allgemein anerkannt. Die Institutionen, die zu diesem Zwecke in einzelnen Staaten mit großem Aufwande ins Leben gerufen wurden, und die langen Bändereihen der veröffentlichten Inventare beweisen es deutlich genug. Dieser allgemeinen Anerkennung der Nützlichkeit solcher Inventare gegenüber sind merkwürdigerweise die Anschauungen über den Zweck, dem sie dienen, und über die Art und Weise, wie sie angelegt werden sollen, um diesen Zweck zu erfüllen, sehr verschieden. Während in Italien und Frankreich die Denkmalverzeichnisse fast ausschließlich als ein Behelf des staatlichen Denkmalschutzes angesehen werden, hat man sie in Deutschland in der Form von Kunsttopographien zu literarischen Unternehmungen gestaltet, die ihre eigene selbständige Mission im öffentlichen Leben zu erfüllen haben. Worin aber diese Mission bestehen soll, darüber herrscht eine nicht minder große Meinungsverschiedenheit. Am häufigsten werden zwei Aufgaben genannt, welche die Kunsttopographien neben ihrer Bestimmung als Behelf des staatlichen Denkmalschutzes erfüllen sollen: die Erweckung der öffentlichen Anteilnahme an den alten Denkmalen und ihre wissenschaftliche Erforschung und Veröffentlichung. Manchmal wurde auch darauf hingewiesen, daß die Veröffentlichung alter Kunstdenkmale in den Topographien eine Quelle für die moderne Kunst eröffnet. Doch nicht nur die verschiedene Betonung oder auch ausschließliche Berücksichtigung solcher verschiedener Gesichtspunkte, sondern auch eine große Unklarheit über den sachlichen Inhalt dieser einzelnen Aufgaben tritt in den bisherigen Kunsttopographien vielfach eklatant zutage: In einigen sind es die Objekte der alten Altertumskunde, die beschrieben werden und für die das Interesse der Öffentlichkeit gefordert wird, in anderen die Denkmale bestimmter besonders bevorzugter Kunstperioden, in den dritten Kunstwerke aller Zeiten in verschiedener Vollständigkeit und nach einer mehr oder weniger subjektiven Auswahl. Es gibt Kunsttopographien, die sich auf die Beschreibung der Objekte beschränken, in anderen findet man ausführliche historische Exkurse, ja ganze Monographien, besonders ortsgeschichtlichen Inhaltes. Welches Programm sollte nun einer neuen Kunsttopographie bei dieser geradezu chaotischen Verschiedenheit der Meinungen über den Zweck und erwünschten Inhalt der Denkmalinventare zugrunde gelegt werden?
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Max Dvoøák: Einleitung, in: Die Denkmale des politischen Bezirkes Krems, (Österreichische Kunsttopographie, 1), Wien 1907, S. XIII–XXII.
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Eine Antwort konnte, wie bei allen Fragen dieser Art, nur eine Betrachtung der historischen Genesis der verschiedenen Gesichtspunkte bieten, die für die Denkmalinventarisierung maßgebend gewesen sind. Denn es dürfte wohl nicht bestritten werden, daß der Zweck und damit auch der Inhalt der Denkmalinventare stets durch bestimmte allgemeine, auf dem Verhältnisse der alten Denkmale zur geistigen Kultur des Zeitalters beruhende Prämissen bestimmt wurde und auch heute nur dann als berechtigt angesehen werden kann, wenn er mit der geschichtlichen Entwicklung dieser Prämissen im Einklange steht. Wäre dies nicht der Fall, so wäre die Inventarisierung nur eine Spielerei, wie die Exzerptenbände der Bibliophilen des XVIII. Jhs. Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, daß das Interesse an der künstlerischen Form der Kunstwerke der Vergangenheit besonders bei Künstlern in allen Zeiten, selbst im Mittelalter, wie das Zeichenbuch des Villard d’Honnecourt besonders schlagend beweist, vorhanden gewesen ist und die Voraussetzung für das Verständnis der formalen Eigentümlichkeiten der alten Denkmale gebildet hat. Doch das künstlerische Verhältnis zu den alten Kunstwerken mußte sich mit geistigen Strömungen allgemeinerer Natur verknüpfen, um die alten Denkmale in die Sphäre allgemeiner Interessen zu rücken und hiermit eine Vorbedingung der öffentlichen Anteilnahme an ihnen zu schaffen. Wenn wir von materiellen Beweggründen absehen, die natürlich immer eine Rolle spielten und in allen Zeiten zur Abfassung verschiedener Schatzverzeichnisse und Besitzinventare geführt haben, war es das kirchliche Leben, welches nach dem Zusammenbruche der klassischen Welt im Abendlande zuerst das öffentliche Interesse an bestimmten alten Denkmalen erweckte. So sind z. B. bei den mittelalterlichen Pilgerfahrten nach Rom oder St. Jago di Compostella von den Pilgern berühmte Wahrzeichen der christlichen oder auch heidnischen Vergangenheit aufgesucht worden, deren hagiographische und annalistische Nachrichten enthaltende Verzeichnisse zum Gebrauche der Pilger, wie z. B. in den mirabilia urbis Romae zusammengestellt wurden, eine Denkmalliteratur, die bis hoch in die Neuzeit hinaufreicht und weite Kreise für bestimmte Denkmale interessierte, deren engbegrenztes Programm jedoch als Grundlage der allgemeinen Denkmalinventarisierung nicht in Betracht gezogen werden kann. Eine neue Bedeutung erhielten die Denkmale, als sich in den italienischen Stadtgemeinden des XV. Jhs. unter dem Einflusse der klassischen Literatur ein patriotisches Interesse an alten Kunstwerken als Dokumenten und Ruhmestiteln der kommunalen Vergangenheit zu entwickeln begonnen hat. In diesen neu aufblühenden Städten mit Machthabern und Bevölkerungen, die nicht in feudalen Traditionen ihren Stolz suchen konnten, ist die antike Auffassung der gloriae civitatis, dergemäß die Leistungen der Gelehrten, Dichter und Künstler der Vergangenheit und Gegenwart als der größte Stolz und der größte Reichtum der Gemeinden zu betrachten sind, auf einen besonders fruchtbaren Boden gefallen, so daß sie bald die Grundlage einer allgemeinen Anteilnahme an dem heimatlichen alten und neuen Kunstbesitze geworden ist. Man hat damals begonnen, nicht nur Biographien berühmter Künstler, «qui gloriosam urbem reddiderunt», sondern auch ihre Werke aufzuzeich-
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nen, und zwar sowohl in pragmatischen Aufeinanderfolgen der Künstlerbiographien, der «Viten», als auch in eigentlichen Inventaren, den «Guiden», in welchen alle alten und modernen Kunstwerke einer Stadt oder eines Territoriums in topographischer Anordnung und mit historischen Bemerkungen verzeichnet wurden. Das geschah bis in die neueste Zeit, so daß die Anzahl solcher Inventare geradezu unübersehbar ist – in Rom allein sind ihrer bis zu Beginn des XIX. Jhs. mehr als 200 verfaßt worden. Wir können auch ihre Wirkung bereits überblicken. Während nördlich der Alpen, wo die öffentliche Anteilnahme an dem alten Kunstbesitze nicht durch ähnliche Evidenzhaltung der alten Kunstwerke erweckt und wachgehalten wurde, ganze Hekatomben von alten Denkmalen ohne Bedenken der Zerstörung geopfert wurden und geopfert werden und die Monumente wichtiger Kunstperioden in manchen Gegenden fast spurlos verschwunden sind, ist in Italien seit dem XV. Jh. von den Kunstschätzen, die in jener Zeit und in den folgenden Jahrhunderten durch die Stadtbeschreibungen unter öffentliche Kontrolle gestellt wurden, nur wenig verloren gegangen, so daß wir heute noch in Italien die Kunstentwicklung seit dem XIV. Jh. bis zum Werkstattbetriebe der einzelnen Meister feststellen können, wogegen im Norden spärliche membra disjecta des einstigen nicht weniger reichen Kunstbesitzes mühselig zusammengesucht werden müssen. Doch dieses Fortleben der alten Kunstwerke im allgemeinen Geistesleben hat auch eine Kontinuität und Universalität der künstlerischen Kultur geschaffen, wie sie in keinem andern Lande vorhanden war und die uns noch heute Italien als ein Land der künstlerischen Prädestination erscheinen läßt, wo doch die Entwicklung im Norden oft intensiver, reicher und entscheidender gewesen ist. Eine Folge dieser exzeptionellen Stellung Italiens, die weniger auf der tatsächlichen entwicklungsgeschichtlichen Bedeutung beruht als auf der suggestiven Wertschätzung und stolzen Nobilitation, deren sich die alten Kunstwerke in Italien durch Jahrhunderte erfreut haben, bewirkt noch heute, daß jahraus jahrein Tausende dahin pilgern als in das Land der Kunst und künstlerischen Ideale. Nun könnte man fragen, ob diese außerordentlich fruchtbare Wirkung es nicht erwünscht erscheinen lassen könnte, noch heute ähnliches anzustreben, um so mehr, als ja tatsächlich die Regionalinventare in Italien noch heute nach denselben Prinzipien geführt werden. Doch es bedarf wohl nicht eines langen Nachweises, daß die Voraussetzungen dieser auf kommunaler Ruhmesliebe beruhenden Kunstverzeichnisse nicht mehr vorhanden sind, die auch ihrer Methode nach, der gemäß die Wertschätzung eines Künstlers durch die Zeitgenossen als Maßstab seiner Berücksichtigung genommen wird, weshalb diese Inventare einen biographischen Charakter haben und sich nur auf nicht gar zu weit zurückliegende Kunstperioden beschränken müssen, weder unseren heutigen Anschauungen vom geschichtlichen Werden entsprechen würden, noch im Norden überhaupt durchführbar wären. Es wird übrigens auch in Italien eine Reform in Betracht gezogen. Merkwürdigerweise können wir in Italien selbst schon am Beginne des XVI. Jhs. in der Auffassung des Verhältnisses zu alten Denkmalen und der sich daraus ergebenden Pflichten zweierlei wichtige Neuerungen beobachten, die für die Zukunft
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von ausschlaggebender Bedeutung gewesen sind. Die eine war die neue, besondere Wertschätzung der klassischen Kunst, die auf dem Gebiete der Denkmalpflege darin ihren Ausdruck fand, daß Künstler und Antiquare aus eigener Initiative oder auf Grund eines offiziellen Auftrages Denkmale der Kunst des klassischen Altertums aufzunehmen und später auch zu veröffentlichen begonnen haben. Man hat sich ja schon früher oft, man könnte sagen immer für die antike Kunst interessiert, aber dieser neue Klassizismus ging weniger von der Wertschätzung bestimmter künstlerischen Qualitäten der antiken Kunstwerke aus, als von einer geschichtlichen Doktrin, der zufolge die Kunst des klassischen Altertums Denkmale von vorbildlicher Bedeutung für alle Zeiten geschaffen hat. Diese Differenzierung der Kunstdenkmale nach ästhetischen Theorien wurde dann bald auch auf die neue Kunst übertragen, aus der die Werke einer bestimmten Kunstperiode zum Paradigma für alle Zeiten erhoben wurden. So ist zu der religiös-hagiographischen und kommunal-biographischen Wertschätzung der alten Denkmale die ästhetisch-doktrinäre als die Quelle der öffentlichen Anteilnahme an dem alten Kunstbesitze getreten, indem bestimmten Denkmalen eine universelle Bedeutung beigemessen wurde, die also nicht an territoriale Grenzen gebunden war. Es war gewiß kein Zufall, daß beinahe in derselben Zeit, in der sich diese historische Differenzierung der alten Denkmale geltend zu machen begonnen hat, die ersten Maßnahmen gegen Verschleppung und Veräußerung der alten Kunstwerke getroffen wurden, deren neue nicht mehr an den Entstehungsort geknüpfte Wertschätzung sie in ein überall begehrtes Gut verwandelte. Zu gleicher Zeit beiläufig haben die Päpste Denkmalschutzverordnungen erlassen und ist in Venedig den Prokuratoren von St. Marco die Aufgabe erteilt worden, darüber zu wachen, daß die Kunstschätze der Stadt nicht verschleppt werden, und zu diesem Zwecke offizielle Verzeichnisse der besonders beachtenswerten Kunstwerke verfassen zu lassen. Während bis dahin die Evidenzhaltung des Denkmalbesitzes ein unmittelbarer Ausfluß der tatsächlichen privaten Freude und Anteilnahme an den alten Kunstwerken gewesen ist, wurde sie da zu einer administrativen Präventivmaßregel gegen die Gefahren, welche aus der fremden Anteilnahme dem heimatlichen Kunstbesitze erwachsen könnten. Es ist bezeichnend, daß diese beiden neuen Gesichtspunkte weniger für Italien, als für den Norden von Bedeutung gewesen sind. Eine Erklärung dafür bietet uns der Zusammenhang der neuen Anschauungen mit einer allgemeinen Wandlung im geistigen Leben der europäischen Völker, die darin bestand, daß sich neben der bis dahin allein geltenden Auffassung von der Vorbestimmung und unabänderlichen Notwendigkeit der Geschichte der Menschheit neue geschichtsphilosophische Doktrinen zu entwickeln und das europäische geistige Leben mit elementarer Gewalt zu beeinflussen begonnen haben. Und zwar weit mehr im Norden als in Italien, wo sie durch den Sieg der Gegenreformation eingedämmt wurden. Im Norden ist durch diese Doktrinen nach und nach die ganze Weltauffassung geändert worden und an Stelle der alten traditionellen im Rahmen derselben allgemeinen Voraussetzungen territorial differenzierten kulturellen Werte sind neue getreten, die auf historischer und philosophischer Spekulation beruhten und deshalb an keine territorialen Gren-
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zen oder lokale geschichtliche Voraussetzungen gebunden gewesen sind. Das gilt auch für das Verhältnis zu alten Denkmalen. Als der allgemeine Zusammenbruch der alten Verhältnisse erfolgte und als die Führung soziale Schichten übernommen hatten, die an der unmittelbar vorangehenden Kunstentwicklung nur wenig und nur mittelbar beteiligt gewesen sind, erhielten historisch-ästhetische Doktrinen, wie sie sich in der Literatur, bei Künstlern und Amateuren seit dem XVI. Jh. immer erhalten und entwickelt haben, die Bedeutung eines Kunstevangeliums für die neue Gesellschaft, welche den Zusammenhang mit der historischen Tradition verloren hat. Der klassizistische Dogmatismus, der nur die Griechen und Palladio kennt, die Begeisterung der Sturm- und Drangperiode für das Mittelalter, wie sie in Goethes Apostrophe an das Straßburger Münster einen unvergleichlichen Ausdruck fand, die Glorifizierung der Gotik als des unkirchlichsten durch die französischen, als des nationalsten durch die deutschen und als des kirchlichsten Stiles durch die kirchlichen Romantiker, der Nazarenismus und die Burckhardtsche Apotheose der italienischen Renaissance, so verschieden auch diese kunsttheoretischen Glaubensbekenntnisse zu sein scheinen, so gleichen sie sich doch alle darin, daß sie nicht von der tatsächlichen Bedeutung der Denkmale für die künstlerische Kultur der Vergangenheit und Gegenwart ausgehen, sondern ähnlich wie der ältere Klassizismus von einer dogmatisch-ästhetischen durch historische, philosophische oder auch politische Doktrinen beeinflußten besonderen Wertschätzung bestimmter Kunstperioden. Da diese Theorien einen mehr ideellen Charakter hatten, als daß sie auf einem allgemeinen Gefühlsverhältnisse zu den alten Denkmalen beruht hätten, mußten ihre Verfechter naturgemäß die Ingerenz des Staates, der ja nach der Entwicklung der Dinge die Verkörperung der herrschenden Doktrinen sein sollte, anrufen, wie es z. B. in der bekannten flammenden Aufforderung Viktor Hugos geschehen ist. So ist aber der neue offizielle Denkmalschutz entstanden, der den herrschenden Doktrinen folgte und die von ihnen aus ästhetischen oder anderen Gründen als besonders wichtig und erhaltungswert anerkannten Denkmale unter seine Obhut genommen hat. Diese Obhut zu ermöglichen, wurden ähnlich, wie einst in Venedig, als ein administrativer Behelf Kunstinventare und Denkmalarchive angelegt, die ihrem Ursprunge gemäß in der Auswahl und geringerer oder weitgehenderer Berücksichtigung der einzelnen Denkmale oder Perioden von den jeweilig herrschenden ästhetischen Lehren beeinflußt gewesen sind. Administrative Inventare dieser Art sind noch heute in Frankreich die Grundlage der staatlichen Denkmalpflege und bilden auch das Programm einer Reihe deutscher Kunsttopographien. Doch der philosophische und historische Doktrinarismus, auf dem sie beruhen, gehört heute nicht minder bereits der Vergangenheit an, als der biographische Pragmatismus der italienischen Stadtbeschreibungen. Man könnte fragen, warum man begonnen hat solche Inventare, die einen administrativen Zweck hatten, zu veröffentlichen. Die «Erweckung der Liebe zu den Denkmalen der Vorzeit», wie es in einer dieser Publikationen heißt, das heißt die Interessierung für Kunstperioden, die man nach den allgemeinen Theorien für be-
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sonders wichtig hielt, war gewiß der Hauptgrund. Doch nach und nach füllen sich die Kunsttopographien immer mehr und mehr mit historischen Daten und Untersuchungen, die zur Verwirklichung eines solchen Programmes zum mindesten nicht notwendig sind. Es ist nicht schwer, die Ursache dieser Erscheinung zu finden. Es spiegelt sich darin die allgemeine Wandlung in der Auffassung der historischen Probleme, deren Lösung heute nicht mehr auf dem Wege aprioristischer Spekulationen, sondern auf dem Wege methodischer Erforschung des objektiven Tatbestandes gesucht wird. Neben jener geistigen Bewegung, welche den mittelalterlichen Ideenkreis durch die Revolutionierung der Doktrinen durchbrochen hat, entwickelte sich seit dem XVIII. Jh. eine andere, welche an Stelle der spekulativen Theorien die empirische Synthese der Erfahrungen über die Zusammenhänge der Erscheinungen in der Vergangenheit und Gegenwart setzte und für die dementsprechend alle historischen und Gegenwartswerte nicht mehr Verkörperungen bestimmter gegebener Wahrheiten sind, sondern Dokumente der genetischen Evolution, Dokumente des großen Mysteriums der Entstehung der Welten und Kulturen, die vor allem als Zeugnisse der zurückgelegten Stadien und des sich vollziehenden Entwicklungsprozesses geeignet sind, das menschliche Leben über die Alltagsbedürfnisse hinaus zu bereichern und höher zu gestalten. Auf dieser geistigen Bewegung beruht die neue historische Methode, welche auch die Noten und Kommentare der Kunsttopographien durchdrungen hat. Die moderne historische Betrachtung hat besonders in Deutschland einen solchen Aufschwung genommen, daß keine Publikation, die geschichtliches Material enthält, von ihr ganz unbeeinflußt bleiben konnte. Sie machte sich freilich zunächst mehr in der Erörterung der äußeren Schicksale der Denkmale geltend, als in deren Auswahl, für die noch immer entweder die ästhetisch-dogmatischen Gesichtspunkte, manchmal auch das subjektive Ermessen der Herausgeber maßgebend gewesen sind. Nun hat aber die neue Auffassung der genetischen Probleme, die ja bereits zur bewußten oder unbewußten Norm unseres Denkens und zur eigentlichen Quelle unserer spirituellen und sentimentalen Anteilnahme an den Erscheinungen der Vergangenheit und Gegenwart geworden ist, tatsächlich schon weit mehr unser Verhältnis zu alten Kunstdenkmalen beeinflußt, als dies in den Kunsttopographien zum Ausdrucke kommt. In der Kunstgeschichte hat sich schon längst die Forderung durchgerungen, daß nicht nur in dem hilfswissenschaftlichen Apparate, sondern auch in der Beurteilung der Denkmale die entwicklungsgeschichtliche Methode anzuwenden ist, der zufolge diese Beurteilung nicht von dogmatischen Gesichtspunkten, sondern auf Grund der Erforschung der Bedeutung der Kunstwerke für die lokale und allgemeine Entwicklung der Kunst zu erfolgen hat. Doch nicht genug daran. Weit über die Grenzen der wissenschaftlichen Forschung hinaus hat sich das allgemeine Verhältnis zu den Denkmalen ganz analog der neuen Auffassung der historischen Probleme entwickelt. Das bezeichnende für den neuen Denkmalkultus ist, daß er sich nicht mehr ausschließlich auf Werke besonders berühmter Künstler oder auf Kunstperioden oder Kunstwerke beschränkt, die bestimmten ästhetischen Voraussetzungen entsprechen, sondern alle Denkmale umfaßt, die geeignet sind, in dem
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Beschauer Impressionen hervorzurufen, die in einer seelischen Anteilnahme an den Denkmalen als Dokumenten der das Werden und Vergehen bestimmenden Entwicklungsgesetze ihren Ursprung haben. Es ist nicht ein bestimmtes künstlerisches oder anderes Ideal, welches wir in den Kunstwerken der Vergangenheit suchen, sondern jedes Denkmal, ja jedes Fragment eines Denkmales interessiert uns, welches als ein glaubwürdiges Zeugnis der künstlerischen Eigenart vergangener Generationen und der Entwicklung der Kunst in vergangenen Perioden betrachtet werden kann. Es ist jedoch nicht nur das bewußte oder unbewußte Interesse an alten Denkmalen als Dokumenten des Ringens der Individualitäten, Generationen und der ganzen Menschheit um Bewältigung der formalen künstlerischen Probleme allein, welches heute die Quelle einer neuen allgemeinen Anteilnahme an dem künstlerischen Vermächtnisse der Vergangenheit bildet, sondern die Beziehungen sind noch tiefer und universeller geworden durch ein neues Verhältnis, welches die alten Denkmale mit der allgemeinen künstlerischen und sozialen Kultur unserer Zeit verknüpft. Die moderne Anschauung von der Notwendigkeit der synthetischen Erfahrung für wissenschaftliche Erkenntnisse ist nur die Folge einer älteren und weit umfassenderen Wandlung im Verhältnisse des Menschen zur Natur und zum Leben. Es ist eine neue Anschauung von Naturschönheit, Naturtreue und Lebenswahrheit, die dieser Wandlung zugrunde liegt, eine Anschauung, die sich bei den Völkern des Nordens entwickelte. Während man bei den Völkern des klassischen Altertums und deren unmittelbaren Nachkommen die Natur und das Leben stets mehr oder weniger vom Gesichtspunkte bestimmter einzelner künstlerischer Probleme studierte, deren Mittelpunkt die Darstellung des menschlichen Körpers gewesen ist, war es in der neuen Kunst des Nordens vom Anfange an die Mannigfaltigkeit der Naturerscheinungen, die der Ausgangspunkt und das Ziel der Bemühungen um die künstlerische Eroberung der Natur gewesen ist, so daß der ganze Reichtum der Welt bis zur kleinsten Wiesenblume und bis zu der flüchtigsten Veränderung der atmosphärischen Luft und Lichtstimmung zur Quelle künstlerischer Sensationen geworden ist. Was aber die Kunst da entdeckte, ist nach und nach zum Gemeingut der Menschheit geworden. Petrarca meinte noch einer Sünde schuldig zu sein, als er auf dem Mont Ventoux von der Schönheit des Ausblickes erschüttert wurde, heute wandern aber Millionen zu den Stadtmauern hinaus, um sich an Naturschönheiten zu begeistern, wie einst die Griechen an Athletenkämpfen. Kein ästhetischer Faktor ist heute mächtiger als diese allgemeine Naturfreude. In dieser Naturliebe, die darauf beruht, daß sich der Mensch bewundernd vor dem beugt, was die Natur als Maß aller Dinge geschaffen hat, und im genetischen Werden und Vergehen immer wieder von neuem schafft, liegt auch die Quelle neuer Beziehungen zu alten Denkmalen, die wir dank der Entwicklung, die sich im Norden vollzogen hat, nicht nur wegen ihrer künstlerisch formalen Vorzüge, sondern auch in ihrer Gesamterscheinung als Teil eines Naturausschnittes und als Elemente der Naturschönheit im weitesten Sinne des Wortes zu schätzen gelernt haben, bei welchen über den ursprünglichen Kunstzweck hinaus die auf dem Walten der Na-
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turkräfte beruhenden Erscheinungsqualitäten den Beschauer nicht minder ergreifen, als bei den Naturschöpfungen selbst. Diese Entwicklung mußte auch auf das soziale Gefühlsleben einwirken, welches als Heimatsliebe heute nicht mehr auf Abstraktionen beruht, sondern wie das ganze geistige Leben auf Evolutionseinheiten, die, soweit die Vergangenheit in Betracht kommt, durch die in einzelnen Nationen oder Territorien verkörperten kulturellen Sonderentwicklungen gebildet werden. Dadurch wurde der Begriff der Heimat um all das erweitert, was sich an Monumenten einer solchen Sonderentwicklung erhalten hat, so daß die alten Denkmale auch noch als Dokumente der alten Kulturzusammengehörigkeit, als eine Genealogie der Gegenwart, die die biographischen Stammbäume ersetzte, der allgemeinen Anteilnahme näher gebracht wurden. Durch diese vielfach ganz neue Bedeutung, welche die alten Denkmale für historische Fragen und für die Kultur der Gegenwart gewonnen haben, veränderten sich aber auch wesentlich die Voraussetzungen und Erfordernisse der öffentlichen Denkmalinventarisierung. So muß wohl aus dieser Entwicklung des Denkmalkultes zwingend die Konsequenz gezogen werden, daß eine staatliche, für administrative Zwecke bestimmte Inventarisierung auf Grund einer nach ästhetisch-doktrinären Grundsätzen oder subjektivem Ermessen getroffene Auswahl aus dem Denkmalbesitz eines Landes unberechtigt und zwecklos wäre, weil sie der tatsächlichen, sowohl wissenschaftlichen als allgemeinen Denkmalbewertung nicht entsprechen würde, sondern, daß sie, wenn sie überhaupt einen höheren als rein fiskalischen Zweck haben soll, auf alle Denkmale ausgedehnt werden muß, die geeignet sind, das wissenschaftliche Interesse, die Freude an der formalen Eigenart oder Gefühlssensationen der geschilderten Art zu erwecken. Da dies fast bei allen Denkmalen der Vergangenheit zutrifft oder, da es sich um fluktuierende Werte handelt, einmal eintreffen kann, muß in den administrativen Inventaren, wenn sie tatsächlich, wie es der modernen Auffassung von den Pflichten der öffentlichen Gewalt kulturellen Strömungen gegenüber entspricht, zum Schutze des als kulturelles Gemeingut angesehenen Denkmalbesitzes dienen sollen, wenigstens dort, wo der öffentlichen Gewalt eine unmittelbare Ingerenz auf diesen Besitz gebührt, die möglichste Vollständigkeit angestrebt werden. Aus diesen neuen Verhältnissen ergeben sich aber auch nicht minder bestimmte Anforderungen und Aufgaben für die Kunsttopographien, die, wenn sie, was ja wohl nicht angezweifelt werden dürfte und als der eigentliche Zweck der Veröffentlichung der Inventare betrachtet werden muß, eine literarische und pädagogische Mission erfüllen sollen, nicht nur ebensowenig als die administrativen Verzeichnisse von Voraussetzungen ausgehen dürfen, welche unseren Anschauungen von der historischen Evolution widersprechen, sondern im Gegenteile ihren über das mechanische Inventarisieren hinausgehenden ideellen Inhalt der neuen Denkmalbewertung entnehmen müssen, die, wie wir gehört haben, auf Wahrnehmungen und Impressionen beruht, welche auf den genetischen Dokumentalinhalt der Denkmale und in konkreter historischer Formulierung auf deren Bedeutung für die Entwicklung der heimatlichen künstlerischen Kultur und der Kunst im allgemeinen zurückgeführt wer-
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den können. Es handelt sich also darum, die heimatlichen Kunstschätze auf Grund ihrer Bedeutung für die Geschichte der lokalen und allgemeinen Kunst für die Öffentlichkeit zu erschließen, so daß nicht nur dem äußeren historischen Apparate, sondern auch der Beurteilung der Denkmale selbst der entwicklungsgeschichtliche Maßstab zugrunde zu legen ist, was nicht nur eine wissenschaftliche Forderung ist, sondern, da beides aus derselben Quelle stammt, auch in dem modernen Denkmalkultus seine Begründung hat und einzig und allein wie einst der Künstlerkultus eine Resonanz im heutigen geistigen Leben finden kann. Später als in anderen Ländern hat die Z. K. begonnen die Inventarisierungsarbeiten systematisch durchzuführen. So bedauerlich auch sonst die späte Inangriffnahme dieser wichtigen Aufgabe gewesen ist, so hatte sie doch den Vorteil, daß dabei aus der neuen Sachlage Konsequenzen gezogen werden konnten. Das tat bereits mein unvergeßlicher Lehrer Alois Riegl, indem er ein Paradigma für ein den oben ausgeführten neuen Grundsätzen und Anforderungen entsprechendes administratives Inventar ausarbeiten ließ. Nach seinem Tode wurde ich mit der Fortsetzung der Arbeiten betraut. Es schien mir da vor allem wichtig zu sein, auch die für die Öffentlichkeit bestimmte Inventarisierung in Angriff zu nehmen, weil ja in der Zukunft beide Aufgaben zum großen Teile gleichzeitig durchgeführt werden können und weil mir die von der Kunsttopographie zu erhoffende Vertiefung und Popularisierung der Denkmalpflege nicht minder wichtig erschien, als die administrativen Präventivmaßregeln. Die Grundsätze, nach welchen der erste Band dieser Kunsttopographie ausgearbeitet wurde, ergaben sich aus den Erwägungen, die im vorstehenden Überblick enthalten sind und denen gemäß als die wichtigste Aufgabe eines für die Öffentlichkeit bestimmten Kunstinventares die Katalogisierung der Denkmale eines bestimmten Gebietes auf Grund ihrer Bedeutung für die Entwicklung der Kunst und Geschichte der territorialen künstlerischen Kultur betrachtet werden muß. In dieser Präzisierung der Aufgabe ist auch die Abgrenzung des Inhaltes verwandten historischen Disziplinen gegenüber enthalten. Es gibt noch heute Kunsttopographien, in welchen im bunten Durcheinander im Sinne der alten Altertumskunde Realien und Untersuchungen aus allen Gebieten der historischen Wissenschaften veröffentlicht werden, was weder der modernen, auf Spezialforschungen beruhenden wissenschaftlichen Methode noch den eigentlichen Aufgaben der Kunsttopographien entspricht und deshalb vermieden wurde. So wäre es dilettantenhaft und unbegründet, wenn man in der Kunsttopographie alle Materialien der Prähistorie und Archäologie veröffentlichen wollte, deren Erforschung und Veröffentlichung die Hauptaufgabe selbständiger Zweige der historischen Wissenschaft bildet und zum großen Teile mit den Zielen der Kunsttopographien nichts zu tun hat. Dagegen ist es unzweifelhaft, daß in der Kunsttopographie nicht jene prähistorischen und antiken Objekte fehlen dürfen, die für die Geschichte der Kunst von Bedeutung sind. Dasselbe gilt für die historischen Hilfswissenschaften, wie Epigraphik, Münz- oder Siegelkunde, deren Denkmale vielfach als kunstgeschichtliche Quellen
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dienen können und, wo das der Fall ist, auch in der Kunsttopographie berücksichtigt werden müssen, doch in ihrer Gesamtheit als Dokumente der Entwicklung der Schrift, des Münzwesens, der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ebenso außerhalb der Aufgaben der Kunsttopographie liegen, wie etwa Urkunden oder Denkmale der technischen Errungenschaften. Auch den Sonderaufgaben der Folkloristik gegenüber ist dieselbe Grenze gezogen worden. Durch die genannte Hauptaufgabe der Kunsttopographie wird ferner ebenfalls das Maß der historischen Bemerkungen und Untersuchungen ortsgeschichtlichen Inhaltes bestimmt, die, da die Ortsgeschichte besonders durch die Verbindung mit der historischen Geographie den genannten Hilfswissenschaften gleich ein selbständiges Gebiet der historischen Forschung bildet, nur so weit aufgenommen wurden, als es zur Erläuterung der Entstehung und der weiteren Schicksale der inventarisierten Denkmale notwendig gewesen ist. Die conditio sine qua non für die Durchführung dieses Programmes ist es jedoch – daran mangelte es vielen Kunsttopographien weit mehr noch als an prinzipieller Klarheit –, daß die einzelnen Denkmale kunstgeschichtlich wenigstens so weit erforscht werden, als es die Beurteilung ihrer Bedeutung für die Geschichte der Kunst im allgemeinen und des inventarisierten Gebietes insbesondere erfordert. Man hat sich bisher vielfach damit begnügt, die kunstgeschichtliche Bewertung der einzelnen Objekte weniger auf Grund lokalgeschichtlicher Forschungen als auf Grund allgemeiner Kenntnisse und Werturteile zu bestimmen, wodurch oft Denkmale, die von untergeordneter Bedeutung sind, übermäßig betont und Denkmale, in welchen die Kunst des inventarisierten Territoriums ihre höchste Blüte und über die Grenzen der lokalen Entwicklung hinausgehende Bedeutung erlangte, mit allgemeinen Schlagworten abgetan wurden. Daß dies so oft geschehen ist, hat vor allem darin seinen Grund, daß eben die territoriale Entwicklung der Kunst nördlich der Alpen zum großen Teile ganz unbekannt ist. Während sich in Italien dank den geschilderten Verhältnissen die Kenntnis von den wichtigsten Ereignissen der Kunst und deren Bedeutung für die lokale und allgemeine Kunstentwicklung stets erhalten hat, ist nördlich der Alpen eine solche Tradition fast ganz verloren gegangen und bisher nur in ganz geringem Maße durch kunstgeschichtliche Untersuchungen ersetzt worden, da die Arbeiten, die sich mit dieser traditionslosen Kunst beschäftigten, zumeist rein antiquarischer Art gewesen sind und das Verhältnis der einzelnen Denkmalgruppen für die allgemeine Entwicklung der europäischen Kunst zu erforschen weder versuchten noch vermochten. Es mußte folglich, wenn der Zweck der Kunsttopographie erreicht werden sollte, der Versuch gemacht werden, diese Tradition auf dem Wege kunstgeschichtlicher Untersuchungen zu ersetzen. Dazu waren vor allem zwei Dinge notwendig. Erstens die möglichst exakte Bestimmung der Entstehungszeit und Provenienz der einzelnen Denkmale auf Grund des archivalischen Materials. Solange man nicht mit relativer Bestimmtheit weiß, wann und wo die einzelnen Denkmale entstanden oder wer ihre Urheber gewesen
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sind und sich mit unkontrollierbaren allgemeinen sogenannten Kennerbestimmungen begnügt, die auf einer Kennerschaft beruhen, die nicht auf Grund des vorliegenden Materials erworben wurde, hängt die kunstgeschichtliche Entwicklung des Gebietes und die Bedeutung der einzelnen Denkmale dafür vollkommen in der Luft und die Denkmale werden nicht anders beschrieben und inventarisiert, als etwa in einem Auktionskataloge. Wenn auch das archivalische Material nicht alle Lücken auszufüllen vermag, so bietet es doch, wofür dieser Band als Beweis gelten mag, in der Regel so viel, daß einzelne Hauptdaten und die wichtigsten Provenienzen bestimmt werden können, an welche die weitere Untersuchung anknüpfen kann. Daran mußte sich als die zweite unerläßliche Vorarbeit die eigentliche stilgeschichtliche Untersuchung anschließen, ohne die eine den oben ausgeführten Prinzipien entsprechende Kunsttopographie ganz und gar undenkbar ist, die jedoch früher vielfach vernachlässigt wurde. Die Denkmale, die beschrieben werden sollen, sind nur ganz ausnahmsweise vereinzelt, sondern haben in der Regel Parallelen in anderen Denkmalen eines engeren oder weiteren Gebietes. Es ist nur die selbstverständliche Forderung eines jeden wissenschaftlichen Unternehmens, daß alle Angaben und Schlüsse auf ein möglichst vollständiges Material gestützt werden, so daß die Heranziehung aller monumentalen Quellen für die richtige chronologische und stilistische Fixierung der einzelnen beschriebenen Denkmale unerläßlich ist, wenn diese Fixierung nicht auf Grund unwissenschaftlicher summarischer Urteile wie «eine gute, eine schlechte Barockarbeit», sondern in exakt historischer Weise erfolgen soll. Doch nicht nur zum Zwecke der Datierung und stilistischen Bestimmung der Denkmale muß eine solche stilgeschichtliche Untersuchung der Kunsttopographie zugrunde gelegt werden, sondern sie deckt sich zum großen Teile mit dem eigentlichen Zwecke der Kunsttopographie selbst, da die zusammengehörigen Denkmale die Entwicklungsstadien der territorialen Kunst darstellen und die Elemente der Geschichte der künstlerischen Kultur des Gebietes bilden, deren Erforschung und Bekanntmachung, wie wir hörten, als die ideale Mission der Kunsttopographien angesehen werden kann. Es sei erlaubt, einigen Einwendungen vorzubeugen, welche gegen diese Grundsätze erhoben werden könnten. So könnte man darauf hinweisen, daß die Forderung, dem Inventare müsse die kunstgeschichtliche Durchforschung des inventarisierten Gebietes zugrunde gelegt werden, schwierig sei und die Durchführung des Unternehmens vielfach verzögern müßte. Es handelt sich jedoch nicht darum, daß möglichst bald die Bibliotheken gefüllt werden und ein möglichst rasches Zusammenschreiben aller Denkmale der Monarchie, welches übrigens für das administrative Inventar durchgeführt werden kann, hätte für die Erreichung des eigentlichen Zweckes der Kunsttopographie, der sie über ein ohne ideelle Vertiefung wenig wirksames Eintagsinventar erheben würde, keinen Nutzen. Die Publikation eines jeden andern historischen Materiales ist zweifellos mit nicht geringeren Schwierigkeiten und Arbeiten verbunden, dessenungeachtet könnte es weder ein Institut noch ein einzelner Forscher wagen, eine Publikation zu veranstalten, welche eine
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methodische Forderung, als welche bei der Kunsttopographie die stilgeschichtlichen Untersuchungen bezeichnet werden können, ganz außer acht läßt. Auch früher sind umfangreiche historische Untersuchungen mit der Abfassung der Kunsttopographien verbunden worden, welchen ausgedehnte historische Exkurse über die äußeren Schicksale der Orte und deren Besitzer eingefügt wurden, nach welcher Richtung, wie gesagt wurde, die Kunsttopographien wesentlich entlastet werden können, so daß es sich vielfach nur darum handelt, solche Untersuchungen durch kunstgeschichtliche Forschungen zu ersetzen, die bei entsprechender Vorbildung und Schulung der Bearbeiter kaum größeren Schwierigkeiten begegnen dürften als jene. Ein anderer Einwand wäre der, daß die Kenntnis des allgemeinen Verlaufes der Geschichte der Kunst in manchen Perioden, besonders jenen, bei welchen uns die alte Tradition im Stiche läßt, noch so wenig erforscht ist, daß es schwer möglich sein dürfte, den Verlauf und die Bedeutung der lokalen Entwicklung richtig zu bestimmen. Doch die Gesamtentwicklung besteht aus der Summe der Territorialerscheinungen und wenn man versucht, diesen nachzugehen und sie nach Möglichkeit auf die entscheidenden Personen und Zentren zurückzuführen, so ist dies zugleich der einzig mögliche Weg, das heute anscheinend noch unentwirrbare Chaos zu entwirren. Es handelt sich ja nicht darum, alle kunstgeschichtlichen Fragen zu beantworten, zu welchen die beschriebenen Denkmale Veranlassung geben könnten, sondern es genügt vollkommen, wenn die die zeitliche und stilistische Provenienz der Denkmale betreffenden Probleme richtig, das heißt auf Grund methodischer Verwertung des erreichbaren Materials gestellt werden, was zugleich die Feststellung der Grundzüge und wichtigsten Epochen der lokalen Entwicklung bedeutet. Geschieht dies, so ist es nicht mehr nötig, die Auswahl und verschiedene Betonung der einzelnen Denkmale, die, selbst wenn die möglichste Vollständigkeit angestrebt werden sollte, nicht zu vermeiden wäre, nach dogmatischen oder subjektiven Gesichtspunkten zu treffen, sondern beides ergibt sich als das je nach den Gebieten wechselnde Ergebnis der Untersuchung aus der entwicklungsgeschichtlichen Bedeutung der Monumente. Man braucht sich nicht zu fürchten, daß die künstlerische Qualität der Kunstwerke dabei zu kurz kommen könnte: die großen Kunstwerke waren stets die entscheidenden. Die für die administrative Evidenzhaltung des öffentlichen Denkmalbesitzes unvermeidliche Trennung des privaten und öffentlichen Eigentums kommt selbstverständlich für eine Inventarisierung, deren Grundlage die Geschichte der künstlerischen Kultur des Gebietes bilden soll, nicht in Betracht. Die Durchführung dieser Grundsätze erforderte einige Veränderungen gegenüber der geläufigen Einteilung und Anordnung der Kunsttopographien, in welchen fast durchweg die Denkmale einzig und allein in der alphabetischen Reihenfolge der Ortschaften verzeichnet werden. Dadurch werden wohl die topographischen Einheiten gewahrt, die kunstgeschichtlichen Zusammenhänge jedoch zerrissen, die nicht minder wichtig sind als die lokalen. Eine Begründung der stilgeschichtlichen Bestimmung oder Bewertung der einzelnen Denkmale ist in der alphabetischen Anordnung nur teilweise möglich, man müßte vieles oft wiederholen und das Gesamt-
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bild würde wenig zutage treten. Ein vollständiges Aufgeben der alphabetischen Reihenfolge empfiehlt sich aus vielen Gründen nicht und so erschien als der geeignetste Ausweg, die allgemeinen Resultate der dem Bande zugrunde liegenden Forscherarbeit und die aus ihr sich ergebende Begründung der Auswahl oder Akzentuierung der einzelnen Denkmale und Denkmalgruppen, ähnlich wie in historischen Publikationen, in einer stilgeschichtlichen, dem alphabetischen Teile vorangeschickten Übersicht zu vereinigen, die auch den Vorteil hat, in zusammenhängender Darstellung ein allgemeines Verständnis sowohl für die Bedeutung der einzelnen Denkmale als der ganzen entwicklungsgeschichtlichen Reihenfolge, der sie angehören, anzubahnen, was durch eine lexikalische Aufzählung nur in einem sehr geringen Maß erreicht werden könnte. Der nach der lokalen Gruppierung geordnete Teil bietet dagegen Gelegenheit, auch jener für den modernen Beschauer so wichtigen und auch für die Beurteilung der alten künstlerischen Kultur des Gebietes in Betracht kommenden Denkmalwerte zu gedenken, die auf dem Zusammenwirken der Denkmale mit bestimmten Orts- und landschaftlichen Bildern beruhen, soweit solche Wirkungen überhaupt objektiv darstellbar sind, was manchmal gar nicht und manchmal nur durch Bilder geschehen kann. Auch besonders markante Elemente der landschaftlichen Schönheit, als eines integrierenden Teiles dieser Wirkung, finden da Erwähnung. Die Aufgabe, so gestellt, ist gewiß nicht leicht und es wird vieler Mühen und Erfahrungen benötigen, um sie so zu bewältigen, wie es erwünscht wäre. Gelingt es aber, dieses Programm der Hauptsache nach zu verwirklichen, so dürfte daraus nicht nur der Kunstgeschichte ein großer Nutzen erwachsen, für die nördlich der Alpen die stilgeschichtliche Ordnung des traditionslosen Materials eines der wichtigsten Desiderien bildet, sondern auch nach und nach gelingen, die Denkmalpflege, der Werte zugrunde gelegt werden, die, aus der Geschichte der künstlerischen Kultur eines Landes abgeleitet, die Summe der historischen Kontinuitäten, welche im Rahmen der Entwicklung eines Gebietes und eines Volkes die wichtigste Quelle der Heimatliebe bilden, um eine neue besonders suggestive zu bereichern vermögen, wie einst in den italienischen Kommunen, in ein allgemeines elementares Verhältnis zu den alten Denkmalen zu verwandeln, welches die staatliche Ingerenz entbehrlich macht. Zum Schlusse sei noch gestattet, über die Detaildurchführung des vorliegenden Bandes einige Worte zu sagen. In der Beschreibung der Denkmale wurde eine Regestenform angestrebt, welche dem Benutzer gestatten würde, sich möglichst rasch über das Denkmal zu orientieren. Alles, was kunstgeschichtlich besonders wichtig ist, wurde durch einen andern Typensatz betont. Abgebildet wurden nach Möglichkeit typische und entwicklungsgeschichtlich wichtige Denkmale. In den Literaturangaben wurde möglichste Vollständigkeit angestrebt, dagegen ist aus den alten Städteansichten nur eine Auswahl getroffen worden, weil ja viele nichts Neues bieten. Die geschichtlichen Einleitungen enthalten in möglichst knapper Form nur die wichtigsten Daten und Tatsachen. Auf eine Anführung alter Namensformen ist verzichtet worden, weil es dafür an ausreichenden kritischen Vorarbeiten fehlt. Die numis-
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matischen Funde und Sammlungen des Bezirkes enthalten nach der Versicherung des Herrn Dr. Münsterberg, der ihre Bearbeitung übernommen hat, nichts, was kunstgeschichtlich von Bedeutung wäre. Die reichen archivalischen Schätze innerhalb und außerhalb des Bezirkes sind so weit herangezogen worden, als es für die Bestimmung der wichtigsten Denkmale notwendig gewesen ist. Es ist wohl selbstverständlich, daß das geschlossene Bild der kunstgeschichtlichen Entwicklung eines Gebietes nicht gleich das Resultat der Bearbeitung eines einzelnen Bezirkes, sondern erst das Resultat des ganzen Unternehmens sein kann. So mußte vielfach nicht nur das Sichere festgestellt, sondern auch das Zweifelhafte hervorgehoben und manche Frage offengelassen werden, die entweder in weiteren Bänden der Kunsttopographie oder durch tiefergehende Einzeluntersuchungen zu beantworten sein wird. Spalato, September 1907
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DENKMÄLER DER DEUTSCHEN KUNST (1908–1909) 1*. Dank Althoffs und Bodes Energie ist ein Unternehmen ins Leben gerufen worden, welches von der größten Bedeutung für alle Gebiete der Kunstwissenschaft werden dürfte. Der im vorigen Jahr entstandene «Deutsche Verein für Kunstwissenschaft» stellte sich die Aufgabe eine systematische Publikation sämtlicher Denkmale der deutschen Kunst zu begründen, die eine Analogie zu den Publikationen der Monumenta Germaniae historica bilden würde. Die Ausarbeitung eines Arbeitsprogrammes und Organisationsstatutes für das Unternehmen wurde Professor Dehio in Straßburg, Professor Goldschmiedt in Halle und dem Gefertigten anvertraut, deren Elaborat von der im August stattgefundenen Vorstandssitzung des Vereines genehmigt wurde. Die «Denkmäler der deutschen Kunst» werden danach eine Quellensammlung der deutschen Kunst sein, in der die kunstgeschichtlich wichtigen Denkmalgruppen methodisch veröffentlicht werden. Die Gruppierung erfolgt nach chronologischen und sachlichen Gesichtspunkten unter steter Berücksichtigung der stilistischen Zusammengehörigkeit. Bei der Bearbeitung der einzelnen Denkmalgruppen wird das ganze Material zu benutzen und daraus bei anzustrebender Vollständigkeit alles für das gegebene wissenschaftliche Problem Bedeutende zu veröffentlichen sein. Die bildlichen Reproduktionen werden von einem Kommentar begleitet, welcher nebst ergänzenden Beschreibungen alles enthalten soll, was über die Entstehung der einzelnen Denkmale nach Ort und Zeit, Künstler und Auftraggeber durch äußere Daten und Kritik festgestellt werden kann. Die Publikationen sollen sich nicht auf Denkmäler beschränken, welche in den Grenzen des jetzigen Deutschen Reiches entstanden sind, sondern alle Denkmäler umfassen, welche das künstlerische Schaffen der deutschen Nation zum Ausdruck bringen oder damit in unmittelbarem Zusammenhange stehen. Nach den oben angefallen Prinzipien wurden vier Hauptsektionen (Architektur, Skulptur, Malerei, Kunstgewerbe) gebildet, je mit einer Reihe von Abteilungen, die den einzelnen Denkmalgruppen entsprechen, und die Vorstände der einzelnen Abteilungen gewählt. Diese Vorstände bilden die Denkmälerkommission, der die Durchführung der Publikationen übertragen wurde. Sie besteht aus fünfzehn Mitgliedern und ist im übrigen ähnlich organisiert wie die Zentraldirektion der Monumenta Germaniae historica. Österreich ist darin durch Hofrat Wickhoff (als Leiter der Abteilung der deutschen Handzeichnungen) und den Gefertigten (als Leiter der Abteilungen der Malerei der Völkerwanderungszeit, der karolingischen Malerei, der mo-
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Max Dvoøák: Denkmäler der deutschen Kunst, in: Kunstgeschichtliches Jahrbuch der k. k. Zentralkommission, 2, 1908, Beibl., Sp. 95–98.
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numentalen Malerei der romanischen und gotischen Periode und der Büchermalerei der gotischen Periode) vertreten. Die Leiter der einzelnen Abteilungen werden sich ihre Mitarbeiter wählen, die ähnlich wie bei der Monumenta Germaniae historica eine dauernde Anstellung bei dem Unternehmen finden sollen. Es ist zur Genüge bekannt, welche Bedeutung den Monumenta Germaniae historica für die Entwicklung der deutschen Geschichtswissenschaft und der historischen Disziplinen überhaupt beizumessen ist. Die führende Stellung, welche die deutsche Geschichtsforschung in der ganzen Welt einnimmt, ist in erster Reihe auf die fundamentale Umwälzung in der historischen Methode zurückzuführen, welche auf der kritischen Bearbeitung der Quellen beruht, wie sie zum erstenmal den Publikationen der Monumenta Germaniae historica zugrunde gelegt wurde. Eine nicht geringere Bedeutung dürften aber die Denkmäler der deutschen Kunst für die Geschichte der deutschen Kunst und Kunstgeschichte im allgemeinen erlangen. Niemand wird sich darüber täuschen können, daß die Erforschung der deutschen Kunst heute erst in den Anfängen ist, etwa auf dem Standpunkte, auf dem die Erforschung der deutschen Geschichte zu Beginn des XIX. Jhs. war; denn über einzelne große Perioden wissen wir beinahe gar nichts, andere kennen wir nur vom Gesichtspunkte sporadischer zusammenhangloser Monumente. Durch allgemeine Spekulationen und Deduktionen, mögen sie noch so geistreich sein, können diese Lücken nicht ausgefüllt werden, da kann nur die methodische Durchforschung und Veröffentlichung des gesamten kunstgeschichtlichen wichtigen Materials Abhilfe schaffen, wie sie in den «Denkmälern der deutschen Kunst» geplant wird. Die dabei durchgeführte Organisation der Arbeit auf streng wissenschaftlicher Grundlage ist vielleicht noch wichtiger, als die Publikationen selbst. Die reichsten und prunkvollsten Veröffentlichungen bleiben steril, wenn es nicht Forscher gibt, welche fähig und bestrebt wären, den Inhalt solcher Publikationen in historische Erkenntnisse umzusetzen. Es beschäftigt sich zwar heute eine Reihe ausgezeichneter Forscher mit der Geschichte der deutschen Kunst, doch dürfte man kaum behaupten können, daß an der Erforschung der Geschichte der deutschen Kunst auch nur beiläufig mit jener Intensität gearbeitet wird, wie an der Erforschung der deutschen Geschichte. Das dürfte durch Publikationen allein kaum geändert werden können. Wohl ist aber eine Wandlung zu erwarten, wenn eine Reihe von Abteilungsleitern und Mitarbeitern der «Denkmäler der deutschen Kunst» sich durch Jahre der kritischen Vorbereitung der einzelnen Publikationen widmen wird. Die dabei gewonnenen Erfahrungen, die notwendig damit verbundene Durchforschung einzelner Perioden der Geschichte der deutschen Kunst und nicht zuletzt die Konzentration der Gelehrtentradition bei einer großen Anzahl von Forschern auf das Gebiet der deutschen Kunstgeschichte dürften noch wichtiger werden, als die Publikationen selbst. Und am wichtigsten die damit verbundene wissenschaftliche Vertiefung der Kunstgeschichte. Auf keinem anderen Gebiete der historischen Wissenschaften dürfte die Unklarheit über die Ziele und die Methode der Forschung so groß sein, wie in der Kunstgeschichte, wo beides wie in anderen Disziplinen im XVIII. Jh. dem Ermessen und den Neigungen der einzelnen Autoren überlassen wird, was zu den Haupt-
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DER DEUTSCHEN
KUNST (1908–1909)
ursachen gehört, warum die Kunstgeschichte noch heute nicht in dem Maße von dilettantenhaften Versuchen befreit ist, wie es bei allen anderen exakten Wissenschaften schon längst der Fall ist. Wenn aber eine Reihe junger Forscher bei den Arbeiten in den einzelnen Abteilungen durch Jahre dazu erzogen wird, jenseits aller aprioristischen Theorien, vor allem die schriftlichen und bildlichen Dokumente der Kunst auf ihre Glaubwürdigkeit zu prüfen und aus dem kritisch durchforschten Material jene Schlüsse zu ziehen, welche als objektive historische Bereicherung unseres Wissens den Quellen zu entnehmen sind, wird sich bald eine ähnliche Vertiefung der Methode und eine ähnliche Selbstverständlichkeit der wissenschaftlichen Ziele auch in der Kunstgeschichte einstellen, wie sie die allgemeine Geschichte nicht zuletzt den Monumenta Germaniae historica zu verdanken hat. Das alles wird aber zweifellos auch für die Denkmalpflege von größter Bedeutung sein. Woran unser Verhältnis zu alten Denkmalen krankt, ist weit weniger der Mangel am Interesse – selten war es so allgemein – wie vielmehr das Dilettantentum in der Kunst und Kunstwissenschaft. Dagegen helfen keine administrativen Palliative. Wie dem künstlerischen Dilettantismus der Boden nur durch die Hebung der künstlerischen Kultur entzogen werden kann, so kann der schädigende Einfluß des antiquarischen Halbwissens nur durch die Vertiefung des wissenschaftlichen Niveaus gebrochen werden, wie sie von den geplanten Publikationen zu erwarten ist. 2*. Als der Anfang der Verwirklichung des großen Programms sind vier Abteilungen eingerichtet worden, welche mit ihren Arbeiten begonnen haben. Herr Professor Clemen in Bonn hat mit den Vorarbeiten für die Publikation der kaiserlichen Pfalzen begonnen, die sich deshalb sehr schwierig gestalten, weil bei einzelnen Pfalzen weitgehende Ausgrabungen unternommen werden müssen, von denen ein beträchtlicher Teil im vorigen und heutigen Sommer durchgeführt wurde. Herr Professor Goldschmiedt hat die Arbeiten für ein Korpus der karolingischen und romanischen Elfenbeine, mit denen er sich seit Jahren beschäftigt und die er dem deutschen Vereine zur Verfügung stellte, so weit abgeschlossen, daß mit dem Drucke der Tafeln begonnen werden konnte. Unter der Leitung des Gefertigten stehen zwei Abteilungen, für die Herr Dr. W. Köhler und Herr Dr. H. Zimmermann als ständige Mitarbeiter gewonnen wurden und deren Aufgabe ein Korpus sämtlicher Miniaturhandschriften der Völkerwanderung und der karolingischen Kunst bildet. Es sind bisher von den beiden Mitarbeitern die belgischen und ein großer Teil der französischen Bibliotheken durchforscht worden, die eine überaus reiche Ausbeute an bisher unbeachtetem, wichtigem Material geboten haben. Als Anfang der Veröffentlichung der Kunstwerke aus späteren Perioden der deutschen Kunst wird im Laufe des Jahres von Professor Ganz eine Gesamtpublikation der Zeichnungen Holbeins d. J. erscheinen.
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Max Dvoøák: Denkmäler der deutschen Kunst, in: Kunstgeschichtliches Jahrbuch der k. k. Zentralkommission, 3, 1909, Beibl., Sp. 173.
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DIE KUNST DES MITTELALTERS UND DER NEUZEIT AN DER ÖSTERREISCHISCHEN KÜSTE DER ADRIA (1911) *
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st es an und für sich schwer, die Geschichte der Kunst eines ausgedehnten Territoriums in einer kurzen Übersicht darzustellen, so könnte dieser Versuch um so gewagter erscheinen, wo es sich, wie an der Adria, nicht um ein einheitliches Gebiet mit einer einheitlichen nationalen Kultur, sondern um Länder handelt, die in mancher Beziehung nur das zwischen ihnen liegende Meer verbindet. Doch die Aufgabe wird wesentlich dadurch erleichtert, daß sich die Entwicklung der Kunst in diesen Gebieten trotz der wenig homogenen ethnographischen und auch historischen Voraussetzungen doch im ganzen und großen einheitlich vollzogen hat, so daß es nicht schwer ist, sie in ihren Hauptetappen zu verfolgen. Es sind vier Hauptepochen, die die Geschichte der nachklassischen Kunst an den adriatischen Küsten in ihren Hauptzügen markieren: der Sieg des Christentums und der neuen monumentalen Kunst des Christentums, das Eindringen der Kultur, die wir als die der Völkerwanderungszeit zu bezeichnen pflegen, deren Ersatz durch eine romanistische Strömung und schließlich die mit der politischen und kulturellen zusammenhängende künstlerische Eroberung des Litorale durch die Venetianer. Wenn man von Rom und Ravenna absieht, denen, als den Emporien der geistlichen und weltlichen führenden Gewalt, eine Sonderstellung beizumessen ist, gibt es kein abendländisches Gebiet, in dem sich so viele Monumente der altchristlichen Kunst erhalten hätten, wie an der österreichischen Küste der Adria. Es wäre wohl falsch, daraus auf eine künstlerisch führende Stellung dieses Gebietes in den ersten Jahrhunderten des triumphierenden Christentums zu schließen, die schon dem im allgemeinen bescheidenen Charakter und Kunstwerte der erhaltenen Denkmale nach als ausgeschlossen betrachtet werden muß. Wie in späteren Perioden, so war es auch bereits in der altchristlichen Zeit eine ziemlich rustikale Kunst, die in den alten illyrischen Provinzen herrschte und die uns in den Ausgrabungen von Salona, von Aquileja und Grado und in verschiedenen Trümmerfeldern Istriens oder in den erhaltenen Basiliken von Parenzo und Grado entgegentritt. Aber gerade das ist von Wichtigkeit. Im allgemeinen sind wir über die Kunst des klassischen Christentums entweder durch Kunstwerke unterrichtet, die den anfänglichen, auf das Mindestmaß der allgemeinen künstlerischen Bedürfnisse herabgesetzten Anforderungen genügten und mehr durch das Verlangen nach bildlichen Vorstellungen, als durch künstlerische *
Max Dvoøák: Die Kunst des Mittelalters und der Neuzeit an der österreichischen Küste der Adria, in: Dalmatien und das österreichische Küstenland, Vorträge gehalten im März 1910 anläßlich der ersten Wiener Universitätsreise, Eduard Brückner (Hrsg.), Wien–Leipzig 1911, S. 169–188.
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DES
MITTELALTERS
UND DER
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Aspirationen veranlaßt wurden, wie wir sie in den römischen Katakomben kennen lernen, oder durch die Höchstleistungen des welterobernden, nachkonstantinischen Christentums, die, an die heiligen Stätten des abendländischen oder morgenländischen neuen Reiches Christi geknüpft oder als die monumentalen Dokumente der kaiserlichen Munifizenz entstanden, von vornherein eine etwas exzeptionelle Stellung eingenommen haben. Was sich uns jedoch in den weniger durch spätere Jahrhunderte vom Grunde aus künstlerisch umgeformten Gebieten der österreichischen Adria erhalten hat, ist die altchristliche Kunst in jener Gestalt, in der sie als der allgemeine provinziale Niederschlag der großen künstlerischen Wandlungen erscheint, die sich in den führenden Kunstzentren vollzogen haben. Es ist die christliche Kunst des alltäglichen Lebens, die wir hier kennen lernen und der wir Belehrung darüber verdanken, was wir als ein künstlerisches Gemeingut des ganzen Christentums in den ersten Jahrhunderten nach dem Zusammenbruche des römischen Weltreiches ansehen können. In Salona ist eine große Nekropole, ein altchristlicher Friedhof ausgegraben worden; die dabei bloßgelegten Steinsärge sind gewaltige Sarkophage, alle gleich, von einer ganz bestimmten Form, in der der antike Sarkophagtypus gewissermaßen auf seine plastische Urform zurückgeführt erscheint. Steinsärge derselben Form finden wir in den Rheinlanden, in Südfrankreich, in Spanien, in der frühmittelalterlichen Kunst Italiens, so daß man annehmen kann, daß sie allgemein verbreitet waren als die der ganzen provinzialen christlichen Kunst geläufige Form, deren Entstehung auf die der sinkenden Kultur und dem Alltagsbedarfe entsprechende Reduktion der älteren plastischen Mannigfaltigkeit, verbunden mit einer neuen, für die entstehende mittelalterliche Kunst charakteristischen Freude an materieller Wucht zurückzuführen ist. Was uns jedoch diese Sarkophage besonders deutlich lehren, das gilt auch für die übrigen Denkmale der altchristlichen Periode, die sich uns an der österreichischen Küste erhalten haben und die uns über die allgemeine künstlerische Kultur belehren, die das Mittelalter von der Antike übernommen hat. Wir sind dabei nicht nur auf Ausgrabungen angewiesen; denn es haben sich auch über der Erde mehr Monumente der altchristlichen Zeit erhalten als anderswo aus der Zeit, die die eigentliche Brücke zwischen dem Altertum und der Antike bedeutet, und vor allem unberührtere. Das wichtigste darunter ist die Basilika von Parenzo, das besterhaltene Beispiel einer vollständigen kirchlichen Anlage des 6. Jahrhunderts. Die Anlage besteht aus drei Teilen: aus der Basilika, dem Vorhofe und dem Baptisterium, alles bescheidene Bauten. Das Baptisterium ist ein kleiner Rundbau, man könnte sagen eine ländliche, schlichte Paraphrase jener grandiosen spätrömischen Zentralbauten, die mit dem Pantheon beginnen und in der Sophienkirche ihren Höhepunkt haben und in denen die klassische Architektur das Höchste geschaffen hat, was an überwältigender und künstlerisch bewältigter architektonischer Raumwirkung vor Michelangelo erreicht wurde. Auch das Atrium weist nur ein leises Nachklingen jenes Prunkes und künstlerischen Reichtums auf, mit dem die großen Säulenhallen vor den großen Basiliken in den damaligen Kunstzentren ausgestattet waren; beinahe wie ein Nutzbau sieht
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es aus und dasselbe gilt auch für die Basilika, in der die ihr zugrunde liegende architektonische Idee der dreischiffigen Anlage mit erhöhtem Mittelschiff geradezu auf das primitivste Schema reduziert wurde. Trotz dieser Einfachheit liegt in der ganzen Anlage ein Zauber, eine Stimmung, die jedem unvergeßlich bleiben wird, der für Eindrücke dieser Art Herz und Auge besitzt, eine Stimmung, die in dem Sichversenken in diese beinahe unberührte Reliquie der ersten Jugend unserer heutigen Kultur ihren Ursprung hat. Kunstgeschichtlich ist besonders die Ausschmückung der Basilika von Bedeutung, die aus Marmorinkrustationen, deren man sich zu bedienen begann, als ähnlich wie in der Barockkunst die Raumwirkung das höchste Ziel der architektonischen Schöpfung wurde und die bereits in den großen Prunksälen der römischen Kaiserpaläste und Thermen die reichste Anwendung fand, ferner aus Mosaiken, die besonders wichtig sind, und aus plastischen Details besteht. Immer mehr bricht sich die Überzeugung Bahn, daß in der spätantiken und altchristlichen Zeit wie in unserer heutigen die Malerei die führende Rolle besessen hat und sich bis in das Zeitalter Justinians kontinuierlich weiter entwickelte zu Aufgaben und Zielen, die manche Analogie in der Entwicklung der modernen Malerei besitzen. Für die Kenntnis dieser Entwicklung und ihrer allgemeinen Bedeutung bieten unsere Gebiete wichtiges Material. Das wichtigste hat sich in Aquileja erhalten, ein großes, im vergangenen Jahre bloßgelegtes Fußbodenmosaik aus dem Anfang des 4. Jahrhunderts, welches eine ganze Pinakothek von Gemälden enthält, biblische Darstellungen, Symbole, Genreszenen und Porträts, alles in einer reichen ornamentalen Einrahmung. Den Stil dieser Gemälde könnte man als extremen Farbenillusionismus bezeichnen, der darin besteht, daß der Maler nicht allmählich modellierend vorging, sondern die Formen in einzelne Farbenvaleurs zerlegte, dem Beschauer es überlassend, sie in der Phantasie wie vor dem Original in plastische Form umzuwerten. Die Anfänge dieses Stiles können wir bis in das 1. Jahrhundert n. Chr. verfolgen; doch in jener merkwürdigen Weiterentwicklung, die wir in Aquileja beobachten können, war uns dieser Stil bisher mit Ausnahme von unbedeutenden Fragmenten nur aus einer einzigen größeren Denkmalserie bekannt, den Mosaiken von Sta. Maria Maggiore in Rom. Der Fund von Aquileja beweist aber, daß es sich bei diesen Denkmälern nicht um eine vereinzelte Erscheinung handelt, sondern um eine allgemeine Stilphase, die die ältere Periode mit der großen Entwicklung der Mosaikmalerei im 6. Jahrhundert verbindet, als deren Beispiel die Mosaiken von Parenzo angesehen werden können. Auch hier finden wir eine Malerei, die fast ausschließlich auf Farbenvaleurs beruht, die unvermittelt nebeneinander gesetzt werden, wobei jedoch ein Fortschritt dem 4. Jahrhundert gegenüber einesteils in der Beobachtung der Veränderungen der Farbe in ihrer Verbindung mit der malerischen Gesamterscheinung der Figuren besteht, andernteils in der Beobachtung der illusionistischen Umrißlinien, der sogenannten Respirationslinien, wie sie in die moderne Kunst Tintoretto eingeführt hat und wie sie sich dem Beschauer bieten, wenn er von der Lufthülle sich abhebende Figuren beobachtet.
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Dieser letzte, illusionistische Stil der Antike mit großen dekorativen Tendenzen, der sich in Byzanz entwickelt zu haben scheint und dessen wichtigste Denkmäler sich in Ravenna und Rom erhalten haben, gehörte also zweifellos auch zu dem künstlerischen Gemeingute, daß das Mittelalter von der Antike übernommen hat. Auch in der Skulptur tritt uns in Parenzo ein analoger Stil entgegen, eine Auflösung der Formen in Licht und Schatten, wie wir besonders an den Ornamenten beobachten können, mit welchen die Kapitelle geschmückt wurden. Nicht minder wichtig und interessant als die altchristlichen sind die Denkmale der Völkerwanderungskunst an der Adria. Unter Völkerwanderungskunst verstehen wir die Kunst, welche im Abendlande von der Zeit der Niederringung des römischen Reiches und der großen Völkerbewegungen an hauptsächlich zwischen dem 7. und 9. Jahrhundert überall im westlichen Europa verbreitet und für die ein Zurückkehren zu primitiven Formen und Dekorationen charakteristisch war. Sie beruht, wie sich nicht schwer nachweisen läßt, zum größten Teil auf klassischen Vorbildern, auf dem Formenvorrate, der in der klassischen Kunst bei ihrem Ausgange vorhanden war, und ist daher nicht als eine Erfindung der neuen Völker anzusehen, wie man zuweilen meinte. Doch die neuen Adepten der alten künstlerischen Kultur hatten kein Verständnis für die sublimen künstlerischen Qualitäten der Vorbilder und interpretierten sie ihrer Vorstellungsmöglichkeit gemäß. Die Dekorationen nehmen einen linearen Charakter an, selbst die Figuren werden in Linien und Schnörkel aufgelöst; die plastische Form, nur durch den spätantiken raffinierten Illusionismus den neuen Völkern übermittelt und deshalb nicht verständlich, verschwindet ganz, ebenso die meisten Errungenschaften des Naturalismus und die Bauten verwandeln sich in einfache Konstruktionen, bei denen von einer Bewältigung komplizierter architektonischer Probleme nicht die Rede sein kann. Es ist eine Kunst, die fast all das vermissen läßt, was vom Standpunkte eines hochentwickelten künstlerischen Lebens an Anforderungen an Kunstwerke gestellt werden kann, die aber dessen ungeachtet von großer historischer Bedeutung ist; einmal weil sie uns, wie wir es sonst nirgends beobachten können, über die große geschichtliche Peripethie belehrt, die nach der hypertrophen Entfaltung der klassischen Kultur erfolgte, und noch mehr deshalb, weil wir in ihr die Anfänge einer neuen Entwicklung finden können, die auf das Eingreifen der neuen Völker in die Kunstentwicklung zurückzuführen ist, die Anfänge einer Entwicklung, die zu dem ganzen folgenden Fortschritte bis auf den heutigen Tag führen sollte. Für die Kenntnis dieser Kunst bedeutet aber das Litorale der Adria ein wahres Eldorado. Es ist leicht verständlich, warum sich in anderen Ländern wenig von Denkmälern der Völkerwanderungszeit erhalten hat, die unscheinbar und zumeist der inzwischen stattgefundenen Umwälzungen wegen traditionlos den neuen künstlerischen Anforderungen nicht mehr genügten und späteren Kunstund Kulturschichten ganz weichen mußten, so daß außer Gräberfunden nur einzelne membra disjecta des einstigen Reichtums auf uns gekommen sind. Anders in unseren Gebieten, in welchen die späteren künstlerischen Bestrebungen und Strömungen nicht so stark waren, daß sie alles Ältere von Grund aus vernichtet hätten, und so hat sich uns an der Adria von Denkmälern der Völkerwanderungskunst
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mehr als anderswo erhalten; kirchliche Bauten wie in Pola oder in Nona, dann unzählige einzelne Teile alter Bauten, Säulen, Pilaster, Reliefs, Kanzeln, Ziborien, in Muggia Vecchia eine kleine Landkirche mit der ganzen architektonischen Inneneinrichtung aus dem 8. Jahrhundert und in den Mauern des Diokletianischen Palastes eingenistet eine kleine Kapelle mit dem Altar und Lettner, ein rührendes Symbol der neuen Welt, die auf den Ruinen der Alten sich zu entwickeln begonnen hat. Sind unsere Gebiete in der altchristlichen Zeit und in der Zeit der Völkerwanderungskunst besonders für die Kenntnis der allgemeinen Stilentwicklung von Bedeutung, so bieten sie aus der folgenden Periode interessante Monumente einer selbständigen lokalen Entwicklung. Wie im ganzen Abendlande begann auch an der Adria mit dem 9. Jahrhundert eine neue Phase der Kunstentwicklung, die man, um sie kurz zu charakterisieren, als ein Wiedergewinnen der wichtigsten prinzipiellsten Errungenschaften und Ziele der Kunst des klassischen Altertums bezeichnen kann, die, selbständig verarbeitet und mit den neuen Tendenzen der nachantiken Kunstentwicklung verbunden, zu einem neuen selbständigen monumentalen Stile, den man den romanischen zu nennen pflegt, geführt haben. Ein merkwürdiger Bau, S. Donato in Zara, eine Rotunde mit drei Apsiden, zum Teil aus römischen Spolien beinahe in denselben Jahren erbaut wie die Palastkapelle Karl des Großen in Aachen, ist ein charakteristisches Dokument dieser ersten Renaissance, der im Abendlande so viele folgen sollten. S. Donato ist ein barbarischer Bau, roh in den Details und mit einer konstruktiven Nachlässigkeit aufgeführt, als wenn er von Irrsinnigen gebaut worden wäre; doch abgesehen von den antikisierenden Details bezeugt das Ganze deutlich genug, daß nach der Unterbrechung der Völkerwanderungszeit die klassische Auffassung von Größe und Monumentalität, von Bewältigung der Materie und Gestaltung der Form auch im Abendlande wieder lebendig zu werden begann. Und wie im übrigen Abendlande folgte in den nächsten Jahrhunderten auch in unseren Gebieten ein großer Aufschwung aller Künste, der größte, den sie in den Küstenlanden und in Dalmatien nach der altchristlichen Zeit erfahren haben, und der bis ins 14. Jahrhundert hinein andauerte. Der Dom von Aquileja aus dem 11., S. Grisogono in Zara aus dem 12., der Dom von Zara und der Dom von Traù aus dem 13. Jahrhundert sind die wichtigsten architektonischen Schöpfungen dieser Aurea Aetas der österreichischen Mittelmeerkunst. Ihre Geschichte ist noch wenig erforscht, obwohl sie es im hohen Maße verdienen würde, mehr als manches andere beliebtere Kapitel der Kunstgeschichte, und so bedarf noch manches der Aufklärung. Im allgemeinen kann man aber wohl sagen, daß im wesentlichen italienische Einflüsse dabei bestimmend waren, die aus drei Gebieten kamen, welche in der Entwicklung des romanischen Stiles in Italien eine besonders wichtige Rolle gespielt haben, nämlich aus der Lombardei, aus Venetien und aus dem italienischen Süden. Im Gegensatze zu der Kunst nördlich der Alpen, wo die romanische Architektur mit weitgehenden und sehr mannigfaltigen Neuerungen in der Gesamtanlage der Kirchen verbunden war, blieb man in Italien länger, ja in einem gewissen Sinne mit geringen Unterbrechungen stets dem alten basilikalen Grundtypus des altchristli-
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chen Kirchenbaues treu und beschränkte sich darauf, diesen künstlerisch neu zu interpretieren. So entstehen auch im 10. und 11. Jahrhundert in Oberitalien und in den Küstenlanden große Basiliken, die sich in ihrer Gesamtanlage wenig von ihren altchristlichen Vorbildern unterscheiden, doch in die alte Form einen neuen Inhalt gegossen haben, welcher nicht nur in der neuen, selbständigen Gestalt der einzelnen architektonischen Motive, sondern auch in dem neuen Gefühl für die tektonische Wirkung des Ganzen und aller Details bestand. Das wichtigste Monument dieser Art in unserer Monarchie ist der Dom von Aquileja. Er stammt aus der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts, wurde im 14. Jahrhundert freilich teilweise umgebaut, doch ohne Einbuße an Wirkung von Außen und Innen, für die von Außen nebst einer neuen, einfacher und doch wuchtiger gestalteten tektonischen Bewältigung der Mauermassen ein, wenn auch nicht ganz neues, doch erst in dieser Zeit zum selbständigen ästhetischen Faktor erhobenes Moment, der alles überragende Glockenturm, von da an auch in unseren Gebieten das Wahrzeichen der Städte, im Innern aber das Bestreben nach Weiträumigkeit, Höhe und einer tektonisch wirksamen Gliederung charakteristisch waren. Was die Gesamtform des Kirchenbaues anbelangt, die Grundriß- und Aufbaulösung, so haben die folgenden Jahrhunderte nur wenig den Typus der frühromanischen Basiliken in unseren Gebieten geändert. Der Fortschritt hat sich nach zweifacher Richtung hin vollzogen. Er bestand in der architektonischen Ausgestaltung der Fassade und in der Entwicklung einer neuen architektonischen und plastischen Formensprache. Das bedeutendste Denkmal der romanischen Fassadenbildung in Dalmatien und in den Küstenlanden, zu dem S. Grisogono in Zara eine Zwischenstufe bedeutet, ist die Domfassade von Zara, nach italienischen Vorbildern dreiteilig gegliedert und durch drei plastisch eingerahmte und mit Skulpturen geschmückte Portale, wie auch durch Arkadenreihen und Fensterrosetten geschmückt: das charakteristische Beispiel einer Kunst, in der die Elemente der klassischen Architektur, vor allem Säulenreihen, ihrer ursprünglichen Bedeutung als Stützen entkleidet, zur Ausdrucksform einer neuen Architektur wurden, deren Hauptziel die Mauergliederung war. Dem Reichtum der neuen architektonischen Formen, den wir an der Fassade beobachten können, entspricht auch die gleichzeitige Entwicklung des plastischen Stiles, die wir nicht nur in unzähligen Denkmalen von Aquileja bis Cattaro kennen lernen, sondern der wir auch Denkmale von geradezu singulärer Bedeutung verdanken, wie das romanische Chorgestühl im Dome von Spalato oder die in Holz geschnitzten Türen desselben Baues, aus dem Jahre 1214, deren Meister, namens Buvina, uns bekannt ist. Von Rankeneinrahmungen umgeben, sind da Szenen aus dem Leben Christi dargestellt in Reliefs, die wohl in manchem wie die gleichzeitigen dalmatinischen Bauten an gleichzeitige italienische Arbeiten erinnern, doch auch ganz selbständige Züge aufweisen und den Beweis liefern, daß die italienischen Anregungen in dieser Zeit in Dalmatien auf einen überaus fruchtbaren Boden gefallen sind. Den Höhepunkt dieser mittelalterlichen dalmatinischen Plastik bedeuten die Skulpturen der Vorhalle des Domes von Traù aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Der Dom von Traù, erst im 16. Jahrhundert vollendet, ist auch architektonisch
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ein wichtiges Denkmal als eines der ersten Zeugnisse für das Eindringen der Gotik, die sich aus Venedig in unsere Gebiete verbreitet hat. In einer Vorhalle, die ähnlich wie bei altchristlichen Bauten oder wie bei S. Marco in Venedig der Kirche vorgebaut wurde, ist das Hauptportal von einem überaus reichen plastischen Schmuck umgeben. Wie bei italienischen Kirchen bewachen zwei Löwen den Eingang; über ihnen sieht man die Figuren des ersten Elternpaares und dann Rankenornamente und Reliefs mit Darstellungen von Heiligen, biblischen Szenen und Allegorien, wie sie zu dem Programm der romanischen und gotischen Kunst gehörten und wie man sie in ähnlichen Darstellungen und auch in ähnlichen Umrahmungen bei den Hauptportalen der Markuskirche in Venedig sehen kann. Doch wenn auch die Motive übereinstimmen, so ist doch ein anderer Stil und Geist in diesen Skulpturen von Traù. In den antikisierenden Ornamenten kann man lokale antike Reminiszenzen, die sich bis zum Diokletianischen Palast zurückverfolgen lassen, in mancher Beziehung ein Nachklingen der Völkerwanderungskunst und besonders in den Figuren eine etwas rohe, doch kraftstrotzende Urwüchsigkeit beobachten – eine Kunst, die sowohl die Schichtenlagerung der künstlerischen Vergangenheit, als fremde gleichzeitige Einflüsse und selbständiges Kunstwollen zu einem neuen Stile verbindet, in dem die Voraussetzungen für eine große Zukunft vorhanden waren, denen die geschichtliche Entwicklung die Verwirklichung versagte. Nach diesem Höhepunkte der relativen künstlerischen Selbständigkeit unserer Gebiete, folgten Jahrhunderte, in welchen die Küstenlande, Istrien und Dalmatien, wie politisch auch künstlerisch nur ein Dominium der stolzen Lagunenstadt sind. Und dies war die letzte und vielleicht die wichtigste Komponente in dem künstlerischen Charakter des Landes. Wenn man an venetianische Kunst denkt, pflegt man nur an die Stadt Venedig, das sterbende einmalige, unvergleichliche Phänomen, zu denken und vergißt in der Regel, daß der Dogenstaat ein Weltreich war, ein Weltreich auf einer vollkommen imperialistischen Grundlage, und auch eine Weltkunst besaß. Wie einst die Römer oder wie heute die Engländer haben die Venetianer ihre Kolonien bei Belassung relativer politischer Selbständigkeit wirtschaftlich und kulturell vollständig umgestaltet und zu dem zielbewußten Apparate der venetianischen Kolonisationsbestrebungen gehörte auch die Kunst. Am allerdeutlichsten tritt uns dies in istrianischen und dalmatinischen Stadtanlagen entgegen, die alle in der Periode der venetianischen Herrschaft ihre Gestalt und Signatur erhalten haben. Da sind als administrativer Mittelpunkt der Stadt die Plätze entstanden – beinahe nach einem Schema angelegt – mit dem Regierungspalast, mit den Standarten des heiligen Markus, mit dem Orologgio und mit der Volkshalle. Und die venetianischen Nobili, die als Verwaltungsbeamte in die Kolonien geschickt wurden, oder die venetianischen Kaufleute, die sich dort angesiedelt haben, bauten ihre Palazzi nach dem Vorbilde jener, die in der Heimatstadt den Stolz und Ruhmestitel der Republik gebildet haben, so daß man beinahe von einer staatlichen venetianischen Kunst sprechen könnte, die an der ganzen östlichen adriatischen Küste bis über die Bocche di Cattaro hinaus den Städten ihr Gepräge gab, ähnlich wie einst die römische Reichskunst in den barbarischen Provinzen. Schematisch war diese nach den Gestaden
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der Adria verpflanzte Kunst der Lagunenstadt freilich nur in den Mittelpunkten und Hauptlinien der Stadtanlagen und in der allgemeinen Anlehnung an einzelne venetianische Vorbilder. In dem dadurch gezogenen Rahmen zeigt sie jedoch eine Mannigfaltigkeit und einen Phantasiereichtum, die unerschöpflich zu sein scheinen. Es handelt sich dabei zumeist um keine großen Kunstwerke; doch die Fülle der Einfälle und der durch das Terrain bedingten Lösungen, die Verbindung mit der für große Wirkungen so geeigneten Natur und mit älteren Kunstwerken oder, wie in Spalato, mit gewaltigen Ruinen schaffen architektonische Bilder von hinreißender malerischer Wirkung. Es gibt einzelne Bauwerke und architektonische Veduten in Dalmatien, die wir sonst nur auf den Gemälden der venetianischen Maler kennen lernen – was die Phantasie der Maler erträumte und was in der Heimat, wo Wasser und Land bestimmte Grenzen zogen, zu bauen nicht vergönnt war wurde in Dalmatien zur Wirklichkeit. Kunstgeschichtlich können wir auch weiter dasselbe beobachten, was wir bereits beim Dom von Traù hervorgehoben haben: die venetianischen Einflüsse verknüpfen sich mit älteren Elementen der Kunst in unseren Gebieten vielfach zu einem eigenartigen Lokalstile, der sich auch dann erhält, als die Renaissance einzudringen begonnen hat, wie uns z. B. der schöne Rektorenpalast in Ragusa belehren kann, ein Bau, für dessen Fassade mit offenen Hallen im Untergeschosse und schönen Hof mit einer venetianischen scala scoperta italienische Vorbilder maßgebend waren, der jedoch im Detail trotz neuer italienischer Einflüsse den charakteristisch dalmatinisch-venetianischen Stil zeigt, wie er sich überall in unseren Gebieten seit dem 13. Jahrhundert entwickelt hat. Wenn dieser Stil auch etwas derb und provinziell war, so verdanken wir ihm doch auch einzelne ganz hervorragende Kunstwerke, wie aus der gotischen Periode die Kreuzgänge bei den Franziskanern und Dominikanern in Ragusa, von welchen sich besonders der letztere den schönsten italienischen Kreuzgängen an die Seite stellen läßt, oder aus der Renaissance den Dom von Sebenico, einen Bau von phantastischer, ein wenig an S. Zaccaria in Venedig anklingender Gesamtform wie auch von prächtigem Detail. Besonders das Innere, das den traditionellen romanisch-gotischen einfachen Kirchentypus in den neuen Renaissancestil umsetzt, ist äußerst wirkungsvoll durch die Monumentalität des durchwegs aus Quadern ausgeführten Baues und durch die Verbindung der harmonischen Verhältnisse und Maße in der Anwendung und Durchbildung der Details und Gliederungen mit dem phantastischen erhebenden Raumbilde einer mittelalterlichen Kathedrale. Auch in der gleichzeitigen Malerei können wir, wie die Gemälde des Nikolaus Ragusinus beweisen, in Dalmatien einen ausgeprägten venetianisch-dalmatinischen Mischstyl beobachten, der freilich keine so bedeutenden Werke hervorgebracht zu haben scheint, wie die dalmatinische Architektur jener Periode. Zu dieser lokalen, von Venedig abhängigen Kunst kam dann noch die direkt importierte; vieles, besonders Bilder und Skulpturen, ließ man direkt aus Venedig kommen, und so ist noch heute Istrien und Dalmatien ein großes Museum venetianischer Kunstwerke, die zwar in der Regel nur mittelgut sind, unter denen sich
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aber auch einzelne Werke ersten Ranges befinden, wie z. B. ein Altarwerk von Pelegrino da S. Daniele in Aquileja, ein herrliches Bild von Cima in Capodistria, ein hervorragendes Porträt von Lotto im Paludikloster bei Spalato und ein giorgionesker Salvator Mundi im Dom von Ragusa. Seit dem 16. Jahrhundert verlor die Kunst in unseren Gebieten den selbständigen lokalen Charakter, was durch allgemeine Verhältnisse in der Kunst, in denen universelle europäische Strömungen immer mehr die territoriale Entwicklung zu ersetzen begannen und durch das Sinken des venetianischen Wohlstandes, welches sich naturgemäß in den Kolonien noch mehr und früher bemerkbar machen mußte als in Venedig selbst, zu erklären ist. Gewissermaßen den Epilog bedeutet die Kunst Andrea Palladios und seiner Schüler, vor allen Michele San Michelis, die sich, die welterobernde Frucht der Entwicklung der venetianischen Architektur, wie in den vor einigen Jahrzehnten barbarisch abgetragenen Fortifikationsbauten von Zara oder in der Hafenhalle von Lesina, als die letzte Bereicherung in die künstlerische Entwicklung an der österreichischen Adria eingefügt hat. Man findet in den Küstenlanden und in Dalmatien keine große Kunst, keine Kunst, die die Gesamtentwicklung bestimmt hätte, wie die italienische oder die Kunst der mitteleuropäischen Länder. Doch der Werdegang der künstlerischen Kulturen, den wir hier beobachten können, ihr Wachsen und Zugrundegehen interessiert uns heute nicht minder als große Kunst, als Künstlerbiographien und individuelle Kunstwerke und neben dem absoluten Kunstwerte gibt es heute noch einen besonderen Denkmalwert, der auch Kunstwerke von lokaler Bedeutung in ihrer Verbindung mit der Landschaft, mit der Vergangenheit, mit der ganzen Kultur des Landes zur Quelle ästhetischer Genüsse gestaltet. Und von diesem Gesichtspunkte aus gesehen ist die österreichische Adria kunstgeschichtlich und künstlerisch eines der interessantesten und schönsten Gebiete der Welt.
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ITALIENISCHE KUNSTWERKE IN DALMATIEN (1911) *
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s gibt wenig Länder in Europa, die kunstgeschichtlich so unbekannt wären wie Dalmatien. Ein Engländer hat wohl ein hübsches Buch darüber geschrieben, wie es Engländer über unbekannte Länder schreiben, auf die sie in ihrem traditionellen Wandertriebe gestoßen sind. Und einzelne Kunstgelehrte, wie Eitelberger oder Venturi, haben dies oder jenes in dieser ultima Thule der künstlerischen Zivilisation gefunden, was ihnen als beachtenswert erschien; ein Treibholz der großen künstlerischen Strömungen, das zufällig an der orientalischen Küste der Adria abgelagert wurde. Dalmatien hat aber eine künstlerische Vergangenheit, die weder exotisch noch von Zufälligkeiten abhängig war. Es hatte eine merkwürdige historisch ungemein lehrreiche Kunst im Mittelalter und gehörte zu den wichtigsten Territorien der venezianischen Kunst der Neuzeit. Der unerschöpfliche Reichtum des künstlerischen Schaffens in der Lagunenstadt, jenem in Rom kaum nachstehend, wäre unerklärlich, wenn er nur an die Bewohner von Venedig selbst angewiesen gewesen wäre. Doch die Republik war, abgesehen von der künstlerischen Weltstellung, die sie sich erst allmählich errungen hat, worauf man zuweilen vergißt, ein großer Staat, ein Kolonialreich, wie das heutige England und beherrschte mit seiner Kultur und auch mit seiner Kunst weit größere Gebiete als alle anderen politischen Mächte Italiens. Man kann den Geist der venezianischen Kunst kaum verstehen, wenn man die venezianische Territorialkunst nicht kennt, die in mancher Beziehung am reinsten in Dalmatien zum Ausdruck kommt. Wie rudimentär wäre z. B. die Beurteilung der venezianischen Architektur ohne Kenntnis der dalmatinischen Denkmäler, die oft derb und unbeholfen, doch vielfach freier und phantasievoller als stadtvenezianische Bauten sind. Eine merkwürdige dekorative Plastik schloß sich dieser Architektur an und es unterliegt keinem Zweifel, daß dieser architektonische und plastische Provinzialstil mit seinem urwüchsigen kraftvollen und zugleich phantastischen Gepräge nicht nur auf die Kunst der Lagunenstadt zurückging, sondern sie auch beeinflußte und ihr stilistische Elemente vermittelte, die sich bis in die ersten Jahrhunderte der christlichen Ära zurückverfolgen lassen. Außer dieser abgeleiteten Kunst gab es aber auch in Dalmatien eine Fülle von Kunstwerken, vor allem Malereien und kunstgewerblichen Arbeiten, die aus italie-
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Max Dvoøák: Italienische Kunstwerke in Dalmatien, in: Jahrbuch des kunsthistorischen Institutes der k. k. Zentralkommission, 5, 1911, S. 1–3.
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nischen Kunstzentren dahin gebracht wurden. Davon ging freilich in dem durch Schicksalsschläge so oft heimgesuchten, verarmten und in den letzten Jahrzehnten von Antiquaren ausgeraubten Lande das meiste verloren, doch einige Werke von nicht geringer Bedeutung haben sich doch erhalten und sollen in diesen Blättern allmählich veröffentlicht werden. I. BILDNIS DES BISCHOFS TOMASO NEGRI VON LORENZO LOTTO In dem eine halbe Wegstunde von Spalato entfernten Franziskanerkloster Paludi (Abb. 4, 4a, 5, 6), das, am Meeresstrande gelegen, an Böcklinsche Phantasien erinnert, befindet sich ein nicht ganz lebensgroßes Bildnis eines hohen Geistlichen in vorgeschrittenen Jahren, das auf der Rückseite folgende Inschrift trägt: LAVRENTIVS LOTVS I527. Ritratto del Vescovo Tomaso Negri. Appartiene al Convento delle Paludi Spalato. Der Malername und die Jahreszahl stammen nach den Schriftzeichen aus dem XVI., die Angabe über den Dargestellten aus dem XVIII. oder der ersten Hälfte des XIX. Jhs. Beide Teile der Inschrift können als glaubwürdig bezeichnet werden. Tomaso Negri war ein Spalatiner. Als Vikar des Bischofs von Spalato nahm er am Konzil von Lateran teil. Im Jahre 1319 wurde er Bischof von Scardona und, nachdem die Stadt von den Türken erobert wurde, im Jahre 1524 Bischof von Traù. Doch bereits nach einem Jahre verzichtete er auf diese Würde zugunsten seines Neffen Kristofan Balistiæ und zog sich in das Paludikloster zurück. Tomaso war ein gelehrter Theologe und ein bekannter Schriftsteller, Historiker und Dichter. Als Theologe schloß er sich jener neotomistischen Richtung an, die sich zu seiner Zeit in Venedig entwickelte und die eine der Hauptgrundlagen des positiven Inhaltes der Gegenreformation war. Doch auch sonst beruhte seine Bildung ganz auf venezianischen Grundlagen. Sein ganzes Leben hindurch unterhielt er Beziehungen zu venezianischen Kreisen, noch kurz vor seinem Tode sendet er dem Senat der Serenissima ein Lobgedicht auf den Dogen, wie Sanudo berichtet. Und venezianisch waren auch seine Kunstaufträge. Wie venezianische Edelleute, deren Selbstbewußtsein von der posthumen Lobrede nicht übertroffen werden konnte, ließ sich Bischof Tomaso bereits im Jahre 1527 ein Grabdenkmal im Paludikloster errichten. Ein Bildnis des Bischofs schmückt die einfache Stelle und läßt, obwohl eine derbe Spalatiner Steinmetzenarbeit, doch ziemlich deutlich die Gesichtszüge des Bischofs erkennen, die dieselben sind, die wir auf dem Bilde finden. Der Künstlername unterliegt wohl auch keinem Zweifel. Wer hätte ihn in Dalmatien im Cinquecento erfinden sollen und warum? Lottos Name war nicht so berühmt, daß man eine absichtliche Fälschung vermuten könnte. Doch man bedarf gewiß nicht der Inschrift, um zur Überzeugung zu gelangen, daß das Bild von Lotto gemalt wurde, zu dessen schönsten Porträts es jeder Kenner zählen wird. Die Übereinstimmung ist so evident und weitgehend, daß es nicht notwendig ist, einzelne Belege aufzuzählen. Nicht minder leicht ist es, das Gemälde in Übereinstimmung mit dem angeführten Datum in Lottos Entwicklung einzufügen, über die wir durch Berensons ausgezeichnete Monographie so gut unterrichtet sind.
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3.7 | ITALIENISCHE KUNSTWERKE
IN
DALMATIEN
Und doch scheint es auch neue Gesichtspunkte für die Beurteilung dieser Entwicklung zu erschließen. Man könnte Lotto als den impressionabelsten Künstler der großen venezianischen Cinquecentomalerei bezeichnen. Alle großen venezianischen Meister von Alvise Vivarini an bis Tizian und Tintoretto beeinflussen Lorenzo, doch auch fremde Schulen und Meister: die Raffaelschule in der Komposition und Bewegung, Correggio im Kolorit und Licht- und Schattenbehandlung. Das Bild im Paludikloster erinnert in der Erfindung an niederländische Arbeiten und in der zeichnerischen Durchbildung an Dürer. Allmählich überzeugen wir uns, daß die Rolle des Vermittlers zwischen der niederländischen und italienischen Kunst, welche Vasari Antonello de Messina zugedacht hat, ein Mythus war, zur Erklärung der starken Beziehungen zwischen der italienischen und nordischen Malerei erfunden, die mit Antonello weder begonnen noch geendet haben. Ja, man kann das Problem ganz allgemein fassen. Es gab zwischen Italien und der Kunst diesseits der Alpen nie eine chinesische Mauer, sondern einen ununterbrochenen Austausch der neuen Errungenschaften, dem im einzelnen nachzugehen, obwohl er zu den wichtigsten Tatsachen der Kunstgeschichte gehört, bisher nur ausnahmsweise versucht wurde. Wie bereits in den Achtzigerjahren gleichzeitig in Umbrien und in Venedig im Kolorit und in der künstlerischen Funktion der Farben, wie um die Wende des Jahrhunderts in dem Verhältnisse der figuralen Komposition zur landschaftlichen Darstellung in der venezianischen Malerei niederländische und deutsche Einflüsse den Künstlern neue Bahnen gewiesen haben, so beginnt im zweiten Viertel des XVI. Jhs. der kompositionelle Realismus der nordischen Schulen allmählich auf verschiedenen Wegen nach Italien einzudringen und wird in der Entwicklung der italienischen Kunst zu einer dauernden Nebenströmung, die in den Werken der sogenannten Naturalisten ihren Höhepunkt gefunden hat. Bei Lorenzo Lotto waren die zisalpinen Einflüsse freilich dem Gesamtcharakter seiner Kunst gegenüber nur von untergeordneter Bedeutung, wohl haben sie aber dazu beigetragen, unserem Gemälde einen eigenartigen Reiz zu verleihen, der auf dem Versuche beruht, die Vorzüge der italienischen und nordischen Porträtmalerei zu verbinden.
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DIE DENKMÄLER DER DEUTSCHEN KUNST (1913) *
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ochangesehene Versammlung! Es wäre sicher unbescheiden, wenn ich nach einem arbeitsreichen Tage unsere verehrten Gäste mit einem langen Vortrage belästigen würde: andererseits scheint es mir aber doch angemessen zu sein, daß auch hier wenigstens kurz davon gesprochen wird, was sie in Wien vereinigte und die wichtigste Aufgabe ihres Bundes bedeutet. Es ist dies ein Corpus monumentorum artis Germaniae. Wie in den Monumenta Germaniae historica die deutschen Geschichtsquellen, sollen in einer großen systematischen Publikation alle wichtigen Denkmäler der deutschen Kunst vereinigt und mit kritischen Erläuterungen versehen werden. Es sind, um nur das Wichtigste zu nennen, folgende Arbeiten für das Riesenwerk begonnen und teilweise auch bereits durchgeführt worden: Auf dem Gebiete der Architektur: Aufnahme und Veröffentlichung der deutschen Kaiserpfalzen (zum Teil auf Grund von Ausgrabungen), wovon der erste Band bald erscheinen wird. Systematische Bearbeitung der Denkmäler der süddeutschen Barockarchitektur. Auf dem Gebiete der Skulptur: Corpus der karolingischen und ottonischen Elfenbeine, wovon der erste Band im laufenden Jahre erscheinen wird. Gesamtpublikation der Denkmäler der romanischen und gotischen Skulptur, für die man das Material zu sammeln begonnen hat. Auf dem Gebiete der Malerei: Corpus der vorkarolingischen und karolingischen Miniaturhandschriften, wofür das Material bereits gesammelt wurde, so daß noch heuer mit der Herstellung der Tafeln für das auf dreizehn Foliobände berechnete Werk begonnen werden kann. Gesamtpublikation der Denkmäler der romanischen und gotischen Wand- und Glasmalerei. Auf dem Gebiete des Kunstgewerbes: Corpus der Goldschmiedearbeiten bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. Corpus der deutschen Wandteppiche des Mittelalters und der Renaissance, wovon der erste Band bald abgeschlossen sein dürfte. Erlauben sie, daß ich an diese Mitteilungen einige Bemerkungen knüpfe.
* Max Dvoøák: Die Denkmäler der deutschen Kunst [Vortrag], in: Vom Deutschen Verein für Kunstwissenschaft, Berlin 1913, S. 1–7.
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3.8 | DIE DENKMÄLER
DER DEUTSCHEN
KUNST
Als ich meinen ersten kunstgeschichtlichen Vortrag hielt, es war dies in den volkstümlichen Universitätskursen, frug mich nach der Vorlesung ein Herr, welche gute Geschichte der deutschen Kunst er lesen sollte, worauf ich ihm antworten mußte: «Ein solches Buch gibt es nicht.» Und nach der zweiten Vorlesung richtete derselbe Herr an mich die Frage, welche gute Geschichte der allgemeinen Kunst ich ihm empfehlen würde, worauf ich ihm wiederum antworten mußte: «Ein solches Buch gibt es nicht.» Seitdem sind 15 Jahre verflossen, und auch heute könnte ich keine andere Auskunft geben, obwohl die Kunstgeschichte seitdem einen überaus großen äußeren Aufschwung erfahren hat. Eine gute Geschichte der deutschen Kunst, die mehr wäre als eine Kompilation, konnte aus dem einfachen Grunde bisher nicht geschrieben werden, weil wir trotz mancher trefflichen Einzeluntersuchung über wichtige Perioden in der Entwicklung der deutschen Kunst und hiermit auch über ihren Gesamtverlauf fast gar nichts wissen, ja nicht einmal den Bestand der erhaltenen Denkmäler genauer kennen. Dasselbe gilt aber auch für die allgemeine Kunstgeschichte des Mittelalters und der Neuzeit, wo die wichtigsten Ereignisse, deren Nachwirkung auch heute noch nicht abgelaufen ist, uns in ihrem inneren geschichtlichen Zusammenhange vielfach weit weniger bekannt sind, als etwa Ereignisse, die sich in der Kunst der zivilisierten Völker des Altertums im 6. oder 5. Jahrhundert vor Christus abgespielt haben. Wir sind zwar schon weit entfernt von der Auffassung der mittelalterlichen Kunstgeschichte als Altertumskunde, die zu den Denkmälern der Kunst des Mittelalters nur ein antiquarisches Verhältnis hatte und in ihnen darüber hinaus nur Zeugnisse des Verfalles der antiken oder der ersten Versuche einer neuen primitiven Kunst sah. Wir haben längst die Überzeugung gewonnen, daß die großen romanischen Dome und gotischen Kathedralen Denkmäler von der größten künstlerischen Bedeutung sind, Dokumente eines schöpferischen Geistes, der nicht weniger tief und fruchtbar war als jener, der dem dorischen Tempel an der Wiege stand, und wer würde heute daran zweifeln, daß die Glasfenster der Kathedrale von Chartres oder die Statuenreihen der Adamspforte in Bamberg, der Goldenen Pforte in Freiberg an monumentaler Bedeutung und Wirkung den altgriechischen Vasenbildern und Bildwerken in keiner Weise nachstehen? Während aber die Geschichte der älteren Perioden der klassischen Kunst schon seit mehr als 100 Jahren nach allen Richtungen hin systematisch durchgeforscht wurde, sind wir in der Geschichte der mittelalterlichen Kunst mit geringen Ausnahmen bei einzelnen Denkmalgruppen und insbesondere was den Gesamtverlauf der deutschen Kunst anbelangt, nicht wesentlich darüber hinausgekommen, was auch vor 50 Jahren und früher bereits bekannt gewesen ist. Wie damals teilen wir sie auch noch heute nach gewissen konstruierten Stilbegriffen, welche von historisierenden Architekten, die von dem kontinuierlichen Werden der Kunst keine Ahnung hatten, erfunden wurden, in dogmatische Stilperioden ein, die sich zu der Fülle der künstlerischen Strömungen und Erscheinungen, zu dem heißen ununterbrochenen Ringen um die Bewältigung der künstlerischen Probleme im Mittelalter wie eine Papierblume zu einer blühenden Wiese verhalten.
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Wie lange hat es gedauert, bis man überhaupt erkannte, wo sich die gotische Kunst, diese Verkörperung der künstlerischen Gewalten, die in der nachantiken Entwicklung der Kunst gelegen waren, zuerst zu einer klaren, durchgreifenden stilistischen Formulierung durchgerungen hat und wie wenig hat man seitdem über den Werdegang dieser neuen Kunst, die die Überwindung der Antike bedeutet, ermittelt! Es war geradezu ein Zufall, daß man, durch die Übereinstimmung von exzeptionellen künstlerischen Motiven darauf aufmerksam gemacht, die engen Beziehungen der deutschen Skulptur des 13. Jahrhunderts zu der gleichzeitigen französischen entdeckte. Seitdem hat man wohl diesen französischen Einfluß nach verschiedenen Richtungen hin weiter verfolgt, doch ohne auch nur zu versuchen, in das eigentliche Wesen der so merkwürdigen deutschen frühgotischen Skulptur einzudringen, das sie trotz aller französischen Einflüsse von der französischen Kunst unterscheidet und ohne Zweifel nicht minder als die französischen oder italienischen Errungenschaften für die Geschichte der mittelalterlichen Kunst über lokale Grenzen hinaus von größter Bedeutung war. Und dies ist nur ein symptomatischer Fall. Die deutsche Malerei des 15., die deutsche Skulptur des 16., die deutsche Architektur des 17. und 18. Jahrhunderts sind uns in ihrer Gesamtentwicklung und entwicklungsgeschichtlichen Bedeutung beinahe weniger bekannt, als etwa die Entwicklung der chinesischen oder japanischen Kunst. Nur aus dieser Unkenntnis – man kann da mit voller Berechtigung von einem argumentum ex ignorantia sprechen – erklärt es sich, daß noch heute vielfach die Meinung verbreitet ist, die deutsche Kunst wäre in ihrem ganzen Verlaufe immer mehr oder weniger nur rezeptiv gewesen. Diese geringen Fortschritte in der Erforschung der deutschen Kunst sind um so auffallender, als ja die Studien zur deutschen Kunstgeschichte wie Pilze nach einem warmen Regen wachsen. Doch wenn man objektiv die Sachlage betrachtet, entdeckt man bald, daß es wohl zuweilen gelingt, aus dem Knäuel der ungelösten verworrenen Fragen diesen oder jenen Faden hervorzuziehen, wodurch aber zumeist der Knäuel nur noch verworrener wird, so daß diese Abundantia zu allerletzt nur wenig Nutzen bringt. Woran liegt dies? Die Antwort ist leicht zu finden, wenn man Gebiete und Perioden zum Vergleiche heranzieht, wo die kunstgeschichtliche Forschung nicht mit ähnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Es sind dies vor allem die Geschichte der italienischen Malerei und Skulptur vom 14. bis zum 17. und die Geschichte der niederländischen Malerei vom 15. bis zum 18. Jahrhundert. Es gibt sicher auch da noch manche Lücken, doch die Grundlinien der Entwicklung stehen nicht minder fest, wie etwa die Abfolge der allgemeinen geschichtlichen Ereignisse derselben Periode. Ein Freund äußerte die Meinung, dies sei darauf zurückzuführen, daß sich niemand gefunden hat, der eine bahnbrechende synthetische Arbeit geschrieben hätte, wie wir sie für Italien Rumohr zu verdanken haben. Das ist sicher richtig, doch man darf nicht vergessen, daß eine solche Arbeit auf dem Gebiete der deutschen Kunst schon deshalb einfach unmöglich war, weil nur ein geringer Bruchteil der erhaltenen Denkmäler bekannt ist. In Italien hat man schon seit dem 15. Jahrhundert begonnen, alle
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DER DEUTSCHEN
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wichtigen Kunstwerke im Zusammenhange mit ihrer Bedeutung für die Weiterbildung der Kunst zu verzeichnen (und dasselbe gilt seit dem 17. Jahrhundert auch für die Niederlande), so daß da seit langer Zeit die maßgebenden Kunstwerke und ihre historische Stellung immer in Evidenz geblieben sind. Dazu kommt, daß in Italien und in den Niederlanden andere Ursachen noch mitgeholfen haben, die Kenntnis der Denkmäler zu erweitern. So haben einmal die Museen und die Sammler viel zur Erforschung des Denkmälerbestandes der italienischen und niederländischen Kunst der Neuzeit beigetragen. Man kann ohne Übertreibung behaupten, daß das Berliner Museum die Kenntnis der italienischon Quattrocentokunst mehr gefördert hat, als die ganze gleichzeitige kunsthistorische Literatur, und die Hauptmeister und Hauptrichtungen der niederländischen Malerei wären ohne Zweifel bei weitem nicht so bekannt, wenn ihnen nicht seit Jahrzehnten der Sammlerspürsinn nachgegangen wäre. Dazu gesellt sich das Interesse des reisenden deutschen und englischen Publikums, das aus Gründen, die ich hier nicht weiter zu erörtern brauche, Italien als das einzige gelobte Land der Kunst angesehen hat und dem zuliebe von unternehmenden Verlegern aus Zeiten, auf die sich dieses Interesse erstreckte, alle irgendwie bedeutsamen Kunstwerke photographisch aufgenommen wurden. All dies kommt für die deutsche Kunst mit geringen Ausnahmen und für die ganze mittelalterliche Kunst nur wenig in Betracht. Was in Museen oder Privatsammlungen vereinigt werden könnte, ist verhältnismäßig wenig, denn ihrer Mehrzahl nach sind es unbewegliche Denkmäler, um die es sich dabei in erster Linie handelt. Man hat wohl begonnen, auch alte deutsche Städte aufzusuchen, doch es ist weniger die künstlerische Form und kunstgeschichtliche Bedeutung der einzelnen Denkmäler, die da eine Rolle spielen, wie vielmehr der historische Gesamtcharakter der Städte und Erscheinungsmomente, die bestimmte Empfindungen und moderne ästhetische Sensationen erwecken. Das ist sicher auch wichtig, doch die eigentliche Denkmälerkenntnis wird dadurch nur wenig vertieft. So bleibt aber nichts anderes übrig, wenn man das Studium der deutschen und ganzen mittelalterlichen Kunst über bloße Vermutungen und zufällige Funde hinaus auf die Kenntnis aller wichtigen Denkmäler aufbauen will, als daß man, wie dies in allen anderen historischen Wissenschaften selbstverständlich ist, durch systematische wissenschaftliche Arbeit die möglichst erschöpfende Denkmälerkenntnis zu erreichen sucht. Dies ist die Aufgabe der «Denkmäler der deutschen Kunst». Doch nicht die einzige. Die Kunstgeschichte ist verhältnismäßig spät in den Kreis der exakten historischen Wissenschaften eingetreten, in einer Zeit, wo die übrigen historischen Disziplinen bereits auf Grund der erfolgten Feststellung der wichtigsten historischen Ereignisse zu Themen gelangten, die darüber hinausgehend eine tiefere Erklärung dieser Ereignisse angestrebt haben. Dies wurde in der Kunstgeschichte nachgeahmt, ohne daß die Voraussetzung dafür geschaffen worden wäre, so daß man gleichsam das zweite vor dem ersten durchzuführen versuchte. So sind aber geradezu lawinenartig Arbeiten angewachsen, die sich mit allgemeinen kunsthistorischen Theo-
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rien, mit den tiefsten Fragen der Kunstpsychologie, der historischen Ästhetik und Geschichtsphilosophie ohne gesicherte Grundlage beschäftigen, wodurch, wenn wir auch dieser Strömung Arbeiten von bleibendem Werte zu verdanken haben, doch die Kunstgeschichte in ihrer Gesamtheit auf eine schiefe Bahn geraten ist, die sie, wenn nicht eine Abhilfe geschaffen wird, zu einer vollständigen Verflachung führen muß. Diese Abhilfe kann aber nur darin bestehen, daß die Geschichte der Kunst zu jenen Aufgaben zurückgeführt wird, die in jeder wissenschaftlichen Arbeit die ersten sein müssen, zu den Aufgaben der methodischen systematischen Erforschung des erforschbaren Tatbestandes. Es handelt sich jedoch dabei nicht nur um die Genesung der Kunstgeschichte. Als der Deutsche Verein für Kunstwissenschaft begründet wurde, sollte er eine zweifache Mission erfüllen, nicht nur die alte Kunst erforschen, sondern sie zugleich auch popularisieren. Diese Zweiteilung führte anfangs naturgemäß zu manchen Debatten, bei denen wir schließlich zur Überzeugung gelangten, daß auch die zweite Aufgabe am besten durch die Bewältigung der ersten gelöst werden kann. Seit den Zeiten der Romantik wurde wahrlich genug für die Popularisierung der Kunst getan, weit mehr als etwa für die Popularisierung der wichtigsten Regeln der Hygiene oder der Volkswirtschaft. Doch es wäre ein kurioses Buch, wenn man zusammenstellen würde, was alles in dem letzten Säkulum popularisiert wurde. Man könnte sich kaum ein wüsteres Durcheinander der verschiedenartigsten ästhetischen und historischen Lehren und sich widersprechender Urteile vorstellen, so daß ein normaler Mensch, der all das aufgenommen hätte, was man in ihn hinein popularisieren wollte, gewiß verrückt geworden wäre. Dieser geradezu lächerliche Zustand, den kommende Generationen kaum verstehen werden, geht in erster Linie darauf zurück, daß das Verhältnis zur alten Kunst auch bei den Männern, die als ihre berufensten Interpreten gegolten haben, schwankend und haltlos war und zumeist nur auf einer Spiegelung der subjektiven und ephemeren Werturteile und Vorurteile in alten Kunstwerken beruhte. Dies erforderte wenig Arbeit und Vorbildung, und so wurde die Kunstgeschichte und die vermeintliche Kunstpädagogik geradezu das Eldorado der Dilettanten und Literaten, denen für die Poesie die Begabung und für die Wissenschaft das Wissen fehlte. Dagegen gibt es nur ein Mittel, das darin besteht, daß die Beschäftigung mit alter Kunst auf den sicheren Boden der induktiven Ermittlung des objektiven Tatbestandes zurückgeleitet wird. Ich bin weit davon entfernt, an die Möglichkeit einer absoluten Objektivität unseres Verhältnisses zur alten Kunst zu glauben. Doch darauf kommt es auch nicht an. Auch in der allgemeinen Geschichte, in der Sozial- und Rechtsgeschichte oder in der klassischen Archäologie gibt es keinen absoluten Objektivismus, was jedoch nicht ausschließt, daß in diesen Wissenschaften Phantastereien, subjektive Erklärungswillkür und Lehren, die auf jede Begründung verzichten, durch einen Wall von unbestreitbaren Tatsachen wenn auch nicht ganz verhindert, so doch auf das Mindestmaß eingeschränkt und unschädlich gemacht wurden. Der Kunstgeschichte fehlt aber eine solche Grundlage, ein solcher Wall gegen leere Behauptungen und gegen Lehren, die auf der Oberfläche schwim-
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3.8 | DIE DENKMÄLER
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men, und es ist klar, daß diese Wehr nur dadurch geschaffen werden kann, wenn auf den wichtigsten Gebieten der alten Kunst, denen es daran noch gebricht, eine erschöpfende kritische Publikation der Denkmäler durchgeführt wird. Doch Menschen sind wichtiger als Bücher. Als man die großen Urkundenpublikationen der Monumenta Germaniae historica, diesen Ruhmestitel der deutschen Wissenschaft, veröffentlichte, erhoffte man sich eine Fülle von neuen auf den veröffentlichten Urkunden beruhenden Arbeiten und Untersuchungen, die jedoch zum größten Teil ausgeblieben sind, da ja das Allerwichtigste schon durch die kritischen Publikationen selbst erledigt wurde. Dafür konnte man nach einer anderen Richtung hin auf allen Gebieten der geschichtlichen Forschung den Einfluß dieser großen kritischen Veröffentlichungen beobachten. Durch die Mitarbeit daran ist eine ganz neue Forschergeneration erzogen worden, die gelernt hat, einen neuen Maßstab der Sachlichkeit und Wahrhaftigkeit an historische Ereignisse anzulegen, was der ganzen Geschichtswissenschaft zugute kam, die dadurch vor willkürlichen Deutungen geschätzt wurde. Ich bin überzeugt, daß sich in ähnlicher Weise auch an den Arbeiten für die Denkmäler der deutschen Kunst eine neue Forschergeneration heranbilden wird, die kunstgeschichtliche Fragen überall einzig und allein vom Standpunkte der höchsten wissenschaftlichen Verantwortlichkeit behandeln wird, ohne die sowohl kunstgeschichtliche Werke zwecklos, als auch Popularisierungsversuche weit mehr schädlich als nützlich sind. Erfüllt sich diese Hoffnung, so wäre damit ohne Zweifel auch sehr viel für die Genesung der Kunstverhältnisse der Gegenwart gewonnen, die einerseits daran kranken, daß sich jedermann für berechtigt hält, dreinzureden, mag er die notwendige Vorbildung, die, wie bei allen geistigen Berufen nur durch Talent, Entsagung und Arbeit und auf dem Wege einer disziplinierten mühevollen Selbsterziehung gewonnen werden kann, besitzen oder nicht, andererseits an der Verbildung des Publikums, das jede Unbefangenheit verloren hat und die Kunstwerke gleichgültig ob alte oder neue nur in die Schachteln der Kunstvorstellungen hineinzulegen weiß, die es irgendwo auf dem Lebenswege aus dem breiten Strome seichter Belehrung, die keine Belehrung ist, herausgefischt hat. Es handelt sich nicht darum, ein naiv in Kunstfragen empfindendes Publikum zu gewinnen, was weder möglich noch notwendig ist, wohl kann aber ein Publikum erzogen werden, das sich, wie dies in den Naturwissenschaften, in der Medizin, in Rechtsfragen selbstverständlich ist, in allen prinzipiellen Fragen der kultivierten Arbeit und Bildung beugt und, von all dem Ballast der Probleme, die es nicht verstehen kann, befreit, den Weg zur spontanen natürlichen Kunstfreude wiederfindet. Dies ist aber nur dann möglich, wenn wir selbst, soweit es sich um alte Kunst handelt, zu einer kultivierten, innerlich disziplinierten Vertiefung unserer Wissenschaft gelangen, und dies zu erreichen, scheint mir das höchste Ziel der Denkmäler der deutschen Kunst zu sein.
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DIE KUNSTTOPOGRAPHIE VON VORARLBERG (1919) *
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ie wenig weiß man noch von der Geschichte der deutschen Kunst, wie wenig ist sie erforscht, wie wenig sind ihre Denkmäler bekannt, nicht nur im Auslande, sondern oft auch in ihrer engeren Heimat! Man ziehe nur einmal einen Vergleich mit Italien. Da gibt es kaum ein Kunstwerk von Bedeutung, das nicht längst veröffentlicht und allgemein berichtet worden wäre. In den kleinsten Städtchen kennt jeder Einwohner die Kunstschätze des Ortes. Man frage einmal bei uns! Es gibt kein wichtigeres Bild oder Bauwerk in Italien, das nicht geistiges Gemeingut der ganzen gebildeten Welt bilden würde, während bei uns die hervorragendsten Kunstschätze zumeist nur den Spezialforschern bekannt sind und oft nicht einmal diesen! Große Gebiete im Bereiche der deutschen Kultur sind kunstgeschichtlich so wenig erforscht, als würden sie in Mittelasien liegen, worauf nicht zuletzt die im Kriege so oft von unseren Feinden aufgestellte Behauptung, die Deutschen wären ein kunstloses Volk, zurückzuführen ist. Diesem Übel sollen die Kunsttopographien abhelfen. Sie gehen weit zurück, denn vor mehr als einem halben Jahrhundert hat man in Deutschland begonnen, hauptsächlich bedeutende Bauten des Mittelalters in illustrierten Inventaren herauszugeben. Damals war es in erster Linie das Interesse der Baukünstler, welches derartige Publikationen veranlaßte, in denen Vorbilder für Neubauten vereinigt werden sollten. Aus solchen Anfängen entwickelten sich allmählich am Ende des vorigen Jahrhunderts Kunsttopographien, die ein umfassenderes Programm besessen haben, die sich nicht mehr auf bestimmte Kunstgebiete oder Kunstperioden beschränkten, sondern auf der Aufgabe beruhten, den ganzen heimatlichen Denkmälerbesitz auf topographischer Grundlage systematisch zu sammeln und zu veröffentlichen. In Deutschösterreich hat man verhältnismäßig spät ein derartiges Unternehmen begründet, zum Nachteile der Sache, weil manches inzwischen zu Grunde ging, was zumindestens literarisch hätte gerettet werden können, anderseits aber doch auch zum Vorteile, weil Erfahrungen verwertet und Fehler vermieden werden konnten, die in der Anlage der älteren Kunstinventare gemacht wurden. Die Durchführung übernahm die einstige Zentralkommission für Denkmalpflege, aus der sich das gegenwärtige Staatsdenkmalamt entwickelt hat. Der erste Band, die Kunstwerke des Politischen Bezirkes Krems umfassend, erschien vor zwölf Jahren, seitdem konnten 17 Bände herausgegeben werden, in denen die Kunst- und Kul-
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Max Dvoøák: Die Kunsttopographie von Vorarlberg, in: Vierteljahresschrift für Geschichte und Landeskunde Vorarlberg, N.F., 3, 1919, S. 37–39.
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3.9 | DIE KUNSTTOPOGRAPHIE
VON
VORARLBERG
turdenkmäler eines großen Teiles von Niederösterreich und Wien und von Salzburg veröffentlicht wurden. Den Hauptanteil an diesen unter meiner Leitung erschienenen Bänden hatten Dr. Hans Tietze und seine Gemahlin Frau Dr. Erika Tietze, Dr. Paul Buberl, Dr. Georg Kyrle, Professor Dr. Moritz Dreger und Professor Dr. Hugo Hassinger, zu denen sich noch eine Reihe gelegentlicher Mitarbeiter gesellte. Zwei Hauptziele waren es, die den viele Tausende von Seiten und Bildern bereits umfassenden Bänden zu Grunde gelegt wurden. Einmal sollte darin das ganze kunst- und kulturgeschichtlich wertvolle Denkmälermaterial der Vorzeit, des klassischen Altertums, des Mittelalters und der Neuzeit wissenschaftlich verzeichnet und der Forschung zugänglich gemacht werden. Durch die wissenschaftliche Bearbeitung und Veröffentlichung ihrer Kunstschätze sollte aber zugleich die Liebe zum künstlerischen Vermächtnisse unserer Heimat geweckt und allgemein verbreitet werden. Wir bemühten uns, im Gegensatze zu vielen anderen, älteren Unternehmungen dieser Art, die Publikation auf eine streng wissenschaftliche Grundlage zu stellen, dabei aber auch nicht nur das, was für den Forscher wertvoll ist, sondern auch alles, was geeignet ist, das Verständnis für die alte künstlerische Kultur unseres Vaterlandes zu erschließen und sie überall bekannt zu machen, in Wort und Bild der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Durch den Krieg wurden die Arbeiten beinahe ganz unterbrochen, gleich nach seiner Beendigung wurden sie jedoch wiederum in vollem Umfange aufgenommen. Gearbeitet wird gegenwärtig in Niederösterreich, Tirol und nun auch in Vorarlberg. Freudigst griffen wir die Anregung auf, auch in diesem schönen Lande das kunsttopographische Werk durchzuführen. Der prähistorische Teil der Publikation wurde von Dr. Kyrle übernommen und naht seiner Vollendung, die römischen Denkmäler werden von Dr. Eichler, die Werke der Volkskunst von Dr. Haberlandt und Dr. Weninger, die Kunst des Mittelalters und der Neuzeit in Bregenz und im Bregenzerwald von Dr. Tietze und Frau Dr. Tietze, in Liechtenstein, dessen Kunsttopographie der Vorarlbergs angeschlossen wird, von mir bearbeitet. Der erste Band des Werkes erscheint im Winter. Im nächsten Sommer werden die Kunstwerke des Feldkircher und Bludenzer Bezirkes aufgenommen und in dem darauffolgenden Winter hoffen wir, den zweiten Band der Publikation herauszubringen. Nie war die Pflicht größer, auf jedem Gebiete der menschlichen Betätigung durch erhöhte Arbeit beim Aufbau einer froheren Zukunft mitzuwirken, nie aber auch die Aufgabe wichtiger, liebevoll sich dem zuzuwenden, was uns Trost im Unglück bieten und eine Quelle neuer Kräfte bilden kann. Und dazu gehört zweifellos unsere alte Kunst. Bregenz, 18. August 1919
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BERICHT ÜBER DIE WANDMALEREIEN IN DEN PFARRKIRCHEN ZU DUBLOVICE, KOSTELETZ UND TEINDLES (1903)*
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n dem aus der zweiten Hälfte des XV. Jh. stammenden Presbyterium der Pfarrkirche zu Dublovice wurden mehrere Schichten älterer Malereien aufgedeckt. Die oberste Schichte weist in sämtlichen Feldern bis zur Höhe von 2 m gemalte Teppiche auf, in dem an die Sakristei anstoßenden Felde (Feld I, Nordseite) große Figuren des hl. Wenzel und der hl. Ludmilla mit den Inschriften S. Wenceslae et S. Ludmilla ora pro nobis. Die mittlere Schichte habe ebenfalls bis zur Höhe von 2 m gemalte Teppiche in allen Feldern, in dem auf das vorerwähnte Feld folgenden (II) eine große Figur der Madonna, unter deren ausgebreitetem Mantel eine Reihe von Gläubigen kniet, und eine dazu gehörige böhmische Inschrift (Maria Gnadenspenderin, beschütze uns vorm Feinde und stehe uns bei in der Todesstunde), im darauffolgenden Felde (III) zwei Engel, welche eine Monstranze halten. Die unterste Schichte zeige eine wesentlich verschiedene Anordnung. Hier bestanden die Malereien, wie es bei romanischen und gotischen Wandgemälden der Fall ist, aus mehreren übereinander angeordneten Reihen von Darstellungen. Die unterste Reihe ist durch die Teppiche verdeckt, doch lief die erste Reihe nicht so hoch, bis wohin die Teppichdekorationen reichen, wie im Felde I zwei unter den Teppichen gemalte Köpfe beweisen. Nach dem, was abgedeckt ist, sieht man, daß mindestens drei Streifen von Darstellungen die Wände bedeckten; unten dürfte sich vielleicht noch ein vierter angereiht haben. Von dieser untersten Schichte bemerkt man im Felde I zwei Köpfe, im Felde II eine Verkündigung, im Felde III eine Krönung der Madonna und drei Köpfe aus einer andern Szene. Diese Darstellungen waren um das große Bogenfeld herum von einem ornamentalen Streifen mit Rosetten und Eichenblättern umrahmt, die auch in den bisher noch nicht bloßgelegten Feldern IV–VII (Ost- und Südseite) wiederzukehren scheinen, wie die hier gemachten Stichproben lehren. Ob die erst jüngst getünchten Wölbungen bemalt waren, ist nach dem gegenwärtigen Befunde nicht zu entscheiden. Nach Mitteilung des Pfarrers habe sich dort nur die Inschrift Matus Popel letha MDLXII gefunden. Aus derselben Zeit und von derselben Hand wie die Malereien der obersten Schichte ist auch ein an der Wand des linken Seitenschiffes entdecktes Gemälde (hl. Georg und Jahrzahl 1668). Die unterste Schicht stammt aus der zweiten Hälfte des XV. Jh.; sie weist ganz den Stil der böhmischen Miniaturen und Tafelbilder aus dem Zeitalter der Jagellonen auf. Die mittlere Schicht ist aus dem XVI. Jh., und ihre Entstehungszeit dürfte
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Erstabdruck in: Mitteilungen der k. k. Zentralkommission, 3. F., 3, 1903, Sp. 377–381.
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WANDMALEREIEN
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DUBLOVICE, KOSTELETZ
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aus der auf der Decke befindlichen Inschrift vom Jahre 1562 zu bestimmen sein. Die letzte Schicht ist auf dem Georgsbilde in das Jahr 1668 datiert. Von kunstgeschichtlicher Bedeutung sind nur die unteren zwei Schichten; die oberste aus dem XVII. Jh. ist das Werk eines nicht geübten Lokalmalers ohne künstlerischen Wert und historisches Interesse. Es wird empfohlen: die oberste Schicht wegzunehmen; bei den tiefer liegenden, dort, wo die Malereien des XVI. Jhs. bei der Abdeckung gut erhalten zum Vorschein kämen, diese zu belassen, wo diese hingegen stark zerstört wären, sie nach genauer Aufnahme wegzunehmen, um die Malereien aus dem XV. Jh. aufzudecken. Das Georgsbild im Langhause wäre zu belassen, weitere Malereien dortselbst dürften beim Umbaue dieses Teiles zu Grunde gegangen sein. Die Z. K. erklärt sich mit diesen Vorschlägen einverstanden. 2. In dem aus dem XIV. Jh. stammenden Chore der Pfarrkirche zu Kosteletz a. d. Moldau wurden zwei gleich große (2,25x1,45 m) in 2 m Höhe angebrachte Wandgemälde aufgedeckt. Das linke stellt den Baum Jesse dar. Unten liegt Jesse auf einem Bette, hinter dem der Baum emporsproßt; in seiner ersten Verzweigung gewahrt man eine Kniefigur der Madonna mit dem Jesuskinde, darauf folgen die Brustbilder der Propheten von Schriftbändern umgeben, links und rechts vom Baume zwei stehende Gestalten: König und Königin. Das zweite Gemälde bringt den Tod Mariens zur Darstellung. Die Szene ist von außen mit gotischen Dornblättern umrahmt, in den Zweigen vier Profetenbüsten mit Schriftbändern, zwei Büsten von Engeln und die Büste einer Königin gleichfalls mit Schriftbändern. Die Inschriften sind nicht mehr erhalten. Innerhalb dieser Umrahmung ruht Maria auf einem einfachen Bette, auf dessen Vorderseite zwei Apostel sitzen, während die anderen rückwärts um das Bett herum gruppiert sind; über ihnen der die Seele Mariens tragende Christus. Der Hintergrund ist blau und grün, sehr verblaßt, die Konturen kräftig, schwarz gezeichnet und gut erhalten. Die Malereien dürften um das Jahr 1350 entstanden sein; sie weisen alle Merkmale der böhmischen Malereien aus der Zeit Karl IV auf, dessen Bildnis sich auch auf dem linken Felde findet, doch noch ohne Spuren des italienischen Einflusses. Diese beiden Bilder sind vollkommen abgedeckt; weitere Malereien sind in der Kirche nicht zu finden. Über Antrag des Berichterstatters beschließt die Z. K. sich für eine Fixierung und entsprechende Umrahmung der beiden Bilder auszusprechen, von einer angeblich beabsichtigten Restaurierung hingegen abzuraten. 3. In der aus dem Ende des XIII. oder dem Anfange des XIV. Jh. stammenden Sakristei (vielleicht ehemals Seitenapsis) der Pfarrkirche zu Teindles wurden an der südlichen Längswand folgende Malereien aufgedeckt: Unten bis zur Höhe der Rippenkonsolen ein Streifen mit Darstellungen von Heiligenfiguren unter gotischen mit Krabben geschmückten Arkaden, mit Schriftbändern (Inschriften nicht mehr erkennbar) in den Händen, darüber in jedem Bogenfelde ein großes Gemälde. In dem ersten, oberhalb der in den Chor führenden Tür, die Verkündigung der Hirten: zur lin-
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ken der Felsen in der bei romanischen und frühgotischen Malereien nördlich der Alpen üblichen Darstellung aus ineinandergereihten Halbkreisen; auf dem Felsenabhange fünf spielende Tiere, Böcke und Zicklein; eine nicht näher charakterisierte männliche, kleine Figur in sitzender Stellung wendet sich zu den Hirten. Die rechte Hälfte des Bildes füllen drei große stehende Figuren; die ersten zwei sind Hirten mit Hirtenstäben und Schriftrollen in den Händen, die dritte (am schlechtesten erhalten) scheint nach den Gewändern eine Frau zu sein. Die Köpfe sind noch nicht abgedeckt, der Hintergrund ist violett einfärbig. In dem zweiten Bogenfelde ist die Anbetung der hl. drei Könige dargestellt: Maria mit dem Jesuskinde auf dem Schoße sitzt auf einem hohen und breiten gotischen Throne, auf welchen ein Kissen gelegt ist, und zu dem mehrere Stufen hinaufführen. Der erste der Könige kniet links neben dem Throne mit einem Kelche in den Händen; der zweite steht neben ihm, ein Horn in der Rechten, mit der Linken auf den Herrn weisend; der dritte, ebenfalls stehend, schwingt ein Rauchfaß. Der Hintergrund ist tapetiert. Beide Gemälde sind von einem dreifachen ornamentalen Streifen umrahmt, dessen Blatt- und Rankenornamente noch romanische Motive aufweisen. Oberhalb der Türe, welche in den Chor führt, sind zwei kämpfende Drachen dargestellt. Die Malereien sind im ganzen gut erhalten. In ihren künstlerischen Qualitäten gehören sie zu den besten frühgotischen Malereien in den östlichen Gebieten Mitteleuropas und stehen den Miniaturen der böhmischen Legendenhandschrift in der Wiener Hofbibliothek und der Veleslavbibel am nächsten, mit welcher sie beiläufig gleichzeitig sein dürften. Im Hinblicke auf die große kunsthistorische Bedeutung beantragt der Berichterstatter die Untersuchung der übrigen drei Wände und der Decke der Sakristei auf Malereien, die Fixierung der bereits aufgedeckten. Die Z. K. beschließt in diesem Sinne die weiteren Schritte einzuleiten.
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RESTAURIERUNGSFRAGEN: I. DIE PRAGER KÖNIGSBURG (1908)* «Die Restauration alter Baudenkmäler ist ein Zweig der Baukunst, welcher erst in unserem Jahrhundert zur Blüte gelangt ist.» Baurat Cremer im Jahre 1866
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er Tag, an dem die Badener Kammer vor zwei Jahren mit allen Stimmen gegen sechs die Bewilligung der Kredite für die Restaurierung des alten Otto Heinrich-Baues in Heidelberg abgelehnt hat, womit entschieden wurde, daß alle die schönen Projekte, die für den «Wiederaufbau» des ehrwürdigen Denkmales ersonnen wurden, in den Papierkorb wandern werden, war ein dies festus für alle Freunde alter Kunst, nicht nur des Heidelberger Schlosses wegen. Die Rede, mit welcher König Friedrich Wilhelm IV. die Beendigung des Ausbaues des Kölner Domes feierte und welche mit soviel Jubel angehört wurde, bedeutete den Sieg einer Strömung in unserer Denkmalpflege, der gegenüber die Vandalismen der Religionskriege des XVI. und XVII. Jhs. oder die Zerstörungswut der französischen Revolution als ein relatives Wohlwollen bezeichnet werden können. Selbst abgesehen von Kriegen und Revolutionen, ist es ja auch früher oft den Kunstdenkmälern der vorangehenden Perioden nicht gerade gut ergangen. Ließen nicht die Nachkommen einer urbinatischen Condottierifamilie und eines florentinischen Bankiers das ehrwürdigste Denkmal der christlichen Kunst, die alte Peterskirche, niederreißen, aus «Ruhmestrieb», wie uns die literarischen Übermenschen im Lodengewand heute predigen, aus traditionslosem Parvenuertum, wie alle anderen Zeiten gesagt hätten? Ist nicht aus den Bronzebalken der Vorhalle des Pantheons Berninis Ziborium gegossen worden, ein Ereignis, welches als eine Schandtat des Zelotismus der Gegenreformationspäpste hingestellt wird, welches wir jedoch gewiß milder beurteilen werden, wenn wir bedenken, daß dies nach der damaligen Finanzlage der Kurie das einzige Mittel war, Berninis Wunderwerk zu ermöglichen. Ließ nicht der Klerus von Notre Dame die unschätzbaren alten Glasmalereien im XVIII. Jh. hinauswerfen, weil weiße Fenster modern geworden sind, und hat Napoleon S. Geminiano am Markusplatze nicht einfach abtragen lassen – weil ihm die Kirche nicht gefallen hat? Und auf die Akropolis könnte man die Variation eines alten Spruches als Inschrift setzen: Was der Barbar verschonte, ist von zivilisierten Völkern vernichtet worden.
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Erstabdruck in: Kunstgeschichtliches Jahrbuch der k. k. Zentralkommission, 2, 1908, Beibl., Sp. 1–8.
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Doch alle diese Fälle, auf die von den wirklichen Vandalen des XIX. Jhs. als auf abschreckende Beispiele der einstigen Behandlung alter Denkmäler immer wieder verwiesen wurde, waren nur Ausnahmen. Leute, welche für die alte Kunst kein Herz besitzen oder die die Befriedigung der persönlichen Eitelkeit oder eines persönlichen Vorteiles höher schätzen als das Vermächtnis der Vergangenheit, hat und wird es immer geben, doch sie waren nicht die Signatur des Zeitalters, sie hatten nie einen solchen Einfluß, daß der Denkmälerbestand dadurch, vereinzelte Fälle ausgenommen, einen ernsten Schaden genommen hätte. Die Kunstschätze Italiens waren zu Beginn des vorigen Jahrhunderts fast noch vollkommen so erhalten, wie sie uns Vasari zweieinhalb Jahrhunderte früher beschrieben hat, und man braucht nur eine der herrlichen alten Städte Belgiens zu besuchen, um sich zu überzeugen, wie groß die Pietät der Fürsten, Bürger und Kommunen für das alte Erbe in allen früheren Zeiten gewesen ist und wie viel wir ihr noch heute in Gegenden zu verdanken haben, die von der Restaurierungsseuche des XIX. Jhs. verschont geblieben sind. Es mußte gewiß in allen Zeiten oft das Alte neuen Anforderungen weichen, aber in keiner der älteren Perioden unserer Kultur sind alte Denkmäler, Zeugnisse der historischen und künstlerischen Vergangenheit, «das Heiligtum, der Stolz und die Gewähr für die Zukunft der Heimat», wie sie in einem Edikte der Prokuratoren von S. Marco vom Jahre 1574 genannt werden, ohne Grund zerstört und verunstaltet worden. Dieser herostratische Ruhmestitel ist dem Säkulum «des neu erwachten historischen Verständnisses» vorbehalten geblieben. Man wird einmal das XIX. Jh. das Jahrhundert der großen Phrasen nennen. Das, was früher selbstverständlich war, wie Vaterlandsliebe oder Liebe zur Kunst, ist da plötzlich durch Literaten und Demagogen als eine neue große Entdeckung dem Publikum verkündet worden. Das wäre nicht möglich gewesen, wenn sich das Publikum nicht geändert hätte. Soziale Schichten, die bis dahin an der einheitlichen Kulturentwicklung, die sich bei den europäischen Völkern seit der Antike vollzogen hat, keinen aktiven Anteil besessen haben, eroberten sich das Recht, in diese Entwicklung einzugreifen, und für sie waren die alten Kulturwerte wirklich eine neue Entdeckung. So sind aber auch die «Altertümer» neu entdeckt worden und diese Entdeckung hat ihnen mehr geschadet als der Lauf der Zeiten, als Kriege, Revolutionen und Gewalttaten einzelner Menschen. Eine alte Kultur kann weder erkauft noch erobert werden und so war es nur natürlich, daß in dem ersten Salon, den man in Paris nach den Blutbädern der Umsturzjahre eröffnet hat, von den Erben der alten Plenipotenz, nicht der alten Tradition der erste Preis dem schlechtesten Bilde zugeteilt wurde, weil es seinem Darstellungsstoffe nach «am meisten geeignet war, patriotische Gefühle zu erwecken.» Am allerwenigsten von allen Kulturwerten kann aber ein alter Kunstbesitz bei ethnischen und sozialen Nobilitationen einfach übernommen werden. «E una roba vecchia» pflegte ein hoher Kirchenfürst des XIX. Jhs. zu sagen, wenn man ihn ersuchte, Maßnahmen zur Erhaltung der alten Monumente zu treffen, und das war wenigstens ehrlich und aufrichtig. Denn wie sollten auch die alten Denkmäler für die neue Gesellschaft, für die sie nicht mehr eine mo-
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numentale Ahnengalerie der dynastischen oder kommunalen Vergangenheit gewesen sind und die nicht auf einer solchen Höhe der künstlerischen Kultur gestanden ist, daß sie in den alten Kunstwerken das künstlerische Vermächtnis allein zu verstehen und zu würdigen vermocht hätte, mehr sein als altes Gerümpel, als Ruinen, Torsos und Bilderfragmente! Wenn durch einen Zufall eine Statue Michelangelos in einen Friseurladen geraten würde, so würde sie der Beherrscher der Botega wohl früher oder später durch einen Anstreichergesellen «vergolden», d. h. mit schmutzigem Bronzelack anstreichen lassen. Etwas Ähnliches hat sich aber um die Mitte des XIX. Jhs. in ganz Mitteleuropa vollzogen. Angeregt durch eine literarische Bewegung, die von England ausging, hat das große Publikum begonnen, sich für alte Denkmäler zu begeistern. Während jedoch in England, wo der Zusammenhang mit der alten kulturellen Entwicklung nicht unterbrochen wurde, diese Begeisterung eine Resonanz in der gleichzeitigen Kunst hatte, war sie am Festlande künstlerisch inhaltslos, eine Dilettantenbegeisterung, ein schales, steriles Bildungsphilisterium, dem im Gegenteile wie die neue so auch die alte Kunst geopfert wurde. Damals sind die alten Monumente den Bauräten und Altertumsforschern ausgeliefert worden. In allen früheren Zeiten bestimmten Künstler den formalen Inhalt der Kunst und des Kunstgenusses und hiermit auch das Verhältnis zu alten Kunstwerken, doch die neue Gesellschaft hielt sich, im Rausche ihrer jungen Souveränität und durch das Kunstschwätzergerede irregeführt, für befugt und berufen, auch darüber zu entscheiden, was zur Folge hatte, daß talentlose Stümper und gewissenlose Auguren, die bereit waren, alte Kunstwerke so herzurichten, daß auch ein für künstlerische Werte unempfindliches Publikum an ihnen Gefallen finden konnte, die Verwaltung des alten Kunstbesitzes übernommen haben. Man wäre versucht, wo wir heute nach einem halben Jahrhundert unermüdlicher Forschung immer mehr einsehen lernen, wie mannigfaltig die Entwicklung der Kunst in vergangenen Perioden gewesen ist, wie wenig wir darüber noch wissen und welche Rolle die individuelle Begabung des Künstlers in allen Zeiten gespielt hat, beinahe zu lachen, ebenso über die naive Unverfrorenheit, mit der die einstigen Erforscher der vaterländischen Kunst, deren Studium vornehmlich alten Ofenkacheln, Glocken und Grabplatten zugewendet gewesen ist, Gesetze bestimmten, nach welchen die alten Kunstwerke entstanden sind und tadellos nachgemacht werden können, wie über die unverzagte Sicherheit, mit welcher die ausübenden Propheten dieser Gesetze ihre Reißbrettphantasien und Vorlagebücherweisheit den alten Kunstschätzen und Wahrzeichen der politischen und kulturellen Vergangenheit anzukleistern sich erkühnten, und die Sache wäre auch lächerlich, wenn ihr nicht soviel zum Opfer gefallen wäre. So wurde sie aber zu einer traurigen Hekatombe der triumphierenden Stil- und Kulturlosigkeit. Die herrlichsten und wichtigsten alten Wandmalereien, die ein wunderbarer gütiger Zufall vor der Vernichtung unter der Tünche bewahrte, wurden überkleckst und «stilgerecht» ergänzt, d. h. durch Zutaten versehen, bei welchen, da sich dem Berufe eines Restaurators zumeist Leute gewidmet haben, die als schaffende Künstler keinen Ruhm zu erwarten hatten, alt und schlecht gleichbedeutend zu sein scheint und bei welchen ein Auszug aus einer Kostümgeschichte als entsprechen-
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des Äquivalent für die erforderliche Ehrfurcht vor alten Kunstwerken dem Beschauer geboten wird. Was Jahrhunderte schonten, haben auf diese Weise die verständnislosen Finder schnell vernichtet. Beinahe noch ärger wurden alte Skulpturen mißhandelt, sie wurden abgerieben, mit dem Stockhammer bearbeitet, wie Jahrmarktsspielsachen bemalt, bis sie in neuem Glanze erstrahlten, wie jene Statue in der Barbierstube, und die letzte Spur des Geistes und der Handschrift ihrer Urheber verloren ging. Am schlimmsten ist es jedoch Architekturen ergangen. Die architektonische Schönheit, der musikalischen vergleichbar, erfordert ein noch subtileres Verständnis als die malerische oder plastische, bei welchen dem Laien der stoffliche Inhalt der Kunstwerke zu Hilfe kommt. Wie viele gibt es noch heute unter den Touristen, die, durch die stupideste aller Konvenienzen in die Mediceische Kapelle getrieben, sich darüber Rechenschaft zu geben vermögen, daß es einen Unterschied gibt zwischen der Architektur der Mauer, die sich hinter dem Pensieroso erhebt, und der «ganz gleich» gegliederten und geschmückten Fassade eines modernen Baues, wie sie ihn in der Heimat und sonst überall oft sehen konnten. Lange Zeit – eine traurige Zeit – waren jedoch Leute, die, wie der kunstfremde Reisebanause, keine Ahnung hatten – oder haben wollten, daß auch in der Architektur eine unüberbrückbare Kluft zwischen einem Werke, welches das individuelle, nie wiederkehrende Kunstempfinden einer vergangenen Periode und eines einzelnen Künstlers geschaffen haben, und einer Nachahmung besteht, die offiziellen und allgewaltigen Anwälte der Kunstdenkmäler und benutzten diese Stellung eifrigst dazu, Bauten, die bis dahin unangetastet ein Zeugnis vom künstlerischen Wollen und Können vergangener Generationen abgelegt haben, durch öde Fälschungen und Verfälschungen zu verunzieren oder auch ganz zu ersetzen. Burgen, deren Ruinen die Geschichte und Sage geheiligt haben, wurden «rekonstruiert», d. h. im Stile der Ausstellungsbuden neugebaut, alte Rathäuser, Schlösser und Paläste, die durch Jahrhunderte das sakrosankte Palladium der Gemeinden und Familien gewesen sind, wurden Baumeistern ausgeliefert, deren Stilauffassung selten über Vorstellungen hinausging, wie sie etwa Agenten einer in «allen Stilen arbeitenden» Möbelfabrik zu haben pflegen, und die die neue Blütezeit der Gemeinde und der Familien dadurch aere perennius der Nachwelt verkündeten, daß sie in ihrem das Wesen der Architektur aller Zeiten gleich mißverstehenden auf dem seichtesten antiquarischen Kram und den plattesten gewerbsmäßigen Gemeinplätzen beruhenden pseudohistorischen Stile nicht nur Zubauten und Ergänzungen den alten Gebäuden pietätlos anzufügen, sondern auch diese selbst zu verbessern und zu ordinären Theaterarchitekturen umzubauen sich erkühnten. Dome, in welchen mehr als in den großen Heiligtümern des klassischen Altertums die Kunstbegeisterung und Phantasie vieler Jahrhunderte und ganzer Völker ihr Höchstes geschaffen hat, so groß und unerschöpflich, daß das Werk nie zu Ende geführt werden konnte, sind im Konkurrenzwege in wenigen Jahren vollendet worden, phantasielos und läppisch, wie Kinderbaukastenarchitekturen. Wäre nicht die ganze gebildete Welt und mit Recht empört darüber, wenn es ein vermessener Philologe wagen wollte, die verlorenen Teile des Tacitus zu ergänzen? Doch die gotischen Kathedralen, die monumentalsten Ge-
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schichtswerke, die die Kunst und Geschichte der europäischen Völker der Nachwelt hinterlassen hat, durften widerspruchslos durch Ergänzungen geschädigt werden, die historisch eine Lüge und künstlerisch eine Schmach gewesen sind. Ja nicht genug daran – damit nichts von der Eitelkeit und oft auch Gewinnsucht der Restauratoren verschont bleibe, hat man zwei Formeln erfunden, welche es erlaubten, den alten Bestand selbst zu ändern, und überdies der angestrebten Barbarei den Schein der Berechtigung, ja sogar der Pietät verliehen haben. Unter dem Vorwande, die Denkmäler dadurch für längere Zeit zu erhalten – so lautete die eine Formel –, wurden nicht etwa einfache Sicherungsmaßregeln zur Verhütung des Verfalles getroffen, sondern gleich ganze Bauten oder wesentliche Teile davon niedergerissen und neu aufgebaut, wobei selbst dann, wenn man sich streng an die ursprüngliche Form gehalten hatte, ähnlich wie wenn man ein altes Gemälde neu malen würde, der Zauber und der historische und künstlerische Individualwert der Originalschöpfung verloren ging, in der Regel aber auch eine Korrektur des Baues im Sinne der Stilvorstellungen der Wiedererbauer stattgefunden hat. Noch unsinniger und unheilvoller war die zweite Formel – unter dem Vorwande der anzustrebenden Stileinheit und Stilreinheit ist einfach alles vernichtet worden, was über das Verständnis und die Projekte der privilegierten Kenner und Verbesserer der Vergangenheit hinausging, für die ihr eindeutiger Stil die einzig mögliche Stileinheit und alles übrige, der Reichtum und die Mannigfaltigkeit der Kunst vieler Jahrhunderte, nur eine Verirrung gewesen ist. Die wichtigsten und köstlichsten Bauten sind erbarmungslos demoliert, ganze Gemäldezyklen von den Wänden heruntergeschlagen, die kostbarsten Dekorationen zerschlagen, verbrannt oder an Trödler verkauft worden, damit sie durch Erzeugnisse der stiltreuen Zuckerbäckergotik und Tischlerrenaissance ersetzt werden können. Ganze Städte sind auf diese Weise künstlerisch vernichtet worden und es schien, daß dieser Massenmord der alten Kunstdenkmäler nicht früher aufhört, bis die letzte Spur einer ursprünglichen unverfälschten Kunstäußerung der Vergangenheit verschwunden sein wird. Zum Glück ist es nicht so weit gekommen. In England war die allgemeine künstlerische Bildung viel zu groß, als daß man sich je an der Restaurierungsbarbarei beteiligt hätte, in Italien, wo die alte Tradition wirkte, hat bereits im Jahre 1858, als die österreichische Verwaltung S. Donato in Murano umbauen wollte und – umgebaut hat, Boito einen flammenden Protest gegen die «Frivolität der Restauratoren» erhoben und bald darauf die ganze Öffentlichkeit sich dagegen aufgelehnt, daß die Fassade des Mailänder Domes durch eine «stilgerechte» ersetzt werde, in Frankreich, wo die Bresche, welche die Revolution in die kulturelle Kontinuität geschlagen hat, bewunderungswürdig bald wieder ausgefüllt wurde, war die Restaurierungsperiode auch nur eine kurze Episode und niemand würde heute einen Architekten ernst nehmen, der etwa eine der großen gotischen Kathedralen oder ein altes Königsschloß umbauen, zu Ende bauen oder deren barocke Teile beseitigen wollte. Doch auch in Deutschland und Österreich haben seit Jahren Künstler und Gelehrte für eine pietätvollere Behandlung der alten Kunstdenkmäler gekämpft, und daß ihr Kampf nicht nur in den engeren Fachkrei-
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sen Erfolg hatte, beweist der Beschluß der Badener Volksvertretung. Es mag sein, daß noch mancher Bau zugrunde restauriert wird, aber nachdem einmal selbst in breiten Schichten der Bevölkerung die Überzeugung Boden gewonnen hat, daß die alten Kunstschätze noch mehr als vor dem natürlichen Verfall vor den Eingriffen der Restauratoren geschützt werden müssen, dürfte wohl jene unglückselige Periode der Denkmalpflege als abgeschlossen betrachtet werden. Und doch droht noch manche Gefahr. Es gibt auch in Prag einen Otto Heinrichs-Bau, d. h. ein Denkmal, dessen eigenartige Wirkung durch Restaurierungseingriffe vernichtet werden soll und zwar mit noch weniger Grund als in Heidelberg, denn es handelt sich um keine Ruine, die vor dem Untergange zu retten wäre, sondern um einen Bau, der unter allen Umständen in seiner jetzigen Form und Erscheinung gesichert werden kann. Es ist dies der unter König Wladislaus II. erbaute Teil der Hradschiner Burg, ein Wunderwerk Benedikts von Laun und mehr als das, ein Denkmal, welches zu jenen gehört, die nicht nur die Kunst und Kunstliebe der Erbauer, sondern auch ihre weiteren Geschicke, die Ereignisse, deren Zeugen sie gewesen sind, das geistige Leben und die politischen Schicksale einer Nation, Poesie und Geschichte zu unantastbaren Epitaphien der Vergangenheit verwandelten. Man muß ganz stumpf für künstlerische und historische Empfindungen sein, um gleichgültig an diesem Teile der alten Königsburg vorbeizugehen. Die dem Dome zugekehrte Fassade des Palastes soll nun «instand gesetzt» werden. Es sollen nicht nur die störenden nüchternen Nutzanbauten beseitigt werden, was zu begrüßen wäre, wenn man es mit Takt durchführen würde, sondern auch die Sgraffiti erneuert werden, weil sie «sonst ganz verschwinden würden», als ob es ein Vorteil wäre, wenn sie bereits hundert Jahre früher erneuert, d. h. vernichtet werden, die Fialen sollen ergänzt werden, weil sie sonst «in absehbarer Zeit ganz zerfallen dürften» und «man dann nicht mehr wissen wird, wie sie ausgesehen haben», als ob man selbst, wenn es wahr wäre, dem Verfalle nicht durch eine einfache Sicherung vorbeugen und die alte Form für alle Zeiten durch Abgüsse festhalten könnte, die Galerie, welche die Fassade umzieht, soll geöffnet und ergänzt werden, «wie sie einst gewesen ist», weil – ich weiß nicht warum – weil der «neue Zweig der Architektur» sein Recht verlangt und weil es noch immer Leute gibt, deren Herzen und Geschmacke die Banalitäten der modernen Pseudogotik näher stehen als das alte Monument. Dies alles erfordere – so sagen sie – das Dekorum, als ob es dem Dekorum der Nation und der Dynastie mehr entsprechen würde, wenn das alte Königsschloß, der Altersspuren beraubt, eine ähnliche Auferstehung feiern würde, wie sie die Vorstadtvilla des Herrn Pumpelmeier jedes Lustrum einmal nach einer gründlichen Reparatur zu feiern pflegt.
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RESTAURIERUNGSFRAGEN: II. DAS KÖNIGSSCHLOSS AM WAWEL (1908)* «Wie oft träumte ich beim Blick auf die alte Schloßruine, daß ich einst diesen Kranz schartiger Mauern füllen werde mit Gespenstern, Geistern, Rittern, daß ich wieder aufrichten werde die eingefallenen Säle.» S³owacki
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as Schloß am Wawel (Abb. 7, 8, 9) gehört zu den Bauwerken, deren Bedeutung weniger in einer bestimmten zeitlich determinierten künstlerischen Leistung als vielmehr in der jahrhundertelangen Verknüpfung mit wichtigen geschichtlichen Ereignissen und mit den Schicksalen einer Nation beruht, zu welchen es einen steinernen Kommentar bietet. Die Hauptanlage stammt wohl aus der ersten Hälfte des XVI. Jh. und ist ein Werk italienischer Architekten, doch diese Anlage hat weder die in verschiedenen Zeiten entstandenen Gebäude der alten Königsburg ganz beseitigt, noch bildet sie den Abschluß der Bautätigkeit an der alten Königsresidenz, die bis ins XIX. Jh. beinahe nie ganz unterbrochen wurde. Man kann an dem heutigen Baue mehr als zwanzig Bauperioden feststellen und so bildet das Schloß eine steinerne Epope, deren Inhalt für die polnische Nation weit mehr bedeutet als nur baugeschichtliche Daten oder zusammenhanglose historische Reminiszenzen. Darin liegt die eigenartige Komplikation dieser Restaurierungsfrage. Nach der Teilung Polens wurde das Schloß, bis dahin durch Jahrhunderte ein Emporium königlicher Fürsorge, dem österreichischen Militärärar überwiesen und in eine Kaserne verwandelt. Es sind damals und später noch des öfteren verschiedene Adaptierungsarbeiten vorgenommen worden, bei welchen ausschließlich der Nutzzweck in Betracht gezogen wurde, und da das Schloß baufällig war, mußten auch Sicherungs- und Herstellungsarbeiten vorgenommen werden, für die man ebenfalls nur utilitäre Erwägungen zur Richtschnur nahm. So sind die schadhaften Dächer in einer einfachen Form erneuert worden, die Hofarkaden, welche einzustürzen drohten, wurden durch eingebautes Mauerwerk gestützt und die Fassadenfenster wurden ihrer reichen Umrahmungen beraubt, sei es, weil sie ebenfalls schadhaft waren, oder vielleicht auch deshalb, weil man die Fensteröffnungen verkleinern wollte. Es war dies zweifellos ein trauriger Abschluß der glorreichen Vergangenheit, der um so mehr eine nie versiegende Quelle wehmütiger Reflexionen bilden mußte, als durch das neue Leben, welches das alte Schloß füllte, mit seiner banalen Alltäg-
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Erstabdruck in: Kunstgeschichtliches Jahrbuch der k.k. Zentralkommission, 2, 1908, Beibl., Sp. 105–112.
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lichkeit der Gegensatz zwischen der Vergangenheit und Gegenwart bis zum Eindrucke einer unerträglichen Depravation gesteigert wurde. Man versteht es deshalb, warum eine so große Freude überall in Galizien herrschte, als durch einen großmütigen Entschluß des Monarchen das Schloß der ärarischen Verwendung entzogen und dem Lande als ein Nationaldenkmal geschenkt wurde. Doch der Leidensweg des alten Denkmales scheint damit noch nicht sein Ende gefunden zu haben. Man will sich nämlich nicht damit begnügen, das gerettet zu haben und für die Zukunft zu erhalten, was die Ungunst der Zeiten überlebte, sondern glaubt, nun sei der Zeitpunkt gekommen, wo sich der alte Traum verwirklichen und das Königsschloß in seiner vergangenen Herrlichkeit eine Auferstehung feiern kann. Zu diesem Zwecke soll das Schloß nach einem dafür aufgestellten Projekte in jene Gestalt zurückversetzt werden, welche es gegen das Ende des XVII. Jhs. hatte. Die Hofarkaden sollen wieder geöffnet, die Dächer in der alten Form erneuert werden, die Fassaden den alten Schmuck erhalten und die Türme die alten Bekrönungen. Dem emsigen Eifer der Archäologen und Restauratoren ist es gelungen, für all das Belege und Analogien nachzuweisen, und so scheint der langersehnten Wiedergeburt nichts mehr im Wege zustehen. Darin liegt aber die größte Gefahr, die je dem Schlosse drohte. Denn der Glaube der Romantiker, daß durch Mittel der Kunst und Wissenschaft die Vergangenheit zu einem neuen Leben aus dem Grabe erweckt werden kann, ein Glaube, der im polnischen geistigen Leben eine so starke Resonanz und einen so konkreten historischen Inhalt finden mußte, gehört längst der Vergangenheit, und die geplante Rekonstruktion würde nach unseren heutigen Anschauungen nicht eine Auferstehung, sondern eine Vernichtung des Baues bedeuten. Es gibt in Krakau ein beklagenswertes Beispiel für die vollständige Entwertung eines alten Baues durch ähnliche Rekonstruktionsversuche. Es ist dies die alte Jagellonsche Bibliothek, die im vorigen Jahrhunderte stilgerecht restauriert wurde. Wer ahnen will, wie schön das Gebäude früher war, der sehe sich das Gemälde mit der Darstellung der Bibliothek vor der Restaurierung an, welches in dem Zimmer des Bibliothekars hängt. Die Poesie des alten Baues verleiht dem bescheidenen Bilde einen unbeschreiblichen Zauber. Durch die stilgerechte Rekonstruktion verwandelte man aber diesen Bau in eine lächerliche Parodie der Vergangenheit, an der man gleichgültiger vorbeigeht als an einer vorstädtischen Zinshauskaserne. Man würde die historisierenden Erneuerungen am Wawel wohl unvergleichlich treuer nach dem alten Bestande und nach alten Analogien ausführen, doch das Ergebnis wäre dasselbe, denn eine Fälschung wird darum nicht wertvoller, weil sie mit Geschick und Sachkenntnis erfunden wurde. Und als Fälschungen sehen wir heute alle historisierenden Ergänzungen und Erneuerungen an, als Fälschungen, welche das Verlorene nicht ersetzen können, das Erhaltene aber entwerten, wie falsche Ahnenbilder eine Ahnengalerie oder moderne Interpolationen ein altes Dokument. Nur eine Zeit, in der das Verständnis für die künstlerischen Qualitäten des architektonischen Schaffens so tief gesunken ist, daß die Baukunst mit technischem und antiquarischem Wissen identifiziert wurde, konnte der Meinung sein, daß aus der Alchymistenstube der Alter-
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tumsforscher und Restauratoren die alten Bauwerke in jener Gestalt wieder hervorgehen können, in der sie ursprünglich geschaffen wurden. Es gibt kaum ein beschämenderes Bekenntnis einer tief stehenden künstlerischen Kultur, als das Verkennen des unüberbrückbaren Unterschiedes zwischen einem alten originalen Kunstwerke und einer modernen Nachahmung desselben, und wenn sich bei kunstgewerblichen Gegenständen bereits oder bei Skulpturen, bei welchen konkrete Vorbilder sklavisch nachgeahmt werden können, in den Nachahmungen die Originale in zeit- und stillose Geschmacklosigkeiten verwandeln, wie viel mehr muß dasselbe für den komplizierten Organismus eines alten Bauwerkes gelten, welches die unnachahmlichen Spuren des Zeitalters, der individuellen künstlerischen Betätigung und der Schicksale des Baues in hundertfacher Variation wiedergibt. Und so erscheinen uns auch heute die modernen Nachbildungen alter Bauten, mögen sie sich auch überall auf alte Belege und Vorbilder stützen, ja, je treuer sie sind, um so mehr, als inhaltlose Gemeinplätze, als Skelette, welchen es am Leben mangelt, sowohl dem der Vergangenheit als dem der Gegenwart und die, mögen sie noch so sehr historisch richtig erfunden sein, sich ähnlich zur Vergangenheit verhalten, wie die Wachsfiguren eines Panoptikums zur Kunst und Natur. Mit alten Bauten verbunden sind aber solche stiltreue Rekonstruktionen, die den alten künstlerischen Charakter des Baues vortäuschen wollen, ohne ihn auch nur annähernd tatsächlich erreichen zu können, eine des alten Denkmales unwürdige Lüge, die um so beklagenswerter ist, als sie mit Werten verbunden wird, deren ideelle und sentimentale Bedeutung in erster Linie darin besteht, daß sie als das authentische Vermächtnis der Vergangenheit angesehen werden, eine Lüge, deren man sich um so allgemeiner bewußt und die man um so schmerzlicher empfinden wird, je mehr sich das allgemeine historische und künstlerische Empfinden einer Nation vertieft und verfeinert. Es ist möglich, daß man an den geplanten Rekonstruktionen in der polnischen Öffentlichkeit nicht nur vielfach Gefallen finden, sondern sie auch als die Verwirklichung der ersehnten neuen Auferstehung der alten Burg im Lande freudigst begrüßen würde. Doch keinem Zweifel kann es unterliegen, daß nach Anschauungen, die, nachdem sie sich in Ländern, welche heute in der historischen und künstlerischen Kultur am höchsten stehen, geradezu mit elementarer Gewalt allgemein Bahn gebrochen haben, als die führenden angesehen werden müssen, diese Rekonstruktionen eine schwere, nicht gutzumachende Entwertung des alten Denkmales bedeuten würden, und ebenso unzweifelhaft ist es, daß wir nicht weit von der Zeit entfernt sind, wo auch in Galizien, wie überall in Europa, diese Anschauungen mit jener Notwendigkeit allgemein werden müssen, welche künstlerisch und intellektuell vorgeschrittene geistige Richtungen von ähnlicher Bedeutung wie die, um welche es sich hier handelt, schließlich überall siegen läßt. Dann würde man aber die falschen neualten Fassaden nicht als den wiederentstandenen alten Schmuck des Baues ansehen, sondern nicht minder schal und unerträglich finden als jede andere Schöpfung der modernen Pseudorenaissance. Niemand würde glauben, daß die kuriosen falschen Türme, die entweder ganz willkürlich oder auf Grund einer hundertfachen photographischen Vergrößerung einer al-
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ten winzigen Zeichnung «genau wie sie waren» neu gebaut werden sollen – was dasselbe ist, wie wenn man durch eine immense Vergrößerung einer einige Zentimeter großen Skizze ein verlorenes Gemälde neu herstellen wollte – oder die neogotischen Dächer in ihrer bunten Papageienpracht die verlorenen Teile der Burg ersetzen können, sondern man wäre allgemein überzeugt, daß diese Rekonstruktionen nicht nur müßige Spielereien waren, sondern zugleich ein Akt der Pietätslosigkeit, so ehrfurchtslos, wie wenn man einem Greise durch Perücken, Schminke und bunte Kleider die Jugenderscheinung wiedergeben wollte. Sobald man sich aber dessen allgemein bewußt würde, wäre es auch um die alte nationale Bedeutung des Denkmales geschehen. Nicht nur deshalb weil die Rekonstruktionen allen künstlerisch fühlenden Menschen die Betrachtung des Schlosses verleiden würden. Eine erneuerte Reliquie ist keine Reliquie mehr, und wie sollte man sich noch für die wiederauferstandene Burg begeistern, nachdem man sich zu der Überzeugung durchgerungen hat, daß die erträumte Auferstehung in einer unwürdigen Maskerade ihre tragische Verwirklichung gefunden hat. Das Schloß würde sich in der allgemeinen Meinung zu einem Promemoria dessen verwandeln, daß in dem Zeitpunkte, wo seine Schicksale der Nation anvertraut wurden, sich niemand gefunden hat, der es verstanden hätte, das Ererbte vor Verfälschung und Verunstaltung zu schützen. Und das wäre unvergleichlich trauriger als alle Schicksalsschläge der Vergangenheit. Wenn ein Denkmal der nationalen Vergangenheit durch Kriege und politische Katastrophen zerstört wird, so bleibt wenigstens der Trost, daß es sich um Gewalten handelte, denen gegenüber man machtlos war, doch ein weit größeres nationales Unglück ist es, wenn ein geschichtliches Palladium deshalb zugrunde gehen mußte, weil dessen Verweser es nicht verstanden haben, dem Rechnung zu tragen, was die geistige Entwicklung ihrer Zeit von ihnen gefordert hat. Doch wenigstens die Hofgalerien können wohl geöffnet werden, damit sie in alter Pracht wieder wirken? Es wäre nichts dagegen einzuwenden, wenn es sich nur um die Beseitigung der Einbauten handeln würde. Die Laubgänge befinden sich jedoch in einem so schlechten baulichen Zustande, daß sie, um geöffnet werden zu können, zu drei Vierteln neu gemacht werden müßten. Die baulichen Gebrechen dürften ja der Hauptgrund gewesen sein, warum man sie seinerzeit geschlossen hat. Die Säulen, Archivolten, Gesimse, Balustraden müßten zum größten Teil erneuert werden, so daß es sich fast durchweg um einen Neuaufbau der Arkaden handeln würde. Dies wäre aber nicht minder unheilvoll für die Hofseite der Burg als die neuen Fassaden, Dächer und Türme für die Außenansicht. Die Erscheinung und Wirkung eines Gebäudes beruht nicht auf der materiellen Gesamtform allein, sondern ist nicht minder, ja zumeist weit mehr bedingt dadurch, was in allen Teilen des Baues bis zur einfachsten Steinmetzarbeit als die Handschrift bestimmter Menschen, bestimmter Generationen, als die unnachahmbare und unersetzliche Signatur der Individualitäten, die in der Gesamtform zum Worte kamen, dem Beschauer entgegentritt. Vernichtet man diese Signatur, so bleibt die Gesamtform, möge sie sich auch in allen Teilen dem Originale mit mathematischer Treue anschließen, ein trauriges leeres Gerippe, welches
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4.3 | II. DAS KÖNIGSSCHLOSS
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Antiquare, für die alte Bauten nichts weiter bedeuten als Spiegelbilder ihrer Stilvorstellungen, interessieren mag, doch historisch und künstlerisch vollständig leer ist und sich zu einem ursprünglichen alten Bauwerke verhält wie ein Ölfarbendruck zu einem Originalgemälde. Es hat sich heute, durch die Einbauten gestützt, noch viel von den alten Galerien erhalten, wovon man das meiste bei der Öffnung der Arkaden opfern müßte, um dafür nichts einzutauschen als eine mumienhafte Resurrektion des Ganzen, ein lebloses Schattenreich für alle, die gelernt haben zu verstehen, wie tausendmal größere Gewalt über die Phantasie und Empfindung ein von Restauratorenkünsten unberührtes Denkmal hat, mag es auch in Fragmenten bestehen und durch Krücken gestützt sein, als eine Neuherstellung in alten Formen, bei der man ein Schema des Baues wiedergewonnen, aber den Lebenslauf des alten Denkmales zerstört und seine Seele vernichtet hat. Was soll also mit dem Schlosse geschehen? Soll es so verwahrlost bleiben, wie es von der Militärverwaltung übernommen wurde? Gewiß nicht. Man malt aber auch nicht gleich ein Bild neu, wenn es beschädigt und beschmutzt ist, und es ist nicht richtig, daß es keine andere Alternative gibt, als den Bau zu rekonstruieren oder verfallen zu lassen. Man beseitige das, was zum Schaden des Denkmales aus Utilitaritätsgründen in der Kasernenperiode ausgeführt wurde, wo dies ohne Beeinträchtigung der alten Teile und ohne weitgehende den Denkmalswert des Baues schädigende Rekonstruktionen möglich ist. Wo dabei Neuherstellungen unvermeidlich sind, wie bei einzelnen Fensterumrahmungen, da führe man sie in einer schlichten nicht historisierenden Form aus, damit sie mit dem Alten nicht konkurrieren, sondern auf den ersten Blick als eine bescheidene, den alten Partien des Schlosses subordinierte Lückenausfüllung erscheinen. Dasselbe gilt auch für die technischen Maßnahmen zur Sicherung des Baues, bei welchen man nicht, wie es so oft geschieht, vergessen darf, daß sie nicht als Selbzweck anzusehen sind, der am besten dadurch zu erreichen wäre, wenn man den ganzen Bau neu aufführen würde, sondern vor allem ermöglichen sollen, daß das unmittelbare historische und künstlerische Vermächtnis der Vergangenheit, welches sich uns in dem Bau erhalten hat, als ein heiliges unantastbares Gut für eine weitere Lebensdauer gerettet werden kann. Beseitigt man alles Störende, vor allem die Spuren der deprimierenden Vernachlässigung des Baues in den letzten Jahrzehnten, so wird dieses Vermächtnis auch auf die Nation eine unvergleichlich größere Wirkung ausüben als alle Restauratorenkünste. Es bedeutet, welcher Bestimmung auch immer der Bau übergeben wird, die höchste Nobilitierung, den größten Schmuck und Ruhmestitel des Schlosses und wird für das nationale Leben auch in der Zukunft, wie es Krasinski von dem größten polnischen Dichter sagt, ein Pfeiler sein, der, mag er auch selbst geborsten sein, die Gewölbe aus Herzen zu stützen vermag. Vernichtet man es durch Erneuerungen und Rekonstruktionen, so wird das wiedererstandene Schloß zu einer Ruine, nicht in der materiellen Bedeutung des Wortes, sondern was tausendmal ärger ist, zu einer Ruine der geistigen und künstlerischen Gewalten, die es bis dahin verkörperte.
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DIE RESTAURIERUNG DES KÖNIGLICHEN SCHLOSSES AUF DEM WAWEL IN KRAKAU (1909)*
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m 21. Mai l. J. fand bei der Z. K. eine Sitzung statt, welche über die Restaurierung des Schlosses, namentlich über das Restaurierungsprojekt und die probeweise Bloßlegung der Arkaden eines Hofraumes zu beraten hatte. An dieser Sitzung nahmen teil; Der Präsident Seine Exzellenz Freiherr von Helfert als Vorsitzender; die Mitglieder Oberbaurat Deininger, Universitätsprofessor Dvoøák, Seine Exzellenz Graf Lanckoroñski, Professor Mayreder, Hofrat Neumann, Hofrat Neuwirth, Hofrat Ritter von Schneider, Hofrat Schaeffer, Graf Szeptycki, Dr. von Tomkowicz und Hofrat Freiherr von Weckbecker; vom Bureau der Z. K. Sektionsrat Bauer. Ihr Fernbleiben hatten entschuldigt: Statthalter Graf Pininski, Landmarschall Graf Badeni, Professor Castelliz und Universitätsprofessor Boloz-Antoniewicz. Der Präsident erörtert die Genesis der Angelegenheit. Nach Evakuierung des Schlosses seitens des Militärs, wurde der künftigen Verwendung als Wohnsitz für ein Mitglied des Allerhöchsten Kaiserhauses und für Museal- und ähnliche Zwecke näher getreten. Ein Restaurierungskomitee wurde eingesetzt, ein Projekt für die Restaurierung und Instandsetzung des Schlosses ausgearbeitet, einzelne Proberestaurierungen vorgenommen. Sodann referiert Professor Dvoøák in nachstehender Weise:1 «Zu den allerwichtigsten Fragen der Denkmalpflege in Österreich gehört die Restaurierung des alten Königsschlosses am Wawel in Krakau. Nicht nur des Denkmales wegen, welches ein Monument von außerordentlicher geschichtlicher und kunstgeschichtlicher Bedeutung ist, dessen Schicksal an und für sich nicht gleichgültig sein kann und dessen Gestalt auch für das gesamte Stadtbild Krakaus entscheidend ist; es ist noch unvergleichlich mehr. Die Frage, um die es sich bei der projektierten Restaurierung handelt, ist von der größten prinzipiellen Bedeutung; von ihrer Lösung dürfte auch jene sehr zahlreicher anderer Aufgaben der Denkmalpflege in Galizien abhängen; denn das, was mit dem Königsschlosse geschieht, wird vorbildlich im ganzen Lande wirken. Deshalb war und ist es die Pflicht der Z. K., dieser Angelegenheit die größte Aufmerksamkeit zu widmen.
* 1
Erstabdruck in: Mitteilungen der k. k. Zentralkommission, 3. F., 8, 1909, Sp. 261–277. Die Redaktion glaubt, dieses Referat fast wörtlich wiedergeben zu sollen, weil es sich um eines der wichtigsten Denkmale der Monarchie handelt, und das Referat ferner ein treffliches Beispiel für die Anwendung der bei der Z. K. herrschenden Grundsätze der Denkmalpflege auf einen konkreten Fall gibt.
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4.4 | DIE RESTAURIERUNG
DES KÖNIGLICHEN
SCHLOSSES
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Zunächst möchte ich einige Worte über den alten Bau (Abb. 8) sagen. Er gehört zu jenen Denkmalen, deren Bedeutung weniger in einer bestimmten, zeitlich determinierten künstlerischen Leistung besteht, als vielmehr in der allmählichen historischen Entstehung, in der jahrhundertelangen Verknüpfung mit wichtigen geschichtlichen Ereignissen und mit den Schicksalen einer Nation, zu welchen es einen steinernen Kommentar bietet. Die Hauptanlage stammt wohl aus der ersten Hälfte des XVI. Jhs. und ist ein Werk italienischer Architekten, doch diese Anlage hat weder die in verschiedenen Zeiten entstandenen Gebäude der älteren Burg beseitigt, noch bildet sie den Abschluß der Bautätigkeit an der Königsresidenz, die bis ins XIX. Jh. beinahe nie ganz unterbrochen wurde. Man kann an dem heutigen Baue mehr als zwanzig Bauperioden unterscheiden und so bildet das Schloß eine steinerne Epopee, deren Inhalt den Erben dieses historischen Vermächtnisses sakrosankt sein sollte. Nach der Teilung Polens wurde das Schloß, bis dahin durch Jahrhunderte ein Emporium königlicher Fürsorge, dem österreichischen Ärar überwiesen und später in eine Kaserne verwandelt. Es sind damals und später noch des öfteren verschiedene Adaptierungsarbeiten vorgenommen worden, bei welchen ausschließlich der Nutzzweck in Betracht gezogen wurde, und da das Schloß baufällig war, mußten auch Sicherungs- und Herstellungsarbeiten vorgenommen werden, für die man ebenfalls nur utilitäre Erwägungen zur Richtschnur nahm. So wurden die Hofarkaden, welche einzustürzen drohten, durch angebautes Mauerwerk gestützt und die Fassadenfenster wurden ihrer reichen Umrahmung beraubt, sei es, weil sie ebenfalls schadhaft waren, oder vielleicht auch deshalb, weil man die Fensteröffnungen verkleinern wollte; im Innern wurden fast alle plastischen und malerischen Dekorationen entweder ganz beseitigt oder doch überschmiert und verunstaltet. Es war dies zweifellos ein trauriger Abschluß der glorreichen Vergangenheit, der um so schmerzlicher empfunden werden mußte, als durch die banalste Form des Lebens, das Kasernenleben, das nun das Schloß erfüllte, der Eindruck der Verwahrlosung und Depravation des Denkmales noch gesteigert wurde. Man versteht es deshalb, warum eine so große Freude in Galizien herrschte, als vor einigen Jahren durch einen großmütigen Entschluß Sr. Majestät das Schloß der ärarischen Verwendung entzogen und dem Lande als ein Nationaldenkmal geschenkt wurde. Doch der Leidensweg des alten Baues scheint damit noch nicht sein Ende gefunden zu haben. Man will sich nämlich nicht damit begnügen, das gerettet zu haben, was die Ungunst der Zeiten überlebte, sondern will auch das Verlorene wieder ersetzen und dem Schlosse eine Auferstehung in der Form bereiten, die es gegen das Ende des XVII. Jhs. besessen hat. Die Hofarkaden sollen wieder geöffnet, die Dächer in der alten Form erneuert werden, die Fassaden den alten Schmuck erhalten und die Türme die alten Bekrönungen. Für diese Rekonstruktion des alten Baues wurde ein Projekt ausgearbeitet und ein diesem Projekt entsprechendes Modell (Abb. 9) hergestellt. Wie ich bereits erwähnte, soll das jetzige Dach, dessen schöne braunrote Farbe so köstlich von der Ferne wirkt und das sich mit feinem Takte völlig der Gesamtwirkung subordiniert, durch ein hohes pseudogotisches Dach mit Kaminen ersetzt
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werden, wie sie auf den Kupferstichen Dürers vorkommen und für die man im Schutte Belege gefunden haben will, die aber zweifellos nur eine antiquarische Spielerei bedeuten würden. Es ist jedoch nicht nur die Form der Dächer, durch die das Schloß zurückverschönert werden soll, die neuen Dächer sollen mit bunten, verschiedenfarbigen Ziegeln bedeckt werden, die verschiedene Ornamente bilden und die jetzt so harmonische Farbenwirkung durch aufdringliche Papageienpracht ersetzen würden. Es wäre dies die allerunwürdigste Maskerade, denn wenn auch, wie nach einigen Ziegeln, die man bei Ausgrabungen in der Umgebung des Schlosses gefunden hat, vermutet wird, daß der Bau einst farbige Dächer besessen hat, so kann es doch keinem Zweifel unterliegen, daß das neue bunte Dach nicht nur nicht die alte Farbenwirkung hätte, sondern ebenso für jedes feiner empfindende Auge unerträglich wäre, wie gefälschte alte Glasgemälde, oder neubemalte alte Altäre. Noch unheilvoller soll sich nach dem Projekte das Schicksal der Türme gestalten. Sie haben jetzt barocke Hauben, die wohl sehr einfach gestaltet sind, doch dessen ungeachtet, oder besser gesagt, gerade deshalb mit der monumentalen Wirkung des Schlosses in bestem Einklange stehen, so daß kein Grund besteht, sie zu beseitigen. Man hätte auch kaum je daran gedacht, wenn nicht auf einer Darstellung des XVII. Jhs. das Schloß mit anderen Türmen abgebildet wäre. Da auf dieser Abbildung die Türme einige wenige Zentimeter klein sind, hat man die Darstellung mehr als hundertfach vergrößert, womit man die richtige Form des alten Turmes gewonnen zu haben vermeint, was ähnlich ist, wie wenn man durch die immense Vergrößerung einer kleinen flüchtigen Skizze ein verlorenes Wandgemälde oder durch die Verhundertfachung eines Gemmenbildes eine griechische Statue rekonstruieren wollte. Es ist schwer, sich einen Vorgang auszudenken, der eklatanter als dieser beweisen würde, wie fremd die pseudohistorischen Rekonstruktionen der Restauratoren dem angestrebten Stile, und jedem Stile überhaupt, gegenüberstehen, dessen Wesen doch nicht in einer schematischen Gesamtgestalt, sondern in der formalen Durchbildung beruht, in dem Leben, welches das Schema einst besessen hat. Zu den aufdringlichen Dächern und kuriosen Türmen sollen sich dann auch noch neue Fassaden gesellen. Man hat, ebenfalls bei den Ausgrabungen in der Umgebung des Schlosses, zwei alte Fensterumrahmungen gefunden und will nun nach dem Muster dieser zwei Einrahmungen sämtliche Fenster der Außenseiten des Schlosses neu machen lassen, wobei die Fassaden auch sonst die wirkliche oder vermutete einstige Gestalt wieder erhalten sollen. Wohin das führt, zeigt sich womöglich noch deutlicher an der Südseite des Schlosses, wo nach Beseitigung aller späteren Zutaten eine Reihe von Erneuerungen und Ergänzungen vorgenommen werden soll, wie die Dekoration des rechten Vorbaues, oder die Ausführung eines neuen Aufganges, Arbeiten, die uns mitten in die alten Restaurierungen hineinführen, die auf der Überzeugung beruhten, daß einige erhaltene Reste, literarische Andeutungen und allgemeine Stilkenntnisse genügen, alles das zu ersetzen, was einst das Ergebnis des Ringens vieler Generationen um die Bewältigung der künstlerischen Probleme war. So soll auch der mittelalterliche Turm, der an diesen Flügel anstößt, ein neues Dach erhalten,
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4.4 | DIE RESTAURIERUNG
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einzig und allein deshalb, weil es möglicherweise einst eine ähnliche Gestalt gehabt haben könnte. Es handelt sich also bei diesem Projekte um eine Restaurierung im alten Sinne des Wortes, nicht um eine Erhaltung des Baues allein, sondern zugleich um eine Rekonstruktion, wie man sie im vorigen Jahrhunderte bei Burgen, Schlössern, Stadtmauern, Kirchen und Palästen vorzunehmen pflegte, und der weit mehr kunstgeschichtlich und geschichtlich wichtige Denkmale zum Opfer fielen, als je durch Kriege und Revolutionen vernichtet wurden. Man hat längst in den geistig führenden Kreisen Europas erkannt, daß diese Art der Restaurierung eine Verirrung war, die dadurch entstand, daß in einer Zeit, in der der Zusammenhang mit der künstlerischen Kultur der Vergangenheit und damit das Verständnis für die künstlerischen Qualitäten der Kunstwerke der Vergangenheit verloren ging, in Literatenkreisen der Glaube aufkam, daß durch antiquarische Studien die alte Kunst zu einem neuen Leben erweckt und das, was von alten Kunstwerken zugrunde ging, ohne Schwierigkeit durch Nachahmungen ersetzt werden kann, ein Glaube, der auch naturgemäß bald in der Architektur seine Interpreten fand und jene Restauratorenkunst und -Wissenschaft hervorbrachte, die ebensoweit von der Kunst, als von der Wissenschaft entfernt war. Man hat längst allgemein eingesehen, daß alle die Rekonstruktionen, durch die man alten Burgen oder Kirchen ihre ursprüngliche Gestalt zu geben sich bemühte, ebenso eine Fälschung sind, wie Erneuerungen oder Ergänzungen alter Urkunden oder alter Gemälde, Fälschungen, bei denen eine auch bei der am weitesten gehenden archäologischen Schulung unvermeidliche subjektive Interpretation der alten Bauwerke an die Stelle des historischen Bestandes gerückt, bei der künstlerisch nichts gewonnen wird, das Wertvollste der alten Baudenkmale aber verloren geht, nämlich die Authentizität und die Weihe, die ihnen der Lauf der Zeiten, die Verknüpfung mit den Schicksalen einer Gegend, einer Nation, die Spuren des ewigen Kreislaufes des Werdens und Vergehens verliehen haben. Seit mehr als zehn Jahren kämpft die Z. K. überall in Österreich gegen diese unheilvolle Art des Restaurierens und es ist meines Erachtens undenkbar, daß sie bei einem so wichtigen Denkmale, wie es das Wawelschloß ist, plötzlich einen andern Standpunkt einnehmen sollte, als sie bisher in unzähligen ähnlichen Fällen eingenommen hat. Man könnte einwenden, daß beim Wawelschlosse noch andere Momente in Betracht zu ziehen sind als jene der Denkmalpflege, nämlich die nationale Bedeutung des Denkmales, welche gewisse Konzessionen an die allgemeinen Wünsche und Anschauungen erfordert. Ich glaube jedoch, daß man gerade von diesem Gesichtspunkte aus noch weit rigoroser sein sollte, als man sonst wäre. Es ist möglich, daß man momentan an der geplanten Rekonstruktion in der polnischen Öffentlichkeit nicht nur vielfach Gefallen findet, sondern sie sogar als die Verwirklichung der längst ersehnten Auferstehung der alten Burg im ganzen Lande freudigst begrüßen würde. Doch keinem Zweifel kann es unterliegen, daß die Zeit nicht fern ist, wo die Anschauungen, denen gemäß Rekonstruktionen jener Art, wie sie am Wawel geplant werden, als eine schwere, nicht gutzumachende Entwertung angesehen werden, Anschauungen, die, da sie sich mit elementarer Kraft überall verbreiten, bald auch in Galizien
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allgemein werden, und der Wiederaufbau der Burg dann als eine historische Lüge betrachtet wird, die man, je mehr sich das historische und künstlerische Empfinden der Nation vertieft und verfeinert, um so schmerzlicher nicht nur als eine müßige Spielerei, sondern auch als einen Akt der Pietätlosigkeit ansehen wird, des alten Denkmales so unwürdig, wie wenn man einem Greise durch Perücke, Schminke und bunte Kleider die Jugenderscheinung wiedergeben wollte. Sobald man sich aber dessen allgemein bewußt würde, wäre es auch um die nationale Bedeutung des Schlosses geschehen. Das Schloß würde sich zu einem Promemoria dessen verwandeln, daß in dem Zeitpunkte, wo seine Schicksale der Nation anvertraut wurden, sich niemand fand, der es verstanden hätte, das Ererbte vor Verfälschung und Verunstaltung zu bewahren. Und das wäre unvergleichlich trauriger als alle Schicksalsschläge der Vergangenheit. Aus diesen Gründen empfehle ich dem Gremium, sich sowohl gegen das bestehende Projekt, als auch gegen jedes andere, welches eine Rekonstruktion des alten Schlosses anstreben würde, prinzipiell auszusprechen und der projektierten Erneuerung der Dächer, Fassaden und Türme seine Einwilligung zu versagen. Etwas anders stehen wohl die Dinge bei den Hofarkaden, die neu geöffnet werden sollen. Sie sind, wie ich bereite erwähnte, zu Beginn des XIX. Jhs. wahrscheinlich der Baufälligkeit wegen teilweise vermauert worden. Nun will man sie wieder öffnen und hat dies probeweise bereits bei einem Trakte des Schlosses durchgeführt. Hier handelt es sich weniger um eine Erneuerung als um eine Bloßlegung, durch die Beseitigung der eingebauten Stützen, gegen die kaum etwas einzuwenden wäre, wenn sich die alten Lauben in gutem baulichen Zustande befinden würden. Sie sind jedoch so defekt, daß die Säulen, Archivolten, Gesimse, Balustraden zum großen Teile neu gemacht werden müßten. Bei dem zur Probe geöffneten Teile der Galerien betragen diese Erneuerungen über 51%, so daß die Laubengänge, wenn man sie öffnen würde, zum mindesten zur Hälfte neu gebaut werden müßten. Man würde also wohl die alte Gesamtform der Arkaden gewinnen, doch die Hälfte davon, was sich von ihnen erhielt, opfern müssen und es fragt sich, ob das Ergebnis des Opfers wert wäre. Ich bin auf Grund einer Besichtigung des zur Probe restaurierten Teiles überzeugt, daß man mehr dabei verliert als gewinnt. Es müßte ein ganz phantasieloser Beschauer sein, der auch bei der jetzigen Formgestalt der Arkaden sich ihre ursprüngliche Gesamtform nicht vorzustellen vermöchte, die den alleinigen Gewinn bei der Öffnung bilden würde, wobei der größte Teil dessen, worauf die eigentliche historische Erscheinung beruht, die unnachahmliche und unersetzliche Signatur der Individualitäten, die an der Gesamtform zum Worte kam, die Handschrift bestimmter Menschen, bestimmter Generationen, die in allen Teilen eines Baues bis zur letzten Steinmetzarbeit dem Beschauer entgegentritt, zum großen Teile verloren ginge. Es hat sich heute, durch die Einbauten gestützt, noch sehr viel von den ursprünglichen Galerien erhalten, wovon man das meiste bei der Öffnung der Arkaden opfern müßte, um dafür nichts einzutauschen, als eine mumienhafte Resurrektion des Ganzen, ein lebloses Schattenreich für alle, die gelernt haben zu verstehen, wie tausendmal größere Gewalt über die Phantasie und Empfindung ein von Restauratorenkünsten unberührtes Denkmal hat, mag es auch in Fragmenten
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bestehen und durch Krücken gestützt sein, als eine Neuherstellung in alten Formen, bei der man ein Skelett des Baues wiedergewonnen, aber den Lebenslauf des alten Denkmales zerstört und seine Seele vernichtet hat. Doch ich gebe zu, daß da eine Diskussion möglich ist, und überlasse die Entscheidung der hohen Kommission. Mein konkreter Antrag geht nur dahin, daß für den Fall der Entscheidung für die Öffnung der Arkaden, die Z. K. dieser nur unter der besonderen Bedingung zustimmen möge, daß daraus keine Konsequenzen weder technischer noch ästhetischer Natur für weitere Rekonstruktionsprojekte gezogen werden. Es frägt sich nun noch, was mit dem Schlosse geschehen soll, wenn der Rekonstruktionsgedanke endgültig aufgegeben wird. Soll es so verwahrlost bleiben, wie es von der Militärverwaltung übernommen wurde? Gewiß nicht. Man malt aber auch nicht ein Gemälde neu, wenn es beschädigt oder beschmutzt ist, und es ist nicht richtig, daß es keine andere Alternative gibt, als das Schloß zu rekonstruieren, oder verfallen zu lassen. Man beseitige alles, was zum Schaden des Denkmales aus Utilitätsgründen in der Kasernenperiode ausgeführt wurde, wo dies ohne Beeinträchtigung der alten Teile und ohne weitgehende, den Denkmalswert des Gebäudes schädigende Rekonstruktionen möglich ist. Wo dabei Neuherstellungen unvermeidbar sind, da führe man sie in einer schlichten, nicht historisierenden Form aus, damit sie mit dem Alten nicht konkurrieren, sondern auf den ersten Blick als eine bescheidene, den alten Partien des Schlosses subordinierte Lückenausfüllung erscheinen. Dasselbe gilt für die technischen Maßnahmen zur Sicherung des Baues, bei welchen man nicht, wie es so oft geschieht, vergessen darf, daß sie nicht als Selbstzweck anzusehen sind, die am besten dadurch zu erreichen wären, wenn man den ganzen Bau neu ausführen würde, sondern vor allem ermöglichen sollen, daß das für eine weitere Generation gerettet wird, was sich uns in dem Schlosse bis auf den heutigen Tag erhalten hat. Es müßte also, und das ist mein dritter Antrag, ein neues Restaurierungsprojekt ausgearbeitet werden, welches sich bei Vermeidung aller Rekonstruktionsversuche auf die Sicherung und sonstige Instandsetzung des Schlosses beschränkt. Eine Frage muß noch berührt werden, welchem Zwecke soll das Schloß dienen? Es sind verschiedene Möglichkeiten erwogen worden: es ganz oder teilweise als kaiserliche Residenz einzurichten, für ein Museum zu verwenden, oder einfach als ein historisches Denkmal ohne praktische Verwendung zu belassen. Die Entscheidung in dieser Frage ist ungemein kompliziert und es hätte kaum einen praktischen Wert, wenn die Z. K. für eine oder die andere Eventualität plaidieren würde. Dies kann um so eher vermieden werden, als es sich durchweg um Möglichkeiten handelt, die in keiner Weise den Bestand des Schlosses bedrohen würden. Und so empfehle ich bei dieser Frage, lediglich den Wunsch auszusprechen, daß eine solche Lösung gefunden werde, bei welcher weitgehende Adaptierungen im Innern nicht notwendig wären. Man hat mir in Krakau gesagt, es gehe nicht an, daß das alte Königschloß als eine Ruine stehen bleibe. Das ist gewiß nicht notwendig. Vernichtet man aber durch Erneuerungen und Rekonstruktionen den historischen Charakter, den Alterswert und die malerische Erscheinung des Baues, so wird das wiedererstandene Schloß tausendmal mehr zu einer Ruine, nicht in der materiellen Bedeutung des
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Wortes, sondern, was unvergleichlich ärger ist, zu einer Ruine der historischen und künstlerischen Gewalten, die es bis dahin verkörperte.» Dr. v. Tomkowicz berichtet, daß die Rekonstruktion der Turmhelme bereits im Komitee fallen gelassen wurde, ebenso die farbige Deckung der Dächer, da die durchgeführte Probe ungünstige Beurteilung fand. Er spricht sich jedoch für eine Rekonstruktion der Dachungen aus, da in den Feuermauern verläßliche Anhaltspunkte für die ursprüngliche Gestaltung zu finden seien; es sei unrichtig, das projektierte Dach gotisch zu nennen; infolge der klimatischen Verhältnisse des Landes, namentlich der großen Schneefälle, wurden derlei Dachungen noch im XVI. und XVII. Jh. ausgeführt. Redner tritt sodann für die projektierte Restaurierung der Außenfassaden, namentlich die Herstellung der Fensterumrahmungen und Vergrößerung der Fenster, ein. Er betrachtet die Entfernung der Umrahmungen und die Verkleinerung der Fenster als eine Katastrophe, welche den Bau im Jahre 1854 betroffen hat, deren Spuren doch unmöglich für alle Zeit erhalten bleiben sollen. Außerdem sind noch Fragmente der Umrahmungen vorhanden, welche eine getreue Wiederherstellung der alten Form gewährleisten. Sodann empfiehlt Redner in nachdrücklicher Weise die Freilegung und Instandsetzung der Arkaden des Hofraumes. Auf diese Herstellung werde im Komitee und in der öffentlichen Meinung des Landes das größte Gewicht gelegt. Denn der Hof sei eines der bedeutendsten Denkmäler der Renaissance, nicht nur Galiziens, sondern in ganz Europa. Schon die Ausdehnung der Arkadengänge (80x60 m) charakterisieren den Bau; die Art der Durchführung mit doppelten Säulen übereinander mache ihn geradezu zu einem Unikum. Ferner handle es sich nicht um eine Neuherstellung, sondern um eine Bloßlegung. Die Angaben über den Prozentsatz der neuherzustellenden Teile dürfte auf einem Mißverständnisse beruhen. Die probeweise freigelegte Partie war eine der schlechtest erhaltenen und selbst hier mußte eine einzige Säule neuhergestellt werden. Redner hebt hervor, daß bei der Restaurierung der nationale Gesichtspunkt nicht ganz außer acht gelassen werden dürfe. Das Schloß bilde ein Wahrzeichen der früheren nationalen Herrlichkeit, ein Resumee der polnischen Geschichte. Die großen finanziellen Opfer, welche das Land bisher für das Denkmal brachte, seien nur aus dieser Auffassung zu erklären. Deshalb wünsche man aber auch im Lande, daß das Denkmal wieder einen erhebenden, großartigen Eindruck mache, daß es nicht eine Ruine bleibe. Denn die Polen betrachten es als lebendiges Denkmal, das seine Auferstehung feiern und wieder praktischen Zwecken zugeführt werden soll. Was den vom Vorredner betonten wissenschaftlichen Standpunkt der Denkmalpflege anbelangt, so wird derselbe nicht in allen Kulturländern geteilt, wofür Referent eine vor kurzem erschienene Verteidigung der Regotisierung der Notre Damekirche in Paris anführt. Seine Exzellenz Graf Lanckoroñski tritt in warmen Worten für die Anträge Professor Dvoøáks ein. Gerade weil er im Wawelschlosse das Herz der Nation erblicke, wolle er Fälschungen am Baue, welche die Gefühle der Pietät, die die Polen gegen-
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über dem Schlosse beseelen, beleidigen würden, vermieden wissen. Nicht eine Ruine solle das Schloß bleiben, aber ein ehrfurchtgebietendes unverfälschtes Dokument der polnischen Geschichte, in welchem für Kopien neben dem echten Wirken der Architekten des XVI. Jhs. kein Platz sei. Referent begrüßt es, daß die Rekonstruktion der Turmhelme bereits im Komitee fallen gelassen wurde. Was die Rekonstruktion der Dachungen betrifft, so müsse er sich, abgesehen vom Standpunkte der Denkmalpflege, schon aus praktischen und finanziellen Gründen dagegen aussprechen. Nach dem Gutachten der Techniker könnte das gegenwärtige Dach noch mehr als 100 Jahre bestehen bleiben. Es sei daher kein Grund vorhanden, Hunderttausende von Kronen einer archäologischen oder ästhetischen Spielerei zuliebe zu opfern, welche für notwendige Arbeiten weit besser verwendet werden können. Bezüglich der Fensterumrahmungen wünscht Redner, daß die neuen Umrahmungen nur im allgemeinen an die Form der alten Umrahmungen erinnern sollen, im Detail jedoch nicht ausgeführt werden mögen, gleichsam als hätte sie der alte Meister unvollendet gelassen. Ähnlich werde bei der Neueinfügung von Kapitälen in den romanischen Kathedralen Frankreichs vorgegangen, wo die alten Kapitäle auch nicht mehr im Detail kopiert werden, sondern einfach ein Block, der ungefähr die Form der alten Kapitäle aufweist, eingesetzt wird. Für die Arkaden des Hofraumes würde es genügen, nur einen Teil bloßzulegen, und es der Phantasie des Beschauers zu überlassen, sich das übrige zu ergänzen; sollten jedoch sämtliche Arkaden bloßgelegt und infolgedessen auch die Holzdecken in den Korridoren hergestellt werden, so wären die Vertäfelungen in einfacher Form und ohne Polychromierung auszuführen. Hofrat Freiherr von Weckbecker formuliert für die Beratung nachfolgende vier Fragen: 1. Ob man überhaupt dem vorliegenden Rekonstruktionsprojekte zustimmen, oder ob man sich auf das Konservieren beschränken soll. 2. Ob die Arkaden des Hofraumes geöffnet werden sollen oder nicht. 3. Es sollte bestimmt ausgesprochen werden, daß nur eine Sicherung und würdige Instandsetzung des Baues bei Vermeidung aller historisierenden Rekonstruktionsversuche anzustreben ist. 4. Es ist eine praktische Verwendung in Aussicht zu nehmen, welche weitergehende Adaptierungen nicht involviert. Die Frage der Turmhelme dürfte endgültig aufgegeben sein. Über das Dach sollten sich die Bausachverständigen äußern. Die Form des Daches sei doch wesentlich durch die Form der Fassade bedingt. Wenn man die Arkaden öffne, wäre vielleicht die Frage berechtigt, ob dann die durchbrochenen Wände das Dach noch tragen. Aus diesem Gesichtspunkte walten eventuell gegen die Wiedereröffnung der Arkaden Bedenken. Bezüglich der Fenster teilt Redner vollkommen die Ansicht des Herrn Grafen Lanckoroñski, weniger aus dem Gesichtspunkte der Fälschung, sondern weil die Kopien der Umrahmungen ein Zurückgreifen auf den überwundenen Standpunkt der
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Stileinheit wäre. Redner gibt der Hoffnung Ausdruck, daß sich das nationale Empfinden mit der Pietät vor dem Denkmale vereinbaren lassen werde. Hofrat Neuwirth gibt der Befriedigung Ausdruck, daß der Standpunkt des Krakauer Komitees sich den Anschauungen der Z. K. in vielen wesentlichen Punkten genähert hat. Er spricht sich gegen die Rekonstruktion der Türme, der Dachungen und der Fassaden aus und tritt für die Weiterbelassung der Einbauten in den Hofarkaden ein, da ihm das bloßgelegte Stück für den ästhetischen Eindruck genüge. Oberbaurat Deininger hält die Gestaltung des Hofes für die wichtigste Frage und hebt hervor, daß dieser Arkadenhof wirklich ein Unikum ist. Vom Standpunkte als Künstler müßte er es daher bedauern, wenn der Hof in dem verfallenen Zustande bleiben sollte. Der kleine Teil, der restauriert ist, macht nach seiner Meinung einen so vorzüglichen und hochinteressanten Eindruck, daß man es beklagen müßte, wenn dieser Teil nicht bloßgelegt worden wäre. Der Hof sei gegenwärtig in einem ruinösen Zustande. Man muß ausbessern, man muß Stellen auswechseln, man muß einzelne Teile wieder ausfüllen. Da gäbe es nur zwei Eventualitäten: entweder man setzt den Hof nur insoweit instand, daß er keinen ruinenhaften Eindruck mehr macht, oder man legt die Arkaden vollständig bloß. Die Verbauung der Arkaden sei so ungeschickt und roh geschehen, daß die Säulen teilweise zur Hälfte, teilweise zu einem Drittel eingemauert sind. Das wirkt nur so lange erträglich, als der Hof den Eindruck einer Ruine macht. Die schlechten Teile müßten ferner ohnehin erneuert werden, auch wenn der alte Bestand erhalten bleiben sollte. Daher tritt der Redner für eine Freilegung der Arkaden, die ja keine Rekonstruktion bedeute, ein. Dagegen lehnt Redner eine Erneuerung der Dachungen und Änderungen an der Fassade ab. Hier sollen weder die alten Fensterumrahmungen, wie sie waren, kopiert noch in rohen Umrissen nachgeahmt werden. Auch letzteres betrachtet Redner als Fälschung. Die Fensterumrahmungen seien für die monumentale Wirkung des Schlosses ohne Bedeutung, da sie von unten aus nicht zur Geltung kämen. Dr. von Tomkowicz betont, daß die Frage der Umrahmungen wichtig sei, da sie mit der geplanten Vergrößerung der Fenster zusammenhänge, was für die Außenerscheinung gewiß von maßgebendem Einflusse und für die künftige Verwendung der Räume relevant wäre. Der Standpunkt Seiner Exzellenz des Grafen Lanckoroñski wäre ein Kompromiß, das am meisten Beifall finden dürfte. Professor Mayreder schließt sich wegen Freilegung der Hofarkaden der Ansicht des Oberbaurates Deininger an und tritt für die Vergrößerung der Fenster, sowie für die Herstellung der Umrahmungen nach dem Antrage des Grafen Lanckoroñski ein. Hierauf werden folgende Beschlüsse gefaßt: I. Das Rekonstruktionsprojekt wird abgelehnt. Es haben daher die projektierten neuen Dächer, Turmbekrönungen und Fassaden zu entfallen. II. Der Öffnung der Arkaden stimmt die Z. K. nur unter der Voraussetzung zu, daß hieraus keine Konsequenzen weder ästhetischer noch technischer Natur für weitere Rekonstruktionsversuche gezogen werden.
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III. Es ist ein neues Projekt auszuarbeiten, welches bei Vermeidung aller historisierenden Rekonstruktionsversuche sich lediglich auf die Sicherung und würdige Instandsetzung des Baues beschränkt. IV. Hinsichtlich der künftigen praktischen Verwendung des Schlosses wünscht die Z. K., daß eine Lösung gefunden werden möge, bei der weitgehende Adaptierungen im Innern nicht notwendig wären.
BERICHT DER WESTGALIZISCHEN KONSERVATOREN UND KORRESPONDENTEN ÜBER IHRE TÄTIGKEIT IN DEN JAHREN 1907 UND 1908. (II. TEIL1), SITZUNG VOM 21. JUNI 1908 (1909)* Anwesend als Gast Mitglied Universitätsprofessor Dr. Maximilian Dvoøák. Nach Besichtigung sowohl der wichtigeren Teile des Schlosses am Wawel, als auch des nach dem Restaurierungsentwurfe hergestellten Modells, insbesondere nach Überprüfung der gegenwärtigen Arbeiten im südlichen Kreuzgange des Schloßhofes, wurde die Debatte eröffnet. Konserv. Tomkowicz legte die vom Gremium angenommenen Grundsätze der Restaurierung als auch den gegenwärtigen Stand der Arbeiten dar. Die vom Konservatorengremium eingenommene Stellung basiert auf dem Grundsatze: Konservieren, aber nicht Umbau oder Verschönerung. Doch muß dieser Grundsatz in der praktischen Anwendung gewissen Modifikationen unterliegen. Die öffentliche Meinung Polens sieht den Wawel als ein lebendes Denkmal an. Mit diesem Umstande muß gerechnet werden und man kann nicht das vornehmste Denkmal des ehemaligen Polen so behandeln wie die erste beste Ruine. Das ganze Bestreben der seit 28 Jahren geführten Aktion des Landes war darauf gerichtet, dem Schlosse das Ansehen und den Charakter einer königlichen Residenz zu geben. Bezüglich der Konservierung wäre somit angezeigt, in diesem Falle etwas liberaler als bei vielen anderen Denkmälern vorzugehen. Das Königsschloß soll nicht nur vor weiterer Vernichtung gesichert werden, sondern es hat das Aussehen eines zum Bewohnen geeigneten und eingerichteten Gebäudekomplexes zu erhalten, hiebei aber auch eine ästhetische Wirkung auszuüben. Hieraus folgt, daß es hier gestattet sein dürfte, einen ungünstigen Eindruck machende häßliche Zubauten der früheren Zeitepochen und insbesondere der Periode, in welcher bei Adaptierung zur Kaserne Sparsamkeitsrücksichten die Hauptrolle spielten, zu demolieren; weiter dürfte es erlaubt sein, fehlende Details,
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Erstabdruck in: Mitteilungen der k. k. Zentralkommission, 3. F., 8, 1909, Sp. 431–435. S. Sp. 384.
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welche zu der ursprünglichen stilvollen Physiognomie gehörten, zu ersetzen, dies jedoch nur insofern, als sich dies nicht etwa als eine willkürliche Zutat von etwas ganz Neuem, sondern als die Restitution des Bestandenen erweisen wird und insofern bezüglich der ursprünglichen Form als auch des Verhältnisses des Details zum architektonischen Ganzen absolute Gewißheit erlangt werden kann. Zu solchen Details können z. B. gerechnet werden: die vor 50 Jahren geänderten Fassadenfenster, bezüglich deren steinernen Umrahmungen die vollste Sicherheit hinsichtlich der Form besteht; denn in den Mauern sind überall nicht nur die Spuren der ehemaligen Öffnungen erhalten, sondern es wurden auch einige Fragmente vorgefunden, aus denen sich einige Typen der Umrahmungen vollkommen zusammenstellen lassen. Ferner die Gesimse. Diese in Renaissancebildhauerarbeit ausgeführten Details trugen wesentlich zur Schönheit der äußeren Fassaden bei, welche gegenwärtig aus glatten, stillosen Wänden bestehen. Vor allem sind jedoch nachstehende zwei Fragen Gegenstand der Beratung: Die Rekonstruktion der Dachungen und der Arkadengänge. Eine besondere Originalität des Königsschlosses bilden die Renaissancearkadengänge des Hofraumes, deren kühne Konstruktion beinahe drei Jahrhunderte überlebte und erst zu Beginn des XIX. Jhs. baufällig wurde. In dieser Zeit wurden sie in allen Stockwerken mittels Ummauerung der dünnen Monolitsäulen mit Ziegelmauern, Untermauerung der Archivolten mit Ziegelbögen und Ausfüllung mit Mauerwerk, sowohl der durchbrochenen steinernen Balustraden, als auch des ganzen oberen Teiles der Interkolumnien des II. Stockwerkes verstärkt. Hiedurch wurde allerdings dem Einsturze vorgebeugt, aber die berühmte Architektur des Schloßhofes verlor ihre Kühnheit, den Reiz ihrer ästhetischen Erscheinung. Mit der beabsichtigten Freilegung der Arkaden ist die Umänderung der heutigen Dachkonstruktion, die aus der Mitte des XIX. Jhs. stammt, eng verbunden. Das Dach besitzt eine fehlerhafte Konstruktion, denn das Dachgesperre ruht mit der Hälfte seines Gewichtes auf der Arkadenwand des Schloßhofes, während früher die Längenachse wahrscheinlich näher gegen die äußeren Fassaden geschoben war; die Hälfte des Gewichtes des Dachgesperres fand ihre Stütze an der starken Außenwand des Palastes, die Arkaden selbst waren aber mit gesonderten leichten Dächern eingedeckt. Die von ihren späteren, sie verstärkenden Ummauerungen befreiten Arkaden werden außerstande sein, den Druck des heutigen Daches auszuhalten. Die ursprünglichen Linien der Dachneigung sind noch an den Feuermauern sichtbar und die Erhöhung der äußeren Gewölbelinien bis zu ihrer ursprünglichen Höhe (um zirka einige Meter) könnte nur zur Hebung des geschmackvollen Aussehens beitragen. Eine Probe für diese Rekonstruktion wird gegenwärtig im südlichen Kreuzgange vorgenommen, an welche sich die probeweise Wiederherstellung der Wandmalereien in den Kreuzgängen des II. Stockwerkes anreihen soll. Das Dachgesperre wird aus Eisen hergestellt. Als Grundsatz für die Rekonstruktion der Arkaden hat zu gelten, daß nach Entfernung der Ummauerungen der vorgefundene Zustand erhalten bleiben soll, soweit sich dies als möglich erweisen wird. Nur dort, wo es sich mit Rücksicht auf
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die Sicherheit und Dauerhaftigkeit des Baues als notwendig herausstellen würde, soll das schadhafte Material durch neues ersetzt werden. Nach der Durchführung obiger Proben wird über diesen Teil der Restaurierung ein endgültiger Beschluß gefaßt werden. Professor Dvoøák hebt hervor, daß er das Schloß nicht bloß als eine malerische Ruine zu erhalten wünsche, daß aber die bisherige Restaurierung den Grundsätzen der modernen Denkmalpflege nicht entspreche. Er meint, daß die beabsichtigte Restaurierung zu weit geht und tritt für die Belassung der Bedachung und der Vermauerung der Arkaden ein. Korresp. Hendel betont den schadhaften Zustand des Daches, namentlich dessen mangelhafte Konstruktion. An vielen Gebäudeteilen, wie über dem Eingange der sogenannten «Kurza Stopa» und über dem gotischen Teile des Pavillons Sigismunds III., ist das Dachgesperre aus fast ganz unbearbeitetem Holze hergestellt und seine Konstruktion spottet allen Grundsätzen der Technik. Über dem letzterwähnten Pavillon dienen die Bundbalken zugleich als Deckenbalken. Im ganzen östlichen Teile liegen infolge fehlerhafter Konstruktion die Bundbalken förmlich auf dem Dachboden oder auf den Deckenbalken der Säle des II. Stockwerkes. Derselbe Zustand ist in dem größten Teile des nördlichen Schloßflügels festzustellen, jedoch mit dem Unterschiede, daß die meisten Bundbalken in ihrer Längenrichtung gänzlich verfault sind. Über sämtlichen Arkaden ist die Dachkonstruktion zufolge des Eindringens des Wassers beschädigt und zu schwach. Das Landesbauamt hat auf Grund einer durchgeführten Untersuchung festgestellt: 1. Daß die Dachkonstruktion nicht zweckentsprechend ist. 2. Sie bietet nicht die geringste Sicherheit gegen eventuelle Feuersgefahr, da sie den Bestimmungen des Baugesetzes nicht entspricht. 3. Die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes der Kreuzgänge wäre bei Beibehaltung der gegenwärtigen Konstruktionen undurchführbar. 4. Da im Schloßgebäude auch das Nationalmuseum, welches die vornehmsten Kunst-, Kultur- und historischen Denkmale Polens enthält, untergebracht werden soll, ist es unerläßlich, eine feuersichere Dacheindeckung zu geben. Mit Rücksicht auf die obangeführten Umstände hat das Restaurierungskomitee die Herstellung eines neuen Daches mit eisernem Dachstuhle beschlossen. Professor Dvoøák glaubt, daß eine Verstärkung des bestehenden Daches genüge. Korresp. Stryjeñski stimmt den Anschauungen des Professors Dvoøák hinsichtlich des Daches zu. Professor Dvoøák spricht sich nochmals für die Beibehaltung des heutigen Zustandes der Arkaden aus. Da aus technischen Rücksichten bei der Freilegung eine beträchtliche Anzahl der Säulen ausgewechselt werden müßte, würde der Schloßhof den Eindruck eines Neubaues machen. Korresp. Odrzywolski schließt sich der Ansicht des Dr. Tomkowicz an. Die Ummauerung der Arkaden betrachtet er bloß als ein Konstruktionsmittel. Der ursprüng-
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liche Zustand der Kreuzgänge aus dem XVI. Jh. läßt sich wiederherstellen und die Wiedergabe des ehemaligen Zustandes soll angestrebt werden. Die Fenster der äußeren Fassaden, die Professor Dvoøák zu erhalten wünscht, besitzen gar keinen künstlerischen Wert. Sie haben weder die Form des XVI. Jhs. noch jene im Zeitpunkte der Übergabe des Schlosses an das Land, da die Tünche samt den bis in die letzten Zeiten erhaltenen Umrahmungen der Fenster größtenteils abgeschlagen wurden. Wir sind im Besitze von Mustern, wie die Fenster im XVI. Jh. ausgesehen haben und nach diesen Mustern lassen sich sämtliche Fenster mit Leichtigkeit neuherstellen; der Redner richtet an Professor Dvoøák die Anfrage, welche Stellung bezüglich der Umrahmungen der Fenster der äußeren Fassaden seiner Ansicht nach einzunehmen wäre? Professor Dvoøák meint, daß nichts erneuert werden soll. Die Fenster sind so zu belassen, wie sie gegenwärtig aussehen und nicht die Renaissanceformen nachzuahmen. Dort, wo die ursprünglichen Umrahmungen nicht erhalten blieben, könnte man selbe durch neue, einfache und bescheidene Quadersteine ersetzen. Korresp. Hendel bestätigt, daß das heutige Dach ausgebessert werden könne. Der hiemit verbundene Kostenaufwand würde aber an Zimmermannsarbeiten allein gegen 50.000 K ausmachen, wobei das Abnehmen der alten und die Eindeckung mit neuen Dachziegeln außer Betracht gelassen werde. Es sprechen aber gewichtige Gründe für die feuersichere Eindeckung. Wenn auch die heutige Dachkonstruktion belassen werden sollte, so müssen doch die ursprünglichen Feuermauern mit Rücksicht auf die Feuersicherheit neu aufgeführt werden. Redner erklärt, daß alle Bestandteile, welche den Anforderungen der Statik entsprechen und sich gegen den Druck genügend widerstandsfähig erweisen, belassen bleiben. Voraussichtlich wird es sich als nötig erweisen, im Maximum 2/3 der alten Quadersteine durch neue zu ersetzen. In dem «Dogenpalaste» in Venedig wurden infolge ihrer Abschwächung 3/4 der Arkaden ausgewechselt und trotzdem litt das Gebäude nicht im geringsten am Aussehen, im Gegenteil verdankt es dieser Vorkehrung seine Rettung. Professor Dvoøák hebt hervor, daß die heutigen Ansichten bezüglich Konservierung der Denkmale verschieden sind von jenen, die für die Zeit der Erneuerung des Dogenpalastes ausschlaggebend waren. Die bisherigen Konservierungsmethoden sind leider von dem Grundsatze abgewichen, daß dasselbe Gesetz, welches für die Konservierung von Malereien und plastischen Kunstwerken gilt, auch auf die Architekturdenkmale Anwendung finden muß. Konserv. Tomkowicz resumiert die geäußerten Ansichten und hebt hervor, daß hauptsächlich folgende zwei Punkte den Gegenstand der Diskussion bilden: 1. Die Dachungen, 2. die Freilegung der Arkaden. Was die Details anbelangt, so sind selbe keiner prinzipiellen Natur und können einer Umänderung unterliegen. Die Ansicht des Professors Dvoøák habe ihn nicht überzeugt, denn die Freilegung der Arkaden bedeutet keine Neuerung, sondern eine Bloßlegung. Das heutige Dach wurde in der ersten Hälfte des XIX. Jhs. technisch fehlerhaft hergestellt; der Redner legt daher demselben, ebenso wie auch den Ummauerungen der Arkaden keine Bedeu-
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tung bei. Bezüglich anderer offener Fragen ist die endgültige Entscheidung noch nicht getroffen, er glaubt aber, daß das Schloß in einen solchen Zustand wieder versetzt werden müsse, damit dasselbe einen günstigen ästhetischen Eindruck hervorrufe. Dies verlangen auch die nationalen Rücksichten. Professor Dvoøák gibt der Befürchtung Ausdruck, daß bei einer so weitgehenden Restaurierung weitere Neuerungen fast unausweichlich sind. Korresp. Stryjeñski teilt die Besorgnis des Professors Dvoøák, meint aber, daß die technische Frage von jener der Konservierung nicht getrennt werden kann. Architekt Hendel wird ganz bestimmt den Ausweg finden, um diese zwei Fragen in Einklang zu bringen. Redner muß hervorheben, daß ihn die Restaurierung der Attika nicht zufriedengestellt hat, denn sie wurde ganz neu hergestellt. Er wünscht deshalb, daß in Hinkunft so wenig als möglich erneuert und alles das, was sich überhaupt erhalten läßt, erhalten bleiben soll. Korresp. Hendel bringt vor, daß die Restaurierung der Attika auf eine andere Art nicht durchgeführt werden konnte. Von der alten Attika waren bloß verwitterte Reste vorhanden, die höchstens noch 20 Jahre gehalten hätten. Wenn das Schloß für die Nachwelt bewahrt bleiben soll, so muß die Restaurierung derart durchgeführt werden, daß das Gebäude Jahrhunderte überdauern könnte. Professor Dvoøák empfiehlt in seiner Schlußrede noch einmal Konservierung und keine Restaurierung, denn letztere könnte nur die Veränderung des heutigen Ansehens der Schloßbauten nach sich ziehen.
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RESTAURIERUNGSFRAGEN: III. SPALATO (1909)* «Tausende haben hier über das Tassosche Thema Cadono le città geträumt, von Vorzeit, Gesetzen der Geschichte, Landschaftsmalerei und Menschenlos. Der Ameiseneifer der neuesten Forschung hat inzwischen die blanken Knochen oder Knochensplitter dieses Kadavers bloßgelegt und mit Taufschein versehen.» Justi Velazques I 300
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eit Jahren kämpft die Z. K. um Spalato (Abb. 10, 11). Der Kampf konzentriert sich auf ein einzelnes Haus: das alte Episkopium, einen schlichten Quadernbau aus dem XVII. Jh., bei dem nur das wappengeschmückte Portal die Wirkung der schmucklosen Monumentalität durch einen Dekor bereichert. Es ergab sich eine Gelegenheit das Haus zu demolieren und diese Gelegenheit wurde sowohl von verschiedenen Fachmännern als auch von der sich ihnen anschließenden Bevölkerung mit Freude begrüßt und ihre Ausnützung im Interesse der Stadt und ihrer Monumente stürmisch verlangt. Die Z. K. protestierte dagegen, und allmählich schlossen sich ihr auch alle übrigen auswärtigen Kunstgelehrten und Kunstfreunde an. In Spalato selbst verlangt man aber nach wie vor die Abtragung des Baues, und zwar mit einer Vehemenz und Leidenschaftlichkeit, wie sie kaum bei einer anderen Angelegenheit der österreichischen Denkmalpflege beobachtet werden konnte oder ähnlich in unzähligen Zeitungsartikeln, Flugschriften, öffentlichen Versammlungen, Resolutionen und Protestkundgebungen ihren Ausdruck fand. Es wurde sogar versucht den Palazzo anzuzünden. Nicht minder stark war aber die Unnachgiebigkeit der Kämpfer für die Erhaltung des Baues. Noch auf seinem Sterbebette bat mich mein Lehrer und Vorgänger im Amte Hofrat Riegl, in der Episkopiumfrage keine Konzessionen zu machen, eine Weisung, der ich nicht nur aus Verehrung für den unvergeßlichen Mann, sondern auch aus innerer Überzeugung treu nachgekommen bin. Dieser andauernde und heftige Streit wäre unverständlich, wenn es sich nur um das Episkopium handeln würde. Die Denkmalpflege in Österreich ist leider auf Kompromisse angewiesen, denen des Friedens und auch anderer wichtigerer Interessen wegen oft schon bedeutsamere Denkmale als das Bischofshaus in Spalato geopfert werden mußten, und auch die Advokaten der Demolierung des Baues dürften kaum eine so weitgehende und nachhaltige Opposition erhoben haben, wenn es sich nur um die graduell abweichende Einschätzung der Bedeutung eines einzelnen Baues
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Erstabdruck in: Kunstgeschichtliches Jahrbuch der k.k. Zentralkommission, 3. 1909, Beibl., Sp. 117–142.
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gehandelt hätte. Es handelt sich aber eben nicht nur um das Episkopium, sondern um die ganze Altstadt von Spalato. Zwei diametral verschiedene Auffassungen der Pflichten dem merkwürdigen Stadtgebilde gegenüber, das die Mauern des alten Imperatorenpalastes umschließen, stehen sich da unversöhnlich gegenüber, und dieser Verschiedenheit der Auffassung liegt der wichtigste Kampf zu Grunde, den unsere Zeit um alte und neue Kunst auszufechten hat Wie überall bei solchen Fragen, hat man auch in Spalato von Verkehrsrücksichten, von der Notwendigkeit der Assanierung der Stadt durch die Schaffung neuer Plätze und Gassen gesprochen. Es ist wohl klar, daß die Demolierung eines einzelnen Baues solchen Aufgaben gegenüber nur als ein Anfang angesehen werden könnte, dem eine vollständige Umgestaltung des Innern des Diokletianischen Palastes folgen müßte. Vergegenwärtigen wir uns, was dies bedeuten würde. Es gibt wohl viele Städte, die noch schöner gelegen, die an Kunstwerken reicher, in Einzelnbauten weit interessanter sind als Spalato. Es gibt auch viele Denkmale der klassischen Kunst, die künstlerisch inhaltsvoller mehr ästhetischen Genuß dem Beschauer bieten als die Ruinen des mächtigen Kaiserpalastes, dessen einfache Anlage und derbe Provinzialformen weniger singulare künstlerische Sensationen als Belehrung über den Prozeß der Auflösung und Rustikation der klassischen Kunst bedeuten. Und doch gibt es wenig Städte, die einen so tiefen Eindruck in jedem kunstverständigen Besucher hinterlassen würden, wie diese grandiose Bühne einer welthistorischen Peripetie. Der Riesenbau, den mächtiger als alles, was früher und später im Lande entstand, der weltbeherrschende Sinn eines römischen Imperators am entlegenen Meeresstrande geschaffen hat, verwandelte sich in Ruinen, aber in diesen Ruinen erblühte ein neues Leben – im vollen Sinne des Wortes – und verband sich mit den alten verlassenen Mauern zu einem neuen einheitlichen geschichtlichen Organismus, der sich bis auf den heutigen Tag zu einem Bilde weiterentwickelte, das einem großen Dichter eher, als dem geschichtlichen Werden seine Entstehung zu verdanken scheint. Sonst haben sich römische Ruinen nur unter und neben neuen Kulturschichten erhalten, in Spalato sind sie mit ihnen verwachsen, durchdringen sie und rahmen sie ein, als ob die Geschichte darauf bedacht gewesen wäre, an einem Orte ein monumentales Sinnbild der alten und neuen Welt in ihrer Aufeinanderfolge und genetischen Verknüpfung zu schaffen, nicht als eine dürre Formel, sondern als ein Gebilde, das unerschöpflich zu sein scheint an historisch oder malerisch die Fantasie anregenden Einzelnmomenten. Und dieses Epos aus Steinquadern, das aus der Verbindung klassischer Ruinen mit einer mittelalterlichen Stadtanlage entstand, soll «reguliert», d. h. durch breite Straßen und freie Plätze in eine moderne Stadt verwandelt werden. Ist es nicht dasselbe, wie wenn man den Pasquino oder Marc Aurel als Kandelaber für elektrische Lampen benützen würde? Es ist geradezu lächerlich, in diesem Zusammenhange von Verkehrsbedürfnissen zu sprechen. Die sind nicht oder nur minimal vorhanden und auch wenn sie da wären, müßten sie den höheren Rücksichten gegenüber zurückweichen, den Rücksichten darauf, was sich uns in dem alten Stadtbilde von Spalato erhalten hat und worauf die ganze zivilisierte Menschheit ein Anrecht besitzt.
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Große Opfer sind für Spalato damit nicht verbunden, denn die Stadt kann sich überall unbehindert ausbreiten, so daß die eventuellen Verkehrsschwierigkeiten in der eigentlichen kleinen Altstadt durch Verlegung der Verkehrsmittelpunkte, bei denen sie sich vielleicht bemerkbar machen könnten, in andere Stadtteile leicht zu beseitigen sind. Und die Sanitätsfragen! Da muß man wohl sagen: dificile satiram non scribere! Wie viel gibt es in Dalmatien und in Spalato selbst, was aus sanitären Gründen einer Reform bedürftig wäre, ohne daß jemand daran denken würde. Enge Straßen gibt es auch sonst in Dalmatien, in Zara, in Ragusa, in Sebenico, in Cattaro und überall, gerade so wie in den meisten Städten Italiens, sie waren der Schutz des Südens gegen die Sonnenglut und was man sonst überall ertragen kann, das soll in Spalato, wo sich so kostbare Werte daran knüpfen, nicht zu ertragen sein? Deutlicher als anderswo sieht man in Spalato, daß die technischen und humanitären Argumente ein Vorwand oder unbewußte Selbsttäuschung sind, Schlagworte, auf die man gar nicht verfallen wäre, wenn es nicht eine tiefere Ursache des Kampfes gegen das jetzige Stadtbild von Spalato gegeben hätte. Und diese Ursache ist, wie von Einsichtigen auch zugestanden wird, in einer künstlerischen Überzeugung und Stellungnahme zu suchen. Man ist überzeugt ein künstlerisch gutes Werk zu schaffen, wenn man die Ruinen des Palastes möglichst aus der Hülle der mittelalterlichen und späteren Bauten ausschält, sie isoliert und von allen späteren «unwürdigen» Zutaten befreit und in nackter Größe auf den Beschauer einwirken läßt. Man hält das Episkopium für einen künstlerisch wertlosen Bau und versteht nicht, warum er in der Nähe des herrlichen Mausoleums stehen bleiben soll, auf welches sich durch die Abtragung des Gebäudes ein freier Ausblick eröffnen würde, und man wünscht auch in anderen Teilen der Stadt ähnliches in verschiedenen Graden von Einzelnbloßlegungen bis zur vollständigen Evakuierung der Ruinen. Es ist also die Verschiedenheit der künstlerischen Anschauung, welche zu allerletzt dem Kampfe um das Episkopium und um Spalato zu Grunde liegt. Worin besteht sie? Es ist um so wichtiger, diese Frage zu beantworten, als die Antwort nicht nur für Spalato gilt, sondern von allgemeiner Bedeutung ist. Immer mehr bricht sich die Überzeugung Bahn, daß das XIX. Jh. eine Zeit des allertiefsten Niederganges der Kunst war. Nicht als ob es nicht einzelne bedeutende Künstler gegeben hätte, die entstehen in allen Zeiten, doch das allgemeine Verständnis künstlerischer Werte ist trotz dem allgemeinen Kunstgerede, trotz dem extensivsten Kunstbetriebe so tief gesunken, wie vielleicht nie vorher. Man ist sicher in der Regel ungerecht gegen die unmittelbar vorangehende Periode der Kunst, die überwunden zu haben man sich freut, doch heute sind wir weit genug entfernt von den Ereignissen, um objektiv sagen zu können, daß nie so elend gebaut wurde, daß es nie so künstlerisch ganz wertlose Erzeugnisse des Kunstgewerbes gab, daß sich der Geschmack der Allgemeinheit nie mit so schändlichen malerischen oder plastischen Erzeugnissen begnügte, wie in der zweiten Hälfte des XIX. Jhs. Das betrifft nicht nur bestimmte soziale Schichten, die «noch nicht für die Kunst gewonnen wurden,» ich kenne Ministerialbureaus und adelige Paläste, Bankierhäuser und Künstlerwohnungen, in welchen der mangelnde Kunstsinn und Geschmacklosigkeit die wüstesten Orgien feiern. Es handelt sich dabei
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ebensowenig um ein bestimmtes Volk – die Griechen der Neuzeit: die Italiener sind am tiefsten gesunken – wie um eine bestimmte künstlerische Anschauung unter den vielen, die ja viel mehr Stilrichtungen als Kunstströmungen waren. Es ist hier nicht der Ort, den Gründen dieses Kunstniederganges nachzugehen, es soll nur versucht werden ihn zu charakterisieren, so weit er für unsere Frage in Betracht kommt. Es ist sicher nicht richtig, wenn man von vergangenen Kunstperioden wie von einem goldenen Zeitalter spricht, in welchem jedes Kunstwerk für alle geschaffen war, von allen verstanden und genossen wurde und in denen es nur eine Kunst gab, die alle Menschen zu einer einheitlichen geistigen Erhebung verknüpfte. Eine solche Einheitlichkeit der Kunstproduktion und des künstlerischen Verständnisses ist nur in primitiven Stadien der Kunst möglich; je komplizierter, geistig und formal, die Werke der Kunst werden, je mehr sie auf einer individuellen Idee und auf einem individuellen Können beruhen, um so mehr erfordert auch ihr Genuß eine bestimmte künstlerische Kultur und individuelle Begabung. Es wäre eine der rudimentärsten Kenntnis der psychologischen Voraussetzungen des Kunstgenusses entbehrende Träumerei, zu glauben, daß Michelangelos Skulpturen oder Tizians Bilder eine Kunst für alle waren, die zu allen gleich sprach und von allen gleich verstanden wurde. Das Kunstverständnis und der Kunstgenuß waren auch in früheren Perioden, wenn auch nicht so unendlich wie heute, differenziert. Doch in allen Stufen dieser Differenzierung – und das ist der fundamentale Unterschied der Kunstlosigkeit des XIX. Jhs. gegenüber – beruhte sowohl bei den Künstlern als beim Publikum das Verhältnis zur Kunst der entsprechenden Verständnissphäre auf wirklicher künstlerischer Empfindung. Man umgab sich nur mit der Kunst, die man verstand und die dem sozialen und individuellen künstlerischen Bedürfnisse angemessen war, ohne Anmaßung, darüber hinausgehen zu wollen, und deshalb war das ganze Leben künstlerisch durchgebildet, gab es eine wirkliche künstlerische Kultur; nicht weil es eine einheitliche allgemein verständliche Kunst gegeben hätte, sondern weil überall, von der stolzen Kapelle der Mediceer an bis zur einfachen Bauernstube, die Kunst in tausendfacher Abstufung immer wirklich Kunst war, ein Ausdruck künstlerischen Wollens, Könnens und Genießens, nicht nur ein sinnloser Zierat, eine Lüge oder Konvention. Und deshalb gab es auch überall eine wahre tiefe Ehrfurcht vor Kunstwerken, auch vor solchen, deren künstlerische Bedeutung über den Alltagshorizont hinausging, weil man wußte, daß in ihnen ein höherer künstlerischer Wille, eine größere künstlerische Potenz verkörpert waren, vor denen man sich ohne Anmaßung, sich mit ihnen zu identifizieren, zu beugen hatte. Dadurch wurden aber große Kunstwerke tatsächlich der Mittelpunkt der Kunst und einer einheitlichen künstlerischen Kultur und befruchteten das ganze Kunstleben. All dies verwandelte sich jedoch im XIX. Jh. ins Gegenteil. In dem Hotelzimmer, in dem ich (in einer kleinen Provinzstadt) diese Zeilen schreibe, hängt ein Farbendruck mit der Darstellung der Madonna della Seggiola und über dem Portal des Sparkassegebäudes, das dem Hotel gegenüber liegt, sind Stuckkopien der Aurora und des Crepusculo angebracht. Welche Bedeutung hat das Meisterwerk Raffaels für die Kommis, die in der Regel dieses Hotel besuchen, was besagen die Figuren Michel-
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angelos den Kleinbürgern, die ihre Ersparnisse in die Sparkasse tragen? Und ist die Art der Reproduktion nicht der klarste Beweis, daß auch die letzte Ahnung von den künstlerischen Qualitäten der Originale verloren ging und die Nachbildung zu einer stupiden Sinnlosigkeit wurde? Ähnliches tritt uns in der Kunst der zweiten Hälfte des XIX. Jhs. überall auf Schritt und Tritt entgegen. Es gab wohl nie früher einen so großen Aufwand (was die Quantität betrifft) in der Anschaffung von Kunstobjekten und Dekoration der Städte und Gebäude, doch es handelte sich dabei von den Monumentalbauten an, die im Stile der italienischen Cinquecentopaläste, der Alhambra oder der gotischen Dome ausgeführt wurden, bis zu den Möbeln eines Winkelcafés im Stile Ludwig des XVI. und zur altdeutschen Schlafzimmereinrichtung, fast überall um eine falsche Kunst, die vom Erzeuger als eine Formel angewendet und vom Besteller als eine der allgemeinen Gepflogenheit entsprechende (zumeist mit Bedauern der Kosten wegen als solche empfundene) notwendige Zutat empfunden wurde, die ihm nichts weiter besagte, als was er darüber (wenn er kunsthistorisch gebildet war) in einer Stillehre oder sonst an Anpreisungen vom Kunstunternehmer gehört oder in einem Lagerkatalog gelesen hat. Jedes tatsächliche künstlerische Verhältnis zu den künstlerischen Werten der Kunstwerke der Vergangenheit und Gegenwart ging verloren und wurde einerseits durch büchermäßige Stilvorstellungen, anderseits durch bildungs- und kulturlose, im Anstreichen, Glatthobeln, Gerademachen, symmetrischen Stellen sich äußernde Inferiorität der künstlerischen Bedürfnisse ersetzt. Es sind dies Verhältnisse, die genügend bekannt sind; doch was nicht bekannt ist oder doch nicht gesagt wurde, ist die Tatsache, daß auch das ganze Elend der sogenannten Denkmalpflege darin seinen Ursprung hat: der Purifikationswahnsinn, die Restaurierungsseuche, der frevelhafte Kampf gegen alte Stadt- und Ortsbilder. Es ist nicht das Fehlen historischer Interessen, das an der systematischen Vernichtung alter Kunstwerke und Kunstwerte durch die letzten drei Generationen Schuld war, sie führten ja immer in der letzten Zeit das große Wort bei Fragen dieser Art und nicht immer pharisäisch; ebensowenig war der Mangel an Pietät die eigentliche Ursache der unzähligen Vandalismen, die begangen wurden: es gab Jahrhunderte, die viel weniger pietätvoll waren, ohne derartige Verwüstungen anzurichten. Doch die Pietät des XIX. Jhs. war, was einmal offen gesagt werden muß, kulturlos, stümperhaft, eine Quacksalberpietät, die auch da, wo sie nützen wollte, nur geschadet hat, weil sie nicht wußte, worauf es bei Kunstwerken ankommt, die Pietät eines künstlerisch blinden Plebejertums (nicht in der sozialen Bedeutung des Wortes), das sich vermaß, die Kunstwerke der Vergangenheit nach seinen kunstfremden Kunstund Stilvorstellungen zu Grunde zu schützen. Denn wie sollten Menschen, für die in ihrer Gegenwartsumgebung selbst bei den einfachsten Fragen eine künstlerische Lösung ein Buch mit sieben Siegeln, für die Kunst nur eine soziale Pflicht (oder auch ein soziales Übel) und der Stil ein ideeller Begriff war, wie sollten die Käufer der Farbendrucke und Gipskopien, die Freunde des «Schmücke dein Heim», die Häuser- und Straßenfabrikanten, die sich ergänzenden Kunstspekulanten und Bildungsphilister, für die Kunst eine Marktware oder eine Biertisch- und Zeitungsweisheit war, die Snobs, die die Kunstwerke nach den Preisen und Autoritären bema-
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ßen, die Propheten der Altertumskunde, die Adepten der Stillehren, die Künstler, die ihre Kunst aus Büchern gelernt haben, wie sollte eine Allgemeinheit, in der all diese Elemente die führenden und ausschlaggebenden waren, verstehen, worauf es beim Schutze alter Denkmale ankommt. Wie sollte sie das erhalten und vor Schaden bewahren, von dessen Existenz sie keine Ahnung hatte, was doch das allerwichtigste bei Kunstwerken der Vergangenheit und Gegenwart ist! Das, was nicht auf Stilregeln und abstrakten Kunstbegriffen beruht: der unendlich differenzierte, konkrete, durch zeitliche und lokale Entstehungsvoraussetzungen, Künstlerindividualität und Schicksale des Denkmales bedingte künstlerische Inhalt! So mußte aber die Pietät notwendig überall, wo sie über defensive Zerstörungsproteste hinausging (und das war zumeist der Fall), nur Unheil anrichten. Sie schützte nicht, was an den Denkmalen wertvoll war, sondern sie bemühte sich, die alten Kunstwerke dem entsprechend herzurichten, was ihr als wertvoll erschien und das waren keine individuellen künstlerischen Werte, sondern antiquarische Rezepte, theoretische Stildogmen und abscheuliche Banalitäten. Wenn man den «historischen» Rekonstruktionen und Restaurierungen auf den Grund geht, so findet man leicht heraus, daß das «Historische» daran sich bestenfalls zu dem ursprünglichen Kunstwerke ähnlich verhielt, wie der erwähnte Ölfarbendruck zu dem Originalgemälde Raffaels, zumeist aber nichts anderes war, als eine historisierende Verkörperung jener entsetzlichen Stil- und Geschmacklosigkeit, die man in der Hauptmasse der neuen Kunsterzeugnisse der zweiten Hälfte des XIX. Jhs. beobachten kann. Frühere Kunstperioden haben oft alte Kunstwerke höchst radikal behandelt, doch das Neue, was sie mit ihnen verbunden haben, war Kunst, und was sie schonten, blieb Kunst, deshalb kann man sich schließlich mit den Umgestaltungen aussöhnen. Der Denkmalschutz des XIX. Jhs. bestand aber darin, daß die interessantesten, schönsten, denkwürdigsten Kunstwerke unter dem Vorwande der technischen Sicherung oder Stilreinigung (oft auch ohne einen solchen Vorwand) sowohl in alten Teilen als in neuen Zutaten auf das Niveau der geläufigen Kunst- und Stilvorstellungen herabgedrückt und so zu einer schmählichen Paraphrase des damaligen künstlerischen Unvermögens umgestaltet, mit anderen Worten als Kunstwerke vernichtet wurden. Zwischen den sogenannten stilgerechten Wiederherstellungen und Umbauten der mittelalterlichen Burgen und Dome und den unerträglichen Gemeinplätzen der Villen-, Rathaus- und Möbelmagazinsgotik, zwischen den «auf den Glanz» hergerichteten Kircheninterieurs und dem hohlen Protzentum eines Boulevardrestaurants, zwischen den Regulierungsattentaten auf alte Städte und den Zinshausstraßen, die einer Wüste, den Plätzen, die einer Folterkammer, den öffentlichen Repräsentationsbauten, die abstoßenden Mißgeburten oder lächerlichen Maskeraden gleichen, zwischen den Freilegungsidealen und den modernen zur vermeintlichen Zierde der Plätze aufgestellten Standbildern, die der Ästhetik der Verschönerungsvereine entsprechen, besteht nur in Äußerlichkeiten ein Unterschied und oft nicht einmal in diesen: es verknüpft sie der gleiche Tiefstand der künstlerischen Empfindung, die gleiche Kunst tritt uns dort und da mit oder ohne historische Verkleidung entgegen, eine Scheinkunst, die sich zur wirklichen, und zwar sowohl zur neuen als zur alten, wie ein Panoptikum zum Leben verhält.
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Darin liegt das wichtigste und schwerste Problem der Denkmalpflege. Denn wenn auch die Betonung des Wertes der Originalität und Notwendigkeit der Schonung der Denkmale in ihrer ursprünglichen oder historisch gewordenen Eigenart (die Hauptargumente, mit welchen wir kämpfen) vielen literarisch und wissenschaftlich gebildeten Menschen einleuchten und manche alte Kunstwerke vor Vernichtung oder künstlerischer Depravierung bewahren, so wird es sich doch stets um sporadische und zumeist mit Gewalt erzwungene Erfolge handeln, so lange nicht die Qualitäten der alten Kunstwerke, für deren Schonung wir kämpfen, in der Allgemeinheit Verständnis und Resonanz finden werden, was ohne eine tiefgehende Wandlung des allgemeinen Verhältnisses zur Kunst nicht möglich ist. Woher soll sie jedoch kommen? Man hofft auf eine neue Kunst, als ob man nicht in der letzten Zeit allzuoft erlebt hätte, daß das Gute, was an neuen Kunstwerken geschaffen wurde, in der allgemeinen Kunstproduktion sich in kurzer Zeit in neue Geschmacklosigkeiten verwandelte. Drakonische Maßregeln allgemeiner Natur nützen ebensowenig wie honigsüße Belehrungsworte; sie erwecken nur Mißtrauen. Ebensowenig kann ein Appell an die auf Begriffen und nicht auf Kunsterlebnissen beruhende Heimatsliebe zum Ziele führen, sie ersetzt höchstens alte Rezepte durch neue, lokalisierbare. Wie in allen Kulturfragen entscheiden Beispiele und die vor keinem Kampfe zurückschreckende Überzeugung einzelner Persönlichkeiten, die schließlich die übrigen Menschen mitreißt. Wichtige Fragen müssen usque ad finem, bis ans Ende unerbittlich ausgefochten werden, denn nur dadurch können die wahlverwandten Geister geweckt und Kristallisierungspunkte für eine neue künstlerische Kultur geschaffen werden. Eine besonders krasse Illustration zu dieser Sachlage bietet der Kampf um Spalato, wo eine der merkwürdigsten Städte der Welt, einzig in ihrer Art, gegen falsche Ratschläge und gegen den durch sie irregeführten Willen der Besitzer und nächstberufener Beschützer vor der Gefahr gerettet werden muß, in eine regelrechte Dikasterialstadt mit einzelnen sehenswerten Ruinen verwandelt zu werden, einer Gefahr, der auch diese Ruinen beinahe zum Opfer gefallen wären, da man, wie aus den folgenden offiziellen Berichten zu ersehen ist, im Eifer der Demolierungsverhandlungen sie zu sichern vergessen hat.
Bericht der Direktion des österr. archäol. Institutes an das Ministerium f. K. u. U. über den Diokletians-Palast in Spalato Wien, am 7. Dezember 1907 Indem der Unterzeichnete das ihm vor kurzem zugesandte Protokoll über die Sitzung der «Palastkommission» in Spalato am 25. September d. J. mit der Bitte um gütigen Rückschluß zu überreichen sich beehrt, glaubt er nachstehendes zur Begründung seines in den Verhandlungen eingenommenen Standpunktes anführen zu sollen. Es war im Juli 1873, daß in hohem Auftrage Alexander Conze (seit 1877 in Berlin), Alois Hauser (†) und Georg Niemann auf ihrer Rückreise von den samothra-
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kischen Ausgrabungen in Spalato verweilten, um auf Grund der Autopsie über die «Restauration» des Domes (Mausoleum des Diokletian) zu berichten. Sie schlugen in ihrem Elaborate darüber unter anderem vor, durch Einlösen und Abtragen der Häuser und Hütten, von welchen einige in die dem Dome vorgelagerte Säulenreihe des Peristyls eingebaut waren, andere den Platz um den Dom beengten, das Bauwerk freizulegen. Die Isolierung des Domes war die Losung, die, damals ausgegeben, drei Jahrzehnte lang gültig blieb, und ihr zufolge säuberte man den Platz von dem «Caffé del Tempio», dem Hospize der Franziskaner delle Palude und anderen Baracken. Von einigen wenigen Abtragungen abgesehen, die vielleicht auch in Zukunft als wünschenswert sich ergeben könnten, kann nach Überzeugung des Unterzeichneten diese Aufgabe als im wesentlichen erfüllt betrachtet werden. Um vieles weiter zu gehen, hieße das bisher richtig angewandte Prinzip ad absurdum zu führen. Die in gleicher Absicht wiederholt schon verhandelte und auch diesmal in Antrag gestellte Demolierung des alten Episkopiums an der Nordostecke des Domplatzes konnte daher der Unterzeichnete nicht billigen. Das oktogone Gebäude des Domes war auch in der Palastanlage, also vom Anfange an, in einen nicht allzu weiten Hof gesetzt, und wenn auch die dem Dome zugewandten Mauern des Episkopiums nicht vollkommen genau in die Flucht der diokletianischen Säulenreihen fallen, so entsprechen sie doch im allgemeinen den schon im ursprünglichen Entwurfe vorhandenen Begrenzungslinien. Diese Erwägung, weniger der künstlerische und historische Wert des Gebäudes an sich, der vielleicht nicht allzu hoch eingeschätzt werden dürfte, bestimmte den Unterzeichneten, gemeinsam mit dem Vertreter der Z. K., für die Erhaltung des Episkopiums einzutreten. Da der Bürgermeister von Spalato und der Delegierte des dalmatinischen Landesausschusses sich dagegen aussprachen, konnte auch diesmal die wünschenswerte Einigung nicht erzielt werden und mußte die kommissionelle Entscheidung in dieser wichtigen Frage der nächsten Sitzung vorbehalten bleiben. Der Unterzeichnete hatte aber die Genugtuung, daß zwei Mitglieder der «Palastkommission», die schon halb für die Demolierung gewonnen waren, Professor Niemann und Regierungsrat Buliæ, seinen Argumenten zustimmten und daß auch der Vorsitzende, Statthaltereirat Madirazza, sich gleichfalls dieser Meinung anschloß, ja sogar einem gelegentlich der Reambulierung des Palastes vom Unterzeichneten geäußerten Gedanken, man könnte das Episkopium nach dem Beispiele von Florenz, Siena, Orvieto zu einer Opera del duomo einrichten, die Ehre erwies, ihn als Antrag zu formulieren. Die Konsequenzen der Demolierung würden verhängnisvoll werden können. Der Platzanlage ginge die künstlerische Geschlossenheit verloren und an Stelle eines ruhigen Hintergrundes träte in den Kirchen S. Filippo und Anime del Purgatorio und in den zumeist ähnlichen Privathäusern daneben ein sehr unruhiger und vielfach zerrissener. Es ist kaum anders denkbar, als daß man die vollzogene Tatsache als unerträglich empfinden müßte und die Sanierung des begangenen Fehlers könnte wohl weit höher zu stehen kommen als die allerdings dringend nötige Renovierung des arg verwahrlosten Episkopiums. Als weitere Folge würde sich die vom Bürgermeister bereits in Aussicht gestellte Abtragung der Kapelle S. Rocco er-
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geben. Die hart daranstoßende Kapelle S. Barbara glaubt man längst schon dem gleichen Schicksale ausliefern zu müssen. Der Unterzeichnete verfügt über zu geringe technische Einsichten, um behaupten zu dürfen, daß der durch die beiden Kapellen gebildete Baublock ein für die Standfestigkeit der daran sich anschließenden Bogenreihen des Peristyls notwendiges Widerlager sei, glaubt aber, daß eine Prüfung auch in dieser Hinsicht geboten wäre. Jedenfalls würden so weitgehende Eingriffe das historisch gewordene Bild des Hauptplatzes von Spalato nicht bloß schädigen, sondern gründlich zerstören. Und an dem Historischgewordenen festzuhalten, scheint dem Unterzeichneten auch dann noch selbstverständliche Pflicht, wenn manches zu erhaltende – wie in Spalato unzweifelhaft der Fall – künstlerisch anfechtbar wäre und selbst wieder eine Verderbnis des früher dagewesenen darstellen sollte. Denn ein Zurückrekonstruieren in den ursprünglichen Zustand hat sich allerorten, wo es unternommen wurde, als ein so bedenkliches Experiment, in bestem Falle als eine schwer kennbare Verfälschung des Echten, erwiesen, daß es nach den gemachten Erfahrungen unverantwortlich wäre, an einem so einzig dastehenden Monumente, wie der Palast Diokletians ist, das gleiche zu versuchen. Sehr erfreulich ist die Bloßlegung der Rückwand des «Baptisteriums». Nur noch ein Eck des Tempels steckt in einem angrenzenden Hause, doch dürfte es schon in der nächsten Zeit gelingen, auch diesen Rest aus seiner modernen Ummauerung zu befreien. In hohem Maße wünschenswert wäre die baldige Freilegung des seit Jahrzehnten eingerüsteten Hauptplatzes. Eine ganze Generation ist mittlerweile herangewachsen, ohne des prächtigen Anblicks des Peristyls, frei von dieser Störung, teilhaftig geworden zu sein. Technisch schwierig und deshalb kostspielig wird sich die Konservierung der «Rotunde» gestalten, deren obere Ziegellagen dem Einsturze so nahe sind, daß die Palastkommission der Gemeinde die Sperrung des öffentlichen Durchgangs empfehlen zu müssen glaubte. Erfordern diese Aufgaben größere Geldmittel, als bisher für die Erhaltung der Palastruine flüssig waren, so machte sich anderseits angesichts der häßlichen Entstellung der Porta Aurea durch einen Balustradenbau des darüber befindlichen Nonnenklosters und der noch schlimmeren der Südfaçade durch den, der Tätigkeit der Palastkommission geradezu hohnsprechenden Neubau eines Herrn Savo an der Riva der Mangel einer gesetzlichen Grundlage für ein gedeihliches Wirken schwer fühlbar. In dem einen wie in dem anderen Sinne stellte die Kommission bei ihrer letzten Tagung bestimmte Anträge, die der Unterzeichnete nicht anstehen darf, eingehender Prüfung und wohlwollender Förderung angelegentlichst zu empfehlen.
Aus dem Berichte der Z. K. an das Ministerium f. K. u. U. über den Diokletianischen Palast in Spalato Wien, am 26. Juni 1908 Wiederholt ist die ehrenvolle Pflicht des Staates, für die Erhaltung des Palastes Diokletians in Spalato zu sorgen, in der feierlichsten Weise, in der letzten Zeit namentlich durch Bewilligung erheblicher Geldmittel für den Ankauf und die Entfer-
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nung einzelner störender Gebäude sowie für die architektonische Aufnahme des Palastes anerkannt worden. Es handelt sich um ein Monument von ganz exzeptioneller Bedeutung, welches nicht nur der Person des Erbauers, sondern auch seiner Wichtigkeit für die Geschichte der antiken Architektur wegen zu den bedeutsamsten historischen Dokumenten nicht nur Österreichs, sondern der ganzen Welt gezählt werden muß. Es entsprach dieser Bedeutung, daß das k. k. Ministerium eine eigene Kommission eingesetzt hat, welche Maßnahmen zur Erhaltung des Palastes beraten sollte. Diese Kommission besteht nun bereits ein Lustrum, hat eine Reihe von Tagungen abgehalten und bemühte sich mit der größten Aufopferung und Energie, die Fragen zu lösen, welche das Schicksal des Palastes betreffen. Dessenungeachtet können die Maßnahmen, welche bisher zum Schutze des Palastes getroffen wurden, nicht als befriedigend bezeichnet werden. Dies ist auf verschiedene Ursachen zurückzuführen. Zu diesen gehört vor allem der Mangel einer rechtlichen Handhabe, welche in allen in Betracht kommenden Fällen den Erfolg einer staatlichen Intervention verbürgen würde. Große und wichtige Teile des Palastes sind Privateigentum und es liegt da immer die Gefahr vor, daß mit diesen Teilen willkürliche und den alten Bestand schädigende Veränderungen vorgenommen werden, wie es leider im verflossenen Jahre an einem der wichtigsten Teile des Palastes und in einer besonders beklagenswerten Weise geschehen ist. An der Westseite des Palastes, an der imposanten Meerfront, hat trotz energischer Proteste der Palastkommission ein Hausbesitzer den in seinem Besitze befindlichen Teil dieser Front rekonstruieren lassen, wobei die erhaltenen alten Teile der architektonischen Gliederung der Palastmauer mit modernen Ergänzungen verbunden und in eine aufdringliche moderne Fassade einverleibt wurden, was vielleicht schlimmer ist, als wenn man die alten Fragmente gleich ganz vernichtet hätte. Welche Entrüstung würde die interessierten Kreise erfüllen, wenn ähnliches in Rom geschehen sollte! In Spalato muß man aber ruhig solche kulturlose Devastierung des Palastes dulden, denn es gibt kein rechtliches Mittel, welches die Besitzer der alten Teile des Palastes hindern könnte, mit ihrem Besitze nach eigenem Ermessen zu schalten und zu walten. So bleiben aber alle staatlichen Maßnahmen zur Erhaltung des Palastes illusorisch, so lange kein Gesetz geschaffen wird, welches in dieser oder jener Form das Denkmal der Willkür der Privatbesitzer entrücken würde. Dieser Mangel an rechtlicher Handhabe bei Teilen des Palastes, welche sich im Privatbesitze befinden, ist jedoch nicht der einzige Grund, warum die staatliche Fürsorge um den Palast bisher nicht derartige Ergebnisse erzielte, wie sie eines Kulturstaates würdig wären. Auch bei jenen Teilen des Palastes, bei welchen ein unmittelbares Eingreifen der staatlichen Organe möglich wäre, ist der Zustand alles eher als ein derartiger, wie es nicht nur die Bedeutung des Denkmales, sondern selbst die primitivste öffentliche Anteilnahme an dem Bauzustande eines alten Monumentes erfordern würde. Vor zwei Jahren erschlug ein von der Wölbung der Rotunde herabfallender Stein einen spalatiner Arzt und ein momentaner Einsturz der ganzen Rotunde ist jeden Augenblick zu besorgen. Dasselbe ist bei den an die porta argentea angrenzenden Mauern zu befürchten. Einzelne Teile des Peristyls befinden sich
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in einem desolaten Zustande und nach einer Feststellung des Professors Niemann ist auch die Bekrönung der porta aurea gefährdet, so daß man sich mit Erstaunen fragen muß, wie es so weit kommen konnte, daß, obwohl zum Schutze des Palastes so außerordentliche Maßnahmen getroffen wurden, doch die wichtigsten Teile des Denkmales dem Zusammenbruche nahe sind. Die Hauptschuld an dieser betrübenden Tatsache trägt das unrichtige Ziel, welches man sich in der Fürsorge für den Palast gestellt hat. Im Mittelpunkte der Verhandlungen über das Schicksal des Palastes stand seit Jahren in der Palastkommission und außerhalb derselben die Episkopiumfrage. Das alte bischöfliche Wohngebäude, welches mit anderen Gebäuden den Dom an der Ostseite umschließt, ist ein einfacher doch wirkungsvoller Bau des XVII. Jhs. Nachdem die neue bischöfliche Residenz außerhalb des Palastviertels gebaut wurde, beschloß die Stadtvertretung von Spalato das alte Episkopium zu kaufen und niederreißen zu lassen, ein Projekt, über dessen Zweckmäßigkeit lange die Meinungen geteilt gewesen sind. Die Stadtvertretung begründete die Demolierungsabsicht mit Verkehrsrücksichten, sanitären Erwägungen und ästhetischen Vorteilen, welche die Beseitigung des Baues und die damit verbundene Freilegung eines Teiles des Domes mit sich bringen würde, wobei aber ernstlich nur der letzte Grund in Betracht kam. Denn für den Verkehr, der ja im Palastviertel nur eine ganz geringe Rolle spielen kann, hätte die Zerstörung des Episkopiums nur an einer Stelle die Erweiterung der Straße herbeigeführt, die für den Gesamtverkehr irrelevant gewesen wäre, auf die man sich jedoch hätte beschränken müssen, wenn man nicht auch Teile des Diokletianischen Palastes opfern wollte, was von vornherein als indiskutabel bezeichnet werden müßte. Ebensowenig konnten die sanitären Vorteile, auf die man sich berufen hat und die in der Schaffung eines größeren Platzes bestehen sollten, ernstlich in Betracht kommen, da dieser Platz an der Peripherie des Palastviertels liegen würde und der Wunsch nach mehr Licht und Luft nur in dem engen Gassengewirre der mittleren Teile des Palastes berechtigt wäre. Tatsächlich traten auch diese praktischen Gründe immer mehr in den Hintergrund; in der vorletzten Sitzung der Palastkommission erklärte endlich der Bürgermeister von Spalato ausdrücklich, das Hauptmotiv, weshalb in Spalato die Beseitigung des Episkopiums gewünscht wird, sei der Wunsch, den Dom freizulegen, ein Wunsch, dessen letztes Ziel die Idee des «Isolamento» bedeutet. Diese Idee war es, die direkt oder indirekt den Hintergrund und Hauptinhalt aller Diskussionen über den Palast gebildet und alle Aktionen zu dessen Erhaltung und Sicherung bisher lahmgelegt hat. Es handelt sich dabei um folgendes: In die Ruinen des Palastes wurde bekanntlich eine mittelalterliche Stadt eingebaut. Das Mausoleum Diokletians wurde der Madonna geweiht und zur Kirche der Bischöfe von Spalato umgestalltet. Zwischen den Trümmern des Palastes entstanden, von der großen Palastmauer umgeben, neue Gebäude, Straßen und Plätze und nach und nach entwickelte sich auf dem Ruinenfelde eine Stadt, die einzig in ihrer Art ist, eine Stadt, in der sich die gewaltigen Überreste des römischen Denkmales mit einer mittelalterlichen Stadtanlage und mit dem, was das Kunstschaffen vieler Jahr-
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hunderte hervorgebracht hat, zu architektonischen Veduten verknüpfen, welche die kühnsten Phantasien Piranesis überbieten und welchen sich an malerischer Wirkung nicht gar vieles in Österreich an die Seite stehen läßt. In jener unglückseligen Periode der Geschichte der alten Denkmale, in welcher antiquarische Interessen ein künstlerisches Verhältnis zu alten Monumenten ersetzten und Diletantendogmatismus, der jeweilig den Stil, dem sich sein Studium zugewendet hat, für die allein gültige Kunst hielt und alle Zutaten, welche ein Denkmal in anderen Zeiten und Stilformen erhielt, als der Würde des Denkmales nicht entsprechend ansah, entstand die Idee des Isolamento, der Freilegung des Diokletianischen Palastes. Man hielt die Beseitigung aller späteren Einbauten in dem Palaste für das anzustrebende Ideal. Eine ganze Stadt, das mittelalterliche und neuzeitliche Spalato, sollte zerstört werden, damit die antiken Bauten ohne jede spätere Zutat erscheinen. Da dieses Riesenprojekt – es hätten viele Hundert Gebäude dazu demoliert werden müssen – nicht auf einmal durchgeführt werden konnte, sollte etappenweise vorgegangen werden. Je nach Gelegenheit sollten einzelne Häuser angekauft und demoliert werden (wie es mit den Häusern JoŞevic und Romagnolo geschah) und vor allem sollten in der Umgebung des Domes alle späteren Bauten beseitigt werden. Auch den Chor des Domes wollte man zerstören und den Dom selbst verlegen, damit das Mausoleum Diokletians, der köstlichen venezianischen Einrichtung beraubt, als kahles Mauerwerk dastehe. Im Zusammenhange mit dieser Idee wollte man also vor allem durch die Abtragung des Episkopiums in die Umgebung des Domes eine Bresche schlagen. Als sich in unserem Verhältnisse zu alten Denkmalen neue Anschauungen durchgerungen hatten, für die kein einzelner Stil eine kanonische Geltung besitzt und die Beseitigung der späteren Zutaten nicht den Ausdruck der Pietät einem Denkmale gegenüber bedeutet, mußte diese Isolamentoidee auf die größten Bedenken stoßen. Vom archäologischen Standpunkte könnte die Zerstörung einer ganzen höchst eigenartigen und wirkungsvollen Stadt nur dann in Erwägung gezogen werden, wenn eventuelle Ausgrabungen einen exzeptionellen Nutzen für die Wissenschaft, wie am forum Romanum, bedeuten würden. Davon kann aber in Spalato keine Rede sein, da man außer einigen Grundmauern kaum wichtige Funde zu erwarten hätte. Sonst gibt es aber nach den modernen Anschauungen für die Freilegung keinen Grund, und der Schaden, den sie verursachen würde, wäre unermeßlich. Für die Überreste des Diokletianischen Palastes wäre das Isolamento kein Nutzen. Was jetzt im Rahmen eines lebendigen Organismus, in einem Rahmen, den Jahrhunderte geschaffen haben, als ein Kleinod ersten Ranges erscheint, wie antike Kameen in barocker Umrahmung, müßte nach der Demolierung des mittelalterlichen Spalato zur traurigen Ruine werden, wie sich ihrer aus der Antike viele erhalten haben und deren Wirkung sich nicht mit dem vergleichen läßt, was wir in Spalato bewundern können, wo gerade in Verbindung mit dem mittelalterlichen und neuzeitlichen Kunstschaffen die Trümmer des klassischen Denkmales als ein gigantisches Vermächtnis der Vergangenheit erscheinen. Nur Leute, die sich nie über die Vorbedingungen der künstlerischen Wirkung eines alten Denkmales Rechenschaft
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gegeben haben, können glauben, daß es für das Mausoleum Diokletians ein Vorteil wäre, wenn man die spätere köstliche innere Einrichtung beseitigen und den Raum leer ließe oder wenn man alle herumstehenden Gebäude niederreißen und den Zentralbau freilegen würde, damit er in jener Isolierung erscheine, wie sie für Schulbücherklischees charakteristisch ist und der Baupolierphantasie als ästhetisches Postulat erscheinen mag, die aber allen Traditionen der künstlerischen Kultur widersprechen und die dokumentarische Bedeutung der Konfiguration der ganzen Gebäudegruppe und deren stimmungsvolle malerische Wirkung zerstören würde. Aber nicht nur für die antiken Teile der Stadt wäre das Isolamento verhängnisvoll. Wir sind weit entfernt von jener Zeit, in welcher der antiken Kunst als der einzig gültigen absoluten Kunstnorm ein Vorrecht vor allem eingeräumt wurde, was spätere Kunstperioden geschaffen haben. Aus späteren Jahrhunderten bietet Spalato eine Fülle von wichtigen und interessanten Kunsterzeugnissen und es wäre zweifellos ein Vandalismus, wenn man sie aus doktrinären Gründen auf dem Altare der Begeisterung für eine klassische Ruine opfern würde. Doch nicht nur einzelne wichtige Denkmale der Kunst des Mittelalters und der Neuzeit würden dabei vernichtet werden, sondern auch, was vielleicht noch beklagenswerter wäre, das alte Spalato, die Stadt, die selbst ein merkwürdiges Denkmal ist und deren Straßen und Plätze in ihrer Geschlossenheit und malerischen Wirkung einen unwiderstehlichen Zauber auf jeden ausüben, der Eindrücken dieser Art zugänglich ist. Durch das Isolamento würde man eine Stadt preisgeben, die zu den interessantesten und wirkungsvollsten gehört, die es gibt, um dafür ohne wesentliche wissenschaftliche Vorteile ein Trümmerfeld einzutauschen, welches vielleicht zu historischen Kontemplationen anregen würde, wenn es durch Barbarenwut entstanden wäre, welches aber als eine Schöpfung der modernen Denkmalfürsorge die größte Empörung bei allen Kunstfreunden hervorrufen müßte. Glücklicherweise war der Siegeslauf einer neuen Auffassung der Pflichten einem alten Denkmale gegenüber schneller, als die Fortschritte des Projektes. Die neuen Anschauungen, nach welchen jedes Denkmal in seiner historisch gewordenen Gestalt und insbesondere die historischen Stadtbilder den Gegenstand der größten Pietät bilden müssen, haben in der Palastkommission die Oberhand bekommen, so daß bei der letzten Sitzung die Majorität nicht nur gegen das Isolamento, sondern auch in dem konkreten Falle gegen die Demolierung des Episkopiums gewesen ist, weniger aus Rücksicht für diesen Bau als in Erwägung, daß die Abtragung des Baues und Freilegung dieses Teiles des Domes die historische Gestalt der Umgebung des Domes verfälschen und an Stelle der jetzigen historisch entstandenen und höchst wirkungsvollen Konfiguration dieses Teiles der Stadt durch ein brutales Durchbrechen der stimmungsvollen Einrahmung des Mausoleums eine banale historisch und künstlerisch ganz unbegründete Panoramawirkung setzen würde. Nachdem nun diese Frage, wenn auch nicht in formaler Beziehung, doch sachlich nach der Überzeugung der Majorität der Kommission als erledigt betrachtet werden konnte, rückten naturgemäß die unabweislichen Forderungen zur Erhaltung des Palastes in den Vordergrund. Während der langjährigen Beratungen über das
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Episkopium gingen die antiken Teile von Spalato immer mehr ihrer vollständigen Zerstörung entgegen. Man hat wohl auch darüber beraten, doch ohne über die zu treffenden Maßnahmen einig zu werden oder für die Realisierung jener Maßnahmen, deren Zweckmäßigkeit man erkannte, sich mit Energie einzusetzen. Nach der Anschauung der Z. K. dürfte folgender Vorschlag über den toten Punkt dieser akademischen Beratungen hinaus führen und die Möglichkeit geben, das ins Werk zu setzen, was vor allem die Pflicht der Pietät dem Denkmale gegenüber erfordert. Es sollte von einer vollkommen geeigneten Kraft ein Projekt für die technische Sicherung des Palastes ausgearbeitet werden. Dazu bedarf es, da nichts ergänzt oder rekonstruiert werden darf, keines Architekten von Ruf, sondern eines Mannes, der Verständnis für die neuen Grundsätze der Denkmalpflege besitzt und seine Aufgabe vor allem darin erblickt, Mittel und Wege zu finden, das, was sich uns erhalten hat, auch für die Zukunft zu erhalten, ohne dabei die Originalität und die jetzige Wirkung der Ruinen zu beeinträchtigen. Es ist dies eine aufopferungsvolle Aufgabe, deren Lösung um so besser sein wird, je weniger man von den durchgeführten Arbeiten sehen wird, zugleich aber auch eine höchst schwierige Aufgabe, deren Eigenart eine Durchführung im Rahmen der geläufigen allgemeinen schematischen Sicherungsvorkehrungen ausschließt und geradezu von Stein zu Stein neu und selbständig gelöst werden muß. Die nächste Analogie bieten noch die am Palatin, am forum Romanum und den römischen Thermen durchgeführten Sicherungsarbeiten, die der Projektant unbedingt, sei es als ein nachahmungswertes Beispiel, sei es der Vermeidung der dort begangenen Fehler wegen kennen oder kennen lernen muß. Doch selbst wenn man, was kaum der Fall sein dürfte, alles billigen würde, was an ähnlichen Sicherungsarbeiten in Rom durchgeführt wurde, müßte doch noch das Sicherungsprojekt für den Diokletianischen Palast in mannigfaltiger Beziehung der singulären Beschaffenheit des Denkmales wegen als ein erst zu lösendes Problem betrachtet werden, als ein Problem, welches einen Projektanten erfordert, bei dem man voraussetzen kann, daß er sich mit Liebe und Verständnis um die Lösung bemühen wird. M. Dvoøák
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DER DIOKLETIANISCHE PALAST IN SPALATO (1909)*
A
m 16. und 17. April 1909 fand die fünfte ordentliche Sitzung der Kommission zur Erhaltung, Pflege und Erforschung des Diokletianischen Palastes in Spalato statt. Anwesend waren: Statthalter Exzellenz N. Nardelli, als Vorsitzender; Statthaltereirat Dr. Franz Madirazza, Leiter der Bezirkshauptmannschaft Spalato; Hofrat Professor Dr. Robert Ritter v. Schneider, Direktor des österreichischen archäologischen Instituts; Architekt Professor Georg Niemann; Universitätsprofessor Dr. Max Dvoøák; Regierungsrat Monsignore Franz Buliæ; Advokat Dr. Vinzenz Mihaljeviæ, Bürgermeister von Spalato; Oberingenieur Achilles Savo, Vorstand der Bezirksbauabteilung in Spalato; Ingenieur Kamillo Tonèiæ, Direktor der Gewerbeschule in Spalato, als Delegierter des dalmatinischen Landesausschusses; Oberbaurat Professor Julius Deininger. Seine Exzellenz der Herr Vorsitzende eröffnet die Sitzung und begrüßt die erschienenen Mitglieder auf das herzlichste. Seine Exzellenz gibt bekannt, daß seit der letzten Tagung der Palastkommission das Mitglied Realschuldirektor Dr. Zlendiæ, welcher den Landesausschuß in der Kommission vertrat, gestorben ist; er hebt den patriotischen Pflichteifer hervor, mit dem Dr. Zlendiæ an den Verhandlungen der Kommission Anteil nahm, und bittet die Anwesenden, ihm ein ehrendes Andenken zu bewahren und zum Zeichen der Trauer sich von den Sitzen zu erheben. An Stelle Dr. Zlendiæ delegierte der Landesausschuß den Direktor der Gewerbeschule in Spalato, Ingenieur Kamillo Tonèiæ, in die Palastkommission, den Seine Exzellenz als neues Mitglied begrüßt. Seine Exzellenz teilt ferner mit, daß das Ministerium f. K. u. U. zufolge eines Beschlusses der Palastkommissionssitzung vom Jahre 1908, über Vorschlag der in Wien weilenden Kommissionsmitglieder den technischen Assistenten der Zentralkommission, Dozenten Dr. Karl R. Holey, nach Spalato entsandte, um ein Projekt zur Sicherung der gefährdetsten Teile des Palastes auszuarbeiten. Nachdem dieses Projekt einen der wichtigsten Beratungsgegegenstände der heutigen Tagung bilden soll, war es notwendig, für diesen Punkt der Tagesordnung einen fachmännischen Experten einzuladen; über Vorschlag der Wiener Kommissionsmitglieder wurde hierfür Oberbaurat Professor Julius Deininger bestimmt, welchen Seine Exzellenz wärmstens begrüßt und bittet, sein bewährtes fachmännisches Wissen den zu verhandelnden Fragen zu widmen. Seine Exzellenz hebt hervor, daß in der heutigen Sitzung wichtige Fragen zur Entscheidung gelangen sollen, deren Ausführung, dank der zuvorkommenden Unterstützung des Ministeriums f. K. u. U., welches als diesjährigen Beitrag für Zwecke des Diokletianischen Palastes 25.000 K präliminierte, realisiert werden dürfte,
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Erstabdruck in: Mitteilungen der k. k. Zentralkommission, 3. F., 8, 1909, Sp. 520–538.
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4.7 | DER DIOKLETIANISCHE PALAST
IN
SPALATO (1909)
und gibt der Hoffnung Raum, daß das Ministerium auch für die folgenden Jahre genügende Geldmittel für die Erhaltung des Palastes zur Verfügung stellen wird. Mit den besten Wünschen für einen gedeihlichen Erfolg der diesjährigen Beratungen schreitet der Vorsitzende zur Tagesordnung. Über Antrag des Hofrates v. Schneider wird zunächst der Punkt III derselben in Verhandlung gezogen, nämlich die Beratung über das vom Architekten Dr. K. Holey ausgearbeitete Projekt zur Sicherung einzelner Palastteile. Die Beratungen bedingten jedoch die Vornahme eines Lokalaugenscheines bei den einzelnen Objekten, an dem sich alle Kommissionsmitglieder beteiligten. Über Antrag des Statthaltereirates Dr. Madirazza wird den Beratungen auch der Ingenieur der Bezirksbauabteilung, Architekt J. Presel, zugezogen. Der Lokalaugenschein füllte den ganzen Vormittag aus, wobei auch andere Punkte, welche an der Tagesordnung standen, nach erfolgter Besichtigung der betreffenden Objekte beraten wurden. Am Nachmittage wurde die Sitzung fortgesetzt und zunächst der dritte Punkt der Tagesordnung erledigt, doch sollen hier der Übersichtlichkeit halber die Beratungen und Beschlüsse nach der Reihenfolge der Tagesordnung angeführt werden.
I. MITTEILUNGEN
UND
EINLÄUFE
Referent Monsignore Buliæ bringt folgende Mitteilungen und Einläufe zur Kenntnis: 1. Die mit den Eigentümern des Hauses Nr. 450 an der Rotunde eingeleiteten Verhandlungen führten zu dem Resultate, daß die Eigentümer sich protokollarisch bereit erklärten, das Haus um 6000 K zu verkaufen. Der diesbezügliche Vertragsentwurf wurde von der Finanzprokuratur in Zara überprüft und genehmigt, so daß der Kaufvertrag in den nächsten Tagen abgeschlossen werden dürfte. Ein Ansuchen an die Gemeinde Spalato wegen Beitragsleistung zum Kaufschilling wurde abschlägig beschieden. Wird zur Kenntnis genommen. 2. Die Fortsetzung der teilweise schon begonnenen Grabungen im Hofe des Episkopiums wurde vom bischöflichen Ordinariat in Spalato unter der Bedingung bewilligt, daß a) jeder Schaden, welcher durch diese Grabungen an den Mauern des Episkopiums entstehen könnte, ausgebessert werde; b) daß der Zugang zur Domkirche sowie in das erste Stockwerk des Episkopiums nicht behindert werde und daß die betreffenden Ein- und Ausgänge gut benutzbar bleiben. Auch wünscht das Ordinariat die Vorlage eines Planes, auf welche Weise die Grabungen durchgeführt werden sollen. Wird zur Kenntnis genommen. 3. Eine Entscheidung über den im Jahre 1907 gestellten Antrag, den durch die Abtragung der Häuser Nr. 340, 341 (top. Z. 1750, 1751) an der Rückfront des Baptisteriums entstandenen freien Platz der Gemeinde unentgeltlich zu überlassen, wurde seitens des Ministeriums f. K. u. U. noch nicht getroffen. Die Palastkommission wiederholt ihren Antrag. Sie beschließt über Antrag Professor Dvoøáks, die Nebenmauer am Hause Èerina mit Efeu oder wilden Reben zu verdecken.
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RESTAURIERUNGSFRAGEN | 4.
4. Dem an die Direktion des bischöflichen Seminars in Spalato gestellten Ersuchen um geschenkweise Abtretung der sechs in der Friedhofskapelle stehenden Säulen wurde unter der Bedingung entsprochen, daß diese sechs Säulen durch andere aus Ziegel und Zement ersetzt werden und daß nach Möglichkeit der Kirche ein Almosen gegeben werde. Über Antrag Monsignore Buliæ’ beschließt die Palastkommission einstimmig, der Seminardirektion 200 K zu widmen. Bis zu einer passenden Verwendung der Säulen in einem Palastteile sollen sie an ihrer gegenwärtigen Stelle verbleiben. 5. Im Juli 1908 wurden die Häuser Nr. 101 und 102 (top. Z. 2125, 2127, 2128, 2135, 2134) innerhalb der Palastmauern demoliert, um einen Neubau an dieser Stelle aufzuführen, wozu die Gemeinde die Baubewilligung schon erteilt hatte. Hierbei kam ein alter Bogen zum Vorschein, den der Konservator zu erhalten wünschte. Der Lokalausschuß bat die Gemeinde, ihren Einfluß dahin geltend zu machen, daß an den antiken Mauern nichts gerührt werde, welchem Ansuchen dieselbe nachkam. Weiter beantragte der Lokalausschuß, bei der Gemeinde die Erwerbung dieser Grundparzellen, um diesen Stadtteil einigermaßen zu assanieren, oder, falls dies nicht möglich wäre, die unbedingte Erhaltung des freigelegten Bogens zu veranlassen. Die Gemeinde ist leider mangels finanzieller Mittel nicht in der Lage, diese Parzellen anzukaufen. Dem Hausbesitzer wurde aufgetragen, den bloßgelegten Bogen zu erhalten. Nachdem dieser Bogen ein wichtiges Bauglied des Palastes, der bisher der Erforschung entzogen war, bildet und nachdem es keine rechtliche Handhabe gab, dem Eigentümer die beabsichtigte Niederreißung des Bogens zu verbieten, bewilligte das Ministerium f. K. u. U. einen Betrag von 7500 K zum Ankaufe der Parzelle für den Staat. Der Vertrag wird in den nächsten Tagen abgeschlossen werden. Über Antrag Professor Dvoøáks wird beschlossen, den Bogen vom Schutte zu reinigen und die beiden Gesimsecken desselben durch Stampfbeton zu sichern sowie auf dem freien Platze einen Baum zu pflanzen. Das beim Bogen anzubringende Gitter soll nicht unter 4 m hoch sein. 6. Das Finanzministerium erklärte sich bereit, anläßlich der Neuvermessungen der Stadt Spalato die archäologischen Interessen in jeder Hinsicht zu berücksichtigen und insbesondere die zur Aufnahme der Substruktionen des Palastes erforderlichen Vermessungen anzuordnen. Wird zur Kenntnis genommen. Der Lokalausschuß wird bereitwilligst den mit den Vermessungen betrauten Organen in jeder Hinsicht an die Hand gehen. 7. Die angesuchte Bewilligung zur Vornahme einiger Reparaturen am Hause Nr. 492 im südöstlichen Teile des Palastes wird erteilt und der Lokalausschuß beauftragt, im Einvernehmen mit Professor Niemann die Ausführung zu beaufsichtigen. 8. Ein Bogen in der südlichen Perimetralmauer (beim südöstlichen Eckturme) weist Sprünge auf, wodurch bei Regenwetter die Wände des zweiten Stockwerkes des Hauses Nr. 401 beschädigt werden. Nachdem diese Sprünge durch Oberingenieur Savo und Monsignore Buliæ konstatiert wurden, beschließt die Palastkommission, die Schäden am Bogen zu beheben und die Ausführung dem Lokalausschusse zu überweisen.
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SPALATO (1909)
9. Die Gemeinde Spalato ersuchte um Äußerung betreffend die Vermietung des links von der Porta aurea befindlichen Grundes für ein Holzmagazin an die Filiale Spalato der Laibacher Kreditbank, welche einen jährlichen Zins von 1000 K anbot. Da fast zu gleicher Zeit die Anweisung des von der Palastkommission beschlossenen Beitrages von 5000 K seitens des Staates an die Gemeinde für den Abkauf dieses Grundes erfolgte, stellte der Lokalausschuß vor Auszahlung dieses Beitrages die Bedingung, daß die Gemeinde sich verpflichte, diesen Grund keinesfalls für Bauzwecke zu verwenden, sondern als Kindergarten zu adaptieren. Die Gemeinde erklärte, diese Bedingung um so weniger akzeptieren zu können, als die Vermietung bereits erfolgt sei; der Mietvertrag laute übrigens nur auf ein Jahr und werde später nur von Monat zu Monat verlängert. Über Antrag Hofrat von Schneiders beschließt die Palastkommission einstimmig, das Fait accompli der Gemeinde zur Kenntnis zu nehmen unter der Voraussetzung, daß die Gemeinde – den Wünschen der Palastkommission entsprechend – den Grund zum Garten ausbauen wird. Gleichzeitig beschloß die Palastkommission, das Gesuch um Aufführung einer Verkleidungsmauer längs des obigen Grundes zur Verhinderung des Durchsickerns des Wassers in die Kellergeschosse eines Hauses an der nördlichen Umfassungsmauer des Palastes mit obigem Votum der Gemeinde abzutreten. 10. Dem Gesuche des Dominikanerinnenhospizes in Spalato, ein Fenster in der modernen Aufmauerung im Atrium der Porta aurea öffnen zu dürfen, beschließt die Palastkommission unter der Bedingung stattzugeben, daß das Hospiz für den beabsichtigten Abkauf der Terrasse an der Porta aurea einen billigen Preis stellt. II. BERICHT
ÜBER DIE AUSGEFÜHRTEN
ARBEITEN
UND DER HIERFÜR AUSGEGEBENEN
BETRÄGE
Oberingenieur Savo berichtet über die Restaurierungsarbeiten, die im Sinne der in der vorjährigen Kommissionssitzung gefaßten Beschlüsse durchgeführt wurden: 1. Am östlichen Peristylflügel Nach Reinigung und Auswaschung der Zwischenräume der einzelnen Quadern wurden die Fugen von außen verbrämt und die vorhandenen leeren Stellen mit einer Mischung von Portlandzement und Pulver desselben Kalksteines (meistens aus Splitska und teilweise aus Curzolanerstein) vollkommen ausgefüllt. Damit nirgends Durchsickerungen stattfinden, wurden außerdem die schmalen Fugen mit Zementguß vollgefüllt. Da sich aus Stabilitätsrücksichten die Notwendigkeit herausstellte, auch die Restaurierung des nördlichen Abschlußpilasters der Arkade vorzunehmen, wurde auch dieser Teil samt den anstoßenden Bogen nach teilweiser Abtragung des Gebälkes hergestellt. Besonders schwierig gestaltete sich die Restaurierung der letzten Arkadensäule. Die Meinungen verschiedener Staatstechniker gingen dahin, daß, falls bei einer vorzunehmenden Probebohrung die Gebrechen bis zum Kern des Schaftes reichen würden, die Abtragung der Säule und die Anbringung eines neuen Schaftes notwendig wäre. Nach Abmeißelung der faulen Stellen stellte es sich he-
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RESTAURIERUNGSFRAGEN | 4.
raus, daß die Schäden, obwohl zum Teil bis zum Kern reichend, durch Anstückeltung und Verbolzung gut gemacht werden könnten. Monsignore Buliæ stellte zu diesem Zwecke bereitwillig einen 2 m langen Säulenschaft aus Cipolinomarmor, welcher vor Jahren in Salona angekauft wurde, zur Verfügung, der, entzweigesägt, die zur Restaurierung nötigen Stücke, welche mit Kupferbolzen und Ringen befestigt wurden, lieferte. Hierdurch wurde nicht nur diese Säule mit dem gleichen Steinmaterial angestückelt, sondern es gelangten sämtliche alten Steinstücke zur Wiederverwendung und nur an den Postamenten der Säulen wurden neue Anstückelungen vorgenommen. Oberingenieur Savo legt sowohl Nachausmaße vor, in denen die einzelnen Arbeiten detailliert beschrieben sind, sowie Skizzen und Photographien, aus denen man den jeweiligen Stand der Arbeiten entnehmen kann. Die Gesamtauslagen für die gänzliche Restaurierung des östlichen Peristylflügels beliefen sich auf 4405,91 K. 2. Restaurierungen am Baptisterium Nach Aufstellung eines eigenen Gerüstes an der Rückfront des Baptisteriums wurde sowohl der anhaftende Verputz am Giebel als auch das getünchte Gesimse sorgfältigst gereinigt. Bei einer hierbei unternommenen näheren Besichtigung der Überwölbung stellte es sich heraus, daß das Regenwasser an manchen Stellen durch die Wölbung in das Innere des Baptisteriums floß und die Decke beschädigte, was unbedingt verhindert werden mußte. Die Gewölbdicke beträgt 60 cm. Die neun Querfugen des Gewölbes hatten an der oberen Laibung 15–22 cm, am Intradox 1– 2 cm breite Öffnungen. Nach Reinigung und Entfernung des daran haftenden Weißkalkmörtels wurden die Öffnungen mit Zement ausgegossen und an der unteren Laibung mit Eisen verbrämt. Dieselbe Arbeit vollführte man an den vorderen und an den seitwärtigen Gesimsstücken. Die Gesamtauslagen betrugen 600,62 K. 3. Restaurierungen im Peripteron Zunächst wurde die Auswechslung des gebrochenen Architravstückes an der Nordseite des Peripterons und die Abtragung der zwischen den Säulen errichteten Mauern vorgenommen. Für das neue Architravstück, welches 3,49 m lang, 81 cm breit und 80 cm hoch ist und zirka sechs Tonnen wiegt, wurde Kalkstein aus den besten Brüchen in Puèišèe auf der Insel Brazza verwendet. Nach der Aufstellung des neuen Architravstückes schritt man zur Ausbesserung der Säule, nachdem der in der vorjährigen Sitzung gefaßte Beschluß, dieselbe auszuwechseln, sich nicht als notwendig erwies. Die Basis derselben wurde angestückelt und mit dem Profile der bestehenden Basen versehen. Gleichzeitig wurde die Restaurierung des Sockels des Mausoleums und des den Abschluß desselben bildenden reichen Gesimses in Angriff genommen. Während die Restaurierung der nordöstlichen Seite des Sockels zu Ende geführt wurde, ist jene am nordwestlichen Teile noch im Gange. Die bis Ostersonntag, den 11. April 1909, verausgabte Summe beträgt 1453,82 K.
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SPALATO (1909)
4. Sonstige Ausgaben a) Für Post und Telegraphenauslagen, Räumung des Schuttes vom Domplatze, Spende an den Verein Charitas in Spalato anstatt eines Kranzes an der Bahre des verstorbenen Kommissionsmitgliedes Dr. A. Zlendiæ, zusammen 77,97 K. b) Für die Lieferung und Aufstellung zweier Eisentüren von 1,99/0,66 m Lichtweite für die beiderseitigen Zugänge zum Kampanile; ferner für eine kleine Eisentür, welche den Zugang unterhalb der Haupttreppe schließt, und für die Gittertür zum Abschluß des Ganges zur Krypta des Mausoleums zusammen 270 K. Die Gebarung der verfügbaren Kredite stellt sich wie folgt: Die Gesamtausgaben betrugen K 7907,32 Vom vorjährigen Reste aus der Dotation vom Jahre 1904 per 2503,65 wurden verausgabt 2501,35 Diese Dotation ist somit mit dem nicht mehr zur Verausgabung gelangten Restbetrags von K 2,30 gänzlich erschöpft. Von der Dotation aus den Jahren 1905, 1906 und 1907 per K 18.000,00 wurden verausgabt 5405,97 Es verbleibt somit ein Rest von 12.594,03 für die Ausführung fernerer Arbeiten. Professor Niemann beglückwünscht den Lokalausschuß zur gewissenhaften und den Intentionen und Wünschen der Kommission entsprechenden Ausführung der Arbeiten und beantragt, daß dem Oberingenieur Savo für die unermüdliche und uneigennützige Leitung und Beaufsichtigung der Dank der Palastkommission schriftlich bekanntgegeben werde. Der Bericht des Oberingenieurs Savo wird genehmigend zur Kenntnis genommen und der Antrag Professor Niemanns einstimmig angenommen.
III. BERICHT ÜBER DIE VOM ARCHITEKTEN DR. HOLEY AUSGEARBEITETEN PROJEKTE ZUR KONSERVIERUNG EINZELNER TEILE DES PALASTES Oberbaurat Deininger gibt bekannt, daß Architekt Dr. Holey an Ort und Stelle die am meisten gefährdeten Palastteile besichtigt hat und sich dann nach Rom begab, um dort die Restaurierungen an den antiken Denkmälern zu studieren und die hierbei gemachten Erfahrungen auch für Spalato in Anwendung zu bringen. Holey hat fünf Bauteile des Palastes untersucht und für deren Erhaltung Projekte ausgearbeitet; die betreffenden Pläne und Kostenvoranschlage werden den Kommissionsmitgliedern zur Einsicht vorgelegt. Die Projekte beziehen sich auf folgende Palastteile: 1. Die Rotunde (Fig. 132, 133, 134), 2. die Säulen vor dem Eingange zum Mausoleum, 3. das Osttor, 4. das Baptisterium und 5. die Porta aurea. Ad 1. Die Sicherungsmaßnahmen bei der Rotunde erstrecken sich a) auf die Sicherung der einsturzgefährlichen Reste des Kuppelgewölbes, b) auf die Sicherung des Mauerwerkes.
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Ad a) Die Sicherung der einsturzgefährlichen Reste des Kuppelgewölbes erfolgt durch eine Schwedlerkuppelkonstruktion, deren Konstruktionsteile entweder aus Eisen oder aus Bronze ausgeführt werden können. Im Innern der Kuppel werden Ringe in Eisen oder Bronze angebracht, von denen der unterste, der sogenannte Mauerring, in entsprechend sicherer Weise aufgelagert beziehungsweise mit dem Mauerwerke verbunden wird, während die übrigen Ringe durch Schließen und Anker in festen Zusammenhang mit dem Mauerwerk gebracht werden. Die einzelnen Ringe werden miteinander durch meridional gelegte eiserne oder bronzene Sparrenstäbe verbunden. Durch diese Konstruktion wird ein Rost hergestellt, der die Last des Kuppelgewölbes zu tragen hat. Die Kosten der Eisenkonstruktion betragen 42.976 K, die Konstruktion in Bronze 59.550 K. Ad b) Zur Sicherung des Mauerwerkes sind einzelne Ausmauerungen in Stampfbeton vorgesehen, ferner Verfugungen und Verzwickungen, Anbringen von Schließen und Bronzeklammern, Abdecken der Oberflächen bei Belassung aller Unregelmäßigkeiten in Portlandzement und Asphalt und darüber Pflanzenwuchs, Sicherung des Quadermauerwerkes der nördlichen Eingangswand, Herstellen des linken Daches und des Glockentürmchens. Summe inklusive Gerüstung 18.089 K. Das Gesamterfordernis beziffert sich für die Restaurierung der Rotunde in Eisen auf 61.065 K, in Bronze 77.639 K. Nachdem Hofrat v. Schneider und Professor Dvoøák sich für das Projekt Holeys ausgesprochen haben, welches die Tendenz hat, das zu erhalten, was vorhanden ist und nicht zu verfälschen, beschließt die Palastkommission, die Restaurierung der Rotunde nach dem Projekte Holeys in Bronze ausführen zu lassen mit der Modifizierung, daß die Maschen breiter gehalten werden sollen. Ad 2. Oberbaurat Deininger stellt den Antrag, an entsprechender Stelle, etwa im ersten Drittel von der letzten Säule, je eine Stütze aus armiertem Beton mit rechteckigem Grundrisse in der Dicke der Architravbreite und in der Breite von höchstens 10– 15 cm anzubringen. Erfordernis zirka 1400 K. Wird einstimmig angenommen. Ad 3. Oberbaurat Deininger beantragt, entsprechend dem Projekte Holeys, an der rechten Seite der äußeren Mauer einen Stützpfeiler aus Stampfbeton anzubringen, die offenen Fugen zu vergießen und die antiken Quadern mit Bronzeklammern zu verbinden. Kosten zirka 5790 K. Professor Niemann beantragt, den mittelalterlichen Bogen abzutragen. Die Anträge Deininger und Niemann werden zum Beschluß erhoben mit der Anordnung, daß nach Aufstellung des Gerüstes genau untersucht werde, was technisch durchführbar ist. Ad 4. Das Projekt Holeys geht dahin, die Westwand zu reinigen. Zur Ausführung dieser Arbeit ist die Herstellung eines Stangengerüstes und das Abscheeren der Mauerflächen geplant. Kosten zirka 176–200 K. Wird einstimmig angenommen. Ad 5. Die Ziegelaufmauerung und die Balustrade an der Porta aurea (Fig. 135) sollen entfernt und genau in derselben Höhe wie bei der anschließenden Mauer,
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SPALATO (1909)
ohne alle Durchbrechungen, in Stampfbeton wieder hergestellt und mit einem Asphaltanstrich abgedeckt werden. in den unteren Geschossen ist das Quadermauerwerk durch Bronzeklammern zu sichern. Kostenaufwand 2986 K. Professor Niemann bemerkt, daß an der Porta aurea die technischen Bedenken noch schwerwiegender sind als die ästhetischen und daß bei einem Ersatze der Ziegelmauer durch Stampfbeton die technischen Bedenken nicht nur nicht beseitigt würden, sondern die Kommission in diesem Falle eine Verantwortung übernehmen wurde, während für die Aufführung des jetzt bestehenden Ziegelaufbaues die Kommission keine Schuld treffen kann, da derselbe vor ihrer Einsetzung ausgeführt wurde. Für die Erhaltung des Denkmales wäre es das beste, die Ziegelmauer ebenso wie das dahinter befindliche Tonnengewölbe abzutragen und für den Fall, daß die Eigentumsverhältnisse solches durchaus erfordern, die Terrasse neu zu konstruieren, wobei die Aufmauerung unbedingt zurückzusetzen wäre, andernfalls aber wäre die Terrasse einfach abzutragen und die Postamente freizulegen. Die Palastkommission beschließt, den Lokalausschuß zu beauftragen, mit dem Dominikanerinnenhospize zwecks Abkaufes der Terrasse Verhandlungen einzuleiten. Das Gesamterfordernis für die Ausführung der Projekte Holeys würde somit 87.955 K betragen, und zwar: I. Für die Rotunde, Kuppelkonstruktion in Bronze K 77,639,00 II. Für die Säulen beim Eingange ins Mausoleum 1400,00 III. Für das Osttor (Porta argentea) 5790,00 IV. Für das Baptisterium 200,00 V. Für die Porta aurea 2926,00 Nachdem der Palastkommission für die Ausführung dieser Projekte nicht genügende Mittel zur Verfügung stehen, beschließt sie einstimmig, die Herren Hofrat v. Schneider und Professor Dvoøák zu ermächtigen, daß sie im Namen der Institute, welche sie in der Palastkommission vertreten, an das Ministerium f. K. u. U. eine Eingabe richten, in der für die Ausführung eigene Kredite beansprucht werden.
IV. REGULIERUNG
DES
DOMPLATZES
(Beleuchtungsfrage und Belassung der gegenwärtigen Stiegenanlage zum Vestibul) Da nach Entfernung der Bauhütte vom Domplatze (Fig. 136) für eine entsprechende Beleuchtung desselben gesorgt werden mußte, stellte die Gemeinde zwei Gasflammen bei der Treppe auf, welche zum Vestibul führt, doch entsprechen weder die Kandelaber dem Charakter des Platzes, noch wird dieser genügend beleuchtet. Über Antrag Hofrat v. Schneiders beschließt die Palastkommission, die Beleuchtungsfrage von der Tagesordnung abzusetzen und erst nach der Einführung der elektrischen Beleuchtung, welche nach der Erklärung des Bürgermeisters Dr. Mihaljeviæ innerhalb drei Jahren erfolgen soll, über die Bogenlampen einen Beschluß zu fassen. Doch soll an die Gemeinde das Ansuchen gestellt werden, die beiden Kan-
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delaber bei der Treppe zum Vestibul durch stilgerechtere zu ersetzen und die bestehenden Gasflammen noch durch je eine Flamme. zu verstärken. Betreffs der Stiegenanlage zum Vestibul beschließt die Palastkommission, dieselbe in ihrem gegenwärtigen Zustande zu belassen, am so mehr, als sie auch aus Verkehrsrücksichten nötig ist. Betreffs der Balustrade vor dem Eingange zum Vestibul wird beschlossen, die fehlenden Baluster mit neuen, nach dem Muster der bestehenden zu ergänzen und die Balustrade an der östlichen Seite ebenso abzuschließen wie an der westlichen. Bürgermeister Mihaljeviæ bittet um eine Subvention für die Pflasterung des Domplatzes, welche zirka 16.000 K kosten wird. Monsignore Buliæ bemerkt, daß das jetzige Pflaster aus dem Jahre 1764 stammt, daß es aber hauptsächlich infolge der Restaurierungsarbeiten am Dome und Campanile, welche drei Dezennien währten, zerstört wurde, und beantragt, mit Rücksicht hierauf der Gemeinde eine Unterstützung von 5000 K zu gewähren. Dieser Antrag wird einstimmig angenommen und die Kommission beschließt, den Betrag von 5000 K aus den zur Verfügung stehenden Krediten der Palastkommission der Gemeinde anzuweisen unter der Voraussetzung, daß die neuen Pflasterplatten dieselbe Größe haben und aus demselben Materiale sein werden wie die alten. Mit den alten Pflastersteinen soll die ulica Grota – vom Domplatze zum Südtür – ausgebessert werden. Monsignore Buliæ teilt mit, daß Kaufmann Josef Morpurgo sich im September 1894 protokollarisch verpflichtete, daß er durch sein damals errichtetes Auslagefenster am Domplatze nicht nur nicht die antiken Mauern beschädigen will, sondern sogar den Auslagekasten entfernen wird, sobald es der Konservator oder dessen vorgesetzte Behörde verlangen. Der Lokalausschuß hat nun sowohl von J. Morpurgo als auch viermal von der Gemeinde die Entfernung dieses Auslagekastens erfolglos verlangt, weil derselbe, den ganzen Eindruck stört, welchen das Peristyl auf den Beschauer ausübt. Über Antrag Monsignore Buliæ’ beschließt die Kommission, von der Gemeinde neuerdings die Entfernung dieses Auslagekastens zu verlangen, wie auch die Entfernung aller sonstiger Auslagekästen und Firmenschilder, welche die antiken Mauern bedecken.
V. REGELUNG
DER
NORDPARTIE
DES
MAUSOLEUMS
UND
FRAGE
DES
EPISKOPIUMS
An der Nordpartie des Mausoleums beschließt die Palastkommission vorderhand keine Ausbesserungen vorzunehmen, da kein zwingender Grund hiefür besteht. Bezüglich der St. Domniuskapelle, welche an das Mausoleum angebaut ist, wird Oberingenieur Savo die Mauer untersuchen, um festzustellen, ob man nicht die Hälfte derselben entfernen könnte, damit die jetzt verbauten Säulen freigelegt würden. Se. Exzellenz der Herr Vorsitzende gibt bekannt, daß eine Deputation des Ingenieur- und Architektenvereines von Dalmatien bei ihm erschienen sei und ihm ein Memorandum überreicht habe, in welchem die Demolierung des Episkopiums ge-
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SPALATO (1909)
wünscht wird, um die Domkirche freizulegen. Auch eine Anzahl von Ärzten in Spalato habe eine Eingabe an ihn gerichtet, in welcher auf die große Sterblichkeit innerhalb des Palastes hingewiesen und die Erwartung ausgesprochen wird, daß die Demolierung des Episkopiums auch aus hygienischen Rücksichten beschlossen werden müßte. Hofrat von Schneider präzisiert den Standpunkt der Wiener Mitglieder der Palastkommission in dieser Frage und hebt hervor, daß das Oktogon immer in einem Hofe eingeschlossen war und auch die Architektur des Episkopiums im wesentlichen die alten Linien des Palastgrundrisses konservierte. Das Episkopium bilde mit der Rochuskapelle einen eng zusammenhängenden Gebäudekomplex, welcher seit Jahrhunderten besteht und mit dem Stadtbilde Spalato eng verwachsen ist. Was mit «Freilegungen» im Laufe der Zeiten für Schaden angerichtet wurde, das fängt man an anderen Orten einzusehen und zu bedauern an und er muß daher warnen, auch in Spalato die gleichen Fehler zu machen, für die es nach den gemachten Erfahrungen keine Entschuldigung gebe. Was die hygienischen Gründe anbelangt, muß ihnen Hofrat von Schneider, insoferne sich dieselben auf das Episkopium beziehen, entschieden entgegentreten, denn gerade dieser Teil des Palastes sei der gesündeste und luftigste. Die Ärzte hätten weit mehr Grund, für die Entfernung der Kloaken, welche in den Substruktionen im südlichen Teile des Palastes angehäuft sind, einzutreten. Die Wiener Mitglieder der Palastkommission können somit das künstlerische Moment, welches für die Erhaltung des Episkopiums spricht, nicht preisgeben. Für sie bedeuten folgende drei Momente für die Ausgestaltung der Umgebung des Domes die condicio sine qua non: 1. Die Erhaltung der jetzigen Geschlossenheit des Platzes (also keine Freilegung); 2. die Erhaltung des Hauptgebäudes nach der Straßenseite zu; 3. die Erhaltung der Rochuskapelle. Gegen die Umgestaltung des Gebäudes, welches sich zwischen der Rochuskapelle und dem Episkopium befindet, wie auch des östlichen Traktes und der Südfassade derselben in einer würdigeren Form als der heutigen werden die Wiener Mitglieder nicht nur nichts einwenden, sondern diese Ausgestaltung im Gegenteil begrüßen, mit der auch eine Anbringung von hallenförmigen Durchlässen zur Erleichterung der Passage verbunden werden könnte. Bürgermeister Dr. Mihaljeviæ bedauert, daß diese Frage aus dem künstlerisch-wissenschaftlichen Geleise herausgetreten ist und in der letzten Zeit verallgemeint wird. Als Bürgermeister würde er wünschen, die verschiedenen Meinungen in Konsonanz zu bringen, welche sich erzielen ließe durch den Abbruch der Mauer zwischen der Rochuskapelle und dem Episkopium. In erster Linie müsse er aber die Demolierung des Episkopiums beantragen; sollte jedoch die Majorität sich für, die Erhaltung desselben aussprechen, werde er sich diesem Beschlusse subordinieren. Se. Exzellenz der Herr Vorsitzende bringt zunächst den Antrag des Herrn Bürgermeisters, als den weitestgehenden, zur Abstimmung, welcher abgelehnt wird. Hierauf wird der Antrag des Hofrates von Schneider, demgemäß der Haupttrakt des
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Episkopiums, die Rochuskapelle und der geschlossene Charakter des Platzes zu erhalten ist, angenommen. Es wurden sodann verschiedene Modalitäten aber die Ausgestaltung des Platzes unter den genannten Voraussetzungen besprochen. Ing. Tonèiæ spricht den Wunsch aus, den östlichen Seitentrakt des Episkopiums zu beseitigen, wodurch der geschlossene Charakter des Platzes nicht tangiert wird. Konserv. Buliæ bemerkt, daß er schon in der Kommissionssitzung vom Jahre 1907 den Antrag auf Demolierung des verunstalteten östlichen Traktes des Episkopiums stellte, sein Antrag aber auf Widersprüche stieß, und schließt sich deshalb den Wünschen des Ing. Tonèiæ an. Prof. Dvoøák beantragt, nach der Feststellung der Hauptprinzipien für die Ausgestaltung des Domplatzes nicht über die Details akademisch zu debattieren, sondern Prof. Niemann zu bitten, bis zur nächsten Sitzung ein konkretes Projekt für diese Ausgestaltung zu entwerfen, wobei er in einer eventuellen Variante auch den Wunsch des Ingenieurs Tonèiæ in Betracht zu ziehen hätte. Auch dieser Antrag wurde einstimmig angenommen und Prof. Niemann erklärte sich bereit, dem Wunsche der Kommission nachzukommen. Über Antrag Sr. Exzellenz wird der Lokalausschuß beauftragt, mit dem hochw. Bischof von Spalato auch die Eigentumsfrage des Episkopiums zu regeln. VI. RESTAURIERUNG
DER SÜDLICHEN
LETZTEREN SOWIE
AUFSTELLUNG
SÄULENHALLE
DES
PERIPTERONS, PFLASTERUNG DES SARKOPHAGE IM SELBEN
DER MITTELALTERLICHEN
Die Palastkommission beschließt einstimmig: a) Das Gesimsstück am Crepidoma des Mausoleums, welches an die südliche Ecke des Campanile anstößt und einen Winkel bildet, ist, da es zersetzt ist und aus Stabilitätsrücksichten ausgewechselt werden muß, durch ein neues ohne Profilierungen zu ersetzen. b) Die Säulen und Säulenbasen im Peripteron, deren Stabilität gefährdet ist, sind zu ergänzen, respektive die Sockel anzustückeln und mit dem Profile der bestehenden Basen und Sockel zu versehen. c) Die Pflasterung des Peripterons soll in der Art vorgenommen werden, wie es schon vor dem Domportale geschehen ist, unter sorgfältigster Schonung der alten Steine. d) Die mittelalterlichen Sarkophage, welche im Peripteron stehen, sollen als Brüstungen im Interkolumnium des Peripterons aufgestellt werden. e) Der große Quaderstein an der nordwestlichen Seite des Crepidoma des Mausoleums, dessen Vorderfläche locker ist und zurücksteht, ist nicht auszuwechseln, sondern es sollen nur die Fugen mit Zement ausgegossen werden. Ebenso ist der Gesimsblock der obersten Schichte, neben der zweiten Säule von links, zu belassen. Stücke des alten Gesimses, welche bei der Räumung des Platzes nördlich vom Mausoleum gefunden werden könnten, sind bei der Ergänzung des Gesimses zu verwenden.
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4.7 | DER DIOKLETIANISCHE PALAST
VII. ENTSCHEIDUNG
ÜBER DIE
IN
SPALATO (1909)
VERMIETUNG
DER
ST.-ROCHUSKAPELLE
Nachdem Oberingenieur Savo erklärt, daß er bei Fortsetzung der Arbeiten um das Mausoleum diese Kapelle unbedingt zur Unterbringung der Materialien und Werkzeuge benötigt, werden die zwei eingelangten Gesuche um Vermietung der Kapelle einstimmig abgelehnt. VIII. EVENTUALIA Monsignore Buliæ stellt den Antrag, die Entfernung der bei der Porta aurea und beim Osttore aufgestellten Pissoirs zu verlangen. Wird einstimmig angenommen. Über Antrag Prof. Niemanns beschließt die Palastkommission, nach Abtragung des Hauses Nr. 450 an der östlichen Seite der Rotunde auch die Verbindungsmauer zum Nebenhause abzureißen und den ganzen Platz südlich vom Dome und Campanile auszuräumen. Die künftige Gestaltung dieses Platzes soll einem weiteren Beschlusse der Palastkommission vorbehalten werden. Oberingenieur Savo beantragt, die unvollständige Brüstung der Terrasse, welche den Campanile mit dem Mausoleum verbindet, durch Anbau an den Campanile abzuschließen und hiezu die vorhandenen antiken Steine zu verwenden; eventuell noch fehlende Steine wären durch einfache Quadern zu ersetzen. Wird einstimmig zum Beschluß erhoben. Die Palastkommission beschließt, in der Zeit vom 1.–20. Oktober dieses Jahres wieder zur Tagung zusammenzutreten. Nachdem kein weiterer Antrag vorlag, konstatiert Se. Exzellenz der Vorsitzende das Ende der Beratungen und gibt seiner Freude Ausdruck, daß alle Punkte der Tagesordnung und fast alle Beschlüsse mit Stimmeneinhelligkeit erledigt wurden. Er dankt allen Kommissionsmitgliedern für die eifrige Teilnahme an den Beratungen und besonders den Wiener Mitgliedern, welche die weite Reise nicht gescheut haben und ihr reiches Wissen und ihre Erfahrungen bei den Verhandlungen bekundeten, und bittet alle, auch fürderhin sich mit demselben Interesse den Aufgaben der Palastkommission zu widmen. Hofrat von Schneider dankt im Namen der Kommissionsmitglieder Sr. Exzellenz dem Vorsitzenden für die persönliche Teilnahme an den Sitzungen und die wohlwollende und einsichtige Leitung der Verhandlungen; er spricht auch dem Bürgermeister Mihaljeviæ den Dank für die erwiesene Gastfreundschaft aus sowie dem Lokalausschusse für die Vorarbeiten und bittet, die Versicherungen der Wiener Kommissionsmitglieder entgegenzunehmen, stets bereit zu sein, an der Pflege und Konservierung dieses hochbedeutenden Denkmales mitzuarbeiten.
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DER DIOKLETIANISCHE PALAST IN SPALATO (1913)* (Auszug aus dem Protokolle der am 2. Oktober 1912 unter dem Vorsitze des Herrn Statthalters abgehaltenen ordentlichen Sitzung der Kommission zur Erhaltung, Pflege und Erforschung des Diokletianischen Palastes in Spalato) Nach einem Rundgange im Palaste, wobei besonders die im Zuge befindlichen Arbeiten an der Rotunde (Vestibulum) besichtigt wurden, eröffnet der Herr Vorsitzende die Sitzung, indem er zunächst die Personalveränderungen im Gremium der Kommission bekanntgibt und folgendes ausführt: Durch die Gnade Seiner Majestät zum Statthalter dieses Landes ernannt, übernahm ich auch den Vorsitz in der Palastkommission, und ich glaube nicht erst die Versicherung geben zu müssen, daß ich die Bestrebungen der Palastkommission tatkräftigst unterstützen und daß ich dem Diokletianischen Palaste stets jenes Augenmerk zuwenden werde, dessen dieses klassische Denkmal unter meinem hochverehrten Vorgänger, Exzellenz Baron Nardelli, sich immer erfreute. – Auch im Vorsitze des Lokalausschusses ist ein Personenwechsel eingetreten, indem an Stelle des gewesenen Leiters der Bezirkshauptmannschaft, Herrn Statthaltereirates Dr. Franz Madirizza, den Vorsitz der neue Leiter des Bezirkes, Herr Statthaltereirat von Szilva, übernahm. An Stelle des als Baurat zur Statthalterei einberufenen Mitgliedes der Palastkommission Herrn A. Savo ist der Leiter der Bezirksbauabteilung Herr Oberingenieur Musaniæ als neues Mitglied in die Palastkommission eingetreten. Indem ich den ausgeschiedenen Mitgliedern an dieser Stelle den Dank und die Anerkennung für ihre uneigennützige und aufopfernde Tätigkeit im Namen der Kommission ausspreche, möchte ich gleichzeitig meinem Wunsche Ausdruck verleihen, daß auch die neuen Mitglieder, Herr Statthaltereirat von Szilva und Herr Oberingenieur Musaniæ, gleich ihren Vorgängern ihre bewährte Kraft und fachliche Sachkenntnis in den Dienst der Palastkommission stellen werden. Einen überaus schmerzlichen Verlust erlitt die Palastkommission durch den Tod des Hofrates Prof. Georg Niemann. Schon im Jahre 1873 hielt sich Niemann auf der Rückkehr von einer wissenschaftlichen Expedition nach Samothrake mit Benndorf und Conze in Spalato auf, um einen Plan für die Restaurierung unserer antiken Denkmäler auszuarbeiten und dem Ministerium f. K. u. U. vorzulegen. Was aber für die Palastkommission Niemann bedeutet, dafür ist der beste Beweis sein im Jahre 1910 herausgegebenes Werk: «Der Palast Kaiser Diokletians in Spalato». Durch diese
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Erstabdruck in: Mitteilungen der k. k. Zentralkommission, 3. F., 12, 1913, S. 25–32.
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4.8 | DER DIOKLETIANISCHE PALAST
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SPALATO (1913)
Arbeit hat sich Hofrat Niemann unvergängliche Verdienste um die Bestrebungen der Palastkommission erworben und in seinem Werke spiegelt sich die gründliche Sachkenntnis und der unermüdliche Eifer ab, den er aufwendete, um ein getreues Bild des Bestandes der Palastreste zu geben. Mit gleichem Eifer widmete er sich auch den Beratungen in den Sitzungen der Palastkommission, welcher er seit ihrem Bestehen angehörte und in welcher er in architektonischen Fragen der maßgebendste Vertreter war. – Einen zweiten Verlust erlitten wir durch den Tod des Bürgermeisters Dr. Mihaljeviæ. Als Spalatinerkind, innerhalb der Palastmauern geboren, war ihm unser Denkmal ans Herz gewachsen und als erster Bürger seiner Vaterstadt kam er den Bestrebungen der Palastkommission, soweit es von ihm abhing, bei jeder Gelegenheit entgegen. Sie haben sich, meine Herren, zum Zeichen der Ehrung von den Sitzen schon erhoben und hiedurch bewiesen, daß den beiden Verstorbenen ein treues, bleibendes Andenken in der Palastkommission bewahrt sein wird. An Stelle Hofrat Niemanns tritt Herr Oberbaurat Deininger als Mitglied in die Palastkommission, welcher schon früheren Sitzungen als Experte beiwohnte und sein Wissen und Können auch als ordentliches Mitglied unseren Beratungen widmen wird. Außer dem Niemannschen Werke, welches durch die Fürsorge der Direktion des österreichischen archäologischen Institutes eine prächtige Ausstattung und gediegene Ausführung des illustrativen und typographischen Teiles erfuhr, erschien im laufenden Jahr ein zweites Werk über den Palast, nämlich jenes des französischen Architekten Hébrard. Die beiden Werke ergänzen sich gegenseitig: das Niemannsche Werk hebt vornehmlich den gegenwärtigen Bestand der Palastreste hervor und bietet besonders dem Architekten illustrativ und textlich eine genaue Darstellung der Bauweise und der Anlage des Palastes sowie verschiedene Rekonstruktionen; das Hébrardsche Werk dagegen, welches nach einem mit Msgr. Buliæ vereinbarten Kompromiß erst nach der Herausgabe der Niemannschen Arbeit erscheinen dürfte, um dieser offiziellen österreichischen Publikation den Vorrang zu geben, enthält auf Grund der vorhandenen Reste Rekonstruktionen und behandelt textlich den Palast hauptsächlich von der geschichtlichen und kunsthistorischen Seite. Es steht außer Zweifel, daß durch die Publikation dieser beiden Werke das unserer Obhut anvertraute Denkmal eine noch größere Bedeutung erlangte und den wissenschaftlichen Kreisen allgemein zugänglich gemacht wurde. Schließlich erwähne ich noch, daß bei der vorjährigen archäologischen Ausstellung in Rom ein Modell des ganzen Palastes nach den Hébrardschen Entwürfen und ein in größerem Maßstabe gehaltenes Modell des Mausoleums und des Peristyls nach den Niemannschen Entwürfen ausgestellt wurde. Vom letzteren Modell ist je ein Exemplar im Gipsmuseum der Akademie der bildenden Künste in Wien und im Archäologischen Museum in Spalato aufgestellt worden. Und nun schreiten wir zur Beratung der auf der Tagesordnung stehenden Gegenstände. Möge auch die heurige Sitzung einen weiteren Erfolg in der Pflege und Erhaltung des Diokletianischen Palastes bedeuten und dazu beitragen, daß der Palast nicht nur in unserem Kronlande, sondern auch innerhalb und außerhalb der Grenzen unseres Vaterlandes als Vorbild für die Denkmalpflege und den Heimatschutz diene.
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Punkt I. Tätigkeitsbericht des Lokalausschusses seit der letzten Tagung Msgr. Buliæ referiert: 1. Im Jahre 1911/12 wurde durch die Organe der Generaldirektion des Grundsteuerkatasters die Vermessung des Palastes vorgenommen und werden jetzt die betreffenden Pläne ausgearbeitet. Eine besondere Aufmerksamkeit wurde bei der Vermessung den Substruktionen im Palaste gewidmet und in der südwestlichen Ecke des Palastes neue Räume aufgedeckt, wodurch die Aufnahmen Niemanns und Hébrards einige Ergänzungen erfuhren. Obergeometer Morpurgo, welcher mit diesen Arbeiten betraut war, konstatierte ebenfalls den schlechten Zustand verschiedener Pfeiler und Gewölbe, welche eine Einsturzgefahr für die über den Substruktionen aufgebauten Häuser bilden. In Ausführung des in der letzten Kommissionssitzung gefaßten Beschlusses hatte sich der Lokalausschuß im Wege der Statthalterei an das Ministerium f. K. u. U. gewendet und die Einberufung einer Kommission zwecks Ausarbeitung eines Projektes zur Evakuierung der Substruktionen und Sicherung der schadhaften Teile vorgeschlagen. Auf Vorschlag des Vorsitzenden beschließt die Palastkommission, diese Angelegenheit zu urgieren. 2. Bei der Begehung des Palastes zum Zwecke der Vermessung wurde auch die Eigentumsfrage an den Palastmauern berührt, wobei viele Hausbesitzer das Eigentumsrecht des Staates an den Palastmauern anerkannten und nur ein Servitutsrecht zu besitzen erklärten; andere dagegen erklärten sich als unumschränkte Besitzer auch der Palastmauern. Es wäre deshalb an der Zeit, daß der im Herrenhause vor Jahren eingebrachte Gesetzentwurf für den Schutz des Palastes der Behandlung zugeführt werde. Prof. Dvoøák rät von einer prinzipiellen Regelung dieser Frage derzeit ab und beantragt, die Eigentumsfrage nur in konkreten Fällen, wenn es sich um Demolierungen von Palastresten handeln sollte, zu ventilieren. Die Kommission schließt sich dieser Anschauung an. 3. In Ausführung des Beschlusses der letzten Kommissionssitzung wandte sich der Lokalausschuß an das Ministerium f. K. u. U. mit der Bitte, das alte Episcopium in den Staatsbesitz zu übernehmen, um das von Prof. Niemann ausgearbeitete Projekt zur Regelung des Episcopiums zur Ausführung zu bringen. Dieses Ansuchen hat bisher eine Erledigung nicht gefunden. Bürgermeister Kataliniæ spricht neuerdings den Wunsch der Gemeinde aus, das Episcopium niederzureißen oder wenigstens den von Niemann projektierten Durchgang herzustellen. Über Antrag Prof. Dvoøáks beschließt die Palastkommission: a) aus dem Pauschalkredite für Denkmalschutz pro 1913 den Betrag von 10.000 K für den Ankauf des Episcopiums und vom Jahre 1914 an einen neuen außerordentlichen Kredit für diesen Zweck zu beanspruchen; b) mit dem bischöflichen Ordinariat endgültige Verhandlungen wegen des Ankaufes zu pflegen; c) die Zentralkommission für Denkmalpflege zu ersuchen, die Detailpläne und einen Kostenvoranschlag für die Ausführung des Niemannschen Projektes ausarbeiten zu lassen und der Palastkommission zur Begutachtung vorzulegen; d) die Gemeinde zu bitten, eine
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Beitragsleistung für diesen Zweck in Aussicht zu stellen und auch ihrerseits durch eine direkte Eingabe an das Ministerium f. K. u. U. die Regelung dieser Frage zu urgieren, um den Verkehr in diesem Straßenzuge zu entlasten. 4. Trotzdem die Gemeinde zugesichert hatte, das Pissoir beim Vestibul des Osttores zu entfernen und jenes an der Porta aurea durch Gebüsch zu maskieren, ist bisher weder das eine noch das andere geschehen. Der Zustand dieser öffentlichen Abortanlagen ist aber ein polizeiwidriger, weshalb Msgr. Buliè beantragt, von der Gemeinde die Entfernung derselben energisch zu verlangen und an den betreffenden Stellen die Palastmauern mit starken Eisengittern zu umgeben. Da Bürgermeister Kataliniæ die sofortige Entfernung der Abortanlagen verspricht, beschließt die Palastkommission, auf eigene Kosten die Umzäumung mit starkem Drahtgitter zu veranlassen und Gebüsch anzupflanzen. 5. Mitte Dezember 1910 wurde beim Osttor ein Gerüst aufgestellt, welches für die Sicherungsarbeiten am Osttore dienen und gleichzeitig die herabfallenden Steine aufhalten sollte. Zur Aufstellung des Gerüstes mußte an ein Fenster des Nebenhauses ein Balken angelehnt werden, wodurch ein Zimmer desselben unbewohnbar wurde. Hierfür wird dem Besitzer eine Entschädigung zuerkannt. 6. Der durch die Niederreißung der Häuser Jozeviæ-Romagnolo hinter dem Baptisterium freigewordene Platz wurde der Gemeinde Spalato abgetreten. Die Gemeinde verpflichtet sich, diesen Platz zu pflastern und auf demselben keinen Bau, weder in Stein noch in Holz, zu gestatten und überhaupt dort keinen Bau ohne vorherige Genehmigung des Ministeriums f. K. u. U. aufzuführen. Der Platz wurde inzwischen schon gepflastert und die Gemeinde beabsichtigt, sowohl die Pückwand des Baptisteriums als auch die Südwand des an das Haus Romagnolo anstoßenden Hauses Èerina mit Efeu zu bepflanzen. Die Palastkommission begrüßt diese Anregung der Gemeinde und empfiehlt die Pflege des Efeus, damit von der Rückwand des Baptisteriums nicht zuviel verdeckt werde. 7. Nachdem weder der Gemeinderat von Spalato noch der Landesausschuß in Zara dem Rekurse des Kaufmannes Morpurgo gegen die angeordnete Entfernung seines Auslagefensters am Domplatz Folge gaben, wurde dasselbe entfernt und neue Auslagefenster mit Rouleaus nach vorheriger Genehmigung des Lokalausschusses errichtet. 8. Im Jahre 1910 wurde der Domplatz neu gepflastert und der Gemeinde die von der Palastkommission bewilligte Unterstützung von 5000 K angewiesen. Bei der Pflasterung der «Grotten» wurde, wie auch am Domplatz, ein Teil der alten Kanalisation im Palaste aufgedeckt. Desgleichen wurden beim Umbau des Hauses Miotto in der ulica staroga grada (Parz. 1990) Fundamente dreier Pfeiler gefunden, auf welchen Bögen ruhten. Von allen diesen Funden wurde eine genaue Aufnahme gemacht und dieselben im Bullottino di archeol. e stor. Dalm. 1910, p. 148, veröffentlicht. Unter dem Titel «Movimento odiligio nel Palazzo di Diocleziano» werden alle Funde beschrieben werden, die im Laufe der Zeit bei Umbauten usw. innerhalb des Palastes gemacht werden.
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9. Die Direktion des österreichischen archäologischen Institutes hat dem Lokalausschuß ein Exemplar des Werkes von Niemann «Der Palast Kaiser Diokletians in Spalato» geschenkweise überlassen, welches der Bibliothek der Bezirksbauabteilung übergeben wurde. Je ein Exemplar wurde der Gemeinde, dem Herrn Bischof und dem archäologischen Museum geschenkt. Hébrard hat ebenfalls je ein Exemplar seines Werkes «Spalato. Le Palais de Diocletian» der Gemeinde und dem Museum geschenkt. 10. Am 14. Februar 1912 fand beim Grundstücke der Gemeinde neben der Porta aurea ein Lokalaugenschein statt behufs Vermietung desselben für eine Rollschuhbahn. Nachdem auf diesem Platze kein größerer Bau aufgeführt wurde, der die Palastmauer verdecken könnte, wurde die Zustimmung unter dem Vorbehalte gegeben, daß diese Vermietung von der Palastkommission genehmigt werde und daß der in der Palastkommissionssitzung vom Jahre 1909 gefaßte Beschluß, wodurch dieser Platz als Gartenanlage und Kinderspielplatz verwendet werden möge, aufrechterhalten bleibe. Wird zur Kenntnis genommen. 11. Oberingenieur Musaniæ berichtet über die vom Lokalausschusse seit seiner Amtsführung (April 1911) gemachten Arbeiten: Zu Lasten der bewilligten Dotation von 2000 K wurden verschiedene Erhaltungsarbeiten am Palaste im Sinne der Weisungen der letzten Kommissionssitzung im Jahre 1910 zur Ausführung gebracht. Diese Arbeiten betreffen: I. Krepidoma. Es wurden an der südlichen Seite bei der Sakristei zwei defekte Gesimsstücke durch zwei ganz gleiche aus Brazzanerstein ersetzt. II. Peripteron. An der südlichen Seite wurden an fünf Säulenbasen die schadhaften Stücke durch neue, aus bestem Stein ersetzt. III. Domniuskapelle. Bei der Domniuskapelle waren die zwei Säulen des Peripteron zirka um vier Fünftel im alten Mauerwerk eingebaut. Durch geeignete Arbeit, ohne die Umfassungsmauer der Domniuskapelle zu beschädigen, wurden die genannten Säulen um ein Viertel freigelegt. IV. Bögen beim Hause Miotto. Die Bögen nordöstlich des Palastes waren in schlechtem Bauzustande. Es wurden alle defekten und die fehlenden Stücke durch neue ersetzt. An dem südlichen Ende wurde der Bogen durch eine Verstärkungsmauer gesichert und auch alle sonstigen Reparaturarbeiten ausgeführt, so daß heute das Ganze solid und dauerhaft ist. V. Südöstlicher Eckturtn. Es wurde konstatiert, daß ein Bogen der südlichen Perimetralmauer, und zwar des südöstlichen Eckturmes, einige Sprünge aufweist. Diese Sprünge bestanden seit langer Zeit und sind von keiner besonderen Bedeutung. Über diesen Eckturm aber ist eine Terrasse gebaut. Durch diese Terrasse, die im schlechten Bauzustande war, fand das Regenwasser seinen Weg ins Innere des Eckturmes, was natürlich mit Rück-
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sicht auf die bestehenden Sprünge des Turmbogens verhindert werden mußte. Man hat deshalb eine ganz radikale Restaurierung der Terrasse durchgeführt. VI. Sonstige Arbeiten. a) Die Aufstellung des Gerüstes bei der «Porta argentea». Dieses Gerüst ist aus doppeltem Grunde aufgeführt worden. Erstens um die Ausführung der in dem bereits genehmigten Projekte Dr. Holeys vorgesehenen Reparaturarbeiten zu ermöglichen, zweitens um durch Konstruierung einzelner horizontaler Schutzwände, besonders an der inneren Seite der Perimetralmauer, die Passanten vor herabfallenden Steinen zu schützen. Es wurden dabei auch einige lose Steine mit Zementmörtel gesichert. Größere Arbeiten werden ausgeführt, sobald dazu der präliminierte Geldaufwand angewiesen wird. b) Die Abschlußwand links beim Eingange zum Mausoleum wurde entfernt und als Brüstung in die noch gebliebenen freien Stellen im Interkolumnium des Peripterons ein Sarkophag und ein großes Gesimsstück – letzteres im Palaste gefunden – eingesetzt. Auf diese Weise ist den Beschauern die Möglichkeit gegeben, auch links vom Mausoleumeingange sowohl dieses als auch das Peripteron zu besichtigen. c) Zum Schutze der Passanten durch das Vestibül hat man, besonders an der inneren westlichen Seite der Rotunde, Bretterwände aufführen müssen, da sich öfter von den Mauern Steine lösten und herunterfielen. Gleichzeitig hat man aus Sicherheitsrücksichten an der äußeren Seite dieser Mauer, unter dem großen Fenster, kleine Einmauerungen in Zementmörtel ausgeführt und die losen Steine befestigt. Endlich hat man auch den Blitzableiter des Kampanile untersucht und repariert. Zufolge Erlasses des k. k. Ministeriums für Kultus und Unterricht vom 8. Februar 1911, Z. 20.855, wurden im Einvernehmen mit dem k. k. Ministerium für öffentliche Arbeiten alle im Projekte Dr. Holeys vorgesehenen Sicherungsarbeiteii am Diokletianischen Palaste genehmigt und die sofortige Inangriffnahme derselben angeordnet. Was die Sicherungsarbeiten an der Rotunde betrifft, wurden dieselben an die Firma Ed. Ast & Co. um den Pauschalpreis von K 66.173,90 überwiesen, während für die Ausführung der sonstigen im genannten Projekte beantragten und von der Palastkommission beschlossenen Arbeiten, und zwar: a) für die Entlastungskonstruktion bei den Säulen beim Eingang ins Mausoleum K 1.400 b) für die Arbeiten an der Porta aurea 2.926 c) für die Arbeiten an der Porta argentea 5.790 d) für die Reinigungsarbeiten an der Westwand des Baptisteriums 200, wofür ein Gesamtaufwand von K 10.316 präliminiert wurde, keine Verfügungen getroffen werden konnten, da dieser Betrag noch nicht zur Verfügung gestellt wurde. Es wäre sehr erwünscht, daß auch über diese Arbeiten, welche dringend sind, so bald als möglich eine definitive Entscheidung getroffen werden möge. Der Bericht des Oberingenieurs Musaniæ wird einstimmig genehmigt. Architekt Dr. Holey berichtet über die Sicherungsarbeiten an der Rotunde: Von meinen im Jahre 1909 von der Palastkommission genehmigten Sicherungsprojekten wurde für heuer die Durchführung der Sicherungsarbeiten an der Rotunde, dem
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am meisten gefährdeten Palastteile, in Aussicht genommen. Die nach erfolgter Annahme des Projektes im Jahre 1909 durchgeführten Detailstudien und Verhandlungen wegen der Geldbeschaffung und Arbeitsvergebung ließen einige Änderungen als notwendig erscheinen, durch welche jedoch das Prinzip des Projektes nicht berührt wurde. Die als Alternativvorschlag seinerzeit in Aussicht genommene Bronzekonstruktion wurde wegen der zu hohen Kosten und der schwierigen Ausführung fallen gelassen. Es erschien am vorteilhaftesten, die Sicherungskuppel als ummantelte Eisenkonstruktion beziehungsweise als Eisen-Betonkonstruktion auszuführen. Die Konstruktionsprinzipien sowie die Außenerscheinung blieben dieselben wie bei dem ursprünglichen Projekte. Die Last der zum Teil eingestürzten gemauerten Kuppel wird von einer Tragkonstruktion übernommen, die aus Eisen-Betonrippen besteht. Die Meridianrippen sind als Konsolträger ausgebildet und entsprechend tief verankert, die dazwischen angeordneten Ringe nehmen die Last des Kuppelmauerwerkes auf und wirken als Verspannung zwischen den Meridianrippen, der unterste Ring ist tiefer in das Mauerwerk eingebunden. Die Arbeiten wurden am 21. Mai an die Firma Ast & Co. vergeben und anfangs Juni in Angriff genommen. Im Laufe des Monates Juli erfolgte die Fertigstellung der Kuppelkonstruktion sowie auch die Ausbesserung der oberen Partien des Mauerwerkes. Bei größeren Fehlstellen wurde mit gutem Erfolge ein Betonmauerwerk angewendet, dem Ziegelbrocken beigemengt sind. Im Laufe der Arbeiten stellten sich in der nordöstlichen Ecke Schwierigkeiten in der Fundierung heraus, die tiefer gehende Grabungen, Fundamentunterfangungen und eine zeitweise Unterbrechung der übrigen Sicherungsmaßnahmen zur Folge hatten. Die aufgetauchten Bedenken wegen der gegen den Domplatz gerichteten Fassade erwiesen sich nach genauer Untersuchung als nicht gerechtfertigt und es wurde beschlossen, die Arbeiten genau nach dem Projekt des Jahres 1909 weiter fortzuführen. Wird zur Kenntnis genommen. Punkt II. Ergänzungen an der Südseite des Peripterons und Regelung des Platzes um das Mausoleum Nachdem vor einigen Jahren an der Nordseite des Peripterons ein Architravstück neu ersetzt wurde, beantragt Monsignore Buliæ, auch an der Südseite die fehlende Säule durch eine der sechs in der Friedhofskapelle stehenden Säulen zu ersetzen und dieses Architrav zu vervollständigen. In der Friedhofskapelle sind sechs Säulen aus rotem Granit, die dem Staate gehören, vorhanden. Die beiden ersten beim Eingange kann man nicht messen, da ihr oberer Teil eingemauert ist; die zweite Säule rechts ist 4,66 m, die dritte rechts 4,60 m hoch, die zweite Säule links ist 4,63 und die dritte links 4,55 m hoch. Diese Säulen dürften aus dem Peripteron stammen, und zwar vier aus der Prostasis und zwei von der Stelle, wo der Chorus ist, nachdem die Säulen im Peripteron mehr oder weniger dieselbe Höhe haben, nämlich von den vier Säulen im Norden haben drei die Höhe von je 4,65 m und eine 4,66 m und zwei im Süden eine Höhe von 4,60 m und 4,65 m.
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Prof. Dvoøák spricht sich gegen diesen Antrag aus, weil man nicht konstatieren könne, daß die betreffende Säule in der Friedhofskapelle tatsächlich vom Peripteron stamme und weil die Frage keine aktuelle sei, da die Arbeiten am Palaste in zwei Gruppen zerfallen, nämlich Arbeiten, die aus Sicherungsgründen und aus den durch das praktische Leben gebotenen Gründen notwendig und dringend sind, während die Arbeiten ästhetischer Natur erst in zweiter Linie in Betracht kommen und auf eine Zeit verschoben werden müssen, bis alle praktischen Bedürfnisse erfüllt sein werden. Über Antrag Prof. Dvoøáks beschließt die Palastkommission: a) Die moderne Mauer im südlichen Interkolumnium des Periptetons abzutragen und als Brüstung einen Sarkophag aus dem Museum aufzustellen; b) für die Regulierung des Platzes südlich vom Mausoleum die Z. K. zu bitten, ein Projekt auszuarbeiten, wobei das in der Parzelle 1709 gefundene und noch unter der Erde liegende Mosaik berücksichtigt werden möge. Punkt III. Ankauf der Porta aurea Das Dominikanerinnen-Hospiz in Spalato ist bereit, die Porta aurea samt den angrenzenden, dem Hospiz gehörigen Bauten dem Ärar zu verkaufen. Msgr. Buliæ befürwortet die Annahme des Anbotes, um den Verkauf an eine andere Person zu verhindern, wodurch es nicht ausgeschlossen wäre, daß die Porta aurea verunstaltet wird. Dem Staate muß es sich darum handeln, in den Besitz der Porta aurea und der in der Mauer eingebauten St. Martinskapelle, welche ein wichtiges Denkmal des IX. Jhs. ist und vor Jahren auf Staatskosten restauriert wurde, zu gelangen; die übrigen Bauobjekte könnten ja dann wieder verkauft werden. Über Antrag des Vorsitzenden beschließt die Palastkommission, den Dominikanerinnen nahezulegen, vorerst einen Käufer für die übrigen Klosterräumlichkeiten zu finden, der jedoch an den Palastmauern nur ein Servitutrecht erwerben würde. Punkt IV. Beiträge zum Ankaufe der Häuser a) Voltolini, b) LuŞniks Erben a) Im Jahre 1906, als die Loggia an der Südwestecke des Diokletianischen Palastes restauriert wurde, beschloß der Lokalausschuß im Einvernehmen mit der Gemeinde und dem Hausbesitzer I. Savo, das unter der Loggia befindliche Haus Voltolini Allegreti anzukaufen und niederzureißen. Zum Kaufpreis von 6400 K verpflichteten sich beizusteuern: die Gemeinde Spalato 3000 K, die Palastkommission 2000 und I. Savo 1400 K. In der Palastkommissionssitzung vom Jahre 1907 wurde dieser Ankauf genehmigt und die Vorlage einer Skizze verlangt, um das Aussehen der Palastmauer nach der Niederreißung des Hauses Voltolini zu beurteilen. Die Skizze wurde im Zirkularwege allen Kommissionsmitgliedern vorgelegt und gegen den Abbruch des Hauses kein Einwand erhoben, sondern nur die Entscheidung über die bleibende Gestaltung der Palastmauer an dieser Stelle und die der hier anzubringenden Öffnungen vorbehalten. Die Palastkommission beschließt, was die Gestaltung der Palastmauer an dieser Stelle anbelangt, der Gemeinde die Errichtung eines kleinen Gebäudes zu empfeh-
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len, welches bis zur Mitte des Fensters im oberen Stock reichen soll. Links von diesem kleinen Gebäude wird ein Durchgang durch die Tür zum rückwärtigen Raume gelassen. b) Die Erben LuŞnik haben bei der Gemeinde um die Bewilligung zum Neubau ihres Hauses, Parzelle 1098, angesucht beziehungsweise den Verkauf dieser Bauparzelle angeboten. Nach einer vorliegenden Skizze würde dieses Haus wieder an die innere Seite der östlichen Palastmauer angebaut werden; wenn dagegen das Haus nicht gebaut wird, könnten noch zwei Bogenfenster an der östlichen Palastmauer geöffnet werden. Die Palastkommission beschließt, der Gemeinde den Ankauf des Hauses vorzuschlagen und einen angemessenen Beitrag seitens des Staates in Aussicht zu stellen. Prof. Dvoøák übernimmt es, durch die Z. K. eine Skizze für die Gestaltung des Platzes ausarbeiten zu lassen. Punkt V. Entfernung von Rauchfängen an der Ost- und Westmauer Die beiden Rauchfänge des Verpflegsmagazins an der Ostmauer und ein Rauchfang unter einem Bogen nördlich der Porta ferrea schwärzen durch ihren Rauch derart die Palastmauern, daß deren Entfernung nicht nur vom ästhetischen, sondern auch vom Standpunkte der Erhaltung der Palastmauern verlangt werden muß. Msgr. Buliæ hat sich als Konservator schon im Jahre 1899 an das Militärkommando gewendet und um Abtragung dieser Rauchfänge beim Verpflegsmagazin angesucht, jedoch erfolglos. Über Antrag Prof. Dvoøáks beschließt die Palastkommission, die Gemeinde zu ersuchen, wegen Abtragung des Rauchfanges an der Westmauer die notwendigen Vorkehrungen zu treffen; was die Rauchfänge beim Verpflegsmagazin betrifft, wird der Konservator beauftragt, an die Z. K. einen Bericht zu erstatten und deren Intervention zu verlangen. Punkt VI. Entscheidung in bezug auf Baubewilligungen Bürgermeister Kataliniæ erklärt, daß sich unter der Bürgerschaft von Spalato ein Ausschuß gebildet hat für die Regulierung der Stadt, welcher in bezug auf die kleinen Häuser an der Südmauer des Palastes den Beschluß faßte, keine Umbauten über die Höhe des Gesimses unter den Säulen zu gestatten und die schrägen Dächer beizubehalten. Die Palastkommission schließt sich diesem Beschlusse an und befürwortet, soweit es sich nicht um exzeptionelle Fälle handelt, die möglichste Beibehaltung des jetzigen Bestandes. Punkt VII. Änderung der Straßennamen innerhalb des Palastes Mit Gemeinderatsbeschluß vom 22. Juni 1912 wurden innerhalb der Palastmauern verschiedene geschichtlich, namentlich lokalgeschichtlich bedeutende Straßennamen umgeändert. Msgr. Buliæ ersucht, nachdem auch die Z. K. dem Landesausschuß in Zara nahegelegt hat, die Lösung dieser Frage der Palastkommission zu
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überlassen, Stellung zu diesen Namensänderungen der Straßenzüge innerhalb des Palastes zu nehmen. Bürgermeister Kataliniæ erklärt, daß ein einhelliger Gemeinderatsbeschluß vorliege und daß Rekurse der Bürgerschaft vom Landesausschusse abgewiesen wurden; nachdem also ein rechtskräftiger Gemeinderatsbeschluß existiere, sei die Angelegenheit für die Gemeinde erledigt und er könne, so sehr er auch den guten Willen der Kommission schätze, keinen Anträgen zustimmen. Prof. Dvoøák verweist auf die Erfahrungen, welche in Prag und Wien mit der Änderung der Straßennamen gemacht, wo eingebürgerte historische Namen von der Bevölkerung nicht fallen gelassen wurden und neben der neuen Bezeichnung auch die alte verblieb. Die Palastkommission drückt den Wunsch aus, daß für folgende Straßen auch die alte Bezeichnung beibehalten werde: 1. Ulica Zvonika (Krošimirova ulica). 2. Plokata sv. Dujma (Peristil). 3. Plokata Dušica (Poljana Kraljice Jelene). 4. Ulica staroga Milosrdja (Kaptolska ulica). 5. Trg sv. Filipa (Poljana Grgura Ninskoga). 6. Porta aurea (Rimska ulica). 7. Plokata Carrara (Latinska poljana). Punkt VIII. Eventualia Die Parzelle 2125, auf welcher ein Bogen des Palastes erhalten ist, ist durch einen Verschlag versperrt. Msgr. Buliæ beantragt, diesen Platz der Gemeinde zu überlassen unter der Bedingung, daß dort ein öffentlicher Brunnen errichtet werde und daß der Bogen des Palastes auf keinen Fall beschädigt oder verdeckt werde. Die Palastkommission beschließt, den Platz der Gemeinde zu überlassen, und macht die weitere Verwendung von ihrer Zustimmung abhängig. Prof. Dvoøák macht auf den Neubau der Adriatischen Bank an der Riva aufmerksam, wodurch ein interessantes Stadtbild sehr beeinträchtigt wurde, und spricht den Wunsch aus, daß bei Neubauten oder Umbauten in Spalato und insbesondere in der unmittelbaren Umgebung des Palastes oder wo eine günstige Silhouettenlösung vom Meer erforderlich ist, ein Einvernehmen mit der Zentralkommission für Denkmalpflege gepflogen werde. Wird angenommen. Prof. Dvoøák beantragt, ein Huldigungstelegramm an Seine kais. Hoheit den durchlauchtigsten Herrn Erzherzog und Thronfolger Franz Ferdinand als den mächtigen Schirmer und Förderer vaterländischer Altertümer abzusenden. Die Palastkommission stimmt diesem Anfrage mit Beifall zu. Nachdem Hofrat Reisch dem Herrn Vorsitzenden den Dank der Palastkommission für die umsichtige Leitung der Sitzung ausgesprochen und der Herr Statthalter seinerseits allen Mitgliedern Worte der Anerkennung für ihre Tätigkeit zollte, schließt der Herr Vorsitzende die 7. Sitzung der Palastkommission.
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PROBERESTAURIERUNG DER APSIS-GEMÄLDE DES DOMES VON AQUILEJA (1907)*
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ie Gemälde, welche die Apsis des Domes von Aquileja schmücken und zu den wichtigsten Denkmalen der mittelalterlichen Kunst in Österreich gehören, sind in Gefahr ganz zugrunde zu gehen. Sie sind in der Barockzeit mit Stukkaturen überzogen worden, wobei in die Malschichte in regelmäßigen Abständen Löcher geschlagen wurden. Die Ränder dieser Einpicktungen zerfallen und bröckeln ab und die umliegenden Teile der Malerei lösen sich vom Malgrunde los. Wenn die Gemälde vor der vollständigen Zerstörung gerettet werden sollen, ist es notwendig, die Löcher zu schließen. Dabei muß entschieden werden, wie die geschlossenen Löcher zu behandeln sind, wofür sich dreierlei Möglichkeiten bieten: Man läßt die ausgefüllten Stellen in der Farbe des Verputzes, man gibt ihnen einen neutralen in den ganzen Gemälden einheitlichen Ton, oder man tönt sie in der Lokalfarbe der Umgebung. Zur Begutachtung dieser verschiedenen Möglichkeiten wurde an einem Teile der Malereien der Domapsis eine Proberestaurierung vorgenommen, bei der je an einem kleinen Teile der Gemälde eines von den drei genannten Verfahren angewendet wurde. Es hat sich gezeigt, daß die Tönung der neu verputzten Stelle in der Lokalfarbe der Umgebung den zwei anderen Methoden weitaus vorzuziehen ist. Wenn die Lücken die Farbe des neuen Verputzes behalten oder einheitlich neutral getönt werden, zerreißen sie fast vollständig die Formen, so daß man kaum mehr erkennen würde, was dargestellt ist, und verändern überdies den farbigen Eindruck der Malereien ganz und gar, wogegen bei der Tönung in der Lokalfarbe der Umgebung der Formenzusammenhang eher hervorgehoben als mehr zerrissen und auch der jetzige koloristische Eindruck gewahrt wird, ohne daß irgendeine Verfälschung stattfinden würde, da bei den so getonten Ausfüllungen selbstverständlich jede Einzeichnung oder Modellierung vermieden werden muß, und überdies ein etwas lichterer Ton als der der umliegenden Partien gewählt werden kann, so daß auf den ersten Blick ersichtlich wird, welche Partien des Gemäldes ursprünglich sind und welche zur Stütze der Originalteile in unseren Tagen neu ausgefüllt wurden. Man kann dieses Ergebnis nicht generalisieren, weil es von der Beschaffenheit der Gemälde und deren Beschädigung abhängig ist, dennoch scheint es mir nicht nur der Wichtigkeit des Denkmales wegen, um welches es sich handelt, wert zu sein hier mitgeteilt zu werden.
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Erstabdruck in: Kunstgeschichtliches Jahrbuch der k.k. Zentralkommission, 1, 1907, Beibl., Sp. 86–87.
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DIE MOSAIKENFUNDE VON AQUILEJA (1909)*
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ie bereits vor einigen Jahren von Professor Dr. Heinrich Swoboda festgestellten Mosaikfußböden unter dem jetzigen Fußboden der Domkirche von Aquileja sind heuer bloßgelegt worden. Sie befinden sich einen Meter unter dem Niveau des jetzigen Kirchenpflasters und bedecken eine Fläche von mehr als 200 m². In reichen ornamentalen höchst interessanten Einrahmungen stellen sie biblische Szenen, kirchliche Symbole und symbolische Figuren, Genredarstellungen, Tiere und merkwürdigerweise auch eine Reihe von großen Porträtbüsten von Männern und Frauen dar. Sie sind ikonographisch und noch mehr stilgeschichtlich von der allergrößten Bedeutung. Eine Inschrift besagt, daß sie unter Bischof Theodorus ausgeführt wurden, wodurch sie um das Jahr 310 datiert werden können. Sie sind der weitaus umfangreichste Gemäldezyklus, der sich uns im Original aus dem Zeitalter Konstantins des Großen erhalten hat, und zeigen dasselbe Nachlassen in der Behandlung der zeichnerischen und plastischen naturalistischen Form, wie wir es bei den Skulpturen aus derselben Zeit beobachten können, dagegen eine Steigerung in der Auflösung der Form in die farbigen Valeurs, die zu den Wunderwerken in S. Maria Maggiore hinüberleitet. Das, was man dort nur vermuten oder durch mühsam zusammengetragene, schwer datierbare vereinzelte Monumente zu beweisen versuchen mußte, die innere Notwendigkeit und Folgerichtigkeit der Stilentwicklung in den letzten Jahrhunderten der klassischen Malerei und Plastik, wird hier durch eine ganze Pinakothek von Gemälden aus der entscheidenden Periode mit unwiderlegbarer Beweiskraft dem Beschauer vor die Augen geführt. Die Frage, was mit den Mosaiken zu geschehen habe, war nicht leicht zu beantworten. Das beste wäre wohl, wenn man sie in situ belassen könnte, dazu müßte aber der Fußboden der Kirche offen bleiben oder etwa um einen Meter gehoben werden, damit eine Art Unterkirche geschaffen werde. Das erste ist überhaupt ausgeschlossen, wenn die Kirche für den Gottesdienst benutzbar bleiben soll, und das zweite ist deshalb nicht zu empfehlen, weil durch die Erhöhung des Fußbodens das architektonische Innenbild des merkwürdigen Baues schwer geschädigt würde. Es bleibt also nichts anderes übrig, als die Mosaiken zu heben, und da bieten sich wiederum zwei Möglichkeiten: entweder sie in ein Museum zu geben oder in den jetzigen Fußboden der Kirche einzulassen. Man entschied sich für das letztere, hauptsächlich deshalb, weil ein Museum, in dem die ausgedehnten Mosaiken untergebracht werden könnten, nicht besteht und dessen Erbauung aus verschiedenen lokalen Schwierigkeiten in den nächsten Jahren nicht durchführbar erscheint.
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Erstabdruck in: Kunstgeschichtliches Jahrbuch der k.k. Zentralkommission, 3, 1909, Beibl., Sp. 97–98.
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DIE NEUAUFGEDECKTEN MOSAIKEN IN DER BASILIKA ZU AQUILEJA (1909)*
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m 15. November 1909 fand in Aquileja eine Kommission statt, welche über die Erhaltung und Sicherung der im Dome aufgedeckten Mosaikfußböden zu beraten hatte. Anwesend waren die Herren: Seine Exzellenz Fürsterzbischof von Görz Franz Borgia Sedej (Vorsitzender); als Vertreter des k. k. Ministeriums f. K. u. U. Ministerialrat Rudolf Ritter von Förster-Streffleur; als Vertreter der Z. K. die Mitglieder: Oberbaurat Julius Deininger, Universitätsprofessor Dr. Max Dvoøák, Hofrat Professor Dr. Josef Neuwirth, Seine Magnifizenz Prälat Dr. Heinrich Swoboda, die Konserv. Graf Sigismund Attems-Petzenstein und Professor Heinrich Maionica; als Vertreter des österr. archäologischen Instituts: Universitätsprofessor Dr. Emil Reisch, Hofrat Professor Dr. Josef Maria Eder; als Vertreter der Statthalterei: Baurat Guido Lewi; als Vertreter des f.-e. Ordinariates: f.-e. Ordinariatskanzler Alexander Zamparo, Prälat Professor Dr. Karl Drexler; als Vertreter der Kirchenvorstehung: Erzpriester Pfarrer Monsignore Alois Sambuco; als Vertreter der Gemeinde: Bürgermeister Johann Bapt. Stabile; als Vertreter des Vereines zur Erhaltung der Basilika: Vizeobmann Eugen Freiherr v. Ritter-Zahony, Ausschußmitglied Hektor Freiherr v. Ritter-Zahony; endlich technischer Assistent der Z. K. Architekt Dr. Karl Holey (Schriftführer). Der Herr Vorsitzende eröffnet die Sitzung und begrüßt die Vertreter des Ministeriums, des archäologischen Institutes, der Zentralkommission und die übrigen Anwesenden auf das herzlichste und betont die Bedeutung der Sitzung, die über die Sicherstellung und Erhaltung eines großartigen Fundes, der die ganze Welt in Bewegung gesetzt hat, beraten soll. Er fordert die Anwesenden auf, ihre Meinung frei und unumwunden zu äußern, sowie auch er als Verwalter der Diözese seine Meinung aussprechen werde. In dieser Hinsicht erklärt Se. Exzellenz: 1. Die Basilika von Aquileja ist intabuliert auf die katholische Kirche und ist Eigentum derselben. 2. Alle Funde, die daselbst gemacht werden, sind Eigentum derselben und es wäre nicht erlaubt, sie ohne Zustimmung des Leiters der Diözese zu veräußern. 3. In erster Linie ist die Kirche ein Gotteshaus und die gottesdienstlichen Verrichtungen dürfen keinerlei Störung erfahren. Auch dürfe die Harmonie und die Schönheit der Basilika keine Beeinträchtigung erleiden. Die Basilika ist ein höchst bedeutsames Monument der altchristlichen Zeit, die schönste und größte Kirche der Diözese und die Mutterkirche von Görz und Udine; ihre Bedeutung reicht weit über die Grenzen des Lan-
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Erstabdruck in: Mitteilungen der k. k. Zentralkommission, 3. F., 8, 1909, Sp. 575–581.
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des. Se. Exzellenz bittet um Eröffnung der Debatte und wünscht, daß die Verhandlungen durch den Segen Gottes von den besten Erfolgen gekrönt werden. Ministerialrat Ritter v. Förster-Streffleur begrüßt die Anwesenden als Vertreter Sr. Exzellenz des Herrn Ministers f. K. u. U., der dem Gegenstande der heutigen Verhandlungen das lebhafteste Interesse entgegenbringe, ein Interesse, das er bereits durch Bewilligung eines höheren Betrages für die eingeleiteten Arbeiten dokumentiert habe, und durch die Entsendung eines Vertreters neuerlich beweise. Im Auftrage Sr. Exzellenz des Herrn Ministers spricht er allen Herren, die sich um die Sache bemüht haben, den Dank aus, insbesondere den Vertretern des Vereines zur Erhaltung der Basilika, Sr. Exzellenz dem Herrn Fürsterzbischof Sedej, Freih. v. Ritter-Zahony, Sr. Magnifizenz dem Herrn Prälaten Dr. Heinrich Swoboda, der Zentralkommission, dem archäolog. Institute und allen übrigen Stellen, die hier vertreten sind. Er weist darauf hin, daß der Besitz des großartigen Denkmales nicht nur Rechte in sich schließt, sondern auch Verpflichtungen gegenüber der Öffentlichkeit und der gesamten gebildeten Welt zur Folge habe, welche ein lebhaftes Interesse an den Schicksalen dieser Denkmale nehme. Anderseits sei es auch gerechtfertigt, daß für die Kosten der Erhaltung eines solchen Denkmales öffentliche Mittel herangezogen werden, und von diesen Gesichtspunkten aus treffe die Regierung die Pflicht, die Aktion zur Erhaltung und Sicherung der Mosaiken in jeder Hinsicht, insbesondere, soweit es die staatlichen Mittel erlauben, finanziell zu unterstützen. Er macht darauf aufmerksam, daß die Versammlung in erster Linie eine Information bieten solle über das, was die in Betracht kommenden Kreise, die Geistlichkeit, die Bevölkerung und die Vertreter der Wissenschaft denken. Monsignore Sambuco begrüßt ebenfalls die Anwesenden und erklärt, daß Baurat Lewi die Wünsche der Kirchenvorstehung kennt und mitteilen werde. Baurat Lewi beantragt, die Mosaiken im rechten Seitenschiff im gegenwärtigen Zustande zu belassen, durch zwei Stiegen zugänglich zu machen, dagegen die Mosaiken des Mittelschiffes mit einem Bretterboden zu bedecken und durch Anbringen von Falltüren deren Besichtigung zu ermöglichen. Monsignore Sambuco und Podesta Stabile schließen sich diesen Ausführungen an. Der Herr Vorsitzende bemerkt, daß dadurch ein verschiedenes Niveau des Fußbodens entstünde und der ästhetische Eindruck der Kirche beeinträchtigt würde. Auch die gottesdienstlichen Verrichtungen, namentlich die Prozessionen, würden gestört werden. Prälat Drexler macht aufmerksam, daß die Überdeckung des Hauptschiffes mit einem Bretterfußboden eine Verunstaltung der Basilika bedeuten würde und daß es sehr umständlich wäre, die Mosaiken zu besichtigen. Dieser Vorschlag wäre vom praktischen Standpunkt aus schwierig durchzuführen. Am besten wäre es, die Mosaiken des Mittelschiffes in das jetzige Niveau zu heben und für einen entsprechenden Schutz derselben zu sorgen. Professor Dvoøák hebt die großen Nachteile eines Bretterfußbodens hervor, der nur in den seltensten Fällen eine Besichtigung gestatten würde; es sollen nicht nur einzelne Forscher, sondern alle Besucher die Möglichkeit haben, die Mosaiken zu
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sehen. Auch die Verunstaltung der Basilika fällt stark ins Gewicht, denn zu einem monumentalen Bau gehört auch ein monumentaler Fußboden. Er legt die in einzelnen Punkten formulierten Wünsche und Vorschläge der hier anwesenden Vertreter des archäologischen Institutes und der Z. K. der Versammlung vor. 1. Die Mosaiken sollen erhalten werden, und zwar in einer Weise, daß sie in möglichster Totalität sichtbar bleiben. 2. Es ist wünschenswert, daß dadurch die Domkirche in ihrer jetzigen Gestalt nicht beeinträchtigt werde. 3. Die von diesen zwei Gesichtspunkten geleiteten Arbeiten sind in der Weise durchzuführen, daß die Kultusbedürfnisse keine Einbuße erleiden. 4. Es erscheint nicht möglich, das ganze Mosaik, was ja das vorteilhafteste wäre, an seiner Stelle zu belassen. Man muß sich daher darauf beschränken, einen relevanten Teil der Mosaiken in der ursprünglichen Lage und Totalwirkung zu erhalten und deshalb für alle Zeiten wenigstens einen Teil jenes Raumes offen zu belassen, in welchem die Christenheit des IV. Jahrhunderts und ihre berühmten Bischöfe gewandelt sind. 5. Das Mittelschiff und das nördliche Seitenschiff müssen mit Rücksicht auf die praktischen Bedürfnisse in möglichst kurzer Zeit wieder mit dem Fußboden im jetzigen Niveau versehen werden. Unter diesen Umständen scheint es zur Erfüllung des Wunsches, daß die Mosaiken von der Fundstelle nicht allzuweit entfernt werden und sichtbar bleiben, keinen andern Ausweg zu geben, als daß die Mosaiken des nördlichen Schiffes und des Mittelschiffes gehoben und in das Niveau des jetztigen Fußbodens eingebettet werden. Diese Arbeit wäre im nördlichen Seitenschiffe sofort zu beginnen, wo es sich um einen geringeren Bestand handelt und dann im Hauptschiffe fortzusetzen. Zu diesem Zwecke wäre sofort die architektonische und photographische Aufnahme des Fundbestandes, zunächst des Nordschiffes und dann des Hauptschiffes, vorzunehmen. Dann wären die Mosaiken des Nordschiffes und des Hauptschiffes durch einen Sachverständigen zu heben, das Zuschütten zu veranlassen und die Mosaiken hierauf wieder in dem jetzigen Niveau zu verlegen. 6. Für die so gesicherten Teile wäre nach Direktiven der Z. K. für entsprechenden Schutz zu sorgen. 7. Das südliche Seitenschiff bleibt mit den Mosaiken vorläufig in seinem offenen Zustand und nach der Sicherung der Wände sind dort Zugänge zu schaffen, die allen praktischen und ästhetischen Anforderungen entsprechen. Monsignore Sambuco ist unter diesen Voraussetzungen mit dem Offenlassen des südlichen Seitenschiffes einverstanden. Der Herr Vorsitzende hingegen macht gegen die Belassung Bedenken geltend, indem dadurch die gottesdienstlichen Verrichtungen gestört werden könnten und dieser Teil des Gotteshauses den Eindruck eines Museums machen würde. Seiner Meinung nach wäre es am richtigsten, alle Mosaiken auf das jetzige Niveau zu heben. Professor Dvoøák weist darauf hin, daß das Heben und Wiedereinlassen der Mosaiken sehr viel Geld kosten würde und die wesentlich beschränkten Mittel für die
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Durchführung eines Teiles der Arbeit leichter erreichbar sein werden. Nach Fertigstellung der Hebungsarbeiten im Mittelschiffe wird man die Wirkung leichter beurteilen können, die Kritik wird einsetzen und man hat noch immer Zeit, auch das Südschiff zu heben, wenn es sich als notwendig herausstellen sollte. Den Kultbedürfnissen könnte durch Anbringen von Brücken und Galerien Genüge geleistet werden. Professor Maionica betont, daß es im Interesse der Bewegungsfreiheit in der Kirche gelegen wäre, wenn die Bänke durch Stühle ersetzt würden, wie es ja in den meisten Kirchen Italiens der Fall ist. Monsignore Sambuco erklärt, daß die Bänke, sowie allgemein im Friaul, Privateigentum seien und jede Änderung der bestehenden Verhältnisse wahrscheinlich großen Schwierigkeiten begegnen würde. Ministerialrat v. Förster glaubt, daß die feststehenden Bänke den Mosaikboden besser schützen als bewegliche Stühle und rät auch in Berücksichtigung der von Monsignore Sambuco geäußerten Bedenken von der Entfernung der Bänke ab. Im weiteren Verlaufe der Diskussion spricht zu Punkt 1 der von Professor Dvoøák formulierten Thesen Prälat Swoboda, der auf die möglichste Erhaltung der Totalwirkung der Mosaiken das größte Gewicht legt. Hofrat Neuwirth schließt sich dem Vorredner an und hebt hervor, daß der Mosaikboden durch seine Belassung in der Basilika ein lebendes Denkmal bleibe. Prälat Swoboda macht auf eine Schwierigkeit aufmerksam, die sich bei der vorgeschlagenen Behandlung der einzelnen Partien des Mosaikfußbodens ergibt. Es wird beabsichtigt, die Mosaiken im Nord- und Mittelschiff in das jetzige Niveau zu heben und im Südschiffe an der tiefer liegenden Fundstelle zu belassen. Dagegen wird das Querschiff zum Teil gehoben und zum Teil im Niveau des alten Südschiffes belassen, so daß der Zusammenhang der Darstellungen gestört wäre. Prälat Drexler wirft die Frage auf, ob es nicht möglich wäre, das ganze Querschiff in die Höhe des Mittelschiffes zu heben, was auch Vorteile für eine leichtere Kommunikation zu der Friedhofspforte bieten würde. Auch Oberbaurat Deininger tritt mit Rücksicht auf die praktischen und ästhetischen Vorteile für die Hebung des ganzen Querschiffes ein. Bei der Besprechung des Punktes 5 ersucht der Vorsitzende um Aufklärung bezüglich des Eigentumsrechtes der photographischen Aufnahmen. Professor Dvoøák weist darauf hin, daß die Negative der auf Kosten des Ministeriums hergestellten Aufnahmen selbstverständlich dem Ministerium gehören, jedoch eventuell dem Vereine zur Erhaltung der Basilika überlassen werden könnten. Je ein Exemplar der photographischen Aufnahmen wären der Kirchenvorstehung, dem arch. Institute, der Z. K., dem Ministerium f. K. u. U. und dem Vereine zur Erhaltung der Basilika zur Vorfügung zu stellen. Ministerialrat Förster-Streffleur versichert, daß das Ministerium dem Vereine gegenüber diesbezüglich gewiß das größte Entgegenkommen zeigen werde. Auf eine Anfrage des Kanzlers Zamparo, wie die Ausgestaltung des Nordschiffes zu denken sei, erwiderte Oberbaurat Deininger, daß dort, wo sich keine Mosaiken befinden, das jetzige Kirchenpflaster (Kehlheimerplatten) verwendet werden solle. Die Zwischenräume, die sich zwischen der unregelmäßigen Begrenzung der Mosai-
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ken und dem Kehlheimer Pflaster ergeben, sollen mit einem Terrazzo mit neutralen Tönen ausgefüllt werden. Prälat Swoboda, Kanzler Zamparo und Baron Eugen Ritter machen darauf aufmerksam, daß sich infolge der Niveauverschiedenheiten zwischen Mittel- und Seitenschiff und im Mittelschiff vor dem Volksaltar Durchschneidungen in den Darstellungen der Mosaiken ergeben werden. Professor Dvoøák schlägt vor, diese Niveauverschiedenheiten, ähnlich wie in S. Marco in Venedig, durch Einschalten von schiefen Ebenen auszugleichen. Bei der Diskussion über den Schutz der sichtbaren Teile der Mosaiken weist Professor Reisch darauf hin, daß es vielleicht möglich sein dürfte, die Bänke so aufzustellen, daß die Wirkung der Mosaiken möglichst wenig gestört werde, die übrigen Teile könnten durch Matten oder durch Linoleum bedeckt werden. Monsignore Sambuco stellt fest, daß für die Aufstellung der Bänke nur der Raum zwischen der Eingangswand und den beiden Stufen vor dem Volksaltar in Betracht kommen könne. Bezüglich des Punktes 7 fragt Mons. Sambuco, wie lange das Provisorium des Offenlassens des Südschiffes dauern sollte. Hofrat Neuwirth ist der Meinung, daß unter der Voraussetzung, daß nach Vollendung der Arbeiten im Mittelschiffe die ästhetische Wirkung des tiefer liegenden Seitenschiffes eine befriedigende sein sollte, gegen die Umwandlung des Provisoriums in einen bleibenden Zustand kaum etwas einzuwenden wäre. Der Vorsitzende erteilt nunmehr unter der ausdrücklichen Voraussetzung, daß die Belassung der Mosaiken in ihrer derzeitigen Lage nur als eine provisorische aufzufassen sei und daß dieselben seinerzeit gehoben würden, falls der ästhetische Eindruck unbefriedigend wäre oder eine Störung der Kulterfordernisse eintreten würde, auch diesem Punkte seine Zustimmung. Die von Professor Dvoøák formulierten Anträge werden einstimmig angenommen. Hierauf stellt Professor Dvoøák als weiteren Hauptpunkt der Verhandlung den Antrag, daß die Grabungen im Dome weiter fortzusetzen seien. Mons. Sambuco ersucht nachdrücklichst, daß bei der Fortsetzung der Grabungen auf die bestehenden und etwa noch zu findenden Gräber mit der größten Vorsicht zu achten sei und daß die Kirchenvorstehung stets von allen Phasen des Arbeitsvorganges unterrichtet werde. Prälat Swoboda schlägt vor, daß gegebenenfalls eine Kommission einberufen werde, der die Vertreter der Kirchenvorstehung und des Ordinariates angehören, die dann über die weiteren Schritte zu entscheiden hätte. Der Vorsitzende wünscht, daß bei allen Arbeiten systematisch vorgegangen werde, so daß keine Beeinträchtigung der gottesdienstlichen Funktionen zu befürchten sei. Über Ersuchen des Ministerialrates Förster-Steffleur die Reihenfolge der Arbeiten zu skizzieren, erläutert Oberbaurat Deininger, daß zunächst nur die Arbeiten im nördlichen Seitenschiffe in Betracht kämen und zwar sei nach erfolgter architektonischer und photographischer Aufnahme und nach Beendigung der Ausgrabungen das Heben der Mosaiken, Zuschütten und Wiederverlegen vorzunehmen. Solange diese Arbeiten dauern, wäre das Mittelschiff mit einem Bretterfußboden zu überdecken. Hinsichtlich der Arbeiten im Mittelschiff müßte erst auf Grund der beim nörd-
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NEUAUFGEDECKTEN
MOSAIKEN
IN DER
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AQUILEJA (1909)
lichen Seitenschiff gemachten Erfahrungen das Arbeitsprogramm und ein Kostenvoranschlag ausgearbeitet werden, so daß derzeit eine Angabe über die Dauer der Arbeiten nicht möglich sei. Dieselbe hänge übrigens auch wesentlich von der Höhe der zur Verfügung stehenden Mittel ab. Professor Dvoøák, Hofrat Eder und Professor Reisch stellen die sofortige Entsendung der zur Durchführung der vorstehend skizzierten Arbeiten nötigen fachmännischen Kräfte in Aussicht. Professor Reisch richtet an den Verein zur Erhaltung der Basilika die Bitte, alle Arbeiten sowohl durch Bereitstellung der verfügbaren Mittel als auch durch eine sachkundige und gewissenhafte Beaufsichtigung zu unterstützen. Der Vorsitzende sagt die Erfüllung dieser Wünsche zu und über Vorschlag des Prälaten Swoboda wird Baron Eugen Ritter gebeten, die Lokalaufsicht über die Arbeiten zu übernehmen und dieselben insbesondere während der jeweiligen Abwesenheit des Bauleiters zu überwachen. Ministerialrat v. Förster-Streffleur erklärt zu diesem Punkte sich nicht definitiv aussprechen zu können, da der Regierung die Möglichkeit gewahrt bleiben müsse, gelegentlich der Bewilligung von Geldmitteln über die Art der Durchführung der Arbeiten Verfügungen zu treffen. Sohin wurde der Antrag des Professors Dvoøák die Grabungen im Dome fortzusetzen, einstimmig angenommen. Der Vorsitzende schließt die Versammlung mit dem wärmsten Dank an alle Anwesenden, insbesondere dankt er dem Ministerium f. K. u. U. und der Z. K. und bittet das hohe Ministerium um Flüssigmachung der bereits dem Vereine zur Erhaltung der Basilika in Aussicht gestellten Geldmittel von je 10.000 Kronen für die Jahre 1909 und 1910. Se. Exzellenz konstatiert mit großer Genugtuung die Übereinstimmung der geäußerten Ansichten und versichert, daß sowohl die in Betracht kommenden geistlichen Kreise als auch der Verein zur Erhaltung der Basilika alle auf Grund der heute gefaßten Beschlüsse hervorgehenden Verfügungen tatkräftigst unterstützen werden. Monsignore Sambuco und Podesta Stabile sprechen im Namen der Kirchenvorstehung und der Bevölkerung warme Dankesworte.
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DIE STATUENGRUPPEN DES HL. FRANZ XAVERIUS, DES HL. IGNATIUS UND DER HL. LUITGARDIS AUF DER KARLSBRÜCKE IN PRAG (1909)*
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ei dem Einsturze der Karlsbrücke im Jahre 1890 sind die Statuengruppen des hl. Franz Xaverius (Abb. 12) und des hl.Ignatius (Abb. 13), beide von Johann und Ferdinand Brokoff, in die Moldau gestürzt, wobei sie zertrümmert wurden. Man hat sie später gehoben und es entstand nun die Frage, was mit ihnen geschehen soll. Es sind wohl einzelne Teile verloren, doch diese sind nicht wesentlich. Die Wiederaufstellung an alter Stelle wurde vom Gemeinderate nicht in Betracht gezogen, weil man sie für technisch undurchführbar hielt; es wurde nur darüber debattiert, ob an der Stelle, wo sie die Brücke schmückten, Kopien nach den alten Statuengruppen oder neue Statuen, welche andere Themen darstellen, aufgestellt werden sollen. Zugleich wurde in Betracht gezogen, ob nicht die Statuengruppe der hl. Luitgardis (Abb. 14) von Matthias Bernhard Braun, der angeblichen Schadhaftigkeit und Bedrohung wegen, durch eine Kopie ersetzt werden sollte. Die Statuengruppen gehören zu den prunkvollsten Schöpfungen der barocken Skulptur in Prag. Besonders das Werk Brauns muß zu den größten Meisterwerken der barocken Plastik gerechnet werden. Doch auch für die Karlsbrücke ist das Schicksal dieser plastischen Werke von größter Bedeutung. Die alte Brücke mit ihrem barocken Statuenschmucke ist ein Denkmal von einer so grandiosen Wirkung, daß man ihm nur wenig ähnliches an die Seite stellen kann. Im Zusammenhange mit dem Ausblicke auf die Kleinseite und den Hradschin, zu denen die Brücke als eine porta triumphalis hinüberleitet, bildet sie einen der wesentlichsten Bestandteile in einem historischen Stadtbilde, welches zu den schönsten der Welt gezählt werden muß. Für diese Wirkung sind aber die Statuengruppen von großem Belange. Vom Standpunkte der Denkmalpflege mußte vor allem untersucht werden, ob die Luitgardisgruppe tatsächlich so bedroht ist, daß sie beseitigt werden müßte, und ob bei den herabgestürzten Gruppen des hl. Franz Xaverius und hl. Ignatius eine Wiederaufstellung an alter Stelle ausgeschlossen sei. Dieses zu untersuchen, hat die Z. K. eine Kommission an Ort und Stelle einberufen, die am 22. Februar 1909 stattgefunden hat und an der Dombaumeister Hilbert, Bildhauer Prof. Sucharda, die Konserv. Herain und Jeøábek, Oberbaurat Deininger und der Gefertigte teilgenommen haben.
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Erstabdruck in: Mitteilungen der k. k. Zentralkommission, 3. F., 8, 1909, Sp. 152–160.
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4.12 | DIE STATUENGRUPPEN
AUF DER
KARLSBRÜCKE
IN
PRAG (1909)
Die Kommission hat zunächst einstimmig festgestellt, daß die Luitgardisgruppe ohne Gefahr für ihren Bestand nach Vornahme einiger Sicherungsarbeiten in ihrer jetzigen Aufstellung belassen werden kann. Es wäre nur wünschenswert – und das gilt nicht nur für die Luitgardisgruppe, sondern für sämtliche Brückenstatuen –, daß man die Skulpturen von Zeit zu Zeit einer Untersuchung unterzieht, um etwaige Schäden rechtzeitig feststellen und beseitigen zu können. Eine Besichtigung der eingestürzten, zertrümmerten und nunmehr in dem Hofe eines Kommunalgebäudes provisorisch wieder zusammengestellten Gruppen des hl. Ignatius und Franz Xaverius ergab folgendes Resultat. Mit Ausnahme des Konserv. Herain, der sich auf sein in der Frage bereits abgegebenes Gutachten berief, demzufolge eine Wiederaufstellung der Originalgruppen auf der Brücke aus technischen Gründen nicht ratsam sei, haben sämtliche Teilnehmer an der Kommission die Überzeugung gewonnen, daß die Wiederaufstellung auf der Brücke technisch ohne Gefahr für den Bestand der beiden Denkmale durchgeführt werden kann. Sowohl der technische Referent des Generalkonservatorates, Oberbaurat Deininger, als auch Bildhauer Prof. Sucharda und Dombaumeister Hilbert gaben vom technischen Standpunkte ein dieser Überzeugung entsprechendes Gutachten ab, so daß die Z. K. die Wiederaufstellung als durchführbar und ohne Gefahr für den weiteren Bestand der Gruppen betrachten muß. Nicht minder einmütig waren die Teilnehmer an der Kommission bis auf Konserv. Herain in der Anschauung, daß eine Aufstellung von Kopien auf der Brücke unter allen Umständen zu vermeiden sei. Man hat sich heute fast allgemein zu der Anschauung durchgerungen, daß eine Kopie, mag sie noch so treu das Original nachahmen, dieses nicht nur nicht ersetzen kann, sondern sogar als Pietätlosigkeit alten Kunstwerken gegenüber aufgefaßt werden muß, welchen sie eine Auferstehung in verzerrter, historisch und künstlerisch lügenhafter Gestalt bereitet, wie man gerade bei der Karlsbrücke an der im vergangenen Jahre durch eine Kopie ersetzten Statue des hl. Ivo besonders deutlich beobachten kann. Diese Kopie mag einem umgeschulten Auge als treu erscheinen, wird jedoch auf jede feinere künstlerische Empfindung geradezu abstoßend wirken, nicht des ungenügenden Geschickes des Kopisten wegen, sondern einfach deshalb, weil, wie Prof. Sucharda in seinem Gutachten mit Recht hervorhebt, jeder Versuch einer sklavischen Nachahmung und Neuherstellung eines alten Bildwerkes einen künstlerischen Schiffbruch erleiden muß. «Was dabei entsteht,» sagt Prof. Sucharda, «kann beiläufig die Gestalt des Ganzen wiedergeben, kann aber nie das Original ersetzen und bleibt auch stets hinter dem zurück, was neu, im Geiste einer neuen Zeit und einer neuen, der heutigen Technik geschaffen wurde. Das Resultat bei der Statue des hl. Ivo bezeugt deutlich, daß die Absicht, die Statuen der Karlsbrücke durch Kopien zu ersetzen, nicht durchgeführt werden kann und nicht durchgeführt werden darf, wenn man nicht Prag an den Pranger der ganzen gebildeten Welt stellen will.» Es sind dies Ausführungen, welchen sich die Z. K. vollinhaltlich anschließen kann. Sie hält es für ihre Pflicht, von der beabsichtigten Aufstellung von Kopien auf der Karlsbrücke dem Prager Gemeinderate dringendst abzuraten, da daraus dem histori-
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RESTAURIERUNGSFRAGEN | 4.
schen und künstlerischen Charakter Prags ein unermeßlicher Schaden erwachsen würde. Was soll nun aber mit den herabgestürzten Statuengruppen geschehen? Wenn sie auch im ganzen und großen wieder in der alten Form zusammengestellt werden können, so sind doch einzelne Teile bei der Katastrophe verloren gegangen und es frägt sich, ob diese fehlenden Partien zu ergänzen sind. Prof. Sucharda hat sich dagegen ausgesprochen, indem er mit Recht betonte, daß uns die Schöpfungen unserer barocken Skulptur, der wir so glänzende Kunstwerke verdanken, nicht minder sakrosankt sein sollen als klassische Bildwerke, die zu ergänzen man allgemein für eine Blasphemie halten würde. Prof. Sucharda zog daraus den Schluß, daß man in erster Linie einen Ausweg suchen sollte, bei dem Ergänzungen ganz vermieden würden, was bei einer Aufstellung der Statuengruppen in einem Museum möglich wäre; in diesem Falle wäre aber die Brücke an Stelle der alten mit neuen, frei erfundenen modernen Statuen zu schmücken, für die eine öffentliche Konkurrenz auszuschreiben wäre. Sollte sich diese Lösung als unmöglich erweisen, so wäre in zweiter Linie die Wiederaufstellung der Originale auf der Brücke anzustreben. Diese Anschauung wurde von den übrigen Kommissionsteilnehmern nicht geteilt und auch die Z. K. kann ihr nicht zustimmen. Nachdem durch den technischen Befund festgestellt wurde, daß die Wiederaufstellung der Originalgruppen auf der Brücke möglich ist, kann wohl kein Zweifel darüber bestehen, was die Pietät für die Vergangenheit und deren monumentale Zeugnisse fordert. Nicht Kopien und nicht Neuschöpfungen, sondern die Originalgruppen sind auf der Brücke aufzustellen, wodurch ermöglicht wird, daß sie nicht nur in ihrer individuellen Detailwirkung, sondern auch in dem Zusammenhange, für den sie geschaffen wurden, wie früher auch in der Zukunft die Brücke und die Stadt schmücken und nicht nur einigen Kunstgelehrten und sonstigen Besuchern in dem Winkel eines Museums, sondern der Allgemeinheit Freude und künstlerischen Genuß bereiten. Ergänzungen der Statuen sind gewiß ein großer Nachteil, doch einesteils wären sie schon aus Stabilitätsgründen, wenn die Gruppen nicht zusammenhanglose Trümmer bleiben sollen, auch in einem Museum nicht ganz zu vermeiden und können auch auf der Brücke auf das Minimum eingeschränkt werden, anderseits sind sie, besonders wenn sie derart ausgeführt werden, daß sie dem Beschauer auf den ersten Blick als Ergänzungen kenntlich bleiben, in diesem Falle ein weit geringeres Übel, als wenn man auf die Wiederaufstellung der Statuengruppen auf der Brücke ganz verzichten und sie in der Totenkammer eines Museums begraben würde. Die alte plastische Ausschmückung der Karlsbrücke ist in ihrer Gesamtheit für die nordische Barocke nicht minder bedeutsam und charakteristisch, als für die italienische der Statuenschmuck des Ponte San Angelo in Rom. Dürfte man da auch nur die Absicht äußern, die Statuen durch Kopien oder Neuschöpfungen zu ersetzen? Würde nicht die ganze Welt dagegen protestieren? Und bei der Karlsbrücke soll man es zugeben? Wenn auch viel von dem alten Bestande verloren ging, so ist dies nur ein Grund mehr, das Erhaltene mit der größten Energie nicht nur in Bruchteilen, sondern als Ganzes zu schützen und zu erhalten.
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4.12 | DIE STATUENGRUPPEN
AUF DER
KARLSBRÜCKE
IN
PRAG (1909)
Aus diesen Gründen empfiehlt die Z. K. auf das eindringlichste: 1. Bei der Luitgardisgruppe sich auf die Beseitigung der Schäden, welche eventuell vorhanden sind und die vom Gerüste genau festzustellen wären, zu beschränken. 2. Die Franziskusgruppe und Ignatiusgruppe auf der Brücke wieder aufstellen zu lassen, wobei jene Ergänzungen vorzunehmen wären, die aus Stabilitätsgründen oder zur Vermeidung der zu befürchtenden weiteren Zerstörung der Bruchstellen technisch notwendig sind. Ergänzungen, die aus technischen Gründen nicht unbedingt notwendig sind, muß die Z. K. aus prinzipiellen Gründen widerraten. Sollte man jedoch in Prag auf ihnen bestehen und sie als die conditio sine qua non für die Wiederaufstellung der Gruppen betrachten, so würde die Z. K. auch gegen sie als das kleinere Übel keinen Einspruch erheben, wenn man sich mit der Ergänzung der Gesamtsilhouette begnügt und nicht etwa alle kleinen fehlenden Teile erneuert, was gar keinen Zweck hätte oder gar die Statuen überarbeitet, was unter allen Umständen vermieden werden muß. Damit die Ergänzungen nicht eine weitgehende Bearbeitung der Bruchstellen erfordern, womit ja ein weiterer Verlust von alten Partien verbunden wäre, sind sie nicht in Haustein, sondern in Kunststein auszuführen, der dem alten Material in Korn und Farbe anzupassen wäre. Die Ergänzung in Kunststein, der nicht patiniert, hat auch den Vorteil, daß die ergänzten Stellen stets auf den ersten Blick von dem Original unterschieden werden können. 3. Alle drei Gruppen wie auch alle übrigen Statuen der Karlsbrücke sind von Zeit zu Zeit einer Untersuchung zu unterziehen, damit alle eventuellen Schäden rechtzeitig festgestellt und die notwendigen Konservierungsmaßnahmen getroffen werden können. 4. Von allen drei Gruppen sind Gipsabgüsse anzufertigen und in einem Museum zu deponieren. 5. Das bestehende Verbot des Passierens der Brücke durch schwere Lastenfuhrwerke ist auf das strengste durchzuführen.
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ZUR FRAGE DER BILDERRESTAURIERUNG AN DER KAISERLICHEN GEMÄLDEGALERIE (1916)*
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er Vorstand des Kunsthistorischen Instituts der k. k. Zentralkommission für Denkmalpflege, Professor Dr. Max Dvoøák, schreibt uns:
«Euer Wohlgeboren! Im Auftrage der «Sachverständigenkommission für Bilderrestaurierungen bei der Gemäldegalerie des Allerhöchsten Kaiserhauses» erlaube ich mir eine Erklärung der Mitglieder dieser Kommission in der Angelegenheit der gegen Direktor Glück in der Künstlerversammlung vom 17. Dezember erhobenen Vorwürfe mit der Bitte zu senden, sie in der «Neuen Freien Presse» zu veröffentlichen. In vorzüglicher Hochachtung und ergebenst Prof. Dr. Max Dvoøák.» Nachstehend der Wortlaut der Erklärung: Die Erklärung der Sachverständigenkommission für Bilderrestaurierungen. In einer Versammlung der Wiener Künstler vom 17. Dezember 1915 hat die Künstlervereinigung Sezession gegen den Direktor der kaiserlichen Galerie Dr. Gustav Glück den Vorwurf erhoben, daß die unter seiner Leitung durchgeführten Bilderrestaurierungen nicht mit der erwünschten Pietät für die alten Kunstwerke vorgenommen wurden. Demgegenüber erlauben sich die Gefertigten, auf folgenden Sachverhalt hinzuweisen: Zur Überwachung der Restaurierungen an den Gemälden der kaiserlichen Galerie wurde im Jahre 1903 vom Obersten Kämmereramte eine eigene Kommission eingesetzt, der unter dem Vorsitz des Oberstkämmerers außer den referierenden Galeriebeamten und dem Kanzleidirektor des Obersten Kämmereramtes zwei Künstler, zwei Kunsthistoriker und zwei Kunstfreunde als Berater angehörten. Die gegenwärtigen beratenden Mitglieder der Kommission sind die Gefertigten; die Stellen eines zweiten Künstlers und eines zweiten Kunstfreundes sind nach dem Tode Professor L’Allemands und nach dem inzwischen erfolgten Ausscheiden des Grafen Lanckoroñski zurzeit unbesetzt. Dieser Kommission müssen alle zu restaurierenden Bilder der kaiserlichen Sammlung vorgelegt werden, und zwar sowohl vor Beginn der Arbeit als auch in allen ihren Stadien.
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Erstabdruck in: Neue Freie Presse, Morgenblatt, Nr. 18452, 5. Januar 1916, S. 12.
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4.13 | ZUR FRAGE
DER
BILDERRESTAURIERUNG
AN DER KAISERL.
GEMÄLDEGALERIE (1916)
Die Gefertigten halten es für ihre Pflicht, festzustellen, daß alle unter Direktor Glück vorgenommenen Restaurierungen mit einmütiger Zustimmung der Kommission durchgeführt wurden. Abgesehen von einigen wenigen Fällen, wo es sich nur um eine Neuspannung der Bilder oder um Beseitigung von Anstückelungen handelte, durch die in rücksichtsloser Weise im achtzehnten Jahrhundert verschiedene Gemälde auf ein gleiches Format gebracht wurden, waren es seit dem Antritt des gegenwärtigen Leiters der Galerie im ganzen nur acht Bilder, an denen Restaurierungsarbeiten vorgenommen wurden, und zwar, das große Madonnenbild von Lotto, dessen Restaurierung bereits unter dem früheren Direktor begonnen wurde, die «Ansicht von Schönbrunn» von Canaletto; die «Beweinung Christi» von Cosimo Tura, der «Heilige Hieronymus» von Quentin Massys, die «Madonna mit Heiligen» von Giacomo Palma dem Aelteren, Tizians «Diana und Callisto», die «Rosenkranzmadonna» von Caravaggio und die der Schule Bellinis zugeschriebene «Maria mit dem Kinde». Schon die geringe Zahl beweist, daß man sich zu einer Restaurierung nur dann entschlossen hat, wenn die Erhaltung des Gemäldes sie unbedingt erforderte. Sie wurde dabei stets auf die unumgänglich notwendige Konservierungsarbeiten beschränkt, auf eine sorgfältige Entfernung der späteren Uebermalungen, Sicherung der sich loslösenden Farbenteile und eine vorsichtige Ausfüllung von kleinen Lücken bei strenger Vermeidung jeder Uebermalung oder über die Austupfung von kleinen Fehlstellen hinausgehenden Ergänzung. Wie weit man ging in dieser unbedingten Ehrfurcht vor dem authentischen, vor jedem nicht unvermeidlichen Eingriffe zu schützenden Bestande der alten Kunstwerke, kann man daraus ersehen, daß die Kommission beschlossen hat, ein neu entdecktes Madonnenbild von Pier di Cosimo, bei dem der Hauptfigur bei sonstiger guter Erhaltung ein Teil des Kopfes fehlt, und das man in früheren Zeiten oder auch heute noch in machen Sammlungen unbedenklich durch moderne Zutaten «galeriefähig» gemacht hätte, unberührt im fragmentarischen Zustande zu belassen. Es ist in früheren Zeiten – zum Teil den damaligen von den jetzt herrschenden so abweichenden Ansichten entsprechend – oft und viel an den Bildern der kaiserlichen Sammlung gesündigt worden – die ganz verputzten Bilder von Palma beweisen es nebst vielen anderen zur Genüge – doch diese Sünden liegen weit zurück, und es geht nicht an, die gegenwärtige Galerieleitung für sie verantwortlich zu machen. Wien, 4. Januar Heinrich v. Angeli, Professor an der k. k. Akademie der bildenden Künste in Wien. Dr. Max Dvoøák, o. ö. Professor der Kunstgeschichte an der k. k. Universität in Wien. Julius v. Schlosser, o. ö. Professor der Kunstgeschichte an der k. k. Universität in Wien. Hans Graf Wilczek
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DER DIOKLETIANISCHE PALAST IN SPALATO (1920)*
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ie neue von der jugoslavischen Regierung eingesetzte Palastkommission in Spalato hat die Freilegung des sog. Mausoleums Diokletians, der jetzigen Domkirche, beschlossen. Zu diesem Zwecke sollen die angrenzenden Gebäude und darunter auch das alte Episcopium, ein ehrwürdiger Renaissancebau, niedergelegt werden. Damit wurde eine neue Entscheidung in einer Frage getroffen, die vor fünfzehn Jahren lebhaft die damalige österreichische Palastkommission beschäftigte. Damals war die Zerstörungsabsicht immerhin noch verständlich, da der Freilegungswahn noch nicht ganz überwunden war, und schon damals siegten Vernunft und künstlerischer Sinn über das unheilvolle Projekt. Heute es wieder aufzunehmen und durchführen zu wollen, ist wahrlich ein Anachronismus, um so beklagenswerter, als es sich um eines der bedeutendsten Denkmäler der Adriagebiete handelt, dessen Wirkung durch die Freilegung die größte Einbuße erleiden würde. Es liegt mir ganz ferne, mich in Angelegenheiten der Denkmalpflege in Dalmatien zu mischen, doch aus alter Liebe zu den Kunstschätzen des Landes möchte ich in diesem Falle, wo es sich um ein Bauwerk handelt, an dem die ganze gebildete Welt interessiert ist, doch nicht die Warnung unterlassen, man möge sich doch zweimal und dreimal die Ausführung eines Beschlusses überlegen, der zu nie wiedergutzumachenden Verwüstungen und Verlusten führen würde.
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Erstabdruck in: Kunstchronik und Kunstmarkt, 55, N.F. 31, 1919–20, S. 901.
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DIE VERBAUUNG DES KARLSPLATZES IN WIEN (1907) *
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eit vielen Jahren ist keine Kunstfrage, welche mit einem alten Denkmale der Kunst zusammenhängt, so eifrig diskutiert worden, wie in der letzten Zeit die Frage der Verbauung des Karlsplatzes. Wie den meisten unserer Leser bekannt sein dürfte, ist vor der Karlskirche durch die Überwölbung der Wien ein großer Platz entstanden, der teilweise und zwar nicht überall in der glücklichsten Weise bereits von Neubauten umgeben ist und dessen weitere Verbauung durch den projektierten Neubau des städtischen Museums erfolgen sollte. Zunächst beschäftigte sich die Diskussion mit den Projekten, welche für diesen Musealbau aufgestellt wurden, eine Diskussion, die in dem Kampfe heutiger Kunstströmungen ihren Ursprung hatte. Neben dieser eigentlichen Kunstfrage, die ja heute als abgeschlossen betrachtet werden kann, erhoben sich jedoch auch Bedenken, ob es überhaupt ratsam wäre, neben der Karlskirche einen Musealbau der projektierten Art aufzuführen, der ja wesentlich auch die Erscheinung der Karlskirche beeinflussen müßte, da das in deren Nähe ausgeführte monumentale Gebäude mit dem Denkmale konkurrieren und überdies einige noch offene Ausblicke auf die Kirche für immer schließen würde. Wir wollen hier, wo die Fragen mit historischer Objektivität betrachtet werden sollen, nicht die Gründe oder Gegengründe für diese oder jene Lösung erörtern, sondern nur die allgemeinen Gesichtspunkte hervorheben, auf die sich die verschiedenen Meinungen zurückführen lassen. Es sind ihrer drei, von welchen sich zwei insofern zusammenfassen lassen, als sie die architektonische Schließung und Ausgestaltung des Platzes als notwendig und wünschenswert ansehen. 1. Die Vertreter der ersten Anschauung stehen auf dem Standpunkte (bewußt oder unbewußt), daß im Anschlusse an eine weitausgreifende, grandiose und ganz moderne Ausgestaltung des großen Platzes in dem projektierten Museum ein dem Baue des Fischer von Erlach ebenbürtiges Werk der modernen Architektur entstehen soll, wobei es dessen Schöpfer zu überlassen wäre, das Verhältnis zur Karlskirche in befriedigender Weise zu lösen. Die Karlskirche soll also nach diesem Gesichtspunkte in ein ganz neues Stadtbild eingefügt werden, ähnlich wie man zuweilen in der barocken Kunst einen gotischen Teil in einen neuen Prunkbau eingefügt hat. 2. Die Vertreter einer anderen Anschauung stehen auf dem Standpunkte, daß zwar die architektonische Umgestaltung und Schließung des Platzes wünschenswert sei, doch nur derart und zu dem Zwecke vorgenommen werden dürfe, daß sie eine Er-
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Erstabdruck in: Kunstgeschichtliches Jahrbuch der k. k. Zentralkommission, 1, 1907, Beibl., Sp. 146–148.
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höhung der jetzigen Wirkung der Karlskirche durch die Regulierung der Umgebung zur Folge hätte. 3. Die dritte Anschauung geht dahin, daß vor allem die jetzige Wirkung der Karlskirche nicht tangiert werden darf und eine architektonische Ausgestaltung des Karlsplatzes nur dann zulässig wäre, wenn dadurch diese Wirkung keine Veränderung erfahren würde. Historisch genommen müßte der zweite Gesichtspunkt zuerst genannt werden, denn er entspricht Anschauungen, die am weitesten zurückliegen und deren allgemeiner Inhalt in der Überzeugung bestand, daß es die Aufgabe der Denkmalpflege sei, durch geeignete Umgestaltungen eines Denkmales oder der Umgebung eines Denkmales dessen Wirkung zu erhöhen. An zweiter Stelle wäre dann in der chronologischen Reihenfolge der ideellen Entstehung nach die erstgenannte Anschauung zu nennen, die auf einer bestimmten Strömung in der modernen Architektur beruht und von der Überzeugung ausgeht, daß ein ganz neuer architektonischer Stil geschaffen werden kann, wenn man ohne Rücksicht auf die Tradition neue technische Prämissen zum künstlerischen Ausdruck des architektonischen Schaffens umwertet. Es ist eine logische (wenn auch vielleicht unausgesprochene) Folgerung, daß im Rahmen einer einheitlichen, dieser ganz neuen Kunst entsprechenden Platzlösung ein alter Bau nur ein Begleitungsmoment sein könnte. In der dritten Anschauung berührt sich eine andere moderne, elementar anwachsende Kunstströmung mit neuen Anschauungen der Denkmalpflege. Diese neueste Richtung in der modernen Architektur, die von England und Belgien ausgeht und in Deutschland immer mehr Boden gewinnt, beruht auf der Überzeugung, daß eine neue Architektur sich wohl von jedem immitierenden Historismus fernhalten und eine neue, den modernen technischen Voraussetzungen und dem modernen formalen Empfinden entsprechende Bewältigung der architektonischen Probleme anstreben muß, dabei aber nicht ganz darauf verzichten darf, was als ein Vermächtnis der alten künstlerischen Kultur angesehen werden kann und besonders dort, wo es sich darum handelt, im Rahmen alter künstlerischer Kultur Neues zu schaffen, das Neue sich dem historisch gewordenen Gesamtbilde zu unterordnen hat. Es muß wohl nicht ausgeführt werden, wie nahe diese Richtung den neuen Anschauungen der Denkmalpflege steht, die es als eine ihrer Hauptaufgaben betrachtet, die überlieferte dokumentarische Bedeutung der Denkmale für die Geschichte der künstlerischen Kultur und deren im Laufe der Zeiten entstandene Wirkung als Quelle modern künstlerischer Sensationen möglichst unberührt und unverändert zu erhalten.
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WIENER VERKEHRSRÜCKSICHTEN (1908) *
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lt-Wien wird Verkehrsrücksichten geopfert, Rücksichten, die von niemand verlangt wurden und die mit Unrecht ein geistvoller Künstler als hysterische Lüge bezeichnete: sie sind nichts weiter als eine Phrase. Doch nehmen wir an, daß diese Rücksichten bestehen und Fußgänger oder Equipagen nach der Beseitigung aller «Engpässe» und Durchführung neuer Straßendurchbrechungen, denen die schönsten Partien des alten Wiener Stadtbildes zum Opfer fallen würden, um einige Minuten schneller als bisher die innere Stadt durchqueren könnten. Wäre dadurch etwas bewiesen? Stände da nicht einfach Interesse gegen Interesse? Und kann man im Zweifel sein, welches das höhere wäre? Nie früher gab es in dem Verhältnisse des öffentlichen Lebens und der öffentlichen Meinung zu den geistigen Gewalten und idealen Empfindungen und Bestrebungen der Gegenwart und Vergangenheit so viel Tartüfferie und Augurentum wie heutzutage. Nie früher wurde von einer höheren Lebensauffassung und von den geistigen Gütern der Menschheit so viel gesprochen, nie früher wurde ihre Pflege und Verbreitung so oft und allgemein für die heiligste Pflicht sowohl jedes einzelnen als auch der Allgemeinheit erklärt und nie früher war der wirkliche Respekt von ihnen so gering wie heutzutage. Es gehört zum guten Tone für sie zu schwärmen, in petrifizierter Form bilden sie die fiktive Grundlage des sogenannten humanistischen Unterrichts, der die Menschen zu ethisch und spirituell besser qualifizierten Wesen erziehen soll, und für eine Reihe von Behörden sind sie die Vignette einer sozial-kulturellen Fürsorge und Betätigung. Doch wehe ihnen, wenn sie eine tatsächliche Berücksichtigung zu verlangen sich erkühnen sollten. Nur die krasseste Unkenntnis kann der Meinung sein, daß es sich in dem Kampfe um Alt-Wien um nichts anderes handelt, als um die Marotte einiger Kunstliebhaber, die für ihre persönlichen Passionen ein Opfer von der Allgemeinheit verlangen. Würde dem so sein, dürfte es sich kaum lohnen, über die Angelegenheit auch nur ein Wort zu verlieren. Der moderne Denkmalkultus gehört aber zu den Strömungen im heutigen geistigen Leben, die nicht nur ihrem Inhalte nach für die Bildung des Herzens und Auges die wichtigsten sind, sondern auch tatsächlich den größten, allgemeinsten Widerhall überall bereits gefunden haben und von Jahr zu Jahr mit einer geradezu elementaren Gewalt eine größere Bedeutung als allgemeiner Kulturfaktor gewinnen.
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Erstabdruck in: Kunstgeschichtliches Jahrbuch der k. k. Zentralkommission, 2, 1908, Beibl., Sp. 137–140.
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Nicht Amateurentum hat ihn geschaffen, sondern führende Geister, die nach dem Zusammenbruche des ancien régime und der grauenhaften Kulturlosigkeit, die diesem Zusammenbruche folgte, einen Weg zu dem kulturellen Vermächtnisse der Vergangenheit zu suchen begonnen haben. War auch ihre Begeisterung für die Vergangenheit zunächst, wie es, da die Kontinuität der Entwicklung unterbrochen wurde, nicht anders möglich war, mehr theoretischen und dogmatischen Charakters, der eine gewisse Kennerschaft erforderte, so daß Kunstgelehrte und Kunsttheoretiker die Führung hatten und das Interesse auf bestimmte Stilperioden und Objekte von bestimmten Qualitäten konzentriert war, vertiefte und verallgemeinerte sich doch von Jahrzehnt zu Jahrzehnt diese Strömung immer mehr und verwandelte sich allmählich in ein von Kunsttheorien und Kennerschaft, von einer bestimmten Erudition oder Liebhaberei unabhängiges Gefühl der Pietät und Liebe zu den Denkmalen der künstlerischen Kultur der Vergangenheit. Nachdem aber der Denkmalkultus auf diese breite Basis gestellt worden war, vereinigte er sich bald mit einem andern neu erwachenden und mächtig anwachsenden Sentiment, das ja schon in allen früheren Zeiten die «Hauptquelle der Ehrfurcht vor den Schöpfungen der Ahnen» war, wie es in einem venezianischen Dokumente des XVI. Jahrhundertes heißt, welches von der Erhaltung alter Gebäude handelt. Es war dies die Heimatliebe, und zwar nicht in der doktrinären und nicht individualisierten Bedeutung des Wortes, die ihm die Aufklärungszeit gab, die nur einen Patriotismus, doch keine Heimat kannte, sondern Heimatliebe, die auf dem beruht, was seit jeher die Menschen mit territorialer Eigenart und geschichtlichen Momenten verknüpfte, auf der Anhänglichkeit zu dem Boden, auf dem sich das Ringen der Vorfahren um die Bewältigung der Lebensaufgaben abspielte, und zu den Monumenten, die Ahnenbildern vergleichbar, von diesem Ringen eine stumme und doch beredte Zeugenschaft ablegen. Es gibt wenig neue geistige Bewegungen in dem modernen Leben, die ethisch so hoch stehen, wie dieser amor patriae im schönsten und edelsten Sinne des Wortes. Wie viel von dem, was man als eine der Hauptaufgaben der Jugend- und Volkserziehung erklärte und bisher vergeblich durch verblaßte Analogien, durch Bücher, die man ohne Zwang nicht las, und durch Vorbilder, die man nicht verstand, zu erwecken suchte, Verständnis für Kultur und Kunstwerte, verbunden mit Vaterlandsliebe und einer idealen Lebensauffassung, ist darin enthalten. Doch da nun all das, was man salbungsvoll als ein Ziel bezeichnete, das alle zum gemeinsamen Streben vereinigen sollte, von selbst kam und als ein lebendiger Quell in die Gegenwart einzugreifen beginnt, verschanzt man sich hinter die banalsten und nichtigsten Einwendungen, wie es die geschilderten Verkehrsrücksichten sind, und spricht indigniert und mit überlegenem Lächeln von überspannten Forderungen, die selbstverständlich nicht berücksichtigt werden können.
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DIE KARLSPLATZFRAGE (1909) *
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rofessor Max Dvoøák, der bekannte Kunsthistoriker, Wickhoffs Nachfolger, der der modernen Kunst im allgemeinen und der Otto Wagners im besonderen äußerst freundlich gegenübersteht, stellt uns diesen Artikel zur Verfügung, in welchem er, von ganz entgegengesetzten Prämissen ausgehend, doch zu denselben Schlüssen gelangt wie unser Kunstreferent in seinem vor einigen Tagen erschienenen Feuilleton. Es könnte einem nicht genauer unterrichteten Betrachter auffallen, daß Kreise, die seinerzeit in dem Konkurrenzkampfe mit Entschiedenheit, ja mit Begeisterung für Wagner Partei ergriffen haben, heute gegen die Durchführung eines Wagnerischen Projekts für das städtische Museum sich erklären. Es ist eben nicht der Stil des auszuführenden Baues, um den es sich in dem heutigen Stadium der Streitfrage handelt. Der Schöpfer des Museumsprojekts ist der vornehmste und weitaus bedeutendste Vertreter einer Richtung in der Entwicklung der modernen Wiener Architektur, deren Werke das wichtigste Kapitel in der Baugeschichte Wiens in den letzten zwanzig Jahren bedeuten, und wenn auch diese Richtung durch die Entstehung eines neuen architektonischen Stiles im Deutschen Reiche, zu dem der Konstruktions- und Materialdogmatismus nur eine Vorstufe war, überflügelt wurde, so wäre es doch im höchsten Grade kunstfeindlich, wenn man nur des Stiles wegen der Durchführung des Wagnerschen Projekts auch nur das geringste Hindernis in den Weg legen würde. Doch daran denkt niemand; die Opposition wendet sich nicht gegen den Bau Wagners (der an und für sich im Gegenteil auf das wärmste befürwortet werden müßte), sondern lediglich gegen dessen Ausführung in der unmittelbaren Nähe der Karlskirche. Welche Gefahr droht dabei der Kirche? Wäre es wirklich ein Unheil, wenn man in ihrer Nachbarschaft einen künstlerisch wertvollen Bau ausführte? Haben frühere Zeiten den bedeutendsten Werken der Architektur nicht oft Neubauten zur Seite gestellt? Verdanken wir nicht gerade der Aufeinanderfolge verschiedener Bauperioden die schönsten und wirkungsvollsten Stadtbilder? Das ist alles richtig, und man kann noch weiter gehen: nachdem um die Kirche herum schon so viel geändert wurde, daß von dem ursprünglichen Bilde dieses Stadtteils, in dem einst die Karlskirche nach allen Seiten freistehend dominierte, wenig mehr übrig blieb, unterliegt es von vornherein keinem Zweifel, daß der Platz auch heute noch eine neue architektonische Ausgestaltung erhalten
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Erstabdruck in: Neue Freie Presse, Morgenblatt, Nr. 16284, 21. Dezember 1909, S. 1–3.
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kann, ja erhalten muß, da der jetzige Zustand den Charakter eines wenig günstigen Provisoriums trägt. Diese Neugestaltung des Karlsplatzes muß aber derart erfolgen, daß die Erscheinung und Wirkung des berühmten Baues darunter nicht nur nicht leidet, sondern im Gegenteil gewinnt. Das ist der springende Punkt der Streitfrage. Bis zum neunzehnten Jahrhundert dürfte kaum ein Fall nachgewiesen werden können, daß ein altes, berühmtes Bauwerk durch unpassende Anbauten geschädigt worden wäre. Denn wenn auch frühere Jahrhunderte im Hochgefühle ihrer schöpferisch künstlerischen Kraft mit dem alten Kunstbesitze oft schonungslos aufgeräumt haben, so haben sie doch das, was sie schonten, nicht künstlerisch entwertet, sondern in voller künstlerischer Wirkung erhalten. Man nehme sich einmal die Mühe, darauf zu achten, mit welch bewunderungswürdigem Takt, mit welch hoher Meisterschaft etwa im achtzehnten Jahrhundert die Umgestaltung der Umgebung eines wichtigen alten Bauwerkes durchgeführt wurde. Entweder man legt den Akzent auf den alten Bau, dem sich dann das neu Entstehende subordinieren mußte, oder man fügte das Alte in den Rahmen eines großen architektonischen Gesamtentwurfes ein, wie ein kostbares Juwel, so daß immer, trotz der Verschiedenheit des Stils, die innere Einheitlichkeit, die Einheitlichkeit des künstlerischen Zusammenwirkens erzielt wurde, hauptsächlich deshalb, weil die alte fortlebende künstlerische Tradition trotz der Wandlungen der Stilformen keine Unterbrechung erlitten hat. In den sozialen Umwälzungen des neunzehnten Jahrhunderts ging aber der Zusammenhang mit der alten künstlerischen Kultur verloren und an ihre Stelle trat, wie auf anderen Gebieten des geistigen Lebens, ein wurzelloser Doktrinarismus, der in der Kunst das alte Können durch ein besseres Wissen ersetzten zu müssen vermeinte. Man lieferte die Architektur Antiquaren und Technikern aus, die durch äußerliche Aneignung des Formenschatzes und der konstruktiven Mittel der vergangenen Stilperioden die Kunst aller Zeiten beherrschen zu können glaubten und je nach den herrschenden ästhetischen, literarischen oder politischen Strömungen oder auch einfach nach den Wünschen der Besteller in den verschiedensten Stilarten zu bauen sich für berufen hielten, wobei nach und nach jedes Verständnis für die künstlerischen Qualitäten der Bauten der Vergangenheit verloren ging. Trotz der Nachahmung und vermeintlichen Verehrung hörte man da auf, die alten architektonischen Kunstwerke zu respektieren, indem man ohne jede künstlerische Subordination, ohne jedes innerlich empfundene Bedürfnis nach Vereinheitlichung die neuen, in historisierenden Stilen entworfenen Schöpfungen als konkurrierende Seitenstücke in der Umgebung der alten Bauten ausführte, die dadurch künstlerisch entwertet wurden, was vielfach weit ärger war, als wenn man sie ganz vernichtet hätte. In der Nähe alter Dome baute man protzige Hotels und Bahnhofanlagen in «gotischem» oder «Renaissance»-Stil und erniedrigte dadurch das wichtigste Kunstdenkmal der Stadt zu einer unwürdigen Konkurrenz, die den alten Zauber vollständig zerstörte. Trauten Plätzen gab man eine neue Dominante in einem pompösen, pseudogotischen Rathause, und die schönen alten Gassen, in welchem einst die Baumeister im Rahmen der Gesamterscheinung ihrer individuellen Leistung so treff-
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5.3 | DIE KARLSPLATZFRAGE (1909)
lich das richtige Maß zu geben wußten, verwandelten sich in wüste Kampflätze einer zügellosen Reißbrettphantasie. Um nichts anders aber, als was so oft der Hochmut und das künstlerische Parvenütum der Adepten der historischen Stile an alten Baudenkmalen verschuldet hat, handelt es sich auch bei dem projektierten Museumsbau auf dem Karlsplatze. Man mag noch so eifrig behaupten, daß der Neubau in bescheidenen Formen, schlicht und einfach gehalten sein wird, tatsächlich würde er doch unzweifelhaft schon durch die Massenwirkung, nicht minder aber durch die große farbige Fläche des auf koloristische Sondereffekte berechneten Gebäudes, statt der Karlskirche untergeordnet zu sein, mit ihr konkurrieren und trotz des stilistischen Radikalismus zu dem alten Denkmal in einem ähnlich disharmonischen Verhältnisse stehen, wie die von allen Gebildeten mit Recht so beklagten pseudohistorischen Monumentalbauten zu ihren Vorbildern, in deren Nähe sie ausgeführt wurden. Das Museum würde aber auch, was noch weit bedenklicher ist, die Karlskirche künstlerisch verfälschen. Jedermann, der Herz und Auge dafür hat, weiß, wieviel die Kirche durch die Erhöhung des Gebäudes der technischen Hochschule verloren hat, weil dadurch ihre, die Umgebung beherrschende Stellung beeinträchtigt wurde. Durch den Anbau eines ebenso hohen Gebäudes auf der anderen Seite würde aber dieser Schaden nicht, wie einzelne sagen, verbessert, sondern verzehnfacht werden, da die Karlskirche, die bisher wenigstens für bestimmte Prospekte in der alten Herrlichkeit als beherrschend wirkt, zu einem koordinierten Mittelteil eines gewaltigen langarmigen Gebäudekomplexes herabsinken müßte, der die Kirche erdrücken und ihre gewaltige Kuppel, die bisher ein künstlerischer Selbstzweck war, zum gleichgiltigen Mittelpunkte der neuen Gebäudemasse erniedrigen und ihrer alten Wirkung und Bedeutung berauben würde. Sie würde sich in der Zukunft nur durch ihre Größe, aber nicht mehr durch ihre künstlerische Mission von den vielen Zinshauskuppeln unterscheiden, in welchen sich die alte Form in einen inhaltlosen Gemeinplatz verwandelte. Würde jedoch sogar die Kuppel ihre selbständige, das Platzbild beherrschende Macht einbüßen, wie viel mehr wäre dies noch bei den übrigen Teilen der Kirche der Fall! Man hat in der letzten Zeit manchmal die unüberlegte Behauptung gehört, die Kirche müsse in einen Winkel gestellt werden, wobei auf die ganz unzutreffende Analogie des Petersplatzes in Rom hingewiesen wurde. Nach Durchführung des Projekts würde die Kirche wirklich in einem Winkel stehen in der traurigen Bedeutung des Wortes, sie wäre nichts weiter als der Mittelrisalit einer langen, gebrochenen und noch dazu nicht homogenen Gebäudewand. Ihre berühmten Säulen, die geistvollste Umwertung eines alten Motivs für den Eindruck einer grandiosen Triumphalwirkung, die man sich denken kann, wären in der Zukunft nichts weiter mehr, als zwei vor die Fassade gestellte Pylonen, erniedrigt zum indifferenten alltäglichen Platzschmuck durch die Flügel und die ganze neue Gesamtanlage. In seinen florentinischen Morgen weist Ruskin dem kunstsinnigen Besucher von Santa Croce eine ganz bestimmte Stelle in der Kirche an, zu der er sich zuallererst,
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ohne sich nach links oder rechts umzusehen, zu begeben hat, wenn sich ihm die ganze Schönheit und Bedeutung des Baues als Introitus zur weiteren Betrachtung offenbaren soll. Bei der Karlskirche müßte man den Fremden auf den Schwarzenbergplatz führen. Das, was in der Umgebung der Kirche zu ihrem Nachteile ausgeführt wurde, stört, wenn man sie von da aus betrachtet am wenigsten, denn die erhöhte technische Hochschule, die sich bei der Frontalansicht oder bei der Betrachtung von der Nachbarschaft der verlängerten Kärntnerstaße aus störend zur Geltung bringt, rückt in die Ferne, und frei in alter Majestät erscheint der Bau riesengroß und bewunderungswürdig gegliedert, ein Denkmal der ecclesia triumphans wie es nur wenige in der Welt gibt. Dazu kommt noch etwas anderes. Aehnlich wie die Seitendurchblicke im Inneren der Kirche sind die Seitenansichten von außen mit ihren wohlberechneten Verkürzungen für die künstlerischen Ziele der Architektur des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts besonders charakteristisch. Es gibt Bauten, die, wie Sant’ Agnese auf der Piazza Navona in Rom, geradezu nur für den Seitenanblick berechnet sind, aber auch da, wo dies nicht der Fall ist, wie bei der Karlskirche, wirkt die spielende Bewältigung und überlegene Gruppierung der Massen nach allen Seiten hin unvergleichlich ausdrucksvoller, wenn man sie von der Seite betrachtet, als in der Frontalansicht, wo die Anordnung in die Tiefe weniger hervortritt und die freie Gestaltung durch die Symmetrie doch einigermaßen gebunden ist. Man muß es deshalb als einen besonderen Glücksfall anstehen, daß sich dieser Ausblick auf die Kirche bis auf den heutigen Tag erhalten hat. Das projektierte Museum würde ihn aber verstellen und unwiederbringlich vernichten. Mit einem Feuereifer sondergleichen hat sich die Wiener Öffentlichkeit vor einigen Jahren für die Freilegung eines Ausblickes auf die Stephanskirche eingesetzt, und nun soll man eine der schönsten Veduten auf das zweitwichtigste kirchliche Denkmal Wiens grundlos aufgeben? Erstaunt fragt man sich, ob denn so große Gegenwartsforderungen für das Projekt sprechen, daß sie eine so vielfältige Schädigung des Hauptwerkes des Fischer von Erlach rechtfertigen könnten. Diese Frage muß rundweg verneint werden. Kenner der Musealverhältnisse stimmen in der Meinung überein, daß der Platz vor der Karlskirche für den Bau des städtischen Museums überhaupt nicht geeignet sei, weil er zu klein ist und das Museum nicht erweitert werden könnte, womit bei jedem modernen Museumsbau gerechnet wurden muß. Doch selbst wenn dies nicht der Fall und der Platz für das Museum ganz geeignet wäre, gibt es nicht in Wien Plätze genug, auf denen der Bau allen modernen Bedürfnissen entsprechend und ohne Schädigung eines berühmten Denkmals ausgeführt werden könnte? Längst ist man sich über all dessen bewußt geworden, wie wichtig es ist, durch Verlegung der öffentlichen Monumentalbauten in verschiedene Stadtteile neue Zentren der künstlerischen Entwicklung der Stadt zu schaffen. Man spricht von den höheren Kosten, die ein anderer Bauplan vielleicht erfordern würde. Ist dies ein Grund, das Museum auf Kosten eines der wichtigsten Denkmale Wiens auszuführen? Und selbst wenn das ganze Museumsprojekt illusorisch werden sollte,
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5.3 | DIE KARLSPLATZFRAGE (1909)
so wäre dies ein geringerer Schaden. Es wäre ja geradezu ein Hohn, wenn man ein Museum bauen und eines der wichtigsten Kunstwerke Wiens dabei künstlerisch zerstören, wenn man einen neuen Monumentalbau schaffen und die monumentalste Schöpfung der höchsten Blütezeit der Wiener Kunst ihrer Monumentalität berauben würde. Der Karlsplatz kann gewiß nicht in der jetzigen Gestaltung auf die Dauer belassen werden. Es darf aber nicht eine Regulierung in pejus, wie die projektierte, durchgeführt werden. Vor der Erhöhung der Technik hätten die Bauten in der unmittelbaren Nähe der Kirche symmetrisch gestaltet werden können, denn es hätten da die Flügel ähnlich wie Berninis Kolonnaden am Petersplatze in Rom die Rolle eines subordinierten Ausklingens gespielt. Nachdem jedoch die unglückselige Umgestaltung der technischen Hochschule geschah, blieb und bleibt die jetzige Asymmetrie, die dem Baue wenigstens von einer Seite her die alte beherrschende Wirkung bewahrt, das einzige Mittel zu retten, was noch gerettet werden kann. Auf dem für das Museum bestimmten Platze könnten schlichte Familienhäuser, kleine Ausstellungshallen oder andere Gebäude ohne Prätention einer mit der Karlskirche wetteifernden Monumentalität errichtet werden. Doch ich will keine Vorschläge machen, denn das sind Aufgaben, welche Architekten zu lösen haben werden. Und man kann ruhig die Lösung der Architektur der nächsten Zukunft überlassen. Hat die heutige absterbende Generation den Sieg einer neuen Malerei erlebt, durch die der Anschluß an die ganze vorangehende Entwicklung der malerischen Probleme wieder gefunden wurde, so ist uns das Glück beschieden, Zeugen des Entstehens einer neuen Architektur zu sein, die jenseits aller Theorien, weit entfernt von dem traurigen Eklektizismus des neunzehnten Jahrhunderts, eine selbständige Weiterbildung der architektonischen Errungenschaften der Vergangenheit und zugleich eine neue Epoche in der tausendjährigen, einheitlich verlaufenden Geschichte des architektonischen Schaffens bedeutet. Diese neue Architektur, der in künstlerisch führenden Gebieten bereits die Gegenwart, überall aber die Zukunft gehört, steht im innigen Verhältnis zu den alten Denkmalen, denen sie, ohne sie zu kopieren oder überbieten zu wollen wie der Historismus, ohne sie gewaltsam beiseite zu schieben, «in den Winkel» zu stellen wie der technische Doktrinarismus, vereint mit Neuschöpfungen im Rahmen einer neuen, auf alten Traditionen und neuem Empfinden beruhenden künstlerischen Kultur eine wahre künstlerische Auferstehung zu bereiten weiß. Es ist dies nicht etwa eine bestimmte künstlerische Richtung oder ein einseitiges Kredo. Selten hat eine künstlerische Strömung eine so breite Grundlage, einen so großen Widerhall in einer allgemeinen geistigen Bewegung gefunden. Wie an der Pforte der italienischen Renaissance erwacht überall mächtig die Begeisterung für das künstlerische Vermächtnis der Vergangenheit, vor allem der heimatlichen Vergangenheit, eine Begeisterung die nichts mit dem gelehrten und bautechnischen Interesse des neunzehnten Jahrhunderts zu tun hat, sondern auf dem Wiedererwachen eines allgemeinen künstlerischen Empfindens und auf einer Wiederbelebung des Verständnisses für Werte beruht, die der Kunst das Leben und dem Leben Größe und Schönheit verleihen.
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Es ist eine Freude, zu sehen, wie große reichsdeutsche Städte, trotz der englischen Anregungen die eigentliche Heimat dieser neuen Renaissance, von Tag zu Tag schöner werden. Und in dieser großen Zeit soll in Wien ein Projekt durchgeführt werden, bei dem nicht etwa, wie so oft früher, einer allgemeinen unglücklichen Verknüpfung der Verhältnisse und Anschauungen, sondern einfach der Unkenntnis der führenden künstlerischen Ideen das zum Opfer fallen müßte, was man anderswo überall als die höchste Bekrönung, als den Ausgangspunkt und das leitende Motiv der künstlerischen Gestaltung betrachten würde.
DER MUSEUMSBAU AUF DEM KARLSPLATZE (1910) *
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eit vielen Jahren hat keine mit alten Denkmälern zusammenhängende Frage die öffentliche Meinung Wiens so stark beschäftigt, wie die Angelegenheit des Museumsbaues auf dem Karlsplatze. Wien hat sich in zwei Lager geteilt, die sich auf das heftigste bekämpfen, so daß sich ein Optimist in die künstlerisch so fruchtbringenden Zeiten der Kunstfehden, die um die Mitte des 17. Jahrhunderts in Rom durchgekämpft wurden, oder in den Kunststreit der Sechzigerjahre des vergangenen Säkulums in Paris zurückversetzt glauben könnte. Worum handelt es sich jetzt aber eigentlich? Zunächst sei betont: die tatsächlichen künstlerischen Eigenschaften des heute bei dem ganzen Streite anscheinend allein in Betracht kommenden Museumsprojektes sind es nicht, die, wie weniger genau unterrichtete Beobachter vielleicht meinen, den eigentlichen Gegenstand der Diskussion bilden. Die Frage ist vielmehr die, ob an der in Aussicht genommenen Stelle – in unmittelbarer Nähe der Karlskirche – überhaupt ein großer und an sich selbst bedeutungsvoller Bau, wie es ein «Städtisches Museum» sein muß, errichtet werden soll. Es ist also eigentlich eine Karlskirchen-, nicht eine Museumsfrage. Die Karlskirche, neben der Stephanskirche das populärste kirchliche Denkmal Wiens, ist jedem Wiener, ja jedem Österreicher, ans Herz gewachsen, und dies mit Recht, gehört sie doch künstlerisch zu den hervorragendsten Bauten der Stadt, ja des Reiches, und ist sie doch unter Karl VI. als gemeinsames Werk aller habsburgischen Erbländer gewissermaßen als ein Denkmal der pragmatischen Sanktion, der Grundlage unseres Staatswesens, gedacht und ausgeführt worden und damit eines
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Max Dvoøák, Der Museumsbau auf dem Karlsplatze, (Flugschriften des Vereines zum Schutz und zur Erhaltung der Kunstdenkmäler Wiens und Niederösterreichs, 1), Wien–Leipzig 1910.
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5.4 | DER MUSEUMSBAU
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der wichtigsten sichtbaren Zeichen einer großen geschichtlichen Entwicklung. Wer das Nähere der Entstehung auch nicht kennt, ahnt das Große doch durch die Verknüpfung des Baues mit dem Namen des für Wien und Österreich so wichtigen Fürsten. Dieses Werk fühlen so manche nun bedroht und wollen es in seiner Wirkung schützen, mag eine Gefahr nun in dieser oder jener Form herantreten. Worin besteht nun aber die Gefahr, die gerade ein Museumsbau auf dem in Aussicht genommenen Platze mit sich bringt? Um uns darüber klar zu werden, müssen wir uns vor Augen führen, auf welche Wirkung die Karlskirche besonders angelegt erscheint. Es ist nun oft genug hervorgehoben worden, daß die Karlskirche ursprünglich frei stand, also auf den Blick von allen Seiten berechnet war. Ja wir wissen, daß ursprünglich beabsichtigt war, sie auf einen Hügel zu stellen und daß man nur der hohen Kosten wegen von dieser ursprünglichen Absicht abgegangen ist. Die Hauptfront der Kirche sollte anscheinend gegen die Verlängerung der Herrengasse hin gerichtet sein. Da wir übrigens wissen, daß schon Kaiser Karl VI. eine Stadterweiterung und Verschönerung beabsichtigte, wofür die unter Ludwig XIV. errichteten Pariser Boulevards als zeitlich nahes Vorbild erscheinen, so mag die Anlage mit dieser großen Absicht zusammenhängen. Jedenfalls sollte aber die Kirche, wie die erwähnte Idee des Hügels recht klar macht, nicht nur von vorne gesehen werden. Hiefür spricht auch ganz entschieden die reiche malerische Gliederung nach allen Seiten hin. Es ist jedenfalls klar, daß der Reiz der elliptischen Grundform der Kuppel nur dann zur Geltung zu kommen vermag, wenn man die Kirche von sehr verschiedenen Standpunkten aus beobachten kann. Jeder, der das architektonische Empfinden der Barockzeit kennt, weiß, daß es dieser Zeit vor allem auf reiche malerische Überschneidungen und Verschiebungen ankam. Man braucht zu diesem Zwecke nur an die Stiche der gerade für Wien so wichtigen Barockmeister aus der Familie der Galli-Bibbiena und Pozzo’s zu erinnern, die ihre herrlichen Architekturphantasien überraschend häufig übers Eck gestellt und in schräger Verkürzung zeigen. Gewiß war solches Streben auch beim Entwurfe der Karlskirche mit ihren aus- und einspringenden Formen und der reichen Silhouette mitwirkend. Das Einrunden, das ungleiche Vorspringen von Teilen der Vorderseite, wird in der Vorderansicht, wo die Formen mehr in eine Fläche zusammenfallen, jedenfalls nicht so klar, wie bei schrägem Blicke, der dann auch erst die Tiefe der Kuppel enthüllt. Aber selbst wenn solche perspektivische Verschiebungen nicht in der Absicht des Erbauers gelegen waren, was aber kein Kenner der Zeit leugnen wird, hätten wir das Recht, diesen Reiz, da er eben unzweifelhaft vorhanden ist, auch zu bewahren, falls er uns heute gefällt. Wir möchten dann noch etwas hervorheben: die Karlskirche ist so reich an Formen, daß sie eigentlich den ganzen Formenschatz der Barockkunst erschöpft und ihn auch zu einheitlicher Wirkung vereinigt. Die Peterskirche in Rom sollte ursprünglich, als man die Grundform eines «griechischen Kreuzes» mit vier verhältnismäßig kurzen Armen beabsichtigte, keine Türme
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erhalten; als man das eine Schiff soweit verlängerte, wie man es heute sieht, und dadurch die Kuppel von der Fassade zurückdrängte, wollte man dieser, um sie zu heben, zwei Türme geben. Aus technischen Gründen mußte man aber von dem bereits begonnenen Unternehmen wieder abstehen und legte gewissermaßen als Ersatz die großen Kolonnaden an, die erstens die Fassade scheinbar erhöhen und dann für die Betrachtung einen ferneren Standpunkt schaffen, von dem aus die Kuppel wieder etwas hervortritt. Bei der Wiener Karlskirche herrscht die Kuppel aber unbedingt nach allen Seiten, die Türme und «Trajans-Säulen» sind zur Seite gestellt, sie wirken neben und mit der Kuppel zugleich. Die Karlskirche ist bei allem Reichtume ein in sich fertiges Kunstwerk, bei dem nicht spätere Künstler neue Mittel zu ersinnen brauchen, um – wie bei der Peterskirche in Rom – die durch Wandlungen des ursprünglichen Planes entstandenen Mißverhältnisse wieder zu beheben. Man braucht bei der Karlskirche nicht etwa erst einen künstlichen Vorhof oder einen bestimmten Standpunkt zu schaffen, bei dem die Mängel aufgehoben erscheinen. Hier sind keine Mängel zu beheben, hier ist nur zu zeigen, was da ist. Aber das möglichst allseitig. Nun wird man aber einwenden, daß dieser Fall überhaupt nicht mehr zutrifft, da durch die Technik auf der einen Seite für die Kirche schon ein bedrohlicher Wettbewerb entstanden ist. (Übrigens hat auch die Niveauveränderung durch die unglückliche Stadtbahn und Wienflußregulierung sehr geschadet.) Solange die Technik noch die frühere Höhe hatte, störte sie natürlich viel weniger. Und es wäre gewiß gut gewesen, wenn man die Erhöhung verhindert hätte. Aber es ist unschicklich, denen, die jetzt gegen die Verbauung der anderen Seite auftreten, zuzurufen: «Ihr hättet damals vorgehen sollen, als das Technikgeschoß aufgesetzt wurde.» Da diejenigen, die so sprechen, die Erhöhung selbst verdammen, könnte man ebensogut fragen, warum sie sich nicht damals zur Wehre gesetzt haben. Aus begangenen Fehlern lernt man eben. Und soll man deshalb einen neuen Fehler begehen, weil man einen alten nicht gehindert hat? Der ganze Einwurf hätte nur dann Sinn, wenn der Fehler nur dadurch gut gemacht werden könnte, daß man eben auf der anderen Seite eine Art Gegenstück hinsetzte und so die Karlskirche zum Mittelpunkte einer symmetrischen Anlage machte. Tatsächlich wird dies von gewisser Seite behauptet. Es muß also untersucht werden, ob der Zweck wirklich auf diese Weise erreicht wird, oder ob die Kirche so nicht nur noch mehr geschädigt würde. Beginnen wir mit diesem zweiten Teile der Frage. Wir besitzen heute tatsächlich noch einige sehr schöne Blicke auf die Kirche, so den ziemlich gerade auf die Vorderseite gerichteten von der Ecke der verlängerten Kärntnerstraße und Lothringerstraße, den schrägen von der Canovagasse und vor allem die Blicke vom Schwarzenbergplatze und dem dort beginnenden Teile der Lothringerstraße aus. Diese letztere Linie ist die einzige, die den ganzen perspektivischen Reichtum der Kirche zur Entfaltung gelangen läßt. Hier stört auch die Technik, die mehr abseits und schräg erscheint, am wenigsten. Auch ist der Schwarzenbergplatz einer der hervorragends-
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AUF DEM
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ten in Wien, so daß es besonders erwünscht erscheinen muß, den Blick auf die Karlskirche mit ihm im Zusammenhange zu lassen. Aber gerade diese Blicke vom Schwarzenbergplatze und den seitlichen Erweiterungen desselben würden durch die Verbauung des für das städtische Museum in Aussicht genommenen Platzes mit einem höheren Bauwerke fast völlig zerstört. Der Blick von der Canovagasse aus verbliebe allerdings; er ist jedoch sehr einseitig und gestattet keine allmähliche und wechselnde Entfaltung der Perspektiven. Aber auch der Blick von vorne wäre durch einen größeren Bau an jener Stelle dadurch ganz verändert, daß die Kirche dann überhaupt nicht mehr als selbständiges Werk, sondern gewissermaßen als Mittelteil einer größeren Bauanlage erschiene und von einem Ganzen, einer Individualität, zu einem dienenden Gliede degradiert wäre. Heute hat die Kirche doch wenigstens noch nach einer Seite hin freie Luft. Jeder, der die Peterskirche in Rom gesehen hat, wird zugeben, daß der riesige Bau des Vatikans auf der einen Seite eigentlich nicht stört; man denke sich den Bau aber auch auf der anderen Seite ausgeführt, so wird wohl jeder zugeben, daß die Peterskirche damit sozusagen ihre Einzelexistenz aufgegeben hätte und zum Teil eines Komplexes herabgesunken wäre, auch wenn das andere Gebäude von etwas anderen Maßen und Formen sein sollte. Bei der Wiener Karlskirche würde die Sache noch besonders schlimm, weil sie zwischen zwei ungefähr rechtwinklig zueinander stehenden Gebäuden ins Eck gerückt erschiene. Die Seitengebäude würden auch noch dadurch dominieren, daß sie sich dem auf die Kirche Zuschreitenden gewissermaßen nähern und dadurch größer erscheinen. In irgendeiner geschickt gewählten Perspektive mag dies ja weniger hervortreten; aber man trete nur auf den Platz hin und stelle sich die Sache im Geiste vor 1. Man wird auch empfinden, daß die zwischen zwei mächtige Gebäude eingezwängte Kirche unruhig und kleinlich erschiene, während sie heute vom Schwarzenbergplatze aus noch ganz frei und von der Kärntnerstraßenseite aus wenigstens wie ein freier Ausläufer im Stadtbilde erscheint. Der Erfolg der Verbauung des Platzes links von der Kirche wäre also, daß sowohl die ganze reiche Entwicklung der seitlichen Perspektive als auch die Vorderansicht geschädigt würden. Den Grund, der auch für die Verbauung angeführt worden ist, daß nämlich die jetzt sichtbaren häßlichen Häuser an der Maderstraße verdeckt werden müßten, braucht man wohl nicht erst ernstlich abzulehnen. Das eine Haus ist übrigens nicht so arg, das andere allerdings entsetzlich. Aber wird man einen Monumentalbau er-
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Bei dem Mißbrauche, der vielfach mit Perspektiven durch Korrigieren und gekünstelte Wahl des Standspunktes getrieben wird, ist es sehr anzuerkennen, daß Oberbaurat Otto Wagner dieses Mittel verschmäht zu haben scheint und in seiner Darstellung, wie sie auch eine Wiener illustrierte Zeitung brachte, die ungünstige Wirkung anscheinend ungeschminkt, jedenfalls deutlich, vor Augen führt.
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richten, um zwei vergängliche Privathäuser zu verdecken. Ist das nicht die alte Geschichte von den Ölgemälden, die man kauft, um Fettflecke an der Wand zu verdecken. Man kratze auf Gemeindekosten die Verunreinigungen von dem einen Eckhause herab; sie werden gewiß leicht herabfallen. Aber ganz offen gesagt, die Häuser liegen der Kirche schon so fern und stehen so ohne Verhältnis zu ihr da, daß sie wirklich erst in zweiter Linie in Betracht kommen. Immerhin wäre das Abkratzen gut. Vielleicht könnte auch hier der Stadtgärtner Nützliches schaffen. Vom Standpunkte der Denkmalerhaltung aus – zu der eben auch die Erhaltung der Denkmalswirkung gehört – wird man sich also gegen die Bebauung des fraglichen Platzes mit größter Entschiedenheit aussprechen müssen. Uns und den Gleichdenkenden handelt es sich hier zunächst darum, ungünstig Erscheinendes abzuwehren. Es sei das Wort des Denkers gestattet: «Wenn mir ein Tiger an die Kehle springt, werde ich mich zu befreien suchen und nicht darüber nachdenken, was ich später an seine Stelle setze.» Wir geben zu, daß die heutige Erscheinung nicht besonders glücklich ist. Doch ist es nicht unsere Aufgabe, hier positive Vorschläge zu machen; es wäre vielmehr ein Anlaß, Künstler zur Abgabe von Ideen anzuregen. Doch muß auch da wieder der Öffentlichkeit gestattet werden, sie dann zu besprechen. Wie gesagt, richtet sich unsere Anschauung nicht gegen die künstlerische Erscheinung eines bestimmten Entwurfes, sondern gegen die Idee eines größeren Baues neben der Kirche überhaupt, so daß wir gar keinen Anlaß haben, uns über die besonderen Formen zu äußern. Der Streit ist erst dadurch scheinbar zu einem Kampfe gegen ein bestimmtes Projekt geworden, daß man sich unnötigerweise gerade auf den genannten Platz versteift hat. Allerdings wird von mancher Seite wieder behauptet, die Bedenken gegen den fraglichen Platz wären erst seit der Zeit laut geworden, seitdem ein bestimmter Baukünstler mit seinem Projekte in den Vordergrund getreten wäre. Es sei darauf nur erwidert, daß man sich seit dem Streite zwischen Schachner und Wagner und seit der Herstellung der Modelle, die damals mit Recht von der Gemeinde veranlaßt worden ist, mit der ganzen Frage erst intensiver zu beschäftigen begonnen hat und daher wohl auch zu richtigerer Anschauung gelangen konnte. Das wäre gewiß nicht das schlimmste Ergebnis jener Bemühungen, sondern war ja wohl ihre Absicht. Übrigens haben die bisherigen Verzögerungen sicherlich nicht geschadet; man hat ja immer neue Pläne gemacht und zugegeben, daß dabei «berechtigten Bedenken Rechnung getragen» wurde. Es wechselte sogar wiederholt der Zweck, den man mit dem Baue verband. Ja, man kann sagen, man ist, zum Teile wenigstens, erst auf der Suche nach den Aufgaben des Bauwerkes, hieß es doch die längste Zeit, daß die «Moderne Galerie» in ihm untergebracht werden sollte und dann sollte es wieder das Museum für Volkskunde sein. Hätte man das Museum ausgeführt, so würde es also heute schon nicht mehr entsprechen. Und, was besonders wichtig ist, für die Zukunft wären zweckmäßige Erweiterungen, die überhaupt eigentlich einen angrenzenden Garten erheischen, auf dem beabsichtigten Platze kaum möglich. Auch
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hat sich ganz klar gezeigt, daß man sich über die einmaligen und über die fortlaufenden Kosten des Museums noch durchaus nicht klar ist. Bis jetzt wenigstens haben die Verschiebungen also gewiß nicht geschadet; es muß sogar den Eindruck machen, als hätte sich die Gemeinde durch das kluge Zuwarten nur vor einem übereilten Schritte bewahrt. Aber die gemachten Erfahrungen sind gewiß nicht verloren. Wenn die Erweiterung des bestehenden städtischen Museums tatsächlich unaufschiebbar ist, so wird man durch Zuziehung in städtischem Besitze befindlicher Räume oder Gebäude gewiß Abhilfe schaffen können; auch würde der Staat etwa Vorhandenes sicher in billiger Weise überlassen. Selbst einen anderen Bauplatz würde man wohl jetzt schon finden, wenn man ihn wirklich ernsthaft suchte und wenn man alle Tatkraft, die man auf die Eroberung des Karlskirchenplatzes verwendet, hierauf richtete. Seine Exzellenz der Herr Bürgermeister hat ja vor wenigen Jahren und neuerdings wieder selbst darauf hingewiesen, daß man nicht alle Monumentalbauten in die Nähe der Ringstraße stellen solle, der Fremde käme dadurch nie zum Begriffe der Größe Wiens. Übrigens geht es so in jeder Stadt; auch das South-Kensington Museum in London liegt durchaus nicht im Zentrum. Doch könnte ein Museum das Zentrum einer neuen Entwicklung werden. Wie gesagt, diese Frage muß für uns in diesem Augenblicke Nebensache sein. So dringend ist das Museum gewiß nicht, daß sich ein nicht mehr gut zu machendes Unheil ergäbe, wenn der Bau um einige Monate oder selbst Jahre verschoben würde; es entstünde aber, wenn er an dem umstrittenen Platze aufgeführt würde. Wir glauben die Frage hier vollkommen objektiv betrachtet zu haben und so ist es wohl auch bisher von Seite der uns Gleichgesinnten geschehen; denn man darf es wohl nur als einen Scherz auffassen, wenn geäußert wurde, die ganze Frage wäre nur dadurch entstanden, daß ein ehemaliger Minister sich die Aussicht von seiner Wohnung nicht verbauen lassen wolle. Es handelt sich auch nicht um einen Kampf gegen eine Person oder deren Projekt. Der Schein, daß es sich darum handle, hat sich, wie gesagt, nur daraus ergeben, daß der Bau gerade an diesem bestimmten Platze zur Ausführung kommen sollte. Uns handelte und handelt es sich hier nur darum, die Karlskirche vor der Nachbarschaft eines sie erdrückenden Baues zu retten. Die endgültige Ausgestaltung des Karlsplatzes und die Lösung der Platzfrage für das Museum der Stadt Wien sind Fragen für sich.
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VORWORT (ZUR RETTUNG ALT-WIENS) (1910) *
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in Kreis von Autoren, die sich zum größten Teil untereinander nicht kennen, die den verschiedensten Berufen und wohl auch den verschiedensten Parteien angehören, kämpft in diesen Blättern für eine gemeinsame Sache. Was sie vereinigte, ist die Heimatsliebe in der konkretesten und doch idealsten Bedeutung des Wortes. «Ich denke an meine Geschwister nicht mehr, habe meine Verwandten und Freunde im dreißigjährigen Exil vergessen, doch um eines flehe ich den Himmel an: er möge mich noch einmal Venedig, das durch Kunst und Geschichte geheiligte Bild der Heimat schauen lassen.» Diese Worte eines venezianischen Verbannten des 17. Jahrhunderts bezeichnen vielleicht am prägnantesten, was die hier veröffentlichten Proteste verknüpft. Das durch Kunst und Geschichte geheiligte Bild der Heimat. Man hat es noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts nicht nur literarisch gepriesen, sondern auch wirklich verehrt und geliebt. Es lebte unbewußt in aller Herzen, war der Grundton, die Quelle und Voraussetzung des allgemeinen künstlerischen Empfindens und die Pietät dafür so selbstverständlich wie die Pietät für das Elternhaus. Deshalb ist es auch trotz der größten wirtschaftlichen Umwälzungen, wie sie sich z. B. im 15. Jahrhundert vollzogen haben, trotz der größten technischen und künstlerischen Neuerungen wie sie besonders das 17. Jahrhundert charakterisieren, nie gewaltsam zerstört und vernichtet, sondern nur modifiziert und weiterentwickelt worden, so daß man oft nur schwer unterscheiden kann, wo das Alte aufhört und das Neue beginnt. Die Stadt wuchs wie ein Baum, frei sich entfaltend und doch gesetzmäßig. Erst gegen die Mitte des 19. Jahrhunderts begann man alte Städte zu zerstören. Zum Teil brachten es wohl neue Verhältnisse, neue private und öffentliche Ansprüche auf Bequemlichkeit und Zweckmäßigkeit der Häuser, Gassen und Plätze mit sich, doch nur zum geringen Teil. Die Hauptursache lag anderswo. England, die Heimat dieser Ansprüche, beweist ja am allerbesten, daß man ihnen auch ohne Vernichtung der alten Stadtbilder genügen kann. Doch in Mitteleuropa wollte man sie vernichten oder hat zumindestens jedes Interesse daran verloren, sie zu erhalten. In meiner Vaterstadt stand eine alte Bildsäule, die den Fremden als ein Schmuck der Stadt erfreute, um deren Existenz sich aber von den Einheimischen kaum sonst jemand kümmerte als die Kinder, die im Sommer um sie herum spielten. Eines Ta-
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Erstabdruck in: Zur Rettung Alt-Wiens (Flugschriften des Vereines zum Schutz und zur Erhaltung der Kunstdenkmäler Wiens und Niederösterreichs, 2), Wien–Leipzig 1910, S. 3 -7.
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5.5 | VORWORT, ZUR RETTUNG ALT-WIENS (1910)
ges wurde sie «aus Verkehrsrücksichten» zerschlagen und weggeführt, was in den Lokalblättern und im Gemeinderate als eine erfreuliche Tat des Fortschrittes und der Fürsorge um die Stadt gefeiert wurde. Und ähnliches geschah im großen und kleinen überall. Nicht aus Böswilligkeit, sondern aus Überzeugung, daß es die Zeit, das Wohl und die Reputation der Stadt, der Freisinn und weite Blick ihrer Vertreter erfordere, begann man gegen das Alte zu wüten. Alte Tore wurden niedergerissen, obwohl sie niemand im Wege standen, die efeuumsponnenen Überreste der Stadtmauern wurden beseitigt, ohne daß man gewußt hätte, warum, alte Alleebäume wurden im Namen des Zeitgeistes gefällt. Was man einst schätzte und liebte, wurde als Schmach, als ein der neuen Generation unwürdiger Zopf bezeichnet, als altes Gerümpel, das «endlich» beseitigt werden müßte. In der Flutwelle des Kampfes gegen die Überlieferung und für neue allgemeine Ideale, die sich nach der großen Revolution über Mitteleuropa ergoß, verlor man den Zusammenhang mit der heimatlichen künstlerischen Vergangenheit, ohne etwas an ihre Stelle setzen zu können, als eine ziellose und oft barbarische Neuerungssucht und Zerstörungsfreude. Das Neue war aber in der Regel schlecht und minderwertig. Es war dies weniger eine Folge einer Abnahme des künstlerischen Vermögens, wie man manchmal annimmt, als des Sinkens des allgemeinen Geschmackes, der allgemeinen künstlerischen Kultur. In England und Belgien hat man auch um die Mitte des Jahrhunderts gut gebaut. In einer anderen Zeit wäre das Gute schnell überall nachgeahmt worden, wie heute oder wie in allen früheren Perioden. Damals verlor man aber den Maßstab dafür. Es ist nur wenigen Menschen beschieden, unabhängig von individuellen zeitlichen und lokalen Voraussetzungen künstlerische Qualitäten zu bewerten; die überwiegende Mehrheit bedarf dazu der Stütze einer unmittelbar vorangehenden künstlerischen Tradition. Nachdem man aber diese verließ und ihre Monumente zerstörte, zerstörte man auch jedes entwickeltere allgemeine Verständnis für künstlerische Werte überhaupt. Talentlose Künstler gab es auch früher, nun begann man aber eine schlechte Kunst, oder besser gesagt, ein Surrogat für Kunst, das nur dem Namen nach mit künstlerischem Schaffen zusammenhing, zu bevorzugen, was nie früher der Fall war. Die Kunst der Spekulanten und Unternehmer, der Häuserfabrikanten, Poliere und Handwerker, die nach einer oder mehreren Schablonen arbeitend, ihrer Fabriksware auch nicht die Spur einer persönlichen künstlerischen Gestaltung zu verleihen vermochten. Die Kunst der Ingenieure, die das technische Wissen mit dem künstlerischen Können verwechselten und einerseits eine Kunst geschaffen haben, in der nur das Technische neu war (oft nicht einmal das), das Künstlerische jedoch abermals nur ein schaler Absud entlehnter Stilformen, anderseits aber in maßloser Überhebung ihre Tätigkeit für einzig und allein wichtig und sich selbst für berufen hielten, die Städte auf ihrem Reißbrett umzugestalten. Die Kunst der Theoretiker und Antiquare, die für all dies Ratschläge erteilten und die Kunst der Bureaukraten, die, nachdem es mit der Baukunst so weit gekommen war, sich erkühnen konnten, sie unter ihre Verwaltungsagenden aufzunehmen. Dieser Entwicklung verdanken wir es, daß so viele von den alten Städten in kurzer Zeit nicht nur ihrer früheren Anmut beraubt wurden, sondern sich auch gleichzeitig künstlerisch
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in wahre Wüsten verwandelten, in architektonische Gebilde (wenn man da überhaupt von Architektur reden kann), bei welchen man wünschen muß, daß sie ebenso schnell vom Erdboden verschwinden, wie sie entstanden sind. Doch endlich kam man zur Besinnung. Man begann die alten schönen Städte und ihre Gassen und Plätze wieder zu bewundern und zu lieben. Tausende von Pilgern suchten und suchen sie auf, um sich da ähnlich wie in der Natur über die Öde ihrer gewohnten Umgebung zu erheben. Man lernte einsehen, wie absurd die Phrase von technischen und anderen Forderungen war, denen die künstlerische Vergangenheit der Stadt, das alte Ortsbild, die Heimat als Verkörperung der historischen und künstlerischen Tradition geopfert wurde, wo man im Gegenteil hätte bestrebt sein müssen, die neuen Errungenschaften ihrer Erhaltung und Weiterentwicklung zu neuer Schönheit und Blüte dienstbar zu machen. Eine neue Architektur entstand, die sich ebenso wenig in einen Gegensatz zu der alten setzt, als sie alte Stile sklavisch nachahmt, sondern dem Geiste, dem künstlerischen Empfinden nach einen Anschluß an die tausendjährige Entwicklung sucht, die um die Mitte das vorigen Jahrhunderts gewaltsam unterbrochen wurde. Und wie kostbare Juwelen begann man das zu schützen, was sich in den Städten noch an alten schönen Bauwerken, Gassen und Plätzen erhalten hat. So kaufte, um nur auf ein Beispiel hinzuweisen, der Gemeinderat von Hildesheim alle Häuser am Rathausplatze, um sie für alle Zeiten zu erhalten. Dies alles kam nicht allmählich. Denn, wenn sich auch das Bewußtsein, was wir verloren, was wir noch zu erhalten und was wir wieder zu gewinnen haben, zuerst führenden Künstlern und Kunstschriftstellern erschloß, so verwandelte es sich doch beinahe über Nacht in eine allgemeine geistige Bewegung, eine der intensivsten, die es heute gibt. Die Liebe und Verehrung für das «durch Kunst und Geschichte geheiligte Bild der Heimat» war nie ganz erloschen, sondern schlummerte unter den Trümmern, welche das Herostratentum des falschen Fortschrittes über ihr aufgeschlichtet hat. Nun ist sie aber mit Elementargewalt überall erwacht und vereinigt wiederum wie in früheren Perioden, unabhängig vom Tageskampfe die Menschen zu einem idealen Streben und Wirken, welches an die Zeiten der höchsten Blüte des kommunalen Sinnes erinnert. Wien, die Stadt der großen Traditionen und des größten immanenten heimatlichen Gefühles sollte sich ihr verschließen? Es wäre dies der Anfang vom Ende der glorreichen Vergangenheit. Doch sicher wird auch in Wien bald die schöne alte Stadt in aller Herzen wieder erwachen. Möge es nicht zu spät sein.
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AUFRUF ! (1911) *
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eit einigen Jahren ist «Alt-Wien» in der Mode. Man richtet sich ein, man kleidet sich nach Alt-Wiener Art. Romane, Theaterstücke, Operetten wählen ihre Stoffe aus jener Zeit. Man sammelt solche Möbel, Stiche, Bilder und bezahlt dafür die höchsten Preise. Aber man läßt es geschehen, daß eins um das andere von den wertvollsten, ganz und gar unersetzlichen Denkmälern dieser Epoche, Paläste und gemütliche Bürgerhäuser, ja ganze Plätze und Stadtteile der Demolierungsmanie zum Opfer fallen, daß die «Innere Stadt» ihren historischen Charakter als alte Residenz einbüßt und daß man bei alledem Wien nur ruiniert, ohne daß es dabei, Gott sei Dank, jemals möglich wäre, ein wirkliches Chicago daraus zu machen. Zugegeben, daß der immer wachsende Verkehr, die Entwicklung der Großstadt manche Opfer fordert, daß die Rücksicht auf Kunst und Pietätgefühl dort weichen muß, wo wirtschaftliche oder hygienische Gründe schwerwiegender Natur sich geltend machen. Allein in einer großen Anzahl von Fällen ist es unsolides, zufällig Konjunkturen rücksichtslos ausnützendes Spekulantentum, dem diese unschätzbaren Werte in den Rachen geworfen werden, ist eine gewissenlose Ausnützung der Steuerfreiheitsprämie für neue Bauten, nicht selten sogar bloße Gleichgültigkeit, Unwissenheit und Kunstblindheit Ursache dieses vandalischen Vorgehens. Es mehren sich die Anzeichen, daß selbst jene Schichten der Bevölkerung, die für solche Fragen wenig Interesse haben, diesem Treiben mit wachsendem Unwillen zusehen, daß ein energischer Versuch, hier Wandel zu schaffen – soweit es eben möglich ist – den lautesten Widerhall in der Allgemeinheit finden würde. Den Unterzeichneten schwebt nun vor, solchen Gesinnungen und Bestrebungen, die, von einzelnen geäußert, wirkungslos bleiben, einen Mittelpunkt zu schaffen und damit einerseits einen moralischen Halt, anderseits die Gelegenheit zu praktischer Betätigung zu geben. Es soll ein Verein «Alt-Wien» entstehen, dessen Aufgabe sein wird, die Aufmerksamkeit auf den Wert und die Bedeutung der alten Gebäude und Stadtbilder, vor allem im ersten Bezirk, zu lenken, sie womöglich zu erhalten, oder die ersteren durch Adaptierungen im Inneren mit möglichster Schonung alles Künstlerischen den modernen Anforderungen entsprechend auszugestalten, jedenfalls aber vor unkünstlerischer Vergewaltigung zu schützen, sich mit Staat und Gemeinde, mit den für die Bauordnung und den Regulierungsplan von Wien maßgebenden Persönlichkeiten
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Erstabdruck in: Josef Neuwirth, Die Denkmalpflege im Rahmen der städtischen Verwaltung, (AltWien, 1), Wien 1911, S. 3–7. [Der Aufruf wurde von 111 Personen, darunter Max Dvoøák, unterfertigt.]
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ins Einvernehmen zu setzen und daselbst durch geeignete und uneigennützige Fachmänner den künstlerischen Standpunkt, soweit er neben dem geschäftlichen berücksichtigt werden kann, zu wahren. Es soll eine Zentralstelle errichtet werden, woselbst über einschlägige Fragen dieser Art jederzeit unentgeltlich Auskunft gegeben wird, es soll durch Vorträge, Broschüren u. dgl. der Sinn der weitesten Kreise für solche Fragen geweckt werden. Es braucht nicht gesagt zu werden, daß ein solcher Verein keineswegs eine polemische Tendenz gegen die berechtigten Bestrebungen unserer jüngeren Architekten hat, die einen zeitgemäßen Stil zu finden trachten. Dies um so weniger, als ja eben die neueste Strömung in der Baukunst dahingeht, bei Berücksichtigung der Zweckmäßigkeit und Vermeidung unnützen Zierats an die Tradition wieder anzuknüpfen und das schöne Alte zu erhalten, wo es nur immer möglich ist. Wenn auch vieles von diesem schönen Alten dem unvermeidlichen Untergang entgegengeht, so wird die gesammelte, auf dieses eine umgrenzte Ziel gerichtete Tätigkeit eines wohlorganisierten Vereines dennoch ohne Zweifel im Stande sein, das zu retten, was bloßem Mutwillen, unsolider Spekulation oder purem Unverstand zum Opfer fallen soll. Auch das ist schon sehr viel und die Nachwelt wird dafür dankbar sein.
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VERBAUUNG DES AUSBLICKES AUF DAS EMAUSER KLOSTER IN PRAG (1910) *
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u den wichtigsten, aber auch schwierigsten Problemen der Denkmalpflege in Österreich gehört die Frage der Erhaltung des malerischen Panoramas von Prag, welches durch den Aufbau des Stadtbildes an beiden Seiten der Moldau, zu den das Bild beherrschenden Anhöhen bedingt wird. Die Erhaltung dieses Panoramas, welches zu den schönsten dieser Art gezählt werden muß, erfordert, daß in den an die Moldau angrenzenden Gassen und Plätzen bei den Neubauten auf das Gesamtbild und dessen Staffelung Rücksicht genommen werde, da es durch allzu hohe Bauten entweder ganz oder zum großen Teil entweder verdeckt oder anderweitig zerstört würde. Am allerwichtigsten ist diese Frage bei der Erhaltung des weltberühmten Ausblickes auf die Kleinseite und den Hradschin, doch ist diese Frage erfreulicherweise noch nicht aktuell. Dagegen ist sie bereits höchst akut bei der Neustadt geworden, wo durch die Regulierung der Kais neue Straßen und Häuserreihen im Entstehen begriffen sind, die für das Stadtbild geradezu unheilvoll werden können, wie jeden Besucher Prags die an das Nationaltheater sich anschließende neue Häuserreihe überzeugen kann. Die Z. K. bemüht sich deshalb seit längerer Zeit, hier zu retten, was gerettet werden kann, und zwar im vollen Einvernehmen mit allen lokalen Faktoren, denen die Erhaltung der historischen und malerischen Schönheiten Prags am Herzen liegt. Es handelt sich dabei hauptsächlich um die Erhaltung des Ausblickes auf den Vyschehrad und auf das Kloster Emaus. In der letzten Angelegenheit hat sie in der letzten Zeit einen höchst tatkräftigen Bundesgenossen in dem jetzigen Abte des Klosters Emaus, P. Alban Schachleitner, gefunden, der mit großer Energie sich überall für die Erhaltung der das Kloster beherrschenden Vedute einsetzt. Fig. 73 [hier S. 654, Katechismus, Abb. 72] versucht die zaubervolle Wirkung des gegenwärtigen Prospektes zu veranschaulichen. Fig. 74 [hier S. 654, Katechismus Abb. 73] zeigt in Silhouettendarstellung die grauenhafte Zerstörung des Panoramas durch die projektierten neuen Häuserblocks. Fig. 75 [hier nicht abgebildet] bringt eine Lösung, die bereits zum Teil genehmigt wurde und die durch eine schmale Spalte wenigstens einen Teil des Klosters sehen läßt, freilich ein kümmerlicher Ersatz für die verlorene Herrlichkeit. Fig. 76 [hier S. 808, Abb. 15] zeigt schließlich das Projekt einer Lösung, die im Einvernehmen mit dem Abte des Emauser Klosters vom Architekten Driak geschaffen wurde und die Erhaltung des ganzen Ausblickes
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Erstabdruck in: Mitteilungen der k.k. Zentralkommission, 3. F., 9, 1910, Sp. 190–193.
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auf das Kloster ermöglicht, eine Lösung, die von der Z. K. nur mit der größten Befriedigung begrüßt werden könnte. Die Prager Gemeinde würde der Durchführung dieses Projektes gerne zustimmen, wenn es nicht mit überaus großen finanziellen Opfern verbunden wäre (es soll über 1,000.000 Kronen beanspruchen), doch ist sie bereit, das Möglichste zu tun und bei entsprechenden finanziellen Kompensationen auf anderen Gebieten auf die Verbauung des Prospektes zu verzichten. Es scheint der Z. K., daß diese ganze Angelegenheit nicht nur des konkreten Falles wegen, sondern auch in ihrer ganzen prinzipiellen Bedeutung von der größten Wichtigkeit ist. Man kann wohl sagen, daß Hunderte von Millionen für die Ausschmückung unserer Städte in den letzten hundert Jahren ausgegeben wurden, ohne daß sie dadurch schöner geworden wären, da in der künstlerischen Kulturlosigkeit, die das vergangene Jahrhundert charakterisiert, ein leerer Pomp, eine falsch angebrachte Monumentalität, eine Hypertrophie des Dekorationsbedürfnisses, das keine innere Berechtigung hatte, die Stillosigkeit einer Monumentalplastik ohne künstlerischen und ideellen Inhalt, den inneren künstlerischen Reichtum, das innere organische Leben in der Gestaltung der Städte ersetzen mußte. Heute beginnt man allgemein diese künstlerische Leere der modernen Städte einzusehen und bemüht sich, ihr auf zwei Wegen abzuhelfen: einmal durch eine Vertiefung des modernen künstlerischen Geschmackes nach dieser Richtung hin, dann aber durch die Betonung und gewissermaßen künstlerische Neuentdeckung der Schätze, die uns in alten Emporien der schönen Städtebildung ein günstiges Schicksal erhalten hat. Zumeist handelt es sich dabei freilich um bescheidene Versuche, kleine Aktionen, weshalb es von der größten pädagogischen Bedeutung ist, wenn das, was man als das anzustrebende Ziel bei einzelnen Gebäuden oder Gebäudegruppen zu erreichen sich bemühte, in der großzügigen Rettung der Vedute eines ganzen Stadtteiles zu verwirklichen versucht wird, um lapidar zu dokumentieren, daß die Werte, um die es sich dabei handelt, nicht nur in der Phantasie einiger Kunstliebhaber existieren, sondern ein kostbares Gemeingut bedeuten, dessen Rettung ebenso, ja vielfach unvergleichlich mehr zu den ästhetischen Erfordernissen einer ganzen Kultur gezählt werden muß, wie all das, was man zur modernen Verschönerung der Städte unternommen hat und noch unternimmt.
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VORSCHLÄGE ZUR REFORM DER ARCHITEKTURSCHULEN IN WIEN AUS DEM JAHRE 1801 (1911) *
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us den «gehorsamsten Verbesserungsvorschlägen» des Fr. J. Beck, Professors an der Architekturschule der Akademie in Wien, entnehmen wir folgende Stellen: «Damit der Unterricht der beste sei, muß er sich durchaus nicht auf bloße Nachahmungen beschränken. Sie verringern die Tatkraft des Geistes und hemmen jeden Schwung, durch welchen er sich über das, was er nachahmt, erheben könnte, wodurch dann die Kunst stehen bleibt...» «Ohne die natürliche Anlage wird sicherlich keiner zum Künstler, denn wirkt in ihm des Himmels geheimer Einfluß nicht, so ist für ihn Apollo taub und Pegasus stützig, wie Boileau von den Dichtern sagt...» «Die Architekturschule hat zwar einigen Einfluß auf das, was gebaut wird, da sich alle die Professionisten, welche bei Gebäuden zu tun haben, bevor sie Meister werden, an derselben müssen prüfen lassen. Diese Prüfungen sind aber selten so streng, als sie in einer solchen Angelegenheit sein könnten. Wenn sie aber auch in aller Strenge vorgenommen würden, so hört mit derselben doch aller Einfluß auf die Gebäude auf und die geprüften Meister flicken aus allerhand Baumeistern Stücke auf so mancherlei widrige Arten zusammen, daß ich mich nie einem Kenner als ein Glied der Architekturschule zu erkennen zu geben getraue, obschon diese Schule bei der dermaligen Einrichtung über die Fehler wider den Geschmack nicht verantwortlich zu sein scheint. Will man guten Geschmack in Gebäuden haben, so müssen alle Risse zu Gebäuden, die man führen will, ihrem Urteile unterlegt und nicht ausgeführt werden, wenn sie nicht ihre Genehmigung erhalten haben. Es ist falsch zu sagen, daß jeder Bauherr bauen kann, wie er will, nur die innere Einteilung gehört sein. Diese kann er verwinkeln lassen, wie er will, das Äußere aber gehört dem Publikum, das Verschönerung und guten Geschmack daran verlangen kann, und soll daher verhalten werden, diesem Verlangen des Publikums zu entsprechen, um so mehr, da so manche Afterzieraten, die nun an der Tagesordnung sind, weit mehr kosten, um die Fassaden zu verflicken, als geschmackvolle kosten würden...» Es ist erstaunlich, wie diese Gravamina auf unsere heutigen Verhältnisse passen. Mit besonderer Schärfe finden wir da von einem verständigen und unterrichteten Manne ausgesprochen, was wir erst in der letzten Zeit allgemein einzusehen begon-
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Erstabdruck in: Jahrbuch des kunsthistorischen Institutes der k.k. Zentralkommission, 5, 1911, Beibl., Sp. 193–194.
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nen haben. Jedenfalls ist es auch vom rein historischen Standpunkte sehr bemerkenswert und wichtig, daß sich der Zwiespalt in der Architektur, der Kampf zwischen einer Architektur der Baumeister und Poliere und der Architektur der Künstler in einer Zeit bereits zu entwickeln begonnen hat, wo auch für den leidenschaftlichen Freund der historisierenden Nachahmung oder für den eifrigsten Glaubensbekenner der absoluten Gleichwertigkeit aller historischen Kunsterscheinungen doch nicht ein Zweifel bestehen kann, was in diesem Zwiespalt als Weiterbildung der Architektur, als künstlerische Potenz und was als ein Hindernis dieser Weiterbildung anzusehen ist.
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ERHALTUNG UND VERWENDUNG EHEMALS FÜRSTLICHER SCHLÖSSER UND GÄRTEN IN BEZUG AUF DENKMALPFLEGE UND HEIMATSCHUTZ (1920) *
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eine Damen und Herren! Es ist sehr spät geworden, und ich möchte deshalb wesentlich zusammenstreichen, was ich besprechen wollte, und mein Referat auf eine Ergänzung dessen beschränken, was mein Vorredner in seinen ganz ausgezeichneten Auseinandersetzungen dargelegt hat; ergänzen durch eine Schilderung der österreichischen Verhältnisse. Ich tue es um so lieber, als auf dem Gebiete der Zukunft der österreichischen Schlösser, vielleicht auch auf anderen Gebieten, doch auch einige Lichtblicke zu bieten sind. Es liegt in der Besonderheit der österreichischen Verhältnisse, daß die Privatschlösser nicht so ganz von dem einst kaiserlichen Besitz getrennt werden können, und so möchte ich zunächst einen Blick auf sie werfen. Zwei Gesetze, die bald nach dem Umsturz beschlossen wurden, sollten ihre Zukunft regeln: einmal das allgemeine Wohnungsgesetz und zweitens ein Gesetz, welches man bei uns das Schlösser-Gesetz nennt. Das erste gab den Gemeinden das Recht, die Schlösser und Palais für allgemeine Wohnungszwecke in Anspruch zu nehmen, das zweite dem Staate die Befugnis, sie für allgemeine humanitäre Bedürfnisse anzufordern. Im ersten Falle waren die Kommunalämter kompetent, und zwar waren sie verpflichtet – das kann man zum Ruhme der österreichischen Verhältnisse sagen – in jedem Falle die Denkmalpflegebehörden erst zu fragen. Im zweiten Gesetz ist der Vorgang wesentlich komplizierter. Einzelne Organisationen – Jugendämter, Invalidenorganisationen usw. – ersuchten um Überlassung eines Schlosses für ihre Zwecke. Über das Gesuch entscheidet zunächst eine Landeskommission, in der auch die Vertreter der Denkmalpflege mit einem Art Vetorecht sitzen. Die Kommission stellt den Antrag, über den dann das Ministerium für soziale Fürsorge entscheidet. Fragen wir nun, wie sich auf Grund dieser gesetzlichen Bestimmungen die Verhältnisse bisher entwickelt haben, so haben wir drei Stadien zu unterscheiden. Das erste bestand darin, daß die Besitzer der Schlösser und Palais den gesetzlichen Maßnahmen vorgebeugt haben, indem sie ihre Schlösser oder Palais ganz oder zum Teil an Ämter, an Vereinigungen oder auch an Private vermietet haben. Das zweite Sta-
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Erstabdruck in: III. gemeinsame Tagung für Denkmalpflege und Heimatschutz, Eisenach 23.–24. September 1920. Stenographischer Bericht, Berlin [1920], S. 156–161.
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dium bildeten die Anforderungen der Wohnungsämter. Sie waren verhältnismäßig selten, weil sich die meisten Palais und Schlösser als ungeeignet für Mietszwecke erwiesen haben, aus den Gründen, die ich mir noch später zu besprechen erlauben werde. Wie wenig diese Gebäude für andere Zwecke geeignet waren, als für die ihrer ursprünglichen Bestimmung, das zeigte sich besonders deutlich in dem dritten Stadium dieser Entwicklung, als man nämlich die ganzen Gebäude für allgemeine humanitäre Zwecke anzufordern begonnen hat. Die Sachlage wird genügend illustriert durch die Tatsache, daß trotz zahlreicher Anträge in Niederösterreich kein einziges Schloß oder kein einziges Palais im Sinne dieser Verordnung tatsächlich in Anspruch genommen wurde. Gewiß nicht, weil man es hätte vermeiden wollen, sondern einfach deshalb, weil diese Gebäude aus technischen oder hygienischen Gründen für die modernen Bedürfnisse ganz unbrauchbar sind. Dies erklärt sich aus der Beschaffenheit der österreichischen Schlösser und Palais. Die meisten von ihnen sind im 16. und 17. Jahrhundert in ihrer jetzigen Form entstanden, die Palais im 18. Jahrhundert. Jene waren in den Räumen beengt und ohne Komfort und alle sanitären Einrichtungen, die Palais aber enthielten vor allem Festräume, einen glänzenden Rahmen für große Feste. Ich erinnere mich, einmal in einem Wiener Palais eine Dame herumgeführt zu haben, und als wir mit der Besichtigung fertig waren, fragte mich meine Begleiterin: ja sagen Sie mal, wo wohnt man denn hier eigentlich? Neue Schlösser gibt es kaum in Österreich oder nur in einer verschwindend geringen Zahl, und, was noch wichtiger ist, es fehlen in den alten in den meisten Fällen spätere, den Zeiterfordernissen entsprechende Umgestaltungen, was sich wiederum aus der wirtschaftlichen Lage des österreichischen Adels im vorigen Jahrhundert erklärt. Er bestand einmal aus einem verhältnismäßig armen Landadel, der sich gut und schlecht durchs Leben durchschlagen mußte, der seine Schlösser imstande hielt, aber der nie das Geld hatte, kostspielige Modernisierungen in größerem Maßstabe durchzuführen; und er bestand zweitens aus den großen Feudalherren, dem eigentlichen Hofadel, der seine Latifundien in den Sudetenländern, in Ungarn und in Galizien besaß, und der die Schlösser in den Alpenländern zumeist nur als Absteigequartier benutzte, der treu ihre Schätze behütete, aber der ebenfalls wenig Veranlassung hatte, sie neuen Anforderungen anzupassen. Und so standen die österreichischen Schlösser schon vor dem Kriege gleichsam jenseits der Gegenwart, und diesem Umstande haben wir es zu verdanken, daß sie für jede andere Inanspruchnahme kaum geeignet sind, so daß von dieser Seite keine Gefahr zu befürchten ist. Ganz anders ist der Sachverhalt bei den einst kaiserlichen Schlössern. Auch da sind zunächst einige gesetzliche Maßnahmen zu nennen. Bald nach dem Umsturz konfiszierte die Nationalversammlung die sogenannten hofäraischen Güter (worunter auch Schlösser und Palais zu verstehen sind), soweit sie nicht direkt Privateigentum der habsburgischen Dynastie waren. Diese konfiszierten Schlösser wurden durch den Frieden von St. Germain dem neuen österreichischen Staate zugesprochen. Dazu kam noch ein dritter überraschender und, wie ich glaube, unheilvoller legislativer
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VERWENDUNG
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Akt. Im vorigen Dezember hat unsere Regierung diese Schlösser und die ganzen hofärarischen Güter den Invaliden geschenkt. Kunstwerke, Sammlungen, Gebäude von eminent kunsthistorischer Bedeutung sollten allerdings ausgenommen werden. Man hat es jedoch unterlassen, diese Ausnahmen enger zu begrenzen [hört! hört!], und darin lag die erste Quelle von Schwierigkeiten. Denn naturgemäß haben beide Parteien – und es gab zwei Parteien: die Invaliden und die staatliche Denkmalpflege – den Wunsch, die Abgrenzung möglichst zu ihren Gunsten zu gestalten. Dazu, kam etwas anderes. Ich habe das Gesetz als unheilvoll bezeichnet, und zwar nicht nur im Sinne der Denkmalpflege, sondern auch im Sinne der Kriegsbeschädigten. Denn die hofärarischen Güter waren schon lange vor dem Kriege passiv. Man spricht von einem Defizit von 19 Millionen Kronen, und dieses Defizit ist gewiß nach dem Kriege nicht geringer geworden. Damit hängt die Tendenz zusammen, den Ertrag der Güter zu steigern, was bei den Schlössern zweifellos nur auf Kosten ihres Kunstwertes geschehen kann. Einige Beispiele: Man hat das Projekt erörtert, in der kaiserlichen Burg große Restaurationsräume, in Schönbrunn ein Sanatorium und im Belvedere eine Spielbank einzurichten. Das sind traurige Pläne, doch ich bin überzeugt, daß sie nicht verwirklicht werden, dafür werden wir schon sorgen. [Bravo!] Aber sie illustrieren doch die drohenden Gefahren, die im Widerspruch der Interessen liegen; Gefahren, deren Grundquelle in der heutigen sozialen Krisis mit ihren Spannungen zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit besteht, und denen gegenüber der Standpunkt der Denkmalpflege ziemlich klar und eindeutig ist. Wir haben da immer wieder darauf hinzuweisen, daß ideelle Güter den materiellen nicht hintangesetzt werden dürfen. Sich jeder Partei und jeder Strömung gegenüber zu verteidigen, ist unsere Mission, und ich hoffe, daß dies mit Erfolg geschehen wird. Es gibt bei uns in Österreich bei allen Verirrungen doch auch sehr viel Einsicht. Unsere Denkmalpflege – ich kann es sagen, weil ich nicht mehr unmittelbar daran beteiligt bin – hat glänzend funktioniert. Ich fürchte nicht die Entente, ich fürchte auch nicht die Sukzessionsstaaten, und ich fürchte auch nicht unsere Regierung. Wir haben uns bisher gewehrt, und wir werden uns weiter wehren, bis unser aller Kunstbesitz nach allen Seiten hin gesichert ist. Doch außer den geschilderten äußeren akuten gibt es auch noch innere schleichende Gefahren, denen nicht so leicht beizukommen ist. Ich habe vor einigen Wochen im Salzkammergut ein Schloß gesehen. Es war vor dem Kriege reich an einer künstlerisch wertvollen inneren Ausstattung. Und als ich es jetzt besuchte, sah ich eine Ruine. Es lag nicht im Kriegsgebiet, sondern es hat in den letzten fünf Jahren viermal den Besitzer gewechselt, und jeder Besitzer hat, bevor er es weiter verkaufte, von der Ausstattung etwas mitgenommen, und keiner von ihnen hat etwas richten lassen. Und so verfiel unheimlich schnell ein Denkmal, welches noch vor kurzem das Wichtigste des Tales gewesen ist. Es ist das ein charakteristisches Beispiel für das Schicksal, das viele von unseren Schlössern erwartet. Wer soll die Schlösser erhalten? Die alten Besitzer konnten es vor dem Kriege kaum. Die neuen werden es noch weniger können. Vielleicht geht die Sache noch einige Jahre. Aber früher oder
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ERHALTUNG
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später werden doch die meisten der alten Inhaber der unerschwinglichen Kosten wegen ihre Schlösser verkaufen müssen, und für die neuen Besitzer werden die einstigen Adelsresidenzen entweder ein Spekulationsobjekt sein oder ein toter Ballast, der seinem Schicksal überlassen wird. Mehr oder weniger gilt dasselbe auch für die kaiserlichen Schlösser. Man kann wohl etwa Schönbrunn, die Festräume der Burg, Belvedere rein museal behandeln, und ich hoffe, daß wir es erreichen werden, aber was geschieht mit allen anderen Gebäuden? Da ist der Widerstreit zwischen den Erfordernissen der Denkmalpflege und den Erfordernissen der staatlichen Not geradezu permanent. Es ist sehr viel von wirtschaftlichen Schwierigkeiten in dieser Versammlung schon gesprochen worden, aber ich glaube, es ist doch nie ganz deutlich darauf hingewiesen, worden, daß wir ähnlich wie nach dem 30jährigen Krieg einer großen Periode des Pauperismus entgegengehen. Und darin, meine Damen und Herren, scheint mir eigentlich das entscheidende Problem zu liegen. Man kann gegen Unverständnis, gegen Indolenz, gegen bösen Willen kämpfen, aber wie soll man Gefahren abwenden, die in einer vollständigen wirtschaftlichen Umwälzung und allgemeiner Armut enthalten sind mit den alten Subventionen, mit der Hilfe der Besitzer, die selber nichts haben? Da scheint die Situation der Denkmalpflege hoffnungslos zu sein. Und sie ist es, meine Damen und Herren, meiner Überzeugung nach doch nicht. Denn Geist ist mächtiger als die Materie. Darauf ist auch schon hingewiesen worden. Guter Wille vermag manches auszugleichen. Aber man hat aus diesem Punkte nicht die Folgerung gezogen. Man unterläßt es, die letzte sich daraus ergebende Frage zu stellen: Wie ist es mit diesem Geist beschaffen? Besitzen wir tatsächlich einen allgemeinen Geist, an den wir appellieren können? Das führt mich zu dem Problem, über das ich eigentlich gern bei der heutigen Tagung schon gesprochen hätte und über das ich bei der nächsten Tagung zu sprechen hoffe. Es ist dies das Problem unserer zukünftigen geistigen Orientierung, das mir wichtiger erscheint, als jede technische, wirtschaftliche und administrative Angelegenheit. Ich möchte nur andeuten, was ich darunter verstehe. Die Denkmalpflege ist im vorigen Jahrhundert als eine geistige Bewegung entstanden, die deutlich genug gegen den herrschenden Materialismus des 19. Jahrhunderts gerichtet war. In einer Zeit, wo technische und wirtschaftliche Errungenschaften, wo Komfort und Erwerb als Inbegriff des Fortschreitens der Menschheit gegolten haben, eines Fortschrittes, der sich über alten Kunstbesitz bedenkenlos hinwegsetzte, wo er ihm im Wege stand, fanden erlesene Geister den Mut und die Überzeugung, für diesen Kunstbesitz einzutreten. Darin lag ein geistig revolutionärer Gedanke, und es ist im höchsten Grade charakteristisch, daß dieser Gedanke in derselben Zeit entstanden ist, wo wir auch auf anderen Gebieten des geistigen Lebens zweifellos Ansätze einer neuen idealistischen Weltanschauung beobachten können. Nun war aber dieser Gedanke im 19. Jahrhundert machtlos. Er mußte mannigfache Kompromisse mit den herrschenden Verhältnissen eingehen, wie umgekehrt diese Verhältnisse sich seiner bemächtigt haben, indem sie ihm eine bestimmte Geltungssphäre eröffnet haben, die er nicht überschreiten durfte. Die Denkmalpflege konnte sich in Ver-
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einigungen, in literarischen Protesten ausleben, sie bekam einen behördlichen Charakter und durfte gegen Gründe materieller Natur Gründe ideeller Natur anführen, die auch gehört wurden, wo es «eben möglich war», wie man zu sagen pflegte. Im Rahmen dieser Geltungssphäre kann sich die Denkmalpflege zweifellos großer Errungenschaften rühmen. Aber wir dürfen uns nicht täuschen. Das, was ihre Gründer eigentlich wollten, hat sie bisher nicht erreicht. Sie erreichte nicht, wie besonders in den letzten Jahren zutage getreten ist, einen entscheidenden Einfluß auf die leitenden Kräfte und Ziele der europäischen Nationen, und sie hat sich nicht in eine allgemeine Gesinnung verwandelt. Es ist nicht unsere Schuld, daß sie im allgemeinen Bewußtsein keine tieferen Wurzeln fassen konnte in einer Zeit, deren Geistesrichtung ihr geradezu entgegengestellt gewesen ist. Aber gerade diese Geistesrichtung steht heute vor dem Zusammenbruch; ja, wer tiefer und weiter sieht, der kann freudigen Auges beobachten, daß sie trotz ihrer äußeren Triumphe bereits zusammengebrochen und eine neue Welt in der Entstehung begriffen ist, in der geistige Güter mehr gelten als materielle. Im praktischen Leben kann man noch wenig davon beobachten. Aber das praktische Leben besagt nichts. In der Entwicklung des philosophischen, des historischen Denkens und des künstlerischen Empfindens sehen wir deutlich, daß sich eine Umwandlung vollzieht, wie es seit der Renaissance und der Reformation keine größere gegeben hat, eine Umwandlung, die, wie einst das Christentum, die Idee über die Erfahrung und über das sinnliche Leben erhoben und einen neuen Begriff der geistigen Verpflichtung geschaffen hat, eine Umwandlung, die unsere Jugend bereits gefangen nahm – wer akademischer Lehrer ist, weiß es – und die den zukünftigen Generationen und Jahrhunderten einen neuen geistigen Inhalt geben wird. Und diesem geistigen Inhalt kann und darf sich auch die Denkmalpflege nicht entziehen, wenn sie mehr werden soll, als ein Nebenzweig der öffentlichen Verwaltung. Es liegen darin Probleme, über die wir meiner Überzeugung nach nachdenken und reden müssen – nicht heute, aber bald, Probleme, die den Schlüssel zu allem anderen bilden, und von denen es abhängt, ob sich endlich einmal die Denkmalpflege in das verwandelt, was wir von ihr eigentlich verlangen, nämlich in eine allgemeine spontane Pietät. [Lebhafter, anhaltender Beifall.]
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KURZBERICHTE, MONUMENTA DEPERDITA
DAS ALTE RAUTTERHAUS IN VILLACH (1905) * Den Bemühungen der Z. K. ist es nicht gelungen, das alte Rautterhaus in Villach zu retten. Es war ein Bau aus der zweiten Hälfte des XVI. Jhs., schmucklos, doch ungemein charakteristisch für die phantasievolle Weise, in der verschiedenartige und aus verschiedenen Zeiten stammende Formen der italienischen Renaissance in den Bürgerhäusern nördlich der Alpen verwendet und mit der alten eingebürgerten Anlage des gotischen Hauses ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und ursprüngliche Bestimmung als dekorative Motive malerisch verbunden wurden. Das Gebäude war ursprünglich das Wohnhaus des Pfarr- und Archidiakonatsklerus von Villach; seit der Mitte des XVIll. Jhs. gehört es der Familie Rautter. Größer als sein kunsthistorischer und historischer Wert war seine Bedeutung für das Gesamtbild der Stadt. Im heurigen Sommer ist es niedergerissen worden und soll wenigstens in einer Abbildung erhalten bleiben. Es ist schade, daß wir nicht unserer Abbildung eine zweite beifügen können, die die Straßenvedute nach vollendeter Regulierung darstellt. Sie würde gewiß jedem, der Herz und Sinn für dergleichen Dinge hat, alles besagen.
EINE ZERSTÖRTE DECKE IM SCHLOSSE VON EGGENBURG (1906)** Im vorigen Sommer wurde eine mit merkwürdigen Stuckornamenten geschmückte Decke im sogenannten Schlosse von Eggenburg zerstört. Da weder die Z. K. noch andere Faktoren, welchen die Fürsorge für unseren Denkmalbestand obliegt, von der Absicht den Plafond zu demolieren verständigt wurden, konnte sie weder für die Erhaltung des Denkmales eintreten, noch veranlassen, daß die Decke wenigstens in exakten photographischen Aufnahmen erhalten worden wäre. Zum Glück gibt es eine Zeichnung nach einem Teile der Decke und Amateuraufnahmen nach einzelnen Details, welche von der so verdienstvollen Krahuletzgesellschaft der Z. K. zur Verfügung gestellt wurden, und die wir an dieser Stelle veröffentlichen. Das Schloß von Eggenburg ist der ehemalige Pfarrhof, den man wohl bis ins XV. Jh. zurückverfolgen kann, über dessen Baugeschichte sich jedoch, wie zu vermuten war, nichts Näheres ermitteln ließ. Im Jahre 1544 wird in der Relation der Berei* **
Erstabdruck in: Mitteilungen der k. k. Zentralkommission, 3. F., 4, 1905, Sp. 336–337. Erstabdruck in: Mitteilungen der k. k. Zentralkommission, 3. F., 5, 1906, Sp. 113–116
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sungskommission, welche im kaiserlichen Auftrage über die Trennung der Pfarren Eggenburg und Gars zu berichten hatte, der Pfarrhof als baufällig bezeichnet, und es ist anzunehmen, daß er in der zweiten Hälfte des XVI. Jhs. umgebaut wurde.1 Die zerstörte Decke befand sich in einem Saale des ersten Stockwerkes. Sie war nach dem geläufigen Renaissanceschema in Kompartimente eingeteilt, von welchen drei mit Wappen, vier mit Darstellungen der Weltteile, die übrigen mit Rankenornamenten geschmückt gewesen sind (Abb. 16, 17). Das erhaltene Wappen ist eine freie dekorative Umgestaltung des Wappens von Niederösterreich und läßt sich, wie mir Herr Staatsarchivar von Siegenfeld freundlichst mitgeteilt hat, heraldisch nicht als Anhaltspunkt für eine bestimmte Datierung benutzen. Die Motive der Stukkaturen verweisen uns auf jenen merkwürdigen, krausen dekorativen Stil, der sich seit der Wende des XVI. und XVII. Jh. in Deutschland als eine Verknüpfung alter gotischer Elemente mit der neuen transalpinischen Ornamentik zu entwickeln begonnen hat, und der uns vielleicht am deutlichsten zeigt, wie mächtig das kulturelle Vermächtnis der Gotik und der ihr zugrunde liegenden Kunstanschauung gewesen ist, da es in so kurzer Zeit die monumentalste Dekoration, die es je gegeben hat, in dieser Weise umzubilden vermochte. Wie mächtig und bedeutungsvoll für die Zukunft. Denselben Saal, in dem sich die Decke befunden hat, schmückten Supraporten im Empirestil, die ebenfalls zerstört worden sind, und von welchen wir eine abbilden (Abb. 18). Es scheint eine ganze Welt diese mit liebevoller, fast peinlicher Naturtreue gemalten Blumen und Früchte von den derb und ungeschlachten stilisierten Motiven der Decke zu trennen, die uns an Abraham a Santa Claras Predigten erinnern könnten. Und doch verknüpft beides eine kontinuierliche Entwicklungsreihe: man wäre nie dazu gekommen, eine Wandfläche in dieser Weise mit Blumen und Früchten zu schmücken, und – wenn man diese Tatsache für unbedeutend halten sollte – der Naturalismus des Nordens hätte nie den Sieg über die monumentale Kunst des Südens errungen, wenn sich nicht die Regotisierung des klassischen Stiles des Cinquecento vollzogen hätte. Bis man endlich einmal aufhören wird, die Geschichte der modernen Kunst vom Standpunkte der dogmatischen Burckhardtschen Werte zu beurteilen, bis man beginnen wird, sie auf ihre historische Genesis zurückzuführen, wird man mit Eifer Denkmalen jener Art nachgehen, wie es die Dekorationen der zerstörten Decke von Eggenburg gewesen sind, als den Dokumenten einer der interessantesten und wichtigsten Wandlungen, die sich in der Geschichte der deutschen Kunst vollzogen haben. Doch wie viel von solchen Denkmälern wird dann noch vorhanden sein? Ich fürchte, sie werden seltener sein als altbabylonische Reliefs oder altägyptische Malereien, dank der Einsicht der Kunstkenner, für die diese Kunst nicht existierte, der Künstler, in deren Vorlagebüchern sie nicht vorhanden war, und der Zerstörungswut der modernen Kulturlosigkeit, die mit Freude altes überall vernichtet, wo sie durch Kennerurteile der lästigen Pflicht der Erhaltung enthoben wurde.
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Topographie von Niederösterreich: Eggenburg.
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MEIN RUF SIND FELSENHIEROGLYPHEN (1908)* Längs der Straße, die von Spalato nach dem Böcklinschen Paludikloster führt, kann der Wanderer in der Nähe des Bauplatzes, der für das neue Museum von Spalato bestimmt ist, ein sonderbares Lapidarium sehen. Große Steinhaufen liegen da, teils einfach bearbeitete Blöcke, teils Werksteine mit romanischen Profilierungen und Ornamenten. Auf die Frage, wozu diese Steinhaufen hier aufgeschüttet wurden, erfährt er, daß sie als Baumaterial für das neue Museum verwendet werden sollen, und fragt er vorwitzig weiter, woher die Steine stammen, wird ihm gesagt, das wären Spolien vom alten Domkampanile, die bei den in letzten Jahrzehnten durchgeführten Restaurierungsarbeiten vom Turme weggenommen und neu ausgeführt wurden. Ich sah selten ein so herrliches Steinmaterial in einer so glänzenden Erhaltung. Man hat um diese Bauteile, welche die künstlerische Originalhandschrift der Erbauer des Turmes tragen, das alte Denkmal beraubt, weil man sie für schadhaft erklärte und man verwendet sie bei einem Neubaue wieder, weil man sich sonst kaum so billig ein so gutes Baumaterial verschaffen könnte. Diese Ersparnis hat freilich 800.000 K gekostet.
82 RELIEFS DER RECHTEN TRIUMPHSÄULE VOR DER KARLSKIRCHE IN WIEN (1908)** Bei der in den letzten Jahren durchgeführten Restaurierung der Karlskirche in Wien, des Wunderwerkes Fischer von Erlachs, sind an der rechten Triumphalsäule 82 Reliefs durch Kopien ersetzt und die Originale einfach herausgemeißelt und zerschlagen worden. Wie viele Reliefs der rechten Säule vernichtet wurden, konnte ich nicht feststellen. Es war nicht notwendig, die Reliefs durch Kopien zu ersetzen, denn etwaige Schäden kamen in der Höhe für die Gesamtwirkung kaum in Betracht und für die Erhaltung der Kompositionen konnte durch Gipsabgüsse gesorgt werden; doch selbst wenn man die Auswechselung einer Reihe von Reliefs für unbedingt notwendig gehalten hätte, so lag doch absolut kein Grund vor, die Originale, statt sie in einer Sammlung zu deponieren, einfach zu zerstören. Es handelt sich da keinesfalls um gleichgültige Handwerkerarbeiten, sondern, wie man sich nach den Originalreliefs, die verschont wurden (etwa in der Publikation von Gerlach und Wiedling), überzeugen kann, um Schöpfungen der Barockplastik von einer ganz außerordentlichen Feinheit und Delikatesse, die durch eine Kopie auch nicht beiläufig ersetzt werden können.
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Erstabdruck in: Kunstgeschichtliches Jahrbuch der k. k. Zentralkommission, 2, 1908, Beibl., Sp. 44. Erstabdruck in: Kunstgeschichtliches Jahrbuch der k. k. Zentralkommission, 2, 1908, Beibl., Sp. 143–144.
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UNTER DEM LEUCHTER PFLEGT ES FINSTER ZU SEIN (1909)* Eines Tages, als ich in der Zentralkommission über den Akten saß und eben neue heftige Worte für die alten Proteste gegen die Verunstaltung einer Landkirche durch zwecklose Ergänzungen und stiltreue Neuherstellungen suchte, kam ein alter biederer Landpfarrer zu mir, ein kleines Männchen mit offenen Zügen und treuherzigen Augen, ein Bild der Rechtschaffenheit und guten Sinnes. Mit bewegten Worten erzählte er mir, daß es sein jahrelanger Wunsch gewesen sei, in seiner Kirche einen neuen gotischen Altar aufstellen zu lassen, bis es ihm endlich gelang, das notwendige Geld durch Sammlungen zusammenzubringen. Die hohe Zentralkommission habe sich jedoch dagegen ausgesprochen. Und da er sich dachte, er verstehe es nicht so gut, wie die Herren in Wien, so fügte er sich mit schwerem Herzen, obwohl er dadurch an Prestige bei seinen Pfarrkindern verlor, die für etwas Geld spendeten, was nicht ausgeführt werden durfte und für schlecht erklärt wurde. Und deshalb bitte er, die hohe Zentralkommission möge an die Gemeinde schreiben und ihr alles erklären, damit nicht etwa ihm die Schuld beigemessen werde. An diese Episode dachte ich, als ich vor einigen Tagen an der Nordseite des Stephansdomes vorbeiging und die Arbeiten sah, die da durchgeführt werden. Tausendmal Ärgeres, als man den Landpfarrern in ihren bescheidenen Kirchen mit der größten Energie und Machtentfaltung verwehrt, wird hier an dem wichtigsten kirchlichen Denkmale Wiens und des ganzen Landes ungehindert verbrochen. Nicht nur, daß architektonische Teile vollkommen erneuert und ergänzt werden, es werden auch zum neuen vermeintlichen Schmucke der Kirche in den leer gebliebenen Nischen neue «stiltreue» Statuen aufgestellt voll jener Art und Qualität, die an die ärgsten Zeiten des unheilvollen Restaurierens erinnert und überall dort, wo man halbwegs darüber unterrichtet ist, worauf es in der alten und in der neuen Kunst ankommt, nicht mehr möglich ist. Und dies geschieht zum größten Teile aus öffentlichen Mitteln in einer Zeit, wo es am Notwendigsten mangelt, das zu retten, was gerettet werden kann. Was sich wohl der alte Landpfarrer gedacht hätte, wenn ihm diese Neuausschmückung der Stephanskirche aufgefallen wäre?
DAS GRÜNE GITTER (1909)** Et plurima mortis imago. Den Friedhof von S. Michele auf der Halbinsel Lapad könnte man als den Friedhof der Republik Ragusa bezeichnen. Er ist das Epitaphium eines Staatswesens, wie es seit der Antike kaum ein merkwürdigeres gegeben hat, das Epitaphium eines tausendjährigen Kampfes um Freiheit und Unabhän-
* *
Erstabdruck in: Kunstgeschichtliches Jahrbuch der k. k. Zentralkommission, 3, 1909, Beibl., Sp. 109–110. Erstabdruck in: Kunstgeschichtliches Jahrbuch der k. k. Zentralkommission, 3, 1909, Beibl., Sp. 177–178.
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gigkeit, der dem Leben einer unabsehbaren Folge von Generationen heroische Größe gab, eine unerschöpfliche Fülle von Ingenium und Tatkraft auf ein Ziel konzentrierte, welches sich zu allerletzt im Rahmen der weltgeschichtlichen Ereignisse als – man kann sich keinen tragischeren Abschluß denken – eine gegenstandslose antiquierte Phantasie erwiesen hat. Unter hundertjährigen Zypressen, wie ich sie größer und schöner in der ganzen Welt nicht sah, liegen die letzten Helden dieses Kampfes, die in ihrem unbesiegbaren Stolze auf die Ehe verzichtet haben, um nicht Kinder zur Welt zu bringen, die sich in die neuen Verhältnisse fügen müßten, unter einfachen, nur mit einem Kreuze und dem Wappen geschmückten Grabsteinen – die Namen fehlen, sie waren nicht notwendig, so lange man die Schilde kannte und sollten mit diesen ins Grab versinken wie die große Vergangenheit. Diesen Friedhof, der zu den merkwürdigsten der Welt gehört, schloß bis vor kurzem von der vorbeiführenden Straße eine einfache Steinmauer ab, die zu dem Charakter dieses monumentalen Campo santo paßte und dessen weihevolles aristokratisches Jenseits des Alltagslebens wahrte. Man hat nun aus Verschönerungsrücksichten diese Mauer durch ein offenes, grün angestrichenes Eisengitter aus der Fabrik des Herrn N. N. ersetzt. Das scheint eine Lappalie zu sein. Und doch, wollte man die destruktiven, auf dem Tiefstand unserer künstlerischen Kultur beruhenden Kräfte, die wie Hyänen unsere Denkmalsfriedhöfe schänden, in einer Parabel charakterisieren, konnte man kaum etwas erfinden, was ein grelleres Licht auf die Verhältnisse werfen würde als diese Lappalie.
MONUMENTA DEPERDITA (1909)* Zwei romanische Türme. Zwei typische Fälle, welche grell die Zustände der Denkmalpflege in Österreich beleuchten. Zwei romanische Türme sind demoliert worden, nicht etwa bedeutungslose Steinhaufen, sondern verhältnismäßig gut erhaltene Monumente und nicht etwa aus irgendwelchen zwingenden praktischen Gründen, sondern einfach deshalb, weil man es bequemer fand, sie zu zerstören, als sie zu erhalten. Bei dem alten Kirchenturme von Oberndorf bemühte sich die Z. K. umsonst um die Erhaltung. Sie schrieb Proteste auf Proteste, bat und drohte, machte Vorschläge und suchte Auswege und man hat sie von Note zur Note vertröstet, um schließlich unbekümmert um Proteste und Ratschläge doch das Bauwerk abzutragen. Der Frangipaniturm auf der Insel Veglia ist dagegen geschleift worden, ohne daß die Z. K. etwas davon erfahren hätte. Eine Denkmalpflege, die nichts erfährt, weil sie schlecht organisiert ist, und die machtlos ist, wenn sie etwas erfährt: so könnte auch die allgemeine Bilanz der Z. K. zusammengefaßt werden.
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Erstabdruck in: Kunstgeschichtliches Jahrbuch der k.k. Zentralkommission, 3, 1909, Beibl., Sp. 180–181.
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6. | KURZBERICHTE
MONUMENTA DEPERDITA (1910)* 1. DAS HAUS
DES
BILDHAUERS BRAUN
IN
PRAG
Der Fremde: Hier sollte irgendwo nach meinem Führer ein schönes altes Haus gestanden haben? Der Cicerone: Es ist verschwunden. Ein typisches Beispiel für unzählige Verluste ähnlicher Art. Ein prächtiges Barockhaus, reich an Formen wie ein Palast und doch bürgerlich anmutig, überdies historisch bedeutsam als Werk- und Wohnhaus eines der größten österreichischen Bildhauer der Barockzeit. Der Fremde: Konnte man es nicht erhalten? Der Cicerone: Es fiel wie so zahlreiche ähnliche Häuser in den letzten Jahren trotz aller Versuche es zu retten und dürfte auch nicht das letzte Opfer der traurigen Hekatomben sein, die erst aufhören dürften, bis die alte volkstümliche Prophezeiung eines blinden Sängers erfüllt sein und von dem schönen alten Prag kein Stein mehr bestehen wird. Der Fremde: Das goldene Prag, Praga caput regni, Praga nobilis, das Paladium der Vergangenheit, der Stolz, die Freude der Gegenwart, die Hoffnung der Zukunft – sind das nicht Worte, die man in tausendfachen Variationen überall in Böhmen hören kann? Und doch geht die wundervolle Stadt zugrunde? Der Cicerone: Ja, allmählich, doch unaufhaltsam. Der Fremde: Dann wurde sie eben von jenen Kreisen aufgegeben, die sie erhalten könnten, wenn sie nur wollten. Auch wo es sich um Privathäuser handelt, hat eine große Gemeinde zahlreiche rechtliche und administrative Mittel, alte Gebäude zu schätzen, und wo alle diese Mittel versagen, kann man doch noch, wenn man es mit der Heimatsliebe ernst meint, mit verhältnismäßig geringen Summen durch Ankauf oder Subventionierung viel retten. So hätte man z. B. mit dem Gelde, das in dem Repräsentationshause der Stadt Prag verbaut wurde, das man mir gestern zeigte, jährlich ein schönes altes Haus ankaufen können. Der Cicerone: Ja, darin liegt die Hauptquelle des Übels: man hat noch nicht allgemein eingesehen, daß einer Stadt von Prags Vergangenheit und historischer Konfiguration alte Häuser, Straßen und Plätze tausendmal mehr Würde und Resonanz, Schönheit und Inhalt verleihen als protzige Neubauten von zweifelhaftem Kunstwerte. Der Fremde: Es scheint mir freilich, daß die Ursachen noch tiefer liegen als nur in solcher künstlerischen Kulturlosigkeit. Ich als Fremder kann freilich nicht sagen, an wem oder worin die Schuld liegt, doch wenn ein Gemeinwesen, das einen solchen Schatz ethischer Werte besitzt, wie sie in dem alten Stadtbilde Prags enthalten sind, nicht alle Mittel anwendet, diesen Schatz zu erhalten, so mangelt ihm in erster Linie, so große Vorzüge es auch sonst besitzen mag, jene Seriosität und Vertiefung des öffentlichen Lebens, die diesem allein einen großen Inhalt und Bedeutung für die Zukunft verleihen können.
* Erstabdruck in: Kunstgeschichtliches Jahrbuch der k.k. Zentralkommission, 4, 1910, Beibl., Sp. 175–178.
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2. ALTE HÄUSER
IN
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PILSEN
Pilsen entwickelt sich zu einer typischen modernen Industriestadt. Der Ring der Ruß- und Rauchwolken und des zerrissenen, hastig aufgebauten Weichbildes, der die Stadt umschließt, barg eine Oase, den alten Hauptplatz, der, ein Abbild der großen bürgerlichen Vergangenheit Pilsens, zu den schönsten alten Stadtplätzen Böhmens zählte und der sonst so unerfreulichen Stadt Adel und Größe verliehen hat. Man ist in Pilsen nicht unempfindlich für die glorreiche Vergangenheit und hat deshalb im verflossenen Sommer das schöne alte Rathaus mit falschen Renaissancesgraffitos schmücken lassen, doch die herrlichen alten Häuser werden nach und nach demoliert. Viele sind schon in den letzten Jahren zerstört worden, das prächtige Gerlachhaus wird soeben niedergerissen und viele andere sollen in der nächsten Zeit folgen, womit das Schicksal des schönen alten Platzes besiegelt wird. Die alten Häuser in Pilsen gehören durch ihr «Braurecht» zu den ertragreichsten in Österreich. Der Zuwachs an Zins durch Umbau spielt diesem Ertrage gegenüber eine verhältnismäßig unbedeutende Rolle und so wäre es sicher keine ungebührliche Forderung, wenn man den Besitzern in einer neuen Bauordnung oder durch einen neuen Regulierungsplan die Verpflichtung auferlegen würde, Adaptierungen nur in den rückwärtigen Trakten vorzunehmen, die dem Platze zugekehrten Fassaden jedoch unverändert zu erhalten. Dies wäre eine großzügige Tat einer stolzen hochgesinnten Kommunalpolitik, die der großen Vergangenheit würdig wäre und überall das freudigste Echo erwecken würde.
3. ALT -WIEN Leider gehört es auch bereits beinahe unter die Monumenta deperdita. Es sind in der letzten Zeit so viele alte Häuser und Straßen in Wien demoliert worden und so viele sollen ihnen bald folgen, daß man wohl das alte Stadtbild von Wien als verloren betrachten kann. Man pflegt es der natürlichen Weiterentwicklung zuzuschreiben, wogegen einmal mit aller Klarheit festzustellen wäre, daß an dieser Verwüstung außer mangelnder Pietät, über die man schwer disputieren und die durch keine noch so inbrünstigen Klagen hervorgerufen werden kann, vor allem eine krasse Unkenntnis der Forderungen des modernen Städtebaues schuld ist. Das wüste Zerstören gehört heute in den führenden Anschauungen von den Pflichten und Aufgaben des heutigen Städtebaues längst der Vergangenheit an. Man hat eingesehen, daß alte Straßen- und Stadtbilder wichtige sentimentale und künstlerische Werte bedeuten, die berücksichtigt werden müssen und auch leicht ohne Schaden für anderweitige Forderungen sowohl durch die Erhaltung und geeignete Adaptierung der alten als auch durch organische Anpassung der neuen Bauten an das überlieferte Stadtbild berücksichtigt werden können. Man wird es ohne Zweifel auch in Wien einsehen – bis es zu spät sein wird.
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MONUMENTA DEPERDITA (1911)*
1. FINIS VINDOBONAE Ein Freund brachte mir die nebenan abgebildete Aufnahme des Mehlmarktes (Abb. 19) vom Jahre 1864 als ein der Publikation würdiges historisches Dokument. Zuerst freute ich mich über die schöne interessante Photographie, wie man sich über eine neuentdeckte Quelle, über ein unbekanntes Denkmal freut. Dann kam mir aber zum Bewußtsein, wieviel trauriger Resignation dieser Freude zugrunde liegt. Das alte schöne Wien war einmal und man findet es nur in alten Aufnahmen mehr. Seine Freunde verzichten nach und nach darauf, es zu retten, denn es gibt nur wenig mehr, was noch zu retten wäre, und der Anprall der Spekulation ist so groß, daß ihm jede bessere Einsicht weichen muß. Wien hat schon einmal eine ähnliche weitgehende Umgestaltung erfahren, als es nach der zweiten Türkenbelagerung neu aufgebaut wurde. Doch gerade ein Vergleich mit dieser ersten Modernisierung im großen Stile beleuchtet grell die beschämende Tiefe der heutigen. Im XVIII. Jh. beruhte das neue Wien nicht zuletzt auf den Forderungen einer neuen Kunst, deren grandiose Monumentalität und Bewältigung der architektonischen Komposition, wie sie die Welt nie früher sah, den Rahmen der alten Stadtbildungen sprengen mußte, um Großes zu erreichen. Das Höchste, Gewaltigste der damaligen Kunst stand dem neuen Wien an der Wiege: heute ist es das Platteste, Banalste, ja, Gemeinste. Es sind nicht so sehr einzelne Monumentalbauten, welche dem künstlerischen Städtebau der Gegenwart die Signatur geben, sondern vielmehr die zielbewußte Gestaltung des Stadtbildes im Zusammenhange mit dessen historischer Entstehung oder, wo dies nicht der Fall ist, doch auf Grund einer einheitlichen künstlerischen Lösung. Es ist eine Freude zu sehen, wie sich z. B. einzelne reichsdeutsche Städte auf Grund eines solchen künstlerischen Programms entwickelt haben, das sich nicht nur mit allen Forderungen des heutigen Lebens vereinigen läßt, sondern geradezu durch sie bestimmt wird. In Wien handelt es sich aber nicht um ein künstlerisches Neuwerden, sondern nur um ein wüstes, planloses Zerstören und Neuaufbauen, bei dem die wirtschaftlichen und sozialen Vorteile, da sie in keiner Weise berücksichtigt werden, nur einen verlogenen Deckmantel bedeuten und bei dem die Kunst eine ähnliche Rolle spielt, wie etwa bei den Städtegründungen im amerikanischen Westen oder russischen Osten. Finis Vindobonae.
* Erstabdruck in: Jahrbuch des kunsthistorischen Institutes der k.k. Zentralkommission, 5, 1911, Beibl., Sp. 188–190.
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KURZBERICHTE, MONUMENTA
2. DER HRVOJATURM
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DEPERDITA
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SPALATO
Die Tristia aus Dalmatien würden jahraus jahrein Bände füllen. Doch folgende drei Beispiele dürften genügen, zu beleuchten, wie es um die öffentliche Pflege der alten und neuen Kunst in diesem Lande der großen künstlerischen Vergangenheit bestellt ist. Denkmalpflege. Die Ruinen der vor wenigen Jahren mit Dynamit zum Zwecke der Gewinnung des Steinmaterials für einen Schulbau gesprengten Kirche S. Ambrogio in Nona aus dem XI. Jh. werden mit einem Aufwande von 3000 K gesichert. Auf diese Weise vereinigt man Bedürfnisse des heutigen Lebens (Schulbau) mit den Zielen der Denkmalpflege (Sicherung der Ruinen), wobei freilich die Ruine erst hergestellt werden mußte und ein wichtiges, schönes und gut erhaltenes Baudenkmal zugrunde ging. Heimatschutz. In Arbe will die Arbegesellschaft auf der Anhöhe in unmittelbarem Anschlusse an den unvergleichlichen und unvergeßlichen Meeresprospekt ein großes Hotel bauen und damit diese weltberühmte Vedute ungenießbar gestalten. Die Leute werden wohl in der Zukunft massenhaft in Arbe wohnen können, wahrscheinlich aber darauf verzichten, hinzugehen, weil ihnen doch vielleicht das, was früher zu sehen war, wichtiger sein dürfte, als das neue Hotel. Man glaube aber ja nicht, daß man in Arbe nicht weiß, was man den modernen Heimatschutzbestrebungen schuldig ist, die die Pflege der bodenständigen Bauweise verlangen. Erst heuer im Frühjahr hat man in dem altberühmten schönen Pinienpark von Arbe eine öffentliche Abortanlage in der Gestalt einer altdalmatischen Kapelle – wenn ich nicht irre, aus Staatsmitteln erbaut. Der Hrvojaturm oder die moderne Kunstpflege. Es ist natürlich, daß jede aufstrebende Generation dauernde Wahrzeichen ihrer Bedeutung schaffen will, und zwar nicht nur in neuen sozialen und wirtschaftlichen Einrichtungen, sondern auch in Kunstwerken. So selten auch die letzteren einen objektiven Maßstab für die Höhe der Kunst in ihrer Zeit und Heimat bieten, da sie ja oft von ganz unbedeutenden Künstlern ausgeführt werden, so sind sie doch immer ein Maßstab für die allgemeinen Kunstzustände eines Landes. Ein trauriges Dokument dieser Art ist das neue Bankgebäude an der Riva in Spalato, dessen plumper künstlerisch gefühlloser Aufdringlichkeit, wie aus dem folgenden Berichte des Architekten Presel zu ersehen ist, nicht nur wichtige Teile, sondern auch die ganze Harmonie eines Stadtbildes geopfert wurde, das zu den eigenartigsten und schönsten der Welt gehörte. Armes Land!
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DIE VERPFÄNDUNG DER GOBELINSAMMLUNG (1920)* Eine Verpfändung der Gobelins? Jetzt per tot discrimina rerum und nachdem allen, die sehen werden und sehen wollen, klar geworden ist worum es sich handelt! Ein solcher Entschluß unserer Regierung wäre unfaßbar, wäre so ungeheuerlich, daß ich an die Richtigkeit der Nachricht nicht glauben kann. Ich erkundigte mich gleich im Unterrichtsamte, wo man nichts weiß. Man bedenke: das Unterrichtsamt, welches die höchste Verantwortung für unsere Kunstschätze trägt, erfährt erst aus der Zeitung, daß ein Teil derselben, und zwar einer der kostbarsten, verpfändet wurde. Eine Regierung, die dies gewagt hätte, ohne das Unterrichtsamt auch nur zu verständigen, wäre keine konstitutionelle Regierung mehr. Sie hätte auch sonst eine offenkundige Gesetzwidrigkeit begangen. Wohl hat in einem unseligen Zeitpunkte die Nationalversammlung der Regierung die Erlaubnis erteilt, einen Teil unserer Kunstwerke zu veräußern, doch diese Erlaubnis ausdrücklich an die Bedingung geknüpft, nur entbehrliche Kunstwerke zu verkaufen und nur auf Grund eines Gutachtens der Fachleute. Doch befragt wurde diesmal niemand und daß die Gobelinsammlung entbehrlich ist, dürften selbst die Referenten des Finanzamtes zu behaupten sich nicht erkühnen. Und die Reparationskommission soll die Verpfändung an ein holländisches Konsortium verlangt haben? Auch das glaube ich nicht, denn gerade in den Kunstfragen hat sie bisher mehr Einsicht bewiesen, als unsere Regierung. Dagegen bin ich überzeugt, daß es andere Kreise gibt, die der herostratischen Absicht nicht fernstehen. Und darum: Caveant consules! Weit mehr als nur ein Teil unserer Sammlungen ist auf dem Spiel! Wer aufmerksam Wiens Lage im letzten Jahre beobachtet hat, dem konnte nicht entgehen, daß im Kunstleben zuerst die Hoffnung auf eine bessere Zukunft greifbare Formen angenommen hat. Was da geschaffen wurde, gereicht uns zur Ehre und besagt, daß wir in dieser Richtung unsere alte Bedeutung für die europäische Gesamtkultur nicht nur zu bewahren, sondern auch weiter auszubauen vermögen. Dieser Wiederaufbau wird aber untergraben und zerstört durch kunstfeindliche Handlungen der Regierung, die durch sie beweist, daß ihr daran, was unserem Leben und unserer Stellung in der Welt einen neuen Inhalt geben kann, nichts gelegen ist. Ein Staat, in dem man zur Erkenntnis gelangt, daß jede Arbeit nutzlos ist, ist dem Tode geweiht.
* Erstabdruck in: Neue Freie Presse, Morgenblatt, Nr. 20138, 4. November 1920, S. 6.
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DIE BALKANISIERUNG WIENS (1920)*
Darüber, was sich jetzt in Wien abspielt, dürfte ein zukünftiger Historiker etwa folgendermaßen berichten: «Welche Stellung immer man zu den politischen Aufgaben Österreichs nach dem unglückseligen Frieden von Saint-Germain angenommen hat, eines hätte allen Parteien und allen denkenden Menschen in dem armen, getrennten Lande klar werden müssen: in seiner wirtschaftlichen Ohnmacht, eingekeilt zwischen den neuen, ihm feindlich gesinnten Nationalstaaten, konnte es sich nur durch intensive Kulturarbeit erhalten und eine bessere Zukunft vorbereiten. Wie es nun mit diesem kulturellen Wiederaufbau bestellt war, dafür liefert einen sehr anschaulichen Beleg die Behandlung der Kunstfragen in den ersten Jahren des Bestehens des neuen Österreich. Es handelt sich nicht um ein willkürlich gewähltes Beispiel, denn dank seiner glorreichen Vergangenheit, seiner Sammlungen und alten Überlieferungen konnte Wien auf dem Gebiete der Kunst (ähnlich wie auf anderen Geistesgebieten) das wichtige Kulturzentrum im deutschen Osten nicht nur bleiben, sondern in dieser Richtung eine noch erhöhte Bedeutung gewinnen. Es fehlte durchaus nicht an Männern, die dies erkannt und opferfreudig an der Wiederbelebung der alten Stellung Wiens im allgemeinen Kunstleben zu arbeiten begonnen haben. Leider hatten sie von Anfang an mit den größten Hindernissen zu kämpfen. Beutegierige Händler, für die Österreichs Todeskampf nur eine willkommene Gelegenheit war, sich an seinen Kunstschätzen zu bereichern, wirkten ihnen entgegen. Es wurden zum Zwecke dieser «Exploitierung» Österreichs Gesellschaften mit großem Kapital gegründet und der Historiker staunt, wenn er die Namen derer liest, die daran beteiligt waren. Noch mehr staunt er darüber, daß die österreichische Regierung gegen solche krankhafte und im höchsten Grade schädliche Erscheinungen des sozialen Lebens nicht nur nichts unternommen hat, sondern ihnen mit ausgesprochenem Wohlwollen gegenüberstand. Man begründete dies mit dem staatlichen Interesse an der Steigerung der Ausfuhr, was natürlich ebensowenig stichhältig war, wie wenn man die Abwanderung irgend eines anderen Kapitals als Steigerung der Ausfuhr hinstellen würde. Die einzige Folge war, daß sich gleichsam unter staatlicher Patronanz der Ausverkauf Österreichs immer mehr auf das Gebiet der alten Kunst zu erstrecken begann und ein Schachergeist geschaffen wurde, der den Blick auf den öffentlichen Kunstbesitz lenken mußte. Doch auch abgesehen davon, gab es Beweise genug dafür, wie wenig Verständnis die Regierungskreise für den ethischen, nationalen und wirtschaftlichen Wert
* Erstabdruck in: Wiener Mittag, Nr. 690, 13. Dezember 1920, S. 3–4.
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dieses Besitzes besessen haben. Sie rechneten mit ihm höchstens als mit einem bequem greifbaren Guthaben in politischen und finanziellen Schwierigkeiten, das ungeachtet aller platonischen Erklärungen, verhältnismäßig am leichtesten geopfert wurde, wie deutlich das bereits von den Zeitgenossen getadelte Übereinkommen mit den Italienern beweist. Nicht in äußeren Verhältnissen, wie oft behauptet wurde, sondern in dieser Geringschätzung des alten Kunstbesitzes ist die wichtigste Ursache zu suchen, daß ihn Österreich schließlich ganz verloren hat. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die wirtschaftliche Lage des Landes entsetzlich war, wie kaum je bei einem anderen Reiche im ganzen Verlauf der Geschichte. Doch nicht darin lag unseres Erachtens der entscheidende Grund des Unterganges, sondern vielmehr in dem Mangel an Willen, das Unglück mit Anspannung aller Kräfte zu überwinden. Vom Parteihader ganz in Anspruch genommen, ohne einheitliches und großzügiges Programm für die allmähliche Wiederaufrichtung des Staates, damit er einmal achtunggebietend über seine Zukunft selbst bestimmen könne, überließ man die Lösung der wirtschaftlichen Probleme im wesentlichen alten bürokratischen Einrichtungen, die bereits im alten Österreich viele Gebrechen hatten, den neuen gewaltigen Aufgaben jedoch nicht im mindesten gewachsen waren, und baute im übrigen auf die Hilfe der Entente, ohne rechtzeitig für den Fall ihres Ausbleibens vorzusorgen. Dieser Fall trifft wiederholt ein und da ist man ratlos und weiß keinen Ausweg als Verkauf oder Verpfändung der Sammlungen. Man bedenkt nicht, daß es sich um Güter handelt, die ein Staat ebensowenig wie ein Landesgebiet oder einen Volksstamm verschachern kann, ohne schmachvoll zu handeln und sich selbst preiszugeben. Man bedenkt nicht, daß die Rettung nur eine scheinbare ist, tatsächlich aber die Vernichtung der Zukunft bedeutet. Es gab viele, die dies eingesehen haben, und ihren Bemühungen gelang es einigemal, das Unheil abzuwenden. Dann kam aber der verhängnisvolle Spätherbst des Jahres 1920. Die Staatskassen waren wieder einmal leer, man besaß kein Geld für das in den ersten zwei Monaten des folgenden Jahres benötigte Getreide – vom März an hoffte man einen großen Kredit von der Entente zu bekommen – und um die Lücke auszufüllen wurde die kostbare Gobelinsammung gegen ein lächerlich kleines Darlehen verpfändet. Welche Verblendung! Ja, glaubte man denn wirklich, daß dadurch die Katastrophe abgewendet werden kann? Sah man nicht, daß diese Verwendung der «letzen Reserven» auch den letzten Rest des Vertrauens in Österreichs Zukunft zerstören, die österreichische Währung vollständig entwerten, das Ausland, von dem man Hilfe erhoffte, zur Überzeugung bringen müsse, daß einem Staat, der auf diese Weise sein Leben fristet, nicht zu helfen sei. Man verglich damals in Zeitungsberichten Österreich mit einem Kaufmann, der, um sich einige Tage über Wasser zu halten, den Schmuck seiner Frau ins Leihhaus trägt. Das Bild stimmt nicht, man hätte von einem Verzweifelten sprechen müssen, der nach dem Revolver greift. Noch war Zeit zur Umkehr, für die es verschiedene Wege gab, doch keiner wurde betreten und so geschah, was nicht schwer vorauszusagen war. Die Gobelins waren verloren, der erwartete Ententekredit kam spät und reichte wiederum nur für einige Monate und statt daß man die
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KURZBERICHTE, MONUMENTA
DEPERDITA
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Gobelins hätte auslösen können, mußten andere Kunstschätze veräußert werden. Alle Hoffnungen auf die kulturelle Wiederaufrichtung Wiens waren begraben und unheimlich rasch vollzog sich die geistige Balkanisierung der Stadt, nach deren Besitz heute niemand mehr strebt und die nur noch im Lichte ihrer einstigen geschichtlichen Rolle Beachtung verdient.»
DIE ALBERTINA (1921)* Immer wieder muß darauf hingewiesen werden, daß zu den Gründen der Verelendung Österreichs, außer der politischen und wirtschaftlichen Lage, auch die Rückständigkeit der öffentlichen Einrichtungen zu zählen ist, die statt der Allgemeinheit zu dienen, vielfach Selbstzweck geworden sind. Es gibt einen großen öffentlichen Fond, dessen Zinsen der Kunst zugute kommen sollen, was jedoch deshalb nicht geschehen kann, weil sie restlos für die Gehälter der zahlreichen den Fond verwaltenden Beamten benötigt werden. Ist dies nicht wie ein Symbol für unzählige Dinge? Auch unsere Museen und Sammlungen sind zum großen Teil rückständig, besonders die vom Hofe übernommenen. Nicht durch die Schuld der Leiter, die seit Jahrzehnten darüber klagen, daß die Schwerfälligkeit und Gleichgültigkeit der alten Hofbehörden jeden Fortschritt verhindert haben, so daß die Wiener Hofsammlungen mit ihrem kostbarem Inhalt in einer Zeit des größten Aufschwunges der Museen in Deutschland und Italien, in England und Frankreich gleichsam ein versteinertes Leben führen mußten. Die Gobelins und Teppiche blieben unsichtbar, die so wichtigen Skulpturen aus Gjölbaschi sind noch heute in Kellerräumen untergebracht, die Ephesusfunde getrennt von den übrigen Antiken provisorisch im Unteren Belvedere ausgestellt. Für die Sekundärgalerie hat man keinen Platz, der weit größere Teil der vorgeschichtlichen Denkmäler ist in Kisten verborgen. Raummangel herrscht in allen Sammlungen, die Staatsgalerie kann kaum ein Zehntel ihres Besitzes ausstellen. Dazu kam ein Mangel an einheitlichem Programm bei den Erwerbungen. Altösterreichische und moderne Bilder wurden im Hofmuseum und in der Staatsgalerie gekauft, Skulpturen in dieser und im Österreichischen Museum, Zeichnungen in der Albertina, im Kupferstichkabinett und in der Staatsgalerie. Unter dem Raummangel hatte naturgemäß auch die Aufstellung der Kunstwerke zu leiden, wie auch die veraltete Organisation einzelner Museen jeden lebendigen Zusammenhang mit dem Kunstleben der Gegenwart ersticken mußte. «Ihre Sammlungen», sagte mir
* Erstabdruck in: Wiener Mittag, Nr. 716, 15. Jänner 1921, S. 3.
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kurz vor dem Kriege ein reichsdeutscher Kollege, «gehören zu den schönsten der Welt, doch auch zu den reformbedürftigsten». «Dies wissen wir alle», gab ich zur Antwort, «und in allen künstlerisch fühlenden Kreisen wünscht man schon lange sehnlichst die Reformen herbei.» Sie sind in den Bereich der Möglichkeit getreten, als nach dem Zusammenbruche alle großen Museen Staatseigentum geworden sind und man nahm sie auch energisch in Angriff. Es handelt sich dabei nicht, wie vor einigen Wochen ein offenbar unrichtig informierter Berichterstatter behauptet hat, um eine Auflösung und Zerstörung von historisch entstandenen Einheiten, woran, so viel ich weiß, nie gedacht wurde, sondern um allmähliche Behebung der angedeuteten Mängel, soweit sie ohne große Kosten gegenwärtig durchgeführt werden kann. Der erste Schritt war die Ausstellung der Gobelins und Teppiche, den zweiten bildet die nunmehr vollzogene Vereinigung des Kupferstichkabinetts und der Albertina zu einer großen Sammlung von graphischen Arbeiten und Zeichnungen, wie sie in Berlin, München und Dresden besteht und auch in Wien schon lange erwünscht gewesen wäre. Das alte Kupferstichkabinett, bisher eine Unterabteilung der Nationalbibliothek, war überreich an Denkmälern der graphischen Künste und besaß auch Handzeichnungen, die Albertina enthielt die weltberühmte Sammlung von Zeichnungen und ebenfalls Graphik, so daß sich beide Sammlungen einerseits ergänzten, andererseits aber auch kreuzten. Das Kupferstichkabinett war in der Nationalbibliothek sehr unzureichend untergebracht und als es im vorigen Jahre in das ehemalige Palais Erzherzog Friedrich in unmittelbare Nähe der Albertina übersiedelte, war es naheliegend, diese Nachbarschaft in eine engere Verbindung zu verwandeln. Sie ließ sich ohne Schwierigkeit durchführen, da sie, abgesehen von der Vereinheitlichung der Verwaltung, keine wesentlichen Änderungen in dem bisherigen Charakter und in der bisherigen Ordnung der Sammlungen erfordert. Dabei ist sie von allergrößtem Nutzen sowohl für Forscher und Kunstfreunde, deren Studien erleichtert wurden, als auch für die Weiterentwicklung beider Institute, denen durch ein vereintes Wirken die Möglichkeit einer reichen Entfaltung eröffnet wurde. In herrlichen Räumen untergebracht, zu denen auch neue Studien- und Ausstellungssäle gehören, vermag sich die erweiterte Albertina, ohne von ihrer Eigenart etwas einzubüßen, zu einem neuen Mittelpunkte des Wiener Kunstlebens, nach dem Vorbilde ähnlicher Anstalten im Auslande zu gestalten, unter denen sie durch die Verbindung mit dem Kupferstichkabinett den ersten Rang gewonnen hat.
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THEORIE, FORSCHUNG UND DIDAKTIK DER DENKMALPFLEGE
PROMEMORIA ÜBER DIE REORGANISATION DER STAATLICHEN DENKMALPFLEGE IN ÖSTERREICH (1910) *
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eit Jahrzehnten bemühten sich Männer, denen das Schicksal des alten Kunstbesitzes in Österreich am Herzen lag, und allen voran der verewigte hochverdienstvolle Präsident der Zentral-Kommission Freiherr von Helfert, um die Annahme eines Gesetzes zum Schutze alter Denkmale. Es ist eine sonderbare Tatsache, daß wir wohl vor einem halben Jahrhundert eine für ihre Zeit entsprechende Organisation früher als viele Staaten, die uns heute in der Denkmalpflege weit voran sind, erhalten haben, ohne daß es in der Folgezeit gelungen wäre, das begonnene Werk weiter zu führen und eine gesetzliche Regelung der öffentlichen und vor allem der staatlichen Ingerenz auf die Erhaltung des alten Denkmalbesitzes durchzusetzen. In den letzten Jahren ist aber das Bedürfnis nach einer solchen Regelung ganz besonders dringend geworden, denn erfreulicherweise hat die Pietät für die geschichtlichen Dokumente und für das Vermächtnis der alten künstlerischen Kulturen in den breitesten Massen Wurzel geschlagen, so daß es sich nicht mehr wie einst nur um die Einsicht einzelner Gebildeter, sondern nicht minder um den Willensausdruck der Allgemeinheit handelt. Das beweist die große Resonanz, welche im Gegensatze zu früheren Versuchen ähnlicher Art der letzte Gesetzentwurf Helferts zum Schutze der alten Denkmale überall gefunden hat. Der Eifer, mit dem Helferts Antrag diskutiert wird, die Gegenentwürfe, die entweder bereits eingebracht wurden oder in der nächsten Zeit eingebracht werden, die lebhafte, ja vielfach leidenschaftliche publizistische Diskussion, die sich in der letzten Zeit mit der Frage beschäftigte, beweisen zur Genüge, daß es sich um eine Sache handelt, die auf der Tagesordnung unseres heutigen österreichischen Kulturlebens in zwingender Dringlichkeit steht und nicht mehr, wie so oft früher, weiter auf die Dauer vertagt werden kann. Ja das öffentliche Interesse ist so groß, daß es eine gewisse Gefahr für die Lösung der Frage bedeutet. Denn es kann ja keinem Zweifel unterliegen, daß es sich nicht darum handelt, ein beliebiges Denkmalschutzgesetz, eine beliebige Reorganisation der Denkmalpflege in Österreich zu schaffen, sondern beides den Anschauungen, Erfahrungen und Forderungen entsprechen muß, die heute als die maßgebenden in der Denkmalpflege zu betrachten sind. Bei den Anträgen und literarischen Kund-
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Max Dvoøák, Promemoria über die Reorganisation der staatlichen Denkmalpflege in Österreich, Brünn: [1910].
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gebungen, die in der Frage erfolgten oder in der nächsten Zeit erfolgen werden, handelt es sich aber vielfach um Meinungen und Projekte, die ohne Kenntnis der Entwicklung der Denkmalpflege und der sachlichen Anforderungen, die dieser Entwicklung entsprechen, einer dilettantenhaften Liebhaberei oder politischen Gesichtspunkten ihre Entstehung verdanken. Deshalb halte ich es für meine Pflicht auf jene Momente hinzuweisen, welche für die sachliche Lösung der Aufgabe in erster Linie in Betracht gezogen werden müssen. Im allgemeinen ist Helferts Gesetzentwurf auf modernen Anschauungen aufgebaut, und zwar sowohl in der Auffassung des Denkmalbegriffes, der sich ja in den letzten Jahrzehnten ganz veränderte, als auch in der Auffassung der Pflichten der Öffentlichkeit alten Monumenten gegenüber und der Aufgaben der Denkmalpflege, bei welchen in allen Bestimmungen latent oder offenkundig das Konservierungsbestreben an Stelle der überwundenen Restaurierungsversuche in den Vordergrund gestellt wurde. Die Maßregeln zum Schutze der alten Denkmale, insbesondere soweit sie sich im öffentlichen, also im staatlichen, kirchlichen und autonomen Besitze befinden oder Fideikommisse bilden, sind sehr kategorischer Natur und würden kategorisch gehandhabt, der Staatsverwaltung die Möglichkeit bieten, bei den im öffentlichen Besitze befindlichen Denkmalen überhaupt, bei den Denkmalen im Privatbesitze zum großen Teil die Zerstörung, Verschleppung und jeden unbefugten Eingriff zu verhindern. Helferts Denkmalschutzgesetz würde ohne Zweifel der öffentlichen Denkmalpflege in zufriedenstellender Weise jene Machtmittel bieten, deren sie bisher so sehr entbehren mußte und ohne die ihre Bemühungen zum großen Teil immer illusorisch bleiben würden. Und doch – es wird mir Angst und Bang wenn ich daran denke, wie sich die Verhältnisse gestalten werden, wenn Helferts Entwurf heute oder morgen gesetzliche Kraft erlangen sollte. Jedes ähnliche Gesetz und um so mehr ein so radikales Gesetz ist an gewisse Voraussetzungen gebunden, die allein seine Durchführung möglich machen. Zu den wichtigsten unerläßlichen Voraussetzungen eines modernen, den Anforderungen unserer Zeit entsprechenden Denkmalschutzgesetzes gehört eine gute Organisation der öffentlichen Denkmalpflege. Wie es aber um die in Österreich bestellt ist und wie sie auf das Minimum ihrer Erfordernisse gebracht werden könnte, welche die Durchführung eines Denkmalschutzgesetzes möglich machen, dies soll in folgenden Zeilen ausgeführt werden. Seit fünf Jahren habe ich die Ehre der Zentral-Kommission anzugehören, und da ich überdies während dieser Zeit mit den Funktionen eines Generalkonservators betraut und an allen wichtigeren Aktionen der Zentral-Kommission beteiligt war, dürfte ich wohl eine genaue Kenntnis der Verhältnisse für mich in Anspruch nehmen. Diese Verhältnisse müssen als trostlos, unwürdig und beschämend bezeichnet werden. Es wäre denkbar, daß ein Staat, sich der drückenden Pflicht in dieser Richtung entziehend, die Erhaltung und Pflege alter Kunstdenkmale ganz anderen Faktoren überläßt, den unmittelbaren Verwesern des öffentlichen Gutes und den Privateigentümern, den autonomen Behörden oder der allgemeinen öffentlichen Anteilnahme
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und Initiative. Doch dies ist in Österreich nicht der Fall, da, wie in den übrigen europäischen, kulturell hochstehenden Ländern, die staatliche Verwaltung nicht nur seit mehr als einem halben Jahrhundert prinzipiell die Ingerenz auf das Schicksal des durch den alten Kunstbesitz repräsentierten öffentlichen Gutes für sich in Anspruch nimmt, sondern auch Jahr für Jahr Summen zu diesem Zwecke ausgibt, die im Vergleiche mit analogen Posten des Budgets anderer europäischen Staaten und unter Berücksichtigung der allgemeinen Finanzlage Österreichs als ziemlich hoch bezeichnet werden müssen. Dessenungeachtet dürfte es wenig Gebiete in Europa geben, wo es um die Erhaltung der Schätze der alten Kunst und Kultur so schlecht bestellt wäre, wie in Österreich. So weit man sich dessen bewußt ist, pflegt man es durch den Mangel eines gesetzlichen Schutzes der alten Denkmale zu entschuldigen. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß ohne gesetzliche Bestimmungen über die Rechte der Allgemeinheit auf den Denkmalbesitz die öffentliche Ingerenz auf die Erhaltung der alten Monumente in vielen Fällen wirkungslos bleibt und auch in der Zukunft bleiben würde; doch die Hauptursache des geradezu kläglichen Versagens der staatlichen Denkmalpflege ist nicht darin zu suchen, sondern in der absolut unzureichenden Organisation der Institution, der die Sorge um den Denkmalbesitz anvertraut wurde. Als die Zentral-Kommission vor mehr als einem halben Jahrhundert im Zusammenhange mit den weitschauenden Reformen des Grafen Leo Thun begründet wurde, war sie gewiß eine moderne und zweckmäßige Einrichtung. Den damaligen Anschauungen gemäß handelte es sich bei der Denkmalfürsorge hauptsächlich darum, bei besonders wichtigen Bauten darüber zu wachen, daß die Restaurierungen, zu welchen man nicht erst auffordern mußte, da sie ein allgemeines ästhetisches Bedürfnis geworden waren, nach dem damaligen Maße der antiquarischen Kenntnisse und der historischen Stilvorstellungen möglichst kunstvoll durchgeführt werden. Und so bestand die Hauptaufgabe der Zentral-Kommission in der Begutachtung von Restaurierungsprojekten, die ohne Zweifel am besten in gremialer Beratung durch Künstler und Gelehrte erfolgen konnte. Es dürfte jedoch wenig Gebiete im modernen geistigen Leben geben, auf denen sich in den letzten Jahrzehnten eine so große Umwälzung vollzogen hätte, wie in dem Verhältnisse der Öffentlichkeit dem alten Kunstbesitze gegenüber. Sie bestand darin, daß das Interesse an alten Denkmalen, bis dahin mehr oder weniger auf Gelehrte, Künstler und Kunstliebhaber beschränkt, ein allgemeines geworden ist und sich geradezu mit elementarer Gewalt überall geltend zu machen begann. Das Anwachsen der Museen, die unerhörte Steigerung des Sammelns von Kunstwerken, das von Jahr zu Jahr in einem nie dagewesenen Maße zunehmende Reisen mit dem Zwecke, alte Städte und deren Kunstschätze aufzusuchen, sind die äußeren, eine durch eine reichhaltige Literatur und das Wirken hervorragende Männer auf allen Gebieten des künstlerischen Lebens begründete Vertiefung und Läuterung der Anschauungen und idealen Ziele sind die inneren Zeugnisse dieser merkwürdigen und so erfreulichen Bewegung, die selbstverständlich auch den Kreis der Denkmäler, denen sich das Interesse zuwendet, nach allen Richtungen hin erweitern und eine
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neue Auffassung der Pflichten dem künstlerischen Vermächtnisse der Vergangenheit gegenüber schaffen mußte. Früher waren es einige hervorragende und besonders wichtige Monumente, denen sich, da sie die Gelehrsamkeit der Kunstforscher oder den Historismus der eklektischen Kunst des XIX. Jahrhunderts fesselten, in erster Linie die Schutz- und Restaurierungsbestrebungen der Denkmalbehörde zugewendet haben, heute erstreckt sich das Interesse auf alle Dokumente der künstlerischen Kultur von der stolzen Kathedrale bis zum bescheidenen Bildstocke, von den höchsten individuellen Kunstschöpfungen zu den einfachen Äußerungen des alten allgemeinen Kunstempfindens in ihrem Zusammenhange mit der Natur und lokaler geschichtlicher Entwicklung, und während man bis dahin die einzelnen Denkmale der künstlerischen Vergangenheit vor allem unter dem Gesichtspunkte des antiquarischen und künstlerischen vermeintlichen Besserverstehens und Besserkönnens in Purifikations- und Restaurierungsversuchen im Mangel schöpferischer Phantasie als Objekte einer Abart der künstlerischen Betätigung behandelte, die nach den damaligen Anschauungen erwünscht, aber doch nicht überall durchaus notwendig war, wird heute die möglichst unveränderte Erhaltung und Sicherung des gesamten alten Kunstbesitzes als eine unbedingte kulturelle und soziale Pflicht und als das anzustrebende Ziel der öffentlichen Denkmalfürsorge allgemein angesehen. Den neuen aus dieser Entwicklung der Dinge entstandenen Anforderungen konnte jedoch die alte Organisation der Zentral-Kommission unmöglich genügen. Es war völlig ausgeschlossen, daß (was ja auch nirgends mehr in Europa geschieht) die von Jahr zu Jahr wachsende Fülle der Agenden und der zu treffenden Entscheidungen in gremialer Beratung eines Kreises von Männern, die dem kommissionellen Ehrenamte, meist anders beschäftigt, nur ihre Mußestunden zu widmen hatten, bewältigt werden könnte. Doch nicht nur die Fülle der Aufgaben, sondern auch die neue Auffassung derselben führte die alte gremiale Behandlungsmethode ad absurdum. Weitgehende Restaurierungs- oder Rekonstruktionsprojekte, wie sie früher hauptsächlich zu begutachten waren (und auch vom grünen Tische kritisiert werden konnten), kommen heute kaum in Betracht; es sind fast durchwegs Konservierungsmaßregeln, über die eine Entscheidung und zwar nicht nach allgemeinen Erwägungen und künstlerischen Geschmacksrichtungen, sondern auf Grund einer speziellen Fachkenntnis und Vorbildung und zumeist auch auf Grund von Autopsie getroffen werden muß. Die Macht dieser neuen Anforderungen war so groß, daß das Gremium ohne eine Änderung der Organisation, aus innerer Notwendigkeit, man könnte sagen automatisch zu einem beratenden Organe umgewandelt und aus der eigentlichen Geschäftsführung ausgeschaltet wurde, ausgeschaltet werden mußte, wenn nicht ein völliges katastrophales Versagen der Institution eintreten sollte. Es wäre vielleicht besser gewesen, wenn letzteres geschehen wäre, denn der Ersatz für das alte Gremium ist so jämmerlich, daß er an Stelle einer jähen eine schleichende Katastrophe bedeutet. Der fachlich geschulte Apparat der staatlichen Denkmalpflege in Österreich besteht heute, wenn wir von der Archivsektion absehen, deren Anforderungen von jenen der Verwaltung des künstlerischen Denkmalbesitzes verschieden sind und wenn
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auch nicht im Rahmen der Zentral-Kommission, so doch durch anderweitige Einrichtungen doch mehr als die der Denkmalpflege befriedigt werden, aus einem Generalkonservator der I. Sektion und einem unbesoldeten Praktikanten, denen die Fürsorge für die prähistorischen Denkmale und die Denkmale des klassischen Altertums anvertraut ist, aus zwei Generalkonservatoren der II. Sektion (für die Kunst des Mittelalters und der Neuzeit), denen ein Sekretär und ein unbesoldeter Praktikant zur Verfügung stehen, ferner aus einem technischen Konsulenten, den ein Assistent und ebenfalls ein unbesoldeter Praktikant zu unterstützen haben. Ferner wurden ein Sekretär und ein Praktikant für die Herstellung der Kunsttopographie angestellt, die aber, da sie durch ihre spezielle Aufgabe (sie haben die Verpflichtung, vier Bände des großen Kunstinventars jährlich herzustellen), fast über die menschlichen Kräfte in Anspruch genommen werden, für die Aufgaben der eigentlichen Denkmalpflege nicht in Betracht kommen. Die Generalkonservatoren und der technische Konsulent bekleiden ihre Funktionen nur im Nebenamte gegen eine Remuneration, der Generalkonservator der I. Sektion hat zwei Ämter daneben, am Hofmuseum und eine Professur an der Universität, der eine Generalkonservator der II. Sektion ist Professor an der technischen Hochschule, der andere an der Universität und der technische Konsulent ist ein pensionierter Professor der Staatsgewerbeschule und ein Architekt von ausgedehnter Privatpraxis. So besteht der ganze fachliche Beamtenstand der österreichischen staatlichen Denkmalpflege aus einem Sekretär in der neunten, aus einem Assistenten in der zehnten Rangklasse und drei unbesoldeten Praktikanten. Neben diesen Funktionären gibt es freilich noch Ehrenkonservatoren, welche in einzelnen politischen Bezirken die Zentral-Kommission zu vertreten haben. Doch da es sich bei ihnen um eine Ehrenfunktion handelt, die je nach der Vorbildung und dem Eifer des sie bekleidenden Mannes in ganz ungleichmäßiger Art ausgeübt wird und schon deshalb und aus vielen anderen Gründen das Recht selbständiger Entscheidungen den Konservatoren nicht zusteht und auch in der Zukunft nicht zustehen kann, kommen sie höchstens als informatives Organ in Betracht 1, so daß alle meritorischen Gutachten und Anträge von den genannten zwei Beamten und drei Praktikanten und den sie überwachenden drei in der Zentral-Kommission nur im Nebenamte beschäftigten Referenten ausgearbeitet werden müssen. Als ich von diesen Verhältnissen meinen ausländischen Freunden, die sich mit Denkmalpflege beschäftigen, erzählte, hielten es die meisten für einen Scherz. In Deutschland gibt es in jedem Bundesstaate, in Frankreich in jedem Departement, in Italien in jeder Provinz ein Denkmalamt mit vielen fachlich geschulten Beamten, die in jedem dieser Länder zusammen einen Beamtenstand von mehr als hundert
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Es gibt Konservatoren, denen die österreichische Denkmalpflege zu großem Danke verpflichtet ist, die mit großem Eifer und großer Sachkenntnis sich ihrer Aufgabe widmen, doch es gibt auch viele, die auch als informatives Organ ganz versagen. Leider gibt es auch solche, die aus Sachunkenntnis oft Unheil anstiften.
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Personen bilden, und in Österreich alles in allem drei Ehrenreferenten, zwei Aushilfsbeamte und drei Praktikanten. In dieser völlig unzureichenden Anzahl der Arbeitskräfte, in dieser, man kann nicht sagen kümmerlichen, sondern geradezu rudimentären Organisation der staatlichen Verwaltung des alten Denkmalbesitzes liegt aber der Hauptgrund des mißlichen Standes der staatlichen Denkmalpflege in Österreich. Die Zahl der Aktenstücke, die Fragen der Denkmalerhaltung betreffen, betrug im vergangenen Jahre, obwohl die Tätigkeit der Zentral-Kommission bei weitem nicht so intensiv ist, wie sie sein könnte und sollte, gegen 6000 Nummern. Nach Abrechnung solcher Stücke, bei welchen es sich um administrative Fragen oder Angelegenheiten der Archivsektion handelt, bleiben gewiß zumindesten 100 Stück wöchentlich zur sachlichen Erledigung. Dies wäre wohl für jedes Amt ein großes Pensum, in der Denkmalpflege ist jedoch die wirkliche Bewältigung einer so großen Arbeit mit den vorhandenen Kräften geradezu ausgeschlossen. Es handelt sich ja in den meisten Fällen nicht nur darum, irgendein Referat zu schreiben, sondern um ein Studium der Sachlage, die vielfach Autopsie und lokale Erhebungen erfordert, welche bei den vorhandenen Arbeitskräften nur ausnahmsweise möglich sind, so daß die Entscheidungen nach wie vor zum großen Teil vom grünen Tische erfolgen. Dadurch wird der Fortschritt, der darin lag, daß die rein theoretische Behandlung im Gremium durch konkrete Erledigungen ersetzt werde, beinahe ganz illusorisch und beschränkt sich darauf, daß in den Voten eine größere Einheitlichkeit und Berücksichtigung der modernen Gesichtspunkte herrscht, die aber, da sie sich nicht auf das Studium der konkreten Fragen und Verhältnisse stützen kann, vielfach rein schematisch ist und als ein Schimmel gehandhabt werden muß. Ein nicht geringeres Übel, das diese Kumulierung der Arbeit mit sich bringt, ist die unvermeidliche Verspätung der Erledigungen, die in der Denkmalpflege unvergleichlich schädlicher ist als auf anderen Gebieten der Verwaltung, da sie nicht nur Verdruß, sondern oft auch großen materiellen Schaden verursacht und in vielen Fällen das Eingreifen der Zentral-Kommission ganz wirkungslos gestaltet. Es gibt ja Angelegenheiten der Denkmalpflege, die keinen Aufschub gestatten und in denen eine verspätete Erledigung keine Erledigung ist. Ein weiterer verhängnisvoller Mangel der Amtsführung der Zentral-Kommission liegt in der Unkenntnis der lokalen Verhältnisse. Die Angelegenheiten der Denkmalpflege sind fast durchwegs mit ganz bestimmten lokalen Verhältnissen und Strömungen verbunden, über die die Zentral-Kommission entweder gar nicht oder nur höchst ungenügend und vielfach ganz einseitig durch die Konservatoren informiert wird und die doch eine der wesentlichen Voraussetzungen für eine glückliche Lösung der Frage bedeuten. Die meisten auftauchenden Schwierigkeiten ließen sich vermeiden, wenn die Denkmalbehörde über die lokalen Verhältnisse genau informiert und mit den lokalen Faktoren vom Anfang an im Kontakt gewesen wäre, so wird aber vielfach ein ganz verkehrter Weg eingeschlagen und Schwierigkeiten entstehen selbst da, wo sie nicht vorhanden waren. Nicht viel anders verhält es sich mit der Kenntnis des Denkmalbestandes, die unter den gegebenen Verhältnissen nach keiner Richtung hin, ich sage nicht erschöpfend, sondern bei weitem nicht auch nur beiläufig
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ausreichend sein kann und ebenfalls zumeist nur auf Informationen aus zweiter und dritter Hand beruht, so daß sich die Zentral-Kommission oft mit der größten Energie für die Erhaltung von Denkmalen einsetzt, die dem Gesamtbestande des territorialen Kunstbesitzes gegenüber von ganz untergeordneter Bedeutung sind, während die wichtigsten Kunstwerke daneben zugrunde gehen, weil es zufällig keinen formellen Anstoß gab, die Zentral-Kommission über ihr Schicksal zu informieren. So sind aber die Gutachten und Entscheidungen der Zentral-Kommission zur guten Hälfte entweder verspätet oder verkehrt, zuweilen ganz unsinnig und undurchführbar, worin die Erklärung dafür zu suchen ist, daß die Zentral-Kommission allgemein gehaßt und verspottet wird, was nicht in der Natur der Sache liegt, die im Gegenteil eher als populär bezeichnet werden kann, sondern einzig und allein in der oft ganz verfehlten oder zumindestens ununterrichteten und unopportunen Art ihrer Interventionen. Es ist nicht nur die vielfache Erfolglosigkeit der Aktionen der Zentral-Kommission, die durch diese Zustände herbeigeführt wird, auch viele direkt unter ihrer Patronanz zum Schaden der Denkmale herbeigeführten Restaurierungsarbeiten hängen damit zusammen. Da die Erledigung vieler Fälle ohne eingehendes Studium und ohne Autopsie geschieht, kommt es oft vor, daß die Referenten durch Versicherungen und anscheinend den heutigen Anschauungen entsprechende Formulierung der vorgelegten Restaurierungsprogramme und Kostenvoranschläge getäuscht werden und ihre Zustimmung zu Maßnahmen geben, welche in der Wirklichkeit eine Schädigung des Denkmales bedeuten. Und unter diesen Verhältnissen, mit diesem Apparate der öffentlichen Denkmalpflege soll ein Denkmalschutzgesetz durchgeführt werden! Die sachlichen Fragen und Aufgaben der Denkmalpflege würden sich mit der Annahme eines Schutzgesetzes nicht nur nicht vermindern, sondern vervielfachen. Denn während es sich bisher vielfach um unverbindliche Ratschläge handelte, würde nach der Schaffung eines Gesetzes oft die materielle und moralische Existenz der Beteiligten im Spiele sein, so daß es selbstverständlich ist, daß alle Entscheidungen noch weit sorgfältiger vorbereitet werden müßten, als dies bisher zu wünschen war, wozu die bestehenden Organe der öffentlichen Denkmalpflege unter keinen Umständen ausreichen könnten. Wer die zu bewältigenden Aufgaben und die dafür verfügbaren Kräfte kennt, wird gewiß meine Überzeugung teilen, daß in Österreich ein Denkmalschutzgesetz ohne eine Reorganisation der Denkmalpflege zwecklos und undurchführbar ist. Der Entwurf Helferts weicht der Reorganisationsfrage aus, die erst nach der Annahme des Gesetzes auf dem Verordnungswege gelöst werden soll. Das heißt mit anderen Worten, daß man erst nach der Annahme des Gesetzes darüber nachdenken soll, wie man diesem Gesetze Geltung verschaffen könnte. Das hätte den Vorteil, daß die politischen Schwierigkeiten, die mit der Reorganisation der Denkmalpflege verbunden sind, vorläufig vermieden werden. Doch abgesehen davon, daß die politischen Schwierigkeiten auch bei einer Neuorganisation der Denkmalpflege im Verordnungswege nicht geringer wären, ist zu bedenken, daß selbst nur ein kurzes Zwischenstadium, in dem die neuen gesetzlichen Bestimmungen durch die bis-
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herigen Organe der staatlichen Denkmale durchgeführt werden müßten, zu einem unübersehbaren Chaos, ja zu einem Scheitern des Gesetzes und der ihm zugrunde liegenden Bestrebungen führen würde. So ist es leicht erklärlich, daß man sich bald nach der Veröffentlichung des Helfertschen Entwurfes dieses Mangels bewußt wurde und ihm durch einen von dem Konservatorengremium Westgaliziens ausgearbeiteten Gegenentwurf abzuhelfen versuchte, in dem neben Vorkehrungen zum Schutze der Denkmale auch eine Umgestaltung der Institutionen der Denkmalpflege enthalten ist. Leider sind diese Reorganisationsvorschläge weit davon entfernt, den Anforderungen zu entsprechen, die heute an die Denkmalpflege gestellt werden müssen. Vor fünfzig Jahren wären diese Vorschläge diskutierbar gewesen, heute sind sie aber ganz veraltet und zur Durchführung ungeeignet. Die Organe der Denkmalpflege sollen nach diesem Entwurfe aus einem Denkmalsrate, aus Landeskommissionen, aus einem Staatsdenkmalamte und Landesdenkmalämtern bestehen. Prinzipiell läßt sich gegen diese Abstufung sicher nichts einwenden, da eine Dezentralisation der staatlichen Denkmalpflege aus sachlichen Gründen erwünscht, ja notwendig ist. Doch neben der Dezentralisation gibt es unbedingt noch andere Anforderungen, die vom sachlichen Standpunkte an eine Reorganisation der Denkmalpflege heute gestellt werden müssen und die in dem Krakauer Antrage ganz außeracht gelassen wurden. Das allerbedenklichste dieses Reorganisationsentwurfes besteht darin, daß die meritorische Entscheidung in allen Fragen der Konservierung der Denkmale und Funde den Landeskommissionen zugewiesen wird, für die die eigentlichen Funktionäre der Denkmalpflege, die Landeskonservatoren nur Gutachten abzugeben hätten. Es soll also gerade das, was sich der Erfahrung gemäß bei der Zentralinstitution als schlecht und undurchführbar erwies, die kommissionelle Behandlung aller aktuellen Angelegenheiten der Denkmalpflege ohne Autopsie und ohne spezielle Fachkenntnisse auf dem Gebiete der Denkmalpflege, gesetzlich in den einzelnen Ländern petrifiziert werden. Man würde es allgemein mit Recht für ganz widersinnig halten, wenn z. B. in Fragen der öffentlichen Hygiene ein Gremium von Nichtfachleuten die meritorischen Entscheidungen treffen würde und dies wäre bei den geplanten Landeskommissionen auf einem anderen Gebiete der Fall, denn auch in der Denkmalpflege können heute die Entscheidungen, da es sich nicht wie einst um subjektive ästhetische Geschmacksfragen, sondern um auf Fachkenntnissen beruhende Konservierungsvorkehrungen handelt, nicht von einem Gremium von Dilettanten oder Leuten, die den Aufgaben der Denkmalpflege ganz ferne stehen, getroffen werden. An die Stelle des schon lange nicht funktionierenden Gremiums der alten Zentral-Kommission würde eine Reihe von Landesgremien treten, die ebenfalls nicht funktionieren würden, nicht funktionieren könnten, weil die Aufgaben der Denkmalpflege heute überhaupt nicht mehr in gremialer Beratung bewältigt werden können. Solchen Senaten kann nach der heutigen Entwicklung der Dinge höchstens das Recht der Entscheidung bei Appellationen zugestanden werden, bei welchen es sich um die Vereinigung verschiedenartiger Interessen handelt, wie sie oft in den konkreten Angelegenheiten der Denkmalpflege vorhanden sind. So sol-
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len nach dem Krakauer Entwurfe die Landeskommissionen auch über die Eintragung von Denkmalen in das Inventar entscheiden, wo die fachliche, insbesondere die kunstgeschichtliche Bewertung das wichtigste ist, wogegen den Landeskonservatoren (also Kunstgelehrten) das Fällen von Straferkenntnissen bei Übertretungen des Gesetzes, also eine juridische Funktion zugewiesen werden soll. Die Bestimmungen des Entwurfes des Krakauer Konservatorengremiums würden daher keinen Fortschritt in der Reorganisation der österreichischen Denkmalpflege bedeuten, sondern nur eine neue Verwirrung. Es frägt sich also, was angestrebt werden soll. So kompliziert auch die Verhältnisse zu sein scheinen, so einfach ist doch die Antwort auf diese Frage, was die Hauptsache anbelangt. Das was unbedingt notwendig ist und unter allen Umständen gefordert werden muß, ist die Reorganisation der Denkmalpflege auf fachlicher Grundlage. Das was wir in erster Linie brauchen, ist ein Denkmalamt, welches nicht aus Dilettanten oder Bureaukraten bestehen würde und in dem die meritorische Arbeit, die meritorischen Anträge nicht nur so nebenbei vom grünen Tische ohne Sachkenntnis und Studium der einzelnen Fälle, sondern sachkundig von Männern getroffen werden, die wie Archivbeamte zum Archivdienste, wie Museumsbeamte zum Museumsdienste eigens für ihre Aufgabe erzogen wurden und für die die Denkmalpflege nicht eine Nebenbeschäftigung, sondern den Lebensberuf bedeuten würde. Wie es gelungen ist, eine solche Forderung im Musealdienste, in den Archiven und Bibliotheken durchzuführen, muß sie auch in der Denkmalpflege durchgesetzt werden. Wie das Denkmalamt einzurichten wäre, ist dieser Hauptforderung gegenüber eine Frage von zweiter Bedeutung. Das Beste wäre eine vollkommen selbständige Institution, welche in ihren Voten und sachlichen Entscheidungen ganz autonom, nur dadurch dem Ministerium für Kultus und Unterricht angegliedert wäre, daß sie der Minister im Ministerrate vertreten würde. Das Denkmalamt, in das Staatsdenkmalamt und Landesdenkmalämter geteilt, würde aus Generalkonservatoren, Landeskonervatoren und technischen Konsulenten bestehen, wobei als Vorbildung bei den Generalkonservatoren und Landeskonservatoren die kunsthistorische akademische Vorbildung, bei den technischen Konsulenten eine bestimmte technische und künstlerische Vorbildung, bei beiden Kategorien aber ein Spezialkurs über Denkmalpflege die Voraussetzung der Anstellung wäre. Die Erforschung der Denkmale und die Leitung der Ausbildung der Beamten des Denkmalamtes könnte wissenschaftlichen Instituten anvertraut werden. Neben dem Denkmalamte könnten wohl Landeskommissionen eingerichtet werden, wie auch das Gremium der Zentral-Kommission bestehen bleiben könnte. Die Landeskommissionen, vom Landesausschusse aus Künstlern, Gelehrten und Vertretern bestimmter Interessengruppen zusammengestellt, würden einen Appellationssenat erster Instanz gegen die Entscheidungen der Landesdenkmalämter bilden. Die Zentral-Kommission, aus Vertretern der Landeskommissionen, Künstlern, Gelehrten vom Unterrichtsministerium ernannt, wäre der Appellationssenat zweiter Instanz und dazu berufen, bei wichtigen allgemeinen und prinzipiellen Fragen Direktiven zu geben. Die exekutiven Verfügungen auf Grund der Beschlüsse des Denkmalamtes oder der Appellationssenate würde die politi-
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sche Behörde treffen, die auch bei Übertretungen auf Antrag des Denkmalamtes das Strafverfahren gegen die Schuldigen einleiten und durchführen würde. Eine diesen Grundzügen entsprechende Reorganisation der österreichischen Denkmalpflege, deren detaillierter Entwurf im Anhange beigefügt wird, würde meines Erachtens sowohl den sachlichen Erfordernissen entsprechen als auch der Einflußnahme aller Faktoren, die darauf ein Anrecht haben, in der weitgehendsten Weise entsprechen 2. Sie würde die Denkmalpflege dezentralisieren, ohne jedoch dadurch die einheitliche und fachkundige Behandlung der Angelegenheiten zu gefährden, sie würde das Anrecht und die Ingerenz der Länder und der lokalen Faktoren noch weit mehr betonen, als dies bei dem Krakauer Entwurfe der Fall ist, ohne dabei die Denkmalpflege dem Dilettantismus auszuliefern und ihr jene Unabhängigkeit zu nehmen, deren sie nicht minder bedarf als das Richteramt. Man kann gewiß über diese Vorschläge noch weiter diskutieren und sie vielleicht durch bessere ersetzen, doch eines muß, dies sei noch einmal wiederholt, bei jeder Reorganisation der österreichischen Denkmalpflege unter allen Umständen verlangt werden: die Ehrenkommissionen und Ehrenkonservatoren sind in der meritorischen Behandlung der konkreten Aufgaben der Denkmalpflege durch entsprechend geschulte Berufskonservatoren zu ersetzen. Das scheint mir noch wichtiger zu sein als ein Denkmalschutzgesetz. Denn es wäre, wie ich bereits einmal betonte, ein fataler Irrtum, zu glauben, daß durch ein Denkmalschutzgesetz alle Schwierigkeiten behoben werden und es gibt etwas, was noch unvergleichlich mehr Gewähr für die Schonung des alten Kunstbesitzes bietet als alle Gesetze, nämlich das Verständnis und die Pietät der Bevölkerung. Sie sind, wie man erfreulicherweise überall beobachten kann, im Erwachen begriffen und wenn man sie durch eine gute und ausreichende Organisation der Denkmalpflege fördern und läutern, wenn man alle lokalen Bestrebungen zum Schutze der alten Monumente energisch und zielbewußt unterstützen und das Volk zur Liebe zu dem Vermächtnisse der alten künstlerischen Kultur erziehen würde, so dürfte in vielen Fällen das Gesetz entbehrlich sein. Es ist jedoch unmöglich zu warten, bis eine legislative Regelung der Denkmalpflege zustandekommt, was noch viele Jahre dauern könnte, denn die Mißstände sind so groß, daß in der allernächsten Zeit eine Abhilfe geschaffen werden muß. Die kann aber nur in der entsprechenden Ausgestaltung der rudimentären Anfänge eines Denkmalamtes bestehen, die sich bei der Zentral-Kommission entwickelt haben. Die fachlichen Kräfte der Zentral-Kommission müssen so weit vermehrt werden, daß wenigstens den allerwichtigsten Pflichten der öffentlichen Denkmalpflege Genüge geleistet werden kann. Es ist notwendig, eine größere Anzahl von kunsthistorischen und technischen Beamten anzustellen, damit durch entsprechende Arbeits-
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Die Verwaltung der Schriftdenkmale ist in diesem Entwurfe nicht enthalten, weil eine Verknüpfung der nicht ganz identischen Verhältnisse und Erfordernisse wegen manche Nachteile hätte. Es wäre aber gewiß ein dem Denkmalamte analoges, den bestehenden Einrichtungen angepaßtes Archivamt anzustreben.
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teilung die ärgsten Mißstände der jetzigen Amtierung, die überhastete oder schleppende Erledigung, die mangelhafte Kenntnis des Denkmalbestandes und der lokalen Verhältnisse, das unkonsequente, von Zufälligkeiten abhängende Eingreifen der Zentral-Kommission, behoben werden können. Das würde kein Präjudiz für die zukünftige generelle Reorganisation bedeuten, denn wie diese auch ausfallen mag, wird sie sich doch stets auf fachlich geschulte Kräfte stützen müssen, und je mehr solcher Kräfte wir besitzen werden, um so leichter und besser wird sich eine allgemeine Regelung der österreichischen Denkmalpflege durchführen lassen.
Anhang 1 ENTWURF EINER NEUORGANISATION DER ÖFFENTLICHEN DENKMALPFLEGE UND DENKMALFORSCHUNG IN ÖSTERREICH § 1. Die Organe der öffentlichen Denkmalpflege und Denkmalforschung in Österreich sind als Denkmalbehörden das Denkmalamt, die Landeskommissionen, die Z. K. und die wissenschaftlichen Institute für die österreichische Denkmalforschung. § 2. Das Denkmalamt Der Schutz und die Erhaltung der Denkmale wird dem Denkmalamte übertragen. § 3. Das Denkmalamt gehört dem Ressort des Ministeriums f. K. u. U. an und untersteht unmittelbar dem Minister. § 4. Das Denkmalamt besteht aus einem Staatsdenkmalamte und aus Landesdenkmalämtern. § 5. Die Beamten des Denkmalamtes werden vom Minister f. K. u. U. ernannt und bilden im Staatsdenkmalamte ein Generalkonservatorat, bei den Landesdenkmalämtern ein Landeskonservatorat mit den nötigen fachlichen (kunsthistorischen und technischen) wie auch administrativen Hilfskräften. § 6. Zu fachlichen Beamten des Denkmalamtes können nur Männer mit einem bestimmten Vorbildungsnachweise ernannt werden. Dieser besteht bei Beamten des Landesund Generalkonservatorats im Doktorate der Kunstgeschichte, Archäologie oder Prähistorie, bei Beamten der technischen Abteilung in den beiden Staatsprüfungen der
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Bauschule an der technischen Hochschule (mit Bevorzugung von Kandidaten, welche das technische Doktorat besitzen) und bei beiden Kategorien in dem Zeugnisse der Staatsprüfung aus Denkmalpflege. § 7. Den Landesdenkmalämtern obliegen alle meritorischen vom Standpunkte der Denkmalpflege zu treffenden Entscheidungen in Fragen des Schutzes und der Konservierung der Denkmale. Das Staatsdenkmalamt überwacht die Tätigkeit der Landesdenkmalämter und entscheidet in Angelegenheiten, in welchen Staatsmittel in Anspruch genommen werden. Zu den Obliegenheiten der Landesdenkmalämter gehört ferner die Anlage eines amtlichen Denkmalinventars, welches vom Staatsdenkmalamte nachgeprüft und alle zehn Jahre revidiert werden muß. § 8. Nähere Bestimmungen über die Einrichtung und die Geschäftsordnung des Denkmalamtes werden vom Ministerium f. K. u. U. im Verordnungswege erlassen. § 9. Die Landeskommissionen Die Landeskommissionen bestehen aus Vertretern der Kunst, Wissenschaft und jener Interessen, die durch die Denkmalpflege berührt werden. Nähere Bestimmungen über die Zusammensetzung und Geschäftsordnung der Landeskommissionen, deren Mitglieder von den Landesausschüssen zu ernennen sind, werden im Wege der Landesgesetzgebung erlassen. Der Landeskonservator gehört ex offo der Landeskommission an. § 10. Die Landeskommissionen entscheiden in zweiter Instanz bei Berufungen gegen die Verfügungen der Landesdenkmalämter. Bei gleichlautender Entscheidung des Landesdenkmalamtes und der Landeskommissionen findet keine weitere Berufung statt. § 11. Die Zentral-Kommission Die Z. K. besteht aus Vertretern der Landeskommissionen, der Kunst und Wissenschaften. Ihre Mitglieder werden auf die Dauer von fünf Jahren vom Minister f. K. u. U. ernannt. Ex offo gehören ihr die Generalkonservatoren und Leiter der staatlichen Institute für Denkmalforschung an. § 12. Die Z. K. entscheidet in dritter Instanz bei Berufungen gegen die Entscheidungen der Landesdenkmalämter, in zweiter und letzter Instanz bei Berufungen gegen die Entscheidungen des Staatsdenkmalamtes.
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§ 13. Die Z. K. ist berufen, in prinzipiellen, die ganze österreichische Denkmalpflege betreffenden Fragen Direktiven zu geben. § 14. Nähere Bestimmungen über die Zusammensetzung und Geschäftsordnung der Z. K. werden vom Ministerium f. K. u. U. im Verordnungsweg erlassen. § 15. Die Institute für Denkmalforschung Die Erforschung der Denkmale der Kunst wird wissenschaftlichen Instituten übertragen. Es sind dies für die ganze österreichische Monarchie das k. k. archäologische Institut, welches bereits besteht, und das k. k. kunsthistorische Institut, zu dem die bei der jetzigen Z. K. bestehende Abteilung für die österreichische Kunsttopographie auszugestalten wäre. Nach Bedürfnis können weitere Institute dieser Art begründet werden (Z. B. für die prähistorische Forschung). Diese Institute unterstehen unmittelbar dem k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht, von dem sie für ihre innere Organisation ein besonderes Statut erhalten werden. § 16. Die Aufgabe dieser Institute besteht in der Erforschung und wissenschaftlichen Inventarisierung des österreichischen Kunstbesitzes. Sie haben zu diesem Zwecke systematische Ausgrabungen zu veranstalten, eine allgemeine wissenschaftliche Kunsttopographie zu verfassen und Sonderpublikationen wichtiger Denkmale oder Denkmalsgruppen zu veranstalten. Außerdem können sich diese Institute auch an den allgemeinen nicht speziell österreichischen Aufgaben ihrer Disziplinen beteiligen. § 17. Diesen Instituten wird die Überwachung der staatlichen oder staatlich subventionierten Lokalmuseen übertragen. § 18. Zu ihren Aufgaben gehört ferner, die Ausbildungskurse für Denkmalpflege zu organisieren und zu leiten. § 19. Im Zusammenhang mit den Landeskommissionen können im Wege der Landesgesetzgebung analoge Institute für die Spezialaufgaben der Denkmalforschung der einzelnen Länder eingerichtet werden. § 20. Die Exekutive Die exekutiven Verfügungen auf Grund der Entscheidungen der Denkmalbehörden
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und die amtliche Behandlung der Strafanträge des Denkmalamtes werden den politischen Behörden übertragen.
Anhang 2 PROGRAMM
FÜR DEN
AUSBILDUNGSKURS
IN DER
DENKMALPFLEGE
Der Kurs enthält folgende Vorlesungen, welche sich auf zwei Semester verteilen und jedes dritte Jahr zu lesen sind: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
Österreichische Kunstgeschichte. Denkmalpflege und Heimatschutz. Technischer Kurs. Musealkunde. Die Kunst vom liturgischen Standpunkte. Einführung in die Inventarisierungsarbeiten und Aufnahme der Denkmale. Ausgrabungen. Denkmalrecht und Verwaltung.
Außerdem gehört zum Kurs ein halbjähriges Praktikum, welches beim Staatsdenkmalamt zu absolvieren ist. Die Vorlesungen werden von Dozenten der Universität und technischen Hochschule in Wien abgehalten. Zur Aufnahme in den Kurs sind zumindestens vier Semester kunstgeschichtlicher Studien an der Universität oder die erste Staatsprüfung an der technischen Hochschule erforderlich. Die Anzahl der Teilnehmer ist beschränkt. Am Schlusse des Ausbildungskurses ist vor einer aus den Dozenten des Kurses und Vertretern des Denkmalamtes wie auch der Z. K. bestehenden Kommission eine Prüfung abzulegen.
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DENKMALKULTUS UND KUNSTENTWICKLUNG (1910) * I. DAS PROBLEM
D
ie Denkmalpietät gewinnt in unserem heutigen geistigen Leben immer mehr Bedeutung, wobei es jedoch einem aufmerksamen Beobachter nicht entgehen kann, daß vielfach nicht nur über ihre Aufgaben, sondern auch über ihre Voraussetzungen und Beweggründe die größte Unklarheit herrscht. Ein Versuch, die Hauptmomente dieser historischen Entwicklung zusammenzufassen, schien mir deshalb um so mehr von einigem Nutzen zu sein, als auf das wichtigste darunter meines Erachtens bisher viel zu wenig Gewicht gelegt wurde. Es gibt ohne Zweifel viele Quellen der Denkmalverehrung. Zu den ältesten dürfte die religiöse Pietät gehören. Götterstatuen und Tempel wie auch andere Objekte, an die sich religiöse Vorstellungen und Erinnerungen knüpften, waren schon bei den ältesten Kulturvölkern sakrosankt und dem öffentlichen Schutze anvertraut. So steht in China und Japan alles, was sich in den Tempeln befindet, seit Jahrtausenden unter dem Schutze des Gesetzes, und diesem Schutze haben wir es zu verdanken, daß sich in so großer Zahl Denkmale aus den ältesten Perioden der Entwicklung der ostasiatischen Kunst erhalten haben. Doch auch in anderen Kunstgebieten, in welchen ein solcher religiöser Denkmalschutz nicht gesetzliche Form bekam, haben wir der religiösen Verehrung zu verdanken, daß sich viele Kunstwerke erhalten haben, die sonst neuen künstlerischen Anforderungen zum Opfer gefallen wären. Auch in der christlichen Kunst spielte sie eine große Rolle, früher eine größere als heute, wo vielfach eine pietätlose Neuerungssucht die kirchlichen Kreise ergriffen hat. Nicht minder alt dürfte die genealogische Wertschätzung alter Denkmale sein: die Verehrung für alles von den Ahnen Ererbte, die bei einzelnen Familien und ganzen Gemeinden und Völkern in allen Zeiten eine große Rolle spielte und dazu führte, daß Bauwerke oder andere Denkmale erhalten wurden, mit denen alte Erinnerungen verknüpft waren. Besonders lehrreich ist da die Schonung einzelner Monumente des klassischen Altertums im mittelalterlichen Rom. Die Trajans- und Markussäule, die Säule des Phokas, die Moles Hadriani, die Dioskuren, das Reiterbildnis des Mark Aurel wären gewiß zugrunde gegangen, wenn man sie nicht vom Standpunkte der historischen Erinnerung als Wahrzeichen der Vergangenheit der ewigen Stadt verehrt hätte. Sie waren die memorabilia urbis Romae, und Pilger und Touristen kamen aus der ganzen Welt, sie zu sehen und zu bewundern, wie man
* Erstabdruck in: Kunstgeschichtliches Jahrbuch der k.k. Zentralkommission, 4, 1910, Beibl., Sp. 1–32.
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heute die Sixtinische Kapelle zu sehen und zu bewundern kommt. Daß diese Quelle der Erhaltung der Denkmalzeugnisse der Vergangenheit auch heute noch nicht versiegte, beweisen am deutlichsten die verschiedenen Museen, die zur Erinnerung an wichtige historische Ereignisse oder bedeutende Persönlichkeiten und zur Aufbewahrung von Objekten, die mit diesen Ereignissen oder Persönlichkeiten irgendwie zusammenhängen, geschaffen werden. Daran schließt sich aber auch eine der wichtigsten Quellen des Denkmalkultes an: die patriotische Begeisterung, die sich an Kunstwerken vergangener Generationen erfreut und auf sie auch dort stolz ist, wo sich keine Reminiszenzen an bestimmte historische Ereignisse an sie knüpfen. Dies war ein Moment, welches bereits im klassischen Altertum eine große Rolle spielte, wie sich leicht durch literarische Belege wie auch durch die zahlreichen religiös und als Träger historischer Erinnerungen irrelevanten und doch von späteren Generationen hochgeschätzten Kunstwerke beweisen läßt. Eine überaus große Bedeutung gewann dieses Motiv des Denkmalkultes in der Renaissance, wo es allen anderen gegenüber weit in den Vordergrund trat. In den großen Handelsemporien des Südens und des Nordwestens von Europa übernahm die Führung eine Gesellschaft, deren Mitglieder keine weit zurückreichenden Stammbäume, alte Burgen, Familienrechte und Familientraditionen besaßen und die deshalb das, was ihnen an persönlichen Pietätswerten fehlte, durch die Vergangenheit der Kommune, der sie angehörten, ersetzt haben. Und zu dieser kommunalen Vergangenheit begann man auch alles zu rechnen, was man an Denkmalen des alten Kunstbetriebes in der Gemeinde besaß. An den feudalen Höfen war der Künstler ein Handwerker, den man zur Dienerschaft zählte und dessen Werke man nach dem materiellen Werte und nach der Arbeitsleistung zu bewerten gewohnt war, doch die großen Bankiers und Wollfabrikanten, ein Jodocus Vydt in Brügge oder ein Cosimo Medici in Florenz waren zunftmäßig den Künstlern gleichgestellt, und da die individuelle Bedeutung der Künstler auch sonst im Wachsen begriffen war und Nachrichten klassischer Autoren über die antike Wertschätzung des Kunstschaffens neu beachtet wurden, gewannen große Künstler und Kunstwerke für das öffentliche Leben eine ganz neue Bedeutung. Ihre Verehrung gehörte nun zu den Pflichten, ihre Geschichte zu den Ruhmestiteln der Stadt, und um dieser Geschichte auch entsprechend einen möglichst alten und ruhmreichen Ursprung zu geben, dehnte man sie in Italien bis auf die Kunst des klassischen Altertums aus, von der in der Renaissance nicht nur (was schon oft früher geschah) die Künstler lernten, sondern auf die auch alle Gebildeten mit patriotischem Stolze zurückzublicken begannen. Der Einfluß dieser Wandlung auf das allgemeine Verhältnis zum alten Kunstbesitze war ein sehr großer. Es wurden von jener Zeit an zahlreiche Künstlerbiographien und kunsttopographische Werke verfaßt, die dadurch, daß sie Werke berühmter Künstler literarisch fixierten, unendlich viel zu deren Erhaltung beigetragen haben. Es entwickelte sich aber auch eine wahre Adoration der Kunstwerke selbst, und zwar sowohl der Schöpfungen der Gegenwart und der unmittelbar vorangehenden Perioden, soweit man sie mit der Gegenwart in Beziehung bringen konnte, als auch der Denkmale der antiken Kunst.
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Verschiedene Tatsachen belehren uns darüber, wieviel dieser patriotische Denkmalkultus zum Schutze der im öffentlichen Besitze befindlichen Kunstwerke beigetragen hat. Aus dokumentarischen und chronikalischen Nachrichten wissen wir z. B., daß im XV. und XVI. Jh. zahlreiche ausländische Künstler, Franzosen, Niederländer und Deutsche, in Italien gearbeitet haben. Während sich uns die Werke der gleichzeitigen italienischen Meister, die von Vasari und anderen Kunstschriftstellern zum Ruhme der Vaterstadt verzeichnet und beschrieben wurden, fast lückenlos erhalten haben, gingen die Arbeiten der ausländischen Künstler zum größten Teil verloren. Oder ein anderes Beispiel. In Frankreich und in Deutschland blühte das Künstlerleben im XV. Jh. nicht minder wie in Italien, da jedoch die auf den Anschauungen der italienischen Renaissance beruhende Wertschätzung des neuen und alten Kunstbesitzes in Deutschland und Frankreich erst später eine allgemeine Verbreitung fand, hat sich uns von dem einstigen Reichtum der deutschen und französischen Quattrocentokunst nur ein geringer Überrest erhalten. Doch nach und nach hat sich ein ähnliches Verhältnis zur Kunst, wie es sich in Florenz und Venedig, in Brügge und Gent entwickelte, überall verbreitet und wurde nach jenen Richtungen hin weitergebildet, nach welchen sich das soziale Leben weiterzubilden begann. So wurde der kommunale Kunstpatriotismus der Renaissance nach und nach in einen staatlichen und nationalen verwandelt, wodurch naturgemäß auch die Grenzen des zu schützenden Kunstbesitzes verschoben wurden. Besonders am Anfang des XIX. Jhs. stand dieser patriotische Gesichtspunkt in allen Äußerungen und Diskussionen über die Wertschätzung und Schonung alter Denkmale im Vordergrunde, wobei freilich auch die philosophischen und historischen Theorien der Aufklärung und Romantik eine Rolle spielten, denenzufolge die Denkmale der Vorzeit als Dokumente einer allgemein menschlichen oder nationalen aurea aetas, eines besseren idyllischen Zeitalters, besondere Beachtung und die wärmste Fürsorge erforderten. Die ganze Bewegung zum Schutze der Kunstwerke des Mittelalters in der ersten Hälfte des XIX. Jhs. beruht auf dieser geistigen Grundlage, woraus es sich erklärt, daß den meisten Schutzgesetzen bis auf den heutigen Tag der patriotische Standpunkt als Motivierung vorangeschickt wurde. Ja, noch vor wenigen Jahren hat ein angesehener Gelehrter, Professor Dehio, in einer Rede, die auch gedruckt wurde, die patriotische Anteilnahme als die Hauptquelle des modernen Denkmalkultes bezeichnet. Riegl hat ihm in einem Aufsatze in den Mitteilungen der Z. K. widersprochen und betonte darin gewiß mit Recht, daß es nicht in erster Linie patriotische Erwägungen sind, die unserem Gefallen an alten Ruinen, Kirchen, Städten zugrunde liegen. Es scheint mir aber, daß Riegl wiederum zu weit ging, wenn er die Mitwirkung der Heimatliebe aus unserem Verhältnisse zu alten Denkmalen ganz auszuschalten versuchte. Es ist nicht nur der Kunstwert allein, der Tausende bewegt, ein Denkmal der nationalen Vergangenheit aufzusuchen, und gerade in der allerletzten Zeit bewirkt die allmähliche Umwandlung der doktrinär-politischen Vaterlandsliebe in eine konkret kulturelle Heimatsliebe, daß auch in dem Verhältnisse zur alten Kunst heimatliche Beziehungen stark in den Vordergrund treten.
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KUNSTENTWICKLUNG (1910)
Eine Folge der neuen Wertschätzung alter Kunstwerke, wie sie sich noch in der Renaissance entwickelte, war auch die Kunstliebhaberei und das Kennertum. Während die Gegenwartskunst ihrem Gesamtdurchschnitte nach allgemein verständlich war, erforderten die Denkmale vergangener Kunstperioden vielfach eine besondere persönliche Vorliebe und Kennerschaft, die wiederum dazu führte, daß sich einzelne Menschen als Kunstliebhaber, Kunstforscher und Sammler besonders intensiv mit alten Kunstwerken zu beschäftigen begannen. Die Raritätenkammern verwandelten sich in Kunstsammlungen, in denen verschiedene Kunstgegenstände nicht mehr wie einst ihres Materials und Seltenheitswertes wegen, sondern aus Freude an ihrer historischen und künstlerischen Bedeutung aufbewahrt wurden. Die Bedeutung der Kunstsammlungen nahm dann ständig zu, besonders als man im Zusammenhange mit den akademischen Strömungen in der Kunst und unter öffentlicher Patronanz anfing ihnen eine pädagogische Mission beizulegen, die freilich nur zum geringen Teil zu dem ursprünglichen, bald antiquierten Ziele führte. Dessen ungeachtet wurden Sammlungen und Museen eine sehr wichtige Institution des öffentlichen Kunstlebens, der wir sowohl die Erhaltung zahlloser alter Kunstwerke als auch eine nicht geringe und immer wieder von neuem einsetzende Vertiefung des Verständnisses für sie zu verdanken haben. Doch auch indirekt hat das Sammeln von Kunstwerken zu ihrem Schutze beigetragen. Als eine gesuchte, viel verlangte Ware haben sie einen hohen materiellen Wert erhalten, was wiederum zur Folge hatte, daß Herrscher und Regierungen begonnen haben alte Kunstwerke, die bei Ausgrabungen gefunden wurden oder sich im öffentlichen Besitze befanden, unter ihre Gewalt zu bringen und Maßnahmen gegen unbefugte Veräußerung oder Verschleppung zu treffen. Auf dieser fiskalischen Grundlage beruhten die ersten Verordnungen gegen die Ausfuhr von Kunstwerken, die im XVI. Jh. in Rom und in Venedig erlassen wurden, und entwickelte sich im Zeitalter des Merkantilismus jene große Ingerenz der staatlichen Verwaltung auf das Kunstleben, die dann im XIX. Jh. zu einer moralischen Pflicht umgedeutet wurde. Noch heute beruhen in einzelnen Staaten, wie in Italien oder Griechenland, die legislativen Bestimmungen zum Schutze des alten Kunstbesitzes in erster Linie auf fiskalischen Beweggründen. Eine weitere und besonders wichtige Quelle der Beachtung und Erhaltung alter Kunstdenkmale ist das Streben nach historischer Erfahrung und Mitteilung. Es ist tief in der menschlichen Seele eingewurzelt und wahrscheinlich so alt wie die menschliche Kultur überhaupt. Ein Interesse für alles, was als ein Zeugnis der Geschichte der Vergangenheit angesehen werden kann, ist seine notwendige Folge und so können wir tatsächlich auch schon in den ältesten geschichtlichen Berichten gelegentliche Erwähnungen von geschichtlich oder künstlerisch bedeutsamen Objekten finden. Mit der fortschreitenden Entwicklung der Historiographie wurden solche Erwähnungen häufiger und ausführlicher, woraus man wohl schließen kann, daß auch im ganzen geistigen Leben das Interesse für alte historische und künstlerische Denkmale im Wachsen begriffen war. Es ist bekannt, wie reich an historischen Mitteilungen über Künstler und Kunstwerke die Schriften der klassischen Autoren sind, denen wir die
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Kenntnis der wichtigsten Tatsachen der Geschichte der Kunst im Altertum zu verdanken haben, und wenn auch im Mittelalter eine gewisse Unterbrechung stattfand und die Berichte über historisch oder künstlerisch denkwürdige Denkmale sich zumeist auf gelegentliche Notizen beschränkten, so ist doch die historische Anteilnahme an den monumentalen Zeugnissen der Vergangenheit nie ganz verschwunden und nahm von Jahrhundert zu Jahrhundert neuerdings zu, um schließlich einen wichtigen Teil der modernen historischen Wissenschaften zu bilden, deren Einfluß auf das geistige Leben der Gegenwart nicht erst hervorgehoben werden muß. In der zweiten Hälfte des XIX. Jhs. trat das historische Interesse bei allen Fragen der Denkmalpflege so stark in den Vordergrund, daß es einfach mit dem ganzen Inhalte des modernen Denkmalkultes identifiziert wurde, obwohl es sich nicht schwer nachweisen läßt, daß es viele Denkmale gibt, bei denen die historische Bedeutung und die Bedeutung für unseren Denkmalkultus nicht nur nicht zusammenfallen, sondern diametral verschieden sind. Ein Klosterhof, eine alte Gasse, geschichtlich ebenso unbedeutend als kunstgeschichtlich, üben auf uns oft eine größere Wirkung aus als Denkmale, die zu den wichtigsten Urkunden der Kunstgeschichte oder zu den merkwürdigsten Wahrzeichen historischer Ereignisse gezählt werden müssen. So geht es aber auch nicht an, wie in der letzten Zeit zuweilen versucht wurde, den heutigen Denkmalkultus aus dem Zunehmen historischer Bildung und des durch sie bedingten Verständnisses für historische Werte zu erklären. Es handelt sich eben auch da nur um ein Moment, welches neben und mit anderen wirkte und wirkt und in der letzten Zeit im Zusammenhange mit dem Historismus des XIX. Jhs. stark in den Vordergrund trat. Alle diese Motive der Denkmalwertschätzung, die man weit in der geschichtlichen Entwicklung zurückverfolgen kann, erschöpfen aber in ihrer Gesamtheit nicht alles, was unserer Anteilnahme an alten Denkmalen und dem Genusse, den sie uns bereiten, zugrunde liegt. Religiöse, genealogische, patriotische, materielle, historische Beweggründe kommen sicher nicht in Betracht bei einer bescheidenen Ruine einer alten Burg, von der sich nichts erhalten hat als einige Mauerreste im Zustande des größten Verfalles und die doch, auf einem waldigen Bergabhange über einem mächtigen Flusse stehend, den Wanderer, obwohl er nichts von ihrer Geschichte weiß und auch sonst kein Interesse an ihr hat, erfreut und begeistert, da sie sein Gefallen erweckt und eine erhebende Stimmung in ihm auslöst. Es ist klar, daß da noch andere Werte als die angeführten in Betracht kommen, die man mit der Benennung «romantisch, malerisch, stimmungsvoll» zu charakterisieren pflegt und die auf bestimmten Sentimenten einerseits und auf ästhetischen Qualitäten der Denkmale anderseits beruhen, ohne daß sich die ersteren mit den allgemeinen sonst im Verhältnisse zu alten Denkmalen in Betracht kommenden, z. B. religiösen oder patriotischen Gefühlen, die letzteren mit dem absoluten Kunstwerte der Denkmale decken würden, deren Wirkung nach dieser Richtung hin weniger durch die ursprüngliche künstlerische Form als durch die Erscheinung, die sie im Laufe der Zeiten und im Zusammenhange mit ihrer Umgebung angenommen haben, bedingt wird. Alois Riegl, der seine letzten Lebensjahre der österreichischen Denkmalpflege gewidmet hat und der eine viel zu tief angelegte Natur war, als daß er dies getan
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hätte, ohne sich über die prinzipiellen Fragen der Aufgabe Rechenschaft zu geben, hat diese Werte unter der Bezeichnung Alterswert zusammengefaßt und versuchte, ihre Bewunderung aus dem unserer Weltanschauung zugrunde liegenden Evolutionsgedanken zu erklären. Riegl hat seine Anschauung in der Schrift: «Der moderne Denkmalkultus, sein Wesen und seine Entstehung» niedergelegt, die das Wichtigste und Geistvollste ist, was über diese Fragen bisher geschrieben wurde, so daß wir uns etwas eingehender mit ihr beschäftigen müssen. Riegl unterscheidet gewollte und ungewollte Denkmale. Das Altertum kannte seiner Meinung nach nur gewollte Denkmale, wobei noch ein Unterschied zwischen den altorientalischen Völkern, bei denen es nur Denkmale einzelner Menschen und Familien gab, und den Völkern der griechisch-römischen Kultur, bei denen das gewollte patriotische Denkmal aufkam, zu machen wäre. Ein gewolltes Denkmal konnte sich nur so lange erhalten, solang es Menschen gab, die mit den Ursachen seiner Entstehung irgendwie in Verbindung waren, was bei patriotischen Denkmalen naturgemäß viel länger dauerte, da in dem Fortbestande eines Volkes allein die Gewähr für die Erhaltung solcher Monumente enthalten war. Doch von einer Denkmalpflege und Denkmalverehrung in unserer Bedeutung des Wortes konnte weder im Altertum noch im Mittelalter die Rede sein. Erst in der Renaissance änderten sich die Verhältnisse durch die Ausbildung eines neuen Denkmalwertes. Man begann die Denkmale des Altertums neuerdings zu schätzen, doch nicht nur als gewollte Denkmale, nicht als Quellen der durch sie vermittelten patriotischen Erinnerung an Macht und Größe des alten Imperiums, sondern ihres kunst- und historischen Wertes wegen. Man verehrte sie als die Vorstufen des eigenen Kunstschaffens, dann aber auch der künstlerischen Form halber, indem man die Kunst, welche sie hervorgebracht hatte, für die einzig wahre, objektiv richtige und für alle Zeiten allgemein gültige anzusehen begann. So verband sich nach Riegl seit der Renaissance in der Wertschätzung alter Denkmale ein zweifaches Interesse, einmal ein historisches und dann ein dogmatischkünstlerisches, wodurch die Einteilung der Denkmale in Kunst- und historische gegeben war, die sich bis auf den heutigen Tag erhalten hat. Damals sind auch die ersten Maßregeln zum Schutze alter Denkmale entstanden, die früheren Zeiten unbekannt waren. Die weitere Entwicklung bestand nach Riegl darin, daß einesteils die objektive Mustergültigkeit der Antike durch die zunehmende Wertschätzung anderer Kunstweisen immer mehr Einschränkung erfuhr, andernteils sich das historische Interesse an Stelle der alten patriotischen Geschichtschreibung der Entwicklungsgeschichte zugewendet hat. Für die Entwicklungsgeschichte kommen aber nicht nur die denkwürdigen und wichtigen Denkmale in Betracht, sondern alle Denkmale, die einen Entwicklungswert aufweisen, der von Material, Arbeitsleistung, Zweckbestimmung völlig unabhängig ist und von Riegl als Alterswert bezeichnet wird, und der heute überall den gewollten Erinnerungswert des Altertums und den künstlerischen und historischen Wert der Renaissance ersetzte.
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Der historische und künstlerische Wert verlangte die möglichste Erhaltung der Formen, woraus die Beliebtheit der Restaurierungen zu erklären ist, die den Zweck verfolgten, die Form zu erhalten. Der Alterswert fordert dagegen in erster Linie die Erhaltung des überlieferten Bestandes ohne alle Eingriffe, die nur geeignet sind, die Altersspuren zu verwischen und das Denkmal in seiner vielseitigen Bedeutung zu verfälschen. Diese Auffassung Riegls scheint so klar und überzeugend zu sein, daß man sie als eine abschließende Lösung ansehen könnte, wenn sich bei einer näheren Betrachtung nicht einige Bedenken einstellen würden. So dürfte aus dem, was in vorangehenden Ausführungen über verschiedene Quellen der Denkmalpietät gesagt wurde, ersichtlich sein, daß die von Riegl angenommene geschichtliche Aufeinanderfolge von drei verschiedenen Phasen der Denkmalpietät mit unwiderleglichen historischen Tatsachen im Widerspruche steht. Es kann kaum daran gezweifelt werden, daß im Altertum nicht nur der gewollte Erinnerungswert für das Verhältnis zu alten Denkmalen maßgebend war, sondern auch die künstlerische und historische Bedeutung alter Kunstwerke eine große Rolle spielte. Wie könnten wir es uns sonst erklären, daß zahlreiche Schriftsteller des klassischen Altertums ausführlich über Kunstwerke berichten nicht ihres gewollten Erinnerungswertes, sondern ihrer historischen und künstlerischen Bedeutung halber, die vielfach ausdrücklich betont und näher charakterisiert wird. Warum hätte man alte Kunstwerke, bei denen jeder gewollte Erinnerungswert ausgeschlossen war, bis in die späte Kaiserzeit immer wieder kopiert, wenn man für ihre längst überwundene künstlerische Form kein Interesse besessen hätte. Warum hätte man, wie uns das bei der Farnesina entdeckte Haus lehrt, an den Wänden der Wohnhäuser alte Gemälde nachgebildet, warum ganze Pinakotheken alter Malereien gesammelt? Bereits die Pergamenischen Könige sammelten alte griechische Kunstwerke und in der Folgezeit nahm die Lust am Sammeln ständig zu, so daß sie sich in der römischen Kaiserzeit wie heutzutage geradezu zu einer krankhaften Leidenschaft gestaltete. Ganze große Schiffsladungen brachten aus Griechenland und aus dem Orient nach Rom alte Kunstwerke der verschiedensten Art und in jedem halbwegs vornehmen Hause konnte man, wie in unseren Tagen, alte Kunstschätze finden, wofür Ausgrabungen immer wieder neue Belege bieten, und was doch sicher ein gewisses allgemeines künstlerisches und historisches Verhältnis zu alten Kunstwerken voraussetzt. Ohne künstlerische Beziehungen zum Kunstschaffen der Vergangenheit wäre auch die flavische Renaissance der ägyptischen und altgriechischen Formen nicht denkbar und hätte das bewußte Historisieren der späteren römischen Kaiserzeit nicht entstehen können, das die Archäologie die längste Zeit verleitet hat, der Kunst dieser Periode jede Originalität abzusprechen. Im Mittelalter wurde zwar das historische und künstlerische Interesse an Kunstwerken der Vergangenheit viel geringer, doch ganz verloren ging es auch da nicht, wie man sowohl aus zahlreichen bewußten Versuchen, künstlerische Qualitäten des Altertums zu erreichen, als auch aus verschiedenen Nachrichten und Bemerkungen schließen kann. Ein historisches Interesse bewog in erster Linie Karl den Großen,
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die Reiterstatue Theodorichs nach Aachen übertragen zu lassen, liegt der Nachahmung der römischen Triumphalsäulen zugrunde, die Bischof Bernward im XI. Jh. in Hildesheim ausführen ließ, und pflanzt sich in der Literatur fort von den Pilgerbüchern bis Ghiberti 1. Umgekehrt erlangte aber in der Renaissance das gewollte Denkmal eine noch weit größere Bedeutung als in der Antike. Das Bestreben nach monumentaler Verewigung war sowohl bei einzelnen Menschen als auch bei den Gemeinden so groß, daß es von Burckhardt zu den wichtigsten Charakterzügen der Renaissance gezählt wurde. Die Kirchen verwandelten sich in Mausoleen und Ruhmeshallen, auf den Plätzen wurden Standbilder aufgestellt, auf den Bildern wurden Bildnisse der Stifter angebracht, das Porträt gewinnt immer mehr an Bedeutung und große Bauten wurden nur deshalb ausgeführt, um der Nachwelt die Namen der Erbauer zu überliefern. Das alles setzt wohl die Überzeugung voraus, daß solche gewollte Denkmale auch von den kommenden Generationen beachtet werden. Dieses Bestreben nach monumentaler Glorifikation hat sich ungeschmälert bis auf den heutigen Tag erhalten, wie, abgesehen von allem anderen, schon die zahlreichen Standbilder allein beweisen, die in den letzten Jahrhunderten überall errichtet wurden und noch heute, obwohl sie ihre künstlerische Mission längst eingebüßt haben, errichtet werden. So können aber die von Riegl aufgestellten Kriterien des Denkmalkultes im Altertum und in der Neuzeit nicht als aufeinanderfolgende Entwicklungsstufen angesehen werden, da sie Beweggründen der Anteilnahme an alten Denkmalen entspringen, die man in allen Perioden beobachten kann. Sie sind so alt wie das patriotische und historische Empfinden überhaupt, und wenn sich auch ihr Inhalt nach dem jeweiligen Kulturniveau geändert hat, so können sie doch nicht als absolute Unterscheidungsmerkmale der verschieden geschichtlichen Phasen des Denkmalkultes angesehen werden, sondern schließen sich anderen, zu allen Zeiten wirksamen Motiven des Denkmalkultes an. Doch wie verhält es sich dann mit der letzten von Riegl angenommenen Phase in der Entwicklung des Denkmalkultes? Deckt sich ihr Inhalt ganz mit dem Alterswerte und kann die evolutionistische Weltanschauung als ihre Ursache angesehen werden? Auch da können Einwendungen erhoben werden. Es unterliegt keinem Zweifel, daß Altersspuren, die Patina eines Denkmales, geeignet sind, für den modernen Menschen den Reiz eines Denkmales zu erhöhen, und oft beruhen gerade die subtilsten Genüsse, die uns alte Denkmale bereiten, auf den durch den Lauf der Zeiten hervorgerufenen Erscheinungszügen. Dabei darf aber nicht übersehen werden, daß sich der moderne Denkmalkultus auch anderen Qualitäten der alten Denkmale mit Bewunderung zuwendet, die, ohne sich mit dem absoluten Kunstwerte zu decken, nicht einfach als Alterswerte aufgefaßt werden können. Am allerdeutlichsten kann man dies vielleicht bei der Neugestaltung der Umgebung eines alten Denkmales beobachten, die die Wirkung des Denkmales steigern oder schädigen kann, je nachdem es dem Künstler gelang, das Alte und das Neue zu einem harmonischen Bilde zusammenzuschließen.
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Diese Harmonie ist aber durchaus nicht nur durch die Höhe des künstlerischen Könnens bei den neuen Teilen und durch die Schonung des Alterswertes bei dem ursprünglichen Denkmale bedingt, sondern erfordert ein besonderes Verständnis für jene Qualitäten, die wir bei der Gesamtwirkung alter Gebäudegruppen bewundern und die ebenso vom Stil als von Altersspuren unabhängig sind. Ähnliches können wir auch bei Denkmalen beobachten, deren Wirkung auf dem Zusammenhange mit der landschaftlichen Umgebung beruht. Diese Wirkung kann nicht nur aus dem Gegensatze zwischen dem verfallenden Denkmale und der ewig sich erneuernden Natur erklärt werden, wie Riegl meint, da sich viele Fälle nachweisen lassen, in denen ganz analoge Denkmale bei demselben Grade der Verfallsspuren und der landschaftlichen Regeneration doch einen ganz verschiedenen Denkmalswert besitzen. Wilde, kahle und leblose Felsen erhöhen die Wirkung einer Burgruine, idyllische Fluren die eines alten Gehöftes, doch wie viel würde von der alten Wirkung übrig bleiben, wenn man die Szenerien vertauschen würde? Und ist nicht oft der große Eindruck auf einen bestimmten Beobachtungspunkt, auf eine bestimmte Beleuchtung geknüpft? Doch auch, was mir das allerwichtigste zu sein scheint, auf eine individuelle Aufnahmefähigkeit, die weit weniger eine Vertiefung der Weltanschauung als bewußtes oder unbewußtes künstlerisches Empfinden voraussetzt. Es gibt viele Menschen, die auf der höchsten Stufe der intellektuellen Bildung stehen, ja als die eigentlichen Bahnbrecher und Träger der evolutionistischen Interpretation der Gegenwart und Vergangenheit angesehen werden können und denen doch das, was wir an alten Denkmalen bewundern, nicht nur unverständlich, sondern geradezu ein Dorn im Auge ist, wie es auch im Gegenteil Menschen gibt, die dafür ein volles Verständnis besitzen, obwohl sie von der modernen Erkenntnislehre auch nicht die geringste Ahnung haben. Unser Verhältnis zu alten Denkmalen setzt weit weniger eine bestimmte wissenschaftliche und literarische Vorbildung als eine künstlerische Disposition und Erziehung, eine bewußte oder unbewußte Anteilnahme an dem allgemeinen künstlerischen Leben und Empfinden unserer Zeit voraus. Neben den allgemeinen materiellen, intellektuellen und sentimentalen Momenten und zum Teil ganz unabhängig von ihnen spielt ein bestimmtes ästhetisches Verhältnis zu alten Denkmalen im heutigen Denkmalkulte eine wichtige Rolle. Es bedeutet der objektiven Form und Erscheinung der Denkmale gegenüber eine subjektive, an eine bestimmte Zeit und Kultur gebundene künstlerische Auffassung, die, wie wir sehen werden, im engsten Zusammenhange mit der allgemeinen Entwicklung der Kunst steht und für den Inhalt des Denkmalkultes ausschlaggebend ist. Dieser Faktor muß von vorherein als ein fluktuierender angesehen werden und so liegt es nahe, seiner Geschichte nachzugehen und zu fragen, wie sich das künstlerische Verhältnis zwischen der allgemeinen Kunstentwicklung und alten Kunstwerken historisch entwickelte. Dies kurz zu schildern, will ich in folgenden Zeilen versuchen.
II. DAS ALTERTUM Die heroische Glorifikation der längst vergangenen minoischen Kultur und Kunst bei Homer regt verlockende Gedankenspiele an, die jedoch müßig bleiben, solang
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wir nicht über das Mittelalter, das die klassische Kunst von der altorientalischen Kunst trennt, besser unterrichtet sind. Erst in der Zeit der vollen Entfaltung der griechischen Kunst bekommt unsere Frage eine greifbare Form und führt zu der überraschenden Beobachtung, daß, wie in so vielen Erscheinungen des geistigen Lebens, auch im Denkmalkulte ein auffallender Parallelismus zwischen der Neuzeit und jener Antike bestand, die der kurzsichtige Kunstdogmatismus der Neuzeit gar nicht oder nur halb gelten ließ. Man könnte die Behauptung aufstellen, daß in allen Zeiten, in denen die Kunst in der Bewältigung eines bestimmten Problems eine gewisse Höhe erreichte, das systematische Sammeln von alten Kunstwerken begann: ein Zurückblicken, das oft noch besonders dadurch genährt wurde, daß es von Kreisen ausging, in denen das Vermächtnis der glorreichen Vergangenheit nicht unmittelbar verkörpert war. Wie nahe stehen sich in dieser Beziehung die Attaliden und die Mediceer! Doch nicht nur das Sammeln alter Kunstwerke wurde beliebt in der hellenistischen Periode. Man begann, wie es in der neuzeitigen Barockkunst wiederum möglich und üblich wurde, Denkmale vergangener Jahrhunderte in den Rahmen neuer künstlerischer Erfindungen einzubeziehen. Wie in den letzten zwei Jahrhunderten wurden in der Kaiserzeit nicht nur wie früher einzelne naturalistische und kompositionelle Vorzüge alter Kunstwerke bewundert, sondern ihre ganze stilistische Erscheinung als etwas besonders Reizvolles empfunden und nachgeahmt. Das führte zum Kopistentum und zu archaisierenden Strömungen in der Kunst. Wie heute wurden Wohnungen und öffentliche Gebäude mit Nachbildungen alter Bildwerke und Gemälde geschmückt, Glyptotheken und Pinakotheken wurden der Mittelpunkt, Kunstgelehrte die Führer im Kunstleben, eine Konstellation, der wir fast alles zu verdanken haben, was wir über die ältere griechische Kunst wissen, deren Werke sich uns ja hauptsächlich in Kopien jenes «Zeitalters der historischen Stile» erhalten haben. Und wie die englischen Präraffaeliten die einfachen Kompositionen und den Linienrhythmus Botticellis, so versuchten die Künstler der Kaiserzeit den herben strengen Stil der Jugend der griechischen Kunst nachzuahmen, alte längst überwundene Stile wurden die Parole, Kennertum und Kunstschwindel, die mannigfaltigste Differenzierung des Geschmackes, die höchste Verfeinerung neben dem plattesten Banausentum die Signatur der Kunstzustände. Den Dogmatikern des XIX. Jh. waren diese Erscheinungen, wie schon erwähnt wurde, ein Zeugnis des Verfalles der klassischen Kunst, welche jedes selbständige Wollen und Können unter der Herrschaft der Römer verloren hat. Doch nachdem wir die grandiose Weiterentwicklung der Kunst in der Kaiserzeit kennengelernt haben, an Fruchtbarkeit und Bedeutung nicht geringer als die Kunst des heroischen Zeitalters, müssen wir uns fragen, ob nicht auch dem künstlerischen Universalismus neue positive Kunstabsichten zugrunde lagen. Eine bejahende Antwort tritt uns da überall entgegen. Man verknüpfte wie in dem Tempel aller Götter Hadrians alte Bauwerke mit neuen, um die alten nicht zu verlieren und die Wirkung der neuen zu erhöhen – eine Tatsache, deren Sinn uns heute so geläufig ist, daß sie nicht erläutert werden muß. Man brachte in den Prunksälen alte Reliefs an und stellte in den Gärten und auf den Plätzen alte Statuen auf,
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nicht aus antiquarischen Rücksichten, sondern neuer besonders subtiler künstlerischer Sensationen wegen. Man entdeckte den Zauber des Alten, den Schatz an künstlerischen Momenten, der in alten Denkmälern gelegen war, und so wurden alte Kunstwerke wie heute zum Ausdrucksmittel eines künstlerischen Empfindens, dessen höchstes Ziel weniger einzelne formale Probleme als künstlerische Gesamtakkorde waren, dem die Kunst der Vergangenheit und Gegenwart im gleichen Maße dienen mußte. Man braucht sich aber nur den Weg zu vergegenwärtigen, den die antike Kunst in ihrer letzten Phase zurücklegte – etwa von dem mächtigen Unisono des Pantheon zu der überwältigenden Symphonie aller Künste in der Sophienkirche, um zu verstehen, wie tief dieses Empfinden in der ganzen spätantiken Kunstentwicklung begründet war und wie nahe es in mancher Beziehung dem modernen Denkmalkulte stand, von dem es sich fast nur durch ein anderes Verhältnis zur Natur unterschieden hat. Denn darin kam die Neuzeit über die Antike hinaus, daß sie den Natureindruck zur höchsten künstlerischen Einheit erhoben hat. Die Verbote, die der gelehrigste Barbarenschüler der klassischen Kultur auf dem Throne, Theodorich der Große, gegen die Zerstörung Roms erlassen hat, beruhten sicher noch auf diesem spätantiken künstlerischen Pantheismus und nicht etwa auf patriotischen oder historischen Beweggründen. Doch es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß diese künstlerische Verehrung der alten Kunstwerke die Antike nicht überleben konnte. Sie setzte das höchste persönliche Kunstverständnis, die höchst entwickelte künstlerische Kultur voraus und vielleicht war gerade diese am weitesten gehende Subjektivisierung der Voraussetzungen des künstlerischen Genusses einer der Hauptgründe, warum in den meisten Gebieten des klassischen Kunstkreises im VII. und VIII. Jh., nachdem diese Voraussetzungen und ihre Träger in den Hintergrund traten, plötzlich eine vollständige Rustikation der Kunst beobachtet werden kann.
III. DAS MITTELALTER Eine Beurteilung des ästhetischen Verhältnisses des Mittelalters zu alten Denkmalen scheint ungemein schwer zu sein. Es fehlen klare literarische Äußerungen, die uns den Weg weisen würden, und auch die Belehrung, die uns die mittelalterliche Kunst bietet, ist nur ganz fragmentarisch. Dennoch können einige Tatsachen festgestellt werden. Es gibt frühmittelalterliche Bauten, die zum großen Teile aus wahllos und willkürlich zusammengefügten Trümmern klassischer Denkmale aufgeführt wurden, wohl der beste Beleg, daß sich die Kunstwerke des Altertums in ihrer Gesamtheit für die neue Welt in eine tote, indifferente Masse verwandelt hatten. In den Heiligtümern des Forums nistete sich, nachdem sie von den Päpsten, die eine Zeitlang einen Teil von ihnen bewohnten, verlassen wurden, allmählich der Pöbel ein. Erdschichten lagerten sich auf den Ruinen und verwandelten schließlich diesen «Mittelpunkt» der Welt in ein campo vacino. Auf dem Kapitol gaben sich die Bravi ein Stelldichein. Bis zum XVII. Jh. wurden die großen Monumentalbauten des Altertums
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überall als Steinbruch benutzt, so daß die größten Städte voll von Bauwerken, die ihrem Material und der technischen Ausführung nach für die Ewigkeit bestimmt zu sein schienen, spurlos verschwunden sind und nur das sich erhielt, was durch einen Zufall aus konkreten praktischen oder auch idealen, religiösen oder historischen Gründen von der allgemeinen Verwüstung verschont geblieben ist. Gerade solche Ausnahmen, wie auch altchristliche kirchliche Bauten, von denen sich die, die nicht später umgebaut wurden, fast unversehrt bis auf den heutigen Tag erhalten haben, beweisen, daß nicht der natürliche durch die Zeit bedingte Zerfall, sondern das mangelnde Interesse an der Erhaltung der alten Monumente ihr Verschwinden verschuldet hat. Sie waren für die Herren der alten Welt so nutzlos und sinnlos wie eine Bibliothek für einen Analphabeten oder wie ein Rokokopark für einen Bauer. Für das künstlerische Gesamtbild der alten Ruinen hatte man kein Verständnis, wohl haben sich aber bald neue Beziehungen zu einzelnen inhaltlichen oder formalen Eigentümlichkeiten des Altertums zu entwickeln begonnen. Man hat schon längst erkannt, daß die Anschauung, die Antike hätte erst seit der Renaissance auf die neue Kunstentwicklung einzuwirken begonnen, eine irrtümliche war. Aus zwei Gründen wurde die mittelalterliche Kunst immer wieder von neuem auf das künstlerische Vermächtnis des Altertums gewiesen. Einmal lagen der neuen Kunstentwicklung überall antike Überlieferungen zugrunde, antike bildliche Vorstellungen, Residuen und Reduktionen der klassischen formalen Erfindungen und was das wichtigste ist, die wichtigsten Elemente der klassischen Auffassung von den anzustrebenden Qualitäten eines Kunstwerkes, wie z. B. die Überzeugung von der Notwendigkeit der Objektivität in der Naturwiedergabe oder das Bestreben nach der tektonischen Monumentalität in der Architektur, Charakterzüge, durch welche sich die mittelalterliche Kunst von der Kunst unzivilisierter Völker unterscheidet und als eine unmittelbare Fortsetzung der Kunst der Kulturvölker des Altertums erscheint. Dieser historische Zusammenhang der Grundlagen und allgemeinen Ziele der mittelalterlichen Kunst mit dem Altertum brachte es aber mit sich, daß sich auch bei der fortschreitenden Entwicklung der mittelalterlichen Kunst immer wieder neue Berührungspunkte mit der klassischen ergeben mußten. Die zweite Quelle solcher Berührungspunkte war die byzantinische Kunst, in der sich, wenn auch vielfach als ein unfruchtbares Wiederholen, das Kunstschaffen der römischen Kaiserzeit in lebendiger Weiterübung erhalten hat und die auch dem Kunstleben des Abendlandes in regelmäßigen Beeinflußungswellen neue Wege zur alten Kunst erschlossen hat. So gab es aber das ganze Mittelalter hindurch eine ganze Anzahl von Strömungen in der abendländischen Kunst, teils allgemeiner Natur, teils lokalen Ursprungs oder auf einzelne Kunstzweige eingeschränkt, die auf neuen künstlerischen Beziehungen zu den Kunstwerken des Altertums beruhten. Die sogenannte karolingische Renaissance entsprang zwar ihrem Hauptinhalte nach noch unmittelbaren klassischen Kunsttraditionen, die neue allgemeine Rezeption derselben in Mitteleuropa bewirkte jedoch, daß auf allen Gebieten der geistigen und künstlerischen Kultur ein Zurückgreifen auf weit zurückliegende Denkmale beobachtet werden kann. Es war
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nicht der Materialwert allein, der Karl den Großen bewogen hat, Spolien altchristlicher Bauten aus Ravenna nach Aachen schaffen zu lassen, und wenn auch die Restitutionsversuche, die wir überall von den monumentalen Bauten der kaiserlichen Residenz an bis zur Reform der Schrift beobachten können, mehr einem allgemeinen kulturellen und politischen Programm des großen Königs als konkreten künstlerischen Bedürfnissen entsprochen haben dürften, so bezeugen sie doch, daß sich zwischen der neuen mittelalterlichen Kunst und den künstlerischen Zeugnissen der Vergangenheit eine gewisse Reziprozität entwickelt hat, die von da an nie mehr ganz verloren ging. Ja, es kann keinem Zweifel unterliegen, daß neben dem Emanzipationsprozesse der neuen Völker und zugleich vielfach mit ihm verbunden das ganze Mittelalter hindurch eine ständige Annäherung an die klassische Kunst beobachtet werden kann, eine fortlaufende Renaissancebewegung, der gegenüber die große italienische Renaissance nur ein neues Stadium bedeutet, die aber bereits im XI. und XII. Jh. für die allgemeine künstlerische Kultur nicht weniger wichtig war als im XV. Das äußert sich sowohl in der Gesamtentwicklung als auch in lokalen Bewegungen. Wenn auch die Ableitung der neuen Chartrer statuarischen Kunst vom provençalischen Klassizismus sich als unhaltbar erwiesen hat, so hätte sich doch die neue Skulptur ohne ein wiedererwachtes Interesse für die Ziele der antiken Monumentalplastik nicht entwickeln können und wieviel die neue Architektur einer neuen Entdeckung der spätantiken Architektur zu verdanken hat, beweisen der Dom von Pisa und St. Ambrogio in Mailand, Denkmale, auf denen die Weiterentwicklung nicht minder beruht als auf den Bauten der Isle- de-France. In Rom entstand als das Ergebnis einer weit zurückreichenden Lokalentwicklung ein architektonischer Stil, der uns wohl wie ein naives Deminutivum der römischen Vorbilder erscheint, doch von dem neuen großen Eindrucke Zeugnis ablegt, den die Denkmale der klassischen und altchristlichen Kunst auf ihre neue Umgebung auszuüben begonnen haben. In Florenz verknüpfen sich in der sogenannten Protorenaissance örtliche Einflüsse mit einer prägnanten klassizistischen Richtung, die so weit ging, daß man Ausgrabungen veranstaltete, um die neuen Bauten mit originalen antiken Baugliedern sinngemäß schmücken zu können. Die Dogen ließen ihre Fürstenkapelle, die auch als architektonische Aufgabe einer spätantiken Idee ihren Ursprung verdankt, nach dem Vorbilde der Apostelkirche Justinians umbauen, um sie in ein Museum alter Bildwerke zu verwandeln, und in Sizilien entstand unter Friedrich II. ein Staat, der nicht nur in seinen öffentlichen Institutionen und in den leitenden Ideen der Verwaltung, sondern auch in der offiziellen Kunst ein bewußtes Zurückgreifen auf die Antike erkennen läßt. Die Münzen werden nach klassischen Vorbildern geprägt und öffentliche Bauten werden mit klassizisierenden Porträtbüsten geschmückt. Die merkwürdige provençalische Skulptur und Architektur der zweiten Hälfte des XII. Jhs., die ganz von den klassischen Denkmalen abhängig zu sein scheint, die sich in Aquitanien so zahlreich erhalten haben, beruht ebenfalls auf dieser ersten allgemeinen Renaissancewelle, deren vorläufigen Abschluß der erste große toskanische Künstler, dessen Namen und Werke wir kennen, Niccolò
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Pisano, und die großen italienischen Duecentomaler, Cavallini und Duccio, gebildet haben. Dann wird sie überall durch den Siegeslauf der neuen nordwesteuropäischen Kunst zurückgedrängt, in der das Ringen der neuen Völker um eine neue selbständige künstlerische Bewältigung der belebten Natur und der unbelebten Materie zu einem Stile führte, der als der adäquateste Ausdruck der neuen Kunstbestrebungen im XIII. Jh. überall nach und nach alle anderen Richtungen ersetzte. Doch ein Jahrhundert später erklingen in Italien wiederum die Stimmen der Toten, und zwar lauter als je. Bevor wir uns jedoch dem Zeitalter der «Wiederbelebung des klassischen Altertums» zuwenden, wollen wir versuchen, die geschilderten Beziehungen zwischen der neuen mittelalterlichen Kunst und alten Kunstwerken in ihrer Bedeutung für unser Thema näher zu erläutern. Wenn wir ihnen im einzelnen nachgehen, so finden wir, daß sie durchwegs auf partiellen Entdeckungen inhaltlichen oder formalen Inhaltes beruhten und die größte Analogie mit dem gleichzeitigen Verhältnisse zur Natur aufweisen. Die ganze Entwicklung der mittelalterlichen Kunst war von den Bemühungen erfüllt, der künstlerischen Darstellung und Gestaltung neue selbständige bildliche Vorstellungen und formale Lösungen zugrunde zu legen. Diese Bemühungen beruhten aber weder auf einem konsequenten Naturstudium noch auf einer konsequenten Konzentration auf bestimmte einzelne formale Probleme, wie in der Antike oder in der Renaissance, sondern auf verschiedenen Einzeleindrücken, Erinnerungsbildern und Versuchen, das Problem der Darstellung oder Gestaltung nach dieser oder jener Richtung lebendiger und wirkungsvoller zu gestalten. Die alten traditionellen Kompositionen und Bauanlagen wurden nach und nach neu interpretiert und umgestaltet, wobei man die einzelnen Neuerungen und Umgestaltungen ebenso der Natur und der eigenen Erfindung als auch der Antike entlehnte, die in ihrer Gesamtheit für das Mittelalter ebenso unermeßlich und unergründbar war wie die Natur selbst. Dem Zeiten und Welten erfassenden Horizonte des seinem Ende zueilenden greisen Altertums gegenüber bedeutet das Denkmalinteresse des Mittelalters das Entdecken der Kindheit, welches in harmloser Unbefangenheit aus dem unübersehbaren Schatze, den vergangene Zeiten geschaffen haben, das entnimmt, was es vom Standpunkte seiner neuen rudimentären bildlichen und architektonischen Vorstellungen verstehen konnte. Dies waren aber nicht die der klassischen Kunst eigentümlichen Merkmale und Feinheiten der künstlerischen Ausdrucksmittel, die man im Mittelalter ebensowenig verstehen konnte, wie etwa die individuellen poetischen Schönheiten der Horazschen Oden oder das wunderbare System des römischen Rechtes. Wie bei den Beziehungen zur antiken Literatur beruht das Interesse auf rein stofflichen, gegenständlichen Momenten oder auf den allgemeinen Schemen der künstlerischen Form, die auch da, wo man sich bemühte, sie treu zu wiederholen, nur in einer flüchtigen beiläufigen Ähnlichkeit erscheint, wie die ostasiatischen Vorbilder in den Chinoiserien der Rokokozeit. Es waren nur die allergröbsten, die augenfälligsten Ver-
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schiedenheiten der alten Denkmale von den Kunsterzeugnissen der Gegenwart, die man zu beobachten und nachzuahmen imstande war, oder ganz konkrete einzelne Spezimina, so z. B. die allereinfachsten statuarischen Gesetze der antiken Skulptur oder einzelne malerische und plastische Motive, die von mittelalterlichen Künstlern verwendet, wie Fremdlinge in ihrer mittelalterlichen Umgebung erscheinen. Es ist begreiflich, daß sich ein solches Interesse weniger den eigentlich klassischen als den altchristlichen und byzantinischen Denkmalen zugewendet hat, die gegenständlich und formal der mittelalterlichen Kunst näher standen und von den Denkmalen des Altertums nur jene ein künstlerisches Interesse erweckten, bei denen sich der Hauptsache nach das ursprüngliche ikonographische oder formale Gesamtmotiv unversehrt erhalten hat, was am häufigsten bei Werken der Kleinkunst oder Sepulkralskulpturen der Fall war. Fragmente und Ruinen spielten noch keine Rolle, sie waren wie im früheren Mittelalter noch immer ein totes Gestein, nicht wert geschont und beachtet zu werden. Einen Beweis für die Richtigkeit dieser Erfahrungen bieten mittelalterliche Aufnahmen antiker Denkmale. Denn das religiöse, patriotische, historische Interesse, die Freude an fremden Dingen und Kuriositäten, an Reiseberichten und Objekten, um die die Phantasie einen Kranz gewunden hat, führten dazu, daß man zuweilen versuchte, sie bildlich darzustellen. Da können wir nun die Beobachtung machen, daß dies zumeist ohne jede Beziehung zu wirklichen Denkmalen geschah; durch ganz willkürliche, und, soweit von künstlerischer Form gesprochen werden kann, nur durch die mittelalterliche Kunst bestimmte Erfindungen, bei der man nur der beigefügten Bezeichnung entnehmen kann, was sie vorstellen sollen. Zuweilen wurden die alten Monumente durch einzelne, besonders auffällige Merkmale charakterisiert, wie z. B. römische Bauten durch Säulenstellungen, Bogenarkaden und reliefgeschmückte Säulen. Solche Darstellungen, die sich zu den wirklichen Denkmalen wie Hieroglyphen oder Signa zur bildlichen Darstellung verhalten, finden wir zuweilen in topographischen Beschreibungen, in Weltgeschichten oder in mittelalterlichen Paraphrasen der poetischen Stoffe des Altertums. Auch um die Szenerie einer kirchlichen Darstellung zu charakterisieren, wurden sie angewendet, wofür sich eine lange Reihe von Beispielen von den Darstellungen des Heiligen Grabes auf frühmittelalterlichen kunstgewerblichen Arbeiten an bis zu den römischen Bauten auf den Gemälden der Franziskuslegende in Assisi anführen lassen. Doch unverhältnismäßig häufiger waren Darstellungen, bei welchen eine solche bestimmten Denkmalen entlehnte Signatur fehlte und bei denen auf einen alten Bau nichts anderes schließen ließ als die daneben stehende Bezeichnung. Wie die Helden und Heroen des Altertums in mittelalterlichen Erzählungen und Gedichten, in Vagantenliedern und in gelehrten Epopeen als mittelalterliche Ritter erscheinen und handeln, so werden auch die alten Denkmale, die die Bühne der Heldentaten waren, ganz in den Stil der Zeit übertragen. Es war dies nicht nur eine poetische Lizenz, sondern die notwendige Folge des ganzen mittelalterlichen künstlerischen Verhältnisses zur antiken Kunst und ihren Denkmalen, für deren Sprache und Sinn, ästhetische Gesamtwirkung und stilistische Bedeutung man blind war wie ein Wil-
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der für die künstlerische Bedeutung einer gotischen Kathedrale und nichts mit ihnen anzufangen wußte, weshalb man sie, wo von ihnen die Rede war, unbedenklich in die Kunstsprache der Gegenwart übertrug und dies selbst da tat, wo es sich darum handelte, ein bestimmtes Denkmal darzustellen. Besonders merkwürdige Belege dafür finden wir in dem Zeichenbuche des Villard d’Honnecourt. In diesem einzig dastehenden künstlerischen Memoriale eines französischen Architekten des XIII. Jhs. finden wir unter anderen Aufnahmen auch Zeichnungen nach antiken und frühmittelalterlichen Bildwerken. Es sind keine Phantasiedarstellungen, sondern Aufnahmen bestimmter Denkmale, wie man sich bei einer genaueren Betrachtung überzeugen kann und was auch einmal in dem begleitenden Texte ausdrücklich hervorgehoben wird. Dennoch würden sie aus einer Reihe gotischer Figuren kaum herausfallen, so sehr sind sie ihnen stilistisch ähnlich. Der Zeichner hat sie eben unwillkürlich in den gotischen Stil übertragen, ähnlich wie in dem Hefte auch der Löwe gotisch stilisiert erscheint, obwohl er, wie ausdrücklich betont wird, al vif gezeichnet wurde. Man kann da besonders deutlich sehen, wie groß die Kluft zwischen dem mittelalterlichen künstlerischen Sehen und Empfinden und den alten Kunstwerken war, von denen man wohl lernte und deren Errungenschaften, auf rudimentäre Normen und Aufgaben zusammengeschrumpft, zu den Elementen der mittelalterlichen Kunstentwicklung gehörten, die aber noch nicht eine Auferstehung erlebten, welche zu einem bewußten allgemeinen ästhetischen Denkmalkulte geführt hätte und die sowohl in ihrer Gesamtheit als auch in der spezifischen individuell und zeitlich determinierten Erscheinung jenseits der lebendigen künstlerischen Sensationen, jenseits der künstlerischen Kultur des Zeitalters standen wie ein unendliches unübersehbares Märchenland.
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mmer mehr bricht sich die Überzeugung Bahn, daß das neunzehnte Jahrhundert eine Zeit des allertiefsten Niederganges der Kunst war. Nicht als ob es nicht einzelne bedeutende Künstler gegeben hätte, die entstehen in allen Zeiten, doch das allgemeine Verständnis künstlerischer Werte ist trotz des allgemeinen Kunstgeredes, trotz des extensivsten Kunstbetriebes so tief gesunken, wie vielleicht nie vorher. Man ist sicher in der Regel ungerecht gegen die unmittelbar vorangehende Periode der Kunst, die überwunden zu haben man sich freut, doch heute sind wir weit genug entfernt von den Ereignissen, um objektiv sagen zu können, daß nie so elend gebaut wurde, daß es nie so künstlerisch ganz wertlose Erzeugnisse des Kunstgewerbes gab, daß sich der Geschmack der Allgemeinheit nie mit so schändlichen malerischen oder plastischen Erzeugnissen begnügte, wie in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts. Das betrifft nicht nur bestimmte soziale Schichten, die «noch nicht für die Kunst gewonnen wurden», ich kenne Ministerialbureaux und adelige Paläste, Bankierhäuser und Künstlerwohnungen, in welchen der mangelnde Kunstsinn und die Geschmacklosigkeit die wüstesten Orgien feiern. Es handelt sich dabei ebenso wenig um ein bestimmtes Volk – die Griechen der Neuzeit: die Italiener sind am tiefsten gesunken – wie um eine bestimmte künstlerische Anschauung unter den vielen, die ja viel mehr Stilrichtungen als Kunstströmungen waren. Es ist hier nicht der Ort, den Gründen dieses Kunstniederganges nachzugehen, es soll nur versucht werden, ihn zu charakterisieren, so weit er für unsere Frage in Betracht kommt. Es ist sicher nicht richtig, wenn man von vergangenen Kunstperioden als von einem goldenen Zeitalter spricht, in welchem jedes Kunstwerk für alle geschaffen war, von allen verstanden und genossen wurde, und in denen es nur eine Kunst gab, die alle Menschen zu einer einheitlichen geistigen Erhebung verknüpfte. Eine solche Einheitlichkeit der Kunstproduktion und des künstlerischen Verständnisses ist nur in primitiven Stadien der Kunst möglich; je komplizierter, geistig und formal, die Werte der Kunst werden, je mehr sie auf einer individuellen Idee und auf einem individuellen Können beruhen, um so mehr erfordert auch ihr Genuß eine bestimmte künstlerische Kultur und individuelle Begabung. Es wäre eine der rudimentärsten Kenntnis der psychologischen Voraussetzungen des Kunstgenusses entbehrende Träumerei, zu glauben, daß Michelangelos Skulpturen oder Tizians Bilder eine Kunst für alle waren, die zu allen gleich sprach und von allen gleich verstanden wurde. Das Kunstverständnis und der Kunstgenuß waren auch in früheren Perioden, wenn auch nicht so unendlich wie heute, differenziert. Doch in allen Stufen dieser Differenzierung – und das ist der fundamentale Unterschied der Kunstlosigkeit des neunzehnten Jahr-
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Erstabdruck in: Neue Freie Presse, Morgenblatt, Nr. 16546, 15. September 1910, S. 1–3.
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hunderts gegenüber – beruhte sowohl bei den Künstlern als beim Publikum das Verhältnis zur Kunst der entsprechenden Verständnisspähre auf wirklich künstlerischer Empfindung. Man umgab sich nur mit der Kunst, die man verstand und die dem sozialen und individuellen künstlerischen Bedürfnisse angemessen war, ohne Anmaßung, darüber hinausgehen zu wollen, und deshalb war das ganze Leben wirkliche künstlerische Kultur; nicht weil es eine einheitliche, allgemein verständliche Kunst gegeben hätte, sondern weil überall, von der stolzen Kapelle der Mediceer an bis zur einfachen Bauernstube, die Kunst in tausendfacher Abstufung immer wirklich Kunst war, ein Ausdruck künstlerischen Wollens, Könnens und Genießens, nicht nur ein sinnloser Zierat, eine Lüge oder Konvention. Und deshalb gab es auch überall eine wahre tiefe Ehrfurcht vor Kunstwerken, auch vor solchen, deren künstlerische Bedeutung über den Alltagshorizont hinausging, weil man wußte, daß in ihnen ein höherer künstlerischer Wille, eine größere künstlerische Potenz verkörpert waren, vor denen man sich ohne Anmaßung, sich mit ihnen zu identifizieren, zu beugen hatte. Dadurch wurden aber große Kunstwerke tatsächlich der Mittelpunkt der Kunst und einer einheitlichen künstlerischen Kultur und befruchteten das ganze Kunstleben. All dies verwandelte sich jedoch im neunzehnten Jahrhundert ins Gegenteil. In dem Hotelzimmer, in dem ich (in einer kleinen Provinzstadt) diese Zeilen schreibe, hängt ein Farbendruck mit der Darstellung der Madonna della Segiola und über dem Portal des Sparkassengebäudes, das dem Hotel gegenüber liegt, sind Stuckkopien der Aurora und des Crepuscolo angebracht. Welche Bedeutung hat das Meisterwerk Raffaels für die Commis, die in der Regel dieses Hotel besuchen, was besagen die Figuren Michelangelos den Kleinbürgern, die ihre Ersparnisse in die Sparkasse tragen? Und ist die Art der Reproduktion nicht der klarste Beweis, daß auch die letzte Ahnung von den künstlerischen Qualitäten der Originale verloren ging und die Nachbildung zu einer stupiden Sinnlosigkeit wurde? Ähnliches tritt uns in der Kunst der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts überall auf Schritt und Tritt entgegen. Es gab wohl nie früher einen so großen Aufwand (was die Quantität betrifft) in der Anschaffung von Kunstobjekten und Dekoration der Städte und Gebäude, doch es handelt sich dabei von den Monumentalbauten an, die im Stil der italienischen Cinquecentopaläste, der Alhambra oder der gotischen Dome ausgeführt wurden, bis zu den Möbeln eines Winkelcafés im Stile Ludwigs XVI. und zur sogenannten altdeutschen Schlafzimmereinrichtung, fast überall um eine falsche Kunst, die vom Erzeuger als eine Formel angewendet und vom Besteller als eine der allgemeinen Gepflogenheit entsprechende (zumeist mit Bedauern der Kosten wegen als solche empfundene) notwendig Zutat empfunden wurde, die ihm nichts weiter besagte, als was er darüber (wenn er kunsthistorisch gebildet war) in einer Stillehre oder sonst an Anpreisungen vom Kunstunternehmer gehört oder in einem Lagerkatalog gelesen hat. Jedes tatsächliche künstlerische Verhältnis zu den künstlerischen Werten der Kunstwerke der Vergangenheit und Gegenwart ging verloren und wurde einerseits durch büchermäßige Stilvorstellungen, andererseits durch bildungs- und kulturlose, im Anstreichen, Glatthobeln, Gerademachen, symmetrischen Stellen sich äußernde Inferiorität der künstlerischen Bedürfnisse ersetzt. Es sind dies Verhältnisse, die genügend bekannt sind; doch was nicht bekannt ist oder doch nicht gesagt wurde, ist die Tatsache, daß auch das ganze Elend der soge-
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nannten Denkmalpflege darin seinen Ursprung hat: der Purifikationswahnsinn, die Restaurierungsseuche, der frevelhafte Kampf gegen alte Stadt- und Ortsbilder. Es ist nicht das Fehlen historischer Interessen, das an der systematischen Vernichtung alter Kunstwerke und Kunstwerte durch die letzten drei Generationen schuld war, sie führten ja immer in der letzten Zeit das große Wort bei Fragen dieser Art,und nicht immer pharisäisch; ebensowenig war der Mangel an Pietät die eigentliche Ursache der unzähligen Vandalismen, die begangen wurden: es gab Jahrhunderte, die viel weniger pietätvoll waren, ohne derartige Verwüstungen anzurichten. Doch die Pietät des neunzehnten Jahrhunderts war, was einmal offen gesagt werden muß, kulturlos, stümperhaft, eine Quacksalberpietät, die auch da, wo sie nützen wollte, nur geschadet hat, weil sie nicht wußte, worauf es bei Kunstwerken ankommt, die Pietät eines künstlerisch blinden Plebejertums (nicht in sozialen Bedeutung des Wortes), das sich vermaß, die Kunstwerke der Vergangenheit nach seinen kunstfremden Kunst- und Stilvorstellungen zu Grunde zu schützen. Denn wie sollten Menschen, für die in ihrer Gegenwartsumgebung selbst bei den einfachsten Fragen eine künstlerische Lösung ein Buch mit sieben Siegeln, für die Kunst nur eine soziale Pflicht (oder auch ein soziales Übel) und der Stil ein ideeller Begriff war, wie sollten die Käufer der Farbendrucke und Gipskopien, die Freunde des «Schmücke dein Heim», die Häuser- und Straßenfabrikanten, die sich ergänzenden Kunstspekulanten und Bildungsphilister, für die Kunst eine Marktware oder eine Biertischweisheit war, die Snobs, die Kunstwerke nach den Preisen und Autoritäten bemaßen, die Propheten der Altertumskunde, die Adepten der Stillehren, die Künstler, die ihre Kunst aus Büchern gelernt haben, wie sollte eine Allgemeinheit, in der all diese Elemente die führenden und ausschlaggebend waren, verstehen, worauf es beim Schutze alter Denkmale ankommt. Wie sollte sie das erhalten und vor Schaden bewahren, von dessen Existenz sie keine Ahnung hatte, und was doch das Allerwichtigste bei Kunstwerken der Vergangenheit und Gegenwart ist! Das, was nicht auf Stilregeln und abstrakten Kunstbegriffen beruht: der unendlich differenzierte, konkrete, durch zeitliche und lokale Entstehungsvoraussetzungen, Künstlerindividualität und Schicksale des Denkmals bedingte künstlerische Inhalt! So mußte aber die Pietät notwendig überall, wo sie über defensive Zerstörungsproteste hinausging (und das war zumeist der Fall) nur Unheil anrichten. Sie schützte nicht, was an den Denkmalen wertvoll war, sondern sie bemühte sich, die alten Kunstwerke dem entsprechend herzurichten, was ihr als wertvoll erschien, und das waren keine individuellen künstlerischen Werte, sondern antiquarische Rezepte, theoretische Stildogmen und abscheuliche Banalitäten. Wenn man den «historischen» Rekonstruktionen und Restaurierungen auf den Grund geht, so findet man leicht heraus, daß das «Historische» daran sich bestenfalls zu dem ursprünglichen Kunstwerk ähnlich verhielt, wie der erwähnte Ölfarbendruck zu dem Originalgemälde Raffaels, zumeist aber nichts anderes war als eine historisierende Verkörperung jener entsetzlichen Stil- und Geschmacklosigkeit, die man in der Hauptmasse der neuen Kunsterzeugnisse der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts beobachten kann. Frühere Kunstperioden haben oft alte Kunstwerke höchst radikal behandelt, doch das Neue, was sie mit ihnen verbunden haben, war Kunst und, was sie schonten, blieb Kunst, deshalb kann man sich schließlich mit den Umgestaltun-
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gen aussöhnen. Der Denkmalschutz des neunzehnten Jahrhunderts bestand aber darin, daß die interessantesten, schönsten, denkwürdigsten Kunstwerke unter dem Vorwande der technischen Sicherung oder Stilreinigung (oft auch ohne solchen Vorwand) sowohl in alten Teilen als auch in neuen Zutaten auf das Niveau der geläufigen Kunst- und Stilvorstellungen herabgedrückt und, so zu einer schmählichen Paraphrase des damaligen künstlerischen Unvermögens umgestaltet, mit anderen Worten als Kunstwerke vernichtet wurden. Zwischen den sogenannten stilgerechten Wiederherstellungen und Umbauten der mittelalterlichen Burgen und Dome und den unerträglichen Gemeinplätzen der Villen-, Rathaus- und Möbelmagazinsgotik, zwischen den «auf den Glanz» hergerichteten Kircheninterieurs und dem hohlen Protzentrum eines Boulevardrestaurants, zwischen den Regulierungsattentaten auf alte Städte und den Zinshausstraßen, die einer Wüste, den Plätzen, die einer Folterkammer, den öffentlichen Repräsentationsbauten, die abstoßenden Mißgeburten oder lächerlichen Maskeraden gleichen, zwischen den Freilegungsidealen und den modernen, zur vermeintlichen Zierde der Plätze aufgestellten Standbildern, die der «Ästhetik» der Verschönerungsvereine entsprechen, besteht nur in Äußerlichkeiten ein Unterschied und oft nicht einmal in diesen, es verknüpft sie der gleiche Tiefstand der künstlerischen Empfindung, die gleiche Kunst tritt uns dort und da mit oder ohne historische Verkleidung entgegen, eine Scheinkunst, die sich zur wirklichen, und zwar sowohl zur neuen als zur alten, wie ein Panoptikum zum Leben verhält. Darin liegt das wichtigste und schwerste Problem der Denkmalpflege. Denn wenn auch die Betonung des Wertes der Originalität und Notwendigkeit der Schonung der Denkmale in ihrer ursprünglichen oder historisch gewordenen Eigenart (die Hauptargumente, mit welchen wir kämpfen) vielen literarisch und wissenschaftlich gebildeten Menschen einleuchten und manche alte Kunstwerke vor Vernichtung oder künstlerischer Depravierung bewahren, so wird es sich doch stets um sporadische und zumeist mit Gewalt erzwungene Erfolge handeln, so lange nicht die Qualitäten der alten Kunstwerke, für deren Schonung wir kämpfen, in der Allgemeinheit Verständnis und Resonanz finden werden, was ohne eine tiefgehende Wandlung des allgemeinen Verhältnisses zur Kunst nicht möglich ist. Woher soll sie jedoch kommen? Man hofft auf eine neue Kunst, als ob man nicht in der letzten Zeit allzuoft erlebt hätte, daß das Gute, was an neuen Kunstwerken geschaffen wurde, in der allgemeinen Kunstproduktion sich in kurzer Zeit in neue Geschmacklosigkeiten verwandelte. Drakonische Maßregeln allgemeiner Natur nützen ebensowenig, wie honigsüße Belehrungsworte; sie erwecken nur Mißtrauen. Ebensowenig kann ein Appell an die auf Begriffen und nicht auf Kunsterlebnissen beruhenden Heimatsliebe zum Ziele führen, sie ersetzt höchstens alte Rezepte durch neue, lokalisierbare. Wie in allen Kulturfragen entscheiden Beispiele und die vor keinem Kampfe zurückschreckende Überzeugung einzelner Persönlichkeiten, die schließlich die übrigen Menschen mitreißt. Wichtige Fragen müssen usque at finem, bis ans Ende unerbittlich ausgefochten werden, denn nur dadurch können die wahlverwandten Geister geweckt und Kristallisierungspunkte für eine neue künstlerische Kultur geschaffen werden.
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SCHAFFUNG EINER ÖSTERREICHISCHEN STAATSGALERIE (1910)*
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ie moderne Galerie soll durch Einbeziehung der österreichischen Kunst der älteren Vergangenheit zu einer österreichischen Staatsgalerie ausgestaltet werden. So reich auch die Bestände sind, die die verschiedenen Sammlungen des Reiches, insbesondere die des Allerhöchsten Kaiserhauses der Allgemeinheit darbieten, so weisen sie doch – als Ergebnis bestimmter historischer Umstände – zwei wesentliche Lücken auf, in deren Ausfüllung dem Staat eine ungemein wichtige Aufgabe erwächst. Die eine dieser Lücken betrifft die Moderne Kunst, also jenes Gebiet, dem die Moderne Galerie gewidmet war. Der in dieser Sammlung vorhandene Stock von Kunstwerken soll den Ausgang der weiteren Sammeltätigkeit des Staates bilden und die der Modernen Galerie zugrunde liegende Programmidee unvermindert und unverändert in das Arbeitsgebiet der Staatssammlung aufgenommen werden. Die junge Sammlung hat sich bereits jetzt schon als ein erfülltes Bedürfnis im Wiener und im Gesamt-österreichischen Kunstleben erwiesen und wiederholt die Anerkennung des Auslandes gefunden. Das der Galerie anfänglich zugrunde gelegte Programm, nach dem als zeitliche Grenze nach rückwärts ungefähr die Mitte des XIX. Jhs. angesetzt war, korrigierte sich seitdem in der Praxis des Sammelns von selbst in der Weise, daß diese Grenze bis zum Anfange des XIX. Jhs. zurückgeschoben wurde. Damit ist einerseits ein historisch richtiger Grenzpunkt und anderseits ein organischer Anschluß an die anderen großen Wiener Galerien gewonnen, deren Sammeltätigkeit im wesentlichen, soweit sie sich auf die gesamte Kunst erstreckt, mit diesem Termine aufhört. Die künftige Aufgabe dieser Abteilung der staatlichen Sammlung wäre sohin folgendermaßen zu umschreiben: Die Entwicklung der gesamten Kunst (Malerei, Plastik und, soweit es zur Ergänzung des Kunstbildes notwendig ist, auch zeichnende Künste) vom Ende des XVIII. Jhs. an bis in die Gegenwart ist in ihren hauptsächlichen Richtungen und Wegen darzustellen, und zwar sollen dabei im wesentlichen nur jene Erscheinungen zum Ausdrucke kommen, denen eine richtunggebende, schöpferische Bedeutung zukommt, und diese sollen in charakteristisch erschöpfenden und ästhetisch vollwertigen Werken zur Vertretung gelangen. Auf diese Weise würde der Staat nicht nur das lebendige Kunstschaffen fördern, dessen Anschluß an die allgemeine, unabweislich notwendige Entwicklung ermöglichen und
* Erstabdruck in: Mitteilungen der k.k. Zentralkommission, 3. F., 9, 1910, Sp. 358–360.
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7.4 | SCHAFFUNG
EINER ÖSTERREICHISCHEN
STAATSGALERIE
auch dem allgemeinen Kunstempfinden dienen, dem er eine stete Quelle der Stärkung und einen unerläßlichen Maßstab der Echtheit und Höhe darbietet. Von der ausländischen Kunst werden in dieser Abteilung naturgemäß nur die größten, die gesamte europäische Kunstentwicklung beeinflussenden Erscheinungen zu berücksichtigen sein, während die österreichische Staatssammlung das österreichische Kunstleben in reicherer, auf alle einzelnen Entwicklungsmomente eingehender Ausgestaltung zur Geltung bringen muß. Doch sollen auch auf diesem Gebiete im wesentlichen nur führende, originale und auch vom europäischen Standpunkte aus bedeutsame Erscheinungen Vertretung finden. Diese Einschränkung ist um so eher möglich und auch geboten, als die Galerie auf dem Gebiete der modernen österreichischen Kunst eine Ergänzung in anderen Wiener Sammlungen, z. B. im Museum der Stadt Wien (Werke von vorwiegend lokalem Interesse) und der österreichischen Abteilung der kaiserlichen Galerie findet. Die zweite Lücke, die auszufüllen der staatlichen Sammeltätigkeit als neue Aufgabe zufallen soll, betrifft die österreichische Kunst der älteren Vergangenheit. Auch hier besitzt wohl vor allem die kaiserliche Galerie eine Anzahl hochbedeutender Werke aus diesem Gebiete, vornehmlich solcher Künstler, welche mit dem Allerhöchsten Hofe in persönlicher Beziehung standen. Doch kann es nicht in der Absicht dieser mit höchstem künstlerischem Wertbesitz erfüllten Sammlung gelegen sein, die Entwicklung der gesamten österreichischen Kunst planmäßig zur Anschauung zu bringen. Ein mannigfaltiges Material ist ferner in den verschiedenen Landesmuseen geborgen. Aber diese Sammlungen arbeiten naturgemäß unter wesentlich lokalen Gesichtspunkten und sind in ihrer Tätigkeit vielfach durch Mangel an Mitteln eingeengt. So fehlt tatsächlich die Möglichkeit, die künstlerische Vergangenheit der österreichischen Länder in systematischem Zusammenhange zu überschauen und z. B. die Bedeutung der österreichischen Barockmalerei und Plastik entsprechend zu würdigen, die doch zweifellos eine sehr bedeutsame Ausprägung der allgemeinen Zeitkunst und einen Höhepunkt der künstlerischen Entwicklung der österreichischen Länder darstellen; so ist ferner nirgends die Möglichkeit vorhanden, die mannigfaltige Ausgestaltung dieser Künste schon im XV. und XVI. Jh., die, je mehr ihre Erforschung vorwärts schreitet, in ihren verschiedenen lokalen Individualisierungen um so interessanter hervortritt, zusammenhängend zu verfolgen. Als zweiter Hauptpunkt des Programmes der Staatsgalerie wäre daher die Organisierung einer Kunstsammlung aufzustellen, welche der österreichischen Kunst ohne zeitliche und lokale Einschränkung, also von ihrem Ursprunge bis zum Ende des XVIII. Jhs., wo sich die Moderne Abteilung anschließt, eine Stätte bieten würde. Die Forderung, der staatlichen Sammeltätigkeit dieses neue Gebiet zu eröffnen, ist um so dringender, als schon viele hochbedeutsame Denkmäler der Plastik und Malerei außer Landes gewandert sind und Zierden fremder Museen bilden. Mit der steigenden Entwicklung der wissenschaftlichen Erforschung dieses Gebietes macht sich auch eine steigende Geltung österreichischer Werke auf dem allgemeinen Kunstmarkte fühlbar und verschiedene ausländische Museen schicken sich an, österreichische Abteilungen einzurichten.
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Aufgabe der staatlichen Sammlung würde es sein, dieser Entwicklung nach Möglichkeit entgegenzuwirken und freiwerdendem Kunstgute ein schützendes Obdach zu bieten, das ihm bisher fehlte. Ihre Tätigkeit würde in engster Fühlung mit den Grundsätzen der modernen Denkmalpflege vorzugehen haben, welche vorschreiben, daß jedes Kunstwerk tunlichst an dem Orte und in dem Zusammenhange zu erhalten ist, für den es geschaffen wurde. Das Sammeln würde sich daher im wesentlichen auf jene Werke zu beschränken haben, die sich bereits losgelöst von ihrem Ursprungsboden im Kunsthandel befinden und damit der Entfremdung preisgegeben sind; auch solche Kunstwerke könnten in der staatlichen Galerie, sei es als Leihgut oder in dauernder Verwahrung Obdach finden, die an Ort und Stelle der Beschädigung oder der Zerstörung ausgesetzt sind oder deren Erhaltung mit so großen Kosten verknüpft ist, daß sie von dem Besitzer als willig abgeschüttelte Last empfunden werden. Eine weitere Schranke würde das staatliche Sammeln in den berechtigten Ansprüchen der Landesmuseen anzuerkennen haben. Während die Landesmuseen in der Regel auf das Lokale, kulturhistorisch Wertvolle sich konzentrieren, würde die staatliche Galerie ihr Augenmerk auf das Typische, auf das nicht nur kulturhistorisch, sondern auch ästhetisch Wertvolle lenken. Die Z. K. begrüßt von ihrem Standpunkte das gegebene Programm auf das wärmste und befürwortet dessen Durchführung.
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LOKALMUSEEN (1911)*
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in auffallender Charakterzug der österreichischen Lokalmuseen ist ihre große Verschiedenheit untereinander. Neben Anstalten, die als mustergültig bezeichnet werden können (z. B. die Museen von Pilsen oder Reichenberg), gibt es viele, die einem Trödlerladen gleichen oder einer alten Kuriositätenkammer, neben Museen, die zielbewußt geleitet werden, solche – und sie sind leider in der überwiegenden Mehrzahl –, denen entweder nur ein ungeklärter Sammeltrieb oder ein dilettantenhaftes, oft einseitiges Interesse zugrunde liegt. Es fehlt eben gänzlich an einer einheitlichen Organisation; dem Zufall und Nachahmungsbedürfnisse verdanken die meisten Lokalmuseen ihre Entstehung und Zufall und vielfach auch falsche Tendenzen bestimmen ihre weiteren Schicksale. Es ist sehr fraglich, ob allzu zahlreiche Lokalmuseen, die eine große Zersplitterung des in ihnen unterzubringenden Denkmalbestandes bedeuten und vielfach zu einer ungesunden Konkurrenz führen, überhaupt von Vorteil sind; doch unter allen Umständen ist der Mangel an Organisation zu beklagen, der es verhindert, daß unsere Lokalmuseen jenen Nutzen bringen, den sie ihrem Wesen nach bringen könnten. Als Hauptaufgabe eines Lokalmuseums muß die Förderung des Interesses und der Liebe für die lokale, kulturelle und künstlerische Vergangenheit und der Kenntnis derselben angesehen werden. Es hat wenig Sinn und Wert, wenn mit den bescheidenen Mitteln, die in der Regel solchen Museen zur Verfügung stehen, vereinzelte Objekte fremder Provenienz erworben werden wie in den großen Museen, oder wenn die Sammlungen nach den Neigungen des jeweiligen Verwesers nach einer bestimmten Richtung hin einseitig ausgestaltet werden. Es gibt viele Lokalmuseen, die fast ausschließlich Münzen und prähistorische Funde, dann wiederum andere, die nur Werke der Volkskunst enthalten. Es ist ohne Zweifel richtig, daß durch die Aufbewahrung solcher Objekte Manches gerettet wurde, was sonst verloren gegangen wäre, doch die Daseinsberechtigung und die Mission der lokalen Museen ist sicher nicht in der Ausgestaltung zu solchen Spezialsammlungen zu suchen, wodurch die großen Sammlungen, in welchen der Gelehrte doch in erster Linie sein Material suchen wird, nur geschädigt werden. Eine solche Spezialisierung bewirkt, daß die Museen, bei welchen sie vorhanden ist, fast gar nicht besucht werden, da sie den Nichtfachmann nur langweilen und gerade nach jener Richtung hin, nach welcher sie vor allem einwirken sollten: das Publikum für die heimatliche Vergangenheit zu interessieren, völlig steril bleiben. Bei der allgemeinen
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Erstabdruck in: Mitteilungen der k. k. Zentralkommission, 3. F., 10, 1911, Sp. 328–330.
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THEORIE, FORSCHUNG
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Interesselosigkeit gehen dann oft mit der Zeit die Bestände, die einer einseitigen, antiquarischen Vorliebe ihre Zusammenstellung verdanken, wieder verloren. Zu der planlosen und unzweckmäßigen Sammeltendenz gesellt sich vielfach noch als ein drittes Übel der Dilettantismus. Es werden Objekte gesammelt und aufbewahrt, die überhaupt nicht in ein Museum gehören oder nicht das sind, für was sie ausgegeben werden: Abnormitäten, Reisetrophäen, moderne englische Nachahmungen japanischer Arbeiten und ähnliches. Es wäre eine lohnende Aufgabe des Staates, den in den Lokalmuseen gelegenen pädagogischen Aufgaben Beachtung zu schenken und zu versuchen, sie in die richtige Bahn zu lenken, wie es auch in den meisten europäischen Staaten bereits der Fall ist. Die zahlreichen Subventionsgesuche könnten eine Handhabe bieten, auf die Leitung und Verwaltung der Museen heilsamen Einfluß zu nehmen. Es sollten folgende Bedingungen gestellt werden: a) Die Berücksichtigung eines allgemeinen Rahmenprogrammes; b) Die Vornahme einer periodischen Inspektion durch ein staatliches Organ; c) Die Einräumung eines Vorkaufsrechtes für den Staat für den Fall der Auflösung des Museums. Für das Rahmenprogramm wären folgende Grundsätze maßgebend: 1. Die Ankäufe der Lokalmuseen haben sich in erster Linie auf Erwerbung von Objekten lokaler Provenienz aus einem bestimmten Umkreise zu beschränken (Stadt und nächste Umgebung, politischer Bezirk, alte kulturelle oder Verwaltungseinheiten). 2. Die Objekte, die diesem Wirkungskreis entsprechen, sind nicht wahllos anzuschaffen und anzuhäufen, sondern derart auszuwählen, daß sie ein möglichst prägnantes und erschöpfendes Bild der kulturellen Vergangenheit und der künstlerischen alten und neuen Produktion des Sammlungsgebietes geben. 3. Eine größere, einseitige Konzentration auf eine bestimmte Denkmalkategorie oder eine bestimmte Kulturperiode muß durch die besondere historische Bedeutung der bevorzugten Denkmalkategorie oder Kulturperiode für das Sammlungsgebiet begründet sein oder mit alten bedeutenden Beständen der Sammlung zusammenhängen. 4. Eine ähnliche Aufgabe wie die eigentlichen Lokalmuseen haben auch die größeren Territorialmuseen zu erfüllen für das größere Gebiet, dessen Mittelpunkt sie sein sollen. 5. Solche Territorialmuseen können nach Maßgabe der Kräfte und Mittel auch Bestände aufnehmen, welche geeignet sind, über allgemeine Fragen der Entwicklung der Kunst und Kultur zu belehren, was jedoch nicht zu einer Konkurrenz mit großen Museen und zum ziellosen Einkaufen einzelner, zusammenhangloser Denkmale der allgemeinen Kunstentwicklung führen darf, sondern in mehr illustrativer, systematischer Darstellung konkreter Entwicklungsreihen nach sachlichem oder stilistischem Zusammenhange durch charakteristische
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Originale und Reproduktionen bestehen muß. Doch das Schwergewicht muß auch da auf Objekte lokaler Provenienz gelegt werden. 6. Als ein allgemein gültiger Grundsatz für die Sammeltätigkeit der Lokal- und Territorialmuseen ist ferner zu beachten, daß von Kunstwerken im öffentlichen Besitze nur jene in Museen übertragen werden dürfen, welche an der ursprünglichen Bestimmungsstelle nicht erhalten werden können. 7. Alle in einem Lokal- oder Territorialmuseum befindlichen Denkmale müssen genau und sachgemäß inventarisiert werden. 8. Alle Musealobjekte müssen mit der größten Fürsorge für ihre Konservierung aufbewahrt werden. Dieses Programm ist mit Absicht ziemlich weitmaschig gefaßt, damit auf verschiedene Spezialfälle die weitestgehende Rücksicht genommen werden kann. Viel könnte auch, wenn eine regelmäßige Inspektion der Lokalmuseen eingeführt würde, im gütlichen Einvernehmen von Fall zu Fall geregelt werden.
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MUSEEN UND BIBLIOTHEKEN (1911)*
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m die Museen wurde in den zwei letzten Jahrzehnten ein stiller, doch ungemein heftiger Kampf geführt, der heute, obwohl sich die siegreichen Anschauungen noch nicht überall volle Geltung verschafft haben, im allgemeinen als entschieden betrachtet werden kann. Man pflegt gewöhnlich, um diesen Kampf zu charakterisieren, die alten Kunst- und Raritätenkammern und heutigen Museen in einen Gegensatz zu bringen, was nicht ganz richtig ist, da die alten Hofsammlungen in mancher Beziehung den Museen, wie wir sie uns heute wünschen, näher standen als die meisten Gründungen des vorigen Jahrhunderts. Ich erinnere mich, vor einigen Jahren die Wohnung eines bekannten, unterdessen verstorbenen französischen Kunstschriftstellers gesehen zu haben, die, obwohl sie manche wertvolle Objekte enthielt, nicht nur das abschreckendste Beispiel einer menschlichen Behausung war, wie sie nicht sein soll, sondern auch ein Paradigma dessen, was in den Museen bekämpft werden mußte. Antiquitäten ohne Wahl und Kritik gesammelt, lagen da, in wüstem Durcheinander, das Spiegelbild eines Sammlertriebes, dem es nur um das Besitzen und Aufstapeln von alten Sachen zu tun war, doch nicht um Kunstgenuß und Belehrung. Liebhabertum und Dilettantismus waren die Grundlage, das Bric à brac den lächerlichsten Malerateliers das künstlerische Ziel der meisten Sammlungen des neunzehnten Jahrhunderts. Allmählich hat sich jedoch eine Wandlung vollzogen. Man hat eingesehen, daß die bloße Aufspeicherung von Altertümern und ihre Ueberwachung durch irgendeinen «Kustos» in der ursprünglichen Bedeutung des Wortes nicht genügt, die Museen zu einer wichtigen öffentlichen Institution, wie beabsichtigt wurde, zu gestalten, sondern daß die öffentlichen Sammlungen, wenn sie die mit ihrer Begründung und Erhaltung verbundenen großen Kosten rechtfertigen sollen, eine zweifache, über das ziellose Sammeln von alten Kunstwerken hinausgehende Mission zu erfüllen haben: die kunstgeschichtliche wissenschaftliche Vertiefung der Kenntnis der alten Kunst und die Hebung der allgemeinen künstlerischen Kultur. Die Entwicklung der Berliner Museen bietet das beste Beispiel für die Bedeutung der öffentlichen Kunstsammlungen für die Erforschung der alten Kunst. Man
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Max Dvoøák, Museen und Bibliotheken, («Museen und Bibliotheken unter Verwaltungstechnischem Standpunkte.» Von Wilhelm Freiherrn v. Weckbecker, Wien, 1910), in: Neue Freie Presse, Morgenblatt, Nr. 16692, 9. Februar 1911, Sp. 1–2.
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7.6 | MUSEEN
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BIBLIOTHEKEN (1911)
war in Berlin, als es sich um die Ausgestaltung der Museen handelte, man könnte beinahe sagen, in der günstigen Lage, keine großen alten Bestände zu besitzen. Die alten Sammlungen sind, da wirtschaftliche und politische Verhältnisse, persönliche Neigungen, oft auch der Zufall zumeist entscheidend auf ihren Inhalt eingewirkt haben, stets mehr oder weniger einseitig, so daß sie in der Regel die Kunst einer bestimmten Periode oder eines bestimmten Gebietes durch glänzende Kunstwerke illustrieren, wogegen andere Perioden oder Gebiete gar nicht oder nur ungenügend vertreten sind. Mit weitem Blick hat Bode mit einem Stabe von wissenschaftlichen Mitarbeitern vorbildlich für alle heutigen großen Kunstsammlungen die alte Einseitigkeit durch die möglichste Vielseitigkeit ersetzt, indem er zielbewußt Kunstwerke weder vom Standpunkte der alten Musealglanzstücke noch nach dem Maßstabe der jeweiligen Mode, noch nach rein antiquarischen Gesichtspunkten, sondern nach der Bedeutung für die Entwicklung der Kunst zu sammeln begann. Das kam nicht nur den Museen in Berlin, die dadurch die instruktivsten der Welt wurden, zunutze. Die Aufmerksamkeit wurde auf viele, bisher vernachlässigte Gebiete der Kunst gelenkt, zahllose, bis dahin unbekannte Denkmäler, ja ganze Denkmälergruppen kamen zum Vorschein und sind allgemein bekannt geworden, und sei es durch die methodische Zusammenstellung und kritische Katalogisierung der gesamten neuen Bestände, sei es durch die Veröffentlichung der mit dieser wissenschaftlichen Musealarbeit verbundenen Untersuchungen, wurde die Erforschung der alten Kunst vielfach gefördert, ja noch mancher Richtung hin geradezu erst begründet. Es dürfte wohl kein öffentliches Museum mehr geben, welches sich ähnlichen Aufgaben grundsätzlich verschließen würde, die es auch kleinen oder mit geringeren Mitteln ausgestatteten Sammlungen ermöglichen, sich an den gemeinsamen Zielen zu beteiligen. So haben aber heute die gut verwalteten Museen keinen geringeren Anteil an der kunstgeschichtlichen Forschung als die Universität, ja ersetzen vielfach die kunstgeschichtlichen Institute, die längst an den Universitäten hätten eingerichtet werden sollen. Es ist selbstverständlich, daß die Museen diese Aufgaben nur dann erfüllen können, wenn sie von wissenschaftlich vollständig ausgebildeten Kräften geleitet werden. Und dann die zweite Mission. Man hat mit Recht die alten Museen mit Leichenkammern verglichen, in denen die Kunstwerke, aus der ursprünglichen Umgebung herausgerissen, aller Voraussetzungen ihrer Wirkung durch trostlose Magazinierung beraubt, zu toten Schemen herabsinken. Solche Sammlungen, deren es noch immer genug gibt (auch in Wien), sind nicht nur nicht nützlich, sondern im höchsten Grade verwerflich, da sie die Mißachtung der künstlerischen Eigenart und Potenz in breite Massen tragen. Ihre Gebrechen liegen jedoch nicht in ihrer Natur, sondern nur in den falschen Grundsätzen ihrer Verweser, die mehr Verständnis für die Zahl der Inventarnummern und für die «möglichste Ausnützung der Räume» als für den inneren Wert der einzelnen Kunstwerke besitzen. Auch da dringen überall neue Anschauungen siegreich vor. In einem Vortrag, den er vor vier Wochen in Dresden hielt, bezeichnete
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THEORIE, FORSCHUNG
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Lichtwark die im vorigen Jahre erfolgte Umgestaltung des Rembrandt-Saales der Dresdener Galerie als das wichtigste Ereignis im Dresdener Kunstleben seit vielen Jahren. Das war keine Uebertreibung: die alten Bilder wirken in der neuen Aufstellung wie eine Offenbarung, sie verwandelten sich scheinbar in neue Bilder von unbeschreiblich hohen Qualitäten, die, während man sie früher mehr aus Neugierde und Wißbegierde betrachtete, in der Zukunft mit elementarer Gewalt das künstlerische Empfinden erwecken und läutern werden. Diese Umwertung beruht nicht etwa nur auf einer geschmackvolleren Aufstellung. Sie berührt sich wohl mit der modernen Kunst in der Verehrung der Individualität der Kunstwerke, ist aber zugleich die Frucht eines fortschreitenden intensiven Eindringens in das Wesen älterer Kunstperioden und ihrer Schöpfungen, das wir der Kunstgeschichte zu verdanken haben. Denn die Entwicklungsgeschichte der Kunst hat uns gelehrt, in alten Kunstwerken nicht abstrakte Stilbegriffe und Kunstprogramme, sondern Dokumente des ununterbrochenen und unerschöpflichen Ringens um die Bewältigung der künstlerischen Probleme zu sehen, das die Kunstwerke trennt und vereinigt und, richtig in der Aufstellung zum Ausdruck gebracht, in allen Zeiten eine erhebende, lebendige Wirkung, ja mehr als das, ein Verständnis für das Wesen der Kunst immer wieder von neuem zu vermitteln vermag und das die Museen, bisher vielfach retardierende, akademische Anstalten, in ein Emporium des dauernden allgemeinen Fortschrittes, in ein Gegengewicht gegen die destruktiven Elemente unseres Kunstlebens, gegen das Reproduktionsunwesen, die Skioptikonvorträge, die Kunstnachahmungen und eine Kunst, die auf ein Publikum ohne selbständiges Kunstempfinden berechnet ist, verwandeln kann. Zuweilen stoßen freilich diese Bestrebungen an einen prinzipiellen Widerstand der noch in alten Anschauungen aufgewachsenen Verwaltungsbehörden. Um so freudiger ist die soeben erschienene Broschüre des Freiherrn v. Weckbecker zu begrüßen, in der ein hoher Verwaltungsbeamter mit seinem Verständnis für die geschilderte Entwicklung und ihre Forderungen in einer sorgfältigen Zusammenfassung der leitenden Gesichtspunkte der modernen Museal- und Bibliotheksverwaltung darzustellen versuchte. Es ist dies meines Wissens, soweit es sich um Museen handelt, der erste Versuch dieser Art. Er könnte leicht zu einer Verwaltungslehre der Museen und Bibliotheken erweitert werden, die ohne Zweifel einem vielfachen Bedürfnis entsprechen würde.
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«MONA LISA». EIN VORSCHLAG ZUM SCHUTZ DER KUNSTWERKE (1911) *
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or einigen Tagen besprach ich im Freundeskreis die Frage, ob ein Diebstahl und Verkauf von Kunstwerken, die so berühmt sind wie etwa die Gemma Augustea im Wiener Hofmuseum, denkbar sei. Die Meinungen waren geteilt. Ehe eine Woche verging, haben die Recht behalten, die die Möglichkeit eines solchen Diebstahles zugegeben haben, und ich zweifle nicht, daß dies auch beim zweiten Teile der Frage zutreffen dürfte. Man darf nicht vergessen, daß die meisten der großen amerikanischen Sammler nicht aus Kunstliebe, sondern aus Sport sammeln, so daß auch der verborgene Besitz für sie einen Wert hat, ja vielleicht einen größeren, als wenn es sich um eine normale Erwerbung handeln würde. Und so ist es immerhin nicht ganz ausgeschlossen, daß die «Gioconda», die als die subtilste Schöpfung einer unüberbietbaren Kulturhöhe galt, auf Jahre in irgend einem Kasten eines amerikanischen Viehhändlers verschwindet, ja vielleicht in dieser Umgebung zu Grunde geht. Das Amielsche Gesetz der Ironie scheint auch in der Geschichte der Kunstwerke zu walten. Es unterlag keinem Zweifel, daß im Louvre ein solcher Diebstahl besonders leicht war. Wer in seinen Sammlungen Studien nachging, weiß, wie nachlässig die Verwaltung in den meisten Abteilungen gewesen ist. Es gab einige darunter, in denen der verantwortliche Beamte täglich in der Regel nur auf eine halbe Stunde in sein Bureau kam, an vielen Tagen gar nicht, so daß man leichter von einem Minister als von ihm eine Auskunft bekommen konnte. Damit möchte ich aber nicht behaupten, daß ein ähnlicher Diebstahl nur im Louvre möglich sei. Die schärfste Ueberwachung kann getäuscht werden, so lange der unsinnige, kulturwidrige Schacher mit alten Kunstwerken fortdauert. Es wird trotz aller Ueberwachung stets leichter sein, ein altes Bild, eine alte Goldschmiedearbeit, die eine Million wert sind, aus einem Museum, als denselben Betrag aus einer Bank zu stehlen. Das Grundübel liegt nicht in mangelhaften Musealverwaltungen, sondern in jener krankhaften Erscheinung unseres Kunstlebens, die man den Amerikanismus im Kunsthandel nennt und die darin besteht, daß ohne Rücksicht auf kulturelle Interessen, Tradition, historisches und künstlerisches Empfinden alte Kunstwerke auf Schleichwegen und für wahnwitzige Preise zur Befriedigung persönlichen Ehrgeizes oder auch nur einer Laune zuliebe der Oeffentlichkeit entrissen werden. Es wäre weder gerecht noch klug, wenn man deshalb dem Sammeln von alten Kunst-
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Erstabdruck in: Neue Freie Presse, Morgenblatt, Nr. 16887, 27. August 1911, S. 2.
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THEORIE, FORSCHUNG
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DIDAKTIK
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DENKMALPFLEGE | 7.
werken und dem Kunsthandel, denen die Kunstgeschichte so viel zu verdanken hat, Schwierigkeiten bereiten würde, wohl wäre aber dringend notwendig, dem amerikanischen Raubrittertum, das leider auch auf dem Kontinent manche Nachahmung gefunden hat, Schranken zu legen. Ausfuhrverbote nützen da, wie die Erfahrung lehrt, wenig, dagegen könnte eine internationale Konvention, durch die bestimmt wird, daß Kunstwerke aus öffentlichem Besitze nirgends verkauft oder gekauft werden dürfen und, wenn sie dennoch in fremdem Besitz gelangen, nach der Feststellung der Provenienz sofort zurückgestellt werden müssen, die zunehmende Verminderung des öffentlichen alten Kunstbesitzes, wenn auch nicht ganz beheben, so doch wesentlich einschränken. Und die «Mona Lisa»?
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OESTERREICHISCHE STAATSGALERIE (1912)*
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ie Umgestaltung der Modernen Galerie in eine österreichische Staatsgalerie, in der nicht nur malerische und plastische Werke der Gegenwart und unmittelbaren Vergangenheit, sondern auch Denkmäler vorangehender Perioden der österreichischen Kunst gesammelt werden sollen, ist auf das freudigste zu begrüßen und gereicht der umsichtigen, verständnisvollen und entschlossenen Leitung der staatlichen Kunstangelegenheiten zu großer Ehre. Wir besitzen wohl in Wien alte wundervolle Sammlungen in Hof- und Privatbesitz, doch die sind im wesentlichen abgeschlossen und können nicht den Anforderungen entsprechen, die an eine lebendige, den heutigen neuen Aufgaben entsprechende museale Institution gestellt werden müssen. Schon nach den zur Verfügung stehenden Geldmitteln kann es sich bei der kaiserlichen Gemäldegalerie nur um mehr oder weniger gelegentliche Erwerbungen handeln, die sich naturgemäß dem alten Bestande der Sammlungen anzupassen haben. Und es ist dies vielleicht nicht einmal zu bedauern, denn die großen internationalen Museen sind, wie Dehio mit Recht bei dem Denkmalpflegetage in Salzburg betonte, soweit sie auf dem Prinzip aufgebaut sind, aus allen Weltgegenden um jeden Preis Kunstwerke zusammenzutragen, sie ihrer natürlichen historischen Umgebung zu entreißen und auf diese Weise im Frieden durch Waffen der finanziellen Uebermacht fremde Länder zu berauben, eher zu fürchten als zu wünschen und haben nur als Refugium für den im Kunsthandel heimatlos gewordenen Kunstbesitz eine Berechtigung. Museen, die wir brauchen, dürfen nicht Selbstzweck sein, sondern müssen in einem tatsächlichen Bedürfnisse der Gegenwart begründet sein. Dazu gehören vor allem Sammlungen, die als ergänzende Institutionen des öffentlichen Denkmalschutzes das aufnehmen, was von den heimatlichen alten Kunstschätzen auf keine andere Weise gerettet werden kann. Die Zeiten, wo nur italienische oder niederländische Kunstwerke als wert betrachtet wurden, in öffentliche Sammlungen aufgenommen zu werden – nach einer bestimmten, sakrosankten Rangordnung – sind längst vorbei. Wir haben kunstgeschichtlich viel gelernt, seitdem man davon abkam, die Kunst der Vergangenheit nach ästhetischen Systemen zu bewerten, und sie aus ihren individuellen Voraussetzungen, wie auch aus ihrem Zusammenhange mit der geschichtlichen Gesamtentwicklung der Kunst zu verstehen versuchte. Welche Entdeckungen gab es da! Ganze Epochen und die größten Kunstgebiete sind für die
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Erstabdruck in: Neue Freie Presse, Morgenblatt, Nr. 17050, 10. Februar 1912, S. 1–2.
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Gegenwart neu erschlossen worden. Wie lange ist es her, daß es noch als ein Zeichen des guten Geschmackes galt, über Bernini zu schimpfen, und vor wenigen Jahren konnte noch ein bekannter deutscher Kunstgelehrter ohne Widerspruch die lächerliche Behauptung aufstellen, die deutsche Kunst sei bis auf wenige Ausnahmen stets nur rezeptiv gewesen. Nach und nach erweiterte sich jedoch unser Horizont in kunstgeschichtlichen Fragen. Wir sind belehrt worden, daß jedes Jahrhundert nach dieser oder jener Richtung großes in der Kunst geschaffen hat, und daß es unter den Völkern, die die Träger der fortschreitenden Kultur im Mittelalter und in der Neuzeit waren, keines gegeben hat, das sich nicht an der Weiterbildung der Kunst beteiligt und das nicht eine künstlerische Vergangenheit hätte, deren Früchte nicht minder wertvoll sind als Kunstschöpfungen, die man früher als die einzig giltige Offenbarung der alten Kunst angesehen hat. Bei uns in Oesterreich wäre diese Erkenntnis beinahe zu spät gekommen. Denn während beispielsweise die unbedeutendsten Steinmetzarbeiten des florentinischen Quattrocento mit wahnwitzigen Preisen bezahlt wurden, betrachtete man die Werke der alten österreichischen Kunst fast durchwegs als einen Trödel, gut genug um Malerateliers und Wohnungen von Antiquitätenliebhabern zu schmücken, doch ohne Anspruch auf museale Ehrenplätze. Leider hinderte aber diese geringe Einschätzung die herumziehenden Agenten der Kunsthändler niedrigster Gattung nicht, solche Kunstwerke den Besitzern abzuschwatzen, so daß durch Jahrzehnte unsere Kirchen und Schlösser geplündert wurden. Nach und nach begann man freilich den Schaden einzusehen, der dadurch angerichtet wurde, und die Bestrebungen, wenigstens das, was die Verwüstungsjahre überstanden hat, an Ort und Stelle zu erhalten, gewinnen immer mehr an Bedeutung. Dabei gibt es aber unzählige Kunstwerke, die, schon längst von ihrer Heimat losgelöst, im Handel aus einem Laden in den anderen und schließlich gewöhnlich ins Ausland wandern, wo man sie früher zu schätzen begonnen hat, als bei uns. Denn um Museen, die diesem mobilen alten österreichischen Kunstbesitz eine Zufluchtsstätte bieten würden, ist es bei uns in Oesterreich sehr schlecht bestellt. Die lokalen Museen, die dazu berufen wären, die bedrohten Kunstwerke von lokaler Bedeutung aufzunehmen, sind zum großen Teil Sammlungen von Raritäten und Kuriositäten ärgster Gattung. Die Provinzial- und Landesmuseen haben zumeist aus dem vergangenen Jahrhundert so viel Nebenzwecke und so verschiedenartige Gesichtspunkte geerbt, daß sie nur im bescheidenen Maße ihre nicht allzu reichen Geldmittel für die Erwerbung von kunstgeschichtlich wichtigen Werken der alten österreichischen Kunst verwenden können. In Dalmatien, der unerschöpflichen Vorratskammer der italienischen Antiquare, besteht kein öffentliches irgendwie nennenswertes Museum für Kunstwerke des späteren Mittelalters und der Neuzeit, die nur ausnahmsweise in ganz vereinzelten Fällen gewissermaßen aus Gnade in die archäologischen Museen von Zara und Spalato aufgenommen werden. Wo gibt es in Europa ein Land, das in dieser Beziehung so vernachlässigt wäre? Das Mißlichste war aber dabei, daß es selbst für erstklassige österreichische Kunstwerke von allgemeiner europäischer kunstgeschichtlicher Bedeutung bisher in
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Oesterreich keinen Rettungsort gegeben hat. Immer mehr bricht sich die Ueberzeugung Bahn, daß Kremser Schmidt zu den größten Malern des achtzehnten Jahrhunderts gezählt werden muß, und doch sind Kunstwerke, die er für seine Vaterstadt geschaffen hat, noch vor kaum einem Lustrum im Dorotheum versteigert worden und wanderten Gott weiß wohin. Man will ihm dafür in seiner Heimat ein Denkmal errichten. Einer meiner Freunde sammelte in den letzten Jahren in Trödlergeschäften für einen Pappenstiel eine wirklich bedeutende Sammlung von Entwürfen und kleineren Gemälden österreichischer Barockmaler, und vor wenigen Tagen ist ein herrliches Werk Donners für Wien und Oesterreich nur dadurch gerettet worden, daß sich seiner ein hochsinniger und kunstverständiger Sammler, dem wir so viel schon zu verdanken haben, angenommen hat. Es handelt sich also bei der neuen staatlichen Sammlung nicht um eine doktrinäre Gründung, deren konkreter Inhalt erst gefunden und herbeigeschafft werden muß, sondern dieser Inhalt ist da und fordert kategorisch eine entsprechende museale Einrichtung. Ein besonders glücklicher Gedanke war ihre Verknüpfung mit der Modernen Galerie. Zu den Hauptgründen der heillosen Verwirrung der Kunstbegriffe ist die im vorigen Jahrhundert aufgekommene Unterscheidung zwischen «alter» und «moderner» Kunst zu zählen, die auch in der Zweiteilung der Galerien ihren Ausdruck fand. Gemälde von Manet, Whistler, Cezanne, Skulpturen von Rodin, Lederer hängen weit mehr mit Werken Tizians, Rembrandts, Fragonards, Michelangelos zusammen, als mit den Machwerken der zurückgebliebenen Zeitgenossen, was allen einsichtsvollen Besuchern der Museen längst klar geworden wäre, wenn man die Meisterwerke der Neuzeit, statt sie mit zeitgenössischen Mittelmäßigkeiten zu garnieren, neben den Meisterwerken der älteren Zeit aufgehängt oder aufgestellt hätte. Eine kundige Hand, die aus der Masse der Produktion das zu wählen weiß, was für die Lösung der künstlerischen Probleme von schöpferischer Bedeutung war, wird aber gerade bei uns in Oesterreich historische Reihenfolgen, die bis zu unserer jüngsten Kunst hinaufführen, zusammenstellen können, deren Beweiskraft und Wirkung gegenüber das Gezeter der Ignoranten bald verstummen dürfte. Aus allgemeinen und speziellen Gründen wäre es sehr erwünscht, wenn man, was zuweilen schon vorgeschlagen wurde, mit der neuen staatlichen Galerie auch die zweite Wiener Gemäldesammlung im staatlichen Besitze, die Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste, vereinigen würde. Sie enthält Meisterwerke ersten Ranges, man muß jedoch jeden Fremden von Distinktion und Geschmack flehentlichst bitten, sie nicht zu besuchen, denn ihre jetzige Aufstellung ist eine wahre Schande für Wien. Kopien und ganz minderwertige Bilder, zu schlecht für ein Depot, hängen neben großen Kunstwerken, und zum Teil sind die Gemälde in einer Art Verschlägen untergebracht, wo man sie nur mit einer Taschenlampe einigermaßen sehen könnte. Es ist dies ein unhaltbarer Zustand, der schon des Dekorums halber bald geändert werden muß, wozu die Vereinigung mit der neuen staatlichen Galerie der geeignetste Weg wäre. Und vielleicht kann man an eine große staatliche Sammlung auch noch weitere Hoffnungen knüpfen. Einem aufmerksamen Beobachter wird es nicht entgehen, daß
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es bei uns im Gegensatze zu Berlin, Paris, London oder den amerikanischen Städten fast gar keine Beziehungen zwischen den Kunstsammlern und öffentlichen Kunstsammlungen gibt. Man mag über das tolle Wettrennen bei der Erwerbung alter Kunstwerke, das wie in der ihrem Ende zueilenden klassischen Welt auch heute zu den auffallendsten Erscheinungen unserer künstlerischen Kultur oder Unkultur gehört, denken, wie man will – ich bin sicher weit davon entfernt, es zu preisen –, doch es bedeutet eine Tatsache, mit der man rechnen und bei der man trachten muß, sie nach Möglichkeit mit öffentlichen Interessen zu verknüpfen, indem die Verluste an altem Kunstbesitz, die ja nie zu vermeiden sein werden, durch Erwerbungen der Sammler teilweise ausgeglichen werden. Das geschieht zuweilen auch in Wien aber beiweitem nicht in dem Maße, als es möglich wäre. Viele sehr bedeutende Kunstwerke, die in den letzten Jahren in Wien, sei es von Privatbesitzern, sei es im Kunsthandel, verkauft wurden, hätten, wie zum Beispiel der Rembrandt der Galerie Schönborn oder die erstklassigen Porträts von Moroni bei Miethke mit Hilfe von kapitalskräftigen Sammlern nicht schwer für Oesterreich gerettet oder gewonnen werden können, und daß dies nicht geschah, ist um so merkwürdiger, als es in Wien genug reiche Leute gibt, denen alte Kunstwerke Freude bereiten. Doch bis auf wenige hervorragende Ausnahmen zersplittern sie viel zu sehr ihre Kräfte, kaufen viel zu viel Bric-à-Brac ziellos und wahllos. Es fehlt ein System in ihrem Sammeln und vor allem ein Mittelpunkt und ein gemeinsames Interesse, wie es die Mehrzahl der Sammler in Berlin oder Paris vereinigt und in der Ausgestaltung der großen nationalen und staatlichen Sammlungen besteht. Die subalterne Anschauung des vorigen Jahrhunderts, daß es nur Sache der «Behörden» sei, wie für die Hebung der Landwirtschaft auch für die Entwicklung der Museen zu sorgen, hat in den führenden Kulturzentren der Ueberzeugung Platz gemacht, daß öffentliche Sammlungen als gemeinsame Ruhmestitel zu betrachten und über die staatliche Unterstützung hinaus durch private Geldmittel und zur Verfügung gestellte Kunstwerke zu fördern sind. Die großen Berliner Sammlungen, wie durch ein Wunder in kürzester Zeit aus nichts oder beinahe nichts entstanden, verdanken zur Hälfte ihre Kunstschätze dieser Einsicht. Es gab und gibt auch bei uns hochherzige Spender, es fehlte aber ein gemeinsames Werk, zu dessen Ausbau sie sich vereinigen würden und das durch die alten, historisch entstandenen Hofsammlungen nur zum Teil ersetzt werden konnte. Jedenfalls erwarten die neue Galerie, in welchem Umfange auch immer sie weiter ausgestaltet werden sollte, große und dankbare Aufgaben. Sie wurden, was ich zum Schlusse mit besonderer Freude hervorheben möchte, einem vortrefflichen Manne anvertraut, der, eine hohe historische und allgemeine Bildung, zielbewußte Tatkraft mit einem seltenen Kunstverständnisse vereinigend, sicher, wenn man ihn einige Jahre frei schalten und walten läßt, eine Sammlung schaffen wird, die weit bedeutender sein wird, als alle anderen ihrer Art.
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BERICHT ÜBER DIE WICHTIGSTEN AKTIONEN ZUR ERHALTUNG VON GEMÄLDEN UND DIE HIEBEI ZU BEACHTENDEN GRUNDSÄTZE (1912)*
P rofessor Dvoøák führt aus, daß die Prinzipien der Denkmalpflege hinsichtlich der
Gemälde nicht in dem gleichen Maße ausgearbeitet seien, wie jene betreffs der Baudenkmale. Dies finde seine Erklärung darin, daß gemäß der historisierenden Tendenz, welche die Architektur im 19. Jahrhunderte in so weitem Maße beherrschte, von allen Denkmalen gerade die Bauwerke im Mittelpunkte des praktischen Kunstinteresses standen. Bezüglich der Gemälderestaurierungen schwanken die Anschauungen; um so wichtiger erscheine eine Zusammenfassung der Meinungen.
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ie Gemälderestaurierungen werden durch verschiedene Umstände veranlaßt: Materialschäden der Leinwand, der Farbschichten, des Rahmens, Schmutzschichten auf der Malerei, Übermalungen usw. In der Beurteilung des gegebenen Zustandes sei volle Sachkenntnis erforderlich. Was mangelnde Sachkenntnis verschulden könne, belege das Beispiel eines italienischen Restaurators, der den Goldglanz, den Gemälde der venezianischen Schule namentlich des 15. Jahrhunderts zeigen, als spätere Zutat ansah und so glücklich zu beseitigen wußte, daß die von ihm restaurierten Bilder geradezu den Eindruck des Abgeschundenen machen. Nach der richtigen Beurteilung des Zustandes eines Gemäldes sei die Kenntnis der richtigen Arbeitsmethode erforderlich. Hiefür lassen sich keine allgemein gültigen Rezepte geben. In unerfahrener Hand könne auch ein scheinbar unbedenkliches Mittel wie Wasser Schaden stiften. Dringend notwendig erscheine daher, daß die Restauratoren dem Zwange eines entsprechenden Befähigungsnachweises unterworfen werden, und daß für die Gemälderestaurierungen eine Versuchsanstalt und mit ihr verbunden eine Schule errichtet werde. Weit mehr Schaden als die Unerfahrenheit habe aber die falsche Tendenz verursacht, daß die Bilder mehr «restauriert» wurden im üblen Sinne dieses Wortes (übermalt, willkürlich ergänzt wurden), als daß ihre bloße Konservierung angestrebt worden wäre. Ein höchst lehrreiches und trauriges Beispiel hierfür bieten die Mo-
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Erstabdruck in: Protokoll der I. Session des Denkmalrates, 12. und 13. April 1912, Wien 1912, S. 12–15.
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saiken des Domes in Parenzo. Während die bauliche Anlage des Domes zu den stimmungsvollsten zählt, welche überhaupt die altchristliche Kunst geschaffen hat, erscheinen seine Mosaiken höchst langweilig, roh in den Umrißlinien, kleinlich im Detail. So war es möglich, daß sie in einem französischen und in einem englischen Handbuche als Beleg für die beginnende Barbarisierung der Kunst im 6. Jahrhundert angeführt wurden. Zum Glücke haben sich in der Zentralkommission alte Photographien zu den Mosaiken erhalten, die zu einem ganz anderen Urteile führen. Hier zeigen die Mosaiken wuchtige Größe der Gestalten, ausgezeichnete Verwendung der Farbenvaleurs, Freiheit in der Gewandzeichnung. Aus diesen Photographien (die Professor Dvoøák der Versammlung vorlegt) läßt sich erkennen, daß die Mosaiken einst historisch bezeugten, daß der in römischer Zeit gebildete Stil sich noch im 6. Jahrhundert glänzend erhalten hat, womit sich weite historische Perspektiven eröffnen. Das heutige Aussehen der Mosaiken wurde durch den Restaurator verschuldet, der sie nach seiner Kenntnis des Stils mit Hilfe von Vorlagen «korrigiert» habe. Dieses Beispiel stehe leider unter den Restaurierungen am Ende des 19. Jahrhunderts nicht vereinzelt da. Während auf anderen Kunstgebieten der Besitzstand an Denkmalen sich verringert hat, hat sich unser Besitz an alten Wandmalereien in den letzten zwei Jahrzehnten in sehr reichem Maße dadurch vermehrt, daß an den Wänden mittelalterlicher Kirchen, die, wie wir jetzt wissen, in der Regel mit Gemälden reich verziert waren, unter der Tünche Werke der Malerei in unerwarteter Fülle wieder hervortraten. Leider sei dieser Reichtum etwas zu früh gekommen, ehe einer falschen Tendenz des «Restaurierens» Einhalt geboten werden konnte; so seien Unsummen für Restaurierungen verausgabt worden, bei welchen durch willkürliche Zusätze die alten Stilformen vernichtet wurden, und ein stilistisches Mixtum compositum gebildet worden sei; speziell sei hervorzuheben, daß häufig die landschaftlichen Hintergründe in roher Weise entstellt wurden. Gegen derartige Vandalismen müsse nun eingeschritten werden. Übermalungen seien unter allen Umständen zu vermeiden. Ebenso erscheinen weitgehende kompositionelle Ergänzungen unzulässig, die der Fälschung historischer Dokumente gleich zu achten seien. Nicht so einfach sei die Entscheidung, wenn sich die Komposition erhalten hat, innerhalb derselben aber Teile der Malerei verloren gegangen sind. Bis vor kurzem wurde in Fällen dieser Art die Ergänzung als selbstverständlich betrachtet, wogegen sich in den letzten Jahrzehnten – und zwar aus den Kreisen der schaffenden Künstler, so von Whistler – eine Opposition erhoben hat. Bei der Entscheidung seien die einzelnen Gruppen von Gemälden zu sondern. Bei den Andachtsbildern im eigentlichen Sinne dieses Wortes könne nicht jegliche Ergänzung abgelehnt werden; nur solle auch hier an den Bildern nicht ohne genügende Gründe Hand angelegt werden. Ferner seien Ergänzungen zuzugestehen, wenn die Gemälde wesentlich dekorativen und koloristischen Charakter an sich tragen, wobei allerdings die Ergänzungen doch noch als solche bei näherer Prüfung kenntlich bleiben sollten. Bei ande-
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7.9 | BERICHT
ÜBER DIE WICHTIGSTEN
AKTIONEN
ZUR
ERHALTUNG
VON
GEMÄLDEN (1912)
ren Gemälden können einzelne geringe Farbenpartien ergänzt werden, wenn der Ton der Ergänzung selbstverständlich sei, also keinerlei künstlerische Wahl getroffen würde. Mit dem Angeführten seien die möglichen Konzessionen erschöpft. Ganz irrig sei die Tendenz, verlorene originale Kunstleistungen wieder in ihrer alten Herrlichkeit erstehen lassen zu wollen. Man habe bei den geschädigten antiken Statuen auf diesen Wunsch zu verzichten gelernt, und die gleiche Selbstbeschränkung sei bei alten Gemälden ebenso notwendig. Man dürfe in dieser Hinsicht sich nicht auf Forderungen des Publikums berufen; das Publikum besitze gar nicht so geringen Kunstsinn und sei jedenfalls zu jenem höheren Verständnis zu erziehen, das auch dann, wenn das Gesamtmotiv eines Gemäldes nicht mehr erhalten, eine Vertiefung in das Farben- und Formproblem des noch vorhandenen Teiles des Bildes ermöglicht. Eine strenge Erfassung der Forderungen, die bei der Restaurierung von Gemälden zu stellen seien, zeige sich als unbedingt nötig; ganz abgesehen davon, daß aus Mitteln, die für das weite Gebiet der staatlichen Kunstpflege ausreichen sollen, nicht bedeutende Beträge für unsachliche Restaurierungen zu verausgabe sind, müssen die Denkmale der Entwicklung der Malerei, die nichts geringeres als die fortschreitende Entwicklung genauer Naturbetrachtung zu erkennen gebe, vor jedem Eingriff behütet werden.
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SAMMLER, MUSEEN UND DENKMALPFLEGE 1 (1915)*
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or drei Lustren wurde mir als jungem Studenten die Ehre zuteil, bei einem berühmten Kunstforscher – er ist heute schon längst tot – geladen zu werden. Ich fand ihn in einer Wohnung, neben der ein vollgestopfter Trödlerladen als eine bequeme Turnhalle erschienen wäre. Nicht nur auf den Kästen und Tischen, Schränken und dem Kamingesims, sondern einfach überall, auch auf den Stühlen, Fensterbänken und auf dem Fußboden standen Antiquitäten, d. h. ein Kram aus Trödlerladen gesammelt, in dichten Massen, mit Staubkrusten bedeckt und so aufeinandergepfercht, daß man kaum einen Schritt machen konnte, ohne etwas umzuwerfen. Damals hat mir diese abundantia imponiert, später dachte ich mit Grausen daran, und vor einigen Monaten träumte ich, daß das ganze Gerümpel auf das alte Hutzelmännchen einstürzte und es unter seinen Trümmern begraben hat. Sie werden fragen, wie dies mit der Denkmalpflege zusammenhängt? Ich fürchte mehr, als man glaubt oder sagt – doch um dies zu beweisen, muß ich ein wenig ausgreifen. In allen Zeiten hatten alte Kunstwerke Freunde und Feinde. Man schützte alte Denkmäler aus natürlicher Pietät als ein Vermächtnis der Ahnen, als Zeugnisse der kommunalen und nationalen Vergangenheit oder aus angeborener Ehrfurcht vor der Inkarnation des künstlerischen Schaffens und man raubte und plünderte sie im Feindeslande des materiellen Wertes halber oder als Trophäen zum Zeichen der Erniedrigung der Gegner und ihrer Heimat. Das waren – bitte tausendmal um Verzeihung wegen dieses Ausspruches – mit unseren verglichen, gesunde, normale Verhältnisse. Denn auch heute hat die alte Kunst Feinde und Freunde, der Unterschied besteht jedoch darin, daß ihr Freunde gar oft tausendmal mehr Schaden zufügen als Feinde. Die Zeiten, wo entfesselte Leidenschaft der Volksmassen Kirchen verbrannte und Statuen zertrümmerte, sind vorbei und kommen hoffentlich nicht so bald wieder. Auch vor Eroberungskriegen haben wir uns kaum zu fürchten, man kämpft heute um Weltherrschaft und Kolonien, doch nicht um Goldschmiedearbeiten oder Bilder von Raffael, die man im Frieden erwerben kann, wenn man das Geld dazu hat. Sind nach dieser und jener Richtung die Gefahren für den alten Kunstbesitz geringer geworden, so ist dies nicht zuletzt der größeren allgemeinen Bildung zu verdanken, die das Verständnis für den ideellen Wert alter Kunstwerke in weite Kreise
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Erstabdruck in: Mitteilungen der k. k. Zentralkommission, 3. F., 14, 1915, S. 17–24. Vortrag, gehalten im Niederösterreichischen Verein für Denkmalpflege und Heimatschutz im März 1914.
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7.10 | SAMMLER, MUSEEN
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DENKMALPFLEGE (1915)
getragen hat. Darum haben sich aber nicht nur Kunstgelehrte im engeren Sinne des Wortes und offizielle Anwälte des allgemeinen Kunstbesitzes, die Denkmalbehörden, die zum Schutze der Monumente gegen Vandalismen eingerichtet wurden, sondern nicht minder Künstler und Kunstfreunde, Sammler und Musealdirektoren große Verdienste erworben. Die Wertschätzung alter Kunstwerke hätte sich kaum so schnell und weit verbreitet, wenn nicht kunstsinnige und geistig hochstehende Männer im vorigen Jahrhundert begonnen hätten, sich mit alten Kunstwerken zu umgeben, statt sie in Kuriositätenkammern zu verbannen, und ihnen haben wir es ohne Zweifel nicht in letzter Linie zu verdanken, daß das Gefühl, welches uns alte Kunstwerke als lebendige Gegenwartswerte erscheinen läßt, so tiefe Wurzeln fassen konnte. Doch Si duo faciunt idem, non est idem und die Sammelwut, die heute die ganze Welt erfaßt hat, ist nicht mehr ein befruchtender, die Liebe und das Verständnis für alte Kunst nährender Strom, sondern eine Sündflut von Banausentum und Spekulation, die im Gegenteil die Saat zu ersticken droht, die wir der Begeisterung und den Intentionen der wirklichen Kunstfreunde und Kunstkenner zu verdanken haben. Erlauben Sie, daß ich dies ein wenig erläutere. Auch dem oberflächlichen Beobachter wird es nicht entgehen, daß die Nachfrage nach alten Kunstwerken einen nie dagewesenen Umfang erreicht hat. Es geht dies auf verschiedene Ursachen zurück. Das Bewußtsein, daß alte Kunstschätze Adel und Würde, Freude und Genuß verleihen, ist im Verlaufe des vorigen Jahrhunderts auch in Gebiete und Kreise gedrungen, die an der alten Kunstentwicklung keinen Anteil hatten, dennoch aber an ihrem Segen teilnehmen wollten und die daher alles in Bewegung setzten, um sich alte Kunstwerke zu verschaffen. Das bekannteste Beispiel bietet Amerika, aber lange nicht das einzige und vielleicht nicht einmal das ärgste. Noch weit schädlicher für den europäischen Kunstbesitz als die Tendenz, einzelne hervorragende Kunstwerke über den Ozean zu bringen, scheint mir die europäische Parallelerscheinung zu sein: der Erwerb von Antiquitäten verwandelte sich hier allmählich in eine Angelegenheit, die nicht aus wirklichem Verhältnisse zur alten Kunst, nicht aus Liebe und Verständnis, sondern aus Snobismus, als Sport oder Modegebot betrieben wird. Ich habe einmal in der Galerie Borghese in Rom die Unterhaltung von Hochzeitsreisenden über die Irdische und himmlische Liebe von Tizian anhören müssen. «Wozu ist eigentlich ein solches Bild», sagte der kluge Herr nach einigen begeisterten Lauten seiner Gefährtin, «In das Speisezimmer oder in den Salon paßt es nicht, im Schlafzimmer sieht es niemand und für das Vorzimmer ist es viel zu gut.» Und solche Leute kaufen alte Bilder, nicht einzelne Menschen, eine ganze Kategorie von solchen Menschen, denen alte Kunstwerke so gleichgültig oder besser gesagt gleichgültiger sind als die Kleider, die sie tragen, und die dennoch ihre Wohnungen vollpfropfen mit «Altertümern», weil es zum guten Ton gehört und weil man dadurch den Anschein einer gewissen kulturellen Ponderanz erreichen, sich einen Glanz erkaufen kann, der sonst nur als die Frucht einer langen kulturellen Betätigung erreicht werden konnte. Die große Gefahr liegt aber darin, daß diese Mode nicht bei einer bestimmten Kategorie von Menschen stehen blieb, daß sie allmählich ganz allgemein
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THEORIE, FORSCHUNG
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wurde und einen krankhaften Umfang angenommen hat. Besonders in wohlhabenden Klassen findet sie immer mehr Anhänger, nicht deshalb, weil sich das Verständnis für alte Kunst immer mehr verbreiten und vertiefen würde, sondern deshalb, weil es üblich wurde, die Wohnungen statt wie einst mit Makartbuketts und echten oder falschen orientalischen Teppichen, mit Antiquitäten, echten oder falschen, zu tapezieren oder weil man alte Kunstobjekte, wie Briefmarken oder Schmetterlinge, des Seltenheitswertes wegen, aus Ehrgeiz oder der Eitelkeit wegen sammelt, nur um viel davon im allgemeinen oder von einer bestimmten Gattung zu besitzen. Dieses maßlose auf keinen wirklichen Beziehungen zur Kunst, sondern nur auf Konvention, auf Protzentum oder Nachäffung, auf Zeitvertreib oder Rivalität beruhende Sammeln bedeutet ohne Zweifel eine Gefahr für die Gegenwart wie für das künstlerische Vermächtnis der Vergangenheit; es liegt eine unverkennbare Verrohung des Geschmackes und des allgemeinen Kunstempfindens in dem heutigen, jeden Respekt vor alten Kunstwerken untergrabenden Antiquitätenschacher, dem nichts heilig ist und für den sich das künstlerische Vermächtnis vergangener Generationen in eine Marktware, in eine Preisliste, in die Mysterien eines Auktionskataloges, in die Chancen eines Gelegenheitskaufes verwandelt – oder vom Standpunkte einer wohlberechneten Spekulation angesehen wird. Das kommt am deutlichsten darin zum Ausdruck, daß der Typus der Sammler, die zugleich Marchands amateurs sind, ein immer häufigerer wird und sich leider auch in Kreise verbreitet hat, die ihrem Berufe und ihrer Stellung nach verpflichtet wären, Priester der alten Kunst zu sein und nicht Kuppler. Doch Sie werden fragen, ob all dies mit der Denkmalpflege etwas zu tun hat. Sehr viel sogar. Ein gewisser Teil des alten Kunstbesitzes kam naturgemäß immer in den Handel: aus Nachlassenschaften, durch Verarmung oder aus anderen Gründen. Je nach Schwankungen des Wohlstandes oder auch im Zusammenhange mit politischen oder anderen Ereignissen des staatlichen und sozialen Lebens veränderte sich auch die Summe der von ihrem Entstehungsorte und ihrer ursprünglichen Bestimmung losgelösten Kunstwerke, blieb aber unter normalen Verhältnissen stets nur ein Bruchteil des allgemeinen Kunstbesitzes. Und es war eine schöne und ehrende Aufgabe der Museen und der Sammler im alten guten Sinne des Wortes, diesem künstlerischen Treibgute einen rettenden Hafen zu bieten. Für den heutigen übermäßigen Antiquitätenbedarf reicht jedoch der auf natürlichem Wege in Umlauf gesetzte Bestand an alten Kunstwerken lange nicht aus, die deshalb künstlich gelockert, aus dem Boden, dem sie ihre Entstehung verdanken, herausgerissen und in die Welt geschleudert werden. Wer je Gelegenheit hatte, den heutigen Kunsthandel näher kennen zu lernen, weiß, weichen riesenhaften Umfang und welche über jede ethische Skrupel erhabenen Formen die legale und illegale Verschleppung und die damit verbundene künstliche Wertsteigerung der Kunstdenkmäler angenommen hat. Es handelt sich dabei durchaus nicht nur um Kunstwerke, die sich in Privatbesitz, einst den Stolz der Familien bildend und zum Begriff des Heimatshauses gehörend, befunden haben und die heute statt von Museen für die Öffentlichkeit gerettet zu werden, in alle Weltteile zersplittert, nach allen Richtungen wandern müs-
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DENKMALPFLEGE (1915)
sen, sondern auch um alten Gemeinbesitz, um Kunstwerke aus Kirchen und anderen öffentlichen Gebäuden, die geradezu systematisch ausgeraubt werden. Ganze Scharen von Agenten durchsuchen jahraus, jahrein das Land und kaufen alles zusammen, was nicht niet- und nageltest ist, und oft selbst dies: Bilder, Statuen, Paramente, Kirchengeräte, ganze Altäre und Kircheneinrichtungen, ja selbst ganze Bauten, um die Wandgemälde herauszunehmen. Nichts ist vor ihnen sicher und kein Mittel wird unversucht gelassen, das zum Ziele führen kann. Doch nicht allein professionelle Händler beteiligen sich an dieser Jagd, oft sind es leider auch die Sammler, die selbst oder durch Zwischenhändler solche Raubzüge im Frieden unternehmen, und man kann ohne Übertreibung behaupten, daß die Scharen, die an diesem Zerstörungswerk mitarbeiten, an dem auch viele Museen mitschuldig sind, kaum mehr übersehen werden können. Daß dabei durch falsche Kunstfreunde, die eine geheuchelte Begeisterung für alte Kunst zur Schau tragen, und durch ihre Handlanger ein verhängnisvolles, nicht genug zu beklagendes Zerstörungswerk vollbracht wird, braucht kaum betont zu werden. Unübersehbar ist der Schaden, der da allgemeinen Interessen zugefügt wird. Was Kriege und Perioden des größten wirtschaftlichen Niederganges nicht vermochten, wird auf kommerziellem Wege durchgeführt, die künstlerische Devastierung der Heimat, die Vernichtung oder Entwertung des kommunalen und nationalen Kunstbesitzes. Wir könnten uns beinahe dessen freuen, daß sich niemand fand, der z. B. in unseren Alpenländern oder in den Adriagebieten vor einem halben Jahrhundert die Kunstschätze im öffentlichen Besitze verzeichnet hätte: ein Vergleich mit dem heutigen Bestande wäre zu beschämend, ein Überblick über die Verluste, die wir erlitten haben, geradezu niederschmetternd. Man kann nicht dagegen einwenden, daß diese Schätze nicht ganz verloren gegangen sind, da sich zu mindest ein großer Teil davon noch irgendwo befinden müsse. Denn erstens sind sie meist für uns verloren gegangen, da sich nur weniges davon in Österreich befinden dürfte, weit mehr jedoch ins Ausland kam, und wenn auch, worauf zuweilen hingewiesen wird, in gleicher Zeit sicher manche fremde Kunstwerke nach Österreich eingeführt wurden, so kann doch – abgesehen davon, daß auch rein quantitativ diese Vermehrung des österreichischen Kunstbesitzes in keinem Verhältnisse zu der enormen Einbuße steht – unter keinen Umständen auf diesem Wege die fortschreitende künstlerische Verarmung des Landes, mit dem uns engere Gefühlsmomente verknüpfen, ausgeglichen werden. Denn es handelt sich dabei nicht nur um den absoluten Kunstwert der Denkmale, sondern auch um jene tiefen Affektwerte, die allem, was uns das Ringen um Kunst unserer Vorfahren vor Augen führt, eine besondere, unersetzbare Bedeutung geben. Es wird ein Stück unserer Heimat, unseres Werdens, unseres Wesens, nicht minder wertvoll als die Sprache, uns entrissen, weggeschleppt, verschleudert, und dagegen müssen wir uns wehren, selbst wenn vom Standpunkte der allgemeinen Interessen der Kunst und Wissenschaft nichts dagegen einzuwenden wäre. Tatsächlich bedeutet aber dieser Kunstschacher auch eine unmittelbare künstlerische und historische Wertverminderung. Bei der Mehrzahl der Antiquitäten han-
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THEORIE, FORSCHUNG
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delt es sich um Werke, die losgetrennt von ihrem Ursprungsorte und von ihrer ursprünglichen praktischen und künstlerischen Bestimmung sowohl als historische Dokumente wie auch als künstlerische Schöpfungen einen großen Teil ihrer Bedeutung verlieren. Dies gilt sicher auch für die hervorragendsten Werke der Kunst: die Tageszeiten Michelangelos wären, aus dem Baue, den für sie ihr Schöpfer errichtet hat, in das Museum von Polyopolis oder in die Sammlung des Herrn Vandergeld übertragen, nur ein Schatten ihrer alten künstlerischen Existenz, wie auch der Raum, für den sie bestimmt waren, zu einem leeren Rahmen herabsinken würde – doch noch weit mehr gilt es für all die Kunstwerke zweiten und dritten Ranges, die das Hauptkontingent des Sammelns bilden und die, da ihr individueller Wert nicht so groß ist, daß er sich überall durch eigene Kraft behaupten könnte, gleichsam die Seele verlieren, wenn sie aus ihrem alten Ambiente herausgerissen werden. Als Kunstdokument verlieren sie an Beweiskraft, als Kunstwerk an Sinn und Lebendigkeit und verkümmern in Mietswohnungen zwischen heterogensten Leidensgenossen und Basarware wie Wald- und Feldblumen, die von Sonntagsausflüglern vom Lande in Massen mitgebracht werden, um irgendwo an einem Fensterbrett im grauen Alltag zu verwelken. Was viele erfreuend und geistig erhebend im alten Zusammenhange wirkte und in alten Bauten und Orten seine künstlerische Mission hatte, verwandelt sich in wertlosen Tand, und die Kirchen und Kirchlein, Städte und Dörfer, deren einziger Kunstbesitz sie oft waren, werden leer und öd und verlieren nicht selten auf diese Weise alles, was sie uns lieb und bedeutsam erschienen ließ. Es ist ungerecht, für solche Verluste die Besitzer oder Verweser des alten Kunstgutes allein verantwortlich zu machen, zu deren Entschuldigung oft ihre geringe Vertrautheit mit Kunstfragen dienen kann. Eine viel größere Schuld haben die geistigen Urheber des Schadens, d. h. alle, die sich an den geschilderten Raubzügen beteiligen und als ihre eigentlichen Urheber zu betrachten sind. Das sind aber leider nicht nur die Sammler, sondern oft auch die Museen. Man kann über den Zweck und das erwünschte Programm der Museen verschiedener Meinung sein, aber niemand dürfte darüber zweifeln, daß sie öffentlichen Interessen zu dienen haben. Es ist bekannt, wie viel wir ihnen schulden. Sie haben seit der Zeit, wo man sie als ein geeignetes Mittel zur Verbreitung kunsthistorischer Kenntnisse anzusehen begann, für die Erschließung der alten Kunst eine überaus große Bedeutung gewonnen, sie sind unschätzbare Refugien für Kunstwerke geworden, die sonst zu Grunde gegangen oder der Öffentlichkeit entzogen worden wären, die Kunstgeschichte hat ihnen unendlich viel zu verdanken und sie spielten in der künstlerischen Erziehung der letzten Generationen eine große Rolle. Doch nicht alle Museen wirken so segensreich und es gibt viele öffentliche Sammlungen, die mit Aufgaben dieser Art gar nicht oder nur pro forma zusammenhängen oder sie mit einer Auffassung ihrer Ziele verbinden, die kaum mehr als gemeinnützig bezeichnet werden kann. Ich habe in den letzten Jahren zahlreiche Lokalmuseen besucht und fand sehr oft ein treues Spiegelbild derselben Pietätlosigkeit, derselben kopf- und herzlosen Plünderung alter Kunstgebiete, desselben Verkennens der fundamentalsten Erfor-
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dernisse einer rationellen Kunstfürsorge und fruchtbaren Erziehung zur Kunstliebe, die den heutigen allgemeinen Antiquitätenwucher charakterisieren. Das liegt sicher zum Teil an der schlechten oder ungenügenden Organisation unserer Museen. Wir haben vor allem viel zu viel Museen, die vielfach nicht einem wirklichen Bedürfnis und zielbewußten Programm, sondern ähnlichen Beweggründen, wie die allgemeine Sammelwut, ihren Ursprung verdanken. Sie wurden zumeist ohne sachliche Überlegung begründet. Aus Nachahmung oder Ehrgeiz einer Lokalgröße: wie man harmlose Vereine ins Leben ruft oder Bänke auf den Promenaden aufstellt; und so war das Sammeln vielfach ihr erster und einziger Zweck. Es ist da nur zu leicht erklärlich, daß solche Museen im besten Falle Trödlerbuden sind wie jene Wohnung eines alten Kunstgelehrten, von der ich gesprochen habe, gar oft aber, besonders wo sie als Blitzableiter der persönlichen Sammlerambition ihrer Leiter dienen müssen, sich in Expropriationsanstalten auf dem Gebiete der Kunst verwandeln, die unter dem Mantel öffentlicher Interessen alte Kunstwerke ihren alten Besitzern und ihrer alten Bestimmung entziehen, Originale durch Kopien ersetzen lassen und die Zerstörung alter künstlerischer Kultur fördern, statt ihr entgegenzuarbeiten. Da ist eine durchgreifende Reform, hauptsächlich eine Ausmerzung aller Auswüchse des Musealwesens, die mit seiner wissenschaftlichen und kunstpädagogischen Mission nichts zu tun haben um so notwendiger, als die Kosten des unheilvollen Wirkens der Museen vielfach aus öffentlichen Subventionen bestritten werden. Doch es handelt sich nicht nur um Organisationsfragen. Auch auf alte und wichtige Museen wirft die pathologische Sammelleidenschaft unserer Zeit ihre Schatten. Sie leiden unter dem wilden Konkurrenzkampfe, werden von ihm mitgerissen und beteiligen sich mehr oder weniger je nach ihren Mitteln mittelbar oder unmittelbar an der allgemeinen künstlerischen Ausbeutung der alten europäischen Kunstzentren. Auch da scheint mir eine Abhilfe notwendig und möglich zu sein. Vielfach begegnet man der Anschauung, daß den Museen aus der «Entwicklung des Kunsthandels» neue Aufgaben erwachsen sind, die sich dahin zusammenfassen lassen, daß die Sammlungen durch bessere Angebote oder größere Sachkenntnis und Rührigkeit der Beamten aus der Sündflut des allgemeinen Kunstmarktes retten, was für ihren Wirkungskreis, für die Forschung und die europäische Zivilisation von Bedeutung ist. Das ist sicher erwünscht, doch es fragt sich, ob dadurch die Museen der Pflicht enthoben sind, die eigentlichen Ursachen der beispiellosen Denkmälerentwertung, die in der merkantilen Wertsteigerung liegt, zu bekämpfen. Sie sollten schon aus rein praktischen Gründen es nicht versäumen. Mag auch die starke Fluktuierung der alten Kunstwerke den Museen manchen unerwarteten Gewinn, manche erwünschte Inventarnummer einbringen, so unterliegt es doch keinem Zweifel, daß durch den allgemeinen Antiquitätenhandel die Ausgestaltung der Museen nicht erleichtert, sondern im Gegenteil wesentlich erschwert wird. Auf die Dauer werden sie den Kampf mit den Multimillionären doch nicht aushalten können. Die Inventarnummern sind aber lange nicht das Wichtigste. Durch die aktive oder auch nur passive Teilnahme an allen vom Standpunkte der allgemeinen Kunstinteressen fragwürdigen Raubzügen des Antiquitätenhandels erleiden die Museen
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an ihrem Ansehen, an ihrer Wirkung, an ihrer Bedeutung für die Bemühungen, das Verständnis für alte Kunst und die Liebe zu ihr zu vertiefen, eine Einbuße, die durch die Vermehrung der Bestände allein nicht ausgeglichen werden kann. Was nützen die reichsten Bestände, wenn der ideelle Wert alter Kunstwerke überall immer mehr von Gedanken an die erreichten und noch erreichbaren Marktpreise verdrängt wird und die Museen nicht über dieser Auffassung stehen, sondern sich ihr widerspruchslos anschließen? Es ist keine leichte Situation, der die Museen da gegenüberstehen, und sie kann gewiß nicht durch irgend eine programmatische Erklärung oder gar durch vollständige Ausschaltung der Museen aus der allgemeinen Konkurrenz beseitigt werden, was das Übel nicht verhindern und allen, die von ihm zehren, nur nützen würde. Wohl aber müssen die Museen, in ihrem wie im allgemeinen Interesse, auf die Beseitigung der tieferen Ursachen hinarbeiten, die diese Situation geschaffen haben: sie müssen sich nicht nur von jeder Aktion fernhalten, bei der die Ehrfurcht vor dem eingewurzelten Denkmalbesitze untergraben würde, sie müssen auch mit der größten Energie gegen jene Schäden und Auswüchse des Sammlerwesens auftreten, die zu schildern ich mir erlaubt habe. Die Interessen und Ziele der Museen berühren sich darin auf das engste mit den Zielen der Denkmalpflege, die nicht mehr, wie einst, nur Restaurierungsprojekte und Konservierungsrezepte vermittelt, sondern eine mächtige geistige Bewegung ist, deren letzter Zweck eine Vertiefung der antiquarischen Gesichtspunkte des vorigen Jahrhunderts durch lebendigere Gefühlsassoziationen und Kunstbeziehungen bedeutet. Dieser Bewegung dürfen sich die Museen nicht verschließen, wenn sie nicht den Zusammenhang mit den geistigen Erfordernissen der Gegenwart verlieren wollen. Es muß das Gewissen aufgerüttelt und ein rücksichtsloser Kampf allen Leuten erklärt werden, die unter der Maske der Kunst und Wissenschaft den alten bodenständigen Kunstbesitz plündern, um geistig oder materiell an dem weitverzweigten Baume der alten Kunst schmarotzen zu können. Gegen einen legitimen und normalen Kunsthandel ist sicher nichts einzuwenden: er wird immer und überall bestehen, wo es bewegliche Kunstwerke von individuellem Wert gibt. Doch der geheime oder verschleierte Kunsthandel, der sich in alle Gesellschaftsklassen eingeschlichen hat, und unser Verhältnis zur alten Kunst beherrschend, jedes edlere Gefühl für alte Kunstwerke zu ersticken droht, muß ausgerottet und eine klare Grenze zwischen Sammelbestrebungen gezogen werden, die, auf ethischen Beweggründen beruhend, dem alten Kunstbesitze nützlich sind, und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist und die in anderen Beweggründen, in Spekulation, Manie oder Banausentum ihren Ursprung haben. Der Kampf gegen den Kunstwucher muß, mit anderen Worten, die Museen und die wahren Kunstfreunde mit der Denkmalpflege zu einem Trutz- und Schutzbündnis vereinigen, dessen Grundlage die Überzeugung bildet, daß nur die Erweckung des höchsten Verantwortlichkeitsgefühles altem Kunstgute gegenüber jene Durchdringung des Lebens durch künstlerische Werte der Vergangenheit herbeiführen kann, ohne die das Sammeln von alten Kunstwerken nutzlos und töricht wäre wie ein Seifenblasenspiel.
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or kurzem ist die Staatsgalerie ein Dornröschen genannt worden. Das ist sie auch, nur in einem etwas anderen Sinne, als der Referent meinte. Man kennt sie kaum, nicht weil sie schlafen würde, sondern weil man bei uns leider Gottes noch oft die Zimbeln und Pauken der Reklame für das einzige Zeichen des Lebens und Erfolges hält und die eigentliche Arbeitsleistung für eine nicht unbedingt notwendige Zutat. Da man von unserer staatlichen Bildersammlung wenig zu wissen scheint, dürften einige Worte über ihre bisherige Entwicklung nicht ganz überflüssig sein. Sie ist eine späte Gründung. Während in Deutschland die Nationalsammlungen und die neuen Pinakotheken schon um die Mitte des vorigen Jahrhunderts entstanden sind, wurde die Wiener «Moderne Galerie», die sich später in «die österreichische Staatsgalerie» verwandelte, erst vor drei Lustren geschaffen. Der Zeitpunkt wie der Name oder die Namen dieser Schöpfung erklären sich aus den allgemeinen Wandlungen derartiger Sammlungen. Die ersten öffentlichen staatlichen Sammlungen sind bekanntlich im achtzehnten Jahrhundert entstanden: durch einen feierlichen Parlamentsakt wurde im Jahre 1753 das Britische Museum als eine Staatsinstitution, die der Oeffentlichkeit zu dienen hat, eröffnet und fast gleichzeitig wurden die alten vatikanischen Sammlungen von Papst Klemens XIV. als Staatseigentum erklärt. Der zweifache wissenschaftliche und kunstdoktrinäre Zweck dieser Einrichtungen bezog sich im Zusammenhange mit dem fortschreitenden Historismus vor allem auf die vergangene Kunstperiode, und daraus erklärt es sich auch, daß, während die älteren Sammler alte und neue Kunstwerke mit gleicher Vorliebe zu erwerben bemüht waren, in den neuen öffentlichen Sammlungen Werke zeitgenössischer Künstler immer mehr ausgeschaltet wurden, so daß sie sich besonders in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts fast nur zufällig in Galerien verirrten. Erst als der nationale Gedanke für alle öffentlichen Institutionen immer mehr an Bedeutung gewann, begann man es als ein Unrecht zu empfinden, daß, während Werke alter und fremder Meister in prunkvollen Palästen eine dauernde Heimat besaßen, die Schöpfungen der Künstler, die das neue nationale Leben in der Kunst verkörperten, unterstandslos waren und nicht wie die alten Denkmäler in öffentlichen Sammlungen für die Gegenwart und Zukunft vereinigt wurden. Aus die-
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Erstabdruck in: Neue Freie Presse, Morgenblatt, Nr. 18254, 18. Juni 1915, S. 1–4.
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ser Empfindung sind im Laufe des vorigen Jahrhunderts die Nationalgalerien entstanden. Es fehlte nicht an Stimmen, die in solchen Sammlungen auch die «allgemeine Humanität» im Sinne des internationalen Liberalismus vertreten haben wollten, doch im wesentlichen handelte es sich um Schöpfungen, die im Gegensatze zu den historischen Museen das nationale Kunstleben der Gegenwart repräsentativ zum Ausdruck bringen und der nationalen Idee dienen wollten. Und da man das geeignete Mittel dazu in großen historischen Darstellungen sah, der Mittelpunkt der neuen Historienmalerei damals aber die Akademien waren, so wurden diese der Kristallisationspunkt der neuen Sammlungen, deren Zusammenstellung und Verwaltung auch in der Regel akademischen Malern übertragen wurde. Bald wurden jedoch die großen Nachteile dieser Organisation klar, unter denen im gleichen Maße die neuen Sammlungen wie das ganze Kunstleben zu leiden hatten. Weit davon entfernt, auch nur beiläufig ein treues Spiegelbild der nationalen Kunstentwicklung ihrer Zeit zu sein, wurden die neuen Galerien im besten Falle der Ausdruck einer provinziellen und zumeist zurückgebliebenen Kunstrichtung, verloren fast jeden Zusammenhang mit dem künstlerischen Fortschritt ihrer Zeit und sanken künstlerisch und wissenschaftlich immer tiefer. Man konnte auch nicht im Zweifel sein, daß die Hauptursache des Verjagens und raschen Niederganges der mit so viel Hoffnungen ins Leben gerufenen Anstalten den sie leitenden Malern zur Last zu legen war, denen es an der erwünschten Objektivität und an umfassenderen Sachkenntnissen fehlte. Denn ein Künstler, mag er ein guter oder ein schlechter sein, ist, und zwar mit vollem Recht, ein Parteimann. Qualitäten, die nicht in seiner Entwicklungsbahn liegen, sind ihm verschlossen oder werden von ihm nicht anerkannt, und da es überdies nicht die besten Künstler waren, die die Palette weggelegt haben, um die Bürde der Verwaltungsgeschäfte einer Galerieleitung auf sich zu nehmen, so war es nur natürlich, daß die Pforten der neuen Sammlungen zumeist gerade den führenden und bahnbrechenden Meistern verschlossen blieben. «Wird die Nachwelt es glauben,» schreib Anselm Feuerbach in seinem Vermächtnis, «daß nur zwei Staatsgalerien, die in Karlsruhe und jene in Stuttgart, ihre Räume für Werke von meiner Hand eröffnet haben? Die eine widerwillig auf hohen Befehl, die andere, weil es ihr gelang, meine zweite Iphigenie ‘wegen ihrer Zeichenfehler’ um überaus billigen Preis zu erhalten.» Und Verhältnisse dieser Art waren es vor allem, die den gottbegnadeten Künstler, den wir heute als einen der größten Meister des vorigen Jahrhunderts bewundern, in der letzten Aufzeichnung das Fazit seines Lebens in die traurigen Worte zusammenfassen ließen: «Nicht meine Schuld ist, wenn die Blüte meiner Kunst nicht voll und freudig in das Dasein getreten ist. Was die gütige Natur mir in die Seele legte, das hat die Härte und das Unverständnis meiner Zeitgenossen in seinem Wachstum aufgehalten und verkümmert.» Beiläufig zur selben Zeit, in der Feuerbach diese Worte niederschrieb, entstand die Opposition gegen die damaligen Galeriezustände. Sie hat sich zunächst hauptsächlich gegen die Malerdirektoren gewendet. So schrieb der Wiener Kunsthistori-
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ker Thausing, der zu den Führern in diesem Kampfe gehörte: «Unser ganzes Kunstleben krankt an dem durch die Kunstakademien großgezüchteten Vorurteil, daß nur Künstler ein Urteil über Kunst und Kunstwerke hätten und daß wir Nichtkünstler uns eben einfach von ihnen belehren lassen müßten», und an einer anderen Stelle (Neue Freie Presse, 1882), «daß ein Maler zwar vor eine noch zu bemalende Leinwand gehört, daß er aber bei einer bereits bemalten Leinwand ganz überflüssig ist». Bald teilte man ziemlich allgemein diese Ansicht, und bis auf wenige Nachzügler sind die Maler noch im vorigen Jahrhundert aus den ihrer unwürdigen und für die Kunst schädlichen Versorgungsposten an den Galerien verschwunden. Diese Reorganisation hatte bald auch eine innere Reform zur Folge. Der unmittelbare Anstoß kam aus der Fremde. Es waren die großen Münchner Ausstellungen der achtziger und neunziger Jahre, wo man die Werke der schottischen Landschaftsmaler und französischen Impressionisten auch in breiteren Kreisen kennen lernte und sich der Einsicht nicht verschließen konnte, daß sie eine Kunst verkörperten, die obwohl sie allen akademischen Regeln schroff widersprach, an und für sich künstlerisch hoch stand und als die Frucht einer weit zurückreichenden konsequenten Entwicklung der malerischen Probleme betrachtet werden mußte. Es ist bekannt, wie dies zu einer Revolution in der deutschen Kunst und zu heftigen Kämpfen unter den Künstlern führte. Die jungen haben die wichtigsten Errungenschaften der westeuropäischen Malerei, ihren Naturalismus, ihre Lichtmalerei und illusionistische Auffassung als eine neue Kunst ausgerufen und verteidigt, die alten sie, als ob es sich um Abwege handelte, mit denselben oder ähnlichen Schlagworten leidenschaftlich bekämpft, mit denen man früher zum Beispiel die Werke Böcklins getadelt oder verspottet hat. Das liegt nun allerdings heute auch schon weit zurück. Man ist seitdem zur Ueberzeugung gelangt, daß die Richtung, die man damals als eine plötzliche Offenbarung aus dem Westen angesehen hat, welche der deutschen Kunst eine neue Wendung gab, doch auch nur eine Teilerscheinung der Gesamtentwicklung der europäischen Kunst war, an der die deutsche Malerei von Menzel bis Leibl schon früher teilgenommen hat, und man weiß heute auch, daß die deutsche Malerei nicht minder als die englische oder französische eine selbständige und bedeutsame Stellung hatte, einen nationalen Charakter in der höchsten Bedeutung des Wortes, der freilich von dem, was die alten und neuen Propheten der zurückgebliebenen akademischen Malerei darunter verstanden haben, wesentlich verschieden war und den sie in erster Linie Meistern verdankte, die bis dahin bekämpft oder nicht genügend gewürdigt wurden. Diese Klärung, deren Ergebnis nichts geringeres war als ein neues Verstehen der deutschen Kunstentwicklung des vorigen Jahrhunderts und der Gegenwart, wäre aber nicht so schnell gekommen, wenn nicht wissenschaftlich geschulte Männer, die gewohnt waren, künstlerische Werke in großen, geschichtlichen Zusammenhängen zu beurteilen, wie Tschudi in Berlin oder Lichtwark in Hamburg, versucht hätten, eine ähnliche Umwertung, wie sie sich expulsiv im Kunstleben vollzogen hat, in ihrer inneren Berechtigung historisch zu dokumentieren, indem sie dem Ausbau der
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von ihnen geleiteten Sammlungen nicht wie früher nur die Tatsache der lokalen oder nationalen Provenienz der Kunstwerke, sondern ihre Bedeutung für die allgemeine Kunstentwicklung zugrunde legten. Ein Grundsatz, der bei alten Galerien selbstverständlich war, seitdem Kunsthistoriker an Stelle der Maler ihre Leitung übernommen haben, bei den neuen jedoch erst nach schweren Kämpfen durchgesetzt werden konnte. Man war empört, daß auch fremde Bilder gekauft wurden, was unerläßlich war, wenn die künstlerische Bedeutung und Eigenart der eigenen Leistungen ins richtige Licht gestellt und allen offenkundig gemacht werden sollte. Man sprach vom Mangel an Patriotismus, Frivolität und Effekthascherei, doch im Grunde handelte es sich viel weniger um die Ablehnung einer fremden Kunst, als um die Prärogativen eines sterilen, von jedem produktiven Schaffen losgelösten Dilettantismus, der im gleichem Maße in der fremden wie auch in der deutschen Kunst alles bekämpfte, was seiner erlernbaren Schulung und Vollendung widersprochen hat. Die Angriffe konnten indes die Ueberzeugung der Führer in dieser Bewegung nicht erschüttern, und überraschend schnell verwandelte sich durch diese Aufklärungsarbeit in ein geistiges Gemeingut aller Gebildeten, was bis dahin nur führende Künstler und Kunstkenner wußten: die Erkenntnis, daß aus dem scheinbaren Chaos des vorigen Jahrhunderts eine neue Kunst entstanden war, die in ihrer Einheitlichkeit und nationalen Besonderheit nur deshalb so lange nicht allgemein erkannt wurde, weil man in doktrinärer oder mikrokosmer Befangenheit den großen und neuen Erscheinungen einer neuen Zeit verständnislos gegenüberstand, eine Kunst, die weder in ihrem Wollen noch in ihrem Können hinter der alten zurückblieb, zugleich aber dieser gegenüber ein treues Widerspiel einer neuen Kultur und Weltanschauung war. Und der so erfaßten modernen Kunst sollten vor allem die Gegenwartsgalerien geweiht werden. In diesem Stadium der Dinge wurde die Wiener Moderne Galerie begründet. Eine Nationalgalerie in der älteren Bedeutung des Wortes ist in Wien nie entstanden, dazu fehlte es wohl an ausreichenden, ihren Zielen adäquaten Impulsen bei den öffentlichen Faktoren, doch nachdem der Nachdruck auf den künstlerischen Fortschritt gelegt wurde, an dem die österreichische Kunst so ruhmvoll beteiligt war, kam auch die Zeit, das Versäumte nachzuholen. In den ersten Anfängen wurden die Ankäufe durch eine Kommission besorgt. Das konnte nicht lange ausreichen: die Zeit, wo Gremialberatungen die organisatorische Tätigkeit eines Museumsleiters ersetzen konnten, war vorbei und überdies war man, was so selten der Fall ist, in der glücklichen Lage über eine glänzende Kraft zu verfügen, die bereits früher auf einem Spezialgebiete der neuen Kunst in einer für die neue Galerie mustergültigen Weise sich bewährte. Im Anschlusse an die alte herrliche Kupferstichsammlung der Hofbibliothek hat Dr. Dörnhöffer in wenigen Jahren und in einer Zeit, wo man anderswo kaum noch an Aehnliches dachte (Berlin und Dresden folgten später nach) im stillen eine Sammlung der modernen Graphik geschaffen, die heute weltberühmt ist und von der man nur in Wien, obwohl sie allgemein zugänglich ist, wenig zu wissen scheint, aus demselben Grunde, von dem ich in der Einleitung gesprochen
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habe. Im Ministerium war man gut beraten, und im Jahre 1909 wurde Dörnhöffer zum Direktor der Modernen Galerie ernannt. Unter seiner Leitung gewann das neue Institut eine feste Gestalt auf Grund eines Programms, das, aus den besonderen österreichischen Verhältnissen emporgewachsen, mehr war als nur eine Variante dessen, was bis dahin in führenden modernen Sammlungen geschaffen worden war. Die von der Berliner Nationalgalerie im Jahre 1906 veranstaltete deutsche Jahrhundertausstellung, die alle nicht gerade verblendeten Gegner der neuen Bestrebungen zum Schweigen brachte, zeigte nicht nur die hohe Bedeutung der deutschen Kunst des vorigen Jahrhunderts, sondern auch ihre erstaunliche territoriale Mannigfaltigkeit. Man konnte da eine merkwürdige und kunstgeschichtlich lehrreiche Erscheinung beobachten. In einer Zeit, wo der Universalismus der Bildung alle lokalen Sonderkulturen weit in den Hintergrund gedrängt zu haben schien, wo der Weltverkehr wie alle Berufe auch den künstlerischen immer wieder von jeder lokalen Gebundenheit loslöste, blieb doch die deutsche Kunst nicht minder als in früheren Perioden, und zwar am stärksten in Werken der führenden Meister, territorial differenziert. Die Verschiedenheit zwischen den Kunstwerken einzelner deutscher Kulturkreise war nicht geringer als einst zwischen Schöpfungen etwa der Schule von Köln und Nürnberg, oder in Italien zwischen einem florentinischen und einem venezianischen Gemälde, wobei allerdings in der neuen Malerei die Uebereinstimmung nicht so sehr auf einer unmittelbaren Schultradition, wie viel mehr auf einer mehr oder weniger unbewußten Anpassung prinzipieller Errungenschaften an ein in gemeinsamer Kulturvergangenheit wurzelndes Kunstempfinden beruhte. Heimatlos waren, wie in allen Zeiten, nur die Stümper; die wahre Kunst ruhte auf einer freien Wechselwirkung zwischen dem allgemein Menschlichen und dem aus heimatlichem Boden Erwachsenen: und von diesem Gesichtspunkte aus den Werdegang und den Charakter der neuen österreichischen Kunst zum Ausdruck zu bringen, war das Ziel, das Dörnhöffer der neuen Wiener Galerie gestellt hat. Für die Erwerbungen lag darin eine unzweideutige Richtschnur: es sollten vor allem Kunstwerke gesammelt werden, welche die Entwicklung und die Eigenart der neuen Kunst in Oesterreich im Rahmen der allgemeinen Fortschritte der deutschen Kunst und der Bewältigung der höchsten künstlerischen Vollendung darstellen. Also nicht alles, was je in Wien oder im übrigen Oesterreich gemalt wurde! Die Galerie sollte weder ein illustriertes österreichisches Künstlerlexikon noch ein Archiv der alten und neuen Zelebritäten werden, sondern in ausgewählten Werken die Kunst jeder Meister umfassen, die für Oesterreichs Anteil an den allgemeinen Fortschritten der Kunst eine selbständige Bedeutung besessen haben oder besitzen. Von demselben Gesichtspunkte sollten auch nichtösterreichische Gemälde und Statuen erworben werden: Vor allem stets mit Rücksicht darauf, wie weit sie die Weiterbildung der Kunst in Oesterreich, sei es aus Quelle von neuen Bestrebungen, sei es als Beispiele paralleler Vorgänge, erläutern können. Noch eine weitere Folgerung mußte aus dem Grundgedanken der neuen Sammlung gezogen werden. Man hätte gleichsam auf Sand gebaut, wenn man die österreichische Kunst des vorigen Jahrhunderts und der Gegenwart von ihrer Vergangen-
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heit getrennt hätte. Denn viel von ihrer Sonderart beruht auf alten Entwicklungsreihen, die wir kaum noch kennen und für die es in den Zentralmuseen Oesterreichs kein eigenes Forum gab. Die Landesmuseen konnten keinen Ersatz dafür bieten, da sie anderen Zwecken dienen und da die Provinzialkunst nur teilweise ein Bild der österreichischen Gesamtentwicklung ersetzen kann, die vielfach besonders in der Neuzeit weniger auf den provinziellen Bildungen als auf einer gemeinsamen Kunst des Hofes, des Adels und der Kirche beruhte, deren Werte wohl zuweilen in andere Museen aufgenommen, doch nirgends systematisch gesammelt wurden. Auch andere, mehr praktische Gründe, der Wunsch, von der alten österreichischen Kunst zu retten, was noch zu retten war und für private Bestrebungen ähnlicher Art den schon lange erwünschten Mittelpunkt zu schaffen, sprachen für die Ausdehnung des Programmes der neuen Sammlung auf ältere österreichische Kunst und so wurde die Moderne Galerie in eine allgemeine österreichische Staatsgalerie umgewandelt. Wir haben in Wien wundervolle alte Museen mit kostbaren Kunstschätzen aus der ganzen Welt. Doch es fehlte uns eine Sammlung die in lebendiger Weiterentwicklung begriffen war, wie auch eine Sammlung, die das Kulturfaktum Oesterreichs auf dem Gebiete der Kunst aus seinen allgemeinen und österreichischen Voraussetzungen erschließen würde, und beides konnte und sollte die neue Galerie erfüllen im Interesse des österreichischen Kunstlebens, das so viel Talente und so wenig Selbsterkenntnis und höhere geistige Organisation besitzt, aber auch im Interesse der ganzen deutschen Kunst, für die unsere so reiche und wichtige österreichische Malerei in ihrer vollen alten und neuen Bedeutung erst gewonnen werden muß. Das scheint so naheliegend und selbstverständlich zu sein, und doch lag darin, daß diese Aufgabe der neuen Sammlung gestellt wurde, eine erlösende Tat; man kann sagen, erst dadurch wurde sie wirklich begründet und als eine segensreiche Institution für die Zukunft gesichert. Mit dem beweglichsten Element des geistigen Lebens, mit dem ununterbrochenen Wechsel der künstlerischen Bekenntnisse eng verbunden, bedroht durch den Egoismus und die Verstocktheit der absterbenden, durch die Unduldsamkeit und Ungerechtigkeit der neu entstehenden Kunst, ausgesetzt dem Ansturme der Aktualitätenjagd und Spekulation, im Brennpunkte jener «Oeffentlichkeit», die sich Selbstzweck ist und ein beliebter Tummelplatz der verderblichen Popularisierungspädagogik, die, wie einst die Akademien durch Kunstregeln die Kunst durch Reproduktionen, Lichtbildvorträge und Bildermagazine ihres Selbstwertes entkleidet und zu Gemeinplätzen eines oberflächlichen Bildungsphilisteriums erniedrigt – unter so vielerlei Einwirkungen ist jede moderne Sammlung, besonders in ihren Anfängen, mehr als andere Kultureinrichtungen in Gefahr, ein Spielball unklarer Vorstellungen, des Parteihaders oder persönlichen Strebertums, ephemerer Ziele und Erfolge zu werden. In Wien waren diese Klippen gewiß nicht geringer als anderswo. Sie sind glücklich vermieden durch Dörnhöffers weitblickende Ueberlegenheit, die, unbekümmert um Lob und Tadel, der neuen Galerie ein Programm zugrunde gelegt und auch in den wichtigsten Umrißlinien durchgeführt hat, das sie nicht nur über alle Versuche und Zufälligkeiten, die sonst neuen Gründungen anzuhaften pflegen, zur vorbildlichen Klarheit und Sicherheit der Ziele und Ge-
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sichtspunkte emporgehoben hat, sondern auch einen weiteren allgemeinen Fortschritt in der Entwicklung der modernen Sammlungen bedeutet, der Wien zum großen Ruhme gereicht. Es soll nicht verschwiegen, sondern dankbar hervorgehoben werden, daß er dabei volles Verständnis, ein nie wankendes Vertrauen und auch die notwendige materielle Förderung bei der Unterrichtsverwaltung und einem Kreise von kunstverständigen Männern gefunden hat, die, einen Galerieverein bildend, sich um die neue Sammlung große Verdienste erworben haben. Leider war man über all dies, während es in Wien vielen unbekannt blieb, in München genau unterrichtet und die bayerische Regierung versuchte gleich nach Tschudis Tod, Dörnhöffer für die Generalleitung der staatlichen Sammlungen zu gewinnen. Obwohl ihm die glänzendsten Bedingungen geboten wurden, hat Dörnhöffer damals abgelehnt; in erster Linie aus Pflichtgefühl, da er nicht die junge Wiener Gründung einer ungewissen Zukunft ausliefern wollte. Trotz der Ablehnung gab man in Bayern den Gedanken nicht auf und erneuerte im vorigen Jahre die Bemühungen, ihn zu gewinnen. Dörnhöffer hat sich auch diesmal lange gewehrt, schließlich jedoch den Ruf angenommen aus Gründen, die nicht erörtert werden können. Das Scheiden mag ihm dadurch erleichtert worden sein, daß inzwischen die Staatsgalerie auf festen Boden gestellt wurde und ausgezeichnete Kräfte herangewachsen sind, denen er unbesorgt die Fortsetzung seines Werkes übertragen konnte. Dr. Haberditzl, der nach Dörnhöffers Abgang mit der Leitung der Galerie betraut wurde, ist trotz seiner Jugend kein Homo novus. Seine vorzüglichen kunstgeschichtlichen Arbeiten erfreuen sich unter Fachgenossen der größten Wertschätzung und außerdem hat er nicht minder als seinerzeit Dörnhöffer (und zwar in demselben Wirkungskreise als Vorstand des kaiserlichen Kupferstichkabinetts) bereits bewiesen, daß er in vollem Maße auch jene Eigenschaften besitzt, die außer wissenschaftlicher Begabung für seine neue Stellung erforderlich sind: ein sicheres Kunsturteil, eine umfassende Fachkenntnis und kunstgeschichtliche Schulung wie auch geistige Unabhängigkeit, so daß man mit Zuversicht der weiteren Entwicklung der neuen Institution entgegensehen kann. Sie hat eine wichtige erzieherische Mission zu erfüllen, und das möge man sich stets bei Ansprüchen, mit denen man an sie herantritt, vor Augen halten. So sollten vor allem Kunstkreise nie vergessen, daß es sich nicht darum handelt, «die große Masse der Künstler zu beglücken, sondern die Besten unter ihnen zu fördern», und alle, die sich zum kunstliebhabenden Publikum rechnen, sollten sich mehr als es zuweilen geschieht vergegenwärtigen, daß es die Aufgabe der neuen Galerie nicht ist, diese oder jene private Geschmacksrichtung oder Aufnahmsfähigkeit zu befriedigen, sondern durch den höchsten Maßstab der bleibenden, künstlerischen Werte und lebendigen Kräfte auf das künstlerische Gewissen und zugleich auf die Vertiefung des allgemeinen österreichischen Kulturbewußtseins einen bildenden Einfluß auszuüben.
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ie in der Kunst, so besitzen wir auch in der Denkmalpflege eine Brücke zur besseren Zukunft oder besser gesagt, wir besaßen sie schon lange, ohne daß wir davon wußten. Was verstehen wir unter Denkmalpflege? Die Antwort wird verschieden lauten, je nachdem wer befragt wurde. Ein Schwärmer wird antworten: «Die Denkmalpflege ist ein Betätigungsdrang, der in einem neuen gefühlsmäßigen Verhältnisse zu dem künstlerischen und kulturellen Vermächtnisse unserer Vergangenheit seinen Ursprung und Schutz und Verlebendigung dieses Vermächtnisses zum Ziele hat.» Der Historiker wird sagen: «Durch die Vertiefung des historischen Sinnes haben wir den unschätzbaren Zeugniswert alter Denkmäler kennen gelernt, die um so mehr unversehrt erhalten werden müssen, als jede Lüge zu verabscheuen ist.» Und der Künstler: «Allzulange haben alte Kunstwerke unter einer nicht fachgemäßen Behandlung zu leiden gehabt. Nicht jeder Architekt oder Maler ist geeignet, alte Bauwerke oder Gemälde zu restaurieren. Dies erfordert besondere Kenntnisse und Erfahrungen, deren Summe als Denkmalpflege zu bezeichnen ist.» Und dann käme etwa noch ein Verwaltungsbeamte und würde dozieren: «Alter Kunstbesitz gehört zum öffentlichen Gut, dessen Obhut zu den Pflichten der staatlichen Verwaltung zu zählen ist, die sich dieser Aufgabe durch verschiedene Behörden und Organe entledigt, durch Denkmalämter und Denkmalpfleger wie auch durch verschiedene beratende Kommissionen und es liegt in der Natur der Sache, daß die Ausübung dieser Pflicht nicht immer ohneweiters mit den vielfach heterogenen verschiedenen lokalen oder individuellen Interessen in Einklang zu bringen ist, weshalb eine gesetzliche Regelung angestrebt werden muß.» Ich verzichte auf den Versuch, diese Anschauungen unter einen Hut zu bringen und ziehe es vor, einige Worte über die allgemeinen geistigen Voraussetzungen zu sagen, aus denen sich die Denkmalpflege entwickelt hat. Dem Mittelalter war der Begriff unbekannt, denn es besaß etwas, was viel wertvoller war und wofür die Denkmalpflege nur einen Ersatz bietet. Dies war Pietät. Sie war bedingt durch eine klare ideelle Zweckbestimmung der Kunst. Was der mittelalterliche Mensch künstlerisch geschaffen hat, war nicht für sinnlichen Genuß, Ruhmessucht und Bequemlichkeit, sondern zu Gottes Ehre bestimmt und dadurch a priori geheiligt.
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[Vortrag, gehalten am Denkmalpflegetag in Bregenz im Jahre 1920.] Erstabdruck in: Mitteilungen des Bundesdenkmalamtes, 2–6, 1920–24, S. 93–97.
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Man spricht im Mittelalter wenig davon, denn es handelte sich um eine Selbstverständlichkeit, doch ist es nicht schwer, diese Pietät immer wieder herauszufühlen, wenn man sich ins mittelalterliche Geistesleben und Kunstschaffen vertieft. Pietätlos war man der Antike gegenüber, die jenseits des geistigen Bandes stand, welches die mittelalterlichen Menschen in der Abfolge der Generationen verbunden hat. In allem, was an Kunstwerken der geistigen Gemeinschaft des Christentums die Entstehung verdankte, gab es dagegen keine Spannungen zwischen dem Alten und Neuen, keine brutalen Eingriffe, keine Dissonanzen. Wenn ein Umbau geschah, zumeist nur durch Elementarkatastrophen veranlaßt, so blieb doch der Genius loci unangetastet. Alte Teile verbinden sich harmonisch mit neuen, die aus derselben Gesinnung herauswachsen, welche an der Wiege der Alten gestanden ist. Und dieser Einheit der Gesinnung gegenüber gab es all die schwierigen Fragen und Probleme nicht, mit denen die heutige Denkmalpflege zu ringen hat. Dieser Sachverhalt hat sich verändert als die Kunst aufgehört hat, der einheitliche Ausdruck einer alle Menschen beherrschenden Idee zu sein und Selbstzweck zu werden begann. Es waren die Künstler der italienischen Renaissance, die diese neue Stellung der Kunst im geistigen Leben begründet haben. Eine Statue von Donatello, ein Bauwerk von Brunelleschi, ein Gemälde von Tizian waren nicht mehr in erster Linie ein Spiegelbild alle Menschen erfüllender, erhebender Gedanken und Gefühle, sondern sollten zugleich ein Zeugnis von der davon ganz unabhängigen Kunstfertigkeit der Künstler ablegen und wie sie die Regeln der Kunst beherrschen, die Natur nachzuahmen, herrliche Farben zu erfinden, künstlerische Probleme zu lösen vermögen, dem Beschauer vor Augen führen. Jedes Kunstwerk war mit anderen Worten ein Wettstreit mit künstlerischer Vergangenheit und Gegenwart, hervorgerufen durch individuellen Ehrgeiz und dienstbar nicht allgemeinen Ideen, sondern dem Bedürfnisse nach persönlicher Verherrlichung. Dies führte zu einer ungeheuren Bereicherung und Entfaltung der Kunstmittel, wie auch zu einer Entdeckung der formalen Vorzüge der antiken Kunst, der man bis dahin mehr oder weniger gleichgültig gegenüber stand, zugleich aber zu einer Erscheinung, die man als künstlerische Intoleranz bezeichnen kann. Am deutlichsten zeigte sich diese Unduldsamkeit in der Bekämpfung der mittelalterlichen Kunst, die als barbarisch, d. h., als jenseits der wahren Regeln der Kunst bezeichnet wurde. Damit war aber notwendig auch die Auflösung dessen verknüpft, was wir mittelalterliche Pietät genannt haben. Die Kunst rückt aus der Sphäre der überindividuellen in die Sphäre der individuellen Interessen. Sie diente nicht mehr ausschließlich allgemeinen geistigen Idealen der Menschheit, sondern zugleich dem persönlichen Glanze oder der persönlichen Bequemlichkeit, sie wurde mit anderen Worten mit dem Komplex der weltlichen Güter und damit auch mit mannigfaltigen zeitlich begrenzten oder rein materiellen Gesichtspunkten verbunden, die von der mittelalterlichen Pietät so entfernt waren, wie die Politik eines Cesare Borgia von dem Wirken eines großen mittelalterlichen Heiligen. Nichts kann dafür bezeichnender sein als die Tatsache, daß die Päpste das größte Heiligtum der abendländischen Chris-
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DER
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tenheit, die alte Peterskirche, ihrer persönlichen Ruhmessucht geopfert haben. Die mittelalterliche Kunst gehörte überwiegend ihrem ideellen Charakter nach allen Menschen, die neue wird immer mehr von privaten Interessen und Vorteilen abhängig, von Familienkirchen an bis zu den Sammlern, die keine Opfer scheuten, um alte Kunstwerke in ihren Besitz zu bringen. Die Kunst ist Ware geworden und um sie als Ware zu schätzen und im Kirchenstaate antiken Raub zu verhindern, setzt Julius II. in Raffael den ersten Konservator ein und erlassen seine Nachfolger Denkmalschutzgesetze nicht aus ideellen Beweggründen, sondern aus fiskalischen Rücksichten und von jenem egoistischen Standpunkte aus, der ein bezeichnendes Merkmal der neuen Auffassung der Kunst geworden ist. Weit verhängnisvoller aber noch als die Renaissance wurde für die Entwicklung der Dinge die zweite große Bewegung, die Reformation, die auf die Weltanschauung der europäischen Völker der Neuzeit bestimmend eingewirkt hat. Ich denke dabei nicht an den Bildersturm, den sie zur Folge hatte, der betraf nur eine bestimmte Gattung von Kunstwerken! Viel einschneidender wirkte, wenn auch nicht gleich, der neue Begriff des rechtschaffenen Lebens, durch den das Gleichgewicht zwischen den alten ora et labora zugunsten des letzteren verschoben wurde. Während das ältere Christentum Reichtum ursprünglich ganz perhorreszierte, später nur als Gottesgnade gelten ließ und die Bestimmung der Menschheit in dem Streben nach geistigen Werten sah, die nicht an das irdische Dasein gebunden sind, wurde durch die Reformation, besonders in jenen Ländern, in denen die Prädestinationslehre herrschte und noch heute herrscht, der Schwerpunkt auf die weltliche Betätigung der Menschen in Arbeit, Erwerb und materielle Verbesserung des Einzelnen und der Allgemeinheit gelegt, was in seinen Folgen einerseits zum Glauben an die einzig beglückende Kraft des weltlichen Besitzes, anderseits aber zum rücksichtslosen Kampfe aller gegen alle führen mußte. So wurde aber durch den geistigen und wirtschaftlichen Egozentrismus und Materialismus der Renaissance und Reformation eine Entwicklung begründet, die bald das Grab jeder alle Menschen verbindenden Pietät geworden ist, eine Entwicklung, die so mächtig war, daß auch die in der Gegenreformation einsetzende Steigerung der religiösen Gefühle nicht gegen sie ankämpfen, sondern nur ihrer sich bedienen konnte und die besonders in den zwei letzten Jahrhunderten lawinenartig anschwoll, alles niederreißend, was ihr im Wege stand. Ihr Kriterium war eine bis dahin beispiellose Entwicklung aller menschlichen Kräfte in der Richtung der Steigerung der äußeren Lebensbedingungen durch die Entfaltung der Naturwissenschaften und einer naturalistischen Kunst, die den Menschen durch eine wachsende Kenntnis der Natur Waffen in dem Kampfe ums Dasein liefern sollten und auf denen auch das proeminenteste System der Welterklärung aufgebaut wurde, ferner durch den Ausbau der Technik, der so groß und charakteristisch war, daß man die ganze Periode als das technische Zeitalter bezeichnen konnte und durch die Vorherrschaft der wirtschaftlichen und politischen Probleme gegenüber den rein geistigen im Leben der Staaten und Nationen. Es entstanden Riesenstädte als Erwerbszentren, Welthandel und Weltimperialismus, Multimillionäre,
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Riesenmuseen und profane Prunkbauten, wie sie die Welt seit dem Untergange des römischen Imperiums nicht gesehen hat, doch die die Menschen innerlich vereinigende Kunst wurde immer seltener, weil es keine innerlich die Menschen vereinigende Ideale gegeben hat, und verwandelte sich aus einer Empfindungssache in eine seichte Bildungsfrage, d. h. in eine Angelegenheit mehr des Wissens als Empfindens; sie war nicht ein Bekenntnis, sondern Lebensverschönerung, deren man sich gerne bediente, wo dies mit wirtschaftlichen Interessen in Einklang zu bringen war, aber über die man sich jedoch gewaltsam hinwegsetzte, wo dies nicht der Fall gewesen ist. Man publizierte, photographierte alte Bauten, Statuen und Gemälde, schrieb über sie gelehrte Bücher, doch wehe ihnen, wenn sie etwa finanziellen Projekten oder dem, was man technischen Fortschritt nannte, im Wege standen. Ich möchte einige beliebige Beispiele herausgreifen. Ein alter Turm im Schloßgarten von Pettau von bescheidenen Formen, doch eine Augenweide in seiner landschaftlichen Umgebung und umsponnen von der Poesie der Natur und der Vergangenheit. Eine andere Stadt besaß ein einst ähnlich wirkendes, nur noch weit wertvolleres Denkmal in einer romanischen Kapelle. Sie baute ein Brauhaus um sie herum, so daß sie nun wie der Teil einer Fabrikanlage wirkt. Der Konflikt der Industrie mit der Kunst. Oder die alte Umgebung einer Kirche, ein stiller, verträumter Friedhof, zusammengewachsen mit der Kirche. Doch es war bequem gerade an der Kirche vorbei eine neue Straße zu führen, man regulierte das Terrain und zerstörte alles, was da schön gewesen ist. Der Konflikt des technischen Fortschrittes mit der Kunst. Eine alte Burg, malerisch in der Landschaft gelegen. Sie wurde Spekulationsobjekt und man verwandelte sie in einen historisierenden Kasernenbau. Ein Konflikt der Handelsinteressen mit der Kunst. In einer Landeshauptstadt stand ein wundervolles altes Tor. Es wurde dem Wahne geopfert, daß die Forderung des Verkehrs über allem steht und so klafft heute, ohne daß selbst der Zweck erreicht worden wäre, ein häßliches Loch, wo noch einst ein harmonischer Abschluß bestanden hat. Die alten Plätze und Straßen waren organische Gebilde. Man ersetzte sie durch lähmend auf die Einbildungskraft wirkende Reißbrettschemen, setzte mitten in eine alte malerische Häusergruppe abscheuliche Kasten von ertragfähigeren Massenquartieren hinein und selbst auf dem Lande mußten Wohnstätten, die viele Generationen befriedigten und erfreuten und auf denen ein märchenhafter Hauch lag, Bauten weichen, die unkünstlerisch und unpersönlich wie eine architektonische Fabrikware wirken. Köstliche Juwelen der alten Baukunst, wie das Mandelschlössel in Graz, wurden demoliert, weil man glaubte, der Modernisierung, d. h. der technischen Umgestaltung der Stadt einen Dienst zu leisten. Und wo sich einst ein schöner Ausblick von Salzburg bot, baute man eine Schule so, daß von dem Bilde nichts übrig blieb. Man könnte diese Beispiele ad infinitum fortsetzen und sie bieten nur Bruchstücke aus dem großen und unerschöpflichen Zerstörungswerk des XIX. Jahrhunderts. Ganze Städte sind ihm zum Opfer gefallen. Ganze Gebiete mit ihren Schlössern, Burgen und alten Ortschaften sind willkürlich zum Nutzen der Unternehmer
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umgebaut oder verwüstet, und viele Kirchen sind ihrer Schätze, die man an Trödler verschacherte, aus Gewinnsucht beraubt worden. Und als ein Gegengift gegen diese Vergiftung sozialen und geistigen Lebens durch die Hypertrophie der rein wirtschaftlichen und technischen Ziele, gegen ihren Rationalismus und Sensualismus entstand auf dem Gebiete des Verhältnisses zur alten Kunst die Denkmalpflege. Äußerlich schloß sie sich der Altertumskunde und dem künstlerischen Historismus des XIX. Jahrhunderts an, innerlich war sie ihnen jedoch direkt entgegengesetzt. Wohl war das Bestreben in die Kultur der Vergangenheit tiefer einzudringen und die neu erwachende Bewunderung der künstlerischen Schöpfungen in ihren romantischen Anfängen eine erste, übrigens ziemlich weit zurückgehende Reaktion gegen den Materialismus und den wissenschaftlichen Positivismus der Gegenwart, unter dessen Einfluß jedoch auch sie bald geraten ist, so daß sich die Begeisterung für die Vergangenheit bald entweder in reine Wissenschaft oder in eine Nachahmungs- und Restaurierungswut verwandelte, für die das alte auch nur wiederum das Mäntelchen persönlichen Ehrgeizes war. Und unter diesem Mäntelchen verbarg sich derselbe Mangel an wirklichem Gefühl für unersetzliche geistige Werte, der das ganze technische Zeitalter charakterisierte, ja in gewissem Maße war das Wirken solcher falschen Propheten der Denkmalpflege noch schlimmer als jenes der Banausen und Spekulanten, weil es auf hohlen Phrasen und Verlogenheit beruhte und diese Verlogenheit war es, die schließlich das Gewissen aufgerüttelt hat. Nicht in der Allgemeinheit, sondern in einzelnen subtiler fühlenden Menschen, deren Empfindung sich gegen die Vergewaltigung des alten Kunstbesitzes wendete, stellte man ihr gewisse ideale Forderungen entgegen, die sich dahin zusammenfassen lassen, daß die alten Kunstwerke möglichst vor der Zerstörung und Verunstaltung zu schützen sind. Darin lag zweifellos im tiefsten Grunde und seinen Vertretern kaum bewußt ein antimaterialistischer revolutionärer Gedanke, dessen Entstehung wir in derselben Zeit auch auf anderen Gebieten des geistigen Lebens beobachten können, wie z. B. in einer neuen antipositivistischen Orientierung der Philosophie oder in den Anfängen einer ganz neuen antinaturalistischen Kunst. Dieser Gedanke war jedoch zunächst machtlos und mußte, um sich überhaupt eine praktische Geltung zu verschaffen, hundertfache Kompromisse mit den bestehenden Verhältnissen schließen, sich ihnen anpassen, wie auch umgekehrt diese Verhältnisse ihm eine gewisse Geltungssphäre eröffnet haben, die man nicht fürchten mußte und die zugleich die Idee in ein zahmes Instrument der bestehenden gesellschaftlichen Zustände verwandelt hat. Der Denkmalschutz konnte sich in Vereinigungen und literarischen Ermahnungen ausleben, erhielt behördlichen Charakter und durfte gegen Gründe materieller Natur seine Gründe idealer Natur ins Treffen führen, die zuweilen, d. h. wo es andere Interessen erlaubten, auch berücksichtigt wurden, bis der große Krieg kam und uns alle belehrte, daß all dies nur ein Trugspiel war, eine ideale Betätigung einzelner, die man gewähren ließ, doch ohne Einfluß auf die die europäischen Völker beherrschenden Kräfte und Ziele, noch auf die von ihnen beherrschten Massen, denn ohne Erbarmen und auch ohne Bedauern wurden dem
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Krieg Hekatomben von Denkmälern geopfert und wohin er seinen Fuß setzte, da herrschte bald auch auf dem Gebiete der alten Kunst Verwüstung und Tod, so daß die Katastrophe der europäischen Zivilisation auch als eine Katastrophe der Denkmalpflege aufgefaßt werden kann. Es fiel niemandem auch nur im Traume ein, ihren Forderungen und Gründen auch nur die geringste Beachtung zu schenken. Und doch war ihr Wirken nicht vergeblich, ja erst jetzt wird die Zeit kommen, wo es reiche Früchte tragen wird. Denn wer sich durch die augenblickliche Lage der Verhältnisse nicht täuschen läßt und tiefer und weiter sieht, wird sich der Erkenntnis nicht verschließen, daß dieser Triumph des technischen Zeitalters und der materialistischen Weltanschauung ihr letzter war. Bei Sieger und Besiegten erhielt sie in dem vulkanischen Ausbruch den Todesstoß und heute bereits kann man freudigen Auges überall das Werden einer neuen Welt wahrnehmen, in der geistige Güter wertvoller sein werden als technischer Fortschritt, Erwerb und Bequemlichkeit und bis dieser Prozeß vollendet und die Verblendung einer nur auf materiellen Errungenschaften aufgebauten Glücksvorstellung Forderungen und Gründe der Denkmalpflege in allgemeine Gesinnung verwandeln und aus dem Samen des Denkmalschutzes wird der Baum einer neuen Pietät emporwachsen. An uns liegt es, diese Entwicklung zu beschleunigen.
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EIN DENKMALZERSTÖRUNGSGESETZ (1909)*
E
in Denkmalschutzgesetz wird in Österreich allem Anscheine nach nicht so bald geschaffen werden. Nicht deshalb, weil es viele Feinde hätte. Mit geringen Ausnahmen dürften ihm weder politische Parteien oder öffentliche Faktoren, welcher Art immer, noch einzelne Persönlichkeiten widersprechen, und wenn man ein Plebiszit anrufen würde, so fände das Gesetz ohne Zweifel eine imposante Majorität. Und doch wird das Gesetz nicht geschaffen, weil es, wie jede kulturelle Reform, einen zielbewußten, zum Fortschreiten entschlossenen Willen und Entscheidungsmut, eine überzeugungsvolle Tatenfreude erfordert, die bei dem schwerfälligen Apparate unserer Legislative und Verwaltung nicht zu finden sind. Weit mehr Aussicht auf Annahme hat eine andere Gesetzesvorlage, die man als das Denkmalzerstörungsgesetz bezeichnen könnte. Es ist dies eine im Reichsrate von der Regierung eingebrachte Vorlage eines neuen Hauszinssteuergesetzes. Mit der steigenden Wertschätzung alter Orts- und Stadtbilder, mit der zunehmenden Verehrung der alten künstlerischen Kultur, die auch dem privaten Dasein eine ästhetische Form zu verleihen wußte, ist auch die Bedeutung der alten Privatbauten für die Denkmalpflege im Wachsen begriffen. Man beklagte es in der letzten Zeit zuweilen, daß die Steuerbefreiung der Neubauten eine Art Prämie für die Demolierung alter Profangebäude war. Nun, die neue Vorlage gibt sich damit nicht zufrieden, sondern besteuert auch mit der drakonischen, unerschwinglichen Steuer die Erhaltung der alten Gebäude, wie aus folgenden Grundsätzen zu ersehen ist: 1. Die Bauten werden nicht nach ihrem Ertrag, sondern nach der Zahl und der Größe der Räume, und zwar mit einer ungeheueren Progression besteuert. Wer das Unglück hat, ein Haus mit geräumigen, gesunden Zimmern zu besitzen, wird dafür bestraft. 2. Die Steuer richtet sich nicht nach der Anzahl der tatsächlich bewohnten, sondern nach der Anzahl der bewohnbaren Räume. Wer das Unglück hat, ein altes Schloß zu besitzen, in dem er, ohne es bewohnen zu können, nur einige wenige Räume als Absteigquartier benutzt und das er nur erhält, weil es sich um ein geschichtliches und kunstgeschichtliches Denkmal handelt, oder wer das Unglück hat, in seinem Hause alte, schöne Prunkräume zu besitzen, die bewohnt werden könnten, aber der Schonung wegen nicht bewohnt werden, wird bestraft.
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Erstabdruck in: Kunstgeschichtliches Jahrbuch der k. k. Zentralkommission, 3, 1909, Beibl., Sp. 173– 175.
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8.1 | EIN DENKMALZERSTÖRUNGSGESETZ (1909)
3. Räume, in welchen sich Sammlungen, Bibliotheken, Galerien usw. befinden, sind nur steuerfrei, wenn die Sammlungen ganz allgemein zugänglich sind. Besitzer von Kunstsammlungen, Klöster, die wertvolle Kunstschätze, Bibliotheken, Archive, als eine Fundgrube des Wissens und der Belehrung für Gelehrte und Kunstfreunde erhalten, werden dafür bestraft. 4. Gebäude, die sich durch schöne Anlage oder Umgebung (Garten, Parkanlagen) auszeichnen, werden bis zu hundert Prozent höher besteuert. Also, wer das Unglück hat, ein gut gelegenes, bequem und ansehnlich gebautes Haus oder gar ein künstlerisch hervorragendes Schloß zu besitzen, wird bestraft. Wer mit vielen Opfern einen alten, mit seinem Besitze verbundenen Park pflegt, wird bestraft. Wer durch einen Garten bei seinem Hause sich und andere erfreut und die Schönheit des Ortes bereichert, wird bestraft. Es ist dies eine Gesetzvorlage, die die Besitzer zwingen wird, alte, schöne Bauten zu demolieren, da sie die mit ihnen verknüpfte Steuerlast nicht werden ertragen können, und die auf diese Weise in kurzer Zeit fiskalisch im Namen des Gesetzes das vernichten wird, was sich an schönen, baulichen Anlagen, an kultivierter Naturschönheit, an Zeugnissen höherer, künstlerischer Bedürfnisse unserer Vorfahren im Privatbesitz erhalten hat. Man kann sicher annehmen, daß diese herostratische Vorlage Gesetzkraft erhält, da ihre Annahme nicht intellektuelle Willensakte, sondern nur kulturelle Gleichgültigkeit und politische Zufallsmomente voraussetzt.
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ÖSTERREICHISCHES DENKMALSCHUTZGESETZ (1910)*
D
ie Frage eines österreichischen Denkmalschutzgesetzes ist in ein entscheidendes Stadium getreten. Die Kommission, die zur Beratung der Vorlage im Herrenhause eingesetzt wurde, hat sich auf einen vom Grafen Latour ausgearbeiteten Entwurf geeinigt, der als ein Zeugnis der Klärung der Anschauungen vom Standpunkte der Denkmalpflege auch prinzipiell interessant und wichtig ist und deshalb auch in diesen Blättern besprochen werden soll. Ein charakteristisches Merkmal der Vorlage ist der Verzicht auf jede Art der Klassierung der Denkmale, was ungemein zu begrüßen ist. Denn die bisherigen Klassierungssysteme waren ebenso falsch als schädlich. Eine skalamäßige Taxierung der Denkmale beruhte auf der Voraussetzung, daß sich die Geschichte der Kunst auf bestimmte Stilformeln und vermeintliche absolute Kunstwerte reduzieren läßt, die es den Organen der Denkmalpflege ermöglichen, die Bedeutung eines Denkmales für das staatliche Ressort mit einer geradezu mathematischen Sicherheit zu bestimmen. Nun haben wir aber längst die Überzeugung gewonnen, daß der Maßstab, die Lehren und Rezepte, nach denen solche Bewertungen und Einschachtelungen erfolgten, im Widerspruche mit der tatsächlichen Entwicklung steht, die von einer fast unerschöpflichen Mannigfaltigkeit war und den verschiedensten Denkmälern eine ungeahnte historische oder künstlerische Bedeutung von neu gewonnenen Gesichtspunkten aus verliehen hat oder in der Zukunft verleihen kann, so daß die von vornherein festgelegte Einschränkung des Schutzes auf bestimmte Denkmale oder Denkmalsgruppen nicht minder sinnlos wäre, wie wenn man vom Standpunkte der Zoologie beschließen würde, auf die Erhaltung der Weltfauna hinzuarbeiten und sich dabei auf bestimmte Arten und Gattungen beschränken, die übrigen aber ruhig der Ausrottung preisgeben würde. Dazu kommt noch etwas anderes. Wir wünschen und fordern die Erhaltung alter Kunstwerke nicht nur ihrer kunstgeschichtlichen Bedeutung wegen, sondern nicht minder deshalb, weil wir sie als eine künstlerische Bereicherung unserer Umgebung betrachten, die vielfach von der kunstgeschichtlichen Bedeutung oder dem absoluten Kunstwerte des Denkmales unabhängig ist. Eine alte malerische Stadtbefestigung ist uns von diesem Gesichtspunkte aus nicht minder lieb und wertvoll als ein prunkvolles Schloß und eine Dorfgemeinde hat auf die Erhaltung ihres stimmungsvollen Dorfkirchleins nicht minder Anspruch als die Gelehrten auf die Erhaltung eines wichtigen Fundes. Gerade die-
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Erstabdruck in: Kunstgeschichtliches Jahrbuch der k.k. Zentralkommission, 4, 1910, Beibl., Sp. 161–164.
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8.2 | ÖSTERREICHISCHES DENKMALSCHUTZGESETZ (1910)
ser eigentliche Denkmalwert ist aber ein unendlich fluktuierender, da er von geistigen Strömungen und Stimmungen wie auch vom künstlerischen Empfinden der Gegenwart abhängt, das von einem Lustrum zum andern einen neuen künstlerischen Inhalt zu bekommen pflegt. Ein Schema der Einschätzung wäre da bereits überholt, bevor man es ausgefüllt hat. Diese Mannigfaltigkeit und Variabilität des Denkmalswertes ist freilich sehr unbequem für die staatliche Verwaltung des Denkmalbesitzes, aber in dieser Unbequemlichkeit liegt auch die wichtigste Belebungsquelle. Eine staatliche Denkmalpflege, der die Möglichkeit geboten wird, nach Schablonen und Formeln ihres Amtes zu walten oder sich auf einige wenige dogmatisch ausgewählte Denkmäler zu beschränken, verliert bald jede Verbindung mit der tatsächlichen Entwicklung und wirkt eher hindernd als fördernd. Sie darf mit anderen Worten nicht der Bureaukratisierung oder akademischen Sterilität anheimfallen, sondern muß, wie die Universitäten oder die modernen Museen auf den Fortschritten der Bildung und allgemeinen Kultur aufgebaut, eine Institution sein, die sich nicht gegen die geistigen Mächte ihrer Zeit stellt, sondern von ihnen getragen wird. Man könnte allerdings einwenden, daß der Verzicht auf jede Klassierung die staatliche Ingerenz ins Unermeßliche ausdehnt und deshalb die Gefahr enthält, einesteils ungebührlich das freie Verfügungsrecht über alte Objekte einzuschränken, andernteils einseitig die Forderungen der Denkmalpflege anderen Bedürfnissen gegenüber allzusehr in den Vordergrund zu stellen. Dieser Gefahr beugt das Gesetz in zweifacher Weise vor. Es sollen nur Denkmale, die sich im öffentlichen (staatlichen, autonomen, kirchlichen, fideikommissarischen usw.) Besitze befinden, unter die rigorosen Bestimmungen des Gesetzes gestellt werden, wogegen das Privateigentum mehr präventiv, durch Steuernachlässe und anderweitige, nicht kategorische Einflußnahme geschützt werden soll. Beim öffentlichen Gute, das der Allgemeinheit gehört, sollen und müssen alle Pflichten berücksichtigt werden, die der Öffentlichkeit gegenüber im Denkmalbesitz enthalten sind, wogegen die Privatbesitzer zur Beachtung dieser Pflichten erzogen werden sollen, nicht zuletzt durch die strengen Bestimmungen, denen das öffentliche Gut unterworfen ist. Es scheint mir, daß diese Unterscheidung ebenso gerecht als opportun ist. Drakonische Maßregeln gegen Privatbesitzer haben bisher überall ihr Ziel verfehlt, da aber der Denkmal- und Heimatschutz heute nicht mehr nur eine theoretische Forderung bedeutet, sondern in den Massen überall immer mehr Widerhall findet, ist es mit Sicherheit zu erwarten, daß, wenn die Verwaltung des öffentlichen Denkmalgutes mustergültig und auf der Höhe der Zeit sein wird, auch im Privatbesitze allmählich, ja vielleicht schneller, als man erwartet, spontan eine pietätvolle Behandlung des alten Kulturbesitzes selbstverständlich sein wird. Eine zweite Einschränkung bedeutet die durch das Gesetz vorgeschriebene Berücksichtigung der Zweckbestimmung der Denkmals. Lebendige Denkmäler sollen dem Leben erhalten bleiben und ungehindert ihre Mission erfüllen können. Eine solche Konzession an die Bedürfnisse der Gegenwart hätte man vor wenigen Jahren sehr beklagt, heute muß man sie begrüßen. Denn die heutige Denkmalpflege steht nicht mehr wie vor kurzem noch in einem Gegensatze zu dem Leben und
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Streben unserer Zeit; wir wollen nicht mehr durch die Verneinung neuer Anforderungen und Werte das Alte aus dem Grabe erwecken und die Gegenwart durch die Vergangenheit verfälschen, sondern die Zeugnisse der alten Kunst, unverändert und pietätvoll zur höchsten Wirkung gebracht, als kostbaren Schatz in den Rahmen der heutigen Entwicklung einfügen, damit sie neu zu unserem dauernden Kulturbesitze werden, wie alte Dichter und Denker. So soll nach den Grundanschauungen der Gesetzesvorlage die alte mechanische, versteinerte Denkmalpflege durch eine entwicklungsfähige, lebendige ersetzt werden, deren höchstes Ziel es ist, mit der Zeit das Gesetz ganz entbehrlich zu machen, weil es nur das fordert, was gebildete Menschen nicht als Zwang, sondern als eine erwünschte und anzustrebende Anteilnahme am Leben und all der Entwicklung ihrer Zeit empfinden.
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DENKMALSCHUTZGESETZ (1910)*
Z
u den Verhandlungsgegenständen der diesmaligen Herrenhaustagung wird das Denkmalschutzgesetz gehören, und es hat den Anschein, als ob da endlich einmal ernstlich der Versuch gemacht werden sollte, über akademische und – parlamentarische Diskussionen hinauszukommen. Und das muß wohl auch geschehen, wenn man – ich will keine starken Worte gebrauchen – den Verdacht vermeiden will, daß all die Worte und offizielle Begeisterung für Denkmalpietät, für alte Kunst, staatliche Kunstpflege und Kunsterziehung, für Hebung der künstlerischen Kultur, für Verbreitung des historischen Sinnes und wie alle die schönen Phrasen lauten, nichts weiter war, als eine konventionelle Lüge auf der einen, eine Komödie auf der anderen Seite. Vor drei Jahren besuchte ich mit einem seitdem verstorbenen Wiener Archäologen und zwei Künstlern Nona, die zwei Wagenstunden von Zara entfernte römische und frühmittelalterliche Ruinenstadt am Fuße des Belebit, der das Museum von S. Donato in Zara und verschiedene ausländische Sammlungen wichtige Fundstücke zu verdanken haben, und die bei sorgfältiger Durchforschung und Erhaltung der Monumente nicht nur eine reichfließende Quelle der wissenschaftlichen Belehrung, sondern auch eine europäische Sehenswürdigkeit hätte werden können. Was wir gesehen haben, spottet jeder Beschreibung. Auf dem Hauptplatze von Nona lag ein großer Steinhaufen: die Trümmer des antiken Tempels, der da bis vor kurzem stand und den man zerstörte, um Schotter zu gewinnen. Man begnügte sich nicht mit dem antiken Baue, auch auf tausend Stücke zerschlagene klassische Gewandstatuen lagen auf dem Haufen, die unglaubliche Tatsache verkündend, daß es im zwanzigsten Jahrhundert in Europa noch ein Land gibt, in dem römische Marmorfiguren zur Straßenpflasterung verwendet werden. Doch nicht genug daran: zweihundert Schritte weiter steht, oder besser gesagt, stand eine herrliche venezianische Kirche aus dem zwölften Jahrhundert, ganz aus Quadern gebaut und gewölbt, ein besonders schönes und merkwürdiges, wie auch gut erhaltenes Denkmal der romanischen Baukunst Dalmatiens. Im Jahre 1906 hat man die Kirche mit Dynamit in die Luft gesprengt, um Baumaterial für einen öffentlichen Bau zu gewinnen. Dynamit mußte angewendet werden, weil das Gebäude viel zu fest war, um in der üblichen Art demoliert zu werden. Man kann ohne Übertreibung behaupten, daß eine ähnliche Barbarei nirgends in Europa möglich wäre, nicht einmal in der Türkei. Bei uns ist es aber keineswegs nur eine bedauernswerte Ausnahme, sondern ein – wohl besonders krasses Beispiel – für die Behandlung, die auch sonst gar oft
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Erstabdruck in: Neue Freie Presse, Abendblatt, Nr. 16618, 26. November 1910, S. 4.
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noch alten Denkmalen zu teil wird. So sind, um nur einiges aus der unübersehbaren Fülle der monumenta deperdita herauszugreifen, in der allerletzten Zeit zwei wichtige romanische Türme, der eine in Istrien, der andere in Salzburg, ohne zwingenden Grund abgetragen worden, eine prächtige und historisch besonders wichtige, gotische Kirche in Mähren wurde dem Spaten geopfert, und eines der prunkvollen Denkmäler der österreichischen Barockkunst, eine südböhmische große Klosterkirche, wurde in eine Ruine vom jetzigen Besitzer verwandelt, der die Laterne und die Bedachung der Kuppel abtragen ließ, um das Kupfer für einige Kronen verkaufen zu können. Was an kostbaren Inneneinrichtungen oder an wertvollen Gemälden, Skulpturen u.s.w. jahraus, jahrein vernichtet oder aus dem öffentlichen Besitz an Händler verkauft und ins Ausland verschleppt wird, was aus Mangel an Verständnis oder unbedeutender materieller Vorteile wegen, man kann wohl sagen, Tag für Tag, an alten Kunstwerken zu Grunde geht, und wie viel durch verfehlte Restaurierungen entwertet oder ganz zerstört wird, läßt sich kaum übersehen. Ganze Hekatomben alter Denkmäler wurden in den letzten Jahrzehnten verfehlten Verschönerungsabsichten oder schnöder Gewinnsucht geopfert, die deutschen und italienischen Antiquitätenläden sind mit alten österreichischen Kunstwerken gefüllt, und wenn es so weiter geht, wird man bald das einst an alten Kunstschätzen so reiche Österreich zu den an altem Kunstbesitz ärmsten Ländern Europas zählen müssen. Es klingt wie ein Hohn: Hunderttausende werden für Museen ausgegeben, von denen J. Grimm bereits im Jahre 1844 geschrieben hat, daß sie «für den reinen Geschmack statt erweckend verwirrend sind», dabei wird aber die Monarchie geplündert und um all das beraubt, was sonst überall den größten Stolz und Ruhmestitel der Gemeinwesen und Einzelner bedeutet, und was die Liebe zur Heimat das ganze Leben durch künstlerische Werte der Vergangenheit vertiefen und reicher gestalten kann. Ich verrate da keine Geheimnisse: dieser traurige Sachverhalt ist mehr oder weniger allgemein bekannt und wird auch überall aufrichtig beklagt. Es ist auch nicht Mangel an gutem Willen daran schuld, daß wir nicht längst, wie alle übrigen europäischen Staaten, Denkmalschutzgesetze besitzen, sondern die Furcht vor Schwierigkeiten, die sich solchen Gesetzen in Österreich in den Weg stellen würden. So fürchtet man zum Beispiel die Bedenken der kirchlichen Behörden gegen eine weitergehende öffentliche Ingerenz auf das ihnen anvertraute Gut. Ich bin überzeugt, daß diese Bedenken auch vom kirchlichen Standpunkte wenig begründet sind, denn eine Ingerenz, die sich darauf beschränkt, nur das zu verlangen, was allgemein auch von der Mehrzahl der Geistlichen als eine selbstverständliche Pflicht alten Kunstwerken gegenüber anerkannt wird, kann doch nicht als eine Last empfunden werden, und wenn sich manchmal Konflikte in Fragen der Denkmalpflege ergeben haben, so wurden sie in der Regel mehr durch unklare Verhältnisse oder durch die Möglichkeit einer subjektiven, nicht geregelten Auffassung und Behandlung der Fragen als durch eine prinzipielle Verschiedenheit des Standpunktes verursacht. Ein maßvolles Gesetz, das den kirchlichen Bedürfnissen Rechnung trägt, würde die Mißhelligkeiten und schwer empfundenen Verpflichtungen nicht vergrößern, sondern auf das Mindestmaß vermindern.
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8.3 | DENKMALSCHUTZGESETZ (1910)
Eine weitere Schwierigkeit liegt in der Meinungsverschiedenheit über die Kompetenz der autonomen und der zentralen Behörden, der Länder und des Reiches. Also ein Politikum. Doch auch dieses Hindernis verliert an Bedeutung, wenn man sich vergegenwärtigt, daß nach heute allgemein anerkannten Anschauungen nicht mehr politischer oder künstlerischer Parteistandpunkt verschiedener Kommissionen, sondern die fachliche Bildung verantwortlicher, besoldeter Organe nach sachlichen Gesichtspunkten, die sich jeder politischen Einflußnahme entziehen, über das Schicksal alter Denkmale zu entscheiden hat. Dadurch schrumpft aber das politische Interesse an der Frage so zusammen, daß es geradezu frivol wäre, wenn man dem noch etwa übrigbleibenden Rest die Hauptsache, nämlich die Erhaltung des alten Kunstbesitzes, opfern würde. Wie leicht könnte da geschehen, daß die Parteien, ähnlich wie jener Kaufmann, der so lange mit seiner Frau darüber stritt, wer den Pelz klopfen soll, bis ihn die Schaben gefressen hatten, ihrem Wunsche entsprechende Denkmalgesetze und Denkmalbehörden in einem Zeitpunkte bekommen, wo es nichts mehr zu schützen geben wird. Doch selbst wenn die Schwierigkeiten und Hindernisse wirklich groß wären, so müßte doch ein Weg gefunden werden, sie zu überwinden. Im heurigen Sommer hat H. Delbrück eine geistvolle Betrachtung über den politischen Niedergang des Parlamentarismus veröffentlicht. Ich weiß nicht, ob er in allem Recht hat, da ich politischen Fragen viel zu ferne stehe, um dies beurteilen zu können, doch es scheint mir, daß besonders bei uns in Oesterreich die kulturelle Unfruchtbarkeit des Parlamentarismus noch weit auffallender ist, als seine politische Ohnmacht, und die größte Gefahr für das öffentliche Leben bedeutet. Ein Parlament, das Kulturaufgaben nur dann löst, wenn es zufällige politische Konstellationen gestatten, oder wenn sich die Probleme wie überholte Acten selbst erledigen, ein Parlament das nicht den Willen und die Kraft besitzt, den Forderungen der Zivilisation und der einhelligen Ueberzeugung aller Gebildeten untergeordneten Schwierigkeiten gegenüber Geltung zu verschaffen, verwirkt nach und nach seine Daseinsberechtigung. Durch eine rasche Erledigung des Denkmalschutzgesetzes, wie sie in Aussicht zu stehen scheint, würde das österreichische Herrenhaus eine Tat von prinzipieller Bedeutung vollbringen, die überall, wo Kulturinteressen richtig gewürdigt werden, ein freudiges Echo erwecken würde.
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DENKMALSCHUTZ UND KIRCHENSCHUTZ (1911)*
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m 5. d. M. erschien unter diesem Titel im «Vaterland» ein Leitartikel, der die Frage des österreichischen Denkmalschutzgesetzes behandelt, um gegen dasselbe auf das entschiedenste Stellung zu nehmen, ja, es geradezu als einen Angriff gegen die katholische Kirche, erfüllt vom Geiste des Josephinismus, wenn nicht gar des Kommunismus, darzustellen. In Uebereinstimmung mit den Ausführungen einzelner Provinzblätter wird von einer Enteignung des kirchlichen Eigentums gesprochen, dem leicht eine vollständige Konfiskation folgen könnte. Da diese Anschauungen, wie gesagt, in der letzten Zeit des öfteren wiederholt wurden und nun von «besonderer Seite» in einer Weise in dem führenden katholischen Organ vertreten werden, die den Anschein erwecken könnte, daß es sich um eine sachkundige autoritative Aeußerung handelt, scheint es angemessen zu sein, ihnen entgegenzutreten. Zunächst möchte ich fragen, wer sind denn die Männer, die der katholischen Kirche so tiefe Wunden schlagen wollen? Die Herrenhauskommission zur Beratung des Denkmalschutzgesetzes wurde zum erstenmale auf Antrag Alexander Frhrn. v. Helferts, des Begründers und langjährigen Präsidenten der Leogesellschaft, eingesetzt, dessen Verdienste um die katholische Kirche in Österreich so bekannt sind, daß es überflüssig wäre, sich darüber zu verbreiten. Nach Helferts Tode hat Graf Latour, der Vizepräsident der Partei der Rechten, an dessen streng katholischer Gesinnung niemand zweifeln kann, im Einvernehmen mit der konservativen Partei des Herrenhauses Helferts Bestrebungen aufgenommen und eine neue Gesetzesvorlage eingebracht, während eine Reorganisation der Organe der Zentralkommission vorbereitet wurde, deren Leitung Prinz Franz Liechtenstein übernommen hat, der auch der Präsident der Leogesellschaft nach Helfert ist. Und ich verrate kein Geheimnis, wenn ich darauf hinweise, daß alle diese Bestrebungen von dem hohen Protektor der Zentralkommission, dem durchlauchtigsten Erzherzog Franz Ferdinand, nicht nur gebilligt, sondern auf das entschiedenste unterstützt werden. Sind das etwas Feinde der katholischen Kirche, denen man die Absicht des Kirchenraubes und der Untergrabung der kirchlichen Autorität unterschieben darf? Doch irren ist menschlich, könnte man einwenden, und vielleicht liegt den gutgemeinten Bemühungen eine falsche Auffassung der Rechte und Pflichten der Kirche und des Staates in ihrer gegenseitigen Abgrenzung zugrunde. Ich will den juridischen Distinktionen des gelehrten Autors nicht folgen, nicht weil sie sich nicht in ihrer Anwendbarkeit auf die Denkmalpflege leicht widerlegen ließen, sondern weil sie längst und autoritativ durch eine weit zurückgehende Stellungnahme der Kirche widerlegt *
Erstabdruck in: Das Vaterland, Zeitung für die österreichische Monarchie, Morgenblatt, Nr. 539, 26. November 1911, S. 1–3.
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wurden, die nachträglich zu desavouieren der Verfasser des Artikel sich bemüht. Man könnte daran erinnern, daß die ältesten Denkmalschutzgesetze bis zur Lex Pacca von den Päpsten im Rahmen ihrer Staatssouveränität erlassen wurden, wobei die Entscheidung in strittigen Fällen nicht etwa den kirchlichen Behörden, sondern einer weltlichen archäologischen Kommission übertragen wurde. Doch wichtiger scheint mir der Hinweis auf die Entwicklung, die unmittelbar zu der heutigen Gestaltung der Verhältnisse hinüberführt und deren Ausgangspunkt die Zerstörungswut der französischen Revolution war, die noch lange nachgewirkt hat und die abzuwehren sich alle patriotischen und konservativen Elemente zusammengefunden haben. «Man hat den Steinen den Krieg erklärt, wie den Ideen, die sich in ihnen verkörpern,» schrieb im Jahre 1844 Alexis de Tocqueville an den Grafen Leo Thun, und es war der Führer der französischen Katholiken, Graf Charles de Montalembert, der in den Dreißigerjahren des vorigen Jahrhunderts zuerst die Forderung der staatlichen Pflege der kirchlichen Altertümer laut und öffentlich erhoben hat. Ist dieser Forderung je von den kirchlichen Behörden widersprochen worden? Ist nicht vielmehr die ihr zugrunde liegende Auffassung, daß alte Kunstwerke als ein kostbares Gut vor allen Gefahren durch die staatliche Autorität geschützt werden müssen, seitdem in allen katholischen Ländern nicht nur nicht bestritten, sondern durch die Mitwirkung von katholischen Gelehrten und Kunstfreunden, darunter vielen geistlichen Standes, an Ausgestaltung der Institutionen der staatlichen Denkmalpflege in ihren Aufgaben von Jahrzehnt zu Jahrzehnt immer mehr bekräftigt worden? Es sei nur daran erinnert, daß das imposante Unternehmen der staatlichen Inventarisierung der Kunstdenkmäler ein unvergängliches Ruhmesblatt der deutschen Wissenschaft, dessen österreichischer Abzweigung nur durch Sachkenntnis ungetrübte Naivität kirchenfeindliche Tendenzen unterschieben kann, durch streng katholische Gelehrte begonnen wurde. Auch bei uns in Oesterreich ist die Berechtigung der staatlichen Denkmalpflege nie bekämpft worden, und mit Stolz kann die Zentralkommission auf eine lange Reihe von geistlichen Mitarbeitern zurückblicken, die ihr während ihres ganzen Bestandes mit Rat und Tat zur Seite gestanden sind, von der Ueberzeugung durchdrungen, daß sie auch der Kirche nützen, wenn sie dazu beitragen, durch die staatliche Patronanz die Denkmäler der kirchlichen Kunst vor der Zerstörung oder Verunstaltung zu bewahren. Und das alles soll eine auf verwerflicher Auffassung der staatlichen Ingerenz auf alte kirchliche Kunstwerke beruhende Verirrung gewesen sein? Ich glaube nicht, daß der Verfasser aus seinen Ausführungen die letzte Konsequenz zu ziehen sich entschließen würde, um jede öffentliche Einflußnahme auf das Schicksal der Idealgüter, die uns in allen Kunstwerken erhalten sind, zu verdammen und auf diese Weise die Früchte einer fast hundertjährigen Kulturarbeit im höchsten Sinne des Wortes, eines mühseligen Kampfes mit Unvernunft, Eigennutz, gemütlosem Materialismus und destruktiven Elementen mit einem Schlage zu vernichten. Wer aber nicht so weit gehen, wer nicht im Gegensatze zu der Vergangenheit zwischen der katholischen Kirche und den Bemühungen der gebildetsten und edelsten aller Nationen um die Erhaltung des alten kirchlichen Kunstbesitzes einen Bruch herbeiführen will, darf auch nicht die Berechtigung und Notwendigkeit eines Denkmal-
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schutzgesetzes bestreiten, ohne das die öffentliche Denkmalpflege, wie längst überall erkannt wurde, ihre wichtigsten Aufgaben nicht erfüllen kann, ja, sich in eine haltlose, lächerliche Fiktion verwandelt, zum Spotte der Unbildung und aller, die aus dem Denkmalschacher oder aus der Denkmalzerstörung Nutzen ziehen. Oesterreich ist der letzte europäische Staat, der kein Denkmalschutzgesetz hat, zum größten Schaden nicht nur der Wissenschaft und der Kunst, sondern womöglich zu einem noch größeren der katholischen Kirche. Denn neben Italien und Spanien hat der Katholizismus nirgends so Bedeutendes in kirchlicher Kunst geschaffen wie in Oesterreich, und nirgends wird dieses ruhmvolle Vermächtnis der Vergangenheit auch nur beiläufig ähnlich mißachtet und gewissenlos verschleudert wie bei uns. Jahraus, jahrein wandern Kunstschätze aus österreichischen Kirchen in die Läden der Münchner, Berliner und Londoner Antiquare, um dann die Wohnräume irgendeines Banquiers zu schmücken, jahraus, jahrein plündern Kommissionäre die Gotteshäuser aus, sie leer und öde zurücklassend. Einzelne Länder wurden in dieser Weise schon ganz devastiert, ärger als es die grimmigsten Feinde hätten zustandebringen können, und wenn es so weiter geht, wird sich Oesterreich allmählich aus einem der kunstreichsten in eines der kunstärmsten Länder verwandeln. Es soll daraus kein Vorwurf gegen einzelne erhoben werden, denn die Schuld liegt zumeist nicht in böser Absicht, sondern in Verständnislosigkeit und vor allem im Mangel an klaren, kategorischen Bestimmungen, die das Verständnis, das nicht von jedermann gefordert werden kann, ersetzen würden. Wie soll ein Landpfarrer wissen, was künstlerisch wertvoll und nicht wertvoll ist? Wie soll er entscheiden, was er an den ihm anvertrauten Kunstgegenständen künstlerisch ändern darf oder nicht ändern darf, wenn er sie nicht entwerten will. Das ist nicht seine Sache. Wohl trifft aber die Schuld alle, die in erster Linie berufen wären, dafür zu sorgen, daß die bisherige Hilflosigkeit und Desorientierung durch bindende Vorschriften beseitig wird. Mit der größten Entschiedenheit muß aber die Behauptung zurückgewiesen werden, daß ein Denkmalschutzgesetz, das einzige Mittel, diesen beklagenswerten Zuständen abzuhelfen, als ein Eingriff in das kirchliche Eigentum gedeutet werden kann. Eine solche Deutung ist weder begründet, noch sachkundig, ja vielleicht nicht einmal aufrichtig, denn wer sollte im Ernst daran glauben, daß die Antragsteller des Gesetzes sich am kirchlichen Eigentum versündigen wollen. Was sie anstreben, ist ein Gesetz zum Schutze des kirchlichen Eigentums, welches gegen Gefahr, von welcher Seite auch immer sie drohen möge, vor der Verschleuderung und steigender Entwertung, unter der es der bisherigen ungenügenden Hochachtung wegen zu leiden hatte, für künftige Generationen, die das kostbare Gut besser zu schätzen wissen werden, gerettet werden soll. Denn es handelt sich bei alten kirchlichen Kunstwerken nicht nur um das Verfügungsrecht einzelner Menschen, sie verkörpern Werte, die höher stehen, Manifestationen künstlerischer Ideen, Dokumente der Religiosität und Kunstliebe vergangener Generationen, gestiftet und geschaffen nicht nur für bestimmte Individuen, sondern zur religiösen und künstlerischen Erhebung aller Kirchenbesucher der Gegenwart und Zukunft, bei denen also das Eigentumsrecht nicht so einfach ist, wie der Besitz eines Grundstückes, nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten umfaßt,
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Pflichten der Allgemeinheit und kommenden Zeiten gegenüber, die durch die Vernichtung oder Verunstaltung alter Kunstwerke einen unermeßlichen Schaden erleiden. «Ein Gesetz,» sagte Senator de Giovanni im Jahre 1872, «welches den Zweck verfolgt, die Gegenstände des Altertums und der Kunst vor der Mißachtung der Unwissenden, vor der Gewinnsucht der Spekulation, vor dem Unglimpf der Unerfahrenheit zu bewahren, verletzt nicht bloß das Recht des Eigentums nicht, sondern ist ein gerechtes Gesetz, weil es jedem verbürgt, was ihm zugehört, ein moralisches Gesetz, weil es Handlungen verhindert, welche Individuen und Nationen schänden, ein erziehliches Gesetz, weil es heranbildet zum Kultus der großen Erinnerungen und zur Achtung der höchsten Gebilde des Wahren und des Schönen.» Der Gesetzesvorlage wird ferner vorgeworfen, daß sie zwischen Denkmalpflege und Kirchenpflege nicht unterscheidet und die Gefahr in sich birgt, daß Kultusbedürfnisse in der Zukunft zu wenig berücksichtigt, ja die Kirchen in Museen ohne Rücksicht auf ihre Zweckbestimmung verwandelt werden. Dieser Einwand ist schwer zu verstehen, da sich die im Einvernehmen mit dem österreichischen Episkopat eingebrachte Vorlage des Grafen Latour im Gegensatze zu anderen Denkmalschutzgesetzen ausdrücklich auf den Standpunkt stellt, daß die Bestimmungen des Gesetzes nur soweit angewendet werden dürfen, als sich dies mit der Zweckbestimmung der Denkmäler vereinbaren läßt, was nicht nur für die Bauten, sondern auch für ihre als Zugehör aufzufassende Inneneinrichtung gilt. Diese Bestimmung ist nicht etwa eine Konzession, sondern entspricht durchaus der heutigen Auffassung der Denkmalpflege, die lebendige Denkmäler, wie es die Kirchen sind, dem Leben und ihrer hohen Aufgabe erhalten will. Und wenn in der Gesetzesvorlage gesagt wird, daß in Fragen der Kultbedürfnisse ein Einvernehmen mit den Ordinariaten zu pflegen ist, so bedeutet das nicht, wie der Autor behauptet, daß die Bischöfe «einvernommen» werden sollen, sondern daß eine Uebereinkunft erzielt werden muß. Es ist mißlich, über diese Fragen zu verhandeln, wenn von vorneherein Mißtrauen erweckt und genährt wird. Wenn Meinungsverschiedenheiten entstanden sind, so beruhten sie sicher nicht darauf, daß die Denkmalpflege sakrale Gegenstände ihrer Bestimmung ganz oder teilweise entziehen oder sie in einem der Kirche unwürdigen und ihrem kirchlichen Zwecke widersprechenden Zustande belassen wollte, sondern in der Regel in der Verschiedenheit der Anschauungen darüber, war als würdig und unwürdig, als schön und erhebend oder als störend und verstimmend anzusehen ist. Das sind aber Fragen, wenn nicht ganz, so doch zum größten Teile des Kunstverständnisses, in denen sich die Kirche stets in ihrem neunzehnhundertjährigen Bestande an Kunstverständige gewendet hat. Ein mit grellen Farben schreiend und geschmacklos angestrichener alter Altar ist nicht kirchlicher als einer, der die feine, alte Farbenharmonie trägt, und wenn man darauf hinweist, daß ein so entstelltes altes Kunstwerk der Bevölkerung besser gefalle, so kann man dagegen entgegnen, daß in allen früheren Perioden für die Kirche das künstlerisch Beste gerade noch gut genug war und daß sie nie und nirgends zu dem niedrigsten Geschmacke herabgestiegen ist, sondern im Gegenteil die Bevölkerung zu einer geläuterten Kunstauffassung und dadurch zu einem reicheren und tieferen Seelenleben emporgeho-
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ben hat. Erfordern es etwa Kulturbedürfnisse oder die Kirchenpflege, daß ein altes monumentales Steinplattenpflaster durch Chamotteziegeln ersetzt wird, die für eine Badeanstalt zu schlecht wären, daß die Wände mit Malereien geschmückt werden, mit denen man sich in einer Spelunke nicht begnügen würde, oder alte, schöne Altäre durch Arbeiten ersetzt werden, die sich im Stile und auf dem Kunstniveau der Möbelmagazinware bewegen? Allen künstlerisch feiner Empfindenden den Besuch der Gotteshäuser durch ähnliche Verunzierungen zu erschweren, liegt nicht im Interesse des religiösen Lebens und hiemit auch nicht im Interesse der Kirchenpflege, wie es ja auch ganz und gar den Traditionen der katholischen Kirche widerspricht. Es ist nicht einmal richtig, daß dabei die Kunstansprüche der untersten sozialen Schichten maßgebend sind, denen zeitweilig das Neue gefallen mag, weil es neu ist, nicht aber der Kunstart wegen, denn die Kunst solcher Machwerke ist nicht volkstümlich, sondern die Kunst der schlechtesten Fabrikserzeugnisse und ihrer Nachahmer und Agenten, an die sich der Klerus vielfach statt wie einst an ein kompetentes Kunsturteil zu wenden pflegt. In dem Tiefstande der kirchlichen Kunst liegt weit mehr die Quelle der Meinungsverschiedenheiten, als in wirklichen Konflikten zwischen der Denkmalpflege und der Kirchenpflege. In diesem Tiefstande haben auch die von unserem Autor verteidigten Regotisierungen ihren Ursprung, in denen wahrlich nicht, wie der Verfasser behauptet, unsere Zeit Gott das Beste gibt, was sie besitzt, denn die meisten der neugotischen Kirchen, denen so viel unwiederbringliche Zeugnisse der größten Blütezeit der katholischen Kirche in Oesterreich zum Opfer gefallen sind, stehen auf derselben Kulturstufe wie die Fabriksware der Kunstfirmen, von der oben gesprochen wurde. Einen entwickelten Kunstsinn kann man freilich nicht dekretieren, wohl aber erziehen. Und das Denkmalschutzgesetz wäre eines der geeigneten Erziehungsmittel dazu, indem es die Qualität zu achten und zu verstehen lehrt und von unüberlegten oder unkundigen Verunstaltungen der alten Kirchen und ihrer Einrichtung den Klerus bewahrt. Schon heute sehen gar viele unter der Geistlichkeit, besonders unter der jüngeren, diesen Sachverhalt ein und beklagen ihn tief, so daß zu hoffen ist, daß, wenn dieser Strömung keine Hindernisse in den Weg gelegt werden, bald das Grundübel beseitigt und eine vollständige Uebereinstimmung der Ziele zwischen der Denkmal- und Kirchenpflege erzielt wird. Dann werden aber auch die odiosen Vergleiche zwischen Kirchen und Museen verschwinden. Ich weiß keinen Fall, daß die Zentralkommission dafür eingetreten wäre, auf einem Altarbilde das Bild eines Heiligen mit einem halben Kopf zu belassen. Doch ist es notwendig, daß alte Fresken an den Wänden ihren Gegenständen nach oft nur Kunstgelehrten verständlich, ganz übermalt und roh ergänzt werden, so daß ihr Kunstwert und ihre Bedeutung als historisches Zeugnis völlig vernichtet wird? Ist etwa die Kirche der heil. Cäcilie in Rom, die vor einigen Jahren auf Kosten und nach Weisungen des Kardinals Rampolla restauriert wurde, weniger kulturwürdig, weil dort mittelalterliche Fresken im fragmentarischen Zustande belassen wurden? Die Ehrfurcht vor der dokumentarischen Ueberlieferung, vor den adelnden Altersspuren bildet einmal einen integrierenden Teil unserer künstlerischen Kultur, und es liegt in ihr so viel Ethos, daß sich ihr auf die Dauer auch die kirchliche Kunst- und Kirchenpflege
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nicht entziehen können wird. Erst dann wird aber auch für die kirchliche Kunst eine neue Blütezeit kommen, bis sie sich nicht im Korrigieren und Verfälschen alter Kunstwerke, sondern diese ehrend, wie in vergangenen Zeiten in großzügiger Initiative im Schaffen von neuen ihr Ziel setzen wird. Auch gegen die Reorganisation der Organe der Denkmalpflege, über deren Grundsätze sich der Autor aus den Mitteilungen der Zentralkommission und in den Tagesblättern hätte belehren können, werden Gravamina erhoben und, wie mir scheint, abermals ohne eine genaue Kenntnis der Verhältnisse. Der Verfasser beklagt sich über die allzu starke Zentralisation, der ja gerade durch die Neuordnung abgeholfen werden soll. Er fürchtet eine Bureaukratisierung, der gerade durch die Anstellung von Kunsthistorikern und Architekten mit einer bestimmten Vorbildung (zu der auch eine genaue Kenntnis der liturgischen, auf kirchliche Kunst sich beziehender Vorschriften gehört) vorgebeugt werden soll, und wenn er von einer gemischten Gesellschaft und von Männern, die der Kirche feindlich gegenüberstehen, spricht, übersieht er, daß die neuen Funktionäre der Denkmalbehörde staatliche Beamte sein sollen, eidlich verpflichtet, nur nach objektiven, sachlichen Gesichtspunkten ihres Amtes zu walten. Wo liegt die größere Gefahr, in einem solchem Denkmalamte, wie es alle Länder bereits besitzen, das politischen Einflüssen entzogen wird, oder in unverantwortlichen Organisationen, bei denen alte Kunstschätze der Spielball des Dilettantismus einerseits, der Parteiinteressen anderseits werden? Die alte Organisation der Zentralkommission war unzureichend und in mancher Beziehung geradezu verhängnisvoll, konnte ihre Aufgabe nicht erfüllen und führte zu vielen Mißhelligkeiten; doch die Unzulänglichkeit der alten Institutionen der zukünftigen zum Vorwurfe zu machen, die nach unserem ehrlichen Bestreben und auf Grund aller bisherigen Erfahrungen diese Fehler vermeiden soll, und auf diese Weise der Reform Hindernisse in den Weg zu legen, ist weder klug, noch billig. Man kann gewiß über die geplante Reorganisation, die mit der größten Behutsamkeit und nach den besten Vorbildern unter Benützung eines jeden guten Ratschlages durchgeführt werden soll, reden und diskutieren, doch wer sie a limine abweist, ohne etwas anderes an ihrer Stelle zu setzen, kommt leicht in den Verdacht, daß ihm an dem Schicksale alter Kunstwerke überhaupt nichts gelegen ist. Es wäre bedauerlich, wenn man in kirchlichen Kreisen ein starres Nein Bestrebungen entgegensetzen würde, die Herzenssache und Kulturbedürfnis der Gebildeten unter den Katholiken sind, ein Kulturbedürfnis, das bereits in die weitesten Schichten gedrungen ist und nach einer Periode des traditionslosen Hinwegsetzens über alle Pietätswerte eine neue allgemeine Achtung und Liebe für das Vermächtnis der Vergangenheit, für das Erbe der Väter, für eine Heimatsliebe erweckte, die nicht in leere Phrasen, sondern im Verständnisse für das geschichtlich Gewordene, durch die Tradition Geheiligte besteht. Diese geistige Bewegung ist so stark, daß sie sicher früher oder später auch in Oesterreich zu einem Denkmalschutzgesetze führen wird, und ob es den kirchlichen Interessen nützlicher ist, wenn dies unter Mitwirkung und mit Zustimmung des Klerus geschieht oder ohne ihn und gegen ihn, dies zu entscheiden überlasse ich den Lesern dieses Blattes.
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DIE BESTEUERUNG DES KUNSTBESITZES. AEUSSERUNGEN HERVORRAGENDER FACHLEUTE (1916)* In letzter Zeit wurde insbesondere in Ungarn die Frage vielfach erörtert, ob unter den neuen Steuern, der Vermögenssteuer, der Kriegsgewinnsteuer usw., nicht auch eine Steuer für die Kunstgegenstände im privatem Besitz vorgesehen werden müsse. Wir haben uns nun an eine Reihe von Fachleuten gewendet, die über die Frage der Besteuerung des Kunstbesitzes folgende Meinungsäußerung abgegeben haben:** Von der Zeit an, wo man sich dessen allgemein bewußt wurde, daß Reichtum an alten Kunstwerken zu den Ruhmestiteln und kostbaren Kulturgütern eines Gemeinwesens gezählt werden muß, waren Herrscher und Regierungen bestrebt, alte Kunstschätze nach Möglichkeit dem Staate auch zu erhalten und weiter zu vermehren. Die geplante Steuer auf Kunstbesitz würde aber zweifellos, welche Form auch immer sie erhalten mag, eine Gefährdung und Verminderung des alten österreichischen Kunstbesitzes bedeuten, für den sie geradezu katastrophal werden könnte, und zwar ohne ihren eigentlichen fiskalischen Zweck ganz zu erreichen. Die Besteuerung würde nur zum geringsten Teil die «Kriegslieferanten» treffen, denn was die neuen Millionäre in den Kriegsjahren erworben haben, ist, wie jeder Kenner der Verhältnisse weiß, überwiegend ein Trödel, der nur durch die günstige Konjunktur eine unerhörte Preissteigerung erfahren hat und in normalen Verhältnissen sofort wiederum auf seinen tatsächlichen geringen Wert herabsinken dürfte. Wohl würde aber eine solche Steuer im höchsten Maße in alte Privatsammlungen eingreifen, an denen wir in Oesterreich so reich sind und die bei uns eine ganz besondere Bedeutung haben. Was sich in österreichischen Schlössern, Klöstern, großen Privatgalerien erhalten hat, ist nicht das Werk einer zufälligen und snobistischen Modeströmung, sondern ein Spiegelbild der künstlerischen Bestrebungen von vielen Generationen, ein wichtiges Kapitel der österreichischen Kunst- und Kulturgeschichte und der ihr zugrunde liegenden einheitlichen Geistesentwicklung. Für die Sammlungen, die als Ergänzungen der öffentlichen Hof- und Staatsmuseen und in mancher Beziehung noch eindringlicher als diese in dem Kunstleben der Gegenwart und in heutigen künstle* **
Erstabdruck in: Die Zeit, Morgenblatt, Nr. 4941, 27. Juni 1916, S. 4. An die Äußerungen Dvoøáks folgen die Stellungnahmen von Gustav Glück und Karl Moll (Anmerkung der Redaktion).
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rischen Bildungsaufgaben eine wichtige Rolle spielen, hätte eine solche Besteuerung höchst verhängnisvolle Folgen, denn die wenigsten Besitzer wären imstande, die neue, dem Werte der Denkmäler entsprechend hohe finanzielle Last zu tragen und müßten früher oder später ihre Kunstschätze verkaufen, zur Freude der amerikanischen Trustmagnaten, zum Schaden und zur Schmach Oesterreichs! Sollen wir die Sammlungen Liechtenstein, Czernin, Harrach in Wien, Nostitz in Prag verlieren? Es wäre dies eine künstlerische Verarmung Oesterreichs, die nie mehr gutzumachen wäre. Ohne Zweifel wären energische Schritte gegen den wahnwitzigen Antiquitätentaumel und Antiquitätenwucher auf das freudigste zu begrüßen. Doch es müssen da andere Wege betreten werden, man schlägt sonst nach der lästigen Fliege, und zertrümmert ein kostbares Gefäß. Man verwandle den Kunsthandel in ein konzessioniertes Gewerbe, was uns von dem geheimen Schacher, der wie eine ansteckende Krankheit alle Gesellschaftsklassen ergriffen hat, erlösen würde, man besteuere, und zwar hoch, nicht den Kunstbesitz, sondern den Antiquitätenverkauf, was den Kunsthändlern, da sie die Steuer auf den Käufer anwälzen könnten, nicht zum Nachteil gereichen, die Sammelwut eindämmen, zugleich aber dem Staate reiche und dauernde Einkünfte erschließen würde, und man schaffe schließlich ein Gesetz zum Schutze der alten Kunstwerke im öffentlichen, vor allem kirchlichen Besitz, der immer noch in erster Linie dem Antiquitätenhunger der neuen Vermögen die erwünschte «Ware» liefert. Solche Maßnahmen würden auch über die finanziellen Erfordernisse hinaus Gutes stiften, wogegen eine allgemeine Besteuerung des alten Kunstbesitzes unersetzlichen Idealgütern Oesterreichs den größten Schaden zufügen würde und deshalb, wie es in Ungarn bereits geschehen ist, als eine kulturfeindliche Tat bezeichnet werden müßte.
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us verschiedenen Gründen beschäftigt man sich gegenwärtig, sowohl bei uns als auch in Deutschland, amtlich und nichtamtlich mit der Frage des Ausfuhrverbotes für alte Kunstwerke. Die Erneuerung der Handelsverträge bietet dazu einen äußeren Anlaß, doch darüber hinaus verleihen die traurigen und unerhörten Zustände im gegenwärtigen Kunsthandel und die mit ihnen verbundenen Gefahren für den alten Kunstbesitz der Angelegenheit die größte Dringlichkeit. Ueber die trefflichen Ausführungen, die ihr Wilhelm von Bode – vom reichsdeutschen Standpunkt – in der letzten Nummer der «Kunstchronik» gewidmet hat, wurde im «N. W. T.» bereits berichtet.** Da jedoch die Verhältnisse in Oesterreich wesentlich anders liegen als in Deutschland, dürften einige Worte über die Bedeutung des Ausfuhrverbotes vom Gesichtspunkte der österreichischen Kunstinteressen nicht überflüssig sein. Mit berechtigtem Stolz konnte Bode darauf hinweisen, wie reich Deutschland in den letzten Jahrzehnten an Kunstwerken geworden ist, die im Auslande gekauft wurden. Was ausgeführt wurde, ist kaum der Rede wert dem gegenüber, was nach Deutschland kam. Bei uns ist es leider anders. Ich wüßte kein einziges altes Kunstwerk von Weltbedeutung zu nennen, welches in den letzten hundert Jahren aus der Fremde in unsre öffentlichen Sammlungen gelangt wäre. Doch auch der Zuwachs an wirklich importanten Kunstwerken im Privatbesitz ist gering und wiegt bei weitem nicht das auf, worum wir in derselben Zeit ärmer geworden sind. Rembrandts «Simson» aus der Schönbornschen Galerie und der «Polnische Reiter» aus dem Besitze des Grafen Zarnowski sind uns, um nur einiges zu nennen, verlorengegangen, die schönsten Werke der alpenländischen Skulptur und Malerei, die von ihrem ursprünglichen Bestimmungsorte entfernt wurden, findet man in reichsdeutschen Museen und Sammlungen, und unübersehbar ist, was an Kircheneinrichtungsstücken, Glasgemälden, Metallarbeiten, Textilien, Glas und Keramik, etwa aus Tirol allein, zur Befriedigung einer snobbistischen Laune und zur Schande des ausgeplünderten Landes in den letzten Jahrzehnten weggeschleppt wurde. Was bei großen Versteigerungen in Oesterreich verkauft wurde – ich nenne nur die Sammlungen Lippmann und Lana –, wanderte fast alles ins Ausland, so daß zum Beispiel die Schätze des Staedelschen Instituts in Frankfurt zum
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Erstabdruck in: Neues Wiener Tagblatt, Nr. 55, 27. Februar 1918, S. 2–4. Am 29. Jänner 1918.
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größten Teil aus Kunstwerken bestehen, die in Oesterreich erworben wurden. Und wie gegenwärtig Oesterreich nach allen Richtungen hin von Händlern und Quasiliebhabern der schlimmsten Gattung exploitiert wird, weiß jeder, der in die Verhältnisse einigermaßen Einblick hat. Wohl ist ein Raubbau auf diesem Gebiete der geistigen Werte bis zu einem gewissen Grad eine allgemein europäische Erscheinung. Anderswo kann man ihr jedoch ein Gegengewicht entgegensetzen, entweder durch Denkmalschutzgesetze, wie in Italien, oder durch die große Unterstützung, die öffentlichen Museen zuteil wird und die es ermöglicht, vieles zu retten und den nationalen Kunstbesitz durch neue Erwerbungen aus dem Auslande zu ergänzen und zu bereichern wie in Deutschland, oder auch durch Verquickung beider Mittel wie in Frankreich. Uns steht keines von beiden zur Verfügung. Unsere staatliche Denkmalpflege ist gut und zweckmäßig organisiert, doch es fehlt ihr an Machtmitteln, ihre Wünsche und Forderungen durchzusetzen, da es fast fünfzigjährigen unermüdlichen Bemühungen bisher nicht gelungen ist, den Widerstand zu besiegen, welcher einer gesetzlichen Regelung des Denkmalschutzes in Oesterreich das Unvermögen zwischen Kasten- oder Parteiinteressen und allgemeinen Kulturforderungen zu unterscheiden entgegensetzt. Man kann leicht auf Gesetze verzichten, wo Verständnis, guter Wille und Opfermut vorhanden sind. Doch gerade darum ist es in Oesterreich, soweit es sich um Pflichten der Oeffentlichkeit gegenüber der Kunst handelt, sehr schlecht bestellt. Man erwartet und fordert alles vom Staate, auf den die «Bürde» aller Ausgaben, die irgendwie mit dem öffentlichen Kunstbesitz zusammenhängen, abgewälzt wird. Wie tief die Vorstellung eingewurzelt ist, daß staatliche Subventionen «dazu da sind», wenn mit alten Kunstwerken irgend etwas geschehen soll, und wie wenig man sich zugleich darüber klar ist, daß es im allgemeinen Interesse liegt, sie der Heimat zu erhalten, beweist der groteske Fall eines hohen Würdenträgers, der vor einigen Jahren ersuchte, man möge seine Bilder auf Staatskosten restaurieren lassen, da sie in gutem Zustand im Auslande besser bezahlt werden. Die staatlichen Mittel reichen aber naturgemäß ebensowenig aus wie in anderen Ländern. Die wertvollsten Erwerbungen der öffentlichen Sammlungen in Deutschland, Frankreich, England oder in den Vereinigten Staaten werden nicht aus den laufenden Dotationen bezahlt, sondern aus privaten Beiträgen und Stiftungen. Wie viel kam in den letzten Jahrzehnten durch Geschenke und Legate in den Louvre oder in das Britische Museum! Und in Berlin sind in der jüngsten Zeit, um nur das Bedeutendste zu nennen, das wundervolle Epiphaniebild von Hugo van der Goes, die rasch berühmt gewordene archaisch griechische Statue einer Göttin und im vorigen Jahre die Venus des Tizian, Kunstwerke, deren jedes über eine Million Mark gekostet hat, mit privaten Mitteln – der Hugo van der Goes aus Spanien, die griechische Göttin mitten im Kriege aus Paris und das Tizianbild aus Wien – für die königlichen Museen gekauft worden. Das letztgenannte Bild beweist besonders deutlich, wie wenig man in Oesterreich auf eine ähnliche Unterstützung rechnen kann. Es war in Oesterreich und sein letzter Besitzer räumte für eine ziemlich lange Frist und unter sehr günstigen Bedingungen österreichischen Sammlungen und Sammlern das Vorkaufsrecht ein. Es
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ist nicht richtig, wie kürzlich in einem Wiener Blatte zu lesen war, daß die Zentralkommission für Denkmalpflege sich wenig energisch darum bemüht hätte, das Bild, welches dem Auftrage eines Habsburgers seine Entstehung verdankt und auf dem ein Habsburger dargestellt ist, nicht ins Ausland gelangen zu lassen. Alle denkbaren Schritte wurden unternommen, viele einflußreiche Kunstfreunde bemühten sich um die Sache, ich selbst klopfte an manche Türen und mußte mir schließlich sagen lassen: Nie wieder! Reiche Menschen, die sich dessen bewußt wären, daß es für sie eine Ehre ist, für öffentliche Kunstsammlungen auch ohne das Requivalent eines Ordens Opfer zu bringen, scheinen bei uns selten zu sein. Es mag sein, daß sich dies mit der Zeit ändern wird – Ansätze hiezu sind in dem rührigen Verein zur Förderung der Staatsgalerie und in der werktätigen Unterstützung der kaiserlichen Galerie durch Kunstfreunde vorhanden –, doch es handelt sich nicht um die Zukunft, sondern um die gegenwärtige bedrohliche Situation, die wie ein Wirbelsturm die meisten alten, nicht öffentlichen Kunstbestände ins Wanken zu bringen droht und für die wir in keiner Weise gerüstet sind. Ich zweifle wohl daran, daß jemand ernstlich die bildungsfeindliche und in ihren Folgen für Oesterreichs Ansehen und Kulturstellung katastrophale Absicht, den alten, nicht erst im Kriege erworbenen Kunstbesitz in die geplante Vermögensabgabe einzubeziehen, zum Vorteil der Kunsthändler und Nationen, die keine eigene künstlerische Vergangenheit haben, in Erwägung ziehen könnte. Es bleiben jedoch auch somit noch Gefahren genug übrig, die sich aus den wachsenden Preisen der Kunstwerke, wie auch aus den Umwälzungen in der wirtschaftlichen Lage der einzelnen und ganzer Völker ergeben und die das gegenwärtige starke Fluktuieren der Kunstwerke, auf eine größere Bühne übertragen, auch über den Krieg hinaus befürchten lassen. Da kann nun das Ausfuhrverbot eine Handhabe bieten, um zumindest das Wertvollste für Oesterreich zu retten. Auch ich teile Bodes Meinung, daß ein allgemeines Ausfuhrverbot als unopportun und undurchführbar zu betrachten ist, nicht nur aus Valutagründen, sondern auch deshalb, weil es, ohne die absolute Gewähr gegen Mißbräuche zu bieten, Gegenmaßnahmen zur Folge haben dürfte, die uns ein Zufließen von Kunstwerken aus dem internationalen Kunsthandel versperren würde. Dagegen wäre jedoch das größte Gewicht auf die fakultative Ausfuhrverhinderung zu legen, die sich auf ein staatliches Vorkaufsrecht in allen Fällen und auf ein Ausfuhrverbot in Fällen stützen würde, wo es sich um Kunstwerke von einer ganz außerordentlichen Bedeutung für Oesterreich handelt. Beides würde sich nicht auf allzu viele Denkmäler erstrecken, da dem Vorkaufsrechte die sehr beschränkten staatlichen Mittel von vornherein eine enge Grenze ziehen würden und das Vetorecht als Ultima ratio nur auf die größten Kleinodien des österreichischen Kunstbesitzes anzuwenden wäre, für deren strenge Auswahl alle möglichen Bürgschaften geschaffen werden könnten. Ein solches letztes Zufluchtsmittel ist jedoch unbedingt notwendig, wenn Oesterreich nicht den allergrößten moralischen, kulturellen und wirtschaftlichen Schaden erleiden soll. Daß die Kulturhöhe eines Volkes nicht zuletzt nach seinem Verhalten zu alten Kunstwerken bemessen wird und bei allen Fragen, die dabei in Be-
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tracht kommen, der gute Ruf des Reiches und sein ethischer Kredit im Spiele sind, dürfte wohl der allgemeine Widerhall, den solche Fragen im gegenwärtigen Kriege gefunden haben, auch jenen begreiflich gemacht haben, die früher nicht davon wußten oder nichts davon wissen wollten. Ein Staat, der nicht bestrebt ist, von seinen Kunstschätzen zumindest das Wertvollste und Wichtigste im Lande zu erhalten, und es geschehen läßt, daß seine Kunstschätze widerspruchslos und unbehindert ins Ausland verschachert werden, wo man den Wert des Kunstbesitzes besser einzuschätzen weiß, sinkt naturgemäß in der allgemeinen Wertschätzung und erleidet einen Schaden, demgegenüber der im Vergleich zu andern Einwirkungen und bei der begrenzten Anzahl der zu schützenden Kunstwerke minimale Einfluß auf die Valuta überhaupt nicht in Betracht kommen kann. Leider soll es – man würde es kaum glauben – noch verknöcherte Fiskalisten geben, die den Standpunkt vertreten, die Ausfuhr der Kunstwerke ins Ausland sei möglichst zu begünstigen: sie sind nicht nur schlechte Patrioten, sondern auch schlechte Finanzleute, denn sie verschleudern ein Kapital, das unter keinen Umständen je wieder ersetzt werden kann.
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II. Teil: Unveröffentlichte Manuskripte DENKMALPFLEGE, VORLESUNGSMANUSKRIPT (1906 )*
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nsere Nachrichten über das Verhältnis der einzelnen Perioden der klassischen Kunst zu Kunstdenkmälern älterer Perioden reichen nicht aus zu einem halbwegs klaren Bilde von der Art und Entwicklung dieses Verhältnisses – man hat auch diese Nachrichten noch nie gesammelt. Immerhin kann man aber etwas darüber sagen. Im Jahr 110 brannte das Pantheon des Agrippa, welches zu den berühmtesten Gebäuden Roms gehörte, ab, nur die Säulenvorhalle blieb stehen. Es wurde von Hadrian in der jetzigen Form wiedererbaut und wie Sie wissen, ist die stehen gebliebene Vorhalle gewisse unbedeutende Änderungen ausgenommen, einfach in den Neubau eingefügt worden. Bei dem unerhörten Aufwand, der in dieser Zeit für Kunst und insbesondere für Bauzwecke verwendet wurde, kann man irgendwelche Ersparungsrücksichten kaum in Betracht ziehen. Auch von Pietätsrücksichten kann kaum die Rede sein, wir wissen ja doch, dass sonst die römischen Imperatoren mit Werken ihrer Vorfahren recht pietätslos umgegangen sind, auch sakrale Rücksichten können kaum in Betracht kommen, da es sich ja nur um die Vorhalle handelt. Und so sind wir wohl berechtigt anzunehmen, dass man für die Stilformen eines hundert Jahre früher entstandenen Baues ein Verständnis hatte und sich nicht scheute, sie ohne wesentliche Veränderung einem neuen Kunstwerke anzugliedern, was ja unserer modernsten Auffassung entsprechen würde. Und wenn wir nun Ausschau halten, finden wir überall in der spätrömischen und altchristlichen Kunst Beispiele dafür. Es beweist das, dass die Kunst in der Zeit der Flavier auf einem Entwicklungsstadium sich befand, welches es gestattete, auch die Stileigentümlichkeiten, den ganzen formalen Inhalt von Kunstwerken aus vorangehenden Perioden zu verstehen und daran Freude zu finden. Nur so kann man ja auch erklären, dass z. B. altägyptische Motive fast unverändert in die pompejanische Malerei übernommen wurden. Man hätte es gewiss nicht getan, wenn man nicht für sie Verständnis besessen, an ihnen Gefallen gefunden hätte. Wir können also in der Blütezeit der antikrömischen Barockkunst ähnlichen Historismus in den Beziehungen der Kunst und natürlich auch der Kunstkenner feststellen, wie er für unsere Zeit seit dem 16. Jahrhundert charakteristisch ist.
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Universität Wien, Institut für Kunstgeschichte, Archiv, Nachlass Max Dvoøák, Kart. 1, handschriftliches Manuskript der Denkmalpflege-Vorlesung, gehalten im Sommersemester 1906. Die im Manuskript fehlenden Seiten 5–8 stimmen mit den Seiten 61–65 des Manuskripts von 1910 überein und wurden entsprechend ergänzt. Die Fragezeichen deuten auf schwer lesbare Wörter, die in Klammern gesetzten Pünktchen auf Lücken hin. Zum Verständnis notwendige Textergänzungen wurden in eckige Klammern gesetzt.
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Im Mittelalter kann davon keine Rede sein. Es gibt in Rom ein merkwürdiges Haus, das sogenannte Haus des Rienzi und in Zara eine merkwürdige Kirche (ist wohl jetzt das Museum), die aus Überresten von antiken Bauten in barbarischer Weise zusammengezimmert wurden. Ich glaube, sie können uns als ein besonders schlagendes Beispiel dafür dienen, wie sehr das Verständnis für den formalen Sinn und Inhalt der klassischen Kunst gesunken ist. Es blieben nur die Trümmer davon übrig, da war es aber selbstverständlich, dass man sich wohl für die Denkmäler der antiken Kunst als historische Wahrzeichen und Merkwürdigkeiten interessierte, für ihre stilistische, für ihre künstlerische Bedeutung jedoch ebensowenig Verständnis haben konnte, als etwa für die poetischen Schönheiten der Horaz’schen Oden oder für das wunderbare System des römischen Rechtes. Es sind nur die membra disiecta der alten Kultur und Kunst, die weiter leben und zu deren Verständnis man sich emporschwingen konnte, keinesfalls aber die Organismen, deren Teil sie einst gebildet haben. Man kann sich leicht davon überzeugen, wenn man irgendeine von den Darstellungen antiker Bauten ansieht, die sich aus dem Mittelalter erhalten haben. Man würde nach diesen Darstellungen auf alles eher schließen als auf antike Bauten oder Skulpturen. Besonders instruktiv in dieser Beziehung ist eine Zeichnung im Skizzenbuche des Villard d'Honnecourt, die ein römisches Grabmausoleum darstellt, was man jedoch sicher nicht erkennen würde, wenn es der Zeichner nicht unter der Zeichnung vermerkt hätte. Villard hat nämlich das Mausoleum in den gotischen Stil übertragen, gewiss nicht absichtlich, sondern ganz einfach deshalb, weil er keine anderen Formen sich vorzustellen und darzustellen vermochte, weil er die Baukunst der Vergangenheit nur durch die Brille der damaligen sowohl architektonischen als malerischen Anschauungs- und Darstellungsmöglichkeit sehen konnte und beides nicht ausreicht, einen anderen Stil als den zeitgenössischen halbwegs objektiv zu verstehen und darzustellen. Es gibt ja auch Nachahmungen von antiken Skulpturen aus dem Mittelalter, die jedoch mit der klassischen Kunst nichts Gemeinsames beibehalten haben, als das Motiv. Was für die Künstler gilt, gilt natürlich umso mehr fürs Publikum und so können wir wohl sagen, dass man im Mittelalter für den formalen Inhalt älterer Kunstwerke kein Verständnis hatte, dass man formal, in Bezug auf künstlerische Ziele und Darstellungsmittel nicht von eigenen Schöpfungen unterschieden hat und in Folge dessen auch von einem formalen Affektionsverhältnis zu den Monumenten der Vergangenheit keine Rede sein kann. In derselben Zeit aber, als man in der kaiserlichen Kanzlei den Sinn der alten klassischen Urkundenformel, die man bishin sklavisch und verständnislos wiederholte, zu verstehen begonnen hat, als man den rechtlichen Inhalt des decretum zu begreifen begonnen hat, als die literarischen Formen der Antike wiederentdeckt würden, können wir beobachten, dass sowohl in Italien als im Norden Kunstwerke entstehen, die nicht nur äußere, ikonographische sondern auch formale Beziehungen zum klassischen Altertum offenbaren. Ich brauche ja nur auf die Skulpturen Nicolo Pisanos oder auf die klassizierenden Statuen der Kathedrale von Reims hinzuweisen. Auch in der Architektur und Malerei lassen sich ähnliche Beziehungen zu
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Kunstwerken vergangener Perioden feststellen. In der Architektur die italienischen Kuppelbauten, in der Malerei die Anlehnung an altbyzantinische Vorbilder. Es handelt sich dabei aber nur um ganz bestimmte formale Eigentümlichkeiten der alten Vorbilder, nicht um die ganze formale Erscheinung, nicht um den ganzen Stil. Und zwar ist es, wenn ich mich so ausdrücken darf, das Allergröbste, das Alleraugenfälligste, was die alten Denkmäler von den neuen Kunstwerken unterschieden hat, was zu beobachten man im Stande gewesen ist, und mehr die allgemeine Auffassung als die Details der Formengebung – in der Architektur der Gedanke einen Raum mit einer Kuppel zu überwölben, in der Malerei der Raumzusammenschluss, in der Plastik die allereinfachsten Gesetze des statuarischen Problems. Und es ist nicht schwer nachzuweisen, dass es sich dabei um stilistische Probleme handelt, zu welchen die mittelalterliche Kunst auf Grund der neuen in ihr sich vollziehenden Entwicklung selbst gelangte und für die sie nun in der Antike willkommene Exempla gefunden hat. Man konnte noch immer nicht einen antiken Bau in seiner Gesamtheit stylistisch verstehen, aber man konnte immerhin bereits sehen, dass er stylistisch von den eigenen neuen Bauten verschieden ist und versuchte, daraus Nutzen zu ziehen. Daraus kann man sich erklären, dass es im Ganzen und Großen mehr byzantinische und altchristliche Bauten gewesen sind als eigentlich klassische und von den klassischen Kunstwerken mit Ausnahme des Pantheons mehr die Werke gewerblicher Kleinkunst als etwa die monumentalen Skulpturen; an den Ruinen und Fragmenten ging man noch achtlos vorbei, denn es handelte sich ja um stilistische Eigentümlichkeiten der alten Denkmäler, die nur an halbwegs unversehrten Monumenten beobachtet werden konnten. Das Marcellusteater oder das Kolosseum spielt in dieser Zeit ebenso wenig noch eine Rolle wie etwa die Statue des Marc Aurel oder die Dioskuren. Im XV. Jahrhundert ändert sich das. Da können wir beobachten, dass [es] im Gegenteile die Einzelform ist bei den antiken (und auch mittelalterlichen) Denkmälern, an der man Gefallen gefunden hat und die zur Nachahmung und zum Wetteifer die Künstler angespornt hat und bei Liebhabern geschätzt wurde. Nicht dass man die antiken Kunstwerke für absolute Normen des Kunstschaffens betrachtet hätte, davon kann wohl erst im 16. Jahrhundert gesprochen werden und auch da nur bei einzelnen Theoretikern, aber es spiegelt sich darin wiederum nicht das Kunstwollen, sondern das Kunstsuchen des Zeitalters. Nachdem im XIII. und XIV. Jahrhundert die allgemeinen Darstellungsformen der bildenden Kunst, die allgemeinen tektonischen Probleme der Architektur, welche die Antike als ein Vermächtnis den kommenden Zeiten hinterlassen hat, in das Kunstleben des Abendlandes wieder eingeführt wurde, beginnt [man] nun überall im Abendlande, sowohl im Norden als in Italien, ein geradezu wissenschaftliches Studium. Das lässt uns aber für die so oft erörterte Begeisterung der Renaissance für die Antike, leicht wenigstens soweit formal-künstlerische Momente in Betracht kommen, leicht auf das richtige Maß einschränken, umso leichter, als eine große Anzahl von literarischen Nachrichten das bestätigt, was an dem Kunstschaffen selbst beobachtet werden kann. Von wirklichen Rekonstruktionen antiker Bauten kann keine Rede sein.
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Brunelleschis Pazzikapelle. [wohl Bildbeispiel] Man war überzeugt, dass ein solcher Bau die Antike wiedergibt. Das was antik daran ist, sind einzelne Bauglieder und deren Verhältnis. Das war ja eben, was man suchte. Und dem entspricht auch alles, was wir sonst über das Verhältnis dieser Periode zur Antike wissen. In den Zeichenbüchern finden wir nur ausnahmsweise einen ganzen Bau gezeichnet, und wo es geschieht, ist es falsch, dagegen werden die Details ununterbrochen studiert. Und man gelangt immer mehr dazu, sie in ihrer stilistischen Form zu würdigen. Dem entspricht auch die Denkmalpflege. Von einer Fürsorge um die großen Bauten dagegen werden Fragmente gesammelt, es wird nach ihnen gegraben, Raffael wird zum Leiter der Ausgrabungen benannt [ernannt]. So ist aber auch das Verhältnis in der Plastik und Malerei. Es ist ja richtig, dass man bei den damaligen Schriftstellern Äußerungen einer platonischen allgemeinen Begeisterung, die sich auf historische Erwägungen und die Schönheit der antiken Kunst bezieht, finden kann, aber dieser Schwärmerei entspricht durchaus nicht das Verhältnis der zeitgenössischen Kunst zu den alten Monumenten. Die Künstler und kunstsinnigen Leute betrachteten die klassische Kunst auch in der Renaissance weder als eine Quelle der historischen Erkenntnis noch als kunsthistorisches Paradigma, sondern die Antike war für sie Lehrmeisterin und Quelle des Genusses soweit, als sie ihnen Antwort auf Fragen gegeben hat, welche sie selbst beschäftigten. Es war erst die Kunst des 16. Jahrhunderts, welche die alten Kunstwerke in ihrer ganzen stilistischen Erscheinung entdeckte. Auch dieser Entdeckung liegt die Entwicklung der neuen Kunst zu Grunde. Es sind Maler, die zuerst diese Entdeckung gemacht haben. Mantegna. Raffael. Giulio Romano. [wohl Bildbeispiel] Da sehen wir, dass zum ersten Male antike Bauten mit einer Objektivität dargestellt werden, die sie uns als die Wiedergabe, als eine den stilistischen Charakter des Baues erschöpfende, erscheinen lässt. Man begreift es, wenn man die Entwicklung der Darstellungsfähigkeit untersucht, welche die Grundlage der Kunst dieser Meister bildet. Man hat nach und nach gelernt, jedes Objekt mit geradezu wissenschaftlicher Treue nachzubilden, und wie man den menschlichen Körper, oder ein beliebiges anderes Objekt bis zur kopienhaften Treue wiederzugeben vermochte, bis zu einer Treue, wie sie nie früher in der Kunst vorhanden war, so vermochte man naturgemäss auch ein altes Denkmal, ob es nun ein Bau, eine Skulptur oder eine gemalte Figur [war, wiederzugeben]. Konnte nun in der Malerei eine solche Treue in der Wiedergabe alter Monumente erreicht werden, musste sich dieselbe Fähigkeit naturgemäß bald auch in der Architektur einstellen – oder hatte es nun gar keinen Grund gegeben, klassische Bauten, klassische Skulpturen oder Gemälde einfach neu zu schaffen. Doch nichts Ähnliches geschieht. Wohl hat Michelangelo Statuen geschaffen, die wie der Bacchus oder der David klassische Intentionen neu zu verwirklichen scheinen, wohl hat er es unternommen, in Santa Maria degli Angeli eine antike Ruine wieder aufzurichten, wohl hat es Palladio unternommen, ganze große architektonische Kompositionen im Geiste der Antike zu entwerfen, aber von einer Wiederholung, von einer Rekonstruktion der An-
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tike, die ja notwendig wäre, wenn es sich um dogmatische Anlehnungen handeln würde, kann keine Rede sein, weder der Absicht der Meister, noch den Resultaten nach. Die große Anzahl der künstlerischen Schöpfungen hat mit der Antike nichts zu tun, und es ist nicht schwer zu erkennen, dass sie in jeder Beziehung frei der Antike gegenüber steht, stilistisch unvergleichlich vorgeschrittener ist, und in Folge dessen, die formalen Schönheiten in den Rahmen der eigenen Kunstschöpfungen einzufügen vermochte, ohne dadurch in irgendwelche Abhängigkeit von den alten Denkmälern zu geraten. Eine antike Säulenordnung in einem Palladianischen Bau erscheint uns ebenso wenig antik als ein klassisches Motiv in einem Gemälde von Poussin; es spielt sich also das alte Spiel weiter; auch dieses Zeitalter betrachtete die alte Kunst im Spiegel der eigenen Kunstbestrebungen, nur waren die nun umfassend und entwickelt genug, um die ganze stilistische Erscheinung eines alten Baues in den formalen Schatz der neuen Kunst einzufügen. Das äußert sich besonders in der Rolle, welche gut oder in Ruinen erhaltene antike Bauten für das Interesse der Maler, Architekten und des Publikums gewonnen haben. Wir sprachen davon, dass in der vorangehenden Periode es einzelne Bauformen und Bauglieder waren, mit welchen sich die Zeichner und Architekten beschäftigt haben. Nun beginnen aber Publikationen zu erscheinen, in welchen keine Einzelheiten, sondern einfach die Ruinen und alten Bauwerke Roms gestochen wurden, so wie sie sich erhalten haben, auch solche Bilder werden gemalt. Und wer diesen Zeugnissen nicht glauben sollte, der vergegenwärtige sich nur, welche Rolle in dieser Zeit die antiken Ruinen in der monumentalen Gestaltung der Städte gespielt haben, in welchen sie sich befunden haben. In der vorangehenden Zeit wurde jeder Bau als ein Einzelobjekt ohne Rücksicht auf die Umgebung aufgeführt, nun hat man jedoch begonnen, bei jedem Gebäude auch Rücksicht auf die Umgebung zu nehmen, größere Komplexe architektonisch zu gestalten, und in dieser Massenkomposition spielen antike Bauten und Ruinen dieselbe Rolle wie einzelne antike Bauglieder bei dem einzelnen Bauganzen. Niemand ist eingefallen, sie zu ergänzen [oder] zu Ende zu bauen; die Barocke benutzt sie so, wie sie sich erhalten haben, um sie mit (...) (...) besser gesagt, beides hat sich zweifellos zugleich entwickelt, da es sich ja wesentlich um das allen Künsten gemeinsame Anschauungsvermögen handelt. Tatsächlich finden wir sowohl in den theoretischen Baulehrbüchern dieser Zeit 2 als auch an einzelnen Monumenten einzelne Nachahmungen antiker Bauglieder oder anderweitiger antiker Kunstwerke, die zum Verwechseln den Originalen ähnlich sind.3 Bekannt ist ja die Geschichte von dem für antik ausgegebenen Amor Michelangelos, der selbst gewiegte Kenner zu täuschen vermochte. Weniger bekannt ist, dass gleichzeitig z. B. in Venedig die Lombardis Architekturen schaffen, die alle Merkmale des Klassizismus aufweisen.
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Serlio. Anm. am Seitenrand. Lombardi. Anm. am Seitenrand.
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Wenn Riegls Theorie von dem historisch und kunsthistorisch dogmatischen Substrat des Interesses der Renaissance an antiken Kunstwerken richtig wäre, so (...) 4. Das ist kurz gefasst der Sachverhalt. Versuchen wir nun eine Parallele zwischen ihm und der gleichzeitigen Kunstentwicklung herzustellen. Wenn wir uns fragen, wie man dazu gekommen ist, sich für Ruinen von einem anderen als familiengeschichtlichen oder antiquarischen Gesichtspunkte zu interessieren, so muss man, so paradox das auch klingen mag, auf die großen Architekten des 16. und 17. Jahrhunderts, auf Bernini und Borromini, auf Vignola und Giacomo della Porta, ja bis auf Michelangelo zurückgehen. Man muss aufs Kapitol gehen, wenn man die Anfänge einer Kunst sehen will, in der [man] zum ersten Male antike Überreste und Monumente in ihrer ganzen Erscheinung in ein großes architektonisches Ensemble eingereiht hat. Man muss die Gärten und Parks des Giacomo della Porta und Vignola aufsuchen, wenn man sehen will, wo zum ersten Male der Versuch gemacht wurde, zwischen Ruinen und der Natur eine architektonische Harmonie herzustellen, und es war Rom des 17. Jahrhunderts, in dem zum ersten Male eine ganze Stadt, und zwar die erste Stadt der Welt, nach ähnlichen Prinzipien umgestaltet wurde. Das Neue [welches sich von] den vorangehenden Perioden unterscheidet, ist Folgendes. Man hat bis dahin stets nur einzelne Teile oder einzelne künstlerische Qualitäten […] alter Denkmäler bewundert und nachgeahmt. Nun hat sich aber eine Architektur entwickelt, deren Charakter darin bestand, dass sie einheitliche Massenkompositionen angestrebt hat, das Bauwerk nicht vereinzelt, sondern im Zusammenhange mit der Umgebung als eine Gesamterscheinung, als eine Silhouette wenn Sie wollen, zu betrachten begonnen hat. Und wie für Bernini selbst die Peterskirche nur ein Akkord in einer ganzen Symphonie von Bauwerken und Plätzen gewesen ist, so hat man auch die einzelnen alten Bauwerke damals in ihrem Werte für die architektonische Gestaltung ganzer Prospekte entdeckt und sie in ihrer ganzen Erscheinung in solche Prospekte eingefügt. Der Umstand, dass die barocke Kunst dabei oft recht willkürlich mit den alten Denkmälern umgegangen ist, ändert nichts an dieser Tatsache, im Gegenteil es beweist sie nur, denn früher hat man, wenn man etwas Neues bauen wollte, das Alte zuerst niedergerissen (wenn es sich nicht um Anbauten handelte), und diese Inferiorität [?] der barocken Kunst den alten Denkmälern gegenüber war eben der Grund, warum man die alten Monumente als eine optische Gesamterscheinung zu schätzen und zu schützen begonnen hat. Nun werden Sie allerdings einwenden, dass von dieser kompositionellen Verwertung der alten Denkmäler zu der Forderung, dass an dem Bestande der alten Monumente nichts geändert werden darf, und zu der Behauptung, dass sogar eine Beseitigung der Altersspuren als ein Frevel gegen die Denkmäler betrachtet werden muss, noch ein langer Weg [zurückgelegt werden muss]. Nicht so sehr als es scheinen könnte.
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Die Beweisführung setzt in der S. 79 des Manuskripts von 1910 fort.
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Es handelte sich ja um eine wesentlich optische Entdeckung bei dieser Entdeckung der Gesamterscheinung der alten Denkmäler, nicht um eine technische, nicht um eine tektonische. Wenn wir die Ruinenbilder des 16. und 17. Jahrhunderts ansehen, die uns ja gewiss am besten zeigen können, was man an antiken und mittelalterlichen Bauten bewunderte, so sieht man, dass nie in keiner Weise der Maler bestrebt gewesen ist, den Beschauer auf die Einzelglieder oder auf die konstruktiven Eigentümlichkeiten der Denkmäler aufmerksam zu machen, sondern einzig und allein auf die malerische Erscheinung des Titusbogens, des Kolosseums. Wenn man also auch im Einzelnen, wo es sich um eine neue architektonische Schöpfung handelte, nicht scheute, das Alte einzubeziehen, im Sinne einer neuen Idee umzugestalten5, so ließ man doch da, wo es sich um das handelte, was für die barocke Kunst das Wesentliche war, […] die optische Gesamterscheinung eines Baues als eines architektonischen oder malerischen Faktors, stets die alten Denkmäler unverändert, weil ja eben darin ihr spezifischer architektonischer und malerischer Wert bestand. So gibt es in der ganzen barocken Kunst keine Restaurierung in unserem Sinne des Wortes. Dasselbe gilt aber nicht nur für die fehlenden Teile eines Denkmales, sondern auch für die Altersspuren, die es aufweist. Wenn Sie die Ruinenbilder des 16. und 17. Jahrhunderts ansehen, so können Sie beobachten, dass der Maler nie den Pflanzenwuchs weglässt, der die alten Bauten bedeckt, dass er sich bemüht, die Schäden, die Altersspuren recht deutlich zu machen, ja sie vielfach übertreibt, nur um [sie] recht deutlich zu machen. Das besagt nicht nur, dass man sie in der Wirklichkeit nicht beseitigte, was sonst bei dem eminenten Interesse dieser Periode sicher der Fall gewesen wäre, wenn man sie als störend empfunden hätte, sondern dass man gerade für sie ein Interesse hatte, dass man sie als etwas Wesentliches und Beachtenswertes an den Denkmälern angesehen hat. Wie dies gekommen ist, ist jedoch nicht minder leicht zu erraten. Wenn man sich für einen alten Bau vom malerischen Standpunkte interessierte, wenn man ihn z. B. in einem Park verwendet hat, so waren es wiederum nicht dessen tektonisch plastische Valeurs, es handelte sich in der Malerei dieser Zeit nicht darum, an den Objekten die Schönheit und Harmonie der Einzelformen zu beobachten und darzustellen, sondern den Eindruck wiederzugeben, den sie optisch in einem Raumausschnitte bieten. Und da war ja die Patina ebenso charakteristisch als die Flora, die diese Bauten bedeckte. So können wir schon in der italienischen barocken Kunst des 16. und 17. Jahrhunderts beobachten, dass die Künstler auf Grund der allgemeinen Entwicklung der künstlerischen Probleme einen Sinn und ein Interesse, eine Freude besessen haben an der unberührten Gesamterscheinung eines alten Denkmales, wie es die Zeiten uns erhalten haben.
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Während in der vorangehenden Zeit das Detail und die Gesamterscheinung geopfert wurde, ist es nun umgekehrt. Bemerkung am Seitenrand.
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Daran verändert sich nun im 18. Jahrhundert nur das, was sich damals in der ganzen Kunst verändert hat, nämlich das Verhältnis zur Natur. Man kann vielleicht am ehesten diese Veränderung an der Umgestaltung der großen Parks beobachten. Sowohl den barocken Parkanlagen als den englischen Gärten des 18. Jahrhunderts liegt eine kunstvoll architektonische Komposition zu Grunde, mit dem Unterschiede, dass es dort die architektonisch stilisierte, hier die ursprüngliche unstilisierte Natur ist, welche diese Komposition auszufüllen hat. Und so können wir auch beobachten, dass [es] in dieser Zeit mehr das Verhältnis der Monumente zu der Natur im Allgemeinen ist, welches Interesse erweckt, die Architekten angeregt hat, von Malern gemalt, poetisch geschildert und im Publikum bewundert [wird]. Wenn Sie den Bildern und Kupferstichen nicht vertrauen, so lesen Sie die poetischen Schilderungen der alten Denkmäler, und Sie werden bis tief ins 19. Jahrhundert hinein finden, dass es gerade das ist, was Riegl als Alterswert bezeichnet, was am meisten hervorgehoben, als das Bemerkenswerteste und Bewunderungswürdigste hingestellt wird. Und wenn Sie die bildlichen Darstellungen betrachten, so werden Sie überall finden, dass es nicht nur der Alterswert an und für sich ist, um den es sich handelt, wie vielmehr der Alterswert als Quelle bestimmter malerischer Qualitäten der alten Objekte. Nicht die Altersspuren an und für sich, nicht die Risse und Fugen als ein Merkmal der Zerstörung waren es, die man in dieser Zeit beobachtet hat, sondern die Altersspuren als die Veranlassung von Eindrücken, welche, mit der umliegenden Landschaft zusammengesehen, im Beschauer eine bestimmte Stimmung des Sentiments oder der optischen Sensation erwecken, jener Art, wie sie die Kunst jener Zeit im Allgemeinen angestrebt hat. So sehen wir aber, dass weder das Verständnis für die ursprünglich durch Restaurierungen ungestörte Erscheinung eines Objektes, wie auch für die den Altersspuren dieser Objekte entspringenden malerischen Erscheinungswerte, nicht erst in unserer Zeit entstanden ist, sondern schon im 18. Jahrhundert und zu Beginn des 19. Jahrhunderts allgemein als das Resultat der allgemeinen Entwicklung der Kunst und der künstlerischen Kultur vorhanden war. Wenn wir uns nun fragen, wie sich das 6 plötzlich ins gerade Gegenteil verändern konnte, so müssen wir uns vor allem vergegenwärtigen, wie diese Wandlung wo und wann entstanden ist. Vor allem muss man darauf hinweisen, dass sie einen absolut literarischen, und zwar doktrinären Ursprung hatte. Es waren Altertumsforscher jener Art, die wir erwähnt haben, die diese neue Forderung aufgestellt haben. Das wäre nichts Neues, solche Käuze, welche den Größenwahnsinn hatten, die Kunst nach bestimmten Regeln zu organisieren, gab es seit dem 16. Jahrhundert, seit dem Zeitpunkte, wo die individuelle Idee des Künstlers und der differenzierte Geschmack des Publikums eine größere Rolle zu spielen begonnen hat, stets in Hülle und Fülle – man könnte ihrer von
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Die fehlenden Seiten 28 und 29 stimmen mit den Seiten 97 und 98 des Manuskripts von 1910 überein.
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bis eine lange Reihe aufzählen, nur dass ihre Theorien an der Kunstentwicklung abprallen mussten und höchstens einen ephemeren Erfolg aufzuweisen hatten. Nun ereignete es sich aber, dass diese literarischen Tendenzen in Ländern und in Zeiten aufgenommen werden, in denen die alte künstlerische Kultur wenigstens für eine Periode aus vielen Ursachen der Boden entzogen wurde. Vor allem dadurch, dass neue soziale Schichten ihr Recht an der Kunst und Kultur geltend zu machen begonnen haben. So in Frankreich nach der großen Revolution, so in Deutschland nach dem Jahre 1848. In der Architektur, um die es sich vor allem handelt, kommen noch andere spezielle Ursachen dazu, vor allem die Zweck- und Sinnlosigkeit der alten monumentalen Architektur, dann neue technische Voraussetzungen. Und so können wir die Beobachtung machen, dass Hand in Hand mit der sozialen Umwälzung […] Bis zum 17. Jahrhundert konnten wir beobachten, dass in der Kunst, und wir können wohl annehmen auch bei dem Publikum, das Verhältnis zu alten Kunstdenkmälern durch die leitenden Probleme der Kunst bestimmt wurde. Vergegenwärtigen wir uns nun, wie sich die Verhältnisse seit dem 17. Jahrhundert entwickelt haben. Es steht uns da eine große Anzahl von literarischen Nachrichten zur Verfügung. Das was für das 18. Jahrhundert als besonders charakteristisch hervorgehoben [werden muss], ist der Ruinenkultus. Er wird auf den englischen Garten einesteils, auf die Romantik andernteils zurückgeführt. In der Zeit als man in England begonnen hat, historische Romane zu schreiben, und sich für die nationale Vergangenheit und die nationalen Altertümer begeisterte, sei die Mode aufgekommen, in den großen englischen Parks künstliche Ruinen von alten Burgen zu errichten, und das hatte zur Folge, dass man sich nach und nach auch für die wirklichen mittelalterlichen Ruinen begeisterte, sie mit einem romantischen Zauber umsponnen hat. Es ist dies einen Parallele zu den Romanen Walter Scott etwa. Diese Bewegung pflanzt sich auf den Kontinent, und wird nach und nach zu einer allgemeinen Schwärmerei für das Mittelalter umgestaltet. Die Brüder Tieck. Bekenntnisse. Goethe. Man zieht philosophische, ästhetische und nationalpolitische Gründe heran. Aus der platonischen Schwärmerei entwickelte sich eine aktive Betätigung dieser Schwärmerei: Es beginnen die Klagen darüber, dass die alten Monumente sich in einem verwahrlosten Zustande befinden, dass man sie erhalten muss und das, was die Ungunst der Jahrhunderte zerstörte oder unausgeführt gelassen hat, wieder aufbauen und ergänzen muss. Der Kölner Dom. Aus dieser Begeisterung fürs Mittelalter, die selbst eine kirchliche Anerkennung gefunden hat, entwickelte sich die Forderung der Stilreinheit. Man beklagte es, dass besonders die barocke Kunst die mittelalterlichen Kunstdenkmäler in das große System ihrer Entwürfe einbezogen, die romanischen und gotischen Kirchenräume mit barocken Dekorationen gefüllt hat, und man beginnt, dieses vermeintliche Verbrechen wieder gut zu machen.
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Die barocken Zubauten werden niedergerissen, die Kircheneinrichtung hinausgeworfen und vernichtet. Kein Krieg, keine Revolution hat so viel Schaden angerichtet. Aber auch die Theorie bemächtigt sich dieser Strömung. Es entsteht 1.) die antiquarische Altertumskunde. Es gibt noch heute solche Konservatoren; sie wollen wissen, wie alles ausgesehen [hat], 2.) Architektenspezialisten für die mittelalterlichen Stile – Gotiker und Romanisten, für die sogar Spezialschulen gegründet werden, 3.) Behörden, welche auf Durchführung solcher stilgemäßen Restaurierungen ex officio dringen und sie überwachen sollten, damit sie stilgemäß durchgeführt werden. Viollet-le-Duc vereinigte alles in seiner Person, es gab aber besonders in Deutschland viele kleine Viollets-le-Duc, bis auf den heutigen Tag. Inzwischen hat aber die ausschließliche Schwärmerei für die mittelalterlichen Stile aufgehört und wurde vielfach für die Schwärmerei für andere historische Stile ersetzt; so vor allem für die Antike und für die Renaissance. Da greifen nun wirklich ästhetische Theorien ein. Die absolute Gültigkeit der antiken Kunst wird aufgestellt. Man lehnt sich an die historische Theorie Winckelmanns dabei an, die in der Lehre von der aufsteigenden und sinkenden Entwicklungslinie besteht. Diese Lehre wird aber auch für die Neuzeit angewendet und gipfelt in der Burckhardtschen Schwärmerei für die Renaissance. Das spiegelt sich auch in der Architektur, und wie es bis dahin Gotiker unter den Architekten gegeben hat, so entstehen nun auch Klassizisten und Nachahmer der Renaissance. Auch sie schreiben im Verhältnis zu ihren Vorbildern das Gesetz der Stilreinheit auf ihren Schild. Die Folge dieser Entwicklung war 1.) Die Überzeugung, dass man nach Belieben in jedem Stile bauen kann. 2.) Die daraus folgernde Überzeugung, dass man die alten Denkmäler ohne Weiteres auf den Zustand ihrer Entstehungszeit zurückführen kann, beziehungsweise die nicht zur Ausführung gelangten Intentionen der Urheber der alten Bauwerke nachträglich ohne Weiteres verwirklichen kann. 3.) Die Überzeugung, dass es unsere Pflicht ist, dies auch in Bezug auf die Kunstdenkmäler der Antike, des Mittelalters und der Renaissance durchzuführen. Wo sich an einem Baue verschiedene Stilarten das Gleichgewicht hielten, da bekämpften sich die Patrone dieser Stilarten. Spalato. Der Mailänder Dom. Noch in den 70er Jahren waren diese Anschauungen absolut dogmatisch. Seit 20 Jahren können wir aber eine Reaktion dagegen beobachten […] noch beide Richtungen schroff gegenüber, wenn auch kein Zweifel sein kann, an welcher Seite dabei der bessere, fortgeschrittenere Geschmack zu suchen ist.
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Das ist kurz der Sachverhalt. Es fragt sich nun, wie er sich zu der geschilderten Entwicklung verhält, es fragt sich vor allem, ob diese Entwicklung unterbrochen wurde, und ein ganz anderes Verhältnis zwischen der alten und modernen Kunst entstanden ist. Da wäre vor allem darauf hinzuweisen, dass wohl wenn man von [den] Anfängen dieser Bewegung in England und Frankreich absieht, die Entfaltung zu einem Prinzipienstreit und die Aufstellung schroffer Schlussfolgerungen sich durchaus in Deutschland vollzogen hat. Zweitens wäre zu bemerken, dass sich diese Umwandlung in Deutschland um die Mitte des 19. Jahrhunderts ereignet hat. (...) 7 Nachdem wir die historische Entwicklung betrachtet haben, wollen wir uns noch einmal klarmachen, was die Grundlage unseres Denkmalkultes bildet und wie er beschaffen ist. Man spricht immer davon, dass das historische und kunsthistorische Interesse ungemein gewachsen ist. Es sind dies nur Phrasen. Wohl reisen viele Leute, doch das besagt nichts. Aber auch bei uns [gibt es] kein rechtes Interesse dafür, wer praktisch mit der Denkmalpflege zu tun hat, weiß vieles davon zu erzählen. [«]Das alte Zeug, weg damit[»], hört man immer wieder und höchstens wenn materielle Rücksichten in Aussicht kommen. Eher sind die Dinge schlechter [ge]worden als besser. Der Adel. Der Klerus. Beide Faktoren spielten einst[?] eine wichtige Rolle. An ihre Stelle [sind] Fabrikbesitzer [getreten], doch die besitzen keine Tradition. Bauunternehmer. Die beherrschen unser Kunstleben. Da ist [es] um so verständlicher, dass bei Leuten, die ein künstlerisches Empfinden haben, die Sehnsucht nach einer anderen Gestaltung der Dinge, nach einer Gestaltung der Dinge, bei der die Umgebung, in der wir zu leben haben, nicht nur durch die Linearregulierungspläne und den auf den großen Profit hinarbeitenden Zinskasernenstil bestimmt werden, in der es noch andere Gesichtspunkte gibt, als die der möglichsten technischen und ökonomischen Ausnutzung des Ortes und des Materials, bei der nicht nur Baupoliere und Ingenieurs zu entscheiden gehabt haben, sondern auch Leute, die Herz und Sinn für [ein] durch Liebe zur Sache, Fantasie und künstlerische Tradition geleitetes Schaffen besessen haben. Ich will nicht behaupten, dass all das unserer modernen Baukunst ganz mangeln würde, aber es ist dem Ansturme des banalen Utilitarismus gegenüber verschwindend klein. Um so mehr müssen naturgemäß diese Vorzüge, mögen sie oft in einer noch so kleinen Dosis vorhanden sein, bei den alten Kunstwerken hervortreten. Und deshalb beginnen sich heute Leute zu mehren, die ein neues, ein nicht antiquarisches, nicht ein wissenschaftliches Interesse an den alten Kunst-
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Seite 37 fehlt.
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werken gefunden haben, ein Interesse, welches sich wiederum genau mit dem deckt, was den Inhalt unseres ganz übrigen Kunstempfindens bildet. Ein Beispiel mag es illustrieren. Wer nur irgendein feineres Kunstgefühl besitzt, wird unsere modernen Straßen und Plätze mit dem größten Missfallen finden, wird sie mit Recht als barbarisch ansehen. Kärntnerstraße. Und doch wird vom Baumeister eines jeden einzelnen Hauses die größte Mühe angewendet, die Straße schön zu gestalten, jedem einzelnen Hause die kunstvollste Form zu verleihen, und es gibt gewiss darunter auch Bauten, die absolut nicht als Schablonenobjekte bezeichnet werden können. Dagegen finden dieselben Leute an einer alten Straße, sagen wir in Rothenburg, aber auch bei uns, wo es sich um minder berühmte Fälle handelt, das größte Gefallen. Denken wir uns alle die Häuser einzeln, so würden sie uns höchst gleichgültig sein. Sie wirken nur in ihrer Gesamtheit. Und denken Sie sich sie alle neu angestrichen, geht der ganze Reiz verloren. Oder denken Sie sich auch nur jedes zweite Haus angestrichen. Es sind also nicht die Altersspuren an sich, sondern der einheitliche Prospekt. Baron Haussmann. Das betrifft aber auch die Interieurs. Ein moderner Kirchenraum, noch so kunstvoll, wirkt unkünstlerisch, ein Dorfkirchlein hat Stimmung. Ein Bild in einem solchen Raume sehen wir lieber in einem ruinierten Zustande, in einer Gallerie würde uns dagegen derselbe ruinöse Zustand [s]chockieren. Es sind also gewisse Relationen der Einzelheit zum Ganzen, was wir verlangen, eine Harmonie, eine Zusammenstimmung, die wir verlangen. Das ist es aber, was auch das höchste Ziel unserer Architektur bildet, ja es schon seit dem 17. Jahrhundert gewesen ist, seit jenem Zeitpunkte, wo wir gelernt haben, jedes Kunstwerk mit seiner Umgebung als ein optisches Gesamtbild aufzufassen und gelernt haben, gewisse Merkmale als die Voraussetzung des Entstehens der Harmonie anzusehen. Was wir sehen, sind Farben und Linienharmonien, die sind für uns die Quelle der Freude an den Kunstwerken, und wo sie gestört werden, betrachten wir es als einen Eingriff in den alten Bestand. Wenn wir aber genau zusehen, finden wir, dass dasselbe die ganze moderne Kunst als ihr höchstes Ziel betrachtet.
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DENKMALPFLEGE, VORLESUNGSMANUSKRIPT (1910)* (...) Hauptpunkte: 1) Was ist zu verstehen unter Denkmalen, welchen die öffentliche Fürsorge gelten soll. 2) Wie sind die Pflichten beschaffen, welche dieser Fürsorge entspringen. Wir wollen uns zunächst mit der ersten Frage beschäftigen. Man hat in der letzten Zeit in den verschiedenen Gesetzentwürfen zum Schutze alter Denkmale versucht, eine erschöpfende Definition des Denkmalbegriffs zu geben, ohne dass es gelungen wäre, es scheint mir richtiger und praktischer zu sein, der historischen Entwicklung dieses Begriffes nachzugehen, und diese hängt mit einer anderen Frage zusammen, nämlich mit der Frage, welche Ursache hatte in verschiedenen Zeiten das Interesse an alten Kunstwerken, und die Vorliebe für dieselben. Eine Kenntnis der Quellen dieses Affektverhältnisses erleichtert es wesentlich, die Grenzen zu ziehen, bis zu welchen es sich erstreckt. Religiöse Pietät dürfte wohl eine der ältesten Ursachen des Denkmalinteresses und Denkmalschutzes sein. Götterstatuen und Tempel oder auch andere Objekte, an die sich religiöse Erinnerungen und Vorstellungen knüpften, waren schon bei den ältesten Kulturvölkern sakrosankt und einem öffentlichen Schutze unterworfen, und dass die religiöse Verehrung direkt zum umfassenden Denkmalschutze führen kann, beweist Japan und China, wo seit Jahrhunderten, ja seit Jahrtausenden, alles was sich in den Tempeln befindet, unter dem Schutze des Gesetzes steht und weder zerstört, noch veräußert noch verändert werden darf, welchem Umstand wir es zu verdanken haben, dass sich Kunstwerke aus weit zurückliegenden Kunstperioden in einer weit größeren Anzahl erhalten haben als bei uns. Und wie wenig hätte sich ohne diese religiöse Pietät z.B. von den Denkmälern der ägyptischen, von der altgriechischen Kunst erhalten? Doch auch in der christlichen Kunst wurde durch religiöse Pietät vieles vor der Zerstörung oder Veränderung bewahrt, Madonnenbilder, Statuen, Grabmäler, einzelne in großer Verehrung stehende Bauten, in früheren Zeiten weit mehr als heute, wo vielfach eine Neuerungssucht die kirchlichen Kreise ganz und gar beherrscht.
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Universität Wien, Institut für Kunstgeschichte, Archiv, Nachlass Max Dvoøák, Kart. 3, handschriftliches Manuskript der Denkmalpflege-Vorlesung, gehalten im Sommersemester 1910. Das Manuskript dieser Vorlesung war Ausgangspunkt für die Publikation «Denkmalkultus und Kunstentwicklung» (1910), hier abgedruckt als Text I.7.2, S. 469. Die Anfangsseiten 1–6 fehlen. Für die Transkription und die Kriterien derselben gelten die in Anm. 1 des Manuskripts von 1906 angegebenen Erläuterungen.
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Zu dieser religiösen Pietät gesellte sich gewiss auch schon zu sehr frühen Zeiten, vielfach ganz eng mit ihr zusammenhängend, die genealogische, das heißt für alles von den Ahnen Ererbte, und zwar sowohl in einzelnen Familien die Ahnenbildnisse und alte Familienerinnerungen oder Stätten derselben betreffend, als auch bei einzelnen Kommunen und ganzen Völkern. Man kann sagen, dass es kaum ein Gebiet auf der Erde gibt, wo der Familien-, kommunaler oder nationaler Erinnerungswert nicht stets zur Erhaltung einzelner Monumente beigetragen hätte. Besonders lehrreich ist da die Erhaltung einer Reihe von Monumenten des klassischen Altertums im Mittelalter. Die Trajans- und Markussäule, die Säule des Phocas, die Moles Hadriani, die Dioskuren, das Reiterbildnis des Marc Aurel wären gewiss zu Grunde gegangen, wenn man sie nicht vom Standpunkte der historischen Erinnerung als Wahrzeichen der Vergangenheit Roms betrachtet und geschont hätte – sie waren die «Memorabilia urbis Romae», und Pilger und Touristen kamen aus der ganzen Welt, sie zu sehen und zu bewundern, wie man heute die Sixtinische Kapelle und den Petersdom zu sehen und zu bewundern kommt. Dass diese Quelle der Erhaltung der Zeugnisse der Vergangenheit auch heute noch nicht versiegte, beweisen z. B. die Museen, die zur Erinnerung an bestimmte wichtige Ereignisse oder an bedeutende Persönlichkeiten errichtet und in welchen Gegenstände, die mit diesen Ereignissen oder Persönlichkeiten zusammenhängen, aufbewahrt werden. In einem gewissen Sinne hängt damit eine noch wichtigere Quelle der Pietät für die Vergangenheit [zusammen], nämlich der patriotische Stolz und [die] Freude an dem, was die Vorfahren an Kunstwerken geschaffen haben, auch wenn sich keine bestimmten einzelnen historischen Erinnerungen daran knüpfen. Das war ein Moment, welches gewiss schon im klassischen Altertum eine große Rolle spielte, wie sich durch viele Autorenstellen und auch durch die so zahlreich erhaltenen historisch oder religiös irrelevanten Kunstwerke leicht beweisen ließe. Eine überaus große Bedeutung gewann dann dieses Moment in der Renaissance, wo es allen übrigen gegenüber weit in den Vordergrund trat. In der italienischen Renaissance entstand eine Gesellschaft, die bis dahin dem feudalen Adel gegenüber, der bis dahin der Träger aller den Luxusbedürfnissen entspringenden Kulturschöpfungen gewesen ist, keine Rolle spielte, deren Mitglieder keine persönlichen Ahnen und Familienerinnerungen hatten, keine alten Burgen, keine Stammbäume, und die, um das Fehlende zu ersetzen, an Stelle der persönlichen Familientradition die Tradition der öffentlichen Gemeinschaft, der Kommune, setzten, zu der sie gehörten. Dies war aber eine Wandlung, die zu der folgenschwersten in der Geschichte der gewollten, angestrebten Denkmalerhaltung gehörte. Für die ältere Zeit waren die Künstler Handwerker, die zur Dienerschaft gehörten und dazu beizutragen hatten, das Haus ihrer Herren zu schmücken und deren Werke nebst dem materiellen Werte vor allem nach der Arbeitsleistung geschätzt wurden, aber die Mediceer in Florenz oder ein Jodocus Vydt in Brügge gehörten von Haus aus derselben Zunft an wie die Künstler, und da diese Entwicklung mit einem Aufschwunge der persönlichen Leistungen der Künstler zusammenfällt, bildete die Geschichte der Künstler und die Wertschätzung, ja Verehrung ihrer Werke, einen wesentlichen Teil der kommunalen Ge-
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schichte, und um dieser Geschichte eine noch wichtigere, längere Vergangenheit zu verleihen, dehnte man sie bis auf die antike Kunst, als die wirkliche oder vermeintliche Vorläuferin der heimatlichen Kunst, aus. So entstehen nicht nur Geschichtswerke, die sich mit der Geschichte der Kunst in den einzelnen Städten und Gebieten beschäftigt haben, und dadurch, dass sie die Werke berühmter Künstler literarisch fixierten, unendlich viel zu ihrer Erhaltung beigetragen haben, sondern es entsteht auch ein wahrer großer Kultus der Kunstwerke selbst und zwar sowohl der unmittelbar vorangehenden Perioden, so weit sich ihr heimatlicher Ursprung literarisch oder traditionell feststellen ließ, als auch der Kunstwerke der Antike. Wieviel dieser patriotische Kultus zum Schutze der im öffentlichen Besitz befindlichen Kunstwerke beigetragen hat, kann man aus einem Beispiele ersehen. Aus dokumentarischen und chronikalischen Nachrichten wissen wir, dass im XV. und XVI. Jahrhundert viele ausländische Künstler, Franzosen, Niederländer und Deutsche, in Italien Kunstwerke geschaffen haben. Während wir nun die Werke der italienischen Künstler derselben Zeit, wie sie bei Vasari oder anderen verzeichnet sind, fast lückenlos besitzen, hat sich von diesen ausländischen Erzeugnissen fast gar nichts erhalten. Oder ein anderes Beispiel: In Frankreich und in Deutschland war die Kunsttätigkeit im XV. Jahrhundert nicht geringer als in Italien, und doch haben sich, da die auf den Anschauungen der italienischen Renaissance beruhende Wertschätzung der Kunst später einsetzt, nur wenige membra disiecta des alten Reichtums erhalten. Doch nach und nach hat sich jenes Verhältnis zur Kunst, wie es sich in Florenz, in Venedig, in Gent und Brügge entwickelte, demgemäss die Kunstwerke, auch die der Vergangenheit, als die größten Ruhmestitel des kommunalen Lebens waren, überall durchgesetzt und weiterentwickelt nach jener Richtung hin, nach welcher sich das soziale Leben überhaupt entwickelte, sodass sich der kommunale Kunstpatriotismus der Renaissance in einen staatlichen und nationalen verwandelte, wodurch sich auch die Grenzen des geschützten Denkmalbesitzes nach vielfacher Richtung hin verschoben haben. Besonders am Anfang des XIX. Jahrhunderts stand dieser patriotische Gesichtspunkt in allen Äußerungen und Diskussionen über die Wertschätzung und Schonung alter Denkmale in dem Vordergrunde, wobei freilich auch die philosophischen und historischen Theorien der Romantik eine Rolle gespielt haben, denen zu Folge die Denkmäler der Vorzeit als Monumente einer nationalen aurea aetas, eines besseren idyllischen Zeitalters eine besondere Beachtung und die wärmste Fürsorge erforderten. Die ganze Bewegung zum Schutze der Kunstwerke des Mittelalters in der ersten Hälfte des XIX. Jahrhunderts beruhte auf dieser Grundlage, der patriotische Standpunkt wird den meisten Schutzgesetzen als Motivierung vorangestellt, und noch vor wenigen Jahren hat Prof. Dehio in einer Rede, die auch gedruckt wurde, ihn als die Hauptquelle des modernen Denkmalkultus bezeichnet. Riegl hat ihm in einem Aufsatze in den Mitteilungen der Z.K. widersprochen und hat gewiss recht, wenn er betont, dass es nicht in erster Linie patriotische Erwägungen sind, die unserem Gefallen an alten Monumenten, an alten Städten, Ruinen, Kirchen zu Grunde liegen, doch Riegl ging da wiederum zu weit, wenn er die Mitwirkung der Heimatliebe bei unserem Verhältnis zu alten Denkma-
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len überhaupt auszuschalten versuchte.1 So ist es nicht nur der malerische Anblick der Ruine, der Tausende bewegt, sie zu besuchen, sondern gewiss auch ihre Bedeutung für die nationale Vergangenheit. Eine Folge der neuen Wertschätzung der alten Kunstwerke, wie sie sich in der Renaissance entwickelte, war das Kennertum, die Kunstliebhaberei. Die zeitgenössischen Kunstwerke haben zu jedermann gleich gesprochen, doch zur Wertschätzung der Kunstwerke aus vergangenen [Zeiten] gehörte ein gewisses persönliches Verständnis, eine gewisse persönliche Vorliebe. So entstehen Kunstliebhaber, Kenner und Sammler, die alten Raritätenkammern verwandeln sich in Kunstsammlungen, in welchen die Objekte nicht mehr nur wie in den älteren Schätzen ihres Materialwertes wegen, sondern als Schöpfungen der Kunst aufbewahrt werden. Sie wurden immer reicher, besonders als mit ihnen pädagogische Tendenzen verbunden wurden und haben uns selbstverständlich vieles erhalten, was sonst verloren gegangen wäre, wie sie auch heute noch einen wichtigen Teil der Organisation der öffentlichen Denkmalpflege bedeuten. Doch auch indirekt hat das Sammeln von Kunstobjekten zum Schutze derselben beigetragen. Als gesuchte, viel verlangte Objekte haben alte Kunstwerke einen hohen materiellen Wert erhalten, was die öffentlichen Gewalten bewogen hat, solchen Denkmalen, auf die sie eine Ingerenz hatten, einen besonderen Schutz vor Verschleppung angedeihen zu lassen.2 Auf dieser fiskalischen Grundlage beruhen die ersten Verordnungen gegen die Ausfuhr von Kunstwerken, die im 16. Jahrhundert in Rom und Venedig erlassen wurden, und noch heute beruhen in einzelnen Staaten, wie in Griechenland oder in Italien, auf ihnen hauptsächlich die legislativen Vorkehrungen, die zum Schutze des alten Kunstbesitzes geschaffen wurden. Eine weitere Quelle des Interesses für alte Denkmale ist das eigentliche historische Interesse, ohne Nebenzwecke, überhaupt. Es ist tief in der menschlichen Seele eingewurzelt und gewiss auch so alt, wie die menschliche Kultur überhaupt. Das historische Interesse bringt aber ein Interesse für alles mit sich, was als Zeugnis der Geschichte der Vergangenheit gelten kann. Und so sehen wir, soweit wir überhaupt durch literarische Erzeugnisse über historische Interessen vergangener Zeiten belehrt werden, dass Geschichtsschreiber, so weit man überhaupt zurückblicken kann, gelegentlich oder regelmäßig auch verschiedene Monumente der Vergangenheit erwähnten, sie beschrieben haben, das Interesse auf sie zu lenken versuchten – Ich verweise nur auf Plinius, um einen klassischen, auf Agnellus, um einen mittelalterlichen Autor zu nennen, und was in historischen Schriften den Ausdruck fand, war ohne Zweifel auch den allgemeinen Interessen ganz fremd und
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Vgl. G. DEHIO: Denkmalschutz und Denkmalpflege im neunzehnten Jahrhundert, in: G. DEHIO /A. RIEGL: Konservieren, nicht restaurieren. Streitschriften zur Denkmalpflege um 1900, (BauweltFundamente, 80), Braunschweig–Wiesbaden 1988, S. 88–103; A. RIEGL: Neue Strömung in der Denkmalpflege, in: BACHER 1995, S. 217–233. Die italienische Regierung hatte in ihrem Haushaltsgesetz von 2004 einen Straferlass für dieses Verbrechen vorgesehen. Vgl. S. SETTIS: Il condono per i ladri d’arte, in: La Repubblica.it, 8.11. 2004, http://www.repubblica.it/2004/k/sezioni/cronaca/settis/settis.html, [Abruf 30.5.2011].
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entwickelte sich in dem Maße, als sich die Beschäftigung mit historischen Problemen entwickelte, was eine immerwährende Steigerung bedeutet und besonders im vergangenen Jahrhundert von allen Schriftstellern, die sich mit den Fragen der Denkmalpflege beschäftigten und auch bei allen Verwaltungsorganen, die sich ihr ex offo widmen mussten, als die selbstverständliche einzige Motivierung ihrer Tätigkeit angesehen wurde. Dies kommt schon in den Titeln der damals organisierten Behörden zum Ausdruck, in welchen die Erforschung und der Schutz der geschichtlichen Denkmale in erster Linie betont wird. Man hatte dabei freilich mehr eine Altertumskunde als Geschichte in unserer Bedeutung des Wortes im Sinne und meinte unter geschichtlichen Denkmalen hauptsächlich den verschiedenen Brique à Braque, der das Betriebsinventar der alten Altertumsforscher gebildet hat. Immerhin scheint es die weiteste Ausdehnung der Grenzen zu sein, innerhalb welcher die dem öffentlichen Schutze unterstellten Denkmale einzubeziehen sind. Wenn wir jedoch in unserer Zeit Umschau halten und uns vergegenwärtigen, was wir einesteils unter historischen Denkmalen verstehen und was anderenteils Gegenstand des modernen Denkmalkultes bildet, kommen wir bald zur Überzeugung, dass sich beides keinesfalls ganz deckt, sodass auch diese Begrenzung nicht als eine ganz stichhaltige angesehen werden kann. Dank der unerhörten Ausgestaltung der historischen Wissenschaften erweiterte sich der Kreis der Objekte, die uns über die Geschichte unserer Vergangenheit Belehrung geben können, ins Unermessliche und es sind darunter vielfach Objekte, die uns vom Standpunkte des Denkmalkultes gar nicht berühren oder nur minimal. Andererseits gibt es aber zahlreiche Denkmale, bei denen wieder der historische Wert minimal ist und die trotzdem zu den wirkungsvollsten gehören. Wäre das Verlangen nach historischer Erkenntnis die Hauptquelle des Denkmalkultes, müsste sich auch im Allgemeinen der Wert eines Denkmales mit seinem höheren Alter steigern, was nicht der Fall ist. Ob eine malerische Straße hundert Jahre älter oder jünger ist, kommt für deren Wertschätzung vom Standpunkte des Denkmalkultes kaum in Betracht, sodass die historische Wertschätzung auch nur als eines der Momente in Betracht kommt, die da eine Rolle spielen und keinesfalls zur ausschließlichen Motivierung und Definition herangezogen werden kann. Nun kann es aber einem aufmerksamen Beobachter wohl nicht entgehen, dass all die angeführten Beweggründe des Denkmalkultes und die ihnen entsprechenden Denkmalsbegriffe sich auch in ihrer Gesamtheit nicht mit dem decken, was unserem Interesse an alten Denkmalen und dem Genusse, den sie uns bereiten, zu Grunde liegt. Ein Beispiel: ein altes Gässchen mit ganz einfachen Häusern – kunsthistorisch ganz uninteressant, historisch ohne Bedeutung, ohne stolze Vergangenheit ist uns doch so lieb wie das stolzeste Denkmal – oder eine bescheidene Ruine einer Burg, von der sich nichts erhalten hat als einige Mauerreste im Zustande des größten Verfalles auf einem Bergabhange oder von einem Walde umgeben. Von einem materiellen, patriotischen, historischen Werte kann da keine Rede sein; oft in der Regel weiß der Beschauer nichts über die Geschichte der Burg, und doch ist er erfreut und begeistert, sie zu sehen, da sie eine bestimmte Stimmung in ihm aus-
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löst. Es ist klar, dass da noch andere Werte als die angeführten in Betracht kommen, die man mit stimmungsvoll, malerisch, romantisch bezeichnet, die also offenbar ästhetischen Wertschätzungen entspringen, ohne dass sie sich jedoch mit dem absoluten Kunstwerte der Denkmale decken würden – sie sind nicht nur durch den ursprünglichen historischen oder künstlerischen Inhalt des Denkmales bedingt, sondern nicht minder durch die Form und Erscheinung, die es im Laufe der Zeiten und im Zusammenhange mit seiner Umgebung angenommen hat. Riegl, der sich in seinen letzten Lebensjahren den Aufgaben der österreichischen Denkmalpflege gewidmet hat und der eine viel zu tief angelegte Natur gewesen ist, als dass er es getan hätte, ohne dass er sich über die prinzipiellen Fragen der Aufgabe Rechenschaft gegeben hätte, hat diesen Wert als Alterswert bezeichnet und bringt ihn mit dem unserer Weltanschauung zu Grunde liegenden Evolutionsgedanken in Verbindung. Riegl unterscheidet drei große Perioden in der Entwicklung des Denkmalkultes. Er hat seine Anschauungen in einem Werke «Der moderne Denkmalkultus. Sein Wesen und seine Entstehung»3 niedergelegt. Das Altertum kannte seiner Meinung nach nur gewollte Denkmale, und zwar bestand da noch ein Unterschied zwischen der altorientalischen und der griechischrömischen Kunst darin, dass [es] in der altorientalischen Kunst sich stets nur um gewollte Denkmale einzelner Menschen oder einzelner Familien handelte, während bei den Griechen und Römern das gewollte patriotische Denkmal aufkam. Ein gewolltes Denkmal konnte sich nur so lange erhalten, so lange Menschen, die mit den Ursachen seiner Entstehung irgendwie verbunden waren, bestanden haben; was selbstverständlich bei einem patriotischen Denkmale viel länger sein konnte und für den Fortbestand der Geschichte eines Volkes die Gewehr der Erhaltung solcher Denkmale bot. Doch von einer Denkmalpflege, die über solche Interessen hinausging, konnte nach Riegl im Altertum keine Rede sein. Dasselbe gilt nach Riegl auch für das Mittelalter. Erst die Renaissance brachte nach Riegl eine Änderung. Bewirkt wurde sie dadurch, dass sich seit dem 15. Jahrhundert in Italien ein neuer Erinnerungswert ausgebildet hat. Man hatte damals die Denkmale des Altertums neuerdings zu schätzen begonnen, doch nicht als gewollte Denkmale, nicht als Quellen der durch sie vermittelten patriotischen Erinnerung an Macht und Größe des alten Imperiums, woran sich das Mittelalter noch gehalten haben mag, sondern ihres Kunst- und historischen Wertes wegen. Freilich sei dieses neue historische Interesse zunächst ausschließlich auf die Werke der antiken Kulturvölker beschränkt gewesen, die man einesteils als Vorstufen des eigenen Kunstschaffens, vor allem aber ihrer künstlerischen Form halber, indem man die Kunst, welche sie hervorgebracht hat, für die einzige und wahre, objektiv richtige und für alle Zeiten allgemein gültige anzusehen begonnen hat.
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A. RIEGL: Der moderne Denkmalkultus. Sein Wesen und seine Entstehung Wien–Leipzig 1903; Wiederabdrucke u.a. in derselbe: Gesammelte Aufsätze, K. M. Swoboda (Hrsg.), Augsburg–Wien 1929, S. 144–193; G. DEHIO/A. RIEGL (zit. Anm. 1), S. 43 –87 bzw. BACHER 1995, S. 53 –97.
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So verband sich nach Riegl seit der Renaissance in der Wertschätzung der alten Denkmale ein zweifaches Interesse, einmal ein historisches, dann ein dogmatisch künstlerisches, wodurch die Einteilung der Denkmale in Kunst und historische gegeben wurde. Mit dieser Umwertung der klassischen Kunst zum ewigen Kunstkanon, beginnen mit Riegl auch die Maßregeln zum Schutze alter Denkmäler, wovon wir in alten Perioden keine Spur finden. Die weitere Entwicklung bestand nach Riegl darin, dass einesteils die objektive Mustergültigkeit der Antike durch die zunehmende Wertschätzung anderer Kunstinteressen immer mehr Einschränkung erfuhr, anderenteils sich aber das historische Interesse an Stelle der patriotischen Geschichtsschreibung der Entwicklungsgeschichte zugewendet hat, für die nun allerdings nicht nur die wichtigen Denkmale in Betracht kommen, sondern alle Denkmale, die einen Entwicklungswert [haben], der von Material, Arbeitsleistung, Zweckbestimmung und künstlerischer Form völlig unabhängig ist und von Riegl als Alterswert bezeichnet wird; der heute überall den gewollten Erinnerungswert des Altertums und den künstlerischen und historischen Wert der Renaissance ersetzte. Der historische und künstlerische Wert verlangte die möglichste Erhaltung der Form an die [der] es angekommen ist, daher die so viel beliebten Restaurierungen, die den Zweck verfolgen, die Form zu erhalten, der Alterswert fordert dagegen in erster Linie die Erhaltung des überlieferten Bestandes ohne alle Eingriffe, die nur geeignet sind, die Altersspuren zu verwischen und das Denkmal in seiner vielseitigen Bedeutung zu verfälschen. Es ist dies eine höchst geistvolle Darstellung, gegen die sich aber nach zweifacher Richtung Einwendungen erheben lassen. Erstens scheint mir, dass die geschichtliche Aufeinanderfolge in der Entwicklung des Denkmalkultes, wie sie Riegl aufgestellt hat, doch nicht ganz den tatsächlichen historischen Verhältnissen entspricht. Man kann doch kaum annehmen, dass man im klassischen Altertum nur gewollte Denkmale, als Monumente im speziellen Sinne des Wortes, [als] Erinnerungswahrzeichen beachtet, für die historische und künstlerische Bedeutung alter Kunstwerke dagegen kein Verständnis besessen hätte. Wie könnten wir es uns z. B. da erklären, dass so zahlreiche Schriftsteller bemüht waren, ganze Listen von alten, berühmten Kunstwerken zusammenzustellen, nicht als Promemorien berühmter Leute und großer Ereignisse, sondern ihrer künstlerischen Bedeutung wegen. Warum hatte man alte Kunstwerke immer wieder bis in die späte Kaiserzeit kopiert und zwar nicht nur Götter oder Heroenfiguren, sondern auch Genreszenen oder Tierstücke. Das wäre ganz unverständlich, wenn man für den künstlerischen Wert der alten Monumente kein Interesse besessen hätte. Wenn uns Philostratos die Beschreibung einer Pinakothek der römischen Kaiserzeit hinterlassen hat, so mag dies vielleicht, was ich jedoch nicht glaube, wie Philologen behaupten, vor allem eine literarische Stilübung gewesen sein, daran wird man aber doch nicht zweifeln, dass es ähnliche Pinakotheken gab, in der alte und neue Gemälde aufbewahrt wurden, da ja sonst das Werk ganz unverständlich gewesen wäre. Und wenn es solche Pinakotheken gab, so ist doch unzweifelhaft bewiesen, dass man Gemälde, an die sich den Beschrei-
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bungen nach keine gewollten Erinnerungswerte knüpften, als künstlerische Schätze und Dokumente betrachtete, die wert waren, der Zukunft erhalten zu werden. Doch es bedarf ja nicht einmal eines solchen literarischen Beweises. Nachrichten von Sammlungen, in denen alte Kunstwerke aufbewahrt wurden, besitzen wir aus dem Altertum in Hülle und Fülle. So wissen wir z. B. schon von den Pergamenischen Königen, dass sie alte griechische Kunstwerke gesammelt haben, später mehren sich dann die Nachrichten über Sammlungen ungemein und in der Kaiserzeit ist das Sammeln von Objekten der alten griechischen und orientalischen Kunst geradezu krankhaft geworden, wie in unseren Tagen. Große Schiffsladungen kamen aus Griechenland und dem Orient nach Italien, von den größten Statuen bis zu den kleinsten kunstgewerblichen Erzeugnissen, und in jedem halbwegs vornehmen Hause konnte man sie finden, noch mehr als heute, wovon eine jede Ausgrabung neue Beweise liefert. Und wie wollte man sich ohne historische und künstlerische Interessen an Werken der alten Kunst die Renaissance der altägyptischen und griechischarchaischen Formen, das bewusste Historisieren [erklären], welches sich in der römischen Kaiserzeit nachweisen lässt, ja diese durch lange Zeit so erfüllt, dass die Archaeologen dadurch die längste Zeit verleitet wurden, der Kunst der römischen Kaiserzeit jede Originalität überhaupt abzusprechen. Selbst im Mittelalter ist das Interesse für die historische und künstlerische Bedeutung alter Kunstwerke, wenn es auch minimal wurde, nie ganz verschwunden, wie wir aus manchen literarischen Erwähnungen schließen können. Umgekehrt spielt aber in der Renaissance gerade das gewollte Denkmal, besonders das Standbild, eine noch wichtigere Rolle als in der Antike, das Bestreben nach monumentaler Verewigung war sowohl bei einzelnen als auch bei ganzen Gemeinden so groß, dass es von Burckhardt zu den wichtigsten neuen Charakterzügen der Renaissance gezählt wird und dieses Bestreben wäre wohl unerklärlich, wenn man überzeugt gewesen wäre, dass die Nachwelt solchen Monumenten keine Beachtung schenken wird. Und dieses Bestreben hat sich ungeschmälert bis auf den heutigen Tag erhalten, wie die unzähligen Standbilder beweisen, die in den letzten Jahrhunderten überall errichtet wurden und noch heute errichtet werden4. Nicht minder ist es nicht ganz richtig, dass das Interesse für die Antike erst mit dem Quattrocento beginnt, wir finden ja bereits im 13. Jahrhundert im Zeichenbuche des Villard de Honnecourt antike Kunstwerke nachgezeichnet, und zwar nicht etwa die historisch berühmten, sondern solche, die durch ihre Form das Interesse des Architekten erweckten, und Brunetto Latini hat ihnen im 14. Jahrhundert in seinem «Tresoro» ein ganzes Kapitel gewidmet. So sind aber jene Eigentümlichkeiten, welche Riegl als charakteristisch und unterscheidend für das Altertum und Renaissance erklärte, nicht als für bestimmte Perioden bezeichnende Entwicklungsstufen zu betrachten, sondern Beweggründe des
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Diesem modernen Persönlichkeitskult widmet J. V. Schlosser seine Aufmerksamkeit, vgl. J. SCHLOSSER: Vom modernen Denkmalkultus, in: Vorträge der Bibliothek Warburg, 6, 1926–30, S. 1–21.
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Interesses an alten Denkmalen, die sich in allen Perioden beobachten lassen und so alt sind als das historische und patriotische Interesse überhaupt und deren Intensität und Inhalt sich nach dem jeweiligen Kulturniveau ändert, die aber durchaus nicht als absolute Unterscheidungsmerkmale der verschiedenen Phasen in der Entwicklung des Denkmalkultes betrachtet werden können. Sie schließen sich den anderen Beweggründen an, von welchen keiner eine ausschließliche Bedeutung hat und den Begriff des Denkmals erschöpfen kann. Ja gibt es überhaupt keine Entwicklung des Begriffes, keine Änderung des Verhältnisses zu alten Monumenten. Das zu behaupten wäre gewiss falsch. Wenn wir uns vergegenwärtigen, was man unabhängig von allen genannten Quellen im Allgemeinen an alten Denkmalen schätzte und bewunderte, so werden wir bald zur Erkenntnis kommen, dass es darin schon eine Entwicklung gegeben hat, die in der Neuzeit besonders intensiv war und den Denkmalkultus ganz umgestaltet hat. Neben allen konstanten Gründen ein Plus, welches in Entwicklung begriffen war. War dies der Alterswert? Wenn man versucht, an Beispielen sich darüber Klarheit zu verschaffen, ob das, was wir an alten Denkmalen bewundern, mit deren Alters- und Evolutionswert identisch ist, kommen wir bald zur Überzeugung, dass dies nicht der Fall ist. Erstens ist es nicht schwer, viele Objekte von eminentem Alterswerte anzuführen, die doch vom Standpunkte des modernen Denkmalkultes ganz wirkungslos sind, z. B. prähistorische Ausgrabungen. Mit welcher Gleichgültigkeit gehen wir an ihnen vorüber, mögen sie noch so viele Kennzeichen des Alterswertes tragen, oder noch so wichtige Glieder in der Entwicklung der Menschheit bedeuten. Oder wie viele Beispiele gibt es dafür, dass ein und derselbe Gegenstand, ohne dass man die dem Alterswert entspringenden Erscheinungsmomente irgendwie ändern würde, verändern ganz ihre Denkmalswirkung, steigen oder sinken in unserer Wertschätzung, je nach der Umgebung, in der man sie untergebracht hat oder je nach anderen Voraussetzungen, die mit dem Alters- und Entwicklungswerte nichts zu tun haben. Eine Ruine, die man in einen Kasernenhof übertragen würde, würde sich trotz der Altersspuren, die man wahrte, in gleichgültige Mauern herabsinken, und ein altes Haus verändert ganz seine Wirkung, auch wenn man es ganz unberührt lässt, je nach der Art und Weise, wie die Häuser ausgeführt wurden, die man in seiner Umgebung aufgebaut hat. Was hat dies mit dem Alters- oder Entwicklungswerte zu tun [?] Auch musste nach Riegls Darlegung der Alterswert, als der nach Riegl mit ihm identische Denkmalswert, auf alle Menschen, wenigstens auf alle gebildeten Menschen, einwirken. Das ist jedoch durchaus nicht der Fall, wie ich leider fast täglich zu erfahren Gelegenheit habe. Wie viele auf hohen und höchsten Stufen der intellektuellen Bildung stehende Männer gibt es, die an stimmungsvollen Gassen oder alten Kirchen gleichgültig vorbeigehen und die sich darüber ärgern, dass die Alterspatina solcher Baulichkeiten nicht der Ordnung halber durch einen schönen neuen weißen oder andersfarbigen Anstrich beseitigt werde. Literarische und wissenschaftliche Bildung, das entwickeltste Verständnis für Evolutionswerte bedingt nicht im Mindesten das Verständnis für den modernen Denkmalkultus.
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«Wohl aber der gute Geschmack», wird vielleicht manchem von Ihnen auf den Lippen schweben. Da sind wir, glaube ich, bei dem Kernpunkte des Problems. Der gute Geschmack – man könnte auch sagen die künstlerische Erziehung, die künstlerische Kultur – das ist nichts Gegebenes, nichts Objektives, sondern stets der Ausdruck der allgemeinen künstlerischen Voraussetzungen und Ziele einer bestimmten Kunst- und Kulturperiode. Wenn wir aber das Verhältnis zu alten Denkmalen von diesem Gesichtspunkte aus betrachten, vom Standpunkte der jeweiligen künstlerischen Kultur, so machen wir die Wahrnehmung, dass neben allen früher genannten Beweggründen noch ein anderer in Betracht kommt und zu allerletzt stets der ausschlaggebende bleibt, der in dem formalen Verhältnis der Kunst einer bestimmten Periode zu Kunstwerken der Vergangenheit seinen Ursprung hat und der für alle Menschen bestimmend ist, die dem Kunstwollen und Kunstempfinden ihrer Zeit zu folgen, sei es bewusst oder unbewusst, im Stande sind. Dieses Verhältnis, welches nicht auf dem absoluten Kunstwerte oder einem objektiv gegebenen absoluten stilistischen Inhalte, sondern auf den Beziehungen der allgemeinen Auffassung der künstlerischen Probleme zu bestimmten Erscheinungsqualitäten der Kunstwerke der Vergangenheit beruht, ist das, was sich in dem Denkmalkultus geschichtlich kontinuierlich entwickelte und das Evolutionselement in dem Verhältnis der Menschheit zu alten Monumenten bedeutet. Diesem Evolutionskoeffizienten wollen wir nun nachgehen. Über die Entwicklung der klassischen Kunst sind wir noch viel zu wenig unterrichtet, als dass es möglich wäre, die Entwicklung der ästhetischen Wertschätzung der Kunstdenkmale der Vergangenheit im Altertum genauer zu verfolgen. Es ist dies umso schwieriger, als die literarischen Nachrichten darüber spärlich sind, die zu sammeln man sich übrigens noch nicht die Mühe nahm. Immerhin gibt es einige Anhaltspunkte. Im Jahre 110 5 brannte das Pantheon des Agrippa, welches zu den berühmtesten Gebäuden Roms gehörte, ab; nur die Säulenvorhalle blieb stehen. Das Heiligtum wurde, neuen architektonischen Idealen entsprechend, von Hadrian wiedererbaut, wobei man die stehen gebliebene Vorhalle, einige ganz unbedeutende Änderungen ausgenommen, stehen ließ, um sie möglichst unangetastet in den revolutionären modernen Neubau einzufügen. Bei dem unerhörten Aufwand, der in dieser Zeit für die Kunst und insbesondere für Bauwerke verwendet wurde, kommen Ersparungsrücksichten dabei gewiss nicht in Betracht. Pietätsrücksichten kommen in Anbetracht der sonstigen Pietätslosigkeit der Imperatoren den Schöpfungen ihrer Vorgänger gegenüber ebenso wenig in Betracht, als sakrale Rücksichten, die nicht anzunehmen sind, da es sich nur um eine Vorhalle handelte. Und so sind wir wohl berechtigt anzunehmen, dass man für die Stilformen eines hundert Jahre älteren Baues Verständnis hatte und sich nicht scheute, sie in ein in einem neuen Stile ausgeführten Bauwerk einzugliedern. Ähnliches finden wir aber überall in der spätrömischen und altchristlichen Kunst, woraus wir
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Wahrscheinlich im Jahre 80.
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den Schluss ziehen können, dass die Kunst in der Zeit der Flavier auf einem Entwicklungsstadium stand, welches es gestattete, den ganzen formalen Inhalt von Kunstwerken der Vergangenheit zu verstehen und daran Freude zu finden. Nur so kann man sich erklären, warum altägyptische Dekorationsmotive fast unverändert aufgenommen [wurden], warum eine altägyptische Sphinx zum Schmucke des Diokletianischen Palastes verwendet, warum altgriechische Gemälde auf den Wänden des bei der Farnesina ausgegrabenen Hauses kopiert wurden. Es hat sich in der Blütezeit der spätantiken Barockkunst ein ähnlicher Historismus in der künstlerischen Beziehung zwischen der Gegenwart und Vergangenheit entwickelt, wie er auch in der neuzeitigen Barockkunst entstand, und der darauf beruhte, dass auch Kunstwerke der Vergangenheit in ihrer ganzen stilistischen Erscheinung in den Rahmen neuer künstlerischer Erfindungen einbezogen werden konnten. Davon kann im Mittelalter keine Rede sein. In Rom hat sich ein einziges Haus aus dem früheren Mittelalter erhalten, die sogenannte Casa Rienzi; es ist in ganz roher Weise aus wahllos zusammengeworfenen Überresten klassischer Bauten aufgebaut. Vielleicht das beste Beispiel dafür, wie sehr das Verständnis für den formalen Sinn und Inhalt der klassischen Kunst gesunken ist, und Ähnliches kann man überall wahrnehmen. Man hat wohl einzelne klassische Bauwerke als Wahrzeichen der Vergangenheit stehen lassen und angestaunt, begann sich auch allmählich für einzelne künstlerische Qualitäten der klassischen Kunstwerke zu interessieren, doch für ihren stilistischen Gesamtcharakter, für ihre allgemeine künstlerische Bedeutung, konnte man ebenso wenig Verständnis haben, wie etwa für die poetischen Schönheiten der Horazischen Oden oder für das wunderbare System des römischen Rechtes. Es sind nur einzelne «membra disiecta» der alten Kultur und Kunst, die weiterleben und zu deren Verständnis man sich emporschwingen konnte, keinesfalls aber die Organismen, deren Teil sie einst gebildet haben. Man kann sich leicht davon überzeugen, wenn man irgendeine von den Darstellungen antiker Bauten ansieht, die sich aus dem Mittelalter erhalten haben. Man würde nach diesen Darstellungen auf alles eher schließen als auf antike Bauten oder Skulpturen. Besonders instruktiv in dieser Beziehung ist eine Zeichnung im Skizzenbuche des Villard de Honnecourt, die ein römisches Grabmausoleum darstellt, was man jedoch sicher nicht erkennen würde, wenn es der Zeichner nicht unter der Zeichnung vermerkt hätte. Villard hat nämlich das Mausoleum in den gotischen Stil übertragen, gewiss nicht absichtlich, sondern ganz einfach deshalb, weil er keine anderen Formen sich vorzustellen und darzustellen vermochte, weil er die Baukunst der Vergangenheit nur durch die Brille der damaligen sowohl architektonischen als malerischen Anschauungs- und Darstellungsmöglichkeit sehen konnte. Und beides nicht ausreicht, einen anderen Stil als den zeitgenössischen halbwegs objektiv zu verstehen und darzustellen. Es gibt ja auch Nachahmungen von antiken Skulpturen aus dem Mittelalter, die jedoch mit der klassischen Kunst nichts Gemeinsames beibehalten haben, als das Motiv. Was für die Künstler gilt, gilt natürlich umso mehr fürs Publikum und so können wir wohl sagen, dass man im Mittelalter für den formalen Inhalt älterer Kunstwerke kein Verständnis hatte, dass man formal, in Bezug
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auf künstlerische Ziele und Darstellungsmittel, nicht von eigenen Schöpfungen unterschieden hat und in Folge dessen auch von einem formalen Affektionsverhältnis zu den Monumenten der Vergangenheit keine Rede sein kann. In derselben Zeit aber, als man in der kaiserlichen Kanzlei den Sinn der alten klassischen Urkundenformel, die man bishin sklavisch und verständnislos wiederholte, zu verstehen begonnen hat, als man den rechtlichen Inhalt des decretum zu begreifen begonnen hat, als die literarischen Formen der Antike wiederentdeckt wurden, können wir beobachten, dass sowohl in Italien, als im Norden Kunstwerke entstehen, die nicht nur äußere ikonographische, sondern auch formale Beziehungen zum klassischen Altertum offenbaren. Ich brauche ja nur auf die Skulpturen Nicolo Pisanos oder auf die klassizierenden Statuen der Kathedrale von Reims hinzuweisen. Auch in der Architektur und Malerei lassen sich ähnliche Beziehungen zu Kunstwerken vergangener Perioden feststellen. In der Architektur die italienischen Kuppelbauten, in der Malerei die Anlehnung an altbyzantinische Vorbilder. Es handelt sich dabei aber nur um ganz bestimmte formale Eigentümlichkeiten der alten Vorbilder, nicht um die ganze formale Erscheinung, nicht um den ganzen Stil, und zwar ist es, wenn ich mich so ausdrücken darf, das Allergröbste, das Alleraugenfälligste, was die alten Denkmäler von den neuen Kunstwerken unterschieden hat, was zu beobachten man im Stande gewesen ist, und mehr die allgemeine Auffassung als die Details der Formengebung – in der Architektur der Gedanke, einen Raum mit einer Kuppel zu überwölben, in der Malerei der Raumzusammenschluss, in der Plastik die allereinfachsten Gesetze des statuarischen Problems, und es ist nicht schwer nachzuweisen, dass es sich dabei um stilistische Probleme handelt, zu welchen die mittelalterliche Kunst auf Grund der neuen in ihr sich vollziehenden Entwicklung selbst gelangte und für die sie nun in der Antike willkommene Exempla gefunden hat. Man konnte noch immer nicht einen antiken Bau in seiner Gesamtheit stilistisch verstehen, aber man konnte immerhin bereits sehen, dass er stilistisch von den eigenen neuen Bauten verschieden ist und versuchte, daraus Nutzen zu ziehen. Daraus kann man sich erklären, dass es im Ganzen und Großen mehr byzantinische und altchristliche Bauten gewesen sind als eigentlich klassische und von den klassischen Kunstwerken, mit Ausnahme des Pantheons, mehr die Werke gewerblicher Kleinkunst als etwa die monumentalen Skulpturen, an den Ruinen und Fragmenten ging man noch achtlos vorbei, denn es handelte sich ja um stilistische Eigentümlichkeiten der alten Denkmäler, die nur an halbwegs unversehrten Monumenten beobachtet werden konnten. Das Marcellustheater spielt in dieser Zeit ebenso wenig noch eine Rolle wie etwa die Statue des Marc Aurel oder die Dioskuren. Im XV. Jahrhundert ändert sich das. Da können wir beobachten, dass [es] im Gegenteile die Einzelform ist bei den antiken (und auch mittelalterlichen) Denkmälern, an der man Gefallen gefunden hat und die zur Nachahmung […] So war im Mittelalter wohl ein Interesse, doch kaum ein Verständnis für die Monumente der alten Kunst vorhanden, die man mehr mit einem Sagenkreise umspann, als dass man sie bewundert hätte. Erst zu Beginn des XV. Jahrhunderts hat sich dies
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einigermaßen verändert, nicht weil man ein absolut neues Interesse für die klassische Kunst, wohl aber ein neues Verständnis für ihre Formen gefunden hat. Wenn wir die Werke der Renaissance des Quattrocento betrachten, machen wir die Wahrnehmung, dass man einzelne Details, Säulen, Archivolte, Gesimse nachzuahmen begann, und zwar treuer als dies in früheren Zeiten der Fall, wogegen von einer Nachahmung der Gesamtdisposition und Gesamterscheinung noch nicht die Rede sein kann, nicht deshalb, weil man es nicht versucht hätte, sondern deshalb, weil es, geradeso wie im Mittelalter, noch außerhalb des künstlerischen Vermögens, der künstlerischen Anschauung der Architekten stand. Wie Villard de Honnecourt überzeugt war, dass seine Zeichnung ein römisches Monument [wiedergab], so war wohl auch Brunelleschi überzeugt, dass z. B. die Pazzi-Kapelle eine richtige Rekonstruktion eines klassischen Baues [sei], obwohl sie in der Gesamtform ebenso aus dem Geiste der damaligen Kunst geschaffen ist, wie die Zeichnung des französischen Architekten. Dass diese Auffassung die richtige war, wird uns bezeugt durch die gleichzeitigen Aufnahmen der Überreste der klassischen Kunst. Wir können sie z. B. an Gemälden beobachten, wo, wie bei Mantegna, einzelne klassische Bauglieder und Skulpturen zu ganz willkürlichen architektonischen Gebilden zusammengestellt werden, die in dem Beschauer die Vorstellung von antiken Bauten erwecken sollen, was nicht möglich wäre, wenn diese Vorstellung der Wirklichkeit, sei es bei Künstlern oder dem Publikum, entsprochen hätte. Aber man bewunderte wohl die tektonische Gesetzmäßigkeit und den plastischen Inhalt der einzelnen Teile und Spolien der alten Bauten, ohne diese selbst treu charakterisieren zu können. Es ist merkwürdig, dass solche Ruinenhintergründe, selbst mit den Zeichen des Verfalles, verwittert, von Pflanzen umsponnen dargestellt wurden, sodass man sehen kann, dass man den Stimmungswert, der auf solchen Momenten beruht, wohl kannte, ohne jedoch für die Gesamterscheinung des Baues ein offenes Auge zu besitzen. Das Letztere wird uns besonders deutlich durch Darstellungen bewiesen, bei welchen eine Wiedergabe oder Rekonstruktion bestimmter klassischer Bauwerke versucht wurde, was oft geschah in Zeichnungen oder ganzen Zeichenbüchern, deren sich uns mehrere erhalten haben. Eine solche Rekonstruktion der Moles Hadriana, wie sie Filarete versuchte, erscheint uns lächerlich, was jedoch nicht an dem geringen persönlichen Können des Meisters gelegen war, da wir dasselbe auch bei hervorragenden Künstlern beobachten können. Die Verhältnisse sind eben ähnlich noch wie in der Gotik. Man sieht die alte Kunst ganz und gar nur durch die Brille von Stilvorstellungen, die mit der Antike wenig oder nichts zu tun hatten und die die historische Treue und dies Sich-Versenken in alte Denkmale in ihrer Gesamterscheinung ersetzen mussten. Diesem künstlerischen Verhältnisse entsprach auch das antiquarische und administrative. Es waren die römischen Fragmente und Skulpturen, die man zu schätzen begann, die Einzelglieder der alten Kunst, nicht diese selbst. Man hat ein Inspektorat eingerichtet, mit welchem bekleidet, einzelne Künstler (Raffael) darunter wachen sollten, dass von den Funden und Ausgrabungen, von den Skulpturen und architektonischen einzelnen zum Vorschein gekommenen Baugliedern nichts verloren geht, wogegen die ganzen Bauten, mochten sie noch so wichtig und wir-
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kungsvoll gewesen sein, wie das Kolosseum oder die Thermen nach wie vor vernachlässigt, dem Untergange preisgegeben und zuweilen auch geradezu verwüstet wurden; nicht weil man pietätlos gewesen wäre (in keiner Zeit war die Begeisterung so groß), sondern deshalb, weil sich diese Pietät nicht auf die künstlerisch noch unentdeckten Werte erstreckte, welche für uns zur Quelle und Voraussetzung der alten Kunstwerke geworden sind. Das änderte sich erst im XVI. Jahrhundert, und zwar geht die Wandlung auf zwei Ursachen zurück, erstens auf das exakte Studium der klassischen Architektur, zweitens auf die neue künstlerische Eroberung derselben. Es ist bekannt, dass man im XVI. Jahrhundert die antiken Architekturen zu vermessen begann, um genau die Proportionen kennen zu lernen und Willkürlichkeiten zu vermeiden, wodurch gewiss manche neue Beziehungen zu den Kunstwerken des Altertums geschaffen wurden. Doch es ließe sich kaum daraus erklären, warum z. B. in Bildern des Raffael oder Giulio Romano uns klassische Bauglieder in einer treuen Wiedergabe entgegentreten. Man versteht es, wenn man die allgemeine Vorstellungs- und Darstellungsfähigkeit in Betracht zieht. Man hat nach und nach gelernt, jedes Objekt mit geradezu wissenschaftlicher Treue nachzubilden, und wie man den menschlichen Körper oder ein beliebiges anderes Objekt bis zur wissenschaftlichen Exaktheit wiederzugeben vermochte, wie sie früher nie in der Kunst vorhanden war, so vermochte man naturgemäss auch alte Architekturteile treu darzustellen, was nichts anderes besagt, als dass man zu ihrer künstlerischen Erscheinung ein neues Verhältnis gewonnen hat. Es ist charakteristisch, dass in dieser Zeit die ersten Fälschungsversuche [stattfinden]. Der Amor Michelangelos. In Venedig finden wir in der Architektur der Lombardi Teile von Bauten, welche alle Merkmale des Klassizismus aufweisen, nur beziehen sie sich nicht auf ganze Architekturen, sondern nur auf einzelne Partien derselben. Dazu kommt in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts noch etwas anderes. Wenn wir etwa ein Gemälde von Poussin oder die Ruinenaufnahmen des Heemskerck6 betrachten, finden wir, dass nicht nur einzelne Teile von alten Bauten, sondern auch die ganzen Bauten, wie sie sich uns erhalten haben, treu dargestellt werden, und wenn wir diese Beobachtung auf die Architektur erweitern, finden wir, dass auch das Verständnis für die Gesamtanlage und stilistische Erscheinung der klassischen Bauwerke bis zu einer objektiven Wiedergabe vertieft wurde. Es gibt Bauten von Palladio, die wie Variationen auf klassische Vorbilder erscheinen, und wenn wir überdies die architektonischen Aufnahmen der klassischen Bauwerke in den architektonischen Werken, wie bei Serlio oder Palladio, selbst betrachten, kommen wir leicht zur Überzeugung, dass der objektive künstlerische Bestand der Werke des Altertums so weit für die Kunst erschlossen wurde, dass treue Nachahmungen und stiltreue Variationen nichts Unmögliches waren.
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Maarten van Heemskerck (1498–1574).
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Wäre Riegls Theorie richtig, so gäbe es nun gar keinen Grund mehr, klassische Kunstwerke oder Gemälde, wenn man sie für das Dogma gehalten hätte, einfach neu zu schaffen. Doch nichts Ähnliches kann man beobachten. Die große Anzahl der künstlerischen Schöpfungen hat mit der Antike nichts zu tun, sie steht der Antike frei gegenüber, ist stilistisch unvergleichlich vorgeschrittener und vermochte deshalb die formalen Schönheiten der klassischen Kunstwerke in den Rahmen der eigenen selbständigen Kunstschöpfungen einzufügen, wie einen Edelstein in eine neue Fassung, ohne deshalb in irgendwelche absolute Abhängigkeit von der alten Kunst zu geraten. Es ist das alte Spiel: auch dieses Zeitalter betrachtete die alte Kunst im Spiegel der eigenen Kunstanschauungen und Kunstbestrebungen, nur waren diese unvergleichlich entwickelter und konnten deshalb unvergleichlich mehr von dem künstlerischen Inhalte der alten Kunstwerke erfassen als in früheren Perioden. Das Betonen der Erhaltung der ganzen Bauten. Verbote gegen das Gewinnen von Baumaterialien. Stichwerke. Mit den Fortschritten des künstlerischen Individualismus, die das XVI. und XVII. Jahrhundert besonders charakterisieren, mehren sich aber auch die Möglichkeiten, daraus Nutzen zu ziehen. Es ist für uns heute selbstverständlich, dass ein altes Kunstwerk in einer künstlerisch würdigen Umgebung sich befindet und mit dieser in eine künstlerische Harmonie gebracht wird. Die Kämpfe um die Erhaltung der alten Plätze und Straßen haben darin ihren Ursprung. Man muss auf den Kapitolplatz in Rom gehen, wenn man die Anfänge einer Kunst sehen will, in der zum ersten Mal antike Überreste und Monumente in ihrer ganzen Erscheinung in ein großes architektonisches Ensemble eingereiht wurden. Man muss die Gärten und Parks des Giacomo della Porta und Vignola aufsuchen, wenn man die ersten Versuche beobachten will, alte wirkliche oder nachgeahmte Ruinen und Architekturen in große architektonische Prospekte einzufügen, und es war Rom des 17. Jahrhunderts, in dem zum ersten Male eine ganze Stadt, und zwar die erste Stadt der Welt, umgestaltet wurde. Wiederum war es aber die Entwicklung der Kunst worauf diese Auffassung der alten Monumente zurückzuführen ist. Die Voraussetzung war eine Architektur, die eine individuelle Massenkomposition angestrebt hat, wie dies seit Michelangelo der Fall war. Bis zum XVI. Jahrhundert war die tektonische, plastische oder malerische Einzelform das maßgebende Element des künstlerischen Schaffens und die Gesamterfindung hat sich mehr durch allmähliche Änderung der Einzelmotive als durch unvermittelte Neuerungen und ein freies Schalten und Walten in der Massen- und Raumdisposition vollzogen. Doch Michelangelo hat das Gleichgewicht der einzelnen Glieder durch das Gleichgewicht der Massen ersetzt, und zwar sowohl bei einzelnen Teilen als auch bei ganzen Bauten, die nach subjektiven Erfindungen zu höheren künstlerischen Einheiten vereinigt wurden. Aber für ein solches architektonisches Massenbild ist es von keiner Bedeutung, in welchem Stile der einzelne Teil ausgeführt ist, und so konnten auch alte Bauten in neu erfundene Prospekte eingefügt [werden]. Selbst die Peterskirche Michelangelos, das größte und monumentalste architektonische Werk der Christenheit, musste es sich gefallen lassen,
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nur einen Akkord in einer ganzen Symphonie von neuen Anlagen zu bilden. So hat die barocke Kunst vom Standpunkte ihrer künstlerischen Ideale wiederum alte Bauwerke neu entdeckt, und wenn sie dabei, sie in neue Konfigurationen zwingend, manchmal mit ihnen nicht gerade sanft umging, so hat sie ihnen doch wiederum oft zu einer unvergleichlich größeren Wirkung verholfen, wie dies z. B. bei den Triumphalsäulen in Rom […] der Fall war. Selbstverständlich bezog sich diese Rücksicht nicht nur auf klassische Kunstwerke, sondern auch auf Denkmale der Renaissance, die man besonders im Norden in dieser Zeit künstlerisch neu entdeckt und in architektonische Gesamtbilder einzubeziehen begonnen hat. Aber man begann sich auch bereits im 17. Jahrhundert dem Alten einfach zu subordinieren, was wir gewohnt sind, als Errungenschaft unserer Zeit zu betrachten, und zwar können wir es auf eine bestimmte große künstlerische Tat zurückleiten, der beste Beweis, dass die Kunst in diesen Angelegenheiten die Führung hatte. Zu Beginn der sechziger Jahre des 17. Jahrhunderts sollte die nach der Demolierung der alten Peterskirche allererwürdigste Kirche des Christentums, die alte Lateranische Basilika Konstantins, umgebaut werden, weil sie baufällig war, und die Aufgabe wurde Borromini übertragen. In allen früheren Zeiten hätte man sie einfach niedergerissen, wie man es mit der alten Peterskirche tat, was man auch von Borromini um so mehr erwarten konnte, als er ein Meister war, dessen genialischer Schaffensdrang überall um so mehr alle Fesseln sprengte, als seine revolutionäre Kunst einen Bruch mit der Vergangenheit bedeutete. Stattdessen berichten bereits die zeitgenössischen Biographen mit Verwunderung, dass er den Umbau vollzogen habe, ohne den Plan und die Gesamtanlage der Basilika zu ändern. Man kann nicht auf frühere Beispiele verweisen, wo nur Ausbesserungen vorgenommen werden sollten und wo es sich darum handelte Quieta non movere, hier handelte es sich um einen wirklichen Umbau, bei dem neben den notwendigen Rekonstruktionen zugleich etwas Neues, den modernen Anschauungen Entsprechendes geschaffen werden musste. Keinem seiner Vorgänger wäre in einem solchen Falle eingefallen, sich um den alten Bestand zu kümmern, es sei dass man aus finanziellen oder anderen Gründen an ihn gebunden war. Bramante und noch Michelangelo hätten es nicht verstanden, wenn man etwas Ähnliches von ihnen verlangt hätte. Borromini hat aber den alten Raum erhalten, ja sogar dessen innere alte Ausschmückung [wie] die Grabmäler, [oder die] Decke. Der Meister, der an der Kühnheit seiner Neuerungen zu Grunde ging, war also im Lateran bestrebt, möglichst viel zu erhalten, sowohl in der ganzen Form des Baues als in dessen innerer Ausschmückung. Auf der einen Seite die radikalste Rücksichtslosigkeit jeder Überlieferung gegenüber, auf der anderen eine unerhörte Rücksicht für das Überlieferte. Ist [das] nicht ein sonderbares Problem? Es führt uns zu einem neuen künstlerischen Verhältnisse zu alten Monumenten. Es war gewiss kein archäologisches und antiquarisches Interesse, welches Borromini dabei geleitet hat, aber [da] die alte Tektonik ihre Bedeutung verloren und der subjektive Raum keine Gesetze hat für Massenkomposition [kannte], interessierte es den Meister mehr, den gegebenen Raum künstlerisch neu zu interpretieren, ihm einen neuen Inhalt zu geben, als einen neuen zu schaffen, und da es keine
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Ordnungen mehr gab, sondern alles zum Mittel architektonischer Gesamteffekte dienen konnte, was die Kunst je geschaffen hat, so konnten auch die mittelalterlichen und Renaissanceskulpturen von ihm für seine Erfindungen benutzt werden, und von da an geschah dies immer mehr bis auf den heutigen Tag, wo in jeder Stadt und in jeder Wohnung beinahe Altes und Neues nicht in zufälligem Nebeneinander, sondern in harmonischer Zusammenwirkung zur Quelle des subtilsten künstlerischen Genusses geworden ist. So verdanken wir der Kunst der Barockzeit eine neue Erschließung des künstlerischen Vermächtnisses der Vergangenheit 7. Im 18. Jahrhundert kommt noch etwas anderes dazu: der eigentliche Ruinenkultus. Nicht ganz Neues. Schon Brun 8, dann die Ruinenmaler des 17. Jahrhunderts. Im 18. Jahrhundert war [er] allgemein geworden, geradezu ein Charakteristikon des Zeitalters. Das Charakteristische war, dass alte Bauwerke im Zusammenhange mit der Natur betrachtet werden. Wenn wir aber nach der Ursache fragen, finden wir, dass ein Zusammenhang mit einer allgemeinen Wandlung des Verhältnisses der Architektur zur Natur zu Grunde liegt. Am deutlichsten [ist es] in den Parkanlagen. Das besagt nichts anderes, [als] dass man die großen Gesamtveduten nicht mehr architektonisch komponierte, sondern das Gesamtbild der Architekturen der landschaftlichen Vedute subordinierte, das Landschaftliche in den Vordergrund stellte, wie es der Neigung der nordischen Völker seit jeher entsprochen hat, was wir aber nicht nur im Norden, sondern auch in Italien beobachten können, wie uns die berühmten Stiche Piranesis belehren. Es ist das Sich-Versenken in eine Naturstimmung, welches für die Poesie und Malerei dieser Zeit charakteristisch ist, denken Sie nur an Bilder Guardis und Canalettos, und welches auch zu den Elementen kommt, welche das künstlerische Genießen der alten Kunstwerke beeinflussen. Piranesi Altersspuren, gewiss nicht des Evolutionswertes wegen, sondern darum weil es sich darum handelte den malerischen Gesamteindruck darzustellen, die Illusion des Zusammenwirkens der Landschaft, der Natur und der Architektur im Beschauer zu erwecken, welche eine der Hauptquellen des künstlerischen Genusses geworden war. So kam man im 18. Jahrhundert im künstlerischen Genusse der alten Kunstwerke beinahe bereits so weit wie heute. Warum hat sich dies geändert [?] Erstens einer sozialen Katastrophe wegen. Die Verheerungen der Revolution. Der sozialen Katastrophe folgte eine künstlerische. Die Kunst wurde Handwerkern und Antiquaren ausgeliefert. (...) 9 [Wenn wir uns nun fragen, wie sich das] plötzlich ins gerade Gegenteil verändern konnte, so müssen wir uns vor allem vergegenwärtigen, wie diese Wandlung wo und wann entstanden ist.
7 8 9
Die These wieder aufgenommen in DVOØÁK 1907/4. Hier abgedruckt als Text I.I.1, S. 217. Charles Le Brun (1619–1690). Die Seitenfolge ist logisch, aber am Anfang der Seite 97 fehlt etwas.
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1.2 | VORLESUNGSMANUSKRIPT (1910)
Vor allem muss man darauf hinweisen, dass sie einen absolut literarischen, und zwar doktrinären Ursprung hatte. Es waren Altertumsforscher jener Art, die wir erwähnt haben, die diese neue Forderung aufgestellt haben. Das wäre nichts Neues. Solche Kauze, welche den Größenwahnsinn hatten, die Kunst nach bestimmten Regeln zu organisieren, gab es seit dem 16. Jahrhundert, seit dem Zeitpunkte, wo die individuelle Idee des Künstlers und der differenzierte Geschmack des Publikums eine größere Rolle zu spielen begonnen hat, stets in Hülle und Fülle - man könnte ihrer von bis eine lange Reihe aufzählen, nur dass ihre Theorien an der Kunstentwicklung abprallen mussten und höchstens einen ephemeren Erfolg aufzuweisen hatten. Nun ereignete es sich aber, dass diese literarischen Tendenzen in Ländern und in Zeiten aufgenommen werden, in denen die alte künstlerische Kultur wenigstens für eine Periode aus vielen Ursachen der Boden entzogen wurde. Vor allem dadurch, dass seine sozialen Schichten ihr Recht an der Kunst und Kultur geltend zu machen begonnen haben. So in Frankreich nach der großen Revolution, so in Deutschland nach dem Jahre 1848. In der Architektur, um die es sich vor allem handelt, kommen noch andere spezielle Ursachen dazu, vor allem die Zweck- und Sinnlosigkeit der alten monumentalen Architektur, dann neue technische Voraussetzungen. Und so können wir die Beobachtung machen, dass Hand in Hand mit der sozialen Umwälzung (...)
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GARTENKUNST, VORTRAGSMANUSKRIPT (1913–14 )*
Z
u den Schöpfungen der Kunst, die den meisten Menschen vielleicht eine Freude bereiten, gehören ohne Zweifel die Gärten. Man könnte sich vielleicht wundern, dass man sie als Kunstwerke betrachtet und in die Geschichte der Kunst einbezieht; tatsächlich kann man sich leicht überzeugen, dass sie jeweilig im engsten [?] Zusammenhange mit der Kunstentwicklung standen und als Kunstform eine Geschichte haben, die ein eigenes Kapitel innerhalb der allgemeinen Kunstentwicklung bedeutet. Die Sitte Gärten anzulegen, reicht bis zu den Anfängen der historisch erforschbaren Kultur, da wir in den Reliefs der altorientalischen Völker in altägyptischen Gemälden zahlreiche Darstellungen von Gärten besitzen, die freilich viel zu schematisch sind, als dass sie mehr erkennen ließen, als dass die Gärten regelmäßig gestaltete Anlagen von gewissen geometrischen und ornamentalen Grundformen waren. Diesen regelmäßigen und ornamentalen Charakter haben die Gärten auch in der griechischen und römischen Kultur beibehalten, wobei sich jedoch zu der dekorativen Verwertung der Natur als ein neues Moment die Verbindung der Gartenanlagen mit Werken der Skulptur und Architektur gesellt haben. Man hat in den griechischen und römischen Villengärten [begonnen], Statuen aufzustellen und die Gärten mit architektonischen Konstruktionen, offenen Säulenhallen, Springbrunnen, Terrassen mit Balustraden, Treppenanlagen zu verbinden. Es fehlen uns wohl noch exakte Untersuchungen über die antiken Gärten, doch soviel kann man, glaube ich, mit Bestimmtheit sagen, dass sich im Altertum zwei Gattungen von [Gärten] entwickelt haben, welche in der ganzen Folgezeit ihre Bedeutung beibehalten haben. Es waren dies der Hausgarten und das, was wir heute als Park bezeichnen. Der Hausgarten, der übrigens bis in die von Homer geschilderte minoische Kultur zurückverfolgt werden kann, befand sich in den offenen Höfen der Villenanlagen und bestand aus mit Buchsbaum eingesäumten Blumenbeeten, Topfpflanzen, einzelnen Bäumen und Sträuchern, einem Springbrunnen oder einzelnen Gartenskulpturen. Diese Art der Gärten, die das einzelne Gewächs zur größten Wirkung bringt und zwar in seiner kultivierten Form, hat ihre Nachkommen sowohl in den Klostergärten, sogenannten Paradiesesgärten des christlichen Mittelalters, als auch in den orientalischen Gartenhöfen, von denen wir so viele Beschreibungen besitzen und von denen sich uns auch einige Überreste, z.B. in der Alhambra erhalten haben.
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Universität Wien, Institut für Kunstgeschichte, Archiv, Nachlass Max Dvoøák, Kart. 12, handschriftliches Manuskript eines Vortrags aus 1913/14. Die Seiten 19–24 fehlen. Gemäß einer dem Manuskript beigefügten Anmerkung von Karl Maria Swoboda wurde der Text der fehlenden Seiten durch die entsprechenden Seiten 923b–928 des «Winterkollegs» von 1912/13 ersetzt.
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1.3 | VORTRAGSMANUSKRIPT (1913–1914)
Die zweite Schöpfung der Antike auf dem Gebiete der Gartenkunst waren die ausgedehnten Parkanlagen, wie sie z. B. wie heute schon in der spätrömischen Zeit einen großen Teil der Siebenhügelstadt bedeckt haben und die, soweit wir darüber unterrichtet sind, in mancher Beziehung an die späten Barockgärten erinnern. Sie bestanden aus Hainen und Rasenflächen, die aus Griechenland geraubten Statuen oder Kopien danach wurden darin aufgestellt und Säulenhallen und andere Architekturen haben die einzelnen Teile der Anlagen verbunden. Diese Früchte der höchsten und verfeinertsten, kaiserlichen künstlerischen Kultur der Antike sind naturgemäß mit ihrem Zusammenbruche rasch verschwunden, und doch haben sich auch davon einzelne Überreste ins Mittelalter gerettet, wie z. B. die Pergolae, die ein einfacher Ersatz für die Hallen in den Ländern der alten klassischen Kultur überall beliebt geblieben sind, oder die Gartenarchitekturen, Pavillons und Ähnliches, die sich, wenn auch in rudimentärer Form immer erhalten haben. Im Mittelalter kommen zu den Überresten der alten Gartenkunst, besonders in Mitteleuropa, verschiedene Neuerungen, die für die Zukunft von Bedeutung wurden. Man hatte dreierlei Gärten, die unabhängig voneinander um die Burgen und Schlösser angelegt wurden und auch ohne Verbindung mit denselben, die Blumen- oder Lustwiese, den Baumgarten und den Blumen- oder Wurzgarten. Die Blumenwiese war der eigentliche Lustgarten. Ihre Hauptrequisiten waren eine Rosenhecke, weshalb sie oft auch Rosengarten hießen, kleine Brunnen und Rasen und Blumenbänke. Es ist charakteristisch, dass die Naturwirkung in ihrer ursprünglichen Form bis zu einem gewissen Grade angestrebt wurde, es sollte der Eindruck einer blühenden Wiese erweckt werden, daher auch der Namen, etwas was dem Altertum ganz unbekannt war und den Südländern noch heute unverständlich ist. Es unterliegt aber keinem Zweifel, dass da die Grundlagen unserer Freude an Wald- und Feldblumen, an der ursprünglichen Natur zu suchen ist. Die Baum- und Wurzgärten waren die eigentlichen Nutzgärten, in denen man Obstbäume, Gemüse, Arzeneien und Blumen gezogen hat, unter denen Rosen, Lilien, Violen und Iris besonders beliebt waren und die man nicht nach Gattungen gesondert, sondern bunt untereinander gezogen hat. Im Ganzen und Großen haben diese Naturgärten eine Form besessen, wie sie heute noch die Pfarrgärten und Dorfgärten haben. Die Obstbäume wurden in regelmäßigen Reihen gepflanzt und die Gemüse und Blumen in regelmäßigen Rabatten verteilt, was insoferne von Wichtigkeit war, als dadurch Elemente gegeben [waren], die später auch die großen architektonischen Gartenanlagen beeinflussten. Im Ganzen und Großen war, soweit es sich um ästhetische Momente handelt, der Grundcharakter der Gärten im Mittelalter die dekorative Flächenwirkung, sie hatten der Architektur gegenüber keine selbständige Bedeutung, sondern sollten durch ihre Blumenpracht bunt und farbig wirken, wie die Glasgemälde in den Kirchen, wie die Tapisserien in den Wohnräumen, wie die dekorativen Bordüren in den Handschriften. Eine neue Periode in der Entwicklung der Gärten begann im XV. Jahrhundert und zwar zunächst in Italien, wo es üblich wurde, heiße Tage in Stadt- oder Landvillen zuzubringen, bei denen die Gartenanlagen das Wichtigste waren. Sie schlossen sich in ihren Grundformen noch mehr oder weniger den mittelalterlichen Gär-
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ten an, wenn auch darin, dass ein einheitlicher großer Prunkgarten und bei diesem eine gewollte künstlerische über die Natur hinausgehende Wirkung angestrebt wurde, [was] eine neue Etappe bedeutet. Die frei wachsenden Blumen verschwinden, die Rasenflächen werden ganz mit Efeu bedeckt, von Buchsbaum eingezäunt, die Beete bilden geometrische Figuren und Pergole, Laubgänge aus Weinreben oder Schlingrosen werden häufig verwendet. Die Architektur beginnt allmählich im Laufe des Quattrocento eine wichtige Rolle zu spielen, wie wir aus den Gartenbeschreibungen bei Alberti, Aenea Silvio [Piccolomini] oder Poliphilo sehen können. Es beginnt sich eine eigene Gartenarchitektur zu entwickeln, die aus verschiedenen Pavillons, Grotten, Wasserbehältern besteht und verschiedene Wasserkünste werden beliebt. Ferner begann man in den Gärten Statuen und architektonische Fragmente aufzustellen. Poggio [Bracciolini] erzählt es zum ersten Mal als eine Neuheit. Bekannt ist in dieser Beziehung der Medicigarten, wo die mediceischen Antiken aufgestellt waren. Wichtig ist, dass man begonnen hat, dem Ziergarten einen Hain, einen Bosco und einen Selvatico anzuschließen, die zuweilen mit den Gärten durch Architekturen verbunden waren. So führte bei der Villa Madama von dem Ziergarten zu der Terrasse, auf der ein Zypressenhain gepflanzt war, eine monumentale Treppe von zwei Giganten des Baccio Bandinelli flankiert. Im übrigen waren aber die einzelnen Teile selbständig und eine einheitliche architektonische Gestaltung fehlte ganz. Das Wohngebäude [wurde] separiert. Das änderte sich plötzlich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Vorbildlich waren die Villa Aldobrandini in Frascati und die Villa d’Este in Tivoli. Worin bestehen die Neuerungen? Das Wohngebäude steht nicht mehr neben, sondern im Garten, mit dem es zu einer künstlerischen Einheit als Teil des Ganzen verbunden ist. Der Garten selbst hat seine Gestalt ganz verändert. Das wesentlich Neue ist, dass in allen seinen Teilen eine architektonische Wirkung angestrebt wurde. Schon in der Wahl des Terrains war man darauf bedacht. Mit Vorliebe wählte man ein ansteigendes Gelände, welches mannigfaltig kombinierte Prospekte ermöglichte. Die Blumenbeete sind verschwunden; sie wurden in den Giardino secreto verbannt, denn sie hatten in der monumentalen Anlage keine Bedeutung besessen, ebenso einzelne Bäume, zu hohe Lauben. Raumflächen wechseln ab mit Baumgruppen oder Hainen, die jedoch nicht frei aneinander gereiht, sondern so gewählt werden, dass sie wie architektonische Massen wirken. Man bevorzugte deshalb besondere Baumarten, die wundervolle italienische Silbereiche, Zypresse und Lorbeer, die, zu Baummassen vereinigt, für architektonische Wirkungen besonders geeignet waren. Wie Wände durchziehen [sie] den Garten, bilden Kulissen, verbinden sich mit der wirklichen Architektur zu einheitlichen architektonischen Bildern. Die wirkliche Architektur spielt eine sehr große Rolle: als verbindendes Glied oder zur mannigfaltigsten Belebung der gewachsenen Architektur in der Form von kleinen Casinos, Pavillons, Grotten, Terrassen, Stiegenanlagen usw. Das dritte Element war das Wasser. Eine Barockvilla ohne Wasser ist kaum denkbar, und zwar das Wasser nicht frei fließend und sich ausbreitend wie in der Na-
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1.3 | VORTRAGSMANUSKRIPT (1913–1914)
tur, sondern architektonisch gebändigt und gefasst in Fontänen, Kaskaden, Bassins, stets als Masse in rauschender Fülle mit den Baumassen und Architekturen zu Gesamtbildern zusammengeschlossen. Es ist also eine architektonische Gesamtkomposition wie sie sich in der Architektur entwickelte, die in diesen großen Parkanlagen angestrebt wurde und zwar eine Komposition der großen Flächen und Massen wie abermals in der gleichzeitigen Architektur, ja es ist offenkundig, dass überhaupt erst durch die Entwicklung der Architektur als Gestaltung der Massen erst die moderne architektonische Gestaltung der Natur ermöglicht wurde, die ja immer auf einer Bewältigung von Massen beruhen musste. Diese Gesamtkomposition beruhte nicht auf einer tektonischen Gesamtgestalt, sondern war eine Komposition im Raume mit in erster Linie malerischen optischen Eindrücken. Man kann ohne jeden Zweifel behaupten, dass diese Gestaltung der großen römischen Parks ohne Eindringen der oberitalienischen Auffassung der Architektur einfach nicht möglich gewesen wäre. Die Baumkulissen, die Galerien leiten den Blick des Beschauers , der im Wandeln durch den Garten immer wieder neue und interessante Prospekte und Veduten zu sehen bekommt, deren Mittelpunkt das Casino, das Wohngebäude, bildet oder aus denen sich überraschende Ausblicke auf die Landschaft öffnen. Diese römischen Gärten gehören noch heute zu dem Wirkungsvollsten und Schönsten, was sich aus der Vergangenheit erhalten hat, obwohl sie durch Vernachlässigung und spätere Veränderungen manche Einbuße erlitten haben. Sie sind auch von einer großen Bedeutung für die Architektur überhaupt gewesen und zwar für den Städtebau. Als eines der Hauptmomente in unseren großen Städten in Bezug auf künstlerische Wirkung sind wir gewohnt, große Prospekte und Veduten zu betrachten, einheitlich angelegte, perspektivisch wirkende Plätze und Straßenzüge mit interessanten Ausblicken. Das hat sich gegen Ende des 16. Jahrhunderts in Italien und insbesondere in Rom entwickelt und wenn auch die Ansätze dazu schon in der früheren Architektur, insbesondere bei Michelangelo, vorhanden waren, so hätten diese Ansätze kaum so schnell sich verbreitet und eine so große Verbreitung gefunden, wenn nicht in dem leichter bezwingbaren Material der großen Parks gezeigt worden wäre, wie sie für die Bewältigung großer architektonischer Gesamtaufgaben verwendet und ausgebildet werden können. Für die Gartenkunst selbst blieb das Prinzip dieser großen römischen architektonischen Gärten bis tief ins 18. Jahrhundert hinein maßgebend, denn auch die großen Parks, welche im 17. und 18. Jahrhundert nördlich der Alpen entstanden sind und als deren schönste und berühmteste Beispiele der große Park von Versailles und der Schönbrunner Park angesehen werden können, sind in ihren Grundgedanken von jenen architektonischen italienischen Gärten abhängig. Es kamen nur einige Neuerungen dazu. In Italien haben sich die alten Blumengärten erhalten und besonders in Holland hat die Blumenzucht im 17. Jahrhundert den allergrößten Aufschwung erfahren, was auch auf die großen Parks einwirkte, in denen man große mit Blumen geschmückte Flächen, das sogenannte Parterre, wieder zu verwenden
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UNVERÖFFENTLICHTE MANUSKRIPTE | II.
begonnen hat. Eine zweite Neuerung war ein noch engerer Zusammenschluss mit der Landschaft, der gegenüber man nicht nur einzelne Ausblicke anstrebte, sondern die [als] ein das kostbare Juwel des Gartens umschließender Rahmen wirken sollte. Der Park sollte auch von der Höhe gesehen in seiner Gesamtheit in der Landschaft als ein imposantes kunstvolles Gebilde wirken, weshalb man in dieser Zeit mit Vorliebe ein flaches Terrain wählte und die Bau[m]massen, um ein einheitliches Relief zu erreichen beschnitten hat und so ihnen ganz und gar die Form von einheitlichen architektonischen Massen gegeben hat, wie man bei dem Schönbrunner Garten, bei dem Belvederegarten oder hier bei dem Park von Liancourt sehen kann. Dazu kam noch die Rokokofreude an Kurven, an Dekoration, die sich immer mehr entfaltete und zu den mannigfaltigsten Verschnörkelungen und Spielereien führte, wofür als ein frühes Beispiel der königliche Garten in Stockholm gezeigt werden kann. Gegen die barocke architektonische Gestaltung der Gärten erhob sich in England im 18. Jahrhundert eine Opposition, die sehr schnell eine vollständige Umwälzung in der Gartenkunst herbeiführte, die in den großen englischen Parks ihren Ausdruck fand. Sie bestand darin, dass man nicht mehr in den großen Gärten in erster Linie Menschenwerk, die architektonisch gestaltete Natur, sondern die Natur selbst in ihrer ursprünglichen freien Gewalt und Schönheit bewundern wollte. Man könnte sagen, dass man zu der Freude an der reinen Natur zurückkehrte, die man bereits im Mittelalter in den nordischen Ländern beobachten kann und es unterliegt keinem Zweifel, dass sich da unmittelbare Beziehungen zu der alten Tradition erhalten haben, die [sich] besonders in den Niederlanden mit ihren unarchitektonischen, von Kanälen und Flüssen durchzogenen Blumen- und Obstgärten erhalten haben. Dazu kamen jedoch auch noch andere Einflüsse. Einmal wirkte da die englische Poesie, die von intensiven Beziehungen zur Natur erfüllt war und die Schriften des Jean Jacques Rousseau, die den Kultus der Naturschönheiten zur Pflicht aller Menschen erhoben und besonders in England in dieser Beziehung eingewirkt haben. Das ist die Schönheit, welche die Natur schafft, steht unter dem Titelbilde der Theorie der Gartenkunst von Morel, deren erste Auflage im Jahre 1776 erschienen ist,1 und diese Schönheit der Natur wollte man auch dort bewundern, wo man Gärten und Parks geschaffen hat. Zu den Schönheiten der Natur gehören aber auch die Werke der Vergangenheit, alte Bauten und Ruinen, die man als Wahrzeichen eines verschwundenen, ursprünglichen goldenen Zeitalters zu bewundern und zu lieben begonnen hat und die man deshalb auch in den Parks nachahmte, sei es durch Aufstellung von Ruinen, sei es dass man die Wohngebäude im mittelalterlichen Stil ausführte und sie mit Pflanzenwuchs umgeben hat, um im Beschauer die Illusion des Waltens der Zeiten und der Natur hervorzurufen. Mit diesen Bestrebungen verbanden sich chinesische Einflüsse. Die ostasiatische, so hoch entwickelte Kunst begann im 18. Jahrhundert einen starken Einfluss in
1
J.-M. MOREL: Théorie des jardins, Paris 1776.
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1.3 | VORTRAGSMANUSKRIPT (1913–1914)
Europa auszuüben. Nun ist aber der chinesische Garten eine Landschaftsminiatur, was man in England auch nachzuahmen versuchte. Die chinesischen Einflüsse zeigen sich nicht nur in den Chinoiserien, die man zur Belebung der Gärten aufstellte, in den kunstvoll geformten Bäumen und Sträuchern, sondern auch, was das Wichtigste war, in der Grundrisslösung, in der man den Charakter des natürlichen Geländes wahrte oder nachzuahmen versuchte und die Wege so anlegte, dass sie, wie in der Landschaft, der Formation des Geländes in mannigfaltigen Kurven folgten. Alles das erweckte zunächst den Eindruck einer naiven Spielerei, da aber bald große Territorien mit herrlichen Baumbeständen in dieser Weise in Parks verwandelt wurden, entstanden wirklich grandiose Anlagen, in denen sich Kunst und Natur zu den wirkungsvollsten Effekten vereinigte[n]. Die große allgemeine Wichtigkeit dieser englischen Parks bestand darin, dass sie unendlich viel dazu beigetragen haben, das Interesse für landschaftliche Schönheiten zu wecken, welches, wie ich ja nicht weiter auszuführen brauche, zu den wertvollsten Gütern der Gegenwart gehört. Der Fehler, der sich später einstellte, bestand darin, dass man dasselbe System auch auf kleine Gärten und städtische Parkanlagen übertrug, obwohl es eigentlich nur für große Räume geeignet war, was schließlich dazu führte, dass man heute all die kleinen Parks mit willkürlich zerstreuten Bäumen und Sträuchern als eine Geschmacklosigkeit zu empfinden beginnt und in der Gartenkunst sich eine neue Wandlung zu vollziehen beginnt, bei der die Architektur wieder eine größere Rolle zu spielen berufen zu sein scheint und deren Ergebnis vorläufig noch nicht übersehen werden kann. Jedenfalls ist die Liebe für die Gärten und ihre Naturelemente ein treuer Spiegel der künstlerischen Kultur einer Zeitperiode, eines Volkes und jedes einzelnen Menschen und diese Liebe zu pflegen und zu erziehen, ist uns allen Pflicht und Schuldigkeit.
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ÖSTERREICHS UND ITALIENS BEZIEHUNGEN IN DER KUNSTWISSENSCHAFT * (UNDATIERT)
A
lla terra madre d’Italia lautet die Widmung, die vor zwei Jahren ein österreichischer Gelehrter seiner kritischen Ausgabe der Kommentare Ghibertis voranschickte.1 Er gab dadurch Gedanken und Empfindungen Ausdruck, die nicht nur persönlicher Natur sind, sondern in Beziehungen ihren Ursprung haben, die durch Generationen deutsches und österreichisches Geistesleben mit Italien verknüpften und deren wir – ein Kreis von Männern der verschiedenen literarischen Berufe und Interessen – besorgt oft in den letzten Monaten gedachten, als die Frage unseres Verhältnisses zu Italien immer aktueller wurde. Handelt es sich doch um Fragen, die mit den Tagesereignissen nicht unmittelbar zusammenhängend und, wenig publik, doch für die künftige Orientierung in die Waagschale fallen müssen, wenn nicht für beide Teile wertvolle Güter und Gesichtspunkte vernachlässigt werden sollen. So entstand der Plan, mit allen Mitteln auf eine Verständigung hinzuarbeiten oder, besser gesagt, auf ein dessen Sichbewusstwerden, was unser geistiges Leben mit jenem Italiens verbunden hat und verbindet, ein Plan, der erst allmählich und vielleicht nur in ruhigeren Zeiten verwirklicht werden kann und der doch im gegenwärtigen Augenblicke zum Wort kommen soll. Als ersten Schritt in dieser Aktion mögen folgende Zeilen aufgefasst werden, in denen das Verhältnis Österreichs zu Italien in der Kunstwissenschaft besprochen wird. Von ihren Anfängen an, seit Winckelmann und Rumohr, kannte die deutsche Kunstgeschichte, soweit sie sich der nachantiken Kunst zugewendet hat, selbst unter Hintansetzung der heimatlichen Kunstvergangenheit, kein höheres Ziel, als den Geist, den historischen Sinn der italienischen Kunstentwicklung zu erforschen; und wenn heute der Begriff der italienischen Renaissance als eines Höhepunktes und zugleich Wendepunktes in der Geschichte der Menschheit, von dem an die Entstehung des modernen Menschen und seines Verhältnisses zur Natur und zum Leben abgeleitet werden kann, zu den wichtigsten Grundlagen unseres ganzen historischen Denkens gezählt werden muss, so waren es ohne Zweifel Jacob Burckhardts Schriften, die bahnbrechend nach dieser Richtung hin gewirkt und den Italienern selbst den Glanz ihrer Vergangenheit in einem neuen Lichte gezeigt haben.
* 1
Universität Wien, Institut für Kunstgeschichte, Archiv, Nachlass Max Dvoøák, undatiertes Typoskript. Es handelt sich um Julius von Schlosser, dessen Mutter Italienerin war.
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1.4 | ÖSTERREICHS
UND ITALIENS
BEZIEHUNGEN
IN DER
KUNSTWISSENSCHAFT (UNDATIERT)
In der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, nachdem Burckhardts Werke allgemein direkt oder indirekt gewirkt haben, hat man sich wohl überall mit der italienischen Kunst zu beschäftigen begonnen, wobei man jedoch sehr charakteristische Unterschiede beobachten kann. So war man in Frankreich doch stets vor allem auf den Ruhm der eigenen Vergangenheit bedacht, und die Bemühungen der französischen Forscher gingen, soweit sie sich nicht, wie dies bei Eugen Müntz’s Arbeiten der Fall war, auf archivalische Untersuchungen beschränken, denen es an einem lebendigen Verhältnisse zur italienischen Kunst und Kultur mangelt, dahin, die Verdienste der Erneuerung der Kunst nach dem Ablaufe der klassischen für Frankreich allein in Anspruch zu nehmen. Es war vor allem der bedeutendste unter den französischen Kunstgelehrten, Louis Courajod, der sich bemühte, die Renaissance als eine Schöpfung des französischen Geistes hinzustellen, und seine Lehren wurden zum Dogma der ganzen jüngeren Generation der französischen Kunstforscher. Scheinbar wärmer, in Wirklichkeit jedoch noch weit einseitiger und eigennütziger waren englische und amerikanische Beziehungen zur italienischen Kunst. Wie die Franzosen so nahmen auch die Engländer die alte italienische Kunst für sich in Beschlag, freilich nicht für [die] englische Vergangenheit, was nicht möglich war, sondern für [die] englische Gegenwart als Quelle eines raffinierten Kunstgenusses, wie er von Ruskin dem reisenden Dutzendpublikum gepredigt oder – als Handelsartikel, als eine Ware, durch die man dank der wirtschaftlichen Überlegenheit die Früchte einer fremden künstlerischen Kultur in englische Schlösser und Paläste verpflanzen konnte, was später von den Amerikanern mit noch grösseren Geldmitteln nachgeahmt wurde und woraus sich jener entsetzliche Kunstschacher entwickelte, der eine Schmach unserer Zeit bedeutet und dessen Kosten vor allem Italien zu tragen hat. In Deutschland und vielleicht noch mehr in Österreich bemühte man sich aber auf der von Burckhardt eingeschlagenen Bahn weiterzuschreiten und die allgemeine historische und philosophische Auffassung der italienischen Kunst weiter auszubauen. Es ist sicher kein Zufall, dass Werke, die zu den höchsten Ruhmestiteln der österreichischen Kunstgeschichte zu zählen sind, Wickhoffs Geschichte der römischen Kunst und Riegls Vorträge über die Entwicklung der italienischen Barockkunst, den schöpferischen und massgebenden Anteil Italiens an der Weltgeschichte der Kunst auch für Perioden dargelegt haben, die nicht nur jenseits der Mode, sondern auch jenseits der Fachinteressen bis dahin gestanden sind und die man selbst in Italien als glanzvolle Manifestationen der künstlerischen Kräfte des italienischen Volkes bis dahin nicht erkannte. Während für die ältere Archäologie die Kunstwerke des römischen Altertums nur als eine Nachahmung der Griechen gegolten haben, zeigte Wickhoff zum ersten Mal, mit welcher Wucht und Genialität sich in den Schöpfungen der römischen Kunst neue künstlerische Anschauungen durchgerungen haben, die in derselben, von der griechischen verschiedenen, Auffassung der künstlerischen Wahrheit und Grösse ihren Ursprung hat, aus der später die Werke Donatellos und Tizians entstanden sind, sodass man es österreichischer Forschung zu verdanken hat, wenn uns heute die italienische Kunst der römischen Kaiserzeit
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UNVERÖFFENTLICHTE MANUSKRIPTE | II.
als eine der gewaltigsten Errungenschaften des menschlichen Geistes erscheint, als eine neue künstlerische Eroberung der Welt, die wahrlich nicht die kleinste der Römer war. Und mag auch früher bereits zuweilen italienische Barockkunst Beachtung gefunden haben, so waren es doch erst Riegls Betrachtungen, durch die sie als eine dem Vorangehenden gleichberechtigte Frucht des künstlerischen Ingeniums der Italiener für die Gegenwart und Zukunft dauernd gewonnen wurde. Auf diese Weise verwandelte sich Burckhardts Kultur der Renaissance durch Forscher, die, ihm folgend, einen philosophischen Doktrinismus überwunden haben, in eine Würdigung der Gesamtbedeutung Italiens für die Geschichte der künstlerischen Probleme, wie sich ihrer kein anderes Land rühmen kann. Dies wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht außer allgemeinen historischen Gesichtspunkten, für die vielfach andere Aufgaben näher gelegen wären, intensive, auf weit zurückreichender künstlerischer Wahlverwandtschaft beruhende Gefühlsassoziationen mitgewirkt hätten. Die Rolle, welche Italien in deutscher Poesie, in deutscher Kunst, im ganzen deutschen Gefühlsleben seit dem 18. Jahrhundert spielte, dürfte beispiellos sein in der Geschichte der Beziehungen von Nachbarländern und Nachbarvölkern. Während im übrigen Europa der Italianismus stets eine mehr oder weniger temporäre und partielle Erscheinung war, verknüpfte er sich in Deutschland und Österreich mit dem ganzen Denken und Empfinden aller Gebildeten, für die Italien nicht nur das Land ihrer Sehnsucht, ihrer Träume, sondern auch eine Quelle der geistigen Erhebung und Läuterung bedeutet. «Offenbarung, Wiedererwachen, Selbsterkenntnis, eine neue geistige Heimat», das sind die Werte, die seit Goethes Zeiten immer wieder in Werken der deutschen Pilger nach Italien gefunden werden können, unter denen wir kaum einen Namen missen, der zu den in den Geisteswissenschaften führenden zu zählen ist. Es ist klar, dass dieses, ich möchte sagen ethische Verhältnis zu Italien auch auf die Wissenschaft einwirken musste, vor allem auf die Kunstwissenschaft, in der es das Bewusstsein einer idealen Verpflichtung der italienischen Kunst und dem italienischen Kunstgeiste gegenüber geschaffen hat, das nicht nur in den bahnbrechenden Werken, sondern überall in der ganzen kunstgeschichtlichen Literatur und darüber hinaus in der Überzeugung und dem Wirken aller, die der alten Kunst näher standen, zum Ausdruck kam. Ich habe nur Wickhoffs und Riegls Werke als besonders markante Beispiele dieses Verhältnisses in der österreichischen kunstgeschichtlichen Literatur genannt, aus der man jedoch auch unzählige andere Beispiele herbeiholen könnte. In Österreich hat man begonnen, auf Eitelbergers Anregung, die alten italienischen Kunstschriftsteller systematisch zu veröffentlichen, in Österreich ist das Dogma von der Rückständigkeit der italienischen Kunst im Mittelalter zuerst bekämpft, der erste wissenschaftliche Katalog einer Sammlung italienischer Handzeichnungen veröffentlicht worden. Einem Österreicher verdanken wir das erste monumentale Korpus der römischen Katakombenmalereien, dem bald ein zweites, die mittelalterlichen Gemälde Roms umfassendes, folgen wird, und erst in der jüngeren Zeit ist ein ganz groß angelegtes Unternehmen, das alle Quellen der italienischen
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1.4 | ÖSTERREICHS
UND ITALIENS
BEZIEHUNGEN
IN DER
KUNSTWISSENSCHAFT (UNDATIERT)
Barockkunst umfassen soll, von österreichischen Gelehrten begründet worden. Namen wie Schlosser, Dollmayr, Kallab, Tietze sind, um noch auf einzelne Forscher hinzuweisen, jedem bekannt, der sich je mit der italienischen Kunstwissenschaft beschäftigte, deren Geschichte auf den österreichischen Universitäten gute drei Viertel der kunstgeschichtlichen Kollegien umfasst, während über deutsche und österreichische Kunst nur ausnahmsweise Vorlesungen abgehalten werden. Das reine Feuer aller Nebenabsichten baren Studiums der italienischen Kunst musste naturgemäß auch auf das Verhältnis zwischen der österreichischen und italienischen Kunstforschung einwirken. Es ist keine Übertreibung, wenn man behauptet, dass jeder Fortschritt der italienischen Kunstgeschichte früher und stärker nördlich der Alpen ein freudiges Echo fand als in Italien selbst. Der erste, der für Giovanni Morellis Kritizismus im Bestimmen der Werke der italienischen Malerei öffentlich auftrat, war der Professor der Kunstgeschichte an der Wiener Universität, Thausing, und die Ideen des geistvollen italienischen Gelehrten haben in Wien eine Schule geschaffen, lange bevor sie in Italien sich durchzuringen vermochten. Keinem aufmerksamen Beobachter dürfte es entgangen sein, dass die kunstgeschichtlichen Arbeiten der Italiener in der Methode, in der Auffassung der Probleme, viel mehr mit der deutschen und österreichischen Forschung sich berühren als etwa mit der englischen oder französischen. Die Werke Riccis, Frizzonis, der beiden Venturi, Hermanins, Poggis, um nur einige zu nennen, bezeugen dies zur Genüge, und die Ursachen dieser Verwandtschaft liegen nicht nur in gegenseitiger Beeinflussung, sondern noch weit mehr in dem parallelen Streben nach einem gemeinsamen Ziele, das so oft italienische und österreichische Forscher in treuer Freundschaft verband und selbst in wissenschaftlichen Kontroversen zutage trat, die zuweilen, wie es überall der Fall ist, wo man sich ernst und im Grunde einhellig um historische Probleme bemüht, ausgefochten werden mussten. Dieses unausgesprochene, doch umso wirksamere Bündnis wirkte auch auf alle übrigen Kunstfreunde und hatte die Empfindung einer geistigen Zusammengehörigkeit, die stärker war als politische Differenzen. Es wäre ein Unglück für uns, für Italien und für die ganze europäische Kultur, wenn sich daran etwas ändern sollte. Für uns, weil wir nicht nur, was uns so lange lieb und teuer war, verheeren würden, sondern auch geistige Interessen, die mit unserem Wesen ganz verwachsen sind, ein objektives Maß für die Höhe der wissenschaftlichen und künstlerischen Ansprüche auf dem Gebiete der alten Kunst, aus uns förmlich herausreißen müssten, was ohne eine Verarmung des ganzen Lebensinhaltes nicht möglich wäre. Für Italien, das in seiner Bedeutung für die mitteleuropäische Kultur eine Einbuße erleiden würde, die durch politischen Gewinn allein nicht ausgeglichen werden könnte. Wir, die wir Italien gegenüber von aufrichtigen Freundschaftsgefühlen erfüllt sind, wünschen natürlich, dass es politisch und wissenschaftlich erstarke, wie es dem ungeheuern Aufschwunge des italienischen Volkes in den letzten Jahrzehnten entspricht, wir wünschen aber auch, dass es jene ideelle Machtstellung beibehalte, die Italien als «Garten des Reiches», wie es von Dante genannt wurde, als die
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UNVERÖFFENTLICHTE MANUSKRIPTE | II.
Verkörperung der klassischen Traditionen und einer, mit Ausnahme der griechischen, einzig dastehenden, auf das Anschauliche und künstlerisch Erfassbare ausgerichteten Volksentwicklung, seit der glorreichen Epoche der ersten Wiedergeburt der italienischen Nation besessen hat. Diese ideelle Machtstellung würde aber – darüber kann man nicht im Zweifel sein – sehr viel verlieren, wenn man die Bande lösen würde, die sie mit deutschem Geistesleben verknüpft haben, das wie kein anderes für die humaniora des italienischen Geistes ein tiefes Verständnis besaß und ihr unermüdlicher Herold war. Der Verlust würde auch die ganze europäische Kultur treffen. Man beklagt zuweilen die Erschütterung, die die offiziellen internationalen Institutionen und Beziehungen auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens durch den Weltkrieg erlitten haben. Sie waren mehr oder weniger ein Produkt der Opportunität oder gesellschaftlichen Konvention und werden sich in ruhigeren Zeiten von selbst wieder einstellen. Worum wir aber zittern, was wir auf das Sorgfältigste behüten müssen, sind die Kulturbeziehungen, geschichtlichen Entwicklungsreihen einer psychischen Affinität, die zu den kostbarsten Schätzen Europas gehört. Denn die europäische Kultur, ihre führende Stellung und ihre immense Evolution beruhte nicht auf der Entwicklung einer Nation oder auf getrennter Entwicklung mehrerer Nationen, sondern auf ihrem geistigen Wettstreite einerseits, andererseits auf Entwicklungsreihen geistigen Zusammenarbeitens, unter denen neben jener, in der sich die Völker des europäischen Westens immer wieder fanden, die wichtigste die war, welche die Völker diesseits und jenseits der Alpen seit Jahrhunderten verbunden hat. Zerstören wir sie, vernichten wir zugleich eine der wichtigsten Voraussetzungen für die weitere Kontinuität der europäischen Kultur und schlagen in das unschätzbare Vermächtnis der alten Mittelmeerkultur eine Bresche, die nicht mehr ausfüllbar, Europa um einen wichtigen Teil seiner geistigen Prärogativen berauben würde. Und deshalb schliesse ich mit Petrarcas Appell: «Io vo gridando: pace, pace, pace».
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KUNST UND NATIONALISMUS * (UNDATIERT)
D
er eigentliche Grund des Weltkrieges Nationalismus (wie der eigentliche Grund des Dreißigjährigen Krieges die religiöse Intoleranz). Der gegenwärtige Imperialismus beruht auf nationalem Egoismus. Nicht nur der antiken Kunst näherte man sich seit der Renaissance, sondern auch den antiken National- und Eroberungsstaaten. Das Elend, das dadurch über die Menscheit gebracht wurde, ist unübersehbar, so daß man sich fragen muß, ob es in irgendwelchem Verhältnis zu den Früchten des Nationalismus steht. Zu diesen Früchten rechnet man die geistigen Kulturgüter, in erster Linie die Kunst. Was hat die Kunst dem politischen Nationalismus zu verdanken? Differenzierung. Diese nationale Differenzierung beginnt erst in der Neuzeit. Im Mittelalter und in der Antike spielt sie keine Rolle. Aber ist diese Differenzierung auch wirklich so groß? Die Schwierigkeiten, das Nationale zu erfassen. Homogenität vom Gesichtspunkte der historischen Distanz. Das zeitlich Gemeinsame größer als das national Trennende. Ein ideelles Moment neben vielen anderen. Aber ein Moment, das zweifellos auch ohne programmatischen Nationalismus vorhanden wäre. Gegen nationale Intoleranz.
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Universität Wien, Institut für Kunstgeschichte, Archiv, Nachlass Max Dvoøák, undatiertes Fragment eines Manuskripts, Transkription durch Hans Aurenhammer.
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BRIEFE
1. Schreiben Max Dvoøák an Oberst Dr. Karl Bardolff , Wien, am 1.4.1913 1 Hochgeehrter Herr Oberst!
Wien, IX. Schwarzspanierstrasse 7
Herr Hauptmann Hüttenbrenner teilte mir vor einigen Wochen mit, dass Seine Kaiserliche Hoheit, der durchlauchtigste Herr Erzherzog, mit dem Programm des «Katechismus für Denkmalpflege» einverstanden ist und wünsche, dass ihm das Manuskript kapitelweise vorgelegt werde. Da ich nun das wichtigste Kapitel, welches die allgemeinen Grundsätze der Denkmalpflege behandelt, vollendet habe, erlaube ich mir die ehrerbietigste Anfrage, ob ich es vorlegen darf. In verehrungsvoller Ergebenheit
Max Dvoøák
2. Schreiben Max Dvoøák an Oberst Dr. Karl Bardolff , Wien, am 10.4.1913 2 Hochgeehrter Herr Oberst!
Wien, 10. 4. 1913
Wollen Sie, hochgeehrter Herr Oberst, meinen innigen Dank für das gütige Schreiben entgegennehmen, das ich, da ich verreist war, erst heute erhalten habe. Beiliegend erlaube ich mir, das Manuskript des zweiten Kapitels des Katechismus mit der Bitte zu senden, es Seiner Kaiserlichen Hoheit zu unterbreiten. Es behandelt die allgemeinen Grundsätze der Denkmalpflege. Das erste Kapitel wird eine kurze Geschichte der Denkmalpflege enthalten, das dritte an konkreten Beispielen ihre Aufgabe im Einzelnen erläutern, das vierte die Organisation der österreichischen Denkmalpflege besprechen und den Schluss wird eine Zusammenstellung praktischer Ratschläge bilden. Das Buch soll reich mit Beispielen und Gegenbeispielen illustriert sein und zwar in der Weise, dass für einzelne Länder Spezialausgaben mit einheimischen Beispielen zu veranstalten wären. Dafür müssen freilich erst einzelne Objekte fotografiert werden, da besonders von den abschreckenden Gegenbeispielen gewöhnlich keine Fotografien zu haben sind. Diese Aufnahmen wollte ich aber nicht veranlassen, be-
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MKFF, 166, Nr. 35 5/5–9, 1913. Lt. Mitteilung von Theodor Brückler handelt es sich bei dem Adressaten um Oberst Dr. Karl Bardolff, Leiter der Militärkanzlei von Erzherzog Franz Ferdinand. Am Rand enthält der Brief folgende Anmerkung des Erzherzogs Franz Ferdinand: Dumme Frage. Natürlich! Sofort. Prot. Nr. 2697, MKFF, 166, Nr. 35 5/5–9, 1913.
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2.1 | BRIEFE 1–6
vor Seine Kaiserliche Hoheit nicht dem Inhalt und der Form des Buches die allergnädigste Zustimmung erteilte. Ich fahre morgen abends auf zehn Tage nach Dalmatien, wo ich Inspektionsreisen vorzunehmen habe. In verehrungsvoller Ergebenheit
Max Dvoøák
3. Schreiben Max Dvoøák an Oberst Dr. Karl Bardolff , Wien, am 23.4.1913 3 Hochgeehrter Herr Oberst!
Wien, am 23./IV, 1913
Wollen Sie, hochgeehrter Herr Oberst, meinen ehrerbietigsten Dank für Ihr gütiges Schreiben entgegennehmen, das ich nach meiner Rückkehr aus Dalmatien erhalten habe. Ich werde nun, den gnädigen Weisungen Seiner Kaiserlichen Hoheit entsprechend, das Manuskript des Katechismus vollenden und es dann noch einmal mit dem Abbildungsmaterial vorlegen. Zugleich erlaube ich mir die Anfrage, ob ich bei Ihnen, hochgeehrter Herr Oberst, in der Angelegenheit der Studienreisen gelegentlich vorsprechen dürfte. In verehrungsvoller Ergebenheit
Max Dvoøák
4. Schreiben Max Dvoøák an Oberst Dr. Karl Bardolff , Wien, am 17.12.1913 4 Hochgeehrter Herr Oberst!
Wien, 17/ XII. 1913
Beiliegend erlaube ich mir, den ganzen Katechismus für Denkmalpflege vorzulegen und bitte Sie, hochgeehrter Herr Oberst, das Manuskript und die Bilder Seiner Kaiserlichen Hoheit zu unterbreiten. Ich habe, den höchsten Weisungen gemäß, eine ganz kurze Einleitung geschrieben, in der ich alle historischen Exkurse vermieden habe, die in einem populären Buche wenig am Platze wären. Ausser einigen praktischen Ratschlägen habe ich dem früheren Texte nur noch einen kurzen Abschnitt über allgemeine Pflichten auf dem Gebiete der Denkmalpflege hinzufügen müssen, denn es schien mir wichtig, einige Worte direkt an den Klerus, an die autonomen und ganz besonders auch an die staatlichen Behörden zu richten, da es noch sehr viele hohe und niedrige Beamte gibt, die die Denkmalpflege als eine unnütze Belästigung betrachten, über die man in der konkreten Behandlung der Angelegenheiten ruhig hinwegsehen kann. Eine besondere Sorgfalt verwendete ich auf die Auswahl der Beispiele und Gegenbeispiele, was auch die Fertigstellung der Arbeit verzögerte, da ich viele Aufnahmen erst machen lassen musste. Ich möchte die Bilder im Druck verkleinern und
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Prot. Nr. 3510, 24/4/1913, MKFF, 166, Nr. 35 5/5–11, 1913. MKFF, 166, Nr. 35 5/5–9, 1913.
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UNVERÖFFENTLICHTE MANUSKRIPTE | II.
zusammenstellen lassen, dass trotz der grösseren Anzahl der Beispiele der Katechismus nicht über ein handliches Heft im Umfang hinausgeht. Die Erläuterung zu den Bildern möchte ich im kleinen Druck zwischen die entsprechenden Abschnitte des fortlaufenden Textes einschieben lassen, sodass der Leser gleich bei jedem Abschnitte die entsprechenden Beispiele und Gegenbeispiele hätte. Mit dem Ausdrucke der verehrungsvollsten Ergebenheit
Max Dvoøák
5. Schreiben Max Dvoøák an Oberst Dr. Karl Bardolff , Wien, am 12.1.1914 Hochgeehrter Herr Oberst!
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Wien, 12. I. 1914
Tief bewegt, bitte ich Sie, hochgeehrter Herr Oberst, Seiner Kaiserlichen Hoheit dem Durchlauchtigsten Herrn Erzherzog für die gnädige Aufnahme und so huldreiche Genehmigung des Katechismus für Denkmalpflege meinen ehrfurchtsvollsten, innigst gefühlten Dank gütigst zu unterbreiten. Den Intentionen Seiner Kaiserlichen Hoheit zur höchstderselben Zufriedenheit entsprochen zu haben, ist der grösste und mich beglückendste Lohn, den meine bescheidene Arbeit finden konnte. Die Drucklegung und Anfertigung der Abbildungen werde ich sofort veranlassen, um so bald wie möglich Probedrucke des Textes und der Bilder zum Imprimatur Seiner Kaiserlichen Hoheit vorlegen zu können. Ebenso werde ich gleich die Übersetzung in andere Landessprachen einleiten und im Einvernehmen mit der Zentral Kommission Anträge für die Verbreitung der Schrift ausarbeiten. Indem ich Sie, hochgeehrter Herr Oberst, bitte, für Ihre gütigen Worte und Glückwünsche meinen aufrichtigen Dank entgegenzunehmen, zeichne ich mich in verehrungsvoller Ergebenheit Max Dvoøák 6. Schreiben Max Dvoøák an Dr. Rudolf Sieghart, Wien, am 31.12.19136 Wien, 31.12.1913 An den Präsidenten der österreichischen Waffenfabrikgesellschaft Geh. Rat Dr. Rudolf Sieghart, Als geschäftsführender Präsident der Z. K. erlaube ich mir, den Brief zu beantworten, den Euer Exzellenz in der Angelegenheit des Reitmayer-Hauses in Steyr an seine Exzellenz Herrn Grafen Lanckoroñski 7 gerichtet haben. Mit großem Bedauern habe ich daraus vernommen, dass das Haus demoliert wurde, ohne dass den Or5 6
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MKFF, 166, Nr. 35 12 – 35 5/5–9 . BDA, Archiv, Topographischer Aktenbestand, Oberösterreich, Kart. 8, Steyr 2, Reitmayer-Haus, Zl. 104/1913. Nicht abgesendeter Brief über die Demolierung des Reitmayer-Hauses in Steyr. Transkription durch Theodor Brückler. Karl von Lanckoroñski-Brzezie seit 1910 Leiter der Geschäfte der ZK; s. Lanckoroñski-Brzezie, Karl von, in: T. BRÜCKLER/NIMETH 2001, S. 150–151.
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2.1 | BRIEFE 1–6
ganen der Z. K. Gelegenheit geboten wurde, in dieser Sache zu intervenieren. Ich bedauere es sowohl aus konkreten wie auch aus prinzipiellen Gründen. Der Anschauung, dass in dieser Angelegenheit, alles vorgesehen wurde, was im Interesse der Denkmalpflege gelegen war, kann ich mich leider nicht anschließen. Es hätte vor allem der Bauzustand des Hauses von den technischen Kräften der Zentral Kommission untersucht werden sollen, denn wenn ich auch nicht daran zweifle, dass das technische Gutachten, auf dem die Entscheidung von Euer Exzellenz beruht, im guten Glauben verfasst wurde, so muss ich doch dagegen darauf hinweisen, dass die Untersuchung von bedrohten alten Bauten durch in Konservierungsfragen geschulte Fachorgane in dem meisten Fällen zu dem Nachweise führt, dass die angeblich unhaltbaren baufälligen Gebäude, und zwar oft mit geringen Kosten, auf lange Zeit gesichert und für eine neue Verwendung adaptiert werden können. Doch auch wenn sich die Demolierung des Hauses als unvermeidlich erwiesen hätte, wäre die Intervention der Z. K. nicht überflüssig gewesen, wie aus dem Brief von Euer Exzellenz zu ersehen ist, denn die Meinung als ob den Pflichten gegen ein altes Stadtbild durch die Anbringung von einzelnen historisierenden Details an dem Verbaue Genüge geleistet worden wäre, beruht auf einer falschen Information. Das Interesse an alten Kunstschätzen ist heute so (weit) verbreitet, dass es bei allen Gebildeten [urspr. in allen gebildeten Klassen] als selbstverständlich vorausgesetzt werden kann. Wenn dessen ungeachtet auch heute noch sehr viel zerstört oder verdorben wird, so beruht dies darauf, dass in konkreten Fällen oft Entscheidungen ohne genügende wissenschaftliche und technische Fachkenntnis auf dem Gebiet der Denkmalpflege getroffen werden. Damit diesem Übelstande abgeholfen werden kann, damit an Stelle des Dilettantismus und unverantwortlichen oft durch äußere Gründe bestimmtet gelegene Aufgabe erschwert und ihre Autorität, ihre pädagogische Mission, untergraben wird, wenn sie von einer Seite, wo man dies am wenigsten erwarten würde, übergangen wird, und wenn man darüber hinaus sich ihr gegenüber auf Meinungen privater und lokaler Provenienz beruft, dürfte Euer Exzellenz als einem erfahrenen Verwaltungsfachmann sicher nicht zweifelhaft sein. In verehrungsvoller Ergebenheit
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Max Dvoøák
BERICHTE, GUTACHTEN 1. Aktenvermerk vom 1.4.1908, Votum zum Projekt des Oberingenieurs Natale Tommasi für die Restaurierung des Castells del Buonconsiglio in Trient * Der Z. K. kann die Gewährung der erbetenen Subvention zur Herausgabe des Werkes «Castello del Buon Consiglio in Trento» im Betrage von 8000 K. nicht befürworten. Es handelt sich um eine Prachtpublikation und Prachtpublikationen dieser Art, so sehr sie sonst zu begrüßen sind, gehören nicht zu den dringendsten Erfordernissen. Vor allem nicht in kunstgeschichtlicher Beziehung. In der Kunstgeschichte handelt es sich heute nicht darum, einzelne Denkmäler in teuren Aufnahmen und Reproduktionen sondern ein möglichst vollständiges Material auf Grund systematischer Durchforschung des ganzen literarischen und Monumentenmaterials zu veröffentlichen, was soweit aus Tommasis Eingabe zu ersehen ist, in der geplanten Publikation nicht der Fall sein würde, und was auch Tommasi als Architekt kaum durchführen könnte, denn abgesehen davon, dass auch die historischen Probleme welche die Architektur des Castello bietet, sehr kompliziert sind und zur Klarlegung einer längeren methodischen Durchforschung eines umfangreichen Materials erfordern, müsste eine Publikation des Castello, die wissenschaftlichen Anforderungen entsprechen würde, auch eine vollständigen Veröffentlichung der im Castello enthaltenen so wertvollen Malereien enthalten, wie die Malereien des Romanino oder des Dosso Dossi, oder die Malereien im Torre Aquila, wenn sie nicht einfach neu reproduziert werden sollen, was bei einzelnen bereits geschehen ist [und welche] zu den schwierigsten kunstgeschichtlichen Themen gehören, deren Bearbeitung unbedingt nur von einem Berufskunsthistoriker geschehen kann. Die Publikation würde also nicht ganz dem entsprechen, was von einer kunstgeschichtlichen Veröffentlichung eines so wichtigen Objektes heute billigerweise gefordert werden darf. Doch auch als eine für Architekten bestimmte Publikation dürfte das Werk kaum jene Bedeutung haben, welche die hohe Subvention rechfertigen würde. Die Zeit, wo einzelne hervorragende Bauwerke als Motivenschatz für Architekten publiziert wurden, ist vorbei und es ist nicht zu wünschen, dass sie wiederkehrt. So kann es sich bei der geplanten Publikation nur um ein Werk für Liebhaber handeln, welches, falls das Bedürfnis dazu auch vorhanden ist, auch von einem Ver-
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Trient, Archivio del Castello del Buoncosiglio, Fasz. 3629/1907. Die zwei Manuskripte werden mit Genehmigung der Leitung des Castells herausgegeben. Die Transkription von Cecilia Betti wurde vom Herausgeber revidiert. Die nachträglichen Einfügungen von fremder Hand wurden nicht berücksichtigt.
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2.2 | BERICHTE, GUTACHTEN 1–8
leger veröffentlicht werden dürfte, welches aber zu einer so hohen Subventionierung in Anbetracht der vielen Anforderungen, welche die systematische kunstgeschichtliche Durchforschung Österreichs mit sich bringt (die sich gewiss auch früher oder später auf Trient erstrecken wird) nicht empfohlen werden kann. 1./IV, 1908
Dvoøák
2. Aktenvermerk vom 8.7.1908, Votum zum Projekt des Oberingenieurs Natale Tommasi für die Restaurierung des Castells del Buonconsiglio in Trient * Soweit es sich um die Publikation handelt, habe ich mein Gutachten bereits abgegeben. Es wäre also nur noch die Frage zu beantworten, wie weit das Projekt Tommasi als geeignete Grundlage einer zukünftigen Restaurierung des Schlosses betrachtet werden kann. Es wird diesbezüglilch mit Recht bereits in dem Berichte der Tiroler Stadthalterei hervorgehoben, dass wenn auch die Z. K. sich ursprünglich für dieses Projekt ausgesprochen hat, doch dessen Ausführung nach den heutigen Anschauungen kaum in Betracht gezogen werden kann. Es strebt eine Rekonstruktion des Schlosses an, die mit den heutigen Gesichtspunkten nach welchen jedes Denkmal und insbesondere ein Denkmal von solcher Bedeutung wie das Kastell in der überlieferten dokumentarischen Form zu erhalten ist und alle historisierenden Ergänzungen und Erneuerungen strenge zu vermeiden sind. Die Z. K. kann sich deshalb dem Projekte Tommasi als Grundlage für eine zukünftige Restaurierung des Schlosses nicht zustimmen, ja sie müsste im Gegenteil von dessen Durchführung dringendst abraten, wobei noch zu bemerken wäre, dass die Frage praktisch heute ziemlich gegenstandlos, da die notwendigen Sicherungsarbeiten an dem Schlosse nach einem den modernen Anschauungen entsprechendem Programm bereits durchgeführt würden. 8./VII, 1908
Dvoøák
3. Schreiben Max Dvoøák [an Oberst Dr. Karl Bardolff ], Wien, am 5.2.1913* Ausbildung von Denkmalpflegern. Vorschläge des Professors Dr. Dvoøák zur Einführung eines halbjährigen praktischen Kursus und einer Studienreise Der gnädigsten Weisung seiner kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs folgend, erlaube ich mir die Anträge zur Heranbildung der kunsthistorischen und technischen Beamten der Zentralkommission dahin zu ergänzen, dass
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Trient, Archivio del Castello del Buoncosiglio, Fasz. 1114/1907. MKFF, 169, Nr. 35, 1/5 1914.
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sich der theoretischen Vorbildung auch noch ein mit einer Reise verbundenes Praktikum bei der Zentralkomission anschliessen soll. Dieser praktische Kurs, der ein halbes Jahr dauern würde, hätte den Zweck, die Kandidaten in konkrete Aufgaben einzuführen. Sie sollen die [in] Durchführung befindlichen baulichen Restaurierungen, Ateliers der Bilderrestauratoren, Werkstätten [von] Holzarbeitern u.s.w. besuchen, um zu wissen, wie eine Restaurierung praktisch und sachgemäß durchgeführt werden kann, sich über die Verhältnisse des Kunsthandels informieren, um seinen Gefahren verbeugen zu können und seinen Schlichen gewachsen zu sein, und auch angeleitet werden, wie man vorgehen muss, um eine bestimmte Angelegenheit ohne überflüssige Konflikte, ohne unnütze Auslagen, rasch, zweckmäßig und den Forderungen der Denkmalpflege entsprechend bewältigen zu können. Dieser Anleitung soll sich eine Studienreise anschliessen, die dem Kandidaten Gelegenheit bieten würde, die Anwendung der wichtigsten Grundsätze der Denkmalpflege oder auch Fehler, die begangen werden oder begangen werden könnten, an mannigfaltigen Beispielen kennenzulernen und zugleich sich jene lebendige Anschauung von den Beziehungen zwischen den Denkmälern und ihrer historischen und landschaftlichen Umgebung anzuzeigen, die durch keine theoretische Belehrung vermittelt werden kann, sondern an Ort und Stelle erlebt werden muss. Im Folgenden erlaube ich mir, um das Gesagte zu erläutern, das eventuelle Programm einer solchen Reise zusammenzustellen. 1. Station: Wiener-Neustadt. Besichtigung der heuer bloßgelegten und restaurierten Fresken aus dem 13. Jahrhundert, in der Pfarrkirche als Beispiel wie alte Malereien zu behandeln sind. 2. Station: Graz. Besichtigung des Meerscheinschlosses, das für heutige Bedürfnisse adaptiert werden soll, um zu besprechen, wie eine solche Adaptierung vorgenommen werden könnte, ohne dass Kunst- und Denkmalswert des Gebäudes beschädigt wird. 3. Station: Triest. Besichtigung von S. Giusto, wo die Gemeinde Triest eine willkürliche angebliche Verschönerung des Baues zum Teil schon durchgeführt hat, zum Teil noch plant. Beispiel einer willkürlichen überflüssigen Restaurierung. 4. Station: Parenzo. Als Gegenbeispiel zu S. Giusto könnte man da die den überlieferten Zustand der Basilika streng schonende Sicherung des Baues, die im Frühjahre durchgeführt werden soll, besprechen. 5. Station: Pola. Es wären da die Ausgrabungen auf Brioni zu besichtigen, als ein Beispiel der rationellen Fundsicherung. Auch könnten da die Teilnehmer einen Einblick in die Agenden des Landeskonservatorenamtes gewinnen. 6. und 7. Station: Arbe und Trau. Belehrung über die Aufgaben, welche die Erhaltung eines malerischen, historischen Stadtbildes mit sich bringt. 8. Station: Spalato. Besichtigung der im vorigen Jahre durchgeführten technischen Sicherungsarbeiten an dem Diokletianischen Palaste und Erörterung der Frage, wie verwerflich die einst so beliebte archäologische Bloßlegung und Skelettierung dort ist, wo es sich, wie in Spalato, um historisch gewordene malerische Gebilde handelt. 9. Station (Auf dem Rückwege): Zara. Besichtigung von S. Grisogono, wo die alte Seitenfassade dadurch gerettet wurde, dass sie aus den alten Bausteinen ohne Ergänzungen neu aufgeführt wurde, der Carpacciobilder in der Domsakristei, die ins Aus-
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land verkauft werden sollten und die durch eine bessere Unterbringung vor der Zerstörung durch Feuchtigkeit gerettet werden müssen, ferner der alten Bastionen, deren geplante Abtragung die letzten Überreste der alten Stadtvedute vernichtet hätte. 10. Station: Aquileja. Besprechung der Massregeln zur Erhaltung der Dommosaiken in situ und Instandhaltung der Kirche. 11. Station: Heiligenblut, wo mannigfaltige Fragen der guten und schlechten Restaurierung der Kirchen und der Kircheneinrichtungen wie auch der guten und falschen Auffassung dessen, was einer alten Kirche würdig und unwürdig ist, besprochen werden können. 12. Station: Steyr, wo reiche Gelegenheit geboten ist, verschiedene Aufgaben der Denkmalpflege und des Heimatschutzes im Rahmen einer alten schönen Stadt zu erörtern. Es ist selbstverständlich, dass man in den einzelnen Orten auch sonst alles, was vom Standpunkte der Denkmalpflege, oder der allgemeinen Belehrung Interesse bietet, besichtigen würde. Das Programm würde jährlich wechseln. Wien, 5./II, 1913
Prof. Max Dvoøák
4. Schreiben Max Dvoøák an [Oberst Dr. Karl Bardolff ], Wien, Mai 1913* Bericht pro April 1913 Außer den laufenden Geschäften meines Referates habe ich im April eine Inspektionsreise nach Dalmatien unternommen. Ich war: Am 12./IV. in Pola. Inspektion des Landeskonservatorats und Besprechung aller wichtigeren dort anhängigen Angelegenheiten. Am 13./IV. in Cattaro. Besichtigung der Restaurierungsarbeiten an der Domkirche und der Franziskanerkirche, wo Ratschläge für die Neuaufstellung der restaurierten Gemälde zu erteilen waren. Ferner besichtigte ich die bei dem Agenten Sucic befindlichen Antiquitäten, die sich als ganz minderwertiger Trödel erwiesen haben. Am 14./IV. Orechovac, Dobrota, Perasto. Besichtigung der Kirchen von Orechovac und Dobrota, wo sich restaurierungsbedürftige Bilder befinden, ferner der im Besitze der Witwe Petrovic in Dobrota befindlichen Bilder, worunter einige interessante Gemälde der venezianischen Schule sind, zum Teil in schönen Originalrahmen, für deren Erhaltung vom Lande, obwohl die Gefahr des Verkaufes nicht aktuell ist, gesorgt werden muss. Inspektion der Kirche von Perasto, wo in einem Nebenbau [für] eine ganze Reihe von verwahrlosten Kunstobjekten (Bilder, Lampen) eine bessere Unterbringung und Sicherstellung empfohlen wurde. Auch fand ich da einen prächtigen barocken Messeornat, der durch schleunige Restaurierung vor vollständiger Zerstörung gerettet werden muss. Auch besichtigte ich die
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MKFF, 166, Nr. 35, 5/14–2 1913.
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kleine Sammlung von Kunstgegenständen (Waffen, Bildern, Fahnen) im Gemeindehaus von Perasto, deren Verschleppung befürchtet wurde, die ich jedoch in guter Obhut vorgefunden habe. Am 15./IV. und 16./IV. Ragusa und Canosa. Überprüfung des großen Restaurierungsprogramms für das Franziskanerkloster. Verhandlungen über Restaurierungsarbeiten an der Jesuiten- und Domkirche, wie auch über die Beseitigung der Verzierungen des Piletores durch Plakate und Aufstellung einer Statue über dem Toreingange. Besichtigung der Arbeiten des Vergolders Momola, der für Restaurierungsarbeiten in Lissa vorgeschlagen wurde, doch sich nach seinen bisherigen Arbeiten als ungeeignet dazu erwiesen hat. Ein Rundgang bei den Kunsthändlern hat ergeben, dass sie außer einigen wenig wertvollen volkstümlichen Arbeiten und Kunstgegenständen aus dem 18. Jahrhundert nur Fälschungen (Bronzen, Fayencen, Waffen) italienischer Provenienz haben. In Canosa wurde ein restaurierungsbedürftiges fälschlich Tizian zugeschriebenes Gemälde besichtigt. Spalato. Beratung mit Buliæ, die sich auf alle laufenden Angelegenheiten seiner Konservatoren-Bezirke erstreckte und Besichtigung [von] am Diokletianischen Palaste und in der Domkirche vorzunehmenden Restaurierungs- und Sicherungsarbeiten, unter denen die Konservierungsmassregeln für das romanische Chorgestühl im Dome besonders wichtig sind. Zara. Kommission in der Frage der Restaurierung von S. Crisogono und der darin befindlichen neu entdeckten romanischen Malereien. Besprechung der Restaurierung der Domkirche, des Ankaufes von S. Donato und der eventuellen weiteren Verwendung des Baues, der Neuaufstellung der Carpacciobilder. Besichtigung der neuen Ausgrabungen bei S. Donato und Erörterung der Maßnahmen zur Erhaltung der Funde. Konferenz mit Sr. Exzellenz dem Herrn Statthalter wegen des Baues der Gedächtniskirche von Lissa. Mai 1913
Max Dvoøák
5. Schreiben Max Dvoøák an Oberst Dr. Karl Bardolff , Wien am 8.5.1913* Hochgeehrter Herr Oberst!
Wien, am 8./V, 1913
Indem ich für die gütige Nachricht ehrerbietigst danke, erlaube ich mir, den gnädigsten Weisungen Seiner Kaiserlichen Hoheit entsprechend, ein abgeändertes Programm für die Studienreisen vorzulegen. Wenn die Reise auf ein Land beschränkt wird, so dürfte es wohl den Intentionen Seiner Kaiserlichen Hoheit entsprechen, wenn man ihr nicht als Reiseprogramm eine Reihe von allgemein bekannten Städten zu Grunde legt, sondern nur im Allgemeinen die Route bestimmt und dann alle irgendwie bemerkenswerte Orte dieser Route aufsucht, um sich von dem Zustande der dort befindlichen Denkmä-
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Prot. Nr. 4000, 10/5/11913, MKFF, 166, Nr. 35, 5/5–11, 1913.
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ler zu überzeugen und die daran sich knüpfenden Fragen zu erörtern. Auf diese Weise ließe sich mit der Studienreise auch eine sehr eingehende Inspektion verbinden. Für die erste solche Reise würde ich mir erlauben, das etwas vernachlässigte Judicarien vorzuschlagen, für die nächste den Südosten von Krain oder den südlichen Teil von Mähren. Das in dieser Weise umgearbeitete Programm lege ich bei. In verehrungsvoller Ergebenheit
Max Dvoøák
6. Schreiben Max Dvoøák an Oberst Dr. Karl Bardolff , Wien am 8.5.1913* Neues Programm für die praktische Heranbildung der kunsthistorischen und technischen Beamten der Zentralkommission. Der gnädigsten Weisung seiner kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs folgend, erlaube ich mir die Anträge zur Heranbildung der kunsthistorischen und technischen Beamten der Zentralkommission dahin zu ergänzen, dass sich der theoretischen Vorbildung auch noch ein mit einer Reise verbundenes Praktikum bei der Zentralkomission anschliessen soll. Dieser praktische Kurs, der ein halbes Jahr dauern würde, hätte den Zweck, die Kandidaten in konkrete Aufgaben einzuführen. Sie sollten die [in] Durchführung befindlichen baulichen Restaurierungen, Ateliers der Bilderrestauratoren, Werkstätten [von] Holzarbeiter u.s.w. besuchen, um zu wissen, wie eine Restaurierung praktisch und sachgemäss durchgeführt werden kann, sich über die Verhältnisse des Kunsthandels informieren, um seinen Gefahren verbeugen zu können und seinen Schlichen gewachsen zu sein, und auch angeleitet werden, wie man vorgehen muss, um eine bestimmte Angelegenheit ohne überflüssige Konflikte, ohne unnütze Auslagen, rasch, zweckmässig und den Forderungen der Denkmalpflege entsprechend bewältigen zu können. Dieser Anleitung soll sich eine Studienreise anschliessen, die dem Kandidaten Gelegenheit bieten würde, die Anwendung der wichtigsten Grundsätze der Denkmalpflege oder auch Fehler, die begangen werden, oder begangen werden könnten, an mannigfaltigen Beispielen kennenzulernen und zugleich sich jene lebendige Anschauung von den Beziehungen zwischen den Denkmälern und ihrer historischen und landschaftlichen Umgebung anzuzeigen, die durch keine theoretische Belehrung vermittelt werden kann, sondern an Ort und Stelle erlebt werden muss. Für diese Reise wäre im Allgemeinen die Route im voraus alljährlich festzustellen, innerhalb dieser Route dann wären alle irgendwie bedeutenden Orte aufzusuchen und überall alle sich bietenden Fragen zu erörtern. Auf diese Weise ließe sich
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Ebenda.
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mit der Studienreise auch eine sehr eingehende Inspektionsreise verbinden. Für heuer würde ich für eine solche reise Judicarien vorzuschlagen mir erlauben,1 für nächstes Jahr den südöstlichen Teil von Krain oder [den] südlichen Teilen von Mähren. Die Reisen könnten unter der Führung des Vorstandes des kunsthistorischen Institutes der Zentralkommission, oder, sollte er verhindert sein, eines von ihm vorgeschlagenen Vertreters stattfinden und könnten gelegentlich auch mit aktuellen Inspektionen verbunden werden. Wo es notwendig ist, wären auch Techniker für die erwünschten Erläuterungen heranzuziehen. Bei einer Dauer von beiläufig vier Wochen und bei einer Maximalzahl von vier Teilnehmern werden diese Reisen etwa 2400 K jährlich kosten, die in das Budget des nächsten Jahres einzustellen wären. Wien, 8. Mai 1913
Max Dvoøák
7. Aktenvermerk Max Dvoøák, Wien, Juni 1913* Bericht pro Mai 1913 Neben der Erledigung der laufenden Angelegenheiten habe ich im Mai eine Reise nach Böhmen unternommen, wo ich am 13. Mai an der Kommission in der Angelegenheit der Restaurierung der Dekanatkirche von Nimburg teilnahm, am 14. und 15. Mai im Landeskonservatorat [mit] Jeøábek2 die wichtigeren Angelegenheiten seines Amtes besprochen und vom Stande der aktuellen Angelegenheiten in Prag mich überzeugt habe. Juni 1913
Max Dvoøák
8. Schreiben Max Dvoøák, Wien am 1.6.1913** Amtsbericht über Sparmaßnahme Euer Durchlaucht!
Wien, am 1./VI, 1913
Den allerhöchsten Weisungen entsprechend, erlaube ich mir folgende Reduktion in den Ausgaben des kunsthistorischen Institutes zu beantragen: 1
* 2 **
Für die Studienreise in die Judikarien wurden folgende Kunsthistoriker als Kandidaten für die Verwendung in der Denkmalpflege nominiert: Hermann Molé, Matthias Binder, Ernst Heinrich Buschbeck, Ljubo Karaman. Als Beamte der Zentralkommission wurden Josef Garber, Franz Stelé, Walter von Semetkowski und Franz Adolf Gerhart beigezogen. Für biographische Hinweise vgl. BRÜCKLER/NIMETH 2001; E. FRODL -KRAFT 1997; M. POZZETTO 1996. MKFF, 166, Nr. 35, 5/14–4 1913. Zu Lubos-Lubomír Jeøábek, seit 1912 kunsthistorischer Landeskonservator für Böhmen, s. BRÜCKLER/NIMETH 2001, S. 123. Prot. Nr. 4725, MKFF, 166, Nr. 35, 6–14, 1913.
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1.) Personal Ich habe jetzt vier Beamte und zwar: Sekretär Dr. Tietze, Assistenten Dr. Buberl und die Praktikanten Architekt Dr. Frey und Architekt Siegris. Ich beantrage, zwei davon, und zwar den Assistenten Dr. Buberl und den Praktikanten Dr. Frey, bis auf Weiteres der praktischen Denkmalpflege zuzuweisen.3 2.) Ausgaben a) Kunsttopographie. Für die Kunsttopographie standen mir bisher 51.000 K. zur Verfügung, wovon jedoch 11.200 K. der Erlös der verkauften Bände waren, sodass die tatsächlich vom Staate beanspruchten Mittel 39.000 K. betragen haben. Ich beantrage diese Summe um 20.000 zu reduzieren. b) Für das kunsthistorische Jahrbuch besaß ich bisher 18.000 K. Dieser Betrag wäre um 3000 K. zu reduzieren. Eine grössere Reduktion ist bei diesem Posten nicht möglich, wenn das Erscheinen des Jahrbuches nicht ganz eingestellt werden soll. c) Für die Regiekosten des Institutes waren für das nächste Jahr präliminiert 12.695 K. und zwar für das Amtspauschale 1000 K., für einen Aushilfsdiener 1095 K., für einen Bibliothekar 1200 K., für den Mietzins 3400 K., für die Bibliothek 2000 K., für die Einrichtung 4000 K. Davon wären 10.495 K. zu streichen und nur die Beträge von 1200 K. für den Bibliothekar und von 1000 K. für die Bibliothek zu belassen. Ich bemerke nur, dass, wenn demgemäß die für das Institut gemieteten Räume aufgelassen werden und das Institut wieder ins Theresianum übersiedeln wird, dort, wie mir Sektionsrat Bauer erklärte, Räume zugemietet und eingerichtet werden müssen und zwar aus den Mitteln des Denkmalpflegeamtes, sodass diese Reduktion nur eine fiktive Ersparnis wäre. d) Die für populäre Schriften eingestellten 5000 K. wären zu belassen, da diese Post auf den Auftrag Seiner Kaiserlichen Hoheit, solche Schriften zu veröffentlichen, zurückgeht. Nach dieser Reduktion, die etwas weniger als die Hälfte beträgt, wird der Kredit für die Kunsttopographie 19.800 K. (plus Einnahmen aus dem Buchhandel, die mit 11.200 K. präliminiert wurden), der Gesamtkredit des kunsthistorischen Institutes 42.000 K. betragen wogegen das Restaurierungspauschale, das bisher 673.800 K. (und zwar 630.000 K. das grosse Pauschale, 43.800 K. für kleine Restaurierungen) betrug, sich um 23.000 K. auf 696.000 K. erhöhen würde. Zu entscheiden wäre noch, ob die Beamten, die der praktischen Denkmalpflege abgegeben werden, sofort den neuen Dienst antreten sollen oder noch begonnene Arbeiten beenden dürfen, was drei Monate dauern würde und wünschenswert wäre, da sonst die begonnene Arbeit verloren ginge. In verehrungsvoller Ergebenheit
3
Max Dvoøák
Biographische Hinweise über Hans Tietze, Paul Buberl, Dagobert Frey und Emmerich Siegris s. BRÜCKLER/NIMETH 2001.
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Abb. 1. Francesco Borromini, Entwurf für die Wiederaufstellung eines alten Grabmals. Zeichnung in der Wiener Hofbibliothek
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Abb. 2. Duino, Hofpartie vor dem Krieg
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Abb. 3. Duino, Hofpartie nach der Beschießung
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Abb. 4, 4a. Kloster Paludi bei Spalato
Abb. 5. Grabmal des Bischofs Tomaso Negri im Kloster Paludi bei Spalato
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Abb. 6. Lorenzo Lotto, Bildnis im Kloster Paludi bei Spalato
Abb. 7. Krakau, königliches Schloss auf dem Wawel, Ost- und Nordfassade
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Abb. 8. Krakau, königliches Schloss auf dem Wawel, Arkaden des Hofraumes, gegenwärtiger Zustand (aus dem Jahr 1909)
Abb. 9. Krakau, königliches Schloss auf dem Wawel, Rekonstruktionsprojekt
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Abb. 10, 11. Spalato, Diokletianischer Palast, links: Porta aurea; rechts: Domplatz (Perystil)
Abb. 12, 13, 14. Prag, Karlsbrücke, Statuen; links: hl. Franz Xaverius; Mitte: hl. Ignatius von Loyola; rechts: hl. Luitgardis
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Abb. 15. Prag, Emauskloster, von der Zentral Kommission empfohlenes Verbauungsprojekt
Abb. 16, 17. Details von der zerstörten Decke im sogenannten Schlosse von Eggenburg
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Abb. 18. Supraporte aus dem sogenannten Schlosse von Eggenburg
Abb. 19. Der alte Mehlmarkt von Wien
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BIBLIOGRAPHIE A. SCHRIFTEN MAX DVOØÁK Für ein Gesamtverzeichnis der Arbeiten Max Dvoøáks s.: Bibliographie der Schriften Max Dvoøáks, in: Ein Gedenkblatt zur Trauerfeier für Max Dvoøák, Wien [1921], S. 29–36 bzw. Bibliographie der Schriften Max Dvoøáks, in: M. Dvoøák: Gesammelte Aufsätze zur Kunstgeschichte, J. Wilde/K. M. Swoboda (Hrsg.), München 1929, S. 371–381. Beide Zusammenstellungen sind textgleich und bedürfen einer kritischen Überarbeitung. Einen Überblick über den im Archiv des Instituts für Kunstgeschichte an der Universität Wien verwahrten Nachlasses Max Dvoøáks gibt: J. Neumann: Das Werk Max Dvoøáks und die Gegenwart, in: Acta Historiae Artium, 8, 1962, S. 177–213, hier S. 211f.
1. MAX DVOØÁKS SCHRIFTEN
ZUR
DENKMALPFLEGE
UND
MODERNE
DVOØÁK 1902 Topographie der historischen und Kunstdenkmale im Königreiche Böhmen, in: Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung, 23, 1902, S. 371. [Hier abgedruckt als Text I.3.1, S. 286] DVOØÁK 1903/1 Bericht über die Wandmalereien in den Pfarrkirchen zu Dublovice, Kosteletz und Teindles, in: MKZ, 3. F., 2, 1903, Sp. 377–381. [Hier abgedruckt als Text I.4.1, S. 333] DVOØÁK 1905/1 Alois Riegl, in: èeský èasopis historický, 11, 1905, S. 368–369. DVOØÁK 1905/2 Alois Riegl, in: MKZ, 3. F., 4, 1905, Sp. 255–276. [Hier abgedruckt als Text I.2.1, S. 267] DVOØÁK 1905/3 Das alte Rautterhaus in Villach, in: MKZ, 3. F., 4, 1905, Sp. 336–337. [Hier abgedruckt als Text I.6.1, S. 441]
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BIBLIOGRAPHIE
DVOØÁK 1906/1 Deutsche Kunsttopographien I., in: Kunstgeschichtliche Anzeigen, Beiblatt der Mittheilungen des Institus für österreichische Geschichtsforschung, 3, 1906, S. 59–65. [Hier abgedruckt als Text I.3.2, S. 287] DVOØÁK 1906/2 Eine zerstörte Decke im Schlosse von Eggenburg, in: MKZ, 3. F., 5, 1906, Sp. 113–116. [Hier abgedruckt als Text I.6.2, S. 441] DVOØÁK 1907/1 Einleitung, in: Die Denkmale des politischen Bezirkes Krems, (Österreichische Kunsttopographie, 1), Wien 1907, S. XIII–XXII. [Hier abgedruckt als Text I.3.4, S. 296] DVOØÁK 1907/2 Das Kloster Monte Merlo bei Tkon auf der Insel Pasman, in: KuJbZK, 1, 1907, Beibl., Sp. 33–35. [Hier abgedruckt als Text I.3.3, S. 294] DVOØÁK 1907/3 Proberestaurierung der Apsisgemälde des Domes von Aquileja, in: KuJbZK, 1, 1907, Beibl., Sp. 86–87. [Hier abgedruckt als Text I.4.9, S. 397] DVOØÁK 1907/4 Francesco Borromini als Restaurator, in: KuJbZK, 1, 1907, Beibl., Sp. 89–98. [Hier abgedruckt als Text I.1.1, S. 217] DVOØÁK 1907/5 Die Verbauung des Karlsplatzes in Wien, in: KuJbZK, 1, 1907, Beibl., Sp. 146–148. [Hier abgedruckt als Text I.5.1, S. 412] DVOØÁK 1908/1 Restaurierungsfragen, I. Die Prager Königsburg, in: KuJbZK, 2, 1908, Beibl., Sp. 1–8. [Hier abgedruckt als Text I.4.2, S. 336] DVOØÁK 1908/2 Mein Ruf sind Felsenhieroglyphen, in: KuJbZK, 2, 1908, Beibl., Sp. 44. [Hier abgedruckt als Text I.6.3, S. 443] DVOØÁK 1908/3 Denkmäler der deutschen Kunst, in: KuJbZK, 2, 1908, Beibl., Sp. 95–98. [Hier abgedruckt als Text I.3.5, S. 310] DVOØÁK 1908/4 Restaurierungsfragen, II. Das Königsschloß am Wawel, in: KuJbZK, 2, 1908, Beibl., Sp. 105–112. [Hier abgedruckt als Text I.4.3, S. 342]
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DVOØÁK 1908/5 Wiener Verkehrsrücksichten, in: KuJbZK, 2, 1908, Beibl., Sp. 137–140. [Hier abgedruckt als Text I.5.2, S. 414] DVOØÁK 1908/6 Monumenta deperdita, 2. 82 Reliefs der rechten Triumphsäule vor der Karlskirche in Wien, in: KuJbZK, 2, 1908, Beibl., Sp. 143–144. [Hier abgedruckt als Text I.6.4, S. 443] DVOØÁK 1909/1 Die Mosaikenfunde von Aquileja, in: KuJbZK, 3, 1909, Beibl., Sp. 97–98. [Hier abgedruckt als Text I.4.10, S. 398] DVOØÁK 1909/2 Unter dem Leuchter pflegt es finster zu sein, in: KuJbZK, 3, 1909, Beibl., Sp. 109–110. [Hier abgedruckt als Text I.6.5, S. 444] DVOØÁK 1909/3 Restaurierungsfragen, 3. Spalato, in: KuJbZK, 3, 1909, Beibl., Sp. 117–142. [Hier abgedruckt als Text I.4.6, S. 361] DVOØÁK 1909/4 Denkmäler der deutschen Kunst, in: KuJbZK, 3, 1909, Beibl., Sp. 173. [Hier abgedruckt als Text I.3.5, S. 310] DVOØÁK 1909/5 Ein Denkmalszerstörungsgesetz, in: KuJbZK, 3, 1909, Beibl., Sp. 173–175. [Hier abgedruckt als Text I.8.1, S. 727] DVOØÁK 1909/6 Das grüne Gitter, in: KuJbZK, 3, 1909, Beibl., Sp. 177–178. [Hier abgedruckt als Text I.6.6, S. 444] DVOØÁK 1909/7 Monumenta deperdita, in: KuJbZK, 3, 1909, Beibl., Sp. 180–181. [Hier abgedruckt als Text I.6.7, S. 445] DVOØÁK 1909/8 Die Statuengruppe des hl. Franz Xaverius, des hl. Ignatius und der hl. Luitgardis auf der Karlsbrücke in Prag, in: MKZ, 3. F., 8, 1909, Sp. 152–160. [Hier abgedruckt als Text I.4.12, S. 405]
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DVOØÁK 1909/9 Die Restaurierung des königlichen Schlosses auf dem Wawel in Krakau, in: MKZ, 3. F., 8, 1909, Sp. 261–277. [Hier abgedruckt als Text I.4.4, S. 347] DVOØÁK 1909/10 Bericht der westgalizischen Konservatoren und Korrespondenten über ihre Tätigkeit in den Jahren 1907 und 1908. (II. Teil). Sitzung vom 21. Juni 1908, in: MKZ, 3. F., 8, 1909, Sp. 431–435. [Hier abgedruckt als Text I.4.5, S. 356] DVOØÁK 1909/11 Der Diokletianische Palast in Spalato, in: MKZ, 3. F., 8, 1909, Sp. 520–538. [Hier abgedruckt als Text I.4.7, S. 375] DVOØÁK 1909/12 Die neuaufgedeckten Mosaiken in der Basilika zu Aquileja, in: MKZ, 3. F., 8, 1909, Sp. 575–581. [Hier abgedruckt als Text I.4.11, S. 399] DVOØÁK 1909/13 Die Karlsplatzfrage, in: Neue Freie Presse, Morgenblatt, Nr. 16284, 21. Dezember 1909, S. 1–3. [Hier abgedruckt als Text I.5.3, S. 416] DVOØÁK 1910/1 Der Museumsbau auf dem Karlsplatze, (Flugschriften des Vereines zum Schutz und zur Erhaltung der Kunstdenkmäler Wiens und Niederösterreichs, 1), Wien–Leipzig 1910. [Hier abgedruckt als Text I.5.4, S. 421] DVOØÁK 1910/2 Promemoria über die Reorganisation der staatlichen Denkmalpflege in Österreich, Brünn [1910]. [Hier abgedruckt als Text I.7.1, S. 455] DVOØÁK 1910/3 Denkmalkultus und Kunstentwicklung, in: KuJbZK, 4, 1910, Beibl., Sp. 1–32. [Hier abgedruckt als Text I.7.2, S. 469] DVOØÁK 1910/4 Monumenta deperdita, in: KuJbZK, 4, 1910, Beibl., Sp. 175–178. [Hier abgedruckt als Text I.6.8, S. 446] DVOØÁK 1910/5 Gedanken über Denkmalpflege, in: KuJbZK, 4, 1910, Beibl., Sp. 211–214. [Hier abgedruckt als Text I.1.2, S. 223]
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ZUR
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IN
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PERSONENREGISTER A Abraham a Santa Clara 442 Adam, Robert 61, 63, 77 Adler, Leo 191 Adler, Victor 44 Agnellus 762 Agrippa 747, 768 Alberti, Leon Battista 141, 227, 779 Alt, Theodor 175 Althoff, Friedrich 310 Anderle, Michele 110 Andersson, Sven-Ingmar 109 Andriæ/Andrich, Vinko/Vinzenz 62 Angeli, Heinrich 410 Angelini, Luigi 71 Anón, Carmen 109 Antal, Friedrich/Frederick 32, 186 Arcangeli, Francesco 125, 188, 191 Argan, Giulio Carlo 41, 149, 150, 151 Ariost(o), Ludovico 248 Ast, Ed. & Co. (Firma) 392, 393 Attems-Petzenstein, Sigismud 399 Attila 118 Aurenhammer, Hans 184, 188, 203, 209, 210, 788 Avenarius, Ferdinand 169, 181, 182 B Babiè, Ivo 60, 75, 78, 85 Bacci, Mina 41, 149 Bacher, Ernst 34, 78 Badeni, Kasimir Felix 347
1
1
Bahr, Hermann 34, 133, 160, 200 Baillet de Latour, siehe Latour Balász, Béla 32 Baldassari, Alessandro 78, 84 Baldinucci, Filippo 217, 222 Balistiæ, Kristofan 323 Bandinelli, Baccio 779 Bardolff, Carl 140, 789–791, 794, 796–798 Battisti, Cesare 115 Bauer, Maximilian 98–100, 133, 137, 200, 347, 800 Beck, Prof. Fr. J. 184, 434 Behrens, Peter 48, 208 Belamariæ, Joško 77, 78 Bellini, Giovanni 410 Benesch, Otto 28, 34 Benjamin, Walter 154, 190 Benndorf, Friedrich August Otto 387 Bentmann, Reinhard 197 Berenson, Bernard 323 Bernini, Gian Lorenzo 127, 218, 221, 222, 336, 420, 501, 752 Bernward (Bischof) 476 Bertini, Aldo 37 Beseler, Hans 255 Bestelmayer, German 181, 182 Betti, Cecilia 114, 793 Bettini, Sergio 201 Bia³ostocki, Jan 34 Bianchi Bandinelli, Ranuccio 55 Billing, Hermann 175, 184, 190 Binder, Matthias 799
Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurde Max Dvoøák nicht in das den einleitenden Essay und Dvoøáks Schriften, Vorlesungen und Vorträge erfassende Personenregister aufgenommen, ebenso wie auch in den Literaturhinweisen erwähnte Autoren sowie Personen, die in Buch- und Artikeltiteln genannt werden oder Gegenstand von künstlerischen Darstellungen sind.
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PERSONENREGISTER
Bismarck, Otto 121 Bissolo, Francesco 530, 707 Bode, Wilhelm 310, 496, 743, 745 Böcklin, Arnold 323, 443, 516 Boileau, Nicolas 434 Boito, Arrigo 89 Boito, Camillo 40, 88–90, 106, 173, 340 Boloz-Antoniewicz, Johann 347 Bonelli, Renato 75, 210 Borgia, Cesare 722 Boroëviæ, Svetozar 260 Borovský, František Adolf 286 Borromini, Francesco 42, 127, 128, 141, 185–188, 191, 212, 214, 217–222, 238, 752, 774, 801 Bottai, Giuseppe 41, 150, 151 Botticelli, Sandro 247, 478 Bramante, Donato 219, 222, 774 Brandi, Cesare 36, 41, 127, 130, 149–151, 209, 210 Braniš, Josef 286 Braun, Matthias Bernhard 168, 405, 446 Brock, Ingrid 63, 65 Brod, Max 109 Brokoff, Ferdinand 405 Brokoff, Johann 405 Bruck, Karl Ludwig 226 Brückler, Theodor 134–136, 164, 211, 789, 791 Brueghel, Pieter 25 Brunelleschi, Filippo 126, 722, 750, 771 Bruschi, Arnoldo 187 Buberl, Paul 161, 200, 251, 332, 800 Büdinger, Max 30, 268, 269, 274, 276 Buliæ, Frane/ Franz 63, 67, 252, 368, 375–377, 379, 383, 385, 386, 388–390, 393–396, 797 Buls, Charles 178, 179 Burckhardt, Jacob 121, 264, 269, 300, 442, 476, 756, 766, 783–785 Buschbeck, Ernst Heinrich 799 Buvina, Andrija 318
C Calvino, Italo 61, 194 Campbell, Joan 181 Canaletto (Bernardo Bellotto) 410, 775 Canetti, Elias 193 Caniggia, Gianfranco 162 Canova, Antonio 62, 63 Carandini, Andrea 77 Caravaggio (Michelangelo Merisi) 410 Carducci, Giosuè 248 Carlone, Carlo 711 Carpaccio, Vittore 295, 795, 797 Cassas, Louis-François 62 Castelli(t)z, Alfred 347 Cavallini, Pietro 482 Cavour, Camillo Benso 248 Cecarelli, Alfonso 268 Cervellati, Pier Luigi 162 Cézanne, Paul 502 Charles, Prinz von Wales 78 Chipperfield, David 84, 99 Choay, Françoise 20, 72 Cima, Giovanni Battista 265, 321 Clausberg, Karl 31 Clavibus, Antonius de 219 Clemen, Paul 19, 26, 58, 118, 120–122, 132, 158–162, 171, 173–179, 183, 196, 198–200, 228, 234, 312 Clérisseau, Charles–Louis 61, 62 Clini, Daria 201 Coletti, Luigi 38 Conrad von Hötzendorf, Franz 260 Conrat, Erika 160 Constable, John 280 Conze, Alexander 62, 367, 387 Correggio, Antonio da (Antonio Allegri) 38, 324 Cortona, Pietro da 221 Cosimo, Piero de 410 Courajod, Louis 121, 264, 784 Credi, Lorenzo di (Andrea d’Oderigo) 289 Cremer (Baurat) 336
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PERSONENREGISTER
Croce Benedetto 32, 38, 107 Czoernig, Karl 115, 178, 226 D Damaschke, Adolf 169 Dannesberger, Rudolf 114 Dante (Alighieri) 247, 248, 786 Dehio, Georg 58, 121, 124, 134, 153, 158, 159, 162, 165–167, 173–175, 192, 198, 199, 283, 310, 471, 500, 761 Deininger Johann 96, 97 Deininger , Julius 68, 112, 138, 139, 200, 230, 347, 355, 375, 380, 381, 388, 399, 402, 403, 405, 406 Delacroix, Eugène 33 Delbrück, H. 734 Dell’Acqua, Gian Alberto 37, 38 Dell’Allio, Domenico 588 Dellantonio, Giovanni 112 Delogu, Giuseppe 38 Demus, Otto 53 Dezzi Bardeschi, Marco 174, 207 Diller, Erich 253, 258 Diokletian, 59, 77, 368, 369, 371–373, 411 Dörnhöffer, Friedrich 517–520 Dollmayr, Hermann 121, 786 Donatello (Donato di Niccolò di Betto Bardi) 242, 722, 784 Donner, Georg Raphael 502 Dossi, Dosso (Giovanni di Niccolò de’ Luteri) 793 Dreger, Moritz 332 Drexler, Karl 399, 400, 402 Dryák/Driak, Alois 108, 432 Duccio di Buoninsegna 482 Dülfer, Martin 175, 184, 190 Dürer, Albrecht 324, 349, 554 Durissi, Luigi 184 Dvoøák, Max sen. 23 Ebhardt, Bodo 134, 173, 182 Eder, Josef Maria 399, 404 Egger, Hermann 218 Eichler, Fritz 332
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Eisenman, Peter 187 Eitelberger, Rudolf 31, 226, 265, 322, 785 Ekielski, W³adis³aw 90, 92, 93 El Greco (Domínikos Theotokópoulos) 25, 185 Endell, August 48 Essenwein, August Ottmar 88–90, 110–112, 114, 174 Estreicher, Stanis³aw 93 Eyck, Hubert van 24, 239 Eyck, Jan van 24, 239
F Fanta, Adolf 268 Farnese, Ranuccio 219 Ferstel, Heinrich 52, 200 Feuerbach, Anselm 191, 515 Fiala, Karel 107 Filarete (Antonio Averlino) 771 Fischer, Theodor 48, 145, 171, 175, 182, 531, 713 Fischer von Erlach, Johann Bernhard 55–57, 61, 63, 412, 419, 443 Flavier, Familie 747, 769 Förster-Streffleur, Rudolf 399, 400, 402–404 Forster, Kurt W. 209 Fragonard, Jean-Honoré 502 Frank, Hans 101 Frank , Hartmut 170 Franz Ferdinand, Erzherzog 26, 68, 107, 133– 136, 138–141, 149, 164, 166, 168, 171, 178, 202, 211–213, 231, 283–285, 396, 735, 789 Franz Joseph I. 44, 51, 52, 87, 91, 118, 134 Freud, Sigmund 138 Frey, Dagobert 19, 53–55, 178, 186, 200, 800 Friedrich II. 481 Friedrich Wilhelm IV. 336 Frizzoni, Gustav(o) 786
PERSONENREGISTER
Frodl, Walter 34, 36, 41, 53, 133, 134, 162, 166, 171, 176 Frodl-Kraft, Eva 34, 37, 52, 162, 193, 194, 201 Fuchs, Franciszek 93 Fülep, Lajos 32 G Galli-Bibbiena, Familie 422 Ganz, Paul 312 Garber, Josef 164, 201, 799 Gehry, Frank O. 81, 187 Gerhart, Franz Adolf 164, 799 Gerlach & Wiedling (Verlag) 443 Gerola, Giuseppe 115 Gessner, Hubert 48 Ghiberti, Lorenzo 263, 476, 783 Giannoni, Karl 171, 178, 179 Giedion, Sigfried 39 Ginzburg, Carlo 24 Giotto di Bondone 24, 38, 84, 219, 262 Giovanni, de (Senator) 738 Giovannoni, Gustavo 47, 48, 63, 70–72, 79, 145, 150, 151, 161 Glück, Gustav 409, 410, 741 Gnirs, Anton 117, 252 Gnudi, Cesare 125 Goege, Thomas 120 Goes, Hugo van der 744 Goethe, Johann Wolfgang 121, 300, 755, 785 Goldschmiedt, Prof. 310, 312 Goll, Jaroslav 23, 24 Gombrich, Ernst 209 Gothein, Marie Louise 130, 131, 212, 236–238, 240, 242–244 Gräbner, Julius 174, 175 Grassi, Giorgio 84, 208 Gregori, Mina 149 Gregotti, Vittorio 59 Grimm, Jacob 733 Guardi, Francesco 233, 775 Gurlitt, Cornelius 19, 58, 69, 147,
159, 160, 166, 171–175, 178, 179, 182, 189, 198, 199 Gurlitt, Wilhelm 173 H Haberditzl, Franz Martin 520 Haberlandt, Michael 332 Habermas, Jürgen 85 Habsburg, Familie 35, 43, 106, 245, 745 Hadrian 478, 747, 768 Hämer, Walther 81 Haerdtl, Oswald 55 Hajós, Géza 37, 170 Hansen, Theophil 52 Harrap, Julian 84 Hartinger, Gustav 112 Hartmeyer, Hans 49 Hasenauer, Carl 52 Hassinger, Hugo 332 Hauser, Alois 62, 367 Hauser, Arnold 32, 186 Haussmann, Georges-Eugène 758 Hébrard, Ernest 63, 68, 77, 388, 389, 391 Heemskerck, Maarten van 772 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 196, 270 Hegemann, Werner 191 Hehn, Victor 239, 248 Heidrich, Ernst 32 Helfert, Jaroslav 23, 26, 202 Helfert, Joseph Alexander 23, 49, 96, 99, 100, 133, 146, 178, 228, 235, 347, 455, 456, 461, 462, 735 Hendel, Zygmunt 90–94, 96, 97, 102, 358–360 Herain, Karl 405, 406 Herbart, Johann Friedrich 30, 268 Hermanin, Federico 786 Hertzberger, Hermann 61 Hesse, Hermann 171 Heuss, Theodor 182 Hilbert, Camillo 405, 406 Hildebrandt, Johann Lucas 54
835
PERSONENREGISTER
Hitchcock, Henry-Russel 20, 210 Hitler, Adolf 61 Hlávka, Josef 104, 105 Högg, Emil 175 Höhns, Ulrich 170 Hoffmann, Josef 52, 84, 184 Hoffmann, Ludwig 175 Holbein, Hans 247, 312 Holey, Karl 68, 117, 144, 146–148, 171, 200, 375, 376, 380–382, 392, 399 Honnecourt, Villard de 126, 297, 484, 748, 766, 769, 771 Horaz 482, 748, 769 Hostaš, Karel 286 Hubel, Achim 65, 76 Hüttenbrenner (Hauptmann) 789 Hugo, Victor 300 Homer 477, 777 Huse, Norbert 128, 134 I Innozenz X. 195 Isozaki, Arata 189 J Jeøábek, Lubos-Lubomir 405, 799 Johannes von Neumarkt, siehe Neumarkt Joseph II. 51 Julius II. 723 Justi, Carl 276, 361 Justinian 315, 481 K Kad³uczka, Andrzej 86 Kallaab, Wolfgang 786 Kandinsky Wassily 39 Karaman, Ljubo 63, 69, 799 Karl der Große 276, 317, 475, 481 Karl IV. 24, 334 Karl VI. 421, 422 Kataliniæ, Vinko 389, 390, 395, 396 Kaufmann, Emil 202, 206 Keller, Alfred 69
836
Kelsen, Hans 33 Kendler, Marion 49 Khuen-Belasi, Graf 26 Klemens XIV. 514 Klimt, Gustav 135 Köhler, Wilhelm 312 Kokoschka, Oskar 27, 33, 39, 135, 183–185, 194 Komornicki, Dr. 251 Konstantin der Große 116, 117, 218, 275, 398, 774 Kopera, Feliks 92, 93 Kornhäusel, Joseph 54 Kotìra, Jan 104 Kramáø, Vincenc 107 Krasiñski 346 Kraus, Karl 134, 193 Kreis, Wilhelm 190 Kremer, Karol 95 KriŞek, Jirí 202 Kruft, Hanno-Walter 187 Kuben, Herta 37, 134 Kubitschek, Josef Wilhelm 139, 200 Kyrle, Georg 200, 332
L L’Allemand, Sigmund 409 La Monica, Giuseppe 40, 41 Lampugnani, Magnano 170 Lanciani, Rodolfo 67 Lanckoroñski-Brzezie, Karl 45, 47, 49, 96, 97, 100, 103, 116, 347, 353–355, 409, 791 Lang, Gustav 202 Lanzi, Luigi 264 Lasker-Schüler, Else 109 Latini, Brunetto 766 Latour, Vinzenz Baillet de 137, 139, 163, 235, 729, 735, 738 Laun, Benedikt von 341 Lazzeri, Marino 151 Le Brun, Charles 775
PERSONENREGISTER
Le Corbusier, (Charles-Édouard JeanneretGris) 202 Lederer, Hugo 502 Ledous, Claude-Nicolas 202 Leibl, Wilhelm 516 Leisching, Julius 49 Leonardo da Vinci 265 Lewi/Levi, Guido 399, 400 Libeskind, Daniel 187 Lichtwark, Alfred 171, 497, 516 Liechtenstein, Franz 164, 194, 256, 735 Lindner, Werner 170 Linn, Björn 170 Lobkowitz, Fürst 23 Lombardi, Familie 751, 772 Longhi, Roberto 38, 41, 151 Loos, Adolf 20, 48, 54, 99, 107, 134, 148, 149, 183, 184, 187, 190, 193, 194, 208 Lotto, Lorenzo 321, 323, 324, 410, 805 Lubicz-Szyd³owski, Thaddäus 251, 254 Luciani, Domenico 109 Ludwig 263 Ludwig XIV. 422 Lueger, Karl 44 Lützeler, Heinrich 120 Lukács, Georg/ György 32 Lux, Julius August 46–48 LuŞnik (Hausbesitzer) 395 M Madirizza, Franz 67, 387 Mádl, Karel 286 Magris, Claudio 214 Maionica, Heinrich 399, 402 Maiuri, Amedeo 70 Majewski, Alfred 92, 101–103 Manet, Édouard 502 Mann, Thomas 95 Mannheim, Karl 32 Mantegna, Andrea 126, 750, 771 Manzoni, Alessandro 248 Marangoni, Luigi 70–72 Marasoviæ, Duško 79
Marasoviæ, Jerko 63, 73–75, 77, 78 Marasoviæ, Kate 78 Marasoviæ, Tomislav 77, 78 Marchi, Riccardo 39 Marconi, Paolo 173 Marées, Hans 191 Mareš, František 286 Maria Theresia 51 Marmont, Auguste-Frédéric-Louis Viesse de 62 Marx, Karl 78 Masaryk, Tomáš Garrigue 106, 107, 109, 122 Masarykova, Alice 106 Masner, Karl 275 Massys, Quentin 410 Matìjèek, Antonin 24, 202 Matìjka, Bohumil 286 Matejko, Jan 93 Mayreder, Karl 347, 355 Medici, Cosimo 470 Medici, Familie 60, 364, 478, 486, 760, 779 Mehoffer, Józef 92 Menzel, Adolph 516 Messel, Alfred 20, 48, 84, 184, 190, 208 Messina, Antonello da 324 Métall, Rudolf Alamar 33 Meyer, Alfred Gotthold 189, 190 Michelangelo (Michelangelo Buonarroti) 25, 40, 127, 185, 187, 189, 217–219, 221, 222, 242, 248, 249, 277, 280, 314, 338, 364, 485, 486, 502, 511, 750–752, 772–774, 780 Mickiewiecz, Adam 23 Miethke (Kunsthandel) 503 Mihaljeviæ, Vinzenz 69, 375, 382–384, 386, 388 Minkiewicz, Witold 101–103 Mörsch, Georg 48 Molé, Hermann/ Vojeslav 799 Moll, Karl 741 Momola (Vergolder) 797
837
PERSONENREGISTER
Montalembert, Charles de 736 Montespan, Madame de (FrançoiseAthénaïs de Rochechouart de Mortemart) 244 Morachiello, Paolo 124 Morassi, Antonio 115, 118, 201 Morel, Jean-Marie 781 Morelli, Giovanni 24, 266, 786 Moroni, Giovanni Battista 503 Morpurgo (Obergeometer) 389 Morpurgo , Josef 383, 390 Mosser, Monique 109 Münsterberg, Rudolf 309 Müntz, Eugen/Eugène 121, 264, 784 Muratori, Saverio 153, 162, 208 Musaniæ (Oberingenieur) 387, 391, 392 Musil, Robert 138, 166 Mussolini, Benito 47 Muthesius, Hermann 182 N Napoleon Bonaparte 265, 336 Nardelli, Niko(laus) 375, 387 Naumann, Friedrich 181 Negri, Tomaso 323, 804 Neruda, Jan 23 Neumann, Jaromir 35, 36, 42, 211, 347 Neumarkt, Johannes von 24 Neuwirth, Joseph 96, 97, 100, 124, 138, 139, 166, 167, 200, 230, 347, 355, 399, 402, 403 Nicolson, Benedict 149 Niemann, Georg(e) 62, 63, 67, 68, 116, 367, 368, 371, 375, 377, 380–382, 385–389, 391 Nietzsche, Friedrich 46, 66, 98, 105, 127 Nikšiæ, Goran 85 Norberg-Schulz, Christian 204 Nordio, Enrico 111, 112 O Oberwalder, Oskar 200 Odrzywolski, S³awomir 90, 92, 93, 358
838
Oechelhaeuser, Adolf 179 Ohmann, Friedrich 49 Ojetti, Ugo 70 Olbrich, Joseph Maria 175, 184, 190 Otto II. 219 Otto , Christian F. 170 Otto , Frei Paul 204, 205 P Palladio, Andrea 61, 86, 217, 221, 300, 321, 750, 772 Palma, Giacomo (Jacopo) d. Ä. 410 Pane, Roberto 75, 203–206 Paolo, Giovanni di 265 Papini, Roberto 75, 161 Paribeni, Roberto 70 Parini, Giuseppe 248 Passeri, Giuseppe Battista 186 Paul II. 219 Paul III. 147 Peèírka, Jaromir 202 Pekaø, Josef 23 Pellegrino da San Daniele 321 Peroni, Adriano 110 Perusini, Giuseppina 119 Petrarca, Francesco 121, 248, 302, 787 Petrovic (Sammlerin) 796 Pevsner, Nikolaus 177, 209 Philostratos 765 Piacentini, Marcello 45, 46, 54, 70, 71, 184, 190, 191, 208 Piccolomini, Enea Silvio 779 Piniñski, Leo 146, 347 Piranesi, Giovanni Battista 63, 372, 775 Pisano, Nicola/ Niccolò 126, 482, 748, 770 Pizzetti, Ippolito 109 Planiscig, Leo 118, 201 Pleènik, JoŞe/ Josef 69, 70, 86, 106–109, 130, 136, 191, 202, 208 Plejiæ, Robert 78, 85 Plinius 762 Podlaha, Antonín 286 Poggi, Giovanni 786
PERSONENREGISTER
Poggio Bracciolini, Gianfrancesco 779 Poppo (Patriarch) 116 Porta, Giacomo della 127, 752, 773 Poussin, Nicolas 751, 772 Pozzo, Andrea 422, 711 Pratelli, Marco 42 Prelovšek, Damjan 107 Presel, J. (Architekt) 376, 449 Primerano, Domenica 110, 114 Prylinski, Tomasz 88, 90–92 Puppi, Lionello 109 Purchla, Jacek 88, 91 Q Quaglio, Giulio 253 R Raffael (Raffaelo Santi) 126, 147, 249, 324, 364, 366, 486, 487, 507, 723, 750, 771, 772 Ragusinus, Nikolaus 320 Rainaldi 218 Rampolla, Mariano 739 Raschdorff, Julius Carl 189 Rautter Familie 441 Rehorst, Carl 174, 175 Reisch, Emil 396, 399, 403, 404 Rembrandt (Rembrandt Harmensz. van Rijn) 24, 222, 277, 279, 289, 497, 502, 503, 743 Reni, Guido 291 Ricci, Corrado 51, 786 Ried, Benedikt 104 Riegl, Alois 19, 20, 24, 25, 27–38, 41, 47, 48, 50, 53, 58, 62–66, 70–73, 75, 81, 82, 85, 97–101, 112, 113, 116, 117, 120, 121, 125–129, 133, 134, 138, 147, 149, 150, 155, 158, 160, 166, 173, 176–179, 183, 185, 186, 188–190, 192, 195–200, 205–210, 212, 213, 230, 231, 236, 264, 265, 267–282, 304, 361, 471, 473–477, 752, 754, 761, 764–767, 773, 784, 785 Ripellino, Angelo Maria 109 Ritschl, Hermann 112, 139
Ritter-Zahony, Eugen 399, 400, 403, 404 Ritter-Zahony, Hektor 399 Rodin, Auguste 502 Rogers, Ernesto Nathan 205 Rokyta, Hugo 23, 26, 36 Romanini, Angiola Maria 149 Romanino, Girolamo 793 Romano, Giulio 126, 750, 772 Rosenauer, Artur 24, 25, 149 Rossi, Aldo 86, 184, 187, 191, 208 Rousseau, Jean-Jacques 781 Rubens, Peter Paul 291 Rudorff, Ernst 169 Rumohr, Carl Friedrich 121, 263, 327, 783 Ruskin, John 40, 47, 98, 106, 121, 178, 186, 188, 230, 264, 418, 784 S Sacken, Eduard 181 Sambuco, Alois 399–404 Sandonà, Mario 114 Sanmicheli, Michele 321 Sanpaolesi, Piero 75 Sanudo, Marino 323 Savo, Achilles 375, 377–380, 383, 386, 387 Savo, I. (Hausbesitzer) 394 Scamozzi, Vincenzo 246 Scannavini, Roberto 162 Scarpa, Ludovica 170 Schachleitner, Alban 432 Schachner, Friedrich 57, 425 Schäfer, Carl 174 Schaeffer, August 347 Schilling, Rudolf 174 Schinkel, Karl Friedrich 20, 84, 184, 190, 191 Schlosser, Julius 28, 29, 31, 32, 34, 38, 121, 164, 196, 410, 766, 783, 786 Schmarsow, August 38 Schmidt, Friedrich 52, 111, 112, 141, 148, 174, 200, 205, 213, 228 Schmidt, Martin Johann (Kremser Schmidt) 502, 600 Schmitz, Bruno 48, 175, 184, 190
839
PERSONENREGISTER
Schnaase, Karl 226, 269 Schneider, Robert 347, 375, 376, 378, 381, 382, 384, 386 Schnerich, Alfred 49 Schrenzel, Maya 214 Schubert-Soldern, Fortunat 176 Schürmann, Werner 69 Schultze-Naumburg, Paul 146, 171, 178–181 Schumacher, Fritz 171, 175, 181, 187 Sciolla, Gianni Carlo 38 Scott, Walter 755 Scrivano, Paolo 210 Sedej, Franz Borgia 399, 400 Sedláèek, Jan 286 Sedlmayr, Hans 186, 202–206 Seebach, Gerhard 113 Seiler, Martin 29, 31 Semetkowski, Walter 164, 178, 179, 799 Semper, Gottfried 33, 175, 189, 226, 269, 272 Serlio, Sebastiano 751, 772 Sesselberg, Friedrich 182 Siber, Alfons 202 Sickel, Theodor 31, 268 Siegenfeld (Staatsarchivar) 442 Sieghart, Rudolf 791 Siegris, Emmerich 800 Sigismund I. 87 Sigismund III. 94, 358 Sitte, Heinrich 47 Skrudlik, Mieczyslav 254, 257 S³owacki, Juliusz 94, 342 Sobieski, Johann III. 94 Soko³owski, Marjan 93 Sombart, Werner 45, 47 Springer, Anton 226, 270 Stabile, Johann Baptist 399, 400, 404 Stampfer, Helmut 201 Stelé, Franz 107, 164, 202, 799 Stryjeñski, Tadeusz 92–94, 358, 360 Strygowski, Jósef 29, 31, 32, 155 Stübben, Joseph 45, 178, 179 Stüller, Friedrich August 190
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Sucharda (Bildhauer) 405–407 Sucic, (Agent) 796 Susa, Josef 23 Swoboda, Heinrich 116, 398–400, 402–404 Swoboda, Kamilla 27, 183 Swoboda, Karl Maria 25, 27, 36, 183, 211, 777 Szeptycki, Johann 96, 347 Szilasi, Wilhelm 32 Szilva, (Statthaltereirat) 387 Szyszko-Bohusz, Adolf 92, 101, 102 Šittler, Eduard 286 T Tacitus Publius Cornelius 339 Tafuri, Manfredo 39, 40, 118, 124 Taut, Bruno 194 Tavano, Sergio 119, 201 Taverne, Ed 170 Tessenow, Heinrich 192 Testa, Virgilio 151 Thausing, Moritz 31, 33, 121, 179, 269, 516, 786 Theoderich der Große 479 Theodorus (Patriarch) 116, 398 Thun, Leo 226, 457, 736 Tieck, Ludwig und Christian Friedrich 755 Tietze, Erika 332 Tietze, Hans 19, 26–29, 31, 32, 34, 49–53, 55, 58, 98, 119, 121, 155, 156, 159, 160, 164, 171, 172, 176, 177, 180, 184, 189, 192, 193, 196, 200, 209, 332, 786, 800 Tintoretto (Jacopo Robusti) 25, 38, 185, 265, 315, 324 Tizian (Tiziano Vecellio) 289, 324, 364, 410, 485, 502, 508, 554, 722, 744, 784, 797 Tocqueville, Alexis de 736 Toesca, Pietro 51, 161 Tolnay, Charles de 32 Tomkowicz, Stanislaw 88, 93–98, 102, 347, 353, 355, 356, 358, 359 Tommasi, Natale 112–114, 115, 793, 794 Tonèiæ, Kamillo 68, 375
PERSONENREGISTER
Tornow, Paul 172–175, 182, 199 Torre, Familie de la 245 Trincanato, Egle 162 Troeltsch, Ernst 32 Tschudi, Hugo 516, 520 Tura, Cosimo 410 Turner, William 233, 280 U Unbereit, Paul 112 Vanìk, Ferdinand 286 Vasari, Giorgio 264, 324, 337, 471, 761 Vasold, Georg 29 Vázquez Montalbán, Manuel 59, 60 Velde, Henry van de 190 Veneziano, Lorenzo 295 Venturi, Adolfo 161, 201, 322, 786 Venturi, Lionello 38, 786 Venturi, Robert 81, 187 Vico, Giambattista 248 Viertelberger, Hans 202 Vignola, Giacomo Barozzi da 127, 219, 752, 773 Villard de Honnecourt, siehe Honnecourt Viollet-Le-Duc, Eugène 40, 97, 127, 209, 756 Vivarini, Alvise 324 Voltaire (François Marie Arouet) 273 Vydt Jodocus 470, 760 W Wagner, Otto 52, 55–57, 107, 135, 136, 149, 184, 188, 190, 213, 416, 424, 425 Walsee, Familie 245
Warburg, Aby (Abraham Moritz) 125 Warschauer (Regierungsrat) 254 Weber, Karl 174, 175 Weber, Max 32, 40 Weber, Paul 176 Weckbecker, Wilhelm 49, 96, 347, 354, 497 Weingartner, Josef 201 Weninger, Josef 332 Whistler, James 233, 502, 505 Wickhoff, Franz 24, 26, 28, 31, 34, 39, 40, 121, 158, 160, 264, 265, 276, 277, 282, 310, 416, 784, 785 Wilczek, Hans 410 Wilde Johannes 25, 32, 211 Winckelmann, Johann Joachim 121, 263, 756, 783 Wirth Zdenek 36, 202 Wladikslaw/Wladislaus II. 104, 341 Wölfflin, Heinrich 38, 236, 276 Wright, Frank Lloyd 205 Wyspiañsky, Stanis³aw 90, 92, 93
Z Zach, Andreas 54 Zalai, Béla 32 Zamparo, Alexander 399, 402, 403 Zarnowski, Graf 743 Zelenski, Stefan 257 Zeri, Frederico 161 Zevi, Bruno 39, 40, 118, 119, 205 Zimmermann, Heinrich 312 Zimmermann, Robert 30, 268 Zlendiæ, A. (Realschuldirektor) 375, 380
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ORTSREGISTER
1
Aachen 317, 476, 481 Achleithen 530, 683 Ägypten 243 Albanien 251 Aosta 161 Aquileia/Aquileja 43, 115, 116, 118, 165, 167, 212, 214, 245, 313, 315, 317, 318, 321, 397– 399, 796 Aquitanien 481 Arbe/Rab 165, 168, 449, 795 Arles 24 Asien 331 Assisi 483 Athen 53 Augsburg 176 B Baden-Württemberg 105, 158 Bamberg 63, 172, 175, 199, 326 Barcelona 59 Bayern 89, 520 Belgien 57, 120, 261, 337, 413, 428 Berchtesgaden 61 Bergamo 71 Bergheim 531, 717 Berlin 45, 47, 80, 84, 85, 92, 99, 190, 191, 367, 454, 496, 503, 516, 517, 527, 602, 744 Bilbao 59, 64, 79, 80, 84, 85 Bludenz (Bezirk) 332 Böhmen 23, 45, 167, 286, 446, 447, 527–530, 587, 590, 638, 639, 651, 660, 668, 676, 677, 718, 799 Böhmisch Leipa/Èeská Lípa 530, 688–691
1
Bologna 45, 80, 162 Bonn 312 Bozen 135 Braè, siehe Brazza Braunau 527, 583 Braunschweig 172 Brazza/Braè 77, 379 Bregenz 27, 153, 176, 209, 332, 721 Brioni/Brijuni 165, 795 Brügge 470, 471, 760, 761 Brünn 140, 528, 616 Brüssel 255 Brüx/Most 527, 587 Budapest 32, 44 Budweis/Èeské Budìjovice 135, 527, 598 Budweis/Èeské Budìjovice (Bezirk) 286 Byzanz 316 C Canosa 167, 797 Capodistria 321 Cattaro, siehe Kotor Cesena 77, 83 Chartres 326 Chicago 430 China 73, 243, 469, 759 Chrudim 529, 664, 665 Cividale 201 Colalto 262 Como 162 Conegliano 261 Èeské Budìjovice, siehe Budweis Èeská Lípa, siehe Böhmisch Leipa
Aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht in das den einleitenden Essay und Dvoøáks Schriften, Vorlesungen und Vorträge erfassende Ortsregister aufgenommen wurden Erwähnungen in Buch-, Artikel- und Bildtiteln sowie Bezeichnungen für Täler, Berge und Gewässer.
842
ORTSREGISTER
Dalmatien 35, 64, 75, 85, 160, 161, 165, 212, 214, 250–252, 317–323, 363, 383, 411, 449, 501, 530, 707, 732, 790, 796 Danzig 172, 174 Darmstadt 190, 527, 603 Deutschland 43, 57, 73, 84, 106, 110, 121, 147, 159, 161, 169, 170, 173, 175, 179, 197, 225, 226, 286, 287, 296, 301, 310, 331, 340, 413, 416, 442, 453, 459, 471, 514, 743, 744, 755–757, 761, 776, 784, 785 Dobrota 167, 796 Doudleby, siehe Teindles Dresden 159, 172, 173, 174, 181, 182, 198, 199, 454, 496, 517 Dublovice 333, 334 Dubrovnik, siehe Ragusa Düsseldorf 167, 172, 173, 174, 179 Duino 212, 214, 245, 246, 247, 248, 261, 802, 803 E Eggenburg 441, 442, 529, 666, 808, 809 Eisenach 181, 193 Eisenbrod/ğelezný Brod 527, 590 Emilia-Romagna 164 England 57, 73, 147, 161, 169, 236, 322, 338, 340, 413, 427, 428, 453, 744, 755, 757, 781, 782 Enns 144, 529, 530, 658, 659, 682 Erfurt 124, 165, 167, 172, 173, 179 Ernstbrunn 531, 716 Europa 23, 26, 27, 44, 49, 55, 104, 106, 120–122, 157, 170, 177, 201, 206, 209, 214, 217, 222, 248, 262, 316, 322, 335, 338, 344, 350, 353, 427, 428, 457, 458, 470, 480, 501, 541, 732, 733, 778, 782, 785, 787 F Feldkirch (Bezirk) 332 Florenz 45, 47, 67, 186, 219, 368, 470, 471, 481, 760, 761 Frankfurt 743
Frankreich 73, 85, 97, 120, 147, 204, 261, 264, 296, 300, 314, 340, 354, 453, 459, 471, 557, 744, 755, 757, 761, 776, 784 Frascati 779 Freiberg 190, 376 Freiburg im Breisgau 172, 179 Friaul 35, 115, 118, 119, 251, 261, 266, 402 Friedland in Böhmen/Frýdlant v Èechách 720 Fulnek 529, 650 Galizien 88, 91, 93–95, 99, 101, 118, 201, 229, 250, 251, 255, 256, 260, 261, 268, 343, 344, 347, 348, 350, 353, 437, 462, 528, 529, 640, 641 Gaming 527, 596 Garda 167 Gars 442, 528, 610, 611 Garsten 528, 617 Gemona 201 Gent 24, 471, 761 Gjölbaschi/Trysa 453 Görz/Gorizia 115, 253, 262, 399 Gonobitz/Slovenske Konjice 528, 597 Gorizia, siehe Görz Grado 119, 313 Gravosa/GruŞ 528, 630 Graz 91, 173, 527, 528, 588, 589, 592, 606, 608, 724, 795 Griechenland 43, 275, 472, 475, 762, 766, 778 Gródek Jagiellonski 529, 641 Grußbach/Hrušovany nad Jevišovkou 26, 194 GruŞ, siehe Gravosa Hagen 190 Halberstadt 172 Hall in Tirol 145, 531, 713 Halle 310 Hallstatt 531, 712 Hamburg 516 Hannover 199 Haschowitz/HáŞovice 530 Heidelberg 336, 341 Heiligenblut 165, 796
843
ORTSREGISTER
Hessen 197, 289 Hildesheim 429, 476 Hötting 530, 694, 695 Hohenmauth/Vysoké Mýto 529, 660 Holland 161, 169, 170, 204, 328, 546, 780, 781 Horn 530, 704 Hrušovany nad Jevišovkou, siehe Grußbach Hvar, siehe Lesina I Innsbruck 112, 135, 531, 711 Îsle-de-France 481 Istrien 115, 167, 201, 253, 313, 319, 320, 733 Italien 32, 35, 41–43, 51, 55, 59, 72, 73, 80, 85, 110, 121, 122, 124, 147, 150, 156, 161–163, 169, 173, 177, 198, 203, 207, 209, 214, 237, 247– 249, 251, 253, 258–261, 264, 289, 291, 296, 298, 299, 305, 314, 317, 318, 322, 324, 327, 328, 331, 337, 340, 363, 402, 453, 459, 470– 472, 482, 518, 564, 737, 744, 748, 749, 761, 762, 764, 766, 770, 775, 778, 780, 783–786 Iwano-Frankiwsk, siehe Stanislau J Japan 469, 759 Javornice 23 Judikarien 798, 799 Jugoslawien 35, 64, 73, 209 K Kärnten 251 Karlsruhe 515 Kindberg 144 Klagenfurt 529, 667 Klattau/Klatovy (Bezirk) 286 Klausen 531, 712 Klosterneuburg 213, 529, 662, 663 Köln 45, 89, 111, 174, 190, 518, 755 Kolin/Kolín (Bezirk) 286 Kolomea/Kolomyja 268
844
Koschumberg/Košumberk 167 Kosteletz an der Moldau/Kostelec nad Vltavou 333, 334 Kotor/Cattaro 167, 318, 319, 363, 796 Krain 531, 710, 798, 799 Krakau 26, 43, 44, 86–91, 93, 96, 103, 114, 148, 167, 212, 250, 254, 255, 343, 347, 352, 529, 670, 671, 805, 806 Kraxental 528, 613 Krems 268 Krems (Bezirk) 34, 58, 156, 160, 331 Kremsmünster 268 Krk/Veglia 168, 445 Kroatien 65, 78 Kroscienko wyzne 528, 640 Küstenland/Litorale 250, 251, 313, 316, 317, 318, 319, 321 Kufstein 88 L Lagosta/Lastovo 530, 707 Laibach/Ljubljana 70, 528, 636, 637 Lapad 444 Lastovo, siehe Lagosta Laun/Louny (Bezirk) 286 Lemberg, siehe Lwow Lesina/Hvar 321 Liancourt 781 Liberec, siehe Reichenberg Liechtenstein 332 Linz 267, 268 Lissa/Vis 797 Litorale, siehe Küstenland Ljubljana, siehe Laibach Lodomerien 91 Lombardei 245, 317 London 426, 503 Lorch 530, 682 Louny, siehe Laun Lublin 251, 253, 254, 256, 257 Lucca 86 Lübeck 167, 172, 174, 179 Lwow/Lemberg 90, 93, 101
ORTSREGISTER
M Maastricht 204 Machu Picchu 60 Mähren 135, 138, 165, 167, 200, 529, 650, 680, 733, 798, 799 Magdeburg 194 Mailand 78, 481 Mainz 165, 167, 172, 173, 179, 200 Mannheim 172, 190 Marbach am Walde 530, 685 Marken 61 Matera 81 Melk 557 Melk (Bezirk) 159 Melnik/Mìlník (Bezirk) 286 Meran 135 Mesopotamien 243 Metz 172 Milevsko (Bezirk) 286 Minneapolis 74 Most, siehe Brüx München 48, 90, 454, 520, 527, 604 Münster 177, 180 Muggia 317 Muljava 531, 710 Murano 106, 340 Mutters 528, 614 N Neapel 78 Neustadt an der Mettau/Nové Mìsto nad Metují 528, 622 Neuzeug 528, 615 New York 47 Niederlande, siehe Holland Niederösterreich 45, 58, 156, 200, 229, 332, 437, 442, 528, 530, 531, 596, 610, 611, 617, 684, 685, 692, 693, 716 Nimburg/Nymburk 530, 674, 799 Nona/Nin 168, 317, 449, 732 Norwegen 169 Nové Mìsto nad Metují, siehe Neustadt an der Mettau
Nürnberg 89, 111, 167, 518 Nymburk, siehe Nimburg O Obernberg am Inn 530, 686 Oberndorf 168, 445 Oberösterreich 138, 166, 528–531, 612, 613, 615, 617, 642, 644, 683, 686, 712 Oberwölz 135 Österreich 21, 34, 35, 43, 51, 86, 91, 98, 106, 111, 116, 121, 122, 133, 152, 159, 160, 166, 169, 170, 171, 179, 193, 202, 203, 207, 225–231, 233, 235, 250, 253, 260, 261, 264, 265, 267, 286, 275, 284, 285, 310, 331, 340, 347, 350, 361, 370, 372, 397, 422, 432, 437, 438, 445, 447, 451–453, 455– 458, 460, 461, 465, 501–503, 510, 518, 519, 538, 556, 557, 567, 581, 606, 727, 733–737, 739–745, 783–785, 794 Olmütz/Olomouc 135, 530, 672, 673 Orechovac/Orahovac 167, 796 Orvieto 67, 368 P Padua 84 Palenque 60 Palermo 109 Pardubitz/Pardubice 167, 529, 530, 646, 647, 687 Parenzo/Poreè 138, 165, 313–316, 505, 795 Paris 47, 154, 337, 353, 421, 503, 744 Pasman/Pašman 294 Perasto 796, 797 Perugia 81 Pettau/Ptuj 154, 528, 624, 724 Pfarrkirchen 529, 642 Pilsen/Plzeò 168, 447, 492, 528, 530, 634, 635, 701 Pisa 78, 161, 481 Plzeò, siehe Pilsen Pola, siehe Pula Polen 35, 73, 86–89, 94, 101, 119, 155, 169, 251, 253–256, 342, 348, 353, 356, 358 Pompeji 60
845
ORTSREGISTER
Poreè, siehe Parenzo Portugal 147 Prachatitz/Prachatice 530, 678, 679 Prag 24, 32, 43, 44, 69, 92,104, 107, 109, 114, 135, 167, 168, 191, 200, 212, 341, 396, 405– 408, 432, 446, 527–529, 594, 607, 628, 629, 648, 649, 654, 742, 799, 807, 808 Preußen 34, 86, 170 Ptuj, siehe Pettau Puèišèe 379 Pula/Pola 165, 167, 250, 253, 317, 530, 795, 796, 702, 703 R Rab, siehe Arbe Ragusa/Dubrovnik 167, 320, 321, 363, 444, 528, 630, 632, 797 Raudnitz an der Elbe/Roudnice nad Labem 23, 24 Raudnitz an der Elbe/Roudnice nad Labem 268 Ravenna 277, 313, 316, 481 Reichenberg/Liberec 492 Reims 126, 748, 770 Rheinland 158, 314 Ritschan (Rièan)/Øíèany 531, 718 Rokycany (Bezirk) 286 Rom 43, 45, 47, 49, 60, 62, 65, 67, 68, 70, 71, 77, 86, 173, 186, 189, 191, 249, 297, 298, 313, 315, 316, 322, 370, 374, 380, 388, 407, 418– 424, 469, 472, 475, 479, 481, 508, 739, 747, 748, 751, 752, 760, 762, 768, 769, 773, 774, 780, 785 Rossitz/Rosice 138, 200 Rothenburg 758 Rotterdam 61 Roudnice nad Labem, siehe Raudnitz an der Elbe RoŞnau/RoŞnov 530, 680 Russland 86, 118 Rychnov nad KnìŞnou 23 Saitz/Zajeèí 138 Sallingstadt 530, 684
846
Salona/Solin 61, 313, 314, 379 Salzburg 178, 205, 271, 500, 528, 529, 531, 620, 652, 709, 724, 733 Salzburg (Land) 166, 332, 527, 531, 603, 717 Salzkammergut 438 Samothrake/Samothraki 387 San Doimo 77 Sandomier/Sandomierz 254 St. Petersburg 101 Santiago (St. Jago) de Compostella 297 Scardona 323 Schenna 138, 148, 200, 530, 696, 697 Schlan/Slaný 530, 676, 677 Schluckenau/Šluknov 529, 651 Schwaz 135, 144 Schweden 147, 161, 169 Schweiz 169, 170 Sebenico 320, 363 Seckau 527, 602 Selèan (Bezirk) 286 Semriach 527, 595 Serbien 251, 261 Siena 67, 368 Sierninghofen 528, 612 Sizilien 289, 481 Slaný, siehe Schlan Slatinan 528, 638, 639 Slovenske Konjice, siehe Gonobitz Slowenien 169 Solin, siehe Salona Spalato/Split 26, 43, 51, 58–82, 84–87, 98, 99, 114, 150, 156, 165, 167, 168, 212, 250, 252, 309, 318, 320, 321, 323, 361–363, 367–378, 380, 384, 385, 387, 388, 390, 394–396, 411, 443, 449, 501, 756, 795, 797, 804, 805, 807 Spanien 169, 314, 737, 744 Spielberg 201 Spitz an der Donau 528, 617 Split, siehe Spalato Stanislau/Iwano-Frankiwsk 268 Stans 135 Steiermark 135, 166, 167, 173, 595, 597 Stein an der Donau 527, 529, 600, 656, 657
ORTSREGISTER
Sterzing 531, 714 Steyr 148, 165, 167, 528–531, 618, 631, 644, 698, 708, 715, 791, 796 Stockholm 131, 781 Straßburg 310 Stuttgart 515 Subiaco 295 Suchenthal/Suchdol 530, 700 Sudetenland 437 Südtirol 35 Šluknov, siehe Schluckenau T Taufers 135 Teindles/Doudleby 333, 334 Telfes im Stubai 529, 661 Thüringen 289 Tirol 114, 135, 138, 148, 166, 168, 201, 202, 251, 332, 527, 528–531, 604, 614, 643, 661, 675, 694, 696, 712, 743 Tivoli 779 Tkon 294 Toskana 75 Tramin 527, 604 Trau/Trogir/ Traù 165, 317–320, 323, 795 Trentino 112 Trient/Trento 43, 89, 110–115, 135, 211, 212, 793, 794 Trier 65, 172, 175, 179 Triest 91, 135, 165, 167, 214, 253, 795 Trogir, siehe Traù Trysa, siehe Gjölbaschi Tøeboò, siehe Wittingau Tschechoslowakei 35, 73, 106, 169 Türkei 732 Turin 51, 90, 207 U Udine 201, 259, 260, 399 Ukraine 165 Umbrien 324 Ungarn 44, 45, 201, 437, 741, 742 Urbino 61 USA (Vereinigte Staaten von Amerika) 73, 744, 508, 541 Uœcie 529, 641
V Veglia, siehe Krk Venedig 43, 85, 124, 186, 205, 219, 226, 253, 263, 299, 300, 319–324, 359, 403, 427, 471, 472, 751, 761, 762, 772 Venetien 35, 317 Venzone 201 Villach 441 Vis, siehe Lissa Vöcklabruck 138 Vorarlberg 331, 332 Vysoké Mýto, siehe Hohenmauth W Warschau 87, 101, 254, 255 Wels 527, 593 Welten 529, 643 Wien 26, 27, 32, 34, 43–50, 52, 53, 58, 91, 92, 100, 111, 112, 123, 127, 131, 159, 160, 168, 189, 193, 194, 200, 201, 212, 226, 229, 250, 253, 256, 263, 264, 267, 268, 325, 332, 367, 369, 375, 388, 369, 410, 412, 414, 416, 419, 420–422, 424, 426, 427, 429, 430, 434, 443, 444, 447, 448, 450, 451, 453, 454, 468, 490, 496, 500, 502, 503, 517–520, 527, 528, 531, 557, 591, 609, 626, 627, 718, 742, 744, 786, 789–791, 794, 796–799, 809 Wiener Neustadt 165, 527, 586, 795 Wittingau/Tøeboò 530, 700 Wittingau/Tøeboò (Bezirk) 286 Z Zab³otów 268 Zadar, siehe Zara Zagreb 44, 91 Zajeèí, siehe Saitz Zara/Zadar 165, 167, 294, 317, 318, 321, 363, 376, 390, 395, 501, 732, 748, 795, 797 Zara (Kreis) 62 Zembrzyce 528, 640 Znaim 26, 194, 528, 625 Zwettl 527, 584 ğelezný Brod, siehe Eisenbrod
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ABBILDUNGSNACHWEIS Umschlagfoto, Frontispiz, S. 22: Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek Abb. 1: Kunstgeschichtliches Jahrbuch der k.k. Zentralkommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale, Bd. 1, 1907, No. Beiblatt 1907 Heft III. IV., Fig. 10 Abb. 2, 3: Mitteilungen der k.k. Zentralkommission, 1916, Bd. XV, Fig. 55, 56 Abb. 4a: Jahrbuch des kunsthistorischen Institutes der k.k. Zentralkommission für Denkmalpflege, Bd. V 1911, Fig. 1 Abb. 5: Jahrbuch des kunsthistorischen Institutes der k.k. Zentralkommission für Denkmalpflege, Bd. V 1911, Fig. 2 Abb. 6: Jahrbuch des kunsthistorischen Institutes der k.k. Zentralkommission für Denkmalpflege, Bd. V 1911, Tafel I Abb. 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14: Mitteilungen der k.k. Zentralkommission, 1909, 3. F., 8. Bd., Fig. 61, Fig. 62, Fig. 63, Fig. 135, Fig. 136, Fig. 39, Fig. 40, Fig. 41 Abb. 15: Mitteilungen der k.k. Zentralkommission, 1910, 3. F., 9. Bd., Fig. 76 Abb. 16, 17, 18: Mitteilungen der k.k. Zentralkommission, 1906, 3. F., 5. Bd., Fig. 38, Fig. 39, Fig. 37 Abb. 4, 19: Bundesdenkmalamt, Fotoarchiv
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