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German Pages 855 [872] Year 1989
Max Weber Gesamtausgabe Im Auftrag der Kommission für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften Herausgegeben von
Horst Baier, M. Rainer Lepsius, Wolfgang J. Mommsen, Wolfgang Schluchter, Johannes Winckelmannt
Abteilung I: Schriften und Reden Band 10
J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen
Max Weber Zur Russischen Revolution von 1905 Schriften und Reden 1905-1912
Herausgegeben von
Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit
Dittmar Dahlmann
J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen
Redaktion: Rita A l d e n h o f f - Karl-Ludwig A y Die Herausgeberarbeiten wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Werner-Reimers-Stiftung und der Fritz Thyssen Stiftung gefördert.
CIP-Kurztitelaufnahme Weber,
der Deutschen
Bibliothek
Max:
G e s a m t a u s g a b e / Max W e b e r . Im A u f t r . d. K o m m , für Sozial- u. Wirtschaftsgeschichte d. Bayer. A k a d . d. Wiss. hrsg. von Horst Baier . . . - Tübingen: M o h r A b t . 1, Schriften und R e d e n . N E : Baier, Horst [Hrsg.]; W e b e r , Max: [Sammlung] Bd. 10. Z u r Russischen Revolution von 1905: Schriften und R e d e n 1 9 0 5 - 1 9 1 2 / hrsg. von Wolfgang J. M o m m s e n in Z u s a m m e n a r b e i t mit Dittmar D a h l m a n n . - 1989 ISBN 3-16-845378-1 G e w e b e ISBN 3-16-845380-3 Ldr. N E : M o m m s e n , Wolfgang J. [Hrsg.]
978-3-16-158129-8 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019
© 1989 J. C. B. M o h r (Paul Siebeck) Tübingen. D a s Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. J e d e Verwertung außerhalb der engen G r e n z e n des Urheberrechtsgesetzes ist o h n e Zustimmung des Verlags unzulässig. D a s gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Satz und D r u c k : Guide-Druck G m b H , Tübingen. Säurefreies Werkdruckpapier von Scheufeien, Lenningen. Bindung von Heinrich Koch, Tübingen. Einbandgestaltung von A l f r e d K r u g m a n n , Freiberg a. N. Printed in G e r m a n y .
Inhaltsverzeichnis i Vorwort Siglen, Zeichen, Abkürzungen Einleitung Anhang zur Einleitung: Chronologische Übersicht über die Ereignisse in Rußland Parteien und Verbände in Rußland 1905/1906
VII XI 1 55 61
I. Schriften Zur Lage der bürgerlichen Demokratie in Rußland Editorischer Bericht Anhang zum Editorischen Bericht: S. J. Giwago (S. I. Zivago), Rezension von: „Loi fondamentale de l'Empire Russe" Text
71
81 86
Rußlands Übergang zum Scheinkonstitutionalismus Editorischer Bericht Text
281 293
Inhalt
293
I. Die allgemeine Politik des Interimsministeriums II. Analyse der allgemeinpolitischen Gesetzgebung des Interimsministeriums III. IV. V. VI.
Die Vollendung der Bureaukratisierung der Selbstherrschaft . . Die „Konstitution" Analyse des Dumawahlrechts Die gesellschaftlichen und politischen Bedingungen des Wahlausfalles
295 320 401 414 445 486
VII. Analyse der Dumawahlen VIII. Nach den Wahlen
617 636
Sinnstörende Druckfehler Nachträge
680 681
Über Deutschland und das freie Rußland Editorischer Bericht Texte
685 689
O Germanii i svobodnoj Rossii Über die Erneuerung Rußlands
689 691
VI
Inhaltsverzeichnis
II. Berichte über Reden und Diskussionsbeiträge Zur Rede Alfred Hettners über „Das europäische Rußland. Volk, Staat und Kultur" Diskussionsbeitrag am 5. Juni 1905 in Heidelberg Editorischer Bericht
695
Bericht der Heidelberger Zeitung Bericht des Heidelberger Tageblatts
698 700
Zum 50jährigen Jubiläum der Heidelberger Russischen Lesehalle Rede am 20. D e z e m b e r 1912 in Heidelberg Editorischer Bericht
701
Bericht des Heidelberger Tageblatts
704
Bericht der Russkija Vedomosti
705
Personenverzeichnis Verzeichnis der von Max Weber zitierten Literatur Verzeichnis der von Max Weber zitierten Zeitungen und Zeitschriften Glossar Personenregister Sachregister Seitenkonkordanzen
707 739 754 760 773 787 835
Aufbau und Editionsregeln der Max Weber-Gesamtausgabe, Abteilung I: Schriften und Reden
848
Vorwort
Die beiden großen Abhandlungen zur Russischen Revolution von 1905 „Zur Lage der bürgerlichen Demokratie in Rußland" und „Rußlands Übergang zum Scheinkonstitutionalismus" haben im Rahmen des Gesamtwerks von Max Weber für lange Zeit eine Art von Schattendasein geführt. Sie sind erstmals 1906 als Beilage zum Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik erschienen, in einer äußerlich nicht eben ansprechenden und unübersichtlichen Form. Eine anfänglich von Seiten des Verlegers geplante Neuausgabe unterblieb, weil Max Weber vor einer dann notwendigen Neubearbeitung, bei welcher nach seiner Meinung die Sachinformationen auf den neuesten Stand hätten gebracht werden müssen, zurückschreckte. Erst Richard Pipes hat in einer Abhandlung über „Max Weber und Rußland" 1 im Jahre 1955 die Aufmerksamkeit der Forschung erneut auf diese sehr wichtigen Texte gelenkt. Auszüge aus diesen Abhandlungen wurden dann in die von Johannes Winckelmann besorgte zweite Auflage der Gesammelten Politischen Schriften aufgenommen. 2 In der vorliegenden Ausgabe werden diese Abhandlungen erstmals in einer übersichtlichen, auch äußerlich ansprechenden Form veröffentlicht. Damit wird nach mehr als einem halben Jahrhundert einem seinerzeit unerfüllt gebliebenen Wunsch Max Webers wenigstens posthum Genüge getan. Darüber hinaus werden in diesem Band erstmals eine frühe Stellungnahme Max Webers vom Juni 1905 zu den Ereignissen in Rußland, sowie eine Leserzuschrift an die russische liberale Tageszeitung Russkija Vedomosti aus dem Jahre 1909 und ein Bericht über die Rede Max Webers zum 50jährigen Jubiläum der Heidelberger Russischen Lesehalle aus dem Jahre 1912 veröffentlicht. Die beiden Abhandlungen „Zur Lage der bürgerlichen Demokratie in Rußland" und „Rußlands Übergang zum Scheinkonstitutionalismus" stellen wichtige Zeugnisse für die Entwicklung des politischen Denkens Max Webers dar; darüber hinaus enthalten sie zahlreiche Beobachtungen grundsätzlicher Art, die für die Interpretation seines Gesamtwerks von großer Bedeutung sind. 3 Diese von ihm selbst mit einigem Understatement als bloße „Chroniken" der revolutionären Vorgänge bezeichneten Abhandlungen, denen jeder wissenschaftliche Wert abgehe, ebenso wie die hier mitgeteilten kleineren Beiträge, dokumentieren Max Webers unvermindert 1 Pipes, Richard, Max Weber und Rußland, in: Außenpolitik, Band 6,1955, S. 6 2 7 - 6 3 9 . 2 GPS 2 , S. 3 0 - 6 5 und 6 6 - 1 0 8 . 3 Vgl. Mommsen, Max Weber 2 , S. 154ff.
VIII
Vorwort
intensives Interesse an Rußland bis in die letzten Jahre vor A u s b r u c h des Ersten Weltkrieges. Die A b h a n d l u n g e n „Rußlands Ü b e r g a n g zur S c h e i n d e m o k r a t i e " und „ D i e russische Revolution und der Friede" aus d e m Jahre 1917 sind h i n g e g e n bereits in Band 1/15 der M W G veröffentlicht w o r d e n , da sie die politischen Entwicklungen in Rußland ganz ü b e r w i e g e n d aus der Perspektive der d e u t s c h e n Politik w ä h r e n d des Ersten Weltkrieges behandeln. 4 Die historisch-kritische Bearbeitung der in d i e s e m Bande vereinigten A b h a n d l u n g e n über Rußland w u r d e durch die u n g e w ö h n l i c h
schlechte
Quellenlage erheblich erschwert. Von der umfänglichen K o r r e s p o n d e n z , die Max W e b e r mit zahlreichen russischen Wissenschaftlern und Politikern geführt hat, die ü b e r w i e g e n d der russischen konstitutionellen B e w e g u n g persönlich n a h e g e s t a n d e n haben, sind uns nur B r u c h s t ü c k e überliefert; w i e d e r h o l t e A n f r a g e n bei den zuständigen russischen A r c h i v b e h ö r d e n , unter Einschaltung auch der A k a d e m i e der W i s s e n s c h a f t e n der U d S S R und des A u s w ä r t i g e n A m t e s , mit der Bitte, uns Z u g a n g zu den einschlägigen A r c h i v e n und Bibliotheken zu gewähren, w u r d e n abschlägig b e s c h i e d e n , mit d e m Hinweis darauf, daß relevante A r c h i v b e s t ä n d e nicht überliefert seien. Ebenso e r w i e s e n sich die A k t e n der d e u t s c h e n Polizeibehörden, die die Aktivität v o n russischen Staatsangehörigen im Kaiserreich zu überwac h e n pflegten, im v o r l i e g e n d e n Fall als w e n i g ertragreich. D e n n o c h w u r d e hier alles z u s a m m e n g e t r a g e n , was an Informationen über die E n t s t e h u n g s g e s c h i c h t e der beiden A b h a n d l u n g e n „ Z u r Lage der bürgerlichen D e m o kratie in Rußland" und „Rußlands Ü b e r g a n g z u m Scheinkonstitutionalism u s " überliefert und zugänglich ist. Daraus ergibt sich, daß Max W e b e r diese, e n t g e g e n bisherigen V e r m u t u n g e n , in allem W e s e n t l i c h e n o h n e n e n n e n s w e r t e Unterstützung von russischer Seite verfaßt hat; nur für die Beschaffung des umfänglichen Materials dürfte er in g r ö ß e r e m U m f a n g Hilfe russischer Wissenschaftler in A n s p r u c h g e n o m m e n haben. Z u diesen gehörten anfänglich i n s b e s o n d e r e B o g d a n Kistjakovskij sowie v e r s c h i e d e n e uns nicht namentlich bekannte j ü n g e r e russische Wissenschaftler in Heidelberg, späterhin auch zahlreiche russische Sozialwissenschaftler. 5
Ohne
j e d e n Zweifel hat sich Max W e b e r 1905 in w e n i g e n W o c h e n so w e i t g e h e n d e Kenntnisse der russischen Sprache angeeignet, daß es ihm möglich war, auch o h n e f r e m d e Hilfe ein, wie im f o l g e n d e n im Detail n a c h g e w i e s e n wird, äußerst u m f a n g r e i c h e s z e i t g e n ö s s i s c h e s Material für seine Berichte auszuwerten.
4 Max Weber. Zur Politik im Weltkrieg. Schriften und Reden 1914-1918, hg. von Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Gangolf Hübinger. - Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1984, S. 2 3 6 - 2 6 0 und 2 8 9 - 2 9 7 . 5 Vgl. die Einleitung, unten, S. 15ff.
Vorwort
IX
Es wird hier darauf verzichtet, die Archive und Bibliotheken, die im Zuge der Sucharbeiten in Anspruch g e n o m m e n worden sind, vollständig aufzuführen. Doch sei ihnen allen dafür gedankt, daß sie ihre Bestände nicht nur bereitwillig zur Durchsicht freigegeben, sondern darüber hinaus in zahlreichen Fällen höchst detaillierte Anfragen beantwortet haben. Ausdrücklich genannt zu werden verdienen insbesondere die Universitätsbibliothek Helsinki, die Universitätsbibliothek Warschau, die Lenin-Bibliothek Moskau, die Library of Congress Washington, D.C., die Newspaper Library der British Library London, das Generallandesarchiv Karlsruhe, das Hauptstaatsarchiv Stuttgart, die Universitätsbibliothek Heidelberg, das Universitätsarchiv Heidelberg, die Bayerische Staatsbibliothek München, das Bundesarchiv Koblenz, das Zentrale Staatsarchiv der DDR in Merseburg, das Internationaal Instituut voor Sociale Geschiedenis Amsterdam sowie die Columbia University Archives New York. Gedankt sei fernerhin Dr. Max Weber-Schäfer, Konstanz, der uns wichtige, bisher unbekannte Korrespondenzen aus dem Nachlaß Max Webers zugänglich machte. Unser besonderer Dank gilt darüber hinaus all jenen, die uns mit ihrem fachkundigen Rat geholfen haben, insbesondere den Herren Prof. Dietrich Geyer, Prof. Johannes Weiß, Prof. Georg von Rauch, Prof. Erik Amburger, Priv. Doz. Dr. Heinz-Dietrich Löwe, Dr. Hannu Immonen und Frau Herta von Bubnoff. Ebenso sei Herrn Prof. Horst Baier für zahlreiche Hinweise hinsichtlich der Gestaltung des Sachkommentars gedankt. Darüber hinaus gilt unser Dank all jenen, die uns geduldig zahlreiche Anfragen beantwortet haben, aber hier nicht einzeln genannt werden können. Vor allem aber sei all jenen unser Dank zum Ausdruck gebracht, ohne deren finanzielle Unterstützung dieser Band, dessen Erstellung insgesamt mehr als sieben Jahre in Anspruch g e n o m m e n hat, nicht hätte zustande kommen können. Hier ist an erster Stelle die Deutsche Forschungsgemeinschaft zu nennen, daneben die Fritz Thyssen Stiftung und nicht zuletzt auch die Werner-Reimers-Stiftung (Bad Homburg), deren Direktor Herr K. von Krosigk die Arbeiten der Max Weber-Gesamtausgabe stets mit großem Wohlwollen begleitete. Unser Dank gilt weiterhin der Kommission für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und insbesondere ihrem Vorsitzenden Prof. Knut Borchardt, ferner Herrn Dr. Karl-Ludwig Ay und Frau Dr. Rita Aldenhoff von der Redaktion der MWG, denen wir zahlreiche Hinweise für eine optimale Textgestaltung verdanken. Des weiteren gilt unser Dank der Universität Düsseldorf, die die Arbeit der Arbeitsstelle der MWG mit Sachmitteln unterstützt und darüber hinaus die zeitweise schwierige Verwaltung der Drittmittel übernommen hat, sowie der Universitätsbibliothek Düsseldorf, deren Mitarbeiter sich bei der oft mühseligen Beschaffung der umfangreichen Literatur stets überaus hilfsbereit gezeigt haben. Unser besonderer Dank gilt jedoch den Mitarbei-
X
Vorwort
tern der Arbeitsstelle der Max W e b e r - G e s a m t a u s g a b e und des Historis c h e n S e m i n a r s der Universität Düsseldorf, i n s b e s o n d e r e Herrn Manfred Schön, der aufgrund seiner u m f a s s e n d e n Kenntnis des B r i e f w e r k e s Max W e b e r s zahlreiche wertvolle H i n w e i s e zu g e b e n v e r m o c h t e . Düsseldorf, im April 1989
Wolfgang J. M o m m s e n
Siglen, Zeichen, Abkürzungen
1
[ ] 3
V), )
1,2,3 A, B, C A (1), A (2), A (3) a, b, c a ... a, b . . . b AA
Seitenwechsel H i n z u f ü g u n g des Editors Indices bei A n m e r k u n g e n Max W e b e r s Indices bel A n m e r k u n g e n d e s Editors Siglen für W e b e r s Textfassungen In c h r o n o l o g i s c h e r Folge Siglen für parallel überlieferte Berichte v o n Reden oder Diskussionsbeiträgen Indices für Varianten oder textkritische A n m e r k u n g e n Beginn und Ende v o n Varlanten oder Texteingriffen
a.a.O. Ab.bl.
Auswärtiges Amt am a n g e g e b e n e n Ort Abendblatt, A b e n d a u s g a b e
Abg. Abs. Abt. A.D.R. a.E. AFLE AfSS Anm. a.o. Prof. Art., Artt. ASGS a. St. AT
Abgeordneter Absatz Abteilung Arbeiterdeputiertenrat am Ende Archlvio della Fondazlone Luigi Einaudi Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik Anmerkung außerordentlicher Professor Artikel Archiv für soziale G e s e t z g e b u n g und Statistik alter Stil Altes Testament
Aufl.
Auflage
Aug.
August
BA Bd. Bearb., bearb. betr. bez., bezw., bzw. BGB, B G B .
Bundesarchiv
Bl. BStB
Band Bearbeiter, bearbeitet betreffend, betrifft beziehungsweise Bürgerliches G e s e t z b u c h Blatt Bayerische Staatsbibliothek
ca. cf., cfr. CK
circa confer (vergleiche) Central'nyj komltet (Zentralkomitee)
das. dass.
daselbst dasselbe
XII
Siglen, Zeichen,
Abkürzungen
dergl., dgl. ders. Dessj., Deßj. Dez. d.h. Dr. dt. DV
dergleichen derselbe Dessjätine, Desjätlne, Desjatine Dezember das heißt Doktor deutsch Druckfehlerverzeichnis
ebd. ed. etc. eventl., evtl.
ebenda edition, edited et cetera eventuell
f., ff. Febr. Frhr. FZ
folgende Februar Freiherr Frankfurter Zeltung
g-.ggGLA GPS 1
god (Jahr), gody (Jahre) Generallandesarchiv Karlsruhe Weber, Max, Gesammelte Politische Schriften, hg. von Marianne Weber. - München: Drei Masken Verlag 19211. Weber, Max, Gesammelte Politische Schriften, hg. von Johannes Winckelmann. - Tübingen: J . C . B . Mohr (Paul Slebeck) 1958 2 , 19713, 1980 4 . Graf Gesammelte Werke
GPS 2 ' 3 Demokraticeskij Sojuz Konstitucionalistov. Fortschrittliche demokratische ParteiPolska progresywno demokratyczna Partia. Freisinnige Partei—* Sswobodomyssliaschtschie.
62
Parteien und Verbände
Gemäßigt-progressive Gruppe
der Arbeit
Handelsund Ssojus. Handels-
Partija.
Industriebund
Vserossijskij
Torgowo-Promyschljennyj
u n d / n d u s i r / e p a r t e / ' - ^ T o r g o w o - p r o m y s c h l j e n n a j a Partija.
Handwerkerpartei Kadetten^-
ParteiUmerenno-progressivnaja Trudowaja Gruppa.
Remeslennaja Partija.
K o n s t i t u c i o n n o - d e m o k r a t i c e s k a j a Partija.
Konstitucionno-demokraticeskaja Partija (Konstitutionell-demokratische Partei, offizieller N a m e : Partija Narodnoj S v o b o d y = Partei der Volksfreiheit; allgemein als Kadety/Kadetten bezeichnet). Gründung: 1 2 . - 1 8 . Okt. 1906. Zweiter Parteitag 5 . - 1 1 . Jan. 1906; trat für eine N e u o r d n u n g Rußlands nach w e s t l i c h e m Vorbild auf konstitutioneller G r u n d l a g e ein; mit 179 A b g e o r d n e t e n stärkste Partei in der Ersten Duma. Konstitucionno-monarchiceskaja partija rabocich (Konstitutionell-monarchische Arbeiterpartei). Entstand Ende des Jahres 1905 als G r ü n d u n g der —» Partija p r a w o w o w o porjadka (Partei der Rechtsordnung), schloß sich dann A n f a n g 1 9 0 6 d e m —» K o n s t i t u c i o n n o - m o n a r c h i c e s k i j pravovoj Sojuz (Konstitutionell-monarchischer Rechtsbund) an. A u g e n s c h e i n l i c h zerfiel die Partei im Laufe des Jahres 1906. Konstitucionno-monarchiceskij pravovoj Sojuz (Konstitutionell-monarchischer Rechtsbund). G r ü n d u n g : A n f a n g 1906. A b s p a l t u n g v o n der Partija p r a w o w o w o porjadka (Partei der R e c h t s o r d n u n g ) ; gemäßigt konservativer Wahlverein, der bereits 1 9 0 6 wieder zerfiel; die Mehrheit der Mitglieder schloß sich d e m - » Sojuz 17 Oktjabrja ( B u n d des 17. Oktober) an. Konstitutionell-demokratische Partija. Konstitutionell-monarchische ceskaja partija rabocich. Konstitutionell-monarchischer ceskij pravovoj Sojuz.
Partei —» K o n s t i t u c i o n n o - d e m o k r a t i c e s k a j a Arbeiterpartei
->
Konstitucionno-monarchi-
Rechtsbund
->
Konstitucionno-monarchi-
Krest'janskij Sojuz = Vserossijskij Krest'janskij Sojuz (Allrussischer Bauernbund). Entstand im F r ü h j a h r / S o m m e r 1905 als illegale Organisation, die mit der—» Partei der Sozialisten-Revolutionäre (PSR) v e r b u n d e n war; der B a u e r n b u n d veranstaltete Ende J u l i / A n f a n g A u g u s t und im N o v e m ber 1905 z w e i K o n g r e s s e in Moskau; aktiv an den bäuerlichen U n r u h e n v o m Herbst 1905 bis z u m Frühjahr 1906 beteiligt; verlor im Laufe des Jahres 1 9 0 6 seine politische B e d e u t u n g . Krest'janskij Sojuz pravovogo porjadka ( B a u e r n b u n d der R e c h t s o r d n u n g ) . Entstand Ende 1905 als G r ü n d u n g der Partija p r a w o w o w o porjadka (Partei der R e c h t s o r d n u n g ) , schloß sich A n f a n g 1 9 0 6 d e m Konstituc i o n n o - m o n a r c h i c e s k i j pravovoj Sojuz (Konstitutionell-monarchischer
63
Parteien und Verbände
Rechtsbund) an. Der B a u e r n b u n d tendierte im Laufe des Frühjahrs 1906 z u n e h m e n d zur politischen Linken, trennte sich im Mai v o n der Mutterpartei u n d löste sich v e r m u t l i c h im S o m m e r 1906 auf. Liga der Arbeite
Liga Truda.
Liga Truda (Liga der Arbeit). Entstand A n f a n g 1 9 0 6 in St. Petersburg; die Liga sollte alle Werktätigen Rußlands u m f a s s e n und verstand sich als deren überparteiliche Interessenorganisation; sie löste sich v e r m u t l i c h bereits im Laufe des Jahres 1906 w i e d e r auf. Monarchiceskaja
Partija
(Monarchistische Partei). G r ü n d u n g : März 1905.
V e r e i n i g u n g der Hocharistokratie und hoher Beamter; forderte das Fortb e s t e h e n der Selbstherrschaft des Zaren: P r o g r a m m im O k t o b e r 1905 veröffentlicht. Monarchistische Narodnaja
Partei—> Monarchiceskaja Partija.
Partija
(Volkspartei). G r ü n d u n g : Okt. 1905 in Kursk. Extrem
r e c h t s s t e h e n d e Partei der Aristokratie; ging 1907 im
Sojuz russkago
naroda (Verband des russischen Volkes) auf. Narodno-Socialisticeskaja
Partija
(Volkssozialistische Partei). G r ü n d u n g :
Frühjahr 1906. Die G r u p p e um die Zeitschrift „ R u s s k o e
Bogatstvo"
trennte sich im Frühjahr 1906 v o n d e r - » Partija Ssozialistov-Revoljuzionerow (Partei der Sozialisten-Revolutionäre); in der Ersten D u m a nicht vertreten; erste Parteikonferenz 1 6 . - 2 0 . April 1907; die Partei hörte nach der A u f l ö s u n g der Z w e i t e n D u m a (Juni 1907) faktisch auf zu bestehen. Narodnyj
Mir (Volksfriede). Im Januar/Februar 1 9 0 6 mit Hilfe des Innenmini-
steriums v o n Geistlichen g e g r ü n d e t e Bauernorganisation. Über die Mitgliederzahlen u n d die Dauer der Organisation konnte nichts ermittelt werden. Nationaldemokratische Nationale
ParteiStronnictwo
OrdnungsparteiNarodnaja
Obscestvo
Chorugvenoscev
narodowo-demokratyczne. Partija.
(Verband der Kirchenfahnenträger).
Grün-
d u n g : Ende Januar 1905 in Moskau. V o n der Priesterschaft organisierte, weit r e c h t s s t e h e n d e Organisation. Ökonomische Oktobristen
Fortschrittspartei-»
Progressivnaja Ekonomiceskaja Partija.
—> Sojuz 17 Oktjabrja.
Otetschestwjennyj
Ssojus;
Tl.:
Otecestvennyj
Sojuz
(Vaterländischer
Bund). G r ü n d u n g : April 1905. R e c h t s s t e h e n d e Organisation, die sich aus hohen B e a m t e n rekrutierte; nur geringe Mitgliederzahl; löste sich Ende 1 9 0 5 / A n f a n g 1906 auf. Partei der demokratischen Partei der friedlichen
Reform - » Partija D e m o k r a t i c e s k i c h Reform.
Erneuerung—>
Partei der Rechtsordnung
Partei der Sozialisten-Revolutionäre row.
Partija mirnawo obnowljenija.
Partija p r a w o w o w o porjadka. Partija S s o z i a l i s t o w - R e v o l j u z i o n e -
64
Parteien und
Verbände
Partei der Volksfreiheit —» Konstitucionno-demokraticeskaja Partija. Partija Demokraticeskich Reform (Partei der Demokratischen Reform). Gründung: Anfang 1906. Programm am 18. Jan. 1906 veröffentlicht; politisch zwischen dem —»Sojuz 17 Oktjabrja (Bund des 17. Oktober) und der Konstitucionno-demokraticeskaja Partija (Konstitutionell-demokratischen Partei) angesiedelt; in der Ersten Duma mit 4 Abgeordneten vertreten; 1907 Zusammenschluß mit d e r ^ > Partija mirnawo obnowljenija (Partei der friedlichen Erneuerung) zur Fraktion der Progressisten. Partija krest'jan ob-edinennych na pocve manifesta 17-go oktjabrja (Partei der auf dem Boden des Manifests vom 17. Oktober vereinigten Bauern). Gegründet Ende Januar 1906. Gemäßigt bäuerliche Partei, die sich anfangs dem Sojuz 17 Oktjabrja (Bund des 17. Oktober) anschloß, im März 1906 jedoch ein Wahlbündnis mit den Kadetten einging. Über das Fortbestehen der Partei nach den Wahlen zur Ersten Duma konnte nichts ermittelt werden. Partija mirnawo obnowljenija; Tl.: Partija mirnago obnovlenija (Partei der friedlichen Erneuerung). Gründung: Juli 1906. Bildung der Fraktion der friedlichen Erneuerung in der Duma aus dem linken Flügel des —» Sojuz 17 Oktjabrja (Bund des 17. Oktober) und dem rechten Flügel der —» Konstitucionno-Demokraticeskaja Partija (Konstitutionell-demokratische Partei); am 11. Aug. 1906 als Partei konstituiert; in der Ersten Duma mit 29 Abgeordneten vertreten. Partija narodnojsswobodyKonstitucionno-demokraticeskaja Partija. Partija prawowowo porjadka; Tl.: Partija pravovogo porjadka (Partei der Rechtsordnung). Gründung: 15. Nov. 1905 in St. Petersburg. Aus der Stadtduma von St. Petersburg hervorgegangen; konservative Partei, die am äußersten rechten Rand der bürgerlichen Parteien stand; löste sich 1907 wieder auf. Partija Ssozialistow-Revoljuzionerow; Tl.: Partija Socialistov-Revoljucionerov (PSR) (Partei der Sozialisten-Revolutionäre oder Partei der Sozialrevolutionäre). Gründung: Winter 1901/1902. An die Tradition der Narodniki anknüpfende sozialistische Partei; erster Parteitag Ende 1905/Anfang 1906; Boykott der Wahlen zur Ersten Duma. Polnische Sozialistische ParteiPolska Partia Socialistyczna. Polska Partia Socialistyczna (Polnische Sozialistische Partei). Gründung: 1892 in Paris. Forderte einen selbständigen polnischen Staat; von der Arbeiterschaft und der radikalen Intelligenz getragen; das Programm lehnte sich stark an das Erfurter Programm der deutschen Sozialdemokratie an; bis 1918 illegal. Polska progresywno demokratyczna Partia bzw. Stronnictwo Post§powo Demokratyczne (Fortschrittliche demokratische Partei). Gründung: Januar 1905. Abspaltung des Stronnictwo narodowo-demokratyczne;
65
Parteien und Verbände
linksliberale Partei, die einen A u t o n o m i e s t a t u s für Polen im R u s s i s c h e n Reich erstrebte. Progressiv-ökonomische Progressivnaja
ParteiProgressivnaja
Ekonomiceskaja
Ekonomiceskaja Partija.
Partija ( P r o g r e s s i v - Ö k o n o m i s c h e Partei).
G r ü n d u n g : 21. Okt. 1905. Von Vertretern des St. Petersburger Industriell e n v e r b a n d e s getragen; vertrat die Interessen der S c h w e r i n d u s t r i e ; ging für die Wahlen ein B ü n d n i s mit d e m
Sojuz 17 Oktjabrja (Bund des
17. Oktober) ein. Radikale
Partei-»
Radikal'naja
Radikal'naja Partija.
Partija
(Radikale Partei). G r ü n d u n g : Ende N o v e m b e r 1905.
G e m ä ß i g t - b ü r g e r l i c h e Partei, in der Ersten D u m a nicht vertreten. Rat des Vereinigten
Adels
Rechtsordnungspartei Remeslennaja
Partija
St. Petersburg.
Sovet o b - e d i n e n n a g o dvorjanstva.
—> Partija p r a w o w o w o porjadka. (Handwerkerpartei).
Kurzlebige
Gründung:
8. Febr.
Partei der St. Petersburger
1906
in
Handwerker-
schaft, die das Manifest des 17. Oktober als P r o g r a m m g r u n d l a g e nahm. Rossijskaja
Social-demokraticeskaja
Rabocaja
Partija (RSDRP) (Russische
Sozialdemokratische Arbeiterpartei). G r ü n d u n g : 1 . - 3 . März 1898. Spaltung der Partei in M e n ' s e v i k i und Bol'seviki auf d e m Parteitag 1903 ( L o n d o n ) ; W i e d e r v e r e i n i g u n g der Partei auf d e m Parteitag in S t o c k h o l m April 1906; endgültige Spaltung 1912; anfänglicher Boykott der D u m a w a h l e n ; auf d e m Parteitag 1906 a u f g e g e b e n ; im Juni 1 9 0 6 in der Ersten D u m a Konstituierung einer sozialdemokratischen Fraktion mit 16 A b g e ordneten. Russische
Einung
Russische
Sozialdemokratische
Russkoe sobranie. Arbeiterpartei-»
Rossijskaja S o c i a l - d e m o -
kraticeskaja Rabocaja Partija. Russkoe
sobranie
(Russische
Einung). G r ü n d u n g :
Okt./Nov.
1900
in
St. Petersburg. Offiziell seit A n f a n g 1901 g e n e h m i g t ; hochkonservative, antisemitische G r u p p i e r u n g ging Ende 1905 im Soedinennyj Komitee
komitet der
mit hauptsächlich adliger
Mitgliedschaft;
Sojuz russkich ljudej auf. konstitucionno-monarchiceskich
konstitutionell-monarchistischen
Dez. 1905. Z u s a m m e n s c h l u ß des
partij Parteien).
(Vereinigtes Gründung:
Sojuz 17 Oktjabrja (Bund des
17. Oktober), d e r ^ Progressivnaja Ekonomiceskaja Partija (Progressivö k o n o m i s c h e Partei), des -»• Vserossijskij
Torgowo-Promyschljennyj
Ssojus (Allrussischer Handels- und Industriebund), des - > Demokraticeskij Sojuz Konstitucionalistov (Demokratischer B u n d der Konstitutionalisten), des - » Sojuz mirnago obnovlenija ( B u n d der friedlichen Ern e u e r u n g ) und der Liga s k o r e j s e g o s o z y v a narodnych
predstavitelej
(Liga zur baldigen Einberufung der Volksvertreter) zu g e m e i n s a m e r Agitation.
66
Parteien und
Verbände
Sojuz 17 Oktjabrja (Bund des 17. Oktober, Oktobristen). Gründung: 10. bzw. 14. Nov. 1905. Gründungsaufrufe Moskau bzw. St. Petersburg; Erster Parteitag: 8.-12. Febr. 1906; konservative Partei, die den rechten Flügel der Zemstvobewegung und das Industriebürgertum umfaßte; in der Ersten Duma mit anfangs über 20, später mit 13 Abgeordneten vertreten. Sojuz mirnago obnovlenija (Bund der friedlichen Erneuerung). Gründung: Anfang 1906. Liberaler Wahlverein, der sich nach kurzer Zeit wieder auflöste. Sojuz russkago Naroda (Verband des russischen Volkes). Gründung: Nov. 1905. Der Verband absorbierte zur Jahreswende 1905/1906 die große Mehrheit der rechtsgerichteten Gruppen und wurde zur stärksten Gruppierung der politischen Rechten; antisemitisch ausgerichtet; die Kampfverbände der „Schwarzen Hundert" (cernye sotni) wurden von ihm organisiert; die Organisation zerfiel 1907. Sojuz russkich ljudej (Verband russischer Menschen). Gründung: Frühjahr 1905. Extrem rechte, antisemitische Organisation, die im Herbst 1905 zur Formierung von Kampfverbänden (druziny) gegen die Revolution aufrief. Sojuz Zemcev-Konstitucionalistov (Bund der Zemstvo-Konstitutionalisten). Gründung: 17.-20. Nov. 1903. Linker Flügel der Zemstvobewegung; löste sich im Oktober 1905 auf. SojuzZemlevladel'cevbzw. Sojuz zemel'nych sobstvennikov (Verband der Grundbesitzer). Gründung: 17.-20. Nov. 1905 in Moskau. Rechtsstehende Organisation des grundbesitzenden Adels. Der Verband, dessen Versuch, auch nicht-adlige Landbesitzer als Mitglieder zu gewinnen, scheiterte, verlor mit der Gründung des Sovet ob-edinnenago dvorjanstva (Rat des Vereinigten Adels) im Mai 1906 seine Bedeutung. Sovet ob-edinennago dvorjanstva (Rat des Vereinigten Adels). Gründung: 21.-28. Mai 1906 in St. Petersburg. Hochkonservative Vereinigung des großgrundbesitzenden Adels. Sozialdemokratische Partei —» Rossijskaja Social-demokraticeskaja Rabocaja Partija. Sozialrevolutionäre Partija Ssozialistow-Revoljuzionerow. Ssojus Osswoboshdjenija; Tl.: Sojuz Osvobozdenija (Befreiungsbund). Gründung: inoffiziell Juli 1902, offiziell 2.-5. Januar 1904. Linksliberale, teilweise im Exil operierende Organisation; bildete den linken Flügel der bürgerlichen Oppositionsbewegung. Ssojus Ssojusow; Tl.: Sojuz Sojuzov (Verband der Verbände). Gründung: 8./9. Mai 1905. Berufsständische Organisation vor allem der radikalen Intelligenz. Die einzelnen Verbände besaßen weitgehende Autonomie; teils sozialistisch, teils radikalliberal orientiert; der Verband verlor nach dem Oktoberstreik 1905 seine Bedeutung.
Parteien und Verbände
67
Sswobodomyssliaschtschie; Tl.: Partija Svobodomysljascich (Freisinnige Partei). Gründung: Mitte Nov. 1905. Gemäßigt nationalliberale Partei, in der Ersten Duma nicht vertreten. Stronnictwo narodowo-demokratyczne (Nationaldemokratische Partei). Gründung: 1897 in Kongreßpolen, 1905 in Galizien, 1909 im preußischen Teilgebiet. Nationalistische Partei; loyal gegenüber dem Zarismus; erstrebte Autonomiestatus für Kongreßpolen; in der Ersten Duma im Polnischen Koio organisiert. Torgowo-promyschljennaja Partija; Tl.: Torgovo-promyslennaja Partija (Handels- und Industriepartei). Gründung: 12. Nov. 1905 in Moskau. Rechter Flügel des Industriebürgertums um G. A. Krestovnikov; bildete für die Dumawahlen vom März 1906 ein Bündnis mit dem —» Sojuz 17 Oktjabrja (Bund des 17. Oktober); in der Ersten Duma mit einem Abgeordneten vertreten. Trudowaja Gruppa: Trudowiki; Tl.: Trudovaja Gruppa: Trudoviki (Gruppe der Arbeit). Gründung: Ende April 1906. Zusammenschluß von radikalen bäuerlichen Abgeordneten sowie Mitgliedern der Sozialdemokratie und der Sozialrevolutionäre, die den Boykottbeschluß ihrer Parteien nicht befolgt hatten; vertrat hauptsächlich die Interessen der Bauern; in der Ersten Duma anfangs 96, später 107 Abgeordnete; erster Parteitag 3 . - 7 . Okt. 1906. Umerenno-progressivnaja Partija (Gemäßigt-progressive Partei). Gründung: Oktober 1905. Getragen von einer Gruppe um den Moskauer Textilfabrikanten P. P. Rjabusinskij; linker Flügel des Industriebürgertums; ging Ende 1907 in d e r ^ > Partija mimawo obnowljenija (Partei der friedlichen Erneuerung) auf. Vaterländischer Bund—» Otetschestwjennyj Ssojus. Verband der GrundbesitzerSojuz Zemlevladel'cev. Verband der KirchenfahnenträgerObscestvo Chorugvenoscev. Verband der Verbände —»Ssojus Ssojusow. Verband des russischen VolkesSojuz russkago naroda. Verband russischer Menschen Sojuz russkich ljudej. Vereinigte konstitutionell-monarchische Parteien —» Soedinennyj komitet konstitucionno-monarchiceskich partij. Versammlung der russischen Leute Sojuz russkich ljudej. Volkssozialistische ParteiNarodno-socialisticeskaja Partija. Vserossijskij Torgowo-Promyschljennyj Ssojus; Tl.: Vserossijskij Torgovopromyslennyj Sojuz (Allrussischer Handels- und Industriebund). Gründung: 11. Nov. 1905 in St. Petersburg. Vertrat die Interessen mittlerer Unternehmer; suchte noch vor den Wahlen Anschluß an die — P r o g r e s sivnaja Ekonomiceskaja Partija (Progressiv-ökonomische Partei).
I. Schriften
ARCHIV FÜR
SOZIALWISSENSCHAFT UND
SOZIALPOLITIK NEUE
I
FOLGE DES
O
ARCHIVS FÜR SOZIALE GESETZGEBUNG UND STATISTIK ^ BEGRÜNDET VON
HEINRICH
BRAUN tf »
HERAUSGEGEBEN VON
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WERNER SOMBART
MAX WEBER
PROFESSOR IN BRESLAU
PROFESSOR IN HEIDELBERG UND
EDGAR JAFFE
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IN HEIDELBERG
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XXII. BAND
(DER NEUEN
F O L G E IV. B A N D )
I.
HEFT
BEILAGE:
ZUR BEURTEILUNG DER GEGENWÄRTIGEN POLITISCHEN ENTWICKLUNG RUSSLÄNDS
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von S. J. GIWAGO und MAX WEBER
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TÜBINGEN V E R L A G V O N J. C. B. MOHR (PAUL SIEBECK) 1906
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Zur Lage der bürgerlichen Demokratie in Rußland
Editorischer Bericht
Zur Entstehung Die russische Revolution v o n 1905 zog im übrigen Europa, i n s b e s o n d e r e im D e u t s c h e n Reich, große A u f m e r k s a m k e i t auf sich. V o n liberaler, konservativer und sozialistischer Seite w u r d e den revolutionären Ereignissen große Beachtung zuteil, eröffnete sich d o c h hier die Aussicht, daß Rußland sich w e s t l i c h e n verfassungspolitischen Verhältnissen annähern und seinen Ruf, das reaktionäre Schlußlicht in der europäischen Politik zu sein, abschütteln könne. Die d e u t s c h e Presse berichtete über den Verlauf der Revolution nur höchst lückenhaft. Dies gab Max W e b e r den Anstoß dazu, in kürzester Frist - vermutlich seit d e m Frühjahr 1905 - Russisch zu lernen, um anhand der Lektüre der russischen Presse die Ereignisse aus größerer Nähe v e r f o l g e n zu können. Innerhalb des z e i t g e n ö s s i s c h e n Schrifttums über die Revolution, das in diesen Monaten in Deutschland publiziert w u r d e , n i m m t seine A b h a n d l u n g „ Z u r Lage der bürgerlichen Demokratie in Rußland" einen h e r v o r r a g e n d e n Platz ein. Große B e d e u t u n g für Max W e b e r s Interesse an der inneren Entwicklung Rußlands k o m m t in d i e s e m Z u s a m m e n h a n g seiner persönlichen Bekanntschaft mit zahlreichen in Heidelberg l e b e n d e n russischen S t u d e n t e n und j ü n g e r e n Wissenschaftlern zu. Hier ist i n s b e s o n d e r e Bogdan Kistjakovskij zu n e n n e n , der bei Wilhelm W i n d e l b a n d in Straßburg und bei G e o r g S i m m e l in Berlin studiert und dort 1899 promoviert hatte. 1 Wie zahlreiche andere russische Gelehrte setzte Kistjakovskij, da ihm in Rußland eine Universitätslaufbahn v e r w e i g e r t w u r d e , seine Studien in Deutschland fort u n d immatrikulierte sich v o m S o m m e r s e m e s t e r 1901 bis z u m S o m m e r s e m e s t e r 1903 und im W i n t e r s e m e s t e r 1 9 0 5 / 0 6 in Heidelberg. 2 Hier hörte er vor allem bei d e m Staatsrechtler G e o r g Jellinek, mit d e m er bis zu d e s s e n T o d 1911 in
1 Heuman, Susan E., Bogdan Kistiakovskii and the Problem of Human Rights in the Russian Empire, 1899-1917. - Ann Arbor: University Microfilms 1977 [Ph. D. Dissertation, Columbia University 1977], S.22. Die Dissertation Kistjakovskijs war 1899 erschienen. Kistiakowski, Theodor, Gesellschaft und Einzelwesen. Eine methodologische Untersuchung. - Berlin: Otto Liebmann 1899. Bogdan Kistjakovskij benutzte in Deutschland die deutsche Übersetzung seines Vornamens Theodor. 2 Vgl. UA Heidelberg, Personalakte Th. von Kistiakowski.
72
Zur Lage der bürgerlichen
Demokratie
V e r b i n d u n g stand. 3 Z u m Kreis der russischen S t u d e n t e n und Wissenschaftler, die z u m e i s t in e n g e r B e z i e h u n g zur s o g e n a n n t e n russischen Lesehalle 4 standen, g e h ö r t e n auch Sergej I . Z i v a g o (Giwago), 5 Fedor Stepun, Nikolaj B u b n o v u n d Sergej I. G e s s e n ( H e s s e n ) , 6 der S o h n eines der H e r a u s g e b e r der Zeitschrift Pravo. Mit ihnen hat W e b e r , so steht zu v e r m u t e n , w ä h r e n d der Zeit der A b f a s s u n g seiner Rußlandaufsätze in e n g e r V e r b i n d u n g gestanden, o b w o h l sich dies mangels e n t s p r e c h e n d e r Überlieferung im einzelnen nicht n a c h z e i c h n e n läßt. Z u d e m korrespondierte er mit d e m polnis c h e n N a t i o n a l ö k o n o m e n Ladislaus v o n Bortkiewicz, der seit 1901 in Berlin lehrte, über die Probleme der Statistik in Rußland und d e n Idealismus der russischen „ e r k e n n t n i s t h e o r e t i s c h e n Politiker". 7 Den Anstoß zur A b f a s s u n g der f o l g e n d e n A b h a n d l u n g gab der Verfass u n g s e n t w u r f 8 des Sojuz O s v o b o z d e n i j a (Befreiungsbund), der im März 1905 in russischer und im A u g u s t 1905 in französischer Fassung 9 erschienen war. M ö g l i c h e r w e i s e hat Max W e b e r selbst eine B e s p r e c h u n g d i e s e s Entwurfs im Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik durch S. I. Zivago (S. J. Giwago) veranlaßt, einen j ü n g e r e n russischen Wissenschaftler, der seine Studien in Heidelberg nach der Promotion fortsetzte und der mit Bogdan Kistjakovskij und Fedor S t e p u n eng befreundet war. 1 0 Zivagos Rezension behandelte in knapper Form die G r u n d g e d a n k e n dieses Verfass u n g s e n t w u r f s , der Rußland zu einer konstitutionellen Monarchie umgestalten wollte, enthielt sich j e d o c h s o w o h l einer Einordnung des Entwurfs in die w e s t e u r o p ä i s c h e V e r f a s s u n g s e n t w i c k l u n g als auch einer e i n g e h e n d e n Darstellung seiner Entstehung. 1 1 Vermutlich hielt Max W e b e r es auch deshalb für g e b o t e n , dieser B e s p r e c h u n g eine S t e l l u n g n a h m e aus seiner Feder b e i z u g e b e n . In dieser v e r w i e s er des öfteren auf die „ v o r s t e h e n d e n , uns in liebenswürdiger W e i s e zur V e r f ü g u n g gestellten D a r l e g u n g e n " Z i v a g o s . 1 2 3 Siehe dazu d e n Briefwechsel Kistjakovskij/Jellinek im Nachlaß Georg Jelllnek, BA Koblenz, Nr. 13. 4 Siehe Einleitung, S. 5ff. 5 UA Heidelberg, Personalakte S. J. Giwago ( = Sergej Zivago). 6 UA Heidelberg, Personalakte S . J . H e s s e n ( = Sergej G e s s e n ) , s o w i e Personalverzeichnis der Universität Heidelberg W S 1 9 0 5 / 0 6 . 7 Brief an Ladislaus v o n Bortkiewicz v o m 12. März 1906, Abschrift Marianne W e b e r (masch.), Z S t A M e r s e b u r g , R e p . 9 2 , NI. Max Weber, Nr. 30, Bd. 4, Bl. 155f. 8 Siehe Einleitung, S. 7f. 9 Loi f o n d a m e n t a l e de L ' E m p i r e Russe. Projet d ' u n e Constitution Russe élaboré par un g r o u p e de la Ligue de l ' A f f r a n c h i s s e m e n t . - Paris: Société Nouvelle de Librairie et d'Édition 1905. O s n o v n o j g o s u d a r s t v e n n o j zakon Rossijskoj Imperii. Materialy po vyrabotke Russkoj konstitucii. Vyp. I: Proekt, vyrabotannyi gruppoj clenov .Sojuza O s v o b o z d e n i ja'. - Paris: Société Nouvelle de Librairie et d'Édition 1905. 10 Siehe dazu G L A Karlsruhe, 2 3 5 / 4 7 7 . 11 Die B e s p r e c h u n g Zivagos (Giwago) ist im A n h a n g zu d i e s e m Editorischen Bericht, unten, S. 81 - 8 5 , abgedruckt. 12 Weber, Zur Lage der bürgerlichen Demokratie, in d i e s e m Band, S. 86, 109, 127 und 129.
Editorischer
Bericht
73
Ausgehend von dem Verfassungsentwurf des Sojuz Osvobozdenija, auf den Weber sich mehrmals direkt bezieht, wuchs sich seine Abhandlung „Zur Lage der bürgerlichen Demokratie in Rußland" zu einer umfassenden Darstellung der politischen Strömungen in Rußland vor und während des Jahres 1905 aus. Besonderes Gewicht wurde darin auf die Geschichte des Sojuz Osvobozdenija gelegt, in dessen Namen dieser Verfassungsentwurf publiziert worden ist, sowie auf die Geschichte des sogenannten Zemstvo-Liberalismus, aus dessen Reihen die Verfasser dieses Entwurfs, die Staatsrechtler F. F. Kokoskin und S. Kotljarevskij, 1 3 hervorgegangen waren. Weber wurde bei der Abfassung des Artikels von Bogdan Kistjakovskij unterstützt, 1 4 mit dem ihn auch in den folgenden Jahren eine freundschaftliche Beziehung verband. 1 5 Über den Anteil Kistjakovskijs an der Abhandlung läßt sich nach dem Stande unseres Wissens jedoch leider nichts Genaues sagen. 1 6 Weber berichtet selbst, daß er „unter Beiseitesetzung aller Rücksichten" eine „schonungslose Plünderung der Sach- und Personenkenntnis des Herrn Dr. Th. Kistiakowski" vorgenommen habe. 1 7 Durch Vermittlung Kistjakovskijs, der mit zahlreichen jüngeren russischen Ökonomen und Rechtswissenschaftlern, so u.a. mit P. I. Novgorodcev, P. B. Struve, N. S. Bulgakov, N. A. Berdjaev und S. L. Frank in Kontakt stand 1 8 - sie alle gehörten zum Sojuz Osvobozdenija oder standen ihm n a h e - , ist es Weber vermutlich gelungen, einige dieser russischen Wissenschaftler dazu zu gewinnen, ihm bei der Abfassung seiner Abhandlung zusätzliche Informationen zugänglich zu machen. Dies läßt sich einem Brief Edgar Jaffés an Paul Siebeck entnehmen, in dem Jaffé darum bittet, Max Weber 70 Sonderdrucke seiner Abhandlung zu übersenden, von denen „ 2 0 - 3 0 durch einen Freund Webers in Rußland an beteiligte Professoren, Zeitungen und Zeit13 Szeftel, Marc, T h e Russian Constitution of April 23, 1906. Politicai Institutions of the D u m a Monarchy. - Bruxelles: Les Éditions de la Librairie Encyclopédique 1976, S. 28ff. 14 W e b e r , Zur Lage der bürgerlichen Demokratie, A n m . 1, in diesem Band, S. 86. 15 Brief an Marianne W e b e r v o m März 1910. Datierung v o n der Hand Marianne Webers, Bestand Max Weber-Schäfer, Privatbesitz. 16 A u s der K o r r e s p o n d e n z z w i s c h e n Weber und Kistjakovskij Ist nur ein Brief Kistjakovskijs an Max Weber v o m 6./19. Mai 1906, Bestand Max Weber-Schäfer, Privatbesitz, überliefert; er ist in der Einleitung zu großen Teilen zitiert. Vgl. Einleitung, oben, S. 15ff. Die Einsicht in den Nachlaß Kistjakovskij, der sich Im Staatlichen Historischen M u s e u m (Gosudarstvennyj istoriceskij muzej), Moskau, Fonds 108, sowie Im Zentralen Staatlichen Historischen Archiv der Ukrainischen SSR, Kiev, Fonds 263, befindet, w u r d e trotz wiederholter B e m ü h u n g e n des Herausgebers nicht gewährt. Nach Auskunft der Staatlichen Archivverwaltung der U d S S R befinden sich dort keine relevanten Materialien. 17 W e b e r , Zur Lage der bürgerlichen Demokratie, A n m . 1, In diesem Band, S. 86. Kistjakovskij verließ Ende A u g u s t oder Anfang S e p t e m b e r 1905 Deutschland. Brief Bogdan Kistjakovskijs an G e o r g Jellinek v o m 4. Aug. 1905, BA Koblenz, NI. Jellinek, Nr. 13. 18 Heuman, Klstiakovskil, S. 24ff. (wie oben, A n m . 1 ).
74
Zur Lage der bürgerlichen
Demokratie
schritten verteilt" werden sollten. 19 Dieser „ Freund" dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit Bogdan Kistjakovskij gewesen sein. Es konnte jedoch nicht ermittelt werden, um welche Personen es sich handelte und in wie starkem Maße sie an der Weberschen Arbeit Anteil genommen haben. Weber hat seine Abhandlung als eine „ .journalistische Arbeit' (in Gänsefüßchen)" 2 0 verstanden und sie im Sinne einer Chronik der laufenden Ereignisse, allerdings unter beständigem Rückgriff auf die Geschichte der liberalen Bewegung Rußlands, geschrieben. Er selbst beurteilte sie gegenüber Lujo Brentano mit erheblicher Zurückhaltung: „Mein Rußland-Artikel ist aber nur ganz provisorische Arbeit, sicher nicht frei von Einzelirrtümern, da die Quellen allzu lückenhaft waren und die Sprache, die ich erst gelernt habe und vorerst nur lesen, nicht sprechen kann, mir Mühe machte." 2 1 Davon abgesehen betonte er wiederholt die Lückenhaftigkeit des ihm zugänglichen Materials; ja mehr noch, er sprach davon, daß seine Darlegungen raschem Veralten unterworfen seien. 22 Das Material, das er für den Artikel benutzte, fand Weber hauptsächlich in der „Heidelberger russischen Lesehalle". Im wesentlichen handelte es sich um russische Tageszeitungen und Zeitschriften, insbesondere um Russkija Vedomosti, Rus', NasaZizn' und Pravo, die der liberalen Bewegung nahestanden, sowie um die von Petr Struve im Ausland herausgegebene Zeitschrift Osvobozdenie. Darüber hinaus hat Weber auch die Blätter der russischen sozialdemokratischen Bewegung benutzt, wie Plechanovs Dnevnik Social-demokrata, das menschewistische Nacalo, die bolschewistische Novaja Zizn' und die Iskra, sowie den Syn otecestva, der ab November 1905 zum Parteiorgan der Partei der Sozialrevolutionäre wurde. Gleichzeitig zog er jedoch auch die Blätter der reaktionären Rechten wie den Grazdanin des Fürsten Mescerskij und die Moskovskija Vedomosti von Gringmut heran. Aus einem ursprünglich eng begrenzten Projekt Max Webers, der Rezension S.I.Zivagos (Giwago) einige ergänzende Bemerkungen hinzuzufügen, ist dann schließlich die nachstehende umfangreiche Abhandlung hervorgegangen. Dies wird in einem Brief von Marianne Weber an Sophie 19 Brief Edgar Jaffes an Paul Siebeck vom 21 .Jan. 1906, VA Mohr/Siebeck, Tübingen. 20 „.journalistisch 1 (in Gänsefüßchen), wiesie ist", nannte Weber seine Abhandlung (vgl. in diesem Band, S. 86). In analogem Sinne schrieb er im Januar 1906 an den Verleger Paul Siebeck: „An wissenschaftliche Zeltschriften bitte ich Sie die Beilage keinesfalls zu verschicken. Das erweckt die Vorstellung, als handle es sich um eine Leistung, die wissenschaftliche Ansprüche erhebt. Das ist sie eben nicht, sondern Materialsammlung und populäre Information." Postkarte an Paul Slebeck vom 26. Jan. 1906, VA Mohr/ Siebeck, Deponat BStB München, Ana446. 21 Brief an Lujo Brentano vom 28. Febr. 1906, BA Koblenz, Nl. Lujo Brentano, Nr. 67. 22 Weber, Zur Lage der bürgerlichen Demokratie, In diesem Band, S. 274; vgl. auch den Brief Max Webers an Paul Siebeck vom 26. Nov. 1905, VA Mohr/Slebeck, Deponat BStB München, Ana446.
Editorischer
Bericht
75
Rickert bezeugt, in d e m es heißt: „ M a x geht es noch i m m e r befriedigend und er korrigiert und schimpft über seinen russischen Aufsatz, der sich aus einer . A n m e r k u n g ' , als w e l c h e r er ursprünglich geplant war, zu 7 B o g e n e n g e m Druck a u s g e w a c h s e n h a t . " 2 3 Darüber hinaus geht dies auch aus e i n e m ersten Titelvorschlag hervor, den der Mitherausgeber des „ A r c h i v s " , Edgar Jaffe, d e m Verleger Paul S i e b e c k Anfang D e z e m b e r 1905 unterbreitete. Danach sollte W e b e r s A b h a n d l u n g ursprünglich unter der Überschrift „Zusätzliche B e m e r k u n g e n über die d e m o k r a t i s c h e B e w e g u n g in Rußland" veröffentlicht w e r d e n . 2 4 Max W e b e r machte Mitte Januar 1906 den Vorschlag, den Titel des Heftes wie üblich zu gestalten und nur auf der Titelseite unten die Worte b e i z u f ü g e n : „ E r g ä n z u n g zu Heft XX,1: Z u r politischen B e w e g u n g in Rußland, von S . J . G i w a g o und Max W e b e r . " 2 5 Einige Tage später schlug er für eine Voranzeige den Titel vor: „ G i w a g o und W e b e r , Z u r Beurteilung der russischen liberalen B e w e g u n g " , fuhr dann j e d o c h fort, daß er die „ S o r g e " darüber, wie in d i e s e m Punkt zu verfahren sei, s e i n e m Verleger Paul S i e b e c k überlasse, der „dies am b e s t e n " w i s s e . 2 6 Die U m schlagentwürfe für das Beiheft, die von Edgar Jaffe und Paul S i e b e c k g e m a c h t w u r d e n und aus d e n e n sich die endgültige Titelgestaltung rekonstruieren ließe, sind leider nicht m e h r v o r h a n d e n . Die A b h a n d l u n g W e b e r s erschien schließlich g e m e i n s a m mit der Rezension Zivagos als Beiheft zu Heft 1 des 22. Bandes d e s Archivs für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik. Dieses trug den Titel „ Z u r Beurteilung der g e g e n w ä r t i g e n politischen Entwicklung R u ß l a n d s " . Unter d i e s e m Titel w u r d e für die A b h a n d l u n g auch v o m Verlag g e w o r b e n . Der Beitrag Max W e b e r s selbst erhielt jedoch den Titel: „ Z u r Lage der bürgerlichen Demokratie in Rußland". Paul S i e b e c k hatte W e b e r zugesichert, das Beiheft „ w i e jede andere N e u i g k e i t " seines Verlages a n z u z e i g e n , u m für eine möglichst weite Verbreitung zu s o r g e n . 2 7 Max W e b e r hatte d e m Verleger Paul S i e b e c k bereits in e i n e m Brief v o m 26. N o v e m b e r mitgeteilt, 2 8 daß er seine A b h a n d l u n g als „ein Präsent für das A r c h i v " , als einen „ballon d ' e s s a i " , betrachte. Er verzichtete deshalb auf sein Honorar und bestand darauf, daß die A b h a n d l u n g auf seine Kosten g e d r u c k t w e r d e n solle. Von derartigen „sozialpolitischen B e r i c h t e n " , die
23 Marianne Weber an Sophie Rickert, undat. [Jan. 1906], Privatbesitz; ähnlich in einem Brief Marianne Webers an Helene Weber vom 21. Dez. 1905, Bestand Max Weber-Schäfer, Privatbesitz; vgl. auch, Weber, Marianne, Lebensbild 1 , S. 342. 24 Brief Edgar Jaffes an Paul Siebeck vom 8. Dez. 1905, VA Mohr/Siebeck, Tübingen. 25 Brief Max Webers an Paul Siebeck vom 17. Jan. 1906, VA Mohr/Siebeck, Deponat BStB München, Ana 446. 26 Postkarte Max Webers an Paul Siebeck, undat. [Postst.22. Jan. 1906], VA Mohr/ Siebeck, Deponat BStB München, Ana 446. 27 Brief Paul Siebecks an Max Weber vom 24. Jan. 1906, VA Mohr/Siebeck, Deponat BStB München, Ana 446. 28 Brief Max Webers an Paul Siebeck vom 26. Nov. 1905 (wie oben, Anm. 22).
76
Zur Lage der bürgerlichen
Demokratie
aktuelle Ereignisse in den wichtigsten Ländern aufgreifen sollten, erhoffte er sich u.a. auch eine E r h ö h u n g der Auflage des „ A r c h i v s " . 2 9 Wie W e b e r S i e b e c k Mitte Januar 1906 mitteilte, betrachtete er dieses Beilageheft als „ R e k l a m e " für das Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik; es sei durchaus geeignet, n e u e A b o n n e n t e n für die Zeitschrift zu w e r b e n . 3 0 Im D e z e m b e r 1905 machte Edgar Jaffe den Vorschlag, die A b h a n d l u n g nicht im „ A r c h i v " , s o n d e r n als Separatausgabe h e r a u s z u g e b e n .
Jaffe
schrieb: „ M e i n e s E r m e s s e n s w ü r d e sich dieser Aufsatz ganz vorzüglich eignen als Separatabdruck h e r a u s g e g e b e n zu w e r d e n . W e b e r ist vielleicht der einzige M e n s c h in Deutschland, der sich aus eigener Kenntnis der russischen Sprache, mit dieser n e u e s t e n Entwicklung beschäftigt hat und hier z u m ersten Mal einen klaren Überblick über diese uns gänzlich u n b e kannten Verhältnisse g i b t . " 3 1 D i e s e m Vorschlag s t i m m t e S i e b e c k sofort zu, 3 2 j e d o c h lehnte W e b e r dies ab und bestand auf einer Veröffentlichung im „ A r c h i v " , 3 3 weil er auf diese Weise ein breiteres Publikum zu erreichen hoffte. Es steht zu v e r m u t e n , daß er damit eine unmittelbarere W i r k u n g auf öffentliche M e i n u n g erzielen wollte. D a n e b e n dürfte vermutlich das Motiv eine Rolle gespielt haben, daß eine Separatausgabe nicht in g l e i c h e m Maße eilbedürftig g e w e s e n wäre und eine Überarbeitung des Manuskripts erfordert hätte. Vor dieser a u f w e n d i g e n zusätzlichen Arbeit s c h e u t e W e b e r augenscheinlich zurück. A u c h späterhin blieb er bei s e i n e m Standpunkt und lehnte eine eigenständige Veröffentlichung seiner beiden Rußlandschriften ab. 3 4 Da bis Mitte D e z e m b e r noch nicht a b z u s e h e n war, daß die A b h a n d l u n g einen so g r o ß e n Umfang a n n e h m e n w ü r d e , e r w o g Siebeck, die „Zusätzlichen B e m e r k u n g e n " , sofern sie nur „ k u r z g e n u g " seien, „an den n e u e n Prospekt des A r c h i v s a n z u d r u c k e n und so zur Reklame zu v e r w e n d e n . " 3 5 Der Plan, die A b h a n d l u n g als Beiheft erscheinen zu lassen, geht w o h l im w e s e n t l i c h e n auf W e b e r selbst zurück. Edgar Jaffe stimmte d i e s e m erst nach e i n i g e m Z ö g e r n zu. Z u M e i n u n g s v e r s c h i e d e n h e i t e n z w i s c h e n beiden kam es jedoch über die Frage der Gestaltung des Umschlagblattes dieses Beiheftes. Max W e b e r wollte den Titel der Beilage an h e r v o r g e h o b e n e r 29 Ebd. 30 Brief Max Webers an Paul Siebeck vom 17. Jan. 1906 (wie oben, Anm. 25). 31 Brief Edgar Jaffes an Paul Siebeck vom 8. Dez. 1905, VA Mohr/Siebeck, Tübingen. 32 Brief Paul Siebecks an Edgar Jaffe vom 13. Dez. 1905, ebd. 33 Briefe Max Webers an Paul Slebeck vom 14. und 31. Jan.1906, sowie Brief Paul Siebecks an Max Weber vom 28. Jan. 1906, VA Mohr/Siebeck, Deponat BStB München, Ana 446. 34 Briefe Paul Siebecks an Max Weber vom 28. Dez. 1906 und 17. Jan. 1907 und Briefe Max Webers an Paul Siebeck vom 14. Jan., 31. Jan. und 24. März 1907, VA Mohr/Siebeck, Deponat BStB München, Ana 446. 35 Brief Paul Siebecks an Edgar Jaffe vom 13. Dez. 1905, VA Mohr/Siebeck, Tübingen.
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Bericht
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Stelle und deutlich gekennzeichnet gedruckt wissen, was Jaffe augenscheinlich ablehnte, der sich mit seinen Vorstellungen schließlich durchsetzte. 36 Beide plädierten jedoch gleichermaßen dafür, dieses „Ergänzungsheft" den Abonnenten gratis zukommen zu lassen. 37 Dieser Gratisausgabe stimmte Paul Siebeck, der darin einen möglichen Präzedenzfall sah, nur zögernd zu. 38 Ebenso trug er einem weiteren Wunsche Max Webers Rechnung, der daran interessiert war, daß das Beiheft im freien Verkauf den nötigen Absatz fand, und vorgeschlagen hatte, es zu einem möglichst niedrigen Preis, der 2 Mark nicht übersteigen sollte, abzugeben. 39 Ein erstes Manuskript sandte Weber am 26. November 1905 an den Verleger Paul Siebeck, 40 der es am 1. Dezember in Satz gab. 41 Bereits bei der Übersendung des Manuskriptes wies Weber darauf hin, daß während der Korrektur noch Ergänzungen vorgenommen werden müßten, damit die Abhandlung nicht ganz veralte. 42 Da die Druckerei sich augenscheinlich nicht in der Lage sah, das handschriftliche Manuskript zu setzen, forderte Weber es zurück und diktierte es im Dezember in die Maschine. 43 Das nunmehr neugeschriebene Manuskript ging Ende Dezember 1905 erneut an die Druckerei, 44 und noch während des Satzes hat Weber die Darstellung
36 Vgl. den Brief Edgar Jaffes an Paul Siebeck vom 21. Juli 1906, ebd. 37 Brief Edgar Jaffes an Paul Siebeck vom 14. Jan. 1906, VA Mohr/Siebeck, Tübingen. Vgl. auch die Briefe Max Webers an Paul Siebeck vom 17. und undat. [18. Jan.] 1906, VA Mohr/Slebeck, Deponat BStB München, Ana 446. 38 Briefe Paul Slebecks an Edgar Jaffe vom 16. und 20. Jan. 1906, VA Mohr/Siebeck, Tübingen, sowie an Max Weber vom 20. Jan. 1906, VA Mohr/Siebeck, Deponat BStB München, Ana 446. 39 Brief Paul Slebecks an Edgar Jaffe vom 19. Jan. 1906 und Brief Edgar Jaffes an Paul Siebeck vom 24. Jan. 1906, VA Mohr/Siebeck, Tübingen. Der endgültige Verkaufspreis des Beiheftes betrug für Nicht-Abonnenten 1,60 Mark. 40 Brief an Paul Slebeck vom 26. Nov. 1905 (wie oben, Anm. 22). 41 Brief Paul Siebecks an Firma Lippert vom 1. Dez. 1905, VA Mohr/Slebeck, Tübingen. 42 Brief an Paul Siebeck vom 26. Nov. 1905 (wie oben, Anm. 22). 43 Brief Edgar Jaffes an Paul Siebeck vom 20. Dez. 1905, VA Mohr/Siebeck, Tübingen. Dort hieß es: „Den zweiten (Russland)" - bei dem „ersten" Artikel handelt es sich um den Aufsatz: Kritische Studien auf dem Gebiet der kulturwissenschaftlichen Logik, in: AfSS, Band 22,1906, S. 1 4 3 - 2 0 7 (MWG I/7); Weber hat also das gesamte Manuskript zurückgefordert- „hat Prof. Weber zurückkommen lassen und dlctiert ihn jetzt in die Schreibmaschine (es war aber auch notwendig!!)." Vgl. dazu auch den Brief Max Webers an Willy Hellpach vom 7. Dez. 1905, ZStA Merseburg, Rep.92, Nl. Max Weber, Nr. 17. Am 21. Dez. 1905 schrieb Marianne Weber an Helene Weber: „ [ . . . ] er diktiert jetzt noch täglich daran in die Schreibmaschine und wird wohl erst gerade zum Fest damit fertig werden." Bestand Max Weber-Schäfer, Privatbesitz. Vgl. auch den Brief Marianne Webers an Helene Weber vom 28. Dez. 1905, ebd. 44 Brief der Firma Lippert an Paul Slebeck vom 2. Jan. 1906, VA Mohr/Slebeck, Tübingen.
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Demokratie
bis in die ersten Januartage hinein erweitert. 45 Die letzten Korrekturen gingen am 29. Januar an die Druckerei. 46 Die Drucklegung der Abhandlung brachte erhebliche Schwierigkeiten mit sich, und Weber war über die Arbeit der Druckerei zeitweilig äußerst verbittert. Insbesondere beklagte er sich über die seiner Ansicht nach zu langsamen Satzarbeiten der Druckerei und die zahlreichen Setzerfehler. Im März 1906 schrieb er darüber an seinen Verleger Paul Siebeck: „Die Vorgänge beim Druck meiner .Beilage' zum Januar-Heft des .Archiv' waren so, daß ich Herrn Dr. Jaffé erklärt habe, nicht mehr mitzuarbeiten, wenn mir dieses Maß von Verärgerung durch die Druckerei nicht erspart werden könne." 4 7 Zusätzlichen Ärger bereitete Weber, daß Jaffé als der verantwortliche Herausgeber des „Archivs" es sich vorbehielt, jeden Druckbogen zu imprimieren, obwohl dies zu zusätzlichen Verzögerungen führte. Der Artikel erschien mit einiger Verspätung am 6. Februar 190 6 4 8 in einer Gesamtauflage von 2000 Exemplaren. 1200 wurden als Beiheft dem Heft 1 des 22. Bandes angeheftet; die übrigen 800 Exemplare gelangten zum freien Verkauf 4 9
Zur Überlieferung
und
Edition
Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Abdruck folgt dem Erstdruck, der unter dem Titel: „Zur Lage der bürgerlichen Demokratie in Rußland" in der Beilage zum 1. Heft des 22. Bandes des Archivs für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, 1906, S. 234 (6) - S. 353 (125) erschienen ist (A). Die Abhandlung wurde in Rußland bereits unmittelbar nach ihrem Erscheinen bekannt. 1 Im Laufe des Jahres 1906 wurde eine russische Übersetzung unter dem Titel „Istoriceskij ocerk osvoboditel'nago dvizenija v Rossii i polozenie burzuaznoj demokratii" (Historischer Abriß der Befreiungsbewegung in Rußland und die Lage der bürgerlichen Demokratie) im Kiever Verlag 1.1. Cokolov publiziert. Über die Hintergründe und die Entstehung dieser Übersetzung ist nichts bekannt. Es entzieht sich auch unserer Kenntnis, ob die russische Fassung von Weber autorisiert worden ist.2 Im 45 Brief der Firma Lippert an Paul Siebeck vom 19. Jan. 1906, ebd. 46 Brief Paul Siebecks an Firma Lippert vom 29. Jan. 1906, VA Mohr/Siebeck, Tübingen. 47 Brief an Paul Siebeck vom 15. März 1906, VA Mohr/Siebeck, Deponat BStB München, Ana 446. Vgl. auch den Schriftwechsel Paul Siebecks mit der Druckerei Lippert in Naumburg, VA Mohr/Siebeck, Tübingen. 48 Vgl. Börsenblatt des deutschen Buchhandels, Nr. 30. Febr. 1906, S. 1357. 49 Briefe Paul Siebecks an Firma Lippert vom 23. Jan. und 3. Febr. 1906, VA Mohr/ Siebeck, Tübingen. 1 Siehe dazu Russkija Vedomosti, Nr. 42 vom 12. Febr. 1906, S. 2. 2 Im Verlagsarchiv Siebeck, Tübingen, konnten keine Hinweise über eine Autorisierung der Übersetzung durch den Verlag oder Weber selbst aufgefunden werden.
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Bericht
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G e g e n s a t z zur d e u t s c h e n Fassung ist die russische Ü b e r s e t z u n g in acht Kapitel gegliedert, ferner sind die A n m e r k u n g e n s e i t e n w e i s e und nicht fortlaufend gezählt. A n s o n s t e n weist sie j e d o c h kaum A b w e i c h u n g e n v o m Original auf. Die Ü b e r s e t z u n g s t a m m t v o n f r e m d e r Hand. Da sie offensichtlich von W e b e r nicht beeinflußt w u r d e und sich streng an die d e u t s c h e Fassung hält, wird sie hier vernachlässigt. Die Originalausgabe ist in einer Antiquaschrift gedruckt, w e l c h e die U m laute und ß bereits enthält, so daß sich eine Vereinheitlichung in d i e s e m Falle erübrigt. J e w e i l s auf der linken Seite des Originaltextes findet sich der Kolumnentitel „ L i t e r a t u r " . Dieser Kolumnentitel, den s c h o n Edgar Jaffe als „ S c h ö n h e i t s f e h l e r der S e p a r a t a u s g a b e " bezeichnete, geht auf eine irrtümliche A n w e i s u n g d e s Verlages z u r ü c k . 3 Er wird d e m g e m ä ß hier vernachlässigt. Die hier v e r w a n d t e n Kolumnentitel s t a m m e n v o m Herausgeber. Die B e s p r e c h u n g Zivagos (Giwago) und die A b h a n d l u n g W e b e r s sind in A zweifach paginiert. Einerseits w u r d e die Seitenzählung des betreffenden Bandes d e s „ A r c h i v s " weitergeführt, andererseits w u r d e zugleich in runden K l a m m e r n eine e i g e n e Seitenzählung für das Beiheft hinzugefügt. 4 Beide Z ä h l u n g e n w e r d e n in dieser A u s g a b e als Marginalie am Rande mitgeteilt. Die E m e n d a t i o n e n des Textes erfolgen im Einklang mit d e n Editionsprinzipien der Max W e b e r - G e s a m t a u s g a b e . Stillschweigend korrigiert w u r d e n offensichtliche Druckfehler wie z. B. .Beratnng' und .Kanditaturen'. In allen anderen Fällen w u r d e n die betreffenden Emendationen im textkritischen Apparat n a c h g e w i e s e n . Die v o n W e b e r benutzte Transliteration russischer Wörter ist im Text beibehalten w o r d e n und w u r d e nicht vereinheitlicht. Im Text erscheint beispielsweise der Name Tolstoj als Tolstoi oder Tolstoj; das russische N a m e n s e n d e -ij wird w e c h s e l w e i s e als i, als y oder als ij, das russische v als w und v w i e d e r g e g e b e n . Die Verzeichnisse und Register berücksichtigen sämtliche S c h r e i b w e i s e n und v e r z e i c h n e n , falls Mißverständnisse möglich sind, alle W o r t f o r m e n . Bei Setzerfehlern oder offensichtlichen V e r s e h e n W e b e r s sind die betreffenden russischen N a m e n o d e r Begriffe e m e n d i e r t ; die e n t s p r e c h e n d e n Emendationen sind im textkritis c h e n Apparat a u s g e w i e s e n . Im Erläuterungsapparat des H e r a u s g e b e r s ist die heute übliche wissenschaftliche Transliteration benutzt w o r d e n . Die Datierungen Max W e b e r s b e z i e h e n sich fast i m m e r auf den damals im Russischen Reich gültigen Julianischen Kalender, der im 19. J a h r h u n d e r t 12 und im 20. J a h r h u n d e r t 13 Tage hinter d e m Gregorianischen Kalender zurückblieb. Dieser Datierung schließt sich der S a c h k o m m e n t a r des Hera u s g e b e r s an. In Zweifelsfällen w e r d e n beide Daten a n g e g e b e n . In den
3 Brief Edgar Jaffes an Paul Siebeck vom 28. Jan. 1906, VA Mohr/Siebeck, Tübingen. 4 Dies geht auf eine Anweisung des Verlegers Paul Siebeck zurück. Vgl. Brief Paul Siebecks an Edgar Jaffe vom 22. Jan. 1906, VA Mohr/Siebeck, Tübingen.
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wenigen Fällen, in denen Max Weber ein Ereignis falsch datiert, ist dies im Sachkommentar richtiggestellt worden. Die inhaltlichen Querverweise Webers innerhalb des Textes werden entsprechend den Editionsprinzipien im Erläuterungsapparat nachgewiesen. Ist dies nicht möglich, z.B. wenn auf eine nicht existierende anderweitige Stelle verwiesen wird, so wird dies berichtigt. Sofern die Verweise Webers eindeutig sind (z.B. „Siehe hierzu A n m . 3 " ) , wird kein erneuter Nachweis geführt. Die Zählung der Fußnoten Webers wird unverändert beibehalten, obschon er seinerzeit zahlreiche mit Ziffern und Kleinbuchstaben indizierte Fußnoten in den bereits gesetzten Text eingeschoben hat. Die Fußnoten Webers sind fortlaufend gezählt, von einer Anpassung der Numerierung wird im Hinblick auf die zusätzlichen Fußnoten mit Ziffern und Kleinbuchstaben Abstand genommen.
Anhang zum Editorischen Bericht S. J. Giwago, Rezension von: Loi fondamentale de l'Empire Russe"
Loi fondamentale de l'Empire Russe. Projet d'une constitution russe élaboré par un groupe de la Ligue de l'Affranchissement (constitutionalistes-démocrates russes). Préface de Pierre Struve, Directeur de l'Oswobojdenie. Paris 1905. Société nouvelle de librairie et d'édition. XXXV, 139 p. D e r vorliegende Entwurf einer Verfassung für das russische Reich ist als wohlerwogenes Ergebnis langer und eifriger Vorarbeit zu betrachten, an der sich sowohl russische Vertreter der theoretischen Staatswissenschaften, wie auch M ä n n e r der Tat, die mitten im politischen Leben stehen, mit gleicher zielbewußter Hingebung beteiligt hatten. Wie die Verfasser in ihrer kurzgefaßten einleitenden Vorbemerkung (S. XXXI) selbst angeben, sind sie von der festen Überzeugung ausgegangen, daß für Rußland nicht einzelne Reformen in Frage k o m m e n , sondern nur eine durchgreifende R e f o r m des gesamten politischen Seins und Lebens berufen sein kann, dem unermeßlichen Elend russischer Zustände zu steuern und das russische Volk auf den Weg einer gesunden Entwicklung zu geleiten. Diese Neugestaltung soll auf der Basis des demokratischen Grundgedankens durchgeführt werden, wobei jedoch kein utopischer Staat geschaffen werden soll, sondern die neue Verfassung den geschichtlich gegebenen Besonderheiten des russischen nationalen Lebens Rechnung zu tragen hat, und die leitenden Ideen der nach Jahrhunderten zählenden politischen Erfahrung der westeuropäischen Staaten zu entnehmen sind. D e r Entwurf will Rußland nicht als demokratische Republik, sondern als konstitutionelle Monarchie - etwa nach belgischem Vorbild - wissen, und neben der Einführung des allgemeinen und direkten Wahlrechts soll in die zukünftige Verfassung des russischen Reiches auch das Zweikammersystem aufgenommen werden. Die im Entwurf vorgeschlagene Verfassung besteht aus I - L X X X Artikeln; dem Text der Verfassung ist noch der eines Wahlgesetzes (Art. I - X L V ) beigefügt. Die Verfasser des Entwurfes lassen den meisten Artikeln kurzgefaßte Erläuterungen folgen, um dann ihre leitenden politischen Grundsätze und Erwägungen noch in einem besonderen „Mémoire explicatif" (S. 80-139) zusammenzufassen und für ihre praktische Verwendbarkeit für das zu befreiende Rußland in die Schranken zu treten.
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Zur Lage der bürgerlichen
Demokratie
Da nun diese Grundsätze eben den politischen Einrichtungen des modernen konstitutionellen Staates entnommen sind, so ist man einer eingehenden Besprechung in dieser Beziehung so gut wie enthoben; auf die redaktionelle Fassung einzelner Artikel kommt es dabei gewiß nicht an. So seien darum in aller Kürze nur wenige Punkte hervorgehoben, welche entweder zu einigen Bedenken Anlaß geben können, oder von dem westeuropäischen Vorbild bemerkenswert abweichen. Will man dem Text des Verfassungsentwurfes folgen, so ist an erster Stelle zu erwähnen, daß die gegenseitigen Beziehungen der einzelnen Völkerschaften, welche das russische Reich umfaßt, kaum eine hinreichende Berücksichtigung gefunden zu haben scheinen. Mit Recht hält P. Struve den Verfassern des Entwurfes den Umstand entgegen, daß sie der „polnischen Frage" ganz aus dem Wege gegangen sind (Préface, S. XIVff.). Wir würden auch gerne eine genauere Präzisierung der Beziehungen zwischen dem russischen Reiche und dem Großfürstentum Finnland in einer kommenden russischen Verfassung begrüßt haben. Was der Entwurf in dieser Hinsicht enthält, geht nicht darüber hinaus, daß einerseits die Unzertrennlichkeit der Bande, welche die beiden Länder zu einem nach außen vollständig einheitlichen Gebilde verbinden, behauptet wird, andererseits für die inneren Angelegenheiten dem Großfürstentum Finnland eine ebenso vollständige Unabhängigkeit auf der Basis eigener Verfassung gewährleistet sein soll. Die rechtlichen Beziehungen des Reiches zum Großfürstentum können nicht anders modifiziert werden, als mit Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaften beider Länder (Art. V). Aus diesen wenigen Bestimmungen geht eine endgültige Entscheidung der „finnländischen Frage" eigentlich kaum hervor. Wird aber der Art. V in dem Sinne ausgelegt, daß diese Entscheidung einem Kompromiß zwischen den beiden vorerwähnten gesetzgebenden Körperschaften vorbehalten sein soll, so ist damit die Frage auf den so verhängnisvollen Boden des Vertrages gestellt. Gerade die Erfahrungen, welche man in den westeuropäischen Staatenverbindungen gemacht zu haben scheint, sollten als mahnendes Beispiel dienen, um vor einem derartigen Versuche zu warnen, der nicht nur endlose Reibereien, sondern auch ernste politische Verwicklungen, sowie Hader und Zwist zeitigen könnte. So weitherzig und selbstlos die Bestimmungen des Entwurfes in Beziehung auf Finnland lauten, so müßte, und zwar im Interesse Finnlands selbst, als des bei weitem schwächeren Teils, - vielleicht doch eine andere Grundlage für die Entscheidung der „finnländischen Frage" gefunden werden und zwar eine solche prinzipielle Grundlage, welche auch für die Regelung der „polnischen" und anderer „Nationalitäten-Fragen" maßgebend sein müßte. Art. V I - X X I I behandeln die „Grundrechte der Bürger". Das ist eine richtige „déclaration des droits", wie eine solche in vielen Verfassungen üblich ist. Es sei nur hervorgehoben, daß die ausdrückliche Erklärung und Gewähr-
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Bericht
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leistung der sogenannten Freiheitsrechte durch die gegenwärtige Sachlage in Rußland nicht nur gerechtfertigt, sondern geradezu gefordert wird; doch ist diese Freiheit nicht schrankenlos gemeint, sondern die nötigen rechtlichen Bestimmungen über die Ausübung dieser Freiheit sind weiteren gesetzgeberischen Akten, d. h. der Selbstbestimmung des Volkes vorbehalten. Art. X X I I I - X X X V enthalten die Bestimmungen über die Rechte des Kaisers (Du pouvoir de l'Empereur) und weisen ihm die Stellung eines konstitutionellen Monarchen, mit den üblichen Befugnissen und Funktionen, zu. Art. X X X V I - L V sind der Organisation der Nationalversammlung gewidmet. Wie schon erwähnt, ist das Zweikammersystem in Aussicht genommen. Das Bemerkenswerte dabei ist, daß alle beiden Kammern aus gewählten Vertretern bestehen sollen. In die erste Kammer („der Große Rat der Zemstvos") werden die Mitglieder durch die lokalen und gouvernementalen Versammlungen der Zemstvos und die Munizipalitäten der Städte, welche eine Einwohnerzahl über 125000 aufweisen können, gewählt (im ganzen etwa 269 Mitglieder). Die Dauer des Mandats des Vertreters entspricht der Dauer der Amtsperiode der ihn wählenden Körperschaft. Die zweite Kammer setzt sich aus unmittelbaren Volksvertretern zusammen, die auf Grund eines allgemeinen, direkten Wahlrechtes und durch eine geheime Stimmenabgabe beim Wahlgange ihre Vollmachten aus den Händen des Volkes erhalten. Auf die Einzelheiten der Bestimmungen des Wahlgesetzentwurfes sowie auf die Vorsichtsmaßregeln, welche in der Verfassung selbst (Art. XLV) gegen etwaige Beeinflussung der Kandidaten seitens der Regierung enthalten sind, ist hier nicht einzugehen. Es sei nun abermals auf das Prinzip der allgemeinen, direkten und geheimen Wahlen hingewiesen. Für diese wichtigste Grundlage der politischen Zukunft des russischen Reiches findet P. Struve in seinem Vorwort, sowie auch die Verfasser des Entwurfes in ihren Erläuterungen, Worte der innigsten und wärmsten Überzeugung, die wohl geeignet sind, manchen Zweifel zu beseitigen und manches schwankende Gemüt für den großen demokratischen Gedanken zu gewinnen. In bezug auf Art. L V I - L X V , welche über „die Minister" handeln, kann man nicht umhin, eine größere prinzipielle Einheitlichkeit oder nähere Präzisierung des geplanten Systems zu wünschen. Zwar ist dabei die Rede von einem Rate der Minister und einem Präsidenten dieses Rates, der den Titel „Kanzler" führt, weiter auch von einer „solidarischen Verantwortlichkeit aller Minister vor der Nationalversammlung für die allgemeine Leitung der Staatsangelegenheiten", doch scheint das parlamentarische Prinzip eines richtigen „Kabinetts", so auch das System der parlamentarischen Regierung überhaupt, nicht durchgeführt zu sein, da es nicht ausgeschlossen ist, daß sogar sämtliche Minister von dem Monarchen außerhalb der Mitglieder beider Kammern gewählt sein könnten (Art. LXIII).
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Art. L X V I - L X X enthalten leitende Grundsätze für die Durchführung einer weitgehenden lokalen Selbstverwaltung auch auf derselben Grundlage des allgemeinen und direkten Wahlrechts. Art. L X X I - L X X I V stellen die unbedingte Forderung auf, daß die richterliche Gewalt eine völlige Unabhängigkeit von der Administration erhalte, und daß die politischen Verbrechen sowie Preßdelikte immer unter Zuziehung von Geschworenen abgeurteilt werden sollen. Art. L X X V - L X X V I I I bilden das, was den Entwurf einer russischen Verfassung von den westeuropäischen Verfassungsurkunden am meisten unterscheidet. Diese Artikel beziehen sich nämlich auf die Einführung eines „obersten Staatsgerichtshofes" (Tribunal suprême). Es soll keine neue oberste Kassationsinstanz geschaffen werden, sondern - nach dem Vorbilde der Vereinigten Staaten von Nordamerika - ein Institut ins politische Leben des Landes eingeführt werden, welches dazu berufen sein soll, die Verfassung selbst gegen widerrechtliche Verletzungen durch die höchsten Organe der Staatsgewalt und seitens der gesetzgebenden Körperschaften zu garantieren. Daß in dieser Forderung ein gesunder politischer Gedanke ausgesprochen ist, kann kaum bestritten werden. Und gerade für das zu befreiende Rußland ist es von größer Wichtigkeit, daß die lang ersehnte persönliche und politische Freiheit nicht anders als Hand in Hand mit der strengsten Gesetzmäßigkeit gehe, und daß der neugestaltete russische Rechtsstaat nicht anders als verfassungsmäßig regiert und geleitet werde. Freiheit und Gesetzmäßigkeit einerseits und das allgemeine, direkte Wahlrecht andererseits, sind unserer Ansicht nach, eben die drei großen schöpferischen Grundgedanken, welche aus dem Entwurf einer Verfassung für das russische Reich entgegenleuchten. Es ist eine ausnehmend schwere Aufgabe schöpferisch und neubildend zu wirken, wo die Gegenwart die besten Kräfte der Nation vorerst zum Kampfe gegen das Bestehende so gewaltig in Anspruch nimmt. Umsomehr muß man gerade den „Entwurf" nach seinem positiven Gehalt schätzen und die große und dankenswerte Arbeit derer gebührend würdigen, die ihr bestes Können und Wissen in den Dienst der Sache der Befreiung des russischen Volkes gestellt haben. Was an dem Entwurf vielleicht mangelhaft oder bestreitbar sein mag, das findet seine Erklärung und Rechtfertigung zur Genüge schon in dem Umstand, daß der Entwurf doch das Ergebnis der Arbeit nur einer gewissen Gruppe freiheitlich gesinnter Männer ist. Den Bau einer russischen Verfassung in allen seinen Grundzügen zu vollenden und auszuführen, muß eben die Aufgabe des ganzen Volkes durch seine Vertreter d . h . einer einzuberufenden russischen Konstituante bleiben. Was nun aber den vorliegenden Entwurf mit seinen eingehenden Begründungen einzelner Artikel und Erläuterungen des Ganzen anbelangt, so wird er
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Bericht
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gewiß, um mit P. Struve (Préface, S. V) zu sprechen, von der größten Bedeutung für die Entwicklung des konstitutionellen Gedankens in Rußland werden und auch den größten Einfluß auf den Gang der politischen Reform gewinnen. S. J . G I W A G O .
Zur Lage der bürgerlichen Demokratie in Rußland
Die vorstehenden, uns in liebenswürdiger Weise zur Verfügung gestellten, Darlegungen 1 sei es mir gestattet durch einige Bemerkungen über die politische Strömung zu ergänzen, welcher der Entwurf s. Z. entsprungen i s t . W e l c h e praktische Bedeutung er in den kom- 5 A 235 (7) menden | politischen Erörterungen etwa gewinnen könnte, bleibt
') Sie sind mit Hilfe der hier zugänglichen Zeitungen (besfonders] der Russj und der Russkija Wjedomosti, zuweilen der Nowosti, des Jushny Kurjer, gelegentlich des Ssyn Otjetschestwa, des Natschälo und des Nowoje Wremja), - die mir aber nur höchst lückenhaft zur Verfügung standen, ferner des „Prawo", des „Osswoboshdjenije" und der Zeitschriften der hiesigen „russischen Lesehalle", 2 - deren Gründung an Iwan Turgeniews ehrwürdige, mir, von einer gelegentlichen Begegnung bei Julian Schmidt 3 her, unvergeßliche Persönlichkeit anknüpft, - endlich und namentlich durch die, unter Beiseitesetzung aller Rücksichten vorgenommene, schonungslose Plünderung der Sach- und Personenkenntnis des Herrn Dr. Th. Kistiakowski, sehr eilig zusammengestellt und bieten natürlich nichts als eine notdürftig gegliederte Notizensammlung, so gut eine solche von hier aus herzustellen ist. Ich lasse sie, trotz aller naheliegenden Bedenken wegen eines so abnorm „kurzen Gedärms", abdrucken, da schließlich auch die unvollkommenste Zusammenstellung manchem, der die Dinge überhaupt nicht zu verfolgen in der Lage ist, willkommen sein kann, und da unsere russischen Mitarbeiter zurzeit anderes zu tun haben, als das Ausland zu informieren. Ich würde aber freilich die lächerlichste Figur machen, wenn man in ihr die Prätension wirklicher „Sachkenntnis" finden und sie als etwas anderes als ein vorläufiges Surrogat eines ernsthaften sozialpolitischen Berichts ansehen würde, der hoffentlich künftig von russischer Seite gegeben werden wird. Unerwartet erschwert wurde selbst diese Zusammenstellung, - „journalistisch" (in Gänsefüßchen), wie sie ist, durch die Abschneidung jeder Kommunikation mit Rußland infolge des gerade die Zeit
1 Weber bezieht sich auf S. Zlvagos Rezension des 1905 in Paris veröffentlichten Verfass u n g s e n t w u r f s des Sojuz Osvobozdenija: Loi fondamentale de i'Empire Russe im gleichen Beiheft des Archivs für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik (vgl. oben, S. 81 - 8 5 ) . Beide Texte w u r d e n unter d e m Titel: „ Z u r Beurteilung der gegenwärtigen polltischen Entwicklung Rußlands" g e m e i n s a m als Beilage zu Heft 1 des 22. Bandes des Archivs für Sozialwlssenschaft und Sozialpolitik von 1906 veröffentlicht. 2 Die Heidelberger russische Lesehalle, sog. Plrogovsche Lesehalle, w u r d e am 20. Dez e m b e r 1862 von russischen Studenten gegründet. Führend beteiligt an der G r ü n d u n g war der zu dieser Zeit In Heidelberg lebende Arzt und Pädagoge N. I. Pirogov. Eine direkte Beteiligung T u r g e n e v s an der G r ü n d u n g läßt sich nicht nachweisen. 3 Der Zeltpunkt der B e g e g n u n g W e b e r s mit T u r g e n e v Ist nicht nachgewiesen. Der Literaturkritiker und -historiker Julian Schmidt war ein enger Freund der Familie W e b e r . Er stand seit 1867 auch in freundschaftlichem Kontakt mit Ivan Turgenev.
Die Zemstvobewegung
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dabei dahingestellt: es genügt ja für unser Interesse, daß er Symptom einer bestimmten politischen Denkweise hervorragend tüchtiger und idealistischer russischer Patrioten ist, denen persönlich unsere ganze Sympathie gehört, welches auch immer, bei den ungeheuren Schwie5 rigkeiten ihrer Lage, die schließlichen Erfolge ihrer Arbeit sein mögen. Daß sie im allgemeinen keineswegs Freunde deutscher Kultur sind, - auf russischem a Boden oft 3 bittere Feinde, - und daß sie auch politisch Deutschland überwiegend feindlich gegenüberstehen, 2 ) kann daran nichts ändern. |
ihrer Niederschrift umfassenden Poststreiks. 4 - Für etwas einer inneren Geschichte der Bewegung Nahekommendes ist wohl der Zeitpunkt noch nicht gekommen und fehlt mir hier z.Z. auch das Material: es können vorerst nur chronikartige Notizen über einige Stadien ihres äußeren Verlaufs, der hervorgetretenen Ziele und eine provisorische Analyse gewisser charakteristischer Züge der allgemeinen Situation, | mit der sie zu rechnen hat, A 235 (7) gegeben werden. Auf die „Vorgeschichte" versuche ich hier, von wenigen Andeutungen abgesehen, schon des Raumes wegen gar nicht einzugehen. Eine „Geschichte" dieser denkwürdigen Zeit wird künftig nur möglich sein, wenn man in Rußland sich jetzt zur Pflicht macht, die vielen Protokolle, Resolutionen, Zirkulare, Zeitungsberichte usw. über die einzelnen Vorgänge, vor allem alle offiziellen Äußerungen der Verbände, die im Ausland ja gar nicht zugänglich sind, alsbald zu sammeln. 2 ) Während die verschiedenen demokratischen Kongresse die Kultur nicht nur der Polen, Kleinrussen, Lithauer, Letten, Esthen, Armenier, sondern auch der Tataren und (vgl. Russj vom 14./27. Nov. Nr. 18 S. 2) 5 der Kirgisen, insbesondere ihre Sprache in Schule und Verwaltung, zu schützen versprachen und ihnen lokale Autonomie und, nach Entwicklung einer „eigenen, höheren Kultur" unter Umständen eigene Landtage nach dem Muster des Zartums Polen 6 versprachen, - finde ich die Deutschen in allen diesen Kongressen, Resolutionen und Debatten ohne Ausnahme mit absolutem Stillschweigen übergangen. - Die reaktionären Beamten heißen nicht selten einfach Ostseeritter (ostseejskij ryzar), 7 und schon Dragomanow bezeichnete in den 80er Jahren die Petersburger Bureaukratie schlechthin als „deutsche Partei". 8 Zur Diskreditierung des Redakteurs der a A: Boden, oft 4 A m 15. November 1905 traten die P o s t - u n d Telegraphenbeamten Rußlands in einen Streik, der Anfang Dezember 1905 abflaute. A m 15. Dezember erklärte das Zentralkomitee der Gewerkschaft der Post- und Telegraphenbeamten den Streik für beendet. 5 Weber bezieht sich auf: S-ezd zemskich i gorodskich dejatelej, in: Rus', Nr. 19 vom 14. Nov. 1905, S. 2. 6 Nach dem Wiener Kongreß 1815 wurde der größte Teil des Herzogtums Warschau als Königreich Polen in Personalunion mit dem russischen Imperium vereinigt. Der Königstitel wurde dabei nicht mit „korol" (König), sondern mit „car" (Zar) ins Russische übersetzt. Die 1815 gewährte Verfassung (1832 nach dem polnischen Aufstand von 1830 außer Kraft gesetzt) sah einen Reichstag (sejm) vor. 7 Siehe z.B. in: Rus', Nr. 19 vom 14. Nov. 1905, S.2, Sp.6. 8 Dragomanov, Istoriceskaja Pol'sa, S.255, A n m . 2 . Der Artikel wurde 1882 erstmals veröffentlicht. Dragomanov berief sich an dieser Stelle auf einen Artikel In der „ T i m e s " , in
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D e r Entwurf ist ausgearbeitet von Mitgliedern des „Befreiungsbundes" (Ssojus Osswoboshdjenija) und formell eines der Projekte, welche auf den Kongressen der Semstwo- und Dumamitglieder bera-
(ehemals K a t k o w s c h e n ) „ M o s k o w s k i j a W j e d o m o s t i " , 9 G r i n g m u t , benutzt die demokratische Presse regelmäßig die V e r w e n d u n g seines ursprünglichen deutschen V o r n a m e n s ( „ K a r l A m a l i e " , d e n b er in „ W l a d i m i r A n d r e j e w i t s c h " verwandelt h a t ) . 1 0 D i e R o l l e , w e l c h e die baltische deutsche A r i s t o k r a t i e als einstmals treueste Stütze des Z a r e n t u m s gespielt h a t , 1 1 die Tatsache ferner, daß unter den scheußlichsten H e n k e r n des absoluten R e g i m e s L e u t e mit deutschem N a m e n sich besonders hervorgetan h a b e n , 1 2 der U m s t a n d endlich, d a ß der D e u t s c h e , soweit er nicht zur Aristokratie gehört, der Masse in Stellungen entgegenzutreten pflegt, in w e l c h e n man sich unbeliebt zu machen die meisten C h a n c e n hat ( G u t s v e r w a l t e r , Hauslehrer, technisch überlegener N a c h b a r des B a u e r n ) - dies alles, v e r b u n d e n mit den Vasallendiensten, welche die deutsche Polizei, nach A r t eines B a l k a n kleinstaats, j e n e m R e g i m e geleistet h a t , 1 3 erklärt die akut feindselige Stimmung der
b A: der dem als die „unnachgiebigste Richtung in Regierungskreisen den Polen gegenüber besonders die .deutsche Partei'" bezeichnet wurde. Er führte weiter aus, daß darunter insbesondere die „prussophilen Diplomaten, die baltischen [Dragomanov benutzt hier das Wort ostzejskij] Generäle und die russische Bürokratie, die sich mit den Moskauer Slavophilen vereinigt" hätten, zu verstehen seien. 9 Die Zeitung „Moskovskija Vedomosti" erschien von 1756-1917. Sie wurde von 1850-1855 und dann erneut von 1863 bis zu dessen Tod von M.N.Katkov geleitet. Katkov war einer der Wortführer des extremen russischen Nationalismus und Propagandist der Autokratie. 10 So z.B. In: MirBozij, Jg. 14,1905, Nr. 1, otdel vtoroj, S.28. 11 Im Frieden von Nystad, 1721, der den Nordischen Krieg beendete, wurden die Privilegien des baltischen deutschen Adels, die dieser nach seiner Huldigung und der Bestätigung seiner ständischen Vorrechte (Llvland 1710, Estland 1712) durch den Zaren erhalten hatte, verankert. Der baltische deutsche Adel hatte Peter I. gegen Schweden, das dem Adel einige seiner Standesrechte beschnitten hatte, unterstützt. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts galt in den baltischen Provinzen eine deutsche Landesverfassung, die dem Adel seine starken ständischen Vorrechte sicherte. Er unterstützte daher auch das autokratische System des Russischen Reiches. Erst der Beginn einer Russiflzierungspolltik in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts brachte den baltischen deutschen Adel in Opposition zur Politik der zarischen Regierung. 12 Der Anteil der Deutschen in den gehobenen Positionen von Verwaltung und Heer war im 18. Jahrhundert besonders hoch und stieg bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts noch welter an. Von diesem Zeitpunkt an sank Ihre Zahl ständig ab; hauptsächlich verblieben Balten-Deutsche Im Heer und im diplomatischen Dienst. Webers Begriff „Henker" bezieht sich wohl darauf, daß eine große Zahl der Generäle, die die Strafaktionen des Militärs durchführten, aus dem baltischen Adel stammten oder deutsche Namen trugen. Vgl. Amburger, Erik, Geschichte der Behördenorganisation in Rußland von Peter dem Großen bis 1917. - Leiden: Brill 1966, S. 518. 13 Aufgrund der sog. Alvenslebenschen Konvention von 1863 und dem 1885 zwischen Rußland, Preußen und Bayern geschlossenen Vertrag über die „Ausweisung unerwünschter Ausländer" kam es zu häufigen Hilfeleistungen deutscher Behörden bei der
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ten wurden. 14 Über beide Organisationen, die Träger der liberalen und demokratischen Bewegung, einige Worte. Der „BefreiungsDemokratie im gegenwärtigen Moment doch nur zum Teil. Denn entscheidend für diese ist augenblicklich neben dem reaktionären Charakter der deutschen inneren Politik der Glaube, daß bei der beiderseitigen Neigung zum „persönlichen Regiment" 1 5 eine Solidarität der dynastischen Interessen bestehe, welche ev[entuell] den deutschen Kaiser, dessen Entschlüsse den Eindruck des Unberechenbaren machen, | bestimmen könnte, die Rolle A 236 (8) Nikolaus I. zu spielen. 1 6 (So komisch es wirkt, so ist es doch bezeichnend, daß der „Slavenbund" in Zuschriften an die Zeitungen die „Zerreißung des Zusammenhangs mit Berlin" verlangt und begrüßt). 1 7 - Fest steht jedenfalls, daß uns der gleiche Haß, wie seit dem Berliner Kongreß 1 8 von der russischen Bureaukratie, auch von der russischen Demokratie ohne Ausnahme der Schattierungen gewidmet wird, und daß diese Stimmung dauernd bestehen wird, weil Deutschlands äußere Machtstellung dem bureaukratischen Nationalismus, sein territorialer Besitzstand dem demokratischen Föderalismus ein dauerndes Ärgernis bleiben muß.
Verfolgung russischer Emigranten durch die russische Geheimpolizei (Ochrana). Die Aufdeckung einer geheimen Verbindung zum Einschmuggeln von Exilliteratur nach Rußland führte 1904 zum sog. Königsberger Geheimnisverrats-Prozeß. Vgl. Eisner, Kurt, Der Geheimbund des Zaren. Der Königsberger Prozeß wegen Geheimbündelei, Hochverrat gegen Rußland und Zarenbeleidigung vom 12. bis 25. Juli 1904. - Berlin: Vorwärts 1904. Die Reichsregierung duldete auch die Tätigkeit der russischen Geheimpolizei auf deutschem Boden, was im Januar 1904 zu einer Anfrage der Sozialdemokratie an Reichskanzler Bülow führte. Sten.Ber., Band 179, S. 371-390. 14 Im Herbst 1904 wurden Verfassungsfragen auf den Kongressen des „Bundes der Zemstvo-Konstitutionalisten" und auf dem Zemstvo-Kongreß, der vom 6. bis 9. November 1904 in St. Petersburg tagte, beraten. Über die von den Stadtdumen eingeschlagene Politik und deren Beratung von Verfassungsfragen liegt nur wenig Material vor. Die Organisation der Stadtdumen begann erst Ende Februar 1905. S-ezd predstavitelej gorodov, in: Pravo, Nr. 25 vom 26. Juni 1905, S. 2060-2066. Die Vereinigung von Zemstva und Stadtdumen in einem einheitlichen „Büro" erfolgte im Juli 1905. Zu dem von S. Zivago besprochenen Verfassungsentwurf vgl. oben, S . 8 1 - 8 5 , den Anhang zum Editorischen Bericht. 15 Weberspielt hieran auf das sogenannte persönliche Regiment Kaiser Wilhelms II., der die deutsche Außenpolitik durch zahlreiche Alleingänge diskreditierte, so u.a. das Glückwunschtelegramm an den Präsidenten der Burenrepublik Paul Krüger von 1896 und die Tischrede in Damaskus von 1898. 16 Nikolaj I. wurde aufgrund seines militärischen Eingreifens bei den revolutionären Unruhen in Polen und Ungarn 1830 und 1848 als „Gendarm Europas" bezeichnet. 17 Weber bezieht sich vermutlich auf: Rus', Nr. 32 vom 29. Nov. 1905, S. 4: „Slavjanskij Sojuz". 18 Auf dem Berliner Kongreß im Juni/Juli 1878 wurden die für Rußland sehr günstigen Bedingungen des Friedens von San Stefano (3. März 1878) nach dem russisch-türkischen Krieg von 1877/78, durch die Rußlands Einfluß auf die europäische Türkei erheblich ausgedehnt wurde, teilweise wieder annulliert. Reichskanzler von Bismarck, der als sogenannter „ehrlicher Makler" einen Interessenausgleich zwischen Rußland, England und Österreich-Ungarn herbeizuführen gesucht hatte, wurde seitdem von russischen panslavlstischen Gruppen und ebenso in Regierungskreisen als Gegner Rußlands angesehen.
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bund"19 ist im Sommer 1903 auf einer angeblichen gemeinschaftlichen Erholungsreise im Schwarzwald unter Vorsitz des von Plehwe mit dem Twer'schen Semstwo gemaßregelten Gutsbesitzers Pe237(9) trunkjewitsch3)20 gegründet worden (offizielle Konstituierung erst Januar 1904 in Petersburg).21 Die beteiligten Persönlichkeiten ge3 ) Petrunkjewitsch gehörte zu den an Jahren ältesten Mitgliedern des Bundes. Ein alter Liberaler, hatte er sich als Gutsbesitzer im Tschernigowschen Gouvernement Ende der 70er Jahre den Resolutionen des dortigen Semstwo für eine Verfassung angeschlossen, 2 2 war seitdem aus ganz Kleinrußland ausgewiesen, dann im Twerschen Gouvernement ansässig und, als Schwiegersohn des bekannten Großindustriellen Malzow, zweifellos, mit Fürst Peter Dolgorukow und N. Ljwow, eine der pekuniären Stützen 0 des Befreiungsbundes. Er ist der konservativen Presse: Moskowskija Wjedomosti, Grashdanin usw., die gern der Dynastie Romanow die „Dynastie" Petrunkjewitsch gegenüberstellte, ebenso wie dem Hofe besonders verdächtig und verhaßt. 2 3 - Von den anderen erheblicheren
C A: Stüzen 19 Vom 20. bis 22. Juli 1903 wurden auf einer Tagung im Schwarzwald die Grundlagen zur Gründung des Befreiungsbundes (Sojuz Osvobozdenija) gelegt. Von den von Weber in seiner Anmerkung 3 genannten Personen nahmen an dieser sog. „Schaffhausener Konferenz" teil: Ivan I. Petrunkevic, Fürst Petr D. Dolgorukov, Nikolaj N.L'vov, Fürst Dmitrij I. Sachovskoj, Fedor I.Rodicev, Vladimir I. Vernadskij, Sergej N.Bulgakov, Pavel I. Novgorodcev, Ivan M. Grevs, Petr B. Struve, Bogdan A. Kistjakovskij, Sergej N. Kotljarevskij, Vasilij Ja. Bogucarskij, Dmitrij E. Zukovskij, Sergej N. Prokopovic, Ekaterina D. Kuskova. Vgl. die Liste bei Galai, Shmuel, The Liberation Movement in Russia, 1900-1905. - Cambridge: Cambridge University Press 1973, S. 177 (künftig: Galai, Liberation Movement). 20 Am 8. Januar 1904 löste Pleve das Tversche Zemstvo auf und ersetzte es durch eine Kommission aus Regierungsbeamten. Ivan I. Petrunkevic und die übrigen Mitglieder des Zemstvo wurden aus dem Gouvernement Tver' ausgewiesen. 21 Die Konstituierung erfolgte auf einer Versammlung vom 3. bis 5. Januar 1904 in St. Petersburg. Die 50 Delegierten kamen aus 22 Städten. Im Gegensatz zu der sog. Konferenz in Schaffhausen nahmen auch Vertreter des „legalen" Narodnicestvo um die Zeitschrift Russkoe Bogatstvo teil. Die Delegierten wählten eine Art Zentralkomitee, das hauptsächlich aus Vertretern derZemstvo-Konstitutionalisten und der liberalen Intelligenz bestand. Vgl. den Abdruck des Statuts des Befreiungsbundes bei Emmons, Terence, The Statutes of the Union of Liberation, in: Russian Review 33,1974, S. 8 0 - 8 5 , sowie Listok Osbobozdenija, Nr. 17 vom 19. Nov. 1904, S. 2. 22 Gemeint ist die Adresse des Cernigovschen Zemstvo vom Sommer 1878 an Zar Alexander II., die Rede- und Pressefreiheit, Einführung einer gesellschaftlichen Ordnung auf der Grundlage von Gesetzen und das Ende der Einflußnahme der Regierung auf die Schulen forderte. Die Adresse durfte aufgrund einer Verfügung des Gouverneurs nicht in der Sitzung des Zemstvo verlesen werden. Vgl. Petrunkevic, 1.1., Iz zaplsok obscestvennagodejatelja (Tom 21 des Archiv Russkoj Revoljucii, hg. von I. V. Gessen)-Berlin: Slovo 1934, S. 108f. Petrunkevic verließ daraufhin Cernigov und arbeitete mit dem Zemstvo in Tver', das für seine radikale Richtung bekannt war, zusammen. 23 Insbesondere nach dem Artikel Petrunkevics: Vojnai nasi zadaci, in: Pravo, Nr. 41 vom
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hörten, von den Semstwo-Konstitutionellen bis zu den „Sozialrevolutionären" reichend, sehr verschiedenen Lagern an; - nur die offizielle Sozialdemokratie hatte sich ausgeschlossen. Etwa Vi waren Persönlichkeiten seien zur Illustrierung des „sozialen" Charakters erwähnt: die beiden Fürsten Dolgorukow, der „radikale", Peter, in Kursk ansässig, nach seiner Beteiligung an der Witteschen Landwirtschafts-Enquete-Kommission 24 durch besonderen kaiserlichen Erlaß seines Amtes als Vorsitzender der Uprawa des Semstwo entsetzt, immer wiedergewählt, aber erst 1904 wieder bestätigt, - der „gemäßigtere" Paul, Bezirks-Adelsmarschall im Moskauer Gouvernement, - Fürst Ljwow, ein äußerst radikales Mitglied, während der Großgrundbesitzer N. N. Ljwow aus Ssaratow zu den entschieden gemäßigten Mitgliedern gehörte, - der radikale Gutsbesitzer Spasskij aus dem Gouvernement Kostromä, bekannt durch seine monatelange Untersuchungshaft 1904/5, 25 - der ebenfalls äußerst radikale Gutsbesitzer Brjuchatow, - Fürst D . J. Schachowskoj, der offenbar zu den geistig erheblichsten Persönlichkeiten gehörte, ansässig im Jaroslawljschen Gouvernement, - Röditschew, Gutsbesitzer im Twerschen Gouvernement, 1895 als Semstwomitglied abgesetzt und seitdem Rechtsanwalt in Petersburg, - de Roberty, Gutsbesitzer und soziologischer Publizist, bekannt durch seine Teilnahme an den Kundgebungen des Twerschen Semstwo 1894 und 1904. 2 6 - Die Akademiker repräsentierten z . B . Wjernadski, Professor der Geologie und jetzt Prorektor in Moskau, Bulgakow, Professor der Nationalökonomie in
10. Okt. 1904, S. 1951-1955 setzte eine heftige Polemik der Moskovskija Vedomosti ein. Hierauf dürften sich die Bemerkungen Webers beziehen. 24 Gemeint ist „Osoboe sovescanie o nuzdach sel'skochozjajstvennoj promyslennostl" (Besondere Konferenz über die Bedürfnisse der Landwirtschaft); diese wurde am 22. Januar 1902 unter Vorsitz Sergej Vittes einberufen. Organisatorisch bestand diese „Besondere Konferenz" aus örtlichen Kommissionen, die die Lage der Landwirtschaft untersuchen sollten. Die Kommission in Sudza (Gouvernement Kursk) trat auf Initiative von Fürst Petr D.Dolgorukov im September 1902 geschlossen zurück, nachdem der Vorsitzende der Kommission, A.V. Ereinov, auf Druck Pleves von seinem Posten als Adelsmarschall des Gouvernements Kursk zurückgetreten war. Durch einen Senatsentscheid wurde Dolgorukov auf fünf Jahre von der Ausübung öffentlicher Ämter ausgeschlossen. Besondere Konferenzen oder Kommissionen (osoboe sovescanie; auch zu übersetzen als spezielle Beratungen) waren Organe, die zur Erörterung eines bestimmten Problems beim jeweiligen Fachministerium gebildet wurden. Zu diesen „Konferenzen" wurden auch Vertreter anderer Ministerien oder sonstige Spezialisten herangezogen. Die Vorschläge dieser Organe wurden dem Ministerrat zugeleitet. Die Einsetzung und Auflösung verfügte der Kaiser. 25 Es ist unklar, worauf sich Weber hier bezieht. In einer Sitzung der Kostromer Abteilung der Kaiserlichen Gesellschaft für Landwirtschaft hielt Spasskij, deren Präsident, am 3. Dezember 1904 eine Rede, in der er u.a. Rußlands Übergang zu einem konstitutionellen Regime forderte. Weitere Einzelhelten enthielt der in Osvobozdenie, Nr. 63 vom 7.(20.) Jan. 1905, S. 228, abgedruckte Bericht nicht. 26 Gemeint sind die Adresse des Tverschen Zemstvo anläßlich der Thronbesteigung Nikolaj II. 1894, in der eine beratende Versammlung gefordert wurde (der Text der Adresse in: Struve, Peter, My Contacts with Rodichev, in: SEER 12,1933/34, S. 347-367, hier: S. 349f.), sowie die Maßnahmen des Innenministers Pleve gegen das Tversche Zemstvo 1904 wegen „Tendenzen, die den Erfordernissen der staatlichen Ordnung" nicht entsprachen. Einige Zemstvomitglieder wurden verbannt und das Zemstvo selbst staatlicher Aufsicht unterstellt.
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Semstwomitglieder. Der Rest entstammte den verschiedenen Gruppen der „Intelligenz". Das vom Bunde pekuniär gestützte Hauptorgan der Bewegung war Peter Struves Halbmonatsschrift „OsswoA 237 (9) Kiew, - der Moskauer Rechts|philosoph Nowgorodzewd, - Grews, Dozent der allgemeinen Geschichte in Petersburg, 1899 gemaßregelt, seitdem zuerst am Polytechnikum, dann wieder an der Universität habilitiert, 27 - der auch in Deutschland bekannte Kulturhistoriker Miljukow, der, als Professor in Moskau Anfang der 90er Jahre gemaßregelt, Mitte des Jahrzehntes als Nachfolger Dragomanows nach Sophia ging, aber auch dort gemaßregelt wurde und seitdem im Ausland lebte, 2 8 - dazu die unseren Lesern wohlbekannten Herren P. Struve, Theodor (russisch: Bogdan) Kistiakowski, v. Tugan-Baranowski,29 ferner der d A:
Nowgordzew
27 Grevs wurde 1899 wegen Unterstützung studentischer Proteste von der Universität Petersburg entlassen und erst 1902 wieder eingestellt. 28 Pavel N. Miljukov wurde wegen „politischer Unzuverlässigkeit" 1895 von seiner Lehrtätigkeit in Rußland entbunden und auf Intervention des russischen Botschafters 1897 auch von der Universität Sofia entlassen. Er blieb danach im Ausland und lebte ab 1900 teils in Rußland und teils im Ausland. Vgl. Fröhlich, Klaus, The Emergence of Russian Constltutionalism 1 9 0 0 - 1 9 0 4 . - T h e Hague/Paris/London: M.Nijhoff 1981, S.76f. (künftig: Fröhlich, Emergence), und Riha, Thomas. A Russian European. Paul Miliukov In Russian Politics. - Notre Dame/London: Universlty of Notre Dame Press 1969, S. 2 8 - 6 8 (künftig: Riha, Paul Miliukov). In Deutschland wurden insbesondere Miljukovs „Ocerkl", deren erster Teil 1898 in deutscher Übersetzung erschien, bekannt: Miliukov, Paul, Skizzen russischer Kulturgeschichte. - Leipzig: Wigand 1898. 29 Von P. Struve war im ASGS der Artikel: Die Marxsche Theorie der sozialen Entwicklung, in: ASGS 14, 1899, S . 6 5 8 - 7 0 4 erschienen. Er verfaßte zudem die folgenden Rezensionen: Zusammenfassung der Resultate der wirtschaftlichen Erforschung Rußlands durch die landschaftliche Statistik. Band 1:1. Vorwort von Prof. A.Tschuproff. 2. Allgemeine Übersicht der landschaftlichen Statistik der Bauernwirtschaft von Prof. A. Fortunatoff. 3. Die bäuerliche Landgemeinde von W. Woronzoff, in russischer Sprache, Moskau 1892, in: ASGS 5, 1892, S . 4 9 8 - 5 1 7 . Zusammenfassung der Resultate der wirtschaftlichen Erforschung Rußlands durch die landschaftliche Statistik. Band II: Die bäuerliche Pacht der nicht zu den Bauernanteilen gehörigen Ländereien, von Prof. N. Karyscheff, in russischer Sprache, Dorpat 1892, in: ASGS 6, 1893, S. 172-176. Hourwich, Isaac A „ The economics of the russian vlllage, New York 1892, in: ASGS 6, 1893, S. 6 3 0 - 6 3 3 . Nlkolai-on, Studien über unsere Volkswirtschaft nach der Bauernemanzipation, in russischer Sprache, St. Petersburg 1893, in: ASGS 7, 1894, S . 3 5 0 - 3 5 8 . Janschul, J.J., Gewerbliche Syndikate oder Unternehmerverbände zur Regelung der Produktion vornehmlich in den Vereinigten Staaten von Amerika, in russischer Sprache, St. Petersburg 1895, in: ASGS 8, 1895, S. 5 1 4 - 5 1 9 . Rosenberg, Dr. G.J., Zur Arbeiterschutzgesetzgebung in Rußland, Leipzig 1895, in: ASGS 9, 1896, S. 297-304. Bernstein, Eduard, Die Voraussetzungen des Sozialismus und die Aufgaben der Sozialdemokratie, Stuttgart 1899. Kautsky, Karl, Bernstein und das sozialdemokratische Programm, Stuttgart 1899, in: ASGS 14, 1899, S. 723-739. Kistjakowski, Th., Gesellschaft und Einzelwesen. Eine methodologische Untersuchung, Berlin 1899, in: ASGS 14, 1899, S . 2 2 2 - 2 2 6 . Von Kistjakovskij erschienen keine Artikel oder Rezensionen in ASGS oder AfSS; seine Dissertation war jedoch in Band 14, 1899, von Struve besprochen worden. Vgl. zudem Webers Äußerungen über Kistjakovskij oben, S. 86. Michael Tugan-Baranowsky hatte die
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boshdjenie", seit 1902 anfangs in Stuttgart, dann, nach dem trauriMoskauer Geschichtsprofessor und Publizist S . A . Kotljarewskij und (wahrscheinlich) der frühere Moskauer Professor des Zivilrechts S. A . Muromzew, der, in den 80er Jahren seiner Professur entsetzt, 3 0 als Rechtsanwalt in Moskau Präsident der „Moskauer Juristischen Gesellschaft" bis zu deren ministerieller® Auflösung war, 31 wissenschaftlicher und politischer Gesinnungsgenosse des auch in Deutschland wohlbekannten positivistischen Wirtschaftshistorikers Maxim Kowalewskij,32 - der unter dem Namen „Bogutscharskij" bekannte Schriftsteller Jakowljow, - Shukowskij, Inhaber eines bedeutenden philosophischen Verlages, S . N . ' P r o k o p ö w i t s c h , der u.a. auch über deutsche Sozialpolitik gearbeitet hat, 3 3 und seine (bürgerliche) Frau Jekat. Kuskow, Verlegerin in Petersburg, und andere. - Von den Sozialrevolutionären gehörten insbesondere Schrejder und Pjeschechönow, ferner Annenskij (Autorität auf dem Gebiet der Semstwostatistik), Koroljenko (Chefredakteur der Michailowskijschen Zeitschrift „Russkoje Bogatstwo"), 3 4 N. D . Ssokolow und andere dazu. Einige Zeit, seit Mitte der 90er Jahre bis in die ersten Jahre dieses Jahrhunderts^ war übrigens die von Katharina II. gegründete „Kaiserliche freie ökonomische Gesellschaft"
e A: ministeriellen
f A: M.
folgenden Beiträge veröffentlicht: Die sozialen Wirkungen der Handelskrisen in England, in: ASGS 13, 1899, S. 1 - 4 0 . Der Zusammenbruch der kapitalistischen Wirtschaftsordnung im Lichte der nationalökonomischen Theorie, in: AfSS 19, 1904, S. 2 7 3 - 3 0 6 . Subjektivismus und Objektivismus In der Wertlehre (Rezension zu Karl Diehl, David Ricardos Grundgesetze der Volkswirtschaft und Besteuerung, 2 Bände, Leipzig 1895), in: AfSS 22, 1906, S. 557-564. 3 0 Im März 1880 verfaßte Muromcev unter Mitarbeit von A. Cuprov und V. Skalon ein Memorandum, In dem er die Politik der Regierung heftig attackierte; es war von zahlreichen Professoren, Juristen und Journalisten mitunterzeichnet. Seine Opposition gegen die staatliche Kontrolle der Universität in der ersten Hälfte der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts führte schließlich zu seiner Entlassung 1884. Fischer, George, Russlan Liberailsm. From Gentry to Inteiligentsia. - Cambridge/Mass.: Harvard Unlversity Press 1958, S. 6 3 - 6 7 (künftig: Fischer, Liberailsm). 31 Moskovskoe juridiceskoe obscestvo (Moskauer Juristische Gesellschaft) wurde 1863 gegründet und war liberal Im Sinne der Reformen der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts. 1899 mußte die Gesellschaft aufgrund eines Reglerungsbeschlusses ihre Tätigkeit einstellen. 3 2 Einige der Arbeiten Kovalevskijs erschienen auch in deutscher Übersetzung, so z. B.: Kowalewsky, Maxime, Die ökonomische Entwicklung Europas bis zum Beginn der kapitalistischen Wirtschaftsform, 7 Bände. - Berlin: Prager 1901-1914. 3 3 Gemeint Ist: Prokopoviö, Sergej N., Rabocee dvizenie na zapade. Opyt kritlceskago izsledovanija. Tom 1: Germanija, Belgija. - S.-Peterburg: Panteleev 1899. 34 N. K. Michajlovsklj galt als führender theoretischer Kopf des Narodnlcestvo zu Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts. A. V. Pesechonov, N. F. Annenskij und V. G. Korolenko waren Anfang 1906 Mitbegründer der „Narodno-socialisticeskaja Partija" (Volkssozialistische Partei), einer Abspaltung der PSR (Partija Soclalistov-Revoljucionerov). N. K. Michajlovsklj hatte das Russkoe Bogatstvo im Herbst 1892 übernommen und zum Organ des „legalen" Narodnicestvo gemacht. Nach dem Tod Mlchajiovskijs (1904) wurde Korolenko, der seit 1895 Mitherausgeber war, sein Nachfolger.
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gen Schergendienst der deutschen Polizei, 35 in Paris erscheinend, deren ausländische Abonnentenzahl in der Zeit der Verfolgung man auf etwa 4000, die russische auf etwa das doppelte(?) geschätzt hat. 36 Die Kosten, besonders diejenigen des Schmuggels nach Rußland, müssen sehr bedeutende gewesen sein. Ihr konsequent im Sinne der 5 - in der breitesten Bedeutung des Worts - „bürgerlichen Demokratie" geübter Einfluß muß, namentlich für die Verdrängung der „volkstümlerischen" Romantik aus den Köpfen der Sozialreformer sehr hoch angeschlagen werden. Peter Struve selbst, der den Lesern | A 238 (10) dieser Zeitschrift ja von früher her (Band V S. 498, VI S. 172, 630, 10 VII, 350, XIV, 221) 37 wohl bekannt ist, hat, mit seiner ursprünglich stark an Marx orientierten, gründlich geschulten Kenntnis des Kapitalismus, sein eigentlichstes Lebenswerk in der Bekämpfung jener stark mit Marxisten durchsetzt, 3 8 und ihr Vorsitzender, der gemäßigt-konstitutionelle Graf Heyden, deckte sie nach oben. Schließlich jedoch wurde sie „kaltgestellt". Graf Heyden war nicht Mitglied des Befreiungsbundes, wohl aber der Semstwo-Bewegung. |
35 Bereits im Jahre 1903 war im Zusammenhang mit den Ermittlungen über eine „geheime Presseverbindung" mit Rußland, die in Königsberg zu einem Prozeß wegen Geheimbündelei, Hochverrat gegen Rußland und Zarenbeleidigung vom Juli 1904 führte (vgl. oben, Anm. 13), die Wohnung Struves in Stuttgart durchsucht und die Adressenkartei des Osvobozdenie beschlagnahmt worden. Vgl. HStA Stuttgart, E 49, Verz. 215/6. Schreiben der Stadtdirektion Stuttgart an das königliche Kabinett vom 15. Dez. 1903. Im Juni 1904 richtete der russische Innenminister Pleve eine „ganz vertrauliche Anfrage" an den deutschen Geschäftsträger in St. Petersburg, ob eine Möglichkeit gegeben sei, das Erscheinen des Osvobozdenie zu unterbinden und den Herausgeber auszuweisen. Obwohl sich die königlich württembergische Regierung unter Hinweis auf die „württembergische Gesetzgebung" weigerte, Maßnahmen gegen Struve zu ergreifen, verließ dieser Stuttgart und verlegte die Redaktion nach Paris. Vgl. HStA Stuttgart E 46, Bü 1272, S.418ff.: Schreiben des deutschen Botschafters in St. Petersburg, Romberg, an AA, 24. Juni 1904, AA an das Württembergische Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, 18. Juli 1904, und Württembergisches Ministerium des Inneren an Württembergisches Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten vom 25. Juli 1904, sowie Pipes, Richard, Struve. Liberal on the Left, 1870-1905. - Cambridge/Mass.: Harvard University Press 1970, S. 366 (künftig: Pipes, Struve. Liberal on the Left). 36 Genaue Zahlen zur Auflagenhöhe des Osvobozdenie ließen sich nicht ermitteln, die Angabe Webers ist nicht nachprüfbar. 37 Siehe oben, S. 92, Anm. 29. 38 Imperatorskoe Vol'noe Ekonomiceskoe Obscestvo (Kaiserliche Freie Ökonomische Gesellschaft), 1765 in Petersburg von Katharina II. zur Verbreitung von Kenntnissen über die Landwirtschaft gegründet. In den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts von „legalen" Marxisten und Narodniki „durchsetzt". 1900 wurde der Gesellschaft Ihre weitere Tätigkeit vorübergehend untersagt; sie existierte jedoch weiter bis zu ihrer endgültigen Auflösung 1917.
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romantischen Illusionen gefunden. 4 ) Der Bund hatte das Kapital zur Gründung einer eigenen Tageszeitung nicht, dagegen unterstützte er moralisch, und zweifellos auch | durch Zuschüsse, bestehende Preß- A 239 (11) Unternehmungen. Dabei hat die Ungleichartigkeit seiner Elemente 4 ) Die erste größere Arbeit von Struve, welche alsbald die öffentliche A u f m e r k s a m k e i t A 2 3 8 (10) auf ihn lenkte und Gegenstand der heftigsten Angriffe der „Volkstümler" wurde, seine „Kritischen B e m e r k u n g e n zur sozialen Entwicklung R u ß l a n d s " , fallen in das Jahr 1894. 3 9 1897 trat er mit dem unseren Lesern wohlbekannten Tugan-Baranowski40 in die R e d a k tion des „ N o w o j e Slowo" ein, 4 1 welches, - bis dahin „volkstümlerisch", - die erste ausgesprochen marxistische Zeitschrift in R u ß l a n d war, an der sich auch Plechänow, U l j a n o w (jetzt meist „ L j e n i n " genannt) und andere Sozialisten beteiligten. Nach 8 Monaten wurde die Zeitschrift unterdrückt. 1899 waren Struve und Tugan-Baranowski an der Monatsschrift „Natschalo" beteiligt, die jedoch ebenfalls nur 3 - 4 H e f t e erlebte. 4 2 1901 wurden beide nach den Petersburger Straßendemonstrationen ausgewiesen, nachdem Tugan-Baranowski schon 1899 seiner Dozentur entsetzt w a r . 4 3 Beide waren jedoch andererseits schon damals den marxistischen O r t h o d o x e n verdächtig geworden, und in der Tat bezeugt die Sammlung von Struves Aufsätzen „Na rasnyja t e m y " , 1893-1901 (Petersburg 1902) deutlich seine allmähliche Entwicklung vom reinen Marxismus zu einem an Fichte und der Idee der „Menschenrechte" orientierten, Ssolowjows milden und ethischen Nationalismus in geistreicher Weise uminterpretierenden spezifisch „sozialliberal"-naturrechtlichen S t a n d p u n k t , wie ihn, - in der Hauptsache - auch Kistiakowski teilt. Ein weit erheblicherer Einschlag von „Realpolitik" ist jedoch bei Struve unverkennbar. - Struve trat, nach Miljukows Ausscheiden, zeitweise in die R e d a k t i o n des „Mir Boshij" ein und lebte teils in Berlin, teils in Stuttgart, 4 4 zuletzt, nach der dortigen polizeilichen Beschlagn a h m e der Adressen der O s s w o b o s h d j e n i j e - A b o n n e n t e n im russischen Interesse, in Pa-
39 Struve, Kritlceskljazametki. Vgl. dazu: ders., Moim kritikam. Struve nahm hier Stellung zu den kritischen Bemerkungen der „Narodniki" Insbesondere In Russkoe Bogatstvo. 40 Siehe oben, S.92f., Anm. 29. 41 Zu Beginn des Jahres 1897 übernahmen Struve als Herausgeber und Tugan-Baranovsklj als Mitherausgeber das 1893 gegründete Novoe Slovo, das als eine der ersten marxistischen Zeitschriften Rußlands bezeichnet werden kann. Nach 10 Monaten, im Dezember 1897, wurde die Zeitschrift durch Ministerbeschluß verboten. 42 Im Januar 1899 übernahm Struve die Herausgabe des Nacalo wiederum gemeinsam mit Tugan-Baranovsklj. Im Juni des gleichen Jahres, nach wiederholten Schwierigkeiten mit der Zensur, stellte die Zeitschrift Ihr Erscheinen wieder ein. Über die Hintergründe vgl. Pipes, Struve. Liberal on the Left, S. 215f. (wie oben, S. 94, Anm. 35). 43 Aufgrund der Zwangsrekrutierung von Kiever Studenten im Herbst 1900 kam es in den folgenden Monaten zu zahlreichen Protestversammlungen, Straßendemonstrationen und Gewalttaten. Im Februar 1901 fiel der Erziehungsminister N. P. Bogolepov einem Attentat zum Opfer. Am 4. März 1901 fand eine große Demonstration in St. Petersburg statt. Struve und Tugan-Baranovsklj, die sich In der Menge befanden, wurden verhaftet und in eine Provinzstadt verbannt. Tugan-Baranovskij war bereits 1899 wegen „politischer Unzuverlässlgkeit" seiner Professur entsetzt worden und lehrte erst wieder ab 1905 am Polytechnikum In St. Petersburg. 44 Eine Verbindung Struves mit der Zeitschrift Mir Bozij ist nicht nachzuweisen. Nach seiner Ausreise aus Rußland Ende 1901 blieb Struve kurze Zelt In Montreux und wohnte ab März 1902 in Gaisburg bei Stuttgart.
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und seine notgedrungen „konspirative" Organisation 4 ®) zweifellos zu A 240 (12) Kraftvergeudung geführt, 5 ) die indes ohne | seinen Zusammenhalt ris. 4 5 (Er ü b e r n a h m das ,,Osswoboshdjenije"[,] nachdem Miljukow sie abgelehnt hatte.) v. Tugan-Baranowski hat zweifellos eine stärkere spezifisch marxistische F ä r b u n g behalten als Struve, der den Russen als „Metaphysiker" gilt; gleichwohl gehörte er, mit den Semstwokreisen verschwägert, der konstitutionell-demokratischen G r u p p e an. - D a s „ O s s w o b o s h d j e n i j e " ist jetzt, nach der Auflösung des Befreiungsbundes, in eine Wochenschrift: „ P o l j a r n a j a Swjesda" umgewandelt w o r d e n . 4 6 Die A n n o n c e nennt als regelmäßige („engere") Mitarbeiter: W j e r n a d s k i j , Grews, Shukowskij, Kistiakowski, Kotljarewskij, Nowgorodzew, Petrunkjewitsch, Frank, als gelegentliche Mitarbeiter u . a . Jollos, Hessen (den angeblichen - wie man mir sagt: nicht wirklichen - Verfasser 4 7 des Verfassungsentwurfes und Mitherausgeber der Wochenschrift „Prawo", in welcher 1904 die ersten, die konstitutionelle Bewegung förmlich einleitenden Artikel erschienen), 4 8 A . K a u f m a n n (unseren Lesern aus B a n d IX p. 108f. des Archivs b e k a n n t ) 4 9 - A . Tschuprow (bekannt durch seine vortreffliche Arbeit Band X V I I I der Straßburger A b h a n d l u n g e n ) , 5 0 - Fürst E. Trubezköj. | 4a A 239 (11) ) Die Persönlichkeit der (10) Mitglieder des Vorstandes war z. B. den Bundesmitgliedern nicht b e k a n n t gegeben. 5 ) So hatte Professor Chodskij (Herausgeber der liberalen wissenschaftlichen Zeitschrift „ N a r o d n o j e Chasjaistwo") die Zeitung „Nasha Shisnj" zur Vertretung der Ansichten des Verbandes gegründet, auf der anderen Seite aber traten zwei U n t e r n e h m u n g e n des Verlegers Jurizyn: der „Ssyn Otjetschestwa" und die „Nashi D n i " ins L e b e n , von d e n e n jedes sozusagen suppletorisch in Funktion trat, wenn nämlich das andere der zeitweisen U n t e r d r ü c k u n g verfallen war, und deren ersteres der dem B u n d e angehörige Sozialrevolutionär Schrejder mit Zustimmung und Unterstützung von Bundesmitgliedern redigierte. 5 1 Bei der Frage des Verhaltens zur Bulyginschen D u m a z . B . aber vertrat Chodskij den Standpunkt der Teilnahme, Schrejder denjenigen des Boykotts. 5 2 Nach dem O k t o b e r m a -
45 Siehe oben, S. 94, Anm. 35. 46 Poljarnaja Zvezda erschien seit dem 15. Dezember 1905 wöchentlich unter der Redaktion von P. Struve. 47 Die Verfasser des Verfassungsentwurfes waren die Professoren für öffentliches Recht F. Kokoskln und S. Kotljarevskij (siehe unten, S. 109, Anm. 16). Woher die Gerüchte über die angebliche Autorschaft Gessens stammten, ließ sich nicht ermitteln. 48 Gemeint sind u.a. die Aufsätze von V. M.Gessen, Zakon 22 marta 1904 goda, in: Pravo, Nr. 18 vom 2. Mai 1904, S. 1003-1010, E. N.Trubeckoj, Vojna I bjurokratija, in: Pravo, Nr. 39 vom 26. Sept. 1904, S. 1871-1876, 1.1. Petrunkevlc, Vojna i nasl zadacl, In: Pravo, Nr. 41 vom 10. Okt. 1904, S. 1951-1955, und A.V. Pesechonov, Vojna i otecestvo, in: Pravo, Nr. 46 vom 14. Nov. 1904, S. 3157-3170. 49 Kaufmann, Beiträge. 50 Tschuprow, Feldgemeinschaft. 51 Der Syn otecestva erschien nicht zwischen dem 30. November 1904 und dem 7. März 1905 sowie nach dem 2. Dezember 1905. An seine Stelle trat Nasl Dni. Auch diese stellte ihr Erscheinen am 8. Dezember 1905 endgültig ein. Leitender Redakteur war ab Nr. 221 bis Nr. 245 (Ende des Erscheinens des Syn otecestva) G. Srejder. 52 Zur Frage des Boykotts der Bulyginschen Duma siehe z.B. den ungezeichneten Artikel: Put' bezyschodnych protlvorecij, in: Syn otecestva, Nr. 193 vom 24. Sept. 1905, S. 1, und den gleichfalls ungezeichneten Artikel In: Nasa Zlzn', Nr.270 vom 17. Sept. 1905, S. 1, sowie die Auseinandersetzung beider Zeitungen in der Nr. 254 der
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wohl noch größer gewesen wäre. Neben dem „Befreiungsbund" nifest, 5 3 am 15. November, erklärte sich der „Ssyn Otjetschestwa" zum Organ der sozialrevolutionären Partei. 54 Inzwischen hat die „Russj", obwohl unter der Leitung Ssuworins jun., des Sohnes des bekannten nationalistischen Redakteurs des „Nowoje Wremja" stehend, in den letzten Monaten dieses Jahres sich dem Standpunkt der demokratischen Semstwokonstitutionellen zur Verfügung gestellt, und schließlich kündigte Miljukow die Umwandlung der Petersburger „Birshewyja Wjedomosti" in ein demokratisches Organ unter seiner Leitung an. 5 5 In Moskau sind die „Russkija Wjedomosti", deren Blüte der in Deutschland wohlbekannte Dr. Jollos durch seine s.Zt. viel beachteten Berliner Korrespondenzen herbeigeführt hat, 5 6 ausgesprochenes Organ der Struveschen Richtung. Von den nicht strikt wissenschaftlichen Zeitschriften, die in Rußland dem Charakter und Inhalt nach, bei etwas einfacherer Ausstattung, etwa zwischen der „Deutschen Rundschau" und den „Süddeutschen Monatsheften" die Mitte halten (Gedichte und belletristische Leistungen neben belehrenden Artikeln, politisch-ökonomischen und literarischen Chroniken, dabei stets beträchtlich über 20, oft 3 0 - 4 0 Bogen monatlich bei ziemlich engem Druck), bei bedeutendem Absatz (12-16000 Abonnenten bei den bekanntesten) vielfach sehr billig sind (das von dem demokratischen Pädagogen Ostrogorski herausgegebene marxistische „Obrasowanije" z . B . kostet pro Monatsheft 50, die anderen meist 75 Kopeken) und gute Honorare zahlen („engere" Mitarbeiter meist 80, „gelegentliche" Mitarbeiter 60 R. pro Bogen, Belletristik 100 und mehr) ( ,] steht der „Mir Boshij" (Herausgeberin zuerst Frau Alexandra Davydow, jetzt deren Tochter, die Schwester der ersten Frau Tugan-Baranowskis; 57 - der merkwürdige Name: „Gotteswelt", rührt von seinem ursprünglichen Charakter als Kinderzeitschrift her) wohl am entschiedensten auf dem
Nasa Zizn' v o m 8. Sept. 1905, S. 1, und der Nr. 178 des Syn otecestva v o m 9. Sept. 1905, S. 1: K postupky „ Nasej Z i z n i " . 53 A m 17. Oktober 1905 erließ Zar Nikolaj II. das sog. Oktobermanifest, in d e m „bürgerliche Freiheit", eine erweiterte Wahlrechtsregelung und die Mitwirkung der R e i c h s d u m a (des Parlaments) an der G e s e t z g e b u n g v e r s p r o c h e n w u r d e n . Zur Entstehung vgl. Doctorow, Gilbert S., The G o v e r n m e n t Program of 17 October 1905, in: Russlan Review 34, 1975, S. 1 2 3 - 1 3 6 . Der Gesetzestext in: PSZRI, 3 - e sobr., t o m 25, N r . 2 6 8 0 3 . D e u t s c h e Übersetzung bei Schelbert, Partelen, S. 29f. 54 Da die im Ausland g e d r u c k t e Revoljucionnaja Rossija die Ereignisse nicht mehr aktuell k o m m e n t l e r e n konnte, ü b e r n a h m die Partei der Sozialisten-Revolutionäre (Partija SociaIlstov-Revoljuclonerov) den als Tageszeitung e r s c h e i n e n d e n linkspopulistischen Syn otecestva. Siehe Hlldermeier, Manfred, Die Sozialrevolutionäre Partei Rußlands. Agrarsoziallsmus und Modernisierung im Zarenreich ( 1 9 0 0 - 1 9 1 4 ) . - Köln/Wien: Böhlau 1978, S. 146f. (künftig: Hildermeler, Sozialrevolutionäre Partei Rußlands). 55 Miljukov ü b e r n a h m g e m e i n s a m mit losif G e s s e n eine der drei täglichen A u s g a b e n der Birzevyja Vedomostl. Die neue Zeltung erschien z u m ersten Mal am 1. D e z e m b e r 1905 unter d e m N a m e n S v o b o d n y j Narod. Da sie das Finanzmanifest (siehe unten, S . 1 8 4 , A n m . 80) des Petersburger Sovet veröffentlicht hatte, w u r d e sie bereits am 2. D e z e m b e r verboten. A n ihrer Stelle erschien v o m 3. bis 20. D e z e m b e r 1905 Narodnaja S v o b o d a zweimal täglich, m o r g e n s und abends; dann stellte die Zeltung ihr Erscheinen ein, und es erschien wieder Birzevyja Vedomostl. Riha, Paul Millukov, S. 10Of. (wie S . 9 2 , A n m . 2 8 ; siehe auch unten, S. 184, A n m . 81). 56 Eine Auswahl der Berichte von G. lollos, d e m D e u t s c h l a n d - K o r r e s p o n d e n t e n der Russkija Vedomostl, w u r d e 1904 als Buch veröffentlicht, lollos, G. B., Pis'ma iz Berlina. S.-Peterburg: Obscestvennaja Pol'za 1904. 57 Herausgeberin des Mir Bozij war ab Nr. 4 (1902) M. K. Kuprina-Davydova.
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stand, endgültig seit Herbst 1904, die Organisation der Semstwos auch von Struve vertretenen, mit einem immerhin noch ziemlich starken Einschlag von Geschichtsmaterialismus getränkten „sozialliberalen" Standpunkt. In dieser Zeitschrift erschienen zuerst die bekannten „Otscherki" Miljukows, 58 der zeitweise, von etwa 1900 an, 5 9 die Redaktion führte. Organ der liberalen „Idealisten", deren Programmbuch das von Nowgorodzew 1902 herausgegebene Sammelwerk „Problemy Idealisma" war, ist die A 240 (12) von Shukowsky als | Herausgeber und Losski als Redakteur geleitete Monatsschrift „Woprossi Shisni", Organ der Marxisten das schon erwähnte „Obrasowanije", daneben die Monatsschrift „Prawda" .Die „Sozialrevolutionäre" Richtung (über den Begriff weiter unten) 60 verfügt über Schrejders Wochenschrift, „Ekonomitscheskaja Gasjeta" (nach Zeitungsannoncen jetzt in die Wochenschrift „Trud" umgewandelt) 61 und das später zu erwähnende „Russkoje Bogatstwo" 62 (Herausgeber: Koroljenko). - Es fällt dem Deutschen an all diesen Zeitschriften sofort auf, in wie starkem Maß darin Philosophie und speziell Erkenntnistheorie getrieben wird, und es ist charakteristisch für den „Hunger nach Prinzipien", der diese Publizistik und, offenbar, auch ihr Publikum beseelt, daß Redakteure und Klientel sich, neben der politischen Richtung, doch auch sehr entschieden danach schieden, an welchen Philosophen ihre Erkenntnistheorie angelehnt ist: Windelband, Simmel, Avenarius und Mach, Stammler, der Marxismus usw. finden je mindestens eine Zeitschrift, welche sich an ihnen beständig orientiert, und eine ganze Reihe anderer, welche sie eben so beharrlich kritisieren. In der von Koschewnikow herausgegebenen „Prawda" z. B. kam es zu einem Konflikt, der mit Bogdanows Austritt endigte, weil dieser sozialistische Anhänger Machs nicht in dies marxistische Ensemble paßte. 6 3 Die Entwicklung der verschiedenen Schattierungen des Neo-Idealismus in Rußland wird hoffentlich demnächst in dieser Zeitschrift 64 von berufener Seite kritisch analysiert werden. - Natürlich hat auch diese erfreuliche Vielseitigkeit die Kräftezersplitterung der Reformbewegung stark begünstigt. Die einzelnen Träger der liberalen Intelligenz müssen durch die gleichzeitige Beteiligung an zahlreichen Zeitschriften und Zeitungen nicht nur, sondern überdies auch an mehreren politischen Organisationen mit unter sich ähnlichen, aber nicht immer ganz gleichen Zielen und mit der Neigung, trotz teilweiser Personalunion gelegentlich auch gegeneinander zu operieren, eine „Ubiquität" entfalten, welche den Leistungen, die Lassalle 9 der Bourgeoisie in dieser Hinsicht zuschreibt, 65 nahekommt. - Es wird jetzt g A: Lasalle 5 8 Miljukov, O c e r k i . Die „ Ö c e r k i " e r s c h i e n e n in Mir Bozij z w i s c h e n 1895 und 1902. 5 9 Mir Bozij e r s c h i e n v o n 1 8 9 2 bis 1906 in St. Petersburg. V o n der G r ü n d u n g bis z u m J a h r e 1 9 0 2 leitete V. P. Ostrogorskij, v o n 1 9 0 2 bis 1906 F. D. Batjuskov, die Zeitschrift. Pavel N. Miljukov war 1 8 9 9 / 1 9 0 0 einer der verantwortlichen R e d a k t e u r e der Zeitschrift. 6 0 S i e h e unten, S . 2 0 0 f f . 6 1 Die Zeitschrift E k o n o m i c e s k a j a G a z e t a e r s c h i e n letztmalig mit Nr. 51 am 3. Juli 1905. Die a n g e k ü n d i g t e U m w a n d l u n g läßt sich nicht n a c h w e i s e n . 6 2 S i e h e unten, S . 21 Off. 6 3 Im H e r b s t 1904 g a b e n B o g d a n o v und Berdjaev nach A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n mit d e n übrigen Mitarbeitern der P r a v d a ihre Mitarbeit auf. In einer Erklärung der Redaktion w u r d e n sie als „Vertreter einer idealistischen Weltsicht" b e z e i c h n e t . Vgl. „ O t redakcii", in: Pravda, Nr. 11, N o v . 1904, S. 300. 6 4 Ein derartiger Artikel ist im A f S S nicht e r s c h i e n e n . 6 5 Es ließ sich nicht ermitteln, worauf W e b e r hier anspielt. Z u r Haltung L a s s a l l e s d e m B ü r g e r t u m g e g e n ü b e r vgl. Lassalle, Ferdinand, Herr B a s t i a t - S c h u l z e v o n Delitzsch, der
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und Dumas. 6 ) Beide Arten von Körperschaften sind heute, wie | bekannt, durch periodische (dreijährige), ständisch und nach Zensus A 241 (13) abgestufte, Wahlen zusammengesetzte Vertretungen der besitzenden Klassen des Landes bzw. der Städte, zweistufig, als Kreis5 (Ujesd-) und darüber als Gouvernementssemstwos, organisiert und abzuwarten sein, welchen Einfluß die neuen Verhältnisse (Preßfreiheit, politische Tätigkeit) auf den alten Typus der Zeitschriften ausüben werden. Denn: die Zeitung ist der Feind des Lesens. 6 ) Die Vorgeschichte dieser Organisation reicht bis in den Mai 1902 zurück, als Schipow eine Versammlung von Uprawa-Vorständen und -Mitgliedern und anderen SemstwoHonoratioren zu einer Besprechung von (damals) reinen Korporationsangelegenheiten der Semstwos einberief; 6 6 es handelte sich um die, mit Umgehung der Semstwos, von Witte organisierte „besondere Konferenz über die Bedürfnisse der Landwirtschaft". 67 Plehwe, im Beginne seines Ministeriums stehend, verhandelte damals, in Kenntnis von dem „Kongreß", mit Schipow, - bald aber schlug der Wind um, und die Teilnehmer erhielten durch die Gouverneure einen „Allerhöchsten Verweis", der jedoch „konfidentiell" sein sollte, zugestellt. 6 8 Diese ganz ungewöhnliche Form führte zu Protesten, und im Jahre 1903 fand trotz jenes „Verweises" eine zweite Versammlung statt. 6 9 |
ökonomische Julian oder Kapital und Arbeit, in: Ferdinand Lassalle's Reden und Schriften. Neue Gesamtausgabe. Mit einer biographischen Einleitung hg. von Eduard Bernstein, Band 3. - Berlin: Vorwärts 1893, S. 18f. und 250ff. 66 Vom 23. bis 25. Mai 1902 tagte in Moskau ein Zemstvo-Kongreß, an dem die Vorsitzenden von 16 Provlnz-Zemstva sowie andere Zemstvo-Mitgiieder teilnahmen. Der Kongreß verabschiedete eine Resolution, In der heftige Kritik an der Entscheidung der Regierung geübt wurde, die Zemstva bei der Zusammensetzung der Landwirtschaftskonferenz (siehe oben, S. 91, Anm. 24) zu umgehen. Gleichzeitig wurde gefordert, eine Reihe von gewählten Zemstvo-Repräsentanten in diese Konferenz zu kooptieren. Ferner sprachen die Zemstvovertreter sich In der Resolution für die Gleichstellung der Bauern mit den anderen Ständen, für eine Ausweitung der Bildungseinrichtungen und für eine Änderung der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Regierung, Insbesondere in der Steuerpolitik aus. Als Folge dieser Konferenz führten Pleve und Vitte Gespräche mit Sipov, dem Vorsitzenden der Zemstvo-Konferenz, in denen vor allem Pleve darauf hinwies, daß eine bessere Zusammenarbeit zwischen Zemstva und Regierung möglich sei, falls diese Forderungen zurückgenommen würden. Im Anschluß an dieses Gespräch berief Sipov eine Konferenz ein, bei der außer den Mitgliedern des Moskauer Zemstvo auch einige der Teilnehmer der Mai-Konferenz anwesend waren. Die Konferenz fand am 18. Juli 1902 in Moskau statt. Einige der politischen Forderungen wurden aus der Resolution gestrichen. Der Text der Resolution in: Osvobozdenie, Nr. 5 vom 19. Aug.(1. Sept.) 1902, S. 65f.; vgl. auch Sipov, D. N., Vospominanijai Dumy o perezitom.- Moskva: M. i S. Sabasnlkov 1918, S. 161-168 (künftig: Sipov, Vospominanlja). 67 Siehe oben, S. 91, Anm. 24. 68 Das Schreiben der Gouverneure wurde den Teilnehmern Ende September zugestellt. Text in: Veseiovskij, Boris, istorlja Zemstva, tom 3. - S.-Peterburg: O. N. Popov 1911, S. 562 (künftig: Veseiovskij, Istorija Zemstva). 69 Gemeint ist der Zemstvo-Kongreß vom 24. und 25. April 1903 in St. Petersburg, an dem 28 Vertreter von 17 Gouvernementszemstva teilnahmen.
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durchweg - mit Ausnahme der ständigen, unseren Magistraten entsprechenden, „Uprawa", des von der Semstwoversammlung gewählten Bureaus (Vorsitzender und 2 - 5 besoldete Mitglieder), - im Ehrenamt versehen. 63 ) Trotz des selbstverständlich bestehenden gesetzlichen Verbotes begann man seit Herbst 1904[,j jene „allrussisehen Kongresse" der Gouvernementssemstwos und der Dumas der größeren Städte zu organisieren, welche bis jetzt die Träger der sie zunehmend beherrschenden konstitutionell-demokratischen Bewegung geblieben sind. 70 Der erste Semstwokongreß fand - unter Beteiligung von nur 20 Gouvernements - im November 1904 in Petersbürg statt, weil die in ihrer Haltung schwankende Regierung Swiatopolk-Mirskis zunächst zugesagt hatte, ihn verhandeln zu lassen, falls er dort, unter ihren Augen, und nicht in Moskau tagen werde. 71 Im letzten Augenblick verbot sie ihn dennoch, aber ohne Erfolg, da in diesem Fall wie bei den folgenden Kongressen in Moskau die Teilnehmer sich trotzdem versammelten, sich weigerten, auseinanderzugehen und die Polizei ihr Protokoll aufnehmen ließen. Wie unsicher damals noch die liberale Bewegung sich fühlte, und wie gewaltig die Kongresse seitdem sich h entfaltet haben, beweist der Umstand, daß man vor dem ersten Kongreß nicht auf mehr als 14 Stimmen für eine Verfassungsresolution zu hoffen wagte. Tatsächlich wurden die „11 Punkte" 6b ) einschließlich der Forderung einer Volksvertretung nur
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6a ) Ausgeschlossen von der Semstwoorganisation sind, außer Kongreßpolen, auch die 9 angrenzenden weiß- und kleinrussischen („westlichen") Gouvernements und die Ostseeprovinzen. 6b ) Persönliche, Vereins-, Versammlungs- und Preßfreiheit, bürgerliche Gleichheit, insbesondere für die Bauern (Punkt 8), Beseitigung des ständischen Elements in der Semstwoverfassung, der Schranken ihrer Zuständigkeit und Selbständigkeit und Schaffung kleinerer Semstwobezirke (Punkt 9), Berufung frei gewählter Vertreter (Punkt 11), welche - Mehrheitsansicht: - an der gesetzgebenden Gewalt (60 gegen 38 Stimmen), der
h A: sie
70 Gemeint ist die sog. Bankett-Kampagne im Herbst und Winter 1904. Zahlreiche Bankette, die vom Bund der Zemstvo-Konstitutionaiisten organisiert worden waren, wurden zum Anlaß genommen, um dort konstitutionelle Forderungen vorzutragen. 71 Der Innenminister Svjatopolk-Mirskij hatte zunächst gestattet, den Kongreß öffentlich in St. Petersburg tagen zu lassen. Da auf dem Kongreß auch politische Fragen behandelt werden sollten, zog er diese Zusage zurück. Er ließ den Kongreß jedoch unbehelligt in Privathäusern tagen.
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gegen die Stimme des Grafen Stenbok-Fermor (Cherson) angenommen: nur daß die von Schipow geführte Minderheit die letztere nur als eine „an der Gesetzgebung teilnehmende" bezeichnen wollte. 72 Die Resolution wurde nicht an den Zaren direkt, sondern an den 5 Minister (Swiatopolk-Mirski) gerichtet, und zwar, da der Kongreß selbst ja illegal war, seitens der Gouvernementssemstwos, denen sie vom Kongreß zur Beratung übermittelt wurde. 73 Die entsprechende Resolution des Gouvernementssemstwo von Tschernigow wurde dann vom Zaren | bekanntlich als „frech" bezeichnet. 74 Ein fernerer A 242 (14) 10 Semstwokongreß fand im Februar 1905 statt, ein weiterer im April (von 2A der Gouvernements beschickt). 75 Für den Mai hatten die beiden Parteien - die konstitutionelle Demokratie und die Slawophilen - Sonderkongresse ihrer Gruppen einberufen; unter dem Eindruck der Tsushima-Schlacht vereinigten' sie sich zu dem „KoaliFestsetzung des Budgets (91 gegen 7) und der Kontrolle der Verwaltung (95 gegen 3) beteiligt sein sollten (Punkt 10). Die Minderheitsfassung: „Beteiligung an der Gesetzgebung" erhielt 27 Stimmen. 76 |
i A: vereinigen
72 Ein Protokoll des Kongresses erschien 1905 in Moskau: Castnoe sovescanle zemsklch dejatelej proischodivsee 6,7,8, i 9 nojabrja 1904g. v S.-Peterburge. - Moskva: S. P. Jakovlev 1905. Die Meinung der Minderheit: K mneniju men'sinstva castnago sovescanija zemskich dejatelej, 6 - 8 nojabrja 1904 goda. - Moskva: S. P. Jakovlev 1905. Graf Stenbok-Fermor hatte unmittelbar nach der Eröffnung vorgeschlagen, zuerst eine Kommission zu bilden, die ein Programm des Kongresses erstellen sollte. Für diesen Vorschlag stimmte nur er allein. An den weiteren Abstimmungen nahm er nicht mehr teil. Castnoe sovescanle, S. 15-18. 73 Die Resolution des Zemstvo-Kongresses wurde von einer Kommission erstellt. Fürst S. N.Trubeckoj übernahm die Redaktion letzter Hand. Anläßlich einer Zusammenkunft Sipovs und S. N.Trubeckojs mit dem Innenminister Svjatopolk-Mlrskij am 29. November 1904 wurde diesem die Resolution übergeben. In seiner Schlußsitzung hatte der Kongreß alle lokalen Zemstvo-Versammlungen aufgefordert, die Resolution des Kongresses in ihre Petitionen aufzunehmen. 74 Über die Petition des Cernlgovschen Zemstvo äußerte sich Nikolaj II.: „Ich halte die Handlung des Vorsitzenden der Gouvernements-Versammlung für frech und taktlos. Sich mit Fragen der Staatsführung zu beschäftigen, ist nicht Sache derZemstvo-Versammlungen." Pravitel'stvennyj Vestnik, Nr. 279 vom 9. Dez. 1904, S. 3. 75 Gemeint sind die Zemstvo-Kongresse vom 24. bis 25. Februar und vom 22. bis 26. April 1905. 76 Das Abstimmungsergebnis in: Llstok Osvobozdenija, Nr. 18 vom 20. Nov.(3. Dez.) 1904, S. 1 f. Im Original wird nur von einer „Kontrolle der gesetzgebenden Tätigkeit" gesprochen.
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tionskongreß" (24. u[nd] 25. Mai a. St.), welcher die bekannte Deputation nach Peterhof (6. Juni) schickte. 77 Der Julikongreß, dessen Teilnehmer der Zar eigenhändig als „Schwätzer" bezeichnete, war zugleich der letzte derjenigen Kongresse, welche von der Polizei in gewissem Sinne als „illegal" behandelt wurden. 60 ) 78 Der alsdann 5 folgende Semstwokongreß zur Beratung über das Bulygin'sche Dumaprojekt tagte unbehelligt im September, ebenso, nach Erlaß des Oktobermanifests, der Kongreß vom 6.-13. November, welcher das „Vertrauen" zum Grafen Witte an bestimmte allgemeine „Bedingungen" knüpfte und über den auch die deutsche Presse eingehend 10 berichtet hat. 79 Die ersten Kongresse waren reine Semstwovertretungen. Die Städtevertreter hatten zeitweise gesonderte Kongresse gehalten, erst im Julikongreß war ihre Vertretung eine - mit AusnahA 242 (14)
6c
) Ein „Beamter in besonderem Auftrag" wohnte dem Kongreß bei. |
77 Am 14./27. Mai wurde die russische Flotte in der Straße von Tsushima von den Japanern vernichtend geschlagen. Der als „Koalitions-Kongreß" bezeichnete ZemstvoKongreß tagte vom 24. bis 26. Mai 1905 in Moskau. Die konstitutionalistische Mehrheit und die slavophile Minderheit einigten sich auf eine Resolution, in der „gewählte Repräsentanten" gefordert wurden, die gemeinsam mit dem Herrscher über die Folgen von Krieg und Frieden und über die gesetzliche Ordnung in Rußland entscheiden sollten. Die Resolution wurde dem Zaren am 6. Juni 1905 von einer Deputation unter Führung des Fürsten 5. N.Trubeckoj in Petergof (Peterhof) überreicht. Text der Petition in: Osvobozdenie, Nr. 72 vom 8.(21.) Juni 1905, S. 365f. 78 Vom 6. bis 8. Juli 1905 tagte in Moskau erneut ein Zemstvo-Kongreß, der sich mit der Frage der Teilnahme an den Wahlen zur Bulyginschen Duma und mit einem Verfassungsprojekt (veröffentlicht in: Russkija Vedomosti, Nr. 180 vom 6. Juli 1905, S. 1 f.: K voprosu ob organizacii buduscago predstavitel'stva) beschäftigte. Der Versuch des Innenministers, diesen Kongreß zu verbieten, scheiterte. Jedoch fand er unter Aufsicht von Polizeibeamten statt. Vgl. Ijul'skij zemskij s-ezd. Protokol s-ezda, in: Osvobozdenie, Nr. 76 vom 2.(15.) Sept. 1905, S. 447-458, hier: S.448. Die Bezeichnung „Schwätzer" bezieht sich offensichtlich auf die Teilnehmer des Mai-Kongresses. In Nr. 73 des Osvobozdenie vom 6.(19.) Juli 1905, S.391, erschien unter der Überschrift: „Vysocajsaja rezoljucija" die Äußerung des Zaren: „Ich hoffe, daß der Kongreß nicht stattfindet. Es ist genug geschwätzt. " 79 Vom 12. bis 15. September 1905 tagte in Moskau ein weiterer Kongreß der Zemstvound Stadtduma-Vertreter. In einer Resolution bezüglich des Bulyginschen Dumaprojekts forderten die Teilnehmer des Kongresses das allgemeine Wahlrecht und eine effektive Kontrolle der Volksvertretung über das Budget und die Verwaltung. Der Kongreß der Zemstva vom 6. bis 13. November 1905 stellte Vitte seine Unterstützung in Aussicht, wenn er sich auf den Boden der konstitutionellen Prinzipien stelle. Vgl. die Berichte in der FZ, Nr. 322 vom 20. Nov. 1905, Mo.bl., S. 1; Nr. 323 vom 21. Nov. 1905, 3. Mo.bl., S. 1, und Ab.bl., S.2; Nr. 324 vom 22. Nov. 1905, 2. Mo.bl., S. 1; Nr. 325 vom 23. Nov. 1905, Ab.bl., S. 1 f.; Nr. 326 vom 24.Nov.1905, 2. Mo.bl., S.1; Nr.328 vom 26.Nov.1905, 1. Mo.bl., S. 3, 3. Mo.bl., S. 1, 5. Mo.bl., S. 1; Nr. 329 vom 27. Nov. 1905, Ab.bl., S. 2, und Nr. 334 vom 2. Dez. 1905, 4. Mo.bl., S. 1.
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me einiger reaktionärer 1 * Dumas - allgemeine. Regelmäßig vor - nur im Juli 1905 nach - dem Kongreß hielt die konstitutionell-demokratische Gruppe der Semstwoleute ihre Sitzung ab. - Die Anlehnung der liberalen Bewegung an die Semstwoorganisation hatte den großen Vorteil, daß erstens ein legaler Stützpunkt gesichert war, von dem, nach den noch zu erwähnenden 8 0 Erfahrungen des Moskauer Semstwos, - feststand, daß die Regierung, wenigstens im gegenwärtigen 1 Moment, ihn gänzlich zu beseitigen nicht wagen würde. Zweitens stand in dem vom Gesetz vorgesehenen ständigen Ausschuß („Uprawa") des den Kongreß vorbereitenden Semstwo ein ständiges, auch außerhalb der üblicherweise alljährlich einmal (im Spätherbst) tagenden Versammlungen der einzelnen Semstwos bestehendes Organ jederzeit zur Verfügung, welches für die Kongresse und in der Zeit zwischen den Kongressen als Bureau fungierte und die Resolutionen der Versammlungen vorbereitete und einbrachte. Dies war um so wichtiger, weil die gesetzlichen Vorsitzenden der offiziellen Gouvernements- und Kreis-Semstwoversammlungen, die vom Adel gewählten Adelsmarschälle, im allgemeinen reaktionär gesinnt waren. Die Leitung der „allrussischen Kongresse" übernahm die Moskauer Uprawa, welche schon 1902/3 unter Schipow die damals noch unpolitischen Erörterungen zwischen den Semstwos vermittelt hatte. 81 Daß sie zur Leitung der politischen Bewegung hervorragend befähigt war, dafür hatte wider Willen Plehwe gesorgt, als er den „gemäßigt liberalen" Slawophilen Schipow anläßlich jener Widersätzlichkeiten des Semstwos gegen das Willkürregiment absetzte. 82 Auf dieser Absetzung beruhte Schipows zeitweilige Popularität. An seiner Stelle wurde aber der Radikale Golowin | gewählt, und da Plehwe kurz A 243 (15) vorher erst das Twersche Semstwo wegen ähnlicher Widersätzlichkeiten seiner führenden Mitglieder (Petrunkjewitsch, de Roberti und anderer) gänzlich gesprengt hatte, 8 3 wagte er es im gegebenen k A: reaktionären
I A: gegenwärtigem
80 Siehe auf dieser Seite unten. 81 Siehe oben, S. 99, Anm. 66. 82 Im April 1904 verweigerte der Innenminister Pleve der Wahl Sipovs zum Vorsitzenden des Moskauer Gouvernements-Zemstvo wegen „oppositioneller Aktivitäten" die ministerielle Anerkennung. Das Moskauer Zemstvo wählte daraufhin den radikalen Fedor A. Golovin zu seinem Vorsitzenden. Vgl. Harcave, Sidney, First Blood. The Russian Revolution of 1 9 0 5 . - L o n d o n : Bodley Head 1964, S.44 (künftig: Harcave, First Blood). 83 Siehe oben, S. 90, Anm. 20.
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Augenblicke nicht, einzuschreiten. Unter Schipow als Leiter der Uprawa wären aber die großen radikalen Semstwokongresse in Moskau, nach Annahme Beteiligter, gar nicht in der Art möglich gewesen, wie unter Golowin. - Was nun die soziale Zusammensetzung dieses Semstwoliberalismus anlangt, so werden die stimmberechtig- 5 ten Mitglieder der Semstwos und Dumas zwar teils nach Besitz, teils nach ständisch gegliederten Wählerklassen gewählt und müssen selbst den Vermögenszensus haben. 84 Allein wie die Sozialdemokraten in Berlin die Hausbesitzerqualifikation durch Zession z.B. von ein Hundertstel Hausanteil künstlich zu schaffen gelernt haben, 85 so 10 hat man ganz regelmäßig durch fiktive Vermögensübertragung für Vertreter der „Intelligenz" das passive Wahlrecht geschaffen, 86 wenn man z.B. in einer städtischen Verwaltung einen wissenschaftlichen Spezialisten an bestimmten Verwaltungsreformen aktiv beteiligen wollte. Wir finden daher in den Semstwokongressen neben den 15 liberalen Grundbesitzern die Blüte der russischen akademischen Intelligenz und politischen Publizistik,7) soweit sie liberal sind, verA 2 4 3 (15)
7 ) Die meisten früher als Mitglieder des Befreiungsbundes angeführten Liberalen gehörten auch den Semstwokongressen an. Von spezifischen Semstwopolitikern seien, außer den im Text und sonst gelegentlich erwähnten noch genannt: die beiden Brüder, Fürsten Ssergjej und Jewgenij Trubezköj, ersterer der jüngst verstorbene Rektor der Universität Moskau, letzterer Professor der Enzyklopädie und Rechtsphilosophie in Kiew. Ihr Stiefbruder Fürst Peter Trubezköj, der Adelsmarschall von Moskau, steht am weitesten „rechts", er gilt für eher noch „gemäßigter" als der liberale Slawophile Schipow, hat aber
84 Nach den Statuten vom 12. Juni 1890 waren für die Landbesitzerkurie diejenigen Personen qualifiziert, die Land in einer bestimmten, durch Gesetz festgesetzten Höhe besaßen (die Höhe des Landbesitzes für jeden Kreis war per Gesetz spezifiziert), sowie die Personen, die unbewegliche Habe von mindestens 15000 Rubel zu versteuern hatten, und die Wahlmänner derjenigen kleinen Landbesitzer, die mindestens Besitz in Höhe von einem Zehntel des vollen Zensus besaßen. 85 Nach Paragraph 16 der Städteordnung für die sechs östlichen Provinzen des Königreichs Preußen vom 30. Mai 1853 mußte die Hälfte der von jeder Abteilung der Wähler (Dreiklassenwahlrecht) zu wählenden Stadtverordneten aus Hausbesitzern bestehen. War diese Zahl nicht erreicht, so schieden diejenigen gewählten Nicht-Hausbesitzer, die die wenigsten Stimmen erhalten hatten, In der erforderlichen Anzahl aus. Die Wahlordnung sah gleichfalls vor, daß einerseits bei mehreren Besitzern eines Hauses nur einer als wählbar galt, andererseits jedoch der Nießbrauch aus einem Wohnhaus das Recht auf Wählbarkelt einbegriff. Durch Zession (Abtretung von Forderungen oder Ansprüchen) von Hausbesitz auf den Nießbraucher ließ sich daher das Recht auf Wählbarkeit begründen. Siehe dazu: Brauchitsch, Max von, Die neuen Preußischen Verwaltungsgesetze, Band 1, 19. Aufl., und Band 3, 16. Aufl. - Berlin: C. Heymanns 1903, Band 1, S.260, und Band 3, S. 23, 27, 44 und 51. 8 6 Der Sachverhalt ließ sich nicht ermitteln.
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treten, und die Art der Zusammensetzung der Kongresse erinnert, soweit solche Vergleiche möglich sind, am ehesten an das 1848er Vorparlament und die Frankfurter - nicht die Berliner - Nationalversammlung. 87 Außerhalb der 34 Gouvernements, in welchen die 5 Semstwoorganisation besteht, schuf man sich für die Zwecke der Kongreßvertretung ad hoc Wahl|körper durch die bestehenden land- A 244 (16) wirtschaftlichen und anderen Vereine, - wie, ist für mich im einzelnen nicht feststellbar. 88 Jedenfalls waren auf den letzten Semstwokongressen auch die nicht organisierten Gebiete nebst Sibirien und 10 Transkaukasien und auf dem Novemberkongreß auch die Polen vertreten. Wirkliche Lückenlosigkeit hat freilich nie bestanden, da bis zuletzt manche Semstwos und Dumas die Beteiligung entweder ablehnten (so Kiew) oder nur durch einzelne Repräsentanten vertreten waren (so Petersburg). (Von den Ujesd-Semstwos vollends sind 15 eine nicht geringe Anzahl direkt reaktionär.) Die ehrenamtlichen gewählten Semstwomitglieder (Djejateli, amtlich: „Glassnyje") repräsentieren mithin in der Hauptsache „bürgerliche" Intelligenz, wenn man dies Wort nicht im Sinn der ökononach dem Peterhofer Empfang (6. Juni) 8 9 die Denkschrift für den Zaren über die allgemeine Lage verfaßt, 9 0 deren pessimistischer Ton bei seiner politisch gemäßigten Stellung auffiel. Fürst Jewgenij Tr[ubezkoj] ist ein konstitutioneller Demokrat, der jedoch nur sehr allmählich die Forderung z . B . des allgemeinen Wahlrechts sich aneignete. - Prof. Lutschizkij in Kiew ist ein gemäßigter Vertreter des liberalen (nicht nationalistischen) Kleinrussentums. - Endlich möge noch der auch in deutschen Zeitungen öfter erwähnte, nur der Semstwobewegung, nicht dem Befreiungsbunde angehörige konstitutionelle Politiker Kreis-Adelsmarschall Nowossilzew und der Gutsbesitzer, Literarhistoriker und Publizist Jakuschkin, der sehr radikale Tschernigower Gutsbesitzer Chishnjakow und der sehr gemäßigte N. N. Kowaljewskij aus Charkow, Hauptgegner des Frauenstimmrechts, genannt sein. (Letztere beide auch im Befreiungsbund.) | 87 Im Gegensatz zur Berliner Nationalversammlung von 1848/49, in der wirtschaftliche Berufe recht stark vertreten waren, spielte In dem die Wahlen vorbereitenden Vorparlament und In der Frankfurter Nationalversammlung der „Gelehrtenstand" (Professoren, Geistliche, Advokaten) eine große Rolle. Vgl. Huber, Verfassungsgeschichte II, S.584f. und 61 Of. 88 Zum Wahlverfahren In den Gouvernements ohne Zemstvo vgl. Sovescanie gorodsklch i zemsklch dejatelej, in: Russklja Vedomostl, Nr. 249 vom 13. Sept. 1905, S. 3. 8 9 Siehe oben, S. 102, Anm. 77. 9 0 Am 18. Juni 1905 überreichten Fürst P. N.Trubeckoj und Graf Gudovlc eine Denkschrift der Gouvernementsadelsmarschälle, die auf Ihrer Tagung vom 12. bis 16. Juni ausgearbeitet worden war. Predvoditell dvorjanstva o polozenil Rossil, In: Osvobozdenle, Nr. 75 vom 6.(19.) Aug. 1905, S. 431 f. Die RedeTrubeckojs währenddes Empfangs durch den Zaren für die Delegation der Adelsmarschälle, In: Trubeckaja, Olga, Knjaz' S. N. Trubeckoj. Vospomlnanija sestry. - New York: Izd. Imenl Cechova 1953, S. 149.
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mischen Klasse, sondern im Sinn der allgemeinen Lebenshaltung und der Bildungsstufe nimmt. Die eigentliche „Bourgeoisie", speziell die Großindustriellen, sind dagegen in den Semstwos relativ einflußlos. Schon in einer Erklärung vom 11. März 1905 protestierten daher die Vertreter des Zentralrayons unter Führung Morosows (Moskau), des Petersburger Großkapitalismus unter Führung Nobels, des südrussischen Bergbaus unter Führung Awdakows m bei dem Minister Bulygin, der sie in Audienz empfing, gegen die Kompetenz der Semstwo- und Duma-Vertreter zur Repräsentation der „öffentlichen Meinung." 1 Ökonomisch betrachtet, waren die Semstwo-Liberalen im allgemeinen „Nicht-Interessenten", Träger daher eines politischen und sozialpolitischen Idealismus, wie er bei uns, das Geschick der Nationalsozialen zeigte es, 2 - augenblicklich als Macht im öffentlichen Leben nicht leicht zu organisieren ist. Nach der russischen Ausdrucksweise bilden sie das „zweite Element" der Semstwos, im Gegensatz zu der proletaroiden Intelligenz der angestellten Semstwobeamten, welche - daher jene Bezeichnung - durch Plehwe gelegentlich mißmutig und warnend als das „dritte Element" bezeichnet wurden und, wie wir später noch sehen werden, 3 mit anderen Schichten ähnlichen sozialen Gepräges hauptsächlich, wenn auch nicht ausschließlich, in dem „Verband der Verbände" 4 organisiert sind. Dies „dritte Element" bildet eine sehr zahlreiche (angeblich gegen 50000 Personen umfassende) Bureaukratie und auf ihm liegt, gemeinsam mit der „Uprawa", die reguläre Arbeitslast in den m A: Ardakows
1 W e b e r bezieht sich v e r m u t l i c h auf: Priem deputacii ot p r o m y s l e n n i k o v m i n i s t r o m v n u t r e n n y c h del, in: Pravo, Nr. 12 v o m 27. März 1905, S . 9 1 4 f . 2 A n s p i e l u n g auf d e n 1 8 9 6 v o n Friedrich N a u m a n n g e g r ü n d e t e n Nationalsozialen Verein, d e r sich, politisch erfolglos, 1 9 0 3 w i e d e r auflöste. W e b e r hatte sich z u n ä c h s t an d e n G r ü n d u n g s v o r b e r e i t u n g e n beteiligt, sich dann aber z u n e h m e n d distanziert. 3 S i e h e unten, S. 1 7 7 f f . 4 Der Sojuz S o j u z o v (Verband der Verbände) entstand im Mai 1905 als Z u s a m m e n s c h l u ß v o n 14 nach b e r u f s s t ä n d i s c h e n Prinzipien organisierten V e r b ä n d e n . Ihm g e h ö r t e n u.a. der V e r b a n d d e r A k a d e m i k e r , der V e r b a n d d e r Schriftsteller, der G y m n a s i a l l e h r e r etc. an. A u c h der „ B u n d d e r Z e m s t v o - K o n s t i t u t l o n a l i s t e n " s c h l o ß s l c h d e m Sojuz S o j u z o v an. Das G r ü n d u n g s p r o g r a m m ist a b g e d r u c k t in: Pravo, Nr. 2 0 v o m 22. Mai 1905, S. 1 6 6 4 f . Pavel Mlljukov w u r d e z u m ersten V o r s i t z e n d e n gewählt. Ein V e r z e i c h n i s der M i t g l i e d s v e r b ä n d e , das das G r ü n d u n g s d a t u m u n d die Mitgliederzahl enthält, in: S p u t n i k izbiratelja v G o s u d a r s t v e n n u j u D u m u na 1 9 0 6 g o d . - S . - P e t e r b u r g : I . I . E f r o n 1906, S. 1 5 2 - 1 6 0 (künftig: S p u t n i k izbiratelja).
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Semstwos. 7a ) Man pflegt über die Neigung zum „Systematischen", | welche die radikalen Ideologen dieser Schicht beseelt, zu spotten, A 245 (17) und wer als Ausländer seufzend vor dem Ozean der Semstwo-Statistik steht, wird zuweilen die Fähigkeit der Scheidung von Wichtigem 5 und Unwichtigem vermissen. Gleichwohl gehört offenbar der Idealismus und die Opferbereitschaft dieser einzigen wirklich „in und mit dem Volke" lebenden Beamtenkategorie zu dem ethisch Erfreulichsten und Achtungswertesten, was das heutige Rußland zu bieten hat. 7a
) Die Beziehungen der beiden „ E l e m e n t e " untereinander beleuchten die Verhand- A 244 (16) lungen der konstituierenden Versammlung des „Bundes der Semstwoangestellten" („Prawo" 1905,19 S. 1594f.). 5 Es wurde betont, d a ß das Arbeitsverhältnis dieser Angestellten nicht, wie in der Privatunternehmung, einen Interessengegensatz zwischen Kapital und Arbeit in sich schließe, sondern auf gemeinsamem A r b e i t e n beider „ E l e m e n t e " im Dienst idealer Ziele beruhe. Die gewählten Semstwomitglieder seien im allgemeinen keine Interessenten, sondern „ R e n t n e r " oder ökonomisch unabhängige Leute, nur der immerhin häufige Wechsel im Personalbestand der Ge|wählten auf der einen und die hierar- A 245 (17) chisch-bureaukratische Gliederung der Angestellten auf der anderen Seite seien in dieser Hinsicht Mißstände. N e b e n materieller Besserstellung wurde gefordert: regelmäßige Zulassung von Vertretern des „dritten E l e m e n t s " mit beschließender Stimme (kommt schon jetzt nicht selten vor und bildet einen der Hauj5tanstoßpunkte der Regierung), Anstellung durch gemischte Kommissionen der U p r a w a und des dritten Elements, 6 Entlassung nur auf G r u n d eines - wie das Mittelalter gesagt hätte: - „judicium parium" (des zu Entlassend e n ) , 7 d a n e b e n Pensionskasse und Zwangsversicherung. - (Was die materielle Lage betrifft, so finde ich in den Zeitungen A n n o n c e n von Semstwos, welche Ärzte für 2000, A g r o n o m e n für 1200 Rubel nebst bestimmten Reisespesen suchen.) Die R e a k t i o n ä r e , z. B. die Kursker „Nationale Ordnungspartei"[,j werfen ihrerseits den Liberalen vor, im Semstwo „gemieteten L e u t e n " den ausschlaggebenden Einfluß einräumen zu wollen (Abt. II, Punkt 5 der Kursker Proklamation). D a s Semstwo solle zwar wieder „unabhängig" w e r d e n , aber nur unbewegliches Eigentum vertreten. 8
5 Sojuz zemskich sluzascich, S. 1594ff. 6 Mit „drittem Element" (tretij Clement) sind die besoldeten Zemstvo-Angestellten, Ärzte, Statistiker etc. gemeint. Der Ausdruck stammt von dem Vize-Gouverneur von Samara, Kondoidi, der die Zemstvo-Angestellten als „ein neues, drittes Element im Leben des Zemstvo" bezeichnete. Vgl. Fallows, Thomas, The zemstvo and the bureaucracy, 1890-1914, in: Emmons, Terence und Vucinich, Wayne S. (Hg.), The zemstvo in Russia. An experiment in local self-government. - Cambridge: Cambridge University Press 1982, S. 177-241, hier: S.218 (künftig: Emmons und Vucinich, Zemstvo in Russia). Die von Weber im Text angeführte Zahl von ca. 50000 Zemstvo-Angestellten dürfte zutreffend sein. Nach einer Schätzung des Historikers der Zemstva Veselovskij wurden im Jahre 1908 ca. 65000 bis 70000 Personen von den Zemstva beschäftigt. Veselovskij, Istorija Zemstva, tom 3, S. 465 (wie oben, S. 99, Anm. 68). 7 Ein Urteil der Mitglieder des eigenen Standes gemäß dem Prinzip, nach dem der einzelne nur von seinesgleichen gerichtet werden darf. 8 Cego zelaet Kurskaja narodnaja partija porjadka, S. 3740.
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Aus dem „Befreiungsbunde" und den Semstwokonstitutionellen ist die konstitutionell-demokratische Partei erwachsen. Der Julikongreß der Semstwos nahm den Vorschlag an, 40 Mitglieder zur Verhandlung mit den Delegierten des „Befreiungsbundes" und des „Verbandes der Verbände" zu nominieren, der Befreiungsbund be- 5 schloß entsprechend, und in der Zeit vom 12.-18. Oktober a. St. fand die Parteikonstituierung in Moskau statt. Da die Stadt damals von der Außenwelt durch die Streiks abgeschlossen war, liegen mir leider zurzeit hier keinerlei nähere Berichte über den Vorgang vor. 7b ) Sicher ist, daß der „Verband der Verbände" der, für die Anschauun- 10 gen seiner Mitglieder, zu gemäßigten Partei nicht beitrat. Der „Befreiungsbund" löste sich zwar auf, aber nicht ohne daß die Petersburger Gruppe, als Professor Miljukow und Struve den Beitritt zur konstitutionell-demokratischen Partei beantragten, unter heftigen Angriffen auf den letzteren als „vornehmen Ausländer" 7 c) den An- 15 trag ablehnte. 9 Sie bestand zuerst als Rumpf weiter und verwandelte sich dann im Dezember in einen sozialpolitischen Klub, 8 ) dem | A 246 (18) Struve, nach Zeitungsnachrichten, die Gründung einer den „Fabiern" 1 0 nachgebildeten Gesellschaft gegenüberstellte. Die bis dahin im „Befreiungsbund" geeinigten Elemente fielen also nun auseinan- 20 7b
) D a s P a r t e i p r o g r a m m ist im „ P r a w o " N r . 41, S . 3 4 2 4 f . a b g e d r u c k t . 1 1 Auf seinen Inhalt k o m m e n wir bei E r ö r t e r u n g der einzelnen P r o b l e m e f o r t l a u f e n d zurück. 7c ) Soweit ersichtlich, trat namentlich F r a u J e k . Kuskow sehr energisch gegen Struve auf. 8 ) R u s s j v[om] 30. Nov. N r . 32 S 3 . 1 2 |
9 Dies läßt sich nicht nachweisen. Die Gruppe um E. Kuskova und S. N. Prokopovic, der linke Flügel des St. Petersburger Befreiungsbundes, erklärte Anfang November 1905 in einem Schreiben an die Zeitung Russkija Vedomosti ihren Austritt aus der kurz zuvor gegründeten konstitutionell-demokratischen Partei. Sie versuchte, Struve für ihre neue Gruppierung zu gewinnen, was jedoch scheiterte. Vgl. Pipes, Richard, Struve. Liberal on the Rlght, 1905-1944. - Cambridge, Mass.: Harvard University Press 1980, S. 17f. (künftig: Pipes, Struve. Liberal on the Right). 10 Die 1883/84 u.a. von George Bernhard Shaw, Sidney Webb und Edward Pease gegründete Fabian Society, eine sozialistische Vereinigung, vertrat einen evolutionären Weg zum Sozialismus, wobei insbesondere der Staat zur sozialen Wohlfahrt beitragen sollte. Die Gruppierung war 1906 an der Gründung der britischen Labour Party führend beteiligt. 11 Programma konstitucionno-demokratlceskoj partii, S. 3424ff. Deutsche Übersetzung bei Schelbert, Partelen, S. 6 0 - 6 8 . 12 Weber bezieht sich hier auf den Artikel: O Peterburgskoj gruppe byvsago sojuza osvobozdenija, in: Rus', Nr. 33 vom 30. Nov. 1905, S.3.
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der, und die „proletaroide" Intelligenz, im „Verband der Verbände" vertreten, ging neben der „bürgerlichen", welche dem Schwerpunkt nach Semstwo-Partei war, ihren eigenen Weg. 13 Der erwähnte 14 Aprilkongreß der Semstwos nun nahm den hier besprochenen Entwurf einiger „Osswoboshdjenzi" als Beratungsgrundlage an, und es wurde gleichzeitig durch das Bureau ein Komitee mit seiner Umarbeitung beauftragt. Das Ergebnis derselben liegt (russisch) vor unter dem gleichen Titel wie der hier besprochene Entwurf. 9 ) 15 Die Abweichungen beziehen sich auf die Beseitigung des „höchsten Gerichtshofes" und die Ausschaltung der finländischen Frage, die darin, ebenso wie die polnische, garnicht erwähnt ist, sonst auf Einzelheiten. Dies so umgestaltete Projekt wurde vom Julikongreß prinzipiell und vorbehaltlich der Besprechung in den lokalen Selbstverwaltungskörperschaften gegen 7 Stimmen angenommen. 16 Von liberaler Seite ist ein weiteres Verfassungsprojekt inzwischen nicht vorgelegt worden, ein angeblich von der später zu erwähnenden „Partei der Rechtsordnung" verfaßtes ist mir z.Z. unzugänglich.17 Dem hier besprochenen Entwurf wird man nun zunächst nachsagen, daß er durchaus „unhistorisch" sei, und dies trifft bei einem 9
) Verlag des Osswoboshdjenije, Paris (jetzt aufgelöst). 1 8 |
13 Siehe oben, S. 106, Anm.4. 14 Siehe oben, S. 101. 15 Osnovnoj gosudarstvennyj zakon Rossijskoj imperii. In französischer Übersetzung: Loi fondamentale de l'Empire Russe (vgl. oben, S. 86, Anm. 1, und Einleitung, S. 7f.). 16 Seit Mitte 1904 arbeiteten die Professoren für öffentliches Recht F. Kokoskin und S. Kotljarevskij, die dem liberalen Lager angehörten, an einem Verfassungsentwurf, der Im März 1905 unter dem in Anm. 15 genannten Titel erschien (auch in: Pravo, Nr.21 vom 29. Mai 1905, S. 1735-1746). Über diesen Entwurf wurde auf dem Zemstvo-Kongreß im April 1905 abgestimmt, anschließend wurde er von S.A. Muromcev und anderen einer Überarbeitung unterzogen. Er erschien dann in Russkija Vedomosti, Nr. 180 vom 6. Juli 1905, und im September 1905 unter dem Titel: Proekt Osnovnago Zakona Rossijskoj Imperii. Vyrabotan kommissiej bjuro obscezemsklch s-ezdov.-Paris: Société Nouvelle de Librairie et d'Édition 1905. Vgl. Szeftel, Marc, The Russian Constitution of April 23,1906. Polltical Institutions of the Duma Monarchy. - Bruxelles: Les Éditions de la Librairie Encyclopédique 1976, S.28ff. (künftig: Szeftel, Russian Constitution). 17 Die Partei der Rechtsordnung (Partlja pravovogo porjadka) wurde am 15. Oktober 1905 von Mitgliedern der Petersburger Stadtduma gegründet. Das Programm in: Sputnik izbiratelja, S. 169-174 (wie oben, S. 106, Anm.4). Ein Verfassungsentwurf der Partei der Rechtsordnung läßt sich nicht nachweisen. Siehe unten, S. 141 und S. 259ff. 18 In einem Rundschrelben vom 13. November 1905 teilte Struve den Abonnenten des Osvobozdenle mit, daß die Zeltung ihr Erscheinen einstelle und der Verlag aufgelöst sei.
A246(18)
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Demokratie
solchen Extrakt des modernen internationalen Verfassungsrechts, wie er ihn darstellt, in der Tat zu. Aber was ist eigentlich in dem heutigen Rußland „historisch"? Die Kirche und die bäuerliche Feldgemeinschaft, von denen wir noch reden werden, 19 ausgenommen, schlechthin garnichts, außer der aus der Tatarenzeit übernommenen absoluten Gewalt des Zaren, welche heute, nach Zerbröckelung aller jener „organischen" Gebilde, die dem Rußland des 17. und 18. Jahrhundert das Gepräge gaben, in völlig unhistorischer „Freiheit" in der Luft schwebt. Ein Land, welches vor kaum mehr als einem Jahrhundert in seinen „nationalsten" Institutionen starke Ähnlichkeiten mit der Monarchie Diocletians aufwies, kann in der Tat keine „historisch" orientierte und dabei doch lebensfähige „Reform" vornehmen. Das lebensvollste, in der öffentlichen Meinung am meisten festgewurzelte und in seiner Leistungsfähigkeit erprobte Institut des russischen öffentlichen Lebens, das Semstwo, ist zugleich dasjenige, welches dem altmoskowitischen Gedanken ständischer Gesamthaft für die ständisch verteilten Pflichten am fremdesten ist: es ist ein moderner Selbstverwaltungskörper, ganze 40 Jahre alt und dabei bereits einmal - aus einer rein den Grundbesitz als solchen (einschließlich der Bauern) vertretenden in eine wesentlich ständisch gegliederte Körperschaft - umgestaltet worden. 20 Seine Leistungen A 247 (19) zu beurteilen ist mir natürlich | nicht möglich. Sie am Zustand der Brücken und Wege zu messen, wie westeuropäische Reisende zu tun pflegen, geht hier offenbar so wenig wie in Amerika an, aus den gleichen ökonomischen Gründen. Der Glaube an die Bedeutung des „Systematischen" und allgemeiner" Theorien ist in Rußland, wie jeder weiß, ungleich größer als in Amerika, mit dessen Lokalverwaltung man sie am besten vergleicht, die Überzeugung von der funda-
n A: allgemeinen
19 Siehe unten, S. 153ff. und S. 191 ff. 2 0 Aufgrund des Statuts vom 1 .Januar 1864 wurden in 34 Gouvernements Zemstva als Selbstverwaltungskörperschaften eingerichtet. Wahlberechtigt waren 1) private Landbesitzer, nach dem Besitz gestaffelt, 2) die Dorfgemeinschaften und 3) durch Zensus qualifizierte städtische Besitzer. Am 12. Juni 1890 wurde das Wahlrecht geändert, um den Einfluß des Adels in den Zemstva zu stärken und auf diese Weise die Kontrolle der Regierung über sie zu festigen. Gleichzeitig wurde zur Beaufsichtigung der Zemstva die „gubernskoe po zemsklm delam prlsutstvie" geschaffen, deren Vorsitz der Provinzgouverneur innehatte.
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mentalen Bedeutung der Volksbildung ist in den Selbstverwaltungen beider Länder gleich groß, und der Idealismus in der Übernahme pekuniärer Opfer für derartige „ideale" Zwecke in den Kreisen der meisten Semstwos der allerhöchsten Achtung wert und dem Verhal5 ten unserer ostpreußischen Ständevertreter 1847 durchaus ebenbürtig. 21 Auch in seiner verkümmerten jetzigen Gestalt und angesichts der unerhörten Vielseitigkeit seiner von der Volksschulgründung durch Statistik, Medizinal-, Veterinärwesen, Straßenbau, Steuerverteilung und landwirtschaftlichen Unterricht bis zu dem wichtigen 10 Gebiet des „Verpflegungswesens" (bei Hungersnöten) 2 2 sich erstreckenden Tätigkeitsgebiets hat es - das wenigstens läßt auch das im Ausland zugängliche Material ersehen - immerhin Leistungen aufzuweisen, 93 ) welche angesichts der Schwierigkeit seiner Lage, jedenfalls das noch immer häufige Urteil über die „Unreife" der 15 Russen für eine freie Verwaltung verstummen lassen sollten. Die „Staatsgewalt" erscheint, ganz begreiflicherweise, ihm gegenüber trotz aller Überlegenheit der büreaukratischen „Technik", 9 b ) als ein 9 a ) Jedenfalls ist nicht bestritten, daß gerade in den Westbezirken ohne Semstwos A 2 4 7 (19) sowohl das Volksbildungs- wie das Medizinalwesen das Minimum der Fortschritte aufweisen. Auch die strikten Reaktionäre - z. B. das Manifest des Grafen Dorrer und Konstorten] 2 3 - sind daher für die Herstellung der Semstwounabhängigkeit. 9 b ) Und - wie ausdrücklich hinzugefügt sein möge - trotzdem jede unbefangene Betrachtung sich hüten wird, Männer wie etwa Plehwe als eine Art Theaterbösewichte oder Finsterlinge sich vorzustellen. Davon ist keine Rede: die eherne Konsequenz des Systems, dem sie dienten, die rationalistische Regierungspragmatik dieser „aufgeklärten" Büreau-
21 Auf dem Ersten Vereinigten Landtag der Preußischen Stände von 1847 lehnte die überwiegende Mehrheit der ostpreußischen Ständevertreter die Aufnahme einer Staatsanleihe zur Beschleunigung des Baues der ostpreußischen Eisenbahnlinien, durch welche die wirtschaftliche Entwicklung Ostpreußens und seine Anbindung an die übrigen preußischen Provinzen gefördert werden sollte, mit dem ausdrücklichen Hinweis darauf ab, daß dem Vereinigten Landtag vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. die Periodizität verweigert worden sei. In einer zeitgenössischen Flugschrift hieß es, daß die Abgeordneten der Provinz Preußen „bei dieser Gelegenheit mit unzweideutiger Entschlossenheit die materiellen Provinzinteressen den höheren politischen des ganzen Staates zum Opfer gebracht" hätten. Bardeleben, Richard von, Die Verfassungsentwicklung in Preußen und ihre neueste Phase. - Leipzig: Spamer 1848, S. 27f. 22 Mit „Verpflegungswesen" sind hier die für Notfälle beim Innenministerium und bei den Zemstva gebildeten Hilfsfonds gemeint, aus denen wie z.B. im Jahre 1902 wegen der schlechten Ernte des Vorjahres an die Bauern Unterstützung gezahlt oder Lebensmittel ausgegeben wurden. Siehe über dieses System den Artikel Prodovol'stvie narodnoe, in: Enciklopediceskij Slovar' Brokgauz-Efron, tom 49. - S.-Peterburg: Brokgauz-Efron 1898, S. 3 5 4 - 3 6 1 . 23 Cego zelaet Kurskaja narodnaja partija porjadka, Teil 1, Punkt 5.
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A 248 (20) nur der Erhaltung der bestehenden politischen Machtverteilung dienender Parasit, fast ohne sachliche Interessen anderer als etwa finanzpolitischer Art, und deshalb vom tiefsten Mißtrauen gegen den Konkurrenten erfüllt. 10 ) Seine Erfolge hat daher das Semstwo zu erkämpfen gehabt gegen die ständige Obstruktion der staatlichen Polizei, an deren Zwangsgewalt es für die Vollziehung seiner Beschlüsse gewiesen war, und es erzielte sie, trotzdem die Eifersucht der Regierung seine Arbeit immer fühlbarer und schließlich ganz systematisch hemmte, ihm die Erhöhung der Abgaben, speziell für Schulzwecke, verbot, 2 4 im letzten Kriege z . B . die charitative Semstkratie, welche ganz naturgemäß auf den „Schlendrian" und unpraktischen „Eigensinn", die „Sonderinteresssen", den „Unverstand" und Egoismus, die „utopischen T r ä u m e " der „Intelligenz" und Selbstverwaltungskörper und die „Phrasen" der Presse, zornig als auf E l e m e n t e blickte, welche die Vereinigung utilitarischer Volksbeglückung von oben mit dem entsprechenden Respekt vor der Autorität, den die „Staatsräson" forderte, immer wieder hemmten und durchkreuzten, - dies System war es, welches das L e b e n „zur Hölle werden" °und bei " d e r Nachricht von Plehwes Ermordung stille weltfremde Stubengelehrte in eine Art von Taumel wilder Freude geraten ließ. Wer das mit ansah, dem ist es zunächst einmal „Kritik" genug. - A b e r nicht nur würde die Bilanz dieses Systems, unter utilitarischer Bewertung aufgemacht, ganz bedeutende Aktiven aufzuweisen haben, sondern namentlich war der Weg zu jener „Hölle" auch hier, wie immer, mit den allerausgeA 2 4 8 (20) zeichnetsten Vorsätzen gepflastert, die sich, vor allem, sämtlich „bei den \ Akten" befinden. Und wenn auf Grund dieser Akten ein künftiger Historiker die Geschichte dieses ancien régime schreibt, so wird es sicherlich, ebenso wie nach der jetzigen Mode das übrigens höchst wesentlich anders geartete - französische von vor 1789, in den freundlichsten Farben erstrahlen: der Historiker hat j a nicht unter ihm zu leben brauchen. Innerhalb der staatlichen Büreaukratie, zumal der unteren, aber auch der höchsten Stellen, stehen sich politische Ansichten der allerverschiedensten A r t , bis zu den allerradikalsten, gegenüber. Nur die Entscheidung der „maßgebenden" Stelle fällt seit 25 Jahren konsequent nach der Seite der Polizeiinteressen aus. Unter den heutigen Bedingungen ist ein „aufgeklärterer" Absolutismus - und vielleicht ist gerade dies der entscheidende Punkt für die Kritik des ganzen Systems - einfach deshalb unmöglich, weil, höchst wahrscheinlich, das bisher bestehende R e g i m e so „aufgeklärt" war, wie der Absolutismus unter den modernen Verhältnissen, im Interesse seiner Selbsterhaltung, überhaupt sein kann. 1 0 ) Und zwar stehen hier große Teile der „liberalen" Büreaukratie nicht wesentlich anders als die strikt büreaukratischen hochkonservativen Zentralisten. D i e „konfidentielle Denkschrift" Wittes von 1899, welche das Osswoboshdjenije s . Z . veröffentlichte, 2 5 legte den Grund zu dem unauslöschlichen Mißtrauen der Semstwoleute gegen ihn. O A: und, bei 2 4 Die Z e m s t v a beteiligten sich seit ihrer Einführung im Jahre 1864 aktiv an der G r ü n d u n g von G r u n d s c h u l e n und sogenannten Alphabetisierungsschulen für Erwachsene. Bis zum Jahre 1914, als fast alle Z e m s t v o - S c h u l e n in die Zuständigkeit d e s Erziehungsministeriums fielen, blieb die Frage der Finanzierung dieser S c h u l e n und damit auch der A u s übung der Kontrolle über sie z w i s c h e n Z e m s t v a und Regierung heftig umstritten. Das hier angeführte „Verbot" ließ sich nicht nachweisen. 2 5 Die „vertrauliche" Denkschrift Vittes von 1899 wurde von P. Struve als eigenständige
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woorganisation, zugunsten des heillos korrupten staatlichen „roten Kreuzes", unterdrückte 26 und das „Verpflegungswesen" zu verstaatlichen suchte. Nachdem dadurch dem Semstwo mehr und mehr der Charakter eines nur passiven Zweckverbandes für die Aufbringung 5 von der Regierung vorgeschriebener und von ihr zu verwendender Lasten aufgezwungen und die Ausdehnung der Semstwoverfassung auf die klein- und weißrussischen Gouvernements hintertrieben worden war, 1 0 a ) 2 7 machte Plehwe in seiner letzten Zeit ernstlich Miene, die Semstwos gänzlich zu zertrümmern und durch die staatliche 10 Bureaukratie zu ersetzen. 28 | Nach dem allem muß es nun freilich auffallen, daß im Entwurf A 249 (21) jeder Versuch, verfassungsmäßig bestimmte Kompetenzen und Zwangsbefugnisse der Selbstverwaltung festzulegen, fehlt, also die
10a ) D e n n das Surrogat der Semstwoverfassung, w e l c h e s P l e h w e hier einführte, - aus von der R e g i e r u n g ernannten Vertrauensleuten b e s t e h e n d , - und w e l c h e s o f f e n k u n d i g als „Modell" auch für die „ R e f o r m " der innerrussischen S e m s t w o s dienen sollte, hat mit der letzteren nichts g e m e i n . ( D i e spezielleren Grundlagen dieser Organisation sind für mich z . Z . nicht feststellbar. In K o r k u n o w s Russischem Staatsrecht (4. A u f l . 1 9 0 3 ) 2 9 finde ich darüber noch nichts.) |
Publikation im Ausland veröffentlicht, nachdem sie dem Sojuz Osvobozdenija zugespielt worden war. Vitte, Samoderzavle i Zemstvo. Sie war offensichtlich gegen die Pläne des Innenministers I. L. Goremykln gerichtet, der Gouvernementszemstva auch in den westlichen Gouvernements einführen wollte. Vitte betonte die Unvereinbarkeit lokaler Repräsentativkörperschaften mit dem bestehenden politischen System. Goremykin trat im Oktober 1899 zurück. Neuer Minister des Innern wurde D. S. Sipjagln. 26 Kurz nach Ausbruch des russisch-japanischen Krieges im Januar 1904 gründeten die Zemstva die All-Zemstvo-Organlsation zur Hilfe für die Verwundeten. Bereits Im April 1904 richtete Pleve ein Zirkular an die Provinzgouverneure, in dem diese dazu aufgefordert wurden, die Zemstva, die der All-Zemstvo-Organlsation noch nicht beigetreten seien, vom Eintritt abzuhalten, da diese Organisation einen Präzedenzfall für weitere gemeinsame Aktionen der Zemstva schaffen könne. Galai, Liberation Movement, S. 197 und 206 (wie oben, S. 90, A n m . 1 9 ) . 27 Durch das Statut vom 2. April 1903 wurden In den neun westlichen Gouvernements Selbstverwaltungskörperschaften eingeführt, deren Mltglledervom Innenminister ernannt wurden. PSZRI, 3-e sobr., tom 23, Nr. 22757. Ein Zemstvostatut erhielten diese Gouvernements erst im März 1911. 28 Um „die passive Resistenz" der Zemstva gegen die Reglerungsmaßnahmen zu beenden, wollte Pleve die Position der Gouverneure gegenüber den Zemstva stärken. Dies betraf insbesondere das Recht der Gouverneure, finanzielle Kontrolle über das Zemstvobudget auszuüben und durch Nichtbewilllgung die Aktivitäten der Zemstva zu verhindern. Vgl. Emmons und Vuclnich, Zemstvo In Russia, S . 2 2 4 f . (wie oben, S. 107, Anm.6). 29 Korkunov, Russkoe gosudarstvennoe pravo.
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politische Zentralfrage der letzten 25 Jahre: ob die Semstwos bodenständige Interessentenkorporationen bleiben oder aber Delegatare 30 staatlicher Rechte oder endlich passive Zweckverbände werden sollen, - was alles auch unter einer „demokratischen" Regierung möglich bleibt, - ganz ausgeschaltet ist. Daß der Entwurf garnicht den Versuch macht, die Stellung der Selbstverwaltung zu sichern, ist um so auffallender, als in dem Projekt des kleinrussischen demokratischen Publizisten Dragomanow von 1884 diese Aufgabe bereits in recht geistreicher Weise zu lösen versucht war:11) grundgesetzlich garantierte Aufgaben der Dorf-, Stadt-, Wolost-, Kreis- und Länder(„Oblast"-) Vertretungen mit ausdrücklich festgestellter Zwangsgewalt und eventueller eigener Verfügung auch über das Militär, vorbehaltlich des gerichtlich geltend zu machenden Vetos des Statthalters bei Verfassungswidngkeiten; - Recht aller Wahlkörper, ihren Deputierten in der Selbstverwaltung, und ebenso Recht der 19 Oblastvertretungen, ihren p Deputierten im Oberhaus der zweigliederig gedachten Reichsduma, der „Bundesversammlung", imperative Mandate zu geben und sie jederzeit abzuberufen; - Recht der gerichtlichen Anfechtung der Verfassungsmäßigkeit der Reichsgesetze durch die Selbstverwaltungskörper usw. Die „BundesverSammlung" („Ssojusnaja Duma") dieses Entwurfs war so als ein, teils dem Senat der Vereinigten Staaten, teils dem Schweizer, teils dem deutschen Bundesrat verwandtes Gebilde gedacht. Unser Entwurf kennt dagegen nur die beiden Häuser der Duma, von denen A 2 4 9 (21)
n ) A b g e d r u c k t in d e r j e t z t v o m „ O s s w o b o s h d j e n i j e " ( i m A u f t r a g e u n d m i t d e n M i t t e l n d e r „ u k r a i n i s c h e n D e m o k r a t e n " ) u n t e r M i t w i r k u n g speziell K i s t i a k o w s k i s v e r a n s t a l t e t e n A u s g a b e d e r „ P o l i t i s c h e n S c h r i f t e n M . P. D r a g o m a n o w s " B d . I S . 2 7 9 f f . 3 1
p
A:ihrer
3 0 D.h., daß die W a h r n e h m u n g b e s t i m m t e r staatlicher Rechte an die Z e m s t v a delegiert wird. 3 1 Mit d e m Projekt D r a g o m a n o v s ist der erste Teil seines „ V o l ' n y j Sojuz. Opyt ukrainskoj politiko-social'noj p r o g r a m m y " g e n a n n t e n Programms für die ukrainische B e f r e i u n g s b e w e g u n g g e m e i n t . Es enthielt in d e m Abschnitt „ Z i e l e der Gesellschaft" u.a. den Entwurf einer Verfassung. Dieser Entwurf war stark föderalistisch ausgerichtet. Die lokalen und regionalen Repräsentativkörperschaften erhielten d i e s e m Entwurf zufolge (Abschnitt B, 1 - 9 ) eine starke Stellung g e g e n ü b e r zentralen staatlichen Instanzen. Sie sollten alle ö k o n o m i s c h e n , administrativen und kulturellen A n g e l e g e n h e i t e n in eigener V e r a n t w o r t u n g verwalten. Dazu g e h ö r t e z . B . auch (Abschnitt B, 12) der Einzug der direkten staatlic h e n Steuern. Vgl. Dragomanov, Vol'nyj Sojuz, S. 2 7 5 - 3 7 5 .
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jedes auf „viergliedrigem", d.h. „allgemeinem gleichem direktem geheimem" Wahlrecht ruht, das Unterhaus direkt, das Oberhaus indirekt durch Wahl seitens der Semstwos, die hier aber als Kommunalkörperschaften ohne eine gegen die Zentralgewalt gesicherte 5 Kompetenz gedacht sind. Den Entwurf interessierte auch für die Semstwos offenbar nur jene Art des Wahlrechts. - Wir werden später sehen, 32 daß diese Zurückhaltung mit dem Hineinspielen des Nationalitäten-Problems in die Dezentralisationsfrage zusammenhing. Immerhin ist der Umstand, daß der Entwurf an das Semstwo überhaupt 10 anknüpft, derjenige Grad von „Historismus", den man von ihm nach Lage der Dinge billigerweise allein erwarten konnte. 113 ) - Das Parteiprogramm der konstitutionellen Demokraten hat dagegen insofern auf die Dragomanowschen Gedanken | - vielleicht ohne sie zu A 250 (22) kennen l l b ) - zurückgegriffen, als derq Selbstverwaltung hier grund15 sätzlich alle Gebiete der Staatsverwaltung „mit Ausschluß nur derjenigen Verwaltungszweige, welche bei den Bedingungen des gegenwärtigen Staatslebens unbedingt in den Händen der Zentralgewalt konzentriert sein müssen", zugewiesen (Punkt 22) und (Punkt 23) 33 Ua
) Das endgültige Parteiprogramm, Punkt 14, läßt die Frage, ob Ein- oder Zweikammersystem, offen. 3 4 | llb
) D[ragomanow] scheint in Rußland z. Z . fast vergessen zu sein.
q A: die 32 Siehe unten, S. 137ff. 33 Programma konstitucionno-demokraticeskoj partii, S.3427. Deutsche Übersetzung bei Scheibert, Parteien, S. 6 0 - 6 8 . Die angesprochenen Punkte lauten: „22. Die Kompetenzen der Organe der örtlichen Selbstverwaltung sollen sich auf das ganze Gebiet der örtlichen Verwaltung erstrecken, einschließlich Sicherheits- und Ordnungspolizei, nur mit Ausnahme derjenigen Verwaltungszweige, welche unter den Gegebenheiten des gegenwärtigen Staatslebens unbedingt in den Händen der Zentralmacht vereinigt bleiben müssen, wobei den Organen der örtlichen Selbstverwaltung ein Teil jener Mittel zur Verfügung gestellt wird, welche gegenwärtig dem Staatsbudget zufließen. 23. Die Tätigkeit der örtlichen Vertreter der Zentralgewalt soll sich auf die Rechtsaufsicht der Organe der örtlichen Selbstverwaltung beschränken, wobei die endgültige Entscheidung bei Streitigkeiten und Zweifelsfällen den Gerichten überlassen sein soll." Ebd., S. 63. 34 Programma konstitucionno-demokraticeskoj partii, S. 3426. Dieses Programm wurde auf dem Gründungsparteitag der Kadetten vom 12. bis 18. Oktober 1905 angenommen und im Januar 1906 einer nochmaligen geringfügigen Revision unterzogen. Die Ergänzungen dazu vom Januar 1906 in: Pravo, Nr. 2 vom 15. Jan. 1906, S. 153-158. Eine deutsche Übersetzung findet sich in: Scheibert, Parteien, S. 6 0 - 6 8 . Punkt 14, Absatz 2 des Programms (deutsche Übersetzung: Punkt 15, S. 62) lautet: „Die Partei duldet in ihren Reihen verschiedene Meinungen über die Frage der Organisation der Volksvertretung, ob
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die Tätigkeit des örtlichen Vertreters der Zentralgewalt auf das V e t o wegen Gesetzwidrigkeit beschränkt ist, über dessen Berechtigung dann die Gerichte entscheiden sollen, - mit der wichtigste Grundsatz, welchen die Partei überhaupt zu vertreten haben wird. D i e bedingungslose Durchführung des Prinzips des „viergliedri- 5 gen"[,j d.h. des allgemeinen gleichen direkten geheimen^]
Wahl-
rechts scheidet die hinter dem Entwurf stehende Partei der konstitutionellen D e m o k r a t e n nach rechts v o n anderen konstitutionellen Gruppen, welche das Zensus- oder indirekte Wahlrecht vertreten, 1 2 ) und von der Schipowschen antibureaukratischen Slawophilengruppe 10 mit ihrem Gedanken, eine beratende und die Finanzen kontrollierende Volksvertretung aus den bestehenden Semstwos hervorgehen
12 ) Zensuswahl war der ursprüngliche Standpunkt Fürst E. Trubezköjs und Prof. Kusmin-Karawajews, den sie jedoch, zugunsten des gleichen Wahlrechts, unter dem Druck der Bewegung aufgaben. Indirektes Wahlrecht befürworteten' z . B . auch der in Pskow ansässige Graf Heyden (russisch] „ G e j d e n " ) , der Slawophile Stachowitsch u. a. 35 - Auf dem Novemberkongreß der Semstwos stand hauptsächlich Gutschkow (mehrfach als Ministerkandidat genannt) 36 auf einem besonderen Standpunkt gegenüber den radikalen Forderungen. In Wahrheit ist der Zensuswahlstandpunkt natürlich auch jetzt in den Kreisen der Semstwos weit stärker vertreten. Es stimmten für das direkte (und gleiche) Wahlrecht: 174, für das „zweistufige" (indirekte) Wahlrecht 32, für die Anwendung des ersteren in der Stadt, des letzteren auf dem Lande 28 Teilnehmer. 37
r A: befürwortete
in einer oder in zwei Kammern, wobei die zweite Kammer aus Vertretern der Organe der örtlichen Selbstverwaltung bestehen sollte, die aber nach den Prinzipien des allgemeinen Stimmrechtes reorganisiert und auf ganz Rußland ausgedehnt werden sollen." 35 Die Frage des Wahlrechts bildete insbesondere auf dem Zemstvo-Kongreß im April 1905 einen der wesentlichen Diskussionspunkte. Es ging dabei jedoch nicht, wie Weber ausführt, um das Zensuswahlrecht, sondern um die Frage des direkten oder indirekten Wahlrechts. Die sog. slavophlle Gruppe um Sipov und M. A. Stachovic, zu der auch Graf Gejden zu rechnen ist, favorisierte hier ein indirektes Wahlrecht und verließ nach der Abstimmungsniederlage den Kongreß. Ihre Ansicht ist dargelegt in einem offenen Brief, abgedruckt in: Osvobozdenie, Nr.69/70 vom 7.(20.) Mai 1905, S.330f. V. Kuz'minKaravaev unterstützte das Zensuswahlrecht des sog. Bulygin-Projekts in einem Artikel in: Syn otecestva, Nr. 98 vom 10. Juni 1905, S.2. Zu E.Trubeckojs Haltung konnte nichts ermittelt werden. 36 Ende Oktober 1905 bot Vitte Guckov den Posten des Handels- und Industrieministers an, doch lehnte Guckov einen Eintritt in das Kabinett Vitte ab. Als Grund dafür führte Guckov die Ernennung P. N. Durnovos zum Innenminister an. 37 Weber stützt sich vermutlich auf den Bericht: S-ezd zemskich i gorodskich dejatelej, in: Pravo, Nr. 45/46 vom 20. Nov. 1905, S. 3 6 9 9 - 3 7 2 7 , hier: S. 3703.
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zu lassen. 123 ) Die Forderung jenes Wahlrechts, der meist umstrittene Punkt des Entwurfs, ist für die Demokraten zunächst das konsequente Ergebnis des Fehlens anderer „historischer" Anknüpfungspunkte, nachdem die Regierung nunmehr 25 Jahre lang an der Diskreditierung der Semstwos gearbeitet hat. Dazu tritt natürlich jener Umstand, der heute überall den Vertretern prinzipieller Reformen es unmöglich macht, mit voller innerer Aufrichtigkeit für ein abgestuftes Wahlrecht einzutreten: die Wirkung des Kapitalismus mit seiner klassenbildenden Macht. Der ökonomische Interessengegensatz und der Klassen | Charakter des Proletariats fällt den spezifisch bürgerli- A251 (23) chen Reformern 3 in den Rücken: das ist das Schicksal ihrer Arbeit hier wie überall. Nur solange die Vorherrschaft des Handwerks wenigstens in der Theorie den Massen der Arbeiter die Gelegenheit gab, „selbständig" zu werden, konnte jemand eine Zensuswahlvertretung subjektiv aufrichtig als eine Vertretung auch der noch nicht Selbständigen auffassen. In Rußland ist nicht nur aus historischen Gründen die Entwicklung des städtischen „Mittelstandes" im westeuropäischen Sinn an sich sehr schwach, sondern heute hat überdies der Kapitalismus auch dort längst seine Kreise zu ziehen begonnen, und jeder Versuch des Eintretens für Zensuswahl bedeutet für den reformerischen Agitator: Offiziere ohne Soldaten. Es fiele in den Städten den Arbeitern begreiflicherweise gar nicht ein, sich darauf einzulassen. Auf dem Lande wäre überdies ein Zensuswahlrecht in 12a ) Neben dem Programm der „Minderheit" des Novemberkongresses von '1904 kam' dieser Standpunkt besonders deutlich in dem Aufruf der Adelsmarschälle 38 nach dem Manifest vom 18. Februar39 zum Ausdruck: Erhaltung der unbeschränkten Selbstherrschaft bei Einführung einer Gesetze beratenden, mit Petitionsrecht versehenen, das Budget kritisierenden und die Rechnungsabschlüsse prüfenden Volksvertretung und Beseitigung der „Beamtenwillkür". |
S A: Reformen
t A: 1904, kam
38 Das diesbezügliche M e m o r a n d u m war auf einer V e r s a m m l u n g von 26 Adelsmarschällen (u.a. Fürst P. N . T r u b e c k o j und N. A. Chomjakov) v o m 10. bis 15. März 1905 in Moskau verabschiedet worden. Text In: Moskovsklja Vedomosti, Nr. 75 v o m 17. März 1905, S. 4, und Pravo, Nr. 11 v o m 22. März 1905, S. 8 1 8 f . 39 G e m e i n t Ist das Reskript v o m 18. Februar 1905, d e m z u f o l g e Einzelpersonen und Organisationen an die zuständigen Minister bzw. den Ministerrat Eingaben richten durften. Der Ministerrat war gehalten, die Vorschläge zu „ s t u d i e r e n " . Siehe Pravltel'stvennyj Vestnlk, Nr. 4 0 v o m 19. Febr. 1905, S. 1.
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den Gebieten der Obschtschina (Feldgemeinschaft) kaum ohne die größten Willkürlichkeiten durchführbar: Hier ist in der Dorfgemeinde das gleiche Stimmrecht der Haushaltungsvorstände das „Historische". Trotzdem hätte eine bisher autokratische Regierung, wenn sie es rechtzeitig tat, irgend ein Schema der Wahlberechtigung (etwa mit 5 Bildungszensus oder Pluralstimmrecht) oktroyieren können, - eine Reformpartei konnte aus der Situation kaum andere Konsequenzen ziehen als im Entwurf geschehen. Täte sie es, so würde - und das ist der letzte durchschlagende Grund - die Autokratie es in der Hand haben, bei der ersten Widersetzlichkeit der Duma die Arbeiter 10 ebenso gegen sie auszuspielen, wie es jahrelang das vergangene Regime zur Einschüchterung der des Liberalismus verdächtigen besitzenden Klassen mit wenigstens scheinbarem Erfolge getan hat. 4 0 Und in dem Augenblick, wo die demokratische Partei sich mit dem Zensus Wahlrecht, d.h. dem Ausschluß oder der offenkundigen Zu- 15 rücksetzung der Masse der Bauern von der Wahl, abfinden würde, hätte die Reaktion auch diese geschlossen hinter sich, denn die Besitzer von zensusfähigem Privateigentum, die Gutsbesitzer und vor allem die Kulaki („Fäuste", d.h. reich gewordene Bauern und ländliche Kleinkapitalisten) und die sonstige „Dorfbourgeoisie" sind 20 es ja, gegen die sich der Haß der ländlichen Massen richtet. Der Zar ist für die Bauern unter keinen Umständen an ihrem Elend schuld. Wie bisher die Beamten, so würde es künftig eine Duma sein, in der die große Masse von ihnen, die ja im Zensus hinter allen städtischen Proletariern rangieren würden, unbeteiligt wäre. Schon jetzt ver- 25 breiteten die Vertreter des reaktionären Adels und staatlichen Beamtentums beharrlich die Nachricht, Ziel der Liberalen sei es, keiA 252 (24) nen Bauern in die Duma zu lassen. 13 ) Und frappant trat | diese dema13 ) Eine Proklamation des Kursker Adelsmarschalls Grafen Dorrer, welche in der Regierungsdruckerei gedruckt und von der Kanzel der Dreieinigkeitskirche verlesen wurde, - abgedruckt in der Russj vom 14. November Nr. 18 S. 3, 41 - erhebt gegen die A 252 (24) Demokraten vor allem den Vorwurf, sie seien bestrebt],] „in die Reichs|duma keinen
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40 Anspielung auf den sog. Polizeisozialismus, der vor allem unter dem Innenminister Pleve (1902-1904) als Konzept vorherrschte und die Arbeiterschaft in Organisationen, die von der Regierung kontrolliert wurden, einbinden sollte. Dies sollte einerseits den Einfluß sozialistischer Partelen und gewerkschaftlicher Organisationen in der Arbeiterschaft verhindern, andererseits dazu dienen, Arbeiterschaft und Unternehmer bei Bedarf gegeneinander auszuspielen. 41 Unter dem Titel: Gr. Dorrer - predvoditel' cernoj sotni, siehe: Rus', Nr. 19 vom 14. Nov. 1905, S. 3.
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gogische Politik der Regierung vor allem in dem Bulyginschen Dumaprojekt hervor. Die Gesetze beratende und die Staatsrechnung kontrollierende Versammlung des Manifests vom 6. (19.) August 42 soll nach der beigegebenen Wahlordnung in 26 Großstädten einer5 seits und in Gouvernementswahlversammlungen andererseits durch Wahlmänner, und zwar, um die Kandidaturen von Vertretern der „Intelligenz" möglichst zu beschränken, aus deren Mitte, gewählt werden. Die Wahl dieser ist in den Gouvernements auf die drei Klassen 1. des größeren privaten Grundbesitzes, 2. der Städte, 3. der 10 Bauern, und zwar in jedem Gouvernement verschieden, verteilt. 14 ) einzigen B a u e r n k o m m e n zu lassen, wie es in England und Frankreich ist". - Vielfach läßt sich übrigens das z . Z t . typische Bündnis der Polizei und des adeligen B e a m t e n t u m s mit der H e f e des Volkes zum Zweck der Bildung der „schwarzen B a n d e n " 4 3 ziemlich exakt verfolgen. Ü b e r die Personalien des von j e n e m Kursker Adelsmarschall engagierten und in die „Gesellschaft" introduzierten Klopffechters haben die Zeitungen eingehende Angaben g e m a c h t . 4 4 - Die starke Zahl der Zuhälter unter dieser zum Teil ganz unzweifelhaft von den Interessenten des alten Regimes besoldeten Schutztruppe, und nicht etwa ein A u f f l a m m e n puritanischen Eifers, kam z. B. in der mehrfach beobachteten Zerstörung der ihnen, als „Konkurrenz", verhaßten Bordelle zum klassischen Ausdruck. Im übrigen aber enthalten jene gefürchteten B a n d e n doch offenbar keineswegs nur besoldete L e u t e , sondern auch zahlreiche „Volontäre": z. B. die Fleischer mancher größeren Städte, allerhand anderes Kleinbürgertum, endlich viele Bauern. Bekanntlich sind ganze D ö r f e r zur Belagerung der Moskauer Universität ausgerückt. 4 5 14 ) U m z . B . die Zahlen der kleinrussischen G o u v e r n e m e n t s Kiew, Podolien, Wolhynien, Poltäwa, Tschernigow herauszugreifen: sie wählen zusammen 64 A b g e o r d n e t e durch 946 Wahlmänner, von denen 317 von den bäuerlichen Wolostversammlungen, 395 von den privaten Grundbesitzern (mit Zensus), 234 von den städtischen (Zensus-)Wählbaren ernannt werden sollen. Die privaten Grundbesitzer sind dabei teils (bei einem bestimmten Minimalzensus) zum persönlichen, teils (bei einem bestimmten niedrigeren Minimalzensus) zum Kurienwahlrecht berufen. - Innerhalb ganz Rußlands bilden die 26 größten Städte selbständige Wahlbezirke, sonst sind überall die ländlichen und städtischen Wahlmänner in denselben Wahlkörper kombiniert. 4 6 4 2 Der offiziöse Abdruck von Manifest und Wahlordnung, in: Pravitel'stvennyj Vestnik, Nr. 169 vom 6.Aug. 1905, S. 1 - 4 ; PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr.26656, 26661 und 26662. Vgl. auch Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 3 0 - 5 4 . 4 3 Gemeint sind die „cernye sotni" (Schwarze Hundert) genannten rechtsextremistischen Kampfgruppen, die im Frühjahr 1'905 entstanden. 4 4 Es ließ sich nicht ermitteln, auf welche Vorgänge Weber sich hier und im folgenden bezieht. 4 5 Gemeint sind die sog. Kampfgruppen, deren Zusammensetzung sich kaum nachweisen läßt. Die „Belagerung" der Moskauer Universität - nicht nur durch Bauern - erfolgte Mitte Oktober 1905 auf dem Höhepunkt der Streikwelle. Vgl. dazu Martov, L. u.a. (Hg.), Obscestvennoe dvlzenie v Rossii v nacale xx-go veka. - S.-Peterburg: Obscestvennaja Pol'za 1910, tom 2,1, S. 86f., und tom 2,2, S. 370ff. (künftig: Obscestvennoe dvizenle). 46 Die von Weber angegebenen Zahlen beziehen sich auf die Beilage zu Artikel 2 der Wahlordnung. Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 4 9 - 5 2 .
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Während aber die beiden ersten Klassen ein Zensuswahlrecht ziemlich plutokratischer Art 15 ) haben, - die Arbeiter sind stets völlig ausgeschlossen, - werden die Bauernwahlmänner von den Wolostversammlungen gewählt, welche ihrerseits auf der Gleichstellung aller Wirte im Dorfe beruhen. Mit anderen Worten: die einzigen, für s die keine Zensusgrenze besteht, sollen die meist schreibunkundigen A 253 (25) Bauern sein. Und überdies sollen die so ge|wählten Bauernwahlmänner im Gegensatz zu den anderen Klassen das Recht haben, vor der Wahl der übrigen Dumadeputierten einen Abgeordneten aus ihrer Mitte zu ernennen, worauf sie, zusammen mit den anderen, die 10 übrigen wählen: m[it] afnderen] W[orten] die Vertreter der Bauern haben ein ständisch privilegiertes Wahlrecht für mindestens 51 Abgeordnete (Zahl der europäisch-russischen Gouvernements) und bilden für den Rest mit dem Zensusgrundbesitz meist mehr als zwei Drittel der Wahlmänner.47 Das Manifest vom 17. (30.) Oktober, 15 welches die „unerschütterliche Regel" aufstellt, daß fortan kein Gesetz ohne Zustimmung der Duma in Kraft treten sollte, fügte die 15 ) Gegen die bestehende Kommunal-Wahlordnung in den Städten nur insofern ein Fortschritt, als nicht nur Hausbesitzer, sondern, - was Plehwe auch für die Petersburger Duma durchgeführt hatte, - auch Mieter zur Wahl zugelassen sind. 4 8 ]
47 Das Wahlrecht vom 11. Dezember 1905 war insofern ständisch privilegiert, da nur der „Stand der Bauern" das Recht hatte, aus der Mitte der bäuerlichen Wahlmänner einen Abgeordneten pro Gouvernement direkt in die Duma zu wählen. Erst nach diesem Wahlgang vereinigten sich die bäuerlichen Wahlmänner mit den Wahlmännern der übrigen Kurien (Wahlmänner der Grundbesitzer und der Städte) und wählten aus der Mitte aller Wahlmänner die übrigen Duma-Abgeordneten. Vgl. Paragraph 49 des Polozenie 0 vyborach v Gosudarstvennuju Dumu, In: Kallnycev, Gosudarstvennaja Duma, S.47; PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 26662. 48 Das Wahlrecht für die Stadtdumen, das seit der Stadtreform von 1870 bestand, war ein Kurienwahlrecht, bei dem die Wähler nach einem Vermögenszensus in drei Klassen eingeteilt waren. Wie beim preußischen Drelklassenwahlrecht fand die Wahl In Kurien statt, die entsprechend der unterschiedlichen Steuerleistung besetzt waren und je über ein Drittel der Stimmen verfügten. In den beiden Hauptstädten waren ca. 3 bis 5 Prozent der männlichen Bevölkerung wahlberechtigt. Die Änderung des Wahlrechts 1893 erhöhte den Zensus drastisch. Die Kurien fielen dafür weg. Das Wahlrecht hatten Personen, die Immobilien Im Werte von 300 bis 3000 Rubeln und mehr oder ein Unternehmen besaßen, für das sie eine städtische Gewerbesteuer entrichteten. Es schloß damit große Teile der besitzlosen Intelligenz, Angestellte und Arbeiter von der Wahl aus. Im August 1903 wurde von dem damaligen Innenminister Pleve das Wahlrecht für die St. Petersburger Stadtduma geändert; nunmehr waren auch Mieter ab 1000 Rubel Jahresmiete zur Wahl zugelassen. Vgl. Judge, Edward H., Plehve. Repression and Reform in Imperial Russla, 1 9 0 2 - 1 9 0 4 . Syracuse: Syracuse Unlversity Press 1983, S. 176 (künftig: Judge, Plehve).
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allgemeine Zusage hinzu, daß, soweit bei der Kürze der Zeit dies möglich, das Wahlrecht den „bisher desselben beraubten" Klassen gegeben werden sollte^] und der „neugeschaffenen gesetzgeberischen O r d n u n g " überlassen bleiben würde die „weitere Entwick5 lung" des „Grundsatzes" des „ g e m e i n e n " 1 6 ) Wahlrechts. 4 9 Es ist nach alledem, 1 6 3 ) wie Peter Struve in seiner Einleitung zu dem hier 16 ) „Obschtschij", nicht „wssjeobschtschij" war verwendet. 50 - Die Beratungen im A 253 (25) Ministerkonseil ergaben, soviel aus den Beratungen bekannt, zwei Vorschläge: allgemeines Wahlrecht mit Pluralstimmen oder Beifügung einer neuen Wählerklasse der Arbeiter mit ebenfalls - für eine Zahl von 10-12 Deputierten - privilegiertem 3 Wahlrecht (Standpunkt Wittes). 51 16a ) Der Ukas vom 11. (24.) Dezember - ich habe nur den Abdruck Russk[ija] Wjed[omosti] Nr. 32452 - erweitert, unter Aufrechterhaltung der Zensusklassen-Einteilung und
a A: privilegierten 49 Die Punkte 1 bis 3 des Oktober-Manifestes, auf die Weber sich hier bezieht, lauten: „Der Regierung legen Wir als Pflicht die Erfüllung Unseres unerschütterlichen Willens auf: 1. der Bevölkerung unerschütterliche Grundlagen der bürgerlichen Freiheit nach den Grundsätzen wirklicher Unantastbarkeit der Person, der Freiheit des Gewissens, des Wortes, der Versammlungen und der Vereine zu geben; 2. ohne die angeordneten Wahlen zur Reichsduma aufzuhalten, jetzt zur Teilnahme an der Duma, soweit das bei der Kürze der bis zur Berufung der Duma bleibenden Zeit möglich ist, die Klassen der Bevölkerung heranzuziehen, die jetzt völlig des Wahlrechtes beraubt sind, indem die weitere Entwicklung des Grundsatzes des allgemeinen Wahlrechts der neueingeführten gesetzgeberischen Ordnung anheimgestellt bleibt und 3. als unerschütterliche Regel festzustellen, daß kein Gesetz ohne Genehmigung der Reichsduma Geltung erhalten kann und daß den v o m Volke Erwählten die Möglichkeit wirklicher Teilnahme an der Aufsicht über die Gesetzmäßigkeit der Akte der von Uns eingesetzten Behörden gesichert ist. Vgl. Pravo, Nr. 41 vom 25. Okt. 1906, S. 3395ff.; PSZRI, 3 - e sobr., tom 25, Nr. 2 6 8 0 3 . Deutsche Übersetzung bei Scheiben, Parteien, S . 2 9 . 50 Im Russischen wird zwischen den Begriffen „obscij,, und „vseobscij" zumeist nicht unterschieden. 51 Vgl. Russkija Vedomosti, Nr. 317 v o m 1. Dez. 1905, S. 2, Sp. 5, und S. 3, Sp. 1. A m 19. und 20. November 1905 fanden im Ministerrat unter Vittes Vorsitz Beratungen über eine Ausweitung des Wahlrechts statt. Dazu wurden auch einige Spezialisten und Repräsentanten der Gesellschaft hinzugezogen. Da über die vorgelegten P r o j e k t e - z u den beiden von Weber erwähnten Entwürfen kam ein weiterer von D. N. Sipov hinzu - keine Einigung erzielt werden konnte, tagte Anfang Dezember eine erweiterte Konferenz unter Vorsitz des Zaren - der sog. Kronrat - , die den Gesetzentwurf vom 11. Dezember ausarbeitete. Vgl. dazu Mehlinger, Howard D. und Thompson, John M., Count Witte and the Tsarist Government in the 1905 Revolution. - Bloomington/London: Indiana University Press 1972, S. 117ff. (künftig: Mehlinger und Thompson, Count Witte). Ein Protokoll der Dezemberberatungen erschien 1917: Carskosel'sklja sovescanija. Protokoly sekretnago sovescanija pod predsedatel'stvom byvsago imperatora po voprosu o rassirenija izbiratel'nago prava, in: Byloe, Nr. 3 (25), Sept. 1917, S. 2 1 7 - 2 6 5 . 52 Siehe den Ukaz vom 11. Dezember 1905 in: Russkija Vedomosti, Nr. 324 vom 19. Dez. 1905, S . 2 f . ; PSZRI, 3 - e sobr., tom 25, Nr. 2 7 0 2 9 ; Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 9 4 - 1 0 2 .
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besprochenen Entwurf ganz richtig sagt, für jedes andere liberale Wahlrechtsprogramm heute in Rußland „zu spät" geworden. 53 Der Gedanke der „Menschenrechte" und die Forderung des „vierstufigen Wahlrechts" waren es denn auch, welche die radikale bürgerliche mit der „proletaroiden", darunter selbst einem Teil der sozialre- 5 A 254 (26) volutionären, Intelligenz im „Befreiungsbunde" | geeinigt hatte. Das unverbrüchliche Festhalten daran schien allein die Möglichkeit zu bieten, eine Teilung der Intelligenz im b Kampfe zu verhindern. Wollte - und könnte - man von dieser Situation absehen, dann würde natürlich auch ein noch so überzeugter Demokrat oder Sozial- 10 demokrat über die Frage der Neueinführung gerade dieses Wahlrechts als ersten gerade in diesem Lande und gerade im jetzigen Moment sehr zweifelhaft sein können. 17 ) Denn über den entscheidenden Punkt: die voraussichtliche Wirkung dieses Wahlrechts, urteilen die russischen Demokraten unter 15 des bäuerlichen ständischen Vorwahlrechts, die Wahlberechtigung 1. in den Städten auf alle, die von Grundbesitz, Gewerbebetrieb, Wohnung (als Miether), Steuer zahlen oder staatliche oder korporative Besoldung beziehen (nach dem offiziellen Communiqué bedeutet das: statt 18876 jetzt „2 Millionen" Wähler, - ausgeschlossen bleiben: Kleingewerbetreibende der untersten Schichten und alle nicht unter Nr. 3 fallenden Arbeiter und „Unselbständigen") - 2. auf dem Lande das selbständige Zensuswahlrecht auf Verwalter und Pächter, das Kurienwahlrecht auf alle Eigentümer oder lebenslänglichen Nutznießer von Land (ausgeschlossen bleiben Arbeiter, Häusler, 54 überhaupt Landlose), - 3. wird eine Wahlkurie für die in Fabriken, Berg- und Hüttenwerken und Eisenbahnwerkstätten je mit über 50 Personen beschäftigten Arbeiter geschaffen, in welcher Bevollmächtigte aus jedem Werk (1 auf 1000) gewählt werden, welche die zur Teilnahme an den städtischen oder ländlichen Wahlkörperschaften berechtigten Wahlmänner ernennen (also kein Vorwahlrecht, aber ev[entuell] Doppelwahlrecht der Arbeiter; die Zahl ihrer Wahlmänner ist nur in Moskau, Wladimir, Petersburg, Lodz so erheblich, daß sie ernstlich mit ins Gewicht fallen kann). | 17 A 254 (26) ) Vgl. die von sozialdemokratischer Seite geübte Kritik an dem Eintreten Lassalles für das allgemeine Wahlrecht in den 60er Jahren in der Einleitung zu der (parteioffiziellen) Ausgabe seiner Schriften (Band I S. 124). 55
b A: in
5 3 Bei S t r u v e heißt e s : „ D i e politische R e f o r m k o m m t in R u ß l a n d für jede a n d e r e Zwis c h e n l ö s u n g zu spät." Vorwort P. S t r u v e s z u d e m V e r f a s s u n g s e n t w u r f d e s S o j u z O s v o bozdenija. P r é f a c e d e Pierre Struve, in: Loi fondamentale, S. X. 5 4 Kleinstbauer, der auch als T a g e l ö h n e r arbeitet. 5 5 Bernstein, Lassalle, S. 1 2 4 . B e r n s t e i n kritisierte i n s b e s o n d e r e die Erwartung Lassalles, daß ein a l l g e m e i n e s und direktes Wahlrecht auch z u einer Z u s a m m e n s e t z u n g d e s Parlamentes e n t s p r e c h e n d der s o z i a l e n S c h i c h t u n g der B e v ö l k e r u n g und damit letztendlich dazu führe, daß der „Arbeiterstand die Staatsmacht in d e n H ä n d e n " halte.
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sich nicht gleichmäßig. Am ehesten pflegen die Bedenken gegen die Überlieferung der Semstwos in die Hände gänzlich ungeschulter Analphabeten zugegeben zu werden, so entschieden die Notwendigkeit einer weit stärkeren Vertretung der jetzt zur einflußlosen Minderheit verurteilten Bauern betont wird. 17a ) In der Tat würde die völlige Bureaukratisierung der Semstwoverwaltung die unmittelbare Folge sein, und bei aller Anerkennung der hervorragenden Leistungen des Semstwobeamtentums, des sog. „dritten Elements" („trety element"), 5 6 würde dies doch nur der Vorläufer einer Zentralisierung nach französischem Muster sein können. Die „ökonomische Unabhängigkeit" der ehrenamtlichen Semstwomitglieder war es, welche die Selbständigkeit des Semstwo „nach oben" garantierte und, unter unserer Wirtschaftsordnung, auch und erst recht gegenüber einer etwaigen parlamentarischen Parteiregierung der Zentrale gewährleisten könnte, solange die Bauern an den Agrarkommunismus ihrer Gemeinden gefesselt sind. - Über die voraussichtliche Wirkung des allgemeinen gleichen Wahlrechts für die Duma gehen die Ansichten auseinander. Ich kenne russische Demokraten mit etwa dem Standpunkt: „fiat justitia, pereat mundus. 5 7 Möge die Masse allen Kulturfortschritt ablehnen oder vernichten: wir können nur nach dem fragen, was gerecht ist, und wir haben unsere Pflicht getan, wenn wir ihr das Wahlrecht geben und ihr damit die Verantwortung für ihr Tun zuschieben." „Auch die äußerste Ochlokratie wird allenfalls hinzugefügt - kann es nicht so arg treiben wie die von den in ihrer Machtstellung bedrohten Beamten gemieteten | ,schwarzen Hunderte'. Aber wie dem sei: lieber generationenlange A 255 (27) 17a
) Die entscheidende Forderung ist hier die „kleinere Semstwozelle" 58 (der Ujesd, die heute kleinste .S'e/fesfverwaltungseinheit, hat mindestens die Größe eines preußischen Regierungsbezirks) und, - was dasselbe bedeutet - des „allständischen Wolost." Heute ist der Wolost rein ständisch nur für Bauern organisiert, und in seinen Versammlungen und Gerichten gilt der mittelalterliche Grundsatz: „Gewohnheit bricht Landrecht". Überdies ist er, durch die „Semskie Natschalniki", streng büreaukratisch überwacht. |
5 6 Zu dieser Charakterisierung der Z e m s t v o - A n g e s t e l l t e n vgl. oben, S. 107, A n m . 6. 5 7 Wahlspruch Kaiser Ferdinands I. ( 1 5 0 3 - 1 5 6 4 ) . 5 8 Seit ca. 1 8 9 0 forderten vor allem die liberalen Kreise des Z e m s t v o und die Bauernschaft eine „ k l e i n e Z e m s t v o - E l n h e i t " (melkaja zemskaja edlnica) unterhalb der Distrikte b e n e , die alle sozialen Schichten gleichberechtigt umfassen sollte. Die Diskussion darüber w u r d e publiziert unter d e m Titel: Dolgorukov, P. D. und Sachovskoj, D. I. (Hg.), Melkaja zemskaja edinica, 2 - o e Izd., 2 toma. - S.-Peterburg: O b s c e s t v e n n a j a Pol'za o. J. [1903],
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kulturliche Finsternis leiden als politisches Unrecht tun. Und vielleicht wird doch auch irgendwann in der Zukunft die erzieherische Macht des Wahlrechts das Ihre tun." 59 Es liegt in solchen Ansichten unbewußt doch wohl auch etwas von Ssolowjows Glauben an die ethisch-religiöse Eigenart der politischen Aufgabe des Russentums, 60 auf die mich übrigens auch ein Vertreter dieser Meinung direkt verwies. 61 Die absolute Ablehnung der „Erfolgsethik" auch auf politischem Gebiet bedeutet hier: nur das unbedingte ethische Gebot gilt überhaupt als möglicher Leitstern positiven Handelns, es besteht nur die Möglichkeit des Kampfes um das Recht oder der „heiligen" Selbstentsagung. Ist nun das als positive „Pflicht" Erkannte getan, so tritt, weil alle anderen als die ethischen Werte ausgeschaltet sind, unbewußt jener biblische Satz wieder in Kraft, der sich am tiefsten in die Seele nicht nur Tolstois, sondern des russischen Volkes überhaupt geprägt hat: „Widerstehe nicht dem Übel". 62 Der jähe Wechsel zwischen stürmischer Tatkraft und Ergebung in die Situation ist die Folge der Nichtanerkennung des ethisch Indifferenten als existent oder doch als möglichen „Wertes", welche dem Panmoralismus der Ssolowjowschen „Heiligkeit" 63 ebenso wie der rein ethisch orientierten Demokratie eignet. - Indessen neben solchen extremen Ideologen stehen - und zwar zweifellos in der Mehrzahl - andere, welche die Chancen günstiger ansehen, als diejenigen
59 Als Zitate bestimmter Personen nicht nachgewiesen. 60 Solov'evs philosophisches System zielte ab auf die Schaffung einer „ reinen Theokratie", auf die Verwirklichung der Gottmenschheit. Auf dem Wege dahin hatte in der Konzeption Solov'evs die russische Nation eine universelle Mission, die zur spirituellen Vereinigung der Menschheit führen sollte. Vgl. dazu Walicki, Andrzej, The Slavophile Controversy. History of a Conservative Utopla in Nlneteenth-Century Russian Thought. - Oxford: Clarendon Press 1975, S.572f. 61 Möglicherweise spielt Weber hier auf Fedor Stepun an, der zu dieser Zelt in Heidelberg lebte und an einer Solov'ev-Übersetzung arbeitete. Vgl. unten, S. 283. 62 NT, Matthäus Kap. 5, Vers 39. „ Ich aber sage euch, daß Ihr nicht widerstreben sollt dem Übel, sondern, so dir jemand einen Streich gibtauf deinen rechten Backen, dem biete den andern auch dar." 63 Vor allem in seiner Schrift „Die Rechtfertigung des Guten. Moral-Philosophie" (Opravdanle dobra. Nravstvennaja filosofija) aus den 1890er Jahren vertrat Solov'ev die These, daß es die vornehmste Aufgabe des sittlichen Menschen sei, sein Leben mit der seienden Wahrheit in Übereinstimmung zu bringen. Solov'ev postulierte in diesem Zusammenhang „die Ureinheit des Guten mit der Wahrheit". Leben und Wissen sind „einwesentlich und unteilbar in Ihren höchsten Normen". Vgl. dazu Dahm, Helmut, Vladimir Solov'ev und Max Scheler. Ein Beitrag zur Geschichte der Phänomenologie im Versuch einer vergleichenden Interpretation. - München/Salzburg: A. Pustet 1971, S. 19f.
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Ausländer es meist tun, die geneigt sind, einen gewissen Grad von Ehrlichkeit der konstitutionellen Absichten des gegenwärtigen Regimes gerade daraus zu entnehmen, daß es das arithmetisch gleiche Wahlrecht im gegenwärtigen Moment nicht in die Hände politisch unerzogener Volksmassen gibt. Die Russen berufen sich zunächst auf gewisse später 64 eingehender zu erörternde, weil nach Meinung einiger Führer der Demokratie besonders wichtige ökonomische Gründe dafür, daß die Massen, mit dem Wahlrecht in der Hand, politisch und kulturell freiheitlichen Idealen folgen müßten. Von rein politischen Argumenten findet sich, - neben dem allgemeinen Hinweis auf die „erzieherische" Funktion des Wahlrechts, die aber, wenn sie für das gleiche Wahlrecht in Anspruch genommen wird, doch gewisse „entwicklungsgeschichtliche" Voraussetzungen haben dürfte, - eigentlich, auch in der „Begründung" des Entwurfs, nur der Hinweis auf die in Bulgarien mit der Einführung des allgemeinen Wahlrechts gemachten, nach Ansicht der Verfasser günstigen, Erfahrungen. 6 5 Dabei ist, von anderem abgesehen, denn doch wohl der Unterschied eines Kleinstaates von einer - auch nach Ansicht von Leuten wie Struve - zur „Weltpolitik" genötigten großen Nation, und erst recht der überlieferten Stellung des national und religiös geweihten Zaren von der eines bis auf weiteres gemieteten und importierten Duodezmonarchen 6 6 unterschätzt. Es sei übrigens ausdrücklich betont, daß der Entwurf im übrigen sehr weit davon entfernt ist, einen staatsrechtlich „radikalen" Charakter | an sich zu tragen. Die Verfasser lehnen zwar mit Recht das A 256 (28) heute modische Gerede von der „Überlebtheit" des Parlamentarismus ab. 18 ) 67 Aber ihr Entwurf schont, im ganzen, sorgsam die Stel18 ) Dies G e r e d e ist zurzeit schon deshalb deplaziert, weil es zu kritischer Vergleichung A 256 (28) der gegenwärtigen Leistungen der Länder mit parlamentarisch-demokratischem und der-
6 4 Siehe unten, S. 189f. und S. 248ff. 6 5 Seit der Verfassung von 1879 gab es in Bulgarien das allgemeine Wahlrecht für die Nationalversammlung, in die pro 10.000 Einwohner ein Abgeordneter entsandt wurde. Dieses Parlament kontrollierte die Tätigkeit der Minister und war das gesetzgebende Organ. Eine positive Wertung dieser Regelung in: Memoire explicatif, in: Loi fondamentale, S.117. 66 Gemeint ist Prinz Ferdinand von Sachsen-Coburg-Gotha-Koháry, der am 7. Juli 1887 von einer Nationalversammlung zum König von Bulgarien gewählt und nach Sofia geholt worden war, nachdem Alexander V. Battenberg 1885 unter russischem Druck zum Rücktritt gezwungen worden war. Weber spielt hier auf die besondere Labilität dieser nicht im Lande verwurzelten Dynastie an. 67 Siehe Préface des Auteurs, in: Loi fondamentale, S. XXIX.
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lung des Zaren. 1 8 3 ) E r kennt keine gewählten Beamten, außer den „Friedensrichtern". 18b ) E r kennt ebensowenig die Parlamentssouveränität nach englischer Art 6 8 wie die parlamentarische Majoritätsherrschaft französischen Gepräges. 6 9 Diese Rücksicht auf die Stellung des Monarchen scheidet die Anhänger der konstitutionell-de- 5 jenigen mit „persönlichem" Regiment auffordert und dabei selbst auf dem eigensten Gebiet der angeblichen spezifischen Leistungsfähigkeit der letzteren: der auswärtigen Politik, diese doch wohl stark den Kürzeren ziehen. Die Leistungen unserer deutschen Diplomatie zu beurteilen ist nur berechtigt, wer die Akten kennt. Aber jeder kann sehen, daß die konsequente Führung und das Erzielen dauernder Erfolge für sie schlechthin unmöglich gemacht werden muß, wenn ihre Arbeit beständig durch geräuschvolle Intermezzi, Reden, Telegramme und unerwartete Entschließungen des Monarchen gestört wird 70 und so ihre ganze Kraft darin aufgeht, die dadurch verfahrene Situation wieder zurechtzurücken, oder sie gar schließlich auf die Idee verfällt, selbst jene theatralischen Mittel benützen zu wollen. 18a ) Das endgültige Parteiprogramm erwähnt den Zaren nicht, 71 sondern stellt nur Budgetrecht, Gesetzesinitiative und unbedingte Notwendigkeit der Zustimmung der Duma zu allen Verordnungen irgendwelcher Art der Regierung und Verantwortlichkeit der Minister fest. Eine Resolution des Parteikongresses verlangte, nach Zusammentritt der Duma, ein Majoritäts-Ministerium. 72 18b ) Die Wolostgerichte und die Semskie Natschalniki will das Programm der konstitutionellen Demokraten abschaffen. (Zu ihren Gunsten waren s . Z . die gewählten „Friedensgerichte" beschnitten worden). 7 3
68 Nach der klassischen englischen Verfassungstheorie z.B. Bagehots ist das britische Parlament alleiniger Träger der Souveränität. 69 Nach der Verfassung der dritten französischen Republik geht die Regierung direkt aus der jeweiligen Parlamentsmehrheit hervor; sie bildet gleichsam einen Ausschuß des Parlaments. 70 Siehe oben, S. 89, Anm. 15. 71 Im Unterschied zum Verfassungsentwurf des Sojuz Osvobozdenija nahm das Programm der Konstitutionellen Demokraten vom Oktober 1905 auf die staatsrechtliche Stellung des Monarchen und den Staatsaufbau In Punkt 13 nur indirekt bezug: „Rußland soll eine konstitutionelle und parlamentarische Monarchie sein. Der Staatsaufbau Rußlands wird durch das Grundgesetz festgelegt. " Programma konstituclonno-demokratlceskoj partii, S. 3426. Deutsche Übersetzung bei Scheibert, Parteien, S. 62. Der erste Satz wurde auf dem zweiten Parteitag im Januar 1906 hinzugefügt. 72 In der Resolution des Gründungsparteitages der Kadetten, der vom 12. bis 18. Oktober 1905 tagte, hieß es unter Punkt 7: „Die Minister sind der Volksvertretung gegenüber verantwortlich, deren Mitgliedern das Recht der Anfrage und der Interpellation zusteht." Siehe dazu Russkija Vedomosti, Nr. 273 vom 18. Okt. 1905, S. 3, Sp. 1. 73 Unter Punkt 27 ihres Programmes forderten die Kadetten: „Die Volost'-Gerichte und die Institution der Landhauptleute (zemskle nacal'nlkl) werden abgeschafft." Programma konstitucionno-demokraticeskoj partii, S.3428. Deutsche Übersetzung bei Scheibert. Partelen, S. 64. Durch die Gesetze vom 12. Juli 1889 war das Amt des Friedensrichters (geschaffen durch die Justizreform 1864) aufgehoben und dessen Funktion teils den Volost'-Gerichten, teils den Bezirksgerichten, zum größten Teil aber den neugeschaffenen Landhauptleuten (zemskie nacal'niki) übertragen worden.
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mokratischen nach links von den radikalen Gruppen, welche, soweit sie nicht Republikaner sind, doch das Prinzip der Volkssouveränität durch Einberufung einer „Konstituante" gewahrt wissen und die parlamentarische Bestimmung des Ganges der Politik ausdrücklich 5 festgelegt wissen wollen. 19 ) Für die Konstitutionellen sind offenbar | nicht nur zwingende „realpolitische" Erwägungen, sondern auch der A 257 (29) Gedanke maßgebend gewesen, daß nur der Monarch die Einheit des Reiches wirksam repräsentiert, wenn - wie bald zu erwähnen 7 4 - den Einzelnationalitäten weitgehende Autonomie gegeben werden soll. 10 Mit Rücksicht auf die Stellung des Zaren konnte der Entwurf daher auch nicht die amerikanische gänzliche Trennung der Exekutive von der Legislative durchführen. 7 5 Daher versuchte er nun etwas, wie schon der Herr Referent betont hat, 7 6 in der Tat in mancher Hinsicht Neues in der Gestalt des gänzlich außerhalb des gerichtlichen Instan15 zenaufbaues stehenden „höchsten Tribunals" zu schaffen. 77 Dessen Funktionen sollten umfassen: 1. die Kassation verfassungswidriger Regierungshandlungen und Gerichtsurteile einschließlich solcher, die auf formal korrekten, aber materiell unkonstitutionellen Geset19 ) Die, soviel bekannt, im November konstituierte „radikale" Partei 78 fordert, im Gegensatz zu den Konstitutionellen, die Konstituante, die Trennung von Staat und Kirche und das Prinzip der Majoritätsherrschaft. Aus den Zeitungsberichten ist sonst nicht allzuviel über sie zu ersehen, ebensowenig über die, trotz eingestandener Geringfügigkeit ihrer Zahl, als Sonderpartei konstituierte Gruppe der „Freisinnigen" („Sswobodomyssliaschtschie" 0 ), welche zwar, „für später", die Republik erstrebt, aber, da sie „gewaltsame Mittel" als „inhuman" verwirft, „für jetzt" auf dem Boden des Konstitutionalismus steht (Vorsitzender Herr Romanowskij-Romanjko). 79 Sie alle tragen wesentlich nur zur Zersplitterung bei. Über die noch weiter links stehenden Gruppen sowie über die Stellung der Semstwoleute zur Frage der „Konstituante" später. 80 |
C A: „Sswobodomyssliuschtschie"
7 4 S i e h e unten, S. 135. 7 5 Die V e r f a s s u n g der Vereinigten Staaten sieht eine radikale Gewaltenteilung vor; d i e s e ist festgelegt in d e n Artikeln l - l l l , jeweils in Abschnitt 1. 7 6 S i e h e die V o r b e m e r k u n g v o n S. J. G i w a g o (Zivago), in d i e s e m Band, S. 81 - 8 5 (vgl. auch oben, S. 86, A n m . 1). 7 7 W e b e r bezieht sich auf A b s c h n i t t 9, Art. 7 5 - 7 8 , in: Loi fondamentale, S. 5 1 - 5 8 . 7 8 D a s P r o g r a m m der Radikalen Partei ist abgedruckt in: Rus', Nr. 15 v o m 10. N o v . 1905, S.3f. 7 9 Die Partija S v o b o d o m y s l j a s c i c h , d e r e n P r o g r a m m im N o v e m b e r 1 9 0 5 veröffentlicht wurde, war eine G r u p p i e r u n g , die links v o n d e n Kadetten stand. Die Partei löste s i c h bereits 1907 w i e d e r auf. D a s P r o g r a m m in: Rus', Nr. 2 5 v o m 20. Nov. 1905, S . 5f. 8 0 S i e h e unten, S. 181 ff.
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zen beruhen, auf Anrufen privater Interessenten, einer der beiden Kammern, oder einer der konstitutionellen höchsten Reichsbehörden. In dieser Funktion fassen ihn die Verfasser merkwürdigerweise als eine Kopie des amerikanischen Supreme Court auf, - ein Irrtum, der bei der großen Vertrautheit der Russen mit dem bekannten Buche von James Bryce 81 wundernehmen muß, - 2. sollten die Wahlprüfungen vor das Tribunal gehören, - 3. aber sollte dasselbeverstärkt durch die Richter des Kassationshofs - die Instanz sein für die seitens einer der Kammern zu erhebenden politischen Ministeranklagen. Diese politische Anklage, welche selbständig neben der gegen alle Beamten zulässigen Verfolgung vor den ordentlichen Gerichten stehen und nur auf Absetzung und 5 jährige Amtsunfähigkeit gehen soll, kann, nach dem Entwürfe, auf a) absichtliche Verletzung der Verfassung und b) „schwere Verletzung der Staatsinteressen" durch Mißbrauch, Kompetenzüberschreitung und Nachlässigkeit gestützt werden. Diese Prozedur sollte also ganz offenbar auch das parlamentarische „Mißtrauensvotum" in die Form eines nach „objektiven" Maßstäben zu entscheidenden Prozesses überführen. Nun läßt sich aber der sachliche Inhalt der „Staatsinteressen" nicht „objektiv", d.h. ohne Rücksicht auf jene Ideale und Interessen, also auf jene „Werturteile", welche auch der Scheidung der politischen und sozialen Parteien zugrunde liegen, feststellen. Die streng formale Aufgabe der Hütung der Verfassung und der Abgabe juristisch zu begründender Urteile über das, was „gilt", wäre also mit der Aufgabe der Abgabe politischer Sentiments über das, was „gelten soll", in dieselben Hände gelegt: ein an sich recht bedenklicher Gedanke. Freilich würden die Verfasser sich z.B. darauf berufen können, daß auch die formale Entscheidung von Verfassungsfragen faktisch ähnlich zu verlaufen pflegt: bei dem Schiedsspruch der Richter des amerikanischen Bundesgerichts in der strittigen Präsidentenwahl zugunsten von Hayes teilten sich die Stimmen bekanntlich strikt nach der Parteiobödienz, 82 niemand bezweifelt heut, daß das Urteil ein
8 1 Bryce, A m e r i c a n C o m m o n w e a l t h . E i n e r u s s i s c h e Ü b e r s e t z u n g e r s c h i e n 1 8 8 9 / 9 0 unter d e m Titel A m e r i k a n s k a j a respublika. - M o s k v a : K.T. S o l d a t e n k o v 1 8 8 9 / 9 0 . 8 2 W e b e r spielt hier auf die P r ä s i d e n t s c h a f t s w a h l e n 1876 an, bei d e n e n der demokratis c h e Kandidat Tilden mit der außerordentlich k n a p p e n Mehrheit v o n ca. 2 5 0 0 0 0 S t i m m e n g e s i e g t hatte. J e d o c h war d a s E r g e b n i s der S t i m m e n a b g a b e der W a h l m ä n n e r in e i n i g e n B u n d e s s t a a t e n (Louisiana, S o u t h C a r o l i n a und Florida) aufgrund v o n U n s t i m m i g k e i t e n bei der A u s z ä h l u n g umstritten. D a die V e r f a s s u n g für e i n e n s o l c h e n Fall keine B e s t i m m u n g e n
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krasser Fehlspruch war, dennoch aber hat es einen Bürgerkrieg verhindert. - Der zweite Entwurf 83 hat die Institution gestrichen, | und der konstituierende Kongreß der konstitutionell-demokrati- A 258 (30) sehen Partei begnügte sich, gegenüber dem Manifest vom 17. (30.) 5 Oktober, 8 4 die Feststellung der Ministerverantwortlichkeit und das Recht der Duma, nicht nur die Rechtmäßigkeit, sondern auch die Zweckmäßigkeit ihrer Handlungen zu diskutieren, zu fordern. 85 Indessen statt des Versuchs staatsrechtlicher Kritik an einem Entwurf von durchaus problematischer Bedeutung sei an dieser Stelle 10 lieber auf einiges hingewiesen, was dem ausländischen Leser an ihm in politischer Hinsicht auffällt. Interessanter nämlich, als das[,j was er enthält, ist manches, was er nicht enthält. Auf das Stillschweigen über das Nationalitätenproblem, speziell die polnische Frage, hat der Herr Referent schon hingewiesen. 8 6 Es 15 ist um so auffallender, als an diesem Problem bisher immer wieder die Einheit der freiheitlichen Parteien Rußlands in Splitter ging. Diese Situation war eine Hauptstütze der Regierung, und eine der bleibenden politischen Leistungen speziell der russischen Semstwobewegung ist es, daß sie die Einigung auch des bürgerlichen Libera-
enthielt, setzte der Kongreß im Januar 1877 zur Prüfung des Sachverhalts eine „ Electoral Commission" ein, die nicht ausschließlich aus Richtern des Obersten Gerichtshofes bestand, wie Weber schreibt, sondern sich aus 5 Mitgliedern des Repräsentantenhauses, 5 Mitgliedern des Senats und 5 Richtern des Obersten Gerichtshofes zusammensetzte (8 Republikaner, 7 Demokraten). Die Kommission entschied mit 8 gegen 7 Stimmen (der Parteizugehörigkeit entsprechend), die Stimmen der Wahlmänner in den umstrittenen Staaten Hayes zuzusprechen, was zumindest für Louisiana eine glatte Fehlentscheidung war. Vgl. Luckwaldt, Friedrich, Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, Band 2 . Berlin/Leipzig: de Gruyter 1920, S. 135ff. 8 3 Proekt Osnovnago Zakona. Auf den April- und Juli-Kongressen der Zemstva wurde der Verfassungsentwurf des Sojuz Osvobozdenija (vgl. oben, S. 109, Anm. 15 und 16) geringfügig modifiziert und erschien im September 1905. 8 4 Siehe oben, S. 97, Anm. 53. 8 5 Der einen Tag nach Bekanntgabe des Manifestes am 18. Oktober endende Kongreß verabschiedete eine Resolution, in der er die Aufrichtigkeit der Regierung bezweifelte und betonte, daß das Manifest den Erwartungen nicht entspreche, vor allem, da die dort versprochene Duma keine „richtige (pravil'noe) Volksvertretungskörperschaft" sei. Die Partei favorisierte weiterhin die Einberufung einer Konstituante. Konstitucionno-demokraticeskaja partlja. S-ezd 1 2 - 1 8 Okt. 1905g. - S.-Peterburg: Obscestvennaja Pol'za 1905, S.25 (künftig: Konstitucionno-demokraticeskaja partija). 86 Siehe Giwago (Zivago), Vorbemerkung, in diesem Band, S.82. In seiner Kritik des Verfassungsentwurfs des Sojuz Osvobozdenija wies S. Zivago darauf hin, daß „die gegenseitigen Beziehungen der einzelnen Völkerschaften kaum eine hinreichende Berücksichtigung gefunden" hätten. Er nannte speziell Polen und Finnland.
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lismus über diese Schranken hinweg zum mindesten ein sehr bedeutendes Stück gefördert hat. Zur Zeit der Abfassung des Entwurfs war diese Einigung noch im Werden und die Ansichten geteilt. Der Entwurf enthält daher lediglich das Recht der Semstwos, sich für irgendwelche bestimmte, der Lokalverwaltung zugehörige Zwecke zu Verbänden zusammenzuschließen (Art. 70), und die „Begründung" meint, daß dies der Weg sei, den 10 Gouvernements Kongreßpolens die Mittel zur selbständigen Schaffung desjenigen Maßes nationaler Autonomie, welches man ihnen gewähren könne, an die Hand zu geben. Das in Peter Struves „Osswoboshdjenie" 20 ) veröffentlichte Programm des „Befreiungsbundes" enthielt jedoch darüber ganz andere Zusagen. Hier wurde die „Autonomie" 21 ) allen Teilen des Reichs von einer „scharf ausgeprägten geschichtlichen Eigenart" versprochen, insbesondere ausdrücklich den Polen, Litthauern, Kleinrussen und Transkaukasiern. 87 Ferner sollten alle die Volksstämme, welche nicht in solchen scharf abgegrenzten Gebieten, sondern vermischt mit den Russen leben, das Recht - wie es ganz glücklich formuliert war - auf „kulturliche Selbstbestimmung" haben . 88 Insbesondere war das Recht auf Unterricht in der Muttersprache für die Volksschulen und ihr Gebrauch bei allen örtlichen Behörden unbedingt anerkannt. Von dem allen enthält der Entwurf nichts. Da die Versuche zur Lösung innerstaatlicher Nationalitätsprobleme auf demokratischer Basis für absehbare Zukunft an sehr vielen StelA 259 (31) len „praktisch" werden müssen, so mag hier die auf | diesem Gebiet von der russischen liberalen Bewegung geleistete Arbeit vorerst einmal etwas eingehender registriert werden, unter dem Vorbehalt,
A 2 5 8 (30)
20
) Nr. 69/70 v o m 20. Mai 1 9 0 5 . 8 9 ) Für Finnland war Herstellung seiner Verfassung in Form eines Bundesvertrags, für die übrigen G e b i e t e durch G e s e t z v o r g e s e h e n , - was Struve für Polen nicht weit g e n u g , für die anderen G e b i e t e zu weit ging (cf. seine Kritik in der gleichen N u m m e r ) . 9 0 | 21
8 7 „ E i n e s o l c h e lokale (oblastnoe) Selbstverwaltung muß in jedem Falle den Gebieten (oblastjam) d e s R e i c h e s gewährt werden, welche nach ihren historischen und L e b e n s b e dingungen scharf abgesondert sind, z . B . Polen, Litauen, Kleinrußland oder Transkaukaslen." Programma S o j u z a Osvobozdenija, S . 3 0 6 . 8 8 Das Programm benutzte die W e n d u n g „pravo na kul'turnoe s a m o o p r e d e l e n i e " . Ebd., S.306. 8 9 Programma S o j u z a Osvobozdenija, S. 305f. 9 0 Struve, K Programme, S. 307f.
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künftig eine eingehendere wissenschaftliche, die sozialen Schichtungsverhältnisse berücksichtigende13, Darstellung zu bringen. Es interessiert nun zunächst, mit welchen Gründen Peter Struve seinen bezüglich der Polen entgegengesetzten Standpunkt in der 5 dem Entwurf selbst vorgedruckten Kritik dieses Punktes vertritt (S. XIVff.) 1 : Die Anerkennung der Konstitution von 1815 für Kongreßpolen sei das Mindestmaß dessen, womit sich die polnischen Liberalen zufrieden geben würden. Eine solche Herstellung der vollen innerpolitischen Selbständigkeit Polens bedeute für Rußland 10 keine Gefährdung und befördere insbesondere keine wirkliche Loslösung Polens von ihm. Polen sei - unter Berufung auf Rosa Luxemburgs bekannte Broschüre 2 - an Rußland als Absatzmarkt seiner Industrie ökonomisch gebunden, und Rußland habe daher in der Wiederaufrichtung der seit 1851 verschwundenen Zollgrenze das 15 Mittel, alles, was es politisch von Polen verlangen müßte, bei ihm durchzusetzen, zumal Polen, nach Jasnopolskis Nachweis, 3 Zubußegebiet der russischen Finanzverwaltung sei.22) Die politische Autonomie Polens sei aber auch das Mittel, beim Slaventum - wie wir vor 50 Jahren gesagt hätten - „moralische Eroberungen" 4 zu machen. 20 Ganz ähnlich habe jene Lösung schon Tschitscherin als das einzige 22
) Dies ist indessen lediglich Folge der Armeeanhäufung an der Westgrenze.
d A: berücksichtende
1 Dem Verfassungsentwurf des Sojuz Osvobozdenlja war ein Vorwort P. Struves beigegeben, in dem er sich insbesondere mit der Nationalitätenfrage in bezug auf Polen auseinandersetzte. Préface de Pierre Struve, in: Loi fondamentale, S. V-XXVII, hier: S. XVI f. 2 Struve zitiert ebd., S.XVIII: Luksemburg, Promyslennoe razvitle Pol'si. Struve zitiert diese Schrift In russischer Übersetzung. Sie war zuerst deutsch erschienen. Luxemburg, Rosa, Die industrielle Entwicklung Polens. - Leipzig: Duncker & Humblot 1898. Es handelte sich dabei um Rosa Luxemburgs Dissertation. 3 Struve bezieht sich ebd., S. XIX, auf: Jasnopol'sklj, O geograficeskom raspredelenii. 4 Anspielung auf die Adresse des preußischen Prinzregenten und späteren Königs und Kaisers Wilhelm I. an das Staatsministerium am 8. November 1858: „In Deutschland muß Preußen moralische Eroberungen machen durch eine weise Gesetzgebung bei sich, durch Hebung aller sittlichen Elemente und durch Ergreifung von Einigungselementen, wie der Zollverband es ist, der indessen einer Reform wird unterworfen werden müssen. " Die auswärtige Politik Preußens 1858-1878. Diplomatische Aktenstücke, I.Abteilung: Vom Beginn der Neuen Ära bis zur Berufung Bismarcks, Band 1 : Nov. 1858 bis Dez. 1859. - O l d e n b u r g : G.Stelbig 1933, S.50.
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Mittel bezeichnet, Deutschland Schach zu bieten, 5 Katkow - dieser übrigens nur vor 1863!6 - volle innere Verwaltungsautonomie, 7 Aksakow sogar den Verzicht auf Polen gefordert. 8 Wohl gemerkt, bezieht sich alles dies auch bei Struve nur auf Kongreßpolen: was östlich jener Grenze liege, sei, so meint selbst er, „durch die Ge- 5 A 260 (32) schichte endgültig Rußland zugesprochen" 223 ). 9 Dazu | ist historisch 22a ) Es entspricht dies dem Wort Alexanders II. an die Wilnaer Grundbesitzer: „Meine Herren hier ist nicht Polen". 1 0 Tatsächlich hat die Russifizierungspolitik in den neun „westlichen" Gouvernements: Kiew, Podolien, Wolhynien, Minsk, Mohiljöw, Witebsk, Wilna, Kowno und Grodno bedeutende Erfolge aufzuweisen. Nach dem Verbot an die Polen, Rittergüter zu erwerben, in Pfand oder Pacht auf mehr als 12 Jahre oder in lebenslängliche Nutznießung zu nehmen, 1 1 hat sich der Anteil der Russen an dem Güterbesitz dort von (angeblich) nur 1/70 in den 60er Jahren auf: 14% im Gouvernement Kowno (Polen 75%) und auf 20% im Gouvernement Wilna (Polen 73%) vermehrt und beträgt im Gouvernement Grodno 40,8, Minsk 41, Witebsk 42,3, Wolhynien 45,4, Podolien 49,8, Kiew 59,3, während die Zahl der polnischen Besitzer in diesen Gebieten zwischen 53 und 40% s c h w a n k t , - i n Mohiljöw endlich 63% (Polen 33%). D e r kleine Rest der Besitzer sind Lithauer, Weiß- und Kleinrussen. - Stark sind in all diesen Gouvernements die Protestanten und Altgläubigen vertreten, welche die Regierung, da auch hier, wie im deutschen Osten, „polnisch" und „katholisch" identifiziert werden, - auch für die katholischen A 2 6 0 (32) Bauern bestanden bisher Grunderwerbs|beschränkungen: sie durften nicht über 60 Dessjätinen (66 Ha) erwerben (seit 1901) 1 2 - als Gegner des Polentums in Anschlag bringt. Die Denkschrift des, mittelst Punkt 7 des Ukas vom 12. Dezember 1904 1 3 eingesetzten, Mini-
5 Struve, S.XVII (wie S. 131, Anm.1) zitiert die Schrift von Cicerin, Poi'skij i evrejskij vopros, S.41 f. 6 Bis zum polnischen Aufstand von 1863 hatte M. N. Katkov die administrative Autonomie Polens befürwortet. Danach trat er für eine administrative, rechtliche und kulturelle Assimilation der nationalen Minderheiten ein und wollte allein den Polen die kulturelle Autonomie zubilligen. 7 Struve, S.XXIf. (wie S. 131, Anm. 1) bezieht sich auf die Artikel Michail N. Katkovs, In: MoskovskijaVedomosti, Nr. 69 vom 29. März 1863 und Nr. 189 vom 1. Sept. 1863, jeweils S. 1. Bei Struve fälschlich datiert auf 28. März und 31. August 1863. 8 Struve, S.XXIIIf. (wie S. 131, Anm. 1) unter Berufung auf: Aksakov v ego pis'mach, S. 209, und Aksakov, Poi'skij vopros, S. 30f. und 35. 9 Struve, S.XVII (wie S. 131, Anm. 1). 10 In dieser Form nicht nachgewiesen. In einer Antwort auf eine Petition des polnischen Adels von Vitebsk sprach Alexander II. am 17. September 1858 davon, daß „dieses Land von Polen wiedergewonnenes, ewiges Eigentum Rußlands" sei. Przyborowski, Walery, Hlstorya dwöch lat, tom 1. - Krakow: W. L. Anczyc 1892, S. 217. 11 Diese Beschränkungen bestanden seit den Gesetzen vom 10. Dezember 1865, 27. Dezember 1884 und 2. Februar 1891. Die nachfolgenden Zahlenangaben entstammten der unten, S. 133, Anm. 15, zitierten Denkschrift. 12 Diese Beschränkung bestand seit dem 27. Januar 1901 aufgrund einer kaiserlichen Verfügung. 13 Gemeint ist der kaiserliche Ukaz vom 12. Dezember 1904 an den regierenden Senat, betreffend Pläne für eine Verbesserung der sozialen Ordnung. Die Kommission wurde zur
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immerhin das Eine zu bemerken, daß die Polen Kongreßpolens diesen Wahrspruch „der Geschichte" bekanntlich seinerzeit in keiner Weise anerkannt und eben dadurch eine der größten geschichtlichen „Gelegenheiten" für ihre Nation verpaßt haben. 1 4 Die heutigen 5 Parteiverhältnisse und die Entwicklung der politischen Ansichten in sterialkomitees, 15 welcher auch die vorstehenden, etwas mit Vorsicht aufzunehmenden, Zahlen entnommen sind, hält nunmehr den Zeitpunkt für gekommen, den Polen wenigstens Kauf und Pachtung von Grundbesitz polnischer Besitzer zu gestatten, da der Separatismus zurückgegangen, der „von Natur" konservative Bauernstand, besonders der Altgläubigen, der Hauptlanderwerber sei und auch der polnische Adel dieser Gebiete politisch konservativ gesinnt und also seine Bundesgenossenschaft gegen den jetzt weit gefährlicheren „inneren Feind" erwünscht sei. Das allzustarke Sinken der Bodenpreise infolge der Beschränkung der Käuferzahl schrecke auch viele Russen vom Landerwerb ab. Vor allem sei die Identifikation der katholischen mit der polnischen Bevölkerung zu verwerfen. Der relativ dünnen Schicht der Polen: 5 , 8 4 % (angeblich) in den 9 Gouvernements zusammengenommen, stehe eine katholische Bevölkerung (Lithauer, Weißrussen) von 3 5 , 4 % gegenüber. Die Gefahr des Entstehens einer katholischen, antirussisch gesinnten Grundbesitzerklasse aus den Bauern heraus sei jetzt nicht dringend, wünschenswert aber die Lösung der Interessen der nichtpolnischen katholischen Bauernschaft von denen der polnischen Grundbesitzer. Daher empfahl das Komitee neben dem Versuch einer Organisation des Adels (jedoch mit ernanntem Kreisadelsmarschall) die Abschaffung der 60Desjätinen-Schranke für die nichtpolnischen Katholiken. Ebenso wurde Freigabe der lithauischen und polnischen Sprache da, wo die Mehrheit der Bevölkerung es wünsche, als Unterrichtsoö/'efa, - nicht: Unterrichts spräche - in den zweiklassigen und den höheren Schulen, nicht in den Volksschulen, empfohlen, da ihr absoluter Ausschluß den Separatismus stärke und zwecklos sei. Die amtliche Anwendung der russischen Sprache, auch in der Wolostverwaltung, „begegne keinen Schwierigkeiten". Im inneren Verkehr von Privatgesellschaften solle die Ortssprache, außer für die der Kontrolle der Behörden unterstehenden Buchungen und Protokolle, gestattet sein. - Der Bericht fand die Billigung des Zaren am 1. Mai 1905. 1 6
Ausarbeitung der im Ukaz angesprochenen acht Punkte eingesetzt. Punkt 7 lautet: „die existierenden Bestimmungen, die die Rechte der Fremdvölker (inorodcy) und der Eingeborenen (urozency) in verschiedenen Teilen des Reiches beschränken, zu untersuchen, und nur solche zu erhalten, die den vitalen Interessen des Staates und ausschließlich dem Wohl der russischen Menschen dienen." Pravitel'stvennyj Vestnlk, Nr.283 vom 14. Dez. 1904, S. 1; PSZRI, 3-e sobr., tom 24, Nr. 25495. 14 Zu Beginn des napoleonischen Feldzuges gegen Rußland unterbreitete Zar Alexander I. auf Vorschlag Czartoryskis den Polen das Angebot, den polnischen Staat in Personalunion mit Rußland wiederherzustellen. Er wiederholte diesen Vorschlag während des Wiener Kongresses und anläßlich der Gewährung einer Verfassung für Polen im Jahre 1815. Diese Vorschläge wurden von den Polen jedoch jedesmal zurückgewiesen. 15 Izvlecenie izosobagozurnala komiteta ministrov, S. 1576-1579. Es handelt sich dabei um den leicht gekürzten Abdruck aus: Zurnaly komiteta ministrov po ispolnenija ukaza 12 dekabrjal 904g.-S.-Peterburg: Izd. Kanceljarii Komiteta ministrov 1905, S. 307-370. Die folgenden Bemerkungen Webers beziehen sich auf die vom Ministerkomitee vorgeschlagenen Maßnahmen. 16 Siehe dazu: Pravo, Nr. 18 vom 9. Mai 1905, S. 1480ff.
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Polen wären ein Thema für sich. Die politisch erheblichste Tatsache scheint das Auftreten und Erstarken der, in ihren Programmen mit dem russischen Liberalismus verwandten, nationale Autonomie auf der Basis der Zugehörigkeit zum russischen Reich vertretenden, „progressiv-demokratischen Partei"17 zu sein. 22b ) Jedenfalls aber 5 A 261 (33) sprachen die polnischen Resolutionen noch im Frühjahr 1905 von der kongreßpolnischen Autonomie^] ebenso wie Struve, als von dem „Minimum". 23 ) 18 - Dieses „Minimum" haben die Polen bei den 22b ) D i e überlieferten polnischen Parteien waren die Nationalisten: „stronnictwo narod o w o - d e m o k r a t y c z n e " ( „ S . N . D . " ) und die Sozialdemokraten: „polska partya socialistyczna" („P. P. S . " ) . 1 9 D i e ersteren waren - s o scheint es - in ihrer sozialen Z u s a m m e n s e t A 261 (33) zung trotz der B e z e i c h n u n g als „ D e m o k r a t e n " d o c h ziemlich u n g l e i c h m ä ß i g , in ihren sozial- und verwaltungspolitischen Prinzipien nicht geklärt und nicht einig, in ihrem nationalpolitischen Verhalten s c h w a n k e n d zwischen w e i t g e h e n d e n „historischen" A n sprüchen und d e m Versuch, durch Gefügigkeit nach o b e n K o n z e s s i o n e n zu erlangen. D i e Entwicklung der „progressiven D e m o k r a t i e " datiert, scheint es, wesentlich aus d e m Jahre 1904 und hat, infolge der e n t s t e h e n d e n Konkurrenz, eine Entwicklung auch der Nationald e m o k r a t e n nach der gleichen Richtung: A b s t o ß u n g der konservativen E l e m e n t e , Präzisierung des nationalpolitischen Programms in e i n e m den „progressiven" Prinzipien ähnlic h e n Sinn, zur Folge gehabt. 23 ) So das von der Pariser G r u p p e der polnischen „progressiven D e m o k r a t i e " ausgearbeitete und am 18. März a n g e n o m m e n e Programm, w e l c h e s ausdrücklich an das „Statut organiczny" 2 0 der U n i o n von 1815 2 1 anknüpft.
17 Polska progresywno demokratyczna partia oder Stronnictwo Post§powo Demokratyczne (Fortschrittliche demokratische Partei); sie entstand im Januar 1905 als Abspaltung der S N D (Stronnictwo narodowo demokratyczne = Nationaldemokratische Partei), forderte Autonomie für das Königreich Polen und arbeitete eng mit den Kadetten zusammen. 18 K pol'skomu voprosu, S . 3 1 5 . Das Programm wurde am 5.(18.) März 1905 von der Pariser Gruppe der Fortschrittlichen demokratischen Partei (siehe oben, Anm. 17) angenommen. Es forderte die Einberufung des Sejm, der ein Statut auf der Grundlage der Union von 1815 (vgl. unten, A n m . 2 1 ) ausarbeiten sollte. „ D i e s ist das Minimum der nationalen Freiheit, unabdingbar für die gesellschaftliche Entwicklung des Landes." Ebd., S.315, Sp.1. 19 Das Stronnictwo narodowo demokratyczne entstand 1897 im Königreich Polen als Gruppierung nationaler Kreise aus Bürgertum, Gutsbesitzern und Intelligenz. Die Polska Partia Socialistyczna wurde 1893 unter Mitwirkung Josef Pilsudskls gegründet. Im Programm wurde eine unabhängige demokratische polnische Republik gefordert. 20 Als „Statut organiczny" wird der Erlaß Nikolajs I. von 1832 bezeichnet, der die polnische Verfassung von 1815 ersetzte. 21 Das „ Königreich Polen" war seit dem Wiener Kongreß von 1815 in Personalunion mit d e m russischen Reich vereinigt. Es erhielt im November 1815 eine Verfassung, in der Exekutive und Legislative getrennt waren, Glaubens- und Pressefreiheit sowie die Unantastbarkeit der Person garantiert wurden. Das Königreich Polen erhielt ein eigenes Heer und Polnisch wurde als Amtssprache festgeschrieben. Die Nachfolger des Zaren Alexander I. wurden dazu verpflichtet, vor der Krönung in Warschau den Eid auf die polnische Verfassung abzulegen.
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Verhandlungen mit der russischen Demokratie nun allerdings erheblich ermäßigen müssen. Nach dem Julikongreß der Semstwos und Städte begann das Komitee dieses Kongresses die Konferenzen mit den Vertretern der Polen über deren Teilnahme an den weiteren Semstwokongressen. Die Polen, d.h. Delegierte der progressiv-demokratischen Partei und der national-demokratischen Partei, verlangten nach dem von russischer Seite publizierten Protokoll 24 ) vor allem, daß in einem Zusatz zu dem erwähnten zweiten Verfassungsprojekt 2 2 des Julikongresses die verfassungsmäßige Trennung der Kompetenzen des Reichs von derjenigen der autonomen Gebiete erfolge, unter Feststellung des Grundsatzes, daß Reichsgesetze nur für die von der Kompetenz der letzteren ausdrücklich ausgeschlossenen Materien Wirkung haben. Dazu sollte verfassungsmäßige Schulautonomie jeder Nationalität und Gleichstellung der Landessprachen in allen gemischt-sprachlichen Bezirken treten. Politisch sollte Polen nach Einführung der eigenen Verfassung und des selbständigen Landtages mit dem Reich durch die Person des Kaisers „und Königs" 23 und die Beteiligung von Deputierten an der Zentralduma vereinigt bleiben und unter einem kaiserlichen Statthalter und einem dem polnischen Landtag verantwortlichen Staatssekretär stehen. Reichsangelegenheiten sollten sein die Gesetzgebung über Münzwesen, Heer, Zölle, Akzise, Eisenbahnen, Posten, Telegraphen und Telephon, jedoch in Polen unter nationalpolnischer Verwaltung; Einnahmen und Ausgaben der hiernach gemeinsamen Verwaltungen sollten nach der Volkszahl verteilt werden. Die Annahme dieser Bedingungen im Prinzip bezeichneten sie als Voraussetzung ihrer Teilnahme an den Semstwokongressen.
Das Bureau des Kongresses beriet nun über diese Forderungen und ähnliche Ansprüche anderer Nationalitäten und legte das Ergeb30 nis in einer überaus klaren und sachlichen Denkschrift zur Vorbereitung der | Resolutionen des folgenden Kongresses nieder. 24 ") Ein A 262 (34) ungenanntes Mitglied hatte dabei Vorschläge eingereicht, welche 24
) Abgedruckt im Osswoboshdjenije Nr. 77 vom 26. (13.) Sept. 1905. 2 4 | ) Publiziert u. a. im „Prawo" Nr. 40 v[om] 8. Oktober. 2 5
24a
22 23 24 25
Siehe oben, S. 109. D.h. des Kaisers von Rußland und (seit 1815) Königs von Polen. Zemskij s-ezd i poljaki, S.472f. Doklad organizacionnago bjuro, S. 3328f.
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noch über Dragomanows Gedanken hinausgingen: Zerlegung des Reichs in „Länder" auf ökonomisch-geographisch-nationaler Grundlage; nationale Proportionalwahlen in den einzelnen Ländern; ein höchster Gerichtshof, welcher über das Veto des Statthalters gegen verfassungswidrige Beschlüsse der Landtage und über Streit zwischen den Ländern befindet; imperatives Mandat und Abberufbarkeit der Vertreter der Länder im Oberhause der Zentralduma; Änderung der Verfassung nur mit Zustimmung von 2A der Länder und der Mehrheit der Duma auf Grund des Beschlusses einer alsdann einzuberufenden Konstituante; ebenso sollten auch alle Fälle behandelt werden, in denen das Oberhaus einen Beschluß der Duma als die Rechte der Länder verletzend beanstandete. Eine präzise Abgrenzung der Zuständigkeit war nicht versucht. 26 - Das Bureau des Kongresses stellte sich dem gegenüber auf den Standpunkt, daß die Frage der Dezentralisation und Selbstverwaltung sich mit dem Nationalitätenproblem zwar kreuze, an sich aber die Organisation von „Ländern" mit nationalem Druck sehr vereinbar, beide Fragen also an sich getrennt zu behandeln seien: Sibirien z. B. verlange die Autonomie 2 4 b ) keineswegs aus nationalen Gründen, in Österreich bestehe der Nationalitätenkampf trotz, zum Teil wegen, der Länderverfassung. - Rein nationalen Charakters sei im wesentlichen nur das Sprachenprob\em. Die Aufrechterhaltung der russischen Sprache als „Staatssprache" sei absolut unentbehrlich in der Armee und den Zentralbehörden, nicht unentbehrlich, aber im eigenen Interesse der Einzelnationalitäten wichtig, im Zentralparlament; in den Gerichtshöfen und Verwaltungen müsse die innere Amtssprache im wesentlichen der Verfügung dieser Behörden selbst überlassen bleiben: was also bedeutete, daß die Behörden, über welche der Zentralverwaltung die Verfügung zusteht, russisch, die anderen untereinander in der Ortssprache verkehren, im Verkehr mit dem Publikum aber die örtliche Sprache dieses letzteren und, bei Verschiedenheit der Sprachen der beteiligten Parteien, Dolmetscher anwenden. Die örtlichen Beamten müssen die verschiedenen in be24b ) Das Autonomieprojekt der Sibirier ist abgedruckt im „Prawo" Nr. 25S. 2096 2 7 und gleicht dem Dragomanowschen. Wesentlich ist gerade hier das Verlangen der autonomen Verfügung über das Siedelungsland. \
26 Ebd. 2 7 Polozenija o z e m s k i c h u c r e z d e n i j a c h v Sibiri, S . 2069ff.
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tracht kommenden Sprachen beherrschen. (Ein eingehendes Studium des österreichischen Sprachenproblems würde den Verfassern] zeigen, daß hier wichtige Seiten der praktischen Schwierigkeiten, namentlich die Beschränkung der Freizügigkeit der Beamten beim Zwang zur Mehrsprachigkeit, ihnen noch nicht ganz deutlich geworden sind.) 28 - Den Zentralpunkt bilde die Schule. Grundsatz solle hier sein: daß die russische Sprache überall Unterrichtsob/e&i ist, daß in Privatschulen jeden Ranges die | Unterrichtssprache Sache A 263 (35) des Leiters ist, daß jedermann im Reich, prinzipiell, Gelegenheit haben muß, in seiner Muttersprache (als Sprache des Unterrichts, nicht nur als Objekt desselben) unterrichtet zu werden und zwar auf öffentliche Kosten. Also: 1. nationale Unterrichtssprache, überall auch für die Minoritäten, in der Volksschule, 2. Zuschüsse für Parallelklassen der nationalen Minderheiten auch in den höheren Unterrichtsanstalten . Was die Frage der Dezentralisation anlangt, so verhehlt die Denkschrift die in dieser Hinsicht bestehende Meinungsverschiedenheit in den Kreisen der führenden Semstwoleute nicht. Allgemeine Dezentralisation der Verwaltung oder allgemeine „politische" Dezentralisation (auch der Gesetzgebung), die ja übrigens beide nicht in absoluter Schärfe geschieden werden könnten, seien ebenso vertreten wie eine „mittlere" Meinung, welche neben allgemeiner Verwaltungsautonomie die politische Autonomie bestimmter einzelner Teile des Reiches zulassen wollte, in erster Linie natürlich Polens. Das Bureau 29 hat sich auf diesen vermittelnden Standpunkt gestellt, der eingehend und klar begründet wird. Die „Verwaltungs-Dezentralisation" solle bedeuten, daß nicht nur 1. der Kreis der Aufgaben der Lokalverwaltung fortan sich auf alles das zu erstrecken habe, was nicht nach der „Natur der Sache" nur vom Zentrum aus verwaltet werden könne, wie Zölle, Post, Telegraphie, Akzise, Eisenbah-
28 Die Probleme der Amtssprachen und der Mehrsprachigkeit des Beamtenapparats traten in Österreich-Ungarn besonders scharf im Zuge der Badenischen Sprachenverordnungen von 1897 für Böhmen zutage. Diese Verordnungen sahen u.a. vor, daß nach einer Übergangsfrist von drei Jahren alle einzustellenden Richter und Beamten die Kenntnis beider Landessprachen in Wort und Schrift nachzuweisen hatten. Die geforderte Mehrsprachigkeit der Beamten begünstigte die nichtdeutschen Nationalitäten und führte zu erbitterten parlamentarischen und außerparlamentarischen Auseinandersetzungen, durch die die Arbelt des Parlamentes völlig blockiert wurde. 2 9 Gemeint ist das Büro des Kongresses der Zemstva.
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nen, 24c ) sondern daß auch 2. die Vertreter der Zentralgewalt - also die Gouverneure - gegenüber den Selbstverwaltungskörpern - also den Semstwos und ihren Uprawas - nur Aufsichts- und Vetorecht wegen Gesetzwidrigkeit, aber keine aktiven Verwaltungskompetenzen haben sollen (Gedanken Dragomanows). Überdies sei eine gan- 5 ze Anzahl jetzt gewöhnlich gesetzlich geordneter Verhältnisse, darunter namentlich die Agrarfrage, geeignet dazu, unter gesetzlicher Festsetzung lediglich der allgemeinen Prinzipien, der Regulierung der Selbstverwaltungskörper überlassen zu werden. 2 4 d ) Das Bureau verhehlt nicht, daß dies Maß lokaler Selbständigkeit 10 den spezifisch politisch-nationalen Forderungen gewisser Gebietsteile nicht genügt. Die gänzliche Umwandlung Rußlands in einen Bundesstaat aber sei nicht nur wegen der „Neuheit" des ganzen Problems für die öffentliche Meinung jetzt nicht diskutabel, sondern auch deshalb, weil man zwar „auf dem Papier" eine rein mechanische 15 „Teilung" leicht vornehmen, dabei aber weder an historische n o c h A 264 (36) ohne weit eingehendere | Erfahrungen - an, den Bedürfnissen der Bevölkerung entsprechende, „natürliche" Grenzen zwischen den einzelnen Gebietsteilen würde anknüpfen können: nur für wenige Länder des Reiches - so für Polen - , lägen die Dinge in dieser 20 Hinsicht hinlänglich einfach. Eine generelle Erklärung für das „föderative" Prinzip könne überdies leicht den Chauvinismus wecken, und man schlage deshalb folgende Grundsätze vor: Die Gewährung der Autonomie an die einzelnen Gebietsteile dürfe prinzipiell nur auf Grundlage der durchgeführten konstitutionellen Reichsverfassung, 25 nicht vorher, erfolgen, da für deren Erkämpfung alle Kräfte des Reiches gemeinsam wirken müßten; sie solle also die Form eines gesetzgeberischen Aktes des Reiches annehmen, der zu erfolgen habe, wo immer die Bevölkerung eines Gebietsteiles ihrerseits die A 2 6 3 (35)
24c ) Wozu der deutsche Leser den Kopf schütteln wird, da von diesen Dingen die meisten in Deutschland in der Verwaltung, einige auch in der ausschließlichen Gesetzgebung der Einzelstaaten sich b e f i n d e n . 3 0 24d ) D a r ü b e r später. 3 1 - Nicht eingehend erörtert, aber keineswegs einfach, ist die /manz-politische Seite des Dezentralisationsproblems bei den e n o r m e n regionalen Unterschieden der Steuerkraft. |
30 Zu den Rechten der Einzelstaaten des Deutschen Reiches nach 1871 vgl. Laband, Paul, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Band 1, 4. neu bearbeitete Auflage. Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1901, S. 102ff. 31 Siehe unten, S. 225.
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Autonomie verlange und, etwa in Form einer Massenpetition, darum einkommen werde. Man könne dann entweder den Weg beschreiten, in jedem einzelnen Fall die inhaltlichen und regionalen Grenzen der Autonomie durch besonderes Gesetz festzustellen oder, wie ein Teil des Bureaus vorschlug, ein für allemal ein gesetzliches Schema, ein „Normalstatut" der Autonomie schaffen, auf Grund dessen - es ist wohl an amerikanische Analogien 32 gedacht sich ein Gebiet jederzeit nach eigenem Gutdünken konstituieren und dann die Anerkennung seiner Autonomie verlangen könne. Die Mehrheit des Bureaus halte den ersteren Weg für den richtigen, da der Umfang der Autonomie nicht notwendig überall der gleiche sein müsse. Allgemeingültiger Grundsatz müsse nur die Durchführung der demokratischen Verfassungs-Prinzipien, die Geltung der bürgerlichen „Grundrechte" und die Teilnahme des autonomen Gebiets an der Reichsduma sein. Alles Nähere könne zurzeit nicht programmatisch festgelegt werden. Für das „Zartum Polen" solle;,] bei der historischen Bedeutung und Spruchreife der „polnischen Frage", die Durchführung der Autonomie auf dieser Grundlage alsbald erfolgen, für andere Gebietsteile die Gewährung von Fall zu Fall vorbehalten bleiben. Der Kongreß der Semstwos und Städte in Moskau im September 1905 nahm demgemäß neben allgemeinen Resolutionen für die Kulturselbständigkeit der Sondernationalitäten eine spezielle Resolution betreffend der polnischen Autonomie an. 3 3 Das Programm der konstitutionellen Demokratie (Punkt 25) fordert, damit übereinstimmend: die „Abteilung des Königreichs Polen als besondere Einheit mit gewähltem Landtag (Ssejm).. , e unter der Bedingung der e Kürzung in A. 3 2 Nach der Verfassung der Vereinigten Staaten (Art. 4, Sekt. 3, Abs. 1) konnten Staaten entweder durch Gebietsabspaltungen von bestehenden Staaten neu entstehen oder sie existierten zunächst als Territorien und suchten dann um Zulassung als Bundesstaat nach. Im letzteren Falle mußten diese Staaten, vom Kongreß durch den „enabling act" dazu aufgefordert, eine Verfassung beschließen und sie dem Kongreß zur Genehmigung einreichen. Die Zulassung als Staat erfolgte dann durch einen Beschluß des Kongresses. Vgl. Loewenstein, Karl, Verfassungsrecht und Verfassungspraxis der Vereinigten Staaten. - Berlin/Göttingen/Heldelberg: Springer 1959, S. 46f. 3 3 „Für freie kulturelle Selbstbestimmung aller im Reiche lebenden Nationalitäten" stimmten alle Teilnehmer, „für Schaffung (vydelenie = wörtlich: Absonderung) des Königreichs Polen als eigene autonome Einheit mit einem Sejm" 113 von 115. Veselovsklj, Istorija Zemstva, tom 3, S. 639 (wie oben, S. 99, Anm. 68).
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Aufrechterhaltung der Reichseinheit" als sofort, gleichzeitig mit Einberufung der russischen Duma, zu gewährende Konzession und überdies die „Möglichkeit der Grenzberichtigung zwischen dem Königreich Polen und den Nachbargouvernements", und zwar „entsprechend dem Bestand der Stammeszugehörigkeit und den Wün- 5 sehen der örtlichen Bevölkerung", unter Wahrung der „Kulturselbständigkeit" und der Rechte der nationalen Minoritäten auch innerhalb des polnischen Gebiets. 34 Der Sach-Inhalt der Polen zugestanA 265 (37) denen Autonomie wurde vorerst | nicht näher angegeben. Die Stellung Finlands zu Rußland sollte, nach Herstellung der finnischen 10 Verfassung, durch Vertrag zwischen beiden Reichen geregelt und für die übrigen ethnographisch gesonderten Gebietsteile sollte nach Einführung der russischen Verfassung ein „Weg gefunden" werden, „im Rahmen der Reichsgesetzgebung" ihnen „örtliche Autonomie" und „Länder-(Oblast-)Volksvertretungen" mit bestimmten gesetz- 15 geberischen Funktionen, „dem Bedürfnis der Bevölkerung" entsprechend, zu schaffen. 24 ®) 35 Dem Vernehmen nach haben von denjeniA 265 (37)
24e
) Das Recht der Selbstverwaltungskörper, sich zu Verbänden zusammenzuschlie-
34 Der Punkt 25 des Programmes der Kadetten lautet: „Unmittelbar nach Einrichtung der gesamtstaatlichen demokratischen Vertretung mit konstitutionellen Rechten soll im Königreich Polen eine autonome Verfassung mit einem Sejm eingeführt werden, der nach den gleichen Prinzipien wie die gesamtstaatliche Vertretung gewählt werden soll, unter der Bedingung der Bewahrung der staatlichen Einheit und der Teilnahme an der zentralen Vertretung aufgrund gleicher Prinzipien wie in den übrigen Teilen des Reiches. Die Grenzen zwischen dem polnischen Königreich und den angrenzenden Gouvernements können entsprechend der nationalen Zusammensetzung und den Wünschen der örtlichen Bevölkerung verändert werden, wobei im polnischen Königreich die gesamtstaatlichen Garantien der bürgerlichen Freiheit und der Rechte der Nationalitäten auf kulturelle Selbstbestimmung gelten sollen und die Rechte der Minderheit garantiert werden." Programma konstituclonno-demokraticeskoj partii, S.3427. Deutsche Übersetzung bei Scheibert, Parteien, S.63. 35 Die entsprechende Passage (Punkt 26 des Programms der Kadetten) lautet: „Nach der Definition der Rechte auf bürgerliche Freiheit und rechtmäßige Vertretung mit konstitutionellen Rechten für das ganze Russische Reich soll aufgrund gesamtstaatlicher Gesetzgebung ein angemessener Weg zur Errichtung örtlicher Autonomie und regionaler Repräsentativorganisationen gefunden werden, welche das Recht haben, an der Verwirklichung der Gesetzgebung in bestimmten Bereichen entsprechend den Bedürfnissen der Bevölkerung mitzuwirken." Vgl. ebd., Punkt 24: „Die Verfassung Finnlands, die dessen besondere staatliche Stellung garantiert, wird voll und ganz wiederhergestellt. Künftige Maßnahmen, die dem Reich und dem Großfürstentum Finnland gemeinsam sein werden, sollen im voraus zwischen den gesetzgebenden Organen des Imperiums und des Großfürstentums abgestimmt werden." Ebd., S.3428. Deutsche Übersetzung bei Scheibert, Parteien, S. 63f.
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gen (angeblich) ca. 300 Kreissemstwos, welche, auf die Aufforderung des Septemberkongresses der Semstwos, in den folgenden Wochen über den Gegenstand berieten, nur etwa zwei Dutzend gegen dessen Stellungnahme protestiert. 36 Weit lebhafter war der Wider5 Spruch in der Presse gegen die Resolutionen dieses Kongresses und das konstit[utionell]-demokratische Programm. Man warf ihnen die Absicht der Teilung Rußlands vor, und die später zu erwähnende 37 „Partei der Rechtsordnung"38 trat damals mit ihrem Gegensatz zu den Liberalen schärfer hervor und erhob Bedenken gegen den Parla10 mentarismus als Gefährdung der Reichseinheit. 24f ) Die Liberalen (so Kusmin-Karawajew' in mehreren Artikeln in der „Russj"25)) legten dem gegenüber den Nachdruck darauf, daß die „Autonomie" nur Kongreßpolen, den anderen Gebietsteilen nur lokale Selbstverwaltung für bestimmte „einzelne Objekte", also unter Aufrechter15 haltung der „Kompetenz-Kompetenz" des Reiches, gewährt werden solle. Auf der anderen Seite steigerten aber die polnischen Nationali ßen, wollte Punkt 21 des Programms daneben beibehalten. 3 9 24f ) D i e Beschuldigungen, welche die spezifischen Reaktionäre erhoben: Herausdrängung der Großrussen aus ihrer Stellung als des herrschenden „Staatsvolkes", Überweisung des für die russischen Bauern zur Besiedelung verfügbaren Landes an die Völker der „Grenzgebiete" usw., sind z . B . in der Kursker Proklamation der nationalen Ordnungspartei formuliert. (Prawo Nr. 45/46 S. 3737.) 4 0 25 ) Russj Nr. 243/4. 4 1 |
f A: Kusmin-Karewajew 3 6 Veselovskij bemerkt dazu, „daß die Zemstvo-Versammlungen nur in seltenen Fällen auf die nationale Frage eingingen", wobei einige Zemstva jedoch Autonomieforderungen kategorisch zurückwiesen. Veselovskij, Istoria Zemstva, tom 3, S. 639 (wie oben, S. 99, Anm.68). Nach dem Septemberkongreß 1905 wurde die Wahlrechtsfrage zu einem zentralen Gegenstand der Beratungen in den Zemstvo-Versammlungen. Ebd., S. 636ff. 37 Siehe unten, S.259ff. 3 8 Die „Partija pravovogo porjadka" (vgl. oben, S. 109, Anm.17) wurde im November 1905 auch in den Provinzen tätig. Sie verstand sich zwar als konstitutionelle Partei, forderte aber eine starke Staatsgewalt und die Erhaltung der Einheit und Unteilbarkeit Rußlands. Die Petersburger Gruppe der Partei schloß sich im Januar und Februar 1906 den Oktobristen an, während die Restpartei nur ein Wahlbündnis mit ihnen schloß. 3 9 Der letzte Satz des Punktes 21 des Programms der Kadetten lautet: „ Den Gouvernements-Zemstva soll das Recht gegeben werden, untereinander in vorübergehende und ständige Verbindung zu treten." Ebd., S.3426. Deutsche Übersetzung bei Scheibert, Parteien, S.63. 4 0 Cego zelaet Kurskaja narodnaja partija porjadka, S. 3738ff. 41 Gemeint ist: V. Kuz'min-Karavaev, Rasclenenie edinoj Rossii, in: Rus', Nr. 243 vom 11. Okt. 1905, S. 4, und Nr. 244 vom 12. Okt. 1905, S. 2f.
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sten ihre Ansprüche. Der „Goniec", das Organ der polnischen Nationaldemokraten, verlangte noch im November 190542 ein eigenes polnisches Heer, während bis dahin nur die Garnisonierung der polnischen Rekruten in Polen verlangt worden war. Ebenso wurde die polnische Sprache auch bis hinauf zu den polnischen Zentralbe- 5 hörden verlangt. Demgegenüber stellte die „Russj" (welche damals des öfteren als Organ der Petersburger Demokraten fungierte) sehr bestimmt fest, daß Militärpflicht, Finanzen und Staatssprache gemeinsame Reichsangelegenheiten seien. 43 Auch in einer Polemik gegen den Petersburger Privatdozenten Dr. Pilenko, der im „No- 10 woje Wremja" an Ungarn als abschreckendes Beispiel erinnert hatte, 44 wurde liberalerseits betont, daß von einem besonderen Indigenat, eigenen Eisenbahnen, Post- und Zollbeamten und vollends von A 266 (38) Honveds 45 für Polen ja gar keine Rede sein | könne und solle. 46 - Die Regierung Wittes schob beim Empfang polnischer und anderer De- 15 legierter47 die ganze Frage der künftigen Duma zu, wohl wissend, daß sich hier am leichtesten die Geister der Demokratie scheiden können und die Chance der Stärkung der russisch-nationalistischen Elemente der Regierung politisch zugute kommen muß. Die Furcht vor dem Erwachen des russischen Chauvinismus mußte aber auf der 20 anderen Seite der Verständigung der russischen mit den polnischen Demokraten förderlich sein. Eine solche hat der Semstwokongreß 42 In Nr. 499 vom 10. Okt. 1905, S. 1, forderte der „Goniec poranny" (Mo.bl.) unter der Überschrift: „Jezyk polski w Magistracie", die Sprachautonomie und in Nr.500 vom 10. Nov. 1905, S. 1, der „Goniec wieczorny" (Ab.bl.) ein eigenes polnisches Heer. 43 Ein entsprechender Artikel konnte nicht ermittelt werden. 44 Gemeint ist vermutlich der mit dem Pseudonym „Russkij" gezeichnete Artikel: Ob avtonomii carstva pol'skago, in: Novoe Vremja, Nr. 10653 vom 11. Nov. 1905, S. 3. 45 Das Wort honved (ungarisch) bedeutet: Vaterlandsverteidiger. Ursprünglich waren damit die ungarischen Freiwilligen im Jahre 1848 gemeint. Nach dem österreichischungarischen Ausgleich von 1867 Bezeichnung für die ungarische Landwehr (honvedseg), In der das Ungarische als Dienst- und Kommandosprache benutzt wurde, während In der k.u.k. Armee Deutsch als Kommandosprache galt. 46 Weber bezieht sich auf den Artikel: Pol'skijatrebovanija i russkoe obscestvo, in: Rus', Nr. 17 vom 12. Nov. 1905, S. 2. 47 Am 6. November 1905 kam es zu einem inoffiziellen Treffen zwischen Vitte und dem Führer der polnischen Nationaldemokraten Roman Dmowski. Eine Resolution der polnischen Organisationen ist abgedruckt in: Pravo, Nr. 45/46 vom 20. Nov. 1905, S . 3 7 2 9 - 3 7 3 2 ; siehe auch den Artikel: Russko-pol'sklja otnosenija i pravitel'stvo, in: Pravo, Nr. 44 vom 13. Nov. 1905, S. 3571-3581. Zum Verhältnis zwischen der Regierung Vitte und der polnischen Unabhängigkeitsbewegung vgl. ferner Dzlewanowski, M. K., The Polish Revolutionary Movement In Russia 1904-1907, in: Harvard Slavlc Studies 4,1957, S. 357-394.
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vom 6.-13. (19.-26.) November, auf welchem die weitaus meisten Gouvernements, Gebiete und Städte durch Deputierte vertreten waren und dem 23 polnische Vertreter beiwohnten, in der Tat vorläufig gebracht, wesentlich dank dem sehr weitgehenden Entgegenkom5 men der Polen. Die vom Bureau des Kongresses eingebrachte Resolution verlangte für Polen: 1. sofort: Aufhebung des Kriegszustandes (ist - zeitweise - erfolgt) 48 und Einführung der örtlichen Sprache in den Volksschulen, Gemeinde- und Friedensgerichten, - was nach Roditschews Vorschlag dahin gemildert wurde: „in dem Umfang, als 10 es aus technischen Gründen möglich ist",26) 49 - 2. die ausdrückliche Aufnahme der Einführung einer autonomen Ordnung im Zartum Polen in den Kreis der Aufgaben der ersten Volksvertretung, „unter der Bedingung der Aufrechterhaltung der Einheit des Reiches". Nr. 2 wurde einstimmig bei einer Enthaltung angenommen. 50 - Die 15 Polen antworteten durch eine unter Führung von Henryk Sienkiewicz von (angeblich) 30000 Angehörigen der verschiedenen Parteien unterzeichnete Proklamation, welche gegen die ihnen untergeschobene Absicht einer Trennung von Rußland protestiert.51 - Wider26
) In der V e r f ü g u n g v o m 1. Mai war die Zulassung der polnischen u n d lithauischen A 2 6 6 (38) Sprache als Unterrichts-Oö/'e/c/ 9 in d e n zweiklassigen U n t e r - u n d d e n Mittelschulen d a , wo die M e h r h e i t diese S p r a c h e r e d e t , z u g e s t a n d e n , nicht a b e r in der Volksschule (dieselbe gilt für die 9 „ W e s t " - G o u v e r n e m e n t s , nicht f ü r das Z a r t u m Polen. S[iehe] A n m . 2 2 a ) . 5 2 | g A: U n t e r r i c h t s - O f c / e t e 4 8 Bereits Ende Januar 1905 war in Polen der Belagerungszustand und am 28. Oktober über die neun polnischen Gouvernements das Kriegsrecht verhängt worden. Letzteres wurde am 12. November 1905 wieder aufgehoben. 4 9 Die örtliche Sprache sollte in den Schulen, in der Verwaltung und bei Gericht, „soweit dies praktisch möglich ist", eingeführt werden. Pravo, Nr. 45/46 vom 20. Nov. 1905, S.3717. 5 0 Gemeint ist die von Kokoskin eingebrachte Resolution des Zemstvo-Büros, die im Verlauf der Debatte leicht verändert wurde. Über die einzelnen Punkte der Resolution wurde gesondert abgestimmt. Gegen die Gewährung einer autonomen Ordnung für Polen stimmten 16 von 170 Stimmberechtigten. Bei der anschließenden Abstimmung über die geänderte Resolution betrug das Stimmenverhältnis 156 gegen 12 Stimmen bei zwei Enthaltungen, nicht, wie Weber angibt, einstimmig bei einer Enthaltung. Siehe das Protokoll in: Pravo, Nr.45/46 vom 20. Nov. 1905, S.3717. 51 Siehe dazu: Rus', Nr. 32 vom 29. Nov. 1905, S. 3. Die Erklärung ist dort abgedruckt unter dem Titel: Pol'skoe profession de foi. 5 2 Siehe oben, S. 133. Gemeint ist der Ukaz vom 1. Mai 1905 betreffend die Gestaltung des Unterrichts im Polnischen und Litauischen in den westlichen Gouvernements sowie des Landerwerbs durch Polen in denselben Gebieten. Pravo, Nr. 18 vom 8. Mai 1905, S. 1480f.; PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 26162.
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spruch hatte auf dem Semstwokongreß nur ein Vertreter von Ssaratow erhoben, der den Polen jedenfalls keine eigene ökonomische Gesetzgebung, z.B. Eisenbahntarifhoheit zugestehen wollte, da dies Rußland ökonomisch schädigen könne. 5 3 Fürst Peter Dolgorukow und Maxim Kowaljewski vertraten in ihren Reden die Idee der 5 slawischen Föderation auf demokratischer Basis: der erstere erinnerte an die große Zeit der ersten Slawophilen, und: wenn Österreich und die Türkei zerfallen werden, meinte der letztere, dann „müssen wir Freunde an der Westgrenze haben". 5 4 Die Gedanken über die Nationalitätenfrage, auf welchen in voll- 10 kommenster Weise das Programm des „Befreiungsbundes", in vorläufig noch fragmentarischer Form aber auch diese Verständigung beruht, sind verschiedenen Ursprungs. Auch nach der extrem nationalistischen und hochkirchlichen Wendung des Slawophilentums, A 267 (39) welche in Katkow und | Leontjew ihren Höhepunkt erreichte und bei 15 dem letzteren direkt zu einer Abwendung von den korrumpierten Westslaven und zu dem Gedanken führte, daß die Frontstellung nach Osten zur Unterwerfung der an Autorität gewöhnten Asiaten im Interesse der Selbstherrschaft erfolgen müsse, 55 - hat wenigstens Wl. S. Ssolowjow's irenisch-religiöse Natur den Gedanken des freien 20 friedlichen Slaven- oder eigentlich, als letzten Zieles, Weltbundes zu vertreten nicht aufgehört. 263 ) Und während innerhalb der Sozialisten, namentlich von korrekt marxistischer Seite, noch bis in die neueste Zeit die Existenz des Nationalitätenproblems als einer selbständigen „Frage" nicht selten verneint wurde, hatte schon Anfang 25 A 267 (39)
26a ) „Die nationale Frage in R u ß l a n d " , W e r k e , Bd. V, S. 1 ff. und Vorrede S. I - I V . Wie einsam er sich darin fühlte, zeigt seine B e m e r k u n g gegen Miljukow (1893) das. S. 4 5 8 f . 5 6
5 3 Weber bezieht sich vermutlich auf das Protokoll in: Pravo, Nr.45/46 vom 20. Nov. 1905, S. 3709. 5 4 Ebd., S. 3708 und 3712. 5 5 Leont'ev lehnte im Gegensatz zu den Slavophilen die Vorstellung ab, daß dem Slaventum eine besondere kulturelle und politische Stellung zukäme. Seine Anschauungen gingen von der Idee einer Wiederbelebung der byzantinischen Kultur aus, die durch Orthodoxie und Autokratie gekennzeichnet war. Von daher wies er jede Unterstützung eines panslavistischen Nationalismus ab und propagierte die Eroberung Konstantinopels durch Rußland, um so das Bewußtsein Rußlands als des Erben von Byzanz zu stärken. Die Mission Rußlands sah Leont'ev in der Wiederbelebung und Entfaltung des byzantinischen Erbes, nicht in der Ausbildung einer spezifisch slavischen Kultur. 56 Solov'ev, Nacional'nyj vopros, S. I - I V und S. 5 - 2 0 ; Solov'ev, Zamecanija, S. 4 5 8 - 4 6 2 .
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der 80er Jahre Dragomanow die Einheit der allrussischen Kultur mit dem Ideal der Kulturselbständigkeit der Einzelvölkerschaften auf demokratischer Basis zu versöhnen gesucht. 27 ) Er ist so auch für seine eigene Nationalität, das Kleinrussentum, eine Art von Deak 5 7 oder Fischhof 58 auf kulturlichem Gebiete geworden. Seine große Stärke lag offenbar in der Kombination der ökonomischen mit nationalen Idealen und einem starken Sinn für das unter den ethnographischen Verhältnissen Rußlands und den ökonomischen Bedingungen der Gegenwart Mögliche. Gegen den zentralistisch-großrussischen Charakter der revolutionären Bewegung und gegen ihre ausschließlich ökonomisch orientierten Programme hielt er die Bedeutung der nationalen Kulturgrundlagen gerade für den „plebejischen" Grundstock der Nationalitäten fest, gegen den Separatismus der extremen Nationalisten die realpolitische Notwendigkeit des föderalistischen Zusammenhalts des Reiches; den „historisch" an irgendwelchen „Grenzen" der Nation in der Vergangenheit orientierten „nationalistischen Legitimismus" bekämpfte er durch seine Grundthese: die Idee der nationalen /CM/iwrselbständigkeit; den strikten Revolutionismus endlich lehnte er ab mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit des Zusammenschlusses der Bauern und Arbeiter mit den „plebejischen" bürgerlichen Kulturträgern gegen den Adel und die Autokratie, die beiden Gegner der Freiheit und der volkstümlichen Kulturselbständigkeit. So wurde er von einem Sozialisten zu einem nationalen Demokraten. - Von seinem bereits früher einmal erwähnten 2?
) S[iehe] seine in dieser Hinsicht grundlegende Arbeit über „Das historische Polen und die großrussische Demokratie" (1881, jetzt in der Neuausgabe seiner Werke Bd. I neu abgedruckt), welche den historisch-politischen durch den ethnisch-kulturlichen Begriff des Polentums zu verdrängen sich zur Aufgabe macht. 5 9
57 Franz (Ferenc) Deäk, einer der prominentesten Führer der ungarischen Nationalbewegung in der 1848er Revolution und Mittelpunkt des nationalen Widerstands gegen die österreichischen zentrallstischen Reformen in der Phase des Neoabsolutismus, bemühte sich innerhalb Ungarns um eine gerechte Lösung der Nationalitätenfrage. 58 Adolf Fischhof, Haupt der Studentenbewegung In der Wiener Märzrevolution 1848, vertrat im Kremsier Reichstag die deutsch-liberale Linke und spielte Im Verfassungsausschuß eine bedeutende Rolle. Vom aktiven politischen Handeln in der Folgezelt ausgeschlossen, beschäftigte Fischhof sich vornehmlich publizistisch mit den Möglichkeiten einer Reichsreform, wobei er zwar von einer kulturellen Überlegenheit der Deutschen ausging, den anderen Nationalitäten jedoch formal vollständige Gleichberechtigung zugestehen wollte. So schlug er u. a. die Einrichtung von Schledsgerichtshöfen zur Schlichtung nationaler Streitigkelten vor. 5 9 Dragomanov, Istoriceskaja Pol'sa, S. 2 5 0 - 2 6 8 .
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A 268 (40) Programm einer Zerlegung Rußlands in „Länder" 2 8 ) 60 | mit garantierter Autonomie haben nun die Semstwokongresse für Polen - auf welches sich ihr ganzes Programm zuspitzte - die Autonomie mit eigenem Landtage grundsätzlich acceptiert und sind dabei sogar über das hinausgegangen, was er für erforderlich hielt.29) Für Kleinruß- 5 land und andere nationale Sondergebiete dagegen bewilligen sie mit der früher dargelegten 61 Motivierung für jetzt nur seine beiden „naturrechtlichen" Grundforderungen: „Kulturselbständigkeit" 293 ) und demokratische Selbstverwaltung und auch diese bisher nicht in der klar gegliederten Art und mit den Garantien, wie er sie, wie wir 10 sahen, gefordert hatte, und wie sie noch das Programm des „Befreiungsbundes", der alle geschlossen zusammen lebenden Nationalitä28 ) Die von ihm vorgeschlagenen ethnographisch-ökonomischen Teilgebiete waren: 1. Norden, 2. Seengebiet, 3. Baltische Provinzen, 4. Lithauen, 5. Polen, 6. WeißrußA 268 (40) land, 7. Poljessien, 8. Kiew, 9. Odessa, 10. Charkow, 11. Moskau, 112. Nischnij Nowgorod, 13. Kasan, 14. Uralgebiet, 15. Ssaratow, 16. Kaukasus, 17. West-, 18. Ost-Sibirien, 19. das Kosakengebiet. 62 Das ist in der Tat „Teilung auf dem Papier". 29 ) Seine Ansichten sind darin eben nicht absolut konstante. Die unbedingte Heiligkeit der nationalen Unterrichtssprache ist der bleibende Grundgedanke. Aber selbst die nationale Sprache der Gerichts- und Verwaltungsbehörden erscheint - im Gegensatz zu anderen Äußerungen - wenigstens a.a.O. S. 265,266 als „sekundären Interesses". 6 3 Auch insofern ist jene Resolution kein ganz echtes Kind Dragomanowscher Gedanken, als sie begreiflicherweise - an historisch-politische Erinnerungen (Kongreßpolen) anknüpft, während Dragomanow nicht nur den Gedanken an das Polen von 1771, 64 sondern überhaupt jede derartige Motivierung verwarf und nur ethnographisch-kulturliche Grenzen kannte. 29a ) Freier Gebrauch der Muttersprache im öffentlichen Leben, Freiheit der Gründung von Unterrichtsanstalten jeder Art zum Zweck der Förderung der nationalen Sprache, Litteratur und Kultur, nationale Unterrichtssprache in den Volksschulen, Regulierung der Gleichstellung der örtlichen Sprache mit der - in den Zentralbehörden, der Armee und Flotte gebrauchten - „Staatssprache" in den übrigen Instanzen durch die Gesetzgebung und die eigenen Verfügungen der Selbstverwaltungskörper, - war (Punkt 11, 12) das Programm der konstitutionell-demokratischen Partei. 6 5 Man erkennt leicht die Abschwächung, welche der Semstwokongreß vornahm. |
60 Dragomanov, Vol'nyj sojuz. Siehe oben, S. 114. 61 Siehe oben, S. 130 und S. 138. 62 Als zwanzigstes Teilgebiet w u r d e von D r a g o m a n o v Zentralasien genannt. Dragomanov, Vol'nyj sojuz, S. 281 f. 63 Wörtlich heißt es: „ D i e s e Frage hat nicht die allgemeine B e d e u t u n g wie die Frage der Sprachen in der S c h u l e . " Dragomanov, Istoriceskaja Pol'sa, S. 266. 64 G e m e i n t sind hier Westpreußen, Litauen, Kurland, Weißrußland, Galizien, L o d o m e r i e n sowie Podolien, die vor der ersten Teilung von 1772 zu Polen gehörten. 65 Programma konstitucionno-demokraticeskoj partii, S . 3 4 2 5 f . Deutsche Ü b e r s e t z u n g bei Scheibert, Parteien, S. 61.
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ten mit den Polen gleichstellte, enthielt. Nun scheint freilich die Stellung der Kleinrussen selbst keine einheitliche zu sein. Die früher (etwa 1890) von der inzwischen eingegangenen „Prawda" 66 vertretenen und neuestens wieder in der Wiener „Ruthenischen Revue" 5 (3. Jahrg[ang] Nr. 13) 67 unter heftigen Angriffen auf die russischen Liberalen aufgestellten radikalen Forderungen, insbesondere die verlangte Rückkehr zur Personalunion des Vertrages von 1654, 68 gehen über das hinaus, was die oberen Schichten der Intelligenz der Ukraine beanspruchen. Diese stellen im allgemeinen nicht nur die 10 Reichseinheit, d.h. die Hegemonie der Großrussen, nicht in Frage, sondern viele von ihnen, darunter gerade auch Anhänger Dragomanowscher Gedanken, nehmen auch das Maß von Dezentralisation, welches die „Ukrainische Demokratie" | fordert (s. u.), 6 9 nicht unbe- A 269 (41) dingt in Anspruch und scheinen sich vorläufig sogar mit nationaler 15 „Kulturselbständigkeit" - d.h. nationaler Unterrichtssprache in den unteren Schulen, wo die Staatssprache nur Unterrichtsobjekt sein soll, Zulassung der nationalen Sprache als gleichberechtigt in den lokalen Verwaltungsbehörden und ihrer wissenschaftlichen Behandlung an der Universität 29 b ), bei weitgehender lokaler Selbstverwal29b ) D i e Ministerial-Denkschrift über die 9 „ W e s t " - G o u v e r n e m e n t s 7 0 hielt den Unter- A 2 6 9 (41) rieht in der weißrussischen Sprache (ca. 7 Millionen) für unmöglich infolge des Fehlens einer Literatur, den Unterricht im ß e i n r u s s i s c h e n für unnötig w e g e n der g r o ß e n Ähnlichkeit mit d e m Großrussischen, während sie das Polnische und Lithauische, wie wir s a h e n , 7 1 zuließ. Tatsächlich scheint sich das Kleinrussische v o m Großrussischen mehr als das Plattdeutsche, aber w e n i g e r als das Holländische v o m H o c h d e u t s c h e n zu entfernen. Seit 1876 ist bekanntlich jeder Import ruthenischer Bücher, jede Publikation v o n anderen als belletristischen und M e m o i r e n w e r k e n und selbst D r u c k l e g u n g von Texten zu M u s i k n o t e n und zahlreichen D r a m e n in kleinrussischer Sprache verboten.72
6 6 Gemeint ist die in Lemberg erschienene „ Pravda", die mit Unterbrechungen von 1867 bis 1896 publiziert wurde. Vgl. Enciklopedlja Ukralnoznavstva, Vol. I I / 6 . - Paris/New York: Molode Zittja 1970, S. 2293. 6 7 Der ultranationalistische Standpunkt, S. 313f. 6 8 Der sog. Vertrag von Perejaslavl' (1654), dessen staatsrechtliche Bedeutung umstritten ist, wurde zwischen den Zaporoger Kosaken unter ihrem Hetman Bogdan Chmel'nyckyj und d e m Zaren Aleksej Michajlovic geschlossen. Der Zar und seine Nachfolger wurden zum Oberhaupt der in administrativer, finanzieller und militärischer Hinsicht weiterhin selbständigen Ukraine. Die kosakischen Freiheiten und Privilegien, vor allem das Recht der Wahl des Hetmans, wurden bestätigt. 6 9 Siehe unten, S . 1 4 8 f . 7 0 Izvlecenie lz osobago zurnala komiteta ministov, S. 1571 ff. 71 Siehe oben, S. 133. 7 2 Bereits im Juli 1863 w u r d e der Druck von Schul- und wissenschaftlichen Büchern in
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tung 73 - begnügen zu wollen. 30 ) Die Städte Kleinrußlands (Kiew, Poltawa), die Sitze der Intelligenz, sind eben de facto mit Erfolg russifiziert.31) Immerhin sind von den Vertretern der Ukraine innerhalb der demokratischen Gruppen doch auch wesentlich weitergehende Forderungen erhoben und gelegentlich auch durchgesetzt 5 worden. Der Kongreß des „Befreiungsbundes" Ende März (Anfang April) 1905 hatte die Anerkennung der genuinen Dragomanowschen Idee: - Teilung Rußlands in Länder - zwar als generelles Prinzip verworfen, dagegen die Autonomie, wie für Polen, Lithauen und Transkaukasien, so auch, allerdings erst nach langer Debatte, für 10 Kleinrußland verlangt. 74 D e m Bureau des Julikongresses lagen bei Vorbereitung der Verhandlungen über die Nationalitätenfrage aus Kleinrußland zwei Programme vor, von denen das allein sachlich interessierende ausführlichere den Antrag der „Ukrainischen Demokratischen Partei" 75 darstellte und bezüglich der beabsichtigten 15 Verfassungsstruktur h sich an die Grundsätze des Dragomanowschen 30 ) Kistiakowski insbesondere lehnte (im Osswoboshdjenije Nr. 77 vom 26./13. Sept. 1905) 7 6 den kleinrussischen Separatismus, als unerreichbar, sehr bestimmt ab. 31 ) Kiew so sehr, daß nicht nur seine (korrupte) Duma jetzt sehr wesentlich mehr als z . B . die Petersburger reaktionär ist: - sie lehnte die Teilnahme am November-Kongreß durch Vermittlung des Moskauer Gradonatschalnik, zum Ärger der Liberalen, a b , 7 7 - und eins der bestredigierten konservativen Organe, der Kiewljänin, dort unter der Redaktion des früheren Prof. Pichno (Nachfolger Bunges auf dem ökonomischen Lehrstuhl der Universität) erscheint, sondern daß man selbst mit der Möglichkeit einer Wahl des letzteren (gegen Fürst Trubezköj) rechnet. |
h A : Verfassungstruktur
ukrainischer Sprache verboten. A m 18. Mai 1876 w u r d e durch den sog. „ E m s k i j A k t " sowohl j e d e Publikation in ukrainischer Sprache als auch deren Einfuhr untersagt. Ruthenisch war vor allem in Österreich die B e z e i c h n u n g für ukrainisch; Kleinrußland war vor allem im zarischen Rußland der N a m e für die Ukraine. 73 Ukrainec, Russkija opposicionnyja partii, S. 468. In d i e s e m Artikel Kistjakovskijs, unter P s e u d o n y m veröffentlicht, w e r d e n die Forderungen der ukrainischen Mitglieder des Sojuz O s v o b o z d e n i j a referiert. 74 Programma Sojuza Osvobozdenija, S . 3 0 5 f . In einem Schlußwort w u r d e das Prog r a m m mit f o l g e n d e m Satz charakterisiert: „ D a die Entscheidungen des B u n d e s von den h e r r s c h e n d e n politischen B e d i n g u n g e n zur Zeit ihrer Diskussion diktiert w u r d e n , k ö n n e n diese Entscheidungen nur solange als bindend betrachtet w e r d e n , wie die politischen B e d i n g u n g e n unverändert bleiben." Ebd., S. 306. Der Kongreß tagte v o m 25. bis 28. März 1905 in Moskau. 75 W e b e r bezieht sich m ö g l i c h e r w e i s e auf: Die politische Plattform der ukrainischen Demokratischen Partei, in: Ruthenische Revue, Jg. 3, Nr. 1 1 , 1 9 0 5 , 1 .Juniheft, S. 267 ff. 76 Ukrainec, Russkija opposicionnyja partii. 77 Siehe darüber: Pravo, Nr. 4 4 v o m 13. Nov. 1905, S . 3 6 4 2 .
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Verfassungsprojekts anlehnt, - nur in weniger fein durchgeführter Konsequenz, - bezüglich des Grades der Dezentralisation darüber hinausgeht: eigener Landtag („Narodnaja' Rada"), zuständig für alle Gegen|stände außer der auswärtigen Politik (Krieg, Handelsverträ- A 270 (42) 5 ge) und des Budgets der Zentralverwaltung, die Zentralinstanz bestehend aus einer Deputiertenkammer und einem Bundesrat von Vertretern der autonomen Gebiete. Allein das Problem der Autonomie der gegen 30 Millionen Kleinrussen ist der Punkt, an dem auch den konsequentesten Demokraten der Atem ausgeht. Der Kongreß io der Semstwos und Städte vom November 1905 beschloß lediglich die Befürwortung1" der Sprachfreiheit und des Gebrauches der örtlichen Sprache in den niederen Schulen „nach Möglichkeit" für die Letten, Lithauer, Esthen und Kleinrussen. 78 Dies genügt nun den lokalen Führern der Kleinrussen, speziell auf dem Lande, schwerlich.313) 15 Aber die „Realpolitiker" unter den Demokraten gehen eben in diesen Fragen ebenso, wie, nach Friedrich dem Großen, der Schlachtengott, mit „den großen Bataillonen" 79 - der Polen.32) Struve hat 31a ) Bei den Verhandlungen mit den Semstwoliberalen am 18. August in Moskau ver- A 270 (42) langte unter Berufung auf den Perejaslawler Vertrag von 1654 eine auf einem „allukrainischen Nationaltage" in Poltawa angenommene Denkschrift (in Übersetzung in der ruthenischen Revue 1905 Nr. 17): 8 0 föderativ zusammengesetzte erste Kammer neben der Reichsduma, eigenen Landtag mit Kompetenz für alle, außer den „zentralen Staatsangelegenheiten". Als solche sollten nach dem Programm der „ukrainischen radikalen Partei" 81 nur gelten: a) die auswärtigen Beziehungen, b) die Reichsfinanzen, c) Zoll- und Handelspolitik, d) die Reichsarmee. Ferner wurde, selbstverständlich', unbedingte Freigabe der nationalen Sprache, und zwar als lokaler Staatssprache in allen Behörden verlangt. (Endziel dieser Partei ist: Separation.) 32 ) Es finden sich seit Dragomanow immer wieder, - so noch im November in der
i A: „Narodnja
k A: B e f ü r w o r t u n g
I A: selbstverständig
78 Siehe dazu das Protokoll: S-ezd zemskich I gorodskich dejatelej, In: Pravo, Nr. 45/46 vom 20. Nov. 1905, S. 3699-3727, hier: S. 3706 und 3717. 79 „ [...] je ne saurais me désabuser du préjugé dans lequel je suis que, à la guerre, Dieu est pour les gros escadrons." Friedrich II. an Herzogin Luise Dorothea von Gotha am 8. Mai 1760, in: Œuvres de Frédéric le Grand, hg. von Adolf Menzel, Band 18. - Berlin: Imprimerie Royale (R. Decker) 1851, S. 213. 80 Das staatsrechtliche Memorandum der Ukraine, S. 4 1 9 - 4 2 3 : „Die Verwaltung eines jeden ethnisch-territorialen Staatstelles soll einer besonderen repräsentativen Institution überlassen werden, welche sämtliche Angelegenheiten der Bevölkerung in ihren territorialen Grenzen erledigen würde, mit Ausnahme der allgemeinen Staatsangelegenheiten, welche in die Kompetenz der zentralen Staatsinstitutionen fallen würden." Ebd., S.420. 81 Das Programm der ukrainischen radikalen Partei unter dem Titel: Die Ukrainische Radikale Partei in Rußland, in: Ruthenische Revue, Jg.3, 1905, Nr. 13, 1.Juliheft, S.315-319.
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A271 (43) z.B. 1901 | seinen auf den strikten Individualismus der „Menschenrechte" gegründeten Nationalismus wesentlich an Fichtes Kulturbegriff verankert. 82 Aber gegenüber den praktischen Problemen der Gegenwart ist für seine politische Gesamtanschauung charakteristisch, daß er die Gleichstellung der Kleinrussen, Letten und (selbst- 5 verständlich) der Transkaukasier mit den Polen, im Gegensatz zu dem Programm des Befreiungsbundes, ausdrücklich ablehnt. 83 Seine besondere Stellung zur polnischen Frage fügt sich eben bei ihm einem weiter reichenden „weltpolitischen" Programm: - Entente mit den liberalen Mächten, speziell mit England, Frontstellung Ruß- 10 Russj 8 4 bei der Erörterung der „Lithauer-Frage", - Versuche, Maßstäbe zu finden, nach denen festgestellt werden könne, wann eine Nationalität eine, ihr den ethischen Anspruch auf eine - je nach dem verschieden zu bemessenden - Sonderstellung verleihende, Kultur besitze. Der Besitz einer belletristischen Literatur genügt manchen Demokraten nicht, obwohl sie doch im Gegensatz zur Wissenschaft das „Nationale" ist. Neben dem Besitz einer eigenen politischen Presse (bei Nichtberücksichtigung der Qualität ein sehr billiger Befähigungsnachweis) wird zuweilen der Besitz „bürgerlicher Gesellschaftsklassen", zuweilen auch der von eigenen nationalen Parteien, also das Vorhandensein des „Willens" zur politischen Erhaltung der eigenen Nationalität für entscheidend erachtet. Der prinzipiell anerkannte Grundsatz des Minoritätenschutzes zeigt da, wo es sich um eine aristokratische Kulturschicht handelt, wie z.B. bei den baltischen Deutschen, die Neigung, dem demokratisch uminterpretierten Grundsatz: Cujus regio, ejus religio 85 Platz zu machen, d.h. den Anschluß an die „Masse" zur Pflicht zu erheben. Als vorbildlichen Gegensatz zu den Balten, die noch immer nicht „Esthen (bzw. Letten) deutscher Zunge" werden wollen, pflegen Schüler Dragomanows die von diesem (a.a.O. S. 108f.) zitierte „Beichte" des ukrainischen Schlachtizen Wl. Antonowitsch 86 dafür anzuführen, wie sich Angehörige einer „privilegierten Klasse" inmitten fremder Nationalitäten zu verhalten hätten. A 271 (43) Daß ich übrigens die uns nahe berührende Frage des Deutschtums in den | Ostseeprovinzen hier völlig ausschalte, hat nur teilweise seinen Grund darin, daß ich als Deutscher gegenüber dieser Kulturverwüstung, erst von oben, dann von unten, nicht unbefangen bleiben könnte. Sondern es tritt dazu, daß dies ein Problem für sich bildet, über welches man nicht ohne Kenntnis der lettischen und esthnischen Publizistik berichten kann.
82 Struve, Na r a z n y j a t e m y S. 4 8 7 - 5 0 7 : S v o b o d a i istoriceskaja n e o b c h o d i m o s t ' . 83 Siehe oben, S. 130, A n m . 87. 84 Weber bezieht sich offensichtlich auf d e n Artikel: Pol'skija trebovanija i russkoe obscestvo, in: Rus', Nr. 17 v o m 12. Nov. 1905, S . 2 . 85 Im A u g s b u r g e r Religionsfrieden v o m 25. S e p t e m b e r 1555 w u r d e den Landesherren durch Reichsgesetz zugebilligt, die Konfession der Untertanen zu bestimmen. Die von d e m Greifswalder Kanonlsten Stephani geprägte Formel steht so nicht im Vertragstext. 86 Antonovic, ein Angehöriger des polnischen Adels (szlachta) in der Ukraine und der G r u p p e der sog. C h l o p o m a n e n (Bauernfreunde oder Volksfreunde) zugehörig, antwortete in „ m e i n e B e i c h t e " (moja ispoved') 1862 auf den Vorwurf von polnischer Seite, ein „ A b t r ü n n i g e r " zu sein. Er erklärte darin, daß er sich, da er in der Ukraine lebe, als A n g e h ö r i g e r des ukrainischen Volkes betrachte. Dragomanov, Istoriceskaja Pol'sa, S. 1 0 7 - 1 1 0 .
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lands nach Kleinasien usw. - ein. 33 ) - Dem Ergebnis nach ist also die Lösung der Nationalitätenfrage der Duma zugeschoben, und die Schwierigkeiten werden hier - wenn sie überhaupt lebensfähig wird nicht geringe sein. 33a ) Aber immerhin ist festzustellen, daß eine 5 prinzipielle Einigung durchaus möglich ist, und daß sie bezüglich der Polen durch die erfolglose deutsche Polenpolitik, 87 bezüglich der Kleinrussen durch die erfolgreiche Russifizierungspolitik der Regierung, und bezüglich der nicht deutschen Ostseevölkerschaften durch die geschichtlich bedingte Anlehnung ihrer radikalen Parteien an den 10 russischen Radikalismus mehr als jemals früher erleichtert ist.34) | 33 ) Vgl. seinen offenen Brief an Jaurés in Nr. 72 (21. Juli) des Osswoboshdjenije 1905 und den Leitartikel Nr. 76 das. 8 8 33a ) Vom 19. bis 21. November tagte in Petersburg ein Kongreß der „Föderal-Autonomisten", dessen Gründung auf die Interessenten der fremdsprachlichen Presse in Rußland zurückgeht. 8 9 Er war von Tataren, Armeniern, Weißrussen, Grusiern, Juden (die bekanntlich ein korruptes Deutsch mit hebräischen Lettern schreiben, in New York existieren drei Zeitungen und ebensoviele Theater dieser Mundart), Kirgisen, Letten, Lithauern, Polen, Kleinrussen und Esthen besucht und forderte: nationalen Minoritätenschutz, insbesondere durch nationale Proportionalwahl in allen Wahlkörpern, gründete ein Bureau für den Zusammenschluß aller nichtrussischen Nationalitäten im Reich, betonte aber, daß er die Reichseinheit nicht antasten werde. Gleichwohl befürchtete die Presse (Molwa vom 15./28. Dezember) 9 0 Gegenschläge des russischen Chauvinismus. 34 ) Daß damit der Separatismus nicht etwa aus der Welt geschafft ist, haben die Ereignisse gezeigt. Aber der prinzipielle Fortschritt zur Einigung der bürgerlichen Elemente auf der Basis der Reichseinheit ist nicht gering. - Über das schier desparate Problem des russischen Judentums, welches mit jeder Art von „Emanzipation" natürlich erst eröffnet würde, kann hier nicht gehandelt werden. - Ebensowenig gehe ich, wie gesagt, auf die Lage der Deutschen ein. Möchte | doch unser Neo-Aristokratismus, der den A 272 (44) Großbesitz und -betrieb durch Fideikommisse und Getreidezölle stützt, aus dem, was in den Ostseeprovinzen vor sich geht, lernen, wie wenig, heute, für die Behauptung einer Position für eine Nationalität, das Vorhandensein „aristokratischer" Schichten, speziell einer Gutsbesitzerklasse, bedeutet.
87 Dies bezieht sich auf die seit 1886 eingeleitete Politik der Germanisierung des polnis c h e n Volksteils durch Z u r ü c k d r ä n g u n g der polnischen Sprache und die verstärkte A n siedlung deutscher Bauern und Arbeiter. Diese Politik führte letztlich z u m A n w a c h s e n einer polnischen nationalistischen B e w e g u n g In den preußischen Ostprovinzen. 88 Struve, Russkaja revoljucija i mir. Eine französische Fassung erschien in L'Humanité, Nr. 4 1 7 v o m 8. Juni 1905: La Révolutlon Russe et la Paix: Lettre ouverte au citoyen Jean Jaurés. Struve, Iz ruk carja. 89 A m Kongreß der Autonomisten-Föderalisten, einer Vereinigung der Vertreter der „ f r e m d v ö l k i s c h e n " Presse, n a h m e n 115 Delegierte teil. Die Gruppierung entstand auf d e m Kongreß der Journalisten im März 1905. Über ihren Fortbestand nach d e m Kongreß v o m N o v e m b e r 1905 ließ sich nichts ermitteln. Das P r o g r a m m ist abgedruckt in: Ivanovlc, V. (Hg.), Rossijsklja partii, sojuzy I ligi. - S.-Peterburg: Znanie 1906, S . 2 3 4 f . (künftig: Ivanovic, Rossijskija partii). 90 W e b e r bezieht sich auf den Artikel in: Molva, Nr. 7 v o m 15.(28.) Dez. 1905, S . 3 f .
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A 272 (44)
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Ebenso wie die Nationalitäts- und Sprachenfrage ist auch die mit ihr zusammenhängende Schulfrage in dem Entwurf mit Stillschweigen übergangen. Das Programm des Befreiungsbundes enthielt in dieser Hinsicht weitgehende Forderungen: Wiederherstellung der Universitätsautonomie (inzwischen konzediert), 1 dazu Autonomie 5 auch aller örtlichen Verbände im Schulwesen, absolute Unentgeltlichkeit allen öffentlichen Unterrichts, - welch m letzteres Struve damals als undurchführbar und ungerecht bekämpft hatte. 35 ) Der Entwurf schweigt, obwohl (oder vielleicht weil) zurzeit zwischen Semstwoschulen, privaten A-B-C-Schulen, und Schulen der Geist- 10 lichkeit der heftigste, von der Regierung seit zwei Jahrzehnten geschürte Kampf tobt. 35 ®) 2 Und dies Schweigen hängt wohl des weite35 ) Auf dem später zu erwähnenden 3 (ersten) Moskauer Kongreß des „Allrussischen Bauernbundes" wurde unentgeltlicher, rein weltlicher, obligatorischer Schulunterricht, unentgeltliche Lehrmittel und Speisung, im Notfall auch Nachtunterkunft und Bekleidung (nach einem Vorschlag: unentgeltliche Internate bei allen Schulen) verlangt. 4 Die Forderung der obligatorischen Volksschulen enthalten sämtliche mir bekannten Bauernadressen. 35a ) Das Programm der konstitutionellen Demokraten fordert 1) „Unterrichtsfreiheit", 2) unentgeltlichen, obligatorischen Volksschulunterricht, durch die Selbstverwaltungsbehörden organisiert und kontrolliert. 5 Die entscheidende „Berechtigungsfrage" (für die Examina) hat er nicht berührt, obwohl eben hier die Probleme der „Unterrichtsfreiheit" erst beginnen.
m A: welche 1 In der Universitätsreform von 1863 waren den Hochschulen, vor allem dem Professorengremium als oberstem Kollegialorgan, wesentliche Entscheidungsbefugnisse eingeräumt worden. Diese gingen durch das Statut von 1884 auf den Staat, repräsentiert entweder durch einen sog. Kurator oder durch den Minister, über. Die Verordnung vom 27. August 1905, die sog. Provisorischen Regeln, sah die Wahl der universitären Funktionsträger durch die Professoren vor; die Universitäten erhielten die Aufgabe, „für die Aufrechterhaltung eines geregelten Verlaufs des Unterrichtslebens entsprechende Maßnahmen zu ergreifen." Vgl. Spieler, Silke, Autonomie oder Reglementierung. Die russische Universität am Vorabend des Ersten Weltkrieges. - Köln/Wien: Böhlau 1981, S. 99 (künftig: Spieler, Autonomie). 2 Unter privaten A-B-C-Schulen werden hier wohl die auf Initiative der Bauerngemeinden nach der Bauernbefreiung von 1861 entstandenen ländlichen Grundschulen in der Verwaltung der Bauerngemeinden verstanden. Dazu und zu den Auseinandersetzungen um die Grundschulen vgl. Brooks, Jeffrey, When Russla Learned to Read. Llteracy and Populär Llterature, 1861-1917. - Princeton: Prlnceton Universlty Press 1985, S.36ff. 3 Siehe unten, S. 233ff. 4 Am 31.Juli und I.August 1905 tagte in Moskau der erste Bauernkongreß. Pervyj vserossijsklj s-ezd krest'jan, S.493f. 5 Siehe dazu das Programm der Kadetten, Abschnitt 7, Fragen der Bildung, § § 5 0 - 5 7 . Programma konstitucionno-demokraticeskoj partli, S.3425. Deutsche Übersetzung bei Scheibert, Partelen, S.67f.
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ren damit zusammen, daß der Entwurf auch das Verhältnis zur Kirche keines Wortes würdigt, sondern sich begnügt, innerhalb der Schranken der öffentlichen Ordnung bedingungslose Toleranz und Kultusfreiheit zu versprechen. Das Programm des „Befreiungsbun5 des" hatte dagegen „Befreiung der Kirche vom Staat und des Staats von der Kirche"6 verlangt, also die Vernichtung des Werkes, welches Iwan der Schreckliche und das politische Mönchtum des 16. Jahrh[underts] begründet und Peter der Große durchgeführt hatte. 7 Den Verfassern des Entwurfs erscheint das Verhältnis des Staats zur 10 Kirche zu komplex, um es „in einigen Paragraphen" regeln zu können. 8 Indem aber der Entwurf den Kaiser den Verfassungseid auch vor dem heiligen Synod 9 ablegen läßt, erkennt er sogar diese cäsaropapistische36) Institution direkt an. Das konsti|tutionell-demokrati- A 273 (45) sehe Programm begnügt sich, Befreiung der orthodoxen (und jeder 15 anderen) Kirche vom Staate zu fordern (Punkt 2), 10 ohne näher zu 36
) D e r Begriff bedarf für die russische Kirche bekanntlich der Begrenzung. Einen Eingriff in dogmatische Fragen nach Art der Komnenen 1 1 hat selbst Iwan der Schreckliche nicht gewagt, und die Grenzen des staatlichen Einflusses auf das religiöse Leben sind durch die Rücksicht auf die Gemeinschaft mit dem Morgenland | und die Gefahr eines A 2 7 3 (45) Schismas gezogen. Nach Art des preußischen summus episcopus selbst Predigten vorzules e n , 1 2 dürfte der Zar schwerlich wagen, ohne - trotz allem - das Selbstgefühl der Kirche zu reizen. 6 Es heißt im Programm: „Aus der Anerkennung des Prinzips der Gedankenfreiheit ergibt sich bereits die Befreiung der kirchlichen Gesellschaft (obscestvo) von der staatlichen Bevormundung und andererseits die Befreiung des Staates von der Unterordnung unter die kirchlichen Interessen." Programma Sojuza Osvobozdenija, S.305. 7 Bereits seit der Zeit Ivans III. (1462-1505) hatte sich die sog. machtkirchliche Richtung unter losif von Volokolamsk durchgesetzt, die zwar formell die Unterordnung des Staates unter die Kirche anstrebte, jedoch der Sache nach die unumschränkte Herrschaft des Staates über die weitgehend ohnmächtige Kirche durchsetzte. 8 Loi Fondamentale, S. 15. 9 Oberstes Verwaltungsorgan der russischen orthodoxen Kirche, von Peter I. 1721 eingesetzt. 10 In Punkt 2 des Parteiprogramms hieß es u.a.: „Die Rechtgläubige Kirche und die anderen Konfessionen sollen von der staatlichen Bevormundung befreit werden." Programma konstitucionno-demokratlceskoj partli, S.3425. Deutsche Übersetzung bei Schelbert, Partelen, S.60. 11 Byzantinische Dynastie, 1081-1185, die wiederholt In religiöse Auseinandersetzungen eingriff. 12 Dies ist vermutlich eine Anspielung auf die sog. Seepredigten Kaiser Wilhelms II., der auf seinen Schiffsreisen, wenn kein Geistlicher an Bord war, sonntags selbst zu predigen pflegte. Vgl. Die Reden Kaiser Wilhelms II. in den Jahren 1 8 9 6 - 1 9 0 0 , hg. von Johannes Prenzler, Teil 2. - Leipzig: Reclam o. J., S. 2 1 2 - 2 1 9 . Nach Auffassung zeitgenössischer evangelischer Kirchenrechtler stand dem Landesherrn als summus episcopus dieses Recht nicht zu. Vgl. dazu: Sohm, Rudolph, Kirchenrecht. - Leipzig: Duncker & Humblot
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Demokratie
sagen, was die Konsequenzen sein sollen. Wie wird sich nun die Kirche ihrerseits zur Verfassungsbewegung und innerhalb des eventuellen Verfassungsstaats verhalten? Schon die vielen Tausende neu gegründeter geistlicher Schulen zeigen, weit deutlicher als die seinerzeit hauptsächlich im Kampf 5 gegen die Stunda 13 neu belebte innere Mission, daß die neue Situation die orthodoxe Kirche, die sich dem Vernehmen nach im Sommer zum ersten Mal wieder zu einem Konzil versammeln soll 36a ), auf dem Kampfplatz finden wird, mögen die Schwierigkeiten für sie, die entnervenden Traditionen des Oberprokuroren-Regimes 1 4 abzu- 10 streifen, noch so große sein. Es fragt sich nur, wie intensiv und in welcher Richtung sie wirken wird. 37 ) Daß innerhalb wie außerhalb der Kreise der Bischöfe und selbst in den Reihen der hohen staatlichen Bureaukratie der Gedanke an eine Wiederaufrichtung des seit 200 Jahren verwaisten Patriarchenstuhls 15 nicht schläft, ist nicht 15 unbekannt geblieben. 38 ) Bischof Isidor, der Vikar der Eparchie 36a
) Inzwischen durch das R e s k r i p t vom 27. D e z e m b e r 1905 b e s t ä t i g t . 1 6 ) Leidliche, n u r ziemlich s u m m a r i s c h e Berichte bringt im A u s l a n d n a m e n t l i c h die jesuitische „Civiltà c a t t o l i c a " . 1 7 3S ) M a n vergleiche etwa die in der „ R u s s j " v o m 5. Mai rekapitulierte A u s e i n a n d e r s e t zung zwischen zwei ( u n g e n a n n t e n ) h o h e n S t a a t s b e a m t e n . 1 8 Von d e m R e f o r m e r w u r d e n als H a u p t s c h ä d e n a n g e f ü h r t : die „ V e r d r ä n g u n g " des R e p r ä s e n t a t i o n s p r i n z i p s aus der zentralen u n d E p a r c h i a l v e r w a l t u n g d e r Kirche; das Verbot selbst d e r Provinzialsynoden (seit 200 J a h r e n ca. 3 - 4 ) ; die „ V e r d r ä n g u n g " des Prinzips der Wahl d e r Bischöfe u n d P r e s b y t e r ; die Belastung der Geistlichen mit rein staatlichen A u f g a b e n ; die N o t w e n d i g k e i t , von A b g a b e n zu l e b e n ; das u n g e h e u r e Schreibwerk (ca. 20000 „ N u m m e r n " von E i n g a b e n p r o 37
1892, S. 682. „ Der Landesherr ist (darüber besteht kein Streit) nicht berechtigt zu predigen oder Sakramente zu spenden, nicht berechtigt, Seelsorge auszuüben oder durch andere ausüben zu lassen." 13 Stunda, Stundeten: um 1860 in der Ukraine unter deutschen Siedlern entstandene freikirchliche Gemeinschaft des Protestantismus. Die Bezeichnung geht auf die der Erweckung dienende Bibelstunde (stunda) zurück, die von Laien geleitet wurde. 14 Der Oberprokuror des Heiligen Synod (Oberprokuror Svjatejsego Sinoda) beaufsichtigte seit 1722 als staatlicher Beamter die Tätigkeit des Synod. 15 Das Patriarchat war seit dem Jahre 1700 verwaist und wurde dann 1721 von Peter I. durch den Heiligen Synod als oberste Kirchenleltung ersetzt. Erst im November 1917 wurde das Patriarchat in Rußland wiederhergestellt. 16 Am 27. Dezember 1905 wurde den Metropoliten der kaiserliche Auftrag übermittelt, einen Termin zur Einberufung einer beratenden Körperschaft anzuberaumen, die Vorbereitungen für eine Kirchenreform treffen sollte. 17 Siehe dazu z.B. Civiltà Cattolica, Jg.56, 1905, Band 2, S.376 und 382, und Band 3, S.499f. 18 Die betreffende Nummer der Zeitung Rus' war In Bibliotheken und Archiven nicht ermittelbar.
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Nishnij Nowgorod, hat ihm in scharfer Abweisung der Quertreibereien der Moskauer Zeitung öffentlich Ausdruck gegeben. 383 ) Freilich findet die Aufrichtung des Patriarchenstuhls andererseits gerade bei den politisch liberalen Teilen der „weißen" Geistlichkeit 19 gelegentlich auch Widerspruch, indem u.a. statt des zum Druck nach unten, zur Devotion nach oben neigenden Patriarchen eine gewählte (statt der jetzt ernannten) Synode, gewählte Bischöfe und Zulassung eines weltlichen Sekretärs zur Synode nur in beratender Funktion verlangt wird. 38b ) - Aber, von ihrem | nationalen Charakter ganz A 274 (46) abgesehen, macht es schon die Vergangenheit und Organisationsform der orthodoxen Kirche, vollends angesichts der Gesamtlage, in die sie sich hineinzufinden hätte, ganz unwahrscheinlich, daß sie wie immer sie umgestaltet werde - jemals nach Art der römischen Kirche sich zur Vertreterin von Freiheitsrechten gegenüber der Macht des Polizeistaats würde aufwerfen können. Sie würde sich mit einem größeren Maß von Selbstverwaltung und Emanzipation von der Bureaukratie begnügen. Die Idee des „dritten Rom" 2 0 ist cäsaropapistisch von ihrer Geburt an. Dagegen könnte sie ein immerhin respektables Machtinstrument in der Hand des Zaren werden. Denn es ist ganz unwahrscheinlich und widerspricht dem Interesse und den Konsistorium und Jahr) als Folge der stetig fortschreitenden Zentralisation und der Vernichtung der selbständigen Verwaltung der Pfarreien. 38a ) Seine Erklärung ist abgedruckt im Prawo, Nr. 13 S. 1002. 21 38b ) Erklärung einer Versammlung von Popen der Jekaterinoslawschen Eparchie | (Prawo Nr. 47). 2 2 Die Bischöfe sollen aus beiden Kategorien der Geistlichkeit wählbar A 2 7 4 (46) sein. Auf dem Nationalkonzil sollen die weißen Geistlichen Vi, die Laien '/i, die schwarze Geistlichkeit 'A ausmachen usw. Selbst das von Führern der Reaktion, wie dem Grafen Dorrer, Fürst Kassatkin-Rostowskij und zahlreichen Adelsmarschällen etc. unterzeichnete Manifest der slawophilen „Nationalen Ordnungspartei" in Kursk verlangt (Abt. I, Punkt 2): 2 3 „Wiederherstellung der Kirchengemeinde" und Wahl des Pfarrers statt der Besetzung durch die Konsistorien, zweifellos um so die Macht der Kirche zu stärken.
19 G e m e i n t ist die Pfarrgeistlichkeit, die im Gegensatz zur Mönchsgeistlichkeit (schwarze Geistlichkeit) als weiße Geistlichkeit bezeichnet wurde. 20 Die Idee von Moskau als drittem Rom entstand in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts und w u r d e in der Regierungszelt Ivan IV. Groznyj fester Bestandteil der Herrschaftsideologie des Moskauer Staates. Sie w u r d e hauptsächlich in den Schriften des M ö n c h e s Filofej entwickelt, nach d e s s e n Ü b e r z e u g u n g Rom und Konstantinopel (das zweite Rom) aufgrund der fehlenden Rechtgläubigkeit untergegangen waren. Nur im Moskauer Staat sei der christliche Glaube unverfälscht erhalten. Aus d i e s e m G r u n d e sei Moskau das dritte Rom. 21 W e b e r bezieht sich auf: Pis'mo preosvjascennago Isidora, S. 10OOf. 2 2 Postanovlenie g r u p p y sel'sklch svjascennikov, S. 3821 ff. 2 3 C e g o zelaet Kurskaja narodnaja partija porjadka, S. 3 7 3 8 f f .
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Traditionen der russischen Kirche, daß sie sich einem parlamentarischen Cäsaropapismus nach Art der griechischen oder gar der rumänischen Kirche fügen würde. Freilich, ein Ausländer kann nicht beurteilen, welche Kräfte die Kirche überhaupt angesichts der tiefen persönlichen Mißachtung der Popen 39 ) und bei dem unleugbaren 5 39 ) Man darf diese Erscheinung freilich nicht einfach generalisieren, andererseits auch die Qualität des russischen Popentums nicht an dem höchststehenden katholischen Pfarrklerus Europas, etwa dem deutschen, messen. Die Popen haben in den Notstandsdistrikten während der Hungerjahre seiner Zeit ganz Erhebliches geleistet. 2 4 Auf die Stellung der Massen zu ihnen trifft es wohl im Prinzip zu, daß die magischen Kräfte, über welche die Popen verfügen, und die man zur" Rettung vor den ewigen Strafen nicht entbehren kann, geschätzt werden, ohne daß dieses irgendwie auf die Meinung über die Personen, welche deren Träger sind, Einfluß übte, und ohne daß andererseits jene Schätzung von deren persönlichen Qualitäten beeinflußt wird. Aber auch damit steht es im einzelnen sehr verschieden. Auf dem später zu erwähnenden 2 5 ersten allrussischen Bauernkongreß wurde gegen die „Geldgier" der Popen scharf losgezogen, 2 6 allein es waren dabei offenbar auch Sektierer beteiligt. Das „göttliche Gesetz" (Katechismus) sollte, so wurde hier ebenso wie in vielen radikalen Wählerversammlungen der Städte verlangt, aus den obligatorischen Lehrfächern der Schulen gestrichen, nach Meinung mancher durch Naturwissenschaft ersetzt oder als jüdische Geschichte gelehrt werden. 2 7 Andererseits trat auf dem zweiten Bauernkongreß 2 8 ein sehr radikaler Pope als gewählter Vertreter einer Anzahl Dörfer auf. Eine Adresse von 140 Chersoner Bauern enthielt den Vorschlag, die Kosten A 275 (47) des Krieges aus dem Klosterbesitz, der ja „Besitz des Volkes" sei, zu bezahlen. 2 9 | „Mag auch die Geistlichkeit für die Regierung opfern: sie hat zur Zeit des Krieges nur gebetet, und auch das wahrhaftig nicht sehr eifrig." 3 0 Andererseits trat auf jenem ersten Kongreß ein Bauernvertreter dafür ein, die Klöster bei der Bodenexpropriation eher günstiger zu behandeln als private Grundherrn, denn sie seien „kommunistische" Institutionen und „beteten für das Volk". 3 1 Dem widersprachen freilich andere sehr lebhaft: „das Kloster sei
n A:zu 2 4 Gemeint ist die große Hungersnot in Rußland in den Jahren 1891/92 nach schweren Mißernten. 2 5 Siehe unten, S . 2 3 3 f f . 2 6 Pervyj v s e r o s s i j s k i j s - e z d krest'jan I, S . 4 7 2 . A u s Geheimhaltungsgründen wurden weder auf dem ersten noch auf dem zweiten Bauernkongreß die Namen der Delegierten genannt. 2 7 Pervyj v s e r o s s i j s k i j s - e z d krest'jan II, S . 4 9 3 . 2 8 Vom 6. bis 10. November 1905 tagte In Moskau der zweite Allrussische Bauernkongreß. Ein Protokoll erschien unter dem Titel: Materialy k krest'janskomu voprosu. Otcet o zasedanijach delegatskago s-ezda Vserossijskago krest'janskago sojuza 6 - 1 0 nojabrja 1905 g. - Rostov na Donu: Novyi Mir 1905, S . 6 2 (künftig: Materialy k krest'janskomu voprosu). 2 9 Weber bezieht sich vermutlich auf den Artikel: Dve agrarnyja programmy, in: Osvobozdenie, Nr. 6 9 / 7 0 vom 7.(20.) Mai 1905, S . 3 2 7 - 3 2 9 , hier: S . 328. 30 Ebd., S . 328. 3 1 Im Original heißt es: „Die Klöster sind gesellschaftliche Schöpfungen (obscestvennyjasozdanija) und beten für das Volk." Pervyj v s e r o s s i j s k i j s - e z d krest'jan II, S . 4 9 1 .
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Gegensatz dieser | zur „schwarzen Geistlichkeit" und zum Mönch- A 275 (47) tum, 32 - der ja einer der Gründe der Macht des Staates, als des einzig möglichen Beschützers der Popen gegen den Druck der Cölibatäre ist, - zu entfalten vermöchte. 393 ) Und noch weniger ist von außen her ein Bienenstock, aber die Mönche seien von f r e m d e r Arbeit lebende D r o h n e n " . 3 3 Eine vermittelnde Ansicht wollte die Pfründenklöster von den Arbeitsklöstern unterscheiden, in denen die Mönche durch H a n d a r b e i t ihren Unterhalt e r w ü r b e n . 3 4 Als auf dem Kongreß das Kirchspiel als die, von den Semstworeformern seit langem gesuchte, „kleinste Zelle" der Selbstverwaltung vorgeschlagen wurde, erhob sich Protest wegen des zu befürchtenden Einflusses der Geistlichkeit. 3 5 Andererseits wurde der Einwand gegen das Frauenstimmrecht, d a ß die Frauen dem Einfluß d e r 0 Popen unterlägen, „angesichts der allgemeinen Verachtung" gegen diese letzteren als unerheblich angesehen. 3 6 - Wie die Büreaukratie d e n k t , geht deutlicher als aus a n d e r e m wohl daraus hervor, d a ß p die Semstwo„ R e f o r m " von 1890, welche d e m A d e l die Mehrheit und d e m B e a m t e n t u m die Kontrolle der Wahlen der bäuerlichen Vertreter für die Semstwos sicherte, die Wählbarkeit der Geistlichen gleichzeitig gänzlich ausschloß.37 Als G r u n d wurde das kanonische Verbot an die Kirche, sich in weltliche Fragen zu mischen, angegeben, - aber gleichzeitig die Teilnahme vom Konsistorium ernannter Vertreter angeordnet, und (wie Korkunow nachwies, 3 8 unwahrerweise) b e h a u p t e t , es sei „ k a u m je" ein Geistlicher gewählt worden (in einzelnen U j e s d ' s hatten sie als Bauern-Vertreter fast die Mehrheit). 39a ) In vielen Städten - z . B . M o s k a u , Jarosslawlj, Ssaratow, haben die Metropoliten bzw. Bischöfe und Konsistorien unmittelbar vor d e m Manifest sich in den Dienst der R e a k t i o n gestellt, um es zu hintertreiben. So wurde in einer Eparchialverfügung vom 14. O k t o b e r in M o s k a u ein Aufruf zur Verlesung von den Kanzeln an die Pfarrer versend e t , 3 9 welcher zum Schutz der bedrohten Selbstherrschaft aufforderte und den G e b r a u c h von Gewalt gegen die Feinde des Z a r e n mindestens nahelegte, - eins der Vorspiele der Metzeleien der „schwarzen B a n d e n " : 72 Moskauer Pfarrer erklärten darauf im „Russkoje Slowo", daß ihr Gewissen ihnen, als Verkündern des Friedens, nicht gestatte, dieser Verfügung n a c h z u k o m m e n . 4 0 O A: den
p A: das
32 Siehe oben, S. 155, Anm.19. 3 3 „Die Klöster brauchen überhaupt kein Land. Auch ohne dieses nutzen sie fremde Arbeit aus. Das Kloster ist ein Bienenstock, wir sind die Arbeitsbienen, die Mönche sind die Drohnen. Sie leben in Trunksucht und Unzucht." Ebd., S.492. 34 Ebd. 35 Ebd., S. 494. 36 „Was die Befürchtung betrifft, daß die Frauen unter den Einfluß der Popen fallen, so haben diese Befürchtungen angesichts der geringen Autorität unserer Geistlichkeit in den Augen des Volkes keine Bedeutung." Pervyj vserossljsklj s-ezd krest'jan II, S.491. 37 Korkunov, Russkoe gosurdarstvennoe pravo, tom 2, S. 421. 38 Ebd., S.421, Anm.3. 3 9 Der Aufruf, abgedruckt in: Moskovskija Vedomosti, Nr.275 vom 16.Okt. 1905: „Po razporjazeniju vyssej Moskovskoj Eparchial'noj Vlastl", wurde am selben Tag von der Kanzel verlesen. 4 0 Weber bezieht sich vermutlich auf: Protest Moskovskich pastyrej, in: Russkoe Slovo, Nr. 274 vom 19. Okt. 1905, S. 2.
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abzuschätzen, welche für das Zarentuni positive oder negative Bedeutung eventuell den hie und da hervortretenden christlich-sozialen und christlich-demokratischen Bewegungen in der Popenschaft und unter dem Nachwuchs mancher Seminare zukommen könnte. 40 ) 40
) Eine Gruppe antiautokratischer christlicher Sozialisten Rußlands istq seit kurzem in der „Christlichen Kampfesbruderschaft" (Christianskoje Bratstwo Borjby) organisiert. 41 Das „Osswoboshdjenije" druckte mehreremal Kundgebungen derselben ab, darunter A 276 (48) (1905 Nr. 73 S. 386) 42 eine theoretische Darlegung der Aufgaben der | Bruderschaft, einen „offenen Brief an die Bischöfe" und einen „Aufruf zum Kampf". Es soll hier nicht versucht werden, dieser formal vom Boden der Orthodoxie ausgehende^ Bewegung im Kreise der ungemein differenzierten religiösen Strömungen s Rußlands den Platz anzuweisen - schon deshalb nicht, weil mir sowohl ihre Urheber wie die Zahl und Art ihrer Anhänger durchaus unbekannt sind. Immerhin sei ihr für gewisse innerkirchliche Strömungen und für die Nachwirkung des Auftretens Gapons und des tiefen Eindruckes der Metzeleien des 9. (22.) Januar 190543 charakteristischer Inhalt wiedergegeben: Das historische Christentum habe, heißt es, in allen seinen Ausprägungen ausnahmslos nur eine Seite der Lehre Christi gepredigt und zu verwirklichen gestrebt: das Gottesreich im einzelnen Menschen, die christliche Einzelpersönlichkeit, denn es habe nur gefragt, wie es zu machen sei, um im Jenseits in das Reich Gottes zu gelangen, nie aber: was denn das diesseitige Gottesreich, das Corpus Christi, würde man s. Z. westeuropäisch gesagt haben, der „Menschheitskörper", sagen die „soziologisch" orientierten Verfasser - eigentlich sei. So habe es dem in Wahrheit widerchristlichen' Gedanken der „Selbstrettung" (Ssamospassenije) des einzelnen durch eine wesentlich nur innerliche Umwandlung Vorschub geleistet. Aber die Apostel hätten nicht nur von der Heiligung des Fleischs des einzelnen, sondern (2. Petri 3, 13) auch von einem neuen Lande, „in welchem die Wahrheit wohnt", 44 gesprochen: der einzelne sei kein „Atom", sondern Glied eines großen Individuums, der Kirche, die das „objektive Reich Gottes" sei und die fleischliche Begierde nicht nur in der Einzelpersönlichkeit zu überwinden habe, sondern in der Menschheit, deren zu heiligendes „Fleisch" die gegenseitigen ökonomischen, sozialen und politischen Beziehungen darstellen. Daran habe jeder einzelne die Pflicht mitzuarbeiten und also „den allerwirksamsten Anteil zu nehmen am gesellschaftlichen und politischen Leben des Landes, und hier, auf dem Gebiet des Lebens, von welchem sich das historische Christentum mit dem Schrecken des Einsiedlers abgewendet hat, zu verwirklichen die weltumfassende Wahrheit des Gottq A: sind
r A: ausgehende
S A: Strömung
t A: wiederchristlichen
41 In Osvobozdenie, Nr. 73 vom 6.(19.) Juli 1905, S.386, hieß es, daß es sich bei der christlichen Kampfbruderschaft um eine „christliche sozialistisch-demokratische Organisation" handele. 42 Weber bezieht sich auf: Verujuscie protiv samoderzavija, in: Osvobozdenie, Nr. 73 vom 6.(19.) Juli 1905, S. 3 8 6 - 3 9 1 . Unter dieser Überschrift wurden publiziert: O zadacach Christianskago Bratstva Bor'by, S. 386f., Episkopam russkoj cerkvi, S. 3 8 7 - 3 9 0 , und Vozzvanie k voennym, S.390f. 43 Am 9.(22.) Januar 1905, einem Sonntag, zog unter Führung des Priesters Gapon eine Demonstration von Arbeitern zum Winterpalais, um dem Zaren eine Petition zu überreichen. Das Militär feuerte in die Menge, und es gab zahlreiche Tote und Verwundete. 44 „Wir warten aber eines neuen Himmels und einer neuen Erde nach seiner Verheißung, in welchen Gerechtigkeit wohnt." NT, 2. Brief des Petrus, Kap. 3, Vers 13.
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Aber andererseits muß es, nach den | anderwärts gemachten A 276 (48) menschentums". 45 Die erste grundlegende Aufgabe aber sei dabei heute in Rußland der Kampf gegen die Selbstherrschaft, deren unumschränkter Machtanspruch Gottes Wort, daß es unmöglich sei, zwei Herren zu dienen, zuwider, ein Verstoß gegen das erste Gebot und eine gotteslästerliche Kreaturvergötterung sei. Denn eine solche Macht komme nur Gott selbst zu. Die Ereignisse des 9. Januar hätten gezeigt, daß auch de facto immer wieder die Gewissensfrage entstehe: der Zar oder Christus, solange der Zar rechtlich in der Lage sei, zu befehlen was ihm beliebe, auch das Schießen auf Unschuldige. Gespräche mit Offizieren werden als Beispiele dieses Konflikts angeführt. Mit diesem Kampf gegen die „papistische Häresie" habe sich zu verbinden die Lösung der Kirche aus ihrer Verflechtung mit dem Staat, welche sie fremden Zwecken dienstbar gemacht, erniedrigt, Christus entfremdet und „zur Beschönigung von Schandtaten, wie denen des 9. Januar" gezwungen habe. Sie „schlafe geistig" und beruhige sich, abseits stehend, gegenüber den unermeßlichen Entwicklungen des Lebens, welche sie an sich vorbeigleiten lasse, mit „Formeln, die vor einem Jahrtausend geprägt" seien. Eine Änderung sei | nur durch erneute Besinnung A 277 (49) auf die Vorschrift 1. Petri 2, 9 46 möglich, wonach der Klerus nur ein Glied der Kirche sei, deren Laienmitglieder alle ebenfalls zur Würde des königlichen Priestertums berufen seien. In diese Rechte müssen sie wieder eingesetzt, die einzige kanonische Einheit der Kirche, die Gemeinde, wiederhergestellt, der Pfarrer nicht von Petersburger Kanzleien aus in die Gemeinde geschickt, sondern von ihr gewählt werden. Der Ssobor der Gemeindepfarrer solle aus ihrer Mitte oder aus den Mönchen den Archierej und der Ssobor der Archierej ebenso den Patriarchen wählen. Die Geldgeschäfte der Gemeinde sollen im Interesse der Würde des geistlichen Amts in den Händen gewählter Vertrauensmänner, nicht der Geistlichen, ruhen, der Unterhalt der Kirche allmählich vom Staatsbudget auf die Gemeinden übernommen werden: man solle nicht warten, bis der Staat seinerseits sichj,] wie in Frankreich, des Kirchenbudgets entledige. (Diese Ausführungen könnten von „Jedinowjerzi", 47 d.h. unierten Schismatikern, herrühren, da Laienverwaltung und Pfarrwahl heute Grundsteine des Raskol sind.) Die so befreiten Kirchengemeinden erst werden der Kirche Autorität und Machtmittel zur Christianisierung des Lebens darbieten. Diese schließe, organisatorisch, die Wiederbelebung der apostolischen männlichen und weiblichen Diakonie, dann aber, vor allem, den Kampf der Gläubigen als solcher gegen soziale Ungleichheit in sich. Die innere Freiheit der Persönlichkeit könne nur in der „Emanzipation von allem was bindet", vor allem also vom Hängen an Privateigentum, nach dem Muster der apostolischen Gemeinde, erkämpft werden. Das Mönchtum sei der Kirche heute „in zu starken und deshalb schädlichen Dosen" eingegeben: es habe das königliche Priestertum der Laien erdrückt und die allgemeine Christenpflicht des Kampfs gegen den Eigentumsegoismus zur Angelegenheit eines besonderen Standes gemacht.
45 Dieses und die nachfolgenden Zitate aus: „ 0 zadacach" und „Episkopam russkoj cerkvi", in: Osvobozdenie, Nr. 73 vom 6.(19.) Juli 1905, S. 3 8 7 - 3 9 0 . 46 NT, 1. Brief des Petrus, Kap. 2, Vers 9: „Ihr aber seid das ausgewählte Geschlecht, das königliche Priestertum, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, daß ihr verkündigen sollt die Tugenden des, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht." 47 Als „edinoverie" wird die Übereinkunft zwischen der orthodoxen Kirche und einem Teil der Altgläubigen am Ende des 18. Jahrhunderts bezeichnet. Nach dieser Übereinkunft erhielt diese Gruppe der Altgläubigen das Recht, an den alten Ritualen und den Büchern, die vor der Nikonschen Reform von 1654/55 in Gebrauch waren, festzuhalten; dafür akzeptierte das sogenannte „edinoverie" von der offiziellen orthodoxen Kirche geweihte Priester.
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A 277 (49) Erfahrungen, 48 immerhin auch unsicher erscheinen, | ob ein moderFreilich, die apostolischen Vorschriften seien nur für die Gläubigen verpflichtend: im Verhältnis zu denjenigen, welche als „gottlose Parasiten" ihr Privateigentum nicht „der G e m e i n d e zur Verfügung halten", sondern zur Ausbeutung der Besitzlosen gebrauchen wollen, gelte es d a h e r nicht Propaganda, sondern Kampf, der mit den „bewährten friedlichen Mitteln" des Streiks und der Organisation, „und nur mit diesen", geführt w e r d e n soll. Dieser Kampf gegen den D r u c k des Kapitals werde so aus einem „grauen Streiten um ökonomische Interessen" verwandelt in „eine gottesdienstliche H a n d l u n g und religiöse Pflicht". Ziel des Strebens nach Gesundung des „Menschheitskörpers" sei „ein Weib, in die Sonne gekleidet" ( O f f e n b a r u n g Joh[annes] 12, l ) . 4 9 - D e r B u n d 5 0 fordert von dem zu b e r u f e n d e n Nationalkonzil Zulassung der Laien zu gleichen R e c h t e n , Absage an die Selbstherrschaft, Begründung der Kirche auf ihre kanonische Einheit: die Gemeinde^] und erinnert in seinem K a m p f a u f r u f 5 1 die Gläubigen d a r a n , d a ß man Gott m e h r gehorchen müsse als den Menschen und daß in der Gestalt hungriger Bauern und A r b e i t e r Christus selbst nach seinem eigenen Wort unter uns wandle: es sei schwere Sünde, solche Menschen nach d e m G e b o t „gottloser B e a m t e n " als angebliche „ B u n t - L e u t e " 5 2 zu prügeln oder zu erschießen. Gesetzt, daß ähnliche A n s c h a u u n g e n , die offenbar städtischen Ursprungs sind, irgend A 278 (50) erhebliche Verbreitung besitzen oder gewinnen, so dürfte m a n sich durch | den radikalen Ton d a r ü b e r nicht täuschen lassen, daß, gegenüber der Macht kirchlicher A u t o r i t ä t e n , gerade in d e m Bündnis derartiger Bewegungen mit bestimmten sozialen Interessen ihre „kirchenpolitische" Schwäche liegt. Derartiges führt in hierarchischen Kirchen nicht zu einem inneren Bruch mit der kirchlichen Autorität: wie der Katholizismus, so würde auch die orthodoxe Hierarchie sozialpolitisch «/«(individualistisch orientierte Richtungen in ihrer Mitte zu kastrieren und für sich zu fruktifizieren verstehen. Die katholische Kirche hat derartiges und alles mögliche andere: ethischen Relativismus, naturalistische und soziologische „Entwicklungs"-Gedanken und ökonomische Geschichtsdeutung zu assimilieren vermocht. Eine rein religiöse, biblizistisch-iwfcerische Bewegung k ö n n t e dagegen freilich für die orthodoxe Kirche und damit für das autoritäre Regime in einem M o m e n t äußerer Schwäche eine ernstliche G e f a h r werden, aber im Zeitalter des voll entwickelten Kapitalismus ist d a f ü r schwerlich B o d e n v o r h a n d e n : die E l e m e n t e , welche Träger des aufsteigenden Lebensstils wären, würden ihr fehlen. - Mehr Beachtung verdienen die kirchenorganisatorischen Forderungen, weil sie, wie das f r ü h e r e Zitat zeigt, 5 3 in ziemlich einflußreiche Kreise hinaufreichen. 48 Es ist unklar, worauf hier angespielt wird, doch bezieht sich dies möglicherweise darauf, daß der deutsche Liberalismus das konservative Potential christlich-sozialer Bestrebungen unter dem Banner eines „sozialen Königtums", etwa nach der Art der christlich-sozialen Partei Stöckers, des Hofpredigers Wilhelms II., Ende der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts unterschätzt hat. 4 9 „Und es erschien ein großes Zeichen im Himmel: ein Weib, mit der Sonne bekleidet, und der Mond unter ihren Füßen und auf ihrem Haupt eine Krone von zwölf Sternen." NT, Offenbarung Johannes, Kap. 12, Vers 1. 5 0 Weber bezieht sich auf den Aufruf der christlichen Kampfbruderschaft (siehe oben, S. 158, Anm.42): Episkopam russkoj cerkvi, S.390f. 51 Weber bezieht sich hier auf: Vozzvanie k voennym (und übersetzt dies mit „ Kampfaufruf"), in: Osvobozdenle, Nr. 73, S. 390f. 5 2 Bunt-Leute: in dem in Anm. 38 genannten Text wird der Ausdruck „buntovscik" (der Aufrührer, der Empörer) gebraucht. Ebd., S. 390. 5 3 Siehe oben, S. 159.
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ner liberaler Russe die hier gegebenen Möglichkeiten | richtig einzu- A 278 (50) schätzen und das religiöse Fundament der Selbstherrschaft nicht unterschätzen wird, gerade weil, nach Miljukows Bemerkung am | Schluß des zweiten Bandes seiner „Otscherki", die Geschichte den A 279 (51) 5 gebildeten Russen nicht, wie den Franzosen, zum Feinde, noch, wie den Engländer, zum Anhänger seiner Kirche erzogen hat, sondern Alle Probleme der Regeneration der russischen Kirche sind offensichtlich mit dem Cäsaropapismus und der bäurisch-proletarischen Stellung der weißen Geistlichkeit und ihrem sozialen Gegensatz gegen die zölibatäre, im übrigen meist nur der F o r m nach durch ein Kloster gegangene, schwarze Geistlichkeit verknüpft, der bekanntlich alle höheren Stellen kanonisch vorbehalten sind. Dieser Gegensatz tritt auch in dem zitierten Schriftstück der „christlichen K a m p f e s b r ü d e r s c h a f t " deutlich genug hervor, ebenso in der Note 38 b wiedergegebenen Resolution. - Es mag als Symptom der Verbreitung solcher Ansichten noch eine Auseinandersetzung in den Petersburger Zeitungen in der zweiten H ä l f t e des N o v e m b e r angeführt w e r d e n , 5 4 welche sich an einen Aufruf von 32 Geistlichen 5 5 anschloß. Die an ihn a n k n ü p f e n d e Zuschrift eines Kandidaten der Theologie in der Russj vom 1. D e z e m b e r 5 6 präzisierte als Forderungen für die weiße Geistlichkeit 1. Beseitigung der Konsistorialverfassung, Wahl eines Eparchialrats mit richterlicher und administrativer Gewalt, in dem der Bischof nur vorsitzt, - 2. ebenso soll ein R a t der Pröbste gewählt werden und ebenso selbständig sein, - 3. Teilnahme der Laien an der Kirche, - 4 . „kanonisches" Verhältnis zwischen schwarzer und weißer Geistlichkeit, - 5. Besserung des „knechtischen" Verhältnisses der Psalmleser und D i a k o n e n zum Pfarrer, - 6. Witwenversorgung der weißen Geistlichkeit. Ein „ K o n g r e ß " der letzteren solle einberufen w e r d e n . (Im Anschluß an das Oktobermanifest soll eine Synodalverfügung vom 18. N o v e m b e r 5 7 die Freiheit der kirchlichen Versammlungen und Kongresse proklamiert haben. Mir ist sie im Original nicht b e k a n n t . Jedenfalls hat aber gegen E n d e D e z e m b e r der Hl. Synod den Geistlichen die Teilnahme an Bewegungen gegen die bestehende O r d n u n g ausdrücklich a von N e u e m 8 v e r b o t e n ) . 5 8 Ein „Verein der kirchlichen E r n e u e r u n g " mit liberaler Tendenz ist eben ( E n d e D e z e m b e r 1905) in Bildung begriffen. 5 9 |
a A: vom Neuen
5 4 Siehe dazu z.B. den Artikel: Cel'cov, M., Politiceskija partii i vera naroda, in: Rus', Nr. 30 vom 25. Nov. 1905, S. 2f. 5 5 Der erste Aufruf dieser Gruppe ist abgedruckt unter dem Titel: O neobchodimosti peremen v russkom cerkovnom upravlenii. Mnenie gruppy stolicnych svjascennikov, in: Cerkovnyj Vestnik, Nr. 11 vom 17. März 1905, S. 3 2 1 - 3 2 5 ; ein zweiter Aufruf, auf den Weber sich offensichtlich bezieht, erschien unter dem Titel: Cerkovnoe vedomstvo i cerkovnyj sobor, In: Rus', Nr. 245 vom 13. Okt. 1905, S.3, und Nr. 246 vom 14. Okt. 1905, S.3. 56 Siehe Rus', Nr. 34 vom 1. Dez. 1905, S. 4. 5 7 Synodalverfügung vom 18. November 1905. Siehe: Opredelenija Svjatejsago sinoda, in: Pravitel'stvennyj Vestnik, Nr. 258 vom 30. Nov. 1905, S. 2. 58 Synodalverfügung vom 20. Dezember 1905. Siehe Opredelenija Svjatejsago sinoda, in: Pravitel'stvennyj Vestnik, Nr. 279 vom 25. Dez. 1905, S. 2. 5 9 Der „Bund der kirchlichen Erneuerung" (Sojuz cerkovnago obnovlenlja) entwickelte sich aus der Gruppe der 32 Petersburger Geistlichen, die Im März 1905 in dem oben,
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zu „absoluter Gleichgültigkeit" , 4 0 a ) 6 0 - Die von Nikolai K. Leontjew besonders konsequent entwickelte Theorie, wonach die Selbstherrschaft, als göttlichen Rechts, auch vom Zaren selbst nicht beseitigt werden, ein entgegenstehender Eid Sünde und weder für den Schwörenden selbst noch vollends für seine Nachfolger verbindlich sein 5 würde, 61 - ganz analog den Anschauungen Karls I. von England, 62 mag zurzeit, nach dem Rücktritt Pobjedonosszews, 63 eine stumpfe Waffe geworden sein: ob sie ihre Rolle im Kampfe für die Selbstherrschaft ausgespielt hat, steht dennoch dahin. Die Demagogie im Beichtstuhl und in der Seelsorge, in Wallfahrten und Prozessionen, 10 in wirtschaftlichen Genossenschaften 41 ) und Vereinen, ist heute ja A 2 7 9 (51)
40a ) Wie erheblich die Hoffnungen und Befürchtungen der Liberalen der verschiedenen Schattierungen auseinandergehen, zeigt die Polemik zwischen Fürst Jewgenij Trubezkoj und Miljukow im „Prawo", Nr. 1 5 , 1 6 , 19, von denen der erstere die „Auferstehung" der Kirche aus der Staatssklaverei erhofft, der letztere sie fürchtet. 6 4 41 ) Hier ergibt sich für die Popen ein breites Aktionsfeld. Vgl. Belgien, wo die Genossenschaften das Mark der klerikalen Partei bilden, und Italien, wo mehrfach Vorlegung des Beichtzettels vor der Kreditgewährung verlangt wurde. 6 5 |
S. 161, Anm.55, erwähnten offenen Brief für die Kirchenreform eingetreten waren. Vgl. Cerkovnyj Vestnik, Nr. 46 vom 17. Nov. 1905, S. 1469: Ot sojuza cerkovnago obnovlenija. Ein genaues Gründungsdatum ließ sich nicht ermitteln. 60 Miljukov, Ocerkl, c. 2, S. 3 9 4 - 4 0 1 , bes. S.401 f. Miljukov charakterisierte die Beziehung des gebildeten Russen zur „Religion" als „gleichgültig". Ebd., S.402. 61 Gemeint ist Konstantin Nikolaevlc Leont'ev, bei dem Im Mittelpunkt des Denkens die Notwendigkeit der Theokratie stand, Leont'ev legte seinen Anschauungen besonders den Byzantinismus zugrunde, den er als das wahre Christentum im Gegensatz zu den westlichen Kirchen ansah. Siehe dazu Masaryk, Thomas G., Zur russischen Geschichts- und Religionsphilosophie. Soziologische Skizzen, Band 2, 2. Aufl. - Düsseldorf/Köln: E. Diederichs 1965, S. 21 Off. (künftig: Masaryk, Geschichts- und Religionsphilosophie). 62 Insbesondere James I., der Vater Charles I., stützte sich auf die Theorie des göttlichen Rechts der Könige. In seiner Schrift „True Law of Free Monarchies" (1598) entwickelte er die Konzeption des von jeder Kontrolle „freien und absoluten Herrschers", der nicht nur Gottes Vertreter (God's Lieutenant) auf Erden sei und auf Gottes Thron sitze, sondern auch von Gott als Gott bezeichnet werde. Von daher können weder der König noch die Untertanen die Selbstherrschaft einschränken. Charles I. hat sich durchgängig auf diese göttlichen Rechte des Königs berufen. Davles, Godfrey, The Early Stuarts 1603-1660, 2nd ed. (The Oxford Hlstory of England, Vol. IX). - Oxford: Clarendon Press 1959, S. 31 ff. 63 Am 19. Oktober 1905 wurde K. P. Pobedonoscev als Oberprokuror des Heiligen Synod entlassen und durch A. D. Obolenskij ersetzt. 64 Trubeckoj, Cerkov I obscestvennoe dvizenle, S. 1170ff.; Miljukov, Evgenij Trubeckoj, S. 1260f.; Trubeckoj, Otvet, S. 1659f.; Miljukov, Po povodu, S. 1792f. 65 Für Belgien siehe Bertrand, Louis, Die genossenschaftliche Bewegung in Belgien und ihre Resultate, in: AfSS, 20,1905, S. 5 5 - 7 9 , bes. S. 7 5 - 7 9 . Über den von Weber in bezug auf Italien angesprochenen Sachverhalt konnte nichts ermittelt werden.
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das eigentlichste erfolgreichste Operationsgebiet moderner absolutistischer Kirchen. Die weit summarischere, jeder Kasuistik und auch aller eigentlichen Gewissenserforschung entbehrende, mehr an die altlutherische Praxis erinnernde, Art der Beichte, welche mit dem Fehlen des Zölibats zusammenhängt, das Fehlen einer einheitlichen autoritären Jurisdiktionsgewalt religiös geweihten Charakters nach Art des Papsttums, vor allem das Fehlen eines Mönchtums, welches zum Wirken in der „Welt" befähigt wäre, und der Mangel des Ordenswesens mit seiner Rationalisierung der Askese überhaupt, erschweren der orthodoxen Kirche den Kampf mit dem Liberalismus unzweifelhaft. Wie dem nun aber sei: der Zar könnte im Interesse der Stützung seiner Autorität wahrscheinlich gar nichts besseres tun, als, zumal wenn etwa wirklich eine Periode liberalen Regimes bevorstehen sollte, die Kirche von der Beamtenherrschaft zu befreien und ihr den Patriarchen wiederzugeben. Entschieden auf den Boden des Manifests vom 17. (30.) Oktober hat sich der Raskol, - das dogmatisch orthodoxe, aber seit der zugleich papalistischen und hellenistischen „Renaissance" des Patriarchen Nikon im 17. Jahrh[undert] von der Kirche getrennte Schisma - gestellt, dem in der Praxis bisher allein das Toleranzedikt 66 zugute gekommen ist. Als die „Moskowskija Wjedomosti" einen anonymen Aufruf eines angeblichen „Bundes von Altgläubigen" zur Anhänglichkeit an den Zaren und zum Kampf gegen den Liberalismus brachten, 67 erfolgte alsbald in den liberalen | „Russkija Wjedo- A 280 (52) mosti" eine Proklamation der Altgläubigen, 68 welche die Existenz dieses Bundes bestritt. Da sie von den „Erinnerungen des Rogoschschen Friedhofs" spricht, handelt es sich um die ritualistischen, also religiös-konservativen Schismatiker. 69 Von den nicht hierarchischen Sekten werden die spezifisch protestantischen natürlich erst recht der Schaffung von Rechtsgarantien zugetan sein. Die pneumatischen
66 Das Toleranzedikt vom 17. April 1905 garantierte den nicht-orthodoxen Gläubigen (mit Ausnahme einiger Sekten) Bekenntnisfreiheit. PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 26125. 67 Abgedruckt in: Moskovskija Vedomosti, Nr. 298 vom 12. Nov. 1905, S. 1. 68 Abgedruckt in: Russkija Vedomosti, Nr. 301 vom 15. Nov. 1905, S. 3: Pis'mo v redakciju. 6 9 Die Priester der als Popovcy bezeichneten Richtung der Altgläubigen (Starovery oder Staroobrjadcy) waren in althergebrachter Weise ordiniert. Diese Richtung der Altgläubigen errichtete im 18. Jahrhundert auf dem sog. Friedhof von Rogozskin Moskau ihr Zentrum.
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Sekten 70 dagegen sind teils direkt apolitisch oder antipolitisch, teils haben sie, bisher wenigstens, nur als Kirchen „unter dem Kreuz"71 geblüht. Sank die Verfolgung unter ein gewisses Mindestmaß, so verflog ihr Idealismus oft merkwürdig rasch. In den zentralrussischen Bauerngebieten haben die als Träger individualistischer Ideale 5 in betracht kommenden, dem Wesen nach „protestantischen", Sekten vorerst relativ wenig Anhänger gewinnen können. Ob sich die Hoffnungen, welche die Liberalen Klein- und Süd-Rußlands auf eine beschleunigte Entwicklung der Stundisten setzen, erfüllen werden, 10 muß man abwarten. Der politische „Individualismus" der westeuropäischen „Menschenrechte", wie ihn z.B. Struve konsequent vertritt, wurde, soweit er „ideell" bedingt war, zum einen Teil geschaffen durch religiöse Überzeugungen, welche menschliche Autoritäten als widergöttliche Kreaturvergötterung bedingungslos verwarfen,42) - Überzeugun- 15 A 2 8 0 (52)
42 ) Vgl. Jellineks bekannte Schrift über die „Menschen- und Bürgerrechte", 7 2 meine Abhandlung in diesem Archiv Band X X , 1, X X I , l , 7 3 jetzt aber: E. Tröltschs Darstellung des Protestantismus, in dem Hinnebergschen Sammelwerk „Die Kultur der Gegenwart". 7 4 - Struve ist von Jellineks Arbeiten, die er wiederholt zitiert, angeregt. - D i e Verwandtschaft der ökonomischen und politischen Ethik der russischen rationalistischen Sekten mit dem Puritanismus (im weiten Sinne des Wortes) ist schon Leroy-Beaulieu 7 5
70 Gemeint sind gnostlsche Sekten, die durch Erleuchtung gewonnene Erkenntnisse der der großen Masse verborgenen göttlichen Geheimnisse besitzen. Nur die, die sich durch die nötigen mystischen Weihen und asketischen Übungen der Offenbarung Christi anschließen, töten so alles Sinnliche ab und haben den Geist (das Pneuma). Dazu gehörten verschiedene russische Sekten, u.a. die Christovery (Chlysty), Skakuny und Skopcy, die die Herrschaft des Heiligen Geistes predigten. Vgl. Gründler, Johannes, Lexikon der christlichen Kirchen und Sekten, Band 1.-Wien/Freiburg/Basel: Herder 1961, S.698f. 71 Die niederländischen reformierten Protestanten nannten sich selbst im 16. Jahrhundert, In der Zeit der massiven Unterdrückung durch die Spanler, „Kirchen unter dem Kreuz". Vgl. Lomberg, Elwin (Bearb.), Ursachen, Vorgeschichte und Auswirkungen der Emder Synode von 1571, in: Emder Synode 1571-1971. Beiträge zur Geschichte und zum 400jährigen Jubiläum. Hg. von der Evangelisch-reformlerten Kirche in Nordwestdeutschland. - Neukirchen: Neukirchener Verlag 1973,S.9. 72 Jellinek, Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte. 73 Weber, Die protestantische Ethik I und, ders., Die protestantische Ethik II (beide in MWG I/9 und 1/18). 74 Troeltsch, Protestantisches Christentum. Das Buch wurde erst nach dem Erscheinen der Abhandlung Webers publiziert. Vermutlich beruft Weber sich hier auf die ihm von Troeltsch zur Verfügung gestellten Fahnen. 75 Nach Leroy-Beaulleu bestanden „zahlreiche Analogien zwischen den Altgläubigen und dem Puritanismus". Leroy-Beaulieu, Empire of the Tsars, Vol. III, S. 323.
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gen, wie sie die heutige Form der „Aufklärung" überhaupt nicht mehr als Massenerscheinung aufkommen läßt; und zum andern Teil war er Produkt eines optimistischen Glaubens an die natürliche Interessenharmonie der freien Individuen, der heute durch den Kapitalismus für immer zerstört ist. Diese Entwicklungsstadien lassen sich also für das heutige Rußland schon aus „ideellen" Gründen nicht nachholen: der spezifisch bürgerliche Individualismus ist innerhalb der Klassen von „Bildung und Besitz" selbst bereits überwunden und wird das „Kleinbürgertum" sicherlich nicht mehr erobern können. Und vollends fragt es sich, wo bei den „Massen", denen das allgemeine Wahlrecht die Macht in die Hand drücken würde und, nach ausgesprochener Absicht der Liberalen, auch soll, die Impulse sich finden sollen für die Teilnahme an einer über rein materielle Forderungen hinausgehenden Bewegung, wie sie von Politikern bürgerlich-demokratischen Gepräges mit dem Programm des | „Befrei- A 281 (53) ungsbundes": 1. garantierte Freiheitsrechte des Individuums, 2. konstitutioneller Rechtsstaat auf Grundlage des „viergliederigen" Wahlrechtes, 3. Sozialreform nach westeuropäischem Vorbild, 4. Agrarreform, ins Leben gerufen ist. In den Großstädten blüht jetzt die sozialistische Agitation. Bekanntlich hatte die russische Sozialdemokratie sich schon vor Eintritt jener Ereignisse, die ihr die offene Wirksamkeit in Rußland selbst gestatteten, in die beiden von Plechänow, Axelrod, Martow und Starowjer (A. Potressow) einerseits, von „Ljenin" (Uljanow) andererseits geführten Gruppen gespalten. 423 ) Die erstere blieb dabei im Besitz des bisher gemeinsamen Parteiorgans, der Genfer „Iskra"[,j und fand ihre offizielle Vertretung in der 1905 zum erstenmal abge-
und anderen nicht entgangen. Aber wenigstens bei dem zahlmäßigen bedeutendsten Teil, dem eigentlichen „Raskol", stehen D e m tiefe Unterschiede in der Eigenart der „innerweltlichen Askese" gegenüber. | 42a ) Der Streit begann mit einem Kampf um die bis 1903 von Axelrod, „Ljenin," A 281 (53) Martow, Plechänow, Wjera Sassulitsch und „Starowjer" in Genf redigierte „Iskra" auf dem zweiten Parteitage (1903). Es wurden nur Plechänow, Martow und Ljenin wiedergewählt. Zwischen den beiden letzteren bestand persönlich, sowie bezüglich der Parteiorganisation (L[jenin] war „Zentralist") und Taktik (L[jenin] galt als „Jakobiner", M[artow] als „Girondist") der schärfste Gegensatz, während P[lechänow] zu vermitteln suchte, schließlich jedoch ebenfalls die Partei M[artow]s ergriff. L[jenin] schied darauf aus und gründete den „Vperiod", aber auch Plechänow verließ die „Iskra"-Redaktion 1905 und gab seitdem nur (allein) den „Dnjewnik Ssozialdemokrata" (je VA Bogen Oktav, in unregelmäßigen Zeiträumen erscheinend) heraus, „über den Parteien" stehend.
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haltenen „Allrussischen Arbeiterparteikonferenz". 1 Sie lehnte - wenigstens zur Zeit des Schismas - den bewaffneten Aufstand, mindestens zurzeit, ab und ebenso prinzipiell die Beteiligung an einer eventuellen revolutionären Regierung, stellte dagegen die Entwicklung der Gewerkvereine in den Mittelpunkt ihrer Tätigkeit. Die andere, seit 1903 in Ljenins „Vpjeriöd" vertreten gewesene Gruppe, welche die weitere Anerkennung der „Iskra" als Parteiorgan ablehnte 2 und sich, da sie innerhalb der Gesamtpartei die Mehrheit bildete, in dem „dritten Kongreß der russischen sozialdemokratischen Arbeiterpartei" als Fortsetzung der gemeinsamen Organisation gerierte und den „Proletarij" als ihr Organ gründete, 3 setzte an Stelle der Gewerkvereinsbildung die Forderung des Achtstundentags, predigte den Aufstand und die Beteiligung an einer eventuellen revolutionären Regierung, lehnt alle legalen Agitationsformen ab und verlangt, im Gegensatz zu den Anhängern der „Iskra"gruppe, für die Bauern die sofortige „Konfiskation" alles nicht bäuerlichen Landes. Letzteres steht in striktem Gegensatz gegen das offizielle Programm der Sozialdemokratie 42b ), welches für die Bauern die Überweisung der „Obrjeski" verlangte, d. h. die Zuweisung des bei der Befreiung ihnen genommenen Landes (ca. lA)42c),4 die Sozialrevolutionäre | 42b
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) Wir verfolgen für diesmal die Geschichte dieses Programms nicht. Die Ljeninsche Gruppe scheute sich zunächst, am Programm formell etwas | zu ändern, trotz ihrer Resolution. Erst im Dezember wurde Streichung des Passus über die „obrjeski", statt dessen: „Unterstützung der revolutionären Maßnahmen der Bauern bis 42c)
1 Die „Pervaja obscerusskaja konferencija partijnych rabotnikov" tagte im April 1905 in Genf, organisiert von der Redaktion der m e n s c h e w i s t i s c h e n Iskra. Ein offizieller Bericht mit d e m Text der Resolutionen erschien unter d e m Titel: Pervaja obscerusskaja konferencija partijnych rabotnikov. O t d e l ' n o e prllozenle k No. 100 Iskry. - Genf 1905. 2 Seit der Parteispaltung im Jahre 1903 war die Iskra das Organ der m e n s c h e w i s t i s c h e n Richtung der russischen Sozialdemokratie. Als Organ der Bol'sevlki w u r d e Im D e z e m b e r 1904 der Vpered g e g r ü n d e t und erschien z w i s c h e n d e m 22. D e z e m b e r 1904 und d e m 5. Mal 1905 mit Insgesamt 18 N u m m e r n Illegal in Genf. 3 Der dritte Parteitag der RSDRP, an d e m nur Bol'seviki teilnahmen, tagte v o m 12. bis 27. April 1905 in London. Die erste N u m m e r des Proletarij erschien am 14. Mal 1905. Von dieser Zeltung sind bis z u m 12. N o v e m b e r 1905 Insgesamt 26 N u m m e r n In Genf erschienen. 4 Das Programm der R S D R P von 1903, verabschiedet vor der Parteispaltung, sah In Punkt 3 des A g r a r p r o g r a m m e s „ d i e Enteignung des klösterlichen und kirchlichen, sowie des kaiserlichen Besitzes und des Besitzes der Mitglieder der Zarenfamllle, gleichzeitig die Belegung der adeligen Großgrundbesitzer, die sich ein Elnlösedarlehen zunutze gemacht haben, mit einer L a n d s t e u e r " vor. Unter Punkt 4 a des A g r a r p r o g r a m m s hieß es:
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Forderung der Konfiskation allen Landes aber stets als „Utopie" A 282 (54) verhöhnte und z.B. noch im Frühjahr 1905 sich von dem „allrussischen Ingenieurkongreß" ostentativ entfernte, als diese Forderung überhaupt nur diskutiert wurde. 43 ) 5 „Unter Aufrechterhaltung ihrer 5 Selbständigkeit" hielt denn auch die Ljeninsche Partei im Gegensatz zu der Plechänowschen Gruppe6 „Gelegenheitsbündnisse" mit den Sozialrevolutionären für nützlich.7 Beide Gruppen erklären es aber für Pflicht der Partei, die gegen die Selbstherrschaft gerichteten Bestrebungen der Liberalen zwar zu unterstützen, zugleich aber alle 10 liberalen Gruppen, einschließlich des „Befreiungsbundes" und des „Verbandes der Verbände" bei den Arbeitern zu diskreditieren.8 Der zweite Kongreß, vor der Scheidung, hatte dagegen einer Resoluzur Konfiskation" auch des Privatlandes, „selbständige Organisation des Dorfproletariats" und „unversöhnliche Feindschaft gegen die Dorfbourgeoisie" proklamiert. 9 43 ) Nach sozialdemokratischer Darstellung war es die Frage der Republik, welche den Streitgegenstand bildete. 1 0 „Die Partei fordert die Bildung von Bauernkomitees für die Rückerstattung (mittels Expropriation o d e r - f a l l s der Boden von Hand zu Hand gegangen ist-Rückkauf durch den Staat auf Kosten des adligen Großgrundbesitzes) der Landstücke an die Dorfgemeinden, die bei der Aufhebung der Leibeigenschaft vom Land der Bauern abgetrennt worden sind und in den Händen der Gutsbesitzer als Mittel der Unterjochung dienen." Parteiprogramm der RSDRP, angenommen auf dem zweiten Parteitag vom 17. Juli bis 18. August 1903. Prllozenie k No. 53 Iskry vom 25. Nov. 1903. KPSS v rezoljucijach I resenijach s-ezdov, konferenclj i plenumov CK, tom 1, 7-oe Izd. - Moskva: Gosudarstvennoe izdatel'stvo pollticeskoj Llteratury 1953, S.42f. (künftig: KPSS v rezoljucijach). Deutsche Übersetzung bei Scheibert, Partelen, S.48. 5 Gemeint sind offensichtlich die Auseinandersetzungen auf der „Allrussischen Konferenz der Journalisten", denn dort kam es zu einer Konfrontation über die Agrarfrage. Vgl. s-ezd zurnallstov, in: Osvobozdenie, Nr. 69/70 vom 7.(20.) Mal 1905, S.313, sowie Sojuz russkich plsatelej, In: Pravo, Nr. 17 vom 1. Mai 1905, S. 1381-1386. 6 Diese Bezeichnung bezieht sich augenscheinlich auf den menschewlstischen Flügel der russischen Sozialdemokratie, dem Plechanov nach der Parteispaltung 1903 nahestand. 7 Bericht über den 3. Parteitag der SDAPR. - München: G. Birk 1906, S. 16 (künftig: Bericht 3. Parteitag); sowie KPSS v rezoljucijach, tom 1, S. 82 (wie oben, Anm. 4). 8 Bericht 3. Parteitag, S. 16f.; KPSS v rezoljucijach, tom 1, S. 82f. 9 Die Forderungen nach „Konfiskation" und nach der „selbständigen Organisation des ländlichen Proletariats" wurden bereits in der Resolution auf dem 3. Parteitag im April 1905 erhoben. Darin war zugleich von „den unüberbrückbaren Gegensätzen" zwischen Landproletariat und Dorfbourgeoisie die Rede. Bericht 3. Parteitag, S. 14 (wie oben, Anm. 7); KPSS v rezoljucijach, tom 1, S. 80f. (wie oben, Anm. 4). 10 Hier bezieht sich Weber nunmehr auf den Kongreß der Ingenieure, den eine sozialdemokratisch orientierte Gruppe verließ, da die „ Frage der Republik" nicht diskutiert werden sollte. Vgl. den Bericht: Iz russkoj zagranlcnoj pecatl, In: Osvobozdenie, Nr. 73 vom 6.(19.) Juli 1905, S. 383.
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tion „Starowjers" zugestimmt, welche ein Zusammengehen mit den bürgerlichen Demokraten für möglich und unter Umständen für nützlich erklärte.11 Diese Resolution ist von der Ljeninschen Gruppe ausdrücklich aufgehoben worden. 12 Aber auch die Plechänowsche Gruppe beachtet sie praktisch nicht mehr. Die Anlässe der 5 Spaltung sind, wie man sieht, nicht prinzipieller, sondern teils persönlicher, teils taktischer Natur, sie hat aber auch Gründe, die in der geistigen Eigenart des russischen Sozialismus liegen. 44 ) Augenblicklich hat sie eine sehr natürliche Quelle in dem Gegensatz, in welchen die bisher wesentlich im Ausland lebenden und von den Traditionen 10 der westeuropäischen sozialdemokratischen Parteien beeinflußten Führer der Orthodoxie gegen den „Putschismus" gerieten, welcher die in Rußland selbst, jetzt, nach Eintritt der Preßfreiheit, massenhaft entstehenden Organisationen ergriffen hat. Auch Bebels Vermittlung schlug deshalb fehl: Ljenin lehnte die Annahme von Rat- 15 Schlägen nicht sachverständiger Ausländer ab. 13 Diese Putsch44 ) Natürlich fügen sie sich dem generellen „Zweiseelen"-Charakter, den der Marxismus schon in Marx' eignem Verhalten zur Pariser Kommune 14 und bei ähnlichen Gelegenheiten zeigte, und den Sombart eben wieder (Sozialismus, 5. Auflage S. 957) 15 mit Recht betont hat, aber für Rußland kommen doch bestimmte geistige Traditionen und der Resonanzboden b der bestehenden Feldgemeinschaft dazu. |
b A: Resonnanzboden 11 Auf d e m zweiten Parteitag erhielten die Resolutionsanträge Starovers (A. Potresov) und Plechanovs, die Haltung d e n Liberalen g e g e n ü b e r betreffend, jeweils die gleiche Stimmenzahl. Daher galten beide Resolutionen als a n g e n o m m e n . 12 Bericht 3. Parteitag, S. 17 (wie oben, S. 167, A n m . 7 ) ; K P S S v rezoljucljach, t o m 1, S. 82f. (wie oben, S. 166f., A n m . 4 ) . 13 Im Streit z w i s c h e n den beiden Flügeln der russischen Sozialdemokratie versuchte A u g u s t Bebel mehrmals zu vermitteln. Seine diesbezüglichen Vorschläge v o m Februar 1905 lehnte Lenin in einem Brief v o m 7. Februar 1905 ab. Der Briefwechsel z w i s c h e n Bebel und Lenin In: Lenin, W. I., Sämtliche Werke, Band 7, d e u t s c h nach der 2. russ. A u s g a b e . - W i e n / B e r l i n : Verlag für Literatur und Politik 1929, S. 141 und 560. Im Juni 1905 regte Bebel an, die Vermittlung des Internationalen Sozialistischen Büros in A n s p r u c h zu n e h m e n und eine S c h i e d s k o m m i s s i o n einzusetzen, jedoch blieb auch dieser Vorschlag o h n e konkretes Ergebnis. 14 In der „ Z w e i t e n A d r e s s e des Generalrates über den Deutsch-Französischen K r i e g " , geschrieben im S e p t e m b e r 1870, warnte Marx nach der Errichtung der französischen Republik vor e i n e m neuen Umsturz. „ J e d e r Versuch, die neue Regierung zu stürzen, wo der Feind fast s c h o n an die Tore von Paris pocht, wäre eine verzweifelte Torheit." Marx, Z w e i t e A d r e s s e des Generalrates, S. 25. Nach der Niederschlagung der Pariser K o m m u ne verfaßte Marx die Schrift „ Der Bürgerkrieg in Frankreich", in der er die K o m m u n e als ein Vorbild für die Diktatur des Proletariats darstellte. Ebd., S. 4 5 f f . 15 Sombart, Sozialismus und soziale B e w e g u n g , S . 6 5 f f . S o m b a r t spricht von „ z w e i
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Stimmung selbst aber ist unzweifelhaft nicht nur Ergebnis der aus der Situation des Augenblicks geborenen, stürmischen Hoffnung, daß jetzt der große Tag gekommen sei, jedenfalls die Selbstherrschaft endgültig politisch umzustürzen und die sofortige Verwirklichung wenigstens des „Minimalprogramms" des Sozialismus zu erzwingen. Der Revolutio|narismus und die Gegnerschaft gegen die „Entwick- A 283 (55) lungsgesetze" liegt vielmehr dem spezifisch russischen Sozialismus seit seinen Vätern, Herzen und Lawrow, als Nachwirkung bestimmter Hegelscher Gedanken, tief im Blut. Der erstere hat es bekanntlieh als „Unsinn" abgelehnt, daß der Sozialismus nur auf dem Wege über den Kapitalismus entstehen könne, 1 6 der letztere, ganz ebenso wie die älteren Vertreter des „Narodnitschestwo", die „schöpferische" Natur des menschlichen Gedankens, - des „zu sich selbst gekommenen" Geistes, 17 - betont. 1 8 Dieser pragmatische Rationalismus ist niemals gänzlich durch den naturalistischen Rationalismus irgend einer „Entwicklungstheorie" überwunden worden. Und er fand natürlich sein stärkstes Argument in dem faktischen Bestehen des Kommunismus der russischen Dorfgemeinde, deren lebendige Gegenwart nicht nur die Anschauungen der zum großen Teil noch jetzt rechtlich ihrer Heimatgemeinde zugehörigen Arbeiter prägt, sondern bis tief in die Reihen der Liberalen hinein die Ansichten über die entscheidenden agrarpolitischen Fragen beeinflußt, wie wir gleich näher sehen werden. 1 9 Jener Putschismus ist also insoweit
Naturen, zwei Auffassungen vom Wesen der sozialen Entwicklung bei Marx und Engels." Ebd., S. 67. 16 Gercen lehnte die Auffassung ab, daß es ein allgemeines historisches Entwicklungsgesetz gebe, daher könne die russische Gesellschaftsordnung auch ohne die Entwicklungsstufe des Kapitalismus zu durchlaufen, aufgrund der im Mir-System angelegten Voraussetzungen, in eine sozialistische übergeleitet werden. Vgl. Masaryk, Geschichtsund Religionsphilosophie, Band 1, S. 358t. (wie oben, S. 162, Anm. 61). 17 „Dies Beisichsein des Geistes, dies Zusichselbstkommen desselben kann als höchstes, absolutes Ziel ausgesprochen werden." Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, S . 3 5 f . 18 In dem von Petr Lavrov, dem bedeutendsten Theoretiker des Narodnicestvo, entwikkelten Stadiengesetz galt als höchste Stufe die der „ Überzeugungen", die das politische Handeln erst ermöglichten, in Anlehnung an die Hegeische Selbstentfaltung des Geistes. Beyme, Klaus von, Politische Soziologie im zaristischen Rußland.-Wiesbaden: Harrassowitz 1965, S . 4 8 f . 19 Siehe unten, S. 193ff.
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nicht nur Ergebnis der augenblicklichen Situation. Aber natürlich wirkte diese ungemein in der Richtung seiner Verstärkung. Der „Ökonomismus" der „entwicklungsgeschichtlich" geschulten Ausländer geht, bei der jetzigen, scheinbar so hoffnungsvollen Machtlage, den organisierten Arbeitern nicht in den Kopf. Die Ljeninsche Richtung verwarf ihn denn auch prinzipiell in einer eigenen Resolution, welche besagt, daß die Ansicht: „die Organisation sei ein Prozeß", im Proletariat die „Elemente des revolutionären Bewußtseins zu schwächen" geeignet sei. 20 Übrigens solle die „ökonomistische" Richtung von Lokalorganisationen kein Hindernis der Zugehörigkeit derselben zur Partei sein, falls sie sich der Disziplin fügen. Beide Gruppen gehen demgemäß praktisch vielfach zusammen - es besteht in Petersburg ein „Föderativrat", 21 - zumal auch die Plechänowsche Gruppe bei Übersiedelung ihrer Führer nach Petersburg die weitgehendsten Konzessionen an den Gedanken der baldigen „Diktatur" des Proletariats hat machen müssen und dies, angesichts dessen, was wir in der deutschen Sozialdemokratie erleben, 2 2 auch mit gutem „orthodoxen" Gewissen tun kann. Beide besitzen jetzt eine Petersburger Tageszeitung, die Plechänowsche 0 Gruppe den „Natschalo", die Ljeninsche Gruppe die „Nowaja Shisnj". Beide Blätter erschienen trotz der Aufschriften: „Organ der sozialdemokratischen Arbeiterpartei" und „Proletarier aller Länder vereinigt euch" zuerst ungehindert . 23 Nur wurde ein Redakteur der „Nowaj a Shisnj", dann auch C A: Plechänowschen 20 „Der Parteitag konstatiert, daß in der RSDRP seit der Zeit des Kampfes mit dem Ökonomismus bis heute in verschiedener Form und verschiedener Beziehung diesem Ökonomismus verwandte Nuancen zurückgeblieben sind. Alle diese Nuancen können durch die allgemeine Tendenz charakterisiert werden, daß sie die Elemente des revolutionären Bewußtseins im proletarischen Kampfe verkleinern und sie den Elementen der Spontaneität unterzuordnen bestrebt sind." Bericht 3. Parteitag, S. 15 (wie oben, S. 167, Anm.7); KPSS v rezoljucijach, tom 1, S.81 (wie oben, S. 166f„ Anm.4). 21 Mitte Oktober 1905 entstand zuerst in St. Petersburg, dann auch in Moskau, der „Sozialdemokratische Föderationsrat", dem es oblag, die Aktivitäten der Bol'seviki und Men'seviki zu koordinieren. Er sollte gleichzeitig den Weg für einen Vereinigungsparteitag ebnen. 22 Dies ist vermutlich eine Anspielung auf den orthodoxen Kurs der sozialdemokratischen Führung, insbesondere von August Bebel, der zwar in der Praxis den Revisionismus förderte, andererseits jedoch die revolutionären Zielsetzungen der Sozialdemokratie betonte. 23 Von derNovajaZizn' erschienen vom 27. Oktober bis 3. Dezember 1905 insgesamt 28 Nummern. Erst die Nr. 21 trug in der Kopfzeile den Aufdruck: „Rossijskaja Social-Demokraticeskaja Rabocaja Partija. Proletarii vsech stran, soedinjajtes'!" Von Nacalo erschienen
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ein solcher des „Natschalo", angeklagt, weil die Programme der Blätter die Republik forderten, welche die Leitartikel übrigens nach wie vor vertraten. Der Ljeninschen Gruppe hatten sich auch die „erkenntnistheoretisch" von der Orthodoxie verworfenen oder ignorierten Richtungen, - so die „Empiriokritiker" wie Bogdanow u[nd] A[ndere] - angeschlossen. In der Redaktion des „Natschalo" befanden sich andererseits fast alle bekannteren | Führer: Plechänow, A 284 (56) Axelrod, Martow, „Starowjer", Totomianz, Rappoport d , „Parvus" (Helphant), Wjera Sassülitsch usw., von Ausländern: V. Adler, Bebel, Kautsky, Mehring, Rosa Luxemburg, Klara Zetkin, - mithin ist dieses Blatt auch international als „orthodox" anerkannt. (Die „Nowaja Shisnj" habe ich noch nicht zu Gesicht bekommen. Inzwischen sind sie jetzt beide unterdrückt). 24 - Die Frage, wie stark die sozialistischen Organisationen heute politisch sind, was sie namentlich im Fall von Wahlen bedeuten würden, ließe sich wohl selbst in Rußland nicht sehr bestimmt beantworten. Genug, daß ihr Eifer im Werben und in der Detailarbeit gegenüber den Liberalen zweifellos weitaus größer ist und daß sie diesen an Zahl der Organisationszentren in den Städten nicht nachstehen, an Geschlossenheit der letzteren sie wahrscheinlich übertreffen. Aber dies ist nicht das allein Entscheidende: weit wichtiger ist, daß mit dem offenen Auftreten des - bei allen Seitensprüngen doch der Absicht nach - „korrekten" Sozialismus ein weiteres höchst wirksames „Element der Dekomposition" 25 in die noch vor wenigen Monaten, im „Befreiungsbunde", immerhin weitgehend geeinigte antiautoritäre Bewegung getragen ist infolge des an scharf präzisierte Dogmen gebundenen spezifischen Se/cfe«-Charakters der Sozialdemokratie. Wie dem konsequenten Jesuiten, so verleiht dem gläubigen Marxisten sein Dogma jenes Hochgefühl und jene nachtwandlerische Sicherheit, die jedes Schielen nach dem dauernden politischen Erfolge vermeidet, den Zusammenbruch aller Hoffnungen, - auch der eigenen, - auf Überwältigung des ihm mit d A: Rappaport v o m 13. N o v e m b e r bis 2. D e z e m b e r 1 9 0 5 i n s g e s a m t 16 N u m m e r n . A u c h d i e s e Zeitung trug d e n A u f d r u c k : „ R o s s i j s k a j a S o c i a l - D e m o k r a t i c e s k a j a Rabocaja Partija. Proietarii v s e c h stran, soedinjajtes'!" 24 S o w o h l Nacalo als a u c h Novaja Z i z n ' wurden, n a c h d e m beide Blätter d a s „ F i n a n z m a nifest" d e s P e t e r s b u r g e r S o v e t v o m 2. D e z e m b e r 1 9 0 5 (siehe unten, S. 184, A n m . 80) veröffentlicht hatten, verboten. 2 5 A l s Zitat nicht n a c h g e w i e s e n .
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anderen Richtungen gemeinsamen Todfeindes gleichmütig und, im Bewußtsein der eigenen Tadellosigkeit, höhnisch lächelnd hinnimmt, stets ausschließlich bedacht auf die Erhaltung des reinen Glaubens und - wenn möglich - die Vermehrung der eigenen Sekte um einige Seelen, und auf die „Entlarvung", der „Auchkatholiken" 5 dort, der „Verräter des Volks", in den Nachbargruppen, hier. Genau dies ist das Verhalten der sozialdemokratischen Presse gegenüber dem „Block" 26 (der Ausdruck ist nach Rußland übernommen worden). Eine Verständigung unter den oppositionellen Elementen ist damit unmöglich gemacht, während die - weiterhin noch zu erwäh- 10 nenden 27 - Programme der Sozialrevolutionäre gerade wegen der größeren Verschwommenheit ihrer dogmatischen Grundlage eine solche nicht ausschlössen, manche Sozialrevolutionäre, wie wir sahen, 28 dem „Befreiungsbunde" zusammen mit radikalen Fürsten usw. angehörten. 443 ) | 15 A 285 (57) Die am meisten hervortretende von den auf sozialistischem Boden stehenden (wenn auch nicht von der Partei geschaffenen) Arbeiterorganisationen ist zurzeit der „Arbeiterdeputiertenrat" (Ssowjet ra44a ) Auch sonst ist das Verhalten ganz das uns wohlbekannte und trivial gewordene. Die „Revolution" forderte der unter Plechänows Mitredaktion erscheinende Natschalo (Nr. 3) 29 und griff wütend die „bürgerlichen" Liberalen an, weil diese dafür nicht zu haben seien, - wissend, daß die Massen unter „Revolution" etwas sehr Konkretes verstehen. Schlagen nun die „Massen" los und schlägt der Putsch fehl, liegen, wie heute (27. DezemA 285 (57) ber)[,] 30 in Moskau tausend bartlose Ideologen nutzlos | auf dem Pflaster, - dann erklärt man den Aufstand für eine „unglückliche Leichtfertigkeit" und ist der Ansicht, daß nur im Falle der Sympathie des Bürgertums eine Revolution Erfolg haben könne. Frügen die „Massen" nun aber erstaunt, was denn dann die Forderung der „Revolution" bedeutet habe, - dann würden sie erstaunt hören, daß sie etwas höchst Abstraktes bedeute, weit abliegend von Dem, was sie sich darunter gedacht haben: ja, hätte man auf die Orthodoxie statt auf die Sozialrevolutionäre oder die Ljeninschen Ketzer gehört! Genau so flüchtet sich der in die Enge getriebene Apologet des Wunders dahinter, daß das eigentliche, und
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26 Im G r o ß h e r z o g t u m Baden bildete sich nach den Wahlen von 1905 der sog. „ B l o c k der Mitte" aus Nationalliberalen und Freisinnigen, den die badische Sozialdemokratie bei parlamentarischen A b s t i m m u n g e n g e g e n das Z e n t r u m und die Konservativen unterstützte. Die Berliner Parteizentrale kritisierte diese Strategie in der Parteipresse in scharfer Form. Huber, D e u t s c h e V e r f a s s u n g s g e s c h i c h t e IV, S. 121 f. und 417. 27 Siehe unten, S . 2 0 3 f f . 28 Siehe oben, S. 91 und S. 93. 29 Weber bezieht sich wohl auf d e n Artikel von E. Smirnov, III s v o b o d a s revoljuciej - Iii r e a k c i j a s G r . V i t t e , in: Nacalo, Nr. 3 v o m 16. Nov. 1905, S . 2 . 30 G e m e i n t ist der Moskauer Aufstand v o m 7. bis 17. D e z e m b e r 1905. Das von W e b e r a n g e g e b e n e Datum richtet sich nach d e m westlichen Kalender.
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botschich deputatow) in Petersburg.4411)31 Er entstand, als nach den Metzeleien des 9. (22.) Januar die Regierung durch einen Senator (Schidlowskij) Fühlung mit den Arbeitern suchte und zu diesem Zweck zur Wahl von Deputierten aufforderte. 440 ) 32 Die Arbeiter schließlich das einzige „Wunder" eben - die „Entwicklung" und das Alltägliche sei. Solche Amphibolien sind nicht etwa das Produkt irgendwelcher Unehrlichkeit. Plechänow hat ganz das gleiche schon in der November-Nummer seines „Dnjewnik" (3, S. 16 und 21) 33 gesagt und an die „Kampfbereitschaft" des Ministers Lebceuf 1870 erinnert. 34 Zurzeit fallen, führte er aus, die Ziele der Arbeiter und der Bourgeoisie zusammen. Sein eigener Angriff und die Resolution, welche die „Diskreditierung" der Liberalen forderte, hätten ihren Grund nur darin gehabt, daß Struve noch immer als „Marxist" gegolten habe. Das ist es: Sektierer sind Pfaffen: die Calvinisten in Holland verfolgten auch weder die Katholiken noch die Täufer so heftig wie® die „Remonstranten". 35 Im übrigen lagen die Dinge eben so, daß Plechänow, da er neben den geistig bedeutenden Theoretikern der Partei auch den ganzen Schwärm von Schwadroneuren (und Schwadroneusen) mit in den Kauf nehmen mußte, gar nicht die Macht besaß, dem Bedürfnis nach Phrasen und starken Worten innerhalb seiner Redaktion den Mund zu verbinden. Diesen Subalternen gegenüber ist heute in der Partei die „Intelligenz" machtlos. 44b ) Über die entsprechende Organisation in Moskau und sonst ist mir nichts Näheres bekannt. 44c ) Die Schidlowskische Kommission „zur Aufklärung der Ursachen der Unzufriedenheit der Arbeiter" schlug vor: Wahl von 15 Vertretern der Arbeitgeber, von 54 der e Fehlt in A; wie sinngemäß ergänzt. 31 Der Petersburger Sovet (Sovet Rabocich Deputatov = Rat der Arbeiterdeputierten) tagte erstmalig am 13. Oktober 1905. Am 3. Dezember wurden das Exekutivkomitee des Petersburger Sovet und ca. 200 Deputierte vor der Sitzung des Sovet verhaftet. 32 Am 29. Januar 1905 ernannte Nikolaj II. den Senator Nikolaj V. Sidlovskij zum Vorsitzenden einer besonderen Kommission, die die Ursachen der Unruhen unter den Arbeitern untersuchen sollte. Diese Kommission setzte sich aus Regierungsvertretern, Vertretern der Unternehmer und gewählten Vertretern der Arbeiterschaft zusammen. Die Wahl der Arbeitervertreter sollte in zwei Schritten erfolgen: Jede Fabrik mit 100-500 Beschäftigten wählte einen Wahlmann, mit 500-1000 Beschäftigten zwei Wahlmänner, und einen zusätzlichen Wahlmann für je 500 Beschäftigte In Fabriken mit über 1000 Arbeitern. Diese Wahlmänner wurden für die sodann erfolgende Wahl der Deputierten für die Kommission nach Industriezweigen in neun Gruppen geteilt. Die Zahl der Deputierten von jeder Gruppe entsprach in etwa der Zahl der Arbeiter in den entsprechenden Industriezweigen. Ihre Gesamtzahl betrug 50. Die Wahlmänner der Arbeiter verlangten vor den Wahlen der Deputierten von seifen der Regierung vor allem die Aufhebung der Wahlordnung für die Deputierten, die garantierte Immunität der Deputierten und die Öffentlichkeit der Verhandlungen der Kommission. Sie drohten für den Fall der Ablehnung ihrer Forderungen mit einem generellen Ausstand. Schwarz, Salomon M., The Russian Revolution of 1905. The Workers' Movement and the Foundation of Bolshevlsm and Menshevism. - Chicago/ London: Universlty of Chicago Press 1969, S. 88ff. 33 Plechanov, Nase Polozenie, S. 1 ff. 34 Ebd., S. 22. Der französische Kriegsminister Marschall Lebceuf erklärte im Juli 1870, daß das französische Heerfürden Krieg „erzbereit" sei. 35 Die Lehre der Remonstranten oder Arminianer (nach Jakobus Arminius), 1610 in der
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A 286 (58) lehnten, da ihre politischen Bedingungen nicht | akzeptiert wurden, die Verhandlungen ab, behielten aber die Vertretung - zunächst zu lokalen Zwecken - bei. Der „Arbeiterdeputiertenrat" besteht jetzt, nach den Ende November 1905 angenommenen Bestimmungen, aus Deputierten von jeder Fabrik mit mindestens 400 Arbeitern, ist also s eine Vertretung der spezifisch großindustriellen Arbeiterelite auf
einzelnen Branchen der großindustriellen Arbeiterschaft, zu verteilen auf die Werkstätten mit über 100 Arbeitern, zwecks Verhandlung miteinander unter Leitung der Regierungsvertreter. - D i e Petersburger Fabrikanten lehnten am 27. Januar a. St. die Vorschläge mit dem Hinweis darauf ab, daß die Industrie „keine Wohlfahrtseinrichtung" sei und ihren Arbeitern „von selbst konzediere, was jeweils möglich sei". 3 6 D i e Einmischung des Staats stifte nur Schaden, zumal wenn die Regierung tumultuarischen Demonstranten konzediere, was sie Bürgern, die sich auf dem Boden des Gesetzes halten, abschlage. Reformen in der Staatsverfassung seien das einzige Beruhigungsmittel. - Andere FabrikantenverA 2 8 6 (58) Sammlungen antworteten | ähnlich und schärfer, so die von Kostromä (Prawo Nr. 16, S. 1290): 3 7 man solle statt alles anderen den Arbeitern das Koalitionsrecht und allen Bürgern Freiheit des Worts und Sicherheit der Person geben, dann würde ohne Staatseinmischung durch freie Vereinbarung alles geregelt werden. D i e Regierung aber wolle, indem sie die Rolle des „Unparteiischen" bei den Verhandlungen spiele, den H a ß der Arbeiter, der ihr, und nicht den Fabrikanten, gelte, auf die letzteren abwälzen. - D i e Petersburger Arbeiter wählten ihre Vertreter, - aber alsbald und ohne daß diese irgend etwas „Staatsgefährliches" getan hätten, wurde ein Teil von ihnen verhaftet. Als dann die übrigen Deputierten protestierten, die Freilassung verlangten und die vorherige Verhandlung ablehnten, hob ein U k a s die Kommission auf. 3 8
sog. „Remonstrantie" niedergelegt, richtete sich insbesondere gegen die Prädestinationslehre der Calvinisten. In der Synode von Dordrecht 1618/19 wurde sie als Irrlehre verdammt. Zwischen 1619 und 1630 kam es zu schweren Verfolgungen gegen die Remonstranten. 36 Dokladnaja zapiska S.-peterburgskich zavodcikov, S.432. Unmittelbar nach den Ereignissen des 9. Januar 1905 versuchte der Finanzminister Kokovcov in Beratungen mit Vertretern der russischen Industriellen, diese zu Konzessionen an die Arbeiterschaft zu bewegen. Kokovcovs Unternehmung fand zwar fast zeitgleich mit der Bildung der Sldlovskij-Kommlsslon statt, stand damit jedoch in keinerlei direktem Zusammenhang. Das Schreiben der St. Petersburger Unternehmer war an Kokovcov gerichtet und bezog sich nicht auf die Arbeit der Sidlovskij-Kommission, sondern lehnte Kokovcovs Vorschläge ab. 37 Pamjatnaja zapiska kostromskago komiteta, S. 1 2 9 0 - 1 2 9 3 . Die Bemühungen Kokovcovs (siehe oben, A n m . 3 6 ) führten zur Bildung einer Kommission unter seiner Leitung (Kokovcov-Kommission), die Gesetzesvorschläge zur Reform der Fabrikgesetzgebung ausarbeiten sollte. Neben Reglerungsvertretern sollten dieser Kommission auch Vertreter von Unternehmerselte, jedoch keine von Seiten der Arbeiterschaft angehören. Die erste Sitzung dieser Kommission fand am 15. März 1905 statt. Das Schreiben der Unternehmer von Kostroma bezieht sich auf die Bildung dieser Kommission. Die Unternehmerschaft zog sich Mitte 1905 vollständig aus dieser Kommission zurück. 38 Nachdem die Wahlmänner der Arbeiter dem Senator Sidlovskij ihre Forderungen übermittelt hatten, lehnte dieser am 18. Februar fast alle Forderungen ab und berichtete
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lokaler, nicht fachvereinlicher Basis. 45 ) 39 Er hat jedoch in seiner Sitzung vom 28. November beschlossen, 40 mit dem Verband der
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) Als charakteristisch für seine Gesamtauffassung sei etwa noch angeführt: dem Arbeiterdeputiertenrat wurde eine Bitte von 15 Arbeitern einer Instrumentenwerkstatt vorgelegt, welche diese als „Kooperativwerkstatt" unter der Ägide des Deputiertenrats „gründen" wollten. - Antwort: dies sei für Sozialisten unzulässig, da die Anteilhaber alsdann Aktionäre werden und Lehrlinge beschäftigen könnten, wenn sie das Eigentum daran besäßen. Anders, wurde gesagt, würde die Sache liegen, wenn die Werkstatt als Eigentum der sozialdemokratischen Partei, „wie in Belgien", oder des Arbeiterdeputiertenrats gelten solle. 4 1 - In charakteristischem Gegensatz hierzu verfolgt die „American Federation of Labour" mit Feuer und Schwert jede Genossenschaftsgründung in den Reihen der Gewerkvereine, welche nach dem „Belgium Scheme" und nicht nach dem „Rochdale Scheme" gegründet wird. 4 2
zugleich dem Zaren über diese Vorgänge. Dieser löste daraufhin die Kommission am 20. Februar 1905 auf. Zur Wahl der Deputierten durch die Wahlmänner kam es nicht mehr. Einige Wahlmänner wurden am 13. Februar 1905, dem Tage, an dem die Wahimännerwahl stattfand, verhaftet. Vgl. dazu Nevskij, V., Vybory v komissiju senatora Sidlovskogo (1905g.), in: Archiv istorii truda v Rossii, kniga 3,1922, S. 7 8 - 9 0 , hier: S. 87f. 39 Der Wahlordnung für den Petersburger Sovet lag die der Sidlovskijschen Kommission (siehe oben, S. 173, Anm. 32) zugrunde. Auf je 500 Arbeiter wurde ein Deputierter für den Sovet gewählt. Jedoch wählten nicht nur Betriebe ihre Abgeordneten, sondern auch Gewerkschaften auf je 500 Mitglieder einen Deputierten. Insgesamt waren 16 Gewerkschaften im Sovet vertreten. Vgl. Istorija soveta rabocich deputativ goroda S.-Peterburga. -S.-Peterburg: N.GIagolev1906, S. 42 und 135 (künftig: Istorija soveta). Das Exekutivkomitee entstand am 17. Oktober 1905 und hatte 31 Mitglieder. Es wurde am 19. November 1905 auf 50 Mitglieder erweitert. Vgl. ebd., S. 76 und 135f. 40 Dies bezieht sich auf die Beratungen des Exekutivkomitees des Sovet Ende November 1905, nicht auf eine Sitzung des Petersburger Arbeiterrates. Der Petersburger Arbeiterrat selbst trat am 27. November 1905 zum letztenmal zusammen. Auf der Sitzung des Exekutivkomitees vom 28. November wurde beschlossen, jeder Gewerkschaft (professional'nyj sojuz) das Recht auf ein stimmberechtigtes Mitglied im Exekutivkomitee zu gewähren. Dem Bauernbund wurden Sitz und Stimme im Sovet oder in dessen Exekutivkomitee verwehrt. Vgl. Istorija Soveta, S. 173f. (wie oben, Anm. 39). Jedoch wurde angestrebt, die Aktionen der beiden Organisationen - Arbeiterrat und Bauernbund - zu koordinieren. Ebd., S. 171. An der Ausarbeitung des sog. Finanzmanifests (siehe unten, S. 184, Anm. 80) vom 2. Dezember 1905 wurde demgemäß auch der Bauernbund beteiligt. 41 Siehe darüber das Teilprotokoll der Sitzung des Petersburger Sovet in: Novaja Zizn', Nr. 26 vom 1. Dez. 1905, S. 12. 42 Während nach den Rochdaler Prinzipien von 1844 die Genossenschaften das Prinzip der offenen Mitgliedschaft und der politischen und religiösen Neutralität vertraten, standen die Konsumgenossenschaften in Belgien in enger Verbindung mit der Sozialdemokratischen Partei und galten als Instrumente des Klassenkampfes des Proletariates. Über die Haltung der American Federation of Labour zu den Genossenschaften konnte nichts ermittelt werden.
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Fach vereine sich derart zu verbünden, daß Delegierte desselben zu den Sitzungen zugelassen werden. Die Frage, ob diese beschließende Stimme haben sollten, blieb bei der Abstimmung zweifelhaft und wurde, anscheinend, vertagt. Dagegen wurde beschlossen, dem später zu erwähnenden 43 radikalen Bauernbund Sitz und Stimme im Arbei- 5 terdeputiertenrat zu geben. Was seine allgemeine Haltung anlangt, so verhielt er sich zunächst unschlüssig zur Frage des abermaligen politischen Generalausstandes (Ende Nov.) 45a ). 44 Es wurde in der Sitzung vom 28. November geltend gemacht, daß er zuviel koste. Vor A 287 (59) ziellosen Revolten und Provokationen wurde in den | „Iswjestija"' 10 des A.-D.-R. wiederholt gewarnt. Abgesehen davon, daß hier die ökonomisch und politisch entwickeltste, deshalb berechnendste, Schicht der Industriearbeiter vertreten ist, mag hierin auch eine Nachwirkung der ursprünglichen Haltung der Plechänowschen Richtung, welche an der Bildung der Organisation stark beteiligt war, zu 15 erblicken sein. Inzwischen hat sich dies geändert. Die Verhaftung seines Präsidenten, des Advokaten Chrustaljow-Nössarj, 45 - einer bisher, soviel bekannt, politisch nicht hervorgetretenen Persönlich45a ) Beim ersten Generalstreik (Oktober) wandte er sich an die Unternehmer mit einem Aufruf, 4 6 der sie zur Schließung der Fabriken aufforderte mit dem Hinweis, daß ja auch ihre Interessen an Freiheit und Rechtssicherheit von der Arbeiterschaft verfochten würden. - Dies sei, meinte Plechänow in seinem „Dnjewnik", „der richtige Ton, mit der Bourgeoisie zu verkehren". 4 7 |
f A: „Iswestnija"
4 3 Siehe unten, S. 2 3 3 - 2 4 6 . 4 4 Das Exekutivkomitee des Petersburger Sovet erörterte auf seiner Sitzung am 28. November die Möglichkeit eines allgemeinen Streiks als Antwort auf die Verhaftung Chrustalev-Nosar's. Eine definitive Entscheidung unterblieb jedoch. 4 5 Chrustalev-Nosar' wurde am 26. Novemer 1905 verhaftet. Er war einer der Arbeiterdeputierten in der Kommission des Senators Sldlovskij (siehe oben, S. 173, Anm. 32). 4 6 Der Aufruf Ist abgedruckt in: Izvestija Soveta Rabocich Deputatov, Nr.2 vom 18. Okt. 1905, unter dem Titel: Vozzvanle Soveta Rabocich Deputatov k chozjaevam torgovych I promyslennych zavedenlj. Siehe Geller, L. und Rovenskaja, N. (Hg.), Peterburgskij i Moskovskij Sovety Rabocich Deputatov 1905 goda v Dokumentach. - Moskva/ Leningrad: Moskovskij Raboclj 1926, S.25f. (künftig: Geller und Rovenskaja, Sovety Rabocich Deputatov). 4 7 Plechanov, Nase Polozenie, S. 15. „In diesem Tone nämlich müssen wir mit der Bourgeoisie sprechen, wenn wir uns nicht angleichen wollen an die wahren deutschen Soziallsten, daß es uns nicht zur rechten Zeit In den Sinn gekommen ist, die Bourgeoisie zu tadeln (prokllnat')l"
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keit,46) - wegen aufrührerischer Propaganda, veranlaßte eine scharfe Resolution zugunsten des alsbaldigen bewaffneten Aufstands.48 Gleichzeitig trat der radikale „Verband der Verbände" („Ssojüs Ssojüsow") an den Arbeiterdeputiertenrat und, durch eine öffentliche 5 Kundgebung, gleichzeitig auch an alle übrigen isolierten Verbände innerhalb Rußlands mit dem Vorschlag der Bildung eines „Allgemeinen Verbandes" („Obschtschij Ssojüs") heran, welcher den Arbeiterdeputiertenrat, den Bauernbund, die Fachvereine, namentlich diejenigen der Eisenbahner und der Post- und Telegraphenbeamten 10 und alle zum „Verband der Verbände" gehörigen Organisationen umfassen sollte.49 - Den Kern des anscheinend Anfang Mai konstituierten „Verbandes der Verbände"50 bildeten die freien Vereinigungen liberaler Berufe, welche im Laufe der ersten Monate des Jahres 1905, speziell seit dem Manifest vom 18. Februar,51 sich massenhaft 15 zum Zweck der Verfolgung in erster Linie politisch-demokratischer Ziele gebildet haben: die „allrussischen" Verbände der Advokaten, Ärzte, Ingenieure, Journalisten, Buchhändler, Volksschullehrer, Mittelschullehrer, Agronomen und Statistiker, Pharmazeuten, Veterinäre, auch staatlicher Beamter: - z. B. ist Graf Tolstoj, Sekretär
4 6 ) Sein Lebenslauf in der Russj (2./15. D e z e m b e r ) 5 2 ergibt, daß er aus der Ukraine stammt und, nachdem er die Universität absolviert hatte und „vereideter A n w a l t " geworden war, in einer Druckerei als Arbeiter eintrat, - der Tradition des alten radikalen „Narodnitschestwo" treu. Nach dem E n d e der Verhandlungen mit dem Senator Schidlowskij war er es, der die Arbeiterkommission veranlaßte, zusammenzubleiben. 5 3 - Die Berechtigung, den Namen Chrustaljow zu tragen, spricht ihm der in den „Nowosti" abgedruckte Ministerialbericht a b . 5 4
48 In der Resolution nach der Verhaftung Chrustalev-Nosar's sprach sich der Petersburger Arbeiterrat dafür aus, „die Vorbereitungen für einen bewaffneten Aufstand fortzusetzen". Novaja Zlzn', Nr. 25 vom 30. Nov. 1905; Geller und Rovenskaja, Sovety Raboclch Deputatov, S. 75 (wie oben, S. 176, Anm. 46). 49 Weber stützt sich auf: V Sojuze Sojuzov, In Rus', Nr. 33 vom 30. Nov. 1905, S. 3. 50 Siehe oben, S. 106, Anm. 4. 51 Siehe oben, S. 117, Anm. 39. 52 Rus', Nr. 35 vom 2. Dez. 1905, S. 3, Sp. 5f. 53 Siehe oben, S. 176, Anm. 45. 54 Der von Weber erwähnte Ministerialbericht konnte weder In der angeführten Nummer noch an anderer Stelle ermittelt werden. Grigorlj Nosar', von Beruf Rechtsanwalt, benutzte den Namen des Arbeiters Chrustalev, um sich Im Februar 1905 als Wahlmann für die Kommission des Senators Sldlovsklj (siehe oben, S. 173, Anm. 32) wählen zu lassen.
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des Reichsrats, wegen Zugehörigkeit gemaßregelt worden, 5 5 - wozu ferner Vertreter von Versicherungsangestellten, Comptoiristen, Schauspieler sowie der Frauenrechts- und Judenrechtsbund traten. Die Gesamtzahl der Organisationen, welche sich dem „Verband der Verbände" angeschlossen haben, betrug anfangs 14, ist offenbar im 5 Fluß und im Ausland nicht festzustellen. 463 ) (Auch ein Aufruf der A288(60) Po//ze/|beamten von Moskau z.B. forderte unter Hinweis auf die „gewaltige Macht" dieses Verbandes die „Genossen" zur Organisation auf.) 56 Ebenso ist der allgemeine Zweck und Charakter dieser Verbände offenbar kein gleichmäßiger. Manche verfolgten tatsäch- 10 lieh, wenigstens auch, fachliche Interessen, andere aber und die Mehrzahl, wesentlich allgemeinpolitische. Es konnte im Verlauf des letzten Jahres keine Lehrerkonferenz oder dgl. tagen, ohne eine Verfassungsresolution anzunehmen. Inzwischen hat aber der Verband, gleichzeitig mit seinem endgültigen Übergang in das „proleta- 15 rische" Lager, seine Absicht bekundet, auf dem für Mitte Dezember einzuberufenden 9 Kongreß den Charakter seiner Gliedverbände: ob rein professionell oder „professionell-gesellschaftlich", oder „pro46a ) Über die maßgebenden Persönlichkeiten der Bewegung ist hier kein genügendes Material zu gewinnen. In Petersburg treten neben Mjäkotin (früher Privatdozent in St. Petersburg und Professor am Lyceum, Schüler eines der Hauptvertreter der „volkstümlerischen" Richtung, Michailowskijs, 1904 nach mehrjähriger Verbannung aus Sibirien A 288 (60) zurückgekehrt), 57 Annenskij (s[iehe] Note 3), Grusenberg, Ssokolow, | Miklashewskij
u n d a n d e r e (die meisten d a v o n wohl Sozialrevolutionär gerichtete R e c h t s a n w ä l t e ) hervor.
- Was die Finanzen anlangt, so hat z.B. der Verband der Veterinäre eine Besteuerung seiner Mitglieder in Höhe von 1% ihres Einkommens eingeführt. 58
g A: einzuberufenen
55 Graf P. M.Tolstoj war einer der Organisatoren des „Sojuz sluzascich v pravitel'stvennych ucrezdenijach"; er wurde im November 1905 von seiner Tätigkeit entbunden. S o d e r Bericht in: Novaja Zizn', Nr. 26 vom 1. Dez. 1905, S. 21 f. Weiteres konnte nicht ermittelt werden. 56 Möglicherweise bezieht Weber sich auf die Artikel: Policejskij Sojuz, in: Novaja Zizn', Nr. 19 vom 23. Nov. 1905, S. 22f., und: O sojuze cinov S.-Peterburgskich policü, in: Rus', Nr. 23 vom 18. Nov. 1905, S. 1, Sp. 6. 57 Irrtümliche Angabe Webers. V. A. Mjäkotin war nicht nach Sibirien verbannt worden. Siehe die Besprechung von Webers Artikel durch B. V. (Pseudonym nicht auflösbar), In: Byloe, Jg. 1, Nr. 7 , 1 9 0 6 , S. 3 1 4 f f „ hier: S. 315. 58 Weber stützt sich vermutlich auf den Abdruck des Statuts dieses Verbandes: Ustav professional'nago sojuza veterinarnych vracej, in: Pravo, Nr. 21 vom 29. Mai 1905, S. 1752.
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fessionell-politisch", einer Prüfung zu unterziehen. 5 9 Trotz seines radikalen Charakters galt er eben den Proletariern noch immer als zu „bürgerlich" - der Ingenieur-Verband z.B. hatte die Republik als unpraktikabel ausdrücklich abgelehnt 60 - und dem sollte wohl abge5 holfen werden. Die im „Verband der Verbände" ursprünglich organisiert gewesene außerhalb der Semstwos stehende „Intelligenz" hatte aber schon von Anfang an einen überwiegend proletaroiden Charakter 4 6 b ), das „dritte Element" insbesondere ist zum sehr erheblichen Teil Träger teils „volkstümlerisch"-sozialrevolutionärer, 10 teils modern-sozialistischer Ansichten, und dem entsprach seine Haltung. Der Verband boykottierte z. B. im Gegensatz zum „Befreiungsbund" die Bulyginsche Duma, und, was wichtiger ist, er trat in die konstitutionell-demokratische Partei nicht ein. Wie dieser, für die politische Lage der russischen „Intelligenz" wichtige Vorgang 15 sich vorbereitet und abgespielt hat, bleibt für den ausländischen Beobachter vorerst im Dunklen, 460 ) wie es überhaupt zurzeit unmög46b ) Die ursprünglichen 14 Verbände waren: Akademiker, Advokaten, Agronomen, Statistiker, Ärzte, Veterinäre, Eisenbahnbedienstete, Journalisten und Schriftsteller, Semstwoangestellte, Frauenrechtsbund, Judenrechtsbund, Ingenieure, Kontoristen und Buchhalter, Lehrer und Pharmazeuten (Prawo, 24. Mai S. 1664).61 Der Verband hatte ein aus je 2 Delegierten jedes Verbandes bestehendes, mit weitgehender Vollmacht ausgestattetes Exekutivkommitee und eine mindestens alle 2 Monate zusammentretende, nach Verbänden abstimmende Generalversammlung. A n der Beratung des Zentralkomitees vom 6. Dezember 6 2 nahmen teil: Frauen- und Judenrechtsbund, die Verbände der Ingenieure, Mittel- und Volksschullehrer, Ärzte, Kontoristen, Pharmazeuten, Advokaten, Förster, Schriftsteller, staatlicher Beamter, Bühnenangestellten h und der polnische Verband der Verbände. 46c ) Es ist hier z . Z . nicht einmal feststellbar, daß und in welcher Form seitens der anderen Gruppen an den ,,V[erband] d[er] V[erbände]" herangetreten wurde. |
h A: Bühnenangestellte
5 9 Der vierte Kongreß des Sojuz Sojuzov sollte ursprünglich vom 10. bis 12. Dezember 1905 zusammentreten. Aufgrund der politischen Verhältnisse konnte er dann erst vom 14. bis 16. Januar 1906 In Finnland stattfinden. 6 0 Eine diesbezügliche Erklärung des „Vserossljskij Sojuz Inzenerov i technlkov" läßt sich nicht nachweisen. 61 Sojuz Sojuzov, S. 1664f. 6 2 Die Tagung des Zentralkomitees des Sojuz Sojuzov fand am 5. Dezember 1905 In St. Petersburg statt. Siehe dazu den Bericht In: Russkija Vedomosti, Nr. 322 vom 6. Dez. 1905, S. 2, Sp.3.
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A 289 (61) lieh ist, von hier aus den Gang der inneren Entwicklung des „Verbandes der Verbände" auch nur in ihren Hauptzügen aus den widerspruchsvollen Zeitungsnotizen zusammenzustellen. Ein innerer Antagonismus des in ihm so wichtigen „dritten Elementes", welches sich als intellektueller Träger der Leistungen der Semstwos fühlt, 5 gegen die allein die entscheidende Stimme führenden Ehrenamtsmitglieder aus den besitzenden Klassen liegt in sehr verständlicher Art in den Verhältnissen. Der politische Umschwung, den Witte im Oktober durchsetzte, kam, zumal er als Wirkung des Streikes erschien, so rasch, daß er die materielle Schwäche des alten Regimes 10 wesentlich größer erscheinen ließ, als sie ist: Die Unmasse von professionellen Verbänden, welche sich auf Grund der plötzlichen Freiheit bildeten, 47 ) stand durchweg unter dem Einfluß der jubelnden Hoffnung auf die endgültige Abwerfung des furchtbaren Drukkes der Selbstherrschaft. Die Bedeutung der Bundesgenossenschaft 15 eines Teiles des „Besitzes" liegt in solchen Momenten nicht so an der Oberfläche, um politisch gewürdigt werden zu können. 473 ) Nach der A 289 (61 )
47 ) D a r u n t e r mancherlei Tragi-Komik: D i e Mitglieder des Petersburger Konservatoriums z . B . vereinigten sich, u m d a f ü r einzustehen, daß die „ Z u k u n f t s m u s i k " (sie) nicht, wie jetzt, durch „die Bourgeoisie" (?nur?) in Café-Chantants und O p e r e t t e n erniedrigt werde (Protokoll in der R u s s j ) . 6 3 - D a s Motiv ist wesentlich idealistischer als die Forderung, mit der 1848 die als Z u n f t konzessionierte einzige Göttinger Musikkapelle an die Universität herantrat: in einer Zeit der A b s c h a f f u n g aller Privilegien auch auf das Recht der Universität, Kapellen von auswärts k o m m e n zu lassen, zu verzichten ( G e w ä h r s m a n n : mein hochverehrter väterlicher Freund Prof. F. Frensdorff). - Die Verbände der Mittelschüler, welche die Wahl ihrer L e h r e r in A n s p r u c h n a h m e n , entsprachen italienischen Vorgängen ähnlicher A r t . 6 4 - Die rein professionellen Verbände und Gewerkvereine bleiben einer besonderen Darstellung v o r b e h a l t e n . 6 5 47a ) Trotzdem erklärte der „Allrussische Verband der E i s e n b a h n b e d i e n s t e t e n " bei seiner G r ü n d u n g (Nr. 17 des P r a w o ) , 6 6 daß er infolge der sozialen Differenzierung seiner Mitglieder ( A r b e i t e r , Maschinisten, Ingenieure, Verwaltungsbeamte) nicht auf d e m Boden einer einzelnen Partei stehen k ö n n e , wohl aber, den gemeinsamen Grundsätzen der demokratischen Parteien g e m ä ß , das „viergliedrige" Wahlrecht vertreten wolle. D e r „Bund der Eisenbahnbediensteten des Moskauer Netzes" dagegen b e k a n n t e sich exklusiv zur Ljeninschen Sozialdemokratie und stellte sich als Ziel, die Revolution durch den
6 3 Das Protokoll, auf das Weber sich bezieht, konnte nicht ermittelt werden. Der „Bund der Orchestermusiker" entstand Ende Oktober 1905 in St. Petersburg. Siehe dazu Novaja Zlzn', Nr. 9 vom 10. Nov. 1905, S. 28. 6 4 Der Sachverhalt konnte nicht aufgeklärt werden. 6 5 Vgl. Weber, Rußlands Übergang zum Scheinkonstitutionallsmus, In diesem Band, unten, S.490ff. 66 Sojuz zeleznodoroznych sluzasclch, S. 1397ff.
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Auflösung des „Befreiungsbundes" 6 7 wuchs vielmehr der Einfluß der putschistischen Elemente der Sozialdemokratie, welche das Bündnis eines Teiles der Sozialrevolutionären mit dem Bürgertum mit tiefer Antipathie angesehen hatten und je länger je entschiedener bekämpften, auf die radikale Intelligenz innerhalb des Verbandes. Der „radikale" Charakter hing im übrigen bei ihm, wie bei anderen freien Organisationen^] von Beginn an damit zusammen, daß bis zum 'Oktobermanifest manche' „ge|mäßigten" Elemente in A 290 (62) den liberalen Berufen sich von jeder Organisation, weil sie gesetzlich ja illegal war, fernhielten. 48 ) Die vom Verband der Verbände vorgeschlagene Vereinigung der radikalen Intelligenz mit den politisch organisierten Arbeitern und dem Bauernbunde sollte wesentlich auf der Grundlage der Forderung der „konstituierenden" Reichsduma, des Prinzips der Volkssouveränität also, erfolgen. Und zwar sollte, auf Verlangen der Polen, nach dem, die Sache äußerst „einfach" lösenden, Beschluß vom 20. November sowohl eine Reichsduma, wie je eine konstituierende Duma für Polen, Finland und alle Gebiete, welche es wünschen, jedoch: „unter Wahrung der Reichseinheit", zusammentreten. 6 8 - Die Frage, ob die erste Duma eine „konstituierende" k sein Eisenbahnausstand zu stützen. 6 9 D i e Plechanowsche Gruppe endlich zog sogar die Pflege des „Nurgewerkschaftertums" dem Eintreten in ein Bündnis mit der bürgerlichen Demokratie vor. | 48 ) Die Liberalen pflegten im übrigen jedes Einschreiten der Polizei gegen einzelne A 2 9 0 (62) Mißliebige wegen illegaler Vereinsbildung mit massenhaften Selbstdenunziationen zu beantworten. Trotz aller Illegalität wurden die Sitzungen in den Zeitungen annonciert, oder durch Anschlag bekannt gemacht. Gerade das war das prinzipiell Bedeutungsvolle bei der Bildung der zum ,,V[erband] d[er] V[erbände]" gehörigen Fachverbände, daß sie politische Verbände waren und doch nicht „konspirativ", sondern in voller Öffentlichkeit, sich bildeten und tagten.
i A: Oktobermanifest, manche
k A: „konstituierende"
6 7 Der Sojuz Osvobozdenlja verschmolz im Oktober 1905 mit der Gruppe der ZemstvoKonstitutionalisten zur konstitutionell-demokratischen Partei. 68 Ein Abdruck dieser Erklärung vom 20. November 1905 unter dem Titel: Sojuz Sojuzov, in: Pravo, Nr. 47 vom 27. Nov. 1905, S. 3815. Ausdrücklich erwähnt wurde nur Polen. 6 9 Möglicherweise stützt Weber sich auf die Resolution der Deputierten des Moskauer Eisenbahnnetzes für den bewaffneten Aufstand Ende Oktober 1905 (zuletzt abgedruckt in: Bol'sevlstskie proklamacii i listovki po Moskve i Moskovskoj gubernil. - Moskva/ Leningrad: Gosudarstvennoe izdatel'stvo 1926, S.441).
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sollte, hatte auch die Semstwokonstitutionellen beschäftigt. Das konstitutionell-demokratische Parteiprogramm hielt an ihr fest. 70 Die Moskauer Uprawa hatte noch, als das Telegramm des Grafen Witte 71 um Entsendung von Parteivertretern an ihn eintraf, beschlossen, von der Stellung von Einzelforderungen abzusehen, da „die einzige Forderung die Einberufung der Konstituante sein könne". 7 2 In dem Novemberkongreß hatte die von Miljukow vertretene Resolution des Bureaus in Übereinstimmung mit dem ursprünglichen Programm des „Befreiungsbundes" ebenfalls eine konstituierende Versammlung verlangt, welche „mit Genehmigung des Herren" die Verfassung „ausarbeiten" sollte. 49 ) Man hatte aber, u. a. auf Grund einer Rede Maxim Kowaljewskis, der erklärte, an sich sehr gern, wie in Paris, in einer Republik leben zu wollen, aber nach Lage der Verhältnisse in Rußland Monarchist zu sein, 73 diese „nach Republik schmeckende" Wendung beseitigt. 493 ) Die Sozialdemokraten ebenso wie die radikalen Elemente des Befreiungsbundes, die Sozialrevolutionären und der Verband der Verbände, schon seit seiner konstituierenden Versammlung, bestanden dagegen auf dem „konstituierend" als einem Kardinalpunkt. Der Riß zwischen „bürgerlicher" und „proletarischer" Intelligenz, der natürlich nicht auf diesem läppischen Einzelpunkt beruht, verbreiterte sich dann unter dem 49
) Russj vom 10. November Nr. 15. 74 ) Die Forderung der Konstituante wurde auf dem Novemberkongreß mit 137 gegen 80 Stimmen abgelehnt. Die erste Reichsduma sollte „konstituierende Funktionen" erhalten. 75 | 49a
70 Im Programm der Konstitutionellen-Demokraten ist diese Forderung nicht enthalten. J e d o c h veröffentlichte die Partei nach d e m Ende des Gründungsparteitages eine Erklärung, in der sie die Einberufung einer Konstituante forderte (siehe oben, S. 129, A n m . 85). 71 G e m e i n t ist Vittes T e l e g r a m m v o m 19. N o v e m b e r 1905 an das Organisationsbüro der Z e m s t v o - und Stadtdumavertreter-Kongresse. Siehe den A b d r u c k In: Pravo, Nr. 4 2 v o m 31. Okt. 1905, S. 3473. 72 In der A n t w o r t des Organisationsbüros der Z e m s t v o - und Stadtdumavertreter hieß es: „ Der einzige A u s w e g aus der gegenwärtigen Lage ist die Einberufung der konstitutionellen V e r s a m m l u n g zur Ausarbeitung der G r u n d g e s e t z e . " Ebd., S. 3475. 73 Weber zitiert den Artikel: Z e m s k o - g o r o d s k o j s-ezd, In: Rus', Nr. 15 v o m 10. Nov. 1905, S1 f. 74 Ebd. Die Resolution ist dort abgedruckt. 75 Siehe dazu das Protokoll, veröffentlicht unter d e m Titel: S - e z d z e m s k i c h I gorodskich dejatelej, in: Pravo, N r . 4 5 / 4 6 v o m 20. Nov. 1905, S . 3 7 0 3 .
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Eindruck des Mißerfolges der ersteren, von Witte „Garantien" zu erhalten. 7 6 Je weiter auf der einen Seite die Anarchie um | sich griff, A 291 (63) und je häufiger die polizeilichen und militärischen Eingriffe der Regierung wurden, je länger vor allem die Verkündung des Wahlgesetzes und die Ausschreibung der Wahlen auf sich warten ließ, desto höher schwoll, zumal nach der äußerst kühlen unverbindlichen Antwort des Ministerkonseils an das Bureau der Semstwovertreter, 50 ) die Flut des republikanischen Radikalismus. Der „Verband der Verbände" sprach schon in der erwähnten 7 7 öffentlichen Kundgebung betreffend die Gründung des „allgemeinen Verbandes" die Überzeugung aus, daß nur bewaffneter Aufstand das Mittel zur Erlangung der Freiheit sei. Er publizierte gleichzeitig das Projekt einer konstituierenden Versammlung, welche, in 968 (!) Wahlkreisen des Reichs;,] von allen über 21jährigen Bürgern beiderlei Geschlechts gewählt, die gesamte gesetzgebende, ausführende und richterliche Gewalt in sich vereinigen sollte: die Diktatur der „Masse" also und die Schaffung eines monströsen zentralen Revolutionstribunals. 78 Kurz darauf erschien ein „Manifest" des Arbeiterdeputiertenrats, welches zur Entnahme aller Sparkassenguthaben und Depots, zur Zurückweisung aller papiernen Zahlungsmittel und zu deren Präsentation zur Einlösung aufforderte, da der Staatsbankerott vor der 50
) Abgedruckt in der „Russj" v[ora] 2. Dezember. 79
76 Die in weiten Bereichen b e s t e h e n d e Aktionseinheit zwischen der „ b ü r g e r l i c h e n " und der „ p r o l e t a r i s c h e n " Intelligenz zerfiel nach B e k a n n t w e r d e n des Manifests v o m 17. Oktober 1905 (siehe oben, S. 97, A n m . 53) recht schnell, als Sozialrevolutionäre und Sozialdemokraten d e n e n t s c h e i d e n d e n Schlag g e g e n das zarische Regime führen wollten. Die W e i g e r u n g der Regierung Vitte, bei ihren Verhandlungen mit Repräsentanten d e r Z e m s t v o b e w e g u n g und der Konstitutionellen-Demokraten ein konstitutionelles S y s t e m zu garantieren, bedeutete das faktische Ende ihrer Zusammenarbeit. Vgl. Löwe, Heinz-Dietrich, Die Intelligenz in der Revolution von 1905, in: Forschungen zur Osteuropäischen G e schichte, Band 3 2 , 1 9 8 3 , S. 2 2 9 - 2 5 5 , hier: S. 252ff. 77 Siehe oben, S. 181. 78 Siehe: Proekt o s o z y v e Ucreditel'nago Sobranlja razrabotannyj central'nym bjuro vserossijskago i c e n t r a l ' n y m k o m i t e t o m p e t e r b u r g s k a g o s o j u z a s o j u z o v . Proekt polozenija o s o z y v e ucreditel'nago sobranija, in: Rus', Nr. 33 v o m 30. Nov. 1905, S. 3. W e b e r bezieht sich explizit auf die Artikel 2, 5, 6 und 7. 79 W e b e r bezieht sich auf: Otvet grafa Vitte zemstvu, in: Rus', Nr. 35 v o m 2. Dez. 1905, S.2.
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Türe stehe. 5 1 ) 8 0 Die Regierung antwortete auf diese und einige ähnliche Publikationen mit der Verhaftung des Vorstandes des „Verbandes der Verbände" und aller Redakteure der Zeitungen, welche die Manifeste abdruckten. 81 Der darauf proklamierte Generalstreik 82 kann nur der Anfang des Rückschlags sein. Aber die starke 5 Diskreditierung, welche auf der Demokratie nach solchen Fehlschlägen lasten wird, trifft natürlich nicht nur diejenigen, welche die aussichtslose Kraftprobe inszeniert haben, sondern wirkt auf die Gesamtlage auch der konstitutionellen Bewegung zurück, deren Nichtteilnahme von den Massen der Mißerfolg zugeschoben wird. 10 Innerhalb der städtischen Arbeiterschaft, die auf der anderen Seite ja auch von den christlichsozialen 52 ) und Sozialrevolutionären 51
) Abgedruckt z. B. Russj vom 2. Dezember. 8 3 ) Freilich z . Z . wohl ohne Erfolg. In den Zeitungen (z.B. in Nr. 19 der Russj vom November 1905) wurde ein Aufruf der „Gaponschen Organisationsgruppe" an die „Genossen" zur Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit abgedruckt. 1 Alsbald aber verurteilten die Sozialrevolutionäre Gapon als „Volksverräter und Agenten der Regierung" zum Tode. 2 52
80 Es handelt sich um das sog. „Finanzmanifest" vom 2. Dezember 1905. Außer dem Sovet der Arbeiterdeputierten hatten den Aufruf unterzeichnet: Hauptkomitee des Allrussischen Bauernbundes, Zentralkomitee und Organisationskomitee der RSDRP, Zentralkomitee der Partei der Sozialisten-Revolutionäre und das Zentralkomitee der Polnischen Sozialistischen Partei. 81 Die meisten Zeitungen, die das Finanzmanifest veröffentlicht hatten, wurden daraufhin verboten. Vgl. dazu: Garvy, George, The Financial Manifesto of the St. Petersburg Soviet, 1905, in: IRSH 20, 1975, S. 1 6 - 3 2 . 82 VierTage nach der Veröffentlichung des Finanzmanifestes, am 6. Dezember 1905, rief der Petersburger Sovet zum Generalstreik auf. Vorausgegangen waren die Verhaftungen der Mitglieder des Büros des Bauernkongresses, des Vorsitzenden des Sovet der Arbeiterdeputierten in Petersburg, Chrustalev-Nosar', und am 3. Dezember des gesamten Sovet. Der Streikaufruf wurde in der Nr. 9 der Izvestija vom 11. Dezember 1905 veröffentlicht. Der Moskauer Sovet nahm auf seiner Sitzung am 6, Dezember eine Resolution über den „allgemeinen politischen Streik" an, die in der Nr. 1 der Izvestija des Moskauer Sovet vom 7. Dezember 1905 veröffentlicht wurde. 83 Weber stützt sich auf den Abdruck des Finanzmanifestes unter der Überschrift: Sovet Rabocich Deputatov, in: Rus', Nr. 35 vom 2. Dez. 1905, S. 3f. 1 Gemeint ist der Artikel: Gapon, amnlstija i uspokoenie, in: Rus', Nr. 20 vom 15. Nov. 1905, S.3. 2 Gapon kehrte im Spätherbst 1905 nach längerem Auslandsaufenthalt nach Rußland zurück und nahm Kontakt zu Vitte und später zur zarischen Geheimpolizei, der Ochrana, auf. Er unterhielt gleichzeitig Beziehungen zur Partei der Sozialisten-Revolutionäre (PSR). Eine „offizielle" Verurteilung Gapons von Seiten der Partei läßt sich nicht nachweisen. Sablinsky, Walter, The Road to Bloody Sunday. Father Gapon and the St. Petersburg Massacre of 1905. - Princeton: Princeton University Press 1976, S . 2 9 2 - 3 3 2 (künftig: Sablinsky, Road to Bloody Sunday).
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Anhängern | des äußersten Radikalismus bearbeitet wird, und inner- A 292 (64) halb der Gruppe der „freien Berufe" sind also die Chancen der bürgerlichen Demokratie im Falle eines demokratischen Wahlrechts wohl auch nach ihrer eigenen Meinung äußerst problematisch, ob5 wohl ihr Programm alle Forderungen der westeuropäischen radikaEr selbst ist z. Z. im Ausland. Die Versammlungen seiner Parteigenossen werden von der Polizei auf der einen Seite, von den „korrekten" Sozialdemokraten auf der anderen Seite gesprengt. - G[apon]s Beurteilung pflegt auch im Ausland eine ungünstige zu sein, - mit immerhin zweifelhaftem Recht, soweit sein Charakter in Frage kommt. Jedenfalls wurde die Ansicht der Sozialrevolutionäre, wie die sozialistische Presse zeigte, trotz bitterer Feindschaft nicht allseitig geteilt. D a ß er von der Autokratie mißbraucht worden ist, scheint kaum fraglich. Daß er aber seinerseits andere als aufrichtig „christlich-soziale" Ziele verfolgte, ist durch|aus nicht nachgewiesen. Man denke an den Schaden, welchen so A 292 (64) manche „königstreue" Ideologen christlich-sozialer Färbung bei uns der Arbeiterbewegung zugefügt haben. 3 - E r selbst scheint - wie in ähnlichen Fällen sehr oft - keine sehr feste Ansicht zu haben. Gleichwohl hat er der Einigung der revolutionären Parteien Dienste geleistet. Der Versuch Gapons, nach den Januarvorgängen die Vertreter der Sozialrevolutionäre und Sozialdemokraten der verschiedenen russischen Gebietsteile zu einer Einigung zu bringen, 4 hat s.Z. - nachdem sich die orthodoxe Sozialdemokratie der Teilnahme versagt hatte 5 - die Einigung einer erheblichen Anzahl von Sozialrevolutionären Gruppen: Russische] Sozialrevolutionäre Partei, Polnische Sozialisten, Grusische Partei der Sozialistisch-Föderalistischen Revolutionäre, Lettischer Sozialdemokratischer Bund, Weißrussische Sozialistische Gromada, Armenische Revolutionäre Föderation, Finländische Partei des aktiven Widerstandes, auf einen Aufruf gezeitigt, welcher den bewaffneten Aufstand mit dem Ziele der Einberufung einer Konstituante in Rußland, Polen, Finnland verlangte. 6 Die Ljeninsche Gruppe, der „Bund", die Lettische Sozialdemokratische Arbeiterpartei und die Armenische Sozialdemokratische Organisation ver-
3 A n s p i e l u n g auf die christlich-soziale Arbeiterpartei (später C h r i s t l i c h - s o z i a l e Partei) unter Adolf S t o e c k e r , die 1878 mit d e m Ziel g e g r ü n d e t wurde, die Arbeiterschaft v o n der S o z i a l d e m o k r a t i e fernzuhalten. 4 V o m A u s l a n d aus g r ü n d e t e G a p o n im J a n u a r 1905 ein „ R e v o l u t i o n ä r e s K a m p f k o m i t e e " und rief z u einer E i n i g u n g s k o n f e r e n z aller revolutionären Parteien auf. Der Aufruf e r s c h i e n u.a. in: O s v o b o z d e n i e , N r . 6 7 v o m 5.(18.) M ä r z 1905, S . 2 7 8 , unter d e m Titel: Otkrytoe p i s ' m o k s o c i a l i s t i c e s k i m partijam R o s s i i (dat. v o m 7. Februar); d e u t s c h in: Vorwärts, Nr. 7 3 v o m 26. März 1905. 5 Die v o n G a p o n Initiierte E i n i g u n g s k o n f e r e n z aller revolutionären Partelen, die ein g e m e i n s a m e s V o r g e h e n verwirklichen sollte, fand am 3. April 1 9 0 5 In G e n f statt. Die meisten s o z i a l i s t i s c h e n Parteien folgten der Einladung nur w i d e r s t r e b e n d und v e r l i e ß e n die K o n f e renz bald wieder. Z u r Haltung der M e n ' s e v i k i vgl. Social-demokratija I b u r z u a z n o - r e v o l j u cionnyja partii, in: Iskra, Nr. 98 v o m 23. Apr. 1905, S. 2f., s o w i e Sablinsky, R o a d to B l o o d y S u n d a y , S . 2 6 9 f . (wie oben, S . 184, A n m . 2). Die R e s o l u t i o n e n der G e n f e r K o n f e r e n z in: Revoljucionnaja Rossija, Nr. 6 5 v o m 25. April 1905, und Vorwärts, Nr. 100 v o m 29. April 1905. 6 D e r Aufruf G a p o n s ist veröffentlicht in: O s v o b o z d e n i e , Nr. 67 v o m 5.(18.) März 1905, S . 2 7 8 . In ihm w u r d e z w a r der bewaffnete A u f s t a n d und eine V e r f a s s u n g g e b e n d e V e r s a m m l u n g auf der G r u n d l a g e d e s a l l g e m e i n e n , freien, g l e i c h e n und g e h e i m e n W a h l r e c h t s gefordert, j e d o c h sind P o l e n und Finnland nicht e i g e n s genannt.
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len Sozialreformer enthält. 53 ) Was andererseits die dünne Schicht der eigentlichen „Bourgeoisie" anlangt, so sind die Fabrikanten - die alten Träger des Nationalismus, wie sie uns v. Schulze-Gävernitz geschildert hat7 - ganz naturgemäß unter den Verhältnissen der letzten Jahre, wo die Plehwesche Regierung die Arbeiter zu gewin- 5 nen und gegen die „Intelligenz" auszuspielen suchte:8 - die elf Baracken, welche die Mittelpunkte der Gaponschen Bewegung bildeten, waren ja auf Regierungskosten gebaut, 9 - zum Teil den Liberalen und selbst den Demokraten sehr nahe gerückt. 533 ) Indessen in der konstitutionell-demokratischen Partei vermißt man doch alle 10 bekannteren Namen aus ihrer Mitte. Der Semstwo-Bewegung standen sie, wie wir sahen, 10 ablehnend gegenüber, und das Programm ließen die Konferenz, weil der Vertreter des Lettischen Sozialdemokratischen Bundes nicht von der Teilnahme ausgeschlossen wurde. 1 1 - Eine Darstellung der Geschichte und Eigenart dieser Organisationen wird hoffentlich in absehbarer Zeit von berufener Seite erfolgen. 1 2 53 ) Zwangsversicherung, Zwangsschiedsgerichte, Achtstundentag (als Prinzip) etc. 1 3 53a ) Die größten Petersburger Firmen erklärten dem Ministerium am 31. Januar a. St. in einer Eingabe, daß nur „gründliche Reformen allgemeinpolitischen Charakters", nicht aber administrative Einmischung in das Arbeitsverhältnis, die Arbeiter „auf den Weg des Gesetzes" zurückbringen könnten. Ebenso die Moskauer Großindustrie (Prawo S. 588). 1 4 |
7 Vgl. Schulze-Gävernitz, Volkswirtschaftliche Studien, S. 173ff. und 197f., sowie ders., Nationalismus in Rußland. 8 Gemeint sind offensichtlich die Versuche des Leiters der zarischen Gehelmpolizei, S. V.Zubatov, in den Jahren von 1900-1903 die Arbeiterschaft durch staatlich gelenkte Maßnahmen zu beeinflussen und zu organisieren. Diese Unternehmungen, als Zubatovscina bezeichnet, fanden anfangs die Billigung des Innenministers V. K. Pleve, der nach Streiksund Unruhen Im Jahre 1903 diesen „Polizeisozialismus" beendete. 9 Vermutlich bezieht Weber sich auf die Geldzuwendung von Seiten der Ochrana (der zarischen Geheimpolizei) für den Bau des Klubhauses der Gaponschen Organisation im St. Petersburger Vyborg-Distrikt. 10 Siehe oben, S. 106. 11 Der Lettische Sozialdemokratische Bund galt bei den genannten Organisationen als „fiktive" Gruppierung der Partei der Sozialisten-Revolutionäre. Sie verließen deshalb die Konferenz sofort wieder. Vgl. dazu Geyer, Dietrich, Die russische Partelspaltung im Urteil der deutschen Sozialdemokratie 1903-05, in: IRSH 3, 1958, S. 4 1 8 - 4 4 4 , hier: S.436. Iskra, Nr. 98 vom 23. April 1905, S. 4. 12 Ein solcher Artikel Ist nicht im AfSS erschienen. 13 Weber bezieht sich hier auf Abschnitt VII, Paragraphen 4 1 - 4 9 : Arbeitsgesetzgebung, des Programms der Kadetten. Programma konstitucionno-demokraticeskoj partil, S. 3430f. Deutsche Übersetzung bei Scheibert, Partelen, S. 66f. 14 Dokladnaja Zapiska gruppy fabrlkantov i zavodcikov central'nago rajona, S. 5 8 8 - 5 9 3 ; Dokladnaja zapiska s.-peterburgskich zavodcikov, S. 4 3 0 - 4 3 4 .
Die Intelligencija
und die bürgerlichen
Parteien
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des antiprotektionistischen „Befreiungsbundes" vollends konnte für sie nichts Anziehendes haben. Sozialpolitisch verhielt sich wohl die Masse ihrer Vertreter auch zu | Anfang 1905 wesentlich reaktionär A 293 (65) und hoffte auf Repression, - immerhin keineswegs einheitlich. Es finden sich nicht wenige Eingaben von Fabrikanten für Gewährung des Koalitionsrechtes. 53b ) Politisch scheinen sie jetzt sehr vielfach der später zu erwähnenden 15 „Partei der Rechtsordnung" 16 oder dem dieser nahestehenden „Bunde des 17. Oktober" 17 anzugehören. Immerhin sind sie nach den gemachten Erfahrungen nicht ohne weiteres für die Regierung gegen die Liberalen und für die Reaktion verfügbar. Als in einer Versammlung des1 „Verbandes der Händler und Industriellen" in Petersburg ein Vertreter der „Rechtsordnungspartei", Philin, zum Anschluß an die Regierung im Kampfe gegen den „Arbeiterdeputiertenrat" aufforderte, lehnten andere Redner dies scharf ab: die „Gesellschaft" müsse den Kampf allein führen. Suche der Verband jetzt Schutz bei der Regierung, so werde der Tag kommen, wo andere gegen ihn ebendort und mit demselben Erfolge Schutz suchen würden. 54 ) Das Kleinbürgertum endlich, dessen voraussichtliche Haltung, wie immer, am undurchsichtigsten ist, wird durch seine Judenfeindschaft doch wohl überwiegend am Anschluß an die Liberalen behindert sein, - darauf läßt seine immerhin starke Beteiligung an der Bewegung der „Schwarzen Banden" schließen. Freilich ist nicht zu 53b 54
) So aus Warschau (Prawo Nr. 7 S. 505), Moskau (das. Nr. 8 S. 590) 18 und sonst. ) Russj vom 1./14. Dezember. 1 9
I A: der
15 Siehe unten, S.259f. 16 Siehe oben, S. 109, Anm.17. 17 Der „Bund des 17. Oktober" (Sojuz 17 oktjabrja) wurde am 10. November 1905 als Vertretung des rechtsliberalen Adels von Zemstvomitglledern und von Teilen der Moskauer Handels- und Industrieführung gegründet. Zur Grundlage nahm die Partei das Manifest des Zaren vom 17. Oktober 1905, das die Einsetzung einer Duma sowie andere Freiheiten gewährte. Das Parteiprogramm In: Sbornik programm politiceskich partij v Rossii, Vyp.ll. - S.-Peterburg: Nasa Zizn' 1906, S.42-56 (künftig: Sbornik programm). Deutsche Übersetzung bei Schelbert, Parteien, S. 69-77. 18 Zapiska varsavskich zavodcikov, S.504, und Dokladnaja zaplska zavodcikov i fabrikantov central'nago rajona, S. 588-593. 19 Dies bezieht sich vermutlich auf einen Bericht in: Rus', Nr. 33 vom 30. Nov. 1905, S. 3, Sp.5.
A 293 (65)
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Zur Lage der bürgerlichen
Demokratie
vergessen, daß in den Großstädten und in einigen „verdächtigen" anderen Orten 55 ) die gegenwärtige Organisation der Polizeispionage, die z. B. in allen Häusern einen mit der Kontrolle der Bewohner betrauten Hausmeister (Dwornik) verlangt, den Hausbesitzern solche Verantwortlichkeiten und auch Kosten56) auferlegt, und daß 5 überall der Paßzwang, die „administrative" - d.h. der Rechtsform entbehrende - Verschickung und die mangelnde Sicherheit der Wohnung vor jederzeitiger, mit Vorliebe nächtlicher, Durchsuchung ein solches Maß grenzenlos gehaßter Abhängigkeit von bestechlichen und willkürlichen Subalternen schafft, daß für die nächsten Jahre der 10 Protest hiergegen wohl stärker sein wird als alle anderen Rücksichten. Mit einem System, welches dies Mittel benötigt, ist ein dauerndes Kompromiß faktisch unmöglich geworden. Aber die für die Zukunft nicht nur der konstitutionell-demokratischen Bewegung, sondern, was wichtiger ist, ihrer fundamentalen 15 Programmpunkte und darüber hinaus für die Chancen einer, im westeuropäischen Sinn, freiheitlichen „Entwickelung" entscheidenA 294 (66) de Frage ist und bleibt | doch die Stellung der Bauern. Sie bleibt es auch dann, wenn ein Zensuswahlrecht den Liberalen die Mehrheit geben sollte: dann hätte, falls die Bauern reaktionär sind, eine reak- 20 tionäre Regierung sie jederzeit als Rute für eine widersetzliche Duma zur Verfügung. Tatsächlich ist denn auch das Programm der bürgerlichen Demokratie ganz wesentlich auf die Bauern zugespitzt, gerade den Bauern möchte auch Peter Struve durch die Gewöhnung nicht nur an „Recht" im objektiven^] sondern an „Rechte" im sub- 25 jektiven Sinne, d.h. bei ihm: an die „Menschenrechte" des englischen Individualismus, zur „Persönlichkeit" machen.56®)20 Mit dem 55
) Odessa, Charkow, Wilnaz.B. ) Ein Dwornik (oft eine größere Zahl) ist freilich in den großen Mietshäusern schon für das Schleppen des Heizholzes usw. unentbehrlich. Versammlungen des Verbandes der Dworniks in den Hauptstädten protestieren jetzt gegen die Übernahme jener Polizeifunktionen. 21 | 56a A 294 (66) ) Mit dieser Forderung giebt er auch den gemeinsamen Grundgedanken zahlreicher Erklärungen aus den Semstwokreisen an Wittes „besondere Kommission" wieder. 2 2 Die 56
20 Préface de Pierre Struve, in: Loi fondamentale, S. XI11f. 21 Meldungen über Versammlungen der Dvorniks vom 20. November 1905, in: Novaja Zizn', Nr. 19 vom 23. Nov. 1905, S. 23f„ und Pravo, Nr. 47 vom 27. Nov. 1905, S. 3825f. 22 Siehe dazu Veselovskij, Istorija Zemstva, tom 3, S. 559f. (wie oben, S. 99, Anm. 68).
Die
Agrarfrage
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größten Nachdruck wird immer wieder betont, daß im Zentrum aller Fragen die Agrarreform stehe, daß die politischen Reformen wesentlich ihr und sie wieder der politischen Reform zugute kommen werde und müsse. Aber freilich: damit ist noch nicht gesagt, daß die 5 Bauern selbst demokratisch sein werden. Peter Struve und ebenso die Verfasser des Entwurfs23 verlassen sich in dieser Hinsicht wesentlich auf die ökonomischen Interessen der Bauern, deren Forderungen in dieser Hinsicht eine reaktionäre Regierung gar nicht befriedigen könne. Man fragt also, welches denn jene Forderungen der 10 Bauern selbst und welches diejenigen der demokratischen Agrarreformer in deren Interesse sind. - Schon die Februar-Versammlung der Semstwos hatte sich mit der Agrarfrage befaßt und dabei das seitdem für die liberale Agrarreform charakteristisch gebliebene Schlagwort von der „Vervollständigung" (dopolnjenije) des bäuerli15 chen Landanteils (nadjel) ausgegeben, alles weitere aber einer Spezialberatung vorbehalten. 56b ) 24 - Das Programm des „Befreiungsbundes" vom März 190525 stellte alsdann folgende unter agrarpolitischen Gesichtspunkten erhebliche Forderungen auf: 1. Abschaffung der Loskaufszahlungen der Bauern (inzwischen von der Regierung -
Forderung der „Menschenrechte" für den Bauern bildete ebenso Punkt VI, Nr. 1 der Resolutionen der früher erwähnten 2 6 Schipowschen Semstwokonferenz von 1902. 2 7 56b ) Auch hier bleibt die Vorgeschichte außer Betracht. Auf die Formulierung des Agrarprogramms hatten Darlegungen Bulgakows im ,,Osswob[oshdjenije]" erheblichen Einfluß. 2 8
2 3 Vgl. oben, S. 109, Anm. 15 und 16. 2 4 Siehe dazu die bei Belokonskij, I. P., Zemskoe dvizenie, 2-oe izd. — Moskva: Zadruga 1914, S.272f. (künftig: Belokonskij, Zemskoe dvizenie), dargelegte Position derZemstva zur Agrarfrage vom Februar 1905, sowie: Zemskij Glasnik (Pseudonym für: Pavel N. Miljukov), Fevral'skij Zemskij s-ezd, in: Osvobozdenie, Nr.69/70 vom 7.(20.) März 1905, S.308. 2 5 Vgl. oben, S. 148. 26 Siehe oben, S. 99. 27 Vgl. oben, S. 99, Anm. 66. Die entsprechenden Passagen des Punktes 1 der Resolution lauten: „Es Ist nötig, die rechtliche Lage der Bauern zu sichern: a) durch die Gleichstellung der persönlichen Rechte mit den Personen der anderen Schichten." Osvobozdenie, Nr. 5 vom 19. Aug. (1. Sept.) 1902, S.65f. 28 Unter dem Pseudonym L. veröffentlichte Bulgakov Im Osvobozdenie, Nr. 9 vom 19. Okt. 1903, S. 153-158 den Artikel: K agrarnomu voprosu.
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Demokratie
zur Hälfte für 1906, ganz für 1907 - beschlossen, 57 ) 29 - 2. AusstatA 295 (67) tung der landlosen und mit ungenügendem | Landanteil versehenen Bauern mit Land durch Aufteilung der Domänen-, Apanagen- und Schatullgüter und, in Ermangelung solcher, durch Expropriation privater Grundbesitzer, - 3. Bildung eines staatlichen Landfonds 5 behufs planmäßiger innerer Kolonisation, - 4. Reform des Pachtrechtes, derart, daß dem Pächter die Meliorationen gesichert werden, und Schiedsgerichte „zur Regulierung der Pachtzahlungen im Interesse der Arbeitenden" und für Streitigkeiten zwischen ihm und dem Verpächter. - 5. Ausdehnung der Arbeitergesetzgebung auf die 10 Landarbeiter „nach Maßgabe der Grundbedingungen der Landwirtschaft". - Dazu treten folgende weitere offensichtlich „physiokratisch" gefärbte m Programmpunkte: stufenweise Abschaffung der indirekten Besteuerung und Entwickelung der direkten Steuern auf Grundlage der progressiven Einkommensteuer, 573 ) Abschaffung der 15 protektionistischen Begünstigung einzelner Unternehmer unter 57 ) Man hat gelegentlich darauf hingewiesen, daß die Höhe dieser Zahlungen, pro Kopf berechnet, nicht die Ausgaben pro Kopf für Branntwein übersteigen. 3 0 Allein der Druck liegt bekanntlich darin, daß sie, und zwar sehr stark, progressiv „nach unten" sind, d. h. die erste Dessjätine Land bei der Ablösung mit der höchsten Rente belastet wurde. Diese Bestimmungen waren ein Interessenkompromiß zwischen den Gutsbsitzern der „schwarzen Erde", welche die Bauern ohne Land eventuell selbst gratis freigeben, und den A 295 (67) Gutsbesitzern des mageren Zentrums, welche | von dem gewerblichen Arbeitsverdienst ihrer auf „Obrok" gesetzten Leibeignen lebten und das Land, nicht aber die Personen, eventuell gratis hergeben wollten. 57a ) Das Programm der konstitutionellen Demokraten (Punkt 30-35) fordert Entwicklung der direkten Steuern (progressive Einkommens-, Vermögens-, Erbschaftssteuer) auf Kosten der indirekten unter Beseitigung der Besteuerung und Bezollung der Massenkonsumartikel. 31 |
m A: gefärbten 2 9 Durch Ukaz und Manifest vom 3. November 1905 wurden die noch ausstehenden Ablösezahlungen ab 1. Januar 1906 um die Hälfte ermäßigt und ab 1. Januar 1907 völlig erlassen. PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 26871 und 26872. 3 0 Eine solche Berechnung läßt sich nicht nachweisen. Nach offiziellen Angaben beliefen sich die Ausgaben für Branntwein je nach Gouvernement auf 2,77 Rbl. pro Kopf für das Jahr 1899. Nach Berechnungen aus dem Jahre 1902 betrug das Budget einer sechsköpfigen Bauernfamilie 39 Rbl. für Branntwein und 15 Rbl. für alle staatlichen Abgaben (Steuern, Ablösezahlungen etc.). Vgl. dazu Annensklj, N. F., Obscija tecenlja flnansovoj politiki gosudarstva, in: Nuzdyderevnl II, S. 5 5 2 - 6 5 6 , hier: S. 594. 31 Abschnitt V des Programms der Konstltutlonellen-Demokraten: Finanz- und Wirtschaftspolitik. Programma konstituclonno-demokratlceskoj partii, S.3429. Deutsche Übersetzung bei Schelbert, Partelen, S. 65.
Die Agrarfrage
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gleichzeitigem „kräftigen Schutz der Entwickelung der Produktivkräfte des Volkes": eine stufenweise Herabsetzung der Zölle werdeso wird gesagt - „der Verbesserung der Lage der Landwirtschaft, ebenso aber der Blüte der Industrie zugute kommen". 32 Die völlige Abschaffung der indirekten Steuern lehnte Peter Struve in einer Kritik des Entwurfes wegen ihrer budgetmäßigen Bedeutung als ein „redaktionelles Versehen" ab. 33 Indessen scheint gerade dieser Punkt bei denjenigen Landwirten, welche einer liberalen Führung eventuell folgen würden, populär zu sein. Eine den Eindruck der „Echtheit" machende Eingabe von 56 „schreibkundigen" und 84 analphabetischen „bürgerlichen" Landwirten des Kreises Cherson z.B. forderte ebenfalls die Abschaffung der Abgaben auf Tee, Zukker, Maschinen und Streichhölzer", 34 ebenso andere ähnliche unzweifelhaft bäuerliche Petitionen, die man in Massen in Zeitungen und Zeitschriften wiedergegeben finden kann. Daß die progressive Einkommensteuer heute in Rußland finanzeil keinen Ersatz für Finanzzölle und Verbrauchsabgaben liefern würde, liegt, - um wenigstens dies zu bemerken - auf der Hand: es fehlen, von den ökonomischen abgesehen, vorerst auch die moralischen Voraussetzungen einer wirklich wirksamen derartigen Besteuerung, die heute bekanntlich aus dem gleichen Grunde selbst in den Vereinigten Staaten unmöglich ist. Es bleibt auch durchaus dunkel, mit welchen Geldmitteln die gewaltigen Reformen, welche hier verlangt wurden, bei einem derartigen Finanzprogramm durchgeführt werden sollten. Doch, kommen wir zu jenen Reformen selbst zurück. | Es muß deutschen Lesern zunächst aufgefallen sein, daß hier mit A 296 (68) keinem Wort des charakteristischen Institutes der russischen Agrarverfassung, der Obschtschina (Mir) gedacht ist. Nun besteht die gegenwärtige Bauernfrage freilich ganz und gar nicht etwa nur in den Gegenden mit Feldgemeinschaft, 57b ) d.h. im Zentrum und in den 57b ) Unter „Feldgemeinschaft" ist hier stets jenes System (der sog. „strengen F[eld]- A 296 (68) Gemeinschaft]") verstanden, bei welchem der Einzelne seinen Anteil (Ackerland etc.) nicht von der Familie erbt, sondern von der Gemeinde (durch Umteilung) zugewiesen erhält. |
n A: Streichhölzern 32 Programms Sojuza Osvobozdenija, S. 306. 33 Struve, K Programme, S. 307. 34 Weber stützt sich wahrscheinlich auf den Abdruck dieser Eingabe: Dve agrarnyja programmy, in: Osvobozdenie, Nr. 69/70 vom 7.(20.) Mai 1905, S. 328-331.
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östlichen Schwarzerdegebieten und allem, was davon nördlich und nordöstlich liegt. Im Gegenteil: sie durchzieht das ganze weite Reich von der Ostsee bis in die Steppe und ist in einigen Gebieten Kleinrußlands ebenso brennend, wie etwa im Moskauer Gebiet. Aber allerdings sind die agrarpolitischen Probleme des zur Hegemonie berufenen großrussischen Stammes sämtlich mit der Feldgemeinschaft direkt oder indirekt verknüpft und umfaßt ihr Ausbreitungsgebiet ebenso die kompakteste Masse der Bauern wie die hauptsächlichsten Verbreitungsgebiete chronischen Massenelends. Vor allem aber ist ihr „ideelles" Verbreitungsgebiet ein durchaus universelles: die ganze sozialpolitische Parteibildung Rußlands ist mit dem seit Jahrzehnten leidenschaftlich umstrittenen Problem ihres weiteren Schicksals aufs engste verknüpft, sie beschäftigt die Phantasie der Massen ebenso wie der Sozialpolitiker aller Schattierungen und bestimmt ihr Empfinden entschieden weit über das Maß ihrer unmittelbaren realen Bedeutung hinaus. Eben dies gibt freilich wohl auch Aufschluß über einen der Gründe, aus welchen das Programm der Liberalen von ihr schweigt. Es unterliegt keinem Zweifel, daß darin auch eine Konzession, auf der einen Seite an politisch liberal gewordene Slawophile 0 und „Volkstümler", auf der anderen an die Sozialisten, Sozialrevolutionäre und Bodenreformer liegt, welche alle aus entgegengesetzten Gründen einem p ausdrücklichen Angriff auf die Feldgemeinschaft nicht zustimmen könnten, während andererseits die spezifischen ökonomisch Liberalen, zumal gerade solche Individualisten, die, wie Struve, eine streng marxistische Schule durchgemacht haben, eine Anknüpfung agrarpolitischer Reformvorschläge an sie als „utopisch" bekämpfen müßten. 3 5 Im übrigen erklärt sich dieses Schweigen aber natürlich daraus, daß die gesetzgeberische Behandlung dieses Problems, in welcher Richtung immer sie erfolgen mag, ein Jahrzehnt in Anspruch nehmen muß und daß für praktische Politiker heute sehr viel dringlichere agrarpolitische Aufgaben im Vordergrund stehen. Immerhin muß schon der erste Schritt einer irgendwie großzügigen Agrarpolitik mit der Feldgemeinschaft zusammenstoßen. Deshalb und bei dem erwähnten prinzipiellen Interesse, welches die Frage bietet, sei es gestattet, die Stellungnahme der Parteien zu ihr hier wesentlich O A: Slawophilen
p A: einen
35 Vgl. oben, S.95, Anm.39.
Die
Agrarfrage
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stärker in den Mittelpunkt zu rücken, als dies, ganz natürlicherweise, im Augenblick in Rußland geschieht. | Eine von Prof. M. Hertzenstein, Prof. A. Manuilow, Fürst Peter A 297 (69) Dolgorukow unterzeichnete Einladung zu einem Kongreß über die Agrarfrage auf den 30. April 1905 nach Moskau stellte u. a. folgende Vorschläge zur Diskussion auf demselben: 1. Zwangsenteignung von privatem Gutsland und Verwendung aller Domänen und eines Teiles der Apanagen-, Schatull- und Klostergüter als „Landfonds" zur Vermehrung des Besitzes der mit geringen Anteilen, insbesondere dem sog. „Bettellandanteil", ausgestatteten Bauern, 2. staatliche Regulierung der Pachtbedingungen, 3. staatlich organisierte mit Staatskredit und durch Korporationsbildung unterstützte Um- und Auseinandersiedelung und 4. gründliche Umgestaltung der Landvermessungs- und Feldbereinigungsgesetzgebung. 36 Die Resolutionen dieses Agrar-Kongresses, 58 ) an welchem auch einige der jüngeren russischen Agrarstatistiker: Tschuprow, Kaufmann u. a., teilnahmen, forderten 3 7 : Maßregeln für ein „Landarrangement" zugunsten aller Schichten der landlosen Bevölkerung, welche (auch als Pächter) einen selbständigen Landwirtschaftsbetrieb führen (Punkt 6). Und zwar sei nur durch Ergänzung des heutigen Landanteils der Bauern eine bauernfreundliche Agrarpolitik möglich. Das Land, welches diesem Anteil zuzufügen sei, solle nicht nur aus dem Domänenareal, sondern auch aus Teilen des Apanagen- und Klosterguts und des privaten Grundbesitzes genommen werden. Denn wegen der ungenügenden Quantität des zu einer Umsiedelung 58 ) Leider fehlen mir gerade hier wieder die gleichzeitigen Zeitungsberichte oder ande- A 297 (69) res authentische Material und war dies auch aus Rußland zurzeit nicht rechtzeitig zu beschaffen. Die programmatischen Ansichten der Referenten sind in dem von Fürst P. Dolgorukow und J. J. Petrunkjewitsch herausgegebenen Sammelwerk „Agrarnyj Wopross" niedergelegt, welches ich in späteren Heften, - wenn ich es erhalten habe, - zu besprechen hoffe. 3 8 -
36 G e m e i n t ist das Agrarprogramm, das auf d e m Z e m s t v o - K o n g r e ß am 24. und 25. Februar 1905 a n g e n o m m e n wurde. Dieses diente als Grundlage für die Beratungen des Agrarkongresses, der am 28. und 29. (nicht am 30.) April in Moskau zusammentrat. Siehe: Agrarnyj vopros 1 , S. Vif. 37 Für diese Resolution siehe Agrarnyj vopros 1 . Dieser S a m m e l b a n d enthielt n e b e n Artikeln über die Agrarfrage In Rußland auch das Protokoll des K o n g r e s s e s v o m 28. und 29. April einschließlich der Resolution. Agrarnyj vopros 1 , S. 2 9 9 - 3 5 4 . 38 Die von W e b e r in Aussicht gestellte B e s p r e c h u n g ist nicht erschienen.
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großen Stils überhaupt zur Verfügung stehenden Landes (Punkt 3) 5 9 ) 3 9 seien nur durch den Ankauf eines Teiles der Privatbesitzungen „fühlbare Resultate" zu gewinnen (Punkt 7). Demgemäß solle das erforderliche Privatland vom Staat gekauft und dem staatlichen Landfonds zugeschrieben werden, um dann vom Staat an die Bauern 5 „auf der festzustellenden Grundlage" abgegeben zu werden (Punkt 8). 59a ) Denn die Tätigkeit der gegenwärtig bestehenden, von der A298 (70) Regierung | geschaffenen „Bauernbank",40 - welche dem Zweck dient, den Übergang von Gutsland in die Hände der Bauern durch Kauf zu vermitteln^] und deren Befugnisse soeben (November) wie- 10 der erweitert worden sind,41 - führe, schon wegen ihres „kommerziellen" Charakters, nur zur spekulativen Steigerung der Bodenpreise (Punkt 5), eine „allgemeine Bodenverstaatlichung" aber sei „zur-
59 ) Diese Desillusionierung bezüglich der Chancen einer Massenkolonisation in Sibirien oder dem Südosten ist im wesentlichen das Verdienst der Arbeiten A . Kaufmanns. 4 2 Er weist, im Jeshenjedjelnyj Shurnal dlja wssjech, 1905 Nr. 10 daraufhin, daß die Illusionen in dieser Beziehung bei vielen Liberalen noch Anfang 1905 bestanden haben. 4 3 59a ) Hierzu ist zu bemerken, daß die Vorschläge der Referenten einen unveräußerlichen staatlichen Landfond schaffen wollten, der also nur der Nutzung nach an die Bauern abgegeben werden sollte: also wenigstens partielle dauernde Bodenverstaatlichung. Der Kongreß lehnte dies ab. 4 4 |
3 9 Gemeint ist Punkt 4, nicht Punkt 3 der Resolution. Ebd., S.353f. 4 0 Die Bauernbank (Krest'janskij Pozemel'nyj Bank), durch Gesetz vom 18. Mai 1882 gegründet, verfolgte das Ziel, den Bauern, einzeln oder in Gruppen, durch Gewährung günstiger Kredite Landerwerb zu erleichtern. Die Darlehen, die bis zur Höhe von 75% des Bodenwertes gewährt werden durften, hatten eine Laufzeit von 241/2 oder 341/2 Jahren; der Zinssatz betrug 2%%. PSZRI, 3-e sobr., tom 2, Nr. 894. 41 Durch den Ukaz vom 3. November 1905 wurde die Bauernbank ermächtigt, unter Zuhilfenahme von Staatskrediten vermehrt Güter zur Weiterveräußerung an die Bauern anzukaufen. PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 26873. 4 2 Vgl. u.a. Kaufman, Pereselenie i ego rol' v agrarnoj Programme, sowie seine in deutscher Sprache erschienenen Arbeiten: Kaufmann, Beiträge; Kaufmann, Das russische Übersiedlungs- und Kolonisationsgesetz. 4 3 Kaufman, Pereselenie. Mecty i dejstvitel'nost', S. 637f. 4 4 Dem ursprünglichen Vorschlag, einen staatlichen Landfonds zu schaffen, wurde nicht zugestimmt, da dies zu nahe an dem Gedanken einer Nationalisierung des Bodens liege. Siehe Agrarnyj vopros', S. 327 bzw. S. 333.
Die
Agrarfrage
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zeit" eine Utopie (Punkt 3). 45 - Als quantitatives Ziel stellte, soweit aus der Zeitungspolemik einigermaßen Zuverlässiges zu entnehmen ist, Tschuprow als Referent die Zuteilung eines „Nadjels" an die einzelnen Bauernfamilien auf, 46 welcher dem Umfang des im Manifest von 186147 versprochenen gleich komme: er dachte also die neue Bodenteilung historisch als Fortsetzung und Durchführung der unvollendeten Agrarreform des „Zar-Befreiers" 48 zu motivieren, - was in der Tat ja den Vorstellungen der Bauern entgegenkäme, die nach wie vor der Meinung sind, daß sie um das vom Zaren Versprochene durch Beamte und Gutsbesitzer betrogen seien. Zugleich aber dachte er sie auf diese Weise auch zu begrenzen. Denn unter dem „Ukasnyj Nadjel" 49 verstand Tschuprow, - wie aus der Zeitungspolemik wenigstens mit ziemlicher Sicherheit hervorzugehen scheint, 50 - den bäuerlichen Maximalanteil der Befreiungsgesetzgebung, welcher in je nach den Rayons verschiedener Größe von 3/2-8 Dessjätinen (3,8-8,7 ha) festgestellt war. Als Minimum des bei der Enteignung den Gutsbesitzern zu belassenen Landes sah er, auf der anderen Seite, ein Drittel ihres heutigen Besitzstandes an. 51 Wie man sieht: ein Kompromißvorschlag mit einer notwendigerweise, und auch nach seinem eigenen Zugeständnis, willkürlichen Grenzziehung. Wie sich dies Programm der „dopolnjenije" zu der sozialistischen Forderung der „obrjeski" quantitativ verhalten würde, kann ich zurzeit nicht angeben. Bei der ziemlich erheblichen Verschuldung 4 5 Weber bezieht sich hierauf die Punkte fünf und drei der in Agrarnyj vopros 1 , S. 353f., abgedruckten Resolution. In Punkt fünf hieß es, daß die Bauernbank aufgrund ihrer gegenwärtigen Organisation als kommerzielle Institution nur zur Bodenspekulation und zum übermäßigen Ansteigen der Kaufpreise für Land beitrage. In Punkt drei stand: „Die aus der ökonomischen Literatur bekannten Projekte der Nationalisierung des Bodens (Henry George u.a.) können In der gegenwärtigen Zeit nicht als praktisches Programm für eine Agrarpolitik In Rußland dienen." 4 6 Cuprov, K voprosu o dopolnitel'nom nadelenil, S. 2 2 5 - 2 4 7 . Cuprov vertrat die Forderung, den Landanteil (nadel) der wenig Land besitzenden Bauernfamilien bis zur Höhe einer bestimmten Subsistenznorm zu ergänzen. 47 Gemeint sind Manifest und Statut vom 19. Februar 1861 über die Bauernbefreiung. Die Norm der Landzuteilung differierte je nach Vegetationszone und Bodenqualität, zudem gab es zahlreiche Sonderbestimmungen für einzelne Landesteile und Bevölkerungsgruppen. Manifest und Statut in PSZRI, 2-oe sobr., tom 36, Nr. 36656 und 36657. 48 Gemeint ist Zar Alexander II., der 1861 die Bauernbefreiung durchführte. 4 9 Als „ukaznyj nadel" wurde der durch das Statut vom Februar 1861 pro „Seele" festgesetzte Landanteil bezeichnet. 5 0 Siehe dazu etwa den Artikel von Kaufman, K voprosu o dopolnitel'nom nadelenii, S. 13. 51 Cuprov, K voprosu o dopolnitel'nom nadelenii, S. 225.
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des adligen Grundbesitzes (über VA Milliarden) nahm man an, daß eine starke Verminderung des effektiven Aktivvermögens der bestehenden Grundeigentümerklasse durch jene Operation eigentlich nicht herbeigeführt werden würde. Nach den von Tschuprow vorgelegten Berechnungen würde, - wenn die Wiedergabe der Zahlen richtig ist, - die Durchführung seines Vorschlags von insgesamt 160 von ihm durchgerechneten Kreisen in 50 die Wegnahme von weniger als lA, in 80 von Vi bis zu Vi, in 26 von mehr als % allen Privatlandes bedeuten, in 4 Kreisen würde selbst damit der Bedarf nicht gedeckt, hier also eine staatlich geleitete Umsiedelung unbedingt nötig sein, welche also in zusammen 30 Kreisen dann nötig würde, wenn man seinen Vorschlag, den Gutsbesitzern ein Drittel des Landes zu lassen, festhält. 52 Die radikalen Mitglieder des Kongresses hatten den Maßstab des 1861 versprochenen Anteils nicht gelten lassen wollen, sondern gemäß der alten populären Idealforderung die Zuteilung von jedenfalls soviel Land verlangt, als die einzelne Familie, ohne Lohnarbeiter, bearbeiten könne: die unbedingte Anerkennung also A 299 (71) des „Rechts auf Land". 53 Dies entspricht den | Traditionen der alten „Volkstümler", welche hofften, durch Zuteilung allen Landes nach dem „Seelen-Nadjel" 54 (dem Bedarf) der Bauern, den ja, nach ihrer Theorie, nur die Peitsche des Hungers als Arbeiter in die Fabrik jagte, von dieser zu emanzipieren und damit dem verhaßten Todfeind, dem Kapitalismus, auch außerhalb der Landwirtschaft das ersehnte Ende zu bereiten. - Dagegen meinten liberale Adlige (Fürst Trubezkoj), das vorgeschlagene Mittel sei „palliativ für die Bauern, radikal für die Grundbesitzer": nach 12 Jahren - der seit 1893 gesetzlichen (wenn auch nicht faktischen) Frist zwischen zwei Umteilun5 2 Die v o n W e b e r angeführten Z a h l e n finden sich bei C u p r o v , K v o p r o s u o dopolnitel'n o m nadelenii, S. 253f., s o w i e in d e n Tabellen, ebd. S. 2 7 3 - 2 8 4 . 5 3 Mit der Formel „ R e c h t auf L a n d " spielt W e b e r e r s t e n s auf die innerhalb der r u s s i s c h e n B a u e r n s c h a f t weit verbreitete Ü b e r z e u g u n g an, daß d a s Land nur d e m g e h ö r e n könne, der e s mit s e i n e r H ä n d e Arbelt b e b a u e , also nur d e n B a u e r n selbst, z w e i t e n s auf die F o r d e rung d e s N a r o d n i c e s t v o und späterhin der Sozialrevolutionäre, daß d e m „ s c h a f f e n d e n V o l k " und nur ihm ein a u s r e i c h e n d e r Anteil an L a n d z u s t e h e . D i e s e F o r d e r u n g vertraten auch N . A . K a b l u k o v und P. A . V I c h l j a e v auf d e m A g r a r k o n g r e ß . Vgl. Agrarnyj vopros 1 , S . 3 0 8 und 3 1 0 . A l s R e c h t s g r u n d s a t z galt d i e s e F o r m e l innerhalb der bäuerlichen U m t e i l u n g s g e m e i n d e , d e n n j e d e s Mitglied hatte ein „ R e c h t a u f L a n d " . 5 4 G e m e i n t ist der Anteil an L a n d für j e d e s männliche Mitglied der O b s c i n a . Die B e z e i c h nung geht z u r ü c k auf die B e s t i m m u n g e n d e s Statuts v o m Februar 1861, nach d e n e n die „ A n t e i l e " (nadeli) auf der G r u n d l a g e der Z a h l der „ R e v i s i o n s s e e l e n " , d.h. der A n z a h l der m ä n n l i c h e n Mitglieder nach d e m letzten Z e n s u s (Revision) v o n 1858, zugeteilt w u r d e n .
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gen 55 - würden die Bauern den Rest des Landes verlangen. 56 Auch von einer dem Projekt im ganzen freundlich gesinnten Seite wurde die Annahme ausgesprochen, daß in einigen Jahrzehnten der nicht bäuerliche ländliche Gutsbesitzer „nur noch eine Erinnerung" sein 5 werde. 57 - Von radikaler Seite wurde ferner geltend gemacht, daß die Regulierung der Pac/z ¿Verhältnisse gerade den ökonomisch „stärksten" Bauern - die eben allein zur Pacht befähigt seien - zugute käme, und dadurch indirekt die Massen schädige: die kommunistische „Ethik" protestierte gegen die „ökonomische Auslese". 58 10 Eine bestimmte Meinung über die zukünftige Entwicklung der Obschtschina scheint auch hier nicht ausgesprochen oder doch nicht programmatisch festgelegt worden zu sein, wenigstens soweit die Berichte reichen, die mir bisher zugänglich waren. 59b ) Und dies würde auch durchaus den sonst bekannten Anschauungen der auf 15 dem Kongreß hervorgetretenen Gelehrten, namentlich Kaufmanns und Tschuprows, entsprechen. Der erstere hat das große Verdienst, die spontane Bildung von Feldgemeinschaften aus dem durch Okkupation entstandenen Privatbesitz bei zunehmender Besiedelungsdichte in Sibirien festgestellt und analysiert zu haben. 59 Der andere 20 hat in seiner ausgezeichneten „morphologischen Studie" über die Feldgemeinschaft deren Anpassungsfähigkeit an die allerverschiedensten Betriebssysteme nachgewiesen und ist zu dem Ergebnis gelangt, daß die Obschtschina „eigentlich durch keine in ihrem Wesen liegenden Momente zum Verschwinden verurteilt" 60 sei und daß 25 der Stillstand in der Entwicklung der Landwirtschaft da, wo er bestehe, weniger der Feldgemeinschaft, als anderen Gründen: dem Mangel an technischen Kenntnissen und Bildung, - und, dürfen wir 59b ) Dies also unter Vorbehalt der Berichtigung nach Eingang authentischen Mate- A 299 (71) rials. |
5 5 Durch das Gesetz vom 8. Juni 1893 wurde festgelegt, daß die Neuaufteilung des Bodens nicht öfter als alle 12 Jahre vorgenommen werden sollte. Dies solle dazu beitragen, den produktivltätsmindernden Effekt der Bodenumteilung zu mildern. 56 Fürst E. N. Trubeckoj sprach von ca. 20 Jahren, nach denen die wenig Land besitzenden Bauern erneut Land fordern würden. Agrarnyj vopros 1 , S. 313. 57 Hier wird Bezug genommen auf die Rede des Fürsten S. N. Trubeckoj. Ebd., S. 338. 58 Weber referiert die Kernthese des Dlskusslonsbeltrags von P. A. Vichljaev. Ebd., S. 308 ff. 5 9 Siehe dazu die oben, S. 194, Anm. 43, aufgeführte Literatur. 6 0 Tschuprow, Feldgemeinschaft, S. 247.
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zweifellos in seinem Sinn hinzufügen: dem zu geringen Umfang des Landanteils und der durch den Abgaben- und Steuerdruck erzwungenen einseitigen Export-Getreide-Produktion - zuzurechnen sei.61 Man könne also, meint er, die Feldgemeinschaft vollkommen „frei" (nämlich von rein betriebstechnischen Rücksichten und ebenso von dem Glauben an „Entwicklungsgesetze") werten und danach seinen Standpunkt zu ihr wählen. 62 - Es wäre für einen Ausländer, der die A 300 (72) russische Feldgemeinschaft aus eigener | Anschauung erst kennen zu lernen hofft, höchst mißlich, hiergegen Bedenken zu erheben. Immerhin mag, unter Beiseitelassung mancher ökonomischer Erwägungen,60) unter allem Vorbehalt geltend gemacht werden, daß die Frage der Weiterentwicklung der Obschtschina doch sofort praktisch werden muß, wenn die Agrarreform vor dem Problem steht: welches rechtliche Schicksal denn den neu an die Bauern zu verteilenden Ländereien bevorstehen soll. Die Zuteilung als reines Individualeigentum hielten selbstverständlich auch ökonomisch-liberale Mitglieder des Kongresses - so Fürst Wolkonski - für untunlich. 63 Gegen die Zuweisung an die Feldgemeinschaften wendete sich andererseits sehr entschieden Koljubakin, der auf die Verhältnisse im Nowgorod'schen verwies, wo die innere Kolonisation, meist in Form von pachtweiser Ansiedlung, sich durch Zuwanderung Ortsfremder vollziehe, die von den örtlichen Obschtschina-Verbänden ausgeschlossen sein würden. 64 Die Monopolisierung des neuen Landes durch die A 300 (72)
60 ) Tschuprow erörtert lediglich die Frage, ob, sozusagen „evolutionistische" Zersetzungskeime in der Feldgemeinschaft liegen, scheidet dagegen die Frage der „epigenetischen" Entwicklung unter dem Einfluß der Marktproduktion, des Absterbens des „Hausfleißes", der Differenzierung des beweglichen Besitzes in der Obschtschina aus, 65 wie dies die von unserem Meister G. F. Knapp beeinflußten Arbeiten meist tun, welche sich stets durch die sorgsame Klassifikation, saubere Beachtung der Bedeutung des Rechtes, vorsichtige und eindeutige Prägung der Begriffe auszeichnen, wofür Tsch[uprow]s Arbeit ein hervorragendes Beispiel ist. Aber eben wegen jener (methodisch ganz gerechtfertigten) Ausscheidung der spezifisch „modernen" Entwicklungsmächte scheint mir seine im Text zitierte Ansicht - deren vielleicht ja trotzdem erweisliche Richtigkeit ich ganz dahingestellt lasse, - wenigstens zurzeit von ihm nicht erschöpfend bewiesen. |
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Ebd., S. 242. Ebd., S. 247. Siehe dazu das Protokoll des A g r a r k o n g r e s s e s in: Agrarnyj vopros 1 , S. 3 4 4 f . Ebd., S. 328. Ebd., Kap. II und III.
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Ortsangehörigen würde aber überall die Folge der Verquickung der Reform mit der Obschtschina sein und jeden Zugewanderten schädigen. Und in der Tat scheint es, wenigstens vom Ausland her gesehen, klar, daß im Fall einer liberalen politischen Reform die Obschtschina schon in rein rechtlicher Hinsicht notwendig ziemlich tiefgehenden Umwandlungen entgegensieht. Heute ist sie noch immer zugleich Genossenschaft und Zwangsverband, Realgemeinde und politische Gemeinde, der Einzelne ist an sie, prinzipiell, ebenso gebunden, wie - normalerweise - sie an ihn. Er hat, im Prinzip, das Recht auf seinen Landanteil, sie, im Prinzip, das Recht auf seine Arbeitskraft. Er kann, grundsätzlich, jederzeit in ihre Mitte zurückkehren, sie, grundsätzlich, jederzeit ihn in ihre Mitte zurücknötigen, indem sie ihm den Paß nicht verlängert, dessen Erteilung an ihre Zustimmung neben derjenigen der staatlichen Behörde gebunden ist. Auch nach Aufhebung der Solidarhaft für die Steuern (1904)66 bleibt also, wenigstens dem Grundsatz nach, der Einzelne, der nach der Aufhebung der Leibeigenschaft aufgehört hat, dem Gutsherrn verknechtet zu sein, „seiner Ge|meinde verknechtet". 60a ) 67 Nach dem Programm A301 (73) des „Befreiungsbundes" soll nun unbedingte Freizügigkeit und freies Niederlassungsrecht für jedermann gelten, auch für den Bauern, und das Paßwesen soll beseitigt werden. 68 Würde damit und würde ferner mit der unbedingten Durchführung des allgemeinen Wahlrechts, auch in den Gemeinden, ernst gemacht, - und dies müßte doch geschehen, wenn man nicht gerade auf der untersten Stufe eine rechtlich gebundene und privilegierte Gemeinschaft bestehen lassen will, - dann wäre doch wohl die Scheidung zwischen Realgemeinde und politischer Gemeinde die unmittelbare Konsequenz und die Aufrechterhaltung des „Rechts auf Land" in der Heimatgemeinde 60a
) D a ß das „Prinzip" schon stark durchlöchert ist, darf hier beiseite gelassen werden. | A 301 (73)
66 Aufgrund des Gesetzes vom 19. Februar 1861 mußten die Bauern ihre steuerlichen Verpflichtungen unter der gemeinsamen Verantwortung der Gemeinde erfüllen. Diese Solidarhaftung wurde am 12. März 1903 aufgehoben. Weber datiert dieses Gesetz fast regelmäßig auf das Jahr 1904. 6 7 Als Zitat nicht nachgewiesen. 6 8 Der Bauerngemeinde stand das Recht auf Erteilung eines Passes an Ihre Mitglieder zu. Ohne Paß war es den Bauern nicht gestattet, ihren Heimatdistrikt zu verlassen. Der Sojuz Osvobozdenija forderte die Aufhebung dieses Paßzwanges. Programma Sojuza Osvobozdenija, S.305.
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auch formell und schon aus verwaltungsrechtlichen Gründen eine Unmöglichkeit. Was schon mehrfach de facto im Werden ist, muß sich - so scheint es - auch formal-rechtlich vollziehen: die Obschtschina wird, dem Recht nach sofort, der Sache nach in nicht allzuferner Zeit, eine ökonomische Sondergemeinschaft innerhalb der Dörfer. Soll einer solchen Gemeinschaft nun das neue Bauernland zugewiesen werden? Ich kann, wie gesagt, aus den ganz lückenhaften Nachrichten, welche mir zu Gebote stehen, nicht ersehen, ob und was in jenem Kongreß darüber gesagt worden ist, und ob des weiteren die Frage erörtert wurde, wie dem Wiedereintritt der Übervölkerung in den Dörfern, welche ja durch die Verteilung nach der Zahl der „Esser", d.h. nach dem Kinderreichtum, entschieden befördert wird, Einhalt geboten werden könnte. D e r Ausländer würde etwa an die Festsetzung von Minimalanteilen denken, unter deren Ausmaß die Umteilung nicht heruntergehen dürfte usw., ohne doch beurteilen zu können, ob irgend etwas derartiges Aussicht hätte praktisch zu werden. So sicher es ist, daß Agrarpolitiker wie Manuilow, Herzenstein, Tschuprow, Kaufmann u.a. über dies ihre Ansichten haben, so deutlich zeigt sich doch auch bei jeder Gelegenheit, daß bei den radikalen Parteien, bis weit in die Reihen der bürgerlichen Demokratie hinein, über alle mit der Feldgemeinschaft zusammenhängenden Fragen das größte Chaos der Meinungen herrscht.
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Wir müssen, um uns dies einigermaßen zu verdeutlichen und zu erklären, einen Blick auf die „links" von den Liberalen stehenden Gruppen von Agrarreformern tun, speziell die verschiedenen Aus- 25 zweigungen der „Sozialrevolutionären" Richtung. In ihrer heutigen Organisation und mit ihrem jetzigen Programm ist sie als Partei ziemlich jungen Ursprungs. Es darf nach den schönen Arbeiten von v. Schulze-Gävernitz und Simkhowitsch 69 als bekannt vorausgesetzt werden, wie auf der Unterlage der Existenz der Feldgemeinschaft 30 und der gewerblichen Marktproduktion der Bauern (Kustar) die A 302 (74) Theorie des „Narodnitschestwo" in der öffentlichen Meinung Rußlands erwachsen war, mit ihrem Glauben, daß in Rußland die Trennung des gewerblichen Produzenten vom Produktionsmittel durch den q Kustar und q die Entstehung eines von der Scholle losgelösten 35 q A : Kustar, und 69 Schulze-Gävernitz, Volkswirtschaftliche Studien, S. 2 1 6 - 2 2 3 , und Simkhowitsch, Die Feldgemeinschaft in Rußland, S. 3 1 5 - 3 4 8 .
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Proletariats überhaupt durch das Recht auf Land in der Obschtschina dauernd gehindert werden, der Kapitalismus und ebenso der „Individualismus" des Westens ihm also erspart bleiben werde. Die autoritäre Orthodoxie und das imperialistische Slawophilentum sah hierin die Gewähr für die ewige Dauer der inneren Einheit Rußlands unter dem Zepter des Zaren: der demütige Mushik war ihr der siegreiche Zukunftstypus des die Welt beherrschenden und zugleich der Kirche und dem Zaren unterwürfigen russischen Menschentums. Der radikale Anarchosozialismus sah umgekehrt in ihm den Mann, welcher die qualvollen Zwischenglieder der westlichen Entwicklung überspringen und - wenn die Parole: „Bauer, nimm das Land, Arbeiter, nimm die Fabrik", 7 0 durchgeführt sein werde - alsbald die freie Zukunftsgesellschaft ins Leben einführen werde. Dem irenischen Slawophilen endlich war er der, noch unentwickelte, Träger der ethischen Qualitäten des Russentums, speziell der heiligen Selbstverleugnung. Neben dem mehr entwicklungstheoretischen, spezifisch unpolitischen, auf staatlichem Gebiete wesentlich die Dezentralisation gegen die Bureaukratie vertretenden „Narodnitschestwo" der „russischen Soziologenschule" 71 standen friedlich revolutionäre Richtungen, wie der „tschernyj peredjel" (die „schwarze Umteilung", anknüpfend an den Glauben der Bauern, daß die Bureaukratie die volle Zuteilung des Landes, die der Zar versprochen gehabt, hintertrieben habe), andere Richtungen, welche die Gewalt nicht unbedingt verwarfen, und endlich die „narodnaja wolja", welche den Terror zur Desorganisation der herrschenden Klassen als Vorläufer ihrer gewaltsamen Expropriation verwendete. 7 2 Ihre Geschichte gehört nicht hierher. -
70 Als Zitat nicht nachgewiesen. 71 G e m e i n t ist vermutlich die G r u p p e um N . K . Michajiovskij ( 1 8 4 2 - 1 9 0 4 ) , die eine egalitäre Agrargesellschaft o h n e Großindustrie und die enge Verbindung von Bauernwirtschaft und Kleinhandwerk favorisierte. Die T r e n n u n g von agrarischer und industrieller Produktion sollte dadurch a u f g e h o b e n werden. Michajiovskij formulierte ein föderalistisch geprägtes Dreistadiengesetz, in d e m im letzten Stadium der M e n s c h seine ursprüngliche Solidarität und Kooperation wiederherstellt. Vgl. Kistjakovskij, B . A . , Russkaja sociologlceskaja skola i kategorija v o z m o z n o s t i pri resenii social'no-eticesklch problem, in: Problemy Idealizma, S. 2 9 7 - 3 9 3 . 72 1879 spaltete sich die Gruppierung „ Z e m l j a i Volja" in die G r u p p e n „ C e r n y j p e r e d e l " und „Narodnaja Volja". W ä h r e n d erstere den politischen Terror ablehnte und durch Propaganda die soziale Revolution erreichen wollte, propagierte letztere Terror als Mittel zur Durchsetzung der e i g e n e n revolutionären Ziele.
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Schwere Zeiten brachten nun für alle direkt oder indirekt auf dem Boden jener Gedankenwelt stehenden Richtungen, - außer der extremnationalistischen, - die 80er und 90er Jahre. Der politische Druck wurde ärger als je, und der Kapitalismus zog in Rußland ein mit allen seinen ökonomischen und intellektuellen Begleiterschei- 5 nungen. Keine der verschiedenen Richtungen konnte sich der Stellungnahme zu dieser Tatsache entziehen, und zugleich machte sich neben Marx der Einfluß von Henry George 73 ganz naturgemäß gerade in Rußland, wo der Boden noch nicht voll appropriiert r war, besonders stark geltend. Aus dem so entstehenden Chaos der Mei- 10 nungen kristallisierten sich seit Beginn des neuen Jahrhunderts die immer noch ziemlich verschwommenen jetzigen volkstümlerischen und jetzigen Sozialrevolutionären Parteiprogramme wesentlich dergestalt, daß die „Volkstümler" die sozialpolitische, die „Sozialrevolutionären" die politische Seite der Befreiung von dem durch den 15 Kapitalismus verstärkten Druck in den Vordergrund stellten, beide aber der Tatsache, daß Kustar und Obschtschina eben doch Das | A 303 (75) nicht gehalten hatten, was sie zu versprechen schienen, in ihren Gedankengängen Rechnung tragen mußten. 60b ) Während die radikalen Parteien noch in den 90er Jahren sich 20 dergestalt in die Arbeit teilten, daß die Sozialdemokraten das städtische Proletariat, die Volkstümler (Narodniki) die Bauern sozialpolitisch bearbeiteten, und zwar unter durchaus entgegengesetzten theoretischen und praktischen Gesichtspunkten, und daß daneben einerseits die in ihren Mitteln rein politische Tätigkeit der Terroristen 25 A 303 (75)
60b ) Beide Bezeichnungen aber sind offenbar ganz flüssig, und auch in der Sache ist der Übergang vom reaktionären Slawophilen rechts bis zum Terroristen links ein stufenweiser. Auch der unpolitische „Narodnik" Woronzow hat wohl ein Dutzend Haussuchungen bestanden, und Michailowskij galt wegen persönlicher Beziehungen zur „Narodnaja Wolja" stets für „verdächtig". Gemeinsam war nur der Gegensatz gegen die modernen Mächte 1. der Büreaukratie, 2. des Kapitalismus.
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73 Gemeint sind die Theorien des amerikanischen Sozialreformers Henry George (1839-1897), der in seinem Hauptwerk: Progress and Poverty: An inquiry into the cause of industriai depressions and of increase of want with increase of wealth; the remedy. - San Francisco: W. M. Hinton 1879, besonders das „natürliche Recht" jedes Menschen auf Land propagierte. George trat für die Nationalisierung des Bodens ein bzw. forderte die Ersetzung der Grundrente durch eine Einheitssteuer (Single tax).
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(Narodnaja Wolja) gegen die Selbstherrschaft und alle WillkürVerbrechen" der Beamten, andererseits die wesentlich städtische revolutionäre „Intelligenz", mit abweichenden Theorien, aber dem gleichen Arbeitsgebiet wie die Sozialdemokraten, standen, versuch5 te die um die Jahrhundertwende reorganisierte „Partei der Sozialisten-Revolutionäre" 74 eine Synthese 600 ) dieser verschiedenen Wirksamkeitssphären und -mittel: Agitation, Putsch oder systematisierter Terror je nach den Umständen, Arbeitsgebiet sowohl unter den Bauern wie unter der Arbeiterschaft, wie auch - und auf dieses 10 Spezifikum legten sie erhebliches Gewicht, - unter der „gebildeten Gesellschaft". Endziel ist „die volle Verwirklichung der sozialistischen Gesellschaft", unbedingte Voraussetzung seiner Verwirklichung für Rußland aber, wie in konstanter Polemik 600 ) gegen die sozialdemokratische „Sarja" und „Iskra" betont wurde, eine politics sehe, demokratische Revolution und eine daran anschließende antikapitalistische Agrarreform auf der Grundlage des „Rechts auf den vollen Arbeitsertrag".75 Diese Revolution darf nicht, wie die korrekten Sozialdemokraten es als unvermeidlich ansahen, eine BourgeoisRevolution werden, da sonst infolge der weiteren Entwicklung des 60c ) D i e Richtlinien für ihre Agitation sind in Nr. 8 der „Revoljuzionnaja s R o s s i j a " eingehend s dargelegt. 7 6 60d ) Vgl. besonders Nr. 10 der „Rev[oljuzionnaja] Rossfija]. 7 7 |
S A: Rossija", eingehend 7 4 Die Partija Socialistov-Revoljucionerov entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch den Zusammenschluß von regionalen Gruppierungen der Narodnikl-Richtung mit Exil-Organisationen. Obwohl sowohl personelle als auch programmatische Kontinuitäten mit den Organisationen des Narodnlcestvo der 1870er und 1880er Jahre bestanden, war die Partei eine Neugründung. Ein erster programmatischer Entwurf für ein Parteiprogramm erfolgte 1904, der erste Parteitag fand vom 29. Dezember 1905 bis zum 4. Januar 1906 statt. Das Parteiprogramm von 1905/06 in: Ivanovic, Rossljskija partli, S. 8 - 1 3 (wie oben, S. 151, Anm.89). Deutsche Übersetzung bei Scheibert, Parteien, S. 3 1 - 3 9 . 7 5 Ferdinand Lassalle hatte In seiner Schrift „Offenes Antwortschrelben an das Zentralkomitee zur Berufung eines Allgemeinen Deutschen Arbeiterkongresses" von 1863 das „Recht auf den unverkürzten Arbeitsertrag" gefordert. Eine ähnliche Formulierung findet sich auch im Gothaer Programm der Sozialdemokratie aus dem Jahre 1875, in dem eine „gerechte Verteilung des Arbeitsertrages" gefordert wurde. Vgl. Mommsen, Wilhelm (Hg.), Deutsche Parteiprogramme, 2. Aufl. - München: Olzog 1964, S. 313. 76 Krest'janskoe dvlzenie, S. 1 - 5 , und: Ot krest'janskago sojuza partii soclalistov-revoljuclonerov, S. 5 - 1 4 . Zur Entstehung der Texte vgl. Hildermeler, Sozialrevolutionäre Partei Rußlands, S. 57f. und 84 (wie oben, S. 97, Anm. 54). 77 Rabocee dvizenie i nasi takticesklja zadaöl, S. 3 - 7 .
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Agrarkapitalismus „die Kaufkraft des Landes geschwächt" - ein spezifisches mc>ifera-„volkstümlerisches" Argument - und so ein moderner „politischer Überbau" unmöglich gemacht würde, und da ferner im Fall einer rein bürgerlichen Revolution die Bauern wieder dem Zaren zufallen würden. Die Bauern, wie die Sozialdemokratie 5 tut, als Kanonenfutter für die unvermeidlich zunächst rein bürgerliche Revolution anzusehen, gehe deshalb nicht an. Der russische Bauer sei im Gegensatz zum westeuropäischen nicht anti-kollektivistisch: beim Kampf gegen die Gutsherrn und Kulaken, bei der BeA 304 (76) Siedlung neuen Landes (Sibirien) und bei den Umteilungen | verfah- 10 re er anti-individualistisch, und dies werde mit dem Wachstum der Kultur wachsen. Wenn dem die Sozialdemokraten entgegenhalten, daß der Gedanke der „gleichen" oder „gerechten" Teilung, jeder „Teilungs"-Gedanke überhaupt, kleinbürgerlichen und zünftlerischen Charakters, in Wahrheit dem technischen und ökonomischen 15 „Fortschritt" widersprechend und also reaktionär sei, so wird auf den „Sozialrevolutionären", gegen das Eigentum als solches gerichteten Charakter dieses Gedankens und die Notwendigkeit, ihn, schon aus realpolitischen Gründen, zu berücksichtigen, verwiesen. Die Gefahr liege allerdings in der Unklarheit über den Sinn der „Vergesellschaf- 20 tung" des Landes, die für die Bauern mit dem Dorf-Kommunismus identisch sei, und in ihrer Hoffnung auf den Zaren, die durch etwaige Agrarreformen der Regierung leicht gestärkt werden könne. Aber die Regierung Alexander III. mit ihrer bureaukratischen Vernichtung der Selbständigkeit des Mir, und der zunehmende Landmangel 25 der an ihr Dorf gefesselten Bauern, hätten hier der Revolution in die Hände gearbeitet: die Semstwo-Schule, der Einfluß der Millionen als Arbeiter oder gewerbliche Kleinproduzenten wandernder Bauern, welche die Welt und die soziale Differenzierung sehen, und daneben auch die Sekten hätten aus dem1 Bauern einen anderen Menschen zu 30 machen begonnen, als er vor 30 Jahren war, als der „Intelligente", der „unter das Volk" ging, der „Mann mit den weißen Händen" blieb. Man müsse jetzt „Bruderschaften" der überzeugten Genossen in den Dörfern bilden, die sich bei allen Gemeindebeschlüssen bemerklich machen, den Boykott der Gutsbesitzer und Kulaki, den 35 Kampf um Herabsetzung der Pachtrente und Erhöhung des Lohnes für die bäuerliche Arbeit auf den Gütern organisieren und den t A: den
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Gedanken, daß das Land niemandem als der „Gesellschaft" gehöre, und nur dem, der es mit seinen Händen bearbeite, zur Nutznießung überlassen werden dürfe, daß er das Recht auf das Erzeugnis seiner Hände habe, daß dies schon im heutigen a „Mir" seinen 3 (unvollkommenen) Ausdruck finde, propagieren, alle diese ökonomischen Momente aber nur als Argumente für die Forderung politischer Freiheit als einzigen Mittels der Verbesserung benutzen und mit der demokratisch gesinnten „Intelligenz" aller Schichten zusammengehen. Dem Bauern müsse klar werden, daß er in seiner Praxis schon heute „Sozialrevolutionär" sei, und daran, nicht aber an die falsche und ihm unverständliche „Entwicklungstheorie" der Sozialdemokraten, welche das Privateigentum als unvermeidliche „Durchgangsstufe" predige, müsse man anknüpfen. 78 Dem entspricht das später in Nr. 46 der „Revoljuzionnaja Rossia" 60e ) vom 5. Mai 1904 im Entwurf vorgelegte Programm der „Partei der | Sozial-Revolutionäre" (Partija Ssozialistow-Revoljuzione- A 305 (77) row). 60f ) 79 Es geht von der Anerkennung der kapitalistischen Entwicklung als Tatsache aus, mit dem Vorbehalt, daß die Wirkung des Kapitalismus nach Volksschichten und Ländern eine verschiedene, in den „Ländern der Industrie und des klassischen Kapitalismus"
60e ) Die R[evoljuzionnaja] R[ossija] erscheint seit 1901 in Quartformat, ''/•,-2 Bogen A 3 0 4 (76) stark, bis jetzt einige 70 Nummern (jetzt halbmonatlich), anonym (die Londoner Deckadresse ist wohl fiktiv). 8 0 | 60f ) Wann es formell akzeptiert ist, weiß ich bei der Lückenhaftigkeit meines derz[eiti- A 305 (77) gen] Materials nicht. 81
a A: „Mir', seinen
78 Der vorstehende Absatz bringt eine Zusammenfassung der beiden Artikel: Krest'janskoe dvizenie, und: Ot krest'janskago sojuza partii sociaiistov-revoijucionerov. 7 9 Proekt programmy partii sociaiistov-revoijucionerov, S. 1 ff. Zur Entstehung des Textes vgl. Hiidermeier, Sozialrevolutionäre Partei Rußlands, S. 86 und 99ff. (wie oben, S. 97, Anm.54). 80 Revoljucionnaja Rossija erschien von 1900 bis zum Oktober 1905 mit 76 Nummern an verschiedenen Druckorten. 81 Mit einigen Änderungen wurde der Programmentwurf des Jahres 1904 auf dem ersten Parteitag der PSR Ende Dezember 1905/Anfang Januar 1906 angenommen. Siehe dazu: Hiidermeier, Sozialrevolutionäre Partei Rußlands, S. 100-102 (wie oben, S. 97, Anm. 54). Das Programm in Ivanovic, Rossijsklja partii, S . 8 - 1 3 (wie oben, S. 151, Anm. 89). In deutscher Übersetzung bei Scheibert, Parteien, S. 3 1 - 3 9 .
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relativ günstige, in den „agrarischen und für den internationalen Wettbewerb mindest begünstigten Ländern", 82 speziell in Rußland, ausschließlich nachteilige sei, auch an rein produktionstechnischen Maßstäben gemessen (Gegensatz gegen die Sozialdemokratie). Demgemäß müsse der Kampf um die Abschüttelung des Jochs der ausbeutenden und müßigen Klassen in Rußland und die Verwandlung des Volkes in einen einzigen großen Bund von Arbeitenden, diese Vorbedingung der „allseitigen harmonischen Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit", hier besonderen historischen Bedingungen angepaßt werden und anknüpfen an das Gegebene. Die fortschrittliche, Sozialrevolutionäre Minderheit müsse vor allem den Sturz der Selbstherrschaft anstreben, um dann, falls die Minderheit sich noch nicht in eine Mehrheit verwandelt habe, als „Minimalprogramm" zu verlangen: für die Arbeiter den Achtstundentag, Minimallohn, Zwangsversicherung, Teilnahme der Arbeiterschaft an der Fabrikverwaltung, in der Agrarfrage aber „die Traditionen und Lebensformen der russischen Bauernschaft" im Kampf gegen die Landbourgeoisie, die Gutsbesitzer und Kulaken, auszubauen: alles Land im privaten Besitz einzelner Personen soll konfisziert - oder, falls dies nicht alsbald erreichbar wäre, durch die Gemeinden expropriiert - und den Dorfgemeinschaften und den zu bildenden Territorialverbänden zum Zweck der Verfügung darüber nach dem Prinzip der Gleichheit des Nutzungsrechtes (Hauptanstoßpunkt der Sozialisten) überwiesen werden (sog. „Sozialisation" des Landes). Als Übergangsmaßregeln: Besteuerung des den „normalen Arbeitsertrag" überschreitenden Ertrags der Wirtschaften, Ersatz der Meliorationen beim Übergang von Boden aus einer Hand in die andere, spezielle Besteuerung der Rente zugunsten der Gemeinden. Betreffs der „Vergesellschaftungs"-Frage erklärt das Projekt, daß die „Nationalisation" von „Teilen der Volkswirtschaft" unter dem Regime der
82 Die Passage des Programmentwurfs, auf die Weber sich bezieht, lautet: „ D i e w e c h selseitige B e z i e h u n g z w i s c h e n diesen positiven und negativen Seiten der gegenwärtigen wirtschaftlichen Entwicklung ist unterschiedlich, sowohl für die v e r s c h i e d e n e n Z w e i g e der Produktion als auch für die v e r s c h i e d e n e n Länder. Verhältnismäßig günstig ist sie in den g r u n d l e g e n d e n Z w e i g e n (Branchen) der Industrie und In d e n Ländern des klassischen Kapitalismus, sie wird i m m e r ungünstiger In d e n anderen Z w e i g e n der Industrie, Insbes o n d e r e in der Landwirtschaft, und In allen Ländern, die weniger günstig im internationalen ö k o n o m i s c h e n Kampf gestellt sind." Proekt p r o g r a m m y partü soclallstov-revoljucionerov, S.1.
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Bourgeoisie nur insoweit zu erstreben sei, als der demokratische Charakter des betreffenden Regimes und die getroffenen Einrichtungen Garantien dagegen bieten, daß dieser „Staatssozialismus" nicht faktisch ein „Regierungskapitalismus" zur Vermehrung der Macht der herrschenden Klassen würde. 83 Man erkennt leicht, daß hier der Standpunkt des „Narodnitschestwo", der Dorfkommunismus, eine Verbindung mit Gedanken von H. George60®), | Marx u.a. einzugehen versucht hat, und daß in der „fortschrittlichen Minderheit" der Glaube an die „schöpferische" Leistungsfähigkeit des „Volkes"13 seinen Ausdruck findet und die Führerrolle der „Intelligenz" proklamiert, trotz der Konzessionen an den „Entwicklungs"-Gedanken. Das, für den Augenblick, wesentlich po/itor/i-demokratische Ziel der Bewegung: Niederwerfung der Selbstherrschaft als Voraussetzung alles Weiteren, machte ein weitgehendes Einvernehmen mit den Führern der „bürgerlichen" Demokratie möglich, welche ihrerseits im „Befreiungsbund" direkt cphysiokratische und c selbst in den Semstwos weitgehend dem „Landhunger" der Bauern entgegenkommende Ziele akzeptierte. Wie wir sahen, 84 gehörten tatsächlich einige der Sozialrevolutionäre dem „Befreiungsbund" an. Als freilich das Programm des erwähnten liberalen Agrarkongresses 85 erschien, wiesen die Sozialrevolutionäre der „Revoljuzionnaja Rossija", da inzwischen die Chancen der Revolution günstiger geworden zu sein schienen, dasselbe als ganz ungenügend zurück6011): ihre Partei verlange „alles Land" und „ohne neue Loskaufsgelder", und von einer Umwechslung der durch die
A 306(78)
60g ) Dies würde wohl bestritten werden, - die S[ozial]-R[evolutionäre] wollen ja die „eigent|liehen" Marxisten sein. Es verhält sich aber, wie hier nicht weiter ausgeführt A 306 (78) werden kann, dennoch so. 60h ) Anders noch gegenüber dem wesensgleichen Programm des Befreiungsbundes im Leitartikel von Nr. 61 der ,,R[evoljuzionnaja] R[ossija]". 86
b A: „Wollens"
c A: physiokratische, und
83 Im vorhergehenden Absatz stützt sich Weberauf den Programmentwurf der Partei der Sozialisten-Revolutionäre. Proekt programmy partii socialistov-revoljucionerov, S. 1 ff. Alle Zitate ebd. 84 Siehe oben, S. 91 und S. 93. 85 Vgl. oben, S. 193ff. 86 Nekotorye Itogi Parizskoj konferencii, S. 2 - 6 .
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Revolutionäre entwerteten Grundrente in Staatspapiere, welche dann das Volk zu verzinsen habe, könne keine Rede sein. 60 ') 87 - | 60
') Aus dem neueren Entwurf eines „theoretischen Teils" - ein solcher scheint für den russischen Radikalismus überall unentbehrlich - des taktischen Programms der S.R.P. (Beilage zu Nr. 67 der ,,R[evoljuzionnaja] R[ossija]", Mai 1905)88 sei noch mitgeteilt: neben den Fabrikarbeitern gelten die „unteren Schichten" der „Intelligenz" und die feldgemeinschaftlichen Bauern als günstigstes Agitationsgebiet, minder günstig stehe es einerseits um die „höhere Intelligenz", weil sie „klassenlos" sei, andererseits um das „Lumpenproletariat" (die meisten Termini des extremen Radikalismus sind deutscher Import). Die Partei verschmähe auch jetzt keinerlei, „auch kein noch so friedliches", Mittel. Der „Terror" könne niemals das einzige Kampfmittel sein, aber, „in historischer Perspektive betrachtet", gebären nur die Heroenzeitalter (cf. Carlyle!) 89 mit spezifisch „revolutionärer Stimmung" die Helden des Terrorismus, während auf diese Epochen andere folgen, in denen die „Dickbäuchigkeit" (tolstowstwo) und der „ultraevolutionistische Sozialismus" herrschen. 90 Der „Zentralterror" gegen Personen, die sich durch Gesetzlosigkeit und Bedrückung hervorgetan haben, sei geeignet, die Regierung zur Übertragung der Macht an den „gesamtvolkstümlichen Semskij Ssobor" zu veranlassen. Gegen Produktionsmittel und Produktionsleiter dagegen führe die Partei keinen Kampf, es sei denn, daß sie als Werkzeuge der Unterdrückung dienen. - Vom Parlamentarismus allein sei jedenfalls infolge der „Trägheit der Massen" nichts zu erhoffen. Ein Zusammengehen mit den Sozialdemokraten sei trotz des sehr verschiedenen Agrarprogramms möglich, - | A 307 (79) jedoch mit Ausnahme derjenigen von der Richtung der „Iskra". Ebenso seien zeitweilige Bündnisse mit den fortschrittlichen Liberalen im gemeinsamen Kampf gegen die Selbstherrschaft angebracht, der jetzt allem andern voranzustellen sei. 91 - Das Zutrauen auf die Kraft des Terror (einschließlich] lokaler Aufstände) zeigt infolge der gelungenen Anschläge eine merkliche Steigerung, dagegen die Klarheit und Nüchternheit der Erörterung eine augenfällige Abschwächung gegen die immerhin respektable Leistung in den Nr. 8 und 46 der ,,R[evoljuzionnaja] R[ossija]". 92 Anscheinend war der Redaktor ein anderer, vor allem aber: die Stimmung. - Die Geschichte der inneren Entwicklung der Partei und der mit ihr verbundenen Gruppen (speziell des „Bund") 93 zu schreiben, wäre ich jetzt hier
87 Weber stützt sich in seinen Ausführungen vermutlich auf: Agrarnaja programma iiberalov, in: Revoijucionnaja Rossija, Nr. 70 vom 1. Juli 1905, S . 4 - 7 . 88 Proekt instrukcii v podgotovitel'noj rabote, S. 1 ff. 89 Weber bezieht sich wahrscheinlich auf Carlyle, Thomas, On Heroes, Hero-Worship and the Heroic in History: Lecture VI: The Hero as King, Centenary Edition in 30 volumes, Vol. V. - London: Chapman and Hall 1897, S. 1 9 9 - 2 0 4 . 90 „In der Geschichte jedes Volkes folgen auf starke revolutionäre Zelten solche der Ruhe, in denen sich von neuem die Anhäufung revolutionärer Energien vollzieht - die in der Periode der revolutionären Erhebungen sich erschöpft haben und wenn die revolutionären Taten nicht stattfinden, dann herrschen das Tolstojanertum, der ultra-evolutionistische Sozialdemokratismus usw." Proekt instrukcii v podgotovitel'noj rabote, S. 2. 91 Proekt instrukcii v podgotovitel'noj rabote, besonders S. 2f. 92 Vgl. oben, S. 203, Anm. 76 und S. 205, Anm. 79. 93 „Bund" (Vseobscij Evrejskij Raboclj Sojuz) war eine Organisation der jüdischen Arbeiterbewegung. Er entstand 1897 und hatte seine Anhängerschaft vor allem in den westlichen Gouvernements Rußlands, in Polen und in Litauen; 1898 trat er der RSDRP als autonome Fraktion bei. Nach der Spaltung stand er der menschewistischen Richtung der Sozialdemokratie nahe und hatte mit der PSR nur geringe Beziehungen.
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Nicht minder verdächtig aber war die UnVollständigkeit jener A 307 (79) Reformvorschläge den außerhalb der Partei stehenden Narodniki, deren bisheriger Führer Michailowskij gerade bei Ausbruch des Krieges im Osten gestorben war. Die mächtige politische Bewegung, welche zugleich die Sozialrevolutionäre aus einer vom Ausland her konspirierenden Gruppe in eine Inlandspartei verwandelte, zwang diese wie die anderen Gruppen zur erneuten programmatischen Stellungnahme vor der Öffentlichkeit, und es mögen hier zwei Programme etwas näher analysiert werden, - das eine ein solches des „Narodnitschestwo", das andere ein „sozialrevolutionäres," - welche einander gerade in betreff des uns interessierenden Punktes, der Feldgemeinschaft, in charakteristischer Weise entgegenstehen und für solche deutschen Leser, denen diese Probleme der russischen Agrarpolitik weniger bekannt sind, immerhin ein gewisses Interesse haben mögen. 61 ) Als eine besondere Gruppe radikaler Bauernpolitiker hat sich in letzter Zeit wieder das „Jung-Volkstümlertum" („Molodoje Narodnitschestwo")1 der Öffentlichkeit vorgestellt, eine demokratische Abwandlung des alten, von Michailowskij, Woronzow und anderen geführten, in erster Linie theoretisch-wissenschaftlichen und unpolitischen Volkstümlertums. Nachdem das alte Dogma der wissenschaftlichen „Narodniki", daß der | Kapitalismus in Rußland eine A 308 (80) „Unmöglichkeit" sei, durch die Tatsachen widerlegt ist, suchen die nicht in der Lage. Die Aufstandsbewegung muß ebenfalls, schon weil authentisches Material fehlt, hier ausgeschieden werden. 61 ) Weder ihrer sachlichen noch parteipolitischen Bedeutung nach würden die hier analysierten „Programme" eine so eingehende Erörterung verdienen, wie sie nachstehend erfahren, d dies geschieht hier, d weil, einmal, der Einfluß des Eindringens des Kapitalismus auf die Umgestaltung der Gedankenwelt des „Narodnitschestwo" 6 und der „Sozialrevolutionären" an sich nicht uninteressant und auch von erheblicher faktischer Bedeutung ist, und weil, ferner, gerade solche Erörterungen „im luftleeren Raum" oft gewisse prinzipielle Probleme, so hier dasjenige der Feldgemeinschaft, recht gut zu beleuchten geeignet sind: sie sind eine Art Kinderfibel dafür. Auch interessieren uns in unserem Zusammenhang eben mehr diese durch den Siegeszug des Kapitalismus geschaffenen hybriden Zwischenwelten des Denkens zwischen der bürgerlichen und modern-proletarischen Gedankenwelt und dem romantisch-revolutionären Utopismus als dieser letztere selbst. | d Fehlt in A; dies geschieht hier, sinngemäß ergänzt.
e A: „Narodnitchestwo"
1 Mit „ J u n g - V o l k s t ü m l e r n " ( M o l o d o e Narodnicestvo) ist hier offensichtlich die PSR g e meint, da der w e n i g später v o n W e b e r g e n a n n t e G. Novotorzskij einer der ö k o n o m i s c h e n Theoretiker der Partei war.
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„Jung-Volkstümler" ihre Eigenart gegenüber dem ökonomischen Liberalismus einerseits, dem Marxismus andererseits, wenigstens auf dem Gebiet der Agrarpolitik zu behaupten. Ihr „Programm" hat neuerdings recht präzis G. Nowotörshskij in einem offenen Brief an Pjeschechönow, den Mitherausgeber des einstigen Hauptorgans der wissenschaftlichen Volkstümler, der jetzt, der Sache nach, „bodenreformerischen" Monatsschrift „Russkoje Bogatstwo", welcher in diesem Blatt (August 1905, 2. Hälfte S. 98f.) abgedruckt ist, zusammengefaßt. 2 Die „Jung-Volkstümler" sind, im Gegensatz zu der unpolitischen und in praxi, schon infolge ihrer starken Betonung der „schöpferischen" Fähigkeiten planvoller Reformen, der Selbstherrschaft wenigstens nicht prinzipiell feindlichen älteren Richtung Michailowskijs und Woronzows, Gegner des „Polizeistaats", Anhänger des demokratischen „Rechtsstaats", dessen weitere Entwicklung zum „Arbeitsstaat" sie der Zukunft anheimgestellt sein lassen. Ihre noch jetzt von „Apolitismus" nicht ganz freie demokratische Richtung findet ihren Anknüpfungspunkt an die alten Volkstümler-Gedanken in deren anti-imperialistischem Zuge, der in der ganz berechtigten Meinung begründet war, daß die Expansionspolitik mit ihren Eisenbahnen, Anleihen usw. ebenso wie Alexanders III. Züchtung der „nationalen Industrie" den Kapitalismus an Stelle der alten nationalen Produktionsformen setzte. Die „Nationalisation" des Landes, welche neben anderen Richtungen auch die Jung-Volkstümler vertreten, kann nun, nach Nowotörshskij, eins von drei Dingen bedeuten: 1. Verpachtung des verstaatlichten Landes an Kapitalisten zur Nutzung mit Lohnarbeit, - was natürlich nicht in Frage kommt, 2. Verpachtung an Kleinbauern zur Bearbeitung nur mit der eigenen Arbeitskraft der Familie, also unter Verbot der Benutzung von Lohnarbeitern, - 3 . „Sozialisierung" des Landes, welche sie vertreten. Diese ist nicht „Sozialismus", sondern bedeutet: „die freie Obschtschina im freien Staat", d.h. Überlassung des Landes an die einzelnen Dorfgemeinschaften zur gemeinschaftlichen Verfügung über die Nutzung. Dabei soll innerhalb des Dorfs aber verboten sein sowohl die Aufteilung des Landes zu dauerndem Eigentum (dies wäre eben durch das Obereigentum des Staates juristisch auszu-
2 Novotorzskij, Otkrytoe pis'mo A. V. Pesechonovu, S. 9 9 - 1 0 9 . In dem offenen Brief nahm Novotorzskij Stellung zu dem Artikel: Pesechonov, A. V., Krest'janskoe dvizenie, in: Russkoe Bogatstvo, Nr. 6 vom Juni 1905, otdel II, S. 2 1 0 - 2 3 0 .
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schließen), als die Pacht von Land, als, endlich und namentlich, die Benutzung von Lohnarbeitern. 6 2 ) Die Entstehung kapitalistischer A 309 (81) Abhängigkeitsverhältnisse nach außen hin soll durch Organisation der Dörfer als Kreditgenossenschaften einerseits, als Konsumvereine andererseits hintangehalten werden. Abgesehen von der erwähnten Funktion, die Entstehung von veräußerlichem Privatbesitz zu verhüten, soll dabei nun aber die praktische Bedeutung des staatlichen Bodeneigentums in folgenden Aufgaben des Staates sich äußern: der Staat soll, erstens, im Fall der Übervölkerung einer Obschtschina und des Landüberschusses in einer anderen, die Aufgabe haben, den Bevölkerungsüberschuß des armen Dorfs in das reiche zu überführen. M[it] afnderen] Wforten]: die heutige Geschlossenheit des Dorfes, in welches ohne Beschluß der Gemeinde kein nicht Ortsangehöriger als Teilhaber hineingelangen kann, wird gesprengt, wo es der Staat für angebracht hält. Der Staat soll, zweitens, Land zurückbehalten für die erforderlich werdende Ansiedelung des Überschusses des Bevölkerungsnachwuchses. Der Staat soll, drittens, feststellen, um welchen Preis sich ein Einzelner, der aus dem Dorfe fortziehen will, von der Obschtschina loskaufen kann, damit der Mir nicht die Summe beliebig erhöhen und so, - wie dies jetzt vielfach geschieht, - ein durch auswärtigen Erwerb reich gewordenes Mitglied pekuniär ausbeuten kann. Das Prinzip der Gebundenheit an die Obschtschina bleibt also, nur vom Staat stärker, als schon bisher, kontrolliert, bestehen, als Korrelat natürlich auch das Recht des Einzelnen auf Land, solange er aus der Obschtschina nicht ausgeschieden ist. Die Lösung des Einzelnen von ihr kann sich daher natürlich umgekehrt auch in der Weise vollziehen, daß der Mir einem Mitglied, damit es ausscheide, eine Entschädigung zahlt, z.B. einem Angehörigen, der Fabrikarbeiter werden will, einen Betrag zur Bezahlung seiner Ausstattung gibt, worauf N[owotorshskij] speziell exemplifiziert. Dies entspräche den Auswanderungsbilletten und -Zuschüssen, welche Allmendgemeinden in 62 ) Besteht schon heute, namentlich in den Neusiedelungsgebietenj,] innerhalb der A 308 (80) Obschtschina nicht selten - nach Analogie der zünftlerischen Beschränkung der Zahl der Gesellen und Lehrlinge. - Die Forderung ist durchaus konsequent, da die ärgsten ökonomischen Sklavereiverhältnisse innerhalb der Obschtschina mit deren Bestehen und mit den, jede Besitzkonsolidation hindernden, Umteilungen sehr wohl vereinbar, ja oft durch die Umteilungen gefördert sind. Vgl. eine vortreffliche Schilderung der Wirkung der Umteilungen bei Differenzierung des Vieh- und Geldbesitzes bei v. Schulze-Gävernitz Volkswirtschaftliche] Stud[ien] S. 407/8. |
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Süddeutschland s . Z t . ihren Angehörigen als Abfindung zu zahlen pflegten. 3 - Dies alles setzt natürlich die Aufrechterhaltung wenn nicht des Paßzwanges, dann einer dem Wesen nach ähnlichen Institution und der damit verbundenen Schranken der Freizügigkeit: des Rechts des Mir, jedenfalls wenn die Behörde den Loskauf nicht gestattet, den Einzelnen zurückzurufen, voraus. Die „freie" Obschtschina ist also das dem Einzelnen gegenüber prinzipiell souveräne, „von oben" aber durch die Polizei kontrollierte Dorf. Im übrigen halten die „Jung-Volkstümler", oder doch dieser Repräsentant ihrer Anschauungen, die heutige Obschtschina keineswegs mehr, wie das „alte" Narodnitschestwo einst tat, für den „Repräsentanten des Naturrechts, die Negation der Entwicklung", vielmehr für ein „Übergangsstadium" zu zwei gleichmöglichen künftigen Gestaltungen: entweder zu einer Produktivgenossenschaft des Dorfs: - dies ist offenbar die von ihnen gewünschte Entwicklung, - oder zu einer individuellen Landverpachtung seitens des Staats an die einzelnen Kleinbauern unter Ausschluß der Veräußerung und der Benutzung A 310 (82) von Lohnarbeit, im Fall | die Obschtschina sich tatsächlich „zersetzen" sollte. Diese letztere Form sei, meint Njowotorshskij], schon jetzt wohl die richtige für die Einzelhöfner und in den Gegenden ohne Obschtschina, wie z . B . Kleinrußland. - Ihr Programm, so meint er, knüpfe an das gegebene und lebendige: die Obschtschina, an. Sie jetzt aufzulösen bestehe bei den Bauern selbst keinerlei Wunsch, oder, wo er bestehe, sei er die Folge des überlieferten Zusammenhangs mit der jetzt endlich beseitigten Solidarhaft für Steuern und Auflagen. Feindin ihrer Bewegung sei auf dem Lande nur die Dorfbourgeoisie, d. h. die Kulaken, Schenken- und Ladenbesitzer, die Vertreter also des ländlichen Kleinkapitalismus. 4 3 Im Großherzogtum Baden sowie im Königreich Württemberg zahlten sowohl die Gemeinden als auch die Regierungen Mitte des letzten Jahrhunderts Auswanderungswilligen die Passage (freie Spedition) und kleinere Geldunterstützungen. Vgl. Phillppovlch, Eugen von, Auswanderung und Auswanderungspolitik im Großherzogtum Baden, und: Huber, F. C., Auswanderung und Auswanderungspolitik Im Königreich Württemberg, beide in: Philippovich, Eugen von (Hg.), Auswanderung und Auswanderungspolitik In Deutschland. Berichte über die Entwicklung und den gegenwärtigen Zustand des Auswanderungswesens In den Einzelstaaten und Im Reich (Schriften des Vereins für Socialpolltlk 52). - Berlin: Duncker & Humblot 1892, S.97-165 und S.233-284, hier: S. 131-139 und S.264f., sowie Grlsebach, M., Die Auswanderung aus Württemberg auf Gemeindekosten 1846-1854, In: Der Auslandsdeutsche, Band 10,1927, S. 771 ff. 4 In seinen voranstehenden Erörterungen stützt Weber sich auf Novotorzsklj, Otkrytoe pls'mo A. V. Pesechonovu.
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Das ökonomisch Charakteristische an diesem Programm ist neben dem Glauben an die Möglichkeit, Pacht und Lohnarbeit durch Verbote am' Entstehen zu hindern, die Festhaltung des Standpunktes, daß das Dorf Zwangsverband und Genossenschaft zugleich bleiben, ja beides, in gewissem Sinn, erst recht werden, und daß der Einzelne daher an die Gemeinde gebunden bleiben soll, teils passiv, durch die Notwendigkeit über sein Ausscheiden mit ihr zu verhandeln, teils aktiv, durch den dauernden Anspruch auf Landanteil. An diesem Punkte setzt die Kritik der Sozialrevolutionären Bodenreformer ein, einer Abspaltung des radikalen Narodnitschestwo, welche unter dem Einfluß von H. George und Marx sich wesentlich modernisiert hat und deren Organ heute die erwähnte Monatsschrift „Russkoje Bogatstwo" ist. 5 - Das jetzige Dorf ist ein Produkt der Ständescheidung, ein „Bauern-Ghetto", welches die freie und „natürliche" Bewegung der Bevölkerung zwischen den einzelnen Gebieten und zwischen Stadt und Land, ihre Um-, Zusammen- und Auseinandersiedelung gemäß den durch natürliche und ökonomische Momente bedingten Verhältnissen des „Markts", hemmt. Das Landeigentum den Dörfern zuteilen, heißt nicht nur an Stelle einer privilegierten Minderheit (der privaten Grundbesitzer) eine privilegierte Mehrheit (den Mir) setzen, sondern, in Verbindung mit der Aufrechterhaltung des Verbots des Bodenverkaufs, würde es vor allem heißen, dem bodenreformerischen Grundprinzip: „freier Zutritt zum Lande", allen Boden abzugraben. Und dabei würde der „Ghetto"-Charakter des Dorfs noch verstärkt werden durch das Recht des Staats, „Zwangseinsiedelungen" in die Gemeinde vorzunehmen: das wage nicht einmal der heutige russische Polizeistaat, bemerkt Pjeschechonow in seiner Erwiderung auf den erwähnten „offenen Brief" Nowotorshskijs 9 mit Recht. 63 ) Jede neue Eisenbahn, jedes Anwachsen 63
) Russk[oje] Bogatstwo 1905, VIII, 2 p. 116ff. 6 In der Tat bedeutete dieser Vorschlag A 310 (82)
f A: an
g A: Nowotoroshskijs
5 Den offenen Brief Novotorzskljs (siehe S. 210, Anm. 2) beantwortete A. V. Pesechonov mit dem Artikel: Obscina i gosudarstvo. Weber bezieht sich im folgenden auf diese Antwort Peäechonovs sowie an einigen Stellen auf einen Artikel Pesechonovs in derselben Ausgabe des Russkoe Bogatstvo: Agrarnaja reforma s tocki zrenija rynka, In: Russkoe Bogatstvo, Nr. 8, August 1905, otdel II, S. 114-124. 6 Pesechonov, Obscina i gosudarstvo, S. 147-159.
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einer Stadt, das Entstehen von Industrie und Bergwerken ändern ja die für die Rentabilität der Bauern wirtschaften entscheidende Lage A 311 (83) ihrer Wirtschaft zum Absatzmarkt und müßten daher zu unge| zählten derartigen Zwangseinsiedelungen führen, sollen nicht Differenzialrenten der jeweils begünstigten Dorfgemeinschaften entstehen, 5 indem diese die Neuaufnahme von hohen Einzahlungen abhängig machen. Besonders deutlich zeige sich ferner das Fortbestehen der Grundrente in dem von Nowotorshskij ausdrücklich vorgesehenen Fall, daß das Dorf Fortwanderungsprämien auszahle, um die Zahl der Anteilhaber zu vermindern: eine Befugnis, die übrigens mit dem 10 „Zwangseinsiedelungsrecht" des Staates, welches die durch solche Zahlungen „erworbenen" Rechte ja ignoriere, schlechterdings nicht in Einklang zu bringen sei. Aber weiter - und damit trifft die Kritik erst den prinzipiell wundesten Punkt der „volkstümlerischen" Vorstellungswelt - seien die Voraussetzungen dieses Zwangseinsiede- 15 lungsrechtes auch auf eine ökonomisch hinfällige Basis gestellt: Der Begriff des für eine Gemeinde „ausreichenden", mit ihren eigenen Kräften bearbeitbaren Areals sei ja gar nicht ökonomisch eindeutig: die für die Bestellung des Landes erforderliche Arbeit richte sich ja nicht nur nach Bodenumfang und Bodengüte, sondern vor allem 20 danach: 1 . was produziert werde, 2. und namentlich: mit welchen technischen Mitteln es produziert werde. Die Erlaubnis, Fortwanderungsprämien zu zahlen, bedeute die Schaffung des Anreizes für die Gemeinde, sich dem Übergang zu einem rationellen Wirtschaftssystem oder zu intensiverer Kultur zu entziehen. Wolle der Staat nicht 25 den landwirtschaftlichen Fortschritt zugunsten der Rentenbildung hemmen, so müßte er also, um „Aussiedelungen" gestatten oder „Einsiedelungen" vornehmen zu können, die gesamte Bauernwirtschaft kontrollieren und reglementieren. Ganz unmöglich sei, aus dem gleichen Grunde, das Verbot der Lohnarbeit, - es sei denn, daß 30 die ganz unentbehrliche nachbarliche Aushilfe gegen Lohn oder Naturalentgelt durch eine unendliche Kasuistik ausgenommen werde. Auch sei (z. B . bei der Miete von Spanndiensten seitens der nicht spannfähigen Bauern) keineswegs immer der formal als Arbeitgeber lediglich eine verstärkte Fortsetzung der G e s e t z g e b u n g v o n 1893, w e l c h e d e n bis dahin s o u v e r ä n e n Mir der Polizeikontrolle unterwarf. 7 | 7 Das Gesetz über die Landhauptleute (zemskie nacal'niki) v o m 12. Juli 1889 führte die Aufsicht der „ z e m s k i e nacal'niki" über die Obscinaein. PSZRI, 3 - e s o b r . , tom 9, Nr. 6169.
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Auftretende h der Ausbeuter (dies Beispiel Pj[eschechonow]s handelt allerdings von der Miete sachlicher Produktionsmittel und ist also: Kapitalleihe). 8 - Das alles ist, im wesentlichen, richtig und Pj[eschechonow] hätte seine Kritik noch durch weit prinzipiellere theoretische Erwägungen stützen können: der Gedanke, daß das landwirtschaftliche Produkt zum einen Teil Ergebnis natürlicher Bodenqualität, zum andern aber Arbeitsprodukt der Landwirte und nur dieser sei, wird ja mit jeder Einschaltung von Produktionsmitteln, die nicht der Bauer selbst produziert, also von verbesserten Werkzeugen, modernen Gebäuden, künstlichem Dünger in den landwirtschaftlichen Produktionsprozeß hinfällig. Nicht nur der Ertrag, sondern sogar der Gehalt des Bodens selbst an Nährstoffen wird ja alsdann zu einem stets wachsenden Teil gar nicht mehr vom Landwirt mit Hilfe der im gewachsenen Boden steckenden Gaben der Natur produziert, sondern weit draußen in Maschinen- und Werkzeugfabriken, Kalibergwerken, Thomas-Hochöfen, Installationswerkstätten usw. Ein stets | wachsender Teil der für die Erzielung des Bodener- A 312 (84) trags „gesellschaftlich erforderlichen Arbeit" 9 - alle Narodniki pflegen mit Abschattierungen marxistischer Begriffe zu operieren - wird also vom Lande weg in jene Bergwerks- und Industriezentren verschoben. Und nicht nur die Aussiedelung durch Fortwanderungsprämien, sondern ganz ebenso die Einsiedelung in und jede Bindung an ein Dorf muß also den „technischen Fortschritt" im üblichen Sinn des Worts hemmen. Denn dieser bringt nicht nur eine relative, sondern gegenüber den Kleinbauernwirtschaften eine absolute Verminderung, nicht aber eine Vermehrung der landwirtschaftlich tätigen „Hände", auf die gleiche Fläche berechnet, hervor: - eine Verdrängung dieser „Hände" durch „Kapital". 633 ) Welche Schranken - tech63a ) Für breite Distrikte des inneren Rußland schätzt m a n , 1 0 daß nur ein Fünftel der im A 3 1 2 (84) D o r f verfügbaren Arbeitskräfte dort h e u t e landwirtschaftliche V e r w e n d u n g finden könn e n , - selbst bei Innehaltung des „Nahrungsstandpunktes".
h A: auftretende 8 W e b e r folgt bei seinen vorstehenden Erörterungen den erwähnten Artikeln P e s e c h o novs (wie oben, S. 213, A n m . 5). 9 Der Arbeitswertlehre von Karl Marx zufolge richtet sich der Wert einer Ware nach der zu ihrer Herstellung „gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit", d.h. der durchschnittlich benötigten. Vgl. Marx, Karl, Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie, Band 1,4. Aufl. — Hamburg: Otto Meiner 1890, S . 5 . 10 Eine s o l c h e R e c h n u n g enthält der Artikel: Manuilov, Pozemel'nyj vopros, S . 3 0 f .
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nisch und ökonomisch - dies in der Landwirtschaft je nach dem Anbauobjekt und je nach der Sozialverfassung hat, ist hier nicht zu erörtern - sicher ist, daß in 'einem Getreide' für den Fernmarkt bauenden Lande gegenüber den mit ihren Händen das Land beakkernden Kleinwirtschaften eine gewaltige Verminderung der heuti- 5 gen landwirtschaftlichen Bevölkerung die einzig mögliche Konsequenz ist, wenn man den „technischen Fortschritt" als Ziel festhält.6313) Auch in der kapitalistischen Privateigentumsgesellschaft ist dies überall da der Fall, wo das Land wirklich „ländlich" bleibt, wo also nicht die Entstehung zahlreicher kaufkräftiger lokaler Märkte, 10 insbesondere die Entwicklung von Industrie, für die Kleineigentümer und Kleinpächter unter den Bedingungen des privaten Bodeneigentums günstige privatwirtschaftliche Existenzbedingungen schafft, oder wo nicht umgekehrt der Bauer durch Steigerung des naturalwirtschaftlichen Charakters seiner Wirtschaft, also namentlich durch 15 Einschränkung der nur durch Kauf zu befriedigenden Bedürfnisse, | A 313 (85) sich der Verflechtung in das Getriebe des Markts, damit aber auch dem „technischen Fortschritt" entzieht. Das Programm der „JungVolkstümler" nun ruht auf dem zünftlerischen „Nahrungsstand-
63b ) Ein Vertreter der - wie man in Süddeutschland früher gesagt hätte: - „Vereinödung" der Bauern ist in Rußland z.B. W. E. Postnikow, dessen Ideal der Meierhof (Chutorskoje Chasjaistwo) mit etwa durchschnittlich 60 Desjätinen (66 Ha.) Land, nach Art des großen deutschen Kolonistenhofes, als die der betriebstechnischen Optimalität entsprechende Betriebseinheit, ist. 11 Prof. Manuilow machte auf dem Moskauer Agrarkongreß dagegen geltend, daß dann in Rußland nur für ca. 1 xh Millionen Betriebseinheiten Raum sei und ca. 32 Millionen Arbeitskräfte freigesetzt würden. 12 Gleichviel ob diese Rechnung genau ist, so zeigt sie jedenfalls, welche bevölkerungspolitische Revolution der konsequent durchgeführte Agrarkapitalismus bedeuten würde. - Wie sich in manchen Gebieten Deutschlands der Gegensatz des produktionstechnisch-kapitalistischen und des Nahrungsprinzips in der Art der Besiedelung (abnehmende Siedelungsdichte bei zunehmender Bodengüte) ausspricht, habe ich in meinem Aufsatz „Zur preußischen Fideikommißfrage" (dieses Archiv Bd. 19, Heft 3) an einigen Zahlen zu illustrieren gesucht. 13 |
i einem, Getreide
11 W e b e r bezieht sich vermutlich auf: Postnikov, Vladimir E., J u z n o - r u s s k o e krest'jans k o e chozjajstvo. - Moskva: I. N. Kusner 1891, S. 3 3 4 f f . 1 2 Manuilov, P o z e m e l ' n y j v o p r o s , S. 60, zitiert V. E. Postnikov, J u z n o - r u s s k o e krest'jans k o e chozjajstvo, S. 335. Nur die Zahl der freigesetzten Arbeltskräfte beruht offensichtlich auf B e r e c h n u n g e n Manullovs, der sie mit 25 Millionen angibt. 1 3 Weber, Z u r Fideikommißfrage in Preußen, S. 5 0 3 - 5 7 4 , ( M W G I/8).
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punkt", d.h. es fragt nicht: wie kann ich mit einem Minimum von Arbeit von der gegebenen Fläche ein Maximum von Produkten erzielen (Devise des Agrarkapitalismus), sondern: wie kann ich auf der gegebenen Fläche einem Maximum von Menschen Unterhalt durch Verwertung ihrer Arbeitskraft im Dorf verschaffen? Es wäre nur bei entschlossener Verneinung des „technischen Fortschritts" konsequent, da es die steigende Bedeutung der „Produktion von Produktionsmitteln" und der Verdrängung von Handarbeit durch Werkzeuge bekämpfen müßte. Wenn nicht, dann ist die Obschtschina als Glied in den Wirbel des kapitalistischen Vergesellschaftungsprozesses eingefügt, in welchem das „Nahrungsprinzip" keinen Raum hat. Die Schwäche der Jung-Volkstümler liegt nun aber eben darin, daß sie in „technischer" Hinsicht „modern" sein möchten: sie sprechen z.B. von der „steigenden Kaufkraft", welche ihr Programm den Bauern geben werde, und geben damit den genuinen Gedanken des alten Narodnitschestwo auf, welchen Michailowskij dahin formulierte: daß die Annäherung an die „Einheitlichkeit" der Individuen das Ziel sein solle, daher der „allseitigen Arbeitsteilung zwischen den menschlichen Organen" die möglichst geringe Arbeitsteilung zwischen den Menschen entsprechen müsse:14 die Glorifizierung des Kustar (Hausindustrie) und der bäuerlichen gewerblichen Eigenproduktion wurde ja eben hierauf begründet, ja, Woronzow sah in dem hohen Pachtgeld der Bauern - also in ihrer Ausbeutung - den Schutzwall gegen die kapitalistische Entwicklung in der Landwirtschaft.15 Das gemeinsame solcher „romantischen" Richtungen ist eben, daß sie gegen den Kapitalismus kämpfen wollen, ohne sein Wesen theoretisch durchschaut zu haben. Deshalb ersteigt er hinter ihrem Rükken ihr Lager, während sie sich draußen mit Windmühlen herumschlagen. Sie haben zu ihrer Information über das Wesen des Kapitalismus meist nur allenfalls Marx gelesen und ihn ungenügend ver-
14 Michajlovskij formulierte diese Gedanken in seinem Artikel: Cto takoe progress?, in: Michajlovskij, N. K., Socinenija, tom 1. - S.-Peterburg: B. M. Vol'f 1896, Sp. 1-150, hier: Sp. 150: „Auf die uns gestellte Frage: Was ist der Fortschritt? - antworten wir: Fortschritt ist die graduelle Annäherung an die Ungeteiltheit des Individuums, an die vollständigst mögliche und allseitigste Teilung der Arbelt zwischen den Organen und die geringst mögliche Teilung der Arbeit zwischen den Menschen." Ähnlich ebd., Sp. 148. 15 Gemeint sind wahrscheinlich die Arbeiten V. P. Voroncovs, die unter dem Pseudonym V. V. veröffentlicht wurden: Sud'by kapitalizma v Rossii.- S.-Peterburg: M. M. Stasjulevic 1882, und: Ocerki kustarnoj promyslennosti v Rossii. - S.-Peterburg: V. Kirsbaum 1886.
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standen, da sie ihn mit der steten Frage nach „der Moral von der Geschieht" durchblätterten. 6311 ) In der Kenntnis des kapitalistischen Getriebes sind nun die Bodenreformer, namentlich soweit es sich um die Aufspürung und Analyse des Rentenbildungsprozesses, der ja ihre Spezialität ist, handelt, jenen Reaktionären entschieden überlegen. Die Bedeutung der Marktproduktion für die Entwicklung der Bodenbesitzformen und die Vorgänge der Differenzialrentenentwicklung sind ihnen, im ganzen, durchaus vertraut. So auch dem Referenten des „Russkoje Bogatstwo". Sehen wir uns nun ihr positives Programm an. - JournaA 314 (86) listisch vertreten war es jüngst in dem | Petersburger „Ssyn Otjetschestwa", 16 einem früher die Gedanken des „Befreiungsbundes" 1 7 im allgemeinen propagierenden Organ, welches seit 15. November Parteiorgan der „Sozialrevolutionären" Volkstümler unter der Redaktion von G. J. Schrejder, N. k Kudrin, W. A. Mjäkötin, A. W. Pjeschechönow - dessen Ansichten eben analysiert wurden - und W. M. Tschernow geworden war. In seinem Programm knüpfte er sowohl an Tschernyschewski, wie an Lawrow, wie endlich an Michailowski an, und trat ausdrücklich für den „Sozialismus" im Sinn der „Vergesellschaftung aller Produktionsmittel und aller wirtschaftlichen Tätigkeit des Menschen" ein. Als Unterscheidungsmerkmal gegenüber dem Marxismus bezeichnet er die Ablehnung der Entwicklungslehre: „Unsere Partei hat nicht die Neigung, sich vor der Wirklichkeit zu beugen und aus Tatsachen Fetische zu machen. Ihr ist fremd der Gedanke, daß neue Prinzipien der Gesellschaftsordnung nicht früher ins Leben gerufen werden können, als bis die bestehende Gesellschaftsordnung ihre Evolution vollendet habe. Der „Rahmen" derselben hat für sie nichts Heiliges.. J" 1 8 - Es ist, A 3 1 3 (85)
63c ) Dies gilt insbesondere auch für das s. Z. viel beachtete Buch von Nikolajon ( = Danijlsson). 1 9 |
k A: H.
I A: Auslassung in A.
16 Weber zitiert: Nasa programma, in: Syn otecestva, Nr. 229 vom 15. Nov. 1905, S. 1 f., hier: S.1. 17 Siehe oben, S. 97, Anm. 54, sowie die Bemerkungen in Syn otecestva, Nr. 228 vom 14. Nov. 1905, S. 1. 18 Weber zitiert: Nasa programma (wie oben, Anm. 16). 19 Nikoiaj F. Daniel'son veröffentlichte unter dem Pseudonym Nikolaj-on das Buch: Ocerki nasego poreformennago obscestvennago chozjajstva. - S.-Peterburg: Benke 1893.
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wie man sieht, immer wieder der gleiche, den Sozialismus Lawrows, ebenso wie die „Soziologie" Michailowskis beherrschende pragmatisch-rationalistische Gedanke, der die „Planlosigkeit" der sozialen Entwicklung Westeuropas darauf zurückführt, daß die Wissenschaft und das „Wissen von den sozialen Dingen" in der Vergangenheit noch nicht existierte. - Nächste Aufgaben der Partei sollen sein: Herbeiführung politischer Freiheit auf dem Boden der unbedingten Herrschaft des „Volkswillens", - „in welcher Form er sich auch äußern möge", - eine Anknüpfung an die alte „Narodnaja Wolja". Erstrebt wird der demokratische Föderativstaat mit Proportionalwahl und Referendum. Soziale Grundforderung ist „die Sozialisation" des Bodeneigentums in der Hand von „Territorialverbänden", der Bodennutzung in der Hand „aller Arbeitenden". Die Frage einer allgemeinen Vergesellschaftung („Nationalisation" oder „Munizipalisation") aller Produktionsmittel werde, heißt es, zurzeit „nicht aufgeworfen", aber die Partei werde jeder Übernahme von wirtschaftlicher Tätigkeit auf die Gemeinschaft, wann und wo immer sie „möglich" sei, speziell in der Form der Kommunalbetriebe, das Wort reden. Für jetzt fordert sie den 8stündigen Arbeitstag, Verbot der Kinder- und der weiblichen Nachtarbeit und Zwangsversicherung. 2 0 - D a ß gerade diese Gruppe unter den Bauern Boden gewinnen sollte, ist bei ihrem stark „intellektuellen" Charakter nicht sehr wahrscheinlich. Immerhin wollen wir zur näheren Veranschaulichung des Begriffs „Sozialrevolutionär" zunächst noch einmal zu den agrarpolitischen Erörterungen Pjeschechönows zurückkehren, der ja als Mitredakteur der Zeitung ihre Ansichten zu interpretieren berufen erscheint. Die Bodennutzung durch „alle Arbeitenden" setzt, wenn sie nicht Knechtschaft sein soll, den „freien Zutritt zum Lande", - für denjenigen nämlich, der das Kapital zu seiner Bearbeitung besitzt, müssen wir | dabei freilich hinzufügen - , voraus, und dieser wieder bedingt A 315 (87) die Sprengung des „Bauern-Ghettos", die Gewährung voller ökonomischer Freizügigkeit. Eine „freie Obschtschina" könne - bemerkt Pj[eschechonow] gegen Nowotorshskij - nur eine „freiwillige" sein, also eine Genossenschaft ohne allen Zwangscharakter. Westeuropa habe freilich den gleichen Z w e c k durch die Veräußerlichkeit des
20 Weber zitiert: Nasa programma (wie oben, S. 218, Anm. 16).
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Bodens zu erzielen gesucht. Aber diese sei ja die Mutter der Rente und - bei Auftauchen der Konkurrenz billigerer Böden - der Agrarkrisis, gegen welche Rußland, schon weil es Exportland sei, nicht zu dem Mittel der Zölle, sondern statt ihrer nur zu dem offenbar unmöglichen Gedanken barer Zuschüsse greifen könne. Die Zulassung der Bodenrente an sich und also des Privateigentums am Boden sei aber überhaupt nicht diskutabel: „ein Naturprozeß möge das Bodeneigentum schaffen", meint Pjfeschechonow] höchst charakteristisch, - bewußt aber die Proletarisierung, welche in seinem Gefolge auftrete, herbeiführen zu helfen, sei „eine sittliche Unmöglichkeit". Was aber dann? - fragt man angesichts dieser ein starkes Maß von Resignation gegenüber dem „Naturprozeß" der Entwicklung des Kapitalismus verratenden Bemerkung. Die Differenzialrente, heißt es darauf, welche durch Unterschiede der natürlichen Bodenqualität und der Lage zum Markt entsteht, „gebührt der Gesellschaft" und muß also von den Begünstigten an sie abgeführt werden. Dies kann natürlich nicht in Form einer festen Grundsteuer, sondern, da ja jeder Eisenbahnbau, jede lokale Industrie-Entwicklung und Marktverschiebung neue Renten schafft, nur durch eine „elastische Grundabgabe" geschaffen werden. (Diese ist übrigens nicht als „Single tax" 21 gedacht, diesen Gedanken lehnt vielmehr Pj[eschechonow] ausdrücklich ab.) Die Abgabe muß in Krisenfällen erniedrigt, bei Entstehung von neuen Differentialrenten - dürfen wir wohl hinzufügen in Gestalt einer Wertzuwachsabgabe auf die begünstigten Landwirte erhöht werden. Dies durchzuführen, ist also der wesentliche Zweck der „Sozialisation" des Bodens, und die Beseitigung des Privateigentums dient lediglich der Eröffnung des „freien Zutrittes zum m Lande". 22 - Daß hier der demokratische Zukunftsstaat als ein „von der Interessen Gunst und Haß" 23 unbewegtes, nach „objektiven" Gesichtspunkten verfahrendes Wesen gedacht ist, gereicht diesen Reformern kaum allzusehr zum Vorwurf, da auch sehr hervorragen-
m A: vom
21 Zur Single tax vgl. oben, S . 2 0 2 , A n m . 73. 22 Im w e s e n t l i c h e n referiert W e b e r hier die Antwort P e s e c h o n o v s auf Novotorzskij. Pesechonov, Obscina I gosudarstvo, S. 1 4 7 - 1 5 9 . 23 „ V o n der Parteien Gunst und Haß verwirrt, schwankt sein Charakterbild in der G e s c h i c h t e " , Friedrich Schiller, Wallenstelns Lager, Prolog.
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de deutsche Nationalökonomen, und gerade solche, welche auf ihre Eigenschaft als „Realpolitiker" das größte Gewicht legen, zuweilen ähnlichen Anschauungen selbst für den preußischen Gegenwartsstaat vortragen. 24 Aber die Frage ist nun: wie kommt der Staat erstmalig in den Besitz des Bodens und der Abgabe? Durch einfaches Dekret nicht: Pj[eschechonow] ist sich darüber klar, mit welchem Erstaunen seine Reformen von den Beteiligten aufgenommen würden, wenn die verelendeten Bauern der schwarzen Erde auf der einen, die fortschrittlichen Bauern in der Nähe der Städte, Häfen und Eisenbahnen auf der anderen Seite darüber informiert würden, daß sie im wesentlichen: - neue Steuern, gerade auf | ihr Land, A 316 (88) bedeuten solle. Sondern er will „organisch" vorgehen: der Staat soll in drei Fällen zum Landerwerb schreiten: 1. zur Förderung der natürlichen Bevölkerungsverteilung soll er dem Bauern Hilfe für die Übersiedelung gewähren und sich dafür dessen Anteil (Nadjel) in seiner bisherigen Gemeinde abtreten lassen, ebenso soll er 2. bei jedem sonstigen Austritt eines Bauern aus einer Dorfgemeinschaft den betreffenden Anteil kaufen, endlich soll 3. jedem Fall eines Übergangs zur „kapitalistischen" Wirtschaft die Expropriation auf dem Fuße folgen. J e nach der Höhe der in Aussicht stehenden Abkaufsummen könnte dies in all diesen Fällen natürlich ebensowohl ein Mittel zur beschleunigten Sprengung der Dorfgemeinschaften wie ein solches zur Verhinderung der Entwicklung technisch „fortschrittlicher" Wirtschaft werden. Welches übrigens die Merkmale „kapitalistischer" Wirtschaft sein sollen, bleibt bei dem weiten Umfang, den man in Rußland dem Begriff zu geben pflegt, zweifelhaft: ob außer den Gutsbesitzern und den Kulaki, welche Kauf- oder Pachtland bewirtschaften, auch alle Einzelhofbesitzer oder alle Bauern, welche Lohnarbeit verwenden. - Als Zwangsverbände will Pj[eschechonow] nicht mehr die Dorfgemeinschaften, sondern nur Gebietskörperschaften öffentlichen Charakters anerkennen. Denn: zur (sozialistischen) „Volkswirtschaft" führe besser, als jede Organisation in Berufsverbänden mit deren notwendigen privatwirtschaftlichen Interessenkonflikten, die „Munizipalisation", die Reglementierung also durch öffentlichrechtliche Herrschaftsverbände und
2 4 So u.a. Adolph Wagner in dem Artikel: Staat (in nationalökonomischer Hinsicht), In: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Band 6, 2. Aufl. - Jena: G. Fischer 1901, vor allem Abschnitt 3: Die Zwecke und Aufgaben des Staates, S. 945f.
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zwar solche von möglichst großem Umfang, welche den „gesellschaftlichen Geist" zu entwickeln geeignet seien. Denn, heißt es, wie heute die lokalen Semstwos weniger demokratisch sind, als die Gouvernementssemstwos, so sind überhaupt große Verbände fortschrittlicher als kleine Gemeinden. Nur in großen Verbänden betätigt sich 5 eben die Intelligenz, und nur wo sie ist, ist Demokratie. Wo es also auf „Ideale" ankommt, da muß man zentralisieren, und nur wo die Interessen der Masse, die keine Ideale kennt, direkt in Frage kommen, da sollen die örtlichen Verbände die Verfügung haben, - mit diesem, aus der Verwaltungsgeschichte des französischen Konvents 10 wohlbekannten, 2 5 den ursprünglichen Idealen aller Kategorien des „Narodnitschestwo", ebenso aber auch der föderalistischen Sozialrevolutionäre 630 ) und ebenso der Sozialisten vom Gepräge Dragomanows gleich entgegengesetzten Jakobinerspruch verteidigt Pj[eschechonow] die Pragmatik der Staatsallmacht: - ein bedenklicher Vor- 15 geschmack der zentralistisch-bureaukratischen Entwicklung, welche Rußland unter dem Einfluß radikaler Theoretiker nur allzu leicht nehmen könnte. - Die heutige Obschtschina soll also, nach Pj[escheA 317 (89) chonow], ihres Cha|rakters als Landbesitzerin entkleidet werden, dennoch aber soll der Staat bei der von ihm vorzunehmenden Land- 20 Vergebung entweder nur oder doch vornehmlich mit „Genossenschaften" von Landwirten verhandeln, - was freilich wieder mit dem über die Verwerflichkeit der Berufsverbände Gesagten schwer zu vereinbaren ist. 26 Auch hier also schließlich doch die Anknüpfung an A 316 (88)
63d ) Einer der Hauptvorwürfe der Sozialrevolutionären Organisationen gegen die Sozialdemokraten ist ihre zentralistische Tendenz, vgl. z.B. Punkt 7 der Resolutionen der grusischen Sozialrevolutionären Partei in Nr. 46 S. 9 der „Revoljuzionnaja Rossija" (5. Mai 1904). 27 |
25 G e m e i n t ist die straffe Zentralisation, die die K o n v e n t s r e g i e r u n g in Frankreich mit der V e r f a s s u n g s v e r o r d n u n g v o m 14. B r u m a i r e d e s J a h r e s II (4. D e z e m b e r 1793) d u r c h s e t z t e . Der N a t i o n a l k o n v e n t war seit dieser Zeit das einzige Zentralorgan, v o n d e m die Regler u n g s e n t s c h e i d u n g e n a u s g i n g e n . Er v e r k ö r p e r t e die nationale Souveränität u n d besaß die h ö c h s t e Autorität. Der Nationalkonvent, de facto j e d o c h d e r S i c h e r h e i t s - u n d W o h l f a h r t s a u s s c h u ß , übte die politische G e w a l t aus u n d v e r s t a n d sich als der alleinige Verteidiger der Ideale der Revolution. D e n D e p a r t e m e n t s v e r w a l t u n g e n s o w i e d e n regionalen und lokalen R e v o l u t i o n s a u s s c h ü s s e n u n d S e k t i o n s g e s e l l s c h a f t e n oblagen nur n o c h die S t e u e r n , die öffentlichen B a u v o r h a b e n u n d polizeiliche B e f u g n i s s e . J e d e ü b e r r e g i o n a l e V e r e i n i g u n g w u r d e mit sofortiger W i r k u n g aufgelöst. 26 Die v o r s t e h e n d e n A u s f ü h r u n g e n s t ü t z e n sich auf P e s e c h o n o v , O b s c i n a i g o s u d a r s t v o ; P e s e c h o n o v , Agrarnaja reforma. 27 Pervaja konferencija g r u z l n s k i c h r e v o l j u c i o n n y c h frakcii, S. 8 - 1 1 , hier: S. 9: Rezoljucija o t n o s i t e l ' n o Rossijskoj S o c i a l - d e m o k r a t i c e s k o j Rabocej Partil.
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die Dorfgemeinschaft, der nur jeder Zwangscharakter genommen werden soll. Die Obschtschina ist eben in der Tat, nicht nur technisch, sondern auch psychologisch, da, wo sie besteht, nicht so einfach zu beseitigen. Denn darin haben die „Jung-Volkstümler" offenbar ganz recht, und darin liegt auch die Zurückhaltung der Demokraten gegenüber dem Problem begründet: die Bauern selbst in ihrer Masse sind ohne allen Zweifel für ein im westeuropäischen Sinn „individualistisches" Agrarprogramm keineswegs zu gewinnen. - Zunächst ist zweifellos, daß bei der Aufrechterhaltung der Feldgemeinschaft - so sehr die Umteilungsbeschlüsse Produkt eines höchst erbitterten Klassenkampfes sein können, - keineswegs nur ökonomische Klasseninteressen, sondern auch festgewurzelte „naturrechtliche" Vorstellungen mitwirken. Denn es steht offenbar durchaus fest, 64 ) daß der erforderliche Beschluß für eine Neuumteilung des Landes keineswegs nur mit den Stimmen von Leuten gefaßt zu werden pflegt, welche von ihr eine Besserung ihrer Lage zu erhoffen haben oder die man durch Prügel oder Boykott gefügig machte. Auf der anderen Seite freilich steht auch ein anderes fest: gerade die Neuumteilung des Landes, dies dem äußeren Anschein nach wichtigste agrardemokratische Element dieser Sozialverfassung, steht gar nicht selten, soweit es als „sozialpolitisch" wirkend gedacht wird, nur auf dem Papier. Die vermögenden Bauern verpachten, veräußern, vererben ihr Land (natürlich nur innerhalb der Gemeinde), vertrauend, daß keine Umteilung beschlossen werde, - oder umgekehrt: sie haben die Gemeindegenossen als ihre Schuldner in der Hand, und die Umteilung stärkt faktisch ihre Übermacht. Und da ja die Umteilung zwar Land, aber kein Vieh und Wirtschaftskapital zuteilt, ist sie mit der rücksichtslosesten Ausbeutung der Schwachen vereinbar. Aber mit steigendem Wert des Landes und steigender Differenzierung wächst dann natürlich der zornige Radikalismus der Massen gerade infolge der Diskrepanz von Recht und Tatsachen. Und - das scheint das Entscheidende - dieser kommunistische Radikalismus müßte nun offenbar, gerade wenn die Lage der Bauern gehoben, wenn also ihre Lasten erleichtert und das der Gemeinde verfügbare Land vergrößert wird, nach menschlichem Ermessen unbedingt stark steigen. Denn während in den Gegenden, wo die auf die Boden64
) Gegen eine Überwertung dieser Momente vgl. Tschuprow, Feldgemeinschaft A 317 (89) S. 32ff. |
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anteile gelegten Lasten den Ertrag übersteigen, - es sind dies beA 318 (90) kanntlich nicht wenige, - der Landbesitz noch heute als eine | Pflicht gilt, der sich jeder Dorfgenosse zu entziehen sucht, wird umgekehrt die Umteilung von den Massen überall da erstrebt, wo der Bodenertrag die Lasten übersteigt. Die Gegenden besten Bodens sind des- 5 halb die Gegenden, wo die Masse das zwingendste Umteilungsinteresse hat, und wo die wohlhabenden Bauern das stärkste Gegeninteresse haben. Jeder Erlaß von Steuern und Lasten, so jetzt der Erlaß der Loskaufgelder, muß also, - wenn dabei die Feldgemeinschaft bestehen bleibt, - diese Herde kommunistischer Interessen und des 10 sozialen Kampfes vermehren. Es ist ferner bekannt, daß z.B. die deutschen Bauern in Südrußland vielfach die strenge Feldgemeinschaft erst eingeführt haben, als ihnen die Regierung den Landbesitz vermehrte: 2 8 aus höchst begreiflichen Gründen. Der Effekt einer „Nadjel-Ergänzung" 2 9 kann, generell gesprochen, nicht wohl ein 15 anderer sein: der Glaube an den Kommunismus muß mächtig anschwellen. Mit dieser Hoffnung werden die Sozialrevolutionäre, soweit man von außen her urteilen kann, Recht behalten. Und doch ist für ehrliche Agrarreformer dies Programm der Nadjel-Ergänzung heute ganz unabweislich. Die konstitutionell-demo- 20 kratische Partei hat denn auch in ihrem Agrarprogramm (Punkt 36-40) 3 0 sich auf die betreffenden Forderungen des „Befreiungsbundes" und des liberalen Agrarkongresses festgelegt, mit teilweise noch weitergehenden Konzessionen an die Einwendungen der Sozialrevolutionäre. Dahin gehört: 1. die Forderung, daß die Entschä- 25 digung der zu enteignenden Grundbesitzer nicht nach dem Marktwert, sondern nach dem „gerechten Preis" zu erfolgen habe (Punkt
28 Der durchschnittliche Besitz der deutschen Kolonisten in Südrußland betrug im 19. Jahrhundert ca. 60 ha. Aufgrund geringer Absatzchancen und niedriger Getreidepreise fiel der privatwirtschaftliche Wert des Landes, und die Kolonisten führten Mitte des 19. Jahrhunderts das Mir-System ein. Dies änderte sich durch bessere Marktanbindung und knapper werdendes Land erneut, und es erfolgte Ende des 19. Jahrhunderts eine Rückkehr zum Privateigentum. 29 Die Forderung der Nadel-Ergänzung wurde hauptsächlich von Agrarexperten, die der Konstitutionell-demokratischen Partei nahestanden, erhoben. Sie bezog sich insbesondere auf die Ergänzung der sog. Zwerg-Nadeli zumeist bis zu der Höhe, die eine Subsistenzwirtschaft ermöglichte. 30 Dies bezieht sich auf den Abschnitt VI des Programms der Kadetten: Agrargesetzgebung. Programma konstitucionno-demokraticeskoj partii, S. 3429. Deutsche Übersetzung bei Scheibert, Parteien, S. 65f.
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36),31 2. die ausdrückliche Forderung der gesetzlichen Garantie der Pachterneuerung, eventuell des Rechtes des Pächters auf Ersatz der Meliorationen, und, vor allem, der Schaffung gerichtlicher Instanzen (nach irischem Vorbild) 32 für die Herabsetzung „unverhältnismäßig 5 hoher" Pachtrenten (Punkt 39), 33 3. die Schaffung einer Landwirtschafts-Inspektion zur Kontrolle der Handhabung der auf die Landwirtschaft auszudehnenden Arbeiterschutzgesetzgebung. 34 Die Prinzipien, nach denen den Bauern das enteignete Land zuzuweisen ist (persönliche oder feldgemeinschaftliche Zuteilung zu Eigentum 10 oder Nutzung), sollen „gemäß der Eigenart des Bodenbesitzes und der Bodennutzung in den verschiedenen Gebieten Rußlands" festgestellt werden. 35 Wir sahen ja früher, 36 daß die Regulierung der Agrarverhältnisse Angelegenheit der demokratisierten Selbstverwaltungskörper sein sollte, - eine sichtliche Annäherung an den 15 Sozialrevolutionären Gedanken der „Territorialverbände" als Träger des Rechts am Lande. 64 ") | 64a
) Die Ukrainische demokratische Partei faßt den Sachverhalt auch ausdrücklich so A 318 (90) auf („Prawo" Nr. 40 S. 3326). 3 7 Sie fordert (Punkt 6) stufenweisen Aufkauf des privaten Landes und alsbaldige Konfiskation alles Domänen-, Apanagen-, Schatull-, Kirchen-, Kloster-Besitzes zugunsten des „Landes" behufs Verpachtung | an Einzelne oder Dorfge- A 319 (91) meinschaften. Ebenso sollte der Landtag Fabriken, Manufakturen und andere „kapitalistische Unternehmungen" aufkaufen „zum Zweck der Sicherung der arbeitenden Klassen". - Die (ihrem Endziel nach separatistische) „Ukrainische Radikale Partei" fordert (Programm in der Ruth[enischen] Revue 1905 Nr. 13 S. 318) einerseits (Punkt 6) Expropriation alles Privatlandes auf Kosten des „Landes" behufs Ausstattung der Landlosen, andererseits (weiter unten), daß dem Bauer freistehe, über seinen Boden nach Lostrennung desselben vom gemeinschaftlichen Boden, zu verfügen, - wonach also unter „Privat-
31 Ebd. 32 Dies bezieht sich auf den Land-Law-Act von 1881, der in Irland staatliche Landkommissionen schuf, die die Pachthöhe abschätzten und auf die Dauer von 15 Jahren festschrieben. Das Gesetz sah des weiteren vor, daß Im Falle einer Pachterhöhung Pächter oder Verpächter das Recht zustand, vor Gericht die Festsetzung einer sog. fair rent zu beantragen. Diese vom Gericht festgesetzte Pacht galt gleichfalls für die Dauer von 15 Jahren. Vgl. Martens, H., Die Agrarreform in Irland, in: Staats- und Sozlalwlssenschaftliche Forschungen, Band 177,1915, S.74ff. 3 3 Programma konstituclonno-demokraticeskoj partii, S. 3430. Deutsche Übersetzung bei Scheibert, Parteien, S. 66. 3 4 Weber bezieht sich auf Paragraph 40 des Programms der Kadetten, ebd. Deutsche Übersetzung bei Scheibert, Parteien, S. 66. 3 5 Weber zitiert Paragraph 37 des Programms der Kadetten, Programma konstltucionnodemokratlceskoj partii, S. 3429. Deutsche Übersetzung bei Scheibert, Parteien, S. 66. 36 Siehe oben, S. 138. 37 Doklad organizaclonnago bjuro, S. 3326.
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Dies immerhin kräftig radikale Agrarprogramm bleibt im Grunde nicht sehr weit hinter dem zurück, was die Revoljuzionnaja Rossija vor wenigen Jahren für zunächst erreichbar hielt, - aber es genügt, da es das Privateigentum am Boden immerhin bestehen läßt, heute, unter dem Eindruck der unerwarteten Erfolge der Revolution, na- 5 türlich weder den politisch radikal gewordenen Volkstümlern, noch den bodenreformerischen Sozialrevolutionären, noch den Leninschen Sozialdemokraten, - noch endlich den breiten unteren Schichten der Bauern selbst, soweit sie „erwacht sind". Dies ist an sich leicht verständlich. Denn daß den Bauern und ebenso den radikalen 10 Sozialreformern bei ihrem Verlangen, das Land der Gutsbesitzer solle als „ungerechtes Gut" konfisziert und ihnen zugeteilt werden, der zuweilen gehörte praktische Einwand nicht imponiert: sie könnten ja dieses Land ohne Vermehrung ihres Inventars gar nicht bewirtschaften, ist sehr begreiflich. Die Bauern haben, wenn ihr eigenes 15 Land, wie in der Regel, nicht ausreicht, nur die Wahl, entweder Pächter (oft Teilpächter) oder Arbeiter des Gutsherrn zu sein, im zweiten Falle in breiten Gebieten gerade der Getreideexport-Produktion sehr regelmäßig mit ihrem eigenen Inventar. Sie sind also, soweit diese Verhältnisse bestehen, diejenigen, mit deren Inventar 20 das Gutsland auch jetzt bearbeitet wird. Zu mehr als 4/s soll (angeblich) das auf dem Markt erscheinende Getreide „bäuerlicher" Arbeit entstammen, obwohl mfeines] W[issens] für das Gebiet der schwarzen Erde das Privateigentum auf Yn des Gesamtareals und Vz des besäten Landes angegeben zu werden pflegt. 38 Die Konfiskation des 25 land" nur Rittergüter verstanden werden; im übrigen soll durch ein Grundbesitzmaximum provisorisch der Bodenanhäufung entgegengetreten und alle Steuern außer einer zu schaffenden progressiven Einkommen- und Erbschaftssteuer beseitigt werden. 39
38 Es ließ sich nicht ermitteln, worauf sich W e b e r s A n g a b e stützt, daß angeblich % des Marktgetreides aus bäuerlicher Arbeit kam. Zu W e b e r s weiteren A n g a b e n vgl. Cuprov, A. I. und Posnikov, A. S. (Hg.), Vlijanie urozaev i chlebnych cen na nekotoryja storony russkago narodnago chozjajstva, t o m 1 . - S . - P e t e r b u r g : V. Kirsbaum 1897, S.XXIV. 39 W e b e r bezieht sich u.a. auf die f o l g e n d e n P r o g r a m m p u n k t e : „ I n spezieller Berücksichtigung der Agrarfrage verlangt die Partei: daß zu G u n s t e n dieses Fonds [gemeint ist ein A c k e r f o n d s ] auf Kosten des Landes, der Kreise oder der G e m e i n d e n alle Ä c k e r den Privatbesitzern z w a n g s w e i s e abgekauft w e r d e n ; daß vorher, b e v o r d i e s e Regelung durchgeführt wird, der Ukrainische Volksrat beschließe, daß niemand den B o d e n über ein g e w i s s e s M a x i m u m ankaufen dürfe. Die Besitzlosen und W e n i g b e s i t z e n d e n erhalten G r u n d und B o d e n aus d e m Landesackerfonds. D e m Bauern steht es frei, über seinen B o d e n zu verfügen, n a c h d e m er d e n s e l b e n von d e m gemeinschaftlichen B o d e n l o s ge-
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Gutslandes kann also den Bauern schlechterdings nur als Enteignung einer monopolistischen Rentnerklasse erscheinen. 65 ) - | Den kom- A 320 (92) munistischen Charakter der Bauernbewegung, der in der Agrarverfassung begründet ist und aus Gründen, die schon erwähnt wurden, 40 5 steigen zu müssen scheint, noch weiter zu steigern, hat nun die Regierung selbst das ihrige getan, vor Jahrhunderten ebenso wie 65 ) Sehr viel unentwickelter ist die soziale Bewegung auf dem Lande da, wo der kapitalistische Großbetrieb mit der Bauernarbeit gänzlich gebrochen hat und lediglich mit frei gemieteten und nicht ortsansässigen Arbeitern wirtschaftet. So bei den gänzlich proletarisierten Arbeitern z . B . der westlichen Gouvernements. Für sie besteht seit 1 8 8 6 im Gegensatz zum gemeinen Recht - das Arbeitsbuch und die Kontraktbruchstrafe, bei sehr beschränkter Möglichkeit der Anrufung der öffentlichen Gerichte. 4 1 Trotzdem zeigen sie, im Gegensatz zu dem wilden Aufruhrcharakter | der alten „Bunt"-Bewegungen, A 3 2 0 (92) Anfänge einer sozialistischen Organisation, welche trotz ihrer Schwäche eine gewisse Einschüchterung der Besitzer erzielt zu haben scheint. Während der Landwirte-Kongreß in Moskau 1895 sich absolut ablehnend gegen den Gedanken der Errichtung eines Arbeitsbüreaus (sollte" in erster Linie dem Arbeitsnachweis dienen), gegen jede sanitäre Kontrolle und alle Versuche, irgendwie, sei es auch durch freiwillige Tätigkeit, in das Arbeitsverhältnis einzugreifen, verhielt, 4 2 regten im letzten Sommer Landwirte ihrerseits selbst (in der „Nasha Shisnj" vom 19. August) 4 3 die Schaffung einer Inspektion nach dem Muster der F.abrikinspektion an. Schroff reaktionär ist freilich wieder der Moskauer LandwirteKongreß Dezember 1905 44 (vgl. übrigens L. Kleinbort im „Obrasowanije" 1905 Heft 9) , 4 5
n A: sollten
trennt hat. Aufhebung aller mittelbaren Steuern und Einführung der progressiven Einkommen- und Erbschaftssteuer." Ukrainische Radikale Partei, S. 3 1 5 - 3 1 9 . 40 Siehe oben, S. 224. 41 Gemeint ist das Gesetz aus dem Jahre 1886 über die ländlichen Arbeiter, das u.a. den Kontraktbruch nicht, wie im russischen bürgerlichen Recht üblich, als Gegenstand des Zivilrechts, sondern des Strafrechts behandelte. Das Gesetz ist ausführlich bei Klejnbort, Dvizenija sel'skochozjajstvennych rabocich, S. 18f., kommentiert. 42 Trudy vserossijskago s-ezda sel'skich chozjaev sozvannago Imperatorskim Moskovskim obscestvom sel'skago chozjajstva s 10 po 20 dekabrja 1895g. Vyp. I. - Moskva: V.Richter 1896, S. 1 - 6 4 . 43 Dies beruht auf Angaben von Klejnbort, Dvizenija sel'skochozjajstvennych rabocich. Der Verweis auf NasaZizn' vom 19. August 1905 ebd., S. 16. 44 Gemeint ist vermutlich die erste „Allrussische Konferenz der Landbesitzer" (Vserossijskij s-ezd sojuzazemlevladel'cev), die vom 17. bis 20. November 1905 in Moskau tagte. Die Konferenz forderte die Unverletzbarkeit des Privateigentums und gab als ihre politische Leitlinie „Orthodoxie, Autokratie und Nationalität" aus. Vgl. Hosking, Geoffrey A. und Manning, Roberta Th., What was the United Nobility, in: Haimson, Leopold H. (Hg.), The Politics of Rural Russia 1904-1914. - Bioomington/London: Indiana University Press 1979, S. 142-183, hier: S. 147f. (künftig: Haimson, Rural Russia). Siehe auch den Bericht in: Russkija Vedomosti, Nr. 305 vom 19. Nov. 1905, S. 43. 45 Klejnbort, Dvizenija sel'skochozjajstvennych rabocich.
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noch in letzter Zeit. Der Gedanke, daß der Bodenbesitz der, jedes noch so „wohl erworbene" Privatrecht 46 austilgenden, souveränen Verfügung der Staatsgewalt unterliege, hat ja im altmoskowitischen Staat sein historisches Heimatsrecht, ganz ebenso wie die Feldgemeinschaft, gleichviel ob sie - was immer wieder angezweifelt wird, der Moskauer Steuergesetzgebung und der glebae adscriptio 47 ausschließlich ihren Ursprung verdankt. Bestehen bleibt aber auch für unser Jahrhundert - mögen einzelne liberale Beamte darin anders verfahren sein - die Tatsache, daß die Austilgung der „erworbenen" Rechte und die Überführung in die Feldgemeinschaft zum Regierungsprogramm des Grafen Kisseljew 48 unter Nikolaus I. gehörte, und daß diesem Programm entsprechend auch ihre Propagierung erfolgt ist. Die Politik des letzten Jahrzehnts hat dann den „historischen" bäuerlichen Kommunismus, der im Sinne des Bauern bis dahin „Dorfkommunismus" geblieben war, d.h., dem bestehenden Rechtszustand entsprechend, das Land des Heimatsdorfes als Eigentum der Dorfgenossen und nur dieser beanspruchte und daneben auf das Gutsland, als eigentlich den Bauern vom „Zarbefreier" versprochen, 4 9 hinüberblickte, - in die Bahn der Parole: „staatliche Versorgung aller Bauern mit Land" 50 gedrängt. 66 ) Denn die Regierung 66 ) Dies hat niemand schärfer als Witte in den „Spezialberatungen" über die „Bedürfnisse der dörflichen Wirtschaft" betont. 5 1 |
46 Wohlerworbene Rechte (iura quaesita) sind diejenigen subjektiven Rechte, die durch einen besonderen Rechtstitel erworben waren und nicht lediglich einen Ausfluß der natürlichen Freiheit darstellten. 47 „glebae adscriptio" (an die Scholle gebunden) ist die Bezeichnung für den Rechtsstand des unfreien Bauern, der eine rechtliche und wirtschaftliche Einheit mit seinem Land bildet. Die Schollenbindung wurde im sog. ulozenie von 1649 festgeschrieben. 48 Gemeint ist die Reform der Administration der Staatsbauern, die Graf Kiselev, der ab 1837 Domänenminister war, durchführte. Insbesondere durch das Gesetz vom 30. April 1838 (der Gesetzestext umfaßt mehr als 150 Seiten) wurden die bislang weitgehend nichtkodifizierten Rechte der Dorfgemeinde entweder beseitigt oder durch einen bürokratischen Apparat überlagert. 49 Gemeint ist Zar Alexander II., der 1861 die Bauernbefreiung durchführte. In Teilen der russischen Bauernschaft herrschte der Glaube, daß den Bauern vom Zaren alles Land versprochen worden sei, ihnen jedoch von den Gutsbesitzern und der Bürokratie vorenthalten würde. 50 Als Zitat nicht nachgewiesen. Gemeint ist die aus bäuerlichen Kreisen, von den politischen Parteien der Mitte und der Linken sowie von staatlichen Stellen erhobene Forderung nach Ausstattung der bäuerlichen Betriebe entweder mit Staatsland oder durch Enteignung des Großgrundbesitzes. 51 Zu Vittes Standpunkt in den Beratungen vgl. seine Schrift: Vitte, S., Zapiska po
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selbst hat, zumal seit dem Gesetz von 1893, 52 den Mir seines aktiv genossenschaftlichen Charakters zunehmend entkleidet und ihn in ein autoritär kontrolliertes und geleitetes passives Objekt der Tätigkeit ihrer Beamten zu verwandeln sich bemüht. Die Bodenumteilung 5 erfolgt zunehmend unter Kontrolle, und das wird im großen und ganzen heißen, nach "Anweisung von" Behörden, mag auch der Umteilungsbeschluß selbst Produkt eines internen Klassenkampfes im Dorfe gewesen sein. Und vor allem hat die Regierung das bereits auf Grund bestehender Gesetze und Versprechungen | durch Lei- A 321 (93) 10 stung der Loskaufszahlungen gültig erworbene bäuerliche Privateigentum 1893 als „Luft" behandelt, indem sie seine Verwertung willkürlich zugunsten der Gemeinde beschränkte. Wenn nun die Bauern, nachdem der Staat so den Eigentumssinnp geschwächt und für sich Recht und Fähigkeit der Kontrolle in Anspruch genommen hat, 15 ihrerseits dem Staate die Pflicht zuschreiben, die Verantwortung für ihre Versorgung zu tragen und Land zu schaffen, es sei woher immer, - dann ist dies die einzig mögliche Konsequenz der staatlichen Politik. Alles in allem würde also die Durchführung des Reformpro20 gramms der bürgerlichen Demokraten aller Wahrscheinlichkeit nach einer gewaltigen Steigerung des agrarkommunistischen und Sozialrevolutionären „Geistes" unter den Bauern zugute kommen, der heute schon so stark ist, daß wenigstens die Masse der Bauern für ein individualistisches Programm, wie z. B. Struve es seinerzeit vertrat, 53
O A: Anweisung, von
p A: Eigentumsinn
krest'janskomu delu. Materialy V y s o c a j s e ucrezdennago O s o b a g o S o v e s c a n i j a 0 nuzdach sel'sko-chozjajstvennoj p r o m y s l e n n o s t i . - S . - P e t e r b u r g : V. F. Kirsbaum 1904, S. 33f. und 97f. 5 2 Das G e s e t z vom 14. D e z e m b e r 1893 hob Artikel 165 d e s A b l ö s u n g s g e s e t z e s von 1861 auf. Es beseitigte das bisherige Recht des Bauern auf Austritt ohne Z u s t i m m u n g der Dorfgemeinde und damit auch die Möglichkeit, nach Zahlung der vollen L o s k a u f s u m m e das Land als Privatbesitz zu führen. Der Austritt aus der O b s c i n a war damit nahezu unmöglich. Z u d e m wurde den Bauern durch d i e s e s G e s e t z der Verkauf ihres Landes verboten. 5 3 Struve befürwortete erstmals in seiner Schrift: Ocerki nasego poreformennago obs c e s t v e n n a g o chozjajstva, die 1894 erschien, sowohl die G e w ä h r u n g individueller Rechte für die Bauern als auch die Schaffung unabhängiger Bauernwirtschaften. Vgl. dazu Pipes, Struve. Liberal on the Left, S. 112f. und 151 (wie oben, S. 94, A n m . 35).
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sicherlich nicht zu haben sein würde.66") Das Eigenartige der Situation Rußlands scheint eben zu sein, daß dort eine Steigerung der „kapitalistischen"11 Entwicklung, bei dem gleichzeitig mit ihr steigenden Werte des Bodens und seiner Produkte, neben der weiteren Entwicklung des industriellen Proletariats und also des „modernen" 5 Sozialismus, auch eine Steigerung des „unmodernen" ylgrarkommunismus mit sich führen kann.61) - Und auch auf dem Gebiet der „geistigen Bewegung" scheinen die „Möglichkeiten" der Entwicklung noch nicht eindeutig. A 321 (93)
66a
) Das (orthodoxe) sozialdemokratische Parteiprogramm von 1903 (Punkt 2) trat den agrarkommunistischen Ideen, durch die Forderung der „Abschaffung aller Gesetze, welche den Bauern in der Verfügung über sein Land beschränkten", in aller Form entgegen. Denn wenn nicht etwa in dem Ausdruck „sein" Land doch eine Zweideutigkeit stecken sollte, so bedeutet jene Forderung im Effekt notwendig: Auflösung der heutigen Obschtschina. D e m entspricht es, daß das Programm die „obrjeski" zwar (Punkt 4) den „Dorfgesellschaften" zuweisen wollte, aber dabei den technischen Ausdruck „obschtschina" durch den neutralen „obschtschestwo" ersetzte. 5 4 67 ) Auch außerhalb Rußlands ist ja in gewissem Sinn etwas Analoges der Fall: die landwirtschaftliche Genossenschaftsbev/egung ist Reflexerscheinung des Kapitalismus. 55 Aber der große Unterschied ist, daß sie selbst mit dem Geist der „Rechenhaftigkeit" durchtränkt ist, einen ökonomischen Ausleseprozeß bedeutet und, letztlich, den Bauern zum „Geschäftsmann" erzieht. Vielleicht würde gerade die Ausgestaltung der Obschtschina nach der genossenschaftlichen Richtung die Bresche schlagen, durch welche der „Geist" des Individualismus in sie eindringen kann. | q A: „ k a p i t a l i s t i s c h e n "
5 4 Der Terminus „sel'skoe obscestvo", der im Programm der R S D R P benutzt wurde, entspricht dem Wortlaut des Gesetzes vom 19. Februar 1861, nach dem die befreiten Bauern eines jeden Dorfes eine „sel'skoe obscestvo" (dörfliche Gemeinde) zu bilden haben. Prilozenie kNo. 53 Iskry vom 25. Nov. 1903. K P S S vrezoljucijach, tom 1, S . 4 3 (wie oben, S. 166f., Anm. 4). Deutsche Übersetzung bei Scheibert, Parteien, S. 48. In Punkt 2 des Programms wurde „die Aufhebung aller Gesetze, die den Bauern in der Verfügung über sein Land beschränken", gefordert. Unter Punkt 4 a forderte die Partei: „die Bildung von Bauernkomitees für die Rückerstattung (mittels Expropriation oder - falls der Boden von Hand zu Hand gegangen ist - Rückkauf durch den Staat auf Kosten des adligen Großgrundbesitzes) der Landstücke an die Dorfgemeinschaften, die bei der Aufhebung der Leibeigenschaft vom Land der Bauern abgetrennt worden sind und In den Händen der Gutsbesitzer als Mittel ihrer Unterjochung dienen." 5 5 Der moderne Genossenschaftsgedanke erwachte in den Ländern Westeuropas etwa gleichzeitig: 1834 In Frankreich mit Produktivgenossenschaften, 1844 in England mit Konsumgenossenschaften und 1849/1850 In Deutschland mit Einkaufs- und Kreditgenossenschaften. Relativ zur Einwohnerzahl waren Genossenschaften zu Beginn des 20. Jahrhunderts In Dänemark, der Schweiz, in Österreich und Deutschland besonders verbreitet. Beispielhafte Bedeutung für den Aufbau ländlicher Genossenschaften nicht nur in Europa hatten Deutschland (Raiffeisen) und Dänemark.
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Der Dunstkreis des Narodnitschestwo, der noch immer durch alle Schattierungen der „Intelligenz" aller Klassen und politischen Programme sich hinzieht, wird zwar durchbrochen werden, - aber es fragt sich, was an die Stelle tritt. Einer so rein sachlichen Auffassung der Dinge, wie dem sozialreformerischen Liberalismus, würde es nicht ohne harten | Kampf gelingen, den „breiten" Charakter des A 322 (94) russischen Geistes zu fesseln. Denn bei der „Sozialrevolutionären" Intelligenz hat dieser romantische Radikalismus noch eine andere Seite: es ist von ihm aus, seines dem „Staatssozialismus" trotz aller Proteste nahestehenden Charakters wegen, der Sprung ins autoritäre und reaktionäre Lager äußerst leicht. Die relative Häufigkeit der rapiden „Mauserung" äußerst radikaler Studenten in höchst „autoritäre" Beamte, von der namentlich ausländische, aber auch gewissenhafte russische r , Beobachter uns zu erzählen pflegen, braucht - die Richtigkeit der Tatsache vorausgesetzt - durchaus nicht, wie man wohl gesagt hat, angeborene Eigenart oder schnöde Brotkorbstreberei zu sein. Denn auch der umgekehrte Vorgang: plötzlicher Übergang vom überzeugten Anhänger des durch Plehwe und Pobjedonosszew vertretenen pragmatischen Rationalismus der Bureaukratie ins extrem Sozialrevolutionäre Lager hat in den letzten Jahren mehrfach stattgefunden. Sondern es ist der pragmatische Rationalismus dieser Richtung überhaupt, welcher nach der im Dienst der absoluten sozialethischen Norm stehenden „Tat" lechzt und, auf dem ideellen Resonanzboden 3 des noch bestehenden Agrarkommunismus, zwischen der „schöpferischen" Tat von „oben" oder von „unten" hinund herschwankt, daher bald reaktionärer, bald revolutionärer Romantik verfällt. - Doch kommen wir nunmehr zu den gegenwärtig vorliegenden Äußerungen der Bauern selbst. Soweit die Forderungen der Bauern spontan zum Ausdruck kommen, 673 ) wie in den zahlreichen Resolutionen ihrer 1 Versammlungen 67a ) Im „Prawo", welches während des letzten Jahres fortlaufend bäuerliche „Prigo- A 322 (94) wors"56 aus den verschiedensten Gegenden brachte, hat (Nr. 33) Kornilow eine gute Zusammenstellung ihres wesentlichen Inhalts gegeben. 57 Er ist in den Hauptpunkten
r Fehlt in A; russische sinngemäß ergänzt.
s A: Resonnanzboden
t A: ihre
56 „ Prigovor s e l ' s k o g o s c h o d a " war seit der Bauernbefreiung 1861 eine schriftlich fixierte Entscheidung der D o r f v e r s a m m l u n g . 57 Kornilov, Fakticeskija dannyja, S. 2 6 8 9 - 2 6 9 9 . W e b e r bezieht sich hier und im folgenden auf diesen Artikel.
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Demokratie
A 323 (95) und bereits in | Adressen, wie eine z. B . im Frühjahr gelegentlich der Tagung einer Landwirtschaftsgenossenschaft im Charkower Gouvernement improvisiert wurde, 58 handelt es sich, neben der Herabsetzung der Steuern und Abgaben und der immer wiederkehrenden Forderung des Schulzwanges, stets um zwei sehr einfache Dinge. 1. 5 Fort mit der Einmischung der subalternen sowohl wie, erst recht, der adeligen ländlichen Staatsbeamten, speziell der Semskie Natschalniki (der von der Regierung als polizeiliche Kontrollinstanz geschaffenen Landhauptleute): 59 „Wir bitten dich, Herr, erspare uns unser Beamtentum, diese Aufseher, 6 8 ) Gendarmen und Landhauptleute. 10 Sie kommen dich, Herr, und uns teuer zu stehen,und Ordnung geben sie uns keine, sondern sie hindern uns zu leben und zu arbeiten und kränken u n s . . , a Frage sie, Herr, streng, wer schuld ist, daß das Volk stark typischer Art[,j und, da es durchaus feststeht, daß sehr viele dieser Resolutionen unter Beihilfe eines Sozialrevolutionären „Intelligenten" abgefaßt sind, so wird man natürlich ihnen gegenüber, sofern sie als Ausdruck autochthoner Wünsche der B a u e r n gelten sollen, ähnlich kritisch sein, wie gegenüber den bäuerlichen Cahiers des Jahres 1789. 6 0 Immerhin fehlt das Lokalkolorit u n d zahlreiche A n k n ü p f u n g e n an ganz k o n k r e t e Verhältnisse nicht, und es wäre natürlich höchst verkehrt, sie wegen jener häufigen, aber übrigens durchaus nicht durchgängigen Beihilfe einfach als „Parteifabrikate" anzusehen. Jedenfalls k o m m t die elementare Macht, deren die schöne Sprache fähig ist, in vielen von ihnen eindrucksvoll zur Geltung. - In den Westgouvernements steht in den Prigowors das Verlangen nach Gewissensfreiheit, im Süden das nach politischer Befreiung voran, Zentrum und Schwarzerderayon stellen die radikalen agrarischen Forderungen an die Spitze. D a s Verlangen nach unentgeltlichen Volksschulen wird überall mit in die erste Reihe gestellt, und es k o m m t oft in sehr wirksamer Weise das G e f ü h l zum Ausdruck, den großen Ereignissen und vermeintlichen „ C h a n c e n " der Gegenwart blind und hilflos, weil des Lesens unkundig, gegenüberzustehen. Hie und da schritten die Bauern direkt zur Ausscheidung von Landbesitz für die G r ü n d u n g von Schulen. | 68 A 323 (95) ) Die von Plehwe geschaffenen D o r f - U r j a d n i k i , deren Zahl mehrere Z e h n t a u s e n d e beträgt. 6 1
a Auslassung in A. 58 Probuzdenie krest'jan, S. 381. Weber zitiert im folgenden diesen Bericht. 59 Das Amt der Landhauptleute wurde durch Gesetz vom 12. Juli 1889 geschaffen. Sie besaßen administrative und juristische Funktionen im Dorf, wurden von der Regierung ernannt und überwachten alle Entscheidungen der Obscina. Sie wurden zumeist aus dem lokalen Adel rekrutiert. 60 Gemeint sind die „Cahiers de Doléances", die Beschwerdehefte der französischen Landbevölkerung, die auf den Urversammlungen für die Wahl der Deputierten der Generalstände beschlossen wurden. 61 Dies bezieht sich auf die Verordnung vom 5. Mai 1903, die in den ländlichen Gemeinden die Einsetzung eines „policejskij urjadnik" je volost', d.h. eines ländlichen Polizeibeamten vorsah.
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verdummt ist, warum bei uns keine guten Schulen sind, warum wir die Bücher und Zeitungen lesen müssen, die ihnen passen, 69 ) warum wir alle so geschlagen sind. Sie sind an allem schuld Herr. Laß, Herr, uns unsere Beamten wählen, wir haben verständige Leute, mit guten 5 Gedanken, die unsere Bedürfnisse kennen, sie werden uns und dich nicht viel Geld b kosten und 0 mehr Nutzen stiften." 70 ) 62 Damit verbindet sich stets das Verlangen, sich zur Besprechung ihrer eigenen Angelegenheiten wieder wie ehemals frei versammeln zu dürfen. 6 3 2. Die zweite schlechthin allgemeine Forderung ist die nach mehr 10 Land: „Das Land, welches dein Großvater gab, blieb das gleiche, aber das Volk vermehrte sich ohne Zahl. Die, welche die Anteile erhielten, haben schon 5 - 6 Enkel, und diese haben auch schon heranwachsende Kinder, und alle diese sind ohne Land." 6 4 - Mit elementarer Wucht kam dieser Generalnenner, auf welchen alle 15 populären Strömungen ohne Ausnahme die Agrarfrage zu bringen pflegen, in dem konstituierenden Kongreß des „allrussischen Bauernbundes" vom 31. Juli und 1. August a. St. 1905 in M o s k a u - o d e r , eigentlich, in einer abseits von der Landstraße gelegenen großen Scheune bei Moskau - zum Ausdruck. 7 0 ") 6 5 Er stellte die erste | 69 ) Es findet sich in den Eingaben der Bauern nicht selten das Verlangen, der Zar sollte für eine gute Zeitung sorgen, in welcher „nur die reine Wahrheit" stehe. 6 6 70 ) Auch die Nowgoroder Bauern verlangten (im Dezember 1905 nach Zeitungsnachrichten) 67 den Ersatz der Ujesd-(Kreis-)Uprawa durch die, von der Kontrolle der Semskije Natschalniki zu befreiende, Wolost-Versammlung und eine aus ihr zu wählende Uprawa. Die „kleinere Semstwo-Zelle" ist gerade in ihren Kreisen populär. 6 8 70a ) Was die Vorgeschichte dieser Organisation anbetrifft, so ging die Anregung, soviel bekannt, von 0 den Moskauer Kreisen der im „Verband der Verbände" vereinigten radikalen „Intelligenz" aus. Anlaß war der von Seiten einiger Moskauer Slawophilen (Ssamarin)
b A: kosten, und
c A: aus
6 2 Probuzdenie krest'jan, S. 381 f. 6 3 Da die Dorfgemeinde den überwiegenden Teil ihrer Angelegenheiten selbst verwaltete, so stand ihr das Recht auf Versammlung und Abstimmung über die ihr obliegenden Aufgaben auch nach der Bauernbefreiung von 1861 zu. 6 4 Probuzdenie krest'jan, S. 381 f. 6 5 Pervyj vserossijskij s-ezd krest'jan I, S. 470 ff. 66 Probuzdenie krest'jan, S. 381 f. 67 Vgl. Zemstvo i provincija. Agrarnoe dvizenie v Novgorodskoj gubernii, in: Rus', Nr. 32 vom 29. Nov. (12. Dez.) 1905, S. 6. 68 Siehe oben, S. 123, Anm. 58.
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A 324 (96) förmliche Heerschau der sozial-revolutionären Partei und ihrer agitatorischen Erfolge dar. Seine Verhandlungen bieten immerhin symptomatisches Interesse, zunächst für den Stand der Bewegung. Im Mai hatten die von den Sozialrevolutionären geleiteten 0 Organisationen sich erst über 40 Wolosts in 7 Gouvernements verbreitet. Auf dem Kongreß waren 28 Gouvernements durch etwa 100 Deputierte 7üb ) vertreten, darunter der Nordwesten und Westen fast garnicht, der äußerste Norden, Süden und Südosten kaum, dagegen Zentrum und Schwarzerdegebiet einschließlich der östlichen Ukraine leidlich. Nach den Angaben der Deputierten zu schließen, war die von Moskau aus angeregte Organisation besonders weit in einigen Teilen der Ukraine und des Gouvernements Kursk (Schwarzerde) vorgeschritten. Für Wladimir, Tula (beide Industriegebiete), Kasänj (Osten), Wölogda (Norden) wurde ihre Schwäche ausdrücklich konstatiert und für die Industriegebiete mit dem Fehlen der Einheitlichkeit der Interessen in der Bauernschaft motiviert; in Orjöl war sie trotz ihrer Schwäche immerhin schon damals imstande gewesen, an einer Stelle eine Herabsetzung der Pachten auf Vi herbeizuführen. Diese letztere Art der Organisation der Bauern zum Zweck der Durchsetzung rein praktisch ökonomischer Ziele innerhalb der gegebenen sozialen Ordnung - meist freilich mit der politischen identisch A 324 (96) im Frühjahr 1905 b e g o n n e n e Versuch, mit Hilfe der l ä n d l i c h e n B e a m t e n e i n e antiliberale Bauernorganisation ins L e b e n zu r u f e n . 6 9 D i e s e Versuche mißlangen damals, wie es scheint, b l i e b e n aber den B a u e r n s o w o h l wie der „Intelligenz" nicht unbekannt, und daraufhin trat ein Kongreß v o n B a u e r n und „Intelligenten" aus d e m G o u v e r n e m e n t M o s k a u im Mai z u s a m m e n , welcher die agitatorische Vorbereitung des „allrussischen" Kongresses in die H a n d n a h m . 7 0 70b ) D i e bäuerlichen D e p u t i e r t e n schildert S. B l e k l o w in e i n e m sehr objektiv gehalten e n Artikel in Nr. 38 des „Prawo" 7 1 als ü b e r w i e g e n d den mittleren und kleineren, sehr selten den ärmsten und niemals den reichsten Schichten der B a u e r n angehörig und meist mittleren Alters. G e w ä h l t waren sie nach seinen Ermittlungen teils v o m Sschod (der G e m e i n d e v e r s a m m l u n g ) , teils v o n den g e m ä ß d e m Programm der R e w o l j u z i o n n a j a R o s sija gebildeten „Bruderschaften" und „Kreisen". Einige waren o h n e formale Vollmacht. A u c h er hebt die durch zahlreiche Beispiele zu b e l e g e n d e Tatsache hervor, daß in den bäuerlichen V e r s a m m l u n g e n sehr o f t , wie aus d e m Nichts, einzelne bäuerliche Agitatoren mit einer urwüchsigen B e r e d s a m k e i t v o n hinreißender G e w a l t sich entwickeln.
d A: geleitete
69 Pervyj vserossijskij s - e z d krest'jan I, S . 4 7 0 f f . 7 0 Ebd. 71 Bleklov, Krest'janskij Sojuz, S. 3 1 4 2 - 3 1 5 3 .
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- hat seitdem, nach den zahlreichen Einzelnotizen in der Presse zu schließen, außerordentlich bedeutende Fortschritte gemacht, 71 ) allerdings, wie es scheint, besonders in den nicht streng | feldgemein- A 325 (97) schaftlichen Gebieten des Südens und Kleinrußlands, weniger an5 scheinend im Zentrum und in Weißrußland, 72 wo wohl der rein zerstörende Charakter der „Kramola" überwiegt. Überall gab das durch die Zeitungen und die überall gleich eifrige Tätigkeit der proletarischen Intelligenz den Bauern bekanntgemachte Reskript vom 18. Februar 1905 den Anstoß. 73 Speziell der fast ausnahmslos 10 konstatierte Umstand, daß die Beamten es zu verheimlichen gesucht hatten, war Anlaß zu rücksichtslosem Vorgehen gewesen. Man hatte sich gegen die polizeilichen Versammlungsverbote auf jenes Reskript berufen, hatte überall begonnen^] Zeitungen zu lesen oder sich vorlesen zu lassen (besonders den Ssyn Otjetschestwa), im Sschod 15 (der Dorfversammlung) „Prigowors" (Resolutionen) gefaßt, Proklamationen und Petitionen an den Zaren aufgesetzt. Überall versuch71 ) Ein Beispiel statt vieler für den Verlauf solcher Verhandlungen mit den Besitzern: Im Donezgebiet war (Russj vom 14. November Nr. 18 S. 3) ein Kongreß des Adels (50 Personen) und der Bauernvertreter (200) zusammengetreten, nachdem die meisten Kasaken zu den Bauern übergelaufen waren. Als die Bauern ihre Forderungen stellten, „ergrünten" (sie) - erzählte der Vertreter auf dem Bauernkongreß - „die Adeligen vor Bosheit". Ein Kasakenchargierter unter ihnen aber | „versuchte" die Bauern: „Darf man A 325 (97) euch fragen, wo ihr in euren Resolutionen den Zaren gelassen habt?" - Antwort: „Wir sind mit dem Zaren und sprachen nicht von ihm, - aber wo habt ihr euren Zaren hingetan?" Schweigen-. „Aha!, auch ihr, ihr Herren Adeligen, habteuren Herrn umgebracht". - Die Forderungen der Bauern wurden nun bewilligt, und der betreffende Kreis war „reorganisiert", d.h. es waren die Pachtraten usw. festgestellt. 7 4 Zahlreiche Zeitungsnachrichten berichten Verwandtes aus anderen Kreisen.
7 2 Dem Allrussischen Bauernbund (Vserossijsklj Krest'jansklj Sojuz) gelang es zwischen Juli und November 1905, ein Netz von lokalen Organisationen in nahezu dem gesamten europäischen Teil des Russischen Reiches aufzubauen. Die Zentren der agrarischen Unruhen 1905/1906 lagen vor allem im zentralen Schwarzerderayon, dem Volgagebiet und in der Ukraine. Vgl. dazu Perrie, Maureen, The Russian Peasant Movement of 1905-1907. Its Social Compositlon and Revolutionary Significance, in: Past and Present, Nr. 57 vom Nov. 1972, S. 123-155. 7 3 Gemeint ist das Reskript an den Innenminister Bulygin vom 18. Februar 1905, das Einzelpersonen und Organisationen das Recht gab, Petitionen an die zuständigen Minister bzw. an den Ministerrat einzureichen. Pravitel'stvennyj Vestnik, Nr. 40 vom 19. Febr. 1905, S.1. 7 4 Siehe den Artikel: Zemstvo i provineija. Delegatskoe sovescanle vserossijskago krest'janskago sojuza, in: Rus', Nr. 19 vom 14. Nov. 1905, S. 3. Der Vorfall wurde aus dem Don-Oblast' berichtet. Bei dem Kosakenchargierten handelte es sich um einen Kosakenkapitän.
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ten die Behörden, oft - aber keineswegs immer - auch die Popen, regelmäßig die Gutsherrn und die Kulaken, die Bewegung zu hemmen. Vorgeschlagen wurde daher im Kongreß, für die Zugehörigkeit zum Bauernbund einen Maximalzensus (50 Deßjätinen) aufzustellen und keinen Nichtbauer zuzulassen, auch die „Intelligenz" nicht; 25 doch blieb, nach heftiger Debatte, dies den örtlichen Organisationen überlassen. 75 Das Mißtrauen gegen jede Autorität, demgemäß allen Komitees des Verbandes „nur ausführende" Mandate gegeben werden sollten^] und die stark demokratische Temperatur72) des Kon72
) Das Wahlrecht sollte mit 20 Jahren beginnen und auch den Frauen zustehen (aktives Wahlrecht einstimmig, mit der Begründung, daß die Männer in Rußland viel auf der Wanderschaft und die Frauen die einzigen zuverlässigen Gegner des Alkohols seien, passives gegen 5 Stimmen, von denen eine nur die Ehefrauen davon ausnehmen wollte). 76 Bei der üblichen barbarischen Art der Behandlung der Frauen durch die Bauern und die Wolost-Gerichte (authentisches Material z.B. im Ssbornik Prawowjedjenija I, 1893 S. 268f.) 7 7 erscheint die „Echtheit" dieser bäuerlichen Frauenrechtlerei etwas „verdächtig". - Die freie Rechtslage der russischen Frau hat nur in den Schichten der „Intelligenz", unter dem gemeinsamen Druck, zu jener Kameradschaft der Geschlechter geführt, welche hier die aktiv mitkämpfende Frau zu einer Stellung erhob, die derjenigen der Amerikanerin ähnlich ist und hoch über der völligen Nichtigkeit der für die allgemeinen öffentlichen Interessen indifferenten deutschen „Hausfrau" steht. Dies spricht sich auch in der in A 326 (98) diesen Kreisen verbreiteten Sitte aus, die Ehe gänzlich formlos, ohne | irgendwelche Legalisierung, einzugehen, um so der für Orthodoxe unentbehrlichen Einmischung der Kirche und dem „sakramentalen" Charakter der Beziehungen zu entgehen. Gesellschaftlich wird die freie Ehe der legalen Ehe durchaus gleichgestellt und gilt als gleich „heilig", die (dem Recht nach unehelichen) Kinder werden durch Testament versorgt: ein Hindernis bildet diese Eheform - unter bigotten Monarchen - nur für jemanden, der Minister werden will, wie ein Fall unter Alexander III. zeigte. 78 Auch sonst scheint übrigens die freie Ehe nicht selten irgendwann legalisiert zu werden, namentlich aus Kreisen des Adels werden solche Fälle erzählt. (Eine eingehende Darstellung von russischer Seite wäre erwünscht.) - Der „Befreiungsbund" spaltete sich in der Frage des Frauenstimmrechts, welches z.B. Struve ablehnte. Der Semstwo-Liberalismus lehnt es aus „realpolitischen" Gründen ab. Die Spaltung wiederholte sich bei dem Programm der konstitutionellen Demokraten. 7 9
75 Pervyj vserossijskij s - e z d krest'jan II, S. 490. 76 Ebd., S . 4 9 0 f . 77 Krasnoperov, Krest'janskijazensclny, S. 2 6 8 - 2 8 9 . 78 Möglicherweise spielt W e b e r hier auf den Fall des damaligen Polizeichefs und späteren Innenministers unter Vitte, P. N. Durnovo, an, der w e g e n einer Frauenaffäre von Zar Alexander III. entlassen wurde. Vgl. Vitte, S. Ju., Vospominanija, t o m 3. - Moskva: Izd. s o c l a l ' n o - e k o n o m i c e s k o j literatury 1960, S. 74f. 79 Die im Programm des Sojuz O s v o b o z d e n i j a enthaltene Forderung des Frauenstimmrechts wurde, da eine Minderheit sich dagegen wandte, als „ n i c h t obligatorisch" erklärt. Sbornik programm, S. 66 (wie oben, S. 187, A n m . 17). Eine ähnliche Formulierung enthielt auch das P r o g r a m m der Konstitutionellen D e m o k r a t e n v o m Oktober 1905. Sputnik izbira-
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Igresses, endlich der Umstand, daß er sich als eine Vertretung aus- A 326 (98) schließlich solcher Leute betrachtet wissen wollte, die „von ihrer Hände Arbeit leben", im scharfen Gegensatz gegen den Besitz und seine Vertretung in den Semstwos, - dies alles hinderte nicht, daß 5 von verschiedenen Deputierten, unbeschadet ihrer eigenen radikalen Überzeugungen, vor persönlichen Angriffen auf den Zaren dringend gewarnt wurde. Ebenso trat, neben Haß und Verachtung gegen die Popen und den Klosterbesitz, doch auch Furcht vor ihrem Einfluß und, wenigstens vereinzelt, auch Sympathie mit den Klöstern, io als Organisationen des Altruismus und Kommunismus, hervor. - In der Landfrage nun, die im Mittelpunkt der sachlichen Erörterungen stand, war eine Meinungsverschiedenheit nur über 2 Punkte vorhanden; 1. zu wessen Gunsten formell das Land enteignet werden solle? - was kurzerhand, gegen eine Stimme, zugunsten der „Gesamtheit" 15 entschieden wurde. Die Frage sollte jedoch noch in den Dorfversammlungen erörtert werden. Entschieden gegen jede Theorie der „Nationalisation" hatte ein Vertreter des Tschernigower Gouvernements gesprochen, ein anderer aus Wladimir war zugunsten der bäuerlichen Gemeinde als künftiger Trägerin des Eigentums aufge20 treten, - beide aber für Expropriation in gleichem Umfang wie die übrigen. 80 Prinzipiellen Widerspruch gegen die Bodenenteignung erhob nur der, wie andere „Intelligenten", mit beratender Stimme anwesende Vertreter der Sozialdemokratie, durchaus im Einklang mit den früheren Theorien der Plechanowschen Richtung, aber aller25 dings im Gegensatz zu ihrer jetzigen Praxis. 73 ) 81 Die Beseitigung des 73 ) Es verdiente immerhin als charakteristisch notiert zu werden, daß die „Neue Zeit" (Nr. 10 vom 2. Dezember) 82 die Debatten des Bauernkongresses zwar abdruckt, diese Äußerung des Sozialdemokraten aber, - im Gegensatz zu anderen Äußerungen desselben
telja, S. 191 (wie oben, S. 106, A n m . 4). Diese Passage w u r d e auf d e m zweiten Parteitag der Kadetten gestrichen, d o c h blieb eine Minderheit innerhalb der Partei, u.a. P. Struve, weiterhin G e g n e r des Frauenstimmrechts. 80 Pervyj vserossljsklj s - e z d krest'jan II, S . 4 9 1 . 81 Ebd., S . 4 9 2 . Seit d e m A u s b r u c h der Agrarunruhen unterstützten die lokalen und regionalen Organisationen der russischen Sozialdemokratie die Aktionen der Bauern, d.h. Streiks, N i e d e r b r e n n e n von Gutshäusern, L a n d b e s e t z u n g e n etc. S o w o h l Lenin als auch Plechanov hatten revolutionäre M a ß n a h m e n auf d e m Lande unterstützt. Vgl. die Rede Lenins auf d e m 3. Parteitag der RSDRP am 19. April 1905, zuletzt abgedruckt In: Lenin, V. I., Polnoe SobranieSocInenij, 5 - o e l z d . , t o m 1 0 . - Moskva: G o s u d a r s t v e n n o e Izdatel'stvo polltlceskoj llteratury 1960, S. 151 ff. 82 Der erste allrussische Bauernkongreß, S. 3 2 7 - 3 3 4 .
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Zur Lage der bürgerlichen
Demokratie
A 327 (99) Privateigentums, nicht nur an Fabriken | und industriellen Produktionsmitteln, sondern auch an bäuerlichem Lande, sei zurzeit unmöglich, weil dazu die kapitalistische Entwicklung der Landwirtschaft nicht hinlänglich vorgeschritten sei. Der Boden sei nur in demselben Sinn „Gabe der Natur", - die andern Redner sagten 5 meist: „Gabe Gottes", - wie Holz, Baumwolle, Wolle, welche alle erst durch Arbeit und Werkzeuge, also „Kapital", zu Gebrauchsgütern würden: Kapital bedürften heute die Bauern, Kapital könne sich aber heute nur auf dem Boden des Privatbesitzes bilden. 74 ) Nur eine politische Revolution, keine ökonomische, sei heute in Rußland 10 R e d n e r s - mit der B e g r ü n d u n g unterdrückt, es k o m m e ihr nur auf die R e d e n der B a u e r n an und seine Anschauungen seien „nicht besonders klar w i e d e r g e g e b e n " . 8 3 Tatsächlich A 3 2 7 (99) sind sie so unzweideutig wie nur möglich und ü b e r d i e s in vollstem Einklänge mit den „ G r u n d s ä t z e n " der Partei. Allerdings liegt mir der Bericht in der „Tribüne R u s s e " , 8 4 welche die „N[eue] Z[eit]" zitiert, nicht vor; aber sollte er gerade in diesem einen Punkt von dem A b d r u c k im O s s w o b o s h d j e n i j e , nach d e m ich zitiere, verschieden sein? 8 5 Seinen eigenen Standpunkt legt Kautsky in der soeben ausgegebenen N u m m e r vom 23. D e z e m b e r dahin fest, d a ß man die B a u e r n an der Aneignung des Gutslandes nicht hindern solle und d ü r f e , aber o h n e Illusion d a r ü b e r , daß dies kein Schritt in der Richtung der sozialistischen „Vergesellschaftung der Produktionsmittel" sei, sondern ein solcher in der Richtung der D u r c h f ü h r u n g des Privateigentums am B o d e n ( ? ) . 8 6 E r e i g n e t sich dabei auch das Sozialrevolutionäre A r g u m e n t von der „ K a u f k r a f t " der Bauern an, deren Stärkung für die Entwicklung der Industrie und damit des Kapitalismus in R u ß l a n d erforderlich sei. D e r Sozialpolitiker wird, im Ergebnis, K[autsky] beipflichten - aber wie er vor dem Thron seiner eigenen Orthodoxie G n a d e finden kann, - d a r ü b e r will ich mir seinen Kopf nicht zerbrechen. - Plechânow (Dnj[ewnik] Ssoz(ialdemokrata) Nr. 3) 8 7 meint, der B a u e r werde durch die Landaneignung zwar nicht „Sozialist", aber doch „Revolutionär". G u t ! - aber doch wohl einer von jener A r t , wie sie Plechânow seit 20 Jahren als „Utopisten" und „ R e a k t i o n ä r e " verspottet? 74 ) Wie gesagt, hatten die Sozialdemokraten sich der A b s t i m m u n g in d e m (wesentlich Sozialrevolutionären) Allrussischen Journalisten-Kongreß enthalten, als die Nationalisation des L a n d e s verlangt wurde. O h n e „Vergesellschaftung" der Produktionsmittel bedeute sie Auslieferung des Landes an die Bourgeoisie, meinten sie damals. 8 8 8 3 Ebd., S. 332. Es heißt hier wörtlich: „ Überdies sind die beiden Reden, namentlich die des Sozialdemokraten, nicht besonders klar im Protokoll wiedergegeben. " 8 4 Gemeint ist: Premier Congrès des Paysans de toute la Russie, in: La Tribune Russe, Nr. 34 vom 10. Nov. 1905, S. 5 2 3 - 5 3 3 , hier: S. 531. 8 5 Die deutsche Fassung des Diskussionsbeitrages des sozialdemokratischen Vertreters stimmt fast wörtlich mit dem russischen Text in: Pervyj vserossijskij s-ezd krest'jan II, S. 492, überein. 86 Weber bezieht sich auf Kautsky, Agrarfrage in Rußland, S. 4 1 4 - 4 1 9 . 87 Plechanov, Nase Polozenie, S. 17. 88 Der Kongreß der Journalisten tagte vom 5. bis 8. April 1905 in St. Petersburg. Die Resolution über die Nationalisation des Bodens wurde mit 54 gegen 31 Stimmen angenommen. Vgl. den Bericht: Sojuz russkich pisatelej, in: Pravo, Nr. 17 vom 1. Mai 1905, S. 1381-1386. Ein weiterer Bericht: Sojuz zurnalistov, in: Osvobozdenie, Nr. 69/70 vom 7. (20.) Mai 1905, S.313.
Die
Agrarfrage
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möglich. 75 ) 89 - Allein | von „entwicklungsgeschichtlichen" Deduktionen wollte diese Versammlung nichts hören. 76 ) Sie suchte nach allgemeinen Prinzipien für eine gerechte Entscheidung nur der Frage 2: ob das Land, d.h. stets: alles landwirtschaftlich nutzbare Land, 5 gegen Entschädigung oder ohne solche enteignet werden solle. Zur Charakteristik des „frei bewegten ethischen Denkens" 90 sind ihre Erörterungen immerhin ganz interessant. Einmütig war man darüber, daß der Zar, die Großfürsten, die Kirche und - nach einigen anfänglichen Einwendungen wegen ihres „kommunistischen" Cha10 rakters - die Klöster ihr Land umsonst hergeben müßten, da dies dem Wesen nach öffentlicher Besitz sei und vielfach auch gar nicht wirklich genutzt werde. Das Prinzip des Entgelts für alles Privatei-
A328(100)
75 ) Sein eigener Vorschlag war: allgemeine Bildung von Dorfgenossenschaften, die alsdann, offenbar aus öffentlichen Mitteln, mit Kapital versorgt werden sollten. Ob dieser Vorschlag als „orthodox" gelten kann, ist Sache der Orthodoxie zu entscheiden. Vermutlich gehört er in das Gebiet der „opiniones temerariae" - , nach kirchlichem Sprachgebrauch, 9 1 - aber ein festes Agrarprogramm hat die marxistische Orthodoxie hier so wenig wie irgendwo in der Welt. Masslow in Nr. IX der e Prawda (1905, S. 256f.) kritisiert lebhaft und richtig das kleinbürgerliche Programm der Jungvolkstümler: „Teilung ist Teilung", d.h. ein ethisches, nicht entwicklungsgeschichtliches Prinzip. 92 Die „Nationalisation" andererseits ist seit Kautskys Argumentation: daß sie die Staatsgewalt stärke, 9 3 bei allen russischen Marxisten in Mißkredit gekommen. M[asslow] selbst weiß nur die „Übernahme" des Gutsbesitzes durch die örtlichen Gemeinschaften: Semstwo und Landtag, vorzuschlagen, | also im Wesen etwas ähnliches wie Pjeschechonow, dem gegenüber er unter A 328 (100) heftiger Kanonade die Priorität beansprucht. Auf diese Art würde die (unentbehrliche) Entwicklung des landwirtschaftlichen Kapitalismus nicht gehemmt, und die Grundrente derjenigen Wirtschaften, welche überhaupt Rente tragen - was bei den Bauern nicht der Fall sei - für die Gemeinschaften beschlagnahmt, was finanziell zur Entlastung der Massen wichtiger sei als alle Einkommenssteuern. 9 4 76 ) Wenn unsere Brüder in der Fabrik noch warten wollen, mögen sie es tun, - wir können es nicht mehr, wurde geantwortet. 9 5 |
e
A: des
89 Pervyj vserossijskij s - e z d krest'jan II, S. 492. 90 Als Zitat nicht nachgewiesen. 91 In Glaubensfragen die unvertretbare Meinung oder die g e g e n kirchliche Lehrsätze mutwillig oder o h n e G r ü n d e leichtfertig vorgetragene Meinung. 92 Maslov, O b agrarnych programmach, S. 257. 93 Kautsky, Agrarfrage, S. 3 2 7 f . 94 Bei Maslov, Ob agrarnych programmach, S . 2 6 6 , heißt es: „ D e r Übergang der G r u n d rente (zemel'naja renta) in die Hände der lokalen (oblast'naja) Organisationen (zemstva, sejm) hat bei weitem größere B e d e u t u n g als die progressive E i n k o m m e n s t e u e r . " W e b e r s A u s f ü h r u n g e n stützen sich i n s b e s o n d e r e auf S. 2 6 4 - 2 6 7 dieses Artikels. 95 G e m e i n t ist die Rede des Vorsitzenden der V e r s a m m l u n g des B a u e r n b u n d e s : Pervyj vserossijskij s - e z d krest'jan II, S . 4 9 3 .
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Zur Lage der bürgerlichen
Demokratie
gentum wurde von einzelnen Vertretern aus dem Norden (Wologda), dem Schwarzen Meer-Gebiet und der Ukraine festgehalten, derjenigen Gebiete also, wo wegen des Fehlens der Feldgemeinschaft der Eigentumssinn relativ am entwickeltsten' ist. Die große Mehrzahl und namentlich die Vertreter des Schwarzerdegebietes, daneben auch solche aus dem Nordosten ( W j a t k a ) , wo das Land noch heute vielfach keinen Kaufwert besitzt, dachte anders, und suchte nur auf diejenigen Bauern Rücksicht zu nehmen, welche Land gekauft haben und deren Interessen sehr energisch vertreten wurden. Man suchte demgemäß zunächst ererbtes und gekauftes Land zu scheiden, wobei das ererbte als das minder heilige galt. Denn die ursprüngliche Aneignung von Land, die allem Erbrecht zugrunde liege, sei stets ein Gewaltakt, jedenfalls aber ein Akt unentgeltlichen Erwerbs gewesen, - es wurde an Katharinas Landschenkungen an ihre männlichen Maitressen erinnert, 1 - also ebenso unrechtmäßig wie die Aneignung von Luft und Licht sein würde. Daher könne die bloße Tatsache des Erbens keinen Rechtstitel bilden, - eine vollkommen der Sachlage in feldgemeinschaftlichen Gebieten, wo nicht die Familie, sondern das Dorf dem Einzelnen seinen Besitz verleiht, entsprechende Auffassung. Dagegen sei der entgeltliche Erwerb aus eigener Kraft an sich nicht illegal: Auch die spontanen „Prigowors" der Bauern, wurde von einem Gegner der entgeltlichen Enteignung zugegeben, hätten für gekauftes Land Entschädigung vorbehalten. Natürlich aber müsse dafür eine Zeitgrenze nach rückwärts festgelegt werden, hieß es demgegenüber. Nach einem A 329 (101) gewissen Zeitraum, sei es von 20 | oder von 30 Jahren, habe der gekaufte Boden den Kaufpreis oder die Kapitalanlage dem Besitzer wieder hergegeben oder doch hergeben können, und müsse also dann entschädigungslos enteignet werden dürfen - eine Art Umkehr der Usukapion in ihr Gegenteil. 7 6 3 ) Auch dies aber entspricht durch-
A 329 (101)
7 6 a ) Das konsequente „Naturrecht" kehrt eben das Prinzip der „erworbenen R e c h t e " um. -
Das ( o r t h o d o x e ) sozialdemokratische A g r a r p r o g r a m m (angenommen auf dem 2. Parteitag 1903) ist eine eigentümliche Mischung von Prinzipien der „wohlerworbenen" und
f A: entwickeisten 1 A n s p i e l u n g auf die angeblichen oder tatsächlichen S c h e n k u n g e n der Kaiserin Katharina II. an Günstlinge und Liebhaber.
Die
Agrarfrage
241
aus der Rücksicht, welche die Feldgemeinschaft, wo ihre Technik hinlänglich verfeinert ist, bei ihren Umteilungen zugunsten von Besitzern, welche ihr Land melioriert haben, zuweilen zu nehmen pflegt. Allein: das gekaufte Land der größeren Besitzer, auch der Kulaken, sei doch überhaupt kein sittlich gerechter Erwerb, wurde gegen alles dies eingeworfen: „mit schwieligen Händen" erwerbe man nicht das Geld, um Land zu kaufen, - und der Vertreter der Sozialrevolutionären erinnerte an das gegen die Kulaki gerichtete Sprichwort: „Von ehrlicher Arbeit lebst du nicht in steinernen Häusern". Jedenfalls, einigte sich die Mehrheit schließlich, erwerbe man aus seinem Arbeitsverdienst - und dieser allein sei ja gerechtes Einkommen, - niemals viel Land, also sei ein Maximum der Fläche festzustellen, über welches hinaus nichts bezahlt werde. Teils wurden 50, teils lOODeßjätinen vorgeschlagen. Bei der verschiedenen Qualität des Bodens schlug ein Deputierter schließlich vor, das Existenzminimum eines „Kulturmenschen" zur Grundlage zu machen und also einen Ertrag von 600 Rbl., der einen Kapitalwert von 10000 Rbl. bedeute, als Maximum der Entschädigung festzustellen. Der Vertreter der Sozialrevolutionären hielt es demgegenüber zwar für der Humanität nicht entsprechend, wenn man die Gutsbesitzer (die ja vom Arbeiten nun einmal nichts verstehen) der Not und dem Hunger preisgebe und schlug daher ihre lebenslängliche Pensionierung vor. Aber von einer Entschädigung für den Landbesitz als solchen könne überhaupt keine Rede sein. Das fand lebhaften Beifall. 2 Man einigte sich schließlich auf die unbestimmte Formel: daß das Land „teils mit „historischen" Rechte mit dem „Naturrecht". Es fordert in dem hier in Betracht kommenden Punkt (Beilage zu Nr. 53 der „Iskra" vom 25. Nov. 1903 Spalte 3) „Enteignung" (expropriazija) derjenigen „obrjeski", welche sich noch in den Händen der gleichen Besitzer oder ihrer Erben befinden, und „Loskauf" (wykup) derjenigen, welche seitdem die Hand gewechselt haben, „durch den Staat auf Kosten des großen adligen Besitzes", ferner Rückerstattung aller von den Bauern geleisteten Loskaufs- und Obrokzahlungen an diese, endlich Spezialsteuer auf diejenigen Grundbesitzer, welche von den staatlichen Kaufdarlehen Gebrauch gemacht haben (unter Verwendung des Ertrages zu landwirtschaftlichen Zwecken). 3 |
2 Diese und die v o r a n g e h e n d e n Darlegungen einschließlich der Zitate nach: Pervyj vserossijskij s - e z d krest'jan II, S . 4 9 2 f . Dort ist von e i n e m Ertrag von-300, nicht 6 0 0 Rubeln die Rede. 3 Siehe das Programm der RSDRP: Priiozenie k No. 53 Iskry, v o m 25. Nov. 1903, S. 1, Punkte 1 - 4 a . K P S S v rezoijucijach, t o m 1, S . 4 2 f . (wie oben, S. 166f., A n m . 4 ) . D e u t s c h e Ü b e r s e t z u n g bei Scheibert, Parteien, S . 4 8 .
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Zur Lage der bürgerlichen
Demokratie
teils ohne Entschädigung" enteignet werden solle. 4 - Der etwas weitschweifige Aufruf des Bundes fordert zum Kampfe für Recht, A 330 (102) Freiheit, Land im Bunde | mit den Arbeitern und der Intelligenz auf, weist auf die Polizei als auf den Hauptfeind und auf die Notwendigkeit hin, sich nicht von anderen Klassen „die Tür der Duma zuschla- 5 gen zu lassen", und stellt als Ziel auf: „das Land dem, der es mit seinen Händen bearbeitet". 5 Wie weit nun dieses Sozialrevolutionäre Programm heute schon bewußter Besitz der Bauern ist - wer wollte es sagen? Soweit sie politisch „denken", wäre ihre Gewinnung für einen antiliberalen 10 Bund mit dem Adel allerdings unmöglich: dies ist eine Eigenart der Lage in Rußland, im Gegensatz zu Deutschland. 6 Ganz gewiß aber sind sie andererseits nicht „liberal". Unbekannt bleibt, wie stark für die „bürgerliche" Demokratie etwa der Einfluß der ökonomisch entwickelteren, z.B. der südlichen und südöstlichen Bauern oder der 15 Schicht der „Dorfbourgeois" bei den Wahlen zur Geltung kommen könnte und welche Rolle die Popen, die ja, ihrem Wesen nach, auch Bauern sind, 7 spielen würden. 76b ) Die Schwierigkeiten jeder antiA 330 (102)
76b
) Nach Zeitungsmeldungen haben in manchen Eparchien (z. B. nach meiner Erinnerung in Ssaratow und Jekaterinoslaw) Versammlungen der Popen erklärt, auf dem Boden des konstitutionell-demokratischen Programms zu stehen. 8
4 Vgl. die Resolution zur Agrarfrage in: Pervyj vserossijskij s-ezd krest'jan II, S.493: „1. Das Privateigentum an Grund und Boden soll abgeschafft werden. 2. Die Güter der Klöster, der Kirchen, die Apanage-, Kabinetts- und dem Zaren gehörenden Ländereien sollen ohne Entschädigung weggenommen werden. Einstimmig angenommen. 3. Die Güter der Privatbesitzer sollen teilweise mit und teilweise ohne Entschädigung weggenommen werden. Mit Mehrheit gegen 6 Stimmen angenommen. 4. Die genauen Bedingungen, unter denen das Privatland weggenommen werden soll, werden durch die Verfassunggebende Versammlung bestimmt, die darüber ein Gesetz veröffentlichen wird. Der Bauernbund bearbeitet diese Frage bei der nächsten Sitzung möglichst umfassend. Einstimmig angenommen." 5 Der Aufruf des Allrussischen Bauernkongresses ist abgedruckt in: Osvobozdenie, Nr. 78/79 vom 5.(18.) Okt. 1905, S. 494f. Die Zitate ebd. 6 Anspielung auf die erfolgreiche Mobilisierung der Bauernschaft durch den „Bund der Landwirte" für eine den Interessen der großagrarischen Aristokratie dienende Wirtschaftspolitik. 7 Weberspielt hiervermutlich darauf an, daß die Dorfgeistlichen zum eigenen Lebensunterhalt das zur Kirche gehörende Land bebauten. Die Geistlichkeit bildete jedoch trotz der Reformen von 1869 weiterhin einen sich aus sich selbst rekrutierenden Stand. 8 Weber bezieht sich hier vermutlich auf: Postanovlenle gruppy sel'sklch svjascennikov Ekaterinoslavskoj eparchii, In: Pravo, Nr. 47 vom 27. Nov. 1905, S. 3821, und: Vnutrennija Izvestija, in: Russkija Vedomostl, Nr. 8 vom 9. Jan. 1906, S. 2.
Die
Agrarfrage
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autoritären Agitation^ soweit sie sich nicht mit der Aufreizung zu Gewalttätigkeiten begnügt, sondern Parteibildung bezweckt, müssen natürlich ungeheuere sein, da auch Witte die Preßzensur für das platte Land nicht beseitigt hat, große Teile des Adels, die Beamten und, was wichtiger ist, des orthodoxen Klerus die Organisation der Bauern im konservativen Sinn von Moskau aus begonnen haben. Wenn aus Zeitungsnachrichten 9 hervorgeht, daß in manchen Gouvernements, so in Wladimir, Bauernorganisationen sich der konstitutionell-demokratischen Partei, nur unter Vorbehalt der „Interpretation" des liberalen Agrarprogramms, angeschlossen haben, so wird man bezüglich der Bedeutung solcher Nachrichten etwas stutzig, wenn man gleichzeitig liest, daß der dortige konstitutionelldemokratische Kongreß nicht nur vom Adel und der Geistlichkeit, sondern auch von dem staatlichen Beamtentum mit Einschluß der Semskie Natschalniki besucht wurde, denn diese Beamtenklasse steht, wie wir sahen, 10 den Bauern als ihr Hauptfeind vor Augen. In engster Fühlung mit den Bauern steht dagegen das radikale Semstwobeamtentum, das „dritte Element", und es wurde auf dem Bauernkongreß ausdrücklich die Geneigtheit ausgesprochen, mit ihm zusammenzugehen. 77 ) 11 Das „dritte Element" steht aber im allgemeinen auf dem Boden des „Verbandes der Verbände", d. h. teils der Sozialrevolutionären, teils der Sozialdemokraten. Unter den Zeichen des äußersten Radikalismus stand denn auch | der zweite „allrussische Bauernkongreß". Über diese Versammlung, A331 (1Q3) welche vom 6.-13. November in Moskau tagte, und von 500 Delegierten, diesmal, wie es scheint, aus fast allen Gebieten, besucht war, 12 liegen mir nur ganz lückenhafte Notizen vor.78) Es wurde von 77 ) Die Zeitungsnachrichten (vgl. z.B. „Kiewskije Otkliki" vom 6./19. Dezember S. 5) 1 3 ergeben, daß das „dritte Element" überall die „Prigowors" der Bauern mitredigiert und sie stetig berät, ungeachtet aller Abmahnungen der Semstwo-Uprawas. | 7S ) Prawo, Nr. 44. 14 | A 331 (103)
9 Die diesbezüglichen Z e i t u n g s m e l d u n g e n ließen sich nicht ermitteln. 10 Siehe oben, S . 2 3 2 . 11 Pervyj vserossiskij s - e z d krest'jan II, S . 4 9 4 . 12 Der zweite Kongreß des B a u e r n b u n d e s tagte v o m 6. bis 10. N o v e m b e r 1905 in Moskau. Daran n a h m e n 200 - nicht wie W e b e r berichtet 500 - Delegierte teil. Materialy k krest'janskomu voprosu, S. 34 (wie oben, S. 156, A n m . 28). 13 In der angeführten N u m m e r ist die M e l d u n g nicht enthalten und konnte auch sonst nicht n a c h g e w i e s e n werden. 14 Krest'janskij Sojuz, S. 3 6 3 0 - 3 6 3 9 .
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Zur Lage der bürgerlichen
Demokratie
manchen Blättern auf Grund von Angaben der „Petersburger] Telegraphen] Agjentur]" behauptet, daß diesmal in wesentlich verstärktem Maße es sich um einen Kongreß der Intelligenz, also um eine Veranstaltung „für" Bauern, weniger um eine solche „von" Bauern, gehandelt habe. Dies bestritt der Kongreß in einer Aufforderung an die Presse zum Boykott der Agentur. 15 Er bestehe in seiner Mehrheit aus Bauern. Jedenfalls zeigt sich in den Berichten ein ganz unbezweifelbarer Fortschritt auch der eigentlichen bäuerlichen Berufsvereinsorganisation, namentlich freilich wiederum in den Distrikten Kleinrußlands und anderen Gegenden relativ individualistischer Struktur, so auch im Kasakengebiet, weit weniger, scheint es, bei den gedrückten und deshalb teils fatalistisch, teils eschatologisch revolutionären Bauern der zentralen Feldgemeinschaftsdistrikte. Die Bauernbewegung, welche teilweise - aber durchaus nicht überall - gegen den energischen Widerstand der Popen zu kämpfen hat, scheint im Norden und in den Gegenden weniger drückenden Landmangels entweder überwiegend politisch oder - so im Süden - umgekehrt von Tolstojsehen Ideen 16 beeinflußt zu sein; überwiegend aber ist sie agrar-revolutionär. Der Kongreß empfahl den Boykott der Beamten und Gerichte durch passive Resistenz und Ignorieren aller behördlichen Anweisungen, Verweigerung aller Zahlungen und Arbeitsleistungen an die Gutsbesitzer. Charakteristisch für die numerisch unsichere Lage der Bewegung war aber, daß bei Erörterung der Frage: wer denn die Tätigkeit der Gerichte inzwischen ersetzen solle, der Antrag, in den Gemeindeversammlungen Richter wählen zu lassen, abgelehnt wurde, weil dann doch die Gefahr bestehe, daß Anhänger der „schwarzen Hundert" gewählt würden, - man solle sich lieber in jedem einzelnen Fall auf Schiedsrichter einigen. 17 Ziemlich scharfe Gegensätze bestanden über die Frage: friedliche Agitation oder Aufstand. Unter stürmischem Beifall rief ein Tschernigower Geistli15 Auf seiner Sitzung am 9. November 1905 verlangte der Kongreß in einer Resolution den Boykott der St. Petersburger Telegraphenagentur, da diese „in einem empörenden Telegramm" berichtet hatte, daß der Kongreß aus „ Fabrikarbeitern, Angestellten, Advokaten und Ärzten" bestehe. Ebd., S.89. Andererseits sprach das Kongreßprotokoll selbst von „znacitel'noe cislo intelligentov" („eine bedeutende Zahl von Vertretern der Intelligeneija"). Ebd., S.33. 16 Lev Tolstoj trat in seinen sozialpolitischen Schriften für die Aufhebung des Privateigentums an Land- und Wasserrechten ein. Er forderte gleichfalls die Abschaffung aller Regierungen, da sie mit den christlichen Idealen unvereinbar seien. 17 Vgl. Materialy k krest'janskomu voprosu (wie oben, S. 156, Anm. 28), S. 99f.
Die
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eher, gewählter Vertreter von 5 Dörfern, der als Kampfmittel seinerseits nur den „friedlichen allgemeinen Streik" empfahl, leidenschaftlich nach dem sofortigen Erlaß des „Landmanifestes" durch den Zaren, damit der sonst im Frühjahr bevorstehende „große Scheiterhäufen" vermieden werde. 18 In der Tat ist bekannt, daß an sehr vielen Stellen, auch an solchen mit keineswegs ungenügendem Landbesitz, die Bauern im letzten Sommer die Parole ausgaben: noch ein Jahr, oder: noch bis zum Frühjahr, auf das Wort des Zaren zu warten, dann aber „loszubrechen". - Heftige Auseinandersetzungen gab es mit den Sozialdemokraten. Als entscheidend legte man ihren Vertretern die Frage | vor: ob sie für die Landenteignung seien oder A 332 (104) nicht. Darauf erfolgte keine klare Antwort. Auf die Theorie von dem allmählichen „Prozeß" wollte der Kongreß sich nicht einlassen und 9 den Vertretern der Partei vorerst nur gestatten, auf an sie gestellte Fragen Auskunft zu geben, aber ohne beschließende Stimme. Dies rief Protesterklärungen der Moskauer Sozialdemokratie hervor, welche vollberechtigte Zulassung verlangte und vor den Liberalen warnte, welche den Kongreß in ihrem Interesse veranstaltet hätten. Hierauf erfolgten wieder heftige Proteste des Kongresses und auch aus der Mitte der Sozialisten selbst. 783 ) 19 - Der Kongreß erklärte alle, die sich an den Dumawahlen beteiligen würden, für „Feinde des Volkes" und verlangte seinerseits die Konstituante. 20 Nach Schluß 78a
) Der Bericht über die Fortsetzung der Erörterungen liegt mir leider nicht vor.
g A: einlassen, und
18 Weber stützt sich hier vermutlich auf: Krest'janskij sojuz, in: Russkija Vedomosti, Nr. 295 vom 9. Nov. 1905, S.3. 19 Das Protokoll vermerkt am Schluß der Sitzung vom 7. November, daß aufgrund eines mit 38 Gegenstimmen angenommenen Antrages den Vertretern von Parteien nur eine beratende Stimme eingeräumt wurde. Ein Mitglied des Organisationsbüros führte dazu aus, „daß sie [die Vertreter der Parteien] das Wort nur dann erhalten, wenn die Versammlung sie dazu auffordert, anderenfalls vergeht die ganze Zeit mit Parteipolemik". Materialy k krest'janskomu voprosu, S. 55. Auf der Sitzung vom 9. November erhielten die Vertreter der Moskauer Sozialdemokraten die Gelegenheit, ihren Standpunkt darzulegen, demzufolge den Parteivertretern uneingeschränktes Rederecht zustehe. Da die Versammlung dies ablehnte, verließen die sozialdemokratischen Vertreter den Kongreß. Ebd., S. 72-78. 20 In der entsprechenden Resolution wurde gefordert, „alle zu Feinden des Volkes zu erklären, die an den Wahlen teilnähmen, sowie Wahlen zur Konstituante auf der Grundlage des allgemeinen Wahlrechts ohne Unterschied des Geschlechts, der Nationalität und der Konfession." Ebd., S. 107.
A 332 (104)
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des Kongresses wurde das Bureau verhaftet. 21 Daraufhin erst, scheint es, - hat sich die Vertretung des Bauernbundes, wie h früher erwähnt, 2 2 formell mit den sozialistischen Organisationen des Arbeiterdeputiertenrates und mit dem „Verband der Verbände" verbündet. 5 Was werden nun die Bauern bei den Wahlen tun? Die Widerstandskraft' der Bauern gegen die Beeinflussung durch Beamte und konservative Geistliche ist offenbar verschieden stark, am stärksten, wie es scheint und auch begreiflich wäre, nicht in den eigentlichen Notstandsdistrikten, sondern z.B. im Süden, in den Kasakendör- 10 fern, im Tschernigowschen und Kurskschen Gouvernement. In diesen und außerdem in manchen Gebieten des Industrierayons haben die Bauern nicht selten die schärfsten Resolutionen trotz der Anwesenheit, sei es der staatlichen polizeilichen Kontrollbeamten, sei es der Adelsmarschälle gefaßt, und Petitionen mit Tausenden von Un- 15 terschriften bedeckt um Beseitigung der bureaukratischen Beaufsichtigung und um die Gestattung der Wahl von Volksvertretern, welche - das ist ihre entscheidende, mit dem modernen Parlamentarismus freilich durchaus nicht verwandte Vorstellung dabei, - direkt mit dem Zaren verkehren sollten, statt daß sich jetzt das bezahlte 20 Beamtentum dazwischenschiebe. Sie wünschen m[it] afnderen] Wforten], daß die Büreaukratie der Selbstherrschaft verschwinde, aber, - darin sind die Slawophilen im Recht, - sie hegen keinen Wunsch nach ihrem Ersatz durch eine parlamentarisch geleitete Büreaukratie. 78b ) Die Energie dieser antibüreaukratischen Strö- 25 mung ist zurzeit nicht unbeträchtlich. Es sind nicht ganz wenige Fälle A 333 (105) bekannt, | in welchen die Bauern die von den Beamten für den 78b ) „Direkter Verkehr des Z a r e n mit der R e i c h s d u m a " ist deshalb auch die wahrscheinlich zugkräftigste Parole reaktionärer Organisationen ( z . B . Punkt 6 der Kursker Proklamation des Grafen Dorrer und K o n s [ o r t e n ] ) . 2 3 - D a s ist e i n e U t o p i e , g e n a u so wie ihr konträrer G e g e n s a t z : das „aufgeklärte" büreaukratische R e g i m e unter Wahrung der persönlichen Freiheitsrechte in Wittes „konfidentieller D e n k s c h r i f t " . 2 4 |
h A: wir
i A: Wiederstandskraft
21 Die faktische Leitung des Bauernbundes lag bei einem Zentralbüro, das aus fünf Mitgliedern bestand. Sie wurden am 15. November 1905, fünf Tage nach d e m Ende des zweiten Kongresses, verhaftet. 22 Siehe oben, S. 175ff. 23 Cego zelaet Kurskaja narodnaja partlja porjadka, S. 3738; Punkt 3 der Proklamation. 24 Siehe oben, S. 112, Anm. 25.
Die
Agrarfrage
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„Sschod" vorbereiteten „loyalen" Resolutionen abgelehnt, andere, wo sie sie in Anwesenheit der Beamten angenommen, nachträglich aber widerrufen, oder die ihnen zugesandten Publikationen der reaktionären Verbände zurückgesendet haben. Allein es ist wenig wahrscheinlich, daß diese Stimmung die Kraft haben sollte, bei den Wahlen sich gegen die Autorität und Vergewaltigung der Beamten durchzusetzen. Das Wahlgesetz, auch in der Fassung vom 11. Dezember, 2 5 sucht jede freie Wahlagitation auszuschließen, indem es Wähler- und Wahlmännerversammlungen, welche „vorbereitend" über die Person der Kandidaten beraten wollen, zwar, unter Ausschluß der Polizei, zuläßt, den Zutritt zu ihnen aber prinzipiell nur den Wahlberechtigten des Bezirks bzw. den betreffenden Wahlmännern gestattet (unter Kontrolle des Zutritts der Teilnehmer durch die Polizei!). Von diesem Prinzip wird nun aber überdies (unglaublicher Weise) eine Ausnahme zugunsten des die Wahl als Präsident leitenden Beamten (Adelsmarschall oder sein Vertreter), auch wenn er nicht selbst Wähler oder Wahlmann ist, gemacht. 2 6 Daneben ist der Grundsatz der Wahl „aus der eigenen Mitte" bzw. „aus der Zahl der Teilnahmeberechtigten" aufrecht erhalten, 2 7 dessen (faktische) Anwendung bei den Wahlen in den Vereinigten Staaten 2 8 dort bekanntlich das Niveau der Legislaturen tief herabdrückt, - zweifellos einer der Zwecke dieser Bestimmung. In den Städten hat all dies mehr
25 Das Wahlgesetz vom 11. Dezember 1905 erweiterte im Gegensatz zum sog. Bulyginschen Projekt vom 6. August 1905 das Wahlrecht erheblich, so daß nun auch Arbeiter, nicht-russische Nationalitäten und erhebliche Teile der Stadtbevölkerung das Wahlrecht erhielten. Es behielt jedoch das System der indirekten Zensuswahl bei. Siehe den zeitgenössischen Abdruck: Beilage zu Nr. 1 des Pravo vom 9. Jan. 1906, S. 1 - 5 8 ; Kallnycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 94-102; PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 27029. 26 Vgl. Artikel XII, Abs. 1 - 6 , des Wahlgesetzes vom 11. Dezember 1905, Kallnycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 100f.; PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 27029, und Art. 25 des Gesetzes vom 18. September 1905, PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 26721. 27 Das Wahlrecht schrieb vor, die Vertreter in die nächsthöhere Kurie respektive In die Duma aus den Reihen der Bevollmächtigten oder Wahlmänner zu wählen. Art. 38, 49 und 50 des Wahlgesetzes vom 6. August 1905. Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S.46ff.; PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 26662. 28 Weber bezieht sich auf die In zahlreichen amerikanischen Bundesstaaten gängige Praxis, die Kandidaten für politische Ämter, Gouverneure, Wahlmänner, Senatoren etc., in den gesetzgebenden Organen zu nominieren. Diese Vorauswahl „aus der eigenen Mitte" erfolgte auch bei den Wahlen für diese gesetzgebenden Organe selbst. Sie fand In halboffiziellen Versammlungen der Mitglieder der staatlichen Legislaturen, dem sog. Caucus, statt. Vgl. Ostrogorskl, M., Democracy and the Organization of Polltical Parties, Vol. 2. London/New York: Macmlllan 1902, S. 10ff. und 47ff.
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Demokratie
formale Bedeutung, was aber die Beaufsichtigung der Wählerversammlungen auf dem Lande, speziell bei den Bauern, bedeutet, wird sich jeder, vor allem auch die Bauern selbst, deren Kardinalforderung ja die Beseitigung der Beamtenaufsicht ist, sagen. Die Regierung, der es offenbar nur auf den momentanen Effekt ankommt, hat 5 damit den Radikalen dauernd das bequemste (und legitimste) Agitationsargument in der Hand gegeben. Sie wird, höchst wahrscheinlich, konservative Bauernvertreter „erzielen", - aber jeder Bauer wird wissen, daß sie ihn nicht vertreten: die Zahl der Gründe, um deren willen er die Büreaukratie haßt, ist um einen vermehrt. 10 Niemand kann danach sagen, wie die bäuerlichen Wahlen zur Duma ausfallen werden. Im allgemeinen pflegen Ausländer eher auf eine extremreaktionäre, Russen eher auf eine, trotz alle dem, extremrevolutionäre Zusammensetzung der Duma zu rechnen, soweit die Bauern in Betracht kommen. Beide könnten recht behalten, und, 15 was wichtiger ist, das eine könnte mit dem andern für den Erfolg identisch sein. Bei den europäischen Revolutionen der Neuzeit sind die Bauern im allgemeinen vom denkbar weitgehendsten k Radikalismus zur Teilnahmslosigkeit' oder geradezu zur politischen Reaktion abgeschwenkt, nachdem ihren unmittelbaren ökonomischen An- 20 Sprüchen Genüge geschehen war. Es unterliegt in der Tat wohl keinem Zweifel, daß, wenn ein ganzer oder halber Gewaltakt der A 334 (106) Autokratie den Bauern den Mund mit Land stopfte | oder wenn sie in der Anarchie das Land sich selbst genommen haben würden und man es ihnen, schließlich, so oder so, ließe, alles weitere für die Masse von 25 ihnen erledigt und das Interesse an der Regierungsform erloschen sein würde. 79 ) Die Ansicht der Vertreter der bürgerlichen Demokratie - speziell Struves 29 - ist nun demgegenüber, daß das Verlangen A 334 (106)
79
) Dies stimmt überdies mit dem, was Leo Tolstojs immer noch mächtige Stimme verkündet. Ihm sind Konstitution, Freiheit der Persönlichkeit u. dgl. im Grunde westliche Greuel, jedenfalls indifferent. Dagegen ist ihm Henry George in die Hände gefallen, und er verkündet nun in der „Russkaja Mysslj" in einem Artikel über „die große Sünde" (wjelikij grjêch), daß diese einzig und allein im privaten Bodeneigentum bestehe, bei dessen Beseitigung sich schlechthin alles übrige von selbst finden werde. Natürlich hält er dabei seinen alten Standpunkt fest: daß alle andere als bäuerliche Arbeit schlechthin verwerflich sei. 30 k A: weitgehendstem
1 A: Teilnahmlosigkeit
2 9 Préface de P. Struve, in: Loi fondamentale, S. Vlllf.
30 Tolstoj, Velikij grech, S. 247-266.
Die Agrarfrage
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der Bauern nach Land von einer reaktionären Regierung gar nicht erfüllt werden könne, da das die ökonomische Depossedierung nicht nur des Adels, sondern auch der Großfürstenschaft und schließlich des Zaren selbst bedeute. Die Interessen der Bauern seien mit dem Selbsterhaltungsinteresse dieser Mächte unvereinbar. Allein trotz der, an sich betrachtet, gewaltigen Ausdehnung der Güter des kaiserlichen Hauses ist ihr Umfang gegenüber dem Privatbesitz nicht sehr erheblich, und der Haß der Bauern richtet sich gerade gegen diesen letzteren. Dann aber fragt es sich, was und wieviel von den Bauernforderungen denn die Demokratie ihrerseits würde erfüllen können. Gegen eine einfache Landkonfiskation hat sich Struve natürlich mit der größten Energie ausgesprochen.31 Natürlich aber enthält die Erklärung des konstitutionell-demokratischen Programmes, daß den Enteigneten nicht der Marktwert des Landes vergütet werden sollte, 32 vom „bürgerlichen" Standpunkt aus eine „Konfiskation": das „Ertragswert-Prinzip" unserer Anerben-Politiker33 ist hier einmal revolutionär gewendet. Und schon von dem Vorschlag Tschuprows34 fürchtete Fürst Trubezköj, daß er den liberalen Adel in das Lager Schipows treiben werde. 35 Immerhin ist allem Anschein nach ein Teil des Adels, dieser in sich so höchst ungleichartigen
31 So z.B. in dem Artikel: Struve, Petr, Demokraticeskaja partija i eja programma, in: Osvobozdenie, Nr. 67 vom 5.(18.) März 1905, S . 2 7 8 f . 32 Vgl. Abschnitt V, Punkt 36 des Agrarprogramms der Konstitutionellen Demokraten, in dem „Entschädigung nach gerechter (und nicht marktkonformer) Berechnung" gefordert wurde. Programma konstitucionno-demokratlceskoj partii, S.3429. Deutsche Übersetzung bei Schelbert, Parteien, S. 65. 33 Das Anerbenrecht ging im Falle des Erbüberganges von dem dem Grund und Boden entsprechenden steuerlichen Ertragswert aus, dagegen blieb beim Besitzwechsel durch Verkauf die Preisbildung nach dem Verkehrswert bestehen. Vor allem in den 1880er Jahren wurde die Bindung an den Ertragswert (Reinertrag) verlangt. Vgl. Artikel: Anerbenrecht, In: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Band 1, 1. Aufl. - Jena: G.Fischer 1890, S. 276f. Das preußische Anerbengesetz bei Renten- und Ansiedlungsgütern v o m 8. Juni 1896 ging insbesondere auf die Initiative der preußischen Agrarkonferenz vom 28. Mai bis 2. Juni 1894 zurück. Weber selbst war danach ein Befürworter des Anerbenrechts, vgl. seine Artikel: Das Anerbenrecht auf der preußischen Agrarkonferenz, in: Sozialpolitisches Centraiblatt, 3. Jg., Nr. 48 v o m 27. Aug. 1894, S. 5 7 3 - 5 7 5 , und: Der preußische Gesetzentwurf über das Anerbenrecht bei Rentengütern, in: Soziale Praxis, 4. Jg., Nr. 50 vom 9. Sept. 1895, Sp. 9 5 6 - 9 6 0 (MWG I/4). 34 Z u m Vorschlag Cuprovs vgl. oben, S. 195, Anm. 46. 35 Dies bezieht sich vermutlich auf die Äußerung des Fürsten Evgenij N. Trubeckoj, daß „eine zu kategorische Lösung der agrarischen Probleme" mögliche Verbündete zu Parteigängern Sipovs machen könne. Agrarnyj vopros 1 , S. 314.
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Schicht, - sie reicht, nach dem Ausspruch eines Unterrichtsministers Nicolaus I., „von den Stufen des Throns bis in die Reihen der Bauern" 3 6 - der Hergabe seines Landes in den gegenwärtigen Zeitläuften nicht abgeneigt: man lebe „lieber frei auf einem Landhaus ohne Land, als, wie jetzt, mit dem Lande in einer Festung," sagte Fürst 5 Dolgorukow auf dem liberalen Moskauer Agrarkongreß. 3 7 Der hinter verschlossenen Türen abgehaltene Kongreß der landwirtschaftlichen Unternehmer in Moskau im Dezember 1905 aber verlangte A 335 (107) bedingungslose Repression. 7 9 3 ) 3 8 - Jedenfalls kostet | das Land für eine nicht gewaltsame Regierung ungeheueres Geld. Kolonisierba- 10 res Land ist, namentlich im Südosten, dann auch im Nordosten des weiten Reichs, zu gewinnen, - wenn gewaltige Kapitalien für Bewässerung und (in Sibirien) Waldrodung flüssig gemacht werden. Die Beseitigung der Loskaufsgelder, die Steuererleichterung der Bauern, die Zivilliste,39 welche an Stelle des Landbesitzes der kaiserli- 15 chen Familie zu treten hätte, die Verluste an Domänenrente, die Meliorationskapitalien, dies alles bedeutet eine gewaltige staatliche Mindereinnahme und einen ebenso gewaltigen Mehrbedarf, in toto Geldbeschaffungsprobleme noch nicht dagewesener Art. Und da schließlich mit der Landvermehrung allein das Agrarproblem ja 20 schlechterdings nicht erledigt ist, dieser Weg vielmehr, als einziges Mittel gedacht, sehr wohl eine Gefährdung des „technischen Fortschrittes" bedeuten kann, 80 ) da also mit einer schweren Enttäu79a ) Umsiedelung der Bauern mit Staatshülfe, Auseinandersiedelung der zusammengepferchten Riesendörfer, beschleunigte Separation der Gemengelage zwischen GutsbesitA 3 3 5 (107) zern und Dörfern, gesteigerte Tätigkeit der Landbank, dagegen Aufrecht|erhaltung der ständisch bäuerlichen (Wolost-) Gerichte, der Unveräußerlichkeit des Nadjel und seiner Unangreifbarkeit im Exekutionswege, - dies etwa stellt das „Agrarprogramm" der Reaktionäre, z . B . der „Nationalen Ordnungspartei" dar (Kursker Proklamation Abt. I, Nr. 8, Abt. II Nr. 7 ) . 4 0 80 ) Alle spezifische Bauernpolitik läßt, vor allem, in den Getreideexportgebieten das
36 Als Zitat nicht nachgewiesen. Gemeint ist wahrscheinlich der von 1833 bis 1845 amtierende „Minister für Volksaufklärung", Graf S. S. Uvarov. 37 Dolgorukov, Agrarnyj vopros, S. 8. 38 Vgl. den Programmentwurf der Union der Grundbesitzer: Ot soveta ucreditelej Sojuza zemlevladel'cev, in: Moskovskija Vedomosti, Nr. 304 vom 18. Nov. 1905, S. 1. Der Kongreß tagte vom 17. bis 20. November 1905 in Moskau. 39 Gemeint ist die dem Landesherrn verfassungsmäßig zukommende Kondotation, in Monarchien in Form einer jährlichen Geldrente für die persönlichen Ausgaben des Monarchen und seiner Familie, die der Bewilligung des Parlamentes entzogen ist. 40 Cego zelaet Kurskaja narodnaja partlja porjadka, S. 3738 und 3740.
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schung der Bauern auch nach Erfüllung aller ihrer Forderungen gerechnet werden müßte, und da vor allem endlich die Bauern nach dem Maß ihrer heutigen Entwicklung schwerlich als „Träger" oder „Stützen", sondern wesentlich als „Objekte" der Agrarpolitik in 5 Betracht kommen können, - so ist die Partei, welche jene Reform auf legalem Wege durchführen sollte, nicht um ihre Aufgabe zu beneiden. Die Regierung hat demgegenüber bisher lediglich den Erlaß der Loskaufszahlungen, die Erweiterung (durch 30 Millionen neuen Kalo pitals) der Tätigkeit der Landbank zur Überführung gutsherrlichen Landes in die Hand der Bauern 81 ) und endlich in ziemlich unbedurch die Kürze der Vegetationsperiode gegebene Beinefosproblem ganz unberührt. Das Absterben des Kustar und des bäuerlichen Hausfleißes durch den Kapitalismus und die geldwirtschaftliche Bedarfsdeckung berührt hier - darin haben die „Volkstümler" ganz recht - direkte Existenzfragen der Bauernwirtschaften. 81 ) Unter dem Druck der sozialen Bewegung ist übrigens in den entwickelteren Gebieten, speziell, scheint es, Kleinrußland, aber auch der Wolga-Gegend, mehrfach eine Einigung der Gutsbesitzer mit den Bauern über beschleunigte und erleichterte Ablösung mit Hilfe der Landbank erfolgt. - Bei der Landbank selbst sollen Verkaufsangebote für ca. 120 Millionen Rubel liegen. Ihr wird vorgeworfen, daß sie das Land weniger nach seiner Eignung zur Ansiedlung, als nach den Interessen einflußreicher Verkaufslustiger (speziell z.B. des Grafen Woronzow-Daschkow, des Fürsten Schtscherbatow, des Exministers Durnowo) zu kaufen | pflege und erhebliche Spekulationsgewinnste für die Beamten A 336 (108) abwerfe, falls nicht ein Petersburger Taxator deren Kreise störe. 41 Augenblicklich erwirbt, nach Zeitungsnachrichten, die Bank zwar, infolge der Unruhen, sehr billig. (Sie kauft mit dem Boden auch die Kunstschätze und Schloßmobiiiare der eingeschüchterten Gutsherren, so nach den Zeitungen auf der Akssakowschen Besitzung im Ssamaraschen Gouvernement). 4 2 Was aber die Bauern anlangt, so ergeben die Zeitungen, daß sie - ganz begreiflicherweise - seit dem Manifest vom 17. (30.) Oktober den Erwerb durch die Bank zunehmend ablehnen, da sie hoffen, durch die Duma oder „sonstwie" billiger in den Besitz des Landes zu kommen. 4 3
41 Z u m Verkauf der Besitzungen des Fürsten Scerbatov siehe d e n Artikel: Z e m s t v o i provincija o krest'janskom p o z e m e l ' n o m banke, in: Rus', Nr. 35 v o m 2. Dez. 1905, S . 5 . Der Wert des Landes war von einem Beamten des Finanzministeriums auf 75 Rubel pro Desjatine geschätzt w o r d e n , w ä h r e n d die örtliche Niederlassung der Bank darauf drang, die Forderung des Fürsten von 100 Rubel pro Desjatine zu erfüllen. Über die Fälle des Grafen V o r o n c o v - D a s k o v und des ehemaligen Innenministers I . N . D u r n o v o , bei d e n e n das Land zu überhöhten Preisen angekauft w o r d e n war, vgl. Gercenstejn, Krest'janskij bank, S . 1 8 5 f . 4 2 W e b e r bezieht sich vermutlich auf den Artikel: O krest'janskom p o z e m e l ' n o m banke, in: Rus', Nr. 35 v o m 2. Dez. 1905, S. 5. 4 3 Beispielsweise empfahl der „ B a u e r n b u n d " in einer Resolution auf d e m zweiten Kongreß im N o v e m b e r 1905 d e n Bauern, w e d e r Land zu kaufen noch zu pachten. Siehe dazu: Vserossijskij krest'janskij sojuz, in: Novaja Zizn', Nr. 10 v o m 11. Nov. 1905, S. 8.
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A 336 (108) stimmten Worten | die Inangriffnahme einer Agrarreform zugesagt, welche die Interessen der Gutsbesitzer mit denjenigen der Bauern „vereinigen" solle. 4 4 - E s ist, trotz aller „Komitees" der vergangenen Jahre, recht fraglich, ob sie über das „Wie?" auch nur die allerallgemeinsten Vorstellungen hat. - Von ganz hervorragender und entscheidender Bedeutung aber wird die Frage werden, wie die Regierung einerseits, die Bauern andererseits sich mit dem - nach Wegfall der Loskaufsgelder - gesetzlich jedem Bauern zustehenden Recht, die Zuweisung seines Anteils zu privatem Eigentum zu verlangen, abfinden werden. Die Pfade der sozialreformerischen russischen liberalen Demokraten sind entsagungsvoll. Sie haben keine Wahl, - nach ihrer Pflichtauffassung sowohl wie nach Erwägungen, die durch das demagogische Verhalten des alten Regimes bestimmt sind, - als bedingungslos das allgemeine gleiche Wahlrecht zu fordern. Und doch könnten ihre eigenen Ideen, wahrscheinlich, nur bei einem dem Semstwowahlrecht ähnlichen Wahlverfahren zu politischem Einfluß gelangen. Sie müssen, pflichtgemäß, eine Agrarreform mit vertreten, welche, der Wahrscheinlichkeit nach, nicht einen ökonomischtechnisch „fortschrittlichen" voluntaristischen Sozialismus, sondern den seinem Wesen nach archaistischen Kommunismus der Bauern, nicht ökonomische Auslese der, im „geschäftlichen" Sinn, Leistungsfähigsten, sondern „ethische" Ausgleichung der Lebenschancen, - als ökonomische Praxis sowohl wie als ökonomische Anschauung der Massen gewaltig stärken und damit die, nach Ansicht der meisten von ihnen doch unvermeidliche, Entwicklung westeuropäischer individualistischer Kultur verlangsamen muß. - Auf eine solche Bewegung wird jener Typus des „satten" Deutschen, der es unmöglich erträgt, nicht mit der jeweils „siegenden Sache" zu sein, mit seinem von dem erhebenden Bewußtsein seiner Qualität als
4 4 D i e s b e z i e h t s i c h auf Manifest und U k a z e v o m 3. und 25. N o v e m b e r 1905, die a) die L o s k a u f z a h l u n g ab I . J a n u a r 1906 u m die Hälfte verminderten, b) d e n Landkauf durch billige Kredite der B a u e r n b a n k erleichterten und c) der B a u e r n b a n k 5 0 Millionen R u b e l z u r V e r f ü g u n g stellten. G l e i c h z e i t i g stellte der Zar der B a u e r n b a n k 4 Millionen Desjatinen zur V e r f ü g u n g und berief eine K o m m i s s i o n unter Leitung G o r e m y k i n s ein, in der M a ß n a h m e n z u r V e r b e s s e r u n g d e s bäuerlichen W o h l s t a n d e s beraten w e r d e n sollten, w o b e i der B e s i t z der G r o ß g r u n d b e s i t z e r j e d o c h unangetastet bleiben sollte. P S Z R I , 3 - e sobr., tom 25, Nr. 2 6 8 7 1 - 2 6 8 7 3 und 2 6 9 6 9 .
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Realpolitiker 82 ) ge|blähten Busen, nur mit Mitleid blicken können. A 337 (109) Denn überdies sind natürlich ihre äußeren Machtmittel gering, worauf auch die extremen Sozialrevolutionäre immer wieder mit Hohn hinweisen. In der Tat: niemand weiß, wo man heute ohne die Einschüchterung der Autokratie durch den Tod Plehwes und des Großfürsten Ssergjej stände. Das einzige Machtmittel ähnlicher Art, welches die Liberalen hatten, lag in dem Umstand, daß die Offiziere auf die Dauer nicht gewillt bleiben konnten, gegen Familien, denen sie zum großen Teil selbst entstammen, als Henker zu fungieren. Tatsächlich hat die von liberaler Seite empfohlene Taktik: nicht, wie dies ein Teil der Sozialrevolutionäre immer wieder tat, die Truppen durch Bomben und bewaffneten Widerstand zum Kampf zu reizen, sondern sich ihnen unbewaffnet in den Weg zu stellen, recht häufig gewirkt.83) Freilich, einer entschlossenen militärischen Führung gegenüber hätte all dies seine Schranken, und der augenblickliche Aufstand in Moskau 45 wird der Disziplin des Heeres sehr förderlich sein. Dazu tritt nun freilich ein anderes, spezifisch „bürgerliches" Machtinstrument, - aber es liegt nicht in der Hand der russischen Liberalen: Ohne das sehr ernste Wort, welches die fremden Geldmächte - nicht expressis verbis, aber der Sache nach - gesprochen haben, 46 wäre das Patent vom 17. Oktober vielleicht gar nicht erfolgt 82 ) Übrigens ist dieser Ausdruck in Rußland zurzeit sehr populär. Nicht nur die Demokraten und Bodenreformer, sondern auch Sozialrevolutionäre Richtungen und die Jungvolkstümler wollen durchaus „realnye politiki" sein. Sollte der schöne Begriff dadurch in Deutschland etwas entwertet werden, so hielte ich das bei seiner jetzigen Entwicklung für keinen großen Verlust. | 83 ) Auch Kasaken-Dörfer haben Befreiung der Kasaken vom Dienste als Polizei und A 337 (109) Gendarmerie verlangt (vgl. z. B. den Kertscher „Jushnij Kurjer" von 12. November). 4 7 |
4 5 In Moskau kam es vom 7. bis 17. Dezember 1905 zu einem bewaffneten Aufstand, der hauptsächlich vom Moskauer Sovet getragen wurde. Der nur von einem Teil der Arbeiterschaft unterstützte Straßen- und Barrikadenkampf scheiterte aufgrund der Loyalität des Militärs und der schwachen Kräfte der Aufständischen. 46 Gemeinhin gilt es als Tatsache, daß das ausländische, vornehmlich französische Finanzkapital dem Zaren die Gewährung einer Verfassung nahezulegen versucht hat, um einerweiteren Verschärfung der revolutionären Entwicklung vorzubeugen. Inwieweit eine direkte oder Indirekte Einflußnahme ausländischer Finanzkreise stattgefunden hat, läßt sich nicht nachweisen. Vgl. Geyer, Dietrich, Der russische Imperialismus. Studien über den Zusammenhang von Innerer und auswärtiger Politik 1860-1914. - Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1977, S. 185-188, sowie Mehlinger und Thompson, Count Witte, S. 216ff. (wie oben, S. 121, Anm. 51). 4 7 Der von Weber angeführte Zeltungsbericht konnte nicht ermittelt werden.
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oder doch bald widerrufen" 1 worden. Alle Angst vor der Wut der Massen und vor der Meuterei der Truppen und die Schwächung des autoritären Regimes durch die Niederlage im Osten wirkte doch nur in Verbindung mit der Abhängigkeit von der kühlen harten Hand der Banken und Börsen auf die Autokratie. Darauf beruht die Stellung von Politikern wie Witte und Timirjasjew. Denn wenn der sozialdemokratische „Natschalo" den Grafen Witte als „Agenten der Börse" bezeichnete, 48 so steckte hinter dieser primitiven Vorstellung natürlich etwas richtiges. Witte hat auf dem Gebiet der konstitutionellen Frage und der inneren Verwaltung schwerlich bestimmte Überzeugungen irgend welcher Art. Jedenfalls stehen seine verschiedenen Erklärungen darüber im offensichtlichsten Widerspruch miteinander und hat er überdies auch jetzt die Gepflogenheit, Äußerungen, die von unverdächtigen Leuten als von ihm getan referiert werden, als „Mißverständnisse" zu dementieren, auch wenn es sich um Verhandlungen mit Parteidelegierten, also nicht um vertrauliche Gespräche, handelt. 4 9 Sein Interesse ist ganz wesentlich wirtschaftspolitisch orientiert. Er hat z.B., wie man sonst von ihm denken mag, den „Mut" - von seinem Standpunkt aus gesprochen, - gehabt, das in den Augen der reaktionären Bureaukratie wie der revolutionären" Demokratie gleich schwere Odium einer Verteidigung des bäuerlichen A 338 (110) Privatbesitzes auf sich zu nehmen, | ebenso wie er jetzt den gesteigerten Haß der Slawophilen und überdies die durch seine „Unentbehrlichkeit" nur gesteigerte persönliche Abneigung des Zaren trägt. Ohne allen Zweifel ist sein Denken „kapitalistisch" orientiert, - wie das der Liberalen von Struves Gepräge es auch ist. An die Stelle der Plehweschen Versuche, mit den autoritär geleiteten Massen gegen das „Bürgertum" zu regieren, würde er zweifellos sehr gern eine Verständigung mit den besitzenden Klassen gegen die Massen set-
m A: wiederrufen
n A: reaktionären
4 8 W e b e r bezieht sich vermutlich auf: Vitte — agent birz'i, S t r u v e - a g e n t V i t t e , in: Nacalo, Nr. 3 v o m 16. Nov. 1905, S . 1 . 4 9 Vitte äußerte kurz nach der V e r k ü n d u n g d e s Manifests v o m 17. O k t o b e r 1 9 0 5 g e g e n über Vertretern der P r e s s e , daß e s in R u ß l a n d n u n m e h r keine S e l b s t h e r r s c h a f t m e h r g e b e . A n f a n g J a n u a r 1906 erklärte er hingegen, daß d a s Manifest d e s 17. O k t o b e r an der S e l b s t h e r r s c h a f t nichts geändert habe. D i e s e letztere Ä u ß e r u n g w u r d e j e d o c h s o g l e i c h w i e d e r dementiert. Vgl. d a z u R u s s k i j a V e d o m o s t i , Nr. 3 v o m 4. Jan. 1906, S. 2.
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zen. Er und vielleicht nur er ist in der Lage, den Kredit und die Valuta Rußlands im gegenwärtigen Moment zu erhalten, und es ist sicher, daß er den Willen dazu besitzt. Daß dazu die Umwandlung Rußlands in einen Rechtsstaat mit gewissen konstitutionellen Ga5 rantien unbedingtes Erfordernis ist, weiß er zweifellos 83a ) sehr wohl und würde voraussichtlich, wenn er die Möglichkeit dazu hätte, in der inneren Politik danach handeln, um sein Lebenswerk, die finanzielle Machtstellung Rußlands, nicht preiszugeben. Selbstverständlich tritt dazu der Gedanke, daß ein, bis zu einem gewissen Grade, 10 „aufrichtig" liberales Regime das Bündnis mit Frankreich auch politisch festigen würde. Aber: unbeschränkte Tragkraft haben diese Motive zugunsten einer liberalen Politik natürlich für Witte - und vollends für den Zaren und seine Umgebung - nicht, und es fragt sich nur, bei welchem Grade der Belastung sie zerbrechen und der Geis danke, es mit einer Militärdiktatur als Vorläufer irgend eines Scheinkonstitutionalismus zu versuchen, die Oberhand gewinnt. Ein solcher Gedanke ist für die nächste Zukunft natürlich durchaus praktikabel. Bleibt auch nur der zehnte Teil des Offizierskorps und der Truppen zur Verfügung der Regierung, - und der Bruchteil würde 20 gegebenenfalls näher an 9/io liegen, 83b ) - so wollen demgegenüber noch so viele Aufständige gar nichts besagen. - Die Börse begrüßte das erste Blut in den Straßen Moskaus mit einer Hausse, 5 0 - und alles, was seitdem geschah, zeigte, wie mächtig dies das Selbstvertrauen der Reaktion gestärkt und Witte umgestimmt hat. Die wirt25 schaftliche Not, welche infolge der furchtbaren Verwüstungen in der Industrie eintreten muß, wird hier, wie überall, nach Enttäuschung der politischen Illusionen den Kampfesmut des Proletariats lähmen. Und eine Regierung, welche, der Sache nach, die Machtstellung des zentralistischen Beamtentums, - darauf kommt es an, - erhält, muß 30 dem ausländischen Beobachter trotz allem vorläufig sehr wohl möglich erscheinen. Denn auch die sozialen Mächte, welche das bisherige Regime trugen, sind zweifellos schon jetzt stärker organisiert, als 83a ) Zeitungen wie „Nowoje Wremja" operieren fortwährend mit diesem Gesichts- A 338 (110) punkt. 83b ) Der Verlauf des soeben tobenden Moskauer Aufstandes zeigt es. 5 1 - Nur ein unglücklicher europäischer Krieg würde die Selbstherrschaft endgültig zertrümmern. |
50 Vgl. Düna-Zeitung, Nr. 275 vom 18. Dez. 1905, S. 1. 51 Siehe oben, S. 253, Anm. 45.
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A 339 (111) es äußerlich scheint. Ihre Renaissance hatte um so größere | Chancen, je mehr, selbst angesichts der organisierten Mordbrennerbanden des in seiner Existenz bedrohten Polizeibeamtentums, der sektenhafte Krämergeist der „Berufs-Sozialisten" die Frontstellung ihrer Anhänger wesentlich gegen die mit ihnen „konkurrierenden" bürgerlichen demokratischen Parteien richtete und gerade nach dieser Richtung ihrem, wie wir in Deutschland am besten wissen, 52 politisch so impotenten und, vor allem, jede Erziehung zur politischen Tatkraft vernichtenden, „menschlich" ja durchaus begreiflichen Schimpfbedürfnisse freien Lauf ließ. 84 ) Sie können sehr wohl den Triumph erleben, daß entweder die Reaktion ganz die Oberhand gewinnt, oder daß breite Schichten der Besitzenden in das Lager der „gemäßigten" Parteien übergehen, und sie werden damit das Recht erlangen, eine weitere Generation lang in gewaltigen Worten schwelgend - wie bei uns - sich an dem Gedanken zu berauschen: „was es doch für schrecklich schlechte Menschen gibt". 53 Wie stark, neben der konsequenten Obstruktion des reaktionären Beamtentums und der höheren Offiziere, auch die Parteiorganisation der Konservativen schon jetzt ins Gewicht zu fallen vermöchte, könnte nur die Probe zeigen. Die Altkonservativen („monarchistische" Partei) haben ihre Zentrale in Moskau, ihr Bureau ist dasjenige der „Moskowskija Wjedomosti". 5 4 Ihr Programm war bislang bedingungslos der Status quo ante und die gewaltsame NiederwerA 3 3 9 (111)
84 ) So brachte z . B . schon die dritte N u m m e r des „Natschalo" (vom 16./29. N o v . ) 5 5 e i n e n leidenschaftlichen Angriff auf Struve, der im Verlauf v o n 2 - 3 Jahren Sozialismus mit Liberalismus, Liberalismus mit Selbstherrschaft, R e v o l u t i o n mit S e m s t w o t u m und sittliche Ideale mit politischer Verräterei vertauscht habe! - A l s Streitobjekte g e g e n ü b e r den Liberalen waren lediglich genannt: die „konstituierende" D u m a , die „Republik", die „Revolution". - In der gleichen N u m m e r wurden die Sozialrevolutionären ganz ähnlich behandelt, weil sie im Verdacht standen, sich mit den Liberalen unter U m s t ä n d e n verständigen zu w o l l e n . |
5 2 Gemeint ist die jegliche Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Parteien scharf ablehnende, auf die „Revolutionierung der Köpfe" gerichtete Politik der sozialdemokratischen Parteiführung, die nach Webers Ansicht kleinbürgerliche Gesinnung und politischen Quietismus prämierte. 5 3 Als Zitat nicht nachgewiesen. 5 4 Die monarchistische Partei (Monarchiceskaja Partija) wurde im März/April 1905 gegründet. Als Führer der Partei galt der Herausgeber der Moskovskija Vedomosti, Gringmut. Das Programm der Partei in: Moskovskija Vedomosti, Nr. 109 vom 22. April 1905, S. 1 f.; siehe auch: Ivanovlc, Rossijsklja Partii, S . 5 2 f . und 1 0 0 - 1 0 7 (wie oben, S. 151, Anm. 89). 5 5 Siehe oben, S. 254, Anm. 48.
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fung der Opposition. Über ihre innere Organisation und Verbreitung ist es schwierig, jetzt im Ausland etwas zuverlässiges zu erfahren. Jedenfalls ist die Zeit der ersten Verlegenheit, in welcher ein angesehener Konservativer dem Zentralbureau der monarchistischen Par5 tei schrieb, er sehe nicht ein, wie man ohne „Mobilmachungsorder" des Zaren selbst ihm zu Hilfe kommen dürfe (Moskjowskija] Wjed[omosti] 7. Mai), 56 und wo Fürst Meschtscherski im „Grashdanin" (9. Mai) 57 den Gedanken entrüstet zurückwies, daß die Macht des Zaren „von der Hilfe des Herrn Gringmut abhänge";,] und bedauer10 te, daß das Manifest der Konservativen beim Volk diesen Eindruck erwecken müsse, - charakteristische Seitenstücke zu den Empfindungen mancher preußischer Royalisten im Jahre 1848, 58 - jetzt längst vorüber. Auch das gesetzliche Verbot der Gründung politischer Vereine, 59 welches viele Konservative zurückgehalten hatte, 15 ist jetzt kein Hindernis mehr. Der „Bund russischer | Männer in a 340(112) Moskau", 84a ) 60 mit vielen Filialen, daneben zahlreiche ähnliche Ver84a ) Das Programm des „Bundes russischer Männer" (Prawo Nr. 22 S. 1820)61 besagt, A 340 (112) daß der Bund die „Einheit von Kirche, Thron und Volk" vertreten, den Willen des Zaren ausführen, den „inneren Feind" und alle Versuche des Imports von „Richtungen", die Rußland „fremd" seien, bekämpfen und auf Verlangen des Zaren prinzipientreue Männer wählen werde. Zu seinen Gründern gehören: Archimandrit0 Anastasij, mehrere Grafen
O A: Archimendrit 56 Dies bezieht sich auf: Moskovskija Vedomosti, Nr. 123 v o m 7. Mai 1905, S. 2. 57 Vgl. Grazdanin, Nr. 3 4 v o m 1. Mai 1905, S. 20. 58 A n s p i e l u n g auf das anfängliche Z ö g e r n einiger preußischer Konservativer in der Frühphase der Revolution des Jahres 1848, o h n e ausdrückliche Z u s t i m m u n g des Königs Vereine oder Verbände zur Unterstützung der Monarchie zu gründen. Dies wich jedoch sehr bald der Ü b e r z e u g u n g , daß, wie dies Leopold v o n Gerlach ausdrückte, die konservativen Kräfte so zu organisieren seien, daß „ o h n e d e n König für d e n s e l b e n " gehandelt w e r d e n könne. Vgl. Denkwürdigkeiten aus d e m Leben Leopold von Gerlachs. Nach seinen A u f z e i c h n u n g e n hg. von seiner Tochter, 1. Band. - Berlin: W. Hertz 1891, S. 175. 59 S v o d Zakonov, A u s g a b e 1892, t o m 14: u s t a v o preduprezdenii i presecenii prestuplenij, st. 1 1 6 - 1 1 8 , S. 79, verbot alle Vereine, Gesellschaften etc., die nicht bei der Regierung um Zulassung nachgesucht hatten. 60 G e m e i n t Ist der Sojuz russkich ljudej, der im März 1905 unter Führung des Grafen P. S e r e m e t e v g e g r ü n d e t wurde. Der „ B u n d russischer M e n s c h e n " versuchte insbesondere in den Z e m s t v a und d e n A d e l s v e r e i n i g u n g e n Mitglieder zu werben. Er propagierte die Bildung eines beratenden, aus den traditionellen Ständen gewählten G r e m i u m s , des Zemsklj Sobor, der die Verbindung z w i s c h e n Zar und Volk, die durch die Bürokratie unterbrochen sei, wiederherstellen sollte. Vgl. Rogger, Hans, The Formation of the Russian Right, in: California Slavlc Studies 3 , 1 9 6 4 , S . 8 0 f f . 61 Sojuz russkich ljudej, S. 1820f.
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Zur Lage der bürgerlichen Demokratie
bindungen in anderen Städten, waren schon im März, nach dem Manifest vom 18. Februar gegründet, ebenso die „patriotische Liga" in Petersburg. 62 Fast alle tagten unter Ausschluß der Öffentlichkeit, im Gegensatz zu den Semstwokongressen, so auch der Moskauer konservative, die strengste Repression vertretende, Kongreß der 5 Landwirte Ende November 1905. - Nachdem der Zar der Deputation der „russischen Männer" und anderer konservativer Vereine, welche ihm ihre Bedenken über die „Bedrohung der Selbstherrschaft" vortrugen8413), im Dezember seinen „unerschütterlichen" Willen, an dem Versprechen vom 17. (30.) Oktober 63 festzuhalten, 10 S c h e r e m e t j e w , D . A . C h o m j a k o w , m e h r e r e Fürsten Golizyn, W. A r s s e n j e w , Professor Tarassow, Fürst Meschtscherskij, Privatdozent Stratonizkij, m e h r e r e G r a f e n Oljssufjew, Fürst A . Schtscherbatow, ein Fürst Trubezkoj, Graf W. W. Orlow-Dawydow, A . M. Katkow, Fürst S. Putjatin, Fürst Kurakin, Fürst Gagarin, Graf Tatischtschew, Fürst D r u z k o j Ssokolinskoj u . a . 84b ) Beteiligt waren an der Audienz: 1. der „Bund russischer M ä n n e r " (Führer Fürst Schtscherbatow), - 2. die „monarchistische Partei" (Führer R e d a k t e u r Gringmut), 3. der Moskauer Grundbesitzerkongreß, - 4. der Verein der Moskauer Kirchenfahnenträger (Kleinbürgerverbände), - 5. Vertreter des Bauernblattes „ R u ß k o j e Krestjanstwo", 6. die Vertreter des reaktionären B a u e r n d o r f e s W o r o b j e w a p G o r a bei M o s k a u , - 7. als Vertreter der inneren Mission der Igumen A r s e n i j q . - Die Adresse der „russischen M ä n n e r " verlangte E i n b e r u f u n g des „großen Semskij Ssobor", der „slawophilen" Volksrepräsentation, bestehend aus Vertretern der „in Glauben und A b s t a m m u n g E c h t e n " , nach M o s k a u , und versicherte' den Kaiser, dessen T h r o n am R a n d e des A b g r u n d s stehe, ihrer unbedingten Unterstützung. Die Grundbesitzer verlangten, daß den Zweifeln, welche das Manifest vom 17. O k t o b e r und die Schaffung des Ministerkonseils ü b e r den Fortbestand der Selbstherrschaft errege, ein E n d e bereitet werde und unbedingte Repression. Die Kirchenfahnenträger überreichten ein Heiligenbild. 6 4 - Die Antwort des Z a r e n war „konstitutionell", aber zweideutig, nach Art mancher A n t w o r t e n Friedrich Wilhelms IV. in ähnlichen Situationen. 6 5 |
p A: W o r o l j e w a
q A: Arseniew
r A: versicherten
6 2 Gemeint ist Otecestvennyj Sojuz, der im April 1905 gegründet wurde. Das Programm in Ivanovic, Rossijskija partii, S. 126-129 (wie oben, S. 151, Anm. 89). Deutsche Übersetzung bei Scheibert, Parteien, S. 8 4 - 8 8 . Der „Vaterländische Bund" war eine zahlenmäßig kleine Vereinigung von Adeligen und hohen städtischen Würdenträgern, der insbesondere dem Adel eine beherrschende politische Rolle sichern sollte. 6 3 Siehe oben, S. 97, Anm. 53. 6 4 Vgl. den Bericht über den Empfang vom 1. Dezember in Carskoe Selo; abgedruckt in: Moskovskija Vedomosti, Nr. 321 vom 5. Dez. 1905, S. 2. Die Zitate ebd. 6 5 Weber spielt hier auf die nicht eindeutigen Verfassungsversprechen König Friedrich Wilhelms IV. an, so u.a. an Berliner Deputierte am 14. März 1848 und an eine Deputation aus Breslau und Liegnitz am 22. März 1848. Vgl. Reden und Trinksprüche Friedrich Wilhelm IV. - Leipzig: F. L. Herbig 1855, S. 72f. und 83f.
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erklärt hat, wird die Organisation der Konservativen als einer politischen parlamentarischen Partei wohl um so raschere Fortschritte machen. Aber auch „freikonservative" Parteien haben sich im Laufe des 5 Jahres 1905 entwickelt. Dahin gehört z. B. die „Partei der Rechtsordnung",66 unter deren Petersburger Führern neben dem auch in Deutschland bekannten Prof. Janshul u.a. speziell Herr Krasso- A341 (113) wski85) hervortritt, welcher anscheinend zur Kategorie der enttäuschten und frondierenden Exbeamten und gewesenen Ministerkandidaio ten zählt. Ebenso gehört dahin wohl der von Gutschkow, Graf Heyden s , Schipow u.a. gegründete „Bund des 17. Oktober" in Petersburg, von, wie es scheint, etwas „liberalerer" Färbung und Witte nahestehend. 853 ) 67 Von selbständigen sozialpolitischen Programmen
85 ) E r spielte zurzeit der „frechen" Eingabe des Tschernigower Semstwo dort eine A 341 (113) ziemlich zweideutige R o l l e . 6 8 85a ) D e r baltische deutsche Liberalismus steht auf dem Boden des „gemäßigten" Semstwo-Liberalismus. D i e „baltische konstitutionelle Partei (Düna-Zeitung Nr. 238 Beilage, Nr. 266) 6 9 steht auf d e m B o d e n des „viergliedrigen" Wahlrechts, „falls solches von der Regierung und den anderen Parteien verlangt wird", hält aber das Bulyginsche' Wahlrecht unter Erweiterung des Zensus und Schaffung einer Arbeiterkurie für vorerst „zweckmäßiger". Sie verlangt im übrigen die demokratischen Persönlichkeitsgarantien, Dezentralisation, Gleichberechtigung der verschiedenen Sprachen, Sozialpolitik, E i n k o m m e n s t e u e r und eine „feste Staatsgewalt". - Einzige A u s n a h m e von der N o t e 2 angeführten Regel war, wie nachträglich b e m e r k t sei, soviel mir bisher bekannt: auf dem Semstwokongreß, Abendsitzung vom 12. Nov. 1905 sprachen je ein Deutscher: - Rechtsanwalt Moritz, Vorsitzender des Ausschusses der „Baltischen Konstitutionellen Partei" - und ein lettischer Vertreter von Riga nacheinander und unter Betonung der Übereinstimmung ihrer
S A: H a y d e n
t A: Balyginsche
66 Die Partei der Rechtsordnung (Partija pravovogo porjadka) wurde am 15. Oktober 1905 von Mitgliedern der Petersburger Stadtduma gegründet. Das Programm in: Sputnik izbirateija, S. 169-174 (wie oben, S. 106, Anm. 4). 67 Siehe oben, S. 187, Anm. 17. 68 „ Ich halte die Handlung des Vorsitzenden der Gouvernements-Versammlung für frech und taktlos. Sich mit Fragen der Staatsführung zu beschäftigen, ist nicht Sache der Zemstvoversammlungen." Siehe oben, S. 101, Anm. 74. Über die Rolle Krasovskijs bei der Petition des Cernigover Zemstvo ließ sich nichts ermitteln. 6 9 Vgl. „Die erste allgemeine Versammlung der Baltischen Konstitutionellen Partei", in: Düna-Zeitung, Nr. 266 vom 5. Dez. 1905, S. 1 f., und „Aufruf der baltischen konstitutionellen Partei", in: Beilage zur Düna-Zeitung, Nr. 238 vom 29. Okt. 1905. Der Aufruf ist datiert vom 27. Oktober 1905.
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dieser und ähnlich gerichteter Verbände ist hier vorerst nichts sicheres in Erfahrung zu bringen85 b). Die Rechtsordnungspartei offerierte dem Grafen Witte (20. November) Streikbrecherhilfe für den Fall des bevorstehenden Post- und Telegraphen-Ausstandes. 70 Es haben sich solchen Gruppen teils die gemäßigten Duma- und Semstwomän- 5 ner, teils die eigentliche Bourgeoisie, Bankiers und Großindustrielle, teils Leute angeschlossen, die, wie Krassowski, bei Beginn der Bewegung der Semstwokongresse den Standpunkt vertraten, daß keine Konstitution zu erreichen, aber eine gesetzliche Garantie der persönlichen und Preßfreiheit zu fordern sei, - ohne freilich angeben 10 zu können, was diese, ohne Konstitution, praktisch bedeuten würde. Gemeinsam ist diesen Kategorien neben der Anerkennung des Manifests vom 17. Oktober, welches die altkonservativen Beamten bekanntlich mit den Metzeleien der schwarzen Hundert beantworteten, 71 vielleicht auch zu hintertreiben gehofft hatten, die unverhoh- 15 A 342 (114) lenere 3 religiöse Indifferenz. 86 ) Fest steht im übrigen von | ihnen Ansichten (?) für die Gewährung lokaler Selbstverwaltung. 7 2 - Aber die deutsche Kultur der Dorpater Universität,73 von welcher Herr Moritz sprach, würde die russische D e m o kratie schwerlich wieder aufrichten. 85b ) Zuweilen verweigerten die Drucker den Satz ihrer Programme. 7 4 86 ) Damit soll nicht etwa behauptet werden, daß skeptische Bureaukraten, wie Pobjedonosszew und Plehwe, oder Journalisten wie Gringmut und Pichno, oder die Grafen
a A: unverholenere
7 0 Weber bezieht sich vermutlich auf: Nacaio, Nr. 9 vom 24. Nov. 1905, S . 3 , sowie: Partija pravovogo porjadka u Gr. Vitte, in: Pravo, Nr. 47 vom 27. Nov. 1905, S. 814. 71 Unmittelbar nach dem Erlaß des Manifestes vom 17. Oktober 1905 kam es in der Zeit vom 18. bis 25. Oktober vor allem in den südwestlichen Gouvernements zu schweren Judenpogromen, an denen Teile des Beamtenapparates sowie Polizei und Gendarmerie sowohl als Teilnehmer als auch als Organisatoren einen nicht unerheblichen Anteil hatten. 7 2 Weber stützt sich wohl auf: S - e z d zemskich i gorodskich dejatelej, in: Pravo Nr. 45/46 vom 20. Nov. 1905, S. 3719. 7 3 Die Universität Dorpat wurde von ihrer Neugründung im Jahre 1802 bis zur Russifizlerungspolitik der Jahre 1889 bis 1893 hauptsächlich von baltischen und deutschen Professoren und Studenten geprägt. Deutsch war bis 1893 die auch von russischen Professoren benutzte Unterrichtssprache. Vgl. dazu Wittram, Reinhard, Die Universität Dorpat im 19. Jahrhundert, in: Deutsche Universitäten und Hochschulen im Osten (Wissenschaftliche Abhandlungen der Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, Band 3 0 ) . - K ö l n / O p l a d e n : Westdeutscher Verlag 1964, S. 5 9 - 8 3 7 4 Vgl. dazu einen Bericht in: Novaja Zizn', Nr. 14 vom 16. Nov. 1905, und die Rede Guckovs auf dem Zemstvo-Kongreß vom 6. bis 13. November 1905, in: Pravo, Nr. 44 vom 13. Nov. 1905, S. 3624.
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allen wohl nur, daß sie unbedingt für „Ruhe" sind und allem zustimmen, was diese auf irgend eine Weise herbeiführen kann: - der Petersburger „Rechtsordnungsverband" ist für das Juden Wahlrecht, „damit sie sich beruhigen", 863 ) 75 die Petersburger Zensuswähler wa5 ren, nach langer Debatte, für die Autonomie Polens aus dem gleichen Grunde, in anderen dortigen Zensuswählerversammlungen wurde, gegen die radikale Forderung der Trennung von Staat und Kirche, die Aufrechterhaltung des Unterrichtes im „göttlichen Gesetz" (Katechismus) als für die Ordnung unentbehrlich bezeichnet 10 usw. Sie alle werden daher auch schließlich mit allem zufrieden sein, was der Zar ihnen zu konzedieren für gut findet. Es versteht sich, daß unter dem Druck der Bauern- und Militärrevolten, der Drohung mit dem Generalstreik und des in der Sozialdemokratie herrschenden Putschismus die Zahl dieser Leute in entschiedenes rasches Steigen 15 geriet. Und es war selbstverständlich auch die Hoffnung der Regierung und speziell Wittes, daß die Anarchie in dieser Richtung wirken, und daß, wie Witte es aussprach, schließlich „die Gesellschaft selbst" verlangen werde, daß man Ordnung schaffe, 76 und - dürfen wir wohl hinzufügen, - Platz werde für die Parole: „enrichissez 20 vous!" 77 So geschah es. Natürlich aber vollzog sich diese Entwicklung auf Kosten der konstitutionellen Semstwodemokratie. Die Zeit der Semstwokongresse sei vorüber, bemerkte Fürst Dolgorukow resigniert. 78 In der Tat: die Stunde der ideologischen Gentry war vorüber, - die Macht der materiellen Interessen trat wieder in ihre Scheremetjew u. a., in irgend einem Sinn persönlich „gläubig" wären. - | A b e r ebenso wie A 3 4 2 (114) die preußischen Konservativen heutigen Schlages sind sie es „offiziell" und das „genügt" natürlich, hier wie dort. 86a ) Konfessionsunterschiede macht das Wahlgesetz nicht. |
7 5 Das Zitat und die nachfolgenden Sachverhalte sind nicht nachgewiesen. 76 Möglicherwelse spielt Weber hier auf einen Artikel M. 0 . Mensikovs in „Novoe Vremja" von Anfang November 1905 an, in dem dieser die Meinung vertrat, daß die „Gesellschaft, die heute unter den Auswirkungen der Revolution leide", die Revolution „wie ein aus dem Käfig entsprungenes Tier selbst erlegen werde". Der Artikel ist zitiert bei Oldenburg, S. S., Last Tsar. Nicholas II, His Relgn and His Russla. Vol. 2. - Gulf Breeze: Academlc International Press 1977, S. 172. 7 7 Äußerung des französischen Ministers Guillaume Guizot ( 1 7 8 7 - 1 8 7 4 ) in der französischen Abgeordnetenkammer am 1. März 1843. 7 8 Vgl. den Bericht der FZ, Nr. 350 vom 18. Dez. 1905, Ab.bl., S. 2, in dem es heißt: „ Fürst Paul Dolgorukow sagte dem Korrespondenten: ,Es bestehe wenig Hoffnung, daß der Semstwo-Kongreß zusammentrete, die Zeit für solche Versammlungen sei vorüber.'"
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normale Funktion. Ausgeschaltet wird bei diesem Prozeß auf der Linken der politisch denkende Idealismus, auf der Rechten das auf die Erweiterung der alten Semstwo-Selbstverwaltung bedachte gemäßigte Slawophilentum. Beides würde Witte wenig schmerzen. Trotzdem ist es im Effekt wahrscheinlich, daß Wittes zuwartende 5 Politik die Geschäfte anderer besorgt hat oder vielmehr, daß er nicht die Macht besaß, etwas anderes zu tun. Er ist in den Augen des Hofes im wesentlichen wohl in der Tat lediglich ein Platzhalter, den man wegen des Eindrucks nach außen, speziell auf die Börsen, und außerdem seiner Intelligenz wegen, jetzt nicht entbehren kann. - Denn 10 über die Stellungnahme der dem Hofe nahestehenden Elemente in der Regierung hat wohl nie ein Zweifel obgewaltet. Die höheren Verwaltungsbeamten jener Gebiete, in denen nach ganz unverdächtigen, und überdies gänzlich unbestrittenen, b Nachrichten die 0 Polizei die Initiative zur Organisierung des Bürgerkrieges ergriffen hat, 15 sind zwar in einzelnen Fällen, aus Rücksicht auf das Ausland, gemaßregelt worden, aber sie sind dabei, ebenso wie unsere preußischen „Kanalrebellen", 7 9 „die Treppe heraufgefallen". 8 0 Graf Witte A 343 (115) aber hat keinerlei ernstlichen Versuch gemacht, vielleicht gar | nicht machen können, die rücksichtslose Obstruktion des Provinzialbeam- 20 tentums zu brechen, welches vorerst garnicht daran denkt[,j an die Dauer eines konstitutionellen Regimes zu glauben. Wenn das die Liberalen als mangelnde „Ehrlichkeit" empfanden, so ist das begreiflich, aber vielleicht nicht ganz genau: „ein Schelm gibt mehr als er hat", 8 1 - das Hindernis liegt an einer höheren Stelle. Zahlreiche 25 Maßregeln des Ministeriums des Innern, die man in den Zeitungen zu verfolgen imstande war, konnten gar keinen anderen Effekt hab A: Nachrichten, die
79 Am 19. August 1899 stimmten 20 Provlnzialbeamte im Abgeordnetenhaus gegen das Projekteines „Mittellandkanals", das daraufhin abgelehnt wurde. Diese Beamten wurden aufgrund eines „allerhöchsten Erlasses" vom 26. August 1899 „zur Disposition" gestellt, im Laufe des folgenden Jahres wurde ein großer Teil von ihnen jedoch in höheren Positionen wiedereingestellt. 80 So wurden z.B. Gouverneur Kurlov (Minsk) und der Stadthauptmann Nejdgart (Odessa) wegen ihres Verhaltens während der Judenpogrome im Oktober 1905 Ihrer Posten enthoben, die strafrechtliche Verfolgung wurde jedoch bald eingestellt. Vgl. den Bericht in: Russkija Vedomostl, Nr. 322 vom 6. Dez. 1905, S. 1. Sie wurden nach einiger Zeit befördert. 81 Deutsches Sprichwort.
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ben, als abwechselnd die Masse zu reizen und dann ostensibel die Zügel am Boden schleifen zu lassen, bis der rote Schrecken so weit gestiegen wäre, daß die Zeit für den weißen reif würde. Es ist nicht zu glauben, daß diese Politik ausschließlich Produkt der Schwäche und 5 Verwirrung gewesen sei: Man brauchte eine „Revanche für den 17. Oktober." 8 6 b ) 8 2 Was sie daneben herbeiführte und doch wohl auch herbeiführen sollte, mußte, bei längerer Dauer, zweifellos die Diskreditierung aller freiheitlichen Bewegungen, speziell aber des bürgerlich-konstitutionellen antizentralistischen Liberalismus, sein, 10 dessen Bedeutung in der öffentlichen Meinung und dessen Stellung in den Selbstverwaltungskörpern seit Jahrzehnten Gegenstand des Hasses des reaktionären ebenso wie der rationalistischen staatlichen Bureaukratie ist. Zweifellos hätte er im Falle zeitweiliger völliger Anarchie noch weniger zu hoffen, als im Falle des Wiedererstarkens 15 der Selbstherrschaft, deren Vorläufer ja, nach Lage der gegebenen Bedingungen, die Anarchie sein würde. Es ist nun sicherlich richtig: die Erbtorheit nicht nur, wie man gesagt hat, jeder radikalen, sondern jeder ideologisch orientierten Politik überhaupt, ist die Fähigkeit, „Gelegenheiten zu versäu20 men". 8 3 Als Vincke sich s. Z. weigerte^] privatim mit den Ministern der c „neuen Ä r a " 0 in Preußen über die einzubringende Militärvorlage zu verhandeln, da dies einem Volksvertreter moralisch nicht
86b ) Den Nerven des jetzigen Ministers des Innern ist ein solcher Kollaps in keiner A 343 (115) Weise zuzutrauen. Durnowo hat, als Polizeichef, eine notorische Routine in der Bekämpfung sowohl, wie in der Provokation von Revolten an den Tag gelegt. Die anscheinend typische Nervosität, oder geradezu: Neurasthenie, großer Teile der russischen Intelligenz, die übrigens nicht etwa Folge einer gesetzmäßigen „gesamtpsychischen" Entwicklung zur „Reizsamkeit" hin, sondern einfach ihrer konkreten, speziell ihrer „polizeilichen" Existenzbedingungen war und ist, gab der Polizeibureaukratie hierin immer ziemlich leichtes Spiel. - Daß andererseits die Ljeninsche Gruppe und ein Teil der Sozialrevolutionären den törichten Aufstand seit längerem vorbereitet haben, zeigt schon das, was oben Note 47 a a[m] Ende gesagt ist. 84 |
C A:„neuen"Ära" 82 Als Zitat nicht nachgewiesen. In d i e s e m Sinne äußerte sich jedoch N a r o d n o e C h o zjajstvo, Nr. 5 v o m 20. Dez. 1905, S. 1, in e i n e m Leitartikel. 83 Den Begriff „ v e r s ä u m t e G e l e g e n h e i t e n " gebrauchte Bismarck mehrmals in bezug auf Preußen, so vor allem im 12. Kapitel von G e d a n k e n und Erinnerungen: Rückblick auf die preußische Politik. Bismarck, Otto Fürst von, G e d a n k e n und Erinnerungen, 1. Band. Stuttgart: J . G . C o t t a 1898. 84 Vermutlich bezieht sich W e b e r hier auf A n m . 4 4 a (oben, S. 172f.), nicht auf A n m . 47a.
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erlaubt sei, 85 und ebenso, als 1893 die Liberalen um den Bruchteil einer Stunde zu spät zu dem Entschluß kamen, den sie nach der Reichstagsauflösung dennoch faßten, 86 - da bedeutete dies beide A 344 (116) Male einen verhängnisvollen Wendepunkt für die | Sache des Liberalismus. Man wird geneigt sein, anzunehmen, und manche Äußerun- 5 gen Wittes suggerieren direkt dieses Urteil: daß die Liberalen ein vom Standpunkt ihrer Parteipolitik aus gesprochen - ähnlicher Vorwurf treffen müsse. Auch ich hatte im Herbst prima facie diesen Eindruck. Allein je näher man die Lage der Dinge überdenkt, desto mehr wird man zu der Vermutung gedrängt, daß die liberalen Politi- 10 ker das, was sie zu gewärtigen hatten, zutreffender beurteilten, als jene Bemerkungen Graf Wittes. 87 ) 87 In jenen eben zitierten beiden A 344 (116)
87 ) Damit soll nicht etwa gesagt sein, daß die Liberalen keine „taktischen" Fehler gemacht hätten. Was auf Grund des Materials heut behauptet werden kann, ist nur: daß aus D e m , was wir im Ausland wissen, solche nicht ersichtlich sind. Von den Resolutionen des Oktoberkongresses der konstitutionellen Demokraten ist die über den Generalausstand zweifellos von nur phraseologischer Bedeutung. 8 8 Aber gegenüber dem grausigen
85 Es ist unklar, auf welchen Sachverhalt Weber hier Bezug nimmt. Tatsächlich verhandelte der Führer der altliberalen Fraktion Im preußischen Abgeordnetenhaus, Georg Freiherr von Vincke, Im August 1862 mit dem Handelsminister von der Heydt über einen Kompromiß in der Frage der Dienstpflicht, freilich ohne greifbares Ergebnis. Der preußische Verfassungskonflikt, der zu einer verhängnisvollen Niederlage des Liberalismus führte, konnte dadurch nicht verhindert werden. Weber dürfte vermutlich eine Erklärung Vinckes im preußischen Abgeordnetenhaus vom 12. August 1862 Im Auge haben, In der dieser darlegte, daß „vertrauliche Mittellungen der Minister, von denen man in der Öffentlichkeit keinen Gebrauch machen" könne, letztlich politisch wirkungslos bleiben müßten. Diese wird hier allerdings dahingehend umgedeutet, daß vertrauliche Kontakte mit den Ministern für einen Abgeordneten unstatthaft seien. Vgl. Sten.Ber.pr.AH, 1862, 3. Band, S. 1621. 86 Anläßlich der Einbringung der Heeresvorlage von 1893 vermochte sich die DeutschFreisinnige Partei nicht auf den mit der Regierung Caprivi ausgehandelten Kompromißantrag des Zentrumsabgeordneten Huene zu einigen, obschon Caprivi für den Fall des Scheiterns die Auflösung des Reichstags angekündigt hatte. Die Deutsch-Freisinnige Partei spaltete sich daraufhin in die Freisinnige Volkspartei und die Freisinnige Vereinigung. Nach den Reichstagswahlen stimmte die Freisinnige Volkspartei im neuen Reichstag dann doch für die Heeresvorlage. 87 Im Oktober 1905 verhandelte Vltte mit verschiedenen Vertretern des Zemstvo-Kongresses und Repräsentanten der konstitutionellen Demokraten über deren Eintritt In sein Kabinett. Bei den Liberalen erweckte Vlttes Verhandlungsführung den Eindruck, daß weitere Reformen von Ihrer prinzipiellen Zustimmung zur Regierungspolitik Vlttes abhingen. Da sie nicht bereit waren, diese Voraussetzungen zu akzeptleren, brachen sie die Verhandlungen ab. Vitte äußerte In einer schriftlich abgegebenen Erklärung schließlich, daß die Regierung die Parteien nicht nötig habe, da sie sich weigerten, an der Rettung des Vaterlandes mitzuarbeiten. Vgl. dazu Pravo, Nr. 48/49 vom 4. Dez. 1905, S. 3859-3864, und Russklja Vedomosti, Nr. 278 vom 23. Okt. 1905, Nr. 2. 88 Konstituclonno-demokratlceskaja partija, S. 21 (wie oben, S. 129, Anm. 85).
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Beispielen handelte es sich eben um zweifellos „aufrichtig" gemeinte Unterhandlungen. Im gegenwärtigen Fall aber ist auch dem „allergemäßigtsten" konstitutionellen Semstwoliberalismus überhaupt keine „Gelegenheit" geboten worden, und es lag daher offenbar garnicht 5 in seiner Macht, das Schicksal zu wenden, ebensowenig als dies 1877 in Bennigsens Hand lag, der damals mit weit besserem Grund, als unsere Historiker anzunehmen pflegen, den Eintritt in das Bismarcksche Ministerium ablehnte. 89 Denn, wie Ludwig XVI. auf keinen Fall gerade von Lafayette „gerettet" sein wollte, 90 so scheint 10 nichts sicherer, als daß die Hofkreise und das Beamtentum lieber mit dem Teufel als gerade mit dem Semstwoliberalismus paktieren würden. Politische Gegnerschaften innerhalb der gleichen sozialen Schicht oder zwischen gesellschaftlich rivalisierenden Schichten sind eben oft die subjektiv intensivsten. 15 Von Seiten der Regierung war der weiteste „Schritt entgegen" die Einladung des Grafen Witte an die Moskauer Uprawa, Repräsentanten der Semstwopartei zu ihm zur Beratung zu schicken. 873 ) 1 Diese
Phrasendunst der zarischen „Manifeste" ist sie doch fast erfrischend. U n d vollends die „heiligen" Beschwörungen des Herrn Gringmut und der Konservativen in der Mosk[owskija] Wjed[omosti] können vor dem Geschmack keines Gottes oder Menschen bestehen. 87a ) Von den Semstwo-Vertretern, welche zu den ministeriellen Beratungen der Wahlrechtserweiterung Ende November zugezogen wurden, 2 waren Gutschkow und Fürst E. Trubezkoj die „radikalsten", die übrigen „liberale" Slawophilen. |
89 Um sich der Unterstützung der Nationalliberalen für die Neugestaltung der Zoll- und Finanzpolitik des Reiches zu versichern, bot Bismarck Rudolf von Bennigsen Ende Dezember 1877 das Amt des preußischen Innenministers, gekoppelt mit dem Reichsamt des Innern an. Bennigsen, d e r e i n e Isolierung in seiner Partei befürchtete, falls er für sich allein in die Reichsleitung eintreten würde, verlangte stattdessen das Finanzministerium und darüber hinaus die Aufnahme zweier weiterer Nationalliberaler, Forckenbeck und S t a u fenberg, In die Regierung. Bismarck, der darin den Anfang einer Parlamentarisierung der Reichsverfassung sah, brach daraufhin die Verhandlungen mit Bennigsen ab. Vgl. u.a. Lenz, Max, Geschichte Bismarcks. - Leipzig: Duncker & Humblot 1902, S. 389f. 90 Der Marquis de Lafayette hatte 1789 der Nationalversammlung den Entwurf der Erklärung der Menschenrechte eingereicht und war nach dem Bastillesturm Befehlshaber der Nationalgarde. Er trat für eine konstitutionelle Monarchie ein. Ludwig XVI. stand solchen Plänen ablehnend gegenüber und erwartete auch nach seiner mißglückten Flucht nach Varennes 1791 die Rettung nicht von Lafayette, sondern von einer Intervention des Auslandes. 1 Wie oben, S. 182, Anm. 71, und unten, S. 266, Anm. 5. 2 An den ministeriellen Beratungen am 19. und 20. November 1905 wurden A. I.Guckov, E. N.Trubeckoj, M . A . Stachovic und D. N.Sipov beteiligt. Russklja Vedomosti,
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fand am 27. O k t o b e r a. St. 3 zwischen Witte und den Delegierten Golowin, Fürst Ljwow und Kokoschkin statt. Die entscheidende Meinungsverschiedenheit blieb damals, daß Graf Witte die Durchführung des allgemeinen gleichen geheimen Wahlrechts der durch Vertreter der Arbeiterklasse zu ergänzenden Reichs-Duma überlas- 5 sen wollte und dafür ausdrücklich seine Mitwirkung in Aussicht stellte, die Delegierten dagegen auf der E i n b e r u f u n g einer konstituA 345 (117) ierenden D u m a auf G r u n d jenes Wahlrechts als | einzigen Mittels, die R u h e zu sichern, bestanden. 8 8 ) Allein hinter dieser angeblichen Differenz stand, abgesehen von dem alten Mißtrauen der Semstwo- 10 leute, der jeder Verständigung offenbar hinderliche U m s t a n d , daß damals Trepow noch im Besitz seiner Vollmachten war, später Durnowo, den angesehene Personen in offenen Briefen an die Zeitungen, unter detaillierter A n g a b e der Fälle beschuldigten, Geld, „selbst in kleinen Posten" (1200-1500 Rubel) für Vergünstigungen 15 g e n o m m e n zu h a b e n , 8 9 ) 4 an seine Stelle trat und darin blieb, und daß A 345 (117)
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) Vgl. das Communiqué der Delegierten in der „Russj" vom 23. Oktober a. St. S. 4. 5 ) Auch privatim werden ganz konkrete Fälle mit allen Einzelheiten und Angabe völlig unverdächtiger Gewährsmänner erzählt. Trotzdem nun Durnowo d den auch in öffentlichen Versammlungen erhobenen Vorwurf offenbar nicht gerichtlich ablehnen kann, - ist er soeben dekoriert und befördert worden. 6 Es ist die Stärke - und Schwäche - des Zarismus gegenüber den „Ideologen", daß er, im Gegensatz zu ihnen, auch für diese Art von „Gentlemen" „Verwendung" hat und - haben muß. Er kann wie er ist, die verschmitzte Bauern-Tücke solcher Getreuen keinen Moment entbehren, und der Zar muß daher Leuten die Hand drücken, denen jeder unabhängige „Bürger" den Gruß verweigern würde. 89
d A: Durnoro
Nr. 3 0 4 v o m 18. Nov. 1905, S. 3, vgl. oben, S. 121, A n m . 51. Zu den Beratungen des sog. Kronrates am 5., 7. und 9. D e z e m b e r 1905 w u r d e n h i n z u g e z o g e n : D. N. Sipov, A. I. G u c kov, Baron P. L. Korf und Graf V. A. Bobrinskij. Siehe: Sovescanie v Carskom Sele, in: Russkija V e d o m o s t i , Nr. 323 v o m 7. Dez. 1905, S. 1. 1917 w u r d e in der Zeitschrift Byloe, Nr. 3(25), Sept. 1917, S. 2 1 7 - 2 6 5 das Protokoll dieser Beratungen publiziert. 3 Die B e g e g n u n g zwischen Vitte und den Zemstvo-Vertretern fand nicht, wie W e b e r ausführt, am 27., s o n d e r n am 21. Oktober 1905 statt. Siehe dazu den unten, A n m . 5, erwähnten Bericht. 4 Vgl. u.a. d e n offenen Brief von Aleksandr A. Stachovic, in: Russkija Vedomosti, Nr. 323 v o m 7. Dez. 1905, S. 1. 5 Siehe dazu: Gr. S. Vitte i Z e m c y , in: Rus', Nr. 2 v o m 23. Okt. 1905, S . 4 . 6 Durnovo, der seit 1900 stellvertretender Innenminister war, erhielt im Kabinett Vitte im Oktober 1905 den Posten des Innenministers.
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die verlangte präzise Deklaration des Manifestes vom 17. Oktober im strikt konstitutionellen Sinn ausblieb. Die Versicherung Wittes, daß er sich der konstitutionell-demokratischen Semstwopartei „am nächsten stehend" fühle, 7 konnte unter diesen Umständen, zumal 5 nach seiner „konfidenziellen Denkschrift" vom Jahr 1899,90) welche die Unvereinbarkeit der Semstwos mit der Autokratie hervorhob und so die beabsichtigte Verallgemeinerung der Semstwoverfassung durchkreuzte, unmöglich genügenden Glauben finden. Und vor allem: die Lage Rußlands „schreit" zwar nach einem „Staatsmann", 10 aber: die dynastischen Ambitionen des „persönlichen Regiments" lassen dort so wenig Platz für einen großen Reformer - wenn er sich fände - wie anderwärts, etwa bei uns.
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Es hat - soviel scheint vorläufig durchaus sicher, - nicht einen einzigen Augenblick gegeben, in welchem von Seiten des Zaren eine wirklich dauernde und aufrichtige Verständigung mit diesen, von ihm noch vor 6 Monaten mit äußerst unparlamentarischen Worten bezeichneten Männern überhaupt beabsichtigt war. Wenn man dieses „Moment" als „schlechthin gegeben" in die Rechnung einstellt, dann allerdings ist es unzweifelhaft wahr, daß Rußland für eine aufrichtig konstitutionelle Reform „nicht reif" ist, - aber dies liegt dann nicht an den Liberalen. Denn unter diesen Verhältnissen - wird man dann doch auch urteilen müssen, - konnte, solange nicht ganz andere „Garantien" gegeben wurden, der | Gedanke einer „Verstän- A 346 (118) digung" mit der Regierung für den Semstwo-Liberalismus in der Tat nicht den geringsten politischen Sinn haben. Seine Vertreter konnten nichts anderes tun, als „ihren Schild rein erhalten", 8 nachdem sie ihrer „Mission" in dem Umfang und Sinn, in welchem dies im gegenwärtigen Moment überhaupt möglich war, gewaltet hatten. Es ist durchaus möglich - wenn auch nicht sicher, - daß sie für die nächste Zukunft sich damit abzufinden haben werden, daß die in ihrer Art glänzende Bewegung des Semstwoliberalismus, auf welche Rußland 9Ö ) Diese Denkschrift, in 2. Ausgabe 1903 (Stuttgart, Dietz) 9 mit den beiden Vorreden Struves erschienen, giebt - nach Inhalt und Form - die auffallendsten Einblicke in das „innere Leben" der zentralen russischen Büreaukratie. |
7 Für diese nicht gesicherte Äußerung Vittes vgl. den Artikel der Russkija Vedomosti, Nr. 278 vom 23. Okt. 1905, S. 2, Sp. 2. 8 Deutsche Redensart. 9 Siehe oben, S. 112f.,Anm. 25.
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ebensogut Grund hat stolz zu sein, wie wir Deutschen auf das Frankfurter Parlament, 1 0 vorerst vielleicht - in ihrer bisherigen Form „der Geschichte angehört". Und es wäre dies für ihre Zukunft vermutlich besser als ein „Märzministerium". 11 Nur so kann der „ideologische" Liberalismus eine, auf seinem e ideellen Gebiet, von äußerer Gewalt unerreichbare' „Macht" bleiben, und nur so scheint es auch möglich, die im Laufe der letzten Zeit zerrissene Einheit zwischen der durch Besitz, umfassende Bildung und politische Erfahrung mächtigen „bürgerlichen" und der durch ihre Zahl, ihre enge Fühlung mit den „Massen" und ihren rücksichtslosen Kampfesmut wichtigen „proletaroiden" Intelligenz wieder herzustellen, nachdem diese ihre heutige Unterschätzung der faktischen Bedeutung, welche das ihr „empfindungsmäßig" antipathische „bürgerliche" Element nun einmal hat, infolge der Enttäuschungen, die ihr bevorstehen, abgelegt haben wird. Für die Zersetzung der „volkstümlerischen" Romantik wird die weitere Entwicklung des Kapitalismus sorgen. Zweifellos wird an ihre Stelle zumeist der Marxismus einrücken. 90a ) Aber die Arbeit an dem gewaltigen und grundlegenden Agrarproblem ist mit seinen geistigen Mitteln nun einmal absolut nicht zu bestreiten, und gerade sie kann beide Schichten der „Intelligenz" wieder zusammenführen. Sie kann offenbar nur von den Organen A 3 4 6 (118)
90a ) Man braucht nur den wöchentlichen „Knishnij Wjestnik" 1 2 des russischen Verlagshandels anzusehen, um jetzt, nach Beseitigung der Zensur, die Massenüberschwemmung mit Übersetzungen deutscher „orthodoxer" Schriften - fast nur diese werden von Rußland in Massen aufgenommen - zu erkennen, darunter sowohl die wertvolleren Sachen, wie der absolute „gläubige" Schund. Es erscheint sehr naheliegend, daß die enttäuschte, Sozialrevolutionäre Pragmatik entweder reaktionärer Staatssozialismus wird, oder sich nunmehr der „Entwicklungslehre" anbequemt. |
e A: ihrem
f A: unerreichbarer
1 0 Gemeint ist die Nationalversammlung der Frankfurter Paulskirche 1848/49. 11 Am 29. März 1848 wurde in Preußen das konservative Ministerium Arnim-Boitzenburg durch das liberale Ministerium Camphausen-Hansemann ersetzt, das sich um der eigenen Machterhaltung willen um einen Kompromiß zwischen den Vorstellungen des Königs und dem bürgerlichen Liberalismus bemühte, im Sinne einer gemäßigt-konstitutionellen Verfassung bei gleichzeitiger Erhaltung der Prärogativen sowie eines absoluten Vetorechts der Krone. 1 2 Vgl.: Kniznyj Vestnik. Ezenedel'nyj zurnal knlzno-torgovoj, izdatel'skoj i literaturnoj dejatel'nosti v Rossii. Izdanie Russkago Obscestva knlgoprodavcev i izdatelej, Jg. 22, 1905. U.a. wurden in Nr.47 vom 20. Nov. und in Nr.49/50 vom 18. Dez. 1905 Titel von Marx, Engels, Lassalle, Mehring, Bebel, K. Liebknecht, Kautsky und Eisner angekündigt.
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der Selbstverwaltung gelöst werden, und schon deshalb scheint es Lebensfrage, daß der Liberalismus seinen Beruf nach wie vor darin findet, den bureaukratischen ebenso wie den jakobinischen Zentralismus zu bekämpfen und an der Durchdringung der Massen mit dem 5 alten individualistischen Grundgedanken der „unveräußerlichen Menschenrechte" zu arbeiten, welche uns Westeuropäern so „trivial" geworden sind, wie Schwarzbrot es für den ist, der satt zu essen hat. Diese „naturrechtlichen" A x i o m e geben ebensowenig eindeutige 10 Weisungen für ein soziales und ökonomisches Programm, wie sie selbst | ganz und gar nicht e/ndeutig durch irgendwelche - am wenig- A 347 (119) sten die „modernen" - ökonomischen Bedingungen allein produziert werden. Im Gegenteil: so sehr der Kampf für solche „individualistischen" 15 Lebenswerte auf Schritt und Tritt mit den „materiellen" Bedingungen der Umwelt zu rechnen hat, - so wenig könnte ihre ¡^Verwirklichung" der „ökonomischen Entwicklung" überlassen werden. Es stünde heute äußerst übel um die Chancen der „ D e m o k r a t i e " und des „Individualismus", wenn wir uns für ihre „Entwicklung" auf die 20 „gesetzmäßige" Wirkung materieller Interessen verlassen sollten. Denn diese weisen so deutlich wie möglich den entgegengesetzten Weg: im amerikanischen „benevolent feudalism", 1 3 in den deutschen sog. „Wohlfahrteinrichtungen", in der russischen Fabrikverfassung, - überall ist das Gehäuse für die neue Hörigkeit fertig, es wartet nur 25 darauf, daß die Verlangsamung im Tempo des technisch-ökonomischen „Fortschritts" und der Sieg der „ R e n t e " über den „ G e w i n n " in Verbindung mit der Erschöpfung des noch „freien" Bodens und der noch „freien" Märkte die Massen „gefügig" macht, es endgültig zu beziehen. Und zugleich schafft die zunehmende Kompliziertheit der 30 Wirtschaft, die partielle Verstaatlichung oder „Verstadtlichung", die territoriale G r ö ß e der Volkskörper stets neues Schreibwerk, weitere arbeitsteilige Spezialisation und Berufsschulung in der Verwaltung, d. h. aber: - Kaste. Jene amerikanischen Arbeiter, welche gegen die 13 Der Ausdruck geht vermutlich auf William James Ghent zurück, der 1902 das Buch „Our benevolent feudalism" veröffentlichte. Ghent, William James, Our benevolent feud a l i s m . - N e w York/London: Macmlllan 1902. Thorstein Vehlen nahm diesen Begriff dann auf. Vgl. Vehlen, Thorstein, The Theory of Business Enterprise. - New York: Charles Scribners Son 1904, S. 176. Der Begriff bezeichnet die Trennung der wirtschaftlichen Machtausübung (buslness control) von fachmännischer Kompetenz und unternehmerischer Fähigkeit, bzw. von Kapitaleigentum und Management.
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„Civil Service R e f o r m " waren, 1 4 wußten, was sie taten: sie wollten lieber von Emporkömmlingen zweifelhafter Moral als von einem patentierten Mandarinentum regiert werden, - aber ihr Protest ist vergebens. Möchten doch angesichts dessen diejenigen, welche in steter Angst davor leben, es könnte in Zukunft in der Welt zu viel „Demokratie" und „Individualismus" geben und zu wenig „Autorität", „Aristokratie" und „Schätzung des A m t s " oder dergleichen, sich endlich beruhigen: es ist, nur allzusehr, dafür gesorgt, daß die Bäume des demokratischen Individualismus nicht bis in den Himmel wachsen. „ D i e Geschichte" gebiert, nach aller Erfahrung, unerbittlich „Aristokratieen" und „Autoritäten" neu, an welche sich klammern kann, wer es für sich oder - für das „ V o l k " für nötig findet. Käme es nur auf die „materiellen" Bedingungen und die durch sie direkt oder indirekt „geschaffenen" Interessenkonstellationen an, so würde jede nüchterne Betrachtung sagen müssen: alle ökonomischen Wetterzeichen weisen nach der Richtung zunehmender „Unfreiheit". Es ist höchst lächerlich, dem heutigen Hochkapitalismus, wie er jetzt nach Rußland importiert wird, und in Amerika besteht, dieser „Unvermeidlichkeit" unserer 9 wirtschaftlichen Entwicklung, - Wahlverwandtschaft mit „Demokratie" oder gar mit „Freiheit" (in irgend einem Wortsinn) zuzuschreiben, während doch die Frage nur lauten kann: wie sind, unter seiner Herrschaft, alle diese Dinge überhaupt auf die Dauer „möglich"? Sie sind es tatsächlich nur da, wo dauernd der entschlossene Wille einer Nation, sich nicht wie eine A 348 (120) Schafherde regieren | zu lassen, dahinter steht. „Wider den Strom" der materiellen Konstellationen sind wir „Individualisten" und Parteigänger „demokratischer" Institutionen. Wer Wetterfahne einer „Entwicklungstendenz" sein will, der möge, so schnell wie nur möglich, diese altmodischen Ideale verlassen. Die historische Entstehung der modernen „Freiheit" hatte einzigartige, niemals sich wiederholende Konstellationen zur Voraussetzung. Zählen wir die wichtigsten davon auf: Zunächst die überseeische Expansion: in den Heeren Cromwells, in der französischen Konstituante, in unserem g A: unseres 14 Gemeint ist die Opposition nicht nur der amerikanischen Arbeiter, sondern auch der Farmergegen die „Civil Service Reform" (sog. Pendleton-Act) von 1883, durch die der Grundstein für ein Berufsbeamtentum gelegt wurde.
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gesamten Wirtschaftsleben, noch heute, weht dieser Wind von jenseits des Meeres: - aber ein neuer Erdteil ist nicht mehr zur Verfügung; große Binnengebiete, des nordamerikanischen Kontinents einerseits, Rußlands andererseits, sind es, auf deren monotone, den Schematismus begünstigende Flächen der Schwerpunkt der Bevölkerung der westlichen Kultur unaufhaltsam vorrückt, wie einst in der Spätantike. Zweitens die Eigenart der ökonomischen und sozialen Struktur der ,,frühkapitalistischen" 90b ) Epoche in Westeuropa und drittens die Eroberung des Lebens durch die Wissenschaft, das „Zusichselbstkommen des Geistes": 15 - aber die rationale Gestaltung des äußeren Lebens hat, zweifellos nach Vernichtung unzähliger „Werte", heute wenigstens „im Prinzip" ihr Werk getan: die Uniformierung des äußeren Lebensstils an der Hand der „standardization" der Produktion ist, unter den heutigen Bedingungen des „geschäftlichen" Lebens, ihre universelle Wirkung, - und „die Wissenschaft", rein als solche, schafft heute keine „Universalität der Persönlichkeit" mehr. - Endlich: gewisse aus der konkreten historischen Eigenart einer bestimmten religiösen Gedankenwelt herausgewachsene ideale Wertvorstellungen, welche, mit zahlreichen ebenfalls durchaus eigenartigen politischen Konstellationen und mit jenen materiellen Voraussetzungen zusammenwirkend, die „ethische" Eigenart und die „Kulturwerte" des modernen Menschen prägten. Die Frage, ob irgend eine materielle und gar die heutige hochkapitalistische Entwicklung als solche diese einzigartigen historischen Bedingungen zu erhalten oder gar neu zu schaffen vermöchte, braucht nur gestellt zu werden, um die Antwort zu wissen. Und kein Schatten von Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß die ökonomische „Vergesellschaftung" als solche entweder die Entwicklung innerlich „freier" Persönlichkeiten oder aber „altruistischer" Ideale in ihrem Schöße bergen 90b ) Was darunter zu verstehen ist, hat Sombart in wichtigen Punkten m . E . durchaus A 348 (120) zutreffend charakterisiert. 16 „Endgültige" historische Begriffe gibt es nicht. Die heutige Schriftsteller-Eitelkeit h aber, einer von einem anderen gebrauchten Terminologie gegenüber sich ebenso zu verhalten wie etwa gegenüber seiner Zahnbürste, mache ich nicht mit. |
h A: SchriftstellerEitelkeit 15 „Dies Beisichsein des Geistes, dies Zusichselbstkommen desselben kann als höchstes, absolutes Ziel ausgesprochen werden." Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, S.235f. 16 Sombart, Der moderne Kapitalismus, S. 71 f. und S. 423ff.
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müsse. Finden wir etwa irgendwelche Keime von irgend etwas Derartigem bei Denen, welche, nach ihrer Ansicht, von der „materiellen A 349 (121) Entwicklung" zum unvermeidlichen Siege getragen werden? | In den Massen drillt die „korrekte" Sozialdemokratie den geistigen Parademarsch und verweist sie, statt auf das jenseitige Paradies (welches, im Puritanismus, doch auch recht respektable Leistungen im Dienste der diesseitigen „Freiheit" aufzuweisen hatte), auf das diesseitige, und macht dabei aus ihm eine Art von Schutzpockenimpfung für die Interessenten der bestehenden Ordnung. Sie gewöhnt ihre Zöglinge an Gefügigkeit gegen Dogmen und Parteiautoritäten, an erfolglosen Massenstreiksspektakel und an den tatenlosen Genuß jenes entnervenden, in den Augen der Gegner ebenso harmlosen wie schließlich lächerlichen, Wutgebrülls ihrer Preßpfründner, - an einen „hysterischen Affektgenuß" also, welcher ökonomisches und politisches Denken und Handeln ersetzt und verdrängt. Auf diesem sterilen Boden kann, wenn das „eschatologische" Zeitalter der Bewegung vergangen ist und Generation auf Generation vergebens die Faust in der Tasche geballt oder die Zähne gen Himmel gefletscht hat, nur geistige Stumpfheit wachsen. Und dabei drängt die Zeit, „zu wirken solange es Tag ist". 17 Was jetzt, im Laufe der nächsten Generationen, solange die ökonomische und geistige „Revolution", die vielgeschmähte „Anarchie" der Produktion und der ebenso geschmähte „Subjektivismus" noch ungebrochen bestehen, dem durch sie, und nur durch sie, auf sich selbst gestellten Individuum der breiten Massen nicht als „unveräußerliche" Persönlichkeits- und Freiheitssphäre gewonnen wird, das wird ihm, - wenn die Welt erst einmal ökonomisch „voll" und intellektuell „satt" ist, - vielleicht niemals erobert werden, soweit unsere schwachen Augen in den undurchdringlichen Nebel der Zukunft der Menschengeschichte zu dringen vermögen. Rußland tritt, so schwer die Rückschläge in nächster Zeit auch sein mögen, dennoch endgültig in die Bahn spezifisch europäischer Entwicklung: die mächtige Einwanderung der Ideen des Westens zersetzt den patriarchalen und den kommunistischen Konservatismus hier, wie umgekehrt die gewaltige Einwanderung europäischer, gerade auch osteuropäischer, Menschen in die Vereinigten Staaten 17 NT, Evangelium Johannes, Kap. 9, Vers 4: „ I c h muß wirken die Werke des, der mich gesandt hat, solange es Tag ist; es k o m m t die Nacht, da niemand wirken kann."
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dort am Werke ist, die alten demokratischen Traditionen zu durchlöchern, - in beiden Fällen im Bunde mit den Mächten des Kapitalismus. In gewissen Beziehungen ist, - wie später einmal ausgeführt werden mag, - trotz der ungeheuren Unterschiede, die ökonomische Eigenart der kapitalistischen Entwicklung der beiden „kommunizierenden" Bevölkerungsreservoirs doch vergleichbar: das Losgelöstsein vom „Historischen" zumal ist bei beiden gleich unvermeidlich und wirkt mit dem „kontinentalen" Charakter des fast schrankenlosen geographischen Schauplatzes zusammen. An beiden Entwicklungen aber - und das ist das Wichtigere - hängt gleichviel: es sind, in gewissem Sinn, in der Tat vielleicht „letzte" Gelegenheiten für den Aufbau „freier" Kulturen „von Grund aus". - „Jahrtausende mußten vergehen, ehe du ins Leben tratest, und weitere Jahrtausende warten | schweigend, was du mit diesem deinem Leben beginnen wirst", 18 - dieser Satz, den Carlyles leidenschaftlicher Persönlichkeitsglaube jedem neuen Menschen zurufen wollte, kann ohne Übertreibung, wie auf die jetzige Lage der Vereinigten Staaten, so auf diej enige Rußlands, wie sie teils j etzt ist, teils nach einer weiteren Generation voraussichtlich sein wird, angewendet werden. Und deshalb vermögen wir, über alle Unterschiede der nationalen Eigenart und, - verschweigen wir es uns nicht, - wahrscheinlich auch vieler nationaler Interessen hinweg, unmöglich anders als mit tiefer innerer Bewegung und Anteilnahme auf den russischen Befreiungskampf und seine Träger, - gleichviel welcher „Richtung" und „Klasse", - zu blicken. Dafür, daß ihre Arbeit nicht erfolglos bleibe, wird das bevorstehende System des Scheinkonstitutionalismus selbst sorgen. Denn allerdings: soweit es auf die negative Seite des Problems ankommt, wird die Auffassung der „Entwicklungstheoretiker" stimmen: die bisherige russische Selbstherrschaft, d.h. die zentralistische PolizeiBüreaukratie, hat gerade dann, wenn sie jetzt über die verhaßten Gegner siegt, nach aller menschlichen Voraussicht keine Wahl, als 18 Das Zitat ist so bei Carlyle nicht nachgewiesen, wird ihm aber allgemein zugeschrieben. Weber hat es vermutlich von dem deutschen Philosophen und Carlyle-Forscher Paul Hensel übernommen, der es in seinem Vortrag auf dem Kongreß anläßlich der Weltausstellung in St. Louis im Jahre 1904 gebrauchte. Max Weber selbst hat es dort dann in seinem eigenen Vortrag aufgegriffen. Vgl. Congress of Arts and Science. Universal Exposition, St. Louis 1904, hg. von Howard J. Rogers, Vol. 1. - Boston/New York: Houghton, Mifflin and Co. 1905, S. 414 (zu Hensel), sowie dass., Vol. VII, 1906, S. 746 (zu Weber) (MWG I/8).
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ihr eigenes Grab zu graben. Einen sogen. „aufgeklärten" Despotismus gibt es für sie im Interesse ihrer Selbsterhaltung nicht, und doch muß sie, im Interesse ihres unentbehrlichen Prestiges, mit jenen ökonomischen Mächten sich verbrüdern, die, unter den russischen Verhältnissen, Träger unaufhaltsamer „Aufklärung" und Dekompo- 5 sition bedeuten. Sie ist - darin haben Struve und Andere augenscheinlich recht - nicht imstande, die Lösung irgend eines der großen sozialen Probleme zu versuchen, ohne sich selbst dabei tödlich' zu verletzen. Wenn diese Zeilen gedruckt sind, werden sie zweifellos bereits 10 veraltet sein. Niemand weiß heute, wieviel bis dahin von den Hoffnungen der Liberalen darauf, daß jetzt die Grundlage einer freiheitlichen, den bureaukratischen Zentralismus brechenden Reform gelegt werde, noch übrig ist und wieviel von ihnen sich, wie eine Fata Morgana, in nichts aufgelöst haben wird. 90c ) Dies letztere braucht 15 90c ) N a c h d e m n u n m e h r endlich wieder regelmäßig Zeitungen nach Deutschland dring e n , 1 9 beginnt das D u n k e l der Lage sich etwas zu lichten. Die Wahlagitation ist im G a n g e . D a s Interesse an den Wahlen ist verschieden stark, in Moskau z. B . , wie die kleine Zahl der A n m e l d u n g e n zur Wählerschaft beweist, bisher sehr gering; in Petersburg h a b e n von ca. 150000 Berechtigten sich etwa 22000, und von diesen sehr viele auf Veranlassung ihrer B e h ö r d e , eintragen lassen. Die Frist von 3 Wochen seit Erlaß des neuen Wahlgesetzes war tendenziös k u r z ; 2 0 in Moskau (und anderwärts) glauben die Wahlberechtigten überdies, nach Zeitungsberichten, die A n m e l d u n g zur Eintragung sei als politische H a n d l u n g strafbar! 2 1 - Jetzt, wo es vermutlich zu spät ist, fordert auch die sozialdemokratische Partei die Genossen auf, noch unmittelbar vor Torschluß ihre Eintragung zu b e a n t r a g e n . 2 2 - Die drei A 351 (123) von der Regierung offen|sichtlich protegierten „monarchisch-konstitutionellen" Parteien: die „ R e c h t s o r d n u n g s p a r t e i " , 2 3 der „Bund des 17. O k t o b e r " 2 4 und die eben begründete „Handels- und Industriepartei" 2 5 (welche die Arbeiter und Angestellten ziemlich rück-
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i A: tötlich 19 Siehe oben, S. 87, Anm. 4. 2 0 Über diese Vorgänge vgl. die Berichte in: Narodnoe Chozjajstvo, Nr. 11 vom 28. Dez. 1905, S. 2 und 5. Der Erlaß vom 17. Dezember 1905 begrenzte den Termin für die Einschreibung in die Wählerliste, die Voraussetzung für die Teilnahme an den Wahlen war, auf drei Wochen. 21 Vermutlich bezieht Weber sich auf: Moskovskija Vesti, in: Russkija Vedomosti, Nr. 1 vom 1. Jan.1906, S.6. 2 2 Vgl. Russkija Vedomosti, Nr. 4 vom 5. Jan.1906, S. 2, und Nr. 5 vom 6. Jan. 1906, S. 4. 2 3 Siehe oben, S. 109, Anm. 17. 24 Siehe oben, S. 187, Anm. 17. 2 5 Die Torgovo-promyslennaja Partija wurde am 12. November 1905 unter Federführung G. A. Krestovnikovs, eines Vertreters des konservativen Flügels der Moskauer Börsengesellschaft, gegründet. Sie galt vor allem als Vertretung der Großindustrie in der Stadt und in
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durchaus nicht gerade in | Form einer unverhüllten Restauration zu A 351 (123) geschehen. Es kann vielmehr wohl als, wenigstens annähernd, sicher sichtslos zum Beitritt zwingt, vgl. Russk[ija] Wjed[omosti] vom 4. Jan. S. 3 u[nd] 4) 2 6 schlössen unter Gutschkows und Schipows Leitung ein Kartell. 27 (Über ihr Programm soll nach den Wahlen berichtet werden.) - Dagegen läßt die Regierung gegen die konstitutionelle Demokratie alle Minen springen: Nicht nur ihre Wahlversammlungen werden möglichst verhindert, sondern zeitweise waren, mit einer Ausnahme alle, jetzt noch die meisten, ihrer Zeitungen unterdrückt, in Kiew z . B . die Neuherausgabe einer Zeitung wegen ihres föderalistischen Programms verboten, 2 8 das Affichieren selbst in Petersburg für sie, im Gegensatz zu anderen Parteien, verhindert, 2 9 in Kostromä die Wahl eines Altgläubigen zum Wahlmann als „verboten" bezeichnet 3 0 (der Kongreß der Altgläubigen hat inzwischen, 4. Januar, einen Aufruf erlassen, der die monarchische Treue der Altgläubigen betont, im übrigen aber ein Programm gutheißt, welches, auch bezüglich der Bauern, dem konstitutionell-demokratischen wesensgleich ist). 31 - Ein Kongreß der Adelsmarschälle und ebenso ein Semstwokongreß - beide auch über die Agrarfrage stehen bevor. 3 2 Ein Kongreß der konstitutionellen Demokraten ist eben eröffnet. 3 3 Zwischen dem „Verband der Verbände" und der Semstwo-Linken schweben - endlich wieder Verhandlungen über gemeinsames Vorgehen. 3 4 Die Regierung geht gegen die professionellen Verbände politischer Richtung und gegen ihnen nahestehende Politiker rücksichtslos vor. Soeben ist z. B. der Rektor der Charkower Universität Prof. Reinhardt
der Industrieregion Moskau. Das Programm in: Ivanoviö, Rossijskija partii, S. 7 5 - 9 2 (wie oben, S. 151,Anm.89). 26 Russkija Vedomosti, Nr.4 vom 5. Jan. 1906, S.3, und K vybornoj agitacii (Pis'ma v redakciju), S.4. 27 Am 5. Dezember 1905 gründeten die Fortschrittliche Wirtschaftspartei (Progressivnaja Ekonomiceskaja Partija), die Partei der Rechtsordnung (Partija pravovogo porjadka), der Allrussische Handels- und Industriebund (VserossijskijTorgovo-promyslennyj Sojuz) und der Bund des 17. Oktober sowie einige kleinere Gruppierungen das „Vereinigte Komitee der konstitutionellen Partelen". 28 Weber bezieht sich vermutlich auf den Bericht unter der Rubrik: Vnutrennija Izvestija, in: Russkija Vedomosti, Nr. 5 vom 6. Jan. 1906, S. 3. 29 Zum Verbot des Affichierens in St. Petersburg vgl. den Artikel in: Politiceskaja Chronika, in: Bez Zaglavija, Nr. 2 vom 18. Jan. 1906, S.74. Nach diesem Bericht galt das Verbot des Stadthauptmanns für alle Partelen. 30 Möglicherweise bezieht sich Weber auf eine Meldung in: Russkija Vedomosti, Nr. 5 vom 6. Jan. 1906, S.4. 31 Am 2. und 3. Januar tagte In Moskau der2. Allrussische Kongreß der Altgläubigen. Der Aufruf ist abgedruckt ebd., S. 3f.: K vyboram vgosudarstvennuju dumu. 32 Der Kongreß der Adelsmarschälle tagte vom 7. bis 11 .Januar in Moskau. In Zeitungsmeldungen, u.a. im Pravitel'stvennyj Vestnik, Nr. 276 vom 22. Dez. 1905, S. 6, wurde ein Zemstvo-Kongreß angekündigt, doch kam dieser nicht zustande. 33 Dies bezieht sich auf den zweiten Parteitag der Kadetten, der vom 5. bis 11.Januar 1906 In St. Petersburg stattfand. 34 Weber bezieht sich hier vermutlich auf eine Pressemeldung in: Russkija Vedomosti, Nr. 5 vom 6. Jan. 1906, S. 3. Inwieweit es zu Verhandlungen zwischen den beiden Gruppierungen gekommen ist, ließ sich nicht ermitteln. Beide waren nach dem Ende des polltischen Streiks vom Oktober 1905 und der Gründung der Partei der Konstitutionellen Demokraten ohne Einfluß auf den Gang der Ereignisse.
276
Zur Lage der bürgerlichen
Demokratie
gelten, daß so etwas wie eine „Konstitution" und zugleich ein größeres Maß von Latitüde für Presse und persönliche Bewegung geA 352 (124) schaffen bezw. aufrechterhalten werden wird. 90d ) | Denn es dürften verhaftet worden; 35 Verhaftungen und Maßregelungen von Mitgliedern des dritten Elements werden von überall her massenhaft gemeldet. 3 6 - Für Moskau gilt, außer in zwei Wahlkreisen, die Wahl von Vertretern des „Bundes des 17. Oktober" als wahrscheinlich und auch in Petersburg sind die Chancen der konstitutionell-monarchischen Parteien wohl die günstigsten. 90d ) Ein offiziöses Communiqué (Nowoje Wremja 4. Januar S. 2) 3 7 kündigt die Umwandlung des Reichsrats, dieses von Speranski unter Alexander I. zur Beratung der „Gesetze" geschaffenen, von der „aufgeklärten" Büreaukratie (speziell Witte) seit Jahren kalt gestellten Sammelbeckens von Exministern und anderen hohen Würdenträgern (ca. 70)[,| in ein „Oberhaus" an. 3 8 Seinem Bestand sollen hinzutreten: 51 Gouvernementsver-
35 Ende 1905/Anfang 1906 stand ein Großteil der russischen Provinzen unter Ausnahmerecht, und es kam zu zahlreichen - auch willkürlichen - Verhaftungen oppositioneller Politiker. Weber bezieht sich hinsichtlich der Verhaftung Rejngards vermutlich auf einen Bericht in: Pravo, Nr. 1 vom 9. Jan. 1906, S. 52. Am 7. Januar 1906 meldeten die Russklja Vedomosti jedoch, daß Berichte über die Verhaftung Rejngards unwahr seien. Russklja Vedomosti, Nr. 6 vom 7. Jan. 1906, S. 2. 36 Am 16. Dezember 1905 erließ Innenminister Durnovo ein Zirkular, in dem er alle nachgeordneten Dienststellen anwies, regierungsfeindliche Lehrer, Ärzte etc. zu verhaften. Meldungen über Verhaftungen enthielt insbesondere die Zeitschrift Pravo unter der Rubrik „Chronika". Siehe Nr. 51 vom 24. Dez. 1905, S.4153ff., und Nr. 52 vom 31. Dez. 1905, S. 4227. 37 Das Kommunique erschien unter der Überschrift: Preobrazovanie Gosudarstvennago Soveta, In: Novoe Vremja, Nr. 10707 vom 4. Jan. 1906, S. 2. Die Neuordnung des Reichsrates wurde in den Monaten November 1905 bis Januar 1906 von einer Kommission unter Vorsitz des Grafen Sol'sklj ausgearbeitet. Eine endgültige Umwandlung des Reichsrates erfolgte dann durch die Gesetze vom 20. Februar 1906, die Reichsgrundgesetze vom 23. April 1906 und das Gesetz über den Reichsrat vom 24. April 1906. 38 Der Reichsrat, 1801 durch Alexander I. geschaffen, wurde 1810 aufgrund von M. Speranskljs Plänen erweitert. Er besaß ausschließlich auf dem Gebiet der Gesetzgebung beratende Funktionen. Er prüfte die eingegangenen Gesetzentwürfe und gab darüber Gutachten ab. Des weiteren oblag Ihm die Beratung des Staatshaushaltes. Bis zum Jahre 1906 wurden die Mitglieder des Reichsrates vom Kaiser ernannt und entlassen. Alle Minister waren ex officio dessen Mitglieder. Durch die Gesetze vom 20. Februar 1906, die Reichsgrundgesetze (Osnovnye Zakony) vom 23. April 1906 (Paragraphen 98, 99, 100, 103, 104, 106, 107) und das Gesetz über den Reichsrat vom 24. April 1906 wurde der Reichsrat (Gosudarstvennyj Sovet) In ein Oberhaus umgewandelt, dessen Mitglieder teils gewählt, teils vom Zaren ernannt wurden. Die gewählten Vertreter repräsentierten die Kirche, die Universitäten und die Akademien der Wissenschaften, die Zemstvo-Versammlungen in den Provinzen, die Adelsversammlungen in den Provinzen sowie Großgrundbesitzer in Gouvernements ohne Zemstvo; insgesamt 98 gewählte sowie dieselbe Zahl ernannter Vertreter. Der Reichsrat hatte die gleichen Rechte wie die Duma, und ohne Zustimmung des Reichsrates konnte kein Gesetz in Kraft treten. PSZRI, 3-esobr., tom 26, Nr.27424, 27805 und 27808; Kalinyöev, Gosudarstvennaja Duma, S.115-123 und 141-160.
Der Fortgang der
Revolution
277
auch die entschiedensten Anhänger des alten Regimes sich überzeugt haben, daß die Bureaukratie, wenn sie alle Fenster und Türen verrammelt, auch selbst im Finstern zu tappen genötigt ist. Und aus den anderweit gemachten Erfahrungen könnten sie ferner die Hoff5 nung entnehmen, daß der Scheinkonstitutionalismus, verbunden mit irgend einer ökonomisch orientierten „Sammlungspolitik" 39 , ein weit geeigneteres Werkzeug für die möglichste Behauptung der eigenen Machtstellung darbieten könne, als die plumpe sogenannte „Selbstherrschaft". Ein gewisses Maß von Vermehrung der Bewe10 gungsfreiheit würde dann wohl immerhin als unvermeidlich herauskommen und, nach einem Willkürregiment, welches notorisch Angehörige von sprichwörtlich „friedlichen" Bevölkerungsschichten in wildem Zorn auf die Straße trieb, um, nicht irgend einen von den „Großen", sondern irgend einen armseligen Polizisten über den 15 Haufen zu schießen, - ist das ja für moderne Menschen immerhin etwas. Aber die charaktervollen und selbständigen Elemente der sozialreformerischen bürgerlichen Intelligenz würden dabei natürlich politisch beiseite geschoben, sowohl was ihr Programm, wie, was treter, gewählt von den Semstwos und, in deren Ermangelung, von den ReichsdumaWahlversammlungen, 18 Vertreter der Adelskorporationen, 12 Vertreter der Börsen, Handelskammern usw., 6 Vertreter des heiligen Synod (3 weiße, 3 schwarze Geistliche), 6 gewählte Vertreter der polnischen Gouvernements. - In seinen Rechten soll der Reichsrat der Duma gleichgestellt werden, jedoch soll keine von dieser abgelehnte „Frage" an den Reichsrat k gelangen. (Das Manifest vom 17. Oktober sagte: „Gesetz" - sakön - ein ziemlich eng begrenzter Begriff.) Im übrigen soll über Meinungsverschiedenheiten der beiden Körperschaften | durch A 352 (124) Komitees verhandelt, mangels Einigung aber dem Zaren der Entscheid vorbehalten werden. Darin liegt, was der deutsche Kapitalmarkt zu beachten haben wird, kein Budgetrecht der Duma. - Diese Enttäuschung offenbar hat selbst das Komitee' der vereinigten „konstitutionell-monarchischen" Parteien veranlaßt, zur Regierung eine „abwehrende" Haltung anzunehmen (Now[oje] Wr[emja] 6. Januar). 40
k A: Reichrat
I A: Kommitee
39 Der preußische Rnanzminister Johannes von Mtquel entwarf in seiner programmatischen Rede vom 15. Juli 1897 in Solingen das Konzept der „Sammlungspolitik", d.h. des Ausgleichs der Interessen von Industrie und Landwirtschaft, mit dem Ziel einer Stabilisierung des bestehenden polltischen Systems Im Deutschen Reich. Den Begriff selbst hat Miquel am 23. Juli 1897 in einer Rede vor dem Preußischen Landtag geprägt. Vgl. Eley, Geoff, Sammlungspolltik, Social Imperialism and the Navy Law of 1898, in: Militärgeschichtliche Mittellungen, 15,1974, bes. S. 2 9 - 3 4 . 40 Novoe Vremja, Nr. 10709 vom 6. Jan. 1906, S . 4 .
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Zur Lage der bürgerlichen
Demokratie
ihre Person anlangt. In dieser Hinsicht also würde die Bureaukratie des autokratischen Regimes allerdings auch jetzt die Früchte ihrer langjährigen, einerseits den Kapitalismus züchtenden, andererseits jede geordnete Entwicklung bürgerlicher Selbständigkeit unterbindenden, die Klassen gegeneinander ausspielenden demagogischen 5 Politik ernten, als eine für irgendwelche Dauer berechnete, irgend jemanden befriedigende konstitutionelle und anti-zentralistische Reform unter Beteiligung der liberalen Intelligenz heute vielleicht selbst dann schwierig wäre, wenn der Monarch Beruf und Neigung dazu fühlen würde, als liberaler Reformer aufzutreten. Und daß gar 10 jene der Bureaukratie verhaßte Gruppe das Heft in die Hand bekommt, ist durchaus unwahrscheinlich. - Aber allerdings: ein Sieg der bureaukratischen Machtinteressen, wie er, für jetzt, dem Außenstehenden nach Lage der Dinge möglich und - wenn auch wohl unter konstitutionellen Formen - sehr wahrscheinlich erscheinen muß, 15 würde in Rußland so wenig das letzte Wort sein wie seinerzeit die preußische „Landratskammer". 4 1 Die Wahlen mögen die willfährigste „Volksvertretung" ergeben, - das sagt nichts. Jeder Bauer im weiten Reiche wird daraus nur erneuten Haß gegen die „Tschinowniki" saugen, mag auch Grabesstille sich über das Land breiten. 906 ) 20 A 353 (125) Denn, was auch | geschehen möge: vergessen werden die Ereignisse, Versprechungen, Hoffnungen des vergangenen Jahres schwerlich. Jeder Augenblick der Schwäche dieses auf dem Seil tanzenden Staatsmechanismus muß die Bewegung wieder aufleben lassen. Jene erschreckende Dürftigkeit des „Geistes", in welcher dieses ver- 25 meintlich so „starke" Regime, trotz des scheinbaren Raffinements seiner Regierungstechnik, sich vor der Öffentlichkeit zeigte, haftet sicherlich sehr fest in der Erinnerung der breitesten Volksschichten.
A 353 (125)
90e ) Das möge doch auch der deutsche „Bürger", dem die Anlage von Kapital | in russischen Staatspapieren zugemutet wird, sich hinter die Ohren schreiben. Die Liste der Haftbefehle und Versammlungsverbote ist für ihn geschäftlich unendlich wichtiger als das mit Hilfe der (geborgten) russischen Auslandsguthaben „stilisierte" Kursblatt.
41 Bezeichnung für das preußische Haus der Abgeordneten in der Ära Manteuffel von 1850-1858, in der zahlreiche, von der preußischen Regierung zu einer Kandidatur aufgeforderte und bei den Wahlen begünstigte Landräte saßen. Mit Hilfe der Landräte war es der preußischen Regierung zudem gelungen, die Wahlen so zu beeinflussen, daß es zu gefügigen Mehrheiten im Sinne der Regierung kam.
Der Fortgang der
Revolution
279
Das jetzige System kann aber auch seine Verwaltungsmethode im Interesse seiner eigenen Sicherheit nicht prinzipiell ändern. Es muß, seinen politischen Traditionen gemäß, auch die politischen Kräfte weiter wirken lassen, durch die m es sich selbst zersetzt und seinen 5 ökonomischen Verbündeten, den Besitz, immer wieder auf die Seite seiner Gegner treibt: die Büreaukratisierung der Verwaltung und die Polizei-Demagogie. A b e r die Illusionen und der Nimbus, mit dem es sich umgab und welche diese Entwicklung verhüllten, sind gründlich zerstört. Es wird ihm doch schwer fallen, nach allem dem, was 10 zwischen dem Zaren und seinen Untertanen vorgefallen ist, „sein Gesicht zu wahren" und das alte Spiel ganz von neuem in der alten A r t wieder aufzunehmen. Allzugroß ist die Zahl derer, die es in seiner Blöße sahen, und die ihm ins Gesicht lächeln müßten: „Taschenspieler! - D u wirst keinen Geist mehr rufen". 4 2
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42 Schiller, Friedrich, Der Geisterseher, In: Schillers sämtliche Werke. Säkular-Ausgabe, Band 2. - Stuttgart/Berlin: J. G. Cotta 1905, S. 251.
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Rußlands Übergang zum Scheinkonstitutionalismus
Editorischer Bericht Zur
Entstehung
Seit dem Jahre 1905 hatte Max Weber den Plan verfolgt, im Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, über dessen eigentlich wissenschaftliches Publikationsprogramm hinaus, regelmäßig „sozialpolitische Berichte" über wichtige Vorgänge in anderen Ländern zu veröffentlichen. Auf dem Umschlag der Beilage vom Januar 1906, die Max Webers Abhandlung „Zur Lage der bürgerlichen Demokratie in Rußland" enthielt, findet sich ein Hinweis, daß „für die Zukunft regelmäßige Beilagenhefte mit Berichten über die soziale Lage der großen Kulturstaaten in der Art des vorliegenden über Rußland geplant" seien. 1 Dabei erschien Max Weber freilich äußerste Aktualität und demgemäß auch große Schnelligkeit der Herstellung unbedingt geboten. Seine eigenen Erfahrungen mit der Herstellung der Abhandlung „Zur Lage der bürgerlichen Demokratie in Rußland" ließen in dieser Hinsicht nichts Gutes erwarten. In einem Brief an Paul Siebeck vom 15. März 1906 verlangte Weber eine Reorganisation der Produktion für derartige Texte, unter anderem die Suche nach einer Druckerei in Tübingen selbst: „ Denn ohne dies können wir die gegebene Zusage: sozialpolitische Berichte zu bringen, nicht halten. Derartige Manuskripte laufen oft im letzten Moment ein und veralten, wenn sie nicht alsbald gedruckt und schnell versendet werden können." 2 Damals plante Max Weber bereits, einen Bericht über die verfassungspolitische Entwicklung in Rußland herauszubringen, der sich an seinen eigenen, bereits erwähnten Beitrag unmittelbar anschließen sollte. Versuche, dafür einen anderen Autor, möglichst einen solchen russischer Nationalität, zu gewinnen, scheiterten jedoch, wie es scheint, bereits im Ansatz. Daraufhin entschloß sich Max Weber, diese Arbeit wiederum selbst auf sich zu nehmen, ungeachtet der frustrierenden Erfahrungen, die er mit seiner ersten Abhandlung hatte machen müssen. Er 1 Vordere Innenseite des Umschlags der Beilage zu Heft 1 des 22. Bandes des „Archivs", welche die Abhandlung Max Webers „Zur Lage der bürgerlichen Demokratie in Rußland" und den Beitrag S. I. Zivagos (Giwago) enthält. Vgl. den Brief Max Webers an Paul Siebeck vom 15. März 1906, VA Mohr/Siebeck, Deponat BStB München, Ana 446. 2 Brief Max Webers an Paul Siebeck vom 15. März 1906 (wie Anm. 1).
282
Übergang zum
Scheinkonstitutionalismus
schrieb in diesen Tagen an den polnischen Nationalökonomen Ladislaus von Bortkiewicz: „Leider werde ich noch eine solche journalistische Leistung von mir geben müssen, denn es ist in Rußland selbst Niemand zu g e w i n n e n . " 3 Max Weber sah darin wiederum eher eine journalistische als eine wissenschaftliche Aufgabe. Seiner eigenen Einschätzung nach ging es dabei um ein „ Festhalten des dem vorläufigen Eindruck nach Wesentlichen und Charakteristischen", denn für die Zeitgenossen sei dies „ein Vorgang der fast unmittelbaren Gegenwart", nicht aber schon Geschichte. 4 Gleichwohl war Weber zutiefst davon überzeugt, daß diese Aufgabe unbedingt erfüllt werden müsse. Dies wirft ein bezeichnendes Licht auf Max Webers Einstellung gegenüber den revolutionären Vorgängen im zarischen Rußland. Obschon im März 1906 der Höhepunkt der revolutionären Bewegung bereits überschritten war, verfolgte er die Ereignisse weiterhin mit größter Aufmerksamkeit. Der Frage, ob sich die liberale Verfassungsbewegung in Rußland werde durchsetzen können oder nicht, maß er eine gesamteuropäische Bedeutung zu. Deshalb stürzte er sich erneut in ein intensives Studium aller erreichbaren Quellen und Materialien, die überdie Vorgänge in Rußland und deren gesellschaftspolitische Hintergründe Auskunft zu geben versprachen. An erster Stelle stand hier die Auswertung der Max Weber erreichbaren russischen Presse, vor allem der großen Tageszeitungen Russkija Vedomosti und Novoe Vremja. Darüber hinaus zog Weber nahezu alle ihm in Heidelberg - vor allem durch Vermittlung der dortigen russischen Lesehalle - zugänglichen einschlägigen Presseorgane heran. Daneben bemühte er sich um die Erschließung auch sozialwissenschaftlicher und statistischer Literatur über Rußland. 5 Soweit wir wissen, dürfte Max Weber Mitte März 1906 mit der Arbeit an der Abhandlung „Rußlands Übergang zum Scheinkonstitutionalismus" begonnen haben. Im Mittelpunkt seines Interesses stand wiederum die russische „ Befreiungsbewegung". Zu diesem Zeitpunkt war bereits abzusehen, daß die zarische Autokratie wieder die Oberhand gewonnen hatte und alles daran setzte, der revolutionären Bewegung mit Hilfe eines begrenzten Maßes von Konzessionen an die liberalen Parteien endgültig Herr zu werden. Demgemäß verlagerte sich Webers Interesse zunehmend auf die kritische Beleuchtung der Politik der zarischen Regierung. Im Zentrum 3 Brief Max W e b e r s an Ladislaus von Bortkiewicz v o m 12. März 1906, Abschrift Marianne Weber (masch.), Z S t A Merseburg, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Band 4. 4 Weber, Rußlands Übergang z u m Scheinkonstitutionalismus, unten, S. 293. 5 Vgl. Brief Max W e b e r s an Ladislaus von Bortkiewicz v o m 12. März 1906 (wie oben, A n m . 3 ) . „ N u n noch eine Bitte und Ihren Rat! W e l c h e Zeitschrift soll ich mir behufs Verfolgung der Ergebnisse der Statistik in Rußland und ihrer Kritik halten? Ich bin in dieser Hinsicht vorerst noch ganz ratlos."
Editorischer
Bericht
283
seiner Darlegungen stand die Analyse der politischen Motive der G e s e t z g e bung der Jahre 1 9 0 5 / 0 6 und ihrer mutmaßlichen A u s w i r k u n g e n . Gestützt vor allem auf zahlreiche Berichte in der russischen Presse schilderte er e i n g e h e n d den Ablauf der politischen Ereignisse in Rußland v o m Januar 1906 bis zur A u f l ö s u n g der Ersten D u m a am 9. Juli 1906. Er schlüpfte gleichsam in die Rolle e i n e s Chronisten, der über Ereignisse v o n unmittelbarer Aktualität berichtete und diese zugleich kritisch interpretierte. Gleichzeitig b e m ü h t e er sich jedoch, die Vorgänge in Rußland in historischer Perspektive darzustellen und deutlich zu machen, daß diese in h o h e m Maße durch die sozialen und gesellschaftlichen Verhältnisse bedingt seien. Sein b e s o n d e r e s Interesse galt den B e s t r e b u n g e n der Autokratie, die Entstehung einer konstitutionellen Monarchie nach w e s t l i c h e m Muster zu verhindern. Die A b h a n d l u n g war anfangs offenbar k e i n e s w e g s so umfänglich angelegt, wie sich dies am Ende e r g e b e n sollte. Überdies hatte W e b e r a u g e n scheinlich eine weit raschere
Fertigstellung angestrebt, als sich
dies
schließlich e r m ö g l i c h e n ließ. Die w e n i g e n uns überlieferten Ä u ß e r u n g e n lassen darauf schließen, daß er sich selbst zur Eile antrieb und unter einen erheblichen Zeitdruck setzte. Mitte Mai 1906 schrieb er an Robert Michels, er stecke „in ganz unaufschiebbarer Arbeit tief v e r g r a b e n " . 6 Z w e i W o c h e n später klagte er bitter, daß er „ i m m e r noch in d e m Bericht über Rußland" stecke, „ d e r rechtzeitig fertig w e r d e n muß, u m g e d r u c k t w e r d e n zu können".7 Bei der A b f a s s u n g seines zweiten „sozialpolitischen Berichts" - der Titel „Rußlands Ü b e r g a n g z u m S c h e i n k o n s t i t u t i o n a l i s m u s " dürfte erst g e g e n Ende der Arbeiten konzipiert w o r d e n sein - hat W e b e r w i e d e r u m die Hilfe von in Heidelberg l e b e n d e n Russen, zumeist S t u d e n t e n im U m k r e i s Jellineks und Windelbands, in A n s p r u c h g e n o m m e n . Doch sind uns d i e s e nahezu d u r c h w e g nicht namentlich bekannt. N o c h w e n i g e r läßt sich sicheres über deren Anteil an der Entstehung des Textes sagen. Es scheint jedoch, daß sie W e b e r in erster Linie durch die Zulieferung v o n Informationen und Quellenmaterial unterschiedlichster Art unterstützt haben; seine S p r a c h k e n n t n i s s e des Russischen w a r e n zu d i e s e m Zeitpunkt mit Sicherheit so gut, daß er o h n e f r e m d e Hilfe a u s z u k o m m e n v e r m o c h t e . Wir verfügen nur über w e n i g e indirekte Hinweise, die es nicht erlauben, den Kreis der in Frage k o m m e n d e n Personen näher e i n z u g r e n z e n . In j e d e m Falle bestanden V e r b i n d u n g e n zu Fedor Stepun, der in dieser Zeit an einer S o l o v ' e v Ü b e r s e t z u n g arbeitete. W e b e r v e r w a n d t e sich bei Paul S i e b e c k für diesen
6 Postkarte Max Webers an Robert Michels vom 21. Mai 1906, AFLE Turin, Nl. Robert Michels, Kapsel Max Weber, Fasz. 8. 7 Brief Max Webers an Robert Michels vom 3. Juni 1906, ebd., Fasz. 9.
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Übergang zum
Scheinkonstitutionalismus
und legte ihm eine V e r ö f f e n t l i c h u n g der Ü b e r s e t z u n g nahe. 8 A u ß e r d e m korrespondierte er mit einer Reihe v o n russischen W i s s e n s c h a f t l e r n , 9 wie aus H i n w e i s e n im Text hervorgeht, in d e n e n v o n Informationen aus solcher Quelle die Rede ist. Leider sind diese K o r r e s p o n d e n z e n nicht überliefert oder jedenfalls nicht nachweisbar, da d e m Herausgeber kein Z u g a n g zu den einschlägigen A r c h i v e n in der U d S S R gewährt w u r d e . Max W e b e r stand mit B o g d a n Kistjakovskij, der im Herbst 1905 nach Rußland z u r ü c k g e k e h r t war, 1 0 in brieflichem G e d a n k e n a u s t a u s c h , e b e n s o auch mit Aleksandr Kaufman, e i n e m der A g r a r e x p e r t e n der K o n s t i t u t i o n e i l e n - D e m o k r a t e n . 1 1
Des
w e i t e r e n ist zu v e r m u t e n , daß er auch mit e i n e m w e i t e r e n A g r a r e x p e r t e n der Partei der K o n s t i t u t i o n e l l e n - D e m o k r a t e n , Michail Gercenstejn, der für das „ A r c h i v " einen Beitrag über die Agrarfrage in Rußland verfassen sollte, 1 2 mit d e m N a t i o n a l ö k o n o m e n Sergej Bulgakov, 1 3 d e m Statistiker V. V. Svjatlovskij und d e m Historiker Ivan M. G r e v s 1 4 korrespondiert hat. A n g e s i c h t s der Aktualität des von ihm behandelten G e g e n s t a n d e s hatte Weber, wie bereits erwähnt, s c h o n im März darauf gedrängt, daß die Satzarbeiten mit größter B e s c h l e u n i g u n g d u r c h g e f ü h r t w e r d e n müßten. Ende Mai sandte er den ersten Teil des Manuskripts an den Verleger Paul Siebeck, in der Erwartung, daß unverzüglich mit den Satzarbeiten b e g o n n e n w ü r d e . 1 5 Darin sollte sich W e b e r freilich getäuscht sehen, da S i e b e c k erst nach
8 Briefe Max Webers an Paul Siebeck vom 11. und 24. Juli sowie vom 2. Aug. 1906, VA Mohr/Siebeck, Deponat BStB München, Ana 446. 9 Brief Edgar Jaffes an Paul Siebeck vom 24. Jan. 1906, VA Mohr/Siebeck, Tübingen, und Webers Bemerkung in diesem Band, S. 650, Anm. 352, die sich auf Privatbriefe, die er aus Rußland erhielt, bezieht. Es heißt dort: „Nach Privatbriefen muß ich das auch für die Dumadeputierten annehmen." 10 Brief Bogdan Kistjakovskijs an Georg Jellinek vom 4. Aug. 1905, BA Koblenz, Nl. Georg Jellinek, Nr. 13. 11 Siehe den Brief Bogdan Kistjakovskijs an Max Weber vom 6. (19.) Mai 1906, Bestand Max Weber-Schäfer, Privatbesitz; großenteils mitgeteilt in der Einleitung zu diesem Band, oben, S. 1 5 - 1 7 . Aus der Korrespondenz Webers mit A.A. Kaufman ist nur ein Brief Kaufmans vom 13. Juli 1911 überliefert. Bestand Max Weber-Schäfer, Privatbesitz. 12 Gercenstejn sollte für das Archiv einen Artikel über die Bauernbank verfassen, doch konnte diese Absicht nicht verwirklicht werden, da er im Juli 1906 das Opfer eines Terroranschlags der Schwarzhunderter wurde. 13 Ein Brief Sergej Bulgakovsan Max Weber aus dem Jahre 1912 ist überliefert. Aus dem Briefwechsel Max Weber/Edgar Jaffe und Max Weber/Paul Siebeck läßt sich die Existenz einer weitergehenden Korrespondenz erschließen. Es entzieht sich jedoch unserer Kenntnis, wann diese Korrespondenz begann. 14 Aus dem Brief Kistjakovskijs an Weber (wie oben, Anm. 11) läßt sich erschließen, daß Max Weber mit V.V. Svjatlovskij und I. M. Grevs korrespondiert hat. 15 Brief Edgar Jaffes an Paul Siebeck vom 31. Mai 1906, VA Mohr/Siebeck, Tübingen.
Editorischer
Bericht
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Eingang dieses Manuskriptteils V e r h a n d l u n g e n mit der Druckerei aufnahm. Allerdings bestand v o n v o r n h e r e i n Klarheit darüber, daß die A b h a n d l u n g , e b e n s o wie der erste „sozialpolitische B e r i c h t " „ Z u r Lage der bürgerlichen Demokratie in R u ß l a n d " , w i e d e r u m als Beilage z u m „ A r c h i v " e r s c h e i n e n sollte. 1 6 A u c h in d i e s e m Falle hatte sich W e b e r bereit erklärt, die Herstell u n g s k o s t e n aus seiner e i g e n e n Tasche zu b e z a h l e n ; 1 7 eine Entscheidung, die er später bitter b e r e u e n sollte, d e n n die Kosten für seine erste A b h a n d lung über Rußland beliefen sich bereits auf 8 5 7 , - Mark, w a s e i n e m Viertel seiner J a h r e s e i n n a h m e n e n t s p r a c h . 1 8 Wie u m f a n g r e i c h der Ende Mai übersandte Manuskriptteil war, ist uns nicht bekannt. Es muß sich aber, w i e aus der nachfolgenden K o r r e s p o n d e n z hervorgeht, um etwa z w e i Drittel d e s g e s a m t e n Manuskripts g e h a n d e l t haben. 1 9 In der Folge kam es zu einer heftigen A u s e i n a n d e r s e t z u n g mit d e m Verlag und mit d e m Mitherausgeber des A r c h i v s Edgar Jaffe über die nach W e b e r s Ansicht unvertretbare Langsamkeit der Setzarbeiten. Dabei spielte eine Rolle, daß W e b e r s h a n d g e s c h r i e b e n e s Manuskript nur s c h w e r lesbar war; d a n e b e n führten t e c h n i s c h e Schwierigkeiten,
insbesondere
f e h l e n d e Typen w e g e n des überreichlichen G e b r a u c h s des Petitsatzes und Papiermangel, wiederholt zu V e r z ö g e r u n g e n . Es kam hinzu, daß Edgar Jaffe und Paul S i e b e c k e n t g e g e n W e b e r s W u n s c h anfänglich darauf bestanden, das Manuskript vor Satzbeginn mit ihrem Imprimatur zu v e r s e h e n , was w e g e n d e s P o s t w e g e s über T ü b i n g e n zur Druckerei nach A l t e n b u r g weitere Zeit in A n s p r u c h nahm. A u s Briefen Marianne W e b e r s geht W e b e r s Verärgerung über den zögerlichen Ablauf der Satzarbeiten deutlich hervor: „ [ . . . ] daß der Druck sich z.T. w e g e n Jaffe's u n d S i e b e c k ' s Pedanterie und Energielosigkeit, z.T. aber auch w o h l w e g e n seiner Handschrift so e n d l o s herauszögert; das Warten auf die K o r r e k t u r b o g e n erregt und verbittert ihn jetzt täglich. Es ist gut, daß ich allein sein W e t t e r n über die Leute h ö r e . " 2 0 Siebeck, der auf Anraten W e b e r s die Druckerei g e w e c h s e l t hatte, schrieb über die V o r g ä n g e w ä h rend der D r u c k l e g u n g an Edgar Jaffe: „ N a c h g e r a d e lassen aber auch mich meine N e r v e n s p ü r e n , daß sie diese fortgesetzten B e s c h w e r d e n über Din16 Brief Paul Siebecks an Edgar Jaffe vom 2. Juni 1906, VA Mohr/Siebeck, Tübingen. 17 Vgl. Brief Marianne Webers an Helene Weber vom 11. Aug. 1906, Bestand Max Weber-Schäfer, Privatbesitz, und Brief Edgar Jaffes an Paul Siebeck vom 30. Juni 1906, VA Mohr/Siebeck, Tübingen. 18 Brief Max Webers an Werner Sombart vom 20. Aug. 1906, Abschrift Marlanne Weber (masch.), ZStA Merseburg, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Band 4. 19 Vgl. Brief Max Webers an Paul Siebeck vom 11.Juli 1906, VA Mohr/Siebeck, Deponat BStB München, Ana 446. Weber teilte Siebeck darin mit, er habe vor sieben Wochen zwei Drittel des Manuskriptes übersandt. 20 Brief Marianne Webers an Helene Weber vom 13. Juli 1906, Bestand Max WeberSchäfer, Privatbesitz.
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ge, an d e n e n ich unschuldig bin, nicht m e h r lange vertragen. Sollte mir auch weiterhin dadurch die Freudigkeit g e n o m m e n w e r d e n , mit w e l c h e r ich den Verlag des .Archivs' ü b e r n o m m e n und seither h.c. geführt habe, so w e r d e ich es mir ernstlich überlegen, ob ich mich noch länger solchen A u f r e g u n gen aussetzen soll. [ . . . ] A l l e m A n s c h e i n nach ist das W e b e r ' s c h e Manuskript d o c h so, daß keine Druckerei, mag sie sonst noch so leistungsfähig sein, o h n e S c h w i e r i g k e i t e n damit fertig w ü r d e , g e s c h w e i g e denn es schnell absetzen könnte. [ . . . ] Versagt auch Pierer, dann steht mir überhaupt keine Setzerei mit e r s c h w i n g b a r e n Preisen für A r c h i v - M a n u s k r i p t e d e s Herrn Professor W e b e r weiter zur V e r f ü g u n g "
21
Der zweite Teil des Manuskriptes ging am 12. Juni 1906 an den Verlag.
22
Bis z u m 26. J u n i hatte die Druckerei die ersten vierzig Druckseiten gesetzt. 2 3 Da nach A n s i c h t Max W e b e r s der Satz d e n n o c h nicht schnell g e n u g vonstatten ging, forderte er Ende Juni 1906 „ d a s ganze noch nicht abgesetzte Manuskript z w e c k s V o r n a h m e v o n Ä n d e r u n g e n " von der Druckerei zurück, o h n e den Verlag darüber zu informieren. 2 4 Wie Edgar Jaffe an Paul S i e b e c k schrieb, handelte es sich dabei um „ d e n Teil des Manuskriptes v o n S . 6 0 an [ . . . ] , w e l c h e r d e m Setzer b e s o n d e r e Schwierigkeiten g e b o t e n hätte, um d i e s e n in die Maschine zu d i k t i e r e n " . 2 5 Diesen Teil des Manuskriptes sandte W e b e r j e d o c h bereits z w e i Tage später an die Druckerei z u r ü c k . 2 6 Offensichtlich hatte er den Text nicht „ i n die M a s c h i n e " diktiert, s o n d e r n nur Ergänzungen daran v o r g e n o m m e n , wie er S i e b e c k einige Tage später mitteilte. „ D a s Manuskript war bei der z w e i t e n Ü b e r s e n d u n g nur insofern in e i n e m a n d e r e n Zustand, als eine Anzahl Fußnoten, auf ren Blättern,
besonde-
eingefügt waren. Schwieriger, als e s - l e i d e r - o h n e h i n war, ist
es also s c h w e r l i c h g e w o r d e n . " 2 7 Fast verzweifelt über die Situation hatte er einige Tage zuvor an Paul S i e b e c k g e s c h r i e b e n : „ W i e das mit der
Russen-
Sache im .Archiv' w e r d e n soll, weiß ich nicht. Geht die S a c h e nicht schneller als jetzt, dann stehe ich nicht dafür, daß ich aushalte. Muß ich unterbrechen, so steht der Satz bis Herbst und die S a c h e ist entwertet. [ . . . ] Ich habe so viel Arbeit, G e s u n d h e i t und auch L e b e n s f r e u d e in diese Arbeit, v o n der ich
21 Brief Paul Siebecks an Edgar Jaffe vom 27. Juni 1906, VA Mohr/Siebeck, Tübingen. 22 Brief Edgar Jaffes an Paul Siebeck vom 12. Juni 1906, VA Mohr/Siebeck, Tübingen, von Jaffe fälschlich dat. 12. Juli 1906, vgl. das Antwortschreiben von Paul Siebeck an Edgar Jaffe vom 13. Juni 1906, ebd. Der Umfang dieses Teiles des Manuskriptes ließ sich nicht ermitteln. 23 Brief Paul Siebecks an Edgar Jaffe vom 27. Juni 1906, ebd. 24 Brief Paul Siebecks an die Druckerei Pierer vom 28. Juni 1906, VA Mohr/Siebeck, Tübingen. Brief Paul Siebecks an Edgar Jaffe vom 27. Juni 1906, ebd. 25 Brief Edgar Jaffes an Paul Siebeck vom 30. Juni 1906, ebd. 26 Ebd. 27 Brief Max Webers an Paul Siebeck vom 14. Juli 1906, VA Mohr/Siebeck, Deponat BStB München, Ana 446.
Editorischer
Bericht
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nichts habe, hineingestampft, daß ich nicht o h n e die äußerste Erbitterung diesen
G a n g der Dinge e r l e b e . " 2 8 S i e b e c k trieb daraufhin die Druckerei zu
noch größerer Eile an und verzichtete schließlich e b e n s o wie Edgar Jaffe darauf, die D r u c k b o g e n zu i m p r i m i e r e n . 2 9 D e n n o c h war die A b h a n d l u n g erst Ende Juli 1906 im Satz a b g e s c h l o s s e n . A m 24. Juli sandte die D r u c k e rei die Fahnen des letzten Teils an W e b e r zur Korrektur. 3 0 U m die Aktualität der A b h a n d l u n g zu e r h ö h e n , nahm W e b e r auch in d i e s e m Stadium n o c h mals „ u m f a n g r e i c h e K o r r e k t u r e n " am Text vor. 3 1 A u c h die der A b h a n d l u n g b e i g e g e b e n e n Nachträge m a c h e n die B e m ü h u n g e n W e b e r s um g r ö ß t m ö g liche Aktualität deutlich. Die letzten K o r r e k t u r b ö g e n übersandte W e b e r am 6. A u g u s t 1906 an den Verleger Paul S i e b e c k mit der B e m e r k u n g : „ G l e i c h zeitig hiermit s e n d e ich die Revision der letzten Blätter mit .Imprimatur'. [ . . . ] Das Heft kann nun endlich! schleunigst ganz fertig gestellt und v e r s e n d e t w e r d e n . " 3 2 Der Artikel erschien unter d e m Datum d e s 25. A u g u s t 1906 als Beilage zu Heft 1 des 23. Bandes des Archivs für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik in einer Auflage von 2 0 0 0 Exemplaren; hiervon w u r d e n 1200 d e m .Archiv' beigeheftet, die für die A b o n n e n t e n w i e d e r u m u n b e r e c h n e t blieben, w ä h r e n d 8 0 0 in den freien Verkauf g e l a n g t e n . 3 3 Max W e b e r f ü h l t e sich überdies bei der äußeren Gestaltung des Beiheftes von Edgar Jaffe ü b e r g a n g e n , wie er noch Monate später in e i n e m Brief an Paul S i e b e c k monierte. Er hatte g e w ü n s c h t , daß der Titel o b e n auf der Titelseite a n g e o r d n e t und der Zusatz „ B e i l a g e " unten hinzugefügt w ü r d e . D o c h hatte Jaffe die Einwände W e b e r s w e i t g e h e n d ignoriert. Über diese V o r g e h e n s w e i s e schrieb W e b e r an Siebeck: „ Ich w u r d e dann so
gelegent-
lich, im Beisein A n d e r e r , benachrichtigt, was g e s c h e h e n war: ,es m ü s s e d o c h gleichmäßig a u s s e h e n ! ' " 3 4 Den W ü n s c h e n Max W e b e r s war nur insoweit R e c h n u n g getragen w o r d e n , als der Titel n u n m e h r in Fettdruck gesetzt war. Z u d e m hielt W e b e r es für „ s e h r w ü n s c h e n s w e r t , auf d e m U m s c h l a g des 28 Brief Max Webers an Paul Siebeck vom 11 .Juli 1906 (wie oben, Anm. 19). 29 Brief Max Webers an Paul Siebeck vom 14. Juli 1906, Brief Paul Siebecks an Max Weber vom 17. Juli 1906, VA Mohr/Slebeck, Deponat BStB München, Ana 446. Vgl. auch Brief Paul Siebecks an Edgar Jaffe vom 24. Juli 1906, VA Mohr/Siebeck, Tübingen. 30 Brief der Druckerei Pierer an Paul Siebeck vom 26. Juli 1906, VA Mohr/Siebeck, Tübingen. 31 Brief der Druckerei Pierer an Paul Siebeck vom 3. Aug. 1906, ebd. 32 Brief Max Webers an Paul Slebeck vom 6. Aug. 1906, VA Mohr/Slebeck, Deponat BStB München, Ana 446. 33 Der Preis für Nicht-Abonnenten betrug Mark 3,- und war von Paul Siebeck In Bezug zum Umfang des ersten Beiheftes festgesetzt worden. Vgl. Brief Paul Siebecks an Edgar Jaffe vom 9. Aug. 1906, VA Mohr/Siebeck, Tübingen. Erscheinungsdatum nach: Börsennachrichten, Nr. 197, August 1906, S. 8026. 34 Brief Max Webers an Paul Siebeck vom 14. Jan. 1907, VA Mohr/Siebeck, Deponat BStB München, Ana 446.
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Übergang zum Scheinkonstitutionalismus
2. Beiheftes einen recht ins A u g e fallenden Hinweis auf das 1. B e i l a g e h e f t " zu bringen, um h e r v o r z u h e b e n , daß diese A b h a n d l u n g als Fortsetzung seines ersten Beitrages gedacht war. 3 5 Diese A n r e g u n g W e b e r s w u r d e auch u m g e s e t z t . Auf der zweiten Umschlagseite w u r d e ein V e r w e i s auf seine A b h a n d l u n g „ Z u r Lage der bürgerlichen Demokratie in Rußland" a u f g e n o m m e n . Wie bereits bei der ersten A b h a n d l u n g w u r d e der Titel w o h l erst kurz vor d e m Erscheinen festgelegt. A u c h in d i e s e m Falle sind die U m s c h l a g e n t w ü r f e , die i n s b e s o n d e r e v o n Edgar Jaffe in A b s p r a c h e mit Paul S i e b e c k gestaltet w u r d e n , nicht erhalten. 3 6 Der Verlag warb im Mai 1 9 0 6 für die zweite A b h a n d l u n g mit d e m Titel: „ D a s Interimsministerium und der Ü b e r g a n g z u m .konstitutionellen' Regime in R u ß l a n d . " 3 7 Max W e b e r hat die Arbeit an den Korrekturen für diese A b h a n d l u n g als einen „ A l p " b e z e i c h n e t . 3 8 Seine Verbitterung über den z ö g e r l i c h e n Verlauf der D r u c k l e g u n g führte dazu, daß er seine Arbeit selbst äußerst negativ einschätzte. So heißt es in e i n e m Brief an Werner Sombart:
„Natürlich
veraltet diese w e s e n t l i c h publizistische Leistung wieder, wie das vorige Mal, völlig, und zu 7 5 % ist die p o m a d i g e Tüfteligkeit des Apparats daran schuld, w e n n ich mich so allmählich lächerlich m a c h e . " 3 9 Kurz v o r d e m Erscheinen des Beiheftes schrieb er noch i m m e r voller Verärgerung an Werner S o m bart: „ I c h habe nun neun Monate, die ich nicht noch einmal lebe, lediglich
im
Dienste d e s A r c h i v s gearbeitet, an Dingen, die w e d e r ich noch sonst j e m a n d als wissenschaftliche Leistung r e c h n e n wird. " 4 0 Er dachte damals ernsthaft daran, seine Mitherausgeberschaft des .Archivs' a u f z u g e b e n , „ d e n n ich leide unter der, wie ich einsehe, bei der Natur S i e b e c k s (den ich sehr schätze) und Jaffes (dito) Langsamkeit, mit der unser Apparat funktioniert, nachgerade übermäßig. " 4 1 Z u seiner Verärgerung über die V o r g ä n g e beim Druck seiner A b h a n d l u n g e n kam noch hinzu, daß sie in Deutschland nur eine g e r i n g e Resonanz fanden. W e b e r s Enttäuschung wird deutlich in ein e m Brief an Friedrich Naumann, in d e m es heißt, daß die „ . C h r o n i k e n ' über Rußland [ . . . ] keinerlei B e a c h t u n g f a n d e n " 4 2 35 Postkarte Edgar Jaffes an Paul Siebeck vom 26. Juli 1906, VA Mohr/Siebeck, Tübingen. 36 Brief Edgar Jaffes an Paul Siebeck vom 21 .Juli 1906, ebd. 37 Siehe das Inhaltsverzeichnis zu Heft 3 des 22. Bandes des „Archivs". 38 Brief Max Webers an Robert Michels vom 4. Aug. 1906, Nl. Robert Michels, AFLE Turin, Kapsel Max Weber, Fasz. 12. 39 Brief Max Webers an Werner Sombart vom 28. Juli 1906, Abschrift Marianne Weber (masch.), ZStA Merseburg, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Band 4. 40 Brief Max Webers an Werner Sombart vom 20. Aug. 1906 (wie oben, Anm. 18). 41 Brief Max Webers an Werner Sombart vom 28. Juli 1906 (wie oben, Anm. 39). 42 Brief Max Webers an Friedrich Naumann vom 17. Mai 1907, ZStA Potsdam, Nl. Friedrich Naumann, Nr. 106. Vgl. auch den Brief an Werner Sombart vom 28. Juli 1906 (wie oben, Anm. 39). Dort heißt es, daß die Chronik über Rußland „von Niemand gedankt" werde. Vgl. Einleitung, oben, S. 46ff.
Editorischer
Zur Überlieferung
Bericht
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und Edition
Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Abdruck folgt dem Erstdruck, der unter dem Titel: „Rußlands Übergang zum Scheinkonstitutionalismus" als Beilage zum 1. Heft des 23. Bandes des Archivs für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, 1906, S. 165 (1)—401 (237) am 25. August 1906 erschienen ist (A). Der im Archiv für Sozialwissenschaft erschienenen Fassung A hat Max Weber eine größere Zahl von Nachträgen angefügt, die dem bereits im Druck befindlichen Manuskript in letzter Minute beigegeben worden sind. Soweit sich diese Nachträge dem Text eindeutig zuordnen lassen, werden diese an der entsprechenden Stelle in den Text eingefügt und als solche kenntlich gemacht. Zwei Nachträge beziehen sich jedoch gleichzeitig auf mehrere Stellen des Textes. In diesen Fällen wird die betreffende Passage an allen diesbezüglichen Textstellen im textkritischen Apparat wiedergegeben, gemäß der aus d e m Nachtragsverzeichnis ersichtlichen Intention Max Webers. Außerdem werden sämtliche Nachträge, wie im Erstdruck (A), am Ende des Textes 1 mitgeteilt. Dabei werden den Seitenangaben des Erstdrucks, die sich auf die gesonderte Paginierung des Beiheftes beziehen, die der Paginierung der gegenwärtigen Ausgabe entsprechenden Seitenzahlen in eckigen Klammern hinzugefügt. Dem Leser ist es so ohne weiteres möglich, zur Kontrolle jeweils auf die Angaben in den Nachträgen zurückzugreifen. Bereits A enthält ein Druckfehlerverzeichnis, in dem seinerzeit freilich nur ein geringer Teil der Druckfehler und Textverderbnisse erfaßt wurde, die im Zuge des äußerst eiligen Herstellungsprozesses aufgetreten waren. Die hier aufgelisteten Druckfehler sind im Text berichtigt worden; diese Berichtigungen werden im textkritischen Apparat jeweils unter Verwendung der Sigle DV nachgewiesen, unter Mitteilung des ursprünglichen Wortlauts. Ungeachtet dieses Verfahrens wird das Druckfehlerverzeichnis am Ende des Textes 2 erneut abgedruckt. Außerdem sind die zahlreichen Druckfehler und Textverderbnisse, die angesichts des seinerzeit mit größter Eile durchgeführten Drucks von Max Weber selbst nicht mehr beseitigt werden konnten, emendiert worden. Dem Leser wird erstmals ein zuverlässiger, von den zahlreichen, nicht selten sinnstörenden Textverderbnissen und Druckfehlern der Fassung A bereinigter Text geboten und damit Max Webers seinerzeitigen Bemühungen wenigstens nachträglich Genüge getan. Die Emendationen sind durchgängig gemäß den Editionsprinzipien der Max Weber-Gesamtausgabe vorgenommen worden. Stillschweigend korri1 Siehe unten, S. 6 8 1 - 6 8 4 . 2 Siehe unten, S.680.
290
Übergang zum Scheinkonstitutionalismus
giert w u r d e n offensichtliche Druckfehler wie z . B . .Okobermanifest'
und
.Standpunht'. In allen a n d e r e n Fällen w e r d e n die betreffenden Emendationen im textkritischen Apparat n a c h g e w i e s e n . Die von W e b e r
benutzte
Transliteration russischer Wörter ist im Text beibehalten w o r d e n und w u r d e nicht vereinheitlicht; so erscheint beispielsweise der N a m e G e r c e n s t e j n als Herzenstein und Hertzenstein, das russische N a m e n s e n d e -ij wird w e c h selweise als i, als y oder als ij, das russische v als w oder v w i e d e r g e g e b e n . Die V e r z e i c h n i s s e und Register berücksichtigen sämtliche S c h r e i b w e i s e n und v e r z e i c h n e n , falls Mißverständnisse möglich sind, alle W o r t f o r m e n . Bei Setzerfehlern oder offensichtlichen V e r s e h e n W e b e r s sind die betreffenden russischen N a m e n oder Begriffe e m e n d i e r t und die e n t s p r e c h e n d e n E m e n dationen im textkritischen Apparat a u s g e w i e s e n w o r d e n . Im Erläuterungsapparat des H e r a u s g e b e r s ist die heute gültige wissenschaftliche Transliteration der russischen N a m e n s f o r m e n benutzt w o r d e n . Die Datierungen Max W e b e r s b e z i e h e n sich fast i m m e r auf den damals im Russischen Reich gültigen Julianischen Kalender, der im 19. J a h r h u n d e r t um 12 und im 20. J a h r h u n d e r t um 13 Tage hinter d e m Gregorianischen Kalender z u r ü c k blieb. Dieser Datierung schließt sich der S a c h k o m m e n t a r des H e r a u s g e bers an. In den w e n i g e n Fällen, in d e n e n Max W e b e r ein Ereignis falsch datiert, ist dies im S a c h k o m m e n t a r richtiggestellt w o r d e n . Der Erstdruck (A) ist seinerzeit in einer Antiquaschrift gesetzt w o r d e n , die zwar die Umlaute enthält, j e d o c h kein ß. Hier w u r d e eine Vereinheitlichung v o r g e n o m m e n . Der Erstdruck ist z u d e m doppelt paginiert. Unter der fortlauf e n d e n Seitenzählung d e s .Archivs' ist das Beiheft mit Seitenzahlen in runden K l a m m e r n g e s o n d e r t paginiert. Beide Z ä h l u n g e n w e r d e n in dieser A u s g a b e als Marginalie am Rande wiederholt, w o b e i die Paginierung für das Beiheft auch hier in runden K l a m m e r n w i e d e r g e g e b e n wird. G e g e n ü b e r A ist ferner eine Ä n d e r u n g in d r u c k t e c h n i s c h e r Hinsicht vorg e n o m m e n w o r d e n . Seinerzeit ist der Originaltext, vermutlich auf W u n s c h W e b e r s , zu g r o ß e n Teilen in Petit g e s e t z t w o r d e n , offenbar um den Umfang der A b h a n d l u n g möglichst gering zu halten und Kosten zu sparen. So teilte Paul S i e b e c k im Juni 1906 Edgar Jaffe mit, daß die Druckerei Pierer w e g e n der Petitschrift in Verlegenheit g e k o m m e n sei, weil sie „nicht hätte v e r m u ten können, daß sie bei W e b e r so starke A n w e n d u n g finden w ü r d e . " 3 Da der Petit-Satz augenscheinlich nicht aus inhaltlichen G r ü n d e n zur A n w e n d u n g g e k o m m e n ist, w u r d e er hier nicht beibehalten. J e d o c h sind Beginn und Ende des Petit-Satzes jeweils im textkritischen Apparat angemerkt. Der Erstdruck enthält auf den Seiten 165 und 166 (1 und 2; hier S. 2 9 3 f . ) eine ausführliche, allerdings sehr eng und unübersichtlich g e d r u c k t e Inhaltsangabe, d e r e n Seitenzählung sich auf die g e s o n d e r t e Paginierung des
3 Brief Paul Siebecks an Edgar Jaffe vom 27. Juni 1906, VA Mohr/Siebeck, Tübingen.
Editorischer
Bericht
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Beiheftes bezieht. Diese Inhaltsangabe wird hier w i e d e r u m d e m Text vorangestellt, unter Emendation der Textverderbnisse. Zugleich ist ihr eine etwas übersichtlichere Form g e g e b e n w o r d e n ; i n s b e s o n d e r e w u r d e eine optische Entzerrung d e r s e l b e n v o r g e n o m m e n ; so w u r d e n die Hauptkapitel jeweils in einer e i g e n e n Zeile w i e d e r g e g e b e n . Diese Ä n d e r u n g e n sind im textkritis c h e n Apparat annotiert. Schließlich sind die der Paginierung dieser A u s g a be e n t s p r e c h e n d e n Seitenzahlen hinzugefügt w o r d e n . Das Inhaltsverzeichnis der Erstausgabe weist Uneinheitlichkeiten auf und s t i m m t darüber hinaus nicht i m m e r mit der A n o r d n u n g des T e x t e s selbst überein. Im Inhaltsverzeichnis sind die acht Hauptkapitel mit r ö m i s c h e n Ziffern b e z e i c h n e t und mit e i g e n e n Überschriften v e r s e h e n w o r d e n . Im Text selbst finden sich j e d o c h nur die r ö m i s c h e n Bezifferungen, nicht j e d o c h die d a z u g e h ö r e n d e n Überschriften; vermutlich ist die Einfügung der letzteren an den e n t s p r e c h e n d e n Stellen w e g e n der Eile der Herstellung unterblieben. Um die Übersichtlichkeit zu verbessern, sind hier die Überschriften dieser Hauptkapitel zusätzlich in den Text a u f g e n o m m e n w o r d e n . Sie sind im textkritischen Apparat als H i n z u f ü g u n g e n des H e r a u s g e b e r s a u s g e w i e sen w o r d e n . Die in Kapitel II (Analyse der allgemeinpolitischen G e s e t z g e b u n g des Interimsministeriums) der Inhaltsangabe des Erstdrucks v o r g e s e h e n e Untergliederung unter V e r w e n d u n g v o n arabischen Ziffern ist im Text selbst mit r ö m i s c h e n Ziffern v o r g e n o m m e n w o r d e n . Hier ist seitens des Herausg e b e r s im Text die r ö m i s c h e durch eine arabische Zählung ersetzt w o r d e n , unter A n n o t i e r u n g der betreffenden Ä n d e r u n g e n im textkritischen Apparat. Im übrigen ist davon A b s t a n d g e n o m m e n w o r d e n , die in der Inhaltsangabe mit arabischen Ziffern bzw. mit Kleinbuchstaben a u s g e w i e s e n e n Untertitelungen der einzelnen Kapitel im Text selbst zu w i e d e r h o l e n , da sie d i e s e m e n t w e d e r nicht eindeutig z u g e o r d n e t w e r d e n k ö n n e n oder e n t s p r e c h e n d e U n t e r g l i e d e r u n g e n bzw. Absätze gänzlich fehlen. A u c h diese U n s t i m m i g keiten in der A n o r d n u n g des Erstdrucks, die sich nicht o h n e nachträgliche Texteingriffe beseitigen lassen, erklären sich aus der äußersten Eile der Herstellung des Erstdrucks. Es ist dabei zu berücksichtigen, daß Max W e b e r niemals eine vollständige Fassung der Fahnenkorrektur d e s Erstdrucks v o r g e l e g e n hat und s c h o n aus d i e s e m G r u n d e eine Vereinheitlichung der Titulatur unterblieben sein dürfte. Die Q u e r v e r w e i s e W e b e r s innerhalb des Textes w e r d e n e n t s p r e c h e n d den Editionsprinzipien im Erläuterungsapparat n a c h g e w i e s e n . Ist dies nicht möglich, w e n n z. B. auf eine nicht existierende anderweitige Stelle v e r w i e sen wird, so wird dies vermerkt. Sofern die V e r w e i s e W e b e r s eindeutig sind (z.B. „ S i e h e hierzu A n m . 3 " ) , wird kein erneuter N a c h w e i s geführt. Die Zählung der Fußnoten W e b e r s wird unverändert beibehalten, o b w o h l er seinerzeit zahlreiche mit Ziffern und Kleinbuchstaben indizierte Fußnoten in
292
Übergang zum
Scheinkonstitutionalismus
den bereits gesetzten Text eingeschoben hat. Die Fußnoten Webers sind fortlaufend gezählt, von einer Anpassung der Numerierung wird im Hinblick auf die zusätzlichen Fußnoten mit Ziffern und Kleinbuchstaben Abstand genommen.
Rußlands Übergang zum Scheinkonstitutionalismus
* Inhalt*) I. Die allgemeine Politik des Interimsministeriums. Der Moskauer Putsch und seine Niederwerfung, S. 295 b . Wirkung auf die Politik der Regierung. Ihre Motive, S. 302. Die Politik des weißen Schreckens und ihre Ergebnisse, s S. 313. II. Analyse der allgemeinpolitischen Gesetzgebung des Interimsministeriums, S.320. 1. Die „Preßgesetzgebung", S.321. 2. Die „Gewissensfreiheit1"1. Toleranzedikte vom 17. April 1905 und 14. März 1905,1 S. 325. Wirkungen. a) Die Altgläubigen, S. 336. b) Die Katholiken, S. 340. c) Ortho10 doxe Kirchenreform, S. 343. 3. Die „Sprachenfreiheit" und die Nationalitäten, S. 355. 4. Die „akademische Freiheit", S. 362. Analyse des Reformprojekts der Professoren, S. 368. 5. Die „Vereinsfreiheit", S. 379. 6. Die „Versammlungsfreiheit", S.390. 7. Die Garantien der persönlichen Freiheit, S. 394. Ergebnis, S. 399. 15 III. Die Vollendung der Bureaukratisierung der Selbstherrschaft. Bisheriger Zustand, S. 401. Ukas vom 21. Oktober 1905, 2 S. 405.
*) Die nachfolgende Chronik ist im wesentlichen eine Fortsetzung der im Beilageheft zu Band XXII Heft 1 dieser Zeitschrift 3 versuchten Darstellung der Schicksale der „Befreiungsbewegung" in Rußland. Nur schien es diesmal nötig, umfassend auf die Analyse der gesetzgeberischen Akte, in denen die Tätigkeit der Regierung sich in dem hier behandelten Zeitraum geäußert hat, einzugehen. Im übrigen gilt für diese Darstellung ähnliches wie für die frühere. „Geschichte" kann ein Vorgang der fast unmittelbaren Gegenwart uns nicht sein, weil wir nicht wissen können, was dauern wird. Es handelt sich um ein Festhalten des dem vorläufigen Eindruck nach Wesentlichen und Charakteristischen. Bei Benutzung von Zeitungen als Quellen habe ich die Leistungen des heute auch in Rußland umfassend arbeitenden amtlichen „Berichtigungs"apparates zu beachten gesucht, - hoffe, daß mir nichts davon entgangen ist und bemerke übrigens, daß dort so wenig wie bei uns eine amtlich geleugnete Behauptung objektiv unrichtig zu sein braucht. |
a - a In A ohne Absätze und in kleinerer Type gedruckt.
b A: 1 statt richtig 2
1 Gemeint ist das Gesetz vom 14. März 1906. PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27560. 2 Gemeint ist der Ukaz vom 19. Oktober 1905. PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 26820, den Weber fast regelmäßig auf den 21. Oktober datiert. 3 Weber, Zur Lage der bürgerlichen Demokratie, In diesem Band, S. 8 6 - 2 7 9 .
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TV. Die „Konstitution", S.414. 1. Die Bulyginsche Duma, das. 2. Die Manifeste vom 17. Oktober 1905 und vom 20. Februar 1906, S. 418. Analyse der Reichsrats- und Dumaordnungen vom 20. Februar 1906, S. 422. 3. Das A 166 (2) „Budgetreglement" vom 8. März 1906, S.427. 4. Die Neuredaktion | der „Grundgesetze des Reichs" vom 12. April 1906,4 S. 431. Praktische Bedeu- 5 tung dieser Gesetzgebung, S. 441. V. Analyse des Dumawahlrechts, S. 445. Praktische Bedeutung des Wahlrechts, Art der Wahlbewegung, S. 473. VI. Die gesellschaftlichen und politischen Bedingungen des Wahlausfalles, S.486. 1. Allgemeine Lage der Demokratie nach dem Moskauer Putsch, 10 das. Die professionelle Arbeiterbewegung und die Sozialdemokratie, S. 490°. 2. Innerer Zustand der demokratischen Partei, Januarkongreß, S. 502. Analyse des Agrarprogramms, S. 505. 3. Die Konservativen und die Mittelparteien, S. 548. 4. Die Reaktion in der „Gesellschaft". Agrarpolitische Projekte der Regierung, S.567. Die Bewegung in den Semstwos, 15 S. 595. Reichsratswahlen, S. 609. VII. Analyse der Dumawahlen, S. 617. VIII. Nach den Wahlen, S. 636. Die erste Duma, S. 649. a
c A: 112 statt richtig 114
4 Gemeint sind die Staatsgrundgesetze vom 23. April 1906. Svod Zakonov, Ausgabe 1906, tom 1.
I. aDie allgemeine Politik des
Interimsministeriums3
D i e zwei Monate von dem E r l a ß des Oktobermanifestes 1 und der Bildung des Witteschen Ministeriums bis b Mitte D e z e m b e r (russischer Rechnung) 1 ) sind 0 eine Periode äußerster Verwirrung und 5 fortwährenden Schwankens, ein Durcheinander spontaner Usurpationen von Freiheitsrechten, dem die Regierung ziellos und über ihr endgültiges Verhalten unsicher zuschaut. D a s A u f f l a m m e n und die Niederwerfung des M o s k a u e r Aufstandes 2 und der Z u s a m m e n b r u c h des mit ihm zusammenhängenden dritten Generalstreiks 3 bezeich10 nen dann die entschlossene Wendung der russischen inneren Politik nach der Seite der schärfsten Reaktion. D i e s gibt dem an sich törichten Putsch ein historisches Interesse. Quantitativ waren die wüsten Bürgerkriege in den Ostseeprovinzen und in den südlichen Zentralgouvernements 4 wohl erheblicher 2 ), qualitativ schienen die Trup-
') D i e D a t e n sind stets in julianischer R e c h n u n g g e g e b e n , eventuell die gregorianischen in K l a m m e r n . 2 ) Wir lassen j e d e nähere Schilderung dieser durch ihre barbarische Wildheit ausgezeichneten V o r g ä n g e hier ganz beiseite, e b e n s o die H e e r e s r e v o l t e n .
a Kapitelüberschrift in Anlehnung an das Inhaltsverzeichnis, oben, S. 293, eingeschoben. b In A folgt: zur c A: ist
1 Am 17. Oktober 1905 erließ Zar Nikolaj II. das sog. Oktobermanifest, in dem „bürgerliche Freiheit", eine erweiterte Wahlrechtsregelung und die Mitwirkung der Reichsduma (des neu zu schaffenden Parlaments) an der Gesetzgebung versprochen wurden. Zur Entstehung vgl. Doctorow, Gilbert S., The Government Program of 17 October 1905, in: Russian Review 34, 1975, S. 123-136. Der Gesetzestext in: PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 26803. Deutsche Übersetzung bei Scheiben, Parteien, S. 29f. 2 In Moskau kam es vom 7. bis 17. Dezember 1905 zu einem bewaffneten Aufstand, der hauptsächlich vom Moskauer Sovet (Arbeiterrat) getragen wurde. Der nur von einem Teil der Arbeiterschaft unterstützte Straßen- und Barrikadenkampf scheiterte an der Loyalität des Militärs und den schwachen Kräften der Aufständischen. 3 Zu einem ersten Generalstreik kam es ca. vom 12. bis 21. Oktober 1905; einen zweiten Generalstreik rief der Petersburger Sovet am 1. November 1905 aus, um den achtstündigen Arbeitstag zu erreichen, doch mußte der Streik nach wenigen Tagen ergebnislos abgebrochen werden. Der dritte Generalstreik wurde am 6. Dezember 1905 erklärt. Er wurde in St. Petersburg und der Provinz kaum befolgt, führte in Moskau jedoch zum bewaffneten Aufstand vom 7. bis 17. Dezember 1905. 4 Im Herbst und Winter 1905/06 kam es in den zentralen Schwarzerdegouvernements, an der mittleren Volga, in der Ukraine und im Baltikum zu schweren Bauernunruhen, die erst durch massiven Militäreinsatz beendet werden konnten. Vgl. dazu Perrie, Maureen,
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penemeuten von Kronstadt und Sewastopol ungleich bedenklicher, 5 - dennoch war die Wiederunterwerfung einiger Straßenviertel Moskaus von weitaus größerer „moralischer" Bedeutung an sich und hatte die weitaus erheblicheren politischen Folgen. Erinnern wir uns zunächst der Vorgänge selbst. Leiter der über alles erwartete Maß 5 gewaltigen Streikbewegungen war während des ganzen Herbstes 1905 der Petersburger „Arbeiterdeputiertenrat",6 Ssowjet Rabotschich Deputatow („S. R. D.")[,j gewesen. Er war zur Zeit des Typographenstreiks im September zuerst von den Typographen und nur für sie geschaffen 3 ). Anfang Oktober wurde deren Organisation 10 von anderen Arbeiterkategorien nachgeahmt, die alsdann sich mit den Buchdruckerdelegierten vereinigten. Die Zusammensetzung war ganz nach dem Schema der früher seitens der Regierung selbst angestrebten Arbeitervertretungen 7 organisiert: Die Repräsentanten wurden werk|stättenweise gewählt, zuerst 1 auf 20, schließlich, 15 im Oktober, 1 auf 500. Als der große politische Ausstand, 8 der das 3
) Näheres darüber später. 9 |
The Russian Peasant Movement of 1905-1907: Its Social Composition and Revolutionär Slgnificance, In: Pastand Present, Nr. 57, Nov. 1972, S. 123-155. (künftig: Perrie, Peasant Movement). 5 Seitdem Juni 1905, als die Besatzung des Panzerkreuzers Potemkin meuterte, kam es bis zum Juli 1906 vor allem in der Marine zu Aufständen, so u.a. in Sveaborg, Sevastopol' und Kronstadt. In der Armee gab es unter den vom Kriegsschauplatz im Fernen Osten zurückkehrenden Truppen mehrmals Meuterelen. Siehe unten, S. 312, Anm. 67. 6 Der Petersburger Arbeiterdeputiertenrat tagte zum ersten Mal am 13. Oktober 1905. Er sah es anfangs als seine wichtigste Aufgabe an, den wenige Tage zuvor ausgebrochenen Streik zu koordinieren. Er wurde im Verlauf dieses Streiks zum allgemeinen politischen Vertretungsorgan der Arbeiter und zum Zentrum der revolutionären Aktionen der Arbeiterschaft. 7 Der Wahlordnung für den Petersburger Sovet lag die der sog. Sidlovskijschen Kommission zugrunde, die von der Regierung nach den Ereignissen vom 9. Januar 1905 eingesetzt worden war, um die Ursachen für die Unzufriedenheit der Arbeiterschaft zu untersuchen. Auf je 500 Arbeiter wurde ein Deputierter für den Sovet gewählt. Jedoch wählten nicht nur Betriebe ihre Abgeordneten, sondern auch Gewerkschaften auf je 500 Mitglieder einen Deputierten. Insgesamt waren 16 Gewerkschaften im Sovet vertreten. Vgl. Istorija sovetarabocich deputatov goroda S.-Peterburga.- S.-Peterburg: N. Glagolev 1906, S. 42 und 135. (künftig: Istorija Soveta). 8 Weber meint den sog. ersten politischen Generalstreik, der am 6. Oktober 1905 mit einem Ausstand der Eisenbahnbediensteten in Moskau begann und sich nach wenigen Tagen auf fast alle Industriezweige und einen Großteil des Landes ausdehnte. Dieser Streik war einer der Gründe, die Nikolaj II. auf Anraten Vlttes zum Erlaß des Manifestes vom 17. Oktober veranlaßten. 9 Siehe unten, S.495f.
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Verfassungsmanifest eroberte, ausbrach (15. Oktober), vermehrte sich die Zahl der von ihm geleiteten Arbeiter in Petersburg innerhalb von zwei Tagen auf 113000. Es folgte in zahlreichen Provinzialstädten die wilde Konterrevolution der „schwarzen Hundert" 4 ), welche die Notwendigkeit festen Zusammenhaltes der Arbeiterschaft ad oculos demonstrierte. In Rostow a[m] Don, Kiew, Jekaterinoslaw, Charkow, Moskau, Ssaratow, Smolensk, Krementschug, Bjelostok, Taganrog, Noworossijsk, Baku, Krassnojarsk bildeten sich reißend schnell entsprechende Verbände, die mit den Petersburgern durch Korrespondenz Fühlung hielten. Schon sehr bald nach dem siegreichen Ende des Oktoberstreiks wurde nun der Petersburger S. R. D., durch das zunächst eigenmächtige Vorgehen der Arbeiterschaft, wider oder doch ohne seinen Willen in die Bewegung für den Achtstundentag gezogen. Am 29. Oktober wurde durch Beschluß dessen Einführung „auf revolutionärem Wege", d. h. durch einseitige Erklärung der Arbeiter für die Petersburger Fabriken vom 31. Oktober ab obligatorisch gemacht. Tatsächlich gelang seine Erzwingung nur in 29 Fabriken, die übrigen blieben unnachgiebig. Inzwischen hatten aber die ersten Anfänge der Reaktion in den Regierungskreisen schon eingesetzt. In den Zeitungen war bekannt geworden, daß 4 ) Die gelegentlich immer wieder bestrittene Tatsache, daß die „schwarzen Hundert", A 167 (3) deren Auftauchen (mit Drohbriefen an liberale Politiker, Durchprügeln von wirklichen oder angeblichen Sozialisten, blutigen Judenmassacres) zuerst 1905 in der Zeit des Februarmanifestes des Zaren bemerkt wurde, polizeilich mit Wissen auch der zentralen Instanzen organisiert wurden 0 , ist jetzt gegen jeden Zweifel gesichert, so plausibel es ist, daß auch „Volontärs" sich ihnen anschlössen. 1 0 Daß es sich nicht etwa um eine „breite Volksbewegung" handelte, zeigen schon die Wahlresultate in den Orten, wo sie ihre größten Erfolge gehabt hatten 8 , für sich allein: gerade dort sind ausnahmslos, und zwar seitens der „Massen", Demokraten gewählt worden. - Daß sich das polizeilich geworbene Gesindel schließlich, wie noch zu erwähnen, 1 1 auch gegen die Zentralregierung wenden konnte, wo „Klasseninteressen" der unteren Polizeiorgane bedroht waren, ist nichts Wunderbares. |
d A: wurde
e A: hatte
10 Unmittelbar nach dem Erlaß des Manifestes vom 17. Oktober 1905 kam es in der Zelt vom 18. bis 25. Oktober vor allem in den südlichen Gouvernements zu schweren Judenpogromen, an denen Teile des Beamtenapparates sowie Polizei und Gendarmerie sowohl als Teilnehmer als auch als Organisatoren einen nicht unerheblichen Anteil hatten. Zu den Pogromen vom Oktober 1905 vgl. die ausführlichen Berichte in Pravo, Nr. 48/49 vom 4. Dez. 1905, Beilage, S. 6 - 1 6 4 . 11 Siehe unten, S. 313ff.
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entgegen der trotz aller Dementis gut beglaubigten Äußerung Wittes: „Von heut an gibt es in Rußland keine Selbstherrschaft mehr", 1 2 der Zar sich entschieden geweigert hatte, den Titel „Ssamodershez" abzulegen. Wichtiger als dies war die am 28. Oktober, elf Tage nach dem Manifest, erfolgende Verhängung des Kriegszustandes über Polen, die in ihren Motiven und in der Art ihrer Entstehung durchaus unaufgeklärt und durch die offiziösen Zusammenstellungen einiger lokaler „revolutionärer Handlungen", wie sie in Polen seit Jahren alltäglich erfolgen, in keiner Weise erklärt ist. Polen antwortete mit dem Generalstreik, der aber schon am 4. November, wenigstens für den Eisenbahnverkehr, beendet war, fast zur selben Zeit, als der für A 168 (4) den 2. November vom S. R. D. verfügte Sympathiestreik in | Petersburg begann. Dieser schlug nunmehr völlig fehl; am 7. November mußte der S . R . D . ihn einstellen, am 12. auch seine Verfügung betreffs des Achtstundentages zurücknehmen. Inzwischen hatten D. N. Schipow und Fürst E. Trubezkoj die ihnen angebotenen Portefeuilles in Wittes Ministerium abgelehnt. 13 Das Ministerium hatte sich dann in ziemlich disparatem Bestände konstituiert 5 ), 14 Trepow war aus dem Ministerium des Innern zwar ausgeschieden, aber Durnowo hatte, vorerst als Verweser, die Leitung übernommen. Es begannen bald nach Erlaß des sehr unbestimmt gehaltenen Agrarmanifestes (3. November) 1 5 die ersten Bauernunruhen, die mit der Verhängung des Zustandes des „verstärkten Schutzes" beantwortet wurden, während anderseits, als Konzession an die Liberalen, der
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5 ) Neben Anhängern der konstitutionellen Demokratie, wie dem Landwirtschaftsminister Kutler und einigen ehrlichen Konstitutionellen, enthielt es verbissene Reaktionäre wie den Justizminister Akimow.
12 Vgl. Vittes Erklärung vom 18. Oktober gegenüber Vertretern der Presse anläßlich einer Pressekonferenz für die Herausgeber der Zeltungen und Zeitschriften. Russklja Vedomostl, Nr. 5 vom 6. Jan. 1906, S. 3, Sp. 5. 13 Im Oktober 1905 bot Premierminister Vitte D. N. Sipov und E. N. Trubeckoj Ministerposten In seinem Kabinett an. Beide lehnten jedoch, da Vitte dem Eintritt weiterer liberaler Minister in sein Kabinett nicht zustimmen wollte, die Ihnen angebotenen Posten ab. Ihre Schreiben, in denen sie Ihre Haltung begründeten, sind abgedruckt in: Pravo, Nr. 42 vom 31. Okt. 1906, S. 3475ff. 14 Die Besetzung der Ministerämter Im Kabinett Vitte war erst Ende Oktober/Anfang November 1905 abgeschlossen. 15 Gemeint sind Manifest und Ukaz vom 3. November 1905 über die Loskaufzahlungen und die Darlehen zum Kauf von Land durch die Bauern. Pravltel'stvennyj Vestnlk, Nr. 238 vom 4. Nov. 1905, S. 1; PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 26871 ff.
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Kriegszustand in Polen - zeitweise - aufgehoben wurde. 16 Die Anarchie griff langsam um sich6). Irgendwelche Schritte gemäß dem gegebenen Versprechen, die Duma auf Grund des erweiterten Wahlrechtes einzuberufen, wurden nicht bekannt. Alles schien unsicher. Am 5 14. November erfolgte, wegen bedingter Empfehlung der Steuerobstruktion, die Verhaftung des Vorstandes des Sozialrevolutionären Bauernkongresses' 6a ) in Moskau, dessen Komitee daraufhin sich mit dem S . R . D . verbündete. Am 15. November trat in Moskau ein Kongreß von Delegierten der Post- und Telegraphenangestellten 10 zusammen, Polizei und Militär schritten, da es sich um „Beamte" handelte, ein, aber der Streik wurde noch vor Sprengung des Kongresses erklärt und dehnte sich zwischen dem 15. und 19. November auf alle Städte des Landes aus, sie voneinander und der Welt abschneidend. Eben begann er, seit 1. Dezember, abzubröckeln, da 15 wurde der Vorsitzende des S . R . D . in Petersburg, ChrustaljowNossarj, wegen Einmischung des Rates in diesen Poststreik verhaftet, es folgte am 1. Dezember das Manifest des S. R. D. und des mit ihm verbündeten Bauernbundes, unterfertigt auch von der sozialdemokratischen Partei, welches zur Ablehnung der Annahme von | 20 Papiergeld, zur Entnahme der Guthaben aus den Sparkassen - tat- A 169 (5) sächlich sind nach offizieller Angabe 140 Millionen Rubel erhoben
6 ) D i e kurze und anschauliche Schilderung der Jakobinerherrschaft, welche z . B . in Charkow mit dem 23. November begann, im „Nowoje Wremja" Nr. 10704 S. 7 (von Fürst Michail Schachowskoj) 1 7 sich findet (die Sitzungen der D u m a von Arbeitern umringt, welche offene Abstimmung verlangten, Forderung der Entfernung der Polizei und Truppen aus der Stadt, der Bildung einer Stadtmiliz, der Hergabe von 10000 Rubeln für die Streikkasse), dürfte für die Provinzstädte typisch sein. Für Kijew hat Professor Pichno, der Redakteur der weitaus besten von den reaktionären Zeitungen („Kijewljanin"), seine Artikel aus jener Zeit gesammelt herausgegeben (Titel: „W ossadje", - „Belagert"), jedenfalls die beste Beleuchtung der Hergänge vom strikt contrarevolutionären Standpunkt aus.
6a
) Über diese Organisation s[iehe] Beilagenheft zu Bd. X X I I , l . 1 8 |
f A: Bauernregresses 1 6 In P o l e n w u r d e d a s K r i e g s r e c h t a m 2 8 . O k t o b e r v e r h ä n g t u n d a m 12. N o v e m b e r 1 9 0 5 wieder aufgehoben. 17 W e b e r b e z i e h t s i c h a u f : S a c h o v s k o j , M i c h a i l , V n u t r e n n l j a i z v e s t i j a . P o l i t i c e s k l j a partii, in: N o v o e V r e m j a , N r . 1 0 7 0 4 v o m 1 . J a n . 1 9 0 6 , S . 7 . 1 8 W e b e r , Z u r L a g e d e r b ü r g e r l i c h e n D e m o k r a t i e , In d i e s e m B a n d , S. 2 3 3 f f .
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worden 7 ) - und - mit ebenfalls sehr großem Erfolg - zur Einstellung aller Steuer- und Abgabenzahlungen aufforderte. Die Verhaftung des gesamten S. R. D. in Petersburg war die Antwort. Darauf ergriff der Moskauer S. R. D. die Führung und erklärte Moskau für den 7. Dezember in Generalstreik. Auf den gleichen Termin setzte das Allrussische Komitee der Eisenbahner, welches sich, nach mehrfachen Einzelausständen gegen Ende November, am 5. Dezember in Moskau konstituiert hatte, den Beginn eines neuen allgemeinen Eisenbahnerstreiks an. Beide Streiks breiteten sich rasch aus und erreichten vom 9.-12. etwa ihren Höhepunkt. Am 19. waren sie zu Ende. Zu keiner Zeit hatten sie an räumlicher Ausdehnung und Zahl der Beteiligten die Ziffern des siegreichen politischen Oktoberstreiks erreicht 8 ), obgleich diesmal die starken Organisationen des Bauern-, des Eisenbahner- und des Post- und Telegraphisten-Bundes und die zahlreichen Arbeiterdeputiertenräte die Leitung in der Hand hatten. Es zeigte sich an diesem Beispiel zur Evidenz, was die Macht einer die Klassen verbindenden „Idee", die Mitwirkung breiter Schichten des Bürgertums für den Erfolg bedeutet und wie wenig - man mag dies bedauern oder nicht - der „starke Arm", auf dessen Wink „alle Räder stillstehen", 19 ohne die, durch jene Mitwirkung bürgerlicher Elemente geschaffene, Unsicherheit in den festen Kadres der gegebenen gesellschaftlichen Organisation bedeutet. Ein Überlaufen nicht proletarischer Elemente zur Revolution, aber wesentlich von Vertretern aus allerhand zusammengewürfelten Ideologen und Dilettanten der Revolutionsromantik^,] begann erst wieder, als diesmal der Generalstreik in Moskau zur Revolte umschlug,
A 169 (5)
7 ) Der Heilige Synod mußte die Geistlichen anweisen, die Dorfbevölkerung über die Unbegründetheit der Gerüchte von der Unsicherheit der Anlagen in den staatlichen Sparkassen zu belehren, ,,Russk[ija] Wjed[omosti]" Nr. 24 S. 1 Sp. 3 . 2 0 8 ) Es streikten 33 Städte gegen 39 im Oktober, zwei Drittel der Petersburger Arbeiter (99000) im Maximum, weniger als am letzten Tage des zweiten Generalstreiks. Die Sperrung der Eisenbahnen war niemals allgemein, gerade die wichtigsten Linien blieben offen. Prokopowitsch, „Bjes saglavija" Nr. 3f. 2 1
19 „Alle Räder stehen still, wenn Dein starker Arm es will." Georg Herwegh: Bundeslied für den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein. 2 0 Weber bezieht sich auf eine Meldung in: Russkija Vedomosti, Nr. 24 vom 25. Jan. 1906, S.1. 21 Prokopovic, Dekabr'skoe vozstanie, S. 51 - 5 9 und S. 97-106.
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nachdem die Sozialrevolutionäre mit dem poesievollen Wort: „woorushennoje 9 wosstanije" 22 schon lange gespielt hatten. Der militärischen Leitung, diesmal unter die rücksichtslose Führung Dubassows9) gestellt, kam dies äußerst gelegen. Am 9. Dezember nachts 5 fielen in Moskau die ersten Revolverschüsse gegen das Militär, welches eine Versammlung umzingelte, Barrikaden erstanden und zehn Tage lang dauerte ein zuerst ziemlich planloses Auffahren von Geschützen, | Bombardieren von Häusern, aus denen von irgend je- A 170 (6) mand geschossen wurde, und ein allgemeines Schießen auf irgendwie 10 Bewaffnete oder Verdächtige, welches erst mit der Ankunft des Ssemjenowschen Regiments aus Petersburg zur Verstärkung der (6000 Mann zählenden) Garnison mit einer systematischen Einkreisung des Restes der Revolutionäre endete (19. Dezember). Die Ziffern der Krankenhäuser für die Zeit vom 7.-17. Dezember weisen 15 immerhin 548 Getötete, 1065 Verwundete auf 10 ), 23 leicht Verwundete sind zahlreich, selbst bis an deutsche Universitäten, entkommen, außerdem aber fehlen gerade die Zahlen für die letzten Tage und diejenigen für die massenhaft brevi manu niedergeschossenen Gefangenen. Die Zahl der effektiven Kämpfer ist, da es sich zum Teil 20 um Gelegenheitskämpfer 11 ) handelte, nicht feststellbar. 8000 Leute 9 ) Er hatte sich bekannt gemacht durch seinen Tagesbefehl, der das Niederbrennen aller Dörfer androhte, aus denen heraus irgendeine Gewalthandlung erfolgen werde. 2 4 | 10 ) Einzige Ziffer, die einen leidlichen Anhaltspunkt gibt. Was die Regierung publizier- A 170 (6) te, war hier, wie fast immer, Schwindel. " ) Über die Zusammensetzung der Kämpfenden: Von 213 in einem Moskauer Gefängnis internierter Gefangenen waren Anfang Februar 193 „politische". Davon: 46 Arbeiter, 32 Eisenbahnbedienstete, 23 Post- und Telegraphenbedienstete, 21 Studenten, 15 Anwälte, 11 Ärzte, 11 Handlungsgehilfen, 10 Semstwobedienstete, 9 Techniker, 8 „Litteraten",
g A: „woorushenije
22 Zur Diskussion über den bewaffneten Aufstand innerhalb der Partei der SozialistenRevolutionäre seit 1902 vgl. Hildermeier, Manfred, Die Sozialrevolutionäre Partei Rußlands. Agrarsozialismus und Modernisierung Im Zarenreich (1900-1914). - Köln/Wien: Böhlau 1978, S.82f. (künftig: Hildermeier, Sozialrevolutionäre Partei Rußlands). 23 Weber bezieht sich vermutlich auf den Bericht: Tret'ja politiceskaja zabastovka, in: Pravo, Nr. 51 vom 24. Dez. 1905, S. 4130. 2 4 Dieser angebliche Befehl Dubasovs erging nach einem Bericht der Zeitung Narodnoe Chozjajstvo, Nr. 3 vom 7. Dez. 1905, S.2, datiert vom 20. November 1905 aus dem Gouvernement Kursk. Vgl. dazu auch die Rede des Dumaabgeordneten Srag in der Sitzung vom 4. Mai 1906. Sten. otcety Gos. Dumy, 1 -yj sozyv, S. 231.
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dürfen wohl als Maximum der jemals gleichzeitig aktiv am Kampfe Teilnehmenden gelten. Daß die Truppen einem so plan- und aussichtslosen Aufstand gegenüber treu blieben, war, zumal bei der erbitternden Taktik, welche die amtlichen „Iswjestija" h des S. R. D. vom 11. Dezember anempfahlen: - Bildung kleiner Trupps (bis höchstens 4), Schießen möglichst nur unerwartet, wo möglich aus dem Hinterhalt und in die vollen Kolonnen 2 5 - gewiß nicht erstaunlich. Aber für einen wichtigen Faktor der russischen Verfassungsentwicklung war die Tatsache doch eine große und angenehme Überraschung: für die fremden Börsen nämlich. Um das Verhalten der russischen Regierung zu verstehen, ist die Berücksichtigung des Umstandes, daß Rußland Schuldnerstaat ist, durchaus unumgänglich. Daß „die Juden" die russische Verfassung erzwungen, erschlichen oder doch mitfabriziert hätten, wie die Reaktionäre behaupten, ist ganz richtig, nur sind es natürlich nicht die furchtbar geschändeten Bewohner der russischen Ghettos, sondern ihre zum Teil geadelten Stammesvettern aus der haute finance in Berlin und Paris, denen die Kontrolle der Kurse russischer Staatspapiere anvertraut ist. Dies konnte man sehr deutlich auch in jener Periode heftigster Reaktion bemerken, die dem Siege in Moskau und der sich daran anschließenden Niederwerfung der Aufstände in den Ostseeprovinzen und in den inneren Gouvernements parallel ging A171 (7) und folgte. Das Manifest vom 17. Oktober 2 6 | hatte Beruhigung verbreiten sollen. Es gelang nicht. Die Kurse sanken also wieder. Die blutige Tragi-Komödie in Moskau führte dagegen zu steigenden Tendenzen: die Besitzer russischer Papiere wünschten also „Ordnung" , und Graf Witte ließ zweideutige Worte von der Möglichkeit 6 Schüler, 4 „Pädagogen", 1 Fabrikant, 1 Geistlicher, 1 Musiker usw. Mittleres Alter: 28'/$ Jahre, aber 30 unter 20 Jahren („Russk[ija] Wjed[omosti]" 2. Februar S. 4). 2 7 |
h A: „Iswestnija"
25 Weber bezieht sich auf d e n Aufruf: Sovety vosstavsirri rabocim, in: Izvestija M o s k o v s k a g o S o v e t a r a b o c i c h deputatov, Nr. 5 v o m 11. Dez. 1905; z u l e t z t a b g e d r u c k t i n : Revoljucija 1 9 0 5 - 1 9 0 7 g g . v Rossii. D o k u m e n t y i materialy. Vyssij p o d - e m revoljucii 1 9 0 5 - 1 9 0 7 g g . V o o r u z e n n o e vosstanie. C. I. - Moskva: Izd. Akademii Nauk S S S R 1955, S. 6 6 5 f . 26 Siehe oben, S. 295, A n m . 1 . 27 Die M e l d u n g in: Russkija Vedomosti, Nr. 32 v o m 2. Febr. 1905, S . 4 .
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einer „Rücknahme" der kaiserlichen Versprechungen fallen. 28 Dieser Ballon d'essai' fand aber seinerseits auch keine freundliche Aufnahme. „Nowoje Wremja" ließ Anfang und Mitte Januar sich tagelang hintereinander aus London telegraphieren, die Bankkreise hielten Rußlands Kreditwürdigkeit nur im Fall der Durchführung der „konstitutionellen" Regierungsform für gesichert. 29 Ähnlich wird es ja wohl auch gestanden haben. Folglich war, nach außen hin, Vorsicht geboten, und das bekamen nun die Reaktionäre zu fühlen. Am 23. Dezember (a. St.) hatte der Zar - es war das zweite Mal - eine Deputation der „russischen Leute" empfangen. Leidenschaftliche Reden gegen die Zerreißung von Zar und Volk, den Umsturz der Jahrhunderte alten Ordnung, die Vernichtung der unbeschränkten Gewalt brachten, so scheint es, schließlich auch sein dünnes Blut in Wallung: in etwas phantastischen Wendungen redete er davon, daß [„] bald, bald die Wahrheit wieder ihr Licht über der russischen Erde leuchten lassen werde" und dergl. 30 Begeistert und entzückt setzte die Deputation dies im Januar in die Zeitungen zum Trost aller echt russischen Herzen, - und alsbald erfolgte die offiziöse Ankündigung, daß sie in Anklagezustand versetzt sei wegen unerlaubter Anfertigung eines Hofberichtes. 31 Der Hinweis Wittes auf das Deplacierte solcher Romantik angesichts des leeren Beutels 32 hatte offenbar i A: d'essay
28 Eine direkte Äußerung Vittes über die „Rücknahme der im Oktobermanifest gemachten Versprechungen" ist nicht nachgewiesen. Vitte erklärte jedoch Ende Dezember 1905, daß „die selbstherrschende Macht, so wie sie bis zum Manifest handelte, auch nach dem Zusammentritt der Duma fortfahren wird zu handeln." Er dementierte diese Worte jedoch sofort wieder. „Oproverzenle" Grafa Vitte, in: Pravo, Nr. 1 vom 9. Jan. 1906, S. 36f. 2 9 Vermutlich bezieht sich Weber auf die Berichte in: Novoe Vremja, Nr. 10 709 vom 6. Jan. 1906, S. 1, Nr. 10710 vom 7. Jan. 1906, S. 1, und Nr. 10718 vom 15. Jan. 1906, S.2. 3 0 Die Äußerung des Zaren in dem Artikel: Vysocajslj priem deputatov .Sojuza russkago naroda', in: Pravo, Nr. 3 vom 22. Jan. 1906, S. 203. Es handelte sich hier um eine Deputation der „Union des russischen Volkes" (Sojuz russkogo naroda), nicht um die des Sojuz russkich ljudej (Union russischer Menschen). 31 Die entsprechende offizielle Mitteilung ist abgedruckt in: Russkija Vedomosti, Nr. 18 vom 19. Jan. 1906, S.2. 3 2 Eine direkte Äußerung Vittes läßt sich nicht belegen. Doch äußerte er sich über die schlechte Finanzlage Rußlands Ende Januar in einem Gespräch mit dem Korrespondenten des Londoner Daily Telegraph. Das Gespräch wurde von allen großen russischen Tageszeitungen nachgedruckt; vgl. z.B. Novoe Vremja, Nr. 10718 vom 15.(28.) Jan. 1906, S. 2: Beseda s Grafom Vitte.
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genügt, das etwas zu früh den Kopf erhebende Gottesgnadentum wieder kollabieren zu lassen und fortan in einer der Lage entsprechenden Oboedienz gegenüber der unpersönlichen, aber um so unentrinnbareren Macht des Geldmarktes zu erhalten. Dies zeigte sich in mannigfacher Art: Daß an den Judenkrawallen im Spätherbst und 5 Winter Polizeifunktionäre beteiligt gewesen seien, wurde offiziös bestritten, aber man sah sich doch genötigt, als die neue große Anleihe 33 dicht vor Ostern zur Auflage gelangen sollte, durch eine in der Tat unzweideutige, geradezu drakonische Verfügung die Provinzialbeamten für ihr etwaiges Entstehen persönlich haftbar zu ma- 10 chen. 34 Die Folge war, daß sie in der Tat absolut unterblieben12). A172 (8) Schriftsteller, | die, wie Gorkij, im Auslande bekannt sind und deren allzu harte Behandlung dort „verstimmen" konnte, hatten sich, trotz stärkster „Kompromittierung", eines immerhin wesentlich anderen Schicksals zu erfreuen als solche, bei denen das nicht der Fall war. 15 12 ) Dies beweist zwar nicht, wie ein Teil der deutschen Presse annimmt, 3 5 daß die Bauern aus eigener Initiative überhaupt keinesfalls Judenkrawalle veranstalten würden. Vielmehr gelangten festgestelltermaßen an das Ministerium gar nicht wenige (spontane) Eingaben von Bauerngemeinden, welche, zur Abhilfe ihrer Not, um eine Konzession zur Judenplünderung flehten, insbesondere auch eine solche aus den Kreisen der eben erst selbst der Verfolgung durch die Staatskirche entronnenen Altgläubigen. 3 6 Aber es beweist allerdings - und diese Gesuche beweisen es erst recht - , daß, wenn die Regierung nicht A 172 (8) will, die Hetzen unterbleiben. Es wird | also das „Kausalverhältnis" ähnlich liegen, wie in jener Zeit, wo der Burggraf von Nürnberg und der Bischof von Würzburg einen Vertrag darüber schlössen, wie die, für eine bestimmte Zukunft sicher „vorauszusehenden", Judenhetzen ihrem beiderseitigen Geldbeutel nutzbar gemacht werden könnten. 3 7
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3 3 Am 3.(16.) April 1906 emittierte ein französisch-englisch-österreichlsch-niederländisches Bankenkonsortium eine Staatsanleihe über 2.250 Millionen Francs. Geyer, Dietrich, Der Russische Imperialismus. Studien über den Zusammenhang von innerer und äußerer Politik 1860-1914. - Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1977, S. 187. (künftig: Geyer, Russischer Imperialismus). 3 4 Die Verfügung machte die Gouverneure und Stadthauptleute auch für die Untätigkeiten von Untergebenen im Falle von Unruhen haftbar. Russklja Vedomosti, Nr. 78 vom 21. März 1906, S. 3 und Nr. 80 vom 23. März 1906, S. 3. 3 5 Die entsprechenden Presseorgane ließen sich nicht nachweisen. 36 Möglicherweise bezieht sich Weberauf den Artikel: Sredi Staroobrjadcev, in: Russkija Vedomosti, Nr. 317 vom 1. Dez. 1905, S. 4f. 3 7 Gemeint ist vermutlich das dem Burggrafen von Nürnberg und dem Bischof von Bamberg von Kaiser Karl IV. 1349 übertragene Recht, falls wegen einer Judenverfolgung oder Vertreibung die Zahlung der Steuern nicht erfolgen könne, sich als Entschädigung den Nachlaß der Juden, Mobilien und Immobilien, zu teilen. Nur wenig später kam es in Nürnberg zu einer Judenverfolgung. Vgl. Stobbe, Otto, Die Juden in Deutschland während des Mittelalters in politischer, sozialer und rechtlicher Beziehung. - Braunschweig: Schwetschke 1866, S.55.
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So sah sich die Regierung, angesichts der Finanzlage, in der inneren Politik überhaupt zur Anlegung eines „doppelten Kontos" genötigt. Daß es von Seiten des Zaren persönlich mit einer Umwandlung Rußlands in einen „Rechtsstaat" mit - wie es im Oktobermanifest 5 etwas naiv hieß - „wirklicher" Garantie der Persönlichkeitsrechte 38 zu keiner Zeit aufrichtig gemeint war, versteht sich von selbst und trat bei jeder Gelegenheit hervor 13 ), die dazu irgend Anlaß gab; für ihn gab es nur Polizeiinteressen. Das stimmte vortrefflich mit den Machtinteressen der Polizeibureaukratie alten Stils zusammen, und 10 durch schonungslose Repression konnte ja wohl auch „nach außen", auf die Börsen, der Eindruck einer „starken" Staatsgewalt hervorgebracht werden. Auf der anderen Seite aber zeigten wiederholte erfolglose Sendungen von Finanzbeamten ins Ausland, daß trotz allem die Bankiers schlechthin darauf bestehen zu müssen glaubten, 15 daß die Duma wirklich gewählt und einberufen werde, ehe an die Emission einer Anleihe großen Stils gedacht werden könne. Also mußte die „Verfassung", unter formeller Wahrung der Versprechungen vom 17. Oktober, so weit ausgeführt werden, daß für das ausländische Publikum, mit dessen Eindrücken die Bankiers rechneten, 20 wenigstens der äußere Anschein „konstitutioneller" Garantien vorhanden war. Es mußte daher der Versuch gemacht werden, die inländische „Bourgeoisie" mit den Interessen der Regierung | zu A173 (9) versöhnen, womöglich Parteien zu finden, welche in der Duma ihr zur Verfügung ständen und ihnen bei den Wahlen zum Siege zu 13 ) Nur ein Beispiel: beim Vereinsgesetz hatten sowohl der Ministerrat wie zwei untereinander dissentierende Gruppen des Reichsrats gerichtliche Verhandlung über das Vorhandensein der Voraussetzungen der Registrierung eines Vereins zulassen wollen, die eine Gruppe die ordentlichen Gerichte, die andere Administrativgerichte. Beides war natürlich, so wie die russischen Gerichte heute - im Gegensatz zu früher - sind, politisch gleich absolut unschädlich für die Polizeiinteressen. D e m Zaren wurden die verschiedenen Gutachten, außerdem aber ein von einer ganz kleinen hochreaktionären Gruppe im Reichsrat (20 Mitglieder) ausgearbeitetes A m e n d e m e n t , welches die vom Gouverneur de facto ganz abhängige verstärkte „Prissutstwije" für zuständig erklärte, vorgelegt. Der Zar verwarf die Projekte des Reichsrats und des Ministeriums und sanktionierte das letztere Projekt nur deshalb, weil es (nach seinem dumpfen Empfinden) die Vereine am prekärsten von allen stellte (Russk[ija] Wjed[omosti] 19. Februar S. 2 ) . 3 9 D i e Konsequenz war nur, daß die Radikalen nun auch den formellen Beweis für das Fehlen der Rechtsgarantien hatten. |
38 Vgl. oben, S. 295, Anm. 1. 3 9 Weber bezieht sich auf: Russkija Vedomosti, Nr. 48 vom 19. Febr. 1906, S. 2.
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verhelfen. Dabei ergaben sich nun aber Komplikationen dadurch, daß einmal innerhalb der Bureaukratie selbst, bis in den Reichsrat und in das Ministerium hinein und ebenso innerhalb des Heeres, vorwiegend in den unteren, aber auch in den oberen Chargen überzeugte Anhänger einer entschieden liberalen Umgestaltung des Staatswesens saßen, anderseits die Zeiten des demagogischen Plehweschen Regimes 40 die tiefste Verstimmung und ein schwer zu überwindendes Mißtrauen der „bürgerlichen" Kreise erregt hatten. Man konnte schließlich nur hoffen - und dies war der Standpunkt Wittes - , daß der rote Schrecken der Generalstreiks, Revolten und Bauernkriege über alle diese Reminiszenzen siegen werde. Innerhalb der Bureaukratie und des Heeres aber mußte sich, wenigstens in den leitenden Stellungen, langsam, aber systematisch die Spreu vom Weizen sondern, nachdem die Haltung des Zaren feststand. Der demokratische Landwirtschaftsminister Kutler und der mittelparteiliche Handelsminister Timirjasjew schieden nacheinander aus. 41 Im Ministerium war seit dem Dezemberaufstand der Minister des Innern, Durnowo, der Vertrauensmann des Zaren, die leitende Persönlichkeit. Schon die fieberhafte Tätigkeit seines Ministeriums stach im Januar und Anfang Februar von den Zuständen der anderen Ressorts sichtbar ab. Die Repressionspolitik leitete er persönlich, indessen war dies Geschäft dadurch sehr erleichtert, daß die meisten Gouverneure sie als Sport auf eigene Faust betrieben, in dem richtigen Bewußtsein, dem Zaren um so sicherer zu gefallen, je mehr sie sich darin auszeichnen würden. Für sie galt kein Gesetz; Beamte wie Neidhardt (Odessa) und Kurlow (Minsk), deren strafrechtliche Verfolgung der mit der Revision ihrer Tätigkeit beauftragte Senator Kusminski für notwendig erklärt hatte, 42 wurden vom I. Departe-
4 0 Weber meint die Jahre von 1902 bis 1904, in denen der damalige Innenminister V. K. Pleve eine scharfe Repressionspolitik betrieb. Siehe dazu: Judge, Edward H., Plehve. Repression and Reform in Imperial Russia 1902-1904. - Syracuse: Syracuse University Press 1983, S. 199ff. (künftig: Judge, Plehve). 41 Der Landwirtschaftsminister N. N. Kutler trat am 2. Februar, der Handels- und Industrieminister V. I. Timlrjazev am 6. Februar 1906 zurück. 4 2 Der Stadthauptmann von Odessa, D. B. Nejtgart, und der Gouverneur von Minsk, P. G. Kurlov, hatten während der Pogrome in Odessa und in Minsk im Oktober 1905 die Polizei von den Straßen zurückgezogen und nicht zum Schutz der Bevölkerung eingesetzt. Der mit der Untersuchung dieser Ereignisse beauftragte Senator Kuzminsklj gab dieser Maßnahme die Schuld an dem Ausmaß der Pogrome. Das Strafverfahren gegen sie wurde eingeleitet wegen „Untätigkeit Im Amt". Vgl. Mehlinger, Howard D. und Thompson,
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ment des Senats, auf Drängen des persönlich anwesenden Ministers des Innern, außer Verfolgung gesetzt, „da ihre Handlungen den Absichten der Regierung entsprochen hätten" 133 ). 43 Selbst auf Abmahnungen oder Verbote der Minister, insbesondere Wittes, oder in einzelnen Fällen selbst Durnowos, reagierten die eifrigen Gouverneure nicht; in einem solchen Falle erklärte der Minister im Konseil entschuldigend: Der Gouverneur habe sich offenbar in der Ansicht befunden, er habe nur dem Ministerkonseil, nicht einem seiner einzelnen Mitglieder, Gehorsam zu leisten: 44 in bezug auf die administrative Willkür zerfiel Rußland im Januar de facto in regionale Satrapien. 45 Eine Preßnachricht - in den Einzelheiten nicht sicher beglaubigt - behauptet, daß in einer Konseilsitzung Witte auf Einschränkung der Repressionspolitik und speziell der unkontrollierbaren Willkürherrschaft der Beamten gedrungen habe, Durnowos Erklärung darauf: dann sei es für ihn Zeit zu gehen, sei mit eisigem Schweigen aufgenommen worden. 46 Einige Tage später aber führte eine Unterredung beider eine „Verständigung" herbei. Tatsächlich war es nur die erneute Unterwerfung Wittes: er erreichte, daß formell seine Stellung als Konseilpräsident durch Mitteilung der ResSortverfügungen an ihn anerkannt wurde; 47 in der Sache blieben die Dinge so, daß er gelegentlich erklärte: Durnowo sei allmächtig, wolle er ihn (Witte) hängen lassen, so könne er das jeden Augenblick 13a
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) Ähnlich später, trotz klaren Beweises der Schuld (Art. 341 der Ul[oshenije] o A 173 (9) nakas[aniach]: „Untätigkeit der öffentlichen Gewalt") 48 der Gouverneur von Stawropol, ferner der Graf Kotzebue (Rostow), v[on] d[er] Launitz (Tambow) u.a. (Sitzung vom 25. April). 49 |
John M., Count Witte and the Tsarist G o v e r n m e n t in the 1905 Revolution. - B l o o m i n g t o n / London: Indiana University Press 1972, S. 60ff. (künftig: Mehlinger und T h o m p s o n , Count Witte). 43 Vermutlich bezieht sich W e b e r a u f eine Meldung in: Pravo, Nr. 12 v o m 25. März 1906, 5. 1156. 44 Der von W e b e r erwähnte Sachverhalt ließ sich nicht ermitteln. 45 Vgl. dazu den Artikel von Fürst E. Trubeckoj, K s - e z d u „ S o j u z a 17-go oktjabrja", in : Russkija Vedomosti, Nr. 38 v o m 8. Febr. 1906, S. 1, und Russkija Vedomosti, Nr. 3 2 2 v o m 6. Dez. 1905, S . 1 . 46 So in e i n e m Bericht in: Russkija Vedomosti, Nr. 37 v o m 7. Febr. 1906, S. 2, Sp. 2. 47 Ebd., S . 2 , S p . 2 . 48 Tagancev, Ulozenie o nakazanijach, razdel 5, glava 2, st. 341, S. 3 2 0 f . 49 W e b e r bezieht sich wohl auf einen Artikel in: Russkija Vedomosti, Nr. 113 v o m 27. April 1906, S. 2, Sp. 3 f . Der Senat schlug die g e g e n die G e n a n n t e n eingeleiteten Verfahren w e g e n „ Untätigkeit Im A m t " o h n e A n g a b e von G r ü n d e n nieder.
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tun. 50 Die - hier nicht näher zu erörternde - Änderung der Polizeiorganisation, die Purifikation der Post-, Telegraphen- und Eisenbahnangestellten 14 ) - unter gleichzeitiger nicht unerheblicher Erhöhung der Bezüge - war die erste Maßregel der wieder erstarkenden Bureaukratie.51 Für Polizeizwecke wurde eine Mehrausgabe von über 5 drei Millionen Rubeln (zu den 21 Mill. Rubeln, welche die staatliche Polizei ohnedies schon kostete) ausgeworfen. 52 Alsdann aber mußte das Heer in Angriff genommen werden. Die Zeitungsnotizen über die Zahl der Generale und Obersten (über 300), die im Laufe der drei Monate vom 1. Dezember bis l.März entlassen worden sein 10 sollen, kann ich nicht nachprüfen. 53 Gleichwohl dauerte es lange, bevor die noch im Januar häufigen Erklärungen von Offiziersversammlungen, für den Zaren, aber auf dem Boden des Manifestes
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I4 ) Für diese wurde - nach berühmtem Muster 54 - ein Revers eingeführt betreffend Nichtzugehörigkeit zu irgendwelchen nicht von der Verwaltung gestatteten Organisationen.
5 0 Diese Mitteilung beruht auf einer Nachricht der „ R u s s i s c h e n K o r r e s p o n d e n z " aus Berlin. A n g e b l i c h hatte Vitte diese Ä u ß e r u n g einer „ D a m e aus höchsten gesellschaftlic h e n K r e i s e n " g e g e n ü b e r g e m a c h t . Siehe dazu: Strana, Nr. 11 v o m 3. März 1906, S . 4 , Sp.5. 51 Der A u s b r u c h des Streiks der Post- und Telegrafenangestellten im N o v e m b e r 1905 veranlaßte die Regierung, i n s b e s o n d e r e Innenminister P. N. Durnovo, dazu, g e g e n die Staatsangestellten und - b e a m t e n , die sich an Streiks, Demonstrationen etc. beteiligten, rigoros v o r z u g e h e n . Die V e r o r d n u n g e n v o m 2. und 16. D e z e m b e r 1905 bedrohten die Streikteilnehmer in allen staatlichen Betrieben und Behörden mit Gefängnisstrafen oder Entlassung. Eine effektive Ä n d e r u n g der Polizeiorganisation fand erst im Jahre 1907 unter P.A. Stolypln statt. 5 2 Vgl. dazu Russkija Vedomostl, Nr. 38 v o m 8. Febr. 1906, S . 2 . 5 3 Mit Erlaß v o m 16. D e z e m b e r 1905 w u r d e allen Militärangehörigen die Mitgliedschaft in Vereinen oder Verbänden mit politischer Zielsetzung sowie die Teilnahme an jeder Art von politischer Veranstaltung verboten. Über die Zahl der entlassenen Offiziere konnte nichts ermittelt w e r d e n . Vgl. Füller, William C., Civll-Mllltary Conflict in Imperial Russla 1 8 8 1 - 1 9 1 4 . - Prlnceton: Prlnceton Unlversity Press 1985, S. 192ff. 5 4 Bereits unmittelbar nach den Attentaten auf Kaiser Wilhelm I. und verstärkt nach d e m Sozialistengesetz von 1878 w u r d e von Arbeltern vielfach die Unterschrift unter Formulare verlangt, in d e n e n sie versichern mußten, daß sie nicht der sozialdemokratischen Partei angehörten. Vgl. den Artikel des Vorwärts, Nr. 75 v o m 28. Juni 1878, über Verhaltensmaßregeln für sozialdemokratische Arbeiter, abgedruckt In: D o k u m e n t e und Materialien zur G e s c h i c h t e der d e u t s c h e n A r b e i t e r b e w e g u n g . Reihe 1, hg. v o m Institut für MarxismusLeninismus beim Zentralkomitee der Soziallstischen Einheitspartei Deutschlands, Band 3. - Berlin: Dletz 1974, S. 111 ff. Für die In Rußland verlangten Erklärungen vgl. Pravo, Nr. 52 v o m 31. Dez. 1905, S. 4225.
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vom 17. Oktober 15 ) zu stehen, - denen wieder andere Erklärungen, die von jeder Politik in den Kasinos abrieten, Zustimmungserklärungen zu beiden usw. in den großen Zeitungen gegenüberstanden, - ein Ende nahmen. Noch gegen Mitte Januar erklärte - nach mfeines] W[issens] nicht widersprochenen Zeitungsnachrichten - ein Kosakenregiment, auf dem Boden des Konstitutionalismus gemäß dem Manifest vom 17. Oktober zu stehen^] und protestierte gegen seine Verwendung zu Polizeizwecken16). Die Regierung selbst aber leistete, indem sie demgegenüber die Propagierung des „Bundes russischer Männer" 55 im Offizierkorps begünstigte17), dem Eindringen der Politik und damit vor allem der Heuchelei einen nach allen geschichtlichen Erfahrungen auf die Dauer für sie selbst bedenklichen Vorschub. Aber bei den Offizieren stehen zu bleiben, war unmöglich. Man | mußte, außer der im ganzen hinlänglich sorgfältig A 175 (11) filtrierten Garde, vor allem der Kosaken sicher sein. Das schien nicht mehr unbedingt zweifellos, nachdem immerhin auch aus ihrer Mitte Proteste gegen die polizeiliche Verwendung des Heeres vorgekommen waren, zumal die ökonomischen Veränderungen, die in den Existenzbedingungen des Kosakentums eingetreten sind, dessen Grundlage überhaupt bedrohen 18 ). Dem letzteren Umstand ließ sich 15
) Vergl. den Bericht über eine solche (von vielen) im „Nowoje Wremja" vom 13. Januar S. 2 (Offiziere der Mandschureiarmee). 5 6 16 ) ,,Russk[ija] Wjedfomosti]", 12. Januar, S. 2 Sp. 5 . 5 7 17 ) ,,Russk[ija] Wjedjomosti]", 27./1. S. 2 Sp. 3. 5 8 | 18 ) Die Lage der Kosaken hat sich (vergl. den Artikel Schtscherbakows im Prawo 1906 A 175 (11) Nr. 7) 5 9 im Laufe der letzten Dezennien in zwei wesentlichen Beziehungen verändert: 1) durch Umgestaltung ihrer Verwaltung: Zurückdrängung der Bedeutung der alten, alle Erwachsenen umfassenden Kosakengemeinde (Stanitschny Sschod) durch Repräsentan-
5 5 Gemeint ist der „Sojuz russkich ljudej" (Bund russischer Menschen), der im März 1905 unter Führung des Grafen P. Seremetev gegründet wurde. Der „Bund russischer Menschen" versuchte insbesondere in den Zemstva und den Adelsvereinigungen Mitglieder zu werben. Er propagierte die Bildung eines beratenden, aus den traditionellen Ständen gewählten Gremiums, des Zemskij Sobor, der die Verbindung zwischen Zar und Volk, die durch die Bürokratie unterbrochen sei, wiederherstellen sollte. Vgl. Rogger, Hans, The Formation of the Russian Right, in: California Slavic Studies 3,1964, S. 80ff. 56 Weber bezieht sich auf den Artikel: Poslednjaja l'gota v ostrecke sozyva Gosudarstvennoj Dumy, in: Novoe Vremja, Nr. 10 716 vom 13. Jan. 1906, S.2. 57 Weber bezieht sich auf: Russkija Vedomosti, Nr. 11 vom 12. Jan. 1906, S. 2. 58 Das Kriegsministerium erlaubte den Eintritt von Offizieren in die „ Russische Vereinigung" (Russkoe Sobranie). Russkija Vedomosti, Nr. 25 vom 27. Jan. 1906, S.2. 5 9 Scerbakov, Juridiceskoe polozenie kazakov, S. 581-593. Die Anmerkung Webers stützt sich auf den Artikel Scerbakovs.
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A176 (12) nun so schnell nicht | abhelfen, aber für den Augenblick mußte Rat geschafft werden. Man griff zu dem Mittel der römischen Imperatoren des sinkenden Kaiserreiches:60 großartige Donative für ihre tenversammlungen nach Art der üblichen russischen Wolost-Sschods, Ersatz der gewählten Atamane durch ernannte (in der untersten Einheit, der „Stanitza", durch Auswahl aus drei von der Gemeinde vorgeschlagenen Kandidaten, wobei aber immer häufiger die Verwerfung der ganzen Liste so lange, bis ein der Regierung genehmer Kandidat sich mit darauf befand, praktiziert worden ist) und durch Übernahme der Kontrolle aller wichtigen Verwaltungsakte, namentlich aber der Verfügung über die Gelder, auf die russischen Zentralbehörden in Petersburg, deren Organ, der „Kreis-Ataman", ganz ebenso mit der Stanitza umspringt, wie die russischen Semskije Natschalniki mit den Dorfgemeinden. Die alte Kosakenfreiheit verfällt. - 2. Durch Umgestaltung der ökonomischen Grundlagen. Der Kosak ist ursprünglich ein angesiedelter Grenzer, der als Entgelt für das verliehe Land sich sein Pferd und seine Equipierung selbst beschafft, sich selbst, in den überkommenen Verbänden, wie ein Bürger einer antiken Polis, einexerziert und jeden Augenlick des Rufs des Zaren gewärtig ist. Heute ist seine „Dienstpflicht" dem Militärdienst der übrigen Bevölkerung qualitativ sehr angenähert, nur quantitativ weit umfassender. Die 20 Jahre, die sie dauert, beginnen mit der „Vorbereitungszeit", in der der Kosak sich im Lauf von zwei Jahren Bewaffnung, Montierung und Pferd zu beschaffen hat, was durchschnittlich etwa 300 Rubel Barauslagen macht. Dann kommt die Dienstzeit im Heere, während deren er, falls nicht dem Pferde oder der Montierung etwas passiert, „kostenlos" lebt. Dann ist er, nach Hause entlassen, bis zum 38. Jahr verpflichtet, jederzeit „beritten und bewaffnet" beim Heer zu erscheinen. Sein Pferd zur Arbeit zu verwenden ist ihm verboten. Ursprünglich wurde die Ausrüstung «atora/wirtschaftlich durch Arbeit in der eigenen Wirtschaft beschafft und das Pferdematerial selbst gezüchtet. Heute muß die Ausrüstung (einschließlich Stiefel) aus dem staatlichen Magazin bezogen werden. Die Preise für die gesamte Ausrüstung und das Pferd stellten sich vor 15 Jahren noch auf ca. 120 Rubel in barem Gelde. Heute kostet ein Pferd allein 130 Rubel. Die Barausgaben k der Gesamidienstzeit werden für den berittenen Kosaken auf 1100, für den Fußkosaken auf 550 Rubel berechnet. Dazu tritt, daß er infolge seiner Dienstpflicht de facto weder freizügig noch in der Berufswahl frei ist, da seine „Bereitschaft" jährlich kontrolliert, während der ersten fünf Jahre auch durch „Lagerversammlungen" erprobt wird. Gegenüber einer effektiven Wehrpflichtleistung der übrigen Bevölkerung von 1,7% der Männer leisten die Kosaken 4,5%, im Kriege können von ihnen ca. 121/2%, (gegen ca. 5% der übrigen) ausgehoben werden. Den ausschlaggebenden Einfluß übt aber auch hier die Landirage. Die Hufe des A 176 (12) Kosaken betrug seinerzeit, bei den alten Siedlungen, 30 Dessjätinen (33 ha) Land. Heute ist im Gebiet des Donschen Heeres, infolge der Bevölkerungsvermehrung der durchschnittliche Umfang 12 Dessjätinen, auf gutem Boden 7. Der - durch die Steigerung der Barausgaben einerseits, die Landenge anderseits - gegebene Zwang zu intensiverer Wirtschaft ist mit den Ansprüchen des Heeresdienstes nicht in Einklang zu bringen, und überdies ist seit dem Beginn der 80er Jahre das Bestreben der Regierung einseitig1 darauf gerichtet, durch Beschneidung aller von Alexander II. gewährten Bildungsmöglichkeiten
k A: Barausgabe
I A: einseitige
60 Insbesondere seit der Zeit der Severer, ab d e m Ende des 2. Jahrhunderts, als sich die Bürgerkriege häuften, n a h m e n die G e l d g e s c h e n k e der jeweiligen Herrscher an die römischen A r m e e n erheblich zu.
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Leistungen im Bürgerkrieg. Nicht weniger als TA Million Rubel (über 17 Millionen Mark), für jeden Kosaken 100 Rubel, beantragte diese auf Kredit lebende Regierung bar an diese Stützen des Thrones zu verteilen, was der Reichsrat um zirka 1,6 Million Rubel kürzte 183 ). 61 Manche Kosakengebiete übrigens quittierten über dieses"1 demagogische Mittel, wie hier gleich vorweggenommen werden mag, 62 durch demokratische Wahlen! In den Zeitungen (z.B. im „Nowoje Wremja" Nr. 1082563 und sonst) nach Eröffnung der Duma bombardierten sich die Kosaken-Abgeordneten mit Auseinandersetzungen über eine gegen die Aufrechterhaltung der spezielleren Kosakenwehrpflicht gerichtete öffentliche Äußerung eines aus ihrer Mitte. Die Atamane unter ihnen waren darüber entrüstet, aber offenbar keineswegs die Gemeinen in der Kosakenwählerschaft 19 ). Nun aber trafen die Reservisten aus der Mandschurei allmählich in der Heimat ein und, bemerkend, daß sie Versicherungen, die ihnen in betreff der Sicherstellung der Existenz ihrer daheimgelassenen Familien gegeben worden waren, aus den bekannten spezifisch russisch-bureaukratischen Gründen zur größeren Hälfte nicht erfüllt seien, drohten sie in gefährliche Wut auszubrechen. Man mußte abermals tief in den Beutel greifen, ohne daß dadurch etwas anderes erzielt wurde, als die Festigung der Überzeugung der Massen, daß dieser Staatsmechanismus nur unter dem Druck der Furcht seine die „Wildheit" der Kosaken zu erhalten, in vermeintlich militärischem Interesse (vgl. R o m in der späten Kaiserzeit), 6 4 - was natürlich erst recht nicht zur ökonomischen Lage stimmt. I8a ) Es blieb nicht bei diesem Donativ allein. Noch im Mai wurden" den sibirischen Kosaken Anrechte auf die Fossilien unter ihren Höfen usw. gewährt usw. Die zahllosen, geradezu kriechenden, Erlasse des Zaren bald an diesen, bald an jenen Teil „unseres teuren Kosakenheeres" wirken wenig erhebend. 6 5 19 ) Inzwischen haben Kosakeciregimenter bei der Duma gegen die Wehrpflicht für Polizeizwecke protestiert (31. Mai a[lter] R[echnung]). 6 6 | m A: dies
n A: wurde
61 Siehe darüber den Bericht in: Strana, Nr. 1 vom 19. Febr. 1906, S.8. 62 Siehe unten, S. 624. 63 Weber bezieht sich auf: Novoe Vremja, Nr. 10825 vom 4. Mai 1906, S. 2. 64 Möglicherweise spielt Weber hier auf die zunehmende Verwendung von barbarischen, nur wenig romanisierten Truppeneinheiten im römischen Heer der Kaiserzeit an. 65 Vgl. z.B. den Erlaß an die Kosaken von Astrachan vom 22. Februar 1906, in: Pravo, Nr. 15 vom 16. April 1906, S. 1364f. 66 Weber meint vermutlich den Bericht: Gosudarstvennaja Duma, in: Russkija Vedomosti, Nr. 141 vom 31. Mai 1906, S. 4.
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Pflichten erfülle. Ähnliche Ergebnisse mußte die, unter dem Druck der Meutereien, für das aktive Heer verfügte Aufbesserung in der Verpflegung usw. haben. Immerhin, das aktive Heer stand in absehbarer Zeit, nachdem eine Wiederholung von so plan- und sinnlosen A177 (13) Revolten, | wie die in Kronstadt und Sewastopol, 67 zunächst nicht zu 5 erwarten stand, zur Verfügung. Und nunmehr, nach Niederwerfung der Bauernaufstände, 68 begann man von den gegebenen Machtmitteln Gebrauch zu machen. Noch am 1. März befanden sich - nach einer spezifizierten 0 Tabelle im „Prawo"69 - im Zustand des „verstärkten Schutzes"20) 8 Gouvernements ganz, 18 andere teilweise, 10 im Zustand des „außerordentlichen21) Schutzes" 5 Gouvernements ganz, 10 teilweise, im „Kriegszustand"22) aber 17(!) Gouvernements ganz und 22 teilweise; nur 27 von im ganzen 87 Gouvernements und „Territorien" des Reiches waren im normalen Status, während in A 177 (13)
20 ) Gestattet den Gouverneuren bezw. Stadthauptleuten Reglements „zur Aufrechterhaltung der Ordnung" zu erlassen unter administrativer Bestrafung der darin genannten Personen bis zu 3 Monaten Arrest oder 500 Rubeln Geldstrafe, ferner öffentliche und private Versammlungen aller Art zu verbieten, Fabriken, Werkstätten und Läden zu schließen, verdächtige Personen nach Ermessen auszuweisen, politische Vergehen direkt vor die höhere Instanz zu ziehen, welche die Strafen der Kriegsgerichte (darunter die Todesstrafe) verhängen kann. 21 ) Gestattet den in der vorigen Anmerkung genannten Beamten außer den dort angegebenen Maßregeln noch die Beschlagnahme von Eigentum eines Verdächtigen, die Sistierung aller Druckpublikationen, Schließung der Lehranstalten, Entlassung aller unteren Chargen der Beamten und Androhung noch erhöhter Strafen für Übertretung ihrer Verordnungen. 22 ) Bedeutet die Unterstellung der Zivilpersonen unter das Kommando eines in dem betreffenden Erlaß bekanntgegebenen Militärbefehlshabers und die Anwendbarkeit des Kriegsrechts. 7 0
O A: spezifierten
67 Siehe oben, S. 296, Anm. 5. Am 26. Oktober 1905 brach in der Garnison der Seefestung Kronstadt eine Meuterei aus, die bereits wenige Tage später niedergeschlagen wurde. In Sevastopoi', dem Stützpunkt der Schwarzmeerflotte, kam es zwischen dem 18. und 21. Oktober 1905 zu einem Aufruhr, an dem sich auch die Soldaten und Matrosen der Flotte unter Führung des Leutnants P. P. Smidt beteiligten. Smidt wurde unehrenhaft aus der Armee entlassen. Er war an dem erneuten Aufstand in Sevastopoi' vom 11. bis 16. November 1905 wiederum führend beteiligt und wurde nach dessen Niederschlagung verhaftet und zum Tode verurteilt. Am 6. März 1906 wurde er standrechtlich erschossen. 68 Siehe oben, S.295f., Anm. 4. 69 Tablicy mestnostej Rossii, S. 909-916. 70 So geregelt in: Svod Zakonov, Ausgabe 1892, tom 14: Ustav o preduprezdenil i presecenil prestuplenij, st. 1, S. 71, und Prilozenija k stat'e 1, S. 9 3 - 9 9 .
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zwei Drittel des Reiches die regulären Verwaltungsgrundsätze23) mehr oder minder stark alteriert waren, in etwa zwei Fünftel aber Kriegszustand galt. Man muß, um die Bedeutung der russischen Wahlen für die Charakteristik des russischen Volks zu erfassen, sich 5 immer gegenwärtig halten, daß dies etwa den Verhältnissen entspricht, die bei den Wahlen 1871 in Frankreich herrschten71 und daß - wie noch zu erwähnen 72 - die Regierung keinen Zweifel darüber ließ, daß die Wiederkehr der normalen Verhältnisse von dem politischen „Wohlverhalten" der „Gesellschaft" bei diesen Wahlen ab10 hing. Den „weißen Schrecken" hier im einzelnen 24 ) zu schildern, hätte | keinen besonderen Wert. Charakterisiert wird sein Umfang schon A 178 (14) 23 ) Es ist freilich heute fast unmöglich, festzustellen, was eigentlich die „regulären" Verwaltungsgrundsätze sind. Die Bestimmungen über den „verstärkten Schutz" usw. sind bekanntlich 1881 auf drei Jahre als zeitweilige Maßregel gegen die Terroristen erlassen. 73 Die von diesem Reglement eingeführten administrativen Machtbefugnisse werden aber heute ganz generell für alle denkbaren Polizeiübertretungen angewendet. Es ist allmählich absolut unklar und fast in jedem einzelnen Landesteil unsicher geworden, welche Befugnisse eigentlich die Polizei gegenüber dem einzelnen besitzt. 24 ) In Brest-Litowsk schlug die Schulverwaltung den Frauen der massenhaft arretierten - aber monatelang nicht unter Anklage gestellten - Schullehrer die | Auszahlung der A 178 (14) Gehaltsraten ab (R[usskija] W[jedomosti], 4/2 S. 3). 74 Die Verteilung von Unterstützungen an Bauern, die der Beteiligung an Unruhen verdächtig waren, untersagte der Minister Durnowo in besonderer Verfügung. Geistliche, die streikenden Bauern Brot verteilt hatten, wurden verhaftet (Prawo S. 1258).75 Alle Freitische, die für die Arbeitslosen und Mittellosen von irgendwie politisch verdächtigen Personen, nicht etwa nur von Parteipolitikern, sondern z. B. auch - 2 Fälle sind mir bekannt - von Söhnen von liberalen Universitätsprofessoren in den Hungergebieten organisiert waren, wurden sistiert. Massenhaft waren vollends, in einem Zeitpunkt, in welchem Nowoje Wremja 30000 Arbeitslose in Petersburg zählte, die Sistierungen von Freitischen und Volksküchen, wenn ihre Gründer als politisch interessiert galten (s[iehe] z.B. Now[oje] Wr[emja] 3. Februar S.4 und folgende]). 7 6
71 Die französischen Wahlen zur Nationalversammlung vom 13. Februar 1871, kurze Zeit nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandes, erbrachten eine deutlich konservativländliche Mehrheit, die auf eine Beendigung des Krieges drängte. 7 2 Siehe unten, S.473ff. 7 3 Der Begriff „Terrorist" taucht im Gesetzestext nicht auf. Hier heißt es: „Handlungen von Personen, In verbrecherischer Absicht gegen die staatliche Ordnung und die öffentliche Sicherheit begangen." Ebd., st. 4, S. 93. 7 4 Weber nimmt Bezug auf den Bericht In: RusskijaVedomosti, Nr. 34 vom 4. Febr. 1906, S.3. 7 5 Weber meint wohl die Meldung in: Pravo, Nr. 13 vom I.April 1906, S. 1258. Die Nachricht sprach von einem verhafteten Geistlichen in Simferopol'. 7 6 Weber bezieht sich hierauf: Nafabrlkach izavodach, In: Novoe Vremja, Nr. 10737 vom 3. Febr. 1906, S.4, und Nafabrikach I zavodach, in: Novoe Vremja, Nr. 10739 vom 5. Febr. 1906, S . 5 .
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dadurch, daß eine Reihe von Änderungen der Gerichtsverfassung eigens dafür notwendig wurden, um lediglich die physische pMöglichkeit der p erforderlichen Anzahl von Strafurteilen herbeizuführen25). Die Gefängnisse wurden im Laufe des Januar und Anfang Februar dergestalt überfüllt, daß die Verwaltungen sich vielfach an 5
25 ) Dazu trat das Brigantaggio 1 der polizeilich organisierten „Schwarzen Hundert" auf eigene Faust. Im März erhielten mehrere Reichsratmitglieder, die Gegner der Todesstrafe waren, Drohbriefe. 2 Und schon im Februar war, mit Genehmigung der Zensur, ein Aufruf gedruckt worden, welcher zur Tötung der Juden und ihres „Helfers Witte" aufforderte. 3 Erst im April wurde der betreffende Zensor (Ssokolow) - „ein sehr tüchtiger Beamter, Kenner Kants und dichterisch begabt" (!), wie die Zensurbehörde auf Reklamation Wittes betont hatte - unter Anklage gestellt. (Vgl. ,,Russk[ija] Wjed[omosti]" 58, 2; 61, 2; 62, 2; 100, 2: Notiz über die betr. Sitzung des Ministerrats vom 28. Februar, in der beschlossen wurde, die „Schwarze Hundert" zu unterdrücken und jedenfalls ihre Aufrufe nicht mehr in der Regierungsdruckerei zu drucken. 4 Aber noch im März wurden in Kiew ganz ähnliche Aufrufe mit Genehmigung der Zensur gedruckt: R[usskija] Wj[edomosti] 89, 3.) 5 Als die Bewegung Anfang Juni wieder inszeniert wurde und zu dem scheußlichen Gemetzel von Bjelostok q 6 führte, hielt der Deputierte Fürst Urussow, der - die Machtlosigkeit der regulären Verwaltung gegen diese Banden der politischen Polizei erkennend - als Ministerialassistent unter Durnowo demissioniert hatte, in der Sitzung der Duma vom 8. Juni seine eindrucksvolle, das Treiben dieser von Hofkreisen aus begünstigten, von den unteren Polizeibehörden organisierten „Nebenregierung" scharf beleuchtende Rede. 7
p A: Möglichkeit, der
q A: Bjalostock
1 Brigantentum, abgeleitet v o m italienischen briganti = Aufständische, Räuber. In Italien und Sizilien w u r d e n im 19. Jahrhundert w ä h r e n d d e r z e i t des Kampfes z w i s c h e n Ferdinand I. und Murat und später w ä h r e n d des Kampfes von Garibaldi und König Viktor Emanuel g e g e n Franz II. von Neapel Briganten als K a m p f t r u p p e n eingesetzt. 2 Einige dieser Briefe sind abgedruckt in: Russkija Vedomosti, Nr. 61 v o m 4. März 1906, S.2. 3 Der betreffende Aufruf w u r d e in der Druckerei des Petersburger „ G r a d o n a c a l ' n i k " gedruckt. Er war von e i n e m Beamten des Innenministeriums verfaßt worden. Vgl. dazu: Russkija Vedomosti, Nr. 58 v o m 1. März 1906, S . 2 . 4 W e b e r bezieht sich auf die Berichte in: Russkija Vedomosti, Nr. 61 v o m 4. März 1906, S. 2, Nr. 62 v o m 5. März 1906, S. 2, und Nr. 100 v o m 14. April 1906, S. 2. 5 Eine e n t s p r e c h e n d e M e l d u n g in: Russkija Vedomosti, Nr. 89 v o m 1 .April 1906, S. 3. 6 V o m 1. bis 3. Juni kam es in Belostok (polnisch: Bialystok) zu e i n e m Pogrom, in d e s s e n Verlauf nach offiziellen A n g a b e n 82, nach inoffiziellen Schätzungen mehrere hundert J u d e n ermordet w u r d e n . Die D u m a setzte am 2. Juni 1906 eine U n t e r s u c h u n g s k o m m i s sion ein, die nach einer Inspektionsreise nach Belostok der D u m a am 22. und 23. Juni Bericht erstattete. Sten. otcety Gos. D u m y , 1 -yj sozyv, S. 1 5 8 3 - 1 6 0 3 und 1 6 2 3 - 1 6 4 2 . 7 Die Rede Urusovs ist abgedruckt in: Russkija Vedomosti, Nr. 149 v o m 8. Juni 1906, S. 2, und Nr. 150 v o m 10. Juni 1906, S . 3 . Sten. otcety Gos. Dumy, 1 -yj sozyv, S.1129-1132.
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die Semstwos um Beschaffung von Lokalitäten wendeten, was regelmäßig abschlägig beschieden wurde. Die möglichste Steigerung der „administrativen Verschickungen" - Internierungen in entlegene Gouvernements ohne gerichtliches Verfahren und Urteil und über5 haupt ohne Rechtsweg26) - | konnte' dem Übel ebensowenig abhel- A 179 (15) fen wie die in den Gegenden mit „Kriegszustand" vielfach auf amtliche Anweisung für bestimmte Fälle revolutionärer oder „verdächtiger" Handlungen vorgenommenen Füsilladen brevi manu, ohne jegliches vorhergegangene, auch nur formelle kriegsgerichtliche8 Ver10 fahren. Und während sonst auf der einen Seite die Gefängnisbehörden gegen die „Politischen" innerhalb des Erlaubten und darüber hinaus, oft „Vorsicht" üben, da sie die Unannehmlichkeiten, welche ihre entschlossene Solidarität ihnen bereiten kann, scheuen, und anderseits für den russischen Revolutionär gewöhnlich, wenn er erst 15 einmal festgenommen ist, die Abnahme der furchtbaren Last der Verantwortung für seine Sache und das Aufhören der unausgesetzten geistigen Anspannung, wenigstens zunächst, eine psychische Erleichterung zu bedeuten pflegt, und kurze Freiheitsstrafen direkt als „Erholung" gelten, - waren diesmal, bei der beiderseitigen Erbit20 terung und schon infolge der allgemeinen Verhältnisse in den überfüllten Lokalitäten, Selbstmordversuche oder Nervenzerrüttung der Gefangenen oder Hungerstreik 27 ) gegen die Administration wegen 26 ) Die Verhängung dieser Maßregel erfolgt nach dem geltenden Recht auf Bericht der örtlichen Polizeibehörde, ohne daß die Anhörung des Betroffenen erforderlich wäre, durch den Minister des Innern nach Anhörung einer aus 4 Mitgliedern bestehenden Kommission. Der Verschickte steht unter Polizeiaufsicht, darf irgendeiner Privatgesellschaft nicht angehören, an einer Versammlung (auch wissenschaftlichen) nicht teilnehmen, nicht als Arzt, Lehrer, Buchhändler oder Schankwirt tätig sein. Die Korrespondenz darf revidiert oder ihm ganz verboten werden. 8 | 27 ) Auch der bekannte Verleger Jurizynz. B. verweigerte, „wegen unwürdiger Behand- A 179(15) lung", acht Tage die Nahrung und so zahllose andere (vgl. z. B. Russk[ija] Wjed[omosti] 15. Februar S. 4). 9 Die Sozialdemokratische Partei mußte einen eignen Beschluß fassen, um den inhaftierten Genossen die Beteiligung an einem beabsichtigten „Generalhungerstreik" zu untersagen.
r A: konnten
s A: kriegsgerichtliches
8 Svod Zakonov, tom 14, st. 3 2 - 3 6 , S.97, Ausgabe 1892; sowie die Verordnung vom 12. März 1882, PSZRI, 3-e sobr., tom 2, Nr. 730. 9 Weber bezieht sich vermutlich auf: Russkija Vedomosti, Nr. 28 vom 29. Jan. 1906, S. 3, Sp. 1. In der von Weber erwähnten Nummer der Zeitung ist diese Meldung nicht zu finden.
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unwürdiger Behandlung von Seiten der Beamten und barbarische Roheiten, namentlich auch gegen Frauen an der Tagesordnung. Eine Feststellung der Zahl der ohne Gericht Niedergeschossenen, Eingekerkerten, Verschickten scheint ganz unmöglich, die Angaben der Presse schwanken bezüglich der letzteren beiden Kategorien zwi- 5 sehen 17000 und 7000028). Wichtiger ist für die politische Beurteilung der Entwicklung die Frage, was denn nun durch dies Regime erreicht wurde. Größere gemeinsame Aufstände sind natürlich überall niedergeschlagen. Das massenhafte Niederbrennen der Gutshöfe hörte auf, nach Verlusten, deren Höhe nur sehr entfernt schätzbar ist 10 (für 17 europäische Gouvernements (von 61) wurden amtlich s.Z. 31,3 Millionen Rubel, in Ssaratow das Maximum von 9Vi Millionen Rubel, ermittelt) 10 und für welche die Versicherungsgesellschaften die Zahlung unter Berufung auf die Kriegsklausel ablehnten, - in grellem Kontrast gegen Amerika nach dem Erdbeben von San Fran- 15 A180 (16) zisko.11 Aber noch im April mußte, gegen die erneut | drohenden Bauernunruhen, eine Umgarnisonierung von 159 Bataillonen Infanterie und den entsprechenden Quantitäten anderer Waffengattungen mit Kosten von mehreren Millionen Rubel vorgenommen werden283). „Wir werden die Revolution nicht nur vernichten, sondern 20 zu Staub pulverisieren," hatte Durnowo gesagt.12 Zum heilsamen Schrecken für die Bourgeoisie veröffentlichte der „Prawitjelstwen2S ) Amtliche Angaben aus dem April (jedoch nicht alle Gefängnisse enthaltend) gaben gegen 11000 Gefangene, bei einer zugestandenen Überfüllung um ca. 60-65%[,j an, was für die damalige Zeit noch etwa 7000 „extraordinäre" Inhaftierte in diesen Gefängnissen bedeuten würde (cf. „Nowfoje] Wr[emja]" 10787 S. 5 ) . 1 3 D i e Zahl der Verhaftungen von Januar bis Mai wurde in der D u m a auf 23000 beziffert. 1 4 Im Mai wurden rund 12000 „Politische" als inhaftiert oder verschickt amtlich zugegeben. 1 5 | 28a A 180 (16) ) Dabei aber wurden damals Gesuche der Gutsbesitzer um Verlegung von Truppen auf das Land abgelehnt, weil dann die Soldaten zu den Bauern übergehen würden. D e n Gutsbesitzern wurde das private Mieten von Kosakenwachen angeraten.
1 0 S i e h e d i e o f f i z i e l l e M i t t e i l u n g d e s I n n e n m i n i s t e r s in: V e s t n i k s e l ' s k a g o c h o z j a j s t v a , N r . 1 3 v o m 2 6 . M ä r z 1 9 0 6 , S. 1 6 f . 1 1 D a s E r d b e b e n In S a n F r a n c i s c o e r e i g n e t e s i c h a m 18. A p r i l 1 9 0 6 . 1 2 A l s Zitat n i c h t n a c h g e w i e s e n . L a u t B e r i c h t d e r R u s ' , N r . 2 6 v o m 2 1 . N o v . 1 9 0 5 , S. 2 : K o m u n u z n o g. D u r n o v o , hatte D u r n o v o d a v o n g e s p r o c h e n , „ d a s g a n z e L u m p e n p a c k auseinanderzujagen." 13 S i e h e : N o v o e V r e m j a , N r . 1 0 8 7 8 v o m 2 1 . M ä r z 1 9 0 6 , S . 5 . 1 4 D e r S a c h v e r h a l t ließ s i c h n i c h t e r m i t t e l n . 1 5 S i e h e d a z u d i e M i t t e i l u n g Im o f f i z i ö s e n R u s s k o e G o s u d a r s t v o , N r . 9 9 v o m 13. M a i 1 9 0 6 , S. 1, S p . 6 .
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nyi Wjestnik" wöchentlich die Liste der revolutionären Gewalttaten, übrigens, wie man sich leicht überzeugen kann, unvollständig. 16 Die Liste zeigt von Januar bis Mai ebensowenig eine wirklich zweifellose Tendenz zum Sinken, wie die ständige, eine halbe bis eine Spalte lange tägliche Rubrik: „Unordnungen", z.B. im „Nowoje Wremj a". 17 Der April wies bis zum Zusammentritt der Duma die übliche Zahl von Hinrichtungen auf, aber auch der Durchschnitt von etwa 5 politischen Mordanfällen pro Tag blieb - natürlich von Tag zu Tag stark schwankend - doch im wesentlichen auf dieser, übrigens schon seit einiger Zeit gewohnten Höhe. 'Taganzew führte im Reichsrat (27. Juni) an, daß von 1863 bis 1903: 15, vom 1. Januar bis l.Juni 1906: 180 Todesurteile ausgesprochen worden seien. Die Zahl kann sich nur auf die „ordentlichen" Gerichte beziehen. ,18 Wie viele der Raubanfälle auf Bankkassen wirklich dem Zweck, Geld für die Zwecke der Revolution zu schaffen, dienten, ist natürlich nicht feststellbar. Sie wurden im März und April epidemisch, nachdem der zweifellos politische, beispiellose Raub von 850000 Rubel baren Geldes bei einer Moskauer Bank geglückt war und die Täter unentdeckt blieben. 19 Die höchsten Beamten zwar gelang es vorerst persönlich gegen Attentate zu sichern, meist auch die mittleren, nur ein kleines Dutzend Gouverneure bez. Stellvertreter von solchen fiel der Klassenrache zum Opfer. Aber um so mehr mußten die unteren Instanzen im alltäglichen Kleinkrieg ihre Haut zu Markte tragen 29 ). 29 ) Der Minister des Innern zählte für das erste Halbj ahr 1906 827 Anfälle auf Polizeibeamte, davon 156 erfolglos (Dumasitzung vom 8 . 6 . ) . 2 0
t - f Nachtrag 1 eingeschoben, siehe unten, S. 681. 16 Vgl. z.B. den Bericht für die Woche vom 20. bis 27. März 1906 in: Pravitel'stvennyj Vestnik, Nr. 72 vom 30. März 1906, S. 3. 17 Vgl. z.B. Novoe Vremja, Nr. 10792 vom 31. März 1906, S.2. Die Länge der Spalte „Bezporjadki" (Unruhen) variierte erheblich. Manchmal umfaßte sie nur 20 Zeilen, an anderen Tagen 1 Vi- Spalten. 18 Sten. otcety Gos. Soveta. Sesslja 1, zasedanie 9, S. 13. Tagancev sprach von 15 Todesurteilen pro Jahr für den Zeitraum 1863-1903. 19 Am 7. März 1906 überfiel eine Gruppe von ca. 20 Bewaffneten, Mitglieder der Partija Socialistov-Revoljucionerov, eine Moskauer Bank und entkam unerkannt mit einer Beute von ca. 875000 Rbl. Vooruzennoe napadenle na Obscestvo vzaimnago kredita, in: Russkija Vedomosti, Nr. 65 vom 8. März 1906, S. 4. 2 0 Vgl. die Rede des Innenministers Petr Stolypin in der Duma am 8. Juni 1906, in: Russkija Vedomosti, Nr. 150 vom 10. Juni 1906, S.3. Sten. otcety Gos. Dumy, 1-yj sozyv, S. 1125-1129. Die Zahlen bezogen sich auf den Zeitraum vom I.Oktober 1905 bis 31. Mai 1906.
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Von den höheren Beamten sind, soviel mir bekannt, nur solche „hingerichtet" worden, welche sich erwiesenermaßen entweder gesetzlich nicht gebotener Grausamkeiten schuldig gemacht hatten oder gegen die kein Recht gewährt wurde. Die Revolutionäre reagierten prompt, als der Dichter und Herausgeber des „Russkoje 5 Bogatstwo", Koroljenko, in einem offenen Brief die schmachvolle Verletzung der Menschenwürde einer Bauernschaft durch Staatsrat Filonow an den Pranger stellte, 21 ebenso als - nach Preßnachrichten - die Frauen eines Kosaken-Offizierkorps den Kosakenoffizier Abramow wegen Schamlosigkeiten gegen die Attentäterin Spiridonowa 10 brandmarkten 293 ). 22 Ein eigenes Gesetz gegen die Verbreitung „lügnerischer" Nachrichten über Handlungen von Beamten suchte dieA181 (17) se | gegen solche Pronunciamentos 30 ) 23 zu schützen. Während einerseits die Unterdrückung der Mord-, speziell auch der Bombenanschläge schlechterdings nicht gelang, übten aber diese anderseits auf 15 29a ) Nach der Ermordung Abramows suchte sich das Justizministerium von dem Vorwurf, durch die Unterlassung jeden Einschreitens gegen ihn, selbst die Schuld an seinem A 181 (17) Tode zu tragen, durch ein langes, ihre Mädchenehre verleumdendes | Communiqué zu entlasten, dessen Sachdarstellung alsbald der Verteidiger der Spiridonowa scharf entgegentrat. (Sfiehej beide Schriftstücke in „Prawo" Nr. 15.) 24 Abramow hatte die schwindsüchtige, bei der üblichen Prügelfolter haarsträubend mißhandelte Gefangene vergewaltigt. 30 ) Offene Briefe nach Art des Koroljenkoschen waren häufig. Vgl. z.B. den offenen Protestbrief von 24 Mitgliedern des Twerschen Semstwo gegen das Erscheinen des gewesenen Tomsker Vizegouverneurs Asantschejew in ihrer Mitte, der in Tomsk während der Oktoberkämpfe der Selbstverbrennung" einer Schar von Einwohnern, die ihre Frauen nicht in die Hände der „Schwarzen Hundert" und der Kosaken fallen lassen wollten, untätig zugesehen hatte, im „Prawo" Nr. 4. 2 5
U DV; A: Selbstverbannung 21 Unter dem Titel: Otkrytoe pis'mo statskomu sovetniku Filonovu, in: Pravo, Nr. 3 vom 22. Jan. 1906, S. 214-220. Filonov wurde kurz nach der Veröffentlichung des offenen Briefes ermordet. 22 Am 16. Januar 1906 erschoß die Sozialrevolutionärin Marija Spiridonova den Regierungsrat in Tambov, Luzenovskij. Nach ihrer Verhaftung und Folterung durch den Kosakenoffizier Abramov wurde dieser am I.April 1906 auf offener Straße erschossen. Vgl. Nabokov, Vladimir, Justicija opravdyvaetsja, In: Pravo, Nr. 15 vom 16.April 1906, S. 1346-1349. Zum Protest der Kosakenfrauen vgl. Frankfurter Zeitung, Nr. 108 vom 20. April 1906,1 .Mo.bl., S. 1. 23 Pronunciamento wird hier im Sinne von „öffentlicher Aufruf" gebraucht. 24 Soobscenie ministerstva justicii, S. 1366-1368, und Teslenko, Otvet na soobsöenie ministerstva justicii, S. 1387-1391. 25 Otkrytoe pis'mo gubernatoru Azanceev-Azancevskomu, S. 316f.
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die Praxis der Verwaltung keine ersichtliche, einschüchternde Wirkung mehr aus: es tobte einfach der chronische Bürgerkrieg in der furchtbarsten Form der Guerilla: Pardon wurde von beiden Seiten nicht gegeben, die Mitvernichtung Unschuldiger nicht beachtet. Je5 de Bombenexplosion tötete ganz Unbeteiligte mit, - auf einen Schuß oder eine Bombe antworteten die Truppen, wenn sie selbst betroffen oder zufällig in der Nähe waren, ganz regelmäßig mit einer Salve blind in das Gewühl der Passanten hinein. Erst nach den Wahlen, in der Osterzeit, als die Anleihezeichnung beginnen sollte, begann 10 man, des guten Eindrucks wegen, dem schier unerträglichen Platzmangel der Gefängnisse 31 ) durch zahlreichere Freilassungen von, teilweise 4 - 5 Monaten ohne Zustellung irgend einer Anklage im Gefängnis steckenden, „Politischen" etwas abzuhelfen 32 ). Gegenüber der unbeugsamen Energie der Gefangenen war inzwischen die 15 Schroffheit der Gefängnisverwaltungen bereits wieder soweit erlahmt, daß sie vielfach mit Ausschüssen aus ihrer Mitte Kompromisse schloß über das, was ihnen erlaubt sein sollte.
31 ) D i e Zahl der politischen G e f a n g e n e n betrug in der Stadt M o s k a u am 7. Mai, nachd e m m a s s e n h a f t e Freilassungen längst erfolgt waren, n o c h 1337 („Russk[ija] W j [ e d o m o sti]" 8. M a i ) . 2 6 32 ) V o n den am 12. D e z e m b e r verhafteten 137 Arbeitern einer Charkower Fabrik wurden am 15. März 10 freigelassen, 55 angeklagt, 48 wurde o h n e w e i t e r e n K o m m e n t a r erklärt: sie m ü ß t e n n o c h sitzen, das Schicksal des R e s t e s war nicht feststellbar. 2 7
2 6 W e b e r bezieht sich vermutlich auf die entsprechende Meldung in: Russkija V e d o m o sti, Nr. 123 v o m 9. Mai 1906, S. 4. 2 7 Der von W e b e r angeführte Sachverhalt ließ sich nicht klären.
II. aAnalyse der allgemeinpolitischen Gesetzgebung des Interimsministeriums a Neben diesen mit barbarischer Wildheit 33 ) dennoch aber nicht wirklich erfolgreich gemachten Versuchen, der „Kramola" Herr zu werA182 (18) den, im | Interesse der Selbsterhaltung sowohl wie in dem der Wiederherstellung der Kreditwürdigkeit, lief nun das andere Konto: die Versuche, Institutionen zu schaffen, welche im Auslande den äußeren Eindruck einer Durchführung des Manifestes vom 17. Oktober erwecken mußten, ohne doch die Machtstellung der Bureaukratie ernstlich zu gefährden. Das Manifest hatte versprochen: 1. die GeWährung der „effektiven" (djejstwitjelnaja) Unantastbarkeit der Person, der Freiheit des Gewissens, des Wortes, der Versammlungen und Vereine; 2. Ausdehnung des Wahlrechtes, wovon wir später zu sprechen haben; 1 3. Durchführung des Grundsatzes, daß kein Gesetz ohne Genehmigung der Duma in Kraft tritt, und einer „effektiven" Beteiligung der Duma „an der Beaufsichtigung der gesetzlichen Wirksamkeit" der Staatsgewalt. 2 Es lohnt immerhin, die Ausführung dieser Versprechungen durch das alte Regime, welches sich selbst als bis zum wirklichen Zusammentritt der Duma fortbestehend betrachtete und den altersschwachen und sonst so schläfrigen Reichsrat in wahrhaft fieberhafter Hast bis zu seiner formellen Schließung (17. April/1. Mai 1906)3 arbeiten ließ, etwas näher zu verfolgen und überhaupt das Schicksal der einzelnen „Freiheiten", um die sich 33 ) Der natürlich eine entsprechende Wildheit von der anderen Seite antwortete. Es sind Fälle bekannt geworden, wo kleine Kinder von ihren Vätern an Kosakenabteilungen herangeschickt wurden, um Bomben in sie zu schleudern: Erwachsene hätten die Soldaten sich nicht nahe kommen lassen. 4 |
a Kapitelüberschrift in Anlehnung an das Inhaltsverzeichnis, oben, S. 293, eingeschoben.
1 Siehe unten, S.448f. 2 Siehe den Gesetzestext in: PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 26803. Deutsche Übersetzung bei Scheibert, Parteien, S. 29. 3 Durch die Gesetze vom 20. Februar 1906 wurde der Reichsrat in ein Oberhaus umgewandelt und erhielt die gleiche gesetzgeberische Funktion wie die Reichsduma. Er tagte jedoch in seiner alten Form bis zum 17. April 1906 und erhielt am 24. April 1906 eine neue Satzung. Am 28. April fand die erste Reichsratssitzung In neuer Form statt. 4 Über die von Kindern ausgeführten Attentate siehe den Artikel: Zverlnoe carstvo, in: Novoe Vremja, Nr. 10844 vom 24. Mai 1906, S.3.
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Analyse
der allgemeinpolitischen
Gesetzgebung
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dieser in seiner verzweifelten Hartnäckigkeit an die Zeit Karls I. 5 erinnernde Kampf dreht, an der Hand der Dokumente der letzten beiden Jahre im Umriß zu analysieren. Wir beginnen mit den unter Nr. 1 des Manifestes versprochenen bürgerlichen Freiheitsrechten. l . b cVon diesen d war die „Freiheit des Wortes" diejenige, deren Regelung sich der Regierung von selbst aufdrängte. Nach dem Manifest vom 17. Oktober usurpierte die Presse faktisch volle Zensurfreiheit. Die vorgeschriebene Einlieferung der Exemplare zur Prüfung fand nicht statt, die Zirkulare, in welchen in bisher üblicher Art bestimmte Gegenstände von der Erörterung ausgeschlossen wurden, beachtete man einfach nicht, und die Regierung wagte damals nicht einzuschreiten. Erst die - übrigens in Anbetracht der gegebenen Machtlage unglaublich törichten - republikanischen Provokationen der neuentstandenen sozialistischen Presse veranlaßten sie, im Interesse ihrer Selbsterhaltung, zum Einschreiten, und die Erschöpfung der Massen durch den fruchtlosen zweiten Generalstreik im November gab e ihr den Mut, einen ersten Schritt in der Richtung der Reaktion zu tun. Das „zeitweilige' Reglement über die Presse" vom 24. November (7. Dezember) 19056 hob die Präventivzensur für die Mehrzeit der periodischen Preßerzeugnisse, nämlich für die in den Städten erscheinenden, auf (Nr. I), unterstellte die Presse im Falle von Vergehen oder des Verdachts solcher ausschließlich den Gerichten (Nr. II, IV), schaffte die Konzessionspflicht der Preßverleger ab (Nr. III), beseitigte das Recht des Ministers des Innern, die Behandlung bestimmter Gegenstände „von staatlicher Bedeutung" in der Presse zu untersagen (Nr. V) und führte statt des Konzessionssystems offiziell den „javotschnyj porjadok" (die Anzeigepflicht) bei beabsichtigter Gründung von Preßorganen ein. Aber dies ist nur
b A: I . Inhaltsverzeichnis (oben, S. 293): 1. dieser e A: g a b e n f A: „zeitweilige"
c-c
(S. 398): Petitdruck in A.
d A:
5 Gemeint sind die Auseinandersetzungen zwischen d e m Parlament Cromwells und der Krone, die z u n e h m e n d mit gewaltsamen Methoden geführt wurden und am Ende zur Hinrichtung des Königs führten. 6 Ein Abdruck dieser Verordnung unter d e m Titel: Vremennyja pravila o pecati, in: Pravo, Nr. 4 8 / 4 9 vom 4. Dez. 1905, S. 3 9 0 3 - 3 9 0 7 .
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Schein, denn sie forderte, daß mit der Anzeige neben anderen Angaben auch ein „Programm" der Zeitung oder Zeitschrift eingeliefert werde (Nr. VII, 1), und gibt der Behörde das Recht, falls das Programm der „Sittlichkeit oder den Strafgesetzen" widerstreite, das A183 (19) Erscheinen durch Versagung des | Zeugnisses über die erfolgte Anzeige9 zu hindern. Da vor der Erteilung des Zeugnisses die Zeitung nicht erscheinen darf 34 ), ist faktisch die größte Willkür möglich. Tatsächlich sind auf diesem Wege massenhaft Zeitungen wegen „regierungsfeindlicher" Richtung inhibiert worden; z.B. gilt offenbar ein für allemal das Wort „sozialistisch" als genügend zur Ablehnung, ebenso sind ukrainophile Blätter wegen ihres Programms nicht zugelassen worden usw.7 Wie sich der Senat, an den Beschwerde zulässig ist, zu dieser Praxis gestellt hat, ist mir zurzeit nicht bekannt. Ferner muß von jeder Nummer beim Erscheinen ein Exemplar eingeliefert werden (VII, 8), worauf, im Fall darin die „Anzeichen einer verbrecherischen Handlung" enthalten sind (VII, 9), Arrest auf dieselbe gelegt werden kann 35 ), und zwar - was eine Verschlechterung gegenüber dem bestehenden Zustande bedeutete - nicht mehr nur durch die kollegialen Zensurkomitees, sondern durch Einzelbeamte, und ferner, ohne eine Frist festzusetzen, innerhalb deren, bei Vermeidung des Erlöschens des Arrestes, ein Gerichtsbeschluß herbeigeführt werden muß (es soll „unverzüglich" geschehen, Nr. VII, II) 36 ). Aufrechterhalten wurde die Zensur, außer für alle nicht in Städten erscheinenden Blätter, für Hofnachrichten, ferner für Verhandlun-
A 183 (19)
34
) Dafür sind (nach Nr. VII des Reglements) die Druckereien verantwortlich. ) Für die Zeit vom 12. Dezember bis 12. Januar z. B. gab eine Zusammenstellung die Zahl der in 17 Städten unterdrückten Zeitungen auf 78, der arretierten Redakteure auf 58, der von bedingt freigelassenen Redakteuren gestellten Kautionen auf 386500 Rubel an. („Russk[ija] Wjed[omosti]" 16 S. 2 8 nach dem „Wjetschernyj Goloss".) 36 ) Gleichwohl klagte die Zensurbehörde beim Ministerium noch über die Schwierigkeiten, welche bei Versendung von periodischen Publikationen vor rechtzeitiger Arrestlegung für sie entstünden („N[owoje] Wr[emja] 10811, 2). 9 | 35
g DV; A: Bescheinigung
7 Dies läßt sich so nicht nachweisen. Anfang Januar 1906 erschien z.B. in Poltava eine ukrainische Zeitung. Vgl. Russkija Vedomosti, Nr. 9 vom 10. Jan. 1906, S. 1. 8 Die Meldung In: Russkija Vedomosti, Nr. 16 vom 17. Jan. 1906, S . 2 . 9 Weber bezieht sich auf: Novoe Vremja, Nr. 10811 vom 20. April 1906, S. 2.
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gen der Versammlungen des Adels, der Städte und Semstwos, aber auch - was für den Wahlkampf seine erhebliche Bedeutung hat - für Annoncen (Art. 41 des Zensurstatuts, Nr. XI des Reglements)! Gegenüber amtlichen „Berichtigungen" darf nach wie vor nur im Falle des Vorliegens „dokumentarischen" Beweises die „berichtigte" Behauptung aufrechterhalten werden (Art. 1039 des Str.G.B.). 1 0 Neben der kriminellen Bestrafung kann vom Gericht die Inhibierung des weiteren Erscheinens der Zeitung verhängt werden. Der Rest des Reglements bietet teils kein spezielles politisches Interesse, teils entspricht es unserer eigenen Gesetzgebung. - Der Ukas vom 18. März (1. April) 190611 verschärfte - neben anderen unerheblichen Bestimmungen - diese Gesetzgebung 1. durch die (einer partiellen Wiedereinführung der Zensur praktisch gleichkommende) Bestimmung, daß Illustrationen jeder Art - getroffen sollten speziell die Witzblätter werden - 24 Stunden vor Erscheinen des Blattes einzureichen sind und das Gericht auch ohne Gerichtsverfahren gegen eine Person (also im „objektiven" Verfahren) 12 die Vernichtung verfügen kann, falls die „Merkmale eines Vergehens" vorliegen; 2. durch strafrechtliche Haftbarmachung der Druckerei (eventl. bis zur Schließung derselben) für die Innehaltung der Vorschriften über die Einlieferung der Exemplare. Für die mc/ifperiodische Presse bestand die Zensur auch nach dem Oktobermanifest und dem Preßreglement vom November fort. Die Buchhändler, welche sie einfach als nicht mehr vorhanden betrachtet hatten - im „Verband für die Freiheit der Presse" 13 war beschlossen worden, die Verleger und Sortimenter zu boykottieren, welche noch die vorgeschriebenen Pflichtexemplare einliefern oder von der Zensur nicht abgestempelte
10 So geregelt in: Svod Zakonov, Ausgabe 1892, tom 15, 5.1: Ulozenie o nakazanijach ugolovnych i ispravitel'nych, otdel 2, st. 1039, S.222. 11 Der Text des Ukaz vom 18.(31.) März in: PSZRI, 3-esobr., tom 26, Nr. 27574. Weber bezieht sich möglicherweise auf: Gessen, I.V., Istoricesklj zakon, in: Pravo, Nr. 14 vom 9. April 1906, S. 1283ff. 12 Als objektives Verfahren wird ein Strafverfahren bezeichnet, das nicht auf Verurteilung eines bestimmten Beschuldigten (subjektives Verfahren), sondern auf andere aus Anlaß einer Straftat zulässige strafrechtliche Maßnahmen ausgerichtet ist, d.h. z.B. auf die Einziehung oder Unbrauchbarmachung von Sachen etc. 13 Der „Verband für die Verteidigung der Freiheit der Presse" (Sojuz v zascitu svobody pecatl) wurde am 13. Oktober 1905 unter Beteilung fast aller großen Petersburger Presseverleger gegründet. Sputnik izblratelja v Gosudarstvennuju Dumu na 1906 god. - S.Peterburg: I. I.Efron 1906, S. 90 (künftig: Sputnik izbiratelja).
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A 184 (20) Bücher nicht verkaufen würden - wurden massenhaft straf| rechtlich zur Verantwortung gezogen 37 ); ihre Berufungen auf Äußerungen Wittes ihren Vertretern gegenüber, aus denen als Rechtsansicht der Regierung der Fortfall der Zensur durch das Manifest selbst hervorgehen sollte, scheiterten an der eidlichen Ableugnung Wittes in 5 einem der entstandenen Prozesse. 14 Der Versuch, die Zensur durch die Veranstaltung von Lieferungswerken und Serien von Abhandlungen in der Form von monatlich erscheinenden „Zeitschriften" zu umgehen (vgl. Russk[ija] Wjedjomosti] 59,2) führte zu einem Spezialverbot hiergegen ( l . M ä r z ) . 1 5 Als endlich eine Vorlage behufs 10 allgemeiner Beseitigung der Zensur an den Reichsrat kam, hielt dieser die Erledigung der Sache vor Zusammentritt der Duma für inopportun und stimmte lediglich der Kürzung der der Zensur zur Durchsicht gegebenen Frist auf zwei Tage und der Einführung des Preßreglements auch für die nicht periodische Presse zu. Das trotz- 15 dem sanktionierte neue Reglement in seiner endgültigen Redaktion erschien mit der Unterschrift vom 26.(!) April erst nach dem am 27. erfolgenden Zusammentritt der Duma 3 7 a ). 1 6 Es unterscheidet nichtperiodische Druckschriften von unter und über fünf Bogen. Von letzteren werden gleichzeitig mit der Ausgabe aus der Druckerei 20 Pflichtexemplare den jetzt in „Inspektoren für Preßangelegenheiten" umtitulierten Zensoren eingereicht. Drucksachen unter fünf Bogen dürfen aus den Druckereien überhaupt erst 2 Tage (bei Umfang bis zu einem Bogen) bezw. 7 Tage (1-5 Bogen) nachher ausgegeben werden. Arrestlegung durch die Inspektoren ist zulässig und 25 ergreift alle nicht schon in das Eigentum Dritter übergegangenen Exemplare. Bei Drucksachen unter fünf Bogen ist „objektives" Verfahren auf Vernichtung der Drucksachen, wie bei Zeitungen, zuläsA 184 (20)
37 ) Ebenso die Druckereien, die massenhaft geschlossen wurden, ,,Now[oje] Wr[emja]", 7. Februar. 1 7 Die Provinzialsortimenter gerieten durch jenen von den hauptstädtischen großen Verlegern strikt durchgeführten Beschluß in nicht geringe Verlegenheit, (Vgl. „Russk[ija] Wjed[omosti]", 16. Januar, S. 2 Sp. 6. 1 8 37a ) Seine Gültigkeit wurde deshalb - juristisch wohl mit Unrecht - bezweifelt. |
14 Weber nimmt Bezug auf: Russkija Vedomosti, Nr. 59 vom 2. März 1906, S.2. 15 Ebd. 16 Wie oben, S. 323, Anm. 11. 17 Die Meldung in der Rubrik: Moskovskaja Chronika, in: Novoe Vremja, Nr. 10741 vom 7. Febr. 1906, S. 2. 18 Weber bezieht sich auf: Russkija Vedomosti, Nr. 15 vom 16. Jan. 1906, S. 2.
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sig, auch wenn kein Strafverfahren begründet ist, dennoch aber „die Merkmale einer Strafhandlung" in der Broschüre enthalten sind. Faktisch wird Rußland zurzeit, wie jeder Blick in die Zeitungsannoncen oder in den „Knishnij Wjestnik" 19 zeigt, geradezu überschwemmt mit Übersetzungen der ausländischen, besonders sozialistischen, Literatur, fabelhaft billig, weil durch das Fehlen des Autorrechtsschutzes für fremde Autoren alles im Wege des literarischen Diebstahls importiert wird. Die Auflagen der bekannten sozialistischen Arbeiten betragen nicht selten 30000 Exemplare und folgen sich Schlag auf Schlag. Was für Geistesspeise dabei in Massen verschlungen wird, lehrt zumal das Gebiet der „Ethik". Solche primitiven Produkte, wie Kautskys „Ethik" 20 oder Anton Mengers letztes, in Deutschland doch von niemandem ohne ein ärgerliches Lächeln über diese Kindlichkeiten durchblättertes Buch, 21 haben den kolossalsten buchhändlerischen Erfolg. Die Kauflust für radikale Literatur überhaupt scheint schier unerschöpflich. Rückgängig zu machen wäre hier, bei einem so in die Hunderttausende von Exemplaren gehenden, überall hin verbreiteten Besitzstand an diesen Schriften selbst durch die denkbar extremsten Repressions- und Konfiskationsmaßregeln gar nichts mehr. Nur Schikanen aller Art, die den Haß gegen das bestehende Regime stets neu entfachen, sind hier noch möglich und werden reichlich geübt.
2.h Von den im Manifest vom 17. Oktober versprochenen Freihei- A 185 (21) 25 ten war die | „Gewissensfreiheit" in gewissem Umfang schon durch den Ukas vom 17. April 1905 verliehen worden. Das „Toleranzedikt" selbst beruhte auf den durch Ukas vom 12. Dezember 1904, Punkt 6, angeregten eingehenden Beratungen des Ministerkomitees (25. Januar, 1., 8. und 15. Februar 1905), in denen, wie die veröffenth A: II. Inhaltsverzeichnis (oben, S. 293): 2. 19 Der „Kniznij Vestnik", wöchentlich publiziert, war das Verzeichnis der Neuerscheinungen und wurde von der „Gesellschaft der Buchhändler und Verleger" herausgegeben. Die meisten sozialistischen Bücher und Broschüren hatten eine Auflage von 5 0 0 0 - 1 5 0 0 0 Exemplaren. 20 Kautskys Buch „Ethik und materialistische Weltanschauung", in dem er eine äußerst naturalistische Position vertrat, war Anfang 1906 erschienen. 21 Anton Menger propagierte in seiner Schrift „Neue Sittenlehre", die 1905 publiziert wurde, eine sozialistische Sittenlehre, die durch Erziehung die Grundlagen einer neuen Moral schaffen sollte.
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lichten Protokollauszüge deutlich erkennen lassen, 22 die Ansichten des Metropoliten von Petersburg, Antonij, in den wichtigsten Punkten ausschlaggebend gewesen sind, während der Oberprokuror des Heiligen Synod, Pobjedonosszew, offenbar stärker als gewohnt, zurückzutreten hatte38). Die Gewaltsamkeit, hatte der Metropolit aus- 5 geführt, widerspreche dem Wesen der orthodoxen Kirche, und unter Berufung auf Tit[us]3,10 und Matthfäus] 18,17 23 hatte er auf die unerträgliche Lage hingewiesen, in welche die Kirchendiener gerieten durch die ihnen jetzt durch Art. 1006 der Strafgerichtsordnung (Band XV des „Sswod" in der Ausgabe von 1892)24 auferlegte 10 Pflicht, mit dem „bracchium saeculare"25 im Falle der Apostasie oder Häresie zusammenzuwirken: - Gewaltmaßregeln, so beschloß demgemäß das Komitee, seien fortan überhaupt im Falle des Glaubenswechsels nicht mehr anzuwenden, und bei Übergang von einem (auch dem orthodoxen) christlichen Glauben zu einer andern Form 15 desselben müsse also das Prinzip der völligen Freiheit der Konfessionswahl gelten, - nur der Abfall zu nicht christlichen (genannt A 185 (21)
38 ) D a s bedeutet indessen nicht, daß ein wesentlicher Unterschied in den Auffassungen bezüglich der Toleranz oder in den allgemeinpolitischen Ansichten zwischen beiden Personen bestände. Der Metropolit stimmte im Reichsrat mit der äußersten Rechten gegen die A m n e s t i e . 2 6 Nur in kirchenstaatsrechtlicher Hinsicht sind der erste russische Metropolit und der Oberprokuror', der ja die Macht der Bureaukratie über die Kirche zu vertreten hat, „natürliche" und im „Prinzip" unversöhnliche Feinde.
i A: Oberprokurar 2 2 Der Ukaz vom 17. April 1905, PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 26125, das sog. Toleranzedikt, verkündete die religiöse Toleranz und beseitigte die rechtliche Benachteiligung der nicht-orthodoxen christlichen Bekenntnisse. Der Ukaz vom 12. Dezember 1904, PSZRI, 3-e sobr., tom 24, Nr. 25495, hatte In recht vager Form Maßnahmen zur rechtlichen Gleichstellung der Bauern, der Einführung religiöser Toleranz, der Pressefreiheit und anderer bürgerlicher Freihelten verkündet. Die Beratungen des Ministerkomitees sind auszugsweise abgedruckt in: Pravo, Nr. 17 vom 1. Mai 1905, Beilage S. 1 - 4 6 . 2 3 „Einen ketzerischen Menschen melde, wenn er einmal und abermals ermahnt Ist." NT, Titus 3, Vers 10.,, Hört er die nicht, so sage es der Gemeinde. Hört er die Gemeinde nicht, so halte Ihn als einen Helden und Zöllner." NT, Matthäus 18, Vers 17. 2 4 So geregelt Im Svod Zakonov, Ausgabe 1892, tom 16, kn. 3, st. 1006, S. 282. 2 5 Wörtlich: weltlicher Arm. S e i t d e m Mittelalter gebräuchlicher Ausdruck für die Staatsgewalt. 2 6 Dies läßt sich nicht nachweisen, da das offizielle Protokoll nur das Abstimmungsergebnis mitteilt. Auch eine Rede des Metropoliten Antonij im Reichsrat ist nicht nachzuweisen, doch sprach er sich in einer Predigt für die Todesstrafe aus. Möglicherweise bezieht Weber sich darauf. Siehe den Artikel: Cerkov I smertnaja kazn', in: Strana, Nr. 72 vom 14. Mai 1906, S. 1.
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wurden: das mohammedanische und jüdische) Bekenntnissen müsse, bei dem christlichen Charakter des Staates und der Seltenheit des Vorkommnisses, zwar ebenfalls jeder gewaltsamen Repression entzogen sein, aber nach wie vor die bürgerlich-rechtlichen Folgen 5 (s[iehe] unten) 27 nach sich ziehen, welche aus der Unmöglichkeit der Anerkennung dieses Vorganges als eines rechtlich überhaupt möglichen seitens des Staates folgten. - Sehr eingehend wurde sodann die Mischehenfrage besprochen und die Ansicht des Metropoliten akzeptiert, wonach die bestehende Bestimmung, daß bei Beteiligung 10 eines orthodoxen Teiles an der Ehe die Kinder orthodox-zu erziehen seien - unter Ausschluß abweichender Abmachungen der Eltern aufrecht zu erhalten sei, „da die Zulassung der Mischehen selbst durch die Kirche schon eine Konzession an den Staat sei"28 und ja den Kindern der Austritt nach erreichter Volljährigkeit freistehe 39 ). 15 - Die Verhältnisse des „Raskol" (der im 17. Jahrhundert abgetrennten „altgläubigen" Schismatiker) litten wesentlich unter der Unvollendetheit der schon bestehenden Gesetzgebung, welche 187429 für sie besondere standesamtliche Listen geschaffen, 188330 - unter dem 39
) Der gültige Vollzug der Mischehe setzt nach wie vor voraus, daß orthodoxe Trauung (ev[entuell] neben und dann vor der andern) stattfindet. Beseitigt wurde Art. 33 Bd. X Teil 1. „Sswod Sak[onow]", welcher speziell für „Schismatiker" und „Sektanten" bisher den Übertritt zur Orthodoxie zur Bedingung der Ehe mit Orthodoxen macht. 3 1 |
27 Siehe unten, S.332ff. 28 Pravo, Nr. 17, S.7 (wie oben, S.326, Anm.22). Das Zitat aus den Beratungen des Ministerkomitees. 29 Gemeint ist das Gesetz vom 19. April 1874, durch das bei den Polizeidienststellen besondere Standesregister für die Raskol'nikl geschaffen wurden. Ebenso wurden alle Ehe- und Scheidungsangelegenheiten weltlichen Gerichten übertragen. Sie wurden damit von der orthodoxen Kirche, die bislang für die Registrierung zuständig war, unabhängig. Simon, Gerhard, Konstantin Petrovic Pobedonoscev und die Kirchenpolitik des Helligen Sinod 1880-1905. - Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1969, S. 169 (künftig: Simon, Kirchenpolitik des Heiligen Sinod). 30 Das Gesetz vom 3. Mai 1883, PSZRI, 3-e sobr., tom 3, Nr. 1545, gab den Altgläubigen und Sektanten (mit Ausnahme der Skopcen) das Recht auf einen Paß, auf Betreiben eines Gewerbes und auf die Bekleidung einiger Ämter, sowie die Ausübung ihres Rituals in geschlossenen Gebäuden. Jede öffentliche Religionsausübung blieb untersagt. Während in der Regierungszelt Alexanders II. eine sehr liberale Handhabung der bestehenden Gesetze praktiziert wurde, kam es in der Regierungszeit Alexanders III., vor allem auf Betreiben des Ober-Prokurors Pobedonoscev, zu erneuter Repression der Altgläubigen. Vgl. Curtiss, J. S., Church and State in Russia. The Last Years ofthe Empire, 1900—1917. — New York: Columbia University Press 1940, S. 134ff. (künftig: Curtiss, Church and State). 31 Svod Zakonov, Ausgabe 1892, tom 10, kn. 1, st. 33, S. 3.
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ihnen sehr gewogenen Alexander III. - ihren Gemeinden bürgerlich-rechtliche Anerkennung und ebenso Anerkennung ihres Rituals als einer geistlichen Amtshandlung gebracht hatte. Insbesondere die A186 (22) infolgedessen | eingetretene Abschwächung ihres Gegensatzes gegen die orthodoxe Kirche führte der Metropolit als Argument für die Beseitigung der Reste der alten gegen sie gerichteten Gesetzgebung an. Schwieriger war die Lage gegenüber den „Sekten", schon weil der Begriff jeder gesetzlichen oder gewohnheitsrechtlichen Bestimmtheit entbehrte, ferner, weil die Gesetzgebung in ihrem Verhalten ihnen gegenüber noch in der letzten Generation geschwankt hatte. Das Gesetz von 1874, betreffend die Kirchenbücher, hatte sie, laut Vorverhandlungen, mit umfassen wollen, dies aber nicht zum Ausdruck gebracht, erst recht nicht das Gesetz von 1883,32 und so herrschte hier die administrative Willkür. Dazu trat, daß zuerst 1878, dann durch Allerhöchst bestätigte Ministerialverfügung vom 4. Juli 189 4 33 den „Stundisten" die Errichtung gemeinsamer Betstunden untersagt worden war, die Administration aber dies Verbot, infolge seiner sachlich ganz unzutreffenden Charakterisierung der Eigenart der „Stundisten", auf alle möglichen Sekten ausgedehnt und anderseits die Stundisten (pietistische Protestanten) mit allerhand anderen Sekten, z.B. den pneumatischen Duchoborzen^,] 34 zusammengeworfen hatte. Das Ministerkomitee empfahl die Abschaffung der 1894er Verfügung als wirkungslos und auch unnötig, da das Wesen des Stundismus jetzt besser erkannt sei. Im übrigen schlug das Komitee vor, die Gesamtheit der einerseits nicht rechtgläubigen, anderseits zurzeit nicht (wie z.B. die lutherische Kirche) schon anerkannten religiösen Gemeinschaften nicht mehr, wie bisher, nach
32 Tagancev, U g o l o v n o e ulozenie, S. 142. 33 Die Ministerialverfügung v o m 4. Juli 1894 untersagte den Stundisten, einer protestantischen Sekte in der Ukraine, die Abhaltung von Gottesdiensten und die Errichtung von Schulhäusern sowie jede Art g e m e i n s a m e r geistlicher Betätigung. Simon, Kirchenpolitik des Heiligen Sinod, S. 194 (wie oben, S. 327, A n m . 29). 34 Christliche rationalistische Sekte, die in der Mitte des 18. Jahrhunderts wohl unter Einfluß von Q u ä k e r n vor allem in d e n G o u v e r n e m e n t s Ekaterinoslav und Taurien entstand. Höchste religiöse N o r m ist die menschliche Vernunft, abgelehnt w e r d e n übernatürliche Offenbarung, christliche Mysterien und die Erbsünde. Die Sekte w u r d e i n s b e s o n d e r e unter den Zaren Nikolaj I. und Alexander III. verfolgt. Vgl. dazu Gehring, Johannes, Die Sekten der russischen Kirche ( 1 0 0 3 - 1 8 9 7 ) . - Leipzig: Richter 1898, S. 187ff. (künftig: Gehring, Sekten).
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d e m M a ß e d e r „ S c h ä d l i c h k e i t " a b z u s t u f e n , s o n d e r n in d i e G r u p p e n z u teilen: 1 . s o l c h e , w e l c h e d i e G r u n d l a g e n d e r O r t h o d o x i e a n n e h m e n , a b e r i m R i t u a l v o n ihr a b w e i c h e n : d i e s e s o l l e n f o r t a n S t a r o o b r jadschiki (Altritualisten) genannt40) w e r d e n , - 2 . rationalistische u n d 5 m y s t i s c h e (zu d u l d e n d e ) S e k t e n , - 3 . a b e r g l ä u b i s c h e , n i c h t zu d u l d e n d e , w e i l d e n sittlichen G r u n d l a g e n d e s S t a a t e s z u w i d e r l a u f e n d e , L e h r e n , d e r e n B e k e n n t n i s n a c h w i e v o r s t r a f b a r sein soll
(dahin
g e h ö r e n u n z w e i f e l h a f t die S k o p z e n , 3 5 w e l c h e a n d e r n B e k e n n t n i s s e a b e r ? - d a s sollte o f f e n b a r d e r „ P r a x i s " ü b e r l a s s e n w e r d e n 4 1 ) . F e r n e r
40 ) Die Benennung ist deshalb nicht gleichgültig, weil die Anerkennung der Kirchenbü- A 186 (22) eher durch das Gesetz von 1874 vielfach dadurch wirkungslos blieb, daß die Altgläubigen sich weigerten, zu Protokoll zu geben, daß sie „Raskolniki" (Schismatiker) seien. 41 ) Daß eine Ehe eines Rechtgläubigen mit Chlysten, 36 „Judaisten" 37 oder Duchoborzen zu vollziehen dem Gewissen des rechtgläubigen Priesters zuwiderlaufe, - da von diesen Sekten „die Kirche" geleugnet wird, - erkannte die „besondere Kommission für Glaubenssachen" noch im Januar 1906 ausdrücklich an („Nowfoje] Wr[emja]"10716 S.3). 3 8 - Sonst fühlte man gerade bei der Eheschließung, angesichts der unter der Intelligenz starken Verbreitung „freier Ehen", das Bedürfnis, entgegenzukommen. Für Petersburg schrieb ein Erlaß des Heil. Synod für die Trauungen vor, daß hinfort nicht nur
35 Russisch: Skopcy = Verschnittene. Abspaltung von den Chlysten (siehe unten, Anm. 34), die Anfang des 19. Jahrhunderts erfolgte. Teil einer Geheimlehre zum alleinigen Weg zu Sittlichkeit und ewigem Heil war die sogenannte Feuertaufe der Verschneidung. Die Kultformen wurden überwiegend von den Chlysten übernommen. Die Sekte hatte ihre Anhängerschaft vor allem in den Gouvernements Orel, Tambov und Tula. Vgl. Grass, Karl Konrad, Die russischen Sekten, Band 2. - Leipzig: J. C. Heinrichs 1914. 36 Die Sekte der Chlysten (= Geißler), auch Christovery und in der Eigenbezeichnung Ljudi Boz'i (Gottesmenschen) genannt, entstand Ende des 17. Jahrhunderts. Diese mystisch-ekstatische Sekte befolgte eine strenge Askese (Enthaltung von Fleischspeisen, Rauschmitteln und sexueller Betätigung). Auf den kultischen Versammlungen spielte der Tanz, der bis zur Ekstase führen konnte und bei dem Gebete und Geißelungen stattfanden, eine vorherrschende Rolle. Die Sekte breitete sich insbesondere in den Gouvernements Samara und Tambov aus. Vgl. Grass, Karl Konrad, Die russischen Sekten, Band 1. Leipzig: J. C. Heinrichs 1907, S. 101 ff. 37 Bereits Ende des 15. Jahrhunderts entwickelte sich in Rußland die häretische Sekte der Judaisierenden, die Beziehungen zum mitteleuropäischen Judentum hatte und die offizielle Kirche radikal ablehnte. Als Judaisten oder Judenchristen lassen sich die christlichen Gruppen bezeichnen, die aus geborenen Juden bestehen und bewußt auf dem Boden des Judentums stehen. Insbesondere im 19.Jahrhundert entstand so z.B. in Kisinev (unter Führung von J.Rabinovic) eine judenchristliche Gemeinschaft, die die Sabbat-Heilung und die Beschneidung beibehielt und eine „Gemeinschaft von Israeliten des Neuen Bundes" gründete. Vgl. Gehring, Sekten, S. 11 ff. (wie oben, S. 328, Anm. 34). 38 Die entsprechende Meldung in der Rubrik: Chronika, in: Novoe Vremja, Nr. 10716 vom 13. Jan. 1906, S.2f.
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sollte den Gemeinden der „Altritualisten" und „Sektanten" die Rechtspersönlichkeit zuerkannt werden (der bestehende Rechtszustand war, da ein entscheidendes antisektiererisches Gesetz, die Allerhöchste Verfügung vom 13. Februar 1837,39 nicht in die Gesetzsammlung aufgenommen war und die Gerichte dessen Unkenntnis A 187 (23) vorschützten, anderseits das Gesetz vom 3. Mai 188340 | die Fähigkeit, Eigentum zu besitzen, bei den Raskolgemeinden als vorhanden voraussetzte, die Ministerien aber das erstere Gesetz bald beachteten, bald nicht, unerhört verworren). Die Erlaubnis zum Bau neuer schismatischer oder sektiererischer Gebetshäuser wurde bisher nur nach Anhörung der orthodoxen Geistlichkeit und Nachweis des „Bedarfs" und der „Mittel" gegeben 42 ); wie die Wiedereröffnung geschlossener Gebethäuser zu gestatten sei, war Gegenstand langjährigen Streites. Das Komitee schlug vor, die Schismatiker und Sektanten den übrigen „andersgläubigen" Konfessionen auch hierin anzuschließen, ebenso ihre Kirchendiener, die bisher die Standesrechte der Geistlichen (auch nach dem Gesetz von 1883) nicht genossen, den anderen gleichzustellen, - nur sollte, da der Metropolit auf das Fehlen der gültigen apostolischen Sukzession, auch bei den Schismatikern österreichischer* Observanz, 41 hinwies, die technivon der Feststellung der Militärverhältnisse des Bräutigams und der Prüfung seiner Polizeiverhältnisse Abstand genommen und statt dessen nur die Berechtigung zur Eingebung der Ehe durch notarielle Beglaubigung zweier Zeugen geprüft werden, sondern auch die Forderung des Beicht- und Abendmahlszettels von dem „Taktgefühl" des Pfarrers abhängig sein solle. 4 2 | 42 A 187 (23) ) 1883 bestanden 1257, seitdem, bis 1904, wurden nur 283 neue zugelassen. 4 3 |
k A: Österreicher
39 Es ließ sich nicht ermitteln, warum diese „Allerhöchste Verfügung" als geheim klassifiziert und nicht in den offiziellen Svod Zakonov übernommen wurde. Vgl. Tagancev, Ugolovnoe ulozenle, S. 147. 40 Vgl. oben, S. 327, Anm. 30. 41 Im Jahre 1847 weihte der bosnische Metropolit Amvrosij In Belaja Krinica, damals Österreich, drei Bischöfe der Altgläubigen. Diese Gruppe der Altgläubigen, auch als „österreichische Denomination" bezeichnet, war seit dieser Zeit nicht mehr auf übergelaufene Priester der Orthodoxen Kirche angewiesen. Curtiss, Church and State, S. 133f. (wie oben, S.327, Anm. 30). 42 Der entsprechende Erlaß des Heiligen Synod ist abgedruckt in: Russkija Vedomosti, Nr. 23 vom 24. Jan. 1906, S. 3, Sp. 3. 43 Diese Angaben aus dem Bericht des Ministerkomitees, in: Pravo, Nr. 17 (wie oben, S. 326, Anm. 22), S. 18.
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sehe Bezeichnung für den orthodoxen Pfarrklerus (Swjätschenniki) vermieden werden. Die Zulassung der Gründung von schismatischen und sektiererischen Schulen war seit dem Jahre 1861 immer wieder angeregt, aber nie effektuiert worden. Formell versucht aber mißglückt - war sie in zwei Fällen. Geheimunterricht resp. nur de facto geduldeter Unterricht war daher die Regel. Das Komitee schlug vor, die Schulgründung zuzulassen: 1. bei Unterwerfung unter die allgemeinen Volksschulnormen bezüglich der Lehrobjekte und Lehrmittel, sowie unter der Bedingung 2. der obrigkeitlichen Bestätigung der gewählten Lehrer, und 3. der Aufbringung der Mittel durch die Gemeinden selbst, endlich - um der Gefahr der Propaganda entgegenzutreten - 4. nur in Orten, wo eine zahlreiche schismatische bezw. sektiererische Bevölkerung schon existiert. Bei Besuch der allgemeinen Volksschule sollten ihre Kinder von dem Besuch des Religionsunterrichts entbunden sein. Die Preßtätigkeit der Schismatiker war bisher so geregelt, daß nur die Herstellung und der Vertrieb der den alten Typen entsprechenden Ritualbücher in einer einzigen Druckerei gestattet war. Dieses Monopol sollte beseitigt werden. Für den öffentlichen Dienst der Sekten bestanden Beschränkungen insofern, als 1. wenn der (gewählte) Wolost-Schulze Schismatiker ist, sein Gehilfe orthodox sein muß; dies soll bestehen bleiben, - 2. Molokanen 4 4 sollten nach Verfügung des Heiligen Synod nur nach besonderer Prüfung ihres Charakters und ihrer Gesinnung und nur im äußersten Notfalle zum Staatsdienst zugelassen werden, - 3. gewisse Verdienstmedaillen sollen den Sektierern schwerer als anderen zugänglich sein, - 4. endlich und namentlich war die Offizierslaufbahn und der Unteroffiziersrang nur gewissen „minderschädlichen" Sekten offen. Diese Beschränkungen ( 2 - 4 ) schlug das Komitee vor zu streichen. - Die Anerkennung besonderer standesamtlicher polizeilicher Listen für die Schismatiker und Sektierer hatte sich zu einem fast völligen Fehlschlag gestaltet: 1899-1903 waren in zehn Gouvernements von 29431 für die Behörden nachweislich geschlossenen Ehen nur 1840 registriert, von 131730 Geburten nur 1340, von
4 4 Religiöse Sekte, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts als Abspaltung der Duchoborzen in der Provinz Tambov entstand. Die Mitglieder nannten sich selbst „ Spirituelle Christen". Der Name kommt von dem russischen Wort „moloko" (Milch), da die Sektenmitglieder entgegen den Regeln der Orthodoxen Kirche in der Fastenzeit Milch tranken. Vgl. Gehring, Sekten, S. 174ff. (wie oben, S. 328, Anm. 34).
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91634 Todesfällen nur 552. Das Komitee schlug daher die Übertragung der Führung dieser Listen auf die Geistlichkeit der Schismatiker und Sektanten vor, - unter Umständen ein nicht geringes Hindernis für die Entstehung neuer Sekten innerhalb der alten, und vielleicht eine Quelle endlosen Streites. 45 - Von diesen Vorschlägen realisierte das „Toleranzedikt" einen Teil alsbald, andere verwies es an „besondere Kommissionen", welche zum Teil jetzt noch nicht mit ihren Arbeiten zu Ende gekommen sind. Seine eigenen Bestimmun188(24) gen bedurften, da seine generell gehaltenen Verfügungen | mit den bestehenden Strafgesetzen im Widerspruch standen und, solange diese nicht aufgehoben oder abgeändert waren, in zahlreichen Fällen Konflikte entstanden, der Interpretation. Diese ließ endlos auf sich warten und erfolgte schließlich in dem allerhöchst bestätigten Reichsratsgutachten vom 14. März 1906. 46 Sein wesentlicher Inhalt ist folgender: Das geltende religionspolitische Strafrecht der Uloshenije o nakasaniach ugolownych (Strafgesetzbuch) Teil II, Kapitel l, 4 7 war bereits durch die (in diesem Teil noch nicht in Kraft getretene) Ugolownoje Uloshenije (Kriminalordnung) vom 22. März 1903, Kapitel II, 4 8 modernisiert worden. Wesentlich die Bestimmungen dieses Gesetzes sind es, welche, mit einigen Änderungen, nunmehr, nur teilweise umredigiert, in Kraft gesetzt werden. Das Gesetz vom 14. März 1906 ist mithin wesentlich Strafgesetz und dabei in der Hauptsache Inkraftsetzung schon kodifizierten Rechts! Die wichtigste Neuerung des Ukas vom 17. April 190549 war die Bestimmung (Nr. 1), wonach künftig der Abfall von der rechtsgläubigen Kirche zu einem andern christlichen Glauben - also nicht der formelle Abfall vom Christentum überhaupt - keinerlei, sei es persönliche oder bürgerliche, Nachteile für den Betreffenden mit sich bringen und er fortan als zu der von ihm, bei Volljährigkeit, erwählten Glaubensgemeinschaft gehörig behandelt werden solle. Bis dahin hatte der „Abfall" von der Orthodoxie nach Art. 188 der
4 5 Weber beendet hier die Paraphrase des Berichts des Ministerkomitees. Pravo, Nr. 17 vom 1. Mai 1906, Beilage, S. 1 - 4 6 . 4 6 Der Erlaß ist abgedruckt in: PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27 560. 4 7 Tagancev, Ulozenie o nakazanijach: die Kapitel eins bis fünf betrafen die Religionsgesetzgebung. 48 Tagancev, Ugolovnoe ulozenie, S. 1 - 8 4 . In der dort abgedruckten Fassung sind die Veränderungen, die sich aus dem Gesetz vom 14. März 1906 ergaben, bereits annotiert. 4 9 Siehe oben, S. 326, Anm. 22.
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Ul[oshenije] o1 Nakasjaniach] die „Überweisung der Häretiker an die Kirchenbehörde zur Verwarnung, Belehrung und Behandlung nach den kirchlichen Regeln" zur Folge, und wurden bis zu ihrer Wiederbekehrung „zur Behütung" ihrer minderjährigen Kinder vor der Abwendigmachung die „gesetzlichen Mittel" (betr. deren Erziehung) angewendet, ihre etwaigen, von Rechtgläubigen besiedelten Besitzungen aber mit Beschlag belegt und ihnen das Wohnen darauf verboten, 50 Schismen- (Raskol-) und Sektenbildung und Propaganda dafür war (Art. 196 desselben]) mit Verlust aller Rechte und Verschickung zur Ansiedlung bestraft. 51 Schon die Ugolownoje Uloshenije vom 22. März 1903 schwieg von diesem Vergehen überhaupt, ebenso schweigt nun ihre Umredaktion in der Verfügung vom 14. März 1906. Soweit entspricht alles dem Ukas vom 17. April 1905, der ausdrücklich auch den Grundsatz enthielt, daß bei Änderung der Konfession die Kinder unter 14 Jahren den Eltern folgen. Allein nach den Gewohnheiten des Polizeistaates ist es natürlich mit dem Erlaß eines Gesetzes noch lange nicht getan: es käme nun darauf an, die Übertritte von einem Glaubensbekenntnis zum andern auch „polizeitechnisch" zu ermöglichen. Mit nicht geringem Erstaunen (vgl. ,,Now[oje] Wremja" vom 2. März Nr. 10770 S. 3) 52 erfuhr man im März, daß im Februar ein Projekt des Justizministers im Reichsrat eingeführt sei, welches die Einholung der „Entscheidung" (rasrjeschenije) des Gouverneurs für die formelle Überführung einer Person aus der orthodoxen Kirche in eine andere vorschrieb. Das Toleranzedikt schrieb den „jawotschnyi porjadok" expressis verbis vor43), - aber ein Mittel, den Gouverneur zu zwingen, seine „Entscheidung" dementsprechend einzurichten und also der einseitigen Erklärung des zur Häresie Abfallenden Folge zu geben, würde natürlich nicht gegeben sein. Für die Praxis wäre dies eine Zurücknah43
) Nr. 1 des Ukas v[om] 17.4.1905. Nr. 3 gestattete speziell den zur Orthodoxie A 188 (24) „Bekehrten" die Rückkehr zu ihrer alten Religionsgemeinschaft.
I A: o.
5 0 Tagancev, Ulozenie o nakazanijach, razdel vtoroj, glava vtoraja, st. 188, S. 2 0 6 f . 51 Ebd., st. 96, S. 2 1 4 - 2 1 9 . 5 2 W e b e r bezieht sich auf den Artikel: Zakon o veroterpimosti v ego osuscestvienii, in: Novoe Vremja, Nr. 1 0 7 7 0 v o m 9. März 1906, S. 3.
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me des Edikts in seiner entscheidenden Bestimmung. Man muß abwarten, wie sich die Entwicklung in dieser Hinsicht weiterhin gestalten wird 44 ). | A 189 (25) Ausdrücklich - nur mit etwas herabgesetzter Strafsanktion - aufrechterhalten ist, offenbar mit unter dem Eindruck, den der starke (?) Abfall von der Orthodoxie im Westrayon machte (N[owoje] Wr[emja] 10788,3), 53 Art. 90 der Ugolownoje Uloshenije, 5 4 welcher die Propaganda einer an sich erlaubten heterodoxen (christlichen) Lehre auf Kosten der Orthodoxie durch öffentliche Predigt, Rede oder Verlesen von Schriften oder durch Verbreitung oder öffentliche Ausstellung (also z.B. im Schaufenster eines Buchladens) von Werken oder Abbildungen (!), welche den Abfall zur Heterodoxie anregen, wenn dieser Zweck dabei verfolgt wird, bedroht. Das öffentliche Bekenntnis zu einem „vom Gesetz verbotenen Schisma" wird (Art. 92) mit Geldstrafe geahndet. 5 5 Apostasie vom Christentum (rechtgläubigen oder „andersgläubigen") überhaupt ist nach wie vor gesetzlich unmöglich: den Begriff der „Konfessionslosigkeit" kennt das russische Recht nicht 45 ). Bestehen geblieben ist ferner Art. 84 des gleichen Gesetzes, 56 welcher die „Bekehrung" eines Orthodoxen - also die Verleitung zum Abfall - bei Anwendung ungesetzlicher Mittel zu einer andern (christlichen) Religion mit bis zu 3 Jahren Festung bestraft, und speziell die Strafbestimmungen gegen „andersgläubige" Geistliche, welche rechtgläubige Minderjährige katechisieren, ihnen die Beichte abhören, sie taufen oder irgendeinen Ritus ihrer Glaubensgemeinschaft auf sie anwenden (Art. 91,93 a.a.O.). 5 7 44
A 189 (25)
) Mir liegt leider hier bisher nichts von den inzwischen ergangenen Verfügungen vor. | ) Nach der „Uloshfenije] o m Nakas[aniach]" Art. 185 58 entbehrt der Apostat aller bürgerlichen Rechte und bleibt sein Vermögen beschlagnahmt, bis die geistlichen „Ermahnungen", denen er zu überweisen ist, ihn wieder bekehrt haben. - Die „Ugolownoje" Uloshenije" schweigt davon. 45
m A: v.
n DV; A: „Njolownoje
53 W e b e r meint d e n Artikel: Vnutrennija Izvestija. Ozivlenie i obnovlenie c e r k o v n o prichodskoj zizni, in: N o v o e Vremja, Nr. 1 0 7 8 8 v o m 27. März 1906, S. 3. 54 Tagancev, U g o l o v n o e ulozenie, S. 57ff. 55 Ebd., S . 6 2 f . 56 Tagancev, Ulozenie 0 nakazanijach, S. 31 f. 57 Ebd., S. 59ff. und 63ff. 58 Ebd., st. 185, S . 2 0 3 f .
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Eine Neuerung der Verfügung vom 14. März 1906, im Anschluß an den Ukas vom 17. April 1905, liegt in der Beseitigung des Begriffs „Raskol" für die bestehenden Gemeinschaften der „Altgläubigen" (Staroobrjadshik's), die jetzt als selbständige christliche Religionsgemeinschaft unter diesem ihrem Namen (Nr. 7 des Ukas vom 17.4.1905) anerkannt und den übrigen „andersgläubigen" christlichen Gemeinschaften gleichgestellt sind. Ebenso werden ihre Geistlichen und die der erlaubten Sekten mit dem Titel „Vorsteher" (Nastojatel) belegt und in bezug auf Rang, Stand und Militärpflicht den übrigen Geistlichen gleichgestellt, ihnen auch alle Amtshandlungen (nur, in bestimmten Fällen, nicht im Ornat) gestattet. Auch für sie gilt aber, daß die Errichtung eines Klosters (Skit) ohne staatliche0 Genehmigung verboten und strafbar ist (Nr. V der Verfügung] v[om] 14.3.1906). 5 9 -Der Bau von Kirchen setzt für jede nicht unerlaubte Religionsgemeinschaft nur den Nachweis des Vorhandenseins des Kapitals und die Erlaubnis der geistlichen Behörde der betreffenden Religionsgemeinschaft voraus. - Strikt verboten bleiben „unsittliche" Sekten, insbesondere die Kastratensekte (Skopzen), unsicher die Lage der Duchoborzen, Judaisten, Chlysten. Dagegen hat der Senat die gegenüber den Stundisten bestehenden Beschränkungen als nicht mehr zu Recht bestehend anerkannt. Ebenso sind die Einschränkungen der Verwendung von Sektierern im Schuldienst vom Unterrichtsministerium aufgehoben worden. Vergleicht man die Verfügung vom 14. März 1906 mit dem Amnestie-Edikt, das (expressis verbis)46) infolge des Ukas vom 17. April 1905 am 25. Juni 190560 für Religionsverbrechen erlassen wurde, so zeigt sich, daß der Kreis der jetzt endgültig beseitigten religiösen Strafhandlungen mit dem Kreise der damals von der | Amnestie A 190 (26) 46
) S[iehe] den Wortlaut der Einleitung im „Prawo" 1905 S. 2226. 61 |
O DV; A: rechtliche
59 Abgedruckt in: PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27560. 60 Die kaiserliche Amnestieverordnung vom 25. Juni 1905 (abgedruckt in: Pravo, Nr. 27 vom 10. Juli 1905, S. 2226ff.) befreite vor allem die Personen, die wegen Verleitung zum Abfall von der Orthodoxie, Predigt einer häretischen Lehre oder anderer derartiger Vergehen verurteilt waren, von Gericht und Strafe. 61 Weber bezieht sich auf die Amnestieverordnung vom 25. Juni 1905 in: Pravo, Nr. 27 vom 10. Juli 1905, S. 2226ff.
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umfaßten nicht identisch, sondern erheblich kleiner ist 47 ). Die B e stimmungen gegen die öffentliche Propaganda von „Irrlehren" sind geeignet, alle alten Verfolgungen der Vergangenheit eventuell wieder aufleben zu lassen: nur die Werbung der kleinen Sekten von Person zu Person ist durch sie faktisch privilegiert. 5 Den wesentlichsten Vorteil aus der „Toleranz"-Gesetzgebung p zogen die Altgläubigen und werden ihn noch ziehen. Zwar im Jahre 1905 wimmelte die Presse noch von Beschwerden der Altgläubigen über Verstöße gegen das Toleranzedikt vom 17. April. A b e r nach dem Oktobermanifest änderte sich das. D e r Z a r empfing altgläubige 10 Deputationen, die Regierung und alle Parteien buhlten um ihre Gunst, auch die Zyniker des „Nowoje W r e m j a " fanden plötzlich Töne der höchsten Ehrfurcht vor diesen Hütern des „nationalsten" Glaubens. 6 2 Manche Zeitungen („Sslowo") 6 3 meinten sogar, man sollte sie zu den Beratungen über das orthodoxe Kirchenkonzil zu- 15 ziehen. Ein Kongreß, alle Parteien der Altgläubigen einschließlich der „Priesterlosen" umfassend, fand statt 4 8 ), es wurde eine eigene A 1 9 0 (26)
4 7 ) Näheres in einem Artikel Shishilenkos im „Prawo" 1906 S. 1316 (Nr. 1 5 ) . 6 4 D i e sehr bedenkliche, oben erwähnte neue Bestimmung gegen die Ausstellung von den Glauben gefährdender Schriften in Buchläden ist offenbar durch den in Aussicht stehenden Wegfall der Präventivzensur veranlaßt. Bestehen geblieben sind im übrigen: 1. Die Strafen für Gotteslästerung und alle möglichen Verletzungen der E h r e der Kirche und ihrer Diener (Art. 7 3 - 7 7 , 97, 98); 2. für Beerdigung eines Christen ohne kirchlichen Ritus (Art. 78) und Leichenschändung (Art. 7 9 ) ; 3. für Nötigung zur Vornahme oder Unterlassung religiöser Handlungen (Art. 80, 81); 4. für Veranlassung zur Apostasie vom Christentum (Art. 82) und von der Orthodoxie (Art. 8 3 , 8 4 ) , insbesondere von Seiten christlicher Eltern und Vormünder, die ihre unter 14 Jahre alten Kinder nicht taufen und christlich erziehen oder, wenn sie rechtgläubig sind, sie einem anderen Tauf- oder sonstigen Ritus unterwerfen (Art. 88, 89); 5. gegen Geistliche nicht rechtgläubiger Gemeinschaften für religiöse Handlungen an Rechtgläubigen (Art. 93, 9 4 ) ; 6. gegen die Hinderung des Übertritts zur Orthodoxie ( A r t . 9 5 ) ; 7. gegen Zugehörigkeit zu „abergläubischen" Lehren ( A r t . 9 6 ) ; endlich 8. gegen j e d e Art gewaltsamer oder betrüglicher oder mit dem Versprechen von Vorteilen verknüpfter Abwendigmachung einer Person von ihrem G l a u b e n . 6 5 4 8 ) D e r „Zweite allrussische K o n g r e ß " der Altgläubigen am 2. u[nd] 3. Januar in Moskau stellte fest, daß die Altgläubigen den verschiedensten Parteien angehören, aber in folgenden Punkten einig seien: 1. Erhaltung der Einheit des Reichs; 2. Erhaltung der
p A: „Toleranz"Gesetzgebung 6 2 Zur Haltung der Novoe Vremja den Altgläubigen gegenüber vgl. den Artikel: Vserossijskij pomestnyj sobor, In: Novoe Vremja, Nr. 1 0 7 0 6 vom 3. Jan. 1906, S. 3. 6 3 Der erwähnte Artikel ließ sich nicht auffinden. 6 4 Zizilenko, Zakon 14 marta 1906 goda, S. 1 3 4 1 - 1 3 4 6 . 6 5 So geregelt in d e m Gesetz v o m 14. März 1906, PSZRI, 3 - e s o b r . , tom 26, Nr. 2 7 5 6 0 , Abschnitt X. Die erwähnten Gesetze in: Svod Zakonov, Ausgabe 1892, tom 15, cast' II.
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altgläubige | Tageszeitung („Narodnaja Gasjeta") geschaffen, und A191 (27) obwohl der Kongreß die Unterstützung irgend eines Vertreters des „ancien régime" bei den Wahlen streng untersagte, zeigte sich doch alsbald eine Wendung im Verhalten der altgläubigen Bourgeoisie 5 nach der „staatserhaltenden" Seite. Ein Teil der Altgläubigen hat hier und da sich dem „Bund des 17. Oktober"66 angeschlossen und später für ihn gestimmt (s[iehe] z.B. Now[oje] Wr[emja] 10779). 67 Die zahlreichen Altgläubigen der Westprovinzen namentlich begannen sich nunmehr als Russen im Gegensatz zu den katholischen io Polen und Litauern zu fühlen. Und zwar sind es gerade die ihrer Kirchenverfassung nach Radikalern, die „Priesterlosen", welche im Monarchie in konstitutioneller Form; 3. Beseitigung aller ständischen Schranken; 4. Beseitigung der Herrschaft der Bureaukratie; 5. allgemeine Volksschule; 6. Landenteignung, soweit sie für die landlosen oder landarmen Bauern erforderlich ist, gegen gerechten Preis. Auf dem Kongreß waren alle Richtungen der Altgläubigen vertreten, Ritualisten mit Priestern, Priesterlose, Affiliierte der österreichischen Hierarchie usw. Die Bjelokrinizaer Organisation 68 bildete jedoch unter den 200 Deputierten die entschiedene Mehrheit. Der gemäßigte Ritualismus und eine mittelparteiliche Stimmung überwogen. Sowohl einen Antrag zugunsten der „Selbstherrschaft", den ein Vertreter der Bjeglopopowzyje q (der regelmäßig aus übergetretenen Priestern der Orthodoxie ihren Klerus rekrutierenden opportunistischen Schismatiker) einbrachte, wie einen äußerst „roten" Antrag eines „Priesterlosen" (welche naturgemäß die radikalsten sind), lehnte die Versammlung ab, an|zuhören. 6 9 - Inzwischen, Anfang Juni, ist das Schisma der "Okrushniki" (Anhänger A 191 (27) des opportunistisch-patriotischen „Rundschreibens" von 1862 anläßlich des polnischen Aufstandes) und „Rasdorniki" (Intransigenten) auf einer Konferenz in Moskau beigelegt worden. 7 0 q A: Bjelopopowzyje 66 Der „ Bund des 17. Oktober" (Sojuz 17 Oktjabrja) wurde am 10. November 1905 als Vertretung des rechtsliberalen Adels von Zemstvomltgliedern und von Teilen der Moskauer Handels- und Industrieführung gegründet. Zur Grundlage nahm die Partei das Manifest des Zaren vom 17. Oktober 1906, in dem er die Einsetzung einer Duma sowie andere Freiheiten gewährte. Das Parteiprogramm In: Sbornik programm pollticeskich partij v Rossli, Vyp. II. - S.-Peterburg: Nasa Zizn' 1906, S. 4 2 - 5 6 (künftig: Sbornik programm). Deutsche Übersetzung bei Scheibert, Parteien, S. 69-77. 67 Weber bezieht sich auf: Moskovskaja Chronika, in: Novoe Vremja, Nr. 10779 vom 18. März 1906, S.2. 68 Siehe oben, S. 330, Anm. 41. 69 Vgl. den kurzen zusammenfassenden Bericht über den Kongreß in: Russkija Vedomosti, Nr. 5 vom 6. Jan. 1906, S.3f. 70 Aufgrund eines Rundschreibens des Bischofsrates (sog. okruznoe poslanie), in dem eine friedliche Koexistenz zwischen Altgläubigen und Orthodoxer Kirche befürwortet wurde, war es 1862 zu einer Spaltung der „ Popovscina" gekommen. Die Wiedervereinigung der beiden Richtungen fand auf einer gemeinsamen Konferenz am 5. Juni 1906 In Moskau statt. Mnenlja i otzyvy, in: Cerkovnyj Vestnik, Nr. 25 vom 22. Juni 1906, S.816.
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Nordwesten im Kampf für ihre Nationalität stehen 49 ). Ein altgläubiger Bauernkongreß wurde nach Moskau zusammenberufen, mit dem offenbaren Ziele, eine nicht radikale Bauernbewegung zu schaffen. 71 Man forderte Gelehrte verschiedener Parteien zu Vorträgen auf. Einem konstitutionell-demokratischen Gelehrten (Manuilow) 5 wurde dabei die Bedingung auferlegt, von seiner Parteizugehörigkeit „keinen Gebrauch zu machen", - worauf er ablehnte (Russk[ija] Wjed[omosti] 36, S.5). 7 2 Aber der Bauernkongreß selbst geriet alsbald in das Fahrwasser der typischen Bauernforderungen, seine Resolutionen stellten sich in allen wesentlichen Punkten, einschließ- 10 lieh der Enteignung des privaten Grundbesitzes, auf den Boden des demokratischen Agrarprogramms50). | 49
) Sie hielten ihren Sonderkongreß in Wilna am 25. Januar ab, 500 Delegierte aus ganz Rußland, besonders aber aus dem Nordwestrayon, wurden vom Generalgouverneur begrüßt und beschwerten sich alsbald über die Zurücksetzung der russischen Nationalität in den Lokalverwaltungen, aber auch beim Bauernmanifest (der Erlaß der Loskaufszahlungen kam ihnen nicht zugute), 73 verlangten russische Schulen r und nationale Proportionalwahl, ferner Landzuweisung an die Landarmen, wie derzeit alle russischen Bauern, und vertieften sich alsdann in die für alle russischen Sektierer „ewig junge" Frage nach der Art der Eheeingehung: die bloße häusliche Segnung der Ehe wurde wiederum, wie schon so oft, verworfen und kirchliche Einsegnung gefordert (Bericht in ,,Now[oje] Wr[emja]" S. 13). 74 50 ) Der Kongreß war angeregt durch den Vorsitzenden des „Rates der Altgläubigen" D. W. Ssirotkin. Er begann am 20. Februar mit 350 Teilnehmern aus allen Gebieten Rußlands und sollte speziell die Frage der Landnot beraten. Da dies bisher die einzige nicht von politischen Parteien beherrschte Beratung von Bauern über die Agrarfrage war, hat sie immerhin ein gewisses Interesse. (Eingehender Bericht D. Pestrzeckis im „Now[oje] Wrfemja]" 10784, 10785, außerdem in den ,,Russk[ija] Wjed[omosti]" Nr. 60 S. 3.) 75 Das Bestehen der Landnot wurde, mit einer einzigen Ausnahme, bejaht. Die Einzelangaben über die Höhe des Ertrags (z.B. zweites bis drittes Korn bei Roggen, drittes bis viertes bei Kartoffeln im Bogardschen Kreise) 76 standen mit den Angaben der Landschaften oft r A: Schule 71 Weber nimmt hier Bezug auf die folgenden Berichte: Mel'gunov, S., Agrarnyj vopros na staroobrjadeeskom s-ezde, in: Russkija Vedomosti, Nr.60 vom 3. März 1906, S.3; Pestrzeckij, D., Staroobrjadceskij krest'janskij s-ezd v Moskve, in: Novoe Vremja, Nr. 10784 vom 23. März 1906, S. 3, und Nr. 10785 vom 24. März 1906, S. 3. 7 2 Weber bezieht sich auf: Manuiiov, A., Pis'mo v Redakciju, in: Russkija Vedomosti, Nr. 56 vom 27. Febr. 1906, S.2. 7 3 Siehe oben, S . 2 9 8 , A n m . 15. 7 4 Gemeint ist möglicherweise der kurze Bericht über den Kongreß in: Novoe Vremja, Nr. 10730 vom 27. Jan. 1906, S. 2, Sp. 5. 7 5 Siehe oben, Anm. 71. 7 6 Weber bezieht sich auf die Angaben in dem Artikel: Pestrzeckij, D., Staroobrjadceskij krest'janskij s-ezd, in: Novoe Vremja, Nr. 10784 vom 23. März 1906, S. 3.
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Der Ukas vom 14. März enttäuschte die Altgläubigen, trotz allen A 192 (28) Entgegenkommens gerade gegen sie, tief, weil die „Religionsverbrechen" der Konversion und Propaganda bestehen blieben, und seinem Osterglückwunsch: „Christ ist erstanden" an den General Igna5 tiew fügte einer ihrer gesellschaftlich hervorragendsten Vertreter (Morosow) harte Worte über den noch immer bestehenden Glaubensdruck bei (s[iehe] Russkfija] Wjed[omosti] 102, S.2). 7 7 Die Moskauer Altgläubigen schickten alsbald eine Petition an die Duma wegen Abschaffung des Ukas, den, speziell Art. 90 der Ug[olow10 noje] Ulfoshenije] (Propaganda gegen die Orthodoxie durch Schriften, Abbildungen usw.), sie als einen Rückfall in die schlimmsten Zeiten der Verfolgung bezeichneten. 78 Die Altgläubigen sind, alles in allem, heute eine kulturell und ökonomisch sehr stark differenzierte Schicht. In ihren untern Schichten finden sich noch immer nicht im Einklang. Auch Bauern, die 10 Dessjätinen (1 Dessjätine = 1 , 1 ha) im Durchschnitt besaßen, verlangten Land. Die Bemerkungen der Wolokolamschen Bauern, daß sie durch Kleeanbau ihren Ertrag vervierfacht hätten, wurden mit ,,Schluß-(,dowoljno'-) Rufen" unterbrochen. Die meisten hatten bestimmte, ihnen benachbarte Ländereien, so die des Fürsten Woronzow-Daschkow im Gouvernement Ssaratow, als Objekt im Auge; namentlich mit den | anwesenden altgläubigen Kosaken erhob sich Streit: diese erkärten A 192 (28) rundweg, daß „Auswärtige" von ihnen niemals Land erhalten würden, und es wurde so die für das ganze Landproblem entscheidendste Frage: ob die örtliche Bevölkerung auf das zu expropriierende Land eines gewissen Gebiets das Vorrecht haben solle oder wie sich Zusiedelnde und Ansässige teilen sollten, gestreift, - aber natürlich nicht entschieden. Der Kongreß wollte von „Übersiedlung" nichts wissen, nur im äußersten Notfall, wenn gar kein Land in der Nähe sei, sollte man dazu greifen. Die Expropriation sollte umfassen: Staats-, Apanage-, Kloster-, Kirchenländereien, das von Kleinbürgern, Kaufleuten und Großgrundbesitzern innegehabte Land. - Weiterhin fragte es sich: welche Norm sollte für die Größe des durch Expropriation zu ergänzenden Landesteiles (Nadjel) gelten? Die Mehrheit war für die Norm des Jahres 1861. Die Forderungen anderer schwankten zwischen 4 und 15 Dessjätinen (pro ortsanwesende Seele!). Als „gerechten" Preis dachten sich die Bauern z.B. für das Ssaratowsche Gouvernement 50 Rubel pro Dessjätine als Maximum, die Bauernbank zahle 100% zu hoch. Für die Regulierung der Pachten wurde die unbefristete Pacht mit Festsetzung des Maximalpreises durch die Gerichte - nicht über 12% des Bodenpreises - gefordert; dabei sollte die Zwischenpacht und die Großpacht überhaupt verboten sein und 30 Dessjätinen das Maximum der Pachtparzelle darstellen. Im Gegensatz zu einem Teil der Referenten sprach sich die überwiegende Mehrzahl für die Obschtschina, unter Beseitigung der Gemengelage mit Privatbesitz, aus. Einstimmig wurde Reform des Semstwos im Sinne der Beseitigung der Begünstigung des Adels bei den Semstwowahlen und Abschaffung der Landhauptleute (Semskije Natshalniki) gefordert, ebenso möglichste Beseitigung aller indirekten Konsumsteuern. |
7 7 Russkija V e d o m o s t l , Nr. 102 v o m 16. April 1906, S. 2. 7 8 Vgl. die Notizen In: Ree', Nr. 65 v o m 5. Mai 1906, S . 3 .
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Reste des Glaubens, daß der Antichrist die Welt regiere, und demgemäß absoluter Apolitismus, es findet sich, besonders breit, Ablehnung aller Gewalt gegen das „Übel", es finden sich kräftig individualistische Elemente und endlich, - entsprechend der kapitalistischen Befähigung, die das „Staroobrjadschestwo" s mit den meisten Sekten 5 teilt - heute eine stets wachsende opportunistische Oberschicht. Als dauernd sichere Stütze der Demokratie kommt der Raskol heute noch weit weniger in Betracht als in jener Zeit, wo Herzen an ihm seine Enttäuschungen erlebte. 79 Die Beziehungen zur römisch-katholischen Kirche in ihrer verwik- 10 kelten Kasuistik kann ich hier im einzelnen nicht darlegen. Der staatlichen Regelung der Anstellungsbedingungen und dem Bestätigungsrecht des Staats hat sich die Kirche gefügt. Die Streitigkeiten betrafen in der letzten Zeit vor allem die Priesterseminare, speziell die russifikatorischen Zumutungen, welche seit dem Jahre 189580 in 15 A193 (29) verschärfter Durchführung der Staatsaufsicht und einem staatlicherseits in Anspruch genommenen Prüfungsrechts in russischer Sprache und Geschichte, sowohl bei den Versetzungen als beim Abgang, sich geltend machten, nachdem im übrigen die Konvention mit der Kurie von 188281 dem Bischof weitgehende Freiheit in der Gestaltung der 20 Seminare gelassen hatte. Die Kurie hatte hier im Jahre 1897 im Prinzip nachgegeben, 82 1900 aber hatte das Ministerium und der Warschauer Generalgouverneur die Vorschriften abermals verschärft, durch Inanspruchnahme des Rechts, staatlicherseits ThemaS A: „Staroobrjadschestro"
7 9 Dies bezieht sich auf die Versuche Gercens, die Sektanten für revolutionäre Ziele zu gewinnen. Vgl. Öernov, V. M., Zapiski Socialista-revoljucionera. - Berlin: Z. I.Grzebin 1922, S.281. 8 0 Aufgrund eines kaiserlichen Befehls vom Mai 1895 wurden in den katholischen Seminaren Prüfungen in russischer Sprache und Geschichte im Beisein eines Beauftragten des Gouverneurs eingeführt. Simon, Kirchenpolitik des Heiligen Sinod, S.207 (wie oben, S. 327, Anm.29). 81 Das Abkommen vom 12./24. Dezember 1882 zwischen der Kurie und dem Russischen Reich regelte die Neubesetzung von vakanten Bischofssitzen im russischen Kaiserreich und bestätigte für die Priesterseminare in den Diözesen und die katholische Geistliche Akademie in Warschau das Recht der Kirche auf alleinige Leitung. 8 2 1897 erkannte die katholische Kirche die Prüfungen in den russischen Fächern an (siehe oben, Anm. 80), während die russische Regierung der Amtseinführung von sieben neuen katholischen Bischöfen zustimmte. Die folgenden Angaben Webers beruhen auf Auszügen aus den Beratungen des Ministerkomitees (wie oben, S. 326, Anm. 22).
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ta für die schriftliche Prüfung zu bestimmen. Da die Bischöfe die Annahme dieser Themata verweigerten, hatte der Generalgouverneur alle Genehmigungen zur Anstellung von Kandidaten, die ohne Beachtung seiner Vorschriften geprüft waren, versagt. 1902 hatte der Staat, der entstandenen Erbitterung gegenüber, versucht entgegenzukommen und ein besonderes staatliches Examen nach der Seminarprüfung eingerichtet. Indessen zu diesem Examen hatten sich natürlich vollends keine Kandidaten gemeldet. Infolgedessen bestanden bis 1905 263 Vakanzen und waren 156 nicht anstellungsfähige Kleriker vorhanden. - Die früher zitierte 83 Ministerialkonferenz schlug nunmehr die Abschaffung des staatlichen Kulturexamens und die Rückkehr zu dem Rechtszustande von vor 1902 vor. - Auch die scharfe Kloster- und Ordensgesetzgebung, welche im Jahre 1866 nach dem polnischen Aufstand einsetzte und in dem „West-Rayon" der 9 national gemischten Gouvernements zur völligen Untersagung aller Kongregationen außer einer einzigen, im Königreich Polen, 1874, zum Verbot der Vermehrung über den Stand von damals hinaus geführt hatte, war faktisch undurchführbar geblieben. Statt 731 waren 1871 Kongregationen vorhanden. Die Klöster allerdings waren im wörtlichen Sinne „auf den Aussterbeetat" gesetzt worden, und in der Tat existierten in Polen 1905 nur 5 Männer- und 8 Frauenklöster. 84 Das Ministerium schlug nunmehr vor, diese zu erhalten und also ihnen die Aufnahme von Novizen zu gestatten. Nicht minder sollte für die Erbauung neuer Kirchen und die Errichtung neuer Parochien eine gesetzliche Norm an die Stelle der jetzt gänzlich der Willkür der Behörden anheimgestellten Erlaubnis dazu gesetzt werden51). Wie viel von diesen einer „besonderen Kommission" überwiesenen Direktiven inzwischen in geltendes Recht und, was in Rußland nicht dasselbe ist, geltende Praxis umgesetzt ist, ist mir
51 ) Diese Erleichterung kam natürlich auch der lutherischen Kirche zugute, von der im A 193 (29) übrigen, da ihre „Behandlung" technisch die geringsten Schwierigkeiten macht, sonst fast niemals in dem Bericht die Rede ist.
8 3 Siehe oben, S.325ff. 8 4 Nach dem polnischen Aufstand von 1863 erhielten in Westrußland die Generalgouverneure, in Polen der Innenminister, die Vollmacht, Klöster zu schließen. Die Restriktionen für die katholischen Klöster wurden mit Erlaß vom 26. Dezember 1905 aufgehoben. Vgl. Simon, Kirchenpolitik des Heiligen Slnod, S. 204 (wie oben, S. 327, Anm. 29).
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zurzeit noch nicht bekannt. Die im Februar in der Presse angekündigten weiteren Vergünstigungen für die katholische Hierarchie: 85 Beseitigung des Rechts des Generalgouverneurs zur Schließung von Klöstern, der Beschränkung der Prozessionen, des Gebrauches des Kreuzes, Erweiterung der Rechte des Bischofs bei Anstellung und 5 (namentlich) Entlassung von Geistlichen, Erweiterung der Befugnisse dieser letzteren, namentlich auch in bezug auf Ausstellung von Legitimationspapieren usw. - sind mir bisher noch nicht zu Gesicht gekommen. Jedenfalls hat trotz allen Entgegenkommens die Duma ihre, wenn 10 auch sehr kleine „Zentrumspartei" 52 ) mit dem Wilnaer Bischof BaA 194 (30) ron von Ropp an der | Spitze, 86 trotzdem der Generalgouverneur diesem, „nachdem er in Erfahrung gebracht habe, daß seine Tätigkeit der Politik der Regierung nicht entspreche", ein scharfes Verbot der Einmischung in die Wahlagitation zugehen ließ53). Baron Ropp 15 wurde gewählt. Der Staat revanchiert sich durch eine - im Gegensatz zu der früheren, stets für die traditionelle Obrigkeit eintretenden Praxis stehende - offenbare Begünstigung der asketischen Sekte der
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) Forderungen - außer der Durchführung der Freiheiten des Manifestes - : Teilungsverbot für Bauernhöfe, Beschaffung von Gelegenheit zu „billigem Landerwerb" für landarme Bauern, Sonntagsruhe, Arbeiterversicherung, Arbeiterwohnungsbeschaffung, A 194 (30) Handwerkerverbände in Form von Unterstützungskassen, unentgeltlicher | durchweg christlicher Schulunterricht usw. Selbstverständlich wurde freier Verkehr mit der Kurie, freie Verfügung über das kirchliche Eigentum und Wiedergabe des konfiszierten, volle „Freiheit der Kirche", Recht der Polen in ihrer Heimat zu dienen, gefordert, im übrigen aber die Einheit des Reiches unter Voraussetzung „breitester" Selbstverwaltung nicht angetastet. (Programmauszug in ,,Now[oje] Wr[emja]" 10733 S . 5 ) . 8 7 Die Partei nannte sich „konstitutionell katholische Partei für Litauen und Westrußland". Ihr „bürgerlicher" Charakter liegt zutage, besonders in der heute gänzlich „unbäuerlichen" Forderung des Teilungsverbots. 53 ) „Russk[ija] Wjed[omosti]" 11.12. S. 2 . 8 8
8 5 Siehe darüber den Bericht in: Strana, Nr. 2 vom 21. Febr. 1906, S.2, Sp.3, und Nr. 4 vom 23. Febr. 1906, S.3, Sp. 1. 86 Siehe darüber den Artikel: Konstitucionno-katoliceskaja partija dlja Litvy i Belorussii, in: Novoe Vremja, Nr. 10733 vom 30. Jan. 1906, S.5. 8 7 Siehe oben, Anm. 86. 8 8 Die Meldung an der angegebenen Stelle lautet: „ Bischof Baron Ropp wurde aufgefordert, die Führung der katholischen konstitutionellen Partei als nicht vereinbar mit dem Amte aufzugeben." Russkija Vedomosti, Nr. 46 vom 17. Febr. 1906, S. 2.
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Mariaviten,89 welche in Polen dem Klerus sehr zu schaffen macht und gegen die der Papst bisher nur in sehr vorsichtiger Form einzuschreiten gewagt hat, während in Polen blutige Kämpfe um die Kirchen tobten. 5 Was die orthodoxe Kirche selbst anlangt, so hatte das Reskript des Zaren vom 27. Dezember 1905 (10. Januar 1906)1 an den Metropoliten Antonij von Petersburg54), den alten Gegner Pobjedonoszews im Heiligen Synod, 2 welches die Vorbereitung der Einberufung eines „Ssobor" der orthodoxen Kirche anordnet, zunächst nur die weitläu10 figsten bureaukratischen Verhandlungen im Gefolge. Die erste Sitzung der für jene „Vorbereitung" bestimmten Kommission, zu welcher u. a. Dm. Chomjakow, Ssamarin, N. 1 Akssakow von den Konservativen, Prof. Fürst E. Trubezkoj von den Liberalen zugezogen wurden, fand erst am 6. März statt. 3 Alsbald schlug Ssamarin eine 15 Begrenzung der Aufgaben des Konzils vor, was aber die Kommission 54 ) Das Schreiben von 32 Petersburger Pfarrern, die zum großen Teil dem stark demokratischen „Bund der kirchlichen Erneuerung" angehörten, an diesen Prälaten hatte s.Z., März 1905, die Frage der Einberufung des Konzils ins Rollen gebracht, da der Metropolit sich in dieser Hinsicht alsbald auf ihre Seite gestellt hatte. 4 |
t A: M. 89 Sekte mit mystizistischem Einschlag, die in Polen Ende des 19. Jahrhunderts entstand. Sie forderte eine religiös-sittliche und soziale Erneuerung auf der Grundlage der Regeln der Franziskaner und der besonderen Verehrung Marias und der Eucharistie. 1904 von der obersten kirchlichen Glaubenskongregation nicht anerkannt, wurde die Sekte 1909 von den Altkatholiken in die Utrechter Union aufgenommen. Vgl. Schiele, Friedrich Michael und Zscharnak, Leopold (Hg.), Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 1. Aufl., Band 4.-Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1913, S. 169ff. 1 Das Reskript ist abgedruckt in: Cerkovnyj Vestnik, Nr. 1 vom 5. Jan. 1906, S. 12. 2 Antonij (A. V. Vadkovskij) war lange Jahre ein Protégé des Ober-Prokurors Pobedonoscev. Ihre Wege trennten sich erst während des Jahres 1905, als Antonij eine eher liberale Position gegenüber einer Kirchenreform vertrat, die Pobedonoscev schroff ablehnte. Vgl. dazu: Simon, Gerhard, Church, State and Opposition in the U.S.S.R. - Berkeley: University of California Press 1974, S. 41 ff. 3 Die vorbereitenden Sitzungen des vorkonzillären Ausschusses (sog. predsobornoe prisutstvie) fanden am 6., 8. und 11. März 1906 statt. Danach teilte sich dieser Ausschuß in sieben Kommissionen, von denen sich die erste Kommission mit der Zusammensetzung des Konzils und den Verfahrensfragen auf ihm befaßte. V predsobornoj kommissii, in: Cerkovnyj Vestnik, Nr. 12 vom 23. März 1906, S. 381-385. 4 Der Text des Schreibens in: Cerkovnyj Vestnik, Nr. 11 vom 17. März 1905, S. 321 - 3 2 5 . Vgl. Meyendorf, John, Russian Bishops and Church Reform in 1905, in: Nichols, Robert L. und Stavrou, Th.G. (Hg.), Russian Orthodoxy under the Old Regime. - Minneapolis: University of Minnesota Press 1978, S. 172f.
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ablehnte. Man bildete Sektionen für: 1. Kirchen Verwaltungsreform, 2. Reform der Eparchialverwaltung, 3. die Gemeindeverfassung, 4. die kirchliche Gerichtsbarkeit, 5. die Angelegenheiten der Sektanten und Schismatiker, 6. Glauben und Kultus, 7. die kirchlichen Schulen. Die Nachricht, daß diese letzteren von der Kirche an die weltliche Schulbehörde abgetreten werden sollten, - wogegen sich alsbald Proteste von Familien der Schulstifter erhoben („Russk[ija] Wjed[omosti]" 62,2), 5 - ist bisher nicht bestätigt und unwahrscheinlich (vgl. ,,Now[oje] Wr[emja]" 10788,3). 6 Die Beratungen dieser Subkommissionen zogen sich bis Mitte Mai hin. Die Stimmung der Geistlichkeit draußen im Lande, bis in ziemlich hohe Kreise hinauf, blieb inzwischen widerspruchsvoll, teilweise kirchenpolitisch und, erst recht, politisch äußerst radikal. Dies gilt nicht nur für einen Teil der Popen, sondern erst recht für ihren Nachwuchs: die Seminaristen; bei ihnen überwog, wie bei den Studenten, das rein politische Interesse. Den Geistlichen Akademien war durch Verfügung des Heiligen Synod vom 26. Februar 1905 die „akademische Freiheit", d.h. das Recht der Rektorwahl und der eignen Bestimmung der Unterrichtsordnung, im Prinzip zugestanden. 7 Fortgesetzte StudenA 195 (31) tenstreiks | hatten aber immer wieder den Gang des akademischen Lebens unterbrochen. Nachdem Anfang Januar 1906 die Kurse in Gang gekommen waren, wurde die Verfügung durch Erlaß vom 25. Januar 1906,® vorläufig bis Zusammentritt des Konzils, in Kraft gesetzt. Aber schon Mitte des Monats hatten die damals nur 60 Petersburger Studenten einen Sympathiestreik wegen der Relegation von 12 Kommilitonen in Kijew begonnen. 9 Und so ging es nun weiter. Der Synod drohte Anfang Februar mit Relegation aller der Seminaristen, welche nach zweimaliger Aufforderung nicht die Studien aufnehmen würden. 1 0 Nun kamen sie, aber nur um Politik zu
5 Weber bezieht sich auf: Russkija Vedomosti, Nr. 62 v o m 5. März 1906, S. 2. 6 Vnutrennija Izvestija. Ozivlenie i obnovlenie c e r k o v n o - p r i c h o d s k o j zizni, in: N o v o e Vremja, Nr. 1 0 7 8 8 v o m 27. März 1906, S . 3 . 7 Weber n i m m t vermutlich B e z u g auf: O b n o v l e n i e vyssij d u c h o v n o j skoly, in: C e r k o v n y j Vestnik, Nr. 5 v o m 2. Febr. 1906, S. 129f. Die Verfügung des S y n o d s erging am 26. Nov e m b e r 1905, nicht am 26. Februar 1905. 8 Die M e l d u n g darüber in: N o v o e Vremja, Nr. 1 0 7 2 9 v o m 29. Jan. 1906, S . 2 , S p . 5 , s o w i e : Postanovienie i rasporjazenija pravitel'stva, in: Cerkovnyj Vestnik, N r . 5 v o m 2. Febr. 1906. 9 Vgl. V u c e b n y c h zavedenijach, in: N o v o e Vremja, N r . 1 0 7 1 5 v o m 12. Jan. 1906, S . 4 . 10 Der Sachverhalt ließ sich nicht ermitteln.
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treiben. Die Hinrichtung des Führers der Sewastopoler Meuterei, Leutnant Schmidt,11 beantworteten die Zöglinge der Petersburger Geistlichen Akademie mit einem Requiem für ihn, an dem auch der Rektor, Bischof Ssergjej von Jamburg, teilnahm, um sich so die Aufhebung des über ihn verhängten Boykotts zu erkaufen. Er erhielt dafür vom Synod einen strengen Verweis, („Russkfija] Wjed[omosti]" 75,2). 12 Aber im März demonstrierten die Seminaristen wiederum, indem sie sich mit den politischen Gefangenen in dem unmittelbar benachbarten Gefängnis mit Flaggensignalen und Liedern in Verbindung setzten, ohne daß der Rektor es hindern konnte („Russk[ija] Wjed[omosti]" 89,3). 13 Im Tomsker geistlichen Seminar setzten die jungen Leute durch, daß man für sie Kurse über Politik, Konstitutionalismus und dergl. einrichtete („Nowfoje] Wr[emja]" u 25.1. u , S. 3)54a).14 Zahlreich waren die Proteste von Popen gegen die Todesstrafe als widerchristlich. Die Orjolsche Geistlichkeit beschloß zwar, sich von demonstrativ politisch motivierten Totenmessen für Schmidt fernzuhalten, sich aber zu beteiligen, wo sie „aus christlicher Liebe" stattfänden. In Jarosslawlj mußten die oberen drei Klassen des Seminars durch den Synod geschlossen werden (28. März), da der Konflikt mit ihrem zum reaktionären „Bunde russischer Männer" gehörigen Jeromonach Iliodor nicht beigelegt werden konnte („Now[oje] Wrfemja]" 10790).15 In Charkow hatte die Relegation von 23 Zöglingen (Ende Februar) „chemische Obstruktion" zur Folge („Now[oje] Wr[emja]" 10762),16 und am 20. April mußte auch 54a ) Auch zur Erzwingung der Aufnahme von „Philosophie" in den Lehrplan wurde A 195 (31) mehrfach gestreikt.
u DV; A: 251 11 Siehe oben, S. 312, Anm. 67. 12 RusskijaVedomosti, Nr. 75 vom 18. März 1906, S.3. 13 Weber bezieht sich vermutlich auf: RusskijaVedomosti, Nr. 91 vom 5. April 1906, S. 3: Poslednija izvestlja. 14 Weber nimmt möglicherweise Bezug auf: Novoe Vremja, Nr. 10732 vom 29. Jan. 1906, S.2, Sp.7. 15 Die Meldung lautete: „Von Erzbischof Jakov wurde die Schließung der drei oberen Klassen des Priesterseminars angeordnet." Novoe Vremja, Nr. 10790 vom 29. März 1906, S.2, Sp.7. Ein ausführlicher Bericht über diese Vorfälle in: Strana, Nr.42 vom 10. April 1906, S. 5. 16 Die Meldung in der Rubrik: Bezporjadki, in: Novoe Vremja, Nr. 10762 vom 1. März 1906, S.2, Sp.5.
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in Poltawa 3 das Seminar wegen „Unordnungen" geschlossen werden. 17 Ein Delegierten-Kongreß der Seminaristen von Petersburg, Moskau, Kijew, Kasanj beriet Anfang April über die infolge der prinzipiellen Gewährung der akademischen Freiheit zu verlangende Abänderung der Statuten: man verlangte, wie dies in Moskau schon geltendes Recht ist, die Ausschaltung der Eparchialgewalt (des Bischofs und Konsistoriums) und die Unterstellung der Seminare direkt unter den Synod; die Studenten machten sich zur Ausarbeitung des Statuts und Unterbreitung desselben an den Synod anheischig. 18 Aber nicht nur ein Teil der Popenschaft und die Mehrzahl der akademischen Jugend der Kirche rief - jede in ihrer Art - nach „Freiheit", auch die Sprache kirchlicher Würdenträger blieb wenigstens teilweise eine äußerst „liberale". Alte Gedanken des westeuropäischen Konziliarismus19 tauchen hier wieder auf. In einer Auseinandersetzung mit Professor Akwilonow im (gemäßigt-konservativen) „Sslowo" 20 vertrat Bischof Antonin von Narwa die Ansicht 55 ), A196 (32) daß nur eine konstitutionelle | Regierung der Kirche göttlichen Rechtes sein könne: „göttliche Wahrheit könne nicht mit dem Ver55 ) Sie stimmt mit d e n A n s i c h t e n ü b e r e i n , welche der „ B u n d d e r kirchlichen E r n e u e r u n g " v e r t r a t . E i n e n e u e r e K u n d g e b u n g aus seiner Mitte im „ R j e t s c h " 2 1 stellt als G r u n d l a ge aller E t h i k d e n G r u n d s a t z : „Tue nicht, was du nicht willst, d a ß dir getan w e r d e " , 2 2 auf A 196 (32) u n d mißt d a r a n - wie einst d i e b T ä u f e r - die P a r t e i p r o g r a m m e . Sklavische U n t e r w e r f u n g sei widerchristlich, n u r der R e c h t s s t a a t k ö n n e christlicher Staat sein. D e m o k r a t e n u n d Sozialisten g e h e n zwar nicht von christlichen Prinzipien aus, v e r t r e t e n a b e r d e facto solche.
a A: P o l t o w a
b DV; A: der
17 Siehe dazu die Notiz in: Pravo, Nr. 17 vom 30. April 1906, S. 1589. 18 Vgl. den Berichtin: Russkija Vedomosti, Nr. 92 vom 6. April 1906, S . 3 . 1 9 Im 14. und 15. Jahrhundert kam es In Westeuropa zu einer umfassenden konziliaren Reformbewegung, die eine Änderung der kirchlichen Verfassungszustände anstrebte. Diese sog. Reformkonzilien vertraten die Auffassung, daß dem ökumenischen Konzil die Oberhoheit über den Papst zustehe. 2 0 Der Brief von Bischof Antonlj in: Slovo, Nr. 397 vom 28. Febr. 1906. Da Slovo die Antwort Akvilonovs nicht drucken wollte, erschien sie in: Zarja, Nr.406 vom 25. März 1906; siehe darüber: Cerkovnyj Vestnik, Nr. 13 vom 30. März 1906, S. 421. 21 Weber bezieht sich offenbar auf: Ob otnosenli cerkvi i svjascenstva k sovremmennoj obscestvennoj zlznl. Zapiska „Sojuza Revnitelej Cerkovnago Obnovlenlja" (Gruppy peterburgskich svjascennikov), in: Ree', Nr. 17 vom 11. März 1906, S. 2. 2 2 Das Zitat ist In verschiedener Form überliefert. AT, Tobias, Kap. 4, Vers 16; NT, Matthäus, Kap. 7, Vers 13; NT, Lukas, Kap. 6, Vers 31; auch dem römischen Kaiser Alexander Severus zugeschrieben.
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stand nur eines Individuums zusammenfallen," - das sei Paganismus - und die Frage der Konzilien sei daher keine Zweckmäßigkeitsfrage, sondern sie seien „mystisch notwendig" (näheres vgl. „Nowfoje] Wr[emja]" 10762,3). 23 Ähnlich äußerte sich Ssokolow von der geistlichen Akademie in Moskau über das Prinzip der Ssobornostj (Konziliarismus) („Now[oje] Wrjemja]" 10781, l). 2 4 Beseitigung der bureaukratischen Knechtung der Kirche und „Ssobor-Prinzip" war das allgemeine Feldgeschrei. Im Beisein des Oberprokurors c und Metropoliten sprach sich eine Versammlung der Petersburger Geistlichkeit am 3. Februar, trotz der Bedenken wegen des möglichen Einflusses der Radikalen in den Gemeindeversammlungen, für die Umgestaltung der Gemeinden im parlamentarischen Sinne aus. 25 In Moskau stellte der Metropolit im Januar die Bestätigung der Statuten von Kirchspiel-Komitees aus Geistlichen und Laien in Aussicht („N[owoje] Wr[emja]" 10719 S. I), 26 - dagegen wurden die Versammlungen und Verbände der Psalmsänger unterdrückt. 27 In der heftigsten Weise stießen ferner die Konsistorialgewalten an den verschiedensten Orten (so in Smolensk, ,,Now[oje] Wrjemja]" 5. Jan. S. 5) 28 mit dem wachsenden Selbstgefühl der mit der Verwaltung der Kircheneinkünfte betrauten Kirchenstarosten zusammen, wobei sich der Synod natürlich auf die Seite der kirchlichen Oberen stellte. Anders nicht selten die Popen. Die Eparchialsynode von Kursk sprach sich ebenso wie so manche andere - ausdrücklich für den Ersatz des bischöflichen Konsistoriums durch einen gewählten Eparchialrat aus („N[owoje] Wrfemja]" 10734 S.3). 29 Der „Zerkownyj Wjestnik" brachte andererseits lebhafte Artikel gegen den Cäsareopapismus
C A: Oberprokurars
23 Weber bezieht sich auf eine Zusammenfassung der oben, S. 346, Anm. 20, erwähnten Diskussion zwischen Akvilonov und Antonij. Sredi gazet i zurnalov, in: Novoe Vremja, Nr. 1 0 7 6 2 v o m 1. März 1906, S.3. 24 Die Meldung unter der Rubrik: Moskovskaja Chronika, in: Novoe Vremja, Nr. 10781 vom 20. März 1906, S. 1. 25 Der von Weber angeführte Sachverhalt ließ sich nicht ermitteln. 26 Vgl. Moskovskaja Chronika, in: Novoe Vremja, Nr. 10719 vom 16. Jan. 1906, S. 1. 27 Der Sachverhalt ließ sich nicht ermitteln. 28 Gemeint Ist der Artikel: K prichodskoj reforme, in: Novoe Vremja, Nr. 10708 v o m 5. Jan. 1906, S . 5 . 29 Weber nimmt Bezug auf: Novoe Vremja, Nr. 10734 vom 31. Jan. 1906, S. 1, Sp. 1.
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(7. Januar z.B.). 3 0 Eine Kasaner „Pastorenversammlung" beriet ein Projekt der Professoren der dortigen Akademie und einiger Mitglieder des Konsistoriums, welches die Herstellung des Patriarchates, Stellung des Patriarchen als (lediglich) „primus inter pares", Wahl der Bischöfe und ihrer Räte, verlangt („Nfowoje] Wr[emja]" 5 10744,3). 31 Die Verwaltung des Fürsten Oboljenskij als Oberprokuror d des Heiligen Synod ließ diesen Dingen - soweit nicht direkte Disziplinwidrigkeiten oder politische Gründe zum Einschreiten zwangen - im ganzen ihren Lauf. Auch die Programme aller überhaupt in Betracht kommenden linken, mittleren oder rechten Partei- 10 en stimmten in dem Verlangen nach 1. Einschränkung der bureaukratischen Knechtung zugunsten des Wahl- und „Ssobor"-Prinzips, 2. obligatorischer - statt der jetzt nur gelegentlichen - Beteiligung der Laien an der Gemeindeverwaltung 56 ), überein. Der „Zerkownyj Wjestnik" nahm den gleichen Standpunkt ein: er legte den Geistli- 15 chen ans Herz, vor allem ihre materielle Sicherstellung und die A197 (33) Beseitigung der un|würdigen Bettelei des Popen bei den Bauern zu betreiben 57 ) und dann „volkstümliche Leute", keinesfalls aber Vertreter des „ancien régime", speziell der Bureaukratie, bei den Wah56 ) In erster Linie der materiellen Verwaltung. Es wird die materielle Grundlage auch der Eparchien wohl stark revidiert werden müssen. In Charkow z.B. werden alle Kirchen der Eparchie in 1 - 3 Klassen geteilt und haben je nach der Klassifikation 700, 500 oder 300 Rubel jährlich an die Eparchie abzuführen, daneben aber müssen sie ein ihre Bedürfnisse oft erheblich übersteigendes Quantum Kerzen aus der Kerzenfabrik der Eparchie beziehen. Dabei wird über die Buchführung selbst der Eparchie, vollends aber der Parochien, auf das bitterste geklagt (s[iehe] ,,Now[oje] Wr[emja]", 10819 S. 6).32 \ 57 A 197 (33) ) Die Smolensker Geistlichkeit verlangte demgemäß: 36 Dessjätinen Kirchenhufe, 1000 Rubel für den Popen und 500 für den Psalmleser aus der Staatskasse („Now[oje] Wr[emja]", 13. Febr., S.3). 3 3 - Umgekehrt beschloß die Geistlichkeit des Balaschewschen Kreises, auf ihr Kirchenland zugunsten der Bauern zu verzichten („Prawo" 1906 S. 48). 34
d A: Oberprokurors
30 Siehe z. B. den Artikel: S n o v y m g o d o m , in: Cerkovnyj Vestnik, Nr. 1 v o m 5. Jan. 1906, S. 1 - 5 . 31 W e b e r meint: N o v o e V r e m j a , Nr. 1 0 7 4 4 v o m 10. Febr. 1906, S . 3 , S p . 3 . 32 G e m e i n t ist der Artikel: I z z i z n i pravoslavnych prichodov, in: N o v o e V r e m j a , Nr. 1 0 8 1 9 v o m 28. April 1906, S . 6 . 33 G e m e i n t ist: N o v o e V r e m j a , Nr. 1 0 7 4 6 v o m 13. Febr.1906, S . 2 , S p . 3 . 34 W e b e r bezieht sich vermutlich auf: Postanovlenie pastyrskago sobranija v g. Balasove, In: Pravo, N r . 2 v o m 15. Jan. 1906, S . 1 2 3 .
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Gesetzgebung
349
len zu unterstützen. Das Ausscheiden des Oberprokurors aus dem Synod müsse durch den Eintritt gewählter Vertreter der Laien kompensiert werden: nur dann werde die Kirche wirklich frei von der Bureaukratie. 35 Auch der im übrigen streng konservative Wahlerlaß 5 des Heiligen Synod an die Geistlichen enthielt, bei aller Betonung der großen Bedeutung, welche das innige Bündnis mit dem Staat für die orthodoxe Kirche gehabt habe und habe, doch, in vorsichtiger Form, Vorbehalte gegenüber der allmächtigen Bureaukratie des alten Regimes 58 ). Jedenfalls zeigt das alles, wie stark die Ablehnung 58 ) Der Erlaß (Wortlaut z.B. im ,,Now[oje] Wr[emja]" 10751, 18.Februar, S. I) 3 6 verwirft die Gewalt als Mittel des politischen Kampfes und überhaupt die Verachtung der Staatsgewalt, fordert die Geistlichen auf, Gott zu bitten, daß er den Zaren erleuchte, gedenkt des Entschlusses des Zaren, dem Volk Gelegenheit zu geben, sich in „Frieden, Freiheit und Recht" an seiner Arbeit zu beteiligen, erwähnt die Bestrebungen „russischer Männer", sich zur Wahl in Verbände zusammenzuschließen und stellt dann fest, daß der „Pastor" als solcher zu keiner organisierten Partei gehören dürfe, daß er aber alles unterstützen solle, was für „Frieden, Liebe, Ordnung, den wahren Glauben, den rechtgläubigen Zaren, die Einheit des Vaterlandes" einträte, sich auch nicht durch die politischen Freiheitshoffnungen allzusehr in die weltlichen Angelegenheiten hineinziehen lassen solle; sonst sei er kein Geistlicher mehr. Dagegen soll er selbst von seinen staatsbürgerlichen Rechten Gebrauch machen und seine Herde jedenfalls davon abhalten, durch Verweigerung der Teilnahme an der Wahl Feinde des Zaren zu werden. Am Eingang des Schreibens war eingehend das Auftreten Philipps gegen Iwan den Schrecklichen erwähnt, 37 als Beispiel dafür, daß die russische Kirche sehr wohl zuzeiten gewagt habe, der weltlichen Gewalt entgegenzutreten (vom Patriarchen Nikon und seinem Schicksal38 schweigt des Schreibers Vorsicht begreiflicherweise). - Deutlicher sprach sich der „Zerkownyj Wjestnik" (24./2.) 39 dahin aus: Die Geistlichen sollten sowohl die Ansicht des Archierej® Prokopowitsch, welcher' die Selbstherrschaft, wie diejenige des Bischofs 9
e A: Archierij
f A: welche
g A: Bischof
35 Weber bezieht sich wahrscheinlich auf den Artikel: Aggeev, K., Iz mira sel'skago duchovenstva, in: Cerkovnyj Vestnik, Nr. 4 vom 26. Jan. 1906, S. 1 0 5 - 1 0 9 . 36 Gemeint ist: Ot Svjatejsago Sinoda pastyrjam pravoslavnoj rossijskoj cerkvi pred vyborami v Gosudarstvennuju Dumu, in: Novoe Vremja, Nr. 10751 vom 18. Febr. 1906, S.1. 37 Der Metropolit Filipp, der dem Zaren Ivan IV. wegen seines Lebenswandels den Segen der Kirche verweigerte, wurde von einer Bischofssynode auf Betreiben des Zaren abgesetzt, verbannt und kurze Zeit später ermordet. 38 Der Patriarch Nikon, der Mitte des 17. Jahrhunderts die Kirchenreform durchführte, forderte den Primat der geistlichen vor der weltlichen Herrschaft. Er wurde 1666 auf Betreiben des Zaren Aleksej Michajloviö abgesetzt und verbannt. 39 Weber nimmt im Folgenden Bezug auf den Artikel: Svetlov, P., O „platforme" russkago duchovenstva i ego politike, in: Cerkovnyj Vestnik, Nr. 8 vom 23. (nicht 24.) Febr. 1906, S. 2 2 9 - 2 3 2 .
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zum
Scheinkonstitutionalismus
des Cäsareopapismus in der Kirche ist. Im Synod selbst spielte der Oberprokuror offenbar eine gegenüber den bisherigen Gepflogenheiten höchst untergeordnete Rolle. Es wird sich zeigen müssen, inwiefern die mit dem Rücktritt des Ministeriums Witte zusammenfallende Entlassung Oboljenskijs und seine Ersetzung durch einen 5 Beamten der Pobjedonosszewschen Schule 59 ) dieser Entwicklung Halt gebieten wird. 40 Der erste Schritt scharfer Reaktion ist wohl die A 198(34) Entlassung von 300 (!) Seminaristen der | geistlichen Akademie in Petersburg (9 ganze Klassen von 11) wegen Fortbleibens vom Unterricht am l . M a i . 4 1 Aber von den Kijewer Seminaristen erhielt die 10 Duma noch eins der stereotypen Begrüßungstelegramme („Russkfija] Wjfedomosti]" 114,3). 4 2 Im übrigen war die orthodoxe Geistlichkeit, wie sich von selbst versteht, keineswegs einmütig oder auch nur überwiegend auf seiten des „neuen Kurses". Im Gegenteil: es ist wahrscheinlich, daß das quantitative Übergewicht in der Geistlich- 15 keit sofort auf seiten der Reaktion sein würde 60 ), sobald die materielle Stellung der Popen gebessert und - was freilich schwierig genug sein würde - ihre erniedrigende Lage gegenüber den die Kirche
Antonin, welcher die Konstitution als göttliches Recht bezeichnete, ablehnen und sich darüber entscheiden, ob sie für das Wohl der Kirche die Herrschaft des orthodoxen Zaren oder eine aus Polen, Lutheranern, Armeniern, M o h a m m e d a n e r n , mit der jüdischen Intelligenz an der Spitze, zusammengesetzte Parteimajorität für ersprießlicher hielten. ) Ssamarin hatte das A n g e b o t der Würde abgelehnt. 4 3 | ) D e r R e k t o r des Seminars von Kostroma, ein Heißsporn der Reaktion, sprach in öffentlicher R e d e die Ansicht aus, daß 1. Abfall von der Orthodoxie die Todesstrafe verdiene, 2. das Toleranzversprechen gegen das Kirchenrecht sei, 3. die bürgerliche Gewalt, sobald sie in die R e c h t e der Kirche eingriffe, ihre Sphäre überschreite und ihre Gesetze insoweit nichtig seien. ( „ P r a w o " 1906, S. 7 3 5 ) . 4 4 - Ob etwas darauf erfolgte^] ist mir unbekannt. Dagegen wurde der Igumen Arssenij, der von der Kanzel das A n a t h e m gegen alle „Intelligenz" verkündet hatte, in ein Kloster am Weißen M e e r verschickt. 4 5 59
A 198 (34)
60
4 0 Fürst A. D. Obolenskij w u r d e im April 1906 von A. A. Slrlnskij-Sichmatov abgelöst, d e m im Juli bereits P. P. Izvol'skij als O b e r - P r o k u r o r des Heiligen S y n o d folgte. SlrlnskljS l c h m a t o v war einige Zelt der Gehilfe K. P. P o b e d o n s c e v s g e w e s e n , der von 1880 bis z u m 19. O k t o b e r 1905 das A m t d e s O b e r - P r o k u r o r s bekleidet hatte. 41 Vgl. dazu die Notiz In: Strana, Nr. 62 v o m 3. Mai 1906, S. 4, Sp. 3. 4 2 G e m e i n t ist: Russklja V e d o m o s t l , Nr. 114 v o m 28. April 1906, S. 3. 43 44 45 Sp.
Der erwähnte Sachverhalt ließ sich nicht ermitteln. Vgl. Pravo, Nr. 8 v o m 26. Febr. 1906, S. 735. Diese M e l d u n g findet sich In: Russklja V e d o m o s t l , Nr. 38 v o m 8. Febr. 1906, S . 2 , 7.
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Gesetzgebung
351
beherrschenden Zölibatären61) geändert würde. Schon jetzt war die Haltung der Popen in den Westprovinzen, wo sie sich im Kampf mit den Katholiken befanden, erzreaktionär62). Selbst mit Gewalt isolierten sie die unter ihrem Druck gewählten analphabetischen Wahl5 männer der podolischen und wolhynischen Bauern an den Wahltagen von denen der städtischen Wahlmänner, brachten sie in einem Gouvernement zu diesem Zweck in einem Kloster unter, ließen sie eidlich geloben, keine Demokraten zu wählen^,] und setzten dort wirklich die Wahl nur von konservativen Gutsbesitzern und absolut 10 schreibunkundigen Bauern in die Duma durch63).46 In Moskau verlangten Eparchialversammlungen ein Einschreiten gegen den popu61 ) Es wurde in dieser Hinsicht als ein Novum begrüßt, daß der Synod den Bischof von Ssaratow anläßlich eines Streitfalles in scharfer Form anwies, „sich bei der Leitung und namentlich bei der Entlassung der Kirchenbediensteten nicht von seinen persönlichen Wünschen und Belieben leiten zu lassen". 47 62 ) Auch im Gouvernement Nischnij-Nowgorod trieben einzelne Popen den Kampf gegen die Steuerobstruktion der Revolutionäre h so weit, daß ein Pope die Taufe des Kindes eines Bauern verweigerte, weil der Bauer mit 40 Kopeken im Rückstand war. („Russk[ija] Wj[edomosti]" 89,3.) 4 8 Aber auch die Bauern waren zuweilen aufsässig. Ein im ,,Now[oje] Wr[emja]" 10707 S. 13 49 abgedruckter „Prigowor" von 155 Bauern' der Jekaterinoslawschen Eparchiek verlangte die Absetzung des Popen wegen (eingehend spezifizierten) lieblosen Verhaltens gegen die Gemeindemitglieder. 63 ) Eingehend über die Technik des geistlichen Wählerfangs auch: ,,Russk[ija] Wj[edomosti]" Nr. 89, 3. 5 0
h A: Revolutionären
i In A folgt: und
k A: Exarchie
46 Podolien war eines der drei G o u v e r n e m e n t s des europäischen Rußland, das ausschließlich Bauern in die Erste D u m a entsandte (hinzu kamen T a m b o v und Stavropol'). Die städtischen jüdischen und polnisch-katholischen W a h l m ä n n e r der G o u v e r n e m e n t s w a h l v e r s a m m l u n g versuchten dort, Ihre Kandidaten durchzubringen, w o g e g e n die ukrainischorthodoxen Bauern die Wahl dieser Kandidaten zu verhindern suchten, was ihnen auch mit Unterstützung einiger „ r u s s i s c h e r " W a h l m ä n n e r gelang, so daß im Ergebnis nur Kandidaten der Bauern gewählt wurden. Siehe dazu: G u b e r n s k l e Vybory, In: Vestnik partli narodnoj s v o b o d y , Nr. 7 v o m 19. April 1906, S. 5 3 0 - 5 3 3 . In Volhynlen formierte sich eine Koalition der polnischen und russischen Großgrundbesitzer g e g e n die jüdischen städtischen W a h l m ä n n e r auf der G o u v e r n e m e n t s w a h l v e r s a m m l u n g , um die S t i m m e n der bäuerlichen W a h l m ä n n e r zu erhalten. Z u m Vorgang der „ I n t e r n i e r u n g " der bäuerlichen Wahlmänner in e i n e m Kloster siehe die Berichte in: Ree', Nr. 48 v o m 14. April 1906, S. 3, und Dvadcatyj Vek, Nr. 2 0 v o m 15. April 1906, S. 1, und Nr. 21 v o m 16. April 1906, S. 1. 47 Der angeführte Sachverhalt Heß sich nicht ermitteln, das Zitat nicht nachweisen. 48 Der angeführte Artikel ließ sich In Russklja V e d o m o s t l nicht auffinden. 49 W e b e r n i m m t B e z u g auf: Interesnyj prlgovor, in: N o v o e Vremja, Nr. 1 0 7 0 7 v o m 4. Jan. 1906, S. 13. 50 Russklja Vedomostl, Nr. 89 v o m 1. April 1906, S. 3: Vnutrennlja izvestlja.
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zum
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lären Popen Petrow wegen seiner erfolgreichen Publizistik in seiner „Prawda Boshija": der Oberprokuror Fürst Oboljenskij lehnte es ab. 51 Die Beschlüsse der Woronesher Eparchialversammlung („Rjusskija] Wj[edomosti]" 14./2.'):52 außerhalb der Parteien zu stehen, aber für die Ausführung des Manifestes vom 17. Oktober 5 einzutreten, dürfte dem Durchschnitt der offiziellen Stellungnahme entsprechen. In den östlichen und südlichen, auch großen Teilen der zentralen Gebiete, war allerdings die Popenschaft sehr oft entschieA199 (35) den liberal oder demokratisch 64 ). Die | Bischöfe verhielten sich verschieden, aber auch die liberalen unter ihnen mußten gegen die 10 Unterzeichner von Protesten gegen die Todesstrafe einschreiten 65 ). Die Polizei sprang anfangs mit den radikalen Popen rücksichtslos genug um; erst auf Einschreiten des Synods erfolgte ein Erlaß des Ministers des Innern 66 ), welcher den Behörden anbefahl, Arretierungen von Geistlichen - welche immerhin ziemlich häufig erfolg- 15 ten 67 ) m - nur dann vorzunehmen, wenn die kanonischen Maßregeln ,,Russk[ija] Wj[edomosti]", 9. Jan., S. 2: 5 3 Versammlung von Popen im Ssaratowschen Gouvernement mit der Forderung: Allgemeines Wahlrecht, Beseitigung der Stände, A 199 (35) Toleranz, „Landmanifest". Die Geistlichkeit von Jalta, welche äußerst scharfe | Resolutionen gegen die soziale Untätigkeit des Kirchenregimentes faßte („Prawo" Nr. 8 S. 709), 5 4 geriet in scharfen Konflikt mit dem Bischof, in dem sie jedoch schließlich nachgeben mußte („Now[oje] Wr[emja]" 10748 S. 3 ) . 5 5 Die Geistlichkeit in Woronesch sprach sich in ihrer Synode für die „Befreiungsbewegung" aus: „wo so viele Opfer fallen, müssen die Hirten rufen: ,hier ist Christus.'" („Prawo" S. 738). 5 6 65 ) Absetzung von fünf Geistlichen in Charkow dieserhalb: ,,Russk[ija] Wj[edomosti]" 20./1. 5 7 66 ) Abgedruckt im „Prawo" Nr. 14 S. 1287. 5 8 67 ) Vgl. z. B. ,,Russk[ija] Wj[edomosti]", 1. Februar, S. 3. 5 9
I A: 1412
m Fehlt in A; Index 67) sinngemäß ergänzt.
51 Vgl. dazu die Notizen in: Ree', Nr. 11 vom 5. März 1906, S. 3, Sp. 2, und Nr. 22 vom 16. März 1906, S. 4, Sp.5. 52 Weber bezieht sich auf: Russklja Vedomosti, Nr. 43 vom 14. Febr. 1906, S. 3. 53 Die Meldung In: Russklja Vedomosti, Nr.8 vom 9. Jan. 1906, S.2. 54 Abgedruckt unter dem Titel: Postanovlenie sobranlja jaitinskago duchovenstva, in: Pravo, Nr. 8 vom 26. Febr. 1906, S. 71 Of. 55 Die Meldung in: Novoe Vremja, Nr. 10748 vom 15. Febr. 1906, S.3, Sp.4 und S.4,. Sp.1. 56 Das Zitat lautet: „Dort, wo die Opfer zu Hunderten fallen, müssen die Pastoren rufen: .Hier ist nicht Christus.'" Pravo, Nr. 8 vom 26. Febr. 1906, S.738. 57 Die Meldung in: Russklja Vedomosti, Nr. 19 vom 20. Jan. 1906, S.2. 58 Siehe unten, S. 353, Anm. 60. 59 Weber bezieht sich vermutlich auf: Russklja Vedomosti, Nr. 31 vom 1. Febr. 1906, S. 2.
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der allgemeinpolitischen
Gesetzgebung
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des Bischofs fruchtlos geblieben seien^] und dann nur gemäß den Anordnungen der oberen Verwaltungsbehörde, nicht der unteren Polizeiorgane, und in schonender Form, da es in anbetracht der Zeitumstände nötig sei, die Autorität der Geistlichen und ihren Einfluß „besonders auf die dumme (sie!) bäuerliche "Bevölkerung" 60 zu" unterstützen. - Hier finden wir also Kirche und Bureaukratie in schönster Eintracht. Die entscheidende Frage ist eben, wie weit denn die Kirche selbst die Loslösung von den immerhin zugleich auch sie tragenden Fesseln der Bureaukratie zu fordern schließlich den Mut haben wird, namentlich die Bischöfe, gegen deren Autorität von unten das „Gemeindeprinzip" mächtig anstürmt. Die Frage, wie sie sich zu diesem letzteren Gedanken stellen, hat schon jetzt ihre ziemlich deutliche Antwort gefunden. Am 4. Mai kam die erste und wichtigste Frage: nach der Zusammensetzung des „Ssobor" in Moskau im September61 vor das Plenum der Vorbereitungsversammlung. 62 Die Beschlüsse der mit der Vorberatung betrauten ersten Abteilung lauteten bezüglich der Zulassung von Priestern und Laien neben den Bischöfen zum Konzil mit einer Mehrheit von 12 gegen 7 auf Beschränkung der Priester und Laien auf lediglich beratende Stimme, mit 10 gegen 7 Stimmen auf Teilnahme derselben nur an den Arbeiten der Kommissionen, nicht an den allgemeinen Versammlungen des Konzils. In dieser Eigenschaft sollten aus jeder Eparchie 2 Priester, 2 Laien, 1 Fachtheologe und 1 Mönch zum Ssobor geladen werden. Bezüglich der Art der Wahl hatten sich 9 Mitglieder für direkte, 10 für dreistufig indirekte Wahl (von den Kirchspielen an aufsteigend) ausgesprochen, ferner war die nächst der Frage der beschließenden Stimme wichtigste: ob freie oder durch den Bischof der Eparchie zu bestätigende Wahlen, mit einer Stimme Mehrheit und zwar in einem durch den Vorsitzenden Bischof verfälschten
n A: Bevölkerung", zu
60 Das Zitat lautet: aus allem diesem folgt, daß der Einfluß der Priester auf die Masse der ungebildeten (temnyj) ländlichen Bevölkerung zu unterstützen ist." Clrkuljar mlnlstra vnutrennych del, in: Pravo, Nr. 14 vom 9. April 1906, S. 1287f. 61 Weber bezieht sich auf den Artikel: Podgotovltel'nyja raboty kcerkovnomu soboru, In: Russkija Vedomostl, Nr. 121 vom 6. Mai 1906, S . 2 . 62 Siehe oben, S. 343, Anm. 3.
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Abstimmungsverfahren 68 ) zu gunsten des Bestätigungsrechtes des Bischofs entschieden worden 683 ). Das Präsidium;,] schlugen 9 StimA 200 (36) men vor, dem Metropoliten von Petersburg | zu übertragen, 7 dem Heiligen Synod in der Person seines Rangältesten, 1 dem vom Konzil zu Bestimmenden. 6 3 Ungezählte persönliche Kabalen verbergen 5 sich natürlich in diesen, wie in allen Abstimmungen derartiger hierarchischer Körperschaften. Die Patriarchen-Frage wurde in der Sitzung vom 3. Juni nach langem Streit, ob er „Vorsitzender" (predsjedatel) oder „Vorstand" (predstojatel) sein solle 0 , im episkopalistischen Sinne entschieden: Der Patriarch soll nur Exekutivbeamter 10 sein und untersteht der Jurisdiktion des Konzils. Der Oberprokuror und das jus circa sacra 64 des Zaren sollen fortbestehen, nur soll die Geschäftsführung an den Synod jetzt auch effektiv übergehen. 6 5 Man kann nach diesen Proben schon jetzt voraussehen, was aus der „Kirchenreform" unter diesen Händen werden wird, und wenn 15 die bürgerlichen Zeitungen („Nowoje Wremja" usw.) drohen: „die
68 ) Näheres über die angewandten Kniffe s[iehe] ,,Now[oje] Wr[emja]" 10 828. 6 6 Der Kampf war ein äußerst hartnäckiger gewesen. 68a ) Ganz konsequenterweise. Ssamarin hob mit Recht hervor, daß der Bischof das prius gegenüber der Gemeinde sei. 6 7 Döllingers bekannter historischer Irrtum ist auch auf dem Boden des orientalischen Katholizismus nicht haltbar. 68 |
o A: sollen
6 3 Siehe dazu den Artikel: Podgotovitel'nyja raboty k cerkovnomu soboru, in: Russkija Vedomosti, Nr. 121 vom 6. Mai 1906, S. 2. 64 Im Staatskirchentum das Recht, das sich der Staat gegenüber der Kirche vorbehielt, Insbesondere um etwaiger Schädigung des Staatswohls vorzubeugen. Ebenso beanspruchte der Staat das Recht der Vorlage aller bischöflichen und päpstlichen Erlasse, des Ausschlusses mißliebiger Kandidaten von Kirchenämtern sowie am Obereigentum des gesamten Kirchenvermögens. 65 Siehe dazu die Beratungen und Abstimmungen der „Besonderen Behörde" der vorkonziliären Versammlung vom 3., 12., 13. und 14. Juni 1906, in: Zurnaly i protokoly zasedanlj Vysocajse ucrezdennago predsobornago prisutstvija, tom 2. - S.-Peterburg: Sinodal'naja Tlpografija 1906, S. 595-648. 66 Weber meint den Artikel: V predsobornom prisutstvii, In: Novoe Vremja, Nr. 10828 vom 7. M a i l 906, S. 3. 67 Fedor Samarin äußerte diese Meinung In der Sitzung des vorkonziliären Ausschusses vom 18. März 1906. Siehe dazu: Zurnaly I protokoly zasedanlj Vysocajse ucrezdennago predsobornago prisutstvija, tom 1. -S.-Peterburg: Sinodal'najaTipografija 1906, S.49. 68 Weber spielt hier auf die These des altkathollschen Theologen Ignaz Döllinger an, daß Gemeinde und Bischof gleichberechtigt seien.
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Gesellschaft" werde wissen, woran sie sei, 69 so wird dies die hierarchischen Interessenten wenig schrecken: die „Gesellschaft" kann ihnen ziemlich gleichgültig sein. Es fragt sich für sie, wie ihre Position unter den Bauern sich auf die Dauer gestalten wird, und das weiß 5 heute niemand. Das alles ist nichts Erstaunliches. Einen archimedischen Punkt außerhalb der Staatssphäre, in Gestalt eines Papstes, hat die Kirche nicht und wird ihn auch nicht bekommen. Vor p die Wahl aber gestellt zwischen der durch die „Ssobornostj" zu schaffenden Abhängigkeit 10 „nach unten" und der Abhängigkeit „von oben", wird die Hierarchie nicht zweifeln, was - von ihrem Interessenstandpunkt aus - vorzuziehen sei, oder vielmehr, sie ist sich schon klar darüber. Das etwaige Wiedererstehen des Patriarchen wird nur bedeuten, daß Rußland, welches bisher nur Superstition und - hier und da - intensive religiöse 15 Gefühlsinhalte auf der einen Seite, hierarchische Bureaukratie auf der andern kannte, jetzt ein neues Spezifikum des Westens importiert: den höfischen „Klerikalismus". 3. q Das Toleranzedikt hatte (Nr. 14)1 den Grundsatz des Religionsunterrichtes in der Muttersprache durch Geistliche der betreffenden Gemeinschaft und, in Ermangelung solcher, durch weltliche Lehrer aus derselben aufgestellt. Schon das Dezemberedikt von 19042 hatte eine Durchsicht der Sprachengesetzgebung in Aussicht gestellt. Dieser Beginn einer generellen Revision der Sprachengesetzgebung hat von allen Versprechungen die weitestgehenden Schritte nach sich gezogen. Am 1. Mai 1905 wurde das Ministerialgutachten, betreffend den Gebrauch der litauischen und polnischen Sprache für den „West-Rayon" (die neun Gouvernements Weiß-r
p DV; A: W a r
q A: III. Inhaltsverzeichnis (oben, S. 293): 3.
r DV; A: West-
69 Das Zitat lautet wörtlich: „Aber wenn auch In den allgemeinen Sitzungen die unumschränkte Alleinherrschaft des Erzblschofs den Sieg davonträgt, dann möge die Gesellschaft wissen, auf welchem Wege dies erreicht worden sei." V predsobornom prisutstvil, in: Novoe Vremja, Nr. 10828 vom 7. Mai 1906, S. 3. 1 Gemeint Ist das Toleranzedlkt vom 17. April 1905, Punkt IX, Abs. 3, in: Pravo, Nr. 16 vom 24. April 1905, S. 1275; PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 26125. 2 Siehe oben, S. 326, Anm. 22.
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und Kleinrußlands und der polnisch-russischen Grenzgebiete) im inneren Verkehr privater Gesellschaften, ausgenommen in den der behördlichen Kontrolle unterliegenden Buchungen und Protokollen genehmigt, und ihre Freigabe als Unterrichtsoiy'e/tf (nicht: Unterrichtssprache) in den zweiklassigen und höheren Schulen verfügt. 3 5 Im Laufe der ersten Monate des Jahres 1906 ist generell die Einführung des Polnischen als Unterrichtssprache im „Zartum Polen", des Deutschen und der übrigen örtlichen Sprachen (außer für russische Geographie, Geschichte und Literatur) für die lediglich aus Privatmitteln69) unterhaltenen Schulen der baltischen Provinzen und 10 ebenso des Litauischen erfolgt. 4 | A 201 (37) Da von den nationalen Problemen bei früherer Gelegenheit 5 eingehender die Rede war, mag auf diese Sprachenprobleme, die ja zurzeit noch im Fluß sind, nicht weiter eingegangen werden; es sei hier nur kurz auf die faktische Gestaltung der nationalen Beziehun- 15 gen, soweit die russische hauptstädtische Presse davon etwas erkennen läßt, hingewiesen. Nach Wiederbeginn des geordneten Eisenbahnverkehrs klagten die russischen Blätter - und wahrscheinlich nicht ohne Grund 70 ) - alsbald darüber, daß die Polen im Westrayon die russischen Arbeiter und Stationsbeamten entweder durchprügel- 20 ten oder durch unauffälligen, aber unzweifelhaften Boykott verdrängten. Nicht nur die polnischen Gutsbesitzer wurden systematischer Konversionsversuche s an rechtgläubigen Bauern unter natioA 200 (36)
69
) Anfänglich war die Fassung eine weitere, die Gewährung von Gemeindezuschüssen an derartige Schulen nicht ausschließende. Die deutschfeindliche Polemik (namentlich des ,,Now[oje] Wr[emja]") hat offenbar auf den Reichsrat eingewirkt. S[iehe] Protokoll ,,Now[oje] Wr[emja]" 1 0 7 8 7 , 2 . 6 | A 201 (37) ™) Vgl. z . B . ,,Now[oje] Wr[emja]" 10711 S. 3. 7
s A: Konversationsversuche
3 Weber bezieht sich auf: Izvlecenie iz osobago zurnala komiteta ministrov, S. 1576-1579. Die folgenden Bemerkungen beziehen sich auf die vom Ministerkomitee vorgeschlagenen Maßnahmen. 4 Weber nimmt vermutlich Bezug auf: Zasedanie Gosudarstvennago Soveta, in: Novoe Vremja, Nr. 10797 vom 6. April 1906, S.6. 5 Weber, Zur Lage der bürgerlichen Demokratie, oben, S. 129ff. 6 Wahrscheinlich bezieht sich Weber auf den In Anm. 4 angeführten Artikel. 7 Gemeint Ist hier eine Meldung In der Rubrik: Vecernjaja chronika, die sich auf Litauen bezieht, In: Novoe Vremja, Nr. 10711 vom 8. Jan. 1906, S.3.
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nalen Gesichtspunkten geziehen, sondern es wurde auch behauptet, daß die Eisenbahnarbeiter in den Grenzgebieten nach Polen hin Bekenntnis zum Katholizismus, eventuell also Austritt aus der orthodoxen Kirche, als Bedingung der Zulassung zu ihren Organisationen forderten („Now[oje] Wrfemja]" 29.II. S. 6), 8 und in den mittelparteilichen Blättern („Nowoje Wremja" u.dergl.) erhob sich ein ununterbrochenes Gezeter über die Art, wie von der Regierung aus, infolgedessen auch von der örtlichen „fremdvölkischen" Gesellschaft^] über die russische Bauernschaft des West-„Krajs" zur Tagesordnung übergegangen werde 71 ). Von dem Verhalten der Altgläubigen ist schon die Rede gewesen. Anderseits ist bekannt geworden, daß der Minister des Innern nicht nur auf die Entfernung der jüdischen, sondern auch, in etwas weniger bestimmter Form, der katholischen Arbeiter aus dem Eisenbahndienst gedrängt hat. 9 Der latente ökonomische Kampf der Nationalitäten nahm also an Kraft nicht ab, sondern zu. Es sei auch vorgreifend bei dieser Gelegenheit die nationalpolitische Seite der Wahlen gleich mit erledigt. Die Wahlpolitik der Regierung in nationaler Hinsicht war keine einheitliche und sich gleichbleibende. Das Wahlgesetz kennt - außer in Mittelasien und in den südöstlichen Gebieten des „Zartum Polen", wo man den Russen nationale Sondervertretung durch je einen eigenen Abgeordneten gegeben hat 10 - prinzipiell nationale Unterschiede nicht, aber die später zu besprechende 11 Verteilung der Wahlmänner auf einzelne Klassen und Stände hat selbstverständlich nationale Konsequenzen. Verhältnismäßig einfach lagen in dieser Hinsicht die Verhältnisse in Polen und den Ostseeprovinzen. In Polen hatte man nur zwischen mehreren spezifisch polnischen Parteien, den Juden, den Sozialdemokraten und den (stark jüdisch durchsetzten) Sozialrevolutionären 71 ) Es bildete sich ein besonderer „Verein gegen die Verdrängung der Russen aus den Grenzländern". ,,Now[oje] Wr[emja]". 2. Febr., S. I. 1 2 |
8 W e b e r bezieht sich auf d e n Artikel: Pravoslavie i katolicestvo, in: N o v o e Vremja, Nr. 1 0 7 3 2 v o m 29. Jan. 1906, S. 6. 9 Der diesbezügliche Sachverhalt ließ sich nicht ermitteln. 10 Siehe unten, S. 467. 11 Siehe unten, S . 4 4 6 f . und 4 6 6 f f . 12 Der Verein w u r d e auf einer V e r s a m m l u n g des „ R u s s k o e Sobranle" gegründet. Vgl. N o v o e Vremja, Nr. 10 736 v o m 2. Febr. 1906, S. 1.
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die Wahl. Die Begünstigung des großen Grundbesitzes und der Boykott der Wahl durch die äußerste Linke hatte hier das Ergebnis, daß von 33 Abgeordneten Polens 30 strikte Nationalisten („nationale Demokraten", d. h. bedingungslose Anhänger der alsbaldigen Autonomie mit eignem Landtag) gewählt wurden, 13 - ein Ergebnis, wel- 5 ches von der Petersburger Bourgeoispresse 1 („Nowoje Wremja") in ihrem Haß gegen die dezentralistische Demokratie als ein Bekenntnis gegen den Kosmopolitismus mit Jubel begrüßt wurde. 14 In den Ostseeprovinzen war klar, daß die Bauern national-lettisch bezw. esthnisch wählen würden, die Grundbesitzerkurie aber deutsch. 10 Nach dem Bulyginschen Zensus-Wahlgesetz hätten die Städte sicher zugunsten der Deutschen gestimmt, das Wahlgesetz vom 11. Dezember war ihnen viel ungünstiger. 15 Vergebens suchte die baltischA 202 (38) konstitutionelle (deutsche) Partei | das lettische Bürgertum auf ihre Seite zu ziehen. Nur eine verschwindend kleine Gruppe spezifischer 15 Bourgeoisie stimmte mit dieser, dem russischen „Bunde des 17. Oktober" entsprechenden Partei. Nachdem ein Kartell der lettischen und esthnischen Parteien (Bürgerlichen und Radikalen) mit den Juden und Russen zustande gekommen war, wählten die Städte ohne Ausnahme, auch Riga infolge des numerischen Übergewichts der 20 Vorstädte, antideutsch, und das Resultat war mithin, daß kein einziger Deutscher aus den baltischen Provinzen in die Duma kam. Von den gewählten Esten und Letten gehört ein Teil (darunter die Vertreter von Riga) der „bürgerlichen" Richtung, die Mehrzahl aber der Demokratie an. Komplizierter war die Lage in dem „West-Kraj" 25 (den neun Gouvernements: Kowno, Grodno, Minsk, Witebsk, Wil-
t A: Bourgeoisepresse
13 Im Königreich Polen wurden insgesamt 37 Dumaabgeordnete gewählt, davon waren 34 Mitglieder der National-Demokratischen Partei oder standen ihr nahe, zwei Abgeordnete waren Litauer und ein Abgeordneter wurde von der russischen Minderheit in Cholm gewählt. Vgl. Emmons, Terence, The Formation of Political Parties and the First National Elections in Russia. - Cambridge, Mass.: Harvard University Press 1983, S. 501 (künftig: Emmons, Formation). 14 Weber bezieht sich vermutlich auf den Artikel: Pol'skajaavtonomija, in: NovoeVremja, Nr. 10823 vom 2. Mai 1906, S. 2. 15 Das Wahlgesetz vom 11. Dezember erweiterte das Wahlrecht in den Städten erheblich. Wahlberechtigt waren nunmehr fast alle männlichen Personen, die Steuern zahlten, sowie alle bei staatlichen oder öffentlichen Institutionen Beschäftigten.
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der allgemeinpolitischen
Gesetzgebung
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na, Podolien, Wolhynien, Kijew, Poltawa), in dem die Mischung von Litauern, Polen, Weißrussen, altgläubigen und rechtgläubigen Großrussen, endlich Kleinrussen, die kompliziertesten Russifikationskünste und die erbarmungsloseste Unterdrückung, namentlich der literarisch hochentwickelten kleinrussischen, aber auch der literarisch noch ganz unentwickelten weißrussischen Sprache, gezeitigt hatte, die Semstwo-Institution fehlt, das Analphabetentum infolgedessen, im Verhältnis zu Großrußland, geradezu erschreckend ist und die „herrschende" Klasse auf dem Lande von den - durch das Verbot alles neuen polnischen Grunderwerbs allmählich zu gunsten der Russen zurückgedrängten - polnischen Grundbesitzern gestellt wird, in den Städten aber die Juden vielfach die absolute Mehrheit, überall, auch in Kijew, ein sehr einflußreiches Element bilden. Der russischen Politik galt 72 ) seit Anfang 1905 die Grundbesitzerklasse, einschließlich der Polen, als das zuverlässigste Element 73 ). Mithin wurde sie bei der Verteilung der Wahlmänner unter die Klassen überall begünstigt. Zugleich gestattete das Fehlen der Selbstverwaltungskörper hier die rücksichtsloseste Wahlkorruption. Das Resultat war ein im Verhältnis zu ihrer Zahl ganz unverhältnismäßiger Erfolg der Polen und der „konstitutionell-katholischen Partei" des Wilnaer Bischofs von Ropp, ein leidlicher Erfolg der Litauer, ein fast gänzliches Ausfallen der Vertretung der Weißrussen, Altgläubigen und Orthodoxen in der nördlichen Hälfte des „Kraj", Sieg des Zionismus in der Stadt Minsk, der Demokratie und der mit ihr verbundenen jüdischen Intelligenz (Dr. Jollos von den ,,Russk[ija] Wjed[omosti]") in Poltawa 3 , anderseits Sieg der extremsten, analphabetischen Bauern-Reaktionäre unter Führung der Popen in Wolhynien, - also ein buntes, durch die tollsten Wahlkabalen hergestelltes Zufallsergebnis - , im Süden (Kleinrußland) dagegen zwar eine relativ etwas
72 ) Vgl. die in diesem Archiv Bd. XII S.259 Anm. 22a im Auszug wiedergegebene A 2 0 2 (38) Ministerialdenkschrift. 16 73 ) Auch in den Städten (Schitomir, Mohilew) wurden Polen als Bürgermeister bestätigt.
a A: Poltowa
16 Weber, Zur Lage der bürgerlichen Demokratie, oben, S. 132f.
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schwächere Vertretung des - im Gegensatz zu den Tendenzen der ruthenischen Separatisten, aber in Übereinstimmung mit den Ansichten der Anhänger Dragomanows - fast ganz in der russischen Demokratie aufgegangenen ukrainischen Nationalismus 73 "), aber dafür, trotz allem, der fast völlige Triumph der Demokratie in Kijew 5 und Poltawa, wie später zu erwähnen sein wird. 17 In Südrußland haben die Deutschen (Kolonisten) 18 immerhin 4 Kandidaten in die Duma gebracht, dank ihrer vorzüglichen Wahldisziplin und der InA 203 (39) differenz der russischen privaten kleinen Grundbesitzer dort. Die nationalen Verhältnisse des Kaukasusgebietes, in welchem die Re- 10 gierung den wilden Kämpfen der Tataren und Armenier, unter Begünstigung der ersteren, als tertius gaudens zusah, - ebenso wie die Türkei - und Zentralasiens interessieren uns hier nicht, da ihre Entwirrung weit eingehendere Auseinandersetzungen erforderte, als hier gegeben werden können. Die „muselmännische Partei", die 15 sich auf einem Kongreß in Petersburg im Januar nach endlosen Schikanen der Regierung konstituiert hatte und wesentlich religiöse Autonomie fordert, 1 9 dürfte (einschließlich der zurzeit noch schwebenden Wahlen) etwa 10 Abgeordnete in der Duma haben, sie hat sich („Russk[ija] Wjedjomosti]" 28./1.) 20 der konstitutionell-demo- 20
73a ) Immerhin sitzen über 60 Kleinrussen in der D u m a . Ihr „Klub" zerfiel jedoch bald, indem ein Teil sich der radikalen „ t r u d o w a j a G r u p p e " anschloß. 2 1 |
17 Siehe unten, S. 618 und 622f. 18 Vor allem in der Regierungszelt Katharinas II. (1762-1796) siedelten deutsche mennonitlsche Kolonisten in den neurussischen Gouvernements (südliche Ukraine: Cherson, Ekaterlnoslav und Taurlen). Das offizielle Verzeichnis der Dumaabgeordneten In: Gosudarstvennaja Duma. Ukazatel' k Stenograficeskom otcetom 1906 god. - S.-Peterburg: Gosudarstvennaja Tipografija 1907, S. 17, verzeichnet nur einen deutschen Kolonisten aus dem Gouvernement Cherson. 19 Vom 15. bis 22. Januar 1906 tagte in St. Petersburg der zweite Kongreß der Moslems. Das Programm lehnte sich eng an das der Konstltutionellen-Demokraten an und empfahl die Wahl der Kadetten. Siehe dazu die Berichte In: Russklja Vedomostl, Nr. 27 vom 28. Jan. 1906, S.2, Sp.6, und Nr. 28 vom 29. Jan. 1906, S.2, Sp.7. Die Fraktion der Muslime, die ca. 10 Mitglieder In der Reichsduma hatte, tagte zum ersten Mal am 21. Juni 1906. Das Programm In: Scheibert, Partelen, S. 91 f. 20 Weber bezieht sich auf: Russklja Vedomosti, Nr. 28 vom 29. Jan. (nicht 28. Jan.) 1906, S.2. 21 Siehe dazu den Bericht: Ukrainskaja parlamentskaja gruppa, in: Vestnik Partii Narodnoj Svobody, Nr. 18 vom 6. Juli 1906, S. 1210.
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kratischen Partei assoziiert74), ebenso wie die Kirgisen, denen, wie den Kalmücken, je 1 Abgeordneter gesetzlich zugebilligt ist. 22 In schreiendem Widerspruch zu ihrer Gleichstellung im Wahlrecht steht und ist bisher geblieben die rechtliche Lage der Juden. Sie 5 brachten in die Duma, und zwar infolge des Wahlboykotts der jüdischen Sozialrevolutionäre^]23 11 (oder 12) jüdische nationalistische Abgeordnete und eine Anzahl von Mitgliedern (darunter Führer wie Winawer, Jollos usw.) der Demokratie, mit der sie gemeinsam, z . B . auch in der Stadt Kischinew (Bessarabien) siegten, wie sie denn 10 überhaupt überall in den Städten, oft ausschlaggebend, in die Wagschale der Opposition fielen, da sich ihre breiten kleinbürgerlichen Schichten an die Boykottparole der äußersten Linken nicht banden und sie durchweg von alters her brillant organisiert waren. Es wird sich hoffentlich Gelegenheit bieten, auf das Stück entlegensten Mit15 telalters, welches die russische Ghetto-Gesetzgebung13 2 4 noch jetzt
7 4 ) Obwohl übrigens auch die Konservativen sich an sie herangemacht hatten („NoA 203 (39) w[oje] Wr[emja]", 2. Februar, S. 2). 2 5 - In Kasanj erschien, wohl zuerst, eine tatarische liberale Zeitung (Anfang Februar), seitdem auch anderwärts. 26
b A: Ghetto Gesetzgebung
22 Siehe unten, S. 629. 23 Gemeint ist offensichtlich der „ Bund", die sozialdemokratisch ausgerichtete Partei der jüdischen Arbeiterbewegung, die wie alle anderen sozialistischen und .sozialdemokratischen Parteien die Wahlen zur Ersten Duma boykottierte. 24 Die jüdische Bevölkerung im Russischen Reich durfte nur im jüdischen Ansiedlungsrayon (certa osedlosti evreev) siedeln. Dieser umfaßte die 10 polnischen und 15 westlichen Gouvernements des Russischen Reiches. Landwirtschaft und Landerwerb war Juden mit wenigen Ausnahmen untersagt. Während der Reformpolitik Alexanders II. erhielten die Absolventen russischer Hochschulen, die Kaufleute der Ersten Gilde, Handwerker und einige andere Gruppen das allgemeine Wohnrecht im Russischen Reich. Vgl. dazu Löwe, Heinz-Dietrich, Antisemitismus und reaktionäre Utopie. Russischer Konservatismus im Kampf gegen den Wandel von Staat und Gesellschaft, 1890-1917. - Hamburg: Hoffmann und Campe 1978, S . 3 0 f . (künftig: Löwe, Antisemitismus). 25 An der von Weber angeführten Stelle ist die entsprechende Meldung nicht aufzufinden. In dem betreffenden Artikel geht es um die Forderung des Verbandes des 17. Oktober, daß die Partei verstärkt unter den Arbeltern agitieren und auch Arbeiter als Abgeordnete der Partei in die Duma gewählt werden sollten. Novoe Vremja, Nr. 10 736 vom 2. Febr. 1906, S.2, Sp.2. 26 Siehe darüber die Notiz in: Rus', Nr. 17 vom 2. Febr. 1906, S. 1, Sp.6. In Kazan' erschien seit Anfang Februar die Zeitung „Azad", über andere tatarische Presseorgane konnte nichts ermittelt werden.
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bildet, demnächst in dieser Zeitschrift speziell zurückzukommen. 27 Hier sei nur konstatiert, daß, aller jener Versprechungen, die zur Beruhigung des Auslands, namentlich der Amerikaner, von Witte gemacht wurden, 28 ungeachtet, bisher lediglich gewisse Erleichterungen der Zulassung zu den Universitäten konzediert worden sind, 29 solche zwar, die, nach der eigenen Ansicht des Reichsrats, deshalb ganz „unschädlich" waren, weil ja die Kontingentierung des Maximums der Zulassung zu den Unterrichtsanstalten, die für die Universität vorbereiten, auch weiterhin in Kraft geblieben ist. 30 c Eine Milderung auch der Zulassungsbedingungen für die Mittelschulen wurde letzthin in der Presse angekündigt. 031 Das Problem des Schicksals dieser zwischen 5 und 6 Millionen Menschen könnte im übrigen im Rahmen dieser Skizze durch keine Worte hinlänglich in seinem fürchterlichen Ernst geschildert werden. 4.d Die akademische Freiheit in dem vierfachen Sinn: Universitätsautonomie, Lehrfreiheit, Lernfreiheit, Freiheit der studentischen Lebensformen, spielt zwar in der Bewegung der letzten 20 Jahre eine gewaltige Rolle. Aber es ist deutlich zu erkennen, daß das eigentlich „Akademische" daran jedenfalls vor dem großen Studentenstreik vom Jahre 1899,1 der gegen das, in diesem Falle ohne jeden Grund, c - c Nachtrag 2 e i n g e s c h o b e n , siehe unten, S. 681 (oben, S . 2 9 3 ) : 4.
d A: I V .
Inhaltsverzeichnis
2 7 Ein d i e s b e z ü g l i c h e r Artikel ist nicht Im A t S S erschienen. 2 8 Im S e p t e m b e r 1905 hatte Vitte in einer U n t e r r e d u n g mit Vertretern jüdischer Organisationen die A b s c h a f f u n g der e i n s c h r ä n k e n d e n G e s e t z g e b u n g in A u s s i c h t gestellt. Er w i e derholte diese Grundsätze w ä h r e n d seiner Zeit als Ministerpräsident v o m O k t o b e r 1905 bis April 1 9 0 6 mehrfach. Löwe, Antisemitismus, S. 8 3 f . (wie oben, S. 361, A n m . 24). 2 9 Zu d e n Erleichterungen für J u d e n im Z u g a n g zur U n i v e r s i t ä t s l e h e : N a s ä Z i z n ' , Nr. 360 v o m 3. Febr. 1906, S . 3 : V bjurokratlcesklch sferach. 3 0 Dies bezieht sich auf den Vorschlag d e s Unterrichtsministers Graf Tolstoj v o m N o v e m ber 1905, d e m auch der Ministerrat z u s t i m m t e , den N u m e r u s clausus für J u d e n In den S c h u l e n u n d Universitäten gänzlich abzuschaffen. Der Reformvorschlag w u r d e v o n Zar Nlkolaj II. abgelehnt. Vgl. Vitte, Sergej Ju., Vospominanlja, t o m III. - Moskva: Izd. sozial'n o - ö k o n o m i c e s k o j literatury 1960, S. 3 2 6 f . (künftig: Vitte, Vospominanija). 31 Die e r w ä h n t e P r e s s e m e l d u n g ließ sich nicht ermitteln. Vgl. j e d o c h oben, A n m . 29. 1 Im Februar 1899 w u r d e eine Demonstration v o n Studenten der Petersburger Universität für größere Rechte der S t u d e n t e n von der Polizei blutig auseinandergetrieben. Daraufhin kam es zu e i n e m landesweiten Studentenstreik, der sich g e g e n die s c h l e c h t e soziale und materielle Lage der S t u d e n t e n s o w i e das rigide Universitätssystem richtete, letztlich jedoch erfolglos blieb.
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erfolgte polizeiliche Prügeln friedlicher Studenten (denen die Polizei Demonstrationsabsichten zutraute) protestierte75), eine bedeutendere Rolle spielte als nachher. Denn mit Fragen der „akademischen Freiheit" im deutschen Sinne des Wortes standen seitdem diese 5 nunmehr jahraus jahrein auftretenden Unruhen nur | noch in indi- A 204 (40) rekter loser Beziehung. - Den russischen Universitäten war durch Alexander III. 1884 die bis dahin unbestritten ihnen - vorbehaltlich, wie bei uns, der regelmäßig rein formalen Bestätigung durch das Ministerium - zustehende Wahl des Rektors durch die Gesamtheit 10 der Professoren, der Dekane durch die Fakultäten genommen worden:2 die akademischen Funktionäre wurden ernannt, das bis dahin bestehende akademische, aus gewählten Professoren bestehende Gericht3 wurde beseitigt zugunsten einer aus den ernannten Würdenträgern (Rektor, Dekan) mit Zuziehung des ebenfalls ernannten 15 und nicht mehr wie bisher dem Rektor, sondern dem staatlichen Kurator unterstellten „Inspektor", bestehenden Behörde. 4 De facto also e wurde auch das bis dahin obligatorische förmliche gerichtliche 75 ) Der Streik von 1901, der ebenfalls alle russischen Universitäten ergriff, war die Folge davon, daß 150 Studenten wegen Teilnahme an verbotenen Vereinen in die Disziplinarbataillone gesteckt wurden. 5 |
e
A: als
2 Der Text des Gesetzes vom 23. August 1884 in: PSZRI, 3-e sobr., tom 4, Nr. 2404; vgl. auch Spieler, Silke, Autonomie oder Reglementierung. Die russische Universität am Vorabend des Ersten Weltkrieges. - Köln/Wien: Böhlau 1981, S. 5 2 - 8 7 (künftig: Spieler, Autonomie). 3 Das gewählte Professorengericht war bis zur Reform von 1884 für das studentische Disziplinarwesen zuständig. 4 Durch das Universitätsstatut vom 23. August 1884 wurde die Macht der sog. Inspektoren, die dem staatlichen Kurator direkt unterstellt waren, erheblich erweitert. Rektor, Dekane und Professoren wurden vom Minister ernannt, nicht von der Universität gewählt resp. berufen. Die seit dem Statut von 1863 bestehende Autonomie der Hochschulen wurde aufgehoben. Aufgaben und Funktionen des Inspektors waren die Überwachung von Ordnung und Anstand der Studenten sowie der Gasthörer Innerhalb und nach Möglichkeit auch außerhalb der Universitäten. Bis zum Gesetz vom 23. August 1884 waren die Inspektoren vom Universitätsrat für drei Jahre gewählt und diesem verantwortlich. Nach dem Universitätsstatut von 1884 wurden die Inspektoren unmittelbar dem staatlichen Kurator unterstellt. PSZRI, 3-e sobr., tom 4, Nr. 2404. 5 Infolge der zwangsweisen Rekrutierung von Kiever Studenten im Herbst 1900 kam es in den folgenden Monaten zu zahlreichen Protestversammlungen, Straßendemonstrationen und Gewalttaten nicht nur von Seiten der Studentenschaft. Im Februar 1901 wurde der Erziehungsminister N. P. Bogolepov Opfer eines Attentates.
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Verfahren beseitigt zugunsten rein administrativer' Verfügungen, nach Analogie der „Verschickungen auf administrativem Wege". Der „Inspektor der Studenten" wurde zugleich Richter, Staatsanwalt und Chef der Detektivabteilung der Universität, ihm standen die Pedelle zur Verfügung und mit Hilfe von deren Angaben fertigte 5 er die dem Kurator einzureichenden Listen von unzuverlässigen Studenten an, die alsdann vom Kurator in administrativem Wege weiter „behandelt" wurden. Die Lehrstuhlbesetzung wurde bis gegen Ende des Jahrhunderts - im Gegensatz zu dem bis 1884 ausnahmslos geltenden Vorschlagsrecht - durch einseitige Ernennung 10 vollzogen, der Studienplan von der Regierung reglementiert, auch ganz formelle Eingriffe in die Lehrfreiheit durch Vorschrift eines bestimmten „russischen Geistes" der Vorlesungen immer wieder versucht. Diese Vorgänge diskreditierten das Professorenkollegium auf das schwerste bei der Studentenschaft, - aber weit weniger dies, 15 als die Unterbindung jedes korporativen Lebens der Studenten bildete den Ausgangspunkt der unerhört mächtigen und erfolgreichen Revolutionierung der Universitäten. Studentenvereine und überhaupt jede Handlung korporativen Charakters galten nach dem Ministerialreglement von 18856 als schlechthin verboten. Selbstver- 20 ständlich entstanden sie trotzdem, da bei den ungeheuren Dimensionen des Reichs und der Armut der meisten 9 Studenten schon 3 rein materielle Notwendigkeiten neben Hilfskassen, Krankenkassen, Auskunftsstellen aller Art vor allem den persönlichen Anschluß und Zusammenschluß der in eine ihnen wildfremde Welt versetzten Ein- 25 zelnen hier wie überall unumgänglich machte und selbstredend das an sich unzuverlässige und überdies mit der Rolle der politischen Polizei betraute offizielle Unterstützungswesen von Studenten, die ihre Selbstachtung bewahrten, so viel wie möglich gemieden wurde76). Die so entstandenen „Landsmannschaften" gerieten schon in 30 A 204 (40)
76 ) Vgl. für das Folgende Fürst E. Trubezkojs Artikel „Die h Universitätsfrage" in dem Sammelwerk: „Russen über Rußland", - wohl der zur sachlichen Orientierung wertvollste Bestandteil dieses Buches. 7
f A: admistrativer
g A: Studenten, schon
h A: „die
6 Gemeint sind die am 16. Mai 1885 ministeriell erlassenen Richtlinien für die Studentenschaft; dieser wurde keinerlei Korporationsrecht eingeräumt. Trubetzkoi, Universitätsfrage, S. 29. 7 Trubetzkoi, Universitätsfrage, S. 1 6 - 5 3 .
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den achtziger Jahren ganz unvermeidlich in die Bahn der geheimen Verbindung, da die offene verboten oder an ganz unwürdige Bedingungen geknüpft war. Ende 1896 umfaßte der „Bundesrat" der Moskauer Universität nach offiziellen Angaben 77 ) fast die Hälfte der dortigen Studentenschaft. Nachdem alsdann eine Technik des geheimen Verkehrs zwischen den einzelnen Universitäten, geheime Verbandsorgane usw. geschaffen waren, war - allen Einzeleingriffen, Verhaftungen usw. der Behörden zum Trotz - die Unterdrückung dieser illegalen Studenten-Autonomie zu einer physischen Unmöglichkeit geworden, wie die Erfahrung zeigte. Die Verbände terrorisierten vielmehr ihrerseits die Universitäten, | bewachten jeden ih- A 205 (41) nen mißliebigen Schritt der Professoren, erteilten ihnen - oft in optima forma im Auditorium - Rügen, sistierten den Unterricht, ohne daß irgendein Mittel, ihre Macht zu brechen, zu finden gewesen wäre. Die Regierung begann nun etwas nachzulassen, stellte das Professorengericht wieder her 78 ), besetzte die Stellen wieder auf Grund von Vorschlägen, - allein es war zu spät. Die Professoren lehnten die Funktion als politischer Gerichtshof ab, die ihnen denn auch bald, unter Beschränkung auf die disziplinare Seite der Sache, wieder abgenommen wurde. Und was die Studenten anlangt, so hatte nunmehr bereits die Neuorganisation der radikalen russischen Parteien begonnen und zog die geheimen Studentenverbände mit in sich hinein. Sie lösten sich seitdem vom Boden der speziell akademischen Interessen zunehmend ab, Konzessionen auf dem Gebiet der „akademischen Freiheit" allein waren es nicht mehr, die sie befriedigen konnten, jede solche galt eher als Zeichen der „Schwäche" der Regierung und als Etappe im politischen Kampf. Vergebens suchte Wannowski während seines kurzen Regimes durch die Erlaubnis, Versammlungen der einzelnen Jahreskurse unter Assistenz von Pro-
77
) Zitiert a . a . O . 8 |
78
) R e g l e m e n t v o m 27. A u g u s t 1902. 9 |
8 Ebd., S . 3 4 . T r u b e c k o j bezieht sich an dieser Stelle auf die offiziellen A n g a b e n der „ R e g i e r u n g s m i t t e l l u n g e n " (Pravitel'stvennyj Vestnik) v o m 5. D e z e m b e r 1896. 9 Erlaß v o m 27. A u g u s t 1902 über die Schaffung des Professoren-Disziplinargerichtes, d e s s e n fünf Mlglieder v o m Universitätsrat gewählt und v o m Kurator bestätigt w u r d e n . Es verhandelte über die disziplinarischen V e r g e h e n der S t u d e n t e n Innerhalb der Universität. Text In: Zurnal Minlsterstva Narodnago Prosvescenija, 1902, Nr. 10, S. 8 0 f f .
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fessoren abzuhalten, entgegenzukommen. 10 Auch die von ihm verweigerte Befriedigung der Forderung, „Generalversammlungen" aller Studenten abzuhalten, hätte den Frieden nicht hergestellt, denn die Studenten beanspruchten in den letzten Jahren das „Versammlungsrecht" in der Universität nur noch, um hier ein Asyl polizeilich unangreifbarer politischer Versammlungen unter Beteiligung auch von Mc/zi-Studenten im Dienst der universellen Befreiungsbewegung veranstalten zu können. Alle denkbaren Mittel wurden dagegen in Bewegung gesetzt, aber vergebens: das akademische Leben konnte überhaupt nicht mehr seinen Gang gehen, ohne daß die Auditorien Stätten politischer Demonstrationen wurden. Von einer Autorität des Professorenkollegiums gegenüber den Studenten war, sobald es hier Schranken zu schaffen suchte, keine Rede mehr. Seit dem Herbst 1904 und endgültig seit dem 9. Januar 1905 war der Streik VA Jahre in Permanenz. Die Universitäten blieben seitdem geschlossen.11 Die liberale Professorenschaft schloß sich zu dem „Akademitscheskij Ssojus" zusammen, der seinerseits dem radikalen „Verband der Verbände" (Ssojus Ssojusow) beitrat. 12 Die Regierung verfiel nun auf das Äußerste: nachdem zahlreiche Entlassungen von Professoren, darunter ein Teil der hervorragendsten Vertreter der russischen Wissenschaft erfolgt, einige verhaftet waren, drohte sie offiziell für den Fall, daß im Herbst 1905 die geordnete Tätigkeit nicht wieder beginne, mit der Entlassung sämtlicher Studenten und
10 Der ehemalige Kriegsminister P. S. Vannovskij, bei Amtsantritt fast 79jährig, leitete das Ministerium für Volksaufklärung vom März 1901 bis zum April 1902. Er versuchte während seiner kurzen Amtszeit eine vorsichtige Reformpolitik und erließ im Dezember 1901 sog. Provisorische Regeln für Studentenorganisationen, nach denen wissenschaftliche, literarische und künstlerische Kreise (kruzki) und soziale Einrichtungen auf Fakultäts-, Kursund Hochschulebene, sowie Versammlungen auf Kursebene-thematisch auf Studienfragen beschränkt und mit Zustimmung der Hochschulleitung - erlaubt waren. Vgl. Spieler, Autonomie, S. 109 (wie oben, S.363, Anm.2). 11 Seit den 1890er Jahren war es an den russischen Hochschulen immer wieder zu kurzfristigen Unterbrechungen des Unterrichtes gekommen. Nach den Vorgängen vom 9.(22.)Januar 1905 riefen die politisch aktiven Studenten einen bis zum I.September 1905 befristeten Hochschulstrelk aus. Aufgrund der anhaltenden Unruhen wurde der Lehrbetrieb erst im Herbst 1906 wieder aufgenommen. Spieler, Autonomie, S. 88f. und 2 1 3 - 2 1 9 (wie oben, S. 363, Anm. 2). 12 Der „Vserossijskij Akademiceskij Sojuz" entstand im Winter 1904/05. Der erste Kongreß tagte vom 25.-28. März 1905 in St. Petersburg. Der Verband gehörte zu den Organisationen, die im Mai 1905 den „Sojuz Sojuzov" gründeten. Vgl. Sputnik Izbiratelja, S. 153f. (wie oben, S. 323, Anm. 13).
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sämtlicher Professoren der betreffenden Universitäten und oktroyierte zugleich den Fakultäten detaillierte Lehrpläne und Vorschriften über den Lehrgang und die Vorlesungsfolge von Kurs zu Kurs. 13 5 Also: eine Aussperrung großen Stils und der Versuch, die Universitätsstudien der Behandlung des Unterrichts an den Mittelschulen gleichzustellen. Daß das Herbstsemester (offiziell 20. August bis 10. Dezember) unter diesen Verhältnissen nicht wieder beginnen werde, stand völlig fest. Da plötzlich sank der Regierung das Herz, 10 und fast unmittelbar nach dem offiziellen Termin des Semesterbeginns erschien der Ukas vom 27. August 1905,14 welcher das Reglement Alexanders III. aufhob und verfügte: der Rektor und sein „Gehilfe" sowie die Dekane werden durch den Rat (d.h. die Versammlung der Ordinarien) bezw. die Fakultäten gewählt (Nr. 1) und 15 von der Regierung bestätigt. Der Rat (der „Große Senat", | würden A 206 (42) wir sagen) hat Recht und Pflicht, für „den geregelten Gang des Universitätslebens" zu sorgen, im Fall von Unordnungen soll er um Sistierung der Studien einkommen (2b), ihm ist der „Inspektor" unterstellt (2w), das Professorengericht als einzige Disziplinarin20 stanz für die Studenten bleibt wiederhergestellt (2 g). - Der Schritt war halb und unklar: z. B. war das Disziplinargericht zwar 1902, wie erwähnt, 15 wieder' hergestellt, ein „konfidentielles Zirkular" 16 aber hatte die Behandlung von „Massenunordnungen" dem (ernannten) Rektor allein übertragen, die Rechte, welche dem „Rat" gewährt 25 waren, waren nicht aufgezählt, sondern (2 a) nur generell von „Maßregeln" gesprochen, die er selbst oder durch gewählte Kommissionen ergreifen solle, um den geordneten Gang des akademischen Lebens zu sichern usw. Natürlich war von Erneuerung des akademi-
i Fehlt in A; wieder sinngemäß ergänzt. 13 Die hier angesprochenen Beschlüsse wurden auf einer Ministerratssitzung Im April 1905 gefaßt. Sie sahen u.a. vor, die bestreikten Studienkurse nicht anzuerkennen und Pläne auszuarbeiten, um den Unterrichtsverlust auszugleichen. Aufgrund des starren Kurssystems der russischen Universitäten war angesichts der erfolgten Unterbrechungen die Ausarbeitung neuer Lehrpläne und Kursfolgen erforderlich. 14 Der Ukaz, die sog. Provisorischen Regeln vom 27. August 1905, Ist abgedruckt in: Pravo, Nr. 35 vom 4. Sept. 1905, S. 2870f. Die Numerierung folgt dem russischen Original. 15 Siehe oben, S . 3 6 5 . 16 Der Sachverhalt Heß sich nicht ermitteln.
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sehen Lebens keine Rede. Die Oktobervorgänge warfen dann alles über den Haufen, die Universitäten öffneten sich, aber nur um als Freistätten radikaler Versammlungen zu dienen. Die Regierung tat nun nichts mehr. Sie hoffte, daß das Brotinteresse die Studenten schließlich mürbe machen werde. Erst nach Vollzug der Dumawahlen aber unternahm es die Moskauer Universität, im April ihre Hörsäle zu öffnen, und wendete sich eine Studentenbewegung in Aufrufen an die Kommilitonen, nunmehr die Politik der Duma zu überlassen und in den akademischen Betrieb wieder einzutreten. Aus dem „Verband der Verbände" war der „Akademische Bund" der Professoren inzwischen, nach den Vorgängen im Dezember, ausgetreten. 17 In der Tat gelang es, eine größere Anzahl Vorlesungen, bei zunächst freilich schwachem Besuch, zustande zu bringen, trotz starker Proteste und heftiger Debatten in den Studentenversammlungen79). Es war damit zugleich zum erstenmal ein „Sommersemester" in das russische akademische Leben eingeführt, an Stelle der bisherigen beiden, vom 20. August bis 20. Dezember und vom 15. Januar bis 31. Mai dauern sollenden Studienhalbjahre, die aber de facto kaum ein halbes Jahr effektiver Arbeitszeit umfaßten. Aber anderwärts, in Kasanj z.B., dauerte der Boykott der Universität fort. Die Frage der Neuordnung des Universitätslebens hatte inzwischen den im Januar 1906 auf Anregung des Unterrichtsministers Grafen Tolstoi zusammengetretenen Akademischen Kongreß 80 ) 18 A 2 0 6 (42)
79 ) D i e demokratische Presse k („Russk[ija] W j [ e d o m o s t i ] " Nr. 1 1 9 ) " 1 9 m a h n t e sehr entschieden zur A u f n a h m e der Studien. Inzwischen (Juni) ist der Zudrang stärker geworden. A m 15. Juni (a. St.) schloß das Semester. 80 ) D e r R e k t o r und gewählte Vertreter jeder Universität. |
k A: („Russk. W j . " ) Nr. 119 1 7 Der Sachverhalt ließ sich nicht ermitteln. 1 8 Zur Durchführung der dringend notwendigen Universitätsreform berief der seit Oktober 1905 amtierende Minister für Volksaufklärung, Graf I. I.Tolstoj, eine „ K o n f e r e n z der Professoren zur Universitätsreform" ein. Alle Universitäten wurden aufgefordert, Delegationen zu wählen und in die Hauptstadt zu entsenden. Den Vorsitz der Konferenz, die vom 5. Januar 1906 an den ganzen Monat hindurch tagte, übernahm der Minister selbst. Zur gleichen Zelt tagte der sogenannte „ A k a d e m i s c h e B u n d " , auch als „ A k a d e m i s c h e r Kongreß" bezeichnet, ein Selbstvertretungsgremium der Professorenschaft. W e b e r unterscheidet diese beiden K o n f e r e n z e n nicht. 19 W e b e r bezieht sich auf: Russkija Vedomosti, Nr. 119 v o m 4. Mai 1906, S . 4 .
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beschäftigt. Der Kongreß beschloß, „ganze Arbeit" durch eigne Aufstellung eines Statutenentwurfs zu machen: ein von dem Unterrichtsminister schon einige Zeit vor dem Zusammentritt des Kongresses verschicktes Reform-Projekt wurde vor Eintritt in die eigent5 liehen Verhandlungen ohne Debatte en bloc abgelehnt und mag daher auch hier auf sich beruhen. 20 Die Beratungen des Kongresses betrafen die Fragen 1. der „Autonomie", - 2. der Art der Besetzung der Professorenstellen, - 3. der Lage der Privatdozenten und übrigen nicht etatsmäßigen Lehrer, - 4. der akademischen Grade - endlich, 10 5. der studentischen „akademischen Freiheit". In der Autonomiefrage legte der Kongreß die heute durchgehends in Rußland akzeptierte Formel für die Beziehungen von „Selbstverwaltung" und Staatsaufsicht zugrunde: Aufsicht nur über die Gesetzmäßigkeit, nicht über die Zweckmäßigkeit der Amtshandlungen der autonomen | Korpo- A 207 (43) 15 ration 81 ). Also: Entscheidung aller die Lehrtätigkeit und die Wirtschaftsverwaltung der Universität betreffenden Gegenstände endgültig durch den aus allen Professoren bestehenden „Rat", Wegfall des staatlichen Kurators (popjetschitjel), Beschränkung des Rektors auf die Stellung eines ausführenden Organs des Rates. Der Bestäti20 gung des Ministers sollte nur die Wahl des Rektors und der ordentlichen Professoren - letzteres gegen eine bedeutende Minderheit 81 ) Man muß sich des „historischen Rechts", welches gerade diese Formel in Rußland A 207 (43) besitzt, erinnern. Das Verhältnis zu den internen Beschlüssen des Mir z . B . für die Angelegenheiten der Dorfgemeinschaft war bis zu1 den Eingriffen der Reaktion auf dieser Basis geordnet. 2 1 |
I A: zur
20 Gemeint ist hier das von dem Vorgänger des Grafen Tolstoj, V. G. Giasov, initiierte Projekt zur Universitätsreform, das von der „Professorenkonferenz" einstimmig abgelehnt wurde. Die Grundzüge dieses Projektes finden sich in: Orsanskij, I., Universitetskij vopros i proekt universitetskago ustava, in: Vestnik Evropy, Jg. 1906, Nr. 1, S. 5 - 5 0 . 21 Dies bezieht sich auf die Auffassung, daß nach dem sog. „ historischen Recht" der Mir als eine autonome Einheit begriffen wurde, in dessen innere Angelegenheiten der Staat bzw. der Grundbesitzer vor den Reformgesetzen Kiselevs von 1838 und der Bauernemanzipation von 1861 nicht eingreifen durfte, solange sie den Gesetzen entsprachen. De jure jedoch stand dem Grundbesitzer, sei er Privatperson oder Staat, das Recht zu, jederzeit in die Inneren Angelegenheiten der Bauerngemeinde einzugreifen. De facto blieb die Bauerngemeinde zumeist unbehelligt und regelte Ihre Angelegenhelten nach dem Gewohnheitsrecht. Vgl. Lewin, Moshe, Customary Law and Russian Rural Society in the Post-Reform Era, in: Russian Review44,1985, S. 1-19.
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bedürfen und überdies auf die rein formale Prüfung der Ordnungsmäßigkeit des Hergangs der Wahl, innerhalb zwei Monaten nach deren Vollzug, beschränkt sein, die Habilitation und Anstellung aller übrigen Dozenten und Assistenten sowie des ganzen Beamtenpersonals der Universität sollte die Universität bezw. die Fakultäten ganz allein in der Hand haben. Bei dieser Stellung zu der Frage des formalen Rechts der Stellenbesetzungen war das Problem um so dringlicher, durch welche Mittel die sachgemäße Besetzung, angesichts der Gefahr des Nepotismus, gesichert werden sollte. Die Ansichten über die Regelung des Hergangs einer Berufung waren geteilt: „Konkurs-" 22 oder „Vorschlags"-Verfahren? Schwerpunkt der Entscheidung in der Fakultät oder im „Rat"? Die verschiedensten Ansichten traten sich gegenüber: Ballotierung 23 aller Kandidaten, die in der Fakultät genannt sind, im Rat oder aber gleichzeitige Ballotierung aller derjenigen, die in der Fakultät mehr als die Hälfte der Stimmen für sich hatten, Verfügung des „Rats" darüber, ob die Fakultät Konkurs ausschreiben müsse oder nicht, 24 - durch solche Mittel hoffte man der Gefahr des Eindringens „persönlicher" Gründe vorzubeugen, jedenfalls aber den Schwerpunkt der Entscheidung in den „Rat" zu schieben. Dem schloß sich der Kongreß an: Die Fakultät beschließt zwar endgültig, ob sie einen Konkurs ausschreibt oder ohne solchen über Vorschläge ihrer Mitglieder Beschluß faßt, aber sie ist im übrigen nur die Instanz, welche über die Nominierung von Kandidaten beschließt, der „Rat" (große Senat) ballotiert alsdann zwar an erster Stelle den mit der höchsten Stimmenzahl von der Fakultät Präsentierten (bei Stimmengleichheit gleichzeitig die mehreren so Präsentierten), eventuell aber, wenn dieser (resp. einer der mehreren) die absolute Mehrzeit im „Rat" nicht erlangt, alle übrigen, welche die Mehrheit der Stimmen in der Fakultät hatten, nacheinander, - hat aber niemand diese Mehrheit in der Fakultät oder fallen alle mit Fakultätsmehrheit Präsentierten im Senat nacheinan-
22 Gemeint ist hier ein Ausschreibungsverfahren nach dem französischen Modell des „concours" (im Russischen „porjadok konkursa" = Konkursverfahren). 23 Abgeleitet vom englischen ballot; die geheime Abstimmung durch Kugeln oder später durch Zettel. 24 Über die widersprüchlichen Meinungen hinsichtlich der öffentlichen Ausschreibung oder des Vorschlagsrechtes bei der Berufung und der Wahl auf der Konferenz vom Januar 1906, die über die Universitätsreform beriet, vgl. Chvostov, Vopros ob avtonomii, S. 91.
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der durch, dann ballotiert er gleichzeitig alle nicht mit Fakultätsmehrheit präsentierten Kandidaten. Diese Einzelheiten wurden hier nur angeführt, um den die russischen Herren Kollegen beseelenden Glauben an die Leistungsfähigkeit einer guten Abstimmungstechnik, auch da, wo es sich umpersönliche Qualitäten handelt, zu charakterisieren, - wünschen muß man ihnen nur, daß sie sich dabei ihrer besonderen Schätzung der Leistungsfähigkeit des „Rats" („großen Senats", wie wir sagen würden) entschlagen. Er ist - soweit ich Hergänge von Berufungen unter Beteiligung einer solchen vielköpfigen Versammlung kenne - für sachliche Entscheidungen solcher Fragen des wissenschaftlichen Wertes eines Gelehrten eines konkreten Faches äußerst unbrauchbar und sollte nur allenfalls auf direkten Antrag einer bestimmten Mindestzahl von Fakultätsmitgliedern in Bewegung gesetzt | werden A 208 (44) dürfen. Gegen das Votum der Fakultäten - so wenig „unfehlbar" sie nach allen Erfahrungen sind - sollte es verständigerweise überhaupt nur ein Veto, niemals aber ein Recht zur Oktroyierung geben, und dies sollte man in die Hand eines möglichst nicht zu großen 813 ) Gremiums (etwa des m , nach den Vorschlägen, aus Rektor, Prorektor, Dekanen und je zwei von den Fakultäten zu wählenden Mitgliedern bestehenden Verwaltungsausschusses: „kleiner Senat", 2 5 würden wir sagen) geben, wenn man, wie in Rußland, seine Gründe dafür hat, es der Regierung nicht anzuvertrauen. Wirkliche „Lehrfreiheit" im Sinne - soweit menschliche Schwäche dies erlaubt - der Berücksichtigung nur" der wissenschaftlichen (und pädagogischen) Qualitäten des Kandidaten ist gerade durch Ballotage in einer gro-
81a ) Mir bekannte Fälle, in denen der „große Senat" (da wo dies zulässig ist) seinerseits A 208 (44) in Deutschland eine Vorschlagsliste gegen die Fakultät aufstellte, sprachen sehr zuungunsten dieses Verfahrens.
m A: das
n DV; A: und
25 Die Zusammensetzung des engeren Senats war im Deutschen Reich durch Landesgesetze festgelegt. Ihm gehörten der Rektor bzw. Prorektor, die Dekane der Fakultäten sowie eine bestimmte Zahl von Professoren, die vom großen Senat gewählt wurden, an. Der engere Senat war das eigentliche Leitungsgremium der Universität. Dem großen Senat gehörten alle aktiven ordentlichen Professoren einer Universität an. Er wählte die Rektoren bzw. Prorektoren und Senatoren des engeren Senats und beschloß über die Neueinrichtung universitärer Institutionen.
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ßen Versammlung von zum überwiegenden Teil sachlich Nichtinformierten ebensowenig zu erreichen wie etwa durch oktroyierende Einmischung politischer Partei-Patronage oder „staatserhaltender" bureaukratischer Instanzen82). Für die „Dozenten" (Extraordina82 ) In den amerikanischen Universitäten ist die „Kaltstellung" z.B. eines wirtschaftspolitisch „freihändlerischen" Nationalökonomen durch eine protektionistisch gesonnene Professorenschaft sehr wohl praktikabel und praktiziert worden (durch die Art der Feststellung des Lehrplans seitens der darin „souveränen" Universitätsinstanzen). 26 Die Einmischung der ökonomischen, agrarischen oder industriellen Interessenten (direkt oder indirekt, z.B. neustens in Zürich in einem durch die widerliche Unbildung des „Erziehungsdirektors" auffälligen Fall) 27 oder der politischen Parteien (der Sozialdemokratie z.B. früher in Basel mehrfach, freilich „hinter den Kulissen", wie bei uns reaktionärer Parteien) 28 ist bekanntermaßen das für die „Unbefangenheit" der Erledigung Gefährlichste. In dynastischen Staaten aber ist der politische Po/ize/gesichtspunkt natürlich überall der entscheidende Punkt. Die preußische skandalöse „lex Arons" 29 gilt stillschweigend in Deutschland wohl überall, auch z. B. für solche Universitäten, welche - nach unwidersprochenen Zeitungsnachrichten - großartige, an die Bedingung der „Lehrfreiheit" geknüpfte Stiftungen annahmen (für Jena mußte in einem mir bekannten Fall der Fachvertreter es für „ausgeschlossen" erklären, daß das Gesuch eines Gelehrten, der „organisierter" Sozialdemokrat ist, „den Instanzenzug passieren" würde). 30
26 Weber spielt hier vermutlich auf zwei Fälle an der University of Chicago und der Stanford University in den Jahren 1900 und 1901 an, bei denen von Seiten der Mäzene Einfluß auf die Gestaltung der Lehre an den Universitäten genommen wurde. Vgl. Hochschulnachrichten, 11. Jg. (1900/1901), S. 140f. 27 1905 hatte sich die Firma Gebr. Sulzer, Winterthur, nach einem Besuch des Universitätsdozenten J. Goldstein mit Studenten in der Fabrik bei dem Erziehungsdirektor Locher beschwert, daß Goldstein versucht habe, gemeinsam mit den Studenten Arbeiter auszuhorchen. Goldstein protestierte in einer Broschüre gegen die Eingriffe Lochers. Er ging im Jahre 1906 an die Handelshochschule nach Moskau. Vgl. Gagliardi, E. u.a., Die Universität Zürich 1833-1933 und ihre Vorläufer. Festschrift zur Jahrhundertfeier. - Zürich: Verlag der Erziehungsdirektion 1938, S. 832. 28 Auf welche Fälle hier angespielt wird, ließ sich nicht ermitteln. Vgl. jedoch für die Eingriffe durch Parteien oder Interessengruppen in das Hochschulwesen Im Deutschen Reich: vom Bruch, Rüdiger, Wissenschaft, Politik und öffentliche Meinung. Gelehrtenpolitik im Wilhelminischen Deutschland (1890-1914). - Husum: Matthiesen 1980, S.296f„ und Andernach, Norbert, Der Einfluß der Parteien auf das Hochschulwesen In Preußen 1848-1918. - Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1972. 29 Der Berliner Privatdozent der Physik, Leo Arons, war seit 1890 Mitglied der sozialdemokratischen Partei. Die von der Fakultät der Universität Berlin 1894 vorgeschlagene Ernennung zum nichtbeamteten Professor wurde vom preußischen Kultusminister abgelehnt und die Entfernung Arons aus dem Dienst gefordert. Da die Fakultät sich weigerte, dem zu entsprechen und nichtbeamtete Mitglieder des Lehrkörpers bis zu diesem Zeltpunkt nicht der Disziplinargewalt des Staates unterstanden, wurde diese Gesetzeslücke 1898 durch das „Gesetz betr. die Diszipllnarverhältnisse der Privatdozenten" (lex Arons) geregelt. Arons wurde 1900, nachdem die Fakultät im Jahr zuvor eine Entlassung erneut abgelehnt hatte, aufgrund einer ministeriellen Entscheidung aus dem Dienst entfernt. Huber, Verfassungsgeschichte IV, S. 952-957. 30 Anspielung auf den Fall Robert Michels, der sich im April 1906 auf Anraten Webers an
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rien, nach unserem Sprachgebrauch) 83 ) ist dagegen die Wahl durch die Fakultät (nach Gutbefinden mit oder ohne Konkurs) und Bestätigung durch den „Rat", also das allein Sachgemäße, akzeptiert worden, mit der Motivierung, daß - nach der Mehrheitsansicht - diese „jüngeren Lehrkräfte" dem „Rat" der Universität nicht angehören sollen. - Eben mit dieser Frage aber hatten sich die lebhaftesten Debatten, Zeitungspolemiken, Eingaben und Protestversammlungen der Extraordinarien und Privatdozenten beschäftigt. Was zunächst die Extra|Ordinarien („Dozenten") anlangt, so wurde ihre A 209 (45) Beteiligung an den Fakultätsberatungen mit beschließender Stimme ohne weiteres für alle Angelegenheiten, außer den Vorschlägen zur Professorenwahl, nicht angefochten 84 ). Zweifel bestanden nur über ihre Beteiligung, eventuell durch von ihnen zu wählende Deputierte, an den Beratungen des „Rats" (großen Senats) und eventuell darüber, ob beratend oder auch beschließend. Die gleiche Frage bestand aber auch für die übrigen Kategorien von Universitätslehrern, d.h. also die nicht etatsmäßig Angestellten: Privatdozenten, Assistenten, Prosektoren usw. Sie hing mit der Frage der künftigen Stellung des Privatdozenten überhaupt zusammen. Während bezüglich der Berufung in eine etatsmäßige Stelle wenigstens über das zu fordernde Bildungspatent (Doktorgrad einer 83 ) Der heutige gesetzliche Sprachgebrauch kennt 1. „ordentliche" und „außerordentliche" Professoren, d. h. etatsmäßige Lehrer, sodann 2. Privatdozenten, die zwar aus einem dazu bestimmten Fonds Entschädigung erhalten können, aber im übrigen, wie bei uns, auf das Honorar der Studenten (soll laut Gesetz durchschnittlich 1 Rubel per Wochenstunde betragen) angewiesen sind, 3. Lektoren (für Sprachen usw.), wie bei uns, 4. Personen in wissenschaftlichen Instituten (Prosektoren, 31 Assistenten usw.). Vgl. Unterrichtsstatut, „Sswod Sakonow", Bd. XI, Teil 1 Art. 491 1. 32 | 84 ) Dabei ist zu beachten, daß die „Dozenten", nach deutscher Terminologie, nicht A 209 (45) Titular-, sondern etatsmäßige außerordentliche Professoren sind.
Prof. Julius Pierstorff in Jena mit der Frage gewandt hatte, ob eine Habilitation eines Mitgliedes der Sozialdemokratie dort möglich sei. Nach Absprache mit der Fakultät schrieb Pierstorff an Michels, daß man es für ausgeschlossen halte, daß die Bewerbung den akademischen Instanzenzug passieren würde. Vgl. den Brief von Julius Pierstorff an Robert Michels vom 7. Mai 1906. A F L E Turin, NI. Robert Michels, Kapsel Pe-Q. Die Universität Jena hatte kurz zuvor eine Stiftung von Ernst Abbé angenommen, die an die Bedingung der Lehrfreiheit geknüpft war. 31 Bezeichnung für den dem Anatomieprofessor beigegebenen Assistenten, der die anatomischen Präparate zu Lehrzwecken herrichtet. 3 2 Abgedrucktin: Svod Zakonov, Ausgabe 1892, tom 11, razdel 3, glava pervaja, st. 497, S. 183. Zur Honorierung vgl. st. 529, S. 185.
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russischen Universität) kein Zweifel existierte, war eine der schwierigsten Fragen die nach der für die Privatdozentur und die anderen nicht etatsmäßigen Stellungen zu fordernden Qualifikation, zumal sie mit der Frage der künftigen Umgestaltung des russischen Promotionswesens überhaupt eng zusammenhing 85 ). Der Kongreß schlug 5 für die akademischen Grade eine Umgestaltung dahin vor, daß künftig im wesentlichen eine Annäherung an das als allmählich zu erreichendes „Ideal" angesehene deutsche Muster stattfinden sollte: der erste Grad, dem deutschen „Doktor", wie er zurzeit (leider!) sich entwickelt hat, entsprechend, sollte der des „Kandidaten" sein - der 10 durch das Statut von 1884 abgeschafft worden war 33 - ; er sollte von den Fakultäten auf Grund einer gedruckten „Dissertation" nach Absolvierung der Kurse erteilt werden. Der Doktorgrad sollte erteilt werden auf Grund 1. einer Prüfung in einer Anzahl von der Fakultät bestimmter Fächer und 2. eines selbständigen wissenschaftlichen 15 Werkes, welches jedoch auch durch eine Anzahl selbständiger wissenschaftlicher Einzeluntersuchungen ersetzt werden kann 86 ) und welches nach erfolgter Genehmigung in öffentlicher Sitzung der A 210 (46) Fakultät gegen Opponenten zu verteidigen ist. | Abgeschafft werden sollte also der bis jetzt für die Habilitation unentbehrliche „Magi- 20 85 ) D a s geltende Recht kennt (Unterrichtsstatut, „Sswod Sakonow", Bd. X I , Teil 1 A r t . 482f.) 3 4 als Fakultätsexamina (im Gegensatz zu den aus dazu ernannten Professoren bestehenden Staatsprüfungskommissionen) für die Unterrichtsbefähigung: 1. den Magistergrad (außer in der medizinischen Fakultät, wo statt seiner der Doktortitel gegeben wird), dessen Erlangung den Besitz des Universitätsabschlußdiploms (in b e s o n d e r e n Fällen genügt statt dessen ein fremdländisches Doktordiplom), mündliche Fakultätsprüfung und eine (publice zu verteidigende) von der Fakultät zugelassene Dissertation voraussetzt, 2. den D o k t o r g r a d , der - außer, mit Konsens des Ministers, für L e u t e von wissenschaftlichem R u f - den Besitz des Magisterdiploms und die öffentliche Verteidigung einer von der Fakultät zu genehmigenden wissenschaftlichen Arbeit voraussetzt: bei ganz besonders hervorragender Qualität der Magisterdissertation kann die Fakultät „beim R a t " (großen Senat) die direkte B e f ö r d e r u n g des Magisterkandidaten zum D o k t o r beantragen. Im übrigen tritt die E r w e r b u n g des D o k t o r g r a d e s oft erst in höheren Lebensjahren, nach längerer Lehrtätigkeit als Privatdozent, ein, und ist die öffentliche Disputation b e k a n n t e r G e l e h r t e r ein Ereignis, ü b e r welches die Zeitungen häufiger berichten. 86 ) Dies schien deshalb wichtig, weil die bisherige Formulierung zur Publikation dicker Bücher A n l a ß gab, die leicht den C h a r a k t e r überwiegend kompilatorischer A r b e i t e n annahm. |
3 3 Der Grad des Kandidaten, der niedrigste akademische Rang, den die Universitäten aufgrund einer Kandidatendissertation vergaben, wurde im Statut von 1884 abgeschafft und durch den Magistergrad ersetzt. 3 4 Ebd., st. 4 8 5 - 4 9 1 , S. 182.
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ster"-Grad. Die Schäden des bisherigen Zustandes lagen nach Ansicht der Mehrheit darin, daß die Erfüllung der vollen Anforderungen für die Qualifikation zur Professur 12-15 Jahre, von Absolvierung der Kurse ab gerechnet, in Anspruch nehme und infolgedessen - von der plutokratischen Wirkung dieser Karenzzeit abgesehen von ihrer wirklichen Erfüllung wegen des Bedarfs an Lehrkräften in zahlreichen Fällen in Widerspruch mit dem geltenden Recht bei der Stellenbesetzung Abstand genommen werde, trotzdem aber - und gerade deshalb - der Nachwuchs geeigneter Kräfte für die Professuren ständig in Frage gestellt bleibe. Zu „Privatdozenten" werden außer Doktoren und Magistern seit 1884 (Unterrichtsstatut § 509 Nr. 3) 35 auch „Magistranten", d. h. solche Personen zugelassen, welche seit Abschluß der Studien drei Jahre hinter sich haben, ihre Magister-Dissertation noch nicht geliefert, aber das Magisterexamen bestanden und zwei Probevorlesungen an der Fakultät zu deren Zufriedenheit gehalten haben. Ein russischer „Privatdozent" hat also seine, für die formale Qualifikation zur Professur erforderlichen Leistungen nicht, wie in Deutschland, hinter sich, sondern zum wesentlichsten Teil: eine Magister-Dissertation und dann die Doktorarbeit, noch vor sich. Zahlreiche Lehrstühle sind heute - infolge der hohen Ansprüche an die Professorenqualifikation - von beauftragten Privatdozenten versehen, immer jedoch mit dem Vorbehalt, daß innerhalb von elf Jahren der Lehrstuhl an einen Qualifizierten übertragen werde. - Die Subkommission des Kongresses wollte seltsamerweise diesen Zustand nicht nur fortsetzen: zur Habilitation als Privatdozent sollte die Kandidaten-Prüfung genügen, im übrigen aber jeder Universität die Stellung weiterer Anforderungen für die Habilitation überlassen bleiben 87 ), - sondern sie wollte auch die Privatdozenten, die sie als „Leute" definierte, „denen die Universitäten die Benutzung ihrer (!) Unterrichtsmittel und -räume gestatten"88),36 rechtlich völlig prekär stellen, indem die Fakultät sie jeder87
) Der Grund dafür war offenbar, daß man die Aufrechterhaltung eines einheitlich A 2 1 0 (46) hohen Niveaus für die Privatdozenten an den russischen Universitäten nicht für möglich hielt und daher die provisorische Füllung der Lücken des Lehrkörpers mit „Kandidaten" den Universitäten, die in Notlage waren, zugestehen wollte. 88 ) Wie bekannt, ist dies in praxi durchaus der Standpunkt auch zahlreicher deutscher akademischer „Institutsdirektoren", welche die Siaattinstitute höchst naiv und gemütlich 3 5 Svod Zakonov, Ausgabe 1892, tom 11, S. 184. 3 6 Chvostov, Vopros ob avtonomü, S. 93.
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A 211 (47) zeit nach ihrem Ermessen sollte aus den | Listen der Universität streichen dürfen 089 ). Das Plenum schloß sich diesen Vorschlägen nicht an, sondern einigte sich dahin, daß der Privatdozent den gleichen Bildungszensus wie der Professor haben müsse (also den reformierten - russischen Doktorgrad), strich die Zulassung von s besonderen Bedingungen seitens der einzelnen Fakultäten, ebenso die wunderliche Definition der Privatdozenten als außerhalb des Lehrkörpers stehender Privatleute 90 ), ebenso das arbiträre Recht der Streichung von Privatdozenten seitens der Fakultät 91 ), und stellte für ihre Vorlesungen „Vergütung" nach Maßgabe der von den Fakul- 1 o täten aufzustellenden Normen in Aussicht 92 ). Auf dem - bereits vom bisherigen Regime beschrittenen - Wege systematischer Erweiterung der sogenannten „anempfohlenen Vorlesungen" hoffte man so auch ohne Schaffung neuer Professuren den Lehrstoff erweitern zu können. Und - vor allem! - war das Institut der Privatdozenten nur 15 so überhaupt noch haltbar, wenn, wie vorgeschlagen wurde, die gänzliche Abschaffung des Kollegienhonorars93) in Aussicht stand94). als „ihre" Institute ansehen, aus denen sie andre Dozenten nach ihrem Belieben ausweisen. An manchen Universitäten spaziert z . B . der physikalische oder mathematische Privatdozent, der den Anspruch nur auf die Belegung eines Hörsaals hat, bis zum Beginn seines Unterrichts auf der Straße auf und ab, da er in die übrigen Institutsräume nur precario vom Ordinarius zugelassen würde. In all diesen auf Benutzung von Laboratorien oder Instituten beruhenden Disziplinen hat die „Lehrfreiheit" zurzeit auch bei uns nur einen sehr begrenzten Inhalt und ist mit der widerlichsten Paschawirtschaft der Ordinarien vereinbar^ und es muß durchaus zugestanden werden, d a ß - s c h o n weil der Direktorz. B. eines chemischen Laboratoriums mit seinem Vermögen für das Staatsinstitut haftet - eine absolute Beseitigung der hiermit verknüpften Mißstände nicht leicht technisch durchführbar ist. Die heutigen Zustände sind damit freilich noch lange nicht gerechtfertigt. | 89 A 21 1 (47) ) Heute haben die (bisher ernannten) Rektoren und Dekane sie zu beaufsichtigen und im Falle „schädlicher Richtung" behufs ihrer Verwarnung und eventuellen Streichung an den Minister zu berichten. 90 ) Dagegen wurde ausdrücklich gesagt, daß die Benutzungs der Universitätsinstitute die Einigung darüber mit dem Direktor voraussetze. 91 ) Auch die Lehrfreiheit der Privatdozenten soll voll hergestellt werden. Heute ist sie dadurch eingeschränkt, daß der Kurator auf Antrag der Fakultät im Falle der „Konkurrenz", wie der unschöne Terminus in Deutschland heißt, eine bestimmte Verteilung der Kollegien oktroyieren kann. 92 ) Als Gehaltsätze für die etaismäßigen Lehrer wurden vorgeschlagen: 6000 und 4000 Rubel für die Professoren, 2000 für die Dozenten (Extraordinarien). 93 ) Die Studenten sollen 40 Rubel pro Semester Pauschale zahlen. 94 ) Es scheint recht fraglich, ob nicht der Weg des preußischen Privatdozentenstipen-
O A: dürfe
p DV; A: unvereinbar
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Die große Schwierigkeit genügender Auswahl unter dem akademischen Nachwuchs im Gegensatz zu Deutschland wurde ohnehin nachdrücklich betont. Die Frage der Beteiligung der nicht etatsmäßigen Universitätsleh5 rer an der Verwaltung der Korporationen zeitigte die verschiedensten Vorschläge. Teilweise wurde persönliche Beteiligung der Privatdozenten, Prosektoren und Assistenten usw. an den Fakultätssitzungen mit beratender Stimme, teilweise Bildung einer Korporation der nicht etatsmäßigen Lehrer mit dem Recht, über die neue Zulassung 10 solcher | (also über Habilitationen) neben der Fakultät zu beschlie- A 212 (48) ßen95) und außerdem Deputierte mit beschließender Stimme in die Fakultät zu entsenden, oder Teilnahme der „ältesten" Prosektoren usw. - bis zu Ys der Fakultätsmitgliederzahl - mit beschließender Stimme gefordert. Das Plenum entschied sich schließlich für Ableh15 nung aller dieser Vorschläge und Zulassung nur von Einzel- oder Kollektivpetitionen der „jüngeren Lehrer" 3 7 an die Fakultät mit dem Zusatz, daß sie zur Abgabe von Erläuterungen und zur beratenden Teilnahme96) an den Sitzungen im Einzelfall von der Fakultät zugediums, 3 8 welches auf eine bestimmte Reihe von J a h r e n , innerhalb deren normalerweise die B e r u f u n g zum Professor im Falle wirklicher Qualifikation des D o z e n t e n erwartet werden kann, und nicht länger, vergeben wird, der richtigere wäre. Die „Lehrfreiheit" der Privatdozenten wird bei d e m in Rußland jetzt vorgeschlagenen Mittel o f f e n b a r , soweit sie nicht reiche Leute sind, fast ebenso stark beschränkt, wie diejenige des amerikanischen teachers. Anderseits hat es gar keinen Sinn, eine Schar älterer Privatdozenten künstlich über Wasser zu halten, die jüngeren K r ä f t e n im Wege stehen. Rücksichtslose Auslese ist erste Voraussetzung der Leistungsfähigkeit der Hochschulen. (Das geltende russische Recht schreibt die Pensionierung jedes Professors nach 25jähriger, in Ausnahmefällen nach 30jähriger Lehrtätigkeit vor. E r bleibt dabei zum L e h r e n berechtigt und Mitglied der akademischen Körperschaften.) | 95 ) Eine offenbar zünftlerische u n d , vom wissenschaftlichen Interesse wie vom Lehrin- A 212 (48) teresse aus gesehen, gleich unmögliche Forderung. Es ist schon schlimm genug, daß der „ Z u n f t " - C h a r a k t e r der Fakultäten unvermeidlich ist, - weil es nun einmal technisch kein anderes Mittel gibt, die A u t o n o m i e der Universitäten nach oben zu wahren. 96 ) Die Moskauer medizinische Fakultät - ich weiß nicht, ob auch noch andere - zog zu ihrer Sitzung am 24. J a n u a r zum erstenmal (aus eigener Initiative) einige Prosektoren und
37 „Jüngere Lehrer" (mladsie prepodavateli) war ein Sammelbegriff für verschiedene Personengruppen, Dozenten, Privatdozenten, Lektoren, Assistenten etc. Ihnen wurde kein gemeinsames Vertretungsrecht zugebilligt. 38 1875 wurde In Preußen ein Fonds eingerichtet, aus dem „ Privatdozenten und andere jüngere für die Universitätslaufbahn geeignete Gelehrte" bis zu einem Betrag von 1500 Mark auf höchstens vier Jahre unterstützt werden konnten. Vgl. Busch, Alexander, Die Geschichte des Privatdozenten. - Stuttgart: Enke 1959, S. 113.
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A 213 (49) lassen werden können 97 ). Bei der | geforderten absoluten Autonomie der Fakultäten wurden diese Vorschläge von den „jungen Lehrern" nicht für ausreichend angesehen, und es erfolgten lebhafte Proteste in den Zeitungen. 39 Die Art der Unterrichtseinteilung, den Lehrplan, die obligatori- 5 sehen Kurse und Prüfungsfächer zu bestimmen - was bis jetzt dem Unterrichtsminister nach Anhörung der Fakultät oblag -[,] soll der Fakultät unter Bestätigung durch den „ R a t " überlassen werden. Die hier im Hintergrunde liegenden wichtigen Fragen der Lehrmethode können an dieser Stelle nicht erörtert werden 98 ). Die Zulassung von 10
Privatdozenten mit beratender Stimme heran. Die beiderseitigen A n s p r a c h e n sfiehe] in den ,,Russk[ija] Wjed[omosti]", 25. J a n u a r , S. 3. 4 0 Die Privatdozenten sprachen die H o f f nung aus, d a ß bald aus diesem Provisorium wirklich „gerechte" Beziehungen zwischen den drei Trägern des Universitätslebens: Professoren, Privatdozenten und Studenten, erwachsen werden. 97 ) Dies erscheint durchaus sachgemäß. D e n n die Ersprießlichkeit genereller Regeln hierüber m u ß entschieden bezweifelt werden. Ein Privatdozent, der nach längeren J a h r e n keine Professur erhält, will entweder keine solche haben, sondern freier Gelehrter und Lehrer bleiben, o d e r aber es liegen G r ü n d e vor, welche ihn für eine solche nicht geeignet erscheinen lassen (denn von dem Fall, daß für sein Spezialfach keine Professur existiert, m u ß abgesehen werden: ihm ist durch Schaffung von etatsmäßigen Stellen abzuhelfen). In keinem der beiden anderen Fälle aber liegt ein genereller A n l a ß vor - soweit die Fakultät nicht im konkreten Fall dies für nützlich hält - ihn zu der Fakultätsberatung zuzuziehen, am wenigsten im zweiten. Fakultäten sind zweifellos fehlbar und irren - u n b e w u ß t oft, „bewußt" zuweilen: J e d e r m a n n kennt bei uns Beispiele davon - , aber es läßt sich nicht b e h a u p t e n , d a ß sie überwiegend irren oder befangen sind in der Beurteilung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Die Beeinflussung der Fakultätsbeschlüsse durch sog. „gescheiterte Existenzen" wäre im Interesse e b e n jenes Nachwuchses sicherlich so ziemlich das Ungünstigste, was sich d e n k e n läßt. „Auslese" der Leistungsfähigsten ist das Prinzip, welches allein das Niveau der Leistung hochhält. Neben den „ Z u n f t " - C h a r a k t e r der Fakultäten organisatorisch noch Privilegien sog. „älterer und verdienter" Privatdozenten zu stellen und so die Verjüngung zu h e m m e n , wäre geradezu verderblich. D e r Privatdozent aber, der sich als „freier G e l e h r t e r " fühlt oder der von der „ Z u n f t " oder der Regierung ungerecht mißhandelte b e d e u t e n d e G e l e h r t e , würde auf jenes Privilegium im allgemeinen wenig Wert legen. Es k ö n n t e sich also nur um besonders liegende A u s n a h m e fälle handeln, und ob ein solcher vorliegt, kann letztlich nur der Fakultät im Einzelfall zur Entscheidung anheimgestellt werden. J e d e generelle Regel aber, die eine A r t „ A n s p r u c h " verleiht, ist vom Übel. D a ß die Frage für eiaismäßige Lehrer durchaus anders liegt und in R u ß l a n d sehr richtig entschieden worden ist, wurde schon gesagt. | 98 A 213 (49) ) Die Lernfreiheit der Studenten soll durch Ü b e r g a n g zum Fach-(predmjetnyj-)System an Stelle des reinen Kurssystems und entsprechende Umgestaltung der Examina (Kombination deutscher und amerikanischer Vorbilder) gewährleistet werden.
3 9 Die angesprochenen Protestschreiben in der Presse ließen sich nicht ermitteln. 4 0 Weber zitiert: Russkija Vedomosti, Nr. 24 vom 25. Jan. 1906, S.3.
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Frauen zur Dozentur, Streichung der theologischen Professur und Ersatz derselben durch eine solche für Religionsgeschichte 99 ) usw. verstand sich von selbst. - Die Bildung studentischer Verbindungen soll den allgemeinen Vereinsgesetzen unterliegen, in den Universi5 tätsgebäuden sollten nur Versammlungen wissenschaftlicher Studentenvereine mit vom „Rat" genehmigten Statuten stattfinden. Der „Studenteninspektor" soll abgeschafft, das Disziplinargericht mit dem Recht der Relegation als höchster Strafe wiederhergestellt werden. 10 Das Verhalten der Unterrichtsverwaltung gegenüber diesem Bukett von Vorschlägen bleibt abzuwarten 993 ). Warum Kenner der deutschen Universitätsverhältnisse einerseits, der amerikanischen anderseits sich bezüglich des Erfolges einiger dieser in der Theorie fast ausnahmslos vorzüglichen Vorschläge etwas skeptisch verhalten 15 werden, will ich hier nicht weiter ausführen. 5. q Die im Manifest versprochene Vereinsfreiheit100)41 hinkte den Tatsachen der Entwicklung des Jahres 1905 von Anfang an nach. Die Zahl der im Oktober faktisch bestehenden Vereine, namentlich der
" ) Der eine „Professor des Gotteswortes", den jede Universität haben muß und der außerhalb der Fakultäten steht, ist wesentlich Dekoration, seine Streichung hat absolut nicht die r „Bedeutung" wie'eine etwaige Streichung unserer theologischen Fakultät. Drei Stunden „Theologie" ist aber z.B. für Juristen des ersten Semesters obligatorisch. " a ) Die Zulassung des Vorschlags neben dem Konkursverfahren bei der Stellenbesetzung und die Erweiterung der Zulassung zur Immatrikulation (nach deutschem Muster) will das Ministerium, nach Zeitungsnachrichten, 42 konzedieren. Im übrigen sollen die Reformfragen der Duma vorgelegt werden. 10 °) Bis zum Beginn der Umwälzungen galt als „Vereinsrecht" lediglich Art. 118 des Ust[aw] o pred[upreshdenii] i press[etschenii] prest[uplenija], welcher jeden Verein verbot, der nicht die Genehmigung der Regierung gesucht und erhalten hatte. 43 |
q A: V. Inhaltsverzeichnis (oben, S. 293): 5.
r A: „Bedeutung", wie
41 In Punkt 1 des Oktobermanifestes hieß es: der Bevölkerung unerschütterliche Grundlagen der bürgerlichen Freiheit nach den Grundsätzen wirklicher Unantastbarkeit der Person, der Freiheit des Gewissens, des Wortes, der Versammlung und der Vereine zu geben." PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 26803. Deutsche Übersetzung bei Scheibert, Parteien, S. 29. 42 Diese Zeitungsnachrichten ließen sich nicht ermitteln. 43 Abgedruckt in: Svod Zakonov, Ausgabe 1892, tom 14: ustav o preduprezdenii i presecenii prestuplenlj, st. 116-118, S. 79.
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„professionellen" Verbände, war Legion, und sie vermehrten sich ständig. Aber ihre Rechtslage war und blieb, wie sie immer wieder erfahren mußten, prekär. Das Reglement des Ministers des Innern vom 26. April 190544 hatte, „bis zur Abänderung" des Art. 44145 des Gesetzes über die öffentliche Armenpflege (in diesem Gesetz waren bisher die Bestimmungen über die Gesellschaften zu gegenseitiger Hilfe oder zu andern wohltätigen oder gemeinnützigen Zwecken die einzigen generell zugelassenen Vereine - untergebracht!), die Konzessionierung von Vereinen in einer Anzahl von Fällen dem Gouverneur (resp. gleichstehenden Beamten) übertragen und folgende allgemeine Regeln aufgestellt: Betroffen werden 1. GeselligA 214 (50) keitsvereine, 2. Künstlervereine, | 3. Mäßigkeitsvereine, 4. Sportvereine, 5. Wohltätigkeits- und Kinderpflegevereine (unter Beschränkung auf physische Pflege der Kinder), 6. Tierschutz- und Veterinärvereine, 7. Bibliotheksgesellschaften, falls sie weder der Mehrzahl nach aus Juden bestehen, nochj,] außer ihrem statutenmäßigen Zweck, auch Gewinn zu erzielen beabsichtigen; in diesen Fällen kann sie nur der Minister selbst genehmigen. Sie müssen ein Statut von gesetzlich bestimmtem Inhalt vorlegen, dürfen Militär, Frauen, unter 18jährige Personen und Schüler nicht zulassen, billige Wohnungen, Freitische, Arbeiterheime und Volksbibliotheken nur nach Genehmigung und im Einklang mit den bestehenden Bestimmungen errichten, private (aber nicht öffentliche) Kollekten veranstalten und haben Rechtspersönlichkeit. Ort, Zeit und Zweck ihrer Versammlungen müssen in jedem Falle der Polizei mitgeteilt werden. Öffentlich sichtbare Abzeichen dürfen sie in keinem Falle tragen. Der Minister des Innern kann sie jederzeit schließen, in gewissen Fällen auch der Gouverneur. Inzwischen aber hatte die „Sozialpolitik" des ancien régime bereits begonnen, das geltende Vereinsrecht zu durchlöchern. Einerseits hatte die stets zunehmende Streikbewegung die Unmöglichkeit der Aufrechterhaltung der bestehenden Strafen für Kontraktsbruch
44 Das undatierte Zirkular des Innenministers ist abgedruckt in: Pravo, Nr. 16 v o m 24. April 1906, S. 1 2 7 6 - 1 2 7 9 : Neopublikovannyj cirkuljar mlnistra vnutrennych del. 45 Weber bezieht sich auf: Svod Zakonov, Ausgabe 1892, tom 13, st. 441. Alle Organisationen, die zur gegenseitigen Unterstützung oder zu wohltätigen Zwecken gegründet wurden, unterlagen der Genehmigung durch den Innenminister.
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(Art. 544 des Statuts für die friedensrichterliche Strafrechtspflege) 46 und für nicht durch Gewalt oder Drohung qualifizierten Streik (Art. 1358 der Ulosh[enije] o s Nakas[aniach]) 47 erwiesen. Trotzdem behielt die neue (1902) Ugolownoje Uloshenije (Art. 367-369) die 15 Kontraktbruchstrafe bei und bedrohte den Streik immer noch in allen Fällen mit Strafe, wo er „die Interessen der örtlichen Bevölkerung nachteilig beeinflußt". Die Aufforderung der Arbeiter zum Streik in diesem Falle galt ihr als „Aufwiegelung" (ssmuta) im Sinne des Art. 125 101 ). 48 Anderseits ging | die Plehwesche Verwaltung A 215 (51)
1C1 ) Liebhaber von Streikrepressionen seien auf die im Jahre 1905 erschienene erste A 214 (50) offizielle russische Streikstatistik für die Zeit von 1895-1904 (also mit Ausschluß der Revolutionszeit) verwiesen. 49 Diese ergibt: Von denjenigen im Jahresdurchschnitt rund 18000 Betrieben mit - je nach dem Bezirk - über 10 oder 15 Arbeitern, über welche berichtet wird (nicht mit behandelt sind die Bergwerke, die Staatswerke und die Eisenbahnen!), sind 1/10:1782, 50 von Streiks betroffen worden, von ihren durchschnittlich 1600000 Arbeitern haben 431254, jährlich 43100[,j gestreikt. Das durchschnittliche jährliche Streikprozent betrug also 2,7% der beschäftigten Arbeiter und stand regelmäßig höher als die Ziffern für England 1899: 2,1%, Frankreich (1,6%) Deutschland (1,5%). Dabei stufte sich die Zahl der während der Gesamtperiode in Streik getretenen von den Betrieben mit unter 20 Arbeitern, wo sie 2,7% der durchschnittlichen Arbeiterschaft betrug, bis zu 89,7% in den Betrieben mit über 1000 Arbeitern ab. Über 75% des Arbeiterbestandes haben während des Jahrzehnts im Kaukasus (Batum 350%, Baku 119%, Tiflis 98%) und im Gouvernement Kaiisch (285%), in Petersburg 52%, in den anderen Industriegebieten zwischen 27 und 41%, in Moskau und Lodz 51 nur je etwa über 16% gestreikt. 54,9% aller Streiks entfielen auf die Textil-, 27,1 auf die Maschinenbau- und Metallindustrie. Obwohl Lohnhöhe (48,6%) und Arbeitszeit (30,0%) als „hauptsächliche" Ursachen den übrigen weit voranstehen, spielten in den Jahren 1900-1904 die bis dahin an Zahl stark schwankenden Streiks sozialen Charakters (Abzüge, Strafen, Verhalten des Personals, Arbeits- und Unterkunftsräume u. dgl.) eine stetig steigende Rolle (Zahl der daran beteiligten 1900 bis 1903:707,7111,8009,9433, und 1904:10619, mehr als aus irgendeiner | anderen Ursache), A 215 (51) offenbar dank der Agitation der sozialistischen Parteien, welche das Persönlichkeitsgefühl der Arbeiter weckte. Dies ist besonders in den Metallindustrien der Fall (21% aller Streiks). Am hartnäckigsten umstritten, nach der durchschnittlichen Dauer der Streiks zu
S
A: o.
46 Svod Zakonov, Ausgabe 1892, tom 15, otdel 11, st. 51, 4, S. 182. 47 Tagancev, Ulozenie o nakazanijach, razdel 8, glava 14, st. 1358, S. 608f. 48 Weber bezieht sich auf das „ ugoiovnoe ulozenie" vom März 1903, das die genannten Artikel enthält. Das Zitat ebendort aus Art. 367. Tagancev, Ugoiovnoe ulozenie, S. 227 und 491 f. 49 Varzar, Statlsticesklja svedenlja. Die nachfolgenden Zahlenangaben finden sich dort auf den Seiten 9,13, 27, 52, 55, 59, 63, 66 und 78 sowie In der Beilage, Tabellen I und III. 50 Die Zahl muß lauten 1765, ebd., S. 9. 51 Die Zahlenangabe bezieht sich auf das Gouvernement Petrokov, zu dem Lodz gehörte. Ebd., Anhang, Tabelle III.
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bekanntlich systematisch darauf aus, durch Provokation der Arbeiter zum Streik und darauffolgenden Druck von oben die Fabrikanten gefügig zu machen 102 ). | schließen, sind nächst der Arbeitszeit (7,4 Tage pro Kopf gegen versuchte Verlängerung der Arbeitszeit, 5,2 Tage zur Erkämpfung der Verkürzung) die Fragen der Strafen und Abzüge (6,9 Tage pro Kopf). Gerade solche sozialen Streiks, speziell diejenigen wegen: erstens: Strafen und Abzügen, zweitens: Verhalten des Personals und drittens: Arbeitsordnung fallen aber überwiegend (mit ad 1: 69,2, ad 2:' 58,4, ad 3: 66,6%) zu ungunsten der Arbeiter aus, - das „Herrenrecht" wird auch hier am hartnäckigsten verteidigt. Im ganzen waren, infolge des relativ ungünstigen Verlaufs gerade der großindustriellen Massenstreiks, auf die Zahl der Arbeiter gerechnet, 51,8% 5 2 völlige Mißerfolge (gegen 39,7 in England, 37,3 in Frankreich, 35,3 53 in Österreich, 1894 bis 1898) zu verzeichnen, während, auf die Zahl der Streiks gerechnet, die Mißerfolge nur 45,4% betragen (gegen 35,2 in England, 46,9 in Frankreich, 44,7 in Österreich 1894-1898 und 30,3 bezw. 37,6 in Deutschland 1892-1897 bezw. 1901-1905). 54 Die für die Arbeiter ungünstigere Ziffer in Rußland war durch die Organisationsverbote und die Antistreikgesetzgebung wesentlich mit bedingt. Denn obwohl in über 50% der Fälle die Regierung sich ungeachtet jener Gesetze passiv verhielt, so ist doch äußerst gründlich „gewirkt" worden: 269mal griff die bewaffnete Macht ein, in 164 Fällen erfolgten Verhaftungen und Verschickungen, 31 gerichtliche Verfolgungen usw. (Bearbeiter der Statistik: W. E. Warsar.) ln2 ) Diese Praxis der bureaukratischen Streikorganisation ist unter dem Namen „Subätowschtschina" bekannt, nach dem Agent provocateur Subätow, der kürzlich im „Wjestnik Jewropy" (März 1906) 55 recht interessante Erinnerungen über seine Beziehungen zu Plehwe, dessen Schwanken, Hoffnungen und Enttäuschungen bezüglich dieses Mittels und seine (Subätows) schließliche Abdankung veröffentlicht hat. Bekannt ist im übrigen von ihm, daß seine eigentliche „Karriere" mit der Krönung des Zaren Nikolaus II. begann: Der damalige Minister des Innern 5 6 hatte für diese Feierlichkeit in üblicher Art ein Dynamitattentat provozieren lassen, um es dann rechtzeitig zu „entdecken", Subätow aber das Spiel für zu gefährlich gehalten und dem Großfürst Ssergej davon Mitteilung gemacht, was für den Minister schleunigen Sturz, für Subätow eine feste Vertrauensposit A: 2; ad 52 Die Zahl muß lauten 5 1 , 6 % , ebd., S. 66. 53 Die Zahl muß lauten 3 5 , 2 % , ebd. 54 Die Vergleichszahlen für das D e u t s c h e Reich finden sich nicht bei Varzar, Statlsticeskija svedenlja. W o h e r diese Zahlen s t a m m e n , ließ sich nicht ermitteln.Eine offizielle Statistik über Streiks und A u s s p e r r u n g e n existierte im D e u t s c h e n Reich erst seit 1899. Nach Statistik des D e u t s c h e n Reiches, Band 178: Streiks und A u s s p e r r u n g e n Im Jahre 1905. - Berlin: Puttkammer & Mühlbrecht 1906, S. 12 und 14, bezieht sich die Zahl 3 7 , 6 % nur auf das Jahr 1905 (S. 14), im Mittel der Jahre 1901 bis 1905 betrug die Zahl 4 6 , 4 % der Streiks, die z u u n g u n s t e n der Arbeiter endeten. Für die Jahre 1892 bis 1897 liegen nur die A n g a b e n in: Correspondenzblatt der G e n e r a l k o m m i s s i o n der Gewerkschaften Deutschlands, Jg. 1 1 , 1 9 0 1 , Nr. 29, S. 454, vor. Nach diesen A n g a b e n verliefen 3 3 , 8 % der Streiks für den g e n a n n t e n Zeitraum z u u n g u n s t e n der Arbeiter. 55 Weber bezieht sich auf ein Schreiben Zubatovs an die Redaktion des Vestnik Evropy, In: Vestnik Evropy, 41. Jg., 1906, Nr. 3, S. 4 3 2 - 4 3 6 . 56 G e m e i n t ist I. N. Durnovo, Innenminister von 1889 bis 1895.
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Gesetzgebung
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Die Einführung der „Arbeiterausschüsse" (towarischtschestwo ra- A 216 (52) botschisch, Komitee von Arbeitern derselben Fabrik, im Gegensatz zu obschtschestwo, Gewerkverein) durch das Gesetz vom 10. Juni 190357 war - wie bei uns 58 - toter Buchstabe geblieben. Der Finanztion zur Folge hatte. 5 9 D e n großen Odessaer Streik zettelte ein ähnlicher Gentleman im Dienst der Polizei an, 6 0 und noch jetzt ist Uschakow in Petersburg in der Arbeiterbewegung im Dienst der Regierung tätig. 61 - Man muß sich bei all diesen betrogenen Betrügern, ebenso wie bei Gapon, sehr hüten, das Urteil über ihre persönlichen Absichten mit dem über das Regierungssystem, in dessen Dienst sie gerieten, zu vermengen. Wer die Infamien, die das Puttkamersche System 6 2 bei uns züchtete, das ganze Getriebe der „politischen Polizei" noch jetzt, die demoralisierende Wirkung „politischer" Prozesse überhaupt, die Einwirkung des Sozialistengesetzes z. B. auf die Staatsanwaltschaften: den Neid der Kollegen auf den „Dusel" desjenigen, in dessen Ressort der betreffende Prozeß 57 Aufgrund des Gesetzes über die Fabrikältesten konnten mit Erlaubnis der Fabrikleitung „Älteste" in jeder Fabrik gewählt werden,um die Bedürfnisse und Forderungen der Arbeiter der Fabrikleitung gegenüber zu vertreten. Diese „Ältesten" wurden von der Fabrikleitung aus der Zahl derer, die von den Arbeitern nominiert wurden, ausgewählt. Einmal gewählt, hatten sie das Recht, die Arbeiter zu versammeln, um ihre Beschwerden und Wünsche festzustellen sowie diese mit den staatlichen Fabrikinspektoren und der Fabrikleitung zu erörtern. PSZRI, 3-e sobr., tom 23, Nr. 23122; sowie Ozerov, I.Ch., Politika po rabocemu voprosu za poslednie gody. - Moskva: I. D. Sytin 1906, S. 64-72. 58 Anspielung auf die Einrichtung der „fakultativen Arbeiterausschüsse" im Deutschen Reich aufgrund der Gewerbeordnungsnovelle vom 1 .Juni 1891. Diese Ausschüsse hatten ein Anhörungsrecht in Fragen der Arbeitszeit, der Lohnzahlung und der Kündigung, doch blieben sie im Ergebnis wirkungslos. Vgl. Teuteberg, Hans-Jürgen, Geschichte der industriellen Mitbestimmung in Deutschland. Ursprung und Entwicklung ihrer Vorläufer im Denken und in der Wirklichkeit des 19.Jahrhunderts. - Tübingen: J . C . B . M o h r (Paul Siebeck) 1961, S.376ff. 59 Zum Dank für die Aufdeckung dieses gegen Zar Nikolaj II. angeblich geplanten Attentates wurde Zubatov kurze Zeit später zum Leiter der Moskauer Abteilung der Ochrana (Geheimpolizei) ernannt. Vgl. Schneiderman, Jeremiah, Sergej Zubatov and Revolutionary Marxism. The Struggle for the Working Class in Tsarist Russia. - Ithaca/ London: Cornell University Press 1976, S. 55 (künftig: Schneiderman, Zubatov). 60 Weber bezieht sich auf den Odessaer Generalstreik vom Juli 1903, bei dem die sogenannten „unabhängigen" Arbeiterorganisationen, die mit Zubatov enge Verbindung hielten, eine führende Rolle gespielt hatten. Eine wichtige Funktion in der Leitung des Streiks hatte dabei der Führer der sogenannten Unabhängigen, Saevic, dessen Organisation von Zubatov finanziell unterstützt wurde. Jedoch läßt sich nicht davon sprechen, daß Saevic den Streik angezettelt hatte, der vielmehr spontan ausbrach. Vgl. Schneiderman, Zubatov, S. 231 ,-312f. und 348f. 61 M. A. Usakov, Arbeiter in der staatlichen Druckerei und Mitarbeiter Zubatovs, leitete die mit Unterstützung des Finanzministeriums gegründete St. Petersburger Gesellschaft für gegenseitige Hilfe der Arbeiter. Schneiderman, Zubatov, S. 356. 62 Robert von Puttkamer war von 1881 bis 1888 preußischer Innenminister. In diese Zeit fiel die verschärfte Anwendung des Sozialistengesetzes, der Aufbau eines umfassenden Spitzelsystems zur Unterdrückung der Sozialdemokratie, der Ausbau der politischen Polizei sowie Bemühungen, die Richterstellen mit politisch konformen Beamten zu besetzen.
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minister Kokowzew (der nach Wittes Sturz in diese Stelle wieder eingetreten ist) hatte daher in seinem ersten Ministerium ein Projekt ausarbeiten lassen, welches 1. die Streiks legalisieren, ihre Strafbarkeit auf Arbeitseinstellung in Wasserleitungs-, Kanalisations- und öffentlichen Beleuchtungsanstalten und im übrigen auf die Fälle von Gewalt, Drohungen und Beleidigungen beschränken, 2. für die Gewerkvereine ein privilegiertes Spezialrecht einführen wollte: 63 Arbeiter in unter sich gleichartigen Bergwerks- und Industriebetrieben sollten, im Gegensatz zu allen andern Staatsbürgern, befugt sein, im „jawotschnyi porjadok" (d.h. ohne vorherige Erlaubnis) Vereine zu gründen, welche (ausschließlich) ökonomische Interessenvertretung, insbesondere auch die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, auch durch Streik, erstrebten; diese Vereine sollten Eigentum aller Art besitzen und Verbände bilden dürfen. Freilich: der Verein sollte nur in Kraft treten, wenn die Behörde nicht innerhalb zwei Monaten nach Einreichung der Erklärung an die Prissutstwije (Gouvernementsrat) 64 Widerspruch erhob, der „jawotschnyj porjadok" blieb also ein verhülltes Konzessionssystem. - Das Justizministerium widersprach der Beseitigung des Streikverbotes, da jeder Streik die öffentliche Ordnung gefährde, die Unternehmer dagegen, denen das Projekt zur Begutachtung vorgelegt wurde, stimmten der Beseitigung zu, „da man 40000 Streikende doch nicht einsperren könne", 65 wünschten aber 1. zivilrechtliche103) Garantien gegen A 216 (52) zufällig fiel, mit allem eklen Drum und Dran kannte oder gar einmal persönlich ge|sehen hat, 6 6 - der kennt diese korrumpierenden Einflüsse, die naturnotwendigen Begleiterscheinungen eines in die Form der „Monarchie" gekleideten Partei- und Cliquenregiments, auch außerhalb Rußlands. 103 ) Das bestehende russische „Streikrecht" - welches eben in Wahrheit ein Recht ist, für welches der Streik juristisch einfach nicht existiert - kam z . B . im Januar 1906 in folgender, die Moskauer Streiks betreffenden Senatsentscheidung (Auszug: ,,Now[oje] Wr[emja]", 1./2., S. 3) 6 7 zum Ausdruck: 1. Der Arbeitgeber hat keinen Lohn für Streikta-
63 Weber stützt sich vermutlich auf: Buzanskij, O., Zakonoproekty o raboclch sojuzach i stackach v Rossii, in: Pravo, Nr. 37 vom 18. Sept. 1905, S. 3024-3032. 64 Ebd., S. 3029ff. Mit Gouvernementsrat (gubernskoe prisutstvie) meint Weberwohl die seit Mitte des 19. Jahrhunderts bestehenden administrativen Institutionen, denen der Gouverneur ex officio vorstand. 65 Ebd., S. 3026. 66 Möglicherweise spielt Weber hier auf seine Erfahrungen an, die er während seiner Referendarzeit in Berlin von 1886 bis 1890 gemacht hat. 67 Novoe Vremja, Nr. 10735 vom 1. Febr. 1906, S. 3, Sp. 2.
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Kontraktbruch (Recht der teilweisen Lohneinbehaltung), 2. Gewährung des Rechtes der Aussperrung 3 in Fällen, wo der Streik eines Teils der Arbeiter sie technisch notwendig machte, 3. - ein Teil von ihnen - die Aufrechterhaltung der Strafbarkeit „plötzlichen" Streiks, welcher das Eigentum des Unternehmers schädige. Die letzteren beiden Vorschläge wurden tatsächlich in das Projekt aufgenommen. Trotz allem wären nach dem Projekt die Gewerkvereine die einzigen gesetzlich generell zulässigen Vereine Rußlands gewesen. Die Bewegung des Jahres 1905, nach dem Oktobermanifest, wuchs nun der Regierung über den Kopf, und Rechtslage und faktische Situation klafften weit auseinander. Erst im Februar 1906 aber kamen die langwierigen Beratungen über die Frage der Vereinsgesetzgebung104) zum (vorläufigen) Abschluß in Gestalt des | „zeitweiligen" Gesetzes vom 4. März 1906,68 A 217 (53) während die Verhandlungen über die zivilrechtlichen Folgen des Streiks vor dem Zusammentritt der Duma überhaupt nicht zu einem positiven Resultate führten. Das von Kokowzew beabsichtigte relativ weite Entgegenkommen gegenüber den Gewerkvereinen hatte inzwischen einer wesentlich andern Stimmung Platz gemacht. Zu Ende 1905 hatte die ungeheure politische Streikbewegung im Oktober und November, der Eintritt des Post- und Telegraphenstreiks und das Bevorstehen des zweiten ge zu zahlen; 2. der Arbeitsvertrag wird durch Streik nicht alteriert, er besteht weiter; 3. der U n t e r n e h m e r hat keinen Klageanspruch g e g e n d e n Arbeiter w e g e n Streikens. - D a s Charakteristische ist ad 1 wesentlich, daß dies überhaupt streitig war. 104 ) D a ß darüber im Reichsrat heftige, gelegentlich selbst leidenschaftliche A u s e i n a n dersetzungen stattgefunden haben ( „ N o w [ o j e ] Wr[emja]", 20. Januar, und v o r h e r ) , 6 9 | wurde zwar ( „ N o w [ o j e ] Wr[emja]", 22. Januar) 7 0 offiziös dementiert, ist aber d e n n o c h A 217 (53) sehr glaublich. (Fraglich ist nur, o b auch Timirjasjews Rücktritt damit z u s a m m e n h ä n g t . ) D e n offiziellen Bericht über die B e r a t u n g e n s[iehe] im , , N o w [ o j e ] Wr[emja]" v o m 31. Januar. 7 1 |
a A: A u s p e r r u n g
6 8 Abgedruckt in: Pravo, Nr. 10 v o m 12. März 1906, S. 8 8 7 - 8 9 6 . PSZRI, 3 - e sobr., tom 26, Nr. 2 7 4 7 9 . 69 Weber bezieht sich auf: Novoe Vremja, Nr. 10723 v o m 20. Jan. 1906, S. 1. 70 Weber bezieht sich auf: Pravitei'stvennoe soobscenie, in: Novoe Vremja, Nr. 1 0 7 2 5 vom 22. Jan. 1906, S . 2 . 71 Gemeint ist: Pravitei'stvennoe soobscenie, in: Novoe Vremja, Nr. 1 0 7 3 3 vom 30. Jan. 1906, S . 1 .
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allgemeinen Eisenbahnstreiks die Regierung zur Festlegung ihrer An- und Absichten bezüglich einer Anzahl qualifizierter Kategorien von Ausständen veranlaßt. Der Ukas vom 2. Dezember 190572 traf Bestimmungen über die Streiks von Bediensteten und Arbeitern bei 1. Eisenbahnen (auch privaten), 2. Telephonen (auch privaten), 3. staatlichen Anstalten (wozu alle Telegraphen und die Post gehören). Bei diesen Bediensteten (seien sie nun rechtlich angestellte Beamte oder frei geworbene Arbeiter) ist die „eigenmächtig im Einverständnis miteinander" erfolgende Arbeitseinstellung unter Verwendung von Drohung, Gewalt und Verruf mit Gefängnis von 4-16, sonst mit Arrest, und die Zugehörigkeit zu einer „Gemeinschaft", welche auf Erregung von Streiks gerichtet ist, mit Festung von 16-48 Monaten strafbar; auch werden Dritte, die sie in der angegebenen gesetzwidrigen Art zum Streik veranlassen, mit Gefängnis bestraft. Besondere Entschädigungen werden für solche Arbeiter dieser Kategorien ausgesetzt, die infolge ihrer „Arbeitswilligkeit" zu physischem oder materiellem Schaden gekommen sind. So hatte der Gesetzgeber, eben im Begriff, den Streik zu legalisieren, vorerst ein „Zuchthausgesetz" 73 für bestimmte Arten von Streiks geschaffen. Da das Manifest vom 17. Oktober die Vereinsbildung überhaupt - nicht nur, wie Kokowzew gewollt hatte, die Gewerkvereine - zu legalisieren versprochen hatte, so wirkte dieser Schritt durch die Art, wie dies schließlich geschah, in sehr fühlbarer Weise auf die allgemeine Vereinsgesetzgebung zurück. Zwar wurde am 23. Januar im Reichsrat ein vom Ministerkonseil eingebrachter Entwurf eines Gesetzes betreffend die Berufsvereine beraten und fast unverändert angenommen. Dieser Entwurf stellte den „jawotschnyj porjadok" für Berufsvereine, bei Vorschrift eines bestimmten Minimalinhalts des Statuts und der Anmeldungspflicht zwei Wochen vor ihrer Eröffnung fest, gab ihnen Rechtspersönlichkeit, das Recht, Abteilungen und Filialvereine zu gründen, sich in Verbände zusammenzuschließen, ließ Frauen und, wenn das Statut 7 2 Abgedruckt in: Pravo, Nr. 48/49 vom 4. Dez. 1905, S. 3899-3903. 7 3 Anspielung auf die sog. „Zuchthausvorlage" von 1899.1897 wurde der Staatssekretär Posadowsky mit der Ausarbeitung eines „Gesetzes zum Schutz der gewerblichen Arbeitsverhältnisse" beauftragt. Bereits vor Fertigstellung des Entwurfs hatte Kaiser Wilhelm II. in zwei Reden in Bielefeld 1897 und Bad Oeynhausen 1898 den Eindruck erweckt, daß das Vorgehen gegen Arbeitswillige mit Zuchthausstrafen geahndet werden solle. Huber, Verfassungsgeschichte IV, S. 1235f.
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es nicht ausschloß, auch Minderjährige zu. 74 Aber zwischen diesen Beratungen und der Publikation lagen volle 6 Wochen der schärfsten Reaktion: der Rücktritt des Handelsministers Timirjasjew, steigende Macht des Ministers des Innern (Durnowo), und überdies geriet 5 der Gesetzentwurf in die Gemeinschaft mit der Beratung über das zu schaffende allgemeine Vereinsgesetz, bei dessen Redaktion die rein polizeilich orientierten persönlichen Meinungen des Zaren zu berücksichtigen waren. Das „bis zur Erlassung eines allgemeinen Gesetzes" gemäß dem 10 Manifest vom 17. Oktober 1905 geltende Vereinsgesetz vom 4. März 190675 unterscheidet „Verein" (Obschtschestwo), als Verbindung von Personen zu anderen als direkten Erwerbszweckem,] und „Verband" (Ssojus), als Verbindung von „Vereinen". Dem | „Verband" A 218 (54) rechtlich gleichgestellt sind „Vereine", in denen mehrere „Abteilun15 gen" gebildet werden (Nr. 1,3): beide müssen in einem Vereinsregister zu registrierende Statuten haben, einfache „Vereine" können sie haben. Die StatutenPflichtigen „Vereine" und also auch alle „Verbände" können jederzeit vom Minister des Innern aufgelöst werden, „wenn ihre Wirksamkeit ihm bedenklich für die öffentliche Ruhe 20 und Sicherheit scheint". Abgesehen von dem Verbot von Vereinen mit gesetzwidrigen Zwecken und von ausländischen politischen Gesellschaften bestehen ferner folgende Schranken: 1. Ausschluß der Minderjährigen, Schüler und Studenten, 2. Beamte und Arbeiter staatlicher und privater Eisenbahnen und Telephone13 und in allen 25 Staatsanstalten dürfen für ihre „geistigen und materiellen Bedürfnisse" Vereine, nicht aber „Verbände", bilden, deren Statut jedoch der Genehmigung der Behörde bedarf (1,9), sie dürfen keine politischen oder mit ihrer Dienstpflicht unvereinbaren 105 ) Ziele verfolgen
10S ) Das Reglement betr. Streiks vom 2. Dezember 190576 besteht natürlich weiter in A 218 (54) Kraft.
b A: Telephonen
7 4 Weber bezieht sich vermutlich auf den Bericht in: Russkija Vedomosti, Nr. 24 vom 25. Jan. 1906, S. 1. 7 5 Wie oben, S. 385, Anm. 68. Die folgenden Angaben Webers stützen sich auf diesen Text. 76 Wie oben, S. 386, Anm. 72.
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(1,10), keine Außenstehenden ohne Zustimmung der Behörde zulassen und können jederzeit administrativ geschlossen werden. Andrerseits werden „religiöse" und nach den Universitätsstatuten zulässige Lehrer- und Schülerverbände nicht betroffen. Der Unterschied zwischen Vereinen mit und solchen ohne „Statuten" (ustaw) ist, daß die letzteren nach geschehener, in sehr weitläufigem Verfahren zu erreichender Registrierung, wie nach dem deutschen BGB., 77 Rechtspersönlichkeit genießen. Aber sowohl für die einen wie für die anderen gilt, daß sie de facto der administrativen Willkür unterliegen. Zwar ist, dem Wortlaut nach, der „jawotschnyj porjadok" hier ebenso an die Stelle des Konzessionssystems gesetzt wie bei der Presse. Aber der Widerspruch zwischen Rechtsform und Sinn des Gesetzes ist hier weit schreiender als im Preßgesetz. Leute, die einen Verein (sei es mit oder ohne „Statut") gründen wollen, müssen dies dem Gouverneur bezw. dem Stadthauptmann schriftlich anzeigen, unter Angabe des Zwecks, des Wahlmodus für die Vertreter, des Wirkungsbereiches und der Ordnung des Ein- und Austritts von Mitgliedern. Die, de facto vom Gouverneur resp. Stadthauptmann gänzlich abhängige, „Prissutstwije", d.h. der halbbureaukratische „Gouvernementsrat", kann innerhalb von zwei Wochen „unter genauer Angabe der Gründe" erklären, der Anzeige „keine Folge zu geben" (im Gesetz - 1,16 - höchst verzwickt ausgedrückt), ebenso aber, von besonderen Fällen gesetz- oder statutenwidrigen Handelns ganz abgesehen, den Verein wegen einer „die gesellschaftliche Sicherheit und Ruhe bedrohenden Wirksamkeit" auflösen 106 ). Be-
106 ) D e r (rechts v o n den K o n s t i t u t i o n e i l e n - D e m o k r a t e n 0 s t e h e n d e ) „Klub der U n a b hängigen" (Leiter: Fürst E. Trubezkoj) wurde in M o s k a u zur Registrierung nicht zugelassen, o b w o h l in der betr. Sitzung nicht nur der Bürgermeister und U p r a w a v o r s i t z e n d e , sondern auch der Staatsanwalt dafür stimmte. D i e Mehrheit motivierte ihr V o t u m lediglich dahin: der Klub fordere, wie sein Programm e r k e n n e n lasse, „Teilung der G e w a l t zwischen Z a r e n und Volksvertretung" ( „ N o w [ o j e ] Wr[emja]" 10 7 9 1 , 2 ) . 7 8 |
C A: Konstitutionell-Demokraten
7 7 Vgl. Bürgerliches G e s e t z b u c h von 1900, I.Abschnitt, 2.Titel: Juristische Personen, Paragraph 21. Ein Verein erlangte Im D e u t s c h e n Reich Rechtsfähigkeit durch Eintrag In das Vereinsregister d e s zuständigen Amtsgerichtes. Das Verfahren der Registrierung regelten die Paragraphen 5 5 - 7 9 . 7 8 W e b e r bezieht sich auf: M o s k o v s k a j a Chronlka, in: N o v o e Vremja, Nr. 10791 v o m 30. März 1906, S. 2, Sp. 5.
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schwerde gegen Ablehnung oder Auflösung kann an den Senat gerichtet werden, an den auch der Gouverneur, durch Vermittlung des Ministers des Innern, gegen die Entscheidung der „Prissutstwije" appellieren kann. Über den Wert dieser „Administrativjustiz" hat sich (woran Kaminka im „Prawo" S. 1188 erinnert) 79 das Ministerkomitee selbst noch im Dezember 1904 äußerst skeptisch geäußert. Im Reichsrat war das Verlangen nach Unterstellung unter die Gerichte | nachdrücklich gestellt worden, doch hatte der Zar persön- A 219 (55) lieh das Votum einer verschwindenden Minderheit gutgeheißen und zugunsten der Polizeiinteressen entschieden, und das Ministerkomitee motivierte 0 die getroffene Entscheidung damit, daß die Gerichte durch die Übertragung von Aufgaben „politischen Charakters" leicht „in ihrer hohen Stellung gefährdet" werden könnten. 80 - Daß alle „Verbände", zu denen auch Vereine mit mehreren „Abteilungen" gehören, gänzlich dem Gutbefinden des Ministers des Innern überliefert sind, wurde schon erwähnt. 81 Eine etwas - aber nur wenig - abweichende Rechtsstellung genießen nunmehr alle Arbeitergeber- und Arbeitnehmervereine in Industrie und Handel (Nr. II des Gesetzes). 82 Erlaubte Gegenstände ihrer Wirksamkeit sind (11,2): 1. Schlichtung von Arbeitsstreitigkeiten durch Schiedsgerichte, 2. Erhöhung des Lohnes, 3. Hilfskassen, 4. Sterbe-, Aussteuer- e und Unterstützungskassen, Gründung von Bibliotheken, Schulen, Kursen, 5. Arbeitsmittelbeschaffung, 6. Arbeitsnachweis, 7. Rechtshilfe. Ihnen ist - im Gegensatz zu anderen Vereinen - die Errichtung von „Abteilungen", jedoch nicht unter abgetrennter Verwaltung, erlaubt (11,5), dagegen - im Gegensatz gegen die Absichten des ancien régime vor dem Oktobermanifest die Gründung von Verbänden absolut verboten (11,6); sie dürfen durch ihr Statut Minderjährige, dagegen keine außerhalb des betreffenden speziellen Berufs stehende Personen zulassen. Sie müssen 14 Tage vor Beginn ihrer Tätigkeit ihr Statut - welches alle für Verwaltung, Aufnahme, Ausschluß, Beitragsleistung, Beschlußfassung d A: motiviert
e A: Ausstellungs-
7 9 Kaminka, Pravila 4-go marta, S. 1189. 80 Ebd., S. 871 ff. 81 Siehe oben, S. 380. 8 2 Wie oben, S. 385, Anm. 68.
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usw. entscheidenden Bestimmungen enthalten muß - beim Fabrikinspektor einreichen (II, 11). Dieser tritt behufs Beschlußfassung über die Registrierung dem Bestände der „Prissutstwije" hinzu (II, 13). Im übrigen unterliegen sie der Auflösung nach den gleichen Grundsätzen wie andere Vereine. - Man sieht sofort, wie stark der Wind auch in bezug auf die Gewerkvereine wieder umgeschlagen ist. Die Hoffnung, sie durch Bestimmungen, welche auf Schritt und Tritt zur Einmischung der Polizei führen müssen, mit „Staatsgesinnung" zu erfüllen, ist in Rußland ebenso kindlich wie bei uns, aber in „autoritär" regierten Staaten nicht auszurotten. Sieht man von der Schaffung der Statutenschemata ab, so hat das ganze Gesetz de facto an dem Rechtszustand vor der Revolution nur insofern etwas geändert, als die Zuständigkeit zur Registrierung bezw. zur Quittung über die Anzeige, welche jetzt das „Verbot" ersetzt, dezentralisiert ist zugunsten der lokalen Polizeibehörden. - Scharfe Strafbestimmungen sanktionieren die in den Gesetzen enthaltenen Verbote. 6.f Die ersten, freilich noch recht kümmerlichen Anfänge von garantierter „Versammlungsfreiheit" brachte Rußland das Bulyginsche Wahlgesetz, welches in den Städten „vorbereitende" Versammlungen der in einem Wahlkörper Wahlberechtigten (Urwähler, Bevollmächtigte, Wahlmänner) unter Ausschluß der Polizei, aber unter Leitung des Vorsitzenden der Wahlkommission (d.h. also: des Adelsmarschalls bezw. Bürgermeisters oder seines Vertreters) einführte, um (ausschließlich) über die Person der Kandidaten für die Wahl zu beraten. 1 9 Denn der Ukas an den Senat vom 18. Februar 2 (aufgehoben gleichzeitig mit Erlaß des Bulyginschen Dumagesetzes) f A: V I . Inhaltsverzeichnis (oben, S. 293): 6. unten, S. 681.
g-g
Nachtrag 2a eingeschoben, siehe
1 Weber bezieht sich auf: Art. 38 und Beilage zu Art. 38, §§ 1 und 2 des sog. Bulyginschen Wahlgesetzes zur Reichsduma vom 6. August 1905. Abgedruckt In: Pravo, Nr. 31 vom 6. Aug. 1905, S.2540 und 2543; Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S.46 und 52; PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 26662. 2 Gemeint Ist der Ukaz an den Regierenden Senat vom 18. Februar 1905, In: Pravo, Nr. 7 vom 20. Febr. 1905, S.475; PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 25853. Der Ukaz versprach, die Vorschläge von Einzelpersonen und Vereinigungen über notwendige Reformen eingehend vom Ministerrat prüfen zu lassen. Durch den Ukaz an den regierenden Senat vom 6. August 1905 wurde der Ukaz vom 18. Februar 1905 aufgehoben. Vgl. Pravo, Nr. 31 vom 6. Aug. 1905, S. 2523; PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 26657.
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gab kein Versammlungsrecht, sondern nur das (für Private schon seit 1811 bestehende, dagegen den Selbstverwaltungskörpern bis dahin bestrittene) Petitionsrecht.93 - Da dies für eine Wahlagitation, die den wenigstens äußerlichen politischen Erfolg der Dumawahlen gewährleistete, natürlich nicht genügte, erließ das „ancien régime" unter dem 12. Oktober 1905, ein „zeitweiliges" Versammlungsreglement, welches, mit einer - relativ - liberalen Ausführungsverordnung Trepows zusammen publiziert, 4 zuerst den „jawotschnyj porjadok", wenigstens der Form nach, generell für Versammlungen einführte. Das „zeitweilige" Versammlungsgesetz vom 4. März 1906 ist lediglich eine Um- und teilweise Rückwärtsrevidierung jenes Reglements. Es kennt den | Unterschied zwischen Stadt und Land nicht A 220 (56) mehr und unterscheidet: 1. Private Versammlungen, welche weder konzessions- noch anzeigepflichtig sind und zu denen auch Versammlungen gesetzlich konstituierter Vereine gehören, falls keine anderen Personen als die aktiven Vereinsmitglieder - also weder Ehrengäste noch z.B. Abgesandte von anderen Vereinen - dabei anwesend sind 107 ); - 2. öffentliche Versammlungen, d.h. a) solche, bei denen dem Veranstalter der Versammlung persönlich nicht bekannte Leute anwesend sind oder b) welche - gleichviel ob jenes Merkmal zutrifft und ob die Zahl der sich Versammelnden groß oder klein ist - , in Theatern, Konzert- oder Ausstellungssälen, Gebäuden 107 ) D i e großes A u f s e h e n erregende polizeiliche Sprengung einer Sitzung der Peters- A 2 2 0 (56) burger „Freien ö k o n o m i s c h e n Gesellschaft" 5 v o m 24. April erklärte der Gradonatschalnik (Stadthauptmann) in der Presse ( „ N o w f o j e ] Wr[emja]" 1 0 8 1 7 ) 6 1. damit, daß Nichtmitglieder z u g e g e n g e w e s e n , 2. daß die Versammlung in e i n e m für V e r s a m m l u n g e n eigens hergerichteten H a u s e stattgefunden h a b e , also (s[iehe] weiter im Text) aus zwei verschied e n e n G r ü n d e n eine „öffentliche" im Sinne des G e s e t z e s v o m 4. März g e w e s e n sei.
3 Das Petitionsrecht (siehe dazu: S v o d Zakonov, A u s g a b e 1900, tom 1, cast' I I , kniga IV) sah Eingaben von Einzelpersonen, Ständen und Körperschaften vor, jedoch nur direkt an den Zaren und zu im G e s e t z genau bestimmten Bereichen. Das Recht, sich mit B e s c h w e r den etc. an die zuständigen Minister zu wenden, stand nur dem A d e l zu. A u c h die Staatsgrundgesetze v o m 23. April 1906 enthielten kein Petitionsrecht. 4 Abgedruckt in: PSZRI, 3 - e sobr., tom 25, Nr. 2 6 7 7 8 . Die A u s f ü h r u n g s b e s t i m m u n g e n Trepovs in: Pravo, Nr. 41 vom 25. Okt. 1905, S . 3 4 2 4 . 5 Imperatorskoe V o l ' n o e E k o n o m i c e s k o e O b s c e s t v o (Kaiserliche Freie Ö k o n o m i s c h e Gesellschaft), 1765 von Katharina II. zur Verbreitung von Kenntnissen über die Landwirtschaft gegründet. Der Gesellschaft wurde im Jahre 1900 w e g e n ihres politischen Engagements kurzzeitig ihre Tätigkeit untersagt, doch existierte sie bis zu ihrer endgültigen Auflösung im Jahre 1917 weiter. 6 W e b e r bezieht sich auf: N o v o e V r e m j a , Nr. 1 0 8 1 7 v o m 26. April 1906, S . 3 .
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von öffentlichen Körperschaften oder in Räumen, die eigens für Versammlungen hergerichtet werden oder in concreto für eine solche gemietet wurden (gleichviel ob sie z. B. Privatwohnräume sind), abgehalten werden. Nicht öffentlich sind also nur Versammlungen in solchen Pnvafräumen, die weder ein für allemal für Versammlungen 5 hergerichtet sind noch für die Versammlung gemietet wurden, wenn alle Teilnehmer dem Veranstalter persönlich bekannt sind. Und dabei sind „öffentliche" Versammlungen - was für die Wahlbewegung in kleinen Städten und auf dem Lande von einschneidendster Bedeutung ist - verboten in Restaurants (111,4 des Gesetzes); in Unter- 10 richtsanstalten sind sie nur gemäß den betr. Statuten, unter freiem Himmel - was für die Dörfer wichtig ist - nur mit Zustimmung des Gouverneurs gestattet. - Jede „öffentliche" Versammlung muß unter Angabe des Gegenstandes der Erörterung und, wenn ein Vortrag gehalten werden soll, auch der Person des Vortragenden drei Tage 15 vorher angemeldet werden, und es muß der Polizei Zutritt zu ihr A 221 (57) gestattet werden 108 ). 7 | Verboten werden können Versammlungen, 108 ) Aus der Versammlungs-„Praxis": Am 13. Dezember verbot der Minister des Innern jede Zulassung von Versammlungen zu politischen und ökonomischen Zwecken. Auf Remonstration der konstitutionellen (Centrums-)Parteien erging am 22. Januar eine Verfügung, welche dies Verbot aufhob und das Oktoberreglement wieder in Kraft setzte. 8 Aber am 31. Januar konnte Nasha Shisnj 9 wieder eine Verfügung des Ministers des Innern publizieren, welche den Gouverneuren einschärfte, die Zahl der Versammlungen derart zu beschränken, daß wirksame Aufsicht möglich sei, und alle solche zu verbieten, welche, nach ihrer Meinung, „die Ruhe gefährden könnten". Im Februar remonstrierte die konstitutionell-demokratische Partei mit dem Hinweis darauf, daß in den allerverschiedensten Gegenden des Reiches ihre Versammlungen von den Behörden unterdrückt würden. Der Minister (Durnowo) erwiderte in persönlicher Rücksprache, das entspreche nicht seiner Absicht, er stehe der Partei nicht übelwollend gegenüber, sondern interessiere sich nicht für Politik. Auf eine erneute Remonstration der Partei gegen ein Versammlungsverbot eines Gouverneurs erwiderte er, die Entscheidung in diesen Dingen liege bei der örtlichen Verwaltungsbehörde. Bei Beginn der Wahlen erließ er alsdann die weiter unten zu erwäh-
7 Wie oben, S.385, Anm.68. 8 Am 12. Oktober 1905 waren von der zarischen Regierung „vorläufige Regeln über Versammlungen" erlassen worden, die erstmals das Versammlungsrecht in beschränktem Umfange einführten. Auf seiner Sitzung vom 24. Januar 1906 billigte der Ministerrat eine weitere Übergangslösung des Versammlungsrechts und bestätigte im wesentlichen das Reglement vom 12. Oktober 1905. Eine endgültige Regelung erfolgte dann im G e s e t z vom 4. März 1906. Vgl. Kaminka, Pravila 4-go marta, S. 8 6 6 - 8 7 7 , sowie Novyja pravila o sobranijach, in: NasaZizn', Nr. 353 vom 26. Jan. 1906, S. 1. 9 Weber nimmt Bezug auf: NasaZizn', Nr. 357 vom 31. Jan. 1906, S . 4 .
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wenn sie „die öffentliche Sicherheit und Ruhe bedrohen"; aufgelöst werden sie u. a.: [,,]falls sie sich vom Gegenstand ihrer Beschäftigung entfernen"; falls „Äußerungen, die zum Haß eines Teils der Bevölkerung gegen einen anderen aufreizen, fallen", falls die „Ordnung" 5 durch aufrührerische Rufe oder Äußerungen „gestört wird", - alles Gründe, die einer der Regierung ergebenen Partei oder den h agents provocateurs der Polizei gestatten, jederzeit jede Versammlung der Gegner der Regierung auflösungsreif zu machen. Tatsächlich ist das Gesetz der Vorwand für jede denkbare Willkür geworden, soweit 10 man - wovon unten 1 0 - sich eine solche gestatten zu können glaubte, - wie wir das ganz natürlicherweise neustens in einer Anzahl deutscher Staaten mit ähnlich formulierten Gesetzen auch erlebt haben. 11 - „Kongresse" - der Begriff ist (III, 17) nicht näher definiert bedürfen der Genehmigung des Ministers, ihre öffentlichen Ver15 Sammlungen unterliegen der allgemeinen Regel. Die auch von dem Wahlgesetz vom 11. Dezember 1905 (XII, 1-6) 1 2 ausdrücklich, unter Beschränkung der Teilnahme auf die Wahlberechtigten, der Aufsicht der Polizei entzogenen „vorbereitenden Versammlungen" der Dumawähler sind (III, 16, V) ziemlich zweideutig behandelt, und nur 20 für die Wahlmänner-Versammlungen - ebenso wie für religiöse Versammlungen und für die herkömmlichen (also nicht für neue, etwa sektiererische) Prozessionen - ist das Gesetz (Nr. IV) nicht gültig. n e n d e unglaubliche V e r f ü g u n g . 1 3 - Selbst der | konservativ-mittelparteiliche Bürgermei- A 221 (57) ster v o n Petersburg sah sich („Russk[ija] W j [ e d o m o s t i ] " 57, 3 ) 1 4 veranlaßt, in seiner amtlichen Eigenschaft g e g e n die Versammlungsverbote in der Hauptstadt zu protestieren.
h A: die 1 0 Siehe unten, S. 4 7 5 f f . 11 Bis zum Erlaß des Reichsvereinsgesetzes am 19. April 1908 galten im Deutschen Reich die landesrechtlichen Vereinsgesetze. Aufgrund der Vereinsgesetze in Bayern, Sachsen, Preußen, Baden, Elsaß-Lothringen und einigen kleineren Ländern war die Polizei befugt, Beamte in Versammlungen zu entsenden und die Versammlungen bei „ S t ö r u n g e n " aufzulösen. Vgl. Schultze, Werner, öffentliches Vereinsrechtim Kaiserreich 1871 bis 1908. Ein Beitrag zur Handhabung des Vereins-, Versammlungs- und Koalitionsrechts gegenüber sozialdemokratischen Arbeitervereinigungen. - Diss. jur. Frankfurt/M. 1973, S. 4 3 4 f f . 1 2 A b g e d r u c k t i n : Pravo, Nr. 50 vom 18. Dez. 1905, S. 3998ff.; Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 10Of.; PSZRI, 3 - e sobr., tom 25, Nr. 2 7 0 2 9 . 1 3 Siehe unten, S. 396. 1 4 Weber zitiert den Artikel: Poslednija Izvestija, in: Russkija Vedomosti, N r . 5 7 vom 28. Febr. 1906, S . 3 .
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7.' Die im Manifest vom 17. Oktober versprochene „effektive" Unantastbarkeit der Person und der Wohnung wurde nicht geschaffen, 1 5 es waren bei Zusammentritt der Duma nicht einmal gesetzgeberische Ansätze dazu vorhanden. Schon eine Justizministeriumsverfügung vom 25. November 190516 sprach lediglich davon, daß der 5 Zar im Manifest vom 17. Oktober eine „bedeutende Verminderung" der administrativen Verschickungen zugunsten der gerichtlichen Aburteilung in Aussicht gestellt habe. Auch davon war in der Praxis keine Rede, im Gegenteil, die Verschickungen blühten wie niemals vorher. Von Beseitigung der Ausnahmegesetze war alles still. Zwar 10 hatte sich eine „besondere Kommission" mit der Frage des Schutzes der „persönlichen Unantastbarkeit" befaßt, - allein die Beratung war im Februar auf unbestimmte Zeit „vertagt" worden („Russk[ija] Wjedjomosti]" 14. Januar) 109 ). 17 Nach den Wahlen, Ende März, tauchte die Frage in andrer Form wieder auf. Ein Kommissionsbe- 15 rieht (vgl. ,,Russk[ija] Wjedfomosti]" 81,3) 1 8 über die Abänderung der „Ausnahmegesetze" schlug zunächst die Schaffung einer Liste der „die gesellschaftliche Sicherheit gefährdenden Personen", welche, nach gerichtlicher „Verwarnung" und Verurteilung (durch die
109
) Ein vom Justizministerium ausgearbeitetes Projekt war „unbefriedigend" ausgefallen und daher ad acta gelegt. „Gegenwärtig werden im Justizministerium andere Projekte über diesen Gegenstand nicht b e a r b e i t e t , " besagte lakonisch eine offiziöse Notiz (Wiedergegeben „Nowfoje] W r [ e m j a ] " , 2. Febr., S. 4 . ) 1 9 |
i A: V I I . Inhaltsverzeichnis (oben, S. 293): 7.
15 Im Manifest hieß es: „ [ . . . ] der Bevölkerung unerschütterliche Grundlagen der bürgerlichen Freiheit nach den Grundsätzen wirklicher Unantastbarkeit der Person, der Freiheit des Gewissens, des Wortes, der Versammlungen und der Vereine zu geben." Pravo, Beilage zu Nr. 48/49 vom 4. Dez. 1905, S.89; PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 26803. Deutsche Übersetzung bei Scheibert, Partelen, S. 29. 16 Weber bezieht sich wohl auf: Cirkuljary minlstra justieli, II: Prokuroram subednych mest, In: Pravo, Nr. 48/49 vom 4. Dez. 1905, S. 3911 ff. 17 Die Meldung In Russkija Vedomostl, Nr. 13 vom 14. Jan. 1906, S. 2 lautete: „Gegenwärtig wurde dem Reichsrat ein Projekt eines neuen Gesetzes betreffend die Unverletzlichkeit der Person vorgelegt. Es wurde beschlossen, dieses Projekt unverzüglich zu prüfen." 18 Weber stützt sich offensichtlich auf den Artikel: Zamena polozenlja o usilennoj I crezvycajnoj ochranach, in: Russkija Vedomosti, Nr. 81 vom 24. März 1906, S.2f. 19 Gemeint ist: Adminlstratlvnyja novosti, In: Novoe Vremja, Nr. 10736 vom 2. Febr. 1906, S.4.
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örtlichen Gerichte) unter Polizeiaufsicht zu stellen seien, vor. Für die als „unbedingt gesellschaftsgefährlich" erklärten Personen sollte das Zwangsdomizil bestehen bleiben. Diese letzte Maßregel sollte von der „Prissutstwije" des Gouverneurs bezw. staatlichen Stadthauptmanns, unter Hinzutritt einer Minorität von drei Semstwo- bezw. Dumamitgliedern (von denen zwei zur Gültigkeit der Entscheidung in der Sitzung sollten anwesend sein müssen) verhängt werden. | Auf A 222 (58) diese Art hoffte man offenbar - und dieser Gedanke war gar nicht übel - die in jenen Selbstverwaltungskörpern dominierenden besitzenden Klassen zugleich mit an den Verschickungen zu interessieren und ihnen die Verantwortung mit aufzuladen. Wie wenig ihre Mitwirkung als Garantie gedacht war, erhellt daraus, daß Beschwerde natürlich auch seitens der Polizei - an die berüchtigte erste Abteilung des Senats20 zulässig sein sollte. Die Unumgänglichkeit der Beseitigung des alten Paßsystems entlaste, so meinte im übrigen die Kommission, die Polizei soweit von „papierner" Kontrolle, daß nunmehr unbedingt die effektive persönliche Beaufsichtigung aller unter ihre Aufsicht gestellten Personen von ihr gefordert werden könne. - In dieser charakteristischen Weise stellten sich die Repräsentanten des alten Regimes die Herstellung des „Vertrauens" zwischen „Gesellschaft" und Bureaukratie vor. Von irgendeiner „Habeas corpus"Gesetzgebung21 war im übrigen keine Rede, und es verstand sich von selbst, daß dieses Regime sich dazu auch, im Interesse seiner Selbsterhaltung, unter keinen Umständen bereitfinden lassen konnte. Sie setzt eine wirksame Kontrolle der Verwaltung durch Instanzen von verfassungsmäßig garantierter Unabhängigkeit voraus, wie anderseits jede wirkliche „Konstitution" eine Habeas-corpus-Gesetzgebung als erste Frucht zeitigen müßte.
Das Interimsministerium Graf Witte-Durnowo brachte vielmehr 30 eine erhebliche Anzahl von Verschlechterungen des Rechtsschutzes der „Persönlichkeit" selbst gegen den bisherigen Zustand. Von den Umgestaltungen des Personals der Gerichte und allerhand anderen
20 Nach der Justizreform von 1864 führte das erste Departement des Senats die Aufsicht über die Lokalverwaltung und die Gerichte, veröffentlichte die Gesetze und war für deren Auslegung zuständig. Inwiefern diese Abteilung des Senats „berüchtigt" war, Heß sich nicht ermitteln. 21 Gemeint sind Regeln zur Wahrung der Rechte des Individuums gegenüberstaatlicher Willkür nach dem Vorbild des englischen Habeas Corpus Act von 1679.
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Änderungen der Zuständigkeitsverhältnisse (Erweiterung der Tätigkeit der Einzelrichter) ist schon flüchtig die Rede gewesen, 22 die Einzelheiten interessieren hier nicht und würden die Erörterung des gesamten Gerichtsverfassungswesens voraussetzen. Hervorgehoben sei nur die Erweiterung der Zuständigkeit der Schöffengerichte (Gerichtshöfe, zu deren Verhandlung gemäß Art. 1105-1106 2 der Strafgerichtsordnung 23 ständische Vertreter zugezogen werden) auf das durch die allerhöchste Verfügung vom 9. Februar 190624 neu geschaffene Delikt des Besitzes von Explosivkörpern, welches, wenn nicht ein unschädlicher Zweck nachgewiesen wird, Einreihung in die Besserungsarrestantenabteilung bis zu eventuell 15 Jahren nach sich ziehen sollte, und vor allem auf die neu gestalteten Delikte des wirklichen oder (auf Seite des Beamten) putativenllü) Angriffs und Widerstands gegen die Staatsgewalt und eine ganze Serie andrer Aufruhr- und Gewaltsamkeitsdelikte, namentlich auch gegen das Eigentum, aufgezählt in dem allerhöchst bestätigten Reichsratsgutachten vom 18. März 1906 Nr. II: 2 5 das Gehässige liegt hier darin, daß diese, zum großen Teil einen /C/assencharakter tragenden Delikte Klassengenchitn übertragen werden, in denen jene Leute Richter sind, deren Klasseninteressen bei jenen Delikten in Frage stehen, was bei der schier unglaublichen Hast, die für das Verfahren vorgeschrieben wird, mit unerhörter Schwere ins Gewicht fallen muß. Und ferner verdient Aufmerksamkeit die Allerhöchste Verfügung vom 13. Februar 1906, 26 wodurch 1. die Verbreitung „offenbar trügeriA 222 (58)
llc
) Die betreffende Formulierung ist geradezu grotesk. 2 7 |
2 2 Siehe oben, S.314f. 2 3 Abgedruckt in: Svod Zakonov, Ausgabe 1900, tom 16, c.1: Ustav ugolovnago sudoproizvodstva, kn. 3, st. 1105-1106, 2, S. 293. 2 4 Weber bezieht sich vermutlich auf den Abdruck in: Pravo, Nr. 10 vom 12. März 1906, S. 899f.: Vysocajsija povelenija. Das Strafmaß war Verschickung zur Zwangsarbeit zwischen 4 und 15 Jahren. PSZRI, 3-esobr., tom 26, Nr. 27379. 2 5 Veröffentlicht unter dem Titel: Vysocajsee 18 marta 1906 goda utverzdennoe mnenie Gosudarstvennago Soveta o merach k sokrasceniju vremeni prolzvodstva naibolee vaznych ugolovnych del, in: Pravo, Nr. 13 vom 1. April 1906, S. 1196-1200; PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27575. 26 Gemeint Ist: Vysocajsija povelenija, In: Pravo, Nr. 12 vom 25. März 1906, S. 1118f.; PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27395. 2 7 Die Formulierung lautet: „Wer einen Beamten an der gesetzlichen Ausführung seiner Pflicht im Dienst durch Drohung auf solche Weise hindert, daß dieser Beamte sich in diesem Fall In Gefahr sehen kann oder muß, unterliegt folgender Bestrafung!...]." Pravo, Nr. 13 vom I.April 1906, S. 1196; PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27575.
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scher Behauptungen" über die Tätigkeit von Behörden, durch welche die Bevölkerung zu feindlichem Verhalten ihnen gegenüber veranlaßt wird, 2. die „Erregung von Haß zwischen den verschiedenen Teilen und Klassen der Bevölkerung, den Ständen oder zwischen 5 Unternehmern und Arbeitern" durch Schrift oder Rede (also ein Surrogat eines Sozialistengesetzes) bedroht wird. - Es würde aufs äußerste ermüdend sein, | herzuzählen, wie diese Zusätze zu den A 223 (59) bereits bestehenden Gesetzen gewirkt haben. Das Unglaublichste bleibt doch die für jedes rechtliche Empfinden, gleichviel welchen 10 Parteistandpunkts, den denkbar autoritärsten und konservativsten nicht ausgenommen, maßlose Keckheit, mit welcher nach den Versprechungen des 17. Oktober das Prinzip der willkürlichen administrativen Verfügung über die Person des „Untertanen" durch Beschränkung der Freizügigkeit, Anweisung von Zwangsdomizilen in 15 entfernten Gebieten des Reiches und Massen-,,Verschickung" nicht etwa nur faktisch aufrechterhalten und weiter praktiziert, sondern noch in einer kaum durch irgendeinen Ausdruck hinlänglich zu qualifizierenden Weise verschärft wurde. Schon ein Erlaß des Ministers Durnowo vom 30. November 190528 schrieb den Gouverneuren u. a. 20 vor, daß im Falle „notorische Agitatoren" durch die Gerichte freigelassen werden sollten, sie zu verhaften und administrativ zu verschikken seien (Punkt 3), daß dabei (Punkt 4) „keinerlei Beachtung etwaiger Proteste von Verbänden und Delegierten" stattfinden dürfe und daß (7.) „überhaupt keinerlei Schwanken bei Ausführung der 25 beabsichtigten Maßregeln zulässig" sei. Telegraphische Antwort in der Fassung: „wird ausgeführt", war im Erlaß ¡(Schluß) vorgeschrieb e n . ' A b e r damit nicht genug. In demselben Zeitpunkt, in welchem man - wie noch weiterhin zu erwähnen 2 9 - an die Zersprengung der bäuerlichen Obschtschina ging, benutzte man das mittelalterlichste 30 aller ihrer Rechte: das Recht, ihr nicht genehme und bestrafte Mitglieder durch Gemeindebeschluß nach Sibirien zu exportieren, indem man durch besondere Verordnung die staatlichen Zuschüsse zu
j A: (Schluß vorgeschrieben.
28 Veröffentlichtin: Pravo, Nr. 6 vom 11. Febr. 1906, S. 509f.: Cirkuljar razoslannyj gubernatoram upralvljajuscim ministerstvom vnutrennych del Durnovo ot 30 nojabrja 1905 goda. 29 Siehe unten, S.576ff.
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den Transportkosten erhöhte. 30 Daß endlich an den Pa/?reglements, deren Untauglichkeit für die Zwecke, denen sie dienen sollten, längst feststeht, nichts geändert wurde, bedarf kaum der Erwähnung; es kostete z.B. der Behörde beträchtliche Schwierigkeiten, und es bedurfte einer besonderen Ministerialinstruktion, um die zur 5 Rettung ihres Lebens (vor den Bauern) ins Ausland Geflüchteten, die versäumt hatten, sich den erforderlichen Paß zu beschaffen, wieder ins Inland hineinzupraktizieren 1103 ). c |
A 2 2 3 (59)
110a
) D e r D u m a gegenüber hat die Regierung die Beseitigung der Inlandspässe in Aussicht gestellt. Fertiggestellt ist ferner (nach Zeitungsberichten) ein Gesetzentwurf, welcher die persönliche Verantwortlichkeit der B e a m t e n regelt. E r beruht auf d e m Prinzip, daß man „die kleinen D i e b e hängt, die großen laufen läßt": Subalternbeamte und Arbeiter sollen ganz frei verfolgbar sein, andere, bis zur vierten Rangklasse, durch den Staatsanwalt, vorbehaltlich jedoch k des b e i ' ' b e s o n d e r e n Verwaltungsgerichtshöfen (der „gemischten Prissutstwije" gemäß Art. 242 'Ust[aw] grashdanskawo ssudoproizwodstw a ' ) 3 1 zu e r h e b e n d e n „Kompetenzkonflikts" (nach preußischer Terminologie). Für die vom Kaiser selbst ernannten B e a m t e n soll die bisherigen O r d n u n g bestehen bleiben. Diese ist jetzt insofern modifiziert, als nach A r t . 68 der revidierten Reichsratsordnung vom 24. April 1906 32 ü b e r die Frage, ob Minister, Statthalter 171 , G e n e r a l g o u v e r n e u r e n und B e a m t e der ersten drei Rangklassen vor Gericht gestellt werden sollen, das erste D e p a r t e ment des Reichsrats, gebildet jährlich durch kaiserliche E r n e n n u n g , und zwar nur aus d e m Kreise der ernannten Mitglieder, zu befinden hat. - Wertvoll ist dagegen das Projekt über die Neugestaltung der Stellung der von den Semstwos zu wählenden Friedensrichter (s[iehe] seinen Wortlaut ,,Now[oje] W r [ e m j a ] " 10 854). 3 3 Es bedeutet, wie die längst verlangte Beseitigung der heutigen "Stellung der Semskije Natschalniki 0 , 3 4 ein Zurück-
I A: Ust. syol. c Ende des Petitdrucks in A, siehe oben, S.321. k A: des, bei ssand. m A: Stadthalter n A: Generalgouverneur o DV; A: Stellung Semskije Netzhalnikj
3 0 Die Verfügung ist abgedruckt in: Pravo, Nr. 12 vom 25. März 1906, S. 1119-1120: Vysocajsija povelenija; PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27571. Punkt zwei regelte die Zahlung der Kosten durch den Staat. Das direkte Recht auf Verbannung besaß der Mir nicht. Ein auf Beschluß der Dorfgemeinde mit Zweidrittelmehrheit aus ihr Ausgestoßener konnte danach jedoch auf administrativem Wege verschickt werden. 31 Der „Kompetenzkonflikt" ist geregelt in: Ustav grazdanskago sudoproizvodstva: Svod Zakonov, Ausgabe 1900, tom 16, 5.1, kn. II, st. 242, S. 80. 3 2 Ein zeitgenössischer Abdruck in: Pravo, Nr. 19 vom 14. Mai 1906, S. 1743-1759, hier: S. 1751, Art. 68, § 4; PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27808. 3 3 Weber bezieht sich wohl auf den Artikel: Vybory mirovych sudej, in: Novoe Vremja, Nr. 10854 vom 3. Juni 1906, S. 4. 3 4 Die Institution der Landhauptleute (zemskie nacal'niki) wurde durch das Gesetz vom 12. Juli 1889 geschaffen. Sie besaßen administrative und juridische Funktionen im Dorf, wurden zumeist aus dem lokalen Adel von der Regierung ernannt und überwachten alle
Analyse
der allgemeinpolitischen
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Blicken wir zurück, so zeigte sich immer wieder bei allen einzeln A 224 (60) betrachteten Fragen, daß dasjenige Maß an „Freiheiten", welches bei Eröffnung der Duma rechtlich verwirklicht war, mit ganz unerheblichen Ausnahmen bereits das Werk des Ancien régime vor dem 5 Ministerium Witte war, entstanden in der Angst vor der aufgeregten öffentlichen Meinung, unter dem Eindruck des im Kriege verlorenen Prestiges und in der Hoffnung],] irgendwie den Besitz auf die Seite der Bureaukratie hinüberziehen zu können, ohne deren unumschränkter Macht für die Zukunft etwas zu vergeben. Nachdem die io Errichtung der gesetzgebenden Gewalt im Oktobermanifest versprochen war, hat das Interimsministerium nichts Neues p in der von diesem versprochenen Richtung mehr getan, es hat mit allen denkbaren juristischen Manipulationen den formal konzedierten „jawotschnyj porjadok" für Presse, Vereine, Versammlungen, Religionszuge15 hörigkeit der administrativen Willkür wieder unterstellt und vor allem zur Beseitigung des gänzlich arbiträren, an keinerlei Rechtsschranken gebundenen Schaltens über die Person des Staatsbürgers nichts getan. Man muß bedenken, was es eigentlich besagen will, wenn an dem gleichen Tage, an welchem der ganze ungeheure Zorn 20 sich in der Duma bei Gelegenheit der Adreßdebatte entlädt und die Forderung der Amnestie der sogenannten politischen Verbrecher beraten wird, wo die Gefängnisverwaltungen nicht hindern können, daß Manifestationen und Begrüßungstelegramme der Inhaftierten an die Duma gelangen, jedes Dorf im weiten Reich auf das entscheiden25 de Wort harrt, wenn an diesem Tage die trockene Nachricht sich in der Zeitung findet, daß aus dem Petersburger Gefängnis ein Transport von 240 Gefangenen, ohne Gericht und Urteil natürlich, zur administrativen Versendung „bereit stehe". 35 Die Maschinerie argreifen auf die R e f o r m g e d a n k e n A l e x a n d e r s II. Vor 10 Jahren hätte es b e f r e i e n d gewirkt. Ü b e r d e n Inhalt soll berichtet w e r d e n , w e n n erst etwas zustande g e k o m m e n i s t . 3 6 |
p A: n e u e s
Entscheidungen der bäuerlichen Dorfgemeinde. Da diese Institution über weitgehende richterliche Gewalt verfügte und nur geringer Kontrolle von selten der Regierung unterlag, ergaben sich Abhängigkeiten der bäuerlichen Bevölkerung und Machtmißbrauch der Amtsträger. 3 5 Der Sachverhalt konnte nicht ermittelt werden. 3 6 Ein solcher Bericht ist nicht erschienen.
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beitet weiter, als ob nichts passiert wäre. Und dennoch: es waren eben Dinge geschehen, die nicht rückgängig zu machen waren. Gerade die Unaufrichtigkeit, mit welcher die Freiheiten offiziell gegeben, mit der anderen Hand im Augenblick, da man sie gebrauchen will, illusorisch gemacht werden, muß ja die Quelle unablässig sich wie- 5 derholender Konflikte und grimmigen Hasses werden, unendlich aufreizender als das alte offene, niederdrückende Repressionssystem. Man kann mit einer Nation und politischen Freiheitsrechten nicht ein Hasch-Haschspiel veranstalten, indem man sie ihr wie einem Kinde einen Ball hinhält und, wenn sie darnach greift, sie 10 hinter den Rücken verschwinden läßt. Und ähnlich verhält es sich mit jener „Konstitution", die das Manifest vom 17. Oktober, sei es auch in noch so zweideutigen Worten, versprochen hatte. Bevor wir uns jetzt der Behandlung dieses Versprechens durch die Bureaukratie zuwenden, haben wir uns zu vergegenwärtigen, daß in jenen 15 Oktobertagen der Führer des bureaukratischen Rationalismus, Witte, dem Zaren neben dem zweideutigen Verfassungsmanifest, welA 225 (61) ches für die Zukunft dunkle Ver|sprechungen gab, noch eine alsbald in Kraft tretende Änderung der konkreten Maschinerie der sogenannten „Selbstherrschaft" abnötigte, welche deren innerstes Wesen 20 endgültig wandelte.
III. 3Die Vollendung der Bureaukratisierung der Selbstherrschafta Der eigenartige Charakter des russischen Staatswesens äußerte sich bis zum Oktober 1905 formal in den höchsten Sphären des Staatslebens in zwei äußerlich wahrnehmbaren „Lücken": 1. dem Fehlen der ministeriellen Kontrasignatur bei kaiserlichen Erlassen und 2. in dem Fehlen eines „Ministerkabinetts" im westeuropäischen Sinn. Die kaiserlichen Erlasse, Ukase, Gesetze waren bis zu dem Grundgesetz vom b23. April b 1906, welches die „Sskrjepljenije" verfügte, entweder nur vom Kaiser namentlich unterzeichnet^] oder es fand sich an der Spitze die Notiz: „auf dem Original ist Höchsteigenhändig vermerkt: ,so sei es (bytt po ssjemu),'" oder endlich, es war dem meist eingehend begründeten, Erwägung und Verfügung nebeneinander enthaltenden 0 Ministerialbericht oder Reichsratsgutachten am Schlüsse die Bemerkung zugefügt, daß der Kaiser unter dem und dem Datum den Bericht Allerhöchst genehmigt habe. Die persönlichen Ukase und Manifeste und alle Gesetze pflegten einleitend allerhand schwülstige, angebliche Betrachtungen des Monarchen nach Art der preußischen aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts zum besten zu geben. Dies müßte nun eigentlich ein Ende nehmen. Allein dem ist nicht so. Der erste, nach dem Zusammentritt der Duma sanktionierte Erlaß - vom 8. Juni (Verlängerung des Belagerungszustandes in Moskau) - trug keine Kontrasignatur. 1 Auf die Reklamationen der Presse erfolgte ein Communiqué im ,,Prawit[jelstwjennyj] Wjestnik" (17. Juni), 2 welches besagte, daß der Senat, der ja schon unter dem ancien régime die Authentizität der Erlasse vor der Publikation zu prüfen hatte d , auch die ordnungsmäßige „sskrjepljenije" der Wortsinn schwankt zwischen „Bestätigung" und „Beglaubigung" - prüfe. Also eine Art Kontrasignatur mit Ausschluß der Öffentlichkeit, um jeden Anklang an „den Westen" zu vermeiden. Überdies ist
a Kapitelüberschrift in Anlehnung an das Inhaltsverzeichnis, oben, S.293, eingeschoben. b DV; A: 24. April c A: enthaltend d A: habe
1 Der Ukaz an den Regierenden Senat vom 8. Juni 1906 ist abgedruckt in: Pravitel'stvennyj Vestnik, Nr. 130 vom 11. Juni 1906, S. 1; PSZRI, 3-esobr., tom 26, Nr. 27979. 2 Weber bezieht sich auf: Vecernee pribavlenie k Pravitel'stvennomu Vestniku, Nr. 27 vom 17. Juni 1906, S. 1.
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für „Gesetze" nicht die „sskrjepljenije" des Ministeriums, s o n d e r n da sie nach ihrer Annahme in den beiden Kammern direkt durch den Reichsratspräsidenten dem Zaren präsentiert werden - durch den „Staatssekretär" vorgeschrieben (Art. 65 der definitiven Reichsratsordnung vom 24. April 1906), 3 auch hier also die Intervention des 5 „verantwortlichen" Ministers formell ausgeschaltet. Es handelt sich hier ganz offensichtlich um lauter Rückwärtsrevidierungen des Sinnes des gleich zu erwähnenden Ukas vom 21. Oktober 1905.4 Allein trotz dieser kleinen Erschleichungen sind durch diesen Ukas Dinge geschaffen, welche de facto nicht wieder rückgängig zu machen sind, 10 und durch welche schon vor der „Konstitution" die Art des Zustandekommens der Gesetze sich zu ändern wenigstens begonnen und die A 226 (62) Art des Ineinander (greifens der höchsten Staatsorgane wirklich in weittragendster Art geändert hat. Fast mehr als die Schaffung der Duma durch das Gesetz vom 6. August und selbst als die Zusage, daß 15 ohne ihre Zustimmung kein Gesetz in Kraft treten solle, fuhr den Slawophilen konservativer Richtung die Umgestaltung des „Ministerrates", seine Annäherung an ein „Kabinett" mit dirigierendem Premierminister, durch den Ukas vom 21. Oktober 19055 in die Glieder. Bis dahin existierten neben dem, aus für Lebenszeit ernann- 20 ten Mitgliedern, meist Exbeamten, oft abhängigen und gelegentlich halb verblödeten „vergangenen Größen" bestehenden „Reichsrat", dessen Begutachtung alle „Gesetze" zu passieren hatten, die beiden Institutionen 1. des Ministerkomitees, 2. des Ministerrates. Ersteres bestand nicht nur aus den jeweiligen Ministern, sondern daneben aus 25 verschiedenen anderen Beamten, und sein „Präsident" war ein Sinekurist, der bis in die letzte Zeit gar kein Bureau besaß und auch keines solchen bedurfte. Seine Geschäfte waren nicht etwa Entschließungen hochpolitischer Art, sondern umgekehrt 1. die Erledigung bestimmter laufender inter-departementaler Geschäfte und 2. 30 besondere, ihm durch Gesetz zugewiesene Zuständigkeiten, wie z.B. Konzessionierung von Aktiengesellschaften und dergleichen.
3 Artikel 65 lautet: „Gesetzesbestimmungen werden durch den Reichssekretär mit Angabe des Ortes und des Datums ihrer Bestätigung beglaubigt." PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27808. 4 Gemeint ist der Ukaz vom 19. Oktober 1905, abgedruckt: Imennoj vysocajsij ukaz Pravltei'stvujuscemu Senatu, in: Pravo, Nr. 41 vom 25. Okt. 1905, S. 3411-3413; PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 26820, den Weber fast regelmäßig auf den 21. Oktober datiert. 5 Siehe oben, Anm. 4.
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Der Ministerrat dagegen war, nach preußischer Terminologie, ein Kronrat, präsidiert vom Monarchen oder, wenn dieser für einen Gegenstand „nähere Beratung in seiner Abwesenheit" 6 wünschte, vom ältesten anwesenden Minister. Einberufen auf kaiserlichen Befehl, zur Beratung von Gesetzesänderungen und anderen politisch besonders wichtigen Verfügungen eines Ressorts, Entschließungen über die Berichte der so beliebten „besonderen Kommissionen", welche konkrete Probleme von allgemeiner politischer Bedeutsamkeit beraten hatten, oder für andere, vom Monarchen bestimmte Angelegenheiten, bestand er aus allen Ressortchefs und anderen ad hoc vom Monarchen berufenen Personen, unter Teilnahme des Sekretärs des Reichsrates. Im übrigen gab es weder einen Premierminister, der die Vorträge seiner Kollegen beim Monarchen ein für alle Mal zu kontrollieren das Recht hatte, noch überhaupt geregelte Beratungen eines Staatsministeriums im Sinne z.B. der preußischen Praxis. Die Beziehungen des Ressorts hingen - außer in den Fällen, wo das Gesetz oder das Gebot des Monarchen ein anderes bestimmt vorschrieb - von dem persönlichen Gutbefinden der Chefs und ihren Beziehungen untereinander ab. Die Folge war jener Zustand, den man in der Tat mit nicht allzu großer Übertreibung dahin charakterisieren konnte, daß das Reich in eine Vielheit von Satrapien zerfiel, 7 deren Gebiete nur nicht regional, sondern nach sachlichen „Ressorts" abgegrenzt und konstant streitig waren und welche miteinander in einem ständigen Wechsel von Kriegszustand, mühsam hergestelltem Waffenstillstand, Bündnissen und wieder beginnenden Intrigen lebten. Die Bombardements zwischen diesen Potentaten im Fall des aus | brechenden Kriegszustandes erfolgten in Gestalt oft A 227 (63) dickleibiger, zuweilen Hunderte von Druckseiten füllender Staatsschriften, zu deren Ausarbeitung für das angreifende oder angegriffene Ressort dessen nicht selten in Deutschland geschulte wissenschaftliche Hilfskräfte im Schweiße ihres Angesichts alle denkbare in- und ausländische staatsrechtliche, ökonomische und historische Literatur zu wälzen hatten, und die in den Fällen, wo sich einmal ein Einblick in sie eröffnet, eine höchst ergötzliche, zuweilen sogar eine, wenn auch nicht kurzweilige, so doch sachlich ganz interessante
6 So geregelt in SvodZakonov, Ausgabe 1892, tom 1, c. II, st. 12. 7 Vgl. dazu Trubeckoj, E„ K s-ezdu „Sojuza 17-go oktjabrja", in: Russkija Vedomostl, Nr. 38 vom 8. Febr. 1906, S. 1, sowie Russkija Vedomosti, Nr. 322 vom 6. Dez. 1905, S. 1.
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Lektüre bilden. Es ist gar nicht selten von guten Kennern, Russen und anderen, die Frage, ob dabei die Interessen des Landes gut gefahren seien, aus ganz den gleichen Gründen entschieden bejaht worden, aus denen man die Bestechlichkeit und den Schlendrian mancher Schichten der russischen Beamtenschaft als ein positives Gut gewertet hat. Denn ein Versuch, sich in die russische Maschinerie von Reglements inner- und außerhalb der 16 Bände des „Sswod" e8 zu vertiefen, muß den Eindruck erwecken, daß das Unternehmen, diesen Wust ernstlich für effektiv geltendes Recht zu nehmen, das Leben nicht nur für den „modernen" Menschen zur Unmöglichkeit machen, sondern ähnlich wie es die „technischen Obstruktionen" der Eisenbahner in Italien 9 erfolgreich versuchten, diese ganze Maschinerie selbst ad absurdum führen müßte. Und jedenfalls: ausschließlich vom Standpunkt der individuellen Bewegungsfreiheit der „bürgerlichen" Kreise aus betrachtet, konnte jede Hemmung, die sich das „System" des selbstherrlichen Regimes selber bereitete, jeder - mit Leroy-Beaulieu zu sprechen 10 - noch so schmutzige Kanal, durch den ein Entschlüpfen aus den Netzen dieses furchtbaren bureaukratischen Rationalismus möglich blieb, für einen Schutz der Menschenwürde der Untertanen gelten: die tiefst gehaßten Beamten waren nicht zufällig die „pedantischen" Deutschen, welche ehrlich an die „Weihe" der „Reglements", welche dies „System" aus sich gebar, glaubten, oder unbestechliche zentralistische Rationalisten großen Stils wie Plehwe. Die alte patriarchale Selbstherrschaft war nur als ein System des möglichst wenig wirklich „regierenden" Schlendrians überhaupt rein technisch durchführbar.
e A: „Sowod"
8 Weber bezieht sich auf die offizielle russische Gesetzessammlung, eine systematische Zusammenstellung des jeweils im Russischen Reich geltenden Rechts, den Svod Zakonov Rossijskoj Imperii, der erstmals 1835 in 15, später in 16 Bänden erschien. Zugrundegelegt ist hier die Ausgabe von 1892. 9 Weber spielt hier vermutlich auf das Verhalten der italienischen Eisenbahner im Februar und März 1905 an, die statt eines Streiks zum Mittel der „Obstruktion", d.h. bewußtem Langsamfahren der Züge und Dienst nach Vorschrift, griffen. Vgl. Berliner Tageblatt, Nr. 106 vom 27. Febr. 1905, Mo.bl.,S.2. 10 Als Zitat nicht nachgewiesen.
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Der Ukas vom 21. Oktober 190511 nun bedeutete das Schwinden des noch vorhandenen Scheins der „Selbstherrschaft" im alten Sinn und die definitive Errichtung der zentralisierten Herrschaft der modernisierten Bureaukratie. Zwischen den Monarchen und die Ressortchefs tritt der „Ministerrat" und sein Präsident, der stets selbst Minister, wenn auch ev[entuell] ohne Portefeuille, ist (Nr.3). 1 2 'Hier9 sind natürlich sowohl der bekannte Streit zwischen dem Monarchen und dem Ministerpräsidenten gelegentlich der Entlassung Bismarcks13 wie jetzt namentlich die unlängst näher bekannt gewordenen Vorgänge bei der erstmaligen Schaffung des „Kabinetts" in Preußen (1848) und das Verhalten Friedrich Wilhelms IV. dazu zu vergleichen. n 4 Die Teilnahme ad hoc vom Monarchen einberufener Personen, ebenso diejenige des Reichsratssekretärs15 an den Sitzungen dieses fortan nur aus den Ressortchefs bestehenden Ministerrates fällt fort, nur der Ministerpräsident kann andere sachkundige Personen zur Teilnahme mit beratender Stimme ad hoc einladen, (Nr. 9). Der Monarch kann dem Ministerrat präsidieren, | aber dies A 228 (64) ist als Ausnahme gedacht (Nr. 5). Über die der Allerhöchsten Bestätigung bedürftigen Beschlüsse des Ministerrats hält der Ministerpräsident allein dem Monarchen Vortrag (Nr. 7), ebenso über alle im f - f Nachtrag 3 eingeschoben, siehe unten, S. 681. g A: Fehlt in Nachtrag 3 infolge abweichender Satzkonstruktion: Hier sinngemäß ergänzt.
11 Siehe oben, S. 402, Anm. 4. 12 Die betreffende Passage lautet: „Der Ministerrat steht unter dem Vorsitz eines der Minister, nach der Bestimmung seiner Majestät, oder einer besonderen, durch Vertrauen des Herrschers dazu bestimmten Person." PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 26820, st. 3. Die von Weber im folgenden zitierte Numerierung bezieht sich auf den Ukaz vom 19. Oktober 1905 (siehe oben, S. 402, Anm. 4). 13 Dies bezieht sich auf Bismarcks Invokatlon der Kabinettsordre vom 8. September 1852, die es den preußischen Ressortministern zur Pflicht machte, Immediatvorträgedem Ministerpräsidenten zuvor anzuzeigen, um diesem Gelegenheit zu geben, daran teilzunehmen. Dies führte zu einem schweren Konflikt mit Kaiser Wilhelm II., der dem Kanzler vorwarf, in seiner Eigenschaft als preußischer Ministerpräsident die königliche Prärogative zu beschränken und den Ministem den freien Zugang zum Monarchen zu verbieten. Dieser Konflikt hat zum Sturz des Kanzlers wesentlich beigetragen. 14 Gemeint ist die Einführung des Amtes des preußischen Ministerpräsidenten anläßlich der Berufung des Ministeriums Graf Arnim-Boitzenburg am 19. März 1848. Dem Ministerpräsidenten wurde nun die Rolle eines Primus Interpares zugewiesen, nachdem zuvor ein reines, teilweise regional differenziertes Kolleglalsystem bestanden hatte. Auf welche Veröffentlichung sich Weber hier bezieht, Ist nicht bekannt. 15 Gemeint ist der Reichssekretär (gosudarstvennyj sekretar').
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Ministerrat entstehenden und nicht innerhalb seiner beigelegten Meinungsdifferenzen (Nr. 16). Er hat das Recht, von allen Ressortchefs die ihm notwendig scheinenden Aufklärungen und Berichte zu verlangen, ihm sind alle Berichte der Ressortchefs an den Monarchen vorher zur Kenntnis zu bringen (Nr. 17); er hat auch das Recht, beim Vortrag zugegen zu sein. Er ist berufen, eventuell neben dem Ressortchef jedes Ressort im Reichsrat und in der Duma zu vertreten. Er hat neben dem Ressortminister das Recht, eine Angelegenheit vor den Ministerrat zu ziehen (Nr. 11). Alle vor den Reichsrat und die Duma kommenden Angelegenheiten müssen vor den Ministerrat gebracht werden (Nr. 12), und es darf überhaupt keine, eine „allgemeine Bedeutung" besitzende, Angelegenheit ohne Passierung des Ministerrats vom Ressortchef erledigt werden (Nr. 13); nur bezüglich der Angelegenheit des Kaiserlichen Hofes und der Apanagen, der Staatsverteidigung und der auswärtigen Politik ist dies auf die Fälle beschränkt, in denen die Ressortchefs es für notwendig halten (Nr. 14). Die Vorschläge für die Besetzung der obersten Stellen in der Zentral- und Provinzialverwaltung haben die Ressorts an den Ministerrat zu bringen, ausgenommen die Ressorts des Kaiserlichen Hofes und der Apanagen, des Heeres und der Flotte und der Diplomatie. Das bisherige Minister-„Komitee" wurde Schritt für Schritt aufgelöst und verlor bei Einberufung der Duma den letzten Rest seiner Kompetenzen. 16 Jeder sieht sofort, was hier geschaffen ist: die definitive bureaukratische Rationalisierung der Autokratie auf dem ganzen Gebiete der inneren Politik, welche heute nun einmal den Fachmann, und das heißt, bei mangelnder Selbstverwaltung: ausschließlich den Bureaukraten fordert. Der Autokrat - auch eine weniger nichtige Persönlichkeit als der regierende Zar - erhält die innerpolitischen Fragen nur vom Premierminister und Konseil „vorgekaut"; die bureaukratischen Interessen sind in dem letzteren Organ zu einem mächtigen Trust vereinigt, er ist, um das für den parlamentarischen Ministerverbrauch Frankreichs aufgekommene Bild zu gebrauchen, auf die Rolle eines Keglers beschränkt, der, wenn er will, jedes Mal „alle Neun" wirft, dann aber auch selbst die Mühewaltung des Kegeljungen auf
16 Vgl. oben, S.402, Anm.4.
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sich nehmen muß. 17 Die Anträge an die liberalen Politiker, in „sein" Kabinett einzutreten, ergingen denn auch ganz in westeuropäischer Art vom Premierminister, Grafen Witte, aus, und obwohl diese sämtlich ablehnten, wurde doch fast das gesamte Ministerium neu 5 gebildet 111 ). Da | auch der Reichsrat, wie noch zu erwähnen, 18 in eine A 229 (65) parlamentarische, daher zur intimeren Beratung des Zaren nicht fähige Körperschaft verwandelt worden ist, bleibt vor der Hand dem Zaren - mit Bismarck zu sprechen - als einziges „Bekleidungsstück"19 nur das Ministerkonseil. Die daraus folgende Wehrlosigkeit lu
) U n d auch ein anderes unentbehrliches Mittel bureaukratischer Regierungskunst A 2 2 8 (64) schuf sich Witte: ein großes offiziöses Blatt: das „Russkoje h Gossudarstwo", 2 0 1 ausgestat- A 2 2 9 (65) tet mit 600000 Rubel Kapital. Die wahrhaft hündische Gemeinheit dieses Organs erinnerte an die schlimmsten Zeiten Bismarckscher Presse. Leistungen wie der Schmutzartikel, den das Blatt dem Minister Timirjasjew bei seinem Rücktritt nachwarf: mit seiner fetten Pension beladen, gehe er nur, um in Aufsichtsräten Geld zu verdienen^ und spiele dabei noch den charaktervollen Liberalen, 2 1 - hätten' der deutschen offiziösen Presse etwa 1888 alle Ehre gemacht. 2 2 Ähnlich stand es mit den schnöden Artikeln, in welchen Witte nach der schweren Wahlniederlage der von ihm protegierten Mittelparteien diesen „Jesuitismus, Charakterlosigkeit, bürgerliche Klasseninteressen" usw. vorwerfen und die D e m o kraten als einzig ehrliche Männer rühmen ließ. 2 3 |
h A: „Russkojs
i A: hätte
17 Weber spielt hier auf die häufigen Regierungswechsel im Frankreich der dritten Republik an. Dabei wurden die Ministerposten jedoch oftmals von denselben Personen wiederbesetzt, so daß eine personelle Kontinuität gewahrt blieb. Woher das Bild des „Keglers" stammt, konnte nicht ermittelt werden. 18 Siehe unten, S. 419ff. 19 „Ich sehe für die Zukunft des monarchischen Gedankens eine Gefahr darin, wenn ein Herrscher, selbst In der besten Absicht, allzu häufig vor der Öffentlichkeit sich ohne ministerielle Bekleidungsstücke zeigt." Bismarck im Oktober 1892 zu Maximilian Harden, zitiert in: Poschinger, Heinrich von, Fürst Bismarck und seine Hamburger Freunde. Hamburg: Richter 1903, S. 30f. 20 Russkoe Gosudarstvo erschien als Abendausgabe des Pravitel'stvennyj Vestnlk in der Zeit vom 1. Februar bis 15. Mai 1906 mit insgesamt 100 Nummern. 21 Weber bezieht sich auf einen ungezeichneten Artikel in: Russkoe Gosudarstvo, Nr. 6 vom 8. Febr. 1906, S. 1. 22 Hier wird wohl angespielt auf die von Bismarck initiierte Pressekampagne gegen den Kronprinzen Wilhelm, dessen Frau und den Generalquartlermeister Graf Waldersee (sog. Walderseehetze) im Anschluß an ein Treffen des Kronprinzen mit dem Hofprediger Stöcker Im Hause des Grafen Waldersee. Die Kampagne begann mit einem Artikel am 11. Dezember 1887 in der Norddeutschen Allgemeinen Zeltung. Fischer-Frauendienst, Irene, Bismarcks Pressepolitik. - Münster: Fahle 1963, S. 107. 23 Vgl. u.a. die Artikel „Na obscestvennye temy" In: Russkoe Gosudarstvo, Nr.44 vom 24. März 1906, S. 5, und Nr. 46 vom 27. März 1906, S. 5, sowie Nr. 48 vom 29. März 1906, S.4.
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des Monarchen gegenüber der Bureaukratie wird auch dadurch natürlich nicht gemindert, daß er in noch so vielen Einzelfällen immer einmal wieder rücksichtslos gegen das k Konseil durchzugreifen sich entschließen und dies sicherlich eventuell sehr erhebliche politische Folgen haben kann: er ist aus dem Taktschritt des „Dienstes" ausgeschaltet und sein Tun dem Wesen der Sache nach zur Systemlosigkeit verurteilt, während auf der anderen Seite auch hier gilt, daß „die Maschine nicht müde wird". 24 Seinem faktischen Einfluß kam der Krieg der Ressort-Satrapien zugute; jetzt ist er de facto wesentlich auf eine Vetogewalt beschränkt, soweit der Bereich der Tätigkeit des Konseils sich erstreckt; auch wenn er eine private „Nebenregierung" aus den Großfürsten oder anderen „Vertrauensleuten" bildet, wie es angeblich auch jetzt der Fall ist, ist sein Eingreifen ein entweder durch die Interessen bestimmter Cliquen dirigiertes oder ein ganz zufälliges. Zu ungeheuerlichen Dimensionen würde aber die monopolistische Stellung des Konseils bei einem System des Scheinkonstitutionalismus anschwellen müssen, wo die Minister mit einem von ihrer Verwaltungsmaschinerie fabrizierten, des rechtlich gesicherten Einflusses entkleideten Schattenparlament schalten und walten würden. Ganz anders - und dies wäre, so seltsam es heute manchem klingt, das sicherste Mittel für den Monarchen, faktischer Herr der Bureaukratie zu bleiben - könnte sich das Verhältnis entwickeln bei rechtlich voller Durchführung des „konstitutionellen" Systems; denn dann ist eventuell die Bureaukratie auf den Monarchen gegenüber dem Parlament angewiesen und steht mit ihm in Interessengememschaft. So wenig sich über diese Dinge, bei denen dem Wesen der Sache gemäß stets „alles im Flusse" ist, generelle Sätze aufstellen lassen, so ist doch aus dieser Möglichkeit heraus die faktisch oft so viel stärkere Position formell-rechtlich strikt konstitutioneller Monarchen (Preußen, Baden) zu erklären. Ja, das rein parlamentarische „Kingdom of | A 230 (66) influence" kann, gerade infolge seiner bewußten Bescheidung ein Maß von positiver systematischer Arbeit im Dienste seines Landes
k A: da
2 4 Als Zitat nicht nachgewiesen.
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leisten 112 ), welches dem „Kingdom of prerogative" nicht erreichbar ist, 25 weil die dynastische Eitelkeit oder die Schwellung des Selbstbewußtseins, welche durch das rechtlich anerkannte Bestehen seiner Kronprärogative so leicht in Bewegung gesetzt werden, ihn zu per5 sönlichen Ambitionen verleitet, die nun einmal mit der Realität des heutigen Staatslebens, welches mit dem Dilettantismus des Herrschers, wie ihn die Renaissancezeit kannte, nichts anfangen kann, nicht ohne schweren Schaden vereinbar sind. Für das Zarentum darf man - welches auch das weitere Schicksal der „Konstitution" für den 10 Augenblick sein mag - gespannt sein, welche Wege es einschlagen wird. Der in seiner Wurzel slawophile Vorschlag Schipows vom April 1906, den Reichsrat lediglich oder doch gänzlich überwiegend aus Vertretern der1 Semstwos und ähnlicher Korporationen zusammen112 ) Witte freilich machte bei einer Audienz von „Kleinbürgern" (Bericht im „Prawo" A 230 (66) Nr. 4 ) 2 6 die bei der Lage seiner Regierung doppelt erstaunliche B e m e r k u n g : der König von England sei „von jüdischen Bankiers abhängig". N u n , m a n braucht die heutigen Behauptungen hervorragender englischer Publizisten, daß eine starke faktische Steigerung der englischen Kron-Prärogative bevorstehe, nicht allzu wörtlich zu n e h m e n (hier wie bei H e r r n Th. Roosevelt ist vorerst d a f ü r gesorgt, daß die B ä u m e nicht in den H i m m e l wachsen), 2 7 - aber fest steht, daß bisher dieser König, dank seinem, bei heutigen Monarchen nicht durchgängig zu b e o b a c h t e n d e n , sicheren Taktgefühl und seiner, j e d e m äußerlichen A u f p r o t z e n abgeneigten Fähigkeit, sich in der F o r m zu bescheiden, seine W ü r d e ebenso bestimmt gewahrt hat wie nur irgendein anderer (auch in Formsachen: vergl. die U n t e r r e d u n g mit John B u m s ) , 2 8 und, vor allem, den Machtinteressen seines Landes wahrscheinlich sachlich wesentlich bedeutendere Dienste geleistet hat als irgendein anderer, mit Prärogativen formell-rechtlich stärker als er ausgestatteter Potentat.
I A: des
2 5 Gemeint ist, daß der König nicht „kraft Rechtsregel" (kingdom of prerogative), sondern nur kraft hervorragender persönlicher Befähigung oder sozialen Einflusses einen aktiven Anteil an der politischen Gewalt (kingdom of influence) gewinnen kann. Weber, GPS 1 , S. 456. 26 Weber bezieht sich auf den Artikel: Deputacija mescan i krest'jan u grafa Vitte, in: Pravo, Nr. 4 vom 29. Jan. 1906, S.319ff., hier: S.320. 27 Es ließ sich nicht ermitteln, worauf hier angespielt wird. 28 Möglicherweise bezieht sich Weber auf die Präsentation des neuen Kabinetts Sir Henry Campbell-Bannerman bei König Edward VI I. am 11. Dezember 1905. Der Arbeiterführer John Bums nahm als neuernannter Präsident des Local Government Board daran teil. Vgl. Rowland, Peter, The Last Liberal Government: The Promised Land 1905-191 O . London: Barrie & Radcliff 1968, S.22.
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zusetzen und ihn dann - im Gegensatz zu der bald zu besprechenden 29 jetzt bestehenden Neuerung - nur als eine den Zaren unmittelbar beratende Körperschaft, unabhängig von der allein an der Legislative zu beteiligenden Duma, bestehen zu lassen, 30 beruht, theoretisch betrachtet, auf einem teilweise richtigen Gedanken: so wie er 5 durch die Gesetze vom 20. Februar 190631 (s.u.) 32 geworden ist, ist der Reichsrat nur eine Bremse für die Duma und nur im Sinne und Interesse der kraft Gesetzes in ihm die absolute Stimmenme/ir/ie/i113) besitzenden Bureaukratie. Der Zar seinerseits dagegen hat an einer solchen Körperschaft, die nach parlamentarischer Geschäftsord- 10 nung verhandelt und beschließt, für sich nicht die geringste Stütze. Dagegen ein rein beratendes, nicht zu großes Gremium, mit dem er A 231 (67) direkt verkehrte 114 ), könnte - so nimmt diese Theorie | offenbar an nicht nur für die „positive" Arbeit einflußreicher (im Sinne der darin vertretenen Kreise), sondern auch für Zaren, die es zu gebrauchen 15 verständen, eine starke Stütze gegen die Bureaukratie sein. Bei der mangelnden „Intimität", die ein notwendig mindestens 60-80 Mitglieder umfassender Körper bedingt, dürfte der Erfolg immerhin stark bezweifelt werden.
113
) Stichentscheid des (ernannten) Präsidenten! 33 ) Ansätze dazu finden sich in dem vorgeschriebenen direkten Verkehr des ReichsA 231 (67) ratspräsidenten, der dem Zaren alle parlamentarischen Beschlüsse zur | Sanktion unterbreitet, mit ihm. 3 4 Es ist in dem Ukas vom 21. Oktober 1905 Nr. 10 3 5 ausdrücklich ausgesprochen, daß der Ministerrat die der Beschlußfassung des Parlaments unterliegenden Angelegenheiten nicht „entscheidet", was - da die Vorberatung derselben im Ministerrat ausdrücklich vorgeschrieben ist, sich nur auf die Sanktion beziehen kann, bei der also der Zar sich von den Polypenarmen des bureaukratischen Trustes freizuhalten versuchen möchte. Ob all diese Bestimmungen Erfolg haben, darf freilich stark bezweifelt werden. | 114
2 9 Siehe unten, S. 419ff. 3 0 D. N. Sipov, selbst Mitglied des Reichsrates, trug Ende April in Petersburg auf einer Versammlung der Oktobristen seinen Vorschlag vor. Russkija Vedomosti, Nr. 109 vom 23. April 1906, S.2, Sp.7. 31 Gemeint sind die Gesetze über die Schaffung des Reichsrates und der Reichsduma, in: Pravo, Nr. 8 vom 26. Febr. 1906, S. 6 7 5 - 6 9 1 ; Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 102-123; PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27423, 27424, 27425. 3 2 Vgl. unten, S.422ff. 3 3 Weber meint Abschnitt II, Art. 10 des Gesetzes über die Schaffung des Reichsrates (wie Anm.31). 3 4 Weber bezieht sich auf Art. 62 der Reichsratsordnung vom 24. April 1906 (vgl. oben, S.402, Anm.3). 3 5 Vgl. Art. 10 des Ukaz vom 19. Oktober 1905 (wie oben, S. 402, Anm. 4).
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Wie dem nun sei, soviel steht fest, daß die Ordnung, die der Ukas vom 21. Oktober 3 6 geschaffen hat, die Akme der bureaukratischen Machtstellung Wittes bedeutete. Die darin von ihm für sich geschaffene Position des Premierministers wirklich zu behaupten, ist ihm nicht gelungen: wie im „Fall Miquel" 3 7 bei uns, zeigte sich auch hier, daß nur mit, noch so großem, Intellekt und gänzlich ohne das, was man „politischen Charakter" nennt, ein maßlos ehrgeiziger Mann (wie beide Staatsmänner es waren) schließlich doch nur dazu gelangt, dem Besitz des Portefeuilles schlechthin alles zu opfern und ohne Ehre vom Schauplatz abzutreten. Nachdem er für die Börsen lange genug an seinem Platze gestanden hatte und die Anleihe im Hafen war, verschwand er, und nicht einmal die Behauptung des Staatskredits war ihm gelungen in dem Sinne, den sicherlich er selbst damit verband. Anstatt im Januar, wo er noch unentbehrlich war, die Kabinettsfrage gegen Durnowo zu stellen, fügte er sich diesem Individuum, dem einzig bestechlichen Mitgliede des Konseils, verdammte sich zu absoluter Einflußlosigkeit und gab sich dem Haß und der Verachtung der „Gesellschaft" preis, ohne das Vertrauen des Zaren zu gewinnen; er machte sich so auch als etwaiger künftiger „Retter" unmöglich (oder doch nur sehr schwer möglich). Allein hier ist nicht von Witte persönlich die Rede. Fest steht, daß wenn jetzt die Rationalisierung des Bureaukratismus in Rußland weiterhin unvermeidlich um sich greift und nach unten fortschreitet, alle slawophilen Ideale an der Wurzel getroffen werden. Das m aber ist der Krieg der „Gesellschaft" gegen die Bureaukratie in Permanenz. Wie „Nowoje Wremja" das meines Wissens einzige große Blatt war, welches dem Grafen Witte zum Bleiben zuredete, mit der in diesem Falle besonders geschmackvollen Devise „Noblesse (!) oblige", 38 so ist die Schicht der modernen großkapitalistischen m A: Damit 36 Gemeint ist der Ukaz vom 19. Oktober 1905. 37 Anspielung auf das Verhalten des preußischen Finanzministers Johannes von Miquel 1894 vor dem Sturz des Reichskanzlers Caprivi. Miquel wurde vorgeworfen, während der Beratung der Umsturzvorlage gegen Caprivi intrigiert zu haben, um selbst Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident zu werden. Nach dem Rücktritt Caprivis im November 1894 wurde auch Miquel entlassen. Herzfeld, Hans, Johannes von Miquel. Seine Arbeit am Ausbau des Deutschen Reiches bis zur Jahrhundertwende, Band 2. - Detmold: Staercke 1938, S.379ff. 38 Entsprechende Mitteilungen im Artikel von Suvorin, A., Malenklja Pls'ma, in: Novoe Vremja, Nr. 10810 vom 19. April 1906, S.3.
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Unternehmerschaft und der Banken die einzige, außerhalb des BeA 232 (68) amtentums stehende | Schicht, welche mit einer Herrschaft der Bureaukratie in scheinkonstitutionellen Formen und unter der Voraussetzung, daß dem Gelderwerb freie Hand gegeben wird und die staatliche „Subatowschtschina" verschwindet115), sich ganz gern ein- 5 verstanden erklären würde116). Nun hat aber, wie noch zu erzählen sein wird, 39 die Bureaukratie bei ihren Wahlgesetzen sich dergestalt in ihre eigenen Netze verstrickt, daß sie diesen ihren Lieblingen nicht helfen konnte: die „Handels- und Industriepartei"40: wie wir sehen A 232 (68)
115 ) Über diese s[iehe] oben Anm. 102. Gegen die Duma werden die Großkapitalisten natürlich immer zur Bureaukratie stehen und sich selbst die weitgehendsten formalen Rechte dieser gefallen lassen. Auch bei uns flehten z.B. vor den Verhandlungen des Vereins für Sozialpolitik, Herbst 1905, manche Kartell-Vertreter in förmlich ergötzlicher Weise darum, daß „der Staat" mit ihnen eine Interessengemeinschaft eingehen, sie „erziehen" (sie!) solle usw., 4 1 - wohl wissend, daß bei dieser so ersehnten Umarmung die Kartelle die Brunhilde sein und der „Staat", falls er sich zu viel herausnehmen sollte, das Schicksal König Gunthers erfahren würde. 4 2 n6 ) Zur Charakteristik dieser Leute: bei den Beratungen über die Arbeitergesetzprojekte des (inzwischen zurückgetretenen) Ministers Fedorow", unmittelbar vor der DumaEröffnung, erklärte der Minister, daß seiner Meinung nach die russische Industrie den Zehnstundentag nicht ertragen könne. Einstimmig aber forderten ihn die zur Beratung geladenen Großindustriellen. Grund: weil die „Gesellschaft" ihn bestimmt verlange und es ein schwerer „taktischer Fehler" sein würde, sich dem nicht zu fügen. - U m das zu verstehen, genügt es, wenn man in dem Verhandlungsbericht bis zu dem Punkte liest, wo von den Überstunden die Rede ist. Hier wurde mit köstlicher Naivität verlangt, daß die Einlegung solcher jeweils „freier Vereinbarung" überlassen bleiben solle, ohne Einmischung der Fabrikinspektion. 4 3 Gesetzlicher Zehnstundentag - beliebige Einlegung von Überstunden: man sieht, diese Leute haben von den Fabrikanten der Vereinsgesetze, Toleranzedikte usw. gelernt. |
n A: Feodorow 39 Siehe unten, S. 465. 40 Die Handels- und Industriepartei (Torgovo-promyslennaja partija) wurde am 12. November 1905 unter Führung G. A. Krestovnikovs, eines Vertreters des konservativen Flügels der Börsengesellschaft, gegründet. Das Programm in: Ivanovic, V. (Hg.), Rossijskija partii, sojuzy i ligi. - S.-Peterburg: B.M.Vol'f 1906, S . 7 5 - 9 1 (künftig: Ivanovic, Rossljskija partii). 41 In einem Artikel des Direktors des Stahlwerksverbandes Henry Voelcker, Der gegenwärtige Stand der Kartellfrage, in: Deutsche Wirtschaftszeitung, 1. Jg., 1905, Nr. 18 vom 15. Sept. 1905, S. 851-856, wurde von der Aufgabe des Staates gesprochen, die Kartellvertreter „politisch zu erziehen". 42 Weber spielt hier auf das Nibelungenlied an. Die Gemahlin des Königs Gunther, Brunhilde, die über besondere Kräfte verfügte, fesselte ihren Gemahl und hängte ihn im Schlafgemach an einen Haken, um sich seinen Umarmungen zu entziehen. Vgl. Brackert, Helmut (Hg.), Das Nibelungenlied, I.Teil.-Frankfurt/M.: Fischer1970,10. Aventiure. 43 Dieser Verhandlungsbericht ist abgedruckt unter dem Titel: Peresmotr rabocago zakonodatel'stva, in: NovoeVremja, Nr. 10810 vom 19. April 1906, S.3f.
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werden, 44 die Klassenvertretung der Bourgeoisie im strikten Sinne dieses Wortes, hat einen einzigen Abgeordneten durchgebracht. Die ganze übrige russische Gesellschaft steht wie ein Mann gerade gegen die Entwicklung der alten Selbstherrschaft zu einer modernen ratio5 nalen Bureaukratie, einerlei welche Parteistellung sie sonst einnimmt. Der rote Schrecken scheucht die Besitzenden zeitweilig in ihren Schatten, aber wir werden uns bald zu überzeugen haben - das ist das Interessante der Entwicklung zur Zeit des Interimsministeriums - , daß selbst er nicht imstande ist, das in der Konsequenz der 10 Technik der modernen bureaukratischen Arbeit liegende System des „aufgeklärten", d.h. bureaukratisch rationalisierten, Absolutismus der Aktenstube der russischen Gesellschaft aufzuerlegen, die Kluft sich vielmehr derart erweitert, daß, nach endgültiger Vernichtung der patriarchalen Ideale der Staatstheorie des Slawophilentums, nur 15 um den Preis des chronischen Bürgerkrieges die rechtliche Einschränkung der Bureaukratie vermeidbar wäre: wir sahen schon, 45 daß das Interims-1 Regime nicht einmal rein äußerlich die Herstel- A 233 (69) lung der „Ruhe" erzwingen konnte. Jetzt wollen wir zunächst verfolgen, in welcher Art es seinerseits sich mit dem Versprechen der 20 Teilung der gesetzgebenden Gewalt abfand.
4 4 Siehe unten, S.555ff. 4 5 Siehe oben, S. 313ff.
IV. aDie „Konstitution"
Die bei Zusammentritt des ersten russischen „Parlaments" (27. April/10. Mai 1906 b ) für dessen Rechte und Geschäftsführung geltenden Bestimmungen beruhen zum wesentlichen Teil auf den Formulierungen des Bulyginschen Dumagesetzes vom 6. August 1905, 1 welches nur, gemäß dem Manifest vom 17. Oktober 1905, 2 abgeändert worden ist. Es ist daher zweckmäßig, auf das erstere Gesetz zurückzugehen. - Das Manifest vom 6. August 1905 erklärte, daß die Vorfahren des Monarchen „nie aufgehört hätten" (?), über die Stiftung von Harmonie zwischen den Wahlkörperschaften des Reiches und der Staatsgewalt und die „Ausrottung der Zwietracht zwischen ihnen" „nachzusinnen" und daß nunmehr gewählte Männer des ganzen russischen Landes berufen werden sollten zur dauernden „und effektiven" Teilnahme an der Feststellung der Gesetze, indem eine Gesetze beratende Versammlung „zur vorbereitenden Ausarbeitung und Beratung von Gesetzentwürfen und zur Durchsicht des Budgets" in „die höchsten Staatsinstitutionen eingereiht" werden solle. 3 Die Beteiligung /inländischer Deputierten an der Duma sollte durch besonderes Gesetz geregelt werden. 4 Die beigelegte Allerhöchst bestätigte Urkunde, 5 betitelt „Gründung der
a Kapitelüberschrift in Anlehnung an das Inhaltsverzeichnis, oben, S.294, eingeschoben. b DV; A: 1896 1 Das Gesetz v o m 6.August 1905 ist abgedruckt in: Pravo, Nr.31 vom 6 . A u g . 1905, S. 2 5 2 3 - 2 5 3 3 ; Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 3 2 - 3 9 ; PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 26661. Das Gesetz vom 6. August 1905 über die Reichsduma wurde durch das Gesetz v o m 20. Februar 1906 erweitert. Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 1 1 5 - 1 2 3 ; PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27424. 2 Siehe oben, S. 295, A n m . 1 . 3 Vgl. das kaiserliche Manifest in: Pravo, S. 2521 ff., (wie Anm. 1); Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 30f.; PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 26656. 4 In Finnland wurde 1905 der Autonomiestatus, der durch Dekrete aus den Jahren 1899 und 1903 aufgehoben worden war, wiederhergestellt. Der finnische Reichstag trat daraufhin wieder zusammen und konstituierte sich als Einkammerparlament. Die Wahlen waren frei, gleich, geheim und direkt, zugleich wurde auch das Wahlrecht für Frauen eingeführt. Vgl. Hodgson, J.H., Finland's Position in the Russian Empire, 1905-1910, in: Journal of Central European Affairs 2 0 , 1 9 6 0 , S. 158-173. 5 Gemeint ist das Gesetz vom 6. August 1905 (wie oben, A n m . 1 ) . Eine „allerhöchst bestätigte Urkunde" war ein kaiserliches Dekret, das Gesetzeskraft hatte.
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Reichsduma", schuf diese Versammlung zu dem Zweck der Beratung der Gesetzentwürfe, welche nach den „Grundgesetzen" 117 ) durch den Reichsrat an die Krone gelangen. Sie wird - vorbehaltlich des Rechts jederzeitiger Auflösung - auf fünf Jahre gewählt und der Zeitpunkt ihrer jährlichen Einberufung durch den Kaiser bestimmt. Sie ist bei Vorhandensein der Hälfte der Mitglieder beschlußfähig. Ihr Präsident und dessen „Gehilfe" wird auf ein Jahr von der Duma gewählt. Den Mitgliedern steht (Art. 14) „volle Freiheit der Meinungen und Ansichten in Dingen, die der Beratung der Duma unterstehen", zu, sie sind ihren Wählern nicht verantwortlich. Sie können (Art. 15) einer Freiheitsbeschränkung nur „kraft Verfügung der Gerichtsgewalt" unterworfen werden und einem Schuldarrest gar nicht. Sie haften wegen in ihrem Amt als Volksvertreter verübter Verbrechen nach den gleichen Regeln wie die Reichsratsmitglieder (d.h.: nach Art. 105-113 | der - alten - Reichsratsordnung beschließt ein A 234 (70) besonderes Reichsratsdepartement über ihre gerichtliche Verfolgung oder die Unterlassung einer solchen; bei Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Departements über die Unterlassung entscheidet der Kaiser persönlich. Im Fall der Erhebung der Anklage ist der höchste Strafgerichtshof zuständig). 6 Die Deputierten verlieren ihre Stellung 1. dauernd: durch Verlust der Staatsangehörigkeit, Vergehen im aktiven Militärdienst, Ernennung zu einem festbesoldeten Staatsamt, Verlust ihres Wahlzensus und bei gewissen, von der Wahlberechtigung ausschließenden kriminellen und staatlichen Verbre117 ) Über den Begriff später. 7 Der „Sswod Sakonow" Buch I Abt. 1 Art. 50 8 verfügt: A 233 (69) „Alle Entwürfe von Gesetzen werden im Reichsrat durchgesehen, gelangen dann zur Allerhöchsten Entscheidung und erlangen Kraft nicht anders als kraft einer Handlung der selbstherrlichen Gewalt." (Ausgenommen sind laut Anm. 1 und 2: rein technische Anordnungen des Kriegsdepartements und der Marine, sie gelangen an den Kaiser direkt vom Kriegsrat und Admiralitätsrat.) |
6 So die Regelung in Art. 20 des Gesetzes vom 6. August 1905. Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S.33. Dieses Gesetz vom 6. August 1905 über die Reichsduma wurde durch das Gesetz vom 20. Februar 1906 erweitert. In dieser Fassung war es Art. 22. Ebd., S. 117. Die Verantwortlichkeit der Reichratsmitglieder war geregelt im Gesetz über den Reichsrat. Svod Zakonov, Ausgabe 1900, tom 1, c. 2, Art. 105-113. Dieser Gesetzesteil wurde unverändert in das neue Reichsratsgesetz vom 24. April 1906 übernommen als A r t . 8 6 - 9 5 . Abgedruckt in: Pravo, Nr. 19 vom 14.Mai 1906, S.1743-1759; PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27808. 7 Siehe unten, S.425f. 8 Svod Zakonov, Ausgabe 1892, tom 1, c. 1, st. 50.
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chen und Vergehen; 2. zeitweilig: bei Einleitung einer Untersuchung wegen gewisser schwerer gemeiner Verbrechen und solcher Vergehen, die den Verlust der Ehrenrechte oder die Ausschließung vom Staatsdienst zur Folge haben, oder im Fall des Konkurses. 9 Darüber entscheidet das erste Departement des Senates. Abgesehen von dem - wie aus den früheren Beispielen über den heutigen Charakter gerade dieser Behörde hervorgeht - illusorischen Charakter dieser „richterlichen" Garantie fällt die höchst enge Umgrenzung dieser Immunitätsrechte sofort in die Augen. Es sei hier gleich vorweg bemerkt, daß sie in die späteren Redaktionen überging mit Änderungen in folgenden Punkten: 1. die Verhaftung eines Dumamitgliedes ist - wie fast nach allen Konstitutionen der Welt - nur nach Zustimmung der Duma zulässig, außer a) bei Delikten, die sie in Ausübung ihres Berufes als solchemc begehen 118 ) und b) bei Verhaftung auf frischer Tat oder am folgenden Tage (Art. 14,10 22 des Dumareglements d vom 20. Februar 1906). Man sieht, daß gerade in den entscheidendsten® Punkten die Übernahme der westeuropäischen Grundsätze nicht erfolgt ist. Der Verlust der Dumamitgliedschaft findet dagegen nach der Dumaordnung vom 20. Februar 1906 nicht statt im Fall der Ernennung zum Minister, worin seinerzeit „Optimisten" eine Annäherung an das parlamentarische System erkennen wollten!11 - Über Anfechtungen der Wahlen der Dumamitglieder sollte ebenfalls ursprünglich das erste Departement des Senates entscheiden (abgeändert, s.u.). 12 Die Dumamitglieder erhalten 10 Rubel tägliche Diäten und einmal im Jahr(!) Reisegeld von 5 A 234 (70)
I18
) Solche gibt es also auch jetzt. Die endgültige Redaktion der Reichsratsordnung vom 23. April 1906 hat dafür auch den zuständigen Gerichtshof geschaffen: das erste Departement des Reichsrats, bestehend ausschließlich aus ernannten Mitgliedern. 13 |
c A: solcher
d A: Dumareglement
e A: entscheidensten
9 Vgl. die Artikel 17-19 des Gesetzes vom 6. August 1905. Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 33; PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 26661. 10 Vgl. Art. 16 des Gesetzes vom 6. August 1905 (wie Anm. 9). 11 Der Sachverhalt ließ sich nicht ermitteln. 12 Siehe unten, S. 421. 13 Der Ukaz vom 24. April (nicht 23. April) 1906 „Überdie Schaffung des Reichsrates" ist abgedruckt in: Pravo, Nr. 19 vom 14. Mai 1906, S. 1743-1759, hier: S.1751; PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27808.
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Kopeken pro Werst von ihrem Wohnort nach Petersburg und zurück (blieb unverändert). Die Sitzungen der D u m a können auch durch einseitige Verfügungen des Präsidenten für „geheime" erklärt werden. Geschieht dies nicht, so ist Preßberichterstattung „nach Genehmigung des Präsidenten" zulässig. Die verfassungsmäßigen Rechte der D u m a waren von vornherein | durch das Fortbestehen des auf Ernennung beruhenden Reichsrats14 A 235 (71) sehr eng begrenzt. Die D u m a sollte bei Vorliegen eines Antrags von 30 Mitgliedern das Recht der Initiative zur Gesetzesänderung haben (Art. 34), jedoch mit Ausnahme von Anträgen auf Änderung der, u . a . die unumschränkte Gewalt des Zaren enthaltenden „Grundgesetze des Reiches", und ferner nur in der Weise, daß - wenn ein von 30 Mitgliedern unterzeichneter, genau formulierter Antrag auf Erlaß oder Abänderung eines Gesetzes zur Erörterung steht - zunächst dem Minister die Mitteilung von dem Beschluß zu machen war und die D u m a alsdann zunächst seine Initiative oder seine innerhalb eines Monats (!) zu gebende Antwort abzuwarten hatte, ehe sie, im Fall seiner Ablehnung, mit Zweidrittelmehrheit ihrerseits beschließen konnte, den Zaren um Vorlegung des Projekts anzugehen, der dann endgültig entschied, ob der Minister dasselbe vorlegen solle oder nicht. Auf begründeten Antrag von 30 Mitgliedern kann die D u m a den Ministern und den „dem Senat gesetzlich unterworfenen höchsten B e a m t e n " Mitteilungen über nach ihrer Ansicht ungesetzliche Handlungen „melden", worauf die Minister innerhalb eines Monats (!) antworten oder mit Angabe der Gründe die Antwort ablehnen, die D u m a aber, falls sie sich nicht damit zufrieden gibt, die Angelegenheit durch den Reichsrat zur Allerhöchsten Erwägung bringen kann. Diese Bestimmungen sind durch die neue Dumaordnung, wie später zu erörtern, 1 5 teilweise modifiziert worden, doch schließt sich deren Fassung immer noch eng an die des älteren Gesetzes an. Auch die Bestimmung der Beratungsobjekte war im Gesetz vom 6. April 1905 Art. 33 16 schon die gleiche wie später in der Dumaordnung vom 20. Februar 1906, ebenso fanden sich die später zu erwähnenden 1 7 Bestimmungen über Einbringung und Rücknah14 Der Reichsrat bestand in seiner neuen Form nach dem 24. April 1906 je zur Hälfte aus vom Zaren ernannten und nach ständischen Prinzipien gewählten Mitgliedern. 15 Siehe unten, S.423f. 16 Die Rede Ist weiterhin vom Gesetz vom 6. August 1905. 17 Siehe unten, S.424f.
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me von Gesetzesanträgen schon im Gesetz vom 6. August (Art. 46 in Verbindung] mit Art. 34 und 36); dagegen kam ihr nur „beratender" Charakter in folgenden Bestimmungen zum Ausdruck: Die Beschlüsse der Duma über vom Ministerium eingebrachte Projekte gehen immer, Gesetzesinitiativen der Duma, wenn der Minister 5 ihnen nach Monatsfrist nicht zustimmt, nur im Fall ihrer Genehmigung mit Zweidrittelmehrheit, an den Reichsrat (Art. 48,56,57) und von dort an den Kaiser. Findet sich jedoch der Reichsrat nicht in der Lage, ihnen beizutreten, so kann er beschließen, sie an eine aus Mitgliedern beider Körperschaften gemischte Kommission zu ver- 10 weisen, die unter dem Präsidium des Reichsratspräsidenten oder eines Departementspräsidenten des Reichsrats tagt (Art. 50). Wird hier eine Übereinstimmung erzielt, so geht die Angelegenheit an die Duma und von dort an das Reichsratsplenum, wird sie aber nicht erzielt oder bleibt die Duma beschlußunfähig oder bindet sie sich 15 nicht an die, in Fällen, wo der Kaiser es veranlaßt, vom Reichsrat ihr gestellte Frist zur Beschlußfassung (Art. 53), dann geht die AngeleA 236 (72) genheit direkt an das Reichsratsplenum. - Diese Duma war, | wie man sieht, rechtlich nur eine Vermehrung des ohnehin schon sehr erheblichen Apparates von beratenden Zentralinstanzen, aus freier 20 Entschließung des Kaisers geschaffen und ebenso eventuell auch wieder zu beseitigen. Das Bulyginsche Zensuswahlgesetz wird weiterhin, so weit zur Erklärung des späteren Rechts erforderlich, Erwähnung finden. Das Manifest vom 17. Oktober warf nun nicht nur dies Zensus- 25 Wahlrecht zum Teil über den Haufen, sondern gab das Versprechen, daß hinfort „kein Gesetz ohne Zustimmung der Duma in Kraft treten" sollte. Während die Bulyginsche Duma eine Änderung der „Grundgesetze des Reiches" in dem bald zu erörternden 18 Sinn dieses Wortes überhaupt nicht erforderlich machte 119 ), bedeutete 30 dies zweifellos eine Alterierung derselben, indem an der Teilung der A 236 (72)
119 ) Sie hätte in dem zweiten Teil des ersten Bandes des „Sswod Sakonow" 1 9 Platz gefunden; allenfalls wäre eine weitere „Anmerkung" zu Art. 49 der „Grundgesetze", 2 0 der die Beratung aller Gesetze durch den Reichsrat vorschreibt, erforderlich geworden.
18 Siehe unten, S.425f. 19 Der zweite Teil des ersten Bandes des Svod Zakonov in den Ausgaben vor 1906 betraf die staatlichen Institutionen. 20 Die entsprechenden Bestimmungen stehen in Art. 57 des ersten Teiles von Band 1 des Svod Zakonov, Ausgaben vor 1906, S. 5.
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gesetzgebenden Gewalt, die der Art. 1 des Sswod Sakonow dem „selbstherrlichen" Monarchen „unbeschränkt" 21 zuweist, nicht zu zweifeln war. Indessen begnügte sich die Regierung damit, zunächst das neue Wahlgesetz vom 11. Dezember 22 und dann am 20. Februar 1906, in Begleitung eines abermaligen Allerhöchsten Manifestes, 23 einen Ukas über die Umgestaltung des Reichsrats 24 und ein Gesetz, betitelt „Gründung der Reichsduma", 25 in die Welt zu schicken, so daß man annahm, es werde eine besondere Neuredaktion der „Grundgesetze", wenn überhaupt, dann nur in Gemeinschaft mit den neuen gesetzgebenden Körperschaften, stattfinden. Wir wenden uns zunächst jenen Gesetzgebungsakten zu. Als eine Verletzung des „Geistes" des Manifests vom 17. Oktober erschien - und zwar nicht nur der Demokratie, sondern auch den gemäßigten Slawophilen, wie Schipow - die Einsetzung des Reichsrats, einer bisher rein beratenden Instanz, in die gleichen Rechte mit der Duma. Zwar wurde der Reichsrat durch Mitglieder ergänzt, die vom Adel, der Geistlichkeit, den Semstwos, den' Universitäten und von Gewerbe- und Industriekörperschaften zu wählen waren, aber der Kaiser konnte eine ihrer Zahl zusammengenommen gleichkommende Anzahl von Mitgliedern ernennen, und der von ihm ernannte Reichsratspräsident hatte den Stichentscheid. Da die ernannten Reichsratsmitglieder nur auf eigenen Antrag entlaßbar sind, ein Pairsschub durch ein etwaiges, der Duma entnommenes Ministerium also unmöglich ist, bedeutete das formal die Obstruierung des Fortf A: der
21 „Der allrussische Kaiser ist ein selbstherrschender und unumschränkter Monarch." Svod Zakonov, Ausgabe 1892, tom 1, c. 1, st. 1. 2 2 Das Wahlgesetz zur Reichsduma vom 11. Dezember 1905 ist abgedruckt in: Pravo, Nr. 50 vom 18. Dez. 1905, S. 3 9 9 4 - 4 0 0 9 ; Kaiinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 9 4 - 1 0 2 ; PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 27029. 2 3 Manifest über die Änderung des Reichsrates und über die Revision der Reichsduma vom 20. Februar 1906. Kaiinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 1 0 2 - 1 0 4 ; PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27423. 2 4 Durch den Ukaz vom 20. Februar 1906 wurde der Reichsrat in ein Oberhaus mit denselben gesetzgeberischen Kompetenzen wie die Reichsduma umgewandelt. Pravo, Nr. 8 vom 26. Febr. 1906, S. 6 7 5 - 6 8 3 ; Kaiinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 1 0 4 - 1 1 4 ; PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27425. 2 5 Das Gesetz vom 20. Februar „ Über die Schaffung der Reichsduma" ist abgedruckt, in: Pravo, Nr. 8 vom 26. Febr. 1906, S. 6 8 3 - 6 9 1 ; Kaiinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 1 1 5 - 1 2 3 ; PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27424.
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schritts der Gesetzgebung durch die ernannte ReichsratsbureaukraA 237 (73) tie120). Die | gesamten, der Duma zugewiesenen Befugnisse erweisen sich, bei Licht besehen, in der Tat nur als eine mäßige Änderung des Gesetzes vom 6. August, strikt in dem Sinn, daß der Duma - aber ebenso dem erweiterten Reichsrat - ein Veto gegen neue dauernd gelten wollende „Gesetze" eingeräumt war. Die gesamten Beziehungen zwischen Regierung und Volksvertretung wurden unter der axiomatischen Voraussetzung geordnet, daß die Volksvertretung der natürliche Feind der Staatsgewalt ist und immer bleiben wird. Es ist von vornherein klar, daß darauf die bekannte, mit vieler Entrüstung oft der Demokratie (namentlich der deutschen) vorgeworfene Anschauung: daß die Regierung der natürliche Feind „des Volkes" sei, die einzig mögliche Reflexempfindung gewesen wäre, - wenn sie nicht ohnedies seit Jahrzehnten durch das Verhalten der Bureaukratie den Massen beigebracht wäre. Ehe wir uns den Mechanismus dieser „Verfassung" im einzelnen vergegenwärtigen, seien nur folgende Modifikationen in den allgemeinen Bestimmungen über die Duma und ihre Mitglieder gegenüber dem Gesetz vom 6. August 1905 notiert. Die Erwähnung der Teilnahme finländischer Deputierter fehlt, da inzwischen Finland seine eigene Verfassung zurückerhalten hatte. 26 Das Quorum der Duma ist (Art. 7) auf Ys herabgesetzt, 27 für 120 ) Tatsächlich zeigten die ersten Sitzungen des neuen Reichsrats, daß der dort sich bildenden Fraktion der „Linken" (d.h. der bürgerlichen Mittelparteien mit Schipow an A 237 (73) der Spitze) zahlreiche ernannte Mitglieder beitraten, 2 8 wie ja | die russische Bureaukratie zwar in dem 9 vom Selbstherrscher strikt festgehaltenen System, aber nicht in der persönlichen Gesinnung etwas einfach in sich Einheitliches ist. Allein dafür gewann das bureaukratische Machtinteresse Parteigänger aus den Gewählten. Und für den Eindruck sowohl wie für das Prinzip war die Rechtsregel doch das Entscheidende. |
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A:den
26 Nachdem 1899 durch kaiserliches Manifest die Verfassung Finnlands, d.h. dessen Autonomie, aufgehoben worden war, gewährte Nikolaj II. Im Manifest vom 22. Oktober/ 4. November 1905 Finnland ein parlamentarisches Einkammersystem mit allgemeinem und gleichem Wahlrecht und stellte damit die Autonomie Finnlands wieder her. 27 Tatsächlich änderten sich die Vorschriften über das Quorum nicht. Sowohl Art. 7 des Gesetzes „Über die Schaffung der Reichsduma" vom 6. August 1905 als auch Art. 7 des Gesetzes „ Über die Schaffung der Reichsduma" vom 20. Februar 1906 bestimmten, daß mindestens ein Drittel der Dumamitglleder anwesend sein mußte, um beschlußfähig zu sein. Kallnycev, Gosudarstvennaja Duma, S.32 und 115; PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 26661 und 27424. 28 Vgl. unten, S.613f.
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die erste Duma, deren „Boykott" man fürchtete und deren Wahlen zum Teil (für den Kaukasus und Asien, auch einige polnische Bezirke) erst nach der Eröffnung der Session stattfanden, auf 150 (von rund 500). Die Prüfung der Wahlen hatte schon das Wahlgesetz vom 11. Dezember der Duma selbst vorbehalten, die Ungültigkeitserklärung soll aber (Gesetz vom 20. Februar Art. 48)29 Zweidrittelmajorität erfordern. Die Änderungen in den Bestimmungen über die Immunität der Abgeordneten wurden schon erwähnt: 30 es ist - von allemh anderen abgesehen - klar, daß eine solche im westeuropäisehen Sinn mindestens nicht in eindeutigen Worten gegeben ist, ein „Fall Twesten" 31 vom Gesetz vielmehr geradezu provoziert wird. Fest stand nur, daß die bekanntlich der reinen Willkür der Behörde überlassene, ohne jede formulierte Begründung zu verhängende und nur im Bittgesuchswege antastbare „administrative Verschickung" von der Immunität des Gewählten gebrochen wird, wie sie übrigens auch kein Wahlhinderungsgrund ist. Zwar haben trotzdem bei den Wahlen einige Behörden versucht, sie als solchen geltend zu machen, allein der klare Wortlaut der Gesetze schnitt diese Möglichkeit ab, und da die Bauern, wie noch zu erwähnen sein wird, 32 sowohl | bei A 238 (74) den Wahlen zur Duma wie zu den Präsidentenstellen mit großer Vorliebe „Verschickte", als in ihren Augen spezifisch zuverlässig, wählten, 33 so hatte dies erhebliche praktische Bedeutung: es kam u.a. sowohl dem nach Sibirien verschickten Sozialrevolutionären
h A: allen
29 PSZRI, 3-esobr., tom 26, Nr. 27424; Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 120. 30 Siehe oben, S.415f. 31 Karl Twesten, einer der Führer der Fortschrittspartei im preußischen Abgeordnetenhaus, kritisierte im Mai 1865 scharf das preußische Justizministerium im Konflikt um die parlamentarische Redefreiheit. Er wurde daraufhin vom preußischen Justizminister im Einverständnis mit Bismarck unter Anklage gestellt, obwohl dies eine Verletzung der parlamentarischen Immunität bedeutete. In zwei Instanzen freigesprochen, wurde Twesten 1868 endgültig zu einer Geldstrafe verurteilt. 32 Siehe unten, S. 633. 33 Das indirekte Wahlrecht für die Duma schrieb in der Bauernkurie eine vierstufige Wahl vor. In den unteren beiden Wählerversammlungen konnten die Bauern die Vorsitzenden dieser Versammlungen selbst bestimmen. Auf der dritten Stufe, der sogenannten Distriktebene, w a r d e r Distriktsadelsmarschall ex officio Vorsitzender der Wahlversammlung; auf der vierten Stufe, in der alle Wahlmänner der Kurien vertreten waren, war der Gouvernementsadelsmarschall ex officio der Vorsitzende.
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Bauer Uljanow wie dem nach Archangelsk verschickten, sehr gemäßigt demokratischen, Kasanjschen Professor Gredeskul zugute, der seine Wahl zur Duma und dann zum Vizepräsidenten seiner unmittelbar während der Wahlen erfolgten Verschickung wohl allein zu verdanken hatte. 34 Nunmehr zu den eigentlich konstitutiven Bestimmungen der beiden Gesetze. Die Gesetze vom 20. Februar behandeln beide Häuser als in allen Rechten durchaus gleichstehend und stellen fest: 1. Jede von beiden Körperschaften hat, außer bezüglich der „Grundgesetze", das Recht der Gesetzesinitiative. Jedoch ist auch jetzt noch bestimmt (Art. 57 der Dumaordnung, Art. 17 der Reichsratsordnung), daß, wenn die Duma oder der Reichsrat eine Gesetzesänderung oder ein bestimmtes neues Gesetz wünscht, auf ihren Antrag der Minister des betreffenden Departements eine entsprechende Vorlage machen soll und nur für den Fall einer Ablehnung seinerseits die Körperschaft selbst eine Kommission bildet. Den Vorschlag des Ministers kann die Körperschaft natürlich amendieren;35 2. daß jede von einem der beiden gesetzgebenden Körper nicht mit Mehrheit121) angenommene Gesetzesvorlage als abgelehnt gilt; 36 - 3. daß von beiden Körperschaften gleichmäßig angenommene Vorlagen dem Kaiser durch den Reichsratspräsidenten zur Sanktionierung vorzule-
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1 2 1 ) Stichentscheid des Präsidenten bei zweimaliger Stimmengleichheit über das gleiche Objekt: Art. 10 der Reichsratsordnung, Art. 48 Dumaordnung. Die Notwendigkeit von 30 Stimmen für Initiativanträge besteht in der Duma fort. 3 7 |
3 4 Über den Fall des Abgeordneten Ul'janov, der Ende Dezember 1905 wegen angeblich führender Beteiligung an den Bauernunruhen In Saratov administrativ nach Sibirien verbannt worden war, siehe den Bericht In: Dvadcatyj Vek, Nr. 32 vom 29. April 1906, S. 3: V Krest'janskoj partii. Iz tjurmy v Gosudarstvennoj Dumy. Gredeskul war Professor der Rechte an der Universität Char'kov und Ende Februar 1906 ohne Angabe von Gründen verbannt worden. Er konnte sein Parlamentsmandat erst annehmen, nachdem der Innenminister seine Verbannung nach Archangel'sk aufgehoben hatte. Russkija Vedomostl, Nr. 108 vom 22. April 1906, S. 3, Sp. 1. 3 5 So Teil II, Art. 17 des Gesetzes über die Schaffung des Reichsrates vom 20. Februar 1906. Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 110; sowie Art. 5 5 - 5 8 des Gesetzes über die Schaffung der Reichsduma, ebd. S. 121 f.; PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27424 und 27425. 36 So Teil II, Art. 12 der Reichsratsordnung, sowie Art. 50 der Dumaordnung, Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 109; PSZRI, ebd. 37 Ebd., S. 109 bzw. 120; PSZRI, ebd. Die Regelung über die Initiativanträge in Art. 58 der Dumaordnung, ebd., S. 122; PSZRI, ebd.
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gen sind;38 - 4. daß eine Gesetzesvorlage, welche auf Initiative eines der gesetzgebenden Körper zur Beschlußfassung gestellt ist, überhaupt nicht ohne Zustimmung der betreffenden Körperschaft, und eine von einem Minister aus eigener Initiative eingebrachte ohne sie nur bis zu einer Beschlußfassung darüber zurückgenommen werden kann (Art. 40 der Dumaordnung, Art. 10 der Reichsratsordnung);39 - 5. daß ein vom Kaiser abgelehntes Gesetzprojekt keinesfalls, ein von einer der Kammern abgelehntes nur mit kaiserlicher Bewilligung in derselben Session abermals eingebracht werden kann;40 - 6. daß in Fällen, wo eine der gesetzgebenden Körperschaften den von der anderen gebilligten Vorschlag amendiert, entweder direkte Zurückverweisung des abgeänderten Projekts an die andere Kammer zur Beratung des amendierten Vorschlags oder vorherige Beratung in einer gemischten Kommission beider zu erfolgen hat, an die sich die abermalige Beratung in der Kammer, deren Beschlüsse abgeändert wurden, anzuschließen hat ;41 - 7. daß keine der beiden Körperschaften Deputationen, mündliche oder schriftliche Erklärungen oder Petitionen entgegennehmen | darf (Art. 61 Dumaordnung, Art. 19 A 239 (75) Reichsratsordnung); es fehlt also eines der ältesten und Grundrechte aller Staatsbürger im Verhältnis zum Parlament: das Recht, bei ihm Petitionen einzubringen;42 - 8. daß jede Körperschaft122) das Recht der Interpellation hat. Sie kann sich um Aufklärungen über Fragen, die mit dem gerade zur Beratung stehenden Gegenstand in unmittelbarem Zusammenhang stehen (Art. 40 der Dumaordnung), an die Minister wenden, welche ihrerseits die Beantwortung dann ablehnen dürfen, wenn es sich um Gegenstände handelt, die „aus Erwägungen
122 ) D e r Reichsrat ist durch A r t . 17 der Reichsratsordnung der D u m a auch darin gleichgestellt.
38 So Teil II, Art. 14 der Reichsratsordnung, Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 109; PSZRI, ebd. 39 Die Bestimmungen finden sich jedoch in Art. 47 der Dumaordnung sowie Abt. II, Art. 9 der Reichsratsordnung, Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 109 bzw. S. 120; PSZRI, ebd. 4 0 Abt. II, Art. 15 der Reichsratsordnung sowie Art. 53 der Dumaordnung, ebd., S. 109f. bzw. S. 121; PSZRI, ebd. 41 Art. 51 der Dumaordnung sowie Abt. II, Art. 13 der Reichsratsordnung, ebd., S. 109f. bzw. S. 120f.; PSZRI, ebd. 4 2 Ebd., S. 110 bzw. 122; PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27424 und 27425.
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der staatlichen Ordnung" 4 3 der Mitteilung sich entziehen. Von Handlungen der Minister oder der ihnen unterstellten Beamten ferner, welche Gesetzesverletzungen enthalten, kann, wenn 30 Mitglieder dies schriftlich beantragen, jede Körperschaft den Ministern durch Mehrheitsbeschluß Mitteilung machen. Innerhalb eines Mo- 5 nats hat dann - ganz wie schon im Gesetz vom 6. August bestimmt der Minister entweder die entsprechenden Nachweise und Aufklärungen zu geben oder aber die Gründe mitzuteilen, aus denen ihm dies unmöglich ist (Art. 55 Dumaordnung), 4 4 beruhigt sich die Duma (bezw. der Reichsrat) nach Zweidrittelmehrheitsbeschluß damit 10 nicht, so hat der Reichsratspräsident die Angelegenheit dem Zaren persönlich zu unterbreiten (Art. 60 das.) Art. 31 der Dumaordnung bezeichnet, übrigens in Übereinstimmung mit dem Gesetz vom 6. August 1905, 4 5 außer Gesetzen 122 ®) und Behördenorganisationen 122b ) (litt, a) folgende Gegenstände als 15 ! 2 2 a ) Die Frage ist, was ein „ G e s e t z " (sakön) ist, und wann ein solches erforderlich wird. Nach der herrschenden Meinung (auch K o r k u n o w s ) 4 6 galten als „Gesetz" alle Erlasse der höchsten Gewalt, die den Reichsrat passieren mußten. D a die (alte) Reichsratsordnung wiederum vorschreibt, daß dies für alle Gesetze erfordert wird, ist dies ein Zirkel: es käme also, auch nach dem Wortlaut des Bulyginschen Gesetzes, darauf an, welche Verfügungen nach der bisherigen Praxis den Reichsrat passierten. Vgl. aber S . 2 4 1 [ 7 7 ] ' . 4 7 k Der erste formal inkonstitutionelle E r l a ß wäre danach wohl das Wechselmoratorium für Bjelostok g e w e s e n . 4 8 E r hätte, nach der „alten" Ordnung, wohl zweifellos den Reichsrat zu passieren gehabt.'' 122b) „Schtaty".49 |
i [ ]inA.
k - k Nachtrag 4 eingeschoben, siehe unten, S. 682.
43 Art. 40 der Dumaordnung lautete: „ Die Minister und die Ressortchefs (glavnoupravljajuscie) haben das Recht, eine Erklärung in der Duma über solche Gegenstände abzulehnen, die aus Erwägungen der staatlichen Ordnung der Geheimhaltung unterliegen." Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 119; PSZRI, 3 - e s o b r „ tom 26, Nr. 27424. 44 Die Bestimmungen finden sich jedoch in Art. 58 und 59 der Dumaordnung, Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 122; PSZRI, ebd. 45 Art. 31 der Dumaordnung v o m 20. Februar 1906, Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 118; PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27424, und Art. 33 des Gesetzes vom 6. August 1905, Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S . 3 5 ; PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 26661 waren nahezu identisch. Webers nachstehende Auflistung der verschiedenen Punkte erfolgt dem Original entsprechend nach dem russischen Alphabet. 46 Korkunov, Russkoegosudarstvennoe pravo, tom 2, S. 18f. 47 Siehe unten, S . 4 2 6 f . 48 D e r ü k a z vom 9. Juni 1906 ist abgedruckt: PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27988. Über seine „konstitutionelle" Qualität ließ sich nichts ermitteln. 49 Als „staty" wird der Aufbau und die innere Organisation einer Regierungsbehörde bezeichnet, die Zahl, Stellung und Bezüge ihrer Beamten festsetzt. Brokgauz-Efron, Enciklopediceskij Slovar', tom 39 a. - S.-Peterburg: Brokgauz-Efron 1903, S. 875.
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solche, die notwendig das Parlament passieren müssen: litt, b: den Staatshaushaltetat, die Etats der einzelnen Ministerien und die im Etat nicht vorgesehenen Anweisungen von Staatsgeldern, - „nach Maßgabe", wie es in einem ominösen Zusatz heißt, „der festgestellten Regeln", von deren Inhalt weiterhin zu reden sein wird; - litt, w: die Rechnungslegung des Staatskontrolleurs über die Ausführung des Etats; - litt, g: Veräußerungen von Staatsgütern, welche gesetzlich der kaiserlichen Ermächtigung bedürfen; - litt, d: Anlage von Staatsbahnen; - litt, e: Gründung von Aktiengesellschaften, falls dabei Ausnahmen gegenüber den bestehenden Gesetzen nachgesucht werden; - litt, sh: auf Allerhöchsten Befehl der Duma vorgelegte Angelegenheiten; eine Anmerkung besagt, daß auch | die Etats A 240 (76) und die Repartierungsvorschläge der Lokalsteuern in den Gegenden, in welchen keine Semstwos bestehen und die etwaigen Zwangsetatisierungen von Posten gegen die Beschlüsse der Semstwos und Stadtdumas der Reichsduma zu unterbreiten sind (der Ausdruck „wjedjenije" 5 0 läßt dabei zweifelhaft, ob zur Kenntnisnahme oder zur maßgeblichen Beschlußfassung). Bezüglich der „Grundgesetze des Reichs" bleibt den Kammern die Initiative entzogen.51 Es ist klar, daß folgende Punkte hier offen gelassen waren: 1. die Frage, welche Bestimmungen zu den „Staatsgrundgesetzen" gehören und also der Initiative der parlamentarischen Körperschaften entzogen sein sollten. Die gesetzliche Terminologie verstand darunter die 179 Artikel (und VI Beilagen) des ersten Bandes der systematischen Sammlung der russischen Gesetze (Sswod Sakonow), welche handeln: in einer ersten Abteilung von dem Wesen der selbstherrlichen Macht (I), der Thronfolgeordnung (II), der Volljährigkeit des Kaisers (III), der Thronbesteigung und dem Untertaneneid (IV), der Krönung und Salbung (V), dem Titel und Wappen des Kaisers (VI), der Staatskirche und dem Glauben (VII), den Gesetzen (VIII, darin: Art. 47: Grundsatz der Regierung gemäß festen Gesetzen, Art. 48-52: Entstehung und Änderung von Gesetzen, Art. 53-56: Form der Gesetze und Art der Aufrechterhaltung des Grundsatzes
50 Wörtlich: Kompetenz, Befugnisse. Die von Weber angeführten Paragraphen des Gesetzes waren überschrieben: „Über die Kompetenzen der Reichsduma." 51 Weber meint Art. 32 der Dumaordnung und Art. 17 der Reichsratsordnung. Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 118 und S. 110; PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27425 und 27424.
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der Regierung gemäß Gesetzen, Art. 57, 58: Publikation der Gesetze, Art. 59-61: Inkrafttreten der Gesetze, Art. 62-71: Geltung der Gesetze, Art. 72-79: Abschaffung von Gesetzen), endlich der höchsten Exekutivgewalt (IX), und in einer zweiten Abteilung von der kaiserlichen Familie und ihrer Rechtslage, während VI Beilagen die 5 Form des Wappens und Siegels und die verschiedenen Eidesformeln regulieren. 52 Es ist offenbar, daß die Abschnitte I und VIII von dem Gesetzgebungsakt des 20. Februar 5 3 aufs tiefste berührt werden mußten, - 2. war offengelassen die Frage, wie sich die Feststellung des Budgets zu vollziehen habe und welche Rechte den parlamentari- 10 sehen Körperschaften dabei eingeräumt werden würden. - Das „Budgetgesetz" ist nach der auch in Rußland allgemein akzeptierten Unterscheidung zwar formell, aber nicht materiell „Gesetz" (sakon), und schon die Aufzählung der Objekte der parlamentarischen Beratung zeigte, daß dieser Unterschied auch für das russische konstitu- 15 tionelle Zukunftsrecht seine Bedeutung behalten sollte, - 3. blieb, ohne daß dies direkt aus dem Gesetz hervorging, doch der Sache nach überdies fraglich, ob ein Recht der Privilegienerteilung und ein Notverordnungsrecht der Krone bestehen bleiben sollte. Der Ausdruck „sakön" soll zwar nach Art. 53 'der bisherigen Grundgesetze' 20 alle Formen von Äußerungen der legislativen Gewalt decken, es werden ausdrücklich aufgezählt: uloshenije (kodifikatorische Verordnung), ustav (Statut), utschreshdjenije (etwa dem Begriff „sanctio pragmatica" entsprechend), gramota (Generalreskript), poloA 241 (77) shjenije (Verordnung), nakas (in Klam|mern: Instruktionen m ), Ma- 25 nifest, Ukas, Allerhöchst bestätigte Reichsratsgutachten und Vorträge, wozu eine Anmerkung besagt, daß im Bereich der Verwaltung „außerdem" Allerhöchste Beliebungen (powjeljenije") durch Reskript und prikas (Befehl) erklärt werden, und Art. 54 schreibt für jedes neue Gesetz („sakon") die kaiserliche Unterschrift als unbe- 30 dingtes Erfordernis vor. Indessen ergibt schon die Unterscheidung des Art. 57 (Gesetze, die neue Regeln enthalten, gegenüber dem
I DV; A: der Grundgesetze
m DV; A: Syndation
n A: powjelijenije
5 2 Die Staatsgrundgesetze bildeten Teil 1 und 2 des Svod Zakonov in den Ausgaben vor 1906. 5 3 Siehe oben, S. 419, Anm. 23, 24 und 25.
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„sogenannten Separat-Ukas" im Art. 67 (Privilegium)), daß das Wort nicht eindeutig ist, und die Aufzählung der Gegenstände der parlamentarischen Beratungen zeigt erst recht, daß, selbstredend, durchaus nicht alles, was bisher nach Art. 53 der Grundgesetze „sakön" genannt werden konnte, der einseitigen Verfügung des Zaren entzogen sein sollte. War diese nun wenigstens an die Gesetze gebunden? Es kam darauf an, was die neu zu redigierenden Grundgesetze hierüber aussagen würden. Die öffentliche Diskussion der Akte des 20. Februar stieß sich allerdings vorerst weniger hieran, als an der Gleichstellung des zur Hälfte auf Ernennung, zur anderen auf ständischer Repräsentation beruhenden Reichsrats mit der allein aus (relativ) allgemeinen Wahlen hervorgehenden Duma in bezug auf die Teilnahme an der Gesetzgebung, - es war klar, daß die ernannten Vertreter nach aller Voraussicht aus der hohen Bureaukratie hervorgehen und diese den Präsidenten stellen 123 ) würde - und ferner an der Verweigerung des Rechts, Petitionen entgegenzunehmen. Die weiteren verfassunggebenden Akte bildeten eine Kette weiterer Enttäuschungen. Zunächst erschien das Reglement vom 8. März „betreffend die Beratung des Staatsbudgets und die Anweisung solcher Ausgaben aus der Staatskasse, die im Budget nicht vorgesehen sind". 54 Der Ukas, welcher das Reglement in Kraft setzte, 55 verfügte zunächst auch hier die Gleichstellung der beiden gesetzgebenden Körper: das Budget soll beiden gleichzeitig bis zum 1. Oktober zugehen. Vorher bereits sollten vorgelegt sein: die Etats der Eisenbahn123
) Dies ist auch tatsächlich geschehen, wie die Liste der Ernannten zeigt. 5 6 |
5 4 Ukaz an den Regierenden Senat vom 8. März 1906, Pravo, Nr. 11 vom 19. März 1906, S. 1022-1024; Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 132-135; PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27505. 5 5 Dies bezieht sich auf Paragraph 1 des Ukaz vom 8. März 1906 an den Regierenden Senat, der die Kompetenzen der Duma in Fragen des Budgetrechts festlegte. Pravo, Nr. 11 vom 19. März 1906, S. 1022-1024; Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 132; PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27505. Deutsche Übersetzung bei Martiny, Albrecht, Parlament, Staatshaushalt und Finanzen in Rußland vor dem ersten Weltkrieg. Der Einfluß der Duma auf die russische Finanz- und Haushaltspolitik (1907-1914). - Bochum: N. Brockmeyer 1977, S. 364 (künftig: Martiny, Parlament). 56 Eine Liste der Reichsratsmitglieder für das Jahr 1906, das die gewählten und ernannten Mitglieder des Reichsrates enthält, als Beilage in: Gosudarstvennyj Sovet. Stenograficeskie otcety za 1906 god. Licnyj alfavitnyj ukazatel' k stenograficeskim otcetam Gosudarstvennago Soveta.-S.-Peterburg: Gosudarstvennaja Tipografija 1906.
A 241 (77)
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Verwaltung und der außerordentlichen Ausgaben bis zum 25. September, die Etats der „außeretatsmäßigen" Steuern, des staatlichen Verkaufs von Getränken, der Zolleinnahmen, der Hauptverwaltungen des Ingenieurwesens, der Artillerie, der Staatshauptkasse, der Eisenbahnangelegenheiten, des Kriegssanitätswesens, der inneren 5 Wasserstraßen und Chausseen, der Seeschiffahrt und Häfen, der Bergwerke, des Umsiedelungsdepartements, der Hauptintendantur und der Kriegskanzlei bis 15. September, alle anderen schon bis 1. September. Die Etatsfeststellung erfolgt (Nr. 3) bezüglich der Einnahmen nach „Paragraphen", bezüglich der Ausgaben nach „Num- 10 mern" (in Klammern: „Hauptunterabteilungen"), m[it] ajnderen] W[orten], es sind in dem Streitpunkt, in welchem Bismarck bei A 242 (78) seinem Regierungs] antritt dem Abgeordnetenhaus der Konfliktszeit sofort freiwillig entgegenkam: „Spezialisierung des Etats", 5 7 die modernen konstitutionellen Forderungen abgelehnt: die Etatsposten 15 sind „leges saturae", 58 nach römischer Terminologie. - Beide Körperschaften beraten nebeneinander das Budget, zunächst in ihren dazu eingesetzten Kommissionen, welche auch vor Eröffnung der Session die bereits vorliegenden Etats in Angriff nehmen können (Nr. 2 des Reglements]), und sie müssen bis 1. Dezember die Bera- 20 tung abgeschlossen haben (Nr. 10). Meinungsverschiedenheiten zwischen beiden sind an eine gemischte Kommission beider Körperschaften zu verweisen, von wo die Etats an die Duma zurückgelangen, um nunmehr, ebenso wie alle Anträge einer der Körperschaften auf Änderung der Gesetze und Verfügungen, auf denen die Etatsan- 25 Setzung beruht oder auf Einstellung neuer, bisher nicht angewiesen gewesener Posten, in der für die Beratung von Gesetzen vorgeschriebenen Weise geschäftlich behandelt zu werden (Nr. 9, 11). Bleibt
57 Das preußische Abgeordnetenhaus hatte am 6. März 1862 mit dem Antrag Hagen die „Spezialisierung des Etats" beschlossen, um die Finanzierung der von ihm abgelehnten Heeresvorlage aus anderen Haushaltstiteln unmöglich zu machen. In diesem, allerdings nur in diesem Punkt kam Bismarck nach seinem Regierungsantritt den Abgeordneten entgegen, zog aber dann den Haushalt für 1863 wegen unüberbrückbarer Gegensätze gänzlich zurück. 58 Leges saturae (per saturam) ist die Bezeichnung für die Zusammenfassung sachlich nicht zusammengehöriger Bestimmungen in ein und derselben Abstimmung; seit der Gracchenzeit unzulässig. Mommsen, Theodor, Römisches Staatsrecht. - Leipzig: S. Hirzel 1887, S. 336f. und 377 (Handbuch der Römischen Altertümer von Joachim Marquardt und Theodor Mommsen, 3. Band, 3. Abteilung).
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dabei zwischen den beiden Körperschaften eine Meinungsverschiedenheit unausgeglichen bestehen, dann wird in den Etat diejenige Ziffer eingesetzt, welche die Höhe des bisherigen Etatsposten am wenigsten über- oder unterschreitet (Nr. 12). 59 Ist der Etat nicht bis zum Beginn des Etatsjahres (1. Januar) gültig in Kraft getreten, - sei es, daß die parlamentarischen Körperschaften ihn nicht rechtzeitig fertigstellen oder daß der Kaiser ihn in der schließlich aus ihrer Beratung hervorgegangenen Form nicht unterzeichnet hat, - dann bleibt der vorjährige Etat, mit den aus „gültig" erlassenen Gesetzen hervorgehenden Änderungen, in Kraft und wird in Gestalt von Zwölfteln monatlich von dem betreffenden Ministerium angewiesen (Nr. 13). 60 Es bedarf keines Kommentars, daß schon durch diese Bestimmungen der Nervus rerum jedes Konstitutionalismus: das ^4asgöbebewilligungsrecht - von der „Einnahmebewilligung" (im parlamentsrechtlichen Sinne des Worts) ganz zu schweigen - ausgeschaltet ist. Die Duma kann nur eine Erhöhung der Etatsposten über den bisherigen Etat hinaus durch den - nach dem Gesetz in der Majorität (inkl. des Stichentscheids des ernannten Vorsitzenden) aus ernannten Mitgliedern bestehenden - Reichsrat hindern und auf die Einnahmeseite des Etats durch Verweigerung der Zustimmung zu neuen Steuersätzen einwirken: die Höhe des Branntweinpreises, der Tarife usw. steht aber selbstredend im Belieben der Verwaltung. Überdies ist aber nicht nur bestimmt (Nr. 4), daß die Kredite für den kaiserlichen Hof und diejenigen für die kaiserliche Familie, 61 die ersten, wie sie im Budget für 1906 bestehen, die letzten auch, wie sie durch diesbezügliche, anderweit notwendig werdende Festsetzungen bedingt sind, von jeder Beratung ausgeschlossen sind, sondern es sind auch die Ausgaben für die kaiserliche persönliche Kanzlei und
5 9 Art. 12 d e s B u d g e t g e s e t z e s v o m 8. März 1906. Pravo, Nr. 11 v o m 19. März 1906, S. 1023; Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 134; PSZRI, 3 - e sobr., t o m 26, N r . 2 7 5 0 5 . D e u t s c h e Ü b e r s e t z u n g bei Martiny, Parlament, S . 3 6 6 (wie oben, S . 4 2 7 , Anm.55). 6 0 Art. 13 d e s B u d g e t g e s e t z e s v o m 8. März 1906. Pravo, Nr. 1 1 , 1 9 0 6 , S. 1 0 2 3 f . ; Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 135; PSZRI, 3 - e sobr., t o m 26, N r . 2 7 5 0 5 . D e u t s c h e Ü b e r s e t z u n g bei Martiny, Parlament, S. 3 6 6 (wie oben, S. 427, A n m . 55). 6 1 G e m e i n t sind die A u s g a b e n für die s o g e n a n n t e Zivilliste, d . h . die d e m Landesherrn verfassungsmäßig z u k o m m e n d e Kondotation, in Monarchien in Form einer jährlichen Geldrente für die p e r s ö n l i c h e n Bedürfnisse des Monarchen und seiner Familie, die der Bewilligung des Parlamentes e n t z o g e n ist.
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die Kanzlei für Bittgesuche und, vor allem, für nicht im Etat vorgesehene außerordentliche Ausgaben, soweit sie die Posten des Etats | A 243 (79) für 1906 nicht überschreiten, sogar der Beratung entzogen (Nr. 5), 62 es sind ferner die Ausgaben für den Staatsschuldendienst und alle „gültig übernommenen Verpflichtungen des Staates" und überhaupt 5 alle auf Grund gültiger Gesetze, Verordnungen, Statuten und Tarife eingesetzten Posten der Herabsetzung durch die parlamentarischen Körperschaften entzogen. 6 3 Zum Überfluß ist (Nr. 16) bemerkt, daß im Fall „unaufschiebbarer" Ausgaben der Ministerrat außerhalb, aber auch während der Session, die erforderlichen Kredite anweisen 10 kann und nur verpflichtet ist, der Duma darüber einen begründeten Spezialbericht zu erstatten. Selbst von dieser Verpflichtung ist aber in dem Fall das Ministerium entbunden, wenn die Geheimhaltung des Grundes der Anweisung nötig ist. In Kriegszeiten endlich tritt das ganze „Budgetrecht" einfach zugunsten des Reglements vom 26. Fe- 15 bruar 1890 außer Kraft. 6 4 Man sieht: dies Budgetrecht ist eine Farce, und es wäre aufrichtiger gewesen, der Duma bezüglich des Etats einfach nur beratende Funktionen zuzugestehen und festzustellen, daß neue Abgaben und eine Erhöhung der ordentlichen Ausgaben über das Maß des letzten 20 Etats hinaus ohne ihre Zustimmung nur erfolgen sollen für Zwecke der kaiserlichen Familie oder auf Grund gültig eingegangener Verpflichtungen des Staates, der außerordentlichen aber in Friedenszeiten auch für solche Bedürfnisse, die der Ministerrat für dringlich erklärt. Denn dies ist der sachliche Inhalt des Gesetzes. 25 Aber freilich: selbst diese bescheidene Beteiligung der Volksvertreter an der Feststellung des Staatshaushalts stand auf prekärer Unterlage: es fragte sich des weiteren, wie „gültige" Verpflichtungen des Staates eingegangen werden könnten und ob nicht etwa die
6 2 Wortlaut des Art. 5 in: Pravo, Nr. 11, 1906, S. 1022; Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 133f.; PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27505. Deutsche Übersetzung bei Martiny, Parlament, S. 364f. (wie oben, S. 427, Anm. 55). 6 3 Nr. 7 und 8 des Ukaz vom 8. März (Budgetgesetz), Pravo, Nr. 11, 1906, S. 1022; Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 134; PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27505; Martiny, Parlament, S. 365f. (wie oben, S. 427, Anm. 55). 6 4 Art. 17 des Budgetgesetzes vom 8. März 1906, Pravo, Nr. 11, 1906, S. 1024; Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 135; PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr.27505. Deutsche Übersetzung bei Martiny, Parlament, S. 367 (wie oben, S. 427, Anm. 55). Die Regeln vom 26. Febr. 1890 in: PSZRI, 3-e sobr., tom 10, Nr. 6609.
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Regierung auch für die Zukunft den Erlaß außerparlamentarischer 0 Notverordnungen in Anspruch nehme, die alsdann - für die Zeit ihres Bestehens - sowohl Einnahmequellen, wie durch die parlamentarischen Körperschaften im Etat nicht kürzbare, „Verpflichtungen kraft gültiger Gesetze und Verordnungen" (Nr. 8) 65 schaffen könnten. Das hing von der Neuredaktion der „Grundgesetze" ab. Und in der Tat zeigte sich, daß die Regierung selbst diese letzte Schranke der bureaukratischen Budgetwillkür wieder niederzureißen und nicht nur die Mitwirkung der Duma bei der Feststellung des Etats, sondern auch das Versprechen des 17. Oktober, daß kein Gesetz ohne ihre Zustimmung in Kraft treten solle, in einen toten Buchstaben zu verwandeln entschlossen war. A m 12. April, zwei Wochen vor dem Zusammentritt der Duma, publizierte der demokratische „Rjetsch" ein „Projekt der Grundgesetze des russischen Reiches". 6 6 Man erfuhr dann (Now[oje] Wremja 10804 S. 2),67 daß das Projekt seit Februar in der Arbeit und in der Hauptsache von P. A. Charitonow redigiert, dann, dem Auftrag des Ministerrats gemäß, | von einer „besonderen Kommission" unter A 244 (80) Graf Ssolskijs Vorsitz beraten und mehrfach umredigiert worden war. So hatten die Redaktoren zunächst den Ausdruck „ssamodershawnyj" (selbstherrlich) und den ersten Artikel der bestehenden Grundgesetze 124 ) gestrichen, - was nicht aufrechterhalten wurde. Jedoch blieb das Wort „unumschränkt" (njeogranitschennyj) gestri124
) Wortlaut: „Der Allrussische Kaiser ist ein selbstherrlicher und unumschränkter A 244 (80) Monarch. - Seiner höchsten Gewalt zu gehorchen, nicht nur aus Furcht, sondern auch im Gewissen, gebietet Gott selbst." 68
o A: außerparlamentarische
65 Ebd. 66 Weber bezieht sich vermutlich auf: Proekt osnovnych gosudarstvennych zakonov, in: Ree', Nr. 45 vom 11. April 1906, S.2f. Dort sind die Artikel 1 bis 70 der projektierten Neufassung der Staatsgrundgesetze abgedruckt. Das Organ der Konstitutlonellen-Demokraten kritisierte in mehreren Folgen vor und nach der Veröffentlichung (vgl. Ree', Nr. 43 vom 9. April 1906, S. 1, Nr. 44 vom 10. April 1906, S. 1, und Nr. 46 vom 12. April 1906, S. 1) diese projektierte Neufassung der Staatsgrundgesetze. 67 Siehe den Artikel: Osoboe sovescanle o proekte Osnovnych Zakonov, in: Novoe Vremja, Nr. 10804 vom 13. April 1906, S.2. 68 Der Wortlaut der Staatsgrundgesetze in ihrer Fassung von 1832 in: Svod Zakonov, tom 1, Ausgabe 1892.
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chen125). Im elften Artikel des Entwurfs hatten die Redaktoren gesagt: „Der Herr und Kaiser erläßt zur Ordnung der obersten Verwaltung, entsprechend den Gesetzen, die Ukase und Verfügungen, welche unentbehrlich sind für" usw., der Minister Durnowo aber sich gegen die Zulassung des unterstrichenen Passus, als „über- 5 flüssig und möglicherweise zu verschiedenen Mißverständnissen führend", ausgesprochen. 69 Für Art. 15 war eine Mehrheits- und eine Minderheitsredaktion vorgelegt. Erstere sprach dem Kaiser das Recht der Ernennung aller Beamten, sofern das Gesetz nicht eine andere Art der Ernennung vorschreibt, und „die Entlassung aller 10 Personen ohne Ausnahme", - also auch ohne Ausnahme der Richter„aus dem Staatsdienst" zu, während die Minderheitsansicht auch für die Entlassung den Vorbehalt machen wollte, daß das Gesetz anders darüber verfügen, also die Unabsetzbarkeit der Richter (außer auf gerichtlichem Wege) auch gegen den Zaren feststellen könne 126 ). 70 15 Schon diese Proben zeigten, was beabsichtigt war, und es erhob sich in der Presse ein Sturm. Es schien, als ob die Regierung dem p Druck der öffentlichen Meinung und dringlichen Vorstellungen einflußreicher Kreise in diesem Punkte weichen werde, und die Entlassung des 125 ) Demgemäß heißt der Artikel im endgültigen Entwurf und auch in den publizierten Grundgesetzen jetzt: (Art. 4) „Dem Allrussischen Kaiser steht selbstherrliche Macht zu. Seiner Gewalt zu gehorchen, nicht nur aus Furcht, sondern auch im Gewissen, gebietet Gott selbst." 71 126 ) Die Frage war von um so größerem praktischen Belang, als tatsächlich die Regierung des Interimsministeriums den bis dahin in Rußland nicht erhörten Schritt der einfachen „Zwangsversetzung" eines Richters (nach Sibirien) im Verwaltungswege gewagt hatte. 7 2 |
p A: den 69 Wie oben, S.431, Anm.67; vgl. Szeftel, Marc, The Russian Constitution of April 23, 1906. Political Institutions of the Duma Monarchy. - Bruxelles: Les Éditions de la Librairie Encyclopédique 1976, S. 55 (künftig: Szeftel, Russian Constitution). Mit „Entwurf" ist hier und im folgenden das von der Zeltung Ree' veröffentlichte „Projekt der Grundgesetze" gemeint. Vgl. oben, S. 431, Anm. 66. 70 Zu diesen beiden in den Beratungen vorgelegten Fassungen vgl. Osnovnye Zakony, in: Pravo, Nr. 15 vom 16. April 1906, S. 1337-1341; sowie Szeftel, Russian Constitution, S. 56f. (wie oben, Anm. 69). 71 Pravo, Nr. 17, S. 1554 (wie unten, S.433, Anm. 73); Svod Zakonov, tom 1, Ausgabe 1906. 72 Es handelt sich hier vermutlich um den Fall des Richters am Tomsker Kreisgericht, Vitte, der binnen 48 Stunden seines Amtes enthoben und dem Militärkommandanten unterstellt worden war. Über die Hintergründe des Falles enthält der Artikel „ Ustranenie ot dolznosti i vysylka predsedatelja okruznago suda, in: Russkija Vedomosti, Nr.23 vom 24. Jan. 1906, S. 2, keine Angaben.
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Ministeriums Witte schien das zu bestätigen. In der Tat soll der Zar bis zum letzten Augenblick geschwankt haben. Allein nachdem das Projekt von einigen der alleranstößigsten Klauseln, teils der Sache, teils der Form nach, gereinigt war, erschien es dennoch, mit dem 5 Datum des 23. April am 25., zwei Tage vor dem Zusammentritt der Duma.73 Die erheblichen Punkte in seinem Inhalt sind die folgenden: Die einleitenden Art. 1 - 3 bestimmen die „Einheit und Unteilbarkeit Rußlands und die Unabteilbarkeit Finlands", welches jedoch „in 10 seinen | inneren Angelegenheiten sich durch besondere Bestimmun- A 245 (81) gen auf Grund besonderer Gesetzgebung verwaltet", und sichert der russischen Sprache die Qualität als „allgemein für alle staatlichen und gesellschaftlichen Verfügungen und ebenso für Armee und Flotte obligatorische Staatssprache", während „der Gebrauch der örtli15 chen Sprache und Dialekte durch besondere Gesetze geregelt wird".1 73 Die Staatsgrundgesetze, die von Weber im folgenden vorgestellt werden, wurden auf mehreren Konferenzen im Frühjahr 1906 in großer Eile ausgearbeitet und als kaiserlicher Erlaß am 23. April 1906 publiziert. Diese in der Presse veröffentlichte Fassung wurde dann in der Staatskanzlei (Gosudarstvennaja Kanceljarija) unter Berücksichtigung der alten Staatsgrundgesetze von 1832 noch einmal überarbeitet und in einer geänderten Abfolge der Artikel im offiziellen Gesetzbuch (Svod Zakonov, Ausgabe 1906) veröffentlicht. Dies bedeutet, daß die Artikel 3 bis 46 der Fassung von 1832 als Artikel 25 bis 68 in der neuen Fassung von 1906 erscheinen. In die Staatsgrundgesetze von 1906 sind die konstitutionellen Verfassungsnormen neu aufgenommen, und zwar die einleitenden Artikel 1 bis 3, das Kapitel 1 (Art. 4 bis 24), das die Prärogative der Krone beschreibt, das Kapitel 8 über die Rechte und Pflichten der russischen Untertanen (in den Weber zugänglichen Zeitungsversionen Kap. 2, Art. 2 5 - 4 1 ) , Kapitel 9, Art. 8 4 - 9 7 (In den Weber zugänglichen Versionen Kap. 3, Art. 4 2 - 5 5 ) , Kapitel 10, Art. 9 8 - 1 1 9 (In den Weber zugänglichen Versionen Kap. 4, Art. 5 6 - 7 7 ) und Kapitel 11, Art. 120-124 (In den Weber zugänglichen Versionen Kap. 5, Art. 7 8 - 8 2 ) . Da die offizielle Publikation der Staatsgrundgesetze Im Svod Zakonov, Ausgabe 1906, erst nach dem Erscheinen des Weberschen Artikels erfolgte, konnte Weber nur die In der zeitgenössischen Presse erschienene Fassung der Staatsgrundgesetze benutzen. Die unterschiedliche Anordnung dieser beiden Fassungen ist oben erläutert. Ein zeitgenössischer Abdruck findet sich In: Pravo, Nr. 17 vom 30. April 1906, S. 1554-1560. Die offizielle Publikation in: Svod Zakonov, Ausgabe 1906, tom 1. Eine deutsche Übersetzung bei: Palme, Anton, Die Russische Verfassung. - Berlin: Reimer 1910, S. 91-193 (künftig: Palme, Russische Verfassung). 1 Die Artikel 1 bis 3 lauteten: „1) Der Russische Staat ist einheitlich und unteilbar. 2) Das Großfürstentum Finnland, welches einen unabtrennbaren Teil des Russischen Staates bildet, wird in seinen inneren Angelegenhelten durch besondere Institutionen aufgrund einer besonderen Gesetzgebung verwaltet. 3) Die russische Sprache ist die allgemeine Staatssprache und Ist obligatorisch in der Armee, der Flotte und bei allen staatlichen und kommunalen Behörden. Der Gebrauch der Ortssprachen und Dialekte in staatlichen und kommunalen Einrichtungen wird durch besondere Gesetze bestimmt." Ebd. Deutsche Übersetzung: Palme, Russische Verfassung, S. 91 ff.
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Im „ersten Hauptstück" folgen alsdann die Bestimmungen über die höchste Gewalt, und es heißt, nächst dem erwähnten, die rechtliche Stellung des Kaisers betreffenden Artikel, unter Nr. 7: Dem Kaiser steht die gesetzgebende Gewalt „in Gemeinschaft mit dem Reichsrat und der Reichsduma" 2 zu127), wobei er bei allen GesetzVorschlägen ebenso wie jene Körperschaften das Recht der Initiative, für Abänderung der Grundgesetze aber das ausschließliche Recht der Initiative hat (Art. 8). 3 Es folgen die Bestimmungen, daß die „Exekutive" (wlastj uprawljenija = „Verwaltungsgewalt") dem Kaiser zustehe, daß kraft seiner Autorität, „den Gesetzen gemäß", die örtlichen Beamten verfahren, und er seinerseits kraft seiner Exekutivgewalt Ukase und Verfügungen betreffs der Einrichtung der Verwaltung erläßt, „entsprechend den Gesetzen", wie es dem von Durnowo beanstandeten ersten Entwurf gemäß heißt (Art. II). 4 In bezug auf die Ernennung und Entlassung der Beamten ist in Art. 17 ebenfalls die Minderheitsfassung (Art. 15 des ursprünglichen Entwurfs, s. o.) 5 akzeptiert. Von den vier folgenden Bestimmungen fällt nur Art. 23 auf, der dem Kaiser neben dem Begnadigungsrecht auch das Recht der Niederschlagung von Kriminalprozessen zuspricht, ebenso von Zivilprozessen des Fiskus, dies alles unter der Voraussetzung, daß dadurch niemandes durch die Gesetze gewährleistete InA 245 (81)
127 ) Auch der Ukas, welcher die Gesetze einführt, spricht davon, daß der Kaiser beabsichtige, „genauer abzugrenzen das Gebiet der Uns ungeteilt gebührenden Gewalt der höchsten Staatsverwaltung von der gesetzgebenden Gewalt." 6
2 Artikel 7 lautete: „Seine Majestät der Kaiser übt die gesetzgebende Gewalt in Gemeinschaft mit dem Reichsrat und der Reichsduma aus." Ebd. Als „erstes Hauptstück" bezeichnet Weber das Kapitel 1, die Artikel 4 bis 24. Ebd. Deutsche Übersetzung bei Palme, Russische Verfassung, S. 97. 3 Pravo, Nr. 17 vom 30. April 1906, S. 1554f. Svod Zakonov, Ausgabe 1906, tom 1. 4 A r t i k e l n lautete: „Seine Majestät der Kaiser erläßt im Wege der obersten Verwaltung, den Gesetzen entsprechend, Verordnungen (Ukaze) zum Zwecke der Einrichtung und Inbetriebnahme der verschiedenen Teile der Staatsverwaltung, desgleichen Befehle, die zur Ausführung derselben notwendig sind." Ebd. Deutsche Übersetzung bei Palme, Russische Verfassung, S. 102 (wie oben, S. 433, Anm. 73). Zu den Vorschlägen Durnovos vgl. oben, S. 431 und 432, Anm. 67 und 69. 5 Siehe oben, S. 432. 6 Der Ukazan den Regierenden Senat vom 23. April 1906, in: Pravo, Nr. 17 vom 30. April 1906, S. 1553f.; PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27807.
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teressen und bürgerliche Rechte gekränkt werden 128 ). Es kann immerhin fraglich erscheinen, inwieweit dadurch neben Schadenersatzauch Ehrenbeleidigungsklagen gegen Beamte betroffen werden. Die verlangte Einführung unbedingter gerichtlicher Verantwortlichkeit der Beamten für unrechtmäßige Amtshandlungen 7 würde, um effektiv sein zu können, vielleicht erst die Änderung des Art. 23 voraussetzen, also der Initiative des Parlaments entzogen sein. Weiterhin werden die Bestimmungen über das kaiserliche Haus, die Thronfolge usw. aufrechterhaltenq und ihre Änderung dem Kaiser allein vorbehalten, sofern nicht allgemeine Gesetze oder der Etat dadurch berührt werden. Art. 26 enthält alsdann, wie schon bemerkt, 8 die allgemeine Vorschrift der Kontrasignatur kaiserlicher Verfügungen durch einen Minister oder Ressortvorstand (glawnyj uprawljajuschtschij)[,] gegenüber dem Entwurf eine Neuerung, die dem Her- A 246 (82) zen der Slawophilen sicherlich wehe getan hat 128a ). - Das zweite Hauptstück9 enthält in Art. 27-41 den Katalog der Bürgerpflichten und -Rechte. Es sind wesentlich die z.B. auch in der preußischen Verfassung als „Rechte der Preußen"10 aufgezählten. Eine Bestimmung über das Selbstverwaltungsrecht der Kirche - nach Art der bekannten Klausel der preußischen Verfassung11 - fehlt, und ebenso 12S
) Letzteres gegenüber dem ursprünglichen Entwurf zugefügt. 1 2 |
128a
) S[iehe] jedoch das weiter oben darüber Gesagte. 1 3
q A: aufrecht 7 Diese Forderung wurde vor allem von der Partei der Konstitutioneilen-Demokraten und späterhin auch von den Trudovikl in der Duma erhoben. 8 Siehe oben, S.401. 9 Abdruck In: Pravo, Nr. 17 vom 30. April 1906, S. 1557-1558. In der Fassung des Svod Zakonov von 1906 ist dies Kapitel 8. Vgl. oben, S. 433, Anm. 73. 10 Vgl. den Grundrechtskatalog in Teil II, Art. 3 - 4 2 der preußischen Verfassung von 1850. Huber, Dokumente I, S. 4 0 2 - 4 0 5 . 11 Artikel 15 der preußischen Verfassung vom 31. Januar 1850 lautet: „ Die evangelische und die römisch-katholische Kirche, so wie jede andere Religionsgesellschaft, ordnet und verwaltet Ihre Angelegenheiten selbständig und bleibt im Besitz und Genuß der für ihre Kultus-, Unterrichts- und Wohltätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonds." Huber, Dokumente I, S.402. 12 Diese Ergänzung des Artikels 23 wurde von einer „besonderen Konferenz", die Anfang April 1906 unter Vorsitz des Zaren in Carskoe Selo tagte, vorgenommen. Vgl. Szeftel, Russlan Constitution, S.64f. (wie oben, S.432, Anm. 69). Ein Protokoll dieser Beratungen erschien 1917: Carskosel'skija Sovescanlja. Protokoly Sekretnago sovescanija v aprele 1906 goda pod predsedatel'stvom byvsago imperatora po peresmotru osnovnych zakonov, In: Byloe, Nr. 4 (26), 1917, S. 183-245. 13 Siehe oben, S.409f. und S. 431 f.
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wurde mit Grund darauf aufmerksam gemacht, daß die Nichterwähnung des ßne/geheimnisses für Rußland nicht gleichgültig sei. Daß alle diese Rechte im übrigen natürlich nicht im Sinne von absoluten, das positive Recht brechenden, die Richter bindenden, unentziehbaren Individualrechten gemeint sind, wie in den amerikanischen Ver- 5 fassungen, 14 ist nicht nur in dem stetigen Zusatz „gemäß der Bestimmung der Gesetze" ausgedrückt, sondern auch darin, daß Art. 41 überdies ausdrücklich „Ausnahmen" für Gebiete, die in Kriegszustand oder, „gemäß den Gesetzen", in Ausnahmezustand erklärt sind, zuläßt. 15 Die ursprüngliche Fassung des Artikels (= Art. 36 des 10 Entwurfs), welche ausdrücklich auch die Weitergeltung der bestehenden Ausnahmegesetze bis zu ihrer gesetzlichen Beseitigung feststellte, ist - was aber sachlich ohne Bedeutung ist - fortgefallen12813). Das dritte Hauptstück 16 handelt von den Gesetzen. Nach Übernahme des „Rechtsstaats"-Begriffes aus dem Sswod Sakonow 129 ) wird 15 (Art. 44) 17 festgestellt, daß kein Gesetz ohne Zustimmung des Reichsrats und der Reichsduma und ohne Unterschrift des Kaisers in Kraft tritt, Art. 49 18 hält die bisherige Art der Publikation - durch 128b ) Es ist zweifellos, daß die Änderung jener speziellen Gesetze, auf welche die Artikel dieses Kapitels Bezug nehmen, nicht einer Änderung der Grundgesetze und also nicht der kaiserlichen Initiative vorbehalten ist. 129 ) Art. 42r der neuen = Art. 47 der alten „Grundgesetze": „Das Russische Reich wird gemäß den festen Regeln der in der festgestellten Ordnung erlassenen Gesetze regiert." 19 |
r DV; A: 37 14 Dies bezieht sich auf die Verfassungen der Einzelstaaten der Vereinigten Staaten. Nach dem amerikanischen Bürgerkrieg wurde durch das 13. und 14. Amendment der Verfassung der Vereinigten Staaten den Einzelstaaten ausdrücklich verboten, die Privilegien und Immunitäten der Bürger der Vereinigten Staaten gesetzlich zu beschränken. Seit dieser Zeit waren die Bundesgrundgesetze für die Staaten bindend und auch durch die Staatengesetzgebung unantastbar. Vgl. Fraenkel, Ernst, Das amerikanische Regierungssystem, 3. Aufl.-Opladen: Westdeutscher Verlag 1976, S.96ff. 15 Der Art. 41 (gleich Art. 83 der Fassung des Svod Zakonov Ausgabe 1906) lautet: „ Die Ausnahmen von der Gültigkeit der in diesem Kapitel dargelegten Bestimmungen in Bezug auf Distrikte, die in Kriegs- oder Ausnahmezustand erklärt sind, sind durch besondere Gesetze bestimmt." Svod Zakonov, Ausgabe 1906, tom 1. Deutsche Übersetzung bei Palme, Russische Verfassung, S. 155 (wie oben, S. 433, Anm. 73). 16 Abdruck in: Pravo, Nr. 17 vom 30. April 1906, S. 1557ff. In der Fassung des Svod Zakonov von 1906 ist dies Kapitel 9 (siehe oben, S. 433, Anm. 73). 17 In der Fassung des Svod Zakonov, Ausgabe 1906, tom 1, ist dies Art. 86. 18 In der Fassung des Svod Zakonov, Ausgabe 1906, tom 1, ist dies Art. 91. 19 In der Fassung des Svod Zakonov, Ausgabe 1906, tom 1, ist dies Art. 84.
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den Senat - aufrecht, und Art. 5020 bestimmt, daß kein Gesetz publiziert werden darf, wenn es nicht ordnungsgemäß erlassen ist, während Art. 5421 die Bestimmungen über Gliederung, Technik und Wirtschaft des Heeres und der Flotte und die Kommandogewalt, vorausgesetzt, daß keine allgemeinen Gesetze und keine Staatshaushaltsetatsposten berührt werden, dem Kaiser vorbehält und Art. 5522 die Art des Erlasses von Bestimmungen für die Kriegsgerichte den dafür bestehenden besonderen Gesetzen s gemäß geregelt sein läßt. 'Das erste und einzige unter der neuen Ordnung publizierte „Gesetz" (über die Anweisung von 15 Mill. Rubel „Verpflegungskapital" gegen die Hungersnot) enthält am Kopf den vom 3. Juli datierten, vom Reichssekretär unterschriebenen Vermerk, daß auf dem Original sich die eigenhändige kaiserliche Sanktion („bytt po ssjemu") befinde, alsdann, im Eingang des Texts, die Erwähnung, daß Reichsrat und Duma das Gesetz genehmigt haben, am Schluß desselben die Unterschrift des Reichsratspräsidenten, der ja, nach der „Konstitution", den Entwurf dem Kaiser zu unterbreiten hatte. 23 Da die Erlasse des Kaisers, wie im Text erwähnt, 24 bei der Publikation eine Unterschrift der Minister, denen ihre „sskrjepljenije" obliegt, nicht aufweisen, so hat man auf diese Weise nach Möglichkeit zum Ausdruck gebracht, daß die „sskrjepljenije" nach Meinung der Regierung eine bloße „Beglaubigung" geblieben sei und sich nicht zu einer „Bekräftigung" (auctoritas), wie in konstitutionellen Staaten, entwickelt habe, daß vielmehr - da der Senat als Publikationsbehörde schon nach der alten Ordnung eine Beglaubigung der kaiserlichen Unterschrift verlangen konnte und verlangte (obwohl dies in den alten „Grundgesetzen" nicht ausdrücklich bestimmt war) - „im Prinzip" alles beim alten geblieben sei.' Soweit wäre alles in Ordnung: nun aber findet sich inmitten dieser Bestimmungen der Art. 45, 25
s A: Gesetze
t - f Nachtrag 5 eingeschoben, siehe unten, S. 682.
20 In der Fassung des Svod Zakonov, Ausgabe 1906, tom 1, ist dies Art. 92. 21 In der Fassung des Svod Zakonov, Ausgabe 1906, tom 1, ist dies Art. 96. 22 In der Fassung des Svod Zakonov, Ausgabe 1906, tom 1, ist dies Art. 97. 23 Abdruck in: PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 28075. 24 Siehe oben, S. 401. 25 Es handelt sich um Art. 87 in der offiziellen Version des Svod Zakonov (siehe oben, S. 433, Anm. 73). In den Zeitungs- und Zeitschriftenpublikationen der Staatsgrundgesetze war dies Art. 45.
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welcher besagt, daß, wenn außerhalb der Zeit des Zusammenseins der parlamentarischen Körperschaften „außergewöhnliche UmstänA 247 (83) de die Unumgänglichkeit einer Maßregel hervorrufen, welche | gesetzgeberische Behandlung erfordert", auf Immediatbericht des Ministerrats solche vom Kaiser angeordnet werden können, vorausge- 5 setzt, daß sie weder in den Grundgesetzen, noch in dem Bestand des Reichsrats und der Duma, noch in der Wahlordnung einer von beiden Körperschaften eine Änderung herbeiführen. Sie treten außer Kraft, wenn sie nicht innerhalb zwei Monaten (!) nach Einberufung des Parlaments vom Ministerium als Gesetzentwürfe einge- 10 bracht (!) oder daraufhin von einer der beiden Körperschaften nicht angenommen worden sind. Nun ist zwar die jährliche Einberufung des Parlaments obligatorisch, aber die Dauer der Budgetberatung beträgt nach dem Budgetreglement vom 8. März 1906 in maximo zwei Monate (1. Oktober bis 1. Dezember), 26 und es ist - so etwa 15 dürfte die „maßgebliche" Erwägung gewesen sein - klar, daß gesetzlich alsdann kein Hindernis besteht, das Parlament nach Hause zu schicken und so das Notgesetz zu perpetuieren. Etwaige Etatsposten, aktive und passive, die auf Grund des Notgesetzes - welches ja, so wird man argumentiert haben 130 ), auch ein Steuergesetz sein kann 20 - in den Voranschlag eingestellt werden, sind nach der Fassung (s.o.) 27 des Art.8 des Budgetreglements vom 9.März 190628 der Anfechtung durch das Parlament entzogen, da ja das Notgesetz bis zu seinem etwaigen Erlöschen ein „gültiges" Gesetz ist. Die gedachte Bestimmung des Budgetreglements ist übrigens, im Gegensatz zu 25 dem erwähnten „Entwurf" 131 ) 29 in die schließliche Fassung der „Grundgesetze" nicht formell aufgenommen worden, ohne dadurch natürlich außer Kraft gesetzt zu sein, da die Aufnahme in die „Grundgesetze" rechtlich ja nur bedeutet, daß die Abänderung der
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130 ) Eine ganz andere Frage ist: ob diese Argumentation selbst bei dieser Fassung des Gesetzes schlüssig sein würde. 131 ) Art. 57 des Projekts. 3 0 |
26 Gemeint ist Art. 10 des Budgetreglements vom 8. März 1906 sowie Paragraph 1 des Ukaz vom 8. März 1906 (siehe oben, S. 427, Anm. 54). 27 Siehe oben, S. 431. 28 Gemeint ist das Budgetreglement vom 8. März 1906 (siehe oben, S.427, Anm. 54). 2 9 Siehe oben, S. 431 f., Anm. 66 und 69. 3 0 Abdruck in: Ree', Nr. 45 vom 11. April 1906, S. 3 (wie oben, S. 431, Anm. 66).
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betreffenden Bestimmung der Initiative des Parlaments entzogen ist. Auch die Bestimmung über die Eintragung der von dem letzt jährigen Etat am wenigsten abweichenden Ziffern in den Voranschlag im Falle der Nichteinigung der Duma mit dem Reichsrat ist nicht zu 5 einem „Grundgesetz" gemacht. Dagegen sind in die Grundgesetze aufgenommen und also der Abänderung auf Kroninitiative hin vorbehalten, dagegen dem Notgesetzrecht der Krone ebenso wie der Abänderung auf Parlamentsinitiative hin entzogen: die jährliche Berufung der parlamentarischen Körperschaften, die Bestimmung, 10 daß nicht mehr als die Hälfte der Reichsratsmitglieder ihm kraft kaiserlicher Ernennung angehören dürfen, das Recht der parlamentarischen Körperschaften auf Prüfung der Wahlen ihrer Mitglieder, die Bestimmung, daß jemand nicht gleichzeitig beiden Körperschaften angehören kann, das Recht der Krone, sie aufzulösen und die 15 Pflicht, dabei gleichzeitig Neuwahlen anzuberaumen, das Initiativrecht in der schon mehrfach erwähnten 31 Begrenzung(65), 32 das Inter|pellationsrecht (66), aber ohne Bestimmung der Pflicht zu ant- A 248 (84) worten, die Feststellung, daß die Nichtannahme eines Gesetzesvorschlages durch eine von beiden Körperschaften seine Ablehnung 20 bedeutet (69), die früher erwähnten 33 Beschränkungen der abermaligen Erörterung eines vom Kaiser oder einem 3 der beiden Häuser abgelehnten Vorschlages (70), der Ausschluß der aus Staatsschulden oder anderen Verpflichtungen herrührenden Etatsposten von der Streichung aus dem Budget (72), die Vorbehalte betreffend der Kre25 dite für das kaiserliche Haus und die kaiserliche Familie (73),34 die Fortgeltung des alten Budgets, verändert gemäß etwaigen inzwischen erlassenen Gesetzen, im Fall des NichtZustandekommens eines sanktionierten Etats bis zu Beginn der Periode und das Verfah-
a A: einer
31 Siehe oben, S.422f. 32 Weber bezieht sich im folgenden auf die Artikel 65, 66, 69, 70 und 72 (in der offiziellen Fassung des Svod Zakonov, Ausgabe 1906, Art. 107, 108,111, 112 und 114) der Staatsgrundgesetze (siehe oben, S. 433, Anm. 73). 33 Siehe oben, S. 423. 34 Art. 73 (in der offiziellen Fassung des Svod Zakonov, Ausgabe 1906, Art. 115) entzog den Etat des Ministeriums des Kaiserlichen Hofes bis zur Höhe des Etats für das Jahr 1906 der Bewilligung durch Reichsduma und Reichsrat. Der Bewilligung entzogen war gleichzeitig der Etatposten für die Zivilliste der Kaiserlichen Familie.
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ren der Etatszwölftel (74), 35 die Kriegskredite (75), 36 endlich folgende beiden, in den Gesetzen vom 20. Februar nicht enthaltenen Bestimmungen: Art. 76: „Staatsanleihen für die Deckung etatsmäßiger wie außeretatsmäßiger Ausgaben werden in der für die Behandlung des Etats vorgeschriebenen Ordnung erledigt. Staatsanleihen zur Deckung von Staatsausgaben in den Fällen und Schranken des Artikel 74" - also im Fall des NichtZustandekommens eines unterfertigten Voranschlags bis zum Beginn der Etatsperiode - „und ebenso zur Deckung der in Art. 75 genannten Ausgaben" - Kriegsbedarf „werden vom Herrn und Kaiser gemäß der Ordnung der höchsten Verwaltung genehmigt" : 37 - man hat sich also die (formal-rechtliche) Möglichkeit der Kreditwirtschaft im Fall des Budgetkonflikts gewahrt, - ferner für alle Anleihen die Bestimmung, daß Zeit und Bedingungen im Verwaltungswege festgestellt werden. Schließlich bestimmt Art. 77, 38 daß das jährliche Aushebungskontingent, falls nicht bis zum 1. Mai ein entsprechendes Gesetz erlassen sei - jährliche Feststellung der Präsenzstärke durch Gesetz gilt also, wie indirekt daraus hervorgeht, als Regel - vom Kaiser in der unumgänglichen Höhe, jedoch nicht höher als im letzten Jahr, festgesetzt werde. Am 26. April - dem Tage vor der Dumaeröffnung - erschien dann schließlich noch die revidierte Reichsratsordnung (vom 24. April). 3 9 Neben einer Kodifikation der schon verfügten Umgestaltungen enthielt sie als Neuerung die Schaffung zweier „Reichsratsdepartements" ausschließlich aus dem Kreise der ernannten Reichsratsmit3 5 Art. 74 (in der offiziellen Fassung des Svod Zakonov, Ausgabe 1906, Art. 116) bestimmte, daß im Falle einer Nicht-Bestätigung des Staatshaushaltes durch den Kaiser der letzte ordnungsgemäß bestätigte Etat in Kraft blieb. Ausgaben für einen Monat durften In ihrer Gesamtheit ein Zwölftel der Gesamtsumme der Haushaltsausgaben nicht überschreiten. 36 Art. 75 (in der offiziellen Fassung des Svod Zakonov, Ausgabe 1906, Art. 117) legte fest, daß die Kredite für Kriegszelten bzw. für Zeiten der Kriegsvorbereitungen einer Bewilligung durch die Duma nicht bedurften. 3 7 Der Artikel 76 (in der offiziellen Fassung des Svod Zakonov, Ausgabe 1906, Art. 118) lautete: „Staatsanleihen betreffend die Ausgaben In den Fällen und Innerhalb der Bestimmungen des Art. 74 (In der offiziellen Fassung Art. 116) ebenso wie Anleihen betreffend die Ausgaben auf der Basis des Art. 75 (in der offiziellen Fassung Art. 117) werden durch unseren Souverän, den Kaiser, gemäß der Ordnung der höchsten Verwaltung genehmigt." Deutsche Übersetzung bei Palme, Russische Verfassung, S.187 (wie oben, S. 433, Anm. 73). 38 In der Fassung des Svod Zakonov, Ausgabe 1906, Ist dies Art. 116. 3 9 Abgedrucktin: Pravo, Nr. 19vom 14. Mai 1906, S. 1743-1759; Kallnycev, GosudarstvennajaDuma, S. 148-160; PSZRI, 3-esobr., tom 26, Nr. 27808.
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glieder, die jährlich vom Kaiser als Mitglieder des Departements bezeichnet werden. 40 Während das zweite derselben die 0 Rechnungslegung der höchsten Behörden entgegenzunehmen und gewisse Verfügungen über den Domänenbesitz und die Eisenbahnen gutzuheißen hat, hat das erste Departement - neben einigen anderen unerheblicheren Angelegenheiten - laut Art. 68 Nr. 4 in Fällen von in ihrer Stellung als solcher begangenen Vergehen von Reichsratsund Dumamitgliedern, bei Amtsverbrechen von Ministern und Beamten bis zur dritten Rangklasse die Vorfrage, ob eine gerichtliche | Verfolgung eintreten solle, unter Einholung der Genehmigung des A 249 (85) Kaisers zu seinen Beschlüssen (Art. 92 und 93)41 - eine äußerst bedenkliche Bestimmung 1313 ) - zu entscheiden. So hatte man glücklich auch einen exklusiv bureaukratischen Reichsrat neben dem neuen wieder geschaffen, - das gerade Gegenteil der slawophilen, z.B. von Schipow vertretenen Ideale. 42 In der Tat: wenn ein „Grünschnabel", von jenem aller Welt sattsam bekannten Typus des Nachwuchses der Petersburger Bureaukratie 132 ), sich hier in Heidelberg dahin äußerte: „wir lachen über die Verfassung", 43 so hatte er formell sicherlich ganz recht. Und trotzdem fragt es sich eben, wer „in the long run" die Lacher auf seiner Seite haben wird. Das russische „Budgetrecht" z. B. hat den äußeren Vorzug, daß es die bekannte „Lücke" formal nicht kennt und daher die „Lückentheorie" ausschließt. 44 Es kennt auch die andere für den 131a ) Bedenklich, weil sie den Kaiser persönlich in einem politischen Prozeß, z. B. gegen A 249 (85) Abgeordnete, engagiert. 132 ) „Aller Welt bekannt" deshalb, weil wir das entsprechende Unkraut, nur etwas spießbürgerlicher zugeschnitten und glücklicherweise nicht so häufig, bei uns ebenfalls kennen. |
b A: derselben, die
40 Dies bezieht sich auf die Artikel 66 und 67 der Reichsratsordnung vom 24. April 1906. Ebd. 41 Der Text der Artikel 68,4, 92 und 93 in: PSZRI, 3-esobr., tom 26, Nr. 27808. 42 Vgl. oben, S.410, Anm.30. 43 Zitat und Sachverhalt nicht nachgewiesen. 44 Anspielung auf die „Lückentheorie" Bismarcks während des preußischen Verfassungskonflikts. Bismarck führte aus, daß die Frage, was geschehen solle, wenn das Parlament das Budget ablehne und ein budgetloser Zustand eintrete, in der Verfassung nicht geklärt sei, die Verfassung hier also eine „Lücke" habe. Da das Staatsleben nicht stillstehen könne, habe der König beim NichtZustandekommen des Budgetgesetzes als
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Parlamentarismus bedenkliche „Lücke" nicht, welche z.B. in Deutschland für die Friedenspräsenz besteht, falls ein Gesetz nicht zustande kommt, und deren geschickte Ausnutzung zu einer schweren Demütigung der Zentrumspartei noch in aller Erinnerung ist: 45 eine Erhöhung der Präsenzziffer ohne Gesetz ist nach den „Grundgesetzen" selbst, die auch der Kaiser nicht suspendieren kann, ausgeschlossen. Es kennt auch keine Möglichkeit einer Budgetverwaltung, wie sie in Preußen 1862-66 bestand, 4 6 sondern nur das EntwederOder: legales Budget oder Budgetzwölftel im Rahmen des letztjährigen Budgets oder Benutzung eines formalen „Rechts auf Willkür" (Art. 45), 47 welches, als solches, alle besten Instinkte eines selbstbewußten Volkes immer wieder in Bewegung setzen muß. - Die Kodifikation der Karikatur eines immerhin heute so mächtigen Rechtsgedankens, wie der Konstitutionalismus es ist, kann auf die Dauer sehr anders wirken, als die Kodifikatoren erhoffen. Mit einer Art von Bauernschlauheit sucht die verschmitzte Mongolentücke dieser - bei aller Tüchtigkeit vieler einzelner und bei allem Raffinement der Technik - doch politisch unendlich stupiden Bureaukratie klüglich alle Maschen des juristischen Netzes zu schließen, auf daß das Parlament sich in ihnen verfange und gefesselt bleibe. Aber wie die „Heuchelei die Verbeugung des Lasters vor der Tugend" 48 ist, so ist die ausdrückliche Kodifikation eines derart tief unwahrhaftigen Scheinkonstitutionalismus eine ebenso tief erniedrigende „Verbeugung der ,Idee' der Autokratie vor dem konstitutionellen Prinzip",
Träger der letzten Entscheidungsmacht die Aufgabe und Befugnis, diese „Lücke in der Verfassung" zu schließen. Vgl. die Rede Bismarcks im preußischen Landtag am 27. Januar 1863, in: Die Reden des Ministerpräsidenten von Bismarck-Schönhausen im preußischen Landtage 1862-1865, hg. von Horst Kohl, Bd.2. - Stuttgart: J.G.Cotta 1903, S. 7 8 - 8 7 . 45 Im Streit um das Septennat im Winter 1886/87 weigerte sich das Zentrum, der Regierungsvorlage zuzustimmen. Bismarck vertrat den Standpunkt, daß dem Kaiser aufgrund der Vorbehaltsklausel des Art. 63, Abs. 4 der Reichsverfassung für den Fall, daß das Gesetz nicht zustande komme, die Entscheidung über die Friedenspräsenzstärke zustehe, ein „Vakuum" also nicht existiere. Im neuen Reichstag sah sich das Zentrum veranlaßt, dem Gesetz durch Stimmenthaltung zur Annahme zu verhelfen. Vgl. Huber, Verfassungsgeschichte IV, S. 5 4 7 - 5 5 3 . 46 Gemeint ist die budgetlose Regierung in Preußen während des Verfassungskonflikts. 47 Als Zitat nicht nachgewiesen. Zu Art. 45 der Staatsgrundgesetze (in der Fassung des Svod Zakonov, Ausgabe 1906, tom 1, ist dies Art. 87) vgl. oben, S. 437, Anm. 25. 48 „Die Heuchelei ¡steine Huldigung, die das Laster der Tugend erweist." La Rochefoucauld, Réflexionsou Sentences et Máximes Morales, Nr. 218.
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sie schädigt auf die Dauer nicht die Achtung vor diesem | Prinzip, A 250 (86) sondern sie schädigt die Autorität der Krone, die so offensichtlich sich zwingen läßt, „Konzessionen" an ein ihrer Eitelkeit und ihrem Herrenkitzel widerliches System zu gewähren, statt offen und ehrlich eine Probe mit ihm zu machen. Wenn eine solche „ehrliche Probe" tatsächlich zur Phrasenherrschaft, Verkennung der durch das Entwicklungsstadium gegebenen „Möglichkeiten" und zu Versuchen einer pseudoparlamentarischen Cliquenherrschaft geführt hätte, dann hätte diese alte Krone mit ihrer - trotz allem - noch immer tief im Bewußtsein der Masse wurzelnden religiösen Weihe neben den Bajonetten auch die Macht „ideeller" Kräfte - und seien diese noch so „illusionistischen" Charakters - auf ihrer Seite gehabt, wenn sie alsdann über das formale Recht hinwegschritt und die „Probe" für mißlungen erklärte: ihr Ansehen wäre auf Kosten ihrer wirklich gefährlichen Gegner auf lange hinaus gestärkt aus dem Kampfe hervorgegangen. Jetzt, wo jede Bewegung des Parlaments auf juristische Stacheldrähte stößt, ist die Sachlage aber offenbar genau die umgekehrte: das Parlament ist in der Lage, die Massen mit der Überzeugung zu erfüllen, daß die Probe, mit der Krone zu regieren, „mißglückt" sei, und, wenn man es auseinanderjagt und mit Gewalt und Trug eine „Landratskammer" 4 9 erzwingt, so hat die „Idee" des Zarismus die Kosten zu tragen. - Gerade die Schliche und Kniffe, durch die man den neuen Grundgedanken verfälschte, werben ihm im öffentlichen Bewußtsein Anhänger. Juristische Finessen vermögen manches, aber in diesen Dingen doch nicht allzu vieles. Schon die erste Sitzung der Reichsduma schritt z. B. über die Bestimmung des Art. 61 des Dumareglements vom 20. Februar: 5 0 - Verbot der Entgegennahme schriftlicher Erklärungen an die Duma - mindestens dem „Geiste" nach einfach hinweg. Endlos war die Zahl der Begrüßungstelegramme, die Muromzew vorlas. Da die Regierung
4 9 Bezeichnung für die preußische Abgeordnetenkammer in der Ära Manteuffel von 1855-1858, in der zahlreiche von der preußischen Regierung zu einer Kandidatur aufgeforderte Landräte saßen. Mit Hilfe der Landräte war es der preußischen Regierung zudem gelungen, die Wahlen so zu beeinflussen, daß es zu gefügigen Mehrheiten im Sinne der Regierung kam. 5 0 Art. 61 des Gesetzes über die Schaffung der Duma vom 20. Februar 1906 verbot den Empfang von Deputationen seitens der Duma sowie mündliche und schriftliche Gesuche und Eingaben an diese. Vgl. Kallnycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 122; PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27424.
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nicht, wie Bismarck in einem seiner kleinlichen Momente, 5 1 die Begrüßung der Duma seitens der Tschechen als unkonstitutionell sistiert hatte, mußten auch alle anderen zugelassen werden, ja, der Staatstelegraph beförderte die Begrüßungstelegramme politischer Häftlinge und ihrer Familien mit der Bitte um Herbeiführung der 5 Amnestie, und die Duma nahm sie unter stürmischen Kundgebungen entgegen. 5 2 Doch damit ist der Erörterung weit vorgegriffen. Es ist nunmehr zunächst zu berichten, in welcher Weise denn die Zusammensetzung der parlamentarischen Körperschaften sich vollzogen hat, und wie 10 das, für die Regierung ebenso wie für alle Welt, die russischen Radikalen selbst nicht ausgenommen, so unerwartete Resultat der ersten parlamentarischen Wahlen in Rußland sich erklärt. Zur Würdigung der ganzen verblüffenden Wucht dieses Mißerfolges muß aber noch ein letztes Hauptkunstwerk der Bureaukratie, das 15 Wahlgesetz für die Duma, erörtert werden. |
51 Vermutlich spielt Weber auf Bismarcks Weigerung an, das Kondolenztelegramm des amerikanischen Repräsentantenhauses an den Reichstag anläßlich des Todes des Reichstagsabgeordneten Eduard Lasker im Januar 1884 im Reichstag verlesen zu lassen. Sten.Ber., Band 75, S.9ff. 5 2 Vgl. Sten. otcety Gos. Dumy, 1 -yj sozyv, S. 5ff. und 251 ff.
V. 3Analyse des Dumawahlrechts3 Das Bulyginsche Wahlgesetz (Wahlverordnung vom 6. August A 251 (87) 1905)1 beruhte auf dem Gedanken einer im Anschluß an das bestehende Semstwowahlrecht ziemlich kompliziert konstruierten Klassen- und Ständevertretung. Innerhalb jedes Wahlbezirks - der normalerweise mit dem Umfang eines Gouvernements zusammenfällt sollten einerseits die Vertreter des privaten Grundbesitzes, die großen persönlich, die kleinen, bis zum Minimalzensus von ein Zehntel desjenigen der großen durch Bevollmächtigte, anderseits die Vertreter des städtischen Hausbesitzes und mit ihnen zusammen aller anderen Arten „beweglichen" Besitzes: Handels- und Industriekapitalien und desjenigen „beweglichen" Vermögens, welches sich in der Innehabung besonders wertvoller Wohnungen äußert, in zwei gesonderten b Sitzungen zur Wahl von Wahlmännern schreiten; als dritte Klasse hatten, wiederum gesondert, die Bauern (im ständischen Sinne des Wortes, also die in die bäuerlichen Steuerlisten Eingetragenen) Wahlmänner zu wählen. Bei der Deputiertenwahl war dann den „Bauern" das Privileg gegeben, in jedem Bezirke Einen aus ihrer Mitte in die Duma zu schicken, alsdann wählten sie mit den Wahlmännern der beiden anderen Klassen zusammen den Rest. Der Zensus in den städtischen und ländlichen Zensusklassen war etwa so bemessen, daß Besitz im Werte von 30000-50000 Rubel oder ein Einkommen in Höhe von mindestens wohl 3000 Rubel dazu gehörte, um denjenigen Bedingungen (Zahlung bestimmter Steuern, Minimalumfang des Grundbesitzes) zu genügen, an die der Besitz einer eigenen Stimme bei der Wahl der Wahlmänner geknüpft war: die kleinen Eigentümer auf dem Lande (nur dort) hatten, wie gesagt, Kurienwahlrecht. 2 Man schloß also nicht nur das Proletariat (außer
a Kapitelüberschrift in Anlehnung an das Inhaltsverzeichnis, oben, S. 294, eingeschoben. b A: gesonderte
1 Pravo, Nr. 31 vom 6. Aug. 1905, S. 2533-2546; Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 3 9 - 5 2 ; PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 26662. 2 Das Wahlrecht für die Duma war ein indirektes Kurienwahlrecht, das auf einem Vermögens- und Besitzzensus basierte. Ausgenommen von jeder Beschränkung durch einen Zensus war nur die Kurie der Bauern. Zudem war das Wahlrecht auch regional differen-
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dem bäuerlichen), sondern auch den „unteren Mittelstand" (Handwerker, mittlere Beamte), vor allem aber die nicht mit erheblichem Besitz verknüpfte Intelligenz aus, diese noch speziell durch Aufstellung des gegen populäre „ L e a d e r " gerichteten Prinzipes der Wahl „aus der Mitte" des (örtlichen) Wahlkörpers selbst, Verbot der Dop- 5 pelkandidatur und andere Kautelen. So hoffte man die Interessenten des Besitzes auf der eine Seite, die für „autoritär" gehaltenen Bauern auf der anderen mit den Interessen der Bureaukratie zu verbinden. Die Wahlmänner des „beweglichen" Besitzes waren dabei überall in die Wahlgemeinschaft mit den beiden anderen Klassen hineinge- 10 bannt und nur eine Anzahl größere Städte als selbständige Wahlbezirke konstituiert. Großgrundbesitz und Bauern sollten sich also in die Macht teilen, daneben die „Bourgeoisie" im spezifischen Sinne des Wortes und die „Hausagrarier" der Städte eine warme Ecke reserviert erhalten. 15 Nach einer Mitteilung im „Prawitjelstwjennyj Wjestnik" 3 war bei der Bestimmung der Verteilung 0 der Deputierten und der Wahlmän-
c DV; A: Vertretung
ziert; so galten für Sibirien, den Kaukasus, für die Steppengebiete und für die nomadisierenden Fremdvölker der Gouvernements Astrachan und Stavropol' besondere Wahlgesetze. Inden Gouvernements des europäischen Rußland gab es 4 Kurien: die Grundbesitzer, die Bauern, die Stadtbewohner und die Arbeiter (nur in Betrieben mit 50 und mehr Beschäftigten). In jedem Kreis eines Gouvernements wählten die Kurien der Landbesitzer und der Bauern die für sie festgesetzte Zahl von Wahlmännern, wobei In der Kurie der Grundbesitzer die kleinen Landbesitzer vorab Ihre Delegierten für die Grundbesitzerkurie zu wählen hatten. In der Bauernkurie wurde bis zur Distriktsebene in zwei Schritten gewählt: je 10 Haushalte wählten 1 Bevollmächtigten für die Volost'-Versammlung, In der je 2 Wahlmänner für die Distriktswahlversammlung gewählt wurden. Die städtischen Wähler und die Arbeiter wählten ihre Wahl männer gesondert, wobei die Arbeiter zuerst pro Fabrik Bevollmächtigte wählten, die sodann die Wahlmänner zu wählen hatten. Alle diese Wahlmänner versammelten sich In der Gouvernementswahlversammlung, in der die auf das Gouvernement entfallende Zahl der Abgeordneten für die Duma gewählt wurde. Vor dieser gemeinsamen Wahl stand den bäuerlichen Wahlmännern das Recht zu, aus ihrer Mitte gesondert einen Abgeordneten für die Duma zu wählen. Die bäuerlichen Wahlmänner vereinigten sich sodann wieder mit den übrigen Wahlmännern der anderen Kurien und wählten aus ihrer Mitte die übrigen Abgeordneten. Die Bestimmungen sind festgelegt in den Artikeln 2 - 2 0 und 3 0 - 3 2 des Gesetzes vom 6. August 1905, Im Wahlreglement vom 18. September 1905 und im Wahlgesetz vom 11. Dezember 1905. Kallnycev, Gosudarstvennaja Duma, S.40ff.; PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr.26662 und 26721, tom 26, Nr. 27029. Vgl. auch Mehlinger und Thompson, Count Witte, S. 242ff. (wie oben, S. 306f., Anm.42) und Emmons, Formation, S. 237ff. (wie oben, S.358, Anm. 13). 3 Weber bezieht sich auf: Pravltel'stvennyj Vestnik, Nr. 268 vom 13. Dez. 1905, S. 1 f.
Analyse des
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ner (= ca. 50 auf jeden zu wählenden Abgeordneten) folgendermaßen verfahren worden: Die auf die einzelnen Gouvernements (mit Ausschluß | der selbständig wählenden Städte) und innerhalb dieser A 252 (88) auf die einzelnen Kreise entfallende Anzahl von Wahlmännern sollte sich nach der Volkszahl bestimmen 133 ). Die Verteilung der Wahlmänner auf die einzelnen Wählerklassen innerhalb des gleichen Kreises: „städtische" Klasse, ländliche Privatbesitzer, Bauern, sollte bestimmt werden nach der Verteilung der Steuerkraft zwischen ihnen. Zu diesem Behuf wurden die Semstwoabgaben von unbeweglichem Besitz, Handels- und Industrieunternehmungen und die staatliche Wohnungssteuer zugrunde gelegt und danach zuerst die Steuerleistung der „städtischen" Wähler einerseits, der „ländlichen" andrerseits bestimmt, derart, daß dem „städtischen" Wahlkörper die Leistungen für Besitz jeder Art innerhalb der Stadt, ferner für Gewerbescheine und Gewerbeanlagen außerhalb der Stadt und endlich für Wohnungssteuer zugute geschrieben wurde, dagegen den ländlichen Wahlkörpern die Steuer vom Bodenbesitz. Zwischen privaten Grundbesitzern einerseits, Bauern andrerseits sollte die Zahl der Wahlmänner proportional der Zahl der Deßjätinen bestimmt werden, die einerseits im Privatbesitz sich befinden, andrerseits den Dorfgemeinden als „Nadjelland" zugewiesen sind, so jedoch, daß auf jede Kategorie von Wählern im Kreise mindestens ein Wahlmann entfiel. Das Manifest vom 17. Oktober versprach nun Ausdehnung des Wahlrechts auf die nach diesem System unvertretenen Klassen, und dies schien alle jene Finessen über den Haufen zu werfen. Die Bureaukratie suchte jedoch mit Geschick die Wirkungen der starken Verbreiterung der Wahlrechtsbasis, zu der sie sich genötigt sah, dadurch für sich unschädlich zu machen, daß sie den Strom der neu 133
) Diese Verteilung auf die Gouvernements nach der Bevölkerungsziffer (offenbar A 252 (88) auf Grund der im „Jeshegodnik Rossii" 1904 gegebenen Zahlen) 4 ist nicht exakt durchgeführt. Es hätten (anscheinend) auf je eine Million Einwohner vier Dumamitglieder kommen sollen. Aber z.B. die Gouvernements Esthland und Olonetz haben, danach bemessen, je ein Mandat zu viel, Pskow und Chersson je zwei zu wenig erhalten, und auch sonst stimmt die Rechnung für 16 weitere Gouvernements nicht. Alles aus gänzlich unbekannten Gründen. 5 |
4 E z e g o d n i k R o s s i i 1904g., S. 5 0 - 8 1 . 5 Vgl. dazu: Fortunatov, A., V y b o r y . Kak opredeljali cislo c l e n o v dlja G o s u d a r s t v e n n o j Dumy, in: R u s s k i j a V e d o m o s t i , Nr. 109 v o m 23. April 1906, S . 4 .
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hinzukommenden Wähler fast ganz in einen einzigen Kanal hineinströmen ließ: in die, gegenüber den beiden Wählerklassen der ländlichen Grundbesitzer und der Bauern, in hoffnungsloser Minderheit befindliche Klasse der den beweglichen Besitz vertretenden Wähler. Die Zahl dieser Wähler verzwanzigfachte sich mindestens, - die Zahl 5 der von ihnen zu ernennenden Wahlmänner blieb die gleiche. Sehen wir uns das gesetzgeberische Produkt dieses einfachen Kunstgriffes etwas näher an. d Die für die im Frühjahr vollzogenen Dumawahlen maßgebend gewesenen Bestimmungen muß man sich aus der kaiserlichen „Ver- 10 Ordnung" (Poloshenije) vom 6. August 1905 (Bulyginsches Wahlgesetz), den Allerhöchst bestätigten „Wahlreglements" vom 15.SepA 253 (89) tember 19056 und 11. Oktober 1905 (für Polen), 7 dem | „besonderen Allerhöchsten Ukas" vom 20. Oktober 1905 (für Sibirien), 8 dem „besonderen Allerhöchsten Ukas" vom 11. Dezember 1905 (neues, 15 ergänzendes Wahlgesetz), 9 der Ministerialinstruktion vom 17. Dezember 1905 betr. die Wählerlisten, 10 dem Allerhöchst bestätigten Wahlreglement für den Kaukasus vom 2. Februar 1906,11 dem Ukas über die Wahltermine vom 12. Februar 1906,12 der ministeriellen Wahlinstruktion vom 24. Februar 1906,13 dem Ukas vom 7. März 20 1906 über das Wahlverfahren, 14 dem Allerhöchst bestätigten „Reglement" für die Wahlen der südöstlichen Viehzüchter vom 25. März 1906 und den erst im April erschienenen Bestimmungen über die Wahlen in Zentral- und Ostasien zusammensuchen. 15 Danach gilt d-d
(S. 473) Petitdruck in A.
6 Das Wahlreglement, datiert vom 18. September 1905, ist abgedruckt in: Pravo, Nr. 38 vom 25. Sept. 1905, S. 3 1 5 4 - 3 1 6 0 ; PSZRI, 3-esobr., tom 25, Nr. 26721. 7 Abgedruckt in: Pravo, Nr. 41 vom 25. Okt. 1905, S. 3 4 1 5 - 3 4 1 9 ; PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 26775. 8 PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 26831. 9 Veröffentlicht in: Pravo, Nr. 50 vom 18. Dez. 1905, S. 3 9 9 4 - 4 0 0 9 ; Kalinycev, GosudarstvennajaDuma, S. 9 4 - 1 0 2 ; PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 27029. 10 Pravo, Nr. 51 vom 24. Dez. 1905, S. 4115-4118. 11 Pravo, Nr.6 vom 11. Febr. 1906, S . 4 9 8 - 5 0 6 ; PSZRI, 3-esobr., tom 26, Nr.27318. 12 Pravo, Nr. 7 vom 19. Febr. 1906, S.595f.; PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27388. 13 Pravo, Nr. 9 vom 5. März 1906, S. 789-792. 14 Pravo, Nr. 11 vom 19. März 1906, S. 1025ff.; PSZRI, 3-esobr., tom 26, Nr.27502. 15 Das Reglement vom 25. März 1906 bezog sich auf die nomadisierenden Fremdvölker (inorodcy) der Gouvernements Astrachan und Stavropol'. Pravo, Nr. 13 vom 1 .April 1906, S. 1200f.; PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27598. Die Bestimmungen über die Wahlen in Zentral- und Ostasien sind abgedruckt in: PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27806.
Analyse
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des Dumawahlrechts
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unter Ausschaltung der letztgenannten, und hier nicht interessierenden Gebiete - folgendes: 1. Eigene Deputierte, zusammen 35, wählen 26 große Städte, und zwar: Petersburg 6, Moskau 4, Warschau 2, ferner je 1: in Großrußland: Jekaterinoslaw, Kursk, Orjól, Tula, Woronesh, Charkow, Jarosslawlj e , Nishnij-Nowgorod, - im Osten: Kasanj, Ssamara, Ssaratow, Astrachanj, - im Süden: Odessa und Rostow am Don, - im Westen und Südwesten: Wilna, Kiew, Kischinew, - in den Ostseeprovinzen: Riga, - in Polen: (außer Warschau) Lodz, - im Kaukasusgebiet: Tiflis und Baku, - in Mittelasien: Taschkent, - in Sibirien: Irkutsk. Das aktive Wahlrecht haben in diesen Städten alle Personen, welche dort entweder 1. zu Eigentum oder lebenslänglicher Nutzung Immobilien besitzen, die mit Staats- oder Gemeindesteuern belegt sind, oder 2. seit einem Jahr ein zur Entnahme eines Gewerbescheines verpflichtendes Gewerbe betreiben, oder 3. seit einem Jahr Wohnungssteuer zahlen, oder 4. seit einem Jahr Gewerbesteuer von persönlicher gewerblicher Beschäftigung zahlen, oder 5. seit einem Jahr eine selbständige Wohnung innehaben, oder endlich 6. seit einem Jahr in der Stadt leben und Gehalt oder Pension vom Staat oder Semstwo oder einer städtischen oder ständischen Korporation oder von Eisenbahnen beziehen (jedoch unter Ausschluß der niederen Bediensteten und Arbeiter). Alle diese Personen müssen russische Untertanen 134 ), weder aktive Militärs noch Schüler oder Studenten, männlichen Geschlechts135), wahlmündig (25 Jahre alt), der russisehen Sprache mächtig und ferner nicht durch die allgemeinen Ausschließungsgründe (§§ 7 u[nd] 8 der Verordnung vom 6. August 1905)16 behindert sein. Diese Behinderungsgründe betreffen (§ 7) 134 ) Aber ohne Unterschied der Rasse und Konfession. Ausgeschlossen sind die „um- A 253 (89) herschweifenden Fremdvölker" (Zigeuner und nordsibirische Naturvölker). 135 ) Nur Frauen, die die /mmoW/iarbesitzqualifikation besitzen, können (nach § 9 der Verordnung vom 6. August und § 8, 11, 12, 13 des Reglements vom 18. September 1905) ihre Gatten oder Söhne in die Listen eintragen lassen. - Von Männern sind Vollmachten nur zugunsten von Söhnen zugelassen. 1 7 |
e A: Jarosslowlj 16 Vgl. „Verordnung über die Wahlen In die Reichsduma" vom 6. August 1905. Die §§ 6 - 8 führen die Personenkreise auf, die von der Teilnahme an der Wahl ausgeschlossen waren. Kallnycev, Gosudarstvennaja Duma, S.40ff.; PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 26662. 17 Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S.41; PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr.26662, sowie PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 26721.
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zum
Scheinkonstitutionalismus
neben Personen, welche wegen gewisser gemeiner Verbrechen in gerichtlicher Untersuchung sich befinden, Entmündigten und Bankerotteuren auch solche Personen, die wegen eines zur Amtsentsetzung führenden Vergehens oder überhaupt wegen einer Handlung, welche zur Beschränkung der Verfügung über das Vermögen führen kann - und dazu gehören gewisse wichtige politische Verbrechen - nicht etwa nur verurteilt sind, sondern auch sich nur in Untersuchung befinden. Das hat die Handhabe geboten, zahlreiche politisch „verdächtige" Personen in der Zeit der Wahlbewegung durch Einleitung einer Untersuchung auf Grund irgendeines wirklichen oder angeblichen politischen Preßvergehens von der WahlquaA 254 (90) lifikation auszuschließen, | so Miljukow und Hessen in Petersburg. 18 Des weiteren sind (§ 8) die Gouverneure und Vizegouverneure und alle eine polizeiliche Funktion ausübenden Beamten am Ort ihrer Tätigkeit ausgeschlossen. Andere staatliche Beamte sind wählbar, müssen aber nach § 53 - eine auf Herabdrückung des Niveaus der Duma abzielende sehr fühlbare Beschränkung bei der großen Zahl tüchtiger und sachkundiger liberaler Staatsbeamter - ihr Amt im Falle der Wahl niederlegen. Endlich - diese Bestimmungen sollten die Chancen populärer Kandidaten und der hauptstädtischen Intelligenz möglichst herabsetzen, überhaupt ebenfalls das geistige Niveau der Duma tunlichst drücken - verbietet § 54 Kandidaturen einer Person zur Abgeordnetenwahl an mehr als einem Ort und hält das Gesetz durchweg den Grundsatz fest, daß das passive Wahlrecht in einem Wahlkörper nur hat, wer in demselben Wahlkörper das aktive besitzt. Nicht nur also kann niemand zum Wahlmann in einem Bezirk gewählt werden, in dem er nicht selbst wahlberechtigt ist, sondern auch zum Abgeordneten kann nur ein zum Wahlmann in dem betreffenden Wahlkreis Gewählter kandidieren. So hervorragende Vertreter der Mittelparteien wie Schipow und Gutschkow sind auf Grund dieser Bestimmung nicht in die Duma gekommen, ebenso der Vorstand des Zentralkomitees der konstitutionellen Demokraten Fürst Paul Dolgorukow, da man in Moskau nur die Wahl zwischen ihm und Professor Herzenstein hatte und den letzteren vorzog, weil - eben infolge jener „staatserhaltenden" Bestimmungen - die Partei sonst
18 Pavel Miljukov und losif Gessen standen wegen Vergehens gegen das Pressegesetz unter Anklage und waren aus diesem Grunde nicht wählbar. Miljukov erfüllte zudem nicht die Im Gesetz geforderte einjährige Residenzpflicht.
Analyse des
Dumawahlrechts
451
über keinen fachmäßig gebildeten Finanz- und Agrarpolitiker in der Duma verfügt hätte. Da gerade unter den Demokraten eine ganze Fülle der allertüchtigsten akademischen Fachmänner auf dem Gebiet der Agrarfragen sich findet, zeigt jene Begründung allein schon, was mit jener Bestimmung faktisch erreicht worden ist. Im übrigen hat sie allerdings hier und da die Wirkung gehabt, daß die Wahlmänner bezüglich der Persönlichkeit des zu wählenden Abgeordneten einen gewissen Einfluß ausüben konnten. Wo sie, wie in den größten Städten oft, einer einzigen Partei angehörten, fügten sie sich meist der Parteiorder und spielten nur selten eine ausschlaggebende Rolle: sie akzeptierten die in Parteiversammlungen vorher nominierten Kandidaten 136 ). 19 Der Kampf innerhalb ihrer Kollegien diente vielmehr den Wahlkabalen zwischen den Parteien, wo mehrere Gruppen sich um die Mandate zu streiten hatten. Bei der - außer bei der Demokratie - noch ganz in den Windeln steckenden Parteiabgrenzung waren dabei Zufallsergebnisse aller Art an der Tagesordnung, die überdies durch das später noch zu erörternde 20 Wahlverfahren begünstigt wurden. Daß ein Wahlmännerkolleg zugleich revolutionäre und extrem konservative Deputierte entsendete, ist auf dem Lande mehrfach vorgekommen 137 ). | 136
) Es wurde, nach der Niederlage der Mittelparteien in Petersburg, als ein schwerer A 254 (90) Fehler bezeichnet, daß sie ihre Deputiertenkandidaten nicht vor der Wahl der Wahlmänner nominiert hatten, wie die Demokraten es taten. Ein guter Teil persönlicher Zugkraft sei ihnen damit verloren gegangen. 137 ) Die Frage, ob man die Wahlmänner der Partei etwa als Vertrauensmännerkollegien in den einzelnen Wahlkreisen brauchen könne, wurde nach der Wahl auf dem Aprilkongreß der Demokraten bestimmt verneint: 21 sie seien allzu oft nur Streber, von denen jeder selbst Deputierter werden wolle - eventuell durch Schacher auch auf Kosten der Partei oder - dürfen wir wohl hinzufügen - Lokalgrößen, die zu systematischer Arbeit unbrauchbar wären. Das persönliche | Moment spielte eben - darin hatte die Regierung ganz richtig A 255 (91) gerechnet - in diesem Wahlkampf noch eine bedeutende Rolle und hinderte hie und da die elementare Stimmung der Massen, so voll zum Ausdruck zu* kommen, wie ohne die
f Fehlt in A ; z u s i n n g e m ä ß ergänzt. 1 9 M ö g l i c h e r w e i s e bezieht sich W e b e r hier auf die öffentliche Kritik A. Pilenkos, Mitglied der Union des 17. Oktober, am taktischen Verhalten d e s Zentralkomitees der Partei, vgl. Pllenko, A., Porazenie S o j u z a 1 7 O k t j a b r j a , in: N o v o e Vremja, Nr. 1 0 7 8 4 v o m 23. März 1906, S . 3 . 2 0 S i e h e unten, S. 4 5 5 f f . 21 Eine solche Ä u ß e r u n g ist im Protokoll d e s Parteitages nicht n a c h z u w e i s e n . Der K o n greß schloß sich d e m Antrag des Zentralkomitees an, die W a h l m ä n n e r k o l l e g i e n als Verbindung z u m Volk zu nutzen. Tretlj s - e z d partil narodnoj s v o b o d y , S. 1 6 8 2 f .
452
A 255 (91)
Übergang zum
Scheinkonstitutionalismus
Das Wahlrecht ist ferner kein allgemeines: nicht nur Haussöhne und Dienstboten, auch alle Handwerksgesellen und Arbeiter, soweit sie nicht das Arbeiter-Sonderwahlrecht oder „selbständige" Wohnungen besaßen, - was bei den russischen Arbeitern bekanntlich seltener als bei uns der Fall ist[,j - waren ausgeschlossen. Dagegen ist 5 das Wahlrecht in den Städten für die Berechtigten unter sich gleich und geheim. - Zu den Wahlmännern, die auf Grund dieses Wahlrechts ernannt wurden, treten nun hinzu diejenigen, welche auf Grund des eben bereits beiläufig erwähnten, später noch eingehender zu schildernden 22 Sorcderwahlrechts gewisser Kategorien von 10 Fabrikarbeitern durch deren in den Fabriken ernannte Bevollmächtigte gewählt werden. Nur in den Städten St. Petersburg, Moskau, Lodz und allenfalls Warschau konnten jedoch diese Arbeiterwahlmänner eine zahlenmäßig in Betracht kommende Rolle spielen. Die dergestalt wahlberechtigten Arbeiter haben also in den Städten, 15 wenn sie eine selbständige Wohnung oder - was freilich kaum vorkommen dürfte - eigenes 0 steuerpflichtiges Bodeneigentum besitzen, ein Doppelwahlrecht. Bei den Wahlen hat sich das insofern geltend gemacht, als die von ihrer Partei zum „Boykott" der Duma genötigten sozialdemokratischen Arbeiter vielfach die Ausübung 20 ihres Sonderwahlrechts als Fabrikarbeiter abgelehnt, von ihrem Wahlrecht als Wohnungsinhaber aber Gebrauch gemacht haben. Die Geltendmachung des Wahlrechts der lediglich auf Grund des Innehabens einer „selbständigen Wohnung" Qualifizierten - dies ist die weitaus wichtigste der nach dem Manifest vom 17. Oktober durch 25 das Gesetz vom 11. Dezember neu zugelassenen Wählerkategorien ist nun aber dadurch erschwert, daß sie, im Gegensatz zu den anderen von Amts wegen auf Grund der Angaben der Steuerbehörde bezw. der die Gehälter zahlenden Instanzen ermittelten und registrierten Wähler, nur auf Grund einer von ihnen innerhalb drei 30 Wochen nach Publikation des Ukases vom 11. Dezember 1905 abzuindirekte Wahl. Am Ergebnis wurden dadurch, aus Gründen, die sich weiterhin ergeben werden, doch nur gewisse Prozente „abdividiert", aber nichts Entscheidendes geändert.
g A: eigens
2 2 Siehe unten, S . 4 6 0 f .
Analyse
des
Dumawahlrechts
453
gebenden schriftlichen Erklärung in die Wählerlisten eingetragen werden und ihr Recht durch Vorlegung des Mietsvertrages erweisen müssen. Die „örtliche Polizei", welche nach der Ministerialinstruktion vom 17. Dezember ebenfalls zur „Mitteilung" von Listen solcher Personen an die Wahlbehörde berechtigt ist, 23 kann dabei natürlich „mit Auswahl" verfahren. Jene verschiedene Behandlung der Wähler wurde mit der notwendigen Beschleunigung der Fertigstellung der Wählerlisten motiviert, hatte aber daneben natürlich wahlpolitische Zwecke. Ihr zufolge schlössen sich alle jene radikalen Elemente, welche die Duma zu „boykottieren" beabsichtigten, freiwillig von der Eintragung in die Wählerlisten aus. In Moskau, wo man seitens der Stadt alle eventuell Wahlberechtigten amtlich ermittelt und ihnen die Wählerkarten ins Haus geschickt hatte, sollen nach einer Zeitungsnachricht, die ich nicht kontrollieren kann, 7000 (?) Wähler die Zettel mit dem Vermerk: „ich boykottiere" zurückgeschickt haben. 2 4 2. Die sämtlichen übrigen Deputiertenmandate 1 3 7 3 ) sind auf die 51 Gouverne|ments des europäischen Rußland mit 384, die 10 Gouver- A 256 (92) nements des Zartums Polen mit 33, nebst 1 für das „Cholmsche Rußland", die 4 sibirischen mit 13, die 10 Gouvernements und „Territorien" (oblasti) des Kaukasus mit 27 und mit je 1 auf die Kirgisen und Kalmücken verteilt. Die Deputierten werden in Gouvernements-Wahlmännerversammlungen in geheimer Abstimmung gewählt. Die Zahl der Abgeordneten, die auf ein Gouvernement bezw. ein „Territorium" entfällt, schwankt zwischen 2 (Archangel) und 15 (Kiew ohne die Stadt). In den europäisch-russischen Gouvernements, auf die wir uns hier beschränken wollen, ist nun das Wahlrecht - für welches die gleichen allgemeinen Ausschließungsgründe gelten, die früher besprochen wurden 2 5 - folgendermaßen geregelt13715). Die gesetzlich festgestellte Zahl der Wahlmänner des Gou137a
) Die Art der Wahlen in Zentral- und Ostasien bleibt hier unerörtert. | ) Die Art der Gestaltung des „ländlichen" Wahlrechts ist eine Modifikation der A 256 (92) bestehenden Semstwowahlordnung („Sswod Sakonow", Bd. II Teil 1, Poloshenije o gu137b
2 3 Die Ministerialinstruktion ist abgedruckt in: Pravo, Nr. 51 vom 24. Dez. 1905, S. 4 1 1 5 - 4 1 1 8 . Weber bezieht sich auf den Abschnitt 5,1.5, Punkt g. 2 4 Nach dem Bericht: Absenteizm pri vybory, in: Russkoe Gosudarstvo, Nr. 18 vom 22. Febr. 1906, S. 3f., schickten 8000 Berechtigte ihre Karte zurück. 2 5 Siehe oben, S.449f.
454
Obergang zum
Scheinkonstitutionalismus
vernements ist auf die Kreise (Ujesds) verteilt. Sie werden innerhalb A 257 (93) dieser von folgenden Wahlkörpern nach den folgenden | Wahlsystemen ernannt: 1. für die städtischen Wähler des Kreises besteht bernskich i ujesdnych semskich utschreshdjenijach, Kap. III Abt. 1 Art. 15ff.). 26 Nach den seit 1890 geltenden Bestimmungen werden die Kreissemstwomitglieder folgendermaßen gewählt: 1. Personen, Gesellschaften (insbesondere] Handelsgesellschaften) oder Genossenschaften, als „nützlich" anerkannte Vereine, Lehranstalten, welche a) entweder steuerpflichtigen landwirtschaftlichen Grundbesitz in einem (je nach dem Kreise) zwischen 125 und 300 Deßjätinen schwankenden Umfang oder b) anderen Grundbesitz im Schätzungswert von 15 000 Rubel besitzen (zu Eigentum, auf Lebensdauer oder zu Possessionsrecht), wählen persönlich bezw. durch ihren gesetzlichen Vertreter (Direktoren der Gesellschaften usw.). 2. Nicht zum Bauernstande gehörige (physische) Personen, welche Mo des Grundbesitzzensus ad 1 besitzen, entsenden einen Bevollmächtigten in die Wahlversammlung der Klasse 1. In jeder dieser beiden Zensusklassen wählen gesondert: a) die Adligen, b) die übrigen. - Die Zahl der von der Klasse Nr. 2 zu ernennenden Bevollmächtigten richtet sich nach dem Steuerzensus, welchen die jeweils erschienenen Wähler repräsentieren, im Verhältnis zu dem für das persönliche Wahlrecht der Klasse 1 erforderlichen Zensus. Die Verteilung der zu wählenden Semstwomitglieder zwischen Adlige und Nichtadlige dagegen ist für jeden Kreis gesetzlich („Sswod Sak[onow] a.a.O., Beilage zu Art. 14)27 geordnet, und zwar so, daß, mit ganz vereinzelten Ausnahmen, die Vertreter der Adligen überall in der Mehrheit sind, in den meisten Fällen ihre Zahl sich zu der Klasse b wie 3:1 verhält; 3. die Bauern wählen in den Wolosts je einen Bevollmächtigten, aus denen der Gouverneur die im Gesetz für jeden Kreis vorgeschriebene Anzahl von Mitgliedern des Semstwo (mit vereinzelten Ausnahmen die entschiedene Minderheit gegenüber den Vertretern der beiden anderen Klassen) ernennt. (Außerdem gehören dem Kreissemstwo an die Bürgermeister der Landstädte und Vertreter der Domänen- und Apanagenverwaltung und, als gesetzlicher Präsident, der Adelsmarschall.) Man erkennt leicht die insbesondere durch Wegfall der nicht physischen Personen, ferner der Adelsvorrechte und, bei den Bauern, des Ernennungsrechts des Gouverneurs, ferner durch Ausscheidung aller nicht landwirtschaftlichen Elemente aus der Gouvernementswählerschaft in die besondere „städtische" Wählerklasse und die Beseitigung des Zensus der 2. Klasse ländlicher Privatbesitzer und endlich durch die Privilegierung der Bauern verursachten Abweichungen in der Gestaltung des Dumawahlrechts. Die Zulassung von Administratoren in A 257 (93) der oberen Zensusklasse bestand ebenfalls schon für | die Semstwos in einigen nördlichen Gebieten (Wjatka, Wologda), 28 die Zulassung der Pächter in der Oberklasse ist neu.
26 Svod Zakonov, Ausgabe 1892, torn 2, c. II: Polozenle o gubernskich i uezdnych zemskich ucrezdenijach: glava3, otdel 1, st. 1 5 - 5 3 , S. 1 3 6 - 1 4 0 . 27 Ebd. Prilozenie k stat'e 14, S. 1 5 0 - 1 5 7 . 28 In den Gouvernements Vjatka, Vologda, Perm und Olonec existierten seit Einführung der Zemstva im Jahre 1864 besondere Regeln für die Wahlen zum Krelszemstvo. Da hier die Zahl der privaten Landbesitzer außerordentlich klein war, wurden auch Nlcht-Landbesltzer, wie z.B. Administratoren, der höheren Zensusklasse zugeschlagen. Atkinson, Dorothy, The zemstvo and the peasantry, in: Emmons, Terence und Vuclnich, Wayne S. (Hg.), The zemstvo In Russia. An experiment In local self-government. - Cambridge: Cambridge University Press 1982, S. 119 (künftig: Emmons und Vucinich, Zemstvo in Russia).
Analyse
des
Dumawahlrechts
455
jetzt138) 29 dasselbe, gleiche, geheime, indirekte Zensuswahlrecht wie in den Städten mit selbständiger Deputiertenwahl. Aber einerseits gehören zu den „städtischen" Wählern hier neben solchen Gewerbetreibenden mit Gewerbeschein, Wohnungssteuerzahlern, Gewerbesteuerzahlern und Empfängern öffentlicher Gehalte oder Pensionen, die in diesen Städten selbst Gewerbe treiben bezw. wohnen, auch solche, die auf dem Lande in dem betreffenden Kreise Gewerbe mit Gewerbeschein treiben oder Gewerbesteuer oder Wohnungssteuer zahlen oder Gehalte und Pensionen empfangen; - die Innehabung einer „selbständigen" Wohnung genügt dagegen zum Wahlrecht nur, wenn diese innerhalb der städtischen Ansiedelungen liegt. Die von diesen „städtischen" h Wahlversammlungen gewählten Wahlmänner, deren Zahl für jedes Gouvernement besonders bestimmt ist, treten alsdann mit den von den ländlichen Wählern des betreffenden Gouvernements ernannten zur Wahl der Abgeordneten zusammen, - 2. die ländlichen Wähler jedes Kreises sind wiederum in zwei ständische Klassen geschieden: a) „Bauern" und b) private Grundbesitzer und ihnen gleichstehende Wahlberechtigte, wozu dann noch - 3. auch hier die „Arbeiter" treten. Was zunächst die Kategorie 2 a („Bauern") anlangt, so hat man sich gegenwärtig zu halten, daß der Begriff „Bauern" in Rußland formell mit denjenigen Personen zusammenfällt, welche nach den Bauernordnungen und andern speziellen Gesetzen der Zuständigkeit der speziellen bäuerlich-ständischen Institutionen, speziell der „Wolost", unterstehen und zu deren Versammlungen wählen. Welches diese Personen sind, ergibt sich also nicht aus ihrem Wohnsitz oder Beruf oder aus dem Ebenso ist die Verteilung der Wahlstimmen zwischen Grundbesitz und Bauern für die Duma eine etwas andere, den Bauern günstigere. - Auch das Prinzip der Wahl nur „aus der eigenen Mitte der Wahlberechtigten" entstammt der Semstwowahlordnung. 138 ) Das Bulyginsche Gesetz hatte für die selbständig wählenden Großstädte einen anderen, höheren, Zensus festgesetzt als für die innerhalb der Kreise wählenden Städte. 3 0
h A: „städtische"
2 9 Nach den am 6. August 1905 erlassenen Regeln über die Wahlen in der städtischen Wahlversammlung erfolgte dort die Stimmabgabe offen. Dies wurde durch das Wahlgesetz vom 11. Dezember 1905 in der von Weber dargelegten Weise geändert. 3 0 Die Wahlordnung vom 6. August 1905 sah nur für die beiden Hauptstädte, St. Petersburg und Moskau, einen höheren Zensus, 3000 statt 1500 Rubel, vor. Dieser Zensus blieb auch in dem revidierten Wahlgesetz vom 11. Dezember 1905 erhalten.
456
Übergang
zum
Scheinkonstitutionalismus
Maß oder der ökonomischen Qualität des Grundbesitzes, sondern lediglich daraus, ob der Betreffende einer Dorfgemeinde oder, falls er zu keiner Gemeinde gehört, direkt 139 ) einer Wolost „zugeschrieben" und zum Wolost-Sschod wählbar ist. Ob dies aber der Fall, ist wesentlich von der historischen Frage abhängig: ob er bezw. seine 5 Vorfahren von der Emanzipationsgesetzgebung Alexanders II. 3 1 betroffen worden oder durch spätere Gesetze (besonders die Übersiedlungsgesetze) 32 der durch diese Gesetzgebung s . Z . emanzipierten Bevölkerung rechtlich gleichgestellt worden ist, es sei denn, daß er seitdem in gültiger Weise aus dem bäuerlichen Stand ausgeschieden 10 A 258 (94) ist (was außer im Fall bestimmter Diplome 140 ) regelmäßig die Zustimmung seiner Gemeinde voraussetzt). Selbstverständlich sind also diese „Bauern" im ständischen Sinn nicht etwa identisch mit „Bauern" im ökonomischen Sinn 141 ), mögen diese auch (sofern man 139 ) Das passive Wahlrecht aber ist an die Zugehörigkeit zu einer D o r f g e m e i n d e gek n ü p f t (Art. 17 der Wahlverordnung). 3 3 Dies hat zur Folge, daß alle B a u e r n , welche einer G e m e i n d e nie zugehört haben und direkt der Wolost unterstehen, des passiven Wahlrechts entbehren. 14 °) Insbesondere hatte 1 nach d e m Statut von 1884 34 die Vollendung der Universitätskurse das Recht - also nicht die Pflicht - zur Folge, aus dem Stande der Bauern auszuscheiden. ( A b e r die Ergreifung des Studiums selbst konnte die G e m e i n d e für ihre Angehörigen A 258 (94) eventuell verhindern.) Nach der R e d a k t i o n des | „Sswod Sakonow" von 1903 Bd. V A r t . 5 der Beilage zum A r t . 586 des Status betr. die direkten S t e u e r n 3 5 hängt die Streichung aus den Steuerlisten und damit aus der „ p o d a t n o j e ssostojanie" (der steuertechnische Ausdruck für „ B a u e r n s t a n d " ) von der Vollendung der Universitätsstudien und einem A n t r a g des B e t r e f f e n d e n ab, welchem dann willfahren wird, wenn er sich dem staatlichen Dienst o d e r dem Lehr- oder kirchlichen Beruf widmet. 141 ) So waren von den Arbeitern der Emil Zindelschen k M a n u f a k t u r nach der Untersuchung Schestakows 1 3 6 nur 10,8% ohne jedes Band mit dem D o r f , 3 , 6 % hatten H ä u s e r im
i A: gab
k A: Zindlerschen
I A: Scherbakows
31 Gemeint ist die Bauernbefreiung von 1861. 3 2 Die Übersiedlungsgesetze von 1889 eröffneten die häufig genutzte Möglichkeit, das zugewiesene Land in persönlichen, vererbbaren Besitz zu überführen. Der bäuerliche Übersiedler und seine Nachkommen unterlagen dann nicht mehr den Beschränkungen seitens der Dorfgemeinde. Siehe den Artikel „pereselenie", in: Brokgauz-Efron. Enciklopediceskij Slovar', tom 23. - S.-Peterburg: Brokgauz-Efron 1898, S.270. 3 3 Art. 17 der „Ordnung über die Wahlen" vom 6. August 1905. Kallnycev, GosudarstvennajaDuma, S.42; PSZRI, 3-esobr., tom 25, Nr. 26662. 3 4 PSZRI, 3-e sobr., tom 4, Nr. 2404, Nr. V des ustav. 3 5 SvodZakonov, Ausgabe 1903, tom V, 2, prilozenie kstat'e 586, Art. 5, S. 193: ustav o prjamych nalogach. 36 Sestakov, Rabocie na manufakture.
Analyse
des Dumawahlrechts
457
die „Büdner" 3 7 und „Häusler" 3 8 unseres Sprachgebrauchs ebenfalls als „Bauern" bezeichnen will) natürlich die große Mehrheit der den Dörfern zugeschriebenen und darin stimmberechtigten Bevölkerung bilden. Unter den bis zum 17. April ihren Personalien nach bekannten 152 gewählten „Bauern" befanden sich: 7 Vorsteher und Mitglieder von Semstwo-Uprawas, 1 Semstwomitglied, 1 Gutsbesitzer, 2 Anwälte, 10 Pädagogen, 1 Volksschullehrer, 1 Seminarist, 1 Eisenbahnschüler, 1 Student, 1 Verleger, 5 Wolostschreiber, 8 Wolostvorsteher, 3 Wolostrichter, 1 Arzt, 1 Versicherungsagent, 3 Semstwobedienstete, 2 Redaktionsbedienstete, 1 Eisenbahnbediensteter, 2 Schmiede, 1 Hausindustrieller (Kustar), 1 Kutscher, 1 Müller, 2 Kleinhändler, 4 Arbeiter, 69 wirkliche „Getreidebauern", der Rest war noch unbekannt. 3 9 - „Wählerlisten" für diese bäuerlichen Wähler existieren nicht, denn die Wahl erfolgt durch die bäuerlichen ständischen Selbstverwaltungskörper. Das Wahlrecht, auf welchem diese ruhen, ist letztlich das bäuerliche Gemeindestimmrecht, und dieses ist rein gewohnheitsmäßig fixiert und steht regelmäßig allen „Hauswirten" zu. In Polen hat man, da hier die russischen Institutionen nicht bestehen, für die Wahlen der bäuerlichen Gemeinden (Gmina) die Wahl durch den Sschod (die Gemeindeversammlung) angeordnet, dabei aber eine obere Besitzgrenze gezogen: alle diejenigen, welche 10 Deßjätinen (11 ha) Land besitzen, scheiden dadurch für die Wahl aus der Gmina aus und wählen in der Klasse der Dorf, 12,3% einen Nadjel, den sie verpachteten, 61,4% einen Nadjel, den ihre Familie bewirtschaftete, 11,9% gingen zur Bestellung ihres Nadjel periodisch auf das Land. (Die Zahlen hat auch Tugan-Baranowski in die 2. Auflage seiner „Fabrik" übernommen). 4 0 Im Ganzen pflegt man für 50% der Arbeiter anzunehmen, daß sie das „Band mit dem Dorf" rechtlich verloren haben.
37 Kleiner Bauer oder Tagelöhner mit Eigenland, jedoch ohne landwirtschaftlichen Betrieb. 38 Kleinstbauer, der auch als Tagelöhner arbeitet. 3 9 Vermutlich stammen diese Angaben aus dem Artikel: Vybrannye narodnye predstaviteli v Gosudarstvennuju Dumu, In: Novoe Vremja, Nr. 10809 vom 18. April 1906, S. 1 f. 4 0 Tugan-Baranovskij, Russkaja fabrika, S.449. Die von Weber angeführten Zahlen beruhen auf Berechnungen M. Tugan-Baranovskljs auf der Grundlage der Arbeit Sestakovs. Eine deutsche Übersetzung des Buches von Tugan-Baranovskij erschien Im Jahr 1900 unter dem Titel: Tugan-Baranowsky, Michael von, Geschichte der russischen Fabrik. Sozialgeschichtliche Forschungen (Ergänzungshefte zur Zeitschrift für Social- und Wirtschaftsgeschichte, Bd. V/VI). - Berlin: E. Feller 1900. In dieser deutschen Ausgabe, die auf der Erstauflage beruht, fehlen diese Passagen.
458
Übergang
zum
Scheinkonstitutionalismus
„Grundbesitzer". 4 1 Für die europäisch-russischen Gouvernements wird dagegen das Wahlrecht nicht direkt in den einzelnen Dorfgemeinde-Versammlungen, sondern so ausgeübt, daß die zu Zwecken der bäuerlich-ständischen Selbstverwaltung (oder richtiger QuasiSelbstverwaltung) bestehenden Wolost-Versammlungen 142 ), - wel- 5 che ihrerseits aus je 1 auf je 10 Höfe gewählten und auf Verlangen der Gemeinden vor Beginn der Dumawahlen neu zu wählenden Bauerndeputierten bestehen, - je 2 Bevollmächtigte in geheimer Abstimmung wählen und diese Bevollmächtigten ihrerseits ebenso die für jedes Gouvernement besonders bestimmte Zahl von Wahlmännern 10 A 259 (95) in die Wahl|männerversammlung des betreffenden Gouvernements entsenden. Hier wählen alsdann die Wahlmänner der Bauern jedes Gouvernements bezw. Territoriums vorweg einen Abgeordneten aus ihrer Mitte und beteiligen sich dann an der gemeinsam mit den Wahlmännern der Städte und den von den anderen ländlichen Wahl- 15 berechtigten gewählten Wahlmännern vorzunehmenden Wahl der übrigen auf das Gouvernement entfallenden Abgeordneten. Das ständische Sonderwahlrecht der Bauern geht also durch einen vierfachen Filter. Charakteristisch ist dabei noch, daß im Gegensatz gegen die generelle Disqualifizierung aller mit Polizeifunktionen betrauter 20 Beamten, gerade die, bei der heutigen Kontrolle der bäuerlichen Gemeindewahlen durch die Semski je Natschalniki, fast immer von ihnen abhängigen Dorf-Starosten und Wolost-Starschinen nicht von der Wahl ausgeschlossen wurden. Tatsächlich bildet das Maß, in welchem solche Gemeindebeamten von den Bauern gewählt wur- 25 den, einen ziemlich exakten Gradmesser für den Druck „von oben", - wo immer die Bauern „frei" wählen konnten, haben sie fast ganz regelmäßig gerade diese Funktionäre nicht gewählt. - Die privaten Grundbesitzer und die m ihnen gleichgestellten ländlichen Wahlberechtigten (Kategorie 2 b) sind unter sich wieder in zwei Klassen 30 142 ) Der Wolost-Sschod ist eine so gut wie nur zur Wahl der ständisch-bäuerlichen Beamten und zu Besteuerungszwecken zusammentretende Körperschaft, die Wolost selbst heute im wesentlichen ein lebloser passiver Zweckverband. |
m Fehlt in A; die sinngemäß ergänzt.
41 Abgedruckt in: Pravo, Nr.41 vom 25. Okt. 1905, S.3416, Art. 3 und 7 des Erlasses; PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 26775.
Analyse
des
Dumawahlrechts
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geschieden. Die Zugehörigen der oberen (Zensus-) Klasse sind direkt in Person an der Wahl der Wahlmänner in den in jedem Kreise (Ujesd) 143 ) stattfindenden Wahlversammlungen der privaten Grundbesitzer beteiligt, die der unteren wählen Bevollmächtigte in diese Wählerversammlung. Der Zensusklasse (Großgrundbesitzer und Großlandwirt) gehören Eigentümer oder Nutznießer auf Lebenszeit, ferner Administratoren oder Pächter (seit mindestens einem Jahre) von ländlichem Grundbesitz, Bergwerksbesitzer zu Possessionsrecht, Eigentümer oder lebenslängliche Nutznießer von anderem Immobilienbesitz, jedoch mit Ausnahme des zu Handels- und Industriezwecken benutzten Bodens - der zur Wahl in der städtischen Wählerklasse qualifiziert - unter der Voraussetzung an, daß der Umfang des betreffenden Besitztums ein für jeden Kreis (Ujesd) besonders festgestelltes Mindestmaß" an Fläche, bei nicht landwirtschaftlichem oder bergwerklichem Besitz aber den Wert von 50000 Rubel erreicht. Das Mindestmaß der Fläche für den landwirtschaftlich genutzten Boden schwankt zwischen 100 und 800 Deßjätinen (letzteres in einem Kreise des Gouvernements Archangelsk) und beträgt im Mittel etwa 250-300 Deßj. Das Wahlrecht der zu dieser Klasse gehörenden ländlichen Zensuswähler ist also geheim, unter sich gleich und zweistufig „indirekt": sie sind persönlich an der Wahl der Wahlmänner der Grundbesitzerklasse beteiligt. Der unteren Klasse der ländlichen Wähler (Kleingrundbesitzer) gehören an: 1. alle Eigentümer oder lebenslängliche Nutznießer von Immobilien im Kreise, welche nicht den Census der Oberklasse erreichen, 2. Geistliche oder Vorsteher von Kirchen und Bethäusern (aller Konfessionen), sofern die betreffende Kirche usw. mit Land im Kreise bewidmet ist. Diese Unterklasse entsendet, wie schon gesagt, in geheimer Abstimmung zu wählende Bevollmächtigte in die Versammlung, welche die Wahlmänner der ländlichen privaten Grundbesitzer zu ernennen hat, und zwar in einer Anzahl, welche dem Gesamtumfang des nicht den Zensus der Oberklasse erreichenden privaten Immobilienbesitzes im Verhältnis zu dem Gesamtumfang dieses letzteren ent143 ) Es ist üblich, „Ujesd" mit „Kreis" zu übersetzen. Richtiger wäre, das Wort mit A 259 (95) „Bezirk" zu übertragen. D e m Umfang nach entspricht dieser „Bezirk" weit mehr unseren „Regierungsbezirken" in Preußen als den „Kreisen". |
n A: Mindermaß
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Übergang
zum
Scheinkonstitutionalismus
spricht. Das Wahlrecht dieser Kategorie ist also unter sich gleich, | A 260 (96) geheim und dreistufig indirekt, sie hat ebenso wie die Städte und die Großgrundbesitzer und im Gegensatz zu den Bauern, kein Recht auf Sonderwahl eines Deputierten aus ihrer Mitte. - Das Wahlrecht der großindustriellen Arbeiter (Katjegorie] 3) endlich, welche in 46 5 Gouvernementswahlversammlungen Wahlmänner entsenden, ist, ebenso wie das der Kleingrundbesitzer, geheim und dreistufig indirekt und ebenfalls ohne Anspruch auf gesonderte Wahl von Abgeordneten aus ihrer Mitte. 4 2 Dies Wahlrecht steht aber nicht jedem Fabrikarbeiter als solchem zu, sondern ist an die Voraussetzung, seit 10 einem Jahre als Arbeiter in einer Werkstatt (d.h. Fabrik, Bergwerk, Hüttenwerk, Eisenbahn) mit mindestens 50 Arbeitern beschäftigt zu sein, geknüpft. Dabei ist es nun - wohlgemerkt - ganz gleichgültig, wieviel wahlberechtigte Arbeiter in der betreffenden Werkstatt vorhanden sind. Wenn eine Spinnerei mit 50 weiblichen Arbeitskräften 15 daneben einen einzigen männlichen Arbeiter beschäftigt, 43 fällt seine Stimme ebenso stark ins Gewicht wie die von je 1000 Wählern aus einem Hüttenwerk, welches mehrere Tausend erwachsener Arbeiter beschäftigt, oder von 1999 Arbeitern aus einer Fabrik, die etwa gerade diese Anzahl beschäftigen würde. Denn dies wunderliche 20 Sonderwahlrecht, welches einerseits nur großindustriellen Arbeitern zustehen soll, unter diesen aber wieder die Arbeiter in den kleineren Fabriken begünstigt, wird ausgeübt durch die geheime Wahl von „Bevollmächtigten" innerhalb der einzelnen Fabrik 144 ): von 50-1000 je einer, ein weiterer je auf jedes weitere (volle!) Tausend, welche 25 alsdann die für jedes Gouvernement festgesetzte Zahl von Wahlmännern in die Gouvernementsversammlung entsenden. Ein Doppelwahlrecht hat also der Arbeiter für die Gouvernementswahlen 1. A 260 (96)
144 ) Es b e d u r f t e eines besonderen Senatsbeschlusses, um festzustellen, daß auch für die Arbeiter die Wahlqualifikation des männlichen Geschlechts und wahlmündigen Alters gilt. 4 4 I
42 Das Wahlrecht für die Arbeiter war im Wahlgesetz vom 11. Dezember 1905, Paragraph V, 1 - 2 1 geregelt. Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S.95ff.; PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 27029. 43 Das Wahlgesetz vom 11. Dezember 1905, §V, Art. 4 sah ausdrücklich vor, daß die Beschäftigten „männlichen Geschlechts" sein müßten, weibliche Arbeitskräfte wurden also nicht mitgezählt. 44 Vgl. Voprosy izbiratel'nago prava, in: Vestnik Partii Narodnoj Svobody, Nr. 1 vom 22. Febr. 1906, S. 62.
Analyse
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des
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dann, wenn er in einer Stadt wohnt und eine selbständige Wohnung hat, 2. wenn er, was in Kleinstädten und namentlich auf dem Lande immerhin hier und da vorkommen kann, städtisches oder ländliches steuerpflichtiges Grundeigentum besitzt, 3. indirekt auch dann, wenn er als Haushaltungsvorstand im Dorf wahlberechtigt zur Wolostversammlung ist. Diese Fälle sind wohl die einzigen praktisch in Betracht kommenden. Für die übrigen Wählerklassen ist - während die Wahlgesetzgebung ein „Pluralstimmrecht" einer Person in einem und demselben Wahlkreise (abgesehen von demjenigen der Arbeiter) ausdrücklich ausschließt - die Häufung von Stimmrechten in verschiedenen Wahlkreisen natürlich etwas nicht Ungewöhnliches, da jemand in den verschiedensten Kreisen Grundbesitz haben, in wiederum anderen Inhaber von Gewerbebetrieben sein, in noch anderen Wohnungssteuer zahlen und endlich in einer Stadt, die in keinem 0 von all diesen Kreisen liegt, seit Jahresfrist eine abgesonderte Wohnung innehaben oder, ohne eine solche, dort leben und Gehalt oder Pension beziehen kann. Die unteren Staffeln der Wahlen - Wahl der „Bevollmächtigten" und „Wahlmänner" - finden nach Gutbefinden der Lokalbehörden und daher an sehr verschiedenen Tagen statt, und da auch die ursprüngliche Fassung des Wahlgesetzes, wonach die Wahlen im ganzen Reich am selben Tage stattfinden sollten, (in welchem Falle nur durch die zulässige Bevollmächtigung von Söhnen eine Ausübung des mehrfachen Wahlrechts möglich gewesen wäre) wieder beseitigt worden ist: - kaiserliche Ukase beräumen jeweils für die einzelnen Gouvernements die Wahltage an so ist in thesi in allen Instanzen die Ausübung dieses mehrfachen Stimmrechts möglich. Gleichwohl fällt es ziffernmäßig keineswegs A 261 (97) ins Gewicht. Seine praktische Bedeutung liegt vielmehr fast ausschließlich auf dem Gebiet des passiven Wahlrechts, indem sie den wahlpolitischen Zweck der Beschränkung der Wählbarkeit auf Personen, die in dem betreffenden Bezirk aktives Wahlrecht besitzen, teilweise wieder aufhebt. Fürst E. Trubezkoj war z. B. an mindestens drei Orten (Kijew, Tula, Moskau) aus untereinander verschiedenen Gründen zur Wahl qualifiziert. Die Bedeutung dieser passiven mehrfachen Wahlqualifikation wird jedoch wiederum durch das Verbot, gleichzeitig in mehreren Wahlkreisen für die Duma zu kandidieren, stark geschwächt. O A: keinen
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Die Gouvernementsversammlung setzt sich also - um zu resümieren - aus Wahlmännern zusammen, welche gewählt worden sind 1. von den „städtischen" Wählern, d. h. der Bewohnerschaft der Städte und den qualifizierten Gewerbetreibenden und den Wohnungssiewerzahlern des platten Landes, 2. von den großen Landwirten (Eigen- 5 tümern, Administratoren, Pächtern, Nutznießern) und den Bergwerks-Possessions-Besitzern in gemeinsamer Sitzung mit den Bevollmächtigten der privaten Kleingrundbesitzer und der Geistlichkeit, 3. von den Bevollmächtigten der von den Bauern gewählten Wolostversammlungen, 4. von den Bevollmächtigten der Arbeiter 10 der qualifizierten industriellen Großbetriebe. Nun fällt zunächst in die Augen, daß bei dem großen Landwirt der Umfang seines Besitzes bezw. Betriebes ihm ein überaus stark bevorzugtes Wahlrecht gewährt, ja daß den kleinen Besitzern gegenüber der große Besitz sogar noch stärker ins Gewicht fällt, als der 15 Besitzverteilung entsprechen würde (da der Eigentümer und ein oder mehrere seiner Großpächter und Administratoren, letztere allerdings nur nach persönlicher Anmeldung und Nachweisung ihres Wahlrechts, wie die Klasse der „Wohnungsinhaber" in den Städten, persönliches Stimmrecht haben, die abhängigen Administratoren 20 aber de facto jedenfalls bequeme „Träger" der Stimme des Eigentümers sind145), während im schroffen Gegensatz dazu der bewegliche Besitz (außer dem ländlichen Pächterkapital p ) gar nicht privilegiert ist. Der Großindustrielle ist vielmehr, auch bei Ansässigkeit auf dem Lande, des Zensuswahlrechts beraubt und in die städtische Wähler- 25 schaft eingereiht, dort aber mit jedem, der eine „selbständige Wohnung" innehat, auf die gleiche Stufe gestellt. Des weiteren ist zwar in der oberen Zensusklasse der ländlichen Wähler die Großpächterschaft den Eigentümern gleichgestellt, in der unteren Klasse des privaten Grundbesitzes dagegen sind außer den Geistlichen, welche 30 die Kirchengüter vertreten, nur Eigentümer (und lebenslängliche
A 261 (97)
145 ) De jure wird das relative Gewicht der Klasse des Großbesitzes durch die Zulassung dieser Personen nicht vermehrt, - da dies ja von der Bodenverteilung zwischen den beiden Klassen abhängt, wohl aber wird durch die Zulassung von Pächtern und Administratoren der faktische Präsenzstand der agrarkapitalistischen Klasse bei der Wahl günstig beeinflußt und, wie gesagt, de facto, absentistischen Besitzern eine Vertretung geschaffen. |
p A: Pächterkapitel
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Nutznießer) stimmberechtigt. Die ganze ungeheure Masse der Kleinpächter ist also vom Wahlrecht ausgeschlossen. Die Gewährung des Wahlrechtes an sie würde allerdings, da die Bauern das Hauptkontingent zur Kleinpacht stellen, de facto sehr vielfach ein Doppelwahlrecht von Bauern bedeutet haben, und zwar, bei dem furchtbaren Pachtwucher und dem proletarischen Charakter des bäuerlichen Pächterstandes, sehr vielfach ein solches ihrer ökonomisch bedrücktesten Schichten: der Bauer mit seiner chronischen „Landknappheit" in der feldgemeinschaftlichen Dorfgemeinde hat ja nur die Wahl, ob er | beim Grundherrn als Arbeiter dienen oder A 262 (98) ihm das Land abpachten will. Auch das private Kleineigentum befindet sich freilich zu einem immerhin beträchtlichen Teil in den Händen von Bauern, welche Land gekauft haben, dabei aber in der Obschtschina geblieben sind: - in diesem Falle besteht also „DoppelWahlrecht", - oder welche nie einer Obschtschina angehört haben, oder aus dieser in den gesetzlich zulässigen Fällen ausgeschieden sind: diese Schichten der Bauernschaft sind umgekehrt im allgemeinen die ökonomisch kräftigsten innerhalb der unteren Schichten der Landbevölkerung, der Masse der eigentlichen Bauern oft feindlich gegenüberstehend. Ganz ausgeschlossen vom Wahlrecht sind außer den Kleinpächtern nicht nur diejenigen Landarbeiter, welche nicht zugleich „Bauern", d.h. Mitglieder einer Dorfgemeinde und als solche stimmberechtigt sind, sondern auch die unterhalb der Wohnungssteuerpflicht stehenden Inhaber „selbständiger Wohnungen" auf dem Lande. Die überhaupt wahlberechtigten Gewerbetreibenden und die wichtige und einflußreiche Schicht der ländlichen „Intelligenz" , das sog. „dritte Element", sind - soweit sie nicht irgendeinen Fetzen Land besitzen - aus den ländlichen Wählerklassen ausgeschaltet und in die städtische Wählerschaft überführt, - was wiederum nicht nur für ihr aktives, sondern auch für ihr passives Wahlrecht entscheidend ist, d.h. die Konsequenz hat, daß sie auf dem Lande nicht kandidieren können. Aber auch für das aktive Wahlrecht ist diese Bestimmung, welche das offizielle Communiqué 45 derart motivierte, daß eben die Leute „ohne Ar und Halm" 46 - wie man bei uns
4 5 Siehe oben, S. 446, Anm. 3. 46 „ Und deshalb möchte ich empfehlen, daß wir uns des berechtigten Mittels, was wir bei den Wahlen haben und in der parlamentarischen Mitwirkung an der Gesetzgebung, doch
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sagen würde - auf dem Lande auch keine „ländlichen" Interessen hätten, von großer Tragweite und höchst charakteristisch. - Das Gesetz vom 6. August hatte das Prinzip des Zensuswahlrechts für die „städtische" ebenso wie für die „ländliche" Wählerschaft aufgestellt. Infolge der Schaffung nur einer Zensusklasse der städtischen, d.h. der in Stadt und Land ansässigen nicht landwirtschaftlichen Zensuswählerschaft war der plutokratische Charakter des „städtischen" Wahlrechts als Bourgeoisiewahlrecht eher noch stärker ausgeprägt als auf dem Lande, wo für das private Grundeigentum jenes Gesetz zwei Zensusklassen geschaffen und den Minimalzensus der unteren Klasse der privaten Grundbesitzer auf Mo desjenigen der persönlich wahlberechtigten großen Besitzer festgesetzt hatte. Das Gesetz vom 11. (24.) Dezember hat nun, um dem Wortlaut des Manifestes vom 17. (30.) Oktober: Erweiterung des Wahlrechts „in der Richtung auf das allgemeine" Wahlrecht, formell Genüge zu tun, die Zahl der städtischen" Wähler weit mehr als verzehnfacht und, wenigstens für die in den Städten selbst wohnenden Wähler dieser Kategorie, das Wahlrecht dem geltenden englischen Recht 47 angenähert. Aber: diese derart verstärkte Wählermasse wählt keine größere Anzahl Wahlmänner, als nach dem Gesetz vom 6. August der kleinen Schar städtischer Zensuswähler allein zustand. Es ist also das relative Gewicht der „ländlichen" Wähler im ganzen unvermindert, und innerhalb dieser Wählerschaft ist eine „Demokratisierung" nur in Gestalt der Zulassung aller Kleineigentümer in der unteren Klasse erfolgt. Das relative Gewicht des in der Oberklasse vertretenen Großbesitzes ist zwar durch diese Erweiterung der unteren Wählerklasse, da sich die Vertretung der Wahlmänner zwischen beiden Schichten nach dem Verhältnis des beiderseitigen Grundbesitzes regeln sollte, in
mehr und etwas mutiger bewußt werden, als bisher in der Praxis erkennbar ist und daß wir der Gesetzmacherei ohne Halm und Ar den Kriegsruf entgegensetzen: Für Halm und Ar, für den ehrlichen produktiven Erwerb, für Handwerk und Industrie." Rede Bismarcks am 9. Juni 1895 an eine Abordnung des Bundes der Landwirte, in: Die politischen Reden des Fürsten Bismarck, historisch-kritische Gesamtausgabe, bearbeitet von Horst Kohl, Band 13. - Stuttgart: J, G, Cotta 1905, S. 443. 47 Aufgrund der englischen Wahlrechtsreform von 1884 besaßen 1906 alle Bürger, die Pächter oder Mieter eines Hauses mit einem Mietwert von mindestens 10 Pfund waren, das aktive und passive Wahlrecht (sogenanntes householder Wahlrecht). Dabei wurde das Wahlrecht aufgrund eines Mietkontrakts (lodge franchise) nur auf besonderen Antrag hin gewährt.
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einem gewissen (jedenfalls aber nicht sehr erheblichen) Grade eingeschränkt, was aber durch die Zulassung der Großpächter und namentlich der Administratoren in der Oberklasse, wie schon erwähnt, wieder ausgeglichen wird. Alles aber, was zur „Intelligenz" und zu den modernen „bürgerlichen" Klassen gehört, ist, gleichviel ob es in der Stadt oder auf dem Lande | sich befindet, in den allgemeinen A 263 (99) Topf des „städtischen" Wahlrechts hineingepfropft. Sicherlich sehr gegen die Neigung des Gesetzgebers ist dabei neben der verhaßten Intelligenz auch die eigentliche kommerzielle und industrielle „Bourgeoisie" unter die demokratische Walze geraten: das war die Folge des Umfangs, den das Gesetz vom 6. August dem Begriff „städtische" Wählerschaft nun einmal gegeben hatte. Dagegen ist sorgsam den Interessen des Agrarkapitalismus und daneben - in relativ freilich weit geringerem Maße - den Instinkten der untersten agrarkommunistischen Schichten der Bevölkerung 48 der dominierende Einfluß gesichert. In welcher Relation nun des weiteren zwischen den persönlich stimmberechtigten großen Landwirten einerseits, den durch Bevollmächtigten wählenden Kleingrundbesitzern andererseits in den einzelnen Gouvernements die Stimmenzahl verteilt worden ist, kann ich, da dies der Regelung durch die Vollzugsorgane überlassen war und ich nur vereinzelte zufällige Notizen darüber habe, zurzeit nicht angeben. Daß der private Kleingrundbesitz - also unter Ausschluß der Dorfbauern - dem Großgrundbesitz an Areal überlegen war, dürfte nicht allzu häufig, weit häufiger dagegen ein starkes Überwiegen des letzteren sein. Nur bei schlechter Wahlbeteiligung der Großen und pünktlichem Erscheinen der Bevollmächtigten der Kleinen würden die letzteren gegen die ersten bei den Wahlmännerwahlen des privaten Grundbesitzes zu siegen imstande sein. Immerhin sind gerade solche Fälle vorgekommen, und jedenfalls haben die „Kleinen" oft zwischen den Parteien der „Großen" den Ausschlag geben können. Die Folge der Art der Wahlformalitäten aber mußte sein, daß die nicht zur Zensusklasse gehörenden Grundbesitzer sich der
48 W e b e r spielt hier darauf an, daß die bäuerliche Bevölkerung das Recht hatte, aus ihrer Mitte direkt einen A b g e o r d n e t e n In j e d e m G o u v e r n e m e n t In die D u m a zu wählen, sowie darauf, daß es in der bäuerlichen Kurie keinen V e r m ö g e n s z e n s u s gab. Im Gegensatz zu den anderen Wahlkurien konnte daher in der Bauernkurie die S t i m m a b g a b e der großen Masse der ä r m e r e n Bevölkerung den A u s g a n g der Wahl bestimmen.
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Mühe der Wahl ihrer Bevollmächtigten zum größten Teil überhaupt nicht unterzogen. Dies ist um so mehr geschehen, als die wahlleitenden Behörden, namentlich solche konservativer Richtung, die Wahltermine zumeist nur in die amtlicherseits dazu benutzte Zeitung gerückt, nicht aber - wie dies bei dem enormen Umfang der 5 „Ujesds" (etwa gleich einem preußischen Regierungsbezirk) notwendig gewesen wäre - in allen einzelnen Ortschaften amtlich bekannt gegeben oder aber, - wie dies einige liberale Behörden getan haben - allen Berechtigten persönlich mitgeteilt haben. Das Ergebnis war, daß die Wahlbeteiligung des privaten Kleingrundbesitzes 10 meist eine geradezu lächerlich geringe war, der Regel nach unter 10%, zuweilen erheblich unter 1 pro Mille. Nur die gesamte Geistlichkeit war in dieser Kurialklasse regelmäßig pünktlich zur Stelle, ferner zeichneten sich die deutschen Kolonisten und ebenso andere „Fremdvölker" (speziell die Polen) und die freilich meist geringe 15 Zahl der grundbesitzenden Juden durch Pünktlichkeit aus. Die häufige Wahl grundbesitzender Kaufleute und anderer nicht landwirtschaftlichen Existenzen, vereinzelt auch Juden, vor allem aber massenhafter Kleriker, war das regelmäßige Ergebnis. Wo die Termine sorgfältig zur Kenntnis der Beteiligten gebracht wurden, und wo eine 20 wirkliche Agitation möglich gewesen war, gestaltete sich die Beteiligung wesentlich günstiger, und - was recht charakteristisch ist - sank gleichzeitig rapide die Zahl der zu Bevollmächtigten gewählten Geistlichen (und natürlich auch der Geschäftsleute) zugunsten der Wahl von kleinen „Landwirten" und grundbesitzenden „Intelligen- 25 ten". In welcher Weise - gemäß den (weiter oben wiedergegebenen 49 ) Grundsätzen - die Zahl der zu ernennenden Wahlmänner zwischen die drei in den Gouvernementswahlversammlungen vertretenen Wahlkörper, 1. städtische Wähler, 2. Grundbesitzer, 3. Bauern, in den einzelnen Gouvernements verteilt sind, ergeben die den 30 Wahlverordnungen beigefügten Listen. Danach haben die WahlA 264 (100) männer der „städtischen" Wähler die | absolute Mehrheit in den beiden industriellen Gouvernements Moskau (wohlgemerkt: ohne die Stadt Moskau) und Wladimir, über 40% haben sie ferner in den Gouvernements Jekaterinosslaw und Pjetrokow (Lodz). Der Groß- 35 grundbesitz und -Betrieb ist in drei polnischen Gouvernements,
4 9 Siehe oben, S . 4 4 6 f .
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besonders in Warschau (ohne die Stadt) und in Esthland sehr stark bedacht, ebenso in Bessarabien, im „West"-Rayon hat er in den Gouvernements Minsk und Poltawa die absolute Mehrheit und ist sehr stark auch im Gouvernement Wilna, in Wolhynien, Mohilew und Witebsk ausgestattet. Dies hing zwar, da die Verteilung der Wahlmänner zwischen Bauern und Grundbesitzern q nach dem Grundbesitzstande erfolgte, mit der westlichen Agrarverfassung zusammen. Die russisch-nationalistische Presse aber fand in der Begünstigung der Zensusklasse gerade in diesen Westgebieten eine Begünstigung der polnischen Rittergutsbesitzer auf Kosten der recht- oder altgläubigen russischen Bauern. (Das von der nicht demokratischen Presse vertretene Verlangen, daß den Nationalrussen überall in den Grenzländern [den Kraj's] r ein Recht auf nationale Sondervertretung gegeben werden solle, drang nur teilweise durch in Gestalt der Ausdehnung des Sonderwahlrechts des „Cholmschen Rußland" auf die in den Gouvernements Lublin und Sjedlec vorhandenen Russen. Es gelangte bei der Gestaltung des Wahlrechts für Mittelasien in der betreffenden „besonderen Kommission" - gegen die Stimme des Grafen Witte - zum Siege.) 146 ) 50 Die kleinrussischen Bauern wiesen ihrerseits auf die Unterschiede gegenüber dem
146 ) Das Wahlgesetz, welches den Militärgrenzlern 1, den Russen 1, den „Fremdvölki- A 264 (100) sehen" 1, ferner den transkaspischen, saraarkandschen und fergansschen Territorien je 2, den Syr-Darjaschen 4 (2 aus Taschkent) Mandate zusprach, gelangte erst am 16. April zur Schlußberatung („N[owoje] Wr[emja]" 10809 S. 4). 5 1
q A: Grundbesitzer
r [ ] in A.
50 Im Kreis Cholm und in den Gouvernements Lublin und Sedlec erhielt die russische Bevölkerung aufgrund des Wahlgesetzes vom 11. Dezember 1905 das Recht, einen eigenen Abgeordneten in die Duma zu entsenden, bzw. aus ihrer Mitte eigene Wahlmänner zu wählen. Das Wahlrecht für das Generalgouvernement Turkestan (Mittelasien) wurde von einer besonderen Kommission unter Vorsitz des Grafen Sol'skij ausgearbeitet. Vitte sprach sich auf dieser Konferenz gegen ein Sonderwahlrecht für den russischen Bevölkerungsteil aus. Sein Vorschlag wurde jedoch mit 12 gegen 6 Stimmen abgelehnt. Vgl. K otkrytiju Gosudarstvennoj Dumy, in: Novoe Vremja, Nr. 10809 vom 18. April 1906, S.4. 51 Ebd. Der Begriff „Militärgrenzler" bezieht sich auf die kosakischen Einheiten des Semirecensker Oblast's, denen ein Abgeordneter zugebilligt wurde.
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Stimmverhältnis in Großrußland hin147). Eine absolute Mehrheit der Bauernvertreter besteht, außer in Sibirien, in den nördlichen Gouvernements und in den östlichen und südöstlichen Kolonisationsgebieten, also in: Olonetz, Archangel, Wjatka, Wologda, Ufa, Ssamara, Kasan, Astrachan, Stawropol, in Altrußland in Woronesh, Pen- 5 sa, Kursk, Tambow. Sehr vielfach, fast regelmäßig, haben sie die relative Mehrheit (etwa 40% der Stimmen). Die Kosaken sind in den Gouvernements ihres Hauptsiedelungsgebiets (Astrachan, Orenburg, Bezirk des Donschen Heeres, ebenso in zwei Kaukasusgebieten) stets mit gesondertem Wahlrecht und dem Privileg, einen Ver- 10 treter aus ihrer Mitte vorweg in die Duma zu senden, ebenso wie die Bauern und neben ihnen bedacht. Im ganzen entfallen im europäischen Rußland (einschließlich der baltischen Provinzen, aber ausschließlich Polen und Kaukasusgebiet) in den Gouvernementswahlversammlungen auf die Bauern (mit Kosaken) rund 42, auf den 15 privaten Grundbesitz rund 31/4, auf die städtischen Wähler rund 24% der zu ernennenden Wahlmänner, ferner auf die von den Bevollmächtigten der großindustriellen Arbeiter zu wählenden etwa A 265 (101) 2lA%148).52 Nur in den Gouvernements | Moskau und Wladimir ist 147 ) Zwei Millionen kleinrussischer Bauern im Gouvernement Poltawa haben 23 Wahlmänner gegen 110 des Großgrundbesitzes, in Tambow haben 1200000 großrussische Bauern die absolute Mehrheit in der Wahlmännerversammlung. 53 Dies ist indessen Folge der Teilung der Wahlmännerzahl nach der Steuerkraft. 148 ) Der von der Gesamtzahl (236 unter rund 7000) der Arbeiterwahlmänner auf jedes Gouvernement entfallende Bruchteil war in denjenigen 19 Gouvernements, wo die betreffende Gouvernementshauptstadt selbständig Deputierte wählte, von der Verwaltungsbehörde zwischen Stadt und Gouvernement zu verteilen. Die betreffenden Zahlen sind mir nur teilweise bekannt. 5 4 |
5 2 Vgl. Losickij, A. E., Izblratel'naja sistema Gosudarstvennoj Dumy. - S.-Peterburg: O. N. Popov 1906, S. 34. Von 5990 Wahlmännern der 50 europäischen Gouvernements und des Don-Oblast' entfielen auf die Bauern 2532 (42,3%), auf die Grundbesitzer 1956 (32,7%), auf die städtischen Wahlmänner 1343 (22,5%) und auf die Arbeiter 151 (2,5%). Von der Gesamtbevölkerung entfielen auf die Grundbesitzer 4 Millionen, auf die Stadtbevölkerung 14 Millionen, auf die Bauern 78 Millionen und auf die Arbeiter 21 Millionen. Dies bedeutet, daß in der Grundbesitzerkurie auf je 2000 Einwohner ein Wahlmann kam, in der städtischen Kurie auf je 4000, In der Bauernkurie auf je 30000 und In der Arbeiterkurle auf je 90000. 5 3 Die Verteilung der Wahlmänner auf die einzelnen Kurien folgte keinen genau festzumachenden Kriterien. Die Behauptung, die auch Weber hier wiederholt, daß sie sich auf die Steuerkraft der Kurien In den Gouvernements zurückführen lasse, wurde zwar in der damaligen russischen Tagespresse geäußert, läßt sich aber nicht beweisen. Vgl. Palme, Russische Verfassung, S. 202ff. (wie oben, S. 433, Anm. 73). 5 4 Vgl. Emmons, Formation, S.288 (wie oben, S.386, Anm. 13).
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deren Zahl (17 von 109 bezw. 16 von 108)55 groß genug, um wenigstens überhaupt ins Gewicht zu fallen; doch haben in diesen Gouvernements die „städtischen" Wähler, wie wir sahen, 56 ohnedies die absolute Mehrheit. Die ziffernmäßige Proportion des Wahlrechts 5 der Arbeiter zu ihrer Anzahl, wenn man nur die wahlberechtigten Arbeiter in Werkstätten mit über 50 Personen in Betracht zieht, ist zwar trotzdem günstiger als der Anteil der Bauern, welche ja, nach Abzug der gesondert wählenden großen Städte, fast überall, auch wenn man nur die in den Dörfern stimmberechtigten „Hauswirte" in 10 Betracht zieht, die bedeutende Mehrheit der gesamten Bevölkerung bilden, aber die Arbeiter entbehren, wie gesagt, des den Bauern zustehenden Rechts, einen Deputierten aus ihrer Mitte vorweg zu wählen, während den Bauern durch dieses Recht und durch die absolute Majorität der Wahlmänner, über die sie in den oben ange15 führten 5 7 13 russischen und außerdem in allen 4 sibirischen und in 6 Kaukasus-Gouvernements verfügen, bei festem Zusammenhalt immerhin die Möglichkeit gegeben ist, auch in dem ganz undenkbaren Fall einmütigen Widerstandes aller nicht bäurischen Wahlmänner, 181 Deputierte 149 ) in die Duma zu entsenden. Bei Dissens innerhalb 20 der übrigen Wahlmänner gaben sie überall den Ausschlag. Tatsächlich ist nun ein solches „geschlossenes" Vorgehen der Bauernwahlmänner auffällig oft zu beobachten gewesen, wo immer ihre Wahl eine (wohlgemerkt: relativ!) „freie" gewesen war. Die Bauern, selbst in den „Wolostversammlungen", gingen, wo sie sich überlassen wa25 ren, - freilich nicht die Regel! - von einer ganz bestimmten Parole aus. Zu „Bevollmächtigten" wurden alsdann regelmäßig nur Leute gewählt, die 1. kein Gemeindeamt bekleideten und 2. die keinerlei Privatland in ihrem Besitz hatten und unter den Nur-„Bauern" wiederum mit Vorliebe die Ärmsten: die Bauern glaubten, daß der Zar 30 nur aus deren Munde zuverlässig über den „Landhunger" informiert werden könne. Auch die Bauernwahlmänner ihrerseits hielten, 149
) In Wahrheit waren schon am 27. April mehr „Bauern" in der Duma. S. u. 5 8 |
55 D i e Z a h l der W a h l m ä n n e r der Arbeiter war in § V,2 des Wahlgesetzes v o m 11. D e z e m ber 1905 festgelegt, die der W a h l m ä n n e r der übrigen Kurien als Beilage zu Artikel 4 der V e r o r d n u n g über die Wahlen v o m 6. A u g u s t 1905. Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 50ff. und 95f.; PSZRI, 3 - e sobr., t o m 25, Nr. 2 6 6 6 2 und Nr. 2 7 0 2 9 . 56 Siehe oben, S. 466. 57 Siehe oben, S. 468. 58 Siehe unten, S . 6 2 8 f f .
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scheint es, sehr oft fest zusammen und stimmten, wo immer ein Bauer gegen einen anderen zur Wahl stand, natürlich mit Vorliebe für ersteren, im übrigen möglichst gegen Beamte, Gutsbesitzer, Kaufleute. Es wurde so ein sehr fühlbares Element der - parteipolitisch gesprochen - Zufälligkeit in die Wahlen getragen, welches natürlich zu den verschiedensten Wahlmanövern ausgenutzt werden konnte. Den „städtischen" Wählern wären bei ähnlich geschlossenem Zusammenhalt durch die 35 großstädtischen Deputierten und durch die absolute Mehrheit in 2 Gouvernements im ganzen 48 Mandate sicher. Schon der Wahlhergang im Moskauer Gouvernement, mit seiner 2/3-Mehrheit der „städtischen" Wahlmänner (ohne die Arbeitervertreter), zeigte aber, daß von solcher inneren Geschlossenheit bei ihm gar keine Rede sein konnte. 5 9 Der gesamte Prozentanteil der „städtischen" Wahlmänner (3VA%), zusammengerechnet mit dem Sonderwahlrecht der großen Städte, übersteigt ihren Prozentanteil an der Bevölkerung, wobei immerhin zu berücksichtigen ist, daß „städtische Wähler" auch alle auf dem Lande lebenden wahlberechtigten Nichtlandwirte bezw. Nichtgrundbesitzer sind. Das Zensuswahlrecht der ländlichen Grundbesitzer und der großen Landwirte steht außerhalb jeder Proportion und Beziehung zu ihrer Anzahl, und auch die Geistlichkeit ist stark begünstigt. Äußerst verschieden ist endlich auch - trotz der Modifikation des im ursprünglichen Gesetz, mit Ausnahme der Großstädte, ausA 266 (102) schließlich, zugelassenen | Wahlverfahrens durch Ballotage nominierter Kandidaten - das Maß der Bequemlichkeit bei Ausübung des Wahlrechts. Die Urwähler aller Städte mit Sonderwahlrecht und seit dem Ukas vom 11. Dezember 6 0 - auch in anderen Bezirken mit über 500 eingetragenen Wählern, - also in der Hauptsache den städtischen und denjenigen des privaten Kleingrundbesitzes dort, wo er stark vertreten ist - haben es ziemlich bequem: sie geben ihren Stimmzettel ab, der die Namen der von ihnen zu wählenden Wahlmänner in der vorgeschriebenen Anzahl enthält, und damit ist die Sache für sie erledigt. Dagegen müssen die übrigen Wahlkörper, also
5 9 Zu den Wahlen in Moskau siehe unten, S. 631. 6 0 Durch § 10, Abs. 2 des Wahlgesetzes vom 11. Dezember 1905 wurde das Wahlverfahren in der von Weber angegebenen Weise gegenüber dem Wahlgesetz vom 6. August 1905 geändert. Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S.99; PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 27029.
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die Fabrikarbeiter, Bauern und eventuell die privaten Kleingrundbesitzer zur Wahl der „Bevollmächtigten" und ebenso die „Bevollmächtigten" der Bauern und Arbeiter je unter sich und die der Kleingrundbesitzer mit den Großwirten zur Wahl der Wahlmänner und endlich die Wahlmänner zur Wahl der Abgeordneten je zu einer „Sitzung" zusammentreten und mit Kugeln ballotieren; die Sitzung muß, wenn am ersten Tag keine absolute Mehrheit für die erforderliche Zahl der Abgeordneten bezw. Wahlmänner oder Bevollmächtigten 8 erzielt wird, am folgenden Tage, nunmehr unter Geltung des Prinzips der relativen Mehrheit, fortgesetzt werden, bis die vorgeschriebene Anzahl gewählt ist. Gemäß der bei allen russischen Wahlen eingebürgerten Sitte wird im übrigen so verfahren, daß zunächst durch Zettelabstimmung die überhaupt zur Wahl zu stellenden Kandidaten festgestellt und über jeden von diesen dann, bis zur Erreichung der vorgeschriebenen Zahl, durch Kugeln ballotiert wird. Dies Verfahren ermöglicht natürlich die allerverschiedensten Manöver. Zunächst hat die jeweilig relativ stärkste Partei stets das Interesse daran, am ersten Tage möglichst überhaupt keine Wahlen zustande kommen zu lassen, um an dem folgenden mit relativer Mehrheit zu siegen. Die Wahlen verliefen denn auch sehr häufig demgemäß. Andererseits suchten die schwächeren Parteien möglichst die von ihnen am meisten gehaßten oder gefürchteten Führer der stärksten Partei schon am ersten Tage zur Ballotage gelangen zu lassen, wo die absolute Mehrheit erforderlich war, um sie so zu Falle zu bringen (so z. B. bei den Gouvernementswahlen in Kischinew, wo es den gemäßigten Parteien gelang, durch Stimmzettelabgabe für einige führende „Kadetten" diese am ersten Tage zur Ballotage zu bringen, sie dann - mit Hilfe der gegen jeden Nichtbauern mißtrauischen Bauernwahlmänner - niederzuballotieren und mit Hilfe der so erzeugten „Stimmung" wenigstens einen ihrer Kandidaten durchzusetzen). 61 Alle Arten von „Kompromissen" wurden natürlich geschlossen und ebenso leicht gebrochen (so im Gouvernement Moskau, wo die
S A: Bevollmächtigte
61 Dieser Fall betrifft die Wahlen für die Duma im Gouvernement Bessarabien (Hauptstadt Klslnev). Vgl. dazu die Berichte In: Novoe Vremja, Nr. 10799 vom 8. April 1906, S.2 und 10801 vom 10.April 1906, S. 1. Dort wurden gewählt: 1 parteiloser Priester, 1 Oktobrist, 1 Progressist und 2 Kadetten.
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„Handels- und Industriepartei" den „Bund des 17. Oktober" bei der Wahl mit relativer Mehrheit im Stich ließ und erfolgreich mit der Rechten paktierte). 6 2 - Und diese verzwickten Prozeduren und Kabalen wiederholten sich für den gewissenhaften Wähler, der Wahlmann wurde, in den Kurien der Arbeiter und des Kleingrundbesitzes 5 dreimal (Bevollmächtigten-, Wahlmänner- und Abgeordnetenwahl). Da das Prinzip der Wahl aus der eignen Mitte (bezw. der Zahl der Teilnehmerberechtigten) galt, jedoch oft schon die Arbeiter in derselben großen Fabrik, vollends aber ihre Bevollmächtigten und ebenso die Bevollmächtigten des Kleingrundbesitzes und der Wo- 10 losts einander persönlich natürlich regelmäßig absolut unbekannt waren, - die Großgrundbesitzer waren darin besser gestellt, - so hätte nur eine allgemeine lebhafte öffentliche Agitation fest organisierter Parteien mit allgemein bekanntem Programm einen auch nur technisch sachgemäßen Ablauf dieser Wahlen gewährleisten kön- 15 nen. Allein ob diese möglich war, hing gesetzlich, wie schon erA 267 (103) wähnt, 6 3 von der absoluten Willkür | der örtlichen Polizeibehörden ab, von deren Verhalten noch zu sprechen sein wird. 64 So mußte denn von dem gesetzlich gewährten Recht 150 ), „vorbereitende" Versammlungen der zu der betreffenden Wahl Befugten, bei denen alle 20 nicht Teilnahmeberechtigten ausgeschlossen, der Vorsitz aber in den Händen des Vorsitzenden des Wahlkomitees, d.h. eines Verwaltungsbeamten, lag, Gebrauch gemacht werden, um erstmalig überhaupt zu einer Nominierung von Wahlmänner- 1 resp. Bevollmächtigten-Kandidaten zu gelangen. Nicht selten haben infolgedessen die 25 Wahlsitzungen - namentlich für die Wahl von Wahlmännern, aber auch für die Wahl von Abgeordneten - länger als zwei Tage gedauert, und es hat sich erst allmählich aus allgemeiner Ratlosigkeit und Konfusion und nachdem Dutzende von allgemein „unbekannten" A 267 (103)
15fl
) Reglement vom 18. Sept. 1905 Art. 24f. 6 5 |
t A: Wahlmanns62 Vgl. dazu den Bericht: Bor'bapartij v Moskovskom gubernskom izbiratel'nom sobranii, in: Moskovskija Vedomosti, Nr. 86 vom 31. März 1906, S. 2. 63 Siehe oben, S.390ff. 64 Siehe unten, S.479f. 65 Pravo, Nr. 38 vom 25. Sept. 1905, S. 3154-3160, Art. 24 und 25, S. 3157; PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 26721.
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Kandidaten niederballotiert waren, im Gefolge der Müdigkeit die Wahl entwickelt, von solchen Schwierigkeiten noch ganz abgesehen, wie sie entstanden, wenn z.B. - was vorkam - die Bauern einmal die zum Ballotieren verwendeten gefärbten Nüsse, ehe die Abstimmung begann, verzehrt hatten oder sich, aus Gott weiß welchen Superstitionen heraus, hartnäckig weigerten, von ihrer herkömmlichen Art der öffentlichen Abstimmung im Sschod abzugehen usw. Es liegt auf der Hand, daß schon an sich nur ein ganz ungewöhnliches Interesse oder eine eherne Parteidisziplin eine erhebliche Beteiligung an solchergestalt eingerichteten Wahlen erzwingen kann. Dazu tritt, daß zwar auf Verlangen den Wahlmännern und Bevollmächtigten der Arbeiter in bestimmter Höhe Reiseentschädigung gewährt wird, ebenso auch, aber nur laut Beschluß der Wolostversammlungen, den Delegierten dieser letzteren 66 (hier ohne Bestimmung der Höhe), daß aber weder entgangener Lohn - die Fabrikanten scheinen ihn ziemlich überall gekürzt zu haben - noch sonstige Ausgaben ersetzt wurden. Wie oft das Beispiel der Moskauer Stadtverwaltung, welche den Arbeiterbevollmächtigten Unterkunft und Unterhalt bot, Nachahmung gefunden hat, ist mir im einzelnen unbekannt geblieben, wo es geschah, waren die freundlichen Wirte meist Instanzen, welche die Wahl für die Obrigkeit zu beeinflussen suchten. Jedenfalls schaltet ein solches Wahlverfahren die Teilnahme des an sein Geschäft gebundenen „Mittelstandes" und der von ihrem Arbeitsertrag Lebenden normalerweise geradezu aus, es begünstigt in maßloser Weise die Klassen, deren Zeit niedrig im Werte steht, also Rentiers, große Besitzer und Geistliche, daneben allenfalls die schon infolge ihres Landmangels nicht vollbeschäftigten Dorfbauern, während sonst nur in striktester Parteidisziplin stehende Wähler das Opfer bringen werden. 0 Es schien notwendig, einigermaßen ausführlich bei diesem wunderlichen Produkt aus allerhand „wissenschaftlichen" Prinzipien, wahlpolitischer Verschmitztheit und Willkür einerseits und änder-
et Ende des Petitdrucks in A, siehe oben, S. 448.
66 Den Wahlmännern und Bevollmächtigten der Arbeiter stand laut Gesetz ein Betrag von fünf Kopeken pro Verst für Reisekosten zu. Diese Regelung galt auch für die bäuerlichen Wahlmänner.
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Scheinkonstitutionalismus
seits dem, von der Pragmatik der Bureaukratie aus gesehen, „zufälligen" Zwischenfall des Manifests vom 17. (30.) Oktober etwas näher zu verweilen, um an einem charakteristischen Beispiel zu zeigen, was diese Bureaukratie, von ihrem eigenen Standpunkt aus gesprochen, zu „leisten" und was sie nicht zu „leisten" vermag. Sicherlich lagen 5 der Verteilung der Macht unter die Wahlberechtigten die allersublimsten statistischen Erwägungen und wahlpolitischen Absichten zugrunde. Zweifellos hat ferner die Eintragung der Wähler in die A 268 (104) verschiedenen Listen - jede Klasse von | Wahlberechtigten in den Städten z.B. gesondert, auch nach dem Gesetz vom l l . D e z e m - 10 ber 1 - , ebenso die Erhebung der Zahl der Werkstätten mit über 50 Personen, der Zahl der wahlberechtigten Arbeiter usw. recht interessantes Material ergeben, auf dessen Publikation man aus anderweitigen, rein wissenschaftlichen Gründen gespannt sein darf. Formell sind die Wahlen im allgemeinen wohl jedenfalls korrekter ver- 15 laufen, als die Bureaukratie selbst erwartet hatte 151 ). Der gesetzliche Vorbehalt, daß schon nach Vollzug von 150 aller Wahlen die Duma solle einberufen werden dürfen, erwies sich als nicht erforderlich. 2 A 268 (104)
151 ) Die Zahl der Werkstätten, deren Arbeiter, gemäß der sozialdemokratischen Parole, die Wahl ablehnte, war allerdings nicht unbedeutend, um so mehr wenn man berücksichtigt, welches unmittelbare Risiko mit einem solchen offenen Parteibekenntnis verbunden war. An sehr vielen Orten hat aber nur ein Teil der Arbeiter „boykottiert" und ist die Wahl reaktionärer Arbeiterkandidaten die Folge gewesen. Die Vertreter der großen Werke mit ihren sogenannten „Wohlfahrtseinrichtungen" zur Knebelung der Arbeiter waren besonders oft reaktionär, so die der Putilow-Werke.3 Die strikteste Parteidisziplin hielten überall die höchstentwickelten Arbeiterschichten 3 , so namentlich die Typographen, die ganz überwiegend strikt boykottierten. Wo sie dies nicht taten, wurden regelmäßig sie, als die geistig entwickeltsten, gewählt. - Die Zahl der Boykottierungen durch Wolostversammlungen ist natürlich ganz unerheblich, da ja die abhängigen Wolostbeamten stets zur Stelle waren. |
a A: Arbeitsschichten 1 Durch das Wahlgesetz v o m 11. D e z e m b e r 1905, §§ VI und VII, w u r d e n die B e s t i m m u n g e n des G e s e t z e s v o m 6. A u g u s t 1905, Artikel 3 0 - 3 2 , über die Eintragung in die Wählerlisten bestätigt. Vgl. Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S . 4 5 und 9 8 f . ; PSZRI, 3 - e sobr., t o m 25, Nr. 2 6 6 6 2 und 2 7 0 2 9 . 2 Nach Art. XV des Wahlgesetzes v o m 11. D e z e m b e r 1905 konnte die erste Sitzung der D u m a nach d e n Wahlen der A b g e o r d n e t e n in der Hälfte aller G o u v e r n e m e n t s und des D o n - O b l a s t ' s eröffnet werden. Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 102; PSZRI, 3 - e sobr., t o m 25, Nr. 2 7 0 2 9 . 3 Siehe dazu z. B. den Artikel: Sredi trudjascichsja, in: Ree', Nr. 15 v o m 9. März 1906, S.4.
Analyse
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Dumawahlrechts
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Nur in einem Fall (Dagestan) kam es vor, daß die Wahlmänner einstimmig (!) die Wahl eines Deputierten ablehnten, 4 und die Zahl der Kassationen von Wahlen war keine übergroße. Aber gibt es anderseits unter den Umständen, in denen sich die Regierung be5 fand, etwas politisch Monströseres, als folgende Zeitspannen: 1. die Frist vom Reskript des b18. Februarb 1905c, welches die Berufung von Volksvertretern in Aussicht stellte, bis zur Publikation des ersten entsprechenden Gesetzes (6. August) und dann den ihm entsprechenden Wahlreglements vom 15. September,5 eine Frist, welche von 10 jenen schätzenswerten statistischen und sonstigen „Erwägungen" erfüllt wurde, so daß es zur Ausschreibung der Wahlen auf Grund dieses Gesetzes gar nicht erst kam, - 2. die Frist vom Erlaß des Manifestes vom 17. Oktober bis zu der ihm entsprechenden Änderung des Wahlgesetzes durch den Ukas vom 11. Dezember und der 15 neuen Ministerialinstruktion vom 17. Dezember, 6 welche wiederum mit „Erwägungen" und Konferenzen angefüllt war, - 3. die Frist vom Manifest des 17. Oktober oder selbst vom Ukas des 11. Dezember bis zur Ausschreibung und zum effektiven Beginn der Wahlen, Ende Februar 1906, welche mit der „Ergänzung" der Wahllisten hinging. 4. 20 Endlich die Frist von der Ausschreibung und effektivem Beginn der Wahlen bis zu deren Beendigung, die bei Eröffnung der Duma (27. April) in großen Gebieten noch nicht erfolgt war, eine dreimonatige Frist also, innerhalb | deren täglich zahllose einzelne Wahlnachrichten aus den verschiedensten Bezirken des Reiches eintra25 fen, die Wahlkomitees in Atem gehalten waren, Beratungen, Hinund Herreisen der Kandidaten, Wahlreden, Verleumdung, Hetzerei, Polizeirepression und Wahlschnüffelei das Reich verpesteten und die Bevölkerung in steter Erregung, Spannung und schließlich wütender Ungeduld erhielten und die politische Lage des Reiches in 30 Dunkelheit gehüllt blieb? Immer wieder glaubte die Regierung,
b DV; A: 19. Februar
c A: 1901
4 Über die Wahl in Dagestan konnte nur ein Bericht der Ree', Nr. 91 vom 4. Juni 1906, S. 5, ermittelt werden. Dort heißt es, daß „die Wahl in Dagestan wegen Fehlens geeigneter Kandidaten nicht zustandekam". 5 Gemeint Ist das Wahlreglement vom 18. September 1905. Siehe oben, S.448, Anm. 6. 6 Der Erlaß vom 17. Dezember 1905 setzte den Termin für die Einschreibung in die Wählerlisten auf drei Wochen fest. Vgl. oben, S. 448.
A 269(105)
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Scheinkonstitutionalismus
durch Hinhalten der verschiedenen Schritte „billiger" fortzukommen, und immer wieder verlief die Sache ähnlich wie bei den „sibyllinischen Büchern", 7 wie man ihr mit Recht geweissagt hatte. 8 Wäre im Herbst 1904, vor dem Fall Port Arthurs, 9 oder wenigstens statt des dem Zaren offensichtlich abgerungenen und ganz unbestimmt gehaltenen „Reskripts" vom 18. Februar 1905 eine „Konstitution" mit Zensus- oder Klassenwahlrecht oktroyiert und alsbald durch Wahlausschreiben und Einberufung der Volksvertretung in Kraft gesetzt worden, so war eine zu weitgehendstem Entgegenkommen bereite „dankbare" bürgerliche Duma höchst wahrscheinlich. Dynastische Eitelkeit und die Interessen der Bureaukratie ließen den Zeitpunkt verpassen. Hätten nun wenigstens für die Zensusduma des Bulyginschen Entwurfs die Wahlen alsbald Anfang August ausgeschrieben und der Zeitpunkt des Zusammentritts bekannt gegeben werden können, dann war die Möglichkeit immerhin nicht ausgeschlossen, daß man ein Parlament bekommen hätte, mit dem Witte bei seinem damaligen Nimbus hätte regieren können. So aber kam der Oktoberausstand dazwischen, und nun lagen nach dem Manifest vom 17. Oktober - einer reinen und offenkundigen schmählichen persönlichen Niederlage des Zaren - alle Chancen auf Seite der Demokratie. Vom egowaschen Standpunkt der Bureaukratie aus war „Abwarten" nunmehr das „taktisch Richtige", wenn man eben den Scheinkonstitutionalismus und nicht eine „ehrlich" konstitutionelle Politk wollte. Als nun aber die Dezembervorgänge und die Bauernunruhen ihre Wirkung getan hatten, wäre der Moment gegeben gewesen. Wäre man damals, Ende Dezember, im Besitz eines Wahlgesetzes und der Wählerlisten und also in der Lage gewesen, jetzt alsbald, und natürlich auf Grund einer politischen Verständigung mit den führenden Kreisen des „Besitzes", Wahlen abzuhalten,
7 A n s p i e l u n g auf die L e g e n d e v o m Verkauf der sibyllinischen B ü c h e r , einer S a m m l u n g v o n W e i s s a g u n g e n und Kultvorschriften, durch die S e h e r i n S i b y l l e von C u m a e an d e n letzten r ö m i s c h e n König, Tarqulnius S u p e r b u s . D i e s e r weigerte sich anfänglich, die n e u n ihm a n g e b o t e n e n B ü c h e r z u d e m geforderten Preis z u e r w e r b e n . Die S e h e r i n verbrannte daraufhin z w e i m a l je drei der B ü c h e r , bis der K ö n i g die v e r b l i e b e n e n drei B ü c h e r für d e n s e l b e n Preis, der für die ursprünglich n e u n B ü c h e r verlangt w o r d e n war, kaufte. 8 Die P r e s s e b e r i c h t e , auf die W e b e r hier offensichtlich anspielt, konnten nicht ermittelt werden. 9 Die r u s s i s c h e F e s t u n g Port Arthur kapitulierte a m 20. D e z e m b e r 1 9 0 4 (2. J a n u a r 1905).
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dann ist mit einem sehr hohen Grade von Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß das Ergebnis sehr wesentlich „günstiger" ausgefallen wäre als zwei Monate später. Aber nun schwankte man, wie wir sahen, 10 wieder, ob denn dieser „Kelch" nicht doch vielleicht ganz vorübergehen könne, und dann kam die Technik der Wahlen dazu, um abermals eine Frist von mehreren Monaten bis zum Vollzug der wichtigsten Wahlen zu schaffen. Dieser lange Zwischenraum kontrekarrierte alles, was man mit dem Gesetz zu erzielen gehofft hatte. Wenn der Gesetzgeber etwa geglaubt hatte, die Hitze der Wahl-| agitation oder die exklusive Bedeutung des Parteiwesens herabzusetzen, so wurde er trotz des törichten Boykottes der äußersten Linken 11 gründlich enttäuscht. Nicht nur war gerade bei diesem Wahlverfahren, wie gezeigt, 12 die Prämie auf die Parteidisziplin sehr hoch, sondern überdies mußte gerade die mit der Verzwicktheit des Systems zusammenhängende lange Dauer der Wahlkampagne die Agitation, wo sie nicht überhaupt einfach gänzlich unterdrückt werden konnte - und das zeigte sich schwieriger als man geglaubt hatte - , schließlich bis zur Siedehitze ansteigen lassen. Tatsächlich ist dies das Eigenartige an der gegenwärtigen russischen Entwicklung, daß alle Erscheinungen der westeuropäischen ökonomischen und staatlichen „Zivilisation" plötzlich und ganz unvermittelt in das - mit Ausnahme der obersten Schicht - noch immer archaistische Milieu dieser Gesellschaft hineintreten. Die Abschwächung der Fesseln des Vereinswesens hat nicht nur die ungeheuere Flut der „professionellen" Verbände entfesselt, sondern es entstanden auch alsbald auf russischem Boden Pendants solcher Blüten unserer deutschen Kultur, wie ein „Bund der Landwirte", 13 ein „Zentralverband der Indu-
lt) Siehe oben, S.305f. 11 Von unbedeutenden Ausnahmen abgesehen boykottierten alle sozialistischen Parteien und Verbände die Wahl zur Ersten Duma. 12 Siehe oben, S.469ff. 13 Anspielung auf den 1893 gegründeten Bund der Landwirte, die Interessenorganisation der Landwirtschaft unter großagrarischer Führung, die die Interessen der Landwirtschaft mit neuartigen aggressiven Agitationstechniken verfocht. Vgl. Puhle, Hans-Jürgen, Agrarische Interessenpolitik und preußischer Konservatismus im wilhelminischen Reich (1893-1914), 2. Aufl. - Bonn-Bad Godesberg: Neue Gesellschaft 1975. Über die russische Organisation vgl. unten, S. 574.
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Scheinkonstitutionalismus
striellen",14 diverse „Schutzverbände" gegen den roten Schrecken, 15 es entstand sogar ein „Verein der nationalliberalen Jugend"16 (wenn man den „Bund des 17. Oktober" mit den deutschen „Nationalliberalen" gleichsetzen will) mit schönem Klubhaus in Petersburg, besondere „Frauenbünde" (namentlich bei den Reaktionären beliebt, 5 so der Frauen-Rechtsordnungsbund17 in Petersburg152). Alle Parteien veranstalteten zur Reklame angeblich „lediglich" wissenschaftlich „belehrende" Vortragsabende aller denkbaren Art, sie setzten Enqueten durch Fragebogen ins Werk: so die „konstitutionellen Demokraten" über Landmangel der Bauern und Agrarfrage, 18 sie gründe- 10 ten Bauernbünde: so den Bauernbund des 17. Oktober, 19 den Bund des Volksfriedens (ein Produkt Durnowos), 20 interessierten sich für alle Arten von Genossenschaften, gründeten - wenn auch nicht A 2 7 0 (106)
152
) Auch die „monarchistische Partei" des Redakteurs Carl Amalie (Wladimir Andrejewitsch) Gringmut („Mosk[auer] Zeitung") nahm jeden ohne Unterschied des Geschlechts als Mitglied auf, mit alleiniger Ausnahme nur der Juden („Now[oje] Wr[emja]" 22./1. S . 2 S p . I). 2 1 | 14 Der Zentralverband Deutscher Industrieller (1876-1919) wurde als Dachorganisation von Unternehmerverbänden vor allem aus der Eisen- und Textilindustrie gegründet. Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert hatte die rheinisch-westfälische Schwerindustrie entscheidendes Gewicht im Verband. Über die russische Organisation vgl. unten, S. 557f. 15 Anspielung auf den Reichsverband gegen die Sozialdemokratie (1904-1918). Über die russischen Organisationen konnte nichts ermittelt werden. 16 Anspielung auf den 1901 gegründeten Reichsverband der nationalliberalen Jugend, ein Zusammenschluß von über 70 jungliberalen Vereinen, der im Jahre 1905 ca. 10000 bis 12000 Mitglieder hatte und in den Führungsorganen der nationalliberalen Partei mit eigenen Repräsentanten vertreten war. Er stand auf dem linken Flügel der Partei und bemühte sich um eine Erneuerung der liberalen Bewegung. Vgl. Nipperdey, Thomas, Die Organisation der deutschen Parteien vor 1918. - Düsseldorf: Droste 1961, S. 96f. Über die russische Organisation konnte nichts ermittelt werden. 17 Über diesen und andere Frauenbünde konnte nichts ermittelt werden. Ende 1905/ Anfang 1906 entstanden jedoch z.B. die Zenskaja progresslvnaja partija und der Sojuz ravnopravnosti zenscin, die eher der konstitutionell-demokratischen Partei oder der Sozialdemokratie nahestanden. 18 Auf Vorschlag der Agrarkommlssion der Konstitutioneilen-Demokraten sollte eine Befragung der Bauern durchgeführt werden. Der Fragebogen ist abgedruckt In: Vestnik Partii Narodnoj Svobody, Nr. 6 vom 11 .April 1906, S.374f. Die Befragung ist jedoch nicht durchgeführt worden. 19 Ende Januar 1906 entstand die „ Partija krest'jan, ob-edinennych na pocve manifesta 17-go oktjabrja". Siehe dazu: Russkija Vedomosti, Nr. 26 vom 27. Jan. 1906, S. 3. 20 Gemeint ist der von der Regierung initiierte Bauernbund „Narodnyj Mir". Über die Gründung und die Organisation des „Narodnyj Mir" siehe den Artikel: Velikij vserossljskij sojuz „Narodnyj Mir", in: Strana, Nr. 14 vom 7. März 1906, S. 5. 21 Weber bezieht sich auf: Moskovskaja Chronika, in: Novoe Vremja, Nr. 10725 vom 22. Jan. 1906, S.2, Sp.3.
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Dumawahlrechts
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parteioffiziell, so doch parteioffiziös - massenhafte Freitische, die, wenn ihre Gründung „von links" ausging, stets wieder dem Verbot der Regierung verfielen (und dann erst recht und kostenlos der Reklame dienten), befaßten sich mit der Gründung, Beratung, Beeinflussung von Gewerkvereinen, gründeten „neutrale" Arbeiterzeitungen , und sie brachten es - last not least - sogar fertig, Interesse für die Kirche und die in ihr sich vollziehende Bewegung zu heucheln. Die Anzahl der, in stetem Kampf mit den ganz ebenso massenhaften Verboten, vollzogenen Zeitungsgründungen in den Haupt- und Provinzialstädten zu ermitteln und von ihren Schicksalen | berichten zu A 271 (107) wollen, wäre einfach sinnlos: die davon handelnde, oft sehr stattliche Rubrik „Presse" fehlt seit Oktober in keiner Nummer z.B. des „Nowoje Wremja". Das Hin- und Herreisen der verschiedenen „leader" und zumal der akademisch-wissenschaftlichen Autoritäten der Parteien - die durch die Studentenunruhen erzwungenen, nun schon anderthalbjährigen Ferien gaben ihnen dazu ja die schönste Zeit grenzt nahezu an das Eichhörnchenhafte, wenn man es einmal einige Zeit in der Presse verfolgt und erwägt, daß es neben verschiedenen Arten von „University extension" 22 herlief. Die Wahlversammlungen der Demokraten wurden in der Stadt Petersburg - von Gegnern - auf 200 geschätzt153). Ungleich größer als die Zahl der abgehaltenen ist aber, wenigstens für die Linke, die Zahl der infolge des ganz dem Ermessen der lokalen Behörde (Gouverneur) anheim gegebenen Verbotes - welches übrigens gelegentlich auch Versammlungen der Mittelparteien traf - wieder abgesagten Versammlungen, Vortragsabende und Zyklen. 23 Und diese letzteren waren für die Parteiagitation nicht etwa wertloser als die ersteren, - im Gegenteil. Für die Massen in den Städten und ebenso für die Bauern stand es ja 153 ) Daß Mitte Februar eine Zuschrift eines Begeisterten an die Presse ausführte, A 2 7 1 (107) Rußland habe nunmehr, da es „schon" 16 Parteien besitze, „Deutschlands politische Entwicklung überflügelt", wird auf Deutsche vielleicht nicht ganz überzeugend wirken. 2 4 |
22 Der A u s d r u c k bezeichnet Lehr- und Ausbildungsveranstaltungen an amerikanischen Universitäten, die sich an ein breiteres Publikum w e n d e n . 23 Nach d e m Gesetz v o m 4. März 1906 über V e r s a m m l u n g e n oblag es d e m G o u v e r n e u r , V e r s a m m l u n g e n zu g e n e h m i g e n oder zu verbieten. Vgl. die Artikel 2 , 1 0 und 11 des betr. Gesetzes, in: Pravo, Nr. 10 v o m 12. März 1906, S. 8 9 6 - 8 9 9 ; PSZRI, 3 - e sobr., t o m 26, Nr. 2 7 4 7 9 . 24 Diese Zuschrift konnte nicht nachgewiesen werden.
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Übergang zum
Scheinkonstitutionalismus
wen sollte das eigentlich wundern? - völlig fest, daß, was die Bureaukratie verbietet, notwendig etwas Vortreffliches sein müsse, das sie „dem Volke" nicht gönnt. Die Behörde übte auf diese Art im Effekt nur eine Art Sanitätspolizei für die Nerven der Agitatoren aus d , besonders unserer russischen Kollegen, deren Leistungsfähigkeit 5 ohnehin die Begriffe eines an eine gewisse Gemächlichkeit gewöhnten deutschen Professors weit hinter sich läßt: neben der rednerischen „Kraftentfaltung" geht die publizistische her, und es ist wiederum unglaublich, welche Flut von jeweils auf den umfassendsten, wenn auch stets einander unvereinbarlich widersprechenden, stati- 10 stischen Rechnungen beruhenden Artikeln, namentlich über agrarpolitische Fragen, nicht nur zwischen den verschiedenen Parteirichtungen, sondern auch in unausgesetzter Kanonade innerhalb ein und derselben Zeitung zwischen Parteigenossen aus den Universitätskreisen gewechselt worden sind. Ein Versammlungsverbot war für 15 den halbtoten Redner dann eine Wohltat, und überdies verschaffte er der betreffenden Partei die denkbar wirksamste Reklame, sicher oft eine weit bessere, als der Vortrag selbst es hätte tun können, und dabei kostenlos. Und das bedeutet bei diesem Wahlsystem auch etwas. Denn auch die Kosten der Wahlkampagne sind relativ ganz 20 unverhältnismäßig. Schon die Ausgaben der Regierung müssen sehr bedeutende sein. Im Gegensatz zu Frankreich und England und im A 272 (108) Einklang mit Deutschland hat man - hier das | erste Mal natürlich notgedrungen, aber nach dem Gesetz auch für die Zukunft - das System der Schaffung von Wählerlisten ad hoc, für die einzelne 25 Wahl, adoptiert. Ein Teil der Arbeit, für die Masse der Wähler, ist scheinbar auf diese selbst abgewälzt, da die Eintragung, wie erwähnt, 2 5 von ihrer Meldung abhängt: aber dafür muß die Berechtigung dieser sich Meldenden nun in concreto geprüft werden, statt daß man eine brauchbare Liste durch periodische Fortschreibung auf 30 Grund der polizeilichen An- und Abmeldungen präparieren 154 ) und A 272 (108)
154
) Die Moskauer Stadt-Duma hat - aber durchaus aus eigenem freien Willen - die stetige Fortschreibung 8 der Wählerlisten eingerichtet. 26 d Fehlt in A; aus sinngemäß ergänzt.
e A: Fortschreitung
2 5 Siehe oben, S . 4 5 2 f . 2 6 Siehe dazu den Bericht in: Russkoe Gosudarstvo, Nr. 1 vom I.Febr. 1906, S . 2 : Posiednija izvestija.
Analyse des
Dumawahlrechts
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dann nur die Berichtigung im Falle der Wahl den Wählern resp. - wie in Ländern mit entwickeltem Parteiwesen - den Parteifunktionären überlassen kann. Die Arbeit drängt sich, zumal zufolge der Kürze der Beschwerdefristen, enorm zusammen, und da, wie erwähnt, 2 7 für jede Wählerkategorie je eine Liste geführt, ferner bei Zugehörigkeit eines Wählers zu mehreren Kategorien innerhalb desselben Wahlkreises (mit Ausschluß des Sonderwahlrechtes der Arbeiter) die Pluralität der Eintragung beseitigt, sodann aber nicht nur die ca. 7000 Wahlmänner, sondern die um ein Vielfaches größere Zahl der „Bevollmächtigten" der Bauern, privaten Kleingrundbesitzern und Arbeiter, und zu dem letzteren Behuf die Arbeiterzahlen der Werkstätten jedesmal registriert und verifiziert werden müssen, so ist, trotz der Ersparnis aller Wählerlisten für die Bauern, die Arbeit recht beträchtlich und kostspielig. Welche bedeutenden Kosten bei einer so komplizierten Wahltechnik für die Parteien entstehen müssen 155 ), liegt auf der Hand. Es ist ja unter anderem auch der Wunsch, die Wahlkampagne zu vereinfachen und mit geringeren Kosten geistigen sowohl wie materiellen - zu bestreiten, was die Presse und die bestorganisierten Parteien - Sozialisten und Klerikale - des Westens auf den Ersatz der indirekten durch die direkte Wahl drängen läßt. Das Interesse der Massen an der Wahl und damit die Stoßkraft der „Demagogie" ist bei der letzteren Form der Wahl mit weit geringerem Aufwand von Mitteln zu erhöhen als bei der ersteren, und die badischen Wahlen z.B. haben gezeigt, 28 daß die direkte Wahl deshalb - ceteris paribus! (was freilich hier nicht unbedingt, aber doch in relativ starkem Maße zutraf) - anders, in diesem Falle 155 ) Die technisch hoch entwickelten Parteien haben natürlich feste Parteibeiträge, die bei den konstitutionellen Demokraten nach Prozentsätzen (25%) der von den Mitgliedern gezahlten Wohnungssteuer bemessen wurden. 2 9 |
27 Siehe oben, S . 4 5 2 f . 28 G e m e i n t sind die Wahlen v o m 19. und 28. Oktober 1905, die erstmals gemäß der neuen W a h l o r d n u n g v o m 24. A u g u s t 1904 stattfanden, in der die unmittelbare Wahl der A b g e o r d n e t e n eingeführt w o r d e n war. In diesen Wahlen w u r d e das Z e n t r u m , das sich in g e w i s s e m Sinne als Partei der breiten Schicht der kleinen Leute verstand, zur stärksten Fraktion und ging mit den Konservativen eine Koalition ein. Huber, Verfassungsgeschichte IV, S. 416f. 29 Punkt 5 des Statuts der Konstitutioneilen-Demokraten bestimmte, daß die Mitglieder periodisch v o m Parteitag festgelegte Beiträge zu leisten hatten. Über die H ö h e dieser Beiträge konnte nichts ermittelt werden. Sbornik programm, Vyp. I, S . 5 6 (wie oben, S. 337, A n m . 66).
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mehr zugunsten der reaktionären Demagogie^] auszufallen die Tendenz hat f als bei der indirekten Wahl. Allein dies setzt voraus, daß die Wählerschaft sich in ihren Beziehungen zum Staatsleben sozusagen im „Alltagszustand" befindet, d.h. konkrete Einzelfragen, nicht aber die sozialen und politischen Grundlagen des Staatswesens zur | A 273 (109) Diskussion stehen. Unter Verhältnissen wie den russischen ist daran auf eine Generation hinaus nicht zu denken, - das heutige bureaukratische Regime müßte erst abgedankt haben, und eine vor der barbarischen Willkür der Polizei wirklich gesicherte, in dieser Hinsicht „satte" Schicht entstanden sein, ehe in dieser Hinsicht die westeuropäische bürgerliche Wählerpsyche entstehen könnte. Von welchem Effekt die Technik der Wahl speziell für die Bauern war, ist schwer zu sagen. Wie sie bei direkter Wahl, mit ländlichen Wahlbezirken, etwa von der Mindestgröße eines durchschnittlichen preußischen Regierungsbezirkes, welche dann unvermeidlich geworden wären, sich subjektiv zu den Wahlen verhalten hätten, ist äußerst problematisch. Ihr Standpunkt war sehr regelmäßig der, daß prinzipiell aus jedem Dorf ein Deputierter nach Petersburg müsse, um etwas Sachdienliches durchzusetzen; es gelangten Bittschriften an das Ministerium, in denen die Bauern sich bereit erklärten, für die 10 Rubel täglicher Diäten, die dem Deputierten zustehen sollten, ein ganzes Dutzend statt eines einzelnen zu schicken, da der Betrag dazu vollkommen hinreiche und es auch unbillig sei, einen 9 einzelnen so viel „verdienen" zu lassen 156 ). Bei einem etwa nach dem Muster des deutschen Reichstagswahlrechtes 30 eingerichteten Wahlverfahren wäre die A 273 (109)
156 ) D a jener Bitte nicht entsprochen werden konnte, nahmen viele Bauernversammlungen in ihre cahiers die Verpflichtung der Deputierten auf, ihnen 8 oder selbst 9 Rubel von den Diäten heimzusenden. 3 1 |
f A: haben
g A: einem
30 Das Wahlrecht zum Deutschen Reichstag, gültig von 1871 bis 1918, war allgemein (alle männlichen Reichsangehörigen ab dem 25. Lebensjahr), gleich, direkt und geheim. Es war ein absolutes Mehrheitswahlrecht in Elnerwahlkrelsen (anfangs 382, ab 1873 397 Wahlkreise). Erreichte im ersten Wahlgang keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit, so fand ein zweiter Wahlgang als Stichwahl zwischen den beiden Kandidaten, die die höchste Stimmenzahl erreicht hatten, statt. 31 Seit dem Manifest vom 18. Februar 1905, das kollektive Petitionen erlaubte, legten die Bauern auf den Dorfversammlungen (schody) ihre Forderungen zur Verbesserung der ökonomischen und politischen Lage in sogenannten Prigovory und Nakazy nieder. In der
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Dumawahlrechts
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Haltung der Bauern schwer zu berechnen gewesen, so rapide, auch nach der Ansicht sehr nüchterner Berichterstatter, ihr immerhin noch sehr primitives „politisches Denken", d.h. ihre Anpassung an den ganzen Gedankenkreis, den die Idee der modernen sogenannten „Volksvertretung" voraussetzt, sich in vielen Gegenden vollzogen hat. Irgendeiner „Parole" eines ihnen Unbekannten würden sie haben folgen müssen, und es steht nicht fest, ob dann nicht die Reaktionären ihre Stimmen erschlichen hätten. Ein nicht aus reinen Bauernwahlen hervorgegangener Deputierter aber würde den Bauern jedenfalls stets verdächtig, der Rückhalt einer nach Parteiparolen und Anweisungen von Parteikomitees gewählten Duma bei ihnen sicherlich weit schwächer sein als derjenige der jetzigen. Man darf demgegenüber freilich eins nicht übersehen: die Zahl der aus der Mitte der Bauern selbst hervorgegangenen, zu ihrem Stand gehörigen und nunmehr im ganzen Lande bekannt gewordenen „Intelligenten" ist nicht gering, und der Verlauf der Wahlen zeigte, daß die Bauern gerade sie sehr gern zu wählen bereit waren. - Die indirekte Wahl „aus der eigenen Mitte" stellte den Wahlhergang allerdings stärker unter die Kontrolle der örtlichen Polizei. Allein dies wirkte unter den russischen Verhältnissen schon an sich und vollends gerade angesichts jener demagogischen Parole des Gesetzes: „nur | wirkliche Bauern in die Duma!" 32 unvermeidlich in der Richtung einer Stärkung des antibureaukratischen Empfindens der Bauernmasse. Die Bauern hätten ja auch ohne alle Kontrolle der Regierung zweifellos möglichst jener Parole entsprechend gewählt. Aber durch den Formalismus, mit dem die Regierung künstlich die Intelligenz, namentlich das gefürchtete „dritte Element", 33 von der Wählbarkeit durch
Zeit der Ersten D u m a w u r d e n sie direkt d e m Zaren, der Duma, den Parteien oder einzelnen A b g e o r d n e t e n übersandt. Die B e z e i c h n u n g „ c a h i e r s " spielt an auf die „cahiers de d o l é a n c e s " , die Bittschriften des dritten Standes auf den U r w ä h l e r v e r s a m m l u n g e n in der französischen Revolution. A u s den in der zeitgenössischen Presse veröffentlichten Prigovory konnte die von W e b e r angeführte Forderung nicht n a c h g e w i e s e n werden. 32 Die Wahlgesetze v o m 6. August, 18. S e p t e m b e r und 11. D e z e m b e r 1905 waren so angelegt, daß sie die Wahl von Vertretern der s o g e n a n n t e n bäuerlichen Intelligenz zu verhindern suchten. 33 Als „drittes E l e m e n t " w u r d e n die besoldeten Z e m s t v o - A n g e s t e l l t e n bezeichnet, unter d e n e n sich viele Akademiker, z. B. Ärzte, Statistiker etc. befanden. Der Begriff stammt von d e m V i z e - G o u v e r n e u r von Samara, Kondoidi, der die Z e m s t v o - A n g e s t e l l t e n „ e i n neues, drittes Element im Leben des Z e m s t v o " nannte. E m m o n s und Vucinich, Z e m s t v o in Russia, S. 218 (wie oben, S. 454, A n m . 28).
A 274(110)
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die Bauern auszuschließen suchte, und durch ihr Filtriersystem konnte sie zwar den Durchschnitt des geistigen Niveaus der Deputierten herabdrücken, aber die Wahlkandidaturen gerade der ihr gefährlichsten Klasse, der „Bauernintelligenz", nicht treffen, sondern deren Stellung nur festigen. Soweit sie sich nicht durch den törichten Boykottbeschluß selbst von der Teilnahme an den Wahlen ausschlössen, konnte gegen sie - nach den Vorstellungen der Polizeibureaukratie - nur Gewalt helfen, und diese wieder wirkte, wo immer sie angewendet wurde, als Reklame. Verhaftete Bauernbevollmächtigte haben aus der Haft heraus der Polizei telegraphisch für die Arbeit gedankt, die sie für ihre Wahl geleistet habe, - und sie hatten, wie sich herausstellte, allen Grund dazu. Die Anwendung polizeilicher Gewalt verletzt das Gerechtigkeitsempfinden des russischen Bauern überall und immer, obwohl und, zum Teil, weil er gewohnt und geneigt ist, sich ihr äußerlich zu fügen, in wahrscheinlich weit stärkerem Maße als in anderen Ländern; denn er sieht eben darum in ihr schlechterdings nichts „Sittliches", nichts als die rein „zufällige" brutale, sinnlose Faktizität der Macht, die in den Händen von Leuten liegt, die seine geschworenen Feinde sind. Man h konnte sich nur das eine fragen, ob jenes trotzig-verschwiegene Gerechtigkeitsgefühl oder die Furcht vor der Polizei bei der Wahl das stärkere Motiv abgeben würden. Die Regierung setzte das letztere voraus, und man wird ihr zugestehen müssen, daß sie wenigstens in dieser Hinsicht „das Ihre" getan hat. Eine Verfügung des Ministers des Innern an die „Semskije Natschalniki" anläßlich der Wahlen, abgedruckt zuerst im „Rjetsch", dann im „Prawo" (Nr. 9), 34 von der demokratischen Presse anfangs für apokryph gehalten, aber in ihrer Authentizität nicht anfechtbar, verfügt u. a. (Nr. 6), daß in den Wahllokalen „die Namen von Leuten, welche ihrer Unerwünschtheit halber (!) nicht kandidieren können, ausgehängt werden sollen und, falls die Wahlberechtigten solche dennoch zu wählen wünschen soll-
h A: Es
3 4 Pravda-Ii, in: Ree', Nr. 1 v o m 23. Febr. 1906, S . 5 . Instrukcija z e m s k i m nacal'nlkam, razoslannaja ministerstvom v n u t r e n n y c h del, in: Pravo, Nr. 9 v o m 5. März 1906, S . 7 9 2 f . Die nachfolgenden B e z i f f e r u n g e n beziehen sich auf die Instruktionen des Innenministers an die z e m s k i e nacal'niki.
Analyse des Dumawahlrechts
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ten, ihnen zu sagen ist, daß solche Wahlen, als unrichtig (!) verlaufen, unzulässig seien und angefochten werden". Ferner (Nr. 7) soll nicht nur, falls Agitatoren die Wahlversammlungen „in Komitees zur Verteilung des Landes zu verwandeln trachten", sofort die bewaffnete 5 Macht einschreiten, sondern (Nr. 5) es sollen auch Leute, deren „Unerwünschtheit" bekannt ist, von den Wahllokalen gewaltsam ferngehalten werden. Die Semskije Natschalniki haben im übrigen (Nr. 2) privatim die Bauern über die Wahlen „aufzuklären" und durch zuverlässige Leute (Nr. 3) sich über alle bedenklichen Unter10 haltungen | und Versprechungen behufs Ergreifung der angegebenen A 275 (111) Maßregeln zu informieren. Der gänzliche Mißerfolg bei den Wahlen kam nach solchen Vorkehrungen der Regierung selbst und ihren Gegnern gleich unerwartet und ist auch objektiv betrachtet eine so merkwürdige Erschei15 nung, daß er in seinen Peripetien wohl der Interpretation wert erscheint.
VI. a Die gesellschaftlichen und politischen Bedingungen des Wahlausfalles3 Die Lage der Demokratie war, als die Wahlkampagne begann, allem äußeren Anschein nach eine äußerst ungünstige. Die Sozialrevolutionäre , sowohl die offizielle Partei und der j üdische „Bund", wie die 5 freien Organisationen, speziell der „Verband der Verbände", hatten die Duma boykottiert, die offizielle Sozialdemokratie tat desgleichen 157 ). Die Bauern wurden in barbarischen Formen gestraft und gezwungen - vielfach ganze Dörfer auf den Knien liegend - Abbitte zu tun: massenhaft liefen Eingaben von Dorfgemeinden bei den 10 Semstwos ein, in denen die vom Bauernbund angeregten Resolutionen widerrufen wurden. 1 Die Anmeldungen der breiten unteren, kraft selbständiger Wohnung qualifizierten, Wählerschaft zu den Wahllisten in den Städten gingen zunächst langsam und in geringem Umfang ein. Die Macht der revolutionären Stimmung schien gebro- 15 chen. Der Beschluß, den Sozialrevolutionäre, Sozialdemokraten und konstitutionelle Demokraten gemeinsam faßten, den 9. Januar als allgemeinen Trauertag zu begehen 158 ), ergab, wenigstens äußerA 275 (1 1 1)
157 ) Der Boykottbeschluß unterlag in seiner Interpretation und auch in der Ausführung fortgesetztem Schwanken. In Charkow beschloß der „Verband der Verbände" (7. Januar) Eintragung in die Wählerlisten, 2 unter Vorbehalt weiterer Verhaltungsmaßregeln. Der schlecht besuchte allgemeine Kongreß desselben Verbandes Mitte Januar beschloß den Boykott gegen eine aus dem Judenrechtsbund, den Lehrerverbänden, dem Ingenieurverband und dem Verband der Staatsbediensteten bestehende erhebliche Minderheit („Russk[ija] Wj[edomosti]" 19. Januar). 3 Nicht minder schwankten einzelne sozialdemokratische Organisationen hin und her. Aber immerhin: der Beschluß bestand doch. 158 ) Mitteilung in den ,,Russk[ija] Wj[edomosti]" Nr. 6 S. 2. 4
a Kapitelüberschrift in Anlehnung an das Inhaltsverzeichnis, oben, S. 294, eingeschoben.
1 Nach den schweren Bauernunruhen im Herbst 1905 setzte die Regierung in den folgenden Monaten Truppen, insbesondere Kosaken, ein, um die Ruhe auf dem Lande wiederherzustellen. Dabei ging das Militär mit rücksichtsloser Härte vor. Es kam zu standrechtlichen Erschießungen, Zerstörung von Dörfern und Niederbrennen von Häusern. Um den „rebellischen Geist" der ländlichen Bevölkerung zu brechen, wurden die Bauern häufig einer erniedrigenden Strafe unterworfen. Die Bevölkerung ganzer Dörfer wurde durchgeprügelt und mußte stunden- oder sogar tagelang auf den Knien liegen. 2 Über diesen Sachverhalt konnte nichts ermittelt werden. 3 Russklja Vedomosti, Nr. 18 vom 19. Jan. 1906, S. 3. 4 Russkija Vedomosti, Nr. 6 vom 7. Jan. 1906, S. 2.
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lieh betrachtet, einen Fehlschlag:5 „Nowoje Wremja" stellte mit Genugtuung fest, daß die Physiognomie der Stadt und der Besuch der Theater und Restaurants der gewöhnliche sei. 6 Fast sämtliche Führer der radikalen Verbände der Arbeiter und Bauern, alles ir5 gend Verdächtige auf dem Lande saß in Gewahrsam. Die zu plötzlicher mächtiger Blüte gelangten professionellen Verbände 159 ), die 159 ) Ü b e r den „Verband der V e r b ä n d e " habe ich in dem Beilageheft zu Band 22 gehandelt. 7 Im Februar schlug er seinen Mitgliedern vor, das Projekt einer Versicherung gegen Arretierung und Dienstentlassung zu beraten, gleichzeitig aber auch, über die „Zulässigkeit" der Abhaltung nicht konspirativer Versammlungen zu | beschließen. 8 Ich A 2 7 6 (112) weiß nicht, was aus diesen Vorschlägen geworden ist. Systematisierter Boykott von Lokalitäten und Personen war sein bevorzugtes Kampfmittel. - Was die eigentlichen Gewerkschaften im westeuropäischen Sinne anlangt, so führen sie ihr Entstehen fast alle auf den Eindruck des 9. J a n u a r 1905 zurück. (Über die typische Art ihrer Entwicklung vgl. den guten Pseudonymen Aufsatz in den ,,Russk[ija] Wj[edomosti]" vom 2. Februar dieses Jahres, S. 4.) 9 Bis zu jenem Tage hatte die Arbeiterbewegung nur unter der Flagge der hie und da von alters her bestehenden „Hilfskassen" schüchterne Versuche gewerkschaftlicher Tätigkeit entwickelt. Nach allen vorliegenden Selbstzeugnissen hat sie die Metzelei am Winterpalais „zum bewußten Leben erweckt". Die Kommission des Senators Schidlowskij (s[iehe] darüber im Beilagehfeft] zu H e f t 1 des vorigen B a n d e s ) 1 0 provozierte die ersten Organisationen, einige f ü h r e n d e G e w e r b e , namentlich die Typographen, gaben das Beispiel eigener Initiative. D e r Fehlschlag der Maifeier ergab einen Rückschlag. Grundlage der Einigung bildeten in den Fabriken zuerst die bestehenden Institutionen der „Fabrikstarosten" im N o r d e n , der Fabrikkommissionen im Süden. 1 1 Von ihnen aus organisierte man interprofessionelle Lofca/kommissionen, so in Charkow, wo in ihren H ä n d e n 1905 der Streikfonds, die A r b e i t s b ö r s e n 1 2 und die Organisation des Schiedsgerichts sich b e f a n d .
5 Zur Ausrufung eines Trauertages am 9. Januar 1906 vgl. den Aufruf der Konstitutioneilen-Demokraten in: Pravo, Nr. 2 vom 15. Jan. 1906, S. 153f. Irgendwelche Zwischenfälle haben sich an diesem Tage nicht ereignet. Vgl. Russkija Vedomosti, Nr. 9 vom 11. Jan. 1906, S.2f. 6 Vgl. Novoe Vremja, Nr. 10713 vom 10. Jan. 1906, S. 1. 7 Weber, Zur Lage der bürgerlichen Demokratie, in diesem Band, S. 177ff. 8 Weber bezieht sich vermutlich auf einen Artikel in: Russkija Vedomosti, Nr.41 vom 11. Febr. 1906, S. 2, Sp. 4, in dem über eine Sitzung des Zentralkomitees des Petersburger Sojuz Sojuzov berichtet wird. 9 Gemeint ist: Severjanin (d.i. Aleksandr Nikolaevic Bykov), Raboclj vopros, in: Russkija Vedomosti, Nr. 32 vom 2. Febr. 1906, S.3f. Die folgenden Angaben Webers stützen sich auf diesen Artikel, sowie auf: Belin, A., Rabocij vopros, in: Russkija Vedomosti, Nr. 34 vom 4. Febr. 1906, S.3. 10 Weber, Zur Lage der bürgerlichen Demokratie, In diesem Band, S. 173f. 11 Gemeint sind hier die sogenannten Fabrikältesten oder -starosten, die aufgrund des Gesetzes vom 10. Juni 1903 mit Genehmigung der Firmenleitung als Repräsentanten der Arbeiterschaft gewählt werden konnten. Über besondere Fabrikkommissionen in Südrußland ließ sich nichts ermitteln. Das Gesetz vom Juni 1903 bezog sich auf das gesamte russische Reich. 12 Arbeitsbörsen oder Arbeiterbörsen entstanden erstmals in Frankreich Ende der
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A 276 (112) Träger der radikalen Bewegung, waren aufgelöst und | wenn man auch, darin unbefangener als das stupide Puttkamerscheb Regime bei uns, 13 die eigentlichen Gewerkschaften schonender behandelte 160 ), so schuf doch der furchtbare Druck, der auf der Industrie lag,
Die „Arbeiterdeputiertenräte" sind dann die höchste Form dieser sindakalistischen Art von Arbeitervertretung, die zwar teilweise professionell, aber, im Prinzip, nur „zufällig" professionell war. Die Vereinigung zu Gewerkvereinen war in den polygraphischen Gewerben mit der Organisation von Arbeiterdeputiertenräten parallel gegangen. In Petersburg funktionierten im Sommer 1905 der Bund der Drucker und der Bund der Kontoristen (dieser zum „Verband der Verbände" gehörig), der Bund der Metallarbeiter trat dazu, Schuster, Schneider, Uhrmacher folgten. In Moskau gingen die städtischen Arbeiter, die Tischler und die Eisenbahner voran, in Charkow die Typographen. Ende November gab es in Moskau 60 Gewerkvereine mit 25000 Mitgliedern, in Charkow 3000 organisierte Arbeiter, in Wilna gegen 5000, ebenso bestanden Vereine in Nischni-Nowgorod, Ssaratow, Rybinsk, Jekaterinosslaw, Odessa und sonst. Nach Nr. 1 des Verbandsorgans der Gewerkschaften: „Professionalnyj Ssojus" vom 27. November^] vereinigte das Petersburger „Bureau der professionellen Verbände", damals 18, nach Nr. 3 desselben vom 25. Dezember an diesem Tage 35 Gewerkvereine. 1 4 16 °) Erheblich waren auch die direkten Repressionen trotzdem: massenhafte Schließung von Gewerkvereinsversammlungen („R[usskija] W[jedomosti]" 2. Februar), 1 5 Verhaftungen (ebenda 9. Februar S. 3) 16 usw. Immerhin: ein Verbot der Versammlung der Moskauer professionellen Verbände Anfang März deklarierte der Minister des Innern als nur auf Moskau und die unmittelbare Gegenwart bezüglich („Russk[ija] Wj[edomosti]" 59, 3). 1 7 Das Statut des Petersburger „Arbeiterbundes auf professionellem Boden", der die polizeioffiziösen Bewegungen der „Gaponzy", „Subatofzy", „Uschakowzy" 18 scharf ablehnte als Usurpationen von „Entrepreneurs", bestätigte er trotzdem, schon vor dem neuen Vereinsgesetz, freilich wohl aus politischen Gründen. 1 9 | b A: Puttkammersche 1880er Jahre (bourses du travail) als gewerkschaftliche Arbeltsvermittlungsstellen, Vers a m m l u n g s - und Schulungsorte. 13 Siehe oben, S. 383. 14 G e m e i n t ist: Professional'nyj Sojuz. Ezenedel'nyj s p r a v o c n y j z u r n a l central'nago bjuro s.-peterburgskich professional'nych rabocich sojuzov, v o m 27. Nov. 1905, Nr. 1, S. 1 und Nr. 3 v o m 25. Dez. 1905, S . 1 . 15 Der von W e b e r erwähnte Bericht konnte in Russklja V e d o m o s t i nicht aufgefunden werden. 16 Dies bezieht sich auf: Raboclj Vopros, in: Russkija Vedomosti, Nr. 39 v o m 9. Febr. 1906, S. 3. 17 W e b e r zitiert: Russkija Vedomosti, Nr. 59 v o m 2. März 1906, S . 3 . 18 G e m e i n t sind die von Gapon geleitete „ V e r s a m m l u n g der russischen Fabrik- und Mühlenarbeiter St. P e t e r s b u r g s " , die von Usakov geführte „St. Petersburger Gesellschaft für gegenseitige Hilfe der Arbelt In m e c h a n i s c h e n Fabriken" s o w i e die von Zubatov, d e m Leiter der M o s k a u e r G e h e l m p o l i z e i (Ochrana), unterstützten anderen Arbeiterorganisationen, unter a n d e r e m In Minsk und Odessa. Sie galten alle als v o m Innenministerium oder der Polizei gesteuerte Arbeiterorganisationen. 19 Über die Bestätigung des Statuts dieser Organisation ließ sich nichts ermitteln.
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eine unerhört starke Reservearmee von Arbeitslosen, so daß diejenigen Fabriken, in welchen die Arbeit wieder aufgenommen wurde, | mit der größten Bequemlichkeit eine gründliche „Filtrierung" der Arbeiterschaft vornehmen konnten, die Stimmung des Proletariats 5 tief sank und es im Begriffe schien, selbst die rein ökonomischen Früchte der Revolution gänzlich wieder einzubüßen. Überall begannen die Fabriken, soweit sie überhaupt arbeiteten - die Schließungen dauerten zum Teil bis zum April - den Arbeitstag wieder auszudehnen 161 ), es schien, als ob nur etwa das „Sie" statt des „Du" in der 10 Anrede 162 ) an die Arbeiter als Frucht der Revolution übrig bliebe 163 ). Allein dieser ökonomische Druck zeitigte nun unter den russischen Verhältnissen eine Frucht, die mit dem Agrarkommunismus eng zusammenhängt. Die Reservearmee der Arbeitslosen blieb
A 277(113)
161 ) 11 Stunden Arbeitszeit, statt wie in der Revolutionszeit 10 Stunden, führte ein Teil A 277 (113) der Moskauer Fabriken Mitte Januar wieder ein („R[usskija] W[jedomosti]" 18. Januar), 2 0 Abschaffung der dritten Arbeitspause in Petersburg („R[usskija] W[jedomosti]" 1. Februar), 2 1 Reverse von den staatlichen Fabrik- (nicht nur Eisenbahn-) Arbeitern, sich „unbedingt jeder Verfügung zu unterwerfen" („R[usskija] W[jedomosti]" 1. Februar) 2 2 usw. 162 ) Schon das ist ja durchaus keine solche Kleinigkeit, wie es manchem, auch bei uns, zunächst scheint. Wie vieler sozialistischer Wahlstimmen in Deutschland wird es bedürfen, bis der Kaiser die Anrede „ihr" an die Arbeiter aufgibt und ihnen wenigstens die äußeren Verkehrsformen konzediert, die nun einmal jeder Bürger schlechthin beansprucht? Bis jetzt ist nur eine Rede bekannt geworden, die das „Sie" verwendete: unmittelbar nach der letzten Wahl, 2 3 auch die Courrieres-Deputation wurde gedutzt. 24 163 ) In Moskau sah sich angesichts der Bedrohlichkeit der Stimmung der Arbeiter der Stadthauptmann genötigt, am 20. Februar die Fabrikanten für den Fall weiteren Fortschreitens auf diesem „gewissenlosen" Wege darauf hinzuweisen, daß sie sich eventuell keinerlei Schutzes von Seiten der Staatsgewalt zu erfreuen haben würden („Now[oje] Wr[emja]" 21. Februar S. I). 2 5
2 0 R u s s k l j a V e d o m o s t i , Nr. 17 v o m 18. Jan. 1906, S . 2 . 21 Russkija V e d o m o s t i , Nr. 31 v o m 1. Febr. 1906, S. 2. 22 Ebd. 2 3 G e m e i n t ist die Rede Kaiser Wilhelms II. an eine A b o r d n u n g der Arbeiter der Staatswerkstätten in Danzig am 21. S e p t e m b e r 1903 anläßlich der Enthüllung eines KaiserW i l h e l m - D e n k m a l s . Reden d e s Kaisers Wilhelm II., 3.Teil. - Leipzig: Reclam o . J . , S. 192 ff. 2 4 A m 10. März 1 9 0 6 ereignete sich in d e n S t e i n k o h l e g r u b e n v o n Courrieres in Nordfrankreich ein s c h w e r e s Unglück. Die westfälischen Bergleute, die als Hilfsmannschaft an d e n Rettungsarbelten teilnahmen, belobigte Kaiser Wilhelm II. am 2. April 1906 in Krefeld. Reden d e s Kaisers Wilhelm II. 4. Teil - Leipzig: Reclam o. J. (1913), S. 16f. 2 5 Moskovskija Chronika, In: N o v o e Vremja, Nr. 1 0 7 5 3 v o m 20. Febr. 1906, S. 1.
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nur zu einem, allerdings bedeutenden, Teil in den Städten 164 ), zum anderen strömte sie in das heimische Dorf zurück, und die von den Fabriken „herausfiltrierten" Agitatoren und Sozialisten wurden nun hier Propagandisten des Radikalismus unter den Bauern 165 ). Die Arbeiterbewegung selbst aber erhob trotz der schweren Lage mit 5 einer ganz erstaunlichen, wohl noch nirgends erhörten Elastizität ihr Haupt von neuem, so sehr den Führern die faktische Macht der bestehenden Gewalten in die Glieder gefahren war166). | A 278 (114) °Für den Januar 166 ") liegen über ihren Stand nur wenige Zahlen vor, welche ein Bild weitgehender, wenn auch keineswegs vollkommener 10 Zertrümmerung zeigen. Der „Verband der Verbände", im Herbst der mächtige Vertreter eines revolutionären, über die Klassenscheidungen hinweg Intelligenz und Arbeiter verbindenden Sindakalismus, 26 fristete damals, von Finland aus agierend, ein kümmerli-
164 ) In den größeren Städten waren die Arbeitslosen durchweg organisiert mit Komitees an der Spitze, welche mit den Behörden und privaten Hilfsorganisationen verhandelten. 27 165 ) Der Zusammenhang tritt deutlich hervor z.B. in einer Notiz der ,,Russk[ija] Wjed[omosti]" vom 12. Februar, S. 2 Spalte 7 . 2 8 - D i e s e Folge der Struktur der russischen Fabrikarbeiterschaft kann kaum hoch genug angeschlagen werden. Aus Petersburg allein gingen im Januar 13000 „fortfiltrierte" Arbeiter in ihr Dorf zurück. 29 166 ) Dies ist auch der Broschüre von „Parvus" über „Die jetzige politische Lage und die Zukunftsaussichten" (Januar) anzumerken. 30 | 166a A 278 (114) ) Über die Streiks unter dem ancien régime s[iehe] oben Anm. 101.
c-c
(S. 502) Petitdruck in A.
26 Der Begriff ist abgeleitet v o m italienischen „sindacalismo". Weber übernahm mit diesem Begriff eine Unterscheidung von Robert Michels zwischen dem französischen Syndikalismus und dem italienischen Sindakalismus. Michels zufolge ist der Sindakalismus zwar auch antiparlamentarisch wie der französische Syndikalismus, unterstützt aber zugleich den Standpunkt, daß sich die Arbeiterbewegung an Wahlen beteiligen kann. Vgl. Michels, Robert, Proletariat und Bourgeoisie in der sozialistischen Bewegung in Italien, in: AfSS 22, 1906, S. 715f. 27 So z.B. in St. Petersburg. Vgl. Zasedanie soveta bezrabotnych, In: Rabocee Slovo, Nr. 23 v o m 16. April 1906, S. 4. 28 Russkija Vedomosti, Nr. 42 vom 12. Febr. 1906, S. 2. 29 Ebd. Die Meldung lautete: „Die Gesamtzahl der Arbeitslosen beträgt ca. 13 000, von diesen gingen bis zu 40% in ihr Dorf zurück." 30 Parvus, Lage Rußlands, S. 108-120.
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ches Dasein 167 ), die Arbeiterdeputiertenräte waren aufgeflogen 168 ), von den eigentlichen Gewerkschaften waren vielfach nur noch leere Kadres vorhanden 169 ). Nur in den Hauptstädten und ihrer Umge167 ) Der Petersburger Verband der Verbände stellte am 22. Januar fest, daß die leitenden Organisationen des Bauernbundes, des Eisenbahnerbundes, der Veterinäre, Ärzte, Agronomen fast vollständig in Haft saßen oder zersprengt waren. Der Professorenbund war ausgeschieden, die Existenz des Bundes der Semstwoleute war zweifelhaft. 17 Verbände gehörten dem „Verband der Verbände" noch an („R[usskija] W[jedomosti]" 24. Januar). 3 1 168 ) Der Petersburger A. D. R. löste sich am 26. Januar auf, da eine gedeihliche Wirksamkeit zurzeit unmöglich sei. 32 169 ) In Ssamara z.B. war von den Verbänden der Typographen, Tischler, Schuster, Bäcker, Konditoren, Müller, die im Verlauf von 1-1 Vi Monaten nach dem Oktobermanifest sich gebildet hatten, nur der Typographenverband übrig, der überdies mit der älteren „Gesellschaft der Buchdrucker", die sein Statut nicht anerkannte, in Fehde lag. 3 3 Ähnlich stand es anderwärts. - Äußerlich stattlich nahm sich dagegen selbst Ende Januar noch die Zahl der Moskauer Gewerkvereine aus: die Bevollmächtigten folgender professioneller Verbände: der Handlungsgehilfen, Schneider, Schneiderinnen, Dienstboten, Brauer, Riemer, Modelleure, Maler, Bauschlosser, Buchbinder, Ornamentisten, Pharmazeuten, Stellmacher, traten am 22. Januar zu einer Sitzung zusammen, die speziell der Schaffung von Agitationsliteratur gewidmet war. Die Frage der obligatorischen Beiträge mußte aber angesichts der gedrückten Lage damals noch offen gelassen werden („Russk[ija] Wj[edomosti]" 24.1. S. 4). 3 4 Es mußte festgestellt werden, daß der Bäcker- ebenso wie der Tischlerverband nur noch dem Namen nach existierten, die Tabakarbeiter von ihren 1000 Mitgliedern 700 verloren hatten, in fast allen anderen Verbänden die Beiträge nicht eingingen. Zahlreiche Gewerkvereinsführer waren im Dezemberaufstand gefallen oder saßen im Gefängnis („Now[oje] Wr[emja]" 30.1.). 35 Die Zahl von 32000, welche für Petersburg Anfang Januar als Mitgliederzahl der professionellen Verbände angegeben wurde („Now[oje] Wr[emja]") 3 6 ist für mich unkontrollierbar. In Nishnij-Nowgorod waren nur zwei Gewerkschaften übrig geblieben: der Verband der Handlungsgehilfen, der in zähem Kampf gegen die Unternehmer um Aufrechterhaltung der im Oktoberstreik d errungenen Positionen lag, und der vorläufig wesentlich Volksbildungszwecke verfolgende Schneiderverband. 37 Aus der Sitzung des Bureaus der Gewerkvereine in Moskau vom
d A: Oktoberstreit 31 R u s s k i j a V e d o m o s t i , Nr. 23 v o m 24. Jan. 1906, S . 3 . 32 Die Selbstauflösung des Petersburger Sovet Ist nicht nachweisbar. Das Exekutivkomitee w u r d e am 3./16. Januar 1906 verhaftet und der Sovet hörte damit auf zu bestehen. 33 Möglicherweise bezieht sich dies auf: Rabocee Slovo, Nr. 1 v o m 31. März 1906, S. 7: Chronika professional'nago dvizenija. 34 R u s s k i j a V e d o m o s t i , Nr. 23 v o m 24. Jan. 1906, S . 4 . 35 N o v o e Vremja, Nr. 1 0 7 3 3 v o m 30. Jan. 1906, S . 2 . 36 Die Zahlen konnten in N o v o e Vremja nicht aufgefunden werden. Diese und die folgenden A n g a b e n finden sich jedoch in: Russkija Vedomosti, Nr. 6 v o m 7. Jan. 1906, S. 2, Sp. 2, nach A n g a b e n des Zentralbüros der Gewerkschaften. 37 W e b e r bezieht sich hier auf: Rabocee Slovo, Nr. 1 v o m 31. März 1906, S. 7: Chronika professional'nago dvizenija. A u c h die f o l g e n d e n A n g a b e n W e b e r s e n t s t a m m e n d i e s e m Artikel.
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bung stand es besser, im Moskauer Rayon konnte schon am 25. Januar ein Streik von 3 2 0 0 0 Arbeitern über die Frage der von ihnen geforderten Jahreskontrakte beginnen. 3 8 Aber auch hier konnte an A 279 (115) Eintreibung regelmäßiger Beiträge nicht gedacht werden, und ging die Zeit vielfach mit Kämpfen zwischen den sozialdemokratischen 5 und den halb oder ganz offiziösen (Gaponschen, Uschakowschen) Arbeiterorganisationen hin 170 ). Ganz anders war das Bild schon zwei Monate später 1 7 1 ). 5. Februar notiere ich folgende lückenhaften Angaben aus den Zeitungen: Bäcker 2000 ( ? ) Mitglieder, Beiträge gingen 970 Rubel ein, freiwillige Zuschüsse 1000 Rubel; Tischler: 800 Arbeitslose; Typographen: 1500 Arbeitslose; die Zustände überall trostlos, Gelder nicht vorhanden, die Arbeitgeber überall geneigt, die Gewerkvereinsleiter zu entlassen. | 1 7 °) Ü b e r das Schicksal der Gaponschen Arbeiterbewegung, der in den Wintermonaten A 2 7 9 (115) 1905/06 von der Polizei und vom Minister des Innern alle denkbaren Hindernisse bereitet wurden, und über das düstere Drama ihres Schöpfers mich hier eingehender zu äußern, fehlt mir das authentische Material. Durchaus fest steht, daß breite und gut unterrichtete Schichten seiner Anhänger den Glauben an ihn nicht verloren haben. Gapon seinerseits das steht wohl fest - hat zwischen ganz radikalen Ansichten (im Sommer 1905 in Paris auch in dynastischer Hinsicht) und dem immer wiederkehrenden Glauben an die Macht und den Willen des Zaren hin- und hergeschwankt, bis er der Polizei und den Revolutionären gleich verdächtig und den letzteren direkt gefährlich erschien, ein „betrogener Betrüger", wobei aber auf das „betrogen" der Nachdruck fällt. 3 9 - Die Organisationen Gapons („Vereinigung der Fabrikarbeiter"), und Uschakows („Unterstützungsgesellschaft der mechanischen Arbeiter", gegründet Ende 1 9 0 4 ) 4 0 konkurrierten miteinander und unterschieden
3 8 W e b e r bezieht sich vermutlich auf eine Meldung in: Russkija Vedomosti, Nr. 25 v o m 26. Jan. 1906, S. 4, S p . 4 . 3 9 G a p o n ging nach den Ereignissen d e s 9. Januar 1905 ins A u s l a n d und arbeitete teilweise mit den beiden G r u p p e n der Sozialdemokratie und der Partei der SozialistenRevolutionäre z u s a m m e n . Im Spätherbst 1905 nahm er Kontakt zu Vitte und später zur zarischen Geheimpolizei, der Ochrana, auf. Er unterhielt jedoch gleichzeitig weiterhin B e z i e h u n g e n zur Partei der Sozialisten-Revolutionäre (PSR). S e i n Kontaktmann zur P S R ermordete ihn E n d e März 1906 nahe der finnischen G r e n z e ohne Z u s t i m m u n g d e s Zentralkomitees der Partei. Sabllnsky, Walter, The Road to Bloody Sunday. Father G a p o n and the St. Petersburg M a s s a c r e of 1905. - Princeton: Princeton University P r e s s 1976, S. 2 9 2 - 3 3 2 (künftig: Sabllnsky, Road to Bloody Sunday). 4 0 Die auf Betreiben d e s C h e f s der M o s k a u e r Abteilung der Ochrana, Zubatov, 1903 gegründete „ G e s e l l s c h a f t für gegenseitige Hilfe der Arbeiter der Maschinenindustrle" versuchte G a p o n möglichst unabhängig von der Moskauer Polizei und anderen Organisationen zu führen. Die neue Organisation nannte sich seit S e p t e m b e r 1903 „ V e r s a m m l u n g der R u s s i s c h e n Fabrik- und Mühlenarbeiter der Stadt Petersburg." Als G e g e n g e w i c h t gegen die „Vereinigung" w u r d e i m Herbst 1904 die „ G e s e l l s c h a f t für gegenseitige Hilfe" durch M. A. U s a k o v wiederbelebt. Im G e g e n s a t z zur G a p o n s c h e n Vereinigung, die das niedere Führungspersonal und Vorarbeiter ausschloß, stützte sich U s a k o v s Organisation vor allem auf diese G r u p p e n und die b e s s e r ausgebildeten und bezahlten Arbeiter. Ebd., S. 72ff., 92ff. und 145f.
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Über den faktischen Stand der professionellen Verbände zu Ende März ergeben die Notizen in der von Peter Struve und anderen Demokraten gegründeten Arbeiterzeitung „Rabotscheje Sslowo" (Preis pro Nummer 2 Kopeken, pro Jahr 3 Rbl. 60)41 und andere 5 Zeitungsnotizen mancherlei Einzelheiten, welche jedenfalls das eine erkennen lassen, daß die blutjunge Vereinsbewegung schon damals sich in einer Art wiederzuentwickeln begonnen hatte, als ob die vernichtenden Schläge des Winters gar nicht gewesen wären. In Moskau beriet das Bureau der professionellen Verbände über sein 1 o Verhalten zu dem oben 42 analysierten Gewerkvereinsreglement vom 4. März, protestierte gegen seinen Inhalt, beschloß aber nach langen Debatten, die Vereine aufzufordern, von der Registrierung Gebrauch zu machen 172 ). 43 In der Tat wurden alsbald ein halbes Dutzend Gewerkschaften zur Registrierung angemeldet. In Ssaratow 15 bestanden bereits wieder 10 professionelle Verbände, darunter nasich im wesentlichen durch die etwas stärkere Betonung des Professionellen in der Uschakowschen gegenüber der die höchstqualifizierten Arbeiter und einfache Tagelöhner in dieselbe Organisation zusammenstopfenden Gaponschen Bewegung. Aus der Uschakowschen Organisation wuchs die sogenannte „unabhängige sozialistische Arbeiterpartei" heraus, die in dem Blatt „Rabotschaja Gasjeta" ihr Organ fand. 4 4 Grenzen zwischen Partei und Gewerkschaft sind aber auch hier nicht zu finden, auch herrschte die größte Konfusion, versuchte Gewerkschaftsgründungen standen neben der Gründung von interprofessionellen „Rechtsschutzvereinen" (Charkow). Von Redefreiheit in den Versammlungen war keine Rede. Die Gruppe ist voraussichtlich zur völligen Nichtigkeit verurteilt. Bei den Wahlen spielte sie nur da, in reaktionärem Sinne, eine Rolle, wo die Sozialdemokraten die Wahlen boykottierten. m ) Die Entwicklung begann bereits Anfang Februar durch konspirative Verbreitung von Aufrufen zur Verbandsgründung („Now[oje] Wr[emja]" l.II. S. 2). 4 5 172 ) ,,Russk[ija] Wj[edomosti]" 111, S. 4. 4 6 |
41 G e m e i n t ist: Rabocee Slovo. Ezednevnaja obscedostupnaja, obscestvenno-politlceskaja i literaturnaja gazeta. Die Zeitung erschien mit insgesamt 34 N u m m e r n z w i s c h e n d e m 31. März und d e m 16. Mai 1906. N e b e n P. Struve arbeiteten daran u.a. M . T u g a n Baranovskij, V. E. Den und S. L. Frank mit. 4 2 Siehe oben, S. 3 8 5 und 3 8 7 f f . 4 3 In d e m unten, A n m . 46, angeführten Artikel ist die Rede von der Bauarbeiter-Gewerkschaft, die eine Satzung auf der Grundlage des G e s e t z e s v o m 4. März 1906 beschloß. 44 Die „ U n a b h ä n g i g e Arbeiterpartei" w u r d e im Herbst 1905 In St. Petersburg gegründet. Das Parteiorgan, „Russklj Rabocij", erschien v o m I . O k t o b e r bis 2 4 . D e z e m b e r 1905. V o m 19. Januar bis 30. Oktober 1906 trat dann die „Rabocaja Gazeta" als Organ der „ U n a b h ä n g i g e n " an d e s s e n Stelle. Von letzterer sind insgesamt 4 6 N u m m e r n erschienen. 4 5 Moskovskija Chronlka, in: N o v o e Vremja, Nr. 1 0 7 3 5 v o m I . F e b r . 1906, S . 2 . Es handelt sich u m Aufrufe zur G r ü n d u n g v o n Gewerkschaften. 4 6 Russkija Vedomosti, Nr. 111 v o m 25. April 1906, S. 4.
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mentlich: Komptoiristen, Fuhrleute, Müller (200 Mitglieder, Kassenbestand 120 Rbl.) und vor allem der Verband der Wolgaarbeiter (namentlich Schiffer), welcher mit einem Streik von 180000 Arbeitern drohen konnte, obwohl natürlich seine eigene eingeschriebene Mitgliederzahl gering war. Gegenstand der Betätigung war der A 280 (116) Kampf um die | Arbeitsbedingungen (erfolgreich z. B. bei den Müllern), der Arbeitsnachweis und die Unterstützung Arbeitsloser: so bei den Schneidern durch Subventionierung einer sich bildenden Produktivgenossenschaft. 47 Schon diese und die weiter oben gegebenen Notizen 48 zeigen, daß die Gewerkschaftsbewegung nach der einen Seite in das reine Volksbildungsvereinswesen, nach einer anderen in das überkommene Hilfskassenwesen173), nach der dritten in die historischen Artjel-Organisationen hinein verwebt ist. Diese letztere Seite ist vorläufig noch stark entwickelt. Insbesondere die Gründung von Kooperativgesellschaften ist, teils unter der Nachwirkung des „Narodnitschestwo", teils unter dem Einfluß Lassallescher Gedanken, in ungemeinem Aufschwung: die flaue Geschäftszeit veranlaßt nicht selten Unternehmer, Arbeitern, die, von jenen Idealen erfüllt, Genossenschaften gründen wollen, ihre Fabriken zu überlassen. Aber auch liberale und Sozialrevolutionäre Ideologen handeln ebenso: in Moskau z.B. überließ Pustoschkin seinen ArbeiA 280 (116)
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) Diese Kassen sind zum Teil älteren Datums. Zu den reinen Unterstützungskassen gehört z. B. die 39 Jahre alte Hilfskasse der Petersburger Drucker, die am 1. Januar 1906 über 88000 Rubel Kapital verfügte und 1905 ca. 19000 Rubel ausgegeben hatte (4500 Rubel Krankengeld an 104 Mitglieder, 2274 Rubel an 91 Waisen, Sterbegeld 610 Rubel, 26 Invalidenpensionen 3175 Rubel, 65 Witwenpensionen 4060 Rubel). Die Kasse hat einen Arzt und verfügt über Betten im Krankenhaus. Mitgliederbeiträge 10755 Rubel, Zahl der Mitglieder in dem mir zugänglichen Bericht („Now[oje] Wr[emja]" 10789, S. 4 ) 4 9 nicht angegeben. Die politische Bewegung hat bei ihr nur die Einrichtung eines „Familienabends" gezeitigt. - Aus dem Jahre 1898 stammt und ist also nicht, wie Bjelokonskij in den ,,Russk[ija] Wj[edomosti]" 80, S . 4 meint, eine der ältesten professionellen Unterstützungsgesellschaften, die Charkower „Gesellschaft zur gegenseitigen Unterstützung von im Handwerk beschäftigten Arbeitern", über welche Bielokonskij (a.a.O.) lehrreich gehandelt hat. 5 0
47 W e b e r s t ü t z t s i c h auf: R a b o c e e S l o v o , Nr. 1, S. 8 (wie o b e n , S. 4 9 1 , A n m . 3 7 ) . 48 S i e h e o b e n , S . 4 9 1 f. 4 9 W e b e r b e z i e h t s i c h v e r m u t l i c h auf: R a z n y j a i z v e s t i j a , in: N o v o e V r e m j a , Nr. 1 0 7 8 4 v o m 23. M ä r z 1 9 0 6 , S . 4 . 5 0 G e m e i n t ist: B e i o k o n s k i j , I., R a b o c i j v o p r o s . O d n a i z p e r v y c h v R o s s i i p r o f e s s i o n a i ' n a j a o r g a n i z a c i j a r a b o c i c h , in: R u s s k i j a V e d o m o s t i , Nr. 8 0 v o m 23. M ä r z 1 9 0 6 , S. 4.
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tern seine Druckerei. 51 In Odessa zählte man Ende März ca. 100 Artjels, von ganz kleinen mit 6 bis zu solchen mit 3000 Mitgliedern, von denen eins eine Fabrik landwirtschaftlicher Maschinen, ein anderes eine Stahlgießerei käuflich erworben hatte174). Ebenso zeigte 5 sich der Fiskus bereit, ihm gehörige, aber mit Verlust betriebene Fabriken, z.B. in der Gegend des Ural und in Jekatherinburg den Arbeitern, die einen Verwaltungsrat aus ihrer Mitte wählten, zu überlassen 175 ). 52 Die Bedingungen derartiger Übernahmen müßten erst genauer bekannt sein 176 ), um eine Prognose zu stellen: eventuell io könnte | die feste Hypothekenrente oder der Pachtzins, den die A 281 (117) Genossenschaft nun an einen mit seiner geistigen Arbeit an der Leitung des Betriebes nicht mehr Beteiligten zu zahlen hat, dem Idyll sehr bald ein Ende bereiten. Soweit die Arbeiterschaft auf „korrekt" sozialistischem Boden steht, lehnt sie diese Experimente ab und 15 pflegt als Surrogat der politischen Tätigkeit einstweilen die Gewerkschaftsbewegung. An deren Spitze marschieren, wie überall, die typographischen Gewerbe, die einzigen, welche gerade infolge der politischen Erregung und Unruhe im Aufsteigen begriffen waren177). 174
) Erstere verlangte dann im Juni ein Darlehen von 250000 Rubel vom Staat. Die Regierung erklärte, die Frage der Duma vorlegen zu wollen. 5 3 175 ) Den Antrag des Verbandes der Telephonisten, ihm das Petersburger Telephonnetz zu kooperativer Verwaltung zu übertragen, - was, wie die Eingabe versicherte, der Stadt erhebliche Kosten ersparen würde - mußte die Stadtverwaltung ablehnen, da ihr nur die „Konzession" gehöre und diese nicht übertragbar sei („Now[oje] Wrfemja]" 28. Januar, S. 13). 54 176 ) Nur für ein bisher staatliches Hüttenwerk im Ural liegen mir die Bedingungen vor: 1% vom Bruttoertrag Pachtzahlung, Leistung von 10% Kaution für Erhaltung des Werkes in gutem Zustande (5000 Rubel sofort, der Rest durch Abzüge vom Ertrag), Pachtdauer 12 Jahre, Übernahme der Steuern und der Kurkosten für kranke Arbeiter durch das Artjel. Das Artjel beabsichtigt, probeweise zunächst, Schieneneisen zu produzieren. Über seine innere (soziale) Konstitution weiß ich nichts zu sagen (vergl. ,,Now[oje] Wr[emja]" 10853, S. 4). 5 5 | 177 ) Der „Ssojus rabotschich petschatnawo djela" entstand in Petersburg nach dem A 281 (117) 9. Januar 1905, anfangs ohne feste Ziele. 200 Arbeiter hatten 12 Vertreter in eine Tarifkommission gewählt. Die Verhandlung lehnten die Prinzipale ab, der Streik mißglückte.
51 52 53 54
Der v o n W e b e r angeführte Sachverhalt konnte nicht ermittelt w e r d e n . Über die v o r s t e h e n d angeführten Fälle konnte nichts ermittelt w e r d e n . Vgl. dazu d e n B e r i c h t i n : V e s t n i k s e l ' s k a g o chozjajstva, N r . 2 3 v o m 4. Juni 1906, S. 17. Raznyja izvestija, in: N o v o e V r e m j a , Nr. 1 0 7 3 1 v o m 28. Jan. 1906, S. 13.
5 5 W e b e r bezieht sich auf: A r e n d a gornago zavoda artelju rabocich, in: N o v o e Vremja, Nr. 1 0 8 5 3 v o m 2. Juni 1906, S. 4.
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In der letzten Märzwoche konnte in Moskau der Vorstand des Bundes der Arbeiter des Preßgewerbes bereits dazu schreiten, die sämtlichen Mitglieder bei Strafe des unweigerlichen Ausschlusses an die Leistung ihrer Beiträge zu mahnen; rund 2000 zahlten alsbald. Diese Beiträge dienten hier wie sonst zum großen Teil einer grandiosen 15 Erfüllung von Klassensolidaritätspflichten: die Arbeitslosenunterstützung (ohne Unterschied der Profession) stand in erster Linie. N u n m e h r suchten die Arbeiter einen legalisierbaren Verein zu gründen und setzten eine Statutenkommission ein. Dabei war das Klassenbewußtsein noch so schwach, daß die Leute anfangs den N a m e n „ A r b e i t e r " (rabotschij) im Statut ablehnten, da sie etwas anderes (und besseres) als Fabrikarbeiter seien. (An solchen Kleinigkeiten kann man e r k e n n e n , was dies eine Jahr aus den russischen A r b e i t e r n gemacht hat.) D a s Statut wurde von 1500 Leuten unterschrieben, und, nachdem noch mit b e d e u t e n d e r Mehrheit politische Parteilosigkeit festgestellt war, dem Stadthauptmann eingereicht. Vorerst blieb ganz im ungewissen, was der Verband eigentlich zu u n t e r n e h m e n gedenke. Im Juni 1905 aber griff er die Frage der Sonntagsruhe auf, und es gelang ihre Durchsetzung in der Mehrzahl der Druckereien. Die Unterstützung, die er d e m Moskauer Typographenstreik angedeihen ließ, hob seine Mitgliederzahl von 600 auf 4000 (von 20000 polygraphischen Arbeitern ü b e r h a u p t ) . M a n mußte von dem System der allgemeinen Mitgliederversammlungen zu dem der Distriktsversammlungen, dann zum Repräsentativsystem ü b e r g e h e n . 5 6 - Im Sept e m b e r entstand d a n n , wie f r ü h e r e r w ä h n t , 5 ' unter Leitung der Typographen der interprofessionelle „ A r b e i t e r d e p u t i e r t e n r a t " zum Zwecke des sozialpolitischen Kampfes. D a ß dieser Kampf von A n f a n g an auf revolutionärem Boden stand und von der Idee der Volkssouveränität ausging, ergeben die eingehenden Darlegungen der soeben, im Juni, publizierten Anklageschrift gegen seine Mitglieder. 5 8 D e r Gewerkverein seinerseits, welcher mit dem A . D . R . nicht die Fühlung verlor, gründete nun Filialen in M o s k a u , Charkow, Riga, begann planmäßig Streikfonds und Kapitalien für die G e w ä h r u n g von Wegegeldern an abgewiesene Arbeitssuchende zu sammeln. Im O k t o b e r stand er mit an der Spitze der russischen Arbeiterbewegung. Im November bereits, schon vor dem Moskauer A u f s t a n d 6 , war in seiner Mitte die Bewegung für die Loslösung von den Beziehungen zum politischen K a m p f e und für den Übergang zu rein ökonomischen Aufgaben: Tarifvertrag, Einigungskammer, Sonntagsruhe, stark. Dabei blieb die streng sozialdemokratische Gesinnung seiner einzelnen Mitglieder zweifellos und hat sich bis zur Evidenz bei jeder Gelegenheit, namentlich durch den strikten Wahlboykott, bewährt. Man dachte sich also ein N e b e n e i n a n d e r von revolutionärem Sindakalismus 5 9 und davon formell geschiedenen ganz unpolitischen G e w e r k s c h a f t e n . | e A: Ausstand 56 Vermutlich stützt Weber sich auf: Severjanin, Rabocij vopros, in: Russkija Vedomosti, Nr. 38 vom 2. Febr. 1906, S.3f. 57 Siehe oben, S. 488. 58 Weber bezieht sich auf den Abdruck der Anklageschrift: Process rabocich deputatov, in: Russkija Vedomosti, Nr. 147 vom 7. Juni 1906, S.5, Nr. 148 vom 8. Juni 1906, S.4f., Nr. 149 vom 9. Juni 1906, S.3, Nr. 150 vom 10. Juni 1906, S. 5, Nr. 152 vom 13. Juni 1906, S.5, Nr. 153 vom 14. Juni 1906, S.5, und Nr. 154 vom 15. Juni 1906, S.5. 5 9 Siehe oben, S. 490, Anm. 26.
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Wahlausfalles
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Auch der Buch | binderverband errichtete 40 Freitische für Arbeitslo- A 282 (118) se, und der Eisenbahnerverband verwendete seine gesamten Kassenbestände für sie. Das „Bureau der professionellen Verbände" in Moskau beschloß feste Monatsabzüge vom Lohn für die Arbeitslo5 sen durchzuführen. 60 Die Verbände der Zeitungsdrucker, welche bisher der Sonntagsruhe entbehren, begannen daneben überall einen zähen Kampf um diese, die in Petersburg wesentlich an dem Widerstand des „Nowoje Wremja" scheiterte. Die Bewegung ist zurzeit noch im Gange. Ebenso hob sich die Machtstellung der 10 Verbände der Maurer gegen das Frühjahr wieder. Im Moskauer Baugewerbe versuchten die Unternehmer, sich mit den Arbeitern über eine gemeinsam einzurichtende Unfallversicherung zu verständigen178). In Petersburg gelang es, als die großen Fabriken Anfang 178 ) Ich gehe an diesem Orte nicht auf die außerhalb der Klassenbewegung der Arbei- A 2 8 2 (118) terschaft stehenden Neubildungen sozialpolitischer Richtungen ein, unter denen jedenfalls die in Petersburg am 11. März unter Planssons Vorsitz gegründete „Liga der Arbeit" 61 Beachtung verdient: ein Klub aller derjenigen, welche gewisse Minimalforderungen (wesentlich die des konstitutionell demokratischen Programms) akzeptieren, der aber nicht lediglich theoretisch, und auch nicht nur in dem Sinne, wie z. B. unsere „Gesellschaft für soziale Reform", 6 2 praktisch, arbeitet, sondern auch in aktuelle Tagesfragen (so gelegentlich der Verhaftung Mischtschenkos am 16. April) 6 3 durch Proteste usw. eingreift, und die Bildung von allen auf dem Boden der Selbsthilfe stehenden kooperativen Gemeinschaften fördern will. - Ebenso können die beginnenden Erörterungen der in Rußland, wo Massen
6 0 Sowohl in Moskau als auch In St. Petersburg bestanden „Büros der Gewerkschaften". Zum Statut des Moskauer Büros über die Abzüge vom Lohn für Arbeitslose siehe: Professional'nyj Sojuz. Periodiceskij Organ central'nago bjuro s.-peterburgskich professional'nych sojuzov, Nr. 16/17 (undat.), S. 71. 61 Über die Entstehung der „Liga Truda" ließ sich nichts ermitteln. Der erste Aufruf ist abgedruckt In: Russkija Vedomosti, Nr. 38 vom 8. Febr. 1906, S.3. Das Programm In: Ivanovic, Rossljsklja partil, S. 244ff. (wie oben, S.412, Anm.40). 6 2 Die „ Gesellschaft für soziale Reform", gegründet Im Januar 1901, war ein Zusammenschluß bürgerlicher Sozialpolitiker mit Parlamentariern des Zentrums, der liberalen Partelen und Vertretern nicht-sozialdemokratischer Arbeitnehmerverbände. Die „Gesellschaft" trat vor allem für eine Reform der Gesetzgebung bezüglich der Arbeiterberufsvereine und des Koalitionsrechts ein. An führender Stelle standen der ehemalige preußische Handelsminister Hans Freiherr V.Berlepsch und Ernst Francke, der Herausgeber der Zeitschrift „Soziale Praxis". Vgl. Ratz, Ursula, Sozialreform und Arbeiterschaft. Die „Gesellschaft für soziale Reform" und die sozialdemokratische Arbeiterbewegung von der Jahrhundertwende bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges. - Berlin: Colloquium 1980, S.9ff. und 8 5 - 9 4 . 6 3 Der Herausgeber der Zeitung Rabocaja Mysl', L. L. Mlscenko, wurde am 11. März verhaftet und am 19. April 1906 Wiederaus der Haft entlassen. Über die Hintergründe ließ sich nichts ermitteln. Vgl. Rabocee Slovo, Nr. 1 vom 31. März 1906, S. 6, und Dvadcatyj Vek, Nr. 22 vom 18. April 1906, S. 6, Sp. 3, und Nr. 25 vom 21. April 1906, S. 4, Sp. 2.
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März allgemein ihren Betrieb voll wieder aufnahmen, den alten Arbeitern, binnen kurzem die Streikbrecher herauszudrängen („N[owoje] W[remja]" 10762,4) 1 7 9 ), 6 4 in Moskau gelang es im Juni von Arbeitern entweder einfach in den Fabriklokalen nächtigen* oder in Fabrikwohnungen hausen 9 , so einschneidend wichtigen Arbeiterwohnungsfrage hier nicht näher besprochen werden. Die Vorschläge der Emil Zindelschen h Gesellschaft in Moskau an die Stadt, die Fabrikanten zu freiwilligen Beiträgen behufs Erwerb von 100 Deßjätinen Land für 400 zweistöckige Arbeiterwohnhäuser aufzufordern und selbst dabei mitzuwirken, ist eine Kombination und Abwandlung bekannter Versuche bei uns, 6 5 deren Kritik ziemlich naheliegend ist (vergi, darüber z.B. auch ,,Russk[ija] Wj[edomosti]" 88,2, den Plan selbst ,,Now[oje] Wr[emja]" 10 782, 2). 6 6 Die komplizierte, an England erinnernde Rechtslage ergibt sich z. B. aus dem Verlangen des am 14. März gegründeten Vereins der Moskauer Häuser-Arrendatoren 6 7 (d.h. befristeter Superfiziare) 68 auf Schaffung eines tenant right 69 für sie gegen die Grundherrn: 48 Jahre bei Steinhäusern, 36 bei Holzhäusern als Minimalvertragsfrist, Zwang zur Erneuerung nach Ablauf unter Erhöhung der Grundrente um jedesmal höchstens 5% unter der Bestimmung, daß der Grundherr, wenn er die Erneuerung des Vertrages auf dieser Basis nicht will, das Haus zu einem von einer Kommission aus den beiderseitigen Interessenverbänden, den Kreditinstituten und Versicherungsgesellschaften vorzunehmenden Taxe kaufen muß. 7 0 179 ) In den Mittelstädten scheint im Frühjahr auch in Tuia eine eigentliche Gewerkvereinsbewegung eingesetzt zu haben. (Etwas undeutliche Nachrichten des ,,Now[oje] Wr[emja]" 10811.) 71 Im Sommer häufen sich die Angaben darüber. | f A: nächtigt
g A: haust
h A: Zindlerschen
64 Gemeint ist: Na Fabrikach i zavodach, in: Novoe Vremja, Nr. 10762 vom 1. März 1906, S.4. 65 In Deutschland wurden, vor allem von Unternehmern wie Krupp, Stinnes und zahlreichen Bergwerksgesellschaften Im Ruhrgebiet, Wohnungen für Arbeiter, jedoch auf eigenem Gelände, auf Mietbasis errichtet. Vgl. Günther, Adolf und Prévot, René, Die Wohlfahrtseinrichtungen der Arbeltgeber in Deutschland und Frankreich (Schriften des Vereins für Socialpolltik 94). - Leipzig: Duncker & Humblot 1905, S. 33-50. 66 Weber bezieht sich auf die folgenden Artikel: Raboclj vopros. Rabocij poselkl, in: Russkija Vedomosti, Nr. 88 vom 31. März 1906, S.3f., und Moskovskaja chronika, in: Novoe Vremja, Nr. 10783 vom 22. März 1906, S.2. 67 Abgeleitet von Arrènde, Arende: die Hingabe einer Sache gegen Rente oder Pacht. 68 Abgeleitet von lat. superficies (Oberfläche). Im römischen Recht das auf einem Grundstück Gebaute oder Gepflanzte als notwendiger Bestandteil des Grundstücks. Ferner auch das sog. Platz- oder Erbbaurecht. Für die Benutzung des fremden Bodens wurde gewöhnlich ein Zins entrichtet. 69 Rechtstitel des Pachtinhabers gegenüber dem Grundherren hinsichtlich der Laufzeit und der Erneuerung von Pachtverträgen. 70 Diese Angaben beruhen vermutlich auf: Moskovskija Vesti, In: Russkija Vedomosti, Nr. 72 vom 15. März 1906, S.3. Über den Verein (Sojuz domovladel'cev-arendatorov) konnte nichts ermittelt werden. 71 Gemeint Ist: Novoe Vremja, Nr. 10811 vom 20. April 1906, S. 2: Bezporjadkl (Unruhen): „In Tuia wurde die erste Gewerkschaft der In Handel und Industrie Beschäftigten gegründet."
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den Typographen, die Unternehmer zur fast völligen Kapitulation einschließlich der Kriegskostenzahlung (halber Lohn für die Zeit des Streiks) zu zwingen („Rjusskija] Wjjedomosti]" 146,4). 72 'Die ungemein sorgsamen Vorbereitungsmaßnahmen, welche die Moskauer Druckereiarbeiter gegenüber der drohenden - in Rußland eventuell ersten - Aussperrung trafen: Lokalisierung des Kampfes auf die dem Arbeitgeberverband angehörigen Betriebe, Vorkehrungen gegen die Möglichkeit, Aufträge an auswärtige Filialen zu geben, Organisation der Arbeitslosen einerseits, der Ausgesperrten anderseits unter sorgsamer Abwägung des Stimmenverhältnisses, Fernhaltung von Zuzug, Abschiebung der Reservearmee in die Heimatsdörfer (man beachte hier die Wirkung der Agrarverfassung!), Modus der Verhandlung mit den Prinzipalen, Maßregeln zur Gewinnung der Sympathie des Publikums (Zeitungsdruckerstreik) usw. sfiehe] in der ,,Torg[owo]-prom[yschljennaja] Gasj[eta]" Nr. 158.73 Das. Nr. 16174 die Basis, auf welcher, wie es scheint, eine Einigung mit dem Arbeitgeberverband zustande kommt (die Prinzipale haben insbesondere die Anerkennung des Gewerkvereins und Zulassung der Beratung auch politischer Fragen innerhalb ihrer Werkstätten zugestanden).' Ende April verschickte das Bureau der professionellen Verbände gleichzeitig mit der Einberufung eines allrussischen Delegiertenkongresses ein Programm, wonach | beraten werden soll über: 1. Staat und öffentliche Institutionen als Unternehmer, 2. Berufsstatistik, 3. Achtstundentag, 4. Arbeitslosigkeit, 5. Gewerkvereinsrecht, 6. nationale Gewerkschaften, 7. Verhältnis der Gewerkschaften zum politischen Kampf. 75 Man wird diesen Kongreß abwarten müssen, um ein wirkliches Bild vom Stande der Bewegung zu gewinnen und darf ¡ - / Nachtrag 6 eingeschoben, siehe unten, S. 682f.
7 2 Russkija Vedomosti, Nr. 146 vom 6. Juni 1906, S.4. Die Meldung berichtete von einer Versammlung der streikenden bzw. ausgesperrten Druckereiarbeiter, auf der u.a. der halbe Lohn für die Zeit des Streiks bzw. Ausstandes gefordert wurde. 7 3 Protivolokautnaja bor'ba Moskovskich tipografskich rabocich, in: Torgovo-Promyslennaja Gazeta, Nr. 158 vom 12. Juli 1906, S. 1 - 2 . 7 4 Hier wird Bezug genommen auf: Torgovo-Promyslennaja Gazeta, Nr. 181 vom 15. Juli 1906, S.1. 7 5 Möglicherweise bezieht Webersich auf eine Meldung in: Ree', Nr. 65 vom 5. Mai 1906 S.3, Sp.4.
A 283(119)
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namentlich auf die Antwort auf die letztgenannte Frage gespannt sein: Wiederaufleben des revolutionären Sindakalismus? 76 Strikt neutrale Gewerkschaften oder offizielle Beziehungen zur Parteiführung1*? Für den diesmaligen Kongreß sind offiziell zwei Delegierte der Sozialdemokratie eingeladen. Fest steht, daß die Verbandsgründüngen des Jahres 1905 fast durchweg entweder vom Sozialrevolutionären Sindakalismus ausgingen, oder von den „Mjenschewiki", d. h. den von der (in Sachen der Dogmen maßgebenden) deutschen Sozialdemokratie als orthodox anerkannten Anhängern der „Minderheit" der zerspaltenen sozialistischen Partei 77 (Plechanowgruppe) 180 ), gegründet waren. Die Ljeninsche „Mehrheit" (Bolschewiki) sah mit Verachtung darauf herab. Durchweg sind die intellektuell höchst stehenden Gruppen der Gewerkschaften, z.B. die Typographen, die eifrigsten und auch die orthodoxesten Sozialdemokraten. Bei entschieden sozialdemokratischer Gesinnung empfahl aber doch die Sitzung des Bureaus der professionellen Verbände in Moskau vom 4. Juni, dem die Delegierten der Verbände der Preßarbeiter, Bäcker, Schachtelmacher, Metallarbeiter, Marmorarbeiter, Hutmacher, Schuster, Klempner, Techniker, Buchbinder, Drogisten, Tabakarbeiter, Schirmmacher, Dienstboten beiwohnten, dringend, den ökonomischen Kampf „nicht auf die Straße zu tragen" („R[usskija] Wj[edomosti]" 146,4). 78 Die Maifeier, in Polen nach dem gregorianischen, in Rußland nach dem julianischen Kalender (eine sehr fühlbare Trennung!) gefeiert, scheint reichlich in dem relativen Umfang innegehalten worden zu sein, wie in Deutschland; anscheinend haben die Unternehmer auch dem Ausfall der Arbeit eher geringeren Widerstand als bei uns entgegengesetzt. Sie haben eben A 283 (119)
ls0
) Dieselbe ist keineswegs immer zahlenmäßig eine Minderheit gewesen und ist es auch jetzt nicht, sie war es nur auf bestimmten Kongressen der früheren Partei. |
k A: Parteifrage
76 Siehe oben, S. 490, Anm. 26. 77 Weber spielt hier darauf an, daß die deutsche Sozialdemokratie insbesondere in den Jahren von 1903 bis 1905 den menschewistischen Flügel der russischen Schwesterpartei unterstützte und dessen Position als verbindlich ansah. Vgl. Geyer, Dietrich, Die russische Parteispaltung im Urteil der deutschen Sozialdemokratie 1903-1905, in: IRSH 3, 1958, S. 195-219 und 418-444. 78 Russkija Vedomosti, Nr. 146 vom 6. Juni 1906, S. 4.
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vorerst noch keinen Anlaß, in den Augen der Herrschenden als politisch besonders „beflissen" zu glänzen. Die jetzt (Juni) aller Orten mit erstaunlicher Heftigkeit wieder ausbrechenden Streiks scheinen fast überall politisch raifbedingt zu sein, ihr Gepräge ähnelt 5 dem des Herbstes 1905. Die inzwischen Anfang Mai auf dem lange geplanten gemeinsamen Kongreß in Stockholm wenigstens der Form nach zustandegekommene Einigung der sozialdemokratischen Gesamtpartei Rußlands muß ihre Dauerhaftigkeit erst bewähren. 79 Da die ausländi10 sehe sozialdemokratische russische Presse eingegangen, die einheimische erst jetzt wieder im Entstehen ist, bleibt es vorerst schwierig, über die Vorgänge seit Dezember Sicheres in Erfahrung zu bringen. Nach den bis jetzt vorliegenden Berichten ist auf dem Kongreß in Stockholm 1. mit Mehrheit das Prinzip der „Munizipalisation" des 15 Bodens angenommen worden mit dem Zusatz, daß, wenn die Bauern die Verteilung des konfiszierten Landes unter lokale Bauernkomitees verlangen sollten, sie darin zu unterstützen seien. Jede weitere Erörterung über die Gegenwartslage wurde abgelehnt. 2. Gegen den heftigen Widerspruch der „Bolschewiki" und auch fast aller 20 Nationalitätengruppen wurde der Boykott der Dumawahlen für die Zukunft aufgehoben. 3. Mit Stimmenmehrheit wurde das Prinzip der Parteilosigkeit der Gewerkschaften angenommen. 4. Es wurde anerkannt, daß der be|waffnete Aufstand unumgänglich, aber nur bei Beteiligung der Bourgeoisie möglich, bis zum Zeitpunkt seiner 25 „Möglichkeit" aber zu unterlassen sei. 5. Der Grundsatz der Nationalitätenautonomie wurde angenommen. 80 - Vorläufig hat der Boykott der Duma die Partei um so schwerer diskreditiert, als er sich wesentlich in Sprengungsversuchen gerade gegen die demokratischen Agitationsversammlungen geltend machte, so daß die Regie30 rung ihre Versammlungsverbote mit dem Hinweis auf diese Benutzung zu Brandreden gegen die Duma und Radau durch die Sozia-
7 9 Der vierte, sogenannte Vereinigungsparteitag der RSDRP tagte vom 10.(23.) bis 25.(8. Mai) April 1906 in Stockholm. 8 0 Die Resolutionen sind abgedruckt in: Anin, S. I., Der Vereinigungskongreß der russischen Sozialdemokratie, In: Die Neue Zelt, 24. Jg., 1905/06, 2. Band, Nr. 36, S.309f. KPSS v rezoljucijach I resenijach s-ezdov, konferenclj I plenumov CK, tom 1, 7-oe Izd. Moskva: Gosudarstvennoe Izdatel'stvo politlceskoj literatury 1953, S. 124-131 (künftig: KPSS v rezoljucijach i resenijach). Die von den Bol'sevlkl gegen die Teilnahme an den Wahlen zur Duma eingebrachten Resolutionen ebd., S. 114ff. und S. 118f.
A 284(120)
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listen begründen konnte. Während der ganzen Wahlbewegung jedenfalls bildete ihre Haltung für die Demokratie nicht nur eine ernste Verlegenheit, sondern eine stete Hemmung. Dafür, daß die Dumawahlen nicht reaktionär ausfielen, ist die Sozialdemokratie jedenfalls in keiner Weise verantwortlich: sie hat schlechthin alles 5 getan, um der Regierung in die Hände zu arbeiten 181 ). c Aber bedrohlicher mußte zurzeit des Beginns der Wahlbewegung eine gewisse, innerhalb der bürgerlichen Demokratie selbst herrschende Zerfahrenheit erscheinen. Am 5. Januar trat die konstitutionell-demokratische Partei182), in 10 der Presse (nach den Anfangsbuchstaben K - D ) gewöhnlich die „Kadetten" genannt, zu ihrem zweiten Kongreß (bis 11. Januar) zusammen. Die Stimmung war nach dem Eindruck, den die Verhandlungen machen, infolge der befürchteten Rückwirkung des Moskauer Aufstandes 81 eine ziemlich gedrückte. Und dazu tritt der 15 Eindruck organisatorischer Unsicherheit 183 ) und der Neigung zu theoretischen Begriffspaltereien und Zukunftsspekulationen 184 ). A 284 (120)
181 ) Dabei bestand die Uneinigkeit auch nach der Dumaeröffnung weiter. Das radikale Petersburger Komitee lag mit dem Zentralkomitee im ewigen Streit. „Gelernt" haben 1 die „Bolschewiki" aus dem Dezember gar nichts. Plechanows nachdrückliche Mahnungen fruchteten nichts. - Kehrseite: Im Juni verfügte das Petersburger Komitee eine monatliche Auflage von 10 Kopeken, „da die Geldunterstützungen aus den Kreisen der Bourgeoisie zu versiegen beginnen" („Russk[ija] Wj[edomosti]" 166 S. 3). 8 2 182 ) Über ihre Vorgeschichte siehe die Beilage zu Band XXI Heft l . 8 3 Es sei hier nur daran erinnert, daß ihre Hauptprogrammpunkte 1. das „viergliedrige" (allgemeine, gleiche, geheime, direkte) Wahlrecht, 2. die Verwaltungsautonomie der Einzelgebiete und die politische Autonomie Polens, 3. die „Nadjel"-Ergänzung für die Bauern, soweit nötig, unter Enteignung auch des privaten Grundbesitzes waren, und daß ihr Kern neben der Semstwolinken aus der liberalen akademischen Intelligenz bestand. 183 ) So lehnten von den 16 Preßorganen, welche die Partei für sich in Anspruch nahm, die beiden bedeutendsten: „Russkija Wjedomosti" und „Birschewyja Wjedomosti", die Parteiobservanz für sich ab. 8 4 184 ) Solche treten auch in der Presse der Partei auf, namentlich in bezug auf die auswärtige Politik. Sollte man es für möglich halten, daß in einem solchen Moment, wo
c Ende des Petitdrucks in A, siehe oben, S. 490.
I A: habe
81 Gemeint ist der bewaffnete Aufstand vom 7. bis 17. Dezember 1905, der vor allem vom Moskauer Sovet getragen wurde. 82 Russkija Vedomosti, Nr. 166 vom 29. Juni 1906, S. 3. 83 Weber, Zur Lage der bürgerlichen Demokratie, in diesem Band, S. 89-108. 84 Weber bezieht sich vermutlich auf einen Bericht in: Russkija Vedomosti, Nr. 21 vom 22. Jan. 1906, S.2. Eine entsprechende Meldung ließ sich In den Blrzevyja Vedomosti nicht auffinden.
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Man wird es kaum begreiflich füllen, daß in einem so | ernsten A 285(121) Moment die Frage, ob die Duma im Prinzip eine „konstituierende" Versammlung sein müßte, wie man dies und den Protest gegen die Art des Wahlrechtes zum Ausdruck bringen solle, ob man also 5 wenn man in die Duma gehe - sich aller sachlichen Arbeit in der Duma enthalten oder welche Objekte man dort meritorisch mitberaten dürfe - die Frage des sogenannten „inneren Boykottes" der Duma - langwierige Debatten hervorriefen, bis schließlich die Teilnahme an den „unaufschiebbaren" Reformarbeiten der Duma be10 schlössen wurde (mit 91 von 102 Stimmen). 1 Im übrigen wurde die damals in der Provinz noch sehr im argen liegende Parteiorganisation und die Wahltechnik erörtert, eine Anzahl Protestresolutionen allgewahrlich noch schlechthin alles im eigenen Hause zu tun blieb, Kotljarewskij in der „Poljarnaja Swjesda" 2 - im Anschluß an mehr gelegentliche Bemerkungen Struves - die Zukunftsabsichten der Partei in bezug auf die so notwendige Vertreibung der Türken aus Europa mittels eines Bündnisses mit England | zu entwickeln sich bemühte (auch der A 2 8 5 (121) Aprilkongreß der Partei sandte bekanntlich ein Begrüßungstelegramm an CampbellBannermann). 3 Da für den angegebenen Zweck ein Bündnis mit England für Rußland militärisch durchaus bedeutungslos und keine Steigerung seiner Macht wäre, so ist daran nur der von der ganzen russischen Gesellschaft geteilte mißtrauische Haß gegen Deutschland bemerkenswert, welches ja - trotz Kotljarewskijs Verwahrung - natürlich der ins Auge gefaßte Gegner sein würde. - Man weiß, daß die Parole: „Befreiung der geknechteten Völker" seitens der französischen Revolution 4 die großen Militärmonarchien der Gegenwart hat schaffen helfen; auch die russische Revolution wird, wenn erfolgreich, im Ergebnis ein ehernes Zeitalter und eine ungeheure Steigerung aller, namentlich der deutschen, Rüstungen im Gefolge haben. Der Gedanke „selbstloser" Befreiungskriege ist heute, wo der Kapitalismus dabei kichernd im Hintergrund steht, eine politische Utopie gefährlicher Art. | 1 Die Resolutionen sind veröffentlicht unter dem Titel: Rezoljucii prinjatyja vtorym s-ezdom konstltucionno-demokraticeskoj partii (5-11 janvarja 1906 goda), In: Pravo, Nr. 2 vom 15. Jan. 1906, S. 153-158. Das Abstimmungsergebnis S. 155. Die im folgenden erwähnten Resolutionen ebd., S. 155-158. 2 Kotljarevskij, Rossija, Francia I Anglija, S.673 und 6 7 5 - 6 7 7 . Kotljarevsklj nahm hier einen Gedanken Struves aus dessen Artikel: Russkaja revoljuclja i mir. Otkrytoe pis'mo k Zanu Zoresu, In: Osvobozdenle, Nr. 72 vom 8.(21.) Juni 1905, S. 354, wieder auf. 3 Ein Begrüßungstelegramm des dritten Parteitags der Konstltutionellen-Demokraten ließ sich nicht ermitteln. Doch hatte der Januarparteitag ein solches Telegramm an den britischen Premierminister Campbell-Bannerman gesandt, In dem insbesondere die soziale Reformpoiltik der britischen Regierung begrüßt und als Vorbild für die Politik der russischen Liberalen bezeichnet wurde. Vgl. Russkija Vedomostl, Nr. 8 vom 9. Jan. 1906, S.2. 4 Weber bezieht sich hier vermutlich auf die beiden Konventsdekrete vom 19. November und vom 15. Dezember 1792, sowie auf die Proklamation des französischen Generals F.-J. Cambon an die Bevölkerung der von Frankreich besetzten Länder. Die revolutionäre Regierung Frankreichs sicherte darin allen Völkern, „die Ihre Freiheit wiedererlangen wollen", Unterstützung und Brüderschaft zu.
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meinen Charakters gefaßt, die Partei in Partei der Volksfreiheit („Partija narodnoj sswobody") umgetauft-was neben dem üblichen „K[a]-D[et]-ten" keinen Anklang im Sprachgebrauch fand - , die Erwähnung des Minderheitsvotums gegen das Frauenstimmrecht im Parteiprogramm gestrichen, die dezidiert nationalistischen Anträge 5 tatarischer, kirgisischer und jüdischer Vertreter abgelehnt und namentlich eine Resolution gefaßt, welche ein strikt parlamentarisches Regime verlangte. Alle diese Beschlüsse, soweit sie nicht rein technischer Art waren, deuteten daraufhin, daß die Partei von der Voraussetzung ausging, sie werde in der Duma günstigenfalls eine kleine 10 Oppositionsgruppe darstellen. Im übrigen wurden die allgemeinpolitischen und sozialen Programmpunkte meist in der bisherigen Redaktion beibehalten. In bezug auf das Agrarprogramm fanden eingehende, vorerst aber zu keiner Einigung führende Debatten statt. Nur über den Begriff des „gerechten Preises", zu welchem, nach dem im 15 Oktober angenommenen Programm, das Privatland expropriiert werden solle, wurde eine Resolution (Nr. V) 5 dahin angenommen, daß dieser sich nach dem für die betreffende Gegend „normalen" Ertrage „bei Voraussetzung sachkundiger Wirtschaftsführung und ohne Berücksichtigung der durch den Landhunger erzeugten Pacht- 20 preise" berechnen solle. Auf dem Kongreß trafen offensichtlich A 286 (122) zwei| diametral entgegengesetzte Ansichten aufeinander: die eine hielt jede Zwangsenteignung privaten Landes zur Befriedigung der bäuerlichen Landnot für unerwünscht und war - neben Zuweisung des nicht privaten Landes an die Bauern - nur zur Regulierung der 25 Pachtbedingungen und einer progressiven Bodenbesitzsteuer geneigt, um zugunsten der bäuerlichen Landnachfrage auf die Bodenpreise zu drücken. Die entgegengesetzte Richtung - die Mehrheit war im Prinzip für „Nationalisation" des Landes in der Form der Bildung eines möglichst umfangreichen, durch möglichst ausgedehn- 30 te Enteignung zu schaffenden staatlichen Landfonds, aus dem das Land den Bauern zur Nutzung gegen einen mäßigen Entgelt zugewiesen werden sollte. Professor Lutschizkij (Kiew) protestierte je-
5 Gemeint ist die Resolution Nr. 5, die Paragraph 36 des Parteiprogramms der Kadetten abänderte. Ebd., S. 155. Das nachfolgende Zitat lautet: „ Der Preis des Bodens bestimmt sich für jede Region nach der durchschnittlichen Rentabilität bei selbständiger Wirtschaftsführung ohne Berücksichtigung der durch den Landhunger hervorgerufenen Pachtpreise."
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doch auf das heftigste gegen jeden Gedanken der Nationalisation: die Bauern des Südwestens und Südens, welche nicht in voller Feldgemeinschaft, sondern im Erbhufensystem (podwornoje semljewladjenije) leben, würden der Partei sofort den Rücken kehren, 5 wenn sie derartiges beschlösse, nur die Gewährung vollen privaten Grundeigentums könne sie befriedigen. Zwischen diesen äußersten Polen in der Mitte bewegten sich zahlreiche, durch Einzeldifferenzpunkte getrennte Ansichten, und es zeigte sich, daß der Kongreß, trotz eines eingehenden Vortrags von A . A . Kaufmann, alle wichti10 gen Fragen auf diesem Gebiet vorerst offen zu lassen genötigt war, vor allem weil über den Umfang einerseits der beabsichtigten Expropriation, anderseits der den Bauern zu gewährenden Landzuweisung keine Einigung über feste Normen zu erreichen war. 6 Die strittigen Fragen wurden schließlich einer Kommission überwiesen, die als15 dann dem dritten Kongreß ein ausgearbeitetes Programm vorlegte, in allen wesentlichen Stücken übereinstimmend mit dem Gesetzesantrag, den die Partei später in der Duma einbrachte.7 Es ist vielleicht richtig, dies Agrarprogramm und die darüber zutage getretenen Meinungsverschiedenheiten hier wenigstens in 20 gedrängter Skizze zu erörtern, um einen Begriff von den unerhörten Schwierigkeiten zu gewinnen, mit denen der Versuch, zurzeit in Rußland in dieser wichtigsten Frage überhaupt irgend etwas zu „wollen", zu rechnen hat. Vorerst einige allgemeine Vorbemerkungen 185 ). | 185
) Auf die Ansichten der russischen Agrarpolitiker, einschließlich der Sozialrevolu- A 286 (122) tionäre, haben in den 90er Jahren auch die deutschen Arbeiten, welche die „Konkurrenzfähigkeit" des ländlichen Kleinbetriebs vertreten, 8 einen tiefen Einfluß geübt, der heute noch - neben den Traditionen des Narodnitschestwo - nachwirkt. Man glaubte und glaubt vielfach an die technische „Gleichwertigkeit" von Groß- und Kleinbetrieb, wie viele Deutsche es auch ganz generell taten. Ich habe diese Ansicht in dieser Form nie geteilt: 6 Die Äußerungen Lucickijs und Kaufmans in: Agrarnyj vopros nas-ezde konstitucionnodemokraticeskoj partii, in: Russkija Vedomosti, Nr. 10 vom 11 .Jan. 1906, S. 2. 7 Auf einer Tagung von Agrarexperten in Moskau vom 17. bis 19. April 1906 wurde dieses Projekt der Konstitutionelien-Demokraten ausgearbeitet. Die Liste derTeiinehmerund der Text des Programms in: Osnovnyja poiozenija zakonoproekta agrarnoj reformy, in: Vestnik sei'skago chozjajstva, Nr. 17 vom 23. April 1906, S. 3f. Zum Gesetzesantrag der Konstitutionellen-Demokraten siehe unten, S. 656f. 8 So u.a. Goltz, Theodor Frhr. von der, Die ländliche Arbeiterklasse und der preußische Staat.-Jena: Gustav Fischer 1893; Kaerger, Karl, Die Arbeiterpacht. Ein Mittel zur Lösung der ländlichen Arbeiterfrage. - Berlin: Gergonne 1893, und Sering, Max, Die innere Kolonisation im östlichen Deutschland. - Leipzig: Duncker & Humblot 1893.
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A 287 (123)
Fest steht für fast alle Gegenden des Reiches, den äußersten Norden und die Neulandgebiete ausgenommen, das Vorhandensein der zunächst „subjektiven" Erscheinung des akuten „Landhungers" der Bauern, der am stärksten, aber keineswegs nur, in einer Zone besteht, welche die rein oder fast rein agrarischen, und zwar Getreide bauenden, Gebiete der „schwarzen Erde" und der an sie angrenzenden, vom Westufer der Wolga durch das südliche Zentralgebiet bis an und über den Dnjepr, umfaßt. „Objektiv" äußerst sich diese drükkende Landnachfrage am deutlichsten darin, daß seit zwei Jahrzehnten trotz beinahe unaufhörlich sinkendem Getreidepreis und - relativ! - stabiler Technik die Pachten und Güterpreise in konstantem, zum Teil geradezu exorbitantem Steigen185a) begriffen sind: die Nachfrage nach Boden ist nicht eine solche zum Zweck der geschäftlichen Verwertung von „Anlagekapital" als Erwerbsmittel, sondern zum Zweck des Besitzes des Landes als gesicherter Gelegenheit zur Verwertung der eigenen persönlichen Arbeitskraft für den eigenen Lebensunterhalt; nicht Profit, sondern Deckung des unmittelbarsten Bedarfs ist ihr Zweck, und daher gibt es eine Obergrenze für den Bodenpreis nur in den jeweiligen, wie immer erworbenen, Geldvorräten der Nachfragenden 186 ). Zunächst einmal rein „betriebstechnisch" angesehen, ergibt sich als Unterlage dieser Nachfrage der Umstand, daß auf dem vorhandenen ländlichen Areal bei der zurzeit bestehenden Technik in den von der bekannten „Zentrumskommission" 9 bearbeiteten Gebieten nur
Eigenarten unserer privatwirtschaftlichen Ordnung in erster Linie, nicht aber technische Leistungsfähigkeit, sind es, die den Kleinbetrieb halten und auf Kosten des Großbetriebs voranschreiten lassen, so richtig es ist, daß die „Konkurrenz" der Betriebsgrößen in der A 287 (123) Landwirtschaft | nicht mit derartigen Unterschieden der technischen Leistungsfähigkeit zu rechnen hat, wie in der Industrie. Dies nur in Kürze zur Feststellung des Standpunktes. 185a ) In 12 Gouvernements um rund 100%, in 22 ferneren um 50% in den letzten 10 Jahren (Kaufpreise). 10 186 ) Die Russen haben für diese Pacht den guten Ausdruck „prodowolstwennaja aren9 Nach der Mißernte des Jahres 1901 setzte der Zar am 16. November 1901 eine Kommission zur Untersuchung der „Frage des wirtschaftlichen Niedergangs des Zentrums im Vergleich zu anderen Teilen des Reiches" unter der Leitung des stellvertretenden Finanzministers V. N. Kokovcev ein, die aus 14 Mitgliedern aus Regierungsabteilungen, 18 Zemstvo-Offiziellen und einer nicht genau bestimmten Anzahl von Agrarexperten bestand. Die Kommission veröffentlichte ihre Ergebnisse in einem dreibändigen Werk im Jahre 1903. Materialy komissii o centre l-lll. 10 Zum Ansteigen der Pachtpreise vgl. z. B. den Artikel: Pozov, V., Kagrarnomu voprosu. Dvizenie zemel'nych cen, in: Strana, Nr. 33 vom 29. März 1906, S. 1.
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des Wahlausfalles
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etwa 21-23% der vorhandenen Arbeitskräfte verwertbar sind, drei Viertel bis vier Fünftel, zuweilen noch mehr, also brach liegen. Das ist selbst bei Berücksichtigung der winterlichen Zwangsferien der Landwirtschaft - „grenznutztheoretisch" ausgedrückt - eine geradezu ungeheuerliche Diskrepanz der beiden „komplementären" Produktionsmittel, deren mit der Volkszunahme steigende Schärfe in der steigenden Entwertung der Arbeit, der „Zurechnung" des „Produktionsertrages" immer mehr allein zum Boden ihren theoretisch durchaus verständlichen Ausdruck findet. 11 Verschärft wird dies Mißverhältnis noch dadurch, daß das Maß der - bei unter sich gleicher Betriebstechnik - in den einzelnen Gebieten auf die gleiche Fläche verwertbaren Arbeitskräfte | nach Süden zu infolge der Zu- A 288 (124) nähme der Vegetationsperiode abnimmt. Im Norden des Moskauer Gebietes, wo die gesamte Arbeit sich in wenig über drei Monate drängen muß, rechnet man, daß eine volle männliche Arbeitskraft für 4 Deßjätinen (4,4 ha) nötig sei, nach Süden zu vergrößert sich diese Fläche bis auf 8 Deßjätinen in der südlichen Schwarzerde (bei der „üblichen" Technik): es ist also gerade da das Mindestmaß von Arbeitskräften technisch erforderlich, wo die Zusammendrängung der Bauern die größte ist. Diesem Mißverhältnis kann auch nur in begrenztem Umfange durch Abfluß der überschüssigen landwirtschaftlichen Arbeitskräfte auf das Neuland im Norden und in Sibirien abgeholfen werden, aus den von A. A. Kaufmann in seinem Werk über die Übersiedlungsfrage und, skizziert, in dieser Zeitschrift entwickelten Gründen, 12 deren wichtigster in der fast unüberwindlichen Schwierigkeit einer Anpassung der aus dem dichtbevölkerten Süden stammenden Bauern an die sehr exzentrischen Existenzbedingungen nordischer Siedlungsgebiete liegt. Es fragt sich nun zunächst, ob nicht die betriebstechnische Umgestaltung der Bauernwirtschaft das überhaupt allein in Betracht kommende Mittel für eine Sanierung dieser unerträglichen Lage ist. Das ist, in letzter Instanz, schwerlich zu bestreiten und tatsächlich auch da", „Versorgungspacht" im Gegensatz zur „kapitalistischen Pacht" geprägt. Man darf das natürlich nicht mit „Parzellenpacht" identifizieren, denn der Parzellenpächter kann sehr wohl Kleinkapitalist und seine Pacht kapitalistische „Erwerbspacht" sein. |
11 Auf welche Autoren der Grenznutzentheorie sich Weber bezieht, ist nicht feststellbar. 12 Kaufman, Pereselenija i koionizacija, und Kaufmann, Das russische Übersiedlungsund Kolonisationsgesetz.
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von niemand bestritten187). Allein es ist dabei folgendes zu beachA 289 (125) ten: | Theoretisch formuliert, kämen als Mittel einer Umgestaltung der Relation zwischen Arbeitsbedarf und Arbeitskräften, wenn man 187 ) M a n rechnet z. Z. (nach Schätzungen des Petersburger Semstwos) 39'A D e ß j ä t i n e n Brache auf je 100 D e ß j ä t i n e n bestelltes Land (in Deutschland 6 ) . 1 3 Dabei ist in den Landnotgegenden der Schwarzen E r d e das Bauernland generell zu etwa 9/io u n t e r den Pflug g e n o m m e n und fast lediglich mit Getreide bestellt. Schon dasergibt: 1. Stoppelweide und 2. ganz unzulängliche D ü n g u n g , d a h e r 3. ausgedehnte Brache und dennoch" 1 Bodenerschöpfung als unvermeidliche Folgen. Als durchschnittlichen bäuerlichen R o h e r t r a g , d e m Geldwerte nach, für die 34 Semstwogouvernements rechnet man jetzt 11 R u b e l 78 Kopeken per D e ß j ä t i n e , als „Reinertrag" ein Minus von etwa 7 R u b e l . 1 4 Solche geldwirtschaftlichen Schätzungen sind freilich aus b e k a n n t e n G r ü n d e n stets problematisch. - Was die Entwicklung der Ernteerträge anlangt, so haben sich diese im Lauf der letzten 40 Jahre gerade in einigen G o u v e r n e m e n t s mit sehr kleinen bäuerlichen Landanteilen am meisten gehoben: Tschernigow 6 5 % , Kijew 6 4 % , Podolien 5 8 % : alles G e b i e t e mit Erbhufenbesitz (ohne Obschtschina) und sehr b e d e u t e n d e n , relativ m o d e r n bewirtschafteten Großbetrieb e n . 1 5 Im Anschluß an S. S. B j e c h t j e j e w 1 6 sucht jetzt Pestrzecki, ein eifriger Vertreter der rein betriebstechnischen Lösung des Bauernproblems (s[iehe] seinen „Opytt agrarnoj p r o g r a m m y " 1 7 und zahlreiche Artikelserien von ihm im ,,Now[oje] W r [ e m j a ] " ) , 1 8 die (relative) Irrelevanz des „Landmangels" der B a u e r n dadurch zu erweisen, d a ß er die 50 europäisch-russischen G o u v e r n e m e n t s nach der G r ö ß e des Durchschnittsnadjel in eine Reihe ordnet und dann je eine H ä l f t e dieser Reihe zusammenfaßt: es ergibt sich dann („Now[oje] W r [ e m j a ] " 10877), 1 9 d a ß 1. von 1891 bis 1902 für die landreiche H ä l f t e mehr „Verpflegungsfonds" (wegen Mißernte) aufzuwenden waren (102,5 Mill. R u b e l gegen 85,7 Mill bei der landarmen), daß 2. trotz der relativ h ö h e r e n Steuerbelastung pro A 289 (125) D e ß j ä t i n e der landarmen H ä l f t e die | Steuerrückstände derselben (3 R u b e l pro Seele) 1898 geringer waren als in der landreichen (3,40 R u b e l ) , und zwar in den landärmsten am
A 288 (124)
m DV; A: danach 13 Die Schätzungen des Petersburger Zemstvo konnten nicht ermittelt werden. Zum Verhältnis zwischen Brachland und bestelltem Land in Rußland, vgl. Kablukov, N.A., Znacenle chlebnych cen dlja castnago zemlevladenlja v Evropejskoj Rossii, in: Cuprov, A. I. und Posnikov, A. S. (Hg.), Vlljanie urozaev i chlebnych cen na nekotoryja storony russkago narodnago chozjajstva, tom 1. - S.-Peterburg: V. Kirsbaum 1897, S. 97-144, hier: S. 115 (künftig: Cuprov und Posnikov, Vlijanie urozaev). Ebd., S. 116 auch die Angabe, daß 9/o des Bauernlandes im Schwarzerdegebiet unter dem Pflug seien. 14 Siehe dazu die Zahlen in: Vestnik sel'skago chozjajstva, Nr.5 vom 29. Jan. 1906, S. 17. Der Ertrag des Bodens in 34 Gouvernements wurde dort mit 11,78 Rbl., die Kosten mit 7,65 Rbl., der Reinertrag mit 4,13 Rbl. angegeben. 15 Die Quelle, auf die sich Weber bezüglich der Entwicklung der Ernteerträge stützt, konnte nicht ermittelt werden. Siehe jedoch die Statistiken in: Cuprov, und Posnikov, Vlijanie urozaev, tom II, prilozenie, S. 72, 76, 86 und 90 (wie oben, Anm. 13). 16 Bechteev, Chozjajstvennye itogi. 17 Pestrzeckij, Opyt agrarnoj programmy, bes. Kap. 11 und 12 (S. 128-156). 18 Vgl. z.B. Pestrzeckij, D., Ocerki po krest'janskomu voprosu. I.-Ill., in: Novoe Vremja, Nr. 1 0 7 0 8 - 1 0 7 1 0 vom 5., 6. und 7. Jan. 1906. 19 Weber bezieht sich auf den Artikel: Pestrzeckij, D., O malozemel'i kak pricine ökonomiceskago upadka zemledel'ceskago naselenija, in: Novoe Vremja, Nr. 10877 vom 26. Juni 1906, S.2.
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an dem bäuerlichen Betnebsausmaß festhält, in Betracht: 1. die Einschaltung bezw. wesentliche Verstärkung des jetzt auf ein Minimum beschränkten Faktors „produzierte Produktionsmittel": moderne, speziell auch tiefer gehende Pflüge und andere ertragsteigern5 de Werkzeuge, künstlicher Dünger usw. Dies würde unzweifelhaft die von der gegebenen Fläche zu gewinnende Produktmenge in ganz bedeutendem Maße steigern. Keineswegs in gleichem Maße dagegen die auf der gegebenen Fläche betriebstechnisch erforderlichen Arbeitskräfte. Wie sich der Bedarf an solchen, unter Voraussetzung 10 gleichbleibender Produktionsn'c/iiwng - also, für die Hauptgebiete der Landnot, des fast ganz ausschließlichen Getreidebaues - gestalten würde, ist schlechterdings mit dem vorhandenen Material nicht zu berechnen; für breite Gebiete würde, da die technische Optimalität des Betriebsausmaßes außerordentlich hoch über dem Durch15 schnittsumfang der bäuerlichen Betriebe liegt, | betriebstechnisch A 290 (126) angesehen, eine gewaltige Übersättigung mit landwirtschaftlichen geringsten (Podolien und Poltawa 0,10 R u b e l ) , " daß 3. der Schnapsverbrauch und die Zahl der Detailhandlungen pro Seele bei den landarmen Gebieten größer war. endlich 4. d a ß die Schweinehaltung der landarmen Gebiete mit 32,6 Stück auf 100 D e ß j . (109 H e k t a r ) die der andern (mit 6,6) u m das Fünffache, die gesamte Viehhaltung (157 Stück gegen 91) um 70% übertraf. Es ist dabei immerhin das eine wohl zu beachten, daß es fast durchweg auch hier die G o u v e r n e m e n t s des Westens, namentlich das westliche Kleinrußland, sind, welche bei diesen Zahlen den Ausschlag geben. Die Eigentümlichkeit der agrarpolitischen Lage R u ß l a n d s beruht zum Teil darin, d a ß die in ihrer Agrarverfassung ökonomisch (vom kapitalistischen Standpunkt aus) „ m o d e r n s t e n " und betriebstechnisch entwickeltsten Gebiete die nicht nationalgroßrussischen sind. D a s „Ostelbien" Rußlands ebenso wie die Gebiete mit (relativ) intensiv g e n u t z t e m 0 kleinbäuerlichen Privateigentum sind die westlichen Grenzländer mit polnischer Junker- und klein- bezw. weißrussischer Bauernschicht, in bezug auf Volksbildung, Selbstverwaltung, politische Kultur das Aschenbrödel des Reichs. Anderseits stecken unter den als „landreich" z u s a m m e n g e f a ß t e n 25 Gouvernements G e b i e t e wie die Astrachaner und O r e n b u r g e r Steppe und die N o r d g o u v e r n e m e n t s Perm, Olonetz, Wologda, sowie die Neusiedelungsgebiete Neurußlands. - Was die Zahlen trotzdem illustrieren, ist die unzweifelhafte Tatsache, d a ß die G r ö ß e des N a d j e l allein noch nichts ü b e r die Lage der B a u e r n besagt. G e g e n ü b e r den Versuchen (ebenfalls Bjechtjejews, vgl. Pestrzecki a . a . O . Nr. 10877, 2 ) , 2 0 durch Vergleichung des E r n t e q u a n t u m s mit der Zahl der B a u e r n das M a ß der D e c k u n g ihres Lebensbedarfs in seiner Entwicklung zu verfolgen, ist - soweit es sich dabei nicht u m lokale Untersuchungen, sondern um große Durchschnitte handelt - natürlich zu b e t o n e n , daß nicht in d e m jeweils geernteten Getreid e q u a n t u m , sondern in der Umgestaltung der Art der bäuerlichen Bedarfsdeckung nach der geldwirtschaftlichen Seite hin ( z u m Teil erzwungen durch den mittelst Steuerdrucks forcierten Getreideexport) die wesentlichen M o m e n t e der Krisis beschlossen sind. | n A: R u b e l ,
o A: genutzten
2 0 Siehe Anm. 16 und 19.
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Arbeitskräften erst recht gerade dann vorliegen, wenn zum „kapitalintensiven" Betrieb übergegangen würde 1873 ). Es käme also ferner 2. die Einschaltung neuer Produktionsnc/iiM«gerc in die bäuerliche Fruchtfolge in Betracht, d.h. also Verlassen der heute gerade bei den Bauern der Notstandsgegenden ganz einseitigen (meist dreifelderwirtschaftlichen) Getreideproduktion. Kein Zweifel, daß die Steigerung der Vielseitigkeit der Produktion den betriebstechnischen Bedarf an landwirtschaftlichen Arbeitskräften in ganz außerordentlichem Maße, jedenfalls über das jetzige Quantum von solchen, zu steigern geeignet wäre. Die betriebstechnische Voraussetzung für die Einschaltung neuer Produktionsn'c/ziMnge« aber würde in einem nicht a priori zu bestimmenden Maße doch auch wieder die Einschaltung neuer „produzierter Produktionsmittel", besserer Arbeitswerkzeuge insbesondere, sein. Und weiterhin müßte auch gefragt werden^] a) ob die natürlichen Bodenqualitäten die Viel- oder doch Mehrseitigkeit der Produktion begünstigen, z.B. durch Vorhandensein von Wiesen188), ferner b) ob die hiernach etwa möglichen, neu einzuschiebenden Produktionsrichtungen betriebstechnisch dem Ausmaß von ßöMemwirtschaften adäquat sind (was z. B. für Zuckerrüben nur sehr bedingt zuträfe), endlich aber und namentlich c) an welche „volkswirtschaftlichen" Bedingungen jene „betriebstechnischen" Möglichkeiten gebunden sind. Für die Produktionsvermannigfaltigung wäre entscheidend, welches von den in den Produktionsprozeß neu aufzunehmenden Produkten Marktprodukt ist und sein kann, und dies wieder hinge zu einem Teil unter anderem auch mit der Frage zusammen, ob der Markt, für den produziert werden soll, ein lokaler, auf der Kaufkraft nicht landwirtschaftlicher Schichten an Ort und Stelle oder in der Nachbarschaft ruhender, ist oder ob es ein Fernmarkt sein muß. Für alle Reform-Möglichkeiten aber ist ferner entscheidend, in welchem Maß dem Bauern „Kapital" (im ökonomisehen Sinne) entweder als Eigenbesitz zur Verfügung steht oder aber er über jene „geschäftlichen" Qualitäten und rechtlichen Voraussetzungen verfügt, welche ihn kreditwürdig machen. In den HauptnotA 2 9 0 (126)
187a ) Die Bauern könnten alsdann an Ort und Stelle nur als Arbeitskräfte der vorhandenen Großbetriebe zunehmende Verwendung finden, wenn diese letzteren derart intensifiziert würden, daß ein Plus von Arbeitsnachfrage entstünde. Bauernwirtschaft beim Export-Ge/ra'debau bedeutet Arbeitsvergeudung. 188 ) Was diese anlangt, so steht unzweifelhaft fest, daß gerade an ihnen die Bauernwirtschaften vieler Notstandsdistrikte den äußersten Mangel leiden. |
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standsgegenden fehlen nun teils aus natürlichen, teils aus historischen Gründen 1. kräftige Lokalmärkte sehr häufig. Diese Gebiete sind zum sehr großen Teil landwirtschaftliches Exportgebiet, und zwar speziell Getreideexportgebiet, und dies bedingt eine besonders starke, betriebs|technische sowohl wie ökonomische, Überlegenheit A 291 (127) größerer Betriebe. Es fehlt ferner 2. der breiten Schicht der Bauern unstreitig sowohl das Kapital als die, nur im Wege eines „geschäftlichen" Erziehungsprozesses zu erwerbende Qualität der „Kreditwürdigkeit". Dabei spielt die bestehende Agrarverfassung teils direkt infolge Unveräußerlichkeit, Unverpfändbarkeit und Exekutionsfreiheit des bäuerlichen Bodens, teils und namentlich indirekt: zufolge der allgemeinen „Lebensstimmung", die sie begünstigt, eine, wenn auch in ihrer Tragweite vielleicht oft überschätzte, so doch unverkennbare Rolle mindestens insofern, als sie den geschäftlichen „Erziehungsprozeß" immerhin hemmt. Hierüber später. 21 Aber davon ganz abgesehen, fehlt gerade den Bauern mit der größten Landnot eben wegen dieser Landnot unter den heutigen Bedingungen, generell gesprochen, auch die Möglichkeit, irgendwelche Kapitalbeträge zu ersparen189). Auch die - selbstverständlich aus anderen Gründen höchst wichtige - Einschränkung des Trunkes und die Erleichterung der Steuern könnte in dieser Hinsicht erst nach langen Jahren erhebliche Geldbeträge für die Masse der Einzelwirtschaften ergeben, die umfassendsten und verzweigtesten Personal-Kreditorganisationen einerseits, Absatzorganisationen für das Getreide anderseits, genossenschaftliche Erziehung des Bauern und alle ähnlichen Mittel würden erst in zwei bis drei Dezennien wirklich fühlbare Ergebnisse zeitigen können, und zwar für eine durch Differenzierung zu gewinnende Elite - in „geschäftlicher", nicht etwa „ethischer", Wertung gesprochen - aus der Bauernschaft. Inzwischen aber stiege die Not der sich stetig vermehrenden Masse derselben in unerhörtem Maße, zumal der Bauer überdies durch das nicht zu hindernde Absterben des alten Hausfleißes in stetig zunehmendem Maße auf geldwirtschaftliche Bedarfsdeckung angewiesen wird, zu der die Masse sich immer weniger imstande zeigt. Rechnet man nun mit den heute 189 ) Die Kapitalien der „Kulaki" stammen regelmäßig nicht direkt aus landwirtschaftli- A 291 (127) chen Überschüssen.
21 Siehe unten, S. 578ff.
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Übergang
zum
Scheinkonstitutionalismus
gegebenen geschäftlichen und ökonomischen Qualitäten des Bauern als mit einer jedenfalls nur höchst allmählich umzugestaltenden gegebenen Größe, dann allerdings erscheint die Vermehrung ihres Landbesitzes um jeden Preis als die für die Gegenwart schlechthin nicht zu umgehende Voraussetzung alles weiteren, insbesondere 5 auch der Möglichkeit der „Selbsthilfe". Diese Vermehrung findet nun heute im Wege des freien oder durch die Bauernlandbank 1893 ) vermittelten Verkehrs zwar in bedeuA 292 (128) tendem Um|fang 190 ), aber doch zu Preisen 191 ) 22 statt, welche die 189a ) Auf dies der Vermittlung des bäuerlichen Landerwerbes dienende Institut komm e n wir erst später zu s p r e c h e n . 2 3 | 19 A 2 9 2 (128) °) Es haben nach den oft zitierten Zahlen der „Materialien zur Statistik der Bodenbewegung", Band IV, 2 4 welche auf den registrierten materiellen U r k u n d e n f u ß e n , von 1863-1892 in 45 europäischen G o u v e r n e m e n t s G r u n d und Boden:
verkauft für 1000 Rubel Adlige, B e a m t e , Offiziere Die Geistlichkeit Ehrenbürger*) Leute bürgerlichen Berufs o h n e festgestellten Stand Kaufleute Kleinbürger und H a n d w e r k e r Bauern: Einzelne Genossenschaften**) Dörfer B a u e r n : Im ganzen Kosaken Andere Dorfbewohner Fremde
gekauft für 1000 R u b e l
m e h r ( + ) oder weniger ( - ) ge- als verkauft für 1000 R u b e l
1459000 6901 20075 2 5
821081 12141 90367
- 637919 + 5240 + 70292
20075 135312 58799
24013 318239 82435
+ 3938 + 112927 2 6 + 23636
66537 16506 9750
158414 129733 46976
+ 91877 + 113227 + 37226
92783 2 7
335123
+ 242340 2 8
14022 30176 20636
27799 80686 24701
+ + +
13777 50510 4065
*) D . h. Kommerzienräte, I n h a b e r bestimmter G r a d e und Tschins usw. * *) Für den A n k a u f und die Übersiedlung kraft besonderer gesetzlicher Bestimmungen gebildet. 22 23 24 25 26 27 28
DieAnm. 1 9 1 ) folgt unten, S. 514. Siehe unten, S. 568 und 590ff. Materlaly po statistike 4, Tabelle S. 6f. und S. 12f. Die Zahl muß lauten 67453 (ebd., S. 6), so daß sich In Spalte 3 die Zahl 22914 ergäbe. Hier Hegt ein Rechenfehler vor. DieZahl müßte lauten 182927. Hier Hegt ein Rechenfehler vor. Die Zahl müßte lauten 97 793. Hier liegt ein Rechenfehler vor. Die Zahl müßte lauten 242330.
Bedingungen
des
Wahlausfalles
513
Herauswirtschaftung von „Mehrerträgen" aus dem gekauften oder gepachteten Land generell zweifellos ausschließen, weil 1. die Ertragsergebnisse der bäuerlichen | Wirtschaften schon an sich 20% A 293 (129) Man sieht: die großen Posten der Mehr kauf er werden dargestellt einerseits durch die Kaufleute mit Einschluß der „Ehrenbürger", anderseits durch die Bauern, während als Mehrverkäufer allein der Adel dasteht. Dieser verlor nach den Rechnungen Sswjätlowskijs 2 9 in jenen 30 Jahren 24,2 Millionen Deßjätinen oder etwa ein Drittel der Landfläche, die er nach der Reform von 1861 besaß. Kaufleute erwarben davon 9,6 Millionen, „Ehrenbürger" und Kleinbürger 2,5 Millionen Deßjätinen. Das den drei Kategorien von Bauern, Staats-, gutsherrlichen und Apanagenbauern bei der Befreiung zugewiesene „Nadjel"-Land umfaßte rund 112 Milionen Deßjätinen, Kolonisten, und früher freigelassene Bauern hatten zusammen IVi Millionen Deßjätinen, ebensoviel betrug das Apanagenland, alle Arten anderer nicht bäuerlicher Besitzer, außer dem Staat, hatten an 100 Millionen Deßjätinen, der Staat endlich 151'/2 Millionen (davon noch nicht 4 Millionen urbares Land). 3 0 Zu ihren 112 Milionen Deßjätinen hatten nun die Bauern bis 1893 9'A Millionen, bis jetzt mindestens etwa 15 Millionen kaufweise dazuerworben. 3 1 Bei dem Übergang des adligen Landes an nichtadlige Besitzer war für die Zeit von 1863 bis 1892 noch die entsprechende Erscheinung zu beobachten, wie neuerdings bei der | deutschen Parvenü-Fideikommißbildung: 3 2 das Kapital suchte den Rente tragenden A 293 (129) Boden (Schwarzerde) mit Vorliebe auf: hier hatten die Bauern ihren Besitz am wenigsten vermehrt. Dagegen auf dem Nicht-Schwarzerde-Land stand der Erwerb durch Kaufleute hinter dem bäuerlichen zurück, der zumal in den industriellen Rayons ein relatives Maximum erreichte: die „rentenlose" /IrfteiMwirtschaft breitete sich hier aus, die Kaufkraft p der Bauern für den Landerwerb aber ruhte auf industriellem Verdienst, der auf der schwarzen Erde fehlt, der Kleinbetrieb war durch die Kaufkraft der lokalen gewerblichen Märkte begünstigt, im Gegensatz zu den überall den Großbetrieb begünstigenden Exportgegenden des Südens. Eine Auseinandersetzung mit den vielfach höchst willkürlichen Bemerkungen von Masslow, Agrarnyj Wopross v q Rossii S. 221 f. 3 3 (der approbierten marxistischen Erörterung der russischen Agrarfrage) über diese Fakta muß für eine andere Gelegenheit verspart werden. Hinzugefügt seien dem Gesagten nur noch die Hauptergebnisse der jetzt von Lossitzkij vorzüglich bearbeiteten neuesten Bodenumsatz-
p DV; A : K a u f l u s t
29
q Fehlt in A ; v s i n n g e m ä ß ergänzt.
Materialy po statistike 7, S. XIX.
3 0 Die Z a h l e n In: Materialy komlssli o c e n t r e III, S. 1 5 6 f f . 31 Die Z a h l e n für das v o n d e n Bauern g e k a u f t e Land w i c h e n erheblich v o n e i n a n d e r ab. V. V. Svjatlovskij gibt in seiner Darstellung ü b e r den B e s i t z w e c h s e l , Materialy po statistike 11, S. 43, für d e n Z e i t r a u m 1 8 6 3 - 1 8 9 2 die Zahl v o n 10,4 Mio. Desjatinen v o n d e n Bauern g e k a u f t e n L a n d e s an; für die Zeit bis 1 8 9 7 12,9 Mio. Desjatinen. Ebd. 3 2 A n s p i e l u n g auf das S t r e b e n des Kapitals, B o d e n als R e n t e n f o n d s zu Nobllitlerungsz w e c k e n a u f z u k a u f e n . Vgl. W e b e r , Z u r F l d e i k o m m i ß f r a g e in Preußen, S. 5 5 9 - 5 6 5 u n d 571 ff. ( M W G I/8). 3 3 Maslov, Agrarnyj v o p r o s v Rossii, c . 2 , glava 3: D v i z e n i e z e m e l ' n o j s o b s t v e n n o s t i v Evropejskoj Rossii, S. 2 2 1 - 2 4 0 . Die v o n W e b e r in A u s s i c h t gestellte A u s e i n a n d e r s e t z u n g ist nicht e r s c h i e n e n .
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Übergang zum
Scheinkonstitutionalismus
unter derjenigen der Gutswirtschaft stehen, von der sie Land kaufen; der Bauer steht sich vielfach als Arbeiter des Grundherrn besser wie A 294 (130) als Pächter192) oder Käufer, selbst wenn dabei | nur der „Ertrags-
statistik (für 1898, erschienen 1905). 34 Für 1898 ist der Mehrerwerb an Land bei den Bauern (Einzelnen, Genossenschaften und Gemeinden) auf der schwarzen Erde 34,3 (Kauf) - 7,2 (Verkauf) = 27,1% der umgesetzten Bodenfläche, außerhalb der schwarzen Erde dagegen nur 13,7 (Kauf) - 6,2 (Verkauf) = 7,5% der umgesetzten Bodenfläche. 3 5 Das Verhältnis war also das umgekehrte wie in den Jahren 1863-1892, infolge des akut gewordenen Landhungers der Bauern, dem die Umgestaltung des Statuts der Bauernbank 189536 die Bahn geöffnet hatte, sich geltend zu machen. Der Erwerb der „Kaufleute und Ehrenbürger" ist innerhalb wie außerhalb der schwarzen Erde in einen Verlust umgeschlagen, der freilich außerhalb der schwarzen Erde ( - 6,0%) größer ist als im Schwarzerdegebiet ( - 2 , 0 % ) , dort jedoch durch den sehr starken Bodenerwerb (13%) „juristischer Personen" (hat hauptsächlich im Gouv[ernement] Perm im Norden stattgefunden) wieder wettgemacht wird. 3 7 Das Steigen des bäuerlichen Bodenerwerbes ist, wie Lossitzkij nachweist, konstant, und es ist ein starkes Stück, 1. daß Masslow, a.a.O., diese neueren Statistiken ignoriert; 2. daß er das von den bäuerlichen Gemeinden 1863-1892 erworbene Land allein dem gesamten Bodenumsatz, und zwar verkauftes Land und gekauftes Land addierend(!), gegenüberstellt, um so zu zeigen, daß „weniger als 2%" des Bodenumsatzes den Bauern (!) zugute gekommen sei. 3 8 Der Anteil der Bauern an den Land kaufen stieg in 44 Gouvernements von 12,7% im Jahrzehnt 1863-1872 auf 17,7% 1873-1882, 29,2% 1883-1892, 27,1%, 1893-1897, 34,9% 1898. Von allem Land, welches zwischen den Ständen den Besitz wechselte, gingen an die Bauern 1863-1872 22,0%, 1873-1882 32,7%, 1883-1892 63,7%, 1983-1897 52,2%, 1898 66,4% über. Es waren unter 19 Gouvernements mit dem größten Zuwachs bäuerlichen Landes 1863-1897 nur 8 Schwarzerdegouvernements, in der 15jährigen Periode 1883-1897 10,1898 aber I I . 3 9 191 ) In der Gegend von Kijew z.B. wurden selbst in diesem Frühjahr 450 Rubel pro Deßjätine gefordert, d. h. rund 1000 Mk. pro Hektar. 4 0 192 ) Die Pachten schwankten in den Gouvernements nach den Erhebungen der Kutlerschen Agrarkommission zwischen 60 Kopeken (Wologda) und 14'A Rubel pro Deßjäti-
34 Materialy po statistike 12. 35 Ebd., S. 5 8 f . und S. 6 0 f . 36 Seit d e m Gesetz v o m 27. N o v e m b e r 1895 war die Bauernbank ermächtigt, auf eigene Initiative von Gutsbesitzern Land zu e r w e r b e n und an die Bauern zu verkaufen oder zu verpachten. 37 Materialy po statistike 12, S. 5 8 f . und S. 6 0 f . Die Zahlen für das G o u v e r n e m e n t Perm auf S. 30. 38 Maslov, Agrarnyj v o p r o s v Rossii, S. 227. Die bei Maslov aufgeführten Zahlen beziehen sich auf die G o u v e r n e m e n t s des zentralen Schwarzerdegebiets. 39 Materialy po statistike 12, S. XX, XXI. 40 Diese A n g a b e n W e b e r s finden sich in: Vestnik sei'skago chozjajstva, N r . 8 v o m 19. Febr. 1906, S. 16. 41 Die Zahlenangabe W e b e r s findet sich in: Vestnik sei'skago chozjajstva, Nr. 3 v o m 15. Jan. 1906, S . 1 6 .
Bedingungen
des
Wahlausfalles
515
wert" des Gutslandes zugrunde gelegt würde193), und vor allem weil 2. die ungeheuere Konkurrenz der pacht- und kaufbedürftigen Bauern um das Land die Preise weit über den kapitalisierten Ertragswert selbst des Gutslandes, man kann sagen: ohne jede fixierbare Ober5 grenze, in die Höhe treibt. Überdies aber sind es natürlich keineswegs die Bedürftigsten, die bei diesem rasenden Wettlauf in den Besitz des ihnen nötigen Landes gelangen 1933 ). Aus dieser Situation 193
) Dies pflegt den nach Landzuweisung verlangenden Bauern stets entgegengehalten A 294 (130) zu werden, allerdings meist in Übertreibungen, - so vom Min[isterial]-Assist[enten] Gurko in der Dumasitzung vom 19. Mai, der den Arbeitsverdienst der Bauern pro Deßjätine Gutsland auf 11 Rubel, den Reinertrag pro Deßjätine Bauernland auf 5 Rubel, den Verlust also auf 6 Rubel pro Deßjätine für den Fall der Verteilung des Privatbesitzes unter die Bauern berechnet. 4 2 Dabei waren nun allerdings einige „Kleinigkeiten" vergessen. Aber Professor Herzensteins Erwiderung war auch kaum ganz stichhaltig, 43 und der Satz, daß die Verwendung der gleichen Quantität Arbeit im Kleinbetrieb (bei gleicher Produktionsrichtung), ökonomisch betrachtet, Arbeitsvergeudung bedeuten kann, wird dadurch nicht beseitigt. Beim russischen Bauernbetrieb liegt nach den Materialien der „Zentrumskommission" die Sache in der Tat so, daß in 11 von 26 untersuchten Gouvernements der Arbeitsverdienst der Bauern von einer besäten Deßjätine Gutsland in Geld bedeutend höher steht als der in Geld veranschlagte Produktenertrag einer Deßjätine Nadjel-Land, 4 4 - Folge der umfassenderen Kapitalverwendung und rationelleren Arbeitsnutzung der Großbetriebe. 193a ) Welche Kategorien von „Bauern" es sind, die den Hauptanteil von dem Landerwerb im Wege des privaten Kaufes haben, will Lossitzkij, a. a. O. p. XXII 4 5 aus der von ihm festgestellten Tatsache schließen, daß die bäuerlichen Landkäufe im Jahre 1898 in denjenigen Gebieten am stärksten waren, welche 1897 die schwerste Mißernte gehabt hatten. Die Mißernte der „Schwarzen Erde" wurde auf - 2 3 % gegen das Mittel berechnet, der Prozentsatz der bäuerlichen Landerwerbungen betrug 262% des Mittels. Innerhalb der Schwarzen Erde hatte die stärkste Mißernte das „Zentrale Landwirtschaftsgebiet" mit 34% gegen Mittel, der Prozentsatz bäuerlicher Landerwerbungen betrug hier 485% des mittleren. Es ist - so folgert e r - d i e besitzende Schicht der Bauern, die „Dorfbourgeoisie", welche von der Notlage des von der Mißernte betroffenen Privatbesitzes Vorteil zieht,
42 Diese A n g a b e n finden sich in der Rede des Landwirtschaftsministers Stisinskij in der D u m a - S i t z u n g v o m 19. Mai 1906, nicht in der Rede G u r k o s am gleichen Tage. Gosudarstvennaja Duma, in: Russkija Vedomosti, Nr. 133 v o m 21. Mai 1906, S . 3 ; Sten. otcety Gos. D u m y , 1 - y j sozyv, S. 5 0 9 - 5 1 7 . Stisinskij gab folgende Zahlen an: Arbeitsertrag 1 5 - 1 6 Rubel, Reinertrag 5 - 6 Rubel, Verlust 1 0 - 1 1 Rubel. 43 Die A n t w o r t Gercenstejns, des Agrarexperten der Kadetten, ebd., S. 3f. Sten. otcety Gos. D u m y , 1 -yj sozyv, S. 5 2 3 - 5 3 0 . 44 Eine solche v e r g l e i c h e n d e R e c h n u n g ist in den Materialien der Z e n t r u m s k o m m i s s i o n nicht nachzuweisen. Sie findet sich z.B. in d e n Artikeln: Pestrzeckij, D., K prenijam v Gosudarstvennoj D u m e , in: Novoe Vremja, Nr. 1 0 8 4 6 v o m 26. Mal 1906, und Pis'ma v redakciju, in: N o v o e Vremja, Nr. 1 0 8 5 3 v o m 2. Juni 1906, S . 4 , unter Berufung auf: Materialy komiss'li o centre I, Tabellen XVII und XXI, S. 199 und 231. 45 Materialy po statistike 12, S. XXII, XXIII.
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A 295 (131) ist der | Gedanke, die Preise zwangsweise zu fixieren, dem Bodenwucher ein Ende zu machen und den bäuerlichen „Nadjel" der wirklich Landbedürftigen planmäßig auf eine Höhe zu bringen, welche dem Bauern wenigstens den konstanten Druck des Hungers von den Schultern nimmt, der Expropriationsgedanke also, geboren. Sehen s wir kurz die Probleme an, in die er sich verstrickt: 1. entsteht die Frage, welche Norm für die - soweit möglich - durch Landzuteilung zu erreichende Größe des bäuerlichen Nadjel gelten soll. An Vorschlägen und Forderungen standen sich gegenüber: a) das Verlangen, der Bodenbesitz jedes Bauern solle so groß sein, daß er seine 10 Arbeitskräfte voll darauf verwerten könne. „Das Land ist Gottes, es muß nur den selbst Arbeitenden überlassen werden, jedem aber so viel, als er bearbeiten kann." 46 Die Unmöglichkeit, dieses Ziel in Rußland zu erreichen, ist statistisch absolut außer Zweifel gestellt194). Es ist so viel Land schlechthin nicht verfügbar; gleichwohl denn im Nicht-Schwarzerde-Gebiet wurde eine Mittelernte (100%) verzeichnet: der ländliche Landkauf stand 30% unter Mittel (Folge der Industriekrisis, 47 welche auf den Kustarbauern lastete). Allein beachtenswert scheint, daß innerhalb des „zentralen Industrierayons" sowohl wie des „zentralen Landwirtschaftsrayons" der Adel fast gleichmäßig mit gegen ein Drittel des Gesamtumsatzes am Landver/i«i beteiligt war (30,1 bezw. 32,7%),r während sich für die Bauern die Zahlen wie folgt stellten: Gesamtw/roaiz des Industrierayons 480000 Deßjätinen; davon erwarben (in runden Zahlen) die Bauern mehr, als sie verkauften: Einzelne: 11600 Deßjätinen (5,2% des Umsatzes), Genossenschaften 50700 Deßjätinen (10,6%), Dorfgemeinden 10000 Deßjätinen (2,0%). - Gesamtumsatz des Landwirtschaftsrayons: 291000 Deßjätinen; davon erwarben die Bauern mehr, als sie verkauften: Einzelne: 10400 Deßjätinen (3,6% des Umsatzes), Genossenschaften 36000 Deßjätinen (12,4%), Gemeinden 25500 Deßjätinen (8,8%).48 Also war A 295 (131) gerade in dem Miß|erntegebiet auch die Beteiligung der Gemeinden am Kauf besonders stark, woraus man geneigt sein könnte, im Gegensatz zu Lossitzkij, auf den Noicharakter wenigstens eines Teiles der Käufe zu schließen: die Bauern kaufen, scheint es, auch deshalb Land (auf Kredit durch die Bank), weil gerade die Mißernte sie zur Verbreiterung ihres Landbesitzes aufpeitscht. 194 ) Die Größe der „trudowaja norma" berechnet die Bauernbank auf die Familie: in der mittleren Schwarzen Erde auf 23-33 Deßjätinen (TA bis lO'/i Deßjätinen pro männlir A: 32,7%, 46 Als Zitat nicht nachgewiesen. 47 Die industrielle Krise am Ende der 1890er Jahre wurde vor allem durch eine Verknappung des Geldes hervorgerufen. Der Zusammenbruch zweier großer Konzerne war der sichtbare Ausdruck dieser Krise, zu der steigende Zinsen auf dem internationalen Kapitalmarkt und ein Nachlassen der ausländischen Investitionen beitrugen. Seit 1906/07 und verstärkt in den Boomjahren 1 9 0 9 - 1 9 1 3 wuchs die Wirtschaft wieder an. 48 Materialy po statistike 12, S. 22f. und S. 28f.
Bedingungen des
Wahlausfalles
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hat nicht nur die Sozialrevolutionäre Bauern- und Arbeiterpartei auch in der Duma daran ausdrücklich festgehalten, sondern sind gelegentlich auch bekannte Agrarpolitiker für diese „trudowaja normo" eingetreten. 49 b) Das „Bedarfsprinzip" („potrebitjelnaja nor5 ma"): der Bauernwirtschaft ist so viel Land zuzuteilen, als sie für die Deckung der elementaren Lebensbedürfnisse (Essen, Wohnung, Kleidung) bedarf: es versteht sich dabei, daß diese Norm nur unter Berücksichtigung aller konkreten Verhältnisse, also lokal verschieden, feststellbar wäre. Die „trudowaja norma" geht vom „Recht auf 10 Arbeit", die „potrebitjelnaja norma" vom „Recht auf Existenz" aus. Die erstere setzt, wie das „Recht auf Arbeit" selbst, den Gedanken voraus, daß Zweck der Wirtschaft der Erwerb sei, sie ist ein revolutionäres Kind des Kapitalismus; die letztere behandelt als Zweck der Wirtschaft die Gewinnung des „Bedarfs", ihre gedankliche Grundla15 ge ist der „Nahrungs"standpunkt. Das Prinzip der „potrebitjelnaja norma" kann nun in der doppelten Formulierung auftreten: a) daß maßgebend sein solle ein Bodenausmaß, welches bei Hebung der Technik | des Bauern auf das für ihn normalerweise erreichbare A 296 (132) Niveau moderner Bauern wirtschaften ausreicht195), oder ß) daß die 20 heutige Technik des Bauern, also, da man die Faulen und Dummen che Seele), Poltawa 25 Deßjätinen (tt'A pro männliche Seele), Taurien 30-35 Deßjätinen (10—11% pro männliche Seele), Orenburg 67 Deßjätinen (22'A Deßjätinen pro Seele), auf reinen Wiesenländereien 3 Deßjätinen (1 pro Seele). ,,Now[oje] Wr[emja]" 10833, 2. 5 0 (Ober die Rechnung pro volle Arbeitskraft siehe weiter oben im Text). 51 Mit diesen Ziffern sind die Angaben über die vorhandene Nutzfläche und die Zahl der landwirtschaftlichen Bevölkerung (Anm. 207) zu kombinieren. | 195 ) In etwas sorgsamerer Formulierung als der hier gegebenen der Standpunkt A . A . A 296 (132) Kaufmanns. 52
49 S o w o h l die Partei der Sozialrevolutionäre als auch die Trudoviki in der D u m a vertraten das Prinzip der Arbeitsnorm. Vgl. den Entwurf eines Agrargesetzes der Trudoviki unten, S . 5 3 8 f . Zur z e i t g e n ö s s i s c h e n Diskussion über „ A r b e i t s n o r m " und „ V e r s o r g u n g s n o r m " vgl. Golgofskij, V., Opyt vycislenija potrebitel'noj normy, in: Vestnik sel'skago chozjajstva, Nr. 27 v o m 2. Juli 1906, S. 3 - 5 , Nr. 28 v o m 9. Juli 1906, S. 8 f „ Nr. 29 v o m 16. Juli 1906, S. 6 - 9 , und Nr. 3 0 v o m 23. Juli 1906, S. 9 - 1 2 . 50 W e b e r meint wohl den Artikel: Pestrzeckij, D., Social'nyj Eksperiment, in: N o v o e Vremja, Nr. 1 0 8 3 3 v o m 12. Mai 1906, S . 2 . (Im Original: „priotskich lugach" = auf abgeleg e n e n Wiesen.) 51 Siehe oben, S. 507. 52 Vermutlich bezieht sich W e b e r auf: Kaufman, Pereselenija i kolonizacija, S. 181 f., und ders., K v o p r o s u o d o p o l n i t e l ' n o m nadelenii, S. 1 2 - 2 4 .
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nicht direkt begünstigen kann, die in den einzelnen Gegenden „ortsübliche" durchschnittliche Leistungsfähigkeit zugrunde gelegt wird 196 ). Endlich c) hat man, da diese Normen, ganz besonders diejenige ad b ß , die minutiösesten Erhebungen erfordern würden und der Schein der Willkür unvermeidlich wäre, eine „historische" Norm, und zwar entweder a) die des in den einzelnen Gegenden verschieden bemessenen bäuerlichen Maximallandanteils von 1861197) oder ß) den heute vorhandenen mittleren Bodenanteil der einzelnen Landesgebiete 198 ) als Minimal-Nadjel vorgeschlagen. Gegen a wurde geltend gemacht, daß die ungeheueren Umwälzungen der Wirtschaft Rußlands seit 1861 die Anwendung dieser Norm heute zu einer höchst willkürlichen, ganz ungleichartig wirkenden 199 ) machen müßten. - Das von der Agrarkommission der kfonstitutionell]-d[emokratischen] Partei ausgearbeitete Projekt 200 ) 53 hat das Bedarfsprinzip akzeptiert. Es verlangt (Nr. 2), daß für jedes in sich einheitliche Gebiet ein Normalumfang des Landbesitzes festgestellt werde, auf welchen, nach Maßgabe der verfügbaren und durch freiwillige Umsiedlung zu gewinnenden Bodenvorräte, die effektiven Landnutzung aller bäuerlichen Wirtschaften durch Neuzuteilung von Land gebracht wer196
) Standpunkt A. A. Tschuprows. 54 ) Standpunkt Manuilows. 55 198 ) Tugan-Baranowski.56 In höchst konfuser Form wollte auch das ursprüngliche sozialdemokratische Programm eine „historisch" definierte Norm: alles den Bauern 1861 abgenommene Land sollte zurückgegeben werden. 57 199 ) Von Tschuprow eingehend und überzeugend begründet ,,Russk[ija] Wj[edomosti]" Nr. 107, S. 3, Feuilleton. 58 200 ) Siehe dasselbe in ,,Russk[ija] Wj[edomosti]" in Nr. 107, und „Prawo" Nr. 18, S. 1686/87.59 | 197
53 G e m e i n t ist das „Projekt einer g r u n d l e g e n d e n A g r a r r e f o r m " , das die Kadetten als Gesetzesinitiative in die D u m a einbringen wollten. Vgl. oben, S. 505, A n m . 7. 54 Cuprov, K v o p r o s u o dopolnitel'nom nadelenii, S. 2 2 5 - 2 4 7 . 55 Manuilov, P o z e m e l ' n y j vopros, glava 6: Dopolnitel'nyj nadel, S. 5 7 - 6 6 . 56 Tugan-Baranovskij, Z e m e l ' n a j a reforma, S. 183. 57 Es heißt im Parteiprogramm der RSDRP von 1903, Agrarprogramm, Punkt 4 a : „ f ü r die Rückerstattung der Landstücke an die D o r f g e m e i n d e n , die bei der A u f h e b u n g der Leibeigenschaft v o m Land der Bauern abgetrennt w o r d e n sind." Prilozenie k No. 53 Iskry v o m 25. Nov. 1903, S. 1; K P S S v rezoljucijach i resenijach I, S . 4 2 f . (wie oben, S . 5 0 1 , A n m . 80). D e u t s c h e Ü b e r s e t z u n g bei Scheibert, Parteien, S . 4 8 . 58 W e b e r meint: Cuprov, A. I., K voprosu ob agrarnoj reforme, in: Russkija Vedomosti, Nr. 107 v o m 21. April 1906, S. 3. 59 Vgl. Agrarnaja programma, vyrabotannaja agrarnyju komissieju, in: Russkija V e d o m o sti, Nr. 107 v o m 21. April 1906, S . 3 f . , u n d T r e t i j s - e z d partii narodnoj svobody, S. 1686ff.
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den soll. Dies soll prinzipiell jener Umfang sein, welcher nach Maßgabe der örtlichen Bedingungen und unter Einrechnung von sicheren gewerblichen Nebenbezügen, wo solche vorhanden sind, die Dekkung von Verpflegung und Kleidung und die Tragung der öffentlichen Lasten ermöglicht. 60 Nun entsteht aber zunächst die Frage, wer denn zum Anspruch auf diesen s Landanteil zugelassen werden soll? Sie ist deshalb nicht so einfach, weil ja die rechtliche Zugehörigkeit zur heutigen bäuerlichen Gemeinde nicht mit der ökonomischen Qualität eines Bauern, ja überhaupt eines irgendwie landwirtschaftlich Erwerbstätigen zusammenfällt. Wir sahen ja früher, 6 1 daß in der Zindelschen' Manufaktur nur ein Zehntel der Fabrikarbeiter nicht mehr einer Bauerngemeinde „zugeschrieben" waren und daß man im Durchschnitt 50% der Arbeiter als noch mit dem Dorf verbunden schätzt. Es bedeutet jedenfalls einen ganz gewaltigen Unterschied, ob man allen Bauern A 297 (133) im Rechtssinn das „Recht auf Land" in dem nunmehr neu zu regulierenden Umfang zugesteht, oder nur den faktisch vorhandenen landwirtschaftlich Erwerbstätigen oder gar nur den vorhandenen „Hofbesitzern". Und dazu kommt, daß andrerseits ganz außerhalb des rechtlichen Bauernstandes „landarme" Parzellenbesitzer (Eigentümer oder Pächter) bestehen. Das k[onstitutionell]-d[emokratische] Projekt schlug vor, das „Recht auf Erweiterung der Landnutzung" (Nr. 1) anzuerkennen für: „landarme landwirtschaftliche Familien, sei es, daß sie auf Nadjelland 201 ), sei es, daß sie auf ihnen zu Eigentum gehörigem oder auf Pachtland die Wirtschaft führen'"^ 62 - also alle heutigen landarmen Landwirte 3 - , wozu in einer Anmerkung gesagt war, daß da, wo „eine besondere Klasse landloser Landarbei201 ) D . h . auf dem bei der Bauernemanzipation für die Bauern zu unveräußerlichem A 297 (133) Besitz ausgeschiedenen, in Groß- und Neurußland meist in den feldgemeinschaftlichen Dorfgemeinschaften liegenden, im Westen in erblichem Hufenbesitz, meist mit Gemengelage, befindlichen 11 Land.
S A: diese
t A: Zindlerschen
a A: Landwirten
b A: befindliches
6 0 Paraphrase des zweiten Punktes des Agrarprojekts der Kadetten. Ebd., S. 1686. 61 Siehe oben, S.456f. 6 2 Artikel 1 des agrarischen Reformprojekts der Kadetten lautete: „Zur Mehrung des Wohlstandes der ländlichen Bevölkerung halten wir es für notwendig, die kleinen und landlosen Bauern, die eine Wirtschaft auf eigenem Nadel- oder Pachtland führen, mit Land zu versorgen." Ebd.
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ter" bestehe, sie den genannten Kategorien gleichgestellt werden sollten, und dann weiterhin sehr unbestimmt vermerkt wurde, daß die Zuweisung von Land an „Familien, welche die Landwirtschaft infolge Landarmut (NB!) aufgegeben haben", einer „besonderen Regelung" vorbehalten bleiben, auch den zu schaffenden örtlichen Kommissionen die Erweiterung „oder überhaupt Änderung" des berechtigten Kreises gestattet sein solle. 63 Damit war die schwierige Frage im wesentlichen offen gelassen und nur festgestellt - was allerdings wichtig genug war - , daß die Partei die spezifisch bäuerlichen Reformideale ablehnte, und zwar nicht nur die „trudowaja norma", das Prinzip der Landzuweisung nach Maßgabe der Arbeitskräfte, sondern auch das alte volkstümlerische Ideal des „SeelenNadjel", d.h. der Feststellung eines Landquantums, welches, als Mindestmaß, auf je ein lebendes männliches Mitglied einer Familie verfallen müsse. Demgegenüber war das Programm der K. D. P., bei allem Radikalismus lediglich auf eine den akuten Landmangel der untersten Schichten der Bauernschaft durch Landzuschüsse stillende Operation angelegt. Es fragte sich nun weiter, woher das zu dieser Landzuteilungsoperation erforderliche Land zu gewinnen sei, oder einfacher, da ja die Wegnahme der Schatull-, Apanagen-, Domänen-, Kirchen- und Klostergüter längst Parole war, in welchem Umfange auch privater Besitz der Enteignung unterliegen sollte. Welche ungefähre ziffernmäßige Bedeutung mußte dann eine Enteignungsoperation der vorgeschlagenen Art annehmen? Dieser Frage gegenüber befand sich nun die Partei in einem Zustand fast vollkommener Ratlosigkeit, da eine unmittelbar verwertbare Statistik fehlte 202 ) und die Schätzung der
A 2 9 8 (134)
202 ) E s s t e h e n lediglich zur V e r f ü g u n g auf der e i n e n Seite für die B o d e n v e r t e i l u n g : die E r h e b u n g e n v o n 1 8 7 7 / 7 8 6 4 u n d v o n 1 8 8 7 6 5 ü b e r das G r u n d e i g e n t u m , | v o n d e n e n die l e t z t g e n a n n t e a u c h die B o d e n - K u l t u r v e r h ä l t n i s s e u m f a ß t . D i e E r h e b u n g v o n 1887, in 4 6
6 3 Ebd., S. 1686, A n m . 2 z u Punkt 1. 6 4 D i e s e statistische E r h e b u n g e r s c h i e n mit einiger zeitlicher V e r z ö g e r u n g als: Statistika p o z e m e l ' n o j s o b s t v e n n o s t i i n a s e l e n n y c h mest Evropejskoj Rossii. V y p u s k 1 - 8 . - S.Peterburg: Tipografija Ministerstva V n u t r e n n y c h Del 1 8 8 0 - 1 8 8 5 . W e b e r gibt E r s c h e i nungsjahr und B a n d z a h l falsch an. 6 5 W e b e r meint die in 4 6 Heften e r s c h i e n e n e statistische E r h e b u n g : Glavnejsija dannyja p o z e m e l ' n o j statistiki po o b s l e d o v a n i j u 1887 goda. Vyp. 1 , 3 - 1 1 , 1 3 - 2 0 , 2 2 - 2 9 , 31 - 6 0 . S . - P e t e r b u r g : Tipografija Ministerstva V n u t r e n n y c h Del 1 8 9 5 - 1 9 0 1 . D i e s e letztere E r h e b u n g ist nie vollständig publiziert w o r d e n .
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vorzüglichen Ge|lehrten, über die sie verfügte, in geradezu grotesker A 298 (134) Weise differierten. Daß man bei jedem Versuch einer irgend erheblichen Erweiterung des Bauernlandes um eine Enteignung privaten Grundbesitzes0 nicht herumkam, war statistisch nicht im mindesten 5 zweifelhaft. Die ungeheure Ausdehnung des Domänenareals bedeutete für die Zwecke der Landversorgung der Bauern teils seiner Lage wegen - die große Masse liegt in den vier Nordgouvernements - , teils deshalb nicht sehr viel, weil es ganz überwiegend Waldland ist; für die Schatullgüter und die Apanagegüter, soweit sie im europäi10 sehen Rußland liegen, gilt das gleiche, Domänen- und Apanagenland könnten in denjenigen 44 Gouvernements des europäischen „Tetraden" in der Zeit bis 1901 (!!) erschienen, reicht an Exaktheit a n e r k a n n t e r m a ß e n an diejenige von 1877/78 (4 B ä n d e , 1884-86) nicht heran. Aus der 1877-78er E r h e b u n g ist die G r ö ß e des Nadjels in den D ö r f e r n und also das M a ß der damaligen Landversorgung zu ermitteln. Ü b e r die Bevölkerung auf der anderen Seite steht jetzt die Publikation der (einzigen) Volkszählung von 1897 zur Verfügung, 6 6 d a n e b e n die der Art ihrer E r h e b u n g nach nicht kontrollierbaren Ziffern über die den D ö r f e r n (rechtlich) „zugeschriebene" Bevölkerung, welche die G o u v e r n e m e n t s der b e k a n n t e n Kommission „ob o s k u d j e n i j a zentr" („über die Verarmung des Z e n t r u m s " , 1900) 67 angaben, endlich das M e e r der untereinander sehr verschiedenwertigen und verschiedenartigen Semstwostatistiken für die G o u v e r n e m e n t s mit Semstwos. 6 8 Die Zahl der nach d e m Projekt das „Recht auf L a n d " Besitzenden ist statistisch nicht feststellbar, in wirklich einwandsfreier Weise auch weder der genaue U m f a n g des außerhalb des Nadjellandes von B a u e r n besessenen Grundbesitzes, noch der U m f a n g und ökonomische Charakter des nicht bäuerlichen Grundbesitzes: ein wahrhaft haarsträubender Zustand angesichts des Ernstes des Problems. Ergänzt wird jenes Material teils durch die Zusammenstellungen des Steuerdepartements, teils durch diejenigen der Kriegspferdeverzeichnisse, mit denen die Regierung zurzeit argumentiert (mir hier unzugänglich). 6 9
C A: Privatbesitzes
66 Weber bezieht sich auf: Pervaja vseobscaja perepis' naselenija Rossijskoj Imperii 1897g., toma 1 - 8 9 . - S.-Peterburg: N. L. Nyrkin 1899-1905. 67 Materialy komissii o centre l-lll. 68 Von den Zemstva wurden über 3000 statistische Untersuchungen durchgeführt. Grigor'ev, V. N., Predmetnyj ukazatei' materiaiov v zemsko-statisticeskich trudach s 1860-ch godov po 1917g., 2 toma. - Moskva: Izd. Central'noe statisticeskoe upravienie Sojuza SSR 1926/27. Der überwiegende Teil der statistischen Untersuchungen wurde in den 1880er Jahren und in der Zeit von 1906 bis 1914 durchgeführt. 6 9 Weber meint: Voenno-konskaja perepis' 1903-1904. Statistika Rossijskoj Imperii LXI. - S.-Peterburg: Izd. Central'nago statisticeskago komiteta Ministerstva vnutrennych del 1906; sowie die vom Departament Okladnych Sborovdes Finanzministeriums herausgegebenen Statistiken, die vor allem von der sogenannten Zentrumskommission (siehe oben, S. 506, Anm. 9) für ihre Arbeit benutzt wurden.
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Rußland, welche bei Ausschluß des Nordgouvernements Archangel, Polens, der Ostseeprovinzen und der beiden Kosakengebiete (Gebiet des Donschen Heeres und Orenburg) übrig bleiben, zusammen etwa 5,3 Millionen Deßjätinen (ä 1,1 ha), die Domänen allein 3,5, höchstens 4,17 Millionen Deßjätinen landwirtschaftlich nutzbare 5 Fläche (mit Ausschluß der Forsten) bieten. Die gewaltigen, zu diesen Gütern gehörigen Waldflächen, 58/4 Millionen Deßjätinen, kämen nur zu einem sehr unbeträchtlichen Bruchteil in Betracht, wenn man die für eine Übersiedlung aus den Notstandsgebieten im Süden nicht in Betracht kommenden Nordgebiete beiseite läßt und die 10 Erhaltung eines Waldbestandes von mindestens 25% der Fläche als Mindestmaß festhält - ein Bestand, der in den spezifischen Landhungergebieten schon heute bei weitem nicht erreicht wird. Dagegen sollte das Areal des privaten Grundbesitzes nach Ausschluß des A 299 (135) Waldes nach Manuilows Annahme 2 0 3 ) 70 | im europäischen Rußland 15 55 Millionen Deßjätinen betragen, während Manuilow s. Z. auf dem ersten Agrarkongreß (Mai 1905)71 den Zuschußbedarf der Bauern behufs Erreichung der 1861er Norm, die er vertrat, auf insgesamt 32-33 Millionen Deßjätinen - bei einem Bestände des Nadjellandes der Bauern von 112 Millionen Deßjätinen - bezifferte, 72 also auf 20 etwa drei Fünftel des Gebietsumfänges Deutschlands, wobei jedoch - wie er ausführte - zu beachten sei, daß die Semstwostatistik für 180 Ujesds eine Pachtfläche der Bauern von 10 Millionen Deßjätinen angibt und auch von dem Areal, welches die Bauern durch die Landbank gekauft haben, noch ein Bruchteil den Landarmen zugute 25 gekommen sein möge, also den Bedarf vermindern würde. Allein diese Zahlen sind, und zwar gerade auch innerhalb der zur Partei haltenden Gelehrtenkreise, auf das leidenschaftlichste bestritten. A. A. Kaufmann suchte im „Prawo" (1906, Nr. I) 7 3 vermittelst einer 203
) Ü b e r die Schätzungen der Regierung siehe weiter u n t e n . 7 4 |
7 0 Bei Manuilov, Pozemel'nyj vopros, Kap. 6: Dopolnitel'nyj nadel, S. 6 4 - 6 7 heißt es, daß es genüge, wenn die Hälfte des Privatlandes, nämlich 55 Millionen Desjatinen, freiwillig den Bauern übergeben würde. Die von Weber vorstehend angeführten Zahlen bei Kaufman, K voprosu 0 dopolnitel'nom nadelenii, S. 1 2 - 2 4 . 71 Gemeint ist der Agrarkongreß von Ende April 1905. Vgl. Agrarnyj vopros 1 . 7 2 Manuilov, ebd. Weber meint offensichtlich den Agrarkongreß vom April 1905. 7 3 Kaufman, K voprosu 0 dopolnitel'nom nadelenii. 7 4 Vgl. unten, S.528f.
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auf komplizierten Rechnungen und Schätzungen ruhenden Zahlenkombination 204 ) darzutun, daß für die Versorgung der heute vorhandenen Bauern nach der 1861er Norm 73 Millionen Deßjätinen (80 Millionen Hektar, eine Fläche wie die von Deutschland und Zislei5 thanien zusammen genommen) erforderlich sein würden, wofür wenn man das schon im Kaufbesitz von Bauern befindliche Land A 300 (136) und das unbedingt aufrecht zu erhaltende Maß von Waldfläche, sowie endlich die zur Kolonisation überhaupt nicht geeigneten Flächen in Abzug bringe - der ganze im europäischen Rußland vorhanio dene Landvorrat, der sich im Besitz von Staat, Krone, Kirche, Klöstern und privaten Grundbesitzern befinde, nicht ausreichen würde. - Was die pekuniäre Seite der Sache anlangt, so würde bei Zugrundelegung der von der Landbank gezahlten oder der bei der Expropriation zu Eisenbahnzwecken festgesetzten Preise die nach Kaufmann 15 für die Durchführung der Absichten Manuilows erforderliche Expropriation des gesamten privaten Grundbesitzes wohl auf ca. 6 204 ) K a u f m a n n sucht zunächst die Zahl der Landempfänger zu berechnen. E r zieht aus A 299 (135) den Materialien der „Kommission für das Z e n t r u m " die Zahl der den D ö r f e r n zugeschriebenen, d. h. nicht der dort w o h n e n d e n , sondern der rechtlich noch mit d e m D o r f e verbunden gebliebenen männlichen Seelen und den Bevölkerungszuwachs der einzelnen Gouvernements aus und zwar für die einzelnen G r u p p e n , in welche, je nach d e m M a ß e der Landversorgung, die Besitzzählung von 1877/78 die Dorfgemeinschaften zerlegt hatte, und ermittelt so den jährlichen Volkszuwachs in Prozent der landarmen bäuerlichen Bevölkerung für die 44 G o u v e r n e m e n t s , die er bearbeitet. E r berechnet danach den Gegenwartsstand dieser Bevölkerung und daraus das gegenüber der 1861er N o r m bestehende Grundbesitzdefizit, ebenfalls nach den D a t e n der genannten Besitzzählung, und ermittelt auf der anderen Seite - hier unter Benutzung ministerieller (nicht unbestrittener) D a t e n - die vorhandene landwirtschaftliche Nutzfläche des nicht bäuerlichen Grundbesitzes. Wo diese für die D e c k u n g des Defizits nicht ausreicht, zieht er die Waldfläche, jedoch nur bis zum Verbleiben eines Minimums von 25% Waldbestand, heran und gelangt so zu dem Ergebnis, daß von den 73 Millionen Grundbesitzdefizit der Bauern 5,4 Millionen aus Staats- und A p a n a g e n l ä n d e r e i e n , 39 Millionen aus nicht bäuerlichem, privatem G r u n d b e sitz, das danach verbleibende Defizit von 28 Millionen D e ß j ä t i n e n aber, da von den Wäldern nur 32,8 Millionen D e ß j ä t i n e n außerhalb der G o u v e r n e m e n t s des äußersten Nordens gelegen und im Süden durchweg unter 25% der Fläche Waldbestand v o r h a n d e n sei, die südlichen B a u e r n aber in die nördlichen Wälder nicht zu übersiedeln vermöchten, schlechthin nicht gedeckt werden k ö n n e . - D e r schwache Punkt dieser Rechnung liegt darin (cf. D e h n im „Prawo" Nr. 15, S. 1359), 7 5 daß die Vermehrung der den D ö r f e r n „zugeschriebenen" Bevölkerung - welche keineswegs nur auf natürlichem Wege erfolgt und der eine „künstliche" Verminderung gegenübersteht - tatsächlich gar nicht feststellbar ist. |
7 5 Den, K voprosu o dopolnitel'nom nadelenii, S. 1359.
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Milliarden Rubel 205 ), also auf etwa \2Vi Milliarden Mark, zu stehen kommen, eine Expropriation in dem von Manuilow als genügend vorausgesetzten Umfang (38 Millionen Deßjätinen im ganzen, einschließlich Pachtland) dagegen vielleicht nur etwa 24/s Milliarden Rubel 206 ) (ca. 6 Milliarden Mark), wenn man die Expropriation zum 5 „Ertragswert" voraussetzt. Das wäre also, nach der ersten Rechnung, nach dem Stande des jetzigen Zinsfußes 360 Millionen Zinsen jährlich, nach der letzteren etwa 170 Millionen. 76 Dabei wäre zu beachten, daß die Bauern an Pacht an die Grundbesitzer wahrscheinlich zurzeit schon mindestens die Hälfte - nach Herzensteins Annah- 10 me mehr als das ganze (l)77 - dieses Betrages zahlen, also höchstens etwa 100 Millionen jährlicher Zinsen neu zugunsten der Grundbesitzer aufzubringen wären, von denen übrigens ein Teil auf die für den ganzen Grundbesitz etwa 12A Milliarden Kapital (auf 42 Millionen Deßjätinen) betragende gegenwärtige Verschuldung entfiele. d Die 15 Verschuldung des Grundbesitzes bei den Kreditinstituten wird jetzt vom Finanzministerium auf fast genau 2 Milliarden Rubel angegeben (Adelsbank 714 Millionen, Bauernbank 450 Millionen, der Rest bei A 3 0 0 (136)
2U5
) „ 6 - 1 0 Milliarden" rechnet Pestrzecki, ebenso der Minister (s. u . ) 7 8 in Anlehnung an Bjechtjejew in ,,Now[oje] Wr[emja]" Nr. 10836, S. 2 . 7 9 In der D u m a rechnet man 4 Milliarden. 8 0 D e r Steuerwert des (steuerpflichtigen) russischen Gera/wgrundbesitzes wurde bei Erörterung der neuen Steuerprojekte auf 16,8 Milliarden Rubel angegeben. 8 1 206 ) Manuilow selbst hat keine Geldrechnung vorgelegt. d-d
Nachtrag 7 eingeschoben, siehe unten, S. 683.
7 6 Die vorstehenden Berechnungen beruhen nicht, wie angegeben, auf dem Artikel Kaufmans, K voprosu o dopolnitel'nom nadelenii, der keine Berechnungen vornahm, sondern sie basieren augenscheinlich auf den von Pestrzeckij, D., Sociai'nyj Eksperiment, in: Novoe Vremja, Nr. 10836 vom 15. Mai 1906, S. 2, und den in der Rede des Landwirtschaftsminister Stisinskij (wie oben, Anm. 80) gemachten Angaben. 7 7 Möglicherweise bezieht sich Weber auf den Artikel Gercenstejns, Vykupnaya operacija, in: Agrarnyj vopros 2 , S. 1 8 6 - 2 1 1 . 7 8 Siehe unten, S.528f. 7 9 Pestrzeckij, S., Sociai'nyj Eksperiment, in: Novoe Vremja, Nr. 10836 vom 15. Mai 1906, S. 2. Zu den Rechnungen Bechteevs vgl. oben, S. 508, Anm. 16. 8 0 Die Angaben über die Kosten von 4 Milliarden Rubel für die Enteignung des Landes stammen aus der Rede des Landwirtschaftsministers Stiäinsklj in der Duma am 19. Mai 1906. Sleheden Berichtin: Novoe Vremja, Nr. 10841 vom 20. Mal 1906, S. 3; Sten.otcety Gos. Dumy, 1 -yj sozyv, S. 5 0 9 - 5 1 7 . 81 Im Artikel: Proekt programmy po nalogam, in: Russkoe Gosudarstvo, Nr. 35 vom 14. März 1906, S. 3 - 6 , hier: S.4, wurde die Summe von 16,65 Milliarden Rubel angegeben.
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anderen Banken). 0 8 2 Dies sind die beiderseitigen Extreme. Kaufmann zog aus seiner Rechnung natürlich den Schluß, daß eine Landversorgung in dem von Manuilow vorgeschlagenen Umfang (Norm von 1861) 207 ) 83 unmöglich sei. 84 Die Grundlagen der Berechnungen A 301 (137)
207 ) G a n z im R o h e n kann m a n sich die Tragweite dieser Forderung ungefähr an folgenden deutschen Zahlen vergegenwärtigen (von den russischen soll nachher die R e d e sein): Deutschland hatte 1895 a n e /laupiberuflich landwirtschaftlichen Erwerbstätigen männlichen Geschlechtes (Arbeitgeber und A r b e i t e r ) nicht ganz 5'/2 Millionen. 8 5 D e r mittlere Seelennadjel des Jahres 1861 in R u ß l a n d betrug nun, je nach der Rechnung 4,8 oder 5,2, im Mittel der Rechnungen 5 D e ß j ä t i n e n = 5'/2 ha - bei Staatsbauern ca. 7, bei gutsherrlichen* ca. 3 D e ß j ä t i n e n . Wollte man alle hauptberuflich landwirtschaftlich Erwerbstätigen Deutschlands mit einem solchen L a n d a u s m a ß /««¿wirtschaftlich nutzbarer Fläche ausstatten, so w ü r d e das etwas über 30 Millionen H e k t a r ausmachen, also nicht ganz die landwirtschaftliche Fläche Deutschlands mit 32V2 Millionen H e k t a r . Allein | nun soll nicht nur auf A 301 (137) jeden männlichen Erwerbstätigen (sei er nun Arbeitgeber o d e r A r b e i t n e h m e r ) , sondern auf jede männliche Seele, auch den männlichen Säugling der Bauernfamilie eine solche Minimalfläche k o m m e n . D a s würde für Deutschland rund IOV2 Millionen männliche Seelen b e d e u t e n , also ca. 57 Millionen H e k t a r . U n d hierzu m ü ß t e n , da die nebenberuflich landwirtschaftlich Erwerbstätigen an der Zuteilung - wenn sie wollen - ebenfalls partizipieren, noch reichlich 10 Millionen D e ß j ä t i n e n hinzugefügt werden, woraus sich ein Bedarf von 67 Millionen H e k t a r , also etwas über das D o p p e l t e der gesamten landwirtschaftlich nutzbaren Fläche Deutschlands, ergibt. - 1 8 9 1 betrug für die gesamten landwirtschaftlich Hauptberuflichen in Deutschland der faktische „Seelennadjel" wohl etwa 3Vi H e k t a r , also allerdings m e h r wie der bäuerliche Seelennadjel in den europäischen Gouvernements Rußlands, wo man ihn auf 2,6 D e ß j ä t i n e n = 2,8 H e k t a r im Durchschnitt zu berechnen pflegt. Allein in dieser Rechnung steckt der deutsche landwirtschaftliche G r o ß b e t r i e b , der ja - russisch gesprochen - nicht nach der „potrebitjelnaja n o r m a " , sondern nach der „ t r u d o w a j a n o r m a " (und zwar derjenigen, die für G r o ß b e t r i e b e gilt) seine A r b e i t s k r ä f t e bemißt. Ein direkter Vergleich ist also nicht möglich. Die aus verschiedenen G r ü n d e n mit der unserigen nicht direkt vergleichbare russische Berufsstatistik für 1897 (erschienen 1905!), Bd. II, S. 264 86 gibt für die Landkreise des europäischen R u ß -
e In A folgt: männlichen
f A: gutsherrliche
8 2 Für die Zahlen der Jahre 1900-1904 siehe: Vestnikflnanzov, promyslennosti i torgovli, Nr. 10 vom 5. März 1906, S. 394f. 8 3 Gemeint ist damit die bei der Bauernbefreiung von 1861 zugrundegelegte Norm, nach der die Bauern, den unterschiedlichen regionalen Verhältnissen entsprechend, das Land zugeteilt erhielten. 8 4 Kaufman, K voprosu 0 dopolnitel'nom nadelenii, S. 22ff. 8 5 Diese Angaben beruhen vermutlich auf: Die Landwirtschaft im Deutschen Reich. Nach der landwirtschaftlichen Betriebszählung vom 14. Juni 1895 (Statistik des Deutschen Reiches, N. F. Band 112). - Berlin: Puttkammer & Mühlbrecht 1898, S. 5. 86 Pervaja vseobscaja perepis' naselenija, obscij svod, tom 2, S. 265, nicht 264, Tabelle 20 a.
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Kaufmanns, der seinerseits die „potrebitjelnaja norma" nach Maßgabe der ökonomisch möglichen Betriebsintensität vertritt, sind von Tschuprow, dem Vertreter der „potrebitjelnaja norma" nach Maßgabe der zurzeit durchschnittlich vorhandenen Betriebsintensität, in | A 302 (138) den „Russkija Wjedomosti" auf das schärfste kritisiert208), von Kauf- 5 lands (außer Polen) 10,95 Millionen männlicher, 1,57 Millionen weiblicher landwirtschaftlich Erwerbstätiger, dazu 21,44 Millionen männliche, 33,6 Millionen weibliche Angehörige an, insgesamt 66,56 Millionen Seelen, davon 32,4 Millionen männliche. Die entsprechenden Zahlen für die Stadtgebiete, und die Viehzucht dazu gerechnet, ergibt ca. 33 Millionen männliche Seelen, und mit Polen 35Vi Millionen. 87 Für diese würde also 1897 ein Areal von 177'/2 Millionen Deßjätinen ausgereicht haben, wenn man jede männliche Seele mit 5 Deßjätinen hätte ausstatten wollen, während die Gesamtnutzfläche Rußlands von der Regierung auf 308 Mill. Deßj., außerhalb der fünf Nordgouvernements 209 Mill. Deßj., wovon aber 56 Mill. Deßj. Wald, angegeben wird. 88 Allein dazu wäre nun noch eine unbestimmt große Anzahl anderer, nicht hauptbemñich landwirtschaftlicher Familien zu zählen. - Man muß, um Vergleiche zwischen Deutschland und Rußland zu ziehen, fragen: bei welchem Landausmaß kann in Distrikten vorwiegend agrarischen Charakters in Deutschland eine Bauernfamilie - je nach der Bodenergiebigkeit - selbständig ohne dauernde Nebenarbeit existieren. Dies ist, wie bekannt, auf den „mittleren Sandböden" des deutschen Ostens bei etwa 5 Hektar, d.h. bei einem Besitzausmaß von ca, l3A-2 Hektar auf jede männliche Seele einer solchen Familie der Fall, also bei demselben Ausmaß, bei welchem die russische Bauernschaft - deren „Seelennadjel" (wohlgemerkt: alle landlosen Bauern immer eingeschlossen) selbst auf der Schwarzen Erde heute etwa 1,8 Hektar beträgt - hungernd verkommt, revoltiert und Wucherpreise für jeden Fetzen Land zahlt, wenn sie irgend kann. Die ganze gewaltige Differenz der Arbeitsergiebigkeit spricht sich darin aus, der Unterschied der Arbeitsintensität aber in dem Umstand, daß jene 5 Hektar pro Familie resp. 2 Hektar pro männliche Seele den kleinen deutschen Bauern des A 302 (138) Ostens und seine Familie auch annähernd vollständig beschäftigen, während der entsprechende Seelennadjel in Zentralrußland nur 21-23% der vorhandenen Arbeitskräfte in Anspruch nimmt. Die Einseitigkeit (nur Getreide) und die technische Rückständigkeit der zentralrussischen Bauernproduktion bedingen den Unterschied.'Wenn überdies darauf hingewiesen wird, daß das mittlere Landausmaß des russischen „Hofs" (ca. 11 Deßj.) über dem Betriebsumfang fast aller Länder der Welt, selbst der Vereinigten Staaten stehe, so ist immerhin zu bedenken, daß 1. dabei die nördlichen und die Steppengebiete mitzählen, 2. der russische „Hof" gerade bei den Bauern eine wesentlich stärkere Familie zu tragen hat. 208 ) ,,Russk[ija] Wj[edomosti]" 93 S. 8, Feuilleton. 89 Für die 10 Gouvernements, die er seinerzeit durchgerechnet hatte, beziffert Tschuprow 9 den Bedarf auf rund 10 Mill. g A: Tschaprow 87 Ebd. 88 So die Mitteilungen Gurkos in der Dumasitzung vom 19. Mai 1906. Sten. otcety Gos. Dumy, 1 -yj sozyv, S. 517. Die Gesamtnutzfläche wurde hier mit 318, nicht 308, Millionen Desjatinen angegeben. 89 Weber bezieht sich auf: Cuprov, A. A., Statisticeskija gadanija. Kvoprosu odopolnitel'nom nadele, In: Russkija Vedomostl, Nr. 63 vom 6. März 1906, S. 3f.
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mann ebendort erneut verteidigt und die Ansichten beider alsdann im „Prawo" von W. E. Dehn einer, so viel ich urteilen kann, sehr sorgfältigen Kritik unterworfen worden: 90 das Ergebnis bleibt eine sehr starke Unsicherheit, immerhin mit der Möglichkeit, daß Tschu5 prows bei früherer Gelegenheit erwähnte91 Rechnung 209 ) über die Deßjätinen, Kaufmann auf 15,5 Mill. Die Polemik zog sich durch eine Anzahl Nummern der ,,Russk[ija] Wj[edomosti]" hin. 9 2 209 ) Da das Sammelwerk „Agrarnyj Wopross h " erst jetzt wieder in zweiter Auflage erscheint, 9 3 und, bei den sehr langsamen Verbindungen, mir hier erst in einigen Wochen zugänglich sein wird, kenne ich von Tschuprows Rechnungen nur, was er selbst, Kritiker (Kaufmann, Dehn) oder Gesinnungsgenossen (Herzenstein im „Wjestnik sselskawo chasjaistwa" 1906, Nr. 25) 9 4 an anderen Stellen wiedergegeben haben. Danach sollte für das Gouvernement Poltawa außer dem nicht privaten (staatlichen, kirchlichen, Apanagen-) Eigentum 70% des privaten Besitzes, für die Gouvernements Tula, Woronesh, Nishnij Nowgorod und Orjol dagegen nur 'A-'A und für die Gouvernements Kaluga, Kursk, Nowgorod, Ssaratow zwischen Vi und Vi desselben zur Erreichung der 1861er Norm erforderlich sein (diese letztere Norm nahm Tschuprow für seine Proberechnungen zum Ausgangspunkt, weil die von ihm vertretene „potrebitjelnaja norma" in ihrem Ausmaß vorerst generell vollkommen unbekannt ist). - Tschuprow berechnet die Zahl der in Betracht kommenden Landempfänger (landlose und landarme Bauern) dergestalt, daß er die Zahl der im Kreise (Ujesd) 1897 außerhalb der Städte ortsanwesend gewesenen, dem Stande nach bäuerlichen männlichen Bevölkerung nimmt, und alsdann aus den Semstwostatistiken einer Anzahl von Kreisen herausrechnet, wie sich das Land innerhalb der Bauernschaft dort verteilt, da ja eine erhebliche Anzahl Bauern schon heute mehr als die 1861er Norm besitzen, und nach dem Agrarprogramm diesen Besitz auch behalten sollen, folglich das Ausmaß des erforderlichen Landes für die Landlosen entsprechend verändert wird. E r kam zu dem Ergebnis, daß in jenen Kreisen der erforderliche Zuschlag zu der durch Multiplikation der männlichen bäuerlichen Kreisbevölkerung mit den Normen von 1861 sich ergebenden Landfläche jedenfalls nicht über 10% betrage, und generalisiert dies für alle zehn von ihm in Betracht gezogenen Gouvernements. Durch Abzug der faktischen Nadjelfläche von der hiernach erforderlichen ergab sich ihm das Maß der erforderlichen „dopolnjenije" (Ergänzung). 9 5 | h A: Wopron 9 0 Den, K v o p r o s u o d o p o l n i t e l ' n o m nadelenii. 91 W e b e r , Zur Lage der bürgerlichen Demokratie, in d i e s e m Band, oben, S. 194ff. 9 2 Der Artikel Cuprovs, (wie oben, S . 5 2 6 , A n m . 8 9 ) war eine Antwort auf Kaufman, K v o p r o s u o d o p o l n i t e l ' n o m nadelenii, und ders., Agrarnyj Vopros, In: Russkija V e d o m o s t i , Nr. 41 v o m 11. Febr. 1906, S. 3 f . Kaufman reagierte mit d e m Artikel: „ E s c e o statlstlcesklch gadanijach. Po p o v o d u stat'l A. A. C u p r o v a " , In: Russkija V e d o m o s t i , Nr. 80 v o m 23. März 1906, S. 5. 9 3 Agrarnyj vopros 2 . In dieser zweiten Auflage fehlt das Protokoll der Diskussion auf der Agrartagung v o m April 1905. Sie Ist a n s o n s t e n unverändert. 9 4 Dies bezieht sich auf: Gercenstejn, M., N e s k o l ' k o zamecanlj po p o v o d u agrarnoj p r o g r a m m y k o n s t l t u c i o n n o - d e m o k r a t i c e s k o j partil, In: V e s t n i k s e l ' s k a g o chozjajstva, Nr. 4 v o m 22. Jan. 1906, S . 3 - 6 , und Nr. 5 v o m 29. Jan. 1906, S . 3 - 7 , insbes. Nr. 5, S . 3 f . 9 5 S i e h e dazu den Artikel v o n A. A. C u p r o v (wie oben, S. 526, A n m . 89).
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A 303 (139) vorhandenen Bodenwerte, | wonach im Maximum durchschnittlich nur etwa zwei Drittel des privaten Grundbesitzes zur Erreichung der 1861er Norm nach Maßgabe des jetzigen Kulturstandes nötig seien, vielleicht doch zu günstig ist. 96 Dies deshalb, weil die nicht zum Bauernstände gehörigen Kleinbesitzer ebenfalls in die Rechnung der 5 Landbedürftigen einbezogen werden müssen, während andrerseits allerdings der heutige Besitz der Bauern an Kaufland das erforderliche Maß der Expropriation nicht bäuerlicher Besitzer herabsetzt und der im Vergleich zu einer dem kapitalistischen „Reinertrag" des zu enteignenden Bodens entsprechenden Rente wohl mindestens drei- 10 bis sechsmal - Herzenstein behauptete in der Duma: etwa siebenmal 97 - höhere Pachtzins der Bauern weit mehr als den Gegenwert für den Kaufzins und die Amortisation des jetzt von ihnen gepachteten Landes darstellen würde. Alles in allem bleibt jedenfalls recht problematisch, ob und welcher Teil des privaten Grundbesitzes etwa 15 nach Durchführung des Prinzipes der „potrebitjelnaja norma" noch übrig bliebe und wie stark die Vermehrung des bäuerlichen Besitzes bei Expropriation eines bestimmten Bruchteiles oder auch des ganzen Privatbesitzes sein würde 210 ). Für das Gouvernement Wladimir A 303 (139)
210 ) Nach den Zahlenangaben des Chefs des Landwirtschaftsministeriums, Stischinski, in der Dumasitzung vom 19. Mai berechnet die Regierung die Landvorräte, nach Ausschluß der Wälder, folgendermaßen: Nutzfläche des Grundbesitzes von Privatpersonen: 22—35(!) Millionen Deßjätinen, nach den verschiedenen Berechnungen, Maximum jedenfalls 35 Mill. Deßj. Nutzfläche der Staatsdomänen 4 „ „ „ „ Apanagengüter 1,6 „ „ „ „ Kirchen-und Klostergüter ca 2 „ „
zusammen ca. 43 Mill. Deßj. 1 Darin sind jedoch eingeschlossen auch alle privaten, von der Enteignung nach dem demokratischen Projekt, bis zur „trudowaja norma", nicht erfaßten Kleinbesitzer. Annähernd genau bekannt ist nur, daß die Besitzungen unter 100 Deßj. Umfang 6200000 Hektar 2 umfassen. Danach schätzt der Minister das Areal der Besitzungen bis zur „trudowaja norma" auf 2 Millionen, so daß zwischen 40 und 41 Mill. Deßj. im Maximum zur Enteignung zur Verfügung ständen, welche etwa 4 Milliarden Rubel kosten würden. Demgegenüber steht die von der „Zentrumskommission" geschätzte Minimalfläche des
96 Cuprov, K voprosu odopolnitel'nom nadelenii, S. 2 2 5 - 2 4 7 , auf den Webersich in: Zur Lage der bürgerlichen Demokratie, in diesem Band, S. 194ff., bezogen hatte. 97 Der von Weber angeführte Sachverhalt ließ sich nicht ermitteln. 1 Vgl. oben, S. 524, Anm. 80. 2 Gemeint sind hier vermutlich Desjatinen.
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hat man den | durch Enteignung der gesamten landwirtschaftlich nutzbaren Fläche des nicht schon in der Hand von Bauern und
A 304(140)
Besitzes der B a u e r n mit 112 Mill. D e ß j . 3 Die Minimalziffer des v o r h a n d e n e n und die Maximalziffer des zu seiner Vermehrung eventuell verfügbaren Landes miteinander verglichen, ergeben, daß die Expropriation alles die „ t r u d o w a j a n o r m a " übersteigenden privaten Landbesitzes eine Vermehrung des heutigen Bauernlandes um höchstens 3 5 , 7 % , oder, wenn man mit dem Minister den heutigen Seelennadjel auf 2,66 D e ß j ä t i n e n berechnet, um 0,95 D e ß j ä t i n e n pro männliche Seele herbeiführen würde, so daß er alsdann 3,61 D e ß j ä t i n e n (3,94 H e k t a r statt fast 2,94) betrüge, was auf die Bauernfamilie mit 3 männlichen Seelen eine Landversorgung von 10,83 D e ß j ä t i n e n (11,92 H e k t a r ) darstellen würde (die zentralrussische Bauernfamilie ist natürlich weit größer). Ministeralsekretär G u r k o vom | Ministerium des Innern rechnete (Dumasitzung vom 19. Mai) 4 auf das europäische A 304 (140) R u ß l a n d nach Ausschluß der für die Übersiedelung nicht in Betracht k o m m e n d e n Nordgouvernements (Archangel, Olonetz, Wologda, W j a t k a ) 91 Mill. D e ß j . Nadjelland, 19 Mill. D e ß j . sonstigen Bauernbesitz, zusammen 110 Mill. D e ß j . Bauernland, und, nach Ausschluß der Wälder, 43 Millionen Nutzfläche im nicht bäuerlichen Besitz. 'Bei gleichmäßiger Verteilung des gesamten nutzbaren Landes auf die bäuerliche Bevölkerung - es ist wohl auch hier die 1897 ortsanwesende (nalitschnoje) gemeint - würden 4 D e ß j ä t i n e n auf die männliche Seele h e r a u s k o m m e n . - D e r f r ü h e r e Landwirtschaftsminister Jermolow (in seinem soeben erschienenen Buch „Nasch semeljnyj wopross") 5 rechnet, ebenfalls nach den 1877er D a t e n und der Bodenumsatzstatistik, für alle 50 europäischen G o u v e r n e m e n t s folgendermaßen: 142,6 Mill. D e ß j . N a d j e l l a n d , 105,6 Mill. D e ß j . Privatland, von denen schon damals 12,5 Mill. D e ß j . den B a u e r n gehörten, weitere 9 Mill. D e ß j . seitdem durch die B a u e r n b a n k erworben wurden, 38,3 Mill. D e ß j . Wald, 11,3 Mill. D e ß j . Ö d l a n d , 14,2 Mill. D e ß j . im hohen N o r d e n gelegen sind, - sodaß 35 Mill. D e ß j . zur Expropriation in Frage k o m m e n . Dazu 8 Mill. D e ß j . hierfür brauchbares Staats-, A p a n a g e n - , Kirchen- und Klosterland, gibt 43 Mill. D e ß j . , also eine Vermehrung des heutigen Bauernbesitzes um 3 0 % , d e s S e e l e n n a d j e l s von 2,6 auf 3,4 D e ß j ä t i n e n , - e i n dem Ergebnis des gegenwärtigen Chefs der Landwirtschaftsverwaltung ähnliches Resultat. Weitere Zahlen hat die Landwirtschaftsverwaltung, o f f e n b a r auf G r u n d von E r h e b u n g e n im militärischen Interesse (Kriegspferde), welche sich auf die Zahl der Höfe und das verfügbare L a n d beziehen, zusammengestellt, aus denen Auszüge in den Zeitungen zu finden w a r e n . 6 D a n a c h berechnet sich der gesamte private Besitz in 44 europäischen G o u v e r n e m e n t s auf 96 Mill. D e ß j . , wovon 12,5 Mill. den B a u e r n zu Privateigentum gehören, 32,5 Mill. Wald, 8,5 Mill. Ödland sind, so d a ß ein Rest von 40,3 Mill. D e ß j . verbleibt. Die Verteilung unter die bestehenden Bauernhöfe würde auf den Hof 3,9 D e ß j . m e h r ergeben, und zwar Vermehrungen von m e h r als 5 D e ß j ä t i n e n in 11 G o u v e r n e m e n t s (Schwarze E r d e : Taurien 14,9 D e ß j . , Cherson 10,5, Jekaterinoslaw 8,5, Ssaratow 6,5, O r e n b u r g 6,3, Ssamara 6,2, Tula 5,3, außerhalb der Schwarzen E r d e : Kowno 7,4, Perm 6,0, Minsk 5,4, Wilna 5,3) ( ,j 31/2-5
3 Wie oben, S. 524, Anm. 80. Die folgenden und die voranstehenden Angaben stammen aus der Rede Stisinskijs in der Duma. Er bezog sich auf Materialy komissii o centre I, S. 64. 4 Rede Gurkos in der Duma am 19. Mai 1906. Vgl. Gosudarstvennaja Duma, in: Russkija Vedomosti, Nr. 133 vom 21. Mai 1906, S.3; Sten. otcety Gos. Dumy, 1yj-sozyv, S.517f. 5 Ermolov, Nas zemel'nyj vopros, S. 16f. 6 Die nachstehend aufgeführten Zahlen finden sich auszugsweise in: Politiceskaja statistika. K agrarnomu voprosu, in: Nasa Zizn', Nr. 460 vom 1. Juni 1906, S. 2. Die Quelle, auf die Weber sich bezieht, ließ sich nicht ermitteln.
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Kleinbesitzern befindlichen Privatbesitzes zu erzielenden Zuwachs in I I 7 (Schwarze E r d e : Bessarabien 4,7, Wolhynien 4,5, Tambow 4,4, Poltawa 4,4, Charkow 4,1, Woronesch 4,0, O r j o l 3,7, außerhalb der Schwarzen E r d e : G r o d n o 4,4, St. Petersburg 4,3, Witebsk 3,5), 2-3V4 in 11 (Schwarze E r d e : Kursk 3,4, Ssimbirsk 3,3, Tschernigow 3,3, R j ä s a n 3,3, Kijew 3,3, Podolien 3,2, U f a 2,4, Nishnij Nowgorod 2,0, außerhalb der Schwarzen E r d e : Smolensk 3,4, Mohiljew 3,1, Kaluga 2,1), im Rest von ebenfalls 11 G o u v e r n e m e n t s u n t e r 2 D e ß j ä t i n e n . D i e D o m ä n e n würden 4420000 D e ß j . Nutzland, u n t e r die G o u v e r n e m e n t s sehr ungleich verteilt, ergeben, die Verteilung auf die B a u e r n h ö f e ergäbe in Astrachan 14,8, in Ssamara 4,0, in O r e n b u r g und Taurien 1,7 D e ß j ä t i n e n , im Rest unter 1 D e ß j . m e h r per Hof. Die Apanagengüter h a b e n 1650000 D e ß j ä t i n e n Nutzfläche, sie k ö n n t e n nur in Ssamara und Ssimbirsk m e h r als 1 D e ß j . per Hof hergeben. N u r ganz geringe Beträge per Hof ergäben die übrigen Kategorien. Die Kirchengüter umfassen 1,6 Mill., die Klostergütcr 585600 D e ß j . , anderes CorporationsA 305 (141) land' 5,84 Mill. D e ß j . , ferner 3,2 Mill. | D e ß j . Militärland im G o u v e r n e m e n t O r e n b u r g . Von der Waldfläche mit zusammen 149,17 Mill. D e ß j . würden, bei 60jährigem U m t r i e b , auf j e d e n Hof schon jetzt nur 0,1 D e ß j . jährlicher Waldschlag k o m m e n , so d a ß sie als unverminderbar zu gelten hätte. D e r heutige mittlere N a d j e l eines Hofes in den 44 G o u v e r n e m e n t s wird auf 8,7 D e ß j . (9Vi Hektar)],] der nach M a ß g a b e der Landvorräte in maximo mögliche Zuschlag an L a n d auf 5,1 D e ß j . (5,6 H e k t a r ) angegeben. Auf die männliche Seele wird der mittlere N a d j e l der 44 G o u v e r n e m e n t s auf 2,6 D e ß j . (2,8 H e k t a r ) und der in maximo erreichbare Zuschlag auf 1,36 D e ß j . (1,5 H e k t a r ) berechnet, also eine V e r m e h r u n g um 5 8 % . D e r Seelennadjel k ö n n t e also in den 44 G o u v e r n e m e n t s nur auf 3,96 D e ß j . in maximo gebracht w e r d e n , gegen 4,7 D e ß j . im J a h r e 1861. Z u r H e b u n g der unter dem Niveau des jetzigen Durchschnitts stehenden H ö f e auf diesen (jetzigen) Durchschnitt würde alles Land in den G o u v e r n e m e n t s O r e n b u r g , Taurien, Ssamara und Cherson mehr als ausreichen, in M o s k a u , Jaroslawlj, Kostroma, Wladimir, Twer, Podolien nicht ausreichen, in den übrigen 28 G o u v e r n e m e n t s knapp ausreichen. M a n darf auf die nähere Substanzierung der Quellen des Ministeriums für seine Zahlen gespannt sein. Wie m a n sieht, k o m m e n sie A . A . K a u f m a n n s Rechnung im Ergebnis nahe. - Pestrzecki endlich will mit Hilfe der Kriegspferdeerhebungen folgende, von mir nicht n a c h p r ü f b a r e Z a h l e n errechnen („Now[oje] W r [ e m j a ] " 10852): 8 Die Zahl der H ö f e h a b e sich von (1878) 8,4 auf 10Vi Mill. gehoben. 1878 seien 240000 H ö f e mit weniger als 3 D e ß j . , 651000 mit 3 - 5 D e ß j . ausgestattet gewesen. Von der Landwirtschaft lebten 1858: 22,396 Mill., 1897:29,99 Mill. Bauern (?). D a s Nadjelland h a b e sich 1877-1900 um 9,68 Mill., das Kaufland der B a u e r n um 12,78 Mill. D e ß j . v e r m e h r t , so daß die B a u e r n der 50 europäischen G o u v e r n e m e n t s jetzt 141!4 Mill. D e ß j . , auf WA Mill. H ö f e verteilt, besäßen, also 14'/2 (?? soll heißen 13VS, - hoffentlich stecken in den anderen Zahlen nicht ebensolche Rechenfehler!) D e ß j . per H o f . „Wahrscheinlich" nur 11% der H ö f e , etwa 1200000, haben weniger als 5 D e ß j . L a n d , um deren Versorgung (durch vom Staat vermittelten Landzuk a u f ) k ö n n e es sich allein handeln. Die - sehr optimistische - Rechnung steht natürlich
i A: Cooperationsland
7 In der nachfolgenden Aufzählung sind nur zehn Gouvernements angegeben. In dem in der vorstehenden Anmerkung genannten Artikel fehlt die Aufschlüsselung der Gouvernements. 8 Gemeint ist: Pestrzeckij, D., Social'nyj Èksperiment, in: Novoe Vremja, Nr. 10852 vom I.Juni 1906, S.2f.
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des
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des örtlichen Bauern|landes auf 6% berechnet 211 ). Für andere Gebie- A 305 (141) te gab Tschuprowk selbst das Bestehen eines Defizits gegenüber der Norm selbst bei Expropriation | des gesamten Privatbesitzes zu 212 ). 9 A 306 (142) Eine ganz umfassende Umsiedlung der Bauern würde also, soll nicht 5 der Zufall der gegenwärtigen lokalen Besitzverteilung die größten Willkürlichkeiten schaffen, unvermeidlich sein213). Aber gegen diese insofern auf einer prinzipiell ganz anderen Grundlage als das k[onstitutionell]-d[emokratische] P r o j e k t , als sie die bestehenden Höfe, nicht die vorhandenen Seelen, als O b j e k t der Versorgung in Betracht zieht. D a der „ H o f " im Durchschnitt etwa 3,4 männliche Seelen enthält, wäre eine Ausstattung mit 5 D e ß j ä t i n e n übrigens äußerst kümmerlich. - M a n sieht: Zahlen genug, - aber von geringer Zuverlässigkeit. 2n ) S[iehe] die Untersuchung N. J. Worobjews 1 im „Wjestnik sselskawo chasjaistwa" Nr. 8 und 9 . 1 0 D a b e i würde (unter den dortigen Verhältnissen) natürlich zu beachten sein, d a ß dieser Z u s c h u ß sich eben auf die - zwischen 25 und 50% schwankende - Zahl der H ö f e mit unter drei D e ß j ä t i n e n besäten Landes verteilen würde. D a s Beispiel dieses G o u v e r n e ments ist insofern sehr lehrreich, als es zeigt, wie wenig m a n U m f a n g des Nadjellandes mit U m f a n g des Bauernbesitzes identifizieren darf, und wie sehr die G r ö ß e der eventuell für die B a u e r n durch Enteignung verfügbar zu m a c h e n d e n Nutzfläche hinter derjenigen der nicht im Nadjelland enthaltenen Besitzungen zurücksteht. Diese letztere würden dort über ein Drittel des Nadjellandes ausmachen. Die erstere, wie gesagt, 6 % . | 212 ) D a s Landwirtschaftsministerium (Kutlers, s . u . ) 1 1 hatte im J a n u a r die Befriedigung A 306 (142) des bäuerlichen Landhungers aus d e m anderweitigen „ L a n d v o r r a t " in den Gouvernements: M o s k a u , Podolien, Jarosslawlj, Kasan, R j ä s a n , Poltawa, Twer, Kijew, Wladimir für verhältnismäßig leicht erklärt. In Nishnij Nowgorod, Kursk, Kostroma, Tula, O r j e l , Kaluga, Ssimbirsk, C h a r k o w , Pensa, Mohiljew, Tambow dagegen reichte der „Landvorrat" nicht, in Wolhynien, Nowgorod, Bessarabien, Smolensk, G r o d n o , Pskow, Petersburg sei ein Vorrat für die Ergänzung bis zur „mittleren" N o r m v o r h a n d e n . 1 2 Alle bisher angeführten Gebiete sind G e g e n d e n mit heute unf^durchschnittlichem N a d j e l . - Von den G o u v e r n e m e n t s mit heute überdurchschnittlichem N a d j e l haben O r e n b u r g , A s t r a c h a n , Taurien überschüssiges L a n d , Chersson, P e r m , Jekaterinoslaw, Kowno, Minsk, Ssaratow, W j a t k a , Woronesh, U f a , Ssamara, Witebsk, Wilna nicht. („Wjestn[ik] Ss[elskawo] Chasj[aistwa]" Nr. 3 S. 16. 1 3 N ä h e r e Z a h l e n a n g a b e n sind nicht bekannt geworden, auch ist die „ N o r m " , welche die Kommission zugrunde legte, nicht bekannt. Die jetzige R e c h n u n g des Ministeriums s[iehe] in A n m . 210.) 213 ) Herzenstein, in der Dumasitzung vom 19. Mai, empfahl statt dessen die feldgemeinschaftliche Neuumteilung. 1 4 D a s würde der ganze Westen ablehnen, und H[erzenstein] gibt damit indirekt zu, daß e b e n doch auch die über die N o r m mit L a n d ausgestatteten Bauern würden bluten müssen.
k A: Tschupnow
I A: W o r o w j e w s
9 Wie oben, S. 526, Anm. 89. 10 Vorob'ev, Krest'janskoe malozemel'e. 11 Siehe unten, S.567ff. 12 Weber bezieht sich auf: Vestniksel'skago chozjajstva, Nr. 3 vom 15. Jan. 1906, S. 16. 13 Ebd. 14 Wie oben, S. 515, Anm. 43.
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Umsiedlung sträuben sich die Bauern der beteiligten Gebiete entschieden. Zunächst diejenigen, welche umgesiedelt werden sollen. Ferner aber, und erst recht, würde das gleiche von den Bauern der Gebiete gelten, welche die Umsiedler aufnehmen sollten. Die Wirtschaft der Bauern in den dünn besiedelten Gegenden ist eben durch- 5 aus dieser dünnen Besiedlung angepaßt, und in sehr anschaulicher Weise wurde aus der Praxis der Übersiedlungsbehörden heraus214) geschildert, auf welche Schwierigkeiten die Einschiebung neuer Ansiedler selbst in äußerst dünn besiedelten und extensiv bewirtschafteten Gebieten stößt, wenn sie z. B. den Weide- und Waldnutzungsge- 10 pflogenheiten der schon wohnenden Ansiedler widerspricht. Hier würde eben das Prinzip der „potrebitjelnaja norma" in dem Sinne, daß die Ortsansässigen bei ihrer ortsüblichen Plunderwirtschaft bleiben dürfen, den Nachschub weiterer Ansiedler selbst bei der allerA 307 (143) dünnsten | Besiedlung geradezu ausschließen. Wenn vollends, nach 15 dem Prinzip der Dezentralisation, welches die Demokratie aufstellt, die Landfrage Sache der lokalen Instanzen der einzelnen Rayons würde, dann würde - darauf hat A . A . Kaufmann in dieser Zeitschrift schon hingewiesen 15 - es mit jeder Umsiedlung größeren Stiles wohl überhaupt bald ein Ende haben. - Das demokratische 20 Projekt (Art. 8)16 wollte das enteignete Land zuerst zur Versorgung der örtlichen Bevölkerung und nur den Überschuß für etwaige in ihrem Heimatsort nicht zu versorgende Zusiedler verwenden. Unter der örtlichen Bevölkerung sollten wiederum die Landlosen und Landärmsten den Vortritt haben, - also, mag gleich hier eingeschal- 25 tet werden, diejenigen, welche weder nach ihrem Kapital-(Inventar-)besitz noch nach ihrer Übung zur Führung einer selbständigen 214
) N. Digo, Zur Frage der Umsiedelung innerhalb des Gebiets des europäischen Rußland. „Wjestnik sselskawo chasjaistwa" 1906 Nr. 7. 1 7 Vgl. insbesondere das. S. 10 die Beispiele von Bauern, die, mit 7, 5 - 9 Deßj. ( 8 , 2 - 1 0 Hektar) pro männliche Seele (NB.!) ausgestattet, dennoch infolge ihrer extensiven Wirtschaft vom Staat Land dazu pachten und dadurch mit allen etwaigen Neusiedlern in Interessenkonflikt geraten müßten. Ihre „potrebitjelnaja norma" auf Grund der bestehenden Technik ist vielleicht 12-15 Deßjätinen per Seele, während schon der erste Schritt einer Intensivierung - der sie aber entschieden abgeneigt sind - diese Norm auf die Hälfte und weniger herabdrücken würde. |
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Kaufmann, Das russische Übersiedlungs- und Kolonisationsgesetz, S. 371-423. Weber gibt eine Paraphrase des Artikels 9, nicht 8, des agrarischen Reformprojekts Kadetten. Pravo, Nr. 18 vom 6. Mai 1906, S. 1687. Digo, K voprosu o pereselenii, S. 8 - 1 1 .
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Wirtschaft ökonomisch qualifiziert sind: das ist Folge des ethischsozialrevolutionären (naturrechtlichen) Prinzips, welches die „ökonomische Auslese" umkehrt. Ein sehr starker Rückgang der Kulturintensität, der auch bei umfassendster Aufbietung aller nur denkbaren Mittel, wie sie die Semstwos, trotz ihrer beschränkten Finanzkraft, zur Hebung der bäuerlichen Kultur mit bekanntlich höchst respektablen Erfolgen anwenden, doch erst in Jahrzehnten wieder eingeholt werden könnte, wäre schon aus diesem Grunde unausbleiblich, ebenso sorgsamste Schonung der Steuerkraft der Bauern, Verzicht auf das heute in der Handelsbilanz unentbehrliche Ausmaß der Getreideausfuhr, Rückgang der im Budget die ganze Rüstung Rußlands deckenden Schnapsbrennerei und wohl auch der Zuckerproduktion 215 ). Ein starker zeitweiliger Rückgang der GeWwirtschaft wäre die, vom volkshygienischen Standpunkte aus ja nur erwünschte, aber für die ökonomische Machtstellung und Zahlungsfähigkeit Rußlands für die Zeit seiner Dauer natürlich immerhin präjudizierliche Folge. Geht alles glatt und gelingt die Erziehung der Bauern, dann mag nach einer Generation ein freies, mächtig blühendes Rußland erstehen, auf wesentlich festerer Basis stehend als das heutige System. Aber damit dies denkbar sei, müßte das Land für etwa ein Menschenalter aufhören, Großmachtspolitik in der Welt spielen zu wollen, - und das wollen ja die Demokraten selbst nicht216). Zu diesen sachlichen Schwierigkeiten und Unsicherheiten über die Tragweite des Problems, die bisher nur zum Teil in den Verhandlungen zur Sprache kamen, tritt nun für die Demokratie der für ihr politisches | Schicksal wichtige Umstand, daß die Mehrheit ihrer A 308 (144) Anhänger aus den Semstwokreisen überhaupt keinesfalls so weit gehen wollte, im Falle selbst des allerdringendsten Bedarfes wirklich das gesamte private Grundeigentum zu expropriieren. Zunächst hätten sie damit den gesamten privaten Kleingrundbesitz gegen sich in 215 ) Dies muß, trotzdem das Projekt für Land, welches zu diesen Zwecken genützt wird, A 307 (143) „besondere Bestimmungen" vorsah, welche, wie Herzenstein in der Duma annahm, die „allmähliche Anpassung" der Bauern an diese Produktionen ermöglichen würden, 1 8 dennoch als höchst wahrscheinliches Ergebnis gelten. Was den Schnaps anlangt, so wäre, ethisch und hygienisch betrachtet, eine sehr starke Reduktion seines Konsums natürlich nichts Beklagenswertes. 216 ) S[iehe] oben Anm. 184. |
18 RedeGercenstejnsin der Duma am 19. Mai 1906, in: RusskijaVedomosti, Nr. 133 vom 21. Mai 1906, S. 4. Sten. otcety Gos. Dumy, 1 -yj sozyv, S. 526.
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Harnisch gebracht. Aber auch die Kulturbedeutung der Großbetriebe und die zu befürchtende starke plötzliche Senkung der landwirtschaftlichen Produktion in einem Augenblick, wo man ein gewaltiges Kapital aufnehmen müßte, wurde in Betracht gezogen. Demgemäß waren, unter dem Protest der Sozialrevolutionären, schon auf dem 5 Agrarkongreß im Mai 1905 die offiziellen Redner für Konservierung eines Teiles des Großbesitzes eingetreten. 19 Tschuprow hatte seine Berechnungen auf Grund der Annahme aufgestellt, daß ein Drittel des jetzigen Bestandes überall das Minimum des zu Erhaltenden darstellen werde. 20 Die weitere Diskussion der Frage hatte zur Schei- 10 dung von verschiedenen Großbesitzkategorien je nach der verschiedenen Kulturbewcrturig geführt. Demgemäß wurden in dem Projekt 21 von der Expropriation ausgeschlossen, abgesehen von städtischem Besitz, gewerblichem Grundbesitz usw.: Gärten, Weinberge und ähnliche Anlagen (Art. 5, IIId), Besitzungen „innerhalb der 15 Grenzen der ,trudowaja norma'", deren Umfang für jedes Gebiet bestimmt werden sollte (das. litt, a), endlich Besitzungen, deren Erhaltung wegen ihres „besonders ausgeprägten Musterwirtschaftscharakters" als im öffentlichen Interesse liegend angesehen werde m (das. litt. w)217). Unbedingt expropriiert werden sollten (Art. 5 Nr. I) 20 andrerseits: 1. Besitzungen von einer, das für jeden Bezirk gesetzlich festzustellende Maximalmaß des Privatbesitzes übersteigenden Grö-
A 308 (144)
217 ) Seit zehn Jahren sammelt das Landwirtschaftsministerium Daten über Wirtschaften (d. h. Großbetriebe), die auf der Höhe (wenigstens einer relativ erheblichen Höhe) der Kultur stehen. Nach neuesten Daten sind deren 2135 gezählt mit 7810000 Deßjätinen (8600000" Hektar) Fläche, die wenigsten (5) im Gouvernement Wologda, die meisten (69) im Gouvernement Smolensk. Es wird hervorgehoben, daß ein sehr beträchtlicher Teil davon Adelsbesitz sei, 2 2 - obwohl die Masse des Adels ökonomisch sehr niedrig qualifiziert ist. Die Zahl dieser Musterwirtschaften ist aber äußerst bescheiden, wenn man bedenkt, daß der Adel seit der Bauernbefreiung in Gestalt von Loskaufsgeldern und Kaufpreisen für verkauftes Land reichlich 3 Milliarden Rubel verschluckt hat, die ganz überwiegend zu „Luft" geworden sind.
m A: werden
19 20 21 22
n A: 860000
Gemeint ist der Agrarkongreß vom April 1905. Vgl. Agrarnyj vopros1, S. 302-351. Cuprov, K voprosu o dopolnitel'nom nadelenii, S. 225. Siehe oben, S. 505, Anm. 7, und S. 518, Anm. 53 und 59. Der von Weber angeführte Sachverhalt ließ sich nicht ermitteln.
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ße, 2. verpachtete oder in Teilpacht oder Akkord 23 vergebene Ländereien und solche, welche vorzugsweise mit gemietetem bäuerlichen Inventar bestellt werden 218 ), 3. umbestelltes kulturfähiges A 309 (145) Land. Expropriiert werden können außerdem (das. litt. II) alle nicht 5 laut litt. III (siehe oben) von der Expropriation unbedingt ausgeschlossenen Ländereien, wenn 1. dadurch schädliche Gemengelage beseitigt wird, 2. die Bedürfnisse der örtlichen landlosen oder landarmen Bevölkerung nicht anders befriedigt werden können 219 ). 24 Die Enteignung sollte (Art. 8) seitens des Staates „gegen Hingabe 10 von zinstragenden Papieren an Zahlungsstatt zum Nennwert" erfolgen. Das enteignete Land geht in den Besitz des Staates als „Landfonds" (Art. 4) über und wird vom Staat gegen eine, „entsprechend dem Ertrag und dem allgemeinen Plan der Bodenbesteuerung" (Art. 7) zu bemessende Abgabe in langfristige und unübertragbare 15 „Nutzung" (Art. 6) vergeben unter Zugeständnis des Ersatzes der Meliorationen an den abziehenden Nutznießer 220 ). 25 Damit wäre 218
) Dies ist infolge der Kapitalsarmut des Adels namentlich auf dessen Gütern der Fall und einer der Hauptgründe der technischen Rückständigkeit auch der „großbetrieblichen" Leistungen. Immerhin ist für die ökonomische Beurteilung der russischen Bauernwirtschaft bedeutsam, daß trotzdem die Erzeugnisse dieser „Großbetriebe" pro Flächeneinheit, soweit Material darüber vorliegt, meist höhere sind als die, welche dieselben Bauern auf ihrem eigenen Lande erzielen. | 219 ) Speziell für Wald wurde (Art. 11) vorgeschlagen, daß in Gegenden mit „Waldüber- A 309 (145) fluß" auch der Wald zur Besiedlung enteignet werden dürfe, in Gegenden mit Landmangel aber sollte er zugunsten des Staatsbesitzes enteignet werden können in dem Umfang, als dies für die Bedürfnisse der örtlichen Bevölkerung an Holz erforderlich sei. 26 In der Tat war mit Recht von Tschuprow sowohl wie von Dehn geltend gemacht worden, daß nächst dem Mangel an Wiesen und Weiden gerade der Holzbedarf der bäuerlichen Bevölkerung im Schwarzerdegebiet am dringlichsten sei. 27 220 ) Dieser „staatliche Landfonds" ist naturgemäß einer der umstrittensten Punkte des ganzen Projekts. Auch Professor Manuilow stand, im Gegensatz zu zahlreichen Mitgliedern der Partei und - mit wenigen Ausnahmen - dem ganzen Westen und Südwesten des Landes, auf dem Standpunkt („Russk[ija] Wj[edomosti]" 139,2°), 28 daß nur Pacht, nicht O A: 1392 23 Im Text des Projektes heißt es „Abarbeit" statt „Akkord". Tretij s-ezd partii narodnoj svobody, S. 1686. 24 Ebd. 25 Tretij s-ezd partii narodnoj svobody, S. 1687. 26 Ebd., S. 1687. 27 Den, K voprosu o dopolnitei'nom nadeienii, S. 1452f., und Cuprov, K voprosu o zemel'nom balanse, S. 2397-2409. 28 Gemeint ist: Manuilov, A., Ob agrarnoj reforme: I. Sobstvennosti Ii pol'zovanie?, in: Russkija Vedomosti, Nr. 139 vom 28. Mai 1906, S. 2.
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sowohl neben dem erblichen Landbesitz der Bauern in den Gegenden seiner Herrschaft, wie neben dem feldgemeinschaftlichen Besitz der altrussischen Gemeinden eine dritte, nur für einen Teil der Bauern-Gemeinden (die landarmen), und bei diesem wiederum nur für einen Teil ihres Landes - das neu zugeteilte - geltende Form des 5 Bodenbesitzes gesetzt 2203 ). Nun aber geht die prinzipielle Frage: ob A 310 (146) überhaupt Vergebung zu Pacht oder | zu (beschränktem) Eigentum, wie eben wieder die Dumaverhandlungen zeigen, als Riß durch alle Reformparteien: noch die Agrarkommission der Duma spaltete sich mit 30 gegen 26 Stimmen, unter den letzteren (für Eigentum) ein 10 Mitglied der äußersten Linken („trudowaja gruppa") und mehrere „Kadetten". 29 Der ganze Westen ist aus sehr begreiflichen nationalpolitischen Gründen gegen den staatlichen Landfonds: er fürchtet, daß bei der Pacht die Großrussen bevorzugt und so die Boden„Nationalisation" einfach russifikatorischen Bestrebungen dienen 15 Überweisung zu Eigentum, in Betracht komme, da sonst - wie die Parzellierung des Bodens in den Gegenden mit Erblichkeit der Bodenanteile (podwornoje semljewladjenije) trotz der bestehenden Teilungsgrenze beweise - Proletarisierung eines Teiles der Landbevölkerung unausbleibliche Folge sei. Dann habe man nur das „öte-toi, que je m'y mette" 3 0 erzielt. Der „ethische", die ökonomische Differenzierung als das Übel an sich ansehende, Standpunkt der Reformer manifestiert sich eben überall wieder. - Demgegenüber hat Fürst Wolkonskij die Vergebung zu Erbpacht in einem, mir dem Wortlaut nach bisher unbekannten, Entwurf befürwortet, schon um der Notwendigkeit der Beschaffung der unerschwinglichen Äa«/kapitalien zu entgehen. 3 1 Immerhin müßte auch hier die Ausgabe von börsengängigen Rentenpapieren damit Hand in Hand gehen, denn - die preußischen Erfahrungen zeigen e s 3 2 - ein Privatmann wird keine Rentengüter vergeben. 220a ) S[iehe] die Bedenken, die A . N. Miklaschewskij im „Prawo" Nr. 26 gegen dies „moskowitische Projekt" erhebt. 3 3 | 29 Das Abstimmungsergebnis und das Protokoll der Sitzung, in: Gercenstejn, M., Agrarnyj vopros v dumskoj komissii, in: Vestnik sel'skago chozjajstva, Nr. 34 vom 20. Aug. 1906, S. 7-10. Vgl. auch den Artikel: Agrarnaja komissija pri Gosudarstvennoj Dume, in: Russkija Vedomosti, Nr. 176 vom 11. Juli 1906, S. 4. 30 Ote-toi de là, que je m'y mette! Umgangssprachliche Redewendung. Boiste, P. G. V., Dictionnaire universel de la langue française, 8. ed. - Paris: Nodier 1834. 31 Möglicherweise bezieht sich dies auf die Rede des Fürsten N.S. Vol'konskij in der Duma am 18. Mai 1906. Sten. otcety Gos. Dumy, 1 -yj sozyv, S. 4 5 8 - 4 6 3 . 32 Weber bezieht sich auf die Erfahrungen mit der preußischen Rentengutsgesetzgebung von 1890/91. Die privaten Güterverkäufer nahmen stets die Vermittlung der Rentenbanken in Anspruch: Die Rentenbanken schössen den Kaufpreis In sofort einlösbaren Staatsschuldscheinen vor und wurden ihrerseits Gläubiger der Ansiedler. Vgl. Sering, Max und Krause, M., „Rentengüter", in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 3. Aufl., Band 7 . - J e n a : Gustav Fischerl 911, S. 1 0 5 - 1 1 0 . 33 Mlklasevskij, Gosudarstvennyj zemel'nyj fond, S. 2268-2278. Im Original: „Moskovskij proekt", S.2271.
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des
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würde. Aus dem gleichen Grunde ist er überhaupt für die Reservierung des Landes für die örtliche Bevölkerung. Die Verhandlungen über das ganze Projekt im Kongreß 221 ) waren eingehend und teilweise leidenschaftlich. Ein eigentlicher Beschluß in der Sache selbst kam nicht zustande. Man befürchtete, daß über diesen Entwurf keine Übereinstimmung mit den Bauern zu erzielen sein werde, und es wurde sogar der - mehr parteiopportunistische als charaktervolle - Grundsatz ausgesprochen, daß man auf keinen Fall mit ihren Wünschen in Konflikt geraten dürfe (Gurjewitsch-Tula u. a.). 3 4 Das Projekt selbst schon war ein Kompromiß zwischen den Anhängern der „Nationalisation" des Landes und den behutsameren Sozialpolitikern: der Kommission hatten u. a. A. A. Kaufmann und der ausgezeichnete Agronom und Reformator der bäuerlichen Landwirtschaft im Wolokolamschen Kreise A. A. Subrilin angehört. Miljukow und Struve bezeichneten es als das „Maximum dessen, was im Wege der Gesetzgebung - d.h. also friedlich - überhaupt zu erreichen wäre", und sahen in ihm für den Fall seiner Durchführung „die größte Reform, welche die Welt jemals gesehen hat", während die Radikalen es ein „bureaukratisches Produkt" nannten. 3 5 Private Grundbesitzer hatte man in die Kommission nicht gewählt, - aber es darf doch nicht vergessen werden, daß die Partei auch mit ihren zahlreichen Anhängern unter diesen zu rechnen hatte. Schließlich wurde das Projekt mit einer Resolution, welche als „leitenden" Gesichtspunkt der Partei die Überführung des Bodens „in die Hände der Arbeitenden" feststellte, der künftigen Parlamentsfraktion zur Verwertung und eventuell Umarbeitung überwiesen 222 ). 36 | 221 ) Siehe das Protokoll im „Prawo" Nr. 18. 3 7 Das Projekt ist daselbst S. 1686 bis 1688 A 3 1 0 (146) abgedruckt. 222 ) Es sei hier gleich hinzugefügt, daß die von 42 Mitgliedern der „Partei der Volksfreiheit" in der Duma eingebrachte, zur Direktive für die zu wählende Kommission bestimmte „Erklärung" über die Richtlinien der Agrarpolitik (abgedruckt ,,Russk[ija] Wj[edomosti]" Nr. 123, S. 2) 3 8 mit nicht sehr wesentlichen Modifikationen durchaus auf den Grund-
3 4 Siehe die Rede Gurevics, Tretij s-ezd partii narodnoj svobody, S. 1689. 3 5 Die Wiedergabe der verschiedenen Standpunkte ebd., S. 1691-1697. Die wörtlichen Zitate aus den Stellungnahmen Miljukovs und Struves folgen dem Artikel: Kaufman, Agrarnyj vopros na III s-ezde, S. 1644. 36 Tretij s-ezd partii narodnoj svobody, S. 1693. 37 Tretij s-ezd partii narodnoj svobody, S. 1667-1697. 38 Gemeint Ist: Zajavlenie, predstavlennoe v Gosudarstvennuju Dumu, po agrarnomu voprosu za podpis'ju 37-ml eja clenov, In: Russklja Vedomosti, Nr. 123 vom 9. Mai 1906,
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A 311 (147)
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zum
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Die Projekte der systematischen Enteignung und Aufteilung des privaten Bodenbesitzes werden zweifellos nicht leicht zur Ruhe kommen 223 ). - Aber es ist sehr ernstlich zu bezweifeln, ob schließlich
lagen dieses Projektes ruht. Im einzelnen ist folgendes bestimmter formuliert: 1. der Enteignungspre/s soll sich nach den „ortsüblichen Erträgnissen" richten und die durch A 311 (147) Landnot hervorgerufene Pachthöhe unberücksichtigt lassen | (Nr. I, Schluß); 2. die „potrebitjelnaja n o r m a " u m f a ß t D e c k u n g des „durchschnittlichen" Bedürfnisses an N a h r u n g , Wohnung, Kleidung und öffentlichen Lasten. Es soll, so heißt es, o f f e n b a r u m den B a u e r n verständlicher zu sein, ausdrücklich, die Zahl der „Esser" (jedoki) zugrunde gelegt werden, nicht also, wie in den G e g e n d e n mit hohen Bodenlasten f r ü h e r , die Leistungsfähigkeit (Nr. II, Schluß); 3. für die Zugehörigkeit zu den (unbeschränkt expropriierbaren) Pac/uländcrcicn (siehe o b e n ) 3 9 soll der 1. J a n u a r 1906 der entscheidende Zeitpunkt sein (Nr. IV a); 4. das gesetzlich festzulegende Maximal-Betriebsausmaß (siehe o b e n ) 4 0 wird näher definiert als „bei Führung der Wirtschaft mit eigenem Vieh und eigenen Werkzeug e n " (daselbst); 5. für L a n d , welches zu landwirtschaftlichen Verarbeitungsbetrieben (z.B. Z u c k e r f a b r i k e n ) gehört, soll eine bestimmte Übergangsfrist festgesetzt werden (Nr. IV, w , 4 ) ; 6. „das Gesetz" soll bestimmen, wer zur „örtlichen" Bevölkerung gehört (Nr. VII). 223 ) Bei dieser Gelegenheit mag auch das A g r a r p r o j e k t , welches die „ t r u d o w a j a grupp a " des Parlamentes, die Sozialrevolutionäre Linke, am 23. Mai in der D u m a einbrachte, registriert w e r d e n . 4 1 Es verlangt Bildung eines „nationalen L a n d f o n d s " (§2), in welchen alle nicht zum Nadjelland gehörigen und die „trudowaja n o r m a " überschreitenden Privatbesitzungen übergehen sollten; für das hiernach im Besitz der B a u e r n und Kleingrundbesitzer verbleibende Land - und das ist, da das Nadjelland 112 Millionen D e ß j ä t i n e n beträgt und die „ t r u d o w a j a n o r m a " auf, je nachdem, 8 - 2 0 D e ß j ä t i n e n pro Seele geschätzt wird, der weitaus größte Teil des Landes - wird jede Kommassation 4 2 über die t r u d o w a j a n o r m a hinaus verboten, auch soll es „stufenweise" (?) in „Volkseigentum" verwandelt werden (§ 3). D e r Preis der Enteignung wird durch die im „viergliedrigen" Wahlrecht zu ernennenden örtlichen Komitees, welche auch die Feststellung des L a n d b e d a r f e s und Landvorrates und die Verwaltung des L a n d f o n d s im R a h m e n des Gesetzes, ferner, für die Übergangszeit, Normierung der Pacht- und Lohnpreise (§ 4) in H ä n d e n h a b e n , festgesetzt. Alle privatrechtlichen Verfügungen ü b e r G r u n d und B o d e n hören sofort auf (§ 5) und existieren künftig gesetzlich nicht m e h r (§ 13 a . E . ) . D e r aus d e m L a n d f o n d s zugeteilte N a d j e l fällt im Falle der Einstellung der Wirtschaft ganz, oder, w e n n der Bewirtschaftende sie einzuschränken wünscht, zum entsprechenden Teil an den L a n d f o n d s , jedoch unter Vergütung der Meliorationen, zurück (§ 13). „Entgelt" wird für den Nadjel nicht geleistet, dagegen eine mit d e m U m f a n g und der Ertragsfähigkeit des N a d j e l steigende besondere Steuer von diesem Land e r h o b e n (§ 14). Was das Recht auf L a n d nach Voraussetzung und U m f a n g anlangt, so besagt § 9, d a ß aus dem L a n d f o n d s L a n d angewiesen wird allen, die es S.2. Sten. otcety Gos. Dumy, 1 -yj sozyv, S. 248—251. Das Projekt wurde noch von fünf weiteren Mitgliedern der Kadetten unterzeichnet und als „Projekt der 42" bezeichnet. Die im folgenden von Weber verwandte Zählung lehnt sich an das russische Original an. 3 9 Siehe oben, S.534f. 4 0 Siehe oben, S. 518ff. 41 Sogenanntes Projekt der 104, von 104 Mitgliedern der Duma unterzeichnet, die zur Fraktion der Trudoviki gehörten oder ihr nahestanden. Abgedruckt in: Sten. otcety Gos. Dumy, 1 -yj sozyv, S. 560ff.; Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 172ff. 4 2 Gemeint ist die Zusammenlegung von Grundstücken.
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irgendeines von ihnen in einer den jetzigen Idealen in den entscheidenden | Punkten auch nur annähernd entsprechenden Weise von A 312 (148) durch eigene Wirtschaft zu bearbeiten wünschen, den mit Kapital dazu nicht Versehenen unter Gewährung staatlicher Darlehen und Verpflegung (§ 15). Dabei geht die örtliche Bevölkerung der nicht ortsansässigen, die landwirtschaftliche der nicht landwirtschaftlichen vor (§ 9), jedenfalls hat aber jeder ohne Ausnahme 1. das Recht auf Ansiedlung in seinem Wohnort, 2. das Recht auf Nadjel da, wo freies Land vorhanden ist. Der Umfang der Nadjel soll (§ 10) der „trudowaja norma" als Ideal entsprechen (und, so lange sie für die Ortsbevölkerung nicht erreicht ist, soll also, nach § 9, kein Auswärtiger zur Ansiedlung zugelassen | werden, was wohl bedeuten würde, daß alles Land außer Ost- und Nordsibi- A 312 (148) rien, Archangel, Wjatka, Perm, Olonetz als besetzt gilt); erhielt bei der Verteilung des Landes an die örtliche Bevölkerung jemand, infolge Landmangels, nicht einmal die prodowolstwennaja norma (bäuerliches Existenzminimum, = potrebitjelnaja norma), dann und nur dann hat er neben dem (jedermann zustehenden) Recht auf den Nadjel im Gebiete mit Landüberschuß auch das Recht, dorthin auf Staatskosten befördert zu werden (§ 11). Beide Landnormen werden örtlich festgesetzt und sind (§ 12) wandelbar mit wechselnden ökonomischen Bedingungen. Man merkt diesem Projekt einerseits die Skepsis an, welche die Verfasser in bezug auf das Vorhandensein unermeßlicher Landvorräte und der Durchführbarkeit der „trudowaja norma" erfaßt hat, andrerseits die ängstliche Scheu, die selbst diese Radikalen vor der Verletzung desjenigen Maßes von bäuerlichem Eigentumssinn, welcher immerhin auch in Rußland schon vorhanden ist, hegen. Der Entwurf ist schlecht und recht ein Kompromißprodukt zwischen Naturrecht (Recht eines jeden auf Land) und erworbenen Rechten (Vorzug der Einheimischen). In Wahrheit bliebe von dem Recht eines jeden auf Land nach der „trudowaja norma" durchaus nichts übrig, was nicht schon heute bestände. - Bezüglich der Fossilien und nutzbaren Wässer soll die Enteignung sofort stattfinden, wenn sie vom Besitzer nicht genutzt werden, sonst nach „besonderem" Gesetz. - Gegenüber dem k[onstitutionell]-d[emokratischen] Projekt ist wesentlich nur die Beseitigung aller nicht rein kleinbäuerlichen Besitzungen und die (durch die Bestimmung des § 13, der unter „Einstellung" der Wirtschaft wohl Einstellung der Bewirtschaftung „mit eigenen Händen" verstehen will, offenbar beabsichtigte) Verhinderung der auch nur zeitweisen Entstehung größerer Betriebe eigenartig, daneben die (sicherlich von den zur Beratung zugezogenen Mitgliedern des "Russkoje Bogatstwo p ", speziell wohl von Pjeschechonow hineingebrachte) „Sonderbesteuerung mit wechselnder Höhe je nach den Wirtschaftsbedingungen" (modifizierte H. Georgesche G e d a n k e n ) . 4 3 Ein Teil der Gruppe brachte später - wie weiter unten zu erwähnen - ein strikt revolutionäres Gegenprojekt (Abschaffung jedes Privateigentums) ein. 4 4 p A: Bogatstwoo 43 G e m e i n t sind die Theorien des amerikanischen Sozialreformers Henry G e o r g e ( 1 8 3 9 - 1 8 9 7 ) , der in s e i n e m Hauptwerk „ P r o g r e s s and Poverty" aus d e m Jahre 1897 insbesondere das „natürliche Recht" jedes M e n s c h e n auf Land propagierte. Ferner trat er für die Nationalisierung des B o d e n s ein, bzw. forderte die Konfiskation der G r u n d r e n t e durch eine Einheitssteuer (Single tax). 44 Dies bezieht sich auf den s o g e n a n n t e n Agrarentwurf der 33, der am 6. Juni von einer der Partei der Sozialrevolutionäre n a h e s t e h e n d e n G r u p p e eingebracht w o r d e n war. In Ihm w u r d e die sofortige „Sozialisierung des L a n d e s " , also die A u f h e b u n g des Privateigent u m s an G r u n d und Boden, gefordert. Sten. otcety Gos. Dumy, 1 - y j sozyv, S. 1088, 1 1 4 2 - 1 1 5 0 , 1 1 5 3 - 1 1 5 6 . Siehe unten, S. 6 5 7 f .
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irgendeiner russischen Regierung durchgeführt werden wird. Selbst das recht maßvolle konstitutionell]-demokratische Projekt ist der Antrag auf eine q Art von Auto-Vivisektion; es macht Vorschläge, deren Ausführung einen „leidenschaftsleeren Raum" voraussetzen würde. Wenn man die furchtbaren Leidenschaften und vor allem das s Chaos der Interessenkonflikte innerhalb der Bauernschaft, die jeder Versuch einer systematischen und allgemeinen Landzuteilung hervorrufen würde, sich einen Augenblick vergegenwärtigt, so wird man sagen müssen: dies müßte eine zugleich von streng demokratischen Idealen beseelte und mit eiserner Autorität und Gewalt jeden Wi- 10 derstand gegen ihre Anordnungen niederzwingende224) Regierung sein. Die Durchführung der Reformen selbst, ebenso aber die periodische Neuverpachtung so ungeheurer Areale an eine riesige Zahl von Einzelinteressenten ist, soweit wenigstens geschichtliche Erfahrung reicht, nur durch die Hand despotischer Regierungen unter 15 A 313 (149) stabilen ökonomischen Verhältnissen möglich. Die | Millionen kleiner Staatspächter würden einen Kolonenstand bilden, wie ihn in dieser Art und diesem Umfang nur etwa das alte Ägypten und das Römerreich kannten. - Dem bureaukratischen Regiment fehlt jede Möglichkeit, jenen Idealen nachzugehen, überhaupt rücksichtslos 20 gegen den Adel und die Grundbesitzerklasse zu regieren, einem demokratischen Ministerium würde dagegen die undemokratische „eiserne" Autorität und die Rücksichtslosigkeit gegen die Bauern fehlen. Eine Zwangsenteignung ganz großen Stils also ist jedenfalls nicht sehr wahrscheinlich, was auch weiterhin in Rußland geschehen 25 möge. Freiwilliger Landaufkauf ist, so lange die Bauern politisch so unruhig bleiben wie jetzt, zu relativ billigem Preise möglich: die Kosakenwachen kosten den Gutsherren Geld, und ihre Lage ist äußerst unbehaglich, - aber der dazu erforderliche Kredit ist gerade dann für eine ganz große, eine Milliardenaktion, kaum erschwing- 30 224
) So auch der Demokrat N. N. Ljwow in der Dumasitzung vom 19. Mai. 4 5 |
q A: einer
45 Eine Wiedergabe der Rede in: Russkija Vedomosti, Nr. 132 vom 20. Mai 1906, S. 5: Gosudarstvennaja Duma. Zasedanie 19-go maja. Sten. otcety Gos. Dumy, 1-yj sozyv, S. 477-480.
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lieh, und die Bauern kaufen nicht225). Wenn aber das Land erst wieder „ruhig" ist, so wird der Landpreis bei konstanter Kaufnachfrage des Staates oder der Landbank noch ganz anders als bei uns in der Provinz Posen 46 emporschnellen: eine Verfünf-, gelegentlich eine Verzehnfachung hat schon jetzt in einzelnen Gebieten im Laufe von etwa 15 Jahren (trotz sinkender Produktenpreise) stattgefunden. 47 Nicht weil die Idee des dopolnitjelnyj nadjel etwas in sich besonders „Unmögliches" enthielte - davon ist gar keine Rede! - , sondern weil nach der historisch gegebenen Lage der Dinge die Klippen, an denen ein ernstlicher Versuch, sie zur Tatsache werden zu lassen, scheitern kann, in so ungeheurer und ganz unübersehbarer Zahl sich dem - wie der skizzierte status controversiae zeigte - statistisch ins Dunkle steuernden Schiff in den Weg stellen würden, erscheint ihre Verwirklichung - leider! - sehr wenig wahrscheinlich. Denn zu j enen Schwierigkeiten gesellt sich vor allem noch der Umstand, daß die Bauern auch politisch „erwacht" sind und starke revolutionäre Parteien, von den glühendsten Hoffnungen erfüllt, ihre Phantasie mit Beschlag belegen. Eine sachliche und unbefangene Arbeit, wie sie jede wirkliche „Lösung" dieser unerhört komplizierten Frage auf so breiter Basis, wie sie das k[onstitutionell]-d[emokratische] Programm will, erfordert, ist unter dem Temperaturgrad, den heute neben den sozialen auch die rein politischen Leidenschaften erreicht haben, in deren Dienst die Führer der äußersten Linken die Hoffnungen der Bauern stellen, ganz ausgeschlossen: es ist dazu, wie zu so vielem, dank der Politik der letzten 20 Jahre, „zu spät" geworden. 225 ) Das Dumamitglied Schuwalow erhielt von Bauern seines Kreises die telegraphi- A 313 (149) sehe Anfrage, ob sie (durch die Bank) kaufen sollten, - er antwortete verneinend, da die Duma schon für sie sorgen werde! („Russk[ija] Wj[edomosti]" 133, S. 4.) 4 8 |
46 Die Landpreise in der Provinz Posen stiegen insbesondere für den Kleinbesitz seit der Mitte des 19. Jahrhunderts kontinuierlich. Betrug der Preis 1810 ca. 412 Mark pro ha, so lag er 1894 bei ca. 732 Mark pro ha. Siehe dazu: Sarrazin, Hermann, Die Entwicklung der Preise des Grund und Bodens in der Provinz Posen. - Diss. Halle: Diss.-Druck 1897, S. 57. 47 Siehe oben, S. 506, Anm. 10, sowie Agrarnyj vopros 2 , S. 80f. 48 Die Meldung lautete: „ Suvalov riet den Bauern, auf den Kauf durch die Bauernbank zu verzichten und bat, die Entscheidung der Duma zu unterstützen, die sich scharf gegen die Bauernbank äußern werde." Russkija Vedomosti, Nr. 133 vom 21. Mai 1906, S. 4.
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Und bei allem Respekt vor den intellektuellen Fähigkeiten der Bauern - von denen auch antidemokratische russische Beobachter einen A 314 (150) für sie offenbar über| raschenden Eindruck gewonnen haben 226 ) wäre es eben doch eine verhängnisvolle Selbsttäuschung, ihnen heute die Fähigkeit zuzutrauen, selbst eine große Agrarreform zu machen. 5 Ein genialer Parvenü wie Napoleon oder ein Bürger wie Washington könnten im sicheren Besitz der militärischen Gewalt und vom Vertrauen der Nation getragen, vielleicht ein neues Rußland auf kleinbäuerlicher Basis aus dem Boden stampfen, - legitime Monarchien sind dazu ebenso wenig imstande, wie voraussichtlich eine mühsam 10 nach rechts und links um ihre Existenz kämpfende blutjunge parlamentarische Körperschaft. Würde die Agrarreform in der Art, wie die Partei sie vorschlägt, auch nur teilweise durchgeführt, so wäre - wie ich schon an früherer Stelle2263) ausführte - eine mächtige Steigerung des auf „kommuni- 15 stischer" Grundlage ruhenden „naturrechtlichen" Geistes und eine auf längere Zeit hinaus höchst eigenartige, politische, soziale und geistige Physiognomie Rußlands die wahrscheinliche Folge, etwas wirklich „noch nicht Dagewesenes" - aber was? das scheint unmöglich im voraus zu deuten. Ein starker ökonomischer Kollaps aber auf 20 die Dauer von 1 - 2 Jahrzehnten, bis dieses „neue", kleinbürgerliche Rußland wieder vom Kapitalismus durchtränkt wäre, scheint ganz sicher: man hat hier zwischen „materiellen" und „ethischen" Zielen zu wählen. Schon wesentlich anders würde eine Enteignungsaktion unter Be- 25 schränkung auf das schon faktisch im Besitz von Bauern befindliche Pachtland wirken, etwa in der Form der obrigkeitlichen Pachtregulierung für das am 1. Januar 1896 verpachtete Land, 49 dann der Pachtablösung und Überweisung an die Gemeinden oder (wie schon A 314 (150)
226 ) So Pestrzecki in seinem früher zitierten Bericht über den altgläubigen Bauernkongreß im ,,Now[oje] Wr[emja]". 50 226a ) Beilageheft zum „Archiv", Bd. XXII, l. 5 1
49 Vermutlich bezieht Weber sich hier auf die Gesetze vom 16. Juni 1895 und 5. Juni 1900, die die Pacht von Staatsland wesentlich erleichterten. Diese Verbesserungen für die Bauern betrafen jedoch vor allem die Dauer der Pachtverträge und das Verfahren bei der Pachtvergabe. Sie zielten nicht auf eine irgend geartete Form der Enteignung des Landes. Vgl. Nuzdy derevni II, S. 261 ff. 50 Siehe oben, S. 338, Anm. 71. 51 Weber, Zur Lage der bürgerlichen Demokratie, in diesem Band, S. 229.
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jetzt bei der Bauernbank) freigebildete Genossenschaften von Bauern, eine Verbindung also einer „Regulierungsgesetzgebung" mit der Arbeit der Bauernbank. Sie fügte sich ökonomisch durchaus ebenso und noch sehr viel leichter in das Fachwerk der „heutigen Gesellschaftsordnung" ein als etwa die irische Landgesetzgebung, 52 aber sie würde eben - wie das starke Überwiegen des individuell und frei-genossenschaftlichen Landaufkaufs über den gemeindlichen bei der Bauernbank zeigt227) - | auf „ökonomischer Auslese" ruhen, deshalb dem naturrechtlich-ethischen, von den Sozialrevolutionären herrührenden, Charakter, der - wenn auch verdünnt - auch dem Agrarprogramm der „Kadetten" zugrunde liegt, strikt zuwiderlaufen und daher von ihnen, erst recht aber von der Masse der Bauern und ihren Ideologen in der radikalen Intelligenz abgelehnt werden. Tatsächlich wäre eine solche Agrarpolitik, auch wenn man die skizzierte Maßregel ferner auf alles am 1. Januar 1906 nur mit Bauerninventar bearbeitete Gutsland erstreckte, in Form etwa der gesetzlichen Umgestaltung des Arbeitsverhältnisses zunächst in ein Arbeiterpachtverhältnis mit amtlich fixierten Gebührnissen, welches weiterhin abgelöst werden könnte - ebenso „konservativ", wie der „Kadetten"-Gedanke der systematischen Versorgung der Landlosen und Landarmen als solcher mit Minimalland dem Wesen nach sozialrevolutionär ist (und auch sein will). - Allein vielleicht wird keiner von beiden Wegen beschritten, und der russische Bauer hat seinen 227 ) Siehe oben Anm. 191. Übrigens wechselt dies Verhältnis. Im Jahre 1898 waren nach der 1905 erschienenen, von Lossitzkij bearbeiteten Statistik auf dem Schwarzerdegebiet die einzelnen Bauern mit 6,7, die Genossenschaften mit 18,8, die Gemeinden mit 8,0% der Fläche am Kaufs on Boden beteiligt, aber auch der Verkauf war bei den beiden ersten Kategorien (5,2 bezw. 2,2%) stärker als bei der letzten (0,2%). Absolut betrachtet gewannen bei dem Umsatz Land: einzelne Bauern 30400 Deßjätinen, Genossenschaften 384700 Deßjätinen, Gemeinden 177700 Deßjätinen (Materialien zur Statistik des Immobilienbesitzwechsels Heft XII, 1905), die beiden ersten also das 2'/2fache der letzteren. 5 3 |
5 2 Gemeint ist hier wahrscheinlich die irische Landreform aus dem Jahre 1903, der sog. Wyndham Land-Act, der im wesentlichen eine freiwillige Übertragung des noch im Besitz der Gutsbesitzer befindlichen Bodens an die Pächter vorsah. Das Schatzamt sollte zu diesem Zweck eine Summe von 100 Millionen Pfund vorstrecken. Die Pächter konnten aus diesem F o n d s - d i e Höchstsumme pro Pächter betrug 5000 P f u n d - G e l d zum Ankauf des Landes bei 2,75% Zinsen und 0,5% Amortisation auf die Dauer von 68,5 Jahre leihen. Ziel dieser Reform war es vor allem, die Zwergpachten zu vergrößern und den besitzlosen Landwirten den Landerwerb zu ermöglichen. 5 3 Materialy po statlstlke 12, S. 60f. Weber bezieht sich augenscheinlich auf seine Anm. 190, oben, S. 512ff., nicht auf seine Anm. 191.
A315(151)
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Calvariengang in Qual und Zorn weiter zu gehen, bis teils der moderne Agrarkapitalismus, teils der moderne, an die gewerblichen Märkte sich anschmiegende Kleinbauernbetrieb auf erblich eigener Scholle auch in Rußland endgültig gesiegt hat und damit die letzte Zufluchtsstätte des Kommunismus und des ihm entsteigenden bäuerli- 5 chen revolutionären Naturrechts in Europa endgültig verschüttet ist. Die Politik derjenigen jedenfalls, welche heute die physische Macht in Händen haben, bewegt sich in dieser Richtung, trotz starker Konzessionen an die Gedankenkreise des Narodnitschestwo 227a ). - | A 3 1 5 (151)
227a
) D a s vom Landwirtschaftsministerium ausgearbeitete Agrarprojekt ist jetzt endlich - 13. Juni - im ,,Prawit[jelstwjennyj] W j e s t n i k " (Nr. 23) erschienen. 5 4 Auf den ersten, die Feldgemeinschaften b e t r e f f e n d e n Teil k o m m e n wir noch im folgenden Abschnitt zu sprechen, ebenso auf den dritten, der die Bildung und Aufgaben der Agrarkommissionen in den Kreisen und G o u v e r n e m e n t s (semljeustroitelnaja kommissija) und des zentralen A g r a r k o m i t e e s (komitet po semljeustroitelnym djelam) b e t r i f f t . 5 5 D e r zweite Teil (Art. 40ff.) befaßt sich mit der „Vergrößerung des bäuerlichen Grundbesitzes". Für diesen Zweck sollen verwendet werden (Art. 40): 1. die Staatsländereien des europäischen Rußlands (die Übersiedlung nach Asien bleibt besonderer Gesetzgebung vorbehalten); 2. L a n d , welches die B a u e r n b a n k oder der Fiskus im Wege des freien Verkehrs erwirbt; 3. zur R o d u n g geeignete Staatswaldungen, soweit sie nicht als Schutzwälder oder aus hydrographischen oder gewerblichen G r ü n d e n erhalten werden müssen (Art. 42). Dieser Landfonds soll (Art. 43) verwendet werden im Interesse 1. der landarmen Bauern und Kleingrundbesitzer, „für welche Landwirtschaft die HauptqaeWe des Lebensunterhaltes" ist; und 2. von den landlosen Bauern derjenigen, welche das zur selbständigen Wirtschaftsführung erforderliche Inventar besitzen. (Man erkennt sofort die Einschränkung gegenüber den naturrechtlichen Forderungen.) Diese Kategorien von B a u e r n sollen bis zu einem Maximalbesitzumfang (einschließlich des ihnen schon als Nadjel- oder als Kaufland gehörigen Besitzes) mit Land versorgt werden, welcher für jede Ortschaft durch die d a f ü r A 3 1 6 (152) eingesetzten Agrar|kommissionen (von denen später zu reden sein wird) 5 6 festgestellt wird (Art. 69) und von dem Maße des „tatsächlichen Bedarfs" abhängig sein soll. D a s Land wird diesen Kategorien entweder 1. zu Eigentum (jedoch unter Festhaltung der später zu e r w ä h n e n d e n 5 7 Schranken, die für das Bauernland auch weiterhin bestehen bleiben) oder 2. in Pacht auf nicht länger (warum?) als 12 J a h r e übertragen ( A r t . 44), und zwar, je nach den örtlichen Bedingungen, den G e m e i n d e n , den frei gebildeten Genossenschaften oder Einzelnen (Art. 47), im ersteren Falle eventuell unter der Bedingung einer Feldbereinigung oder Auseinandersiedlung der bestehenden G e m e i n d e n (Art. 48). Im Falle des Verkaufs an Genossenschaften (Art. 49) wird der Anteil jedes Genossen festgestellt, und 5 4 Proekt o polozenlja ob ulucsenii i rassirenii krest'janskago zemlevladenija, in: Vecerneepribavlenie kPravItel'stvennomu Vestniku, Nr. 23 vom 13. Juni 1906, S. 1 f., und Nr. 24 vom 14. Juni 1906, S. 1 f. Dieses Gesetzesprojekt des Innenministeriums wurde am 10. Juni 1906 von Petr Stolypin in die Duma eingebracht, kam jedoch aufgrund der Dumaauflösung vom 9. Juli 1906 nicht mehr zur Beratung. Zur Entstehung des Gesetzes vgl. Sldel'nikov, S. M. (Hg.), Agrarnaja reforma Stolypina. - Moskva: Izd. Moskovskogo universiteta 1973, S. 3 0 9 - 3 1 3 . 5 5 Siehe unten, S. 582ff. und 593ff. 56 Siehe unten, S.593ff. 5 7 Siehe unten, S.583ff.
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Wie dem nun sei, jedenfalls war die Haltung der Partei in der A 316 (152) wichtigsten praktischen Frage auch bei Eröffnung der Duma nicht end|gültig und vollends bei Beginn der Wahlen noch gar nicht klarge- a 317 (153) ist die Konzentration von mehr Land, als der gemäß A r t . 45 und 69 (siehe oben) festgestellte Maximalbesitzumfang beträgt, in den H ä n d e n eines Genossen unzulässig. D e r Preis bezw. die Pachtrente soll (Art. 53) 1. für das vom Fiskus erworbene L a n d der Reinertragsfähigkeit g e m ä ß den örtlichen Bedingungen entsprechen; 2. bei Erwerb von der L a n d b a n k dem Preise, den diese hat zahlen müssen; jedoch sollen die Preise bezw. R e n t e n „in wichtigen Fällen" ( A r t . 55) mit Genehmigung des zentralen Agrarkomitees auch unter das hiernach innezuhaltende Niveau heruntergehen dürfen. Gegenseitige Bürgschaft der gemeinsam E r w e r b e n d e n findet nicht statt, sonst finden auf die Pacht die Regeln der staatlichen O b r o k - L ä n d e r e i e n A n w e n d u n g , und es werden den E r w e r b e r n alle R e c h t e und Vergünstigungen gewährt, welche die Umsiedlungsgesetzgebung den Kolonisten zur Verfügung stellt. Etwaige nach D e c k u n g des Landbedarfs der in erster Reihe zu versorgenden Schichten übrig bleibende Bestandteile des L a n d f o n d s k ö n n e n a n d e r e n , den Minimalbesitzstand schon i n n e h a b e n d e n B a u e r n , auf nicht mehr als 6 J a h r e , in Pacht gegeben werden (Art. 60). M a n sieht, vom Regierungsstandpunkt aus bedeutet dies Projekt, so weit es hinter den naturrechtlichen Postulaten des k[onstitutionell]-d[emokratischen] Programms zurückbleibt, doch ein weitgehendes E n t g e g e n k o m m e n gegen dessen G e d a n k e n k r e i s , namentlich in bezug auf das Prinzip des Vorzugsrechtes der landarmen Schichten der Bauernschaft auf den staatlichen L a n d f o n d s und auf die Festsetzung des Landkreises (wir werden sehr bald s e h e n , 5 8 wie sehr gerade dieser Punkt mit den Klasseninteressen des Adels kollidiert). N u r die Expropriation hat m a n (von einzelnen Fällen der Gemengelage in Separationsfällen abgesehen) zu meiden gesucht. A b e r die Frage ist dann e b e n , ob der Staat bei seiner Finanzlage etwas wirklich Erkleckliches zur Schaffung eines umfangreichen L a n d f o n d s in den inneren G o u v e r n e m e n t s wird leisten k ö n n e n . Nach Zeitungsnachrichten soll die Apanagenverwaltung zum Verkauf von Teilen ihres landwirtschaftlichen Besitzes an den Fiskus bereit sein. 5 9 Die Kirche dagegen - in Gestalt der Konferenz zur Vorbereitung des Konzils 6 0 - hat eben jetzt dringend um Erhaltung ihres Landbesitzes petitioniert, 6 1 während umgekehrt in der Dumakommission gegen eine A n r e g u n g zur Erhaltung wenigstens der K i r c h e n h u f e n alle B a u e r n d e p u t i e r t e n ohne U n terschied der Partei protestierten. 6 2 D o m ä n e n - und A p a n a g e n l a n d ergibt zusammen erst 5,6 Millionen D e ß j ä t i n e n Nutzfläche; über das Maß von Waldland, dessen A b g a b e der Forstfiskus für in maxima zulässig hält, liegen keine eindeutigen A n g a b e n vor. Einige hunderttausend D e ß j ä t i n e n hat der Fiskus, wie noch zu e r w ä h n e n , 6 3 im Südosten erworben. Ü b e r die Chancen der L a n d b a n k k ä u f e wird noch zu sprechen sein. 6 4 Sollte, wie in einem Teil der „bürgerlichen" Presse („Now[oje] W r [ e m j a ] " ) 6 5 gefordert wurde, der 58 Siehe unten, S. 570ff. 59 Dies bezieht sich auf eine Erklärung der Regierung zur Agrarfrage von Mitte Juni 1906, in der u.a. der Verkauf von Staatsland an die Bauern in Aussicht gestellt wurde. Vgl. Pravitel'stvennoe soobscenie, in: NovoeVremja, Nr. 10871 vom 20. Juni 1906, S.3. 60 Siehe oben, S. 343, Anm. 3. 61 Siehe dazu den Berichtin: Cerkovnyj Vestnik, Nr. 25 vom 22. Juni 1906, S.826f. 62 Siehe dazu den Artikel: Zemei'nyj vopros v Dume, in: Krest'janskaja Gazeta, Nr. 46 vom 9. Juni 1906, S. 1. 63 Siehe unten, S. 595. 6 4 Siehe unten, S.568f. und 590ff. 65 Diese Stellungnahmen konnten in Novoe Vremja nicht nachgewiesen werden.
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stellt. Bei den Erörterungen zeigte sich, daß das Maß von Expropriation, welches das Projekt voraussetzte, selbst bei Führern der Partei auf den entschiedensten Widerstand stieß. 66 Es war ferner offenbar, daß sie mit dem von ihr akzeptierten Reform Vorschlag, oder mit ähnlichen, die von den Sozialrevolutionären in die Lehre genomme- 5 nen, zu politischem Selbstbewußtsein erwachten Schichten der Bauern keineswegs befriedigen würde. Anderseits mußte es bei Beginn der Wahlbewegung, wo das weniger durchdachte, aber ähnliche ältere Projekt vorlag, 67 ganz unvermeidlich scheinen, daß die dezidierte Neigung der Mehrheit der organisierten Partei, in dieser Frage 10 die Rolle der Klassenvertretung der Bauernschaft zu übernehmen, sie die Anhängerschaft der großen Masse der größeren und mittleren Grundbesitzer kosten müsse. Und endlich schien nicht nur die daA 317 (153) Land|fonds auf 20 Millionen Deßjätinen gebracht werden, wovon reichlich 12-15 Millionen zu kaufen wären, dann würde das, wenn das Land innerhalb oder doch in der Nähe der Notstandsgebiete liegen sollte, wohl '2'A Milliarde' Rubel kosten (Landpreis pro Deßjätine 1899 nördliche schwarze Erde: Gouvernement Kursk 122,75 Rubel, Orjol 102,55 Rubel, Tula 114,98 Rubel, Tambow 114,98 Rubel, Rjäsan: 101,99 Rubel, im Wolgagebiet: Ssaratow 76,28 Rubel, Pensa 75,91 Rubel, Ssimbirsk 64,02 Rubel, Ssamara 38,07 Rubel, Astrachan 71,73 Rubel [allerdings abnorm hoch] s , Orenburg 15,81 Rubel, in Kleinrußland: Tschernigow 74,57 Rubel, Charkow 121,89 Rubel, Poltawa 126,20 Rubel, Kijew 132,99 Rubel, Podolien 148,38 Rubel, 6 8 seitdem überall gewaltig gestiegen, ohne daß aber bisher offizielle Durchschnittszahlen vorliegen). Es ist tatsächlich - wie noch einmal wiederholt werden mag - gar nicht einzusehen, auch vom Standpunkt der „Staatsinteressen", wie die Regierung sie auffaßt, aus, warum die ca. 10 Millionen Deßjätinen an Bauern verpachteten Landes nicht der Expropriation unterworfen werden, wenn man etwas wirklich Erhebliches beginnen will. Die weitgehende Annäherung auch der Regierung an die sozial revolutionären Gesichtspunkte durch das Verbot der Landanhäufung und die Art, wie dies mit der Privateigentumsordnung zu kombinieren gesucht wird, werden wir später, bei Betrachtung ihres Gesetzentwurfs über das Nadjelland (Anm. 272 a) kennen lernen.
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S [ ] in A.
6 6 Vgl. dazu: Fleischhauer, Ingeborg, The Agrarlan Program o f t h e Russlan Constltutional Democrats, in: Cahiers du M o n d e Russe et Soviétique 2 0 , 1 9 7 9 , S. 1 7 3 - 2 0 1 . 6 7 W e b e r spielt hier an auf die Unterschiede z w i s c h e n d e m A g r a r p r o g r a m m der Kadetten, wie es im Parteiprogramm v o m Januar 1 9 0 6 festgelegt w o r d e n war, und d e m G e s e t zesentwurf der Partei zur Agrarreform, das auf d e m Parteitag v o m April 1906 verabschiedet wurde. I n s b e s o n d e r e in B e z u g auf die Enteignungen war das G e s e t z e s p r o j e k t v o m April weitaus radikaler als das Parteiprogramm. 6 8 Die v o r s t e h e n d e n Zahlen konnten nur ermittelt w e r d e n in: Materialy po statistike dvizenija zemlevladenija v Rossii, vyp. 14. Kuplja-prodaza z e m e l ' v Evropejskoj Rossii v 1898 g. - S.-Peterburg: P. P. Sojkin 1907, S. XII. Der Preis pro Desjatine im G o u v e r n e m e n t T a m b o v betrug 97,08 Rubel.
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mals - im Januar - zugestandenermaßen noch höchst ungenügende Organisation der Partei außerhalb der ganz großen Städte, sondern vor allem die innere Unfertigkeit und Unsicherheit, die Neigung, rein theoretische Fragen in größter Breite zu diskutieren und bei der 5 Formulierung der praktisch wichtigsten Programmpunkte schließlich - wie in der Agrarfrage - alles offen zu lassen, unbedingt ihre Chancen tief herabdrücken zu müssen. Dazu trat der Austritt einiger der angesehensten Mitglieder des rechten Flügels, Fürst Eugen Trubezkoj an der Spitze, 69 denen eben diese Schwächen, namentlich 10 aber die zwecklose Erörterung der Frage der „Constituante" und ähnliches Anstoß gaben 228 ). Auch Maxim Kowal|jewskij hatte sich A 318 (154) einer mehr rechts stehenden Gruppe, der „Partei der demokratischen Reform", 7 0 angeschlossen. So schienen sich die Schwierigkei2 2 S ) E s knüpfte sich daran eine eingehende Polemik mit Miljukow in den ,,Russk[ija] Wj[edomosti]", 7 1 Trubezkoj und andere gründeten einen „Klub der Unabhängigen" zur parteilosen Vertretung demokratischer Ansichten. Die Registrierung auf Grund | des A 3 1 8 (154) neuen Vereinsgesetzes stieß auf Schwierigkeiten. - Nach der Eröffnung der Duma scheint sich der Klub mit dem k[onstitutionell]-d[emokratischen] Klub wieder vereinigt zu haben („Now[oje] Wr[emja]" 1 0 8 4 1 ) . 7 2
69 Der sogenannte „ K l u b der Unabhängigen" entstand am 22. Januar 1906. Ein Bericht über die Gründungsversammlung in: Russkija Vedomosti, Nr. 22 vom 23. Jan. 1906, S. 2. Über die Konzeption dieser Gruppe siehe das Organ der Gruppierung Moskovskij Ezenedei'nik, Nr. 1 v o m 7. März 1906, S. 29ff. 70 Die Partei der demokratischen Reform entstand Mitte Januar 1906. M. M. Kovalevskij war eines der Gründungsmitglieder der Partei. Vgl. Novaja politiceskaja partija, in: Russkija Vedomosti, Nr. 18 vom 19. Jan. 1906, S . 2 . Das Programm in: Ivanovic, Rossijskija partii, S. 106ff. (wie oben, S . 4 1 2 , A n m . 4 0 ) . Die Partei, die weder eine große Mitgliederzahl erreichte noch Wahlerfolge erringen konnte, ging Ende 1907 in der Partei der friedlichen Erneuerung auf. 71 Weber bezieht sich auf: Trubeckoj, E. N., Sojuz 17-go oktjabrja i konstitucionnodemokraticeskaja partija, in: Russkija Vedomosti, Nr. 19 vom 20. Jan. 1906, S. 1 f., und Nr. 21 v o m 22. Jan. 1906, S . 2 . Die erste Antwort darauf war Jakuskin, V., Konstitucionnodemokraticeskaja partija i dikij knjaz' Evgenij Trubeckoj, in: Russkija Vedomosti, Nr. 21 vom 22. Jan. 1906, S . 2 - 3 . P. N.MIIjukov veröffentlichte seine Antwort unter dem Titel: „ K t o Vinovat?" Knjaz' E. N. Trubeckoj i konstitucionno-demokraticeskaja partija, In: Russkija Vedomosti, N r . 2 4 v o m 25.Jan. 1906, S . 2 - 3 . Die Polemik wurde fortgesetzt mit Trubeckoj, E. N., Konstltucionno-demokraticeskaja partija I Gosudarstvennaja Duma (Otvet V. E. Jakuskinu i P. N. Miljukovu), in: Russkija Vedomosti, N r . 2 8 v o m 29. Jan. 1906, S. 4; Miljukov, P. N., Esce o kn. Trubeckom i o konstitucionno-demokraticeskoj partii, In: Russkija Vedomosti, Nr. 34 vom 4. Febr.1906, S.2, und Trubeckoj, E.N., Otvet P.N. Miljukovu, in: Russkija Vedomosti, Nr. 40 v o m 10. Febr. 1906, S . 3 . 72 Dies bezieht sich auf: Moskovskaja Chronika, in: Novoe Vremja, Nr. 10841 v o m 20. Mai 1906, S. 1. Es hieß dort, daß der „ Klub der Unabhängigen" (siehe oben, Anm. 69) sich wieder mit d e m „Konstitutionell-demokratischen Klub" vereinigen wolle, um alle demokratischen Kräfte zu sammeln.
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ten zu häufen. Die Mängel der Organisation hatte die Partei zwar durch hingebende Arbeit ihrer Mitglieder bis zum Beginn der Wahlen glänzend wett gemacht, - aber die inneren Disharmonien waren nicht eigentlich beseitigt, und es waren ihr inzwischen Parteiorganisationen gegenübergetreten, welche, angesichts des den Besitz, speziell den Grundbesitz, stark begünstigenden Wahlrechts als höchst gefährliche Gegner gelten mußten. Werfen wir einen kurzen Blick auf sie. a Die nach ihren intellektuellen und materiellen Kräften bedeutendste Gegnerin der „Kadetten", die Partei des „Bundes des 17. Oktober", entwickelte sich zuerst als Sondergruppe aus den Meinungsverschiedenheiten, die der Septemberkongreß 19051 der Semstwos und Städte über die nationalen Fragen zutage treten ließ. Er entstand, wie sein Name zeigt, formell unmittelbar nach dem Manifest, nach welchem er sich nennt, in Moskau durch Zerfall der alten „nationalen Fortschrittspartei" D. N. Schipows, welche bis dahin das Prinzip einer aus den - ihres ständischen Charakters zu entkleidenden - Selbstverwaltungskörpern hervorgehenden, die Gesetze und das Budget nur beratenden Volksvertretung festgehalten hatte. Schipow und A. J. Gutschkow übernahmen die Führung. Auf dem Novemberkongreß der Semstwos und Städte, 2 auf welchem die konstitutionell-demokratische Partei die überwältigende Mehrheit hatte - nur gerade ein Dutzend Mitglieder standen mit Gutschkow abseits - , trat der Gegensatz gelegentlich der Beratung über die Verfügung des Kriegszustandes in Polen, 3 die Gutschkow verteidigte, in besonders scharfer Form zutage, aber auch in der Frage der „konstituierenden Funktion" der Duma, des Wahlrechts (G[utschkow] war für das „zweistufige" Wahlsystem) und der Autonomie der Grenzländer (speziell Polens), stimmten die Mitglieder des eben in a - a (S. 565) Petitdruck in A.
1 Ein Protokoll des Kongresses, der vom 12. bis 15. September 1905 in Moskau tagte, Ist abgedruckt in: Pravo, Nr. 37 vom 18. Sept. 1905, S. 3043-3064, und Nr. 38 vom 25. Sept. 1905, S. 3 1 7 0 - 3 1 8 3 . 2 Der Novemberkongreß der Zemstva tagte vom 6. bis 13. November 1905 In Petersburg. Ein Protokoll ist abgedruckt, In: Pravo, Nr.44 vom 13. Nov. 1905, S. 3601-3630, und Nr. 45/46 vom 20. Nov. 1905, S. 3689-3727. 3 In Polen wurde das Kriegsrecht am 28. Oktober verhängt und am 12. November 1905 wieder aufgehoben.
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diesen Tagen sich bildenden Bundes gegen die konstitutionellen Demokraten. Am 4. Dezember konstituierte sich die Partei unter Führung von Schipow, Gutschkow, Stachowitsch, Graf Heyden und den gemäßigten Semstwomitgliedern. 4 Weit überwiegend aus den 5 Kreisen der liberalen ländlichen Bourgeoisie229), daneben der städtischen (speziell Petersburger) bemittelten Klasse, eines Teiles der akademischen Intelligenz (Miljutin, Piljenko) und liberalen Beamten, Geistlichen und Offizieren 230 ) rekrutierten sich ihre leitenden Elemente. Die Deutschen traten sowohl in Moskau als in Petersburg 10 (Baron Meyendorf) dem Bunde bei, die „baltische konstitutionelle Partei", unter rein deutscher Führung, mit geringer Beimischung lettischer Bourgeoisie, rechnete sich als mit ihr solidarisch.5 Die Beziehungen zu Witte waren anfangs ausgezeichnet; Gutschkow hätte zweifellos ein Ministerportefeuille jederzeit erlangen können; 15 der Zar ersuchte ihn noch im April, die Ernennung zum Reichs|rats- A 319 (155) mitglied von ihm anzunehmen, was er ablehnte. 6 Gegen Ende Januar, nachdem Wittes zweideutige Äußerungen über den Fortbestand der Selbstherrschaft bekannt geworden waren, 7 kühlten sich die 229
) Einige Kreissemstwos traten13 geschlossen dem Bunde bei (vgl. z . B . ,,Now[oje] Wr[emja]" 10723 S . l ) . 8 z30 ) Der ernannte Kosakenataman, General Koljubakin, z . B . stellte sich direkt zum Vertrieb der Literatur des Bundes zur Verfügung („Now[oje] Wr[emja]" 1 0 7 1 3 , 2 ) . 9 |
b A: treten
4 Die „Union des 17. Oktober" ( = Oktobristen) war bereits am 10. November 1905 gegründet worden. Sie trat dann erstmals am 4. Dezember 1905 mit einer Versammlung In St. Petersburg an die Öffentlichkeit. Russklja Vedomostl, Nr. 322 vom 6. Dez. 1905, S. 1. 5 Baron Meyendorf war eines der Gründungsmitglleder der „Petersburger Gruppe der Union des 17. Oktober", die sich am 26. Dezember 1905 konstituierte. Eine ähnliche Vereinigung entstand auch In Moskau. Die „baltische konstitutionelle Partei" war Mitte Oktober 1905 entstanden. Von mehr als 5000 Mitgliedern waren ca. 200 Russen und ca. 140 Letten. Eine förmliche Solidaritätserklärung der „baltlschen-konstltutionellen Partei" mit der „Union des 17. Oktober" läßt sich für diese Zelt nicht nachweisen. 6 Siehe darüber den Bericht In: Strana, Nr. 42 vom 9. April 1906, S. 4, Sp. 6. 7 Vgl. oben, S. 303, Anm. 28. Siehe auch Slpov, D. N., Vospomlnanija I Dumy o perezit o m . - Moskva: M. 11. Sabasnikov 1918, S.408 (künftig: Slpov, Vospominanlja i Dumy). 8 Gemeint ist: Moskovskaja Chronlka, In: Novoe Vremja, Nr. 10723 vom 20. Jan. 1906, S.1. 9 Diese Meldung in: Novoe Vremja, Nr. 10 723 vom 20. Jan. 1906, S. 2. Seit Ende des 18./ Anfang des 19. Jahrhunderts wurden die Kosakenatamane bzw. Hetmane ernannt und nicht mehr gewählt.
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Beziehungen ab231): die vereinigten Moskauer und Petersburger Komitees sprachen unter Schipows Vorsitz die Überzeugung aus, daß der Kaiser aus eigenem Willen seine Macht beschränkt habe, daß die Grundlage einer „Konstitution" damit gegeben sei und der Bund die Aufgabe habe, diese Grundlage weiter zu entwickeln. 10 Ähnlich sprach sich, unter scharfen persönlichen Angriffen auf Witte, eine glänzend verlaufende Versammlung in Petersburg am 29. Januar aus.11 Der Bund begann sich als Macht zu fühlen, er zählte nach seiner Angabe gegen Ende Januar in Moskau ca. 10000 Mitglieder; der „Bauernbund auf dem Boden des Manifestes vom 17. Oktober", 12 der sich als Gegengewicht gegen den radikalen Bund einerseits, die „schwarze Hundert" anderseits gebildet hatte, lehnte den Beitritt zur monarchistischen und zur Rechtsordnungspartei ab und knüpfte Beziehungen zum „Bunde des 17. Oktober" an232). Das spezifische Organ der Dividendenkonsumenten in Petersburg, „Nowoje Wremja", gerierte sich völlig als sein Organ, ebenso „Sslowo". „Moralisch" war die Unterstützung der ersteren Zeitung, so ziemlich des - wenn nicht Geldinteressen auf dem Spiel stehen - gesinnungslosesten Preßprodukts, welches Rußland aufzuweisen hat, und selbst von Blättern wie der „Schlesischen Zeitung" oder den „Hamburger Nachrichten" an ordinären Protzenzynismus 13 nicht „übertroffen", A 319 (155)
231
) Vgl. ,,Now[oje] Wr[emja]" vom 21. Januar. 14 ) „Russk[ija] Wj[edomosti]", 29. Januar, S. 3 . 1 5 Freilich konnte dabei nicht allzuviel herauskommen, da auch dieser Bauernbund auf dem Boden der Expropriation stand, im ,,Now[oje] Wr[emja]" aber nur Menschikow gelegentlich Seitensprünge nach dieser Richtung machen durfte, 1 6 im übrigen die „Unverletzlichkeit des Privateigentums" zu den Grundthesen dieses Hauptorgans des Bundes gehörte. 232
10 Weber bezieht sich vermutlich auf einen Bericht in: Novoe Vremja, Nr. 10724 vom 21. Jan. 1906, S. 1. 11 Ein Bericht darüber in: Russkija Vedomosti, Nr. 30 vom 31. Jan. 1906, S. 4: Kvyboram v Gosudarstvennuju Dumu. 12 Vgl. oben, S. 478, Anm. 19. 13 Was hier mit „ordinärem Protzenzynismus" gemeint ist, ließ sich nicht ermitteln. Die Schlesische Zeitung galt als Organ, das die Großindustrie und die Hohenzoliern-Dynastie bedingungslos unterstützte; die Hamburger Nachrichten waren seit 1888 das Organ des Fürsten Bismarck, auch und gerade nach dessen Rücktritt. 14 Novoe Vremja, Nr. 10724 vom 21. Jan. 1906, S. 1. 15 Russkija Vedomosti, Nr. 28 vom 29. Jan. 1906, S. 3. 16 Wahrscheinlich nimmt Weber Bezug auf den Artikel von Mensikov, M., Dopolnitel'nyj nadel, in: Novoe Vremja, Nr. 10737 vom 3. Febr. 1906, S.3.
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kein Gewinn 2323 ), aber es gehört zu den gelesensten Organen des Landes. Den Höhepunkt der Entwicklung bildete der allrussische Parteikongreß in Moskau, welcher am 8. Februar mit gegen 600 (anfangs 464) Delegierten aus 78 Abteilungen eröffnet wurde. 17 Der 5 Bund zählte damals 38 Gouvernements- und 86 Kreiskomitees, er verfügte in der Provinz über 16 Zeitungen, 18 Einzelparteien im Lande hatten sich ihm angeschlossen233). Im ganzen waren Broschüren und Aufrufe in 4lA Millionen Exemplaren verteilt worden. Als Aufgaben des Kongresses galten besonders: Frage der Stellung zum 10 Kabinett Witte, zum Prinzip des Konstitutionalismus, der Ausnahmegesetze und der Todesstrafe, zur nationalen Frage, Kirchenfrage, Agrarfrage, Arbeiterfrage. Die ersten Fragen zeigten sofort, daß die unter Schipows Einfluß stehende Moskauer | Gruppe die am weite- A 320 (156) sten „links" stehende war 233a ), demnächst Petersburg; die Provinz15 abteilungen waren fast alle nur in der Negation der Grundsätze der „Kadetten" einerseits, der administrativen Willkür anderseits einig, 232a
) Es hat es u. a. fertiggebracht, in Nr. 10 744 1 8 sich eingehend „berichten zu lassen", Kaiser Wilhelm habe Herrn Kokowzew gegenüber, als er ihn auf der Durchreise durch Berlin empfing, sein Bedauern ausgesprochen, als dieser die Frage, ob ein Expropriationsprojekt vorbereitet werde, verneinte: „Schade, das hätte mir die Hände freigemacht. Ihr in Rußland vergeßt, daß das eine Frage von internationaler Bedeutung ist." Das Blatt vertritt nur Coupon- und Dividendeninteressen. Augenblicklich (Juni) druckt es mit Wonne die Äußerungen deutscher Sykophantenblätter 19 ab, daß Rußland „nicht reif" für eine Verfassung sei. 2 0 233 ) A m ersten März wurden 63 Gouvernements-, 150 Kreiskomitees und 20 Parteizeitungen gezählt. 21 | 233a ) Dies trat in den Komiteeberatungen über die betreffende Resolution zutage. Aus A 3 2 0 (156) Petersburg war nur Privatdozent Dr. Piljenko ein wirklich unbedingter Konstitutionalist.
17 Der erste Parteitag der Oktobristen tagte vom 8.-12. Februar 1906 in Moskau. Vserossijskij s-ezd „Sojuza 17-go oktjabrja", in: Russkija Vedomosti, Nr. 39 vom 9. Febr. 1906, S . 4 , Nr. 40 vom 10. Febr. 1906, S . 3 , Nr. 41 vom 11. Febr. 1906, S . 2 - 3 , Nr. 42 vom 12. Febr. 1906, S . 3 , und Nr.43 vom 14. Febr. 1906, S . 4 ; Vserossijskij s-ezd Sojuza 17 oktjabrja, in: Novoe Vremja, Nr.10743 vom 9. Febr. 1906, S . 2 , Nr.10744 vom 10. Febr. 1906, S . 2, Nr. 10745 vom 11. Febr 1906, S. 2, Nr. 10746 vom 13. Febr. 1906, S. 1 - 2 . Die Zahlenangaben im Text beruhen vermutlich auf: Nasa Zlzn', Nr. 365 vom 9. Febr. 1906, S . 2 : Vserossijskij s-ezd sojuza 17 oktjabrja. Die folgenden Ausführungen Webers über den Kongreß stützen sich Im wesentlichen auf diese Zeltungsberichte. 18 Gemeint ist: Zametkl, In: Novoe Vremja, Nr. 10744 vom 10. Febr. 1906, S . 4 . 19 Gemeint sind damit verleumderische Presseorgane. Worauf Weber hier anspielt, Heß sich nicht ermitteln. 20 Die erwähnten Berichte ließen sich in Novoe Vremja nicht auffinden. 21 Möglicherwelse stützt Weber sich auf: Russkoe Gosudarstvo, Nr. 25 vom 2. März 1906, S . 2 , S p . 2 .
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aber vielfach weit davon entfernt, auf die konstitutionelle Frage so entscheidendes Gewicht zu legen, wie die Komitees der Hauptstädte. Die vorgelegten Resolutionen verlangten: sofortige Schaffung von Habeas-corpus-Garantien, Abschaffung der Ausnahmegesetze, Zulässigkeit des Kriegszustandes nur bei bewaffnetem Aufstand und der Todesstrafe nur nach gerichtlichem Urteil, Feststellung, daß das Ministerium das Manifest vom 17. Oktober nicht ausführt 234 ), Verlangen sofortiger Feststellung des Termins zur Einberufung der Duma auf Ende April. Zur Frage der Beseitigung der Todesstrafe äußerten sich verschiedene Provinzredner skeptisch. Die von Stachowitsch vorgelegte Resolution, welche alle eben erwähnten Punkte umfaßte, erlangte nur 16 Stimmen Mehrheit. Man zerlegte darauf die Resolution in einzelne Teile, und es wurde das Verlangen nach Einberufung der Duma - welches ja tatsächlich zwei Tage später erfüllt wurde - einstimmig, nach Habeas-corpus-Garantien und Beseitigung der Ausnahmegesetze nach eingehenden „Erläuterungen" Schipows ebenfalls einstimmig angenommen, das Verlangen nach Verhängung des Kriegszustandes nur im Falle von Revolten und der unbedingten Beseitigung der Todesstrafe ohne Gericht aber erst, nachdem ein besonders scharfer Passus besonders ballotiert und „mit Mehrheit" angenommen war, gegen zwei Stimmen, und auch dann in offenbarem Widerspruch mit der Stimmung vieler Mitglieder 235 ). Die Behandlung der wichtigsten aller Fragen, der Agrarfrage, wurde gar mit 155 gegen 113 Stimmen von der Tagesordnung abgesetzt, worauf das Bureau eine Beratung wenigstens zum „Meinungsaustausch" einsetzte. Bezüglich der nationalen Frage schlug das Bureau vor: in den staatlichen Volksschulen im ersten Jahre
234 ) A u c h weiter rechtsstehende R e d n e r geißelten den Schwindel der m a s s e n h a f t e n , meist v o n B e a m t e n a u s g e h e n d e n E r g e b e n h e i t s t e l e g r a m m e an Witte. , , N o w [ o j e ] Wr[emja]" 10744, 2 . 2 2 235 ) D i e beantragte E n t s e n d u n g einer D e p u t a t i o n an den Zaren wurde aus d e m „korrekt" konstitutionellen G r u n d e abgelehnt, weil der Zar jetzt über den Parteien stehen müsse und nur die Partei mit ihm verkehren dürfe, die in der D u m a die Mehrheit h a b e . 2 3 |
2 2 G e m e i n t ist: Vserossijskij s - e z d S o j u z a 17 oktjabrja, in: N o v o e Vremja, Nr. 1 0 7 4 4 vom 10. Febr. 1906, S . 2 . 2 3 W e b e r nimmt hier wohl B e z u g auf: Vserossijskij s - e z d „ S o j u z a 17-oktjabrja", in: Russkija Vedomosti, Nr. 41 vom 11. Febr. 1906, S. 3.
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ausschließlich die Ortssprache, schon im dritten aber (mit Ausschluß des Religionsunterrichts) die „Staatssprache" als Unterrichtssprache zu verwenden, in allen anderen Staatsunterrichtsanstalten, einschließlich der Universitäten, nur die Staatssprache zuzulassen, die polnische Sprache in Polen als Unterrichtsoö/eAt, in den Privatschulen sollte der Gebrauch der örtlichen Sprache „im weiteren Umfang" frei sein. Scharfe Konflikte entstanden über die Forderung der russischen Delegierten der Grenzrayons, ihnen gesonderte nationale Vertretung zuzubilligen. Die Deutschen (Baron Meyendorf) widersprachen entschieden, und der Kongreß formulierte schließlich seine Ansicht dahin, daß 1. die Frage der örtlichen Schulsprache der Duma überlassen werden müsse, 2. eine nationale Minoritätenvertretung durch die Billigkeit gefordert werde. Die Resolution über die Arbeiterfrage bewegte sich, abgesehen von der Forderung der Anerkennung der Gewerkschaften, in ziemlich vagen Allgemeinheiten (Ausdehnung des Arbeiter|schutzes auf die Handwerker, Ausdehnung A321 (157) der Arbeiterversicherung, Fachschulen, Reform der Fabrikinspektion durch Verwendung fachlich geprüfter Beamten 236 ). Charakteristisch war, daß, als dabei vorgeschlagen wurde, in die Resolution einen Passus hineinzubringen, der die Hebung der Arbeiter als von der Hebung der Existenzbedingungen der Industrie selbst abhängig bezeichnete, der Kongreß in seiner Mehrheit dahinter eine Empfehlung des Protektionismus witterte und sich ablehnend verhielt, bis Schipow ausdrücklich erklärte, daß damit keine Forderung von Zollerhöhungen gemeint sei. Für die Kirchenfrage sollte eine besondere Kommission gebildet werden. - Als Vorbedingungen der Aufnahme 236 ) D e n heutigen „Geist" der Handhabung der Fabrikinspektion da, wo sie den „Inten- A 321 (157) tionen" der Regierung entspricht, kennzeichnet es, daß einem auch als Schriftsteller hervorgetretenen Fabrikinspektor durch Publikation von Aktenstücken im „Rjetsch" nachgewiesen wurde, daß er sich nicht nur als Polizeiagent der Regierung verwenden ließ, sondern sogar dazu hergab, bei Vernehmung von Arbeitern durch ein Loch in der Tür zu ihrer Identifikation zu helfen, da man eine offene Konfrontation mit ihnen als für seine „Wirksamkeit" schädlich ansah. 2 4 |
24 Dies bezieht sich auf den Artikel: M. F. (Pseudonym nicht auflösbar), Rabocaja politika starago rezima, in: Ree', Nr. 55 vom 22. Apr. 1906, S.2. Vermutlich handelt es sich um V. P. Litvinov-Falinskij, der eine Arbeit über die Fabrikinspektion veröffentlicht hatte. Litvinov-Falinskij, V. P., Fabricnoe zakonodatel'stvo i fabrienaja inspekeija v Rossii. - S.Peterburg: A.S.Suvorin 1904.
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anderer Parteigruppen in den Bund und also als „Grundprinzipien" wurden statutenmäßig festgestellt, daß dieselben 1. das Prinzip der Teilnahme der Duma an der gesetzgebenden Gewalt annehmen, 2. der Verwirklichung der „Freiheiten" des Oktobermanifestes „nicht widerstreben", 3. bei Gleichstellung aller Nationalitäten des Reiches die Einheit und Unteilbarkeit Rußlands festhalten, 4. nicht die Forderung einer konstituierenden Versammlung erheben. Obligatorische Parteibeiträge von Vereinswegen festzusetzen hielt der Kongreß für „verfrüht", die Lokalkomitees sollten durch freiwillige Zuschüsse das Zentralkomitee unterstützen. 25 Die für die Agrarfrage eingesetzte Kommission formulierte im April das Programm im wesentlichen dahin („N[owoje] W[remja]" 10810,2): 26 Aufhebung der ständischen Sonderstellung der Bauern, Verwendung der Apanagen- und Domänenländereien zur Landausstattung, Übersiedlung stets auf Staatskosten. Alles in allem mußte auch dieser Kongreß - wie der demokratische - auf Außenstehende den Eindruck machen, daß in den Grundzügen ziemlich verschieden gesinnte Elemente mit einiger Mühe unter einen Hut gebracht worden waren. Die Front aber wurde in den Debatten wesentlich gegen die „Kadetten" genommen. Außer zahlreichen Provinzialen war namentlich auch das Petersburger Komitee - mit Ausnahme von Dr. Piljenko - , weil es wohl schon damals die Unterstützung durch die Rechte in der Wahl für sich für unentbehrlich ansah, derart gestimmt, wie Tschistiakows Reden 27 zeigten; in Moskau blieb Gutschkow trotz gelegentlicher scharfer Reden ein politisch ganz unzuverlässiger „Durchgänger", und nur Schipow, der sich nach dem Oktobermanifest sofort endgültig auf den Boden des einmal gegebenen 0 Wortes gestellt und seine slawophilen Reminiszenzen über Bord geworfen hatte, garantierte hier durch seine chaC A:gegeben
2 5 Siehe oben, S. 551, Anm. 17, sowie Russkija Vedomosti, Nr. 43 vom 14. Febr. 1906, S.4. 26 Gemeint ist: Novoe Vremja, Nr. 10810 vom 19. April 1906, S.2. 27 Die Rede Öistjakovs auf dem Parteitag der Oktobristen sowie seine Wahlreden sind dokumentiert in: Cistjakov, P.S., Reci Oktjabrista 1905-1907gg.-S.-Peterburg: R. Goiike i A. Vil'borg 1907, S. 13-33. Zur Haltung der Oktobristen gegenüber der Rechten vgl. den Artikel: „Novoe Vremja" i Sojuz 17 oktjabrja, in: Nasa Zizn', Nr. 370 vom 15. Febr. 1906, S. 1 f.
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raktervolle Persönlichkeit eine klare Haltung der Partei in der konstitutionellen Frage. Im übrigen trat nur das tiefe Mißtrauen gegen die Regierung Wittes hervor, dessen Enttäuschung denn auch in der offiziösen Presse deutlich zum Ausdruck kam. 28 In der Provinz kam sogar an einer Stelle ein Versammlungsverbot gegen den „Bund" vor. 29 Immerhin blieb ein Ministerium, welches die „Unverletzlichkeit des Privateigentums" zu einer der entscheidenden Wahlparolen machte, auf ein leidliches Verhältnis zum „Bunde" angewiesen, und auch umgekehrt. Denn bei dem Fehlen eines entschlossenen Agrarprogramms konnte der „Bund" auf Bauernstimmen unbedingt nicht zählen. Dagegen | mußte man erwarten, daß alle „klassenbewußten" A 322 (158) privaten Grundbesitzer, mindestens die großen, für ihn eintreten würden, und ebenso in den Städten das gesamte „klassenbewußte" Bürgertum, soweit es nicht der, mit dem „Bunde" eng verbündeten „Handels- und Industriepartei" 30 angehörte. Angesichts der großen Indifferenz der unteren Massen, wie sie im Januar und Februar von fast überallher gemeldet wurde, schien daher seine Lage eine überaus günstige zu sein. Der „Bund des 17. Oktober" war im wesentlichen die Partei der konstitutionellen Semstwo-Rechten. Außerhalb desselben standen daher von Anfang an diejenigen ökonomischen Gruppen, welche in den Semstwos überhaupt nach Maßgabe der Art der Zusammensetzung dieser letzteren sich nicht vertreten fanden. Dies galt besonders für die spezifisch modernen Klassen des beweglichen Besitzes, welche der Kapitalismus geschaffen hatte, und die in den 80er und 90er Jahren entschieden auf Seiten der Bureaukratie standen, weil nur diese ihre Interessen gegen die liberalen Grundbesitzerinteressen gestützt hatte. Die Handels- und Industriepartei entwickelte sich aus
28 Zur Reaktion der Regierung, i n s b e s o n d e r e Vittes, auf den Kongreß des Verbandes des 17. Oktober siehe beispielsweise d e n Artikel: Stoiypin, A., R u s s k o e o b s c e s t v o i „ R u s s k o e G o s u d a r s t v o " , in: Novoe Vremja, Nr. 1 0 7 4 6 v o m 13. Febr. 1906, S . 3 . 29 Ein solcher Vorfall w u r d e u.a. aus d e m G o u v e r n e m e n t Pskov gemeldet. Siehe dazu: Proval „ S o j u z a 17 Oktjabrja", In: N a s a Z i z n ' , Nr. 3 7 6 v o m 22. Febr. 1906, S . 4 . 30 Die T o r g o v o - p r o m y s l e n n a j a partija w u r d e am 12. N o v e m b e r 1905 unter Vorsitz von G. A. Krestovnikov, d e m Vorsitzenden des Moskauer Börsenkomitees, gegründet. In Moskau kam es anläßlich der D u m a w a h l e n zu einem Bündnis mit der Union des 17. Oktober. Hartl, Johann H., Die Interessenvertretungen der Industriellen in Rußland 1 9 0 5 - 1 9 1 4 . - W i e n / K ö l n / G r a z : H. Böhlaus Nachf. 1978, S. 33ff. (künftig: Hartl, Interessenvertretungen).
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dem im Juli 1905 geschaffenen „Handels- und Industriebund", 31 dessen geistiger Leiter der Vorsitzende des Moskauer Börsenkomitees, G. A. Krestownikow, war und blieb. Sie war die eigentliche und spezifische Vertreterin der „Bourgeoisie" im strikt ökonomischen Sinne dieses Wortes. Großindustrielle und Händler gaben das Geld 5 für ihre ziemlich lebhafte Agitation, und benutzten mit rücksichtslosem Eifer ihre Machtstellung, um ihre Handlungsgehilfen, Beamten, überhaupt das von ihnen abhängige Proletariat der geistigen Arbeiter mit sanfter Gewalt zum Eintritt in den Verband zu veranlassen237): der Erfolg zeigte, daß diese Mitglieder wider Willen bei den Wahlen 10 der Partei zwar ihre Unterschriften und Geldbeiträge, nicht aber ihre Stimme gaben. Die Partei fühlte sich als Klassenvertretung, und ihre Mitglieder, welche Marx ebensoviel (und auch ebensowenig) studiert und begriffen hatten wie ihre sozialistischen Gegner, hatten die Aufrichtigkeit, dies auch offen in einer Moskauer Versammlung 15 auszusprechen: 32 jede Partei müsse „Klasseninteressen" vertreten, alles andere sei Illusion. Immerhin gelang es ihr, auch unter den Kleinbürgern - nachdem der Versuch, eine besondere „HandwerA 323 (159) kerpartei" zu gründen, gescheitert war238) - Rekruten zu | werben, A 322 (158)
237
) S[iehe] z . B . ,,Russk[ija] Wj[edomosti]", 5./1., S . 4 . 3 3 ) Der Versuch wurde im Januar zunächst in Petersburg gemacht. Einer ersten Vorversammlung am 23. Januar, unter Vorsitz T. A . Sagrebins, wurde ein Aufruf vorgelegt, den sie aber als „zu radikal" verwarf („Now[oje] Wr[emja]", 25./1., S . 3 ) 3 4 und ein Komitee einsetzte, um ihn umzuredigieren. Die Moskauer Handwerker hatten unterdessen sich zusammengeschlossen und („Now[oje] Wr[emja]", 27./1., S . 2 ) 3 5 der Handelsund Industriepartei eine Serie von Forderungen: „Abgrenzung" der Fabrikindustrie von Handwerk und „Handwerkergesetzgebung" mit Umbildung der ständischen Institutionen der Handwerker in Zünfte, Handwerksgericht, Normalarbeitstag, Handwerkerbank, Fachschulen, Ausstellungen usw. - vorgelegt, - während die Petersburger Handwerker einstweilen ein „Heim" ankauften und einrichteten. Indessen ein ökonomisch einheitli238
31 A m 4. Juli 1905 tagte in Moskau eine Konferenz von 52 Delegierten aus 23 Verbandsorganisationen von Handel und Industrie, auf der über die G r ü n d u n g einer g e m e i n s a m e n politischen Organisation diskutiert wurde. Diese Konferenz war v o m Moskauer B ö r s e n k o mitee einberufen w o r d e n . Ein greifbares Ergebnis kam jedoch nicht zustande. W e d e r der Allrussische Handels- und Industriebund (Vserossijskij T o r g o v o - p r o m y s l e n n y j Sojuz), der am 11. N o v e m b e r 1905 in St. Petersburg g e g r ü n d e t wurde, noch die Handels- und Industriepartei (Torgovo-promyslennaja Partija), die am 12. N o v e m b e r 1905 in Moskau gegründet wurde, w a r e n aus dieser Juli-Konferenz hervorgegangen. 32 Der Sachverhalt konnte nicht nachgewiesen werden. 33 Russkija Vedomosti, Nr. 4 v o m 5. Jan. 1906, S. 4. 34 Novoe Vremja, Nr. 1 0 7 2 8 v o m 25. Jan. 1906, S . 3 . 35 Moskovskaja Chronika, in: N o v o e Vremja, Nr. 1 0 7 3 0 v o m 27. Jan. 1906, S. 2.
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und ebenso wirkten gewisse protektionistische Interessen, die in einzelnen Arbeiterverbänden 239 ) und unter den Hausindustriellen hier und da hervortraten, auch in den unteren Schichten zu ihren Gunsten. Ein allrussischer Kongreß der Partei fand am 5. Februar 1906 und den folgenden Tagen statt. Damals besaß, nach dem Bericht des Komitees, die Partei 60 Abteilungen und verfügte über 30 Zeitungen mit einer Auflage von 3 Millionen. In den Debatten zeigte sich die wesentliche Übereinstimmung der Partei mit dem „Bunde des 17. Oktobers", - nur daß die konstitutionelle Frage wesentlich vorsichtiger behandelt, die Ausführung der Persönlichkeitsgarantien des Manifestes vom 17. Oktober mehr in den Vordergrund gestellt wurde, das allgemeine gleiche Wahlrecht, als zurzeit rein „theoretische" Frage beiseite geschoben und der zentralistische Einheitsgedanke noch schärfer betont wurde. Die Partei sprach sich auf das entschiedenste gegen die „Regulierung der Arbeit", also für die Beseitigung der bureaukratischen Kontrolle des Kapitals, aus und betrachtete die Sozialisten, außerdem aber, wegen ihrer dezentralistischen (und natürlich auch ihrer antiprotektionistischen) Tendenzen, die konstitutionelle Demokratie, als ihre spezifischen Feinde. 36 Obwohl der anfängliche Versuch (März und Juli 1905),37 die Gesamtheit der Großindustrie politisch und ökonomisch zu verbinden, ches „Handwerk" gibt es auch in Rußland teils nicht mehr, teils war es nie vorhanden. Schon Mitte Februar zeigte sich, daß die Interessen der Meister und Gesellen nicht unter einen Hut zu bringen waren. In Moskau spaltete sich aus diesem Grunde der Verein. Anderseits weichen die Interessen der Hausindustriellen, welche an die Schaffung eines „allrussischen Bundes" dachten (Vorschlag der „Handwerker" von Woronesh an die von Orjol, ,,Now[oje] Wr[emja]" 10 762, 2 ) , 3 8 von denen der wirklichen Handwerker ab. | 239 ) So namentlich unter den Arbeitern der Leinenindustrie, welche - ebenso wie A 323 (159) übrigens auch die Arbeiter mancher Metallbranchen - die Beschränkung der staatlichen Aufträge auf den inneren Markt forderten. 3 9
36 E n t s p r e c h e n d e A n g a b e n finden sich in d e n Berichten: S - e z d t o r g o v o - p r o m y s l e n n o j partii, in: Russkija Vedomosti, Nr. 36 v o m 6. Febr. 1906, S . 3 , und Moskovskija Vesti, in: Russkija Vedomosti, N r . 3 7 v o m 7. Febr. 1906, S . 3 . 37 A m 10. März 1905 trat auf Einladung S. T. Morozovs, eine Konferenz von 32 Delegierten aus allen Industriedistrikten in Moskau z u s a m m e n , auf der eine einheitliche politische Organisation der Industriellen geschaffen w e r d e n sollte. Dieser Versuch scheiterte jedoch ebenso, wie die B e m ü h u n g e n im Juli 1905 (für letztere vgl. oben, S. 556, A n m . 31). 38 N o v o e Vremja, Nr. 10 762 v o m 1. März 1906, S. 2, Sp. 7. Für die von W e b e r angesproc h e n e U n t e r s c h e i d u n g z w i s c h e n Heimarbeitern und Handwerkern finden sich allerdings in d i e s e m Bericht keine Anhaltspunkte, da h i e r v o n „ r e m e s l e n n i k i = der H a n d w e r k e r u n d / oder der, der zu Hause ein Handwerk treibt", die Rede ist. 39 Der Sachverhalt ließ sich nicht ermitteln.
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sich als nicht ausführbar erwiesen und man also die ökonomische Interessenvertretung von der politischen Parteibildung getrennt hatte, bildeten dennoch den eigentlichen Rückhalt auch der politischen Bourgeoispartei die starken Unternehmerverbände, welche im Lauf des letzten Jahres in Rußland entstanden sind. So ist, nach anfängli- 5 chem Sträuben der Lodzer Industrie einerseits, der Moskauer Industrie anderseits, gegen die zentralistische Leitung von Petersburg A 324 (160) aus240) eine | Vereinigung der Großindustriellen des ganzen Reiches 240
) Die erste konstituierende Versammlung des rein ökonomische Forderungen verfolgenden „Handels- und Industriebundes" fand in Petersburg am 12. Januar statt. 40 Die bestehenden Interessenvertretungen - 52 „Börsen", von denen nur 5 - 6 diesen Namen verdienten, 12 „Handels- und Manufakturkomitees", 14 beratende Organisationen wurden für ganz ungenügend angesehen, um politischen Einfluß zu gewinnen. Man wollte ganz Rußland mit einem Netze scharf zentralisierter Ortsgruppen des Bundes überziehen. Die Moskauer sowohl als die polnische Industrie - beide oft in scharfem Interessenkampf liegend - lehnten den Beitritt unter diesen Bedingungen ab. Der Bund solle nur eine Föderation von Einzelverbänden sein und namentlich nicht über deren Kopf hinweg bei der Regierung Eingaben machen dürfen, die Zentralleitung dürfe überhaupt nur ausführendes Komitee sein (Erklärung von 26 großen Moskauer Firmen ,,Now[oje] Wrjemja]" 10716 S. 3). 41 Der Kongreß vertagte darauf die Organisationsfrage unter Übertragung der Ausarbeitung eines Entwurfes an ein besonderes Komitee, 42 und die Moskauer gründeten inzwischen ihren eignen Verband mit Tschetwerikow an der Spitze. 43 Der spezifisch großindustrielle Charakter geht aus dem Programm für den Kongreß in Moskau, Mitte März, hervor, welches nur Unternehmungen mit 500 Arbeitern mindestens zuließ. 44 - Am 20. Februar fand, unter Ljebjedjews Vorsitz, abermals eine Versammlung des „Allrussischen Bundes" in Petersburg statt. 45 Es wurde, in ökonomischer Beziehung, scharf gegen 4 0 G e m e i n t ist der Vorbereitungskongreß zur G r ü n d u n g des „ Sojuz T o r g o v o - p r o m y s l e n nych Predprijatij Rossijskoj Imperii", der v o m 12. bis 14. Januar 1906 tagte. Dieser sollte vor allem die Interessen der Großindustrie auf der Grundlage regionaler A u t o n o m i e vertreten. Vgl. Hartl, Interessenvertretungen, S. 4 5 f . (wie oben, S. 555, A n m . 30). 41 Dies bezieht sich auf: Zajavlenie 26 m o s k o v s k i c h firm v t o r g o v o - p r o m y s l e n n y j s - e z d , In: Novoe Vremja, Nr. 1 0 7 1 6 v o m 13. Jan. 1906, S . 3 . 4 2 Auf d e m zweiten Kongreß der Industriellen v o m 12. bis 14. April 1906 w u r d e v o n den Delegierten des J a n u a r - K o n g r e s s e s ein provisorischer 36köpfiger Sovet gewählt, zu d e s s e n V o r s i t z e n d e m E. L. Nobel' bestellt wurde. Dieser Sovet erarbeitete die Endfassung der Statuten für den „ S o j u z " . Vgl. Hartl, Interessenvertretungen, S . 4 6 (wie oben, S. 555, A n m . 30). 4 3 Im April 1906 g r ü n d e t e n die Moskauer Industriellen die Fabrikantengesellschaft des zentralen Industriegebietes (Obscestvo Zavodcikov I Fabrikantov Central'nago Promyslennago Rajona). Es war dies ein regional begrenzter Arbeltgeberverband. Vgl. ebd., S. 97. 44 Dieses Programm konnte nicht ermittelt werden. Vgl. Bonneil, Victoria E., Roots of Rebellion. W o r k e r s ' Polltlcs and Organization In St. Petersburg and Moscow, 1 9 0 0 - 1 9 1 4 . - Berkeley: University of California Press 1983, S. 283 (künftig: Bonnell, Roots of Rebellion). 4 5 Möglicherweise bezieht sich dies auf die V e r s a m m l u n g der Petersburger G r u p p e des T o r g o v o - p r o m y s l e n n y j Sojuz v o m 19. F e b r u a r 1 9 0 6 u n t e r V o r s i t z J . P. Beljaevs. S i e h e d e n Bericht: S - e z d y , Sojuzy, sobranlja, in: Torgovo-Promyslennaja Gazeta, Nr. 43 v o m 22. Febr. 1906, S. 4.
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vorbereitet, welche einerseits dafür zu sorgen hat, daß der Regierung gegenüber bei den bereits geführten und noch bevorstehenden Verhandlungen über die Umgestaltung der Sozialgesetzgebung die Ansichten der Unternehmer geschlossen zur Geltung kommen, ander5 seits den Import der modernsten Kampfmittel gegen die Arbeiter in die Wege leitet. Ein Streikversicherungsverband der Unternehmer für den Moskauer Rayon ist konstituiert und dürfte in kurzem das ganze Land überziehen241); die Schaffung der verschiedenen „Wohldie Konkurrenz, welche die Privatindustrie durch die, auch bei Verlusten, weiterbetriebenen Staatsbetriebe erfahre, gesprochen, ebenso allgemeine Volksbildung, Arbeits|versi- A 324 (160) cherung, Verkürzung des Arbeitstags verlangt, im übrigen aber führte der politische Druck der Durnowoschen Verwaltung auch hier zu einer politischen Resolution gegen die Verwaltungswillkür und für die Durchführung des Manifestes vom 17. Oktober. - Die Scheidung ökonomischer und politischer Organisation ließ sich nicht scharf durchführen. 241 ) Finanzielle Basis angeblich: Einzahlung des zwanzigfachen(?) Betrages des zu versichernden täglichen Verlusts und feste Jahresbeiträge („Now[oje] Wr[emja]" 10817, 3). 4 6 Der Arbeitgeberverband der Fabrikanten Mittelrußlands soll nach den Absichten seiner Stifter, insbesondere Tschetwerikows, im Oktober dieses Jahres seine Tätigkeit beginnen, falls bis dahin das Kapital von VA Mill. Rubel beisammen ist. Aussperrungen sollen nach den am 27. Juni („N[owoje] Wr[emja]" 10 880) 47 angenommenen Satzungen mit einfacher Stimmenmehrheit der eventuell beteiligten Betriebe beschlossen werden können. Ein erheblicher Teil der Fabrikanten scheint, wie der Bericht a.a.O. ergibt, Bedenken gegen die Teilnahme am Verbände zu haben, 4 8 denn in der Sitzung vom 28. Juni erschienen von 102 Teilnehmern nur noch 31. Als Grund wurde die Besorgnis vor einer starken Gegenbewegung der Arbeiterschaft angegeben, welche, nachdem das Land eine Konstitution erhalten habe, nun auch der Ansicht sei, daß die wichtigsten Angelegenheiten der Fabrikleitung nur unter Zuziehung ihrer Deputierten geregelt werden dürfen (Bericht in der ,,Torg[owo]-prom[yschljennaja] Gasjeta" vom 30. Juni). 4 9 Der B u n d - der übrigens sich als Nachahmung deutscher Muster bezeichnete - wird also wohl „ruhigere" Zeiten abwarten, ehe er gegen die Arbeiterschaft vorgeht. 6
d A n diese Stelle gehört der sich zugleich auch auf die Seiten 575 und 5 8 9 b e z i e h e n d e Nachtrag 8 (siehe unten, S . 6 8 3 ) . Dieser lautet: Schwarze Listen der Grundbesitzerverbände gegen „streiklustige" Arbeiter sind zuerst im Zartum Polen (Gouv[ernement] Petrokow) aufgetaucht („Wjestn[ik] ss[elskawo] chasj[aistwa]" 1906, Nr. 25). 5 0 Über die umfassenden Streikorganisationen der Bauern im Südwestrayon (es wurde die Schaffung
46 N o v o e Vremja, Nr. 1 0 8 1 7 v o m 26. April 1906, S . 3 . Im Text ist die Rede von „ d e r zwanzigfachen S u m m e " . 47 N o v o e Vremja, Nr. 1 0 8 8 0 v o m 29. Juni 1906, S. 1. 48 W e b e r bezieht sich vermutlich auf d e n Artikel: L.V. ( P s e u d o n y m nicht auflösbar), Moskovskij Sojuz Fabrikantov, in: Torgovo-Promyslennaja Gazeta, Nr. 148 v o m 30. Juni 1906, S . 1 . 49 Ebd. 50 W e b e r n i m m t B e z u g auf: Vestnik sel'skago chozjajstva, Nr. 25 v o m 18. Juni 1906, S.17.
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fahrtseinrichtungen" zu sozialen Herrschaftszwecken hat hier und da ebenfalls begonnen. Man sieht, das Land springt auch hier mit einem Satz mitten in die modernsten Formen des ökonomischen Kampfes, ohne irgendwelche Übergangsglieder der westlichen Entwicklung zu wiederholen. Der erste große Lockout 51 als Gegenschlag gegen einen Typographenstreik schien in Moskau bevorzustehen. - Ökonomisch stand die Großindustrie mächtig gerüstet da, die Frage war nur, ob dies bei der Art der Gestaltung des Wahlrechts auch bei den Wahlen sich würde äußern können. Die sogenannte „Rechtsordnungspartei" (Partija prawowowo porjadka) 52 war im Gegensatz zur Handels- und Industriepartei nicht durch Unterschiede in der ökonomischen Unterlage der von ihr vertretenen Schichten, sondern durch den Zufall ihrer frühzeitigeren Entstehung von dem „Bunde des 17. Oktober" geschieden. Sie trat mit einer prinzipiellen Kundgebung zuerst nach den Beratungen des Septemberkongresses der Semstwos und Städte über die nationale Frage an die Öffentlichkeit. Sie trennte sich, wie es in dem betreffenden Aufruf 242 ) hieß, von den übrigen Semstwovertretern, trotzdem sie den Hauptanstoßpunkt anderer Gruppen von Gemäßigten, ihr A 325 (161) radikales | Agrarprogramm, nicht unbedingt ablehnte 243 ), wesentlich weil sie 1. auch das geringste Experimentieren mit dem Gedanken 242
) Liegt mir im Original nicht v o r . 5 3 Vgl. Pichno, e W ossadje®, S. 1 3 f . 5 4 und M . Kowaljewskij in der R e v u e d e Paris, Februar 1 9 0 1 . 5 5 | 243 A 3 2 5 (161) ) Ihr K o n g r e ß n a h m vielmehr ( „ N o w [ o j e ] Wr[emja]", 13./2., S. 4 ) 5 6 die „Nadjel"ergänzung durch Enteignung, auch v o n Privatland, im Prinzip an, bekannte sich dabei übrigens als G e g n e r der Obschtschina und A n h ä n g e r des „chutorskoje chasjaistwo".
v o n Streikkomitees in j e d e m e i n z e l n e n D o r f e erstrebt) s[iehe] „Torgowo-promyschl[jennaja] gasj[eta] Nr. 152 S. 2 5 7 nach d e m „Pridnjepr[owskij] Kraj". e A: w o s s a d j e
51 G e m e i n t ist A u s s p e r r u n g . 5 2 Die „Partija pravovogo porjadka" wurde bereits v o r d e m Oktobermanifest, am 15. Oktober 1905 in St. Petersburg als politische Partei ins L e b e n gerufen. Sie verstand sich selbst als nationalliberal. Vgl. Sputnik izbiratelja, S. 1 6 9 - 1 7 4 (wie oben, S. 323, A n m . 13). 5 3 Der Aufruf ist abgedruckt in: Sputnik izbiratelja, S. 171 (wie oben, S . 3 2 3 , A n m . 13). 5 4 Pichno, V O s a d e , S. 13f. 5 5 Kovalevsky, Maxime, L e s Partis politiques en Russie, in: R e v u e de Paris, Jg. 1 3 , 1 9 0 6 (nicht 1901), Band 1 , S . 6 7 2 f f . 5 6 G e m e i n t ist: O b s c e s t v e n n o e dvizenie, in: N o v o e Vremja, Nr. 1 0 7 4 6 v o m 13. Febr. 1906, S . 4 . 5 7 Torgovo-Promyslennaja Gazeta, Nr. 153 (nicht 152), v o m 6. Juli 1906, S. 2.
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der Autonomie der „Kraj's" für höchst gefährlich ansah: sie selbst war nur zur unbedingten Gleichstellung aller Nationalitäten in bezug auf bürgerliche Rechte und Staatsdienst, Konzessionen in der Schulsprache und voller Durchführung der religiösen Toleranz geneigt; 2. weil sie die unbedingte Aufrechterhaltung einer „starken Staatsgewalt" für unumgänglich, aber durch das liberale Programm für gefährdet hielt. Im übrigen forderte jene erste Kundgebung: Gleichheit aller vor dem Gesetz, Beseitigung der semskije natschalniki; „zweistufiges" Wahlrecht auf dem Lande (über die Frage der Allgemeinheit und Gleichheit wird nichts gesagt); Erhaltung der Einheit und Macht Rußlands und der Stärke der Armee, über deren Hebung mancherlei ziemlich allgemeine Bemerkungen gemacht werden. Der Zentralismus, Militarismus und ökonomische Individualismus läßt die Gruppe als das agrarische Pendant zu der „Handels- und Industriepartei" erscheinen. Ihrem Zentralkomitee gehörten seit dem im Dezember abgehaltenen Kongreß 244 ) 5 8 u.a. N.L.Klado', Prof. Janshul, F. R . R a j 1 j an 9 , h W. P." Eggert, A . A . Tarassow, später D. J. Pestrzecki u. a. an. M. W. Krassowskij, der Leiter der „freikonservativen" Partei 59 in der Petersburger Duma, war ihr leitender Geist. Im Lande schlössen sich ihr erhebliche Teile des Adels, dann auch Bauern 245 ), besonders die begüterten, an, ebenso agitierte sie überall unter den Arbeitern 246 ). Ihre antidezentralistische und namentlich gegenüber den Streiks - stark autoritäre Haltung drängte
244)
,,Now[oje] Wr[emja]", 1./1.,S.6. 6 0 So in Wjatka, wo sie mit scheinbarem Erfolg agitierte, ebenso in Poltawa. 2 4 6 ) Ihr „sozialpolitisches Programm" wich wesentlich nur durch weniger präzise Formulierung und Vorbehalt des Streikverbots für öffentliche Bedienstete und Eisenbahner von dem der K. D. P. ab. 245)
f A: Kleda
g A: Rajljow
h A: W. W.
58 Gemeint ist eine Versammlung der Petersburger Vertreter der Partija pravovogo porjadka vom 27. bis 30. Dezember 1905. Novoe Vremja, Nr. 10704 vom 1. Jan. 1906, S.6. 59 Die Handels- und Industriepartei wies in ihrer personellen Zusammensetzung und polltischen Ausrichtung gewisse Ähnlichkeiten mit der freikonservativen Partei im Deutschen Reich auf. Diese war eine gouvernemental ausgerichtete Partei mit einem wesentlichen Anteil von Vertretern der hohen Beamtenschaft und industrieller Kreise. 60 Gemeint ist: Obscestvennoe dvizenie, in; Novoe Vr6mj3, Nr. 10704 vom 1. Jsn, 1906, S.6.
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sie, gegenüber den Dezembervorgängen, unwillkürlich immer weiter nach rechts, und diese auf dem Dezemberkongreß deutlich zutage getretene Haltung247) führte schon Mitte Januar zu einem Schisma. Es traten eine Anzahl von angesehenen Mitgliedern (Graf Tiesenhausen', A. W.Bobrischtschew-Puschkin u.a.) aus und gründe- 5 ten den „konstitutionell-monarchischen Rechtsbund", welcher alsbald Fühlung mit dem „Bund des 17. Oktober" nahm.61 Die drei, in gemeinsamem Gegensatz gegen die national-dezentralistische Demokratie befindlichen, konstitutionellen Parteien wiA 326 (162) chen im Grunde in ihren Programmen | so wenig voneinander ab248), 10 247 ) Namentlich wurde sowohl zu der bedenklichen J u d e n f r a g e wie zu dem von den B a u e r n aufgestellten A g r a r p r o g r a m m keine klare Stellung g e n o m m e n , die Vertreter der konstitutionell-monarchischen Arbeiterpartei aber und des „Bauernbundes der Rechtso r d n u n g " - beides G r ü n d u n g e n von Mitgliedern der Partei 6 2 - vom Stimmrecht ausgeschlossen, auch die Schulfrage im Sinn des ancien régime b e h a n d e l t . 6 3 Vor allem aber war die Stellung zur konstitutionellen Frage ziemlich unklar. Wie S. W. Lawrow in der Sitzung der Petersburger Parteigruppe hervorhob, entsprach die - nach seiner Meinung nur scheinbare - geringere Bestimmtheit der Ausdrucksweise in bezug auf den Begriff der „Selbstherrschaft" dem „Wunsch der Provinz, d . h . der Mehrheit des Volkes". 6 4 Auch hier waren die Mitglieder außerhalb der H a u p t s t ä d t e die in ihrer Stellung unsichereren. | 24S A 326 (162) ) Die Unterschiede bestanden im wesentlichen darin, d a ß die Parteien der Rechtsordnung und die Handels- und Industriepartei sich betreffs des Wahlrechts in Schweigen hüllten, w ä h r e n d der „Bund des 17. O k t o b e r " das allgemeine gleiche indirekte Wahlrecht verlangte, d a ß ferner der „Bund des 17. O k t o b e r " der Obschtschina freundlicher als die beiden anderen Parteien gegenüberstand und ebenso in der Frage der eventuellen Bodenenteignung sich d e m demokratischen Programm näherte. In bezug auf die „Gleichstellung aller Nationalitäten" machte die Rechtsordnungspartei bezüglich der J u d e n Vorbehalte; die Beseitigung der ständischen Differenzen forderten sie alle ; in bezug auf die Persönlichkeitsgarantien war das Programm des „Bundes des 17. O k t o b e r " präziser formuliert, das der Handels- und Industriepartei ließ namentlich jede Forderung in bezug auf die Verantwortlichkeit der B e a m t e n bei illegalen H a n d l u n g e n vermissen.
i A: Tusenhausen 61 Vgl. dazu Birth, Ernst, Die Oktobristen (1905-1913). Zielvorstellungen und Struktur. Stuttgart: Klett 1974, S.27 (künftig: Birth, Oktobristen), sowie Russklja Vedomosti, Nr. 15 vom 16. Jan. 1906, S.2. 62 Vgl. dazu den Bericht In Novoe Vremja (wie oben, S. 561, Anm. 60). Wann die beiden Organisationen gegründet wurden, ließ sich nicht ermitteln. An der Dezember-Versammlung nahm der „Bauernbund" mit 20 und die „Konstitutionell-monarchische Arbeiterpartei" mit 10 Delegierten teil. Das Programm des Bauernbundes Ist abgedruckt in: Ivanovlc, Rossijsklja partü, S. 154-159 (wie oben, S.412, Anm. 40), das der Konstitutionell-monarchischen Arbeiterpartei ebd., S. 133f. 63 Gefordert wurde die Zulassung der „örtlichen Sprachen " als Unterrichtsfach, wie dies auch In den Gesetzesvorlagen der zarischen Regierung vorgesehen war, nicht als zweite Amtssprache, wie es von den liberalen Partelen propagiert wurde. Novoe Vremja, Nr. 10704 vom 1. Jan. 1906, S. 6. 64 Lavrovs Stellungnahme Heß sich nicht nachweisen.
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daß eine Einigung selbstverständlich schien. Anfang Februar bildeten sich, zuerst in Petersburg 249 ), dann auch in der Provinz, zuerst lokale Kartelle für die Agitation, aus denen dann das allgemeine Kartell der „vereinigten konstitutionell-monarchischen Parteien" hervorging, in welches außer den drei Hauptparteien noch ein Rest kleinerer Parteibildungen, so die „ökonomische Fortschrittspartei" (Professor Oserow), der „demokratische Bund der Konstitutionellen", der „Bund der friedlichen Erneuerung" u[nd] a[ndere] m[ehr], 65 aufgingen, während andre Gruppen, so die „Partei der demokratischen Reform" (Maxim Kowaljewskij u.a.), weil der nationalen Dezentralisation geneigter, draußen blieben und mit den „Kadetten" gemeinsame Sache machten. 66 Die kartellierten Mittelparteien versprachen gemeinsames Vorgehen und haben auch tatsächlich an vielen Orten, darunter fast alle größeren Städte, die Wahlmännerlisten gemeinsam aufgestellt. Da ihre Hauptfront, wie immer wieder betont wurde, nach links gerichtet war, hätte ein Abkommen mit den Konservativen nahe gelegen. Tatsächlich hat auch, stillschweigend wenigstens, an manchen Orten eine gegenseitige Unterstützung dieser Gruppen stattgefunden. Allein dies blieb die Ausnahme, da jene zahlreichen konservativen Verbände, welche sich in der „Versammlung der russischen Leute" 67 zusammenfanden und schließlich eine Art Kartell der 249 ) Hier wurde das Kartell zwischen der Handels- und Industriepartei, dem „Bunde des 17. Oktober" und der „progressiv-ökonomischen Partei" abgeschlossen: je 40 Wahlmänner von jeder sollten auf die Liste gesetzt werden („Now[oje] Wr[emja]" 10768,4). 6 8
65 Vgl. dazu Ot S o e d i n e n n a g o komiteta konstltucionnych partii, in: Ivanovic, Rossijskija partü, S. 141 (wie oben, S . 4 1 2 , A n m . 4 0 ) . 66 Die Partei der demokratischen Reform, die konstitutionellen D e m o k r a t e n und die Freisinnigen (Partija Svobodomysljascich) schlössen sich Mitte März 1906 zu e i n e m Wahlbündnis z u s a m m e n . Siehe dazu: Partijnaja 2 i z n ' , in: Strana, Nr. 18 v o m 11. März 1906, S. 3, und Nr. 19 v o m 12. März 1906, S. 3. 67 G e m e i n t ist wohl „ S o j u z russkago naroda" ( „ B u n d des russischen V o l k e s " ) , der Im Oktober 1905 unter Führung Dubrovins als S a m m e l b e c k e n für die äußerste Rechte entstand. Das Programm in: Ivanovic, Rossijskija partii, S. 1 1 7 - 1 2 2 (wie oben, S . 4 1 2 , Anm.40). 68 W e b e r zitiert: K v y b o r a m v Gosudarstvennuju D u m u , in: Novoe Vremja, Nr. 1 0 7 6 8 v o m 7. März 1906, S. 4. Außer der Union des 17. Oktober hatten sich auch die Partei der Rechtsordnung, die p r o g r e s s i v - ö k o n o m i s c h e Partei und der allrussische Handels- u n d Industriebund d i e s e m Wahlbündnis angeschlossen. Jeder Organisation w u r d e ein Viertel der Kandidaten für die 160 zu w ä h l e n d e n Wahlmänner zugestanden.
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„monarchischen" Parteien schlössen,69 gerade auch die Mittelparteien als Verräter an der „Selbstherrschaft" auf das denkbar schärfste befehdeten. Man konnte zweifeln, wie stark die konservativen Parteien selbst im Lande seien. Auch nach der Angabe der Gegner waren die zahlreichen Versammlungen, die sie veranstalteten, sehr 5 stark besucht und herrschte dort die leidenschaftlichste Begeisterung, obwohl an positiven Zielen eigentlich nur die Ausschließung der Juden vom Wahlrecht und die Erhaltung der herrschenden Stellung des russischen Volkes im Reiche wiederzukehren pflegten 250 ). Sie hatten, ebenso wie die andern Parteien, ihre „Bauernbünde", die 10 mit dem im Auftrage von Durnowo offiziös bestätigten „Narodnyji Mir" 70 Hand in Hand gingen. Der letztere kwar ein Bund", welcher von Geistlichen geleitet wurde und Bauern durch feierliche Eidesformeln, die, vorgedruckt auf einem Blankett(!), 71 von jedem EintreA 327 (163) tenden zu unterzeichnen waren 251 ), zu binden suchte, - ebenso 15 suchten' sie72 unter den Arbeitern, namentlich den „arbeitswilligen" Eisenbahnern, Fuß zu fassen und in Moskau die Kleinbürgerorgani250 ) So auch auf dem gegen Mitte Februar abgehaltenen monarchistischen Kongreß in Moskau (cf. ,,Now[oje] Wr[emja]", 14./2.). 73 | 251 A 327 (163) ) Das Blankett ist in den ,,Russk[ija] Wj[edomosti]" 85,3 abgedruckt. 74 Es wurde an die Starosten verschickt mit dem Ersuchen, im Fall des Nichteintritts von Bauern über die Gründe Auskunft zu geben. Freier Verkehr mit allen Behörden, bis zum Ministerium hinauf, direkt und ohne Vermittlung, war der Bundesleitung (Korjenew m ) gestattet. Welche Frucht die Regierung von dieser Gründung erntete, davon unten Abschnitt IV. 75 |
j A: „Norodnyj m A: Kurjenew
k Fehlt in A; war ein Bund sinngemäß ergänzt.
I A: suchte
69 In mehreren Städten kam es zu Zusammenschlüssen der rechten Parteien und Gruppierungen, so u.a. in Moskau. Dort fanden sich „Sojuz russkich ljudej", „Russkaja monarchiceskajapartija", „Sojuz russkagonaroda", „SojuzZemlevladel'cev" und „Sojuz russkich patriotov" zu einem Wahlbündnis zusammen. Vgl. dazu Martov, L. u.a. (Hg.), Obäcestvennoe dvizenie v Rossii v nacale XX-go veka, tom 3. - S.-Peterburg: Obscestvennaja Pol'za 1914, S. 444-447 (künftig: Martov, Obäcestvennoe dvizenie). 70 Vgl. oben, S. 478, Anm. 20. 71 Eine in ihren wesentlichen Teilen unausgefüllte, nur mit der Namensunterschrift des Ausstellers versehene Urkunde. 72 Weber bezieht sich hier erneut auf die konservativen Parteien. 73 Gemeint ist offensichtlich der Kongreß des „Russkoe Sobranie", der vom 10. bis 14. Februar 1906 in Moskau tagte. Novoe Vremja, Nr. 10747 vom 14. Febr. 1906, S. 4. 74 Russkija Vedomosti, Nr. 85 vom 28. März 1906, S. 3. 75 Der Verweis bezieht sich vermutlich nicht auf den 4. Abschnitt von Kap. VI, sondern auf Kap. VII, unten, S.633.
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sationen für sich zu gewinnen. Da ihnen die volle Gnade des Zaren immer wieder bezeugt wurde, glaubten sie, die sehr dezidierte Zurückhaltung Wittes verschmerzen zu können, ebenso das gelegentliche" Einschreiten des Synods (unter Oboljenskijs Regime) gegen allzu rabiate Äußerungen von Popen. 3 Nicht zu verkennen war die nicht überall straffe Organisation aller dieser rechts von den „Kadetten" stehenden Gruppen, ihre geringere „Technik" in der Wahlagitation und das geringere Maß von agitatorisch begabten und zugleich wissenschaftlich gebildeten, rücksichtslos opferfähigen Kräften. Die geistigen Kosten der Agitation des „Bundes des 17. Oktober" haben zu einem sehr erheblichen Teil Dr. Piljenko, die der progressiv-ökonomischen Partei Prof. Oserow allein bestritten, die vornehmen Politiker des „Zentrums", wie Schipow, hielten sich zurück, und vollends die Handels- und Industriepartei und die Rechtsordnungspartei glaubten sich auf die soziale und ökonomische Machtstellung ihrer Mitglieder, die Rechte auf ihre nationalistisch-antisemitische Demagogie verlassen zu können. Gleichwohl mußte ihre Lage im Wahlkampf den äußeren Anzeichen nach als günstig gelten gegenüber den endlosen Hemmungen, mit denen die Demokratie zu kämpfen hatte und die so stark waren, daß das Zentralkomitee der „Kadetten" noch unmittelbar vor den Wahlen in Erwägungen darüber eintrat, ob nicht angesichts derselben der Boykott der Duma für sie rätlicher sei. 76 Schwerer als alle diese Hemmungen von Seiten der Verwaltungsbehörden schien nun aber gegen die Demokratie und zugunsten der Mittelparteien und Konservativen der Umschwung in der Stimmung derjenigen Kreise ins Gewicht fallen zu müssen, welche durch das Wahlgesetz besonders begünstigt waren: der privaten Grundbesitzer. Nach Niederwerfung des Moskauer Aufstandes und unter dem Eindruck der Bauernunruhen 77 begann die Reaktion aus der Sphäre
n A: gelentliche
3 Ende des Petitdrucks in A, siehe oben, S. 5 4 8
76 Siehe dazu den u n g e z e i c h n e t e n Leitartikel in: Ree', Nr. 4 v o m 26. Febr. 1906, S. 1. 77 V o m 7. bis 17. D e z e m b e r 1905 kam es in Moskau zu e i n e m bewaffneten Aufstand, der hauptsächlich v o m Moskauer Sovet getragen w u r d e und erst durch Militäreinsatz b e e n d e t w e r d e n konnte. Im Herbst u n d Winter 1 9 0 5 / 0 6 kam es vor allem im zentralen Schwarzerderayon, d e m Voigagebiet und der Ukraine zu s c h w e r e n Bauernunruhen, die erst durch Militäreinsatz n i e d e r g e w o r f e n w e r d e n konnten.
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der Bureaukratie in die „Gesellschaft", d.h. in erster Linie in die Semstwos einzudringen. Es versteht sich, daß hierbei die Bauernunruhen und die schwere Bedrohung der ökonomischen Unterlagen des privaten Grundbesitzes, dessen Vertreter ja die besten Köpfe des Semstwoliberalismus stellten, die ausschlaggebende Rolle spielten. Der Vorgang ist ein gutes Beispiel für die Bedingungen ideologischer Arbeit seitens einer besitzenden Klasse und für das Maß von TragfäA 328 (164) higkeit humanitärer Ideale | gegenüber den ökonomischen Interessen. Solange die ökonomische Unterlage der in den Semstwos herrschenden Grundbesitzer im wesentlichen unerschüttert stand, fügten sie sich der Führung der zahlreichen, aus ihrer Mitte hervorgegangenen politischen und sozialen Ideologen 252 ). Nun aber drohte ihr unmittelbar physischer und ökonomischer Untergang, die ganze Wucht der latent gebliebenen Interessengegensätze stürmte auf sie ein, und es konnte nicht ausbleiben, daß, aus ihrem Alltagsdasein herausgerissen und an die materiellen Grundlagen der eigenen Position empfindlich erinnert, sie ihre Stellung nicht unerheblich modifizierten. Und es darf nicht vergessen werden: auch ganz abgesehen von der Vernichtung privaten Eigentums hatten die stürmischen Forderungen der Bauern die Semstwobehörden in die schwierigste Lage gebracht. In zahlreichen Gouvernements hatten z.B. die desperaten 0 Bauern im Dezember die Herausgabe der für die Fälle von Hungersnot zur Verfügung stehenden ,,Verpflegungs"kapitalien253) A 328 (164)
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) Nicht etwa restlos, versteht sich. Es ist nicht im mindesten zu bezweifeln und wird weiterhin noch an Beispielen sich zeigen, daß natürlich die „Klasseninteressen" immer eine nicht unerhebliche Rolle in den Semstwos gespielt haben, wie dies in der russischen Literatur gerade neuerdings scharf beleuchtet worden ist. 78 253 ) Das System dieser „Verpflegungsgelder" mit seiner Prämiierung der zur Führung ihrer Wirtschaft technisch und ökonomisch am wenigsten Fähigen wirkt seinem ganzen Gedanken nach revolutionierend, so unentbehrlich es selbstredend heute ist. 79 o A: desparaten 78 Für ein Beispiel dieser Schriften siehe Kuz'min-Karavaev, V. D., Zemstvo i derevnja, 1 8 9 8 - 1 9 0 3 . Stat'i, referaty doklady i reci. - S.-Peterburg: Obscestvennaja Pol'za 1904, S. 325 ff. 79 Gemeint sind die für Notfälle beim Innenministerium und bei den Zemstva gebildeten Hilfsfonds, aus denen z. B. im Jahre 1906 aufgrund der schlechten Ernte des Jahres 1905 an die Bauern Unterstützungen gezahlt bzw. Lebensmittel ausgegeben wurden. Vgl. Prodovol'stvie narodnoe, in: Brokgauz-Efron. Enciklopediceskij slovar', tom 49. - S.Peterburg: Brokgauz-Efron 1898, S. 3 5 4 - 3 6 1 .
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seitens der Semstwos verlangt. Die eingeschüchterten Uprawas hatten zumeist versprochen, dem Verlangen zu willfahren, die erforderliche Zustimmung der Gouvernements-Prissutstwije war aber meist verweigert worden. Die drohende Haltung der Bauern hatte jedoch nicht wenige Uprawas veranlaßt, eigenmächtig die Gelder ganz oder teilweise herauszuzahlen. Damit war zwar in vielen Fällen Beruhigung erzielt worden, die betreffenden Uprawas aber wurden nun vom Gouverneur wegen unbefugter Verfügung über öffentliche Gelder zur Verantwortung gezogen254). Nachdem nun Mitte Januar die Flut im wesentlichen abgelaufen war, zeigte sich die veränderte Stimmung der von ihr Betroffenen: Der Wirkungsspielraum für die Ideologen hatte sich bedeutend verengt. Diejenigen Kreise des Adels und der privaten Großgrundbesitzer, welche sich bis dahin entweder der Führung der fortgeschrittenen Liberalen untergeordnet oder sich einfach der politischen Betätigung enthalten hatten, begannen die Semstwoversammlungen des Januar zu überfluten, und während infolge jener Zurückhaltung der „Gemäßigten" die von Gutschkow geführte Minderheit auf dem Oktoberkongreß geradezu verschwindend gewesen war - 15-20 Köpfe gingen die materiellen „Klasseninteressen" jetzt auf der ganzen Linie zur Offensive über. |
Es lohnt immerhin, diese Bewegung etwas näher zu verfolgen, zu A 329 (165) diesem Zweck aber in Kürze auf gewisse innerpolitische Wandlungen in der Regierung einzugehen. Anlaß zur Mobilmachung der 25 antidemokratischen Gesellschaftsschichten gaben nämlich wesentlich die in den ersten Tagen des Januar in die Presse gelangenden Nachrichten über radikale agrarpolitische Absichten des Landwirtschaftsministeriums, welches damals unter Kutlers Leitung stand.80 Nach der Ankündigung der Konstitution durch das Manifest vom 30 17. (30.) Oktober hatte ein weiteres Manifest vom 3. (16.) November 2 5 4 ) S[iehe] z . B . in einer Reihe von Fällen im Gouvernement Kaluga („Russk[ija] Wj[edomosti]" 30. Januar, S. 2). 1 |
80 Das Kutlersche Agrarprojekt sah vor, 25 Millionen Desjatlnen Land an die Bauern zu verteilen. Das dafür erforderliche Land sollte aus Staats- und Großgrundbesitz genommen und nötigenfalls zwangsweise verkauft werden. 1 Weber zitiert: Vnutrennija izvestija, in: Russkija Vedomosti, Nr. 29 vom 30. Jan. 1906, S.2.
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neben der Erweiterung der Tätigkeit der Bauernbank255) in ziemlich | A 330 (166) unbestimmten Worten ein den Interessen der Bauern ebenso wie 255 ) Z u r flüchtigen Orientierung über dies schon mehrfach erwähnte 2 Institut nur folgendes: Die B a u e r n l a n d b a n k (Krestjanskij posemelnyj bank) ist seit der Revision ihres Statuts vom 27. N o v e m b e r 1895 3 befugt, den Ü b e r g a n g von Gutsbesitzerland in die H ä n d e der Bauern nicht nur - wie schon vorher - durch Kreditunterstützung des k a u f e n d e n Bauern im Falle direkten Abschlusses des Vertrages mit d e m Gutsherrn zu f ö r d e r n , sondern zu diesem Zweck auch selbst auf eigenen N a m e n Land zu kaufen, es zu parzellieren und alsdann den einzelnen B a u e r n oder den gemäß Gesetz vom 30. Mai 1888 4 behufs Ankauf von Land gebildeten Genossenschaften oder (gemäß d e m Reglement vom 29. Juni 1889) 5 den D o r f g e m e i n d e n gegen bar oder unter Kreditierung von bis zu 90% des Kaufpreises zu verkaufen. Sie gibt d a f ü r Pfandbriefe aus, und es sollten ihr, neben anderen E i n k ü n f t e n , 1% des effektiven Eingangs der bäuerlichen Loskaufsgelder, bei einem Eingang von m e h r als 9/io derselben aber 33% des letzten Zehntels zufließen. Die Amortisationsrate der Darlehen sollte sich nach den Bestimmungen von 1895 zwischen lA und 6 % bewegen, die Tilgungsfrist d e m g e m ä ß zwischen 13 und 51 Jahren (Gesamtzinspflicht inkl. Amortisation im letzteren Falle 6 % ) . D a s Maximalmaß dessen, was die Bank pro Kopf des einzelnen B a u e r n an Land verkaufen darf, wurde für jede Ortschaft festgesetzt unter Zugrundelegung der „trudowaja norma", d. h. nach den Arbeitskräften der Familie; in den Semstwoprovinzen war es die zur Teilnahme an den Semstwowahlen berechtigende Landfläche bei Individualkauf, ein viertel davon bei gemeinsamem Kauf. Die Repartierung und Eintreibung der Rückstände geht durch die H ä n d e der D o r f g e m e i n d e n . - Es kann hier nicht die Einzelmodifikation der Banktätigkeit und der Bankstatuten n ä h e r verfolgt werden. Festzustellen ist nur, d a ß , auch von j e n e m verdünnt-sozialrevolutionären Standpunkt aus, den die russische D e m o k r a t i e in der Agrarfrage vertritt, der Bank zum Vorwurf zu machen war: 1. die indirekte Mitwirkung an der ungeheuren Preishausse des Bodens durch „künstliche" Schaffung von K a u f k r a f t für die B a u e r n , s . u . ; 6 2. die geschäftliche Notwendigkeit für die B a n k , die Kreditwürdigkeit des Käufers zu prüfen und also eine antiethisch wirkende „Auslese" zu vollziehen, was sich bei den Landumsätzen der B a n k im wesentlichen in dem Überwiegen der Einzelkäufer und frei gebildeten „Genossenschaft e n " (towarischtschestwo) vor den D o r f g e m e i n d e n als Käufer äußerte: ihre Tätigkeit k a m so - wie der private Bodenumsatz ü b e r h a u p t - nicht den bedürftigsten und landärmsten, sondern den ökonomisch kräftigsten E l e m e n t e n der Bauernschaft zugute: das gerade A 330 (166) Gegenteil einer „Lösung" der Agrarfrage im Sinne nicht nur der Masse | der B a u e r n selbst, sondern auch der D e m o k r a t i e . D e n Grundbesitzern, dem allmählich sein Land abtreten-
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2 Siehe oben, S. 512, 524, 540f. und 545. 3 Das Gesetz vom 27. November 1895 in: PSZRI, 3-esobr., tom 15, Nr. 12195. 4 Das Gesetz vom 30. Mai 1888 in: PSZRI, 3-esobr., tom 8, Nr. 5278. Die Möglichkeit des Verkaufs von Land an Genossenschaften durch die Bauernbank bestand bereits seit dem Gründungsstatut von 1882, jedoch war es in den folgenden Jahren, da nähere Bestimmungen fehlten, zu zahlreichen Unregelmäßigkelten In den Genossenschaften gekommen, die nun mit Hilfe des neuen Gesetzes beseitigt werden sollten. 5 Gemeint Ist das Gesetz vom 6. Juni 1889, das den Zahlungsmodus seitens der Dorfgemeinden regelte, da bis dahin eine einheitliche Regelung der Solidarschuldner gegenüber der Bauernbank fehlte. Die Dorfgemeinden erhielten nunmehr das Recht, das Einkommen, das der säumige Zahler von dem gekauften Land erzielte, einzuziehen, oder sogar Teile von dessen beweglicher Habe zu verkaufen, um mit dem erzielten Erlös die Rückstände zu begleichen. PSZRI, 3-e sobr., tom 9, Nr. 6134. 6 Siehe unten, S. 605f.
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denjenigen p der privaten Grundbesitzer ^entgegenkommendes Projekt q in Aussicht gestellt. 7 Zu Anfang Januar wurde dann bekannt, daß der Chef des Departements für Landwirtschaft, Kutler, einen den Adel einerseits, den Landspekulanten andrerseits, war sie höchst lästig wegen ihrer im konkreten Fall immerhin den Bodenwucher und die volle Ausbeutung des bäuerlichen Landhungers kreuzenden Wirksamkeit. - Erworben sind bis 1903 durch die Landbank seitens der Bauern 7,3 Millionen Deßjätinen (8 Millionen Hektar) für 537 Millionen Rubel, wovon 415 Millionen Darlehen. 8 Der Anteil der Vermittlung der Landbank an dem gesamten Erwerb von Land durch die Bauern betrug im Schwarzerdegebiet 1883 - 97 45%, im Nichtschwarzerdegebiet 32%, stieg aber seitdem bedeutend (für 1898 auf 70 und 67%, die späteren Zahlen kenne ich nicht). 9 Die Angebote an die Landbank beziffern sich vom 3. November 1905 (Agrarmanifest) bis 10. April 1906 auf 3lA Millionen Deßjätinen für 446'/2 Millionen Rubel (ä 127 Rubel), vom 10. April bis 10. Mai auf 376000 Deßjätinen für 44,2 Millionen Rubel (ä 132 Rubel) 1 0 und 9,87 Millionen Deßjätinen für 490 Rubel (ä 49,8 Rubel). Abschlüsse hat die Landbank (nach den Notizen im ,,Wjestn[ik] ss[elskawo] chas[jaistwa]" Nr. 23) in letzter Zeit gemacht: vom 3. November bis 10. April 1394 über 206000 Deßjätinen zum Preise von 24'A Millionen Rubel (119 Rubel pro Deßjätine), vom 10. April bis 10. Mai 215 11 über 55 800 Deßjätinen für 6,85 Millionen Rubel (122 Rubel pro D e ß j ä t i n e ) / 1 2 - I h r Gesuch, das erworbene Land künftig auch in /angfristigc Pacht geben zu dürfen, steht mit dem Regierungsprojekt, welches nur Eigentum und kurzfristige Pacht zulassen will (siehe oben A n m . 227a), im auffallenden Widerspruch. 1 3 p A: derjenigen q Fehlt in A; entgegenkommendes Projekt sinngemäß ergänzt, r An diese Stelle gehört der sich zugleich auch auf Seite 592 beziehende Nachtrag 10 (siehe unten, S. 684). Dieser lautet: Bis 8. Juli 1906 sind (seitdem Manifest vom 3. November) nach Mitteilung der Bauernbank („Prawit[jelstwjennyj] Wj[estnik]" Nr. 155 S.2) 14 991 Kaufabschlüsse über 1491831 Deßjätinen (1600000 Hektar, also annähernd die „Wirtschaftsfläche" einer preußischen Provinz) für 188003518 Rubel von ihr gemacht worden. Der mittlere Kaufpreis der ersten Juliwoche betrug 126 Rubel für die Deßjätine (243 Mk. pro Hektar). 7 Am 3. November 1905 erließ der Zar zwei Ukaze und ein Manifest, in denen die Loskaufzahlungen ab 1. Januar 1906 um die Hälfte herabgesetzt und vom 1. Januar 1907 völlig erlassen wurden. Die Tätigkeit der Bauernbank wurde so erweitert, daß sie nun auch landarmen und landlosen Bauern den gesamten, zum Landerwerb nötigen Geldbetrag vorstrecken konnte. Das Manifest versprach weitere Maßnahmen durch die Regierung und die gewählten Vertreter des Volkes zur Verbesserung der Bedürfnisse der Bauern „ohne jede Kränkung für die übrigen Landbesitzer". PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 26871-26873. Zum Oktobermanifest, siehe oben, S. 295, Anm. 1. 8 Die angeführten Zahlen in den veröffentlichten Rechenschaftsberichten der Bauernbank: Obzordejatel'nosti krest'janskago banka za 1883-1904gg, S. 105f. 9 Diese Angaben nach: Materialy po statistike 12, S.XXIV. 10 Die Zahlen in: Vestnik sel'skago chozjajstva, Nr.23 vom 4.Juni 1906, S. 16. Die Umrechnung auf den Preis pro Desjatine durch Weber selbst. Hier liegt ein Rechenfehler vor. Es muß heißen 117 Rubel. 11 Die Zahl lautet 265. Ebd. 12 Ebd. 13 Das Gesuch der Bauernbank, ebd., S. 17. 14 Gemeint ist: Pravitel'stvennyj Vestnik, Nr. 155 vom 12. Juli 1906, S.2.
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Entwurf ausgearbeitet und der unter seinem Vorsitz tagenden Kommission zur Beratung der Bauernfrage vorgelegt habe, in welcher tatsächlich eine partielle Expropriation des privaten Grundbesitzes vorgesehen sei. Sicheres über den Inhalt ist nicht bekannt geworden, denn diejenigen Exemplare des Entwurfs, welche zur Verteilung 5 gelangt waren, wurden alsbald zurückgefordert. 15 Soviel bekannt, wollte das Projekt für die verschiedenen Gebiete des Reiches Normalgrößen für drei Typen von Landwirtschaftsbetrieben ermitteln: kleine, die ohne Lohnarbeit existieren, mittlere, bei denen der Leiter neben Lohnarbeitern persönlich mitarbeitet, 10 und große. Der die Normalgröße der Klasse, in welche der Betrieb eingereiht ist, überschreitende Landbesitz sollte expropriiert und aus dem daraus mit Zuziehung der staatlichen und Apanageländereien gebildeten „Landfonds" die landlosen und landarmen Bauern ausgestattet werden. Die auf den 7. (20.) Januar angesetzte Beratung des 15 Projektes im Ministerrat unterblieb jedoch, 16 weil inzwischen der Sturm der bedrohten Interessenten begonnen hatte: der in aller Eile zusammengetretene Adelskongreß 256 ) in Moskau (4./17. bis 11./ A 331 (167) 24. Januar) protestierte gegen jede Expro|priation 257 ) außer für Eisenbahnzwecke und gegen jeden Erlaß irgendeines Agrargesetzes 20 vor Zusammentritt der Duma, lehnte ebenso auch die Einsetzung einer besonderen Kommission aus Vertretern des Adels, der Semstwos und Bauern zur Ausarbeitung eines Agrargesetzentwurfs ab, und sein Vorsitzender Fürst P. N. Trubezkoj, Adelsmarschall von Moskau, eilte (15. Januar) nach Petersburg, um die Ansichten des 25 Adels dort zu vertreten. Gleichzeitig läuteten „Nowoje Wremja" und ähnliche Blätter Sturm gegen die Regierung wegen eines Zirkulars258) des Finanzministers, welches im Interesse der Durchführung 256 ) Offizieller Bericht im ,,Now[oje] Wr[emja]" Nr. 10720, S. 4. Es waren 120 Adelsmarschälle aus 34 Gouvernements anwesend. 1 7 | 257 A 331 (167) ) Das Land für die Bauern sollte eventuell aus den Staatsdomänen beschafft werden. Ein Teil des Kongresses war, unter Protest der Mehrheit, der Ansicht, daß auch die Apanagengüter (des kaiserlichen Hauses) hinzugezogen werden sollten. 258 ) Abgedruckt z. B. im „Wjestnik sselsk[awo] chas[jaistwa]" Nr. 5, S. 17. 1 8
15 Zum Projekt Kutlers vgl. Vestniksel'skago chozjajstva, Nr. 3 vom 15. Jan. 1906, S. 16, sowie oben, S. 567, Anm. 1. 16 Ebd. 17 Dies bezieht sich auf: S-ezd predvoditelej dvorjanstva, in: Novoe Vremja, Nr. 10720 vom 17. Jan. 1906, S.4, sowie die diesem Korrespondentenbericht beigefügten Resolutionen des Kongresses der Adelsmarschälle, auf die Weber im folgenden Bezug nimmt. 18 DasZirkular findet sich in: Vestniksel'skago chozjajstva, Nr. 5 vom 29. Jan. 1906, S. 17.
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des durch die Bauernbank zu vermittelnden Landankaufs unter Hinweis auf die Unumgänglichkeit der Beruhigung der Bauern den Gouverneuren anempfahl, einen Druck auf die privaten Grundbesitzer auszuüben, um sie zur Ermäßigung ihrer Preisansprüche zu veranlassen, da andernfalls die Verhältnisse sich so verschärfen könnten, daß sie „kaum noch durch die Vermittlung der Bauernbank zu lösen sein würden". 1 9 Diese allerdings ziemlich unverhüllte Drohung mit der Zwangsenteignung wurde von den Interessenten als „Subatowschtschina" 259 ) auf dem Gebiet der Agrarpolitik mit Entrüstung aufgenommen. Der Adelskongreß griff überdies in einer Resolution (10. Januar) 2 0 die Bauernbank wegen ihrer Landpreispolitik heftig an: trotzdem der von der Bank entsandte Vertreter, K. N. Nardow, eingehend darlegte, daß die Bank nach ihrer Bestimmung Land nur kaufen dürfe, wenn es für die Bauern nötig und brauchbar sei, daß sie den Bauern nur einen der Ertragsfähigkeit und der Leistungsfähigkeit bäuerlicher Wirtschaften entsprechenden Preis anrechnen könne, nicht aber die Rente eines kapitalistischen Betriebs, 21 blieb der Kongreß dabei, die Bank wirke - ein vorher wie nachher von seiten der Interessenten immer wieder erhobener Vorwurf - durchweg im Sinne künstlicher Baisse 259a ) der Bodenpreise 260 ), sie müsse sich auf 259
) Über diesen Begriff siehe Anm. 102. ) In Wahrheit steht es damit folgendermaßen: Der Erwerbspreis pro Deßjätine hat sich für die Bauern bei der Bauernbank gestellt 1890 für Dorfgemeinden auf 32,4 Rubel, Genossenschaften 37,6 Rubel, einzelne 52,9 Rubel, 1897 auf bezw. 5 6 - 7 6 , 9 - 6 8 , 7 Rubel, 1900 auf bezw. 8 1 , 7 - 8 2 , 7 - 9 0 , 4 Rubel, 1903 auf 103,6-108,4-134,9 Rubel. 2 2 (Die Unterschiede der Preise für die drei Kategorien erklären sich dadurch, daß die Dörfer die wenigst kaufkräftigen sind, der teuerere Boden daher an die eine „ökonomische Auslese" bildenden Einzelbauern oder frei gebildete Genossenschaften überging). Überdies wird von demokratischer Seite die Tatsache hervorgehoben, daß in 18 von den 23 Gouvernements, aufweiche sich die Tätigkeit der Bank besonders stark konzentrierte, die Preissteigerung das Mittelmaß | übertraf, und daß ferner in 29 von 43 Gouvernements, in denen sie A 3 3 2 (168) überhaupt tätig war, sie zu teuereren Preisen kaufte bezw. vermittelte als sonst gezahlt wurden. 260 ) Im Kasanschen Semstwo („Now[oje] Wr[emja]" 1 0 7 7 2 , 1 3 ) 2 3 wurde die Ungleich259a
19 Das Zitat ebd. 20 Siehe oben, S.570, Anm. 17. 21 Die Rede Nardovs ist in dem von Weber angeführten Bericht (siehe oben, S.570, Anm. 17) nicht enthalten. Sie findet sich in: S-ezd predvoditelej dvorjanstva, in: Russkija Vedomosti, Nr. 10 vom 11. Jan. 1906, S. 4. 22 Obzordejatei'nosti krest'janskago bankaza 1883-1904, S. 117. 23 Weber zitiert den Artikel: Zemcy o politike krest'janskago banka, in: Novoe Vremja, Nr. 10772 vom 11. März 1906, S. 13.
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den Boden der „faktischen" örtlichen Bodenpreise stellen und mögA 332 (168) liehst viel Land vorläufig | auf ihre eigene Rechnung zur Verfügung der Menge der Landlosen und Landarmen erwerben (Resolution XVII a), und die Regierung solle den Bauern mindestens 1% der Kapitalamortisation abnehmen (Resolution XVII b), - was eine Er- 5 Weiterung der Nachfrage und also für die verkaufenden Adligen eine entsprechende Verbesserung der Verkaufschancen im Gefolge haben müßte, - und endlich (Resolution XVII w) möge man den Bauern gesetzlich den Austritt aus der Obschtschina erleichtern, den Austretenden den Verkauf ihres Landes an die Bank, allen aber, 10 auch den nicht Austretenden, die Verpfändung ihres Anteils (Nadjel) in den Feldgemeinschaften bei der Bank gestatten, - damit sie Geld zum Bezahlen der vom Adel geforderten Preise aufbringen könnten. 24 Diese Erlaubnis wäre mit der gewaltsamen Sprengung der Obschtschina gleichbedeutend gewesen, da sie auch für die for- 15 mell in der Gemeinschaft Bleibenden die Möglichkeit des Zwangsverkaufs der Anteile aus der Obschtschina heraus mit sich führen mußte. Man sieht, diesen Hütern der nationalen Traditionen stand - wie bei uns - die Erzielung einer Hausse der Bodenpreise über alle 20 anderen Rücksichten 261 ). Und in der Hauptsache siegten die Interes-
mäßigkeit der von der Bank gezahlten Landpreise in den einander benachbarten Bezirken gerügt (für gleiches Land im Kreise Stawropol 125-130, in einem Nachbarkreise 100 Rubel, Privatpreise 175 Rubel), welche die Folge der Kombination finanzieller mit agrarpolitischen Zwecken sei. 261 ) Das Jelissawetgrader Semstwo verlangte Herabsetzung des Zinsfußes der Bank auf Y/2% (! das Bankdiskont stand auf 9%, die Regierung erhielt damals Geld für 5'Ä-6%), im Interesse der Erhöhung des bei der Kapitalisierung der Erträge der Güter zu berechnenden Preises. 2 5 Zahlreich waren die Adligen, welche im Laufe des Winters, ohne irgend ökonomisch dazu genötigt zu sein, ihre Güter bei der Adelsbank hoch verpfändeten und das so erlangte bare Geld (Fürst W. L. Naryschkin angeblich 2 Millionen Mark) 2 6 über die Grenze brachten. Die Gesetzgebung, welche für die Adels- ebenso wie für die Bauernbank ( s . u . ) 2 7 Beleihungen mit Obligationen statt in bar vorschreibt, sollte u.a. auch diesem Treiben ein Ende machen.
2 4 Siehe oben, S. 570, Anm. 17. Die Zählung der Resolution nach dem oben (Anm. 17) angeführten Bericht; die Unterpunkte dem russischen Alphabet folgend. 2 5 Vgl. Vestnik sel'skago chozjajstva, Nr. 8 vom 19. Febr. 1906, S. 18. 26 Fürst V. L. Naryskin erhielt nach einem Bericht der Novoe Vremja, Nr. 10859 vom 8. Juni 1906, S. 4, S p . 2 f „ ein Darlehen in Höhe von 1,1 Millionen Rubel. 27 Siehe unten, S.591.
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sen des Agrarkapitalismus: das Schicksal der Expropriationsidee im Ministerium entschied sich schnell. In der zur Beratung eingesetzten „besonderen Kommission" 2 8 sprachen sich die Vertreter sämtlicher anderen Ressorts kategorisch gegen jeden Gedanken einer Expro5 priation aus, das Projekt wurde nur von Kutlers eigenen Beamten sowie von dem Vertreter des Kolonisationsdepartements, s G . W . G l i n k a , und der Domänenverwaltung, A . A . Rittich, sowie dem „in besonderem A u f t r a g " zugezogenen A . A . Kaufmann und einigen anderen unterstützt 262 ). Kutler trat zurück, er | wurde bald A 333 (169) 10 darauf Mitglied der konstitutionell-demokratischen Partei; seine sämtlichen Zirkulare und Verfügungen wurden den unterstellten Instanzen wieder abgefordert und für nichtig erklärt, eine neue Kommission zur abermaligen Beratung der Kutlerschen und fünf weiterer inzwischen eingelaufener Projekte, darunter angeblich je 15 eines solchen von den Professoren Migulin und Issaj ew, eingesetzt. 2 9
262 )
,,Now[oje] Wr[emja]" 10724 vom 21. Jan. (3. Febr.). 30 |
S A: A .
28 Besondere Konferenzen oder Kommissionen (osoboe sovescanie, auch zu übersetzen als: spezielle Beratungen) waren Organe, die zur Erörterung eines bestimmten Problems beim jeweiligen Fachministerium gebildet wurden. Zu diesen „Konferenzen" wurden auch Vertreter anderer Ministerien oder sonstige Spezialisten hinzugezogen. Die Vorschläge dieser Organe wurden dem Ministerrat zugeleitet. Die Einsetzung und Auflösung verfügte der Kaiser. 29 Nachdem das Kutlersche Agrarprojekt Im Januar 1906 im Ministerrat gescheitert war, wurden vom Ministerrat zwei neue Kommissionen gebildet, die Vorschläge zur Lösung der Agrarfrage ausarbeiten sollten. Sie wurden von dem Leiter der Zemstvo-Abteilung Im Innenministerium, V. I. Gurko, einerseits und dem Nachfolger Kutlers als Landwirtschaftsminister, A. P. Nikol'sklj, andererseits geleitet. Die personelle Zusammensetzung der beiden Kommissionen überschnitt sich teilweise. Des weiteren bestand beim Finanzministerium eine dritte Kommission, die an einem Gesetzentwurf zur Lösung der Agrarfrage arbeitete. Die erwähnte Denkschrift Migulins stammte aus dem November 1905 und war bereits zu diesem Zeitpunkt vom Ministerrat abgelehnt worden. Eine Denkschrift Isaevs läßt sich nicht nachweisen. Vgl. Hennessy, Richard, The Agrarian Question In Russia 1905-1907. The Inceptlon of the Stolypin Reform. - Gießen: W.Schmitz 1977, S.70ff. (künftig: Hennessy, Agrarian Question); Mehlinger und Thompson, Count Witte, S. 188-194 (wie oben, S. 306f., Anm. 42). 30 Gemeint ist: Novoe Vremja, Nr. 10724 vom 21. Jan. 1906, S.1. Das Projekt Kutlers wurde von dem Agrarexperten A. A. Kaufman, einem Mitglied der Kadetten, unter Beihilfe von A.A.Rittich verfaßt. Vgl. Agrarnyj vopros v Sov'ete ministrov 1906g. - Moskva/ Leningrad: Gosudarstvennoe izdatel'stvo 1924, S. 2.
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Der Zar legte sich in wiederholten Äußerungen, besonders scharf (18./31. Januar) in einer Ansprache an die Bauerndeputation aus dem Kurskschen Gouvernement, die dann offiziell im ganzen Reiche bekannt gegeben wurde, in längerer Ausführung für die absolute Unverletzlichkeit des Eigentums263) fest. 31 5 Die Klassengegensätze zwischen Adel und Bauern traten nun mit großer Schärfe hervor. Der Schreck war dem grundbesitzenden Adel so in die Glieder gefahren, daß alsbald umfassende Vorbereitungen für einen Zusammenschluß womöglich des ganzen Standes getroffen wurden, um dauernd im Sinn schärfster Bekämpfung der sozialen 10 wie der politischen Demokratisierung des Landes zu wirken. Die Bewegung wurde durch die Wahlkampagne verzögert, und erst am 21. Mai trat unter den Auspizien der hochreaktionären Führer: Fürst Kassatkin-Rostowskij, Graf Bobrinskij (als Präsident) ein Kongreß in Moskau, besucht von 150 Delegierten aus 34 Gouvernements, 15 zusammen, um eine dauernde geschlossene Vertretung des konservativen Adels mit jährlichen Versammlungen und breiten Agitationsmitteln zu schaffen. 32 Ebenso bereiteten die gleichen Kreise einen „Bund der Eigentümer" vor, der ebenfalls erst nach den Wahlen (2. Juli) sich endgültig konstituierte 263 a ). 33 20 A 3 3 3 (169)
263 ) D i e Erklärung des Ministerpräsidenten Goremykin vom 13. Mai ergab später, daß unter „Privateigentum" auch der Besitz der kaiserlichen Familie, der Kirchen und Klöster einbegriffen war. 3 4 263a ) Führer: A . S. Jermolow, Graf A . P. Ignatiew, Fürst Schtscherbatow, A . B . ' N e i d hardt, Präsident: Fürst Kassatkin-Rostowskij. Erstmaliger Mitgliedsbeitrag: Mo% des
t A: J.
31 Die Rede des Zaren in: Russkija Vedomosti, Nr. 20 vom 21. Jan. 1906, S.2. 32 Der erste Kongreß des Vereinigten Adels tagte vom 21 - 2 4 . Mai 1906 in St. Petersburg. 33 Der erwähnte Kongreß des „Allrussischen Bundes der Grundbesitzer" (Vserossijskij Sojuz zemlevladel'cev) fand erstmalig vom 17. bis 20. November 1905 statt, ein zweiter Kongreß vom 12. bis 16. Februar 1906, der dritte vom 2. bis 4. Juli 1906. Der Bund sprach sich für das unverletzliche Recht auf Privateigentum aus. Sein Einfluß schwand jedoch relativ rasch dahin. Hosking, Geoffrey and Manning, Roberta, What was the United Nobility?, in: Haimson, Leopold (Hg.), The Politics of Rural Russia 1905-1914. - Bloomington: Indiana University Press 1979, S. 147-150 (künftig: Haimson, Rural Russia). 34 Rede des Ministerpräsidenten Goremykin in der Duma-Sitzung vom 13. Mai 1906. Iz Gosudarstvennoj Dumy, in: Russkija Vedomosti, Nr. 127 vom 14. Mai 1906, S.3. Sten. otcety Gos. Dumy, 1 -yj sozyv, S. 3 2 1 - 3 2 4 .
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In höchst charakteristischer Weise zeigte sich dabei auch bezüglich der Obschtschina der gewaltige Umschwung der Stellungnahme der herrschenden Klassen gegenüber der Zeit Alexanders III. Einst der Liebling der slawophilen und reaktionären Romantiker und die ver5 meintliche Stütze der „Autorität", galt sie j etzt den Adelskongressen ebenso wie schon seit Jahren der Witteschen Bureaukratie als eigentlicher Herd der revolutionären Stimmung der Massen. Der (erste) Adelskongreß hatte, außer der schon erwähnten Resolution, die zwangsweise Feldbereinigung | und Servitutablösung (Resolution 10 XV), ferner aber auch besonders (Resolution XVI) die Erleichterung des Übergangs zum System des Hoferbrechts (podwornoje wladjenije) und zur Einzelhofsiedlung (chutorskoje semljedjelije) empfohlen, mit dem Recht des freien Verkaufs des Bodens im Fall des Fortwanderns 264 ). 35 Und tatsächlich gewann auch diese An-
A 334(170)
Besitzes, Jahresbeitrag Vm%: o f f e n b a r e Analogie der erwähnten industriellen „Streikversicherungsverbände". 3 6 (Torg[owo]-prom[yschljennaja] Gasj[eta] 151, 5). 3 7 In Polen besteht bereits ein Antistreikverband der Grundbesitzer, der den Mitgliedern private Verhandlungen mit den A r b e i t e r n verwehrt (T[orgowo-] pr[omyschljennaja] a g[asjeta] 152, 2). 3 8 In Kleinrußland steigert sich die Entwicklung und Autorität der ländlichen Streikkomitees trotzdem z u n e h m e n d ( d a s . ) . b 3 9 | 264 ) Auf dem zweiten Adelskongreß (23. Mai) standen sich nach einem Vortrag Pest- A 334 (170) rzeckis, eines Vertreters der „Vereinödung", als des allein in Betracht k o m m e n d e n Mittels
a A: ps. b An diese Stelle gehört der sich zugleich auch auf die Selten 559 und 589 beziehende Nachtrag (siehe unten, S. 683). Dieser lautet: Schwarze Listen der G r u n d b e sitzerverbände gegen „streiklustige" A r b e i t e r sind zuerst im Z a r t u m Polen ( G o u v e r n e ment] Petrokow) aufgetaucht („Wjestn[ik] ss[elskawo] chasj[aistwa]" 1906, Nr. 25). 40 Ü b e r die umfassenden Streikorganisationen der B a u e r n im Südwestrayon (es wurde die Schaffung von Streikkomitees in j e d e m einzelnen D o r f e erstrebt) s[iehe] „Torgowopromyschl[jennaja] gasj[eta]" Nr. 152 S. 2 41 nach dem ,,Pridnjepr[owskij] K r a j " .
35 Für die hier genannten Resolutionen auf der Versammlung der Adelsmarschälle im Januar 1906 vgl. oben, S. 570, Anm. 17. 36 Siehe oben, S. 559. 37 In bezug auf die Beiträge hieß es: „Den tausendsten Teil des Wertes nach eigener Einschätzung, sowie jährlich den 10ten Teil des oben angegebenen Betrages." TorgovoPromyslennaja Gazeta, Nr. 151 vom 4. Juli 1906, S. 5. 38 Gemeint Ist: Torgovo-Promyslennaja Gazeta, Nr. 153 (nicht 152) vom 6. Juli 1906, S. 2. Die Meldung bezieht sich auf den Kreis Warschau. 39 Ebd. 40 Weber nimmt Bezug auf: Vestnlk sel'skago chozjajstva, Nr. 25 vom 18. Juni 1906, S.17. 41 Torgovo-Promyslennaja Gazeta, Nr. 153 (nicht 152) vom 6. Juli 1906, S. 2.
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Obergang
zum
Scheinkonstitutionalismus
schauung nunmehr Boden im Ministerium. Der 1. Januar 1907 mußte ja ohnedies ein Wendepunkt in dem Schicksal der Obschtschina werden, weil die Loskaufszahlungen, deren Nichtabtragung die Bindung des Einzelnen an die Obschtschina - seit 1893 auch dann, wenn er selbst seinen eigenen Anteil daran voll abzahlte - bedingte, mit s diesem Datum nach dem Manifest vom 3. November 1905 4 2 in Wegfall kommen 265 ). Die Frage war, ob wirklich und eventuell unter zur Sanierung der Agrarfrage, Anhänger dieser Lösung und eine andere Partei gegenüber, die jede Notwendigkeit staatlichen Eingreifens und jede Landnot leugnete. 43 265) Dieser einfache Erlaß der 90 Millionen Rubel jährlich - die Zinsen von (unter normalen Verhältnissen) 2 Milliarden Rubel - betragenden Loskaufsgelder durch das kaiserliche Manifest gehört - wenn man, wohlgemerkt, sich einmal in den, ja weiß Gott nicht sentimentalen, Standpunkt der Regierung versetzt - zu den Unbegreiflichkeiten dieses in der Demagogie doch sonst hinlänglich erfahrenen Regimes. Kein Mensch sagte auch nur „danke!" dafür, und es gehörte doch sehr wenig „Massenpsychologie" dazu, um das vorauszusehen. So billig lassen sich die Bauern nicht kaufen. Wenn man statt dessen diese - bei den Bauern allerdings in gewaltigen, stets zunehmenden Summen rückständig gebliebenen - Verpflichtungen dazu benutzt hätte, um sie als Gegenwert gegen eine Expropriation wenigstens des derzeit verpachteten Gutslandes und der Kirchen- und Klosterländereien, die schließlich doch anderwärts mit dem sogenannten Prinzip der „Unantastbarkeit des Eigentums" sich verträglich erwiesen hat, zugunsten der Bauern zu benutzen, so wäre das eine agrarpolitische Maßregel gewesen, um wenigstens einen Teil der fassungslosen Verlegenheit zu beseitigen, in der sich die Regierung jetzt befindet, wo sie gar kein Kompensationsobjekt mehr besitzt, welches sie gegen Konzessionen „in Kauf geben" könnte, und wo sie außerdem, durch jene einfache Kassierung dieser im Gefolge von Tauschakten „erworbenen Rechte" des Staates jede mit Vergebung des Landes an die Bauern gegen Rente verknüpfte Agrarreform in den Augen der Bauern selbst alsbald mit dem Makel belastet hat: daß es sich hier wiederum um „Loskaufsgelder" handle, die der Zar irgend wann, wenn man sie einfach nicht zahle, erlassen müsse, weil er j a - wie sich bei jenen anderen gezeigt habe - selbst nicht an ihre Rechtmäßigkeit glaube. Wie gesagt: dies sind nur Bedenken, die vom Standpunkt einer Regierung aus hätten auftauchen müssen, welche den Forderungen der Bauern jetzt „die Unverletzbarkeit des Privateigentums" entgegenhalten will. - Ökonomisch betrachtet waren die Loskaufsgelder natürlich schon durch die unglaublichen Zahlen ihrer „Rückstände", 4 4 die einfach, in steigendem Maße, ungetilgt blieben, als auf die Dauer unmögliche Belastungen erwiesen. |
4 2 Vgl. oben, S. 569, Anm. 7. 4 3 Gemeint ist hier der Kongreß des Vereinigten Adels (wie oben, S. 574, Anm. 32). Pestrzeckij propagierte neben dem Konzept des „chutorskoe chozjajstvo" auch die Übersiedlung nach Sibirien. Russkija Vedomosti, Nr. 136 vom 25. Mai 1906, S. 4. 4 4 Dies bezieht sich auf die seit der Bauernbefreiung von 1861 aufgelaufenen rückständigen Zahlungen der Bauern an den Staat. Die Gutsbesitzer erhielten für das Land, das sie den Bauern abtraten, eine Entschädigung vom Staat, die die Bauern über einen festgesetzten Zeitraum verzinst zurückzuzahlen hatten. Über die Höhe dieser Rückstände und über die von den Bauern geleisteten Zahlungen vgl. Kovan'ko, P. L., Reforma 19 fevralja 1861 goda I eja posledstvlja s finansovoj tockl zrenlja (vykupnaja operacija 1861 g. 1907g.). - Klev: N. T. Korcok-Novicklj 1914, S. 414ff.
Bedingungen
des
Wahlausfalles
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welchen Bedingungen die | Regierung von diesem Datum an den A 335 (171) Austritt aus der Obschtschina gestatten werde 266 ). Am 25. Januar 266
) Die Frage der Bedingungen des Austrittes ist um deswillen so kompliziert, weil, A 335 (171) infolge der periodischen Umteilungen, das Ausmaß der von dem Bauern 0 und seinen privatrechtlichen „Rechtsvorgängern" (seinen Erblassern resp. seiner und deren Hausgemeinschaften) geleisteten Loskaufsgelder mit dem Ausmaß seines Nadjels im Augenblick des Wegfalles der Verpflichtung in gar keiner Korrelation steht und überhaupt kein Prinzip der individuellen erworbenen Rechte eruierbar ist, aus welchem ein Teilungsschlüssel für die Abfindung des Austretenden ableitbar wäre, weil eben die Zuteilung des Nadjel an den einzelnen ein Akt der - im Prinzip - darin durchaus souveränen Gemeinschaft ist, die zwar nach einer „Regel", aber nicht einmal nach einer notwendig konstant bleibenden Regel erfolgt. Eine Konstruktion der Rechte des einzelnen in der Obschtschina nach dem Prinzip der „erworbenen Rechte" ist, mag man die Gierkesche Genossenschaftstheorie 45 zu Hilfe nehmen (Pobjedonosszew) 46 oder individualrechtliche Formeln suchen (Isgojew), 4 7 stets lückenhaft. A. A.Tschuprow (Artikel „Obschtschinnoje semljewladjenije" in dem Sammelwerk „Nushdy djerewni" - einer Bearbeitung der Materialien der bekannten Komitees „o nushdach ss[jelsko]-ch[asjaistwennoj] promyschl[jennosti]" 48 - von N. N. Ljwowund A. A. Stachowitsch Bd. II, S. 116f.) 49 hat mit gewohntem Scharfsinn die Konstruktion der Obschtschina als einer spezifisch geregelten Natural Versicherung gegen Kinderreichtum durchzuführen gesucht (obwohl übrigens doch die Verteilung nach „jedoki" - Essern - erst neuerdings das unbedingt herrschende System zu werden im Begriff steht) und sucht daraus auch Schlüsse auf die Art, wie der Austritt zu regeln wäre, zu ziehen. Ich hoffe bei anderer Gelegenheit auszuführen, 5 0 inwiefern mir seine Vorschläge praktisch nicht akzeptabel scheinen wollen und warum die, übrigens heuristisch, für die Aufhellung vieler Einzelbestandteile der Obschtschina höchst wertvolle, Hineintragung des Versicherungsgedankens als alleinigen Konstruktionsmittels nicht das Leben der C A: Bauer 45 Die Genossenschaftstheorie, als deren Repräsentanten vor allem G e o r g von Beseler und Otto v o n Gierke zu n e n n e n sind, ist die Lehre von den Verbänden. Gierke entwickelte aufgrund historischer und systematischer Studien eine organische Theorie, w o n a c h m e n s c h l i c h e V e r b ä n d e als wirkliche und reelle Personen gleich der Einzelperson aufzufassen seien. Die G e n o s s e n s c h a f t ist Gierke zufolge eine organische Einheit mit e i n e m eigenen originären Z w e c k . Sie organisiert sich durch das System des „sozialen G e s e t z e s " . Das Z u s t a n d e k o m m e n der G e n o s s e n s c h a f t war d e m n a c h nicht nur ein Vertragsakt, s o n d e r n beruhte auf e i n e m schöpferischen Gesamtakt. 46 O b w o h l die Theorien P o b e d o n o s c e v s über die Rechte des einzelnen in der Obscina einige Anklänge an Gierkes Genossenschaftstheorie aufweisen, läßt sich ein direkter Einfluß nicht belegen. Vgl. Pobedonoscev, Kurs grazdanskago prava I, S. 541 ff. 47 Izgoev, O b s c i n n o e pravo, S. 137f. Izgoev berief sich bei seiner Individualrechtlichen B e g r ü n d u n g der Rechte des einzelnen auf P o b e d o n o s c e v und wies zugleich die kollektivrechtlichen Theorien des Narodnicestvo zurück. 48 G e m e i n t ist „ O s o b o e sovescanie o nuzdach sel'skochozjajstvennoj p r o m y s l e n n o s t i " (Besondere Konferenz über die Bedürfnisse der Landwirtschaft). Diese bestand von 1902 bis 1905 und tagte unter Vorsitz Sergej Vittes. Ihre A u f g a b e war die U n t e r s u c h u n g der Lage der Landwirtschaft und die Ausarbeitung von Reformvorschlägen. 49 Cuprov, O b s c i n n o e zemlevladenie, in: Nuzdy derevni II, S. 1 7 3 - 1 9 8 . 50 Die angekündigte U n t e r s u c h u n g ist nicht erschienen.
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Übergang
zum
Scheinkonstitutionalismus
(7. Februar) trat eine „besondere Kommission" zur Beratung hierüber zusammen und gemäß ihren Beschlüssen brachte das Ministerium des Innern die Frage am 19. März (1. April) vor den Reichsrat 267 ). 51 Graf Witte gab - wie übrigens schon in früheren Jahren der Überzeugung Ausdruck, daß vor Beseitigung der Sonderstellung 5 der Bauern keine Ruhe eintreten werde, A. P. Nikolskij, der Nachfolger Kutlers, fügte hinzu, je schneller die Obschtschina zerfalle, desto schneller würden auch alle Projekte irgendeiner Zwangsenteignung von Land verschwinden, und ein Mitglied des Reichsrats zog die Konsequenz, indem es empfahl, den Bauern generell das Recht 10 zu geben, beim Austritt die Zuteilung des Landes in einem Stück zu | A 336 (172) verlangen: damit werde die Obschtschina für immer vernichtet 268 ). Indes der Reichsrat lehnte entschieden ab, ohne Zustimmung der Bauern selbst so weit zu gehen, und gab dem Projekt des Ministers des Innern seine Zustimmung, wonach die Landabteilung nur perio- 15 disch, einmal alle vier Jahre, und nur von je mindestens fünf Bauern gleichzeitig solle verlangt werden können. Die Größe des Landanteils sollte sich nach dem faktischen Besitzstand richten; nur wo seit 25 Jahren keine Umteilung stattgefunden hat, sollte ein Gemeindebeschluß ihn feststellen. 52 Obschtschina erschöpfen kann. Der Hauptgrund ist: in ihr waltet bäuerliches „Naturrecht", welches durch keine Formel aus dem Gebiet der „erworbenen" Rechte oder der privatwirtschaftlich-ökonomischen Pragmatik erfaßbar ist. - F. Ssamarin wandte sich (Referat im ,,Now[oje] Wr[emja]" 10 779,3) entschieden gegen die Auffassung, daß der Nadjel durch Beseitigung der Loskaufsgelder überhaupt „Privateigentum" werden könne, weil er ja „nicht durch Privatvertrag erworben sei". 5 3 Das trifft in der Tat die Sache. - Wie sich die Regierung jetzt zu der Frage gestellt hat, darüber vergl. Anm. 272 a. 267 ) Protokollauszug ,,Now[oje] Wr[emja]" 10781, S . l . 5 4 | 268 A 3 3 6 (172) ) Überhaupt würde natürlich die Gestattung des jederzeitigen Austrittes mit dem jeweiligen faktischen Besitzstand die Folge haben, daß die jeweilig im Verhältnis zur Norm zu stark mit Land versehenen Höfe austreten, die anderen schließlich das Nachsehen haben würden.
51 Unter Vorsitz des stellvertretenden Innenministers und Direktors der Agrarabteilung d e s I n n e n m i n i s t e r i u m s , V. I. G u r k o , t a g t e d i e s e K o m m i s s i o n v o n E n d e J a n u a r bis E n d e F e b r u a r 1 9 0 6 . Ihre B e r a t u n g e n f ü h r t e n z u k e i n e r l e i k o n k r e t e m E r g e b n i s . H e n n e s s y , A g r a r i a n Q u e s t i o n , S. 7 0 f f . ( w i e o b e n , S. 5 7 3 , A n m . 2 9 ) . 5 2 Vgl. u n t e n , A n m . 54. 5 3 S i e h e : S a m a r i n , Fedor, Z a k o n o d a t e l ' n a j a g o r j a c k a , in: N o v o e V r e m j a , Nr. 1 0 7 7 9 v o m 18. März 1 9 0 6 , S. 3. 5 4 S i e h e : Z a s e d a n i e G o s u d a r s t v e n n a g o S o v e t a , In: N o v o e V r e m j a , Nr. 1 0 7 8 1 v o m 20. März 1906, S . 1 .
Bedingungen
des
Wahlausfalles
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Neben diesem letzteren Gedanken, der gewissermaßen eine Abschiedsreverenz vor dem alten „Recht auf Land" enthielt, war an dem ganzen Vorgang politisch charakteristisch die Hast, mit welcher man unmittelbar vor Toresschluß vor der Duma die Propaganda des bäuerlichen Privatbesitzes in den Hafen zu bringen trachtete; den Vorwand mußte die Behauptung abgeben, daß es sich ja lediglich um die „Interpretation" der Folgen eines Aktes der Autokratie: des Novembermanifestes, handle. Nicht nur die Presse der Linken protestierte, sondern auch Wetterfahnen, wie „Nowoje Wremja" 269 ), mißbilligten, wenigstens für den Augenblick, den bureaukratischen Angriff auf die „nationale" Institution, und so unterblieb die Sanktion, und das Projekt wurde zu den der Duma zu unterbreitenden Entwürfen gelegt270). Es ist klar, daß ganz ähnliche Erwägungen, wie sie für die Regierung maßgebend waren, auch, je schärfer die sozialen Gegensätze sich zuspitzen, desto mehr die privaten Grundbesitzerklassen auf die Seite der Gegner der Obschtschina treiben müssen. Die Stimmen ihrer Vertreter in den bekannten Witteschen Komitees „über die Bedürfnisse der Landwirtschaft" waren gespalten, zum Teil aus einander widersprechenden Erwägungen des eigenen Klasseninteresses heraus (Arbeitskräfte für die Güter), zum Teil aus entgegengesetzten sozial- und allgemeinpolitischen Gesichtspunkten. 55 Es dürfte inzwischen wohl nicht eine plötzliche Einmütigkeit, sondern nur eine allmähliche Verschiebung des Schwergewichts der Meinungen nach der Seite der Gegner der Obschtschina stattgefunden haben. Das Gouvernements-Semstwo von Kasan z.B. faßte in diesem Frühjahr eine scharfe Resolution gegen die Obschtschina, jedoch nicht ohne ebenso entschiedenen Protest einer Minderheit dagegen. 56 Was die Bauern anlangt, so pflegt ihre Stellung zur Obschtschina ebenfalls keine einhellige zu sein; von denjenigen, die jeweils durch eine Neuumteilung erheblich zu verlieren hätten - also 269 270
) Nr. 10779.57 ) Ü b e r ihr weiteres Schicksal s[iehe] u n t e n A n m . 272a. |
5 5 G e m e i n t ist die „ B e s o n d e r e K o n f e r e n z über die B e d ü r f n i s s e der Landwirtschaft" aus d e n J a h r e n 1 9 0 2 - 1 9 0 5 . Die u n t e r s c h i e d l i c h e n M e i n u n g e n , die dort vertreten wurden, w e r d e n in d e m Artikel v o n C u p r o v , O b s c i n n o e z e m l e v l a d e n i e , S. 116ff. diskutiert. 5 6 Der Sachverhalt ließ sich nicht ermitteln. 5 7 W e b e r zitiert Samarin, Fedor, Z a k o n o d a t e l ' n a j a g o r j a c k a , in: N o v o e V r e m j a , Nr. 1 0 7 7 9 v o m 18. März 1906, S . 3 .
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Übergang zum
Scheinkonstitutionalismus
A 337 (173) im allgemeinen von den Leuten mit viel | Land, aber kleiner, kinderarmer Familie - pflegt stets ein Teil, wenn ausdrücklich befragt, sich gegen die Obschtschina auszusprechen. Ferner ist natürlich stets eine kleine Schicht von Bauern vorhanden, welche so weit ökonomisch entwickelt ist, um die Obschtschina als Fessel zu empfinden. Allein die ziffernmäßig überwältigende Mehrheit der Bauern in den Gegenden, wo sie besteht, ist ihrem Grundprinzip: dem Recht auf Land nach Maßgabe des Bedarfs und also ihrer fundamentalen Institution, der Neuaufteilung des Bodens im Fall der Verschiebung der „richtigen" Relation zwischen Familiengröße und Landanteil, unbedingt zugetan. Die früher oft gehörte Meinung, daß nach Beseitigung der Solidarhaftung der Gemeinde für die Steuern, die ja mit der Feldgemeinschaft eng verknüpft war, ein allgemeines Auseinanderstreben der Bauern eintreten würde, hat sich - nachdem jene Beseitigung 1904 eingetreten ist 58 - bisher nicht bewahrheitet, und der Wegfall der Loskaufsgelder hat das Anrecht auf Neuumteilung des Landbesitzes für die besitzlosen oder besitzarmen Massen natürlich nur verlockender gestaltet. Wo immer die Bauern in letzter Zeit öffentlich zu Worte kamen, haben sie sich für die Erhaltung der Obschtschina ausgesprochen. Und endlich ist bekannt, daß gerade unter den tüchtigsten, auch den in deutscher Schule gebildeten „bürgerlichen" Gelehrten Rußlands der Gedanke an eine Gesetzgebung, welche die Obschtschina direkt zerstörte oder ihren Zerfall indirekt begünstigte, auch heute meist sehr entschieden abgelehnt zu werden pflegt 271 ). Man wird bei uns - wo übrigens auch das technische Wesen der Obschtschina, die zwar, am Agrarkapitalismus gemessen, ein „archaistisches", aber ganz und gar nicht ein „primitives" oder rohkommunistisches Institut bildet, oft nicht genügend bekannt ist-sich bemühen müssen, diese Tatsache zunächst in ihren Motiven zu verstehen, ehe man sie beurteilt, und dann weiter sich verdeutlichen A 337 (173)
271
) Ich verweise hier nur beispielsweise auf die Erörterungen in Issajews „Grundlagen der politischen Ökonomie" 5 9 und auf die Ansichten A . A . Tschuprows, 60 ganz besonders klar in dem Sammelwerk „Nushdy Djerewni" entwickelt. Auch die bedeutendsten der agronomischen Praktiker stehen so.
58 Die Solidarhaftung der G e m e i n d e n w u r d e durch das Gesetz v o m 12. März 1903 aufgehoben. W e b e r datiert dieses Gesetz fast regelmäßig auf das Jahr 1904. 59 Isaev, Nacala politiceskoj Ekonomii, S. 1 6 4 - 1 7 8 . 60 Cuprov, O b s c i n n o e zemievladenie, S. 116ff.
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des
Wahlausfalles
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müssen, daß eben auch hier „Wert gegen Wert steht"272).61 Eine 272 ) Dies kann hier unmöglich eingehend entwickelt werden. Es ist T s c h u p r o w , 6 2 der am nachdrücklichsten darauf hingewiesen hat, daß das eigentliche Wesentliche an der Obschtschina: die periodische Neuzuteilung von L a n d g e m ä ß der veränderten Zusammensetzung der berechtigten Familien, weder mit Gemengelage und Flurzwang, noch mit der zur Beseitigung der Schäden dieser v o r g e n o m m e n e n Neuumteilung (Feldbereinigung), noch mit einem Verlust der Meliorationen im notwendigen Z u s a m m e n h a n g steht und auch nicht - wie man bei uns es sich vorstellt - eine spezifische stete Unsicherheit des Wirts, ob ihm die Früchte seiner Arbeit zugute k o m m e n , mit sich f ü h r e n muß, durchaus zuzugeben, daß die Obschtschina mit j e d e m G r a d e der Intensität der Kultur an sich vereinbar ist. Die auf den A r b e i t e n | der Semstwos r u h e n d e n Untersuchungen auch A 3 3 8 (174) anderer h a b e n , wie die seinigen, die erhebliche Anpassungsfähigkeit der Feldgemeinschaft, ihre Brauchbarkeit gerade zur Beseitigung der Schäden der Bodenzersplitterung und Gemengelage und zur planmäßigen D u r c h f ü h r u n g technischer Fortschritte in den G e m e i n d e n betont. ( D a s bekannteste Beispiel ist die vielfache D u r c h f ü h r u n g des Kleeanbaues. Die Obschtschina reißt in solchen Fällen die Widerwilligen in ihrer Mitte mit auf die Bahn des Fortschritts.) Andererseits schätzt Tschuprow selbst ihre sozia/politischen Leistungen ( H e m m u n g der Proletarisierung, Absorption der „ R e s e r v e a r m e e " , Rückhalt in Streikfällen usw.) weit vorsichtiger ein, als es früher geschah und läßt auch die Frage der Z u k u n f t der Obschtschina offen. Die Frage bleibtj,] 1. ob die Form der Obschtschina dem „ökonomischen Fortschritt" im üblichen Sinne des Wortes ähnlich „adäquat" sein k a n n , wie die Privateigentumsordnung, ob nicht umgekehrt ihr eine Art der L e b e n s f ü h r u n g „ a d ä q u a t " ist, welche sich im entgegengesetzten Sinne orientiert (eine Frage, die Tschuprow, als keiner exakten Beantwortung fähig, beiseite läßt): die Leistungen der O b schtschina sind doch bisher weit überwiegend teils auf sehr einfache Fruchtwechselverbesserungen, teils auf in der N ä h e großer Städte belegene Ländereien beschränkt und ü b e r die f r ü h e r ( A n m . 187) erwähnten Z a h l e n , welche ökonomisch immerhin „zugunsten" des Hoferbsystems sprachen, ist nicht ganz leicht hinwegzukommen. Es fragt sich ferner: 2. ob die Umgestaltung der Obschtschina in eine rein privatrechtliche Genossenschaft „fortschrittlichen" Charakters generell anders möglich sein wird, als unter Voraussetzung der Differenzierung innerhalb ihrer und so, d a ß die ökonomisch „Starken" und nicht, wie es die „ I d e e " der Obschtschina postuliert, alle, die in die Gemeinschaft hinein geboren w e r d e n , Träger der Genossenschaft sind, und ob also nicht jene Schranken der Auflösung der Obschtschina, welche immerhin auch Tschuprow für wünschenswert hält, den ökonomischen Prozeß, der doch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eintreten wird, zwecklos zu h e m m e n suchen.
F ü r die Gegenwart allerdings verdient Beachtung, daß, nach den Zahlen der B o d e n u m satzstatistik, daß M a ß der Beteiligung der Obschtschina am käuflichen L a n d e r w e r b z . B . im Wolgagebiet ( K a s a n j , Pensa, Ssaratow, Ssimbirsk) am stärksten (1898: 29,6% des U m s a t z e s ) 6 3 und ü b e r h a u p t gerade in den landwirtschaftlichen Rayons fast durchweg nicht u n b e d e u t e n d ist. Auf der andern Seite ist b e k a n n t , daß in den altbesiedelten Schwarzerderayons die Neuumteilungen des Landes seltener geworden sind und, wenn ü b e r h a u p t , dann in weit längeren Zwischenräumen erfolgen als im Industrierayon. In
61 Als Zitat nicht nachgewiesen. 62 Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf den Artikel Cuprovs, Obscinnoe zemlevladenie, S. 116ff. 63 Diese Angaben, unter Zugrundelegung der Zahlen für die zum Verkauf gekommene Bodenfläche, in: Materialy po statistike 12, S. 16f. und S.22f.
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Übergang
zum
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A 338 (174) nähere Auseinandersetzung des Standpunktes der russischen WisA 339 (175) senschaft möge für eine andere Gelegenheit verspart werden; | es genüge hier, zu bemerken, daß die Obschtschina unter der Einwirkung des Kapitalismus wahrscheinlich derartige Wandlungen durchzumachen haben wird, daß bei den Mc/irinteressenten vielleicht 5 sowohl der heute in Rußland häufige (übrigens keineswegs alleinherrschende), der Obschtschina günstige^] als der in Deutschland herrschende, ihr ungünstige „Wert"-Gesichtspunkt ihr gegenüber sich verschieben wird. Hier kam es vorerst nur darauf an, die charakteristische Wandlung der Stellungnahme der Regierung festzustel- 10 diesem letzteren ist eben das N a d j e l l a n d an sich weniger wertvoll und überhaupt die Landwirtschaft nicht einzige, sehr oft nicht einmal Hauptquelle des Unterhalts seines Besitzers. E s spielt dort etwa nur die R o l l e , w i e , wenigstens zuweilen, unsere A l l m e n d ä k k e r in B a d e n 6 4 auch. E s ist natürlich ein erheblicher U n t e r s c h i e d , ob die feldgemeinschaftliche N u t z u n g die Grundlage der ganzen ö k o n o m i s c h e n Existenz des B a u e r n ist d oder eine N e b e n e i n n a h m e o d e r A l t e r s v e r s o r g u n g garantiert®. U n d auch w o bei uns - was vereinzelt v o r k o m m t - die A l l m e n d die H ä l f t e und mehr der Flur ausmacht, prägt die v o m Privatbesitz durchtränkte A t m o s p h ä r e der ganzen U m g e b u n g die Eigenart des B a u e r n . - Weide ahmenden o d e r A l l m e n d w i e s e n w i r k e n schon deshalb ganz anders als Feldgemeinschaft am A c k e r l a n d , weil hier nicht das L a n d , sondern das Vieh in erster Linie das O b j e k t der A r b e i t s v e r w e r t u n g des B a u e r n ist. | 2 7 2 a ) D a s im Juni fertiggestellte Projekt65 A 33 9 (175) will im A n s c h l u ß an die R e f o r m der örtlichen Selbstverwaltung die Obschtschina als eine d e m Wesen nach private Genossenschaft unter gänzlicher Beseitigung ihres C h a r a k t e r s als einer öffentlich-rechtlichen Verwaltungseinheit fortbestehen lassen. E s soll also die Tätigkeit der Sschods jetzt rein auf die Wirtschaftsführung begrenzt, ihre Beschlüsse v o n der administrativen Bestätigung und der gewählte Starost v o n jeder U n t e r o r d n u n g unter die V e r w a l t u n g s b e h ö r d e befreit und nur als G e s c h ä f t s f ü h r e r der G e m e i n s c h a f t behandelt werden. D i e A n f e c h t u n g der Beschlüsse des Sschods aus Rechtsgründen soll zur Zuständigkeit der bald zu e r w ä h n e n d e n 6 6 A g r a r kommissionen g e h ö r e n . M a n sieht, die V e r w a n d l u n g des administrativen Z w a n g s v e r b a n des in eine freie G e n o s s e n s c h a f t ist im G a n g e . D i e ständische S o n d e r u n g der B a u e r n s c h a f t
d A : sind
e A : garantieren
6 4 In Baden w u r d e n die A l l m e n d ä c k e r hauptsächlich v o n Kleinbauern, Tagelöhnern und H a n d w e r k e r n benutzt, d . h . also als N e b e n e r w e r b s q u e l l e . Im Gegensatz zu Preußen zu Beginn d e s 19. J a h r h u n d e r t s w u r d e n die A l l m e n d e n in Baden nicht aufgeteilt, s o n d e r n blieben Im Besitz der G e m e i n d e . Vgl. H a n d w ö r t e r b u c h der Staatswissenschaften, 1. Aufl., Band 1. - Jena: G. Fischer 1890, S. 189. 6 5 G e m e i n t ist: Proekt polozenlja o z e m e l ' n y c h obscestvach, vladejuscich nadel'nymi zemeljami, In: V e c e r n e e prlbavlenle k Pravitel'stvennomu Vestniku, Nr. 3 0 v o m 21. Juni 1906, S. 2, und Nr. 31 v o m 22. Juni 1906, S. 2 f . Dieser v o m Innenministerium ausgearbeitete G e s e t z e n t w u r f w u r d e am 6. Juni In der D u m a eingebracht. Er bestand aus 7 Kapiteln mit insgesamt 150 Artikeln. Die f o l g e n d e n A n g a b e n W e b e r s b e z i e h e n sich auf diesen G e s e t z e n t w u r f . Alle H e r v o r h e b u n g e n von W e b e r . 6 6 Siehe unten, S . 5 9 3 f .
Bedingungen
des
Wahlausfalles
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len 272a ). Fast im selben Atemzuge | übrigens, in welchem sie den
A 340(176)
ganz zu beseitigen, hat man dagegen nicht gewagt; die Starrheit der Agrarverfassung bleibt bestehen, wie die nachfolgende Skizze des Inhalts des Entwurfs ergibt: In seinen materiellen Bestimmungen bezieht sich das vom Ministerium des Innern der D u m a vorgelegte „Projekt einer Verordnung über die L a n d g e m e i n d e n , welche Nadjelland besitzen, 6 7 (§ 1) auf solche G e m e i n d e n , welche auf G r u n d der B a u e r n b e f r e i u n g und der an sie anschließenden Gesetzgebung mit Land ausgestattet sind. Sie haben Rechtspersönlichkeit (§ 18) und sollen registriert werden (§ 19). D e r Eintritt in eine solche Landgemeinde erfolgt (§ 9) nur entweder durch Beschluß der G e m e i n d e oder, o h n e solchen, durch E r w e r b von Land von einem Dorfgenossen, in Fällen, wo dies rechtlich möglich ist (es ist aber ein E r w e r b nur möglich für Personen bäuerlichen Standes - § 10 - und nur von solchem Land, welches persönliches Eigentum des Dorfgenossen, also nicht feldgemeinschaftlich ist). Austritt (unter Verlust des Rechtes auf Land) ist jederzeit, auch trotz Steuerrückständen (§ 15) zulässig. D e r Eintritt in einen anderen Stand (z.B. infolge von Graduierung) hat ihn an sich nicht zur Folge (§ 17), dagegen ist bei den feldgemeinschaftlichen D o r f g e m e i n d e n (s[iehe] gleich) 6 8 zehnjährige Abwesenheit, unter Nichtbewirtschaftung des Landes und Nichtteilnahme an den Steuern, ein G r u n d des Ausschlusses aus der G e m e i n d e (§ 16). Die G e m e i n d e n k ö n n e n , nach ihrer Eigentumsordnung, 1. G e m e i n d e n mit erblichen H u f e n (Utschastkowoje Obschtschestwo) oder 2. G e m e i n d e n mit Feldgemeinschaft (Obschtschinnoje Ofbschtschestwo]) oder 3. gemischte sein (§ 4). G e m e i n d e n , welche seit 24 Jahren keine Neuumteilung (Pjeredjel) v o r g e n o m m e n h a b e n , gelten als zur Kategorie 1 gehörig. D a s Nadjelland befindet sich entweder 1. im Eigentum der einzelnen Dorfgenossen; - dies ist der Fall: a) für „vereinödete" H u f e n (Einzelhöfe, Chutorskije Utschastky § 58), b) für Garten- und H o f l a n d , c) für zu erblichem Recht erworbene Waldanteile des einzelnen, endlich und vor allem d) für 'erblich ( n a c h ' d e r bisherigen Terminologie: in p o d w o r n o j e , nach der jetzigen: in utschastkowoje semljewlad|jenije) A 340 (176) besessene H u f e n der einzelnen Wirte. O d e r 2. sie stehen im Eigentum der G e m e i n d e ; dies ist der Fall: a) bei L a n d , welches die G e m e i n d e selbst gemeinsam nutzt oder auf gemeinsam e Rechnung verpachtet, b) bei d e m feldgemeinschaftlichen, d . h . demjenigen L a n d e , welches auf G r u n d der von der einzelnen G e m e i n d e a n g e n o m m e n e n Regeln den einzelnen Wirten zur Nutzung „bis zur Neuumteilung" zugewiesen ist. Dieser gesamte jetzige Bestand bäuerlichen Landes nun, gleichviel welchem Rechte er unterliegt, bleibt besonderen, von den allgemeinen Regeln des bürgerlichen Rechts abweichenden Bestimmungen unterworfen. Die Motive führen aus, daß nach den „ E r f a h rungen der westlichen L ä n d e r " bei freiem Verkehr des Bodens „der kleine Grundbesitz keinen Bestand h a b e " ( ? ) (das gerade Gegenteil steht fest), daß dabei vielmehr das B a u e r n t u m Landwirten eines „anderen Typus", den die Motive „ F a r m e r t y p " n e n n e n , weichen müsse. 6 9 U m dies zu verhindern, wird vorgeschlagen, folgendes zu bestimmen: f A: erblich, nach
67 Wie S. 582, Anm. 65. 68 Siehe unten, S. 586. 6 9 Dies bezieht sich auf: Proekt poiozenija o zemel'nych obscestvach vladejuscich nadel'nymi zemeljami, i ob aktach na nadel'nyja zemli, in: Russkija Vedomosti, Nr. 161 vom 23. Juni 1906, S. 5. Das Zitat ebd. Die vom Ministerium herausgegebene Erläuterung, von Weber als „Motive" bezeichnet, zu diesem Gesetzentwurf fehlte im Abdruck der Vecernee pribavlenie (siehe oben, S.582, Anm. 65). Sie wurden in der angegebenen Nummer der Russkija Vedomosti publiziert.
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Zerfall der Herrschaft der Dorfgemeinschaft über den einzelnen für das Nadjelland soll nach wie vor gelten 7 0 1. das Verbot der Verpfändung (§ 86) an Private, einschließlich privater B a n k e n , 2. das Verbot jeder Veräußerung (freiwillig oder durch Subhastation) an Nichtbauern (§ 72), nur die G e m e i n d e kann mit 2A Mehrheit und Zustimmung der Agrarkommission Nadjelland abveräußern (§ 78); sonst ist nur im Erbgang, durch Enteignung, durch Tausch zwecks Feldbereinigung und, mit Zustimmung der Agrarkommission, durch Veräußerung für Eisenbahn- und Industriezwecke ein Erwerb bäuerlichen Landes durch Nichtbauern rechtlich möglich, 3. soll neu eingeführt werden ein Verbot des Besitzes von mehr Nadjelland seitens einer und derselben Person innerhalb einer und derselben G e m e i n d e , als durch das Gouvernementssemstwo für die betreffende Ö r t l i c h k e i t / ü r zulässig erklärt worden ist (§ 75,76). Aller dies Bodenbesitzmaximum übersteigende 9 Nadjelbesitz eines Bauern ist von ihm, gleichviel wie er ihn erworben hat, innerhalb von drei J a h r e n zu veräußern (§ 77). Diesen Schranken würde nach den Bestimmungen des A n m . 2 2 7 a exzerpierten Projektes für die Vermehrung des bäuerlichen Landbesitzes auch alles von jetzt an durch Vermittlung des Staats oder der L a n d b a n k von den Bauern gekaufte Land unterliegen. Das Besitzmaximum findet eine (freilich nur schwache) A n k n ü p f u n g in den A n m . 255 erwähnten Bestimmungen über den L a n d e r w e r b durch die B a u e r n b a n k . - Die Motive bezeichnen zur Begründung dieser Vorschläge den jetzigen Bestand des Nadjelbesitzes als den „ L a n d f o n d s " zur Versorgung der Masse der B a u e r n , der d a h e r diesem Zweck nicht im Interesse einzelner entzogen werden dürfe. 7 1 Wie man sieht, handelt es sich um ein E n t g e g e n k o m m e n gegenüber den G e d a n k e n des Narodnitschestwo, nur im R a h m e n der Privateigentumsordnung. Für das „historische" Nadjelland soll mithin, im Gegensatz zum sonstigen Grundbesitz, „Parzellierungszwang" behufs künstlicher Erhaltung des kleinbäuerlichen Charakters der Agrarverfassung in bezug auf die Besitzverteilung bestehen. Die vom Narodnitschestwo fernerhin erstrebte Sicherung der Betriebe der Bauern gegen Ausbeutung ist dagegen nicht versucht: die Verpachtung von Nadjelland bleibt zulässig, das Hauptmittel ökonomischer Differenzierung innerhalb der G e m e i n d e n bleibt also bestehen. Anderseits ist, wenn solche Vorschriften wie das Besitzmaximum eingeführt w e r d e n , kein G r u n d für das Verbot der VeräußeA 341 (177) rung an Nichtbauern einzusehen: das „Kulatschestwo" h geht d e m Schwerpunkte nach | ja gerade aus der Bauernschaft selbst hervor, und für die Zwecke des Gesetzgebers würde die zünftige Abschließung des Bauernstandes, wie sie seinerzeit Schäffles' „Incorporation des H y p o t h e k a r k r e d i t s " vorschlug, 7 2 in Verbindung mit jenem Besitzmaximum, durchaus genügen. - 4. Die Erbfolge im Nadjelland soll sich nach örtlichem Gewohnheitsrecht richten. D a s Prinzip des Familieneigentums soll aber, weil es der freien Bewegung und Autorität (NB!) des Familienhauptes sowohl als „der Entwicklung richtiger Vorstellungen von der Heiligkeit des Eigentums abträglich" sei, auch die Kreditwürdigkeit des Wirts beschränke, beseitigt w e r d e n . 7 3 Dahin zielt sowohl die absichtsvolle Konstruktion des g A: übertreibende
h A: „Kulatschwestwo"
i A: Schiffles
70 Die nachfolgenden Angaben Webers beziehen sich auf den ministeriellen Gesetzentwurf vom 6. Juni 1906 (siehe oben, S. 582, Anm. 65). 71 Wie oben, S. 583, Anm. 69. 72 Schäffle, Inkorporation des Hypothekarkredits, S.6f., 12f. und 152f., sowie Anhang: Skizze eines Programmes der Agrarpolitik, S. 156-159. 73 Dies bezieht sich auf die ministerielle Erklärung (wie oben, S. 583, Anm. 69). Das Zitat lautet: „ Schließlich verhindert das Fehlen des persönlichen Besitzes von Landanteilen bei der Landbevölkerung die Festigung richtiger Vorstellungen von Privatbesitz als solchem." Hervorhebung Webers.
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Wahlausfalles
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Bauern auf ihr Programm setzte, desavouierte | sie sich - wie schon A 341 (177) Bodenbesitzes als: entweder „Eigentum" der juristischen Person des Dorfs oder der physischen des Einzelwirts, wie die Bestimmung, daß eine Abschichtung aus dem gemeinsamen Haushalt der Deszendent bei Lebzeiten des Aszendenten nie (§ 93), Seitenverwandte dagegen, die in gemeinschaftlicher Wirtschaft leben, jederzeit (§ 94) verlangen können. 7 4 - Zu erblichem Eigentum besessenes vereinödetes und verkoppeltes (§ 97,100) Land, ferner Gärten und Hofländereien unterliegen keinerlei Einmischung der Gemeinde in die Wirtschaft; für anderes Land muß, bei Gemengelage, wenn die Gemeinde vom Flurzwang nicht dispensiert, dieser innegehalten werden (§ 101). - Für die Obschtschina speziell werden folgende Bestimmungen vorgeschlagen: Neuumteilung feldgemeinschaftlichen Landes findet durch einen mit zwei Drittel Mehrheit zu fassenden Gemeindebeschluß statt. Den dabei in der Gemeinde bisher üblichen Teilungsschlüssel kann diese zwar ändern, jedoch muß er 1. für alle Wirte der gleiche sein (§ 108) und 2. darf durch die Änderung kein bisher mit Land ausgestatteter Wirt auf weniger als mindestens ein Landloos herabgedrückt werden (§ 190). Recht auf Landzuteilung haben alle Gemeindemitglieder, welche in der Gemeinde eine Hofstätte besitzen (§111). Seitenverwandte eines Wirts dürfen nicht aus der Anteilnahme am Besitz gestoßen werden, wenn bei der letzten Landzuweisung an den Wirt sie bezw. ihre Vorfahren in Rechnung gestellt waren (§ 70), darin äußert sich der Rückstand, welcher von dem zum Untergang verurteilten Familieneigentum bleibt. Dagegen sind Gemeindeglieder, die nicht auf Grund der Bodenregulierungsakte, durch Rechtsnachfolge oder durch Gemeindebeschluß in die Feldgemeinschaftsrechte aufgenommen sind, nicht anteilberechtigt, ebensowenig natürlich die wegen zehnjähriger Abwesenheit aus der Gemeinde ausgeschlossenen (s. o.). 7 5 Die Gültigkeitsdauer der Umteilung, welche im Umteilungsbeschluß zu bestimmen ist, muß mindestens eine Fruchtwechselperiode betragen, vor ihrem Ablauf kann eine Neuumteilung nur bei Übergang zu einem vollkommeneren Fruchtwechselsystem (§ 114, 3) oder zu einem anderen Besitzrecht stattfinden. Der Nadjel verfällt der Gemeinde im Falle des Todes des Wirts in Ermangelung von Erbberechtigten oder bei Verzicht desselben (§ 122). Jeder Wirt kann aus der Obschtschina austreten und zum erblichen Besitz seiner Hufe übergehen (§ 125), nur muß er, wenn sein derzeitiger Landanteil mehr beträgt, als ihm bei einer Neuumteilung auf Grund des bisherigen Teilungsschlüssels zustünde, den Überschuß an Land vergüten oder herausgeben (§ 126). Die Gemeinde kann einen Austretenden zu einem von der Agrarkommission festzustellenden Preise auskaufen. Gegen den Willen einzelner kann die Gemeinde als solche (§ 138) mit zwei Drittel Mehrheit zum erblichen Hufenbesitz, und zwar mit | oder ohne neue Landumteilung (§ 139) übergehen. Der A 342 (178) Übergang vom erblichen Hufenbesitz zum feldgemeinschaftlichen Besitz dagegen ist nur bei Einstimmigkeit möglich. - Dies, in bezug auf den Fortbestand der Obschtschina wenigstens formal „neutrale" Projekt wird nun ergänzt durch die gleichzeitig ausgearbeiteten Vorschläge einer Verkoppelungs- und Separationsgesetzgebung, 76 welche, in Gemeinschaft mit der Absage an das Familieneigentum, den individualistischen Zug dieser dabei doch, unter dem Druck der populären Ideale, spezifisch antiagrarkapitalistischen Vorschläge verstärken. 74 Diese und alle f o l g e n d e n A n g a b e n aus d e m ministeriellen Gesetzentwurf (wie oben, S. 582, A n m . 65). 75 Siehe oben, S. 583. 76 G e m e i n t Ist: Proekt p o l o z e n l j a o b aktach na n a d e l ' n y j a z e m l i , In: V e c e r n e e Prlbavlenie k Pravitel'stvennomu Vestnlku, Nr. 31 v o m 22. Juni 1906, S . 3 . Dieser Gesetzentwurf w u r d e ebenfalls v o m Innenministerium ausgearbeitet und am 6. Juni 1906 In der D u m a eingebracht.
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früher kurz erwähnt 77 - selbst wieder, indem sie eben diese Macht-
Das inzwischen ebenfalls im ,,Praw[itjelstwjennyj] Wjestn[ik]" 7 8 veröffentlichte und der Duma zugegangene, vom Landwirtschaftsministerium ausgearbeitete „Projekt einer Verordnung über die Verbesserung und Vermehrung des Landbesitzes", dessen zweiter, die Landversorgung der Bauern betreffender Teil schon oben exzerpiert wurde (Anm. 227a), regelt eingehend die Rechte der an Feldgemeinschaften Beteiligten auf Verkoppelung. Kap. II (§ 8-10) stellt das Recht jeder an einer mehreren Dörfern gemeinsamen Feldgemeinschaft beteiligten „Ansiedelung" (ssjelenija)[,| durch einfachen Mehrheitsbeschluß ihrer Mitglieder die Zuteilung einer besonderen Dorfflur zu verlangen, fest. Kap. III bestimmt in § 12, daß je 10 „Wirte" eines Dorfes oder, wenn das Dorf weniger als 50 Wirte zählt, Ys derselben die Zuteilung des Anteils am Ackerland an einer Stelle am Rande der Dorfflur verlangen können, wenn sie bereit sind, dorthin zu übersiedeln, und Kap. IV in §§ 18 und 19, daß 1. im Fall einer Neuumteilung des Landes der Obschtschina jeder, der seinen Anteil zu persönlichem Eigentum bereits besitzt oder empfangen zu wollen erklärt, verlangen kann, daß ihm das auf ihn entfallende Land in einem Stück ausgewiesen werde, 2. außerhalb einer Neuumteilung aber Ys der Wirte oder mindestens 15 von ihnen, welche ihren Anteil zu persönlichem Eigentum besitzen, die gleiche Forderung stellen können. Die Dorfgemeinde kann durch Mehrheitsbeschluß derjenigen Wirte, welche beim feldgemeinschaftlichen Besitz bleiben wollen, für die persönlichen Eigentümer im Fall einer Neuumteilung auch gegen deren Willen ein Stück an einem Platz ausscheiden (§ 20). Kap. V bestimmt in § 23, daß die vollständige Separation und Verkoppelung (raswjerstanije) einer Dorfgemeinschaft, sei es, daß das Land Privateigentum der Wirte oder feldgemeinschaftlich ist, auf Verlangen von zwei Dritteln der „Wirte" zu erfolgen hat, und zwar auf Verlangen der Antragsteller in Verbindung mit „Vereinödung" (Auseinandersiedelung auch der Hofstätten, § 24). Der Umfang der bei der Verkoppelung dem einzelnen im Fall bestehender Feldgemeinschaft auszuweisenden Anteile bestimmt sich entweder nach besonderem Zweidrittelmehrheitsbeschluß oder, falls ein solcher nicht zustande kommt, nach dem bei der letzten Neuumteilung zu Grunde gelegten Teilungsschlüssel (§ 25). Die einmal erfolgte Totalverkoppelung ist endgültig, Partialverkoppelungen - die unter den gleichen Voraussetzungen zulässig sind - dürfen nicht vor 12 Jahren wiederholt werden. Kap. VI handelt von der Beseitigung der Gemengelage durch Parzellenaustausch, welche im Fall nachgewiesener Schädlichkeit derselben von jedem Beteiligten gefordert werden kann.Man erkennt die starke Neigung zur Bevorzugung des chutorskoje chasjaistwo (EinzelA 343 (179) hofsystem), welche ebenfalls nicht nur wirtschaftlichen Erwägungen, sondern | auch dem Wunsch der Regierung (und, wie wir sahen, 7 9 des Adels) entspringt, den individualistischen Eigentumssinn zu stärken: ein gewaltiger Umschwung gegen die Stimmung noch vor 13 Jahren! Eine nähere Würdigung der Bedeutung des Projekts muß bis zu seiner eventuellen Verabschiedung aufgeschoben bleiben. 8 0 Wie man sieht, soll die ständische Absonderung der Bauern in bezug auf ihren Landbesitz perpetuiert werden und hofft die Regierung
7 7 S i e h e oben, S . 3 9 4 f . 7 8 D i e s b e z i e h t s i c h auf d e n A b d r u c k d i e s e s Projektes in: V e c e r n e e pribavlenie k Pravit e i ' s t v e n n o m u Vestniku, Nr. 2 3 v o m 13. J u n i 1906, S . 1 f., und Nr. 24 v o m 14. Juni 1906, S. 1 f. (siehe oben, S . 5 4 4 , A n m . 54). Alle f o l g e n d e n A n g a b e n b e z i e h e n sich auf d i e s e n ministeriellen G e s e t z e n t w u r f . Die S p e r r u n g e n im Text von W e b e r . 7 9 S i e h e oben, S . 5 7 0 f f . 8 0 Ein s o l c h e r Artikel ist nicht im A f S S e r s c h i e n e n .
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Stellung des Mir, und zwar gerade diejenige ihrer Ä u ß e r u n g e n , wel- A 342 (178) che die weitaus gehässigste ist, für ihre Polizeizwecke auszunutzen suchte: das Recht des Mir, sich lästiger Mitglieder unter bestimmten A 343 (179) Voraussetzungen durch Verschickung nach Sibirien zu entledigen, 5 wurde dadurch gegen die Revolutionäre nutzbar gemacht, daß man die Bauerngemeinden anregte, Leute, welche „Parteigänger oder Veranlasser von Agrarunruhen" seien, durch Resolution als solche bei der staatlichen Verwaltungsbehörde zu denunzieren, worauf der Minister „diskretionär" die alsbaldige Verschickung veranlassen 10 konnte und die Transpostkosten in solchen Fällen ganz auf die Staatskasse nahm 273 ), 81 ähnlich wie man seinerzeit die Aufhebung der Solidarhaft für die Steuern (1904) 82 alsbald durch Einführung der Solidarhaft für Schäden, die bei Agrarunruhen entstanden waren, wieder wett machte. 8 3 Unmittelbar vor seinem Rücktritt im April 15 brachte dann der Minister des Innern noch ein Gesetz ein, welches nunmehr, auf dem Boden eines zunehmend individualistischen Kleinbauerntums, für welches in der gesetzlichen Festlegung der Besitzverteilung ein festes Gehäuse geschaffen wird, die autoritätsgläubige ländliche Schicht zu finden, welche die Obschtschina ihr nicht mehr sichert. Man kann die hier vorgeschlagene Agrarpolitik am bequemsten sich als eine voluntaristisch-individualistische Abwandlung des Narodnitschestwo in ihrem Charakter verdeutlichen. (Über das genuine Narodnitschestwo s[iehe] Beilageheft zu Bd. XII Heft 1 des „Archiv".) 8 4 273 ) Der Humor der Sache war dann, daß die katholischen Bauern des West-Kraj sich dieser Gelegenheit bedienten, um zahlreiche russische Bauern, die ihnen in ihrer Mitte „lästig" schienen, brevi manu k „verschicken" zu lassen, - wie wenigstens „Nowoje Wremja" (Nr. 10 803) 8 5 behauptete. D e n Inhalt des Ministerialreskripts selbst s[iehe] „Wjestnik sselsk[awo] chazjfaistwa]" Nr. I I S . 19. 8 6 |
k A: mana
81 Der Mir konnte mit einer Zweidrittelmehrheit ein Mitglied der Dorfgemeinde ausschließen. Nach diesem Ausschluß war die administrative Verschickung möglich. Über die von Weber angeführten „Anregungen" zur Denunziation ließ sich nichts ermitteln. 82 Die kollektive Haftung der Mitglieder der Obscina für die Steuerentrichtung (die sog. krugovaja poruka) wurde durch das Gesetz vom 12. März 1903 aufgehoben. 83 Dies bezieht sich auf den Ukaz vom 10. April 1905, durch den die Dorfgemeinde für Schäden solcher Art haftbar gemacht werden konnte. PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 26085. 84 Weber, Zur Lage der bürgerlichen Demokratie, in diesem Band, S. 201 und 209ff. 85 Weber bezieht sich auf: Litva ociscaetsja ot Russkich, in: Novoe Vremja, Nr. 10803 vom 12. April 1906, S.4. 86 Gemeint ist: Vestnik sel'skago chozjajstva, 1906, Nr. 11 vom 12. März 1906, S. 19.
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die zivilrechtliche Haftung der Bauern für Schäden im Fall von Unruhen dadurch „wirksamer" machen wollte, daß in diesen Fällen auch die bisher gesetzlich pfändungsfreien Teile ihres Inventars der Zwangsvollstreckung unterliegen sollten. Allein diese von der Wut eingegebene Maßregel stieß sowohl beim Justizminister wie bei Wit- 5 te auf Bedenken und wurde abgelehnt. 87 Dagegen suchte die Regierung den Klasseninteressen der Landwirte wenigstens dadurch etwas zugute zu tun, daß sie, gegenüber der im übrigen in der Richtung auf Beseitigung der Streikstrafen sich bewegenden Gesetzgebung, nach dem Muster Preußens, 1 ein spe- 10 zielles Antistreikgesetz für Landarbeiter schuf, in einer Formulierung, welche auch die Einbeziehung der gutsherrliches Land bearbeitenden Bauern möglich machte, und sie nahm es damit so ernst, daß sie dieses Gesetz am Tage vor der Dumaeröffnung, 26. April, datiert vom 15. April, publizierte unter der rätselhaften, die Hast der 15 A 344 (180) Schlußredaktion deutlich | verratenden Überschrift: „Betreffend das Projekt (!) eines Reglements gegen den Ausbruch von Streiks unter Landarbeitern." 2 Der kontraktbrüchige Streik landwirtschaftlicher Arbeiter und jede, auch erfolglose, Aufforderung dazu wird hier unter Kriminalstrafe gestellt, auch wenn keinerlei gewaltsame Mittel 20 verwendet werden 2733 ). A 344 (180)
273a ) Die Löhne der Landarbeiter waren (Torg[owo]-Prom[yschljennaja] Gasj[eta], 129) 3 trotz der infolge schlechter Heuernte sinkenden Nachfrage um 10-100% (je nach den Gegenden) gestiegen, - lediglich eine Folge des gestiegenen Selbstgefühls und der mehrfach entstandenen, wenn auch nur temporären, Organisation der Leute. Die Zahl der „Landarbeiter" betrug nach der 1897er Zählung 2722000. 4 Unsicher bleibt dabei die
87 Seit Mitte März wurde im Innenministerium an einem Gesetzesprojekt gearbeitet, das sowohl Privatpersonen als auch Dorfgemeinden für die Zerstörungen während der Bauernunruhen schadenspflichtig machen sollte. Vestnik sel'skago chozjajstva, Nr. 13 vom 26. März 1906, S. 17, und Nr. 16 vom 16. April 1906, S.20. Unter dem Datum des 26. April 1906 wurde ein Gesetz erlassen, das die Teilnehmer an Pogromen und Plünderungen materiell und finanziell haftbar machte. PSZRI, 3-e sobr., tom 36, Nr. 27816. Inwieweit der Gesetzesentwurf tatsächlich in den Gesetzestext einging, ließ sich nicht ermitteln. Die gesetzliche Pfändungsfreiheit blieb jedoch erhalten. 1 Nach der Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869 blieben Landarbeiter und Hausgehilfen von der gewährten Koalitionsfreiheit ausgeschlossen. 2 Das Gesetz in: PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27711; vgl. auch die Meldung darüber im offiziösen Russkoe Gosudarstvo, Nr. 92 vom 2. Mai 1906, S. 1. 3 Gemeint ist: Sel'skochozjajstvennyja raboclja ruki, In: Torgovo-Promyslennaja Gazeta, Nr. 129 vom 8. Juni 1906, S.1. 4 Cislennost' i sostav rabocich I, S. XVII.
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Gegenüber all diesen Leistungen 2730 ) zur Erhaltung der „Unantastbarkeit des Privateigentums" ist1 - wenn man von pekuniären Erleichterungen der Übersiedlung nach Sibirien274) und einer Anzahl Beratungen der verschiedenen Ressorts der Domänen- und 5 Forstverwaltung über Verpachtung von Land an die Bauern absieht der einzige in irgendeinem Sinne „positive" agrarpolitische Schritt,
Abgrenzung des Begriffs. - Im Juni häuften sich die Nachrichten, wonach die Bauern die Arbeit bei den Gutsbesitzern gemeinsam einstellten, die Gutsbesitzer Militär verlangten, Verhaftungen u. dergl. erfolgten, ohne daß doch der Widerstand der Bauern gebrochen wurde. (S[iehe] auch die „Nachträge" hinten.) m 273b ) Die zarte Rücksicht auf die Interessen der Großgrundbesitzer blieb dabei nicht stehen: Weil die besitzenden (!) Klassen „eine schwierige Lage durchzumachen'"' hätten, wendete sich der Landwirtschaftsminister gegen die Einführung der Einkommensteuer („Russk[ija] Wj[edomosti]" 165, l). 5 274 ) Die Einzelheiten interessieren hier nicht. Gestattet ist die Entsendung von „Kundschaftern" (chodoki) behufs Besichtigung der z.Z. (nach offiziöser Mitteilung) 28945 in Sibirien zur Ansiedelung fertigen „Seelenanteile", so viel ich sehen konnte, nur aus sieben Gouvernements. 6 Für die Dumamitglieder stellte das Ministerium Tabellen über den Umfang der Umsiedelungsbewegung zusammen, welche folgendes ergeben: Hauptfortwanderungsgebiete sind die Departements Poltawa und Tschernigow" mit jährlicher Fortsiedelung von 6,5 bezw. 5,4 pro Mille der Dorfbevölkerung. In beiden bilden die großen Besitzungen (über 1000 Deßj.) fast die Hälfte (42,9 bezw. 49,9%) der Fläche des Privatbesitzes, ein Drittel des Umfangs des Nadjellandes in jedem. Eine derartige Grundbesitzverteilung besteht jedoch nur in diesen beiden Gouvernements. Die alljährliche Fortsiedelung aus den 50 europäischen Gouvernements beträgt jetzt 114000 Seelen im Durchschnitt, d. h. 1,4 pro Mille der Dorfbevölkerung. 7
I A:blieb m An diese Stelle gehört der sich zugleich auch auf die Seiten 559 und 575 beziehende Nachtrag 8 (siehe unten, S. 683). Dieser lautet: Schwarze Listen d e r G r u n d -
besitzerverbände gegen „streiklustige" Arbeiter sind zuerst im Zartum Polen (Gouvernement] Petrokow) aufgetaucht („Westn[ik] ss[elskawo] chasj[aistwa]" 1906, Nr. 25). 8 Über die umfassenden Streikorganisationen der Bauern im Südwestrayon (es wurde die Schaffung von Streikkomitees in jedem einzelnen Dorfe erstrebt) s[iehe] „Torgowo-promyschl[jennaja] gasj[eta]" Nr. 152, S. 2 9 nach dem ,,Pridnjepr[owskij] Kraj". n A: Tschernigew
5 Russkija Vedomostl, Nr. 165 vom 28. Juni 1906, S. 1. 6 So geregelt im Gesetz vom 15. April 1896. PSZRI, 3-e sobr., tom 16, Nr. 12777. Vgl. Kaufmann, Das russische Übersiedlungs- und Kolonisationsgesetz, S. 375. Die Zahl von 28 945 Seelenanteilen in: Vestniksel'skago chozjajstva, Nr. 18 vom 30. April 1906, S.20. 7 Die voranstehenden Zahlenangaben In: Vestnik sel'skago chozjajstva, Nr.20 vom 14. Mai 1906, S. 17. 8 Weber nimmt Bezug auf: Vestnik sel'skago chozjajstva, Nr. 25 vom 18. Juni 1906, S. 17. 9 Torgovo-Promyslennaja Gazeta, Nr. 153 (nicht 152) vom 6. Juli 1906, S.2.
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nach dem mißglückten Anlauf Kutlers, 10 die Ausgestaltung der Bauernbank geblieben. Da ihre Tätigkeit in dieser Zeitschrift von seiten einer russischen Autorität analysiert werden wird 274a ), fasse ich mich hier sehr kurz, wesentlich kürzer, als das Interesse an dem Gegenstande an sich rechtfertigen würde. Ein in Begleitung des Manifestes 5 vom 3. November 1905 herausgegebener Ukas vom selben Datum verfügte, 1. daß die Mittel der Bank zum Ankauf von Land durch A 345 (181) Erlaubnis zur Ausgabe | von Schuldverschreibungen erhöht werden sollten; 2. daß in denjenigen Fällen, wo eine Kreditierung des veräußerten Landes bis zu 90% zulässig war, sie fortan zum vollen Werte 10 zugelassen werden sollten; 3. daß die der Bank noch (aus Rückständen) zufließenden Anteile von den Loskaufsgeldern 275 ) zur Tilgung der ad 1 erwähnten Schuldverschreibung dienen sollten.11 - Die Beschaffung neuer Mittel für die Bank war schon dadurch unumgänglich geworden, daß die unter Nr. 3 erwähnten Loskaufsgelder, 15 an denen sie nach dem Gesetz vom 14. November 189412 Anteil hatte, mit dem 1. Januar 1907 in Wegfall kamen. Die Durchführung der praktisch wichtigsten Bestimmung des Ukas: die Art der Ausgabe der Schuldverschreibungen, zog sich außerordentlich in die Länge. Da die Bank bei Barzahlung an die Verkäufer und Ausgabe von 20 300 Millionen Rubel Schuldverschreibungen zu (wie bisher) 4/4% etwa 60 Millionen verloren hätte, sollte von nun an in unkündbaren 5%igen Papieren, die der Staat garantierte, nicht mehr in bar, gezahlt werden. Über den Zinsfuß und die Amortisationsfristen konnte 274a ) Vorläufig vgl. oben A n m . 255. | °Das gegebene Versprechen werden wir nunmehr nicht halten können, da Professor Herzenstein inzwischen ein Opfer der contrarevolutionären Banden geworden ist. ° 1 3 27s A 345 (181) ) S[iehe] oben Anm. 255.
o - o Nachtrag 9 eingeschoben, siehe unten, S. 683.
10 Vgl. oben, S.567, Anm. 1, und S.570, Anm. 15. 11 DerUkazin: PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 26873. 12 Durch das Gesetz vom 14. November 1894 waren einerseits die Zinsen der Bauernbank von 5,5 auf 4,5% gesenkt worden, andererseits der Bank zur besseren Kapitalausstattung das Recht auf 1% der jährlichen Loskaufzahlungen der Bauern eingeräumt worden. Hennessy, Agrarian Question, S. 16 (wie oben, S. 573, Anm. 29). 13 Gercenstejn, der offenbar als Autor dieses Artikels in Aussicht genommen worden war, wurde am 18. Juli 1906 in Terioki (Finnland) von Mitgliedern der „cernye sotni" (Schwarzhunderter) ermordet.
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des
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man sich jedoch längere Zeit nicht einigen 276 ); andrerseits war es nötig, in betreff der bei Übernahme von Gütern, die bei privaten Hypothekenbanken verschuldet waren, eintretenden Verhältnisse mit diesen letzteren zu einem Einvernehmen zu gelangen, damit die verschuldeten Güter trotz der Hypotheken durch die Bank parzelliert werden könnten 277 ). Das nach lebhaften Debatten über die ersteren Punkte im Reichsrat zustande gekommene allerhöchst bestätigte Reichsratsgutachten vom 21. März 14 verfügte alsdann im wesentlichen: die Bauernbank (und ebenso die uns hier nicht näher interessierende, unseren Landschaften 15 entsprechende Adelsbank) 16 gibt Darlehen (bei Vermittlung von Landkauf) und zahlt (bei eigenem Erwerb) nur noch in Obligationen, nicht mehr in bar. Die staatlich garantierten Obligationen der Bauernbank (Nr. III) tragen 5%, doch hat jeder, der Land an die Bank verkauft, das Recht für 276
) Der Reichsrat teilte sich mit 35 gegen 36 Stimmen. 17 Ich gehe hier auf diese Dinge nicht ein, die hoffentlich bald eingehender in dieser Zeitschrift besprochen werden. 18 277 ) Bisher löste die Bank, wenn ein übernommenes Gut bei einer Privatbank verschuldet war, bei dieser die Hypothek ab, mußte dafür Obligationen ausgeben und ließ dann den Unterschied gegenüber dem Nominalwert der Schuld dem Verkäufer zugute kommen. Bei sinkenden Kursen der Papiere war dies ein erheblicher Anreiz zum Verkauf durch die Bank, aber ebendeshalb für sie eine Quelle erheblicher Verluste. Das fällt jetzt, wo die Bank die Schuld auf ihren Namen übernehmen - aber nicht notwendig gleich tilgen - soll, fort. Die Folgen der Neuerung bleiben abzuwarten. Einzelne Grundbesitzer baten, sie lieber als mit Obligationen der Bank mit Grundbesitz an der sibirischen Bahn zu entschädigen. |
14 Der Gesetzestext in: PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27584. Allerhöchst bestätigte Reichsratsgutachten hatten nach Art. 53 des Svod Zakonov, tom 1, cast' 1, Ausgabe 1892, Gesetzeskraft. Die nachstehende Numerierung bezieht sich auf die betreffenden Abschnitte des Gesetzes. 15 Seit 1770 zuerst in Schlesien, später auch in den anderen preußischen Provinzen und anderen deutschen Staaten bestehende allgemeine Organisation der ritterschaftlichen Stände zu einem die ganze Provinz umfassenden Kreditverband. Seit Anfang des vorigen Jahrhunderts wurden auch nicht adlige Güter beleihbar. Die Landschaften waren autonome Körperschaften des öffentlichen Rechts und unterstanden In Preußen der Aufsicht des Ministers für Landwirtschaft, Domänen und Forsten. Vgl. Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 2. Aufl., Band 5 . - J e n a : G. Fischer 1900, S. 453-467. 16 Die Adelsbank oder Adelslandbank (Gosudarstvennyj dvorjanskij zemel'nyj bank) wurde durch das Gesetz vom 3. Juni 1885 gegründet. Sie sollte dem erblichen Adel langfristige Kredite gewähren durch Hypotheken auf den adligen Grundbesitz. 17 Zu den Verhandlungen Im Reichsrat siehe das offizielle Protokoll: Otcet po deioprolzvodstva Gosudarstvennago Soveta 1905-1906gg. - S.-Peterburg: Gosudarstvennaja tipograflja 1906, S. 200-260. 18 Die angekündigte Untersuchung Ist nicht erschienen.
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sich, statt dessen eine ebenso garantierte 6%ige steuerfreie (111,4) A 346 (182) Schuld in den Büchern der Bank eintragen zu | lassen (III, 3), deren Tilgung vom 5. Jahre an beginnend mit dem 15. vollzogen sein soll, und welche (III, 8) nur im Erbgang die Hand wechseln kann. Die jährlichen Gesamtzahlungen der Darlehensempfänger betragen 5 mindestens 53A% (bei Tilgung in 45/4 Jahren), höchstens 11% (bei Tilgung in 13 Jahren). Nachdem dann der oben erwähnte zweite Punkt durch entsprechende Beschlüsse der in Betracht kommenden Aktienbanken geregelt war, erschien am 12. April der Allerhöchst genehmigte Ministerialvortrag vom 10. April 1906, 19 welcher der 10 Bank die Ausgabe von 100 Millionen Rubel 5%iger Schuldscheine gestattete, unter Garantie des Staates, verwendbar als Kautionsmittel zum Nennwert bei bestimmten Kredit- und Lieferungsgeschäften des Staates, zu tilgen nach Maßgabe der Fristen, auf welche die Darlehen gegeben sind, und der eingehenden Amortisationszah- 15 lungen 277a ).
A 346 (182)
277a )p D a s G e s a m t a n g e b o t u n d d e r G e s a m t a n k a u f s e i t e n s d e r B a u e r n b a n k seit 5. N o v e m b e r 1905 bis 1. Juni 1906 w i r d - w a s z u A n m . 255 n a c h z u t r a g e n ist - in d e r B e i l a g e z u m , , P r a w [ i t j e l s t w j e n n y j ] W [ j e s t n i k ] " ( N r . 43) 2 0 j e t z t w i e folgt a n g e g e b e n : A n g e b o t : 4148000 D e ß j ä t i n e n f ü r z u s a m m e n 523676523 R u b e l ( = 126 R u b e l D e ß j ä t i n e n ) u n d 284700 o h n e P r e i s a n g a b e . E n d g ü l t i g g e k a u f t sind: 815709 D e ß j ä t i n e n ( = ca. 890000 H e k t a r ) in 404 S t ü c k e n z u m P r e i s e v o n r u n d 93 M i l l i o n e n R u b e l , also 113 R u b e l f ü r die D e ß j ä t i n e ( g e g e n d u r c h s c h n i t t l i c h 70 R u b e l f ü r die D e ß j ä t i n e bei d e n A n k ä u f e n d e r B a n k f ü r e i g e n e R e c h n u n g w ä h r e n d d e s J a h r z e h n t s v o m N o v e m b e r 1895-1905, w e l c h e 935 513 D e ß j ä t i n e n u m f a ß t e n ) , b e i S c h w a n k u n g e n v o n 8 R u b e l ( P e r m , O r e n b u r g ) bis 200 R u b e l ( P o l t a w a , C h e r s s o n , B e s s a r a b i e n , C h a r k o w ) . D i e m e i s t e n K ä u f e liegen in d e n G o u v e r n e m e n t s P o l t a w a , C h a r k o w , C h e r s s o n , B e s s a r a b i e n , S s a r a t o w , P e n s a , S s a m a r a . (S[iehe] f e r n e r „Nach träge". )q
q A n diese Stelle gehört der sich zugleich auch auf Seite 569 beziehende p A:377a) Nachtrag 10 (siehe unten, S. 684). Dieser lautet: Bis 8. Juli 1906 sind (seit d e m M a n i f e s t v o m 3. N o v e m b e r ) n a c h M i t t e i l u n g d e r B a u e r n b a n k ( „ P r a w i t [ j e l s t w j e n n y j ] W j [ e s t n i k ] " N r . 155 S . 2 ) 2 1 991 K a u f a b s c h l ü s s e ü b e r 1491831 D e ß j ä t i n e n (1600000 H e k t a r , also a n n ä h e r n d d i e „ W i r t s c h a f t s f l ä c h e " e i n e r p r e u ß i s c h e n P r o v i n z ) f ü r 188003518 R u b e l v o n ihr g e m a c h t w o r d e n . D e r m i t t l e r e K a u f p r e i s d e r e r s t e n J u l i w o c h e b e t r u g 126 R u b e l f ü r die D e ß j ä t i n e (243 M k . p r o H e k t a r ) .
19 Der Text in: Sobranie uzakonenij i razporjazenij pravitel'stva, izdavaemoe pri pravitel'stvujuscem Senate, Nr. 85, otdel 1 vom 11. April 1906, st. 527. 20 Gemeint ist: Vecernee Pribavlenie k Pravitel'stvennomu Vestnikua, Nr. 43 v o m 7. Juli 1906, S. 2. Alle angeführten Zahlen ebd. 21 Pravitel'stvennyj Vestnik, Nr. 155 vom 12. Juli 1906, S . 2 .
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Schon vorher hatte der Ukas vom 4. März 1906278) die Art der Verwaltung der Bankgeschäfte auf eine neue Unterlage zu stellen gesucht. Er verfügte die Bildung von „Agrarpolitischen Kommissionen" (semljeustroitjelnijar kommissii), bestehend 1. in den Ujesds aus: dem Adelsmarschall, dem Vorsitzenden der Semstwo-Uprawa, einem vom Landwirtschaftsdepartement ernannten Gliede, einem Mitglied des Kreisgerichts oder dem Vorsitzenden des Friedensrichterkongresses, einem Mitglied der Apanagenverwaltung, dem Steuerinspektor, dem Landhauptmann, drei aus dem Semstwo zu wählenden und drei aus einer von den Wolost-Sschods zusammenzustellenden Liste zu erlosenden Bauernvertretern. 2. Für das Gouvernement besteht eine gleichartige Kommission, die entsprechend aus den Gouvernementsbehörden zusammengesetzt war, unter Zuziehung je eines Vertreters der Landbank und der GouvernementsPrissutswije (des in der Mehrheit bureaukratischen Gouvernementsrats). Der Kreis- (Ujesd-) Kommission sollte (Nr. 1,4) die Begutachtung der Ankaufs- und Parzellierungspläne der | Landbank, Beihilfe A 347 (183) bei der Feststellung des Maßes der Landnot der Bauern und des „reellen Wertes" (djestwitjelnaja stojmostj) des Landes und die Vermittlung zwischen Verkaufs- und Kauflustigen obliegen. Die Gouvernementskommissionen sollten sie darin beaufsichtigen und für die nötige „Einheit" Sorge tragen. Beim Landwirtschaftsministerium endlich wird ein aus Vertretern der verschiedenen in Betracht kommenden Ressorts (darunter des Ministeriums des kaiserlichen Hofes), der Adels- und Landbank und des Reichskontrolleurs22 bestehendes ständiges Agrarkomitee gebildet (Nr. II). Dies Komitee hat 1. über die Notwendigkeit der Errichtung der oben (ad 1 und 2) erwähnten Kommissionen in den einzelnen Kreisen zu befinden, 2. ihnen gegebenenfalls Aufgaben zuzuweisen, insbesondere: Aufklä2 7 8 ) Abgedruckt z . B . im ,,Now[oje] W r [ e m j a ] " vom 8. März S . 2 , „ P r a w o " Nr. 1 0 . 2 3 Die entsprechende Zirkularverfügung des Ministeriums s[iehe] im ,,Prawit[jelstwjennyj] Wjestn[ik]" Nr. 1 3 4 ) . 2 4 |
r A: semljeustroitjeluya
22 Der Reichskontrolleur war seit 1811 Leiter der R e c h n u n g s p r ü f u n g mit Ministerrang. 23 Pravo, Nr. 10 v o m 12. März 1906, S. 8 8 5 - 8 8 7 ; Pravltel'stvennyja soobscenija, In: N o v o e Vremja, Nr. 1 0 7 6 9 v o m 8. März 1906, S . 3 . 24 Dies bezieht sich auf: Pravitel'stvennyj Vestnlk, Nr. 134 v o m 16. Juni 1906, S. 2.
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rung des Landbedarfes, ferner Mitwirkung bei der Verpachtung der Domänen an Bauern, Verbesserung des Betriebes der Bauernwirtschaften, Vermittlung zwischen Gutsherrn und Bauern über Beseitigung der Gemengelage. Es fällt bei der Betrachtung dieses Schemas sofort auf, daß gar kein Instanzenzug festgestellt, die Art der Betäti- 5 gung in der denkbar unbestimmtesten Weise umgrenzt, endlich und vor allem - wie sofort in der Presse betont wurde279) - gar nicht angedeutet ist, ob die Beschlüsse dieser Kommissionen für die Landbank irgendwie bindend sein sollen, oder ob es sich nur um eine Begutachtung handelt, welche den ohnehin für eine erfolgreiche 10 Arbeit oft schon jetzt zu langsamen Geschäftsgang der Landbank noch weiter mit der Produktion von nutzlosem „schätzenswertem Material" belastet. Erst die Praxis wird zeigen können, ob die Kommissionen daneben irgendwelchen positiven Wert gewinnen, oder ob sie im wesentlichen teils Vertretungen der Bureaukratie, teils der s 15 gegenüber den Bauern (3) in der Majorität (6) befindlichen Interessen des Adels und des in den Semstwos überwiegenden Grundbesitzes sind, welche an der Hochhaltung der Bodenpreise interessiert A 348 (184) sind279a). Davon | wird insbesondere auch abhängen, welche Haltung ) ,,Now[oje] Wr[emja]" 10709 S. 14. 25 ) Inzwischen hat das Gesetzprojekt über die Verbesserung und Vermehrung des Bauernbesitzes, dessen übrige Teile früher (Anm.227a und 272a) exzerpiert wurden, diese Lücke ausgefüllt. 26 Der Instanzenzug geht von den Kreiskommissionen durch die Gouvernementskommission an das Agrarkomitee. Den Kommissionen ist nunmehr vor allem die Durchführung der staatlichen Landzuweisung, wie sie jenes Projekt vorsieht, unterstellt. Sie haben über die Ausführung der in diesem Projekt vorgeschlagenen Maßregeln, insbesondere also: über den Umfang der, als Maximum, zu bewirkenden Landausstattung (§ 45 des Gesjetzes]), ebenso über den Maximalumfang der Enteignung bei der Verkoppelung (§ 32), über die eventuell zu gewährende Herabsetzung des Kauf- oder Pachtpreises, über den Inhalt der Pachtverträge der Domänenverwaltung mit den Domänenpächtern, ferner aber auch über die Frage des Ankaufs und der Kaufvermittlung von Besitzungen durch die Landbank, endlich überhaupt (§ 62) über alle Gesuche um Vergrößerung des Landbesitzes zu beschließen. Jedoch soll in allen wichtigen Fällen ihr Beschluß A 348 (184) durch den Widerspruch der | Vertreter der Finanz- bezw. Domänenverwaltung bezw. der Landbank an die höchste Instanz: das rein bureaukratisch, aus Vertretern der* beteiligten Ministerialressorts, zusammengesetzte zentrale Agrarkomitee gezogen werden, so daß
A 347 (183)
279
279a
S A: den
t A: den
2 5 Hier wird B e z u g g e n o m m e n auf d e n Artikel: N o v y j a c e n t r a l ' n y j a i mestnyja u c r e z d e n i j a po z e m l e u s t r o i t e l ' n y m delam, in: N o v o e Vremja, Nr. 1 0 7 6 9 v o m 8. März 1906, S . 14. 2 6 Vgl. oben, S. 5 4 4 , A n m . 5 4 , und S. 5 8 2 , A n m . 6 5 .
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die Bauern einnehmen gegenüber der Landbank und dem im Laufe des letzten Jahres dringlich gewordenen Landangebot. Je länger die Unsicherheit und die Einschüchterung der Gutsbesitzer dauert, desto mehr wird der auf dem gutsherrlichen Boden liegende Preisdruck die günstigen Kaufchancen der Bauern erhalten, die durch das massenhafte Niederbrennen der sonst stets für jede Bauernkolonisation auf Gutsland ein „psychisches" Hemmnis bildenden Gutsgebäude und durch die Unkosten der Kosakenwachen für die Besitzer noch gesteigert werden 280 ). „Socialpolitisch" gewertet sind diese „Vernichtungen von Werten" in concreto im allgemeinen nur von Nutzen gewesen. Fraglich ist nur, inwieweit die Bauern die gegebene günstige Gelegenheit benutzen und sie nicht etwa in Erwartung größerer Dinge seitens der Duma verpassen. - Auf jeden Fall wird der nunmehr in so greller Deutlichkeit zu jedermanns Bewußtsein gekommene Interessengegensatz bezüglich der Preispolitik der Landbank nicht verfehlen, seine politischen Wirkungen auch innerhalb jener Selbstverwaltungskörperschaften zu äußern, denen beide Teile: Grundbesitzer und Bauern, angehören. Tatsächlich hat die Verschärfung der Klasseninteressen innerhalb ihrer schon im letzten Winter die erheblichsten Fortschritte gemacht; sie bereitete den am Beginn der Umwälzungsperiode in der Front stehenden Semstwokongressen ein Ende und drohte die politische Physiognomie der Semstwos selbst nachhaltig zuungunsten der Demokratie zu ändern. a
Zwar die Parteigänger der erzreaktionären Grundbesitzerkongresse, wie deren einer unter Fürst Schtscherbatows Vorsitz vom 16. und 17. Februar in Moskau stattfand, 27 um für das „nationale" Paihnen faktisch eine wesentlich vorbereitende und beratende Tätigkeit zufällt, die vermutlich oft mehr zur Verlangsamung des Geschäftsgangs als zur sachlichen Förderung dienen wird. 280 ) Auch der Staat hat übrigens von der ihm durch die Einschüchterung der Besitzer gegebenen Gelegenheit zum Bodenerwerb in recht bedeutsamer Weise Gebrauch gemacht. Er hat u. a. am Kaspischen Meer und im Wolgagebiet Latifundien von mehreren hunderttausend 13 Deßjätinen 0 zur Parzellierung gekauft.
a - a (S.609) Petitdruck in A. sinngemäß ergänzt.
b A: hunderttausende
c Fehlt in A; Deßjätinen
2 7 Gemeint ist der zweite Kongreß des Allrussischen Bundes der Grundbesitzer, der vom 12. bis 16. Februar in Moskau tagte.
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piergeld, für Freiheit, die Landbank auch beim Parzellenverkauf in Anspruch zu nehmen, für Überführung der Bauern zum privaten Grundbesitz, nur unter Verbot des Erwerbs von Bauernland durch Nichtbauern, für die absolute Leugnung irgendwelcher Landnot und die Erhaltung der Unverletzlichkeit des Grundeigentums einzutre- 5 ten 281 ), waren in fast allen Semstwos in der entschiedenen Minderheit. Gleichwohl war innerhalb ihrer der Einfluß der Interessen der Grundrente im augenfälligen Steigen. | A 349 (185) Gleichzeitig mit dem Umschwung in der Frage des Bodeneigentums im Ministerium äußerte sich die hereinbrechende Reaktion in 10 den Semstwoversammlungen. Wo, wie in Ssimbirsk und Kaluga, Semstwoneuwahlen stattfanden, siegten die Konservativen oder, wie in Charkow, die Mittelparteien, die übrigens schon im Herbst, zur Zeit des Novemberkongresses der Semstwos und Städte, eine große Anzahl von Kreissemstwos - im Gegensatz zu den meist radi- 15 kalen Gouvernementssemstwos - beherrscht und damals an Witte zahlreiche „Vertrauens"kundgebungen geschickt hatten. 28 Aber auch wo keine Neuwahlen erfolgten, änderte sich die Physiognomie der Selbstverwaltungskörper. In einer Reihe von Semstwos - zuerst in Twer (15./28. Januar) - suchten die nach dem Gesetz präsidieren- 20 den Adelsmarschälle die Öffentlichkeit der Verhandlungen einzuschränken, weil das Tribünenpublikum stets der radikalen Richtung Rückhalt gab, und es bedurfte nachhaltiger Proteste, um den alten Zustand herzustellen. 29 Maxim Kowaljewskij suchte in Charkow die Rechte von der Teilnahme auszuschließen, weil er im Frack (statt in 25 281
) Bericht im ,,Now[oje] Wr[emja]" 17. u[nd] 18. Februar. 3 0 S[iehe] im übrigen über die „Eigentümer" und „Antistreik"verbände der Grundbesitzer Anm. 273 a und „Nachträge". 31 | 28 Einige dieser Telegramme, in denen dieZemstva Vitte die Unterstützung seiner Politik zusicherten, sind abgedruckt in: Pravo, Nr. 48/49 vom 4. Dez. 1905, S. 3934f. 29 Russkija Vedomosti, Nr. 15 vom 16. Jan. 1906, S.2, Sp.3, berichtet, daß der Adelsmarschall durch die Ausgabe von Eintrittskarten, die nur in seinem Büro abgeholt werden konnten, die Zahl der Besucher einschränken wollte. Es kam daraufhin zu massiven Protesten der Zemstvomltglieder, woraufhin die Sitzung des Zemstvo unterbrochen wurde. 30 Dies bezieht sich auf: Moskovskaja Chronika, In: Novoe Vremja, Nr. 10750 vom 17. Febr. 1906, S.2, und Nr. 10751 vom 18. Febr. 1906, S.2. Auf dem Kongreß wurde die Forderung erhoben, den Innerrussischen Geldumlauf von allen „internationalen Märkten" abzukoppeln. Novoe Vremja. Nr. 10750 vom 17. Febr. 1906, S.2. 31 Weber bezieht sich hier augenscheinlich auf Anm. 263a), nicht 273a). Siehe oben, S. 574f. sowie Nachtrag 8, unten S. 683.
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der Uniform) erschien282)! Weiterhin begann der Kampf gegen die Buchläden 32 der Semstwos, welche die faktisch zensurfreie Periode nach dem Manifest des 17. (30.) Oktober ebenso wie andere Buchhändler zur reichlichen Verstärkung ihres Büchervorrats benutzt 5 hatten. Nicht nur die Regierung schritt jetzt überall rücksichtslos gegen die Semstwoläden ein - so in Wladimir283) am 6. (19.) Januar, in Jarosslawljd am 21. Januar usw. - , sondern mehrfach auch die Semstwos aus eigener Initiative. 33 So wurde in Ssaratow der Vertrieb des besten der bestehenden Semstwoblätter, der „Ssaratowskaja 10 Semskaja Njedjelja e " 284 ) einfach eingestellt, 34 anderwärts (in Ko282 ) Die Erörterung dauerte, wie es scheint, zwei Sitzungen! Schließlich entschuldigte A 349 (185) er sich: er habe für seinen stattlichen Körper so schnell keine „Montierung" auftreiben können, und damit beruhigte man sich. 3 5 283 ) Der dortige Buchladen des Semstwo hatte - wie zur Illustration dieser Institutionen angeführt sein mag - laut Jahresbericht 1903 für 29000 Rubel Bücher und Zeitungen, für 11000 Rubel Schreibmaterialien verkauft, 1904 für 35000 bezw. 15000, 1905 schon bis 1. Oktober mehr als dies - infolge der Demokratisierung des Leserkreises, in welchem' jetzt Geistliche, Lehrer, Bauern und andere kleine Subskribenten mit 3 - 4 Rubel Zeichnungsbetrag überwogen (1904 in der Stadt 8000,1905 bis 1. Oktober 12000 Käufer). Der Laden brachte dem Semstwo 5 - 8 0 0 Rubel Reinertrag. 3 6 284 ) Namentlich auch in den wissenschaftlichen Beiheften finden sich eine Anzahl der wertvollsten agrarstatistischen und agrarpolitischen Arbeiten. 3 7
d A: Jarosslawj
e A: Njedjela
f A: welchen
3 2 Bereits seit Beginn der 1870er Jahre unterhielten einige Zemstva Buchläden. Zu deren weiterer Verbreitung kam es dann in den 1890er Jahren. Hauptsächlich vertrieben die Buchläden Schul- und Lehrbücher, daneben jedoch auch populärwissenschaftliche Werke, Romane und sog. gesellschaftskritische Literatur. Vor allem der Verkauf dieser Werke führte im Jahre 1906 zu zahlreichen Schließungen von Buchläden durch die Behörden. Vgl. Veselovsklj, Boris, Istorija zemstva za sorok let, tom 1. - S.-Peterburg: 0 . N. Popov 1909, S. 555ff. (künftig: Veselovskij, Istorija zemstva). 33 Gemeint ist vermutlich der Bericht in: ebd., Sp.5f., und Russkija Vedomosti, Nr. 16 vom 17. Jan. 1906, S.3, Sp.3. Die Ereignisse in JaroslavP fanden am 12., nicht am 21. Januar 1906 statt. 34 Die „Saratovskaja zemskaja nedelja" stellte auf Beschuß des Gouvernementszemstvo vom 3. Februar 1906 ihr Erscheinen wohl hauptsächlich aus finanziellen Gründen ein. Siehe dazu das Protokoll der Zemstvo-Sitzung, in: Saratovskaja zemskaja nedelja, Nr. 1 0 - 1 2 , 1 9 0 5 god, Saratov 1906, S. XIl-XX. 35 Das Erscheinen im Frack auf einer Versammlung des Adels galt, weil bürgerlich, als Verstoß gegen die Etikette. Vermutlich bezieht sich Weber auf den Artikel: Maksim Kovalevskij i frak, in: Novoe Vremja, Nr. 10775 vom 14. März 1906, S. 6. 36 Weber stützt sich möglicherweise auf den Bericht in: Russkija Vedomosti, Nr. 15 vom 16. Jan. 1906, S.2, Sp.5f. 37 Gemeint sind die zwischen 1901 und 1905 in der Beilage zur „Saratovskaja zemskaja nedelja" erschienenen Bücher und Broschüren über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Gouvernements Saratov.
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stroma) die begonnene Herausgabe eines Semstwoblattes gegenüber den von der Verwaltung erhobenen Schwierigkeiten 285 ) wieder sistiert. - Von dem Gebiet der buchhändlerischen und publizistischen Tätigkeit der Semstwos schlug die Welle hinüber auf die oft erörterten Verhältnisse der Semstwoangestellten, des sogenannten „dritten 5 Elementes" 2 8 5 3 ), dieser spezifischsten Vertreter des russischen Typus der radikalen Intelligenz. Kraft der Befugnisse, welche der Kriegszustand bezw. der Zustand des außerordentlichen Schutzes verleiht, hatten die Behörden, von den massenhaften Verhaftungen und adA 350 (186) ministrativen Verschickungen von Semstwo|angestellten abgesehen, 10 die neben den Maßregelungen von Semstwomitgliedern 286 ) parallel gingen, in fast allen Gebieten des Reiches die Entlassung von solchen, namentlich von Ärzten, aus dem Semstwodienst verfügt - ein Vorgehen, wie es in diesem Umfang seit dem Bestehen der Semstwos noch niemals sich ereignet hatte. 38 In Kasanj hatte der Gouverneur 15 jede Anstellung im Semstwodienst von seiner jedesmal einzuholenden Zustimmung abhängig gemacht. 39 Beschlüsse einzelner Semstwos (so des Moskauer), den Entlassenen das Gehalt zeitweise wei285
) Der Gouverneur beanstandete die erste Nummer. Auf die Bitte, die beanstandeten Stellen zu bezeichnen, erklärte er schließlich: „Die ganze Nummer passe ihm nicht" („Russk[ija] Wj[edomosti]" 71 S. 2). 4 0 285a ) Über den Begriff s[iehe] Beilageheft zu Band XXII, 1. 41 | 286 A 350 (186) ) So wurde in Nowgorod der Uprawavorsitzende Koljubakin entlassen, 42 im Kalugaschen Gouvernement Kaschkarow wegen eines im Oktober 1905 geschriebenen „offenen Briefs" an den Gouverneur im März 1906 gemaßregelt. 4 3 Kokoschkin trat wegen des willkürlichen Eingreifens der Verwaltung aus dem Swenigorodschen 9 Semstwo aus. 4 4
g A: Swenigrodschen
38 Da die Angestellten der Zemstva, das sogenannte „dritte Element", nach Ansicht der Regierung als besonders radikal galten, wurde behördlicherseits nicht nur die Entlassung von Ärzten, sondern auch von anderen Zemstvoangestellten wie Lehrern, Statistikern etc. aufgrund eines Zirkulars des Innenministers verfügt. Vgl. Pravo, Nr. 5 vom 5. Febr. 1906, S.452 und 456ff. 39 Der Sachverhalt konnte nicht ermittelt werden. 40 Russkija Vedomosti, Nr. 71 vom 14. März 1906, S. 2. Siehe darüber auch den Bericht: Oblastnaja chronika, In: Strana, Nr. 55 vom 25. April 1906, S.5. 41 Weber, Zur Lage der bürgerlichen Demokratie, in diesem Band, S. 106f. 42 Siehe darüber: Ree', Nr. 30 vom 24. März 1906, S.4: Chronika. 43 Siehe zu diesem Vorfall den Bericht: Zemskaja chronika. Incldent v kaluzskom sobranil, In: Nasa Zizn', Nr. 30 vom 20. Jan. 1906, S. 5. 44 Der Sachverhalt ließ sich nicht ermitteln.
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terzuzahlen, wurden kassiert. 45 Aber in zahlreichen Semstwos ergriffen die reaktionär gewordenen Semstwomitglieder selbst die Partei der Repression. Die sämtlichen Ärzte des Moskauer Kreissemstwos kündigten am 9. (22.) Februar, weil der Vorsitzende der Uprawa, Richter, die bis dahin in diesem Semstwo bestehende Gewohnheit, wonach bei Entlassung und Neuanstellung von Ärzten der von den Angestellten gewählte „Sanitätsrat" angehört zu werden pflegte, nicht beachtet hatte. Erst nach VA monatlichem Streit und unmittelbar vor Ablauf der Kündigungsfrist wurde der Konflikt beigelegt. 46 Die Uprawa in Ssaratow erhielt am 6. Februar ein Mißtrauensvotum, in welchem zugleich die Mißbilligung der politischen Agitation der Semstwobeamten (im vorliegenden Falle speziell der Ärzte) ausgedrückt wurde. Da die Uprawa unter stürmischem Beifall des Tribünenpublikums erklärte, auf ihrem Posten bis zum Ablauf des Trienniums zu verharren, verweigerte die Versammlung die Vornahme der Steuerrepartierung 287 ). 47 Bei dieser, freilich nicht gerade der eigenen „parlamentarischen" Theorie entsprechenden Haltung der Uprawa verlief der Anlauf hier, von den schon früher erwähnten 4 8 empfindlichen Abstrichen vom Budget abgesehen, im Sande 288 ). Sehr viel bedenklicher für die Liberalen ließ sich der Konflikt zwischen der radikalen Uprawa und den „gemäßigt" und reaktionär 287 ) ,,Now[oje] Wr[emja]", 1.120. und 8./21. Februar, ,,Russk[ija] Wj[edomosti]", 11./ 24. Februar. 49 28S ) Auch in den städtischen Dumas ging es vielfach ähnlich zu. In Moskau gaben konservative Bürger den liberalen Dumamitgliedern öffentliche Mißtrauensvoten, die dann entgegengesetzte Kundgebungen hervorriefen usw. 5 0
4 5 Siehe darüber: Veselovskij, Istorijazemstva, tom 4, S. 18 (wie oben, S. 597, Anm.32). 46 Die Ärzte des Moskauer Distriktszemstvo kündigten geschlossen am 1. Februar 1906, da nicht „die ärztlichen Qualitäten, sondern ihr Wohlverhalten von der Verwaltung zur Grundlage der Beschäftigung" gemacht werde. Nasa Zizn', Nr. 361 vom 4. Febr. 1906, S.2. 4 7 Gemeint ist die Festsetzung der Steuersätze nach einem vorher festgelegten Gesamtertrag, der entsprechend der jeweiligen Zahl der Steuerpflichtigen umgelegt wird. 48 Siehe oben, S.566f. 4 9 Dies bezieht sich auf: Novoe Vremja, Nr. 10741 vom 7. Febr. 1906, S. 2, und Nr. 10742 vom 8. Febr. 1906, S.3; sowie auf den Artikel: Vnutrennija Izvestija, in: Russkija Vedomosti, Nr. 41 vom 11. Febr. 1906, S. 2. Die Zemstvoversammlung kürzte den Haushaltsansatz um fast die Hälfte. Über eine Verweigerung der Steuerrepartierung wird in den Zeitungsnachrichten nicht berichtet. 5 0 Der erwähnte Sachverhalt ließ sich nicht ermitteln.
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gewordenen Mitgliedern der Semstwoversammlung gegen Ende Februar im Moskauer Gouvernementssemstwo an. Die Uprawa, vertreten durch F. A. Golowin, hatte hier eine Resolution eingebracht, welche die behördlichen Eingriffe in die Verhältnisse der Semstwoangestellten zum Anlaß nahm, um alsbaldige Aufhebung des Aus- 5 nahmezustandes zu petitionieren 289 ). Unter der Führung A. J. Gutschkows nahm jedoch die Mehrheit (32 gegen 26) eine Resolution an, welche zwar die behördliche Willkür verurteilte, aber in „besonderen" Fällen die Anwendung des „verstärkten Schutzes" für gerechtfertigt erklärte und vor allem die politischen Streiks unbe- 10 dingt verurteilte, die Teilnahme von Semstwobeamten daran für unvereinbar mit ihren Pflichten erachtete und die Uprawa beauftragte, demgemäß zu handeln. 51 Die Uprawa reichte alsbald beim Gouverneur, der Vorsitzende beim Minister des Innern, ihre Entlassung A 351 (187) ein (22. Februar a.St.). | ,,Now[oje] Wrfemja]" jubilierte, und das 15 offiziöse „Russkoje Gossudarstwo" sah in dieser Tat seines bewährten „Staatsmannes" A. J. Gutschkow den Anfang einer „Reinigung" der Semstwos von „Elementen, welche durch Mißverständnis der Wähler" in sie gekommen seien, eines Prozesses, dessen volle Durchführung, wie dabei versichert wurde, die Regierung durch 20 Zurücknahme aller Repressivmaßregeln quittieren werde. 52 Graf Witte glaubte jetzt die Früchte seiner zuwartenden, auf die „peur de la bourgeoisie" berechneten Politik zu ernten. Und in der Tat: der Zusammenbruch des alten Zentrums der frondierenden Semstwoorganisation und die Herstellung eines Einverständnisses zwischen der 25 Regierung und der Mehrheit des bisher führenden Semstwos hätte weittragende Folgen haben können. Indessen es zeigte sich alsbald, daß das Mißtrauen gegen die Regierung selbst bei den „Gemäßigten" 289 ) Ähnliche Resolutionen gaben auch anderwärts zu den lebhaftesten Auseinandersetzungen Anlaß, so in Smolensk, wo schließlich ebenfalls die ganze Aktion fehlschlug, ,,Now[oje] Wr[emja]", 13. Februar S. 5 . 5 3 |
51 Ein zeitgenössischer Bericht zu diesen Vorfällen Im Moskauer Gouvernementszemstvo erschien in: Novoe Vremja, Nr. 10756 vom 23. Febr. 1906, S. 1 f. 5 2 Weber nimmt hier Bezug auf: Zemcy na politiceskoj pocve, in: Russkoe Gosudarstvo, Nr. 19 vom 23. Febr. 1906, S.2, und Nr. 20 vom 24. Febr. 1906, S.2f. Die Zitate und Paraphrasen sind dem zweiten Artikel entnommen. Guckov wurde hier als „poctennyj dejatel'" (ehrenhafter Mensch) bezeichnet. 5 3 Weber zitiert: Neudavsijsja protest, in: Novoe Vremja, Nr.10746 vom 13. Febr. 1906, S.5.
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doch noch erheblich größer war als sogar der Haß gegen die Revolution. Schon die nächste Sitzung zeigte ein anderes Bild, zum Teil aber nicht nur - infolge des schleunigen Aufgebots der liberalen Mitglieder - es waren nur 58 von 92 Glassnyje (ordentliche Mitglieder) anwesend gewesen - , vor allem aber infolge der Erwägung der Konsequenzen des Rücktrittes der Uprawa: da kein volles Jahr mehr bis zum Amtsablaufe bevorstand, war gesetzlich die Regierung befugt, die betreffenden Stellen kommissarisch zu besetzen. Einer eindrucksvollen Rede D. N. Schipows, des Vorgängers Golowins und Vaters der konstitutionellen Semstwobewegung, zugleich Parteigenossen Gutschkows im „Bunde des 17. Oktober", gelang es, vermutlich durch die Drohung mit seinem Austritt aus der Partei, zunächst einen einstimmigen Beschluß des Semstwo, die Uprawa um Rücknahme ihres Abschiedsgesuches zu bitten, herbeizuführen, in dessen Gefolge Gutschkow auf Verlangen Golowins die anstößige Resolution in einem der Uprawa akzeptablen Sinn „interpretierte" 290 ) (27. Februar h a. St."). Und obwohl der Gouverneur die Abschiedsgesuche der Beisitzer bereits genehmigt hatte, dasjenige des Vorsitzenden aber dem Minister des Innern schon vorlag, wagte die Regierung charakteristischerweise doch nicht, die telegraphische Rücknahme der Gesuche als verspätet abzuweisen. Ähnlich schwankte die Wage in anderen Semstwos zwischen dem Mißtrauen nach unten und nach oben hin und her. In Tula z. B. gelangte im März durch Abschwenkung zahlreicher Mitglieder von der Linken zur Rechten diese zur Majorität. Dreißig „Glassnyje" protestierten unter Führung des Grafen W. A. Bobrinskij in einer Erklärung dagegen, daß das Semstwo Politik treibe, es sei eine rein ökonomische Institution und solle es bleiben. Demgemäß wurde das Sanitätsbureau geschlossen, die Sanitätschronik eingestellt, die bevölkerungsstatistische Tätigkeit des Semstwo der Staatsverwaltung übertragen (!) - alles, um unbequeme Glieder des „dritten Elements" kalt zu 290
) Die ganze Charakterlosigkeit dieses zerfahrenen Politikers trat darin abstoßend A 351 (187) zutage. Vgl. den Bericht ,,Now[oje] Wr[emja]" 10762 S. 2. 54 h A: a.N.
5 4 Zitiert wird: M o s k o v s k a j a chronika, in: N o v o e Vremja, Nr. 1 0 7 6 2 v o m 1. März 1 9 0 6 ,
S.2.
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stellen. Aber als der Gouverneur, „um das heiße Eisen zu schmieden", 5 5 nun auch die Schließung der Landwirtschaftsschule, des Buchverlages und der Abteilung für Volksbildung, ferner die Bewilligung von 100000 Rubel für eine Kosakenmiliz zum Schutze der Gutsbesitzer und endlich die Einführung eines Reverses bezüglich Nichtbeteiligung an politischer Propaganda für die Angestellten anregte, wurde dies abgelehnt 291 ). Die letztgenannte Repressivmaßregel wurde auch sonst vielfach erörtert, scheint aber, so viel mir bekannt, nur von relativ wenigen Semstwos durchgeführt worden zu A 352 (188) sein. Häufiger war es, daß man, gelegentlich | der allgemeinen Einschränkung des Budgets der Semstwos, auch die Beamtenzahl einschränkte - so in Poltawa und vielfach - und dabei dann auch politisch purifizierte. 56 Die Budgeteinschränkung an sich war freilich durch die Finanzlage der Semstwos und Städte zwingend bedingt. Nicht wenige Städte und Semstwos standen infolge des Nichteinganges der Steuern - an dem übrigens die großen Besitzer überall mindestens ebenso stark, meist aber wesentlich stärker beteiligt waren wie die Bauern: die letzteren obstruierten mehrfach auf Aufforderung des Bauernbundes 292 ), die ersteren zahlten nicht, weil die Bauern (angeblich oder wirklich) nicht zahlten und „weil die Regie291
) ,,Russk[ija] Wj[edomosti]" 71 S. 2. 5 7 | A 3 5 2 (188) ) Aus den allerverschiedensten Gouvernements wurde gleichmäßig über die schweigende Obstruktion der Bauern gegenüber der Steuerpflicht berichtet. (Vgl. z.B. f[ür] Nowgorod ,,Russk[ija] Wj[edomosti]" 56 S. 3, ferner , , R u s s k [ i j a ] Wj[edomosti]", 11. Februar, S. 2.) 5 8 Diese immer wiederkehrende Neigung zum „Steuerboykott" als Kampfmittel gegen die Regierung bedeutet, da das Staatsbudget zu reichlich vier Fünftel auf indirekten Abgaben ruht, 59 für die Schwächung der Staatsgewalt fast nichts, vernichtet dagegen die finanzielle Grundlage der Semstwos, welche von den direkten Steuern leben. Gegen die Regierung hülfe nur ein allgemeiner Boykott des - Schnapses! 292
55 Sprichwörtliche Redenart. 56 Vgl. zu diesen Vorgängen in den Z e m s t v a im Laufe des Jahres 1906, Manning, Roberta, T h e Crisis of the Old Order in Russia. Gentry and G o v e r n m e n t . - Princeton: Princeton University Press 1982, S. 193ff. (künftig: Manning, Crisis). 57 Russkija Vedomosti, Nr. 71 v o m 14. März 1906, S. 2. Das Zitat im Text läßt sich in d e m angeführten Bericht nicht auffinden. 58 G e m e i n t ist: Russkija Vedomosti,Nr. 56 v o m 27. Febr. 1906, S . 3 , und Nr. 41 v o m 11. Febr. 1906 (vgl. oben, S. 599, A n m . 49). In d i e s e m Falle handelte es sich um Bauern aus d e m G o u v e r n e m e n t Niznij-Novgorod. 59 Der Anteil der direkten Steuern am russischen Staatshaushalt sank seit 1880 ständig. Vgl. dazu die Aufstellung in: Gatrell, Peter, T h e Tsarist E c o n o m y 1 8 5 0 - 1 9 1 7 . - London: Batsford 1986, S . 2 1 9 .
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rung keine Ordnung schaffe" 293 ) - direkt vor dem Bankerott. Man sprach schätzungsweise von im ganzen etwa 80 Millionen rückständiger Städte- und Semstwoeinkünfte; die Versuche, von der Regierung Vorschüsse zu erhalten, blieben natürlich vergeblich, und selbst für die Aufnahme von Anleihen war ihre Zustimmung, da sie sich selbst den Geldmarkt nicht verderben wollte, kaum zu gewinnen. Die Bedingungen, zu denen Geld vom Ausland her erhältlich war, waren die denkbar ungünstigsten: sogar die Stadt Moskau z.B. erhielt im März für 4%ige Obligationen nur 71% geboten, während sie 83% verlangte und ihre 5%igen Anleihen auf 93% standen 294 ). Bei der demgemäß unvermeidlichen Einschränkung der Semstwotätigkeit spielten die Bauern eine charakteristische Rolle. Wo immer Neuwahlen der bäuerlichen Beamten in den Dörfern und Wolosts stattfanden, suchten sie Herabsetzung der Gehälter und Abkürzung der Amtszeit auf ein Jahr durchzusetzen 295 ), zuweilen weigerten sie sich schlechthin, überhaupt Gehälter zu bewilligen. Ganz ebenso verhielten sich ihre Vertreter in den Semstwos. Überall suchten sie Etats herabzudrücken 296 ). Ganz überflüssig erschien ihnen die Semstwostatistik, und sie verlangten, wo immer sie zu Worte kamen, direkt deren Streichung. Ebenso hinderte die radikale Bauernfreundschaft des „dritten Elements" die Bauern nicht, ziemlich oft die Kürzung der Gehälter der Semstwobeamten angesichts der allgemeinen Notlage zu verlangen: ein kleines Vorspiel | dessen, was geschehen A 353 (189) 293
) Vgl. z. B. die Aufzählung der privaten (besonders] der hochadligen1) Großbesitzer (2-3000 Deßj.) mit teilweise kolossalen Rückständen („Now[oje] Wr[emja]" 10764 S.5.)60 294 ) ,,Now[oje] Wr[emja]" 10779. 61 295 ) Beispiele: Die Notizen im „Now[oje] Wr[emja]", 3. Februar, S. 2 Sp. 4, S. 4 Sp. 5, 21. Februar, S. 5. 6 2 296 ) Gegen die Bauernstimmen wurden die Anleihen zahlreicher Semstwos aufgenommen. In Nowoarchangelsk („Russk[ija] Wj[edomosti]", 10. Jan.) 63 wollten die Bauern nur 38000 Rubel bewilligen, die Gutsbesitzer setzten 102000 durch. Die Bauern waren um so mehr im Rechte, als auch hier die Rückstände der Gutsbesitzer an Semstwosteuern 160000 Rubel (!) betrugen, einige von ihnen seit Bestehen des Semstwo tatsächlich noch keine Kopeke Steuer bezahlt hatten. | i A: Hochadligen 6 0 Dies bezieht sich auf: N o v o e Vremja, Nr. 10 764 v o m 3. März 1906, S. 5. 61 Moskovskaja Chronika, in: N o v o e Vremja, Nr. 1 0 7 7 9 v o m 18. März 1906, S . 2 . 62 Dies bezieht sich auf: Protestujuscaja derevnja, in: N o v o e Vremja, Nr. 1 0 7 5 4 v o m 21. Febr. 1906, S . 5 . Die v o n W e b e r e r w ä h n t e n M e l d u n g e n in: N o v o e Vremja, Nr. 1 0 7 3 7 v o m 3. Febr. 1906, ließen sich dort nicht auffinden. 6 3 Russkija V e d o m o s t i , Nr. 9 v o m 10. Jan. 1906, S . 2 .
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würde, wenn heute die Semstwos den Bauern allein ausgeliefert würden. Die alten Kämpfe um die Steuerrepartierung, derjenige Punkt, an dem der „ K l a s s e n s t a n d p u n k t der in den Semstwos herrschenden Grundbesitzer am leichtesten zum Ausdruck kam, schliefen, wo immer sich A n l a ß dazu bot, natürlich auch jetzt nicht ein. 5 Nur gegen den Widerspruch des reaktionären Fürsten Meschtscherskij gelang es Prof. Herzenstein, im Moskauer Semstwo die von den Liberalen längst verlangten Reformen des Bodenabschätzungsverfahrens durchzusetzen 297 ). Der schärfer zum Bewußtsein gekommene Klassengegensatz ge- 10 gen die Bauern und die Angst vor ihnen zog sich durch die Debatten zahlreicher Semstwos. Die Schaffung von Schutzmilizen für die Grundbesitzer auf Kosten der Semstwos, welche, wie wir sahen, 6 4 in Tula abgelehnt wurde, wurde von manchen andern Semstwos angenommen, im Jekaterinoslawer Gouvernements-Semstwo gegen den 15 Protest der Minderheit, welche diese Subventionierung von Privatinteressen aus der Kasse der Gesamtheit ablehnte, an eine Kommission verwiesen 298 ). Strittig war innerhalb der Semstwos die Frage des Verhältnisses zur Bauernlandbank. A u c h hier spielten die Klasseninteressen eine zunehmende Rolle. Die Beteiligung von Semstwomit- 20 gliedern an der Verwaltung und den von der Regierung geschaffenen örtlichen „Kommissionen" wurde aus zwei einander entgegengesetzten Gründen angefochten: die Konservativen und alle Interessenten an hohen Grundrenten fochten im Prinzip die gegenwärtige A r t der A 353 (189)
297
) ,,Russk[ija] Wj[edomosti]", 26. Februar, S. 4. 65 ) ,,Now[oje] Wr[emja]", 31. Januar, S. 6. 6 6 (Der endgültige Beschluß ist mir unbekannt.) 298
64 Siehe oben, S. 602. 65 Dies stützt sich auf den Artikel: Moskovskoe Gubernskoe zemskoe sobranie, in: Russkija Vedomosti, Nr. 55 vom 26. Febr. 1906, S. 4. Gemeint ist hier der Beschluß des Moskauer Gouvernementszemstvo, bei der Neufestsetzung der Bodensteuer den Steuersatz um 30% zu vermindern. Die Steuer richtete sich nach dem Wert des Bodens und nach dem Einkommen vom Land. Wie in den meisten anderen Zemstva auch, lag im Moskauer Zemstvo die höchste Steuerlast auf dem bäuerlichen Landbesitz, da die privaten Grundbesitzer - wie auch in diesem konkreten Fall - darauf verwiesen, daß sie kein Einkommen von ihrem Bodenbesitz erzielten. Das Moskauer Zemstvo beschloß In der hier erwähnten Sitzung eine Vereinheitlichung des Steuersatzes. Gegen diesen Beschluß opponierte Fürst S. B. Mescersklj. Das Abstimmungsergebnis war dem Zeitungsbericht zufolge jedoch „fast einstimmig". 66 Hier wird Bezug genommen auf: Novoe Vremja, Nr. 10734 vom 31. Jan. 1906, S. 6, Sp. 2. Der endgültige Beschluß des Zemstvo konnte nicht nachgewiesen werden.
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Tätigkeit der Landbank, als eine k künstliche Baisse der Bodenpreise erzeugend, an299) - wie wir schon sahen, 67 die sozialreformerische Linke dagegen im Bunde mit den Bauernmitgliedern300) sah die Landbank als rein kommerzielles, für die Preishausse des Bodens 5 verantwortliches Institut an und wollte deshalb von einer Beteiligung der Semstwos an ihrer Tätigkeit nichts wissen 301 ). Über die Agrar |po- A 354 (190) litik der Regierung bezüglich der Bank und das Verhalten der Bauern ist schon oben gesprochen worden'. 68 So zahlreiche Einzelfälle von Verständigung der Bodenverkaufs- und Kaufsinteressenten 10 auch zu verzeichnen sind, so steht doch das Eine fest: eine weitere und sehr starke Verschärfung des bewußten Klassengegensatzes zwischen Grundherren und Bauern hat gerade jetzt teils schon stattge2 " ) So z.B. min Pensa, „Russk[ija] m Wj[edomosti]", 10. Januar, S.2. 6 9 Über diesen Punkt s[iehe] oben Anm. 259a. 30 °) Die Haltung der Bauern gegenüber der Landbank und zur privaten Regelung der Landverhältnisse mit den Gutsbesitzern war nach dem Manifest vom 3. November verschieden und hat gewechselt. Während des Aufstiegs der Revolution wollten sie nicht kaufen, nach ihrer Niederwerfung ließen sie sich vielfach auf Verhandlungen ein, die Eröffnung der Duma erweckte ihnen wieder Hoffnungen, die sie hier und da zum Abbruch der Kaufverhandlungen veranlaßten (vgl. oben Anm. 225). - Die Bauernmitglieder des Ssysraner Semstwo verließen am 1. Dezember demonstrativ den Saal, als, trotzdem die Uprawa die Ablehnung der Beteiligung an der Landbank und an der Kaufvermittlung zwischen Gutsherrn und Bauern, deren Tätigkeit nur „den verfügbaren Besitz für eine gerechte Regelung der Landfrage einenge", beantragt hatte, das Semstwo beschloß, dem Vorschlag des Ministers entsprechend Kommissionen für den Zweck jener Vermittlung, halb und halb aus Gutsbesitzern und Bauern, zu bilden. 70 Ähnliches wiederholte sich vielfach, obwohl auch zahlreiche Einzelfälle von Verständigung zwischen bäuerlichen und gutsbesitzerlichen Semstwomitgliedern in den Zeitungen gemeldet wurden. 301 ) Vgl. die eingehenden Verhandlungen im Tschernigower Semstwo Ende Januar (kurzer Bericht ,,Russk[ija] Wj[edomosti]", 31. Januar, S. 3). 71 |
k Fehlt in A; eine sinngemäß ergänzt.
I A: wurden
m A: im „Pensa Russk[ija]
67 Siehe oben, S.571 f. 68 Siehe oben, S. 568 und 590ff. 69 Dies bezieht sich auf: Russkija Vedomosti, Nr. 9 vom 10. Jan. 1906, S. 2. 70 Weber stützt sich auf einen Bericht in : Russkija Vedomosti, Nr. 16 vom 17. Jan. 1906, S. 3, Sp.3. Das Zitat ebd. Die Sitzung des Zemstvo fand am 17., nicht am 1. Dezember 1905 statt. Die Uprava hatte ihrerseits zur Lösung der anstehenden Probleme die Bildung einer paritätisch besetzten Kommission, bestehend aus je drei Bauern und Gutsbesitzern vorgeschlagen. Die vom Finanzministerium angeordneten Kommissionen sollten nach Möglichkeit „auch Bauern als Mitglieder umfassen". Vgl. Hennessy, Agrarlan Question, S. 36 (wie oben, S. 573, Anm. 29). 71 Zemstvo i krest'jansklj bank, in: Russkija Vedomosti, Nr. 30 vom 31 .Jan. 1906, S. 3.
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funden, teils steht sie mit Sicherheit zu erwarten. Dies muß auch die Parteigegensätze in den Semstwos stetig verschärfen, und schon das Verlangen, den Zustand von vor 1890 bezüglich der Semstwos wiederherzustellen, wird daher vielleicht bei den Grundrenteninteressenten auf steigenden Widerstand stoßen. Die Bauern selbst aber verlangen, da sie als Wähler überall in der überwältigenden Mehrheit sind, prinzipiell - soweit sie überhaupt politisch denken - unbedingt, daß jedenfalls die Mehrzahl der Semstwomitglieder aus den Bauern gewählt werden müsse^ und in letzter Instanz das gleiche allgemeine Wahlrecht. Es unterliegt objektiv keinem Zweifel, daß Bauernmajoritäten in den Semstwos in der ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle eine sehr radikale, massiv egoistische Bauernpolitik betreiben würden: so stark z.B. die Begeisterung für die obligatorische Volksschule zurzeit bei den Bauern ist, so wahrscheinlich ist es, daß sie, gegenüber dem furchtbaren Druck, den die rein ökonomischen, elementarsten Lebensbedürfnisse heute ausüben, ebenso versagen würde wie alle andern, auf weiter aussehende Kulturziele abgestellten Interessen, denen die Semstwos heute dienen, - nicht wegen der angeblichen „Dummheit" der Bauern, von der man sich, nach den Eindrücken sehr unbefangener, weil strikt „bürgerlicher" Beobachter, leicht sehr übertriebene Vorstellungen macht, sondern weil die über alle Begriffe entsetzliche Lage ihrer breiten Masse es zurzeit direkt ausschließt, daß sie ihre Ziele überhaupt auf eine Zukunft, die nicht mehr ihnen selbst zugute kommt, abstellen. Denkt man sich den ungeheuren Druck, den die Polizeiwillkür, welche die nackte Existenz und die elementarste Menschenwürde antastet und alles gegen sich in gemeinsamer Gegnerschaft zusammengeschweißt hat, einen Augenblick fort, so scheint es ganz unausweichlich, daß in den Semstwos sich die Klassengegensätze so steigern, daß die Interessenten des privaten Grundbesitzes als eine nahezu geschlossene Masse den Bauern gegenüberstehen. - Zu diesen Klasseninteressen, welche den Grundbesitz mit voller Macht auf die Seite der Reaktion drängen, tritt nun aber noch das Interesse des ständisch privilegierten Adels, dem die Semstwoordnung von 189072 innerhalb der 7 2 Das Zemstvostatut vom 12. Juni 1890 änderte die Wahlordnung dahingehend ab, daß dem Adel nunmehr über 55% der Zemstvodeputierten zustanden. Die Bauern konnten zudem ihre Abgeordneten nicht mehr direkt wählen, sondern mußten dem Provinzgouverneur eine Reihe von Kandidaten vorschlagen, aus denen dieser die Vertreter der Bauern auswählte. Text des Gesetzes in: PSZRI, 3-e sobr., tom 10, Nr.6927.
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Semstwos zu einer mit seiner rein ökonomischen Bedeutung und Position im ärgsten Mißverhältnis stehenden Machtstellung verholfen hat. Der soeben beginnende Zusammenschluß des Adels zu einer Gemeinschaft behufs Beeinflussung der Politik wurde schon erwähnt. 7 3 Er bleibt bedeutungsvoll genug, so wenig er ein geschlossenes Auftreten des gesamten Standes ist. Denn der Adel ist ökonomisch in sich so differenziert, wie nur irgend möglich 3013 ). Er ist ferner auch in seinen politischen Traditionen höchst divergierend. Alte Dekabristenfamilien, die heute demokratisch sind, wie die meisten Schachowskoj und andere, stehen neben den Trägern so „historisch" slawophiler Namen wie Ssamarin u. a. Auch entscheidet das Alter des Adels hier in nichts, im Gegenteil: gerade auch die Namen von Parvenüs und von Nachkommen jener Liebhaber, die Katharina II. sich aushielt, finden sich auf der Seite der „Monarchisten". Aber die Versorgungsinteressen breiter Schichten des Adels sind allzu | eng mit der heutigen Art des Avancements in der Bureaukra- A 355 (191) tie verbunden, als daß dies nicht auf die politische Stellung der Masse seiner Mitglieder zum heutigen System von entscheidendem Einfluß sein sollte. Dieser Umstand machte sich hier und da in extrem reaktionären Kundgebungen geltend. Ein Moskauer Adelsklub war die erste Stelle, an welcher nach den Wahlen der wilde Haß gegen die Demokratie sich offen in einer Resolution, welche die Militärdiktatur forderte, entlud. 74 Auch als Ganzes zusammengefaßt nimmt der Adel - wie schon die früher gegebenen Notizen über den Moskauer Adelskongreß zeigen 75 - eine entschieden konservative Stellung ein. Sehr prägnante Ausnahmen davon finden sich immerhin gerade in
301a ) Der Adel macht einen inneren Differenzierungsprozeß durch: Landverlust der A 354 (190) schwachen Hände auf der einen Seite, Landkonzentration in den stärksten | Händen auf A 355 (191) der andern. Sehr hübsch hat dies Sswjätlowskij im „Vorwort zur Frage der Grundbesitzbewegung in Rußland" S. XXVIII 7 6 an der Hand der Durchschnittsziffern der adligen Bodenkäufe und -Verkäufe illustriert: Der Umfang der von Adligen gekauften Besitzungen steht durchschnittlich um etwa 40% über dem Umfang der von ihnen verkauften. Allmähliche Latifundienbildung auf der einen Seite, allmähliche Deklassierung auf der andern.
73 S i e h e o b e n , S . 5 7 0 f f . 74 Der Sachverhalt konnte nicht ermittelt w e r d e n . 75 S i e h e o b e n , S . 5 7 0 f f . 76 M a t e r i a l y p o s t a t i s t i k e 7, c a s t ' II, S . X X V I I I . D a s V o r w o r t : K v o p r o s u o m o b i l i z a c i i z e m e l ' n o j s o b s t v e n n o s t i v R o s s i i ( 1 8 6 3 - 1 8 9 3 g o d y ) s t a m m t v o n V. S v j a t l o v s k i j .
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den altrussischen Gouvernements. In der Adelsversammlung von Jarosslawlj setzte Fürst Schachowskoj nach einer scharf oppositionellen Rede eine Resolution gegen die Willkür der Verwaltung durch.77 Meist freilich wehte der Wind umgekehrt. Der Tulaer Adel z.B. erklärte sich gegen die Opportunität der Schulen 302 ), der Nishnij Nowgoroder bewilligte 50000 Rubel für die Anwerbung von Milizen gegen die Revolution 303 ). Wo neue Adelsmarschälle gewählt wurden - so in Ssaratow - fielen die Wahlen konservativ aus. 78 Anderseits: der kecke Antrag de Robertis in der Twerschen Adelsversammlung: zu beschließen, daß die Vertreter des Adels im Reichsrat für Abschaffung der Adelsrechte einzutreten hätten, wurde unter stürmischen Protesten abgelehnt, - aber bemerkenswerterweise gegen eine Minderheit von mehr als V> (28 unter 79 Anwesenden). 79 Die sämtlichen Adelsmarschälle des Moskauer Gouvernements - mit einer Ausnahme - richteten, Fürst P. N. Trubezkoj an der Spitze, an den Fürsten Dolgorukow, Kreisadelsmarschall in Rusa und Vorstand der konstitutionell demokratischen Partei, unmittelbar vor den Wahlen ein Kollektivschreiben304), worin ihm die Mißbilligung für sein politisches Verhalten ausgedrückt wurde, welches sich ebensowenig wie sein zugegebenermaßen auch jetzt noch 302
) ,,Russk[ija] Wj[edomosti]", 10. F e b r u a r . 8 0 ) ,,Now[oje] W r [ e m j a ] " , 19. Februar. 8 1 304 ) Wortlaut im ,,Now[oje] W r [ e m j a ] " 10776, 2.® 303
7 7 Am Ende seiner Rede in der außerordentlichen Gouvernementsadelsversammlung legte Fürst Sachovskoj eine Resolution vor, die ein Ende der willkürlichen Handlungen der Bürokratie forderte. Dem Bericht läßt sich nicht entnehmen, ob über diese Resolution abgestimmt wurde. Vgl. die Meldung in der Rubrik: Vnutrennlja Izvestlja, In: Russkija Vedomosti, Nr. 33 vom 3. Febr. 1906, S. 2f. 7 8 Es Ist unklar, worauf hier Bezug genommen wird. Adelsmarschall Im Gouvernement Saratov war seit 1905 V. N. Oznobisin, ein Konservativer, der In den nachfolgenden Wahlen bis 1913 In seinem Amt bestätigt wurde. Manning, Crlsls, S. 398 (wie oben, S. 602, Anm. 56). 7 9 Berichte darüber finden sich In: Strana, Nr. 21 vom 15. März 1906, S.4, Sp. 1, und Dvorjansklja privlleglja; ebd., Nr. 28 vom 23. März 1906, S. 1. 8 0 Vnutrennija Izvestija, in: Russkija Vedomosti, Nr.40 vom 10. Febr. 1906, S.2. Es handelte sich um eine Resolution des Tulaer Adels zur Schließung der landwirtschaftlichen Fachschule, die „eine Pflanzstätte der Revolution" sei. 81 Novoe Vremja, Nr. 10752 vom 19. Febr. 1906, S.2, Sp. 1. Die berittenen Wachen sollten gegen „Pogromsciki" und „Hetzer" eingesetzt werden. 8 2 Der Brief der Adelsmarschälle In: MoskovskajaChronlka, In: Novoe Vremja, Nr. 10776 vom 15. März 1906, S. 2. Die Antwort des Fürsten Dolgorukov darauf In: Novoe Vremja, Nr. 10779 vom 18. März 1906, S.2; das Wahlergebnis ebd.
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fortgesetzter persönlicher Verkehr mit notorischen Revolutionären mit seiner Stellung vertrage. Dolgorukow wies den Brief scharf ab (und wurde von der Grundbesitzerkurie gegen den Vorstand der Monarchisten, Fürst Schtscherbatow, zum Wahlmann gewählt). In 5 Kostromä wurde sogar der Vorschlag gemacht (aber abgelehnt), die Wahl der Reichsratsdeputierten seitens des Adels zu verweigern305). Alles in allem: Die Verschärfung der Klassengegensätze ebenso wie die Formen des revolutionären Kampfes (Steuerboykott) 1 schwächen in erster Linie die Semstwos in ihrer bisherigen Machtstel10 lung und streben zugleich ihre politische und sozialpolitische Haltung „nach rechts" zu verschieben. a | In der Wahl der Mitglieder des aus dem alten Speranskijschen A 356 (192) Reichsrai2 geschaffenen „Oberhauses"3 trat die seit den Dezembertagen erwachsene Stimmung der privilegierten Klassen, den Adel an 15 der Spitze, am deutlichsten zutage. Sehen wir uns daher zunächst diese Wahlen an. Nach dem Gesetz über die Begründung des Reichsrates vom 20. Februar 1906n und der definitiven Reichsratsordnung vom 24. April 19064 soll der Reichsrat aus auf 9 Jahre, mit Drittelserneue3(15 ) Der Adel von Kostromä war es seinerzeit gewesen, der in einer Eingabe den Zaren daran erinnert hatte, daß das Haus Romanow durch Wahl aus seiner Mitte hervorgegangen sei. 5 |
a Ende des Petitdrucks in A, siehe oben, S. 595.
n A: 1901
1 Im Verlauf der Revolution der Jahre 1905/06 kam es in weiten Teilen Rußlands zu einem Steuerboykott der Bauern, der sich in vielen Fällen direkt gegen die als überhöht empfundenen Zemstvosteuern richtete. Emmons und Vuclnich, Zemstvo In Russia, S. 108 (wie oben, S. 573, Anm.29). 2 Der 1801 geschaffene Reichs- oder Staatsrat wurde 1810 nach den Plänen Michail Speranskijs neu gestaltet. Er bestand aus vom Zaren ernannten Mitgliedern und den Ministern, die ex officio Mitglieder waren. Ihm oblag die Prüfung der Gesetze, Verordnungen etc., die er dann dem Zaren unterbreitete. 3 Nach seiner Umgestaltung durch die Gesetze vom 20. Februar und 24. April 1906 fungierte der Reichsrat als zweite gesetzgebende Kammer neben der Reichsduma und hatte die gleichen Rechte wie diese. Aufgrund seiner ständischen Zusammensetzung die Mitglieder wurden je zur Hälfte vom Zaren ernannt und von ständischen Korporationen gewählt - galt der Reichsrat als Oberhaus. 4 Der Text der Gesetze über den Reichsrat vom 20. Februar 1906 und vom 24. April 1906 In: Kallnycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 104-114 und 148-160; PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27425 und 27808. Weber bezieht sich im folgenden auf die entsprechenden Artikel der vorgenannten Gesetze. 5 Vgl. die Eingabe der Adelsversammlung von Kostroma vom 11. Januar 1905 an den Zaren, in: Pravo, Nr.4 vom 30. Jan. 1905, S.248f.
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rung alle 3 Jahre, gewählten und ferner aus vom Zaren auf Lebenszeit ernannten (Art. 9 der definitiven Reichsratsordnung, Schluß) Mitgliedern bestehen, welch letztere „die Gesamtzahl der gewählten Mitglieder nicht übersteigen" sollen (Art. 2). 6 Der Kaiser kann Neuwahlen der gewählten Reichsratshälfte jederzeit anordnen. Es wer- s den gewählt: 1. 6 aus „der Geistlichkeit der rechtgläubigen russischen Kirche^"]; 2. je 1 aus den Gouvernements-Semstwoversammlungen und entsprechenden Korporationen, wo Semstwos fehlen, darunter 6 aus Polen; 3. 18 aus den Adelskorporationen; 4. 6 von der Akademie und den Universitäten; 5. 12 aus Handels- und Industrie- 10 verbänden 306 ). 7 Die Mitglieder aus der Geistlichkeit ernennt der Synod, und zwar 3 aus der schwarzen, 3 aus Kandidaten, welche eparchienweise 0 von der weißen Geistlichkeit gewählt werden. Über die Persönlichkeiten, die von der weißen Geistlichkeit vorgeschlagen wurden, vermag ich etwas Näheres, was für die darin zum Ausdruck 15 A 356 (192)
306 ) D a s passive Wahlrecht zum Reichsrat 8 erfordert 1. die Vollendung des 40. Lebensjahres, 2. Vollendung der Mittelschul- (Gymnasial- und gleichwertige) Bildung. F ü r die Wahl aus den Semstwos sind passiv qualifiziert: 1. L e u t e , die entweder seit drei Jahren Grundbesitz im dreifachen U m f a n g des zur persönlichen Teilnahme an den Semstwowahlen berechtigenden Besitzzensus, oder 2. die den einfachen Semstwobesitzzensus h a b e n , aber seit zwei Wahlperioden die W ü r d e eines Adelsmarschalls, Vorsitzenden einer Semstwouprawa, eines Bürgermeisters o d e r eines gewählten Ehrenfriedensrichters bekleidet h a b e n , endlich 3. für die Petersburger und M o s k a u e r Gouvernementssemstwos, in den Städten Petersburg oder Moskau auf 50000 R u b e l eingeschätztes unbewegliches Eigentum oder solches im Werte von 15000 R u b e l und die ad 2 erwähnten Dienstqualifikationen besitzen. In den Bezirken o h n e Semstwo tritt an die Stelle des Semstwozensus der entsprechende Zensus für Wahlen zu den als Surrogate der Semstwos dienenden G r u n d b e sitzerkongressen. Nach diesem Zensus waren z . B . im G o u v e r n e m e n t Jaroslawlj nur 55 Personen, im Landkreis M o s k a u nur 10 zur Wahl passiv qualifiziert.
O A: Eparchien-weise 6 Dies bezieht sich auf: Art. I, Abs. 1 und 2 des Gesetzes vom 20. Februar 1906 und Art. 9 des Ukaz vom 24. April 1906. Das wörtliche Zitat aus Art. I, Abs. 2 des Gesetzes vom 20. Februar 1906. Kaiinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 104 und 148; PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27425. 7 Die hier referierte Wahlregelung findet sich im Gesetz vom 20. Februar 1906, Art. I, Abs. 4 - 9 , Art. 7, A b s . 1 - 4 , Art. 8 - 1 4 , und im Ukaz vom 24. April 1906, Art. 1 2 - 1 7 und Beilage zu Art. 12. Kaiinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 104f., 111 f., 149f. und 157ff.; PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27425 und 27808. 8 Zum passiven Wahlrecht siehe: Art. I, Abs. 11, Art. VII, Abs. 1 - 2 , 4, Art. VIII, Abs. 1 und 4 des Gesetzes vom 20. Februar 1906 und Art. 20 sowie Beilage zu Art. 12 des Ukaz vom 24. April 1906. Kaiinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 106,111 ff., 150 und 157ff.; PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27425 und 27808.
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gekommene Stimmung charakteristisch wäre, nicht anzugeben. Die Adelsdelegierten sind so zu wählen, daß 2 aus jedem Gouvernement bezw. Territorium, „wo Adelswahlen stattfinden'"'307), von den Adelskorporationen gewählte | Wahlmänner in Petersburg gemein- A 357 (193) 5 sam 18 Mitglieder des Reichsrates ernennen. Die Wahlen fielen fast ausnahmslos - trotz der großen sozialen Differenzierung des Adels 3073 ) - „staatserhaltend" aus. Mit Mühe setzten in Moskau die Liberalen den weit rechts, etwa auf dem Boden der Rechtsordnungspartei stehenden Fürsten P. N. Trubezkoj als Wahlmann mit 10 durch. Zu Deputierten gewählt wurden nach zweitägiger Verhandlung 4 streng Konservative (darunter F. D. Ssamarin), und 14308) Mitglieder des äußersten rechten Flügels der Mittelparteien (darunter P. Trubezkoj, Ssuchomlinow). Die Wahl der Reichsratswahlmänner aus Handel und Industrie, 15 die in gemeinsamer Sitzung die 12 Deputierten zu ernennen haben, ist in einer hier nicht weiter interessierenden Weise auf die bestehenden Börsenkomitees und Handelsuprawas verteilt309). Die Wahl der 12 Deputierten für den Reichsrat vollzog sich sehr glatt: an der Spitze wurde der zurückgetretene Handelsminister Timirjasjew, im übri307 ) D a d u r c h war der ganze Westrayon (die neun klein- und weißrussischen Gouvernements) von der Vertretung ausgeschlossen. D e m baltischen A d e l , dem Kasaken- und d e m Kaukasusgebiet wurde vom Wahlkongreß des Adels je ein Vertreter zugebilligt. | 307a ) In den Adelskorporationen ist stimmberechtigt, wer einen bestimmten Bildungs- A 357 (193) zensus oder Tschin hat, wahlberechtigt nur, wer über einen bestimmten Grundbesitzzensus verfügt. 308 ) Nach der Rechnung der ,,Russk[ija] Wj[edomosti]" Nr. 96, 3. 9 309 ) Die Organisation dieser veralteten Handels- und Industrieverbände hier näher zu erörtern, hat kein Interesse. Sie sollen nach einem in die Presse gelangten Projekt jetzt durch H a n d e l s k a m m e r n ersetzt werden, denen jedoch die korporativ organisierten Börsen nicht unterstellt werden sollen. Vorgeschlagen wurde, die Errichtung von H a n delskammern an einem Platz von einem R e f e r e n d u m der K a u f m a n n s c h a f t abhängig zu machen, welches bei A n t r a g von 50 Firmen veranstaltet werden müßte. Die Handelskammern sollten dann einen Verband bilden, der zur Beihilfe des Handelsministers einen „ H a n d e l s r a t " wählt, („Now[oje] W r [ e m j a ] " 10782, 5 . ) 1 0 Ihnen und den Börsen würde dann wohl auch die Wahl der Reichsratsmitglieder übertragen werden. Wie es um das Projekt jetzt steht, ist mir u n b e k a n n t . D a s Moskauer Börsenkomitee jedenfalls zeigte wenig Sympathie für ein A u f g e h e n der freiwilligen Organisationen in der ökonomisch ziemlich heterogenen Masse, welche heute dort eine „ H a n d e l s k a m m e r " umfassen würde. Dieselbe würde „nur fiktiven Bestand h a b e n " . M a n solle die Großindustrie mit in die
9 Russkija Vedomosti, Nr. 96 vom 10. April 1906, S.3; vgl. auch Russklja Vedomosti, Nr. 95 vom 9. April 1906, S.4. 10 Novoe Vremja, Nr. 10782 vom 21. März 1906, S. 5.
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gen die Vertreter der großen kapitalistischen Verbände und Unternehmungen, Krestownikow von der Moskauer Börse, Awdakow von der südlichen Bergwerksindustrie usw. gewählt, alle politisch der mit der spezifisch Witteschen modern-kapitalistisch gesinnten Bureaukratie gut befreundeten spezifischen Klassenvertretung der Bour- 5 geoisie, der „Handels- und Industriepartei" angehörig. Die Bitterkeit, mit welcher die viel zu geringe Zahl der Vertreter im Verhältnis A 358 (194) zum Adel und den Semstwos | beklagt wurde 310 ), ist begreiflich: in der Tat war hier ebenso wie bei der schließlichen Gestaltung des Duma-Wahlrechts gerade die „Bourgeoisie" im eigentlichen Sinne 10 dieses Wortes sehr schlecht weggekommen: die Zähigkeit ständischpolitischer Traditionen in Monarchien bewährte auch hier ihre Macht, - sie kann dem „Bürgertum" nur „Hoffähigkeit zweiter Klasse" konzedieren, in Rußland wie bei uns. Daher fehlt in diesem russischen Oberhaus jedwede Vertretung der Städte, wogegen na- 15 mentlich Petersburg und Moskau lebhaft protestierten. Die Wahlen der privilegierten Intelligenz: der Akademie und der 9 Universitäten - je 3 Wahlmänner, die zur Wahl des Deputierten zusammentreten - ergaben ein beinahe genaues Gleichgewicht der Rechten und der Linken: die 6 gewählten Mitglieder gehörten sämt- 20 lieh der konstitutionell-demokratischen Partei an, wurden aber nur mit 16 gegen 14 Stimmen gewählt. 11 Im Gegensatz zu den bisher erwähnten Körperschaften haben die Gouvernements-Semstwoversammlungen je einen Deputierten selbständig, nicht in gemeinsamer Sitzung durch Wahlmänner, zu 25
Börsenkomitees aufnehmen. Gelange dann das mittlere und kleinere Gewerbe und Händlertum dazu, sich zu organisieren, so könnten auch Bevollmächtigte aus ihrer Mitte eintreten. ,,Now[oje] Wr[emja]" 10820, l . 1 2 ] 31C A 358 (194) ) Das offiziöse ,,Russk[oje] Gossudarstwo (3. März) bemühte sich vergebens, den Industriellen die Ansicht auszureden, die Agrarier (aus Adel und Semstwo) würden es „mit der Industrie machen, wie der Bauer mit der Henne, welche die goldenen Eier legte". 13
11 Für die Wahlergebnisse vgl. Vybory v Gosudarstvennyj Sovet, in: Vestnik Partii Narodnoj Svobody, Nr. 5 vom 28. März 1906, S. 351. 12 Dies bezieht sich auf: Novoe Vremja, Nr. 10 820 vom 29. April 1906, S. 1. 13 Nach einem Gespräch eines Journalisten des Russkoe Gosudarstvo mit Guckov über die Benachteiligung der Industriellen durch das Wahlrecht, vgl. Russkoe Gosudarstvo, Nr. 27 vom 3. März 1906, S. 2, erschien in derselben Nummer der Artikel „ Primer Zapada", S. 3, der hier zitiert wird.
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ernennen. Ihre Wahlen sind diejenigen, an denen der „Bund des 17. Oktober" am meisten Freude erlebte. In Moskau wurde D. N. Schipow, nachdem er vergebens für die Duma kandidiert hatte, 14 in den Reichsrat gewählt und nahm die Wahl an mit dem Programm: Umwandlung des Reichsrates möglichst in eine reine Semstwovertretung unter gleichzeitiger Beseitigung seiner Gleichstellung mit der Duma in der Gesetzgebung und Beschränkung auf die Funktion eines Kronrates 310a ). Anhänger des Bundes des 17. Oktober wählten ferner Wladimir, Riga (baltische konstitutionelle Partei), während z.B. die Semstwos der agrarischen Gebiete Kasanj, Kaluga, Pensa, Charkow ganz konservativ wählten, ebenso Nischni Nowgorod. Konstitutionelle Demokraten entsandten meines Wissens nur vereinzelte Semstwos (Wjatka z.B.), dagegen wurde eine größere Anzahl von „Progressisten", d.h. gemäßigt Konstitutionellen, gewählt (so im Dongebiet, in Simferopol, Jarosslawlj, Perm, Nowgorod). Im West-„Kraj" wurden (Kiew, Wolhynien, Podolien, Wilna) Polen oder Gemäßigte gewählt.15 Das Ergebnis war für die Zusammensetzung des Reichsrates, daß nur eine Gruppe von 12 Demokraten (Vertreter der Universitäten und einiger Semstwos) vorhanden war. Auf der anderen Seite - und das hat zunächst etwas Überraschendes - zählte aber auch die Gruppe der | entschiedenen, slawophil-absolutistischen, Konservativen mit Ssamarin an der Spitze nur wenig über 40 erklärte Mitglieder, was bedeutet, daß von den vom Zaren ernannten Mitgliedern nur etwa 20 dieser Gruppe zugehörten. Die 12 von Handel und Industrie gewählten Vertreter, mit Timirjasjew an der Spitze, schlössen sich, da sie sich isoliert fühlten, anfangs zu einer eigenen Gruppe zusammen. Die zahlenmäßig erheblichste Gruppe, schon anfangs etwa 80-90 Mitglieder zählend, stand auf dem Boden der konstitutionellmonarchischen Parteien und fand in Schipow ihren Führer. Sowohl 310a
) Darüber s[iehe] oben S. 230f. [S. 409f.], |
14 Der Bund des 17. Oktober veranlaßte D. N. Sipov aufgrund des Wahlbündnisses mit der äußersten Rechten in Moskau, seine Kandidatur für die Duma zurückzuziehen. Siehe dazu: Pobeda svobody v Moskve, in: Strana, Nr. 32 vom 18. März 1906, S. 1. 15 Zu den Ergebnissen der Reichsratswahlen siehe: Ree', Nr. 47 vom 13. April 1906, S. 3, Nr. 48 vom 14. April 1906, S. 3, Nr. 55 vom 22. April 1906, S. 3, Nr. 30 vom 24. März 1906, S. 3, und Dvadcatyj Vek, Nr. 1 vom 25. März 1906, S. 1, sowie die Tabelle bei Manning, Crisis, S. 387f. (wie oben, S. 602, Anm. 56).
A 359(195)
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die meisten Semstwovertreter wie ein immerhin bedeutender Teil der ernannten Mitglieder gehörte ihr an; es bewahrheitete sich wieder, daß die politische Physiognomie p des Exbeamten nicht selten oppositionell ist. Diese Physiognomie q verschärfte sich im Lauf der ersten parlamentarischen Campagne. Unter Leitung N.S.Taganzews, A. S. Jermolows (des früheren Landwirtschaftsministers), ferner der Mitglieder Baron Korf, Graf Olsufjew, P. P. Durnowo (senior), des Grafen Ssolskij und anderer („Nowfoje] Wr[emja]" 10869 S. 3) 16 bildete sich die „Gruppe des Zentrums", welche die Schaffung eines mit der Duma und dem Reichsrat arbeitenden Ministeriums forderte und wie wir sehen werden, 1 7 dem Kabinett Goremykin r eine empfindliche Niederlage, im Bunde mit der Duma, bereitete. Es hätte trotzdem „a priori" scheinen müssen, als würde die Einigung der Regierung mit den rechtlich oder faktisch privilegierten Klassen, insbesondere also, da der Adel eine allzu dünne Basis geboten hätte, mit den Kreisen des „gemäßigteren" Semstwo-Konstitutionalismus, für die erstere der gewiesene Weg und auch leicht durchzuführen gewesen sein. Allein dem war keineswegs so. Wie bei den Semstwos - das angeführte Beispiel von Moskau zeigt es - die Furcht vor der Revolution doch durch das Mißtrauen gegen die Regierung im entscheidenden Moment überwogen wurde, ebenso der Wunsch nach einer Stütze gegen die Revolution durch den alten Haß gegen die Semstwos bei der Regierung. Wirklich weitgehende Opfer an ihrer arbiträren administrativen Gewalt zu bringen - das absolute und erste Erfordernis einer Verständigung mit den besitzenden Klassen - war die Bureaukratie eben schlechthin nicht bereit. Die leidenschaftliche Eifersucht gegen die Semstwos, die sich in der Zeit des Krieges in dem geradezu unglaublichen Verhalten des „Roten Kreuzes" zu den von den Semstwos für dessen Zwecke zur Verfügung gestellten Organisationen zeigte, 18 blieb die alte. Die p A: Physionomie
q A: Physionomie
r A: Goremkin
16 Weber bezieht sich auf den Artikel: V gruppe centra clenov Gosudarstvennago Soveta, in: NovoeVremja, Nr. 10869vom 1 .Juli 1906, S.3. 17 Siehe unten, S. 655. 18 Es ist unklar, worauf Weber hier anspielt. Während des russisch-japanischen Krieges 1904/05 leistete die zu diesem Zeitpunkt entstandene „Allzemstvo-Organisation" (Obscezemskaja Organizaclja) Hilfe im Fernen Osten. Die Organisation war zu allgemeinen karitativen Zwecken gegründet worden. Sie unterstand in dieser Zeit den jeweiligen
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zugunsten der Hungerbezirke geschaffene rein karitative gemeinsame Semstwoorganisation 19 z.B. wurde auch jetzt wieder ganz ebenso kleinlich schikaniert, überwacht, gehindert, wie alle anderen aus Semstwokreisen hervorgehenden karitativen Aktionen, seien es auch bloße Freitische: sie unterlagen trotz der schreienden Not massenhaft dem Verbot. Anstatt dem „Klasseninteresse" der besitzenden Schichten, welches, wie wir | sahen, 20 immerhin prompt genug A 360 (196) im „staatserhaltenden" Sinn funktionierte, die Repression gegen das „dritte Element" zu überlassen, drängte sich die Verwaltung der Gouverneure und Generalgouverneure more solito überall ein in einer schon durch die brüske Form das Selbstgefühl der Semstwos schwer verletzenden Weise; sie konnte sich eben schlechterdings nicht an den Gedanken, überhaupt etwas von ihrer Allmacht, es sei zu wessen Gunsten immer, preiszugeben, nicht gewöhnen. Die Antwort der Gegenseite blieb nicht aus. Die von Witte Ende Oktober angebotenen Portefeuilles hatten auch die gemäßigten Semstwomitglieder (Schipow) abgelehnt, weil ein Zusammenarbeiten mit Trepow oder Durnowo für sie undenkbar war. 21 Im Januar verschickte Witte ein Rundschreiben an die Semstwos, mit der Einladung, ihm zu seiner regelmäßigen Beratung in politischen Fragen geeignete Vertrauensleute aus ihrer Mitte zu senden. Die Semstwos lehnten fast sämtlich ab und Witte blieb nichts übrig, als nach einiger Zeit offiziös erklären zu lassen, die beabsichtigten Beratungen hätten sich
Vertretern d e s R o t e n K r e u z e s und der A r m e e . Es kam dabei z u A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n z w i s c h e n d e n Vertretern d e s Roten K r e u z e s und der Z e m s t v o - O r g a n i s a t i o n über d e n Einsatz und die Verteilung der Mittel. Izvestija o b s c e z e m s k o j organizacii, Nr. 1 v o m 14. Okt. 1905: O s n o v y organizacii, S. 5. Die R e p r e s s i o n der Z e m s t v o - O r g a n i s a t i o n erfolgte vor allem durch d e n Innenminister Pleve, der die Arbeit der Hilfsorganisation z u unterdrücken versuchte, d a der Z u s a m m e n s c h l u ß der Z e m s t v a e i n e n P r ä z e d e n z f a l l für weitere g e m e i n s a m e A k t i o n e n s c h a f f e n k ö n n e . Vgl. Galai, S h m u e l , T h e Liberation M o v e ment in R u s s i a 1 9 0 0 - 1 9 0 5 . - C a m b r i d g e : Unlversity P r e s s 1973, S. 197 und 2 0 6 (künftig: Galai, Liberation M o v e m e n t ) . 1 9 In F o r t s e t z u n g ihrer Tätigkeit w ä h r e n d d e s r u s s i s c h - j a p a n i s c h e n K r i e g e s (siehe oben, A n m . 18) leistete die „ A l l z e m s t v o - O r g a n i s a t i o n " auch In d e n aufgrund der Mißernte d e s J a h r e s 1 9 0 5 / 0 6 v o m H u n g e r bedrohten G o u v e r n e m e n t s Hilfe. Ihre Tätigkeit w u r d e d u r c h B e h ö r d e n w i l l k ü r häufig gestört. Vgl. V e s e l o v s k i j , Istorija z e m s t v a , tom 3, S . 3 4 6 f f . (wie oben, S. 597, A n m . 32). 2 0 S i e h e oben, S. 570ff. 21 Vgl. oben, S. 298, A n m . 13.
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als „überflüssig" erwiesen 311 ). Beide Teile konnten, wie sie waren, nicht zusammenkommen, und da die Wittesche ökonomisch liberale Bureaukratie ihre intimsten Freunde, die Unternehmer-Bourgeoisie, durch die Art der Gestaltung des Wahlrechts und der Vertretung im Reichsrat zur Bedeutungslosigkeit verurteilt, auch ihren charak- 5 tervollsten Vertrauensmann im Ministerium, Timirjasjew s , in schnödester Weise behandelt hatte 22 und endlich immer wieder sich der Neigung zur „Subatowschtschina" verdächtig machte, so waren für sie auch diese Kreise politisch nicht fruktifizierbar312).
A 360 (196)
3n ) ,,Now[oje] Wr[emja]", 1. Februar, S. 1. 23 - Worauf ihn die Presse an die Fabel vom Fuchs und den Trauben erinnerte. 2 4 312 ) Die einzige Erweiterung der Semstworechte brachte das am 31. Januar bestätigte Reichsratgutachten, welches sie zur Schaffung von Semstwoverbänden mit dem Recht der Prozeßfähigkeit ausstattet zum Zweck gemeinsamen Einkaufs landwirtschaftlicher Produktionsmittel . - 2 5 Die Anträge aus dem Westkraj auf Einführung der Semstwoverfassung dort wurden abgelehnt „bis zur allgemeinen Durchsicht der Semstwoordnung". 2 6 - Erst das früher erwähnte Projekt 2 7 der Umgestaltung der Lokalgerichtsbarkeit: Die Wiederherstellung der von den Semstwos zu wählenden Friedensgerichte und die Beseitigung der richterlichen - aber damit freilich noch nicht der administrativen - Befugnisse der Semskije Natschalniki bedeutete einen wirklichen Schritt entgegen: - nach den Wahlen! |
S A: Timirjosjew
22 Siehe oben, S. 407. 23 G e m e i n t ist: Pravitei'stvennyjasoobscenija, in: N o v o e V r e m j a , Nr. 1 0 7 3 5 v o m 1. Febr. 1906, S. 1. 24 Der a n g e s p r o c h e n e Zeitungsartikel konnte nicht aufgefunden werden. 25 Der Text des G e s e t z e s in: PSZRI, 3 - e s o b r . , t o m 26, Nr. 2 7 3 0 0 . 26 Der Sachverhalt konnte nicht ermittelt w e r d e n . 27 Siehe oben, S . 3 9 8 f .
VII. 3 Analyse der
Dumawahlen3
Unter solchen Verhältnissen begannen die Dumawahlen. 1 Die ersten Wahlergebnisse (Wolostwahlen und Wahlen der kleinen Grundbesitzer von „Bevollmächtigten" für die Wahlmännerwahlen) liefen vom 21. Febr. an ein und zeigten zunächst allgemeine Apathie 5 und anscheinend vollkommen zufällige Resultate. Aber schon mit der ersten und zweiten | Märzwoche ergaben zahlreiche Wahlen in A 361 (197) den Landstädten Siege der demokratischen Wahlmännerlisten. Mit großer Spannung sah man daher den Wahlmännerwahlen in Petersburg (20. März) und Moskau (26. März) entgegen. 2 In beiden Städ10 ten hatte der „Bund des 17. Oktober" sich mit den anderen konstitutionell-monarchischen Parteien geeinigt, auch die Bureaukratie trat für seine Liste ein, und man erwartete ihren Sieg mindestens in der Mehrzahl der städtischen Wahldistrikte. Allein zur Überraschung von Freund und Feind siegte in beiden Hauptstädten 313 ) die konstitu-
313 ) In Petersburg traten die Deutschen in letzter Stunde vom Bund des 17. Oktober zu A 361 (197) den Demokraten über, weil der erstere ihnen zumutete, für den Russifikator der Universität Dorpat, Prof. Budilowitsch, als Wahlmann zu stimmen. 3 (In Moskau stimmten sie antidemokratisch.) Der Petersburger Vorgang beleuchtet die ganze Furchtbarkeit der Situation für die baltischen Deutschen. D e n n nicht in dem Niederbrennen von Schlössern
a Kapitelüberschrift in Anlehnung an das Inhaltsverzeichnis, oben, S. 294, eingeschoben.
1 Aufgrund des mehrstufigen indirekten Kurienwahlrechts, das mehrere Wahlgänge erforderte, zogen sich die Dumawahlen über mehrere Wochen, von Ende Februar bis Mitte April 1906 hin. Zudem waren die Wahltermine für die Regionen des russischen Reiches unterschiedlich festgesetzt; so wurde z. B. im Kaukasus erst im Mai gewählt. 2 Die nachfolgenden Angaben stützen sich vermutlich auf die mit Beginn der Wahlen einsetzenden Zeitungsmeldungen unter der Rubrik: „Vybory v Gosudarstvennuju Dumu", in: Russkija Vedomosti. Vgl. u.a.: „Vybory v Peterburge", in: Russkija Vedomosti, Nr. 79 vom 22. März 1906, S. 2, und Nr. 80 vom 23. März 1906, S. 2. Zur Wahlbeteiligung In den Städten vgl. die Tabelle in: Vestnik Partli Narodnoj Svobody, Nr. 7 vom 19. April 1906, S.545f. 3 In die Russiflzierungspolitlk des Baltikums wurden auch die Universitäten einbezogen. Am 27. Februar 1893 wurde die Universität Dorpat in Jur'ev umbenannt, nachdem bereits im Herbst 1892 A. S. Budiloviczum Rektor ernannt worden war. Er forcierte die Besetzung der Lehrstühle mit russischen Wissenschaftlern und die Einführung des Russischen als Unterrichtssprache. Zur Aufstellung Budilovics als Kandidaten siehe: Rußland. Die Reaktion, In: Frankfurter Zeitung, Nr. 93 vom 4. April 1906, 4. Mo.bl., S. 1.
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tionelle Demokratie in ausnahmslos allen Distrikten, selbst in den von der Bureaukratie 314 ), den Banken und der reichen Rentnerklasse okkupierten, mit ganz unerwarteten Majoritäten (Vi-V*) bei einer ebenfalls, angesichts des „Boykottes", unerwartet starken Wahlbeteiligung. Es folgte Kiew, ein Hauptzentrum rücksichtslosester mo- 5 narchistischer Agitation, wo selbst Prof. Pichno, der Redakteur des „Kijewljanin", nicht zum Wahlmann gewählt wurde, und, mit der einzigen Ausnahme von Jekaterinosslaw, wo der „Bund des 17. Oktober", Minsk, wo ein Zionist, und Riga, wo ein bürgerlicher Lette siegte, alle selbständig wählenden Städte des europäischen Rußlands 10 b (außer Polen) 0 nacheinander. 4 Die Wahlbeteiligung zeigte, daß die und dem Verlust von Eigentum und Menschenleben liegt sie, sondern in dem innerlichen Moment der Unmöglichkeit, - bei der gegebenen nationalen Interessenkonstellation - zu den Idealen der Nation, mit der sie zusammengekettet sind, ein positives Verhältnis zu gewinnen, und anderseits dem kalten Hohn, dem sie von Seiten der herrschenden Schichten bei dem Versuch, mit ihnen zu paktieren, begegnen. Nirgends ist der rabiateste Deutschenhaß so sehr gepflegt worden wie auf den konservativen Kongressen und in den Spalten der „gemäßigten" Blätter: „Nowoje Wremja", das Bureaukratenblatt, die sonst jede Repression gegen die Bauern forderte, besaß die Gemeinheit, die Greueltaten, mit denen die russische Verwaltung auf die Greuel der rasenden Bauern antwortete, den „deutschen feudalen Baronen" in die Schuhe zu schieben. 5 - An diese Lage der Dinge sollten doch auch jene denken, welche bei uns geneigt sind, die Hauptfeinde der Balten in den Reihen der Demokraten zu suchen. - Daß ich auf die Lage der Deutschen in dieser Chronik näher einzugehen vermeide, hat die Gründe, welche ich im Beilageheft zu Band XXII Heft 1 darlegte: Es ist unmöglich, dabei „objektiv" zu bleiben. 6 314 ) Eine, allerdings übertriebene, Schätzung behauptete, daß unter den c Petersburger Wahlberechtigten 70-85000 Tschinowniki seien. 7 In Moskau stimmten von 66000 Wählern 27000 für die Kadetten, 12000 für die Mittelparteien, 2000(!) für die Monarchisten. 8 |
b A: außer Polen)
C A: der
4 Nach d e n Wahlgesetzen v o m 6. A u g u s t und 11. D e z e m b e r 1905 wählten die 20 größten Städte des europäischen Teils Rußlands eigene A b g e o r d n e t e in die Duma. Minsk g e h ö r t e nicht zu diesen 2 0 Städten. Die Konstitutionell-Demokratische Partei brachte mit A u s n a h m e der Stadt Ekaterinoslav überall Ihre A b g e o r d n e t e n durch. E m m o n s , Formation, S. 239 und 277 (wie oben, S. 358, A n m . 13). 5 Siehe dazu den Artikel: Tevtonskaja otkrovennost', In: N o v o e Vremja, Nr. 1 0 7 2 9 v o m 26. Jan. 1906, S . 2 f . 6 Weber, Zur Lage der bürgerlichen Demokratie, In diesem Band, S. 87f. 7 Für die hier a n g e g e b e n e n Daten vgl. das offiziöse Organ R u s s k o e Gosudarstvo, Nr. 4 0 v o m 20. März 1906, S . 2 . Dort wird die Zahl der Wahlberechtigten in St. Petersburg mit 1 3 0 0 0 0 - 1 3 5 0 0 0 a n g e g e b e n , von d e n e n ca. 6 5 0 0 0 Einwohner zur Wahlurne g e g a n g e n seien. 8 In Moskau s t i m m t e n von ca. 5 5 0 0 0 Wählern (ohne Arbeiterkurie), von d e n e n sich
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der
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Boykottparole der äußersten Linken von der Mehrzahl der als Quartier|inhaber (s.o.) 9 wahlberechtigten Arbeiterschaft, auch von den vielfach ausschlaggebenden Juden und dem radikalen Kleinbürgertum, meist einfach nicht befolgt worden war315). Daß Massen sozial5 demokratischer Wähler für den Demokraten gestimmt hatten, ist
A362(198)
315 ) Die Wirkung des Boykotts trat am stärksten bei den städtischen Arbeiterwahlen in A 362 (198) den Fabriken hervor. In der Stadt Moskau wurden statt 334 Bevollmächtigten 260 gewählt - vor der Wahl aber hatten alle Arbeiterversammlungen in den großen Fabriken für Boykott gestimmt, die Gasfabrikarbeiter dagegen erklärt, sie wollten lieber in ihrem Heimatdorf (als Bauern) wählen. („N[owoje] Wr[emja]" 10762, 2, 10764, 4.) 1 0 7% aller Fabriken hatten nach dem ersten Wahltermine die Wahl einmütig abgelehnt, für 10% hatte die Wahl vertagt werden müssen, 65% hatten gewählt, für 18% waren noch keine Protokolle zustande gekommen. In Odessa lehnten von 70 Fabriken 17 ab, darunter (wie fast überall) alle Buchdruckereien, in Kostroma die drei größten Fabriken, in Charkow 11 von 38 Fabriken, in Nishnij Nowgorod eine mechanische Fabrik, eine Mühle, eine Tischlerei. Im Zartum Polen brachen erhebliche Unruhen in Form gewaltsamer Wahlstörungen aus. Auch von den gewählten Bevollmächtigten lehnte d alsdann ein Teil die Wahl ab und noch die vom Rest gewählten Wahlmänner stimmten z.B. in Moskau teilweise (3 von 14) für Wahlboykott. Wo die Wahlen zustande kamen, waren natürlich die sozialdemokratischen Elemente - und das waren in diesem Falle fast ausnahmslos die obersten Schichten der Arbeiterschaft, welche ziemlich strikte Disziplin hielten - ausgeschaltet. Daher waren z. B. in Petersburg von 8 Arbeiter-Wahlmännern 4 Monarchisten, in Smolensk wurde ein Antisemit gewählt, dagegen in Moskau 8 Sozialdemokraten, 6 „Kadetten", 1 Mitglied der Handels- und Industriepartei, 2 Unparteiische; in Kijew2 Sozialdemokraten, 1 Radikaler. Die Wahlen, namentlich der Wahlmänner, waren, da die Arbeiter in Ermangelung einer schon eingeschulten professionellen und politischen Bewegung sich gar nicht persönlich kannten, auch, nach früheren Erfahrungen, die Verhaftung auf Grund der Wahl fürchteten, ein hartes Stück Arbeit (s.o.). 1 1 In Petersburg wurden zweimal nacheinander sämtliche Bevollmächtigte durchballotiert und keiner erlangte die Mehrheit, bis der „offiziöse Sozialist" Uschakow sich mit seinem Anhang unter Protest entfernt hatte. In Moskau wurden 178 Kandidaten ballotiert und am ersten Wahltage 1(!) gewählt (von 18 zu wählenden). 1 2 - Wie im übrigen (wenigstens teilweise) die Arbeiter die Wahlen auffaßten, geht daraus hervor, daß der Moskauer Gouverneur es für nötig hielt, am 22. März durch Anschlag in allen Fabriken gegen die Behauptung der gewählten Bevollmächtigten zu protestieren, daß sie für die 5 Jahre der Legislaturperiode zur Vertretung aller Arbeiteran-
d A: lehnten
40000 an der Wahl beteiligten, ca. 27 000 für die Konstitutioneilen-Demokraten, 12 500 für den Block aus Oktobristen, Handels- und Industriepartei und Partei der Rechtsordnung und 2200 für die Monarchisten. Novoe Vremja, Nr. 10790 vom 29. März 1906, S. 3, Sp. 2. 9 Siehe oben, S. 452. 10 Moskovskaja chronika, in: Novoe Vremja, Nr. 10762 vom 1. März 1906, S.2, und Na fabrikach i zavodach, in: Novoe Vremja, Nr. 10764 vom 3. März 1906, S.4. 11 Siehe oben, S.472f. 12 Die angeführten Resultate in: Russkija Vedomosti, Nr. 71 vom 14. März 1906, S. 3: Vybory; sowie in: Strana, Nr. 14 vom 7. März 1906, S. 1: Vybory rabocich.
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A 363 (199) nicht nur direkt be|zeugt 316 ), sondern ergab sich auch, als unter dem Eindruck dieser Wahlergebnisse die Sozialdemokratie den Boykott aufgab und bei den nachher noch stattfindenden Wahlen eigene Kandidaten aufstellte; in Tiflis unterlag alsbald die Demokratie der sozialistischen Liste, die 9/w aller ihrer Wahlmänner durchsetzte. 13 Es 5 zeigt dies zugleich, daß der demokratische Wahlsieg auf nicht sehr festen Füßen steht: im Fall starker Wahlbeteiligung der äußersten Linken würde e in einem sehr großen Teil der großen Städte diese der Demokratie wahrscheinlich so stark Abbruch tun, daß - wie bei u n s die Wagschale nur noch zwischen Sozialisten und bürgerlichen Klas- 10 senparteien schwanken, die ideologische Demokratie aber ausgeschaltet werden würde. Nicht minder zeigte sich sehr bald, daß mit zunehmender Wahlagitation die Boykottparole auch auf dem Lande vollkommen ins Wasser fiel. Denn die vielfach erbärmlich schlechte Wahlbeteiligung der 15 kleinen Privatgrundbesitzer 317 ) ist - wie früher erwähnt 14 - nicht auf gelegenheiten berufen seien und überdies von der Direktion nicht aus dem Dienst entlassen werden dürften („N[owoje] Wr[emja]" 1 0 7 8 5 , 2 ) . 1 5 - D e r in den Fabriken noch relativ erfolgreiche Boykott versagte aber noch stärker, als die allgemeine Zettelwahl 1 6 für die städtischen Wahlmänner begann. Die allgemeine Erregung riß alles mit sich fort, und die sozialdemokratischen, als „Quartierinhaber" (s.o.) 1 7 wahlberechtigten Arbeiter sanierten ihr Gewissen damit, daß sie ja die Parteiparole - die übrigens verschieden gedeutet wurde (man nahm teilweise an, daß nur die Teilnahme an der D u m a oder nur die Wahl der Deputierten, nicht der Wahlmänner, verboten sei) - wenigstens in ihrer Klassenqualität als Arbeiterwähler in den Fabriken befolgt hätten. | 316 A 363 (199) ) Auch z.B. für Moskau von den lokalen Führern der „Kadetten" alsbald selbst hervorgehoben, ,,Russk[ija] Wj[edomosti]" 95, 4. 1 8 Die Mehrzahl der 27000 Kadettenwähler gehörte der Partei nicht an. 317 ) Diese kam in allen, mir aus den Zeitungen bekannten Fällen der Wahl entweder von Geistlichen oder von Reaktionären zugute. Wo immer der Kleingrundbesitz zahlreich erschien, war er kaum minder radikal als die Bauern. | e A: wurde 13 Die sozialdemokratische Partei faßte auf ihrem Kongreß in S t o c k h o l m im April/Mai 1906 d e n Beschluß, den Boykott der Wahlen a u f z u g e b e n und sich an den n o c h aussteh e n d e n Wahlen zu beteiligen. Z u m Wahlergebnis in Tiflis vgl. unten, S. 642. 14 Siehe oben, S . 4 6 5 f . 15 Die Mitteilung findet sich in: N o v o e Vremja, Nr. 1 0 7 8 3 , nicht 1 0 7 8 5 , v o m 22. März 1906, S. 2, Sp. 4: Moskovskaja chronlka. 16 Das Wahlgesetz erlaubte In den 20 größten Städten, die e i g e n e A b g e o r d n e t e wählten, d e n G e b r a u c h v o n Wahlzetteln und sogar v o n vorgefertigten Kandidatenlisten der Parteien. Vgl. E m m o n s , Formation, S. 2 3 7 f f . (wie oben, S. 358, A n m . 13). 1 7 Siehe oben, S. 4 5 2 und S. 461. 18 R u s s k i j a V e d o m o s t i , Nr. 95 v o m 9. April 1906, S . 4 .
Analyse
der
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sie zurückzuführen. Die Bauern aber boykottierten nur ganz vereinzelt, im Beginn der Wahlbewegung. Die Demokratie gewann auch hier in der überwiegenden Mehrheit der groß- und kleinrussischen, baltischen und kaukasischen Gouvernements das entschiedenste Übergewicht, in den Neusiedelungsgebieten des Südostens und in Teilen der schwarzen Erde siegte die äußerste Linke. Fast überall waren es hier die Bauern, welche gegen die „gemäßigten" Kandidaten, entschieden und unerwarteterweise, mit den „Städtern" gemeinsame Sache machten. 'An dem Wahlergebnis der Gouvernementsversammlungen ist zunächst der Unterschied zwischen Gebieten mit und ohne Semstwo, und das heißt so ziemlich: mit und ohne Volksschule und mit und ohne sozialpolitische Arbeit der „Gesellschaft" offensichtlich. 28 von den 34 Semstwogouvernements der ersten Wahlkampagne ergaben leidlich glatte Parie/resultate, nur in 6 (= 17%) war das Ergebnis ein gemischtes. Dagegen war in nicht weniger als 6 (= 46%) von den nur 13 Nicht-Semstwogouvernements das Ergebnis im Parteisinne zweifelhaft. 19 In diesen letzteren wurde teils nach vorwiegend ständischen Gruppen, teils nach persönlichen Rücksichten gewählt resp. um die Wahl gefeilscht und die Mandate geteilt. So vereinigten sich in Minsk, Witebsk und Podolien die Grundbesitzer mit den Städtern gegen die Bauern (= Russen und Ruthenen), in Wilna, Mohilew und Wolhynien umgekehrt mit den Bauern gegen die Städter (hier gleich Juden), in Grodno Städter (= Juden) und Bauern gegen die Grundbesitzer. 20 In diesem West-Rayon ragten eben - das erklärt allerdings auch zu einem erheblichen Teil die Eigenart der dortigen Wahlen 1-f
(S. 646) Petitdruck in A.
19 Zu den Ergebnissen der Wahlmännerwahlen in den verschiedenen Kurien vgl. die Tabellen in: Vestnik Partil Narodnoj Svobody, Nr. 5 vom 28. März 1906, S. 321-350, und Nr. 6 vom 11. April, S. 441-470. 20 Zeitgenössische Berichte über die Wahlen in den hier angeführten Städten und Gouvernements finden sich: über Minsk: Ree', Nr. 32 vom 27. März 1906, S. 3, Sp. 3 und 4, Nr. 46 vom 12. April 1906, S. 4 und 5, Nr. 48 vom 14. April 1906, S. 5, und Nr. 49 vom 15. April 1906, S. 2f.; über Vitebsk: Strana Nr. 32 vom 28. März 1906, S. 4, und Ree', Nr. 33 vom 28. März 1906, S. 3, Sp. 5; über Podolien: Vestnik Partii Narodnoj Svobody, Nr. 7 vom 19. April 1906, S. 5 3 0 - 5 3 3 ; überVII'na: Ree', Nr. 27 vom 21. März 1906, S.3, und Nr. 49 vom 15. April 1906, S.3; überMogilev: Strana, Nr.33 vom 29. März 1906, S.4, und Ree', Nr.33 vom 28. März 1906, S.3, Sp.5; über Volhynien: Ree', Nr.48 vom 14. April 1906, S.3, und über Grodno: Strana, Nr.32 vom 28. März 1906, S.4, und Ree', Nr.33 vom 18. März 1906, S.3, Sp.5.
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die nationale Frage und der konfessionelle Gegensatz in ihrer KomA 364 (200) pliziertheit in die Wahlen hinein, und die Art der Gliederung | des Wahlrechtes machte die Wahlmänner der drei verschiedenen Gruppen teilweise zu Vertretern verschiedener Rassen und Konfessionen. Fast durchweg aber hatte das starke Vorwiegen des nationalen 5 Gesichtspunktes eine gewisse Zurückdrängung der demokratischen Färbung zur Folge: es überwogen, ebenso wie im „Zartum Polen" so auch in vielen Bezirken der 7 nördlichen Westgouvernements (also außer Kijew und Poltawa), die gemäßigten, teilweise geradezu reaktionäre Elemente 3173 ). Im „Zartum Polen" unterlagen die progressi- 10 ven Demokraten den bürgerlichen Nationalisten, in einem Wahlkreise zufolge der Einigung der Polen mit den Deutschen gegen die Juden und die Demokratie. In Wolhynien konzedierten die polnischen Grundbesitzer lieber einem chauvinistisch-antipolnischen Popen ein Mandat,21 als daß sie sich mit den radikalen, städtischen 15
A 364 (200)
317a
) Von den Vertretern der Westgouvernements waren die polnischen meist noch konservativer als die Vertreter des Zartums Polen. Die letzteren z. B. waren im Gegensatz zu jenen Anhänger der Zwangsenteignung, wenigstens falls sie nach Beseitigung der Gemengelage, Verkoppelung, Servitutenableistung noch nötig sei, nur waren sie Gegner des staatlichen Landfonds und der Übergabe des Landes zur Pacht. - Merkwürdig genug, hatte die Regierungspolitik der „Heiligkeit des Eigentums" ihre Hauptstütze in den Vertretern des Aschenbrödels unter den russischen Gebieten: des „Westkraj". - Die Stellungnahme der Polen aus dem Zartum gegen die radikale Agrarreform hatte teils, wie früher erwähnt, 2 2 in nationalpolitischen Befürchtungen, teils in der ganz anderen Agrarverfassung: hohe Entwicklung der landwirtschaftlichen Technik, Vorherrschen der mittleren Bauern, geringe Entwicklung der Pacht (zumal der Bauernpacht), geringerer Absentismus, andere Arbeitsverfassung der großen Güter, (Instverfassung 23 nach Art unserer östlichen Provinzen) ihren Grund. Für die Vertreter des „Westkraj" waren dagegen reine Klassenmotive maßgebend. - Die Polen aus dem „Zartum" entwickelten ihr Programm übrigens bisher nur skizziert und stellten in den Vordergrund desselben ausschließlich und allein die Lösung der Landfrage durch den polnischen Landtag.
21 In der zeitgenössischen Darstellung der D u m a a b g e o r d n e t e n wird der gewählte Pope A. V. Koncevic als „ g e m ä ß i g t " beschrieben. Vgl. Bojovic, M. N., Cleny Gosudarstvennoj D u m y . Portrety i blografil. - Moskva: Pecat' i Gravjura 1906, S. 46. 22 Siehe oben, S. 3 5 9 f „ 5 0 9 und 528ff. 23 G e m e i n t ist die traditionelle Arbeltsverfassung in den ostelbischen Gebieten, die auf der G e m e i n s a m k e i t der ö k o n o m i s c h e n Interessen des ländlichen Arbeitgebers und des Landarbeiters und seiner Familie beruhte. Der Instmann bewirtschaftete einen jährlich w e c h s e l n d e n Teil des G r u n d und B o d e n s auf eigene Rechnung (meist ein Zehntel). Er war anteilsmäßig an d e m Erdrusch beteiligt und hatte d e m g e m ä ß ein unmittelbares Interesse an einem hohen Ertragserwerb.
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Wahlmännern (Juden) verbunden hätten. Die Genugtuung der bürgerlichen, russischen Zeitungen über die Niederlage der zur dauernden Verständigung mit Rußland bereiten Demokratie zugunsten der polnischen, bürgerlichen Chauvinisten schien wirklich - es läßt sich das nicht leugnen - zu besagen: Nationalisten aller Völker, vereinigt euch - gegen die Demokratie 318 )! Allein der teilweise Sieg der gemäßigten Elemente beruhte in jenen Bezirken im wesentlichen doch auf der ökonomischen Abhängigkeit, der politischen Unerfahrenheit und Unorganisiertheit der Massen in diesem russischen Irland. 24 Im Ergebnis waren die Wahlen, so weit nicht Nationalisten (Litauer, Polen, Ukrainophilen) siegten, ziemlich gleichmäßig zwischen der Demokratie und den „Gemäßigten" geteilt, die letzteren waren zum nicht unerheblichen Teil ganz oder fast ganz schreib- und leseunkundige Bauern. Anders im Süden des „West-Kraj" (Kijew, Poltawa) und in dem mächtigen Gürtel des Gebietes der „schwarzen Erde", welches sich von der rumänischen Grenze zwischen dem Meer, den Vorländern des Kaukasus und einer südlich von Kijew, Tschernigow, Tula, Rjäsanj, Kasanj vorüberführenden Linie nach dem Ural und der | östli- A 365 (201) chen Steppe zu erstreckt. In diesen Gebieten des landwirtschaftlichen Exports und der Landnot der Bauern sind nur die Gouvernements Tambow und Rjäsanj, das erstere in die Hände der Monarchisten, das letztere in diejenigen der „gemäßigten" Elemente, speziell des Bundes des 17. Oktober, gefallen, während in Bessarabien, dem
318 ) A u c h in R i g a s i e g t e d e r g e m ä ß i g t e L e t t e . A l l e i n dies war die F o l g e der w e i t älteren u n d b e s s e r e n O r g a n i s a t i o n u n d der frischen E r i n n e r u n g an die J a k o b i n e r h e r r s c h a f t d e r Radikalen.25 |
2 4 Dieser hier v o r g e n o m m e n e Vergleich läßt sich vermutlich auf die typisch großagrarische Struktur mit ü b e r w i e g e n d e m Großgrundbesitz der b e i d e n Gebiete z u r ü c k f ü h r e n . Da in d i e s e m Teil der Ukraine die Institution der Obscina fehlte, gab es eine starke A b h ä n g i g keit der Bauernschaft v o m Großgrundbesitz, ähnlich w i e in Irland, und eine große Masse landarmer Bauern. 2 5 Im Herbst 1905 kam es s o w o h l in d e n baltischen Städten als auch auf d e m Lande zu s c h w e r e n Unruhen, bei d e n e n zahlreiche Güter niedergebrannt und die häufig d e u t s c h baltischen Besitzer e r m o r d e t w u r d e n . Im Spätherbst 1905 w u r d e n kleinere Teile Estlands und Lettlands für kurze Zeit v o n radikalen sozialdemokratischen G r u p p e n beherrscht, jedoch führten die anschließenden „ S t r a f e x p e d i t i o n e n " des russischen Militärs, an d e n e n sich auch deutsch-baltische Korps beteiligten, zu weitaus g r ö ß e r e m Blutvergießen.
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klassischen Gebiet des Antisemitismus, und in Orjol das Ergebnis ein geteiltes, in beiden Fällen aber mit entschiedenem Überwiegen der „gemäßigten" Parteien war. Sonst ist das ganze Gebiet der Demokratie anheimgefallen, überwiegend der konstitutionellen, aber teilweise auch der Sozialrevolutionären. 26 In den kleinrussischen Departements Poltawa und Tschernigow und in Kursk im Westen, und ebenso in Ssaratow, Ssamara, Ssimbirsk, Kasanj im Wolgagebiet, ebenso in Taurien im Süden wurde kein einziger, in den Gouvernements Kijew, Charkow, Jekaterinoslaw, Woronesh, Cherson, Taurien nur ganz vereinzelte rechts von der KadettenPartei stehende Deputierte gewählt, nur das Gebiet des Donschen Heeres war geteilt, jedoch ebenfalls unter Überwiegen der Demokratie, von den spezifischen Steppengouvernements war Orenburg fast rein demokratisch, Astrachan geteilt. In den nördlichen Schwarzerdgebieten und im südlichen Zentralrayon waren Pensa, Tula, Kaluga zwischen der Linken und den „Progressisten", mit nur vereinzelten Vertretern der Gemäßigten, geteilt. Smolensk im Westen, Ufa im Osten, die ungeheuren nördlichen Kolonisationsgebiete Wjatka und Archangelsk schickten rein oder (Smolensk) fast rein demokratische Vertretung. Nur für Perm im Osten, Wologda im Norden, Nowgorod, Pskow, Olonetz im Nordwesten hatten die Gemäßigten das Übergewicht behauptet, dagegen waren im Nordwesten das Twersche Gouvernement demokratisch, das Petersburger demokratisch-„progressistisch". 27 Im zentralen Industrierayon hatten Jarosslawlj und Kostroma im Norden ein unbedingtes und, wie schon gesagt, die südlichen Kustar-Gebiete (Tula, Kaluga usw.) ein immerhin erhebliches Überwiegen der Demokratie gezeigt, während in Nishnij-Nowgorod die Reaktionäre (Monarchisten, Rechtsordnungspartei) den Demokraten mindestens das Gleichgewicht hielten. 28 Von den eigentlichen Brutstätten des Kapitalismus waren in Wladimir die Erfolge der Mittelpartei (Bund des 17. Oktober)
2 6 Zu diesen und den f o l g e n d e n A n g a b e n vgl. die z e i t g e n ö s s i s c h e n Berichte in: Strana unter d e m Titel: Cleny G o s u d a r s t v e n n o j D u m y , Nr. 51 v o m 20. April, Nr. 53 v o m 22. April, Nr. 55 v o m 25. April und Nr. 56 v o m 26. April 1906, jeweils S. 5. Diese Berichte In Strana enthalten die N a m e n und die Parteizugehörigkeit bzw. politische Richtung der gewählten Dumaabgeordneten. 2 7 Zu den Wahlresultaten in Perm siehe: Strana, Nr. 65 v o m 6. Mai 1906, S . 5 ; zu den übrigen Resultaten siehe oben, S. 621, A n m . 20, und oben, A n m . 26. 2 8 S i e h e oben, S. 621, A n m . 20, und oben, A n m . 26.
Analyse der
Dumawahlen
625
schon erheblicher, im Gouvernement Moskau überwogen sie unbedingt und setzten direkt reaktionäre Kandidaten durch. 29 Man muß sich dabei erinnern, daß in Moskau und Wladimir die „städtische", d. h. die in Stadt oder Land ansässige nicht landwirtschaftliche Wählerschaft die Mehrheit der Wahlmänner zu stellen hatte. Dazu trat in diesen Gebieten des nördlichen Zentrums, daß die privaten Kleingrundbesitzer hier, durch die Expropriationsprojekte erschreckt, für die Mittelpartei eintraten, im Gegensatz zu den Sozialrevolutionären Bauern der Feldgemeinschaften (so z.B. Nishnij Nowgorod: Wjestn[ik] Sselsk[awo] Chasjjaistwa] Nr. 9, S. 18). 30 Diese Erscheinung ist, wie ausdrücklich bemerkt sei, keineswegs allgemein: die privaten Kleinbesitzer sind zwar sehr selten Sozialrevolutionär, aber ganz überwiegend politisch radikal und auch für den „Dopolnitjelnyj nadjel"; - fast durchweg antidemokratisch sind nur die von jeder Umwälzung im Grundbesitz bedrohten deutschen Kolonisten. Da es durchaus feststeht, daß die Erfolge der Reaktionäre in Tambow, der Gemäßigten in Orjol, Rjäsanj und Perm nur dem rücksichtslosesten Druck der Verwaltungsbehörden zu danken sind, so ergibt sich schon aus dieser Übersicht, daß die Demokratie ihre glänzendsten Chancen in denjenigen Gebieten hatte, wo der industrielle Kapitalismus am wenigsten, dagegen der auf Bauernarbeit oder Bauernpachtgeldern aufgebaute agrarische Rentenkapitalismus entwickelt war. Die radikalsten von allen Wahlen - der Mehrheit nach Sozialrevolutionäre - hat Ssaratow und überhaupt die nördlichere Wolgasteppe ge-| bracht, mit ihrem Nebeneinander von mächtigen Grundkomplexen, A 366 (202) welche die Adeligen seinerzeit mit verpflanzten Leibeigenen bewirtschafteten, und an denen jetzt gewaltige Spekulationsgewinne gemacht werden, und bäuerlicher 9 Kolonisation, wie sie ja auch das
g A: bäuerlichen
2 9 W e b e r stützt sich vermutlich auf: Vybory po M o s k o v s k o j Gubernü, in: N o v o e Vremja, Nr. 10 788 v o m 27. März 1906, S. 1. Mit einer A u s n a h m e waren alle gewählten Dumaabgeordneten Mitglieder der Oktobristen oder monarchistischer Parteien. 3 0 Vestnik sel'skago chozjajstva, Nr. 9 v o m 26. Febr. 1906, S. 18: „ A u s d e m G o u v e r n e ment Nlznij-Novgorod teilt man nach Moskau mit, daß die politischen A n s i c h t e n der bäuerlichen Eigentümer (krest'jan-sobstvenniki) und der Bauern der O b s c i n a (krest'janobscinniki) diametral entgegengesetzt sind. Die Eigentümer sind konstitutionelle Monarchisten, die Obscinnikl Sozialrevolutionäre."
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Scheinkonstitutionalismus
Zentrum der Bauernkriege des letzten Winters war, 31 demnächst die kleinrussischen Gouvernements Kijew, Tschernigow und Wjatka im Norden. - Den Monarchisten, welche nur 8 offizielle Mitglieder und keinen einzigen ihrer bekannteren Führer in die Duma gebracht haben, ist dies in Tambow und Perm nur durch die Indifferenz der Bauern und den Druck der Behörde, in Bessarabien durch den dort seit alters eingebürgerten Antisemitismus, im Gouvernement Moskau und in Nishnij Nowgorod nur durch den Bund mit dem industriellen Kapitalismus gelungen, nicht anders der Partei der Rechtsordnung (3-4 Deputierte) in Nishnij Nowgorod; in Cherson dürfte die letztere die Unterstützung deutscher Kolonisten genossen haben. Aus eigener Kraft zeigten sich diese Parteien in einem ganz erstaunlichen Maße schwach und unbedeutend, während die gänzliche Niederlage der Bourgeoisie, d.h. der mit gewaltigen Geldmitteln arbeitenden Handels- und Industriepartei (ein einziger Deputierter aus dem Gouvernement Moskau)[,j nach der geschilderten 32 Gestaltung des Wahlrechts weniger erstaunlich ist. Die als „gemäßigt" bezeichneten und nicht dem Bunde des 17. Oktober zugezählten Deputierten (22 bei Eröffnung der Duma) stammten überwiegend aus Gegenden mit schwacher Wahlagitation, 8 aus dem ungeheuer ausgedehnten Departement Perm (Ural), 8 fernere aus dem West-Kraj (Wolhynien und Minsk: in letzterem hat der Großgrundbesitz die absolute Mehrheit, in ersterem fast die Mehrheit). 33 Diese Wahlen sind im wesentlichen Fabrikate der Bureaukratie, des Adels und der Geistlichkeit. Am überraschendsten war, ihm selbst ebensowohl wie seinen Gegnern, die Niederlage des Bundes des 17. Oktober, der nur 13 Deputierte, darunter Graf Heyden und Stachowitsch, in die Dumabrach-
3 1 G e m e i n t sind die agrarischen Unruhen im Winter 1 9 0 5 / 0 6 , vor allem im zentralen S c h w a r z e r d e g e b i e t , d e m Volgagebiet, In der Ukraine und im Baltikum. 3 2 Siehe oben, S. 462. 3 3 Für die Quelle dieser A n g a b e n vgl. die z e i t g e n ö s s i s c h e n Berichte oben, S . 6 2 4 , A n m . 26 und A n m . 27. Zu d e n Resultaten In Volhynien siehe: Strana, Nr. 55 v o m 25. April 1906, S. 5, und zu d e n Resultaten in Minsk, Nr. 53 v o m 22. April 1906, S. 5. Die Z u o r d n u n g der A b g e o r d n e t e n zu Parteien oder politischen Richtungen war übrigens w e d e r b e i m Z u s a m m e n t r i t t der D u m a noch w ä h r e n d Ihrer Tätigkeit eindeutig möglich. Beispielsweise zählte Strana, das Organ der Partei der d e m o k r a t i s c h e n Reform, am Tag vor der Dumaeröffnung 18 Gemäßigte (Nr. 56 v o m 26. April 1906, S . 5 ) , w ä h r e n d diese politische G r u p p e in Dvadcatyj Vek nicht g e s o n d e r t aufgeführt wurde. Dvadcatyj Vek, Nr. 22 v o m 18. April 1906, S . 3 .
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Analyse
der Duma
wahlen
627
te 319 ), 34 welche teils aus einigen Nordwestgouvernements: Pskow, Olonetz, teils aus den beiden zentralrussischen Gouvernements Orjol und Rjäsanj, teils aus dem Moskauer Gouvernement, wo ein Kartell mit der Handels- und Industriepartei und der Rechten be5 stand, der Rest aus einzelnen verstreuten Gebieten stammten, darunter der einzigen (russischen) nicht demokratischen Stadt Jekaterinoslaw. Die drei „konstitutionell-monarchischen" Parteien, wenn man ihnen die als „gemäßigt" gewählten Deputierten zurechnet, hatten 44 Deputierte, mit den 8 Monarchisten zusammen 52, von 441 10 bis zur Dumaeröffnung gewählten; Versuche, für sie entweder als „parteilos" gewählte Bauern zu werben, - z.B. zu Protesten gegen die Antwortsadresse der Duma 35 - führten immer nur zu etwa 1 - 2 Dutzend Unterschriften. 36 Demgegenüber hatte die Linke zunächst 140 offizielle Mitglieder der „Partei der Volksfreiheit" aufzuweisen, 15 und überdies die noch zu erwähnende 37 äußerste Linke (trudowaja gruppa) von zwischen 60 und 100 Mitgliedern, darunter 12-14 Sozialdemokraten. Schon diese beiden Gruppen bildeten also fast die 319 ) Also nicht soviel, als zur Stellung eigner Anträge und Interpellationen erforderlich A 366 (202) sind. 3 8 |
34 Es ist unklar, worauf sich die Angabe von 13 Abgeordneten für die Union des 17. Oktober stützt. Allerdings ist die Zahl der Abgeordneten der Union des 17. Oktober nicht eindeutig überliefert. Laut Dvadcatyj Vek, Nr. 22 vom 18. April 1906, S.3, verfügte der Sojuz 17 Oktjabrja über 19 Abgeordnete, bzw. gemeinsam mit der Torgovo-promyslennaja partija über 20 Abgeordnete. Strana, Nr. 56 vom 26. April 1906, S. 5, gibt hingegen die Zahl der Abgeordneten des Sojuz 17 Oktjabrja mit 27 und ebenfalls 1 Abgeordneter der Torgovo-promyslennaja partija an. Vgl. Sidel'nikov, S. M., Obrazovanie i dejatel'nost' pervoj Gosudarstvennoj Dumy. - Moskva: Izd. Moskovskogo Universiteta 1962, S. 192 (künftig: Sidel'nikov, Obrazovanie). 35 Gemeint Ist die Antwort der Duma-Abgeordneten auf die Eröffnungsrede des Zaren. Abgedruckt in: Sten. otcety Gos. Dumy, 1-yj sozyv, S.239ff. Ein zeitgenössischer Abdruckin: Pravo, Nr. 19 vom 14. Mai 1906, S. 1765-1768. 36 Die Tabelle in: Strana, Nr. 56 vom 26. April 1906, S.5, gibt allerdings eine davon abweichende Zahl an, nämlich 46 Abgeordnete. Es gab wiederholte Versuche, die parteilosen Bauern dazu zu bewegen, sich bestehenden Parteigruppierungen anzuschließen. So gelang es z. B. der hier genannten Gruppe, bei der Abstimmung über die Antwortadresse eine Gruppe von 43 parteilosen Bauern gegen die Annahme der Adresse zu bilden; jedoch zerfiel diese bereits am Tage der Abstimmung wieder. Vgl. Ree', Nr. 64 vom 4. Mai 1906, S.1. 37 Siehe unten, S.643ff. 38 Zur Stellung von Anträgen etc. war nach Artikel 55 des Gesetzes vom 20. Februar eine Fraktionsstärke von 30 Abgeordneten erforderlich. PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27424.
628
Übergang
zum
Scheinkonstitutionalismus
Mehrheit. 39 Es traten dazu etwa 40 als „Progressisten" gewählte, sie stammten z. B. aus den Gouvernements Nowgorod (5), Kostroma (2), Pensa, Kaluga (je 2), Petersburg (1) und überhaupt aus einer großen Zahl von Gouvernements, in welchen die Demokraten nur die relative Mehrheit hatten und deshalb sich veranlaßt sahen, mit 5 dem linken Flügel der weiter rechts stehenden Elemente zu paktieren. 40 Sie waren daher (außer in Nowgorod) fast durchweg neben | A 367 (203) einer Majorität von demokratischen Deputierten gewählt. Der Rest waren entweder Nationalisten (Polen, Letten, Esthen, Litauer, Kleinrussen, Muhammedaner, Zionisten) oder überhaupt ohne be- 10 stimmte Parteirichtung 320 ). Dies letztere traf besonders auf einen erheblichen Teil der 204 „Bauern" - im ständischen, nicht ökonomi-
A 367 (203)
32 °) Die Gruppe der „Autonomisten" 4 1 umfaßte mit anfangs über 100 Mitgliedern auch die Nationalitäten dieser Westkreise. Allein die Ukrainische Gruppe spaltete sich nach kurzem Bestehen wieder infolge der inneren sozialen Gegensätze: ein Teil der kleinrussischen Vertreter wollte mit den Bourgeoisiepolen nicht im Autonomistenklub zusammensitzen und beschlossen ihrerseits, unter Wahrung ihrer Selbständigkeit sich der trudowaja gruppa anzugliedern („Russk[ija] Wj[edomosti]" 146, 3). 4 2 Die „Gruppe der westlichen Grenzgebiete" spaltete sich, weil ein Teil der dazu gehörigen Polen (Graf Potocki) - die Deputierten des „Zartum Polen" bildeten ihr eigenes davon verschiedenes „Kolo" 4 3 gegen die Enteignung von Privatbesitz und gegen die sofortige Einführung des „viergliedrigen" Wahlrechts war, ein anderer (mit Bischof von Ropp) für beides eintrat. 4 4
3 9 Am Tage vor der Dumaeröffnung waren 442 von insgesamt 524 Abgeordneten gewählt. Strana, Nr. 56 vom 26. April 1906, S. 5, gab die Zahl der Konstitutionellen-Demokraten mit 185, der äußersten Linken mit 59 (davon 6 Sozialdemokraten) an. Die in dieser Zeit in der Entstehung begriffene Trudovaja Gruppa zählte auf ihrer Versammlung am 25. April 1906 129 Abgeordnete als anwesend. Ree', Nr. 58 vom 26. April 1906, S.5. Doch war die Parteizugehörigkeit in dieser Phase häufig noch offen. 4 0 Siehe dazu die Tabelle in: Dvadcatyj Vek, Nr.22 vom 18.April 1906, S.3, und Nasa Zizn', Nr. 425 vom 21. April 1906, S.5. 41 Die Gruppe der „Autonomisten" entstand Ende April/Anfang Mai 1906 und bestand aus Abgeordneten aus Polen und den westlichen Gouvernements, zumeist gleichfalls Polen. Das sogenannte polnische Kolo war eine Sondergruppe innerhalb der Autonomisten. 4 2 RusskijaVedomosti, Nr. 146 vom 6. Juni 1906, S.3. 4 3 Die Gruppe des „Polnischen Kolo" war bereits vor Beginn der Dumasitzungen am 27. April 1906 entstanden. Sie veröffentlichte kurz danach eine Erklärung zur Frage der polnischen Autonomie; siehe dazu: Ree', Nr. 63 vom 3. Mai 1906, S.1. Eine Liste der Mitglieder in: Vestnik Partii Narodnoj Svobody, Nr. 13 vom 1. Juni 1906, S. 856. 4 4 Vgl. dazu Popov, I., Avtonomisty i agrarnyj vopros, in: Ree', Nr. 84 vom 27. Mai 1906, S.1f.
Analyse
der
Dumawahlen
629
sehen Sinne des Wortes (s.o.) 4 5 - zu321), welche sich unter den bis 27.4. gewählten Abgeordneten befanden 322 ). Vergleicht man das 321 ) Die B a u e r n h a b e n im Nordwesten und den Zentralgouvernements fast regelmäßig strikt ständisch gewählt, d. h. a priori gegen jeden Nichtbauer gestimmt. Konnten sie sich alsdann u n t e r sich nicht einigen, so d a u e r t e n , wie in Olonetz und noch mehr in O r j o l (wo Stachowitsch der einzige gewählte Nichtbauer ist), die Wahlen oft drei und m e h r Tage. In O r j o l wurden 36 Kandidaten nacheinander niederballotiert, weil die B a u e r n sich untereinander die zehn R u b e l Diäten nicht gönnten und sich über ihre Kandidaten nicht einigen k o n n t e n . Die Wahlen waren in diesem Fall meist reine Zufallswahlen. D i e D e p u t i e r t e n hatten - a u ß e r den massiven Klassenforderungen - politische Ansichten teils nicht, teils weigerten sie sich, ü b e r dieselben A u s k u n f t zu geben (entweder aus Furcht vor der Polizei oder, weil sie in dieser Hinsicht eben - nichts zu verraten hatten). In einem Fall hatte m a n , da absolut kein Resultat zu erzielen war, zum Lose gegriffen, was freilich die Kassierung der „Wahl" zur Folge haben mußte. In vielen Wahlbezirken aber ballotierten die Bauern solange mit der größten Geduld alles nieder, bis m a n ihnen den Willen tat und ihre Kandidaten d u r c h d r a n g e n . 4 6 322 ) Ü b e r die persönlichen Verhältnisse von 448 Dumamitgliedern gibt das „Wirtschaftskomitee" der D u m a folgende Zahlen (es fehlen die sibirischen, mittelasiatischen und die Kaukasus-Deputierten). 1. Alter: älter als 60 Jahre: 1 1 , 5 0 - 6 0 : 55, 4 0 - 5 0 : 1 6 7 , 3 0 - 4 0 : 181, unter 30: 34. Mittleres A l t e r der „ K a d e t t e n " : 41, der „ t r u d o w a j a gruppa": 35 J a h r e . 2. Bildungsgrad: 189 höchste, 62 mittlere, 111 Volksschulbildung, 84 häusliche und autodidaktische Bildung, 2 A n a l p h a b e t e n . 3. Konfession: 339 O r t h o d o x e , 4 Altgläubige, 63 Katholiken, 14 L u t h e r a n e r , 11 J u d e n , 14 M o h a m m e d a n e r , 1 Buddhist, 1 Baptist 1 1 ,1 „Freidenker". 4. Nationalität: Großrussen 265 (59%), Kleinrussen 62, Weißrussen 12 (Russen zusammen: 7 4 % ) , Polen 51, Litauer, E s t h e n , Letten 20, Deutsche 4, Tataren 8, Baschkiren, Kirgisen, Kalmücken, Tschetschenzen, Mordwinen, W o t j a k e n zusammen 9, Juden 13, Bulgaren 7, Tschuwaschen, Moldauer 3. 4 7 | 5. Stand: 164 Adlige, 9 E h r e n b ü r g e r , 14 Geistliche, 11 Kaufleute, 12 Kosaken, 24 Klein- A 368 (204) bürger, 204 B a u e r n , 14 u n b e s t i m m t 4 8 (von den „ K a d e t t e n " waren 60% Adlige, dagegen 2 , 8 % bei der t r u d o w a j a gruppa, von den „ K a d e t t e n " waren B a u e r n : 2 3 , 5 % , dagegen 81% der t r u d o w a j a gruppa). 6. Beruf: Grundbesitzer und Landwirte 176, Viehbesitzer 1, Fabrikanten 2, Händler 24, Arbeiter 25; - Geistliche 14, Staatsdienst 15, Semstwo- und anderer „gesellschaftlicher" Dienst 61, Professoren 10, Privatdozenten 4, Lehrer 23, Semstwoärzte 19,
h A: Bantist 4 5 Siehe oben, S.456f. 46 Zu den Wahlen in Orel sieheden Bericht: Orlovskie vybory v Dumu, in: Dvadcatyj Vek, Nr. 11 vom 6. April 1906, S.5. Über Olonec siehe: Cleny Gosudarstvennoj Dumy, in: Strana, Nr. 51 vom 20. April 1906, S. 6. 4 7 Nach den Angaben in: Novoe Vremja, Nr. 10868 vom 17. Juni 1906, S. 4, und Russkija Vedomosti, Nr. 157 vom 18. Juni 1906, S.4. Die Gesamtzahl der Baskiren, Kirgisen, Cecenen, Mordvinen, Votjaken und Kalmücken betrug 11, die Zahl der Bulgaren 1 und die der Cuvasen und Moldauer 2. 48 Weber übersetzt hier „raznocincy" mit „unbestimmt".
630 368(204)
Übergang zum
Scheinkonstitutionalismus
Wahlergebnis mit der Verteilung der Wahljmännerzahlen zwischen Bauern und anderen, speziell privatgrundbesitzerlichen Wählern, so haben von den Gouvernements mit Bauernmajorität (oder annähernder Bauernmajorität) Tambow323) und Wologda konservativ resp. mittelparteilich, dagegen Woronesh, Kursk, Ssamara, Ssimbirsk, Pensa, Ufa und Stawropol demokratisch oder doch entschieden liberal gewählt. Aber auch das Gouvernement Poltawa mit einer absoluten Majorität von Wahlmännern des privaten Grundbesitzes324) wählte demokratisch, während die anderen, durchweg im „Westkraj" gelegenen' derartigen Gouvernements (Mohilew, Wilna, Advokaten 38, Ingenieure 5, Feldmesser 1, Planzeichner 1, Student 1 ; - Redakteure 6, Literaten 7. - Die Hauptposten bilden: 24,3% Landwirte, 14,4% (größere) private Grundbesitzer, 13,3% Angestellte im Semstwo- und städtischen Dienst, 8,5% Advokaten, 6,5% Arbeiter, 5,4% Händler, 5,1% Lehrer, 4,2% Ärzte. - N a c h Gesellschaftsschichten geordnet: Größere Gutsbesitzer, Industrielle, Händler, Gutsbesitzer 92, Ingenieure, Ärzte, Advokaten, Geistliche, Professoren, Literatoren 105, - kleine Landwirte und Arbeiter 136, - Volksschullehrer, Semstwo- und Stadtbedienstete 99. Von den mit Grundbesitz angesessenen Mitgliedern der Duma (im ganzen 276 = 62%) hatte 1 über 100000 Deßjätinen, 7 von 5-60000, 33 von 1-5000, 72 von 100-1000, 58 von 10-100 und 81 unter 10 Deßjätinen. Ganz landlos: 162. Neben der starken Vertretung des bäuerlichen und Arbeiterproletariats (über 100), aber auch des mittleren und größeren Grundbesitzes (113 über 100 Deßjätinen) und der etwa ein Drittel aller Abgeordneten umfassenden „Intelligenz" - davon als Spezifikum dieses Parlamentes über 100 Vertreter der radikalen „proletarischen" Intelligenz des „dritten Elements" und ähnlicher Angestellter (Ärzte usw.) - fällt das fast völlige Fehlen des staatlichen Beamtentums (durch das Wahlgesetz erzwungen) und der „Bourgeoisie" um so deutlicher in die Augen: die Stützen des alten Regimes fehlen fast völlig. 49 323 ) In Tambow waren am Tage vor der Wahl fünf demokratische Wahlmännerwahlen kassiert worden. 50 324 ) Der „private Grundbesitz" zeigte sich übrigens keineswegs als eine Einheit in sich. Schon bei den Wahlmännerwahlen dieser Kurie fanden vielmehr die hartnäckigsten Kämpfe zwischen großen und kleinen Besitzern statt, so in Pskow und Nowgorod, wo die kleinen privaten Grundbesitzer siegten und nun mit den Bauern zusammen die Wahlen beherrschen (daher wurde in Pskow als einziger Nichtbauer nur Graf Heyden gewählt). 51 In den meisten Fällen hatte aber der große Besitz in der Besitzerkurie die entschiedene Oberhand (s.o.). 5 2 | i A: belegenen 49 Alle Angaben ebd. 50 Zur Kassation der Wahlen In Tambov siehe: Vestnik Partii Narodnoj Svobody, Nr. 5 vom 28. April 1906, S. 318. Sie erfolgte wegen Fehlens einer Einladung an einen Teil der Wähler. 51 Zu den Wahlen In Pskov siehe: Vybory clenov Gosudarstvennoj Dumy ot Pskovskoj gubernii, In: Nasa Zizn', Nr. 421 vom 16. April 1906, S.4. Zu den Wahlen In Novgorod siehe: Novgorodskle Deputaty, in: Strana, Nr. 33 vom 29. März 1906, S.5. 52 Siehe oben, S.465f.
Analyse
5
der
Dumawahlen
631
Minsk, Wolhynien) autonomistisch und konfessionell wählten. Von den Gouvernements mit überwiegender oder stark vorwiegender Zahl nicht landwirtschaftlicher Wahlmänner wählten Jarosslawlj und Jekaterinoslaw demokratisch (die Stadt Jekaterinoslaw, wie erwähnt, mittelparteilich), das große Zentral|gouvernement Moskau dagegen reaktionär 325 ). Die überwiegende Mehrzahl der nicht land-
A369(205)
325 ) Die Wahlmännerwahlen ergaben in diesem immerhin interessanten Fall bei 109 A 3 6 9 (205) Wahlmännern: 1. Städtische Kurie: 9 Monarchisten, 22 Industriepartei, 9 Bund des 17./X., 20 Kad[etten], - Soz[ial]-D[emokraten], 4 unbek[annt] 2. Grundbesitzerkurie: 5 Monarchisten, 1 Industriepartei, 4 Bund des 17./X., 2 K a d e t ten], - Soz[ial]-D[emokraten], - unbek[annt] 3. Bauernkurie: 6 Monarchisten, - Industriepartei, 6 Bund des 17./X., 3 Kad[etten], Soz[ial]-D[emokraten], - unbek[annt] 4. Arbeiterkurie: - Monarchisten, 1 Industriepartei, - B u n d des 17./10., 3 Kad[etten], 10 Soz[ial]-D[emokraten], 3 u n b e k [ a n n t ] . 5 3 Von den 20 „ K a d e t t e n " aus der Städtekurie stammten 9 aus dem Kreise M o s k a u , also dessen Vorstädten. In der Bauernkurie sind hier zahlreiche industriell beschäftigte Wähler, unter den großen Grundbesitzern zahlreiche an der Industrie interessierte. M a n sieht sofort, wie die intensive kapitalistische Entwicklung dieses Rayons die bürgerliche demokratische Ideologie sozusagen zerdrückt. Z u berücksichtigen ist freilich, d a ß der Bezirk keine erheblichen, sondern nur Landstädte u m f a ß t , die „städtischen" Wähler des platten Landes, auch der großen Industriedörfer, aber ausschließlich der Bourgeoisie angehören, da ja die bloßen „Wohnungsinhaber" auf d e m platten L a n d e der Stimme beraubt sind. Die „Handels- und Industriepartei" wählte einen (von den A r b e i t e r n präsentierten) A r b e i t e r , ohne daß die Sozialdemokraten ihr Gegendienste geleistet h ä t t e n . 5 4 Eine Verständigung mit den „ K a d e t t e n " wiesen ebenso sie wie der „Bund des 17. O k t o b e r " zurück, vielmehr verständigte sich die Handels- und Industriepartei zunächst mit den Monarchisten, die M a n d a t e erhielten, dann mit dem „Bund des 17. O k t o b e r " , dem sie, ebenso wie sich selbst, je zwei M a n d a t e zuwendete, dergestalt jedoch, daß nicht die eigentlichen Semstwoleute, d a r u n t e r Schipow, sondern zwei weit rechts stehende Mitglieder des „ B u n d e s " zur Wahl gelangten. 5 5 D e r „Bund des 17. O k t o b e r " selbst spielte dabei, indem er, nur um eine Verständigung mit den verhaßten „ K a d e t t e n " zu vermeiden, seinem eigenen glänzendsten Führer die D u m a versperrte, im G r u n d e eine recht dürftige Rolle. 5 6 - Auch in Wladimir und Jarosslawlj waren, wie in M o s k a u , die Bauern antidemokratisch. Schon auf d e m
5 3 Für diese Angaben vgl. den Bericht in: Rus', Nr. 58 vom 16. März 1906, S. 2, und die Tabelle in Vestnik Partii Narodnoj Svobody, Nr. 6 vom 11. April 1906, S.454f.; dort auch die Angabe, daß 9 Kadetten aus dem Kreise Moskau stammten. 5 4 Vgl. dazu den Bericht: Vybory clenov Dumy ot Moskovskoj Gubernii, in: Rus', Nr. 16 vom 27. März 1906, S.2. 5 5 Siehe dazu den Bericht: Bor'ba partij v Moskovskom Gubernskom izbiratel'nom sobranii in: Moskovskija Vedomosti, Nr. 86 vom 31. März 1906, S. 2. 56 Um dieses Wahlbündnis mit der äußersten Rechten zustande zu bringen, veranlaßte der Bund des 17. Oktober D. N. Sipov dazu, seine Kandidatur im Gouvernement Moskau zurückzuziehen. Pobeda svobody v Moskve, in: Strana, Nr. 32 vom 28. März 1906, S. 1.
632
A 3 7 0 (206)
Übergang
zum
Scheinkonstitutionalismus
wirtschaftlichen Wähler in den Gouvernements hatte in den Bezirken ohne bedeutende Industrie, wo die Juden stets einen sehr bedeutenden Bruchteil der Wähler stellten, demokratisch, in den zentralen Industriegebieten (z.B. Moskau) sehr häufig antidemokratisch gewählt, die Grundbesitzerkurie war fast immer geteilt. Der Sieg der 5 Demokratie wurde regelmäßig durch ein Bündnis der städtischen Wähler mit einem Teil der Grundbesitzer und vor allem mit den Bauern herbeigeführt, denen das radikale Landprogramm und die scharfe Gegnerschaft gegen die administrative Willkür in die Augen stach326). Denn nachdem die Wahl|bewegung in Fluß gekommen 10
Sozialrevolutionären Bauernkongresse 1905 57 war die ökonomische Interessendifferenzierung der B a u e r n des zentralen Industrierayons als G r u n d der Erschwerung der radikalen Agitation unter ihnen betont worden. Die B a u e r n d e m o k r a t i e ist also D e m o k r a t i e des agrarischen Proletariats in agrarischen G e b i e t e n . 326 ) Die B a u e r n hatten in sehr zahlreichen Fällen vollständige „cahiers" 5 8 für ihre D e p u t i e r t e n ausgearbeitet. So forderten im G o u v e r n e m e n t Poltawa die Prigowors 5 9 einiA 370 (206) ger Wolosts: 1. gleiches Wahlrecht, 2. Garantien gegen administrative Willkür, | 3. Beseitigung der Ausnahmegesetze, 4. Beseitigung der Todesstrafe, 5. allgemeine unentgeltliche Volksschule, 6. Regelung aller L ö h n e und Pachten durch Gesetz, 7. Herabsetzung der G e h ä l t e r aller B e a m t e n auf das Niveau der japanischen Beamtengehälter („Russk[ij a] W j [edomosti] " 76 , 3). 6 0 Im G o u v e r n e m e n t C h a r k o w wurde gefordert : 1. allgemeine Volksschule, 2. Separation, 3. Pachtregulierung (die Pachten sind in den letzten zehn Jahren von 8'/2 auf 17-18 R u b e l pro D e ß j ä t i n e gestiegen), 4. und namentlich: Minimalnad j e l p r o Seele von 5—10(!) D e ß j ä t i n e n je nach Fruchtbarkeit. 6 1 Die Demagogie zeitigte bei der U m w e r b u n g der Bauern bedenkliche Erscheinungen. Miljukow sah sich z. B. (1. Februar) genötigt, einen ¡„¡Wahlaufruf der K a d e t t e n " , der unentgeltliche Landzuteilung versprach, als „versehentlich" verbreitet zu bezeichnen („Now[oje] W r [ e m j a ] " 10762, 3)N 6 2 57 Gemeint ist der zweite Allrussische Bauernkongreß, der vom 6. bis 10. November 1905 tagte und äußerst radikal ausgerichtet war. 58 Anspielung auf die „Cahiers de Doléances", die Beschwerdebriefe der Bauern in der Französischen Revolution von 1789. 59 Prigovory waren schriftlich fixierte Entscheidungen der Dorfgemeinde (des schod). Nach dem Ukaz des Zaren vom 18. Februar 1905, der Eingaben und Petitionen zuließ, setzte eine Flut solcher Prigovory ein, die insbesondere in der Sessionsperiode der Ersten Duma noch ständig zunahm. Diese Prigovory waren an die Duma, die Parteien oder einzelne Abgeordnete, sowie an den Zaren gerichtet. Sie wurden häufig in den Tageszeitungen Strana, Ree' und Nasa Zizn' veröffentlicht. Vgl. Krol', M.A., Kak prosli vybory v Gosudarstvennuju Dumu. - S.-Peterburg: R.S.Vol'pin 1906, S.49ff. (künftig: Krol', Kak prosli). 60 In der Meldung hieß es u. a., daß die Bauern auf die Notwendigkeit einer Ausgabenkürzung verwiesen und den Generälen mitteilten, daß die Gehälter der Würdenträger, der hohen und sogar der mittleren Beamten Rußlands höher seien als die Japans, das Rußland doch immerhin besiegt habe. Russkija Vedomosti, Nr. 76 vom 19. März 1906, S.3. 61 Der hier angesprochene Prlgovor aus Char'kov konnte nicht ermittelt werden. 62 Novoe Vremja, Nr. 10762 vom 1. März 1906, S.3.
Analyse
der
Dumawahlen
633
war, zerstoben die reaktionären und mittelparteilichen „Bauernbünde", welche der Winter gezeitigt hatte, wie Spreu vor dem Winde. Gegen den von der Regierung und Geistlichkeit gegründeten und mit dem Rechte des direkten Verkehrs mit allen Behörden ausgestatteten Bund „Narodnyj Mir" 6 3 mußte das Ministerium selbst einschreiten, weil er die Bauernstarosten auf Grund dieser Ermächtigung zur Sammlung aller Klagen über die Gouverneure aufgefordert hatte 327 ). Der „Bauernbund des 17. Oktober" erklärte anfangs, er gehe mit den „Kadetten", sobald diese ihre polenfreundliche Haltung aufgeben würden 328 ), schließlich aber schwenkte er ohne allen Vorbehalt ins radikale Lager ab, der Bauernbund der Rechtsordnung tat, in sich zerfallend, desgleichen. 64 Bei den Wahlen selbst wurde zwar 329 ) beobachtet, daß die Bauern sich gegen zugereiste Redner skeptischer verhielten als im Oktober 1905, aber die eigene, aus ihrer Mitte hervorgegangene „Intelligenz" wählten sie mit Vorliebe, keineswegs aber gaben sie den Land bewirtschaftenden Standesgenossen an sich den Vorzug. Alle „Kulaki" stimmten sie nieder, während sie Eisenbahnarbeiter und Semstwobedienstete bäuerlichen Standes, zumal gemaßregelte oder administrativ verschickte, wie Uljanow, mit Vorliebe wählten. Wählten sie bäuerliche Wirte, dann[,j wie früher schon erwähnt, 6 5 am liebsten die landärmsten 330 ), da diese dem Zaren die beste Information über die Landarmut geben könnten, sehr ungern Leute, die außer dem Nadjelland noch etwa 327
) ) 329 ) 33 °) 328
So z. B. in Kaluga ,,Russk[ija] Wj[edomosti]" 85, 3 . 6 6 ,,Now[oje] Wr[emja]" 10786, 2. 6 7 ,,Now[oje] Wr[emja]" 10775, 6, aus Ssamara*. 68 „Nowfoje] Wrfemja]" 10766, 6. 6 9
k A: Ssmara 63 Siehe oben, S. 478, Anm. 20, und S. 564. 6 4 Der Bauernbund der Partija pravovogo porjadka trennte sich Mitte Mai 1906 von der Mutterpartei und orientierte sich nach links. Siehe dazu den Bericht in: Strana, Nr. 74 vom 17. Mai 1906, S. 5. 65 Siehe oben, S. 469. 66 Dies bezieht sich auf: Russkija Vedomosti, Nr. 85 vom 28. März 1906, S. 3. 67 Novoe Vremja, Nr. 10786 vom 25. März 1906, S. 2. Das Komitee des Bauernbundes bat um eine Bestätigung des Zentralkomitees der Konstitutioneilen-Demokraten hinsichtlich der Äußerungen N. N. Scepkins, daß die Kadetten nicht die Absicht hätten, die Frage der polnischen Autonomie in der Duma aufzugreifen. 68 Novoe Vremja, Nr. 10 775 vom 14. März 1906, S. 6, Sp. 1 f. 69 Weber stützt sich auf den Artikel: Krest'janskie vybory vGosudarstvennuju Dumu, in: Novoe Vremja, Nr. 10766 vom 5. März 1906, S.6.
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aus Ersparnissen gekauften Privatbesitz innehatten 331 ). Die Verhaftung mancher ihrer Bevollmächtigten 332 ) gleich nach der Wahl machte sie nicht wankend: sie schwiegen und versprachen dem Landhauptmann in den „vorbereitenden Versammlungen" alles Gute, aber bei der geheimen Wahl stimmten sie radikal, wo immer sie überhaupt „frei" wählten. Die erhebliche Zahl der zu Wahlmännern gewählten Bauernintelligenten erleichterte den „Kadetten" natürlich die politische Verständigung mit den Bauern, obwohl deren Eigensinn, womöglich niemand anders als Bauern gewählt zu sehen, fast überall Schwierigkeiten veranlaßte. Deshalb ist es, obgleich, wie oben bemerkt, 7 0 die Semstwogouvernements im allgemeinen weit strenger „parteimäßig" wählten als die Gebiete ohne Semstwos, doch nur ausnahmsweise glatt abgegangen, da nämlich, wo die DeA 371 (207) mokratie durch gründliche agitatorische Arbeit die | Bauern schon vor der Wahl zu einer Einigung auf dem Boden ihres Programms gebracht hatte. Sonst saßen die „Wahlmänner sehr oft 3, zuweilen 4 Tage, bis schließlich eventuell, infolge der geschlossenen Organisation der „Kadetten", das vom zweiten Wahltage ab (s. o.) 71 geltende Prinzip der realtiven Mehrheit ihnen zum Siege verhalf. Diese Umstände wollen bei Prüfung der Position der bürgerlichen Demokratie ebenfalls erwogen werden. So stark, wie sie äußerlich scheint, ist sie nicht: wenn die Sozialdemokratie in den Städten sich an der Wahl beteiligt, wird auch dort das Wahlergebnis sich verschieben, und nicht minder wird das Klasseninteresse der privaten Grundbesitzer alsdann sich zuungunsten der Demokratie steigern. Wieweit die Wege der städtischen Sozialdemokraten und der Sozialrevolutionären Bauern zusammenlaufen würden, ist gleichfalls unsicher, ebenso, wie die zweifellos bevorstehende Enttäuschung auf die Bauern wirken wird. Und schon eine gar nicht allzu erhebliche Verschie331 332
) ,,Russk[ija] Wj[edoraosti]" 56,4 aus Rusa. 72 ) So in der Turaaschen Wolost, Gouvernement Moskau, und öfter. 73 |
70 Siehe oben, S. 621 f. 71 Siehe oben, S. 471. 72 G e m e i n t ist: RusskijaVedomosti, Nr. 56 v o m 27. Febr. 1906, S. 4. D e m Bericht zufolge w u r d e n Bauern, die Privatland besaßen, deshalb nicht gewählt, weil ihnen unterstellt wurde, daß sie als W a h l m a n n bzw. A b g e o r d n e t e r nur ihre persönlichen, nicht jedoch die Interessen aller Bauern vertreten würden. 73 Zu Verhaftungen von Bauernbevollmächtigten für die Wahlen siehe Krol', Kak prosli, S. 32 (wie oben, S. 632, A n m . 59).
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Analyse
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bung in den Wahlkörperschaften kann die konstitutionelle Demokratie aus ihrer jetzigen Machtstellung werfen. Das diesmalige Wahlergebnis333) ist in erster Linie Folge der bis zur Raserei getriebenen Willkür des Durnowoschen Regimes, gegen 5 welches sich alles, was überhaupt Herr seiner politischen Entschließung war, unter der Fahne der Demokratie zum Protest zusammenschloß. Ohne feste Rechtsgarantien, wie sie dies Regime seiner Natur nach nicht gewähren konnte, war ein Bündnis mit breiteren bürgerlichen Schichten nicht möglich, und nur die äußerste politi1 o sehe Ermattung könnte die durch diesen, in der Tat kaum zu überbietenden, Druck, der alle Gegensätze der „Klasseninteressen" zum Schweigen brachte, zusammengeschweißte Masse sprengen. Insbesondere die Mittelparteien waren durchaus im Recht, als sie dem Ministerium vorwarfen, sein Verhalten sei der beste Agitator für die 15 Demokratie g e w e s e n . -
333 ) Mitte Juni - vor dem Eintreffen der überwiegend radikalen, kaukasischen, sibiri- A 371 (207) sehen und zentralasiatischen Deputierten - zählte man nach den Rechnungen des „Wirtschaftskomitees" der Duma: 105 Partei lose, und an Vertretern der einzelnen Parteien (wobei ich in Klammern die Zahl setze, welche durch Hinzurechnung der regelmäßig mit der betreffenden Fraktion stimmenden „Parteilosen" sich ergibt): 153 (178) „Kadetten", 107 (116) radikale Linke (etwa 12 Sozialdemokraten), 63 „Autonomisten", 4 (18) Mitglieder der „Partei der demokratischen Reform", 1 Handels- und Industrie-Partei, 13 (25) Bund des 17. Oktober, 2 (47) „Gemäßigte" und „Monarchisten". 7 4 Kurz vor der Auflösung war der Bestand der Parteien: „Kadetten" 178, „demokratische Reform" 16, Sozialdemokraten 24, die in Bildung begriffene „Partei der friedlichen Erneuerung" ( = Bund des 17. Oktober und andere Gemäßigte) 40, nach der Torg[owo]-prom[yschljennaja] Gasj[eta] 62(?), 7 5 die radikale „Arbeitsgruppe" 101. Die Organisation der noch verbliebenen „Parteilosen" als eigene Gruppe, d. h. in Wahrheit ihre Angliederung an die „Partei der friedlichen Erneuerung" unter den Auspizien des Grafen Heyden, hatte eben begonnen, als die Auflösung dazwischen kam. |
74 Die Angaben über die Zusammensetzung der Duma nach Parteien, Alter, Ausbildung etc. sammelte der Abgeordnete der Konstitutlonellen-Demokraten N. A. Borodin aus eigener Initiative, nicht das Wirtschaftskomitee der Duma. Vgl. den Artikel Gosudarstvennaja Duma v cifrach, in: Russkija Vedomosti, Nr. 159 vom 21. Juni 1906, S.7, sowie den Leserbrief Borodins an die Russkija Vedomosti, ebd. Dort auch die von Weber angeführten Zahlen. 75 Der angeführte Bericht der Torgovo-Promyslennaja Gazeta über die Zusammensetzung der Duma in Nr. 142 vom 23. Juni 1906, S. 1, enthält die angegebene Zahl nicht.
Vili. aNach den Wahlena Obwohl das Wahlgeschäft sich in eine Reihe einzelner Gefechte zersplitterte und nur die Wahl der Deputierten selbst an einigen für Gruppen von Gouvernements gemeinsam festgesetzten Tagen stattfand, ließ sich doch in der letzten Märzwoche ziemlich genau erken- 5 nen, welches das Resultat sein werde. Die nächsten Folgen zeigten sich im Pörto'leben. Die „Kadetten" waren, obwohl sie formell zuerst nur ein Drittel der Deputiertenzahl zählten, doch schon kraft A 372 (208) ihrer taktischen Geschlossenheit die führende Partei, und die Folge war, daß auf ihrem dritten Kongreß 3333 ) - 24.-26. April - von der 10 „konstituierenden" Versammlung kein Sterbenswort mehr geredet 334 ), die Frage, ob man sich an „organischer" Arbeit beteiligen solle oder nicht, gar nicht ernstlich aufgeworfen wurde. Das Agrarprogramm der Partei wurde fertiggestellt, wobei die alten Gegensätze abermals auftauchten und zu einer sehr allgemein gehaltenen, das 15 Projekt nur als provisorischen „Entwurf" bezeichnenden Resolution führten, welche die Fühlung mit den Bauern wahren sollte, ferner eine Kommission für die Arbeiterfrage eingesetzt und die Rangfolge, in welcher die Partei die einzelnen Reform Vorschläge auf die Tagesordnung zu setzen beabsichtigt, erörtert. Über die Taktik im 20 allgemeinen wurde kundgegeben, daß die Partei einem Zusammenstoß mit der Regierung nicht ausweichen, aber darauf bedacht sein werde, daß im Falle eines solchen die letztere allein die Verantwortung zu tragen habe. 1 Taktisch betrachtet, immerhin ein starker
A 372 (208)
333a
) Bericht im „Now[oje] Wr[emja]" 10813, 3, Protokoll im „Prawo" Nr. 18. 2 ) Das wurde vom „Rjetsch" selber zugestanden, 3 cf. auch ,,Russk[ija] Wjjedomosti]" 111 S. 2 Sp. 6. 4 334
a Kapitelüberschrift in Anlehnung an das Inhaltsverzeichnis, oben, S. 294, eingeschoben.
1 Die Resolutionen, die auf dem Parteitag der Konstitutlonellen-Demokraten angenommen wurden, sind abgedruckt in : Tretij s-ezd partii narodnoj Svobody, S. 1667-1697. 2 Gemeint ist: S-ezd partii narodnoj Svobody, in: Novoe Vremja, Nr. 10813 vom 22. April 1906, S. 3; Tretij s-ezd partii narodnoj svobody, S. 1667-1697. 3 Wahrscheinlich bezieht sich dies auf: Okrytie s-ezda, in: Ree', Nr.55 vom 22. April 1906, S.2. 4 Russkija Vedomosti, Nr. 111 vom 25. April 1906, S. 2.
Nach den
Wahlen
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„Ruck nach rechts", jedoch bei Aufrechterhaltung alles sachlichen Radikalismus. Anders war die Wirkung auf der gegnerischen Seite. Die „Rechtsordnungspartei" zwar machte sich durch einen „Kongreß" von 23 Leuten lächerlich (24. April) 335 ). Dagegen die Handelsund Industriepartei liquidierte336) und zog sich auf die rein ökonomische Interessenvertretung zurück. Der „Bund des 17. Oktober" hatte schon während der Wahlen an manchen Orten (Charkow) den Bund mit ihr gelöst, da offenkundig die Wählerschaft durchaus nicht zu bewegen sei, für „Kapitalisten" zu stimmen. Die „Bourgeoisie" also verzichtete formell auf parlamentarische Vertretung. Die allgemeine Stimmung der Fabrikantenkreise einerseits, der Regierung andrerseits trat deutlich hervor, als - es geschah dies gleich nach den Wahlen - die Verwaltung des Handelsministers Fedorow mit ihrem sozialpolitischen Programm hervortrat 337 ) und sie zur Beratung darüber einlud. 5 Das Programm selbst war das denkbar umfassendste. Aber was das wesentlich Neue daran war und den Fabrikanten offenbar am meisten in die Augen stach, war die Freigebung der Industrie von administrativer Kontrolle und Beaufsichtigung, bei gesetzlicher Festlegung bestimmter Rechte der Arbeiter und, dem ersten Anschein nach, relativ weitgehenden gesetzgeberischen Maßnahmen im Sinne der westeuropäischen, speziell der deutschen, Arbeitergesetzgebung. Die Industrie fühlte sich, auf die mächtigen Interessen335
) Cf. ,,Now[oje] Wr[emja]" 10816, 4. 6 ) ,,Now[oje] Wr[emja]"10806, S. 2. 7 337 ) Dasselbe nahm sich ganz leidlich aus: 1. Arbeiterschutz: sechs- (statt acht-) stündiger Arbeitstag für 12—15jährige, zehnstündiger für 15—17jährige Arbeiter und für alle Frauen, Ausschluß der Nachtarbeit für die 15-17jährigen (mit Ausnahmen); 2. Durchführung der allgemeinen Unfall- und Krankenversicherung durch Fabrikkassen bei Betrieben mit 50 und mehr Arbeitern, andere Betriebe werden zu Kassen vereinigt, Altersversicherung bis zu 1500 Rubel Einnahme durch Beiträge von 1 - 3 % des Lohnes unter Mitbeteiligung der Unternehmer; 3. Bildung örtlicher Komitees zur Lösung der Wohnungsfrage unter Gewährung von Darlehen aus öffentlichen Mitteln; 4. Gewerbegerichte nach deutschem Muster; 5. Zwangssparkassen bei jeder Fabrik. | 336
5 Möglicherweise stützt Weber sich auf den Artikel: Soclal'no-pollticeskaja programma ministerstva torgovli i promyslennostl, in: Russkija Vedomostl, Nr. 92 vom 6. April 1906, S.2. 6 Hier wird Bezug genommen auf den Bericht: S-ezd partija pravovogo porjadka, in: Novoe Vremja, Nr. 10816 vom 25. April 1906, S.4. 7 Gemeint ist der Artikel: Torgovo-promyälennyj s-ezd, in: Novoe Vremja, Nr. 10806 vom 15. April 1906, S. 4. Es handelte sich nicht um eine Konferenz derTorgovo-promyslennaja partija, sondern um die der Unternehmerorganisation.
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Vertretungen und Arbeitgeberverbände gestützt, die sie zu schaffen A 373 (209) im Werke war, 8 | stark genug, dem Kampf mit der Arbeiterschaft beruhigt entgegenzugehen 338 ). Sie war - wenn auch keineswegs einstimmig - bereit, das wenige in Kauf zu nehmen, was man ihr an „Sozialpolitik" zumutete, wenn nur der Arbeitsvertrag der Kontrolle s der Fabrikinspektoren endgültig entrückt und überhaupt die Einmischung des Staates in ihre Betriebsführung in gesetzliche Schranken gewiesen wurde. Und dies stellte, im Gegensatz noch zu dem Verhalten der Regierung im Laufe des Winters, das „konstitutionelle" Ministerium in Aussicht 339 ). Taktisch war der Schritt, vom Stand- 10 A 373 (209)
338 ) Das Moskauer Börsenkomitee z.B. protestierte unter Führung Krestownikows. ,,Now[oje] Wr[emja]" 10807, S. 2. 9 339 ) Beseitigt werden sollte nach Übereinkunft der Kommission, in welcher die Regierung mit den Industriellen verhandelte: 1. die Bestätigung der Fabrikordnung durch den Fabrikinspektor; 2. die Intervention bei Streiks, außer wenn beide Teile es verlangen; 3. die obligatorische 14tägige Kündigungsfrist (statt dessen obligatorisch 3 Tage, dispositiv 14 Tage), die Arbeitgeber sollten ferner - besonders wichtig! - 4. im Falle des Streiks Aussperrungsrecht erhalten, jeder aktiv Streikende (d. h. den Streik positiv mit Herbeiführende) sollte sofort entlassen werden, den „passiv" Streikenden der Lohn für die Nichtarbeitstage abgezogen werden dürfen. 5. Vorgeschrieben sollte, außer den schon erwähnten Schutzbestimmungen, bleiben: Listenführung über Eintritt und Austritt von Arbeitern, Notwendigkeit elterlicher Zustimmung bei Annahme von unter 15jährigen Arbeitern, Verbot des Ausschlusses des Rechtsweges, Lohnzahlung spätestens jeden 16. Tag; sonst sollte jede Einmischung in den Arbeitsvertrag aufhören. Streitig blieb, für welche Schulden Lohnabzüge sollten gemacht werden dürfen (in Fabrikläden und -konsumvereinen bis zu Vi). Eine eingehende Erörterung würde die Darstellung der ganzen geltenden Fabrikgesetzgebung voraussetzen und unterbleibt hier in Erwartung der Publikation der Gesetzentwürfe (die Verhandlungen s[iehe] ,,Now[oje] Wr[emja]" 10807, S. 1; 10810, 4; 10811 b , 4; 10812,4). 1 0 - Der Reichsrat des ancien régime hatte im Winter konsequent alle „sozialpolitischen" Anträge der Ministerien abgelehnt (ein Sonntagsruheprojekt, den zwölfstündigen Arbeitstag mit zwei Stunden Unterbrechung im Handwerk und Handel u[nd] a n d e res] m[ehr]). 1 1
b A: 10,811 8 Zur Entstehung der A r b e i t g e b e r - und Industriellenverbände im Laufe des Jahres 1 9 0 6 vgl. Bonneil, Roots of Rebellion, S. 2 1 8 f f . (wie oben, S. 558, A n m . 44). 9 N o v o e Vremja, Nr. 1 0 8 0 7 v o m 16. April 1906, S.2. 10 G e m e i n t ist: Peresmotr rabocago zakonadatel'stva, in: N o v o e Vremja, Nr. 1 0 8 0 7 v o m 16. April 1906, S. 1 ; dass., in: N o v o e Vremja, Nr. 1 0 8 1 0 v o m 19. April 1906, S. 3 - 4 ; dass., in: N o v o e Vremja, Nr. 1 0 8 1 1 v o m 20. April 1906, S . 4 ; dass., in: N o v o e Vremja, Nr. 1 0 8 1 2 v o m 21. April 1906, S . 4 . 11 G e m e i n t ist die v o m Minister für Handel und Industrie eingebrachte Vorlage zur „ S i c h e r u n g der Pausen" In I n d u s t r i e u n t e r n e h m e n , die am 20. April 1906 v o m Reichsrat ans Ministerium z u r ü c k v e r w i e s e n w u r d e . Otcet po deloproizvodstva G o s u d a r s t v e n n a g o Soveta za sessiju 1 9 0 5 - 1 9 0 6 g g . - S.-Peterburg: Gosudarstvennaja Tipograflja 1906, S. 1163. Die übrigen hier angeführten Gesetzesanträge konnten nicht ermittelt w e r d e n .
Nach den Wahlen
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punkt der Bureaukratie aus, unbedingt richtig: die russische „Bourgeoisie" in der Verfolgung ihrer ökonomischen Interessen vom Staate befreit, wird eine um so zuverlässigere Stütze der „starken Staatsgewalt" zu sein geneigt sein werden - aber freilich nicht innerhalb des 5 Parlaments 3393 ). Der „Bund des 17. Oktober" selbst beabsichtigte, nach den hauptstädtischen Wahlen anfangs ebenfalls zu liquidieren 340 ): selbst „Now[oje] Wr[emja]" 12 sprach sich dafür aus. Allein nach weiteren Erwägungen sprach sich das Zentralkomitee nur für Umorganisation io und „Abstoßung unliebsamer Elemente" 341 ) aus. Man brach jede Beziehung zu den Parteien der Rechten ab, und auf einer Parteikonferenz in Petersburg wurde das Verlangen, daß der Zar die „Grundgesetze" revidieren lassen müsse, einstimmig angenommen, der weitere Antrag, daß das Ministerium aus der | Mehrheit zu bilden sei, A 374(210) 15 zwar abgelehnt - was Piljenkos Austritt zur Folge hatte - , aber, wie erklärt wurde, nicht aus prinzipieller Gegnerschaft dagegen. Jedenfalls revidierte die Partei de facto ihr Programm nach links und milderte - wie namentlich Graf Heydens Verhalten in der Duma zeigte 13 - unverkennbar den Gegensatz gegen die „Kadetten" 342 ). 339a
) Die Interessen der Syndikate fahren aber dabei - wie schon Anm. 115 dargelegt sicherlich nicht schlechter. Zur Charakteristik der russischen Fabrikanten ist der oben Anm. 116 wiedergegebene Vorgang aus den Beratungen über den Zehnstundentag wohl genügend. 340 ) ,,Now[oje] Wr[emja]" 10789. 1 4 341 ) Damit war die Handels-und Industriepartei gemeint. 1 5 | 342 ) Auf die Presse freilich trifft dies nur bedingt zu. Aber ein ähnlich charakterloses A 374 (210) Organ, wie die ,,Now[oje] Wr[emja]", ist eben überhaupt selbst in der „unparteiischen" deutschen Presse schwer zu finden.
12 Wahrscheinlich bezieht sich dies auf den Artikel: Suvorin, A., Malenklja pls'ma, in: N o v o e Vremja, Nr. 1 0 7 8 9 v o m 28. März 1906, S . 3 . 13 Die Parteikonferenz der Oktobrlsten tagte v o m 25. bis 29. April 1906 In Moskau. Vgl. dazu: Rezul'taty sovescanija oktjabristov, In: N a s a Z i z n ' , Nr. 4 3 2 v o m 29. April 1906, S . 5 , A . A . Pilenko erklärte seinen Parteiaustritt In einem In der Novoe Vremja abgedruckten Brief. Siehe Novoe Vremja, Nr. 1 0 8 1 8 v o m 27. April 1906, S . 3 . Im Verlauf der D u m a Session gründete eine G r u p p e der Oktobrlsten um Graf Gejden und M. A. Stachovlc, der linke Flügel, d e m Teile des rechten Flügels der Kadetten beitraten, die „Partei der friedlichen E r n e u e r u n g " (Partija mirnago obnovlenlja), der sich im S o m m e r 1906 auch D. N. Sipov anschloß. Z u m P r o g r a m m der Partija mirnago obnovlenlja vgl. Partija Mirnago O b n o vlenija. Postanovlenija g r u p p y progressistov I p r o g r a m m a partil vyrabotannaja vo vremja zasedanij G o s u d a r s t v e n n o j D u m y 2 7 - g o aprelja-8-go ijulja 1906 goda. o . O . , o. J. (1906). 14 W e b e r bezieht sich auf: Moskovskaja Chronlka, in: N o v o e Vremja, Nr. 1 0 7 8 9 v o m 29. März 1906, S. 2. 15 Die Handels- und Industriepartei hörte nach den Wahlen zur Ersten D u m a auf zu existieren. Ihre Mitglieder schlössen sich großenteils d e m Verband des 17. Oktober an.
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Ihr nunmehr fertig redigiertes Nationalitätenprogramm 0 näherte sich sichtbar dem demokratischen, mit Ausnahme nur der politischen Autonomie Polens: in der Selbstverwaltungs- und Sprachenfrage waren beide fast identisch343). Schon in den Wahlen waren ferner einige Abteilungen des „Bundes" auch für eventuelle Bodenenteig- 5 nung eingetreten - jetzt geschah dies in der Duma seitens des Führers, Grafen Heyden, selbst, der erklärte, daß hinter den Rücksichten des d „Staatswohls" selbst der Grundsatz der Heiligkeit des Eigentums - allerdings nur, soweit dies unumgänglich nötig sei - zuA 375 (211) rücktreten müsse 343 "), also ein scharfer | „Ruck nach links". Nur die 10 343 ) Siehe das Programm ,,Now[oje] Wr[emja]" 10817, 3. 1 6 Andrerseits war die Haltung nicht weniger „Kadetten"-Deputierten gegenüber den politischen polnischen Ansprüchen recht zweifelhaft, trotzdem auf eine Anzapfung des ,,Now[oje] Wr[emja]" das Sekretariat des Zentralkomitees scharf gegen die Unterstellung einer Änderung in der Haltung der Partei als solcher protestiert hatte (s[iehe] ,,Russk[ija] Wj[edomosti]" 91,4). 1 7 343a ) Das Agrarprojekt, welches die „Progressistengruppe" - im wesentlichen die Vertreter der rechten Seite des alten Semstwoliberalismus (Graf Heyden, N. N. L j w o w u . a . ) in der D u m a einbrachte, unterscheidet sich nur in einzelnen (allerdings wichtigen) Punkten von dem k[onstitutionell]-d[emokratischen] Projekt: 1. Die Enteignung des Bodens (erforderlichenfalls auch privaten Besitzes) soll folgende Kategorien von Land umfassen: Land in Gemengelage, zum Verkauf (bereits jetzt) ausgebotenes Land, ferner Land, welches „gewöhnlich" zur Pacht an Bauern vergeben wird, unbearbeitetes kulturfähiges Land, Latifundien bei Überschreitung einer gesetzlich für jede Gegend festzustellenden Grenze, - nicht dagegen: Land im Besitze von Institutionen mit gemeinnützigem Zweck, Gartenland, Hofland, Hopfenfelder, Weinland, Waldschonungen, Fabrikland und das zu ihrem Betrieb erforderliche Gelände (es ist an Zuckerfabriken gedacht), Schutz- und Wasserhaltungswald, Besitz, der das festzustellende Maximum überschreitet, dann, wenn die Verwaltung seine Erhaltung für gemeinnützig hält. 2. Der Preis soll der „gerechte", d . h . der Ertragswert sein ohne Berücksichtigung der künstlichen Steigerung durch die Notpacht der Bauern. 3. Alles enteignete Land dient den Bedürfnissen der örtlichen Bevölkerung. Übersiedlungsrayons werden nur durch Gesetz festgestellt. 4. Gesetzlich ist sowohl die Bodenkonzentration für das Nadjelland wie die Entstehung größerer Besitzungen, als (s[iehe] Nr. 1) für örtlich zulässig erklärt worden sind, zu verbieten. 5. Das Land kann im übrigen, je nach den örtlichen Bedingungen, sowohl zu feldgemeinschaftlichem Besitz wie zu persönlichem Eigentum (aber nicht zu Pacht, wie das k[onstitutionell]d[emokratische] Programm vorsah) vergeben werden. 6. Die Ausführungsorgane sind Kommissionen, zusammengesetzt aus Grundbesitzern, Bauern und Deputierten der Regierung. 7. Ein Teil des Preises wird auf die Regierungskassen übernommen, den Rest zahlen die Bauern ab. Gleichzeitig soll eine Regulierung der Pachtpreise und eine Verkop-
c A: Nationalitätprogramm
d A: der
1 6 Novoje Vremja, Nr. 1 0 8 1 7 v o m 26. April 1906, S . 3 . 17 G e m e i n t ist der Artikel: Ot sekretariata central'nago komiteta partii narodnago s v o b o d a (konstitucionno-demokraticeskoj), in: Russkija V e d o m o s t i , Nr. 91 v o m 5. April 1906, S . 4 .
Nach den
Wahlen
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Monarchisten blieben auch nach ihren kläglichen Erfolgen „unentwegt" und hielten einen Kongreß genau mit den alten Reden und Resolutionen344). Aber selbst in ihren Reihen gab es keinen Freund der „Bureaukratie". Die Mittelparteien vollends hatten im „konsti5 tutionell-monarchischen Rechtsbund" am Vorabend der DumaEröffnung Reden von Arbeitern angehört, welche für den Fall der Nichtrevision345) der Grundgesetze, welche die Duma „zu einer rein beratenden Versammlung degradierten", mit dem möglichen Ausbruch der „Revolution" drohten. - Endlich auf die äußerste Linke 1 o wirkte der Wahlerfolg des Radikalismus, wie zu erwarten, dahin, daß von den Sozialdemokraten, die sich, wie früher erwähnt,18 nunmehr wieder zu einer einzigen Partei zusammenschlössen, der seinerzeit pelungsgesetzgebung durchgeführt w e r d e n . 1 9 - Man sieht, der prinzipielle Unterschied liegt nur in der strikten Ablehnung des an die | Bodennationalisation erinnernden „Land- A 375 (211) fonds" des k[onstitutionell]-d[emokratischen] Projekts und in der entschiedeneren Richtung auf das individualistische Bodeneigentum; ferner in der Festhaltung des Grundsatzes, daß, soweit nicht ein anderes ausdrücklich festgestellt wird, das Land für die Versorgung der örtlichen Bevölkerung und nur für sie da ist. - M a n sollte raeinen, gerade die Regierung m ü ß t e sich mit diesem, dem von ihr selbst eingebrachten (s[iehe] A n m . 272 a) so nahe verwandten Projekt b e f r e u n d e n k ö n n e n , - wenn eben nicht die Angst vor der Einschränkung der „Heiligkeit" des Eigentums bei ihr alles andere überwöge. 344 ) ,,Now[oje] W r [ e m j a ] " stellt aus den 43 Resolutionen des Moskauer Kongresses vom 11. A p r i l 2 0 u. a. folgende zusammen: 1. Kirchenkongreß, „verständlichere" R e d a k tion der Liturgie; 2. national gesonderte Vertretung der Russen in den Grenzprovinzen; 3. russische Staatssprache, auch für alle öffentlichen Schulen; 4. gegen jede A u t o n o m i e der Grenzländer; 5. gegen die „gefährliche deutsche Kolonisation"(!) in den Ostseeprovinzen; 6. Ausschluß der J u d e n vom Wahlrecht; 7. Behandlung Finlands als Teil Rußlands und namentlich 8. „absolute Unverletzlichkeit des Eigentums". - Die „russischen L e u t e " verlangten in einer Versammlung „Rußland für die R u s s e n " in dem Sinne, daß der A u s b e u t u n g russischer Arbeit durch f r e m d e s Kapital ein E n d e gemacht werden solle. 2 1 Dies wäre wenigstens konsequentes „Slawophilentum" ä la m o d e r n e . 345 ) ,,Russk[ija] Wj[edomosti]" 113, 3. 2 2
18 Siehe oben, S.501. 19 Zum Agrarprogramm der Partei der friedlichen Erneuerung, das sie in der hier angeführten Form allerdings nicht in der Duma einbrachte, siehe: Partija mirnago obnovlenija. Eja obrazovanie i dejatel'nost' v pervoj Gosudarstvennoj Dumy. - S.-Peterburg: N.Ja. Stojkov 1907, S. 5 6 - 5 9 . 20 Gemeint ist der Kongreß des Sojuz russkich Ijudej (Bund russischer Menschen). Die Resolutionen finden sich in: Moskovskaja Chronika, in: Novoe Vremja, Nr. 10804 vom 13. April 1906, S.2. 21 Möglicherweise ist gemeint: Moskovskaja Chronika, In: Novoe Vremja, Nr. 10803 vom 12. April 1906, S. 2. Dort ist die Rede N. A. Pavlovs, führendes Mitglied des Sojuz russkich Ijudej, des Bundes der Grundbesitzer (Sojuz Zemlevladel'cev) und des Vaterländischen Bundes (Otecestvennyj Sojuz) wiedergegeben. 22 Gemeint ist: Russkija Vedomosti, Nr. 113 vom 27. April 1906, S. 3. Das Zitat ebd.
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nur mit den Stimmen von 1168 Urversammlungen gegen 928346) gefaßte Boykottbeschluß aufgehoben wurde, und die Partei sich an den Kaukasuswahlen, die noch bevorstanden, mit bedeutenden Erfolgen beteiligte. Während bei den „Kadetten" die Besorgnis, die Parlamentspartei könne der Herrschaft des aMßerparlamentarischen 5 „Clubismus"23 anheimfallen, sofort zu Erwägungen Anlaß gab, wie man dies vermeiden könne 347 ), suchte die Sozialdemokratie die parlamentarische Vertretung, die sie vorerst wider Willen erhalten hatte und deren Vermehrung bevorstand, auf das engste an das Leitseil zu nehmen und an die Direktiven der neugeschaffenen Zentralinstanz 10 strikt zu binden348). Im übrigen aber hatte mit der Stockholmer Einigung 24 der Streit zwischen „Mjenschewiki" (Plechanow) und Bolschewiki (Ljenin), der alte Streit in der Partei, der während der A 376 (212) ganzen Wahlperiode angehalten hatte, keineswegs | sein Ende erreicht. Die Taktik des antiparlamentarischen Sindakalismus25 - ein 15 freilich wohl zu schmeichelhafter Name für ihr blödsinniges Treiben - setzte die letztgenannte Gruppe, offenbar sehr zur Freude der 346
) ,,Russk[ija] Wj[edomosti]" 66, 4. 2 6 ) Auf Struves Anregung. 2 7 348 ) Auf die organisatorischen Einzelheiten gehe ich hier nicht ein. Man kann - zumal der alte Streit um die Frage des „Zentralismus" ja nicht geschlichtet ist - noch nicht sagen, wie sie funktionieren werden. Das radikale Petersburger Komitee begann alsbald Politik auf eigne Faust. 2 8 | 347
23 Abgeleitet v o m engl, clubblsm, das C l u b - S y s t e m . Der A u s d r u c k geht vermutlich zurück auf T h o m a s Carlyle, der ihn in B e z u g auf die politischen Clubs der französischen Revolution von 1789 benutzte. Vgl. Carlyle, Thomas, The French Revolution. A History. Vol. I I . - L o n d o n : C h a p m a n and Hall 1896, S. 110. 24 G e m e i n t ist der vierte, sog. Vereinigungs-Parteitag der RSDRP, der v o m 10. (23.) bis 25. (8. Mai) April 1906 in S t o c k h o l m tagte. 25 Siehe oben, S. 490, A n m . 26. 26 Dies bezieht sich auf: K v y b o r a m v Gosudarstvennuju D u m u , in: Russkija Vedomosti, Nr. 66 v o m 9. März 1906, S . 4 . Auf Beschluß des Stockholmer Parteitages w u r d e der Boykott der D u m a w a h l e n a u f g e h o b e n und die RSDRP beteiligte sich an d e n Wahlen im Kaukasus - dort hatte die starke m e n s c h e w i s t i s c h e Organisation den Standpunkt des Boykotts stets a b g e l e h n t - , bei d e n e n sie mehr als doppelt soviele S t i m m e n wie alle anderen Parteien z u s a m m e n erhielt. 27 Zur Frage des Verhältnisses von Parlamentsfraktion und Partei der KonstitutionellenDemokraten siehe die Resolution des dritten Parteitages über dieses Problem In: Vestnik Partii Narodnoj Svobody, Nr. 9 v o m 4. Mai 1906, S . 5 6 9 . Die Resolution ging auf einen Entwurf Struves zurück. Vgl. Plpes, Richard, Struve. Liberal on the Right, 1 9 0 5 - 1 9 4 4 . Cambridge, Mass.: Harvard University Press 1980, S. 34f. 28 Siehe dazu einen u n g e z e i c h n e t e n Artikel In: Ree', Nr. 85 v o m 28. Mai 1906, S . 1 , sowie Vpered, Nr. 4 v o m 30. Mai 1906, S. 2: Ljubeznost' za ljubeznost'.
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Regierung, die bei dieser Gelegenheit die allerextremsten Reden gern duldete, auch gegen die Duma fort. Als Plechanow mit einem „Aufruf an die russische Arbeiterschaft" zur Unterstützung der Duma mahnte, 29 begannen die Bolschewiki auch die Versammlungen der Mjenschewiki zu sprengen. 30 Man muß angesichts dessen die weitere Entwicklung der offiziellen Parteiverhältnisse abwarten, über die wohl erst der nächstjährige Kongreß Aufschluß geben wird. - Die Sozialrevolutionären hatten, ebenfalls wider Willen, in den Bauern eine Parteivertretung von relativ maßvoller Richtung, aber erheblicher Stärke erlangt. Vergebens hatte die Regierung die bäuerlichen Deputierten in ein eigens für sie hergerichtetes erstaunlich billiges Logierhaus mit Pension eingeladen und ihnen die Fahrkarten schon geraume Zeit vor der Dumaeröffnung zugestellt. 31 Es ereignete sich, daß die Polizei den Koffer eines Bauerndeputierten auf dem Bahnhof auf geheime Schriften hin untersuchte, dann plauderte ein Bediensteter des Logierhauses aus, daß ihm aufgetragen sei, etwas auf das Tun und Lassen der Deputierten zu „passen",32 - entrüstet zog (21. April) die überwältigende Mehrheit der Bauern aus und hielt von nun an gemäß einer schon vorher an sie verschickten Aufforderung private Zusammenkünfte unter Vorsitz des scharf radikalen F. M. Onipko ab, denen anfangs etwa 80, später 122 und gelegentlich mehr Deputierte beiwohnten. 33 Alsbald gewannen die
29 Gemeint ist der Brief an die „Tovarisci Rabocie", den Piechanov in der menschewistischen Zeitung „Kur'er", Nr. 4 vom 20. Mai 1906, S. 1: Pis'mo G. V. Plechanova veröffentlichte; hier hieß es: „das gesamte Volk muß einmütig die Duma unterstützen". 30 Vgl. den ungezeichneten Leitartikel in: Ree', Nr. 108 vom 24. Juni 1906, S. 1 f. 31 Gemeint ist hier die Affäre um das Eroginsche Schlafhaus. Erogin, ein ehemaliger Landhauptmann, war Dumaabgeordneter aus dem Gouvernement Grodno und sollte, auf Veranlassung des Innenministeriums, bäuerliche Abgeordnete überwachen, indem er ihnen einen Schlafplatz in seiner Wohnung zur Verfügung stellte. Vgl. dazu die Berichte in: Strana, Nr. 51 vom 20. April 1906, S.3: K krest'janskim deputatam; sowie: Novye dokumenty, in: Ree', Nr. 53 vom 20. April 1906, S. 1, und die Memoiren des damaligen stellvertretenden Innenministers: Kryzanovskij, S.E., Vospominanija. - Berlin: Petropolis o.J., S. 76ff. 32 Dies bezieht sich auf: Krest'janskoe sovescanie, in: Novoe Vremja, Nr. 10816 vom 25. April 1906, S.4. 33 Die Zahlenangaben lassen sich nicht mit Gewißheit nachweisen. An der ersten Versammlung der bäuerlichen Abgeordneten, die am 19. April 1906 auf Initiative der Abgeordneten Alad'ln, Onipko, Anikin und Saposnikov stattfand, nahmen 39 Abgeordnete teil. K krest'janskim deputatam, in: Strana, Nr.51 vom 20. April 1906, S.3. Auf der Sitzung am 26. April 1906 wurde ein vorläufiges Programm entworfen und gleichzeitig die Bildung einer eigenen Fraktion in der Duma beschlossen. An dieser Sitzung nahmen ca. 130
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altgeschulten Agitatoren des radikalen „Narodnitschestwo" - Aladjin, Anikin, Bondarew e , Nasarenko, Onipko, Shilkin u.a. - die Oberhand. Unter den Teilnehmern befanden sich auch diejenige nicht geringe Zahl Anhänger der „Kadetten", welche dem Bauernstande angehörten. Ihrem Wunsche entsprechend wurden zwei Mitglieder des Parteivorstands zeitweise zu den Beratungen zugezogen, auch besuchte man auf Einladung anfangs regelmäßig die Sitzungen der „Kadetten" als Zuhörer. Aber zu einem Anschluß an die Partei kam es nicht. Die Bauern fanden das k[onstitutionell]-d[emokratische] Programm „nicht populär genug", es wehe darin der „dworjanskij duch" (Adelsluft); man entnahm aus dem Vorbehalt der Erhaltung eines Teiles der privaten Großbetriebe, daß auch die Kadetten an „hoher Pacht und niedrigen Löhnen" interessiert sein 349 ), - das Land aber sei Gottes, und es müsse jedem nach der „trudowaja norma" - so viel also als der Bauer „mit seinen Händen bearbeiten" könne (s.o.) 3 4 - zugeteilt werden. Scharfe Proteste gegen die Ausweisung von Arbeitern aus Petersburg, die unbedingte Verurteilung der Todesstrafe - „jeder kann sich noch bessern" schlössen sich an; die radikale Stimmung steigerte sich und der sehr bald feststehende Entschluß, sich keiner anderen Partei anzuschließen, führte weiterhin zur Bildung der „trudowaja gruppa", der anfangs 60-70, schließlich 107 „Bauern" (auch Arbeiter und radikale Intelligente 3493 ) beitraten, während die konstitutionell-demokratischen Teilnehmer nun in ihre Partei zurückkehrten, ein Teil der Bauern aber, durch die Schärfe des Tones erschreckt, beiseite blieb und nur faktisch mit der Gruppe stimmte. Auch die „trudowaja gruppa" war (mit ihren 107 Mitgliedern) innerlich nicht so stark wie sie zu sein schien. Aber ihre drei Bestandteile: Sozialrevolutionäre
A 376 (212)
349
) ,,Now[oje]Wr[emja]" 10816 (Sitzung vom 24. April). 3 5 ) Auch ein Universitätsprofessor (Lokot*). |
349a
e A: Bondyrew
f A: Lofot
Abgeordnete teil. Parlamentskaja trudovaja gruppa, in: Strana, Nr. 57 vom 27. April 1906, S.3. 3 4 Siehe oben, S. 516ff. 3 5 Alle hier angeführten Zitate entstammen dem oben, S.643, Anm.32, angegebenen Artikel.
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Intelligente, radikale Bauern, sozialistische Arbeiter, konnten unmöglich dauernd zusammenhalten. Die Sozialdemokratie erklärte im Juni, daß jetzt, nach Aufhebung des Boykotts der Duma, ihre Anhänger eine Sonderfraktion zu bilden haben (was inzwischen 5 geschehen | ist). 36 Den Bauern ferner waren alle über die Landfrage A 377 (213) und die Beseitigung der speziell sie betreffenden Polizeiwillkür hinausgehenden politischen Probleme ziemlich gleichgültig; die Gleichberechtigung der Juden, wenigstens in bezug auf das „Recht auf Land", und das Frauenstimmrecht höchst antipathisch 349b ), und das 10 Mißtrauen gegen die „intelligenten" Leiter blieb unaufhörlich rege: schon wenn es sich z . B . um Miete eines Parteilokales handelt, war ihnen die Provenienz des dafür von den „intelligenten" Leitern vorgeschossenen Geldes verdächtig 3490 ). Nur die „Landnot" der Bauern und der unerhörte Druck der administrativen Willkür hielten diese 15 Gruppe zusammen. Der Einfluß der Straße und des „Klubismus" 349d ) auf sie war naturgemäß ziemlich fühlbar, an rednerischer 349b
) J. N. Jeserskij in den ,,Russk[ija] Wj[edomosti]" 146 S. 2. 37 A 377 (213) ) A.a.O. 349d ) Die Kreise der „legalen" Sozialrevolutionären, des Narodnitschestwo also, wie es im „Russkoje Bogatstwo" vertreten war (s[iehe] darüber Beilageheft zu Bd. XXII, l) 3 8 haben inzwischen (Juni) das Programm einer „volkstümlich sozialistischen Arbeiterpartei" (trudowaja narodno-ssocialistitscheskaja partija) entworfen. Die Gruppe hält das Prinzip der Volkssouveränität fest, legt aber auf die Staatsformen (Republik oder parlamentarische Monarchie) keinen entscheidenden Wert, sofern die weitgehendste örtliche Selbstverwaltung, wenn möglich der politische Föderalismus, die „Volkstümlichkeit" der Regierung garantieren. Sie lehnt die Bildung einer „Kampforganisation" nach dem Vorbilde der regulären Sozialrevolutionäre ab, da der bewaffnete Aufstand „taktische" Frage sei[,j und betrachtet die „Nationalisation des Landes 9 " als Übergangsstufe zum „Sozialstaat" („Strana" vom 1. Juni). 39 Näheres ist mir über diese „Partei" seither nicht bekannt geworden. Auch W. Woronzow hat im Winter im „Jeshenedjelnyj shurnal dlja wssjech" 349c
g A: Lande
3 6 Die z a h l e n m ä ß i g kleine G r u p p e v o n A b g e o r d n e t e n der Duma, die der s o z i a l d e m o k r a t i s c h e n Partei n a h e s t a n d e n o d e r Mitglieder waren, s c h l o ß sich z u n ä c h s t d e n Trudoviki an. Auf Anraten d e s Z e n t r a l k o m i t e e s der Partei bildeten sie dann ab Mitte Mai 1906 eine e i g e n e Fraktion, die unter Führung und Kontrolle der zentralen Parteiinstanzen stand. Die Erklärung der Fraktion in der Duma, in: Sten. otcety G o s . D u m y , 1-yj s o z y v , S. 1403ff. 3 7 Ezerskij, N., Parlamentskaja trudovaja gruppa, in: R u s s k i j a V e d o m o s t i , Nr. 146 v o m 6. J u n i 1906, S . 2. 3 8 W e b e r , Z u r Lage der bürgerlichen Demokratie, in d i e s e m Band, S. 21 Off. 3 9 D i e s b e z i e h t sich auf: Novaja partija, in: Strana, N r . 8 7 v o m 1906, S . 4 . E s hieß: „ Ü b e r g a n g s s t u f e z u m s o z i a l e n A u f b a u " ( s o c i a l ' n o m u stroju).
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Leistungsfähigkeit standen einige ihrer Führer auf ziemlicher Höhe, während allerdings der Erfolg mancher eitlen Schwätzer (Aladjin, Anikin) die Wirkung der Wahlpolitik der Regierung in der Richtung einer Senkung des geistigen Niveaus der Diskussionen in der Duma nur zu sehr verspüren ließ. Alle Parteien hatten eben, um in den 5 Wahlen sich zu behaupten, stets so zahlreiche Bauern mit in ihr Ticket 40 aufnehmen müssen, daß für einen großen Teil ihrer begabtesten Führer kein Raum blieb 350 ), zumal ja die Regierung einen bedeutenden Teil derselben behufs Ausschlusses von der Kandidatur unter Anklage gestellt hatte, andere durch die Vorschrift: „Wahl aus 10 der eignen Mitte", vom Kandidieren ausgeschlossen waren ( s . o . ) / 4 1 So sah sich die Regierung in allen ihren Erwartungen hinsichtlich des Ausfalles der Wahlen und der Haltung der Bauern enttäuscht A 378 (214) und |- das ließ sich schon Ende März übersehen - einer überwältigenden Mehrheit schlechthin antibureaukratischer und sozial wie poli- 15 tisch gleich radikaler Elemente gegenübergestellt. Das erste, was sie unter diesem Eindruck tat, war die schleunige Aufnahme einer „Kriegsanleihe" gegen den „inneren Feind" zu denjenigen Bedingungen, die ihr von den Banken diktiert wurden. 42 Diese hatten nun wieder ganz die alten Gedanken des „Narodnitschestwo" (einschließlich der Übernahme der Fabriken durch Arbeitergenossenschaften) vertreten. 43 Die Gruppe hat wenig Chancen, eine breite eigene Bewegung zu schaffen. Dagegen beeinflußte sie, wie wir sahen, 44 den „rechten Flügel" der „Trudowiki". 35 °) Für die „Kadetten" hatten bei der Diskussion des Agrarprogramms Petrazycki und namentlich Herzenstein fast allein die Kosten der Debatte zu tragen. Fürst Paul Dolgorukow, Peter Struve, Miljukow, Hessen fehlten - um nur einige zu nennen - in der Duma, mit ihnen die nicht geringe Zahl tüchtiger älterer und jüngerer wissenschaftlicher Kräfte, über welche die Partei verfügte. Ebenso stand es bei der Gruppe der Gemäßigten, wo nur Graf Heyden und Stachowitschh etwas bedeuteten. |
f Ende des Petitdrucks in A, siehe oben, S. 621.
h A: Stachowitch
4 0 A m e r i k a n i s c h e r A u s d r u c k für die Kandidatenliste einer Partei bei Wahlen. Dies bezieht sich auf die Taktik der Konstitutionell-Demokratischen Partei, die, um die S t i m m e n der bäuerlichen W a h l m ä n n e r zu erhalten, bäuerliche Kandidaten in ihre Listen aufnahm. 41 Siehe oben, S. 455. 4 2 Dies bezieht sich auf die Auslandsanleihe Rußlands v o m 3. (16.) April 1906, die v o n französischen, englischen, österreichischen, holländischen und russischen Banken emittiert wurde. Geyer, Russischer Imperialismus, S. 187 (wie oben, S . 3 0 4 , A n m . 3 3 ) . 4 3 Vgl. V o r o n c o v , V. P., S o c i a l ' n o e preobrazovanie Rossii, in: Ezemesjacnyj Zurnal dlja vsech, 10. Jg., Nr. 12, Dez. 1905, S. 7 6 1 - 7 6 9 . 4 4 Siehe oben, S . 5 3 8 f .
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das Spiel in der Hand. Sie hatten zuerst beharrlich die Einberufung der Duma gefordert, nun, da diese bevorstand, hatten auch sie das dringendste Interesse daran, die Anleihe vor ihrem Zusammentritt unter Dach zu bringen, denn daß die Duma ihnen die Bedingungen, zu denen die hilflos in ihre Hände gegebene Regierung abzuschließen geneigt war, niemals konzedieren würde, stand fest, und ein Zusammenbruch der Bureaukratie oder ihre Unterwerfung unter die Duma mußte alle Russenfonds alsbald unabsehbaren Schicksalen aussetzen und das Geschäft gründlich verderben. Jammernd hatte „Nowoje Wremja" fast Nummer für Nummer darauf hingewiesen, daß schon der Wahlsieg der „Kadetten" in Petersburg einen Kurssturz der Rente um 1%, also, nach ihrer Ansicht, einen Verlust für die russische Volkswirtschaft, herbeigeführt habe. 4 5 Die finanzielle Lage der Regierung aber war derart, daß sie sich entweder der Duma oder den Banken unterwerfen mußte und, das letztere vorziehend, auf schlechthin jede Bedingung einging: trotz eines zeitweise 9% betragenden Ende Januar jeden Augenblick zum Sprung auf 10% bereiten Diskontes sank der Barvorrat der Bank, der Steuerboykott der Bauern war immerhin fühlbar, gewaltige Verschiebungen im Etat durch Erhöhung der Bezüge der Eisenbahn- und Postbediensteten, Besserung der Armeeverpflegung, Donative an die Kosaken, Umgarnisonierungen, erhöhte Polizeikosten, hohen „Verpflegungs"-Etat gegen die Hungersnot, durch Erlaß der Loskaufsgelder, endlich durch die direkten Verluste an Staatseigentum und Steuerkraft waren teils schon in Gestalt des vorjährigen Defizits verrechnet, teils standen sie noch bevor. Mit kurzfristigen Schatzwechseln war nicht weiter zu wirtschaften. So nahm man denn Bedingungen an, welche in fast groteskem Kontrast zu den Kursen standen, welche - zufolge einer allerdings geradezu bewundernswürdigen Taktik in der Behandlung der Börsen durch die großen Finanzinstitute - die russischen Fonds selbst in den ungünstigsten Augenblicken des japanischen Krieges gehabt hatten, und zu den härtesten gehören, die Rußland oder überhaupt eine bisher „unbescholtene" Großmacht sich je hat gefallen lassen; ein, bei Berücksichtigung der Bedingungen, effektiver Zinsfuß von wohl noch etwas über 6%, 682 Mill. Rubel effektiver Ertrag für den Staat bei einer Übernahme einer
45 Siehe Plutus, Birza i pobeda k.-d., in: Ree', Nr. 34 vom 21. März 1906, S. 1 f.
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Nominalschuld von 843 Millionen zu 5%, bei langfristiger Unkündbarkeit. 4 6 Immerhin: die Anleihe war „im Hafen", - und Graf Witte daher ein vorerst entbehrlicher Mann, ja, - da er das ganze Odium der Wirtschaft des Ministers des Innern mitzutragen hatte, mußte A 379 (215) auch den fremden Banken es eher be|denklich scheinen, ihn mit 5 dieser Duma in Berührung kommen zu sehen, und daher genügte der erste Anlaß - welcher Art er war, ist vorerst wohl schwerlich eindeutig feststellbar - , um ihn und sein Kabinett ehr- und ruhmlos verschwinden zu lassen und ein Assortiment von korrekten, auch gegenüber der „Gesellschaft" noch wenig „kompromittierten 351 )" konser- 10 vativen Beamten an die Stelle zu setzen. Das neue Ministerium „milderte" das durch Indiskretion in die Presse gelangte früher besprochene Projekt der „Grundgesetze" an einzelnen Stellen in konstitutionellem Sinne (s.o.), 4 7 veranlaßte aber den Zaren doch, es zu unterfertigen und damit den alsbaldigen zornigen Protest nicht nur 15 der Demokratie, sondern auch der Mittelparteien hervorzurufen. Im übrigen ging der Taktschritt der bureaukratischen Maschine nach den Wahlen weiter wie vorher. Ein Projekt einer umfassenden Sozialgesetzgebung wurde - wie erwähnt 4 8 - in den Grundzügen beA 379 (215)
351 ) Der neue Premierminister Goremykin speziell galt seinerzeit als eine Art bureaukratischen Orakels über Agrarverhältnisse und war wegen seiner (natürlich nur sehr relativen) Vorliebe für die „Selbstverwaltung" der Semstwos von Witte seinerzeit durch die früher im Beilageheft zu Band XII, 1 zitierte „konfidentionelle Denkschrift" gestürzt worden. 4 9 D e n Minister des Innern Stolypin interpellierte die Duma alsbald wegen gesetzwidriger Handlungen in seiner Stellung als Gouverneur. 5 0 |
46 Die Anleihe belief sich auf einen Nominalwert von 2250 Millionen Francs (ca. 843 Millionen Rubel); sie hatte eine Laufzeit von 40 Jahren zu einem Nominalzinssatz von 5%. Der Ausgabekurs betrug 83,5%; für die Dauer von zehn Jahren war eine Konvertierung ausgeschlossen. Geyer, Russischer Imperialismus, S. 187f. (wie oben, S. 304, Anm. 33). 4 7 Siehe oben, S. 431 ff. 48 Siehe oben, S.412. 4 9 Weber, Zur Lage der bürgerlichen Demokratie, in diesem Band, S. 112f.; die zitierte Denkschrift ebd. 5 0 Siehe dazu Ree', Nr. 83 vom 26. Mai 1906, S.5: Zapros o dejstvijach byvsago saratovskago gubernatora Stolypina, über die Dumasitzung vom 24. Mai 1906. Sten. oteety Gos. Dumy, 1-yj sozyv, S.623f. Die Interpellation erfolgte wegen eines angeblichen Verstoßes Stolyplns gegen Bestimmungen des Wahlgesetzes. Auf Anordnung Stolypins, zu dieser Zeit noch Gouverneur von Saratov, war ein dortiger Wähler an der Abgabe seiner Stimme gehindert worden, da er angeblich unter Anklage stand. Unter Anklage stehende Personen waren nach den Bestimmungen des Wahlgesetzes von der Teilnahme an der Wahl ausgeschlossen. Tatsächlich stand die betreffende Person jedoch nur unter Arrest, ein Umstand, der nicht zum Entzug des Wahlrechtes führte.
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kannt und zeigte unter anderem, daß von seiten der Regierung nunmehr die Reglementierung der kapitalistischen Entwicklung als aussichtslos aufgegeben, die „Freiheit des Eigentums" gegen Eingriffe von oben also dem „Kapital" nunmehr - mit einigen sozialpolitischen Restriktionen - in den Schoß fallen sollte. Ebenso verlauteten Grundzüge einer Lokalverwaltungsreform, welche, in einer teilweise an die preußische Kreisordnung51 erinnernden Weise, Landgemeinden und Gutsbezirke nebeneinander, und die längst - freilich in etwas anderer Form - erstrebte „allständische Wolost" als unterste Einheit der Verwaltung festlegen, die Semski je Natschalniki voraussichtlich ganz beseitigen und die Verwaltungskontrolle auf dieser untersten Instanz auf die Rechtskontrolle beschränken sollte,52 eine Vernichtung des Werkes Alexanders III., die vor 10 Jahren das Land sicher in hellen Jubel versetzt hätte. Auf der anderen Seite sahen wir,53 wie das Eigentum, speziell das Grundeigentum, gegen Angriffe von unten verstärkten Schutz erhielt. - Der 26. April - der Tag der Dumaeröffnung, juristisch also der letzte Tag des ancien régime - muß für den Zaren ein Tag harter „Arbeit" gewesen sein: nicht nur das Landarbeitergesetz, sondern auch verschiedene Ukase betreffend die Bauernbank, finanzielle Verfügungen usw., die erst 10-12 Tage nach Eröffnung erschienen, sind von diesem Tage datiert. 54 Der Tag der Eröffnung kam, und unter dem mit Feierlichkeit überladenen Gepränge des höfischen Aufzuges stieg der Zar „unsicheren Schrittes" (nach Zeitungsangaben) die Stufen zum Throne
51 Die preußische Kreisordnung trat durch das Gesetz v o m 13. D e z e m b e r 1872 in Kraft. Jeder Kreis bildete einen K o m m u n a l v e r b a n d zur Selbstverwaltung seiner A n g e l e g e n h e l ten; Städte über 2 5 0 0 0 Einwohner bildeten einen eigenen Kreis. A n der Spitze der Kreise stand ein auf Vorschlag des Kreisrates v o m König ernannter Landrat. Der Kreistag w u r d e auf s e c h s Jahre gewählt. 5 2 Das Projekt einer Lokalverwaltungsreform und einer Reform der lokalen Gerichtsbark e i t w u r d e Anfang Mai 1906 erstmals In der Presse erwähnt. Siehe: Ree', Nr. 64 v o m 4. Mai 1906, S. 4, und ebd., Nr. 69 v o m 18. Mal 1906, S. 3. 5 3 Siehe oben, S . 5 7 0 f f . 54 Unter d e m Datum des 26. April 1906 w u r d e n insgesamt 66 Gesetzesakte erlassen. Siehe PSZRI, 3 - e sobr., t o m 26, N r . 2 7 8 1 4 - 2 7 8 8 0 . Weber bezieht sich hier auf die G e s e t z e Nr. 2 7 8 2 6 und 2 7 8 2 7 , die die Tätigkeit der Bauernbank betrafen, s o w i e augenscheinlich auf das bereits am 15. April 1906 erlassene Gesetz über die Streiks der Landarbeiter. Ebd., Nr. 2 7 7 1 1 .
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hinauf und verlas | seine gänzlich inhaltsleere „Begrüßung"; 5 5 die allseitig sicher erwartete „Thronrede" soll angeblich unter „unverantwortlichen" Einflüssen zurückgelegt worden sein, wahrscheinlich aber einfach deswegen, - weil man sich keines Rates wußte und nicht einigen konnte, was sie enthalten solle. Den stärksten - negativen Effekt erzielte die Ansprache dadurch, daß in ihr mit keinem Wort von der in allen Gefängnissen des Landes und in all jenen Zehntausenden von Dörfern, in denen Verschickungen und Verhaftungen vollzogen worden waren, erwarteten Amnestie als einem Symbol, daß es mit der Praxis der ohne Rechtspruch erfolgenden Bestrafung ein Ende haben werde, die Rede war, - nachdem die Regierung soeben wohl oder übel eine Anzahl Verschickter aus Sibirien und Archangelsk hatte zurücktransportieren lassen müssen, weil sie in die Duma gewählt waren. Ein seinerzeit abgesetzter Professor (Muromzew) wurde zum Präsidenten, ein soeben verschickter aus dem Zwangsdomizil in Archangelsk in die Duma gewählter Professor (Gredeskul) zum Vizepräsidenten der Duma gewählt. Augenblicklich und außerhalb der Geschäftsordnung rollte einer der Veteranen der Befreiungsbewegung, der gewesene Präsident des „Befreiungsbundes" bei seiner konspirativen Konstituierung im deutschen Schwarzwald, 56 Petrunkjewitsch, unter stürmischen Kundgebungen die Amnestieforderung auf. Und nun begann das eigentümliche Schauspiel: keiner von beiden Teilen glaubte, daß etwas anderes als „Pulver und Blei" das Ende vom Liede sein werde 352 ). Der offizielle „Prawitjelstwjennyj Wjestnik" hatte die Begrüßungsansprache des Kaisers gebracht. 57 Aber die Existenz der Duma ignorierte er fortan: er schien im Zweifel zu sein, meinte die Petersburger Presse, ob er sie als eine staatliche Institution und nicht vielmehr als einen revolutio352 ) N a c h P r i v a t b r i e f e n 5 8 m u ß ich d a s a u c h f ü r d i e D u m a d e p u t i e r t e n a n n e h m e n . F ü r d i e R e g i e r u n g zeigt e s ihr s o n s t u n b e g r e i f l i c h e s V e r h a l t e n d e u t l i c h g e n u g .
5 5 Ein Bericht zur Eröffnung der D u m a und die R e d e d e s Z a r e n in: R u s s k i j a V e d o m o s t i , Nr. 114 v o m 28. April 1906, vgl. auch die Berichterstattung im offiziösen Pravitel'stvennyj Vestnik, Nr. 94 v o m 28. April 1906, S. 1. 5 6 Dies bezieht sich auf die s o g e n a n n t e „ S c h a f f h a u s e n e r K o n f e r e n z " v o m 20. bis 22. Juli 1903, bei der auf einer T a g u n g im S c h w a r z w a l d die G r u n d l a g e n zur G r ü n d u n g d e s B e f r e i u n g s b u n d e s (Sojuz O s v o b o z d e n i j a ) gelegt wurden. Vgl. Galai, Liberation M o v e ment, S . 175ff. ( w i e o b e n , S . 6 1 4 f . , A n m . 18). 5 7 Vgl. oben, A n m . 55. 5 8 D i e s e Privatbriefe konnten nicht ermittelt w e r d e n .
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nären Klub anzusehen habe. 5 9 Ebenso die „Spitzen" des bisherigen Rußland. Muromzew war, ehe die Sitzungen begannen, der Vorschrift des Gesetzes gemäß vom Zaren empfangen und brachte „gute Eindrücke" mit zurück. 60 Als nun in der stürmischen Amnestiedebatte sich der ganze aufgespeicherte Zorn - übrigens in maßvollen Formen 353 ) - entlud und die nach Form und Inhalt scharfe Antwortadresse angenommen worden war, 61 hatte Muromzew wiederum zum Geburtstag des Zaren bei Hofe zu erscheinen. Mit ausgesuchter Höflichkeit auf einen Ehrenplatz gesetzt, wurde er von niemandem, der etwas zu sagen gehabt hätte, angesprochen. Die persönliche Entgegennahme der Adresse lehnte der Zar ab und ersuchte die Adresse an den Hofminister zu senden, 6 2 - sicherlich ein Vorgang, der im Lande bei den Bauern, welche ja am einmütigsten „direkten Verkehr" ihrer Vertreter mit dem Zaren vergangen, den tiefsten A381 (217) Eindruck machen mußte, - wie denn überhaupt die Zerbröckelung der Zarenromantik bei der Masse der Bauern wohl das bleibendste Ergebnis all dieser Vorgänge bleiben wird. Aber nicht nur äußerlich blieben die Ministerbänke in der Duma 16 Tage lang leer, sondern bis Ende Mai hatte die Regierung, welche seit Dezember die Hinausschiebung der Einberufung stets u.a. auch mit der Notwendigkeit begründet hatte, ihr „vorbereitet" gegenüberzutreten, noch nicht einen einzigen sachlichen Gesetzentwurf bei ihr eingebracht 3533 ). Ihre ganze Tätigkeit bestand bis dahin in der 353 ) Alle direkten oder indirekten Angriffe auf den Zaren und die Dynastie sind stets unter Protesten erstickt worden. | 353a ) Bis 29. Mai (russischen] Stils) lagen der D u m a vor: ein Entwurf betreffend die A 381 (217) Verhältnisse einer Orangerie und die Waschanstalt der Dorpater Universität und ein solcher über die Zulassung gewisser Kurse für D a m e n . 6 3 Eine zynischere Verhöhnung einer „Volksvertretung" ist in der Geschichte schwerlich irgendwo zu finden. |
59 So beispielsweise das Organ der Konstitutioneilen-Demokraten Ree'. Es zitierte einen ungenannten Regierungsvertreter, der sich in diesem Sinne ausgesprochen hatte. Ree', Nr. 92 v o m 6. Juni 1906, S. 1. 60 Weber bezieht sich möglicherweise auf eine Meldung In der Rubrik: Chronika, in: Ree', Nr. 61 vom 29. April 1906, S. 4. 61 Für die Antwortadresse der Duma vom 5. Mai 1906 auf die Eröffnungsrede des Zaren siehe unten, S. 652 und S. 652, Anm. 65. 62 Die Antwortadresse der Duma sollte von einer Abordnung dem Zaren persönlich überreicht werden, der jedoch den Empfang der Deputation ablehnte. Die Note wurde ihm daraufhin übersandt. Vgl. Kotljarevsklj, S., Prenija po voprosu o peredace adresa, in: Pravo, Nr. 19 vom 14. Mai 1906, S. 1725. 63 Weber meint vermutlich den Abdruck dieser Regierungsvorlagen, in: Russkija Vedomosti, Nr. 150 vom 10. Juni 1906, S.4.
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Beantwortung der Adresse. Diese Adresse, welche die D u m a nach langen Beratungen einstimmig - Graf Heyden hatte erklärt, daß er und seine Anhänger, da sie nur mit der Fassung der Adresse nicht einverstanden seien und die Einstimmigkeit nicht zu gefährden wünschten, den Saal verlassen würden 6 4 - annahm, hatte als Programmpunkte enthalten: die „viergliedrige" Wahlrechtsformel, Beseitigung der den Zaren vom Volk trennenden Willkür der Beamten durch parlamentarische Kontrolle der Exekutive, Verantwortlichkeit der Minister, parlamentarisches Regime, Beseitigung des Reichsrates, Persönlichkeitsgarantien, Freiheit des Wortes, der Presse, der Vereine, Versammlungen und Streiks, Petitionsrecht, Gleichheit aller vor dem Gesetz, Abschaffung der Todesstrafe, Bodenenteignung zur Landausstattung der Bauern, Arbeitergesetzgebung, unentgeltliche Volksschule, Steuerreform, Umgestaltung der Selbstverwaltung „auf der Basis des allgemeinen Wahlrechts", Gerechtigkeit und Recht in der A r m e e , „Kulturselbständigkeit" der Nationalitäten, Amnestie für alle religiösen, politischen und Agrarverbrechen. 6 5 - Die Antwort sagte zu: Änderung des Wahlrechts, jedoch nicht schon jetzt, wo die D u m a eben erst zu arbeiten beginne, Arbeitergesetzgebung, allgemeine Volksschule, gerechtere SteuerVerteilung, insbesondere Einkommensteuer und Erbschaftssteuer, Reform der Selbstverwaltung unter Berücksichtigung der Eigenart der Grenzländer, Persönlichkeits- und Freiheitsgarantie, jedoch unter Erhaltung „wirksamer" Mittel gegen „Mißbrauch" der Freiheiten, gerichtliche Verantwortlichkeit der Beamten, Abschaffung der Inlandspässe, Aufhebung der ständischen Sonderstellung der Bauern und Mittel für ihre Landausstattung durch die Bauernbank und ferner aus Staatsdomänen und durch Umsiedelung, jedoch unter Ablehnung jeder Expropriation; - alle anderen Forderungen wurden mehr oder minder bestimmt abgelehnt, insbesondere die A m n e A 382 (218) stie; es wurde nur „sorgsame Prüfung" der Verhältnisse der noch nicht unter A n k l a g e gestellten Inhaftierten 353b ) zugesagt. 6 6 A 382 (218)
353b
) Im Mai begannen die Petersburger Friedensrichter sich ihrer längst vergessenen
64 Die Erklärung Gejdens in: Sten. otcety Gos. Dumy, 1-yj sozyv, S.241 f. 65 Die Adresse der Duma ist u.a. abgedruckt in: Pravo, Nr. 19 vom 14. Mai 1906, S. 1756-1768. Siehe auch die amtliche Veröffentlichung Sten. otcety Gos. Dumy, 1-yj sozyv, S.239ff. 66 Die Adresse der Regierung Goremykin in: Sten. otcety Gos. Dumy, 1-yj sozyv, S. 321-324.
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Erst um diese Antwort auf die Dumaadresse zu verlesen, am 17. Tage nach der Dumaeröffnung, ergriff der Premierminister zum erstenmal in der Duma das Wort354), und nunmehr tauchten die Dumaverhandlungen auch in den Spalten der Abendbeilage zum 5 ,,Prawit[jelstwjennyj] Wjestnik", welche an Stelle von Wittes „Russkoje Gossudarstwo" trat,1 auf. Aber freilich: Publikation der Stenogramme war in Aussicht gestellt, indessen, vielleicht weil die Reden Aladjins, Nasarenkos und anderer doch zu „wild" erschienen, schrumpften sie wieder zu sachlich inhaltsleeren Aufzählungen der 10 Redner zusammen 355 ); die Duma selbst beschloß demgegenüber Massenverbreitung ihrer Verhandlungen durch das Land hin und Befugnis, die Gefängnisse zu revidieren, zu erinnern, verlangten von den Gefängnisverwaltungen Einlaß und Vorlegung der Papiere über die G e f a n g e n e n und verfügten die Freilassung von G e f a n g e n e n , über die kein Ausweis vorlag. Sofort schritt der Staatsanwalt ein und verlangte, d a ß die Friedensrichter vor allem Einschreiten und vor der Revision die Person, um die es sich in concreto handele, schriftlich bezeichnen sollten'. Allein der Sjesd (Kongreß) der Friedensrichter gab dem Vorgehen derselben recht, und die Staatsanwaltschaft m u ß t e wohl oder übel nachgeben. Alsbald begann ein geschäftiges Treiben in den Gefängnissen, um unliebsamen Enthüllungen vorzubeugen (s[iehe] über die Vorgänge die „Strana" vom 1., 3., 4., 10. Juni). 2 D e r charakteristische Vorgang wird nicht wenig zur E r h ö h u n g der Popularität dieser von den Selbstverwaltungskörpern gewählten Richter beigetragen h a b e n , deren Stellung der f r ü h e r e r w ä h n t e 3 Gesetzentwurf der Regierung wieder in integrum restituieren will. 354 ) Vorher hatte nur einmal ein B e a m t e r des Ministers des Innern dessen Abwesenheit bei einer Interpellation über gesetzwidrige A m t s h a n d l u n g e n der Polizei entschuldigt und deren Beantwortung innerhalb der gesetzlichen Frist (1 Monat!) in Aussicht gestellt. 4 355 ) Erst in der N u m m e r vom 20. Mai (2. Juni) begann die Publikation der Stenogramme mit der am 27. April stattgehabten Sitzung, wohl als „historischer" D o k u m e n t e . Bald ist auch das wieder fortgefallen. 5
i A: solle 1 Russkoe Gosudarstvo erschien als Abendausgabe des Pravitel'stvennyj Vestnik mit insgesamt 100 Nummern zwischen dem I.Februar und dem 15. Mai 1906, danach erschien Vecernee Pribavienie. 2 Gemeint ist: Strana, Nr. 87 vom 1. Juni 1906, S. 4; Nr. 89 vom 3. Juni 1906, S. 1; Nr. 90 vom 4. Juni 1906, S.4, und Nr. 95 vom 10. Juni 1906, S.4. 3 Siehe oben, S. 398. 4 Gemeint ist die Antwort des Reichskontrolleurs (Gosudarstvennyj kontroler) auf die Interpellation der Duma vom 8. Mai 1906. Sten. otcety Gos. Dumy, 1 -yj sozyv, S. 275. 5 Die Veröffentlichung der Dumaprotokolle begann in Nr. 5 des Vecernee pribavienie k Pravitel'stvennomu Vestniku vom 23. Mai 1906, S. 1, mit den Protokollen über die Sitzungen vom 27. April, 28. April und 3. Mai; sie wurde bis Nr. 15 des Vecernee pribavienie vom 13. Juni 1906 fortgesetzt. Fortan wurden nur noch die Reden der Minister bzw. von Regierungsbeamten im Wortlaut abgedruckt.
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warf einen Geldbetrag dafür aus. 6 Während die Adresse und mit ihr, vor allem, die Amnestiefrage unter stürmischer Erregung des ganzen Landes in der Duma verhandelt wurde, füllten sich die Spalten des offiziellen Organes mit langen Telegrammen aus allen Enden Rußlands, die gegen die Amnestie protestierten, 7 meist von einer - wie 5 die Zeitungen feststellten - recht verdächtigen Identität des WortlauA 383 (219) tes untereinander 3553 ), und arbeitete der polizeiliche | „Verschikkungsapparat" unentwegt weiter. Erst aus der vorletzten Maiwoche liegen stellenweise Meldungen über Einstellung der Verschickungen vor, 8 dem Versprechen der ministeriellen Antwort entsprechend, 10 daß nunmehr die, zum erheblichen Teil seit etwa November, ohne 355a
) Die Interpellation über die Provenienz lehnte der Ministerpräsident ab. 9 - Ergötzlich war, daß unter den Telegrammen sich (im Juni!) auch solche befanden, welche um „baldige Zusmmenberufung der Duma" petitionierten: offenbar stammten sie aus dem Januar. 1 0 Auf wen mit diesen Publikationen - die ja das Publikum nicht zu Gesicht bekam A 383 (219) - gewirkt werden sollte, ist klar. - Die ganze Verwirrung in den „leitenden" Kreisen illustriert sich z.B. auch dadurch, daß Anfang Juni der offizielle ,,Prawit[jelstwjennyj] Wjestn[ik]" 11 die Vertagung der Duma ankündigte, die offiziöse „Agentur" aber diese Nachricht gleichzeitig dementierte („Nowfoje] Wr[emja]", 10. Juni). 1 2
6 Siehe darüber: Sten. otcety Gos. D u m y , 1 -yj sozyv, S. 1760f. und 1774f. 7 G e m e i n t ist die sog. T e l e g r a m m k a m p a g n e , die mit Veröffentlichungen von fast identischen T e l e g r a m m e n an d e n Zaren am 5. Mai 1906 im Pravitel'stvennyj Vestnik begann. In diesen hauptsächlich von Offizieren und Mitgliedern monarchistischer Vereine eingesandten T e l e g r a m m e n , die augenscheinlich von o b e n initiiert waren, w u r d e u.a. auch die Beibehaltung der Todesstrafe gefordert. 8 Diese M e l d u n g e n konnten nicht nachgewiesen werden. Den G e s e t z e n von 1881 zufolge, die nach der Ermordung des Zaren Alexander II. erlassen w o r d e n waren, konnten in den Kreisen oder G o u v e r n e m e n t s , die unter A u s n a h m e z u s t a n d waren, auf administrativ e m W e g e V e r b a n n u n g e n durchgeführt w e r d e n . 9 W e g e n der sog. T e l e g r a m m k a m p a g n e richtete die D u m a am 16. Mai eine Interpellation an den Ministerpräsidenten G o r e m y k i n z w e c k s Aufklärung über diese Veröffentlichungen im offiziellen Regierungsorgan. Dieser entzog sich unter Hinweis auf Verfahrensfragen einer S t e l l u n g n a h m e in der Duma. 10 Vermutlich bezieht sich W e b e r auf T e l e g r a m m e dieses Tenors, die in: Pravitel'stvennyj Vestnik, Nr. 123 v o m 3. Juni 1906, S. 2, zitiert wurden. 11 Es muß sich hier um die M e l d u n g des V e c e r n e e prlbavlenie k Pravitel'stvennomu Vestniku, Nr. 2 v o m 17. Mai 1906 gehandelt haben, in der es hieß, daß die D u m a s i t z u n g e n am 15. Juni 1906 „ w e g e n Ferien" unterbrochen würden. Z w e i Tage später dementierte das Blatt diese Meldung wieder: Vecernee pribavlenie k Pravitel'stvennomu Vestniku, Nr. 4 v o m 19. Mal 1906, S . 2 . Von einem D e m e n t i der offiziösen St. Petersburger Telegraphenagentur Ist zu d i e s e m Zeitpunkt nichts bekannt. 12 Die G e r ü c h t e über eine b e v o r s t e h e n d e A u f l ö s u n g der D u m a w u r d e n am 7. Juni von der St. Petersburger Telegraphenagentur erneut dementiert. Vgl. den Bericht in den Russkija Vedomosti, Nr. 147 v o m 7. Juni 1906, S. 2, Sp. 2. In der von Weber angeführten N u m m e r des „ N o v o e Vremja" findet sich keine Erwähnung dieses Dementis.
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Erhebung einer Anklage im Gefängnis sitzenden administrativ Verhafteten endlich „nach genauer Untersuchung" entweder freigelassen oder - vor Gericht gestellt werden sollten. 13 Der Reichsrat seinerseits hatte inzwischen zwar die radikale Adresse der 12 „Ka5 detten", der „akademischen" Gruppe, abgelehnt, ebenso aber den reaktionären Adreßentwurf Ssamarinsj,] und mit überraschend starker Mehrheit eine Adresse angenommen, welche - unter Ausschluß der Verbrechen gegen Leben und Eigentum - ebenfalls Amnestie erbat. 14 Eine Antwort auf diese Adresse ist nicht verlesen worden, 10 denn der Reichsrat verstummte alsdann zunächst völlig: der altersschwache (ernannte) Präsident vermochte die Verhandlungen nicht zu leiten und trat zurück, der Vizepräsident wurde mit seiner Vertretung beauftragt, 15 - aber wochenlang verlautete nichts von Einberufung einer Sitzung355 b). Die Duma ihrerseits beantwortete die Erklä15 rung des Ministeriums mit dem nahezu einmütigen Ausdruck „unbedingten Mißtrauens". 16 Eine Antwort hierauf erfolgte nicht. Die Ministerbänke blieben leer. Die Regierung befolgte also der Duma gegenüber zunächst das Rezept der Türkei gegen unbequeme Forderungen: passive Ignorierung. 17 Da nun in der Tat die Gefahr, daß die 355b ) D i e oben erwähnte 1 8 „Gruppe des Zentrums" im Reichsrat, welche aus durchaus konservativen Elementen (darunter auch die Großindustriellen wie A w d a k o w ) bestand, erklärte Mitte Juni („Now[oje] Wr[emja]" 10869) 1 9 den Zustand, daß die Regierung der D u m a erst nach sechs Wochen und dem Reichsrat überhaupt keine Vorlagen mache, für unerträglich.
13 Vgl. die Rede Goremykins in der Reichsduma. Sten.otcety Gos. Dumy, 1-yj sozyv, S. 323. 14 Offizieller Text in: Sten.otöety Gos. Soveta, 1906, Sessija 1, Zasedanlja 2 - 4 . Die sogenannte akademische Gruppe im Reichsrat wurde von den von den Universitäten gewählten Mitgliedern gebildet. Die Gruppe wurde geführt von Fürst E. N. Trubeckoj und stand den Konstltutlonelien-Demokraten nahe. 15 Dies Ist so nicht zutreffend. Der damals 69jährige Graf D. M. Sol'skij fungierte bis zum 20. Mal 1906 als Präsident des Reichsrates. Am selben Tage wurde E.V. Fris, bis dahin Vizepräsident, vom Zaren zum Vorsitzenden ernannt. 16 Gemeint Ist die Erklärung der Duma vom 13. Mal, In der der Regierung das „ unbedingte Mißtrauen" ausgesprochen und deren sofortiger Rücktritt gefordert wurde. Sten. otcety Gos. Dumy, 1 -yj sozyv, S. 51; Pravo, Nr. 20 vom 21. Mai 1906, S. 1818. Das Zitat ebd. 17 Anspielung auf die politische Strategie des Osmanlschen Reiches, das das wiederholt vorgetragene Verlangen der Großmächte, in den Gebieten der europäischen Türkei Reformmaßnahmen zu treffen, In aller Regel dilatorisch behandelte. 18 Siehe oben, S. 613f. 19 Dies bezieht sich vermutlich auf: V gruppe centra clenov Gosudarstvennago Soveta, In: Novoe Vremja, Nr. 10869 vom 18. Juni 1906, S.3.
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Duma sich in endloses Reden verstricke und den Rückhalt an den realen Interessen der Masse verliere, vorlag, - im Gouvernement Kostroma sollte, nach Mitteilungen der Deputierten, die Polizei die Nachricht verbreiten, die Dumaabgeordneten seien mit je 2000 Rubel bestochen, deshalb redeten sie nur und täten nichts 356 ) - , begeg- 5 neten dieser die Demokraten durch die schleunige Einbringung formulierter Gesetzgebungsdirektiven. Dem setzte nun die Regierung ihr gemäß § 55f. der Dumaordnung bestehendes Recht, die Initiative zunächst ihrerseits zu beanspruchen und zur Erwägung, ob sie dazu geneigt sei oder nicht, einen Monat Frist gewährt zu erhalten, 2 0 10 A 384(220) entgegen (so bei dem Antrag | auf Abschaffung der Todesstrafe). Aber die konstitutionell-demokratische Partei hatte die Einsetzung einer Parlamentskommission zur Beratung über die entscheidende Zentralfrage: das Agrarproblem, erwirkt und ihr, früher 2 1 analysiertes, Projekt vorgelegt. 22 Das aber brachte die Vertreter des Ministe- 15 riums auf den Plan, und da nunmehr bei den Debatten innerhalb der Demokratie die Gegensätze der Agrarverfassung auch in sehr bedeutenden Meinungsdifferenzen über die Agrarprobleme sich äußerten, wäre die Gelegenheit für die Regierung, die Geschlossenheit der Duma in dieser Frage zu sprengen, nicht ungünstig gewesen, falls 20 sie irgendein prinzipielles Entgegenkommen hätte in Aussicht stellen können. Aber das Festhalten an der unbedingten „Heiligkeit" des privaten Bodenbesitzes und dann die höhnische Form, deren sich Gurko, der Vertreter des Ministers des Innern, in seiner etwas „ad hominem" gesprochenen Rede bediente, und auf die Herzenstein 25 356 ) ,,Russk[ija] Wj[edomosti]" Nr. 133, 4 . 2 3 Ebenso wurde ein geheimes Zirkular bekannt, welches die Polizeibehörde anwies, alle tätigen Mitglieder der „Kadetten"-Partei im Lande - deren Tätigkeit die Regierung „vorläufig noch nicht" zu hindern beabsichtige zu registrieren. 24 |
20 Weber bezieht sich hier auf Art. 56 des Gesetzes vom 20. Februar, Kalinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 121; PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27424. 21 Siehe oben, S. 505 und 518ff. 22 Die Konstitutioneilen-Demokraten brachten am 8. Mai 1906 in der Duma ihre Agrarvorlage ein. Sie wurde gemeinsam mit der Gesetzesvorlage derTrudoviki bis zum 1. Juni 1906 in der Duma verhandelt und dann am 6. Juni einer 99köpfigen Agrarkommlssion überwiesen, die ein endgültiges Gesetzesprojekt vorlegen sollte. 23 Gemeint ist: Russklja Vedomosti, Nr. 133 vom 21. Mai 1906, S. 4. 24 Abgedruckt in: Ree', Nr. 87 vom 31. Mal 1906, S. 1: Podozritel'noe ljubopytstvo, und: Sekretnyj clrkuljar, ebd., S. 3.
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noch höhnischer erwiderte, 25 spitzte die Gegensätze zwischen Volksvertretung und Regierung weiter zu. Die Deputierten der „trudowaja gruppa" verließen ohnedies fast jedesmal ostentativ den Saal, wenn ein Vertreter des Ministeriums zu sprechen begann357). Sie hatten ihrerseits den Antrag auf eine parlamentarische Enquete über die Gesetzwidrigkeiten der Verwaltung und die dafür verantwortlich zu machenden Beamten eingebracht, den die Duma an eine Kommission verwies, welche ihn zu befürworten beschloß. 26 Sie versuchten ferner, als bei Beratung des demokratischen Agrarprogramms die Haltung der Regierungsvertreter die gleiche, ablehnende, blieb, die Duma zur Konstituierung von lokalen Ausschüssen für die Agrarreform, hervorgehend aus „viergliedrigem" Wahlrecht, hinzureißen. 27 Das wurde abgelehnt 3573 ), ebenso ohne Debatte die Beratung des rein agitatorischen zweiten 357b ) Agrarprogramms, welches 33 Mitglieder der Gruppe einbrachten und in dem in ganz allgemei357
) Sie verlangte sogar, der Präsident solle „nicht dazu gehörigen Leuten" nicht das A 3 8 4 (220) Wort geben. 2 8 357a ) Mit der zutreffenden Begründung seitens der „Kadetten": daß für sie die Agrarreform eine Regulierung zwischen privaten Interessenten sei, kein Akt des souveränen Volkes. 2 9 357b ) Das erste s[iehe] oben Anm. 223. |
25 Die Reden des Leiters der Abteilung für Agrarfragen im Innenministerium V. I. Gurko und des Kadetten M. Ju. Gercenstejn in der Duma am 19. Mai 1906, in: Russkija Vedomosti, Nr. 133 vom 21.Mai 1906, S.3f.; Sten.otcety Gos.Dumy, 1-yj sozyv, S . 5 1 7 - 5 3 0 . Gercenstejn widerlegte in seiner mit Ironie gewürzten Rede mit plastischen Beispielen sowohl die Argumente des stellvertretenden Innenministers Gurko als auch die des Landwirtschaftsministers Stisinskij, der ebenfalls an diesem Tage In der Duma gesprochen hatte. 26 Der Wortlaut des von 82 Dumaabgeordneten unterstützten Antrags vom 15. Mal 1906, in: Russkija Vedomosti: Zajavlenie 82-ch clenov Gosudarstvennoj Dumy, Nr. 129 vom 17. Mai 1906, S. 3. Sten. otcety Gos. Dumy, 1-yj sozyv, S. 35. Im offiziellen Dumaprotokoll sind allerdings nur 78 Abgeordnete genannt. 27 Vgl. die Rede Alad'ins in der Duma am 26. Mal 1906 sowie den Antrag auf Bildung von lokalen Ausschüssen, in: Russkija Vedomosti, Nr. 139 vom 28. Mai 1906, S. 3; Sten. otcety Gos. Dumy, 1 -yj sozyv, S. 6 7 2 - 6 7 5 . 28 Dies bezieht sich auf die Äußerung des Abgeordneten der Trudoviki Onipko In der Dumasitzung vom 19. Mai 1906, daß in der Duma „viel Zelt von außenstehenden Personen in Anspruch genommen" werde. Sten. otcety Gos. Dumy, 1 -yj sozyv, S. 530. Onipko verlangte In der folgenden Sitzung vom 23. Mai, daß die Minister und Beamten nur noch auf Anfragen der Duma bzw. ihrer Abgeordneten antworten, ansonsten aber in den Debatten nicht das Wort nehmen dürften. Ree', Nr. 81 vom 24. Mal 1906, S. 2: V Gosudarstvennoj Dume 23 maja. Sten. otcety Gos. Dumy, 1 -yj sozyv, S. 534. 29 So in der Rede Kokoskins in der Duma am 26. Mai 1906, Russkija Vedomosti, Nr. 138 vom 28. Mai 1906, S. 3. Sten. otcety Gos. Dumy, 1 -yj sozyv, S. 6 7 5 - 6 8 0 .
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nen Ausdrücken die „Abschaffung jeder Art von Bodeneigentum innerhalb des russischen Reiches", das „Recht jedes Einzelnen, so viel Land zu verlangen, als nach Bezahlung der Bodenabgabe zur Bestreitung gesunden Lebens für seine Familie nötig ist", die Kontrolle der örtlichen Verwaltung über die ordnungsmäßige Wirt- 5 schaftsführung usw. verlangt war. 3 0 In diesem Projekt sprach sich deutlich der steigende Einfluß der außerhalb des Parlaments stehenden Sozialrevolutionären Organisationen auf die Partei der Linken aus. Die sachliche Arbeit trat - als aussichtslos - für sie ganz zurück A 385 (221) und die Benutzung der Duma als | Zentrum revolutionärer Propa- 10 ganda in den Vordergrund. Als sich 15 Mitglieder der Gruppe mit einem Aufruf an die Bevölkerung wendeten, in welchem das Verhalten der Regierung gegenüber der Duma als Obstruktion kritisiert wurde, 31 erhob die Regierung Anklage gegen sie wegen Aufreizung, und die Gouverneure versuchten sich in öffentlichen „Widerlegun- 15 gen" dieser Behauptung, 3 2 - wobei nicht wenige in ihrem Eifer die Duma selbst ziemlich lebhaft kritisierten 3570 ). Die immer ungeduldigere Stimmung im Lande wirkte auf die Temperatur der Duma, und diese wieder - da die Abgeordneten begannen, ihre Wahlkreise behufs Rücksprache mit den Wählern zu bereisen, - auf das Land 20 zurück. - Inzwischen kursierten über die Intrigen behufs Herbeiführung einer Militärdiktatur, über die angeblichen Cliquenkämpfe in Peterhof und die Machenschaften der in der Presse sogen. „Sternkammer" die unkontrollierbarsten Gerüchte. 3 3 Die Bjelostoker JuA 385 (221)
357c ) So der G o u v e r n e u r v o n Kasanj, welcher b e h a u p t e t e , die D u m a (nicht die Partei) w o l l e „alles Privateigentum a b s c h a f f e n " . 3 4 |
30 Zur Gesetzesvorlage der 33 siehe oben, S. 539, Anm. 44. 31 Gemeint ist die Erklärung vom 18. Mai 1906 in der Duma, die sich ausdrücklich an die Arbeiter Rußlands richtete und diese zur Unterstützung der Duma im Kampf gegen die Regierung aufforderte. Vgl. Ko vsem rabocim Rossii ot deputatov rabocich Gosudarstvennoj Dumy, in: Revoljucija 1 9 0 5 - 1 9 0 7 g g . v Rossii. Dokumenty i Materialy. Vtoroj Period Revoljucii 1 9 0 6 - 1 9 0 7 gody. C. II, kn. I. - Moskva: Izd. Akademii Nauk SSSR 161, S. 21 f. Der Aufruf erschien am 19. Mai 1906 in der Zeitung Volna. 3 2 Zur Haltung der Regierung und den Erklärungen der Gouverneure vgl. Russkija Vedomosti, Nr. 142 vom 1. Juni 1906, S. 1. 33 Die Bezeichnung „ S t e r n k a m m e r " (zvezdnaja palata), die sich u.a. in Pravo, Nr. 10 v o m 12. März 1906, S. 952, und in d e m Artikel: K voprosu 0 raspuscennli Dumy, in: Nasa Zizn', N r . 4 6 4 vom 6. Juni 1906, S . 3 , findet, bezog sich auf die Hofkamarilla um den Palastkommandanten D. F.Trepov; dieser galt als „graue Eminenz" am Hofe. Der Ausdruck war augenscheinlich in Analogie zum „Court of Star Chamber" im England des
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denmetzelei zeigte dann die Duma auf der Höhe ihrer Autorität: ihre zur Berichterstattung entsendeten Deputierten schafften sofort Beruhigung, verschärften aber das Verhältnis zur Regierung. 35 Den natürlich ganz einseitigen Berichten der kommandierenden Militärs 5 setzte die Duma den ebenso einseitigen Bericht ihrer Delegierten, die ja zu einem Kreuzverhör der Beamten keine gesetzliche Vollmacht hatten, entgegen. 36 Die Interpellationen wegen gesetzwidrigen Verhaltens von Beamten häuften sich zu Hunderten auf, sie wurden gänzlich stereotyp beantwortet. Sobald die Minister und ihre 10 Beamten dabei über streng tatsächliche Angaben hinaus politische Ausführungen machen wollten, wurden sie von der Linken stürmisch unterbrochen und denjenigen von ihnen, „an deren Händen Blut klebte" (General Pawlow), das Sprechen direkt unmöglich gemacht. 37 „Die beiden Rußland" 38 standen ohne Rapport nebenein15.-17. Jahrhunderts entstanden. Dies war ein von ca. 1480 bis 1641 bestehender Ausschuß des englischen Staatsrates. Der Court übte dessen gerichtliche Tätigkeit aus und bestand aus höchsten Beamten und Richtern. Die Bezeichnung geht zurück auf einen mit Sternen ausgemalten Raum im Westminister Palace, in dem der Court tagte. 34 Die Gouverneure, so u.a. auch der Gouverneur von Kazan', veröffentlichten ihre Erklärungen in den offiziösen „Gouvernementsnachrichten" (wie oben, Anm. 32). 35 Vom 1. bis 3. Juni 1906 kam es in Belostok (polnisch: Blaiystok) zu einem Pogrom, in dessen Verlauf nach offiziellen Angaben 82, nach Inoffiziellen Schätzungen mehrere hundert Juden ermordet wurden. Die von der Duma eingesetzte Untersuchungskommission entsandte eine dreiköpfige Delegation (E. N. Scepkin, M. P. Arakancev und V.R. Jakubson) nach Belostok, die die Handlungen der Behörden und Militärs untersuchen und gleichzeitig auch Hilfsmaßnahmen durchführen sollte. Sidel'nlkov, Obrazovanle, S . 2 6 8 f . (wie oben, S. 627, Anm. 34). 36 Vgl. den Bericht der Delegation vom 22. und 23. Juli in: Sten.otcety Gos. Dumy, 1-yj sozyv, S. 1 5 8 3 - 1 6 4 2 . 37 In der Duma-Debatte vom 19. Juni 1906, die sich mit dem Gesetzentwurf zur Abschaffung der Todesstrafe befaßte, sollte als Vertreter des Kriegsministeriums der Oberste Militärankläger, General V. P. Pavlov, sprechen. Beim Betreten der Rednertribüne wurde Pavlov von der Mehrheit des Hauses niedergeschrieen und am Reden gehindert. Das Zitat Ist nicht nachgewiesen. Nachdem General Pavlov die Rednertribüne verlassen hatte, ergriff der Abgeordnete der Trudoviki Alad'ln das Wort und führte aus, daß seine Fraktion niemandem, der im ganzen Lande zu Recht als Henker bezeichnet werde, erlaube, In der Duma zu sprechen. Russkija Vedomosti, Nr. 159 vom 21. Juni 1906, S . 3 . Sten.otcety Gos. Dumy, 1 -yj sozyv, S. 480f. 38 Das Schlagwort von den „beiden Rußland" geht vermutlich auf A. Gercen zurück, der in den 1850er Jahren von einer nicht überbrückbaren Kluft zwischen der autokratischen Regierung und den Volksmassen sprach. Insbesondere P. Mlljukov nahm dieses Schlagwort In seinen „Ocerkl po istoril russkoj kul'tury" wieder auf. Vgl. Tucker, R o b e r t e . , The Image of Dual Russla, in: Black, Cyrll E. (Hg.), The Transformation of Russian Society. Aspects of Social Change Slnce 1861. - Cambridge, Mass.: Harvard University Press 1967, S. 5 8 7 - 6 0 5 , und Struve, Petr, DveRossii, in: Poljarnaja Zvezda, Nr. 6 v o m 19. Jan. 1906, S. 3 7 9 - 3 8 2 .
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ander, Militärrevolten, politische Streiks, Bauernaufstände begannen aufs neue. Innerhalb der Duma zeigte sich die Möglichkeit einer doppelten Parteibildung: entweder die „Kadetten" gingen mit dem rechten, „legalen" Flügel der trudowaja gruppa, oder aber sie gingen mit der durch Graf Heyden allmählich organisierten „Partei der friedlichen Erneuerung", welche auch einen Teil der „Parteilosen" an sich zog. 39 Solange nicht ganz feste konstitutionelle Garantien gegeben waren, mußte die dominierende Partei, so sehr die Gemäßigten den Kontakt mit ihr zu wahren bemüht waren, unbedingt das erstere vorziehen, schon weil es ihrer ganzen Vergangenheit entsprach, und ein vorzeitiges Paktieren mit den Gemäßigten sie der Demagogie der Regierung preisgab, welche die Angriffe der radikalen Sozialdemokraten auf die Duma und die „Kadetten" ersichtlich begünstigte. Die „Kadetten" lehnten daher, bei den unter der Hand A 386 (222) erfolgten Erörterungen, konsequent den | Eintritt in ein nicht aus ihrer Mitte allein, allenfalls unter Zuteilung einzelner Portefeuilles an Politiker, wie Schipow, Graf Heyden oder Stachowitsch, gebildetes Ministerium ab. 40 Ob sie selbst im Falle der Übernahme der Regierung lange hätten zusammenhalten können, ist eine andere, wahrscheinlich zu verneinende Frage: Kotljarewskij und manche andere neigten entschieden zu den rechts stehenden, Schtschepkin und andere zu den links stehenden Parteigruppen, und die Entlastung von dem gewaltigen Druck der Polizeiwillkür hätte unter einem liberalen Ministerium nicht nur planlose Ausbrüche der Radikalen, sondern auch alsbald die Klassengegensätze - und dann auch die nationalen - gewaltig anschwellen lassen. - Allein vor allem 39 Die Partei derfriedlichen Erneuerung (Partija mirnago obnovlenija) entstand im Verlaufe der Sitzungsperiode der Ersten Duma aus Oktobristen, rechten KonstitutioneilenDemokraten und einem Abgeordneten der Handels- und Industriepartei. Das Programm in: Partija Mirnago Obnovlenija. Postanovlenlja gruppy progressistov I programma partil, vyrabotannaja vo vremja zasedanij gosudarstvennoj dumy 27-go aprelja- 8-go Ijulja 1906 goda. - S.-Peterburg: 1906 (ohne Verlagsangabe). 40 Der Führer der Konstitutlonellen-Demokraten, Pavel Miljukov, forderte bei den geheimen Verhandlungen über einen Eintritt seiner Partei in die Regierung ein ausschließlich aus Mitgliedern seiner Partei gebildetes Kabinett, das zudem vom Parlament bestätigt werden sollte. Dmltrlj Slpov, der kurze Zelt später mit Regierungsvertretern verhandelte, lehnte die Bildung eines Kabinetts mit der Begründung ab, daß er in der Duma keine Unterstützung finden würde. Vgl. dazu Tuck, Robert L., Paul Miljukov and Negotlations For A Duma Ministry, In: The American Slavic and East European Review, Vol. 10, 1951, S. 1176-129, Die Konstitutlonellen-Demokraten dementierten alle Gerüchte über geheime Verhandlungen. Vgl. dazu Ree', Nr. 119 vom 7. Juli 1906, S. 1.
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konnte der Zar, allein für seine persönliche Stellung und Sicherheit besorgt, nicht bewogen werden, sich ihnen anzuvertrauen. Auf eine Schilderung der sachlichen Verhandlungen der Duma hier einzugehen, hat keinen Zweck, da sie ja in das Nichts ausgemündet sind. Sie sind - nachdem sie gegenüber der Obstruktion der Regierung endlich beginnen konnten - mit einer Intensität gefördert worden, wie nur in irgendeinem Parlament der Welt. Denn die eigentliche Arbeit ist natürlich auch hier nicht im Plenum, über welches die Presse allein berichtete, sondern in der Kommission geleistet worden k . Ein Blick in die Wochenzettel der Kommissionssitzungen 357 d ) zeigt, in welchem Grade die Deputierten hier, hinter den Kulissen, in Anspruch genommen waren. Alle von den Dumadeputierten eingebrachten Entwürfe standen Anfang Juli dicht vor der Fertigstellung, das Agrarprojekt war, nachdem im Plenum 14 Tage lang weit über 100 Mitglieder gesprochen, dann die 91gliedrige Kommission mit zahlreichen Subkommissionen 4 Wochen lang gearbeitet hatten, so weit gelangt, daß die Grundlinien, auf welche sich eine große Mehrheit einigen wollte, fast durchweg feststanden: sie entsprachen fast ganz denjenigen des k[onstitutionell]-d[emokratischen] Projekts. 41 Nicht daß die Duma zu wenig zustande zu bringen versprach, sondern daß sie zuviel, der Regierung durchweg inhaltlich unbequeme Ergebnisse in Aussicht stellte 3576 ), war es, woran die 357d
) Sie wurden z. B. in der ,,Torg[owo]-prom[yschljennaja] Gasj[eta]" abgedruckt. 42 A 386 (222) ) Den bis zum 31. Mai eingebrachten Projekten des Ministeriums (betr. die Palmenorangerie, die Waschanstalt, die Damenkurse) standen folgende acht bis zu jenem Tage eingebrachte Gesetzesprojekte von Dumamitgliedern gegenüber: 1. betreffend die Agrarfrage, eingebracht 8. Mai, - 2. betreffend die Sicherung der Unverletzlichkeit der Person, eingebracht 8. Mai, - 3. betreffend die Gewissensfreiheit (12. Mai), - 4. über die bürgerliche Gleichheit (15. Mai). - 5. über die Abschaffung der Todesstrafe (17. Mai), das erste förmlich verabschiedete und an den Reichsrat weitergegebene Projekt, - 6. über die Abänderung der Artt. 55f. der Dumaordnung betreffend die Gesetzesinitiative (20. Mai), - 7. über Abänderung der Gerichtsverfassung und des Gerichtsverfahrens (23. Mai), - 8. über das Versammlungsrecht (29. Mai). Diesen traten alsbald hinzu: 9. Projekt über die A 387 (223) Immunität der Dumaabgeordneten (1. Juni), - 1 0 . über das Vereinsrecht (1. Juni). Keines von all diesen Projekten konnte nach dem geltenden Recht wider den Willen der Regierung vor dem 10. (23.) Juni, also vor TA Wochen nach dem Zusammentritt der Duma, zur 357e
k A: werden 41 Die Gesetzesvorlage der Agrarkommission in: Sten.otcety Gos. Dumy, 1-yj sozyv, S. 1955f. Zum Agrarprojekt der Konstitutionellen-Demokraten vgl. Tretij s-ezd partii narodnoj svobody, S. 1686f. 42 Gemeint ist: Torgovo-Promyslennaja Gazeta, Nr. 153 vom 6. Juli 1906, S. 2.
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A 387 (223) Hof|kreise Anstoß nahmen. Man versuchte sie nun in eine schiefe Lage zu manöverieren, indem man ihr das Projekt einer 50-Millionen-Anleihe für die Linderung der schweren in Aussicht stehenden Mißernte vorlegte. Allein die Duma bewilligte 15 Millionen für jetzt und behielt sich weitere Bewilligungen vor, bestimmte aber, daß der Betrag aus Ersparnissen zu gewinnen sei, da das - übrigens beispiellos undurchsichtige - Finanzexpose Kokowzews den Beweis für die Notwendigkeit einer Anleihe nicht geliefert habe. 43 Da die Reichsratsmehrheit, unter Führung der „Zentrums"-Gruppe - nachdem charakteristischerweise der Antrag Ssamarins auf namentliche AbStimmung abgelehnt war - dieser Ansicht beitrat, bedeutete das eine schwere Niederlage des Ministeriums. 44 Ihre Lage wurde zunehmend schwieriger: es blieb nur Auflösung oder Unterwerfung. Die Hoffnung, daß im Verlauf der Agrardebatten die Geschlossenheit der Opposition durch Interessenkonflikte gebrochen werden würde, bewahrheitete sich, wie gesagt, trotz der sehr entschiedenen Meinungsverschiedenheiten in der Duma ebenfalls nicht. Auch die Gemäßigten, Graf Heyden an der Spitze, traten, wie wir sahen, 45 für die Landenteignung ein, nur über den Umfang bestanden Differenzen, aber auch hier, wie die betreffenden, früher erörterten 46 Programme ergeben, lediglich quantitativer Art. Für ihre eigenen positiven Projekte anderseits hätte die Regierung - das war die schon früher 47 berührte Eigentümlichkeit ihrer Situation - sich auf die „Fremdvölker" des Westens gegen die altrussischen Bauern stützen müssen. - Eine sehr starke sachliche Annäherung der Duma an das, Verhandlung kommen (Die Liste der - weiterhin natürlich noch vermehrten - Projekte s[iehe] im „Dwadzatyj Wjek" vom 18. Juni S. 3). 4 8 |
43 Die V e r h a n d l u n g e n in der D u m a über d e n Antrag in der Sitzung v o m 23. Juni 1906 in: Sten. otcety Gos. D u m y , 1 - y j sozyv, S. 1645 ff. Der Antrag des F i n a n z m i n i s t e r s u n d Innenministers über 50 Millionen Rubel erfolgte am 19. Juni 1906, Sten. otcety Gos. D u m y , S. 1449ff. Die Rede K o k o v c o v s in der D u m a am 23. Juni 1906, ebd. S. 1 6 5 6 - 1 6 6 2 und 1665. Nach einigen Ä n d e r u n g e n w u r d e der Antrag in der D u m a am 26. Juni 1906 angen o m m e n . Ebd., S. 1708f. 44 Bericht über die Reichsratssitzung in: Russkija Vedomosti, Nr. 170 v o m 4. Juli 1906, S. 2, Sp. 3. Sten. otcety Gos. Soveta, Sessija I, Zasedanija 12, S. 24. 45 Siehe oben, S. 640. 46 Siehe oben, S . 5 0 5 f f . 47 Siehe oben, S . 5 2 8 f f . 48 Es handelt sich um: Spravka o predstojascich k razsmotreniju zakono-proektach, in: Dvadcatyj Vek, Nr. 81 v o m 19. Juni 1906, S . 3 .
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wie wir sahen, 49 ebenfalls strikt kleinbäuerliche Agrarprogramm der Regierung war trotzdem immerhin möglich, sobald diese letztere sich entschloß, von ihrem Standpunkt absoluter Ablehnung jeder Expropriation, auch einer solchen des regelmäßig an Bauern verpachteten und des nur mit Bauerninventar bestellten Landes, abzugehen. Allein die Regierung machte die absolute „Unverletzlichkeit des Eigentums", auf die sich der Zar, wie wir sahen, 50 dem Adel gegenüber festgelegt hatte, direkt zum Angelpunkt ihrer ganzen inneren Politik, dergestalt, daß auch der Synod, nach Zeitungsberichten, die Pfarrer anweisen ließ, neben der Notwendigkeit der Todesstrafe auch die Heiligkeit des Eigentums zu predigen 51 - ein für die Stellung der Kirche innerhalb der Bauernschaft immerhin nicht unbedenkliches Vorgehen. Die Regierung fürchtete offenbar, des letzten | Haltes an den Interessen der Besitzenden verlustig zu gehen, A 388 (224) wenn sie deren Verlangen nach einer Hausse der Bodenpreise nicht freien Lauf ließe, überhaupt aber mit der Expropriation auf eine Bahn zu geraten, auf der es für sie kein Halten gegenüber der Duma mehr gab und die Kapitulation der Bureaukratie unvermeidlich geworden wäre. Da nun innerhalb der Duma für sie vorerst keinerlei Stütze zu gewinnen war, versuchte sie die Interessen der Grundbesitzer und Bauern gegen die Duma in Bewegung zu setzen und zugleich womöglich die Duma selbst zu sprengen. Gleichzeitig mit der Einbringung ihrer eigenen Agrarprojekte wandte sie sich (20. Juni) mit einer amtlichen öffentlichen Kundgebung an das Land („Prawit[jelstwjennyj] Wj[estnik]" Nr. 137). 52 Der demagogische Charakter dieser Leistung erhellt schon daraus, daß - obwohl, wie wir sahen, 5 3 in der Duma auf das nachdrücklichste jede Enteignung des Nadjellandes und des im Kleinbesitz befindlichen Privateigentums abgelehnt war - hier wiederum als „Konsequenz" jeder Landenteignung die Aufteilung alles Bodens überhaupt in gleiche Stücke, also die Wegnahme alles Privat- und „schließlich auch" des Nadjellandes zum Zweck einer „unbedeutenden" (in Wahrheit, nach der eigenen Rechnung der Regierung, einer im Durchschnitt aller Bauerndörfer, 4 9 S i e h e oben, S . 544ff. und 582ff. 50 51 52 20. 53
S i e h e oben, S. 5 7 4 . Vgl. u.a. Sinodal'naja Poiitika, in: Strana, Nr. 115 v o m 4. Juli 1906, S . 1. G e m e i n t ist: Pravitei'stvennoe s o o b s c e n i e , in: Pravitel'stvennyj Vestnik, Nr. 137 v o m J u n i 1906, S. 1. S i e h e oben, S . 6 4 0 f . und 6 5 7 f .
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die bestversorgten einbegriffen, über ein Drittel des Landbestandes derselben betragenden!) Vermehrung des bäuerlichen Landbesitzes hingestellt wurden. Daß ein solcher Vorgang, wie diese direkte amtliche öffentliche - und noch dazu eine von handgreiflichen Unwahrheiten strotzende - Polemik des Ministeriums gegen die Duma, nicht 5 ruhig hingenommen werden konnte und würde, hat die Regierung sich selbstverständlich selbst gesagt, zumal im wesentlichen die ganz unsachlichen Argumente Gurkos aus der oben erwähnten 5 4 stürmischen Dumasitzung wiederholt wurden. Daß diese auf die Bauern keinen Eindruck machen würden, wußte sie natürlich ebenfalls. Das 10 für irgendwelche sachlichen Zwecke gänzlich wertlose Pronunziamento konnte, so wie es war, nur dann einen politischen Sinn haben, wenn beabsichtigt wurde, den „Kadetten" in der Duma durch Aufpeitschung der revolutionären Leidenschaften der Linken Schwierigkeiten zu bereiten, wenn also die Regierung von dem Fortbestande 15 der Duma ein Zerbröckeln ihrer eigenen Machtstellung und der Heeresdisziplin fürchtete und den formellen Konflikt erzwingen wollte, ehe durch Zustandekommen eines Agrarreformprojekts in der Duma der Zar vor die Pistole gestellt wurde. Jener Erfolg wurde in der Tat erzielt. Der Schritt der Regierung war mit allen Gewohn- 20 heiten eines geordneten Staatswesens sicherlich unvereinbar. Ähnliches gilt aber natürlich auch von dem Gegenschritt, den nun die Duma tat, indem sie gegen die Stimmen der Gemäßigten (Graf Heyden, Stachowitsch) beschloß, das Regierungscommuniqué zu beantworten. Die von der Agrarkommission zu diesem Zweck vor-| 25 A 389 (225) geschlagene, in Form und Inhalt allerdings sehr maßvolle, aber ebenfalls an die Öffentlichkeit gerichtete „Erklärung" stellte die schon vorliegenden grundlegenden Beschlüsse der Agrarkommission der ministeriellen Erklärung vom 13. Mai (Beantwortung der Dumaadresse) gegenüber, und bemerkte gegenüber dem diese Er- 30 klärungen wiederholenden Regierungscommuniqué vom 20. Juni, daß ein Gesetz ohne Zustimmung der Duma nicht in Kraft treten könne, die Duma aber von dem Verlangen der Zwangsenteignung nicht abgehen werde, hob sodann hervor, daß ein Agrargesetz nur nach sorgsamster Beratung zustande kommen könne^,] und ersuchte 35 deshalb die Bevölkerung, auf dies Zustandekommen „ruhig und
5 4 Siehe oben, S. 515, 5 2 6 f f . und 6 5 6 f .
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friedlich zu warten". 55 In der bis 2 Uhr nachts währenden Sitzung vom 6. zum 7. (19./20.) Juli brachte dann1 Petrunk je witsch ein nach langen Verhandlungen in der k[onstitutionell]-d[emokratischen] Partei zustande gekommenes Amendement ein - dem auch Graf s Heyden zustimmte - , welches die Erwähnung der Kommissionsbeschlüsse, als noch nicht amtlich der Duma bekannt, strich und statt dessen unter scharfem Tadel des Ministeriums, welches „die friedliche Lösung der Agrarfrage untergrabe", auf die Antwortadresse der Duma verwies. 56 Die Erwartung, daß die Bevölkerung „ruhig und 10 friedlich warten™'"' werde, war in den Eingang der Erklärung gesetzt. 57 Die Linke (Shilkin) griff das Amendement als eine „Abschwächung" scharf an und verlangte statt dessen die Aufforderung an die Bevölkerung, sich zu organisieren und die Duma zu unterstützen. 58 Das wurde abgelehnt. Nach Annahme des Amendements 15 Petrunk je witsch" wurde die Erklärung gegen 53 Stimmen der Sozialdemokraten, - welche die Aufforderung zur Ruhe verwarfen, - und der Rechten, - welche jede „Erklärung" verwarf, - unter Stimmenthaltung von 101 „trudowiki" mit 124 Stimmen der „Kadetten" (die jedoch nicht alle dafür stimmten) angenommen. 59 Es versteht sich,
I A: denn
m A: waren
n A: Petrenkjewitsch
55 Die Erklärung der Agrarkommission der Duma in: Russkija Vedomosti, Nr. 171 vom 5. Juli 1906, S.3: Doklad agrarnoj kommissii; Sten.otcety Gos. Dumy, 1-yj sozyv, S. 1955f. Das Zitat ebd. 56 Zum Abschluß einer Rede in der Dumasitzung vom 6. Juli 1906 legte Petrunkevic eine von der Konstitutionell-Demokratischen Partei ausgearbeitete Neufassung jener in der vorigen Anmerkung erwähnten Erklärung der Agrarkommission vor. Diese Erklärung der Duma sollte sich an die Bevölkerung Rußlands als Antwort auf die Regierungserklärung vom 20. Juni 1906 wenden. Zitat und Paraphrase Webers beziehen sich auf die Rede Petrunkevics, nicht auf die Erklärung der Duma. Beides abgedruckt in: Russkija Vedomosti, Nr. 174 vom 8. Juli 1906, S. 2. Gosudarstvennaja Duma. Materialy k stenograficeskim otcetam 1906g. Korrekturnye ottiski po zasedanijam 39 i 40 (6 i 7 Ijulja). - S.-Peterburg: Gosudarstvennaja Tipografija 1907, S. 2 0 1 9 - 2 0 2 2 (künftig: Gos. Duma, 1-yj sozyv, Korrekturnye ottiski). Die Dumadebatten vom 6. und 7. Juli wurden nicht in die offiziellen stenographischen Berichte der Dumasitzungen übernommen, sondern späterhin gesondert als Supplement veröffentlicht. Die zustimmende Äußerung des Grafen Gejden in der Dumasitzung vom 6. Juli 1906, ebd. 57 Dieses Zitat aus der „Erklärung der Duma", in: Russkija Vedomosti, Nr. 174 vom 8. Juli 1906, S. 2. Gos. Duma, 1 -yj sozyv, Korrekturnye ottiski, S. 2021. 58 Rede Zilkins in der Dumasitzung vom 6. Juli 1906, in: Russkija Vedomosti, Nr. 174 vom 8. Juli 1906, S.2f. Gos. Duma, 1-yj sozyv, Korrekturnye ottiski, S. 2 0 2 9 - 2 0 3 2 . 59 Das Abstimmungsergebnis in: Russkija Vedomosti, Nr. 175, vom 9. Juli 1906, S.4.
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daß jegliche direkte „Flucht in die Öffentlichkeit" seitens einer parlamentarischen Körperschaft - für welche nur etwa die Beschlüsse der französischen Kammer, gewisse Reden „öffentlich anschlagen zu lassen", 60 eine, jedoch staatsrechtlich auf den vorliegenden Fall schwerlich zutreffende Analogie bilden könnten, - den Gepflogen- 5 heiten und dem Geist konstitutioneller Regierungen widerstreitet, wie übrigens Petrunkjewisch ausdrücklich zugab. 61 Sie kontrastierte aus diesem Grunde auch mit dem sonst streng eingehaltenen Prinzip der „Kadetten", trotz aller Gesetzwidrigkeiten der Regierung ihrerseits sorgsam den Boden der vorerst nun einmal bestehenden „Ord- 10 nung" innezuhalten. Mit dem Beschluß, jene „Erklärung" zu erlassen, war an sich dieser Boden allerdings keineswegs verlassen. Denn nach Petrunkjewitschs ausdrücklich erklärter Absicht sollte sie nicht „dem Volke" durch die Presse, sondern dem Minister des Innern zum Zweck des Abdrucks im offiziellen „Prawitjelstwjennyj Wjestnik" 15 A 390 (226) mitgeteilt werden. 6 2 Die Duma beanspruchte | gewissermaßen das Recht der Preß-„Berichtigung" gegen die Erklärung des Ministeriums. Daß mithin das Stadium formaler Legalität vorerst nicht verlassen war, ändert aber nichts daran, daß der Beschluß, gerade vom Standpunkt der „Kadetten" aus gewertet, ein allerdings nach 20 der Lage der Dinge sehr schwer zu vermeidender politischer Fehler war. Er mußte für die Duma schon deshalb zu einer Schlappe führen, weil sie keine Mittel besaß, seine irgendwie „ordnungsmäßige" Publikation zu erzwingen. Denn an eine Publikation durch den „Prawitjelstwjennyj] Wjestnik" glaubte doch Petrunkjewitsch selbst 25 schwerlich. Man hätte also alsbald wieder vor der Wahl gestanden, „inkonstitutionelle" Wege einzuschlagen, oder der Presse die Publikation einfach nach deren Gutbefinden zu überlassen. Mithin hätte eine Resolution, welche die Unwahrheit - und man hätte, ohne von der Wahrheit irgendwie abzuweichen, in diesem Falle ja getrost 30 sagen können: die „frivole demagogische Verlogenheit" - des Regierungscommuniqués brandmarkte, ganz dasselbe geleistet, da ihr ja
6 0 Die f r a n z ö s i s c h e A b g e o r d n e t e n k a m m e r b e s a ß seit Mai 1848 d a s Recht, R e d e n in allen G e m e i n d e n Frankreichs öffentlich a n s c h l a g e n z u lassen. Vgl. Pierre, E u g è n e , Traité d e droit politique électoral et parlamentalre, 5. Aufl., B a n d 1 P a r i s : R é u n i e s 0. J., S. 1271. 61 D i e s b e z i e h t s i c h auf die R e d e P e t r u n k e v i c s in der D u m a a m 6. Juli 1906, in: R u s s k i j a V e d o m o s t i , Nr. 174 v o m 8. Juli 1906, S . 2 . G o s . Duma, 1-yj s o z y v , Korrekturnye ottiski, S. 2 0 1 9 (wie oben, S. 665, A n m . 56). 62 Ebd.
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die weiteste Verbreitung durch die Presse sicher war. Die Texte der „Erklärung" und der Amendements selbst waren als eingebrachte Anträge in den Sitzungsberichten auch z . B . der offiziösen „Torgowo-Promyschljennaja Gasjeta" (Nr. 152,154), 6 3 enthalten. Die Haltung der Regierung selbst blieb bis zum letzten Stadium zweideutig. Im Leitartikel der Abendbeilage zum offiziellen „Prawitfjelstwjennyj] Wjestnik 0 " vom 7. Juli 64 war der Befriedigung darüber Ausdruck gegeben worden, daß, nach dem bisherigen Gang der Verhandlungen, offenbar die gemäßigtere Form der Erklärung - dieselbe, die in gemilderter Form später angenommen wurde - der dritten Lesung zugrunde gelegt werde und die Sozialdemokraten dieserhalb die Teilnahme an den Debatten abgelehnt hätten: hoffentlich siege also die gesunde Vernunft über das Treiben der Linken. Schon am 7. aber, während der Beratung, wurde zuverlässig bekannt, daß das Ministerium des Innern auf die Auflösung der Duma dringe und militärische Maßregeln getroffen seien, 6 5 und dies steigerte die „Nervosität" der Deputierten. Die, wie angenommen wurde und wird, vom Ministerialassistent Gurko fabrizierte Tatarennachricht eines als „offiziös" geltenden Blattes („Rossija") 66 von der Bereitschaft Österreichs und Deutschlands zur Intervention für das ancien
O A: Wijestnik 63 Gemeint ist: Torgovo-Promyslennaja Gazeta, Nr. 152 vom 5. Juli 1906, S. 1 f. und Nr. 154 vom 7. Juli 1906, S. 1 f. jeweils unter dem Titel: Gosudarstvennaja Duma. 64 Vgl. Vecernee pribavlenie k Pravitel'stvennomu Vestnik, Nr. 43 vom 7. Juli 1906, S. 1 : Iz russkoj zizni. 65 Die Entscheidung, die Duma aufzulösen, fiel in einer Unterredung zwischen Zar Nikolaj II. und dem Innenminister Petr Stolypin am 5. Juli 1906. Die letzten Beratungen darüber führten am 8. Juli abends Zar Nikolaj II., Petr Stolypin und der noch amtierende Ministerpräsident Ivan Goremykin. Vgl. Starcev, Vitalij I., Russkaja burzuazija i samoderzavie v 1905-1917gg. Bor'ba vokrug „otvetstvennogo ministerstva" i „pravitel'stva doverija". - Leningrad : Nauka 1977, S. 101 ff. Weber bezieht sich hier auf die in der Presse kursierenden Gerüchte, vgl. u.a. Diktatura, in: Dvadcatyj Vek, Nr. 100 vom 8. Juli 1906, S. 2, sowie Écho, Nr. 14 vom 7. Juli 1906, S. 2. 66 Weber meint den Artikel: Diplomaticus, Inostrannyja derzavy i polozenie del v Rossii, in: Rossija, Nr. 170 vom 5. Juli 1906, S. 1 f. In dem Artikel wurde u.a. ausgeführt, daß die agrarrevolutionäre Bewegung in Rußland so stark angewachsen sei, daß ein Übergreifen auf Österreich-Ungarn und das Deutsche Reich durchaus vorstellbar sei. Für den Fall, daß dies eintrete, hätten sich die deutsche und österreichisch-ungarische Regierung dahingehend verständigt, auf ein Ersuchen Rußlands hin mit ihren Truppen auch auf dem Territorium des Russischen Reiches zu operieren, um die Unruhen zu unterdrücken. Die Zeitung galt als Organ des Innenministeriums, so daß eine Autorschaft des stellvertretenden Innenministers Gurko möglich scheint.
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régime, welche unglaublicherweise auch Petrunk je witsch erwähnA 391 (227) te 357f ), 67 steigerte diesen | Zustand in der ad hoc in Permanenz erklärten Sitzung, welche unter allgemeiner Ermüdung mit dem erwähnten Beschlüsse endete. Taktisch schien nun der Moment zur Auflösung, auf die niemand 5 vorbereitet war, infolge der Spaltung der Duma und der Isolierung der „Kadetten" günstig, und die Regierung griff zu. Die Auflösung der Duma und die Vertagung des Reichsrats (mit Ausnahme der beiden rein bureaukratischen Departements) bis zu ihrem Wiederzusammentritt erfolgte unter unmittelbar nachfolgen- 10 der Bekanntgabe eines kaiserlichen „Manifestes", 6 8 welches als eine selbst für russische Verhältnisse erstaunliche Leistung bezeichnet werden muß. Es wird darin zunächst behauptet, daß die Duma, „anstatt auf dem Gebiete der Gesetzgebung zu schaffen", 6 9 sich vom Bereich ihrer Zuständigkeit entfernt habe, indem sie sich mit der 15 Untersuchung der Handlungen der „auf unsere Anweisung eingesetzten Lokalbehörden" und ferner mit der Unvolllkommenheit der „nur durch unsern kaiserlichen Willen abänderbaren Grundgesetze" beschäftigte. Die letztere Behauptung steht einfach in der Luft, da die Duma keinerlei Versuch gemacht hat, die dem Kaiser vorbe- 20 A 390 (226)
357f ) Es erscheint unerhört, daß dieser Wahnwitz, über den jeder, der die Lage der Dinge kennt, lediglich lacht, von ernsten russischen Politikern für bare Münze genommen wird. Allein die Schuld trägt - nächst dem törichten Gerede mancher deutscher Sozialdemokraten 70 - die russische Regierung, welche den General Skalon, der wegen der gleichen
67 Rede Petrunkevics in der Dumasitzung vom 6. Juli 1906 in: Russkija Vedomosti, Nr. 175 vom 9. Juli 1906: Gosudarstvennaja Duma, S.3. Gos. Duma, 1-yj sozyv, Korrekturnye ottiski, S. 2061 (wie oben, S. 665, Anm. 56). 68 In Ukazen vom 8. bzw. 10. Juli 1906 verfügte Zar Nikolaj II. die Auflösung der Duma und die Vertagung des Reichsrats auf den 20. Februar 1907. An diesem Tage sollte auch die neu zu wählende Duma zusammentreten. Gemeinsam mit dem Ukaz über die Auflösung der Duma wurde ein kaiserliches Manifest veröffentlicht, in dem diese Auflösung begründet wurde. Der Text des Manifestes in: Pravitel'stvennyj Vestnlk, Nr. 153 vom 9. Juli 1906, S. 1. Ukaze und Manifest in: Kaiinycev, Gosudarstvennaja Duma, S. 181 ff.; PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 28103-28105. 69 Für dieses und die nachfolgenden Zitate siehe Pravitel'stvennyj Vestnik, Nr. 153 vom 9. Juli 1906, S. 1. Im Original keine Hervorhebungen, alle Hervorhebungen von Max Weber. 70 In der sozialdemokratischen Presse tauchten bereits kurz nach dem Ausbruch der Revolution im Januar 1905 Gerüchte und Warnungen vor einem Eingreifen von deutscher Seite im Russischen Reich, besonders in Polen, auf. Vgl. dazu: Stern, Leo (Hg.), Die russische Revolution von 1905-1907 Im Spiegel der deutschen Presse. Band. 1. - Berlin: Rütten und Loening 1961, S. 60 und 198f.
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haltene Initiative an sich zu reißen. Das Recht der Interpellation wegen Ungesetzlichkeiten der Behörden steht ihr verfassungsmäßig zu, und was die schöpferische Arbeit auf dem Gebiete der Gesetzgebung anlangt, so hat, da es nicht auf die Reden im Plenum, sondern auf die Tätigkeit der Kommissionen ankommt, bisher kein Parlament der Welt - das sei nochmals wiederholt - mehr Arbeit geleistet als das russische, - nur eben nicht in einem Sinne, der dem Zaren genehm war. Es folgt die (unwahre) Qualifizierung der Duma-Erklärung vom 7./8. Juni 71 als eines „Aufrufs an das Volk", einer „offenbar" ungesetzlichen Handlung. Ihresgleichen an Frivolität sucht die alsdann folgende Behauptung, die Bauern seien dadurch - also durch einen noch gar nicht publizierten „Aufruf" - zu Aufständen veranlaßt worden. Weiterhin wird dann versprochen, daß „der russische Arbeiter, ohne fremdes Eigentum anzutasten... ein gesetzliches und gerechtes Mittel zur Ausdehnung seines Landbesitzes erhalten" solle,72 eine Aufgabe, die von der zukünftigen Duma gesetzlich gelöst werden solle, deren Einberufung auf den 20. Februar (5. März) 1907 angekündigt wurde, - so daß also der Etat für 1907 nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form zustande kommen kann. 73 Sehr schwer dürfte es endlich sein, angesichts der verdächtigen und pompösen Wendung: „wir werden Ungehorsamen unsern kaiserlichen Willen aufzwingen", einen adäquaten Ausdruck für die Charakterisierung des Schlußpassus zu finden: Der Eingang des Behauptung öffentlich als Lügner gebrandmarkt war, beförderte.74 - D i e russische D e m o kratie wird gut tun, sich klar zu machen, daß die wirkliche „Auslandshilfe" für den Zaren auch diesmal wieder aus Paris kommen wird. | 71 Gemeint ist die Dumaerklärung vom 7./8. Juli 1906. 72 Das Zitat lautet: „Der russische Ackersmann wird, ohne fremdes Eigentum zu schädigen, dort, wo Landmangel herrscht, ein gesetzliches und gerechtes Mittel erhalten, um seinen Landbesitz zu vergrößern." Wie oben, S. 668, Anm. 69. 73 Nach dem Etatgesetz vom 8. März 1906, Art. 1 und 11 mußte der Staatshaushalt am 1. Oktober des dem Haushaltsjahr vorangehenden Jahres In Duma und Reichsrat eingebracht werden. Die Beratungen durch die Duma mußten bis zum I . D e z e m b e r abgeschlossen sein. PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27505. 74 Wahrscheinlich bezieht Weber sich auf eine Äußerung des Fürsten Petr Dolgorukov auf der Sitzung des Zemstvokongresses vom 11. November 1905, In der er die angebliche Äußerung des Generals Skalon gegenüber einer polnischen Delegation, daß das Deutsche Reich Im Falle weiterer Unruhen In Polen Intervenieren würde, als Lüge zurückwies. Pravo, Nr. 45/46 vom 20. Nov. 1905, S.3708: S-ezd zemskich i gorodsklch dejatelej. Weitere Gerüchte über ein mögliches militärisches Eingreifen des Deutschen Reiches und Österreich-Ungarns kursierten In der russischen Presse seit dem November 1905. Siehe dazu: Russklja Vedomosti, Nr. 300 vom 15. Nov. 1905, S.2.
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„Manifests" bemerkt mit jener unaufrichtigen religiösen Salbung, welche heute die widerliche Zutat aller monarchischen Kundgebungen geworden ist, daß der Kaiser „fest auf die göttliche Gnade vertraut" habe, 7 5 fügt jedoch alsbald hinzu, daß er „in seinen ErwartunA 392 (228) gen durch eine grausame Prüfung enttäuscht" | worden sei, und der 5 Schluß ergibt, daß er nunmehr sein Vertrauen auf Menschen zu setzen entschlossen ist: „Wir glauben (!), daß Helden des Gedankens und der Tat erscheinen werden und daß, dank ihrer selbstverleugnenden Arbeit, der Ruhm Rußlands erstrahlen wird". Allein selbst wenn ein solches Eingeständnis der eigenen Impotenz jene irgendwo im 10 Hintergrund vermuteten „Helden" soweit erbarmen könnte, daß sie aus ihrer Verborgenheit heraus sich zeigten, - in dem Polizeisystem dieses Regimes wäre für sie ja doch kein Platz, es sei denn, daß Individuen wie der Exminister Durnowo oder der General Trepow oder der gleichzeitig mit dieser Kundgebung zum Premierminister 15 avancierte Minister des Innern Stolypin, dem Redakteur des Manifests als derartige „Helden" galten. Allein von ihnen gilt doch höchstens das Wort, daß „mit dem Säbel jeder Dummkopf regieren kann". 7 6 Gegen die bevorstehende konstitutionswidrige Staatswirtschaft 20 ohne Vorlegung des Etats an die Duma und angesichts der Erklärung, daß „der kaiserliche Wille einem jeden aufgezwungen" werden solle, erließen die Duma-Abgeordneten - mit Ausnahme der „Gemäßigten" - von Wiborg aus einen Protest, in dem sie zur Nichtzahlung der Steuern - ein schon oben 7 7 kritisiertes Mittel - und Nicht- 25 Stellung von Rekruten 357 ®) aufforderten. 7 8 Der agitatorische Erfolg A 392 (228)
357g p
)
Das Rekrutenkontingent (etwas über 469000 Mann) ist für dieses Jahr schon vor
P A: 457g) 75 Dies und die f o l g e n d e n Zitate aus d e m kaiserlichen Manifest v o m 8. Juli 1906 (siehe oben, S. 668, A n m . 68). Alle H e r v o r h e b u n g e n von Max W e b e r . 76 Als Zitat nicht nachgewiesen. 77 Siehe oben, S. 3 0 0 und 6 0 2 f f . 78 A m 9. und 10. Juli 1906 v e r s a m m e l t e sich im finnischen V y b o r g ein Rumpfparlament der Duma, an d e m ca. 180 von Insgesamt 4 9 8 A b g e o r d n e t e n teilnahmen, i n s b e s o n d e r e A b g e o r d n e t e der Kadetten, der Trudoviki und der Sozialdemokraten, die von dort aus g e g e n die A u f l ö s u n g protestierten und z u m Steuerboykott, zur V e r w e i g e r u n g der Rekrutenstellung und z u m passiven Widerstand aufriefen. Das Protokoll der V e r s a m m l u n g in: Krasnyj Archiv, Nr. 57, 1933, S. 8 5 - 9 9 : Pervaja gosudarstvennaja d u m a v V y b o r g e ; der Text des Aufrufs in: Pravo, Nr. 51 v o m 23. Dez. 1907, S. 3316.
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bleibt abzuwarten. Vor der Hand kann - da die Vorbereitungen noch nicht getroffen sind - alles ruhig bleiben, es sei denn, daß die Massen11 den Führern, wie letzten Spätherbst, aus der Hand gleiten. D e r Kurssturz der Anleihen ist nicht sehr stark: die Banken können nur mit dem absoluten Regime „Geschäfte" machen und müssen nunmehr ihre Bestände abstoßen; der Kurs wird dementsprechend „stilisiert" werden. Wer sich dadurch oder durch ein mittelst Vergewaltigung und Fälschung erpreßtes gefügiges Parlament täuschen läßt, dem ist nicht zu helfen. Es erscheint vor der Hand durchaus ausgeschlössen, daß - dies dürften die Darlegungen dieser Chronik doch wohl erkennen lassen - dieses Regime irgendeinen Weg zu wirklich dauernder „Beruhigung" des Landes findet: es müßte sich selbst am Schöpfe aus dem Sumpf ziehen können - und wollen. Und sehen wir von den „taktischen" Fragen einmal ab, so kann der nachhaltige Effekt des Vorgehens der Regierung nur eine weitere Entwertung des Zaren bei der Bauernschaft sein, sollte diese Wirkung vielleicht auch durch die zu erwartende Wahlfälschung für die nächste Zeit daran verhindert werden, sichtbar in die Erscheinung zu treten. Hiermit hat diese Chronik abzubrechen. Sie vermochte den intimeren Zusammenhängen der letzten Ereignisse, namentlich den bei |
Hofe sich bekämpfenden Anschauungen, nur in sehr rohen Umris- A 393 (229) sen nachzugehen - auch in Rußland selbst ist man darüber nur unvollkommen unterrichtet. A b e r es war hier auch nicht die Absicht, so etwas wie eine „Geschichte" des letzten Halbjahres zu liefern, 25 hier war es die A u f g a b e , die allgemeine gesellschaftliche und politische Situation, in welche der Polizeiabsolutismus der nicht rechtzeitig abgelehnten politischen Erbschaft Alexanders III. und,neustens, die Arbeit des Witteschen Interimsministeriums das Land geführt hat und aus der es sich nun zunächst - wer könnte sagen wie? 30 herauszufinden hat, zu veranschaulichen, so weit dies nach den hier zur Verfügung stehenden Quellen möglich ist. Prophezeiungen, auch nur für die nächsten Monate, scheinen mir ganz unmöglich, auch von Zusammentritt der Duma festgestellt und, wie wir sahen, von ihr einseitig nach der „Verfassung" nicht herabsetzbar. 79 | q A: Masse 79 Laut Paragraph 96 der Staatsgrundgesetze stand der Duma dieses Recht nicht zu. Siehe dazu Webers Ausführungen oben, S.437 und 442, sowie den Bericht, in: Ree', Nr. 51 vom 18. April 1906, S. 5: Poslednija zasedanija starago Gosudarstvennago Soveta.
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Seiten der bestinformierten Politiker in Rußland selbst werden sie nicht gewagt. Das läßt sich heute sagen: die fast unvermeidliche Neigung und Nötigung moderner dynastischer Regimes, auf Prestige auch nach Innen zu arbeiten, ihr „Gesicht zu wahren", hatte in Rußland die Regierung dazu geführt, nicht rechtzeitig zu geben, was sie geben mußte, und als dann eine Konzession nach der anderen ertrotzt war, suchte und sucht man das verlorene „Prestige" durch schonungslose Polizeiwillkür wieder herzustellen. Eben dies Bewußtsein aber, daß es der Kitzel dieser Eitelkeit ist, dem die Opfer geschlachtet werden, führte dazu, daß die wilde und wüste Form, in welcher die Linke in der Duma die Minister beschimpfte und von ihren Plätzen jagte, keinen schärferen Widerspruch seitens derjenigen Parteien, die an der „parlamentarischen Lösung" festhielten, hervorrief. Es ist nicht abzusehen, durch welche Konzessionen von Seiten der Regierung überhaupt noch der Duma, angesichts ihrer durch das Verhalten der Regierung zu roter Wut gereizten Wähler, hätte ermöglicht werden können, sich auf irgendein Programm hin mit ihr zu einigen. Es ist nicht abzusehen, mit welchen Elementen in dem von der Bureaukratie geschaffenen Flugsand überhaupt in zivilisierten Formen regiert werden könnte. Wir haben uns überzeugt, daß die schroffe Zuspitzung der Klassengegensätze jedem Versuch, sich auf den „Besitz" zu stützen, reaktionäres Gepräge geben muß. Es ist bei uns die lächerliche Sitte in Schwung, bei solchen fürchterlichen Geburtswehen, wie sie Rußland jetzt durchmacht, nach jemandem zu suchen, der „schuld" ist, - und da „natürlich" der Monarch und seine nächsten Diener dafür nicht in Betracht kommen und die - so äußerst billige - „Kritik" des Parlamentarismus Mode ist, so muß es in den Augen des deutschen Philisters ja wohl die Duma sein. Sie sei „politisch unfähig" gewesen und habe nichts „Positives" geleistet, sagt man, und fügt zur Erfrischung des deutschen Lesers hinzu: die russische Nation überhaupt sei nicht „reif" zum konstitutionellen Regime. 8 0 Nun, - man fragt sich zunächst: wofür denn jene Leute auf und neben dem Thron „reif" sind, welche A 394 (230) das Land in diese Lage gebracht haben? - Aber | weiter: wie eine eben ins Leben tretende parlamentarische Körperschaft, der die Regierung sechs Wochen lang als Material zu „positiver" Arbeit 8 0 S o z. B. in der N e u e n P r e u ß i s c h e n Zeitung (Kreuzzeitung), Nr. 3 0 4 v o m 3. Juli 1906, Mo.bl.: Z u r politischen L a g e in Rußland. Vgl. auch Einleitung, oben, S . 30ff.
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einen Entwurf, betreffend Damenkurse, und einen anderen, betreffend eine Orangerie und eine Waschanstalt, vorlegt, deren eigene Initiative sie dabei aber, auf eine von ihr geschaffene verrückte Verfassungsbestimmung gestützt, durch das Verlangen der Verta5 gung der Erörterung auf einen Monat obstruiert, eigentlich etwas anderes leisten sollte als die Duma geleistet hat, das ist wirklich etwas schwer zu verstehen: nur die naive Frechheit, ohne jedwede Kenntnis der Tatsachen auf Grund der nur die Knalleffekte enthaltenden Zeitungsmeldungen abzuurteilen oder verbissene konservative Be10 flissenheit kann mit solchen widerwärtigen Phrasen über die Dinge hinwegreden. Neun lange Monate - das dürfte aus der vorstehenden Chronik doch wohl hervorgehen - hat das bestehende Regime nichts getan, als mit wahrhaft mongolischer Tücke den „Rechten", die es gewährte, hinterrücks ein Bein zu stellen. Erst gegen Mitte Juni 15 (alten Stils) kamen die ersten wirklichen bescheidenen Reform Vorschläge35711), sämtlich die Spuren ihrer Herkunft aus den Gedankenkreisen des Semstwoliberalismus an der Stirn tragend: der Gesetz357h ) Bis W.Juni lagen der am 27. April zusammengetretenen D u m a folgende Gesetz- A 394 (230) entwürfe der Regierung vor: 1. Kultusministerium: Forderung von 40029 R u b e l 49 Kopeken für den U m b a u der Palmorangerie und die klinische Waschanstalt der D o r p a t e r Universität (eingebracht 12. Mai). 2. Kultusministerium: Zustimmung zur Errichtung privater Kurse für D a m e n (12. Mai). 3. Justizministerium: P r o j e k t e i n e s Lokalgerichtsverfassungsgesetzes (1. Juni), d a r ü b e r s[iehe] oben A n m . 110a. 4. Justizministerium: Projekt eines Gesetzes betreffend die Ä n d e r u n g e n der Bestimmungen über den Ersatz von Schäden infolge von Verfügungen der B e a m t e n (30. Mai). 5. Justizministerium: Projekt eines Gesetzes b e t r e f f e n d die Ä n d e r u n g der strafgerichtlichen Verfolgung wegen Vergehen im A m t e (30. Mai) s[iehe] oben A n m . 110a. 6. Ministerium des Innern: Projekt eines Gesetzes b e t r e f f e n d die Landgemeinden mit Nadjelbesitz (6. Juni). D e n Inhalt s[iehe] oben A n m . 262a. 8 1 7. Ministerium des Innern: Projekt eines Gesetzes betreffend die Verfügung über Nadjelland (6. Juni) den Inhalt s[iehe] a . a . O . 8 2 Dazu trat dann weiterhin das vom Landwirtschaftsministerium eingebrachte A g r a r p r o j e k t (s[iehe] oben A n m . 227a) das P r o j e k t betreffend die Anweisung von Verpflegungskapitalien und A n f a n g s Juli ein ganzes B o u q u e t von Steuergesetzen, die nicht m e h r zur geschäftlichen Behandlung kamen.83
81 Weber bezieht sich hier offensichtlich auf Anm. 272a, oben, S. 582ff. 82 Siehe oben, S.586f. 8 3 Für die von der Regierung eingebrachten Gesetzentwürfe siehe: Zakonoproekty, vnesennye v Gosudarstvennuju Dumu ministrami, in: Gosudarstvennaja Duma. Ukazatei' kStenograficeskim otcetam 1906god.-S.-Peterburg: Gosudarstvennajatipografija1907, S. 2 4 4 - 2 4 8 . Das Finanzministerium brachte vom 19. bis 29. Juni fünf Steuergesetze ein, die nur noch an die Ausschüsse überwiesen wurden, aber nicht mehr zur Verhandlung kamen.
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entwurf über die Friedensgerichte war der Annahme 3 5 7 '), die Agrarentwürfe der ernstesten sachlichen Beratung sicher. Aber das Entscheidende hatte die Regierung nicht getan: die Garantie gegen die absolute Polizeiwillkür (Beseitigung der administrativen Inhaftierung und Verschickung, Verantwortlichkeit ausnahmslos aller Be- 5 amten vor unabhängigen Gerichten) gewährte sie nicht, und ohne A 395 (231) dies fand sie | keinerlei Kreise der Bevölkerung, auf die sie sich stützen konnte. Die Auflösung der Duma aber wird nur dann zu einem ihr günstigen Ergebnis führen, wenn sie - wie allerdings wahrscheinlich - entschlossen ist, die Wahlen in aller Form zu fäl- 10 schen357k). Sie beruft sich für das wahnwitzige Willkürregiment der Polizei auf die Taten der Terroristen. Allein es läßt sich ja einfach statistisch ersehen, daß die Verhängung des Kriegszustandes, d.h. der Rechtlosigkeit, diese gesteigert und ihnen Sympathie verschafft hat 3571 ). Wie eine Revolution von unten nicht ohne Mithilfe oder 15 Duldung des Bürgertums, so ist ohne eine Stütze an ihm auch eine Eindämmung der Gewalttaten von oben nicht möglich. An die Regierung wendete sich in diesem Falle der bekannte Spruch: „Que messieurs les assassins commencent!" 357 ™). 84 Statt dessen rechnet sie 35?1 ) D i e ursprüngliche radikale Auffassung, daß nach dem Mißtrauensvotum keinerlei von diesem Ministerium ausgehende Entwürfe beraten werden sollten, war praktisch längst aufgegeben. | 357k A 395 (231) ) Es ist eine Kindlichkeit, wenn aus dem radikalen Ausfall der Wahlen auf ihre „Freiheit" geschlossen wird. D i e Wahl ist geheim, das wußten die Bauern. Sie schwiegen und stimmten für die Leute ihres Vertrauens. Nur direkter Bruch des Geheimnisses und Fälschung können daran etwas ändern. Z u diesen Mitteln wird das Ministerium Stolypin, wie gesagt, ohne allen Zweifel greifen. Der deutsche Kapitalist lasse sich daher - dies sei nochmals bemerkt - über die Stimmung des Landes durch das, was bei solchen Wahlen herauskommen wird, nicht täuschen! 3571 ) D i e Fälle einer - stets nur ganz kurze Zeit anhaltenden' - Abnahme sind durch die Notwendigkeit für die Terroristen, „sich anzupassen", leicht erklärt. Aber diese „Anpassung" ist ihnen überall gelungen. Die schlimmsten Zustände der persönlichen Sicherheit datieren (so in Polen) direkt vor der Suspension der Äectesicherheit. 357m ) D i e Moskauer Monarchisten sammelten im Juni Geld für einen Bauern (Michalin), der wegen Ermordung eines Sozialdemokraten angeklagt (und erstinstanzlich verurteilt) war („Now[oje] Wr[emja]" 10 861). 8 5 Man sieht: D i e Verherrlichung des politischen Mordes ist keineswegs Monopol der Revolutionäre und der Polizeibanden. |
r A: erhaltenden
84 „Si l'on veut abolir la peine de mort, en ce cas que messieurs les assassins c o m m e n cent. " Äußerung des französischen Journalisten Alphonse Karr. Nouveau Dictionnaire de Citations Françaises, hg. von Jeanne Matignon u . a . - P a r i s : Hachette-Tchou 1970, S. 944. 85 Novoe Vremja, Nr. 10861 vom 10. Juni 1906, S. 1.
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offenbar lediglich auf die Erfahrung, daß allerdings gemeinhin „die Maschine" - in diesem Falle der bureaukratische Mechanismus „nicht ermüdet", während dies auch dem wildesten Enthusiasmus irgendwann zu widerfahren pflegt. Aber es steht nicht fest, ob die unbeugsame Energie des russischen Radikalismus, zumal nachdem die Kadres der sozialdemokratischen und Sozialrevolutionären Organisationen einmal geschaffen sind, gegenüber dem heutigen oder einem ihm gleichartigen Regime jemals für mehr als nur kurze Pausen erschlaffen wird, - und sicher geschieht das nicht vor dem völligen ökonomischen Ruin des Landes. Der russische Freiheitskampf zeigt - das ist richtig - für das übliche Urteil wenig „große", unmittelbar zum „Pathos" des unbeteiligten Beschauers sprechende Züge. Das folgt zunächst aus dem Umstand, daß, mit Ausnahme des schwer verständlichen Agrarprogramms, die Forderungen, um die es sich handelt, zu einem großen Teil für uns im | Westen den Reiz des Neuen längst verloren haben: sie scheinen A 396 (232) der Originalität zu entbehren, die sie zu Cromwells und Mirabeaus Zeiten hatten, und entbehren ihrer, soweit sie rein politischen Inhalts sind, auch wirklich. Sie sind uns (meist!) trivial - wie das tägliche Brot es ist. Dazu tritt ein anderes: es fehlen auf beiden Seiten die wirklich „großen Führer", an die sich ein pathetisches Interesse Fernstehender heften könnte - denn ein noch so ausgezeichneter politischer Publizist oder sozialpolitischer Sachverständiger, an denen wahrlich kein Mangel ist, ist ebenso wenig ein politischer „Führer", wie der mutigste „praktische" Revolutionär ein solcher ist. Das alles erzeugt leicht den Eindruck des Epigonenhaften: alle Gedanken, die hier, von allen verschiedenen beteiligten Seiten, erörtert werden, sind nicht nur der Sache nach, sondern expressis verbis „Kollektivprodukte" 357 "). Und das Auge des Zuschauers, zumal das3 5 7 n ) Damit soll aber nicht etwa gesagt sein, daß solche „Führer" fehlten. Die feste A 3 9 6 (232) Faust eines Petrunkjewitsch z . B . wäre an sich wie geschaffen, die Rolle Carnots zu übernehmen. 8 6 Und die geistige Potenz der glänzenden Namen, über welche die demokratische Partei in der Wissenschaft und der Selbstverwaltungspraxis verfügt, wird in keiner ausländischen Partei überboten. Nur waren sie teils durch das Wahlrecht von der Arbeit exkludiert, teils durch das Drahtgeflecht polizeilicher Niederträchtigkeit und die Haltung der Regierung genötigt rein „negativ" zu wirken. |
8 6 Vermutliche A n s p i e l u n g auf Lazare Carnot, den Schöpfer der französischen Revolutionsheere, der als strenger Republikaner und als Mann von u n b e u g s a m e n Grundsätzen galt.
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jenige politisch und ökonomisch „satter" Völker, ist nicht gewohnt und, von der Ferne aus, auch nicht in der Lage, durch den Schleier aller dieser Programme und Kollektivaktionen hindurch bei solchen Massen das mächtige Pathos der Einzelschicksale, den rücksichtslosen Idealismus, die unbeugsame Energie, das Auf und Ab von stürmischer Hoffnung und qualvoller Enttäuschung der Kämpfer zu unterscheiden. Die oft gewaltige Dramatik jener Einzelschicksale flicht sich zu einem für den Außenstehenden undurchsichtigen Gewühl zusammen. Es ist ein unablässiges zähes Ringen, mit wilden Mordtaten und schonungslosen Willkürakten in einer Zahl, daß selbst diese Gräßlichkeiten schließlich zur Gewohnheit geworden sind. Und wie die moderne Schlacht, des romantischen Reizes der alten Reiterkämpfe entkleidet, als ein mechanischer Prozeß zwischen den in Werkzeugen objektivierten Produkten der Gedankenarbeit der Laboratorien und Werkstätten und - der kalten Macht des Geldes sich darstellt, daneben aber ein furchtbares, unausgesetztes Anspannen in erster Linie der Nervenkr&it der Führer wie der geführten Hunderttausende ist, so steht es auch mit der modernen „Revolution". Alles ist - wenigstens für das Auge des Beschauers „Technik" und Frage der zähen Ausdauer der Nerven. In Rußland, wo die Polizeigewalt - wie diese Schilderung wohl gezeigt hat - ihre Machtstellung mit allen raffiniertesten Mitteln verschmitztester Asiatentücke ausnutzte, mußte der Kampf mit ihr so viele Kräfte in A 397 (233) der bloßen „Taktik" verzehren, auf | „parteitechnische Erwägungen" so sehr den Nachdruck legen358), daß hier eine Rolle für „große führende Persönlichkeiten" überhaupt nicht leicht zu spielen war. Gegen Ungeziefer sind eben „große" Taten nicht zu verrichten. Und auf der Gegenseite fehlen sie vollends: die zahlreichen ausgezeichneten Einzelkräfte in der russischen Beamtenschaft, von deren Vorhandensein denn doch schon ein flüchtiger Blick von außen jeden überzeugen muß, können unter dem bestehenden Systeme alles, nur keine „Staatsmänner" für große Reformen werden. Dafür sorgen
A 397 (233)
358 ) Das gilt insbesondere auch für die „trudowajagruppa". Ihr Verhalten bezüglich des Agrarprograrams z . B . war durch rein „taktische" Erwägungen der außerhalb der Duma stehenden Organisationen geleitet, und in „Taktik" löst sich heute, wie seit vielen Jahren, die ganze Arbeit der Sozialrevolutionäre auf. - Das Bedenkliche - vom eigenen Parteistandpunkt aus gesprochen - ist dabei, daß man vor lauter „Parteitaktik" dann „den Wald vor Bäumen nicht sieht".
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schon die dynastischen Ambitionen, - dort wie bei uns359). Auch die Unmasse einer im einzelnen oft erstaunlich sorgsamen Gedankenarbeit, auf die man in den Staatsschriften dieses Regimes stößt, wird aufgebraucht und mündet, wie wir sehen, immer wieder in den 5 Dienst des einen, absolut nicht über sich selbst hinausweisenden Zieles der polizeilichen Selbsterhaltung. Und die fürchterliche, objektive Sinnlosigkeit dieses Zieles, die vollkommene Unmöglichkeit, irgendwelche, und seien es die bescheidensten, „sittlichen" oder „Kulturwerte" als in diesem Regime verkörpert sich vorzutäuschen, 10 verleiht dem Tun und Treiben dieser Machthaber und der „Berufsarbeit" dieser Staatsdiener - gerade der „tüchtigen" unter ihnen - in der Tat etwas von jenem gespenstischen Zug, den Leo Tolstojs Apolitismus in seiner „Auferstehung" 87 so unheimlich empfinden zu lassen verstand. Man hat die russische mit der französischen Revolu15 tion verglichen. Abgesehen von zahlreichen anderen Unterschieden genügt es, auf dasjenige entscheidende Objekt hinzuweisen, welches, im Gegensatz zu damals, den heutigen, auch den „bürgerlichen", Vertretern der Freiheitsbewegung nicht mehr als „heilig" gilt und in den Katalogen der von der „Befreiung" erhofften Güter fehlt:
359 ) Überhaupt lassen sich alle Konsequenzen des modernen spezifischen „Monarchismus", - der eben, wie heute die Dinge liegen, unvermeidlich mit einem Monarchen zu rechnen hat, der ungünstigenfalls ein gefährlicher politischer Dilettant, günstigenfalls ein einseitiger militärischer Fachmann wird, - an dem Gang der Dinge in Rußland studieren. Auf militärischem Gebiet scheint - ich darf das nicht beurteilen - in Rußland im Gefolge der Einführung der dreijährigen Dienstzeit an der Umgestaltung der Offiziersanstellung (Offizierswahl, wie bei uns, aber zweimal: zuerst beim Avancement zum Leutnant, dann beim Avancement zum Stabsoffizier) 88 und zahlreicher Einzelneuerungen fachtechnisch tüchtig gearbeitet zu werden. |
87 Tolstoj, Auferstehung. Die russische Fassung „Voskresen'e" erschien seit dem 13. März 1899 in der Zeitschrift Niva, die unter dem Druck der Zensur am 4. Dezember 1899 die Veröffentlichung einstellte. Im folgenden Jahr erschien eine überarbeitete Fassung in St. Petersburg. Eine Rettung der Welt war in der Sicht Tolstojs nur durch die vollständige Wiederherstellung der Menschlichkeit, der Liebe, Arbeit und Gleichheit möglich, nicht durch politisches Handeln. 88 Die Grundlage für die Beförderung der Offiziere in der russischen Armee bildete seit der Reform von 1906 ein Beurteilungsverfahren. Die Beurteilungen erfolgten durch den unmittelbaren Vorgesetzten und wurden von Beurteilungskommissionen begutachtet. Deren Urteil wurde zur Bestätigung dem nächsthöheren Vorgesetzten vorgelegt. Eine Offizierswahl durch das Offizierskorps der jeweiligen Regimenter wie im Deutschen Reich fand nicht statt. Vgl. Die Russische Armee. Bearbeitet vom Großen Generalstab. - Berlin: Reichsdruckerei 1912, S. 27ff.
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Scheinkonstitutionalismus
das „Eigentum". Seine „Heiligkeit" verkündet heute, - etwas verspätet vom Standpunkt seiner eignen Interessen aus - der Zar. Das ist, A 398 (234) was auch nun geschehen wird, das Ende aller und jeder | slawophilen Romantik und überhaupt des „alten" Rußland. Aber es stoßen in Rußland die importierten allermodernsten großkapitalistischen Mächte auf einen Untergrund von archaistischem bäuerlichen Kommunismus und entfesseln ihrerseits innerhalb ihrer Arbeiterschaft so radikal sozialistische Stimmungen, denen sie alsdann so absolut „freiheitsfeindliche" Organisationen allermodernsten Gepräges entgegensetzen, daß man kaum absehen kann, welches Gepräge die russische Entwicklung gewinnen wird, auch wenn - wie ganz überwiegend wahrscheinlich - die „Heiligkeit des Eigentums" gegenüber der Sozialrevolutionären Bauernideologie zuletzt das Übergewicht behält. Es sind alle jene Entwicklungsstadien ausgeschaltet, welche im Westen starke ökonomische Interessen besitzender Schichten in den Dienst der bürgerlichen Freiheitsbewegung stellten. Die wenigen Prozente industriellen Proletariates 360 ) besagen vorläufig äußerst wenig, die Ideale der Bauern aber liegen vorerst, trotz allem, in einer irrealen Welt. - Niemals ist, nach alle dem, ein Freiheitskampf unter so schwierigen Verhältnissen geführt worden wie der russische, niemals mit einem solchen Maß von rücksichtsloser Bereitschaft zum Martyrium, für die, scheint mir, der Deutsche, der einen Rest des Idealismus seiner Väter in sich fühlt, tiefe Sympathie besitzen müßte. Den üblichen deutschen reaktionären „Realpolitikern" aber sei die Frage nahe gelegt, ob sie gut tun, Empfindungen gegen sich in Rußland zu wecken, wie sie Napoleon III. vor 1870 bei uns gegen sich wachrief. Man braucht die reaktionären und offiziösen russischen Zeitungen nur zu lesen, um zu sehen, mit welcher Geschicklichkeit sie die blöde Demokratenfeindschaft unserer „staatserhalA 3 9 8 (234)
360 ) D i e G e s a m t z a h l der russischen A r b e i t e r (in Bergbau, Industrie, Verkehr und H a n d e l ) betrug 1897 nach der e b e n erschienenen Publikation des Finanz- und des Handelsministeriums (Tschisljenost i ssostaw rabotschich w Rossii 1906) 3 2 2 1 5 6 5 , w o v o n 2 7 7 6 5 0 3 männliche, von d i e s e n 5 4 , 7 % zwischen 20 und 39 Jahren (von den Frauen nur 48,5 % ) über 2 4 % unter 19 Jahren, 58 % außerhalb ihrer Familie und nur 25 % als Familienhäupter l e b e n d , 6 0 % (ein überraschend hoher Prozentsatz) schreibkundig ( M a x i m u m davon aber in der Altersstufe 1 5 - 1 6 Jahre), ein Drittel aus anderen G o u v e r n e m e n t s als d e n j e n i g e n der Arbeitsstelle g e b ü r t i g . 8 9 |
8 9 Öislennost' i sostav rabocich v Rossii I, S. X-XIV.
Nach den Wahlen
679
tenden" Preßorgane als Mittel der Ablenkung des Hasses der Massen nach außen - gegen uns - verwerten. Gewiß: das erbärmliche Regiment des Zaren, von jedem Krieg in den Grundfesten gefährdet, scheint ein „bequemer" Nachbar. Ein wirklich konstitutionelles Rußland müßte ein stärkerer und, weil gegen die Instinkte der Massen empfindlicher, ein unruhigerer Nachbar sein. Aber man täusche sich nicht: dies Rußland kommt, so oder so, - und man müßte, rein „realpolitisch", auf dem Standpunkt stehen: besser jetzt bald, wo wir, auf unsere Stärke gestützt, uns friedlich-schiedlich über das Chaos von Fragen, welches zwischen uns | liegt, verständigen kön- A 399 (235) nen, - als daß wir diese Probleme auf unsere Enkel abwälzen und inzwischen alle idealen Mächte dieser aufstrebenden Völker gegen uns in Bewegung setzen. Die beiden großen Nachbarnationen verstehen sich vorerst wenig. Einerseits ist mir persönlich kein russischer Demokrat begegnet, der für die Eigenart der deutschen Kultur innere Sympathie, die nur aus sicherem Verständnis hervorgehen kann, gehegt hätte. Anderseits erschwert der Druck des zunehmenden Reichtums, verbunden mit der zum System gesteigerten Gewohnheit, „realpolitisch" zu denken, den Deutschen die Möglichkeit, das stürmisch erregte und nervöse Wesen des russischen Radikalismus sympathisch zu empfinden. Aber wir unserseits sollten, bei aller Notwendigkeit, inmitten einer Welt von Feinden nüchtern zu sein, doch nicht vergessen, daß wir der Welt das Unvergänglichste in jener Epoche gegeben haben, als wir selbst ein blutarmes weltfremdes Volk waren, und daß „satten" Völkern keine Zukunft blüht.
680
Übergang zum Scheinkonstitutionalismus
1. Sinnstörende Druckfehler. S. 17 Anm. 30 Z. 4 [S. 318]: statt „Selbstverbannung" lies: „Selbstverbrennung". S. 19 Z. 1 [S. 322]: statt „Bescheinigung" lies: „Anzeige". S. 25 Anm. 45 a. E. [S. 334]: statt „Njolownoje" lies: „Ugolownoje". S. 25 Zeile 28 [S. 335]: statt „rechtliche" lies: „staatliche". S. 31 Zeile 19 [S. 345]: statt „251" lies: „25.1.". S. 31 letzte Zeile [S. 346]: statt „der Täufer" lies: „die Täufer". S. 36 Abs. 3 Zeile 3 [S. 355]: statt „War" lies: „Vor". S. 36 Abs. 4 Z. 9 [S. 355]: statt „West-" lies: „Weiß-". S. 44 Z. 9 [S. 371 ]: statt „und" lies: „nur". S.46 (Anm. 88) Zeile 6 v[on] u[nten] [S. 376]: statt „unvereinbar" lies: „vereinbar". S. 59 (Anm. 110a) Zeile 3 v[on] u[nten] [S. 398): statt „Stellung Semskije Netzhalnikj" lies: „Stellung der Semskije Natschalniki". S. 61 Abs. 2 Zeile 7 [S. 401 ]: statt „24. April" lies: „23. April". S. 69 Abs. 2 Zeile 2 [S. 414]: statt „1896" lies: „1906". S. 76 Zeile 5 v[on] u[nten] [S. 426]: statt „der Grundgesetze" lies: „der bisherigen Grundgesetze". S. 77 Zeile 1 [S. 426]: statt „Syndation" lies: „Instruktionen". S. 82 Anm. 129 Zeile 1 [S. 436]: statt „Art. 37" lies: „Art. 42". S. 87 Zeile 3 v[on] u[nten] [S. 446]: statt „Vertretung" lies: „Verteilung". S. 104 Zeile 15 [S. 475]: statt „19. Februar" lies: „18. Februar". S. 124 Anm. 187 Zeile 6 [S. 508]: statt „danach" lies: „dennoch". S. 129 in Anm. 190 Zeile 6 [S. 513]: statt „Kauflust" lies: „Kaufkraft". S. 153 in Anm. 227a a Zeile 3 [S. 546]: statt „VA Million" lies: ,,2'A Milliarde". I
a A: 227
Nachträge
681
2. Nachträge.
1.
Z u S . 1 6 oben [S. 317]: Taganzew führte im Reichsrat (27. Juni) an, daß von 1863 bis 1903:15, v o m 1. Januar bis 1. Juni 1906:180 Todesurteile ausgesprochen worden seien. D i e Zahl kann sich nur auf die 5 „ordentlichen" Gerichte beziehen. 1 2. Z u S. 39 A b s . 2 a. E. [S. 362]: Eine Milderung auch der Zulassungsbedingungen für die Mittelschulen wurde letzthin in der Presse angekündigt. 2 2a. Zu S. 55 Abschnfitt] VI A n f a n g [S. 390]: D e n n der U k a s an den Senat 1o vom 18. Februar 3 (aufgehoben gleichzeitig mit Erlaß des Bulyginschen D u m a g e s e t z e s ) gab kein Versammlungsrecht, sondern nur das (für Private schon seit 1811 bestehende, dagegen den Selbstverwaltungskörpern bis dahin bestrittene) Petitionsrecht.4 3. Z u S . 6 3 (unten) [S. 4 0 5 ] sind natürlich sowohl der bekannte Streit 15 zwischen dem Monarchen und dem Ministerpräsidenten gelegentlich der Entlassung Bismarcks 5 wie jetzt namentlich die unlängst näher bekannt gewordenen Vorgänge bei der erstmaligen Schaffung des „Ka-
1 Sten.otcety Gos. Soveta. Sessija 1, zasedanie 9, S. 13. Tagancev sprach von 15 Todesurteilen pro Jahr für den Zeitraum 1863-1903. 2 Dies bezieht vermutlich sich auf den Vorschlag des Ministers für Volksaufkärung Graf Tolstoj vom November 1905, dem auch der Ministerrat zustimmte, den Numerus clausus für Juden In den Schulen und Universitäten gänzlich abzuschaffen. Der Reformvorschlag wurde von Zar Nlkolaj II. abgelehnt. Vgl. Vltte, Sergej Ju., Vospominanija, tom III. Moskva: Izd. social'no ekonomiceskoj literatury 1960, S. 326f. 3 Gemeint Ist der Ukaz an den Regierenden Senat vom 18. Februar 1905 In: Pravo, Nr. 7 vom 20. Febr. 1905, S. 475; PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 25853. Der Ukaz versprach, die Vorschläge von Einzelpersonen und Vereinigungen über notwendige Reformen eingehend vom Ministerrat prüfen zu lassen. Durch den Ukaz an den reglerenden Senat vom 6. August 1905 wurde der Ukaz vom 18. Februar 1905 aufgehoben. Vgl. Pravo, Nr. 31 vom 6. Aug. 1905, S. 2523; PSZRI, 3-e sobr., tom 25, Nr. 26657. 4 Das Petitionsrecht (siehe dazu: Svod Zakonov, Ausgabe 1900, tom 1, cast' II, kniga IV) sah Eingaben von Einzelpersonen, Ständen und Körperschaften vor, jedoch nur direkt an den Zaren und zu im Gesetz genau bestimmten Bereichen. Das Recht, sich mit Beschwerden etc. an die zuständigen Minister zu wenden, stand nur dem Adel zu. Auch die Staatsgrundgesetze vom 23. April 1906 enthielten kein Petitionsrecht. 5 Dies bezieht sich auf Bismarcks Invokatlon der Kablnettsordre vom 8. September 1852, die es den preußischen Ressortministern zur Pflicht machte, Immediatvorträge dem Ministerpräsidenten zuvor anzuzeigen, um diesem Gelegenheit zu geben, daran teilzunehmen. Dies führte zu einem schweren Konflikt mit Wilhelm II., der dem Kanzler vorwarf, In seiner Eigenschaft als preußischer Ministerpräsident die königliche Prärogative zu beschränken und den Ministem den freien Zugang zum Monarchen zu verbieten. Dieser Konflikt hat zum Sturz des Kanzlers wesentlich beigetragen.
A 400 (236)
682
Übergang
zum
Scheinkonstitutionalismus
binetts" in Preußen (1848) und das Verhalten Friedrich Wilhelms IV. dazu zu vergleichen. 6 4. Zu. S. 75 Anm. 122 a [S. 424]: Der erste formal inkonstitutionelle Erlaß wäre danach wohl das Wechselmoratorium für Bjelostok gewesen. 7 Er hätte, nach der „alten" Ordnung, wohl zweifellos den Reichsrat zu passieren gehabt. 5. Zu S.82 [S. 437]: Das erste und einzige unter der neuen Ordnung publizierte „Gesetz" (über die Anweisung von 15 Mill. Rubel „Verpflegungskapital" gegen die Hungersnot) enthält am Kopf den vom 3. Juli datierten, vom Reichssekretär unterschriebenen Vermerk, daß auf dem Original sich die eigenhändige kaiserliche Sanktion („bytt po ssjemu") befinde, alsdann 3 , im Eingang des Texts, die Erwähnung, daß Reichsrat und Duma das Gesetz genehmigt haben, am Schluß desselben die Unterschrift des Reichsratspräsidenten, der ja, nach der „Konstitution", den Entwurf dem Kaiser zu unterbreiten hatte. 8 - Da die Erlasse des Kaisers, wie im Text erwähnt, 9 bei der Publikation eine Unterschrift der Minister, denen ihre „sskrjepljenije" obliegt, nicht aufweisen, so hat man auf diese Weise nach Möglichkeit zum Ausdruck gebracht, daß die „sskrjepljenije" nach Meinung der Regierung eine bloße „Beglaubigung" geblieben sei und sich nicht zu einer „Bekräftigung" (auctoritas), wie in konstitutionellen Staaten, entwickelt habe, daß vielmehr - da der Senat als Publikationsbehörde schon nach der alten Ordnung eine Beglaubigung der kaiserlichen Unterschrift verlangen konnte und verlangte (obwohl dies in den alten „Grundgesetzen" nicht ausdrücklich bestimmt war) - „im Prinzip" alles beim alten geblieben sei. 6. Zu S.118 [S. 499]: Die ungemein sorgsamen Vorbereitungsmaßnahmen, welche die Moskauer Druckereiarbeiter gegenüber der drohenden - in Rußland eventuell ersten - Aussperrung trafen: Lokalisierung des Kampfes auf die dem Arbeitgeberverband angehörigen Betriebe, Vorkehrungen gegen die Möglichkeit, Aufträge an auswärtige Filialen a A: aldann
6 Gemeint ist die Einführung des Amtes des preußischen Ministerpräsidenten anläßlich der Berufung des Ministeriums Graf Arnim-Boitzenburg am 19. März 1848. Damals erhielt der Ministerpräsident die Rolle eines Primus Inter pares, nachdem zuvor ein reines, teilweise regional differenziertes Kollegialsystem bestanden hatte. Auf welche Veröffentlichung sich Weber hier bezieht, ist nicht bekannt. 7 Der Ukaz vom 9. Juni 1906 Ist abgedruckt: PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 27988. Über seine „konstitutionelle" Qualität Heß sich nichts ermitteln. 8 Abdruck in: PSZRI, 3-e sobr., tom 26, Nr. 28075. 9 Siehe oben, S.401.
Nachträge
683
zu geben, Organisation der Arbeitslosen einerseits, der Ausgesperrten anderseits unter sorgsamer Abwägung des Stimmenverhältnisses, Fernhaltung von Zuzug, Abschiebung der Reservearmee in die Heimatsdörfer (man beachte hier die Wirkung der Agrarverfassung!), 5 Modus der Verhandlung mit den Prinzipalen, Maßregeln zur Gewinnung der Sympathie des Publikums | (Zeitungsdruckerstreik) usw. A 401 (237) s[iehe] in der ,,Torg[owo]-prom[yschljennaja] Gasj[eta]" Nr. 158. 10 Das. Nr. 16111 die Basis, auf welcher, wie es scheint, eine Einigung mit dem Arbeitgeberverband zustande kommt (die Prinzipale haben insbe10 sondere die Anerkennung des Gewerkvereins und Zulassung der Beratung auch politischer Fragen innerhalb ihrer Werkstätten zugestanden). 7. Zu S. 136 [S. 524]: Die Verschuldung des Grundbesitzes bei den Kreditinstituten wird jetzt vom Finanzministerium auf fast genau 2 Milliar15 den Rubel angegeben (Adelsbank 714 Millionen, Bauernbank 450 Millionen, der Rest bei anderen Banken). 1 2 8. Zu S. 160 bei Note 241 und S. 169 Note 263a b und 180 Note 273a [S. 559, 575, 589]: Schwarze Listen der Grundbesitzerverbände gegen „streiklustige" Arbeiter sind zuerst im Zartum Polen (Gouv[ernement] 20 Petrokow) aufgetaucht („Wjestn[ik] ssfelskawo] chasjfaistwa]" 1906, Nr. 25). 13 Über die umfassenden Streikorganisationen der Bauern im Südwestrayon (es wurde die Schaffung von Streikkomitees in jedem einzelnen Dorfe erstrebt 0 ) s[iehe] „Torgowo-promyschlfjennaja] gasjfeta] Nr. 152 S. 2 14 nach dem ,,Pridnjepr[owskij] Kraj". 25 9. Das S. 180 (bei Anm. 274a) [S. 590] gegebene Versprechen werden wir nunmehr nicht halten können, da Professor Herzenstein inzwischen ein Opfer der contrarevolutionären Banden geworden ist. 15
b A: 273a
c A: erstreckt
10 Protivolokautnajabor'ba Moskovskich tipografskich rabocich, in: Torgovo-Promyslennaja Gazeta, Nr. 158 vom 12. Juli 1906, S. 1 f. 11 Gemeint ist: Torgovo-Promyslennaja Gazeta, Nr. 161 vom 15. Juli 1906, S. 1. 12 Für die Zahlen der Jahre 1900-1904 siehe: Vestnikfinanzov, promyslennosti i torgovli, Nr. 10 vom 5. März 1906, S. 394f. 13 Weber nimmt Bezug auf: Vestnik sel'skago chozjajstva, Nr. 25 vom 18. Juni 1906, S.17. 14 Torgovo-Promyslennaja Gazeta, Nr. 153 (nicht 152), vom 6. Juli 1906, S. 2. 15 Gercenstejn wurde am 18. Juli 1906 in Terioki (Finnland) von Mitgliedern der „cernye sotni" (Schwarzhunderter) ermordet.
684
Übergang zum
Scheinkonstitutionalismus
10. Zu (S. 166 Note 255 a. E. [S. 569] und) S. 182 Note 277a [S. 592]: Bis 8. Juli 1906 sind (seit dem Manifest vom 3. November) nach Mitteilung der Bauernbank („Prawit[jelstwjennyj] Wj[estnik]" Nr. 155 S. 2)16 991 Kaufabschlüsse über 1491831 Deßjätinen (1600000 Hektar, also annähernd die „Wirtschaftsfläche" einer preußischen Provinz) für 5 188003518 Rubel von ihr gemacht worden. Der mittlere Kaufpreis der ersten Juliwoche betrug 126 Rubel für die Deßjätine (243 Mk. pro Hektar).
16 G e m e i n t ist: Pravitel'stvennyj Vestnik, Nr. 155 v o m 12. Juli 1906, S . 2.
[Über Deutschland und das freie Rußland]
Editorischer Bericht
Zur Entstehung A m 30. November 1908 hielt der Heidelberger Staatsrechtler Georg Jellinek in einer Versammlung der Nationalliberalen Partei in Heidelberg einen öffentlichen Vortrag über „Kaiser und Reichsverfassung". Z u m ersten Male seit zehn Jahren besuchte Max Weber aus diesem Anlaß wieder eine öffentliche Parteiversammlung. Im Anschluß an Jellineks Rede beteiligte er sich - gemeinsam mit Eberhard Gothein - an der Diskussion. 1 Weber sprach sich für eine Parlamentarisierung des Deutschen Reiches aus und charakterisierte die parlamentarischen Monarchien als weitaus erfolgreicher in ihrer Politik als das Deutsche Reich. Auf Rußland bezugnehmend erklärte er: „Hätte das gewaltige Rußland eine demokratische Verfassung, hätte es einen Parlamentarismus, so könnte man etwas erleben; es wäre die furchtbarste Macht, die jetzt nur dadurch klein gehalten wird, daß in Rußland Parlament und Verfassung keinerlei Bedeutung haben." 2 Einige Monate später, Ende Februar/Anfang März 1909, wurden in Sachsen einige russische Studenten wegen Mitgliedschaft in verbotenen Organisationen festgenommen. 3 Diese Vorgänge gaben Anlaß zu einem Kommentar in der russischen liberalen Tageszeitung Russkija Vedomosti über das Verhalten Deutschlands gegenüber der fortschrittlichen Bewegung in Rußland. Sie zitierte in diesem Zusammenhang Max Webers Äußerung v o m November 1908 wie folgt: „Es sei ein großes Glück für Deutschland, daß in Rußland sich die gegenwärtige Verfassung noch nicht fest verankert und die Stunde der russischen Erneuerung noch nicht geschlagen habe. Ein erneu-
1 Vgl. Mommsen, Max Weber 2 , S. 160f.; Weber, Marianne, Lebensbild 1 , S. 411 f., und Brief Marianne Webers an Helene Weber vom 9. Dez.1908, Bestand Max Weber-Schäfer, Privatbesitz; sowie Radbruch, Gustav, Der innere Weg. Abriß meines Lebens. - Stuttgart: K. F. Koehler 1951, S. 83f. 2 Die Rede Jellineks in: Heidelberger Tageblatt, Nr. 282 vom 1. Dez. 1908, S.4. Die Diskussion mit dem Diskussionsbeitrag Max Webers in: Heidelberger Tageblatt, Nr. 283 vom 2. Dez. 1908, S.3f. Das Zitat ebd., S. 4. Vgl. auch Heidelberger Zeitung, Nr. 282 vom 1. Dez. 1908, 3. Bl„ S. 1 f., und Nr. 283 vom 2. Dez. 1908, 4. Bl., S. 1 f. (MWG I/8). 3 Brachmann, Botho, Russische Sozialdemokraten in Berlin, 1885-1914: mit besonderer Berücksichtigung der Studentenbewegung in Preußen und Sachsen. - Berlin (DDR): Akademie Verlag 1962, S. 8 1 - 8 8 .
686
Über Deutschland
und das freie
Rußland
ertes Rußland w ü r d e eine solche Kraft und Macht auf den Stützen einer moralischen S t i m m u n g und B e g e i s t e r u n g erlangen, die unvergleichbar wäre mit jeder anderen Macht auf d e m K o n t i n e n t . " 4 Z w e i Tage nach d e m Erscheinen dieses Artikels wandte sich der Berliner K o r r e s p o n d e n t der R u s s k i j a V e d o m o s t i , Grigorij G r o s s m a n , an Max W e b e r mit der Bitte u m eine klärende S t e l l u n g n a h m e . 5 In s e i n e m S c h r e i b e n legte er den Sachverhalt f o l g e n d e r m a ß e n dar: „In der a n g e s e h e n e n Moskauer Z e i t u n g .Russkija W e d o m o s t i ' , deren Berliner Vertreter ich bin, w e r d e n in e i n e m selbständig e n Artikel die letzten Maßregeln der russischen S t u d e n t e n Seitens der Berliner und D r e s d n e r Polizei b e s p r o c h e n und die traurige Thatsache einer . d e u t s c h - r u s s i s c h e n Polizei-Alliance' konstatiert. Die Furcht Deutschlands vor e i n e m freien Rußland wird m e r k w ü r d i g e r w e i s e durch eine angebliche Ä u ß e r u n g v o n .Professor Max W e b e r ' beleuchtet, .der gelegentlich einer Diskussion' gesagt haben soll, es sei ein großes Glück für Deutschland, daß Rußland noch keine wahrhafte Verfassung besäße und die S t u n d e der russischen Befreiung noch nicht g e s c h l a g e n hätte. ,Ein e r n e u e r t e s Rußl a n d ' , - s o l l t e n Sie gesagt h a b e n , - . w ü r d e eine solche neue Kraft und Macht in den G r u n d f e s t e n seiner moralischen S t r ö m u n g und B e g e i s t e r u n g g e w i n nen, daß d a g e g e n keine andere Macht auf d e m Kontinent a u f k o m m e n könnte.' Der betreffende Passus in d e m russischen Artikel ist so gefaßt, daß man daraus schließen kann, auch Sie, hoch geehrter Herr Professor, teilen die B e f ü r c h t u n g v o n e i n e m freien Rußland. Diese Schlußfolgerung ist so u n g e h e u e r , daß ich Sie nur auf eine freche M i ß d e u t u n g Ihrer Worte z u r ü c k führen kann. Es ist w o h l möglich, daß irgendein russisches reaktionäres Blatt eine Ä u ß e r u n g v o n Ihnen für seine speziellen Z w e c k e zurechtstutzte und die .Russkija W e d o m o s t i ' , die d o c h Ihre A n s i c h t e n und Schriften über Rußland w i s s e n müßten, auf den Trick hereinfielen. In Moskau leben viele Ihrer Schüler und Freunde, darunter auch mein alter Freund Dr. Kistjakowsky, und die w e r d e n sicher die Redaktion auf den bedauerlichen Irrtum a u f m e r k s a m machen, w e n n sie den Artikel zu Gesicht b e k o m m e n . Auf alle Fälle m ö c h t e ich m i r e r l a u b e n , S i e z u bitten, mir eine authentische Mitteilung z u k o m m e n zu lassen über den Sinn und den Inhalt Ihrer Ä u ß e r u n g , auf die in d e m Artikel B e z u g g e n o m m e n wird, damit ich u m g e h e n d auf die falsche A u f f a s s u n g Ihrer Worte hinweisen kann. [ . . . ] " Offensichtlich hat Max W e b e r daraufhin u m g e h e n d die n a c h s t e h e n d abg e d r u c k t e Zuschrift für die Russkija V e d o m o s t i verfaßt, die uns im Original nicht überliefert ist. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist davon a u s z u g e h e n , daß diese Zuschrift v o n G r o s s m a n ins Russische übersetzt und diese 4 Russkija Vedomosti, Nr. 50 vom 3. März 1909, S. 2. 5 Brief Gregor Grossmanns ( = Grigorij Grossman) an Max Weber vom 18. März 1909 (nach dem Gregorianischen Kalender 5. März 1909). Bestand Max Weber-Schäfer, Privatbesitz.
Editorischer
Bericht
687
Fassung von Weber autorisiert worden ist. Die Zuschrift Max Webers wurde am 17. (30.) März 1909 in der Russkija Vedomosti veröffentlicht, mit einer redaktionellen Vorbemerkung, die in deutscher Übersetzung lautet: „In den von uns veröffentlichten Bemerkungen über die Verfolgung, die von der deutschen Polizei auf die in Deutschland studierenden Russen ausgeübt wird, wurden unter anderem die Worte des bekannten Professors der Heidelberger Universität, Max Weber, zitiert, welche er anläßlich eines einige Monate zurückliegenden öffentlichen Vortrages von Professor Jellinek in Heidelberg über die .konstitutionelle Krise' in Deutschland äußerte: ,Es ist ein großes Glück für Deutschland, daß in Rußland noch keine wahrhafte Verfassung verwirklicht worden ist; ein erneuertes Rußland würde eine solche neue Kraft und Macht auf der Basis moralischer Verfassung und Begeisterung erlangen, daß es mit keiner anderen Machtauf dem Kontinent verglichen werden könnte.' Aus diesem Anlaß teilt uns der geehrte Professor, der einer unserer Abonnenten ist (er beherrscht die russische Sprache fließend), in dem unten wiedergegebenen Brief mit, daß diese aus dem allgemeinen Zusammenhang gerissenen Worte einen falschen Eindruck über sein Verhältnis zu einem freien Rußland wie zu dem Nachbarn Deutschland hervorrufen könnte, und macht uns mit seiner geschätzten Ansicht über diese Frage vertraut." Etwas anders liegt der Fall bei der deutschen Wiedergabe der Zuschrift, die die Neue Badische Landeszeitung am 4. April 1909 veröffentlichte. 6 Die Neue Badische Landeszeitung bezeichnete ihre Übersetzung als „wortgetreu ", doch weist der Text gegenüber der russischen Fassung Unterschiede in den Hervorhebungen auf. Die Tatsache ferner, daß der Text gegenüber der russischsprachigen Fassung einige für Weber untypische Formulierungen (so wird osvoboditel'noe dvizenie mit Freiheitsbewegung, und nicht, wie bei Weber üblich, mit Befreiungsbewegung übersetzt) enthält, läßt den Schluß zu, daß diese Fassung nicht von ihm selbst herrührt. Da eine Autorisierung durch Weber jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, wird dieser Text im folgenden gleichwohl abgedruckt, unter Annotation der Abweichungen gegenüber der russischen Fassung, da uns die ursprüngliche Fassung der Zuschrift, die dann in russischer Übersetzung erschienen ist, nicht überliefert ist. Über die näheren Umstände der Veröffentlichung und die Übersetzer ist nichts bekannt. Dem Text war die folgende redaktionelle Vorbemerkung vorangestellt: „Gelegentlich einer Notiz über das Verhalten der deutschen Behörden gegenüber den russischen Studierenden hatte die ,Rußkija Wjedomosti' u.a. einein Rußland mit Befremden aufgenommene Äußerung des bekannten Heideiberger Universitätslehrers Max Weber gebracht. Danach 6 Neue Badische Landeszeitung, Nr. 158 vom 4. April 1909,1. Mo.bl.
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Über Deutschland
und das freie
Rußland
sollte dieser in öffentlicher Debatte gesagt haben, es sei für Deutschland ein großes Glück, daß in Rußland noch keine wahrhafte Verfassung sich eingebürgert habe; das erneuerte Rußland würde in moralischer Gesinnung und Begeisterung zu solch neuer Kraft emporsteigen, daß keine Macht des Kontinents mit ihr einen Vergleich würde aushalten können. Da diese Mitteilung auf Mißverständnisse stieß, so richtete Prof. Weberfolgendes Schreiben, das wirausdem Russischen wortgetreu wiedergeben, an die genannte Zeitung."
Zur Überlieferung und Edition Weder ein russisches noch ein deutsches Manuskript ist überliefert. Der Abdruck des russischen Textes folgt der Fassung, die unter der Überschrift „Maks Veber o Germanii i svobodnoj Rossii" in der Russkija Vedomosti, Nr. 62 vom 17. (30.) März 1909, S. 5, erschienen ist (A). Der russische Text wird in der vor der Rechtschreibreform von 1918 in Rußland gebräuchlichen Orthographie abgedruckt, jedoch werden die Buchstaben i und e als m und e wiedergegeben. Der Abdruck der vermutlich nicht autorisierten deutschen Fassung folgt dem Text, der unter der Überschrift „Rußland. Prof. WeberHeidelberg über die Erneuerung Rußlands" in der Neuen Badischen Landeszeitung, Nr. 158 vom 4. April 1909, 1. Mo. bl., veröffentlicht wurde (B). Dieser Abdruck erfolgt hier, da eine Autorisierung dieser Fassung durch Weber nicht völlig auszuschließen ist und sie Weber näher steht als dies bei einer Neuübersetzung der Fall wäre. Die Abweichungen gegenüber dem russischen Originaltext sind vom Herausgeber unter Hinzufügung der deutschen Übersetzung annotiert. Da kein vollständiges Exemplar der Neuen Badischen Landeszeitung mehr vorhanden ist, ist uns dieser Artikel nur durch den in der Personalakte Weber, Badisches Generallandesarchiv Karlsruhe, GLA 235, Nr. 2643, Bl. 79, vorhandenen Ausschnitt bekannt. Als Titel des Textes wurde vom Herausgeber die Überschrift der Russkija Vedomosti übernommen; der Titel der deutschen Übersetzung ist in Anlehnung an die Überschrift der Neuen Badischen Landeszeitung gewählt.
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1 Die W a h l r e c h t s r e f o r m v o n 1906 in Ö s t e r r e i c h - U n g a r n , die in C i s i e i t h a n i e n das herk ö m m l i c h e K u r i e n w a h l r e c h t d u r c h d a s d e m o k r a t i s c h e a l l g e m e i n e , g l e i c h e , direkte u n d g e h e i m e W a h l r e c h t ersetzte, war in der Erwartung e r l a s s e n w o r d e n , daß d i e s zu e i n e r B e f r i e d u n g d e s Nationalitätenstreits beitragen w e r d e . D o c h kam e s weiterhin i m m e r w i e d e r z u tätlichen A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n z w i s c h e n D e u t s c h e n u n d T s c h e c h e n .
690
Über Deutschland und das freie Rußland
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BejiH-
[Über die Erneuerung Rußlands]
a
In Nummer 50b Ihres geehrten Blattes 0 werden meine Worte in einem solchen Zusammenhang zitiert, daß man glauben könnte, als ob ich aus „Angst" vor Gefahren, die Deutschland von einer Erneuerung Rußlands drohen, gegen die Träger der russischen Freiheitsbewegungd eine feindselige Gesinnung hege oder gar die Henkersrolle billige, in der unsere Polizei mehrfach aus Neigung für die russischen Machthaber hervorgetreten ist, - jene Rolle, von der ich häufig in aller Öffentlichkeit dargetan habe, wie erniedrigend sie ist. Ich teile zwar nicht die Anschauung, daß die Demokratisierung der politischen Ordnung der Völker ein zuverlässiges Mittel zur Milderung der nationalen Antagonismen ist: die Vorgänge in Böhmen beweisen das Gegenteil. 1 Es ist mir bekannt, daß in den Kreisen der Russischen Demokratiee wahrscheinlich ebenso viel Feindseligkeit gegen Deutschland herrscht, wie in den Reihen derer, die gegenwärtig Rußland regieren. Meine russischen Freunde haben mir offenherzig gesagt, daß es schwer fällt, diese Feindseligkeit zu vertilgen. Auch ich bin der Ansicht, daß die 'demokratische Erneuerung Rußlands' diese zwar vor allem zwingen wird, sich eine Zeit lang ausschließlich mit der Lösung der außerordentlichen Aufgaben seiner inneren Umgestaltung abzugeben, daß aber das neue Rußland sodann eine unvergleichlich größere politische und moralische Kraft darstellen wird, als der gegenwärtige bloß durch tägliche Hinrichtungsakte aufrechterhaltene MechanismusB, der, h eben weil er schwach ist", einer gewissen Popularität bei den herrschenden Reaktionsschichten Deutschlands sich erfreut. Gewiß, bei den schwieri-
a In A geht voraus: M[njiocTHBbiH] r[ocy;japb], rocnoflHHpenaKTop-b! (Sehr geehrter Herr Redakteur!) b In A folgt: (OTT, 3-ro MapTa T[oro] r[o«a]) (vom 3. März des Jahres) c In A folgt: ^Tp[aHa]2-a, cToji6[eu] 2-fl) (S. 2, Sp. 2) d In A nicht hervorgehoben. e In A nicht hervorgehoben. f In A nicht hervorgehoben. g In A nicht hervorgehoben. h In A hervorgehoben.
1 Siehe oben, S. 689, Anm.1
692
Über Deutschland
und das freie
Rußland
gen Aufgaben, auf die wir an unserer Ostgrenze stoßen, bietet dieser Mechanismus größere 'politische Bequemlichkeiten', als die Regierung eines einigen und mächtigen russischen Volksstaates sie bieten würde. Allein ich würde mich schämen, für Deutschland demokratische Ideale zu verfechten und sie zu gleicher Zeit' um den Preis der Verwünschungen von hundert Millionen Bauern des Nachbarvolkes erkaufen zu wollen. Ich ziehe die offene und ehrliche Feindseligkeit der Demokratie jenem Haß 1 der russischen Reaktionskreise vor, der zwischen verlogenen"1 Freundschaftsversicherungen und abstoßender Verleumdung herumpendelt. Zudem halte ich an der Ansicht fest, daß die Erneuerung Rußlands kommen wird und daß es folglich im Interesse Deutschlands liegt, daß diese Erneuerung möglichst schnell kommen möge, damit wir sobald als möglich durch unmittelbare Wechselwirkung von Volk zu Volk die uns trennenden Fragen lösen können. Nicht also nur im Hinblick auf die uns allen gemeinsamen hohen Kulturaufgaben, sondern auch mit Rücksicht auf die unmittelbaren Aufgaben der deutschen" Interessen sind alle meine Sympathien seit langer Zeit auf Seiten der °russischen Freiheitsbewegung0. Ich würde es als politische Kurzsichtigkeit und Feigheit, als etwas, das eines starken und stolzen Volkes völlig unwürdig ist, betrachten, wenn wir die Lösung dieser Fragen auf unsere Nachkommen abwälzen wollten, jetzt jedoch um einer größeren, aber vorübergehenden Bequemlichkeit halber mit der Unterdrückung eines großen Nachbarvolkes sympathisieren sollten. Diese meine Auffassung habe ich oft und öffentlich vertreten. Irgend welche „Angst" vor den Folgen einer Erneuerung Rußlands ist mir pvöllig fremd p . q
i In A hervorgehoben. j In A folgt: H3-b nojiHTHwecKaro yaoöcTBa (aus politischer Bequemlichkeit) k In Ahervorgehoben. I In Ahervorgehoben. m B:verwogenen n In A hervorgehoben. o In A nicht hervorgehoben. p In A hervorgehoben. q In A folgt: Ct> hcthhhi>imt> yßax, 20-ro MapTa 1909r. (In w a h r h a f t e r Hochachtung Professor Max Weber. Heidelberg, 20. März 1909.)
II. Berichte über Reden und Diskussionsbeiträge
[Zur Rede Alfred Hettners über „Das europäische Rußland. Volk, Staat und Kultur"] [Diskussionsbeitrag am 5. Juni 1905 in Heidelberg]
Editorischer Bericht
Zur
Entstehung
Im Laufe des Jahres 1905 führte der Nationalsoziale Verein in Heidelberg eine Vortragsreihe über „ Die Großen Kulturen der Welt" durch. Im Januar fand eine Veranstaltung über Amerika statt, auf der Ernst Troeltsch sowie Marianne und Max Weber über die Erfahrungen berichteten, die sie in den Vereinigten Staaten auf ihrer Amerikareise anläßlich des „Congress of Arts and Science" während der Weltausstellung in St. Louis im Jahre 1904 gemacht hatten. 1 Im Frühjahr 1905 folgte eine Veranstaltung über Japan. Am 5. Juni 1905 wurde eine weitere Veranstaltung durchgeführt, die dem Thema Rußland gewidmet war. Der Hauptredner war der Geograph Alfred Hettner, ein Kollege Max Webers in Heidelberg, der über „Das europäische Rußland. Volk, Staat und Kultur" referierte. 2 Diese Veranstaltung wurde von dem Theologen Adolf Deißmann, dem Vorsitzenden des Nationalsozialen Vereins, eröffnet. Deißmann stellte bei dieser Gelegenheit die politischen Ziele des Nationalsozialen Vereins vor und betonte die Notwendigkeit einer Einigung aller liberalen Parteien; auf die „Bedeutung des russischen Problems" ging er hingegen nur beiläufig ein. 3 Alfred Hettner, der das Zarenreich im Jahre 1897 anläßlich des internationalen Geographen-Kongresses besucht hatte, behandelte in seinem Vortrag die geographischen und kulturellen Verhältnisse Rußlands. Er gab zunächst einen Überblick über die geographischen Bedingungen Rußlands
1 Vgl. den Bericht im Heidelberger Tageblatt, Nr. 18 v o m 21. Jan. 1905, 1. Mo.bl., S.3, (MWG I/8) und den Brief Marianne Webers an Helene Weber vom 20. Jan. 1905, Bestand Max Weber-Schäfer, Privatbesitz. 2 Vgl. Heidelberger Tageblatt, Nr. 131 vom 6. Juni 1905, S. 2, und Heidelberger Zeitung, Nr. 131 vom 6. Juni 1 9 0 5 , 1 . B I . , S . 1. 3 Heidelberger Zeitung, Nr. 131, S. 1.
696
Zur Rede Alfred Hettners
und w a n d t e sich dann der Frage zu, w e l c h e kulturellen Einflüsse auf das heutige Rußland eingewirkt hätten. Das Zarenreich sei i n s b e s o n d e r e von der byzantinischen Kultur geprägt w o r d e n , die die „ D e s p o t i e "
gebracht
habe, d a r ü b e r h i n a u s aber von m o n g o l i s c h e n Einflüssen, „der B e i m i s c h u n g gelben Blutes in der g r o ß r u s s i s c h e n Bevölkerung. " 4 Erst seit d e m 16. Jahrhundert habe eine Europäisierung eingesetzt, doch sei diese s c h w a c h g e w e s e n und habe nur „ d i e o b e r e n K l a s s e n " erfaßt. H e t t n e r g i n g sodann auf die „ g r o ß e Expansionskraft der russischen Nation und des russischen W e s e n s " s o w i e auf die imperialistische Politik Rußlands ein. Der russische Imperialismus sei, so m e i n t e Hettner, auf die Unterwerfung ganz A s i e n s gerichtet; er verfolge das Ziel, einen großen, g e g e n ü b e r der übrigen Welt a b g e s c h l o s s e n e n Wirtschaftsraum zu schaffen. Die wirtschaftliche Lage des Russischen Reiches sei allerdings a u s g e s p r o c h e n schlecht und die politischen Verhältnisse v e r w o r r e n . In der Diskussion, die sich an Hettners Vortrag anschloß, ergriff unter a n d e r e m auch Max W e b e r das Wort. Er nahm zu den revolutionären Ereignissen in Rußland Stellung, d e n e n er damals seine ganze A u f m e r k s a m k e i t z u g e w a n d t hatte, und erläuterte die Ziele der russischen konstitutionellen B e w e g u n g . I n s b e s o n d e r e ging er auf das Programm der in Entstehung begriffenen Konstitutionell-Demokratischen Partei ein. Dieses Programm d e s Sojuz O s v o b o z d e n i j a war zwei Monate zuvor erstmals legal in der russischen Presse s o w i e gleichzeitig in der v o n P. Struve in Paris h e r a u s g e g e b e n e n Zeitschrift der B e w e g u n g O s v o b o z d e n i e veröffentlicht w o r d e n . 5 W e b e r dürfte hauptsächlich die wirtschaftspolitischen A s p e k t e des Prog r a m m s kritisiert haben, in A n l e h n u n g , so steht zu v e r m u t e n , an die d i e s b e zügliche Kritik Petr Struves, die in derselben N u m m e r des O s v o b o z d e n i e e r s c h i e n e n war. 6 Nachträglich berichtete W e b e r seiner Frau:
„Gestern
abend blieb ich bis 12 im ,Rußland-Abend' und n a t ü r l i c h - r i s k i e r t e ich ,eine Lippe'. Es war übrigens w e n i g interessant und natürlich konnte auch ich nicht viel s a g e n . " 7 Das Heidelberger Tageblatt k o m m e n t i e r t e W e b e r s Vortrag mit d e n Worten: „Prof. W e b e r s Darlegungen waren eine wertvolle Ergänzung des Prof. H e t t n e r ' s c h e n R e f e r a t s . " 8
4 Ebd. 5 Siehe unten, S. 698, Anm.1. 6 Struve, P., K programme Sojuza Osvobozdenija, in: Osvobozdenie, Nr. 69/70 vom 7. (20.) Mai 1905, S.306f. 7 Brief Max Webers an Marianne Weber undat. [6. Juni 1905], Bestand Max WeberSchäfer, Privatbesitz. 8 Heidelberger Tageblatt, Nr. 131 vom 6. Juni 1905, S.2.
Editorischer
Bericht
697
Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Abdruck folgt den Berichten - A (1) und A (2) - , die unter der Überschrift „Rußland-Abend im nationalsozialen Verein" in der Heidelberger Zeitung, Nr. 131 vom 6. Juni 1905, 1. Bl., S. 1, und „Rußland-Abend" im Heidelberger Tageblatt, Nr. 131 vom 6.Juni 1905,1. Mo. bl., S. 2, erschienen sind.
[Zur Rede Alfred Hettners über „Das europäische Rußland. Volk, Staat und Kultur"] [Bericht der Heidelberger Zeitung]
Ins politische Fahrwasser kam die Diskussion durch Prof. Max Weber, der den zuerst in den „Nowosti" erschienenen Verfassungsentwurf, 1 der von der russischen Fortschrittspartei ausgearbeitet worden ist, kritisierte. Dieser Entwurf weist vieles auf, was in den Verfassungsstaaten längst verwirklicht ist. Dann aber erhebt er Forderungen, die geradezu als unsinnig und dumm bezeichnet werden müssen und selbst solche Adelige, Unternehmer und Bürger, die liberal denken, ins Lager des absolutistischen Zaren treiben müssen; z . B . Abschaffung aller indirekten Steuern einschließlich der Zölle, die allerdings stufenweise beseitigt werden sollen. Dagegen erhebt er nicht die eine Forderung, welche die Grundlage alles Fortschrittes im Volke wäre, nämlich die Überführung des Bauernlandes, das jetzt gemeinschaftlicher Besitz der Gemeindeangehörigen ist, in den Privatbesitz der Bauern. Eine Hauptschwierigkeit, welche der Einführung und Aufrechterhaltung einer Verfassung entgegensteht, liegt auf religiösem Gebiet. Nach der religiösen Vorstellung des Volkes muß der Z a r Selbstherrscher sein, wäre es eine schwere Sünde von ihm, ja, es wäre eine Unmöglichkeit, auf die Selbstherrschaft zu verzichten. So lange diese religiöse Vorstellung in dem Bauernstand steckt, der vier Fünftel der Bevölkerung ausmacht, ist es nicht möglich, eine konstitutionelle Einrichtung für die Dauer zu treffen. Sie
1 Der Verfassungsentwurf des Sojuz Osvobozdenija war im März 1905 in russischer und im August 1905 in französischer Fassung erschienen. Allerdings bezogen sich Webers Ausführungen nicht, wie hier irrtümlich mitgeteilt wird, auf diesen Verfassungsentwurf, sondern auf das Programm des Sojuz Osvobozdenija, das erstmals legal in der Zeitung Novosti, Nr. 87,1905 erschienen war, sowie in Osvobozdenie, Nr. 69/70 vom 7. (20.) Mai 1905, S.305f. Vgl. dazu Sbornik programm politiceskich partij v Rossii, Vyp. II. - S.Peterburg: NasaZizn' 1906, S. 6 4 - 7 1 .
Zur Rede Alfred
Hettners
699
würde von der Masse des Volkes bald weggeblasen werden. Erst eine reformatorische religiöse Bewegung würde die Bahn zum Konstitutionalismus freimachen. Man dürfe also für die Gegenwart nur einzelne Erleichterungen, Erweiterung der Bewegungsfreiheit für das 5 Volk und dergleichen erwarten. Zum Schluß sprach Redner auch über russische Tendenzen in Deutschland und beklagte, daß der deutschen Diplomatie durch unerwartete Eingriffe, Reden und Telegramme das konsequente Arbeiten unmöglich gemacht werde. Die Mißerfolge in der auswärtigen deutschen Politik seien auf das Konto der Dynastie zu setzen.
Zur Rede Alfred
Hettners
[Bericht des Heidelberger Tageblatts]
In der Diskussion nahm Herr Professor Max Weber Bezug auf das kürzlich erschienene Programm der konstitutionell-demokratischen Partei in Rußland, 1 dessen Hauptpunkte politischer, nationaler, wirtschaftlicher und sozialer Natur anführend. Im übrigen glaubt 5 Prof. Weber nicht an einen Erfolg der liberalen Bestrebungen, so lange die religiöse Überzeugung des Volkes in dem bestehenden Regime die von Gott gesetzte, unabänderliche Ordnung sieht. Und daran sei nun auf absehbare Zeit nicht zu denken, daß hier, auf dem religiösen Gebiet, eine Änderung eintrete. 10
1 Vgl. oben, S. 698, Anm.1
[Zum 50jährigen Jubiläum der Heidelberger Russischen Lesehalle] [Rede am 20. Dezember 1912 in Heidelberg]
Editorischer Bericht
Zur
Entstehung
Seit A n f a n g des J a h r h u n d e r t s war im D e u t s c h e n Reich ein gesteigertes Rußlandinteresse festzustellen, 1 j e d o c h n a h m e n gleichzeitig rußlandfeindliche Ä u ß e r u n g e n und A k t i o n e n stetig zu und manifestierten sich auch in s t u d e n t i s c h e n Kreisen. 2 So kam es im Winter 1912 z. B. an der Universität in Halle zu A k t i o n e n d e u t s c h e r S t u d e n t e n g e g e n ihre russischen Kommilitonen in der m e d i z i n i s c h e n Fakultät, da sie angeblich v o n den Universitätsbehörden b e v o r z u g t w ü r d e n und den d e u t s c h e n S t u d e n t e n die Laborplätze w e g n ä h m e n . 3 Diese A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n gaben einige Monate später, im April 1913, Anlaß zu einer Debatte im preußischen A b g e o r d n e t e n h a u s über die angebliche Überfüllung der Universitäten durch A u s l ä n d e r . 4 A u c h auf außenpolitischem Felde waren rußlandfeindliche T e n d e n z e n in der d e u t s c h e n Öffentlichkeit verstärkt hervorgetreten. Im D e z e m b e r 1912 befand sich Europa auf d e m H ö h e p u n k t einer s c h w e r e n internationalen Krise. Ö s t e r r e i c h - U n g a r n widersetzte sich der Bildung eines großserbis c h e n Staates als Folge des ersten Balkankrieges und verlangte stattdessen die Schaffung eines selbständigen albanischen Pufferstaates, u m Serbien d e n Z u g a n g zur Adria zu verlegen. W ä h r e n d die russische Diplomatie die s e r b i s c h e n A n s p r ü c h e nachdrücklich unterstützte, warf das D e u t s c h e Reich sein g a n z e s G e w i c h t z u g u n s t e n Ö s t e r r e i c h - U n g a r n s in die Waagschale, um ein Z u r ü c k w e i c h e n Rußlands auch auf die Gefahr eines europäi-
1 Vgl. die Einleitung, oben, S. 24. 2 Brachmann, Botho, Russische Sozialdemokraten in Berlin 1895-1914: mit besonderer Berücksichtigung der Studentenbewegung in Preußen und Sachsen. - Berlin (DDR): Akademie-Verlag 1962, S. 101 ff. Vgl. auch GLA Karlsruhe 235/7305. 3 Brachmann, Russische Sozialdemokraten, S. 103f. 4 Sten. Ber. pr. AH, 21. Leg. Per., V. Session, Band 10, Sp. 13321 f. und 13373ff. Gustav Radbruch veröffentlichte anläßlich dieser Auseinandersetzungen eine Erklärung in der Frankfurter Zeitung, Nr. 116 vom 27. April 1913, 1. Mo.bl., S.3, unter der Überschrift „Russische und deutsche Studenten".
702
Jubiläum der Russischen
Lesehalle
sehen Krieges hin zu e r z w i n g e n . In Deutschland galt das Russische Reich allgemein als der Hauptverantwortliche der Krise, die hart an den Rand eines Weltkrieges heranführte. 5 Diese politische Lage überschattete auch die Jubiläumsveranstaltung der Heidelberger russischen Lesehalle, 6 der sog. Pirogovschen Lesehalle, v o m 20. D e z e m b e r 1912 aus Anlaß ihres 50jährigen B e s t e h e n s . Bei dieser Gelegenheit bat der Vorstand der Lesehalle Gustav Radbruch, Alfred W e b e r und Max W e b e r zu Festvorträgen. Max W e b e r war i n s b e s o n d e r e in den Jahren 1 9 0 5 / 0 6 ein häufiger B e s u c h e r der Lesehalle g e w e s e n und hatte dort das reiche Material der Lesehalle, Zeitungen, Zeitschriften, B r o s c h ü r e n und Pamphlete fast aller russischen Parteien, für die A b f a s s u n g seiner beiden u m f a n g r e i c h e n Aufsätze über die russische Revolution von 1905 benutzt. Seine Beschäftigung mit Rußland hatte auch in den nachfolgenden Jahren nicht gänzlich aufgehört. 7 Die A n s p r a c h e des Rechtslehrers Gustav Radbruch ist am besten d o k u mentiert. Er verteidigte die russischen S t u d e n t e n an den d e u t s c h e n Universitäten g e g e n Angriffe aus den Reihen deutscher S t u d e n t e n und Professoren; ihnen war vor allem v o r g e w o r f e n w o r d e n , sich der Integration in den d e u t s c h e n Kulturkreis zu w i d e r s e t z e n . Radbruch b e z e i c h n e t e die russis c h e n S t u d e n t e n der juristischen Fakultät der Universität als „ J u r i s t e n aus Freiheitssinn", im Unterschied zu den „ J u r i s t e n aus O r d n u n g s s i n n " . Die A u f g a b e der russischen S t u d e n t e n sei es, diesen Freiheitssinn auch bei den d e u t s c h e n S t u d e n t e n zu w e c k e n und „ d a s Pathos des R e c h t s " zu stärken. 8 Über die Rede Alfred W e b e r s ist so gut wie nichts bekannt. 9 A u c h die Ä u ß e r u n g e n Max W e b e r s sind nur bruchstückhaft überliefert.
Marianne
W e b e r berichtet im Lebensbild, daß W e b e r seit langen Jahren z u m ersten Male w i e d e r in der Öffentlichkeit außerhalb wissenschaftlicher Gesellschaften aufgetreten sei. „ E s war das erstemal, daß er festgelegt und verpflichtet hier wieder öffentlich geredet h a t . " 1 0 Sie berichtet über den Verlauf des A b e n d s : „ M a x mußte s e i n e Rede leider einen Torso bleiben lassen, weil es so spät w u r d e und er auch H e m m u n g e n hatte, die tiefsten Dinge im Ballsaal 5 Vgl. dazu Lieven, Domlnic C.B., Russia and the Origins of the First World War. London: Macmillan 1983, S.38ff. 6 Zur Geschichte der Lesehalle vgl. die Einleitung, oben, S. 5f. und 23. 7 Weber, Marianne, Lebensbild 1 , S.474, sowie die Einleitung, oben, S. 23ff. 8 Ein Manuskript der Rede Radbruchs im Nachlaß Gustav Radbruch, Handschriftensammlung der UB Heldelberg, Held. HS. 3716. Vgl. auch Radbruch, Gustav, Briefe, hg. von Erich Wolf. - Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1968, S.31: Brief Gustav Radbruchs an Karl Jaspers vom 29. Dez. 1912. 9 Die Berichte über die Veranstaltung (in: Heidelberger Tageblatt, Nr.300 vom 21. Dez.1912, S.4: Jubiläumsfest der russischen Pirogoff-Lesehalle, und In: Heidelberger Neueste Nachrichten, Nr. 300 vom 21. Dez. 1912, S.4: Russischer Abend) erwähnen die Rede so gut wie überhaupt nicht. 10 Weber, Marianne, Lebensbild 1 , S.474.
Editorischer
Bericht
703
zu sagen [ . . . ] . Er war ein w e n i g m ü d e , rang sich aber d o c h etwas auf Vollendung angelegtes ab. Nur j a m m e r s c h a d e , daß er vor d e m entscheid e n d e n Punkt a u f h ö r t e . " 1 1 In d e n E r i n n e r u n g e n v o n Paul H o n i g s h e i m , der damals in Heidelberg studierte, findet sich Näheres über die Veranstaltung: „In typischer russischer S t u d e n t e n w e i s e kam er [d. h. Max W e b e r ] erst g e g e n Mitternacht zu Wort. Dann aber hielt er seine Rede im Gesellschaftsanzug und mit seinen eleganten H a n d b e w e g u n g e n , dabei aber grabesernst, vor e i n e m totenstillen Auditorium, in d e m man eine Nadel hätte fallen hören k ö n n e n . Es war eine Rede von einer Abgründigkeit, n e b e n w e l c h e r die A u s f ü h r u n g e n v o n Radbruch und Alfred W e b e r , so b e d e u t e n d sie an sich waren, einfach verblaßten. Diese Rede enthüllte nämlich die ganze S p a n n w e i t e v o n W e bers Einstellung. D e n n er unterstrich die welthistorische B e d e u t u n g und Größe der russischen Revolutionäre, aber nicht o h n e h i n z u z u f ü g e n : .Sollten die S p a n n u n g e n z w i s c h e n den Staaten sich bis z u m Platzen steigern und R u s s e n sich verpflichtet fühlen, für Serbien einzustehen, dann - auf W i e d e r s e h e n auf d e m Felde der E h r e . ' " 1 2 Den ausführlichsten Bericht über Max W e b e r s Rede v e r d a n k e n wir d e m D e u t s c h l a n d - K o r r e s p o n d e n t e n der Russkija V e d o m o s t i , 1 3 Grigorij G r o s s man, mit d e m W e b e r seit 1909 in Kontakt stand. 1 4 G r o s s m a n schickte d i e s e m Artikel einen Überblick über die G e s c h i c h t e der Heidelberger Lesehalle voraus und teilte im f o l g e n d e n mit, daß geplant sei, die Festreden in e i n e m S a m m e l b a n d (Gejdelbergskij Sbornik) unter Federführung von S . G . Svatikov h e r a u s z u g e b e n . Der Band sollte die Beiträge von Gustav Radbruch s o w i e Max und Alfred W e b e r enthalten, die alle der Thematik der r u s s i s c h - d e u t s c h e n K u l t u r b e z i e h u n g e n g e w i d m e t sein sollten. Doch ist dieses Projekt augenscheinlich nicht über das Stadium der Planung hinausgelangt; ein derartiger Band ist nicht erschienen. Von d e n drei Heidelberger T a g e s z e i t u n g e n berichtete nur das Heidelberger Tageblatt ausführlicher über die Veranstaltung. 1 5 W ä h r e n d die Heidelberger Z e i t u n g auf die Reden überhaupt nicht einging, heißt es in den Heidelberger N e u e s t e n Nachrichten nur: „In längeren A u s f ü h r u n g e n erläu11 Ebd., S. 474f. 12 Honigsheim, Paul, Max Weber in Heidelberg, In: König, René und Winckelmann, Johannes (Hg.), Max Weber zum Gedächtnis. Materialien und Dokumente zur Bewertung von Werk und Persönlichkeit (Kölner Zeltschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Sonderheft 7). -Köln/Opladen: Westdeutscher Verlag 1963 [2. Aufl. 1985], S. 161-271, hier: S. 169. 13 Grossman, G., Redkoe torzestvo, in: Russkija Vedomosti, Nr. 290 vom 16. (29.) Dez. 1912, S.6f. 14 Vgl. oben, S.686f. 15 Heidelberger Tageblatt, Nr. 300 vom 21. Dez. 1912, S.4: Jubiläumsfest der russischen Pirogoff-Lesehalle.
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terte Herr Prof. Max Weber das russische Wesen und er zog hierbei Vergleiche zwischen ost- und westeuropäischer Kultur." 1 6
Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript der Rede Webers ist nicht überliefert. Im folgenden kommen die Berichte des Heidelberger Tageblatts und der Russkija Vedomosti (letzterer hier in deutscher Übersetzung) zum Abdruck. Ersterer erschien unter der Überschrift: „Jubiläumsfest der russischen Pirogoff-Lesehalle" in: Heidelberger Tageblatt, Nr. 300 vom 21. Dezember 1912, S. 4, A (1), letzterer ist in dem Artikel von Grigorij Grossman, „Redkoe torzestvo", enthalten, der in: Russkija Vedomosti, Nr. 290 vom 16. (29.) Dezember 1912, S. 6f., A (2), erschienen ist.
[Zum 50jährigen Jubiläum der Heidelberger Russischen Lesehalle] [Bericht des Heidelberger Tageblatts]
In einem etwa Inständigen Vortrag geht Herr Prof. Max Weber auf die ganz bestimmten Ideologien ein, die den russischen Studenten in Gegensatz zu seinem Kollegen in Deutschland bringen. Vor allem sei es der Unterschied der Konvention, eine Schwierigkeit, die durch Gewöhnung überwunden werden müsse. Es sei auch nicht zu leugnen, daß viele russische Studenten sich auf Grund idealer politischer Bande von ihren Kommilitonen absondern. Am Schlüsse seiner Ausführungen beleuchtet der Redner eingehend die Kulturbedeutung3 Rußlands für Deutschland und deren Beziehung zu einander.
a A (1):
Kulturbewegung
16 Heidelberger Neueste Nachrichten, Nr. 300 vom 21. Dez. 1912, S.4: Russischer Abend.
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[Bericht der Russkija Vedomosti]
Es war interessant, nach der Rede Professor Radbruchs der Begrüßungsansprache des sehr populären Professors Max Weber zuzuhören. Seine Begrüßungsrede wuchs sich zu einer umfassenden Abhandlung der vergleichenden Kulturwissenschaft aus. Es ist bekannt, daß Weber intensiv über Rußland geforscht und eine Monographie über den Übergang Rußlands zum konstitutionellen System geschrieben hat. Er schickte sich in den letzten Jahren an, nach Rußland zu reisen, doch hat er zur Zeit von diesem Vorhaben Abstand genommen. Er bekannte, daß er über das, was augenblicklich in Rußland vorgehe nur geringe Kenntnisse besitze, fügte jedoch ironisch hinzu, daß unsere 1 offiziöse Presse aber gut Bescheid wisse. „Hat doch die Petersburger Rossija 2 die im Ausland studierende Jugend Rußlands, in deren Mitte ich die Ehre habe den heutigen Abend zu verbringen, als eine verbrecherische Horde bezeichnet." Professor Weber streifte an dieser Stelle die Konflikte zwischen deutschen und russischen Studenten und führte ihre Ursachen auf die Unterschiede der Gewohnheiten und der Anschauung zurück. Weber hoffte, daß die Macht der Gewohnheit diese Schwierigkeiten des friedlichen und kollegialen Zusammenlebens beseitigen werde. Aber man darf andererseits nicht leugnen, daß auch die Russen durch ihre einseitigen Anschauungen einiges Befremden in den Beziehungen hervorriefen. Weber werde häufig angesichts der Fremdheit der Fragen, mit denen sich Russen an ihn wendeten, in größtes Erstaunen versetzt. Als auffallendes Beispiel für diese ,einseitigen Anschauungen' führte er seine enge und vertraute Bekanntschaft mit einem Russen an, der, wie man so sagt, in seinem Hause ein- und ausgehe und ihm eines Tages ungewollt gesagt habe: „Ach wissen Sie, ich habe wahrhaftig nicht gedacht, daß ich außerhalb der deutschen Sozialdemokratie noch einen Deutschen treffen würde, der ein so guter Mensch ist." 3
1 Gemeint ist hier die russische offiziöse Presse. 2 Das Zitat, auf das Weber hier anspielt, konnte in Rossija nicht aufgefunden werden. 3 Es ließ sich nicht ermitteln, um welche Person es sich dabei handelt.
Personenverzeichnis
Dieses Verzeichnis berücksichtigt nur Personen, die in den Texten Webers selbst Erwähnung finden, mit Ausnahme allgemein bekannter Persönlichkeiten. Russische Namen werden zuerst in der von Max Weber benutzten Form, sodann in der heutigen wissenschaftlichen Transliteration aufgeführt. Diese Regelung ist zur Vereinheitlichung auch bei denjenigen Personen benutzt worden, die zwar deutsche Namen trugen, aber russische Staatsangehörige waren. Die Wiedergabe der transferierten Namensform entfällt, wenn sie mit der Weberschen Schreibweise übereinstimmt. Bei allen russischen Staatsbürgern entfällt die Angabe der Nationalität. Ihre Lebensdaten sind gemäß dem bis zum Februar 1918 in Rußland gültigen Julianischen Kalender angegeben, der Im 19. Jahrhundert um 12 und im 20. Jahrhundert um 13 Tage hinter dem Gregorianischen Kalender zurückblieb. In einer Reihe von Fällen konnten biographische Angaben oder die korrekten Namensformen nur teilweise bzw. überhaupt nicht ermittelt werden. Entsprechende Lücken sind, sofern sich dies nicht von selbst ergibt, durch Fragezeichen kenntlich gemacht.
Abramow; Tl.: Abramov (?—1.4.1906). Stabskapitän der Kosaken; wegen Mißhandlung der Sozialrevolutionären Attentäterin Marija Spiridonova ( - » Spiridonowa) ermordet. Adler, Victor ( 2 4 . 6 . 1 8 5 2 - 1 1 . 1 1 . 1 9 1 8 ) . Österreichischer Sozialdemokrat; 1888/89 gelang ihm auf dem Hainfelder Parteitag die Einigung der zersplitterten Sozialdemokratischen Partei, deren Führer er bis zu seinem Tode blieb; Verfasser des Brünner Programms von 1899; 1918 Staatssekretär des Auswärtigen. Akimow, Michael G.; Tl.: Aklmov, Michail Grlgor'evic (1847-11.8.1914). Jurist; Justizminister (1905/1906); seit 1906 Mitglied des Staatsrates; Vorsitzender des Reichsrates (1907-1914). Aksakow, Iwan S.; Tl.: Aksakov, Ivan Sergeevic ( 2 6 . 9 . 1 8 2 3 - 2 7 . 1 . 1 8 8 6 ) . Staatstheoretiker und Publizist; 1 8 5 8 - 1 8 7 8 führendes Mitglied des Moskauer Slavischen Wohlfahrtskomitees; einer der führenden Nationalisten und Panslavlsten. Aksel'rod, Akssakow;
P. B . - » Axelrod, P. B. Tl.: Aksakov. Adelsfamilie.
Akssakow, Nikolai, P.; Tl.: Aksakov, Nikolaj Petrovic ( 1 7 . 6 . 1 8 4 8 - 5 . 4 . 1 9 0 9 ) . Publizist und Schriftsteller; Vertreter des Slavophilismus. Akwilonow, E.P.; Tl.: Akvilonov, Evgenij Petrovic ( 4 . 1 1 . 1 8 6 1 - 3 0 . 3 . 1 9 1 1 ) . Professor an der geistlichen Akademie In St. Petersburg. Aladjin, A. F.; Tl.: Alad'in, Aleksej Fedorovic ( 1 8 7 3 - ? ) . Organisator der „trudovaja gruppa", Mitglied der Ersten Duma.
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Personenverzeichnis
Alexanderl.; Tl.: Aleksandrl. ( 2 3 . 1 2 . 1 7 7 7 - 1 . 1 2 . 1 8 2 5 ) . Kaiser von Rußland; Regierungszelt 1801-1825. Alexander II.; Tl.: Aleksandril. ( 2 9 . 4 . 1 8 1 8 - 1 3 . 3 . 1 8 8 1 ) . Kaiser von Rußland; Regierungszeit 1 8 5 5 - 1 8 8 1 . Alexander III.; Tl.: Aleksandr III. ( 1 0 . 3 . 1 8 4 5 - 1 . 1 1 . 1 8 9 4 ) . Kaiser von Rußland; Regierungszeit 1881-1894. Anastasij ( 1 8 6 1 - 6 . 7 . 1 9 1 3 ) . Bischof; Archimandrit; Mitglied des „Sojuz russklch ljudej" (1905). Anikin, Stepan Vasil'evic ( 1 8 6 9 - 5 . 3 . 1 9 1 9 ) . Lehrer und Journalist; Trudovlk; Mitglied des „Krest'jansklj Sojuz"; Mitglied der Ersten Duma. Annenskij, Nikolaj Fedorovic ( 2 8 . 3 . 1 8 4 3 - 2 6 . 7 . 1 9 1 2 ) . Ökonom, Statistiker und Publizist; seit den 1870er Jahren in der populistischen Bewegung (Narodnikl) aktiv; seit 1900 Herausgeber der Zeitschrift „Russkoe Bogatstvo", Mitgründer der Zeitschrift „Osvobozdenie" und führendes Mitglied des „Sojuz Osvobozdenija"; 1906 Mitgründer der Partei der Volkssoziallsten (Narodno-socialisticeskaja partija) und deren Vorsitzender von 1906-1912. Antonlj (Vadkovskij, Aleksandr Vasil'evic) ( 3 . 8 . 1 8 4 6 - 2 . 1 1 . 1 9 1 2 ) . Erzbischof von Finnland (1892-1898); Metropolit von St. Petersburg (1898-1912); Mitglied des Reichsrates (seit 1906). Antonin (Granovskij, Aleksandr A.) ( 2 1 . 1 1 . 1 8 6 5 - 1 4 . 1 . 1 9 2 7 ) . Bischof von Narva. Antonowitsch, Wladimir B.; Tl.: Antonovic, Vladimir Bonifatievic ( 6 . 1 . 1 8 3 4 - 8 . 3 . 1 9 0 8 ) . Historiker, Archäologe und Ethnologe; Dozent (1870) und Professor (1878) an der Universität Kiev; Zusammenarbeit mit Michail Dragomanov; aktiv in der ukrainischen Nationalbewegung seit Anfang der 1860er Jahre. Arons, Martin Leo ( 1 5 . 2 . 1 8 6 0 - 1 0 . 1 0 . 1 9 1 9 ) . Deutscher Physiker und sozialdemokratischer Politiker; Privatdozent an der Universität Berlin; 1899 suspendiert; 1900 wurde ihm wegen Mitgliedschaft in der sozialdemokratischen Partei die Venia legendi entzogen. Arssenij; Tl.: Arsenij (Stadnicklj, Avksentij Georgievic) ( 1 8 6 2 - ? ) . Priester; Mitunterzeichner des Manifestsdes „Sojuz russkich ljudej" (1905). Arssenjew, W.; Tl.: Arsen'ev, Jurij Vasil'evic ( 3 . 2 . 1 8 5 7 - 4 . 2 . 1 9 1 9 ) . Historiker und Journalist; Mitunterzeichner des Manifests des „Sojuz russklch ljudej" (1905). Asantschejew, W.; Tl.: Azanceev-Azancevskij, Vsevolod Konstantinovic. Gouverneur von Tomsk (1905). Avenahus, Richard ( 1 9 . 1 1 . 1 8 4 3 - 1 8 . 8 . 1 8 9 6 ) . Deutscher Philosoph; 1876 Habilitation In Leipzig; seit 1877 Professor an der Universität Zürich; entwickelte eine Theorie der „reinen Erfahrung", den sogenannten Empiriokritizismus.
Personen
Verzeichnis
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Awdakow, N. S.; Tl.: Avdakov, Nikolaj Stepanovic (16.2.1847-1915). Industrieller; Vorsitzender des Verbandes der Bergbauindustriellen Südrußlands; Mitglied des Reichsrates (seit 1906). Axelrod, P. B.; Tl.: Aksel'rod, Pavel Borisovic (1850-16.4.1928). Sozialistischer Theoretiker und Politiker; Mitglied der „Narodnaja Volja"; gründete 1880 in Genf gemeinsam mit Plechanov (-» Plechanow) und V. Zasullc (-» Sassulitsch) den „Bund zur Befreiung der Arbeit"; Mitbegründer der russischen sozialdemokratischen Partei; nach der Parteispaltung von 1903 Men'sevik; seit 1900 in der Redaktion der „Iskra" und „Zarja". Bebel, August (22.2.1840-13.8.1913). Deutscher sozialdemokratischer Politiker; 1867-1869 Mitglied des Norddeutschen Reichstages für die von ihm mitbegründete Sächsische Volkspartei; 1869 Mitbegründer und Vorsitzender der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei; ab 1871 MdR; von 1875 bis zu seinem Tod Führer der Sozialdemokratischen Partei. Bennigsen, Rudolf von (10.7.1824-7.8.1902). Deutscher Jurist und Politiker; mit - > Johannes von Miquel Gründer des Deutschen Nationalvereins; Mitbegründer und Führer der Nationalliberalen Partei; Mitglied des Reichstages des Norddeutschen Bundes 1867-1871; MdR 1871-1883 und 1887-1898; MdprAH 1867-1883; Oberpräsident von Hannover 1888-1897; lehnte 1877/78 die Übernahme eines Ministeramtes zu den von Bismarck angebotenen Bedingungen ab. Bielokonskij, i . P ; Tl.: Belokonskij, Ivan Petrovic (25.5.1855-7.2.1931). Statistiker und Journalist; Historiker der Zemstvobewegung, Mitglied des „Sojuz Osvobozdenija"; 1899-1901 Sekretär des Char'kover Zemstvo; seit 1905 Mitglied der KonstitutionellenDemokraten. Bjechtjejew, S.S.; Tl.: Bechteev, Sergej Sergeevic ( 4 . 5 . 1 8 4 4 - 8 . 7 . 1 9 1 1 ) . Ökonom; Leiter der „Zemstvo-Abteilung" im Innenministerium (1902-1904); Mitglied des Reichsrates (seit 1906). BjelokonskijBielokonskij,
I. P.
Bleklow, S. M.; Tl.: Bleklov, Stepan Mlchajlovic (7.11.1860-15. 5.1913). Zemstvostatistiker; Mitglied der Partei der Sozialrevolutionäre. Bobrinskij, Aleksej AleksandrovicGraf (19.5.1852-1927). Großgrundbesitzer, Industrieller und Archäologe; Vorsitzender des „Rates des Vereinigten Adels" (1906-1917); Mitglied der Dritten Duma; danach Mitglied des Reichsrates (1912). Bobrinskij, Vladimir Alekseevic Graf (1867-1927). Großgrundbesitzer und Industrieller; Mitglied des Zemstvo in Tula; Abgeordneter der Zweiten, Dritten und Vierten Duma; einer der Führer der Nationalisten. Bobrischtschew-Puschkin; Tl.: Bobrlscev-Puäkin, Aleksandr Vladimirovic 1875-?). Rechtsanwalt, Publizist; Mitbegründer der Partei der Rechtsordnung.
(25.11.
Bogdanow, A.; Tl.: Bogdanov, Aleksandr Aleksandrovic (eigentlich: Malinovskij, A.A.) (10.8.1873-7.4.1928). Arzt, Philosoph und Soziologe; Mitglied der sozialdemokratischen Partei; seit 1903 Anhänger der Bol'äeviki; Vertreter des Empiriomonismus.
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Personenverzeichnis
Bogutscharskij, Bondarew,
W.; Tl.: Bogucarskij, Vasillj Jakovlevic (Pseudonym)—>Jakowljow, W.
S. I.; Tl.: Bondarev, Sergej l v a n o v l c ( 1 8 7 2 - ? ) . Publizist; Mitglied der „ t r u d o v a -
j a - g r u p p a " der Ersten Duma. Brjuchatow, L. D.; Tl.: Brjuchatov, Lev Dmitrievic. Journalist und G r u n d b e s i t z e r ; Mitglied d e s G o u v e r n e m e n t s z e m s t v o T a m b o v ; Mitglied d e s „ S o j u z O s v o b o z d e n i j a " . Bryce, J a m e s Viscount of D e c h m o n t ( 1 0 . 5 . 1 8 3 8 - 2 2 . 1 . 1 9 2 2 ) . Britischer Politiker und Staatsrechtler; 1870 Professor für Zivilrecht In Oxford; seit 1 8 8 0 für die liberale Partei Mitglied d e s Unterhauses; 1 8 9 4 / 1 8 9 5 Handelsminister; 1 9 0 5 / 1 9 0 6 Staatssekretär für Irland. Budilowitsch, A . S . ; Tl.: Budilovlc, A n t o n S e m e n o v i c ( 2 4 . 5 . 1 8 4 6 - 1 2 . 1 2 . 1 9 0 8 ) . Slavist und Sprachwissenschaftler; Professor an der Universität J u r ' e v (Dorpat). Bulgakow, S . N . ; Tl.: Bulgakov, Sergej Nlkolaevic ( 1 6 . 6 . 1 8 7 1 - 1 3 . 7 . 1 9 4 4 ) . Nationalökonom, Philosoph und T h e o l o g e ; 1 9 0 1 - 1 9 0 6 Professor für Nationalökonomie am Polytechnikum Kiev, 1 9 0 6 - 1 9 1 7 an der H a n d e l s h o c h s c h u l e Moskau und 1 9 1 7 - 1 9 1 9 an der Universität Moskau; Mitglied des „ S o j u z O s v o b o z d e n i j a " und der Konstitutionellen-Demokraten; A b g e o r d n e t e r der Z w e i t e n Duma; entwickelte sich v o m Marxisten z u m N e o Kantianer und - unter d e m Einfluß von V. S o l o v ' e v ( - » S s o l o w j o w ) - z u m religiösen Mystiker; 1918 Priesterweihe; 1 9 2 5 - 1 9 4 4 Professor am t h e o l o g i s c h e n Institut d e s Hl. Sergius in Paris; stand seit 1912 In Briefwechsel mit Max Weber. Bulygin, A l e k s a n d r Grigor'evic ( 1 8 5 1 - 1 9 1 9 ) . B e a m t e r u n d Politiker; 1 8 9 3 - 1 9 0 0 G o u v e r neur v o n Moskau; stellvertretender G e n e r a l g o u v e r n e u r von Moskau ( 1 9 0 2 - 1 9 0 4 ) ; Innenminister ( 2 2 . 1 . 1 9 0 5 - 2 2 . 1 0 . 1 9 0 5 ) ; seit 1905 Mitglied des Reichsrates. Bunge, Nikolaj Christianovic ( 1 1 . 1 1 . 1 8 2 3 - 3 . 6 . 1 8 9 5 ) . Nationalökonom; Professor an der Universität Kiev (seit 1850); stellvertretender Finanzminister ( 1 8 7 9 - 1 8 8 1 ) ; Finanzminister ( 1 8 8 1 - 1 8 8 6 ) ; Vorsitzender d e s Ministerkomitees ( 1 8 8 7 - 1 8 9 5 ) . Burns, J o h n ( 2 0 . 1 0 . 1 8 5 8 - 2 4 . 1 . 1 9 4 3 ) . Britischer G e w e r k s c h a f t e r ; 1889 Führer d e s Dockarbeiterstreiks; 1 9 0 6 - 1 9 1 4 M i n i s t e r i n den liberalen R e g i e r u n g e n — » v o n CampbellB a n n e r m a n und A s q u i t h ; im A u g u s t 1914 verließ er aus Protest g e g e n den Kriegseintritt das Kabinett, um sich anschließend völlig aus der Politik z u r ü c k z u z i e h e n . Campbell-Bannerman, Sir H e n r y ( 7 . 9 . 1 8 3 6 - 2 2 . 4 . 1 9 0 8 ) . Britischer Politiker; seit 1868 Mitglied d e s H o u s e of C o m m o n s ; 1 8 8 6 , 1 8 9 2 - 9 5 Kriegsminister in der Regierung Glads t o n e ; seit 1899 Führer der Liberal Party; Premlerminister 1 9 0 5 - 1 9 0 8 . Carlyle, T h o m a s ( 4 . 1 2 . 1 7 9 5 - 5 . 2 . 1 8 8 1 ) . Britischer Schriftsteller und Historiker. Carnot, Lazare Nicolas C o m t e ( 1 3 . 5 . 1 7 5 3 - 2 . 8 . 1 8 2 3 ) . Französischer Mathematiker, Militäringenieur und Politiker; Organisator der französischen Revolutionsheere; Mitglied der V e r f a s s u n g g e b e n d e n V e r s a m m l u n g v o n 1791 ; seit 1793 im Wohlfahrtsausschuß für das K r i e g s w e s e n zuständig; erließ d e n Aufruf zur levée en masse; 1795 Mitglied d e s Direktoriums; w ä h r e n d der Hundert Tage v o n Napoléon I. Innenminister; lebte nach der Rückkehr der B o u r b o n e n im E x i l . Öernov, V. M. —»Tschernow, W. M.
Personenverzeichnis Öemysevskij,
711
N. G.—»Tschernyschewskl, N. G.
Öetverikov, S. I. —> Tschetwerlkow, S. J. Charitonow, P.A.; Tl.: Charitonov, Petr Alekseevic(1852-1916). Senator; stellvertretender Staatssekretär des Zaren (1904-1906); Reichskontrolleur (1907-1916); Mitglied des Reichsrates. Chishnjakow, W. M.; Tl.: Chlznjakov, Vaslllj Mlchajlovlc (1842-1917). Grundbesitzer; Mitglied des Gouvernementszemstvo Cernlgov, zeitweilig dessen Vorsitzender. Chodskij, Leonld Vladimlrovlc (1854-1918). Nationalökonom; Professor an der Universität St. Petersburg; Herausgeber von „Narodnoe Chozjajstvo" (1900-1905) und „Nasa Zizn'" (1904). Chomjakow, D.A.; Tl.: Chomjakov, Dmltrlj Alekseevic. Mitglied des „Sojuz russklch ljudej" (1905/1906). Chrustaljow-Nossarj, G.S.; Tl.: Chrustalev-Nosar', Grigorlj Stepanovlc (eigentlich: Nosar', Grigorij Stepanovic) (1879-1919). Jurist und Politiker; Vorsitzender des Petersburger Sovet der Arbeiterdeputierten (1905); Mitglied der Men'seviki. Öicerin, B. N.—»Tschitscherin, B. N. Cindel', E.—>Zindel, E. Cistjakov, P.S.—>Tschistlakow, P. S. Crom well, Oliver ( 2 5 . 4 . 1 5 9 9 - 3 . 9 . 1 6 5 8 ) . Englischer Staatsmann; seit 1628 Mitglied des Unterhauses; 1640 Mitglied des „Langen Parlamentes" und einer der Führer gegen die absolutistische Politik Karls I.; als Haupt des Staatsrats ließ er 1649 den König hinrichten und proklamierte das Commonwealth of England; seit 1655 Lord-Protector. Öuprov, A. A. —> Tschuprow, A. A. Öuprov, A. I.-»Tschuprow, A. I. Danijlsson, N. F.; Tl.: Danlel'son, Nlkolaj Francevlc (Pseudonym: Nlkolajon) (1844-1918). Ökonom und Publizist; Theoretiker des Narodnlcestvo; Übersetzer des Marxschen „Kapital". Davydow, Alexandra; Tl.: Davydova, Aleksandra Arkad'evna ( 1 3 . 1 2 . 1 8 4 8 - 2 4 . 2 . 1 9 0 2 ) . Herausgeberin des „ Mir Bozlj ". Davydova, Lidija Karlovna (1869-1900). Ehefrau von —> Michail Tugan-Baranovsklj, Tochter der Vorstehenden. Davydova, Marlja Karlovna (25.3.1881-1966). Schwester der Vorstehenden; Tochter von A. Davydova (—> Davydow, A.), - » auch Kuprina-Iordanskaja, M. K.
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Personenverzeichnis
Deak, Franz (Ferenc) ( 1 7 . 1 0 . 1 8 0 3 - 2 9 . 1 . 1 8 7 6 ) . Ungarischer Politiker und Jurist; anfangs Rechtsanwalt, später Komitatsbeamter; seit den Reichstagen von 1833-1836 und 1839/1840 Führer der gemäßigten Reformer; Justizminister (März bis Dezember 1848); nach 1849 einer der Führer der konstitutionellen Bewegung in Ungarn und Wegbereiter des Ausgleichs von 1867. Dehn, W.E.; Tl.: Den, Vladimir Eduardovic fon (15.12.1867-1933). Baltischer Nationalökonom; 1898 Dozent an der Universität Moskau; seit 1902 Professor in St. Petersburg; Mitglied des „Sojuz Osvobozdenija". Digo, N. Nationalökonom und Publizist. Döllinger, Johann Joseph Ignaz von (28.2.1799-10.1.1890). Deutscher katholischer Theologe und Historiker; Professor am Lyceum in Aschaffenburg (1823) und an der Universität München (1826); als unbedingter Gegner des Unfehlbarkeitsdogmas von 1870 im folgenden Jahr exkommuniziert; Anreger der altkatholischen Bewegung, deren Kirche er jedoch nicht beitrat; seit 1873 Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Dolgorukow, Paul Fürst; Tl.: Dolgorukov, Pavel Dmitrievic Knjaz' (9.5.1866-1927). Zemstvomitglied; 1893-1908 Distriktsadelsmarschall in Ruza (Gouvernement Moskau); Mitbegründer des „Beseda-Kreises"; Mitbegründer des „Sojuz Osvobozdenija"; Gründungsmitglled der Konstitutioneilen-Demokraten und Vorsitzender ihres Zentralkomitees (1905-1911); Abgeordneter der Zweiten Duma. Dolgorukow, Peter Fürst; Tl.: Dolgorukov, Petr Dmitrievic Knjaz' (9.5.1866-1945). Bruder des Vorstehenden; Zemstvomitglied; Vorsitzender des Distrikts-Zemstvo in Sudza (Gouvernement Kursk); Mitgründer des „Beseda-Kreises" und der Zeitschrift „Osvobozdenie"; Mitglied des „Sojuz Osvobozdenija"; Mitglied der Konstitutionellen-Demokraten und ihres Zentralkomitees; Abgeordneter der Ersten Duma. Dorrer, Vladimir Filippovic Graf (1862-16.8.1909). Adelsmarschall des Gouvernements Kursk; Kammerherr; Mitglied der Dritten Duma; einer der Führer der russischen Rechten. Dragomanow, M.P.; Tl.: Dragomanov, Michail Petrovic (Drahomaniv, Michajlo P.) (18.9.1841-20.6.1895). Ukrainischer Publizist und Historiker; 1875 von der Universität Kiev entlassen; 1876 in die Schweiz emigriert; seit 1869 Professor in Sofia; vertrat ein Programm der kulturellen Autonomie der Völker Rußlands und der föderativen Umgestaltung des Russischen Reiches. Druzkoj-Ssokolinskoj, W. M. Fürst; Tl.: Druckoj-Sokolinskij, V. M. Knjaz'. Mitunterzeichner des Manifests des „Sojuz russkich ljudej" (1905). Dubassow, F.W.;TI.: Dubasov, Fedor Vasil'evic (21.6.1845-19.6.1912). Admiral; 1905 Kommandeur der Truppen in den Gouvernements Cernigov, Poltava und Kursk während der Agrarunruhen; Generalgouverneur von Moskau von November 1905 bis April 1906, während dieser Zeit Niederschlagung des Moskauer Aufstandes; Mitglied des Reichsrates (seit 1906). Durnowo, I.N.; Tl.: Durnovo, Ivan Nikolaevlc (1830-1903). Stellvertretender Innenminister (1882-1885); Innenminister (1889-1895); Vorsitzender des Ministerkomitees (1895-1903).
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Durnowo, P . N . ; Tl.: Durnovo, Petr Nikolaevlc ( 1 8 4 4 - 1 1 . 9 . 1 9 1 5 ) . Jurist und Politiker; 1 8 8 4 - 1 8 9 3 Direktor des Polizeidepartements; seit 1893 Mitglied des Senats; 1 9 0 0 - 1 9 0 5 stellvertretender Innenminister; Innenminister in der Regierung Vitte (—> Witte) (Oktober 1905 bis April 1906); Mitglied des Reichsrates (seit 1905). Durnowo, P.P.; Tl.: Durnovo, Petr Pavlovic ( 1 8 3 5 - ? ) . General; Generalgouverneur von Moskau von Juli bis N o v e m b e r 1905; Mitglied des Reichsrates (seit 1904). Edward VII.; ( 9 . 1 1 . 1 8 4 1 - 6 . 5 . 1 9 1 0 ) . König von Großbritannien und Irland; Regierungszeit 1 9 0 1 - 1 9 1 0 . Eggert, W. W.; Tl.: Egert, Vaslllj Petrovlc fon. Jurist; Wirklicher Staatsrat; Mitglied des Zentralkomitees der Partei der R e c h t s o r d n u n g (1906). Ekaterina
II. - » Katharina II.
Ermolov,
A. S. —> J e r m o l o w , A. S.
Ezerskij,
N. F. —> Jesersklj, J. N.
Fedorow, M . M . ; Tl.: Fedorov, Michail Michajlovic ( 1 8 5 8 - 1 9 4 8 ) . Beamter und Politiker; stellvertretender Minister für Handel und Industrie ( 1 9 0 5 / 1 9 0 6 ) , Minister für Handel und Industrie (1906), nach s e i n e m A u s s c h e i d e n aus d e m A m t Mitglied der Kadetten. Fichte, J o h a n n Gottlieb ( 1 9 . 5 . 1 7 6 2 - 2 9 . 1 . 1 8 1 4 ) . Deutscher Philosoph des Ideallsmus; Professor in J e n a und Erlangen; seit 1810 erster gewählter Rektor der Universität Berlin. Filonow, F . W . ; Tl.: Fllonov, Fedor Vasil'evic ( 1 8 5 8 - 1 8 . 1 . 1 9 0 6 ) . Staatsrat; Beamter der G o u v e r n e m e n t s v e r w a l t u n g Poltava; v o n Mitgliedern der Partei der Sozialrevolutionäre ermordet. Fischhof, Adolf ( 8 . 1 2 . 1 8 1 6 - 2 3 . 3 . 1 8 9 3 ) . ö s t e r r e i c h i s c h - u n g a r i s c h e r Politiker, Schriftsteller u n d Arzt; in der Märzrevolution von 1848 Führer der Wiener S t u d e n t e n ; Mitglied des Wiener und des Kremsler Reichstages; trat für eine föderalistische N e u g l i e d e r u n g Österreichs und den Ausgleich mit Ungarn ein. Frank, S e m e n Ludvigovic ( 1 6 . 1 . 1 8 7 7 - 1 0 . 1 2 . 1 9 5 0 ) . Philosoph und Publizist; e n g e r Freund —» P. Struves, mit d e m er 1 9 0 5 / 1 9 0 6 die Zeitschriften Poljarnaja Z v e z d a und S v o b o d a I Kul'tura herausgab; danach f ü h r e n d beteiligt an der Zeitschrift Russkaja Mysl'; 1 9 1 2 - 1 9 1 7 Privatdozent in St. Petersburg; 1 9 1 7 - 1 9 1 9 Professor In Saratov; einer der b e d e u t e n d s t e n Vertreter der russischen Religionsphilosophie des 20. Jahrhunderts; Mitglied der Konstitutlonellen-Demokraten. Frensdorf, Ferdinand ( 1 7 . 6 . 1 8 3 3 - 3 1 . 5 . 1 9 3 1 ) . Deutscher Jurist und Historiker; seit 1873 Professor für d e u t s c h e s Recht in Göttingen; akademischer Lehrer Max W e b e r s w ä h r e n d d e s s e n Studium in Göttingen 1 8 8 5 / 1 8 8 6 . Friedrich Wilhelm IV. 1840-1858.
(15.10.1795-2.1.1861).
Preußischer
König,
Regierungszelt
Gagarin, Grlgorij Grlgor'evic Fürst ( 1 8 6 6 - ? ) . K a m m e r h e r r ; Mitglied der Ersten Duma; Mitunterzeichner des M a n i f e s t s d e s „ S o j u z russkich ljudej" (1905).
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Gapon, Georgij A p p o l o n o v i c ( 1 8 7 0 - 2 8 . 3 . 1 9 0 6 ) . Priester und Arbeiterführer; leitete die im E i n v e r n e h m e n mit der zarischen Regierung g e g r ü n d e t e „ V e r s a m m l u n g der russischen Fabrik- und Mühlenarbeiter der Stadt St. Petersburg" seit 1903; Organisator der D e m o n stration v o m 9. (22.) Januar 1905; 1906 v o n e i n e m Mitglied der PSR w e g e n g e h e i m e r Kontakte zur Regierung und zur Geheimpolizei (Ochrana) o h n e direkte Z u s t i m m u n g der Partei ermordet. Gejden,
P. A. - > Heyden, P. A.
Gel'fand,
I. L. - > Helphant, A.
George, Henry ( 2 . 9 . 1 8 3 9 - 2 9 . 1 0 . 1 8 9 7 ) . Amerikanischer Volkswirtschaftler; forderte die A b s c h a f f u n g des privaten B o d e n b e s i t z e s und die Einführung einer „Single tax" auf die G r u n d r e n t e ; beeinflußte die d e u t s c h e und britische B o d e n r e f o r m b e w e g u n g sowie die russischen Sozialrevolutionären Denker. Gercen, A. I. - » Herzen, A. J. Gercenstein, Gessen,
M. J. —> Herzenstein, M. J.
I.V. —»Hessen, I.W.
Gessen, V. M. —> Hessen, W. M. Gierke, Otto von ( 1 1 . 1 . 1 8 4 1 - 1 0 . 1 0 . 1 9 2 1 ) . Deutscher Staats- und G e n o s s e n s c h a f t s theoretiker; 1867 Privatdozent; 1871 a.o. Prof. In Berlin; 1 8 7 2 o . Prof. in Breslau, 1884 In Heidelberg und 1887 In Berlin; galt als der f ü h r e n d e Theoretiker des d e u t s c h e n G e n o s senschaftsrechts. Giwago, Sergius J.; Tl.: Zlvago, Sergej Ivanovlc ( 1 6 . 1 1 . 1 8 7 0 - ? ) . Jurist; studierte Im W i n t e r s e m e s t e r 1 9 0 5 / 1 9 0 6 in Heldelberg; Bekanntschaft mit Max W e b e r ; 1913 Privatdozent für Rechtsphilosophie an der Universität Moskau. Glinka, Grlgorij Vjaceslavovlc ( 1 8 6 2 - 1 9 3 4 ) . Beamter im Landwirtschaftsministerium ( 1 9 0 5 / 1 9 0 6 ) ; stellvertretender Landwirtschaftsminister 1 9 1 5 / 1 9 1 6 . Golizyn, A . D . Fürst; Tl.: Gollcyn, Aleksej Dmitrlevic Knjaz' ( 1 8 4 7 - 1 9 2 5 ) . Mitglied der Union des 17. Oktober; A b g e o r d n e t e r der Dritten Duma; Mitunterzeichner des Manlfests des „ S o j u z russkich ljudej" (1905). Golizyn, W . A . Fürst; Tl.: Golicyn, Vladimir Aleksandrovlc Knjaz' ( 4 . 6 . 1 8 5 7 - 6 . 3 . 1 9 2 3 ) . Wirklicher Staatsrat; Mitunterzeichner des M a n i f e s t s d e s „ S o j u z russkich ljudej" (1905). Golizyn, W. D. Fürst; Tl.: Golicyn, Vasillj Dmltrievlc Knjaz' ( 2 7 . 2 . 1 8 5 7 - 1 9 2 6 ) . Kaiserlicher Stallmeister; Adelsmarschall von Cernlgov; Mitunterzeichner des Manlfests des „ S o j u z russkich ljudej" (1905). Golowin, F. A.; Tl.: Golovln, Fedor Aleksandrovlc ( 1 8 6 7 - ? ) . Mitglied der Z e m s t v o b e w e g u n g ; Mitglied des „ B e s e d a - K r e l s e s " und des „ S o j u z O s v o b o z d e n l j a " ; Vorsitzender des Moskauer Z e m s t v o ( 1 9 0 4 - 1 9 0 6 ) ; G r ü n d u n g s m i t g l i e d der Konstitutioneilen-Demokraten und Mitglied ihres Zentralkomitees; Vorsitzender der Z w e i t e n Duma.
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Goremykin, Ivan Logglnovlc ( 1 8 3 9 - 1 6 . 1 2 . 1 9 1 7 ) . Senator; Innenminister ( 1 8 9 5 - 1 8 9 9 ) ; Ministerpräsident (Mal bis Juli 1906 und Januar 1914 bis Januar 1916); Mitglied des Reichsrates (seit 1899). Gorkij, Maxim; Tl.: Gor'kij, Maksim ( 1 6 . 3 . 1 8 6 8 - 1 8 . 6 . 1 9 3 6 ) . Schriftsteller.
(eigentlich:
Peskov,
Aleksej
Maksimovic)
Gredeskul, Nikolaj A n d r e e v i c ( 2 0 . 4 . 1 8 6 5 - ? ) . Jurist; Professor in C h a r ' k o v und St. Petersburg; Zentralkomiteemitglled der Konstitutioneilen-Demokraten; Mitglied der Ersten und Z w e i t e n D u m a ; stellvertretender Vorsitzender der Ersten Duma. Grews, I.M.; Tl.: Grevs, Ivan Michajlovic ( 4 . 5 . 1 8 6 0 - 1 6 . 5 . 1 9 4 1 ) . Historiker; seit 1889 Dozent, dann (1892) Professor In St. Petersburg; 1899 aus politischen G r ü n d e n entlassen; 1902 Wiedereinstellung; Mitglied des „ S o j u z O s v o b o z d e n l j a " und der Konstltution e l l e n - D e m o k r a t e n ; stand seit 1906 in Briefwechsel mit Max Weber. Gringmut, Wladimir Andrejewltsch; Tl.: Grlngmut, Vladimir A n d r e e v i c ( 3 . 3 . 1 8 5 1 2 8 . 9 . 1 9 0 7 ) . Publizist; Herausgeber der „ M o s k o v s k l j a V e d o m o s t i " ( 1 8 9 7 - 1 9 0 7 ) ; G r ü n der und Führer der „ M o n a r c h i s t i s c h e n Partei". Grusenberg, O . O . ; Tl.: Gruzenberg, Oskar Oslpovlc ( 1 8 6 6 - 1 9 4 0 ) . Jurist; Rechtsanwalt; Verteidiger In politischen Prozessen, u.a. im Prozeß g e g e n d e n St. Petersburger Sovet 1906. Gurjewitsch, 1.1.; Tl.: Gurevlc, Jakov Jakovlevlc ( 2 5 . 3 . 1 8 6 9 - ? ) . Publizist und Pädagoge; Zemstvomltglled. Gurko, Vladimir loslfovlc ( 1 8 6 2 - 1 8 . 2 . 1 9 2 7 ) . Beamter, Agrarexperte; stellvertretender Innenminister ( 1 9 0 2 - 1 9 0 6 ) und Leiter der Z e m s t v o - A b t e l l u n g Im Innenministerium; seit 1912 Mitglied des Reichsrates. Gutschkow, A. J.; Tl.: G u c k o v , Aleksandr Ivanovic ( 1 4 . 1 0 . 1 8 6 2 - 1 4 . 2 . 1 9 3 6 ) . industrieller und Politiker; G r ü n d e r und Führer der Union des 17. Oktober; 1906 Mitglied des Reichsrates; 1907 Mitglied der Dritten D u m a und deren Vorsitzender 1 9 1 0 - 1 9 1 1 . Hayes, Rutherford B. ( 4 . 1 0 . 1 8 2 2 - 1 7 . 1 . 1 8 9 3 ) . 19. Präsident der U S A 1 8 7 7 - 1 8 8 1 . Helphant, A.; Tl.: Gel'fand, Israel Lazarevlc ( P s e u d o n y m : Parvus) ( 2 7 . 8 . 1 8 6 7 1 2 . 1 2 . 1 9 2 3 ) . Sozialistischer Theoretiker, Journalist und Publizist; lebte seit 1891 als G e s c h ä f t s m a n n und Journalist In Deutschland und der Türkei; 1905 gab er In St. Petersburg g e m e i n s a m mit L. Trockij die Zeltung ,, Russkaja Gazeta" heraus; führender Vertreter der „ T h e o r i e der p e r m a n e n t e n Revolution". Hertzenstein,
M. J. —> Herzenstein, M. J.
Herzen, A . J . ; Tl.: Gercen, Aleksandr Ivanovic ( 2 5 . 3 . 1 8 1 2 - 9 . 1 . 1 8 7 0 ) . Sozialistischer Schriftstellerund Publizist; lebte seit 1847 In Frankreich und England im Exil; Herausgeber der Zeitschriften „ P o l j a r n a j a Z v e z d a " (Der Polarstern) und „ K o l o k o l " (Die Glocke).
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Herzenstein, M. J.; Tl.: Gercenstejn, Michail Jakovleviö (16.4.1859-18.7.1906). Professor an der Universität Moskau, Agrarexperte; Gründungsmitglied der KonstltutlonellenDemokraten und Mitglied ihres Zentralkomitees; Mitglied der Ersten Duma; von Schwarzhundertern in Terlokl (Finnland) ermordet. Hessen, I. W.; Tl.: Gessen, losif Vladimirovic (2.4.1866-1943). Rechtsanwalt; Mitherausgeber der Zeitschrift „Pravo" (seit 1898); Mitglied des „Sojuz Osvobozdenija"; Gründungsmitglied der Konstltutionellen-Demokraten und Mitglied ihres Zentralkomitees; Abgeordneter der Zweiten Duma. Hessen, W. M.; Tl.: Gessen, Vladimir Matveevic (1868-1920). Jurist; Mitherausgeber der Zeitschrift „Pravo"; Professor in St. Petersburg; Mitglied der Konstltutionellen-Demokraten und ihres Zentralkomitees. Heyden, P. A.;TI.: Gejden, Petr Aleksandrovic Graf (1840-1907). Teilnehmer der Zemstvobewegung; 1895-1907 Präsident der Kaiserlichen Freien Ökonomischen Gesellschaft; Mitglied des „Beseda-Krelses" und des „Bundes der Zemstvo-Konstitutionallsten"; 1905 Mitglied der Union des 17.Oktober; dann Mitgründer der „Partei der friedlichen Erneuerung" (1906); Mitglied der Ersten Duma. Ignatiew, A. P.; Tl.: ignat'ev, Aleksej PavIovicGraf (1842-9.12.1906). General; Generalgouverneur von Kiev, Podolien und Volhynien (1889-1896); 1905/1906 Vorsitzender der „Besonderen Kommission über religiöse Toleranz"; Mitglied des Reichsrates (seit 1896); von einem Mitglied der PSR ermordet. Iliodor (Trufanov, Sergej Michajlovic) (1880-?). Mönch, 1905 Agitator der extremen Rechten. lollos, G. B.—» Jollos, G. B. Isgojew, A. S.; Tl.: Izgoev, Aleksandr Solomonovic (Pseudonym für: A.S.Lande) (1872-1935). Journalist und Publizist; Mitglied des „Sojuz Osvobozdenija"; Mitglied der Konstitutioneilen-Demokraten und ihres Zentralkomitees. Isidor (Kolokolov, Petr) (3.4.1866-1918). Bischof von Balachna; Vikar des Bistums Nlznij-Novgorod. Issajew, A.A.; Tl.: Isaev, Andrej Alekseevic (19.10.1851-März 1919). Nationalökonom; Professor In St. Petersburg. Iwan IV. der Schreckliche; Tl.: Ivan IV. Groznyj ( 2 5 . 8 . 1 5 3 0 - 2 8 . 3 . 1 5 8 4 ) . Russischer Zar; Regierungszeit 1547-1584. Jakowljow, W.; Tl.: Jakovlev, Vasilij Jakovlevic (19.12.1861-8.5.1915). (Pseudonym: Bogutscharskij, W.). Publizist und Journalist; seit 1880 Teilnahme an populistischen Gruppen; später (1895) Hinwendung zum Marxismus; Mitglied des „Sojuz Osvobozdenija" , einer der Führer des Petersburger Verbandes der Schriftsteller (1905/1906); gehörte Ende 1905 zur Gruppe „Bez Zaglavija" um S. N. Prokopoviö (-» Prokopowitsch, S.N.) und E. D. Kuskova (—> Kuskow), die links von den Konstitutioneilen-Demokraten stand.
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Jakuschkin, W. E.; Tl.: Jakuskin, Vjaceslav Evgen'evic ( 4 . 1 0 . 1 8 5 6 - 2 . 1 2 . 1 9 1 2 ) . Historiker und Literaturwissenschaftler; Dozent an der Universität Moskau; Mitherausgeber der „Russkija Vedomosti"; Mitglied des Bundes der Zemstvo-Konstitutionalisten, Mitgründer der Konstitutlonellen-Demokraten und Mitglied im Zentralkomitee; Abgeordneter der Ersten Duma. Janshul, 1.1.; Tl.: Janzul, Ivan Ivanovlc ( 2 . 6 . 1 8 4 6 - 8 . 1 0 . 1 9 1 4 ) . Ökonom, Statistiker und Historiker; Professor in Moskau; Mitglied des Zentralkomitees der Partei der Rechtsordnung (1906). Jasnopolski, L. N.;Tl.: Jasnopol'skij, Leonid Nikolaevic(1873-?). Juristund Nationalökonom, Statistiker; Professor an der Universität Kiev; Mitglied der Konstitutionellen-Demokraten; Abgeordneter der Ersten Duma. Jaurès, Jean ( 3 . 9 . 1 8 5 9 - 3 1 . 7 . 1 9 1 4 ) . Französischer sozialistischer Politiker und Theoretiker; 1 8 8 5 - 1 8 8 9 republikanischer Abgeordneter, 1 8 9 3 - 1 8 9 8 und 1 9 0 2 - 1 9 1 4 sozialistischer Abgeordneter Im Parlament; 1904 Gründer und Herausgeber der L'Humanité; Anhänger eines deutsch-französischen Ausgleichs; Führer der französischen Sozialisten in der Zweiten Internationale; 1914 ermordet. Jellinek, Georg ( 1 6 . 6 . 1 8 5 1 - 1 2 . 1 . 1 9 1 1 ) . Deutscher Jurist; Professor für Staatsrecht in Wien (1883), Basel (1889) und Heidelberg (1891-1911 ); stand seit Mitte der 1890er Jahre In engem wissenschaftlichem und persönlichem Kontakt mit Max Weber, dessen Werk er In nicht unerheblichem Maße beeinflußte, insbesondere durch seine „allgemeine Staatslehre", der Max Weber wesentliche Anregungen für die Begründung seiner Soziologie verdankte. Jermolow, A. S. ; Tl. : Ermolov, Aleksej Sergeevlc ( 1 2 . 1 1 . 1 8 4 6 - 1 9 1 7 ) . Beamter und Politiker; 1892/93 stellvertretender Finanzminister; 1 8 9 3 - 1 9 0 5 Landwirtschaftsminister; 1 9 0 5 - 1 9 1 7 Mitglied des Reichsrates. Jeserskij, J. N.; Tl.: Ezerskij, Nikolaj Fedorovic(1870-?). Schulinspektor, später Publizist; Mitglied der Konstitutlonellen-Demokraten; Abgeordneter der Ersten Duma. Jollos, G. B.; Tl.: lollos, Grlgorij Borisovic ( 1 8 5 9 - 1 4 . 3 . 1 9 0 7 ) . Publizist und Jurist; Berliner Korrespondent der „Russkija Vedomosti" und späterderen Mitherausgeber; Mitglied der Konstitutlonellen-Demokraten; Abgeordneter der Ersten Duma; von einem Mitglied der Schwarzhunderter ermordet. Jurizyn, S. P.; Tl.: Juricyn, Sergej Petrovic ( 1 8 7 3 - ? ) . Verleger; Herausgeber des „Syn Otecestva". Kaminka, Avgust Isaakovlc ( 1 8 6 5 - ? ) . Professor für Handelsrecht In St. Petersburg; Mitherausgeber der Zeitschrift „ Pravo". Karl I. ( 1 9 . 1 1 . 1 6 0 0 - 3 0 . 1 . 1 6 4 9 ) . Englischer König; Regierungszelt 1 6 2 5 - 1 6 4 9 ; hingerichtet. Kaschkarow, W. M.; Tl.: Kaskarov, V. M. Geograph und Archäologe; Zemstvomitglled.
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Kassatkin-Rostowskij, N.F. Fürst; Tl.: Kasatkin-Rostovskij, Nikolaj Fedorovic Knjaz' ( 2 1 . 1 0 . 1 8 4 8 - 2 6 . 1 0 . 1 9 0 8 ) . Adelsmarschall In Kursk; Mitglied des Reichsrates seit 1906; Mitgründer des „Rates des Vereinigten Adels". Katharina II.; Tl.: Ekaterlna II. ( 2 1 . 4 . 1 7 2 9 / 2 . 5 . 1 7 2 9 - 6 . 1 1 . 1 7 9 6 ) . Kaiserin von Rußland, geb. Prinzessin Sophie Friederike von Anhalt-Zerbst; Reglerungszeit 1762-1796. Katkow, A. M.; Tl.: Katkov, A. M. Mitglied des „Sojuz russkich ljudej" (1905/1906). Katkow, M.N.; Tl.: Katkov, Michail Nlklforovic ( 1 . 1 1 . 1 8 1 8 - 2 0 . 7 . 1 8 8 7 ) . Philosoph und Publizist; 1 8 4 5 - 1 8 5 0 Professor der Philosophie In Moskau; Herausgeber der „ Moskovskija Vedomosti" seit 1851; einer der führenden Vertreter des Slavophlllsmus. Kaufmann, A.A.; Tl.: Kaufman, AleksandrArkad'evic(12.3.1864-1919). Nationalökonom und Agrarstatistiker; Professor In St. Petersburg; Mitglied der Konstitutlonellen-Demokraten und ihres Zentralkomitees. Er stand seit 1906 in brieflichem Kontakt mit Max Weber. Kautsky, Karl ( 1 6 . 1 0 . 1 8 5 4 - 1 7 . 1 0 . 1 9 3 8 ) . Deutsch-österreichischer sozialdemokratischer Politiker und Publizist; 1875 Mitglied der Sozialdemokratischen Partei in Wien; 1881/1882 Privatsekretär von Friedrich Engels in London; 1 8 8 3 - 1 9 1 7 Gründer und Herausgeber der Zeltschrift „Die Neue Zeit"; 1891 Hauptverfasser des Erfurter Programms der SPD; 1917 Mitglied der USPD. Kisseljew, P.D.; Tl.: Kiselev, Pavel Dmitrievlc Graf ( 8 . 1 . 1 7 8 8 - 1 4 . 1 1 . 1 8 7 2 ) . Offizier und Politiker; 1814 Flügeladjutant Alexanders I.; 1819 Oberkommandierender In der Ukraine; 1828/1829 mit der Verwaltung Moldavlens und der Walachei beauftragt; seit 1835 Mitglied aller geheim tagenden Komitees über Fragen der Aufhebung der Leibeigenschaft; 1837-1856 Domänenminister; führte 1837-1841 eine Reform der Verwaltung der Staatsbauern durch; 1 8 5 6 - 1 8 6 2 Gesandter in Paris. Kistiakowski, Th.A.; Tl.: Kistjakovsklj, Bogdan Aleksandrovlc ( 4 . 1 1 . 1 8 6 8 - M a l 1920). Soziologe und Jurist; Schüler von - » Georg Slmmel,—> Wilhelm Windelband und - » Georg Jelllnek; Vertreter des Neokantlanismus; studierte 1901-1905 mit Unterbrechungen an der Universität Heidelberg; seit Anfang 1905 in enger Beziehung zu Max Weber; Dozent an der Handelshochschule Moskau (1906-1909); Privatdozent für öffentliches Recht an der Universität Moskau (1909-1911); 1911-1917 Unterricht am Demidovsklj-Lyceum In Jaroslavl'; Professor an der Universität Klev (1916-1920); Mitglied des „Sojuz Osvobozdenija"; Herausgeber des „Krlticeskoe Obozrenle" und des „Jurldlcesklj Vestnik". Klado, Nikolaj Lavrent'evic ( 1 8 6 2 - 1 0 . 7 . 1 9 1 9 ) . Oberst; Militärtheoretiker und -Schriftsteller; Militärkorrespondent des „Novoe Vremja" (1904/1905); Mitglied des Zentralkomitees der Partei der Rechtsordnung (Partija pravovogo porjadka) (1906). Kleinbort, L.M.; Tl.: Klejnbort, Lev Maksimovic ( 1 5 . 1 1 . 1 8 7 5 - 1 9 5 0 ) . Publizist; Mitglied der Sozialdemokraten. Knapp, Georg Friedrich ( 7 . 3 . 1 8 4 2 - 2 0 . 2 . 1 9 2 6 ) . Deutscher Nationalökonom, Statistiker und Agrarhistoriker; 1867 Leiter des statistischen Amtes der Stadt Leipzig; 1 8 6 9 - 1 8 7 4 a.o. Prof. für Nationalökonomie und Statistik in Leipzig; 1 8 7 4 - 1 9 1 8 o. Prof. in Straßburg; Gründungsmitglied des Vereins für Socialpolltlk; Vertreter der jüngeren historischen Schule der Nationalökonomie; Lehrer von Aleksandr A. Cuprov (—»Tschuprow).
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Kokoschkin, F. F.; Tl.: Kokoskin, Fedor Fedorovlc (14. 7 . 1 8 7 1 - 7 . 1 . 1 9 1 8 ) . Jurist; Anfang der 1890er Jahre S t u d i u m an der Universität Heidelberg; Dozent an der Universität Moskau ( 1 9 0 0 - 1 9 1 1 ) ; Mitglied des „ S o j u z O s v o b o z d e n l j a " , G r ü n d u n g s - und Zentralkomitee-Mitglied der Konstitutionellen-Demokraten; A b g e o r d n e t e r der Ersten D u m a ; mit S . A . M u r o m c e v ( - » M u r o m z e w ) einer der A u t o r e n des Verfassungsentwurfs des „ S o j u z O s v o b o z d e n i j a " ; von Matrosen ermordet. Kokowzew, W . N . ; Tl.: Kokovcov, Vladimir Nikolaevlc Graf ( 6 . 4 . 1 8 5 3 - 1 9 4 3 ) . Beamter und Politiker; 1 8 7 3 - 1 8 9 0 Tätigkeit Im Justizministerium; 1 8 9 2 - 1 9 0 2 stellvertretender Finanzminister; 1 9 0 4 / 1 9 0 5 und 1 9 0 6 - 1 9 1 4 Finanzminister; 1 9 1 1 - 1 9 1 4 Ministerpräsident; seit 1905 Mitglied des Reichsrates. Koljubakin, Aleksandr Mlchajlovlc ( 1 8 6 8 - 1 9 1 5 ) . Großgrundbesitzer; Mitglied des G o u v e r n e m e n t s z e m s t v o N o v g o r o d ; Mitglied der Konstitutionellen-Demokraten und Ihres Zentralkomitees; A b g e o r d n e t e r der Dritten Duma. Koljubakin, Boris Mlchajlovlc ( 1 8 5 3 - ? ) . Offizier Im Generalstab; Militärhistoriker; Professor an der Militärakademie. Korf, Pavel Leopol'dovic Baron ( 1 8 3 6 - 1 6 . 3 . 1 9 1 3 ) . Industrieller und Großgrundbesitzer; Bürgermeister von St. Petersburg; Z e m s t v o - und Stadtduma-Mitglied; Vorsitzender des Petersburger Zentralkomitees der Union des 17. Oktober. Korjenew, W. f.; Tl.: Korenev, Vaslllj Ivanovlö. Vorsitzender des B a u e r n b u n d e s „ N a r o d n y j Mir" (1906). Korkunow, N. M.; Tl.: Korkunov, Nlkolaj Mlchajlovlc ( 1 4 . 4 . 1 8 5 3 - 2 9 . 1 1 . 1 9 0 4 ) . Professor für Verfassungsrecht und Rechtsphilosophie In St. Petersburg ( 1 8 7 9 - 1 9 0 4 ) . Kornilow, A . A . ; Tl.: Kornilov, Aleksandr Aleksandrovlc ( 1 8 . 1 1 . 1 8 6 2 - 2 6 . 4 . 1 9 2 5 ) . Historiker; seit 1909 Professor am Polytechnikum in St. Petersburg; Mitglied des „ S o j u z O s v o bozdenlja" ; Mitarbeiter des „ O s v o b o z d e n i e " ; Sekretär des Zentralkomitees der Konstitutionellen-Demokraten (1906-1909). Koroljenko, W . G . ; Tl.: Korolenko, Vladimir Galaktlonovic ( 1 5 . 7 . 1 8 5 3 - 2 5 . 1 2 . 1 9 2 1 ) . Schriftsteller, Publizist; Herausgeber des „ R u s s k o e B o g a t s t v o " . Koschewnikow, W.; Tl.: Kozevnlkov, Valentin Alekseevic ( 1 8 5 0 - 1 9 1 7 ) . Philosoph; Herausgeber der philosophischen Zeitschrift „Pravda" 1 9 0 4 / 1 9 0 5 . Kotljarewskij, S . A . ; Tl.: Kotljarevsklj, Sergej A n d r e e v i c ( 1 8 7 3 - 1 9 4 0 ) . Historiker und J u rist; seit 1901 Dozent, dann Professor für öffentliches Recht an der Universität Moskau; aktiv in der Z e m s t v o b e w e g u n g ; Mitglied des „ B e s e d a - K r e i s e s " und des „ S o j u z O s v o bozdenija" ; Mitglied der Konstitutionellen-Demokraten u n d Ihres Zentralkomitees; A b g e ordneter der Ersten Duma. Kotzebue, Theodor K.; Tl.: Kocebu-Pllar fon Püchau, Fedor Karlovlc Graf ( 5 . 7 . 1 8 4 8 - 7 . 8 . 1 9 1 1 ) . Generalleutnant; Stadthauptmann v o n Rostov ( 1 9 0 4 - 1 9 0 5 ) . Kowalewskij,
M a x i m e K o w a l j e w s k i , M.
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Kowaljewski, M . M . ; Tl.: Kovalevskij, Maksim Maksimovic ( 2 7 . 8 . 1 8 5 1 - 2 3 . 3 . 1 9 1 6 ) . Jurist und S o z i o l o g e ; ab 1877 D o z e n t und ab 1 8 8 0 Professor an der Universität Moskau; 1887 w e g e n politischer Unzuverlässigkeit entlassen; 1 8 8 7 - 1 9 0 1 Tätigkeit an Universitäten in S c h w e d e n , England, Belgien, Italien und den U S A ; 1901 Mitgründer der École Russe d e s Hautes Études Sociales in Paris; 1905 Rückkehr nach Rußland; Professuren in Moskau und St. Petersburg; am dortigen Polytechnischen Institut Inhaber des ersten Lehrstuhls für Soziologie in Rußland; Herausgeber d e s „ V e s t n i k E v r o p y " und der „ S t r a n a " ; 1 9 0 6 G r ü n d e r der „Partei der d e m o k r a t i s c h e n R e f o r m " ; A b g e o r d n e t e r der Ersten D u m a ; ab 1907 Mitglied des Reichsrates. Kowaljewskij, N . N . ; Tl.: Kovalevskij, Nikolaj Nikolaevic ( 1 8 5 8 - ? ) . Großgrundbesitzer; Z e m s t v o m i t g l i e d ; Mitglied des „ B e s e d a - K r e i s e s " und d e s „ S o j u z O s v o b o z d e n i j a " ; Mitglied der K o n s t i t u t i o n e l l e n - D e m o k r a t e n ; A b g e o r d n e t e r der Ersten Duma. Krassowski, M. W.; Tl.: Krasovskij, Michail Vasil'evic ( 1 8 5 1 - 2 4 . 4 . 1 9 1 1 ) . Jurist; Z e m s t v o mitglied; Ende 1905 Mitglied der Partei der R e c h t s o r d n u n g (Partija pravovogo porjadka), dann Mitglied d e s Moskauer Z e n t r a l k o m i t e e s der Union d e s 17. O k t o b e r ; leitende Tätigkeit im Senat; Mitglied d e s Reichsrates. Krestownikow, G . A . ; TL: Krestovnikov, Grigorij Aleksandrovic ( 1 8 5 5 - ? ) . Textilindustrieller; Vorsitzender der „ H a n d e l s - und Industriepartei" ( 1 9 0 5 / 1 9 0 6 ) ; danach Mitglied der Union d e s 17. O k t o b e r ; Präsident des Moskauer B ö r s e n k o m i t e e s . Kudrin,
N. (Pseudonym)—» Rusanow, Nikolaj S.
Kuprina-Iordanskaja, Marija Karlovna ( 2 5 . 3 . 1 8 8 1 - 1 9 6 6 ) . H e r a u s g e b e r n des „ M i r B o z i j " , Mitherausgeberin d e s „ S o v r e m e n n y j M i r " , auch Davydova, Marija Karlovna. Kurakin,
Michail Anatol'evic Knjaz' ( 2 5 . 1 0 . 1 8 7 2 - 1 6 . 3 . 1 9 3 0 ) . Offizier; Mitunterzeichner
d e s Manifests d e s „ S o j u z russkich ljudej" (1905). Kurlow, P. G.; TL: Kurlov, Pavel Grigor'evic ( 1 8 6 0 - 1 9 2 3 ) . Generalleutnant; V i z e g o u v e r neur in Kursk ( 1 9 0 3 - 1 9 0 5 ) ; G o u v e r n e u r in Minsk ( 1 9 0 5 / 1 9 0 6 ) ; Direktor d e s Polizeidepart e m e n t s ( 1 9 0 7 - 1 9 0 9 ) ; stellvertretender Innenminister ( 1 9 0 9 - 1 9 1 1 und 1916). Kuskow, Jekaterina; TL: Kuskova, Ekaterina Dmitrievna ( 1 8 6 9 - 2 2 . 1 2 . 1 9 5 8 ) . Publizistin; in den 90er Jahren des 19. J a h r h u n d e r t s der russischen Sozialdemokratie n a h e s t e h e n d ; später auf d e m linken Flügel der liberalen B e w e g u n g ; Mitglied d e s „ S o j u z O s v o b o z d e nija"; T e i l n a h m e am „ S o j u z S o j u z o v " und der G e w e r k s c h a f t s b e w e g u n g 1905; g r ü n d e t e Ende 1905 g e m e i n s a m mit S. N. Prokopovic H > Prokopowitsch, S.N.) und Bogucarskij (V. Jakovlev) (—> Jakowljow) die G r u p p e „ Bez Zaglavija". Kusmin-Karawajew, W. D.; TL: Kuz'min-Karavaev, Vladimir Dmitrievic (28.11. 1 8 5 9 - 1 9 2 8 ) . Jurist; Professor der Rechtswissenschaft an der Militärakademie ( 1 8 9 0 - 1 9 0 3 ) und an der Universität St. Petersburg ( 1 9 0 9 - 1 9 1 3 ) ; Z e m s t v o m i t g l i e d ; 1905 Mitglied der K o n s t i t u t i o n e l l e n - D e m o k r a t e n ; später Mitgründer der „Partei der demokratischen R e f o r m " ; A b g e o r d n e t e r der Ersten und Zweiten Duma. Kusminski,
A. M.; TL: Kuzminskij, Aleksandr Michajlovic ( 2 2 . 3 . 1 8 4 4 - 1 9 1 7 ) . Jurist; Sena-
tor; 1 9 0 5 / 1 9 0 6 mit der U n t e r s u c h u n g über die J u d e n p o g r o m e beauftragt.
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Kutler, Nikolaj Nikolaevic ( 1 8 5 9 - 1 9 2 4 ) . Jurist und Politiker; 1 8 9 9 - 1 9 0 4 leitender Beamter im Finanzministerium; 1904 stellvertretender Innenminister; Minister für Landwirtschaft (1905/1906); nach d e m Ausscheiden aus d e m Ministeramt Mitglied der KonstitutioneilenDemokraten; einer der führenden Agrarexperten der Partei; Abgeordneter der Zweiten und Dritten Duma. Lafayette, Marie Joseph, Marquis de ( 6 . 9 . 1 7 5 7 - 2 0 . 5 . 1 8 3 4 ) . Französischer Politiker; seit 1777 als General im Unabhängigkeitskrieg der Vereinigten Staaten von Amerika aktiv; 1789 Mitglied der Generalstände; einer der führenden Politiker der französischen Revolution von 1789. Lassalle, Ferdinand ( 1 1 . 4 . 1 8 2 5 - 3 1 . 8 . 1 8 6 4 ) . Mitbegründer der deutschen Arbeiterbewegung; 1849 Mitarbeiter von Karl Marx und Friedrich Engels bei der „ N e u e n Rheinischen Z e i t u n g " ; 1863 Gründer des „Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins"; Befürworter eines preußisch-deutschen Nationalstaates. Launitz, W. F. von der; Tl.: Launic, Vladimir Fedorovic Smidt fon der ( 1 8 5 5 - 2 1 . 1 2 . 1 9 0 6 ) . G o u v e r n e u r v o n Tambov ( 1 9 0 2 - 1 9 0 5 ) ; Stadthauptmann von St. Petersburg (seit 31. Dez. 1905); von Mitgliedern der PSR ermordet. Lawrow, P. L.; Tl.: Lavrov, PetrLavrovic ( 1 4 . 6 . 1 8 2 3 - 6 . 2 . 1 9 0 0 ) . Sozialistischer Theoretiker; einer der Führer des Narodnicestvo; 1870 Emigration ins Ausland; Herausgeber des „ V p e r e d " ( 1 8 7 3 - 1 8 8 6 ) , zunächst In Zürich, dann In London; Teilnahme an der Pariser Kommune. Lawrow, S. W.; Tl.: Lavrov, S.V. Mitglied der Partei der Rechtsordnung (1906). Lebœuf, Edmond ( 6 . 1 2 . 1 8 0 9 - 7 . 6 . 1 8 8 8 ) . Französischer Marschall (seit 1870); Kriegsminlster v o m 2 . 1 . bis 9 . 8 . 1 8 7 0 . Leontjew, Nikolai K.; Tl.: Leont'ev, Konstantin Nikolaevic ( 1 3 . 1 . 1 8 3 1 - 1 2 . 1 1 . 1 8 9 1 ) . Schriftsteller, Publizist und Arzt; während des Krimkrieges 1854/1855 Militärarzt; danach im diplomatischen Dienst ( 1 8 6 8 - 1 8 7 3 ) ; von 1 8 8 0 - 1 8 8 7 als Zensor tätig; verbrachte die letzten Jahre seines Lebens als Einsiedlerund wurde kurz vor seinem Tode Mönch; seine Anschauungen sind gekennzeichnet von der strikten Ablehnung westlicher Zivilisation und der Betonung der Eigenart Rußlands, die auf der byzantinisch-orthodoxen Tradition beruht. Leroy-Beaulieu, Henri Jean-Baptiste Anatole ( 1 8 4 2 - 1 9 1 2 ) . Französischer Historiker; Verfasser mehrerer Arbelten über Rußland; 1906 Direktor der École des sciences politiques. Ljebjedjew,
I.A.; Tl.: Lebedev, Ivan A. Industrieller.
Ljwow, G. E. Fürst; Tl.: L'vov, Georgij Evgen'evic Knjaz' ( 1 8 6 1 - 6 . 3 . 1 9 2 5 ) . Zemstvomitglled; Mitglied der Konstitutioneilen-Demokraten; Abgeordneter der Ersten Duma; während des russisch-japanischen Krieges 1904/1905 und während des Ersten Weltkrieges
Personen
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( 1 9 1 4 - 1 9 1 7 ) Vorsitzender des allrussischen Zemstvo-Verbandes; erster Ministerpräsident der Provisorischen Regierung 1917. Ljwow, N. N.; Tl.: L'vov, Nlkolaj Nikolaevlc (1867-1944). Großgrundbesitzer im Gouvernement Saratov; Teilnehmer der Z e m s t v o b e w e g u n g ; 1 8 9 3 - 1 9 0 0 Adelsmarschall in Saratov; Mitglied des „ B e s e d a - K r e i s e s " und des „ S o j u z Osvobozdenija"; 1905 Mitglied der Konstitutionellen-Demokraten; 1906 Gründungsmitglied der „Partei der friedlichen Ern e u e r u n g " ; Abgeordneter der Ersten Duma. Lokot, T. W.; Tl.: Lokot', Timofej Vasll'evic ( 1 9 . 1 . 1 8 6 9 - ? ) . Agrarwlssenschaftler; Professor an der Landwirtschaftshochschule Novo-Aleksandrovsk; Mitglied der „ t r u d o v a j a g r u p p a " ; Abgeordneter der Ersten Duma. Lossitzkij, zist.
A. E.; Tl.: Loslckij, Aleksej Emil'janovic. Ö k o n o m ; Wirtschafts- und Finanzpubli-
Losski, N. 0 . ; Tl.: Losskij, Nikolaj Onufrievic ( 6 . 1 2 . 1 8 7 0 - 4 . 1 . 1 9 6 5 ) . Philosoph; Privatdozent, dann Professor in St. Petersburg ( 1 9 0 7 - 1 9 2 1 ) ; lehrte danach in Prag und Bratislava; Begründer des sog. Intuitivismus und des Ideal-Realismus. Ludwig XVI. ( 2 3 . 5 . 1 7 5 4 - 2 1 . 1 . 1 7 9 3 ) . Französischer König; Regierungszeit 1 7 7 4 - 1 7 9 2 . Lutschizkij, I. W.; Tl.: Lucickij, Ivan Vasil'evic ( 2 . 6 . 1 8 4 5 - 2 2 . 8 . 1 9 1 8 ) . Historiker; Professor an der Universität Kiev ( 1 8 7 7 - 1 9 0 7 ) und der Universität St. Petersburg ( 1 9 0 7 - 1 9 1 8 ) ; Zemstvomitglied; Mitglied der Konstitutionellen-Demokraten; Abgeordneter der Dritten Duma. Luxemburg, Rosa ( 5 . 3 . 1 8 7 1 - 1 5 . 1 . 1 9 1 9 ) . Deutsch-polnische sozialistische Politikerin und Theoretikerin; Studium der Nationalökonomie in Zürich; Mitgründerin der „Sozialdemokratischen Partei des Königreichs Polen und Litauen"; lebte seit 1897 in Deutschland; 1905/1906 Teilnahme an den revolutionären Ereignissen in Warschau; 1916 Mitgründerin des Spartakusbundes; Ende 1918/Anfang 1919 Mitgründerin der KPD; nach d e m Berliner Januaraufstand 1919 von Angehörigen der Reichswehr ermordet. Mach, Ernst ( 1 8 . 2 . 1 8 3 8 - 1 9 . 2 . 1 9 1 6 ) . Österreichischer Physiker und Philosoph; Professor der Physik in Graz (1864) und Prag (1867); 1 8 9 5 - 1 9 0 1 Professor der Philosophie in Wien; vertrat eine radikal empiristische Auffassung, die jegliche Metaphysik ablehnte. Malinowskij
—> Bogdanow, A. A.
Malzow, S. I.; Tl.: Mal'cov, Sergej Ivanovic ( 1 8 0 1 - 1 8 9 3 ) . Industrieller; baute in den 1860er und 1870er Jahren eine der größten Unternehmensgruppen in Rußland auf, die u.a. Fabriken der Maschinen-, Holz- und Papierindustrie umfaßte. Manuilow, A . A . ; Tl.: Manuilov, Aleksandr Apollonovic ( 1 8 6 1 - 1 9 2 9 ) . Nationalökonom; Professor an der Universität Moskau ( 1 9 0 1 - 1 9 1 1 ) und deren Rektor ( 1 9 0 5 - 1 9 1 1 ) ; anfangs d e m Narodnlcestvo nahestehend; Mitglied der Konstitutionellen-Demokraten und ihres Zentralkomitees; Agrarexperte der Partei; leitender Redakteur der „Russkija Vedom o s t l " ; 1 9 0 7 - 1 9 1 1 Mitglied des Reichsrates; 1911 mußte er auf ministeriellen Druck seine Professur aufgeben; 1917 Bildungsminister in der Provisorischen Regierung.
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Martow, L.; Tl.: Martov, L. (eigentlich: Cederbaum, Jullj Osipovic) ( 2 4 . 1 1 . 1 8 7 3 4.4.1923). Sozialistischer Theoretiker und Politiker; Mitgründer der russischen Sozialdemokratie; 1895 Mitgründer des St. Petersburger „Kampfbund zur Befreiung der Arbeit"; Mitgründer der „Iskra" und „Zarja"; nach der Parteispaltung von 1903 Führer der Men'sevlki; 1905 Mitarbeit im St. Petersburger Sovet; seit 1920 im Exil. Masslow, P. P.; Tl.: Maslov, Petr Pavlovic (15. 7.1887-4.6.1946). Ökonom; Agrarexperte; Mitglied der Sozialdemokraten (Men'sevik). Mehring, Franz ( 2 7 . 2 . 1 8 4 6 - 2 8 . 1 . 1 9 1 9 ) . Deutscher sozialdemokratischer Politiker und Journalist; Vertreter des linken Flügels der Sozialdemokratie; schloß sich im Ersten Weltkrieg dem Spartakusbund an; Reichstagsabgeordneter der USPD. Menger, Anton (12.9.1841-6.2.1906). Österreichischer Jurist, Ökonom und Sozialpolitiker; 1877-1899 Professor der Rechte an der Universität Wien. Menschikow, M.;TI.: Men'sikov, Michail Osipovic (30.9.1859-1919). Journalist; Redakteur des Novoe Vremja. Meschtscherski, S. B. Fürst; Tl.: Mescerskij, S. B. Knjaz'. Mitglied des Moskauer Gouvernementszemstvo; Mitunterzeichner des Manifestsdes „Sojuz russkich ljudej" (1905). Meschtscherski, W. P. Fürst; Tl.: Mescerskij, Vladimir Petrovic Knjaz' (11.1. 1839-10.7.1914). Publizist; Verleger und Redakteur des „Grazdanln"; stand in enger Beziehung zu Zar —»Alexander III. Meyendorf, Alexander Freiherr von; Tl.: Meiendorf, Aleksandr Feliksovic Baron (30.4.1869-20.2.1964). Baltischer Jurist und Politiker; Mitarbeiter im Innenministerium (seit 1899); Dumaabgeordneter (1907-1917); Mitglied der Union des 17. Oktober. Michailowskij, N. K.; Tl.: Michajlovskij, Nikolaj Konstantinovic (27.11.1842-10.2.1904). Publizist und Soziologe; führender Theoretiker des Narodnicestvo; seit Beginn der 1880er Jahre Mitglied in der „Narodnaja Volja"; Herausgeber der „Otecestvennye Zapiski" (1869-1894) und des „Russkoe Bogatstvo" (seit 1894). Michalin. Mitglied der Schwarzen Hundert; ermordete im Oktober 1905 den russischen Sozialdemokraten Nikolaj F. Bauman. Migulin, Petr Petrovlö ( 1 2 . 8 . 1 8 7 0 - ? ) . Professor für Wirtschaftswissenschaft in Char'kov und in St. Petersburg. Miklaschewskij, A.N.; Tl.: Miklasevskij, Aleksandr Nikolaevlc (8.12.1864-1911). Ökonom; Privatdozent an der Universität Moskau. Miklashewskij, M.P.; Tl.: Miklasevskij, Michail Petrovic. Arzt; Mitglied des „Sojuz Osvobozdenija" in St. Petersburg. Miljukow, P.N.; Tl.: Miljukov, Pavel Nikolaevlc (15.1.1859-31.3.1943). Historiker und Politiker; 1886-1895 Privatdozent an der Universität Moskau, dort 1895 im Zusammenhang mit studentischen Unruhen entlassen; lebte 1897-1905 Im Exil in Bulgarien, der Türkei und den USA, lehrte dort an den Universitäten Sofia und Chicago; 1905 Rückkehr
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Personenverzeichnis
nach Rußland; Mitglied des „Sojuz Osvobozdenija"; 1905 Mitgründer und Führer der Kadetten, seit 1907 Vorsitzender der Partei, seit 1906 leitender Redakteur des Parteiorgans Ree'; Mitglied der Dritten und Vierten Duma; von März bis Mai 1917 Außenminister der Provisorischen Regierung. Miljutin, Jurij Nikolaevic (1856-8.1.1912). Publizist; Mitglied der Oktobristen und Ihres Zentralkomitees (seit 1905). Miquel, Johannes von ( 1 9 . 2 . 1 8 2 8 - 8 . 9 . 1 9 0 1 ) . Deutscher nationalliberaler Politiker und Jurist; 1859 Mitgründer und Ausschußmitglled des Deutschen Nationalvereins; 1867-1871 Mitglied des Reichstages des Norddeutschen Bundes; 1871-1877 und 1887-1890 MdR; 1865-1870 und 1876-1880 Bürgermeister bzw. Oberbürgermeister von Osnabrück; 1880 Oberbürgermeister In Frankfurt a. M.; 1890-1901 preußischer Finanzminister; Exponent der gegen die Sozialdemokratie gerichteten konservativ-liberalen „Sammlungspolitik" ; 1899 publizistische Kontroverse mit Max Weber über die Bedeutung der 1891/1892 vom Verein für Socialpolltik durchgeführten Erhebung über die Lage der Landarbeiter. Mirabeau, Honoré Gabriel de Riquetl Comte ( 9 . 3 . 1 7 4 9 - 2 . 4 . 1 7 9 1 ). Französischer politischer Publizist, Politiker und Schriftsteller; Mitglied der Nationalversammlung; Jakobiner; seit Februar 1791 Präsident der Nationalversammlung. Mischtschenko, L. L.;TI.: Mlscenko, Leon Leonovlc ( 1 7 . 6 . 1 8 8 2 - ? ) . Journalist; Herausgeber der Zeitung „Rabocaja Mysl'"; Mitgründer der „LlgaTruda". Mjäkotin, W. A.; Tl.: Mjakotln, Venedikt Aleksandrovic (25.3.1867-24.9.1937). Historiker und Publizist; Mitherausgeber des „Russkoe Bogatstvo"; Mitglied des „Sojuz Osvobozdenija"; Mitgründer der „Volkssozialistischen Partei" (1906). Moritz, Friedrich Erwin; Tl.: Morlc, Frldrich Ervinovic (29.11.1842-8.11.1907). Baltischer Jurist und Politiker; Vorsitzender des Ausschusses der „Baltischen Konstitutionellen Partei" (1905). Morosow, S.T.; Tl.: Morozov, Savva Tlmofeevic (1862-13.5.1905). Textillndustrieller; Sprecher des reformfreundlichen Flügels des Moskauer Börsenkomitees; Mäzen Makslm Gor'kljs (—> Gorkij) ; unterstützte finanziell die russische Sozialdemokratie; verübte Selbstmord In Cannes. Muromzew, S.A.; Tl.: Muromcev, Sergej Andreevic ( 2 3 . 9 . 1 8 5 0 - 5 . 1 0 . 1 9 1 0 ) . Jurist; Professor für römisches Recht an der Universität Moskau (seit 1877) ; 1884 aus politischen Gründen entlassen; danach Rechtsanwalt; Präsident der Moskauer juristischen Gesellschaft (seit 1880); Herausgeber des „Juridiceskij Vestnik" (seit 1876); zog sich 1884 von polltischen Aktivitäten zurück; seit 1904 Mitglied des „Sojuz Osvobozdenija"; Mitglied der Zemstvobewegung; Verfasser des revidierten Verfassungsentwurfs des „Sojuz Osvobozdenija" vom Juli 1905; Mitglied des Zentralkomitees der Konstitutionellen-Demokraten; Abgeordneter der Ersten Duma und deren Präsident. Napoleon III. ( 2 0 . 4 . 1 8 0 8 - 9 . 1 . 1 8 7 3 ) . Kaiser von Frankreich; Regierungszelt 1 8 5 2 1870.
Personenverzeichnis Nardow,
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K. N.; Tl.: Nardov, K. N. Mitarbeiter der Bauernbank.
Naryschkin, W. L. Fürst; Tl.: Naryskin, Vasilij L'vovic Knjaz' ( 2 8 . 1 2 . 1 8 4 1 - 2 5 . 5 . 1 9 0 6 ) . Großgrundbesitzer. Nasarenko, D.; Tl.: Nazarenko, Dmitrij lllarionovic ( 1 8 6 1 - ? ) . A b g e o r d n e t e r der Ersten Duma; Mitglied der „ t r u d o v a j a g r u p p a " . Neidhardt, A. B.; Tl.: Nejdgart, Aleksej Borisovic ( 1 8 6 3 - 1 9 1 8 ) . G o u v e r n e u r von Ekaterinoslav 1 9 0 4 / 1 9 0 5 ; Führer der gemäßigt rechten „ Z e n t r u m s g r u p p e " im Reichsrat (1906-1917). Neidhardt, D. B.; Tl.: Nejdgart, Dmitrij Borisovic ( 1 8 6 1 - 1 9 4 2 ) . Stadthauptmann v o n O d e s sa ( 1 9 0 3 - 1 9 0 5 und 1907); Mitglied des Senats seit 1907. Nicolaus Nikoiajon,
I. —> Nikolaus I. Tl.: Nikolaj-on (Pseudonym)—» Danijlsson, N. F.
Nikolaus/.; Tl.: Nikolaj I. ( 6 . 7 . 1 7 9 6 - 2 . 3 . 1 8 5 5 ) . Kaiser v o n Rußland; Regierungszeit 1825-1855. Nikolaus II.; Tl.: Nikolaj II. ( 1 8 . 5 . 1 8 6 8 - 1 6 . 7 . 1 9 1 8 ) . Kaiser v o n Rußland; Regierungszeit 1894-1917. Nikolskij, A. P.; Tl.: Nikol'skij, Aleksandr Petrovic ( 1 8 5 1 - ? ) . Direktor der staatlichen Sparkasse ( 1 8 9 3 - 1 9 0 6 ) ; Landwirtschaftsminister (1906); Mitglied des Reichsrates (seit 1906). Nikon ( 2 . 5 . 1 6 0 5 - 1 6 . 8 . 1 6 8 1 ) . Patriarch (seit 1652) w ä h r e n d der Kirchenreform und der Kirchenspaltung im 17. Jahrhundert; 1646 Archimandrit; 1648 Metropolit in N o v g o r o d ; seit 1646 Ratgeber des Zaren Aleksej Michajlovic; 1658 endgültiges Zerwürfnis mit d e m Zaren über die Frage des Verhältnisses von Kirche und Staat; Resignation Nikons; 1 6 6 6 / 1667 v o n einer S y n o d e endgültig abgesetzt und in ein Kloster am Weißen Meer verbannt. Nobel, E. L.; Tl.: Nobel', Emanuil Ludvigoviö ( 2 2 . 6 . 1 8 5 9 - 3 1 . 5 . 1 9 3 2 ) . Industrieller; Leiter der U n t e r n e h m e n s g r u p p e der G e b r ü d e r Nobel' ( 1 8 8 8 - 1 9 1 7 ) . Nowgorodzew, P. I.; Tl.: N o v g o r o d c e v , Pavel Ivanovic ( 1 8 6 6 - 2 4 . 4 . 1 9 2 4 ) . Professor für Rechtsphilosophie in Moskau (seit 1904); Mitglied des „ S o j u z O s v o b o z d e n i j a " und der Konstitutionellen-Demokraten; A b g e o r d n e t e r der Ersten Duma. Nowossilzew, J u . A . ; Tl.: Novosil'cev, Jurij Aleksandrovic ( 1 8 5 3 - ? ) . Z e m s t v o m i t g l i e d ; Mitglied des Beseda-Kreises, des B u n d e s d e r Z e m s t v o - K o n s t i t u t i o n a l i s t e n und der Konstitutionellen-Demokraten. Nowotorshskij,
G.; Tl.: Novotorzskij, G. Mitglied der Partei der Sozialisten-Revolutionäre.
Oboljenskij, A . D . Fürst; Tl.: Obolenskij, Aleksej Dmitrievic Knjaz' ( 1 8 5 5 - S e p t . 1933). Beamter und Politiker; stellvertretender Innenminister ( 1 8 9 7 - 1 9 0 1 ) ; stellvertretender Finanzminister ( 1 9 0 2 - 1 9 0 5 ) ; O b e r p r o k u r o r des Heiligen S y n o d (Okt. 1905 bis April 1906); Mitglied des Reichsrates; entwarf d e n Text des Oktobermanifestes (1905).
Personen
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Oljssufjew; Tl.: Olsuf'ev. Russisches Adelsgeschlecht. Oljssufjew, D.A.; Tl.: Olsuf'ev, Dmitrij Adamovic Graf (2.10.1862-10.2.1937). Vorsitzender des Zemstvo der Provinz Saratov (1902-1904); Mitglied des Reichsrates (seit 1906); Mitglied der Union des 17. Oktober; führendes Mitglied Im „Rat des Vereinigten Adels". Onipko, Fedor Michajlovic (1880-?). Mitglied der „trudovaja gruppa"; Abgeordneter der Ersten Duma; Redakteur der Zeltschrift „Trudovaja Rossija"; lebte von 1906-1917 Im Exil im Ausland. Orlow-Dawydow, W. W.;TI.: Orlov-Davydov, V. P. Graf. Mitglied des Verbandes der Großgrundbesitzer; Zemstvo-Mltglied; Mitunterzeichner des Manlfests des „Sojuz russklch ljudej" (1905). Oserow, I.Ch.; Tl.: Ozerov, Ivan Christoforovlc (1869-1942). Professor für Nationalökonomie; Publizist; Mitglied des Reichsrates. Ostrogorski, W. P.; Tl.: Ostrogorsklj, Viktor Petrovlc (16.2.1840-31.3.1902). Pädagoge, Schriftsteller, Mitherausgeber des „MlrBozIj" und des „Obrazovanle". Parvus (Pseudonym) —> Helphant, Alexander. Pawlow, W. P.; Tl.: Pavlov, Vladimir Petrovlc (?—27.12.1906). Generalleutnant; oberster Militärankläger, von Mitgliedern der PSR ermordet. Pestrzecki, D. I.;TI.: Pestrzeckij, D. I. Publizist; Mitglied des Zentralkomitees der Partei der Rechtsordnung (1906). Peter!.; Tl.: 1682-1725.
Petr I.
(9.6.1672-8.2.1725).
Kaiser
von
Rußland;
Reglerungszeit
Petrazycki, L. I.; Tl.: Petrazlckij, Lev losifovic (13.4.1867-15.5.1931). Jurist; Professor für Rechtsphilosophie und bürgerliches Recht an der Universität St. Petersburg (1897-1917); Abgeordneter der Konstitutlonellen-Demokraten In der Ersten Duma. Petrow, G. S.; TL: Petrov, Grigorij Spirldonovlc (1867-1925). Priester und Publizist; Theologieprofessor am St. Petersburger Polytechnikum; gründete Im Oktober 1905 die „christlich-konstltutionelle Partei"; später Mitglied der Konstitutlonellen-Demokraten und Abgeordneter der Zweiten Duma. Petrunkjewitsch, J.J.; Tl.: Petrunkevlc, Ivan II'ic (1844-14.6.1928). Großgrundbesitzer und Politiker; seit 1868 aktiv In derZemstvobewegung; 1878/1879 Initiator der sogenannten „Ersten Zemstvobewegung"; 1879 verhaftet und nach Kostroma verbannt; seit 1891 aktiv Im Tver'schen Zemstvo; führende Rolle In der Organisation der Zemstvo-Kongresse der Jahre 1904/1905; Organisator des „Sojuz Osvobozdenlja"; einer der Gründer und Führer der Konstitutlonellen-Demokraten; Abgeordneter der Ersten Duma; Vorsitzender des Zentralkomitees der Konstltutionellen-Demokraten (1911-1915). Petrunkjewitsch, M. I.; Tl.: Petrunkevlc, Michail ll'ic (1845-1912). Bruder des Vorstehenden; Teilnehmer der Zemstvobewegung; Zemstvo-Arzt seit 1892; seit 1899 Fabrikdirek-
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tor in St. Petersburg; Mitglied der St. Petersburger Stadtduma seit 1898; Mitglied des „ Sojuz Osvobozdenija" und der Konstitutionellen-Demokraten; Abgeordneter der Ersten Duma. Philin; J\.: Filin. Mitglied der Partei der Rechtsordnung (1906). Philipp; Tl.: Filipp ( 1 5 0 7 - 2 3 . 1 2 . 1 5 6 9 ) . 1548 Abt des Soloveckij-Klosters; Metropolit (seit 1566); wegen öffentlicher Kritik an der Opricnina Zar Ivans IV. (-> Iwan IV.) von diesem 1568 abgesetzt und verbannt; von einem Mitglied der Opricnina an seinem Verbannungsort ermordet. Pichno, Dmitrij Ivanovic ( 1 . 1 . 1 8 5 3 - 2 9 . 7 . 1 9 1 3 ) . Nationalökonom und Publizist; Professor an der Universität Kiev (1877-?); Zemstvomitglied; Herausgeber des „Kievljanin" (1879-1907); seit 1907 Mitglied des Reichsrates. Pilenko, A.
Piljenko, A.
Piijenko, A.A.; Tl.: Pilenko, Aleksandr Aieksandrovic (1873-?). Jurist und Publizist; Professor für internationales Recht an der Universität St. Petersburg; Mitglied der Union des 17. Oktober bis Ende April 1906. Pjeschechonow, A. W.; Tl.: Pesechonov, Aleksej Vasll'evic ( 2 1 . 1 . 1 8 6 7 - 3 . 4 . 1 9 3 3 ) . Politiker, Publizist und Zemstvostatistiker; Mitarbeiter des „Russkoe Bogatstvo" seit 1899, ab 1904 Herausgeber; Vertreter des liberalen Narodnicestvo; Mitglied des „Sojuz Osvobozdenija"; Mitgründer der „Partei der Volkssozialisten" (1906). Piansson, W.A.; Tl.: Planson, Viktor Antonovic de. Rechtsanwalt; Vorsitzender der „Liga Truda" (1906). Piechanow, G. W.; Tl.: Plechanov, Georgij Valentinovic ( 2 9 . 1 1 . 1 8 5 6 - 3 0 . 5 . 1 9 1 8 ) . Sozialistischer Theoretiker und Politiker; zunächst Mitglied der Narodniki; Mitbegründer der russischen Sozialdemokratie; seit 1880 im Exil; gründete 1880 in Genf gemeinsam mit P. Aksel'rod (—* Axelrod) und Vera Zasulic (-> Sassulitsch) den marxistischen „Bund zur Befreiung der Arbeit"; Mitgründer der „Iskra"; nach der Parteispaltung 1903 anfangs den Bol'seviki nahestehend; später den Men'seviki; kehrte 1917 nach fast 40jährigem Exil nach Rußland zurück; Gegner der Politik der Bol'seviki 1917. Piehwe, W.K. von; Tl.: Pleve, Vjaceslav Konstantinovic fon ( 2 0 . 4 . 1 8 4 6 - 1 5 . 7 . 1 9 0 4 ) . Beamter und Politiker; Direktor des Polizeidepartements (1881-1884); stellvertretender Innenminister (1884-1894);'Innenminister und Chef der Gendarmerie (1902-1904); galt als Repräsentant eines reaktionären Kurses in der Innenpolitik; Gegner Vittes (—• Witte); von Mitgliedern der Sozialrevolutionäre ermordet. Pobjedonosszew, K.P.; Tl.: Pobedonoscev, Konstantin Petrovic (21.5. 1827— 10.3.1907). Jurist und Politiker; 1 8 6 0 - 1 8 6 5 Professor für Zivilrecht an der Universität Moskau; Oberprokuror des Heiligen Synod (1880-1905); Mitglied des Staatsrates (1872-1905); Lehrer - > Alexander III. und - » Nikolaus II.; Ratgeber Alexander III. und Nikolaj II. in den ersten Jahren von dessen Regierung; Vertreter einer konservativen Politik. Postnikow, W. E.; Tl.: Postnikov, Vladimir Efimovic (1844-1908). Ökonom und Statistiker; Beamter im Landwirtschaftsministerium.
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Potocki, J. A.; Tl.: Potockij, loslf Al'fredovic Graf (1862-?). Jurist und Großgrundbesitzer im Gouvernement Volhynien; Abgeordneter der Ersten Duma. Potressow, A. N.; Tl.: Potresov, Aleksandr Nikolaevlc (Pseudonym: Starowjer; Tl.: Starov'er) ( 1 9 . 8 . 1 8 6 9 - 1 9 3 4 ) . Sozialdemokratischer Politiker und Publizist; einer der Führer der Men'seviki; Mitherausgeber der „Iskra" und „Zarja". Prokopowitsch, F.; Tl.: Prokopovlc, Feofan ( 8 . 6 . 1 6 8 1 - 8 . 9 . 1 7 3 6 ) . 1718 Bischof von Pskov; seit 1724 Erzbischof von Novgorod; seit 1716 enger Berater Peters I. bei dessen Reformen; 1721 Vizepräsident des Synod; Mitgründer der Akademie der Wissenschaften; rechtfertigte In seinen Schriften die absolute Monarchie und die Machtstellung des Staates. Prokopowitsch, S. N.; Tl.: Prokopovic, Sergej Nlkolaevic (1871-1955). Nationalökonom und Publizist; anfangs dem Narodnlcestvo nahestehend; seit 1892 Hinwendung zum Marxismus; Im Exil von 1894 bis 1899; Mitglied des „Sojuz Osvobozdenlja"; stand der Gruppe um „Russkoe Bogatstvo" nahe; 1905 aktiv Im „Sojuz Sojuzov" und der Gewerkschaftsbewegung; Mitgründer der Gruppe „Bez Zaglavija" und der Zeltschrift gleichen Namens; später Herausgeber des „Tovarisc"'. Pustoschkin;l\.:
Pustoskin. Industrieller.
Putjatin, N.S. Fürst; Tl.: Putjatin, N.S. Knjaz'. General; Mitglied desTverschen Zemstvo; Mitunterzeichner des Manifests des „Sojuz russkich ljudej" (1905). Puttkamer-Plauth, Robert von ( 5 . 5 . 1 8 2 8 - 1 5 . 3 . 1 9 0 0 ) . Deutscher Politiker; seit 1877 Oberpräsident von Schlesien; 1879 preußischer Kultusminister; 1881 Innenminister und Vizepräsident des Staatsministeriums; verfolgte einen äußerst konservativen Kurs; 1888 von Kaiser Friedrich entlassen; 1891-1899 Oberpräsident von Pommern. Rajljan, Foma Rodlonovic. Mitglied des Zentralkomitees der Partei der Rechtsordnung (1906). Rappoport, Charles Léon ( 1 4 . 6 . 1 8 6 5 - 1 7 . 1 1 . 1 9 4 1 ) . Russisch-französischer Soziallst. Reinhardt, L. W.; Tl.: Rejngart, Ludvlg Vasll'evlc (1847-1912). Professor der Botanik; 1905/1906 Rektor der Universität Char'kov. Richter, Dmltrij Ivanovic (1848-1919). Ökonom, Statistiker und Geograph; zeitweise Sekretär der Kaiserlichen Freien ökonomischen Gesellschaft. Rittich, Aleksandr Aleksandrovlc (1868-1930). Mlnisterialbeamter; Agrarexperte und enger Mitarbeiter Stolyplns; Landwirtschaftsminister (1916/1917). Roberti, E.W. und S.W. de—> Roberty. Roberty, E.W. de; Tl.: Roberti, Evgenij Valentlnovlc de ( 1 3 . 1 2 . 1 8 4 3 - 2 4 . 4 . 1 9 1 5 ) . Philosoph und Soziologe; 1887 Emigration aufgrund seiner Aktivitäten In der Zemstvobewegung; 1 8 9 4 - 1 9 0 7 Professor an der Universität Brüssel; 1 9 0 8 - 1 9 1 5 Professorin St. Petersburg. Roberty, S. W. de; Tl.: Robertl, Sergej Valentlnovlc de ( 1 8 4 3 - ? ) . Bruder des Vorstehenden; Gutsbesitzer Im Gouvernement Tver', Mitglied derZemstvobewegung.
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Roditschew, F.I.; Tl.: Rodicev, Fedor izmailovic ( 9 . 2 . 1 8 5 4 - 2 8 . 2 . 1 9 3 3 ) . Jurist; Mitglied der Z e m s t v o b e w e g u n g ; 1 8 7 8 - 1 8 9 0 Distriktsadelsmarschall In V e s ' e g o n s k ( G o u v e r n e ment Tver'); f ü h r e n d an d e n konstitutionellen Resolutionen des T v e r ' s c h e n Z e m s t v o v o n 1878, 1881 u n d 1894 beteiligt; w e g e n Beteiligung an der Resolution v o n 1894 von allen öffentlichen Ä m t e r n a u s g e s c h l o s s e n ; Mitglied des „ S o j u z O s v o b o z d e n i j a " und des Bundes der Zemstvo-Konstitutionalisten; Mitglied der Konstitutioneilen-Demokraten und ihres Zentralkomitees; A b g e o r d n e t e r der Ersten bis Vierten Duma. Romanowskij-Romanjko, A.; Tl.: R o m a n o v s k i j - R o m a n ' k o , A. 1 9 0 5 / 1 9 0 6 Vorsitzender der Freisinnigen Partei (Partija Svobodomysljascich). T h e o d o r e ( 2 7 . 1 0 . 1 8 5 8 - 6 . 1 . 1 9 1 9 ) . 26. Präsident der U S A 1 9 0 1 - 1 9 0 9 .
Roosevelt,
Ropp, Eduard Michael J o h a n n Maria Baron von der; Tl.: Ropp, Eduard Emerichovic Baron fon der (14.12.1851—Juli 1939). Baltischer Geistlicher; römisch-katholischer Erzbischof von Vil'na (bis 1917); Erzbischof v o n Mogilev 1 9 1 7 - 1 9 1 9 ; A b g e o r d n e t e r der Ersten Duma. Rusanow, N . S . ; Tl.: Rusanov, Nikolaj Sergeevic ( P s e u d o n y m : N . K u d r i n ) ( 1 8 5 9 - 1 9 3 9 ) . Publizist; Mitglied der „Narodnaja Volja"; später der Sozialrevolutionäre. Sachovskoj, Sagrebin,
D. I. und M . — » S c h a c h o w s k o j . T. A.; Tl.: Zagrebin, T. A. Mitglied der Handels- und Industriepartei (1906).
Samarin —> Ssamarln. Sassulitsch, W. J.; Tl.: Zasulic, Vera Ivanovna ( 2 7 . 7 . 1 8 4 9 - 8 . 5 . 1 9 1 9 ) . Mitglied der Nar o d n i k i - B e w e g u n g ; 1878 Attentat auf d e n Stadthauptmann von St. Petersburg, Trepov; v o m S c h w u r g e r i c h t freigesprochen; Emigration in die S c h w e i z ; H i n w e n d u n g z u m Marxismus (seit 1883); Mitgründerin der russischen sozialdemokratischen B e w e g u n g ; Mitarbeit an der „ I s k r a " und „ Z a r j a " ; nach der Spaltung der russischen Sozialdemokratie Mitglied der Men'sevlkl. Scepkin,
E. N. —• Schtschepkln, E. N.
Scerbakov,
S. —> Schtscherbakow, S.
Scerbatov,
A. G. - » Schtscherbatow, A. G.
Schachowskoj, D. I. Fürst; Tl.: Sachovskoj, Dmitrij IvanovicKnjaz' ( 1 8 6 1 - 1 9 3 9 ) . Z e m s t v o Aktivist; Mitglied des „ B e s e d a - K r e i s e s " ; Mitglied des „ S o j u z O s v o b o z d e n i j a " , an der G r ü n d u n g der Zeitschrift „ O s v o b o z d e n l e " f ü h r e n d beteiligt; Mitglied der Konstitutionell e n - D e m o k r a t e n und ihres Zentralkomitees; A b g e o r d n e t e r der Ersten Duma. Schachowskoj, und Publizist.
Michael Fürst; Tl.: Sachovskoj, Michail L' vovic Knjaz'. Z e m s t v o m i t g l i e d
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Schäifle, Albert Eberhard Friedrich (24.2.1831-25.12.1903). Deutscher Nationalökonom und Soziologe; 1860 Privatdozent für Staatswissenschaften in Tübingen; seitdem Herausgeber der „Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft"; 1861-1865 Mitglied des württembergischen Landtages; 1868 Berufung als Professor an die Universität Wien. Scheremetjew;J\.:
Seremetev. Russische Adelsfamilie.
Scheremetjew, P.S.; Tl.: Seremetev, Pavel Sergeevic (1871-1942). Distriktsadelsmarschall von Zvenigorod; Mitglied des „Sojuz russkich ljudej" (1905/1906). Schestakow, P. M.; Tl.: Sestakov, P. M. Ökonom und Publizist. Schidlowskij, N.W.; Tl.: Sidlovskij, Nikolaj Vladimirovic (1843-1907). Senator; Mitglied des Reichsrates; Vorsitzender der im Januar 1905 eingesetzten Untersuchungskommission über die Gründe der Unzufriedenheit der Arbeiter. Schipow, D.N.; Tl.: Sipov, Dmitrij Nikolaevic (1851-31.10.1920). Zemstvo-Aktivist; 1893-1904 Vorsitzender des Gouvernementszemstvo Moskau; Mitglied des „BesedaKreises"; Führer des rechten Flügels der Zemstvobewegung; Mitgründer der Union des 17. Oktober, später der Partei der friedlichen Erneuerung; Mitglied des Reichsrates (1906-1909); zog sich 1911 von polltischen Aktivitäten zurück. Schirinskij-Schichmatow, A.A. Fürst; Tl.: Sirinskij-Sichmatov, Aleksej Aleksandrovic Knjaz' (1862-Dez. 1920). Senator; Mitglied des Reichsrates (seit 1906); 1906 0berprokuror des Heiligen Synod. Schmidt, Heinrich Julian ( 7 . 3 . 1 8 1 8 - 2 7 . 3 . 1 8 8 6 ) . Deutscher Publizist und Literaturhistoriker; Freund der Familie Weber in Berlin; Bekanntschaft mit Ivan Turgenev. Schmidt, P. P.; Tl.: Smidt, Petr Petrovic (5.2.1867-6.3.1906). Leutnant der russischen Armee; führende Teilnahme am Sevastopol'-Aufstand (11.11.—16.11.1905); nach dessen Niederschlagung verhaftet, zum Tode verurteilt und standrechtlich erschossen. Schrejder, G.J.; Tl.: Srejder, Grigorij ll'ic ( 2 8 . 3 . 1 8 6 0 - ? ) . Publizist; Teilnehmer der Zemstvobewegung; der Gruppe um „Russkoe Bogatstvo" und den Sozialrevolutionären nahestehend. Schtschepkin, E. N.; Tl.: Scepkin, Evgenij Nikolaevic (13.5.1860-12.11.1920). Historiker; Professor an der Universität Odessa; Mitglied der Konstitutionellen-Demokraten und ihres Zentralkomitees. Schtscherbakow,
S.; Tl.: Scerbakov, S. Jurist und Publizist.
Schtscherbatow, A. G. Fürst; Tl.: Scerbatov, Aleksej Grigor'evic Knjaz' (20.9. 1 8 4 8 19.2.1912). Führendes Mitglied und Mitbegründer des „Sojuz russkich ljudej"; Gründungsmitglied der „Union der Großgrundbesitzer" (Sojuz zemlevladel'cev). Schulze-Gävernitz, Gerhart von (25.7.1864-10.7.1943). Deutscher Nationalökonom; 1890 Privatdozentin Leipzig; 1893 a. o. Prof. und von 1896-1923 0. Prof. in Freiburg/Br., danach aus Krankheitsgründen von den Amtspflichten entbunden; 1912-1920 Reichstagsabgeordneter der Fortschrittlichen Volkspartei und der Deutschen Demokratischen Partei; seit Max Webers Professur in Freiburg freundschaftliches Verhältnis zu ihm.
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Schuwalow, I. E.; Tl.: Suvalov, Ivan Evseevic (1875-?). Abgeordneter der Ersten Duma; den Konstitutioneilen-Demokraten nahestehend. Seremetev, P. S. - > Scheremetjew, P. S. Sergej Aieksandroviö
Ssergjej.
Sergij—> Ssergjej. Sestakov, P. M. —• Schestakow, P. M. Shilkin, I.W.; Tl.: Zilkin, Ivan Vasil'evic (1874-?). Journalist; Mitglied der Trudoviki; Abgeordneter der Ersten Duma. Shishilenko, A. A.; Tl.: Zizilenko, Aleksandr Aleksandrovic (1873-?). Professorder Rechte in St. Petersburg. Shukowskij, D. E.; Tl.: Zukovskij, Dmitrij Evgen'evic. Verleger; Zemstvomitglied. Shukowsky, D. E.
Shukowskij, D. E.
Sidlovskij, N. V. —> Schidlowskij, N. W. Sienkiewicz, Henryk (5.5.1846-15.11.1916). Polnischer Schriftsteller und Journalist; Literaturnobelpreisträger 1905. Simkhowitsch, Wladimir G.; Tl.: Zimchovic, Vladimir Grigor'evic (1.10. 1874-10. 12. 1959). Russisch-amerikanischer Nationalökonom; 1898 Promotion in Halle; seit 1904 Professor für Wirtschaftsgeschichte an der Columbia-Universität, New York. Simmel, Georg ( 1 . 3 . 1 8 5 8 - 2 6 . 9 . 1 9 1 8 ) . Deutscher Philosoph und Soziologe; 1900 Professor in Berlin; seit 1914 Professor in Straßburg; einer der Begründer der Soziologie in Deutschland; von Max Weber wissenschaftlich hoch geschätzt; es bestanden auch enge persönliche Beziehungen. Sipov, D. N. - > Schipow, D. N. Sirinskij-Sichmatov,
A. A. - » Schirinskij-Schichmatow, A. A.
Sirotkin, D. V. - » Ssirotkln, D. W. Skalon, Georgij Antonovic(1848-1914). Generalleutnant; General-Gouverneur von Warschau (1905-1914). Smidt, P. P.
Schmidt, P. P.
Sokolov, D.V., N.D., S.I.-»Ssokolow, D.W., N.D, S.l. Solov'ev, V. S. —> Ssolowjow, W. S. Sol'skij, D. M.
Ssolskij, D. M.
732
Personenverzeichnis
Sombart, Werner ( 1 9 . 1 . 1 8 6 3 - 1 8 . 5 . 1 9 4 1 ) . Deutscher Nationalökonom und Soziologe; Repräsentant des linken Flügels im Verein für Socialpolitik; 1890 Extraordinarius in Breslau ; seit 1906 Professor an der H a n d e l s h o c h s c h u l e in Berlin; 1 9 1 8 - 1 9 3 1 Professor an der Universität Berlin; 1 8 9 6 - 1 9 0 2 parteiloser Stadtverordneter in Breslau; gab seit 1904 g e m e i n s a m mit Max W e b e r und Edgar Jaffe das „ A r c h i v für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik" heraus. Spasskij, nija".
Jurij A. Teilnehmer der Z e m s t v o b e w e g u n g ; Mitglied des „ S o j u z O s v o b o z d e -
Speranski, M . M . ; Tl.: Speranskij, Michail Michajlovic Graf ( 1 2 . 1 . 1 7 7 2 - 2 3 . 2 . 1 8 3 9 ) . Staatsmann; seit 1797 im Staatsdienst; 1 8 0 3 - 1 8 0 7 Tätigkeit im Innenministerium; 1807 Staatssekretär Alexanders I.; 1 8 1 0 - 1 8 1 2 Reichssekretär; 1812 V e r b a n n u n g nach NiznijN o v g o r o d ; später nach Perm; 1816 G o u v e r n e u r von Penza; 1819 G e n e r a l - G o u v e r n e u r von Sibirien; 1821 Rückkehr nach St. Petersburg; Mitglied des Reichsrates; seit seiner Tätigkeit im Innenministerium Ausarbeitung zahlreicher Projekte zur Staats- und Regierungsreform; 1809 Projekt zur Umgestaltung des Russischen Reiches in eine konstitutionelle Monarchie; ab 1826 Leitung der Arbeiten zur Kodifizierung des russischen Rechts. Spiridonowa, M . A . ; T I . : Spiridonova, Marija A l e k s a n d r o v n a ( 1 6 . 1 0 . 1 8 8 4 - 1 9 4 1 ) . Mitglied der Partei der Sozialisten-Revolutionäre; verübte 1905 ein Attentat auf einen Reglerungsrat; bis 1917 inhaftiert; Mitglied des Zentralkomitees der linken Sozialrevolutionäre 1 9 1 7 / 1918; in der U d S S R bis ca. 1930 Inhaftiert, dann amnestiert. Srejder,
G. I. —• Schrejder, G. J.
Ssamarin, A. D.; Tl.: Samarin, Aleksandr Dmitrievic ( 3 0 . 1 . 1 8 6 8 - 1 7 . 2 . 1 9 3 2 ) . Adelsmarschall v o n B o g o r o d s k ( 1 8 9 9 - 1 9 0 8 ) ; Gouvernementsadelsmarschall von Moskau ( 1 9 0 8 - 1 9 1 7 ) ; Mitglied des Reichsrates seit 1899. Ssamarin, F . D . ; Tl.: Samarin, Fedor Dmitrievic ( 4 . 2 . 1 8 5 8 - 2 3 . 1 0 . 1 9 1 6 ) . Bruder des V o r s t e h e n d e n ; Philosoph; Adelsmarschall von B o g o r o d s k ( 1 8 7 5 - 1 8 8 4 ) ; Vorsitzender des Moskauer G o u v e r n e m e n t s z e m s t v o ( 1 8 8 6 - 1 9 0 3 ) ; Mitglied des Reichsrates seit 1906. Ssamarin, J . F . ; Tl.: Samarin, Jurij Fedorovic ( 2 1 . 4 . 1 8 1 9 - 1 9 . 3 . 1 8 7 6 ) . Historiker und Publizist; führender Vertreter des Slavophilismus; an der Vorbereitung und D u r c h f ü h r u n g der Bauernbefreiung von 1861 f ü h r e n d beteiligt. Ssergjej; Tl.: Sergej Aleksandrovlc ( 2 9 . 4 . 1 8 5 7 - 4 . 2 . 1 9 0 5 ) . Großfürst; G e n e r a l g o u v e r neur von Moskau; Onkel des Zaren Nikolaj II.; von Mitgliedern der Partei der SozialistenRevolutionäre ermordet. Ssergjej; Tl.: Sergij (Ivan Nlkolaevic Stragorodsklj) ( 1 8 6 7 - 1 9 4 4 ) . Bischof v o n J a m b u r g ; Erzbischof von Finnland (seit 1905). Ssirotkin,
D . W . ; Tl.: Slrotkin, Dmitrij Vasll'evic. Großindustrieller; Führer der Altgläubigen.
Ssokolow, N. D.; Tl.: Sokolov, Nikolaj Dmitrievic ( 1 8 7 0 - 1 9 2 8 ) . Rechtsanwalt; Mitglied des „Sojuz Sojuzov". Ssokolow,
S. I.; Tl.: Sokolov, S. I. Beamter des Innenministeriums; Zensor.
Personenverzeichnis
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Ssokoiow, W. A.; Tl.: Sokolov, Vasilij Aleksandrovlc (1851-1918). Professor an der Geistlichen Akademie In Moskau. Ssolowjow, W. S.; Tl.: Solov'ev, Vladimir Sergeevic ( 1 6 . 1 . 1 8 5 3 - 3 1 . 7 . 1 9 0 0 ) . Philosoph, Publizist und Dichter; 1877-1881 Dozent für Philosophie an der Moskauer Universität; 1881 nach öffentlichem Eintreten für die Begnadigung der Mörder Alexanders II. vom akademischen Lehramt suspendiert; trat für eine Überwindung der christlichen Kirchenspaltung ein; Wegbereiter der ökumenischen Bewegung; in seinen philosophischen Werken strebte er nach einer Synthese des Glaubens des christlichen Ostens mit der Philosophie des deutschen Idealismus. Ssolskij, D. M.; Tl.: Sol'sklj, Dmitrij Martynovic Graf (1833-1910). Beamter und Politiker; seit 1852 Im Staatsdienst; 1867-1878 Reichssekretär; 1 8 7 8 - 1 8 8 9 Reichskontrolleur; Mitglied des Reichsrates (seit 1889); Vorsitzender des Reichsrates (1905-1906). Ssuchomlinow, W.A.; Tl.: Suchomlinov, Vladimir Aleksandrovlc ( 4 . 8 . 1 8 4 8 - 2 . 2 . 1 9 2 6 ) . General; kommandierender General in Kiev (1904-1908); seit 1908 im Generalstab; Kriegsminister (1909-1915); Mitglied des Reichsrates. Ssuworin, „Rus"'.
A . A . ; Tl.: Suvorin, Aleksej Alekseevic ( 1 8 6 2 - ? ) . Verleger; Herausgeber der
Ssuworin, A.S.; Tl.: Suvorin, Aleksej Sergeevic ( 1 1 . 9 . 1 8 3 4 - 1 1 . 8 . 1 9 1 2 ) . Vater des Vorstehenden; Verlegerund Publizist; Herausgeber des „Novoe Vremja". Sswjätlowskij, W. W.; Tl.: Svjatlovskij, Vladimir Vladlmirovic ( 1 8 6 9 - 2 2 . 1 1 . 1 9 2 7 ) . Historiker und Ökonom; seit 1898 Dozent an der St. Petersburger Universität; stand seit 1906 In Briefwechsel mit Max Weber. Stachowitsch, A. A.; Tl.: Stachovic, Aleksandr Aleksandrovlc Graf ( 3 . 4 . 1 8 5 8 - 5 . 4 . 1 9 1 5 ) . Zemstvo-Tellnehmer; 1 8 9 5 - 1 9 0 4 Distriktsadelsmarschall in Elec (Gouvernement Orel); Mitglied des „Sojuz Osvobozdenlja" und des Bundes der Zemstvo-Konstitutionalisten; Mitglied der Konstitutioneilen-Demokraten; Abgeordneter der Zweiten Duma. Stachowitsch, M.A.; Tl.: Stachovic, Michail Aieksandrovic Graf ( 8 . 1 . 1 8 6 1 - 2 3 . 9 . 1 9 2 3 ) . Bruder des Vorstehenden; Zemstvo-Teilnehmer; seit 1895 Adelsmarschall von Orel; Mitglied im „Beseda-Kreis"; seit 1905 Mitglied derOktobristen, dann 1906 Mitgründer der „Partei der friedlichen Erneuerung"; Abgeordneter der Ersten und Zweiten Duma; seit 1907 Mitglied des Reichsrats. Stammler, Rudolf ( 1 9 . 2 . 1 8 5 6 - 2 5 . 4 . 1 9 3 8 ) . Deutscher Rechtsphliosoph; 1882 Professor In Marburg, 1884 in Gießen, 1885 In Halle und von 1 9 1 6 - 1 9 2 3 in Berlin; seine Rechtsphilosophie steht der Marburger Schule des Neokantlanlsmus nahe. Starowjer; Tl.: Starov'er (Pseudonym) - > Potressow, A. A. Stenbok-Fermor, V. V. Graf. Großgrundbesitzer aus Cherson; Zemstvomitgiled; Vorsitzender des Gouvernementszemstvo Cherson 1905. Stischinski, A. S.; Tl.: Stisinskij, Aleksandr Semenovic (1851-1920). Beamter Im Innenministerium seit 1872; stellvertretender Innenminister (1899-1904); Landwirtschaftsminister (April-Juli 1906); Mitglied des Reichsrates seit 1904.
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Personenverzeichnis
Stolypin, Petr Arkad'evic ( 2 . 4 . 1 8 6 2 - 5 . 9 . 1 9 1 1 ) . Politiker; 1 8 8 7 - 1 9 0 2 Adelsmarschall in Kovno; 1 9 0 2 / 1 9 0 3 G o u v e r n e u r von G r o d n o ; 1 9 0 3 - 1 9 0 6 G o u v e r n e u r von Saratov; ab April 1906 Innenminister, seit Juli 1906 zugleich Ministerpräsident; im S e p t e m b e r 1911 ermordet; mit einer M i s c h u n g aus Repression und Reform s u c h t e er die U n r u h e n im Russischen Reich zu unterdrücken; führte Insbesondere im Agrarbereich (Auflösung der Obscina) eine Reihe von R e f o r m e n durch. Stratonizkij, K. A.; Tl.: Stratonickij, K. A. Privatdozent; Mitunterzeichner des Manifests des „ S o j u z russkich ljudej" (1905). Struve, P. B.; Tl.: Struve, Petr Berngardovic ( 2 6 . 1 . 1 8 7 0 - 2 6 . 2 . 1 9 4 4 ) . Publizist, Ö k o n o m und Politiker; in den 1890er Jahren „legaler Marxist"; Verfasser des ersten Manifests der RSDRP; Mitarbeit an den ersten N u m m e r n der „ I s k r a " ; dann Mitgründer des „ S o j u z O s v o b o z d e n i j a " ; Herausgeber der Zeitschrift „ O s v o b o z d e n i e " , zuerst in Stuttgart, dann seit Ende 1904 in Paris; Mitglied des Zentralkomitees der Konstitutionellen-Demokraten, zu deren rechtem Flügel er gehörte; 1920 Mitglied der Regierung des Barons P. N. Vrangel'. Subatow, S. V.; Tl.: Zubatov, Sergej Vasil'evic ( 1 8 6 4 - 3 . 3 . 1 9 1 7 ) . Seit den 1880er Jahren Mitarbeiter und von 1896 bis 1903 Leiter der Moskauer Abteilung der Ochrana ( G e h e i m polizei); Initiator und Förderer einer von der Regierung gesteuerten A r b e i t e r b e w e g u n g . Subrilin, A . A . ; Tl.: Zubrilin, Aleksandr A r s e n ' e v l c ( 8 . 3 . 1 8 6 8 - 1 9 4 8 ) . Z e m s t v o - A n g e s t e l l ter, Agrarwissenschaftler. Suchomlinov,
V. A. —* S s u c h o m i l n o w , W. A.
Suvalov,
I. E. —> Schuwalow, I. E.
Suvorin,
A . A . und A . S . ^ S s u w o r l n , A. A. und A. S.
Svjatlovskij,
V. V. —> Sswjätlowskij, W. W.
Swiatopolk-Mirski, P . D . Fürst; Tl.: Svjatopolk-Mirskij, Petr Dmitrievic Knjaz' ( 1 8 . 8 . 1 8 5 7 - 1 6 . 5 . 1 9 1 4 ) . Beamter und Politiker; stellvertretender Innenminister ( 1 9 0 0 - 1 9 0 2 ) ; Innenminister ( 1 9 0 4 / 1 9 0 5 ) . Taganzew, N . S . ; Tl.: Tagancev, Nikolaj Stepanovic ( 1 8 4 3 - 1 9 2 3 ) . Jurist; Professor in St. Petersburg ( 1 8 6 8 - ? ) ; Senator (seit 1887); Mitglied des Reichsrates (seit 1906); Verfasser des Strafgesetzbuches von 1903. Tarassow, A. A.; Tl.: Tarasov, A. A. Mitglied des Zentralkomitees der Partei der Rechtsordnung. Tarassow, I.T.; Tl.: Tarasov, Ivan Troflmovic ( 1 8 4 9 - ? ) . Jurist; Professor für Polizeirecht an der Universität Moskau ( 1 8 8 9 - ? ) ; Mitunterzeichner des Manifests des „ S o j u z russkich ljudej" (1905). Tatischtschew, I. D.;TI.: Tatiscev, Ivan Dmitrievic Graf ( 1 8 7 2 - 1 9 1 5 ) . Mitunterzeichner des Manifests des „ S o j u z russkich ljudej" (1905).
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Tiesenhausen, W. A.; Tl.: Tizengausen, V. A. Baron ( 5 . 9 . 1 8 4 5 - 3 0 . 1 . 1 9 1 5 ) . Mitgründer der Partei der R e c h t s o r d n u n g ; dann Mitglied der Union d e s 17. Oktober; A b g e o r d n e t e r der Ersten Duma. Timirjasjew, W. I.; Tl.: Timirjazev, Vaslllj Ivanovic ( 1 9 . 3 . 1 8 4 9 - 1 9 1 9 ) . Seit 1873 im Finanzministerium tätig; stellvertretender Finanzminister ( 1 9 0 2 - 1 9 0 5 ) ; Minister für Handel und Industrie ( 2 8 . 1 0 . 1 9 0 5 - 6 . 2 . 1 9 0 6 ) ; Mitglied d e s Reichsrates (seit 1906); nach s e i n e m Rücktritt in der Wirtschaft tätig; Januar 1 9 0 9 bis N o v e m b e r 1909 erneut Minister für Handel und Industrie. Tizengausen,
V. A.
T i e s e n h a u s e n , W. A.
Tolstoj, 1.1.; Tl.: Tolstoj, Ivan Ivanovic Graf ( 1 8 5 8 - 1 9 1 6 ) . A r c h ä o l o g e und N u m i s m a t i k e r ; Vizepräsident der kaiserlichen A k a d e m i e der Künste ( 1 8 9 3 - 1 9 0 5 ) ; Minister für Volksaufklärung (Oktober 1 9 0 5 - A p r i l 1906). Tolstoj, Leo; Tl.: Tolstoj, Lev Nikolaevic Graf ( 2 8 . 8 . 1 8 2 8 - 7 . 1 1 . 1 9 1 0 ) . Schriftsteller. Tolstoj, P. M.; Tl.: Tolstoj, P. M. Graf. Beamter d e s Reichsrates. Totomianz, W. F.; Tl.: Totomianc, Vachtang Fomic ( 2 1 . 1 . 1 8 7 5 - 9 . 5 . 1 9 6 4 ) . Nationalökon o m und Theoretiker der G e n o s s e n s c h a f t s b e w e g u n g . Trepow, D . F . ; Tl.: Trepov, Dmitrij Fedorovic ( 2 . 1 2 . 1 8 5 5 - 2 . 9 . 1 9 0 6 ) . Generalmajor; Oberpolizeimeister in Moskau ( 1 8 9 6 - 1 9 0 5 ) ; G e n e r a l g o u v e r n e u r v o n Petersburg (11. Jan. 1 9 0 5 - 0 k t . 1905); stellvertretender Innenminister (April 1 9 0 5 - 0 k t o b e r 1905); ab O k t o b e r 1905 Palastkommandant; einer der engsten Ratgeber des Zaren w ä h r e n d der Jahre 1 9 0 5 / 1 9 0 6 ; galt als „ G r a u e E m i n e n z " am Kaiserlichen Hof. Troeltsch, Ernst ( 1 7 . 2 . 1 8 6 5 - 1 . 2 . 1 9 2 3 ) . Deutscher evangelischer T h e o l o g e und Philos o p h ; 1 8 9 2 a . o . Prof. In Bonn, 1894 o. Prof. in Heldelberg (jeweils für S y s t e m a t i s c h e Theologie); seit 1915 Nachfolger Diltheys als o. Prof. für Philosophie an der Universität Berlin; 1918 Mitgründer der D e u t s c h e n D e m o k r a t i s c h e n Partei; w o h n t e In Heidelberg einige Jahre im gleichen Hause wie Max Weber, zu d e m e n g e wissenschaftliche Bezieh u n g e n bestanden. Trubezkoj, E.N. (Jewgenlj) Fürst; Tl.: Trubeckoj, Evgenlj Nikolaevic Knjaz' ( 2 3 . 9 . 1 8 6 3 - 2 3 . 1 . 1 9 2 0 ) . Philosoph und Historiker; Professor für R e c h t s p h i l o s o p h i e in Kiev ( 1 8 9 4 - 1 9 0 6 ) und Moskau ( 1 9 0 6 - ? ) ; Mitglied d e s „ S o j u z O s v o b o z d e n i j a " ; 1905 Mitglied der Konstitutioneilen-Demokraten, die er Anfang 1906 w i e d e r verließ und der Partei der friedlichen E r n e u e r u n g beitrat; Mitglied des Reichsrates, dort 1906 einer der Führer der „ a k a d e m i s c h e n G r u p p e " ; Herausgeber d e s „ M o s k o v s k i j E z e n e d e l ' n i k " ( 1 9 0 6 - 1 9 1 0 ) ; Vertreter einer religiös-mystischen Philosophie, die das Werk v o n V. S. S o lov'ev (—> S s o l o w j o w ) fortsetzte. Trubezkoj, Peter N. Fürst; Tl.: Trubeckoj, Petr Nikolaevic Knjaz' ( 1 8 5 8 - 1 9 1 1 ) . Bruder d e s V o r s t e h e n d e n ; Adelsmarschall von Moskau ( 1 8 9 3 - 1 9 0 6 ) ; Mitglied d e s „ S o j u z russkich ljudej" ( 1 9 0 5 / 1 9 0 6 ) ; Mitglied d e s Reichsrates seit 1906; dort einer der Führer der sog. Z e n t r u m s g r u p p e , die der Union des 17. O k t o b e r nahestand.
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Personen Verzeichnis
Trubezkoj, Ssergjej Fürst; Tl.: Trubeckoj, Sergej Nikolaevic Knjaz' (23.7. 1 8 6 2 2 9 . 9 . 1 9 0 5 ) . Bruder der Vorstehenden; Philosoph; Dozent und Professor für Philosophie an der Universität Moskau ( 1 8 8 8 - 1 9 0 5 ) ; 1905 erster gewählter Rektor der Universität Moskau; führender Vertreter der liberalen Reformbewegung; Freundschaft mit V. S. Solov'ev ( - » Ssolowjow), von dessen Denken er stark beeinflußt war. Tschernow, W . M . ; Tl.: Cernov, Viktor Michajiovic ( 1 9 . 1 1 . 1 8 7 3 - 1 5 . 4 . 1 9 5 2 ) . Sozialistischer Theoretiker und Politiker; Führer der Partei der Sozialrevolutionäre; seit Ende der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts aktiv in populistischen Zirkeln; 1899 Emigration nach Paris; Gründungsmitglled der „Agrarsozlalistischen Liga" (1900) und der „Partei der Sozialisten-Revolutionäre" (1901/1902); Redakteur der „Revoljuclonnaja Rossija"; seit 1917 Führer des linken Flügels der PSR; M a i - A u g u s t 1917 Landwirtschaftsminister In der Provisorischen Regierung; 1920 Emigration. Tschernyschewski, N . G . ; T I . : Cernysevskij, Nikolaj Gavrllovic (12. 7 . 1 8 2 8 - 1 7 . 1 0 . 1 8 8 9 ) . Schriftsteller und Publizist; Vertreter radikal-sozialistischer Ideen; Mitarbeiter der Zeitschrift „ S o v r e m e n n i k " ; Verfasser des Romans „Was t u n ? " ( „ Ö t o delat" 1 ), der großen Einfluß auf die studentische J u g e n d ausübte; 1862 verhaftet, 1864 nach Sibirien verbannt. Tschetwerikow, S. J.; Tl.: Cetverikov, Sergej Ivanovic ( 1 8 5 7 - ? ) . Textilfabrikant; Mitglied des Moskauer Börsenkomitees; 1905 Gründungsmitglled der Union des 17. Oktober; 1906 Gründungsmitglied der „Partei der friedlichen Erneuerung" (Partija mirnogo obnovlenija). Tschistiakow, P. S.; Tl.: Cistjakov, P. S. Rechtsanwalt; Direktor der russischen Erdölvereinigung; Mitglied der Union des 17. Oktober. Tschitscherin, B . N . ; Tl.: Clcerin, Boris Nikolaevic ( 2 6 . 5 . 1 8 2 8 - 3 . 2 . 1 9 0 4 ) . Jurist, Philosoph und Historiker; Professor an der Universität Moskau ( 1 8 6 1 - 1 8 6 8 ) ; w e g e n radikaler Ansichten entlassen; Bürgermeister von Moskau ( 1 8 8 1 - 1 8 8 3 ) , zum Rücktritt gezwungen. Tschuprow, A . A . ; Tl.: Cuprov, Aleksandr Aleksandrovlc ( 6 . 2 . 1 8 7 4 - 1 9 . 4 . 1 9 2 6 ) . Statistiker und Nationalökonom; Agrarexperte; Schüler—* Georg Friedrich Knapps; 1 9 0 2 - 1 9 1 7 Professor In St. Petersburg. Tschuprow, A . I . ; Tl.: Cuprov, Aleksandr Ivanovic ( 6 . 2 . 1 8 4 2 - 2 4 . 2 . 1 9 0 8 ) . Vater des Vorstehenden; Nationalökonom, Statistiker und Publizist; Professor an der Universität Moskau ( 1 8 7 8 - 1 8 8 9 ) ; Teilnehmer der Zemstvobewegung. Tugan-Baranowski, M. von; Tl.: Tugan-Baranovsklj, Michail Ivanovic ( 1 8 6 5 - 2 4 . 1 . 1 9 1 9 ) . Nationalökonom; Professor In St. Petersburg 1 8 9 5 - 1 8 9 9 und 1 9 0 5 - 1 9 0 7 ; ab 1918 in Klev; Mitglied der Konstitutlonellen-Demokraten; seit 1906 Mitglied des Reichsrates; einer der bedeutendsten russischen Nationalökonomen; Theoretiker der Genossenschaftsbewegung. Turgeniew, ler.
Iwan S.; Tl.: Turgenev, Ivan Sergeevic ( 2 8 . 1 0 . 1 8 1 8 - 2 2 . 8 . 1 8 8 3 ) . Schriftstel-
Twesten, Karl ( 2 2 . 4 . 1 8 2 0 - 1 4 . 1 0 . 1 8 7 0 ) . Deutscher Jurist und Politiker; einer der Führer der „Fortschrittspartei" Im preußischen Abgeordnetenhaus.
Personenverzeichnis
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Uljanow, G. K.; Tl.: Ul'janov, Grigorij Karpovic ( 1 8 6 4 - ? ) . Mitglied der „trudovajagruppa"; Abgeordneter der Ersten Duma. Urussow, S. D. Fürst; Tl.: Urusov, Sergej Dmitrievic Knjaz' ( 7 . 3 . 1 8 6 2 - ? ) . Beamter und Politiker; seit 1900 im Innenministerium tätig; Vize-Gouverneur von Tambov (1903); Gouverneur von Bessarabien (1903/1904) undTver' (1904); stellvertretender Innenminister unter Vitte (—> Witte) (1905/1906); Mitglied der Zemstvobewegung; Mitglied der Konstitutioneilen-Demokraten; Abgeordneter der Ersten Duma. Uschakow, M.A.; Tl.: Usakov, Michail A. Arbeiter; Mitarbeiter von S.V.Zubatov ( - * Subatow); versuchte von 1 9 0 2 - 1 9 0 8 erfolglos, in St. Petersburg und anderen russischen Städten eine von oben gelenkte Arbeiterbewegung zu initiieren. Vannovskij, P. S.
Wannowski, P. S.
Varzar, V. E. - » Warsar, W. E. Vernadskij, V. I. —> Wjernadskij, W. J. Vinaver, M. M.-h> Winawer, M. M. Vincke, Georg Freiherr von ( 1 5 . 5 . 1 8 1 1 - 3 . 6 . 1 8 7 5 ) . Deutscher Politiker; Mitglied des preußischen Vereinigten Landtages von 1847; Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung; von 1 8 4 9 - 1 8 6 7 Führer der Altliberalen im preußischen Abgeordnetenhaus. Vitte, S.J.—» Witte, S. Ju. Volkonskij, N. S. - » Wolkonskij, N. S. Vorob'ev, N. I. —» Worobjew, N.J. Voroncov, V. P. —» Woronzow, W. P. Voroncov-Daskov,
I. I . ^ W o r o n z o w - D a s c h k o w , 1.1.
Wannowski, P.S.; Tl.: Vannovskij, Petr Semenovic ( 2 4 . 1 1 . 1 8 2 2 - 1 7 . 2 . 1 9 0 4 ) . General; Kriegsminister (1881-1889); Minister für Volksaufklärung (1901/1902). Warsar, W. E.; Tl.: Varzar, Vasilij Egorovic (16.12.1851-1910). Statistiker; Narodnik der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts; ab 1894 im Finanzministerium als Fabrikinspektor tätig. Winawer, M. M.; Tl.: Vinaver, Maksim Moiseevlc ( 4 . 4 . 1 8 6 3 - 1 9 2 6 ) . Rechtsanwalt; Gründungsmitglied der Konstitutioneilen-Demokraten und Mitglied ihres Zentralkomitees; Abgeordneter der Ersten Duma. Windelband, Wilhelm ( 1 1 . 5 . 1 8 4 8 - 2 2 . 1 0 . 1 9 1 5 ) . Deutscher Philosoph; nach Professuren in Zürich, Freiburg und Straßburg seit 1903 Professor in Heidelberg; mit Heinrich Rickert einer der Begründer der sogenannten südwestdeutschen Schule des Neokantianismus.
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Personenverzeichnis
Witte, S. Ju.; Tl.: Vitte, Sergej Jul'evic Graf ( 1 7 . 6 . 1 8 4 9 - 2 8 . 2 . 1 9 1 5 ) . Politiker; Finanzminister (1892-1903); Vorsitzender des Ministerkomitees (1903); Vorsitzender des Ministerrates und Ministerpräsident (Oktober 1905-April 1906); seine wirtschaftlichen Reformen bildeten die Grundlage für eine verstärkte Industrialisierung Rußlands. Wjernadskij, W.J.; Tl.: Vernadskij, Vladimir Ivanovlc ( 2 8 . 2 . 1 8 6 3 - 6 . 1 . 1 9 4 5 ) . Seit 1890 Professor der Geologie und Mineralogie an der Universität Moskau; Mitglied des „Sojuz Osvobozdenija" und des Bundes der Zemstvo-Konstitutionalisten; Mitglied der Konstitutionellen-Demokraten und ihres Zentralkomitees; 1906-1911 Mitglied des Reichsrats. Wolkonskij, N. S. Fürst; Tl.: Volkonskij, Nikolaj Sergeevic Knjaz' (1848-1910). Zemstvomitglied; Mitglied der Union des 17. Oktober; Abgeordneter der Ersten und Dritten Duma. Worobjew, N. J.; Tl.: Vorob'ev, Nikolai I. Zemstvo-Statistiker und Publizist. Woronzow, W. P.; Tl.: Voroncov, Vasilij Pavlovlc (Pseudonym: V. V.) (1847-1918). Nationalökonom und Publizist; Theoretiker des Narodnicestvo. Woronzow-Daschkow, I.I.; Tl.: Voroncov-Daskov, IMarion Ivanovic Graf (27.5. 18371916). General; Minister des Kaiserlichen Hofes (1881-1897); Mitglied des Reichsrates (seit 1887); Vorsitzender des Roten Kreuzes (1904/1905); Oberkommandierender im Kaukasus (1905-1915). Zagrebin, T. A. —> Sagrebin, T. A. Zasulic, V. I. —> Sassulitsch, W. J. Zetkin, Klara (5.7.1857-20.6.1933). Deutsche sozialistische Politikerin; 1891-1916 Redakteurin der sozialdemokratischen Zeitschrift „Die Gleichheit"; seit 1919 Mitglied der KPD; 1920-1933 Mitglied des Reichstages. Ziikin, I.V. —>Shilkin, I.W. Zindel, Emil; Tl.: Cindel', Emil (1811-1874). Elsässisch-russischerTextilunternehmer. 2izilenko, A. A. - » Shlshilenko, A. A. Zubatov, S. V. -»• Subatow, S. V. Zubrilin, A. A. - » Subrilin, A. A. Zukovskij, D. E.
Shukowsklj, D. E.
Verzeichnis der von Max Weber zitierten Literatur In Klammern stehen die vom Editor benutzten Kurztitel oder Siglen.
In das Verzeichnis Ist die von Weber zitierte Literatur (Bücher und Broschüren, Einzel- und Sammelschriften, sowie in Zeitschriften publizierte Aufsätze und Denkschriften, nicht aber Zeltungsartikel) aufgenommen worden. Letztere sind an der jeweiligen Zitatstelle nachgewiesen. Abhandlungen ohne Verfassernamen sind nach dem ersten Substantiv eingeordnet. Aksakow, I. S.; Tl.: Aksakov, Ivan S., Aksakov v ego pls'mach, tom IV, cast' II. S.-Peterburg: Imperatorskaja publicnaja biblloteka 1896. (Aksakov v ego pis'mach) - , Pol'sklj vopros i zapadno-russkoe delo, in: ders., Socinenija, Tom 3. - S.Peterburg: Imperatorskaja publicnaja blblioteka 1900. (Aksakov, Pol'skij vopros) Der erste allrussische Bauernkongreß, in: Die Neue Zeit, 24. Jg., Band 1, Nr. 10 vom 29. Nov. 1905, S. 3 2 7 - 3 3 4 . (Der erste allrussische Bauernkongreß) Bernstein, Eduard, Ferdinand Lassalle und seine Bedeutung in der Geschichte der Sozialdemokratie, in: Ferdinand Lassalle's Reden und Schriften. Neue Gesammt-Ausgabe. Mit einer biographischen Einleitung hg. von Eduard Bernstein, Bd. 1. - Berlin: Vorwärts 1892, S. 5 - 1 8 5 . (Bernstein, Lassalle) Berufsstatistik von 1897-»Pervaja vseobscaja perepis' naselenlja, obscij svod. Bjechtjejew, S.S.; Tl.: Bechteev, S.S., Chozjajstvennye itogi isteksago sorokopjatiletlja, tom 2: Vopros zemel'nyj. - S.-Peterburg: B. M. Vol'f 1906. (Bechteev, Chozjajstvennye itogi) Bleklow, S.; Tl.: Bleklov, Stepan M., Krest'janskij Sojuz, in: Pravo, Nr. 38 vom 25. Sept. 1905, S. 3 1 4 2 - 3 1 5 3 . (Bleklov, Krest'janskij Sojuz) Bryce, James, The American Commonwealth, 2Vols., thlrd edltion, London: Macmillan 1893. (Bryce, American Commonwealth) Bulgakow, S. — L . Chvostov, V. M., Vopros ob avtonomii universltetov na s-ezde professorov, in: Russkaja Mysl', Jg. 1906, Nr. 3, S. 7 8 - 9 9 . (Chvostov, Vopros ob avtonomii) Cicerin
Tschltscherin.
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Literatur
Cislennost' i sostav rabocich v Rossii -^-Tschisljenost i ssostaw rabotschich w Rossii. Cuprov, A. - > Tschuprow. Danijlsson, N. F.; Tl.: Daniel'son, Nikolaj F. —>Nikolajon. Glavnejsija dannyja pozemel'noj statistiki po obsledovaniju 1887 goda, vyp. 1, 3 - 1 1 , 1 3 - 2 0 , 2 2 - 2 9 , 3 1 - 6 0 . Statistika Rossijskoj Imperii X X I I . - S . - P e t e r b u r g : Tipografija Ministerstva Vnutrennych Del 1 8 8 5 - 1 9 0 1 . (Glavnejsija dannyja) Dehn, W.; Tl.: Den, V. E., K voprosu o dopolnitel'nom nadelenii. (Po povodu rabot A . A . Cuprova i A. A. Kaufmana), In: Pravo, Nr. 15 vom 16. April 1906, S. 1 3 5 0 - 1 3 6 0 , und Nr. 16 vom 23. April 1906, S. 1 4 4 2 - 1 4 5 4 . (Den, Kvoprosuo dopolnitel'nom nadelenii) Digo, N., Zur Frage der Umsiedlung innerhalb des Gebietes des europäischen Rußland; Tl.: Digo, N., K voprosu o pereselenii v predelach Evropejskoj Rossii, in: Vestnik sel'skago chozjajstva, Nr. 7 vom 12. Febr. 1906, S . 8 - 1 1 . (Digo, K voprosu o pereselenii) Doklad organizacionnago bjuro s-ezdu zemskich i gorodskich dejatelej po voprosu o pravach nacional'nostej i o decentralizacii upravlenija i zakonodatel'stva, in: Pravo, Nr. 40 vom 9. Okt. 1905, S. 3 3 2 1 - 3 3 4 2 . (Doklad organizacionnago bjuro) Dolgorukow, P. D.; Tl.: Dolgorukov, P. D., Agrarnyj vopros s tocki zrenija krupnago zemlevladenija, in: Dolgorukov, Pavel D. und Petrunkevic, Ivan I. (Hg.), Agrarnyj vopros. Sbornik statej.-Moskva: O. L. S o m o v 1 9 0 5 , S. 1 - 1 0 . (Dolgorukov, Agrarnyj vopros) - , und Ivan I. Petrunkevic (Hg.), Agrarnyj vopros. Sbornik statej.-Moskva: O. L. Somov 1905. (Agrarnyi vopros1) - , und Ivan I. Petrunkevic (Hg.), Agrarnyj vopros. Sbornik statej, 2-oe izdanie. Moskva: Beseda 1906. (Agrarnyj vopros2) Dragomanow, M.P.; Tl.: Dragomanov, Michail P., Istoriceskaja Pol'sa i velikorusskaja demokratija, in: ders., Sobranie politiceskich socinenij, tom 1.-Paris: Société Nouvelle de Librairie et d'Édition 1905, S. 3 - 2 6 8 . (Dragomanov, Istoriceskaja Pol'sa) - , Politische Schriften, Band I; Tl.: Dragomanov, Michail P., Sobranie politiceskich socinenij, tom 1. - Paris: Société Nouvelle de Librairie et d'Édition 1905. (Dragomanov, Sobranie socinenij I)
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Literatur
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- , Vol'nyj sojuz. Opyt ukrainskoj politiko-social'noj programmy, in: ders., Sobranie politiceskich socinenij, tom 1. - Paris: Société Nouvelle de Librairie et d'Édition 1905, S. 2 7 5 - 3 7 5 . (Dragomanov, Vol'nyj sojuz) Krest'janskoe dvizenie, in: Revoljucionnaja Rossija, Nr. 8 vom 25. Juni 1902, S. 1 - 5 . (Krest'janskoe dvizenie) Rabocee dvizenie i nasi takticeskija zadaci, in: Revoljucionnaja Rossija, Nr. 10 vom August 1902, S. 3 - 7 . (Rabocee dvizenie i nasi takticeskija zadaci) Erhebung von 1877/78 über das Grundeigentum sobstvennosti.
Statistika pozemel'noj
Erhebung von 1887 über das Grundeigentum —» Glavnejsija dannyja pozemel'noj statistiki. Ermolov—» Jermolow. Ezegodnik Rossii - » Jeshegodnik Rossii. Gercenstejn - » Herzenstein. Hegel, Georg W. F., Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, 1. Band (Ders., Vollständige Ausgabe durch einen Verein von Freunden des Verewigten, Band 13, 2. A u f l . ) . - B e r l i n : D u n c k e r & Humblot 1840. (Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie) Helphant, A.
Parvus.
Herzenstein, M.; Tl.: Gercenstejn, Michail Ja., Krest'janskij bank, in: Dolgorukov, Pavel D. und Petrunkevic, Ivan I. (Hg.), Agrarnyj vopros. Sbornik statej. Moskva: O. L. Somov 1905, S. 1 7 0 - 1 9 7 . (Gercenstejn, Krest'janskij bank) - , Neskol'ko zamecanlj po povodu agrarnoj programmy konstitucionno-demokraticeskoj partii, in: Vestnik sel'skago chozjajstva, Nr. 4 vom 22. Jan. 1906, S. 3 - 6 , und Nr. 5 vom 29. Jan. 1906, S. 3 - 7 . (Gercenstejn, Neskol'ko zamecanlj) Isgojew, A.; Tl.: Izgoev, A. S., Obscinnoe pravo. Opyt social'no-juridiceskago anallza obscinnago zemlevladenija kak instituta grazdanskago prava. - S.-Peterburg: Nadezda 1906. (Izgoev, Obscinnoe pravo) Issajew, A., Grundlagen der politischen Ökonomie; Tl.: Isaev, Andrej A., Nacala politiceskoj èkonomii, 6 - o e izd. - S.-Peterburg: A. E. Cinzerllng 1905. (Isaev, Nacala politiceskoj èkonomii)
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Verzeichnis der von Max Weber zitierten
Literatur
Nekotorye itogi Parizskoj konferencii, in: Revoljucionnaja Rossija, Nr. 61 vom 15. März 1905, S. 2 - 6 . (Nekotorye itogi Parizskoj konferencii) Izvlecenie iz vysocajse utverzdennago 1 Maja 1905g. osobago zurnalakomiteta ministrov 15, 22 i 23 marta 1905g. po delu o porjadke vypolnenija punkta 7-ogo Imennago ukaza 12 dekabrja 1904g. votnosenii devjati zapadnych gubernij, in: Pravo, N r . 1 9 v o m 14. Mai 1905, S . 1 5 7 1 - 1 5 9 1 . (Izvlecenie iz osobago zurnala komiteta ministrov) Jasnopolski, N.P.; Tl.: Jasnopol'skij, N.P., O geograficeskom raspredelenii gosudarstvennych raschodov Rossii, 2 toma. - Kiev: V. I. Zavadskij 1897. (Jasnopol'skij, O geograficeskom raspredelenii) Jeliinek, Georg, Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte. Ein Beitrag zur modernen Verfassungsgeschichte. 2. erw. Aufl. - Leipzig: Duncker & Humblot 1904. (Jeliinek, Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte) Jermolow, A. S., Naschsemeljnyj wopross;Tl.: Ermolov, Aleksej S., N a s z e m e l ' n y j v o p r o s . - S . - P e t e r b u r g : V. Kirsbaum 1906. (Ermolov, Nas zemel'nyj vopros) Jeshegodnik Rossii; Tl.: Ezegodnik Rossii 1904g., izd. Central'nyj statisticeskij komitet Ministerstva Vnutrennych Del. - S.-Peterburg: Mescerskij 1905. (Ezegodnik Rossii 1904g.) J. L. N. (Pseudonym nicht auflösbar), Der ultranationalistische Standpunkt der russischen Oppositionspartei, in: Ruthenische Revue, 3. Jg., Nr. 13, 1. Juliheft 1905, S. 3 1 3 - 3 1 4 . (Der ultranationalistische Standpunkt) Kaminka, A., Pravila 4-go marta ob obscestvach, sojuzach i sobranijach, in: Pravo, Nr. 10 vom 12. März 1906, S. 8 6 6 - 8 7 6 , und Nr. 13 vom 1. April 1906, S. 1187-1193. (Kaminka, Pravila 4-go marta) Kaufmann, Alexander, Beiträge zur Kenntnis der Feldgemeinschaft in Sibirien, in: ASGS, Band 9 , 1 8 9 6 , S. 1 0 8 - 1 5 4 . (Kaufmann, Beiträge) - , Das russische Übersiedlungs- und Kolonisationsgesetz vom 6./19. Juni 1904 und die Aussichten der inneren Kolonisation, in: AfSS, Band 22, 1906, S. 3 7 1 - 4 2 3 . (Kaufmann, Das russische Übersiedlungsund Kolonisationsgesetz) - ; Tl.: Kaufman, Aleksandr A., Pereselenie. Mecty i dejstvitel'nost', in: Zumal dlja vsech, 10-yj god, Nr. 10,1905, S. 6 3 7 - 6 4 1 . (Kaufman, Pereselenie. Mectyi dejstvitel'nost ) - , Pereselenie i ego roi' v agrarnoj programme, in: Dolgorukov, Pavel D. und Petrunkevic, Ivan I. (Hg.), Agrarnyj vopros. Sbornik statej. - Moskva: O. L. Somov 1905, S. 1 3 4 - 1 6 9 . (Kaufman, Pereselenie i ego roi' v agrarnoj programme)
Verzeichnis der von Max Weber zitierten Literatur
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Pereselenija i kolonizacija. - S.-Peterburg: Obscestvennaja Pol'za 1905. (Kaufman, Pereselenija i kolonizacija) - , Agrarnyj vopros na III s - e z d e partii narodnoj svobody, In: Pravo, Nr. 18 v o m 6. Mai 1906, S. 1 6 3 6 - 1 6 4 4 . (Kaufman, Agrarnyj vopros na III s-ezde) - , K voprosu o dopolnitel'nom nadelenii, in: Pravo, Nr. 1 vom 9. Jan. 1906, S. 1 2 - 2 4 . (Kaufman, K voprosu o dopolnitel'nom nadelenii) Kautsky, Karl, Die Agrarfrage. Eine Übersicht über die Tendenzen der modernen Landwirtschaft und die Agrarpolitik der Sozialdemokratie. - Stuttgart: Dietz 1899. (Kautsky, Agrarfrage) - , Die Agrarfrage in Rußland, in: Die Neue Zeit, 24. Jg., Band 1, Nr. 15 vom 20. Dez. 1905, S. 4 1 2 - 4 2 3 . (Kautsky, Agrarfrage in Rußland) - , Ethik und materialistische Geschichtsauffassung. - Stuttgart: Dietz 1906. (Kautsky, Ethik) Kistiakowski, Th.; Tl.: Kistjakovskij, Bogdan A. —»Ukrainec. Kleinbort, L.; Tl.: Klejnbort, L e v M . , Dvizenijasel'skochozjajstvennych rabocich, in: Obrazovanie, 14-yj god, 1905, Nr. 9, otdel 2, S. 1 6 - 3 1 . (Klejnbort, Dvizenija sei 'skochozjajstvennych rabocich) Pervaja konferencija gruzinskich revoljucionnych frakcii, in: Revoljucionnaja Rossija, Nr. 4 6 v o m 5. Mai 1904, S . 8 - 1 1 . (Pervaja konferencija gruzinskich revoljucionnych frakcii) Korkunow, N. M.; Tl.: Korkunov, Nikolaj M., Russkoe gosudarstvennoe pravo, 2 toma, 4 - o e izd. - S.-Peterburg: M. M. Stasjulevic 1903. (Korkunov, Russkoe gosudarstvennoe pravo) Kornilow, A.; Tl.: Kornilov, Aleksandr A., Fakticeskijadannye v n a s t r o e n i e krest'jan, in: Pravo, Nr. 23 vom 21. Aug. 1905, S. 2 6 8 9 - 2 6 9 9 . (Kornilov, Fakticeskija dannye) Koroljenko, W. G.; Tl.: Korolenko, VladimirG., O t k r y t o e p i s ' m o s t a t s k o m u sovetniku Filonovu, in: Pravo, N r . 3 v o m 22.Jan. 1906, S . 2 1 4 - 2 2 0 . (Korolenko, Otkrytoe pis'mo) Kotljarewskij, S.; Tl.: Kotljarevskij, S., Rossija, Francija i Anglija, in: Poljarnaja Zvezda, 1. Jg., Nr. 10 v o m 17. Febr. 1906, S. 6 6 7 - 6 7 7 . (Kotljarevskij, Rossija, Francia i Anglija) Kovalevsky, Maxime, Les partis politiques en Russie, in: La Revue de Paris, 13. Jg., 1906, Band 1, S. 6 4 6 - 6 7 6 . (Kovalevsky, Partis politiques)
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Verzeichnis der von Max Weber zitierten
Literatur
Krasnoperov, I. M., Krest'janskija zensciny pred volostnym sudom, in: Sbornik pravovedenija i obscestvennych znanij, tom 1 : Trudy juridiceskago obscestva, sostojascago pri Imperatorskom Moskovskom Universitete. - S.-Peterburg: M. M. Stasjulevic 1893, S. 2 6 8 - 2 8 9 . (Krasnoperov, Krest'janskija zensciny) L. (Pseudonym für Bulgakow, S.), K agrarnomu voprosu, in: Osvobozdenie, Nr. 9 vom 19. Okt. 1903, S . 1 5 3 - 1 5 8 . Leroy-Beaulieu, Anatole, The Empire of the Tsars and the Russians. 3 vols.-New York/London: G. B. Putnam 1905. (Leroy-Beaulieu, The Empire of the Tsars I, II, III) Ljwow, N . N . und Stachowitsch, A . A . (Hg.), Nushdy djerewni; Tl.: L'vov, N . N . und Stachovic, A . A . (Hg.), Nuzdy derevni po rabotam komitetov o nuzdach sel'skochozjajstvennoj promyslennosti. Sbornik statej, 2 toma. - S.-Peterburg: Slovo 1904. (Nuzdy derevni I, II) Loi fondamentale de l'Empire Russe. Projet d'une constitution russe élaboré par un groupe de la Ligue de l'Affranchissement (constitutionalistes-démocrates russes). Préface de Pierre Struve, Directeur de l'Oswobojdenie.-Paris: Société nouvelle de librairie et d'Édition 1905. (Loi fondamentale) Lossitzkij, A.; Tl.: Losickij, Aleksej S. —»Materialy po statistike 12. Luxemburg, Rosa; Tl.: Luksemburg, Rosa, Promyslennoe razvltie Pol'sa. - S.Peterburg: Komelov 1899. (Luksemburg, Promyslennoe razvitie Pol'si) Manuilow, A. A.; Tl.: Manuilov, A. A., Pozemel'nyj vopros v Rossii, in: Dolgorukov, Pavel D. und Petrunkevic, Ivan I. (Hg.), Agrarnyj vopros. Sbornik statej.Moskva: O. L. Somov 1905, S. 1 1 - 8 3 . (Manuilov, Pozemel'nyj vopros) Marx, Karl, Zweite Adresse des Generalrates über den Deutsch-Französischen Krieg, in: ders., Der Bürgerkrieg In Frankreich. Adresse des Generalrates der internationalen Arbeiter-Assoziation, 3. dt. Aufl. vermehrt durch die beiden Adressen des Generalrates über den deutsch-französischen Krieg und durch eine Einleitung von Friedrich Engels. - Berlin: Vorwärts 1891, S. 1 9 - 2 6 . (Marx, Zweite Adresse des Generalrates) - , Adresse des Generalrats über den Bürgerkrieg In Frankreich 1871, ebd., S. 2 7 - 6 8 . (Marx, Der Bürgerkrieg in Frankreich) Masslow, P.; Tl.: Maslov, Petr P., Agrarnyj vopros v Rossii, tom 1: Uslovija razvitlja krest'janskago chozjajstva v Rossii, 2-oe izd. - S.-Peterburg: Obscestvennaja Pol'za 1906. (Maslov, Agrarnyj vopros v Rossii) - , Obagrarnych programmach, In: Pravda, Nr. 9 / 1 0 , 1 9 0 5 , S. 2 5 6 - 2 6 7 . (Maslov, Ob agrarnych programmach)
Verzeichnis der von Max Weber zitierten
Literatur
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Materialien der Z e n t r u m s k o m m i s s i o n ^ M a t e r i a l y vysocajse ucrezdennoj [ . . . ] . Materialien zur Frage der Grundbesitzbewegung —> Materialy po statistike 12. Materialien zur Statistik der Bodenbewegung, Band 4 -h> Materialy po statistike 4. Materialy komissii o centre —> Materialy vysocajse ucrezdennoj [ . . . ] . Materialy po statistike dvizenija zemlevladenija v Rossii. Vyp. 4: Svod dannych o kuple-prodaze zemel' v 45 gubernijach Evropejskoj Rossii za tridcatiletie 1 8 6 3 - 1 8 9 2 g g . - S . - P e t e r b u r g : V. Kirsbaum 1901. (Materialy po statistike 4) - , Vyp. 7: Kuplja-prodaza zemel' v Evropejskoj Rossii za tridcatiletie: 1 8 6 3 - 1 8 9 2 g g . - S . - P e t e r b u r g : V. Kirsbaum 1903. (Materialy po statistike 7) - , Vyp. 11: Kuplja-prodaza zemel' v Evropejskoj Rossii v 1897g. Obzor mobilizacii za pjatiletie: 1 8 9 2 - 1 8 9 7 g g . - S.-Peterburg: V. Kirsbaum 1905. (Materialy po statistike 11) - , Vyp. 12: Kuplja-prodaza zemel' v Evropejskoj Rossii v 1898g. burg: V. Kirsbaum 1905. (Materialypo statistike 12)
S.-Peter-
Materialy vysocajse ucrezdennoj 16 nojabrja 1901 g. komissii po iszledovanlja voprosa o dvizenii s 1 8 6 1 g . po 1900g. blagosostojanija sel'skago naselenija srednezemledel'ceskich gubemij sravnitel'no s drugimi mestnostjami Evropejskoj Rossii ( „ K o m i s s i j a o centre") razrabotano departamentom okladnych sborov, 3 Vypuska. - S.-Peterburg: P. P. Sojkin 1903 (Materialy komissii o centre I, II, III) Das staatsrechtliche Memorandum der Ukraine auf dem Semstwotage zu Moskau am 18. August des Jahres, in: Ruthenische Revue, Jg. 3, Nr. 1 7 , 1 . Septemberheft 1905, S. 4 1 9 - 4 2 3 . (Das staatsrechtliche Memorandum der Ukraine) Menger, Anton, Neue Sittenlehre. - Jena: G. Fischer 1905. (Menger, re)
Sittenleh-
Miklaschewskij, A. N.; Tl.: Miklasevskij, A. N., Gosudarstvennyj z e m e l ' n y j fond i social'naja reforma, in: Pravo, Nr. 26 vom 2. Juli 1906, S. 2 2 6 8 - 2 2 7 8 . (Miklasevskij, Gosudarstvennyj zemel'nyj fond) Miljukow, P.; Tl.: Miljukov, Pavel N., Evgenij Trubeckoj i probuzdenie cerkvi, in: Pravo, Nr. 16 vom 24. April 1905, S. 1 2 6 0 - 1 2 6 2 . (Miljukov, Evgenij Trubeckoj) - , Otscherki; Tl.: Miljukov, Pavel N., Ocerki po istorii russkoj kul'tury. 3 - e izd.c.2. - S.-Peterburg: I . S . S k o r o c h o d o v 1902. [Deutsche Übersetzung: ders., Skizzen zur russischen Kulturgeschichte, 3 B ä n d e . - Leipzig: E.Wigand 1 8 9 8 - 1 9 0 1 ] . (Miljukov, Ocerki)
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Verzeichnis der von Max Weber zitierten
Literatur
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Agrarnyj wopross; Tl.: Agrarnyj vopros —»Dolgorukow, P. D. K pol'skomu voprosu, in: Osvobozdenie, Nr.69/70 vom 7. (20.) Mai 1905, S. 315. (Kpol'skomu voprosu) Vorob'ev —> Worobjew. Warsar, W.; Tl.: Varzar, V. E. (Hg.), Statlsticeskija svedenija o stackach rabocich nafabrikach izavodachzadesjatlletle, 1 8 9 5 - 1 9 0 4 g o d a . - S . - P e t e r b u r g : V. Kirsbaum 1905. (Varzar, Statlsticeskija svedenija) Witte, S.; Tl.: Vitte, Sergej Ju., Samoderzavie i Zemstvo. Konfidencial'naja zapiska Ministra Finansov s predisloviem P. B. Struve, 1. Aufl. - Stuttgart: Dietz 1901; 2. Aufl.-Stuttgart: Dietz 1903. (Vitte, Samoderzavie iZemstvo) Weber, Max, Agrarstatistische und sozialpolitische Betrachtungen zur Fideikommißfrage in Preußen, in: AfSS, Band 19, 1904, S. 5 0 3 - 5 7 4 . (MWG I/9) (Weber, Zur Fideikommißfrage in Preußen) - , Die protestantische Ethik und der „Geist" des Kapitalismus, in: AfSS, Band 20, 1905, S. 1 - 5 4 , und Band 21, 1905, S. 1 - 1 1 0 . (MWG I/9 und 1/18) (Weber, Die protestantische Ethik I und II) Worobjew, N.; Tl.: Vorob'ev, N.I., Krest'janskoe malozemel'e v Vladimirskoj gubernii, in: Vestnik sel'skago chozjajstva, Nr. 8 vom 19. Febr. 1906, S . 6 - 8 , malozemel'e). und Nr. 9 vom 26. Febr. 1906, S. 7 - 9 . (Vorob'ev, Krest'janskoe Dokladnaja zapiska gruppy fabrikantov i zavodcikov centrai'nago rajona, in: Pravo, Nr. 8 vom 26. Febr. 1905, S. 5 8 8 - 5 9 3 . (Dokladnaja zapiska gruppy fabrikantov i zavodcikov centrai'nago rajona) Pamjatnaja zapiska kostromskago komiteta torgovli i manufakture, in: Pravo, Nr. 16 vom 24. April 1905, S. 1 2 9 0 - 1 2 9 3 . (Pamjatnaja zapiska kostromskago komiteta) Dokladnaja zapiska s.-peterburgskich zavodcikov i fabrikantov gospodinu ministru finansov, in: Pravo, Nr.6 vom 13. Febr. 1905, S . 4 3 0 - 4 3 4 . (Dokladnaja zapiska s. -peterburgskich zavodcikov) Zapiska varsavskich zavodcikov, in: Pravo, Nr. 7 vom 20. Febr. 1905, S. 504. (Zapiska varsavskich zavodcikov) Zizilenko -»• Shishilenko.
Verzeichnis der von Max Weber zitierten Zeitungen und Zeitschriften
Die Namen der Periodika werden zuerst in Webers Schreibweise, dann in der heute gültigen wissenschaftlichen Transliteration aufgeführt. Zusätzlich werden hier Informationen über Form und Zeitraum des Erscheinens sowie über die politische Richtung gegeben. Abendbeilage des Prawitjelstwjennyj Wjestnik—> Vecernee pribavlenie. Birschewyja Wjedomosti; Tl.: Birzevyja Vedomosti. Ezednevnaja politiceskaja, obscestvennaja i literaturnaja gazeta, hg. von S. M.Propper. - S.-Peterburg: 1 8 8 0 - 1 9 1 7 . Erschien seit 1885 täglich, seit 1901 zweimal täglich und seit 1903 dreimal täglich. Bürgerlich-liberal, den Kadetten nahestehend. Bjes saglavija; Tl.: Bez zaglavija. Politiceskij ezenedel'nik, red. von S. N. Prokopovic, hg. von E. D. Kuskova, Nr. 1 - 1 6 . - S . - P e t e r b u r g 1906. Erschien wöchentlich. Sozialdemokratisch orientiert. Civiltà cattolica. - Rom 1850ff. Organ der Jesuiten. Dnjewnik Ssozialdemokrata; Tl.: Dnevnik Social-demokrata, hg. von G. B. Plechanov, Nr. 1 - 8 , 1 9 0 5 - 1 9 0 6 , Nr. 1 , 1 9 1 6 . - S . - P e t e r b u r g . Erschien unregelmäßig als Einzelunternehmung Plechanovs. Dwadzatyj Wjek; Tl.: Dvadcatyj Vek. - S.-Peterburg 1906. Bürgerlich-liberale Tageszeitung; erschien anstelle der verbotenen Molwa; Tl.: Molva vom 25. März 1 9 0 6 - 1 . Aug. 1906. Düna-Zeitung, red. von Ernst Seraphim. - Riga 1 8 8 8 - ? . Erschien täglich. EkonomitscheskajaGasjeta; Tl.: Èkonomiceskajagazeta, hg. von G. I. S r e j d e r . S.-Peterburg 1 9 0 4 - 1 9 0 5 . Erschien wöchentlich. Golos S t a r o o b r j a d c a ^ Narodnaja Gazeta. Goniec. Warschau 1 9 0 3 - 1 9 1 8 . Erschien zweimal täglich: morgens als Goniec poranny und abends als Goniec wieczorny. Organ der polnischen Nationaldemokratischen Partei.
Verzeichnis der von Max Weber zitierten
Zeitungen
755
Grashdanin; Tl.: Grazdanin. Zurnal pollticeskij i literaturnyj. - S.-Peterburg 1 8 7 2 - 1 9 1 4 . Von Fürst V. P. Mescerskij gegründet; erschien seit 1885 zweimal wöchentlich; den Monarchisten nahestehend. Iskra; Tl.: Iskra. Central'nyj organ Rossijskoj Social-demokraticeskoj Rabocej Partii, Nr. 1 - 1 1 2 . - L e i p z i g - M ü n c h e n - L o n d o n - G e n f 1 9 0 0 - 1 9 0 5 . Iswjestija; Tl.: Izvestlja Soveta rabocich deputatov, Nr. 1 - 1 0 . - S.-Peterburg 1905. V o m 17. Oktober bis 14. Dezember 1905 erschienen 10 N u m m e r n , Nr. 11 vom 25. Dez. 1905 wurde während des Drucks beschlagnahmt. Iswjestija; Tl.: Izvestija Moskovskago Soveta rabocich deputatov. - Moskva 1905. Erschien täglich zwischen d e m 7. und 12. Dezember 1905 mit Insgesamt 6 Nummern. Jeshenjedjelnyj Shurnal dlja wssjech; Tl.: Zurnal dlja vsech. Ezemesjacnyj illjustrirovannyj literaturnyj I naucno-populjarnyj. - S.-Peterburg 1 8 9 6 - 1 9 0 6 . Erschien monatlich. Jushnij K u r j e r ^ > Jushny Kurjer. Jushny Kurjer; Tl.: Juznyj Kur'er. - Kerc' 1 9 0 1 - 1 9 0 6 . Erschien täglich. Kijewljanin; Tl.: Klevljanin. Literaturnaja I pollticeskaja gazeta jugozapadnago kraja, hg. von D. I. Pichno. - Klev 1 8 6 4 - 1 9 1 9 . Erschien täglich; den Monarchisten nahestehend. Kijewskije Otklikl; Tl.: Kievskie Otkllki. Ezednevnaja literaturno-pollticeskaja, ¿konomlceskaja I obscestvennaja gazeta, hg. von I.V. Lucicklj u.a. - Kiev 1 9 0 3 - 1 9 0 7 . Erschien täglich. Mir Boshij; Tl.: Mir Bozij. Ezemesjacnyj literaturnyj I naucno-populjarnyj zurnal dljasamoobrazovanija, hg. von A . A . Davydova, seit Nr. 4 ( 1 9 0 2 ) von M. K. Kuprin a - D a v y d o v a . - S . - P e t e r b u r g 1 8 9 2 - 1 9 0 6 . Erschien monatlich; war bis 1893 ein Journal für die Jugend. Molwa; Tl.: Molva. - S.-Peterburg 1 9 0 5 - 1 9 0 6 . Erschien täglich v o m 5. Dez. 1905 bis 16. Jan. 1906 und vom 21. März bis 23. März 1906 anstelle der verbotenen Rus'; bürgerlich-liberal. Moskauer Zeltung —» Moskowskija Wjedomosti. Moskowskija Wjedomosti; Tl.: Moskovskija Vedomosti. - Moskva 1 7 5 6 - 1 9 1 7 . Erschien täglich; den Monarchisten nahestehend.
756
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Zeitungen
Narodnaja Gasjeta; Tl.; Narodnaja Gazeta, hg. von F. E. Mel'nikov. - M o s k v a 1906. Erschien täglich. V o m 15. Januar bis 8. Oktober 1906 erschien zweimal wöchentlich als Beilage G o l o s Staroobrjadca; den Altgläubigen nahestehend, von der Z e n s u r verboten. Narodnoje Chasjaistwo; Tl.: Narodnoe Chozjajstvo, hg. von L. V. Chodskij. - S.Peterburg 1 9 0 1 - 1 9 0 5 . E r s c h i e n zweimonatlich. Narodnoje Chasjaistwo; Tl.: Narodnoe Chozjajstvo, hg. von L. V. Chodskij. - S . Peterburg 1 9 0 5 - 1 9 0 6 . Erschien täglich v o m 2. D e z e m b e r 1905 bis 22. Januar 1906 anstelle der von der Z e n s u r verbotenen N a s h a Shisnj; Tl.: N a s a Zizn'. N a s h a Shisnj; Tl.: N a s a Zizn', hg. von L. V. Chodskij. S.-Peterburg 1 9 0 4 - 1 9 0 6 . Erschien täglich v o m 6. N o v e m b e r 1904 bis 11. Juli 1906; zwis c h e n d e m 2. D e z e m b e r 1905 und d e m 22. Januar 1906 von der Z e n s u r verboten, statt d e s s e n erschien Narodnoje Chasjaistwo; Tl.: Narodnoe Chozjajstvo. Nashi Dni; Tl.: Nasi Dni, hg. von S. P . J u r i c y n . - S.-Peterburg 1 9 0 4 - 1 9 0 5 . Erschien täglich anstelle d e s S s y n Otjetschestwa; Tl.: S y n otecestva. Natschalo; Tl.: Nacalo. Rossijskaja social-demokraticeskaja rabocaja partija. S.-Peterburg 1905. Erschien täglich, den Men'seviki nahestehend. Natschalo; Tl.: Nacalo. Z u m a l literatury, nauki i politiki, red. von P. B. Struve und M. I. Tugan-Baranovskij. - S.-Peterburg 1899. Erschien monatlich. Die N e u e Zeit, red. von Karl Kautsky. - Berlin 1 8 8 3 - 1 9 2 2 / 2 3 . Wochenschrift der D e u t s c h e n Sozialdemokratie. Nowaja Shisnj; Tl.: Novaja Zizn'. - S.-Peterburg 1905. Erschien täglich v o m 27. Oktober bis 3. D e z e m b e r 1905; erste legale Zeitung der Bol'seviki. Nowoje Slowo; Tl.: N o v o e Slovo, 1897 hg. von P . B . S t r u v e und M . l . T u g a n B a r a n o v s k i j . - S . - P e t e r b u r g 1 8 9 4 - 1 8 9 7 . Erschien monatlich. Nowoje Wremja; Tl.: N o v o e Vremja, hg. von A. S. Suvorin (seit 1876). Peterburg 1 8 6 8 - 1 9 1 7 . Erschien täglich; den Oktobristen nahestehend.
S.-
Nowosti i birschewaja gasjeta; Tl.: Novosti i birzevaja gazeta. - S.-Peterburg 1 8 8 0 - 1 9 0 6 . Erschien täglich bis 1883, dann zweimal täglich bis 25. N o v e m b e r 1905, die letzte N u m m e r erschien am 12. Februar 1906. Fortgesetzt bis 31. März 1906 unter d e m Titel: Nowosti; Tl.: Novosti. E z e d n e v n a j a politiceskaja, literaturnaja i Ökonomiceskaja gazeta. - S.-Peterburg 1906. Obrasowanije; Tl.: Obrazovanie. Z u m a l literaturnyj i o b s c e s t v e n n o - p o l i t i c e s k i j . S.-Peterburg 1 8 9 2 - 1 9 0 9 . Erschien monatlich.
Verzeichnis der von Max Weber zitierten
Zeitungen
757
Osswoboshdjenije; Tl.: Osvobozdenie, hg. von P. B.Struve. - Stuttgart, Paris 1 9 0 2 - 1 9 0 5 . Organ des Sojuz Osvobozdenija. Poljarnaja Swjesda; Tl.: Poljarnaja Zvezda. Ezenedel'noe obscestvenno-pollticeskoe i kul'tumo-filosovskoe Izdanle, hg. von P. B. Struve. - S.-Peterburg 1 9 0 5 - 1 9 0 6 . Erschien wöchentlich. Prawda; Tl.: Pravda. Ezemesjacnyj zumal Iskusstva, literatury Iziznl obscestvennoj, hg. von V. A. Kozevnikov. - Moskva 1 9 0 4 - 1 9 0 6 . Erschien monatlich. Prawda Boshlja; Tl.: Pravda Bozlja, hg. von G . S . Petrov. - Moskva 1906. Erschien täglich v o m 1. Januar bis 6. Juni 1906. Prawitjelstwjennyj Wjestnlk; Tl.: Pravltel'stvennyj Vestnlk. 1 8 6 9 - 1 9 1 7 . Erschien täglich; offiziöses Organ der Regierung.
S.-Peterburg
Prawo;Tl.: Pravo. Ezenedel'naja, juridiceskajagazeta, hg. von V. M. Gessen u.a. - S.-Peterburg 1 8 9 8 - 1 9 1 7 . Erschien wöchentlich; den Kadetten nahestehend. Prldnjeprowskij Kraj; Tl.: Prldneprovskij Kraj. Ezednevnaja naucno-llternaturnaja, pollticeskaja I Ökonomiceskaja gazeta, hg. von M. S. Kopylov. - Ekaterinoslav 1 9 0 1 - 1 9 1 6 . Erschien täglich. Professlonalnyj Ssojus; Tl.: Professional'nyj Sojuz. - S.-Peterburg 1 9 0 5 - 1 9 0 6 . Erschien wöchentlich. Organ des Zentralbüros der St. Petersburger Gewerkschaften. Proletarlj; Tl.: Proletarlj. Central'nyj organ Rossljskoj Soclal-demokraticeskoj Rabocej Partil, red. von V. I. Lenin. - Genf 1905. Wochenzeitung der Bol'sevikl, erschien v o m 14. Mal bis 12. November 1905. Rabotschaja Gasjeta; Tl.: Rabocaja Gazeta. Organ nezavisimoj soclal'noj rabocej partii, hg. von M. A. Usakov. - S.-Peterburg 1906 und 1908. Erschien täglich. Rabotscheje Slowo; Tl.: Rabocee Slovo. Ezednevnaja obscedostupnaja, obscestvenno-politiceskaja i llteraturnaja gazeta, hg. von V. I. Venediktov. - S.Peterburg 1906. Erschien wöchentlich v o m 31. März bis 16. Mai 1906. La Revue de Paris. - Paris 1 8 9 4 - 1 9 7 0 . Revoljuzlonnaja Rossija; Tl.: Revoljucionnaja Rossija. - K u o k k a l a - T o m s k G e n f - L o n d o n - P a r i s 1 9 0 0 - 1 9 0 5 . Organ des Sojuz Socialistov-Revoljucionerov, dann der Partija Socialistov-Revoljuclonerov. Es erschienen 76 Nummern. Rjetsch; Tl.: Ree'. - S.-Peterburg 1 9 0 6 - 1 9 1 7 . Erschien täglich. Organ der konstitutionell-demokratischen Partei.
758
Verzeichnis der von Max Weber zitierten
Zeitungen
Rossija; Tl.: Rossija. G a z e t a politiceskaja i literaturnaja. - S.-Peterburg 1 9 0 5 - 1 9 1 4 . Erschien täglich, ab Juni 1906 offiziöses Organ der Regierung. Russj; Tl.: Rus', hg. von A. A. Suvorin. - S.-Peterburg 1 9 0 3 - 1 9 0 6 . E r s c h i e n von D e z e m b e r 1903 bis 2. D e z e m b e r 1905 und vom 17. Januar bis 21. März 1906 täglich, außer v o m 19. Juli 1905 bis 18. März 1906 zweimal täglich; bürgerlichliberale Tageszeitung. Russkaja Myssl; Tl.: Russkaja Mysi'. Zurnal naucnyj, literaturnyj i poiiticeskij. M o s k v a 1 8 8 0 - 1 9 1 7 . Erschien monatlich. Russkija Wjedomosti; Tl.: R u s s k i j a V e d o m o s t i . - M o s k v a 1 8 6 3 - 1 9 1 8 . Erschien täglich. Bürgerlich-liberal, d e n Kadetten nahestehend. R u s s k o j e Bogatstwo; Tl.: R u s s k o e Bogatstvo. E z e m e s j a c n y j literaturnyj i naucnyj zurnal, hg. von N. K. Michajlovskij und V. G. Korolenko. - S.-Peterburg 1 8 7 9 - 1 9 1 4 . Erschien monatlich; erschien von Januar bis Mai 1906 als S o v r e m e n n y e Zapiski und S o v r e m e n n o s t ' . Russkoje G o s s u d a r s t w o ; Tl.: R u s s k o e Gosudarstvo. - S.-Peterburg 1906. Erschien täglich v o m I . F e b r u a r bis 15. Mai 1906 abends als Beilage d e s Pravitel'stvennyj Vestnik. Russkoje Krestjanstwo; Tl.: R u s s k o e Krest'janstvo, hg. von A. G . Scerbatov. M o s k v a 1905. Erschien monatlich; es e r s c h i e n e n nur zwei N u m m e r n im Oktober und N o v e m b e r 1905. Russkoje S s l o w o ; Tl.: R u s s k o e Slovo. Ezednevnaja gazeta bez predvaritel'noj cenzury. - M o s k v a 1 8 9 4 - 1 9 1 7 . Erschien täglich. Ruthenische Revue, hg. von V. Javorskij, A. K o s und R. Sembratovicz. - Wien 1 9 0 3 - 1 9 0 5 . Erschien vierzehntäglich. Sarja; Tl.: Zarja. Social-demokraticeskij naucno-politiceskij zurnal, Nr. 1 - 4 . Stuttgart 1 9 0 1 - 1 9 0 2 . S o v r e m e n n y e Zapiski, S o v r e m e n n o s t '
Russkoje Bogatstwo.
Ssaratowskaja S e m s k a j a Njedjelja; Tl.: S a r a t o v s k a j a z e m s k a j a nedelja, red. von N. N. L'vov. - Saratov 1 8 9 8 - 1 9 0 5 . Erschien bis 1905 wöchentlich, dann monatlich. S s l o w o ; Tl.: Slovo. - S.-Peterburg 1 9 0 3 - 1 9 0 9 . Erschien täglich, bürgerlichliberal. S s y n Otjetschestwa; Tl.: S y n otecestva. Ezednevnaja obscestvennaja, politiceskaja i literaturnaja gazeta, hg. von S. P. Juricyn. - S.-Peterburg 1 8 6 2 - 1 9 0 5 .
Verzeichnis
der von Max Weber zitierten
Zeitungen
759
1901 bis 1 9 0 3 nicht e r s c h i e n e n . Seit d e m 15. N o v e m b e r 1905 Parteiorgan der Sozialisten-Revolutionäre. - » Nashi Dni. Strana; Tl.: Strana, hg. v o n M. M. Kovalevskij. - S . - P e t e r b u r g 1 9 0 6 - 1 9 0 7 . Erschien täglich; bürgerlich-liberale T a g e s z e i t u n g . T o r g o w o - p r o m y s c h l j e n n a j a Gasjeta; Tl.: T o r g o v o - p r o m y s l e n n a j a Gazeta. - S.Peterburg 1 8 9 3 - 1 9 1 8 . Erschien täglich. Organ d e s Finanzministeriums. La T r i b u n e Russe. Bulletin b i - m e n s u e l d u m o u v e m e n t Socialiste Révolutionnaire, hg. v o n E. Roubanovitch. - Paris 1 9 0 4 - 1 9 0 5 , 1 9 0 7 - 1 9 0 9 und 1 9 1 2 - 1 9 1 3 . V e c e r n e e pribavlenie k P r a v i t e l ' s t v e n n o m u Vestniku. - S . - P e t e r b u r g 1907. Erschien täglich; offiziöses O r g a n d e r Regierung.
1906-
V p e r i o d ; Tl.: V p e r e d . Rossijskaja S o c i a l - d e m o k r a t i c e s k a j a Partija. - G e n f 1 9 0 4 - 1 9 0 5 . Erschien v o m 22. D e z e m b e r 1 9 0 4 bis 5. Mai 1 9 0 5 als illegale bolschewistische Wochenschrift. Wjestnik J e w r o p y ; Tl.: V e s t n i k Evropy. Zurnal istorii-politiki-literatury, hg. v o n M. M. Kovalevskij. - S . - P e t e r b u r g 1 8 6 6 - 1 9 1 8 . Erschien monatlich. Wjestnik s s e l s k a w o chosjaistwa; Tl.: Vestnik s e l ' s k a g o chozjajstva. E z e n e d e l ' noe izdanie M o s k o v s k a g o o b s c e s t v a s e l ' s k a g o chozjajstva po v s e m v o p r o s a m s e l ' s k a g o chozjajstva, z e m s k o j a g r o n o m i c e s k o j dejatel'nosti i m e l ' k a g o kredita. - M o s k v a 1 9 0 0 - 1 9 2 9 . Erschien w ö c h e n t l i c h . W j e t s c h e r n i j G o l o s s ; Tl.: Vecernij Golos. - S . - P e t e r b u r g 1 9 0 5 - 1 9 0 6 . Erschien täglich; d e n Kadetten n a h e s t e h e n d . W o p r o s s i Shisni; Tl.: V o p r o s y Zizni. E z e m e s j a c n y j l i t e r a t u r n o - o b s c e s t v e n n y j zurnal, Nr. 1 - 5 hg. v o n N . O . Losskij, ab Nr. 6 hg. v o n D. E . Z u k o v s k i j . - S.Peterburg 1905. Erschien monatlich. Z e r k o w n y j W j e s t n i k ; Tl.: C e r k o v n y j Vestnik. - S . - P e t e r b u r g 1 8 7 5 - 1 9 1 7 . Erschien w ö c h e n t l i c h ; inoffizielles O r g a n der St. P e t e r s b u r g e r G e i s t l i c h e n A k a d e mie.
Glossar
Adelsmarschall. Predvoditel' dvorjanstva. Seit 1775 (Statut über Gouvernementsverwaltung) und 1785 (Gnadenurkunde für den Adel) bildete der Adel jedes Gouvernements die dvorjanskoe obscestvo (Adelskorporation), die den Gouvernementsadelsmarschall wählte. Daneben gab es auch den Adelsmarschall auf Distriktsebene (uedznyj predovditel' dvorjanstva). Den Adelsmarschällen oblagen wichtige Funktionen innerhalb der Verwaltung der Gouvernements und der Distrikte, und seit der Errichtung der Zemstva 1864 waren sie ex officio Mitglieder der Zemstvoversammlungen. Altgläubige
- » Raskol.
Akme. (griechisch) die Blüte, die Spitze; bezeichnet den Höhepunkt einer Krankheit, besonders des Fiebers. Archierej. Arteli->
Kirchlicher Würdenträger: Bischof, Erzbischof, Metropolit. Kustar.
Ataman. Gewählter, späterhin von der kaiserlich-russischen Regierung ernannter Anführer der Donkosaken. Bauernbank,
Bauernlandbank^Krestjanskij
posemelnyj bank.
Beseda-Kreis. Beseda (russ. das Gespräch, der Meinungsaustausch). Der Beseda-Kreis war ein von 1889 bis 1905 bestehender loser Zusammenschluß von Zemstvomännern, die sich mehrmals im Jahr trafen. Dem Kreis gehörten sowohl D. N. Sipov und M. A. Stachovic, die zum slavophilen Flügel, als auch die beiden Dolgorukovs und D. I. Sachovskoj an, die zum linken Flügel der Zemstv o b e w e g u n g zu rechnen sind. Die Gruppe war anfangs gedacht als ein Diskussionszirkel, der zunächst nur die Politik der Zemstva gegenüber der Regierung zu koordinieren versuchte, späterhin jedoch auch die Probleme der politischen Reform des zarischen Rußland diskutierte. Die Gruppe löste sich im Laufe des Jahres 1905 im Zuge des Zerfalls der Z e m s t v o b e w e g u n g auf. Bjeglopopowzyje; Tl.: beglopopovcye. Eigentlich abschätzig gemeint: die, die weggelaufene Priester haben; gemeint ist der Teil der Altgläubigen, der Priester hatte, und zwar zumeist der orthodoxen Kirche entlaufene, im Gegensatz zu den „ B e z p o p o v c y " , die keine Priester akzeptierten. - ^ J e d i n o w e r l j e , —» Raskol.
Glossar
761
Bulyginsche Duma. Sie war durch Manifest und Statut vom 6. August 1905 als Reichsduma mit nur beratender Funktion gedacht und sollte auf der Grundlage eines Indirekten Kurlenwahlsystems, das auf einem gemäß der Steuerleistung bemessenen Zensus basierte, gebildet werden. Benannt nach dem Innenminister A. G. Bulygln, der die Kommission leitete, die die Statuten der Duma ausarbeitete. bunt. Aufruhr, Unruhe, Empörung. Byttpo ssjemu; Tl.: byt' po semu. Es sei! Dem sei also! Bekräftigungsformel. Cäsareopapismus/Cäsaropapismus. Die Verbindung von staatlichem und kirchlichem Regiment, bei der dem weltlichen Herrscher aufgrund seiner göttlichen Weihe auch in innerkirchlichen Fragen die oberste Leitung der Kirche zukommt. Der Begriff wurde seit dem 18. Jahrhundert vor allem auf das spät-römische und byzantinische Kirchensystem angewandt, in dem die Einheit des geistlichweltlichen Reiches bestand. Er wurde und wird auch auf die Entwicklung in Rußland bezogen, Insbesondere seit der Abschaffung des Patriarchats durch Peter I. (1721) und die Einsetzung des —> Hl. Synod als staatlicher Kontrollinstanz über die Kirche. Chodok. Von Bauern gewählter und mit einer Petition oder einem Auftrag entsandter Bote. Chutor. Ein eigenständiges, außerhalb des Dorfes gelegenes Bauerngehöft, etwa einer amerikanischen Farm vergleichbar, auf dem der Bauer inmitten seiner Felder wohnte. chutorskije gehören. chutorskoje
utschastky;
Tl.: chutorskle ucastki. Landanteile, die zu einem chutor
chasjaistwo;
Deßjätine, Dessjätine;
Tl.: chutorskoe chozjajstvo. Chutor-Wlrtschaft.
Tl.: desjatina. Russisches Flächenmaß: 1,09 Hektar.
Djejateli; Tl.: dejateli. Männer des öffentlichen Lebens; gesellschaftlich aktiv Handelnde. dopolnitjelnyj Nadjel; Tl.: dopolnitel'nyj nadel. Landanteil, der dem Land der Bauern hinzugefügt (ergänzt) werden muß oder soll, um ihren Lebensunterhalt zu sichern oder zu ermöglichen. Dopolnjenije;
Tl.: dopolnenle. Wörtlich: Ergänzung.
drittes Element-^trety
element.
Glossar
762 Dwornik;J\.:
dvornik. Hausmeister.
Duma. Eigentlich: Gedanke oder Denken, dann: Rat oder Ratschlag, schließlich: eine G r u p p e oder Versammlung von Ratgebern. G o r o d s k a j a d u m a : Stadtduma, seit 1870, geändert 1892, wurde die Stadtduma nach einem Zensuswahlrecht gewählt. Die Stadtduma wählte den Bürgermeister. Ihre Aufgaben waren vor allem auf wirtschaftliche, medizinische und schulische Probleme beschränkt. Seit 1906 auch die Bezeichnung für das russische Parlament: Gosudarstvennaja Duma: Reichs- oder Staatsduma. -^-Bulyglnsche Duma, —>ssojusnaja Duma. Eparchie.
Diözese.
Glassnyj; Tl.: glasnyj. Mitglied der örtlichen Selbstverwaltung. Nach den Statuten über die örtliche Selbstverwaltung von 1879, respektive 1892, die von der dazu qualifizierten Stadtversammlung gewählten Mitglieder des Stadtrates. Zemskij glasnyj, nach den Zemstvostatuten von 1864 bzw. 1890 gewählte Mitglieder der Zemstvoversammlung. glawnyj uprawljajuschtschij; Tl.: glavnoupravljajuscij. Leiter einer Regierungsbehörde, in einigen Fällen ranggleich mit einem Minister. gmina. (polnisch) Gemeinde, entsprach dem russischen volost'. gorodskaja
duma
gosudarstvennaja
Duma. Duma
Duma.
Gradonatschalnik; Tl.: gradonacal'nik. Beamter, der eine Stadt und das dazugehörige Gebiet mit den einem Gouverneur vergleichbaren Vollmachten verwaltete. gramota. Schriftstück, Brief oder Charta; im allgemeinen jedes geschriebene, private oder öffentliche Dokument. Heiliger Synod. Russisch: Svjatejsij Sinod. Seit 1721 das oberste Verwaltungsorgan der russischen orthodoxen Kirche. Hetman. Gewählter, späterhin von der kaiserlichen Regierung ernannter Anführer der Dneprkosaken. igumen. Abt, Klostervorsteher. Inorodtsy; Tl.: inorodcy. Ethnische Gruppen, die einen besonderen rechtlichen Status hatten; dazu gehörten die indigenen Stämme in Sibirien, Zentralasien und Transkasplen sowie die Juden.
Glossar
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Jawotschnyj porjadok; Tl.: javocnym porjadkom. Wörtlich: ohne vorherige Erlaubnis. Gemeint ist damit, daß die Gründung von Vereinen oder Verbänden nicht m e h r d e r vorherigen Genehmigung durch die Behörden bedurfte, sondern daß sie ihre Statuten nachträglich zur Genehmigung bei den Behörden einreichen mußten. Dies galt analog für Pressepublikationen. Jedinowjerije; Tl.: edinoverie. Der Teil der Altgläubigen, der Priester akzeptierte, schloß in den Jahren 1 7 8 8 - 1 8 0 0 Abkommen mit der orthodoxen Kirche, in denen ihm das Recht auf Gottesdienst nach alten Riten und die Benutzung der v o r d e r Nikonschen Reform von 1654/55 gedruckten Bücher zugesichert wurde, wenn er von der orthodoxen Kirche ordinierte Priester übernahm. ^ R a s k o l , -H> Altgläubige. Jedinowjerzi Jedoki;T\.: familie.
—»Jedinowerije. edoki. Wörtlich: Esser; Bezeichnung für die Mitglieder einer Bauern-
Jeromonach;
Tl.: ieromonach. Als Priester ordinierter Mönch.
Kleinrußland,
Kleinrussen.
Bezeichnung für die Ukraine bzw. die Ukrainer.
Kolo; Tl.: Koto. (polnisch) Der Ring, der Kreis. Die überwiegende Zahl der in den polnischen Gouvernements gewählten Abgeordneten zur Ersten Duma schloß sich zum polnischen Koto zusammen. komitetposemljeustroitelnym djelam; Tl.: komitet po zemleustroitel'nym delam. Komitee für Angelegenheiten der Landeinrichtung, entstand Anfang 1906 innerhalb der Hauptverwaltung für Landeinrichtung und Landwirtschaft (glavnoe upravlenie zemleustrojstva i zemledelie) - dem 1905 umgestalteten alten Ministerium für Landwirtschaft - für Fragen der Umsiedlung der Bauern nach Sibirien, Mittelasien und dem Kaukasus sowie zur Vorbereitung einer Agrarreform. Der Ministerpräsident P. Stolypin benutzte es ab November 1906 zur Durchführung seiner Agrarreform. kraj. Land, Gebiet, Randgebiet. kramola. Verschwörung, Aufruhr oder Aufstand. Krestjanskij posemelnyj bank;J\.: krest'janskij pozemel'nyj bank. Bauernbank oder Bauernlandbank. Durch das Gesetz vom 18. Mai 1882 gegründete staatliche Hypothekenbank, die das Ziel verfolgte, den Bauern - einzeln oder in Gruppen - durch Gewährung günstiger Kredite den Landerwerb zu ermöglichen. Die Darlehen, bis zu 7 5 % des Bodenwertes, hatten eine Laufzeit von 241/2 oder 3414 Jahren; der Zinssatz betrug 2%%.
Glossar
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krugovaja poruka. Solidarhaftung. G e m e i n s a m e Verantwortung der Bauerngemeinde gemäß dem Gesetz vom 19. Februar 1861 für die Zahlung der Steuern und die Erfüllung anderer Verpflichtungen gegenüber dem Staat. kulak. Wörtlich: Faust, Großbauer, auch ländlicher Wucherer. Kulatschestwo;
Tl.: kulacestvo. Kulakentum, Großbauerntum.
Kustar; Tl.: kustar'. Bauer, der in Heimarbeit tätig ist. Die Kustar'-Industrie war von großer Bedeutung in Rußland, vor allem in der Textii-, Metall- und Holzindustrie. Oftmals schlössen sich die kustari zu arteli zusammen, freiwilligen Kooperativ-Organisationen, die einen gewählten Ältesten an der Spitze hatten. Mir. Bauerngemeinde, die ihre eigenen Angelegenheiten selbst verwaltete. In A b g r e n z u n g z u m Begriff—» Obschtschina eher die Menschen bezeichnend. Nadjel; Tl.: nadel. Landanteil, der einer Bauernfamilie aus dem Gemeindeland zur Nutzung überlassen wurde. —»dopolnitjelnyj Nadjel. Nakas;J\.\
nakaz. Instruktion, Befehl.
Narodnaja
Rada. Volksrat.
Narodnaja Wolja; Tl.: narodnaja volja. Von einem Teil der Narodniki in den 1870er Jahren gegründete Organisation, die durch revolutionären Terror einen Umsturz der Verhältnisse in Rußland herbeiführen wollte. Prominentestes Opfer dieser B e w e g u n g war im Jahre 1881 Zar Alexander II. Narodnitschestwo; Tl.: narodnicestvo. Strömung in der russischen Intelligenz seit den 1870er Jahren (Populismus). Durch Propaganda im Volk (narod) sollte politische Aufklärung betrieben werden, um eine Veränderung der Verhältnisse zu erreichen. Die Theorien des Narodnicestvo basierten auf der Ansicht, daß im russischen Mir die Keimzelle für eine sozialistische Organisation der Gesellschaft g e g e b e n sei, aber auch auf modifizierten Marxschen Gedanken und Ideen von Mili, Comte und Spencer. Nach den Vorstellungen der Narodniki war die Herausbildung des westlichen Kapitalismus in Rußland insbesondere deshalb vermeidbar, weil der Mir sozialistische Organisationsformen bereits in sich barg. Die Aktivitäten der Narodniki führten Ende der 1860er Jahre zu einem massenhaften „ G e h e n ins Volk" (idti v narod), dem eine Verhaftungswelle nach einiger Zeit ein Ende bereitete. Aus der B e w e g u n g heraus wurde 1876 eine geheime Organisation „ Z e m l a i Volja" gegründet, die die Veränderung der Gesellschaft nun statt durch friedliche Propaganda durch terroristische und konspirative Aktionen herbeiführen wollte. „ Z e m l a i Volja" spaltete sich 1879 in „ C e r n y j peredel" und „Narodnaja Volja", einen gemäßigten und einen radikalen Flügel auf.
Glossar
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njeogranitschennyj; Tl.: neogranicennyj. Wörtlich: unumschränkt. Bis zu den Staatsgrundgesetzen vom 23. April 1906 w a r d e r russische Zar „ein selbstherrschender und unumschränkter Monarch". Das Wort „unumschränkt" fehlt im Staatsgrundgesetz vom April 1906. Oberprokuror; Tl.: Ober-Prokuror Svjatejsego Sinoda. Oberprokuror des Heiligen Synod. Seit 1722 Regierungsvertreter im Heiligen Synod, der anfänglich nur die Tätigkeit dieses Gremiums der Kirchenleitung als staatlicher Beauftragter überwachen sollte, nach kurzer Zeit jedoch der bevollmächtigte Minister für Kirchenverwaltung wurde. Dieses Amt existierte bis 1917. Oblastj; Tl.: oblast'. Im kaiserlichen Rußland eine territoriale Verwaltungseinheit, die einem Gouvernement entsprach. Im europäischen Rußland gab es nur den Oblast' Voiska Donskogo (das Gebiet der Donkosaken); weitere oblasti gab es im Kaukasus, in Zentralasien, in Ostsibirien und im Fernen Osten. Obrjeski; Tl.: obrezki; auch: otrezki. Land, das die Bauern infolge der Bauernbefreiung von 1861 verloren. Die obrezki wurden in zahlreichen Gouvernements nach der Reform von 1861 vom Anteilland der Bauern genommen, falls ihr ProKopf-Anteil an Land das für das Gebiet festgesetzte Maß überschritt oder dem Gutsbesitzer weniger als Ys des guten Ackerbodens zur Nutzung blieb. obrok. Vor der Bauernemanzipation von 1861 von den Bauern an die Gutsbesitzer oder den Staat zu zahlender Zins in Naturalien oder Geld. Obschtschina; Tl.: obscina. Bauerngemeinde. Die Obscina sorgte für die Umteilung des kommunalen Landbesitzes und der Weiden und war bis 1903 kollektiv für die Steuerzahlung verantwortlich. Ihr oblag gleichfalls die Aufrechterhaltung der Ordnung innerhalb des Dorfes. obschtschinnoe Obschtschestwo; Tl.: obscinnoe obscestvo. Offizielle Bezeichnung für die Dorfgemeinde als selbstverwaltende Organisation der Bauern. österreichische Hierarchie. Eine Gruppe der Altgläubigen, deren Bischöfe 1847 durch den bosnischen Metropoliten Amvrosij in Belaja Krinica geweiht worden waren. Auch als „österreichische Denomination" bezeichnet. österreichische
Observanz -»österreichische Hierarchie.
Okrushniki; Tl.: okruzniki. Wörtlich: die, die dem Rundschreiben anhängen. So bezeichnet nach dem Rundschreiben des Bischofsrates eines Teils der Altgläubigen aus dem Jahre 1862, in dem dieser Bischofsrat eine friedliche Koexistenz zwischen den Altgläubigen und der orthodoxen Kirche befürwortete. Osswoboshdentsy;
Tl.: Osvobozdency. Mitglieder des Sojuz Osvobozdenija.
Glossar
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ostseejskij ryzar; Tl.: ostzejskij rycar'. Ostseeritter. Abwertende Bezeichnung für die Baltendeutschen seit den 1890er Jahren. Pjeredjel; Tl.: peredel. Umtellung des Bodens. podatnoje ssostojanie; Tl.: podatnoe sostojanie. Offizielle Bezeichnung für die niederen Klassen der Bevölkerung, die die „podusnaja podat'" (die Kopfsteuer) bezahlten und Rekruten für die Armee stellen mußten. Die Militärreform von 1874 führte die allgemeine Dienstpflicht ein; In den Jahren 1 8 8 3 - 1 8 8 6 wurde die Kopfsteuer abgeschafft, doch blieb die formale Trennung der Bevölkerung in Stände ebenso wie die alte Bezeichnung bis 1917 erhalten. podwornoje semljewladjenije; Tl.: podvornoe zemlevladenie. Einzelhofbesitz, Insbesondere in den westlichen Gouvernements Rußlands, der nicht der Umteilung unterlag und erblich war. podwornoje nije. Poljessien.
wladjenije;
Tl.: podvornoe vladenle = podwornoje semljewladje-
Auch Polessien; Sumpflandschaft Im Gebiet der Prlpet-Sümpfe.
poloshenije; Tl.: polozenle. Statut, das den gesetzlichen Status und die Tätigkelten einer Verwaltungsbehörde regelte, ebenso den Status einer Schicht der Bevölkerung oder den einer sich selbstverwaltenden Institution. poloshenije o gubernskich i ujesdnych semskich utschreshdjenijach; Tl.: polozenie o gubernskich i uezdnych zemsklch ucrezdenijach. Zemstvostatut von 1864. ^ S e m s t w o . potrebitjelnaja norma; Tl.: potrebltel'naja norma. Konsumnorm, d. h. die Grundbesitzeinheit, die notwendig war, um einer bäuerlichen Familie das Auskommen zu sichern. powjeljenie; Tl.: povelenle. Befehl, Entscheidung; vysocajse povelenie = Allerhöchster (kaiserlicher) Befehl. predvoditel'
dvorjanstva
Priesterlose
- » Raskol.
Adelsmarschall.
Prigowor; Tl.: prigovor. Gerichtsurteil. Auch die Entscheidung einer Dorfversammlung: prigovor sel'skogo schoda. prikas; Tl.: prikas. Befehl, Anordnung.
Glossar
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prissutstwije; Tl.: prisutstvie. In der Behördensprache des kaiserlichen Rußland eine ständige Reglerungsinstitution, die bestimmte Angelegenheiten verwaltete oder beaufsichtigte. prodowolstwjennaja norm. Rasdornik;
norma; Tl.: prodovol'stvennaja norma. Selbstversorgungs-
Tl.: razdornlk. Der Unruhestifter, der Störenfried.
Raskol. Offizielle Bezeichnung für die Spaltung der orthodoxen Kirche in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, bei der sich die sog. Altgläubigen (raskol'nlki oder staroobrjadcy), die an den alten Riten festhielten, von der offiziellen Kirche trennten. Die Altgläubigen spalteten sich später in eine Gruppe, die an einer priesterlichen Ordnung festhielt (popovscina), und eine Gruppe, die jede Form priesterlicher O r d n u n g ablehnte (bezpopovscina). Die letztere zerfiel in zahlreiche Sekten, - » j e d i n o w j e r i j e , - » B j e g l o p o p o w z y j e . Raskolnik; Tl.: raskol'nlk. Offizielle Bezeichnung für die Altgläubigen bis z u m sog. Toleranzedikt v o m 17. April 1905. rasrjeschenije; Tl.: razresenie. Erlaubnis, die sich auf das Übersiedlungsgesetz v o m Juni 1904 bezieht. Dem Übersiedler, z. B. nach Sibirien, wurde in einer Art Bescheinigung das Recht auf staatliche Beihilfe zuerkannt (razresenie na pereselenle s sodejstviem pravitel'stva). raswjerstanije;
Tl.: razverstanie ugodli. Flurbereinigung, Arrondierung.
raznocinec. Bezeichnung des 18. und 19. Jahrhunderts für Personen zwischen den Ständen oder Personen „verschiedener Ränge". Diejenigen, die die Klasse oder die Schicht der Eltern verlassen hatten, aber formal keiner anderen angehörten. Reichsduma
—> Du ma.
Sakon; Tl.: zakon. Gesetz, Statut. Schlachtize; schwarze sel'skoe
Tl.: szlachcic. (polnisch) Adliger.
HunderteTschernye obscestvo.
ssotni.
Seit 1861 die offizielle Bezeichnung für die Dorfgemeinde.
semljeustroitjelnija kommissija; Tl.: zemleustroltel'naja komissija. Grundbesitz regulierungs- oder Landbesiedlungskommission. Geschaffen durch Verordnung v o m 4. März 1906 auf Gouvernements- und Distriktsebene (gubernskie
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Glossar
und uezdnye), die die Landbesiedlung überwachen sollte. Von Bedeutung besonders nach dem Dekret vom 9. November 1906, nach dem diese Kommissionen die Umwandlung der Landanteile von Gemeinde- In Privatbesitz überwachten. Semskij Natschalnik; Tl.: zemskij nacalnik. Landhauptmann. Seit der Reform des 1864 erlassenen Zemstvostatuts vom 12. Juni 1890 von der Regierung ernannter Beamter - zumeist aus dem lokalen Adel - , der die Entscheidungen der Obscina kontrollierte. Er besaß sowohl juridische als auch administrative Funktionen. Semskij Ssobor; Tl.: Zemskij Sobor. Reichs- oder Landesversammlung. Der Begriff wurde von dem Slavophilen Konstantin Aksakov 1850 erfunden und von S. M. Solov'ev in die Wissenschaftssprache übernommen. In den Quellen wird von „ s o b o r y " (Versammlungen), von „sovet vsela zemli" (Rat des ganzen Landes) oder nur von „ vsja zemlja" (das ganze Land) gesprochen. Die Reichsversammlungen umfaßten jedoch fast nie das ganze Land, sondern nur einige Gruppen, so die Bojarenduma - » Duma, die Vertreter der Moskauer Stadtbevölkerung und militärische Amtsinhaber der Provinz. Der erste sogenannte Zemskij Sobor fand 1549 in der Regierungszeit Ivans IV. (des Schrecklichen) statt. Die sobory der Folgezeit waren zumeist nur Informations- und Akklamationsversammlungen, keine ständisch repräsentativen Institutionen. Am Zemskij Sobor des Jahres 1613, der den Zaren Michail Fedorovic aus dem Hause Romanov wählte, nahmen zum einzigen Male auch Bauern teil. Der letzte Sobor tagte 1653. Semstwo; Tl.: Zemstvo. Offizielle Bezeichnung: zemskoe ucrezdenle. Organ der Selbstverwaltung im ländlichen Rußland, geschaffen durch Statut vom 1. Januar 1864, in 34 Gouvernements des europäischen Rußland. Dem Zemstvo oblagen u.a. Bau und Reparatur der Straßen, Entwicklung des örtlichen Handels und der Industrie, Unterstützung der öffentlichen Erziehung und der medizinischen Versorgung der Bevölkerung, tierärztliche Versorgung, Steuerschätzung des örtlichen Besitzes sowie die Wahl der exekutiven Organe des Zemstvo. Die Distrikts- und Gouvernementszemstva hielten regelmäßige Versammlungen ab, die - für jeweils 3 Jahre - ein Exekutivorgan, die sog. uezdnaja zemskaja uprava und die gubernskaja zemskaja uprava wählten. Ex officio waren die Distrikts- und Gouvernementsadelsmarschälle Mitglieder dieser Organe. Die Vorsitzenden der uprava wurden vom Gouverneur bzw. vom Innenminister In ihren Ämtern bestätigt. Die Abgeordneten zur Distriktszemstvoversammlung wurden von folgenden Wählergruppen gewählt: 1. private Landbesitzer von einer bestimmten Größe des Landbesitzes an, 2. die Dorfgemeinde und 3. städtische Besitzer nach einem festgelegten Zensus. In der Reglerungszeit Alexanders III. wurde 1890 das Wahlrecht geändert und dem adeligen Gutsbesitz ein höherer Anteil an den Abgeordnetensitzen zugebilligt. Gleichzeitig mußten seitdem alle Mitglieder der uprava vom Gouverneur bestätigt werden. Zur Überwachung der Zemstvoaktivitäten wurde die gubernskoe po zemskim delam prisutstvie unter Vorsitz des Gouverneurs geschaffen.
Glossar
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Senat. Eigentlich: pravitel'stvujuscij senat (regierender Senat). 1711 a l s o b e r s t e Reichsbehörde für die innere Verwaltung und die Justiz geschaffen. Seit der Justizreform v o n 1864 war der Senat hauptsächlich Kassationsgerichtshof. Er führte die Aufsicht über die Lokalverwaltung und die Gerichte, veröffentlichte die Gesetze und war für deren A u s l e g u n g zuständig. Er bestand seit 1898 aus sechs Departements. skit. Kloster der Altgläubigen. smuta. Aufruhr, Unruhe; B e z e i c h n u n g für die „ Z e i t d e r W i r r e n " von 1 6 0 5 - 1 6 1 3 . ssamodershawnyj
-»Ssamodershez.
Ssamodershez; Tl.: S a m o d e r z e c . Einer der Titel des russischen Monarchen: Selbstherrscher (Autokrator). Tl.: schod. Dorfversammlung.
Sschod;
Ssejm; Tl.: sejm. (polnisch) Reichstag; auch der finnische Landtag w u r d e so genannt. Tl.: selenlja. Ländliche Siedlungen.
ssjelenija;
sskrjepljenije; Tl.: skreplenie. Kontrasignierung, Bekräftigung, Beglaubigung (durch Unterschrift). Ssobor;
Tl.: sobor. Rat, Versammlung, auch im Sinne von Kirchenkonzil.
Ssobornostj;
Tl.: sobornost'. Die auf das Konzil gerichteten Aktivitäten.
ssojusnaja Duma; Tl.: sojuznaja Duma. B u n d e s v e r s a m m l u n g ; Im Verfassungsentwurf Dragomanovs v o n 1884 als oberstes repräsentatives Organ gedacht. Sswod Sakonow; Tl.: S v o d Zakonov Rossijskoj Imperii. G e s e t z e s s a m m l u n g des Russischen Reiches. Sie war seit 1. Januar 1836 in Kraft, anfangs aus 15, seit 1864 aus 16 Bänden bestehend. Der Svod enthielt alle gültigen Gesetze, die systematisch angeordnet waren. Stadtduma
—»Duma.
Stanitschnyj Sschod; Tl.: Stanicnyj schod. G e m e i n t ist wohl stanicnyj sbor, die Dorfversammlung einer stanica. Stanitza; Tl.: stanica. Siedlung der Kosaken, aus einem oder m e h r e r e n Dörfern bestehend; auf der Verwaltungsebene bestand eine Selbstverwaltung. Staroobrjadschestwo;
Tl.: staroobrjadsestvo. Altgläublgentum.
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Glossar
Staroobrjadshik; Tl.: staroobrjadsik. Altgläubiger, Altritueller; seit dem Toleranzedikt vom 17. April 1905 wurde die Bezeichnung Raskol'nikdurch Staroobrjadsik ersetzt. Starost; Tl.: sel'sklj starosta. Nach der Bauernbefreiung von 1861 der von der Dorfgemeinde gewählte Dorfvorsteher. Starschina; Tl.: starsina. Nach der Bauernbefreiung von 1861 das gewählte Oberhaupt der Volost'-Versammlung. —>Wolost-Sschod. Subatowschtschina; Tl.: Zubatovsclna. Bezeichnung für den von S. V. Zubatov, dem Leiter der Moskauer Abteilung der Ochrana (Gehelmpolizei), mit Billigung der Regierung Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts unternommene Versuch, Arbeiterorganisationen zu etablieren, um vor allem den Einfluß revolutionärer Propaganda einzudämmen. Die Regierung beendete diese Unternehmung, die auf scharfen Widerstand von seifen der Unternehmer stieß, im Jahre 1903. Subhastation.
Zwangsversteigerung.
tolstowstwo; Tl.: tolstovstvo.Tolstojanertum; Anhänger der Lehren LevTolstojs. Towarischtschestwo;
Tl.: tovariscestvo. Genossenschaft.
trety element; Tl.: tretij ölement. Wörtlich: drittes Element. Bezeichnung für die Zemstvo-Angestellten, Ärzte, Statistiker etc., seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts, die weder zur Verwaltung noch zu den Ständevertretern im Zemstvo gehörten und als besonders radikal galten. trudowaja norma; Tl.: trudovaja norma. Arbeitsnorm, d.h. die Besitzgröße, die ein Bauer mit den Familienangehörigen bearbeiten konnte. Tschernye ssotni; Tl.: cernye sotnl. Schwarze Hundertschaften. Bezeichnung für die rechtsradikalen Kampfverbände, die seit dem Frühjahr 1905 mit teil weiser Billigung von Regierungskrelsen operierten. Sowohl pejorativ als auch im Selbstverständnis gebraucht. Häufig auch für die gesamte politische Rechte benutzt. Tschernyjpjeredjel; Tl.: cernyj peredel. Wörtlich: schwarze Umteilung; Verteilung des Bodens an die arbeitenden Menschen des ganzen Landes. Bezeichnung für die von G. Plechanov u.a. gegründete Gruppe (1878-1881) Innerhalb der Partei „Zemlja i Volja", die terroristische Aktionen ablehnte. —»Narodnltschestwo. Tschin; Tl.: ein. Rang. Im 18. und 19. Jahrhundert der Rang eines Militärs oder eines Regierungsbeamten nach dem „Tabel' o rangach" Peters des Großen von 1722, der Militär, Hof- und Zivilbeamte in 14 Rangklassen ordnete.
Glossar
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Tschinownik; Tl.: clnovnik. Der Inhaber eines „ein". Beamter, Staatsangestellter; auch verächtlich „Bürokrat". Ugolownoje Uloshenije; Tl.: ugolovnoe ulozenie. Kriminalprozeßordnung. Ujesd;J\.: uezd. Distrikt oder Kreis, kleinere Verwaitungselnheit innerhalb eines Gouvernements. Ukas; Tl.: ukaz. Dekret, Befehl. Ein kaiserlicher Befehl (immenoj ukaz) mit Gesetzeskraft. Uloshenije; Tl.: ulozenie. Statuten, Verordnungen, Gesetzessammlungen. Uloshenije o nakasaniach ugolwnych; Tl.: ulozenie o nakazanijach ugolovnych. Strafgesetzbuch. Uprawa; Tl.: uprava. Bezeichnung für Verwaltungsorgane.-^auch: Semstwo. Ustaw; Tl.: ustav. Instruktion, Charta, Statut für öffentliche Institutionen oder für verschiedene Teile der Verwaltungsbehörden. ustawgrashdanskawossudoprolzwodstwa; Tl.: ustav grazdanskago sudoproizvodstva. Statut des bürgerlichen Gerichtsverfahrens (Bürgerliches Gesetzbuch). Usta w o predupreshdenii i pressetschenii prestupljenija; Tl.: ustav o pred u prezdenii i presecenii prestuplenlja. Statut, Vorschriften über die Verhütung und Unterbindung von Verbrechen. Usukapion. Im römischen Recht der Eigentumserwerb kraft Ersitzung. utschastkowoje obschtschestwo; Tl.: ucastkovoe obscestvo. Diejenige bäuerliche Gemeinde, deren Felder separiert worden waren. utschastkowoje semljewladjenije; Tl.: ucastkovoe zemlevladenie. Seit 1906 in der Bedeutung von -^-podwornoje semljewladjenjie. utschastok; Tl.: ucastok. Teil, Anteil an Land. utschreshdjenije; Verordnungen.
Tl.: ucrezdenle. Bezeichnung für verschiedene Statute und
vysocajse povelenie ^ p o w j e l j e n i j e . Werst; Tl.: versta. Russisches Längenmaß: 1,067 Kilometer. wjedjenije; Tl.: vvedenie. Einleitung, Einführung.
Glossar
772 Wlast uprawtenija;T\.-.
vlast' upravlenija. Macht der Verwaltung.
wolost; Tl.: volost'. Nach der Bauernbefreiung von 1861 wurden mehrere Dörfer oder Weller zu einem volost' mit einer Bevölkerung von 300 bis maximal 2000 männlichen Seelen zusammengefaßt. ^ W o l o s t - S s c h o d . Wolost-Sschod; Tl.: volostnoj schod. Die Volost'-Versammlung (volostnoj schod) setzte sich aus den von den Bauern gewählten Beamten und Bauernvertretern zusammen. Sie wählte das bäuerliche Gericht und die Verwaltungsinstitution (volostnoe pravlenie). Zemlja i Volja —>Narodnitschestwo.
Personenregister Gerade gesetzte Zahlen verweisen auf Webers Text, kursiv gesetzte Zahlen auf die Herausgeberrede.
Abbe, Ernst 373 Abramov —> Abramow Abramow, russischer Polizeioffizier 318, 707 Adler, Victor 171, 707 Aggeev, K. 349 Akimov, Michail Grigor'evic—» Akimow, M.G. Akimow, M. G. 298, 588, 707 Aksakov, Ivan Sergeevii—* Aksakow, I. S. Aksakov, Nikolaj Petrovic —» Akssakow, N. P. Aksakow, I. S. 132, 707, 739 Aksel'rod, Pavel Borisoviü—» Axelrod, P. B. Akssakow, N. P. 343, 707 Akssakow, russische Adelsfamilie 251 Akvilonov, Evgenij Petrovic—> Akwilonow, E. P. Akwilonow, E. P. 346, 707 Alad'in, Aleksej Fedorovic—> Aladjin, A. F. Aladjin, A. F. 643, 644,646,653,657, 659, 707 Aleksej Michajlovic, russischer Zar 147, 349, 725 Alexander I., russischer Kaiser 133f., 276, 708, 718, 732 Alexander II., russischer Kaiser 90,132, 195,228, 310,327,361, 399,456,654, 708, 733, 764 Alexander III., russischer Kaiser 204,210, 236,327, 328,367,574,649,671,708, 723, 727, 768 Alexander V. Battenberg, bulgarischer König 125 Alexander Severus, römischer Kaiser 346 Alvensleben, Gustav von 88 Alzona, E. 26 Amburger, Erik 88 Amvrosij, Metropolit 330, 765 Anastasij, Bischof 257, 708 Andernach, Norbert 372
Anikin, Stepan Vasil'evic 643, 644,646, 708 Anin, S. I. 501 Annenskij, Nikolaj Fedoroviö 93,178,190, 708 Antonij, Metropolit 326-328,330,343, 347, 708 Antonin, Bischof 346,350, 708 Antonoviö, Vladimir Bonifatievic —» Antono witsch, W. B. Antonowitsch, W. B. 150, 708 Arakancev, M. P. 659 Arminius, Jakobus 173 Arnim-Boitzenburg, Heinrich Graf268, 405, 682 Arons, Leo 372, 708 Arsen'ev, Jurij Vasil'eviö^ Arssenjew, W. Arsenij —» Arssenij Arssenij, Priester 258, 350, 708 Arssenjew, W. 258, 708 Asantschejew, W. K. 318, 708 Asquith, Herbert Henry, Earl of Oxford and 710 Atkinson, Dorothy 454 Auhagen, Otto 43 Avdakov, Nikolaj Stepanovic—» Awdakow, N. S. Avenarius, Richard 98, 708 Awdakow, N. S. 106, 612,655, 709 Axelrod, P. B. 165,171, 707, 709, 727 Azanceev-Azancevskij, Vsevolod Konstantinoviö —» Asantschejew, W. K. Badeni, Kasimir Graf 137 Bagehot, Walter 126 Bardeleben, Richard von 111 Baring, Maurice 42 Barth, Theodor 25, 41 Batjuäkov, F. D .98 Bauman, Nikolaj F. 674 Bebel, August 168,169f., 171,268, 709 Bechteev, Sergej Sergeevic—* Bjechtjejew, S. S.
774
Personenregister
Beetham, David 25 Belin, A. 487 Beljaev, J. P. 558 Belokonskij, Ivan Petrovic —* Bjelokonskij, I. P. Bennigsen, Rudolf von 265, 709 Berdjaev, Nikolaj Aleksandrovic 73, 98 Berlepsch, Hans Freiherr von 497 Bernstein, Eduard 99,122, 739 Bertrand, Louis 162 Beseler, Georg von 577 Beyme, Klaus von 51,169 Birth, Ernst 562 Bismarck, Otto Fürst von 89,263, 265,405, 407,421, 428,441f., 444,464,550, 681, 709 Bjechtjejew, S. S. 508f., 524, 709, 739 Bjelokonskij, I. P. 189, 494, 709 Black, Cyril E. 659 Bleklov, Stepan Michajlovic—» Bleklow, S. M. Bleklow, S. M. 234, 709, 739 Bobrinskij, Aleksej Aleksandrovic Graf 574, 709, Bobrinskij, Vladimir Alekseevic Graf266, 601,709 Bobriscev-Puäkin, Aleksandr Vladimirovic—» Bobrischtschew-Puschkin, A. W. Bobrischtschew-Puschkin, A. W. 562, 709 Bogdanov, Aleksandr Aleksandrovic - » Bogdanow, A. A. Bogdanow, A. A. (Pseudonym: Malinowskij) 98,171, 709, 722 Bogolepov, N. P. 95, 363 Bogucarskij, Vasilij Jakovlevic—> Bogutscharskij, W. J. Bogutscharskij, W. J. —» Jakowljow, W. Boiste, P. G. V. 536 Bojovic, M. N. 622 Bondarev, Sergej Ivanovic—»Bondarew, S. I. Bondarew, S. I. 644, 710 Bonnell, Victoria E. 558, 638 Borodin, N. A. 49, 635 Bortkiewicz, Ladislaus von 13 f., 21, 72,
282 Brachmann, Botho 6, 24, 685, 701 Brackert, Helmuth 412 Brauchitsch, Max von 104 Braun, Adolf 40 Breitscheid, Rudolf 41 Brentano, Lujo 17, 41, 74
Brjuchatov, Lev Dmitrievií —» Brjuchatow, L. D. Brjuchatow, L. D. 91, 710 Brooks, Jeffrey 152 Bruch, Rüdiger vom 372 Brunhilde 412 Bryce, James Viscount of Dechmont 128, 710, 739 Bubnov, Nikolaj 7, 72 Budilovic, Anton Semenovii —> Budilowitsch, A. S. Budilowitsch, A. S. 617, 710 Bülow, Bernhard Fürst von 89 Bulgakov, Sergej Nikolaevic—»Bulgakow, S. N. Bulgakow, S. N. 24, 73, 90, 91,189,254, 710, 739 Bulygin, Aleksandr Grigor'evic30f., 35, 56f., 96,102,106,116,119,179,255, 247, 259,390,414,418,424,445,448, 455, 476, 710, 761 Bunge, Nikolaj Christianovic 148, 710 Bums, John 409, 710 Busch, Alexander 377 Buzanskij, O. 384 Bykov, A. N. (Pseudonym: Severjanin) 487, 496 Cambon, F.-J. 503 Campbell-Bannerman, Sir Henry 409,503, 710 Camphausen, Ludolf von 265 Caprivi, Leopold Graf von 264, 411 Carlyle, Thomas 208,273,642, 710 Carnot, Lazare 675, 710 Cederbaum, Julij Osipovic —* Martow, L. Cel'cov, M. 161 Cernov, Viktor Michaj lo vic —» Tscherno w, W. M. Cernysevskij, Nikolaj Gavrilovic—• Tschernyschewski, N. G. Cetverikov, Sergej Ivanovic—»Tschetwerikow, S. J. Charitonov, Petr Alekseeviö-» Charitonow, P. A. Charitonow, P. A. 431, 711 Chishnjakow, W. M. 105, 711 Chiznjakov, Vasilij Michajlovic—* Chishnjakow, W. M. Chmel'nyckyj, Bogdan 147 Chodskij, Leonid Vladimirovic 96,711, 756
Personenregister Chomjakov, Dmitrij Alekseeviö—» Chomjakow, D. A. Chomjakov, N. A. 117 Chomjakow, D. A. 258, 343, 711 Chrustalev-Nosar', Grigorij Stepanovic—> Chrustaljow-Nossarj, G. S. Chrustaljow-Nossarj, G. S. 59,176 f., 184, 299, 711 Chvostov, V. M. 370, 375, 739 Cicerin, Boris Nikolaevic —> Tschitscherin, BN. Cindel', Emil —> Zindel, E. Cistjakov, P. S. —»Tschistjakow, P. S. Cleinow, George36, 38f., 45, 47 Comte, Auguste 764 Crom well, Oliver 3, 270,321, 675, 711 Cuprov, Aleksandr Alexandroviö—* Tschuprow, A. A. Cuprov, Aleksandr Ivanovic—» Tschuprow, A. J. Curtiss, J. S. 327, 330 Czartoryski, Adam Jerzy Fürst 133 Dahm, Helmut 124 Daniel'son, Nikolaj Francevic—* Danijlsson, N. F. Danijlsson, N. F. (Pseudonym: Nikolajon) 218, 711, 725, 740, 746 Davies, Godfrey 162 Davydova, Aleksandra Arkad'evna —* Davydow, A. Davydova, Marija Karlovna 711, 720, 755 Davydova, Lidija Karlovna 711 Davydow, A. 97, 711, 755 Deak, Franz 145, 712 Dehn, W. E. 20, 493, 523,527,535, 712, 740 Deißmann, Adolf 695 Den, Vladimir Eduardovic fon —> Dehn, W. E. Digo, N. 532, 712, 740 Dilthey, Wilhelm 735 Diocletian, römischer Kaiser 110 Dmowski, Roman 142 Doctorow, Gilbert S. 97, 295 Döllinger, Ignaz von 354, 712 Dolgorukov, Pavel Dmitrievic—* Dolgorukow, Paul D. Dolgorukov, Petr Dmitrievic —» Dolgorukow, Peter D. Dolgorukow, Paul D. Fürst 91,261,450, 608f., 646, 712, 740-742, 744, 752, 760
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Dolgorukow, Peter D. Fürst 16,26,90 f., 123, 144,193,250,261, 669, 712, 760 Dorrer, Vladimir Filippo vie Graf 111, 118f., 155,246, 712 Dragomanov, Michail Petrovic—> Dragomanow, M. P. Dragomanow, M. P. 12, 87,88, 92,114f., 136,138,145-150,222,360, 708, 712, 740, 769 Drahomaniv, Michajlo P. —» Dragomanow, M. P. Druckoj-Sokolinskij, V. M. -»DruzkojSsokolinskoj, W. M. Druzkoj-Ssokolinskoj, W. M. Fürst 258, 712 Dubasov, Fedor Vasil'evic—* Dubassow, F. W. Dubassow, F. W. 619, 712 Dubrovin, A. I. 562 Durnovo, Ivan Nikolaevic ^-Durnowo, I. N. Durnovo, Petr Nikolaevic —»Durnowo, P. N. Durnovo, Petr Pavlovic-» Durnowo, P. P. Durnowo, I. N. 382, 712 Durnowo, P. N. 116,236, 251,263,266, 276, 298,306f.,308, 313f., 316,352, 357,387,392,395,397,411,432,434, 478,488,492,559,564,578,587,598, 600f., 615, 635, 670, 713 Durnowo, P. P. 614, 713 Dziewanowski, M. K. 142 Edward VII., englischer König 409, 713 Egert, Vasilij Petrovié fon —» Eggert, W. P. Eggert, W. P. 561, 713 Eisner, Kurt 89, 268 Ekaterina II. —» Katharina II. Eley, Geoff 277 Emmons, Terrence5/, 90,107,113,358, 446, 454, 468, 483, 609, 618, 620 Engelhardt, Alexis von 47 Engels, Friedrich 168, 268, 718, 721, 744 Ereinov, A. V. 91 Ermolov, Aleksej Sergeevii —* Jermolow, A. S. Erogin, M. M. 643 Ezerskij, Nikolaj Fedorovic —* Jeserskij, N. F. Fallows, Thomas 107
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Personenregister
Fedorov, Michail Michajlovic—> Fedorow, M. M. Fedorow, M. M. 412,637f., 713 Ferdinand von Sachsen-Coburg-GothaKohary, Prinz, bulgarischer König 125 Ferdinand I., deutscher Kaiser 123 Ferdinand I., König beider Sizilien 314 Ferenczi, Caspar 51 Fichte, Johann Gottlieb 95,150, 713 Filofej, Mönch 155 Filonov, Fedor Vasil'evic^> Filonow, F. W. Filonow, F. W. 318, 713 Fischer, George 51, 93 Fischer-Frauendienst, Irene 407 Fischhof, Adolf 145, 713 Fleischhauer, Ingeborg 546 Forckenbeck, Max von 265 Fortunatov, A. 447 Fraenkel, Ernst 436 Francke, Ernst 497 Frank, Semen Ludvigovic 73, 96, 493, 713 Franz II., König von Neapel 314 Frederiks, Vladimir Borisovic Baron 653 Freeze, Gregory 51 Frensdorff, Friedrich 180, 713 Friedrich II., der Große, König von Preußen 149 Friedrich III., deutscher Kaiser und König von Preußen 728 Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen I I I , 258, 405, 682, 713 Fris, E. V. 655 Fröhlich, Klaus 51, 92 Füller, William C. 308 Gagarin, Grigorij Grigor'evic Fürst 258, 713 Gagliardi, E. 372 Galai, Shmuel 90,113, 615, 650 Gapon, Georgij Appolonovic56,158, 184—186,488, 492f., 714 Garibaldi, Giuseppe 314 Garvy, George 184 Gatrell, Peter 602 Gehring, Johannes328f., 331 Geiss, Imanuel 24 Gejden, Petr Aleksandroviö—» Heyden, P. A. Gel'fand, Israel Lazarevic—»Helphant, A. Geller, L. 176f .
George, Henry 194, 202,207,213,248, 539, 714 Gercen, Aleksandr Ivanovic —»• Herzen, A. I. Gercenstejn, Michail Jakovlevic—» Herzenstein, M. J. Gerlach, Leopold von 257 Gerth, Hans H. 2 Gessen, IosifVladimirovic—» Hessen, I. W. Gessen, Sergej Iosifovic 7, 72 Gessen, Vladimir Matveevic^ Hessen, W. M. Geyer, Dietrich 51,186,253,304,500, 646, 648 Ghent, William James 269 Gierke, Otto von 577, 714 Giwago, S. J. 7-9, 72, 74f., 79, 81,84,86, 89, 127,129, 281, 714 Gladstone, William Ewart 710 Glasov, V. G. 369 Glinka, Grigorij Wjaceslavovic573, 714 Goldstein, J. 372 Golgofskij, V. 517 Golicyn, Aleksej Dmitrievic —> Golizyn, A.D. Golicyn, Vasilij Dmitrievic—* Golizyn, W. D. Golicyn, Vladimir Aleksandrovic —> Golizyn, W. A. Golizyn, A. D. Fürst 258, 714 Golizyn, W. A. Fürst 258, 714 Golizyn, W. D. Fürst 258, 714 Golovin, Fedor Aleksandrovic -> Golowin, F. A. Golowin, F. A. 103f., 266, 600f., 714 Goltz, Theodor Freiherr von der 505 Goremykin, Ivan Logginovic 13,32,51, 60, 113,252, 574,614,648,652, 653,654f., 667, 715 Gorkij, M. 28, 304, 715 Gor'kij, Maksim —» Gorkij, M. Gotha, Louise Dorothea von 149 Gothein, Eberhard 685 Grass, Karl 329 Gredeskul, Nikolaj Andreevic 422,650, 715 Grevs, Ivan Michajloviö—» Grews, I. M. Grews, I. M. 16, 90, 92,96,284, 715 Gribovskij, V. M .43 Grigor'ev, V. N. 521
Personenregister Grimm, Ervin D. 36, 47 Gringmut Vladimir Andreevic 74, 88,256, 251 i., 260,265,478, 715 Grisebach, M. 212 Grossman, Grigorij 686f., 703f. Gründler, Johannes 164 Grusenberg, O. O. 178, 715 Gruzenberg, Oskar Osipovic—» Grusenberg, O. O. Guckov, Aleksandr Ivanoviö—» Gutschkow, A. J. Gudovic, V. V. Graf 105 Günther, Adolf 498 Guizot, Guillaume 261 Gunther 412 Gurevic, Jakov Jakovlevic—» Gurjewitsch, J. J. Gurjewitsch, J. J. 537, 715 Gurko, Vladimir Iosifovic 515,526,529, 573, 578, 656,657, 664, 667, 715, Gutschkow, A. J. 116,259,265,266, 275, 450,548,549,554,567,600,601,612, 715 Haeckel, Ernst 28 Hagen, Adolf 428 Hagen, Manfred 51 Haimson, Leopold H. 227, 574 Hansemann, David 268 Harcave, Sidney 103 Harden, Maximilian39, 407 Harper, Samuel 42 Harrison, W. 26 Hartl, Johann H. 555, 558 Hauptmann, Gerhard28 Haushofer, Max 41 Hayes, Rutherford B. 129, 715 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 169,271, 741 Hellpach, Willy 77 Helphant, A. (Pseudonym: Parvus) 171, 490, 714f., 726, 741, 746 Hennessy, Richard 573, 578, 590, 605 Hensel, Paul 273 Herwegh, Georg 300 Herzen, A. I. 6, 169,340,659, 714f. Herzenstein, M. J. 20,193,200,251,284, 290, 450,515,524,527 f., 531,533,536, 590,604,646,656,657, 683, 714-716, 741 Herzfeld, Hans 411 Hessen, I. W. 7, 72,90, 96,97,323, 450, 646, 714, 716, 757
111
Hessen, W. M. 96, 714, 716 Hettner, Alfred 43, 695, 696 Heuman, Susan E. 71, 73 Heyden, P. A. Graf 94,116,259,549,626, 630,635,639,640,646,652,660,662, 664f., 714, 716 Heydt, August Freiherr von der 264 Hildermeier, Manfred 97, 203, 205, 301 Hinneberg, Paul 164, 751 Hintze, Otto 42 Hodgson, J. H. 414 Hoetzsch, Otto 42f., 45, 47f. Hofmannsthal, Hugo von 28 Honigsheim, Paul 703 Hosking, Geoffrey A. 227, 574 Hoyningen-Huene, Carl Freiherr von 264 Huber, Ernst Rudolf 105,172,372,386, 435, 442, 481 Huber, F. C. 212 Ignat'ev, Aleksej Petrovic-^Ignatiew, A. P. Ignatiew, A. P. Graf 339, 574, 716 Iliodor, russischer Priester 345 , 716 Iollos, Grigorij Borisovic—» Jollos, G. B. Iosif von Volokolamsk 153 Isaev, Andrej Alekseevii—»Issajew, A. A. Isgojew, A. S. (Pseudonym für A. S. Lande) 577, 716, 741 Isidor, Bischof 154 Issajew, A. A. 573,580, 716, 741 Ivan III., russischer Zar 153 Ivan IV. Groznyj —> Iwan IV. Ivanovic, V. 151,203,205,256,258,275, 412, 497, 547, 563 Iwan IV., der Schreckliche, russischer Zar 153,155, 349, 716, 727, 768 Izgoev, Aleksandr Solomonovic —» Isgojew, A. S. Izvol'skij, P. P. 350 Jaffé, Edgar 8,10,22, 46, 73, 75f., 78f., 284-288, 290, 732 Jakovlev, Vasilij Jakovleviö—» Jakowljow, W. J. Jakowljow, W. (Pseudonym: W. J. Bogutscharskij) 90, 93, 710, 716, 720 Jakuschkin, W. E. 105,547, 717 Jakuskin, Vjaceslav Evgen'evic-» Jakuschkin, W. E. Jakov, Erzbischof J¥5 Jakubson, V. R.659
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Personenregister
James I., König von England 162 Janshul, 1 . 1 . 2 5 9 , 5 6 1 , 7 2 7 Janzul, Ivan Ivanovic—> Janshul, 1.1. Jasnopolski, L. N. 131, 727, 742 Jasnopol'skij, Leonid Nikolaevié —» Jasnopolski, L. N. Jaspers, Karl 702 Jaurès, Jean 151, 727 Javorskij, V. 758 Jellinek, G e o r g 6 , 2 3 , 43, 71-73,164,255, 685, 687, 717f., 742 Jensch, Carl 47 Jermolow, A. S. 529,574,614,713, 717, 741 f . Jeserskij, J. N. 645, 713, 717 Jesus Christus 159f., 164, 352 Johannes, Apostel 160,272 Jollos, G. B. 42, 96f., 359, 361, 716f. Judge, Edward H. 120,306 Juricyn, Sergej Petrovic—> Jurizyn, S. P. Jurizyn, S. P. 315, 727, 756, 758 Kablukov, N. A. 196, 508 Kaerger, Karl 505 Kalinycev, F. 1.119-121,247,276,390, 393, 410, 414-416, 419f., 422 -425,427, 429f., 440, 443, 445f., 448f., 456, 460, 469f., 474, 538, 610, 668 Kaminka, Avgust Isaakovic 389,392, 717, 742 Kant, Immanuel 314 Kappeler, Andreas 27, 30 Karl I., König von England 162,321, 722, 727 Karl IV., deutscher Kaiser 304 Karr, Alphonse 674 Kasatkin-Rostovskij, Nikolaj Fedorovic —» Kassatkin-Rostowskij, N. F. Kaschkarow, W. M. 598, 727 Kaskarov, V. M. —> Kaschkarow, W. M. Kassatkin-Rostowskij, N. F. Fürst 155, 574, 718 Katharina II., russische Kaiserin 93,94, 240,360, 391, 607, 713, 718 Katkov, A . M. - » Katkow, A. M. Katkov, Michail Nikiforovic—» Katkow, M. N. Katkow, A. M. 258, 718 Katkow, M. N. 6, 88, 132,144, 718, 721 Kaufman, Aleksandr Arkad'eviö^- Kaufmann, A. A .
Kaufmann, A. A . 26/., 20,24, 96,193f., 195, 200,284, 5 0 7 , 5 1 7 , 5 2 2 f . , 5 2 4 f . , 526f., 530, 532,573,589, 718, 742, 743 Kautsky, Karl57/., 171,238f.,268, 325, 718, 743, 756 Keßler, Harry Graf 25 Keyserling, Hermann Graf 25 Kiselev, Pavel Dmitrieviè—» Kisseljew, P. D. Kisseljew, P. D. Graf 228,369, 718 Kistiakowski, Th. A . (Pseudonym: Ukrainec) 6- 9,12,15,24, 71-74, 86, 90, 92, 95f., 114,148,202,284, 686, 718, 742, 743, 752 Kist j akovskij, Bogdan Aleksandrovic —» Kistiakowski, Theodor A . Klado, Nikolaj Lavrent'evic Kleinbort, L. M. 227, 718, 743 Klejnbort, Lev Maksimovic—» Kleinbort, L. M. Knapp, Georg Friedrich 198, 725, 736 Kocebu-Pilar fon Püchau, Fedor Karlovic —» Kotzebue, F. K. König, René 703 Kohl, Horst 442, 464 Kokoschkin, F. F. 7, 43, 73, 96,109,143, 266, 598,658, 719 Kokoskin, Fedor Fedorovic—* Kokoschkin, F. F. Kokovcov, Vladimir Nikolaevic—» Kokowzew, W. N. Kokowzew, W. N. Graf 174, 384,385,386, 506, 551, 662, 719 Koljubakin, Aleksandr Michajlovic 198, 598, 719 Koljubakin, Boris Michajlovic 549, 719 Koncevic, A. V. 622 Kondoidi, V. 107, 483 Kopylov, M. S. 757 Korenev, Vasilij Ivanovic—» Korjenew, W. I. Korf, Pavel Leopoldovic Baron 266, 614, 719 Korjenew, W. I. 564, 719 Korkunov, Nikolaj Michajloviè—» Korkunow, N. M. Korkunow, N. M. 43,113,157,424,719, 743 Kornilov, Aleksandr Aleksandroviò—» Kornilow, A . A. Kornilow, A. A . 231, 719, 743
Personenregister Korolenko, Vladimir Galaktionovic—* Koroljenko, W. G. Koroljenko, W. G. 93,98,318,719, 743,
758 Kos, A. 758 Koschewnikow, W. A. 98, 719, 757 Kotljarevskij, Sergej Andreevic—* Kotljarewskij, S. A. Kotljarewskij, S. A. 7, 49, 90, 93,96,109, 503, 651, 660, 719, 743 Kotzebue, F. K. Graf 307, 719 Kovalevskij, Maksim Maksimovic—» Kowaljewski, M. M. Kovalevskij, Nikolaj Nikolaevic —» Kowaljewskij, N. N. Kowaljewski, M. M.36, 49, 93,144,182, 547, 560, 596, 719, 720, 743, 759 Kowaljewskij, N. N. 105, 720 Kozevnikov, Valentin Alekseevic—» Koschewnikow, W. A. Krasnoperov, I. M. 236, 745, 749 Krasovskij, Michail Vasil'evic^> Krassowski, M. W. Krassowski, M. W. 259f., 561, 720 Krause, M. 536 Krestovnikov, Grigorij Aleksandrovic—> Krestownikow, G. A. Krestownikow, G. A. 66,274, 412,555, 556,612,638, 720 Krol', M. A. 632, 634 Krüger, Paul 89 Krupp, Friedrich Alfred 498 Kryzanovskij, S. E. 643 Kudrin, N. —* Rusanow, N. S. Kuprina-Jordanskaja, M. K. —>Davydova, M. K. Kurakin, Michail Anatol'evii Fürst 258,
720 Kurlov, Pavel Grigor'evic—» Kurlow, P. G. Kurlow, P. G. 262, 306, 720 Kuskova, Ekaterina Dmitrievna—* Kuskow, J. D. Kuskow, J. D. 90, 93,108, 716, 720, 754 Kusmin-Karawajew, W. D. 116,141,566,
720 Kusminski, A. M. 306, 720 Kutler, Nikolaj Nikolaeviè20, 306,514, 531,567, 569f., 573, 578, 590,605, 721 Kuz'min-Karavaev, Vladimir Dmitrievic —» Kusmin-Karawajew, W. D. Kuzminskij, Aleksandr Michajlovic—• Kusminski, A. M.
779
Laband, Paul 138 Lafayette, Marie Joseph Marquis de 265,
721 Lamprecht, Karl 42 Lande, A. S. —* Isgojew, A. S. La Rochefoucauld, François Duc de 442 Lasker, Eduard 444 Lassalle, Ferdinand 98,122,203,268, 494,
721 Launic, Vladimir Fedorovic Smidt fon der —» Launitz, W. F. Launitz, W. F. von der 307, 721 Lavrov, Petr Lavrovic—» Lawrow, P. L. Lavrov, S. V. —» Lawrow, S . W . Lawrow, P. L. 169,218,219, 721 Lawrow, S. W. 562, 721 Lebedev, Ivan A. —» Ljebjedjew, I. A. Lebœuf, Edmond 173, 721 Lederer, Emil 9 Lemmenmeier, Max 27, 30 Lenin, Vladimir Ivanovic—» Ljenin, W. I. Lenz, Max 42, 265 Leont'ev, Konstantin Nikolaevic—* Leontjew, N. K. Leontjew, N. K. 144,162, 721 Leontovitsch, Victor 51 Leroy-Beaulieu, Anatole 42,164,404, 721,
744 Levysohn, Arthur 28f. Lewin, Moshe 369 Liebermann, Max 28 Liebknecht, Karl 40, 268 Lieven, Dominic C. B. 702 Lignitz, Viktor von 39 Lipps, Theodor 41 Litvinov-Falinskij, V. P. 553 Ljebjedjew, I. A. 558, 721 Ljenin, W. 1.25, 49f„ 58, 95,165-168, 170-172,180,185,226,237, 263,500, 642, 757 Ljwow, G. E. Fürst 91,266, 721 Ljwow, N. N. 16, 90f., 540,577,640,722,
744, 746, 752, 758 Locher, Albert 372 Löwe, Heinz-Dietrich 183, 361, 362 Loewenstein, Karl 139 Lokot', Timofej Vasil'evic—»Lokot, T. W. Lokot, T. W. 644, 722 Lomberg, Elwin 164 Long, James W. 27 Losickij, Aleksej Emiljanovic—»Lossitzkij, A. E.
780
Personenregister
Lossitzkij, A. E . 468,513 - 516,543,722, 744 Losski, N. O. 98, 722, 759 Losskij, Nikolaj Onufrievic—» Losski, N. O. Lucickij, Ivan Vasil'evic —> Lutschitzkij, I. W. Luckwaldt, Friedrich 129 Ludwig XVI., französischer König 265,722 Lukas, Apostel346 Luksemburg, Rosa—» Luxemburg, Rosa Lutschizkij, I. W. 105,504,505, 722, 755 Luxemburg, R o s a 3 7 , 131,171, 722, 744 Luzenovskij, Regierungsrat 318 L'vov, Georgij Evgen'evic—* Ljwow, G. E. L'vov, Nikolaj Nikolaevic—» Ljwow, N. N. Mach, Ernst 98, 722 Mal'cov, Sergej Ivanoviö —» Malzow, S. I. Malinowskij —* Bogdanow, A. A . Malzow, S. I. 90, 722 Manning, R o b e r t a T h . 227,574, 602, 608, 613 Manteuffel, Otto Freiherr von 278, 443 Manuilov, Aleksandr Appollonovic—» Manuilow, A . A. Manuilow, A . A. 193,200,215, 216,338, 518, 5 2 2 - 525,535, 722, 744 Markert, Werner 43 Marquardt, Joachim 428 Martens, H. 225 Martin, Rudolf 40 Martiny, Albrecht 427, 429f. Martov, L. —> Martow, L. Martow, L. 119, 165,171,564, 723 Marx, Karl 17, 94,168,202,207,213,215, 211,268, 556, 711, 721, 744, 764 Masaryk, Thomas G. 162,169 Maslov, Petr Pavlovic-n> Masslow, P. P. Masslow, P. P. 239,513,514, 723, 744 Matignon, Jeanne 674 Matthäus, Apostel 326,346 Mehlinger, Howard D. 121,253,306,307, 446, 573 Mehring, Franz 171,268, 723 Mel'gunov, S. 338 Melnik, Josef 751 Mel'nikov, F. E. 756 Menger, Anton 325, 723, 745 Menschikow, M. 0 . 2 6 1 , 550, 723
Men'sikov, Michail Osipovic—» Menschikow, M. O. Menzel, Adolf 149 Mescerskij, S. B. —» Meschtscherski, S. B. Mescerskij, Vladimir Petrovic —» Meschtscherski, W. P. Meschtscherski, S. B. Fürst 258, 604, 723 Meschtscherski, W. P. Fürst 74, 257,723, 755 Mejendorf, Aleksandr Feliksovic Baron—* Meyendorf, A. F. Meyendorf, A . F. Freiherr von 549,553, 723 Meyendorf, John 343 Meyer, Klaus 42 Michajlovskij, Nikolaj Konstantinovic—> Michajlowskij, N. K. Michailowskij, N. K. 93,178,202, 202, 209f., 2 1 7 - 2 1 9 , 723, 758 Michalin, russischer Bauer 674, 723 Michels, Robert 283, 288, 372, 373, 490 Migulin, Petr Petrovic 573, 723 Miklaschewskij, A . N. 536, 723, 745 Miklasevskij, Aleksandr Nikolaevic —> Miklaschewskij, A. N. Miklasevskij, Michail Petrovic—> Miklashewskij, M. P. Miklashewskij, M. P. 34, 178, 723 Miljukov, Pavel Nikolaevic—> Miljukow, P. N. Miljukow, P. N. 31,34,36, 49, 9 2 , 9 5 - 9 8 , 106,108,161 f., 182,759, 450,537,547, 632, 6 4 6 , 6 5 9 f . , 723, 745 Miljutin, Jurij Nikolaevic 549, 724 Mill, John Stuart 764 Mills, C. Wright 2 Miquel, Johannes von 277, 411, 724 Mirabeau, Honoré Comte de 675, 724 Miscenko, Leon Lconovic—» Mischtschenko, L. L. Mischtschenko, L. L. 497, 724 Mjäkotin, W. A . 178, 218, 724 Mjakotin, Venedikt Aleksandrovic—• Mjäkotin, W. A . Mommsen, Clara 25 Mommsen, Theodor 428 Mommsen, Wilhelm 203 Moritz, Friedrich Erwin 259f., 724 Morosow, A . I. 339, 724 Morosow, S. T. 106,557, 724 Morozov, Arsenij I. —> Morozow, A. I.
Personenregister Morozov, Sawa Timofeeviö —> Morozow, S.T. Muchanov, A. A . 4 9 Murat, Joachim 314 Muromcev, Sergej Andreeviö—* Muromzew, S. A. Muromzew, S. A. 93,109, 443,650f., 657, 718, 724 Nabokov, V. D. 49, 318 Napoleon I., Kaiser der Franzosen 133, 542, 710 Napoleon III., Kaiser der Franzosen 678, 724 Nardov, K. N. -> Nardow, K. N. Nardow, K. N. 571, 725 Naryschkin, W. L. Fürst 572, 725 Naryskin, Vasilij L'voviö —> Naryschkin, W. L. Nasarenko, D. I. 653, 725 Naumann, Friedrich28, 41, 46,106, 288 Nazarenko, Dmitrij Illarionovic —> Nasarenko, D. I. Neidhardt, A. B. 574, 725 Neidhardt, D. B. 262, 306, 725 Nejdgart, Aleksej Borisoviö^ Neidhardt, A.B. Nejdgart, Dmitrij Borisoviö—» Neidhardt, D.B. Nevskij, V. 175 Nichols, Robert L. 343 Nikolaj I., russischer Kaiser —» Nikolaus I. Nikolaj II., russischer K a i s e r n Nikolaus II. Nikolajon —» Danijlsson, N. F. Nikolaus I., russischer Kaiser 89,134, 228, 250,328, 725 Nikolaus II., russischer Kaiser 26,29—35, 57, 91, 97, 101 f., 105,722,133,755,163, 173,175,235,237,245,252f., 257 f., 261,266f.,279,295 -297, 298,303, 305f., 308,311,336,557, 349,562, 382, 383, 387,400,406,411,420, 433,435, 476,492,506, 549f.,552,565,569,574, 609,613,627,632,648f., 650,651, 654f„ 663f.,667/., 669f.,678,681, 682, 725, 727, 732 Nikol'skij, Aleksandr Petrovic —* Nikolskij, A. P. Nikolskij, A. P. 575, 578, 725 Nikon, Patriarch 159, 163,349, 725, 765 Nipperdey, Thomas 478
781
Nobel', Emanuil Ludvigovic —» Nobel, E. L. Nobel, E. L. 106,558, 725 Novgorodcev, Pavel Ivanovic—> Nowgorodzew, P. I. Novosil'cev, Jurij Aleksandrovic-* Nowossilzew, J. A. Novotorzskij, G. —» Nowotorshskij, G. Nowgorodzew, P. I. 73, 90, 92,96,98,725, 746 Nowossilzew, J. A. 105, 725 Nowotorshskij, G.209, 210- 214,219,220, 725, 746 Obolenskij, Aleksej Dmitrieviö—»Oboljenskij, A. D. Oboljenskij, A. D. Fürst 162, 348,350, 352,565,725 Oljssufjew, russische Adelsfamilie 258 Oljssufjew, D. A. Graf 614, 726 Olsuf ev, Dmitrij A d a m o v i c ^ Oljssufjew, DA. Onipko, Fedor Michajlovic 643f., 657, 726 Orlov-Davydov, V. P. —» Orlow-Dawydow, W. W. Orlow-Dawydow, W. W. Graf 258, 726 Orsanskij, I. 369 Oserow, I. Ch. 565, 726 Ostrogorski, M. 247 Ostrogorski, W. P. 97, 98, 726 Ostrogorskij, Viktor Petrovic—» Ostrogorski, W. P. Ozerov, Ivan Christoforoviè—» Oserow, I. Ch. Oznobiäin, V. N. 608 Palme, Anton 47, 433, 434, 436, 440, 468 Pares, Bernard Sir 42 Parvus —* Helphant, A. Pavlov, N. A. 641 Pavlov, Vladimir Petrovic—» Pawlow, W. P. Pawlow, W. P. 659, 726 Pease, Edward 108 Pendieton, George 270 Perne, Maureen235, 295, 296 Pesechonov, Aleksej Vasil'evic—»Pjeschechonow, A. W. Pestrzecki, D. I. 338,508f.,575,577, 524, 530,542, 561, 575,576, 726, 747 Pestrzeckij, D. I. —> Pestrzecki, D. I.
782
Personenregister
Peter I., der Große, russischer Kaiser 31, 88, 153,154, 726, 728, 761, 770 Petrazickij, Lev Iosifovic—> Petrazycki, L. I. Petrazycki, L. I. 646, 726 Petrov, Grigorij Spiridonovic—»Petrow, G.S. Petrow, G. S. 352, 726, 757 Petrunkevic, Ivan Il'ic —> Petrunkj e witsch, J. J. Petrunkevic, Michail Il'ic—> Petrunkjewitsch, M. J. Petrunkjewitsch, J. J. 16,26, 90,96,103, 193,650,665f.,668,675,726, 740- 742, 744, 747, 752 Petrunkjewitsch, M. J. 90, 726 Petrus, Apostel 158f. Petrusevskij, D. M.49 Philin, 187, 727 Philipp, Metropolit 349, 727 Philippovich, Eugen von 212 Pichno, Dmitrij Ivanovic 148,260,299, 560, 618, 727, 747, 755 Pierre, Eugène, 666 Pierstorff, Julius 373 Pilenko, Aleksandr Aleksandroviò—» Piljenko, A. A. Piljenko, A. A. 142,451, 549,551,554, 565,639, 727 Pilsudski, Josef 134 Pipes, Richard25, 50, 94, 95,108, 229, 642 Pirogov, N. I. 5, 86, 702, 704 Pjeschechonow, A. W. 93,96, 210,213, 215,218-222, 239,539, 727, 747 Planson, Viktor Antonovic—> Plansson, W. A. Plansson, W. A. 497, 727 Plechanov, Georgij Valentinovic—»Plechanow, G. W. Plechanow, G. W. 74, 95,165,167f., 170-173,176,181,237 f., 500,502, 642f., 709, 727, 747, 754, 770 Plehwe, W. K. von55, 90,91, 94, 99,103, 106,111-113,275,120,186,231 f., 253f., 260,306, 381 f., 404,615, 727 Pieve, Vj aceslav Konstantinovic fon —> Plehwe, W. K. von Pobedonoscev, Konstantin Petrovic—» Pobjedonosszew, K. P. Pobjedonosszew, K. P. 162,231,260,326, 327, 343,347, 350,577, 727, 747 Polly, Adrian 39 Popov, I. 628
Posadowsky-Wehner, Arthur Graf von 386 Poschinger, Heinrich von 407 Posnikov, A. S. 226, 508 Postnikov, Vladimir Efimovic-^ Postnikow, W. E. Postnikow, W. E. 216, 727 Potocki, J. A. Graf 628, 728 Potockij, Iosif Al'fredovic - » Potocki, J. A. Potressow, Aleksandr Nikolaevic (Pseudonym: Starowjer) 165,168,171 728, 733 Pozov, V. 506 Prenzler, Johannes 153 Prévot, René 498 Prokopovic, Feofan —* Prokopowitsch, F. Prokopovic, Sergej Nikolaevic—» Prokopowitsch, S. N. Prokopowitsch, F. 349, 728 Prokopowitsch, S. N. 90, 93,108, 300,720, 728, 748 Propper, S. M. 754 Przyborowski, Walery 132 Puhle, Hans-Jürgen 477 Pustoschkin, Industrieller 494, 728 Putjatin, N. S. Fürst 258, 728 Puttkamer-Plauth, Robert von 383,488, 728 Quidde, Ludwig 40 Rabinovic, J. 329 Radbruch, Gustav 685, 701-703, 705 Raiffeisen, Friedrich Wilhelm 230 Rajljan, Foma Rodionovic 561, 728 Rappoport, Charles Léon 171, 728 Ratz, Ursula 497 Reinhardt, L. W. 215,276, 728 Rejngard, Ludvig Vasil'evic —> Reinhardt, L. W. Rejsner, Michail—* Reusner, Michael von Reusner, Michael von29, 40f., 49 Richter, Dmitrij Ivanovic 599, 728 Rickert, Heinrich 737 Rickert, Sophie«, 75 Riha, Thomas 92, 97 Rittich, Aleksandr Aleksandrovic 573, 728 Rjabusinskij, P. P. 66 Robert, J. 28 Roberti, Evgenij Valentinovic de —» Roberty, E. W.
Personenregister Roberti, Sergej Valentinovic de—»Roberty, S. W. Roberty, E. W. de 5, 91,608, 728, Roberty, S. W. de 5, 103, 728 Rodice v, Fedor Izmailovic-» Roditschew, F. I. Roditschew, F. I. 34, 90, 91,143, 729 Rogers, Howard J. 1, 273 Rogger, Hans 257, 309 Romanowskij-Romanjko, A. 127, 729 Romberg, Konrad Gisbert, Freiherr von 94 Roosevelt, Theodor 409, 729 Ropp, Eduard Michael Baron von 342, 359,628, 729 Rosegger, Peter 28 Roubanovitch, E. 759 Rovenskaja, N. 176,177 Rowland, Peter 409 Rurik 33 Rusanow, Nikolaj Sergeevii (Pseudonym: N. Kudrin) 218, 720, 729 Sablinsky, Walter 184,185, 492 Sachovskoj, Dmitrij Ivanovii—» Schachowskoj, D. J. Sachovskoj, Michail—* Schachowskoj, M. Saevic, K. 383 Sagrebin, T. A. 556, 729, 738 Salvadori, Massimo 37 Samarin, Aleksandr Dmitrieviö—> Ssamarin, A. D. Samarin, Fedor Dmitrievic—» Ssamarin, F. D. Samarin, Jurij Fedorovic—» Ssamarin, J. F. Saposnikov, G. N. 643 Sarrazin, Hermann 541 Sassulitsch, W. J. 165,171,709, 727, 729, 738 Scepkin, Evgenij Nikolaevic^ Schtschepv kin, E. N. Sierbakov, S. —» Schtscherbakov, S. Söerbatov, Aleksej Grigor'evii—* Schtscherbatow, A. G. Schachowskoj, russische Adelsfamilie 607 Schachowskoj, D. J. Fürst 90, 91,123, 608, 729, 760 Schachowskoj, M. Fürst 299, 729 Schäffle, Albert 584, 730, 748 Scheibert, Peter 97,108,115,121,126, 140f., 146,167,186f., 190,203,205, 224f., 230,241,249,258,295,320,337, 360, 379, 394, 518
783
Scheremetjew, P. S. 257, 258,261,309, 730f. Schestakow, P. M. 456f., 730f., 748 Schidlowskij, N. W. 56,113,174,176,177, 296, 487, 730f. Schiele, Friedrich 343 Schiemann, T h e o d o r 3 5 f . , 42, 45 Schiller, Friedrich 220, 279 Schipow, D. N. 99,101,103f., 116,121, 189,249,259,265f., 275,298,409,410, 419f., 441,450,548-554,565,570,601, 613, 615, 631,639, 660, 730f., 760 Schirinskij-Schichmatow, A. A. Fürst 350, 730f. Schlesinger, Martin Ludwig 47 Schmidt, Heinrich Julian 86, 730 Schmidt, P. P. 312, 345, 730f. Schmoller, Gustav von 36 Schneiderman, Jeremiah 383 Schnitzler, Arthur 28 Schramm, Gottfried51 Schrejder, G. J. 93, 96,98,218, 730, 732 Schtschepkin, E. N. 633, 659, 660, 729/. Schtscherbakow, S. 309, 729/., 748 Schtscherbatow, A. G. Fürst 251,258,309, 574, 595, 609, 729/., 758 Schukowski, D. E. —» Shukowskij, D. E. Schultze, Werner 393 Schulze-Gävernitz, Gerhart von 43,186, 200, 211, 730, 748 Schuwalow, I. E. 541, 731, 734 Schwarz, Salomon M. 173 Sembratovicz, R. 758 Seraphim, Ernst 754 Seremetev, Pavel Sergeevic—* Scheremetjew, P. S. Sergej Aleksandrovic, russischer Großfürst - » Ssergjej Sergij —* Ssergjej Sering, Max 505, 536 Sestakov, P. M. —* Schestakow, P. M. Severjanin—* Bykow, A. N. Shaw, George Bernhard 108 Shilkin, I. W. 644, 665, 731, 738 Shishilenko, A. A. 336,731, 738, 748f., 753 Shukowskij, D. E.17, 90, 93,96,98, 731, 738, 759 Sibylle von Cumae 476 Sidel'nikov, S. M. 544, 627, 659 Sidlovskij, Nikolaj Vladimirovic —> Schidlowskij, N. W.
784
Personenregister
Siebeck, Paul«, 10,22f., 51, 73-79,281, 283-288, 290 Sienkiewicz, Henryk 143, 731 Simkhowitsch, W. G. 43, 200, 731, 749 Simmel, Georg 6, 28, 71, 98, 718, 731 Simon, Gerhard327f., 340f., 343 Sipjagin, D. S. 113 Sipov, Dmitrij Nikolaevic—» Schipow, D. N. Sirinskij-Sichmatov, Aleksej Aleksandrovic—* Schirinskij-Schichmatow, A. A. Sirotkin, Dmitrij Vasil'evic^ Ssirotkin, D.W. Skalon, Georgi] Antonovic 668,669, 731 Skalon, V. 93 Smidt, Petr Petrovic-» Schmidt, P. P. Smirnov, E. 172 Sohm, Rudolph 153 Sokolov, Nikolaj Dmitrievic—»Ssokolow, N.D. Sokolov, S. I. - » Ssokolow, S. I. Sokolov, Vasilij Aleksandrovic—» Ssokolow, W. A. Solov'ev, Vladimir Sergeevic—* Ssolowjow, W. S. Sol'skij, Dmitrij Martynovic—> Ssolskij, D.M. Sombart, Werner/0,46,168,271,284, 288, 292, 732, 749 Sophie Friederike von Anhalt-Zerbst —» Katharina II. Spasskij, Jurij A. 91, 732 Spencer, Herbert 764 Speranski, M. M. Graf 276,609, 732 Speranskij, Michail Michajlovic—» Speranski, M. M. Spieler, Silke 152, 363, 366 Spiridonova, Marija Aleksandrovna-» Spiridonowa, M. A. Spiridonowa, M. A. 318, 709, 732 Srag, I. L. 301 Srejder, Grigorij Il'ic —> Schrejdcr, G. J. Ssamarin, A. D. 233, 350, 729 Ssamarin, F. D. 343,354,578 f., 611,613, 655, 662, 729, Ssamarin, J. F. 607, 729 Ssergjej, Großfürst von Rußland 56, 253, 382, 731f. Ssergjej, Erzbischof 345, 731f. Ssirotkin, D. W. 338, 731f. Ssokolow, N. D. 93,178, 731, 732 Ssokolow, S. I. 314, 731, 732
Ssokolow, W. A. 347, 731, 733 Ssolowjow, W. S. 95,124,144,255, 710, 731, 733, 735f. 750 Ssolskij, D. M. Graf276, 431,467, 655, 731, 733 Ssuchomlinow, W. A. 611, 733f. Ssuworin, A. A. 97, 733f., 758 Ssuworin, A. S. 28, 97,411, 639, 733f., 756 Sswjätlowskij, W. W. 15-17,284, 513,607, 733f., 750 Stachovic, Aleksandr Aleksandrovic—» Stachowitsch, A. A. Stachovic, Michail Aleksandrovic—» Stachowitsch, M. A. Stachowitsch, A. A. Graf266, 577,629, 733, 744, 752 Stachowitsch, M. A. Graf 116,265, 549, 552,626,646, 660, 664, 733, 760 Stählin, Karl 48 Stammler, Rudolf 5, 98, 733 Starcev, Vitalij I. 667 Starov'er —» Starowjer Starowjer —» Potressow, A. N. Stauffenberg, Franz Schenk von 265 Stavrou, Th. G. 343 Stenbok-Fermor, V. V. Graf 101, 733 Stephani, Joachim 150 Stepun, Fedor6/., 72,124, 283 Stern, Leo 9, 37, 668 Stinnes, Hugo 498 Stischinski, A. S. 515, 524, 528,529,657, 733 Stisinskij, Aleksandr Semenovic —» Stischinski, A. S. Stobbe, Otto 304 Stöcker, Adolf 161,185 Stökl, Günther 51 Stolypin, Petr Arkad'eviö50, 60,308, 317, 544, 555,648,653,656,662, 666,667, 670,674, 728, 734, 763 Stratonizkij, K. A. 258, 734 Strelzoff, R. 47 Struve, Petr B.17,28,31,36, 42,55, 73f., 81-84, 90-92, 94-98,108,109,112, 121,122,125,130-132,134,149, 150-152,164,173,188 f., 191 f., 229, 236,237, 248f., 254,256,267,274,493, 503,537,642,646,659, 696, 734, 744, 748, 750, 756f. Subatow, S. W. 186, 382,583, 488, 492, 616, 734, 737, 738, 770 Subrilin, A. A. 537, 734, 738
Personenregister Suchomlinov, Vladimir Aleksandrovic—• Ssuchomlinow, W. A. Sudermann, Hermann 28 Suttner, Bertha von 28 §u vaio v, Ivan Evseevic—» Schuwalow, I. E. Suvorin, Aleksej Alekseevic—> Ssuworin, A.A. Suvorin, Aleksej Sergeevii-* Ssuworin, A. S. Svatikov, Sergej V. 5 f., 703 Svetlov, P. 349 Svjatlovskij, Vladimir Vladimirovic —> Sswjätlowskij, W. W. Svjatopolk-Mirskij, Petr Dmitrievic —> Swiatopolk-Mirski, P. D. Swiatopolk-Mirski, P. D. Fürst 55f., 100 f. 734 Szeftel, Marc 51, 73,109, 432, 435 Tagancev, Nikolaj Stepanovic—»Taganzew, N. S. Taganzew, N. S. 307, 317,328,330, 332 -334, 381, 614,681, 734, 751f. Tarasov, A. A. —»Tarassow, A. A. Tarasov, Ivan Trofimovic—» Tarassow, I. T. Tarassow, A. A. 561, 734 Tarassow, I. T. 258, 734 Tarquinius Superbus, römischer König 478 Tatiscev, Ivan Dmitrievic—»Tatischtschew, I. D. Tatischtschew, I. D. Graf 258, 734 Teslenko, N. V. 751 Teuteberg, Hans-Jürgen 383 Thompson, John M. 121,253,306,307, 446, 573 Tiesenhausen, W. A. Graf 562, 735 Tilden, Samuel Jones 128 Timirjasjew, W. 1.254,306,385,387,407, 611,613,616, 735 Timirjazev, Vasilij Ivanoviö—» Timirjasjew, W. I. Titus, Bischof 326 Tizengausen, V. A. —»Tiesenhausen, W. A. Tobias 346 Tolstoj, Ivan Ivanovic Graf362, 368,369, 681, 735 Tolstoj, Lev Nikolaevic Graf24,29,124, 244, 248, 677, 735, 751, 770 Tolstoj, P. M. Graf 177, 735
785
Totomianc, Vachtang Fomic —» Totomianz, W. F. Totomianz, W. F. 171, 735 Trepov, Dmitrij Fedorovic —»Trepow, D. F. Trepow, D. F. 266,298,391,615,658, 670, 729, 735 Trockij, Lev Davidovic 25, 715 Troeltsch, Ernst 164,695, 735, 751 Trubeckaja, Olga 105 Trubeckoj, Evgenij Nikolaevic—»Trubezkoj, E . N . Trubeckoj, Petr Nikolaevic —» Trubezkoj, P. N. Trubeckoj, Sergej Nikolaevic—»Trubezkoj, S. N. Trubezkoj, E. N. Fürst 96,104f., 116,148, 162,196,197, 249,265,298,307, 343, 364,365, 388,403, 461,547,655, 735, 751 Trubezkoj, P. N. Fürst 104,117, 258,570, 608,611,755 Trubezkoj, S. N. Fürst 101 f., 104, 736 Tschernow, W. M. 218,340, 710, 736 Tschernyschewski, N. G. 218, 711, 736 Tschetwerikow, S. J. 558f., 711, 736 Tschistiakow, P. S. 554, 711, 736 Tschitscherin, B. N. 131,132, 711, 736, 739, 751 Tschuprow, A. A. 20, 43, 93, 96,193, 195-198,200,223,249,518,526f., 528, 531,534f., 577,579, 580f., 711, 718, 736, 752 Tschuprow, A. J. 226, 508, 518, 711, 736 Tuck, Robert L. 660 Tucker, Robert C. 659 Tugan-Baranovskij, Michail Ivanovic—» Tugan-Baranowski, M. von Tugan-Baranowski, M. von 92,95 f., 457, 493, 518, 711, 736, 752, 756 Turgenev, Ivan Sergeeviö—»Turgeniew, I. S. Turgeniew, I. S. 5, 86, 730, 736 Twesten, Karl 421, 736 Uexkull-Güldenbrandt, Julius Freiherr von 682 Ukrainec—» Kistiakowski, Th. A. Ul'janov, Grigorij Karpovic—» Uljanow, G.K. Uljanow, G. K. 422,633, 737 Uljanow, W. J. —» Ljenin, W. I.
786
Personenregister
Urusov, Sergej Dmitrievic —»Urussow, S. D. Urussow, S. D. Fürst 314, 737 Usakov, Michail A. —* Uschakow, M. A. Uschakow, M. A. 383,488, 492f., 619,737, 757 Uvarov, S. S. Graf 250 Vannovskij, Petr Semenovic—* Wannowski, P. S. Varzar, Vasiiij Egorovic—» Warsar, W. E. Vehlen, Thorstein 269 Venediktov, V. I. 757 Vernadskij, Vladimir Ivanovic—» Wjernadskij, W. J. Veselovskij, Boris Borisovic 99,107,139, 141,188, 597, 599, 615 Vichljaev, P. A. 196f. Viktor Emanuel, italienischer König 314 Vinaver, Maksim Moiseevic—»Winawer, M.M. Vincke, Georg Freiherr von 263,264, 737 Vitte, Sergej Jul'evic-> Witte, S. J. Vitte, Richter 432 Voelcker, Henry 412 Vogel, Barbara 24, 40f. Voigt, Gerd 42, 45, 48 Volkonskij, Nikolaj Sergeevic—> Wolkonskij, N. S. Vollmar, Georg von 41 Vorob'ev, Nikolaj I. - » Worobjew, N. J. Voroncov, Vasilij Pavloviö—» Woronzow, W. P. Voroncov-Daskov, Illarion Illarionovic—» Woronzow-Daschkow, 1.1. Vrangel', P. N. Baron 734 Vrba, Rudolf 40 Vucinich, Wayne S. 107,113, 454, 483, 609 Wagner, Adolph 221 Wagner, Gerhard 37 Waldersee, Alfred Graf von 407 Walicki, Andrzej 124 Wallace, Sir Donald Mackenzie 42 Wannowski, P. S. 365,366, 737 Warsar, W. E. 381, 382, 737, 753 Washington, George 542 Webb, Sidney 108 Weber, Alfred 702, 703 Weber, Helene 15, 24f., 75, 77, 685, 695 Weber, Marianne 8-10,24, 73-75, 77, 282, 285, 685, 695f., 702
Weill, Claudie 6, 23 Wendt, Bernd-Jürgen 24 Wiener, J. 41 Wilhelm I., deutscher Kaiser 131, 308 Wilhelm II., deutscher Kaiser 89,161,386, 405,407, 489,551,681 William, Robert C. 6 Winawer, M. M. 361,737 Winckelmann, Johannes 50, 703 Windelband, Wilhelm 6, 71, 98,283, 718, 737 Witte, S. J. Graf 13f., 19,26f., 29,31,33, 39, 45,51,58, 60, 91,99,102,112,113, 116,121,142,180,182f., 188,228,236, 243,246,254 f., 260-262,264-267,276, 295,296, 298,302 f., 306 f., 308, 314, 324,350,362,384,395,399f., 407,409, 411,433,467,476,492, 549- 552,555, 565,575,577, 578f.,588,596,600,612, 615f., 648,653,671,681, 713, 737, 753 Wittram, Reinhard 260 Wittschewsky, Valentin 43 Wjernadskij, W. J. 90, 91, 96, 737f. Wolf, Erich 702 Wolkonskij, N. S. Fürst 198,538, 737f. Worobjew, N. J. 531, 737f., 753 Woronzow, W. P. 202,209f., 217,645,646, 737f. Woronzow-Daschkow, 1.1. Graf 251,339, 737f. Wyndham, George 543 Zagrebin, T. A. —» Sagrebin, T. A. Zasulic, Vera Ivanovna—> Sassulitsch, W. J. Zetkin, Klara 171, 738 Zilkin, Ivan Vasil'evic—> Shilkin, I. W. Zimchovic, Vladimir Grigor'evic—> Simkhowitsch, W. G. Zindel, Emil 456,498,519, 711, 738 Zivago, Sergej Ivanovic—» Giwago, S. J. Zizilenko, Aleksandr Aleksandrovic—> Shishilenko, A. A. Zscharnak, Leopold 343 Zubatov, Sergej Vasil'evic—* Subatow, S. W. Zubrilin, Aleksandr Arsen'evii —» Subrilin, A. A. Zukovskij, Dmitrij Evgen'evic —» Shukowskij, D. E.
Sachregister
Gerade gesetzte Zahlen verweisen auf Webers Text, kursiv gesetzte Zahlen auf die Herausgeberrede.
Absolutismus 112, 413,671 Achtstundentag 1 6 6 , 1 8 6 , 2 0 6 , 2 1 9 , 2 9 5 , 297 f., 499 Ackerland 582, 586, 644, 663 A d e l , Adlige 13,30,35,60f., 65f. , 88,103, 110,133,145,157,187,243,249,258, 3 3 9 , 3 9 1 , 3 9 8 , 4 1 9 , 4 5 4 , 5 1 2 f . , 516,535, 5 4 0 , 5 4 5 , 5 6 1 , 5 6 7 , 5 6 9 f., 572,574,586, 591,609,612,614,625f., 629, 760, 767f. auch: R a t des Vereinigten Adels - , baltischer 611 - , B e a m t e n t u m des 119 - , Deklassierung des 607 - , deutscher 61 - , Grundbesitz des 12,22,66,195,513, 534,574,597,603 - , Interessen des 594 - , Kongresse des 507f., 5 7 5 , 6 0 7 , 6 1 1 - , Korporationen des 277, 610f., 760 - , liberaler 196,249 - , ökonomische Differenzierung des 607 - , Petitionsrecht des 390,681 - , reaktionärer 118 - , R e c h t e des , Abschaffung der 608 - , soziale Differenzierung des 607, 611 - , ständisch privilegierter 606 - , Vereinigungen des 257,309 - , Versammlungen des 26,276, 323,597 - , Vorrechte des 454 - , Wahlen des 611 - , Zusammenschluß des 607 Adelsbank 524,572,683 - , Gesetze über 591 Adelslandbank —> A d e l s b a n k Adelsmarschall, Adelsmarschälle 91, 1 0 3 f . , Ì 0 5 , 1 1 7 f . , 133,155,246 f., 275, 390,427,454,570,575,608,610,712, 718, 722, 729, 732f., 760, 766 - , Kongresse d e r 5 9 , 1 1 7 , 2 7 5 , 5 7 0 - 5 7 2 , 575 - , Wahl der 608
Administration 18,84, 3 1 2 , 3 9 8 , 5 8 2 - » auch: innere Verwaltung - , Gewalt der 614 - , Machtbefugnisse der 313 - , M a ß n a h m e n der 18 - , V e r f ü g u n g e n der 364 - , Willkür der 307, 328, 388, 399,551, 645 Administrativjustiz 389 Administratoren 454,459, 462,465 Ägypten 540 agents provocateurs 393 Agitation 6,65,203,244,248,397,466, 4 7 2 , 4 7 7 , 4 8 0 , 4 8 5 , 4 9 0 f . , 501,556,563, 565,574, - , autoritäre 243 - , monarchistische 618 - , politische 599 - , radikale 632 - , sozialistische 165 A g r a r f r a g e 12,16,20 f . , 37,60,138,167, 250f., 2 6 8 , 2 7 0 , 2 1 5 , 2 8 4 , 3 3 8 , 4 5 1 , 4 7 8 , 5 1 3 , 5 4 5 , 5 4 7 , 5 5 1 f., 5 5 4 , 5 6 8 , 5 7 3 , 5 7 6 , 656,665 Agrargesellschaft 201 Agrargesetze 570, 664 Agrarkapitalismus 204,216f., 227,462, 465,544, 5 7 3 , 5 8 0 , 5 8 5 Agrarkommunismus 12,20,51,123, 2 2 9 - 231,465,489 A g r a r k o n g r e ß - » Semstwokongresse Agrarkrisis 220 Agrarpolitik 12,14,192 f., 194,209 f., 219, 251, 480, 537, 543,567, 571 f., 587, 589 - , Lage der 509 - , Probleme der 192 der Regierung 21,576,581-590,593 f., 605 Agrarpolitiker 200,451, 517,550 A g r a r p r o g r a m m 675 - , individualistisches 223 - , liberales 243
788
Sachregister
Agrarreform 22,165,189,195,198,200, 203f., 224,252, 542,546,576, 657, 763 - , liberale 189 - , radikale 232, 539,622 Agrarrevolution 244 - , naturrechtliche 21 Agrarsozialismus 21 Agrarstatistik2i, 513f., 525, 543,581,597 —> auch: Statistik - , Erhebung von 1877/78 520f., 529 Agrarunruhen 14,21,28,33,56-58,62, 160,227,235,237,261,295,298,312, 316,422,476,486,565f., 587f., 626, 660, 667, 712 Agrarverfassung 12,14,191,227,499,509, 511,584,656,683 - , Starrheit der 582 - , westliche 467 Agrarverhältnisse 43, 225, 648 - , Rom 16 Agronomen 107,491,580 Akademiker 346, 363 - 365,377, 451 Akademischer Bund 106, 366, 368,491 Akademitscheskij Ssojus —* Akademischer Bund Aktiengesellschaften 402, 425 Akzise 135,137 Albanien 701 Alleinherrschaft —» Autokratie Allgemeiner Deutscher Arbeiterkongreß 203 Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein 300, 721 Allgemeiner jüdischer Arbeiterbund in Litauen, Polen und Rußland 61,185,208, 361,486 Allmende 211,582 Allrussische Arbeiterparteikonferenz 166 Allrussischer Bauernbund - » Bauernbund, Allrussischer Allrussischer Bund der Grundbesitzer—* Verband der Grundbesitzer Allrussischer Handels- und Industriebund —» Handels- und Industriebund Altenburg 285 Altgläubige, Altgläubigentum 56,159, 163,164,275,327-332,335-340,344, 357,359,629,724,732, 756,760, 763, 765,767-770 —> auch: Raskol - , Bauern 467 - , Bourgeoisie 337
- , Deputationen der 336 - , Gesetze über die 327 f., 330 - , Kongresse der 275,336-338, 542 - , Kosaken 339 - , Rat der 338 Altkatholizismus 354, 712 Altruismus 237,271 Alvenslebensche Konvention 88 American Fédération of Labour 175 Amerika, Vereinigte Staaten von 2—4,8, 26,36,84,110,127,139,236,247,270, 272 f., 316,362,436,526,695,715, 720f., 723, 729 - , Arbeiter 269,270 - , Bürgerkrieg 129,436 - , Bundesstaaten 128,247,436 - , Civil Service Reform 269 f. - , Hochkapitalismus in 4 - , Legislaturen 247 - , liberale Demokratie in 8 - , Repräsentantenhaus 129, 444 - , Senat 114,129 - , Supreme Court 128 - , unhistorisches Land 11 - , Universität 372,479 - , Verfassung 127,139,436 Amnestie 326,335, 399,444, 650f., 654f. - , Proteste gegen 654 Amtsentsetzung 450 Amtshandlungen 369,435 Amtssprache 134,137,562 Amtsverbrechen 441 Analphabeten, Analphabetentum 191, 351,359,623,629 Anarchie 33,183,248,261,263, 272,299 Anarchosozialismus 201 Anathem 350 Ancien régime 112,337,348,389,391,399, 401, 409, 562,649, 667f. Anerben-Politiker 249 Anerbenrecht 249 Anleihen 603 Antagonismen, nationale 689, 691 antike Polis 310 Antisemitismus 40, 66, 619, 624,626 Apanagegüter, Apanageländerei 193,242, 339,513,521, 528-530, 545,570 Apanagen 406, 520,527, 554 Apanagenverwaltung454, 545, 593 Apolitismus 210, 340, 677 Apostasie 326, 334, 336
Sachregister Arbeit 217,227,270,384,389,494,510, 515,543,582 Arbeiter 16,28,33,58,117 f., 120,122, 145,167,176,227,274,296 f., 356,446, 452,455,457,460,462,468 f., 473 f., 481,488-492,494,496,500,514,525, 543,561,619,629,631,658 - , Ausschüsse der 383 - , Ausweisung von 644 - , Band mit dem Dorf 457 - , Bevollmächtigte der 473 - , Doppelwahlrecht der 122, 452, 460 - , Elite der 174 - , geistige 556 - , Genossenschaften der 646 - , Gesamtzahl der 678 - , Kurie der 259,468, 618,631 - , Organisationen der383,389,488,492, 619, 770 - , reaktionäre 474 - , Rechte der 637 - , Versammlungen der 619 - , Versicherung der 553 - , Vertretung der 296, 470 - , Wahlmänner der 452,468,619f. - , Wohnungen der 342, 380, 498 - , Zeitungen der 479 Arbeiterbewegung57,185,383,487,490, 492, 496, 721, 734, 737 —» auch: Gewerkschaften; Gewerkvereine - , politische 619 - , professionelle 619 Arbeiterbörsen 487 f. Arbeiterdeputiertenrat 55/., 97,172-177, 183 f., 187,246,295 - 300,488,491,496, 715, 723 - , Exekutivkomitee des 173,175f., 491 - , Finanzmanifest des 59,97,171,175, 183, 299 Arbeiterfrage 16,551,553 Arbeitergesetzgebung 190, 412,652 - , westeuropäische 637 Arbeiterklasse 266 Arbeiterschaft 33,38,56,64,118,122,174, 186,203,253,295f., 297,487,489,495, 497, 559,619,638 - , Maifeier der 487, 500 - , sozialistische Stimmung der 678 - , Sozialrevolutionäre Ziele 32 - , Unterstützung der Duma 643 Arbeiterschutzgesetzgebung 225, 553 Arbeiterversicherung 342,559
789
Arbeitgeber 384,492,525 - , ländliche 622 Arbeitgeberverbände 389,499,555,559, 638, 682f. Arbeitsertrag, Recht auf 203 Arbeitskräfte 508,510,516,520,525 f., 568,579 Arbeitslose 313,489f., 492,494,497,499, 683 - , Unterstützung der 496 Arbeitsnorm —» trudowaja norma Arbeitsstaat 210 Arbeitstag 489,559 - , zehnstündiger 412,639 - , zwölfstündiger 638 Arbeitswertlehre 215 Arbeitszeit 381,489 Archangelsk 422,453,468,522,528 f., 539, 624,650 - , Gouvernement 459 Archierej —» Bischof Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 4f., 7-10,17,23,44,46f., 52, 72f., 75 79,86,281,284-289,359, 362, 542, 586,598,645, 648 Aristokratie 63, 88,150,270,242 Armee 56,114,136,142,146,149,253, 295,299,301,310312,380,415,432f., 440,486,529,561,565,589,615,623, 652, 659, 766 - , Meutereien der 57-59,254,261,295f., 312,345,660 - , Reform der 677 - , Rückzug der 56 Armenien 87,151,185,350, 360 Armenische Revolutionäre Föderation 185 Armenische Sozialdemokratische Organisation 185 Armenpflege 380 Arminianer 173 Artel', Artjel 494f., 760, 764 Aschaffenburg 712 Asiatentücke 676 Asien 144,357,421,448,453,467,544, 696, 763 Askese 160,163,165,329,342 - , innerweltliche 165 Astrachan —» Astrachanj Astrachanj 311,449,468,509,530f., 546, 624 - , Gouvernement 446,448, 509 Ataman 310f., 760
790
Sachregister
Attentate 55 f . , 308,317 •- 320,363,382 f., 676 - , politische 317, 674 Aufklärung 165,274 Aufsichtsräte 407 Aufstände 166,177,181,183,185,209, 227,235,243 f., 253,255,263,295, 301 f., 304,306,313 f., 316 f., 320,363, 366f., 396,413,478,486,501,502,552, 565, 588,595, 617,645, 763 Augsburger Religionsfriede 41,88,150 Ausbeutung 206,223, 584 Auseinandersiedlung 544,586 Auslese 378, 568 - , ökonomische 197,230,252,532,543, 571 Ausnahmegesetze 394,436,551 f. - , Beseitigung der 632 Ausnahmezustand276,298,312f., 436, 598,600,654 - , Aufhebung des 600 Außenpolitik 406, 502 Aussiedelung 214 f. Aussperrung 367,382,385, 499,559,560 Auswanderung 211 f. Autokratie 19 f . , 34,48,88,117f., 144 f., 157,159-162,167,169,180,185,203, 207,246,248,253 - 256,258,263,267, 273,277 f., 283,298,337,349,400, 404-406,413,415,420,425,431 f., 442, 562,564,579, 769 - , bürokratische Rationalisierung der 22 - , Fortbestand der 549 - , Herrschaft der 11,14 - , Legitimitätsgrundlagen der 51 - , Niederringung der 49 - , patriarchale 404 - , Sturz der 206 - , zarische 11,13,18,44,63,282 - , Zertrümmerung der 255 autonome Gebiete 135,139,149 Autonomie 127,130,134,136,138-141, 146,148 f., 152,261,298,358,363,369, 378, 420,431, 548, 561, 769 - , Forderungen nach 141 - , Frage der 369 - , kulturelle 132, 712 - , lokale 87,140 - , nationale 501 - , politische 137 - , Projekt über 136 - , regionale 558
- , religiöse 360 - , Status der 414 Autonomisten 628, 635 Autonomisten-Föderalisten 151 Azad 361 Bad Oeynhausen 386 Baden 172,212,393, 408, 581 - , Block der Mitte 172 - , Freisinnige Partei 172 - , Großherzogtum 172,212 - , Nationaliberale Partei 172,685 - , Sozialdemokratie 172 - , Universitäten 6 - , Wahlen 481 Baisse - , der Bodenpreise 605 - , künstliche 571 Baku 297, 381, 449 Balachna 716 Balaschew 348 Balkankrise 23, 701f. Ballotage, Ballotierung 370f., 470f., 473 Baltikum, Balten 53,41,61,88,146,150, 295,617,618, 626, 723, 729 - , Baltendeutsche41,88,150,358, 617f., 623, 766 - , Baltische konstitutionelle Partei 61, 259,358,549,613,724 - , deutscher Liberalismus in 259 - , Professoren 260 - , Provinzen 146, 356,358, 468,621 - , Unruhen 41,623 Bamberg 304 Banken 30,253 f., 303 f., 412,516,525,584, 618,646,648,671,683 Bankettkampagne 39,55,100 Bankiers 260, 305 Baschkiren 629 Basel 372, 717 Batum 381 Bauern 12 f . , 19-22,37f., 51,67,110, I I I , 118-120,123,133,141,145,164,166, 167,188f., 200-202,214,221,228,230, 232,243,353,355f.,399,421,444-448, 455 - 4 5 8 , 4 6 3 -469,473,477,482f., 486,508,511 -515,526,529,535,542, 554 f., 561,564,566,570f., 574,578, 580,584,589,594 f., 597,603,605, 6 1 9 - 621,625,627 - 629,632- 634,646, 662f., 669, 674, 690, 692, 772
Sachregister —» auch: Agrarunruhen; Parteien, bäuerliche; Wolost Agitatoren der 234 - , Agrarprogramm der 562 Arbeit der 226f., 248,625 Beamte der 458 - , Wahl der 603 - , Befragung der 478 - , Betriebe der 466, 509 - , Bindung an den Zaren 2 - , Bodenerwerb 512,514f. - , Deputierte der 67,234, 458,545,643 Doppelwahlrecht der 463 - , Dummheit der 606 - , Eigentum der 539,625 - , Forderungen der 12,231,233,249,338, 532 - , gemeinschaftlicher Besitz der 698 - , Ideale der 678 - , Interessen der 663 - , Inventar der 535 - , konservative 248 - , Kurie der 421, 446,465,468, 631 - , Masse der 651 - , mittlere 622 - , Obstruktion der 602 - , orthodoxe 351 - , parteilose 627 - , Privatbesitz der 229,254,528 f., 531, 579,584, 664,698 - , radikale 645 - , Reformideale der 520 - , religiöse Gesinnung der 2 - , Repressionen gegen 618 - , Resolutionen der 231,235,246, 486 - , revolutionäre 166,244 - , Sozialrevolutionäre 517,625, 634, 678 - , ständische Selbstverwaltung der 455, 458,652 - , Steuerboykott der 609 - , Streiks der 313, 559,575, 589, 683 - , Unterschichten der 19 - , Vorwahlrecht der 122 - , Wahlboykott der 621 - , Wahlen der 248, 457,483, 629 - , Wahlmänner der 120,351,446,469, 471,473, 646 Bauernbank 27,194,250-252,2S¥, 339, 512,516,522- 524,529,541,543 - 545, 568 f., 571 f., 584,590-594,596,604 f., 652,683f., 725, 760, 763, 765 - , Gesetze über die 194,514,568,593,649
791
- , Haltung der Bauern zur 605 - , Preispolitik der 595 Bauernbefreiung 27,152,166,195,196, 228,231,252,339,456,513,518 f., 525, 530, 534,576, 583, 732, 765, 770, 772 Gesetze über die 195,199,230,456, 764 - , Norm der 522f., 525,527f. Bauernbewegung 227,244, 538 Bauernbünde 564 - , mittelparteiliche 632 - , reaktionäre 632 Bauernbund, Allrussischer 57,61-63,175, 176f., 181,254,233-236,239,242,246, 251,299 f. ,478,486,491,550,562,564, 602 —» auch: Bauernkongreß; Narodnyj Mir - , Büro des 246 - , Resolutionen des 242 Bauernbund auf dem Boden des Manifestes vom 17,Oktober 61,64,478,550, 633 Bauernbund der Partei der Rechtsordnung 61 f . , 562,633 Bauernbund der Partija pravovogo porjadka —* Bauernbund der Partei der Rechtsordnung Bauernbund des 17.Oktober—» Bauernbund auf dem Boden des Manifestes vom 17.Oktober Bauernfamilie 190,525f., 529, 763, 766 Bauerngemeinde 152,199,304,369,519, 764f. Bauern-Ghetto 213,219 Bauernintelligenz 484,634 Bauernkomitees 167,230, 501 Bauernkongreß 57-59,152,156,184, 233-237, 242f., 299,338 - , Organisationsbüro des 245 zweiter58,156,243 - 246,257,299,631 Bauernkriege 306, 626 Bauernland 200,238,508,515,521,531, 544,572, 583f., 652 - , Verbot des Erwerbs von 596 - , Verbot des Verkaufs von 229 Bauernlandbank —» Bauernbank Bauernpacht 622,625 Bauernpolitik 250 - , egoistische 606 - , radikale 209 Bauernschaft 123,234,242,318,357,463, 511,520,526,540,546,568,582-584, 623,671
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Sachregister
- , individualistische 587 Bauernstand 454,456,519, 528,584 - , konservativer 133 Bauernversammlungen 482 Bauernvertreter 235, 468 Bauernwirtschaft 210,214,229,251,507, 510, 513,517f„ 535, 593 - , betriebstechnische Organisation der 506-511 Bayern 24,41,88,393 Beamte 63,118,123,128,137,160,195, 203,229,233,235,243 f., 246-248,251, 262,299,304-308,312,316-318,322, 354,370,424,434 f., 441,446,450,458, 470, 512, 556, 562,657,659, 771 - , altkonservative 260 - , autoritäre 231 - , Entlassung von 434 - , Ernennung von 432, 434 - , Gehälter der 632 - , gesetzwidrige Handlungen der 659 - , gewählte 126 - , Herrschaft der 163 - , konservative 648 - , ländliche 232, 234 - , liberale 228,450,549 - , reaktionäre 87 - , Verantwortlichkeit der 562,652, 674 - , Verfügungen der 673 - , Willkür der 117,652 Beamtenapparat 137,260,297 Beamtenklasse 243 Beamtenschaft 118,157,232,243,246, 265,404, 412,561, 676 - , reaktionäre 256 - , zentralistische 255 Bedarfsdeckung 506 - , bäuerliche 509 Bedarfsprinzip 517f. Befreiungsbewegung48,78,282,293,352, 366, 650,687, 689-692 Befreiungsbund—* Ssoj us Osswoboshdjenija Befreiungskriege 503 Behörde 229,308,322,352,388,396,398, 421, 433,441,480, 546 - , direkter Verkehr mit den 633 - , Eingriffe der 600 - , liberale 466 - , lokale 130, 461, 479,668 - , Willkür der 421, 600,615
Behördenorganisationen 424 - , Ungesetzlichkeiten der 669 Belagerungszustand 143,501 Belaja Krinica 337, 765 Belgien 162,175, 720 - , Verfassung 81 Belgium Scheme 175 Belostok —> Bjelostok benevolent feudalism 269 Bergbau, südrussischer 106 Bergleute, westfälische 489 Bergwerke 381,384,428,459 f., 462,498, 612 Berlin 42f., 97 f., 104,258,302,308,372, 384, 551, 708, 713f., 717, 730-732,735 - , Januaraufstand 722 - , Polizei 686 - , Sozialliberaler Verein 41 Berliner Kongreß 89 Berliner Nationalversammlung —» Preußen, Nationalversammlung Berliner Tageblatt 26-29, 41,404 Berufe, freie 185 - , liberale 177,181 Berufsarbeit 677 Berufsbeamtentum 269 Berufsvereine 386 Berufsvereinsorganisation 244 Beseda-Kreis 712,714, 716, 719f., 722, 725, 729, 733, 760 Besiedlung 532, 535 Besitz 447,449,459,476,513,528 f., 531, 544f., 584,672 - , beweglicher 198,445f., 448,462, 555 - , kleinbäuerlicher 539 Besitzende 256,663, 678 Besitzerkurie 630 Besitzrecht 585 Besitzverteilung 462,584 Besitzzählung 523 Besondere Kommissionen 329,332,341, 394,403,431,467,520,570,573,578, 716 Besondere Konferenz über die Bedürfnisse der Landwirtschaft 91,99,228,577,579 Bessarabien 361,467,471,530 f., 592,623, 626, 737, Besteuerung 190f., 458,539 Betriebsausmaß 509, 538 Betriebsintensität 526 Bettellandanteil 193
Sachregister Bez Zaglavija - » Bjes saglavija Biatystok —» Bjelostok Bielefeld 386 Bildung und Besitz 165 Bildungsgrad 629 Bildungszensus 118,376, 611 Birshewyja Wjedomosti 97, 502, 754 Bischof 155,157,159f., 341,347,352-354, 760 - , Rechte des 342 - , Sitz des 340 - , Wahl des 154 Bischofssynode 349 Bittgesuche —* Petitionen Bjelostok 60,297,314,424,629,658f., 682 - , Pogrom in 658f. Bjes saglavija 275, 300, 716, 720, 728, 754 Blutsonntag40,56,78,173,185,296,366, 486f., 492,495, 714, 722 Boden 21 f., 215,219f., 225 f., 230,510, 514, 518,520, 537, 568,581, 583 - , Aufteilung des 197,580, 663 freier 2,13,269 gutsherrlicher 595 - , Kauf von 513 f., 525,543, 581,595,607 - , Preishausse des 605 Bodenanteile 223,518,536 Bodenbesitz 218,225,449,459,516,536, 538, 544,584f., 714 Bodeneigentum 12,211,216,219,248,596, 641 - , Abschaffung des 657 - , Heiligkeit des 656 Bodenkonzentration 640 Boden-Kulturverhältnisse 520 Bodenpreis 133,194,504, 506,571 f. - , Hochhaltung des 594 Bodenreformer 192,218,226, 253, 714 - , Sozialrevolutionäre 213 Bodenregulierungsakte 585 Bodenrente 220 Bodenspekulation 194 Bodensteuer 535, 604 Bodenverstaatlichung 194 Bodenwert 528, 763 Bodenwucher 516,569 Böhmen 137, 691 Börse 48,254 f., 262,277,302,305,411, 558,611 Börsengesellschaft 412 Börsenkomitee 556,611 f.
793
Bogorodsk 732 Bolschewismus, Bolschewiki25,40,56,65, 74,166,170,500-502, (42t, 709,727, 756f. Bol'seviki —* Bolschewismus, Bolschewiki Bonn 735 Bosnien 330, 765 Bourgeois-Revolution 203 Bourgeoisie 98,106,173,176,180,186, 207,238,260,305,316,358,401 f., 412, 446,465,556, 612, 626, 630f. - , industrielle 465 Klassenvertretung der 612 - , ländliche 549 - , ökonomische Interessen der 639 - , Verzicht auf parlamentarische Vertretung 637 Bourgeoisiepartei 558 Bourgeoisiewahlrecht 464 Bourgeoispresse 358 bracchium saeculare 326 Bratislava 722 Breslau 528, 714, 732 Brest-Litowsk 313 Briefgeheimnis 436 Brüssel 728 Buchbinder 491, 500 - , Verband der 497 Buchhändler 315 Budget 47,102,115,117,276,414, 425-430,437, 440-442,533,669 - , Gesetzüber59,426f., 429f., 438,441 - , legales 442 Budgetrecht 126,227, 427,430, 441 Büdner 457 Bürger 109,179, 249, 253,268, 358, 489 Bürgerkrieg39, 262,295,310, 311 - , chronischer 319,413 bürgerliche Bewegung 4,27,37f., 66 bürgerliche Demokratie 94,168,181,185, 188,200,207,229,248,281,285,288, 502,634 bürgerliche Gesellschaft 38 bürgerliche Gewalt 350 bürgerliche Moral, Ablehnung der 24 bürgerliche Rechte 334,435,561, 583 bürgerliche Schichten 19,51, 634 Bürgerliches Gesetzbuch 388, 771 Bürgermeister 359, 388, 390,393, 454, 610 Bürgerpflichten 435 Bürgerrechte 164
794
Sachregister
Bürgertum 11,19,30,40,49,98,134,151, 172,181,254,300,306,404,500,545, 612, 674 - , Großbürgertum 30 - , Industriebürgertum 67 - , Wirtschaftsbürgertum 11 Bürokratenhirne 19 Bürokratie —» Bureaukratie Bürokratisierung —» Bureaukratisierung Bulgarien 125,629, 723 - , König von 125 Bund —» Allgemeiner jüdischer Arbeiterbund in Litauen, Polen und Rußland Bund der Eigentümer —» Verband der Grundbesitzer Bund der friedlichen Erneuerung 61,65f., 563 Bund der Grundbesitzer—> Verband der Grundbesitzer Bund der kirchlichen Erneuerung 161,343, 346 Bund der Kontoristen 488 Bund der Metallarbeiter 488 Bund der Semstwoangestellten 107,179, 243 Bund der Semstwoleute 55,61,66,89f., 100,103,106 f., 127,137,260,266,491, 716f., 725, 729, 733, 738 —> auch: Semstwokonstitutionelle Bund der Zemstvo-Konstitutionalisten —» Bund der Semstwoleute Bund des russischen Volkes —» Verband des russischen Volkes Bund des 17. O k t o b e r 2 0 , 3 2 , 5 8 f . , 61-65, 141,187,259,274,275,276,337,358, 361,403,410,451,472,478,548-551, 554 f., 557,560-565,601,613,617 f., 619,623 f., 625,626,627,631,637, 639 f., 660,714-716, 719f., 723f., 726f., 730, 733, 735f., 738, 756 - , Agrarprogramm des 555,562 - , erster Parteitag des 66 - , Kongresse des 5 9 , 5 5 1 - 5 5 4 - , linker Flügel des 64 - , Liste des 617 - , Nationalitätenprogramm des 640 - , Parteikonferenzen des 451,639 - , Zentralkomitee des 554, 639 Bund des Volksfriedens —> Narodnyj Mir Bund russischer Männer —> Verband russischer Menschen
Bund russischer Menschen —> Verband russischer Menschen Bureaukratie 13,19,52,87-89,112f., 123, 157,201 f., 204,228,246,248,257,260, 263,277f., 306,308,309,311,320,326, 337,343,348 f., 353,372,395,399 f., 405 f., 408,410-413,420,427,441 f., 444,446 f., 474,476,480,555,566,575, 579,594,607,614,617f., 626,639,641, 648,672, 675, 771 - , Apparat der 228 - , aufgeklärte 111,276 - , hierarchische 355 - , Kapitulation der 663 - , liberale 112 - , Machtinteressen der 278, 305, 420 - , Machtstellung der 320 - , modern gesinnte 612 - , ökonomisch liberale 616 - , Produkt der 537 - , rationelle 413 - , reaktionäre 254 - , Willkür der 18, 431 - , Zusammenbruch der 647 bureaukratische Arbeit 413 bureaukratische Beaufsichtigung 246 bureaukratische Herrschaft 8f., 13, 412 bureaukratische Interessen 406 bureaukratische Knechtung 347 f. bureaukratische Kontrolle 557 bureaukratische Rationalisierung 22,406, 413 bureaukratische Regierung 13,407 bureaukratischer Rationalismus 400,404 bureaukratischer Zentralismus 112,222, 274 bureaukratisches Produkt 537 bureaukratisches Regime 426, 482 bureaukratisches Regiment 540 Bureaukratisierung5,123, 279 der Selbstherrschaft 19,22 Bureaukratismus 411 Burenrepublik 89 Bylo148,178,266 byzantinische Kultur 142,144,696 Byzantinismus 162 Byzanz 142,153, 721, 761 Cäsareopapismus, Cäsaropapismus 153, 155,160, 347, 350, 761 - , parlamentarischer 156
Sachregister cahiers —»• Prigowor Cahiers de Doléances 232, 483,632 Cahiers du M o n d e Russe et Soviétique 6, 546
Calvinismus, Calvinisten 173,174 Carskoe Selo 258 Cerkovnyj Vestnik 162,337,344,346, 348f., 545, 759 Cernigov —» Tschernigow cernye sotni —> Schwarze H u n d e r t cernyj peredel —* schwarze Umteilung C h a r ' k o v —* Charkow Charkow 105,146,188,275,297,299,319, 345,348,352,422,449,486 -488,493, 496,530f., 546,592,596,613,619,624, 632, 637, 709, 711f., 714f., 728 - , Gouvernement 232,630 / 2 - , Universität 275 Chauvinismus 1 3 8 , 1 4 2 , 1 5 1 Cherson —* Chersson Chersson 1 0 1 , 1 5 6 , 1 9 1 , 5 6 0 , 4 4 7 , 5 2 9 - 5 3 1 , 592, 624,626, 733 - , G o u v e r n e m e n t 360 Chicago 42,372, 723 C h l o p o m a n e n 150,156 Chlysten 164, 329, 335 C h o d o k , chodoki —» Kundschafter Cholm 358,453,467 Christentum 1 5 8 , 1 6 2 , 3 2 6 , 332, 3 3 4 - 3 3 6 christliche Bewegung 158,160 Christovery —* Chlysten chutorskije utschastky 583, 761 chutorskoe chozj ajstvo —» chutorskoje chasjaistwo chutorskoje chasjaistwo 216,560,575 f., 587, 761 ein —» Tschin cinovnik —» Tschinownik Civiltà Cattolica 154, 754 Clubismus 642, 645 Congress of A r t s and Science in St. Louis 1, 695
contrarevolutionäre B a n d e n —> Schwarze Hundert C o u p o n - und Dividendeninteressen 551 Courrièrres 489 D ä n e m a r k 230 Dagestan 475 Daily Telegraph 303 D a m a s k u s 89 D a r m s t a d t 40
795
Dekabristen 607 Demagogie 252, 278f., 481, 576,632 - , reaktionäre 482 D e m o k r a t e n f e i n d s c h a f t 46, 678 Demokraticeskij Sojuz Konstitucionalistov —» Demokratischer B u n d der Konstitutionalisten D e m o k r a t i e 1,4,81,83,89,117f., 124, 129,150,184,186,222 f., 249,253, 269 f., 2 7 3 , 2 7 9 , 3 4 0 , 3 4 6 , 3 5 1 f., 3 5 8 - 3 6 1 , 4 0 7 , 4 1 9 f . , 451,476,479,486, 502,532 f., 5 4 7 , 5 5 4 , 5 6 5 , 5 6 8 , 5 7 1 , 6 2 0 - 625, 632, 634f. - , bürgerliche 634 - , dezentralistische 358 - , H a ß gegen 607 - , ideologische 620 - , konstitutionelle 12, 617, 624, 635 - , liberale 3,8 - , revolutionäre 254 - , Sozialrevolutionäre 624 Demokratischer Bund der Konstitutionalisten 61,65,563 Demokratischer Bund der Konstitutionellen —» Demokratischer Bund der Konstitutionalisten Demokratisierung 464 - , politische 5 7 4 , 6 8 9 , 6 9 1 - , soziale 574 D e m o n s t r a t i o n e n 24,40f., 363 - , politische 308, 366 Despotismus - , aufgeklärter 274 Deutsche Monatsschrift für das gesamte L e b e n der Gegenwart 43 Deutsche R e v u e 39 Deutsche Rundschau 97 Deutsche Wirtschaftszeitung 412 D e u t s c h e n h a ß 618 Deutsches Reich l f . , 5f., 22 -24,26f., 32, 34,36-38,40-46,48,57,61,71,76,79, 87,89,92-94,97,102,114,132,138, 1 5 0 , 1 5 6 , 1 6 1 , 2 3 0 , 2 4 0 , 2 4 2 , 2 5 2 f . , 256, 2 5 9 , 2 6 8 , 2 7 4 , 2 7 7 , 3 2 5 , 3 7 1 f., 3 7 5 - 3 7 7 , 381 •- 3 8 3 , 3 8 8 , 3 9 3 , 4 0 3 , 4 1 1 , 4 4 2 , 4 7 9 f., 4 8 9 , 4 9 8 , 5 0 0 , 5 0 3 , 5 2 2 f., 525 f., 561, 5 8 1 , 6 6 7 , 6 6 9 , 6 7 7 , 6 8 5 - 688,689,691 f., 701 f . , 709, 715, 722, 724,
-, -, -, -,
731
A d e l 61 antirussische T e n d e n z e n 23 Arbeitergesetzgebung 637 Arbeiterschaft 37
Sachregister Außenpolitik 2,126,699 Bauern 224 Bürger 278 Bund der Landwirte 242,477 Christlich-soziale Partei 161,185 Deutsche Demokratische Partei 730, 735 Diplomatie 699 Dynastie 89, 699 Einzelstaaten 24,41,138, 393,591 Freisinnige Partei 264 Heeresvorlagen 264,295, 428 innere Front 25 Intervention in Rußland 667,669, Kapitalmarkt 277 konstitutionelle Krise 687 Kriegspolitik 25 Kriegswille 25 Kultur 87,260, 477, 679 Landesverfassung 88 liberale Parteien 695 Liberalismus 13,161 militärstaatliche Ordnung 1 Monarchie 1 Nationalliberale Partei265,478,709, 724 Öffentlichkeit 10,13,23,40f., 44, 701 Osten 132,526 Ostgrenze 7, 690, 692 Parlamentarisierung 685 Polenpolitik 151 Polizei 6, 41, 88, 94, 687,689, 691 Presse 9,13,16f., 27,36f., 45f., 71,639, 678 f. Professorenschaft 24,480 reaktionäre Kreise 689,691 Realpolitiker 678 Regierung 24,27,40f., 89 Reichstag 264, 442,444,482, 709, 724 Revolution von 1848257 russische Studenten 6,23,685 — 687 Schule 580 Septennat von 1886/87 442 Sozialdemokratie 36—38,40,89,104, 122,170,203,238,256,308f., 373,383, 500,668, 709, 718, 722f., 738, 756 - , Erfurter Programm 64, 718 - , Gothaer Programm 203 - , Parteizentrale 172 Sozialisten 175 Sozialistengesetz 308,383, 393 Sozialpolitik 93
Universitäten 23f., 42f. ,301,372 Verbände 478 Vereinsgesetze 393 Verfassung 19,265, 442,685 Zentralverband Deutscher Industrieller 477 f. - , Zentrum 264,442, 481,497 - , Zuchthausvorlage 386 Deutschtum 1,150 Dezentralisation 115,136-138,147,149, 254,532, 563 Diäten 416,482,629 Diakonie 159 Dienstboten 452,491,500 Dienstpflicht 264, 310, 387 Differenzialrenten 214,218,220 Dilettanten, Dilettantismus 300,409 Diözese 340, 762 Diplomaten, Diplomatie 88,126,406 Dividendenkonsumenten 30,550 —» Rentiers Dnevnik Social-demokrata^- Dnjewnik Ssozialdemokrata Dnjepr 506 Dnjewnik Ssozialdemokrata 74,173,176, 238, 754 Domänen 193,250,454,520-522,528, 530, 545, 554,570, 573, 589, 652 - , Verpachtung der 594 - , Verwaltung der 594 Domänenbesitz 190, 225, 441 Donezgebiet 235 Dongebiet 613 Donkosaken 760, 765 - , Gebiet 765 - , Heer 310, 468,522, 624 Don-Oblast' 235, 468 Dordrecht - , Synode von 174 Dorf 118, 456,482, 512,519,521, 523 Dorfbevölkerung 330,512,589 Dorfbourgeoisie 118,167,212, 515 Dorfgemeinde 118,169,225-230,21?, 3 1 0 , 3 9 8 f . , 447,456,458,516,518,568, 571, 5 8 6 , 5 8 7 f . , 632, 765, 767f., 770 - , Austritt aus der 221 - , Eingaben der 191,486,632 - , Kommunismus der 169,204, 207,228 Dorfgemeinschaft 210,214,221,223,225, 230,369,523, 584,586 Dorfgenossenschaften 223,228, 239,583 Dorfproletariat 167 -, -, -, -,
Sachregister Dorfversammlung230,235,237,482, 769 Dorpat 617, 710 - , Universität 260, 651,673 Dreifelderwirtschaft 510 Dreistadiengesetz 201 Dresden 5 - , Polizei 686 Dritte Duma —> Duma, Dritte drittes Element 106 f. , 1 2 3 , 1 7 9 f., 243,276, 463,483, 5 9 8 , 6 0 1 , 6 0 3 , 615, 761, 770 - , Verhaftungen des 276 Drittes Rom 155 Drucker 296,474,487 f., 4 9 2 , 4 9 4 - 4 9 6 , 499 f., 619 - , Verbände der 488,491, 4 9 5 - 4 9 7 , 5 0 0 druziny —» Schwarze Hundert Duchoborzen 328 f., 331, 335 Dumal8-20,22,31—33,49,60f.,73,97, 99,103-106,114,118,120,121,123, 126,129,135 f., 139 f., 142,149,151, 181 f., 187,242,246-248,251,260,266, 211,283,295,299,303,305,311,314, 316f., 3 2 0 , 3 2 4 , 5 5 7 , 3 3 9 , 3 4 2 , 3 5 0 f., 358,360 f. , 3 6 8 , 3 7 9 , 3 8 5 , 3 9 4 , 3 9 8 f., 401 f., 4 0 6 , 4 1 0 , 4 1 4 - 4 2 5 , 4 2 7 f., 430-440,443-446,449-455,461,465, 467-469,474-476,483,486,495,501, 503-505,511,518,524,528,529,531, 533,536,548,552,554,570,579, 5 8 2 - 586,595,609,613f., 618,620,626, 639f., 6 4 3 , 6 4 6 , 6 5 5 , 6 5 8 - 6 6 2 , 6 6 6 , 672f., 707f., 710,712-717,719-722, 725f., 728, 761f., 767, 769 - , Abgeordnete d e r 2 9 , 3 2 , 3 4 , 6 0 , 6 2 , 64-67,88,120,284,358,361,395,413, 4 1 6 , 4 2 0 , 4 4 1 , 4 4 6 f., 4 4 9 - 4 5 5 , 4 5 8 , 4 6 0 , 465,467-469,472,482-484,541,589, 618,622,624629,632,635,650, 656-658,661,667,670 - , Immunität der 661 - , Agrarkommission der 60,536,656, 664 f. - , Agrarprojekt der 661, 664 - , antibureaukratische Elemente in 646 - , Antwortadresse der 32,60,399,627, 6 5 1 - 6 5 4 , 664f. - , Auflösung der 15,22,29f., 32,34-36, 47,63,283,544,635,654,667 - 670,674 - , Boykott der 4 2 1 , 4 5 2 f . , 501, 503, 645 - , Bulyginsche30f. ,57,96,102,116,119, 179,358,390,414,418,424,445,448, 455,476,681,76;/.
797
- , Dritte 709,712, 714f., 719,721 f., 724, 738 - , Einberufung der 4 3 8 , 5 5 2 , 6 4 7 , 6 5 1 , 6 5 4 , 669 - , Eingaben an 443 - , Erklärung der 6 6 4 - 6 6 7 , 6 6 9 - , Eröffnung der 26,33,412,440,475,502, 545,588,605,626,621,628,641,643, 649f., 653 - , Gesetze über 14,59,276,390,402,410, 4 1 4 - 4 2 2 , 4 2 4 , 4 2 7 , 4 4 0 , 4 4 6 , 4 6 4 f., 474f., 609, 610 Gesetzesprojekte der 661 Interpellationen der 423,627,648, 653f., 659, 669 Kommissionen der 545, 661 Konfrontationskurs der 39 Mißtrauensvotum der 60, 674 Ordnung der 416f., 422 - 424,650,656, 661 Präsident der 415,417, 650,657 Protokolle der 653, 657 Rechte der 671 Reglement der 416,443 Schaffung der 59,422 Spaltung der 668 Untersuchungskommissionen der 314, 659 Verhandlungen der 17,20,26,317,515, 526,528f., 5 3 6 , 5 4 0 , 5 7 4 , 6 4 9 - 6 6 8 Verhöhnung der 651 Vertagung der 654 Vierte 709, 724, 729 Wirtschaftskomitee der 629, 635 Zusammensetzung der 629f., 635, Zweite 63,709f., 712,714-716, 720f., 726, 733 Dumawahlen 13,57,59,245,368,391,393, 448,458,502,555,617 —» auch: Wahlen - , Boykott der 64f., 67,358,361,474,477, 484, 486f., 501, 6 1 8 - 6 2 0 Dumawahlrecht 51,454,612 —> auch: Wahlrecht Düna-Zeitung 255,259, 754 Duodezmonarchen 125 Dvadcatyj Vek —> Dwadzatyj Wjek Dwadzatyj Wjek 351,422,497,613,626, 6 6 2 , 6 6 7 , 754 Dynastie Romanow 90,609, 768 dynastische Ambitionen 2 6 7 , 4 0 8 , 6 7 7 dynastische Eitelkeit 409, 476
798
Sachregister
Ehrenbürger 512-514,629 Eigentümer, Antistreikverbände der 596 Eigentum 229,240,449,459,462,527,536, 544, 583,585f., 618, 669, 771 - , Freiheit des 648 - , Heiligkeit des 584, 622,640f., 663,678 - , persönliches 198, 586, 640 - , unbewegliches 610 - , Unverletzlichkeit des 574, 576, 641, 663 Einheitsgedanke 127,143,349,433,554, 557, 561 Einheitssteuer 202,539 Einkommensteuer 190f., 226,227,239, 259, 589,652 Einsiedelung 213-215 Einwanderung 272 Einzelhöfe 212,575, 583, 586, 766 Eisenbahn 122,135,142,210,213,220, 298,300,357,381,386,427 f., 441,449, 457, 460,570,584 - , private 387 Eisenbahnarbeiter 301,308,357,404,457, 488,561,564,633 Eisenbahnerbund 180,300,491, 497 Eisenindustrie 578 Ekaterinoslav —* Jekaterinosslaw Ékonomièeskaja Gazeta 98 Ekonomitscheskaja Gasjeta 98, 754 Elee 733 Elite 511 Elsaß-Lothringen 393 Empiriokritiker 171, 708 Empiriomonismus 709 England, Engländer 56,42,89,119,150, 161 f., 230,381 f., 480,498,503,659, 711, 713, 715, 720 - , Court of Star Chamber 658 - , Labour Party 108 - , Parlament 126, 710 - , Presse 26 - , Recht 464 - , Staatsrat 659 - , Verfassung 48,126 - , Wahlrecht 464 Enteignung 156,193,195,224 f., 221,228, 237,240 f., 245,337 f., 504,520 f., 524, 528f., 535,537-540,542,546,560,562, 570 f., 578,584,622,628,640,652, 662-664
—> auch: Konfiskation, Expropriation - , Entschädigung bei 12,240-242,576 - , Maximalumfang der 594 Entwicklungsgeschichte 239 Entwicklungsgesetze 198 - , allgemeine historische 169 Entwicklungslehre 218,268 Entwicklungstheorie 169, 201,205, 273 Eparchialrat 161, 347 Eparchialsynode 347 Eparchialverfügung 157 Eparchie 154, 344, 346,348, 351,353, 762 Erbhufenbesitz 505, 508, 519, 583, 585 Erbrecht 575,581,585 Erkenntnistheorie 72, 98 Erlangen 713 Ernte 508f., 516,566 Erste Duma —* Duma Erster Weltkrieg 25, 721, 723 Ertragswert 249,514f., 524,640 Ertragswert-Prinzip 249 Erziehung 533 - , politische 31 Eschatologie 244,272 Est(h)land, Est(h)en 87,88,149-151,467, 623,628 f. - , Gouvernements 447 - , Parteien 358 Etat 425,428-431,435,438,439,440,647, 669 f. - , Gesetze über 669 Ethik 24,124,150,239,271,325,346,511, 533,536,542 - , kommunistische 197 - , ökonomische 164 - , politische 164 E u r o p a 3 / . , 8,14,26, 71,230,282,544, 701 - , Entwicklung 272 - , katholisches 156 - , Krieg 255 - , Revolutionen 248 Europäisierung 696 Evangelisch-sozialer Kongreß 1 Evolution 218 Exekutive 34,127,234,434 - , parlamentarische Kontrolle der 652 Exekutivgewalt 426,434 Expansion 210 - , überseeische 3,270 Exporte 198,250,509-511, 513, 533
Sachregister Expropriation 167,190,201,221,225,230, 237,339,504 f. ,516,523 f., 528 f., 531, 533-535,545 f., 550 f., 570,573,576, 625 —* auch: Enteignung - , Ablehnung der 652, 663 Ezemesjainyj Zurnal dlja vsech —* Jeshenjedeljelnyj Shurnal dlja wssjech Fabian Society, Fabier 108 Fabrik 122,238, 297,460,498 - , Übernahme der 646 - , Verwaltung der 206 Fabrikälteste 487 Fabrikanten 186,302,382,412,473,489, 559,629, 637,639 Fabrikantengesellschaft des zentralen Industriegebietes 558 Fabrikarbeiter, Fabrikarbeiterschaft 211, 452,460,471,490,496,519 Fabrikgesetzgebung 174,383, 487,638 Fabrikinspektion 227,383,390,412,553, 638, 737 Fabrikläden 638 Fabrikordnung 269,638 Fabrikstaroste 487 Fabrikwohnungen 498 Familie 526, 580 Familieneigentum 584 f. Farmer 269 Farmertyp 583 Feldbereinigung 193, 544,575, 581,584 Feldgemeinschaft 110,118,168,191 f., 197 f., 200,208 f., 224,227,235,240f., 505,536, 544,572,580-583,586,625 - , Besitz der 536,585 f., 640 - , Dorfgemeinde 463,519, 583 - , Rechte der 585 - , Zuteilungen der 225 Fergana 467 Ferner Osten 26,614, 765 Fideikommisse 151, 513 Finanzen 131,142,149,191,225,303,305 Finanzministerium 251,265,383,521,524, 573,605,662, 735, 737, 759 Finländische Partei des aktiven Widerstandes 185 finnische Frage 82,109 Finnland 129,130,140,181,185,474,420, 433, 490,590, 641, 708, 716, 732 - , Autonomie 420
799
- , Deputierter 414,420 - , Grenze 492 - , Großfürstentum 82,140,433 - , Landtag 769 - , Reichstag 410 - , Verfassung 140, 420 Fiskus 434,495, 544f., Florida 128 Flurzwang 581, 585 Föderalismus 89,145,222, 275 - , politischer 645 Fortschritt 204,215-217,221, 581 - , technischer 250 - , technisch-ökonomischer 13, 269 Fortschrittlich demokratische Partei —* Polska progresywno demokratyczna partia Fortschrittliche Wirtschaftspartei —» Progressiv-ökonomische Partei Fortwanderung 214f., 575, 589 Frankfurt am Main 724 Frankfurter Nationalversammlung —» Nationalversammlung, Frankfurter Frankfurter Zeitung26/.,29f., 45,318,701 Frankreich, Franzosen 7,26,34,36,42, 123,161,173,119,161,230,255,313, 381 f., 406 f., 480,487,489,503,666, 715, 724 - , Abgeordnetenkammer 232,261 - , Bündnis mit Rußland 255 - , Finanzkapital 253 - , Generalstände 232,271 - , Kommuneaufstand 28,168, 721 - , Konstituante.?, 271 - , Konvent 222,503 - , Landbevölkerung 232 - , Minister 173,261,406 - , Nationalversammlung 265,313, 724 - , Parlament 666 - , Parlamentarismus 34,126 - , Presse 26f. - , Revolution29f., 34,39,265,503,632, 642,675,677, 710, 721 - , Syndikalismus 409 - , Verfassung 126 - , vor 1789 28,112 - , Wahlen 313 Frauenarbeit 219,460 Frauenbünde 178,278,478 Frauenstimmrecht 236,237,504, 645 Freiburg im Breisgau 730, 737
800
Sachregister
Freidenker 629 Freihandel 372 Freiheit 3f., 12,19,31,40,44,83f., 188, 270, 272,274, 399f., 554,596 - , akademische 18,344,346,362f., 365, 369 - , bürgerliche 58,140,326, 379 - , persönliche 100,248,260 - , politische 205 Freiheitsbewegung 4,23,263, 677 f. Freiheitskampf 675 Sympathiekundgebungen für 40 Freiheitsrechte 82,155,165,246,295,321, 472 konstitutionelle 14 Freisinnige Partei - * Sswobodomyssliaschtschie Freitische 313,380,479,497, 615 Freizügigkeit 397 Fremdvölker 133,151,446,448 f., 466 f., 662, 762 Friede - , von Nystad 88 - , von Portsmouth 57 - , von San Stefano 89 Friedensgerichte 126,143, 616 - , Gesetzentwurf über 674 Friedensrichter 126,381,398, 610 Kongreß der 593, 653 Frühkapitalismus 271 Führer 125 - , großer 675 - , politischer 675 Gaisburg, Württemberg 95 Galizien 146 Gefängnis 314, 316,319,491, 650 - , Revision der 653 - , Verwaltung der 319 Gefangene - , politische 316, 319,345 Gehäuse der Hörigkeit 4,13, 269 Gehalt 449,455 Geheimpolizei 89,184,186,383,488,492, 714, 734, 770, —* auch: Ochrana Geistliche, Geistlichkeit35,63,155f., 158f., 236,242,243 f., 246,302,313, 330f., 340,344,346,350-352,419,459, 462,465 f., 470 f., 473,512,549,564, 597,610, 622,626,629, 633
- , schwarze 155,157,160f.,277,610 - , Versammlungen der 348 - , weiße 155,160f.,610 Geistliche Akademien 344f., 347, 350, 759 Geld 304,412, 567,596,603 - , Macht des 676 Geldmächte 253 Geldwirtschaft 251, 511, 533 Gelehrte 338,378,580 Gemäßigt-progressive Partei 62,67 Gemeinde 123,191,199,211,214,223, 226,237,344,353,356,397,414,416, 456-458,469,514,519,542 f., 578,580, 583, 585, 762, 764, 768 - , Ausschluß aus der 583 Versammlung der 234,244, 347,457 Gemengelage 250,339,519,535,545,581, 585f., 594, 622, 640 Gendarm, Gendarmerie 232,253,260, 297, 727 Generäle 88,632 Generalstreik 56,55/., 176,184,261,264, 295,296,298,300,306,318,321,383, 476 - , politischer 176 Genf 56,165,166, 709, 727 Genossenschaften 162,175,199,211,213, 219,221 f., 229 f., 454,476,494 f., 511 f., 514,516,530,543f., 568,571,577, 581 f., 714, 770 - , ländliche 230,232 - , private 581 f. Genossenschaftsbewegung 162,230, 735f. Gentry - , ideologische 261 Gerichte 115,116,126-128,227,244,305, 316,327,363,389,395 f., 415,432,435, 441,487,552,593,655 - , ordentliche 305,317,681 Gerichtshof 84,109,136,415 f. - , oberster 129 - , politischer 365 Gerichtsverfahren 315, 323 - , Abänderung des 661 Gerichtsverfassung 314,396 - , Abänderung der 661 Germanentum 33 Germanisierung 151 Geschäftsleute 230,466 Geschichte 31,53, 73f., 282,293, 356 - , der Menschheit 2
Sachregister der Revolutionen 57 - , osteuropäische 42 Geschichtsdeutung - , ökonomische 160 Geschichtsmaterialismus 98 Geschichtsphilosophie 13,50 Gesellschaft2,4 f., 12-15,32,38,187,203, 205,261,255,355,395,411-413,477, 566,621,648 - , sozialistische 38,203, 764 Gesellschaft für soziale Reform 497 Gesellschaftsordnung 169,543 Gesetzgebung 14,18,22,29,47,51,56,60, 100,114,126,135,137,14O,750,227f., 247,257,276f., 293,295,395,401-403, 4 1 3 - 4 1 5 , 4 1 7 - 4 1 9 , 4 2 1 - 4 2 8 , 4 3 0 f., 433 f., 436 - 438,448,463,465,477,505, 518,526,544-546,554,572,582f.,5S5, 588,594,613,656,661,767 Gesetzmäßigkeit 84,369 Getreide 226,250,457,506,508 - 511,526, 533 Getreidezölle 151 Gewerbe 35,122,419,447,449,455,457, 462,588,612 Gewerbebetriebe 461 Gewerbesteuer 120,449, 455 Gewerkschaft, Gewerkschaften 18,118, 175,180f., 275,296,380,477,487-500, 553 - , Büro der 488,491,497-500 - , Delegiertenkongreß der 499-501 - , Parteilosigkeit der 501 - , Reformkurs der 57 - , unpolitische 496 Gewerkschaftsbewegung494-496, 720, 728 Gewerkvereine 166,175,180,383,386, 390,479, 488,492. 496, 499, 683 - , Büro der 491 Gewerkvereinsbewegung 498 Gewerkvereinsbildung 166 Gewerkvereinsführer 491 Gewerkvereinsrecht 499 Gewinn 13,269 Gewissensfreiheit 232,320, 325,329, 661 Gewohnheitsrecht 369, 584 Gießen 733 Glaubensfreiheit 134 glavnoupravljajuäcij, glawnyj uprawljajuschtschij 424,435, 762
801
glebae adscriptio 228 Gleichheit 561 - , bürgerliche 100, 661 - , vor dem Gesetz 652 Gmina 457, 762 Göttingen 180, 713 Goniec 142, 754 Gosudarstvennaja Duma —» Duma Gosudarstvennyj dvorjanskij zemel'nyj bank —» Adelsbank Gosudarstvennyj kontroler—» Reichskontrolleur Gosudarstvennyj Sovet —* Reichsrat Gottesgnadentum 304 Gottmenschentum 158 Gottmenschheit 124 Gouvernements 90f., 234,445,446,447, 453,455, 467f. - , altrussische 468,608 - , europäisch-russische 120,235,316,557, 446,453,458,468,508,512,521,523, 525,529 f., 532,544,562 f., 589,618, 765, 768 - , industrielle 466 - , innere 545 - , nördliche 338,468,509,521 f., 526,528, 622,627 - , östliche 622 - , südliche 164,224,235,295,297,362, 487, 505f., 624, 709 - , südöstliche 194, 250 - , südwestliche 58,260,505, 559,575,589 - , westliche 132,208,221,341,342,351, 355-358,567,467,587,611,613,616, 621-623,626,628, 630, 766 - , zentrale 58, 526,627,629, 631 Gouvernementsrat 384, 567,593 - , bürokratischer 388,593 Gouvernementswahlversammlung 259, 351,446, 453,460,462, 466,468,621 Gouverneur 110,113,247,304,306,317, 388f., 392, 395,397f., 450,615, 658 - , Ernennungsrecht des 454 - , gesetzwidrige Handlungen der 648 Gracchenzeit 428 Gradonacal'nik —» Stadthauptmann Gradonatschalnik —> Stadthauptmann Grashdanin 74, 90,257, 725 , 754 Graz 722 Grazdanin —> Grashdanin Greifswald 150
802
Sachregister
Grenzboten 36, 47 Grenzgebiete 141, 357, 553 Grenzländer 357, 467,548,641, 652 westliche 509 Grenznutzentheorie 507 Grodno 132,358, 530f., 621,643, 734 - , Gouvernement 643 Großbesitz 464, 473,534 - , Klasse des 462 Großbetrieb 505,508,510,513,515,525, 534f., 644 - , industrieller 462 Großbritannien —* England Großbürgertum - » Bürgertum Großfürst 239,253,408 Großfürstenschaft 249 Großgrundbesitz228,230,446,465f., 468, 623, 626 Großgrundbesitzer 41,252,276,339,351, 358, 459f., 462,465,470,472, 567, 631 - , Interessen der 589 Großindustrie 174,201,274,382,460,468, 550,557f., 560,611 Großindustrielle 106,260,412,462,556, 558,655 Großkapitalismus 106,411 f., 678 Großmacht, Großmächte 647 Großmachtpolitik 22, 533 Großrußland 141,145,192,359,449,468, 509, 519,536, 629 - , Hegemonie 147 Großstadt 455,470 Grund und Boden 538,539 - , Anteil an 21 Grundbesitz, Grundbesitzer20,41,66f., 110,119,133,190,196,213,226,258, 369,445-448,454-456,458-460, 464-468,502,521 -524,528,534,537, 546,548,555,566,568-571,584,589, 591, 594f., 610, 620f., 625,629, 632 - , Interessen des 555, 606, 663 - , Klassenstandpunkt der 604 - , privater 630, 634 - , Schutzmilizen für 604 - , Verschuldung des 683 - , Verstaatlichung des privaten 20 Grundbesitzerklasse 133,359,459,540, 579 Grundbesitzerkurie 358,446,468,609, 631 f. Grundbesitzerverbände 559,575,589,683 Grundbesitzzensus 454,611
Grundeigentum 196,520,649 - , Unverletzlichkeit des 596 Grundgesetze —* Staatsgrundgesetze Grundherren 463, 498,514,605 Grundrechte 82,139, 423 - , Forderung nach 29 Grundrechtskatalog 435 Grundrente202,208,214,239,498,596, 604, 714 - , Konfiskation der 539 Grundrenteninteressenten 606 Gruppe der Arbeit —» Trudowaja Gruppa Gruppe der westlichen Grenzgebiete 628 Grusien, Grusier 151 Grusische Partei der Sozialistisch-Föderalistischen Revolutionäre 185 Grusische Sozialrevolutionäre Partei 222 Guerilla 319 Güter 522, 579,622 - , Übernahme von 591 - , Verschuldung der 591 Güterpreise 560 Gutsbesitz, Gutsbesitzer 118,134,167, 195,197,225,239,241,244,316,457, 470,514,533, 568,576 - , Interesse des 252 - , konservative 351 - , Schutz der 602 Gutsbesitzerklasse 151 Gutsbezirke 649 Gutsherr 204,226,236,251,513,525,540, 594 Gutsland 193f., 226f., 515,543, 588 Gutswirtschaft 514 Habeas Corpus Act 370,373,374 f., 395 , 552 Händler 556, 612,629 Häresie, Häretiker 159,326,333,335 Häusler 122,457 Halle 701, 731, 733 Hamburger Nachrichten 550 Handarbeit 217 Handels- und Industriebund 61 f . , 65,67, 275,556,558,563 - , Kongreß des 557 Handels- und Industrieführung 187,337 Handels- und Industriepartei 62,67,274, 412,472,555 f., 560- 563,565,612,619, 626f., 631, 635,637,639,660, 720, 729 - , Kongreß der 562 - , Mitglieder der 619
Sachregister Handels- und Industrieverbände 610f. Handels- und Manufakturkomitee 558 Handelsbilanz 533 Handelsgesellschaften 454 Handelskammer 35,277, 611 Handelsminister 264,306, 611,638 - , sozialpolitisches Programm des 637 Handelspolitik 43 Handelsrat 611 Handlungsgehilfen 301,491,556 - , Verband der 491 Handwerk 117,556f. Handwerker 361,446,452,512,553,556f. Handwerkergesetzgebung 556 Handwerkerpartei 62,65, 556 Handwerkerverbände 342 Hannover 709 Hauptstadt 14,356,368,393,450,455,479, 491,562,617 Hausagrarier 446 Hausfleiß 798,251, 511 Hausindustrie, Hausindustrielle 38,217, 457,557 —» auch: Kustar Hausse 255,572 - , der Bodenpreise 663 Heer 135, 306, 308f., 312, 406,437,449 —» auch: Armee - , Disziplin des 253,363, 664 Heidelberg 10,23f., 40,42f., 124,282f., 441,685,687,703,714,717- 719, 735, 737, - , Nationalsozialer Verein 2, 695 - , russische Kolonie 6 - , russische Lesehalle 5f., 54, 72,74,86, 282, 702 - , Universität 687 Heidelberger Neueste Nachrichten 702f. Heidelberger Tageblatt 685,695- 697, 702f. Heidelberger Zeitung 685,695,697, 703 Heiliger Synod 153,155,161,277,300,329, 330,331,343 - 350,352,354,565,728, 761 f . - , Anweisungen des 161,663 - , Oberprokuror des 154,162,326,348f., 352, 725, 727, 730, 765 Herrenrecht 382 Herrschaft 270,560 - , demokratische 4 - , geistliche 349 - , weltliche 349
803
- , zentralisierte 405 Herrschaftsideologie 155 Herrschaftsverbände 221 Heterodoxie 334 Hetman 549, 762 Hilfskassen 364,487,494 Historismus 115 Hocharistokratie 63 —> auch: Aristokratie Hochkapitalismus 4,8,270f. —> auch: Kapitalismus Hörigkeit, Gehäuse der 4,13,269 Hofbesitz 458,510 Hohenzollern-Dynastie 550 Holland 9 Hüttenwerk 460,495 Hufe 310, 583 Humanität 241 Hunger, Hungersnot 156,437,516,566, 615,647, 682 Hungergebiete 313,615 Hungerstreik 315 Hypothek, Hypotheken 591 Hypothekenbank 763 - , private 591 Hypothekenrente 495 Ideale - , christliche 244 - , demokratische 540, 690,692 - , humanitäre 566 - , nationale 618 - , patriarchale 413 - , populäre 585 - , sittliche 256 Idealismus 29,676,678,713 - , politischer;;, 106,262 - , sozialpolitischer;; Ideologie, Ideologe 49,124,300,543,566 f. - , bürgerliche 631 - , radikale 107 Illustrierte Zeitung 36 Immunität 421,436 Immunitätsrecht 416 imperatives Mandat 114,136 Imperatorskoe Vol'noe Ékonomièeskoe Obäcestvo —» Kaiserliche freie ökonomische Gesellschaft Imperialismus 2,201,210, 696 Import 559 Indigenat 142
804
Sachregister
Individualismus 150,164,188,192,229 f., 269 f. - , bürgerlicher 165 - , demokratischer 270 - , ökonomischer 561 individualistische Prinzipien - , Durchsetzung 13 Individualkauf 568 Individualrechte 229,436,577 Individuum 217,272,347 Industrie 131,191,255,277,488,506,553, 559, 584, 612,631 f. - , Beaufsichtigung der 637 - , Entwicklung der 220 - , Interessenvertretung der 637 f. - , nationale 210 Industriearbeiter 176 Industriebetrieb 384 Industriebürgertum —* Bürgertum Industriegebiet 234,246,275,381,513, 557,581 - , zentrales 516, 624,631 f. Industriekrisis 516 Industrielle 557,561, 612, 638 Industrieunternehmen 447, 638 Ingenieurverband 179,486 Ingenieurwesen 428, 630 Innenminister, Innenministerium 55, 235f., 251,262 f., 266,276,298, 306-308,314-316,321,352,357,387, 389,484,529,544,566,578,582f., 585, 588,643,662,667,673, 709,715, 723, 732, 737 - , Agrarabteilung des 578,657 - , Entlassung des 56 - , Zemstvoabteilung des 573, 709, 715 Innenpolitik 22,255, 295, 305,406, 567 innere Verwaltung 42, 769 auch: Administration Inorodtsy —> Fremdvölker Instverfassung 622 Intelligence a, Intelligenz J, 19,29,34,92, 104,112,122,734,147 f., 179,203-205, 207 f., 222,231,234,236 f., 242,263, 268,272,350,446,450,465,483,490, 598, 633 - , akademische 104,502,549 - , besitzlose 120 - , bürgerliche 105,122,277 - , grundbesitzende 466 - , Kongreß der 244 - , ländliche 463,483
- , liberale 98,272,278 - , privilegierte 612 - , proletarische 182 - , proletaroide 106,109,122,268 - , radikale 181, 233,543,644 - , Sozialrevolutionäre 122,231 f., 644f. Interessen - , historische 295 - , materielle 261,269 f. - , nationale 273, 338,553 - , öffentliche 535 - , ökonomische4,11,117,160,189,384, 558,566,622,631,637,678 Interessenkonstellationen 270 - , nationale 618 Interessenten 107, 372 - , private 657 Interessentenkorporationen 114 Interessenvertretung - , ökonomische 558 Interimsministerium288,395,399,413, 432,671 Internationales Sozialistisches Büro 169 Irkutsk 449 Irland 623, 710, 713 - , Agrarreform 225 - , Landgesetzgebung 543 Irrlehren 536 Iskra 74,165 f., 167,203,208,241,709, 723, 727-729, 734, 755 Iswjestija 176, 302, 755 Italien 314,404, 490, 720 Izvestija —»Iswjestija Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart 47 Jakobiner 34,222,269,623, 724 Jalta 352 Jamburg 345, 732 Japan, Japaner 2,55,102, 632,695 Jaroslavl', Jarosslawlj 157,345,449,530 f., 597,608,613,624,631,775 - , Adelsversammlung 608 - , Gouvernement 91 jawotschnyj porjadok321,333,384,386, 388,391,399, 763 Jekaterinosslaw 297,449,488,529,531, 618, 624, 627,631 - , Eparchie 155, 351 - , Gouvernement 328,466 - , Semstwo 604 Jekatherinburg 495
Sachregister Jelissawetgrad - , Semstwo572 Jena 5, 372,373, 713 Jeshenjedjelnyj Shurnal dlja wssjech 194, 645,646,755 Jesuiten, Jesuitismus 171,407, 754 Journalisten - , Kongresse der 167,238 Judaisten 329, 335 Juden, Judentum 41,61,151,208,302,314, 327,529,350 f., 357,359,361,380,409, 478,504,562,564,619,621-623,629, 632, 762 - , Ansiedlungsrayon der 151 - , Abgeordnete der 361 - , Ausschluß vom Wahlrecht 641 - , Emanzipation der 151 - , Gesetze über die 361 - , Gleichberechtigung der 645 - , grundbesitzende 466 - , Organisationen der 362 - , Wahlrecht der 261 - , Zulassungsbeschränkungen für 681 Judenchristen 329 Judenfeindschaft 187 Judenfrage 262 Judenpogrome 40f. ,58,60,260,262,297, 304,306,314,588,658,720 Judenrechtsbund 178,486 Judicium parium 107 Jur'ev —> Dorpat jus circa sacra 354 Jushny Kurjer 86,253, 755 Justizminister, Justizministerium 298,318, 384, 394,421,588, 673, 719 Justizreform von 1864 126,395,769 Juznyj Kur'er —» Jushny Kurjer Kabinett 60,83,116,264,298,402,405, 407,551 - , Schaffung des 293,402,405,410f. - , Vittes 266,302—319, 395f., 648 Kadetten —> Partei der KonstitutionellenDemokraten Kaiser 5 0 , 1 3 5 , 1 5 3 , 3 9 8 , 4 0 1 , 4 1 5 , 4 1 8 , 4 2 2 - 4 2 6 , 4 2 9 , 4 3 1 f., 434-438, 4 4 0 - 4 4 2 , 5 7 0 , 5 7 5 , 668,670, 682 —» auch: Zar - , Hof des 262, 406, 429 - , Initiative des 436 - , Rechte des 83, 4 0 3 , 4 3 4 - 4 3 8 , 682 - , Stellung des 434
805
- , Versprechen des 303 Kaiser-Wilhelm-Denkmal 489 kaiserliche Familie 426, 429f., 439 - , Besitz der 574 Kaiserliche freie ökonomische Gesellschaft 93, 94,391, 716, 728 Kaiserreich, deutsches —* Deutsches Reich Kaiserreich, römisches 310f. Kaiisch (Gouvernement) 381 Kalmücken 361,453,629 Kaluga 530f., 596,613, 624,628 - , Gouvernement 527, 567,598 Kapital 107,160,215,219,238-241,250f., 278,445,506,510f., 513,515f., 524, 534,539, 557,649 - , fremdes 641 Kapitalamortisation 572 Kapitalisierung 572 Kapitalismus 2-4,8,11 f.,37,94,117,160, 165,169,196,201 f . , 2 0 5 , 2 0 6 , 2 0 9 - 2 1 1 , 2 1 6 - 2 1 8 , 2 2 0 f., 225,230,238,251,254, 273,278,340,503,509,517,528,542, 555,571,582, 624, 631,637, 649 —> auch: Großkapitalismus; Hochkapitalismus; Rentenkapitalismus - , autoritärer Charakter des 2 - , Entstehungsbedingungen des 4 - , industrieller 4, 623, 626 - , landwirtschaftlicher 239 - , Siegeszug des 209 - , westlicher 764 Kapitalisten - , deutsche 674 Kapitalleihe 215 Karlsruhe 72 Kartelle 275, 412, 627 Kasakenchargierter 235 —* auch: Kosaken Kasaken-Dörfer 246, 253 Kasakengebiet 244, 611 Kasanj 146,234,346,361,368,449,468, 531,579, 581,598, 613, 623f., 658 - , Pastorenversammlung in 348 - , Semstwo in 571 Kaspisches Meer 595 Kassationshof 128 Kassationsinstanz 84 Kasuistik 340 Katholiken, katholische Kirche 132,155f., 160,337,340,342,351,357,435,629, 729
806
Sachregister
Katholizismus 160, 342, 357 - , orientalischer 354 Kaufkapitalien 536 Kaufkraft 217, 238,506,510, 513, 568 Kaufland 528,530, 544 Kaufleute 339,470,512-514, 611,629 - , der Ersten Gilde 361 - , grundbesitzende 466 Kaufpreis 194,240,534,536,568f., 594, 684 Kaukasus 146,360,381,421,446,448 f., 453,468,611,617,629,635,642, 738, 763 - , Gouvernement 469, 621 Kazan' —» Kasanj Kertsch 253 Kiev —> Kiew Kievljanin —» Kiewljanin Kievskie Otkliki-^ Ki je wski je Otkliki Kiew48, 73,78,92,95,105,119,146,148, 275,297,299,314,344,346,359f.,363, 449,453,461,504,508,514,530 f., 546, 613,618f., 622f.,626,708,710,712, 716-718, 722, 727, 733, 735f. - , Gouvernement 624 - , Seminaristen 350 - , Studenten 326 Kiewljanin 299,618, 727, 755 Kijew —» Kiew Kijewskije Otkliki 243, 755 Kingdom of influence 408 Kingdom of prerogative 409 Kirche 342,435 - , Eigentum der 342 - , Gerichtsbarkeit der 344 - , griechische 156 - , hierarchische 161 - , rumänische 156 Kirchenämter 354 Kirchenbehörde 333 Kircheneinkünfte 347 Kirchenfrage 551, 553 Kirchengüter242,462,520,528f., 530,576 Kirchenland 339, 348,529,545, 574 Kirchenrecht 350 Kirchenreform 18,162,349, 354, 725 Kirchenregiment 352 Kirchenstaatsrecht 326 Kirchenstarost 347 Kirchenvermögen 354 Kirchenverwaltung 344, 765 Kirchspiel, Kirchspiel-Komitee 347, 353
Kirgisen 87,151,361,453,504, 629 Kischinew 329,361,449,471, Kisinev —»Kischinew Klasse, Klassen 49,117,150,165,231,300, 357, 462, 465,519, 555 - , besitzende 118,180,254,395,566,589, 614 - , herrschende 201,359,575 - , privilegierte 609, 614 Klassenbewegung 497 Klassenbewußtsein 496 f., 555 Klassenbildung 117 Klassenforderungen 629 Klassengegensatz 574,604-606,609,660, 672 Klassengerichte 396 Klasseninteresse 223,297,396,545,556, 566f., 579, 588,604, 606, 615, 634 - , bürgerliches 407 - , Verschärfung des 595, 635 Klassenkampf 175, 223,229 Klassenrache 317 Klassenscheidungen 490 Klassensolidarität 496 Klassenvertretung 413,546, 556 Klassenwahlrecht 476 Kleinasien 151 Kleinbauern 210,212,215f., 509,539,544, 582, 584 Kleinbesitz 528,530,541 Kleinbetrieb 506,513,515 - , ländlicher 505 Kleinbürger, Kleinbürgertum 19,119,165, 187, 339, 361,409, 512f., 542,556,629 - , Organisationen der 258, 564 - , radikale 619 Kleineigentümer 216, 445,462-464 Kleingrundbesitz, Kleingrundbesitzer 360, 459f., 462,465 f., 471 f., 479,481,533, 544, 583,620, 625 Kleinhändler 457 Kleinhandwerk 201 Kleinkapitalist 118,507 - , ländlicher 212 Kleinrußland, Kleinrussen, 87,90,105, 114,119,130,132,145-151,164,192, 212,244,251,355,359 f., 467,509,546, 575, 628f., 763 - , Bauern in 467 f. - , Departements in 624 - , Gouvernements in 113, 611,621, 626 —» auch: Ukraine
Sachregister Klerikalismus 162, 355, 481 Kloster 157,237,239,335,341 f., 351,523, 574, 769 Kloster- und Ordensgesetzgebung 341 Klostergüter, Klosterländerei 237,242, 339,529f., 576 Klub der Unabhängigen 388,547 Knishnij Wjestnik 268, 325 Koalitionsfreiheit 588 Koalitionsrecht 187,497 Kölnische Zeitung 26,36, 41 König, göttliches Recht des 162 Königsberg 89, 94 Königtum, soziales 161 Körperschaft 391,422-424,428,434,612 - , öffentliche 392 Kollektivrecht 577,587 Kolo - > Polen, Kolo Kolonenstand 540 Kolonisation 194 - , bäuerliche 595, 625 - , deutsche 641 - , innere 190,198 Kolonisationsdepartement 573 Kolonisationsgebiete 468, 624 Kolonisten224, 360, 513, 523,545 - , deutsche224,360,466, 625f. - , mennonitische 360 Kommassation 538 Kommerzienräte 512 Kommunismus 156,169,197,223 f., 227, 237, 239, 272, 542,544,580 - , bäuerlicher 227,252, 678 Komnenen 153 Kompetenz-Kompetenz 141 Konfessionen245,327,333f., 449,459, 622,629 - , Wahl der 326 Konfiskation 166f., 225f., 249, 501 Kongregationen 341 Kongreßpolen 130,132 f., 141,146 —» auch: Polen - , Autonomie 67,134 - , Konstitution von 1815 131 Konservatismus - , kommunistischer 272 Konservative 34,36,38f., 42,44,61,64, 66, 71,256 f., 259,265,343,361,481, 563,565,596,604,611 Konstantinopel 155 Konstituante3, 7,84,107,127,129,136, 182f., 185,242,245, 503,554,636, 710
807
—» auch: Frankreich, Konstituante - , Einberufung der 185 Konstitucionno-Dcmokraticeskaj a Partij a —> Partei der Konstitutionellen-Demokraten Konstitucionno-monarchiceskajapartija raboiich —> Konstitutionell-monarchische Arbeiterpartei Konstitucionno-monarchiceskij pravovoj Sojuz—» Konstitutionell-monarchischer Rechtsbund Konstitution^, 102,183,248,254,260, 267,276,278,305,350,395,400,402, 408 f., 416,437,442,476,550,552,557, 559,562, 567,648,660, 682 —» auch: Verfassung Konstitutionalismus 44,48,102,127,309, 345,429,442,551,699 konstitutionell-demokratische Bewegung 13,18,20,23,36,44f. ,49,54,91,96, 100 f., 116,126 f., 139,184,188,267, 275,278,298,557,613, 712 - , Programm der 141,153 f., 242,249,497, 545 Konstitutionell-demokratische Partei —* Partei der Konstitutionellen-Demokraten Konstitutionell-katholische Partei 342, 359 Konstitutionell-monarchische Arbeiterpartei 62, 562 Konstitutionell-monarchischer Rechtsbund 62f., 562,641 Konterrevolution 297 Kontinent 273 - , nordamerikanischer 2f., 270 Kontinentalreiche 3 Kontraktbruch227, 385,588 Kontraktbruchstrafe 227,381 Kontrasignatur 401 f., 435, 437,682, 769 Konversion 339, 356 Konzessionspflicht 321 Konzessionssystem 321, 384,388 Konzil 154-156,160,343 f., 346,347,353, 545, 769 - , Einberufung des 154, 343 - , Jurisdiktion des 354 - , Kommissionen des 353 - , Vorbereitung des 353f Konziliarismus346f., 355, 769 Kooperativgesellschaften 494f., 497 Korporationen 364,377, 409,610 Korporationsbildung 193
808
Sachregister
Korporationsrecht 364 Kosaken 146 f., 309-311,318,467,468, 486,512, 522, 769 - , Abgeordnete der 311 - , Abteilungen der 320 - , Ataman der 549 - , Donative an 647 - , Freiheit der 147, 310 - , Heer der 311 Miliz der 602 - , Offiziere der 318 - , Semirecensker Oblast' 467 - , Wachen der 316, 540, 595 - , Wählerschaft der 311 Kosmopolitismus 309,358 Kostroma 91,174,275,350,530f., 597 f., 609, 619, 624, 628, 726 - , Adel von 609 - , Gouvernement 656 Kovno, Kowno 132, 358,529,531, 734 Krämergeist 256 Krankenkassen 364 Krassnojarsk 297 Kredit 162,252,429, 440,540,568, 763 Kreditgenossenschaften 211 Kreditinstitut 498, 511, 524 Kreditwirtschaft 440 Kreditwürdigkeit 14, 320, 510 f., 568,584 Krementschug 297 Krest'janskaja Gazeta 545 Krestjanskij posemelnyj bank—» Bauernbank Krest'janskij Pozemel'nyj Bank - » Bauernbank Krest'janskij Soj uz —» Bauernbund, Allrussischer Krest'janskij Sojuz pravovogo porjadka—; Bauernbund der Partei der Rechtsordnung Kreuzzeitung 34-36,42, 672 Krieg 209, 614, 679 - , deutsch-französischer 168 - , russisch-japanischer 1904/05 2,26, 38f., 41,55,112,113,614f., 647, 721 - , russisch-türkischer 1877/78 39,89 Kriegsgericht 312, 315,437 Kriegskanzlei 428 Kriegskredite 394,440 Kriegsministerium 415,659 Kriegsrecht 58,143, 312 Kriegszustand 143,298 f., 312f., 315,403, 436,548, 552,598
- , Verschärfung des 674 Kritische Blätter für die Gesamte Staatswissenschaft 47 Krone 415,426,443,523 - , Autorität der 443 - , Notverordnungsrecht der 426 - , Vetorecht der 268 Kronrat 727,266,403 - , Funktion des 613 Kronstadt 58,296, 312 Kulaken 118,204,206,221,235 f., 241, 511, 584, 633, 764 Kultur 6,44,49, 87,132,214,534,581,696 - , bäuerliche 533 - , Fortschritt der 123 - , freie 273 - , individualistische 252 - , politische 509 - , westliche 3,271 Kulturaufgaben 690, 692 Kulturbedeutung 24, 534, 704 Kulturbegriff 150 Kulturbewertung 534 Kulturbeziehungen 703 f. Kulturintensität 533 Kulturmenschen 241 Kulturschicht - , aristokratische 150 Kulturselbständigkeit 139 f., 145,147 Kulturstaaten 34,281 Kulturstand 528 Kulturträger 145 Kulturverwüstung 150 Kulturwert 271,677 Kulturwissenschaft 705 Kulturziele 606 Kundschafter 589, 761 Kurland 146 K u r s k « , 91,107,118 f., 155,246,250,507, 347,449,468,527,530f., 624,630, 772, 718, 720 - , Gouvernement 246, 546,574 Kustar 202,217,251,457,516,624,760, 764 Landll7,193f.,196,213,224f.,233, 239 f., 250,463,469,485,504,506, 513f., 516,518-520,523,525-530, 534-539, 546,560, 568, 585, 594f., 607 - , besätes 531 - , Besetzungen von 237 Kaufvon27,133,194,221,240,252,
Sachregister 342,512-516,530,540,543,569,571, 581, 583f., 590f., 763 - , kolonisierbares 250 - , Rechte an 244 - , Sozialisierung des 206, 210, 21$ f., 539 - , Wert des 593 Landanteil 189f., 194 f., 198f.,213,227, 508,518 f., 5 7 8 , 5 8 0 , 5 8 4 , 5 8 5 , 761, 764, 768 Landarbeiter 1 9 0 , 2 2 7 , 4 6 3 , 5 1 0 , 5 1 9 , 5 8 8 , 622,683 - , Gesetz über 649 L a n d a r m u t 3 3 8 , 3 4 2 , 5 0 8 , 5 1 9 f . , 522 f., 527, 5 3 2 , 5 3 5 , 5 4 3 - 5 4 5 , 5 6 9 , 5 7 0 , 572, 633 L a n d b a n k —» B a u e r n b a n k Landbesiedelungskommission 544 f., 5 9 3 - 5 9 7 , 767 Landbesitz, L a n d b e s i t z e r 5 9 , 6 6 , 1 0 4 , 2 2 4 , 241,446,454,512,516,518,529,536, 5 4 5 , 5 6 9 , 570, 580, 586, 594,669 Landbesitzerkurie 104 Landbourgeoisie 206 Landfonds 193,226,535,538,544-546, 570,584, 641 - , staatlicher 190,194, 5 0 4 , 5 3 6 , 5 4 5 , 622 L a n d f r a g e 2 3 7 , 3 1 0 , 5 3 2 , 645 - , Lösung der 622 - , Regelung der 605 L a n d g e m e i n d e 232,583, 649,673 L a n d h a u p t m a n n 1 2 3 , 1 2 6 , 2 1 4 , 2 3 2 f . , 243, 3 1 0 , 3 3 9 , 3 9 8 , 4 5 8 , 4 8 4 f., 561,593,616, 634,649, 765 Landhunger 12,20,207,469,504,506,514, 522,531,569 Landlose 122,193,526 f., 532,535,543 f., 569,572 Landmangel 2 4 4 , 4 6 3 , 4 7 3 , 4 7 8 , 5 2 0 , 5 3 5 , 539 Landmanifest 245, 352 Landnot 338,504,508 f., 511,538,576, 593, 623,645 - , Leugnung der 596 Landpreis 541,571 f. Landschaften 35,591 Landsmannschaften 364 Landspekulanten 569 Landstädte 454,631 Landsteuer 166 Landstücke —» O b r j e s k i Landtag 8 7 , 1 3 6 Landversorgung 521,523, 525, 529, 586 Landvorrat 5 2 3 , 5 2 8 , 5 3 0 f . , 538f.
809
Landwirte 2 2 0 , 4 5 9 , 4 6 2 , 4 6 5 , 4 7 0 , 5 8 3 , 588,629 f. - , kleine 466 Landwirte-Kongreß —* V e r b a n d der Grundbesitzer Landwirtschaft J 6 , 4 3 , 1 0 5 , 1 9 1 , 1 9 3 , 1 9 7 , 206,2161,238 f., 2 7 7 , 3 9 1 , 4 5 4 , 4 7 7 , 506 f., 519 f., 522 f., 525 f., 529 f., 534, 570, 582 - , E x p o r t e der 623 - , kapitalintensive 21 Landwirtschaftsminister20,306,569,589, 657 Landwirtschaftsministerium 298,528 f., 5 3 1 , 5 3 4 , 5 4 4 , 5 6 7 , 5 8 6 , 5 9 3 , 7 1 4 , 727, 763 - , A g r a r p r o j e k t des 5 4 4 , 5 6 7 , 5 7 0 , 5 7 3 , 6 7 3 Landwirtschaftsrayon 581 - , zentraler 515 f. Landzuteilung i 9 5 , 3 3 8 , 5 0 5 , 5 1 5 f . , 5 1 8 , 520, 5 4 0 , 5 7 8 , 5 8 5 - , staatliche 594 - , unentgeltliche 632 Latifundien 595,640 Latifundienbildung 607 Legalität, formale 666 leges saturae 428 Legislative 34,127,134,410 - , Gewalt der 426 Legislaturperiode 619 L e h r e r v e r b ä n d e 388,486 Leibeigenschaft 167,190,230,518,625, 718 - , A u f h e b u n g der 199 Leinenindustrie 557 Leipzig 5, 708, 718, 730 L e m b e r g 147 Lesehallen und Klubs —» auch: Heidelberg, russische Lesehalle - , russische 5f., 10,23,54, 72, 74, 702 Lettische Sozialdemokratische Arbeiterpartei 185 Lettischer Sozialdemokratischer Bund 185 f. Lettland, L e t t e 8 7 , 1 4 9 - 1 5 1 , 2 5 9 , 3 5 8 , 6 2 3 , 628 f. - , Bürgertum 358 - , Parteien 185f., 358 lex A r o n s 372 Libau 41 Liberale 7 , 3 1 , 3 5 f . , 44f., 75f., 104,107, 1 0 9 , 1 1 8 , 1 4 1 , 1 4 7 , 1 6 2 , 1 6 4 f., 167,168,
810
Sachregister
171 f., 181,186-188,191 f., 200,208, 245,253 f., 262,264,267,274,298,343, 407, 494,503,567,599, 604, 611 liberale Bewegung 3,8,11,27,32,44f., 74 f . , 100,103,130,282,478 - , des Westens 12 - , Einheit der 12 Liberalismus 4, 7f., 10-13,51,73,118, 129,133,163 f., 231,256,263f., 268,269 - , akademischer 39 - , ideologischer 268 - , klassischer 12 - , konstitutioneller 7/., 10—12 - , ökonomischer 210 - , sozialer 98 - , westlicher 2 Liegnitz 258 Liga der Arbeit 63,497, 724, 727 Liga skorejsego sozyva narodnych predstavitelej —* Liga zur baldigen Einberufung der Volksvertreter Liga Truda —* Liga der Arbeit Liga zur baldigen Einberufung der Volksvertreter 65 Linke 262,420,477,479,612,624,627, 659,665,667 - , äußerste358,361,536,541,619-621, 627, 628, 641 - , politische 63 - , radikale 635 - , revolutionäre Leidenschaft der 664 Lit(h)auen, Lit(h)auer 61,87,130,132f., 146,148-151,208,337,356,358,359, 623,628f., 722 - , Sprache der 133, 355 Literaten 301,630 Liverpool 42 Livland 88 Lodomerien 146 Lodz 122, 381, 449,452,466,558 Logos 24 f . Lohn 381,538, 632,644 Lohnarbeit 212-214,221,570 Lohnarbeiter 211,570 Loi fondamentale de l'Empire Russe 7, 81-85 auch: Verfassungsentwurf Lokalgerichtsbarkeit 616,673 Lokalverwaltung 110,130,137,338,595, 769 - , Reform der 649 London 42,166, 718, 721
L o s k a u f t , 212, 241,251 - , Gesetze über 14,58,189f.,229,252, 298,338,567,569,576,579,590,592, 605, 684 Loskaufgelder 207,224,229,250,252,534, 568,576-578, 580, 590 Loskaufzahlungen 14,21,58,189 f., 229, 241,251,252,298, 338, 568 f., 576, 647 Louisiana 128 f . Lublin (Gouvernement) 467 Lumpenproletariat 208 Lutheraner 163, 328, 350,629 Mandarinentum 270 Mandschurei 311 Mandschureiarmee 309 Manifest vom 17. Oktober 14f. ,18,29,33, 35,49,58,61,64f., 96,97,102,120f., 129,161,163,181,183,187,251,253 f., 258,260,263,267,277,295-297,302, 303,305,308 f., 320 f., 323 - 325,336, 337,342,352,379,386 f., 389,394,397, 399 f., 414,418 f., 431,447,452,464, 474 f., 552,554,557,559,560,567,569, 597, 725 Manufakturen 225 Marburg 733 Mariaviten 342 Markt 131,213f., 216,220,224,226,510, 513, 544, 557 - , freie 13, 269 - , internationaler 596 - , lokaler 510f. Marktproduktion 198,200,218, 510 Marktwert 72,224,249 Marxismus 12,25,37,51,94,95f., 98,144, 168,192,210,215,218,239,269,513, 710, 716, 728f. - , legaler 734 - , orthodoxer 229 - , Zweiseelen-Charakter des 168 Masse, Massen2,13,17,19,35,118,125, 150,165,268,272,311,443,481,555, 580,623 - , Diktatur der 183 - , Haß der 679 - , Instinkte der 679 - , Interessen der 222, 656 - , Unbildung der 31 Massenelend 192 Massenkonsumartikel 190 Massenpsychologie 576
Sachregister Massenstreik 37,382 - , Niederwerfung 14 Massenstreikspektakel 272 Meinungsfreiheit 415 Meliorationen 190, 225,241, 250,535,581 Menschengeschichte, Zukunft der 272 Menschenrechte 122,150,164,188 f., 269 - , Erklärung der 265 Menschenwürde 318,404,606 Menschewismus, Menschewiki 56,65, 74, 166f.,170,185,208,500,642f., 709, 711, 723, 727-729, 756 Menschheit 124 Men'äeviki —» Menschewismus, Menschewiki Metallindustrie 381,557 Metaphysik 96, 722 Metropoliten 154,157 Mißernte 506, 508, 515 f., 615, 662 Militärdiktatur 25,255, 658 Militärgrenze 467 Militärmonarchien 503 Militarismus 561 Minderheiten, nationale 137,140 Minimalzensus 119, 445,464 Minister34,83,126,236,398,402,405, 416f., 4 2 2 - 4 2 4 , 4 3 5 , 4 4 1 - , Anklage der 128 - , Beratungen der 265 - , Ernennung der 29,31,55,58,60, - , Verantwortlichkeit der 126,129,652 - , Verfügungen der 328,355,398,401, 448,453, 475,484,587 Minister für Volksaufklärung 250,368f., 378 Ministerialkonferenz 341 Ministerium 186,265,298,306,350,363, 379,402,407,418,433,438,530,552, 555,564, 576,614,635, 648,656, 665 - , demokratisches 540 - , Erklärung des 655,664, 666 - , konstitutionelles 638 - , liberales 660 - , Niederlage des 662 - , Polemik des 664 - , Projekte des 661 Ministerium für Volksaufklärung 335,366 Ministerium des Kaiserlichen HofeT439, 593 Ministerkomitee 3 2 5 , 3 2 6 f . , 328,332,340, 356,389, 402,406,551, 710, 737 Ministerkonseil 121,183,258,307,386,407
811
Ministerpräsident 362, 405 Ministerrat 58,83,91,117,121,235,305, 307,314,362,392,402-406,408,410, 430f., 438, 570,573, 737 - , Sitzung des 367 Minoritätenschutz 150f., 553 Minsk 132,261,306,358 f., 467,488,529, 531,618,621,626,631, 720 Mir 14,16f. ,49,61,63, 74, 78,169,191, 204f., 211-213,214,229,369,395,587, 764 - , Rechte des 397,587 - , System des 224 Mir Boshij 88,95,97,98, 711, 720, 726, 755 Mir Bozij —» Mir Boshij Mission, innere 154,258 Mittelalter 107,326, 361, 397 Mitteleuropa 3 Mittelpartei, Mittelparteien 306,337,407, 450f., 479,563 - 5 6 5 , 5 9 6 , 6 1 8 , 6 2 4 f., 635,641,648 - , Bauernbünde der 632 - , Blätter der 357 - , rechter Flügel der 611 Mittelstädte 498 Mittelstand 446, 473 Mjenschewiki —» Menschewismus Mönch, Mönchtum 155,159,163,353 - , politisches 153 Mogilev —* Mohilew Mohammedaner 327, 350,360, 628f. Mohilew 132,359,467,530f., 621,630, 729 Mohiljow —» Mohilew Moldavien 718 Molokanen 331 Molva, Molwa 151, 754f. Monarch, Monarchen 57,126 f., 250,278, 401, 403,405f., 408, 414,429, 672, 765 - , als militärischer Fachmann 677 - , als politischer Dilettant 677 - , konstitutioneller 83, 408 - , unumschränkter 419, 431, 765 Monarchiceskaja Partija—» Monarchistische Partei Monarchie 1,22,48,81,110,250,257,337, 384,407, 429,670 - , absolute 728 - , konstitutionelle33,35,72,81,126,265, 283,337, 732 - , legitime 542 - , parlamentarische 655
812
Sachregister
Monarchismus 407,677 Monarchisten 607,609,618f., 624,626 f., 631,635, 755 —» auch: Monarchistische Partei - , Kongreß der 564, 641 - , konstitutionelle 625 - , Programm 256 Monarchistische Partei 63,256 -258,478, 550, 564, 715 —* auch: Monarchisten - , Zentralbüro der 257 Mongolentücke 442 Montreux 95 Mordwinen 629 M o s k a u 2 5 , 4 9 , 5 6 - 5 9 , 6 3 , 6 6 f . ,73,91 - 9 3 , 99,100,101f., 104,108,117,122,139, 146,149,152,155,157,163,170,172f., 178,192f., 233 f., 243,250,253, 255 - 257,274,275,276,295,296f., 2 9 9 - 302,337,338,346 f., 351,353,372, 381,388,401,449 f., 452 f. ,455,461, 466,488 f., 491,492,493 f., 496,497, 498,505,530 f., 548 - 551,554,556, 557 f., 560,564,570,595,599,603,610, 612-614,617-620,625,631 f., 639, 641,686, 710,712 - 714, 716- 720, 722-724, 730, 732f., 735f., 738 - , Adelsklub 607 - , Agrarkongreß 216 - , Aufstand¥9,59,172,295,306,476,491, 496, 502,562, 565, 712 - , Börsengesellschaft 274 - , Börsenkomitee555,611,638,720, 724, 736 - , Deutsche in 617 - , Druckereiarbeiter 499, 682 - , Eisenbahnen 180,181 - , Gewerkvereine 491 - , Gouvernement 234,468,471,608, 625f., 634 - , Gradonatschalnik 148 - , Großindustrie 186 - , Grundbesitzerkongreß 258 - , Landwirte-Kongreß 227 - , Monarchisten 674 - , Polizei 492 - , professionelle Verbände 488 - , Semstwo 99,103, 599f., 601,604 - , Slavophile 88 - , Sovet 184,253,295,502,565 - , Sozialdemokraten 245 - , Staat 155
- , Stadtduma 480, 599f - , Stadtverwaltung 473 - , Steuergesetzgebung 228 - , Streik 384 - , Typographenstreik 496 - , Universität 119,365,368 - , Uprawa 103,182,265,599- 601 Moskauer Juristische Gesellschaft 93, 724 Moskauer Zeitung —» Moskowskija Wjedomosti Moskovskij Ezenedel'nik 547, 735 Moskovskija Vedomosti—» Moskowskija Wjedomosti Moskovskoe juridiceskoe obsccstvo - » Moskauer Juristische Gesellschaft Moskowskija Wjedomosti 74,88,90 f., 117,132,155,157,163,250,256258, 265,472,478, 715, 718, 755 Moslem —» Mohammedaner Müller 457,491,494 München 712 Mukden 56 Munizipalisation 219,221,501 Munizipalitäten 83 Nacalo —» Natschalo Nadel, Nadjel 189,195 f., 221,224,250, 339,457,509,516,518,520f., 525-527, 529 - 531,538 f., 541,544,572,577 f., 584f.,589,625,673,761,764 Nadjel-Ergänzung 224,502,560 Nadjelland 447,513,515,519,521 f., 529-531,538,546,582 f., 584,589,633, 640,673 - , Enteignung des 663 Nahrungsprinzip 216 f. Nahrungsstandpunkt 215f., 517 Nakas 426,482, 764 Nakaz - » Nakas Narodnaja Gasjeta, Narodnaja Gazeta 337, 754, 756 Narodnaja Partija —> Nationale Ordnungspartei Narodnaja Svoboda 97 Narodnaja Volja —» Narodnaja Wolja Narodnaja Wolja201-203,219, 709,723, 729, 764 Narodniöestvo —» Narodnitschestwo Narodnik, Narodniki 94,202,203,209, 215, 708, 727, 729, 764 Narodnitschestwo 12,90,93,169,177,196, 200-203,207,209,212f., 222,231,494,
Sachregister 505,544,577,584,587,644-646, 711, 721-723, 727f., 738, 764, 770, 772 Narodno-socialisticeskaja partija—» Volkssozialistische Partei Narodno-ssocialistitscheskajapartija—» Volkssozialistische Partei Narodnoe Chozjajstvo —* Narodnoje Chasjaistwo Narodnoje Chasjaistwo 96,263,274,301, 711, 756 Narodnyj Mir 61,63, ^78,563, 633, 719 Narwa 346, 708 Naäa Zizn' —» Nasha Shisnj Nasha Shisnj 74,96,97,227,362,392,551, 555,598f., 630, 711, 756 Nashi Dni 96, 756 Nation 2 , 2 4 , 3 1 , 8 4 , 1 2 4 f . , 133, 270, 542 National-Zeitung 30—32 Nationaldemokratische Partei —> Polen, Nationaldemokratische Partei nationale Frage 141,356,548,551 f., 560, 622 Nationale Ordnungspartei 63,107,141, 155,250 - , Agrarprogramm der 250 - , Manifest der 111 Nationalisation, der Produktionsmittel 219 - , der Volkswirtschaft 206 194,202,210,237-239, - , des Bodens 504f., 536f., 539,641,645 Nationalismus 88,89, 95,150,186 - , extremer 202 - , panslavistischer 144 Nationalisten 145, 358,623, 628, 709 - , bürgerliche 622 Nationalitäten 127,135-137,139,145 f., 150f., 245,247,281, 338,357, 628 - , Gleichstellung der 554,561 f. - , Kulturselbständigkeit der 652 - , Rechte der 140 Nationalitätenfrage 12,18,82,131,136, 144-146,148,151,357,467, 501 Nationalitätenproblem 115,129 f., 136,144 Nationalliberale Partei —» Deutsches Reich; Baden; Polen Nationalökonomie, Nationalökonom 221, 284, 372, 718 Nationalsozialer Verein 2,54,106 Nationalversammlung, Frankfurter 105, 268, 737 Natschalo 74,86,95,170-172,254,256, 260, 756
813
Naturrecht 21,212,223,240 f., 269,533, 539,542-545, 578 - , bäuerliches 544 Neapel 314 Neo-Aristokratismus 151 Neo-Idealismus 98 Neoabsolutismus 145 Neokantianismus 710, 733, 737 Nepotismus 370 Neue Badische Landeszeitung 687f. Neue Freie Presse 28,31 Neue Preußische Zeitung —> Kreuzzeitung Neue Zeit 37f., 237i.,718 Neue Zürcher Zeitung 30 Neurußland 519 - , Gouvernements 360 Neusiedelungsgebiete211, 506f., 509, 621 New York 151, 731 Nicht-Interessenten 11,106, 582 Nichtschwarzerdegebiet 513, 516,569 Nishnij-Nowgorod 146,155,449,488,491, 527,530f., 602,608,613,619,624626, 716, 732 - , Gouvernement 351 Niznij-Novgorod —> Nishnij-Nowgorod Nobilitierung 513 Norddeutsche Allgemeine Zeitung 407 Nordischer Krieg 88 Notstandsgebiete 156,246,510,522,546 Novaja Zizn' —» Nowaja Shisnj Novgorod —> Nowgorod Novo-Aleksandrovsk 722 Novoe Slovo 95 Novoe Vremja —» Nowoje Wremja Novosti i birzevaja gazeta —> Nowosti Nowaja Shisnj 74,170 f., 177f., 188,251, 260, 756 Nowgorod 198,233,527,531,598,602, 613, 624,628, 630, 719, 725, 728 - , Bauern 233 Nowoje Wremja 27f., 86,97,142,255,261, 216t.,282,303,309,311,313,316f., 320,322,324,329,333f., 336-338,342, 344 f., 347-349,352,354,356,384 f., 388,391,394,398,411,431,451,478 f., 487,497,508,530,545,554,570,579, 593,599-601,603 f., 608,633, 636-641, 644, 647, 654f., 718, 733, 756 Noworossijsk 297 Nowosti 86,177, 698, 756 Nürnberg 304
814
Sachregister
Nutzfläche 517,526, 529, 531 Nutzung, Nutzungsrecht 206,459,462,535 Obrasowanije 97f., 227, 726, 756 Obrazovanie —* Obrasowanije Obrjeski 166f., 195,230,241,518, 765 Obrok 190,241,545,765 Obscestvo Chorugvenoscev —» Verband der Kirchenfahnenträger Obscestvo Zavodcikov i Fabrikantov Central'nago Promyslennago Rajona —> Fabrikantengesellschaft des zentralen Industriegebietes Obschtschina«, 191,196,197-202, 210-214,219,222f.,229,230,339,397, 463,508,560,562,575 - 582,585 - 5 8 7 , 623,625, 734, 764f., 768 - , Agrarkommunismus der 12 - , als administrativer Zwangsverband 582 - , Auflösung der 21,579,581 - , Austritt aus der 229, 572,577 f. - , Differenzierung der 581 - , Erhaltung der 580 - , Gebiet der 118 - , Sprengung der 572 - , Zukunft der 581 Obscina —» Obschtschina Ochlokratie 123 Ochrana 89,184,186,383,488,492, 714, 734, 770 —» auch: Geheimpolizei Odessa 146,188,261,306,383,449,488, 495,619, 725, 730 öffentliche Meinung 18,106,138,200,263, 432 Öffentlichkeit 666 Ökonomie, moderne 269 Ökonomische Fortschrittspartei —» Progressiv-ökonomische Partei Ökonomismus 170 Österreich-Ungarn 89,136,144,250,382, 667,669,701,713 - , Armee 142 - , Ausgleich 142, 712f. - , Intervention in Rußland 667, 669 - , Kremsier Reichstag 145, 713 - , Nationalitätenstreit 688,691 - , Sozialdemokratie 707 - , Brünner Programm 707 - , Hainfelder Parteitag 707 - , Sprachenproblem 137 - , Wahlrecht 689,691
Offizier, Offizierkorps 253,255,308 f., 512,549 Oktobermanifest —» Manifest vom 17.Oktober Oktoberrevolution 25 —* auch: Revolution Oktobristen —* Bund des 17.Oktober Olonec, Olonetz 447,454,468,509,529, 539, 624, 627,629 opiniones temerariae 239 Ordenswesen 163 Orel —» Orjol Orenburg 468,517,522,529-531,546, 592,624 - , Steppe 509 Orjol 234,449,527,530 f., 546,624 f., 627, 629, 733 - , Geistlichkeit 345 - , Gouvernement 329 orthodoxe KircheiS, 110,153-156,158 f., 160,163,243,257,276,326,327,328, 330-337,340,349,353,357,359,479, 523,610, 663, 760, 762f., 765 - , Kirchenkonzil 336 - , Mitglieder der 629 - , Spaltung der 163, 331, 333f. Orthodoxie 144,158,168,171,201,227, 239,327, 329,332-334,339 Osnabrück 724 Osswoboshdjenije 42,55, 74,86,91,92, 94,95f., 99,101 f . , 105,109,112,114, 116,130,135,148,151,156,158,167, 185,189,191,238,242,503,696,708, 712, 719, 729, 734, 757 Osteuropa 272 Ostpreußen, Ständevertreter 111 Ostsee 102,151 Ostseeprovinzen 100,150,295,302,357 f., 449,522,641 Osvobozdenie —> Osswoboshdjenije Otecestvennyj Sojuz—> Vaterländischer Bund Otetschestwjennyj Ssojus —> Vaterländischer Bund Oxford 710 Pacht, Pächter 197,211-213,216 f., 225 f., 234,339,454,459,462- 465,498,506f., 513-515,519,522,524,528,535 f., 538, 540,542-546,569,576,583 f., 589,594, 622,632 - , Ablösung der 542
Sachregister Bedingungen der 193,504 - , kapitalistische 507 von Staatsland 542 - , Zahlung der 190,495 Pachtpreis 204,225,235,495,504,506, 528,545,594 Regulierung des 640 Pachtrecht 190 Paganismus 347 Pairsschub 319 Panmoralismus 124 Panslavismus 89,144, 707 Papst, Papsttum 159,163,343, 355 Paris 7,55f . , 64,86,94,109,168,182,302, 492, 669,680, 710, 718, 720, 734 Parlament 32,36,51,122,125,127,137, 295,321,347,407 f., 410,414,420-423, 425-427,429-431,438,441,442-444, 476, 538,542, 658, 661,666, 671 - , Bewilligung des 429 - , demokratisches 35 - , Enquete des 657 - , Geschäftsordnung des 410 - , Herrschaft des 34 - , Immunität des 421 - , Kommission des 656 - , Majoritätsherrschaft des 126 - , Parteiregierung des 123 - , Recht des 429 - , Redefreiheit des 421 - , Theorie des 599 Parlamentarisierung 27,265 Parlamentarismus 125,141,208,246,416, 442,685 - , Kritik des 672 Überlebtheit des 125 Parlamentsfraktion 537 Parochien 341,348 Partei, Parteien 17,20,23,27,32,34,39, 41,48,55f.,59,61-67,74,116,129, 150,167,192,208,219,243,245,313, 336,338,349,352,372,392f., 450-452, 465,471 f., 477-483,505,520,522, 535-537,542,552,556,563,624,626, 632,635, 660,672f., 702 —* auch: Mittelpartei - , bäuerliche 64 - , bürgerliche 51,64f., 256,420,620 - , demokratische 61 f . , 64,118,180 - , Entstehung der 30 - , gemäßigte 256, 471 - , Kandidatenlisten der 620
815
- , konservative 61,64, 66, 259,561,564 - , Konstitutionelle 392, 562 - , konstitutionell-monarchische 276f., 613, 617, 627 - , liberale 29, 497,562 - , linke 348, 658 - , mittlere 348 - , monarchische 274 - , muselmännische 360 - , nationalliberale 67 - , politische 18,20,128,259,338,372,558 - , radikale 23,151,200, 202 - , rechte 348,639 - , revolutionäre 6,185 - , Rolle der 29 - , sozialdemokratische 168,620, 754 - , soziale 128 - , sozialistische 64,118,184f., 361,477, 500 - , Tickets der 646 Partei der auf dem Boden des Manifestes vom 17. Oktober vereinigten Bauern —» Bauernbund auf dem Boden des Manifestes vom 17. Oktober Partei der Demokratischen Reform 63 f . , 547, 563,626, 635, 720 Partei der friedlichen Erneuerung 61, 63-67,547,635,639, 716,722, 730, 733, 735f. - , Agrarprogramm der 640f. - , Entstehung der 660 - , Fraktion der 64 Partei der Konstitutioneilen-Demokraten 6,20 f . , 32,34,39,42,45,58,108,115, 116,126,127,134,141,119,181-183, 186,224,225,237,243,264,275,284, 360,388,392,431,435,450,460,471, 478,481,486 f., 502,504,515,518f., 520,537,543,545-549,551,554,561, 563,565,573,608,612f., 617-619,621, 624,627,628,630f., 639,642,644,660, 664- 666,670,696,700,709f., 712-722, 724-726,729-731, 733-737, 754, 757f. - , Abgeordnete der 635,640 - , Agrarexperten der 224,284,505f., 515 - , Agrarkommission 47S, 518 - , Agrarprogramm der 224-229,249,380, 504f., 527, 543,546,562, 636,646,657 - , Agrarprojekt der 60,505,518f., 528, 531-540,640f., 656, 661 - , Arbeiterfrage 636
Sachregister
816
- , dritter Parteitag der 59,451,503-505, 5 3 4 - 5 3 7 , 636,642 - , Entstehung der 2 7 , 1 0 8 - , Gründungsparteitag d e r 2 7 , 5 8 , 6 2 , 1 1 5 , 126,129,182,264 - , Isolierung der 668 - , Programm der 115,126,140f., 152-154,182,186,190,236,242,249, 497,504, 545,561 - , Radikalismus der 637 - , rechter Flügel der 64, 547, 660 - , Übernahme der Regierung durch 660 - , Überwachung der 656 - , Wähler der 620 - , Wahlaufruf der 632 - , Wahlsieg der 647 - , Zentralkomitee der 450f., 633, 640 - , zweiter Parteitag der 59,275, 5 0 2 - 505 Partei der Rechtsordnung 62 -65,109,141, 187,259f., 2 7 4 , 5 5 0 , 5 6 0 - 562,563,565,
611,624,636, 709,713, 717f., 720f., 726, 728, 735
- , Agrarprogramm der 560f. - , Kongreß der 637 Partei der Sozialisten-Revolutionäre —» Partei der Sozialrevolutionäre Partei der Sozialrevolutionäre 6,62 — 64, 74,93,97,184-186,203,205,208f.,
218 f., 234,301,317,492,517,539,676,
709, 713, 725, 732, 736, 757, 759
—> auch: Sozialrevolutionäre - , Agrarprogramm der 208 f. - , erster Parteitag der 64,205 - , Kampforganisation der 645 - , Parteivertretung der 643 - , Programm der 1 7 2 , 2 0 2 - 2 0 7 , 2 4 2 - , Zentralkomitee der 184,492 Partei der Volksfreiheit —» Partei der Konstitutionellen-Demokraten Partei der Volkssozialisten —» Volkssozialistische Partei Partei-Patronage 372 Parteidisziplin 473 f., 477 Partij a Demokraticeskich Reform Partei der Demokratischen Reform Partija krest'jan, ob-edinennych na pocve manifesta—> Bauernbund auf dem Boden des Manifestes vom 17.Oktober Partija mirnago obnovlenija^> Partei der friedlichen Erneuerung Partija mirnawo obnowljenija —> Partei der friedlichen Erneuerung
Partij a narodnoj sswobody —» Partei der Konstitutioneilen-Demokraten Partija Narodnoj Svobody Partei der Konstitutionellen-Demokraten Partija pravovogo porjadka —» Partei der Rechtsordnung Partija prawowowo porjadka —* Partei der Rechtsordnung Partija Socialistov-Revoljucionerov—» Partei der Sozialrevolutionäre Partija Ssozialistov-Revoljuzionerow —> Partei der Sozialrevolutionäre Partija Svobodomysljascich —» Sswobodomyssliaschtschie Parzellen 5 0 7 , 5 1 9 , 5 9 6 Parzellierung 536,584, 595 Paschawirtschaft 376 Paßwesen 1 8 8 , 1 9 9 , 2 1 2 , 3 9 5 , 398 Patriarch, Patriarchat 154 f., 159,163,348, 354f., 761 Patriotische Liga —* Vaterländischer Bund Pensa, Penza 4 6 8 , 5 3 1 , 5 4 6 , 5 8 1 , 5 9 2 , 6 0 5 , 6 1 3 , 6 2 4 , 6 2 8 , 732 - , Wahlen in 630 Perejaslawl - , Vertrag von 1656 147,149 Perm 454,509,514,529,531,539,592,613, 6 2 4 - 6 2 6 , 732 - , Gouvernement 514 persönliches Regiment 8 9 , 1 2 6 , 2 6 7 Persönlichkeit 676 - , Universalität der 271 Persönlichkeitsgarantien 2 5 9 , 5 5 7 , 5 6 2 , 6 5 2 Persönlichkeitsglaube 273 Persönlichkeitsrechte 305,472 Person - , Unantastbarkeit der 320,379, 394, 661 Peterhof 1 0 2 , 1 0 5 , 6 5 8 Petersburg —» Sankt Petersburg Petition, Petitionen 56,132,235,246,259, 339,421,423,427,438,482,483,632,
681,761
- , bäuerliche 191 - , Gesetze über 117,177,235,258,297, 390,475 f., 482 - , kollektive 377 Petitionsrecht 117, 391,652, 681 Petrokov, Petrokow 466 - , Gouvernement , 559, 575, 589 Philister, deutsche 672 Philistertum, politisches 45 Philosophie 98, 345
Sachregister Phrasenherrschaft 443 Physiokratie 190 Pietismus 328 Pirogov-Lesehalle —» Heidelberg, russische Lesehalle Pjetrokow —» Petrokow Plunderwirtschaft 532 Plutokratie 120,464 Podolien 119,132,246,359,508 f., 530 f., 546,613,621,716 - , Bauern 351 podvornoe zemlevladenie —* podwornoje semljewladjenije podwornoje semljewladjenije 505,536, 575, 583, 766, 771 Pogrom —» Judenpogrome Polen 12,36,56-58,61,64f. ,72,83,87, 88f., 1 0 5 , 1 2 9 , 1 3 0 - 1 3 5 , 1 3 7 - 1 4 0 , 142-144,146-151,181,185,208, 298 f., 3 4 1 - 3 4 3 , 3 5 0 , 3 5 6 - 3 5 9 , 4 4 8 f., 453,457,467,500,522,526,548,553, 559,575,589,610,613,618 f., 622 f., 628f., 6 4 0 , 6 6 8 f . , 722 - * auch: Kongreßpolen - , Adel 232,133,250, 767 Aufstände 87,132, 337 Autonomie 65,131,132,139f., 143, 502,628, 633 Belagerungszustand 56 Bevölkerung 133 Bürgertum 623 Eisenbahntarifhoheit 144 Gouvernements 277,361, 421,466, 763 Grenzgebiete zu Rußland 356 Grundbesitz 133, 359,399, 622 Großgrundbesitzer 351, 467 Gutsbesitzer 356 Heer 142 Industrie 558 katholisches 337,351 Königreich 87,134f., 139 f., 341 Kolo 67, 628, 763 Landarbeiter 2, 559,575, 589, 683 Landtag 135,139,146, 358, 622, 769 Liberale 131 Nationaldemokratische Partei 63,67, 754 134,135,142,358, Nationalismus 141,151 Parteien 134,357 Rekruten 142 Republik 134 Sejm 139f.
817
- , Selbständigkeit 22,131 - , Sozialdemokratie 134,185,357 - , Sprache 133,142, 355f. - , Teilung von 1772146 - , Verfassung von 1815 133 f. - , Wahlmänner 351 - , Wanderarbeiter 2 - , Zartum 139,143,589 Polentum 145 Polessien —» Poljessien Politik, ideologische 263 - , liberale 199, 255 Politiker 165 - , liberale 26 Polizei 88,112,119,224,232,242,246,253, 256,260,263,297,299,304,308 f., 314f., 352,390 f., 393,395,450,453, 458,472,475,480,483 f., 553,587,643, 647, 656, 676, 713, 720, 727 - , Organe der 297,353 - , politische 314, 364, 383 - , Selbsterhaltung der 677 - , Spionage der 188 - , Willkür der 472,482,606,645,660,672, 674 Polizeiabsolutismus 671 Polizeibureaukratie 263, 273,484 Polizeiinteressen 112,305, 389 Polizeisozialismus 118,186,488 Polizeistaat 155, 210,213, 333 Polizeisystem 670 Poljarnaja Swjesda96, 503, 713, 715, 757 Poljessien 146, 766 polnische Frage 82,109,129,150 Polnische Sozialistische Partei —» Polska Partia Socialistyczna Polska Partia Socialistyczna 64,134 - , Zentralkomitee der 184 Polska progresywno demokratyczna partia 61,64,134 f. Poltava, Poltawa 119,148 f. ,322,346, 359 f., 467,509,517,530f., 546,561, 589, 592,602, 622-624, 712f. - , Gouvernement 468, 527,592, 630, 632 Pommern 728 Popen —» Geistliche Port Arthur 2 , 5 5 f., 476 Posen (Provinz) 541 Possessionsrecht 454, 459 Post- und Telegraphenangestellte 87,142, 299,301,308,495,647 - , Bund der 300
818
Sachregister
- , Streik der 87, 260,299,385 potrebitjelnaja norma 517,525-528,532, 538f., 766 Prärogative 268, 405,409,433,681 - , der Krone 405, 433,681 Prag 722 Pravda —> Prawda Pravda Bozija —> Prawda Boshija Pravitel'stvennyj Vestnik—* Prawitjelstwjennyj Wjestnik Pravo —* Prawo Prawda 98,147, 719, 757 Prawda Boshija 352, 757 Prawitjelstwjennyj Wjestnik 117,119,133, 161,235,275,298,316 f., 365,401,407, 446,544,569,592f., 609,650,653 f., 6 6 3 , 6 6 6 f . , 6 6 8 , 757f. Prawo 7,17,49, 72,74,86,96,106-108, 116 f . , 133,135,142-144,149,155,167, 178-182,186-188,225,231,234,238, 242 f., 257,260,264,276,297,300,303, 307-312,318,321,323,330,332,335f., 3 4 8 , 3 5 0 , 3 5 2 , 3 8 0 , 3 8 9 , 3 9 3 f . , 396f., 402,409,414f., 451,484,522,527, 536f., 5 8 6 , 5 9 3 , 5 9 8 , 6 0 9 , 6 3 6 , 6 5 1 f . , 670,684, 716f., 757 Preis 17, 77,251,512, 515 f. - , gerechter 22, 224,339,504, 640 Premierminister 402f., 406f., 411 37f., Presse 2 , 9 f . , 13,18,23,26-28,30f., 42,45,53, 71,151,243,276,282,321, 323,356,407,417,439,467f., 502,555, 618,632,669 - , bürgerliche 30,36,354,545, 623 - , demokratische 368,467, 484 - , k o n s e r v a t i v e ^ , 90 - , liberale 27,30 - , linke 579 - , politische 104,150 - , r e c h t s s t e h e n d e ^ , 45 - , sozialistische 185, 321, 381 Vergehen der 450 Pressefreiheit 18,90,99f„134,168,174, 260,321,323,326,652 Pressegesetz 59, 321-323, 388,450 Preußen 41,48,88,104,261,263,268,372, 377,393,398,403,405,408,442,536, 588,591, 682, 721 - , Abgeordnetenhaus262,264,278,427, 428,443, 701, 736f. - , Agrarkonferenz 249 - , Anerbengesetz 249
- , Ausweisung russischer Staatsbürger 41 Dreiklassenwahlrecht 104,120 Fideikommißfrage 216 Finanzminister 277,411 Fortschrittspartei 421, 736 Innenminister 264,383 Kabinett, Entstehung des 405,681 f. Kanalrebellen 262 König von 441 Konservative 261 Kreisordnung 649 Landarbeiterfrage 1 Landratskammer 278, 443 Landtag 111,277,442 Märzministerium 13,268 Militärvorlage 263 Minister 405 Ministerpräsident 405,681 ostelbische Gebiete 1 Ostprovinzen 151 Provinz 104, 569,591, 592, 684 Rechte der 435 Regierung 40,278, 443 Regierungsbezirk 123, 466,482 Rentengutsgesetzgebung 536 Royalisten 257 summus episcopus 153 Verfassung258,435, fälf. Verfassungskonflikt 264,428, 441f. Preußische Jahrbücher 47 Pridneprovskij Kraj, Pridnjeprowskij Kraj 559,575,589,683, 757 Priestertum, königliches 159 Prigovor, Prigowor 231 f., 235,240,243, 351, 482f., 632, 766 Pripet-Sümpfe 766 Prissutstwije 305,384,388-390,395,398, 767 prisutstvie —» Prissutstwije Privatbesitz 9,15,24, 73,206,211,229, 238,249,339,447,454,515,520, 527-530,534,538,582,584,589,634, 768 Privatbesitzer 226,242 Privateigentum 12,118,159,205,220,224, 226,238 f., 242,252,529,546,566,574, 578,581,584,586,663 - , Abschaffung des 244, 539, 658 - , Unantastbarkeit des227,550,555,576, 589 Privilegien 147, 426,436 prodowolstwennaja arenda —* Pacht
Sachregister prodowolstwennaja norma—» Selbstversorgungsnorm Produktion 215,271,510, 533 - , Anarchie der 272 - , standardization 271 Produktionsmittel 200,208,215,219,238, 507,509f., 616 Produktivkräfte 191 professionelle Verbände - » Gewerkschaft Professor, Professorenschaft 24,31,41,43, 73,260,313,363365,368 f., 375 f., 378f., 629 - , außerordentliche 373 Professorenbund —» Akademischer Bund Professorengericht 363, 365,367 Professorenkonferenz 369 Progressisten 64, 613,624, 628 Progressistengruppe —» Partei der friedlichen Erneuerung Progressiv-demokratische Partei -> Polska progresywno demokratyczna Partia Progressiv-ökonomische Partei 63,65, 274f., 563, 565 Progressivnaja Ekonomiceskaja P a r t i j a ^ Progressiv-ökonomische Partei Proletariat J7,118,170,175,178f.,201, 230, 254,445,489, 556 Diktatur des 38 industrielles 678 - , Klassencharakter des 11,106,117 - , ländliches 167, 632 - , moderne Gedankenwelt des 209 Proletarij 166, 757 Proletarisierung 220,536,581 Pronunziamento 318,664 Propaganda 201, 490,579, 764 - , politische 602 - , revolutionäre 658 Protektionismus 187,190, 372,553,557 Protestantismus 132,503 - , niederländischer 164 - , pietistischer 328 Sekten 163f.,328 Prozesse 434 - , politische 441, 715 Pskov, Pskow 447,531,624, 627, 630, 728 - , Gouvernement 555 Puritanismus 164, 272 Putilow-Werke 56,474 Putsch 49,172,203,295 Putschismus 168 f., 261
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Quäker 328 Quorum 420 Rabocaja Gazeta—> Rabotschaja Gasjeta Rabocaja Mysl' 497, 724 Rabocee Slovo —> Rabotscheje Sslowo Rabotschaja Gasjeta 493, 757 Rabotscheje Sslowo 491,493, 497, 757 Radikale Partei 65,127 Radikalismus 151,183,207 f., 223,243, 248,490, 520,675,679 - , romantischer 231 - , Wahlerfolg des 641 Radikal'naja Partija —* Radikale Partei Rangklassen 398,441, 767, 770 Raskol 159,163,165,327,329,333,340, 760, 762, 766f., 770 —> auch: Altgläubige - , innerweltliche Askese des 165 - , Gemeinden des 330 Rasse 449,622 Rat der Arbeiterdeputierten —» Arbeiterdeputiertenrat Rat des Vereinigten Adels 60,65f., 574-576, 709, 718, 726 Rationalisierung 163,411 Rationalismus 404 - , pragmatischer 169,219, 231 Rationalität 111, 263, 271 raznoiincy 629, 767 Reaktion, Reaktionäre29, 71, 74,103, 231,255 f., 263,295,350,369,478,483, 565,574 f., 604,607,620,622,624 f., 690, 692 - , politische 248 Realpolitik, Realpolitiker22,45,95,127, 149, 236,253,679 Ree' —» Rjetsch Rechenhaftigkeit 230 Recht, Rechte 21,31,35,198,227,334, 435,469,517,577,583,673 - , erworbene 228,240, 539,576-578 - , göttliches 162,346,350 - , historisches 241, 369 - , konstitutionelleiS - , objektives 188 - , öffentliches 597 - , positives 436 - , römisches 498, 771 - , subjektives 188,228 - , wohlerworbene 228, 240
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Sachregister
Recht auf Land 196,199,201,225,519, 521, 538,579 f. ,645 Rechte, Rechtsparteien20,64,66,74, 564f., 612,613,627f., 631,665, 712, 716 - , äußerste 563 Rechtlosigkeit 674 Rechtsgarantien 305, 634 Rechtsordnungspartei —> Partei der Rechtsordnung Rechtspersönlichkeit 386, 388, 583 Rechtsphilosophie 714 Rechtsstaat 3,33,84,255,305, 346, 436 - , demokratischer 210 - , konstitutioneller 165 Redefreiheit 90,174,321,652 Reform, Reformen 11,14,42,50f., 58,63, 81,84,229,251,267,274,361,369,513, 536,540 - , politische 189,199, 760 - , soziale 503 - , Ukaz über 56,132f., 325f. Regierung 13,17,19,21,24,30,32,40f., 45f., 60,88,103,112,118,127,184,187, 227 f.,251,254,262,265,267,274,282, 293,295,297,302,336,357,379,383, 407,420,424 f., 431,442,443,451,545, 562,572,601,614,633,638,655,657, 659,665,672 - , Agrarprogramm der 545 f., 569 f., 573, 579,583,586, 663, 674 - , Demagogie der 660 - , despotische 540 - , Gesetzentwürfe der 651,653, 673 - , Gesetzwidrigkeiten der 666 - , Haltung der 667 - , konstitutionelle 346, 666 - , Kritik an der 658 - , Lage der 647 - , Mißtrauen gegen die 600 - , Obstruktion der 661 - , parlamentarische 83 - , Politik der 622 - , reaktionäre 188, 249 - , revolutionäre 166 - , Volkstümlichkeit der 645 - , Wahlpolitik der 646 - , zarische 14,27f., 31,34,51 Regierungscommuniqué 664 f. - , Verlogenheit des 666 Regierungsform 248 - , konstitutionelle 14,303 - , parlamentarische 34
Regierungskapitalismus 207 Regime 183, 306, 634 - , dynastisches 672 - , konstitutionelles 91, 262,288, 672 - , liberales 163, 255 - , parlamentarisches 504 Regulierungsgesetzgebung 543 Reichsduma —» Duma Reichseinheit 141,181 Reichskontrolleur 593,653, 711, 733 Reichsrat 14,29,59,178,276 f., 305 f., 311, 317,320,324,326,333,356,385 f., 389, 394,398,402 f., 406 f., 409 f., 415 •- 420, 422 - 4 2 4 , 4 2 7 - 4 2 9 , 4 3 4 , 4 3 6 - 4 3 8 , 4 3 9 , 441,578,591,608,611-614,616,661 f., 669,681 f., 707-713, 715, 718,720, 725, 727, 730, 732f., 736, 738 - , Adresse des 655 - , akademische Gruppe im 655, 735 - , des ancien régime 638 - , Beseitigung des 652 - , Bureaukratie des 420 - , Departements des 415, 418,440f., 668 - , Gesetze über 14,59,276,410,414-422, 427, 440, 609,610 - , Gruppe des Zentrums im 614,655,662, 725, 735 - , Gutachten des 305,332,396,401,591, 616 - , Mitglieder des 314,415,419,427,440f., 549, 609, 611,613f.,709 - , Ordnung des 398,402,410,415 f., 422-424, 440,441, 609f. - , Präsident des 402,410,418f., 422,424, 427,437, 655,682 - , Sitzungen des 320,418,662 - , Speranskijscher 609 - , Umwandlung des 419,613 - , Vertagung des 668 - , Zusammensetzung des 613 Reichsratswahlen20, 609f., 611-614 Reichsreform 56,145 Reichssekretär 402,437 Reichsverfassung - , Dragomanovsche 138 Reinertrag 508,528,545 Religionsgemeinschaft 158,328,333,335, 399,435 Religionsgeschichte 379 Religionsgesetzgebung 332, 335, 339 Remeslennaja Partij a —» Handwerkerpartei
Sachregister Remonstranten 173 f. Renaissance 409 - , hellenistische 163 - , papalistische 163 Rente 13,214,218,220,239,513,528,536, 576 - , Kurssturz der 647 Sieg der 269 Rentenbanken 536 Rentenfonds 513 Rentengüter 249, 536 Rentenkapitalismus, agrarischer 625 Rentiers 107,227,473, 618 Repräsentativkörperschaften 114,140 - , lokale 113f. Repressionspolitik 305-307,400,488,600, 615 Reval 41 Revisionismus 37,170 Revoljucionnaja Rossija—» Rewoljuzionnaja Rossija Revolte 263,300,312,552 R e v o l u t i o n 2 - 6 , lOf., 13 f . ,17f.,22, 24-30,33f., 36- 40,44,46,49f., 54f., -64,66,71,170,172,207,226,238, 62 253,256,261,282,296,298,300,316f., 381,390,486,489,496,503,575,605, 608,609,614, 641,668, 674,696, 702 - , bürgerliche 37f., 204 - , demokratische 203 - , Furcht vor der 614 - , geistige 272 - , H a ß gegen die 601 - , moderne 248, 676 - , ökonomische 238,272 - , permanente 715 - , politische 238 - , proletarische 37 - , soziale 201 - , sozialistische 38 - , Vergleich von 677 Revolutionäre 208,301,315,318,351,492, 587, 703 - , notorische 609 Revolutionarismus 169 Revolutionsromantik 49,231, 300 - , Dilettanten der 49 La Revue de Paris 560, 757 Rewoljuzionnaja Rossija 97,185,203,205, 207f., 222, 226,234, 736, 757 Rheinisch-Westfälische Zeitung 32—34
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Richter 137, 364, 396,399, 432 gewählte 653 - , Unabsetzbarkeit der 432 Riga 41, 259,358, 449,496, 613,618,623 Rittergüter 132, 226 Rjäsanj 530f., 546,623,625, 627 Rjazan' —» Rjäsanj R j e t s c h 3 3 9 , 3 4 6 , 3 5 1 f . , 431 f.,474,484, 499,553,565,598,613,627f., 636, 642f., 647- 649,651,656f., 660,671, 724, 757 Rochdale Scheme 175 Rom 16,155, 310f., 476,540 - , Agrarverhältnisse in 16 Rossija 667, 758 Rossijskaja Social-demokraticeskaja Rab o i a j a Partija —» Russische Sozialdemokratische Arbeiterpartei Rostov, Rostow 297,307,449 Rotes Kreuz 113, 614,615, 738 Rückständigkeit, technische 526, 535 Ruhrgebiet 498 Rumänien - , Grenze 623 - , Kirche 156 Rus' —*• Russj Rusa 634, 712 R u s s e n t u m i J , 124,201 Russian Review 42,369 Russifizierungspolitik 88,132,260,340, 359,536 Russische Einung 65,309,357,564 Russische Korrespondenz 40,42,308 Russische Sozialdemokratische Arbeiterpartei 6,20,23,32f. ,39,61,65-67,91, 1 6 5 - 1 7 2 , 1 8 0 - 1 8 6 , 2 0 2 - 208,222,226, 237 f., 243,245,254,256,274,299,315, 361,474,486,492,496,500-502,619f., 634,642,645,660,665,667,670,674 f., 720, 723f., 727-729, 734 - , Agrarprogramm der 166f., 239f., 518 Arbeiter und 508,452 - , Aufruf der 658 - , Dogmen der 272, 500 dritter Parteitag der 116 Föderativrat der 170 Fraktion der 60,65, 642 - , Kongreß der 166 - , Organisationskomitee der 184 - , orthodoxe 170,185 - , Presse der 172,254 - , Programm der 166-169,230, 241,518
822
Sachregister
- , Spaltung der 65,166-168, 723, 727 - , und D u m a 627, 628, 631,635 - , Vereinigungsparteitag der 501,641 f. - , Zentralismus der 642 - , zweiter Kongreß der 167 f. Russische Vereinigung —* Russische Einung Russj 74,86,89,97,108,118,127, 141-143,150,154,161,177,180, 182-184,187,235,251,266,316,361, 631,733,758 Russkaja monarchiceskaja partija—» Monarchistische Partei Russkaja MysP —» Russkaja Mysslj Russkaja Mysslj 248, 713, 758 Russkij Rabocij 493 Russkija Vedomosti—* Russkija Wjedomosti Russkija Wjedomosti 9,23,54, 74,86,97, 102,108f., 121.126,163,179,242,254, 262,264-267,274 -276,282,298,300, 302-305,307-309,577,313-315,317, 319,322,324,330,338 f., 342,344 f., 378,393 f., 486-488,500,502,526, 598 f., 6 0 2 - 605,608,633,636, 640-642,645,650f., 656,657-659, 662,665, 668,685-688, 718, 722, 758 Russkoe Bogatstvo —» Russkoje Bogatstwo Russkoe Gosudarstvo—» Russkoje Gossudarstwo Russkoe Krest'janstvo—» Russkoje Krestjanstwo Russkoe Slovo —> Russkoje Sslowo Russkoe Sobranie —> Russische Einung Russkoje Bogatstwo 63,90,93,98,210, 213,218,318,539,645,708,719,723f., 727f., 730, 758 Russkoje Gossudarstwo316,407,453,480, 551,588, 600, 612,618, 653, 758 Russkoje Krestjanstwo 258, 758 Russkoje Sslowo 157, 758 Ruthenien 621 - , Bücher 147 - , Separatisten 360 Ruthenische Revue 147,148,149, 758 Ruza —» Rusa Rybinsk 488 Sachsen 393,685 Samara —» Ssamara Samarkand 467 Sammlungspolitik 277
sanctio pragmatica 426 San Franzisko, Erdbeben in 316 Sankt Petersburg 17,25 f . , 30,36,55f., 58f., 64-67,87,89,90-92,95,99,100, 105 f., 122,142,159-161,170,173,178, 179,180,238,251,258f., 274,275,295, 298,300f., 310,313,326,329,343,346, 350,354,360,381,383,393,417,449 f., 452,455,478f., 482,488,489-491, 492f., 495,497,530f., 549-551,556, 558,560,562,570,610,612,617,618, 619,628,644,647,677, 707f., 711 -717, 719-723, 726-729, 731-737, 759 - , Befreiungsbund in 108 Demokraten 142 Deutsche in 617 Fabrikanten 174 Firmen 186 Friedensrichter 652 f. geistliche Akademie 345 Geistlichkeit 161, 343, 347 Gesellschaft für gegenseitige Hilfe 383, 488 Gewerkschaften 757 Handwerkerschaft 65 Kirche 159-161 Komitee 502 Partei der Rechtsordnung in 141,259 Parteigruppe 562 Presse 160,218,323, 650 Rechtsordnungsverband 261 Semstwo 508 Sovet —» Arbeiterdeputiertenrat Sozialdemokratie 642 Stadtduma 109,120,259,561 Studenten 344 Universität 362 Vyborg-Distrikt 186 Zensuswähler 261 St. Petersburger Politische Korrespondenz 39 St. Petersburger Telegraphenagentur 26, 249,654 - , Boykott der 244 Saratov —» Ssaratow Saratovskaja zemskaja nedelja —» Ssaratowskaja Semskaja Njedjelja Sarja 346, 709, 723, 728f., 758 Satrapien 307, 403 satte Völker 676, 678 Scheinkonstitutionalismus 13,29,45— 48, 50,255,273,277,408,412, 442,476
Sachregister Schematismus 3,271 Schichten 463,560 - , herrschende 618 Schisma 153,333 f. Schitomir 359 Schlesien 591, 728 Schlesische Zeitung 550 Schneider 488,491,494 schod —» Wolost-Sschod Schulbehörde 344 Schule 90,112,130,133,137,143,146,152, 232 f., 302,325,331,337 f., 355 f., 362, 367,389,552f., 556,606,608,610,629, 632 - , Autonomie der 135 - , Frage der 152, 562 - , geistliche 152,154, 342, 344 - , Gründung von 111,232 - , Sprache in 561 - , unentgeltliche 652 - , Verwaltung der 313 - , Zulassungsbedingungen für 681 Schullehrer 706,313,457 Schuster 488,491,500 Schwarze Hundert 58,66,119,123,157, 187,244,260,284,297,314,318,550, 590,683, 716f., 767, 770 schwarze Umteilung 201, 764, 770 —» auch: Umteilung Schwarzerde, Schwarzerdegebiet 190,192, 221,226,232,234 f., 240,506-508, 513-516,526,529 f., 535,543,546,565, 569, 621, 623f., 626 - , Gouvernements 295,514 Schwarzes Meer 240 Schwarzhunderter —» Schwarze Hundert Schwarzmeerflotte 59,312 Schweden 88, 720 Schweiz 27,230, 712, 729 - , Sozialdemokratie 372 Schwerindustrie 32,65 - , rheinisch-westfälische 478 Sedlec—»Sjedlec Sekten 164,172,204,327-329,331-333, 335f., 338, 340, 344 - , gnostische 164 - , pneumatische 163 Selbstbestimmung 44,83,140 - , kulturelle 130,139 Selbstherrschaft —* Autokratie Selbstversorgungsnorm 539, 767 Selbstverwaltung 16,111,113-116,123,
823
136,146,155,157,269,342,369,406, 435, 509, 640, 762, 768 - , Frage der 640 - , historische Verwurzelung der 11, llOf. - , lokale 51,83,130,141,147 - , Praxis der 675 - , Reform der 582, 652 Selbstverwaltungskörper, Selbstverwaltungskörperschaften 109 f., 112,113, 114,138,140,146,152,225,263,359, 391,395,548, 595f., 653 - , Petitionrecht der 681 Seminar, Seminarist 344,346, 457 - , Kongreß der 346 semljeustroitelnija kommissii —» Landbesiedelungskommission Semskij Natschalnik —* Landhauptmann Semskij Ssobor 208,257f., 309, 768 Semstwo 11,16,20,26,39,55,61,66,73, 83,88-91,97-117,123,130,137f., 141,157,179 f., 183,188,204,207,222, 237,239,256 f., 261,265 - 267,276 f., 309,315,323,339,359,398,409,419, 425,449,454,483,486,508,521,533, 548 f., 555,560,566-568,571 f., 579, 585,593 f., 596-598,601,603-605, 607,610,612- 616,621,629,634,709, 723, 726, 732, 760, 762, 766, 768, 770f. —> auch: Bund der Semstwoleute; Bund der Semstwoangestellten Budget der 113, 599, 602f. Denkschrift der 105 Gebiete ohne 610,621, 634 Haß gegen die 614 Linke in 275, 502 Parteigegensätze in 606 politische Physiognomie der 595 Rechte in 555 Reform der 157 Resolution der 101 Selbstgefühl der 615 Selbstverwaltung der 262,648 Verfassung des 100,113,267,606,616, 766, 768 - , Wahlendes252,339,445,453-455, 568, 596, 606,610 Semstwoangestellte, Semstwobeamte 106, 123,243,301,483,598- 600,602f., 629, 633, 770 —> auch: drittes Element - , Anstellung von 598 f. - , Entlassung von 598f.
824
Sachregister
Semstwobewegung27,30,66,94,105,129, 183,186,709,714,716, 722,726, 728-730, 732, 737, 760 - , Agrarprogrammder 12,189f., 193 - , konstitutionelle 601 - , linker Flügel 66 - , rechter Flügel 66 Semstwohonoratioren 99 Semstwokongresse 29,31,55-58,87-89, 100-105,109,116,135,139-144,146, 149,182,189,193,258f.,260f., 264, 275 f., 567,595 f., 610,612,724, 760, 762 - , Agrarkongreß 57,193 f., 196-198,207, 224,250,522,527, 534 - , Aprilkongreß 1905 57,101,109,129 - , Büro der 100,103,109,135-139,143, 148,182 f. - , Deputation der 102 - , Februarkongreß 1905 101,189 - , Julikongreß 190557,102f., 108f., 129, 135,148 - , Maikongreß 1902 99 - , Novemberkongreß 1904 100,117 - , Novemberkongreß 1905 28f., 58,102, 105,116f., 149,182,548, 596, 669 - , Septemberkongreß 190557,139,141, 548,560 Semstwokonstitutionelle 97,108,181 f., 614 Semstwoliberalismus 11,39,73,104,236, 259,265,267,566,640,672 Semstwomitglieder 92,105,107,123,187, 337,395,454,457,506,549,598,604, 606,615 - , bäuerliche 605 - , gutsbesitzerliche 605 - , reaktionäre 599 Semstwoorganisation 100,103,105,113, 600, 614f. - , karitative 112,615 - , Repression der 615 Semstwostatistik 93,107, 521 f., 527, 603 Semstwosteuer 447, 603,609 Semstwouprawa 91,99 f., 104,106 f., 138, 182,243, 457,593, 610 - , Vorsitzender der 593 Semstwozelle - , kleine 123, 233 Senat56,132,306f., 322,335, mí., 401, 427,434,437, 682, 713, 720, 725, 769 - , Entscheidungen des 384,460 - , erste Abteilung des 306f., 395,416
Separation 149,250, 545,586, 632 Separatismus 133,145,148,151 Serbien 703 - , großserbischer Staat 701 Servitutablösung 575,622 SevastopoF - » Sewastopol Severer310 Sewastopol 59, 296, 312, 703 - , Meuterei in 345 Sibirien 105,136,146,178,194,197,204, 250,421,422,432,446,448 f., 468,507, 531,539,587,589,635,650,732, 736, 762f., 765f. - , Deputierte aus 629 - , Eisenbahn in 591 - , Gouvernements 453,469 - , Kosaken in 311 Sidlovskij-Kommission 56,173 f., 296,487 Simferopoli/3, 613 Sindakalismus 488, 490, 500, 642 Sinekurist 402 Single tax 220,539,714 Sizilien 314 Sjedlec 467 Skakuny164 Skopzen 164,325,327, 329, 335 Slavenbund 89,144 Slaventuml?, 131,144 slawische Föderation 144 slawische Völker 45,144 Slawophile, Slawophilentum 6,88,101, 103 f., 116,144,155,192,201 f., 233, 246,254,258,262,265,402,409,413, 419,435,441,554,575,613,641,707, 718, 732, 769 - , Ideale der 411 - , Romantik der 678 Slovo —» Sslowo Smolensk 297,347, 530f., 600, 619 - , Geistlichkeit 348 - , Gouvernement 534 Soedinennyj komitet konstitucionno-monarchiceskich partij —* Vereinigtes Komitee der konstitutionell-monarchischen Parteien Sofia 125, 712, 723 Sojuz 17 Oktjabrja—» Bund des 17.Oktober Sojuz domovladel'cev-arendatorov —» Verein der Moskauer Häuser-Arrendatoren
Sachregister Sojuz mirnago obnovlenija —* Bund der friedlichen Erneuerung Sojuz Osvobozdenija—> Ssojus Osswoboshdjenija Sojuz russkago n a r o d a ^ Verband des russischen Volkes Sojuz russkich ljudej —* Verband russischer Menschen Sojuz russkich patriotov 564 Sojuz sluzascich v pravitel'stvennych ucrezdenijach 178 Sojuz Sojuzov —» Verband der Verbände Sojuz Torgovo-promyslennych Predprijatij Rossijskoj Imperii 558 Sojuz v zascitu svobody pecati 323 Sojuz Zemcev-Konstitucionalistov —> Bund der Semstwoleute Sojuz zemel'nych sobstvennikov —» Verband der Grundbesitzer Sojuz zemlevladel'cev —> Verband der Grundbesitzer Solidarhaft 110,199,212,568, 580, 587 - , Gesetze über 219,580,587 Solingen 277 South Carolina 128 Sovet ob-edinennago dvorjanstva —» Rat des Vereinigten Adels Sovet Rabocich Deputatov —» Arbeiterdeputiertenrat Sozialbeziehungen 5 - , Erstarrung der 3 Sozialdemokratie 122,175 —* auch: Russische Sozialdemokratische Arbeiterpartei; Deutsches Reich, Sozialdemokratie; Schweiz, Sozialdemokratie; Polen, Sozialdemokratie - , Sektencharakter der 127,171 Sozialdemokratismus, ultraevolutionistischer 208 Soziale Praxis 497 Sozialgesetzgebung 559,648 f. Sozialismus 108,168 f., 171,179,210, 218f., 230,256,322, 325, 495 - , ultraevolutionistischer 208 - , voluntaristischer 252 Sozialisten 95,144 f., 175,192,222,238, 245,256,297,346,481,490,502,556 f., 620, 717 - , offiziöse 619
825
Sozialpolitik 108,187,192,202,223,259, 380, 496f., 561, 581, 595,621, 638 - , bürgerliche 497 Sozialpolitiker 192,238,537 Sozialreform 94,165,202, 226,252 - , radikale 185,226 Sozialrevolutionäre 6,20,23,49,67,91, 93,98,166 f., 172,178,181 f., 183-185, 192,196,200,202-207,209,219,222, 224-226,229,234,241,243,253 f., 263, 301,357,421,486,494,500,505,533 f., 538,543,546,568,625,676,707, 714, 727, 729f. —* auch: Partei der Sozialrevolutionäre - , Agrarsozialismus der 21 - , legale 645 - , linke 732 - , Organisationen der 222,658,675 - , und Wahlen 625 Sozialverfassung 216,223 Soziologenschule 201 Soziologie 51,219, 717, 720, 730 Spätantike 3,271 Spanien 164 Spekulationsgewinne 251, 625 Spießbürgertum 441 Sprache 130,133,136 f., 143,146 f., 149, 259f., 355f., 433,449, 553,562,617 Sprachenfrage 136,149,152, 356, 640 Sprachengesetzgebung 18,135,137,143, 355 Ssamara 107,449,468,483,491,529 -531, 546, 592,624,633 - , Gouvernement 329 - , Wahlen in 630 Ssaratow91,146,157,297,339,449,488, 493,527,529,531,546,581,592,597, 608, 624f. - , Adel 608 - , Gouvernement 251, 339,352 - , Semstwo 597 - , Uprawa 599 Ssaratowskaja Semskaja Njedjelja 597, 758 Sschod —» Wolost-Sschod Ssimbirsk 530f., 546,569, 581,624 - , Wahlen in 630 Sslowo 336, 346, 446, 550, 758 Ssojus Osswoboshdjenija 5 f . ,8,12,18,27, 39,44,47,55,61,66,72f., 86,88-90,
826
Sachregister
94 f., 104 f., 108,113,122,1251-131, 146,148,167,171 f., 179,18W., 187, 189, l.§§,207,218,224,236,708- 710, 712,714-716,718—720^722—729, 732f., 735, 738, 757, 765 —> auch: Verfassungsentwurf - , Konstitutierung des 650 - , Programm des 144,150,152f., 236,696 - , Schaffhausener Konferenz der 55, 90-92,650 - , Statut des 90 Ssojus Ssojusow —» Verband der Verbände Ssowjet Rabotschich Deputatow —* Arbeiterdeputiertenrat Sswobodomyssliaschtschie 61,67,127, 563, 729 Ssyn Otjetschestwa 74,86,96f., 218,235, 756, 758 Ssysra, Semstwo 605 St. Louis 1,3,273, 695 Staat 18,48,64,73,101,153,174,194,210, 214,221,259,342,355,406,412,415, 424 f.,430,495,499,513,523,527,535, 539,576, 615,638 - , altmoskowitischer 110, 227 - , christlicher Charakter des 327,346 - , konstitutioneller Si - , Kontrolle des 93 - , Organe des 402 - , Rechte des 114 - , Willkür des 395 Staats- und Großgrundbesitz 567 Staatsallmacht 222 Staatsanleihe 440 - , russische von 1906 60,304 f. ,411, 646-648 - , Kurssturz der 671 - , Zeichnung der 319 Staatsaufsicht 340,369 Staatsbankerott 183 Staatsbauern228, 513,525, 718 - , Reform der 228 Staatsbürger 399,423 - , Rechte der 349 Staatsdienst 51,331,416,432,456,561,629 Staatsgesinnung 390 Staatsgewalt 19,84,111,141,239,305,320, 326,349,396,414,420,489,561,602, 639
Staatsgrundgesetze 7,14,19,60,182,276, 391,401,415,422,425-427,431-439, 442,639,668,671, 765 - , vor 1906 424,437,682 - , Nichtrevision der 641 - , Projekt der 4 3 1 - 4 3 3 , 6 4 8 Staatshaushalt —» Budget Staatsinteresse 128,546 Staatskasse 348, 427, 587 Staatskirche 304,354, 425 Staatskredit 193,194,411 Staatsland, -ländereien 228,329,425,529, 544,545 Staatsmann, Staatsmänner 267,411, 676 Staatsmechanismus 278,311 Staatsministerium 131, 403, 728 Staatsräson 112 Staatsrat —* Reichsrat Staatsrecht32,125,403,666, 717 - , Stellung des Monarchen 126 Staatsrechtler 6 f . , 40,47, 49, 71,73,685 Staatssinn, germanischer 33 Staatssklaverei 162 Staatssozialismus 207,231,268 Staatstheorie 413 Staatsverwaltung 47,115,434,601 - , moderne zentralistische 51 Staatswesen 306,401,482,664 Staatswissenschaft 81 Staatswohl 354 Stadiengesetz 169 Stadt, Städte55,116f.,120,323,446, 451 f., 470,495, 548, 560 - , Arbeiter, Arbeiterschaft 184, 488 - , Bewohner 19,247, 446, 468,621 - , Einrichtungen der 115,433 - , Finanzlage 602f. - , Gebiet 526 - , Hausbesitz 445 - , Klasse 447 - , Korporationen 449 - , Mittelstand 117 - , Proletariat 202 - , Wahlen 119,351, -M6,447,454f., 4 6 2 - 4 6 4 , 4 6 6 , 4 6 8 - 4 7 0 , 618 - , Wahlrecht 120,465, 470 - , Würdenträger 258 - , Zensusklasse 445 - , Zensuswähler 464 Stadtduma 64,89,425,599, 762, 769 Stadtdumavertreter 57,102 —* auch: Städtevertreter
Sachregister Städteordnung 104 Städtevertreter 102 - , Kongresse der88f., 101,135,139,149, 182,596 Stadthauptmann, Stadthauptleute 275, 304,314, 388, 391, 395,489, 496, 762 Stand, Stände 35,110,337,352,357,391, 396,417,427,445,449,455f., 458,482, 512,514,548,554,556,562,574,583, 586, 621, 766, 768, 770 Standesrecht 88 Starost 458, 564, 582, 633, 770 Statistik 15—17,21,40, 72,111,282,382, 474, 499, 514,516, 520f., 525,543 —> auch: Agrarstatistik; Semstwostatistik Stavropol', StawropoU5i, 446,448,468, 572 - , Wahlen in 630 Steppengebiete 446, 526,624 Steuer, Steuern47,81,111,122,190f., 198 f., 220 f., 226,227,232,241,300, 304,339,358,445,447,449,452,454, 456,468,495,504,511,524,533,538, 580, 583,587, 602, 652, 761, 764, 768 - , außeretatmäßige 428 - , direkte 114,190, 456, 602 - , Herabsetzung der 232 - , indirekte 191,698 - , lokale 425 - , Nichteingang der 602 - , Nichtzahlung der 670 Steuerbehörde 452, 521 Steuerboykott 299,351, 602, 609, 647 Steuergesetz 228,429, 438,673 Steuerreform 524,652 Steuerrepartierung 425, 568,599,604 Steuerrückstände 508,583, 603 Stimmrecht 83,118,455,457,461 f., 465, 469-471,562 Stockholm 65, 501, 620, 642 Strafrecht227,307,322,323,325f., 332-335, 339, 381, 734, 771 Strana308,311,326,342,345,350,478, 549,598,608,619,630f., 643 - 645,653, 663, 720, 759 Straßburg 718, 731, 737 Streik 18,28,33,50,56f., 66,108,119,160, 176,180,245,295,297f., 300,308,344, 363,366,381-387,490,492,494 f., 499, 501, 559, 561,574,589,638, 652 - , Ausbruch von 588 - , der Druckereiarbeiter 58,499,683
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- , der Eisenbahner 58, 300, 386 - , der Post- und Telegraphenangestellte 59,87,308 - , Gesetze über 382,384, 386,588 - , politischer 275, 296, 385, 600, 660 - , sozialer 381 f. - , Statistik über 381 Streikbewegung 18,34,50,58,296, 380 Streikbrecher 260,498 Streikfonds 487,496 Streikkomitee 559, 575,589 - , ländliches 557 Streikteilnehmer 308 Streikverbot 384,561 Stronnictwo narodowo demokratyczne 63f., 67,134 Stronnictwo Post§powo Demokratyczne —> Polska progresywno demokratyczna partia Student, S t u d e n t e n s c h a f t 5 - 9 , 1 8 , 2 3 f . , 71 f., 86,95,231,260,301,363, 364-366, 368,378f., 457 - , Proteste der 92 - , Streiks der 344, 362 - , Unruhen der 479 - , Verbindungen 364, 368, 379 Stunda, Stundismus 154,164, 328, 335 Stuttgart 40,55, 93, 94f., 267, 734 Subätowschtschina 186,382,412,488,571, 770 Subhastation 584 Subjektivismus 272 Subsistenznorm 195 Subsistenzwirtschaft 224 Sudza 91, 712 Süddeutsche Monatshefte 36,47,97 Superstition 355, 473 Sveaborg 296 Svobodnyj Narod 97 Swenigorod 730 - , Semstwo 598 Syn Otecestva —» Ssyn Otjetschestwa 96f., 116,218,717,756,758 Syndikalismus —> Sindakalismus Syndikate 639 Synod —> Heiliger Synod Synode 154 f. Syr-Dar.ja 467 Tabakarbeiter 491, 500 Taganrog 297 Tagelöhner 457, 492,582
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Sachregister
Tambov, Tambow 307,318,329,331,351, 468,530f., 546,625f., 710, 721, 737 - , Gouvernement 623 - , Wahlen in 630 Tarifvertrag 492, 496 Taschkent 449, 467 Tataren 87,151, 360,504,629 - , liberale Zeitung 361 Tatarenzeit 110 Taurien 328,360, 517,530f., 624 Techniker 301, 500 Telegrammkampagne 654 tenant right 498 Terioki, Finnland 591, 716 Territorialverbände 219, 225 Territorien 312,453 Terror, Terroristen 201 f., 208,313,674, 764, 770 Textilindustrie 381,578 Theokratie 124,162 Tiflis 381,449,620 The Times 87 Tischler 488,491 f., 619 - , Verband der 491 Todesstrafe 314,326,345,350,352,551 f., 644,663 - , Abschaffung der 632,652,656,659,661 - , Beibehaltung der Todesurteile 317, 681 Toleranz, religiöse 326,561 Toleranz-Gesetzgebung56,163,293, 325f., 332-337,350, 355, 412, 767, 770 Tolstojanertum 208, 770 Tomsk 318,432 - , Geistliches Seminar 345 Torgovo-Promyslennaja Gazeta—» Torgowo-promyschljennaja Gasjeta Torgovo-promyslennaja Partija —> Handels- und Industriepartei Torgovo-promyälennyj Soj uz —» Handelsund Industriebund Torgowo-promyschljennaja Gasjeta 499, 559f., 575,588,635,661, 667,683, 759 Torgowo-promyschljennaja Partija—» Handels- und Industriepartei Transkaspien 467, 762 Transkaukasien 105,130,148,150 trety element —» drittes Element La Tribune Russe 238, 759 Trud 98 Trudovaja Gruppa —* Trudowaja Gruppa trudovaja norma —> trudowaja norma
Trudovik, Trudoviki—»Trudowaja Gruppa Trudowaja Gruppa, Trudowiki 62,67,360, 435,517,536,538,627-629,635,657, 659,665,670,676, 707f., 710, 722, 725f., 731, 737 Agrarprojekt der 60,538 f., 577, 6 5 6 - 658 - , Entstehung der 643 f. - , Parteitaktik der 676 - , rechter Flügel der 646,660 - , Zusammensetzung der 644 f. Trudowaj a narodno-ssocialistitscheskaj a partija —* Volkssozialistische Partei trudowaja norma27,516f., 520,525, 528f., 534, 538f., 568,644, 770 Trust 406,410 Tschechen 444,689 Tschernigow 101,105,119,508,530,589, 623f., 626 - , Geistlichkeit 245 - , Gouvernement 90, 237,246 - , Semstwo 90,101,259,605, 711f., 714 Tschernye ssotni —* Schwarze Hundert tschernyj peredjel —» schwarze Umteilung Tschin 512,611, 770 Tschinownik, Tschinowniki 278, 771 Tsushima, Schlacht bei 57,101,102 Türkei 89,144, 360,503,655, 715, 723 - , europäische 655 Tula 38,234,449,461,498,529,531,546, 601, 604, 623f., 709 - , Adel 608 - , Gouvernement 527 - , Semstwo 601 Turkestan 467 Tver', Twer 530f., 737 - , Adelsversammlung 608 - , Gouvernement 90,91, 624, 728f. - , Semstwo 90f., 103, 318,596, 726 uöastkovoe obscestvo —> Utschastkowoje Obschtschestwo Übersiedelung 221,456,507,512,522,529, 532,544,554,576,589,640 - , Gesetze über 456, 767 Ufa 468,530f., 624 - , Wahlen in 630 Ukraine 12,33,114,147-150,754,234, 235,240,295,328,565,623,626,712, 718, 763 - , Befreiungsbewegung 114
Sachregister Landtag 149,225 - , Narodnaja Rada 149, 764 - , Nationalbewegung 708 - , Nationalismus 360 - , Schlachtizen 150 - , Sprache 148 - , südliche 360 - , Vertretung in der Duma 628 - , Volksrat 226 - , Zeitung 322 Ukrainische Demokratische Partei 148, 225 Ukrainische Radikale Partei 149,225,227 Ukrainophile 322,623 Umerenno-progressivnajaPartija—»Gemäßigt-progressive Partei Umsiedelung 196,250,428,518,531 f., 545,589,652 Umteilung 196,197,200,204,211,223 f., 229,240, 531,577-581, 583,585f., 766 Umteilungsbeschluß 229,585 Unabhängige Arbeiterpartei 493 Unfreiheit 270 Ungarn 89,142,145, 712f. - , Honveds 142 - , Landwehr 142 - , Nationalbewegung 145 Uniformierung - , des Lebensstils 3,271 Union der Grundbesitzer—* Verband der Grundbesitzer Union des 1 7 . O k t o b e r n Bund des 17. Oktober Union des russischen Volkes —» Verband des russischen Volkes Union russischer Menschen —* Verband russischer Menschen Universalgeschichte 3 Universität 18,24,57,92f., 147f., 152,260, 215,276,319,344,361-379,419,456, 480,553, 610, 612,617, 701 - , Autonomie der 6,18,57,152,362 Boykott der 368 - , Fakultäten 363, 367,370f., 376-378 - , Gesetze über 363,365, 367, 374 Lehrkörper der 18,363,367,370-373, 376-378 - , nicht-preußische 6 Reform der 152, 363,368,370 - , Revolutionierung der 18, 364 - , Statuten der 363,388 University extension 479
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Unteilbarkeit, des Russischen Reiches 433, 554 Unternehmer 67,118,190,412,488,491, 494, 497, 499f., 559, 770 Unternehmer-Bourgeoisie 616 Unternehmerverbände 187,478,558f., 575,612,637 Unterrichtsminister —» Minister für Volksaufklärung Unterrichtsministerium - » Ministerium für Volksaufklärung Unterschichten 11,19, 520 Unterstützungskassen 342, 389, 494 Unterstützuijgswesen 364 Uprava,Uprawa91,99f., 104,106 f., 138, 182, 233,567, 768, 771 - , Vorsitzender der 388, 593, 599 Ural 146,495,623,626 Urjadnik 232 Urwähler 19,390,470 - , Versammlungen der 483 Uschakowzy 488 Usukapion 240, 771 Utopie, politische 503 Utopismus 238 - , romantischer 209 Utschastkowoje Obschtschestwo 583, 771 utschastkowoje semljewladjenije 583, 771 Vaterländischer Bund 63,67,258, 641 Vecernee pribavlenie k Pravitel'stvennomu Vestniku 544,583,585f., 592,653f., 667, 759 Vecernij Golos —» Wjetschernyj Goloss Verband, V e r b ä n d e t , 247,3öS, 349, 386 f., 389,397,477,486 f., 491,494, 496,556, 763 - , Gründung von 500 - , konservative 563 - , Recht der 59, 387 Verband der Grundbesitzer 66f., 227,564, 574f., 595, 596,641, 730 - , Kongresse des59,227,250,258,574f., 595 - , Programm des 250 Verband der Kirchenfahnenträger 63,67, 258 Verband der konstitutionell-monarchischen Arbeiter—» Konstitutionell-monarchische Arbeiterpartei Verband der Landbesitzer—» Verband der Grundbesitzer
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Sachregister
Verband der Maurer 497 Verband der Mittelschüler 180 Verband der Staatsbediensteten 486 Verband der Verbände 27f., 30,57,66 f., IC& 108 f., 1 6 7 , 1 7 5 - 1 8 1 , 1 8 3 f., 233, 2 4 3 , 2 4 6 , 2 7 5 , 3 6 6 , 3 6 8 , 4 8 6 - 4 8 8 , 4 9 0 f., 720, 728, 732 - , Kongresse des 178f. - , Zentralkomitee des 179, 487 Verband der Veterinäre 178 Verband der Wolgaarbeiter 494 Verband der Zemstvo-Konstitutionalisten —» Bund der Semstwoleute Verband des 17.Oktober—> Bund des 17.Oktober Verband des russischen Volkes 63,66f., 303,56Jf. Verband für die Verteidigung der Freiheit der Presse 323 Verband russischer Menschen 66f., 257 f., 303,308 f., 345,349,563 f., 641,708, 711 — 714, 718,720,723,726, 728,730, 734f. Verbannung 398, 422 Verbrechen, Verbrecher 416,450, 655 - , politische 84, 399,450 Verein, Vereine 18f., 1 0 5 , 2 5 7 , 3 0 8 , 3 2 0 , 3 8 0 , 3 8 4 , 3 8 7 - 3 9 0 , 3 9 9 , 4 5 4 , 4 7 7 f., 488, 496, 763 - , Freiheit der 652 konservative 258 - , monarchistische 654 - , politische 257 - , Registrierung von 380, 388,390 - , Statut 388 - , Statutenpflichtige 387 - , Verbot von 2 5 7 , 3 6 3 , 3 8 7 Verein der kirchlichen Erneuerung—» Bund der kirchlichen Erneuerung Verein der Moskauer Häuser-Arrendatoren 498 Verein der Moskauer Kirchenfahnenträger —> Verband der Kirchenfahnenträger Verein für Socialpolitik / , 4 1 2 , 7 1 8 , 7 2 4 , 732 Vereinigte Staaten von Amerika—» Amerika Vereinigter Adel Rat des Vereinigten Adels Vereinigtes Komitee der konstitutionellen Parteien 275
Vereinigtes Komitee der konstitutionellmonarchischen Parteien 65,67, 563 Vereinödung 216, 575,583, 585f. Vereinsbildung 386 Vereinsfreiheit 100,379 Vereinsgesetz 18,305,385,387,391-393, 4 1 2 , 4 7 8 , 4 8 8 , 493, 547 Vereinsrecht 59, 379f., 661 Verfahren, objektives 232f. - , subjektives 323 Verfassung 7 , 1 8 , 2 7 , 3 1 , 3 5 , 4 7 f . , 81-84, 87,90,114,128,130,134,135,139f., 153,178,253,302,305,420,427,433, 436,441, 6 7 1 , 6 7 3 , 6 8 6 , 6 8 8 , 698 —» auch: Konstitution - , Änderung der 136 - , demokratische 655 - , konstitutionelle 45,268 - , westeuropäisches Vorbild 82 Verfassunggebende Versammlung—» Konstituante Verfassungsbewegung 44f., 154,282 - , westeuropäische 19 - , westliche 11 Verfassungsentwicklung 11,19, 72,302 Verfassungsentwurf, des Befreiungsbundes 7f., 27,44,72f., 81 -85, §§, 96,102, 109 f., 1 1 3 - 1 1 5 , 1 1 7 f . , 122,125 f., 1 2 8 - 1 3 1 , 1 3 5 , 1 4 9 , 1 5 2 f . , 189,191,698, 719, 724 —> auch: SsojusOsswoboshdjenija;Loi fondamentale de l'Empire Russe Verfassungsfragen 89,128 Verfassungsmäßigkeit 114,417 Verfassungsordnung 11,44 Verfassungspolitik 3, 71,281 Verfassungsrecht 110, 719 Verfassungsstaat 33,154,698 Verfassungsstruktur 148 Vergesellschaftung 204, 206,219, 271 - , der Produktionsmittel 218, 238 - , kapitalistische 217 Verhaftungen 28,41,59,276,300,316, 352,382,416,449,484,488,598,619, 634, 650, 655,674, 764 Verkoppelung 585f., 622, 640f. Vermögen 450 - , bewegliches 445 Vermögenszensus 120,445,465 Verpflegungskapitalien 437,508,566,673, 682 Verpflegungswesen 111,113
Sachregister Versammlung der russischen Fabrik- und Mühlenarbeiter 488,492, 714 Versammlung der russischen Leute —» Verband russischer Menschen Versammlungen 320,365,368,380,391 f., 393, 399,455,459,567 - , politische 366, 392 - , private 391 - , Regeln über 391 f. - , Verbot von 235,278, 392, 501,555 Versammlungsfreiheit 100,390, 661 Versammlungspraxis 397 Versammlungsrecht 58f., 366, 391 f. Verschickung 188,333,382,394 f., 397, 399,421 f., 587,598, 650, 654, 674 - , administrative 315, 364 - , zur Zwangsarbeit 396 Versicherung 107,206, 219,497f. Versorgungsnorm—»potrebitjelnaja norma Versorgungspacht 507 Verstaatlichung 269 Verstadtlichung 269 Verwaltung 111,136,270,319,408,426, 429,432, 434, 582,615, 618, 771 - , Gesetzwidrigkeiten der 657 - , Kontrolle der 101,658 - , Willkür der 559, 598, 608 Verwaltungs-Dezentralisation 137 Verwaltungsautonomie 132,137, 502 Verwaltungsbehörde 353,392,582,587, 625, 766, 771 Verwaltungsreform 104 Vestnik Evropy —» Wjestnik Jewropy Vestnik finanzov, promyälennosti i torgovli 525 Vestnik Partii Narodnoj Svobody 360,460, 478, 642 Vestnik sel'skago chozjajstva - » Wjestnik sselskawo chasjaistwa Veto 408, 420 Vierte Duma —» Duma, Vierte Vil'na —» Wilna Vitebsk - » Witebsk Vjatka - » Wjatka Volga —» Wolga Volhynien —> Wolhynien Volk 124, 270,297,303, 563 - , religiöse Vorstellungen des 698 Volksbildung 111,380,481,494,509,559 Volkspartei —> Nationale Ordnungspartei Volkssouveränität 127,181,496, 645
831
Volkssozialistische Partei 63,67,93,645, 708, 724, 727 - , Parteikonferenz 63 - , Programm der 645 Volkstümler 72,94 f., 178f., 192,196,202, 204,210, 214,218,226, 251,268,520 Volkstümlertum208f., 212,216f., 223, 239,253 Volksvertreter 34f., 65,83,246, 263, 430 Volksvertretung 19,34,56,115,116f., 126, 129,278, 388, 420,476,483, 548 - , Gegensatz zur Regierung 657 Volkswirtschaft 206,221, 510, 647 Volkszählung von 1897 521, 588, 678 Volna 658 Vologda —* Wologda volost' —> Wolost Voprosy Zizni —> Woprossi Shisni Vorwärts 308 Vossische Zeitung 2 6 - 2 5 , 3 6 , 45 Vpered, Vpjeriod 166, 721, 759 Vseobscij Evrejskij Rabocij Sojuz vLitve, Pol'se i Rossii —» Allgemeiner Jüdischer Arbeiterbund in Litauen, Polen und Rußland Vserossijskij Akademiceskij S o j u z - ^ A k a demischer Bund Vserossijskij Krest'janskij Sojuz—»Bauernbund, Allrussischer Vserossijskij s-ezd sojuzazemlevladel'cev —* Verband der Grundbesitzer Vserossijskij Sojuz zemlevladel'cev —> Verband der Grundbesitzer Vserossijskij Torgovo-promyslennyj Sojuz —» Handels- und Industriebund Vserossijskij Torgowo-Promyschljennyj Ssojus —» Handels- und Industriebund Vyborg —» Wiborg Wählbarkeit 119,450, 461,483 Wähler 121,247,274,415,446,448, 452-454,457,460,464,470,474-476, 480-482, 625,631 f. - , ländliche 447,455,459,462-464 - , Listen der 274,453,457,474f„ 476, 480f., 486 - , privatgrundbesitzerliche 630 - , sozialdemokratische 619 - , städtische 631 f. - , Versammlungen der 156,247f., 275, 277, 421,446, 454, 455,459, 485
832
Sachregister
Wahlagitation 247,274,342,391,477,565, 620, 626 Wahlberechtigung 118,247,274,390,393, 415,450-455,458-460,466,469,474, 484,618 Wahlbeteiligung 465 f., 618,620 Wahlbewegung 392, 502, 546, 620, 632 Wahlbezirke 119, 445f., 482, 629 W a h l e n 2 0 , 3 1 , 6 4 f . , 67,83,99,102,136, 171-173,183,219,245-247,274-276, , 305,311,313,319,348-351,357-360, 388,390,392,394,407,416,421 f., 427, 444-462,465 f., 469-472,475-477, 481 - 4 8 5 , 4 8 9 f . , 501,503,545,548,556, 560,563 f., 574,607 f., 610,613,616f., 619-623,629,633 f., 636 f., 640,648, 674 —» auch: Dumawahlen; Reichsratswahlen; Gouvernementswahlversammlung - , aus der eigenen Mitte 446,472,646 - , Boykott der 361,496, 619f., 642 - , der Bevollmächtigten 122,247,390, 445,446,452,454,458 - 4 6 2 , 4 6 5 f., 468-472,481,617,619 - , Verhaftungen der 634 - , der Landstädte 617 - , der Wahlmänner 104,119,122,128f., 247,215,351,357,359,390,421, 445 - 4 4 8 , 4 5 0 - 453,455,458-472,475, 481,563,609,611 f., 6 1 7 - 622,625,630, 634 - , der Arbeiter 469 - , der Grundbesitzer 120 - , der Städte 120,458, 620, 622 - , Versammlung der 393,451,453,458, 468 - , Listen der 563, 617 - , Zahl der 468, 630 - , Ergebnisse der 51,297,612,617,620 f., 624,630,634-636, 646,674 - , Fälschung der 671, 674 - , Freiheit der 674 - , hauptstädtische 639 - , Kassation von 475, 629 f. - , Störung der 619 - , Verfahren der 105,252,448,451,454, 470,480,548 Wahlgesetze 19,29,57,59,81,83,121, 183,247,261,274,357 f., 390,393,412, 419,421,444-446,448 f., 452,455 f., 460 f., 464,466 f., 469 f., 474 - 476,483, 565,618,620, 630,648
Wahlkampagne 323,451,477,480 f., 486, 565,574,621 Wahlkörper 105,122,151,390,414,446, 450,454,466, 470,635 - , ländlicher 447 Wahlkreise 450f., 461, 481, 622,658 Wahlrecht cW,i70,115—117,119-125, 141,185,236,247,259,265 f., 295f., 299,320,338,358,361,420,438,445, 447,450,452-464,467,469 f., 503,538, 548,557,560-562,564,612,616,622, 626,675 —» auch: Dumawahlrecht - , abgestuftes 11 - , aktives 449, 461,463 - , allgemeines 102,105,116,121 f., 125, 165,199,245, 352, 452 - , beschränktes 19 - , der Frauen 414 - , der Stadtdumen 120 - , direktes 83,116 - , Entzug des 648 - , gesondertes 452, 460,467f., 470,481 - , gleiches 116,125,606,632 - , indirektes 116,353,421,452, 482f. - , kuriales 119,120,122,247,340,342, 421,445 f., 465f., 468f., 472,617,631, 761 - , ländliches 453 - , passives 104,450, 454,460, 463f., 610 - , viergliederiges 115f., 122f., 165,180, 185,252,259,266,502,526,628,652, 657 - , Zensuswahlrecht 19,116-118,120, 122,188,247,261,415,418,455,459, 462, 464,470,476, 610, 762 Warschau56,134,340,449,452,467,722, 731 - , Generalgouverneur von 340 - , Herzogtum 57 Weißes Meer 350, 725 Weißrussische Sozialistische Gromada 185 Weißrußland 132 f., 146,151,235,355, 359,629 - , Bauern 509 - , Gouvernements 100,113, 611 - , Sprache 147 Weltbund 144 Weltgeschichte 13,33, Weltpolitik 125,150 Wert-Gesichtspunkt 582
Sachregister Werte 124,271 ideale 271 Werturteile 128 Westeuropa 110,117,158,165,188,219, 230, 269,407, 416, 482,487 Westpreußen 146 Wiborg 60, 670 - , Manifest von 670 Wien 147, 717f., 722f., 730 - , Märzrevolution 1848 145, 713 Wiener Kongreß 87,133f. Willkür 322,393,635 Willkürakte 676 Willkürregiment 103,277 W i l n a ö / , 188,338,358,449,488,529,531, 613,621,729 - , Bischof 359 - , Gouvernement 467 - , Großgrundbesitzer 132 - , Wahlen in 630 Winterthur 372 Wirtschaft 269f., 310, 534, 585 - , extensive 532 - , private 221,506,578 - , Zweck der 517 Wirtschaftsbürgertum —> Bürgertum Wirtschaftsführung 544, 582 Wirtschaftsleben 3 , 2 7 1 Wirtschaftspolitik 242, 254 Wirtschaftssystem 214 Wissenschaft, W i s s e n s c h a f t l e r 5 - / 0 , 2 3 f . , 42f., 71 — 73,271,582, 617 Witebsk 132, 358, 467, 530f., 621 Wjatka240,454,468,529,531,539,613, 624,626 Wjestnik Jewropy 369, 382, 720, 759 Wjestnik sselskawo chasjaistwaJ/6,4§5, 508,527,531,559,569f., 572,575,588, 683, 759 Wjetschernyj Goloss 322, 759 Wladimir 122,234,237,243,466,468, 530f., 561, 597, 613,624f., 631 - , Gouvernement 528 - , Semstwo597 Wohlfahrtseinrichtungen 269, 474, 559 f. Wohnungssteuer 447,449,455,461 - 463, 481 Wolga 295 - , Gebiet der235,251,546,565,581,595, 624, 626 Wolgasteppe 625
833
Wolhynien 119,132,359,467,530f., 613, 621 f., 626, 716, 728 - , Bauern 351 - , Wahlen in 631 Wologda 234,240,453,454,468,514,529, 624 - , Gouvernement 534 Wahlen in 630 Wolokolamsk 537 - , Bauern 339 Wolost 114,123,234,446,454-456,458, 472, 632,649, 762, 770, 772 - , -Beamte 474 - , -Gerichte 126,143, 236,250 - , -Richter 457 - , -Schreiber 457 -Sschod 234f., 247,310,456-458,473, 482, 582, 593, 632, 769f., 772 - , -Versammlung 119 f., 233,446,461 f., 469,473 f. - , -Verwaltung 133 - , -Vorsteher 457f. - , -Wahlen 617 Woprossi Shisni 98, 759 Worobjewa Gora 258 Woronesh 449,468,527, 530f., 557,624 - , Eparchialversammlung 352 - , Wahlen in 630 Württemberg 212 - , Landtag 730 - , Ministerien 94 - , Polizei 55 Zar 19,22,26,30-35,44,47f., 57,63,94, 110,118,125,127,153,155,766,201, 204,235,239,242,249,262,265,303, 350,388,391,402,407,410,417,424, 427,469,483,610,632,633,639,648, 662,671, 678f., 765 —> auch: Kaiser - , absolutistischer 698 - , Angriffe auf 651 - , Begnadigungsrecht des 434 - , Bindung an die Bauernschaft 2 Kamarilla des 29,658 Macht des 257 - , Thronrede des 650 - , Ukaze des 56—59,132,143,174, 290,325 f., 386,401 f., 405,410 f., 419, 426f., 432, 434,448, 593, 610 Verfügungen des 99,330,396,401,405,
834
Sachregister
414,417,419,424-427,435,437,448, 461, 762, 766, 771 Zarenromantik 651 Zarentum 158, 409 - , Idee des 443 Zarismus 67, 266,443 Z a r j a - » Sarja Zartum 87f., 453,559, 622 Zemleustroitel'naja komissija—> Landbesiedelungskommission Zemlja i Volja201, 764, 770, 772 Zemskij Nacal'nik —> Landhauptmann Zemskij Sobor —> Semskij Ssobor Zemstvo, Zemstva —> Semstwo Zemstvo-Konstitutionalisten —> Bund der Semstwoleute Zemstvo-Liberalismus —> Semstwoliberalismus Zemstvobewegung —> Semstwobewegung Zensur 18,59,95,268,314,321-324,336, 597, 677, 756 - , Beseitigung der 324 Zensus 99,104,110,118-121,196,236, 259, 445,454f., 459, 464,610, 768 Zensusklasse 121,454,459,462,464 f., 467 - , ländliche 445 Zentralasien 146,360,448,453,635,762, 765
Zentralismus 561 - , jakobinischer 269 Zentralverwaltung 136,406 - , Budget der 149 Zentrumskommission 506,515,521,523, 528 Zentrumspartei 342 Zerkownyj Wjestnik 347-349, 759 Zigeuner 449 Zionismus 359,628 Zisleithanien 523 Zivilisation 477, 721 Zivilliste 250,429, 439 Zivilrecht 227, 384,588 Zölibatäre 157, 351 Zölle 131,135,137,191,220,428, 553 - , Abschaffung der 698 Zubatovscina —> Subatowschtschina Zuchthausgesetz 386 Zünfte 556 Zürich 372, 708, 721f., 737 Zukunftsrecht - , konstitutionelles 426 Zurnal dlja vsech —> Jeshenjedjelnyj Shurnal dlja wssjech Zvenigorod —* Swenigorod Zweikammersystem 81,83 Zweite Duma —* Duma, Zweite
Seitenkonkordanzen
Die Seitenkonkordanzen beziehen sich auf die bisher gebräuchlichen Voreditionen. Es handelt sich für die Texte in diesem Band um: GPS 2
Weber, Max, Gesammelte Polltische Schriften, hg. von Johannes Winckelmann, 2. erweiterte Auflage. - Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1958.
GPS 3 /GPS 4 /GPS 5
Weber, Max, Gesammelte Politische Schriften, hg. von Johannes Winckelmann, 3. erneut vermehrte Auflage. - Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1971; 4. unveränderte Auflage 1980; 5. unveränderte Auflage 1988.
Die Paginierung derTextzeugen, die der Edition zugrundeliegen, wurde dem edierten Text marginal beigefügt. Bei den nachstehenden Konkordanzen sollte beachtet werden, daß die von Johannes Winckelmann in GPS 2 " 5 veröffentlichten Auszüge aus „Zur Lage der bürgerlichen Demokratie in Rußland" und „Rußlands Übergang zum Scheinkonstitutlonalismus" zahlreiche nicht gekennzeichnete Auslassungen sowie einzelne nicht ausgewiesene Texteingriffe enthalten, deren Nachweisung im einzelnen hier nicht möglich ist.
MWGI/10
GPS3"5
GPS2
Zur Lage der bürgerlichen Demokratie in Rußland 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106
836
MWGI/10 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155
Seitenkonkordanzen
GPS3"5
GPS2
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33 33/34 34 34/35 35/36
30 30/31 31/32 31/32 32/33
-
-
-
-
36 36 36/37 37 37/38 38 38 38/39 39/40 40 40/41 41 41/42 42
33 33 33/34 34 34/35 35 35 35/36 36/37 37 37/38 38 38/39 39
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Seitenkonkordanzen
MWGI/10 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196 197 198 199 200 201 202 203 204
GPS3"5
GPS2
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42 42/43
39 39/40
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43 43 43/44 44 44/45 45/46 46 46/47 47/48
40 40 40/41 41 41/42 42/43 43 43/44 44/45
-
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837
838 MWGI/10 205 206 207 208 209 210 211 212 213 214 215 216 217 218 219 220 221 222 223 224 225 226 227 228 229 230 231 232 233 234 235 236 237 238 239 240 241 242 243 244 245 246 247 248 249 250 251 252 253
Seitenkonkordanzen GPS3-5
GPS2
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48/49 49 49/50
45/46 46 46/47
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50 50 50/51
47 47 47/48
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51 51/52 52/53 53 53/54 54 54/55 55
48 48/49 49/50 50 50/51 51 51/52 52
Seitenkonkordanzen
MWGI/10
GPS3"5
GPS2
254 255 256 257 258 259 260 261 262 263 264 265 266 267 268 269 270 271 272 273 274 275 276 277 278 279
55/56 56/57 57
52/53 53/54 54
-
-
-
-
-
-
57/58 58 58/59 59 59/60 60 60/61 61/62 62 62/63 63/64 64/65 65/66 66 66/67 67 67 67 67/68 68
54/55 55 55/56 56 56/57 57 57/58 58/59 59 59/60 60/61 61/62 62/63 63 63/64 64 64 64 64/65 65
Rußlands Übergang zum Scheinkonstitutionalismus 293 294 295 296 297 298 299 300 301 302 303 304 305 306 307 308 309 310 311
-
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-
69 69/70 70 70/71 71/72 72 72
66 66/67 67 67/68 68/69 69 69
-
-
-
-
-
-
839
840 MWG 1/10 312 313 314 315 316 317 318 319 320 321 322 323 324 325 326 327 328 329 330 331 332 333 334 335 336 337 338 339 340 341 342 343 344 345 346 347 348 349 350 351 352 353 354 355 356 357 358 359 360
Seitenkonkordanzen GPS 3-5
GPS2
73 73 73
70 70 70
Seitenkonkordanzen
GPS3"5
MWGI/10 361 362 363 364 365 366 367 368 369 370 371 372 373 374 375 376 377 378 379 380 381 382 383 384 385 386 387 388 389 390 391 392 393 394 395 396 397 398 399 400 401 402 403 404 405 406 407 408 409
GPS2
-
-
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-
73/74 74/75 75 75/76 76/77 77/78 78 78/79 79 79/80 80
70/71 71/72 72 72/73 73/74 74/75 75 75/76 76 76/77 77
841
842
Seitenkonkordanzen
MWGI/10
GPS3"5
GPS 2
410 411 412 413 414 415 416 417 418 419 420 421 422 423 424 425 426 427 428 429 430 431 432 433 434 435 436 437 438 439 440 441 442 443 444 445 446 447 448 449 450 451 452 453 454 455 456 457 458
80/81 81/82 82/83 83
77/78 78/79 79 79/80
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
83 83
80 80
-
-
-
-
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-
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-
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-
-
-
-
-
83/84 84
80/81 81
-
-
84/85 85 85/86 86
81/82 82 82/83 83
-
-
-
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-
-
-
-
-
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-
-
-
-
-
-
-
-
Seitenkonkordanzen GPS3'5
MWGI/10 459 460 461 462 463 464 465 466 467 468 469 470 471 472 473 474 475 476 477 478 479 480 481 482 483 484 485 486 487 488 489 490 491 492 493 494 495 496 497 498 499 500 501 502 503 504 505 506 507
GPS2
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
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-
-
-
-
-
-
-
-
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-
-
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-
-
-
-
-
-
-
-
86 86/87
83 83/84
-
-
87 87/88 88
84 84/85 85
-
-
88 88/89 89
85 85/86 86
-
-
89 89 89 89/90
86 86 86 86/87
_
_ _
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
_
-
-
-
_
_ _ _
-
-
-
90 90/91 -
_ 87 87/88
_
843
844 MWGI/10 508 509 510 511 512 513 514 515 516 517 518 519 520 521 522 523 524 525 526 527 528 529 530 531 532 533 534 535 536 537 538 539 540 541 542 543 544 545 546 547 548 549 550 551 552 553 554 555 556
Seitenkonkordanzen
GPS3"5
GPS2
-
-
-
-
-
-
91 91 91 91 91 91/92 92 92
88 88 88 88 88 88/89 89 89
-
-
-
-
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-
-
92/93 93 93 93/94 94/95 95 95/96
89/90 90 90 90/91 91/92 92 92/93
-
-
-
-
-
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-
-
-
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-
-
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-
-
-
-
-
Seitenkonkordanzen
MWGI/10 557 558 559 560 561 562 563 564 565 566 567 568 569 570 571 572 573 574 575 576 577 578 579 580 581 582 583 584 585 586 587 588 589 590 591 592 593 594 595 596 597 598 599 600 601 602 603 604 605
GPS3"5
GPS2
96 96/97 97
93 93/94 94
845
846 MWGI/10 606 607 608 609 610 611 612 613 614 615 616 617 618 619 620 621 622 623 624 625 626 627 628 629 630 631 632 633 634 635 636 637 638 639 640 641 642 643 644 645 646 647 648 649 650 651 652 653 654
Seitenkonkordanzen
GPS3"5
GPS2
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
97/98 98 98 98/99 99 99 99 99/100
94/95 95 95 95/96 96 96 96 96/97
-
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100 100/101 101 101 101/102 102 102/103
97 97/98 98 98 98/99 99 99/100
-
-
-
-
Seitenkonkordanzen
MWGI/10 655 656 657 658 659 660 661 662 663 664 665 666 667 668 669 670 671 672 673 674 675 676 677 678 679
GPS3"5
GPS2
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
103/104 104
100/101 101
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
104 104/105 105 105/106 106/107 107 107/108 108 108/109 109/110 110 110/111
101 101/102 102 102/103 103/104 104 104/105 105 105/106 106/107 107 107/108
847
A u f b a u und Editionsregeln der Max Weber-Gesamtausgabe, Abteilung I: Schriften und Reden
1. Aufbau
der
Gesamtausgabe
In der Max Weber-Gesamtausgabe werden die veröffentlichten und die nachgelassenen Texte Max Webers mit A u s n a h m e seiner Exzerpte, Marginalien, Anstreichungen oder redaktionellen Eingriffe in die Texte anderer wiedergegeben. Berichte anderer über Webers Reden, Diskussionsbeiträge und Vorlesungen werden nur d a n n wiedergegeben, wenn ein autoreigener Zeuge nicht überliefert ist. Liegen mehrere Fassungen eines Textes vor, so werden alle mitgeteilt. Editionen der Texte Webers, die er nicht selbst zum Druck gegeben hat, werden nur d a n n berücksichtigt, wenn dem betreffenden Herausgeber Manuskripte vorlagen, die uns nicht mehr überliefert sind. Jedem Band ist eine Konkordanz mit den bisher gebräuchlichen Ausgaben beigegeben. Die Max Weber-Gesamtausgabe glieoert sich in drei Abteilungen: Abteilung I: Abteilung II: Abteilung III: 2. Aufbau
Schriften und Reden Briefe Vorlesungen
der Abteilung
I: Schriften
und
Reden
Die Abteilung I umfaßt Max Webers veröffentlichte und nachgelassene Schriften und Reden, unter Einschluß seiner Diskussionsbeiträge und Stellungnahmen. Ebenso werden Paralipomena, Entwürfe und andere Vorarbeiten mitgeteilt. Einzelne Äußerungen sind uns nur durch Zeitungsberichte, Sitzungsprotokolle, Kongreßprotokolle und ähnliches überliefert. Solche Ersatzzeugen werden d a n n in die Ausgabe aufgenommen, wenn sie in unmittelbarem zeitlichen Z u s a m m e n h a n g mit der betreffenden Rede oder Stellungnahme Webers entstanden. Außerdem sind Texte wiedergegeben, die er zusammen mit anderen Personen verfaßte oder unterzeichnete. Für die Verteilung der Texte auf die Bände werden zwei Kriterien verwendet: der Sachzusammenhang und die Chronologie. Dadurch werden thematisch und zeitlich nahestehende Texte zu Bänden vereinigt und die Schwerpunkte des Werkes in ihrer zeitlichen Folge und ihrem Nebeneinander sichtbar gemacht. Jeder Bandtitel enthält deshalb eine thematische und eine zeitliche Angabe. Für die thematische A n g a b e wird entweder ein Titel von Weber verwendet oder, wo dies wegen der Vielfalt der Texte nicht möglich ist, ein seinem Wort-
MWG AbteilungI
• Aufbau und Editionsregeln
849
gebrauch nahestehender Titel neu gebildet. Jedem Bandtitel ist ferner eine Zeitangabe zugeordnet. Dabei bezieht sich die erste Jahreszahl auf das Datum der Veröffentlichung des ersten, die zweite auf das Datum der Veröffentlichung des letzten in den B a n d aufgenommenen Textes. Bei Texten aus dem Nachlaß ist das Entstehungsjahr maßgebend. Dies gilt sowohl für Texte, die uns im Original vorliegen, wie a u c h für solche, von denen wir nur noch eine Edition aus dem Nachlaß besitzen, weil das Original inzwischen verloren ist. Wo das Datum der Entstehung a u c h nicht a n n ä h e r n d ermittelt werden kann, wird der Text am Ende des Bandes eingeordnet, dem er thematisch nahesteht. Bände mit einem oder mehreren nachgelassenen Texten tragen als zweite Jahreszahl 1920, Webers Todesjahr, wenn wir Hinweise haben, daß er an diesen Texten bis zu seinem Tode arbeitete. Für die Bandfolge ist das Chronologieprinzip maßgebend. Über die Stellung eines Bandes in der Bandfolge entscheidet das Datum des ersten darin abgedruckten Textes. Abweichend davon sind die „Gesammelten Aufsätze zur Religionssoziologie" und das Textkonvolut „Wirtschaft und Gesellschaft" an das Ende der Abteilung gestellt. Dies ergibt sich aus der besonderen Überlieferungslage. Die Abteilung I hat folgenden A u f b a u : Band 1: Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter Schriften 1889-1894 Band 2: Die römische Agrargeschichte in ihrer Bedeutung für das Staatsund Privatrecht 1891 Band 3: Die Lage der Landarbeiter im ostelbischen Deutschland 1892 Band 4: Landarbeiterfrage, Nationalstaat und Volkswirtschaftspolitik Schriften und Reden 1892-1899 Band 5: Börsenwesen Schriften und Reden 1894-1897 Band 6: Zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des Altertums Schriften 1 8 9 3 - 1 9 0 9 Band 7: Zur Logik und Methodologie der Kultur- und Sozialwissenschaften Schriften 1900-1907 Band 8: Wirtschaft, Staat und Sozialpolitik Schriften und Reden 1900-1912 Band 9: Asketischer Protestantismus und Kapitalismus Schriften und Reden 1904-1911
850
MWG AbteilungI • Aufbau und Editionsregeln
B a n d 10: Zur Russischen Revolution v o n 1905 Schriften und Reden 1 9 0 5 - 1 9 1 2 B a n d 11: Z u r Psychophysik der industriellen Arbeit Schriften u n d Reden 1908-1912 B a n d 12: Verstehende Soziologie u n d Werturteilsfreiheit Schriften u n d Reden 1908-1920 B a n d 13: H o c h s c h u l w e s e n u n d Wissenschaftspolitik Schriften u n d Reden 1908-1920 B a n d 14: Die rationalen u n d sozialen G r u n d l a g e n der Musik 1910-1920 B a n d 15: Zur Politik im Weltkrieg Schriften u n d Reden 1 9 1 4 - 1 9 1 8 B a n d 16: Zur N e u o r d n u n g D e u t s c h l a n d s Schriften u n d Reden 1918-1920 B a n d 17: Wissenschaft als Beruf/Politik als Beruf 1919 B a n d 18: Die protestantische Ethik u n d der Geist des Kapitalismus/ Die protestantischen Sekten u n d der Geist des Kapitalismus Schriften 1904-1920 B a n d 19: Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Konfuzianismus u n d Taoismus Schriften 1915-1920 B a n d 20: Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. H i n d u i s m u s u n d B u d d h i s m u s 1916-1920 B a n d 21: Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Das antike J u d e n t u m Schriften u n d Reden 1917-1920 B a n d 22: Die Wirtschaft u n d die gesellschaftlichen O r d n u n g e n u n d M ä c h t e (in Teilbänden) Schriften 1909-1920
3. Aufbau
der
Bände
Jeder B a n d enthält eine Einleitung des Herausgebers, die historisch-kritisch bearbeiteten Texte Webers, d e n e n jeweils ein Editorischer Bericht vorangestellt ist, Verzeichnisse u n d Register.
MWG Abteilung I • Aufbau und Editionsregeln
851
Innerhalb der Bände sind die Edierten Texte chronologisch geordnet. Bei von Weber veröffentlichten Texten ist das Datum der Veröffentlichung, bei nachgelassenen Texten das Datum der Entstehung maßgebend. Äußerungen Webers, über die wir nur Ersatzzeugen besitzen, werden im zweiten Teil eines Bandes zusammengefaßt und n a c h dem Datum der Äußerung wiederum chronologisch angeordnet. Einzelnen Bänden sind A n h ä n g e beigegeben. Darin finden sich zunächst Texte, die Weber mit anderen Personen zusammen verfaßte oder unterzeichnete, gegebenenfalls Hinweise auf verlorene Texte sowie auf Dokumente.
4.
Bandeinleitung
Die Einleitung des Herausgebers informiert über die Anordnung, die thematischen Schwerpunkte und über den wissenschaftsgeschichtlichen und zeitgeschichtlichen Hintergrund der Texte. Enthält ein B a n d mehrere Texte, geht die Einleitung außerdem auf deren Z u s a m m e n h a n g ein. Die Rezeptions- und Wirkungsgeschichte sowie die Geschichte von Nacheditionen dagegen bleiben in der Regel außer Betracht. Die Einleitung berichtet ferner über bandspezifische Editionsfragen, z.B. über sprachliche Eigentümlichkeiten Webers und deren editorische Behandlung. Alle textspezifischen Informationen geben die Editorischen Berichte.
5. Editorische
Berichte
Jedem Text ist ein Editorischer Bericht vorangestellt, der über dessen Entstehung, Entwicklung und Überlieferung sowie über editorische Entscheidungen informiert. Er ist in die Abschnitte „Zur Entstehung" und „Zur Überlieferung und Edition" gegliedert. 5.1 „Zur
Entstehung"
Dieser Abschnitt skizziert die historisch-politischen, wissenschaftlichen und biographischen Zusammenhänge, in denen ein Text steht. Er stellt ferner seine Entstehung und Entwicklung dar. Sofern mehrere Fassungen eines Textes vorliegen, wird deren Verhältnis zueinander beschrieben. 5.2 „Zur Überlieferung
und
Edition"
Dieser Abschnitt informiert über Textbefund und Überlieferungslage. Liegen mehrere Fassungen eines Textes vor, wird dargelegt, welche der Fassungen Edierter Text und welche Variante ist. Ferner werden alle weiteren editorischen Entscheidungen begründet. Dazu gehört unter anderem a u c h die Behandlung textspezifischer Eigentümlichkeiten.
852
MWG Abteilung I • Aufbau und Editionsregeln
6. Texte Bearbeitung und Präsentation der Texte folgen der historisch-kritischen Methode. Dies geschieht mit Hilfe von drei Apparaten: dem Korrekturen- und dem Variantenapparat, die zum textkritischen Apparat zusammengefaßt sind, und dem Erläuterungsapparat. 6.1 Textkritischer
Apparat
Der textkritische Apparat hat in erster Linie zwei Aufgaben: Aufweis der Textentwicklung und Nachweis der Texteingriffe. 6.1.1
Textentwicklung
Liegt ein Text in mehreren autorisierten Fassungen vor, ist eine Fassung zum Edierten Text bestimmt. Dies ist in der Regel die Fassung letzter Hand. Jede zur Variante bestimmte Fassung wird im textkritischen Apparat mitgeteilt, in der Regel mit Hilfe eines negativen Apparats. Wo es die Sachlage erfordert, insbesondere bei umfangreichen Varianten, ist der positive Apparat oder die synoptische Darstellung gewählt. Die früheste oder einzige Fassung eines Textes trägt die Sigle A. Spätere Fassungen sind in chronologischer Folge mit B, C usw. bezeichnet. 6.1.2
Texteingriffe
Texteingriffe sind auf ein Minimum beschränkt. Sie werden bei Textverderbnissen vorgenommen. Als verderbt gelten Textstellen, die den Sinnzusammenh a n g zerstören. Der Eingriff wird d a d u r c h nachgewiesen, daß die verderbte Stelle im textkritischen Apparat mitgeteilt wird. Läßt sich eine unklare Stelle nicht eindeutig als verderbt erkennen, so wird sie unverändert gelassen. Je nach Sachlage bietet der Apparat d a n n Lesarten in Voreditionen oder andere Verständnishilfen an. Nicht als Textverderbnis gelten Spracheigentümlichkeiten, einschließlich regelwidriger, aber nicht sinnentstellender grammatischer Konstruktionen, nicht mehr gebräuchlicher Lautstand, veraltete Orthographie u n d Interpunktion. In folgenden Fällen werden Texteingriffe o h n e Nachweis im textkritischen Apparat vorgenommen: a) Bei der Gestaltung von Überschriften, Zwischentiteln, anderen Gliederungsmerkmalen (z.B. Paragraphen) sowie Hervorhebungen: Sie werden typographisch vereinheitlicht. b) Bei Umlauten: Sie werden - soweit sie Folge der zu Webers Zeit üblichen Drucktechnik sind - der heutigen Schreibweise angeglichen (Ä statt Ae). Die Schreibweise ss für ß wird zu ß vereinheitlicht. c) Bei Abkürzungen: Sie werden, sofern sie schwer verständlich und heute nicht mehr üblich sind, in eckigen K l a m m e m ausgeschrieben. d) Bei offensichtlichen Druckfehlern: Sie werden korrigiert (z.B. „Erleicherung", „aucht").
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e) Bei Interpunktionsfehlern: Sie werden bei der Reihung von Hauptsätzen, Aufzählungen, Relativsätzen und „daß"-Sätzen korrigiert. In allen anderen Fällen werden eingefügte Satzzeichen durch eckige Klammern kenntlich gemacht. f) Bei der Numerierung von Anmerkungen: Sie werden text- oder kapitelweise durchgezählt. Entsteht d a d u r c h eine Abweichung gegenüber Webers Zählung, so wird dies im Editorischen Bericht vermerkt. g) Bei der Einfügung von Titeln und Zwischenüberschriften: Sie werden in eckige Klammern gesetzt und im Editorischen Bericht begründet. 6.2
Erläuterungsapparat
Der Erläuterungsapparat dient dem Nachweis, der Ergänzung oder der Korrektur der Zitate und der Literaturangaben sowie der Sacherläuterung. 6.2.1
Zitate
Webers Zitate werden überprüft. Sind sie indirekt, unvollständig oder fehlerhaft, gibt der Apparat den richtigen Wortlaut wieder. Hat Weber ein Zitat nicht belegt, wird es im Apparat nachgewiesen. Ist uns der Nachweis nicht möglich, so lautet die Anmerkung: „Als Zitat nicht nachgewiesen". 6.2.2
Literaturangaben
Webers Literaturangaben werden überprüft. Sind sie nicht eindeutig oder fehlerhaft, werden sie ergänzt oder berichtigt, wenn möglich, unter Verwendung der von Weber benutzten Ausgabe. Es wird dafür ein Kurztitel verwendet. Die vollständigen bibliographischen A n g a b e n finden sich im Verzeichnis der von Weber zitierten Literatur. Verweist Weber o h n e nähere A n g a b e n auf Literatur, so ist sie, wenn möglich, im Apparat nachgewiesen. Literaturangaben des Herausgebers werden beim ersten Auftreten vollständig aufgeführt, bei Wiederholungen wird ein Kurztitel verwendet. 6.2.3
Sacherläuterung
Erläutert werden Ereignisse und Begriffe, deren Kenntnis für das Verständnis des Textes unerläßlich erscheint. Informationen über Personen finden sich im Personenverzeichnis am Ende des Bandes. Erfordert eine Textstelle darüber hinausgehende Informationen über eine Person, so bietet sie der Apparat. Sachliche Fehler Webers werden im Apparat berichtigt. Für Wörter aus fremden Schriftsystemen verwendet der Editor in seinen Erläuterungen die Transliteration nach den heute gültigen Richtlinien. 6.3
Präsentation
Um die Benutzung der Ausgabe zu erleichtern, erscheinen Webers Text und die dazugehörigen Apparate in der Regel auf derselben Seite.
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und
Editionsregeln
Edierter Text u n d V a r i a n t e n sind gleichwertig. Die V a r i a n t e n w e r d e n so p r ä s e n tiert, d a ß der Leser die Textentwicklung e r k e n n e n k a n n . Kleine lateinische B u c h s t a b e n v e r b i n d e n d e n Edierten Text mit d e m textkritischen A p p a r a t . Sie stehen hinter d e m Varianten o d e r e m e n d i e r t e n Wort. Bezieht sich die textkritis c h e A n m e r k u n g auf m e h r als ein Wort, so markiert ein g e r a d e gesetzter Index d e n A n f a n g u n d ein kursiv gesetzter Index d a s E n d e der f r a g l i c h e n W o r t f o l g e ( a d a m i t Amerika 3 ). Die Ersatzzeugen v o n W e b e r s Ä u ß e r u n g e n , auf die wir z u r ü c k g r e i f e n müssen, s t i m m e n nicht immer überein. In s o l c h e n Fällen sind sie alle o h n e W e r t u n g aufeinanderfolgend oder synoptisch wiedergegeben. Z e i t u n g s b e r i c h t e e n t h a l t e n in der Regel einen redaktionellen V o r s p a n n , Zwischentexte o d e r N a c h b e m e r k u n g e n ; Sitzungs- u n d K o n g r e ß p r o t o k o l l e g e b e n a u c h Beiträge a n d e r e r Redner wieder. W e n n diese Texte in unmittelb a r e m s a c h l i c h e n Z u s a m m e n h a n g mit W e b e r s Ä u ß e r u n g e n stehen, w e r d e n sie e n t w e d e r in F o r m eines Regests, wörtlich in kleinerer D r u c k t y p e o d e r im textkritischen A p p a r a t mitgeteilt. Die historisch-kritisch bearbeiteten Texte W e b e r s u n d die E r l ä u t e r u n g e n des H e r a u s g e b e r s sind d u r c h a r a b i s c h e Ziffern o h n e K l a m m e r n miteinander verbunden. U m die H e r a u s g e b e r r e d e v o n W e b e r s Text a b z u h e b e n , ist sie in a n d e r e r Schrifttype gesetzt.
7. Verzeichnisse
und
Register
D e m B a n d sind f o l g e n d e Verzeichnisse u n d Register beigefügt: 1. Ein Inhaltsverzeichnis. 2. Ein Verzeichnis der Siglen, Z e i c h e n u n d A b k ü r z u n g e n . 3. Ein Literaturverzeichnis: Es enthält die v o n W e b e r zitierte Literatur vollständig b i b l i o g r a p h i s c h erfaßt. Auf d e n Titel folgt in K l a m m e r n der v o m Editor in seinen E r l ä u t e r u n g e n g e b r a u c h t e Kurztitel. 4. Ein Personenverzeichnis: A u f g e n o m m e n sind alle Personen, die W e b e r erw ä h n t , mit A u s n a h m e allgemein b e k a n n t e r (z.B. Bismarck, Wilhelm II.) u n d in L i t e r a t u r a n g a b e n g e n a n n t e r Personen. Es liefert die w i c h t i g s t e n Lebensdaten, gibt die berufliche o d e r politische Stellung a n u n d führt ggf. die v e r w a n d t s c h a f t l i c h e n o d e r p e r s ö n l i c h e n B e z i e h u n g e n zu W e b e r auf. Das Personenverzeichnis h a t d e n Zweck, d e n E r l ä u t e r u n g s a p p a r a t zu entlasten. 5. Ein Personenregister: Es verzeichnet sämtliche v o n W e b e r u n d v o m Editor e r w ä h n t e n P e r s o n e n einschließlich der A u t o r e n der v o n W e b e r u n d v o m Editor zitierten Literatur. 6. Ein Sachregister: Es enthält alle w i c h t i g e n Begriffe u n d S a c h b e z e i c h n u n gen. Ist ein Begriff für einen Text thematisch, w e r d e n nur zentrale Stellen u n d b e s o n d e r e B e d e u t u n g e n verzeichnet. Es verzeichnet ferner alle g e o g r a p h i s c h e n N a m e n , mit A u s n a h m e der Verlagsorte in L i t e r a t u r a n g a b e n u n d der Archivorte. Es w e r d e n die N a m e n benutzt, die im d e u t s c h e n S p r a c h r a u m vor 1920 üblich w a r e n o d e r amtlich
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gebraucht wurden. Kann ein Ort nicht als bekannt vorausgesetzt werden, wird zur Erläuterung die Verwaltungseinheit nach dem Gebietsstand von 1920 (z.B. Kreis, Regierungsbezirk) und ggf. auch der heute amtliche Name beigefügt. Personen- und Sachregister erfassen Webers Texte und die Herausgeberrede. Gerade gesetzte Zahlen verweisen auf Webers Text, kursiv gesetzte Zahlen auf die Herausgeberrede. Einem Band können weitere Verzeichnisse, wie z.B. Glossare, Konkordanzen, Maß- und Gewichtstabellen sowie Karten beigefügt sein.
8. Indices und Zeichen Folgende Indices werden verwendet: a) Arabische Ziffern mit runder Schlußklammer ('), 2), 3 )...) kennzeichnen Webers eigene Anmerkungen. b) Arabische Ziffern ohne Klammern (1, 2, 3 ...) und in von a) abweichender Schrift markieren die Erläuterungen des Editors. c) Kleine lateinische Buchstaben (a, b, c ...) kennzeichnen eine textkritische Anmerkung. Folgende Zeichen werden verwendet: d) Das Zeichen | gibt die Stelle des Seitenwechsels nach der ursprünglichen Paginierung einer Textfassung wieder. e) Das Zeichen [ ] markiert Hinzufügungen zum Text durch den Editor.