118 83 31MB
German Pages 758 [759] Year 2005
Horst Hartmann rtmann
Materialwirtschaft Organisation Planung Durchführung Kontrolle
fla e Au
ge
rt
isie tual
9. ak
'HXWVFKHU %HWULHEVZLUWH9HUODJ
Professor Dr. Horst Hartmann
MATERIALWIRTSCHAFT
Organisation Planung Durchführung Kontrolle
Horst Hartmann
MATERIALWIRTSCHAFT Organisation Planung Durchführung Kontrolle
9. aktualisierte Auflage
Deutscher Betriebswirte-Verlag GmbH
Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Hartmann, Horst: Materialwirtschaft : Organisation, Planung, Durchführung, Kontrolle / Horst Hartmann. – 9. Aufl. – Gernsbach : Dt. Betriebswirte-Verl., 2005
© 1978 by Deutscher Betriebswirte-Verlag GmbH, Gernsbach 2. Auflage 1984 3. Auflage 1986 4. überarbeitete Auflage 1988 5. überarbeitete Auflage 1990 6. überarbeitete Auflage 1993 7. überarbeitete Auflage 1997 8. überarbeitete Auflage 2002 9. aktualisierte Auflage 2005 Herstellung: Deutscher Betriebswirte-Verlag GmbH, Gernsbach ISBN: 978-3-88640-166-6
Inhaltsverzeichnis
Verzeichnis der Abbildungen Verzeichnis der Tabellen Verzeichnis der Formulare/Listenausdrucke Verzeichnis der Beispiele Verzeichnis der Abkürzungen Vorwort
Seite VIII XII XIII XIV XVII 5
Erster Abschnitt Grundlagen und Grundtatbestände der Materialwirtschaft 1. Begriff und Objekte der Materialwirtschaft 2. Aufgaben, Ziele und Strategien der Materialwirtschaft 2.1 Materialwirtschaftspolitik als Teilgebiet der Unternehmenspolitik 2.2 Materialwirtschaftspolitik und ihre Teilpolitiken 2.2.1 Beschaffungspolitik 2.2.2 Vorratspolitik 2.2.3 Lagerpolitik 3. Bedeutung der Materialwirtschaft 3.1 Kostenverantwortung und Kostenbeeinflussung durch die Materialwirtschaft 3.2 Schlüsselstellung der Materialwirtschaft - von Einkauf und Logistik - im Unternehmen - ihre Einflussmöglichkeiten auf die Wettbewerbsfähigkeit 3.2.1 Der strategische Einkauf und sein Erfolgspotenzial 3.2.2 Wettbewerbsvorteile durch eine leistungsfähige Logistik 3.3 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Materialwirtschaft 4. Probleme der Materialwirtschaft 4.1 Die Materialwirtschaft im Spannungsfeld konfliktärer Bereichsinteressen 4.2 Das materialwirtschaftliche Optimierungsproblem
15 31 38 43 43 45 46 48 49 57 58 63 66 68 68 69
I
Zweiter Abschnitt Organisation der Materialwirtschaft 1. Die Aufbauorganisation der Materialwirtschaft 1.1 Kompetenzbereich der Materialwirtschaft 1.1.1 Die „klassische“ Materialwirtschaft 1.1.2 Die „erweiterte“ Materialwirtschaft 1.1.3 Die „integrierte“ Materialwirtschaft 1.1.4 Einkauf und Logistik 1.2 Eingliederung der Materialwirtschaft in die Organisationsstruktur 1.3 Bereichsspezifische Aufgabenanalyse und Stellenbildung 1.3.1 Gliederung des Einkaufs 1.3.1.1 Gliederung nach dem Verrichtungsund Objektprinzip 1.3.1.2 Gliederung nach strategischen und operativen Aufgaben 1.3.1.3 Stabsstellen im Einkauf 1.3.2 Gliederung des Lagerbereichs 1.3.3 Gliederung der Warenverteilung 1.4 Zentrale oder dezentrale Organisationsform der materialwirtschaftlichen Bereiche 1.4.1 Zentrale oder dezentrale Beschaffung 1.4.2 Zentrale oder dezentrale Lagerhaltung 1.4.3 Zentrale oder dezentrale Warenverteilung 1.5 Zusammenarbeit mit anderen Unternehmensbereichen
118 118 125 126 127
2. Die Ablauforganisation der Materialwirtschaft 2.1 Der Materialfluss 2.2 Der Informationsfluss
131 132 133
3. Organisationsmittel 3.1 Richtlinien, Arbeitsanweisungen, Stellenbeschreibungen 3.2 Dateien und Formulare 3.3 Normung und Nummerung 3.3.1 Normung 3.3.2 Nummerung 3.4 Elektronische Datenverarbeitung und Kommunikationstechnologien im Einkauf
139 139 145 146 147 150
II
80 82 84 86 87 92 95 104 105 106 108 116 116 118
155
Dritter Abschnitt Vorbereitende und begleitende Aufgaben der Materialwirtschaft 1. Verfahren zur Arbeitsanalyse 1.1 ABC-Analyse 1.2 XYZ-Analyse 1.3 Portfolio-Analyse
170 170 181 185
2. Die Beschaffungsmarktforschung 2.1 Aufgaben und Ziele der Beschaffungsmarktforschung 2.2 Methoden der Beschaffungsmarktforschung 2.3 Beschaffungsmarktanalyse und -beobachtung
187 191 194 198
3. Produktbewertung 3.1 Wertanalyse 3.2 Make-or-Buy-Analyse 3.2.1 Produktionsspezifische Make-or-Buy-Analyse 3.2.2 C-Teile spezifische Make-or-Buy-Analyse 3.3 Materialgruppenmanagement
200 200 206 209 213 218
4. Die Beschaffungsplanung 4.1 Bedarfsplanung und Budgetierung 4.1.1 Bedarfsplanung (Mengen- und Terminplanung) 4.1.2 Budgetierung 4.2 Beschaffungsvollzugsplanung 4.2.1 Planung der Bereitstellungsprinzipien 4.2.1.1 Einzelbeschaffung 4.2.1.2 Vorratsbeschaffung 4.2.1.3 Fertigungssynchrone bzw. Just-in-Time-Beschaffung 4.2.1.4 Kanban-Steuerung 4.2.2 Planung der Beschaffungswege 4.2.2.1 Direkter Bezug vom Erzeuger 4.2.2.2 Indirekter Bezug über den Handel 4.2.2.3 Beschaffung durch Einkaufsdienstleister 4.2.2.4 Beschaffung aus dem Ausland 4.2.2.5 Kooperative Beschaffung 4.2.3 Planung der Lieferantenauswahl und -kooperation 4.2.4 Planung der Beschaffungszeit 4.2.5 Planung und Sicherstellung der Entsorgung
222 225 226 229 232 233 234 235 236 242 245 246 247 248 249 251 252 259 261
III
Vierter Abschnitt Materialdisposition 1. Begriff, Ziel, Aufgaben 2. Bedarfsermittlung 2.1 Bedarfsarten 2.2 Durchlaufzeit, Vorlaufzeit, Vorhersagezeitraum 2.3 Methoden der Bedarfsermittlung 2.3.1 Deterministische Bedarfsermittlung 2.3.1.1 Grundlagen der deterministischen Bedarfsermittlung 2.3.1.2 Verfahren der deterministischen Bedarfsermittlung 2.3.2 Stochastische Bedarfsermittlung 2.3.2.1 Grundlagen der stochastischen Bedarfsermittlung 2.3.2.2 Methoden der stochastischen Bedarfsermittlung 2.3.3 Subjektive Schätzung 2.4 Fehlerberechnung 2.4.1 Berechnung der Standardabweichung 2.4.2 Berechnung der „mittleren absoluten Abweichung“ (MAD) 2.5 Kontrolle der Prognose
271 275 275 280 282 285 287 296 306 307 315 335 336 337 339 341
3. Dispositionsverfahren 3.1 Auftragsgesteuerte Disposition 3.1.1 Einzelbedarfsdisposition 3.1.2 Sammelbedarfsdisposition 3.2 Plangesteuerte Disposition 3.3 Verbrauchsgesteuerte Disposition 3.3.1 Bestellpunktverfahren 3.3.2 Bestellrhythmusverfahren 3.4 Anwendung der Dispositionsverfahren
343 346 346 347 347 357 360 367 370
4. Bestellterminrechnung 4.1 Ermittlung des Soll-Eindeckungstermins 4.2 Ermittlung des Ist-Eindeckungstermins 4.3 Ermittlung des Soll-Liefertermins 4.4 Kontrollrechnungen während der Terminrechnung
378 379 380 382 383
IV
5. Bestellmengenrechnung 5.1 Statische und periodische Verfahren der Bestellmengenrechnung 5.2 Optimierende Verfahren der Bestellmengenrechnung 5.2.1 Auswirkungen der Bestellmenge auf die Kosten der Bereitstellung 5.2.1.1 Bestellmenge und Bestellkosten 5.2.1.2 Bestellmenge und Lagerhaltungskosten 5.2.2 Die klassische Losgrößenberechnung 5.2.2.1 Andlersche Formel 5.2.2.2 Korrekturen und Beschränkungen der optimalen Bestellmenge 5.2.2.3 Korrektur der optimalen Bestellmenge bei Rabatten 5.2.3 Dynamische Bestellmengenrechnung bei schwankendem Bedarf 5.2.3.1 Gleitende wirtschaftliche Bestellmengenverfahren 5.2.3.2 Kostenausgleichsverfahren 5.2.3.3 Stück-Perioden-Ausgleichsverfahren 6. Die Berechnung von Sicherheitsbestand und Sicherheitszeit 6.1 6.2
Bestimmung der Lieferbereitschaft Verfahren zur Bestimmung des Sicherheitsbestandes 6.2.1 Festlegung eines konstanten Sicherheitsbestandes aufgrund von Erfahrungswerten 6.2.2 Bestimmung des dynamischen Sicherheitsbestandes 6.2.3 Bestimmung des Sicherheitsbestandes in Abhängigkeit vom Lieferbereitschaftsgrad
7. Kontrolle der Materialdisposition 7.1 Kennzahlen der Materialdisposition 7.1.1 Kennzahlen für die Kontrolle der Lieferbereitschaft 7.1.2 Kennzahlen für die Kontrolle der Vorratsbestände 7.2 Bestandscontrolling und -planung
388 389 390 393 393 396 400 401 406 409 410 412 414 418 423 425 429 429 431 432 436 436 437 437 440
V
Fünfter Abschnitt Beschaffungsvorgang 1. Begriff, Aufgaben und Zielsetzung
452
2. Ablauf der Beschaffung 2.1 Beschaffungsanbahnung 2.1.1 Bedarfsmeldung 2.1.2 Angebotseinholung 2.1.3 Angebotsprüfung und Angebotsvergleich 2.1.3.1 Angebotsprüfung 2.1.3.2 Angebotsvergleich 2.1.4 Lieferanten-/Potenzialanalyse und Lieferantenauswahl 2.1.4.1 Lieferanten-/Potenzialanalyse 2.1.4.2 Lieferantenbewertung 2.1.4.3 Auswahlverfahren 2.1.5 Bestellentscheidung 2.2 Beschaffungsabschluss 2.2.1 Abschlussverhandlung 2.2.2 Bestellung 2.2.2.1 Der „Normal“-Einzelvertrag 2.2.2.2 Besondere Vertragsformen Individualverträge 2.2.2.3 Verträge mit Preisvorbehaltsklauseln 2.2.2.4 Die Kleinbestellung 2.2.3 Bestellbestätigung 2.3 Beschaffungsabwicklung 2.3.1 Terminüberwachung 2.3.2 Wareneingang 2.3.3 Rechnungsprüfung 2.4 Einkaufscontrolling
456 456 457 462 467 469 481 486 488 494 495 501 503 504 508 510 511 520 523 526 527 528 531 532 534
Sechster Abschnitt Interne Logistik - Lagerung und innerbetrieblicher Transport 1. Begriff, Arten und Aufgaben der Lager
548
2. Lagerplanung 2.1 Lagerstandort und Lagerkapazität 2.2 Lagergestaltung
554 555 557
VI
2.3
2.2.1 Lagerbauart 2.2.2 Lagereinrichtung 2.2.3 Lagerordnung 2.2.3.1 Das Festplatzsystem 2.2.3.2 Das Freiplatzsystem 2.2.3.3 ABC-Belegungsstrategie Innerbetrieblicher Transport
558 558 561 562 566 569 571
3. Lagerhaltung 3.1 Lagerungsablauf 3.1.1 Materialannahme und Identitätsprüfung 3.1.2 Materialprüfung 3.1.2.1 Die quantitative Prüfung 3.1.2.2 Die qualitative Prüfung 3.1.3 Materiallagerung 3.1.4 Materialausgabe - Kommissionierung 3.1.5 Materialverwertung / Recycling 3.1.6 Materialentsorgung 3.2 Materialrechnung 3.2.1 Die laufende Materialrechnung 3.2.2 Die Stichtagsmaterialrechnung - Inventur 3.2.2.1 Die Stichtagsinventur 3.2.2.2 Die verlegte Inventur 3.2.2.3 Die permanente Inventur 3.2.2.4 Die Stichprobeninventur
576 576 577 583 585 586 590 591 594 596 597 598 606 609 609 610 611
4. Wirtschaftlichkeit der internen Logistik 4.1 Kennzahlen der Lagernutzung 4.2 Kennzahlen der Transportmittelnutzung 4.3 Controlling der internen Logistik
614 616 618 619
Anhang Arbeitsanweisung zur Verantwortung der Lagerleiter Stellenbeschreibung Leiter Funktion Einkauf Stellenbeschreibung Funktion Einkauf Fertigungsmaterial Stellenbeschreibung Funktion Disposition Kaufteile Rahmenvertrag für Produktionsmaterial Entwicklungsvertrag für Systemlieferanten Qualitätssicherungsvereinbarung Geheimhaltungsvereinbarung
629 633 635 637 639 648 654 659
VII
Einkaufsrichtlinie „Verantwortung für den Umweltschutz bei Lieferanten“
661
Übungsteil Aufgaben Lösungen
665 690
Literaturverzeichnis Stichwortverzeichnis
723 731
Verzeichnis der Abbildungen Lfd. Nr. Bezeichnung Seite 1.1 Funktionen der integrierten Materialwirtschaft 25 1.2 Beziehungssysteme zwischen integrierter Materialwirtschaft 28 und Logistik 2 Verknüpfung von Beschaffungslogistik und Einkauf 29 3 Funktionsschema der klassischen Materialwirtschaft 30 4 Veränderte Rolle des Einkaufs 37 5 Kostenverantwortung der Materialwirtschaft 49 6 Logistik als Querschnittsfunktion 65 7 Materialwirtschaftliches Optimierungsproblem 71 85 8 „Klassische“ Materialwirtschaft: Zentrale Leitung 9 „Klassische“ Materialwirtschaft: Dezentrale Leitung 85 10 Funktionstrennung der Arbeitsvorbereitung zwischen Fertigungs- und Materialwirtschaft 88 11 Funktionstrennung des Vertriebs zwischen Absatzund Materialwirtschaft 90 12 Organisationsmodell „Einkauf und Logistik“ 95 13 Eingliederung der (integrierten) Materialwirtschaft in die Unternehmensstruktur der BERU AG 97 14 Eingliederung der Unternehmenslogistik in den Vorstandsbereich Produktionstechnische Integration/Unternehmenslogistik der BMW AG 100 15 Organisationsstruktur eines BMW Werks (Beispiel Dingolfing) 101 102 16 Werkslogistik als Matrixorganisation 17.1 Stellen- und Abteilungsgliederung des Einkaufs nach objekt- und verrichtungsorientierten Gesichtspunkten 107
VIII
17.2 18 19 20.1 20.2 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34.1 34.2 35 36.1 36.2 37 38 39.1 39.2
Aufgabengliederung des Einkaufs in strategische und operative Organisationseinheiten Organigramm des gestaltenden Einkaufs in der Alfred Teves GmbH, Werk Rheinböllerhütte nach Einführung einer Produktlinienorganisation Stellen- und Abteilungsgliederung der Lagerwirtschaft nach objekt- und verrichtungsorientierten Gesichtspunkten Gemischt zentral/dezentraler Einkauf bei der Beiersdorf AG - eine Übersichtsgrafik Organisation Zentraleinkauf bei der Beiersdorf AG Interdisziplinäre Zusammenarbeit (Beispiel aus der Praxis) Einkauf im Prozess der Produktentwicklung und Materialversorgung im Philips-Konzern Material- und Informationsfluss Die Materialkontrollrechnung im Datenfluss der Materialwirtschaft Normenarten Nummerungsarten nach DIN 6763 Aufgaben von Nummern nach DIN 6763 Nummerungssystem eines SB-Marktes Nummerungssystem einer Werft Ausstattung eines Arbeitsplatzes im Einkauf Ergebnis der ABC-Analyse in einer Großhandelsgesellschaft (Lorenz-Kurve) Lorenz-Kurven für verschiedene Branchen Anteil der umsatzstärksten 20 % aller Artikel in Prozent (aus Artikel-Umsatz-Statistik) XYZ-Analyse: Klassifizierung der Teile nach der Vorhersagegenauigkeit (Beispiel aus der Praxis) Portfolio-Analyse: Materialportfolio Bausteine der Beschaffungsmarktforschung Ablauf einer Make-or-Buy-Grundsatzentscheidung in einem Großunternehmen Make-or-Buy-Entscheidungskriterien Outsourcing von C-Teilen: Kapazitätsgewinn für Einkauf und Logistik (Beispiel aus der Praxis) Organisation des Materialgruppenmanagement (Beispiel aus der Praxis) Ablauf der Beschaffungsplanung Ablauf der EK-Verrechnungswertbildung (Beispiel aus der Praxis)
111 113 117 121 122 127 128 134 135 148 151 152 154 154 160 174 175 176 182 186 194 210 211 218 221 228 230
IX
40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68
X
Just-in-Time-Bereitstellungsstrategie - Planungsund Abwicklungsrhythmus bei VW, Wolfsburg Lieferantenreduzierung durch Modular Sourcing (Beispiel aus der Praxis) Lieferantenpolitik auf der Grundlage einer Portfolio-Analyse: Global contra Local Sourcing (Beispiel aus der Praxis) Dispositionssystem mit angrenzenden Informationskreisen Zusammenstellung der Materialbedarfsarten Vorlaufzeiten Betriebskalender Methoden der Bedarfsermittlung Aufbau eines Feuerzeuges (Beispiel aus der Praxis) Strukturstückliste für ein Feuerzeug (Beispiel aus der Praxis) Struktur des Erzeugnisses E1 (schematisch) Gozinto-Grafen des Erzeugnisses E1 Mengenstückliste zum Erzeugnis E1 (schematisch) Strukturstückliste des Erzeugnisses E1 (schematisch) Baukastenstückliste des Erzeugnisses E1 (schematisch) Beziehungen zwischen Stücklisten und Teileverwendungsnachweis Analytische Stücklistenauflösung mit EDV Zeitliche Verteilung des Bedarfs entsprechend dem Fertigungsablauf (schematisch) Stücklistenauflösung nach Fertigungsstufen Stücklistenauflösung nach Dispositionsstufen Synthetische Stücklistenauflösung mit EDV Tabelle und grafische Darstellung einer Zeitreihe Auswirkungen der Datenmenge auf die Vorhersage Auswirkungen der Periodenlänge auf die Verbrauchsschwankungen Prognosemodelle Die Vorhersage in Abhängigkeit von den Lebensphasen eines Erzeugnisses Der Einfluss des Glättungsfaktors Alpha auf die Gewichtung der Vergangenheitswerte Die Standardabweichung als Maß für die Qualität der Vorhersage Zusammenstellung der Dispositionsverfahren
238 254 257 273 278 280 281 284 289 290 291 292 293 294 295 296 298 300 301 303 305 309 310 311 313 317 328 338 344
69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96
Plangesteuerte Disposition (Brutto- und Nettobedarfsermittlung) Abwicklung der Nettobedarfsrechnung (schematisch) Verbrauchsgesteuerte Disposition und Bestellmengenrechnung Bestellpunktverfahren unter konstanten Bedingungen („Sägezahnkurve“) Bestellpunktverfahren bei Bedarfsschwankungen Zusammenstellung der Lagerhaltungsstrategien Abweichungssignale zum Erkennen von Strukturbrüchen bei stochastischer Bedarfsvorhersage mit Anpassung der Prognose Bestimmung des Soll- und Ist-Eindeckungstermins Kontrollrechnungen während der Bestellterminrechnung Bedarfsverlauf mit geringen Schwankungen: Andlersche Bestellmengenrechnung Bedarfsverlauf mit starken Schwankungen: Dynamische Bestellmengenrechnung Bestellmenge und durchschnittlicher Lagerbestand Grafische Darstellung der optimalen Bestellmenge Unsicherheiten in der Materialdisposition Abhängigkeit der Kapitalbindungskosten vom Servicegrad Gaußsche Normalverteilung und MAD's Der Beschaffungsprozess Richtlinie zur Anfrageintensität Der erweiterte Angebotsvergleich - Kriterien der Beschaffungsentscheidung Ideenbaum - Auswahlkriterien zur Lieferantenbeurteilung Lieferantenauswahl und Lieferantencontrolling im System der Lieferantenbewertung Lieferanten-Schwachstellenanalyse - Maßnahmenplan zur Lieferantenentwicklung ABC-Verteilung der Bestellfälle Lagerstufen in einem Industriebetrieb ABC-Belegungsstrategien Funktionsablauf und Informationsfluss im Wareneingang (konventionell durch Belege) Material- und Informationsfluss in Wareneingang und Qualitätssicherung Informationen der Qualitätskontrolle für die Lieferantenbeurteilung
349 353 359 362 363 366 375 381 385 392 393 399 403 424 426 434 454 466 468 485 487 502 524 552 570 579 582 589
XI
97 98.1 98.2 99 100 101 102 103 104 105 106
Online-Dialog- und Batch-Programme der Lagerbuchhaltung Inventurbewertungsliste Inventurzählliste Lagerstrukturanalyse in einem Handelsunternehmen Lagernutzungsgrad Eigenfertigung oder Fremdbezug bei freier Kapazität Lagerorte im Lagerbereich Stellenbildung im Einkauf (Beispiel aus der Praxis) Lieferanten-Marktmacht-Portfolio (Lieferantenportfolio) Eigenfertigung oder Fremdbezug bei zusätzlichen Investitionen - Kostenkurven Methoden und Verfahren der Entsorgung (Übersichtsgrafik)
601 604 607 612 616 674 688 695 698 701 719
Verzeichnis der Tabellen Lfd. Nr. Bezeichnung Seite 1.1 Materialaufwand und Personalaufwand an der Gesamtleistung ausgewählter Branchen der verarbeitenden Industrie 50 1.2 Bedeutung der Vorräte in den Bilanzen ausgewählter Branchen der verarbeitenden Industrie 54 2 Standard-Textnummernkreise (SAP, Systembeschreibung) 159 3 Artikel-Aufstellung einer Großhandelsgesellschaft nach absteigenden Umsätzen 173 4 Ergebnis der ABC-Analyse in einer Großhandelsgesellschaft 173 5 ABC-Analyse und Bestellplanung 180 6 Kombination der ABC- mit der XYZ-Analyse 184 7 Brutto- und Nettobedarfsrechnung 279 8 Materialbedarfsermittlung aufgrund Produktionsplan und Mengenübersichtsstückliste 299 9 Gleitende Mittelwertbildung und Ermittlung der Gesamtvorhersage bei einer festgelegten Lieferbereitschaft 321 10 Exponentielle Glättung 1. Ordnung und Ermittlung der Gesamtvorhersage bei einer festgelegten Lieferbereitschaft 326 11 Nettobedarfsrechnung für Baugruppe und Komponentenbedarf 355 12 Tabellarische Ermittlung der optimalen Bestellmenge nach der Andler-Formel 406
XII
13 14 15 16 17 18 19 20 21
Ermittlung der optimalen Bestellmenge nach dem Verfahren der gleitenden wirtschaftlichen Bestellmengenrechnung Ermittlung der optimalen Bestellmenge nach dem Kostenausgleichsverfahren (ohne Look-ahead) Ermittlung der optimalen Bestellmenge nach dem Kostenausgleichsverfahren (mit Look-ahead) Ermittlung der optimalen Bestellmenge nach dem Stück-Perioden-Ausgleichsverfahren Sicherheitsfaktoren für unterschiedliche Servicegrade bei normalverteilten Vergangenheitswerten Kalkulationsmatrix für Preiserhöhungen (Vereinfachtes Beispiel aus der Praxis) Lieferantenbewertung - Bewertungsübersicht (Ausdruck) Lieferantenbewertung - Punktbewertungsverfahren Stichprobeninventur - Erfahrungswerte
415 417 418 420 435 478 498 499 613
Verzeichnis der Formulare/Listenausdrucke 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19
Kanban-Steuerkarte (Beispiel aus der Praxis) Fragen zur Entsorgung Dispo-Karten-Liste (PPS-Anwendung) Maschinelle Bestellpunktdisposition Dispositionsstammdaten (SAP R/3-Anwendung) Listenausdruck „Bedarfs- und Bestandsanalysen“ Dispositionsliste Anforderung für ein Investitionsgut an den Einkauf Bestellvorschlag (SAP-Anwendung) Anfrage Angebotszusammenstellung und -vergleich (Beispiel aus der Praxis) Lieferantenfragebogen für A-Lieferanten Lieferantenbeurteilung - Checkliste Wirtschaftlichkeit Verhandlungsprotokoll Bericht für die Geschäftsleitung VDI/AWF-Materialflussbogen Inventurrichtlinie - Bewertungsgrundsätze Beobachtungsbogen zur Überprüfung des Transportsystems XYZ-Analyse - Sortierung der Bedarfe (Listenauszug) Listenausdruck: Dispositionsparameter - Änderungsdienst
242 263 354 364 376 387 459 461 463 482 490 492 507 540 573 605 622 672 677
XIII
20 21 22 23 24 25
Komprimierte Dispositionsliste Bewertungsbogen zur Lieferantenbeurteilung Einkaufsbedingungen Losgrößenverfahren - Auszug aus einem Benutzerhandbuch Vordruck zur Berechnung der optimalen Losgröße nach dem Stück-Perioden-Ausgleichsverfahren Abwehr von Preiserhöhungen (Standardtext)
681 684 686 707 712 716
Verzeichnis der Beispiele Lfd. Nr. Bezeichnung Seite 1 Praxisbeispiel zur Aufgabentrennung der Beschaffungsfunktion 32 2 Praxisbeispiel für eine einkaufspolitische „Grundsatzrichtlinie“ 39 3 Zahlenbeispiel zur Erfolgswirksamkeit von Materialkosteneinsparungen 51 4 Praxisbeispiel zur Gesamtkostenbetrachtung 56 5 Allgemeines Beispiel zum Optimierungsproblem 70 6 Praxisbeispiel zur Organisationsform einer integrierten Materialwirtschaft 91 7 Praxisbeispiel für die Eingliederung der integrierten Materialwirtschaft 97 8 Praxisbeispiel für die Eingliederung der Unternehmenslogistik auf Vorstandsebene 98 9 Praxisbeispiel zur Gliederung in gestaltende Aufgaben 112 10 Praxisbeispiel zum gemischt zentral/dezentralen Einkauf in einer Spartenorganisation 121 11 Praxisbeispiel zur organisierten Zusammenarbeit zwischen Einkauf und Entwicklung/Konstruktion 129 12 Praxisbeispiel zu den Aufgaben eines Informationssystems 134 13 Allgemeines Beispiel zur Definition notwendiger 137 Informationen 142 14 Praxisbeispiel zum Einkaufshandbuch 15 Praxisbeispiel zur Schriftgutanalyse 155 16 Praxisbeispiel zur Durchführung einer ABC-Analyse 172 17 Allgemeines Beispiel zur Anwendung der ABC-Analyse 179 18 Allgemeines Beispiel zur Wertanalyse 201 19.1 Praxisbeispiel zur systematisch betriebenen Wertanalyse 202 19.2 Praxisbeispiel zur Wertanalyse mit Lieferanten 203
XIV
20.1 20.2 21.1 21.2 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41
Praxisbeispiel zum Outsourcing von C-Teilen Praxisbeispiel zur MaterialgruppenmanagementOrganisation Praxisbeispiel zum JiT-Planungs- und Abwicklungsrhythmus Praxisbeispiel zur Kanban-gesteuerten Materialversorgung durch Lieferanten Allgemeines Beispiel zur Begriffserklärung (Primär- und Sekundärbedarf) Zahlenbeispiel zur Brutto- und Nettobedarfsrechnung (Einführungsbeispiel) Allgemeines Beispiel zur Verwendungsproblematik der Mengenübersichtsstückliste Zahlenbeispiel zur Ermittlung der Gesamtvorhersage auf der Basis der gleitenden Mittelwertbildung Zahlenbeispiel zur Ermittlung der Gesamtvorhersage auf der Basis der exponentiellen Glättung 1. Ordnung Zahlenbeispiel zur periodischen Ermittlung des Alphawertes Zahlenbeispiel zur exponentiellen Glättung 2. Ordnung Zahlenbeispiel zur Nettobedarfsrechnung für Baugruppe und Komponentenbedarf Zahlenbeispiel zur Bestellpunktrechnung Zahlenbeispiel zum Bestellrhythmusverfahren Praxisbeispiel zur Auswahl und selektiven Anwendung der deterministischen, stochastischen und Mindestbestandsdisposition Zahlenbeispiel zur Bestellterminrechnung Zahlenbeispiel zur Kontrollrechnung Praxisbeispiel zur Bestelltermin- und Kontrollrechnung Zahlenbeispiel zur Berechnung des Lagerhaltungskostensatzes Zahlenbeispiel zur Berechnung der optimalen Bestellmenge und Bestellhäufigkeit Zahlenbeispiel zur Abhängigkeit der Gesamtkosten der Beschaffung von der Bestellhäufigkeit Allgemeines Beispiel zu Restriktionen bei der Bestellmengenoptimierung Zahlenbeispiel zur Berechnung des Mindestrabattsatzes Zahlenbeispiel zur Berechnung der optimalen
216 219 237 244 276 278 299 320 325 329 333 354 361 368 372 382 384 386 398 404 405 407 409
XV
42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56.1 56.2 57 58
59 60 61
XVI
Bestellmenge mithilfe des gleitenden wirtschaftlichen Bestellmengenverfahrens Zahlenbeispiel zur Berechnung der optimalen Stück-Tage Praxisbeispiel zum Stück-Perioden-Ausgleichsverfahren Zahlenbeispiel zum Einfluss des Servicegrades auf die Verfügbarkeit Zahlenbeispiel zum gleitenden Sicherheitsbestand Praxisbeispiel zur Optimierung des Sicherheitsbestandes Praxisbeispiel zur Aussagefähigkeit der Umschlagshäufigkeit Zahlenbeispiel zur Berechnung der Lagerdauer und Reichweite Praxisbeispiel zum EDV-Bestellvorschlag Praxisbeispiel zur Regelung der Anfrageintensität und der Dokumentation Praxisbeispiel zur Preisstrukturanalyse Praxisbeispiel zur Lieferantenbewertung auf Basis eines Notensystems Allgemeines Beispiel zur Lieferantenbewertung auf der Basis eines Punktbewertungsverfahrens Praxisbeispiel zur Vereinbarung einer Preisgleitklausel Allgemeines Beispiel zur wertmäßigen abgestuften Rechnungsprüfung Praxisbeispiel zum Festplatzsystem als Lagerordnungsprinzip Praxisbeispiel zur chaotischen Lagerhaltung Allgemeines Beispiel zur konventionellen Abwicklung im Wareneingang Praxisbeispiel zur DV-gestützten Abwicklung im Wareneingang bei Ausschöpfung von Rationalisierungspotenzialen durch Outsourcing der Handteilelager Zahlenbeispiel zur Berechnung des Durchschnittspreises Praxisbeispiel zur Stichprobeninventur Allgemeines Beispiel zur Berechnung des Raumnutzungsgrades
413 419 421 428 431 433 438 439 460 467 477 496 499 522 533 563 567 579
580 603 611 617
Verzeichnis der Abkürzungen AbfG
Gesetz über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen (Abfallgesetz)
AGB
Allgemeine Geschäftsbedingungen
AQL
Acceptable Quality Level
B2B
Business to Business
BME
Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik
BS
British Standards
CEN
Europäischer Normenausschuss
cif
cost, insurance, freight
CPT
Carriage Paid To (frei Haus)
CRM
Customer Relationship Management
DFÜ
Datenfernübertragung
DIN
Deutsche Industrie-Norm
DAN
Deutscher Normenausschuss
EC
European Community
EDI
Electronic Data Interchange
EN
Europäische Normen
ERP
Enterprise Resource Planing
FMEA
Fehler-Möglichkeit-Einfluss-Analyse
fob
free on board
IHK
Industrie- und Handelskammer
XVII
Incoterms
International Commercial Termes
IPO
International Purchasing Office
ISO
International Organisation for Standardisation
KrW-/ AbfG
Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen
KSM
Key Supplier Management
KVP
Kontinuierlicher Verbesserungsprozess
MAD
Medium Absolute Deviation (mittlere absolute Abweichung)
RKW
Rationalisierungs- und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft
SCM
Supply Chain Management
SLVS
Speditions-Lager-Versicherungsschutz
SRM
Supplier Relationship Management
TDM
in tausend DM
TEUR
in tausend Euro
TQM
Total Quality Management
VDA
Verband der Automobilindustrie
VDI
Verein Deutscher Ingenieure
VDMA
Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau
XVIII
Was im Verkauf nicht verdient werden kann, muss durch die Materialwirtschaft gespart werden.
Vorwort zur neunten Auflage Die ausgesprochen positive Aufnahme der achten Auflage hat mich gleichwohl von einer sorgfältigen Vorbereitung der nunmehrigen neunten Auflage nicht abgehalten. Dabei liefen die Bemühungen nicht nur darauf hinaus, dem schwer beizukommenden Fehlerteufel den hoffentlich endgültigen Garaus zu machen. Vielmehr wurden auch statistische Daten aktualisiert, Vertragsmuster ausgetauscht und einige Praxisbeispiele überarbeitet, obwohl auch Beispiele älteren Datums für viele Unternehmen durchaus noch richtungsweisend sein dürften. Darüber hinaus wurden einige Trends in der Entwicklung von Einkauf und Logistik deutlicher markiert. Gründlich überarbeitet und ergänzt wurde auch das Stichwortverzeichnis, um dem interessierten Leser die Möglichkeit zu bieten, das Buch auch als Nachschlagewerk zu nutzen. Für die hilfreiche Unterstützung, die ich wie stets zuvor von vielen in der Lehre und in der Praxis tätigen Personen erhalten habe, möchte ich mich aufrichtig bedanken. Bad Wörishofen, im Herbst 2005
Vorwort zur achten Auflage Die moderne Management-Lehre der Materialwirtschaft ist vor allem durch folgende Erscheinungen geprägt: - Die Management-Sprache ist Englisch. - Die Denkweise ist funktions- und unternehmensübergreifend. - Die Vorgehensweise ist prozessorientiert. - Die Zielrichtung ist auf eine Verringerung der Gesamtkosten ausgerichtet.
5
Diese Denkansätze und Verhaltensweisen haben zu neuen Trends in Einkauf und Logistik beigetragen und zu einer Stärkung dieser Funktionen geführt. Der Gewinn an Wertschätzung bedeutet gleichzeitig auch einen Gewinn an neuen Aufgaben. Intensive Beobachtung und Einschätzung der Veränderungen auf dem Beschaffungsmarkt, neue Wege der Zusammenarbeit mit den Lieferanten, frühzeitige Einbindung in Produktentwicklungen und Beratung der internen Kunden sowie eine übergeordnete Verantwortung für die Supply Chain sind einige dieser neuen Aufgaben eines strategisch orientierten Einkaufs. Noch bevor die Bedeutung der integrierten Materialwirtschaft in allen Unternehmen erkannt und realisiert ist, werden neue Konzepte und neue Strategien erkennbar und zunehmend auch in der Praxis verwirklicht. Auch wenn man die häufig zur Mode gewordenen Schlagwörter und Trends auf ihren eigentlichen Kern reduzieren und Lösungen nach Maß erarbeiten muss, so waren die Facetten der „neuen“ Organisation doch in die vorliegende achte Auflage einzubeziehen. Alle Abschnitte wurden gründlich überarbeitet und ergänzt. Einige Teilabschnitte wurden neu gefasst. Der Rolle des strategischen Einkaufs und der ganzheitlichen Logistik wurde vermehrt Beachtung geschenkt. Neu aufgenommen wurden u.a. die Themenbereiche Centerorganisation, Teamorganisation, C-Teile Management, Kanban-Steuerung, Materialgruppenmanagement und Beschaffung durch Einkaufsdienstleister. Der Abschnitt Disposition wurde durchgängig mit dem SAP-Standard verglichen und ebenso um EDV-Anwendungen ergänzt wie der Abschnitt „Interne Logistik“. Darüber hinaus wurden alle praxisbezogenen Beispiele und Abbildungen hinsichtlich ihrer Aktualität kritisch beurteilt, aktualisiert oder ausgetauscht. Um den Erwartungen der Leser an dieses Standardwerk Rechnung zu tragen, wurden neue Beispiele und Abbildungen aufgenommen. Auch der Übungsteil wurde erweitert. Die neuen Stellenbeschreibungen und Vertragstexte im Anhang entsprechen den Bemühungen des Verfassers um eine gründliche und in sich abgeschlossene Überarbeitung dieser Auflage. Im übrigen wurde die bewährte Konzeption des Lehrbuches beibehalten. Das gilt vor allem auch für die Literaturangaben, die sich im Gegensatz zu dem leserunfreundlichen Trend - eine allgemeine Literaturübersicht zu geben - nach wie vor den entsprechenden Textstellen zugeordnet sind. Allen, die mich bei der Neugestaltung tatkräftig unterstützt haben, gebührt mein aufrichtiger Dank. Besonderen Dank schulde ich vor allem
6
auch allen Unternehmen, die mir die Genehmigung zur Veröffentlichung von Informationen und Unterlagen gaben. Für Anregungen und Verbesserungsvorschläge bin ich weiterhin dankbar. Überlingen, im Sommer 2001
Der Verfasser
Vorwort zur siebten Auflage Auch die siebte Auflage trägt den Titel Materialwirtschaft, obwohl manche Begriffe (Lean Production, Supply Management, Total Quality Management, Business Reengineering) aktueller wirken. Doch ist der Verfasser der Meinung, dass sich über alle kurzfristigen Modetrends hinaus die Beherrschung der Materialwirtschaft, die Beherrschung von Beschaffung und Logistik, auch in Zukunft als eine notwendige Voraussetzung erweisen wird, um im Markt bestehen zu können. Gleichwohl ist nicht zu verkennen, dass einige „neudeutsche“ Begriffe eine veränderte Grundeinstellung und Ausrichtung der Entscheidungsträger signalisieren. Daher erscheint auch die vorliegende Auflage in überarbeiteter und ergänzter Fassung. Einige Teilabschnitte wurden neu gefasst. Dadurch sollte auch dem vermehrten Einsatz der EDV in der Materialwirtschaft mittelständischer Unternehmen Rechnung getragen werden. Gleichzeitig schien es erforderlich, einige Tatbestände und Trends in der Entwicklung der Materialwirtschaft deutlicher zu markieren. Darüber hinaus wurden vor allem praxisbezogene Beispiele aus dem Themenbereich der Organisation aktualisiert. Schließlich wurde - verschiedenen Anregungen folgend - das Stichwortverzeichnis gründlich überarbeitet, um dem Leser das Arbeiten mit dem Buch nachhaltig zu erleichtern. Allen, die mich durch fachliche Kritik und Anregungen unterstützt haben, gebührt mein aufrichtiger Dank. Überlingen, April 1997
Der Verfasser
7
Vorwort zur sechsten Auflage Die Internationalisierung der Beschaffungsmärkte und die stetigen Veränderungen in Markt, Technik und Umwelt haben zu einer Renaissance der Beschaffungsmarktforschung geführt. Da die Leistungsfähigkeit des eigenen Unternehmens verstärkt von der Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit seiner Lieferanten mitbestimmt wird, gewinnen die Einkaufsentscheidungen an strategischem Gewicht. Vor allem diese Entwicklungen haben mich dazu veranlasst, einige Passagen der neuen Auflage zu aktualisieren und zu erweitern. Das gilt vor allem für die Ausführungen zur Beschaffungsmarktforschung und Lieferantenpolitik sowie zur Just-inTime-Bereitstellungsstrategie. Auch ist der Darstellung der ergebniswirksamen Schlüsselstellung der Materialwirtschaft im Unternehmen und ihrer gesamtwirtschaftlichen Bedeutung noch mehr Platz eingeräumt worden. Völlig neu sind die Themenbereiche Entsorgungspolitik, Bestandsmanagement, Einkaufscontrolling und Stichprobeninventur. Das Problem der Lieferantenbewertung wird eingehender als bisher erörtert, die marktorientierte Logistikorganisation nuancierter dargestellt. Die in dem Text neu aufgenommenen Abbildungen und Beispiele unterstützen und ergänzen die Ausführungen ebenso wie die dem Anhang hinzugefügte Einkaufsrichtlinie zur Entsorgung. Dem Lehrbuchcharakter der Arbeit entsprechend sind nicht nur alle Abschnitte mit Kontrollfragen versehen, sondern ein erheblich erweiterter Übungsteil ermöglicht eine eingehende Selbstkontrolle und Vertiefung des Stoffes. Der Übungsteil ist stärker als bisher in den Text integriert worden. Die neue Auflage ist durch die vielfältigen Ergänzungen noch umfangreicher geworden, zumal Kürzungen des Textes an anderer Stelle nicht zweckmäßig erschienen. Das zwischenbetriebliche Organisationsgefälle ist nicht erst durch die Unternehmen in den neuen Bundesländern eher größer statt kleiner geworden. Allen, die mich durch Kritik, Anregungen und Überlassung von Material unterstützt haben, bin ich zu aufrichtigem Dank verpflichtet. Kiel, August 1992
8
Der Verfasser
Vorwort zur fünften Auflage In der vorliegenden fünften Auflage wurden einige Fehler korrigiert und geringfügige Ergänzungen vorgenommen. Für weitere Verbesserungshinweise danke ich schon jetzt allen Lesern. Kiel, Oktober 1989
Der Verfasser
Vorwort zur vierten Auflage Die dritte Auflage erschien in wesentlich überarbeiteter und ergänzter Fassung. In der nunmehr vorliegenden vierten Auflage wurden zur Verbesserung des Verständnisses einige Unklarheiten behoben und (die offensichtlich unvermeidbaren) Fehler korrigiert. Auch erfolgte eine Vereinheitlichung der Nomenklatur und Schreibweise. Das Stichwortverzeichnis wurde präziser gefasst. Allen, die mich durch Kritik und Anregungen unterstützt haben, bin ich zu Dank verpflichtet. Mich würde es freuen, wenn auch diese Auflage wieder auf positive Resonanz stieße und zur sachlichen Kritik einlädt. Kiel, Februar 1988
Der Verfasser
Vorwort zur dritten Auflage Nach einem unveränderten Nachdruck der zweiten Auflage ist eine neue Auflage rasch notwendig geworden. Diese erscheint in überarbeiteter und ergänzter Fassung. Der Themenkreis ist durch Ausführungen zur Logistik, zur automatischen Textverarbeitung im Einkauf, zur Einkaufsorganisation, zur XYZ-Analyse, zur Bestelltermin- und dynamischen Bestellmengenrechnung sowie zur Lagerordnung erheblich erweitert worden. Weitere Abbildungen, Text- und Zahlenbeispiele, Tabellen und Formularbeispiele sowie Fragen zur Kontrolle und Vertiefung des Wissens wurden
9
aufgenommen. Dem Anhang hinzugefügt wurden zwei Vertragstexte zu Rahmenabkommen. Schließlich ist - dem Wunsch mancher Leser entsprechend - in die neue Auflage ein Übungsteil mit Aufgaben und Lösungen einbezogen worden. Insgesamt habe ich mich bemüht, dem anwendungsorientierten Charakter des Buches weiterhin gerecht zu werden und dem Praktiker wie dem Studenten eine realitätsnahe Übersicht über den materialwirtschaftlichen Problemkreis zu bieten. Für die vielfältige Unterstützung, die ich vor allem von Praktikern erhielt, danke ich sehr herzlich. Lüneburg, Oktober 1985
Der Verfasser
Vorwort zur zweiten Auflage Die erste Auflage des Buches wurde positiv aufgenommen, so dass für die notwendig gewordene zweite Auflage nur einige Korrekturen vorgenommen werden mussten. Der Verfasser hofft, dass das Buch weiterhin dazu beitragen kann, Studierenden und Praktikern den Stoff der Materialwirtschaft auf verständnisvolle Weise nahezubringen. Für Anregungen und sachliche Kritik bin ich weiterhin dankbar. Lüneburg, im Sommer 1982
Der Verfasser
Vorwort zur ersten Auflage Mit dem vorliegenden Buch habe ich mir zur Aufgabe gemacht, die organisatorischen, planerischen, dispositiven und kontrollierenden Aufgaben, die sich heute jeder Materialwirtschaft stellen, in verständlicher Form darzulegen. Besonders Wert wurde dabei auf eine didaktische Aufbereitung des umfangreichen Stoffes gelegt. So enthält das Buch
10
-
ein detailliertes Inhaltsverzeichnis 75 Abbildungen, 36 Text- und Zahlenbeispiele, 14 Tabellen, 14 Formularbeispiele über 180 Fragen zur Kontrolle und Vertiefung des Wissens einen Anhang mit Stellen- und Funktionsbeschreibungen.
Viele Beispiele wurden der Praxis entnommen, um dem Leser den Zugang zur Realität zu erleichtern. Das Buch will darüber hinaus Ideen und Erkenntnisse vermitteln, die mit dazu beitragen sollen, die der Materialwirtschaft gestellten Rationalisierungsaufgaben zu lösen. Es geht dabei um die Anpassung der Organisation an die dynamische Entwicklung der Märkte und der Technik, um die Verringerung der Kapitalbindung im Lager, um die Vermeidung unwirtschaftlicher Bestellmengen, um die Reduzierung von Kleinbestellungen und um die Vereinfachung der Disposition um nur einige der Probleme zu nennen, mit denen sich Industrie- und Handelsunternehmen ständig auseinandersetzen müssen. Wenn in diesem Buch zum gleichen Sachproblem oft mehrere und unterschiedliche Lösungsansätze aufgezeigt werden, so verdeutlicht dies die Vielseitigkeit der Problematik. Bei dem starken Wettbewerb, der heute auf den Absatzmärkten herrscht, muss in der Materialwirtschaft gespart werden, was im Verkauf nicht verdient werden kann. Die dazu in Betracht kommenden Hilfsmittel wie Wertanalyse, Beschaffungsmarktforschung, Normung und mathematischstatistische Verfahren zur Bedarfsermittlung und Bestellmengenrechnung werden in diesem Buch ebenso beschrieben wie die praktischen Möglichkeiten der Lieferantenbeurteilung und anderer Maßnahmen, die zur Kostensenkung führen. Die Seitenzahl der Arbeit sollte auf einen sinnvollen Umfang begrenzt bleiben. Es musste daher auf eine ausführliche Behandlung mancher Fragen - wie die der automatischen Informationsverarbeitung in der Materialwirtschaft und des Vertragsrechtes - verzichtet werden. Literaturhinweise im Text und eine umfangreiche Bibliografie dienen dem Eindringen des Lesers in diese und andere Spezialgebiete. Das Buch eignet sich insbesondere für Studenten der Fachhochschulen, aber auch für das Grundstudium der Wirtschaftswissenschaften an den Universitäten. Dem lernwilligen Praktiker will das Buch eine Hilfe bei seiner Aus- und Weiterbildung sein. Dem Materialwirtschaftler bietet es vielleicht die Möglichkeit, eine drittbeste Lösung durch eine zweitbeste zu ersetzen. Den Fachkollegen, insbesondere der Fachhochschule Kiel, sowie den Praktikern und Unternehmensberatern, die mir Gelegenheit zu Ge-
11
sprächen und die Genehmigung zur Veröffentlichung von Informationen und Unterlagen gaben, danke ich für eine Vielzahl wertvoller Anregungen. Besonderen Dank schulde ich Herrn G. Ebert, der es mit viel Verständnis für die Materie verstand, aus meinen flüchtigen Skizzen einprägsame Abbildungen zu gestalten. Viel Verständnis für meine Arbeit hat meine Familie aufbringen müssen, da das Buch ausschließlich in Heimarbeit entstand. Ich weiß nicht, wie ich meinen Dank in Worte kleiden soll. Für Anregungen und sachliche Kritik bin ich dankbar. Strande, im November 1977
12
Der Verfasser
Erster Abschnitt Grundlagen und Grundtatbestände der Materialwirtschaft
Das viele Jahrzehnte gegenüber Produktion und Absatz vernachlässigte Gebiet der Materialwirtschaft ist für die Praxis und Theorie bedeutsam geworden. Beeinflusst wurde diese Entwicklung vor allem durch die Tatsache, dass das Beschaffungsvolumen der meisten Unternehmen, durch Senkung der Fertigungstiefe mit steigender Tendenz, weit mehr als die Hälfte des Absatzvolumens ausmacht und die Kosten der Materialbewirtschaftung häufig 20 % des Warenwertes betragen. Einkauf und Logistik sind damit in zunehmendem Maße zum entscheidenden Hebel für das Unternehmensergebnis geworden. Darüber hinaus hat prozessorientiertes Denken vor allem zur Stärkung des Einkaufs beigetragen. Vor diesem Hintergrund erhebt sich die Frage, ob die Materialwirtschaft - ob Einkauf und Logistik - in geeigneter Weise organisatorisch im Unternehmen verankert sind. Offenkundig ist diese Frage trotz Veränderungen in der Denkweise und im organisatorischen Status nach wie vor nicht uneingeschränkt zu bejahen. Der Anpassungsprozeß vollzieht sich zwar stetig, aber nur langsam. Die Probleme, die sich stellen, sind im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass dieser Bereich im Spannungsfeld zwischen Absatz und Produktion liegt und ihm nicht immer eine in jeder Weise eindeutige Aufgabenstellung übertragen wird. Je nach Aufgabenumfang haben sich für die organisatorischen Einheiten in der Praxis unterschiedliche Bezeichnungen herausgebildet. Zur Klärung erscheint daher eine begriffliche Analyse und eine Analyse der materialwirtschaftlichen Aufgaben und Zielsetzungen angezeigt. Darüber hinaus wird in diesem Abschnitt deutlich gemacht, welche Schlüsselrolle Einkauf und Logistik für den Unternehmenserfolg angesichts steigender Wettbewerbsintensität zukommt.
1.
Begriff und Objekte der Materialwirtschaft
In der betriebswirtschaftlichen Literatur und Praxis gibt es für den Unternehmensbereich, der Gegenstand dieser Arbeit ist,
15
Es gibt eine Vielzahl von Begriffen
eine Vielzahl von Bezeichnungen. Beispiele dafür sind: Beschaffung, Einkauf, Materialwirtschaft, Warenwirtschaft, Logistik oder Supply Chain Management. Es ist daher sinnvoll, über die inhaltliche Bedeutung dieser Begriffe und ihrer praktischen Nutzanwendung etwas nachzudenken. Zur Beschaffung gehört nicht die Versorgung der Unternehmung mit Kapital, Arbeitskräften und Informationen z.B. über Provider im Internet
Wenn man davon ausgeht, dass der Beschaffungsmarkt aus drei Teilmärkten, dem Waren- und Dienstleistungsmarkt, dem Arbeitsmarkt und dem Geld- und Kapitalmarkt besteht, so könnte man den Beschaffungsbegriff relativ weit fassen und darunter die für den gesamten Leistungsprozess erforderlichen Investitionsgüter, Energien, Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, Halbfabrikate, Handelswaren, Dienstleistungen, Arbeitsleistungen, Finanzmittel und Rechte (Lizenzen und Patente) verstehen. Diese weite Begriffsfassung ist jedoch aus der Sicht der Praxis abzulehnen. Die Beschaffungsobjekte sind so verschieden, dass die Beschaffungsmaßnahmen anderen Unternehmensbereichen zugeordnet werden. Besonders die Beschaffung von Arbeitskräften und Finanzmitteln wirft arteigene Probleme auf, für deren Lösung der Personalbereich und der Finanzbereich verantwortlich sind.
Dienstleistungsgüter und Investitionsgüter sollten nicht durch beschaffungsfremde Stellen in Auftrag gegeben werden
Dienstleistungen wie Instandsetzungen, Transportleistungen Wartungs- und Handwerkerarbeiten, die eine Unternehmung nicht in Gestalt von Eigenleistungen erbringen kann oder will, müssen im Markt beschafft werden und gehören in die Zuständigkeit der Beschaffung. Allerdings ist hierbei die Mitwirkung der anfordernden Stellen (Bedarfsträger) für die technische Leistungsbeschreibung unumgänglich. Spezielle Leistungen wie die Bearbeitung eigenen Materials (z.B. von Rohlingen zu Drehteilen) durch fremde Unternehmen, die sog. verlängerte Werkbank, zählen zu produktionsorientierten Dienstleistungen mit Auswirkungen für den Materialfluss. Auch das Outsourcing, d.h. die Auslagerung von Fachgebieten außerhalb der Beschaffung (z.B. die Auslagerung der EDV oder des Kundendienstes), muss vertraglich von der Beschaffung sachgerecht und rechtlich einwandfrei gestaltet werden. Als unabdingbarer Grundsatz gilt, dass
16
kein Dienstleistungs- oder Outsourcingauftrag durch beschaffungsfremde Stellen erteilt wird. Eine Missachtung dieses Grundsatzes kann zu erheblichen Mehraufwendungen führen, wie viele praktische Beispiele zeigen. Auch die Beschaffung von Investitionsgütern wie Maschinen, maschinelle Anlagen und Ersatzteile, Gebrauchswerkzeugen und -vorrichtungen wirft Sonderprobleme auf, die vom Bedarfsträger zu lösen sind oder deren Lösung vorzubereiten ist. In der Praxis richtet sich die Form der Anforderung und die Art des Genehmigungsverfahrens nach Wert und Dringlichkeit der Investitionsgüterbeschaffung. Angebotseinholung und -auswertung, kaufmännische Verhandlungsführung, technische Verhandlung gemeinsam mit dem Bedarfsträger, Vertragsabschluss und -abwicklung sind auch hier in jedem Fall Aufgaben der Beschaffung! Nach der hier vorgenommenen Abgrenzung umfasst die Beschaffungsfunktion die Versorgung des Betriebes mit Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen sowie Zulieferteilen (fremdbezogenen Vorprodukten), 1 Handelswaren und Energien. Diese Einengung des Beschaffungsbegriffes erscheint sinnvoll, weil die Beschaffung von Dienstleistungen und Betriebsmitteln (Investitionsgütern) in der Regel nach Prinzipien erfolgt, die für den materialwirtschaftlichen Bereich nicht in der gleichen Weise Gültigkeit haben. Die Beschaffung der Materialien und Handelswaren wirft kontinuierliche oder periodisch wiederkehrende Probleme auf. Sie stehen im Vordergrund dieser Arbeit. Bei der Beschaffung von Dienstleistungen, vor allem aber bei der Anschaffung von Investitionsgütern sind in der Regel aperiodisch oder einmalig Entscheidungen zu treffen. Als Beschaffungsobjekte des periodischen Bedarfs verbleiben also die Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe (einschließlich Ener-
1
Es handelt sich dabei um die sog. industriellen Einsatzstoffe.
17
Definition der Beschaffungsobjekte des periodischen Bedarfs
gien), fremdbezogene Fertigteile und Handelswaren, die wie folgt zu definieren sind: 1 (1) Rohstoffe: Hierzu gehören alle Stoffe, die unmittelbar in das Fertigerzeugnis eingehen und dessen „materiellen“ Grundcharakter bestimmen (z.B. das Holz bei der Möbelherstellung). Dabei können die Enderzeugnisse eines Unternehmens Rohstoffe des nachgeschalteten verarbeitenden Unternehmens sein (z.B. Garn für die Weberei, Bleche für die Automobilindustrie). (2) Hilfsstoffe: Sie gehen wie die Rohstoffe ebenfalls in das Fertigerzeugnis ein, haben aber nur „akzessorischen“ Charakter (z.B. Leim, Nägel, Lack bei der Möbelherstellung). Verpackungsmaterialien (Kartons, Packpapier usw.) rechnen in der Regel zu den Hilfsstoffen. (3) Betriebsstoffe: Diese bilden selbst keinen Bestandteil der Fertigerzeugnisse, sondern werden bei der Herstellung der Erzeugnisse verbraucht (z.B. Schmiermittel, Energie). Zu den Betriebsstoffen zählen nicht aktivierungspflichtige Ersatz- und Verschleißteile für Maschinen und Anlagen, auch Büro- und Betriebsmaterialien aller Art sowie evtl. nicht erzeugnisgebundene Werkzeuge (z.B. Normwerkzeuge wie Spiralbohrer, Fräser, Sägeblätter usw.), auch wenn sie nicht unmittelbar der Leistungserstellung dienen (z.B. Schreib- oder Reinigungsmittel). (4) Zulieferteile: Diese haben, soweit sie durch Vor- oder Endmontage in das Erzeugnis eingehen, im Grunde die Eigenschaft von Rohstoffen. Dazu rechnen Normteile (z.B. Schrauben und Muttern, Stifte und Bolzen) oder einbaufertige Elemente.
1
Die Unterscheidung interessiert nicht nur von der warenkundlich-technischen Seite her, sondern beeinflusst unter dem Gesichtspunkt der Wertigkeit der einzelnen Materialarten die Beschaffungs- und Vorratspolitik.
18
Durch Reengineering der Serienfertigung und Konzentration auf leistungsfähige Lieferanten sind neue Kategorien technisch komplexer, einbaufertiger Elemente entstanden, die in der Montage zugeführt werden. Die Sichtweise ist in der Industrie noch unterschiedlich. Am Beispiel der BMW AG finden sich folgende Definitionen: - Baugruppe Allgemein nach DIN 40/150 eine Zusammenfassung von Elementen in einer höheren Betrachtungsebene zu einer noch nicht selbständig verwendbaren Betrachtungseinheit. BMW-spezifisch betrachtet ein Zusammenbau aus zwei oder mehr Teilen. Synonym gebrauchte Begriffe sind Funktionsgruppe, Zusammenbauteil oder Komponente. - Modul Das Produkt ist ein einbautechnisch abgrenzbarer, vormontierter Teileumfang, das ein Projektteam im Produktentstehungsprozess entwickelt, kontinuierlich verbessert und steuert. Beispiele: Cockpit, Sitze, Türen, Vorder-/Hinterachse, Antriebsstrang, Heiz-/Klimaanlage. - System Ein funktional abgrenzbarer, komplexer Teileumfang. Beispiele: Rückhaltesystem, Belüftungssystem, Lenksystem, Bremssystem, Beleuchtungssystem, Schließsystem, Elektriksystem, Informations- und Kommunikationssystem. - Zur Abgrenzung Modul - System 1 System und Modul sind in der Regel verschieden. Beispiele: - Das Modul „Türen“ enthält Bestandteile des Schließsystems, des Elektriksystems, des Kommunikationssystems. - Das Modul „Cockpit“ enthält Bestandteile des Belüftungssystems, des Informationssystems, des Rückhaltesystems.
1
Zur Problematik der Abgrenzung zwischen Modulen und Systemen siehe u.a. U. Arnold, Beschaffungsmanagement, 2. Auflage, Stuttgart 1997, S. 100 f.
19
(5) Handelswaren: In Industriebetrieben nehmen Handelswaren unter den zu beschaffenden Gütern eine Sonderstellung ein. Sie dienen der Ergänzung des Angebots und werden unverarbeitet weiterverkauft. Es kann sich dabei um Komplementärartikel, um Zubehör, um sortimentserweiternde oder um völlig fremde Artikel handeln. Eine Sonderstellung nehmen zugekaufte Ersatzteile für eigene Produkte ein, die zur Versorgung der Kunden dienen (z.B. Ventile als Ersatzteile für Pumpen). Diese Güter des periodischen und des laufenden Bedarfs erfordern ein anderes Vorgehen bei der Markterkundung und dem Beschaffungsvorgang als einmalig oder selten zu beschaffende Güter. Abgrenzung der Begriffe Einkauf und Beschaffung
Wie sind nun die Begriffe „Einkauf“ und „Beschaffung“ von einander abzugrenzen? In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass Definition und Abgrenzung dieser – wie auch anderer – Begriffe nicht losgelöst von der Entwicklung der Märkte betrachtet werden kann. Kosten- und Wettbewerbsdruck haben ohne Zweifel dazu beigetragen, dass die Aufgabenstellung von Einkauf und Beschaffung neue und deutlich voneinander abgrenzbare Konturen erhielt. Jedenfalls ist erkennbar: Beschaffung und Einkauf sind nicht als synonyme, das heißt austauschbare Begriffe zu interpretieren! Sprachlich bedeutet beschaffen „sich einer Sache bedienen“ und diese „zur Verfügung zu stellen“. Der Beschaffungsbegriff ist also als eine vom dispositiven Denken geprägte Versorgungstätigkeit zu definieren, die auch in dem Begriff Beschaffungslogistik zum Ausdruck kommt. Da Einkäufer den Beschaffungsbegriff häufig ablehnen, wird statt dessen – unabhängig vom Aufgabenumfang – die Bezeichnung „operativer“ Einkauf bevorzugt.
Der strategische Einkauf ist eine marktorientierte Funktion
In der Unternehmenspraxis hat sich eine neue Rollenverteilung zwischen dem operativen Einkauf, der unmittelbar bedarfsde-
20
ckend eine „Sache zur Verfügung stellt“, und den Kernaufgaben des „strategischen“ Einkaufs herauskristallisiert. 1 Nach moderner Auffassung ist der (strategische) Einkauf - in Analogie zum Verkauf(smarketing) - eine marktorientierte Funktion, der eine unternehmensstrategische Bedeutung zukommt. Um effizient im Markt agieren zu können, muss er frühzeitig in die Prozesskette von der Produktidee bis zum Kundendienst (After Sales Service) eingebunden werden. 2 Die vielfältigen Aktivitäten, die mit der Beschaffung und Bevorratung von Materialien zusammenhängen, werden in der Regel unter dem Oberbegriff Materialwirtschaft zusammengefasst. Dieser Begriff macht auf das „wirtschaftliche Umgehen mit Material“ aufmerksam. In dieser Hinsicht geht der Begriff Materialwirtschaft weiter als die oben besprochenen Begriffe, indem er den ganzen Materialfluss vom Lieferanten über die Warenannahme, Warenprüfung, Lagerung und Transport bis zum Bedarfsträger umfasst. Diese Begriffsfassung führt zu der Formel:
•
Materialwirtschaft als Oberbegriff (enge Begriffsfassung)
Materialwirtschaft = Beschaffung + Lagerung (B) (klassisch) + Bewegung (TB)
wobei B = Beschaffungslager und T = Transport bedeuten, TB demnach den innerbetrieblichen Materialtransport vom Werkseingang bis zum Beschaffungslager einschließlich Bereitstellung für die Fertigung kennzeichnet. Bedeutungslos ist in diesem Zusammenhang, ob der Begriff Material- oder Warenwirtschaft benutzt wird, wenn man von der praxisnahen Überlegung ausgeht, dass die Aufgaben jeweils „wirtschaftlich“ zu erfüllen sind. Trotzdem wird in Industriebetrieben gern der Begriff Materialwirtschaft verwendet, während in Unternehmungen mit überwiegendem Handelsanteil eher der Begriff Warenwirtschaft üblich ist.
1 2
Vgl. Abbildung 17 b im zweiten Abschnitt als Praxisbeispiel. Siehe auch in diesem Abschnitt unter Ziffer 3.2.1.
21
Warenwirtschaft ist begrifflich identisch mit Materialwirtschaft
Materialwirtschaft erweiterte Begriffsfassung
Die „klassische“ beschaffungs- und lagerorientierte Materialwirtschaft hat im Allgemeinen nur die Verantwortung für das bezogene Material bis zur Bereitstellung für die Fertigung, ungeachtet der Tatsache, dass materialbezogene Funktionen auch in anderen Bereichen einer Unternehmung ausgeübt werden. Es überrascht daher nicht, wenn eine Erweiterung des klassischen Terminus Materialwirtschaft schon Anfang der siebziger Jahre zur Diskussion gestellt wurde. So definierte Steinbrüchel 1 die Materialwirtschaft als jenen „betriebsmittelorientierten Funktionsbereich einer Unternehmung, der die Probleme von Beschaffung, Verwaltung und Verteilung des Materials durch die Unternehmung umfasst“. Entscheidendes Merkmal dieser Definition ist die Einbeziehung der Funktionen Materialbewegung - der Bewegung der Materialien im Unternehmen, hauptsächlich zwischen Vorrats- und Fertigungsstellen - und Materialverteilung der Verteilung der Fertigerzeugnisse an die Abnehmer (Kunden, eigene Abnehmer) in die Materialwirtschaft. So gesehen ist die Materialwirtschaft das Versorgungssystem der Unternehmung vom Lieferanten bis zum Kunden über alle Wertsteigerungsstufen der Unternehmung. Die Kurzformel für diese erweiterte Begriffsfassung lautet somit:
•
Materialwirtschaft = Beschaffung + Lagerung (erweitert) + Bewegung (T) + Verteilung
wobei T = Transport bedeutet. Materialwirtschaft als Integrationsform
Durch den Zusatz von „T“ soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die Bewegungsfunktion nur alle Funktionen des physischen Transports von Gütern zwischen den einzelnen Lagerund Fertigungsstellen erfasst, nicht aber die mengen- und termingemäße Steuerung der Materialbewegung durch die Pro1
M. Steinbrüchel, Die Materialwirtschaft der Unternehmung, Bern 1971, S. 13. Vgl. auch P. Horvath, Materialwirtschaft, in: K.H. Engel, Hrsg., Handbuch der neuen Techniken des Industrial Engineering, 2. Auflage, München 1972, S. 1125.
22
duktion, für die in einem Industriebetrieb die Fertigungssteuerung zuständig ist. Wenn man - wie nachfolgend noch näher ausgeführt - davon ausgeht, dass die Materialwirtschaft gegenüber dem Verkauf oder dem Kunden eine hohe Lieferbereitschaft bei geringer Kapitalbindung durch Bestände gewährleisten soll, dann muss man ihr jedoch auch das Instrumentarium der terminlichen Steuerung der Fertigungsaufträge mit der eventuell notwendigen Festlegung der Bearbeitungsfolgen anvertrauen. 1 Es ist daher folgerichtig, wenn man die Funktion der Materialbewegung um die Steuerung des Materials durch die Produktion erweitert und so zu einer integrierten Materialwirtschaft kommt. Diese neuzeitliche Materialwirtschaft wollen wir definieren als die Gesamtheit aller materialbezogenen Funktionen, die sich mit der Versorgung des Betriebes und des Marktes sowie der Steuerung des Materialflusses von den Lieferanten durch die Unternehmung bis zu den Kunden befassen. Die Formel für diese Materialwirtschaft lautet:
•
Materialwirtschaft = Beschaffung + Lagerung (integriert) + Bewegung (T + F) + Verteilung
wobei F = Fertigungssteuerung bedeutet. Abbildung 1.1 verdeutlicht das System der integrierten Materialwirtschaft, wobei drei Lagerstufen angenommen werden, wie es in einem Industriebetrieb der Normalfall ist. Das Schaubild lässt zugleich klar erkennen, dass diese Konzeption aufbauorganisatorisch die Eingliederung der Fertigungssteuerung und der Warenverteilung (Versanddisposition und -durchführung) in die Materialwirtschaft notwendig macht. 2 Zugleich wurde in der Abbildung bewusst das Beschaffungsmarketing - siehe dazu auch unter Ziffer 2 in diesem Abschnitt - von den verwaltenden (dispositiven) Tätigkeiten der Beschaffung abgegrenzt. 1
Vgl. H.F. Busch, Einführung in das Materialmanagement, Hrsg.: BME, Wiesbaden (o.J.), S. 42. 2 Siehe dazu ausführlich unter Ziffer 1.1.3 im zweiten Abschnitt.
23
Auch wenn wir im Rahmen unserer Abhandlung die Materialwirtschaft im Wesentlichen der engen Begriffsdefinition entsprechend darstellen, so kann doch nur die umfassende Betrachtungsweise, die vom BME etwa Mitte der achtziger Jahre übernommen wurde, eine vor allem für die Industrie zukunftsweisende Orientierung ermöglichen, da sie den gesamten Wertschöpfungsprozess im Blickfeld hat. 1 Supply Chain Management: Unternehmensübergreifendes Optimierungskonzept
Supply Chain Management (SCM) ist - konzeptionell betrachtet - als eine konsequente Weiterentwicklung der integrierten Materialwirtschaft - von Einkauf und Logistik (s.u.) - zu betrachten, indem nicht nur die nach innen gerichtete Optimierung der Unternehmensorganisation, sondern die ständige Optimierung der gesamten Wertschöpfungskette vom Lieferanten des Lieferanten (Vorlieferanten) bis zum Kunden des eigenen Kunden (Endverbraucher) im Mittelpunkt der strategischen Ausrichtung steht. SCM zielt dabei auf Partnerschaft ab, die bis zur Kooperation mit Lieferanten auf der einen und mit Kunden auf der anderen Seite reichen kann. Die Supply Chains der Zukunft müssen reaktionsfähig, flexibel, schlank und intelligent sein; sie sind vom Management der Materialwirtschaft entsprechend zu entwickeln und zu gestalten.
1
Nach Fieten ist die integrierte Materialwirtschaft „nicht als ein ideales, universell gültiges Organisationsmodell zu verstehen“, sondern „drückt vielmehr eine Philosophie und zugleich den hohen Anspruch aus, die materialwirtschaftlichen Tätigkeiten Einkauf, Bevorratung, Bereitstellung sowie Entsorgung und Recycling unabhängig von deren organisatorischen Zuordnung als aktive, gestaltende und nicht lediglich verwaltende Bestandteile der betrieblichen Wertschöpfungskette zu nutzen.“ – siehe R. Fieten, Integrierte Materialwirtschaft - Stand und Entwicklungstendenzen, Hrsg.: Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik, 3. Auflage, Frankfurt a. M. 1994, S. 16.
24
Einkauf (strategisch)/ Beschaffungsmarketing
+ Einkauf (verwaltend)/ Disposition + Wareneingang + Lager/Entsorgung
Beschaffungsmarktforschung
Beschaffen + Fertigungssteuerung + Lager + Transport
Bewegen + Lager + Versanddisposition + Versanddurchführung
Verteilen
Funktionen der integrierten Materialwirtschaft
Abbildung 1.1: Funktionen der integrierten Materialwirtschaft
25
Die bereichsübergreifende Logistik steht im Gegensatz zur Teil-Logistik
Abschließend erscheint es sinnvoll, den Begriff Logistik zu klären und diesen von dem der Materialwirtschaft abzugrenzen. In Anlehnung an die ursprüngliche militärische Bedeutung des Wortes 1 versteht man unter Logistik im industriellen Bereich aber auch im Handel alle Prozesse, die der Raumüberwindung und Zeitüberbrückung sowie deren Planung und Steuerung dienen. Logistik ist demnach nicht gleichzusetzen mit dem Lager- und Transportwesen, sondern geht eindeutig darüber hinaus. 2 Diese Begriffsbestimmung drückt sich insbesondere in dem die klassischen Funktionsbereiche (Beschaffung, Produktion, Absatz) übergreifenden Ansatz der Logistik aus. Ihr Ziel ist eine schnittstellenfreie (ganzheitliche) Koordination und Steuerung des innerbetrieblichen Material- und Informationsflusses.. Dies erreicht sie idealerweise durch eine aufbauorganisatorische Zentralisation der häufig in der hierarchischen Struktur verteilt angesiedelten Logistik(teil)funktionen. Alle planenden, dispositiven und steuernden Aktivitäten, die einer nach Art, Menge, Zeit und Raum abgestimmten Bereitstellung von Materialien und Erzeugnissen dienen, werden in einer Logistikfunktion zusammengefasst. Dieses Konzept einer Integration aller logistischen Tätigkeiten (Informations- und Material- bzw. Warenfluss) steht damit im Gegensatz zu einer Teil-Logistik, die - wie beispielsweise die Vertriebslogistik - die logistischen Zusammenhänge verkennt. 3
Logistik und integrierte Materialwirtschaft sind nicht gleichzusetzen
Durch die Einführung des Konzepts einer ganzheitlichen Logistik sind sachliche und begriffliche Überschneidungen mit dem Begriff Materialwirtschaft unvermeidbar. Da im Gegensatz zur Logistik der Materialwirtschaftsgedanke jedoch aus dem Beschaffungsbereich kommt und noch heute Prioritäten bei der 1
Vgl. H. Koerdt, Die Logistik in den Streitkräften – Theorie und Praxis, in: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, Herne. Januar 1977, S.49 ff. und die dort zit. Literatur. 2 Vgl. W. Kirsch u.a., Betriebswirtschaftliche Logistik-Systeme, Entscheidungen, Methoden, Wiesbaden 1973, S. 69 f. - Zu der Vielzahl von Definitionen für den Begriff Logistik siehe u.a. H.-Ch. Pfohl, Logistiksysteme - Betriebswirtschaftliche Grundlagen, 3. Auflage, Berlin 1988, S. 12 f. 3 Vgl. P. Köckmann, Logistik kontra Lager, Bad Wörishofen 1982, S. 44 ff. - Die ganzheitliche Logistik löst Koordinationsaufgaben auf sehr unterschiedlichen Ebenen (innerbetrieblich, zwischenbetrieblich, bei der Losgrößen- und Programmplanung etc.). Siehe dazu ausführlich J. Weber, F.-J. Weise, S. Kummer, Einführen von Logistik, Stuttgart 1993, S. 20 ff.
26
Zusammenarbeit von Einkauf, Disposition und Lager bis hin zur Fertigungssteuerung und Warenverteilung setzt, sollte hier die Einbeziehung der Funktion Einkauf in die (integrierte) Materialwirtschaft vorausgesetzt werden. Die integrierte Materialwirtschaft vereinigt somit die marktorientierten Aufgaben des Einkaufs mit den versorgungsorientierten Aufgaben der Logistik. 1 Abbildung 1.2 veranschaulicht diese auch in der Organisationspraxis 2 anzutreffende Abgrenzung zwischen integrierter Materialwirtschaft und Logistik. Zugleich macht die Grafik deutlich, dass sich die Logistik mit der Steuerung der Informationsund Materialflüsse zwischen den Märkten zu befassen hat. Wie aus der Abbildung ferner ersichtlich ist, fließt das Material in der ersten Phase vom Beschaffungsmarkt bis zum Beschaffungslager oder direkt in den Produktionsprozess. Das Teilsystem, das sich in dieser Phase um eine Optimierung des Informations- und Materialflusses bemüht, nennt man Beschaffungslogistik. 3 Dieses logistische Teilsystem schließt einen externen Spediteur mit seinen logistischen Leistungen ebenso ein wie die Disposition und den Wareneingang (siehe Abb. 2). Die Beschaffungslogistik umfasst - wie die anderen Teilsysteme eine räumliche, eine zeitliche und eine Mengenkomponente.
Beschaffungs-, Produktions- und Distributionslogistik als Teilsysteme der ganzheitlichen Logistik
Die Verknüpfung zwischen dem marktorientierten Einkauf und der Beschaffungslogistik ist - wie Abb. 1.2 zu veranschaulichen versucht - besonders eng, da der Einkauf durch Wahrnehmung seiner Aufgaben die Lieferkapazitäten auf den Beschaffungsmärkten bereitstellt, die im konkreten Bedarfsfall die Beschaffungslogistik nutzt.
Beschaffungslogistik und Einkauf
1
Bei einer Gleichstellung dieser Begriffe, auf die man u.a. bei Melzer-Ridinger stößt, wird verkannt, dass der Einkauf keine logistische Funktion darstellt, sondern nach moderner Auffassung für die Bereitstellung leistungsfähiger und ertragsstarker Beschaffungsmarktkapazitäten (Lieferanten) die Verantwortung trägt. - Siehe R. Melzer-Ridinger, Materialwirtschaft und Einkauf, München 1994, S. 10. 2 Andererseits lässt das Beispiel 8 unter Ziffer 1.2 im zweiten Abschnitt dieser Arbeit erkennen, dass in der Praxis die Organisationsstrukturen trotz gleicher Bezeichnung sehr unterschiedlich sein können. 3 Zur Begriffsdefinition siehe H. Tempelmeier, Material-Logistik, Heidelberg 1988, S. 1 f.
27
Beschaffungsmarketing
Absatzmarketing
Logistik Auftragsfluß
Produktion Beschaffungsmarkt
Beschaffungslager
WE
Beschaffung
Bereitstellung
Zw.Lager
Zw.Lager
Fertigungssteuerung Innerbtr. Transport
Materialfluß
Bewegung + Lagerung
Fertigwarenlager
Aufn. der Fer- tigw.
Außenlager
Absatzmarkt
Versand
Verteilung
Entsorgung Materialmanagement
Intergrierte Materialwirtschaft
Abbildung 1.2: Beziehungssysteme zwischen integrierter Materialwirtschaft und Logistik
In der zweiten Phase gelangt das Material vom Beschaffungslager in den Produktionsprozess, in dem Halbfabrikate zwischengelagert werden können. Aus der Produktion fließen Fertig- und Halbfabrikate sowie für Kunden bestimmte Ersatzteile in das Fertigwarenlager. Dieses logistische Teilsystem wird Produktionslogistik und in Verknüpfung mit der Beschaffungslogistik auch Materiallogistik genannt. In der dritten Phase besteht der Materialfluss aus Fertigfabrikaten, Handelswaren und Ersatzteilen, die vom Fertigwarenlager unmittelbar oder über Außenlager an Kunden im Absatzmarkt geliefert werden. Dafür verantwortlich ist unter Einbeziehung der Auftragsabwicklung die Vertriebs- bzw. Distributionslogistik. Schließlich fließt in einer vierten Phase Material in Form von Retouren, Leergut, Abfall- und Wiederverwertungsstoffen in umgekehrter Richtung. Dieses Teilsystem der Logistik kann als Entsorgungslogistik bezeichnet werden. Sie organisiert und
28
steuert die logistische Kette der Reststoffe von der Entstehung bis zur Entsorgungs- oder Wiederverwertungsmöglichkeit. Im Hinblick auf die logistische Reichweite unterscheidet man wie Beispiel 1 illustriert -
die außerbetriebliche (externe) Logistik, die die weltweiten (Beschaffungs-, Absatz- und Entsorgungs-) Märkte mit dem Unternehmen verknüpft, und die innerbetriebliche (interne) Logistik, die den Informationsund Materialfluss innerhalb des Unternehmens vom Wareneingang über die Lager- und Fertigungsstufen bis zum Versand organisiert und steuert. Einkauf
Lieferant
-
Beschaffungsmarktforschung Mitarbeit im Produktentwicklungsteam Einholung und Auswertung von Angeboten Lieferantenbeurteilung und -auswahl Preis- und Konditionenverhandlungen Vertragsabschlüsse Eingabe und Pflege beschaffungsrelevanter EDV-Stammdaten
Anlieferung
Beschaffungslogistik
Warenannahme Identitätsprüfung
Bestellabwicklung
Kontrolle • Quantität • Qualität
Bestelldisposition
Transport Bedarfsermittlung Lagerung
Bereitstellung in der Produktion PPS Produktionslogistik
Abbildung 2:
Verknüpfung von Beschaffungslogistik und Einkauf
29
Außer- und innerbetriebliche Logistik
Der Begriff „physical distribution“ wird nicht einheitlich gehandhabt
Auch für den Begriff „physical distribution“ gibt es voneinander stark abweichende Definitionen. Danach kann „physical distribution“ als Synonym des Begriffs Logistik verstanden werden. So findet man im Amerikanischen für den Begriff nicht nur die Bezeichnung „material management“, sondern auch den Begriff „business logistics“. 1 Man versteht also unter „physical distribution“ im Sinne einer funktionsübergreifenden Unternehmenslogistik 2 alle logistischen Aufgaben der Beschaffung, der Lagerhaltung, des Transports und der Güterverteilung bis zur Auslieferung. 3 Hingegen berücksichtigt die enge Fassung des Begriffs, der wir uns hier anschließen, nur die Warenverteilung im Absatzbereich (Vertriebslogistik). 4
Abbildung 3:
1
Funktionsschema der klassischen Materialwirtschaft
Vgl. W. Schleie, Eingliederung der Beschaffung in die Unternehmensorganisation - Führungsgrundsätze für den Beschaffungsbetrieb Frankfurt 1972, S. 14. 2 Siehe das Praxisbeispiel der BMW AG im zweiten Abschnitt unter Ziffer 1.2. 3 Entsprechend dieser Definition kann auch die Warenverteilung bereichsübergreifend verstanden werden. So z.B. G. Poth, Praxis der Betrieblichen Warenverteilung/Marketing Logistik Düsseldorf 1970, S. 3 ff. 4 Vgl. P. Horvath, Materialwirtschaft, in: K. H. Engel, Hrsg., Handbuch der neuen Techniken des Industrial Engineering, a.a.O., S. 1162.
30
2.
Aufgaben, Ziele und Strategien der Materialwirtschaft
Die klassische Materialwirtschaft ist in vielen Unternehmen anzutreffen. Sie umfasst im Wesentlichen die in Abb. 3 beispielhaft dargestellten Aufgaben, die im Rahmen dieser Arbeit aufgrund ihrer vielfältigen Ausgestaltungsmöglichkeiten nur unvollständig abgehandelt werden können. Die Aufgabe der klassischen Materialwirtschaft ist in der Versorgung der Unternehmung mit Gütern und Dienstleistungen - in zweckentsprechender Art und Qualität - in der wirtschaftlichen Menge - bei den geeignetsten Lieferanten - zum günstigsten Zeitpunkt - am richtigen Lager- und Einsatzort - zum günstigsten Preis zu sehen. Demnach sind zwei Aufgabenkomponenten zu unterscheiden: 1 (1) Die originäre technische Aufgabe: Die benötigten Güter und Dienstleistungen müssen in der erforderlichen - Art - Menge und - Qualität zur rechten Zeit am rechten Ort bereitgestellt werden. (2) Die derivative ökonomische Aufgabe: Die notwendigen Güter sind unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsprinzips zu beschaffen, d.h. die mit der Materialbereitstellung verbundenen Gesamtkosten sind zu minimieren.
1
Vgl. E. Grochla, Grundlagen der Materialwirtschaft - Das materialwirtschaftliche Optimum im Betrieb, 3. Auflage, Wiesbaden 1978, S. 18.
31
Bei dieser Aufgabenstellung ist der Preis alleine also nicht entscheidend für den Einkaufserfolg (s.u.)! Die Entsorgung ist nicht mehr Nebenaufgabe
Hinzu kommt die Aufgabe einer adäquaten Entsorgung (Wiederverwertung, Verkauf, Beseitigung) von Schadstoffen, Abfallund Überschuss sowie nicht mehr benötigten Anlagen, Ersatzund Reserveteilen.
Die Beschaffungsaufgaben lassen sich in - „strategische“ und - „operative“ Tätigkeiten trennen
Führen wir die Analyse der Beschaffungsaktivitäten weiter, so zeigt sich, dass zwischen den „strategischen“, auf den Beschaffungsmarkt ausgerichteten Aktivitäten der Beschaffungsmarktforschung sowie der Beschaffungsanbahnung und des Beschaffungsabschlusses und den „operativen“, eher „dispositivverwaltenden“ Tätigkeiten der Beschaffungsabwicklung und Materialdisposition unterschieden werden kann. Entsprechend findet man bisweilen in Unternehmen eine aufbauorganisatorische Trennung der beiden Aufgabenkomplexe. 1 Ein Beispiel aus der Praxis soll diese Art der Aufgabenverteilung erläutern, demzufolge der Einkauf als strategisch ausgerichteter Part der Beschaffungsfunktion verantwortlich ist für die Bereitstellung von Fremdkapazität sowie - unter Beachtung des Total Cost of Ownership-Prinzips, d.h. unter Beachtung der Gesamtkosten 2 - für Preise und Qualität der zu beziehenden Güter und Leistungen, während die „interne“ Logistik 3 durch die Zuordnung der Beschaffungsabwicklung eindeutig 4 für die Mengen- und Terminerfüllung verantwortlich ist, d.h. für die Lieferbereitschaft gegenüber den zu versorgenden Bedarfsträgern.
Praxisbeispiel zur Aufgabentrennung der Beschaffungsfunktion
Beispiel 1: Ein marktführendes Unternehmen der Verpackungsindustrie mit Standort in Nordrhein-Westfalen hat vor einigen Jahren eine
1
Siehe hierzu im Einzelnen H. Hartmann u.a., Optimierung/Wege zur Effizienzverbesserung im Einkauf, 2. Auflage, Gernsbach 2002, S. 39 ff. 2 Siehe hierzu im Einzelnen im fünften Abschnitt unter Ziffer 2.1.3.1. 3 Der „internen“ Logistik sind - abweichend von der allgemeinen Definition - in diesem Anwendungsfall auch dispositive Aufgaben übertragen worden. 4 „Eindeutig“ ist hier im Sinne des Kongruenzprinzips der Organisation zu verstehen, das eine Übereinstimmung von Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung verlangt. Siehe auch das Anwendungsbeispiel im zweiten Abschnitt unter Ziffer 1.3.1.2.
32
Reorganisation der Materialwirtschaft in Zusammenhang mit der Einführung eines Online-EDV-Systems durchgeführt. Vor der Neugliederung war der Einkauf einschließlich der verwaltenden (operativen) Funktionen am Sitz der Hauptverwaltung tätig. Vier Werke nahe der industriellen Verbrauchszentren disponierten durch den zentralen Einkauf ihren Bedarf, der dort (im zentralen Einkauf) in Abrufbestellungen umgesetzt wurde. Im Zuge der Neuorganisation wurden die materialwirtschaftlichen Aufgaben folgendermaßen gegliedert: (1) Zuständigkeiten des zentralen Beschaffungsmarketings
Materialgruppe Blechverpackung - Kaltgewalzte Stahlbleche - Verschlüsse, Spannringe - Dichtungsmaterial - Farben und Lacke für innen und außen - Signierschablonen Materialgruppe Kunststoffverpackung - Polyäthylene, Polypropylene - Verschlüsse - Farben - Etiketten - Kartonagen und Einschweißfolien Einkaufsgruppe Energie, Investitionen und Dienstleistungen, Hilfs- und Betriebsstoffe Die Materialgruppen-Verantwortlichen haben folgende Aufgaben entsprechend den strategischen Zielen und der festgelegten Beschaffungspolitik der Geschäftsleitung durchzuführen: -
Bedarfsplanung, rollierend jeweils ein Jahr im voraus Beschaffungsmarktforschung für A- und B-Teile Lieferantenauswahl und -beurteilung Einholung und Auswertung von Angeboten Verhandlungsführung Abschluss von Kontrakten Pflege der Kontrakte
33
-
Durchführung von Analysen aller Art zur Sicherstellung der Effizienz und Zuverlässigkeit der Planung im Beschaffungswesen
(2) Zuständigkeiten des Lagerwirtschaft je Werk, nunmehr Logistik genannt
Interne Logistik - Kontrolle und eventuelle Korrektur der automatisch erstellten Bedarfsanforderungen - Automatische Umsetzung und Faxversand der Abrufbestellungen - Festlegung und Änderung von Mindestbeständen - Laufende Bestandsüberwachung und Maßnahmen zur Bestandsoptimierung - Standardisierung von Material - Permanente Bestandsaufnahmen (Inventur) - Wareneingangskontrolle und Beanstandungen bei Qualitäts-, Termin- und Mengenabweichungen - Lagerplatzorganisation - Innerbetrieblicher Transport - Analyse der Lagerhaltungskosten Externe Logistik - Versand- und Tourenplanung - Transport zum Kunden mit eigenem Fuhrpark - Abschluss von Speditionsverträgen für Fremdtransporte zu Kunden im Einzelfall (keine Rahmenverträge) - Qualitäts- und Terminbeanstandungen von Kunden - Retouren - Transportkostenrechnung Konzentration auf die Kernkompetenzen
Sobald es von der Größenordnung eines Unternehmens her möglich ist, sollte - wie im zweiten Abschnitt unter Ziffer 1.3.1.2 und im Übungsteil unter Aufgabe 5 (Praxisbeispiel) detailliert dargestellt - die organisatorische Trennung von strategischoperativem (gestaltendem) und verwaltendem (dispositivem) Einkauf erfolgen, damit sich der Einkauf intensiver auf seine Kernkompetenzen - der Bearbeitung der Beschaffungsmärkte und der Pflege der Lieferantenbeziehungen - konzentrieren kann. Um dieser Aufgabenstellung gerecht zu werden, sollte der Einkauf auch frühzeitig in die Produktentwicklung einge-
34
bunden werden. Denn aufgrund seiner Marktkenntnisse kann der Einkauf dazu beitragen, dass bei der Gestaltung der Produkt- und Sourcing-Struktur Qualitäts-, Zeit- und Kostenaspekte gleichermaßen berücksichtigt werden (s.u.). Für eine derartige beschaffungsmarktorientierte Politik hat sich heute der Begriff „Beschaffungsmarketing“ eingebürgert. Dieser will verdeutlichen, dass der Einkauf das gesamte ihm zur Verfügung stehende beschaffungspolitische Instrumentarium einsetzen sollte, um die Märkte im Interesse des Unternehmens zu beeinflussen, zu entwickeln und zu formen. Es stehen in diesem Bereich demnach strategische und taktische Entscheidungen und Maßnahmen im Vordergrund. Daneben wird der Idee des Reverse Marketing Rechnung getragen, das eine veränderte Denkhaltung des strategischen Einkaufsmanagement ausdrückt und vor allem dadurch gekennzeichnet ist, dass nicht der Lieferant, sondern der Einkäufer initiativ wird. 1
Beschaffungsmarketing ist als eine auf den Beschaffungsmarkt ausgerichtete Politik zu verstehen
Zu den Aufgaben des Beschaffungsmarketing könnten gerechnet werden:
Die Aufgaben des Beschaffungsmarketing
-
Marktforschung im In- und Ausland, sog. Global Sourcing (Marktanalyse, -beobachtung und -prognose, Lieferantenanalyse, Lieferantenbeurteilung) Produktbewertung (Wertanalyse, Normung, Typisierung, Wirtschaftlichkeitsrechnung: Eigenfertigung oder Fremdbezug?) Information und Beratung anderer Unternehmensbereiche/Zusammenarbeit mit Nachbarfunktionen
Die Beschaffungsmarktforschung als Kerngebiet des Beschaffungsmarketing dient der Vorbereitung der Beschaffung, ohne in diese selbst einzugreifen. Bei der Suche nach kosten-, qualitäts- und umweltgerechten Problemlösungen wird der Einkauf immer mehr zum Bindeglied zwischen dem Unternehmen und dem Beschaffungsmarkt.
1
Siehe Th. Menze, Strategisches internationales Beschaffungsmarketing, Stuttgart 1993, S. 34 ff.
35
Die Beschaffungsmarktforschung ist Kerngebiet des Beschaffungsmarketing
Aufgaben des Einkaufs im Produktentwicklungsprozess - Einbindung der Lieferanten (Simultaneous Engineering)
Der Einkauf sollte - wie bereits wiederholt erwähnt - zum frühestmöglichen Zeitpunkt organisatorisch in den Produktentwicklungsprozess eingebunden werden. Die veränderte Rolle des Einkaufs besteht darin, im Sinne eines „wertschöpfenden“ Einkaufs an der Gestaltung der Bedarfsstruktur mitzuwirken, statt nach ihrer Festlegung im Wesentlichen nur die Bestellabwicklung zu vollziehen (vgl. Abb. 4). Im Rahmen der Zusammenarbeit in einem Projektteam 1 mit der Entwicklung, Konstruktion, Produktion und Marketing ist es Aufgabe des Einkaufs, im Stadium der Produktentwicklung bereits Möglichkeiten der Bedarfsdeckung aus den Beschaffungsmärkten aufzuzeigen. Damit kann sichergestellt werden, dass ein Produkt kunden- und beschaffungsfreundlich entwickelt wird. Störende Probleme bei der Produktion und Qualitätssicherung können auf diese Weise vorbeugend verringert werden. Durch die zusätzliche Einbindung von leistungsfähigen Lieferanten in den Entwicklungsprozess und die Möglichkeit eines effizienten zwischenbetrieblichen Simultaneous Engineering können wettbewerbsrelevante Zeit-, Kosten- und Leistungsvorteile gewonnen werden. Um die hohe Kostenbeeinflussbarkeit zu Beginn eines Entwicklungsprojekts auszunutzen und Rekursionen im Entwicklungsablauf zu vermeiden, sollte die Einschaltung der Lieferanten so früh wie möglich erfolgen (Early Supplier Envolvement).
Mitwirkung des Einkaufs am Design-toCost-Konzept
Eine alte Faustregel besagt, dass in der Frühphase des Produktentstehungs- bzw. -entwicklungsprozesses etwa 70 % der Gesamtkosten festgelegt werden. Insbesondere in dieser Phase sollte daher der Einkauf durch Delegation kompetenter Mitarbeiter in funktionsübergreifende Teams (z.B. in Konzept- und Serienentwicklungsteams) daran mitwirken, ein Over-Engineering bei der Produktdetailierung, das heißt Überspezifikationen am Produkt und damit kostentreibende Anforderungen an Lieferanten zu vermeiden. Dieser auch als Design-to-Cost bezeichnete Ansatz geht deutlich über das „kostengerechte Konstruieren“ hinaus, indem es einerseits das Vertriebswissen über den Absatzmarkt und andererseits auch das Einkaufswissen über den Beschaffungsmarkt einbezieht. 2 Dabei kann es um die Einhaltung der vom Markt erlaubten Produktkosten gehen, die 1
Siehe im Einzelnen H. Hartmann u. a., Optimierung der Einkaufsorganisation, a. a. O., S. 103 ff. 2 Siehe Droege & Comp., Gewinne einkaufen - Best Practices im Beschaffungsmanagement, Wiesbaden 1998, S. 30 ff.
36
demnach als Zielkosten (Target Cost) vorgegeben sind. Aufgrund dessen werden auch Ansätze wie das Value Engineering und die frühzeitige Einbindung kompetenter Lieferanten verstärkt vom Einkauf genutzt. Wertschöpfender1 Einkauf statt nur vollziehende Bestellabwicklung Traditionell übliche Einschaltung des Einkaufs nach Fortschrittliche Unternehmen suchen
Festlegung der Erzeugnisstruktur
eine engere Zusammenarbeit zwischen Forschung, Entwicklung, Produktion, Vertrieb, Einkauf und strategisch wichtigen Lieferanten.
ProduktentForschung
wicklung Projektmanagement
Produktion Testphase Montage
Frühzeitige Einschaltung des Einkaufs und strategisch wichtiger Lieferanten
Abbildung 4:
Veränderte Rolle des Einkaufs
1
Der Begriff soll zum Ausdruck bringen, dass im Sinne von Value Added der Wert eines Produktes erhöht wird und die Kunden dadurch geldwerte Vorteile (z. B. verbesserte Qualität/Funktionalität) erhalten.
37
Zielsetzung und Erfolgsfaktoren des Einkaufs
Die Aktivitäten des marktorientierten Einkaufs zielen auf die Leistung eines maximalen Beitrags zur Absicherung und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens im Rahmen der Unternehmenspolitik und -ziele ab, ausgerichtet an den Erfolgsfaktoren Produkt- und Prozessqualität Ertragsstärke (Preis - Leistungsverhältnis) Lieferflexibilität und Liefertreue Serviceumfang und Servicegrad Kundennutzen und Erfüllung von Sonderwünschen Einbindung der leistungsfähigsten Lieferanten in den Produktentstehungs- und -entwicklungsprozess Verbesserung der Beschaffungsprozesse sowie der eingesetzten Methoden und Werkzeuge Erschließung der neuen Medien (Internet, Extranet etc.) bedarfsorientierte Qualifikation der Mitarbeiter des Einkaufs
2.1 Materialwirtschaftspolitik als Teilgebiet der Unternehmenspolitik Die Ziele der Unternehmensführung haben den Charakter strenger Nebenbedingungen
Für die von der Materialwirtschaft zu realisierenden Ziele und den zu ihrer Verwirklichung zu treffenden Maßnahmen stellen die Ziele der Unternehmensführung strenge Nebenbedingungen dar. Die Ziele können sein: -
Kostenminimierung/Gewinnstreben Sicherheitsstreben/Vorratshaltung - Liquiditätsstreben Langfristige Sicherung der Rohstoffquellen Politik der verlängerten Werkbank (Herstellung im Lohnauftrag) - Verringerung der Fertigungstiefe (sog. „Outsourcing“) - Qualitätsstandard (Minimal-/Maximalanforderungen) - Innovationen zur Umweltentlastung u.a.m. Die in der Materialwirtschaft zu realisierenden Ziele leiten sich aus den obersten Zielen der Unternehmensführung ab. Legt ein
38
Unternehmen beispielsweise auf ein hohes Qualitätsniveau seiner Produkte sehr viel Wert und ist damit die Qualität der Gradmesser für die Erfüllung der Kundenwünsche, so wird man im Rahmen der Materialwirtschaftspolitik - und hier insbesondere im Rahmen der Beschaffungspolitik - dieser Zielsetzung Rechnung tragen müssen. Dies hat zur Folge, dass leistungsfähige Lieferanten in diesem Bereich zu finden und mit diesen gemeinsam Qualitätssicherung und -entwicklung zu betreiben sind. Materialwirtschaftspolitik, verstanden als die Gesamtheit aller Ziele der Materialwirtschaft, nimmt daher in Bezug auf die Unternehmenspolitik einen „Mittelcharakter“ an. Bei der Verwirklichung materialwirtschaftspolitischer Zielsetzungen wird man mit dem Dilemma fertig werden müssen, dass die verschiedenen Ziele der Materialwirtschaft in einem sich gegenseitig hemmenden, konfliktären Verhältnis zueinander stehen. Außerdem ist wegen der engen Verknüpfung der Materialwirtschaft mit anderen betrieblichen Funktionsbereichen eine Abstimmung mit deren Teilpolitiken erforderlich. Durch eine Abstimmung vor allem mit der Absatz-, Produktions- und Finanzpolitik soll erreicht werden, dass die divergierenden Interessen und Ziele der Ressorts zu einem optimalen Kompromiss zusammengeführt werden.
Abstimmung mit den übrigen betrieblichen Teilpolitiken
Damit die Materialwirtschaft eine Richtschnur für ihre laufenden Dispositionen und ihre Aktivitäten besitzt, werden Richtlinien festgelegt. In diesen findet die Materialwirtschaftpolitik oder wie in dem nachfolgenden Beispiel - eine ihrer Teilpolitiken konkret ihren Niederschlag.
In Richtlinien findet die Materialwirtschaftspolitik ihren Niederschlag
Beispiel 2: In der HAUNI MASCHINENBAU AG, Hamburg Bergedorf, haben die Mitarbeiter des Einkaufs folgende Grundsatzrichtlinien zu beachten (auszugsweise Wiedergabe; Stand: 2001):
Praxisbeispiel für eine einkaufspolitische „Grundsatzrichtlinie“
3.1 Leitlinien Der Einkauf ist Dienstleister und Lieferant aller Abteilungen und Funktionen des Hauses für die Beschaffung und Bereitstellung von Gütern, Dienstleistungen und Informationen des Marktes.
39
Mit den Lieferanten wird eine faire, langfristige und vertrauensvolle Zusammenarbeit angestrebt. Das Beschaffungsmarketing stellt sicher, dass der Lieferantenkreis in Zusammenarbeit mit den Kostenstellen kontinuierlich optimiert wird. Über die Preise, Konditionen und sonstige Vereinbarungen mit Wettbewerbern wird mit den Lieferanten nicht gesprochen. Das Thema Werbegeschenke oder andere persönliche Vorteile von Lieferanten oder Geschäftspartnern ist mit der Betriebsvereinbarung vom 14.11.96 für alle Mitarbeiter verbindlich geregelt. Bei der Lieferanten- und Produktauswahl ist auf umweltfreundliche Rohstoffe, Verarbeitung, Verpackung und Entsorgung zu achten. 3.2 Aufgabe und Ziel Aufgabe und Ziel des Einkaufs ist, Waren, Dienstleistungen und Informationen entsprechend dem Bedarf des Hauses in der erforderlichen Qualität zum Plantermin unter wirtschaftlichen Bedingungen zu beschaffen. Es muss grundsätzlich eine Bedarfsanforderung vorliegen. 3.3 Strategien Zur Erreichung dieses Zieles bedient sich der Einkauf modernster Beschaffungsmethoden. 3.3.1 Versorgungsstrategie Die Sicherung der Materialversorgung hat höchste Priorität. Um zu erkennen, welche strategisch wichtigen Teile heute unter Umständen von kritischen Lieferanten bezogen werden, wird u.a. die Portofoliotechnik eingesetzt. Gegenmaßnahmen in kritischen Situationen wären zum Beispiel Zweitlieferant oder Hinterlegung des Know-hows oder Absicherung des Eigentums von Vorrichtungen und Werkzeugen.
40
3.3.2 Beschaffungsmarketing Der Beschaffungsmarkt und unsere Partner werden kontinuierlich auf die speziellen Ziele der HAUNI optimiert. Sensibel müssen Informationen über Marktversorgung, Preisentwicklung, Neuentwicklungen, Innovationen sowie neue Ideen aufgenommen und an die entsprechenden Stellen im Hause weitergeleitet werden. Um neue Märkte zu erschließen mit dem Ziel der Versorgungsoptimierung, bedient sich der Einkauf der systematischen, flächendeckenden Beschaffungsmarktforschung.... 3.3.3 Gegenangebote Um die Chancen des Veränderungsprozesses auf dem Beschaffungsmarkt zu nutzen, werden - wo sinnvoll und möglich für -
A-Teile und A-Lieferanten mindestens einmal jährlich, B-Teile und B-Lieferanten mindestens alle zwei Jahre Gegenangebote eingeholt...
3.3.4 Informationsmanagement Die aus dem Beschaffungsmarketing gewonnenen Informationen sind in einer zentralen Einkaufsdatenbank erfasst. Diese steht den Fachabteilungen des Hauses nach Bedarf zur Verfügung... 3.3.5 Single Sourcing Wegen der komplexen Anforderungen im Zigarettenmaschinenbau einerseits und den relativ kleinen Jahresmengen andererseits wird HAUNI auch in Zukunft in vielen Fällen nur einen Lieferanten haben. Hier ist es insbesondere die Aufgabe, mit den bekannten Instrumenten die Materialversorgung abzusichern.
41
3.3.6 Global Sourcing Das Ausland wird in das Beschaffungsmarketing grundsätzlich mit einbezogen, wenngleich wegen der Kleinmengen das Schwergewicht in den europäischen Ländern liegt. 3.3.7 Simultaneous Engineering Die sehr frühzeitige Zusammenarbeit der Entwicklung/Konstruktion mit dem Lieferanten erspart nicht nur Entwicklungszeit und Produktkosten, sondern auch 80 % (VDMA) aller technischen Änderungen. Mit einer Partnerschaft auf neuer Vertragsbasis wird der Einkauf die Voraussetzungen für Simultaneous Engineering schaffen. 3.3.8 Wertanalyse mit Lieferanten Bei bereits eingeführten Baugruppen / Modulen sollen sowohl von Fachabteilungen, vom Einkauf als auch von Lieferanten Anstöße zur Wertanalyse mit Lieferanten kommen. Die Art der Zusammenarbeit muss präzise festgelegt, die Verteilung der Einsparung vereinbart werden. 3.3.9 Outsourcing von C-Teilen / C-Funktionen Es muss laufend geprüft werden, welche Leistungen, die auf Grund ihrer geringen Wertigkeit oder ihrer Fremdartigkeit von HAUNI nicht effizient erbracht werden können, besser von dritten Firmen durchgeführt werden sollen. ... 3.3.10 Make-or-Buy Mit dem Ziel der Fixkostenreduzierung wird kontinuierlich geprüft, ob einzelne Komponenten oder Teilefamilien kostengünstiger, besser oder auch nur vorteilhafter von Dritten gefertigt werden können. Eine endgültige Entscheidung erfolgt über den Lenkungsausschuss.
42
2.2 Materialwirtschaftspolitik und ihre Teilpolitiken Es sollen nachfolgend - der Funktionsteilung zwischen einem marktorientierten Einkauf und einer versorgungsorientierten Disposition entsprechend - die Beschaffungs- und Vorratspolitik als Teilpolitiken der Materialwirtschaftspolitik angesehen werden. 1 Hinzu kommt die Lagerpolitik. 2
Als Teilpolitiken sind zu nennen: - Beschaffungspolitik - Vorratspolitik - Lagerpolitik
2.2.1 Beschaffungspolitik Die Kerngebiete der Beschaffungs- bzw. Einkaufspolitik sind in der -
Beschaffungsprogrammpolitik Vertragspolitik Lieferantenpolitik zu sehen. 3
Der Beschaffungsprogrammpolitik sind alle Maßnahmen zuzurechnen, die durch eine gezielte Veränderung des Produktionsbedarfs zur Verbesserung des Einkaufserfolges beitragen können. Als Maßnahmen sind die Normung und Typisierung, der Einsatz von Substitutionsmaterialien und Make-or-Buy-Entscheidungen anzuführen. Als effiziente Untersuchungsmethode hat sich hier in der Praxis die Wertanalyse im Sinne des Value Engineering erwiesen, die bereits im Frühstadium der Produktentwicklung einsetzt, um unter Beteiligung von Einkauf, Entwicklung, Konstruktion, Produktion und Lieferanten alle Ressourcen zur Verbesserung der Qualitäts-, Zeit- und Kosten-
1
Eine genaue Definition der Beschaffungspolitik und der Vorratspolitik ist weder in der Literatur noch in der Praxis zu finden. Dies erscheint erklärlich, weil beide „Politiken“ in einem Sachzusammenhang zu sehen sind. - Die Beschaffungspolitik wird hier als das „Zielpaket“ des operativ-strategischen Einkaufs verstanden (= Einkaufspolitik). 2 Nach Auffassung des Verf. sind im Rahmen der Lagerpolitik Entscheidungen über den Umfang der Bestände nicht zu treffen. Dieser Problemkomplex ist im Rahmen der Vorratspolitik - natürlich in Abstimmung mit der Beschaffungs- und Lagerpolitik - zu bewältigen. 3 Preis- und Qualitätspolitik sind - wie auch andere „Politiken“ - nach Auffassung des Verf. wiederum Aktionsfelder der Vertrags- und Lieferantenpolitik.
43
Das beschaffungspolitische Instrumentarium
situation zu aktivieren und damit Synergieeffekte zu erzeugen (Simultaneous Engineering). 1 Im Rahmen der Vertragspolitik wird versucht, durch bestimmte Vertragsformen (z.B. Rahmen-, Abruf-, Sukzessivlieferungsvertrag, Option) 2 und -klauseln die Realisierung wichtiger Komponenten des materialwirtschaftlichen Optimums abzusichern. Die Einzelvereinbarungen beziehen sich auf die Gestaltung der Preise und Konditionen (z.B. Festpreis, Preisvorbehaltsklauseln) sowie auf die Festlegung der Gewährleistungsansprüche. Im Rahmen der Lieferantenpolitik stehen Fragen der Auswahl, Pflege und Entwicklung von Lieferanten sowie die Lieferantenwerbung im Vordergrund. 3 Die durch die Grundsätze und Entscheidungen gesetzten Rahmenbedingungen der Lieferantenpolitik haben großen Einfluss auf der Versorgungssicherung der internen und externen Kunden. Optimale Kombination der beschaffungspolitischen Instrumente zu wirkungsvollen Beschaffungsstrategien
In der Beschaffungspraxis kommt es darauf an, die unterschiedlichen Instrumente zu wirkungsvollen Beschaffungsstrategien zu kombinieren, wobei unternehmensinterne und marktbedingte Einflussfaktoren zu berücksichtigen sind. Es steht hier also nicht mehr die operative Erfüllung der Einkaufsaufgabe im Mittelpunkt, sondern die zeitlich längerfristige marktorientierte Betrachtung der Aufgabe. Ein Synonym dafür ist der bereits erwähnte Begriff Beschaffungsmarketing. Bemerkenswert ist, dass die strategisch ausgerichtete Beschaffungspolitik zunehmend auf den Aufbau und die Pflege einer langfristigen Partnerschaft mit leistungsfähigen Lieferanten (Schlüssellieferanten) abzielt. Die Kooperation kann bis zur gemeinsamen Produktentwicklung und lieferantenseitiger Qualitätssicherung gehen. 1
Die traditionelle Vorgehensweise bei der Produkterstellung ist charakterisiert durch eine serielle Abarbeitung der erforderlichen Arbeitsschritte mit der Konsequenz, dass die nachgelagerte Stufe erst mit der Arbeit beginnen kann, wenn sie die für sie wichtigen Informationen von der vorgelagerten Stufe erhalten hat. Im Gegensatz dazu zielt Simultaneous Engineering auf eine Prozessoptimierung ab und entspricht damit auch einem wesentlichen Grundprinzip der Lean Production. 2 Siehe fünften Abschnitt, Ziffer 2.2.2.2. 3 Siehe dritten Abschnitt, Ziffer 4.2.3.
44
In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass der Einkauf in seinen beschaffungspolitischen Entscheidungen nicht immer frei ist. Das gilt vor allem für güterbezogene Ziele und Maßnahmen. Beispiele dafür sind Entscheidungen zur Standardisierung, Substitution und Entsorgung. Bei marktbezogenen Entscheidungen - wie beispielsweise in der Vertragspolitik ist der Einkauf in einer weitgehend unabhängigen Position. 1 ⇐
Markt- und güterbezogene Beschaffungspolitik sind zu unterscheiden
Aufgabe 1
2.2.2 Vorratspolitik Die Vorratspolitik orientiert sich im Wesentlichen nach zwei Richtungen, nach der Sicherheit der Versorgung und den Finanzierungsmöglichkeiten der Unternehmung. Die Zielsetzungen der Vorratspolitik sind daher in erster Linie bedingt durch die Festlegung einer dieser beiden Entscheidungskriterien bzw. einem wirtschaftlichen Optimum aus beiden.. Im Rahmen der Vorratspolitik sollte u.a. zweifelsfrei geklärt werden, -
welche Versorgungssicherheit (Lieferbereitschaft), vom Markt (von den Kunden) bzw. der Produktion erwartet wird, wie die Kosten der Kapitalbindung bei der Vorratshaltung zu minimieren sind, nach welchen Dispositionsverfahren die Bestandsergänzung zu erfolgen hat, wie unter Beachtung der unterschiedlichen Wertigkeiten der Materialien und der Genauigkeit ihrer Verbrauchsprognosen die Sicherheitsbestände differenziert zu ermitteln sind, wie die Bestellmengen bzw. Fertigungslosgrößen zu optimieren sind, in welchen zeitlichen Abständen differenziert nach Materialgruppen Bestandskontrollen erfolgen sollen, wie im Sinne des Supply Chain-Konzeptes in Kooperation mit Lieferanten eine Optimierung der Bestände bzw. des Beschaffungs- und Bereitstellungsprozesses erfolgen kann.
1
Um Wiederholungen im Text zu vermeiden, wird auf Ziffer 3.1 im zweiten Abschnitt verwiesen, in dem Beispiele für beschaffungspolitische Grundsätze nachzulesen sind.
45
Im Rahmen der Vorratspolitik zu treffende Entscheidungen
2.2.3 Lagerpolitik Die Tätigkeiten im Lager lassen sich gruppieren in - Lagerhaltung - Lagerverwaltung
Um den lagerpolitischen Handlungsspielraum abzugrenzen, sind zunächst die Aufgaben der Materiallagerung - im Sinne der engen Begriffsdefinition der Materialwirtschaft - zu skizzieren. Im Allgemeinen werden dazu alle Tätigkeiten, die sich unmittelbar auf die Bevorratung der benötigten Materialien beziehen, gerechnet. Im Einzelnen handelt es sich dabei um die Entgegennahme und Kontrolle der Einsatzstoffe und Handelswaren, deren Pflege, die Durchführung der Einlagerungsvorgänge mit den Förderprozessen, die Ausgabe der Materialien an die anfordernden Stellen und die Erfassung der Materialbewegungen im Rahmen der Lagerbuchführung sowie die Bestandskontrolle durch Inventur. Es sind demnach zwei Arten von Lagertätigkeiten ihrem Wesen nach zu unterscheiden: (1) Die technisch orientierte Lagerhaltung, die das Fördern, Aufbewahren und Pflegen der Lagergüter und gelegentlich eine Materialbehandlung umschließt. (2) Die Lagerleitung und -verwaltung, die sich hauptsächlich um die rechnerische Erfassung und Überwachung der Materialbewegungen sowie um eine wirtschaftliche Organisation der Lagervorgänge bemüht.
Einzel- und Sonderaufgaben des Lagers
Über diese typischen Aufgaben hinaus kann dem Lager noch für eine Vielzahl weiterer Tätigkeiten die Verantwortung übertragen werden: 1 -
1
Sammeln, Sortieren und Versenden von Leergut Alt- und Abfallmaterialsammlung, -lagerung, -verwaltung (und evtl. -verwertung); Entsorgung Sammeln, Lagern, Verwalten (und evtl. Verwerten von überzähligen Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen sowie von Fertigungsausschuss)
Vgl. dazu auch die im Anhang abgedruckte „Arbeitsanweisung zur Verantwortung der Lagerleiter“, die der Praxis entnommen ist.
46
-
Identifikation (und evtl. Verwertung) von Lagerhütern Versandvorbereitung und Versendung defekter Teile usw.
Die Gefährlichkeit mancher Abfallstoffe, verschärfte Gesetzgebung, erhöhtes Umweltbewusstsein und erkannte Wiederverwertungs- oder Erlösmöglichkeiten haben dazu geführt, dass der Entsorgungsfunktion mehr Beachtung geschenkt wird. Darunter versteht man heute alle Tätigkeiten zur Verwertung oder Entsorgung von Abfall- und Überschussmaterial, Schadstoffen und nicht mehr benötigten Anlagegütern, vor allem das Erfassen, Sammeln, Umformen, Aufbereiten, Regenerieren (Recyclen), Vernichten, Verwerten und Verkaufen dieser Materialien. Nicht alle diese Tätigkeiten liegen in der Verantwortung der Materialwirtschaft, sondern fallen teilweise in den Kompetenzbereich der Produktion. Es ist daher eine klare Abgrenzung der Teilverantwortung zwischen Materialwirtschaft und Produktion notwendig.
Begriff und Bedeutung der Entsorgungsfunktion
Auch Aufgaben der Disposition wie die Bestellauslösung durch optische Bestandskontrolle oder durch den Einsatz von Pendelund KANBAN-Karten können in Einzelfällen vom Lager vorgenommen werden. Aus der Darstellung der Lageraufgaben ist zu erkennen, dass die Entscheidungen, die die Lagerhaltung betreffen, weitgehend von der Beschaffungs- und Vorratspolitik abhängig sind. Die Lagerpolitik hat keine eigenen Mittel und Instrumente, um einen Einfluss auf die zu lagernden und zu verwaltenden Vorräte zu nehmen, was keineswegs die Verantwortung der Lagerleitung für einen rationellen Lagerungsablauf ausschließt.
Beschaffungs- und Vorrats- und Lagerpolitik verfolgen letztlich einen gemeinsamen Zweck
Beschaffungs-, Vorrats- und Lagerpolitik sind letztlich auf einen gemeinsamen Zweck, auf die für das Unternehmen wirtschaftlichste Bereitstellung des Materials, ausgerichtet. In jedem Fall ist im Rahmen der Lagerpolitik u.a. zu klären, -
in welchem Umfang Fremdlagerung der Eigenlagerung vorzuziehen ist,
47
Im Rahmen der Lagerpolitik zu treffende Entscheidungen
-
3.
nach welchem Verfahren die Ein- und Auslagerungen vorzunehmen sind, nach welchem Ordnungssystem die Materialien zu lagern sind, welche Transportmittel genutzt werden sollen, nach welchen sachlichen, räumlichen und zeitlichen Kriterien die Transportmittelleistungen zu messen sind, nach welchen Grundsätzen die Bildung von Transporteinheiten erfolgen soll, welche Lagereinrichtungen eine rationelle Lagerhaltung ermöglichen, welche Materialbewegungen automatisiert werden sollten, welche Sicherheitsmaßnahmen für gefährliche Güter notwendig sind, wie unverwertbarer Abfall und Sondermüll zu entsorgen sind, wie die Rücknahme von Verpackungsmaterial und Leergut zu organisieren ist.
Bedeutung der Materialwirtschaft
Die Materialwirtschaft hat als betriebliche Teilaufgabe eine herausragende betriebswirtschaftliche Bedeutung. Diese ergibt sich zum einen aus ihrer wachsenden strategischen Rolle, zum anderen aus ihrem erheblichen Einfluss auf das Unternehmensergebnis. Durch den Ansatz der Optimierung von Wertschöpfungsketten hat ein am Gewinn orientiertes Handeln an Bedeutung gewonnen. Die unbestritten größte Bedeutung für das Unternehmensergebnis haben die Materialkosten. Möglichkeiten zur nachhaltigen Verbesserung von Rentabilität und Liquidität bieten sich dem Materialmanagement darüber hinaus durch eine Reduzierung des in Vorräten gebundenen Kapitals. Die außerdem in den Kostenstellen der Materialwirtschaft noch anfallenden Materialgemeinkosten, die im Wesentlichen Personal- und Informationsbearbeitungskosten umfassen, haben - kurzfristig betrachtet - vergleichsweise geringe Auswirkungen auf das Unternehmensergebnis.
48
Als weitere Erfolgsfaktoren des Materialmanagement, die zugleich unter strategischen Gesichtspunkten für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen wichtig sind, müssen Qualität, Schnelligkeit, Zuverlässigkeit und in zunehmendem Maße die Umweltverträglichkeit der Produkte genannt werden. Volkswirtschaftlich verdienen materialwirtschaftliche Entscheidungen vor allem infolge des „Konjunktur-Gewichts“ der gesamten Lagerbestände einer industrialisierten Volkswirtschaft und der preisbildenden Marktmacht des Einkaufs sorgfältige Beachtung.
3.1 Kostenverantwortung und Kostenbeeinflussung durch die Materialwirtschaft
20% Materialbewirtschaftungskosten UMSATZERLÖSE 50% Materialaufwand für Roh-, Hilfs- u. Betriebsstoffe Einzelteile, Baugruppen, Module, Systeme, Handelswaren
Abbildung 5:
Kostenverantwortung der Materialwirtschaft
49
Eine Ergebnis- und Liquiditätsbeeinflussung ist über die - Material- und - Materialbewirtschaftungskosten gegeben
Der Kostenblock, der in die Verantwortung der Materialwirtschaft fällt und - Material- und Materialbewirtschaftungskosten zusammengefasst - 70 % und mehr der Umsatzerlöse ausmachen kann (vgl. Abb. 5), dokumentiert die Chancen von Kosteneinsparungen durch preisbewussten Materialeinkauf und Rationalisierung in allen Kostenstellenbereichen der Materialwirtschaft. Branche
verarbeitende Industrie insgesamt chemische Industrie Gummi- und Kunststoffindustrie Herstellung von Metallerzeugnissen Maschinenbau Elektrotechnik Fahrzeugbau
Materialaufwand in Personalaufwand % von der Gesamt- in % von der Gesamtleistung 2000 leistung 2000 56,50 21,00 50,00 53,50
20,00 25,00
47,00
30,50
25,50 61,00 67,20
29,00 24,50 19,40
Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht April 2003, S. 68
Tabelle 1.1:
Materialaufwand und Personalaufwand an der Gesamtleistung ausgewählter Branchen der verarbeitenden Industrie
Im Einzelfall wirken Entscheidungen und Aktivitäten in den materialwirtschaftlichen Bereichen in zwei Richtungen erfolgs- und liquiditätswirksam: (1) Über die Beeinflussung der Materialkosten, die als Aufwendungen an Dritte zu verstehen sind und für die Beschaffung von Material, Dienstleistungen usw. einschließlich der Bezugskosten auftreten. (Investitionen gehen als Abschreibungen in die Kostenrechnung ein.) (2) Über die Beeinflussung der Materialbewirtschaftungskosten, die als Aufwendungen im eigenen Unternehmen durch die planerische, durchführende oder kontrollierende Ausübung der Funktionen Beschaffen, Lagern, Bewegen und Verteilen verursacht werden.
50
Zu (1): Die Materialkosten sind in der verarbeitenden Industrie mit über 50 % vom Umsatz bzw. der Gesamtleistung 1 eindeutig der größte Kostenblock. Die vorstehende Tabelle gibt dazu für ausgewählte Branchen einen vergleichenden Überblick. 2
Die Materialintensität liegt im Durchschnitt bei 50 % vom Umsatz
Aus den Zahlen ist ersichtlich, dass eine Beeinflussung des Unternehmensergebnisses durch Veränderung der Materialkosten direkt und entscheidend möglich ist. Die beim Materialeinkauf erzielten Kosteneinsparungen können zu einer Verbesserung der Kapitalrendite (= Gewinn : Kapital x 100) führen oder einen Ausgleich für stagnierende Umsätze auf der Absatzseite schaffen. Ein Beispiel soll diese Zusammenhänge verdeutlichen: Beispiel 3: Angenommen, der Anteil des Materialwertes am Umsatz beträgt 50 % und die Umsatzrendite (= Gewinn : Umsatz x 100) 5 %, dann kommt eine 2 %ige Verminderung der Materialkosten durch preisgünstigen Einkauf einer Steigerung des Verkaufsumsatzes von 20 % insoweit gleich, dass der Gewinn sich bei beiden Maßnahmen um den gleichen Betrag erhöht. Im Allgemeinen kann der Gewinnbeitrag des Einkaufs mithilfe folgender allgemeingültiger Formel ermittelt werden:
• GBE
=
MA · ME UR
Dabei bedeuten:
1
Die Gesamtleistung eines Unternehmens wird entscheidend durch den Umsatz bestimmt, berücksichtigt darüber hinaus aber Bestandsveränderungen sowie aktivierte Eigenleistungen. 2 Vgl. Deutsche Bundesbank, Monatsberichte, Frankfurt, April 2003, S. 68 ff. Im Einzel- und Großhandel liegt der Materialaufwand mit 71,8 % bzw. 80,7 % besonders hoch, so dass sich diese Wirtschaftszweige schon seit eh und je entsprechend intensiv am Beschaffungsmarkt orientierten.
51
Zahlenbeispiel zur Erfolgswirksamkeit von Materialkosteneinsparungen
GBE = Gewinnbeitrag des Einkaufs, ausgewiesen als vergleichbare Umsatzsteigerungsrate MA = Materialaufwand in % vom Umsatz (= Materialintensität) ME = Materialkosteneinsparung in % der Materialkosten UR = Umsatzrentabilität Optimierung der Gesamtkosten
Einer der wesentlichen Gründe, die zu dem hohen Anteil der Materialkosten am Umsatz geführt haben, ist die abnehmende Fertigungstiefe in der verarbeitenden Industrie und der damit verbundene vermehrte Übergang von der Eigenfertigung zum Fremdbezug kompletter Baugruppen. Aus dieser Sicht findet die Feststellung: „Im Einkauf liegt der Gewinn“ oder die in der US-amerikanischen Wirtschaftspraxis gebräuchliche Redewendung: „Purchasing is a profitmaking job“ immer mehr ihre Rechtfertigung. Allerdings kann - wie bereits erwähnt - nicht der Preis allein entscheidend sein für den Einkaufserfolg, sondern die Gesamtkosten. Es bedarf daher einer Betrachtung der gesamten Prozesskette. ⇐
Aufgabe 2
Zu (2): Die Kategorien der Bewirtschaftungskosten sind: - Bestellkosten - Lagerhaltungskosten - Bewegungskosten - Verteilkosten
Der Ergebniseinfluss der Materialwirtschaft wird deutlich, weil neben den Materialkosten die Materialbewirtschaftungskosten zu berücksichtigen sind. Diese können entsprechend den materialbezogenen Funktionen (beschaffen/bestellen, lagern, bewegen, verteilen) definiert werden, 1 das heißt auch die Kosten der Planung und Steuerung, also auch ein Großteil der EDVKosten, gehören dazu. Sofern die Kostenstellenkosten des marktgerichteten Einkaufs ausgeklammert werden, sind die Materialbewirtschaftungskosten den Logistikkosten 2 gleichzuset1
Dieser Definition liegt die integrierte Materialwirtschaft als Verantwortungsbereich zu Grunde. 2 Zur Logistik-Kosten- und -Leistungsrechnung siehe K. D. Lorenzen, Logistik Kostenrechnung, Gernsbach 1998, S. 62 ff.
52
zen. Im Einzelnen stellen sich die funktionsorientierten Kategorien der Materialbewirtschaftungskosten wie folgt dar: (1) Bestellkosten: Das sind Einkaufs-, Dispositions- und Zugangskosten (Kosten der Warenannahme etc.), unabhängig davon, von welcher Kostenstelle sie verursacht werden. 1 (2) Lagerhaltungskosten: Hierzu zählen die Kosten der Kapitalbindung, die vor allem die Zinsen für das in den Beständen an Material, Halb- und Fertigfabrikaten gebundene Kapital sowie - im weiteren Sinne - kalkulatorische Beständewagnisse und Abschreibungen für Wertberichtigungen auf Lagergüter umfassen. Hinzu treten die Kosten der Lagerung (= Lagerkosten). (3) Bewegungskosten: Diese schließen Kosten für den innerbetrieblichen Transport sowie für das Be- und Entladen mit ein, soweit sie für noch nicht verkaufsfähige Produkte anfallen. Hinzu kommen die Kosten für die Steuerung des innerbetrieblichen Materialflusses. (4) Verteil- oder Distributionskosten: Dazu zählen die Kosten der Versanddisposition und Versanddurchführung, d.h. die Kosten der Auftragsabwicklung, des Kommissionierens, des Verpackens, des Versands und der Fakturierung. Die Kosten der Materialbewirtschaftung sind beachtlich. Sie schwanken von Branche zu Branche und liegen Schätzungen zufolge zwischen 10 % und 20 % des Umsatzes (vgl. Abb. 5). Betrachtet man die Tabelle 1.2, so ist erkennbar, dass Unternehmen der verarbeitenden Industrie vor allem durch die hohe Kapitalbindung in ihren Vorräten erheblich belastet sind. 2
Die Belastung durch Kapitalbindungskosten ist erheblich
Indessen bereitet die genaue Ermittlung der Materialbewirtschaftungskosten erhebliche Schwierigkeiten, da die „klassischen“ Kostenrechnungssysteme keine verursachungsgerechte
Problematik der verursachungsgerechten Gemeinkostenverrechnung - Nebenrechnung in Form der Prozesskostenrechnung
1
Die Bestellkosten werden auch als mittelbare Beschaffungskosten - vgl. E. Grochla, Grundlagen der Materialwirtschaft, a.a.O., S. 74 - bezeichnet. 2 Deutsche Bundesbank, a.a.O., S. 68 ff.
53
Zuordnung der Gemeinkosten bieten können. 1 Falsche Kosteninformationen für die Preiskalkulation, aber auch für andere Entscheidungsprobleme (z.B. Make-or-Buy-Entscheidungen) sind die Folge. „Diesem Schreckgespenst soll die Prozesskostenrechnung den Garaus machen.“ 2 Aber auch die Prozesskostenrechnung proportionalisiert die Fixkostenbestandteile, so dass sie über die „Reaktionsgeschwindigkeit“ der Kosten keine Aussage machen kann. Daraus folgt: Die Lösung kurzfristiger Entscheidungsprobleme darf mit der Prozesskostenrechnung nicht unterstützt werden. Branche
verarbeitende Industrie insgesamt Textilgewerbe chemische Industrie Gummi- und Kunststoffindustrie Herstellung von Metallerzeugnissen Maschinenbau Elektrotechnik Fahrzeugbau Tabelle 1.2:
Die Hauptkennzahl Return on Investment (Rol)
Vorräte in % des Vorräte in % der Bilanzsumme (Vor- Umsatzes 2000 ratsintensität) 2000 20,70 13,60 31,00 13,20 19,00
18,20 12,50 11,50
20,70
13,50
29,30 19,70 13,00
21,30 15,80 7,00
Bedeutung der Vorräte in den Bilanzen ausgewählter Branchen der verarbeitenden Industrie
Die Auswirkungen von Einsparungen im materialwirtschaftlichen Bereich auf die Unternehmensrentabilität wird häufig mittels der Hauptkennzahl Return on Investment (Verzinsung des investierten Kapitals = Kapitalrentabilität) verdeutlicht. Diese Hauptkennzahl wird wie folgt ermittelt: • Rol = Umsatzrentabilität · Kapitalumschlag 1
Das gilt insbesondere auch für die mit der Entsorgung verbundenen Kosten (= Entsorgungskosten), die in der Regel in den oben definierten Materialbewirtschaftungskosten enthalten sind. 2 K. D. Lorenzen, a.a.O., S. 136.
54
=
Gewinn · 100 Umsatz · Gesamtkapital Umsatz ( = Gesamtvermögen = Bilanzsumme)
Für die materialwirtschaftlich-dispositive Betrachtung ist das Gesamtvermögen, das sich aus dem Anlage- und Umlaufvermögen zusammensetzt, von besonderer Bedeutung, da im Umlaufvermögen das Vorratsvermögen mit im Durchschnitt etwa 40 % enthalten ist. Die Kennzahl macht somit den Einfluss eines gezielten Lagerbestandsabbaus auf den Rol deutlich. Darüber hinaus können durch eine Bestandsreduzierung gewisserweise automatisch die Kapitalbindungskosten gesenkt werden, so dass sich auch die Umsatzrentabilität verbessert.
Die Hebelwirkung einer Bestandsreduzierung
Vor dem Hintergrund bescheidener Kapitalrenditen und einer sich seit Jahren stetig vermindernden Eigenkapitalbasis stellt sich daher die Frage, warum viele Industrieunternehmen noch immer durch eine überdurchschnittlich hohe Kapitalbindung in ihren Vorräten belastet sind. Es sind dafür im Wesentlichen folgende Hauptursachen zu nennen: 1
Hauptursachen hoher Vorräte
• Unklare Bestandsverantwortung, da diese auf mehrere Stellen im Unternehmen verteilt ist, so dass sich keine Stelle wirklich verantwortlich fühlt. • Mangelhafte („unprofessionelle“) Absatzplanung und deren unzureichende Abstimmung mit der Produktionsplanung. • Mangelnde Dispositionsqualität. Beständen haftet zudem der Makel eines bequemen Ruhekissens an. Hinzu kommt, dass herkömmliche Versuche, die Kosten zu reduzieren, meist in den einzelnen Teilbereichen der Materialwirtschaft unternommen werden, ohne dabei die Auswirkungen auf die anderen Aufgabengebiete zu berücksichtigen. In vielen Fällen werden dadurch nicht die Kosten der Materialbe1
Vgl. O. Wassermann, Erfolgsfaktor Durchlaufzeiten, Köln 1989, S. 31 ff.
55
Eine Gesamtkostenbetrachtung ist angezeigt
wirtschaftung reduziert, sondern nur von einem Teilbereich auf einen anderen verlagert oder sogar erhöht. Für die Praxis gilt, dass materialbezogene Kosten nicht einzeln, sondern nur in ihrer Gesamtheit betrachtet werden dürfen. Dazu ein Beispiel: 1 Praxisbeispiel zur Gesamtkostenbetrachtung
Beispiel 4: Zur Wahl steht die Alternative: a) ein Zentrallager und damit Direktversand an Kunden, b) mehrere Regionallager, d.h. zweistufiger Versand. Es ist die optimale Außenlageranzahl zu bestimmen, wobei nur Kostengesichtspunkte zugrundegelegt werden sollen. (Eine Verbesserung des Lieferservice erfordert stets eine erhöhte Anzahl von Außenlagern.) Bei sonst gleichen Bedingungen sind folgende Kostenabhängigkeiten zu berücksichtigen: 1. Die Transportkosten vom Lager zum Kunden sinken mit zunehmender Anzahl der Regionallager. 2. Die Transportkosten vom Werk zu den Regionallagern steigen mit zunehmender Anzahl der Regionallager. 3. Die Lagerhaltungskosten steigen mit zunehmender Anzahl der Regionallager. 4. Die Kosten der Auftragsabwicklung (Ausgang Werk → Eingang Regionallager → Ausgang Regionallager) steigen mit zunehmender Anzahl der Regionallager. Aggregiert man die entsprechenden Kostenverläufe, dann zeigt sich, dass die Gesamtkosten zunächst abnehmen, weil die Transportkosten zum Kunden anfangs stärker sinken als die Transportkosten zu den Regionallagern und die Lagerhaltungskosten. Von einem kritischen Punkt an nehmen die letzteren aber so stark zu, dass die sinkenden Kosten für den Transport zu den Kunden überkompensiert werden und damit die Gesamtkosten steigen.
Rationalisierungspotenziale sind unternehmensübergreifend zu nutzen
Vorteil der Gesamtkostenbetrachtung ist demnach, dass materialbezogene Entscheidungen und Aktivitäten in ihren kos1
Nach G. Poth, Praxis der betrieblichen Warenverteilung, a.a.O., S. 94 f.
56
tenmäßigen Auswirkungen für das Gesamtunternehmen gesehen werden. Dabei sollten die Optimierungsbemühungen nicht an der Unternehmensgrenze enden, sondern den gesamten Wertschöpfungsprozess im Sinne des SCM-Konzeptes einbeziehen. Herkömmliche Denkweisen und Strukturen erschweren jedoch häufig Maßnahmen, die zum Ziel haben, - nicht notwendige Kosten zu verhindern, - notwendige Kosten zu senken. ⇐
Aufgabe 3
3.2 Schlüsselstellung der Materialwirtschaft von Einkauf und Logistik - im Unternehmen - ihre Einflussmöglichkeiten auf die Wettbewerbsfähigkeit Es bedarf einer leistungsfähigen Materialwirtschaft, um durch die systematische Beeinflussung der aufgezeigten Kostenkategorien das Unternehmensergebnis wesentlich zu beeinflussen und - nicht nur dadurch - die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens zu verbessern. Eine steigende Zahl von Unternehmen hat diese Chance genutzt und die Materialwirtschaft zu einer gleichrangigen Grundfunktion in der Unternehmenshierarchie gemacht. Diese Entwicklung wurde spätestens sichtbar, als große Konzerne damit begannen, geeignete Materialwirtschaftsmanager als Vorstandsmitglieder auf höchster Führungsebene zu etablieren. Unternehmen, denen es bisher aufgrund der Ressortegoismen noch nicht gelungen ist, aus den isoliert operierenden, einkaufenden, disponierenden und steuernden Funktionen ein integriertes Materialmanagement für sämtliche logistischen Aktivitäten vom Beschaffungs- bis zum Absatzmarkt zu entwi-
57
Bedeutungswandel der Materialwirtschaft aufgrund veränderter Strukturbedingungen
ckeln, werden durch veränderte veränderten Rahmenbedingungen 1 wie -
Globalisierung der Märkte, sich verkürzende Produktlebenszyklen, den steigenden Qualitätsansprüchen der Kunden, der Forderung nach hoher Flexibilität und nach individuellen, variantenreichen Problemlösungen sowie kurzen Entwicklungs- und Durchlaufzeiten (Time-to-Market).
zum kooperativen Management unternehmensübergreifender Prozesse (SCM) gezwungen.
3.2.1 Der strategische Einkauf und sein Erfolgspotenzial Marktorientierter statt exekutiver Einkauf
An die Funktionen Einkauf und Logistik werden daher im Vergleich zu früheren Jahren erheblich höhere Anforderungen gestellt. Der Einkauf kann nicht länger als exekutive Funktion von Absatz- oder Produktionsplänen eingestuft werden, die nur das vollstreckt, was andere Bereiche geplant haben. Vielmehr ist der Einkauf - wie der Absatz - eine marktgerichtete Funktion, seine Aktivitäten sollten auf der Philosophie des Marketing beruhen und von der strategischen Fragestellung getragen werden: • Wissen wir, was der Markt anbietet und welche Lieferantenkapazitäten (Forschung, Entwicklung, Produktion und Vertriebslogistik) genutzt werden können?
Der strategische Einkauf gibt Impulse
Für die Aufgabenstellung des strategisch orientierten Einkaufs ist die Erweiterung des Aufgabenumfangs alleine nicht entscheidend. So hat Global Sourcing noch nichts mit strategi-
1
Siehe dazu und zum folgenden H.F. Busch, Integriertes Materialmanagement hat die Schlüsselstellung im Unternehmen, in: Beschaffung aktuell, Nr. 9, Leinfelden 1987, S. 28 ff.
58
schem Einkauf zu tun oder ist zumindest nicht mehr als ein Baustein. 1 Vielmehr soll in Abgrenzung zum operativen Tagesgeschäft die strategische Dimension deutlich machen, dass der Einkauf unternehmerische Verantwortung übernimmt und den Aufbau, die Pflege und die Nutzung von Erfolgspotenzialen zum Ziele hat. Die strategischen Überlegungen im Einkauf laufen daher auf eine Beantwortung der Fragestellung hinaus, - welche Produkte, - welche Technologien, - welche Märkte, - welche Lieferanten als „neue“ Erfolgspotenziale im Rahmen der langfristig vorgegebenen Unternehmenspolitik und -ziele sowie unter Beachtung der zur Verfügung stehenden personellen, sachlichen und finanziellen Ressourcen zu identifizieren sind. Die Umsetzung der strategischen Überlegungen, die in strategischen Programmen konkret ihren Niederschlag finden können, erfolgt durch die gezielte Wahrnehmung der operativen Aufgaben von der Beschaffungsmarktforschung bis zu Vertragsvereinbarungen. Damit wird deutlich, dass • mit der Bezeichnung strategischer Einkauf die strategische Ausrichtung der operativen Einkaufsaktivitäten und damit die Mitverantwortung des Einkaufs für den Unternehmenserfolg signalisiert wird, • der strategische Einkauf permanentes Initiativmanagement voraussetzt, • Initiativmanagement Kreativität und Zielstrebigkeit im kontinuierlichen Optimierungsprozess der Supply Chain verlangt. 1
Nach unserer Auffassung ist Global Sourcing eine operative Aufgabe des auf den Markt hin ausgerichteten Einkaufs, um strategische Zielsetzungen (z. B. Identifizierung „neuer“ Produkte/Rohstoffe) zu verwirklichen.
59
Im Wesentlichen sind daher die Aktivitäten des strategisch orientierten Einkaufs durch folgende Merkmale geprägt: • Er ist prozessorientiert und kreativer Mitgestalter der Wertschöpfungskette (in der unternehmensinternen Prozesskette und als Bindeglied zu seinen internen und externen Kooperationspartnern). • Er ist als Nahtstelle zwischen den Bedarfsträgern im Unternehmen und den Beschaffungsmärkten Ideenmanager und Vertrauenspartner, der die Fachabteilungen und die Lieferanten technisch und wirtschaftlich zusammenbringt. • Er ist von der Produktentwicklung (Konzeptphase) an aktiv in Projektteams eingebunden. • Er strebt eine Optimierung der Total Cost of Ownership, das heißt der Gesamtkosten der Versorgung an. (Beispiele hierfür sind die Durchführung der Qualitätssicherung durch Lieferanten und das Shop-in-Shop-Konzept). 1 • Er ist Protagonist von „Buy“-Entscheidungen. • Er schließt in der Regel langfristige Verträge ab (z.B. auf den Produktlebenszyklus bezogen, sog. Long-Life-Verträge). • Er forciert den Einkauf von Komplettlösungen (System-, Modular Sourcing). • Er strebt im Rahmen eines gezielten Supplier Relationship Management (SRM) eine enge Zusammenarbeit (Kooperation) mit Lieferanten an, die auf ihrem Fachgebiet führend sind. 2 • Er verfolgt eine Optimierung der Lieferantenanzahl. 1
Beim Shop-in-Shop-Konzept mietet der Dienstleister im Betrieb des Kunden eine Fläche, um seine Artikel zu bevorraten, eventuell montagegerecht vorzumontieren oder zu konfektionieren und Just-in-Time zu liefern. In Anlehnung an dieses aus dem Handel bekannte Konzept spricht man auf dem Gebiet des industriellen Beschaffungsmanagement auch vom Factory-in-Factory-Konzept. 2 Ausführlich dazu H. Hartmann, Lieferantenmanagement: Gestaltungsfelder, Methoden und Instrumente, Gernsbach 2004, S. 72 ff.
60
• Er schaltet im Rahmen von Outsourcing-Strategien leistungsfähige Dienstleister ein, die nicht nur für die Beschaffung von C-Teilen zur Verfügung stehen, sondern maßgeschneiderte Prozessoptimierung und ein umfangreiches Management-Informationssystem bieten. • Er ist aufgrund der wachsenden Komplexität der inner- und überbetrieblichen Zusammenarbeit um den Auf- und Ausbau leistungsfähiger Kommunikations- und Informationssysteme bemüht. In der Zukunft wird sich der strategisch orientierte Einkauf vermehrt bemühen müssen, gemeinsam mit anderen Fachabteilungen und in Zusammenarbeit mit ausgewählten (bevorzugten) Lieferanten die Rationalisierungspotenziale in der Wertschöpfungskette auszuschöpfen. Kundenzufriedenheit ist dabei Basis aller Strategien, die eine langfristige Sicherung der Wettbewerbsposition im Absatzmarkt zum Ziel haben. Time Based Management - hier steht die Zeit als Qualitätsfaktor im Mittelpunkt 1 - und Total Quality Management sind Eckpfeiler dieser Zielrichtung, zu denen der Einkauf, aber ohne Zweifel auch die Logistik in vielfältiger Weise einen wichtigen Beitrag leisten können.
Time Based Management und Total Quality Management als Facetten eines Kundenorientierungs-Programms
• Interne Akzeptanz ist dazu der Schlüssel des Erfolges, internes Marketing dafür ein notwendiges Hilfsmittel. Als Instrumente des strategisch orientierten Einkaufs sind vor allem -
SWOT-Analyse, die Portfolio-Analyse 2 und das Benchmarking
zu nennen. Die SWOT-Analyse (Strength/Weakneses - Opportunities/ Threats) Stärken/Schwächen - Chancen/Risiken ist eine der 1
Siehe H. Orths, Von der Kundenorientierung zum Supply Management, Wiesbaden 1995, S. 4. 2 Siehe hierzu im dritten Abschnitt unter Ziffer 1.3.
61
SWOT-Analyse, Portfolio-Analyse und Benchmarking als Instrumente der Strategieentwicklung
wichtigsten Grundlagen strategischer Planungsprozesse im Einkauf. Sie identifiziert durch eine Analyse der Ressourcensituation Handlungsspielräume in Gegenwart und Zukunft: Unternehmensstärken wie zum Beispiel: - qualifizierte Mitarbeiter - Potenzial zur Lieferantenentwicklung - Möglichkeiten der Eigenfertigung (MoB) - Kreatives Potenzial - exzellentes Qualitätsmanagement - Umweltfreundliche Produktion und Produkte
Unternehmensschwächen wie zum Beispiel: - Abhängigkeit von fremden Patenten - konstruktive oder technologische Abhängigkeit von Kunden oder Lieferanten (Systemverbund) - keine Möglichkeit der Weitergabe von Kostensteigerungen in der Herstellung auf die Verkaufspreise - hohe Umstellungskosten bei Lieferantenwechsel (Werkzeugkosten, Investitionen) - Konzernverpflichtung (interne Bezüge)
Beim Benchmarking wird nach den Erfolgstreibern gesucht und verlangt, dass sich Unternehmen und Unternehmensbereiche an den „Klassenbesten“ messen, von diesen lernen und sogar ihre „Best Practices“ übernehmen. Dabei sucht man den Vergleich in einer Sache, einer Leistung oder einem Prozess. Die oft nur bedingte Vergleichbarkeit wird bewusst in Kauf genommen. Lean Production führt zu einer Ausweitung der Einkaufsaktivitäten
Unter dem Einfluss des weltweiten Wettbewerbs und den Leitgedanken der Lean Production 1 konzentrieren die Unterneh1
Die über fünf Jahre und in vierzehn Ländern der Welt durchgeführte Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT) zur Situation der weltweiten Automobilindustrie dokumentierte eindrucksvoll die Überlegenheit der japanischen Automobilhersteller zur damaligen Zeit im Wettbewerb mit den europäischen und nordamerikanischen Konkurrenten. Der Erfolg der japanischen Automobilindustrie wurde dabei auf eine Konzeption zurückgeführt, die darauf abzielte, die gesamte Wertschöpfungskette hinsichtlich der Erfolgsfaktoren Zeit, Kosten und Qualität zu optimieren. Die Gesamtheit der Prinzipien, die dieser Konzeption zugrunde liegt, ist unter dem Begriff „Lean Production“ bekannt ge-
62
men zunehmend ihre Ressourcen auf die Nutzung der Kernkompetenzen, den eigentlichen wertschöpfenden Tätigkeiten. Alle Aktivitäten, die nicht dem Kundennutzen dienen, werden als Verschwendung angesehen. Bei konsequenter Umsetzung dieses Leitgedankens sind Reduzierung der Fertigungstiefe und Auslagerung von Eigenleistungen die Folge, was zwangsläufig zu einer Ausweitung und Intensivierung der Einkaufsaktivitäten führen muss.
3.2.2 Wettbewerbsvorteile durch eine leistungsfähige Logistik Neben der Realisierung eines marktorientierten Einkaufs ist es für die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und der Ertragskraft des Unternehmens unerlässlich, auch die logistischen Prozesse im Sinne der Supply Chain-Philosophie von den Vorlieferanten bis zu den Endverbrauchern unter Einbindung kompetenter Logistikdienstleister zu optimieren. Die unternehmensübergreifende Planung und Steuerung der Material- und Informationsflüsse ermöglicht -
den aktuellen Informationsaustausch mit Systemlieferanten, eine Reduzierung der Transport-, Lager-, Umschlags- und Kapitalbindungskosten, die Vermeidung von Fehlmengen und somit von Produktionsausfällen, eine Verringerung der Durchlaufzeiten, eine Reduzierung der Bestände und damit Erhöhung der Liquidität und die Verbesserung des Lieferservice gegenüber den Kunden.
Zusammengefasst sind Ansatzpunkte für die positive Wettbewerbswirkung der Logistik in einer Steigerung der Logistikleistung und einer Senkung der Logistikkosten zu sehen. Beiden Faktoren kommt eine wichtige Rolle bei der Positionierung der Unternehmen im Wettbewerb zu. Zahlreiche Praxisbeispiele zeigen, dass Unternehmen einen wesentlichen Teil ihres Erfolworden. - Siehe J.P. Womack, D.T. Jones, D. Ross, Die zweite Revolution in der Automobilindustrie: Konsequenzen aus der weltweiten Studie des Massachusetts Institute of Technology, 7. Auflage, Frankfurt 1992, S. 10 ff.
63
Vorteile eines ganzheitlichen Prozessmanagement
ges auf eine leistungsfähige Logistik zurückführen können. Kurze Lieferzeiten, hohe Lieferqualität, hohe Flexibilität, geringe Logistikkosten 1 usw. können, insbesondere wenn die angebotenen Produkte einander sehr ähnlich sind, ganz erheblich Kaufentscheidungen beeinflussen. Veränderungen in der Denkweise
Dieses setzt voraus, dass die Mitarbeiter und Führungskräfte in allen am Material- und Informationsfluss beteiligten Bereichen eines Unternehmens die Notwendigkeit einer abgestimmten und ganzheitlichen Steuerung dieser Prozesse erkennen und akzeptieren. Oft jedoch scheitert die Umsetzung an erheblichen Widerständen, die entstehen, weil im Zuge von Veränderungen Macht- und Statusverluste befürchtet werden. Die Logistik als eine am Kunden ausgerichtete Querschnittsfunktion im Unternehmen (vgl. Abb. 6) ist von strategischer Bedeutung. Um alle in der Versorgungskette liegenden Potenziale auszuschöpfen, ist es unerlässlich, diese Kette in ihrer Gesamtheit vom Lieferanten bis zum Kunden zu betrachten. Ziel ist es letztlich, die Logistik • als eine das Handeln aller Mitarbeiter bestimmende Denkhaltung zu implementieren 2 und • sie funktionsübergreifend im Unternehmen organisatorisch zu verankern, denn sie ist mehr als eine reine Transport- oder Versand-Logistik.
Ganzheitlicher Logistik-Ansatz führt zur Effizienzverbesserung in allen Bereichen
Die Logistik ist geprägt durch eine eindeutige Serviceorientierung für den Einkauf, die Produktion und das Marketing. Die Fachbereiche werden - wie Abb. 6 verdeutlicht - von der Mengen- und Terminverantwortung entlastet und können sich auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentrieren: -
1
der Vertrieb auf den Absatzmarkt, die Produktion auf den Maschinenpark, der Einkauf auf den Beschaffungsmarkt.
Vgl. O. Wassermann, Erfolgsfaktor Durchlaufzeiten, a.a.O., S. 40. - Siehe auch vom Verf., Bestandsmanagement und -Controlling - Optimierungsstrategien mit Beiträgen aus der Praxis, Gernsbach 1999. 2 Vgl. K. D. Lorenzen, a.a.O., S. 17 ff.
64
Einkauf Beschaffungsmarkt
• Marktanalyse • Rahmenverträge • Lieferantenpflege/ -entwicklung • Techn. Know-How
Produktion • Optimierung Fertigungsprozesse • Reduzierung Ausschuß • Verbesserung Fertigungsmethoden
Fremdfertigungskapazität
Absatz • • • •
Absatzmarkt
Marketingstrategien Verkaufsförderung Werbung Ersatzteilservice
Eigenfertigungskapazität
Absatzkapazität
Informationsfluß (Abrufe, Planung, Aufträge)
Logistik-Management Logistik-Management
Informationsfluß (Lieferscheine, Steuerungsinformationen u. ä.)
Kunden
Lieferanten Materialfluß (Transport-, Lager- und Umschlagsprozesse)
Abbildung 6:
Logistik als Querschnittsfunktion
Eine der wichtigsten Aufgaben, vor allem der mittelständischen Unternehmen, muss also lauten: Beseitigung aller Schwachstellen innerhalb der gesamten logistischen Versorgungskette durch Auflösung alter Strukturen, Abläufe und Verhaltensweisen. 1 • Die Realisierung einer systemorientierten, ganzheitlichen Logistik - und nicht einer Logistik mit „Bindestrich”! - ist als Antwort auf die Herausforderung des Marktes gefordert. • Die Logistik - verstanden als Koordinator des Materialund Informationsflusses zwischen den Märkten - muss durch die Überwindung der „Egoismen” in der Lean Company zur Selbstverständlichkeit werden.
1
Vgl. Weber/Weise/Kummer, a.a.O., S. 26.
65
Der Innovationsprozess zwingt die Logistik innerbetrieblich zu verantwortungsbewusstem Handeln
Einen verantwortungsvollen, in die Zukunft weisenden Einfluss kann die Logistik nur dann ausüben, wenn ihr sowohl nach innen wie nach außen der ihr gebührende Aktionsradius eingeräumt und die dazugehörige Eigenständigkeit, Verantwortung und Kompetenz zuerkannt wird. Das bedeutet, dass eine organisatorische Unterstellung der Logistik unter die Produktion vermieden werden sollte.
3.3 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Materialwirtschaft Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Materialwirtschaft zeigt sich vor allem in vier Punkten: Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Materialwirtschaft liegt in der - Beeinflussung des Preisgeschehens - konjunkturanfälligen Vorratshaltung - Beeinflussung der Leistungsbilanz - ökologischen Verantwortung
(1) Preisbildung: Die Preise bilden sich in Wirtschaftssystemen mit überwiegend marktwirtschaftlichen Ordnungselementen durch Angebot und Nachfrage auf den einzelnen Märkten. Durch Wettbewerb in den Beschaffungsmärkten (national und international), durch Einblick in die Kalkulation der Lieferanten, durch die Mittel der Kosten- und Preisanalyse sowie durch die Marktbeobachtung beeinflusst die Materialwirtschaft die Preise der Vorleistungsgüter (Investitionsgüter, Materialien und fremdbezogene Dienstleistungen) und damit die Umsatz- und Ertragsentwicklungen vorgelagerter Produktionsstufen. Da die Vorleistungsgrade der einzelnen Unternehmen ständig wachsen, d.h. ein zunehmender Anteil des Produktionswertes zugekauft statt durch Eigenleistung erbracht wird (durch den Zukauf kompletter Baugruppen statt einzelner Teile), gewinnt die geschilderte Einflussnahme immer mehr an Bedeutung. (2) Vorratshaltung: Lagerbewegungen auf den verschiedenen Produktions- und Handelswarenstufen haben die wirtschaftlichen Wechsellagen (Konjunkturzyklen) eher verschärft als geglättet. Dies gilt vor allem unter inflationären Bedingungen. Zieht die Konjunktur an, dann tritt zu dem Bestreben, sich für vermehrte Nachfrage einzudecken, noch die zusätzliche Vorsorge, den erwarteten
66
Preissteigerungen zuvorzukommen. Beschaffungs- und Vorratsdispositionen bestimmen damit mehr die Konjunktur als irgendwelche anderen unternehmerischen Aktivitäten. Deshalb gehört es zur Verantwortung der Materialwirtschaft, sich bei ihren Entscheidungen zu überlegen, welche destabilisierenden Kräfte möglicherweise freigesetzt werden. 1 (3) Leistungsbilanz: Ohne eine intensive Erforschung der Auslandsmärkte und Internationalisierung des Wettbewerbs ist in vielen Fällen ein erfolgreiches Einkaufen von Materialien nicht möglich und eine langfristig gesicherte Versorgung mit Rohstoffen nicht erreichbar. Im Zuge der fortschreitenden wirtschaftlichen Integration sowie als Folge der Entwicklung des modernen Verkehrs- und Nachrichtenwesens weiten sich die Beschaffungsmärkte weltweit aus (Globalisierung), so dass die Importe zunehmen und damit die Leistungsbilanz berühren. (4) Ökologische Verantwortung: Die Art der Entsorgung, das Recycling knapper Rohstoffe und der Einkauf umweltfreundlicher Produkte haben aufgrund zunehmender Umweltbelastung und immer knapper werdender Ressourcen wesentlich an Bedeutung gewonnen. Für rohstoffarme Länder wie die Bundesrepublik Deutschland hat das Recycling auch unter dem Aspekt der Einsparung knapper Devisen eine hervorragende Bedeutung. Vor diesem Hintergrund ist die Materialwirtschaft dafür verantwortlich, die zu beschaffenden Materialien vom Zugang über die Lagerung und Produktion bis hin zur Entsorgung zu überwachen.
1
Vgl. E. Falz, Einkauf als unternehmerische Aufgabe, in: A. Degelmann, Hrsg., Einkaufsleiter-Handbuch, München 1965, S. 64.
67
4.
Probleme der Materialwirtschaft
Materialwirtschaftliche Ziele, wie sie in Ziffer 4.2 dieses Abschnitts definiert werden, bleiben unerreicht, wenn sich nicht eine gesamtunternehmerische Betrachtungsweise der Materialwirtschaft durchsetzt. Eine solche Konzeption wirft jedoch zahlreiche Probleme auf. Am schwersten wiegt, dass traditionell jeder Bereich ausschließlich seine Ziele verfolgt und die Materialwirtschaft im Spannungsfeld dieser konfliktären Interessen angesiedelt ist. Das materialwirtschaftliche Optimierungsproblem findet hier seine eigentliche Begründung.
4.1 Die Materialwirtschaft im Spannungsfeld konfliktärer Bereichsinteressen Die Überwindung konfliktärer Bereichsinteressen ist das Hauptproblem für eine optimale Materialwirtschaft
Die Optimierung materialwirtschaftlicher Aufgaben verlangt die Überwindung folgender bereichsbezogener Prioritäten: • Die Entwicklung und Konstruktion streben nach Gestaltungsfreiheit für Funktionsteile eines neuen Produktes ohne sorgfältige Erforschung kostengünstiger Alternativen auf den Beschaffungsmärkten. • Der Absatz möchte jeden Kundenwunsch sofort erfüllen. Er verlangt 100 %igen Lieferservice, unabhängig von optimalen Losgrößen, Rohstoffbeschaffung, Lagerkapazität usw. • Die Fertigung verlangt hochwertige Stoffe von gleichbleibender Qualität und erwartet, dass das Beschaffungslager jederzeit jede Bedarfsanforderung erfüllen kann. • Die Instandhaltung möchte für jeden möglichen Schaden alle Reserveteile am Lager haben. • Die Finanzabteilung verlangt wegen der Kapitalbindung und der in Anspruch genommenen Liquidität eine möglichst geringe Lagerhaltung. Das wichtigste Problem für eine optimale Materialwirtschaft liegt in der Notwendigkeit einer Überwindung der vorhandenen Inte-
68
ressenkonflikte. Ausgangspunkt für organisatorische Überlegungen, die in diese Richtung zielen, sollte die Tatsache sein, dass Materialprobleme bei der Beschaffung, in der Fertigung und beim Absatz entstehen. Sie sind nicht isoliert zu betrachten. Das völlig getrennte Arbeiten führt zu Fehlleistungen und damit zu „unnötigen“ Kosten (Fehlleistungskosten). Außer der Zielbe- und -abstimmung wirken der Festlegung der Zeit, die zur Abwicklung der Aktivitäten benötigt wird, bedeutende Schwierigkeiten entgegen. Einmal haben die Bedarfsstellen die Tendenz, die Einzelheiten ihres Materialbedarfs nicht früher festzulegen, als nach ihrem Urteil unbedingt notwendig ist, um die Zahl der nachträglichen Änderungen niedrig zu halten. Andererseits kommen vom Absatz- und Beschaffungsmarkt verursachte Abweichungen hinzu, deren Auswirkungen in der Beschaffungsphase auszugleichen sind.
Der Faktor Zeit als problemauslösendes Moment
Ist die Materialwirtschaft einem derartigen Problemkreis nachgeordnet, wird man sie immer als „Dienstleistungsfunktion“ ansehen mit der Vorstellung, dass Dispositionsschwierigkeiten, die an anderer Stelle nicht gelöst werden konnten, durch die Materialwirtschaft gelöst werden müssen. Die Materialwirtschaft gewinnt dann Ähnlichkeit mit einer Betriebsfeuerwehr, die nur gerufen wird, um die Folgen von Fehlleistungen in anderen Bereichen zu „löschen“. Es liegt auf der Hand, dass auf diese Art und Weise niemals eine optimale Lösung der materialwirtschaftlichen Aufgaben möglich wird. Sollten jedoch die in diesem Abschnitt skizzierten Verfahren der Prozessorientierung, des strategischen Einkaufs und der funktionsübergreifenden Logistik im Unternehmen realisiert worden sein, dürften die nachfolgenden beschriebenen Probleme weit weniger in Erscheinung treten.
4.2 Das materialwirtschaftliche Optimierungsproblem Im Interesse einer gesicherten Bereitstellung kann die Aufgabe der Materialwirtschaft/Logistik nicht auf die rein originären technischen Aufgaben beschränkt bleiben. Vielmehr lässt sich ihre Aufgabenstellung in die Optimierungsformel kleiden:
69
Optimierungsproblem
• Sicherstellung einer hohen Lieferbereitschaft 1 • bei geringster Kapitalbindung • bei minimalen Kosten Die Lieferbereitschaft ist ein Maß für die Verfügbarkeit der Waren. Hohe Lieferbereitschaft wird mit hohen Sicherheitsbeständen, d.h. hoher Kapitalbindung und hohen Lagerkosten bei gleichzeitiger Verringerung der Fehlmengenkosten 2 erkauft. Die Materialwirtschaft steht hier also vor einem Optimierungsproblem. Machen wir uns die Konfliktsituation an einem einfachen Beispiel klar. Allgemeines Beispiel zum Optimierungsproblem
Beispiel 5: Ein Disponent versucht, durch ausreichende Vorratshaltung eine Abdeckung aller Bedarfsanforderungen der Produktion zu erreichen. Das führt zu der Anweisung der Geschäftsleitung, die durch die hohen Sicherheitsbestände verursachte Kapitalbindung abzubauen, um Liquidität freizusetzen und die Kosten der Lagerhaltung zu senken. Nach dieser Maßnahme stellt der Disponent sehr bald ein Absinken der Liefer- bzw. Abgabebereitschaft fest. Nunmehr versucht er, das Risiko gegen Unterdeckungen durch häufigere Bestellungen von kleinen Mengen zu vermindern. Damit steigen aber die Bestell- und Materialkosten. (Der Anstieg der Materialkosten ist u.a. darauf zurückzuführen, dass die Lieferanten nunmehr in kleineren Losgrößen und damit kostenungünstiger produzieren müssen.) Ein Disponent kann also einerseits eine hohe Lieferbereitschaft garantieren, aber andererseits in erheblichem Umfang Kapital in Vorräten binden. Hohe Lieferbereitschaft und geringe Kapitalbindung sind nur schwer miteinander zu vereinbaren. Ein höherer Lieferbereitschaftsgrad lässt - wie Abb. 7 veranschaulicht - die Kosten der Kapitalbindung überproportional ansteigen. Vielfach wird daher ein Lieferbereitschaftsgrad zwischen 90 bis 95 % für ausreichend angesehen. 3
1
Die Lieferbereitschaft ist eine Komponente des sog. Lieferservice, das als Maß für die Güte eines Warenverteilungssystems angesehen werden kann. 2 Siehe dazu auch im vierten Abschnitt unter Ziffer 6.2.3 3 Allerdings bietet geeignete Software (z.B. SAP-R/3) dem Anwender die Möglichkeit, über die Eingabe unterschiedlicher Servicegrade die Entwicklung der Kapitalbindungskosten zu verfolgen.
70
Abbildung 7:
Materialwirtschaftliches Optimierungsproblem
Es liegt auf der Hand, dass durch Single Sourcing und langfristige Verträge mit Lieferanten ein stets aktueller Datenaustausch über lang-, mittel- und kurzfristigen Materialbedarf stattfindet. Unter diesen Voraussetzungen ist bei montageintensiven Baugruppen eine Just-in-Time-Anlieferung ohne eigene Bestandshaltung realisierbar. Bei Kleinteilen ist das sog. KanbanVerfahren - auf das wir im dritten Abschnitt unter Ziffer 4.2.1.4 eingehen - realisierbar. Auch dieses Verfahren führt unter der Voraussetzung eines kontinuierlichen Produktionsprozesses zu einer Optimierung der Bestandshaltung. Schließlich kann bei
71
Optimierung der Lieferbereitschaft durch alternative Versorgungsstrategien
normierten B- und C-Teilen eine Regalpflege im Lager auf Konsignationslagerbasis von Lieferanten oder Dienstleistern übernommen werden. Zweifellos haben sich die Kosten der Kapitalbindung in diesen Fällen auf die Lieferanten verlagert, die durch diesen Service die Bindung an ihre Kunden verstärkt haben. Die Lieferbereitschaft ist damit teilweise zum Beurteilungskriterium und Vertrauensbeweis gegenüber den Lieferanten geworden. Zielkonflikte erfordern eine ganzheitliche Betrachtung
Bei der Formulierung materialwirtschaftlicher Ziele können sich jedoch neben dem klassischen materialwirtschaftlichen Optimierungsproblem weitere Zielkonflikte herausstellen. Symptomatisch dafür sind: -
hohe Lieferbereitschaft
niedrige Versorgungs-, Recycling- und Entsorgungskosten
-
höhere Flexibilität höhere Produktivität
niedrige Lagerbestände kleinere Losgrößen
-
gleichmäßige Kapazitätsauslastung
Losgröße 1
Es steht außer Frage, dass • eine optimale Lösung dieser Zielkonflikte, die in der Regel von der Unternehmenspolitik und -strategie stark geprägt sein wird, die Einbindung aller zielbeeinflussenden Bereiche und eine kompetente Materialwirtschaft/Logistik voraussetzt. Dabei unterliegen die Zielsetzungen hinsichtlich ihrer Wertigkeit aufgrund der sich verändernden unternehmensinternen und -externen Rahmenbedingungen einem stetigen Wandel.
72
Fragen zur Selbstkontrolle 1. Mit welchen Beschaffungsobjekten befasst sich die Materialwirtschaft? Warum sollten auch Dienstleistungs- und Outsourcing-Aufträge über die Materialwirtschaft, den Einkauf abgewickelt werden? 2. Erläutern Sie die Begriffe „Modul“ und „System“! 3. Welche Definitionen für den Begriff Materialwirtschaft kennen Sie? 4. Erläutern Sie die Teilsysteme einer ganzheitlichen Logistik! 5. Wie sind interne und externe Logistik voneinander abzugrenzen? Gehen Sie dabei vom Beispiel 1 aus! 6. Nennen Sie die Kerngebiete der Beschaffungs- und Lagerpolitik! 7. Interpretieren Sie den Begriff „Beschaffungsmarketing“! 8. Zur Erreichung einkaufspolitischer Zielsetzungen bedient sich der Einkauf - wie im Praxisbeispiel 2 dargestellt - modernster Einkaufsmethoden. Um welche handelt es sich dabei? 9. Ein Leitsatz der amerikanischen Beschaffungspolitik sagt: „Buy it, only if you can't buy it, make it“. Erläutern Sie diese Maxime und die Rolle, die der Einkauf bei Herstellungoder-Kauf-Entscheidungen spielen sollte! 10. Aus welchen Gründen ist die frühzeitige organisatorische Einbindung des Einkaufs in den Produktentwicklungsprozess sinnvoll? 11. Welche Vorteile sind mit dem Design-to-Cost-Konzept verbunden? 12. Aus welchen Gründen wird in der einkaufspolitischen Grundsatzrichtlinie gemäß Praxisbeispiel 2 der Einkauf
73
aufgefordert, die Voraussetzungen für Simultaneous Engineering zu schaffen? 13. Nennen Sie die Erfolgsfaktoren des Materialmanagement! 14. Welche Konsequenzen sind aus den Zahlen gemäß Tabelle 1.2 zu ziehen? 15. Nennen und erläutern Sie die Komponenten der Materialbewirtschaftungskosten! 16. Welche Probleme sind mit dem Prozesskosten-Ansatz verbunden? 17. Nennen Sie die wichtigsten Merkmale eines strategisch orientierten Einkaufs. 18. Warum ist Time Based Management zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor geworden? 19. Warum gilt der Begriff des „lifetime learning“ in hohem Maße für alle Facetten des strategisch orientierten Einkaufs? 20. Warum kann durch eine leistungsfähige Logistik die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens auf seinen Absatzmärkten gesteigert werden? 21. Erläutern Sie anhand der Abb. 7 das materialwirtschaftliche Optimierungsproblem. 22. Welche weiteren Zielkonflikte können sich ergeben? Die Antworten ergeben sich aus vorstehendem Abschnitt!
74
Zweiter Abschnitt Organisation der Materialwirtschaft
Zur Erfüllung der verschiedenen Aufgaben der Materialwirtschaft müssen Aktionseinheiten geschaffen und untereinander sowie mit den übrigen Stellen und Abteilungen des Unternehmens in einen Beziehungszusammenhang gebracht werden, das heißt die Materialwirtschaft bedarf einer Organisation. Da die betriebswirtschaftliche Organisationslehre dabei zwischen Aufbau- und Ablauforganisation unterscheidet, ist eine Klärung dieser Begriffe sinnvoll, bevor wir die Möglichkeiten einer optimalen organisatorischen Gestaltung der Materialwirtschaft untersuchen. Die Aufbauorganisation einer Unternehmung ergibt sich aus der Zuweisung analytisch gewonnener Teilaufgaben und der gegebenenfalls zu ihrer Erfüllung notwendigen Kompetenzen an die einzelnen Aufgabenträger sowie aus der Festlegung der Beziehungszusammenhänge zwischen den verschiedenen Organisationseinheiten. Mit der Verteilung der Aufgaben und der Abgrenzung der Zuständigkeiten der Instanzen (Kompetenzregelung) hat das Unternehmen seinen organisatorischen Aufbau, seine Struktur, erhalten. 1 Die Erfüllung der so festgelegten Aufgaben erfordert aber zusätzlich eine zeitliche und räumliche Regelung der Tätigkeitskomplexe in der Unternehmung. Diese auf eine rhythmische und terminliche Abstimmung von Arbeitsabläufen gerichtete Strukturierung stellt die Ablauforganisation dar. Diese Unterscheidung in Aufbau- und Ablauforganisation ist nur gedanklich zu vollziehen. Bei der praktischen Organisationsarbeit haben aufbauorganisatorische Maßnahmen meistens auch Konsequenzen für den Ablauf, wie umgekehrt ablauforganisatorische Veränderungen meist auch Veränderungen im Aufbau bewirken. Dass wir zwischen Aufbau- und Ablauforganisation trennen, darf keineswegs als ein Vorgehen praktischer Organisationsarbeit angesehen werden, bei der es letztlich darum geht,
1
Siehe im Einzelnen W. Weidner u.a., Organisation in der Unternehmung; Aufbau- und Ablauforganisation, 3. Auflage, München 1990, S. 29 ff. und S. 187 ff.
77
Begriff und Beziehungszusammenhang von Aufbauund Ablauforganisation
• den organisatorischen Rahmen für eine optimale Lösung aller Aufgaben zu schaffen, die sich aus der Unternehmenspolitik ergeben. Merkmale der „neuen“ Organisation
Der deutlich stärker gewordene internationale Wettbewerb und die eindeutige Vorrangstellung der Kunden haben dazu geführt, dass sich in den letzten Jahren - etwa seit Beginn der 90er Jahre - Organisation und Organisationsarbeit vor allem auch in der Materialwirtschaft - in Einkauf und Logistik - grundlegend geändert haben. Dafür gibt es eine Reihe konkreter Indikatoren: 1 • Mit dem Business Reengineering 2 wurde die Prozessorganisation für die gesamte Organisation zum Leitbild. Die Aufbauorganisation wird ihr untergeordnet. • Im Mittelpunkt der Prozessorganisation stehen die Kernprozesse, die eine besondere Bedeutung im Wertschöpfungsprozess des Unternehmens haben und/oder kundenfokussiert sind. Wertschöpfungsintensive Kernprozesse sind in Industrieunternehmen zum Beispiel: -
Produktentwicklung Beschaffung Logistik Produktion Vertrieb • Zur prozessorientierten Sichtweise gehört eine Kundenorientierung, die sowohl die externen Kunden wie auch die sog. internen Kunden umfasst, deren Zufriedenheit ebenfalls davon abhängig ist, ob die von ihnen erwartete Leistung mit der erhaltenen übereinstimmt.
1
P. A. Steinbuch (Hrsg.), Prozessorganisation - Business Reengineering, Ludwigshafen 1997, S. 25 ff. sowie Chr. Jahns, In Prozessen denken, organisieren und handeln, In: Beschaffung aktuell, Leinfelden 2003, Nr. 9, S. 30 ff. 2 Unter Business Reeingeneering ist fundamentales Überdenken und radikales Redesign von Unternehmen oder von Kernprozessen zu verstehen, wobei Redesign die Prozessgestaltung umfasst (Steinbuch, S. 32).
78
• Lean Organisation (Lean Company, Lean Management) war und ist das Ziel einer Vielzahl von Reorganisationsmaßnahmen der Unternehmen. Die Lean Organisation orientiert sich am Prinzip der „Einfachheit“. Durch Verminderung der Komplexität ist die Prozess- und Aufbauorganisation möglichst schlank zu gestalten. Schwerpunkte der Lean Organisation sind die Forderungen nach -
kleinen Unternehmenseinheiten wenigen Hierarchiestufen kleinen Organisationseinheiten verstärkter Teamarbeit • Integrierte Standardsoftware wurde und wird vermehrt in Unternehmen eingeführt. • Internet, Intranet, EDI usw. bieten neue Möglichkeiten der Organisationsgestaltung. • Sowohl bei der Reorganisation von Prozessen als auch bei der softwarebezogenen Neugestaltung wird vermehrt mit Projektgruppen gearbeitet. • Projektmanagement und Teamarbeit führen in der Regel bei geringerem Arbeitsaufwand zu besseren Arbeitsergebnissen. • Mit der Fertigungssegmentierung (Produktlinienorganisation, „Fabrik in der Fabrik“) werden Großunternehmen zwecks Realisierung einer Centerorganisation (Cost Center, Profit Center) in kleinere Einheiten zerlegt. • Nicht mehr nur die statische Lösung organisatorischer Probleme, sondern auch der kontinuierliche Verbesserungsprozess (KVP) ist das erklärte Ziel.
In vielen Unternehmen wird - wie erwähnt - noch heute Lean Organisation zur Maxime erhoben, ohne die Grenzen einer „Schlankheitskur“ zu beachten. Für sachlich notwendige Differenzierungen bleibt häufig kein Raum. Der Wettbewerbsdruck
79
Lean Organisation und ihre Grenzen
fordert aber auch ein höheres Maß an Flexibilität gegenüber den Kunden heraus. Flexibilität stellt Änderungsvermögen dar und setzt voraus, dass im Bedarfsfall die notwendigen personellen Ressourcen (quantitativ und qualitativ) zur Verfügung stehen, um agieren zu können. Minimale Personalausstattung geht zu Lasten der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Es gilt, die erheblichen organisatorischen Gestaltungsspielräume der „neuen“ Organisation zwar zu nutzen, aber unternehmensspezifisch die Grenzen ihrer Machbarkeit zu erkennen und zu beherrschen. In jedem Fall ist es als grober unternehmenspolitischer Fehler anzusehen, aus irgendeinem Organisationsmodell oder Schlagwort ein Dogma zu machen, denn es kann durchaus erforderlich oder sinnvoll sein, Unternehmensspezifika bei der Umsetzung der „neuen“ Organisation zu berücksichtigen.
1.
Einflussfaktoren auf die Art der Aufbauorganisation
Die Aufbauorganisation der Materialwirtschaft
Die aufbauorganisatorische Gestaltung der Materialwirtschaft kann sehr unterschiedlich sein und hängt u.a. von folgenden Faktoren ab: -
Unternehmensgröße und -kultur Wirtschaftszweig Unternehmensstruktur (geografische Streuung der Werke, Spartengliederung) Fertigungsstruktur (kundenorientierte Einzel- oder Kleinserienfertigung oder standardisierte Großserienfertigung)
Es kann daher im Rahmen dieses Abschnitts weder ein vollständiger Überblick gegeben noch eine optimale Organisationsform angeboten werden, zumal in einigen Grundfragen die Meinungen in der Theorie und in der Praxis weit auseinandergehen. Allerdings sollten Rentabilitäts- und Liquiditätsgesichtspunkte die Unternehmungen veranlassen, den auf-
80
bauorganisatorischen Ist-Zustand von Zeit zu Zeit kritisch zu prüfen, um zwischen weitestgehender Kontinuität und jeweils vollständiger Anpassung an die sich fortgesetzt wandelnden Rahmenbedingungen einen optimalen Weg zu finden. In diesem Zusammenhang sind vor allem folgende Problemkreise zu analysieren:
Problemkreise der Aufbauorganisation
(1) Die Abgrenzung der Materialwirtschaft (Kompetenzbereich der Materialwirtschaft) (2) Die hierarchische Eingliederung der Materialwirtschaft in die Unternehmensorganisation (3) Möglichkeiten einer Stellengliederung in den materialwirtschaftlichen Bereichen (4) Zentrale oder dezentrale Organisationsform der materialwirtschaftlichen Bereiche Man muss sich aber darüber im klaren sein, dass die Entwicklung und Implementierung alternativer organisatorischer Lösungen auf Schwierigkeiten stoßen kann, die sich rational nicht erklären lassen und im Umfeld des Unternehmens ihre Ursache haben. Neben sachlichen Unklarheiten („Was ist eigentlich gemeint?“) sind retardierende Erscheinungen vor allem auf folgende zusammenhängende Problemfelder zurückzuführen: -
Uninteressierte Unternehmensführung. Es fehlt die interne Unterstützung. Zementierte Positionen; starres, funktionsorientiertes Denken und Handeln. Übermächtige Bereiche, Bereichsleiter. Widerstand der Mitarbeiter gegen Neues und Ungewohntes. Zu geringe Beteiligung interner Spezialisten und/oder externer Berater. Unklar formulierte Ziele („Was wollen wir eigentlich erreichen?“).
Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass es oft eines besonderen Anstoßes (Kostendruck, Wettbewerbsdruck, unzufriedene Kunden) bedarf, um über den Ist-Zustand einer eingefahrenen Organisation nachzudenken.
81
Retardierende Faktoren einer organisatorischen Veränderung
Projektorganisation und Personalentwicklung als Erfolgsfaktoren
Als besonders erfolgreich bei der Organisationsentwicklung hat sich in der Praxis die Projektorganisation erwiesen. 1 Dabei ist für jedes Projekt, z.B. für jeden neu zu organisierenden Geschäftsprozess eine Projektgruppe einzurichten, welche die Prozessorganisation (z.B. den Prozess der Produktentwicklung) von der Prozessanalyse über die Prozesseinführung bis zum fehlerfreien Prozessablauf durchführt. 2 Sachliche und zeitliche Umstellungsverluste werden so auf ein Minimum reduziert. Da Organisationsentwicklungen auf Dauer jedoch nur erfolgreich sein können, wenn sie mit Personalentwicklungen vernetzt werden, ist auf die Vermittlung der erforderlichen Fach- und Methodenkompetenz für funktionsübergreifende Tätigkeiten besonders Wert zu legen.
1.1 Kompetenzbereich der Materialwirtschaft Die Materialwirtschaft steht, wie schon erwähnt, in vielfacher Weise in Beziehung zu anderen Bereichen der Unternehmung. Um so wichtiger ist eine klare Abgrenzung der Kompetenzen, damit Überschneidungen, Reibereien und Doppelarbeit vermieden werden, ohne dass die heute für optimale Entscheidungen unerlässliche Teamarbeit der Abteilungen durch organisatorische Trennlinien unterbunden wird. Die Möglichkeiten der Kompetenzabgrenzung reichen vom „Einkauf als Bestellbüro“ bis zur integrierten Materialwirtschaft
Es ist selbstverständlich, dass die Kompetenzabgrenzung der Materialwirtschaft entscheidend beeinflusst wird von dem Wandel in der Aufgabenstellung. Zwar findet man den „Einkauf als Bestellbüro“ auch heute noch in zahlreichen Unternehmungen sogar mittlerer Größenordnung. Immer häufiger aber führt der Einkauf die Bestellfunktion nicht nur nach Anweisung der fachlichen Stellen als Routine aus. Vielmehr wird ihm als Marketingfunktion die volle kaufmännische Verantwortung mit der Beschaffungsmarktforschung, der Beschaffungsanbahnung, dem Abschluss, der Terminsicherung - diese Aufgabe kann auch der Disposition zugeordnet werden - und der Kontaktpflege mit den Lieferanten übertragen. Die Zusammenfassung der Beschaf1
Siehe hierzu grundlegend R. Bühner, Betriebswirtschaftliche Organisationslehre, München 1994, S. 203 ff. 2 Vgl. P. A. Steinbuch, (Hrsg.), a.a.O., S. 54.
82
fungs- und Lagerfunktion unter einer Leitung führt dann zur Materialwirtschaft im klassischen (engeren) Sinn. Ausgehend von dieser Organisationsform der Materialwirtschaft mit der Verantwortung für die Lagerung und Materialverwaltung im Rahmen der Vorratswirtschaft (Beschaffungslager), kann der Kompetenzbereich der Materialwirtschaft durch die Einbeziehung der Warenverteilung weiter vergrößert werden. 1 Der Regelfall in der Praxis allerdings ist, dass der Aufgabenkomplex Warenverteilung nicht in die Verantwortung der Materialwirtschaft fällt, sondern Teil der Abteilung Vertrieb ist. Auch die integrierte Organisationsform der Materialwirtschaft ist, ebenso wie die ganzheitliche Logistik, in Unternehmungen keineswegs mehr ein Einzelfall. Nachfolgend sollen die Organisationsformen der Materialwirtschaft, die man grundsätzlich auseinanderhalten muss wobei es natürlich modifizierte Lösungen gibt - diskutiert werden, d.h. (1) die Materialwirtschaft als Kompetenzbereich der Beschaffungs- und Lagerwirtschaft („klassisches“ Modell), (2) die Materialwirtschaft als Kompetenzbereich der Beschaffungs- und Lagerwirtschaft plus Warenverteilung („erweitertes“ Modell), (3) die Materialwirtschaft als Kompetenzbereich der Beschaffungs- und Lagerwirtschaft plus Warenverteilung im Vertrieb plus Fertigungssteuerung („integrierte“ Form), (4) Einkauf und Logistik als Sonderform der integrierten Materialwirtschaft.
1
Damit folgen wir der historischen Entwicklung von der klassischen zur integrierten Materialwirtschaft, die über diese Zwischenstufe erfolgte. Da die Versorgungsproblematik des Betriebes und des Marktes im Prinzip vergleichbar ist, sollten durch die Einbeziehung der Warenverteilung in die klassische Materialwirtschaft Synergieeffekte freigesetzt werden. Es bleibt aber zu bedenken, dass „Erweiterungen“ der klassischen Materialwirtschaft sich auch in Richtung der Fertigungssteuerung vollzogen. - Als exemplarisches Beispiel für die Organisationsform der erweiterten Materialwirtschaft im definierten Sinne siehe vom Verf., Praxis der Materialwirtschaft - 15 Fälle von Bedarfsermittlung bis Einkaufen, Köln 1991, S. 37 ff.
83
1.1.1 Die „klassische“ Materialwirtschaft Die Koordination der Beschaffungs- und Lagerwirtschaft wird am besten durch Zuweisung der Zuständigkeit und Verantwortung an die Materialwirtschaft erreicht
Eine zufriedenstellende Bewältigung der materialwirtschaftlichen Aufgaben setzt zumindest eine straffe Koordination der Beschaffungs- und Lagerwirtschaft voraus. Diese Lösung führt dazu, dass beide Aufgabenbereiche unter einheitlicher Leitung integriert sind und - zumindest in größeren Unternehmungen einem fachlich neutralen Controlling unterliegen (sollten). • Entscheidender Vorteil dieser Lösung ist, dass die oft divergierenden Interessen der beiden Bereiche ausgeglichen und auf eine gemeinsame Zielsetzung hin ausgerichtet werden können. Wesentliche Rationalisierungseffekte im Materialflusssystem werden dadurch noch nicht erreicht. Darüber hinaus sind die Möglichkeiten der Materialwirtschaft zur Beeinflussung der Lieferbereitschaft des Unternehmens gegenüber dem Absatzmarkt gering.
Die Dreiteilung der Aufgaben in - Einkauf - Disposition - Lager kann als optimale Organisationsform der „klassischen“ Materialwirtschaft angesehen werden
Zweckmäßig ist in diesem Zusammenhang eine stärkere funktionale Herausbildung der Materialdisposition, wenn dieser Bereich von großer Bedeutung ist. Die Aufbauorganisation der Materialwirtschaft könnte sich dann wie in Abb. 8 darstellen. Diese Lösung ist in vielen Industrieunternehmen anzutreffen. Wird keine übergeordnete Instanz geschaffen, so kann sich die Frage stellen, ob die „Beschaffung“ oder die Materialdisposition die übergeordnete Leitung übernimmt und ob diese gegebenenfalls neu zu schaffen ist. In diesen Fällen spricht zugunsten der Gesamtzuständigkeit der Beschaffung die Tatsache, dass dieser Funktionsbereich in der Regel den besseren Kontakt zu den Lieferanten hat und eine genauere Kenntnis der Beschaffungsmärkte besitzt. 1 Damit sind günstige Voraussetzungen für die Bearbeitung und Steuerung materialwirtschaftlicher Vorgänge gegeben. Die Konsumgüterindustrie und der Handel bieten hierfür viele Beispiele.
1
Vgl. E. Falz, Einführung in die Probleme der Versorgung/Vorratshaltung, in: H. Baumgarten u.a., Rationelle Vorratshaltung, Frankfurt 1975, S. 14.
84
UNTERNEHMENSFÜHRUNG UNTERNEHMENSFÜHRUNG
Forschung Forschung Entwicklung Entwicklung
MaterialMaterialwirtschaft wirtschaft
Absatz Absatz
MaterialMaterialeinkauf einkauf
MaterialMaterialdisposition disposition
MaterialMateriallager lager
Abbildung 8:
Produktion Produktion
Finanzen Finanzen RechnungsRechnungswesen wesen
„Klassische” Materialwirtschaft: Zentrale Leitung
Man stößt aber auch auf Unternehmen, die der Forderung nach Einheit des Funktionskomplexes Beschaffungs- und Lagerwirtschaft nicht folgen. In diesen Fällen ist die Organisationsform dadurch gekennzeichnet, dass die Koordinierungsfunktion mehreren Instanzen zugeordnet wird, die jeweils für einzelne Aufgabenbereiche der Materialwirtschaft zuständig sind. Ein Beispiel für dieses Leitungssystem, das als „dezentrale Leitung“ bezeichnet wird, gibt Abb. 9.
UNTERNEHMENSFÜHRUNG UNTERNEHMENSFÜHRUNG
Kaufmännische Kaufmännische Leitung Leitung
MaterialMaterialeinkauf einkauf
Abbildung 9:
Technische Technische Leitung Leitung
MaterialMaterialdisposition disposition
MaterialMateriallager lager
„Klassische” Materialwirtschaft: Dezentrale Leitung
85
Es ist einzusehen, dass ein derartig strukturiertes Leitungssystem eine umfassende Koordination sämtlicher Aufgaben in der Materialwirtschaft selbst bei EDV-Einsatz erschwert. Zudem ist eine eindeutige Aufgliederung der Leitungsfunktionen in getrennte Zuständigkeiten schwierig, da die materialwirtschaftlichen Vorgänge Beschaffung und Lager durchlaufen. Unter diesen Umständen können Fehlleistungskosten, die üblicherweise durch das „Wirtschaften mit Material“ entstehen, nicht auf ein vertretbares Maß reduziert werden.
1.1.2 Die „erweiterte“ Materialwirtschaft Verantwortung der Materialwirtschaft (auch) für die Warenverteilung
In einer erweiterten Kompetenzabgrenzung 1 wird der Materialwirtschaft die Zuständigkeit für die Aufgaben der Warenverteilung bzw. Vertriebslogistik, die in der Regel beim Absatz liegt, 2 übertragen. Diese Organisationsform ist gekennzeichnet durch • Steuerung des Material- und Warenflusses von den Lieferanten zum Unternehmen und vom Unternehmen zu den Kunden, • klare Verantwortung der Materialwirtschaft für die Bestände im Beschaffungs- und Fertigwarenlager und • Möglichkeiten einer weitgehenden Beeinflussung des Lieferservice als Wettbewerbsfaktor im Bereich der Distribution.
Abstimmungsproblematik mit der Produktion
Aufgrund der nach wie vor bestehenden Schnittstellen zur Produktion besteht die Gefahr einer unzureichenden Abstimmung zwischen Materialversorgung und Produktion einerseits sowie der Produktion und Vertriebslogistik andererseits. Die formalorganisatorischen Rahmenbedingungen für eine flexible Koordination von Auftragszufluss aus dem Absatzmarkt und Materialund Teileversorgung aus dem Beschaffungsmarkt und aus der eigenen Produktion (Hausteilefertigung) sind nicht optimiert. 1
Es ist auch eine Kompetenzerweiterung der klassischen Materialwirtschaft um die Aufgaben der Produktionslogistik (z.B. der Fertigungssteuerung) denkbar und in der Praxis anzutreffen. 2 Siehe hierzu in diesem Abschnitt unter Ziffer 1.1.3.
86
Die Warenverteilung umfasst alle Aktivitäten von der Fertigstellung bis zur Auslieferung der Produkte (Fertigerzeugnisse und Ersatzteile) an die Kunden. Im Einzelnen sind ihr die Fertigwaren-Lagerung, Verpackung, Kommissionierung, Auftragsbearbeitung und der Versand zuzurechnen.
Aufgaben der Warenverteilung
Um im Bereich der Warenverteilung bzw. Vertriebslogistik bei möglichst gleichzeitiger Verbesserung des Lieferservice die Kosten zu senken, werden von vielen Unternehmen neue Logistikkonzepte zusammen mit externen Logistik-Partnern entwickelt. Der Warentransport, die reine Distanzüberwindung von A nach B, gehört nur noch zu den selbstverständlichen Basisaufgaben eines Logistikdienstleisters. Vielmehr sind komplette Lösungen gefragt, mit denen sich die gesamte logistische Kette (Supply Chain) flexibler und effizienter gestalten lässt. Die Übernahme von Lagerhaltungs- und Kommissionieraufgaben im Rahmen von Outsourcing-Maßnahmen der Unternehmen sind bereits Standard. Darüber hinaus wird vor allem eine reaktionsschnelle Kommunikation der Logistik-Partner erwartet, um die Anforderungen des Marktes zu erfüllen.
Zusammenarbeit mit Logistik-Partnern
1.1.3 Die „integrierte“ Materialwirtschaft Die weitestgehende Form innerbetrieblicher Koordination aller Funktionen, die mit „Material wirtschaften“, stellt die integrierte (ganzheitliche) Materialwirtschaft dar. 1 Da vom Materialmanagement nicht nur alle Aufgaben der Beschaffung und Lagerhaltung koordiniert und geführt, sondern auch der Materialfluss durch die Produktion und die Auslieferung der Fertigerzeugnisse an die Kunden gesteuert werden, wird damit zugleich eine andere Kompetenzabgrenzung erforderlich. Diese führt dazu, dass die Bereiche Produktion und Absatz einen Teil ihrer Kompetenzen an die Materialwirtschaft abtreten müssen.
Die integrierte Materialwirtschaft koordiniert alle Funktionen, die mit „Material wirtschaften“
Die Aufteilung der Arbeitsvorbereitung - und darin liegt der entscheidende Unterschied zu der unter Ziffer 1.1.2 erörterten Aufbauorganisation - in Fertigungssteuerung, die dem Material-
Die integrierte Materialwirtschaft setzt eine Neuordnung der Kompetenzen gegenüber Absatz und Produktion voraus
1
Vgl. P. Köckmann, Integrierte Materialwirtschaft, a.a.O., S. 5 ff.
87
management unterstellt wird, und der Fertigungsplanung, die als technische Arbeitsvorbereitung dem Produktionsmanagement verbleiben wird, stellt Abb. 10 dar.
Abbildung 10:
Funktionstrennung der Arbeitsvorbereitung zwischen Fertigungs- und Materialwirtschaft
Die Kompetenzabgrenzung sieht demnach vor, dass das Produktionsmanagement verantwortlich ist für -
88
Fertigungsmethoden Fertigungszeiten Produktqualität
Es gibt vor, wie und innerhalb welcher Zeit kostengünstig „Qualität produziert wird“ (Köckmann) und trägt die Verantwortung für die Fertigungskapazität und deren Instandhaltung. 1 Die Fertigungssteuerung, die dieser Konzeption zufolge zum Verantwortungsbereich der Materialwirtschaft gehört, ist versorgungsorientiert und muss gleichzeitig optimal gestalten: -
Kapazitätsauslastung Materialdurchlauf Lieferbereitschaft
Sie koordiniert die Auslastungswünsche der Produktion mit den Absatz- und Beschaffungsmöglichkeiten und ermittelt, wieviel, wann und wo gefertigt werden kann. Die Produktion kann sich damit voll und ganz auf den Verarbeitungsprozess konzentrieren und die technischen sowie personellen Voraussetzungen schaffen, um ein Höchstmaß an Qualität zu erbringen. Die Aufgabenabgrenzung des Absatzbereiches, wie sie in Abb. 11 veranschaulicht wird, folgt den gleichen Überlegungen: Die mit Materialbewegungen verknüpften Tätigkeiten der Warenverteilung einschließlich der Lagerung von Fertigerzeugnissen sollen der Materialwirtschaft zugeordnet werden und den Regelkreis dieses Bereiches schließen. Hauptaufgabe des Absatzes bleibt die Auftragsgewinnung im Sinne der MarketingKonzeption, während die Kundenauftragsverwaltung und -abwicklung von der Materialwirtschaft verantwortet werden sollte, um so die Auftragserfassung mit der gleichzeitigen Auftragserfüllungskontrolle - wie z.B. die Einplanungsmöglichkeit der Kundenaufträge in die Produktion - zusammenzuführen. Dieses Zuordnungskriterium erhält bei Unternehmungen mit einem hohen Anteil an standardisierten Erzeugnissen ausschlaggebende Bedeutung.
1
Als Ziel der Stelle/Abteilung kann daher „die wirtschaftliche Planung und Optimierung der Fertigungseinrichtungen und Fertigungsabläufe“ formuliert werden.
89
Abbildung 11:
Merkmale und Durchsetzungsproblematik der integrierten Materialwirtschaft
Funktionstrennung des Vertriebs zwischen Absatz- und Materialwirtschaft
Diese Organisationsform ist gekennzeichnet durch • ganzheitliche Planung und Steuerung der Materialund Warenflüsse über alle Stufen des Versorgungssystems hinweg, • günstige Möglichkeiten einer reibungslosen Abstimmung zwischen Auftragszufluss und Materialversorgung,
90
• klare Verantwortung für die Kapitalbindung in den Vorräten auf allen Lagerstufen und • eindeutige Verantwortung für die Lieferbereitschaft gegenüber der Produktion und dem Absatzmarkt. Ihre umfassenden Möglichkeiten zur Verbesserung der Wettbewerbssituation der Unternehmen kann die integrierte Materialwirtschaft aber nur dann ausschöpfen, wenn sie auf integrierte EDV-unterstützte Planungs-, Steuerungs- und Abwicklungssysteme zurückgreifen kann. Ihre Realisierung ist nicht zuletzt ein Durchsetzungsproblem, bei dem es vor allem um die Verlagerung der Fertigungssteuerung und ihrer Teilfunktionen (vgl. Abb. 11) in eine der Materialwirtschaft zugeordneten Planungsund Steuerungsabteilung geht. Darüber hinaus haben vor allem in Großunternehmen die Ideen der Lean Organisation zu „kleineren“ organisatorischen Lösungen geführt. 1 Ein Beispiel aus der Praxis soll diese Organisationsform verdeutlichen. Beispiel 6: Die H. KUHNKE GMBH KG, Malente, ist ein mittelständisches Unternehmen, das vor allem für die Investitionsgüterbranche im Maschinenbau tätig ist. Eine im Jahre 1980 in diesem Unternehmen durchgeführte Ist-Aufnahme ergab, dass sich die Zuständigkeiten für materialwirtschaftliche Aufgaben auf mehrere, in der Unternehmenshierarchie unterschiedlich eingestufte Abteilungen verteilten: -
1
Der Einkauf war der Geschäftsleitung direkt unterstellt. Die Disposition war als Funktionskreis der Fertigungssteuerung gegenüber dem Bereichsleiter Technik verantwortlich. Der Wareneingang gehörte zur Disposition. Die quantitative und qualitative Wareneingangskontrolle fiel in die Zuständigkeit einer Kontrollabteilung. Die Disposition war verantwortlich für das Teilelager. Die Auftragsabwicklung oblag dem Vertrieb.
Vgl. R. Fieten, Integrierte Materialwirtschaft, a.a.O., S. 47.
91
Praxisbeispiel zur Organisationsform einer integrierten Materialwirtschaft
-
Die Produktionsplanung sowie die Verantwortung für das Fertigwarenlager oblag einer dem kaufmännischen Geschäftsführer zugeordneten Stabsstelle.
Die erwähnten Funktionen (außer der Wareneingangskontrolle) wurden zu einer Hauptabteilung Materialwirtschaft zusammengefasst. Der Bereich wurde der kaufmännischen Geschäftsleitung direkt unterstellt. 1
1.1.4 Einkauf und Logistik In der ganzheitlichen Logistik werden alle stark interdependenten Aktivitäten der Mengen- und Terminerfüllung zusammengefasst
Die beiden Säulen der integrierten Materialwirtschaft sind der marktorientierte Einkauf und die auf die ganzheitliche Planung, Steuerung und Durchführung des Material- und Informationsflusses ausgerichtete Logistik, der folgende Aufgabenbereiche zuzuordnen sind: 1
Auftragsabwicklung (Auftragserfassung und -aufbereitung, Umsetzung in interne Bearbeitungspapiere etc.) Produktions- und Kapazitätsplanung - Bedarfsplanung (Stücklistenauflösung) Disposition (Eigenfertigungs- und Fremdbezugsteile) Fertigungssteuerung (Einsteuerung der Werksaufträge/Maschinenbelegung etc.) Beschaffungsabwicklung (Abrufbestellungen, Terminüberwachung, Wareneingangserfassung) Roh-, Hilfs- und Betriebsstoff-, Halb- und Fertigwarenlager innerbetrieblicher Transport, Fuhrpark
Im Zusammenhang mit der Errichtung sog. Strategischer Geschäftseinheiten (SGE) Anfang der 90er Jahre wurde die Disposition aus der zentralen Materialwirtschaft herausgelöst und auf die SGE's aufgeteilt. Die Richtlinienkompetenz blieb beim Leiter der Materialwirtschaft. Die im Zusammenhang mit dem Konzept der Lean Production zu sehende Entwicklung hin zu kleinen, eigenverantwortlichen Einheiten und flachen hierarchischen Strukturen führte unter anderem auch zur Dezentralisierung des Einkaufs und der Arbeitsvorbereitung. Die zunächst angestrebte komplette Dezentralisierung des Einkaufs konnte nur partiell dort realisiert werden, wo sich das Teilespektrum für eine SGE (Elektronik) deutlich vom Rest des Einkaufsvolumens abtrennen ließ. - Anfang 1997 wurde dem Verkauf die Verantwortung für das Fertigwarenlager und den Versand übertragen.
92
-
Warenverteilung (Kornmissionierung, Verpackung, Versand) Überschuss- und Abfallverwertung (Recycling und Entsorgung)
Es ist zu erkennen, dass • die Logistik Abläufe und Kompetenzen grundlegend und umfassend verändert und dass sie • bei Durchsetzung eines ganzheitlichen Organisationskonzepts allein verantwortlich ist für die Termin- und Mengenerfüllung der Aufträge vom Kunden bis zum Lieferanten. Der ganzheitliche Ansatz bedeutet auch, 1 dass -
Logistik-Leistungen und - Kosten nach dem Verursacherprinzip erfasst, dokumentiert und zugeordnet werden,
-
Logistik auch Logistik-Controlling umfasst,
-
Logistik nicht nur eine operative Funktion ist, sondern einen hohen Anspruch auch im taktischen und strategischen Bereich besitzt und
-
Logistik im Unternehmen der Stellenwert zuerkannt wird, der ihr aufgrund ihrer Bedeutung zusteht.
Durch die ressortübergreifende Betrachtungsweise und integrierte EDV-Lösungen für logistische Aufgabenstellungen soll die teilweise noch stark arbeitsteilige Organisationsstruktur überwunden werden, die zwar für den Vollzug von Routinearbeiten durchaus geeignet ist, jedoch nicht eine optimale Lösung der miteinander konkurrierenden materialwirtschaftlichen Zielsetzungen - hohe Lieferbereitschaft bei gleichzeitig minimalen Beständen und niedrigen Materialbewirtschaftungskosten - ermöglicht. Bei Einführung einer ganzheitlichen Logistik - und das gilt analog für die integrierte Materialwirtschaft - ergeben sich erfahrungsgemäß folgende Vorteile: 2 1
Vgl. K. Bichler / N. Schröter, Praxisorientierte Logistik, Stuttgart 1995, S. 20 f. 2 Die Erfahrungen in der Praxis zeigen, dass die Vorteile nur bei Verwirklichung einer ganzheitlichen Logistik voll ausgeschöpft werden können. - Siehe Weber/Weise/Kummer, Einführen von Logistik, a.a.O., S. 182.
93
Logistik unter ganzheitlicher Betrachtungsweise
Vorteile einer ganzheitlichen Logistik
• Reibungsverluste an den Schnittstellen des Materialund Informationsflusses, die oftmals zu Fehlinformationen, Fehlplanungen und heimlichen Beständen führen, werden reduziert. • Die Koordination der logistischen Aufgaben und Prozesse wird erleichtert. • Die Durchlaufzeiten werden verkürzt. 1 • Die Flexibilität des Gesamtsystems wird erhöht. Als Querschnittsfunktion (vgl. Abb. 6) arbeitet die auf den Absatzmarkt ausgerichtete Logistik mit dem Einkauf, der Produktion und dem Vertrieb zusammen, die sich nun auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentrieren können: Kapazitäten zu sichern im Beschaffungsmarkt, Absatzmarkt und im eigenen Unternehmen. 2 Verknüpfung von Einkauf und Logistik
Zwischen dem Einkauf und der Beschaffungslogistik - vgl. hierzu im ersten Abschnitt unter Ziffer 1 - sind die Beziehungen besonders eng. Denn die geografische Streuung, Größe, Anzahl und Zuverlässigkeit der Lieferanten, deren Auswahl und Pflege zum Aufgabenbereich des Einkaufs gehört, beeinflussen wesentlich die Logistikkosten. 3 An dieser Schnittstelle ist daher die Zusammenarbeit von Einkauf und Logistik sicherzustellen. Das kann ähnlich der in Abb. 12 dargestellten Organisationsstruktur geschehen. 4 Dabei entlastet die Beschaffungslogistik den Einkauf von den Routinetätigkeiten der Bestellrechnung und -abwicklung, so dass sich dieser verstärkt den Aufgaben des Beschaffungsmarketing und im Rahmen der Produktentwicklung der unternehmensübergreifenden Kooperation zuwenden kann. Die notwendige Zusammenarbeit zwischen Beschaffungslogistik und Einkauf ist auch das Resultat der gestiegenen Anforderungen an die Vorratswirtschaft. Eine nachhaltige Optimierung ist im Rahmen der Beschaffungslogistik - analog zur Vertriebslogistik - durch die Bildung durchorganisierter Wertschöpfungsketten zwischen den beteiligten Unternehmen (Lieferant, Logistik-Dienstleister und aller beim Abnehmer an der 1
Ausführlich dazu O. Wassermann, a.a.O., S. 50 ff. Vgl. P. Köckmann, Logistik kontra Lager, a.a.O., S. 49 ff. Vgl. H.-Ch. Pfohl, a.a.O., S. 198. 4 Während die Organisationsform der integrierten Materialwirtschaft die Existenz eines verwaltenden (dispositiven) Einkaufs zulässt, ist nach unserem Logistik-Verständnis eine organisatorische Arbeitsteilung zwischen marktorientiertem Einkauf und versorgungsorientierter Beschaffungslogistik zwingend. 2 3
94
Versorgungskette mitwirkenden Bereiche) zu erreichen. Die Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien wird dabei in zunehmendem Maße zwingend erforderlich sein.
Einkauf Einkaufund undLogistik Logistik
Controlling Einkauf u. Logistik
LogistikLogistikzentrale zentrale
Einkauf Einkauf
Disposition Disposition und und Steuerung Steuerung
Abbildung 12:
AuftragsabAuftragsabwicklung/ wicklung/ Distribution Distribution
Lager Lager Transport Transport
Organisationsmodell „Einkauf und Logistik”
1.2 Eingliederung der Materialwirtschaft in die Organisationsstruktur Die hierarchische Einstufung der Materialwirtschaft in die Organisationsstruktur hängt entscheidend von dem Ergebnis der Aufgaben- und Kompetenzabgrenzung und damit von ihrer Bedeutung für das Unternehmensergebnis ab. • Damit einhergehen sollte das unternehmerische Bestreben, diesem Bereich eine Rangstellung in der Unternehmenshierarchie zuzuordnen, die einer schöpferisch tätigen „Produktiv-Instanz“ 1 im Sinne der definierten Optimierungsaufgabe entspricht. 1
Vgl. A. Boje, Moderne Einkaufs-Organisation, München 1967, S. 13.
95
Die hierarchische Stellung der Materialwirtschaft muss ihrer Verantwortung entsprechen
Die Betriebsgröße ist ein entscheidendes Kriterium für die Rangeinstufung
Zwischen der „Materialwirtschaft auf Vorstandsebene“ und dem „Bestellbüro“ liegen zahlreiche Varianten. Gleichwohl wird die unternehmerische Entscheidung, aus der Fülle der Möglichkeiten die für das Unternehmen zweckmäßigste zu finden, ganz offensichtlich von der Betriebsgröße stark mitbestimmt, unabhängig davon, ob dafür als Maßstab die Zahl der Beschäftigten, die Mitarbeiterzahl innerhalb der Materialwirtschaft oder die Materialintensität (= Materialaufwand in Prozent vom Umsatz) herangezogen werden.
Aufstieg der Materialwirtschaft in der Unternehmenshierarchie
In der Vergangenheit war die Materialwirtschaft in der Regel anderen Unternehmensbereichen (z.B. der Produktion) untergeordnet, so dass wichtige einkäuferische und/oder logistische Fragen der Unternehmenspolitik wie z.B. der Übergang von Eigenfertigung zum Fremdbezug, die Höhe des Lieferbereitschaftsgrades und die Festlegung des qualitativen Niveaus von Abteilungen entschieden wurden, die hierbei in erster Linie ihr isoliertes Abteilungsinteresse verfolgten. Die Veränderungen im Aufgabeninhalt und in der Denkweise haben in vielen Unternehmen zu Veränderungen im organisatorischen Status der Materialwirtschaft geführt und diesen Bereich als gleichrangige Grundfunktion etabliert. Es besteht sodann ein eigener materialwirtschaftlicher Verantwortungsbereich, der einer Fremdbestimmung durch „artfremde“ Funktionen nicht mehr unterliegt. Der Aufstieg der Materialwirtschaft zu einer gleichrangigen Grundfunktion bietet dem Materialmanagement vielfältige Möglichkeiten, materialwirtschaftlichen Aspekten bei allen grundsätzlichen unternehmenspolitischen Entscheidungen Geltung zu verschaffen. Zwei Beispiele aus der Praxis sollen zeigen, dass in einigen Branchen (u.a. der Automobilindustrie) integrierte Organisationsformen der Materialwirtschaft und der Unternehmenslogistik existieren, die hierarchisch entweder unter der Geschäftsführungsebene oder auf Vorstandsebene angesiedelt sind.
96
Abbildung 13:
Eingliederung der (integrierten) Materialwirtschaft in die Unternehmensstruktur der BERU AG
Beispiel 7: In der BERU AG, Ludwigsburg, einem bekannten Automobilzulieferanten für Zündungstechnik mit einem Jahresumsatz von über 260 Mio. EUR und einem Beschaffungsvolumen von ca. 82 Mio. EUR für Produktionsmaterial, besteht der Vorstand aus den Bereichen: Allgemeine Verwaltung (Vorsitzender) Operativer Bereich Entwicklung und Verkauf
97
Praxisbeispiel für die Eingliederung der integrierten Materialwirtschaft
Dem Vorstand „Operativer Bereich“ ist - neben der Produktion und Qualitätssicherung - auch die Materialwirtschaft unterstellt (vgl. Abb. 14). Mitte 1996 wurde die Organisation vor allem im Bereich Disposition dezentralisiert, das heißt die Disponenten wurden je nach Zuständigkeit in die einzelnen Montagebereiche (auch Werke) versetzt und bilden dort mit den Mitarbeitern der Fertigungssteuerung, die seitdem zur Materialwirtschaft gehört, ein Team. Die Organisationsstruktur ist in Abb. 14 wiedergegeben. 1 Die wesentlichen Merkmale dieser Organisationsstruktur sind folgende: -
-
-
Praxisbeispiel für die Eingliederung der Unternehmenslogistik auf Vorstandsebene
Der Einkauf ist nach wie vor zentral organisiert, das heißt Beschaffungsmarktanalysen, Lieferantenbetreuung, Preisgespräche usw. werden vom Stammwerk aus erledigt. Die Bestellabwicklung erfolgt im Rahmen der vom Einkauf vorgegebenen Bedingungen dezentral. Lieferterminüberwachung und Absprachen mit Lieferanten sowie die Weitergabe von Lieferabrufen werden von den einzelnen Dispositions-Gruppen direkt (ohne Einschaltung des Einkaufs) durchgeführt. Die Organisation in den Werken ist so gestaltet, dass die von der Funktion her zur Materialwirtschaft gehörenden Mitarbeiter in den Werken fachlich der Logistik und disziplinarisch der Werksleitung unterstehen.
Beispiel 8: Bei der BMW AG, München, besteht mit Stand Anfang 2000 der Vorstand aus den Bereichen: Markt und Produkt Engineering und Produktion Produktionstechnische Integration, Unternehmenslogistik Finanzen Personalwesen Wirtschaft und Politik
1
Siehe vom Verf., Bestandsmanagement und -Controlling, Gernsbach 1999, S. 36 ff.
98
Die neue Unternehmensorganisation trat am 1. März 1998 formell in Kraft. Dabei wurden die Grundfunktionen Erfinden und Vermarkten dem neu geschaffenen Ressort „Markt und Produkt“, die Funktionen Entwickeln und Produzieren dem Vorstandsbereich „Engineering und Produktion“ zugeordnet. Durch die Umorganisation ist anstelle der herkömmlichen Ressortgrenzen das neue Leitbild des „Borderless Management“ getreten, was ein neues Niveau an Marktnähe und Effizienz bedeutet. Die neue Organisation entstand unter folgenden Prämissen: • Ressortübergreifende Zusammenarbeit in Prozessen • Stärkung der Produktdefinition unter Einbindung des Marktes • Stärkung der Innovationskraft • Stärkung des Prozesses Serienentwicklung Im Vorstandsbereich Produktionstechnische Integration, Unternehmenslogistik sind u.a. die zentral tätigen logistischen Planungs- und Steuerungsabteilungen zusammengefasst (vgl. Abb.14). Im Mittelpunkt der Aktivitäten stehen Maßnahmen zur Optimierung des weltweiten Produktionsverbundes sowie einer standortübergreifenden Standardisierung der Logistikprozesse und -systeme. Durch ein konsequentes Reengineering der logistischen Prozesse in den Werken und in der Vertriebsorganisation soll die Leistungsfähigkeit der verschiedenen Geschäftsfelder weiter gestärkt werden. Die Logistik in den BMW Werken ist fachlich der zentralen Unternehmenslogistik unterstellt, disziplinarisch dem Werksleiter. Abbildung 15 zeigt am Beispiel Werk Dingolfing die LogistikOrganisation eines Werkes. Der Einkauf wurde 1998 dem Vorstandsbereich „Markt und Produkt“ zugeordnet (s.o.). Der Anteil Materialaufwand an der Gesamtunternehmensleistung beträgt im BMW Konzern ca. 57 %.
99
Produktionstechnische Integration, Produktionstechnische Integration, Unternehmenslogistik Unternehmenslogistik
VersuchsVersuchsfahrzeugbau fahrzeugbau
Unternehmenslogistik, Unternehmenslogistik, Fachsteuerung Fachsteuerung
Technologie Technologie Montage Montage
Prozessintegration Prozessintegration und IV R50 und IV R50
Steuerung Steuerung Konzernaktivitäten Konzernaktivitäten
Logistikplanung Logistikplanungund und -entwicklung -entwicklung
Programmpl., Programmpl.,Auftragssteuerung, Auftragssteuerung, Prozess-IV Prozess-IV Materialvers. u. Stückliste Materialvers. u. Stückliste
Zentrales Zentrales Verkehrswesen Verkehrswesen
Prozess-IV Fahrzeuge Prozess-IV Fahrzeuge
Neue Neuelogistische logistische Prozesse Prozesse
Abbildung 14:
Eingliederung der Unternehmenslogistik in den Vorstandsbereich Produktionstechnische Integration/Unternehmenslogistik der BMW AG
Nach Freigabe durch die Entwicklung eröffnet der Einkauf die Rahmenbestellung für ein Produktionsteil. Die Daten der Rahmenbestellung werden in die zentralen Logistiksysteme übernommen. Auf deren Basis löst die Materialsteuerung in den dezentralen Logistikstellen der Werke die Lieferabrufe aus.
100
Werksleitung Werksleitung Logistik
Logistik Logistik
Programm-, Programm-,KapaziKapazitätsplanung, tätsplanung,FahrFahrzeugsteuerung, zeugsteuerung, Zuordnungssysteme Zuordnungssysteme Materialflußplanung Materialflußplanung Materialsteuerung Materialsteuerung Physische PhysischeLogistik Logistik Zentrale Zentrale Teileauslieferung Teileauslieferung Anlauf-, Anlauf-, ÄnderungsÄnderungssteuerung, steuerung,FahrFahrzeugprojekte zeugprojekteWk2 Wk2
KarosserieKarosserieRohbau Rohbau
Lackiererei Lackiererei
Montage Montage Controlling Controllingund und InformationsInformationstechnologie technologie Personalwesen Personalwesen Standortfunkt. Standortfunkt.
Q-Management Q-Management
QualitätsmanageQualitätsmanagement, ment,Logistik Logistik
Abbildung 15:
Organisationsstruktur eines BMW Werks (Beispiel Dingolfing)
Die Beispiele zeigen, dass sich in Großunternehmen - insbesondere mit verschiedenen Werken und heterogenem Produktionsprogrammen - die Strukturierung der Aufbauorganisation und ihre Einbindung in die Unternehmensstruktur erheblich schwieriger gestaltet als bei Klein- und Mittelunternehmen, für die sich eine zentrale Unterstellung der Materialwirtschaft unter die Unternehmensführung, das heißt das Einliniensystem anbietet. In Großunternehmen besteht häufig keine andere aufbauorganisatorische Lösungsmöglichkeit als die Einführung einer Matrixorganisation. Dabei handelt es sich um ein Mehrli-
101
Matrixorganisation in Großunternehmen
niensystem, das aus der Idee einer Kombination von funktionaler Organisation und Geschäftsbereichs-Organisation entstanden ist. Vorstandsvorsitzender Vorstandsvorsitzender
Forschung Forschungu.u. Entwicklung Entwicklung
Produktion Produktion
Einkauf Einkaufu.u. Logistik Logistik
KoordinationKoordinationAusland Ausland Einkauf Einkaufu.u.Logistik Logistik
Vertrieb Vertrieb
Planung Planungu.u. Systemanalyse Systemanalyse
FinanzFinanz-u.u. BetriebsBetriebswirtschaft wirtschaft
Controlling: Controlling: Einkauf u. Logsitk Einkauf u. Logsitk
Werkslogistik Werkslogistik
Logistik-Zentrale Logistik-Zentrale
Einkaufsbereich: Einkaufsbereich: Produktion Produktion
Einkaufsbreich: Einkaufsbreich: allgemein allgemein
Programmplanung Programmplanung u. Disposition u. Disposition
Programmplanung Programmplanung u. -steuerung u. -steuerung
Einkauf: Einkauf: Aggregate, BeschläAggregate, Beschläge, ge,Elektrik, Elektrik,Gas Gas
Einkauf: Einkauf: Betriebsmittel u. Betriebsmittel u. Werkzeuge Werkzeuge
Lager Lager u.u.Transport Transport
Materiallogistik Materiallogistik
Einkauf: Einkauf: Stähle, Stähle,Metalle, Metalle, Guß- u. Schmiede Guß- u. Schmiede
Einkauf: Einkauf: Bauwesen, Bauwesen,VersorVersorgung, Elektro gung, Elektro
Disziplinarische DisziplinarischeUnterstellung Unterstellungder derWerkslogistik: Werkslogistik:Werkleitung/Produktion Werkleitung/Produktion Fachliche Unterstellung der Werkslogistik: Logistik-Zentrale/Einkauf u. Logistik Fachliche Unterstellung der Werkslogistik: Logistik-Zentrale/Einkauf u. Logistik
Abbildung 16:
Werkslogistik als Matrixorganisation
Das Charakteristische dieser Organisationsform veranschaulicht Abb. 16. Es besteht darin, dass in diesem Fall der Werksleiter zwei weisungsbefugte Vorgesetzte hat, nämlich
-
102
einen mit Linienbefugnissen (sachlich, disziplinarisch) und einen mit Fachbefugnissen unterschiedlicher Stärke
Darstellung im Organigramm -----------.-.-.-.-.-
Die Organisationsform setzt kooperatives Führungsverhalten und Teamgeist voraus. Die entstehenden Konflikte müssen nach sachlichen Gesichtspunkten gelöst werden. Die Bestrebungen der traditionellen integrierten Materialwirtschaft waren überwiegend ausgerichtet auf die organisatorische Zusammenführung der mit der Beschaffung, Bewegung, Lagerung und Verteilung befassten Bereiche unter einheitlicher Leitung. Im Gegensatz dazu steht die „neue“ Organisation mit der Zielrichtung, schlanke und effektive Strukturen und Abläufe in den Unternehmen zu entwickeln. Das grundlegende Gestaltungsprinzip der schlanken Organisation besteht in der Bildung von Fertigungssegmenten, von dezentral agierenden LeistungsCentern, an die Aufgaben, Kompetenz und Verantwortung für die erfolgskritischen Geschäftsprozesse weitgehend delegiert werden. Ein Fertigungssegment kann die Gestalt eines eigenständigen Betriebs annehmen oder die einer „Fabrik in der Fabrik“, das heißt einer autonomen Fertigungsstruktur innerhalb eines Werks. Im Idealfall wird diese als Profit Center geführt. Um eine konsequente Kunden- bzw. Marktausrichtung zu erreichen, umfassen Fertigungssegmente möglichst viele Glieder der logistischen Wertschöpfungskette. Im Extremfall sind alle erforderlichen betrieblichen Wertschöpfungsstufen, von der Beschaffung über die Teilefertigung bis hin zur Vor- und Endmontage sowie Versand in einem Fertigungssegment zusammengefasst. Während die eher verwaltenden materialwirtschaftlichen Aufgaben wie Materialdisposition und -bereitstellung - „Teilbarkeit“ der verfügbaren Personalkapazität vorausgesetzt - durchweg in die Center delegiert werden können, sollten im Gegensatz dazu übergreifende strategisch-operative Aufgaben (z.B. Angebotseinholung, Lieferantenauswahl, Abschluss von Rahmenverträgen) nach wie vor zentral wahrgenommen werden. Auch wenn die Centerorganisation ein systemimanentes SelfControlling impliziert, kann zwecks Koordination der LeistungsCenter auf ein zentrales Controlling nicht verzichtet werden.
103
Materialwirtschaft in der Centerorganisation
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Aufgliederung der Disposition/Beschaffung auf kleinere Einheiten grundsätzlich nur dann vertretbar ist, wenn der strategisch-operative Einkauf als zentrale Funktion erhalten bleibt. Andernfalls wird der beschaffungsseitige Markteinfluss des Unternehmens fahrlässig aufs Spiel gesetzt. ⇐
Aufgabe 4
1.3 Bereichsspezifische Aufgabenanalyse und Stellenbildung Sachliche und formale Kriterien der Aufgabenanalyse und -synthese (Stellenbildung)
Grundsätzlich kann - analog zur Aufgabenanalyse - die Aufgabensynthese (Stellenbildung) nach folgenden Kriterien erfolgen: (1)
Objekt: Dabei werden verschiedene Arten von Tätigkeiten zusammengefasst, die sich auf das gleiche Objekt (Material- oder Warengruppe, Projekt, Werk, Beschaffungsmarkt im In- und Ausland) beziehen.
(2)
Verrichtung oder Funktion: Dabei erfolgt die Stellenbildung für gleichartige Tätigkeiten im Sinne einer Verrichtungsspezialisierung (z.B. Materialdisposition, Angebots- und Auftragsbearbeitung, Terminsicherung).
(3)
Rang: Das Gliederungsmerkmal Rang stellt darauf ab, die entscheidungsspezifischen Merkmale einer Sachaufgabe von den rein ausführenden Verrichtungen zu trennen, da es für die Stellenbildung sehr wichtig ist zu wissen, welche Funktionen welche Entscheidungsnotwendigkeiten mit sich bringen. So ist ein Beschaffungsvorgang nicht nur durch eine Vielzahl von Verrichtungen gekennzeichnet, sondern er löst auch vielfältige Entscheidungen aus,
104
z.B. welche Menge, in welcher Qualität, zu welchem Termin und bei welchem Lieferanten einzukaufen ist. (4)
Phase: Dabei wird jede Tätigkeit in die zu ihrer Erfüllung notwendigen Schritte Planung, Durchführung und Kontrolle gegliedert. Diese Unterscheidung ist in erster Linie sachlicher, nicht zeitlicher Natur. So ist vor Einführung eines Lieferantenbewertungssystems zunächst zu planen, welche Anforderungskriterien mit welchem Gewicht in Betracht gezogen werden sollen und wie die erforderlichen Informationen zu gewinnen und zu verarbeiten sind. Nach Einführung sind die Ergebnisse und Kosten einer kritischen Überprüfung zu unterziehen.
(5)
Zweck: Im Rahmen der Zweckanalyse wird versucht, die durch eine Primäraufgabe hervorgerufenen Verwaltungsaufgaben (Sekundäraufgaben) zu verdeutlichen.
In der Organisationspraxis sind die sachlichen Gliederungsgesichtspunkte (1) und (2) durchaus geläufig und sollen auch nachstehend vorrangig beachtet werden.
1.3.1 Gliederung des Einkaufs In der Praxis erfolgt die Gliederung des Einkaufs im Wesentlichen nach Verrichtungen (Funktionen) und/oder Objekten. Die objektorientierte Stellenbildung orientiert sich in der Regel an den Beschaffungsobjekten. Es ist aber auch eine marktbezogene Gliederung des Einkaufs (z.B. Einkauf Beschaffungsmarketing Ost und Bereich West) denkbar. In diesem Fall stehen die Kenntnisse über den Beschaffungsmarkt im Vordergrund. Beim Projekteinkauf (z.B. im Anlagenbau) ist der Einkäufer innerhalb des Projektes für den gesamten Einkauf zuständig, d.h. von der Beschaffungsmarktforschung bis zur Bestellabwicklung. Aufgrund der Komplexität von Projekten muss der Projekteinkäufer eng mit den anderen projektbeteiligten Unternehmensfunktionen in Teams zusammenarbeiten.
105
Marktbezogene Gliederung des Einkaufs und der Projekteinkauf sind Gestaltungsformen des objektorientierten Einkaufs
Mehrdimensionale Organisationsstrukturen
Spielen zwei (oder mehrere) Gliederungskriterien gleichermaßen eine Rolle, dann müssen die Möglichkeiten der mehrdimensionalen Matrixorganisation beachtet werden.
1.3.1.1 Gliederung nach dem Verrichtungs- und Objektprinzip Dem sich aus dem Verrichtungsprinzip ergebenden Rationalisierungseffekt stehen gewichtige Nachteile gegenüber
Erfolgt der innere Aufbau der Einkaufsabteilung nach dem Verrichtungsprinzip, so werden gleichartige Aufgaben von einem Stelleninhaber erledigt. So kann eine Stelle für Beschaffungsmarktforschung, eine andere für die Angebotsbearbeitung, eine dritte für die Terminüberwachung usw. zuständig sein. Die Aufgaben sind vom jeweiligen Aufgabenträger häufig für alle Materialien durchzuführen. Durch die ständige Erledigung ein und derselben Aufgabe stellen sich Übungseffekte ein; Schnelligkeit und Qualität der Verrichtung nehmen zu. Diese Vorteile werden noch dadurch erhöht, dass es wirtschaftlich vertretbar ist, dem Aufgabenträger Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen.
• Doch wird es dem verrichtungsorientierten Stelleninhaber kaum möglich sein, sich fundierte technische Kenntnisse über das Einkaufssortiment und darüber hinaus auch Marktkenntnisse anzueignen. Gerade das aber ist in einem marktorientierten Einkauf notwendig. Allerdings hat die inzwischen auch in kleineren mittelständischen Unternehmen realisierte EDV-Anwendung den Anteil rein routinemäßiger Abwicklungs- und Informationstätigkeiten stark zurückgedrängt, so dass produktive, gestaltende Tätigkeiten von den Stelleninhabern vermehrt wahrgenommen werden können. Gleichwohl hat eine verrichtungsorientierte Stellenbildung zur Folge, dass der Informationsstand der einzelnen Mitarbeiter begrenzt ist. Die Kaufentscheidung muss daher von einer übergeordneten Stelle getroffen werden. Dies hat eine unerwünschte Schwerfälligkeit zur Folge. In der Praxis überwiegt das Objektprinzip
Es überrascht daher nicht, wenn in der Praxis eine objektorientierte Stellenbildung bevorzugt wird, zumal auch die -
106
neueren Erkenntnisse der Mitarbeiterführung es wünschenswert erscheinen lassen, wenn der Stelleninhaber mit Entscheidungskompetenz ausgestattet werden kann. Im Rahmen einer objektorientierten Stellenbildung führt jeder Einkäufer alle Tätigkeiten für die Beschaffung bestimmter technisch verwandter Materialien (z.B. Stahl-, Elektro-, Ledererzeugnisse) selbst durch. 1
• Die Gliederung nach dem Objektprinzip verschafft dem Stelleninhaber - ein hohes Maß an technischem Know-how und Marktkenntnisse sowie - die Möglichkeit, Entscheidungen selbst zu treffen. Materialwirtschaft Materialwirtschaft Controlling
Einkauf Einkauf
Disposition Disposition
Materialgruppe Materialgruppe AA
Materialgruppe Materialgruppe BB
Terminüberwachung Terminüberwachung Einkaufsstatistik Einkaufsstatistik
Beschaffungsanbahnung und -abschluss
Beschaffungsanbahnung und -abschluss
Bestellung
Bestellung
Materialgruppe A
Materialgruppe B
Abbildung 17.1: Stellen- und Abteilungsgliederung des Einkaufs nach objekt- und verrichtungsorientierten Gesichtspunkten
Schnelligkeit und Flexibilität werden gewährleistet. Nachteilig ist, dass es zur Parallelarbeit innerhalb der Abteilung kommt. 1
Eine objektorientierte Gliederung nach Fertigerzeugnissen ist wegen der dadurch bedingten Aufsplitterung des Teilebedarfs in der industriellen Praxis nur selten anzutreffen.
107
Die Verrichtungsvielfalt wird durch den Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologien vereinfacht. Auch die in der Vergangenheit sehr aufwendigen Analysen, wie die ABC-Analyse, werden dadurch wesentlich rationeller hergestellt. Darüber hinaus kann die konsequente Umsetzung von Outsourcing-Strategien (intern und extern) zur Aufwandsreduzierung im Einkauf führen. In vielen Fällen ist das Verrichtungs-Objektprinzip als optimale Organisationsform anzusehen
Der objektorientierte Einkäufer kann aber auch zu seiner Entlastung alle Aufgaben, die - wie Terminüberwachung oder Einkaufsstatistik - keine technischen Kenntnisse erfordern und keine Entscheidungsrelevanz besitzen, verrichtungsorientierten Stellen zuweisen, sofern das Mitarbeiterpotenzial ausreicht. Es kann sich dann die in Abb. 17.1 dargestellte Aufbauorganisation der Einkaufsabteilung ergeben, die in dieser oder ähnlicher Form in der Praxis zwar häufig anzutreffen ist, bei der die Schnittstelle zur Disposition aber nicht sinnvoll geregelt ist. Insgesamt kann man bei der Verrichtungs-Objekt-Kombination eine Verbesserung der Einkaufsleistung erwarten. Allerdings muss diese Art der Gliederung noch nicht das Optimum für die innere Organisation einer Einkaufsabteilung darstellen. Vielmehr sollte es wichtigster Gesichtspunkt sein, dass der Einkäufer, soweit das möglich ist, von jeder Routinearbeit freigestellt wird, damit er sich auf seine eigentlichen einkäuferischen Tätigkeiten voll konzentrieren und in Teams (z.B. in Entwicklungsoder Wertanalyse-Teams) mitwirken kann.
1.3.1.2 Gliederung nach strategischen und operativen Aufgaben 1 Die Aufgabengliederung in den strategischen und den operativen Einkauf bringt entscheidende Effizienzvorteile
Wie bereits wiederholt erwähnt, sind die Kernkompetenzen des Einkaufs in seiner Marketingfunktion zu sehen, mit der Verantwortung für -
Preise (im Sinne des TOCO-Prinzips),
1
Die vom Verf. bislang zugrunde gelegte Differenzierung der Beschaffungsaufgaben nach gestaltenden und verwaltenden (dispositiven) Tätigkeiten entspricht dieser nunmehr üblichen Kennzeichnung. Dabei kann nur eine kritische Analyse der jeweiligen Ist-Situation Aufschluss darüber geben, ob und inwieweit die gewählten Gliederungsbezeichnungen das halten, was sie versprechen. Im Allgemeinen ist in dieser Hinsicht Skepsis angebracht!
108
-
Qualität (für die Zukaufteile) und Kapazität (Schaffung von Fremd- bzw. Lieferantenkapazität).
Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, sollten dem Einkauf – dem organisatorischen Kongruenzprinzip entsprechend – alle auf den Markt gerichteten operativen (!) Aufgaben 1 -
der Beschaffungsmarktforschung (Analyse und Beobachtung der Märkte, Produkte, Technologien, Lieferanten und Preise), der Beschaffungsanbahnung (Angebotseinholung, -auswertung etc.) und des Beschaffungsabschlusses (Verhandlungen, Vertragsabschluss)
zugeordnet werden. Da die Wahrnehmung dieser Aufgaben sich an Zielvereinbarungen und Einkaufsstrategien (z. B. Erschließung neuer Märkte) orientiert, hat sich für diesen Part des Einkaufs der begriffliche Zusatz „strategisch“ in der Praxis anscheinend durchgesetzt. 2 Der „Strategische Einkauf“, der analog zum Verkaufsmarketing aufgrund seiner ebenfalls marktgerichteten Aufgabenstellung sinnvollerweise als Einkaufsmarketing bezeichnet werden sollte, ist dem Organisationskonzept entsprechend nur in Ausnahmefällen (z. B. bei wiederholten Reklamationen) für Aufgaben der Beschaffungsabwicklung tätig. Dieser Aufgabenkomplex wird dem „Operativen Einkauf“ zugeordnet, dessen Kernkompetenz in der Sicherung der Versorgung der internen Kunden – in erster Linie der Produktion – gesehen wird und der demzufolge verantwortlich ist für
1
Die Aufgaben der Beschaffungsmarktforschung, der Beschaffungsanbahnung und des Beschaffungsabschlusses sind als „operative“ zu definieren, da sie zum alltäglichen Tagesgeschäft der im strategischen Einkauf tätigen Mitarbeiter gehören (sollten). In Abgrenzung dazu sollten Aufgaben wie Entscheidungen über Einkaufspolitik und –strategien oder Supply Chain-orientierte Optimierungsmaßnahmen als „strategische“ Aufgaben des Einkaufs – zumeist der Einkaufsleitung – charakterisiert werden. – Vgl. im Übungsteil das in Aufgabe 5 zugrunde gelegte Praxisbeispiel. Siehe auch H. Hartmann, Optimierung der Einkaufsorganisation, a. a. O., S. 44 ff. 2 Siehe auch die Ausführungen im ersten Abschnitt unter Ziffer 3.2.1.
109
-
Termin, Menge und Ort.
Damit die Mitarbeiter des operativen Einkaufs dieser Verantwortung gerecht werden (können), sollten sie auch die Aufgaben der Materialdisposition wahrnehmen. Verantwortungslücken und Kompetenzrangeleien können ausschließlich durch die Zusammenfassung aller versorgungsorientierter Aufgaben vermieden werden! Abbildung 17.2 zeigt in Anlehnung an ein Praxisbeispiel eine mögliche Aufgabengliederung des Einkaufs in strategische und operative Organisationseinheiten. In diesem Fall ist der Kompetenzbereich des operativen Einkaufs als beschaffungslogistische Organisationseinheit definiert. Der strategische und operative Einkauf sind hierarchisch gleichgestellt und dem Bereichsleiter Zentraleinkauf unterstellt. Integrationsgrade des operativen Einkaufs
Es ist zu erkennen, dass der Kompetenzbereich des operativen Einkaufs in der Praxis äußerst unterschiedlich definiert sein kann. Im Einzelnen sind folgende Integrationsstufen zu unterscheiden: (1)
Der operative Einkauf fungiert als Bestellabwicklungsfunktion.
(2)
Der operative Einkauf erhält durch die Zuordnung dispositiver Aufgaben die eindeutige Verantwortung für die mengen- und termingerechte Versorgung der Produktion mit dem benötigten Material.
(3)
Der operative Einkauf fungiert als beschaffungslogistische Organisationseinheit (vgl. Abb. 17.2).
110
Abbildung 17.2: Aufgabengliederung des Einkaufs in strategische und operative Organisationseinheiten
Mit der Verwirklichung der dritten Integrationsstufe sind die organisatorischen Rahmenbedingungen für eine Optimierung des beschaffungslogistischen Supply Chain-Netzwerkes gegeben.
111
Wie im Einzelnen die organisatorische Zusammenarbeit zwischen dem strategischen und operativen Einkauf gestaltet werden kann, zeigt exemplarisch das nachfolgende Beispiel. Zwar tauchen in diesem Anwendungsfall die Abteilungsbezeichnungen „strategisch“ und „operativ“ nicht auf. Gleichwohl kann die Aufgabengliederung bzw. -zuordnung zu den jeweiligen Organisationseinheiten als charakteristisch für die Umsetzung dieses Organisationskonzeptes angesehen werden. Dabei hat man – wie aus dem Praxisbeispiel erkennbar wird – sinnvollerweise bei Hilfs- und Betriebsstoffen, Dienstleistungen und Investitionsgütern auf eine Aufgabenteilung verzichtet. Praxisbeispiel zur Gliederung in gestaltende (strategische) Aufgaben des Einkaufs (-marketing) und verwaltende (operative) der Beschaffung/Disposition sowie zur Prozessoptimierung durch Einführung eines Purchasing Card-Systems
Beispiel 9: In der Alfred Teves GmbH, Werk Rheinböllerhütte, war der gestaltende und verwaltende Einkauf bis 1987 nach Objekten gegliedert. Der Einkaufsleiter hatte die Rangstufe eines Abteilungsleiters mit Handlungsvollmacht; er war dem Leiter der integrierten Materialwirtschaft direkt unterstellt. Der gestaltende und der verwaltende Einkauf lagen jeweils in der Verantwortung eines Gruppenleiters. Im Zuge der 1987 eingeführten Produktlinienorganisation, das heißt der Einrichtung von Fertigungssegmenten als LeistungsCenter wurde der verwaltende Einkauf in die zum Bereich Materialwirtschaft gehörende Auftragsplanung/Auftragssteuerung integriert. Der gestaltende Einkauf ist nunmehr ein eigenständiger Bereich. Der Einkaufsleiter hat die Rangstufe eines Bereichsleiters und ist direkt dem Werksleiter unterstellt. Die beiden Abteilungen „Produktionsmaterial“ und „Gemeinkostenmaterial“ - vgl. Abb. 18 - liegen in der Verantwortung je eines Abteilungsleiters. Die Abteilung „Produktionsmaterial“ ist mit 4, die Abteilung „Gemeinkostenmaterial“ mit 2 Sachbearbeitern besetzt. Weiterhin ist ein Schreibbüro integriert und mit 2 Mitarbeiterinnen besetzt. Im Zuge der Verringerung der eigenen Fertigungstiefe und damit verbundenen erhöhten Fremdlieferungen wurde die Funktion einer „Technischen Lieferantenbetreuung“ geschaffen. Der Stelleninhaber berät und unterstützt Lieferanten bei Qualitätsund Bearbeitungsproblemen (spanende Fertigung). Die Hilfestellung erfolgt, nachdem der Lieferant durch Einkauf und Qualitätswesen beurteilt und ein Rahmenvertrag abgeschlossen wurde.
112
Bereichsleitung Bereichsleitung EINKAUF EINKAUF (Gestaltender (GestaltenderEinkauf) Einkauf)
EK-Marketing EK-Marketing ProduktionsProduktionsmaterial material
EK-Marketing EK-Marketing GMK-Material GMK-Material
Warmformteile Warmformteile AuswärtsAuswärtsbearbeitung bearbeitung Teves-Werke Teves-Werke
Investitionen, Investitionen, Bau-/ Bau-/DienstDienstleistungen leistungen
Beilage/ Beilage/ Zubehör Zubehör
Werkzeuge, Werkzeuge, Meßmittel, Meßmittel, Büromaterial Büromaterial
Kaltformteile, Kaltformteile, Dreh-, Dreh-,StanzStanzteile, teile,Federn Federn
Öle, Öle,Fette, Fette, Farben, Farben, Reparaturen, Reparaturen, Ersatzteile Ersatzteile
Technische Technische LieferantenLieferantenbetreuung betreuung
Schreibbüro Schreibbüro
Gummi-, Gummi-, Kunststoffteile, Kunststoffteile, Verpackung Verpackung
Abbildung 18:
Organigramm des gestaltenden Einkaufs in der Alfred Teves GmbH, Werk Rheinböllerhütte nach Einführung einer Produktlinienorganisation
Die Aufgabenverteilung ist wie folgt geregelt: Gestaltender Einkauf Permanent: - Intensives Marketing im In- und Ausland zwecks Erschließung neuer und preisgünstiger Lieferquellen, sowohl bei Neuteilen aufgrund von Anlaufplanungen als auch bei laufenden Serienteilen - Besuch bei Lieferanten zusammen mit Abt. Qualitätssicherung, um die zu erwartende Produktqualität zu beurteilen - Erstellung einer schriftlichen Lieferantenbeurteilung durch die Qualitätssicherung mit Angabe über Eignung als Lieferant von Sicherheitsteilen
113
-
Beachtung der jeweiligen Konstruktions-Freigabestufen der Zeichnungen Preisverhandlungen mit Lieferanten Erteilung eines Probeauftrages/Werkzeugbestellung Vorstellung der Erstmusterteile mit Erstmusterprüfbericht Neben Preisverhandlungen für Werkzeuge, Definition der jeweiligen Werkzeugkapazität, Standzeit und Eigentumsverhältnisse Nach positiver Beurteilung der Erstmuster durch die Qualitätssicherung sowie evtl. notwendiger Tests in den Versuchsabteilungen Vorstellung dieser Teile beim Kunden Koordination und enge Zusammenarbeit mit anderen Bereichen des Hauses zur Sicherstellung des Anlauftermins Terminverfolgung (nur Gemeinkostenmaterial) Erstellung Rahmenabschlussvereinbarungen Nach Erstellung von Rahmenabschluss und erfolgter Freigabe der Erstmuster durch Qualitätssicherung Übergabe der Aktivitäten an Disposition/Beschaffung (Ausnahme Gemeinkostenmaterial)
Disposition l Beschaffung - Produktionsmaterial - Anhand von mit EDV-Programmen ermittelten optimalen Bestellmengen werden Produktionsteile von Fremdlieferanten und Teves-Werken disponiert und beschafft (Die Dispositionen bei den jeweiligen Lieferanten erfolgen mittels Abruf auf Basis des mit den Lieferanten getätigten Rahmenabschlusses) - Terminverfolgung bis zum Lagerzugang der vom Qualitätswesen freigegebenen Teile und der Wiederbeschaffung der vom Qualitätswesen gesperrten Teile - Mitarbeit an Produkt-Neuanläufen und Teilnahme an den Neuanlauf-Teamsitzungen. Neuorganisation des Einkaufs (1994) und Entwicklungstendenzen (1999): - Die organisatorische Trennung und Aufgabenverteilung zwischen gestaltendem Einkauf und verwaltendem Einkauf bleiben bestehen. - Um ein Weltklasseniveau in Bezug auf Qualität, Kosten und Lieferservice sicherzustellen, werden die Einkaufsfunktionen für Produktionsmaterial zentralisiert.
114
-
Qualitätsvorausplanung und Lieferantenaudit gewinnen zunehmend an Bedeutung. Die Beurteilung der Lieferanten erfolgt nach DIN EN ISO 9000 ff. Die Abwicklung der Bestellungen erfolgt DV-gestützt und wird vom verwaltenden (dispositiven) Einkäufer selbst gesteuert. Damit entfällt das Schreibbüro. Die Beschaffungstätigkeit für Gemeinkostenmaterial ist seit Mitte 1997 wesentlich vereinfacht und erfolgt durch ein Purchasing Card-System (Bestellkartenverfahren) weitestgehend durch die Abteilungen. Diese können vom Büromaterial bis zu Werkzeugen bei ausgewählten Lieferanten direkt bestellen. Dabei sind zur Sicherung des ProcurementProgramms folgende Einschränkungen eingebaut: • Jeder Beschaffungskarten-Nummer ist ein monatliches wertmäßiges Limit zugeordnet. Sofern das noch nicht abgerechnete Beschaffungsvolumen während des Abrechnungsmonats dieses Limit überschreitet, können die beteiligten Lieferanten keine Bestellungen auf diese Beschaffungskarten-Nummer mehr entgegennehmen. • Zusätzlich gilt für die einzelne Bestellung eine Obergrenze von DM 3.000 für den Bestellwert (Netto ohne Mehrwertsteuer, jedoch einschl. aller Nebenkosten wie z.B. Fracht, Verpackung usw.). Bestellungen dürfen nicht gesplittet werden, um dadurch bestehende Genehmigungsverfahren zu unterlaufen oder geplante Investitionsvorhaben abzustufen. • Bestellt werden kann nur bei Lieferanten, die für dieses Verfahren vom Zentraleinkauf ausdrücklich freigegeben wurden. Die Lieferanten sind in einer Liste aufgeführt, die den zugelassenen Nutzern zur Verfügung gestellt und regelmäßig überarbeitet wird. • Sendungen dürfen nur an die zugelassenen Lieferanschriften bestellt werden.
-
Die Neugestaltung der Geschäftsprozesse hat 1997/98 zur Bildung von sechs Fertigungssegmenten geführt. In jedem Segment gibt es ein Produktlinienteam, das sich aus Gruppenmeister, Technikbetreuer und Fertigungs-/Montagesteuerung zusammensetzt (reine Fabriksteuerung).
115
1.3.1.3 Stabsstellen im Einkauf Stabsstellen dienen der Entlastung von Linienstellen
Praktische Erwägungen können auch dazu führen, dass Aufgaben, die mehr grundsätzlicher und beratender Art sind (z.B. die Entwicklung strategischer Konzepte, Einkaufscontrolling, Einkaufsrevision) von einer Stabsstelle wahrgenommen werden. So bietet das Einkaufscontrolling als spezielle Stabsstelle dem Einkaufsleiter die Möglichkeit, durch gezielten Einsatz der Controlling-Instrumente (z.B. Kennzahlen- und Materialkostensenkungsrechnung), seinen Funktionsbereich ergebnisorientiert zu führen. Stabsstellen sind in der Zusammenarbeit immer eng an die Entscheidungsträger des Liniensystems gebunden. Sie besitzen selbst keine Weisungsbefugnis. Ihre Effizienz ist davon abhängig, ob der Informationsaustausch mit den Linienstellen funktioniert. Dies kann durch Gesprächsrunden und Abstimmungen geschehen, die naturgemäß viel Personalkapazität binden. In der täglichen Praxis wird die Möglichkeit, Stabsstellen einzurichten, in der Regel nur in Konzernen und Großunternehmen für das Controlling genutzt. Die Instrumente des Beschaffungsmarketings sind ergebniswirksamer im gestaltenden Einkauf angesiedelt.
1.3.2 Gliederung des Lagerbereichs Für den Wareneingang, die Lagerverwaltung und den innerbetrieblichen Transport bietet sich die Gliederung nach Funktionen, für die Lagerhaltung die objektorientierte Gliederung an
Die interne Gliederung des Lagerbereichs kann wie in Abb. 19 dargestellt erfolgen. Bei der Stellengliederung im Bereich Wareneingang sollte die enge Verknüpfung zwischen Materialannahme und Materialprüfung dadurch Berücksichtigung finden, dass in die Aufgabenkomplexe der Wareneingangsstellen die Quantitätskontrollen einbezogen werden. Gegen die mögliche Einbeziehung der Qualitätsprüfung der Materialien spricht in vielen Fällen der Umstand, dass diese in der Regel besondere technische Kenntnisse verlangt und die Verwendung spezieller und hochwertiger Apparaturen erfordert.
116
In Klein- und Mittelbetrieben ist im Allgemeinen eine organisatorische Verselbständigung der Wareneingangsstellen wirtschaftlich nicht zu rechtfertigen; die jeweiligen Stelleninhaber wären kaum auszulasten. Daher fasst man hier die Aufgabenkomplexe des Wareneingangs und der Lagerhaltung zusammen. Im Gegensatz dazu besteht in Großunternehmen eine eindeutige Tendenz zur organisatorischen Trennung dieser Aufgabenbereiche. Für eine solche Regelung spricht vor allem die damit verbundene Vereinheitlichung der Aufgabenstellung in der Eingangsbearbeitung und Mengenprüfung. Während sich für die Bereiche des Wareneingangs und der Lagerverwaltung sowie für das innerbetriebliche Transportwesen eine verrichtungsorientierte Gliederung anbietet, wird für den Bereich der Lagerhaltung meist eine Objektgliederung bevorzugt. Eine nach Verrichtungsgesichtspunkten durchgeführte organisatorische Verteilung von Lagerungsaufgaben erweist sich nur in großen Zentrallagern als zweckmäßig. Materialwirtschaft Materialwirtschaft
Lagerwirtschaft Lagerwirtschaft
Einkauf Einkauf
Wareneingang Wareneingang
Lagerhaltung Lagerhaltung
Lagerverwaltung Lagerverwaltung
Warenannahme Warenprüfung Einlagerung
Einsatzstoffe Werkzeuge Vorrichtungen Leergutlagerung Recycling u. Entsorgung
Lagerbuchhaltung Bestandserfassung und -kontrolle Inventur Statistiken
Abbildung 19:
Stellen- und Abteilungsgliederung der Lagerwirtschaft nach objekt- und verrichtungsorientierten Gesichtspunkten
117
1.3.3 Gliederung der Warenverteilung Grundsätzlich kommt auch hier eine Gliederung der Stellen nach funktions- oder objektorientierten Gesichtspunkten in Betracht. Wählt man eine Gliederung nach dem Verrichtungsprinzip, so ist z.B. eine Aufteilung in Kommissionieren, Verpacken, Versand und Transportwesen/Fuhrpark möglich. 1
1.4 Zentrale oder dezentrale Organisationsform der materialwirtschaftlichen Bereiche Zentralisation und Dezentralisation als Grundprinzipien der Stellen- und Abteilungsbildung
Die Koordination der verschiedenen Aufgaben und die Ausrichtung der einzelnen Aktivitäten der Stellen auf die gemeinsame unternehmerische Zielsetzung erfordern die Bildung eines durch die Merkmale der Über- und Unterordnung gekennzeichneten Leitungssystems. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Frage, nach welchen Grundprinzipien der Aufgabensynthese die Stellen- und Abteilungsbildung durchgeführt wird. Diese Grundprinzipien sind: (1) Zentralisation: Bei der Zentralisation werden Aufgaben, die hinsichtlich eines Merkmals gleichartig sind, in einer Stelle zusammengefasst. (2) Dezentralisation: Bei der Dezentralisation erfolgt eine Verteilung gleichartiger Aufgaben auf mehrere Stellen.
1.4.1 Zentrale oder dezentrale Beschaffung Definition der zentralen Beschaffung
Zentrale Beschaffung heißt, dass alle Beschaffungsvorgänge innerhalb einer Unternehmung über eine Abteilung abgewickelt werden. Es tritt demnach nur der Einkauf nach außen hin auf und ist befugt, Kaufverträge abzuschließen. Diese Orga1
Siehe auch G. Oeldorf / Kl. Olfert, Materialwirtschaft, 7. Auflage, Ludwigshafen 1995, S. 38.
118
nisationsform ist in Unternehmen mit nur einer Produktionsstätte die Regel. Die Dezentralisierung der Beschaffung erfolgt in der Praxis hauptsächlich nach folgenden Gesichtspunkten:
Kriterien der Dezentralisation
(1) Objektorientiert, wenn voneinander völlig unabhängige Aufgabeneinheiten geschaffen werden, die nur für bestimmte Warengruppen zuständig sind (besonders häufig in Großunternehmen mit Sparten- oder Produktlinienorganisation). 1 (2) Geografisch, wenn weit voneinander getrennt liegende Betriebsstätten (Werke, Tochtergesellschaften usw.) unabhängig voneinander einkaufen. Gekennzeichnet ist die dezentrale Beschaffung dadurch, dass die einzelnen Beschaffungsbereiche eigenverantwortlich handeln. Als Vor- und Nachteile einer zentralen Beschaffungsorganisation sind im Wesentlichen anzusehen: (1) Vorteile: (a) Kostengünstige Beschaffung: Die Zusammenfassung des gesamten Bedarfs führt zu größeren Bestellmengen und damit in der Regel auch zu einem günstigeren Einstandspreis infolge der möglichen Ausnutzung von Mengenrabatten. Aufgrund der gebündelten Nachfragemacht sind im Allgemeinen auch günstigere Konditionen durchzusetzen. Auch nehmen die Bezugskosten pro Einkaufsobjekt bei einer Zunahme der Bestellmenge ab. (b) Materialvereinheitlichung: Durch die Zusammenfassung unterschiedlicher, aber angleichungsfähiger Bedarfsfälle wird die innerbetriebliche Vereinheitlichung des Materials (Normung und Typisierung) vorangetrieben.
1
Ein Beispiel dafür ist auch die Teilung des Beschaffungswesens in einen kaufmännischen und technischen Bereich, wobei letzterer für die Beschaffung sämtlicher Investitionsgüter und Dienstleistungen zuständig ist (sog. Technischer Einkauf).
119
Vor- und Nachteile der zentralen Beschaffung
(c) Verbesserung der Personalstruktur: Die Konzentration der Aufgaben ermöglicht weitergehende Spezialisierung des Personals und damit den Einsatz qualifizierter Mitarbeiter. (d) Einheitliche Einkaufspolitik: Eine einheitliche Einkaufspolitik und Steuerung aller Beschaffungsaktivitäten kann realisiert werden. (e) Klare Kompetenzabgrenzung: Die Zuständigkeit für alle Einkaufsfragen ist zweifelsfrei geregelt. (2) Nachteile: (a) Verlängerter Instanzenweg: Wenn keine moderne Kommunikationstechnologie genutzt wird, ist das Risiko des Zeitverlustes groß. (b) Schwerfälligkeit: Der fehlende Dialog vor Ort zwischen Bedarfsträger und Einkauf kann bei Versorgungsproblemen zur Schwerfälligkeit der Entscheidungsprozesse und Abnahme der operativen Flexibilität führen. Wegen des größeren Gewichts der Vorteile sollte die Beschaffung soweit wie möglich zentralisiert werden
Die Nachteile der Zentralisation sind zugleich die Vorteile der Dezentralisation. Der Vergleich lässt die Schlussfolgerung zu, dass
• die größere Zahl und das größere Gewicht der Vorteile auf der Seite der Zentralisierung - des Zentraleinkaufs - liegen. In der Praxis ist daher anzustreben, im Bereich der Materialwirtschaft das Aufgabengebiet Einkauf so weit wie nur möglich zu zentralisieren.
Mischformen von zentraler und dezentraler Beschaffung sind in der Praxis häufig
Aufgrund der -
Unternehmensgröße und -struktur Anzahl räumlich getrennter Werke Entfernung der Werke zueinander Zusammensetzung und Breite des Erzeugnisprogramms
kann aber auch eine stärkere Dezentralisierung der Beschaffungsfunktion oder einzelner Aufgaben - wie z.B. die dezentrale Ausführung der Bestellabwicklung/Disposition durch einzelne
120
Bedarfsträger, durch verbrauchende Kostenstellen 1 oder im Rahmen einer Centerorganisation durch einzelnen Fertigungssegmente bzw. Produktlinien zweckmäßig sein. Am häufigsten findet man, um die Vorteile der Zentralisierung mit denen der Dezentralisierung zu verbinden, Kombinationsformen, in denen wiederum der Grad der Zentralisierung bzw. der Dezentralisierung sehr unterschiedlich ist. Mischformen kommen vor allem in Großunternehmen mit örtlich dezentraler Produktion oder mit Spartengliederung vor, wie das nachstehende Beispiel zeigt: Beispiel 10: 2 Die Beiersdorf AG, Hamburg, ist ein international tätiges Unternehmen, das Markenartikel aus den Kernkompetenzbereichen Kosmetik und Körperpflege, Wundversorgung und Klebebändern herstellt und vertreibt. Entsprechend diesen Kernkompetenzbereichen ist die Beiersdorf AG in die Sparten Cosmed und Medical aufgegliedert. Unter anderem sind das Personalwesen, das Finanzwesen und der Einkauf als Zentralfunktion organisiert (vgl. Abb. 20.1).
Beiersdorf AG Cosmed Sparte
Medical Sparte
tesa Sparte
F&E
F&E
F&E
Produktion
Produktion
Produktion
Material Management
Material Management
Material Management
Absatz
Absatz
Absatz
Zentralfunktionen Finanzwesen Personalwesen Zentraleinkauf
Abbildung 20.1: Gemischt zentral/dezentraler Einkauf bei der Beiersdorf AG - eine Übersichtsgrafik
1
Vgl. O. Jetter, Einkaufsmanagement, Landsberg 1990, S. 81. Die Spartengliederung hatte bis zum 31.12.2003 Bestand. Der Geschäftsbereich „tesa“ fungiert bereits seit dem 01.04.2001 als rechtlich selbständige Tochtergesellschaft der Beiersdorf AG. der kontinuierliche Umstrukturierungsprozess könnte unter dem Motto stehen: Es gibt nichts Gutes, es sei denn, man tut es! 2
121
Praxisbeispiel zum gemischt zentral/dezentralen Einkauf in einer Spartenorganisation
Der Zentraleinkauf untergliedert sich in die Bereiche technischer Einkauf 1 und 2, Packmitteleinkauf 1 und 2, Rohstoffe sowie die Stabsabteilung Controlling/Systembetreuung. Diese Stabsabteilung ist fachlich der Abteilung Konzerncontrolling und disziplinarisch dem Zentraleinkauf unterstellt. Ferner existieren neben dem Zentraleinkauf die operativen Beschaffungsfunktionen in den Sparten bzw. Tochtergesellschaften (vgl. Abb. 20.2).
Zentraleinkauf Zentraleinkauf Beiersdorf BeiersdorfAG AG
Controlling/ Controlling/ Systembetreuung Systembetreuung
Operative OperativeBeschaffungsfunktionen Beschaffungsfunktionen der Sparten und Tochtergesellschaften der Sparten und Tochtergesellschaften
Technischer Einkauf 1 Technischer Einkauf 1
Technischer Einkauf 2 Technischer Einkauf 2
Packmitteleinkauf 1 Packmitteleinkauf 1
Packmitteleinkauf 2 Packmitteleinkauf 2
Rohstoffeinkauf Rohstoffeinkauf
Investitionsgüter Investitionsgüter
Verbrauchsmaterialien Verbrauchsmaterialien und Dienstleistungen und Dienstleistungen
Primärverpackungen Primärverpackungen und Handelsware und Handelsware
Sekundärverpackungen Sekundärverpackungen und Werbemittel und Werbemittel
Rohstoffe Rohstoffe
Abbildung 20.2: Organisation Zentraleinkauf bei der Beiersdorf AG
Die Hauptaufgabe des Zentraleinkaufs ist es, durch die Bündelung der internationalen Bedarfe der einzelnen Sparten und Tochtergesellschaften, übergreifende Synergieeffekte für den Konzern zu erzielen. Dazu sind folgende Aufgaben vom Zentraleinkauf wahrzunehmen: -
Formulierung beschaffungspolitischer Grundsätze Festlegung konzernweit gültiger Abläufe und Verfahren Steuerung aller Beschaffungsmarktforschungsaktivitäten des Konzerns
122
-
Abschluss von Rahmenverträgen für gebündelte Mengen Initiierung und Durchführung von Kostensenkungsprogrammen unter Mitwirkung der Sparten
Beiersdorf als international operierendes Unternehmen hat Tochtergesellschaften und Produktionsstätten in Europa, Asien, Afrika und auf dem amerikanischen Kontinent. Das Unternehmen ist weltweit in 24 Ländern mit 35 eigenen leistungsfähigen Produktionsstätten vertreten. Die operativen Beschaffungsfunktionen sind den Material Management-Funktionen der Sparten und der in- und ausländischen Tochtergesellschaften zugeordnet. Diese dezentralen, operativen Beschaffungsfunktionen sind fachlich dem Zentraleinkauf unterstellt, disziplinarisch unterstehen sie den Material Management-Funktionen der Sparten und Tochtergesellschaften. Alle operativen Tätigkeiten, die nach Vertragsabschluss durch den Zentraleinkauf anfallen, werden in Eigenverantwortung jeweils von den dafür zuständigen Sparten- bzw. Tochtergesellschafts-Beschaffungsfunktionen durchgeführt. Dazu sind folgende Aufgaben von den operativen Beschaffungsfunktionen der Sparten und Tochtergesellschaften wahrzunehmen: -
Bedarfsermittlung für Serienmaterial und Handelswaren Abruferteilung aus Rahmenverträgen und Überwachung derer mengen- und termingerechten Abwicklung vorausschauende Terminverfolgung Koordination und Durchführung der Reklamationsabwicklung Weitergabe von Informationen an den Zentraleinkauf, vor allem in Fragen der Lieferantenbeurteilung zu den Kriterien Qualitätsfähigkeit und Versorgungssicherheit
Den operativen Beschaffungsfunktionen der Tochtergesellschaften fallen zusätzlich zu den Aufgaben der SpartenBeschaffungsfunktionen folgende weitere Verantwortlichkeiten zu:
123
-
Beteiligung an Beschaffungsmarktforschungsaktivitäten unter Führung des Zentraleinkaufs Beschaffung von spezifischen Bedarfen der Tochtergesellschaft, die nicht über weltweit gültige Rahmenverträge gedeckt sind Ausführung aller Aufgaben des Zentraleinkaufs im Falle einer Lead Country-Position
In diesem gemischt zentral/dezentral organisierten Konzerneinkauf der Beiersdorf AG sind die Beschaffungsfunktionen der Sparten und der Tochtergesellschaften somit als ausschließlich operative Funktionen definiert worden. Die Beschaffungsfunktionen der Tochtergesellschaften agieren aber immer dann als selbständig einkaufende Funktionen, wenn Materialien nicht in weltweit gültige Verträge eingebunden sind. Auch durch die Vergabe von Lead Country-Positionen werden die Beschaffungsfunktionen der Tochtergesellschaften aktiv in das Beschaffungsgeschehen eingebunden. Besitzt eine Tochtergesellschaft besonderes Markt- oder Produkt-Know-how bezüglich eines bestimmten Beschaffungsmarktes, kann der Zentraleinkauf Aufgaben gesamthaft oder aber Teilaufgaben durch ein Lead Country Mandat aus seiner Verantwortung an die Einkaufsfunktionen der Tochtergesellschaften delegieren. Das Mandatssystem als Instrument der Effizienzverbesserung eines Mischsystems
Generell muss festgestellt werden, dass die Zusammenarbeit zwischen Zentraleinkauf auf der einen und Spartenbeschaffung auf der anderen Seite trotz klarer gegenseitiger Kompetenzabgrenzungen Belastungen ausgesetzt sein kann. Einerseits besteht die Gefahr, dass die Sparteneinkäufer durch die Aktivitäten der Zentrale demotiviert werden, andererseits können Zuständigkeiten in die Sparten wegen derer größeren Nähe zum Markt „abwandern“. Ein wichtiges Instrument zur Verbesserung der Effizienz des Gesamtsystems stellt das Mandatssystem 1 dar, bei dem die Verhandlungs- und Abschlusskompetenz für spartenübergreifendes Material nicht beim Zentraleinkauf liegt, sondern bei derjenigen Sparte, die den größten Verbrauch aufweist. Diese trägt die gebündelte Nachfragemacht in den Markt hinein, während 1
Im Allgemeinen kann diese Struktur des Lead Buying immer dann gewählt werden, wenn eine der dezentralen Einkaufsabteilungen die Führung im zentralen Entscheidungsprozess übernimmt. - Siehe O. Jetter, a.a.O., S. 83.
124
die übrigen Sparten lediglich ihren Bedarf bei dem Mandatsträger abrufen. Die Frage, wie zentral oder dezentral die einkäuferischen Aufgaben wahrgenommen werden sollen, kann nur unternehmensspezifisch beantwortet werden. • Dabei sollte aber der Grad der Dezentralisierung sorgfältig gewählt werden, um nicht erhebliche Synergieverluste und eine Verringerung der Einkaufsmacht herbeizuführen.
Der Grad der Dezentralisierung ist auch bei einer Centerorganisation sorgfältig zu wählen
Mit dieser organisatorischen Gestaltungsproblematik müssen sich vor allem auch Unternehmen auseinandersetzen, die eine Centerorganisation eingeführt haben und damit eventuell auch die Verantwortung für die strategisch-operativen Aufgaben des Einkaufs dezentralisiert haben. Damit gehen (zunächst) Größenvorteile verloren. Diese müssen durch informationstechnische Vernetzung ausgeglichen und/oder durch strukturelle Maßnahmen aufgefangen werden. So kann der an sich nicht mehr erforderliche Zentraleinkauf eines Konzerns zu einer Koordinationsinstanz und Clearing-Stelle für Beschaffungsmarktinformationen werden. 1 Die heutigen EDV-Systeme (z.B. SAP) ermöglichen eine logische Zentralisierung, wenn Informationszugriffe dezentraler Einkaufs- und Logistikfunktionen auf Lieferanten- und Materialstammdaten zugelassen werden. 2
1.4.2 Zentrale oder dezentrale Lagerhaltung Die Entscheidung, ob die Lagerhaltung zentral oder dezentral zu organisieren ist, sollte in erster Linie vom Ausmaß der aufzuwendenden Kosten (Aufwand an Transportmitteln, Arbeitsstunden usw.) abhängen. In vielen Fällen bedarf es hierzu einer sehr tiefgehenden Betriebsanalyse. Generell kann gesagt werden, dass 1
Vgl. U. Arnold, Beschaffungsmanagement, 2. Auflage, Stuttgart 1997, S. 206. Siehe H. Hartmann u.a., Optimierung der Einkaufsorganisation, a.a.O., S. 41 ff. 2
125
Entscheidungskriterien für zentrale oder dezentrale Lagerhaltung
• das Zentrallager überall dort zweckmäßig sein wird, wo geringe Mengen je Artikel nicht laufend angefordert werden, • das dezentrale Lager normalerweise in Frage kommen wird, wenn - große Materialmengen umzuschlagen sind, - die Entnahmehäufigkeit hoch ist, - die Wege innerhalb des Zentrallagers oder dorthin im Werksgelände zu weit sind. Zentrale und dezentrale Lagerhaltung werden oft miteinander kombiniert
Auch hier bietet sich oft eine kombinierte Lösung an. So können z.B. Rohstoffe und Normteile zentral (Hauptlager) und alle übrigen geringwertigen Hilfs- und Betriebsstoffe sowie Einzelteile dezentral (Nebenlager, Handlager), d.h. möglichst nahe am Verwendungsort, gelagert werden. Dabei ist es durchaus möglich, auch räumlich getrennte Lager zentral zu verwalten. Die Bestandsrechnung (Materialrechnung) und -überwachung sollte jedoch stets von zentraler Stelle erfolgen.
1.4.3 Zentrale oder dezentrale Warenverteilung Die Warenverteilung wird in der Regel in zentralisierter Form durchgeführt, kann bei einer Spartengliederung aber auch dezentralisiert werden
Die absatzmarktorientierten Fertigwarenlager, die unmittelbar dem Industrieunternehmen angegliedert sind, werden in der Regel mit Rücksicht auf einen zusammengefassten Versand zentralisiert. Spezielle Probleme treten bei Großunternehmen auf, die eine Spartengliederung besitzen. Hier muss im Einzelfall untersucht werden, ob die Warenverteilung zentral oder dezentral in den Sparten organisatorisch verankert werden soll. Im Allgemeinen wird man eine Zentralisierung des Gesamtbereiches wohl kaum in Betracht ziehen. Sinnvoll kann es hingegen sein, bestimmte Aufgaben der Warenverteilung einer zentralen Leitung zu übergeben. Ein typisches Beispiel aus der Praxis ist die Zentralisierung des inner- und außerbetrieblichen Transportwesens, insbesondere wenn ein eigener Fuhrpark vorhanden ist.
126
1.5 Zusammenarbeit mit anderen Unternehmensbereichen Mit Einführung der integrierten Materialwirtschaft oder der ganzheitlichen Logistik werden zwar eine Reihe von Schnittstellen entschärft, aber Interessen- und Zielkonflikte vor allem gegenüber dem Vertrieb und der Produktion sind nach wie vor gegeben. Eine grundsätzliche Verringerung der Schnittstellenproblematik ist nur dann denkbar, wenn über die Abteilungsgrenzen hinweg Zusammenarbeit zur Normalität wird. Eine Möglichkeit hierzu ist die Bildung funktionsübergreifender Teams oder Projektgruppen (vgl. Abb. 21), für deren aufbauorganisatorische Strukturierung u.a. die Matrixorganisation oder eine matrixähnliche Organisationsform gewählt werden kann. 1
Formale Regelungen zur Verringerung der Schnittstellenproblematik
Konstruktion Konstruktion F&E F&E
Team Bauleitung Bauleitung
Projektleitung Projektleitung
(aufgabenbezogen und zeitlich befristet) Logistik Logistik
Abbildung 21:
Vertrieb Vertrieb
Einkauf Einkauf
Produktion Produktion
Qualitätswesen Qualitätswesen
Interdisziplinäre Zusammenarbeit (Beispiel aus der Praxis)
Für welche Aufgaben bietet sich die Einrichtung funktionsübergreifender Teams an? Grundsätzlich ist Teamarbeit immer dann sinnvoll, wenn durch Entscheidungen mehrere Abteilungen berührt werden und/oder optimale Problemlösungen nur unter Heranziehung des Experten Know-hows sowohl von verschiedenen Funktionen inner1
Die vielfältigen Formen der Projektorganisation werden ausführlich behandelt von R. Bühner, Betriebswirtschaftliche Organisationslehre, 7. Aufl., München 1994, S. 205 ff.
127
Anwendungsgebiete für funktionsübergreifende Teams
halb des Unternehmens als auch von externen Spezialisten bearbeitet werden können. Beispiele dafür sind: 1 -
Produktentwicklung Simultaneous Engineering Make-or-Buy-Analyse Outsourcing von C-Teilen und Eigenleistungen Materialgruppenmanagement Wertanalyse Prozesskettenanalyse und -optimierung Maßnahmen zur Optimierung der Bestände und/oder Logistikstrategien Entsorgung und Verwertung von Produktionsabfällen Entsorgung von Leergut und Verpackung Einkauf
Entwicklung
Werk einschl. Logistik
Vertrieb
Advanced Purchasing Initial Purchasing Repeat Purchasing Supplier Quality Supplier Development
Legende: Informationsaustausch Arbeitsplatz im Team
Abbildung 22:
= =
Linie Fachkompetenz
= =
Einkauf im Prozess der Produktentwicklung und Materialversorgung im Philips-Konzern
Betrachtet man die Phasen der Produktentwicklung und -einführung, so wird deutlich, dass - wenn man das Design-to1
Einige dieser Beispiele sind im dritten Abschnitt unter Ziffer 3 näher erläutert.
128
Cost-Konzept ernst nimmt - Teamarbeit entsprechend den Phasenschemata dauerhaft organisiert werden muss. Das nachfolgende Praxisbeispiel veranschaulicht diese Vorgehensweise (vgl. Abb. 22): Beispiel 11: Mitte der 90er Jahre hat der weltweit operierende PhilipsKonzern die Einkaufsbereiche der Tochtergesellschaften, die sich mit der serienmäßigen Apparate- und Geräteherstellung befassen, reorganisiert und die Einkaufsfunktionen wie folgt definiert (vgl. Abb. 22): Advanced Purchasing: Die stark technisch orientierten Facheinkäufer dieser Abteilung sind bereits in den Phasen der Vor- und Konzeptentwicklung eines neuen Produktes mit einer Vorlaufzeit von bis zu 60 Monaten in den Entwicklungsprozess integriert. Ihr ständiger Arbeitsplatz ist in den Entwicklungsabteilungen, fachlich bleiben sie jedoch der Einkaufsleitung unterstellt. Ihre Aktivitäten konzentrieren sich auf die künftige Lieferung zukunftsorientierter Teile und Technologien und der Nutzung des Know-how strategischer Lieferanten. Dabei kann es zu Vereinbarungen über gemeinsame technische Entwicklungen mit spezialisierten Lieferanten kommen (Simultaneous Engineering). Mit der Entscheidung für die Produktionsfreigabe geht der Vorgang auf „Initial Purchasing“ über. Initial Purchasing: Die Facheinkäufer dieses Einkaufsbereichs konzentrieren sich mit einer Vorlaufzeit von etwa 24 Monaten auf bereits initiierte Produktentwicklungen. In kleineren Philipsgesellschaften kann es zur Zusammenlegung von Advanced Purchasing und Inital Purchasing kommen, zumal der Initial-Einkäufer ebenfalls im Entwicklungsteam seinen Arbeitsplatz hat. Vom Initial-Einkauf werden Rahmenverträge vorbereitet, Musterlieferungen angefordert und bewertet sowie der Erstauftrag erteilt. Repeat Purchasing: Die Einkäufer dieser Abteilung (im Prinzip sind sie auch Disponenten) haben ihren Arbeitsplatz in der Produktion und führen Bestellungen und Abrufe durch.
129
Praxisbeispiel zur organisierten Zusammenarbeit zwischen Einkauf und Entwicklung/Konstruktion
Sie überwachen die Lieferleistungen hinsichtlich Menge, Qualität und Termin. Supplier Quality: Die in den Werken tätigen Mitarbeiter von „Supplier Quality“ sind dem Einkauf zugeordnet. Sie wenden zur Prüfung und Beurteilung der gelieferten Materialien das „Qualitätssicherungssystem für Lieferanten“ an. Information der Lieferanten, Nachbearbeitungs- und Verbesserungsmaßnahmen gehören zum Tagesgeschäft. Qualitätsaudits sind Sonderaktionen im Betrieb der Lieferanten. Supplier Development: Für „Supplier Development“ sind Einkaufsmitarbeiter als Koordinatoren in den Werken eingesetzt. Sie sammeln Informationen/Daten über Stärken und Schwächen der Lieferanten und werten diese in sogenannten Lieferantenprofilen aus. Auf der Grundlage dieser Analyse-Methoden werden Maßnahmen zur Lieferantenpflege und -entwicklung mit dem Ziel in die Wege geleitet, die Leistungsfähigkeit der Lieferanten ständig zu verbessern. Voraussetzungen erfolgreicher Teamarbeit
Die Teamarbeit kann nur erfolgreich sein, wenn • sie gründlich vorbereitet wird, • die Zielsetzung für das Team sehr genau bestimmt wird, • sich die Teammitglieder fähig und verantwortlich fühlen, die bestmögliche Lösung zur Erreichung der Zielsetzung zu finden, • Auseinandersetzungen unter den Teammitgliedern nicht zu „Niederlagen“ einzelner Mitglieder führen, • ein Teammitglied als Koordinator die Aufgabe hat, die Teamsitzungen zu leiten und für die Niederschrift der Beschlüsse und der Entscheidungsgrundlagen zu sorgen.
130
Der Zielerreichungsgrad sollte messbar sein (z.B. in Zeit und Kosten). Die Einkäufer und Logistiker werden sich vom traditionellen Denken in Organisationskästchen verabschieden müssen und viel stärker in funktionsübergreifenden Teams mitarbeiten. Sie müssen zu kompetenten Partnern vor allem der Produktion und des Vertriebes sowie der Entwicklung und Konstruktion, aber auch der Zulieferer werden. Das Verständnis um ihre Rolle im Unternehmen muss sich ändern.
Förderung des Teamgeistes
Gleichrangigkeit und Entscheidungskompetenz sind die formalen Voraussetzungen für eine erfolgversprechende Zusammenarbeit mit anderen Unternehmensbereichen.
2.
Die Ablauforganisation der Materialwirtschaft
Die Darstellung der möglichen Formen der Aufbauorganisation kann nur ein unvollständiges Bild der organisatorischen Problematik vermitteln, da sie Iosgelöst ist von Raum und Zeit. Dieser Aspekt wird durch die Behandlung ablauforganisatorischer Fragen erfasst. Eine Ablauf- bzw. Prozessorganisation muss - die zweckmäßigste Unterteilung des Gesamtablaufs vornehmen, - die optimale Ablauffolge festlegen, - durch Verzicht auf unnötige Vorgänge und durch Verminderung der Komplexität der Teilprozesse im Sinne der Lean Organisation möglichst „schlank“ gestalten. Zum Ablaufsystem eines Unternehmens sind zu rechnen - der Materialfluss, - der Informationsfluss und -rückfluss, - der Energiefluss (technische und menschliche Arbeit).
131
Ablauforganisatorische Aufgaben und Gestaltungsbereiche
Der Energiefluss gehört nicht in den Themenbereich dieses Buches, um so mehr aber die materiellen und informatorischen Prozesse. Eine solche Trennung ist vor allem bei Industriebetrieben sinnvoll. Der Materialfluss hebt sich hier sehr viel deutlicher von der Erfassung und Verarbeitung von Informationen ab als es bei Handelsbetrieben der Fall ist. 1
2.1 Der Materialfluss Definition des Materialfluss-Begriffs nach VDI
Materialfluss gilt als Sammelbegriff für einen geordneten Ablauf sämtlicher Transport-, Förder- und Lagerungsvorgänge. Nach VDI-Richtlinie 3300 ist Materialfluss definiert als „die Verkettung aller Vorgänge beim Gewinnen, Be- und Verarbeiten sowie bei der Verteilung von stofflichen Gütern innerhalb festgelegter Bereiche“. Dazu gehören im Einzelnen: Handhaben, Transportieren, Prüfen, Aufenthalte und Lagerungen.
Rationalisierungspotenziale im Materialfluss ausschöpfen
Der Materialfluss ist ein häufig kosten- und zeitverursachender Faktor. Mängel in der Abstimmung der einzelnen Vorgänge werden beispielsweise als Warte- und Stillstandszeiten sowie in Form hoher Bestände zwischen den einzelnen Fertigungsstufen erkennbar. Die Rationalisierungspotenziale, die noch im Materialfluss stecken, müssen daher ausgeschöpft werden. Der modernen Technik, angefangen mit fahrerlosen Transportsystemen über Automatiklager bis zu Verkettungen mit Bearbeitungssystemen müssen sich die häufig noch konventionell ausgerichteten Bereiche Materialwirtschaft bzw. Logistik öffnen.
Der Materialfluss ist im Sinne des Supply Chain ManagementKonzeptes zu betrachten
Dabei ist im Sinne des SCM-Konzeptes der Materialfluss möglichst vom Lieferanten des Lieferanten über alle Lager- und Fertigungsstufen bis zum Kunden des Kunden zu betrachten. Dieser Denkansatz bedeutet also, dass in die Materialflussplanung Lieferanten auf der einen Seite und Kunden auf der anderen Seite einbezogen werden sollten. So können beispielsweise Ladehilfsmittel in der Produktion des Zulieferers befüllt und ohne weiteres Umpacken bis an das Montageband transportiert werden.
1
Vgl. E. Grochla, Grundlagen der Materialwirtschaft, a.a.O., S. 194.
132
Die Bewegungen innerhalb der Materialflusskette können nicht eliminiert werden, müssen aber optimiert, verbessert und reduziert werden. Dabei sind im Wesentlichen folgende Grundsätze zu beachten: 1
Grundanforderungen an die MaterialflussGestaltung
• Der Materialfluss ist ganzheitlich zu planen, das heißt einschließlich der Vorgänge in den Lagern, um den Gesamtbetrieb so leistungsfähig wie möglich zu machen. • Die Fertigungsplanung muss die Transportoperationen berücksichtigen, da der Materialtransport häufig unmittelbar in den Produktionsprozess hineinreicht. • Der Materialfluss sollte geradlinig und „strömungsgünstig“ sein. Die Forderung der Gradlinigkeit des Materialflusses kann den Grundsatz der größtmöglichen Verkürzung des Transportweges durchbrechen, bedeutet aber größere Übersichtlichkeit, größere Sicherheit und einfachere Durchführung des Transports. • Förderwege sollten unter Beachtung der Wirtschaftlichkeit mechanisiert und automatisiert werden. • Transportmittel und Ladeeinheiten sind gegenseitig anzupassen; die Transportmittel müssen auf die Ladeeinheiten zugeschnitten sein.
2.2 Der Informationsfluss Mit dem Materialfluss eng verzahnt ist - wie Abb. 23 veranschaulicht - der Informationsfluss, der ablauforganisatorisch so zu gestalten ist, dass der Informationsbedarf jeder Stelle (Einkauf, Lager, Arbeitsvorbereitung, Rechnungswesen, Unternehmensführung usw.) gedeckt ist. Dabei ist es Aufgabe des Informationssystems, die den materiellen Vorgängen (Material-
1
Siehe auch O. Dück, Optimierung des Materialflusses, in: Praxishandbuch für den Materialwirtschaftsleiter, Augsburg, Nov. 1996, Teil 11 Kapitel 2, S. 1 ff.
133
Der Informationsfluss ist mit dem Materialfluss verknüpft
fluss) zugrundeliegenden Ereignisse zu erfassen, zu speichern, zu analysieren und zu interpretieren. Beschaffungsmarkt
Unternehmensplanung
Absatzmarkt
Informationsfluss Materialbedarfs-, Produktions-, Absatzplanung
WE
Produktion
Montage
WA
Materialfluss
Lieferanten
Beschaffungslager
Zwischenlager
Fertigwarenlager
Kunden
Fertigungs-/Montagesteuerung Informationsfluss Auftragsabwicklung
WE = Wareneingang WA = Warenausgang
Abbildung 23:
Material- und Informationsfluss
Ein Beispiel soll das verdeutlichen. Praxisbeispiel zu den Aufgaben eines Informationssystems
Beispiel 12: In einer Kleiderfabrik werden die Entnahmen an Oberstoffen, Futterstoffen, Zutaten usw. (materielle Vorgänge) als Abgangsbuchungen maschinell verarbeitet (Informationserfassung und -speicherung). In regelmäßigen Abständen liefert die Datenverarbeitung eine Liste „Materialbewegung“. In dieser sind nicht nur die Materialzu- und -abgänge sowie die Bestände enthalten, sondern gleichzeitig auch der Bedarf und die vom Einkauf zu bestellende Menge (Informationsanalyse und -Interpretation). Diese Informationen führen wiederum zu materiellen Prozessen (Bestellung und Warenlieferung).
134
Produktion/ Arbeitsvorbereitung
PLANZAHLEN VERBRAUCHSZAHLEN
Bedarfsrechnung
BEDARFSDATEN
Geschäftsbuchhaltung DISPOSITIONSDATEN
Disposition Nettobedarfsrechnung
ANFORDERUNGEN
BESTANDSZAHLEN EINGANGSZAHLEN
Einkauf/ Disposition Bestellrechnung
KostenartenKostenstellenKostenträgerrechnung
BESTELLUNGEN
VERBRAUCHSZAHLEN
Lieferanten
Materialkontrollrechnung EingangsVerbrauchsBestandsrechnung
EINGANGSBELEGE VERBRAUCHSBELEGE Produktion
Abbildung 24:
Lagerung inklusive Materialannahme - prüfung und - ausgabe
Die Materialkontrollrechnung im Datenfluss der Materialwirtschaft
Die vielgestaltigen Aufgaben der Materialwirtschaft konzentrieren sich letztlich immer auf die Erfüllung der Zielsetzung „Sicherheit der Versorgung zu niedrigen Kosten und minimaler Kapitalbindung“. Entsprechend werden die ersten Entscheidun-
135
Informationsfluss und -rückfluss sind Voraussetzung für die Erfüllung materialwirtschaftlicher Zielsetzungen
gen für die Bedarfsplanung getroffen. Durch Störfaktoren aus dem Markt-, Fertigungs- und Finanzbereich ergeben sich im Ablauf der Maßnahmen zur Verwirklichung der Planung Differenzen zwischen den geplanten („Soll“) und tatsächlichen („Ist“) Ergebnissen. Diese Abweichungen müssen (vom Controlling) erfasst und analysiert werden, um im Sinne der Erkenntnisse der Kybernetik durch Steuerungsmaßnahmen eine Anpassung der Bedarfsplanung an die sich verändernden Verhältnisse vornehmen zu können. Aus Abb. 24 geht hervor, 1 welche bedeutende Rolle ein lückenloses und möglichst schnell funktionierendes Informationssystem für eine modern geführte Materialwirtschaft spielt. Während Bedarfsrechnung, Disposition und Einkauf als reine Prozesse der Informationserfassung und -verarbeitung dem Materialfluss vorgelagert sind, knüpft der Informationsfluss bei der Material(kontroll)rechnung an den Bewegungen (Zu- und Abgängen) der Einsatzstoffe an. Um zu erkennen, auf welche Informationen die einzelnen materialwirtschaftlichen Stellen zurückgreifen müssen, wird man in der Praxis im Rahmen der vorzunehmenden Untersuchung für jede Stelle in Form von Informationsdiagrammen die für sie notwendigen Informationen definieren und eine Zuordnung vornehmen. Dazu ein kurzgefasstes Beispiel: 2 Die Datenpflege muss schnell, sicher und wirtschaftlich sein
Die sicherlich unvollständige Übersicht macht deutlich, dass eine Stelle oft auf Informationen (Daten) zurückgreifen muss, die an anderer Stelle entstanden sind. Es ist daher darauf zu achten, dass • die Informationen konsequent an ihrem Ursprungsort erfasst und für alle weiteren Verarbeitungen verwendet werden, • bereits einmal erfasste Daten durch andere Stellen nicht neu erfasst oder verarbeitet werden und 1
Vgl. E. Grochla, Hrsg., Handwörterbuch der Organisation, Stuttgart 1973, Sp. 982. 2 In Anlehnung an R. Kowarik, Organisation der Materialwirtschaft, Hrsg.: BME, Wiesbaden (o. J.), S. 31.
136
• die stellenorientierte Aufbereitung der Daten aktuell (mindestens tagfertig) sicher und kostengünstig vorgenommen wird Beispiel 13: Stelle Disponent
Aufgabe Mengen- und termingerechte Bedarfsermittlung usw.
Einkäufer
Preisverhandlungen usw.
Notwendiger Info-Bedarf Verbrauch in der Vergangenheit Lagerbestand Bestellbestand Sicherheitsbestand Lagerhaltungskosten Teilespezifikation ABC-Kriterium Vorratspolitik usw. Gültiger Preis Zuverlässigkeit des Lieferanten Preise anderer Lieferanten Teilespezifikation ABC-Kriterium Lieferantenumsatz usw.
Allgemeines Beispiel zur Definition notwendiger Informationen
Durch eine Integration rechnerunterstützter Planungsmethoden in ein CIM-System tritt eine weitere Verbesserung und Rationalisierung des mit der Produktion und Logistik verbundenen Informationsverarbeitungsprozesses ein. 1
CIM als verbesserte Voraussetzung für eine automatische Informationsverarbeitung
Es bleibt jedoch zu bedenken, dass Menschen an allen wesentlichen Schnittstellen in den Informationsfluss eingebunden sind. Sie allein entscheiden, ob, wann und wie die ankommenden Informationen umgesetzt und weitergegeben werden. Insbesondere in tief gegliederten Unternehmen mit streng abgegrenzten
Einflussfaktoren auf den Informationsfluss
1
CIM (Computer Integrated Manufacturing) umschreibt den integrierten EDVEinsatz in allen mit der Produktion zusammenhängenden Betriebsbereichen. Die wesentlichen CIM-Elemente sind die Produktionsplanung und -steuerung (PPS), CAD (Computer Aided Design) und CAM (Computer Aided Manufacturing). - Siehe Oeldorf/Olfert, Materialwirtschaft, 7. Auflage, Ludwigshafen 1995, S. 42 ff.
137
Funktionsbereichen sind die einzelnen Mitarbeiter häufig wenig motiviert, Informationen zügig weiterzuleiten. Die notwendigen kurzen Wege im Informationsfluss sind oft mit geringem Aufwand zu realisieren. Im Einzelnen können in Betracht kommen: -
Abbau von Hierarchiestufen, das heißt „schlanke“ Strukturen im Sinne von Lean Management.
-
Aufgabe des Denkens in Zuständigkeiten und Funktionen („Kästchendenken“) und simultane Bearbeitung von Informationen durch ein Team.
-
Räumliche Zusammenführung von Entscheidungsträgern aus mehreren Funktionen/Bereichen.
-
Aufbau von Wertschöpfungspartnerschaften mit Lieferanten (sog. „Lean Purchasing“).
Aufbau interner Kunden-LieferantenBeziehungen
Einen Beitrag zur Verbesserung der Informationsversorgung kann auch das Konzept der internen Kundenorientierung leisten. So ist die Zufriedenheit des internen Kunden (z.B. der Entwicklung) mit der erbrachten Leistung dann gegeben, wenn der Lieferant (z.B. der Einkauf) die Leistung ohne Mängel, termingerecht und ohne ungeplanten Aufwand erbracht hat. Im Rahmen der internen Kundenorientierung ist daher die kritische Fragestellung zu beantworten: Wie effektiv werden die Informationsbedürfnisse interner Kunden abgedeckt?
Unterstützung durch ein Controllinginformationssystem
Informationen sind zu einem bedeutenden Produktionsfaktor geworden. Diese Erkenntnis gilt nicht nur für die Zusammenarbeit mit Lieferanten und Kunden, sondern vor allem auch für das funktionsübergreifende Informationsmanagement im eigenem Unternehmen. Für den Einkauf sollte ein Controllinginformationssystem zu diversen strategischen Fragestellungen Informationen bieten, wie z.B. zur Identifizierung von Bündelungspotenzialen. Des weiteren ist hervorzuheben, dass
138
• aktuelle und vollständige Informationen, die in der richtigen Qualität und Quantität dem Entscheidungsträger zur Verfügung stehen, - bestandsverursachende Unsicherheiten verhindern, - Bestände in der gesamten logistischen Kette durch verbesserte Disposition, Planung und Kontrolle substituieren sowie - die Materialbereitstellung (Transport und Umschlag) optimieren.
3.
Organisationsmittel
Neben der Notwendigkeit zweckentsprechender aufbau- und ablauforganisatorischer Regelungen setzt ein rationeller Arbeitsablauf die Fixierung verbindlicher „Spielregeln“ und die Verwendung zweckmäßig gestalteter Karteien/Dateien und Formulare voraus. Sehr viel Verwaltungsarbeit kann bei einer sorgfältigen Nummerung der Materialien und bei der Verwendung von Normteilen eingespart werden.
3.1 Richtlinien, Arbeitsanweisungen, Stellenbeschreibungen Unter Richtlinien und Arbeitsanweisungen sind alle internen Vorschriften zu verstehen, die von den Mitarbeitern in den materialwirtschaftlichen Funktionsbereichen zu beachten sind. 1 Es geht darum, diesen eine verlässliche Grundlage für ihr Handeln an die Hand zu geben, da sie darüber informiert sein müssen, -
was sie zu tun haben, was sie nicht tun dürfen, was sie zu berichten haben, wen sie zu informieren haben.
1
Vgl. dazu Beispiel 2 im ersten Abschnitt.
139
Richtlinien und Arbeitsanweisungen sind verbindliche „Spielregeln“ für die Mitarbeiter
Eine Stellenbeschreibung lässt erkennen, was am einzelnen Arbeitsplatz geschieht
Eine genaue Definition der Aufgaben und ihrer Durchführung kann auch durch eine Stellenbeschreibung erleichtert werden, die darüber hinaus die Möglichkeit gibt, die Über-, Gleich- und Unterordnungsverhältnisse der Stelle und ihre Beziehungen zu anderen Abteilungen zu verdeutlichen. Als Muster für Stellenbeschreibungen - auf die im Einzelnen hier nicht eingegangen werden kann - sollen der Praxis angelehnte Beispiele im Anhang dienen, deren aufgabenspezifischen Inhalte dem modernen Rollenverständnis von Einkauf und Materialdisposition entsprechen. Handelt es sich um ein weitverzweigtes Aufgabengebiet, in dem eine große Zahl von Mitarbeitern an verschiedenen Stellen unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen haben, so ist eine Arbeitsanleitung in Handbuch-Form sinnvoll.
Das Materialwirtschaftshandbuch als Führungsinstrument
Ein solches Handbuch für die Materialwirtschaft, unterteilt in Einkauf und Lagerwirtschaft bzw. innerbetriebliche Logistik, ist ein Führungsinstrument, das die Grundlage für eine einheitliche und zweckentsprechende Durchführung der materialwirtschaftlichen Aufgaben schafft. Es soll die Mitarbeiter zum Mitdenken, zum Mithandeln und zur Mitverantwortung anregen. Infolgedessen hat der Leiter der Materialwirtschaft unter Einbeziehung erfahrender, modern und strategisch denkender Mitarbeiter in einem Team den gesamten Bereich zu analysieren und effizient zu gestalten. Im kritischen Denken und Mitwirken qualifizierter Mitarbeiter liegt ein entscheidender Vorteil, der mit der Erstellung eines Handbuchs verbunden ist. Einzelanweisungen und Richtlinien, die, wie in der Praxis vielfach der Fall, für einzelne Tätigkeiten oder bei gerade anstehenden Fragen erlassen werden, vermögen nicht das gesamte Geschehen zu erfassen wie ein Materialwirtschaftshandbuch, das den gesamten Aufgabenkomplex zum Gegenstand hat. Mit einem Handbuch der Materialwirtschaft entsteht ein Instrument, auf das Auszubildende, Neueinsteiger und Mitarbeiter, auch aus anderen Funktionsbereichen, jederzeit als Lehr- und Nachschlagewerk zurückgreifen können. Es soll eine permanente Anre-
140
gung sein, die Arbeitsabläufe auf mögliche Verbesserungen zu überprüfen. Seinen Zweck kann ein Einkaufshandbuch nur erfüllen, wenn • es - durch einen funktionsfähigen Änderungsdienst überprüft - stets auf dem neuesten Stand gehalten wird, • alle wichtigen Fragen mit der notwendigen Ausführlichkeit und Klarheit behandelt werden, • es zugleich aber nicht vom Formalismus beherrscht wird, sondern die Arbeitsabläufe im Rahmen einheitlicher Grundsätze unterstützt.
Das Handbuch der Materialwirtschaft muss immer wieder auf seine Funktionstüchtigkeit überprüft werden
Insofern stellt das Handbuch ein nicht unwichtiges Instrument der Personalführung und der Aus- und Fortbildung dar. Es kann neu eintretenden Mitarbeitern (s.o.) zur Durcharbeitung übergeben werden und beschleunigt damit den Eingliederungsprozess.
Das Handbuch der Materialwirtschaft als Informations- und Schulungsgrundlage
Ein Handbuch nutzt aber nur etwas, wenn auch danach gearbeitet wird. Um das zu erreichen, müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein:
Der „Erfolg“ eines Handbuchs der Materialwirtschaft ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft
(1) Die Stelleninhaber, die danach arbeiten, müssen von der Zweckmäßigkeit überzeugt sein. Es empfiehlt sich daher, die einzelnen Abschnitte (Arbeitsanweisungen) mit den Mitarbeitern zu erarbeiten, die später danach handeln sollen. (2) Bei der Einführung ist eine Unterweisung der Mitarbeiter, nach der Einführung von Zeit zu Zeit eine Überprüfung, ob noch danach gearbeitet wird, notwendig. (3) Beseitigung systembedingter Fehler, die durch eine Überprüfung der angewandten Arbeitsverfahren aufgedeckt werden. Die Überprüfung sollte zweckmäßigerweise von einer unbeteiligten bzw. neutralen Person oder Instanz (z.B. von der internen Revision) erfolgen. Welchen Inhalt sollte das Handbuch haben?
141
Auf diese Frage kann es keine allgemeingültige Antwort geben. Dazu sind die zu erläuternden und zu regelnden Tätigkeiten von Unternehmen zu Unternehmen zu unterschiedlich. Um in dieser Beziehung eine Vorstellung zu vermitteln, geben wir nachfolgend das Inhaltsverzeichnis für das Einkaufshandbuch der Hauni Maschinenbau AG wieder, dem „klassischen“ Teil eines Handbuchs der Materialwirtschaft: Praxisbeispiel zum Einkaufshandbuch
Beispiel 14: Das Einkaufshandbuch der Hauni Maschinenbau AG, Hamburg-Bergedorf, enthält Richtlinien zu folgenden Punkten (Stand 2000): 1
Vorwort
2
Hinweise zur Benutzung des Einkaufshandbuches
3 3.1 3.2 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5 3.3.6 3.3.7 3.3.8 3.3.9 3.3.10 3.3.11 3.3.12 3.3.13
Leitlinien und Grundsätze des Einkaufs Leitlinien Aufgabe und Ziel Strategien Versorgungsstrategie Beschaffungsmarketing Gegenangebote Informationsmanagement Single Sourcing Global Sourcing Simultaneous Engineering Wertanalyse mit dem Lieferanten Outsourcing von C-Teilen / C-Funktionen Dezentrale Bestellabwicklung Make-or-Buy Lieferantenkonzentration Zusammenarbeit mit Konzerntöchtern
4 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5
Einkaufstechniken und -hilfsmittel Preisverhandlungen Einkaufsformulare Qualitätssicherung Lieferantenbewertung Lieferantenbesuche / Messebesuche
142
4.6 4.7 4.8 4.9
Vertragswesen Berichtswesen / Statistiken im Einkauf Benchmarking Verbesserungsprogramme
5 5.1 5.2 5.3 5.4
Aufbauorganisation Vorstandsressort Einkauf Organigramm des Zentraleinkaufs Unterschriftenregelung im Einkauf
6 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.9.1 6.9.2 6.10 6.11 6.12 6.13 6.14 6.15 6.16 6.17 6.17.1 6.17.2 6.17.3 6.17.4 6.18 6.19 6.20 6.21 6.22 6.22.1 6.22.2
Ablauforganisation Anfrage Angebotsvergleich Lieferantenauswahl, Neulieferanten Lieferantenblatt Angebot in SAP-R/2 Bestelltexte Disposition Bedarfsanforderung Bestellungen Neue Bestellungen (Normalbestellungen) Lohnveredelungsbestellungen (LB) Kontrakte Werkzeuge und Vorrichtungen für Einkaufsteile Auftragsbestätigung Arbeitnehmerüberlassung Anzahlungen / Bürgschaften Terminüberwachung Pönale Wareneingang Über- oder Unterlieferungen Vorzeitige Lieferungen Wareneingangsprüfung Ausnahmen des zentralen Wareneingangs Mängelrüge Rücklieferungen Transportschäden Rechnungsprüfung Überwachungslisten Skontoüberwachungsliste Bestellüberwachungsliste
143
6.22.3 Kontraktüberwachungsliste
Das Einkaufshandbuch muss zum Handbuch der Materialwirtschaft erweitert werden
7 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6 7.7 7.8 7.9 7.10
Regeln / Vorschriften / Abläufe im Einkauf Eingangspost Ausgangspost Ablage / Archivierung im Einkauf Rückverkäufe aus Überhängen / Altbeständen Preisänderungen Zahlungsverkehr Besprechungszimmer im Einkauf Besuch / Gespräche mit Externen Schriftverkehr Gussmodellverwaltung
8 8.1 8.2 8.3 8.4
Umwelt Rohstoffe und Material Gefahrgüter Verpackung Entsorgung
9 9.1 9.2 9.3
Weiterbildung / Ausbildung Seminare Fachliteratur Ausbildung
10
Anlage
11
Stichwortregister
Ein Einkaufshandbuch, das die im Praxisbeispiel angeschnittenen Punkte eindeutig regelt und in eine logische Ordnung bringt, bildet zwar schon eine recht brauchbare Arbeitsgrundlage, lässt aber Fragen der Materialdisposition und Lagerhaltung bzw. der innerbetrieblichen Logistik außer acht. Wenn diese Funktionen der „klassischen“ Materialwirtschaft unter einheitlicher Leitung zusammengefasst sind, müsste das Handbuch in jedem Fall noch um folgende Abschnitte erweitert werden: -
Aufgaben und Organisation Material-Verschlüsselung Materialdisposition Bestellsysteme
144
-
Sicherheitsbestandspolitik Materialannahme und -kontrolle Materialausgabe und -transport Materialverwaltung - Bestandskontrolle - Inventur - Materialüberschuss - Verwertung und Entsorgung
Als ein sehr zweckmäßiger Bestandteil des Einkaufshandbuchs kann sich schließlich noch ein Abschnitt über das Vertragswesen erweisen. Man kann aber auch darauf verzichten, Regelungen zur Vertragsgestaltung mit den Richtlinien für die Beschaffungsarbeit zu verbinden.
Eine Ergänzung des Einkaufshandbuchs um Vertragsregelungen kann sinnvoll sein
Aufgrund der Verschiedenartigkeit der Beschaffungsobjekte und der damit zusammenhängenden Vertragsfragen sind in der Praxis häufig -
allgemeine und spezielle Vertragsbedingungen
vorzufinden. Während die allgemeinen Bedingungen generell für alle Beschaffungsvorgänge gelten, können spezielle Vertragsbedingungen für Systemlieferanten, einzelne Materialgruppen, für die Beschaffung von Investitionsgütern und Dienstleistungen usw. verfasst werden. Dabei ist darauf zu achten, dass sich die Vertragstexte nicht überschneiden. Zweckmäßigerweise werden die Vertrags-, Geschäfts- oder Einkaufsbedingungen - auf deren rechtlichen Inhalt im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen werden kann - bei Aufnahme neuer Geschäftsverbindungen den Lieferanten als Vertragsgrundlage übersandt.
3.2 Dateien und Formulare Durch den Einsatz der EDV und die Anwendung von vernetzten PC-Lösungen in Unternehmen wird die Dateiführung durch automatische Verknüpfung aller Daten bei nur einmaliger Eingabe erheblich rationalisiert. Es existiert dann im Unternehmen nur
145
Mit dem Vordringen der EDV wird die Karteiführung überflüssig
eine einzige Material-, Lieferanten-, Stücklisten- und Textdatei, deren Datenpflege teilweise systemimmanent, teilweise durch eine Stammdatenverwaltung erfolgt. Jeder Mitarbeiter hat entsprechend seiner Zugriffsberechtigung Zugang zu den für ihn relevanten Informationen. Dadurch ist der innerbetriebliche Informationsverbund weitgehend sichergestellt, und eine weitere Karteiführung in den einzelnen Abteilungen erübrigt sich. 1 Formulare vermeiden, Fremdbelege markieren, Bildschirmeingabemaske nutzen
Für die Datenerfassung am Bildschirm sind eingehende fremde Belege in den relevanten Feldern farbig zu markieren. Beispiele hierfür sind Angebote, Verkaufsbestätigungen, Lieferscheine im Wareneingang und Lieferantenrechnungen. Auch bei diesen beleggebundenen Vorgängen zeichnet sich im Arbeitsablauf mit Stammlieferanten bzw. bei längerfristigen Abschlüssen eine automatische Abwicklung über Internet ab. Für die Erfassung komplexer Informationen aus verschiedenen internen und externen Quellen, wie Lieferanten- und Materialstammdaten, ist es empfehlenswert, die Blanko-Bildschirmmaske als Formular auszudrucken.
3.3 Normung und Nummerung Normung und Nummerung führen durch Vereinheitlichung zur Rationalisierung
Wesentliche Voraussetzung für einen rationellen Informationsund Materialfluss sowie eine Verringerung der Verwaltungsarbeit in der Materialwirtschaft ist die Vereinheitlichung. Einerseits muss versucht werden, verschiedene Dinge unter einem Begriff zu vereinigen, andererseits nur so viele verschiedenartige Dinge wie unumgänglich notwendig im Betrieb zuzulassen. Neben der technischen Normung von Einzelteilen trägt auch die Nummerung zur Vereinheitlichung bei. Im folgenden soll daher eine kurze Einführung in diesen Themenkreis gegeben werden, wobei es uns darauf ankommt, die Vorteile herauszuarbeiten, die sich aus entsprechenden organisatorischen Maßnahmen für die einzelnen Bereiche der Materialwirtschaft ergeben. 1
Siehe auch Ziffer 3.4 in diesem Abschnitt.
146
3.3.1 Normung Normung ist die Vereinheitlichung von Einzelteilen durch das Festlegen von Größe, Abmessung, Form, Farbe, Qualität und Bezeichnung.
Begriffsdefinition
Statt Normung wird häufig der Begriff Standardisierung verwendet. Wir wollen darunter die Vereinheitlichung von Teilen (Normung) und Endprodukten (Typung) verstehen, d.h., ihn als Oberbegriff gebrauchen. Man spricht aber auch von Mengenstandardisierung. Dabei handelt es sich um die „Normung“ des Materialverbrauchs unter Einbeziehung des Materialverschnitts, der z.B. beim Zuschneiden und Stanzen von Materialien unvermeidbar ist. 1 Auch ein Geschäftsbrief kann standardisiert sein, wenn er nach einer Vorlage (Muster) abgefasst ist.
Standardisierung als Oberbegriff für Normung und Typung
In Abb. 25 ist zusammengestellt, welche Normen unterschieden werden können. Dabei haben die Werksnormen den engsten Gültigkeitsbereich. Sie werden entweder eigenständig von der Normungsabteilung eines Unternehmens festgelegt oder auf der Grundlage der DIN-, EN-, ISO-Normen entwickelt, um diese den betrieblichen Erfordernissen anzupassen.
Werksnormen
Normen mit nationaler Geltung werden in fast allen Industriestaaten von nationalen Normenorganisationen erarbeitet. Für die Bundesrepublik Deutschland ist das „Deutsche Institut für Normung e.V. (DIN)“ das für die Normung maßgebliche Organ. Die spezifische Normungsarbeit wird in zahlreichen Fachnormen- und Arbeitsausschüssen, Kommissionen und Normenstellen geleistet. Die genormten Teile tragen das Verbandzeichen DIN (Deutsche Industrie-Norm). Eine typische nationale Norm unter Berücksichtigung nationaler Maßeinheiten ist z.B. BS = British Standard.
Nationale Normen: - DIN-Normen - Verbandsrichtlinien
Neben den DIN-Normen gibt es in Deutschland noch eine große Zahl von Richtlinien und Bestimmungen, die Verbände eigens für ihren Tätigkeitsbereich entwickelt haben und die mit Normen gleichzusetzen sind. Als Beispiele sind die VDIRichtlinien (Verein Deutscher Ingenieure), die VDMA-Ein1
Vgl. Oeldorf/Olfert, Materialwirtschaft, a.a.O., S. 81 f.
147
heitsblätter (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau) und die VDE-Bestimmungen (Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik) zu nennen. Normen Normen
Normen Normenmit mit beschränktem beschränktem Geltungsbereich Geltungsbereich
Nationale Nationale Normen Normen
DIN-Normen DIN-Normen
Werksnormen Werksnormen
BS BS==British British Standard Standard
Werkserfassung Werkserfassung von DIN-ENvon DIN-ENISO Normen ISO Normen
Andere Andere technische technische Regelwerke Regelwerke (in Anlehnung (in Anlehnung an DIN-EN-ISO) an DIN-EN-ISO) VDA, VDE, VDI, VDA, VDE, VDI, VDMA u.a. VDMA u.a.
Abbildung 25:
Regionale Regionale Normen Normen
EN-Normen EN-Normen ENLEC-Normen ENLEC-Normen
Internationale Internationale Normen Normen
ISO-Normen ISO-Normen
API-Normen API-Normen (American (American Petroleum Petroleum Institute) Institute)
Normenarten
Regionale Normen
Eine Norm mit regionaler Geltung ist eine Norm, die für einen geopolitisch beschränkten Raum erarbeitet wird und in diesem gilt. Für die Europäische Union ist das „Comité Européen de Normalisation“ für den Aufbau eines EN (früher CEN) in enger Zusammenarbeit mit den nationalen Organisationen zuständig. Für europaweit genormte Teile ist daher bereits die Kennzeichnung DIN-EN anzutreffen.
Internationale Normen
Eine internationale Norm ist eine Norm mit weltweiter Geltung. Solche Normen gehören in den Geltungsbereich der ISO (International Organisation for Standardisation), die ihren Sitz in Genf hat. Mit dem Ziel weltweiter Normung findet eine enge Zusammenarbeit mit DIN und EN (CEN) statt, die bereits in Qualitätssicherungssystemen (z.B. DIN-EN-ISO 9000) sichtbar wird. 1 1
Siehe U. Mindach, Qualitätsmanagement im Einkauf, Gernsbach 1997, S. 112 ff.
148
Grundsätzlich können nationale und internationale Gremien nur Empfehlungen erarbeiten. Die regionalen und weltweiten Normierungsvorschläge erhalten national erst ihre Gültigkeit, wenn sie in die DIN-Normen aufgenommen sind.
Regionale und internationale Normen haben Empfehlungscharakter
Fragen wir uns nun nach der Bedeutung der Normung für die Materialwirtschaft, so sind im Wesentlichen folgende Vorteile herauszustellen:
Vorteile der Normung für die Materialwirtschaft
• Vereinfachte Beschaffung durch klare Vereinbarungen nach „Norm“ (allzu oft sind zwischen Einkauf und Arbeitsvorbereitung auf der einen sowie Lieferanten und Einkauf auf der anderen Seite Rückfragen wegen nicht eindeutiger Materialspezifikation nötig, die zusätzlichen Zeitaufwand und Lieferverzögerungen zur Folge haben). • Verkürzte Lieferzeit durch eindeutig bestimmtes Material und Vorratshaltung beim Lieferanten. • Niedrigere Preisstellung des Lieferanten infolge der Fertigung von hohen Stückzahlen. • Größere Bestellmengen, die zu Preisvorteilen durch Mengenrabatte und zu günstigeren Frachtkostensätzen führen (bei Beachtung der Lagerhaltungskosten). • Vereinfachte Materialprüfung, da infolge der eindeutigen Materialspezifikationen auch die Prüfgeräte standardisiert werden können. • Reduzierung der Kapitalbindung und Lagerhaltungskosten durch Verringerung der Lagervorräte, vor allem der Sicherheitsbestände. • Vereinfachte Warenverteilung und dadurch geringerer Kostenanfall. Die Praxis beweist, dass konsequent arbeitende Arbeitsvorbereitungen in Zusammenarbeit mit den anderen technischen Abteilungen und dem Einkauf durch strikte Einhaltung der Normenbestimmungen klarere und übersichtlichere Beschaffungs-, Transport-, Lager- und Fertigungsverhältnisse erreicht haben, die gleichzeitig auch erhebliche Kosteneinsparungen ermöglichen.
149
Dabei muss die Einhaltung der eingeführten Normen vorausgesetzt werden. Der Rationalisierungseffekt kann erhöht werden, wenn innerhalb der Normung Vorzugsabmessungen herausgearbeitet werden, die das Sortiment der zu beschaffenden und zu lagernden Normteile noch weiter einschränken. Komponentennormung bringt Kosteneinsparung
Es kann auch - wie in der Automobil- und Automobilzulieferindustrie bereits teilweise praktiziert 1 - eine weitergehende Vereinheitlichung von nicht wettbewerbsrelevanten Teilen verwirklicht werden, um die Vielzahl der bereitzustellenden Varianten zu reduzieren. Ziel dabei ist es -
Entwicklungskosten einzusparen, Werkzeugkosten zu verringern, Produktionskosten zu senken, Ersatzteilhaltung zu vermeiden, das Recycling zu erleichtern.
Für diese Normung kommen nur solche Teile in Frage, die nicht zur Herausbildung der Identität einzelner Marken beitragen. Vorschläge zur Normung sollten auch vom Einkauf kommen
Der Einkauf ist aufgrund seiner Marktübersicht in der Lage, Anregungen für mögliche Kostensenkungen durch Normung zu geben. Dabei kann sich die Einrichtung eines Normbuchs für alle Lagermaterialien als wirksames Mittel zur Unterrichtung der technischen Abteilungen (Konstruktion, Betriebsleitung, Normenstelle) und des Lagers erweisen. Gleichzeitig sollte der Einkauf bzw. die Materialwirtschaft immer wieder darauf drängen, dass bei Neukonstruktionen und Umbauten nach Möglichkeit Normteile verwendet werden.
3.3.2 Nummerung Begriffsdefinition der Nummerung
Neben der Normung kommt der Nummerung eine große Bedeutung als Mittel der Organisation und Rationalisierung zu. Dabei wird unter Nummerung „das Bilden, Erteilen, Verwalten und Anwenden von Nummern für Nummerungsobjekte verstanden“.2 1 2
Siehe VDA, Jahresbericht 1993, Frankfurt 1993, S. 144. Vgl. Refa, Methodenlehre, Teil 1, a.a.O., S. 214 ff.
150
Nummerungsobjekte sind z.B. die Rohstoffe, Einzelteile sowie Gruppen und Erzeugnisse, aber auch Zeichnungen, Pläne, Belege, Personen u.a.m. Man spricht daher auch von Sachnummern, Unterlagennummern, Personalnummern usw.
Nummerungsobjekte
Eine Nummer besteht in der Regel aus mehreren Stellen, die zu Nummernteilen zusammengefasst werden können. Im Einzelnen lassen sich die in Abb. 26 genannten Nummernarten unterscheiden.
Nummernarten
Nummern
Numerische Nummer
Folge von Ziffern
Abbildung 26:
Alphanummer
Folge von Buchstaben
Alphanumerische Nummer
Gliederungszeichen und Leerstellen
Folge von Buchstaben und Ziffern
Sonderzeichen und Zwischenraum
Nummerungsarten nach DIN 6763
Anforderungen an eine Nummer
Die Nummern müssen folgende Voraussetzungen erfüllen: -
Sie sollen systematisch (logisch) aufgebaut und für zukünftige Entwicklungen erweiterungsfähig sein (sonst besteht die Gefahr des „Platzens“ von Nummerungssystemen). Sie sollen einheitlich für alle Nummerungsobjekte gelten. Sie sollen eindeutig, leicht erfassbar und einprägsam sein. Sie sollen manuell und maschinell angewendet werden können. Sie sollen Ähnlichkeiten von Nummerungsobjekten erkennen lassen. Sie sollen Schreib- und Lesefehler sowie unnötige Schreibarbeit vermeiden helfen.
151
Bedeutung einheitlicher Materialverschlüsselung für Rationalisierungs- und Sourcing-Strategien
Mit dem Benummern soll ein Nummerungsobjekt eindeutig beschrieben und seine Identifikation ermöglicht werden. Damit wird ein rationeller Informations- und Materialfluss sichergestellt. In großen und dezentralen Unternehmensgruppen sind einheitliche Nummern- und Klassifizierungssysteme eine unerlässliche Voraussetzung, um • eine systematische Analyse der Bedarfs- und Lieferantenstruktur zu ermöglichen, • die weltweite Suche nach Lieferanten und Waren durch Vergleichbarkeit der Kataloge zu unterstützen, • Bündelungseffekte durch Materialgruppenmanagement zu erzielen.
Aufgaben von Nummern
identifizieren
klassifizieren
prüfen
Identifizierungsnummer Identnummer
Klassifizierungsnr. Ordnungsnummer
Prüfnummer Prüfzeichen
Zählnummer (fortlaufende Nummer)
willkürlich festgelegte Nummer
Hausnummer
Telefonnummer Inventarnummer
Vorgangsnummer in Netzplänen
Abbildung 27:
Zeugnisnoten Arbeitswertgruppen Werkstoffgruppen
Aufgaben von Nummern nach DIN 6763
Man unterscheidet die in Abb. 27 genannten Aufgaben von Nummern:
152
(1) Identifikation: Ein Nummerungsobjekt ist identifiziert, wenn es mithilfe seiner Nummer eindeutig und unverwechselbar erkannt, bezeichnet oder angesprochen werden kann.
Aufgaben der Nummern in Anlehnung an DIN 6763
(2) Klassifikation: Ein Nummerungsobjekt ist klassifiziert, wenn es mithilfe seiner Nummer in eine Gruppe (Klasse) eingeordnet werden kann, die nach vorgegebenen Gesichtspunkten gebildet worden ist. (3) Prüfung: Eine Prüf- oder Kontrollnummer ist ein an eine Nummer angehängtes Zeichen zum Prüfen ihrer Richtigkeit. Besondere Verbreitung haben Prüfnummern beim Einsatz der EDV gefunden. Man verwendet dort selbstprüfende Nummern oder Prüfzeichen. Die Bildung von Gruppen oder Klassen - als Voraussetzung für die Vergabe von Klassifizierungsnummern - geschieht mithilfe eines Nummernplanes. In diesem wird die Bedeutung von klassifizierenden Nummernteilen im voraus festgelegt.
Nummernplan
Die meisten Nummern, die in der betrieblichen Praxis zur Identifizierung und Klassifizierung von Nummerungsobjekten verwendet werden, bestehen aus einer größeren Zahl von Stellen und verschiedenen Nummernteilen; sie werden auch Nummernsysteme genannt.
Nummernsysteme müssen logisch durchdacht sein
Von besonderer Bedeutung bei der Wahl des Nummernsystems ist die Auswirkung auf die manuelle Tätigkeit. Die Bearbeitung der Eingabebelege wie auch der ausgedruckten Listen oder das Zurechtfinden im Lager kann durch das gewählte Nummernsystem erleichtert oder erschwert werden. Dabei spielt auch die Länge der Nummer eine Rolle. Geht man davon aus, dass die Merkfähigkeit im Allgemeinen bei der 6- bis 8stelligen Nummer aufhört, so sollten Aufbau und Schreibweise diesem Tatbestand Rechnung tragen.
153
8
3
9
642 Artikelgruppe (Aquarien und Zubehör) Warengruppe (Zoo und Tierbedarf) Warenbereich (Hobby) Sortimentsbereich (Hartwaren)
Abbildung 28:
1
234
567
Nummerungssystem eines SB-Marktes
8 Lageretage innerhalb der Lagerzeile (Palettenlagerung) Lagerplatz innerhalb der Lagerzeile Lagerzeile des Lagerorts Lagerort (Hallennummer) oder Freilager
Abbildung 29:
Erhöhung der Praktikabilität klassifizierender Nummernsysteme durch - alphanumerische Schlüssel und - Parallelverschlüsselung
Nummerungssystem einer Werft
Bei konventioneller Ablauforganisation werden deshalb gerne alpha-numerische Schlüssel gewählt, die bestimmte Informationskriterien nicht in Zahlen, sondern in Buchstaben ausdrücken. Eine andere Möglichkeit bietet die Parallelverschlüsselung. Hierbei erhält jeder Artikel zunächst eine Identnummer, die ihn einwandfrei bestimmt. Auf sie wird bei Routinearbeiten
154
(Bedarfsmeldung, Bestellung, Terminüberwachung, Wareneingangsmeldung usw.) zurückgegriffen. Der Identnummer nebengeordnet oder von ihr vollständig Iosgelöst werden in einer Klassifizierungsnummer wichtige Informationen verschlüsselt, die für verschiedene Betriebsbereiche (Arbeitsvorbereitung, Disposition, Lager usw.) wichtige Zusatzinformationen enthalten. 1 Auf die verschiedenen Nummernsysteme und die Vielzahl der Klassifizierungsmöglichkeiten können wir im Rahmen dieser Arbeit nicht eingehen. Zwei Beispiele aus der Praxis sollen zeigen, wie Nummernsysteme im Handel (Abb. 28) und in der Industrie (Abb. 29) aufgebaut werden können.
Beispiele für Nummernsysteme aus der Praxis
3.4 Elektronische Datenverarbeitung und Kommunikationstechnologien im Einkauf Auch im Einkauf von Klein- und Mittelbetrieben wird sich bei näherer Untersuchung herausstellen, dass eine immense Fülle der täglichen Arbeit besser und schneller mithilfe eines EDVSystems erledigt werden kann. Ein Beispiel aus der Praxis zeigt die zeitliche Inanspruchnahme des Einkaufs bei konventioneller Schriftguterstellung. Beispiel 15: Die Ist-Aufnahme im Einkauf eines Unternehmens des Anlagenbaus ergab, dass drei Sachbearbeiterinnen für die reine Schreibarbeit (ohne Rückfragen, Kuvertieren usw.) pro Tag insgesamt ca. 9 Stunden benötigen. Das sind pro Sachbearbeiterin im Durchschnitt ca. 3 Stunden am Tag. In etwa die gleiche Zeit wurde für die Diktierarbeit (einschließlich Durchsicht und Unterzeichnen der Schriftstücke) der drei Einkäufer ermittelt.
1
Vgl. Arnolds/Heege/Tussing, Materialwirtschaft und Einkauf, a.a.O., S. 258.
155
Praxisbeispiel zur Schriftgutanalyse
Angesichts dieses Rationalisierungspotenzials stellt sich daher mit Recht die Frage, warum die EDV erst in den achtziger Jahren in großem Umfang den Einkauf erreichte. Der hierfür wohl entscheidende Grund ist in der Tatsache zu sehen, dass sich die EDV von der „Datenverarbeitung“ zum „Informations- und Kommunikationssystem“ entwickelt hat. Mit der Datenverarbeitung konnten in der Materialwirtschaft die Disposition, Lagerwirtschaft und Fertigungssteuerung relativ problemlos automatisiert und damit rationalisiert werden. Die Entscheidungen im Einkauf sind im Gegensatz dazu von sofort verfügbaren internen und externen Informationen abhängig. Endloslisten sind dafür untauglich. Erst musste der Online-Dialog per Bildschirm wirtschaftlich ermöglicht werden, um den Einzug der EDV in den Einkauf produktiv werden zu lassen. Angemessene und kostenverträgliche Hardware
Abhängig von der Art und Größe des Unternehmens und dem Datenanfall werden aus dem breiten Spektrum der Hardware die für den Einkauf angemessenen Geräte, vom Personalcomputer über Netzwerke, Großrechner und Datenübertragungseinrichtungen (z.B. Internet, Intranet) einzusetzen sein. Die Hardware-Entscheidung kann keine für den Einkauf isoliert zu betrachtende Frage sein: Da Einkaufssysteme zur Nutzung der „primären“ Datenerfassung mit den Systemen der Materialwirtschaft und des Rechnungswesens im Verbund stehen oder „integriert“ sind, bedarf es einer übergeordneten Entscheidung, um Schnittstellenprobleme zwischen den Funktionen im Unternehmen zu vermeiden. Ebenso sind der in den Bildschirm integrierte E-Mail-Anschluss sowie die automatische Aussendung von Anfragen oder Bestellungen keine Prestige-, sondern eine Kostenfrage.
Software - Eigenentwicklung oder Standardsysteme?
Betriebsindividuelle Einkaufsprogramme sind bei aktiver Mitgestaltung durch EDV-kundige Einkaufsexperten aus dem Unternehmen erfahrungsgemäß maßgeschneiderte Lösungen. Dies gilt verständlicherweise für Großserienhersteller wertvoller
156
Güter. In allen anderen Branchen stehen die enormen Kosten in keinem Verhältnis zum Nutzen. • Die betriebsindividuelle Entwicklung ist in der Regel ein vielfaches (bis 10-faches) teurer als die Anschaffung eines Standardpaketes und bedarf einer Entwicklungszeit von 2 - 3 Jahren. • Für die Richtigkeit und Ordnungsmäßigkeit ist ein erheblicher Testaufwand erforderlich. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass in der Praxis bei Vorkommen nicht getesteter Datenkombinationen noch Fehler auftreten. • Die Pflege aufgrund betrieblicher oder wirtschaftlicher Veränderungen erfordert die Präsenz der damit befassten und vertrauten Programmierer. Standardsoftware bedeutet immer eine gewisse Kompromisslösung. Sie sollte sich in der Branche bereits bewährt haben, was sich durch Besuche bei Fachkollegen prüfen lässt. Eine große Zahl von Benutzern gibt viel Sicherheit und lässt mit laufender Verbesserung durch neue Versionen rechnen. Die Anschaffungs- und Nutzungskosten sind von vornherein bekannt. Die Schulungs- und Einführungszeit sollte bei integrierten Systemen mit einem Jahr veranschlagt werden. • Es sollten nach Möglichkeit keine Programmänderungen (Modifikationen) aufgrund firmenspezifischer Gegebenheiten vorgenommen werden. Es dürfte vorteilhafter sein, den Arbeitsablauf nach dem Programm auszurichten, als bei jeder neuen Systemversion die Modifikation erneut zu programmieren und zeitaufwendig zu testen. • Eine EDV-kundige Kraft im Einkauf, die sich durch Schulung beim Softwarelieferanten mit der Anwendung vertraut gemacht hat, ist als „Multiplikator“ und Helfer sowie als Kontaktstelle zur EDV-Abteilung einzusetzen. Unabhängig davon, ob Eigenentwicklung oder Kaufsoftware, vom Einkauf sind Systemlösungen zu fordern, die dem jeweils aktuellen Stand der EDV und elektronischen Kommunikation entsprechen. Dabei sollen hier nicht die grundsätzlichen Anforderungen behandelt werden, wie ohne Wartezeiten funktionierendes Dialogsystem, ausreichende Plattenspeicher oder ein Bildschirm pro Arbeitsplatz. Vielmehr ist die Beachtung nach-
157
Leistungsmerkmale eines Einkaufssystems für den Benutzer
stehender Leistungsmerkmale entscheidender für die Akzeptanz eines EDV-Systems: • Systemberechtigungen sind den Mitarbeitern in dem Umfang zu erteilen, wie sie als verantwortliche Instanz einen Vorgang des Einkaufs erledigen. • Alle Aktionen sind automatisch mit dem Namen oder Zeichen des Bearbeiters zu versehen, um eindeutig die Verantwortung zu dokumentieren. • Der Bildschirminhalt kann Online ausgedruckt werden. Dies ist für Besprechungsunterlagen und Verhandlungen notwendig. • Das System muss eine Textverarbeitung enthalten, da ein Auftragswesen nicht ohne individuelle Texte auskommt. • Die Anwendung von Tabellen für ständig wiederkehrende Daten und Informationstexte ist zu gewährleisten. Typische Beispiele dafür sind: Zahlungsziele, mehrere Warenempfangsstellen bei großen bzw. dezentralen Werken, Preisstellungen, spezielle Klauseln etc. (vgl. Tabelle 2). • Internet und Intranet müssen im System integrierbar sein, um eine externe und geschützte interne Kommunikation zu ermöglichen.
Standard-Textnummern-Kreise lt. Tabelle Anw. Bereich Bezeichnung
Textnummer von bis
AK AK01 AK02 AN AP AT BA BA01 BA02 BA03 BA04 BA05 BA06 BA07 BA08
02600 02600 02600 00300 00400 01500 00700 00700 00800 00900 01100 01200 01300 01400 01500
158
Aktions-Text Aktions-Anwort Aktions-Frage-Text Anfragen-Kopf-Text Anfragen-Pos.-Text Eink.-Best.-Mahnung Bestell-Anhang Preisart Termine Lieferbedingungen Versandvorschrift Zahlungsbedingungen Gewährleistungen Vertragsstrafen Garantien
02999 02999 02999 00399 00499 15099 02399 00799 00899 01099 01199 01299 01399 01499 01599
BA09 BA10 BA11 BA12 BA13 BN BP BT BV EE EI KA KA01 KA02 KA03 KA04 KA05 KA06 KA07 KA08 KA09 KA10 KA11 KA12 KA13 KA14 KA15 KA16 KA99
Nebenabreden Bestell-Anlage So. Vereinbarungen Reserve Reserve Bestell-Notizen Bestell-Pos.-Text Bestell-Kopf-Text Bestell-Anforderung Angebot Einkauf Lieferbeziehung Abruf-Text Preisarten Termine Lieferbedingungen Versandvorschrift Zahlungsbedingungen Gewährleistungen Vertragsstrafen Garantien Nebenabreden Bestell-Anlage Sonstige Vereinbarungen Reserve Reserve Reserve Reserve Reserve Kontrakt-Anhang
Tabelle 2:
01600 01700 01800 01900 02000 00000 00600 00500 00400 02500 02500 15400 00700 00800 00900 01100 01200 01300 01400 01500 01600 01700 01800 01900 02000 02100 02200 02300 15300
01699 01799 01899 01999 02099 99999 00699 00599 00499 02599 02599 15499 00799 00899 01099 01119 01299 01399 01499 01599 01699 01799 01899 01999 02099 02199 02299 02399 15399
Standard-Textnummernkreise (SAP, Systembeschreibung)
• Neben Arbeitsberechtigungen im System sind für die Mitarbeiter Zugriffe auf Informationen (ohne Änderungsmöglichkeit) notwendig. Beispiele hierfür sind Lieferanteninformationen, Marktforschungsergebnisse, Materialbestände usw. • Die elektronische Kommunikation mit eigenen Betriebsstellen und Lieferanten muss vom Bildschirmarbeitsplatz im Einkauf durchzuführen sein. Beispiele dafür sind (vgl. auch Abb. 30): Beschaffungsmarkt- und Lieferanteninformationen, Anfragen und Bestellungen über Internet, Intranet, e-Mail,
159
DFÜ oder Telefax automatisch und kostengünstig zum Empfänger zu bringen. Großrechner
Server
Dateien
Anwendungssysteme
Material und Lieferanten
Einkaufsabwicklung
Netzwerk Analysesysteme
Datenbank Auswahl und Verdichtung interner Informationen
Lieferanten
Internet/ Intranet
Arbeitsplatz Einkauf Telefon
Bildschirm
Fax
PC Tastatur/ Maus
Modem
Drucker Dezentrale Werke
e-Mail
Spezielle PC-Insellösungen für den Arbeitsplatz z.B. Beschaffungsmarktforschung Make-or-Buy-Analysen
Abbildung 30:
Doppeleffekt der EDV im Einkauf: Abläufe rationalisieren und Informationswesen optimieren
Ausstattung eines Arbeitsplatzes im Einkauf
Personalabbau durch Einführung der EDV im Einkauf ist nur auf der Ebene der Schreibkräfte und Büroboten vertretbar. Schreibkräfte können teilweise zu Datenpflegern umgeschult werden, zumal ein für Einkaufsentscheidungen aktuelles Informationswesen mehr Daten als die alte Kartei erfordert. Zum Beispiel: -
Qualitätszertifikate des Lieferanten, Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten der Lieferanten, Preisentwicklung oder Lernkurven,
160
-
Beurteilung des Lieferanten, soweit keine Mängel automatisch erfasst werden, Allgemeine Auditergebnisse.
Es ist in größeren Einkaufsabteilungen zu diskutieren, ob sich die Fachkräfte des Beschaffungsmarketing mit der Datenerfassung befassen sollten. In der Vergangenheit handschriftlich geführte Karteien über offene Bedarfsanforderungen, Lieferkonditionen und Aufträge, Material- oder Bestandskarten stehen heute im Dialogsystem abrufbereit für die Bildschirmausgabe, werden aber auch gleichzeitig für die unterschiedlichsten Programmabläufe des Einkaufs automatisch abgefragt.
Einkäufer-Kartei wird zur Datei des Einkaufs
Von gravierendem Vorteil ist die Aktualität der Daten. Denn jede Aktion, von der Bedarfsanforderung bis zum Wareneingang, findet sofort ihren Niederschlag in der entsprechenden Datei. Offene und erledigte Bestellungen sind zu jeder Zeit mit aktuellem Stand abrufbar. Ist der stochastisch oder deterministisch ermittelte Bedarf erfasst, sind die Folgeschritte im Einkauf ein „Puzzlespiel“ durch Einfügen von Lieferantenadressen, Konditionen sowie Materialbeschreibungen aus Dateien und allgemeinen Lieferinformationen aus Tabellen.
Einkaufsaufgaben rationalisieren und beschleunigen
Es ist nur ein kleiner Schritt von dieser halbautomatischen Abwicklung von Bestellungen hin zum vollautomatischen Lieferabruf aus der auftragsgesteuerten Produktion. Für den Einkauf von Investitionsgütern, bei dem der Wiederholungseffekt des periodischen Bedarfs nicht auftritt, kann naturgemäß der Rationalisierungsgrad nicht so hoch sein. Die permanente Möglichkeit der Information im Online-Dialog sollte Veranlassung sein, periodische Aufstellungen sorgfältig zu dosieren. Empfänger sehen darin häufig noch ein Statussymbol. Man sollte überlegen, ob regelmäßige Auflistungen auf „Ausdruck bei Bedarf“ umgestellt werden können.
161
Regelinformationen sind sparsam auszugeben und setzen bei mitarbeiterbezogenen Daten die Zustimmung des Betriebsrates voraus
Die gängigen Systeme sind durchaus geeignet, Einkaufshandlungen der Mitarbeiter und damit auch quantitative Leistungsmerkmale im Sinne des Einkaufs- und auch des Selbstcontrolling darzustellen. Eine solche Information bedarf der Zustimmung des Betriebsrates und sollte auch den Betroffenen vorher dargelegt werden. Sofortinformationen für Entscheidungen können bereitgestellt werden
Ein leistungsfähiges Einkaufssystem verfügt über einen Berichtsgenerator, der es den darin geschulten Einkäufern erlaubt, Informationen aus Dateien - also mehr als im Dialog abfragbar zu verknüpfen und für Verhandlungen oder Entscheidungen extrahieren und errechnen zu lassen. Bei Benutzern der Software des Hauses SAP wird der sogenannte ABAP als Report Generator erfolgreich eingesetzt.
Internet-Nutzung im Einkauf
Internet-Anschlüsse zur papierlosen externen real-time Kommunikation mit Anbietern und Lieferanten, zum schriftlichen Verkehr mit e-Mail bieten auch kleineren Unternehmen Rationalisierungsmöglichkeiten. Mit dem Werkzeug Internet erhalten Einkauf und Beschaffungslogistik die Chance, ein innovatives Informationsmanagement zur Prozessunterstützung aufzubauen und zu betreiben. 1 Im Einzelnen können folgende vier Funktionen im Internet genutzt werden: (1) Präsentation des Unternehmens und der Einkaufsfunktionen (2) Ausschreibung von Bedarfen und Optionen, Teilnahme an virtuellen Märkten und Auktionen (3) Abnehmergesteuertes Lieferanten-Netzwerk mit Lieferantengepflegter Datenbank (sog. Intranet 2 ) (4) Katalogorientierte Beschaffung
Digitale Märkte und Online-Einkauf verändern die Beschaffungsprozesse
Mit Electronic Sourcing verfügt der Einkauf über vielfältige Möglichkeiten zur Ausschöpfung von Einsparungspotenzialen. Neben der Informationsbeschaffung können eine größere Zahl von Anbietern in den Angebotsprozess einbezogen werden. Es bietet den Austausch von Informationen mit anderen Einkäufern 1
Siehe R. Bogaschewsky/U. Kracke, Internet - Intranet - Extranet: Strategische Waffen für die Beschaffung, Gernsbach 1999, S. 112 ff. 2 Ein Intranet ist „ein Internet im Unternehmen“, das darüber hinaus aber auch zur Kommunikation mit Stammlieferanten dienen kann.
162
und die Chance zur Bündelung des Einkaufspotenzials gemeinsam mit anderen Einkäufern auf virtuellen Märkten. Oder Bedarfsträger in verschiedenen Unternehmensbereichen und Werken nutzen die Vorteile des kooperativen Einkaufs, ohne auf eine Direktanlieferung verzichten zu müssen. Der Erfolg aller Internetvorgänge ist in hohem Maße abhängig von der Aktualität, Qualität und Realität der von Einkaufs- und Lieferantenpartnern im Internet eingebrachten Daten und Informationen. Der entscheidende Unterschied ist nur in der Geschwindigkeit zu sehen. Auch beim Einkaufen im Internet gelten noch immer die alten Regeln, wenn man sich mit neuen Partnern einlässt: „Es prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich nicht noch etwas Besseres findet.“ Gleichwohl: Es entsteht eine neue Kommunikationskultur, wobei die beteiligten Partner nach innen und nach außen flexibler agieren und schneller reagieren und die Abwicklung wesentlich vereinfachen können. E-Procurement wird zu einem der wichtigsten und sich am schnellsten entwickelten Bestandteil von E-Commerce und damit auch von E-Business in den Unternehmen.
163
Fragen zur Selbstkontrolle 1. Welche Merkmale kennzeichnen die „neue“ Organisation und welche Ziele werden damit verfolgt? 2. Erläutern Sie den Kompetenzbereich einer integrierten Materialwirtschaft! Wie ist dieser zur Logistik abzugrenzen? 3. Erläutern Sie den Grundgedanken des Supply Chain Management-Konzeptes! 4. Weshalb sollte die Materialwirtschaft gleichrangig mit den anderen Unternehmensbereichen in der Unternehmenshierarchie eingestuft werden? 5. Inwieweit unterscheidet sich die Matrixorganisation vom Einliniensystem? Erläutern Sie den Unterschied anhand der Abbildung 16. 6. Welche organisatorischen Voraussetzungen sind bei Einführung einer Centerorganisation aus der Sicht der (integrierten) Materialwirtschaft zu beachten? 7. Nach welchen Prinzipien kann die Stellenbildung in der Materialwirtschaft erfolgen? Erläutern Sie Ihre Antwort an Beispielen aus dem Einkauf! 8. Welche Vorteile sind bei einer Trennung in strategischen und operativen Einkauf zu erwarten? 9. Welche Vor- und Nachteile ergeben sich grundsätzlich in einem Unternehmen aus der Zentralisation der Einkaufsfunktion? 10. Warum sind in der Praxis häufig Mischformen von zentralem und dezentralem Einkauf anzutreffen? 11. Was verstehen Sie unter dem Mandatsystem? 12. Wann kann die Einrichtung von Stabsstellen in der Materialwirtschaft von Vorteil sein?
164
13. Für welche Aufgaben bietet sich die Einrichtung funktionsübergreifender Teams an? 14. Erläutern Sie die Möglichkeiten einer organisierten Zusammenarbeit zwischen Einkauf und Entwicklung am Beispiel 11 ! 15. Welche Grundforderungen sind bei der Entscheidung über die Materialflussgestaltung zu berücksichtigen? 16. Welche Bedeutung hat die Gestaltung des Materialflusses in der Materialwirtschaft unter dem Gesichtspunkt der Lean Organisation? 17. Warum ist die Gestaltung des Informationsflusses nicht nur ein formales organisatorisches Problem? 18. Diskutieren Sie die Aussage, dass Informationen Bestände substituieren/ersetzen. 19. Kann in den Bereichen der Materialwirtschaft auf Arbeitsanweisungen oder Richtlinien verzichtet werden? Nennen Sie Beispiele, die Ihre Aussage unterstreichen! 20. An welche Voraussetzungen ist der „Erfolg“ eines Einkaufshandbuchs geknüpft? 21. Welche Vorteile bieten Online-Dialogsysteme für den gestaltenden und den verwaltenden Einkauf? 22. Mit welchen Ein- und Ausgabegeräten der EDV und mit welcher Kommunikationstechnologie sollte ein Arbeitsplatz in der Materialwirtschaft ausgestattet sein? Begründen Sie Ihre Aussage! 23. Welche Bedeutung hat die Normung für die Materialwirtschaft? 24. Unterscheiden Sie die verschiedenen Normen entsprechend ihrem Geltungsbereich!
165
25. Welche Forderungen werden an ein Nummernsystem gestellt? 26. Wann ist ein Nummerungsobjekt identifiziert, wann klassifiziert? 27. Welche Funktionen kann Internet im (modernen) Einkauf erfüllen? 28. Welche Vorteile sind mit Electronic Sourcing verbunden? Die Antworten ergeben sich aus vorstehendem Abschnitt!
166
Dritter Abschnitt Vorbereitende und begleitende Aufgaben der Materialwirtschaft
In der Materialwirtschaft ist es aufgrund der Vielzahl der zu bewirtschaftenden Materialien notwendig, Schwerpunkte zu setzen und die Beschaffungsaktivitäten auf die Materialgruppen zu konzentrieren, die aufgrund ihres hohen Anteils am Gesamtwert und dem Grad ihrer Vorhersagegenauigkeit nach einer vergleichsweisen intensiven Bearbeitung verlangen. Entscheidungshilfen zur Analyse wirtschaftlicher Materialbeschaffung, Materiallagerung und Materialverteilung sind die ABCund XYZ-Methode. Die Portfolio-Analyse hilft entscheidend, die richtigen Beschaffungsstrategien zu ergreifen. Die Verwirklichung des materialwirtschaftlichen Optimums setzt aber auch eine lückenlose und genaue Information über die Beschaffungs(teil)märkte voraus. In der Materialwirtschaft muss sich der Einkauf ebenso wie der Vertrieb vom Gedanken des Marketing leiten lassen. Beschaffungsmarketing ist Voraussetzung dafür, dass der Einkauf seine eigentliche Aufgabe, das heißt die volle Ausschöpfung der Marktchancen in technischer, wirtschaftlicher und ökologischer Hinsicht erfüllen kann. Die Prozessorientierung im Einkauf verlangt darüber hinaus eine Reihe vorbereitender und die eigentliche Einkaufstätigkeit begleitender Maßnahmen: -
Neue Formen der langfristigen Zusammenarbeit mit ausgewählten Lieferanten,
-
Entwicklung von neuen logistischen Konzepten zur Verbesserung der Markt- und Kundenversorgung unter Einbeziehung von Produktion und Vertrieb,
-
Mitwirkung bei Make-or-Buy Entscheidungen,
-
Einkaufskoordination in dezentralen Strukturen (Materialgruppenmanagement).
Die in diesem Abschnitt behandelten vorbereitenden und begleitenden Aufgaben der Materialwirtschaft mit zumeist strategischer Ausrichtung können sich nur dann herausbilden und festigen, wenn die Materialwirtschaft in den Kreis der die Unternehmenspolitik mitbestimmenden Grundfunktionen aufgenom-
169
men ist und hinsichtlich Personalquantität und -qualität optimal ausgestattet wird.
1.
Verfahren zur Arbeitsanalyse
Als analytische Methoden, die zum Ziel haben, der Gefahr der Überlastung der Materialwirtschaft mit Routineaufgaben entgegen zu wirken, kommen (1) die ABC-Analyse und (2) die XYZ-Analyse in Betracht. Die Ergebnisse beider Verfahren können miteinander kombiniert werden und so die Entscheidungsgrundlage verbessern. Dazu ist in besonderem Maße auch (3) die Portfolio-Analyse geeignet, während die GMK-Analyse, die eine Einteilung der Artikel nach ihrem Volumen in „groß“, „mittel“ und „klein“ vorsieht, als entscheidungsrelevante Klassifizierungsmethode nicht in Betracht kommt und allenfalls sinngemäß im Rahmen der Lagerplanung bzw. der Lagerplatzvergabe Beachtung finden muss.
1.1 ABC-Analyse Die ABC-Analyse ist eine wichtige Voraussetzung für jede erfolgreiche Rationalisierungsmaßnahme
Die ABC-Analyse ist ein wichtiges Mittel zur Rationalisierung und lässt sich in Unternehmen jeder Art und Größe in allen Funktionsbereichen anwenden. Sie hilft, 1 • das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden, • die Aktivitäten schwerpunktmäßig auf den Bereich hoher wirtschaftlicher Bedeutung zu lenken und gleichzeitig den 1
Vgl. H. Benz, ABC-Analyse und optimale Bestellmenge, Frankfurt 1970, S. 111.
170
Aufwand für die übrigen Gebiete durch Vereinfachungsmaßnahmen zu senken, •
die Effizienz von Management-Maßnahmen durch die Möglichkeit eines gezielten Einsatzes der Ressourcen zu erhöhen.
In der Materialwirtschaft sollten vor allem folgende Größen und Abhängigkeiten mithilfe dieses Verfahrens untersucht werden: -
Anzahl und Wert der beschafften Materialpositionen Anzahl und Wert der verbrauchten Materialpositionen Anzahl und Wert der Lagerpositionen Anzahl und Wert aller Bestellungen Anzahl und Wert der Lieferantenrechnungen Anzahl und Umsatzwert der Lieferanten Anzahl und Wert der Reklamationen Entnahmehäufigkeit der Lagerpositionen, wenn es um die Wahl des kostengünstigsten artikelspezifischen Lagerortes geht Flächenbelastung, wenn man ermitteln will, durch welches Material der Lagerraum besonders in Anspruch genommen wird Umweltbelastung u.a.m.
Die Kombination mehrerer ABC-Analysen kann zu einer Verbesserung der Auswertungsmöglichkeiten führen. Um die bei der ABC-Analyse notwendigen Arbeitsschritte aufzuzeigen, soll im folgenden anhand eines Beispiels der Lagerbereich betrachtet werden. 1 Dabei ist bei EDV-Nutzung die Möglichkeit von entscheidendem Vorteil, über einen Berichterstattungsgenerator (Report Generator) zu verfügen, der dem Materialwirtschaftler eine einfache Selbstprogrammierung erlaubt und den Zugriff auf Dateien bzw. Datenbanken der Materialwirtschaft ermöglicht.
1
Vgl. IBM, IMPACT - Wirtschaftliche Lagerhaltung mit wissenschaftlichen Methoden, Sindelfingen 1963, S. 11 f.
171
Praxisbeispiel zur Durchführung einer ABC-Analyse
Beispiel 16: Eine Großhandelsgesellschaft hat ein Lager mit 10.988 Artikeln und einen Jahresumsatz von DM 33.047.690,-. Tabelle 3 zeigt einen Auszug aus der Artikel-Umsatz-Statistik dieses Betriebes. Die Liste wurde auf folgende Weise gewonnen: 1. Errechnung des Jahresumsatzes für jeden Artikel durch Multiplikation des Einstandspreises mit der Anzahl der jährlich verkauften Mengeneinheiten. 2. Wertmäßige Sortierung aller Positionen in fallender Reihenfolge. 3. Fortlaufende Nummerierung der Artikel in der Liste unabhängig von der Artikelnummer. Kumulierte Aufrechnung der Jahresumsätze. (Der 110. Artikel in der Liste hat daher die Ifd. Nr. „110“ und zeigt die aufgelaufene Summe des Jahresumsatzes für die ersten 110 Artikel in der entsprechenden Spalte). 4. Berechnung und Ausdruck folgender Prozentsätze: a) Prozentsatz der Ifd. Nr. von der Gesamtzahl der Artikel; b) Prozentsatz des aufgelaufenen Jahresumsatzes. (Diese Prozentsätze werden nicht für alle Artikel benötigt und können auch von Hand berechnet werden). Artikel Nr. T 7061 S 6832 S 7036 G 9655 T 3320 K 8946 K 5322 K 2026 16267 H 1981 G 9282 N 8565 G 9034 G 9102 S 5678 H 9339 G 9109 2620 S 5251 M 7868 S 5843 H 3762 S 5634 S 5799 S 6121 K 2018 P 9986 M 6621
172
Lfd.-Nr. 1 13 43 81 93 99 110 132 176 209 308 330 352 538 549 626 879 978 1099 1352 1648 1747 1835 2055 2198 2615 2747 3198
%
.O1 .12 .39 .74 .85 .9 1.0 1.2 1.6 1.9 2.8 3.0 3.2 4.9 5.0 5.7 8.0 8.9 10.0 12.3 15.0 15.9 16.7 18.7 20.0 23.8 25.0 29.1
Umsatz/ Jahr ME 51,553 243,224 98,406 6,768 4,250 44,560 8,680 27,581 3,428 52,765 1,105 23,908 2,690 11,378 244,690 22,224 7,391 2,089 56,304 9,934 3,756 21,683 23,796 33,743 7,239 3,571 14,774 1,500
Einzel- Umsatz/ preis Jahr DM 3.077 158,629 .317 77,102 .470 46,251 4.876 33,001 7.369 31,318 .675 30,078 3.286 29,522 .930 25,650 5.900 20,228 .379 19,998 14.676 16,217 .640 15,301 5.475 14,728 .980 11,150 .045 11,011 .450 10,001 1.054 7,790 3.540 7,396 .115 6,475 .556 5,551 1.234 4,635 .205 4,445 .181 4,307 .113 3,813 .490 3,547 .840 3,000 .190 2,807 1.650 2,475
Aufgelaufener Umsatz/Jahr DM % 158,629 1,652,385 3,304,769 4,957,154 5,254,583 5,618,107 5,882,489 6,609,538 7,600,969 8,261,923 9,914,307 10,443,070 11,004,881 13,219,076 13,252,124 14,276,602 16,523,845 17,184,799 18,209,277 19,828,614 21,414,903 21,844,523 22,042,809 23,133,383 23,662,146 25,050,149 25,413,674 26,438,152
.48 5.0 10.0 15.0 15.9 17.0 17.8 20.0 23.0 25.0 30.0 31.6 33.3 40.0 40.1 43.2 50.0 52.0 55.1 60.0 64.8 66.1 66.7 70.0 71.6 75.8 76.9 80.0
G 2374 N 3501 M 2643 S 7822 46381 K 2174 S 5904 G 2601 S 6219 K 2068 G 7413 H 3772 N 9773 T 6613 M 2613 G 2605 T 6562 S 6132 M 3742
3296 3659 3747 4395 4802 4934 5494 5791 6593 7329 7692 8790 9098 9241 9889 10,439 10,900 10,966 10,988
Tabelle 3:
30.0 33.3 34.1 40.0 43.7 44.9 50.0 52.7 60.0 66.7 70.0 80.0 82.8 84.1 90.0 95.0 99.2 99.8 100.0
1,212 9,967 1,138 3,509 243 1,042 2,337 2,857 15,360 3,494 1,904 2,842 2,439 2,670 3,750 198 210 0 0
1.876 .209 1.720 .450 5.729 1.256 .475 .350 .050 .176 .282 .120 .123 .103 .048 .505 .143 .062 .073
2,274 2,083 1,957 1,579 1,391 1,309 1,110 1,000 768 615 537 341 300 275 180 100 30 0 0
26,834,724 27,429,583 27,793,107 29,015,872 29,445,492 29,742,921 30,403,875 30,536,066 31,395,306 31,891,021 32,122,355 32,618,070 32,717,213 32,783,308 32,915,499 32,998,118 33,034,471 33,047,690 33,047,690
81.2 83.0 84.1 87.8 89.1 90.0 92.0 92.4 95.0 96.5 97.2 98.7 99.0 99.2 99.6 99.85 99.96 100.0 100.0
Artikel-Aufstellung einer Großhandelsgesellschaft nach absteigenden Umsätzen
Aus der Tabelle 3 kann man erkennen, dass eine geringe Anzahl von Artikeln einen sehr großen Anteil am Jahresumsatz hat. Tabellarisch kann man das Ergebnis wie in Tabelle 4 zusammenfassen. Grafisch wird das Ergebnis durch die sog. Konzentrationskurve (Lorenz-Kurve) 1 dargestellt, die auf der Abszisse den in der Rangfolge abgetragenen kumulierten prozentualen Anteil an den Materialpositionen, auf der Ordinate den kumulierten prozentualen Anteil am Jahresverbrauchswert zeigt (Abb. 31). Wertgruppe
Anzahl %-Anteil an Jahresumder Arti- den gesamten satzwert in kelpositi- Positionen Mio DM onen A 2.198 20 24 B 4.395 40 7 C 4.395 40 2 Gesamt 10.988 100 33
Tabelle 4:
%-Anteil am Gesamtwert 71,6 23,4 5,0 100
Ergebnis der ABC-Analyse in einer Großhandelsgesellschaft
1
Die Kurven der ABC-Verteilung werden nach M.C. Lorenz, der 1905 mithilfe solcher Kurven die Unterschiede in der Einkommensverteilung grafisch darstellte, auch Lorenz-Kurven genannt.
173
Abbildung 31:
Die typische Verteilung nach dem ABCSchema
Ergebnis der ABC-Analyse in einer Großhandelsgesellschaft (Lorenz-Kurve)
Die Zahlen mögen zunächst überraschen. Das Ergebnis ist aber für die meisten Unternehmen typisch, wenn die Wertgruppen auch je nach betriebsindividuellen Gegebenheiten etwas unterschiedlich ausfallen können. Der Grundtatbestand, dass es eine kleinere Anzahl umsatzstarker Artikel und eine große Zahl umsatzschwacher ArtikeI gibt, ist überall anzutreffen und tritt - wie im vierten Abschnitt in einem Anwendungsfall (Beispiel 32) dargestellt - in Industrieunternehmungen besonders deutlich hervor. Empirische Untersuchungen haben für verschiedene Branchen charakteristische Kurven ergeben (vgl. Abb. 32). Je steiler die Kurven verlaufen, um so stärker konzentriert sich die Bedeutung auf einige wenige Materialpositionen. Dabei fällt auf, dass diese Kurven um so flacher verlaufen, je näher das Unternehmen dem Konsumenten ist. Es gibt mehrere Gründe für diese Erscheinung. Ist z.B. das Lager ausschließlich auf den Konsumenten ausgerichtet (Einzelhandel), so wird man sich auf die stark zufallsbedingte Nachfrage der Verbraucher durch ein breites Angebotssortiment einstellen müssen. Im Gegensatz dazu erreichen technische Artikel nur zu einem geringen Teil einen
174
sehr hohen Umsatz, während ein sehr großer Teil der Artikel überhaupt nicht verlangt wird.
Abbildung 32:
Lorenz-Kurven für verschiedene Branchen
Als Maß für die Beziehungen zwischen den beiden divergierenden Faktoren, nämlich einer geringen Anzahl von Artikeln und einem hohen Umsatzanteil, ist die Lagerkonstante 1 entwickelt worden, die man näherungsweise unter Verwendung von Abb. 33 ermitteln kann. Man benötigt hierzu lediglich den Prozentsatz des aufgelaufenen Umsatzes an den oberen 20 % der Artikel. Im Beispiel 16 sind 20 % der Artikel an etwa 72 % des Gesamtumsatzes beteiligt (vgl. Tabelle 4). Geht man in Abb. 33 bei 72 % von der horizontalen Achse senkrecht nach oben bis an die Kurve, so schneidet man diese bei einer Lagerkonstante von etwa 4, die man auf der vertikalen Achse abliest. Die bran-
1
Vgl. IBM, IMPACT - Wirtschaftliche Lagerhaltung, a.a.O., S. 13 f.
175
Die Lagerkonstante ihre Ermittlung und Bedeutung
chentypischen Lagerkonstanten sind in Abb. 32 jeweils in Klammern hinter den Branchenbezeichnungen eingetragen.
Abbildung 33:
Anteil der umsatzstärksten 20 % aller Artikel in Prozent (aus Artikel-Umsatz-Statistik)
Die Lagerkonstante hat zweifache Bedeutung. Sie gibt Aufschluss darüber, -
Es gibt für die Durchführung der ABCAnalyse keine starren Prinzipien
welche Rationalisierungsreserven das Unternehmen besitzt, wenn die betriebsindividuelle Lagerkonstante unter der branchentypischen liegt, in welchem Ausmaß sich der Lagerwert bei Entscheidungen der Unternehmensführung ändert, wenn z.B. der Servicegrad erhöht oder gesenkt wird.
In der Praxis bedient man sich der ABC-Analyse oft und mit großem Erfolg. Dabei sind einige wesentliche Voraussetzungen zu beachten:
176
(1) Die ABC-Analyse sollte grundsätzlich über das gesamte Teilespektrum erfolgen. (2) Die Wertgrenzen sollten unter der Prämisse „Konzentration auf das Wesentliche“ festgelegt und in etwa wie folgt definiert werden: - Für A-Positionen 60-85 % - Für B-Positionen 10-25 % - Für C-Positionen 5-15 % (3) Die Einstufung der Materialpositionen in mehr als drei Wertgruppen sollte unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsprinzips und des zusätzlichen Informationsnutzens geschehen. 1 (4) Die Überprüfung der festgelegten Klassifizierung sollte zumindest nach Ablauf eines jeden Jahres erfolgen, da in der Praxis meistens historische Zahlen (z.B. Jahresverbrauchswerte) verwendet werden und somit die Gefahr besteht, dass neue Entwicklungen das Bild verfälschen. (5) An- oder Auslauftermine von Artikeln sind zu beachten. Eine wesentliche Verbesserung der Aussagekraft einer ABCAnalyse lässt sich auch erreichen, wenn Teile, bei deren Fehlen empfindliche Störungen im Betriebsablauf entstehen, als „kritisches Teil“ besonders gekennzeichnet werden. Auch wird es immer strategisch wichtige Teile geben, die aus besonderen Gründen (z.B. Gefahrengüter, umweltbelastende Materialien) schwerpunktmäßig zu bearbeiten sind.
Kennzeichnung kritischer und strategisch wichtiger Teile
Wie auch immer die ABC-Analyse angelegt ist: Die Ergebnisse überraschen stets durch die klare Aussage, dass eine übermäßige große Zahl von Materialpositionen die Wirtschaftlichkeit der Materialwirtschaft über Gebühr belastet. Aus dieser Tatsache sind die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen:
Auswertung der ABC-AnalyseErgebnisse: - bevorzugte Behandlung der AMaterialien - Arbeitsvereinfachungsmaßnahmen bei den CMaterialien
• A = hochwertige und/oder umsatzstarke Materialien sind besonders sorgfältig und intensiv zu betreuen, und zwar 1
Vgl. vom Verf., Praxis der Materialwirtschaft, a.a.O., S. 73 ff.
177
-
durch Markt-, Preis- und Kostenstrukturanalysen; durch gründliche Bestellvorbereitung; durch aufwendige, exakte Dispositionsverfahren; durch genaue Bestellterminrechnung; durch kleine Abrufmengen; durch genaue Bestandsführung und -überwachung; durch genaue Festlegung der Sicherheitsbestände; durch bevorzugte Anwendung der Wertanalyse.
• B = mittelwertige Materialien mit mittlerem Umsatz. Hier erscheint eine vergleichsweise differenzierte Vorgehensweise im Einkauf und in der Disposition zum Beispiel hinsichtlich der Anfrageintensität, der Höhe der Sicherheitsbestände usw. sinnvoll. • C = niedrigwertige und/oder umsatzschwache Materialien sind nach dem Prinzip der Arbeitsvereinfachung und Aufwandsreduzierung zu behandeln. Wegen der großen Zahl, aber geringen Werte liegt hier der Schwerpunkt der Rationalisierung bei der Senkung der Bestellkosten vor allem - durch vereinfachte Bestellabwicklung (z.B. durch Sammelbestellungen, durch telefonische Bestellaufgabe, durch Vereinbarung monatlicher Rechnungsstellung); - durch vereinfachte Lagerbuchführung (z.B. durch gleichzeitige Buchung von Materialzu- und Materialabgängen oder ohne Abgangsbuchung und Verbrauchsermittlung durch Inventur); - durch vereinfachte Bestandsüberwachung und Disposition (z.B. durch Sichtkontrolle oder nach der sog. Zwei-Behälter-Methode, 1 bei großzügiger Festlegung der Sicherheitsbestände und tendenziell großen Bestellmengen; - durch Kanban-gesteuerte Materialversorgung; 2 - durch E-Procurement;
1 2
Das „Zwei-Behälter-System“ wird im vierten Kapitel unter Ziffer 4.2 erläutert. Siehe das Praxisbeispiel 21.2 unter Ziffer 4.2.1.4 in diesem Abschnitt.
178
-
durch Outsourcing (Auslagerung) der Materialversorgung (z.B. Schrauben, Normteilen) auf Fachhändler/Einkaufsdienstleister. 1
Liegt die Auswertung einer umweltorientierten ABC-Analyse vor, ist es Aufgabe des Einkaufs, ökologisch sinnvolle Substitutionsmaterialien zu suchen.
Umweltorientierte ABC-Analyse
Beispiele der Praxis zeigen deutlich, dass bei konsequenter Anwendung der ABC-Analyse erhebliche Rationalisierungserfolge zu erzielen sind. Umgekehrt sollten - wie nachstehendes Beispiel zeigt - bei Kostensenkungsmaßnahmen Prioritäten nach den Erkenntnissen der ABC-Analyse gesetzt werden. Beispiel 17: Es sollen folgende Annahmen über den Lagerbestand gelten: Der Lagerbestand besteht aus 6.000 Teilen (Artikeln) mit einem Jahresverbrauchswert von EUR 6.000.000,-. Jedes Teil wird viermal jährlich bestellt, wobei die Bestellmenge dem Verbrauch von drei Monaten entspricht. Daraus ergeben sich 24.000 Aufträge pro Jahr. Bei Annahme eines gleichbleibenden Verbrauchs ist der durchschnittliche Lagerbestand die Hälfte des Wertes der Bestellmenge bzw. 1l8 des Jahresverbrauchswertes. Diese Angaben sind im oberen Teil der Tabelle 5 zusammengefasst. Eine Untersuchung der Teile ergab eine Aufteilung in die Klassen A, B und C, wie sie im unteren Tabellenteil ausgewiesen wird. Die Bestellpolitik wurde so abgeändert, dass alle A-Teile zwölfmal jährlich, B-Teile viermal jährlich und C-Teile nur einmal jährlich bestellt werden. Durch die Bestellplanung nach ABC geht der durchschnittliche Lagerbestand von EUR 750.000 auf EUR 462.500 herunter, während gleichzeitig die Zahl der Bestellungen von 24.000 auf 16.200 reduziert wird.
1
Siehe hierzu u.a. das Praxisbeispiel 20.1 unter Ziffer 3.2.2 in diesem Abschnitt.
179
Allgemeines Beispiel zur Anwendung der ABC-Analyse
Gleichmäßige vierteljährliche Bestellplanung Klasse
Anzahl der
Jahres-
Bestellungen
Lagerbestands-
Teile
verbrauchswert
4 x / Jahr
wert
Stück
%
EUR
1/8 Jahresver-
%
brauch alle
6.000
100
6.000.000 100 Kosten ⇐
24.000 x EUR 20,-
750.000 x 20 %
= 480.000,-
150.000,630.000,-
Bestellplanung nach ABC Bestellhäufigkeit
Lagerbestandswert
A
600
10
4.800.000
80
12 x 600 = 7.200
200.000
B
1.200
20
900.000
15
4 x 1.200 = 4.800
112.500
C
4.200
70
300.000
5
1 x 4.200 = 4.200
150.000
16.200
462.500
324.000
92.500
Kosten ⇐
416.500 Kostensenkung ⇐
Tabelle 5:
213.500
ABC-Analyse und Bestellplanung
Insgesamt führt diese Maßnahme „rechnerisch“ zu einer Kostensenkung von EUR 213.500,-, wobei die Kosten je Bestellung EUR 20,- und der Lagerhaltungskostensatz 20 % betragen sollen. (Auf diese Kostenwerte kommen wir im 4. Abschnitt bei der Besprechung der Bestellmengenoptimierungsrechnung zurück.) Der Sicherheitsbestand wird in diesem Beispiel vernachlässigt. Ergebnisprüfung und ständige Beobachtung der ABCVerteilung sind notwendig
Ein auf dem „Papier“ errechnetes Kostensenkungsergebnis bedarf natürlich einer gründlichen Analyse der einzusparenden Bestell- und Lagerhaltungskosten im Hinblick auf ihren Kostencharakter und der damit verbundenen Abbaufähigkeit. Auch sind mögliche Auswirkungen, die sich bei Änderung der Bestellbzw. Lieferfrequenz im eigenen Unternehmen (z.B. in der Warenannahme und Qualitätskontrolle) und beim Lieferanten (hinsichtlich Preis, Produktionskapazität etc.) ergeben können, zu erfassen. Darüber hinaus ist die ABC-Verteilung gründlich zu beobachten. Preissteigerungen, veränderte Lieferzeiten, Lieferantenwechsel, Veralterung des Lagermaterials sowie Veränderungen in der Produktion oder Nachfrage wirken sich auch auf die Materialbewirtschaftung aus.
180
Abschließend ist anzumerken, dass es für dispositive Zwecke sinnvoll sein kann, • im Teilestamm einen Dispositionsartenschlüssel zu vermerken, der nach der Wertigkeit und dem Volumen der Materialpositionen sowie nach lieferantenabhängigen Kriterien (Lieferzuverlässigkeit) und Restriktionen (Mindestmenge, Höchstmenge) festzulegen ist. 1 ⇐
Kriterienmix als Grundlage für Dispositionsartenschlüssel
Aufgabe 6
1.2 XYZ-Analyse Die Klassifizierung der Materialpositionen nach ABC-Kriterien genügt in der Regel noch nicht als Entscheidungshilfe für die Wahl der jeweils optimalen Beschaffungsstrategie. Mit der XYZAnalyse wird daher eine Differenzierung des Artikelspektrums nach der Verbrauchsstruktur bzw. Vorhersagegenauigkeit angestrebt. Dabei bedeuten die Klassifizierungssymbole: 2
Die XYZ-Analyse ist eine Methode zur Klassifizierung der Artikel nach ihrer Vorhersagegenauigkeit
• X = Verbrauch ist konstant bei nur gelegentlichen Schwankungen; hohe Vorhersagegenauigkeit. • Y = Verbrauch unterliegt stärkeren Schwankungen, ist trendmäßig steigend oder fallend oder unterliegt saisonalen Schwankungen; mittlere Vorhersagegenauigkeit. • Z = Verbrauch verläuft völlig unregelmäßig; niedrige Vorhersagegenauigkeit. Erfahrungswerte, wie sie in der Praxis gewonnen wurden, werden in Abb. 34.1 dargestellt. Dabei ist die XYZ-Verteilung abhängig von den im Einzelfall festgelegten Grenzwerten. Diese können - wie in dem Anwendungsbeispiel 3 - mit der Absicht gewählt worden sein, die Disposition gezielt zu entlasten.
1
Vgl. dazu die Fallstudie in der Arbeit des Verf., Praxis der Materialwirtschaft, a.a.O. S. 77 f. Grochla benutzt hier die Symbole R, S, U. Vgl. E. Grochla, Grundlagen der Materialwirtschaft, a.a.O., S. 31 - Wir wollen der u.W. inzwischen üblich gewordenen X, Y, Z-Kategorisierung den Vorzug geben. 3 Vgl. hierzu und zum folgenden vom Verf., Materialdisposition in der Praxis Fallbeispiel effizienter Beschaffungslogistik, Gernsbach 1992, S. 39 ff. 2
181
Der Schwankungskoeffizient als Kennzahl für die Vorhersagegenauigkeit
13.900 X-Teile hohe Vorhersagegenauigkeit 77,9 % 1.800 Y-Teile mittlere Vorhersagegenauigkeit 10,1 % 2.150 Z-Teile geringe Vorhersagegenauigkeit 12 % Abbildung 34.1:
XYZ-Analyse: Klassifizierung der Teile nach der Vorhersagegenauigkeit (Beispiel aus der Praxis)
Die XYZ-Analyse bietet für die stochastische Bedarfsrechnung ein weites Anwendungsgebiet. 1 Dabei kann als Kennzahl für das Verbrauchsverhalten einer Materialposition der Schwankungskoeffizient SQ herangezogen werden. Dieser reagiert sehr empfindlich, wenn plötzlich Bedarfseinbrüche nach oben oder unten erfolgen. Er ist bei jedem Rechnerlauf neu zu errechnen. Dabei kann folgende Formel verwendet werden: 2 Formel für die Berechnung des Schwankungskoeffizienten
n ⋅ SQi−1 + SF ⋅ 1 − • SQi =
Ti vi
n +1
Dabei bedeuten: SQi-1 = bis zur i-ten Periode fortgeschriebener SQ-Wert
1
Da auch bei plangesteuerter Disposition die Stücklistenauflösung auf (teilweise) stochastisch ermittelten Primärbedarfen beruht - bei Serienfertigung muss im Rahmen einer rollierenden Planung der Absatz für den gesamten Planungszeitraum prognostiziert werden -, kann es durchaus sinnvoll sein, im Rahmen der XYZ-Analyse zwischen geplanten und ungeplanten (stochastischen) Bedarfen nicht zu trennen. 2 Die Formel hat nicht Anspruch auf mathematische Allgemeingültigkeit. Es sind auch andere Verfahrensregeln denkbar und in der Praxis anzutreffen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, den Variationskoeffizient V zur Beurteilung heranzuziehen. Dieser gibt die relative Streuung der Verbrauchswerte eines Artikels um dessen mittleren Verbrauch und damit seine Vorhersagegenauigkeit an.
182
n SF T V i
= Faktor zur Gewichtung der bisherigen Schwankungskoeffizienten = Sicherheitsfaktor = tatsächlicher Verbrauch = Vorhersagewert = laufende Periode
Ti Der Quotient v gibt Auskunft über das Verbrauchsverhalten i einer Materialposition in der laufenden Periode. Dieser Quotient wird mit einem Sicherheitsfaktor, der dem angestrebten Servicegrad entspricht und einer Tabelle - vgl. Tabelle 17 - zu entnehmen ist, bewertet. Das Verbrauchsverhalten der laufenden Periode wird nunmehr abgeglichen mit dem bisher ermittelten Verbrauchsverhalten. Damit liegt für alle Teile eine geglättete, vergleichbare Kennzahl für das Verbrauchsverhalten vor. Um die Materialpositionen entsprechend ihrem Verbrauchsverhalten als X-, Y- oder Z-Teil klassifizieren zu können, werden die ermittelten Schwankungskoeffizienten wie bei der ABCAnalyse in absteigender Reihenfolge sortiert und Parameter für die Zuordnung festgelegt. Diese könnten beispielsweise wie folgt gewählt werden: 1 X-Teil: SQ ≤ 1 Y-Teil: SQ > 1 ≤ 5 Z-Teil: SQ > 5 Es ist zu erkennen, dass sich die XYZ-Analyse mit der Vorhersagegenauigkeit eines Ausprägungsmerkmals bedient, das weitaus schwieriger zu handhaben ist als die rechenhaften Kriterien der ABC-Analyse. So gilt es, eine größere Anzahl von Parametern einzustellen. 2 1
Als Einteilungskriterium kann auch - wie im Praxisbeispiel 32 - die absolute Abweichung zwischen dem alten SQ-Wert und dem neu errechneten SQ-Wert herangezogen werden. 2 Wahrscheinlich ist dieses einer der Gründe, weshalb die XYZ-Analyse nach Wissen des Verfassers nur im Programmpaket ILAS der Firma SEMA-Group enthalten ist. Dieses stellt die Nachfolge von dem älterem System advor-220 dar, in dem auch schon die XYZ-Analyse enthalten war. Das dabei eingesetzte Verfahren entspricht weitgehend dem unter dieser Ziffer beschriebenen. - Siehe auch vom Verf., Materialdisposition in der Praxis, a.a.O., S. 39 ff.
183
Verfahren der Zuordnung zu den Klassifizierungen X, Y und Z
Wertigkeit Vorhersage-
A
B
C
genauigkeit
X
Y
Z
Tabelle 6:
Die Kombination von XYZ- und ABC-Analyse erleichtert die Verwirklichung des materialwirtschaftlichen Optimums
hoher
mittlerer
niedriger
Verbrauchswert
Verbrauchswert
Verbrauchswert
hohe Vorhersa-
hohe Vorhersa-
hohe Vorhersa-
gegenauigkeit
gegenauigkeit
gegenauigkeit
hoher
mittlerer
niedriger
Verbrauchswert
Verbrauchswert
Verbrauchswert
mittlere Vorher-
mittlere Vorher-
mittlere Vorher-
sagegenauig-
sagegenauig-
sagegenauig-
keit
keit
keit
hoher
mittlerer
niedriger
Verbrauchswert
Verbrauchswert
Verbrauchswert
niedrige Vor-
niedrige Vor-
niedrige Vor-
hersagegenau-
hersagegenau-
hersagegenau-
igkeit
igkeit
igkeit
Kombination der ABC- mit der XYZ-Analyse
Die reine XYZ-Betrachtung wird selten dazu geeignet sein, Rationalisierungspotenziale aufzuzeigen und zu nutzen. Erst die Kombination mit der ABC-Analyse ermöglicht eine Optimierung des Beschaffungsprozesses, da Beschaffungsstrategien wesentlich von der Wertigkeit und der Vorhersagegenauigkeit der zu beschaffenden Artikel beeinflusst werden. Die Zusammenführung der Ergebnisse der ABC- und XYZAnalyse ergibt eine Matrix mit neun verschiedenen Artikelklassen (vgl. Tabelle 6). Anhand dieses Klassifizierungsschemas kann dann festgelegt werden, welche Beschaffungs- und Versorgungsstrategien für einzelne Kombinationen (z.B. für die besonders kritische Kombination AZ) zum Einsatz kommen sollen. Nicht zu bestreiten ist, dass • die kombinierte Anwendung beider Analyseverfahren zur Lösung der materialwirtschaftlichen Zielkonflikte einen größeren Beitrag leistet als die herkömmliche,
184
nur eindimensional aufgebaute ABC-Analyse-Systematik. ⇐
Aufgabe 7
1.3 Portfolio-Analyse Als ein Instrument zur Ableitung von Normstrategien (z.B. von Kooperations- oder Outsourcingstrategien) findet. Dabei kann wie in Abb. 34.2 - auf der Abszisse der Ergebniseinfluss und auf der Ordinate das Versorgungs- bzw. Beschaffungsrisiko dargestellt werden. 1 Die Datenerhebung über den Ergebniseinfluss kann auf der Grundlage der ABC-Analyse erfolgen. Die Merkmalsausprägungen werden vereinfacht mit niedrig/hoch ausgewiesen. Für die Einschätzung des Versorgungsrisikos sind interne und externe Einflussfaktoren (Schlüsselfaktoren) vom Einkauf und der Beschaffungslogistik auszuwählen und zu bewerten. Dabei können als Risikofaktoren u.a. in Betracht kommen: • Unternehmensbezogenes Versorgungsrisiko - Technische Anforderungen an das Produkt bzw. Fertigungsverfahren - Kosten bei Lieferantenwechsel (Qualifikationskosten) einschließlich Werkzeugkosten - Möglichkeiten der Eigenfertigung - Anwendungsbezogene Änderungshäufigkeit - Prognosesicherheit (auf der Grundlage der XYZAnalyse)
1
Neben dem in Abb. 34.2 dargestellten Materialportfolio ist in der Praxis das Lieferantenportfolio (vgl. Abb. 104 im Übungsteil) am häufigsten anzutreffen. Auf der Basis des Lieferantenportfolios werden die Lieferanten u. a. in die Kategorien Schlüssel- und Hebellieferanten klassifiziert sowie das Key Supplier Management – das Management der Schlüssellieferanten – abgeleitet. – Siehe H. Hartmann, Lieferantenmanagement, Gernsbach 2003.
185
Die Portfolio-Analyse baut auf dem Ergebniseinfluss und Versorgungsrisiko der Beschaffungsobjekte auf
• Marktbezogenes Versorgungsrisiko - Anforderungen an die technische Zusammenarbeit mit dem Lieferanten - Technologische Entwicklung dieser Beschaffungsgüter - Beschaffungsmarktstruktur - Kapazitätsauslastung der Lieferanten - Marktpreisentwicklung - Image als Abnehmer - Nachfrageentwicklung in der Zukunft Für die Messung der Indikatoren sollte ein Punktbewertungsverfahren herangezogen werden, durch das alle Kriterien additiv miteinanderverknüpft und gewichtet werden können. 1 In einem weiteren Schritt erfolgt die Positionierung der Beschaffungsobjekte in der Portfoliomatrix.
Versorgungsrisiko Niedrig Hoch
Differenzierte Strategieplanung aus der 4-Felder Einkaufsmatrix
Engpassprodukte
Schlüsselprodukte
 Verfügbarkeit gewährleisten
 Strategische Partnerschaft
- Sicherheitsbestände - langfr. Lieferbeziehung - Fremdbevorratung Bedarfsbündelung - Insourcing
- Beschaffungsmarktforschung - Lieferantenbindung - Make-or-Buy-Analyse - Lieferantenintegration
Unkritische Produkte
Hebelprodukte
 effizient abwickeln
 Marktpotenzial ausschöpfen
-
E-Procurement Prozessoptimierung Outsourcing Zentrale EKVereinbarung
Niedrig
- Global Sourcing - Preisstrukturanalyse - Qualitätssicherung und Lagerkonzept mit Lieferanten
Hoch
Beschaffungsvolumen/Ergebniseinfluss
Abbildung 34.2:
1
Portfolio-Analyse: Materialportfolio
Die Punktbewertung ist damit stets Ausdruck einer möglichst objektiven Beurteilung. Als Beispiel für ein Punktbewertungsverfahren siehe auch Beispiel 53 im fünften Abschnitt.
186
• Notwendig ist dabei die Bildung homogener strategischer Beschaffungseinheiten (SBE). 1 Praxisgerecht ist eine 4-Felder-Typologisierung. Die beschaffungsorientierte Portfolio-Technik, für deren Einsatz in der Praxis unterschiedliche Versionen je nach Art der Einfluss- bzw. Schlüsselfaktoren denkbar sind, ist zwar als eine überaus sinnvolle Ergänzung zur kombinierten ABC-/XYZAnalyse anzusehen. Doch muss auf einige Schwächen der Portfolio-Methode aufmerksam gemacht werden: 2 • Ein nicht zu unterschätzendes Problem dürfte in der erforderlichen Informationsgewinnung zur Bewertung der jeweils ausgewählten Schlüsselfaktoren zu sehen sein. • Als nicht unproblematisch ist auch die Zweidimensionalität des Konzeptes anzusehen, da dieses die Gefahr in sich birgt, dass andere Faktoren, die für die strategische Ausrichtung ebenfalls von großer Bedeutung sein können, vernachlässigt werden. • Einschränkend zu beachten ist auch, das es sich bei dieser Planungsmethode nur um ein Hilfsmittel zur Strukturierung von Norm- bzw. Standardstrategien handelt, die bei der Planung konkreter Maßnahmen situationsabhängig und produktspezifisch verfeinert umzusetzen sind. ⇐
2.
Aufgabe 8
Die Beschaffungsmarktforschung
Lange Zeit wurde der Begriff Marktforschung mit Absatzmarktforschung gleichgesetzt. Es wurde übersehen, dass Ertragskraft und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen auch 1 2
Siehe als Praxisbeispiel Abb. 42 in diesem Abschnitt. Arnold/Heege/Tussing, a.a.O., S. 322.
187
Probleme in der Anwendung der Portfolio-Technik
durch die Leistungen des Beschaffungsbereichs ganz entscheidend beeinflusst werden können. Nur zögernd setzte sich die Überzeugung durch, dass Erfahrung und Intuition des Einkäufers nicht mehr als Grundlage für optimale Kaufentscheidungen ausreichen, sondern eine lückenlose und genaue Information über den Beschaffungsmarkt voraussetzen, die nur durch eine systematische Beschaffungsmarktforschung möglich wird. Dabei kann zwischen Local Sourcing und Global Sourcing unterschieden werden. Begriff und Vorteile des Local Sourcing
Local Sourcing bedeutet den Einkauf bei Anbietern, die sich in unmittelbarer Nähe zum Standort des Abnehmers befinden. In diesem Fall kommt es also nicht zu einem grenzüberschreitenden Warenverkehr. 1 Der Einkauf bei standortnahen Lieferanten ist für den Abnehmer hauptsächlich mit folgenden Vorteilen verbunden: • Größtmögliche Sicherheit bei der Versorgung, d.h. das Risiko der Entstehung von Fehlmengenkosten ist in der Regel relativ gering. • Geringe Kosten der Bestellung und der Anlieferung. • Günstige Bedingung für eine intensive Zusammenarbeit auf den verschiedensten Gebieten, der Wertanalyse oder des Simultaneous Engineering, der Qualitätssicherung und in der Ausschöpfung von Kostensenkungspotenzialen in der Wertschöpfungskette. • Grundvoraussetzung für die Realisierung von Just-in-TimeKonzepten.
Mögliche Kostennachteile beim Local Sourcing
Allerdings bringt der Einkauf „rund um den Schornstein“ häufig Kostennachteile mit sich. Denn nationale gesetzliche Bestimmungen und andere spezielle Rahmenbedingungen können die Kosten der Lieferanten erhöhen. Zu den kostentreibenden Fak1
Die Unterscheidung zwischen Local Sourcing und Domestic Sourcing, wodurch eine räumliche Ausweitung der Aktivitäten auf Beschaffungsquellen nicht unmittelbar in räumlicher Nähe zum Abnehmer verdeutlicht werden soll, wird hier nicht übernommen - Siehe U. Arnold, a.a.O., S. 111.
188
toren gehören insbesondere das Lohnniveau, die Arbeitszeiten und Maschinenlaufzeiten sowie die Unternehmensbesteuerung. Die Unternehmen müssen daher zur Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit den internationalen Einkauf im Sinne eines Global Sourcing verstärken. Dieser Begriff soll andeuten, dass die Beschaffungsstrategien darauf ausgerichtet sind, den Beschaffungsmarkt weltweit zu bearbeiten. Dabei sollten die Aktivitäten nicht nur für Serienteile bei bestehenden Modellen, sondern vor allem auch für Neuteile bei neuen Entwicklungsprojekten bestimmt sein (sog. Forward Sourcing). Als wesentliche Vorteile einer weltweit betriebenen Beschaffungsmarktforschung, die im Allgemeinen für einen großen multinationalen Konzern leichter zu realisieren ist als für mittelständische Unternehmen, können genannt werden: 1 • Nutzung des weltweiten Lieferanten-Know-how. • Möglichkeit, den jeweils „weltbesten“ Lieferanten für ein Teil zu finden. • Ausnutzung der Preisvorteile, vor allem bei Bezug aus sogenannten Niedriglohnländern. • Erhöhung der eigenen Absatzchancen bei Gegengeschäftsforderungen im internationalen Geschäft. • Nutzung von Wechselkursvorteilen, Vermeidung von Wechselkursnachteilen. • Erleichterter Eintritt in fremde Absatzmärkte (der Einkauf ist hier der Pionier, der durch seine Erfahrungen und Lieferantenkontakte dem Vertrieb Hilfestellung gibt). • Unterstützung des Vertriebs in der Erfüllung von Local Content-Forderungen (z.B. im Großanlagenbau). Die größten Schwierigkeiten, die mit Global Sourcing verbunden sind, liegen im Währungsrisiko, dem Qualitätsstandard, in den logistischen Problemen der Versorgungssicherheit und Flexibilität sowie vor allem auch in den teilweise sehr verschiedenartigen Kulturen. Da hinsichtlich Qualität und Liefertreue durch die Realisierung einer weltweiten Beschaffungsstrategie keinerlei Abstriche gemacht werden dürfen, kommt hier der
1
Siehe Th. Menze, a.a.O., S. 69ff. und die dort zitierte Literatur.
189
Vorteile und Risiken des Global Sourcing
lieferantenbezogenen Beschaffungsmarktforschung eine besondere Bedeutung zu. Insofern bedeutet Global Sourcing nicht automatisch Global Buying - also weltweit Einkaufen -, sondern zunächst einmal Standortbestimmung. Nur für die sogenannten Rennerteile bei Billiganbietern auf dem fernöstlichen Markt Aufträge zu platzieren und einheimische Lieferanten mit den ungeliebten Kleinserien zu beauftragen, ist unter strategischen Gesichtspunkten kaum zu vertreten (vgl. dazu auch in diesem Abschnitt unter Ziffer 4.2.3 Abb. 42). Ein „weltweiter Beschaffungstourismus“, Sourcing by Walking Around, 1 ist nicht angesagt. Verknüpfung von Global Sourcing und Global Manufacturing
Global Sourcing muss in eine langfristige Unternehmensstrategie eingebunden sein. Unternehmen, die weltweit in eigenen Produktions- und Montagestandorten operieren, haben zugleich die strategische Option, zwischen globaler Beschaffung und globaler Produktion (Global Manufacturing) zu entscheiden. Im Prinzip stellt sich hier die Frage, ob Eigenfertigung oder Fremdbezug die „bessere“ Lösung ist. Was aber ist konkret unter Beschaffungsmarktforschung zu verstehen? Welche Aufgaben hat sie und welcher Methoden bedient sie sich? Mit diesen und weiteren Fragen befasst sich die nachstehende Darstellung, wobei sich die Beschaffungsmarktforschung im weiteren Sinne nicht auf die Untersuchung von „Märkten“ beschränkt (vgl. Abb. 35 unter Ziffer 2.1 in diesem Abschnitt). 2
1
J. Werner, Global Sourcing trifft Zeitgeist, in: Beschaffung aktuell, Nr. 1, Leinfelden 1991, S. 22. Für Einzelheiten siehe F. Blohm, Beschaffungsmarktforschung, Wiesbaden 1982 und M. Rembeck/G.P. Eichholz, Leitfaden für die industrielle Beschaffungsmarktforschung mit Beispiel, Frankfurt 1967.
2
190
2.1 Aufgaben und Ziele der Beschaffungsmarktforschung Die Beschaffungsmarktforschung kann als das Kerngebiet des Beschaffungsmarketing angesehen werden. Sie umfasst die -
aktive Suche systematische Sammlung zielorientierte Aufbereitung begrenzte Analyse
von Informationen über Beschaffungsmärkte, -güter und -leistungen nach -
Ursprung Qualität Verwendung Substitutionsmöglichkeit Preis Lieferkonditionen Nebenbedingungen.
Als Ziele der Beschaffungsmarktforschung sind im Einzelnen zu nennen: • Die Verbesserung der Markttransparenz, um damit die Voraussetzungen für optimale Beschaffungsentscheidungen zu schaffen. • Die langfristige Sicherstellung einer optimalen Versorgung durch Früherkennung von Beschaffungsengpässen und Erschließung neuer Beschaffungsquellen. • Die Frühwarnung bei erkennbar werdender Instabilität von Märkten und Lieferanten durch politische und/oder wirtschaftliche Veränderungen oder Missmanagement bei Lieferanten. • Die Versorgung der internen Kunden, der Entscheidungsträger im eigenen Unternehmen, mit Informationen aus den Beschaffungsmärkten, u.a. auch durch Mitarbeit in Entwicklungsgruppen (z.B. im Rahmen des Simultaneous Engineering).
191
Beschaffungsmarktforschung dient der Vorbereitung optimaler Einkaufsentscheidungen
Voraussetzungen aktiver Beschaffungsmarktforschung
Als Voraussetzungen dafür, durch aktive Beschaffungsmarktforschung mangelnde Markttransparenz zu überbrücken und die besten „Problemlöser“ im Markt zu finden, sind im Wesentlichen zu nennen: -
Beschaffungsmarktforschung dient der Vorbereitung der Beschaffungstätigkeit und ist bei Modular Sourcing von besonderer Relevanz
Fokussierung auf die erkannten Potenziale aktive und strukturierte Vorgehensweise Erfassung, Zuordnung und Speicherung der vorhandenen und neu gesammelten Daten in geeigneten Strukturen (Data Warehouse) qualifizierte und mobile Einkäufer ausreichend Marketing-Kapazität im Einkauf Nutzung der eigenen Vertriebsorganisation Nutzung von Handelsmittlern und Beratern Kenntnis der Sprache, Kultur, Mentalität und Geschäftsregeln
Die Entwicklung neuer Wirtschaftsgebiete, das differenzierter gewordene Angebot an Waren sowie das Auftauchen neuer Rohstoffe mit neuen chemischen und physikalischen Eigenschaften haben den Beschaffungsmarkt immer unübersichtlicher gemacht. Beschaffungsmarktforschung ist daher um so notwendiger geworden. Eine besonders intensive Markt- und Lieferantenforschung ist bei Einführung von Modular Sourcing vorauszusetzen, da die Folgen unzulänglicher Qualität oder Zuverlässigkeit weitaus gravierender sind als bei Teilelieferanten. Die Beschaffungsmarktforschung dient der Vorbereitung der Beschaffungstätigkeit, ohne in diese selbst einzugreifen. Konkret bedeutet dies, dass sie losgelöst ist von den täglichen Problemen der Materialversorgung, die überwiegend Mengenund Zeitprobleme sind. Sie darf sich nicht in solche Einzelheiten vertiefen, die im Rahmen der Beschaffungsanbahnung zu beachten sind und für die leistungsfähige Materialwirtschaftssysteme Entscheidungshilfen zur Verfügung stellen.
Beschaffungsmarktforschung ist nicht nur „anfragen“
Die moderne Beschaffungsmarktforschung unterscheidet sich von der bisher bestenfalls betriebenen „Beschaffungsmarktforschung“ durch die wissenschaftliche Systematik und durch ge-
192
steigerte Aktivitäten. Man begnügt sich nicht damit, zufällig von außen herangetragene Informationen zu sammeln oder über Besuche bei Lieferanten Aufzeichnungen zu machen. Auch ist die marktforscherische Tätigkeit nicht mit der ohnehin gewohnten Anfragetätigkeit zu verwechseln. 1 Vielmehr setzt richtig betriebene Beschaffungsmarktforschung folgendes voraus: • Klare Zielsetzung und Definition der Beschaffungs- bzw. Vorratspolitik • Planmäßige und systematische Informationsgewinnung sowie Analysieren und Bewerten der Daten • Darstellung und Auswertung sämtlicher erarbeiteter Ergebnisse Die Beschaffungsmarktforschung kann bedarfsabhängig, fallweise oder kontinuierlich betrieben werden. Bedarfsabhängige Beschaffungsmarktforschung beruht in der Regel auf externen Anlässen (vgl. Abb. 35). 2 Im Allgemeinen wird Beschaffungsmarktforschung jedoch kontinuierlich durchzuführen sein. Dabei kann sich die Beschaffungsmarktforschung auf die Untersuchung der Eigen- oder Vormärkte, die den eigenen Märkten im Veredlungsprozess vorgelagert sind, erstrecken. Dies kann national, regional oder - wie erwähnt - weltweit aufgrund einer Global Sourcing-Strategie geschehen.
Beschaffungsmarktforschung muss schwerpunktmäßig betrieben werden
Angesichts der Vielzahl der in einem Unternehmen zu beschaffenden Materialien ist es ausgeschlossen, dass für sie alle kontinuierlich Beschaffungsmarktforschung betrieben wird. Zweckmäßig ist es, mithilfe der ABC- und Portfolioanalyse oder artikelspezifischen Auswahlkriterien (wie z.B. Qualitätsschwankungen, Engpässe auf dem Beschaffungsmarkt) aus der Gesamtheit der Materialpositionen besonders wichtige Gruppen zu bestimmen. Im Allgemeinen kommen für eine Untersuchung nur A-Materialien und A-Lieferanten in Frage.
Beschaffungsmarktforschungsaktivitäten müssen gezielt betrieben werden
Darüber hinaus ist selbstverständlich zu beachten, dass an die Mitarbeiter, die sich mit der Beschaffungsmarktforschung zu befassen haben, besonders hohe Anforderungen zu stellen
An die Qualifikation des Beschaffungsmarktforschers werden hohe Ansprüche gestellt
1
Vgl. H. Strache, Preise senken - Gewinn einkaufen. Das Handbuch für Einkauf und Materialwirtschaft, 3. Auflage, Lage 1975, S. 179. In Anlehnung an F. Blom, Beschaffungsmarktforschung, a.a.O., S. 25 ff.
2
193
sind. Zu der notwendigen Kenntnis der Methoden der Marktforschung und von Sprachen (zumeist englisch) muss das Fachwissen über die verschiedenen Beschaffungsmärkte kommen. Sehr oft sind auch technische und technologische Grundkenntnisse erforderlich, die dem Beschaffungsmarktforscher die Beachtung und fachgerechte Auswertung materialkundlicher und verfahrenstechnischer Fragen ermöglichen.
Abbildung 35:
Bausteine der Beschaffungsmarktforschung
2.2 Methoden der Beschaffungsmarktforschung Die Beschaffungsmarktforschung bedient sich direkter und indirekter Techniken.
194
Die direkte Informationsgewinnung - auch primäre Marktforschung (field research) genannt - stützt sich im Wesentlichen auf folgende Quellen: (1) Kontakte mit Lieferanten: Sie schlagen sich in der Korrespondenz der Beschaffungsabteilung und in Berichten der betrieblichen Kontaktpersonen (Leiter, Sachbearbeiter, Vertreter) nieder. Vor allem die Anfrage bietet durch ihre Streuung die Möglichkeit einer großen Informationsbreite. Anfrageaktionen sind unabhängig vom konkreten Bedarfsfall zu starten. (2) Kontakte mit Verkäufern: Sie werden in Aktennotizen festgehalten und beziehen personelle Informationen mit ein. (3) Besuche von Messen, Ausstellungen: Sie bieten eine Fülle von Informationen über technische Entwicklungen, Preis und Qualität der Waren. Entscheidend für den Erfolg eines Messebesuches ist seine gründliche Vorbereitung (siehe im Übungsteil Aufgabe 8). (4) Einkaufsreisen und Betriebsbesichtigungen/Lieferantenfragebogen, Lieferanten-Auditierung: Aus ihnen lassen sich Rückschlüsse auf die Lieferfähigkeit, das technische Leistungsvermögen und auch auf Persönlichkeitsmerkmale der (potenziellen) Lieferanten ziehen. Gemeinsam werden Lieferantenfragebogen zur Dokumentation aller relevanten Merkmale und spezieller Möglichkeiten des Anbieters, insbesondere hinsichtlich der Qualitätssicherung, der Vertriebslogistik und Systementwicklung in der Produktion ausgefüllt. Die indirekte Informationsgewinnung, die sog. Sekundärforschung (desk research) bedient sich im Gegensatz zur primären Beschaffungsmarktforschung bereits vorhandener Unterlagen. Eine besondere Erhebung wird nicht durchgeführt. Sie ist daher billiger und in der Praxis vor allem in mittelständischen Unternehmen üblich.
195
Die direkte Informationsgewinnung (Primärforschung) schließt die Anfrage als Mittel der Beschaffungsmarktforschung ein
Als Ausgangsmaterial für die Zwecke einer sekundären Auswertung kommen in Betracht: (1) Markt- und Börsenberichte: Sie geben vor allem Aufschluss über die Preisentwicklung wichtiger Rohstoffe. (2) Zeitschriften, Mitteilungen von Außenhandelsbanken, Funk und Fernsehen: Sie geben Aufschluss über die wirtschaftliche und politische Entwicklung. Entscheidungsrelevant sind Streiks, Unruhen, welche die Rohstoffversorgung beeinflussen können sowie Tarifvereinbarungen, die sich eventuell auf die Beschaffungspreise auswirken. (3) Hauszeitschriften der Lieferanten, der Liefererkonkurrenz, der Wirtschaftsverbände und der Industrie- und Handelskammern. Sie bieten vor allem Informationen über neue Entwicklungen und neue Verfahren. (4) Angebote in Fachzeitschriften, Katalogen, Broschüren und Prospekten. Sie enthalten Informationen über Qualität und Leistungsfähigkeit der Beschaffungsobjekte. (5) Branchenadressbücher, Messekataloge, technische Handbücher. Sie informieren über die in Betracht kommenden Bezugsquellen. Viele Nachschlagewerke sind in jeweils aktualisierter Version auf CD-ROM zu erhalten. Diese können EDV-mäßig selektiv nach strategischen Suchkriterien ausgewertet werden. (6) Öffentliche Datenbanken im Internet mit Schwerpunkt Einkauf, Wirtschaft und Firmeninformationen. Datenbankanbieter ein Ausschnitt
Aus der Fülle der Datenbankanbieter sind zu nennen: 1 fiz = Fachinformationszentrum Technik e.V. für Materialoder Rohstoffspezifikationen
1
Siehe auch „Einkaufsdatenbanken im Test“, in: Beschaffung aktuell, Nr. 3, Leinfelden 1996, S. 45 ff.
196
ZVED = für den Nachweis von Produkten der Elektro- und Elektronik-Industrie, BDI = Produktbegriffe der Investitions- und Konsumgüterindustrie Besteht ein Bedarf an Informationen über die wirtschaftliche Lage bestimmter Branchen, über börsenmäßig gehandelte Rohstoffe oder kurz- bis mittelfristige Vorhersagen von Preisentwicklungen auf den Rohstoffmärkten, so sind die Datenbanken der Wirtschaftspresse - wie beispielsweise Handelsblatt über die GENIOS-Datenbank abzufragen. Die Beschaffungsmarktforschung kann sich zunehmend auf moderne Informationstechniken wie Unternehmensportale mit den integrierten Funktionalitäten für die eigenen Mitarbeiter, die Anbieter und Lieferanten (Lieferantenportal) und die Kunden stützen. Auf der Basis der Internettechnologie werden Informationen und Transaktionen im öffentlichen Bereich (Internet), dem geschützt von Außen zugänglichen Bereich (Extranet) und den für unternehmensinterne Anwendungen geschützten Bereich (Intranet) zur Verfügung gestellt und abgewickelt. Schnelle und kostengünstige Möglichkeiten (z. B. elektronische Kataloge und Marktplätze) ergeben sich: • Das adhoc-Abfragen aktueller Informationen über Material, Märkte und Lieferanten. • Die weltweite Informationsgewinnung im Sinne von Global Sourcing. • Das systematische Recherchieren und Speichern von Informationen für das eigene Unternehmen sowie das Aktualisieren und Pflegen im hauseigenen System. • Die Integration der Beschaffungsmarktforschung in das Aufgabengebiet des Facheinkäufers. Gleichwohl ist festzuhalten, dass direkte Informationsgewinnung die Nutzung klassischer und moderner Medien vor allem bei der Auswahl und Beurteilung von A-Lieferanten von der direkten Informationsgewinnung nicht entbindet.
197
Effiziente Beschaffungsmarktforschung durch moderne Informationstechnologien
Lieferantenfragebogen und ein Besuch beim Lieferanten vor Vertragsabschluss sind hier im Sinne einer eingehenden Lieferantenanalyse unerlässlich.
2.3 Beschaffungsmarktanalyse und -beobachtung Die Beschaffungsmarktanalyse macht die Struktur des Marktes zu einem bestimmten Zeitpunkt sichtbar
Die Beschaffungsmarktforschung kann ihre Aufgabe, Aussagen über den Beschaffungsmarkt zu machen, mithilfe der Marktanalyse und der Marktbeobachtung lösen. 1 Die Marktanalyse zielt auf die einmalige Durchleuchtung eines „stimmigen“ Marktes oder Teilmarktes zu einem bestimmten Zeitpunkt ab, das heißt auf die Analyse eines Marktsegments, das im Wesentlichen den eigenen Anforderungen (Grundfunktion, Leistungsmerkmalen, Vertriebslogistik u.a.m.) entspricht. Um im Einzelnen im Rahmen der Beschaffungsmarktanalyse die Struktur des definierten Marktes zu analysieren, wird hier u.a. eine Antwort auf folgende Fragen gesucht: -
-
Wer liefert was auf den in- und ausländischen Märkten? Wie groß ist die Angebotskonkurrenz? Wer von den Anbietern kommt als Lieferant in Frage? Wie groß ist die Nachfragekonkurrenz? Wer von den Nachfragern kauft wo und warum gleiches Material billiger ein? Welche Möglichkeiten der Materialsubstitution bieten sich an? (Für die Beurteilung ist im Sinne der Wertanalyse - vgl. nachstehend Ziffer 3 - vom Nutzen auszugehen, den die Kunden von den erbrachten Leistungen erwarten.) Nach welchen Standards wird produziert? DIN, ISO, BS, CEN? Welche Beschaffungswege kommen in Betracht? (Direkter Bezug vom Hersteller, indirekter Bezug über den in- und ausländischen Handel) Welche Transportwege (Schiene, Straße, Wasser, Luft) und welche Transportmittel (Bahnwaggon, LKW, Spezialfahrzeuge, Behälter u.a.m.) kommen in Frage?
1
Grundsätzlich dazu E. Schäfer, Betriebswirtschaftliche Marktforschung, Essen 1995, S. 28 ff., - analog ist u.a. auch die Lieferantenforschung zu betrachten.
198
-
Welche Kommunikationsmittel zum Austausch von Planbedarfsdaten, Abrufen, Lieferscheinen, Rechnungen etc. stehen zur Verfügung: Internet, Intranet, E-Mail?
Ist die einmalige Bestandsaufnahme durchgeführt, so übernimmt die Marktbeobachtung die ständige Überwachung des Beschaffungsmarktes, um die Veränderungen und Entwicklungen sichtbar zu machen. Aufgrund der Aktualität der Informationsgewinnung ist sie für die Beschaffungsplanung von besonderer Bedeutung. Im Rahmen der Marktbeobachtung werden folgende Punkte besonders untersucht: -
Welche Entwicklung der Angebotsmengen und -preise ist zu beobachten und in welche Richtung zeigen die Trends? Welche Veränderungen zeigen die Angebots- und Nachfragekonkurrenz? Welche Entwicklung der Lieferzeiten ist zu beobachten? Kommen neue Substitutionsmöglichkeiten, neue technische Verfahren auf? Sind im In- und Ausland politische und wirtschaftspolitische Maßnahmen zu erwarten, die sich auf die Angebotsmengen und -preise auswirken können? Wie ist die Zuverlässigkeit der Lieferanten in bezug auf Qualität, Termintreue, Service usw. zu beurteilen? Welche Entwicklung der Preise und der Konditionen ist bei den Stammlieferanten zu beobachten? Welche Entwicklung nimmt die Fertigungstechnik und der Auftragsbestand bei den Lieferanten?
Die Marktbeobachtung macht durch ihre zeitraumbezogene Betrachtung das Marktgeschehen transparent. Nur so ist es möglich, über die zukünftige Entwicklung des Marktes Prognosen zu erstellen. In der Praxis sind Beschaffungsmarktanalyse und -beobachtung oft eng miteinander verzahnt. ⇐
Aufgabe 9
199
Die Beschaffungsmarktbeobachtung macht das Marktgeschehen transparent
3.
Produktbewertung
Sehr enge Wechselbeziehungen bestehen zwischen der Beschaffungsmarktforschung und den Aufgabengebieten der Produktbewertung, zu denen hier (1) die Wertanalyse, (2) die Make-or-Buy-Analyse und (3) das Materialgruppenmanagement gerechnet werden sollen. Diese Methoden zielen darauf ab, durch teamorientiertes Vorgehen systematisch Einsparungspotenziale zu erkennen und zu nutzen.
3.1 Wertanalyse Definition nach DIN EN 1325-1
Als ein besonders wirkungsvolles Verfahren zur Kostensenkung hat sich die Wertanalyse erwiesen, wobei gemäß DIN EN 1325-1 (zuvor DIN 6919) unter diesem Begriff „das systematische analytische Durchdringen von Funktionsstrukturen mit dem Ziel einer abgestimmten Beeinflussung von deren Elementen (z.B. Kosten, Nutzen) in Richtung einer Wertsteigerung“ zu verstehen ist. Dabei sind zu unterscheiden: (1) Wertanalyse in der Planungs- und Entwicklungsphase eines Produktes (Value Engineering) (2) Wertanalyse am Fertigerzeugnis (Value Analysis)
Die Wertanalysemethode unterscheidet sich wesentlich von der herkömmlichen Rationalisierung
Aufgrund der Ergebnisse wertanalytischer Untersuchungen werden nicht oder nicht unbedingt erforderliche Funktionen bzw. Teile und Materialien eliminiert und für die verbleibenden Funktionen nach Möglichkeit kostengünstigere technische Lösungen getroffen, welche jedoch die Funktionstüchtigkeit des Erzeugnisses nicht beeinträchtigen.
200
Es geht bei der Wertanalysemethode nicht um Kosteneinsparungen um jeden Preis. Qualität und Funktionalität des Produktes, also der Wert, sollen nicht beeinträchtigt werden. Es geht um die Kosten, die entstehen, obwohl sie dem Kunden keinen Nutzen bringen und von ihm nicht honoriert werden. Der Unterschied der Wertanalyse zu den bisherigen Kostensenkungsverfahren ist sehr wesentlich. Während man nämlich herkömmlicherweise vom bestehenden Produkt ausgeht und in der Hauptsache die Material- und Lohnkosten untersucht, werden bei der Wertanalyse mit der Analyse der Funktionen auch die Entscheidungen der Konstruktion und der Arbeitsvorbereitung in Frage gestellt. Recycling- und Entsorgungsmöglichkeiten spielen hierbei eine bedeutende Rolle. Bezogen auf die Beschaffung besagt das: Der Einkäufer kauft nicht mehr, was die Technik bestellt. Er lässt sich die Funktionen, die erfüllt werden müssen, nennen und sucht von daher die preisgünstigste Beschaffungsmöglichkeit. 1 Ein Beispiel soll diesen Unterschied zu den konventionellen Aufgaben des Einkäufers klären helfen. Beispiel 18: In einer Schuhfabrik muss der Einkäufer, der sich in seiner Stellung als „Bestellabwickler“ versteht, bestimmte Felle für Winterschuhe beschaffen. Ihm bleibt die Aufgabe, dieses Material zum günstigsten Preis einzukaufen (Feststellung durch Angebotsanalyse). Der moderne Einkäufer, der sich als „Problemlöser“ versteht, kauft nicht bestimmte Felle, sondern funktionsmäßig Kälteschutz ein. Er geht also grundsätzlich davon aus, dass mehrere Materialien die gleiche Funktion ausüben können. Der Funktionswert bestimmt die Beschaffungspolitik (Feststellung durch Wertanalyse). Bei der konventionellen Angebotsanalyse, auf die selbstverständlich nicht verzichtet werden kann, wird von einem strengen Zusammenhang zwischen der Funktion eines Materials und dem Material selbst ausgegangen. Es geht darum, eine 1
Vgl. J. Sell, Erfolgschancen im Materialbereich, a.a.O., S. 19.
201
Allgemeines Beispiel zur Wertanalyse
Ware, die in allen Einzelheiten spezifiziert ist, möglichst preisgünstig einzukaufen. Mit der Wertanalyse wird dieser strenge Zusammenhang zwischen einem bestimmten Material und der Funktion dieses Materials in Frage gestellt. Es geht nicht mehr um Material und Teile, sondern um die Aufgaben und die Funktionen, die das Material oder die Teile zu erfüllen haben, um auf diesem Weg die Kosten herabzusetzen. Systematisch betriebene Wertanalyse
Die Wertanalyse ist für jede Betriebsgröße anwendbar. Jedoch können in größeren Unternehmungen mit oftmals mehreren Tausend Materialpositionen die wertanalytischen Aufgaben nicht „nebenbei“ erledigt werden. Intuition und Erfahrung reichen nicht. Vom Wertanalytiker sind mehr als nur oberflächliche kaufmännische und technische Kenntnisse zu verlangen. Das soll nachstehendes Beispiel der Praxis verdeutlichen. 1
Praxisbeispiel zur systematisch betriebenen Wertanalyse
Beispiel 19.1: Die SEMPERIT-Werke AG., Wien, sind ein Unternehmen, das Wertanalyse systematisch betreibt. Dazu ist jeder Einkaufsgruppe jeweils ein Wertanalytiker zugeordnet worden. Dieser erhält seine Aufgaben von der Einkaufsdirektion, die das Analysenprogramm festlegt und die Durchführung und den Erfolg überwacht. Während die anderen Mitarbeiter jeder Einkaufsgruppe die üblichen Einkaufstätigkeiten ausüben, beschäftigt sich der Wertanalytiker ausschließlich mit Kostenanalysen, Beschaffungsmarktforschung, Preisvergleichen, Ersparnisrechnungen. Er versucht durch Normung, Typisierung, Lieferantenwechsel, Qualitätsverbesserung, Materialsubstitution, Mengenkonzentration und anderen Verfahren, die Beschaffungskosten zu senken und die Materialqualität zu erhöhen. Er ist gleichzeitig als Kalkulator ausgebildet, um alle Beschaffungskostenkomponenten zur Beeinflussung freizulegen. Der Wertanalytiker hat die Kompetenz, in allen betrieblichen Bereichen Informationen zu sammeln und Untersuchungen zu fordern. Da der Einkauf bei SEMPERIT Direktionsbereich auf
1
Vgl. A. Boje, a.a.O., S. 102. - Das Beispiel zeigt zugleich, wie fließend die Aufgabenabgrenzung zwischen Beschaffungsmarktforschung und Wertanalyse in der Praxis ist. Auch wenn zwischenzeitlich die SEMPERIT-Werke AG als Spartenorganisation neu gegliedert wurde und damit im Zusammenhang auch die Wertanalyse nicht mehr in dieser institutionalisierten Form existiert, so erscheint dieses Beispiel doch nach wie vor richtungsweisend.
202
Vorstandsebene ist, genießt der Wertanalytiker gleichzeitig die Unterstützung des Vorstandes. Es ist zu erkennen, dass die Aufgaben des Wertanalytikers zwar sehr stark im Funktionsbereich Materialwirtschaft eingebunden sind, aber erfolgversprechend nur in Teamarbeit gelöst werden können. Vor allem gilt es, Mitarbeiter der Funktionsbereiche Entwicklung, Fertigung und Marketing zu gewinnen. Um nicht notwendige Kosten im Sinne des Value Engineering zu verhindern, bevor sie entstehen, muss die Initiative von den Bereichen der Technik ausgehen. Der Einkauf sollte aber auch hier aktiv eingeschaltet werden, da er die besten Verbindungen zum Markt hat und dadurch neue Werkstoffe, Herstellverfahren, Forschungsergebnisse, d.h. einen Teil des technischen Fortschritts vermitteln und damit kostenlos einkaufen kann. 1
Die Wertanalyse wird in Teamarbeit vorgenommen
Erst wenn für alle eine Vorschlags- und Mitsprachemöglichkeit besteht, ist auch die Gewähr einer optimalen wertanalytischen Entscheidung gegeben, die gleichzeitig fertigungstechnisch realisierbar und absatzpolitisch vertretbar ist. In Einzelfällen kann es sich - wie das nachfolgende Praxisbeispiel zeigt - als sinnvoll erweisen, gemeinsam mit Lieferanten, in der Regel mit Schlüssellieferanten, Wertanalyse zu betreiben. Vorraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit sind uneingeschränktes Vertrauen und offene Kommunikation. In jedem Fall zu vermeiden ist, dass sich der Lieferant als Verlierer betrachtet. Eine Win Win-Partnerschaft ist sicherzustellen. 2
Einbindung von Schlüssellieferanten
Beispiel 19.2: Erfahrungen eines nachrichtentechnischen Unternehmens mit der Kooperation zwischen Geschäftspartnern (Lieferanten).
Praxisbeispiel zur Wertanalyse mit Lieferanten
Allgemeine Daten
Beispiel
- Objektspektrum:
Erzeugnis, Dienstleistung
- Objektvolumen:
0, 5 bis ca. 2,5 Mio EUR
Produkt (Lot)
von gemeinsamem Interesse 0,5 Mio EUR Volumen Jahr 1 2
Vgl. J. Sell, Erfolgschancen im Materialbereich, a.a.O., S. 22. Siehe H. Hartmann, Lieferantenmanagement, a. a. O., S. 74 ff.
203
- Zielvorgabe:
10-20 % Kosteneinsparung
0,1 Mio EUR
- Aufwand:
ca. 150 Std. je Partner
300 Std.
für 4 bis 6 Sitzungen
4 Sitzungen
- Dauer der WA:
ca. 3 bis 5 Monate
4 Monate
- Realisierungsdauer:
innerhalb von 12 Monaten
8 Monate
- Erfolgsaufteilung:
Abnehmer erhält im allg. die
ca. 1 zu 10
volle erreichte Kostensenkung für eine Abnahme (0,5 Mio EUR) Hersteller erhält den Vorteil (9 Mio EUR) im Allgemeinen für sein meist erheblich größeres übriges Verkaufsvolumen (Gesamt-Produktionsvolumen 50 Mio EUR) - ∅ Ergebnis:
20 %
- Ausfallrate, Objekte: 5-6 %
Erläuterung des Anwendungsfalls: Allgemein Weichlote mit Flussmittelseele (Röhrenlote) werden insbesondere zum korrosionsfreien Weichlöten von Kupfer und Kupferlegierungen in der elektrotechnischen Industrie verwendet. Verwendungsbeispiel Zinn-Blei-Weichlot (L-Sn 60 Pb) für das Eintöten von elektrischen Bauelementen bzw. für Drahtverbindungen. Das Material wird in Ringen oder auf Rollen schutzverpackt geliefert. WA-Kooperation Eine 5-köpfige Arbeitsgruppe aus Mitgliedern der Herstellerund Abnehmerfirma hat in 4 Sitzungen mit einem Aufwand von insgesamt 300 Stunden innerhalb 4 Monaten gemeinsam Verbesserungsansätze mit ca. 21 % Kostenverbesserungspotential erarbeitet. Lösungsansätze zur Kosteneinsparung (Auszug) - Maßnahmen im Materialbereich: Zinnanteil für bestimmte Einsatzbereiche variieren, Einsatz von verhüttetem Material, Spulengewichte erhöhen,
204
-
-
Veränderung des Drahtform-Querschnittes. Maßnahmen aus der Verarbeitung, Handhabung: Wickelplätze mit Mehrfach-Wicklung ausstatten, Mehrfachverwendung von Einwegspulen, Änderung des Materialflusses, Veränderung des Verpackungsvorschriften, Einführung einer körperlosen Spule. allgemeine Maßnahmen: Veränderung im Verpackungs- und Versandbereich, Einsatz eines „Null-Fehler-“ und „Kostenverbesserungsprogramms“.
Wie das Praxisbeispiel exemplarisch zeigt, kann man durch systematisch betriebene Wertanalyse zu erheblichen Einsparungserfolgen kommen, die vor allem aus der betrieblichen Zusammenarbeit erwachsen. Dabei kann die Effizienz der Wertanalyse erhöht werden
Die Effizienz der Wertanalyse ist durch Verhaltensund Rationalisierungstechniken zu steigern
• durch Verwendung von Kreativitätstechniken, insbesondere von Brainstorming, • durch rationelle Differenzierung des Wertanalyseprogramms im Sinne des ABC-Prinzips. Eine unbewusst oder von Fall zu Fall betriebene Wertanalyse kann zwar nützlich sein, aber keinen nachhaltigen Erfolg bringen. Im Bereich der Materialwirtschaft braucht man für die Wertanalyse ausgebildete und erfahrene Einkäufer, die Untersuchungen für die Materialien und Dienstleistungen durchführen, für die sie zuständig sind, oder an entsprechender Teamarbeit mitwirken. Auch die teamorientierte Design-to-Cost-Methode, an der der Einkauf im Rahmen des Advanced Purchasing beteiligt sein sollte, erfordert zwecks systematischer Vorgehensweise in der Anfangsphase die Anwendung der Wertanalyse. Da die wertanalytischen Untersuchungen nicht ohne Beziehung zur Kalkulation und Kostenrechnung durchzuführen sind, muss jeder Einkäufer sich mit allen heute praktizierten Kalkulationsverfahren und Preisbildungsmöglichkeiten auseinandersetzen können. Er muss in der Lage sein, die Kostenrechnung und Kalkulation des Lieferanten nachzuvollziehen.
205
Der Einkäufer trägt im Wertanalyseteam aufgrund seiner vielfältigen Beziehungen zu den Lieferanten eine hohe Verantwortung
Die Kosten- und Preisanalyse ist ein Aufgabengebiet der Produktbewertung und zielt auf eine Untersuchung der Einzelbestandteile der Kalkulation des Lieferanten ab
Eine Kosten- und Preisstrukturanalyse - in Verbindung mit der Wertanalyse ein Aufgabengebiet der Produktbewertung - zielt darauf ab, -
ungerechtfertigte Gemeinkostenzurechnungen aufzudecken, Fehler bei der Ermittlung der Herstellkosten zu erkennen, eine Produzentenrente aufgrund sog. Preisführerschaft aufzudecken, die Anwendung falscher Kalkulationsverfahren nachzuweisen usw.
Im Zusammenhang damit muss der moderne Einkäufer Kapazitätsberechnungen anstellen, um beurteilen zu können, ob er von seinem Lieferanten einen Vollkosten- oder Grenzkostenpreis verlangen kann. 1 Die Wirksamkeit der Kosten- und Preisstrukturanalyse, die am zweckmäßigsten in Form einer eigenen Kalkulation durchgeführt wird, hängt natürlich von der Möglichkeit der Informationsbeschaffung ab.
3.2 Make-or-Buy-Analyse Die Spannweite von Make-or-BuyEntscheidungen
Die Frage, ob ein Unternehmen bestimmte Teile oder Baugruppen, die es zur Fertigung seiner eigenen Produkte benötigt, selber herstellen oder zukaufen (Fremdbezug) bzw. fertigen lassen sollte (fremde Lohnarbeit, verlängerte Werkbank), ob es bestimmte Dienstleistungen mit eigenen Mitarbeitern erbringen sollte oder kostengünstiger vom Markt beziehen kann, stellt sich in der Praxis immer wieder und ist mit der zunehmenden Entwicklung unternehmensübergreifender logistischer Systeme immer häufiger zu stellen. Im Einzelnen können damit Gegenstand einer Make-or-BuyAnalyse -
Produkte,
1
Vgl. dazu auch im fünften Abschnitt unter Ziffer 2.1.3.1 (materielle Angebotsprüfung).
206
-
Technologien, Dienstleistungen und Funktionen (Aufgaben)
sein. Diese grundsätzliche Aussage ist sicher unstrittig. Probleme treten erst dann auf, wenn bestehende Make-or-BuyStrukturen in der Wertschöpfungskette in Frage gestellt werden und verkrustete Strukturen und Prozesse aufzubrechen sind. Grundsätzlich sollte sichergestellt werden, dass keine der oben genannten Objektgruppen dem Zugriff einer objektiven Make-or-Buy-Analyse entzogen wird. Der Weg zu einer Optimierung der Wertschöpfungskette wird erschwert, wenn sich die Untersuchung nur auf eine Anzahl von „Stiefkindern“ des Unternehmens konzentriert.
Überprüfung der eigenen Wertschöpfung
Wenn es um Make-or-Buy-Entscheidungen geht, sind folgende Kernfragen aus unternehmenspolitischer Sicht kritisch zu beantworten: -
Was können wir besser als alle anderen?
-
Was müssen wir selber tun, um auf dem Absatzmarkt die Unternehmensziele verwirklichen zu können?
-
Welche Funktionen oder Leistungen müssen wir selbst erbringen, weil wir darauf spezialisiert sind, weil sie zu unseren Kernkompetenzen gehören?
-
Wo sind bei Fremdbezug oder Fremdleistung gravierende Nachteile für das Unternehmen zu erwarten?
Der Outsourcing-Begriff deutet die strategische Zielrichtung des Entscheidungsproblems an. Es gilt, Objekte zu finden und auszulagern („outzusourcen“), für die Lieferanten und Einkaufsdienstleister aufgrund ihres Spezialisierungsgrades günstiger Leistungen erbringen können. Die eigenen Ressourcen werden auf die Kernbereiche konzentriert (s.o.), die für die Wettbewerbsfähigkeit entscheidend sind.
207
Der Begriff Outsourcing gibt die strategische Zielrichtung an
Bestimmung der Kernkompetenzen
Erfolgreiche Make-or-Buy-Entscheidungen setzen voraus, dass man sich intensiv mit dem Problem befasst, welche Objekte (Produkte, Technologien, Dienstleistungen, Funktionen) zu den Kernkompetenzen oder Primärfunktionen einer Unternehmung gehören und welche zu den Randkompetenzen oder Sekundärfunktionen zu rechnen sind. Die strategische Zielrichtung dieser Überlegungen ist, dass nur Randkompetenzen oder Sekundärfunktionen ausgelagert werden sollten, da diese die Wettbewerbsfähigkeit einer Unternehmung nicht entscheidend verbessern. Die Frage nach der optimalen Make-or-Buy-Struktur wird in der Praxis noch nicht mit dem notwendigen Stellenwert versehen. Allgemeine Merkmale wie Qualität, Lieferfähigkeit oder Kundenzufriedenheit sind als Beschreibung dessen, was als Kernkompetenz betrachtet werden soll, zu wenig konkret. In der Regel sollte auf Fremdbezug oder Fremdleistung dann umgeschaltet werden, wenn die Barrieren der Auslagerung (wie z.B. die Schutzbedürftigkeit des Know-how, die Gefahr der Abhängigkeit von Lieferanten sowie der Umstellungsaufwand) relativ niedrig sind. Outsourcing-Aktivitäten sind daher in vielen frei zugänglichen Technologien (wie Oberflächen- und Wärmebehandlung) oder beim Spektrum der unspezifischen Dienstleistungen (Buchhaltung, Lohnabrechnung, Kantine) anzutreffen. Angesichts der mannigfaltigen Erscheinungsformen von Outsourcing-Strategien wollen wir uns im folgenden auf eine Darstellung der klassischen produktionsspezifischen Make-or-BuyAnalyse und der Outsourcing-Strategien bei C-Teilen beschränken. Dabei soll insbesondere die Rolle, die der Einkauf als Kontaktstelle der Unternehmung zum Beschaffungsmarkt auf diesen Gebieten spielen kann, deutlich werden.
208
3.2.1 Produktionsspezifische Make-or-Buy-Analyse In vielen Branchen hat sich die eigene Wertschöpfung und damit die Fertigungstiefe in den letzten Jahren zunehmend verringert. Die Versorgung des Unternehmens mit Gütern und Dienstleistungen aus dem Beschaffungsmarkt hat dementsprechend entscheidend zugenommen. Die Materialintensität liegt in der verarbeitenden Industrie bereits deutlich über 50 %. 1
Gründe für die Reduzierung der Fertigungstiefe
Diese Entwicklung lässt sich im Wesentlichen darauf zurückführen, dass -
zunehmender Konkurrenz- und Kostendruck die Suche nach günstigeren Bezugsquellen in Billiglohnländern ausgelöst hat,
-
spezialisiertes Lieferanten-Know-how vorhanden ist,
-
der Trend zu immer komplexeren Erzeugnissen zur Erscheinung des Modular Sourcing beigetragen hat,
-
die zunehmende Kapitalintensität der Produktion das Risiko der Fixkostenbelastung bei Eigenfertigung erhöht hat.
Aufgrund der hohen strategischen Bedeutung der Entscheidung über die Fertigungstiefe liegt ein entsprechender Beschluss allein in der Verantwortung der Unternehmensführung. Mit abnehmender strategischer Bedeutung können diese Entscheidungen über die optimale Fertigungstiefe im Rahmen der Budgetierung an dezentrale Funktionsträger delegiert werden. Wichtigste Entscheidungsträger sind in diesem Zusammenhang der Einkauf und die Produktion, weil sie über die Teilprozesse Beschaffung und Fertigung wesentlichen Einfluss auf die diesbezüglichen Entscheidungen ausüben. Darüber hinaus ist es sinnvoll, in die Projektorganisation alle anderen von einer solchen Entscheidung betroffenen Abteilungen - wie in Abb. 36.1 dargestellt - einzubeziehen. 1
Siehe Tabelle 1.1 im ersten Abschnitt. - Will man den Wertschöpfungsanteil mithilfe von amtlichen Statistiken oder Geschäftsberichten ermitteln, so kann man diesen näherungsweise als Differenz von Umsatzerlösen und Materialaufwendungen berechnen.
209
Entscheidungsträger für die Wahl der optimalen Fertigungstiefe
Unternehmensführung Impulse/ Eckdaten Verkauf
Zentralcontrolling
Forschung und Entwicklung
Bedarfsmenge
Anweisungen
Technische Unterlagen
Fertigungsplanung
Qualitätssicherung
Forschung und Entwicklung
Einkauf
Personalabteilung
Fertigungstechnische Daten
Kosten/ Investition
Kosten/ Investition
Lieferantenanalyse
Personalauswirkungen
Controller Werk
Controller Beschaffung
Eigenfertigungskosten
Kosten Fremdbezug
Zentralcontrolling Prüfung/Wirtschaftlichkeitsempfehlung Aufbereitung nicht quantifizierbarer Entscheidungskriterien
Make-or-Buy Team Strategieentwicklung
Unternehmensführung Entscheidung
Abbildung 36.1:
Ablauf einer Make-or-Buy-Grundsatzentscheidung in einem Großunternehmen
Für die Projektleitung sollte eine von der Entscheidung nicht unmittelbar betroffene Abteilung (z.B. zentrale Unternehmensplanung oder Controlling) benannt werden, um sicherzustellen, dass die Entscheidung über die Optimierung der Fertigungstiefe nach rationalen Gesichtspunkten getroffen wird. Denn in der Regel sind die Intentionen der am Entscheidungsprozess beteiligten Funktionen, vor allen des Einkaufs und der Produktion, durchaus unterschiedlich. So ist die Sichtweise des Einkaufs in erster Linie geprägt durch das bestands- und beschaffungsinduzierte Kostenmanagement, während die Produktion vor allem die Auslastung der verfügbaren Kapazitäten im Blickfeld hat.
210
Einen Überblick über die Kriterien, die im Allgemeinen auf die Entscheidung zwischen Make-or-Buy einwirken, gibt Abb. 36.2. Das Abwägen der unterschiedlichen Einflussgrößen bedarf einer Systematisierung. Die Gewichtung der Faktoren kann mithilfe eines Fragebogens und einer Wertungsskala vereinfacht werden. 1
Make-or-BuyEntscheidungskriterien
Entscheidungskriterien Entscheidungskriterien
nicht quantifizierbare nicht quantifizierbare Kriterien Kriterien
quantifizierbare quantifizierbare Kriterien Kriterien
Unternehmen Unternehmen
Personal Personal
Produktion Produktion
Produkt Produkt
- Politik - Politik - Umwelt - Umwelt - Flexibilität - Flexibilität - Sicherheit/Zeit - Sicherheit/Zeit - Fertigungstiefe - Fertigungstiefe
- Politik - Politik - Engpässe - Engpässe - Qualifikation - Qualifikation - Zusatzbedarf - Zusatzbedarf
- Politik - Politik - Kapazität - Kapazität - Sicherheit - Sicherheit - Auslastung - Auslastung - Know-How - Know-How
- Politik - Politik - Qualität - Qualität - Flexibilität - Flexibilität - Forschung - Forschung - Technologie - Technologie
Abbildung 36.2:
Kosten Kosten Investitionen Investitionen Finanzierung Finanzierung BeurteilungsBeurteilungskriterien kriterien - Rendite - Rendite - Kapitalwert - Kapitalwert - Kostendifferenz - Kostendifferenz - Amortisationszeit - Amortisationszeit
Make-or-Buy-Entscheidungskriterien
Eine wichtige Einflussgröße bei Make-or-Buy-Entscheidungen sind die Kosten, die im Fall der Eigenfertigung und bei Fremdbezug anfallen würden. Bei diesem Kostenvergleich ist zu beachten, dass eine Rechnung zu Vollkosten ungeeignet ist und nur die entscheidungsrelevanten Kosten in den Kostenvergleich einzubeziehen sind. Unter relevanten Kosten sind diejenigen Kosten zu verstehen, die durch die Einführung einer neuen Maßnahme entstehen. Welche Kosten dies sind, hängt von dem konkreten Anlass und den Gegebenheiten der Entscheidungssituation ab, insbesondere davon, ob -
die Wahl zwischen Eigenfertigung und Fremdbezug eine Entscheidung auf kurze oder auf längere Sicht darstellt und ob
1
Siehe H. Orths, Von der Kundenorientierung zum Supply Management, a.a.O., S. 43 ff.
211
Das Wirtschaftlichkeitsproblem
-
die für die Eigenfertigung in Frage kommende Werkstatt oder Fertigungsstufe unterbeschäftigt ist oder einen Engpass darstellt.
Voraussetzung für eine zuverlässige kostenrechnerische Entscheidungshilfe ist also die Auflösung der einzelnen Kostenarten nach fixen und variablen Bestandteilen, bei längerfristiger Betrachtung auch die Einbeziehung sogenannter sprungfixer Kosten. 1 Transaktionskosten: Problematik ihrer Quantifizierbarkeit
Bei der Entscheidung über Make-or-Buy spielen neben den produktionskostenspezifischen Überlegungen auch die Transaktionskosten, das heißt die Kosten für die Informationsbeschaffung und Koordination eine wesentliche Rolle. Die Problematik liegt hier darin, dass sich diese Kosten in der Praxis nicht genau quantifizieren lassen.
Die Rolle des Einkaufs
Die produktionsspezifische Make-or-Buy-Frage ist schon immer ein Reizproblem für den Einkauf gewesen, steht doch diese Funktion unter Zugzwang nach dem amerikanischen Grundsatz: „Buy it; only if you cannot buy it, make it.“ Die einfache Denkweise, nach der vom Einkauf grundsätzlich nur die Teile und Baugruppen zu beschaffen sind, die nicht selbst gefertigt werden können oder sollen, wird immer seltener zu akzeptieren sein. Im Einzelnen ist vom Einkauf moderner Prägung zu erwarten, dass er • gezielt die Make-or-Buy-Frage im Unternehmen stellt und zur gleichen Zeit beschaffungsseitig Lösungen aufzeigt, • zum Protagonisten von Buy-Entscheidungen wird und sich seiner Wettbewerbsposition zur Produktion im eigenen Unternehmen bewusst ist, • in der Lage und bereit ist, die unvermeidbaren Konflikte mit der Produktion auszutragen und
1
Siehe im Einzelnen Arnold/Heege/Tussing, a.a.O., S. 337 ff.
212
• im komplexen Entscheidungsprozess sein Know-how im Interesse einer kostenoptimalen Erfüllung der Kundenanforderungen mit der notwendigen Überzeugungskraft und dem erforderlichen Weitblick einbringt. Will der Einkauf zur angestrebten Optimierung der Fertigungstiefe entscheidend beitragen, so wird er sich in seiner Grundeinstellung zum „schlechten Gewissen“ 1 der Eigenfertigung entwickeln müssen. Diese kritische Grundposition muss nicht zwangsläufig zum Outsourcing führen, sondern bedeutet zunächst nicht mehr als das „In-Frage-stellen“ der Ist-Situation. Aus der Analyse können sich auch Anregungen für Verbesserungen im Bereich der Eigenfertigung ergeben. ⇐
Aufgabe 10
3.2.2 C-Teile spezifische Make-or-Buy-Analyse Die Probleme des Einkaufs - vor allem in der mittelständischen Industrie - sind bekannt: -
Zu starke zeitliche Inanspruchnahme durch routinemäßige verwaltende und dispositive Tätigkeiten (disponieren, bestellen, Termine überwachen, Reklamationen bearbeiten, Rechnungen prüfen etc.)
-
Keine methodische und kostenorientierte Vorgehensweise in den Abläufen bei den unterschiedlichen Materialgruppen (A-, B-, C-Teilen)
-
Zu einseitige Orientierung der Einkaufsentscheidungen am Einkaufspreis
-
Zu hoher Aufwand für das Lieferantenmanagement durch Lieferantenvielfalt
-
Denk- und Handlungsweisen noch nicht prozess- und marktorientiert
1
Vgl. F. Kern, Einkaufsmarketing, Freiburg 1991, S. 189.
213
Vielfach zu hoher Verwaltungsaufwand im Einkauf
-
Zu knappe personelle Ausstattung
-
Mangelhafte Information und Schulung der Mitarbeiter
Komplexität des Beschaffungsprozesses auch bei C-Teilen
Verbesserungen lassen sich erreichen, wenn die Abläufe in Einkauf und Logistik in die Optimierungsbemühungen aller betrieblichen Prozesse mit einbezogen werden. Ein wesentlicher Ansatzpunkt ist hierbei der Beschaffungsprozess von C-Teilen 1 . In der Regel steht hier der Beschaffungsaufwand in keinem vertretbaren Verhältnis zum Teile-Preis bzw. Bestellwert. Man muss sich fragen, ob Unternehmen strategisch richtig ausgerichtet sind, wenn bis zur letzten Schraube Beschaffungsautonomie praktiziert wird.
Outsourcing von Routinetätigkeiten führt zum Kapazitätsgewinn im Einkauf
Durch die Auslagerung der Beschaffung von C-Teilen und/oder von Gemeinkostenmaterial an einen externen Dienstleister wird die eigene Einkaufsabteilung von den routinemäßigen Tätigkeiten der Bestellabwicklung entlastet. Die Mitarbeiter können sich nunmehr auf A-Teile, A-Lieferanten und A-Aktivitäten konzentrieren. Sie können für die Wahrnehmung ihrer Kernkompetenzen wie Markt-, Lieferanten- und Preisanalysen mehr Zeit aufbringen. Ausschließlich in sehr großen Einkaufsabteilungen kann es zur Reduzierung einfacher Sachbearbeiterpositionen kommen. Sofern Outsourcing nicht nur als ein Instrument zur Personalfreisetzung, sondern als strategische Option begriffen wird, stellt sich dieses als ein umfassendes, zukunftsorientiertes und die Mitarbeiter motivierendes Konzept und nicht - als Flickzeug für den Fall der Reifenpanne dar!
Analyse des CTeilespektrums
Es stellt sich also im Sinne einer Make-or-Buy-Analyse die Frage, -
für welche Teile bzw. Teilegruppen Fremdbeschaffung angestrebt werden sollte und welche Sekundärfunktionen im Zusammenhang damit auf leistungsfähige Dienstleister übertragen werden könnten.
1
Siehe ausführlich dazu H. Sackstetter / R. Schottmüller, C-Teile-Management, Gernsbach 2001.
214
Die Spannweite des teilespezifischen Outsourcing-Potenzials ist in aller Regel breit bemessen und durch den aus der ABCAnalyse abgeleiteten Begriff des C-Teile-Management nur unzureichend definiert. 1 Grundsätzlich können folgende Produktgruppen für eine Outsourcing-Strategie herangezogen werden: -
Produktionsmaterial - DIN-Teile (z.B. Schrauben, Muttern) - Kleinteile (z.B. Federn, Dichtungsringe) - Elektroteile (z.B. Stecker, Klemmen, Hülsen)
-
Nicht-Produktionsmaterial - Betriebsstoffe (z.B. Schmieröl, Schweißspray) - Verbrauchswerkzeuge (z.B. Bohrer, Schleifscheiben) - Arbeitsschutz (z.B. Handschuhe, Arbeitsschuhe, Schutzkleidung) - Betriebshygiene (z.B. Papierhandtücher, Reinigungsmaterial) - EDV- und Bürobedarf (z.B. laut Katalog) - Verpackungsmaterial
Die Entscheidungskriterien, die für oder wider einer Auslagerung stehen (vgl. Abb. 36.2), sind auch für die Betrachtung des Einkaufs von maßgeblicher Bedeutung: Zum einen der Zeitund Flexibilitätsgewinn, zum anderen die Kostenreduzierung insbesondere bei den Prozesskosten der Beschaffung. Dabei muss mit den tatsächlich relevanten Kosten für die Eigenleistung gerechnet werden. 2 Es ist außerdem zu prüfen, wie effizient ein externer Dienstleister die Aktivitäten der gesamten Prozesskette in der Beschaffung erfüllen kann. Im Allgemeinen greift ein reiner Kostenvergleich zu kurz. Vielmehr kann in der Regel die Vorteilhaftigkeit von OutsourcingKonzepten durch den Opportunitätsgedanken 3 begründet werden. 1
Vgl. H. Schneider, Outsourcing von Beschaffungsprozessen, Gernsbach 1998, S. 27 ff. - Es handelt sich dabei um eine Untersuchung für den Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME), die in der BMEExpertenreihe als Band 2 erschienen ist. 2 Zur Problematik der Prozesskostenrechnung siehe im ersten Abschnitt unter Ziffer 3.1. 3 Einem Unternehmen entgehen Gewinne, wenn es seine knappen Ressourcen in auslagerbare Randkompetenzen bzw. Sekundärfunktionen bindet, anstatt sie
215
Ein reiner Kostenvergleich greift zu kurz
Auswahl des externen Dienstleisters
Der externe Dienstleister muss über fachliche Kompetenz und Marktkenntnis verfügen. Serviceorientierung und Flexibilität sind ebenso wichtig wie ein überzeugendes Logistikkonzept und Zuverlässigkeit. Ferner gehören leistungsfähiges Personal, hinreichende Lagerkapazität, eine ausreichende Kapitalausstattung und ein überzeugendes Preis-Leistungs-Verhältnis zu den unerlässlichen Anforderungen, die ein externer Dienstleister erfüllen muss. 1 •
Patentrezepte für das Outsourcing in der Beschaffung gibt es nicht. In jedem Einzelfall muss eine spezifische Arbeitsteilung mit dem externen Dienstleister aufgebaut werden.
Das nachfolgende Beispiel macht deutlich, dass in der Praxis jede Outsourcing-Entscheidung unternehmensindividuell getroffen und umgesetzt werden muss. Praxisbeispiel zum Outsourcing von C-Teilen
Beispiel 20.1: Die E.C.H. Will GmbH, Hamburg, stellt mit ca. 540 Mitarbeitern Maschinen für die papierherstellende und -verarbeitende Industrie her, wie z.B. Kleinformatschneider für die Herstellung von Kopierpapier, Verarbeitungslinien für die Herstellung von Schulheften usw. Um die Gefahr von Versorgungsengpässen zu beseitigen und die logistische Abwicklung zu vereinfachen, hat das Unternehmen bereits 1993 eine Lösung gefunden und die Beschaffung von Schrauben, Scheiben und ähnlichen Kleinteilen komplett nach Abstimmung mit der Qualitätssicherung einem ortsansässigen Dienstleister (AN) übertragen. Der mit dem AN abgeschlossene Rahmenvertrag sieht im Wesentlichen folgende Vereinbarungen vor: -
Die sich in der Montage befindlichen Regale und Lagersichtbehälter verbleiben im Eigentum der Firma Will. Für Sondermaterialien ist eine andersartige Farbe der Behälter vorgesehen. Für sog. Renner stehen zwei, z.T. drei Behälter nebeneinander. (Die Kanban-Steuerung konnte aufgrund
in höher rentierliche Kernkompetenzen zu investieren. Die auf diese Weise entgangenen Gewinne werden als Opportunitätskosten bezeichnet. Das unternehmenspolitisch Entscheidende an diesem Kriterium ist, dass es auch dann als empfehlenswert angesehen werden muss, Leistungen an einen externen Dienstleister zu vergeben, wenn der Preis für den externen Dienstleister gleich hoch oder höher als die entsprechenden Selbstkosten ist. 1 Siehe auch in diesem Abschnitt unter Ziffer 4.2.2.3.
216
des damit verbundenen größeren Platzbedarfs - in diesem Fall stehen die Behälter hintereinander - nicht realisiert werden.) -
Jeder Lagersichtkasten ist mit einem Barcodeaufkleber versehen. Barcodeerstellung und -anbringung nimmt der AN vor.
-
Die erste Befüllung der Behälter erfolgt im Sinne eines Konsignationslagers zu Lasten des AN, die Wiederauffüllung zu Lasten von Will.
-
Der AN prüft dreimal pro Woche den aktuellen Bestand, liest mittels eines Scanners den nachzufüllenden Artikel ein und gibt den Verbrauchsbedarf ein. Am folgenden Tag wird der Lagersichtbehälter selbständig von ihm entsprechend aufgefüllt.
-
Ein Lagermitarbeiter überprüft die Lieferscheinangabe stichprobenartig mit der Lieferung und quittiert auf dem Lieferschein.
-
In der Regel erfolgt die Berechnung der Verbräuche 14tägig, auf Wunsch auch monatlich.
-
Die Buchhaltung vergleicht bei höherwertigen Positionen mit den vereinbarten und in einer Preisliste festgehaltenen Konditionen.
-
Um eine bestimmte Qualität sicherzustellen, schreibt Will in der Regel die Schraubenhersteller vor, von denen der AN die Teile zu beziehen hat.
-
Der AN berät Will in Standardisierungsfragen und nimmt auf Wunsch eine ABC-Analyse vor.
-
Für Artikel, die nicht zum Normalsortiment des AN gehören und zusätzlich von ihm beschafft werden, erfolgt eine Vergütung nach Arbeitsaufwand und Wertbetrachtung.
Das realisierte Outsourcing-Konzept und weitere Dezentralisierungs-Maßnahmen bei der C-Teile-Beschaffung haben im Ein-
217
kauf dazu geführt, dass den Mitarbeitern wesentlich mehr Zeit für die Wahrnehmung strategischer Aufgaben zur Verfügung steht. Abb. 37 veranschaulicht, wie sich der Ablauf im Einkauf, aber auch in anderen materialwirtschaftlichen Funktionen (z.B. der Warenannahme und der Lagerverwaltung) durch die Einschaltung eines leistungsfähigen Dienstleisters und der Realisierung „schlanker Verfahren“ vereinfacht hat.
Tätigkeiten des Kunden ohne Dienstleister 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Bedarfserfassung Disposition Einholung von Angeboten Bestellung Wareneingang Empfangsquittierter Lieferschein
7. 8. 9. 10.
Reklamationsbearbeitung Innerbetriebl. Transport Einlagerung Prüfung von Einzelrechnungen
11. Bezahlung von Einzelrechnungen
Abbildung 37:
mit Dienstleister
6. Empfangsquittierter Lieferschein
10. Prüfung einer Sammelrechnung 11. Bezahlung einer Sammelrechnung
Outsourcing von C-Teilen: Kapazitätsgewinn für Einkauf und Logistik (Beispiel aus der Praxis)
3.3 Materialgruppenmanagement Konzeption des Materialgruppenmanagement (MGM)
Die Konzeption des Materialgruppenmanagement (MGM) basiert auf organisationsübergreifendem Beschaffungsmanagement, das durch teamorientierte Zusammenarbeit von Einkäufern, Bedarfsträgern und Organisatoren getragen wird. 1 Demnach überlagern die MGMs die operativen Einheiten. Ihre Aufgabe ist die Koordination und die Optimierung der Beschaffungstätigkeit, um Größenvorteile, Rationalisierungspotenziale 1
Siehe W. Kalbfuß / G. Rüdrich (Hrsg.), Materialgruppenmanagement - Quantensprung in der Beschaffung, Wiesbaden 1999, S. 11.
218
und vorhandenes Know-how, das heißt die Synergien dezentraler Organisationseinheiten (z.B. eines Unternehmensverbundes) zu nutzen. Die folgenden Aufgabenfelder dienen als Orientierung für die MGM-Arbeit, die Präzisierung erfolgt in den Teams: -
Koordinierung der Beschaffung mehrerer Organisationseinheiten innerhalb ausgewählter Materialgruppen oder Dienstleistungen, d.h. ausdrücklich nicht für alle Gruppen
-
Koordinierung der Bestände und des Materialflusses innerhalb der selektierten Materialgruppe
-
Analyse und Gestaltung der Beschaffungsprozesse in einer Material-/Leistungsgruppe und der Schnittstellen
-
Ständige Optimierung der Kommunikation von Material-, Leistungs- und Lieferantendaten
-
Analyse des für die ausgewählte Material-/Leistungsgruppe relevanten Beschaffungsmarktes
Beispiel 20.2: In Abb. 38 ist die MGM-Organisation, wie sie sich in der SchottZeiss-Gruppe darstellt, wiedergegeben. Diese setzt sich aus vier Gremien zusammen:
• MGM-Team Im MGM-Team sind Techniker, Einkäufer und Organisatoren verschiedener Organisationseinheiten der Zeiss-Stiftung vertreten. Sie sind als Team verantwortlich für die Durchführung der Aufgaben und die Zielerreichung des MGM. Ein Mitglied des Materialgruppenteams übernimmt die Federführung in der Regel für drei, aber mindestens für ein Geschäftsjahr. Es besteht die Möglichkeit, jederzeit neue MGMs zu entwickeln. Entdecken Mitarbeiter der Zeiss-Stiftung Materialoder Dienstleistungsgruppen, die nicht bereits in einem MGM bearbeitet werden und ihnen lohnenswert erscheinen, greifen sie die MGM-Idee auf. Es sind von ihnen im Rahmen einer Grobskizze die möglichen Ziele und Ergebnisse, die
219
Aufgaben des MGM
Praxisbeispiel zur Materialgruppenmanagement-Organisation
mit dem MGM erreicht werden können, zu schildern. In der Grobskizze sind außerdem die Aufgaben und die Organisation des zu konstituierenden MGM zu beschreiben. Eine erste Schätzung des Aufwands und des Nutzens des MGM sollte schon vorliegen. Wird eine MGM-Idee von einem Mitarbeiter der ZeissStiftung aufgegriffen, so kann er eine Initiativgruppe bilden, die für die Grobskizze verantwortlich zeichnet. Die Initiativgruppe setzt sich in dieser Phase aus Einkäufern und Technikern besonders von der Materialgruppe betroffenen Bereiche zusammen. Die Initiativgruppe entspricht nicht unbedingt dem später zu bildenden MGM-Team. Ist die Grobskizze erstellt, so wird sie vor der MGM-Koordination präsentiert.
• MGM-Koordination Zwischen den MGMs und dem MGM-Ausschuss befindet sich die MGM-Koordination. Die MGM-Koordination wird vom MGM-Ausschuss berufen. Ihre Aufgaben liegen in der Unterstützung der MGM-Teams und in der Abstimmung der MGM-Strategien. Sie ist Bindeglied zum MGM-Ausschuss. Die MGM-Koordination beurteilt neue MGM-Ideen an sich und im Vergleich zu anderen MGMs. • MGM-Ausschuss Für auftretende Konflikte und Entscheidungszäsuren in der MGM-Organisation ist der MGM-Ausschuss zuständig. Ihm obliegt die Freigabe von Materialgruppen zur Bearbeitung in einem MGM-Team. Der MGM-Ausschuss wird von den Vorständen von ZEISS und der Zeiss-Stiftung berufen und ist diesen rechenschaftspflichtig.
• Fachberatung Bei Bedarf steht aus der Linie Beratung zu Controlling, Beschaffungsmarketing, Logistik, Betriebsorganisation und DVKommunikation zur Verfügung.
220
Unternehmensführung Unternehmensführung
MGM-Ausschuß MGM-Ausschuß Controlling Controlling Besch.marketing Besch.marketing
Fachberatung Fachberatung
MGM-Koordination
MGMTeam
Abbildung 38:
Organisation des Materialgruppenmanagement (Beispiel aus der Praxis)
In der Vergangenheit lag eine organisatorische Schwäche darin, dass viele Aktivitäten zur Verbesserung der Ergebnisse als Einzelaktionen angelegt waren und weitere Wirkung nach kurzer Zeit ausblieb. Durch das Materialgruppenmanagement ist ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) sichergestellt. Die Erfolge beruhen im Wesentlichen auf • der interfunktionalen und unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit und • der ganzheitlichen und zielorientierten Vorgehensweise. Darüber hinaus sind die Strukturen und Regeln des Projektmanagement als die wichtigsten Erfolgsfaktoren des Materialgruppenmanagement anzusehen. 1
1
Siehe W. Kalbfuß / G. Rüdrich (Hrsg.), a.a.O., S. 61.
221
Effizienzsteigerung in Einkauf und Logistik
4.
Begriff, Zielsetzungen und Inhalt der Beschaffungsplanung
Die Beschaffungsplanung
Der oft zitierte Spruch „Wer nicht plant, ist ein Verschwender“ gilt auch für die Beschaffung. Dabei ist unerheblich, wie die Beschaffungsplanung inhaltlich definiert wird. Im engeren Sinne beinhaltet sie die mengen- und wertmäßige Festlegung der Bestände und des Einkaufsplans. 1 Im weiteren Sinne umfasst sie auch die operative Planung des Beschaffungsvollzuges, wie die Festlegung der Bereitstellungsprinzipien, der Beschaffungswege, der Beschaffungszeitpunkte u.a.m. 2 Da diese Fragen mit der Mengen- und Ausgabenplanung (Budgetierung) verknüpft sind, sollen sie hier mitbehandelt werden. 3 Die Beschaffungsplanung ist ein unentbehrliches Instrument des Materialmanagement zur Verwirklichung der im Rahmen der Beschaffungs- und Vorratspolitik gesteckten Zielsetzungen, die letztendlich zum Inhalt haben • einen maximalen Beitrag zur Absicherung und Stabilisierung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu leisten, ausgerichtet an den Erfolgsfaktoren Versorgung und Entsorgung, Prozess- und Produktqualität, Lieferflexibilität und Liefertreue, Serviceumfang und Servicegrad.
Strategische Beschaffungsplanung legt längerfristig die Zielrichtung fest
Dabei bewegt sich die operative Beschaffungsplanung innerhalb der von der strategischen Beschaffungsplanung festgelegten Determinanten. Diese können u.a. zum Inhalt haben: -
Sourcing-Konzepte (Global Sourcing, Modular Sourcing, Single Sourcing, Outsourcing etc.)
1
So E. Grochla, Grundlagen der Materialwirtschaft, a.a.O., S. 69 ff und S. 101 ff. - Grochla trennt hier zwischen der Planung der Materialbeschaffung und der Planung der Vorratshaltung. So auch H. Stark, Beschaffungsplanung und Budgetierung, Hrsg.: BME, Wiesbaden (o.J.), S. 28 ff. 2 Vgl. E. Heinen, Industriebetriebslehre, a.a.O., S. 277 ff. Eine sehr weite Begriffsfassung liegt auch der Arbeit von Strache zugrunde. Siehe H. Strache, Preise senken - Gewinn einkaufen, a.a.O., S. 37. 3 Man könnte allenfalls die Mengenplanung und Budgetierung als Prognoseplanung und die Planung der Beschaffungswege usw. als Vollzugs- oder Maßnahmenplanung bezeichnen.
222
-
-
Lieferantenmanagement (Optimierung der Lieferantenzahl, Zusammenarbeit mit bevorzugten Lieferanten, SupportMaßnahmen (z.B. Workshops) zur Lieferantenentwicklung etc.) Early Supplier Involvement (z.B. Früheinbindung bevorzugter Lieferanten in den Entwicklungsprozess) Bündelung/Einkaufskooperationen (z.B. Materialgruppenmanagement) Time Based Management (z.B. Verringerung der Entwicklungszeiten, der Beschaffungs- und der Durchlaufzeiten) Make-or-Buy-Analysen
Inhaltlich zeichnet sich die langfristig angelegte strategische Beschaffungsplanung dadurch aus, dass sie Entscheidungen mit generellem Charakter trifft, das heißt Entscheidungen, die sich auf Materialgruppen, Beschaffungsmärkte und Lieferantenmanagement (Auswahl und Entwicklung von Lieferanten) beziehen, allgemeine Verhaltensgrundsätze im Einkauf und in der Logistik festlegen und organisatorische Rahmenbedingungen schaffen. Es leuchtet ein, dass Unternehmungen ohne integrierte (operative und strategische) Beschaffungsplanung die quantitativ oder qualitativ formulierten Wert- (Ergebnis- und Liquiditätsziele) und Sachziele (Bestimmung angestrebter „Zustände“ wie Reduzierung der Lieferantenzahl) nur bedingt erreichen können. Sie bestimmen ihren Bedarf nur von Fall zu Fall oder von Liefertermin zu Liefertermin im voraus und kaufen entsprechend ungünstig ein. Unternehmen mit integrierter Beschaffungsplanung können Jahresabschlüsse tätigen und damit z.B. die Vorteile von Mengenrabatten ausnutzen. Die Abrufe erfolgen entsprechend der betrieblichen Bedarfssituation im Rahmen des (meist Jahres-) Beschaffungsprogramms, unter dem die Summe aller Einkaufsverträge zu verstehen ist. Die Vorratshaltung wird dadurch auf ein wirtschaftlich vertretbares Mindestmaß begrenzt. Auch für kleinere und mittelständische Unternehmen sollte daher die Erkenntnis Gültigkeit haben: • Wer Einsparungs- und Verbesserungspotenziale in Einkauf und Logistik nicht planvoll und systematisch sucht, erkennt und nutzt, den bestraft der Markt!
223
Ein modern geführtes Unternehmen kommt ohne Beschaffungsplanung nicht aus
Sie ist ferner • Grundlage für die konsequente Anwendung des Controlling mit Soll-Ist-Vergleichen und schafft damit im Sinne des Total Quality Management (TQM) die Voraussetzungen für eine zielorientierte Mitarbeiterführung. 1 Denn die Grunderkenntnis in diesem Zusammenhang lautet: Nur wenn die Zielerreichung messbar ist und „reported“ werden muss, sind Fortschritte kontinuierlich zu erreichen. Darüber hinaus ist die Beschaffungsplanung noch ein wichtiges Instrument, um • Risiken (Engpässe) im Beschaffungssektor vorausschauend zu erfassen und zu streuen. Wie wertvoll die Beschaffungsplanung für den Einkauf und die Disposition ist, lässt sich - wie oben schon angedeutet - am ehesten abschätzen, wenn man sich die nachteiligen Folgen fehlender Planung vergegenwärtigt, die sich in Überbeständen oder Fehlmengen äußern. Die Planung wirkt hier stark kontrollierend. Ihre Bedeutung steigt mit der Materialintensität der Produktion. Im Allgemeinen ist nur die Beschaffungsvollzugsplanung originär
Die Beschaffungsplanung ist nur zum Teil originär, nämlich dort, wo es um die Beurteilung der Beschaffungsmöglichkeiten, der Beschaffungswege, der Preise und Lieferfristen geht. Gewöhnlich wird der Mengenplan - zumindest soweit es die hochwertigen Materialien betrifft - aus den Zahlen des Produktionsoder Absatzplans entwickelt. Nur in Ausnahmefällen - z.B. bei Verknappungen auf den Beschaffungsmärkten - kann der Beschaffungsplan Vorrang genießen.
Der Beschaffungsplan ist ein Führungsinstrument
Ein Beschaffungsplan kann also als Bestandteil der Unternehmensplanung gesehen werden. Er stellt zugleich ein Führungsinstrument für das verantwortliche Material-Management 1
Total Quality Management (TQM) zielt darauf ab, Qualitätspotenziale durch die Konzentration aller Kräfte auf Qualitäts- bzw. Arbeitsziele in allen Bereichen, also auch in Einkauf und Logistik zu nutzen. TQM ist in erster Linie eine Frage der Unternehmenskultur. - Siehe u.a. U. W. Mindach, Qualitätsmanagement im Einkauf, Gernsbach 1997, S. 37 ff.
224
dar und lässt sich für die einzelnen Teilbereiche getrennt aufstellen und kontrollieren. Soll der Beschaffungsplan seinen Zweck als Führungs- und Controllinginstrument erfüllen, so empfiehlt es sich, den Plan mit den leitenden Mitarbeitern zu erarbeiten und dadurch alle Mitarbeiter so genau wie möglich zu informieren. Es ist auch hier die Erkenntnis zutreffend, dass Pläne sich am leichtesten durchführen lassen, wenn die Mitarbeiter von der Richtigkeit der Planziele und der Zweckmäßigkeit der geplanten Maßnahmen überzeugt sind. Der endgültige Beschaffungsplan sollte zwar möglichst genau fixiert sein, er sollte aber auch gleichzeitig dem Einkäufer und dem Disponenten einen Ermessensspielraum freihalten. Der Grundsatz der Elastizität jeglicher Planung gilt auch im Beschaffungsbereich als wichtige Maxime. Sprechen wichtige Gründe (z.B. Verlängerung der Lieferzeiten, Preiseinbrüche) dafür, so muss auch bei straffen Plänen der Einkäufer von den detailliert festgelegten Einzelheiten abweichen können.
4.1 Bedarfsplanung und Budgetierung Um im Rahmen der operativen Beschaffungsplanung das materialwirtschaftliche Optimum zu erreichen, muss in einem ersten Entscheidungsschritt der Materialbedarf mengenmäßig ermittelt und hinsichtlich seiner zeitlichen Struktur festgelegt werden. Dabei ist der Handlungsspielraum durch die strategischen Entscheidungen über Eigenfertigung oder Fremdbezug sowie über die Qualität und Sortimentsgestaltung stark eingeengt. So führt zwangsläufig eine Beschränkung der Anzahl von Ausführungen (Typen, Varianten) von Endprodukten zur Straffung des Beschaffungsprogramms. Vergleichbare Rationalisierungseffekte für den Einkauf zeichnen sich ab, wenn bei der Konstruktion neuer Produkte standardisierte Bauteile in großem Umfang verwendet werden.
225
Der Grundsatz der Elastizität gilt auch für den Beschaffungsplan
Von der Bedarfsplanung zum Budget der Materialwirtschaft
Die operative Beschaffungsplanung ist somit zunächst eine reine Mengen- und Terminplanung. Sie setzt sich aus dem Bedarfsplan, dem Vorratsplan und dem Beschaffungs- bzw. Einkaufsplan zusammen. Der Beschaffungsplan führt über die Bewertung der Mengen mit den erwarteten Einkaufspreisen zum Einkaufsbudget. Bezieht man in die Budgetierung die ausgabewirksamen Personal- und Sachkosten der materialwirtschaftlichen Bereiche mit ein, so wird das Einkaufsbudget zum Budget der Materialwirtschaft erweitert.
4.1.1 Bedarfsplanung (Mengen- und Terminplanung) Programm- und verbrauchsgebundene Materialplanung
Ablaufschritte bei programmgebundener Bedarfsplanung
Bei der Mengen- und Terminplanung sind prinzipiell zwei Verfahren zu unterscheiden: -
Programmgebundene Bedarfsplanung (plangesteuerte Disposition; deterministisches Verfahren)
-
Verbrauchsgebundene Bedarfsplanung (verbrauchsgesteuerte Disposition; stochastisches Verfahren)
Wenn nicht betriebliche Engpässe eine andere Planungsausrichtung erfordern, läuft für die programmgebundene Bedarfsplanung die Mengen- und Terminplanung in folgenden Schritten ab: (1) Erstellung eines Bedarfsplans: Bei der programmgebundenen Bedarfsplanung wird der Materialbedarf aus dem Produktionsplan abgeleitet, der wiederum auf dem Absatzplan aufbaut, in seiner Genauigkeit also entscheidend von der Genauigkeit der Absatzprognose abhängig ist. Grundsätzlich sollte daher hier das Prinzip der rollierenden Planung zur Anwendung kommen. Nur im Falle der Auftragsfertigung (z.B. im Anlagenbau) liegt das Produktionsprogramm vor dem Beginn der Fertigung eindeutig fest und determiniert somit den Materialbedarf. Das Produktionsprogramm (bzw. der Produktionsplan) enthält die innerhalb einer Planungsperiode zu fertigenden Erzeugnisse nach Art und Menge. Als Unterlagen für die Er-
226
mittlung des Materialbedarfs je Erzeugniseinheit werden Stücklisten, Rezepturen o. dgl. herangezogen. Der auf der Grundlage des Produktionsplans ermittelte Brutto-Materialbedarf je Periode ist erforderlichenfalls um einen Zusatzbedarf für Ersatzteile, Fertigungsausschuss u.a.m. zu erhöhen (Vierter Abschnitt, Ziffer 3.2). (2) Erstellung des Lagervorratsplans Bevor der ermittelte Bedarf (brutto) in den Beschaffungsplan übernommen werden kann, sind bestandswirksame vorratspolitische Entscheidungen zu berücksichtigen. Sollen die Vorräte abgebaut werden, so sinkt der Bedarf unter den Verbrauch der Periode. Eine Bestandserhöhung wird auf zusätzlichen Bedarf für Sicherheitsbestände zurückgehen. Das Ergebnis sind Zu- und Abschläge zu den zunächst im Bedarfsplan errechneten Werten. Der Vorratsbedarf ist evtl. noch zu erweitern um eine rein spekulativ begründete Eindeckung. Der Beschaffungsbedarf ergibt sich schließlich unter Berücksichtigung bereits erteilter Bestellungen, deren Zugang in der Planperiode erwartet wird. (3) Erstellung des Beschaffungsplans: Mit der Erstellung des Beschaffungs- bzw. Einkaufsplans schließt die Bedarfsplanung ab. Nach erfolgter Lieferantenauswahl werden auf der Grundlage des Mengengerüstes Vertragsverhandlungen geführt und Rahmenabkommen mit den Lieferanten abgeschlossen. Abb. 39.1 fasst den Ablauf der Beschaffungs(mengen)planung noch einmal zusammen. Wesentlich einfacher lässt sich die Mengen- und Terminplanung für Materialien durchführen, die nach Verbrauch disponiert werden. Absatz- und Produktionsplan geben aber auch hier erste Hinweise auf zu erwartenden Mehr- oder Minderbedarf.
227
Grobe Mengen- und Terminplanung bei verbrauchsgesteuerten Materialien
Es empfiehlt sich - sofern eine Planung für verbrauchsgesteuerte Materialien überhaupt zweckmäßig erscheint - den Beschaffungsplan nach Positionen aufzuteilen, -
die nach Plan beschafft werden (plangesteuerte Disposition),
-
für die aufgrund der Lagerbestandsbewegung bei Erreichen des Bestellpunktes (Meldebestandes) eine Bestellung erteilt wird (verbrauchsgesteuerte Disposition).
Absatzplan
Produktionsplan
Vorratsplan Bedarf der Planperiode - Bedarfsdeckung aus Vorräten/Bestellungen = Nettobedarf der Planperiode
Beschaffungsplan
Abbildung 39.1:
Bedarf für Sicherheitsbestand Bedarf anderer Perioden
Ablauf der Beschaffungsplanung
Im Allgemeinen dürfte bei verbrauchsgesteuerten Materialien (C-Artikel) eine grobe Mengen- und Terminplanung für dispositive Zwecke ausreichen. Der Bedarf an Verpackungsmaterial muss sorgfältig geplant werden
Der Bedarf an Verpackungsmaterial geht sowohl aus dem Produktions- als auch aus dem Absatzplan hervor. Hier gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, sich mit den Verpackungsproblemen auseinanderzusetzen und rationelle Lösungen zu suchen. 1 1
Vgl. H. Strache, Preise senken - Gewinn einkaufen, a.a.O., S. 433 ff.
228
Es sind daher Vergleichswerte der letzten Jahre nicht kritiklos in die Planung zu übernehmen. Fallen Abfallstoffe und Überschussmaterial an, die der Einkauf im Rahmen einer Entsorgungsplanung am Markt abzusetzen hat, so sind diese nach Art, Menge und Verkaufspreisen im Verkaufsplan der Beschaffung niederzulegen. 1
Für Abfallstoffe und Altmaterial ist ein Verkaufsplan zu fertigen
4.1.2 Budgetierung Die Notwendigkeit zur Budgetierung ergibt sich aus - der „Gewinn-Verantwortung“ des Einkaufs und - aus der Ausgaben- und Finanzwirksamkeit sämtlicher Aktivitäten in den Bereichen der Materialwirtschaft, wobei die finanziellen Mittel und die Finanzkraft der Unternehmung in der Regel als begrenzt anzusehen sind.
Die Notwendigkeit zur Budgetierung
Aus diesen Gründen und der generellen Abhängigkeit des Beschaffungserfolges von Marktschwankungen und Marktveränderungen ergibt sich der kontinuierliche Zwang zur Verbesserung oder Sicherung der Leistung in allen Bereichen der Materialwirtschaft. Planziele können z.B. sein:
Planziele sind festzulegen
-
Auffangen anerkannter Preiserhöhungen durch gezielte Preisreduzierungen bei anderen Materialien; Abbau der Überbestände und Lagerhüter um . . . % oder um DM . . . ; Reduzierung der Lagerkosten um . . . % oder um DM . . . durch Personaleinsparung; Reduzierung der Bestellkosten um . . .% oder um DM . . . durch Rationalisierung (weniger Kleinbestellungen usw.).
Die in der Materialwirtschaft zu budgetierenden Ausgaben sollten daher vor allem auf den nachstehenden Gebieten geplant werden:
1
Vgl. H. Benz, Rationeller Einkauf - optimale Lagerhaltung, a.a.O., S. 44.
229
Abbildung 39.2:
Ablauf der EK-Verrechnungswertbildung (Beispiel aus der Praxis)
(1) Beim Einkauf durch eine Bewertung der geplanten Beschaffungsmengen mit den erwarteten Preisen. Um dabei
230
zu annähernd genauen Werten zu kommen, sind Marktanalysen und Marktbeobachtungen wichtige Hilfsmittel. Zweckmäßigerweise erfolgt die Verrechnungswertbildung (VRW) nur für hochwertige Teile (vgl. Abb. 39.2). 1 (2) Bei der Vorratshaltung. Dabei sollten aus Gründen der Vereinfachung die handels- und steuerrechtlichen Bewertungsansätze zugrunde gelegt werden. (3) Bei den Kosten der Beschaffung und Lagerhaltung. Wieweit diese Kosten aufgegliedert und einzelnen Materialgruppen zugerechnet werden sollten, ist eine Frage der Wirtschaftlichkeit und abhängig von der Transparenz des Kostenrechnungssystems. In der Regel wird man sich auf die Planung bestimmter Kostenarten - wie z.B. auf die Planung der Personal- und Transportkosten - beschränken. Im Vergleich zur Mengenplanung hat die Budgetierung den Vorteil, dass • sie einen messbaren Einblick in die Wirksamkeit geplanter Maßnahmen gibt und damit ein sehr viel effizienteres Controllinginstrument für das Material-Management, aber auch für den einzelnen Mitarbeiter darstellt. Budgetierungssysteme sind vor allem für das Einkaufscontrolling einsetzbar. Hier sollte sich - wie Abb. 39.2 veranschaulicht dem Soll-Ist-Vergleich eine Abweichungsanalyse anschließen. Ins Gewicht fallende Abweichungen sind zu kommentieren, Gründe für Einkaufspreisdifferenzen können im Einzelfall u.a. sein: -
Währungsabweichungen, Rohstoffmarktentwicklungen, Lieferantenwechsel, Verhandlungserfolge, Wertanalyseeffekte,
1
B. Rudolph, Controlling im Einkauf, Chart 8, Seminarunterlagen, Stuttgart 1991. - Siehe auch H. Spohrer, Controlling in Einkauf und Logistik - Die Materialwirtschaft auf dem Prüfstand, Gernsbach 1995, S. 40 f.
231
Budgetgestütztes Einkaufscontrolling ermöglicht eine Analyse der Einkaufspreisdifferenzen
-
Losgrößeneffekte, veränderte Marktpreisentwicklungen.
Da in vielen Unternehmen die Fertigungstiefe stetig reduziert wird und somit die Anteile der Materialkosten und Materialgemeinkosten am Umsatz ständig steigen, gewinnt auch die Controllingfunktion in der Materialwirtschaft zunehmend an Bedeutung.
4.2 Beschaffungsvollzugsplanung Der Business-Plan erfasst die genehmigten Maßnahmen
Die Planung des Beschaffungsvollzugs im Rahmen einer Jahresplanung kann eine Vielzahl von Maßnahmen umfassen, von denen hier nur einige wesentliche einer allgemeinen Betrachtung unterzogen werden. Bei der praktischen Durchführung sollten vor allem folgende Regeln beachtet werden: • Die Jahresplanung - der sogenannte Business-Plan erfasst die aus der Umsetzung der Strategien resultierenden Maßnahmen und Aktivitäten: - Titel und Kurzbeschreibung des Projekts - Verantwortlicher Projektleiter und Teammitglieder (vollzeitig oder teilzeitig im Team) - Terminrahmen mit Phasen und Kontrollpunkten (Meilensteine) - Erforderliche Budgets: Kosten und Investitionen - Erwartetes Ergebnis (evtl. mit Zeitphasen) • Die Projekte der Jahresplanung sind mit allen involvierten und vom Ergebnis betroffenen Abteilungen abzustimmen. • Die durch Arbeitsplatzveränderung betroffenen Mitarbeiter sind zu informieren. • Die Umsetzung der Jahresplanung ist durch alle betroffenen Abteilungsleiter und den Vorstand bzw. durch die Geschäftsführung zu genehmigen.
232
• Das Controlling verfolgt die Projekte auch nach der Realisierung, kommentiert und reportet die Ergebnisse.
4.2.1 Planung der Bereitstellungsprinzipien Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, die Materialbereitstellung zu planen: Bedarfsdeckung ohne Vorratshaltung und Bedarfsdeckung mit Vorratshaltung. Bei der Bedarfsdeckung ohne Vorratshaltung ist zu unterscheiden, ob die Beschaffung unmittelbar durch das Auftreten des Bedarfs ausgelöst oder eine weitgehende Synchronisation von Verbrauchsrhythmus und Bereitstellungsrhythmus durch zweckentsprechende Lieferverträge erreicht wird. Es lassen sich demnach folgende Prinzipien der Materialbeschaffung ableiten: 1 (1) Einzelbeschaffung im Bedarfsfall (2) Vorratsbeschaffung (3) Fertigungssynchrone bzw. Just-in-Time-Beschaffung Darüber hinaus ist die (4) Kanban-Steuerung als eine besondere Form der Just-In-Time-Bereitstellung zu betrachten. Die Bereitstellungsprinzipien beeinflussen das materialwirtschaftliche Optimierungsziel auf unterschiedliche Weise
Da sich die Prinzipien sehr unterschiedlich auf -
Lieferbereitschaft, Kapitalbindung und Kosten der Beschaffung und Lagerung
auswirken, sind im Rahmen der konkreten betrieblichen Bedingungen diesbezügliche Maßnahmen genau zu planen.
1
Vgl. E. Grochla, Grundlagen der Materialwirtschaft, a.a.O., S. 23 ff.
233
Differenzierte Logistikstrategie ist unabdingbar
Als weitgehend neue Logistikkonzepte kommen grundsätzlich in Betracht: - direkte Lieferung an das Montageband bzw. in die Fertigungslinie (Ship-to-Line) - Lieferung in ein Werks- oder Speditionslager (Ship-to-Stock) - Lieferung von Fertigungslinie zu Fertigungslinie im Verbundgeschäft (Line-to-Line) Unterschiede im Entwicklungs- und Qualitätsstatus der Teile sowie im Lieferantenstatus bedingen ebenso eine differenzierte Logistikstrategie wie Art, Umfang und Prognosesicherheit der Bedarfe sowie die Unterschiede in den Ausprägungen der Marktfaktoren. 4.2.1.1 Einzelbeschaffung
Begriff und Vorteile der Einzelbeschaffung
Bei der Anwendung dieses Prinzips wird der Beschaffungsvorgang erst dann ausgelöst, wenn ein spezifischer, mit einem bestimmten Auftrag verbundener Bedarf vorliegt. Das bedeutet, dass • ein Lagerrisiko nicht gegeben ist, • Liquidität kaum gebunden wird, • Zins- und Lagerkosten nicht ins Gewicht fallen. Bestände treten im Bereich der Materialwirtschaft nur dann auf, wenn das Material bei einer längeren Produktionsdauer sukzessiv in Teilmengen an die Bedarfsstellen abgegeben wird. Zu einer kurzfristigen Lagerung kann es auch kommen, wenn eine vorzeitige Anlieferung infolge der Einrechnung einer Sicherheitszeit erfolgte.
Bei Einzelbeschaffung ist die Lieferbereitschaft gefährdet
Problematisch bei der Einzelbeschaffung ist die Terminierung, da sie zwei Risiken unterliegt: -
Risiko der verspäteten oder Nichtlieferung des Materials Risiko der Lieferung quantitativer oder qualitativer Fehlmengen
In beiden Fällen besteht die Gefahr, dass die Lieferbereitschaft nicht mehr gewährleistet bleibt.
234
Zur Anwendung kommt dieses Prinzip bei auftragsorientierter Einzel- oder Kleinserienfertigung. Dabei kann sich die Einzelbeschaffung auf bestimmte Teile beziehen, die nur für einen Kundenauftrag Verwendung finden. Vielseitig verwertbare Normteile werden auch in diesen Fällen nicht einzeln beschafft.
Die Einzelbeschaffung findet bei auftragsorientierter Fertigung Anwendung
Zu beachten ist, dass die Bestellkosten je Bezugseinheit wegen der fehlenden Losgrößendegression bei der Einzelbeschaffung am größten sind. Man muss daher in der Praxis die kostenmäßigen Mehr- und Minderbelastungen gegeneinander aufrechnen und dann, wenn sich günstigere Lagerhaltungs- plus Bestellkosten ergeben, zur Vorratsbeschaffung übergehen. Voraussetzung ist, dass die Materialien im Rahmen der Einzelfertigung mehrfach verwendbar sind, was bei Normteilen und Kleinmaterial in der Regel zutrifft.
Mehr- und Minderbelastung müssen gegeneinander gerechnet werden
4.2.1.2 Vorratsbeschaffung Die Beschaffung auf Vorrat mit zwangsläufiger Lagerhaltung macht die Materialbeschaffung vom Auftragseingang und Fertigungsablauf zumindest kurzfristig unabhängig. Bei Anwendung dieses Bereitstellungsprinzips werden die Materialien im eigenen Betrieb „zur Verfügung“ gehalten. Bei Bedarf können sie sofort vom Lager abgerufen werden. Damit wird dem Risiko verminderter Lieferbereitschaft weitgehend Rechnung getragen. Die Vorratsbeschaffung ist in der Regel mit dem Bezug größerer Mengen verbunden und wird vor allem für geringwertiges Material angewendet.
Begriff und Vorteile der Vorratshaltung
Als Vorteile der Vorratsbeschaffung sind zu nennen: • Verbesserung der Marktposition durch große Abnahmemengen und dadurch Chancen zur aktiven Preispolitik und Erschließung neuer Märkte • Ausnutzung von Preisvorteilen (Mengenrabatte, Transportstaffelungen) durch den Bezug großer Mengen • Sicherung der Kontinuität des Fertigungsvollzuges für eine begrenzte Zeitspanne durch Abschirmung gegenüber Marktschwankungen Nachteile der Vorratsbeschaffung
Diesen Vorteilen stehen als Nachteile - hohe Lagerrisiken,
235
- hohe Lager- und Zinskosten sowie - eine hohe Kapitalbindung gegenüber. Für die Praxis gilt daher die Forderung: Die (zeitweilige) Überhöhung der Vorratshaltung zur Ausnutzung von Preisnachlässen und Rabatten oder aus anderen Lagerhaltungsmotiven (saisonaler Ausgleich, Spekulation) sollte nur bei absolut gesicherten Liquiditätsbedingungen in Erwägung gezogen werden. Die Vorratsbeschaffung muss sich „rechnen“
Im Übrigen ist die Vorratsbeschaffung wirtschaftlich nur zu rechtfertigen, wenn die erzielten Preisvorteile erheblich höher sind als der Aufwand für die überhöhte Vorratshaltung, zumal auch das erhöhte Lagerrisiko kalkulatorisch zu erfassen ist. Im Normalfall sollten sich die Maßnahmen zur Vorratsbeschaffung daher auf die Bereiche geringwertigen Materials (C-Teile) und unkritischer Teile beschränken. Allerdings kann die Marktposition der Vertragspartner die Zielrichtung entscheidend beeinflussen. 4.2.1.3
Fertigungssynchrone bzw. Just-in-TimeBeschaffung
Die fertigungssynchrone bzw. Just-in-Time-Beschaffung 1 versucht die Vorteile der beiden ersten Prinzipien zu verbinden und deren Nachteile auszuschließen. Bei diesem Bereitstellungsprinzip besteht eine starke Anbindung eines Lieferanten an den Abnehmer. Im Extremfall erfolgen die Lieferungen genau zu dem Zeitpunkt, zu dem sie im Produktionsprozess des Abnehmers gebraucht werden. Neben dem stündlich fixierten Zugang direkt an das Montageband unter Verzicht auf eine Wareneingangsprüfung (Ship-to-Line) 1
Grundsätzlich sollen - wie in der Literatur und Praxis allgemein üblich - die Begriffe „fertigungssynchron“ - und „Just-in-Time-Beschaffung“ gleichgesetzt werden. Die Unterschiede in der Lieferfrequenz resultieren im Wesentlichen aus der Mengenkomponente und der zu überbrückenden räumlichen Distanz zwischen Lieferant und Abnehmer. - Das Just-in-Time-Prinzip kann allerdings auch in der Produktion (= Just-in-Time-Produktion) und im Vertrieb angestrebt werden.
236
Null-Fehler-Lieferungen sind daher zu garantieren - ist auch der halb-, ganz- oder zwei- bis dreitägige Zugang als fertigungssynchron bzw. Just-in-Time zu betrachten. In allen Fällen wird der Bedarf (Abruf) von dem aktuellen Produktionsplan bestimmt. Für die Disposition erhält der Lieferant in der Regel eine Liefereinteilung mit einer Wocheneinteilung des laufenden Monats und einer Vorschau für das nächste halbe Jahr. Beispiel 21.1:1 Die wesentlichen Planungs- und Steuerungsabläufe sind - wie auch Abb. 40 verdeutlicht - wie folgt abgestuft: Produktionsprogramme im Monatsrhythmus über einen Zeitraum von 18-30 Monaten, die das Ergebnis der Abstimmung zwischen Vertriebsplanung, Fertigungs- u. Personalkapazitäten der VW AG sowie Beschaffungskapazitäten der Zulieferindustrie darstellen. Fahrzeugbedarfsplanung (FBP) im Periodenrhythmus mit der Materialbedarfsvorschau über 6 Monate, die ihren Niederschlag in den Liefereinteilungen für die Perioden 2 bis 6 finden (Periode = 4-Wochenzeitraum). Wochenproduktionsprogramm im Wochenrhythmus auf der Basis von Kundenaufträgen mit der verbindlichen Liefereinteilung für die anstehende Programmwoche 1 und dem verbleibenden Bedarf der Wochen 2 bis 4 aus der Periode 1. Liefereinteilung: Diese Liefereinteilung beinhaltet den Materialabruf für die Fahrzeug-ZPB-Woche 1, den zusammengefassten Bedarf der Wochen 2 bis 4 aus Periode 1 und die Liefervorschau der Perioden 2 - 6. Lieferanten mit Datenfernübertragungsanschluss zur VW AG (TP-Anschluss) haben diese Liefereinteilung am Montag vor 2 Wochen erhalten. 1
Siehe Broschüre: Lieferanten-Partner der Volkswagen/Audi Logistik, LogistikTagung, Wolfsburg 1984, (unveränderter Stand 1990) - auch bei Einsatz moderner Informations- und Kommunikationsmedien bleibt das in diesem Praxisbeispiel dargestellte ablauforganisatorische Regelwerk einer JiT-Logistik unverändert.
237
Praxisbeispiel zum JiT-Planungs- und Abwicklungsrhythmus
Abbildung 40:
238
Just-in-Time-Bereitstellungsstrategie - Planungsund Abwicklungsrhythmus bei VW, Wolfsburg
Reaktionszeit Lieferanten: Somit verbleiben für die Lieferanten mit TP-Anschluss 9 Arbeitstage Reaktionszeit bis zum erforderlichen Eingang ihrer Lieferungen im VW-Werk. Die JiT-Bereitstellung kann im Extremfall, wenn sie Just-inSequence erfolgt - also taktgenau in der Reihenfolge ans Band geliefert wird (z.B. Stoßfänger) wie z.B. Autos im Werk über das Band rollen, dazu führen, dass die Lagerhaltungskosten vollständig eingespart werden, zumal Sicherheitsbestände nur noch für den Fall gelagert werden, dass aufgrund unvorhersehbarer Ereignisse (z.B. Streiks) der Lieferrhythmus unterbrochen wird. Sofern die Beschaffungsdisposition so automatisiert ist, dass die durch die Lieferabrufe verursachten Kosten vernachlässigt werden können, ist diese Bereitstellungsstrategie für den Abnehmer in jedem Fall von Vorteil.
Kostenwirkungen bei Anlieferung Just-inSequence
Aber auch der Lieferant kann aus der durch langfristige Verträge abgesicherten Zusammenarbeit Nutzen ziehen. Dieser ist vor allem bei einer Variation der Mengenkomponente als Folge einer Strategie des Single Sourcing (s.u.) seitens des Abnehmers zu realisieren. Aber auch Synergieeffekte treten durch die erforderliche enge Synchronisation der Fertigungsabläufe beim Zulieferer und beim Abnehmer auf. Die fertigungssynchrone Beschaffung ist somit - vor allem bei sequenzgenauer Anlieferung - als wirtschaftlicher Idealtyp arbeitsteiliger Versorgung zu betrachten. Allerdings sind eine Reihe aufwendiger Voraussetzungen zu erfüllen, die dieses Konzept nicht für alle Einkaufsteile wirtschaftlich sinnvoll macht. Als spezielle Voraussetzungen sind vor allem zu nennen: • Effiziente Bedarfsermittlungs- und Kommunikationssysteme (DFÜ). 1 • 100-%-Zuverlässigkeit bei der Qualität der Teile sowie im Mengen- und Terminbereich, da Abweichungen zwangsläufig zu Produktionsstörungen beim Abnehmer führen. • Standortnähe, da mit zunehmender räumlicher Distanz zwischen Lieferant und Abnehmer Lieferzuverlässigkeit und 1
Zur DV-technischen Realisierung siehe u.a. H. Wildemann, Das Just-in-Time Konzept: Produktion und Zulieferung auf Abruf, Frankfurt 1987, S. 52 ff.
239
Die JiT-Logistik duldet keine Schwachstellen
-flexibilität abnehmen. Das gilt insbesondere dann, wenn staatliche Grenzen zwischen den Geschäftspartnern liegen. • Intensive partnerschaftliche Zusammenarbeit in vielen Bereichen (z.B. Produktentwicklung, Qualitätssicherung, Logistik) Auswahlkriterien geeigneter JiTZulieferteile
Der hohe Abstimmungs- und Logistikaufwand ist nur gerechtfertigt, wenn die Vorteile aus der Bestandsreduzierung diesen Aufwand rechtfertigen. In der Praxis ist daher eine Auswahl geeigneter JiT-Zulieferteile zu treffen. In der Automobilindustrie sind dies vor allem -
-
Neugruppierung der Zulieferkette
sperrige Großbauteile hochwertige Komponenten Zusammenbau- oder Montage-Baugruppen und -Komponenten, die direkt in die Fahrzeugmontage einfließen können. Beispiele dafür sind der Reifen auf der Felge, das Lenkrad einschließlich Airbag und Elektronik oder der komplette Kraftstoffbehälter, komplexe (mehrteilige), einbautechnisch oder funktional abgrenzbare Teileumfänge - sog. Module und Systeme 1 die direkt in die Fahrzeugmontage einfließen. Beispiele dafür sind komplette Armaturtafeln, Sitzgarnituren, Schiebedächer, Bremssysteme und Stoßdämpfer.
Die Bezeichnung „komplex“ lässt erkennen, dass der in der Automobilindustrie besonders deutliche Trend zur Reduzierung der Fertigungstiefe zur Beschaffungsstrategie des Modular Sourcing 2 geführt hat. Damit verbunden ist eine Neugruppierung der Zulieferkette, die nunmehr aus Sublieferanten, Modullieferanten und dem Abnehmer besteht. Unter einem Sublieferanten ist dabei ein früherer Direktlieferant der Automobilindustrie zu verstehen, der durch die Umgruppierung zum Lieferanten des Modul- oder Systemlieferanten wird. Um eine Vervielfachung des Koordinations- und Logistikaufwandes (i.S. fixer Lieferantenkosten) zu vermeiden, wird - wie beispielsweise in der Automobilindustrie - die Strategie verfolgt, 1
Zur begrifflichen Abgrenzung siehe erster Abschnitt, Ziffer 1. Siehe H. v. Eicke und Chr. Femerling, modular sourcing - Ein Konzept zur Neugestaltung der Beschaffungslogistik, Schriftenreihe der Bundesvereinigung Logistik, München 1991.
2
240
die Zahl der Lieferanten für ein Teil zu reduzieren. Das traditionelle Prinzip der Mehrquellenversorgung (mehrere Lieferanten für ein Teil) wird zugunsten eines Single Sourcing aufgegeben. Die Zulassung eines Anbieters als Exklusivlieferant wird dabei vom Ergebnis einer Auditierung abhängig gemacht, die ein Team des Abnehmers - in der Regel bestehend aus Einkauf, Entwicklung und Qualitätssicherung - durchführt. Das Team versucht, sich ein fundiertes Gesamtbild über die Leistungsfähigkeit, insbesondere über die Technologie- und Qualitätskompetenz des potenziellen Lieferanten zu machen. Die kontinuierliche Lieferantenbewertung gibt sodann Auskunft über die Entwicklung der Mengen-, Termin- und Qualitätszuverlässigkeit. Qualitäts-Oskars - wie etwa Fords Q1-Award - sind ein probates Mittel der Lieferantenentwicklung. 1 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass bei diesem Bereitstellungsprinzip infolge der hochgradigen Qualitäts-, Mengen- und Termin-Synchronisation eine • Minimierung der Kapitalbindung und • Reduzierung der Durchlaufzeiten (Prozessoptimierung) bei beiden Partnern erreicht werden können. Nicht auszuschließen ist jedoch, dass der Lieferant in erheblichem Umfang in die Fertigungstechnik und Vertriebslogistik investieren muss, um Engpässe zu vermeiden. Langfristige Rahmenvereinbarungen, Lieferverträge und andere Absprachen sichern die Verwirklichung der Produktion mit kurzen Lieferzeiten ab. In der Regel werden Rahmenverträge für die „Lebenszeit“ des Produktes abgeschlossen (sog. Life-CycleVerträge). Die Kontinuität der Materialversorgung kann darüber hinaus durch Vereinbarung von Konventionalstrafen unterstützt werden. Des weiteren sind kompetente Logistikdienstleister durchaus in der Lage, über die „Zulieferlager“ in Werksnähe (Ship-to-Stock) logistische Leistungen zu übernehmen.
1
Siehe ausführlich Hartmann/Pahl/Spohrer, Lieferantenbewertung - aber wie?, 2. Auflage, Gernsbach 1997, S. 19 ff. und S. 54 ff.
241
Vorteile der JiTBeschaffung und ihre Rahmenbedingungen
4.2.1.4 Kanban-Steuerung Das Kanban-System: Fertigung auf Abruf
Die grundlegende Überlegung, nur die Art und Menge eines Produktes zu fertigen, die gerade verbraucht wurde, ist beim Kanban- und Just-in-Time-System einheitlich. Das charakteristische Merkmal des Kanban-Systems sind die einfachen organisatorischen Mittel, die zur Verwirklichung des Steuerungsprinzips eingesetzt werden.
1.) Die Füllmenge/Stahlbehälter beträgt in diesem Beispiel 1.250 Stück. 2.) Die Lieferung hat in spätestens vier Tagen zu erfolgen. 3.) Optionales Hilfefeld für den Lieferanten, wird nicht für Kanban benötigt! Nach Erhalt der zehnten Steuerkarte müssen die Teile neu produziert werden, d.h. es wird eine Losgröße von 12.500 Stück aufgelegt. Die Anzahl wird hierbei vom Lieferanten festgelegt (optimale Fertigungslosgröße). 4.) Fortlaufende Nummerierung der Kanban-Karten, um doppelte Übertragung bei Fax-Fehlermeldungen ersichtlich zu machen (Beispiel: Karte 1 von 4). 5.) Angabe des Lagerortes.
Formularbeispiel 1: Kanban-Steuerkarte (Beispiel aus der Praxis)
242
Das japanische Wort Kanban bedeutet im weiteren Sinne Karte. Je Kanban-Karte erhält man Auskunft über Art, Menge, Bereitstellungs- und Aufbewahrungsort eines standardisierten Kanban-Behälters (vgl. Formularbeispiel 1). Im Einzelnen sind die wichtigsten Elemente des Systems: -
Vernetzte, selbst steuernde Regelkreise zwischen erzeugenden/bereitstellenden und verbrauchenden Stellen, Holpflicht für die jeweils nachfolgende Stelle, die Kanban-Karte als Informationsträger.
Im Gegensatz zu den klassischen Bereitstellungsverfahren (Anstoß- oder Push-Prinzip) gibt beim Kanban-System der Mitarbeiter vor, was und wieviel benötigt wird (Sog- oder PullPrinzip). Zur Funktionsweise der Kanban-Steuerung gehört auch die Betrachtung genereller organisatorischer Regelungen: • Der Verbraucher darf niemals - mehrere Behälter gleichzeitig leeren, - mehr Material als benötigt anfordern, - vorzeitig Material anfordern. • Der Erzeuger darf niemals - mehr Teile als angefordert herstellen, - fehlerhafte Erzeugnisse abliefern. Da es sich bei der Kanban-Steuerung nicht um ein alternatives Bereitstellungsprinzip handelt, sondern im Wesentlichen um eine organisatorische Verfahrens-Alternative zur Realisierung des Just-in-Time-Konzepts, soll hier auf dieses System nicht im Detail eingegangen werden. 1 Es sei jedoch noch angemerkt, dass in der betrieblichen Realität Lieferanten und Abnehmer anzutreffen sind, die - wie im nachfolgenden Praxisbeispiel 2 ihren Bedarf an geringwertigen oder auch an höherwertigen 1
Für Einzelheiten siehe K. Bichler/N. Schröter, Praxisorientierte Logistik, Stuttgart 1995, S. 95 ff. Siehe vom Verfasser, Bestandsmanagement und -Controlling, Gernsbach 1999, S. 137 ff.
2
243
Funktionsweise des KanbanSteuerungssystems
Teilen über vereinfachte Kanban-Verfahren mit Erfolg abwickeln. Praxisbeispiel zur Kanban-gesteuerten Materialversorgung durch Lieferanten
Beispiel 21.2: Im Geschäftssegment Gasdruckreglergeräte der ELSTER Produktion GMBH, Mainz-Kastel, bestehen - wie auch in anderen Segmenten - mit mehreren Lieferanten erfolgreich funktionierende Regelkreise. Diese stellen sich im Wesentlichen wie folgt dar: -
An jedem Behälter befindet sich die entsprechende KanbanSteuerkarte, die im Formularbeispiel 1 dargestellt und näher erläutert ist. Die Anzahl der Karten und damit auch die der Behälter wird nach folgenden zwei Gleichungen mit Excel errechnet:
Füllmenge • RW = Tagesverbrauch
∑
Beh
=
LT − SB RW
Dabei bedeuten: RW LT SB ∑ Beh
= = = =
Reichweite pro Behälter (Tage) Liefertermin (Tage) Sicherheitsbestand (Tage) Anzahl Behälter beim Verbraucher
-
Nach letzter Entnahme des Materials wird die KanbanSteuerkarte an den Lieferanten durch den Mitarbeiter, der den entsprechenden Behälter geleert hat, gefaxt, was mit absoluter Zuverlässigkeit zu geschehen hat.
-
Die Kanban-Karten werden einmal täglich von einem Mitarbeiter der Wareneingangsprüfung bzw. der Warenannahme eingesammelt und aufbewahrt.
-
Das Fax-Datum, die Identnummer sowie der Name des Mitarbeiters, der die entsprechende Karte gefaxt hat, wird mit Angabe von Datum und Uhrzeit in einer Sammelliste eingetragen.
244
-
Der leere Behälter wird in der Warenannahme zur Abholung durch den Lieferanten bereitgestellt. (Der Kanban-Ablauf wird auch mit Einweg-/Wegwerfverpackung praktiziert.)
-
Der Lieferant liefert die entsprechenden Teile in der festgelegten Frist und in der festgelegten Menge an.
Nach Anlieferung bzw. nach erfolgter Eingangsprüfung werden die Behälter durch die Mitarbeiter der Warenannahme/Wareneingangsprüfung mit der benötigten Kanban-Karte versehen und direkt in der Produktion bereitgestellt.
Die Materialverfügbarkeit kann noch erhöht werden, wenn die in den Kanban-Prozess eingebundenen Lieferanten Konsignationslager direkt an der Fertigungslinie unterhalten und über Internet-Lösungen sich jederzeit ein Bild über die Bestandssituation „ihrer“ Lager verschaffen können.
Optimierung des Kanban-Prozesses
4.2.2 Planung der Beschaffungswege Eine weitere wichtige Planungsaufgabe, die vor der eigentlichen Beschaffung zu lösen ist, betrifft die Wahl des Beschaffungsweges. Dabei ergeben sich für den Betrieb grundsätzlich die Möglichkeiten des Direktbezuges vom Hersteller, des Bezuges über den Großhandel und in Ausnahmefällen auch des Bezuges vom Einzelhandel. Diese Wahlmöglichkeiten bestehen nicht, wenn vom Erzeuger ein Direktbezug ausgeschlossen wird oder - der umgekehrte Fall - er nur direkt an die weiterverarbeitende Industrie liefert. Die Wahlmöglichkeit ist eingeschränkt, wenn der Bestellbedarf unter den vom Erzeuger festgesetzten Mindestmengen liegt. Bei Kleinmaterial (C-Artikel, Büromaterial) ist die Wahlentscheidung eindeutig: Die Bezugsquelle am Verbrauchsort oder in unmittelbarer Nähe ist - ob Groß- oder Einzelhandel - im Regelfall die wirtschaftlich günstigste. Außer der grundsätzlichen Alternative zwischen direktem Bezug vom Hersteller oder dem indirekten Bezug über den Handel kommt auch die Beschaffung über Kommissionäre, durch Einkaufsbüros und Einkaufsgemeinschaften (Kooperativer Einkauf) sowie über Importeure im Auslandsgeschäft in Betracht.
245
Mögliche Beschaffungswege
Bestimmungsfaktoren bei der Wahlmöglichkeit zwischen mehreren Beschaffungswegen
Sofern der Betrieb zwischen mehreren Beschaffungswegen wählen kann, wird diese Wahl im Wesentlichen von folgenden Faktoren bestimmt:
Anwendung der ABC-Analyse oder anderer Wertigkeitsregeln bei der Bestimmung des optimalen Beschaffungsweges je Materialgruppe
Der wirtschaftlich günstigste Beschaffungsweg lässt sich erst durch eine eingehende Analyse bestimmen.
-
Materialart (z.B. Normteile oder Spezialanfertigungen) Materialmenge Materialqualität (z.B. stets gleichbleibende Qualität) Preisvorteile (Materialpreis, Rabatt, Transportkosten) Lieferfristen Zahlungsziele Beratung/Service Gegengeschäfte u.a.m.
Zweckmäßig erscheint auch hier die Anwendung der ABCMethode oder anderer Wertigkeitsregeln (z.B. Lieferfristen). 4.2.2.1 Direkter Bezug vom Erzeuger
Vor- und Nachteile des direkten Bezugs
Der direkte Bezug vom Erzeuger führt zu Preisvorteilen, da durch die Verkürzung der Beschaffungskette Transport-, Umlade- und Zwischenlagerungskosten entfallen. Dazu wird die Information über die speziellen Eigenschaften eines Artikels besonders intensiv sein. Auch gibt es Artikel, die der Handel nicht am Lager führt, wie z.B. Spezialzulieferteile. Zweckmäßig ist der direkte Beschaffungsweg besonders auch dann, wenn das beschaffende Unternehmen eine Belieferung von bestimmten Materialien in stets gleichbleibender Qualität sicherstellen muss. Bei nahem Standort des Erzeugers oder einem seiner Nebenlager (Außenlager) wird die Beschaffungszeit von Standardartikeln nicht (wesentlich) hinter der des Handels zurückstehen. Zu prüfen ist, ob nicht die Preisvorteile durch zusätzliche Kosten aufgewogen werden. Diese können vor allem durch den Zwang zur Abnahme und Einlagerung von Mindestabnah-
246
memengen, die über den tatsächlich benötigten Mengen liegen, oder durch Mindermengenzuschläge entstehen. 4.2.2.2 Indirekter Bezug über den Handel
Erfolgt die Materialbeschaffung über einen Handelsbetrieb, 1 so ist zu beachten, dass dieser und nicht etwa dessen Einkaufsquelle der Vertragspartner ist. Er muss also so groß, stark, zuverlässig und leistungsfähig sein, dass er auch tatsächlich der optimale Lieferant ist. Er muss nicht nur zu den für den eigenen Betrieb besten Bedingungen liefern, sondern auch für Qualität und Liefertermine haften und für etwaigen Schadenersatz selbst einstehen. Zugunsten der Beschaffung über den Handel lässt sich die Übernahme von Bereitstellungsaufgaben und Risiken durch den Handel anführen. Beim Bezug von kleineren Mengen können die Preise des Handelsbetriebes niedriger sein als die Gesamtkosten beim Direktbezug, obwohl der Handelsbetrieb mit der Handelsspanne sämtliche Handlungskosten zuzüglich eines Gewinnanteils im Verkaufspreis weiterberechnet. Die Handelsspanne muss sich aber nicht kostenerhöhend auswirken, weil der Handel die Güter in großen Mengen vom Produzenten bezieht und damit Preisvorteile und durch größere Transporteinheiten günstigere Transportkosten erzielt. Zudem erlauben die über den Handel möglichen kurzfristigen Lieferungen in kleinen Mengen eine geringe Vorratshaltung; sie verursachen entsprechend niedrige Lagerhaltungskosten und verringern die mit der Vorratshaltung verbundenen Risiken. Ein Vorteil ergibt sich auch daraus, dass der Handel ein breites Sortiment führt. Damit wird eine gewisse Markttransparenz möglich. Die Beratung bezüglich der einzelnen Materialien wird nicht so intensiv sein, dafür wird aber eine größere Anzahl von Vergleichsmöglichkeiten geboten.
1
Vgl. H. Strache, Preise senken - Gewinn einkaufen, a.a.O., S. 378 f.
247
Vor- und Nachteile des indirekten Bezugs
4.2.2.3 Beschaffung durch Einkaufsdienstleister Übernahme von Beschaffungsaufgaben
Im Gegensatz zu dem indirekten Bezug über den klassischen Fachhandel bieten Einkaufsdienstleister die Übernahme von Beschaffungsaufgaben an. Als Dienstleistungen werden dazu wie auch in Ziffer 3.2.2 in diesem Abschnitt beispielhaft dargestellt - angeboten: -
Beschaffung von C-Teilen, Hilfs- und Betriebsstoffen Beschaffung von Informationen aus Datenbanken Beschaffungsmarktforschung Beschaffungsabwicklung Qualitätssicherung Terminüberwachung Reklamationsbearbeitung
Eindeutige Bedarfsbeschreibung als Voraussetzung
Eine wesentliche Voraussetzung für die externe Beschaffung durch einen Einkaufsdienstleister ist die eindeutige Beschreibung des Bedarfs, die durch Normen und Lieferantenlisten, aber auch durch Festlegung des Kunden möglich ist. Nichtkompatible Beschreibungen gleicher Produkte erschweren die Zusammenarbeit und behindern die Arbeit mit Datenbanken und Netzwerken. Im Einzelfall wird man genau prüfen müssen, welche Material- bzw. Warengruppen für eine externe Beschaffung geeignet sind und dafür freigegeben werden können.
Vorteile der Fremdbeschaffung
Als Vorteile der Fremdbeschaffung können im Allgemeinen genannt werden: • Preisvorteile durch Bündelung des Bedarfs mehrerer Abnehmer • Reduzierung der Lieferantenzahl • Nutzung von Spezialwissen • Reduzierung der Prozesskosten • Flexibilitäts- und Kapazitätsgewinn
Prozessoptimierung
Der Dienstleister soll die Beschaffungsprozesse des Kunden weitgehend übernehmen und verbessern. Die Abwicklung soll im Sinne einer Lean Organisation einfach und transparent gestaltet werden. Der Fachhandel bietet dafür - wie im zweiten Abschnitt unter Ziffer 1.3.1.2 anhand eines Praxisbeispiels aufgezeigt - seine logistischen Versorgungssysteme an. Bei
248
den Preisagenturen sind es die Datenbankrecherchen mit Internet und Suchmaschinen. Systemprovider und Full-ServiceDienstleister können den gesamten Prozess von der Bedarfsfeststellung bis zur Zahlung und Verbuchung vereinfachen, und Purchasing Card-Dienstleister haben ihre Stärken beim Zahlungsverkehr und bei der Vereinfachung der Buchungen. Die vielfältigen Dienstleistungsangebote 1 sind nicht ohne Risiko. Sofern gewichtige strategische Überlegungen nicht gegen eine Verlagerung sprechen, muss der Einkauf sich Klarheit verschaffen über seinen Bedarf, den Markt sowie den technischen und vertraglichen Umgang mit Dienstleistern. Der Outsourcingprozess ist sorgfältig zu planen. 2 4.2.2.4 Beschaffung aus dem Ausland
Global Sourcing wird häufig als neue Strategie auf die Prioritätenliste des Einkaufs gesetzt. 3 Aber nur Großunternehmen sind im Allgemeinen in der Lage, ohne Einschaltung eines inländischen Mittlers (Importeurs) oder Einkaufsbüros ihre eigenen Interessen im Ausland selbst wahrzunehmen. Denn das ist in der Regel nur durch die Unterhaltung eigener Auslandsvertretungen gewährleistet.
Bei Großunternehmen überwiegt der direkte Bezug aus dem Ausland
Doch vertragliche Vereinbarungen mit den ausländischen Herstellern setzen Kenntnis der ausländischen Handelsbräuche, zolltechnischen Bestimmungen und internationalen Handelsvorschriften (Incoterms) 4 voraus. Zudem ist der Materialtransport von ausländischen Märkten, vor allem bei der Beschaffung aus überseeischen Ländern meist mit großen Schwierigkeiten, vielen Risiken und hohen Kosten verbunden.
Kapazitäts- und Know-how-Engpässe im Einkauf
1
Siehe H. Schneider, Outsourcing von Beschaffungsprozessen, a.a.O., S. 88 ff. Siehe vom Verfasser, Outsourcing von C-Teilen: Risikominimierung - aber wie?, in: Beschaffung aktuell, Leinfelden 1998, Nr. 11, S. 54 ff. 3 Siehe hierzu auch unter Ziffer 2 in diesem Abschnitt (Global Sourcing). 4 Die Incoterms (International Commercial Terms) regeln den Kosten- und Gefahrenübergang und die damit verbundenen Rechte und Pflichten von Käufer und Verkäufer. - Siehe F. U. Jahrmann, Außenhandel, 7. Auflage, Ludwigshafen 1994, S. 224 ff. Die „Incoterms 1990“ sind zu beziehen über die Internationale Handelskammer, Paris. 2
249
Nur wenige Unternehmen erkennen am Anfang, dass ein Lieferantenmanagement mit internationalen Lieferanten etwas anderes ist als ein Lieferantenmanagement mit lokalen Lieferanten und dass die Qualitätssicherung von Deutschland aus wesentlich schwieriger zu bewerkstelligen ist. Hier setzen die Aktivitäten Internationaler Einkaufsbüros - der IPOs (International Purchasing Offices) - ein. Wie bei der Lieferantenauswahl ist die Auswahl eines vertrauenswürdigen international tätigen Einkaufspartners von entscheidender Bedeutung. 1 Leistungsspektrum Internationaler Einkaufsbüros (IPOs)
Neben der reinen Auftragsabwicklung können u.a. folgende Aufgaben von leistungsfähigen und vertrauenswürdigen Internationalen Einkaufsbüros vor Ort durchgeführt werden: -
Bei kleineren Unternehmen überwiegt der indirekte Bezug über den Fachimporteur
Erschließung des Beschaffungsmarktes Angebotseinholung und -verhandlung Lieferantenauditierung Qualitätsinspektionen / Verschiffungsfreigaben Terminüberwachung Bearbeitung von Beanstandungen Unterstützung bei der Pflege von Lieferantenbeziehungen Unterstützung von Besuchern des Stammhauses Aufbereitung aktueller Länderinformationen Joint Ventures und Vertriebsunterstützung Bedarfsbündelung
Obwohl sich auch kleinere Unternehmen als Mitglied eines Internationalen Einkaufsbüros mit relativ geringem finanziellen Aufwand einen direkten Zugriff auf die internationalen Beschaffungsmärkte verschaffen können, so überwiegt - in Abhängigkeit von der Höhe des internationalen Einkaufsvolumens - hier doch der indirekte Bezug über den Fachimporteur. Dieser ist auf bestimmte Waren spezialisiert, die er auf Märkten im Ausland zu optimalen Bedingungen beschafft. Ausgezeichnete Waren- und Marktkenntnisse, eine gut organisierte Zusammenarbeit mit Spediteuren, Frachtführern, Lagerhaltern, Einfuhrund Schiffsmaklern, Reedereien, Versicherungsgesellschaften, Banken und Behörden kennzeichnen seine Tätigkeit. Von Vorteil für den Einkauf ist nicht zuletzt die Übernahme der Einfuhr1
Siehe hierzu W. Krokowski, Globalisierung des Einkaufs, Berlin 1998, S. 51 ff.
250
finanzierung und der typischen Außenhandelsrisiken (Transport-, Kredit-, Kurs- und Konvertierungsrisiko) durch den Importhändler. Gestaltungsprobleme sind zu lösen
Als Resümee ist festzuhalten: Um international erfolgreich einkaufen zu können, muss der Einkauf organisatorische Gestaltungsprobleme lösen, die seine Handlungsfähigkeit im fremden kulturellen Kontext sicherstellen. Die organisatorischen Regelungen müssen auf die Anforderungen ausländischer Beschaffungsmärkte abgestimmt werden, andererseits aber mit den Strukturen und Prozessabläufen im Stammland und im eigenen Unternehmen vereinbar sein. 1 4.2.2.5 Kooperative Beschaffung
Mittelständische Unternehmen können durch kooperative Beschaffung die Nachfragepotenziale der Großunternehmen erreichen und die damit verbundenen Vorteile nutzen. Besonders für Einkaufskooperationen geeignet sind Warengruppen, Transport- oder Dienstleistungen, die mehrere Kooperationspartner in gleicher Art benötigen. Ob der Einkauf eines kooperierenden Unternehmens jeweils die Verhandlungsführung übernimmt oder ein zentrales Einkaufsbüro eingerichtet wird, ist abhängig -
vom Umfang der Aufgaben von der Lokalisierung oder Globalisierung der Beschaffung vom Aufwand und den zu erwartenden Erfolgen von der Formulierung und Akzeptanz hinsichtlich Verhaltenskodex und Beschaffungsstrategie vom Grad der Übereinstimmung in den Unternehmenskulturen
1
Siehe U. Arnold, Beschaffungsmanagement, 2. Auflage, Stuttgart 1997, S. 115.
251
Die kooperative Beschaffung braucht bestimmte organisatorische Voraussetzungen und soll vor allem zur Stärkung der Position der Partner führen
Vorteile der kooperativen Beschaffung
Als Vorteile der kooperativen Beschaffung sind vor allem zu nennen: • • • •
Preisvorteile durch Bündelungseffekte Nutzung des Know-how unter den Kooperationspartnern Strategische Synergieeffekte Benchmarking zwischen den Kooperationspartnern
4.2.3 Planung der Lieferantenauswahl und -kooperation Dem Einkäufer bleibt die Qual der Lieferantenauswahl
Die im Rahmen einer Lieferantenpolitik auf lange Sicht abgestellte Auswahl der Lieferanten, die in engem Zusammenhang mit der Planung der Beschaffungswege steht, kann niemals so weit gehen, dass damit dem Einkäufer die Qual der Wahl abgenommen wird. Es soll aber verhindert werden, dass der Einkäufer willkürlich an diese Aufgabe herangeht, indem er sich etwa die ihm richtig erscheinenden Partner nach oft recht subjektiven Merkmalen aussucht oder es vorzieht, ausschließlich mit einem einzigen Lieferanten zu verhandeln, weil dieser „zuverlässig“ ist. Auswahl“methoden“ dieser Art bringen es mit sich, dass ein Auftrag nicht unbedingt an den günstigsten Lieferanten vergeben wird oder Augenblickserfolge - wie die Lieferung zu „Einführungspreisen“ - ein zu großes Gewicht erhalten. Mit anderen Worten: Wenn man die Lieferantenauswahl dem Zufall überlässt, wird sie zu einem Risiko für die Unternehmung. Es muss daher sichergestellt werden, dass • die Leistungsfähigkeit eines Lieferanten vor der Auftragsvergabe umfassend und möglichst objektiv beurteilt wird, • der Grundsatz der Lieferantentreue nicht überstrapaziert wird, • zwischen Lieferantenkonzentration (Single Sourcing) und Lieferantenstreuung (Multiple Sourcing) optimiert wird, • die Lieferanten als Partner betrachtet werden.
252
Der strategisch orientierte Einkauf ist nicht auf kurzfristige Kostenminimierung ausgerichtet, sondern sucht durch gezielte und systematische Beschaffungsmarktforschung leistungsfähige und zuverlässige Lieferanten, die durch ihre Eigenschaft als hochspezialisierte Problemlöser interessant sind, um eine längerfristige Kooperation im Sinne einer „strategischen Partnerschaft“ 1 u.a. in folgenden Bereichen anzustreben: -
Partnerschaft legt den Akzent auf technische Kompetenz des Lieferanten
Vorbereitung von Entscheidungen Eigenfertigung oder Fremdbezug Qualitätssicherung durch den Lieferanten Fertigungssynchrone bzw. Just-in-Time-Beschaffung (vgl. in diesem Abschnitt unter Ziffer 4.2.1) Systementwicklung mit den Lieferanten bzw. Übernahme der Entwicklung kompletter Systeme durch den Lieferanten Wertanalyse mit Lieferanten Einbeziehung der Lieferanten in die Entsorgung
Diese unter dem Win-Win-Aspekt ausgerichtete strategische Zusammenarbeit beginnt demnach bereits mit der Ausrichtung auf den Kunden (Design-to-Market), der Produktentwicklung (Design-to-Cost) und der laufenden Kostenüberwachung (Potenzialanalyse, Wertanalyse). Der zunehmende Bedarf an Problemlösungs-Lieferanten und der mit der Realisierung von Just-in-Time-Beschaffung verbundene hohe Koordinations- und Logistikaufwand sowie der Übergang zu Modul- und Systemlieferanten machen eine strenge Lieferantenauswahl erforderlich und führen zwangsläufig zu einer Verringerung der Lieferantenzahl (vgl. Abb. 41), 2 womit eine Optimierung des Lieferantenportfolios einhergehen sollte. 3 Professionelles Lieferantenmanagement ist zwingend erforderlich, wobei das Management der Key Supplier – das Management der Schlüssellieferanten - im Vordergrund der zielgerich1
H. Orths, Von der Kundenorientierung zum Supply Management, Wiesbaden 1995, S. 40. Siehe Droege & Comp., Gewinne einkaufen, a.a.O., S. 78. 3 Als elementares Merkmal eines professionellen Lieferantenmanagement ist generell und grundsätzlich das moderne Beziehungsmuster einer Reverse Kunden-Lieferantenbeziehung anzusehen. Danach ist der Lieferant aus der Sicht des Einkaufs zugleich auch Kunde, dessen Bedürfnisse (z. B. nach zuverlässiger Information) zu respektieren sind - Siehe im Einzelnen H. Hartmann, Lieferantenmanagement, a. a. O., S. 79 ff. 2
253
Bedarf an Problemlösungs-Lieferanten und Kosteneffekten führen zur Lieferantenkonzentration
teten Bemühungen um eine stetige Produkt- und Prozessoptimierung stehen muss.
Lenkstockschalter Lenkstockschalter
Lenkrohrlager Lenkrohrlager
Schutzrohr Schutzrohr
Lenkstangenrohr Lenkstangenrohr komplett komplett
Eigenfertigung
Modular Sourcing
Lenkstocksäulen Lenkstocksäulen
Lenkstocksäulen Lenkstocksäulen
Gelenkwelle Gelenkwelle oben komplett oben komplett
Nadelbüchse Nadelbüchse
Gelenkwelle Gelenkwelle
Gelenkgabel Gelenkgabel
Gelenkkreuz Gelenkkreuz Stützring Stützring
Adapterhülse Adapterhülse
Druckfeder, Druckfeder, oben oben Druckfeder A, Druckfeder A, unten unten Druckfeder B, Druckfeder B, unten unten Oberschale Oberschale Lenkstock Lenkstock
Dichtring Dichtring
Lieferant ist verantwortlich für • Entwicklung • Einkauf von Komponenten • Qualität • Liefertreue • kontinuierliche Verbesserung
Lenkschloß Lenkschloß Puffer Puffer Div. Normteile Div. Normteile Kreuzgelenk Kreuzgelenk
Vorher
Abbildung 41:
Merkmale eines Systemlieferanten
Nachher
Teile/ Baugruppen:
24
Teile/ Baugruppen:
1
Lieferanten:
19
Lieferanten:
1
Lieferantenreduzierung durch Modular Sourcing (Beispiel aus der Praxis)
Systemlieferanten haben im Wesentlichen folgende Anforderungen zu erfüllen:
254
• Verantwortung für die spezifische Entwicklung, Herstellung und Direktbelieferung eines funktional abgrenzbaren Systems • Gemeinsame Konzeptentwicklung mit den Kunden (Simultaneous Engineering) • Hohes Entwicklungspotenzial und Technologieführerschaft • Kompetentes Qualitätsmanagement (Ship-to-Line, Qualitätssicherungsvereinbarung) • Informations- und Kommunikationsverbund (DFÜ, EDI, Extranet, CAD, CAQ etc.) • Logistische Kompetenz (einbaufertige JIT-Anlieferung) • Fähigkeit zur langfristigen Bindung (maximal „Model-life“Vertrag) • Lieferfähigkeit für Ersatzteile bis beispielsweise zu 15 Jahre nach Produktionseinstellung • Kompetentes Sublieferantenmanagement Es stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen die traditionelle Zulieferstrategie - mehrere Lieferanten je Teil; niemals die gesamte Kapazität eines Lieferanten beanspruchen - zugunsten von Single- oder sicherheitshalber Double Sourcing aufgegeben werden sollte. In der Automobilindustrie wird konsequent die Strategie der Lieferantenkonzentration verfolgt. Abhängig ist die Durchsetzbarkeit im Wesentlichen von der Marktmacht eines Unternehmens oder Konzerns, aber auch von der Art des Teilespektrums. Zweckmäßig ist hierbei eine Potenzialermittlung mithilfe der Portfolio-Analyse, wie beispielhaft in Abb. 42 dargestellt. 1
Sourcing-Struktur als Entscheidungsproblem
Im Allgemeinen bedeutet dies: 2
Optimierung der Sourcing-Struktur
• Soweit eine Bedarfsdeckung aus mehreren Quellen möglich ist und dabei die beschaffungspolitischen Restriktionen Qualität, Verfügbarkeit und Innovationspotenzial nicht verletzt werden, ist Multiple Sourcing vor allem unter Sicherheitsüberlegungen die „richtige“ Beschaffungsstrategie. 1
Siehe VDMA, Hrsg., Materialwirtschaft im Umbruch, Frankfurt 1990, Beitrag der Heidelberger Druckmaschinen AG. Eine in Zusammenarbeit mit dem BME durchgeführte Befragung von 924 BME-Mitgliedsfirmen ergab, dass Single Sourcing nach wie vor die Ausnahme darstellt. Siehe Chr. Homburg, Das industrielle Beschaffungsverhalten in Deutschland, in: Beschaffung aktuell, Nr. 3, Leinfelden, März 1994, S. 9 ff.
2
255
• Immer dann, wenn die genannten Parameter zugunsten dieser Sicherheitsüberlegungen beeinträchtigt werden, sollte die Multiple Sourcing-Strategie überdacht werden.
Die Optimierung der Sourcing-Struktur hat vor allem in Großunternehmen durch die wachsende Zahl der Produktionsstandorte (sog. Global Manufacturing), den zunehmenden OutsourcingAnteil und den Strukturwandel in der Wertschöpfung strategische Bedeutung angenommen. Im Rahmen einer kooperativen Strategie des Einkaufs sind Lieferantenentwicklung und Pflege der Lieferbeziehungen wichtige Tätigkeitsfelder. Dabei wird in der Regel - sofern erforderlich - auf der Basis der Ergebnisse der Lieferantenbewertung ein Entwicklungsplan vereinbart (siehe das in Abb. 90 im fünften Abschnitt wiedergegebene Praxisbeispiel). Förderungsmaßnahmen im Rahmen der Lieferantenentwicklung
Ansatzpunkte für die Lieferantenentwicklung können u.a. sein: -
Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen Rationalisierungsvorschläge (Kaizen-Workshop) Know-how-Transfer (z.B. DV-Spezialist zur Realisierung einer EDI-Anwendung) Fertigungsanalyse (analytische Betrachtung von Puffern, Transportmengen und -wegen, Liegezeiten und Flächen zwecks Verbesserungsmaßnahmen) Know-how-Transfer Beschaffungsmarktinformationen (Hinweise auf günstige Bezugsquellen für Vormaterialien) Technische Hilfestellung in der Produktion und Vertriebslogistik, evtl. mit finanzieller Unterstützung verbunden
Der Prozess der Lieferantenentwicklung kann sehr langwierig sein, wenn es sich dabei um den Aufbau eines für den Abnehmer völlig neuen Partners handelt. In diesem Fall ist die Gefahr besonders gegeben, dass Förderungsmaßnahmen auch der Konkurrenz zugute kommen.
256
Abbildung 42:
Lieferantenpolitik auf der Grundlage einer Portfolio-Analyse: Global contra Local Sourcing (Beispiel aus der Praxis)
257
Maßnahmen im Rahmen der Lieferantenpflege
Auf lange Sicht hängt der Ruf eines Unternehmens bei seinen Lieferanten in starkem Maße von der Art und Weise ab, wie der Einkauf seine Geschäftspartner behandelt. Ein vertrauensvolles Verhältnis zum Lieferanten kann durch folgende Verhaltensweisen aufgebaut und gefestigt werden: -
Fairness und offene Kommunikation Diskrete Behandlung der vom Lieferanten erhaltenen Informationen gegenüber Dritten Einhaltung der eingegangenen Verpflichtungen Aufgeschlossenheit und Verständnis für die Probleme der Lieferanten; diese auch als Kunden betrachten (sog. Reverse Kunden-Lieferantenbeziehungen) Sachlich-korrektes Auftreten bei Besprechungen
Gute Beziehungen zum Lieferanten können dazu beitragen, dass -
die Lieferwilligkeit in einer schwierigen Beschaffungssituation (z.B. Materialverknappung) erhalten bleibt, Hilfestellung bei Problemlösungen (z.B. im Rahmen gemeinsamer Wertanalyse) und frühzeitige Informationen bei Neuerungen gegeben werden.
Lieferantenpflege unterstützt die Lieferantenwerbung
Lieferantenpflege und Public Relations unterstützen auch die Lieferantenwerbung, mit deren Hilfe Anbieter über den Bedarf des eigenen Unternehmens unterrichtet werden sollen. Als Werbemittel dafür kommen Homepages im Internet, Anzeigen in Tages- und Fachzeitungen (z.B. in ,Beschaffung aktuell') sowie Ausstellungen im Empfangsraum des eigenen Unternehmens und Lieferantentage in Betracht.
Lieferantenauszeichnung
Mit Lieferantentagen sollen vor allem A-Lieferanten, strategisch wichtige Lieferanten und neue Lieferanten mit Entwicklungspotenzial erreicht werden. Die Lieferantentage können auch dazu genutzt werden, die besten Lieferanten auszuzeichnen. Damit honorieren Unternehmen Spitzenleistungen bei der Herstellung und Lieferung der Produkte. Durch die Auszeichnung sollen die Preisträger, aber auch die nicht ausgezeichneten Lieferanten angeregt werden, den ständig steigenden Anforderungen mit einem ständigen Prozess der Verbesserung zu begegnen.
258
4.2.4 Planung der Beschaffungszeit Unter Beschaffungs- oder Wiederbeschaffungszeit versteht man die Zeitspanne von der Bedarfserstellung bis zur Verfügbarkeit der bestellten Lieferung im Lager:
Die Komponenten der Beschaffungszeit
Zeit der Bedarfserstellung und -prüfung + Bestellbearbeitungszeit + Bestelltermin + Auftragsübermittlung + Fertigungs- bzw. Lieferzeit + Transportzeit + Liefertermin + Prüfzeit + Einlagerungszeit = Beschaffungszeit
Bedarfstermin (Lieferung ist verfügbar)
Die Notwendigkeit zur Planung der Beschaffungszeit ergibt sich, weil eine Bestellung genau eine Wiederbeschaffungszeit vor dem Zeitpunkt erfolgen muss, an dem das Material ausgeht. Dabei kann man zwischen der inner- und außerbetrieblichen Beschaffungszeit unterscheiden. 1 Die Komponenten der innerbetrieblichen Beschaffungszeit können aufgrund statistischer Erhebungen ermittelt werden. Zweckmäßigerweise werden Materialien, die ungefähr gleiche Beschaffungsvorbereitungs-, Prüf- und Einlagerungszeiten verursachen, zu Materialgruppen zusammengefasst und Gruppenmittelwerte für innerbetriebliche Beschaffungszeiten errechnet. Vor allem zu beachten ist, dass manche Materialien einer besonders langen Zeit der Qualitätsprüfung bedürfen, andere Materialien aus technologischen Gründen vor der Verarbeitung eine bestimmte Zeitspanne gelagert werden müssen (z.B. Holz für die Möbelindustrie). 2 1
Vgl. E. Grochla, Grundlagen der Materialwirtschaft, a.a.O., S. 96 f. - Diese Unterscheidung ist vor allem für die Bestellterminrechnung von Bedeutung, die unter Ziffer 4 im vierten Abschnitt dargestellt wird. 2 Sofern die Prüf- und Einlagerungszeit ins Gewicht fällt, ist es zweckmäßig, diese in der Bestellterminrechnung (siehe vierten Abschnitt, Ziffer 4) gesondert zu führen. Die Beschaffungszeit „im engeren Sinne“ umfasst dann die Zeitspanne zwischen Bestell- und Liefertermin.
259
Inner- und außerbetriebliche Beschaffungszeit lassen sich unterscheiden
Bei der außerbetrieblichen Beschaffungszeit fällt die Zeit für die Auftragsübermittlung in der Regel nicht ins Gewicht, da moderne Informations- und Kommunikationssysteme wie Internet und Multimedia die Kunden- und Lieferantenbeziehungen weltweit vereinfachen und flexibilisieren. Die sich anschließende Lieferzeit (Fertigungszeit) umfasst den Zeitraum vom Auftragseingang beim Lieferanten bis zur Materialauslieferung. Im Allgemeinen liegt hier der größte zeitliche Unsicherheitsfaktor. Man kann diesem dadurch Rechnung tragen, dass im Rahmen der Beschaffungszeitplanung von einer längeren Lieferzeit als der vom Lieferanten angegebenen Frist ausgegangen wird. • Am weitgehendsten gesichert gegen Lieferverzögerungen ist allerdings das beschaffende Unternehmen, wenn - der Lieferant bei ihm ein Konsignationslager unterhält, - er Hauptabnehmer des Lieferanten ist, - er mit dem Lieferanten für den Fall einer Lieferzeitüberziehung eine Konventionalstrafe vereinbart hat.
Die Transportzeit als weitere Komponente der außenbetrieblichen Beschaffungszeit wird bestimmt durch den Transportweg und die Wahl der Transportmittel. Verschwendung von Kosten und Zeit sind zu vermeiden
Aufgabe des Einkaufs ist es, den Lieferanten die Auswirkungen von Terminverzug und Qualitätseinbrüchen deutlich zu machen. Der Lieferant muss wissen, welche Folgekosten bei Produktionsunterbrechungen eintreten. Gemeinsam und in zeitlichen Abständen müssen wiederholte Qualitäts-Audits dem Abnehmer die Gewissheit verschaffen, dass die Qualitätssicherung beim Zulieferanten keine Mängel offen lässt. Bei Vorliegen dieser Voraussetzung kann auf eine eigene Wareneingangsprüfung verzichtet werden, was nicht nur zur Kostensenkung beiträgt, sondern auch zur Zeitreduzierung führt. Eine Reduzierung der Beschaffungszeit ist auch durch Absprachen mit den Lieferanten (Rahmenverträge, Kapazitätsbelegung) zu erreichen, so dass die Lieferzeit in etwa der Fertigungszeit entspricht. Kürzere Lieferzeiten verbessern zugleich die Flexibilität gegenüber Kundenwünschen.
260
Unter Time Based Management-Gesichtspunkten ist jede Form der Verschwendung von Zeit zu vermeiden, denn „Zeit kostet Geld“. Zeitorientiertes Planen und Handeln unter Einbeziehung der Lieferanten muss daher die Zielrichtung sein.
4.2.5 Planung und Sicherstellung der Entsorgung Mit der Planung der Lieferantenauswahl ist auch die Planung der Entsorgung verbunden oder - in der Formulierung des BME: 1 •
Notwendigkeit einer umweltbewussten Beschaffungsstrategie
„Wer beschafft, ist auch für die Entsorgung zuständig.“
Die Notwendigkeit zur Entwicklung einer umweltbewussten Beschaffungsstrategie ist für den Einkauf vor allem aus der Tatsache herzuleiten, dass er die Schlüsselfunktion zum Beschaffungsmarkt einnimmt und im direkten Dialog mit den Lieferanten unmittelbar auf den Umweltschutz Einfluss nehmen kann. Letztlich ist er in der Lage, eine Verringerung des Abfallaufkommens herbeizuführen. Der Einkauf sieht sich hier einem stetig wachsenden Tätigkeitsfeld gegenüber, zumal der Gesetzgeber bemüht ist, nicht nur Reststoffe in den Wirtschaftskreislauf zurückzuführen, sondern auch aus Abfällen möglichst viele Reststoffe zurückzugewinnen bzw. Abfälle zu vermeiden (Vermeidungs- und Verwertungsgebot - AbfG.). 2 Der Einkauf ist somit in zweifacher Hinsicht gefordert:
1
Siehe „Abfallwirtschaft - eine Aufgabe der Materialwirtschaft“, in: BME Schriftenreihe „wissen und beraten“, Frankfurt 1987, S. 20 f. Nach dem „Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen“ (Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz - KrW-/AbfG -), das seit dem 7. Oktober 1996 das frühere Abfallgesetz von 1986 ersetzt, ist unter Vermeidung die Verminderung von Menge und Schädlichkeit des Abfalls zu verstehen. Neben Verwertung und Beseitigung ist Vermeidung zentrales Element dieses Gesetzes. - Siehe auch im sechsten Abschnitt unter Ziffer 3.1.5 und 3.1.6.
2
261
Gesetzliche Priorität der Abfallvermeidung
(1) Mit der Beschaffung hat er die Fragen einer wirtschaftlichen Entsorgung zu klären, um wirtschaftliches Recycling oder kostengünstige Abfallbeseitigung zu sichern. Somit sollte der Einkauf bereits im Vorfeld des Bestellvorgangs tätig werden, indem er der Entwicklung Informationen über umweltfreundliches Substitutionsmaterial zur Verfügung stellt und der Anfrage ein Formular mit „Fragen zur Entsorgung“ (vgl. Formularbeispiel 2) beifügt. (2) Er sollte Einfluss nehmen auf Produktgestaltung, Verpackung und Fertigungsverfahren der Lieferanten, um die Umweltbelastung möglichst zu verringern und Abfall zu vermeiden. (3) Beim Einkauf von umweltgefährdendem Material hat der Lieferant mit dem Angebot die gesetzlich vorgeschriebenen Merkblätter zum Umweltschutz vorzulegen. Der Einkauf übergibt dieses Merkblatt dem behördlich (ab bestimmter Betriebsgröße) vorgeschriebenen Umweltschutzbeauftragten, in der Regel dem Sicherheitsingenieur. Dieser berät den Einkauf und legt gemeinsam mit den Verantwortlichen für innerbetriebliche Logistik Gesundheitsschutz, Behälter-, Verpackungs- und Transportmaßnahmen fest. Das setzt ein Umdenken und eine Neuorientierung des Einkaufs voraus. Richtlinien zur Entsorgungspolitik sind wie ein Beispiel im Anhang verdeutlicht - eine notwendige Handlungshilfe. Welche Möglichkeiten des Recycling angefallener Rückstände, die man aufgrund ihrer Wiederzurückführung in den Wirtschaftsprozess auch als Wirtschaftsgüter bezeichnet, sind nun grundsätzlich gegeben?
262
Formularbeispiel 2:
Fragen zur Entsorgung
263
Maßnahmefelder des Recycling
Optimierung des Verkaufsergebnisses setzt Marktkenntnisse voraus
Es sind hier die nachstehend kurz skizzierten vier Maßnahmefelder zu unterscheiden, die in der Literatur und in der Praxis nicht immer eindeutig definiert werden: 1 -
Wiederverwertung In diesem Fall werden Produktionsrückstände oder „verbrauchte“ Produkte in den gleichen Fertigungsprozess, aus dem sie stammen, wieder eingesetzt, wie z.B. Einschmelzen von Autoschrott oder von Wachsabfällen bei der Kerzenherstellung sowie Aluminiumdosen in der Getränkeindustrie.
-
Wiederverwendung „Gebrauchte“ Produkte werden hier für den gleichen Verwendungszweck, für den sie ursprünglich hergestellt wurden, wieder benutzt, wie z.B. erneute Verwendung einer Getränkeflasche oder eines Austauschmotors.
-
Weiterverwertung bzw. -verarbeitung Produktionsrückstände oder „verbrauchte“ Produkte werden in einem noch nicht durchlaufenen Fertigungsprozess eingesetzt, wie z.B. die Verarbeitung von Stanzrückständen bei der Blechherstellung oder die Gewinnung von Fischmehl aus Fischabfällen.
-
Weiterverwendung „Gebrauchte“ Produkte werden für einen Verwendungszweck benutzt, für den sie ursprünglich nicht hergestellt wurden, z.B. die Verwendung eines Senfglases als Trinkglas.
In der Regel wird sich für Unternehmen die größte Möglichkeit zum Recycling in der Wiederverwertung oder Weiterverwertung ergeben. Hier ist es eine Frage der Wirtschaftlichkeit, ob die unternehmensinterne Nutzung oder der Verkauf angebracht ist. • Damit ein optimales Ergebnis beim Verkauf von Restbeständen/Wirtschaftsgütern erzielt wird, muss der Einkauf Kenntnis von den Möglichkeiten des Marktes 1
Vgl. hierzu „Abfallwirtschaft - eine Aufgabe der Materialwirtschaft“, a.a.O., S. 36 f. sowie Arnolds/Heege/Tussing, Materialwirtschaft und Einkauf, a.a.O., S. 411 ff.
264
haben. Nur so kann er den wirklich günstigsten Abnehmer ermitteln. In der Regel ist der Lieferant als der günstigste Abnehmer anzusehen, mit dem nach Möglichkeit - wie weiter oben ausgeführt - eine Vereinbarung zur Rücknahme im Vorfeld der Vertragsverhandlungen getroffen werden sollte. Ein großer Teil der Restbestände wird aber auch im freien Markt an Altmaterialhändler verkauft. Bei großen Mengen kann auch die Suche nach direkten industriellen Verwendern sinnvoll sein. Eine weitere Möglichkeit, das Marktpotenzial optimal zu nutzen, ist über sog. „Abfallbörsen“ der Industrie- und Handelskammern (IHK) der jeweiligen Bundesländer, des Deutschen Industrieund Handelstages (DIHT), Bonn, gegeben.
„Abfallbörsen“ als Kontaktadressen
Aus dem Gesagten wird insgesamt erkennbar, dass
Kooperation bei der Entwicklung eines Entsorgungskonzepts
• Einkauf/Materialwirtschaft unter Beachtung wirtschaftlicher Grundsätze und Einhaltung der einschlägigen Vorschriften ein Entsorgungskonzept zur Vermeidung, Verminderung, Erfassung und Beseitigung von Abfällen zu entwickeln haben.
Das setzt zugleich eine enge Kooperation mit den Bereichen des eigenen Unternehmens voraus, die kreativ am Suchen und Finden umweltfreundlicher Materialien beteiligt sind.
265
Fragen zur Selbstkontrolle
1. Welche allgemeinen Ziele verfolgt die ABC-Analyse? 2. In welchen Schritten wird die ABC-Analyse nach dem Kriterium Verbrauchswert durchgeführt? 3. Welche Folgerungen können für den Einkauf bzw. die Disposition aus der ABC-Analyse abgeleitet werden? 4. Im Beispiel 17 wird durch die Bestellplanung nach der ABC-Verteilung eine sehr hohe Kosteneinsparung errechnet. Von welchen Voraussetzungen wird dabei ausgegangen? 5. Ist die XYZ-Analyse nur eine Variante der ABC-Analyse? 6. Warum kann in der Portfolio-Analyse ein Hilfsmittel für den strategisch orientierten Einkauf gesehen werden? 7. Grenzen Sie die Aufgaben der Beschaffungsmarktforschung von der eigentlichen Beschaffungstätigkeit ab! 8. Welche Besonderheiten sind mit der Beschaffungsmarktforschung im Ausland verbunden? 9. Welcher Quellen bedienen sich Primär- und SekundärBeschaffungsmarktforschung? 10. Welche Informationen sind bei Lieferantenbesuchen für die Lieferantenbeurteilung zu gewinnen? 11. Im Rahmen der Marktanalyse versucht man eine Antwort auf die Frage zu finden: Welche Marktstellung nehmen die Anbieter, die als Lieferanten in Frage kommen, ein und wie ist ihre Leistungsfähigkeit zu beurteilen? Wie würden Sie diese Forschungsaufgabe formulieren, wenn als Methode die Marktbeobachtung in Frage käme? 12. Was versteht man unter Wertanalyse und wozu dient sie?
266
13. Warum sollte der Einkauf im Wertanalyseteam vertreten sein? 14. Konkretisieren Sie, bei welchen Beschaffungsobjekten eine Unternehmung eher auf Eigenfertigung verzichten und auf Fremdbezug übergehen könnte. 15. Warum ist für den Einkauf die Make-or-Buy-Frage schon immer ein Reizthema gewesen? 16. Erläutern Sie beispielhaft die Aussage, dass durch das Outsourcing von C-Teilen für Einkauf und Logistik ein Kapazitätsgewinn erzielt wird. 17. Zielt Materialgruppenmanagement ausschließlich darauf ab, durch Bedarfsbündelung Einkaufsvorteile zu erzielen? 18. Erläutern Sie Begriff und Inhalt der Beschaffungsplanung! 19. Ein modern geführtes Unternehmen kommt ohne Beschaffungsplanung nicht aus. Warum nicht? 20. Wie sind strategische und operative Beschaffungsplanung voneinander zu unterscheiden? 21. Wie gelangt man im Bereich der Materialwirtschaft von der Planung zur Budgetierung? Beachten Sie dabei auch den Ablauf gemäß Abb. 39.2! 22. Nennen Sie mindestens vier denkbare Planziele des Einkaufs! 23. Grenzen Sie die klassischen Beschaffungsprinzipien hinsichtlich ihrer Vorteile gegeneinander ab! 24. Erläutern Sie anhand Abb. 40 die JiT-Planungs- und Abwicklungsschritte bei VW. 25. An welche Voraussetzungen ist die JiT-Bereitstellungsstrategie geknüpft?
267
26. Begründen Sie die Aussage, dass die Kanban-Steuerung als eine organisatorische Variante zur Realisierung des Just-in-Time-Prinzips angesehen werden kann. 27. Von welchen Faktoren kann die Wahl der Beschaffungswege abhängen? 28. Inwieweit unterscheidet sich der klassische Fachhandel vom Full-Service-Dienstleister? 29. Warum wird durch die Planung der Beschaffungswege der Lieferantenkreis eingeengt? 30. Warum kann eine Einkaufskooperation insbesondere für mittelständische Unternehmen von Vorteil sein? 31. Nach welchen Grundsätzen sollte der Einkäufer sein Verhalten gegenüber den Lieferanten bestimmen? 32. In welchen Bereichen ist eine möglichst enge Zusammenarbeit mit Lieferanten sinnvoll? 33. Welche Anforderungen sind an Systemlieferanten zu stellen? 34. Diskutieren Sie die Single contra Multiple Sourcing-Strategie! 35. Welche Support-Maßnahmen können beispielhaft in Erwägung gezogen werden, wenn ein Lieferant nicht die erwartete Lieferleistung erbringt? 36. Erläutern Sie die Bedeutung der Beschaffungszeit im Rahmen des Time Based Management! 37. Welche Aufgabe kommt dem Einkauf im Rahmen der Abfallvermeidung zu? 38. Welche „Abfallbörsen“ kennen Sie? Die Antworten ergeben sich aus vorstehendem Abschnitt!
268
Vierter Abschnitt Materialdisposition
Um die Produktions- und Absatzpläne erfüllen zu können, ist der Bedarf an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, Zulieferteilen (Baugruppen) sowie Handelswaren rechtzeitig zu ermitteln, damit eine zeitgerechte Bereitstellung der Materialien sichergestellt werden kann. Dabei ist im vorgegebenen Rahmen des kurzfristigen und flexiblen Kapazitätsausgleichs in Abstimmung mit der Produktionsplanung gegebenenfalls zu entscheiden, inwieweit der Bedarf durch Fremdbezug - der in diesem Abschnitt in den Vordergrund tritt - oder durch Eigenfertigung zu decken ist. Auch wenn die Disposition sehr stark von der Informations- und Kooperationsbereitschaft anderer Funktionen abhängig ist, so ist ihre Wirkung auf die Umsetzung oder Erreichung von Zeit-, Qualitäts- und Kostenzielen nicht zu unterschätzen. Die Möglichkeiten zur Optimierung der Dispositionsqualität - der Dispositions- und Abrufverfahren sowie der Parameteroptimierung sind daher nach dem Prinzip der kontinuierlichen Verbesserung auszuschöpfen. Insgesamt gesehen ist die Disposition aus dem Zeitalter der Karteikarten und Taschenrechner herausgetreten, sie lässt sich nicht mehr nebenbei bewältigen. Durch EDV-Unterstützung und durch Rationalisierungsmaßnahmen (z. B. Outsourcing von CTeilen) werden die Mitarbeiter zwar von rechen- und zeitintensiven Routinetätigkeiten entlastet. Die dadurch gewonnene Zeit ist aber für höherwertige Aufgaben wie Parameterpflege, Engpassmanagement und Bestandscontrolling vor Ort zu nutzen. Das setzt bei den dafür Verantwortlichen ein hohes Maß an Fach- und Methodenkompetenz voraus.
1.
Begriff, Ziel, Aufgaben
Begrifflich bedeutet Disposition „sinnvolles Verfügen“. Unter Materialdisposition sind daher alle Tätigkeiten zu verstehen, die notwendig sind, um den Markt oder den Betrieb als Verbraucher mit den erforderlichen Einsatzstoffen oder Han-
271
Begriff und Zielsetzung
delswaren nach Art und Menge termingerecht zu versorgen. Dabei muss die Disposition • um eine stetige Optimierung der miteinander konkurrierenden Zielsetzungen bemüht sein, nämlich eine „bestmögliche“ Lieferbereitschaft zu erreichen und dabei die Kosten und die Kapitalbindung möglichst niedrig zu halten. Die Disposition nimmt bei der Erfolgs- und Liquiditätsbeeinflussung eine Schlüsselstellung ein
Dieses Problem kann - von der Einrichtung von Konsignationslagern abgesehen 1 - idealtypisch durch eine fertigungssynchrone Anlieferung gelöst werden. Auch der Einkauf kann durch zweckentsprechende beschaffungspolitische Maßnahmen dazu beitragen, dass die Disposition das Vorsichtsprinzip maßvoll lockert. Da jedoch immer Versorgungsschwierigkeiten auftreten können, z.B. durch Mehrverbrauch im eigenen Unternehmen, Maschinenausfall beim Lieferanten, Verkehrsstörungen, Ausschusslieferungen usw., setzt eine hohe Lieferbereitschaft stets eine Vorratshaltung voraus. Hier zeigt sich der maßgebliche Einfluss, den die Disposition auf die Liquidität und Rentabilität einer Unternehmung hat. Von ihr werden Bestelltermin, Bestellmenge und Bestellhäufigkeit und damit die Höhe der Lagerbestände maßgeblich bestimmt. Zugleich wird auch hier deutlich, wie notwendig es ist, dass vom MaterialManagement die Ziele der Beschaffungs- und Vorratspolitik entsprechend geplant werden (Vorratsplan). Das hilft den Mitarbeitern der Disposition, die unvermeidbaren Zielkonflikte zu lösen. Eine erfolgreiche Bewältigung der Optimierungsaufgabe setzt außerdem die Beachtung folgender Bedingungen voraus: -
Zuverlässige Bedarfsrechnung oder Bedarfsvorhersage Genaue Bestandsführung und Bestandsmeldungen Geeignete Dispositionsverfahren Richtig bemessene Sicherheitsbestände Optimale Bestell- bzw. Abrufmengen Stetige Mengen- und Terminkontrolle Sinnvolle Anwendung der ABC- und XYZ-Analyse ein aussagefähiges Kennzahlensystem
1
Zum Konsignationslager-Vertrag vgl. im fünften Abschnitt unter Ziffer 2.2.2.2, Punkt e).
272
Abbildung 43:
Dispositionssystem mit angrenzenden Informationskreisen
In der Praxis ist das Aufgabengebiet „Disposition“ sehr unterschiedlich abgegrenzt. Häufig wird die Materialbedarfsermittlung auch Materialdisposition genannt. Im Allgemeinen zählt man dazu aber alle Tätigkeiten, um Art, Menge und Zeitpunkt des Bedarfs festzustellen und umzusetzen in Bestell- bzw. Abrufmengen und Bestelltermine. Dabei sind - je nach Dispositionsverfahren - Lagerbestände, Ausgangsvormerkungen (Bestandsreservierungen), Eingangsvormerkungen (Bestellbestände), Sicherheitsbestände, Beschaffungs- und Durchlaufzeiten, Losgrößen usw. zu beachten. Mit anderen Worten: Bedarfs-, Bestands- und Bestellrechnung wirken zusammen. Auf diesem
273
Bedarfs-, Bestandsund Bestellrechnung wirken zusammen
Zusammenhang beruhen - wie Abb. 43 verdeutlicht 1 - die in der EDV-Praxis zur Anwendung kommenden Verfahren. Zentralisierung der dispositiven Verantwortung
Wenn der marktorientierte Einkauf durch den Abschluss von Rahmenverträgen mit den zuverlässigsten und ertragsstärksten Lieferanten Beschaffungs- bzw. Lieferkapazität bereitgestellt hat, sind die dispositiven Aufgaben für die Materialversorgung mit Entscheidungen über Beschaffung und Verwendung der Materialien nach Art, Menge und Zeitpunkt verbunden. Diese dispositiven Entscheidungen sollten zentral und nicht getrennt nach technischen Gesichtspunkten in der Arbeitsvorbereitung oder nur nach Marktmöglichkeiten im herkömmlichen Einkauf im dispositiven Einkauf - getroffen werden. Auch die bedarfsnahe Beschaffung, d.h. die Bestellbearbeitung und -abwicklung unmittelbar durch den Bedarfsträger bzw. Verwender, ist nicht ohne Risiko. Unabhängig von der disziplinarischen Zuordnung sollte der Bedarfsträger in jedem Fall fachlich der Beschaffung unterstellt bleiben. 2
Zielkonflikte auflösen - „Schwarze-PeterPrinzip“ vermeiden
In jedem Fall ist im Sinne des Kongruenzprinzips die Verantwortung für die Optimierung der Materialversorgung eindeutig zu regeln, ist es zweckmäßig, der Materialdisposition im Rahmen der Bestellrechnung auch die Abwicklung aller Bestellvorgänge - zumindest der Abruf- und Einzelbestellungen - zu übertragen. Wird die Dispositionsfunktion geteilt - die Arbeitsvorbereitung führt beispielsweise die Bedarfsermittlung durch, alle weiteren Tätigkeiten werden vom Einkauf wahrgenommen so fühlt sich für die Höhe der Lagerbestände keine Funktion mehr verantwortlich. Daraus entwickelt sich das Bestreben, Sicherheitsbestände und/oder -zeiten in die Entscheidung einzubauen. Die funktionsspezifische Teiloptimierung wird verteidigt, Materialwirtschaftsprobleme werden nach dem „SchwarzePeter-Prinzip“ gelöst.
Supply Chainorientierte Denkhaltung ist gefordert
Es ist erkennbar, dass der Materialdisposition im Supply ChainNetzwerk eine wichtige Versorgungsfunktion zukommt. Sie ist ideal typischerweise als Subsystem in eine (ganzzeitliche) Logistik integriert - in besonderem Maße gefordert, die Supply 1
Vgl. ADV/ORGA, Materialdispositionssystem (advor-220), Wilhelmshaven (o.J.), S. 4. Vgl. H. Hartmann u.a., Optimierung der Einkaufsorganisation, a.a.O., S. 101.
2
274
Chain-orientierte Denkhaltung, die sich auf die drei Grundprinzipien -
Ganzheitlichkeit Prozessorientierung Kundenorientierung
konzentriert, als notwendige Verhaltensmuster zu begreifen. So ist aus der Sicht der Materialposition die Produktion der wichtigste interne Kunde, während der Vertrieb bzw. das Marketing im Regelfall der wichtigste interne Lieferant ist, demgegenüber die Anforderungen (z. B. Genauigkeit der Absatzprognose) zu definieren sind.
2.
Bedarfsermittlung
Eine qualifizierte Bedarfsermittlung ist die Grundlage für die weiteren Dispositionsvorgänge und somit Voraussetzung für eine dem Verbrauchs- bzw. Produktionsablauf angepasste Materialbereitstellung. Dabei erfordern Bedarfs- und Lieferzeitänderungen eine ständige Überprüfung und Anpassung der Disposition. Zu den Voraussetzungen einer erfolgreichen Bewältigung der Bedarfsermittlungsaufgaben gehört die Anwendung geeigneter Methoden bzw. wirtschaftlich sinnvoller Prognoseverfahren, für deren Einsatz die Bedarfsart mitentscheidend ist. Zunächst müssen wir uns daher im klaren sein, welche Arten von Bedarf in der Materialwirtschaft zu unterscheiden sind.
2.1 Bedarfsarten Unter Materialbedarf ist die Menge an Material zu verstehen, die zu einem bestimmten Termin und für eine bestimmte Periode benötigt wird, um ein vorgegebenes Fertigungsprogramm
275
Definition des Materialbedarfs
oder vorliegende Aufträge erfüllen zu können. Man unterscheidet grundsätzlich zwischen der deterministischen (plangesteuerten) und der stochastischen (verbrauchsgesteuerten) Bedarfsermittlung. Perioden- oder termingenaue Bedarfsermittlung
Sofern der Bedarf einer Planperiode zugeordnet wird, spricht man vom Periodenbedarf. Diese planperiodengenaue Zusammenfassung des Bedarfs schließt allerdings die Angabe des Bedarfs zu einem bestimmten Termin aus. Gleichwohl reicht in vielen Fällen - vor allem bei Serienfertigung - die Zusammenfassung verschiedener Bedarfszahlen mit den in die Planperiode fallenden Bedarfsterminen in einer Summe aus. Bei Einzelfertigung - und in der Regel auch bei Kleinserienfertigung - ist jedoch eine termingenaue Bedarfsermittlung erforderlich. Der Periodenbedarf kann sich aus primärem und sekundärem Bedarf zusammensetzen.
Begriff und Bestimmung des Primärbedarfs
Unter Primärbedarf ist der Bedarf an Fertigerzeugnissen, verkaufsfähigen Baugruppen und Teilen, Handelswaren und Ersatzteilen zu verstehen. Ohne eine Vorhersage kommen Unternehmen nur dann aus, wenn sie rein auftragsbezogen fertigen. In der Praxis wird wegen des starken Wettbewerbes und zwecks Verkürzung der Lieferzeiten häufig eine Wiederverwendung und Vorfertigung gleicher Bauteile angestrebt. Für diese ist dann eine Vorhersage erforderlich. Das Risiko einer Fehlschätzung oder ungenauen Bedarfsvorhersage kann durch einen entsprechend hohen Sicherheitsbestand abgedeckt werden. Je zuverlässiger die Bedarfsvorhersageverfahren arbeiten, desto niedriger können die Sicherheitsbestände gehalten werden.
Begriff und Bestimmung des Sekundärbedarfs
Während in Handelsbetrieben der ermittelte Primärbedarf Grundlage der Disposition ist, muss dieser in Industriebetrieben in einen Sekundärbedarf an Baugruppen, Einzelteilen und Rohstoffen zerlegt werden. Ein Beispiel soll den Begriff des Sekundärbedarfs näher erläutern.
Allgemeines Beispiel zur Begriffserklärung (Primär- und Sekundärbedarf)
Beispiel 22: Eine Möbelfabrik fertigt einen Unterschrank für eine Einbauküche. Der Unterschrank enthält eine Brotschneidemaschine. Die Brotschneidemaschine wiederum enthält einen Elektromotor.
276
Sowohl der Bedarf an Brotschneidemaschinen als auch an Elektromotoren wird als Sekundärbedarf bezeichnet, weil er aus dem Primärbedarf (Unterschrank) ermittelt werden kann. Werden die Brotschneidemaschinen oder Elektromotoren auch als Ersatzteile an Kunden geliefert, dann liegt hierfür sowohl ein Primär- als auch ein Sekundärbedarf vor. Sofern ein Produktionsplan vorliegt, der in seiner mengen- und strukturmäßigen Zusammensetzung fixiert ist, bedient man sich zur Ermittlung des Sekundärbedarfs der Stücklisten oder der Teileverwendungsnachweise (deterministische Bedarfsermittlung). Ist eine Bedarfsermittlung auf diese Weise nicht durchzuführen, weil -
Programmunterlagen und/oder Stücklisten fehlen, die Jahres- oder Einzelbedarfswerte zu gering sind,
so wird der Bedarf mithilfe von mathematisch-statistischen Methoden aufgrund von Verbrauchsdaten vorhergesagt oder geschätzt (verbrauchsgesteuerte Materialien). Der Bedarf an Hilfs- und Betriebsstoffen sowie Verschleißwerkzeugen für die Produktion wird als Tertiärbedarf bezeichnet. Er kann aus dem Sekundärbedarf abgeleitet werden, indem man technologische Kennzahlen (z.B. Energiebedarf je Maschinenstunde) zu Hilfe nimmt (= deterministische Ermittlung). In der Regel wird der Tertiärbedarf aufgrund mathematisch-statistischer Methoden (stochastische Ermittlung) oder einfach durch Schätzung vorhergesagt. In Abb. 44 sind Primär-, Sekundär- und Tertiärbedarf zusammengefasst. Um den Überblick über die verschiedenen Bedarfsarten zu vervollständigen, ist außerdem noch zwischen Brutto- und Nettobedarf zu unterscheiden.
Begriff und Bestimmung des Tertiärbedarfs
Der Bruttobedarf ist der periodenbezogene Bruttoproduktionsbedarf an Materialien, der - unter evtl. Berücksichtigung eines Zusatzbedarfes in Form von Ersatzteilen (Primärbedarf) und Ausschuss - über Stücklistenauflösung (Sekundärbedarf) oder stochastisch (Tertiärbedarf) ermittelt werden kann.
Begriff und Bestimmung des Bruttound Nettobedarfs
Die Notwendigkeit zur Überprüfung, ob neue Bestellungen auszulösen sind - eine Aufgabe der Bestellterminrechnung - liegt
277
aber erst vor, wenn der Bruttobedarf durch den verfügbaren Bestand nicht (mehr) gedeckt ist, d.h. wenn eine Unterdeckung auftritt. Diese ist identisch mit einem positiven Nettobedarf, der die Differenz zwischen Bruttobedarf und verfügbarem Bestand darstellt. Materialbedarfsarten
Ermittlung nach Ursprung und Erzeugnisebene
Ermittlung ohne/unter Berücksichtigung der Bestände
Primärbedarf
Sekundärbedarf
Tertiärbedarf
Bruttobedarf
Nettobedarf
Bedarf an ver-
Bedarf an Roh-
Bedarf an Be-
periodenbezo-
Bruttobedarf
kaufsfähigen
stoffen, Teilen
triebs- und
gener Primär-,
abzüglich ver-
Erzeugnissen
und Gruppen
Hilfsstoffen
Sekundär- oder
fügbarem Be-
(Marktbedarf)
zur Fertigung
Tertiärbedarf
stand
des Primärbedarfs
Abbildung 44:
Zusammenstellung der Materialbedarfsarten
Wie diese beiden Bedarfsarten zusammenhängen, soll Beispiel 23 zeigen, wobei der Einfachheit halber angenommen wird, dass der verfügbare Bestand mit dem Lagerbestand identisch ist. 1 Zahlenbeispiel zur Brutto- und Nettobedarfsrechnung (Einführungsbeispiel)
Beispiel 23: Für eine Materialposition liegt sowohl Primärbedarf als auch Sekundärbedarf vor. Es handelt sich also um ein Teil, das sowohl für die Eigenfertigung benötigt als auch als Ersatzteil an 1
Diese Gleichsetzung bedeutet, dass Reservierungen (geplante Entnahmen) und Bestellungen (geplante Zugänge) nicht berücksichtigt werden. Vgl. dazu unter Ziffer 3.2. in diesem Abschnitt.
278
Kunden geliefert wird. Die Tabelle 7 zeigt, wie sich die einzelnen Periodenbedarfswerte aus dem Primär- und Sekundärbedarf zusammensetzen und wie sich daraus der Gesamtbedarf ergibt. Aus Tabelle 7 ist gleichzeitig zu ersehen, dass von der Materialposition noch 450 Stück am Lager sind, die vom Bruttobedarfswert abgesetzt werden und so den Netto-Gesamtbedarf ergeben. Beim Periodenbedarf wird jeweils höchstens so viel vom Lagerbestand abgesetzt, wie zur Deckung des Periodenbedarfs benötigt wird. Der gesamte Lagerbestand ist im Monat März abgesetzt.
Primärbedarf
Jan.
Feb.
90
50
März April 50
40
Mai
Juni
50
50
Ges. 330 Gesamt-
(Ersatzteile-
primärbe-
bedarf) Sekundärbe-
darf 150
120
180
90
120
160
820 Gesamtse-
darf
kundärbedarf
Bruttoperio-
240
170
230
130
170
210
1150 Bruttoge-
Lagerbestand 450
210
40
0
0
0
450 Lagerbe-
denbedarf
samtbedarf
./.
stand ./.
Nettoperio-
0
0
190
130
170
210
700 Nettoge-
denbedarf
Tabelle 7:
samtbedarf
Brutto- und Nettobedarfsrechnung
In der Praxis kann sich der Gesamtbedarf durch einen „Zusatzbedarf“ zum Bruttobedarf erhöhen. Nachdem der Abgleich mit dem verfügbaren Lagerbeständen erfolgt ist, muss außerdem der verbleibende Bedarf noch mit den laufenden Bestellungen abgeglichen werden. Welche Vorteile sich aus dieser Nettobedarfsrechnung ergeben, werden wir später sehen. Bevor die Verfahren beschrieben werden, die für die Bruttobedarfsermittlung von Bedeutung sind, müssen noch einige weitere Begriffe geklärt werden.
279
2.2 Durchlaufzeit, Vorlaufzeit, Vorhersagezeitraum Es geht dabei um die Frage, wieweit in die Zukunft eine Bedarfsvorhersage erforderlich ist. Um hierauf eine Antwort zu geben, müssen die Beschaffungszeiten der Einsatzstoffe und die Durchlaufzeiten für ihre Ver- und Bearbeitung in den einzelnen Fertigungsstufen bekannt sein. Vorlaufzeit des Sekundärbedarfs
Aus Abb. 45 ist zu erkennen, dass der Sekundärbedarf für das Material einer Fertigungsstufe jeweils um die Durchlaufzeit der nachfolgenden Fertigungsstufen zeitlich gegenüber dem Primärbedarf vorgeschoben ist. Anders formuliert: Ein untergeordnetes Teil muss um die Vorlaufzeit früher als das übergeordnete Gruppenteil fertig sein. In diesem Fall beträgt die Vorlaufverschiebung des - der Einfachheit halber nicht weiter aufgelösten - Sekundärbedarfs drei Monate.
Abbildung 45:
Vorlaufzeiten
Die Durchlaufzeit ist vor allem dann losgrößenabhängig, wenn je nach Losgröße unterschiedliche Fertigungsverfahren gewählt werden.
280
Abbildung 46:
Betriebskalender
Um den Sekundärbedarf decken zu können, genügt es aber nicht, ihn erst bei seinem Auftreten zu kennen. Vielmehr muss die Disposition um die Beschaffungszeit des jeweiligen Ma-
281
Vorlaufzeit der Disposition
terials früher erfolgen. In Abb. 45 ist die Vorlaufzeit der Disposition fünf Monate (drei Monate Durchlaufzeit + zwei Monate Beschaffungszeit). Vorlaufzeit der Bedarfsrechnung
Da der Bedarf vorher errechnet werden muss, um disponieren zu können und die Bedarfsrechnung in der Regel nur in fest vorgegebenen Zeitintervallen durchgeführt wird, muss sie natürlich um diese Zeit vor der Disposition begonnen werden. Andernfalls liegen die Ergebnisse der Disposition nicht rechtzeitig vor. In Abb. 45 ist die Vorlaufzeit der Bedarfsrechnung sechs Monate (drei Monate Durchlaufzeit + zwei Monate Beschaffungszeit + monatliche Bedarfsrechnung). Der Vorhersagezeitraum muss zumindest diese Zeitspanne umfassen.
Die Materialdisposition wird durch Einführung eines Betriebskalenders wesentlich erleichtert
In der Praxis wird die Bedarfs- und Terminplanung durch Einführung eines Betriebskalenders anstelle des Gregorianischen Kalenders wesentlich erleichtert. Der Betriebskalender nummeriert fortlaufend alle Arbeitstage und scheidet die arbeitsfreien Tage, an denen normalerweise kein Material verbraucht wird, aus. Die Länge des Fabrik- bzw. Betriebskalenders wird meistens mit 1.000 Arbeitstagen angenommen. Der Terminbereich geht von 000-999, um dann mit 000 wieder neu zu beginnen. Ein Fabrikkalender umfasst also in der Regel einen Planungszeitraum von etwa vier Jahren. Es kann aber auch die Einführung eines vierstelligen Fabrikkalenders - wie in Abb. 46 sinnvoll sein.
2.3 Methoden der Bedarfsermittlung In der Praxis kommen die Methoden der Bedarfsermittlung kombiniert zum Einsatz
Zu den wichtigsten Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Materialdisposition zählt die Kenntnis des zukünftigen Bedarfs, der mithilfe folgender Verfahren ermittelt werden kann. (1) Deterministische Bedarfsrechnung: Basis sind vorliegende festumrissene Kundenaufträge, Produktionspläne und Stücklisten oder Rezepturen.
282
(2) Stochastische Bedarfsrechnung: Basis sind mathematisch-statistische Ermittlungen, die sich auf die Verbrauchsentwicklung in der Vergangenheit beziehen und aus diesen Daten den Bedarf für die Zukunft errechnen (vorhersagen). (3) Subjektive Bedarfsschätzung: Basis ist die persönliche Meinung einer oder mehrerer Personen. In Abb. 47 ist eine Gliederung gewählt, die weitere Differenzierungen ermöglicht. Außerdem ist aus dieser Abbildung ersichtlich, woher im Wesentlichen die Daten für die Bedarfsermittlung kommen. In der Praxis der Bedarfsrechnung kommt man mit einer der drei Methoden nicht aus. Als Ausgangspunkt für die Festsetzung der Berechnungsart sollte eine Materialuntersuchung nach der ABC-Analyse dienen, die durch eine XYZ-Analyse ergänzt werden könnte. Darüber hinaus sind teilespezifische Kriterien (z.B. auslaufendes Teil) zu beachten. Die Leistungsfähigkeit einer Bedarfsermittlungsmethode muss daran gemessen werden können, inwieweit sie in der Lage ist, • einen geforderten Genauigkeitsgrad (z.B. termingenaue Disposition) und • eine hohe Bedarfstransparenz (Bedarfsverursachernachweis) bei wirtschaftlich vertretbaren Kosten zu gewährleisten. Es soll nun ein Überblick über die Voraussetzungen und Grenzen der verschiedenen Methoden der Bedarfsrechnung gegeben werden, bevor ihre Anwendungsgebiete zusammenfassend skizziert werden.
283
ABC- und XYZAnalyse als Ausgangspunkt für eine differenzierte Anwendung
Abbildung 47:
284
Methoden der Bedarfsermittlung
2.3.1 Deterministische Bedarfsermittlung Die deterministische Bedarfsermittlung leitet ihren Namen von der Tatsache ab, dass der Materialbedarf nach Menge und Termin bei bekanntem Primärbedarf genau ermittelt wird. Andere Ausdrücke für diese Bedarfsermittlungsart sind: Stücklistenauflösung, Bedarfsplanung, programm-, plan- oder bedarfsorientierte Bedarfsermittlung. Wichtig für die praktische Handhabe ist die Tatsache, dass die deterministische Bedarfsermittlung theoretisch nur für eine Auftragsfertigung anwendbar ist, praktisch jedoch häufig ein prognostizierter Primärbedarf als determiniert angenommen wird. Ausgangsdaten sind: (1) Der Primärbedarf an Erzeugnissen oder Baugruppen für kurzfristige Teilplanungsperioden (meistens in Wochen oder Monaten untergliederter Absatz- oder Produktionsplan) oder für einen Kundenauftrag. (2) Der Bedarf je Mengeneinheit, der aus Stücklisten, Rezepturen, Fertigungs- oder Bauvorschriften u.a.m. zu entnehmen ist. Meist enthält auch der Arbeits- oder Fertigungsplan, in dem im Grunde nur die zur Herstellung eines Erzeugnisses notwendigen Arbeitsgänge aufgeführt werden, die zu verwendenden Rohstoffe, Teile, Baugruppen usw. In diesen Fällen übernimmt der Fertigungsplan auch die Funktion der Stückliste. (Zur Vereinfachung wird im Folgenden nur von Stücklisten gesprochen.) (3) Die zeitliche Verteilung des Bedarfs ist aufgrund einer bis ins einzelne gehenden Ablaufplanung zu ermitteln (Fristenplan, Netzplan). Für Dispositionszwecke stehen auch einfachere Verfahren zur Verfügung.
285
Definition der deterministischen Bedarfsermittlung
Vor- und Nachteile der deterministischen Bedarfsermittlung
Die deterministische Bedarfsermittlung ist besonders rechenintensiv und aufwendig bei Unternehmen, die Erzeugnisse mit stark differenzierten Fertigungsstrukturen in Verbindung mit langen Durchlaufzeiten und Zwischenlagern herstellen. Man muss sich daher der EDV bedienen. Auch ist der Vorbereitungsaufwand zur Durchführung einer deterministischen Bedarfsermittlung erheblich höher als bei einer reinen Bedarfsvorhersage. Allerdings bietet die deterministische Bedarfsermittlung entscheidende Vorteile: • Es kann mit vergleichsweise genauen Bedarfsmengen und -terminen gearbeitet werden, die wiederum die Grundlage für geringe Bestände bilden.
Grenzen deterministischer Bedarfsermittlung
Die Grenzen deterministischer Methoden bei der Bedarfsrechnung liegen vor allem in folgenden Unsicherheiten begründet: (1) Änderung des Produktionsprogramms: Hierunter fallen - Verminderung der Stückzahlen, - Erhöhung der Stückzahlen, - Aufnahme neuer Erzeugnisse. Ein gewisser Teil der Kundenaufträge ändert sich nach Termin, Menge oder Ausführungsart. (2) Änderung der Konstruktion: Hierdurch werden ausgelöst - Mehrbedarf eines bestimmten Materials, - Minderbedarf eines bestimmten Materials, - Bedarf für ein anderes Material. (3) Änderung der Durchlaufzeit: Die Vorgabewerte der Durchlaufzeiten können vom Betrieb nicht eingehalten werden. Es können sich auch aufgrund konstruktiver oder fertigungstechnischer Änderungen Abweichungen ergeben.
286
(4) Änderung der Beschaffungszeit: Hier fallen vor allem Überschreitungen der Liefer- und der Transportzeit ins Gewicht. Von besonderer Bedeutung für die anschließenden dispositiven Aufgaben ist der Primärbedarf, weil der mit der Primärbedarfsfeststellung erreichte Genauigkeitsgrad sich unmittelbar auf den daraus abgeleiteten Material- und Kapazitätsbedarf auswirkt und durch die Losbildung „nervöse“ Systemreaktionen verursacht.
Genauigkeitsgrad des Primärbedarfs ist von besonderer dispositiver Bedeutung
Daraus folgt: • Der Absatzprognose und dem Änderungsdienst beim Auftragsbestand ist besondere Sorgfalt zu widmen. Die Praxis, der Bedarfsunsicherheit durch rollierende Planung entgegen zu wirken, erweist sich dann als untauglich, wenn Änderungen auf der Ebene des Primärbedarfs noch vorgenommen werden, obwohl auf vorgelagerten Fertigungsstufen oder für die Materialbeschaffung bereits Aufträge ausgelöst wurden. Die nach dem deterministischen Prinzip aufgebauten Verfahren der Bedarfsermittlung berücksichtigen diese Unsicherheiten nicht. Wenn die daraus erwachsenden Risiken für ein Unternehmen nicht mehr überschaubar und kalkulierbar sind, muss es sich der stochastischen Methoden bedienen. Da für die Anwendung deterministischer Methoden der Bedarfsermittlung als spezielle Unterlagen Stücklisten oder Teileverwendungsnachweise erforderlich sind, sollen diese zunächst kurz erläutert werden. Auf die in Abb. 47 dieser Arbeit genannten Verfahren werden wir im Anschluss daran eingehen. 2.3.1.1 Grundlagen der deterministischen Bedarfsermittlung a) Stücklisten Die Stückliste gehört neben der Zeichnung und dem Arbeitsplan in Fertigungsbetrieben zu den wichtigsten allgemeinen Datenträgern. Während die Zeichnung in erster Linie die Gestalt
287
Zeichnung, Stückliste und Arbeitsplan sind die wichtigsten Arbeitsunterlagen jeder industriellen Fertigung
des Erzeugnisses dokumentiert, stellt die Erzeugnisgliederung die Struktur dar, und die Stückliste zeigt zusätzlich seine mengenmäßige Zusammensetzung aus Gruppen, Teilen und gegebenenfalls Rohstoffen. Die Stückliste und der Arbeitsplan leiten sich aus der Zeichnung ab. Definition der Stückliste nach REFA
Nach REFA 1 enthält die Stückliste „die Mengen aller Gruppen, Teile und Rohstoffe, die für die Fertigung einer Einheit des Erzeugnisses oder einer Gruppe erforderlich sind.“ Darüber hinaus kann sie weitere Stammdaten sowie Strukturdaten der Erzeugnisse, Gruppen und Teile enthalten.
Es lassen sich drei Grundformen von Stücklisten unterscheiden
Früher verstand man unter Stückliste die Konstruktionsstückliste, die Teil der Zeichnung oder Anlage zur Zeichnung war. Durch die Vergabe einer Nummer war jede Position definiert. Die Verbindung zur Zeichnung wurde durch die Angabe der Stücklistenpositions-Nummer hergestellt. Bei den von der Konstruktion erstellten Stücklisten handelt es sich meistens um Mengenübersichtsstücklisten. Heute geht die Konstruktion in vielen Betrieben dazu über, die Stücklisten nach der Struktur der Erzeugnisse zu gestalten. Die gebräuchlichste Art ist die Baukastenstückliste. Für die Disposition ist die Strukturstückliste ein ideales Hilfsmittel. In Abb. 48 ist die Gliederung eines Feuerzeuges grafisch dargestellt. Abb. 49 zeigt die dazugehörige Strukturstückliste, wie sie in der Praxis benutzt wird. 2 Es lassen sich demnach drei Grundformen von Stücklisten unterscheiden: -
die Mengenübersichtsstückliste (auch Übersichtsstückliste oder Mengenstückliste) die Strukturstückliste die Baukastenstückliste
1
REFA, Methodenlehre der Planung und Steuerung, Teil 1, München 1974/75, S. 261. Vgl. UNIVAC, UNIS/90; Univac-Industrie-System für die SPERRY UNIVAC Serie 90. Allgemeine Beschreibung, Sulzbach 1974, S. 7 ff.
2
288
Abbildung 48:
Aufbau eines Feuerzeuges (Beispiel aus der Praxis)
Die Grundformen sollen anhand einer einfachen Erzeugnisstruktur erläutert werden. Abb. 50 zeigt die Struktur eines Erzeugnisses nach Fertigungsstufen, wobei zwecks Vereinfachung eine schematische Darstellungsweise gewählt wurde. Die dazugehörigen Mengenbeziehungen des Erzeugnisses werden in Abb. 51 mithilfe des sogenannten „Gozinto-Grafen“
289
beschrieben. 1 Anhand dieses Beispiels sollen im weiteren die Funktionen der erwähnten Stücklisten beschrieben werden. Strukturstückliste für Feuerzeug 10000000 Baustufe 1 1 1 2 2 2 2 2 2 3 3 3 3 3 3 3 3 4 4 4 4 4 4 4 5 5 5
Stücklisten-Nr. 1000 0000 1000 0000 1000 0000 2000 0001 2000 0001 2000 0002 2000 0002 2000 0003 2000 0003 2000 3000 2000 3000 2000 3000 4000 0100 4000 0100 4000 0100 4000 0100 4000 0100 2000 0500 2000 0500 2000 0500 3020 0100 3020 0100 3020 0100 3020 0100 3031 0000 3031 0000 3031 0000
Abbildung 49:
1
Datum: Name: Teile-Nr. Benennung Menge Dispstufe 2000 0001 Tank, komplett 1 1 2000 0002 Gehäuse, kompl. 1 1 2000 0003 Deckel mit Zündm. 1 1 2000 2000 Tank 1 2 2000 3000 Tankdeckel 1 2 3001 0001 Gehäuse 1 2 2003 0032 Tankfeder 1 2 4000 0100 Zündmechanismus 1 2 3000 1002 Deckel 1 2 2000 0400 Platte 1 3 2000 0500 Flammventil 1 3 2000 0800 Dichtung 1 3 4020 000 Halter 1 3 3020 0100 Zünder 1 3 4030 0000 Flammregulierung 1 3 1010 1000 Snipper 1 3 4030 0002 Niet 1 5 2000 7001 Ventilgehäuse 1 4 2000 7002 Ventilkegel 1 4 2000 7008 Feder 1 4 4002 0022 Schuh 1 4 3030 0000 Feder 1 4 3031 0000 Zündrad, kompl. 1 4 3041 0000 Zündstein 1 4 4000 3033 Träger 1 5 3300 8900 Zündrad 1 5 4030 0002 Niet 1 5
Strukturstückliste für ein Feuerzeug (Beispiel aus der Praxis)
Neben der Liste und dem Strukturbaum ist der Gozinto-Graf eine davon völlig abweichende Darstellungsform der Mengen- und Stufenbeziehungen zwischen den Elementen eines Erzeugnisses. Die Bezeichnung erklärt sich, wenn man den Namen in englischer Aussprache liest: The-part-that goes-into. - Eine vierte Möglichkeit der Darstellung ist die Matrizenform. - Vgl. W.R. Trux, Einkauf und Lagerdisposition mit Datenverarbeitung, 2. Auflage, München 1972, S. 407 ff.
290
aa) Mengenübersichtsstückliste Die Mengenübersichtsstückliste ist die einfachste Form der Stücklistendarstellung zum Zwecke der Bedarfsermittlung.
Abbildung 50:
Struktur des Erzeugnisses E1 (schematisch)
Sie gibt Auskunft über die Mengen an Rohstoffen, Einzelteilen und Baugruppen, die für die Fertigung eines Erzeugnisses benötigt werden, zusammengefasst über alle Fertigungsstufen. Es werden also - und das ist sehr wesentlich - alle Erzeugnisbestandteile ohne Hinweis auf ihre Stellung innerhalb der Erzeugnisstruktur erfasst.
291
Die Mengenübersichtsstückliste fasst den gesamten Bedarf an Baugruppen, Einzelteilen und Rohstoffen für ein bestimmtes Produkt zusammen
Abbildung 51:
Gozinto-Grafen des Erzeugnisses E1
Ein wesentlicher Vorteil liegt in der übersichtlichen und einfachen Benutzung. Sofern jedoch bestimmte Teilepositionen in einem Zusammenhang vormontiert werden, ist aus der Mengenstückliste die Gruppenzusammengehörigkeit nicht zu erkennen. Das kann - wie nachfolgend noch erläutert wird - ein wesentlicher Nachteil für die Bedarfsrechnung sein.
292
Die Mengenübersichtsstückliste wird vor allem für die Materialplanung verwendet. 1 Für das Erzeugnis E1 (Abb. 50 und Abb. 51) ist in Abb. 52 die Mengenstückliste schematisch dargestellt.
Position 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Abbildung 52:
Erzeugnis E1 Ident-Nr. Menge A 1 B 3 C 1 D 3 1 7 2 10 3 12 4 2 5 3 6 15
Mengenstückliste zum Erzeugnis E1 (schematisch)
ab) Strukturstückliste Im Gegensatz zur Mengenübersichtsstückliste enthält die Strukturstückliste alle Baugruppen und Teile eines Erzeugnisses in strukturierter Anordnung. Sie zeigt übersichtlich die Zusammensetzung des Erzeugnisses auf, wobei allerdings mehrfach verwendete Baugruppen mit allen Einzelteilen wiederholt in der Stückliste erscheinen. Die Struktur kann, wie in Abb. 53, durch Einrücken der einzelnen Baugruppen und Teile, durch Pfeile, durch Kreuze oder, wie im Beispiel aus der Praxis (Abb. 49, Seite 290), durch eine Zuordnung von Ebenennummern (Baustufen) dargestellt werden.
1
Aus der Mengenübersichtsstückliste geht nicht hervor, wie die verschiedenen Erzeugniskomponenten in das Erzeugnis eingehen
Vgl. UNIVAC, UNIS/90; Univac-Industrie-System, a.a.O., S. 8.
293
Die Strukturstückliste beschreibt ein Enderzeugnis in seiner konstruktiven und fertigungstechnischen Gliederung
Position 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 Abbildung 53:
In der Baukastenstückliste wird jede Gruppe entsprechend dem Baukastenprinzip behandelt
Erzeugnis E1 Ident-Nr. A B D 1 6 3 C 4 5 2 1 B D 1 6 3
Menge 1 2 1 2 5 4 1 2 3 10 1 1 1 2 5 4
Strukturstückliste des Erzeugnisses E1 (schematisch)
ac) Baukastenstückliste In der Baukastenstückliste werden nur die Teile bzw. Baugruppen erfasst, die direkt in eine übergeordnete Baugruppe eingehen (einstufige Stückliste). Dabei wird von den Fertigungsebenen ausgegangen. Für ein mehrgliedriges Erzeugnis sind bei diesem Stücklistenaufbau immer mehrere Stücklisten erforderlich. Die Mengenangaben werden auch hier auf die übergeordnete Einheit bezogen (vgl. Abb. 54). Der Vorteil dieser Stücklistenform liegt darin, dass trotz Mehrfachverwendung einer Baugruppe es nur eine Stückliste im Stücklistenbestand gibt. Speicherplatzbedarf und Änderungsaufwand werden damit auf ein Mindestmaß verringert. Durch die Adressverkettung im Stücklistenprozessor 1 kann bei Einsatz 1
Zur Arbeitsweise des Stücklistenprozessors vgl. W.R. Trux, Einkauf und Lagerdisposition mit Datenverarbeitung, a.a.O., S. 413 ff.
294
der EDV die genaue strukturelle Zusammensetzung eines Erzeugnisses schnell rekonstruiert werden.
Erzeugnis E1
Gruppe A
Pos.
Ident-Nr.
Menge
Pos.
Ident-Nr.
Menge
1
A
1
1
B
2
2
1
1
2
C
1
3
B
1
3
2
10
Pos.
Ident-Nr.
Menge
Pos.
Ident-Nr.
Menge
1
D
1
1
4
2
2
3
4
2
5
3
Gruppe B
Gruppe C
Gruppe D
Abbildung 54:
Pos.
Ident-Nr.
Menge
1
1
2
2
6
5
Baukastenstückliste des Erzeugnisses E1 (schematisch)
b) Teileverwendungsnachweise Grundsätzlich handelt es sich bei Teileverwendungsnachweisen um Stücklisten in anderer Sortierfolge („umgekehrte“ Stücklisten). Ein Teileverwendungsnachweis geht nicht von einer übergeordneten Baugruppe aus, sondern gibt Auskunft darüber, in welchen Baugruppen und Enderzeugnissen ein Einzelteil vorkommt. Analog zu den drei Grundformen der Stücklisten lassen sich auch hier Mengenübersichts-Teileverwendungsnachweise, Struktur-Teileverwendungsnachweise und Teileverwendungsnachweise in Baukastenform unterscheiden. Abb. 55 zeigt die Beziehung zwischen Mengenübersichtsstücklisten und einem entsprechenden Teileverwendungsnachweis. Für die Bedarfsermittlung bei Lagerfertigung und für den Änderungsdienst bei Wiederholteilen sind Verwendungsnachweise besonders aussagefähige Unterlagen.
295
Der Teileverwendungsnachweis ist eine „umgekehrte" Stückliste
Abbildung 55:
Beziehungen zwischen Stücklisten und Teileverwendungsnachweis
2.3.1.2 Verfahren der deterministischen Bedarfsermittlung Grundsätzlich stehen die analytische und die synthetische Methode zur Bedarfsauflösung zur Verfügung
Mit der analytischen und synthetischen Methode der Bedarfsermittlung stehen unterschiedliche Verfahren der deterministischen Bedarfsrechnung zur Verfügung, die sich durch die Art der verwendeten Hilfsmittel unterscheiden. Dabei ist die analytische Methode besonders geeignet, wenn ein Produktionsplan aufzulösen ist. Für die Bedarfsauflösung eines einzelnen Fertigerzeugnisses wird dagegen das synthetische
296
Auflösungsverfahren bevorzugt. 1 In der betrieblichen Praxis werden sehr häufig beide Verfahren nebeneinander eingesetzt. a) Analytische Bedarfsauflösung Die Bedarfsrechnung nach dem analytischen Auflösungsverfahren geht vom Bedarf für Fertigerzeugnisse aus (Primärbedarf), der in einem Produktionsplan festgehalten ist. Schrittweise werden die Fertigerzeugnisse aufgrund der Stücklisten über die verschiedenen Baugruppen bis zu den Einzelteilen und dem Rohmaterial zergliedert. Dabei kann die Auflösung -
auf der Grundlage von Mengenübersichtsstücklisten, nach Bau- bzw. Fertigungsstufen und nach Dispositionsstufen
erfolgen. Die Auflösung nach Bau- bzw. Fertigungsstufen und die Auflösung nach Dispositionsstufen setzen den Einsatz von Baukasten- bzw. Strukturstücklisten voraus. Beide Verfahren können sowohl zur Bestimmung des Bruttobedarfs als auch zur Ermittlung des Nettobedarfs verwendet werden. Ihre Anwendung ist allerdings sehr aufwendig und nur mit Unterstützung der EDV realisierbar. In Abb. 56 ist die analytische Stücklistenauflösung über EDV schematisch dargestellt. 2
1
Vgl. J.R. Zeigermann, Elektronische Datenverarbeitung in der Materialwirtschaft, a.a.O., S. 98. In Anlehnung an VDI, Elektronische Datenverarbeitung bei der Produktionsplanung und -steuerung IV, Düsseldorf 1974, S. 5.
2
297
Produktionsplan/Primärbedarf Erzeug- Per. 1 Per. 2 Per. 3
Baukastenstückliste Gruppe
nis E1
100
150
50
C
Ident.-Nr.
Menge
4
2
5
3
EDV Sekundärbedarf/Bruttobedarf Teil 4
Per. 1
Per. 2
Per. 3
200
300
100
Sekundärbedarf/Bruttobedarf Teil 5
Abbildung 56:
Die analytische Methode auf der Grundlage von Mengenübersichtsstücklisten ermöglicht unter einschränkenden Bedingungen nur die Ermittlung des Bruttobedarfs
Per. 1
Per. 2
Per. 3
300
450
150
Analytische Stücklistenauflösung mit EDV (Per. = Periode)
aa) Bedarfsermittlung auf der Grundlage von Mengenübersichtsstücklisten Bei Verwendung der Mengenübersichtsstückliste (vgl. Abb. 52) sind zur Errechnung des Bruttobedarfs an Baugruppen, Einzelteilen und Rohstoffen jeweils die entsprechenden Mengenangaben der Mengenstückliste mit den Planwerten des Primärbedarfs zu multiplizieren. Wenn beispielsweise der Produktionsplan vorsieht, in der Woche (= angenommene Planperiode) 100 Einheiten des Fertigerzeugnisses E1 zu fertigen, so errechnen sich leicht folgende Sekundärbedarfe für die Planperiode (Periodenbedarfe):
298
A 100
B 300
C 100
D 300
T1 700
T2 T3 T4 1.000 1.200 200
T5 T6 300 1.500
Materialbedarfsermittlung aufgrund Produktionsplan und Mengenübersichtsstückliste
Tabelle 8:
Mengenübersichtstabellen sind zwar einfach zu erstellen und auch manuell mit vertretbarem Aufwand zu fertigen, ihre Einsatzmöglichkeiten in der Praxis sind aber begrenzt, weil nur der in einem Produktionsplan enthaltene Bruttobedarf errechnet werden kann. Eine analytische Bedarfsauflösung, die den terminierten Bedarf ermittelt, die zeitliche Verteilung des Bedarfs entsprechend dem Produktionsprozess also berücksichtigen soll, ist mithilfe der Mengenübersichtsstückliste nicht ohne weiteres möglich. Machen wir uns diese Problematik an einem Beispiel klar: Beispiel 24: In Abb. 57 wird das bereits bekannte Fertigerzeugnis E1 in seinem zeitlichen Fertigungsablauf dargestellt. Dabei wird angenommen, dass die Durchlauf- oder Beschaffungszeit für das Fertigerzeugnis sowie für die Baugruppen je zwei Perioden und für Einzelteile eine Periode beträgt. Es wird so die Ermittlung genauer Termine für die Bereitstellung fertiger Baugruppen und Einzelteile möglich und damit die zeitliche Verteilung des Bedarfs erkennbar. Für das Einzelteil Tl (Beschaffungszeit ein Monat) verteilt sich der Bedarf bereits wie folgt: Anzahl Einzelteile 1 2 2
Vorlaufzeit der Fertigung
Vorlaufzeit der Disposition
2 Perioden 6 Perioden 8 Perioden
3 Perioden 7 Perioden 9 Perioden
Periode = 1 Monat
299
Allgemeines Beispiel zur Verwendungsproblematik der Mengenübersichtsstückliste
Abbildung 57:
Zeitliche Verteilung des Bedarfs entsprechend dem Fertigungsablauf (schematisch)
Das stark vereinfachte Beispiel zeigt, dass eine Anwendung der Mengenübersichtsstückliste nur bei einer bis ins einzelne gehenden Ablaufplanung möglich ist. Auch ist unschwer zu erkennen, dass Lager- und Bestellbestände nicht periodengerecht abgesetzt werden können. Allenfalls vertretbar ist ihr Einsatz bei -
Betrieben mit einfachen Fertigungsstrukturen (reine Montagebetriebe),
300
-
Produkten mit kurzen Durchlaufzeiten, Fertigung ohne Zwischenlager (Bruttobedarf entspricht dem Nettobedarf), einem Produktionsprogramm mit wenig Mehrfachverwendungen.
Für Betriebe mit stark differenzierten Fertigungsstrukturen, langen und unterschiedlichen Durchlaufzeiten (z.B. Maschinenbau) sowie Zwischenlagern empfiehlt sich eine stufenweise Auflösung der Stückliste. 1 ab) Analytische Auflösung nach Fertigungsstufen Die analytische Stücklistenauflösung nach Fertigungs- bzw. Baustufen geht von einer nach der zeitlichen Reihenfolge des Zusammenbaus gegliederten Erzeugnisstruktur und den dazugehörigen Baukasten- bzw. Strukturstücklisten aus. Die Auflösung erfolgt dann in der Weise, dass die Montage des Endproduktes die Fertigungsstufe Null bekommt (vgl. Abb. 58).
Abbildung 58:
Stücklistenauflösung nach Fertigungsstufen
1
Entgegen der üblichen Terminologie spricht Trux hier von einer Auflösung nach Auflösungsstufen, da genaugenommen die Auflösung nicht der zeitlichen Reihenfolge des Fertigungsablaufs entspricht. - Vgl. W.R. Trux, Einkauf und Lagerdisposition mit Datenverarbeitung, a.a.O., S. 435 ff.
301
Die analytische Auflösung nach Fertigungsstufen wirft beim Vorkommen von Wiederholteilen Probleme auf
In der Folge der Fertigungsstufen wird das Erzeugnis schrittweise weiter in seine Baugruppen und Einzelteile zerlegt, bis die niedrigste Fertigungsstufe erreicht ist. Es müssen also alle Baukastenstücklisten herangezogen werden, um die gesamte Erzeugnisstruktur zu rekonstruieren. Das zugehörige Verfahren der Nettobedarfsrechnung - man nennt es Renettingverfahren 1 - ist allerdings zeitaufwendig. Denn die Gegenüberstellung von ermitteltem Bruttobedarf und verfügbarem Bestand muss bei der Auflösung auf jeder Fertigungsstufe erfolgen. Das führt zu einer komplizierten Be- und Entlastungsrechnung, um eine nach Mengen und Terminen richtige Zuordnung der frei verfügbaren Bestände sicherzustellen. Andernfalls würde vom Wiederholteil T1 (vgl. Abb. 58) der spätere Bedarf auf Stufe 1 zuerst aus einem vorhandenen Bestand befriedigt und der früheste Bedarf auf Stufe 4 zuletzt. Die analytische Auflösung nach Fertigungsstufen erweist sich demnach für die Praxis als ungeeignet, wenn die gleichen Baugruppen oder Teile in verschiedenen Fertigungsstufen eines Erzeugnisses vorkommen. Treten Wiederholteile auf verschiedenen Ebenen auf, so wird bei der maschinellen Stücklistenauflösung in der Regel das Dispositionsstufenverfahren eingesetzt. Die analytische Auflösung nach dem Dispositionsstufenverfahren fasst Wiederholteile auf der untersten Stufe der Verwendung zusammen
ac) Analytische Auflösung nach Dispositionsstufen Auch die Stücklistenauflösung nach Dispositionsstufen beginnt beim Fertigerzeugnis. Es wird hier aber der gesamte Bedarf für eine Materialposition auf der Auflösungsstufe zusammengefasst, auf der die Position zuletzt vorkommt. Das in Abb. 59 gezeigte Schema für das Erzeugnis E1 verdeutlicht dieses Verfahren.
1
Das Renettingverfahren ist in der Praxis weitgehend unbekannt und soll hier nicht weiter dargestellt werden. Vgl. VDI, Elektronische Datenverarbeitung bei der Produktionsplanung und -steuerung IV - Materialbestands- und Bestellrechnung, Düsseldorf 1974, S. 7f.
302
Abbildung 59:
Stücklistenauflösung nach Dispositionsstufen
Beispielsweise erscheint in Abb. 58 das Teil T1 bereits in der ersten Fertigungsstufe. Trotzdem erhält es die Dispositionsstufe 4, da diese die unterste Verwendungsstufe ist. Auf dieser wird der Bedarf unter Berücksichtigung der Vorlaufzeiten zusammengefasst. In gleicher Weise wird in Abb. 49 auf Seite 290 in der Strukturstückliste für ein Feuerzeug das Teil Nr. 4030 0002 auf Stufe 5 disponiert, obwohl es auch in der Baustufe 3 vorkommt. Unter einer Dispositionsstufe ist demnach die unterste Fertigungsstufe zu verstehen, in der ein Teil innerhalb aller Erzeugnisstrukturen vorkommt. Durch die Einführung der Dispositionsstufe wird erreicht, dass den Bruttobedarfen eines Wiederholteils die Bestände in der richtigen terminlichen Reihenfolge zugeordnet werden. Um eine
303
einfache Handhabung des Dispositionsstufenverfahrens zu ermöglichen, müssen für jedes Produktionsprogramm neue Dispositionsstufen vergeben werden. Das geschieht in einem besonderen Rechengang vor der Bedarfsrechnung. Der Dispositionsstufenschlüssel wird im Teilestamm gespeichert. Durch Änderungen des Produktionsprogramms oder durch technische Änderungen kann sich die Dispositionsstufe ändern. Die Bedarfsrechnung wird für die Materialposition, für die ein Bedarf vorliegt, nach dem übergeordneten Sortierbegriff der Dispositionsstufe vorgenommen. Die Nettobedarfsrechnung wird dann ausgelöst, wenn die Dispositionsstufe der Materialposition erreicht ist. Handelt es sich bei dem Nettobedarf um eine Baugruppe, so kann er unter Berücksichtigung der Vorlaufzeit zur weiteren Auflösung verwendet werden (Bedarf für Auflösung). Das Dispositionsverfahren ist einfach und wenig zeitaufwendig. Es hat sich daher als Standardsoftware durchgesetzt. 1 Die synthetische Bedarfsauflösung geht vom Teileverwendungsnachweis aus
b) Synthetische Bedarfsauflösung Soll im Gegensatz zur analytischen Bedarfsauflösung festgestellt werden, in welcher Baugruppe oder in welchem Erzeugnis ein bestimmtes Teil oder eine bestimmte Baugruppe verwendet wird, so nimmt man eine synthetische Betrachtung vor. Hilfsmittel dabei sind die Teileverwendungsnachweise in den genannten Formen. Die Nettobedarfsrechnung erfordert auch hier die Verwendung von Strukturteileverwendungsnachweisen bzw. von Teileverwendungsnachweisen in Baukastenform, während eine Bruttobedarfsrechnung auf der Grundlage von Mengenübersichtsteileverwendungsnachweisen möglich ist. Abb. 60 zeigt die synthetische Bedarfsermittlung mit EDV. 2 Der Hauptvorteil der synthetischen Bedarfsermittlung liegt darin, dass bei Änderungen von mehrfach verwendeten Baugruppen, Einzelteilen oder Rohstoffen sofort der bestehende Bedarf ermittelt werden kann, ohne dass erneut eine analytische Bedarfsermittlung erforderlich wird.
1 2
Vgl. B. Grupp, a.a.O., S. 82. In Anlehnung an VDI, a.a.O., S. 6.
304
Teileverwendungsnachweise sind besonders geeignet, wenn für einen Planungszeitraum der Bedarf einer Materialposition z.B. zur Vorbereitung langfristiger Rahmenverträge zu ermitteln ist. Produktionsplan/Primärbedarf
Teil
Erzeug- Per. 1 Per. 2 Per. 3 nis
T1
Teil E1
100
E2
200
E3
50
150
50
T2
Erzeugnis E1
E2
7
1
E3
Erzeugnis E1
E2
E3
10
2
10
E2
E3
200 Teil 50
5 T3
Erzeugnis E1 12
EDV Sekundärbedarf/Bruttobedarf Teil
Per. 1
T1
900
Per. 2 1.050
Per. 3 550
Sekundärbedarf/Bruttobedarf Teil
Per. 1
T2
1.900
Per. 2 2.000
Per. 3 950
Sekundärbedarf/Bruttobedarf Teil
Per. 1
T3
Abbildung 60:
⇐
1.200
Per. 2 1.800
Per. 3 600
Synthetische Stücklistenauflösung mit EDV (Per. = Periode)
Aufgabe 11
305
2.3.2 Stochastische Bedarfsermittlung Definition und Anwendung der stochastischen Bedarfsvorhersage
Nicht immer erweisen sich in der Praxis deterministische Verfahren der Bedarfsermittlung als zweckmäßige Instrumente der Materialdisposition. Die Gründe dafür können sein, dass -
ins Gewicht fallende Restriktionen (siehe unter Ziffer 2.3.1 in diesem Abschnitt) gegeben sind keine oder noch keine Stücklistenauflösung erfolgt oder aber eine genaue Planung den erforderlichen Aufwand nicht rechtfertigt (Betriebsstoffe, evtl. Hilfsstoffe und C-Teile).
In diesen Fällen ist es sinnvoll, den zukünftigen Bedarf aus den Verbräuchen der Vergangenheit, also verbrauchsgesteuert zu ermitteln. Die Verbrauchsreihe wird dazu durch ein mathematisches Modell beschrieben und in die Zukunft extrapoliert. Methoden dieser Art, die auf der Wahrscheinlichkeitstheorie beruhen, nennt man stochastisch. - Mit anderen Worten: Die stochastische Bedarfsermittlung bedient sich mathematisch-statistischer Methoden, indem aus den Verbrauchswerten der Vergangenheit auf den zukünftigen Bedarf geschlossen wird. Es wird demnach von der Annahme ausgegangen, dass sich der zukünftige Bedarf genauso entwickeln wird wie der Verbrauch in der Vergangenheit. Ist diese Voraussetzung nicht zu rechtfertigen, sind Bedarfsvorhersageverfahren in sinnvoller Weise nicht anwendbar! Statistiken über den Verbrauch in der Vergangenheit müssen vorhanden sein
Um den Verbrauchsverlauf der Vergangenheit eindeutig zu erkennen, müssen Aufzeichnungen der Materialbewegungen und -bestände für eine ausreichende Anzahl von Vergangenheitsperioden vorhanden sein. Diese Voraussetzung verdient deshalb unbedingt Beachtung, weil je nach den Kennzeichen einer Verbrauchszahlenreihe für die Bedarfsvorhersage unterschiedliche Verfahren anzuwenden bzw. Parameter unterschiedlich zu bestimmen sind. Durch den Einsatz der XYZ-Analyse kann man hier - vor allem in der Verbindung mit der ABC-Analyse - wertvolle Unterstützung bei der Entscheidungsfindung erhalten (vgl. Praxisbeispiel 32).
306
Wegen des Mangels an Vergangenheitswerten bilden ausgesprochene Liebhaber- und Schlagerartikel (z.B. Hula-HoopReifen) sowie Mode- und neu am Markt erscheinende Artikel ein Problem für jede Art von Vorhersageverfahren. In solchen Fällen reicht häufig die zur Verfügung stehende Datenmenge nicht aus, so dass statistische Vorhersagemethoden schwerlich mit den intuitiven Verfahren konkurrieren können. 1
Für selten auftretende Sonderfälle sind keine geeigneten Verfahren entwickelt worden
Werden Vorhersageverfahren angewandt, so sollte auch eine Überwachung der Vorhersage erfolgen, um das Ausmaß des Vorhersagefehlers (siehe unter Ziffer 2.4 in diesem Abschnitt) und Strukturbrüche im Verbrauchsverlauf (vgl. Abb. 75) kurzfristig zu erkennen.
Eine Überwachung der Vorhersage sollte erfolgen
2.3.2.1 Grundlagen der stochastischen Bedarfsermittlung Um eine Extrapolation von in der Vergangenheit angefallenen Werten für einen in der Zukunft liegenden Zeitraum auf mathematisch-statistischer Grundlage durchzuführen, müssen -
die Vergangenheitswerte ausreichend und zuverlässig sein, die Verbrauchswerte eines jeden Artikels auf ihre Gesetzmäßigkeit untersucht werden, bevor ein Prognoseverfahren (s.u.) zugeordnet wird.
a) Hilfsmittel der Datenerfassung Für die Beschaffung der erforderlichen Daten dienen als Hilfsmittel -
die Aufzeichnungen der Lagerbuchführung (Materialrechnung), die Verbrauchsstatistik.
Eine kurze Beschreibung dieser Hilfsmittel erscheint zweckmäßig, bevor wir auf die aus ihnen erkennbaren Verbrauchsverläufe eingehen.
1
Vgl. IBM, IMPACT - Wirtschaftliche Lagerhaltung mit wissenschaftlichen Methoden, a.a.O., S. 56.
307
Die Genauigkeit der Verbrauchserfassung darf nicht zu Lasten der Wirtschaftlichkeit gehen
aa) Materialrechnung In der Materialrechnung 1 müssen in der Vergangenheit die Lagerbewegungen und -bestände lückenlos und genau über einen längeren Zeitraum periodengerecht erfasst worden sein, um Bedarfsvorhersagen mit hinreichender Genauigkeit zu ermöglichen. Damit der Materialverbrauch der Vergangenheit exakt vorliegt, ist darauf zu achten, dass -
alle Bedarfsanforderungen periodengerecht verbucht werden, die Zuordnung von Materialrückgaben, nachträglichen Materialausgaben usw. periodengerecht erfolgt, Quantitätsverluste (Verderb, Diebstahl) und Qualitätsminderungen (z.B. durch Austrocknen, Verrosten) in die Verbrauchswerte einbezogen werden, Bewegungen aus allen Lagerbereichen (zentral) erfasst werden, die „Bereitstellungen“ in den Werkstätten und unter den Arbeitstischen der Monteure oder Verkäufer aus den Verbrauchswerten herausgerechnet werden. Genau ist die Verbrauchserfassung nur dann, wenn der buchmäßige Verbrauch mit dem tatsächlichen übereinstimmt.
Allerdings kann sich oft eine übertrieben genaue Erfassung des Materialverbrauchs - insbesondere des Verbrauchs von Kleinmaterial - als unwirtschaftlich erweisen. Zeitreihen werden aus Aufzeichnungen über den Periodenverbrauch gebildet
ab) Verbrauchsstatistik In der Verbrauchsstatistik werden die in der Materialrechnung verbuchten Daten in Mengeneinheiten für Perioden gleicher Länge, z.B. für eine Woche, vier Wochen, einen Monat oder dergl. zusammengestellt. Diese Periodenwerte dienen der Beurteilung der Verbrauchsentwicklung und geben Hinweise auf Abweichungen und Unregelmäßigkeiten. Der Verlauf des Verbrauchs in Abhängigkeit von der Kalenderzeit heißt Zeitreihe.
1
Die Aufgaben der Materialrechnung werden im sechsten Abschnitt unter Ziffer 3.2 ausführlich behandelt.
308
Abbildung 61:
Tabelle und grafische Darstellung einer Zeitreihe
Für den Einsatz von Verfahren der stochastischen Bedarfsermittlung ist es wesentlich, die Komponenten einer Zeitreihe genau zu erkennen. Dabei stellen sich vorab folgende Fragen: (1) Wie weit sollte man in die Vergangenheit zurückgreifen, um eine gesicherte Basis für die Prognose zu haben? (2) Welche Größe sollte das Prognoseintervall haben, damit bedeutsame periodische Verbrauchsschwankungen nicht übersehen werden?
309
Die Qualität einer Prognose ist abhängig von der Wahl - des Verbrauchszeitraums - des Prognoseintervalls
Je größer die Verbrauchsdatenmenge ist, desto zuverlässiger ist eine Vorhersage
Zu (1): In Abb. 62 stellt die Gerade A eine Trendgerade dar, die lediglich aus den Vergangenheitswerten X und Y entwickelt wurde. Wenn der Datenpunkt Z hinzugefügt wird, ändert sich die Richtung der Geraden entscheidend. Man kann daraus folgern, dass bei wenigen Vergangenheitsdaten wenig Vertrauen in die Richtung besteht, welche die Gerade zur Zeit einschlägt. Wieviele Daten tatsächlich benötigt werden, schwankt von Artikel zu Artikel.
Abbildung 62:
Auswirkungen der Datenmenge auf die Vorhersage
Ein langer Verbrauchszeitraum hat den Vorteil, dass die Prognose nicht durch unbedeutende kurzfristige Schwankungen gestört wird. Es können sich durch die Berücksichtigung sehr weit zurückliegender Perioden aber auch irreführende Werte ergeben. In der Industrie liegt eine vernünftige Basislänge meist zwischen ein und drei Jahren. Unterliegt ein Artikel saisonalen Schwankungen, lässt er sich im Winter beispielsweise immer besser verkaufen als im Sommer, so werden wenigstens die Daten von zwei Jahren benötigt.
310
Zu (2): Der Verbrauchszeitraum ist in nicht zu kurze oder zu lange Zeitperioden (Prognoseintervalle) zu unterteilen, da sich die Periodenlänge auf das Verbrauchsmodell und damit auf die Qualität der Prognose auswirkt. In Abb. 61 wurde als Verbrauchsperiode ein Monat angenommen, wie es in der Industrie üblich ist. Aufgrund der Nähe zum Konsumenten sind im Handel kürzere Verbrauchsperioden (wöchentlich oder vierzehntägig) eher geeignet, Verbrauchsschwankungen und deren Richtung sichtbar zu machen.
Abbildung 63:
Auswirkungen der Periodenlänge auf die Verbrauchsschwankungen
311
Die Periodenlänge beeinflusst die Qualität der Vorhersage
In jedem Fall ist darauf zu achten, dass die Verbrauchsperiode nicht zu kurz oder zu lang zu wählen ist. Abb. 63 verdeutlicht die damit verbundene Problematik, indem die Auswirkungen der Periodenlänge auf den Verbrauchsverlauf erkennbar werden. Dabei wird von den Zahlen der Verbrauchsstatistik (Abb. 61) ausgegangen. Die entsprechende graphische Darstellung der Zeitreihe ist im Fall A gegeben. Die wirklichen Verbrauchsschwankungen treten deutlich hervor. Im Fall B wurde der Verbrauch für ein Quartal summiert. Der sich ergebende Verbrauchsverlauf ist sehr eben. Da die Vorratsplanung zum Teil auf dem Umfang der Verbrauchsschwankungen beruht, muss in der Praxis Sorge getragen werden, die Schwankungen nicht durch Vorhersagen mit zu langen Zeitperioden einzuebnen. Eine untere Grenze der Periodenlänge ist dadurch gegeben, dass kurze Perioden häufige Prognosen erfordern. Die Zeitreihen sind in ihre die Entwicklung bestimmenden Komponenten zu zerlegen
b) Modelle für den Verbrauchsverlauf Bei der Analyse einer Zeitreihe können sehr unterschiedliche Gesetzmäßigkeiten festgestellt werden. Dabei ist zu beachten, dass sich eine Zeitreihe auch aus mehreren Komponenten zusammensetzen kann. So ist beispielsweise denkbar, dass die zufälligen Verbrauchsschwankungen erheblich größer sind als die aufgrund eines erkennbaren Trends allmählich eintretenden Veränderungen. In Abb. 64 werden die fünf wichtigsten Verbrauchs- bzw. Prognosemodelle dargestellt. Es ist festzuhalten, dass • vor der ersten Prognose manuell oder automatisch durch das System (z.B. SAP) festzulegen ist, nach welchem Modell das System die Prognosewerte ermitteln soll, • nur die Prognosemodelle „konstant“, „trendbeeinflusst“ und „saisonabhängig“ bzw. Kombinationen von Trend und Saison die Voraussetzungen erfüllen. Bei der Modellauswahl ist zu prüfen, ob der Trend signifikant ist. Für die Behandlung der übrigen Fälle ist im Allgemeinen die
312
intuitive Methode die wirtschaftlichste Lösung. Als Beispiel sei nur auf den unregelmäßigen Bedarf an Ersatzteilen hingewiesen. Auf Strukturbrüche sollte mithilfe von Abweichungssignalen (vgl. Abb. 75) die Aufmerksamkeit des Disponenten gelenkt werden.
Abbildung 64:
Prognosemodelle
Im Einzelnen sind die Prognosemodelle wie folgt zu definieren: ba) Konstanter Verbrauchsverlauf Ein konstanter oder horizontaler Verbrauchsverlauf liegt vor, wenn die Verbrauchswerte um eine im Wesentlichen stabile Verbrauchshöhe schwanken. Der Verbrauchsverlauf ist dem-
313
Definition der Prognosemodelle
nach langfristig konstant und schwankt lediglich kurzfristig. Die einzelnen Abweichungen vom Durchschnittswert unterliegen zufälligen Einflüssen und lassen keine Regelmäßigkeiten erkennen. bb) Trendbeeinflusster Verbrauch Von einem trendbeeinflussten Verbrauch ist dann zu sprechen, wenn über einen längeren Zeitraum hinweg - unter Vernachlässigung von zufälligen Schwankungen - der Verbrauch stetig steigt oder fällt. Bei der Modellauswahl ist zu prüfen, ob der Trend signifikant ist. Dazu ist für die vorhandenen Vergangenheitswerte eine Regressionsanalyse durchzuführen. bc) Saisonabhängiger Verbrauch Werden in einer Zeitreihe periodisch wiederkehrende Verbrauchsschwankungen festgestellt, so spricht man von Saisonschwankungen mit konstantem Zyklus (z.B. bedingt durch die Jahreszeiten, jährliche Feiertage, Schulbeginn). Im Allgemeinen wird bei Saisonartikeln ein Spitzen- oder Minimalverbrauch zu jährlich wiederkehrenden Zeitpunkten auftreten. Dabei sollte der Spitzenverbrauch den Durchschnittsverbrauch um wenigstens 30 - 40 % übersteigen und erheblich über den zufälligen Verbrauchsschwankungen liegen. 1 Der Spitzenverbrauch muss sich demnach durch eine eindeutige und wiederkehrende Ursache erklären lassen. Die Analyse der Zeitreihe kann auch eine Einordnung in das Trend-Saison-Modell ergeben (regelmäßiger Verbrauch mit erkennbaren Trend- und Saisonschwankungen). bd) Unregelmäßiger (sporadischer) Verbrauch Ein unregelmäßiger Verbrauch liegt vor, wenn über einen längeren Zeitraum hinweg Gesetzmäßigkeiten nicht zu erkennen sind. Der Verlauf ist unberechenbar. Eine genaue Bedarfsprognose kann nicht erstellt werden. be) Unstetigkeiten Unstetigkeiten in der Zeitreihe können ausgelöst werden durch wirtschaftspolitische Maßnahmen (z.B. durch eine Änderung des Wechselkurses, Erhöhung der Rohstoffpreise oder durch 1
Vgl. IBM, IMPACT - Wirtschaftliche Lagerhaltung mit wissenschaftlichen Methoden, a.a.O. S. 45.
314
Markteinflüsse) und ändern schlagartig die Nachfrage und damit die Zeitreihe in ihrem Verlauf (Strukturbruch). 2.3.2.2 Methoden der stochastischen Bedarfsermittlung Man unterscheidet im Wesentlichen folgende Methoden der stochastischen Bedarfsermittlung, mit deren Hilfe sowohl Primärbedarf (Plan- und Ersatzteilbedarf) als auch Tertiärbedarf ermittelt werden kann: (1) Methode der Mittelwertbildung (2) Methode der exponentiellen Glättung (3) Methode der Regressionsanalyse Die Methoden kommen - wie Abb. 47 auf Seite 284 dieser Arbeit veranschaulicht - in verschiedenen Varianten vor. In der Praxis haben sich die Verfahren der Mittelwertbildung und der exponentiellen Glättung durchgesetzt, für die auch Standardsoftware angeboten wird. Ihre Einsatzmöglichkeiten in Industrie- und Handelsbetrieben sind beachtlich. In der Praxis kaum verbreitet ist die Methode der Regressionsanalyse, die daher auch nur kurz skizziert werden soll. 1 Grundsätzlich muss zu den Verfahren höherer Ordnung gesagt werden, dass auch diese nicht alle Einflussfaktoren berücksichtigen können. Einfache Vorhersageverfahren liefern daher häufig fast genauso gute Ergebnisse wie die komplexen Verfahren, die in der Regel aufwendiger sind als durch die geringe Erhöhung der Vorhersagegenauigkeit gerechtfertigt ist. Es empfiehlt sich daher, • einfache (durchschaubare) Vorhersageverfahren einzusetzen (Methoden der Mittelwertbildung, exponentielle Glättung 1. Ordnung oder - bei sehr starker Trendentwicklung 2. Ordnung), • sie durch wirkungsvolle Kontrollen der Vorhersagefehler zu ergänzen, um die Auswirkungen einer Ungenauigkeit der Vorhersagen auf die Materialversorgung zu minimieren, 1
Auch die klassische Trendrechnung mit der Methode der kleinsten Fehlerquadratsumme wird in der materialwirtschaftlichen Praxis selten herangezogen.
315
Einfache Vorhersageverfahren sind den Verfahren höherer Ordnung vorzuziehen
• bei Vorliegen periodisch wiederkehrender Schwankungen (Saisonmodell) den Vorhersagewert mit einem Saisonfaktor zu multiplizieren, • korrigierende Schätzungen durch den Materialdisponenten zu ermöglichen. Das Kennzeichen einer „guten“ Vorhersagemethode ist, dass sie auf wirkliche Änderungen in der Verbrauchsentwicklung reagiert, gleichzeitig aber gegenüber zufälligen Schwankungen eine gewisse Stabilität aufweist. 1 Welche dieser beiden einander ausschließenden Forderungen das größere Gewicht erhält, ist von den jeweiligen betrieblichen Verhältnissen und den Entscheidungen der Unternehmensführung abhängig. Parameteroptimierung bei maschineller Modellauswahl
Ein maschinell arbeitendes Vorhersagesystem entwickelt nicht nur das anfängliche Vorhersagemodell auf der Grundlage der Vergangenheitswerte, sondern optimiert die Parameter der Prognoseverfahren bzw. -formeln, die das System bei den einzelnen Modellen verwendet. Das System übernimmt die Parameterkombination mit der geringsten mittleren absoluten Abweichung (s.u.). Die Parameteroptimierung kann sowohl bei der Initialisierung, während der Erstprognose als auch bei allen weiteren Prognosen durchgeführt werden. 2 Die Prognosequalität wird dadurch wesentlich verbessert.
Die Länge des Vorhersagezeitraums unterscheidet sich je nach Verwendungszweck der Vorhersage
Die Anzahl der vorhergesagten Zeitperioden, d.h. die Länge des Vorhersagezeitraums, unterscheidet sich je nach Verwendung der Vorhersage. Da sich die verbrauchsgesteuerte Disposition, auf die wir in diesem Abschnitt unter Ziffer 3.3 eingehen werden, auf die Bedarfsermittlung durch Vorhersage stützt, empfiehlt es sich in diesem Fall, den Prognosezeitraum der Wiederbeschaffungs- und Überprüfungszeit möglichst eng anzupassen. 3 Eine Vorhersage des Primärbedarfs muss zumindest die gesamte Durchlaufzeit für das Erzeugnis abdecken, d.h. von der untersten Fertigungsstufe bis zum Abschluss der Fertigmontage, wie es in Abb. 57 dieser Arbeit gezeigt wird. 1
Vgl. IBM, IMPACT - Wirtschaftliche Lagerhaltung mit wissenschaftlichen Methoden, a.a.O., S. 43. Siehe SAP, MM - Verbrauchsgesteuerte Disposition, Release 3.0, Walldorf, Mai 1996, S. 45 ff. 3 Vgl. IBM, IMPACT - Wirtschaftliche Lagerhaltung mit wissenschaftlichen Methoden, a.a.O., S. 33 f. 2
316
Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt in diesem Zusammenhang ist, dass Industriebetriebe im Vorgriff auf zukünftige Aufträge Baugruppen und Einzelteile in verschiedenen Varianten fertigen. Der Prognosezeitraum für die Ermittlung zukünftiger Aufträge kann sich in solchen Fällen über Monate und Jahre erstrecken. Wird die Vorhersage für die langfristige Planung verwandt, so kann der Vorhersagehorizont noch weiter in der Zukunft liegen - etwa fünf oder gar zehn Jahre, da er mit dem Planungshorizont übereinstimmen muss. Ein wichtiger Punkt bei der Festlegung des Vorhersagezeitraumes ist das Ausmaß des möglichen Vorhersagefehlers, das um so größer ist, je weiter sich die Vorhersage in die Zukunft erstreckt. Es ist daher mit gewissen Risiken verbunden, Trends zu weit in die Zukunft zu projizieren.
Abbildung 65:
Die Vorhersage in Abhängigkeit von den Lebensphasen eines Erzeugnisses
Abb. 65 zeigt den langfristigen Bedarf für ein Erzeugnis. 1 Wenn an den angegebenen vier Punkten eine langfristige Vorhersage vorgenommen würde, wäre sie bei linearer Projektion für die 1
Die zeitliche Länge der Lebenszyklen eines Erzeugnisses und die einzelnen Phasen variieren je nach Erzeugnis sehr stark.
317
Zeitperiode 10 (in Jahren) 3.000 Einheiten im Punkt 1, 10.500 Einheiten im Punkt 2, 5.500 Einheiten im Punkt 3 und 0 Einheiten im Punkt 4. Diese stark voneinander abweichenden Prognosewerte machen erkennbar, dass langfristige Vorhersagen für verschiedene Phasen und Erzeugnisse mittels linearer Trendextrapolation nicht sinnvoll sind. Die Ausführungen lassen darauf schließen, dass Kontrollmöglichkeiten vorzusehen sind, die anzeigen, wenn das Bedarfsvorhersageverfahren nicht mehr zutreffend zu sein scheint. Häufigkeit der Vorhersagen
Für einen konstanten Verbrauchsverlauf ist die Bedarfsvorhersage auf der Basis des gleitenden Mittelwertes ein in der Praxis gebräuchliches Verfahren
Im Allgemeinen wird eine neue Projektion vorgenommen, wenn neue Verbrauchsdaten zur Verfügung stehen. Das kann, wie bereits erläutert, z.B. wöchentlich oder monatlich sein, wobei die Häufigkeit der Vorhersagen sich nach dem ABC- und XYZSchema differenzieren lässt. a) Methode der Mittelwertbildung Die Methode der Mittelwertbildung ist einfach im Ansatz; sie entspricht den Rechenoperationen, die ein Disponent durchführt, wenn er aus den Verbrauchszahlen der Vergangenheit den Durchschnittswert im Kopf ermittelt. Die Methode versagt aber, sobald ein Trend auftritt. Die Methode der Mittelwertbildung führt nur bei konstantem Verbrauchsverlauf zu brauchbaren Prognoseergebnissen. Bei der Mittelwertbildung, für die auch die Bezeichnung „Durchschnittsbildung“ gebräuchlich ist, unterscheidet man das -
arithmetische Mittel vom gleitenden Mittel und vom gewogenen gleitenden Mittel.
Die Methode der einfachen arithmetischen Mittelwertbildung ist problematisch, da alle Vergangenheitsdaten das gleiche Gewicht erhalten und damit die Anpassung an jüngste Bedarfsentwicklungen nur sehr zögernd erfolgt. Mit wachsender Anzahl der zu berücksichtigenden Perioden nimmt zudem der Einfluss jüngster Verbrauchswerte ab.
318
Um zu vermeiden, dass Vergangenheitszahlen ständig mitgeschleppt werden, verwendet man in der Praxis die Methode des gleitenden Mittelwertes. Dieses Verfahren wird durch die Bildung des „gewichteten gleitenden Mittelwertes“ noch verbessert. Es werden nachstehend nur diese beiden Verfahren der Mittelwertbildung näher erläutert. aa) Methode des gleitenden Mittelwertes Die gebräuchlichste Art, Mittelwerte zu errechnen, ist das Verfahren der Bildung gleitender Mittelwerte. Dabei wird mit Beginn einer neuen Periode jeweils der älteste Verbrauchswert durch den jüngsten ersetzt. Die Anzahl der zu betrachtenden Perioden bleibt stets gleich. Bei maschineller Unterstützung kann über ein Kennzeichen gesteuert werden, ob die Prognosebedarfe als Monats-, Wochen- oder Tagesbedarfe disponiert werden sollen. Den gleitenden Mittelwert berechnet man nach der Formel:
• Mi+1 =
Formel zur Berechnung des gleitenden Mittelwertes
1 i ∑ Tk n k =i+1−n
Dabei bedeuten: Mi + 1 = Gleitender Mittelwert = Vorhersagewert für die nächste Periode Ti = Tatsächlicher Verbrauch je Periode i = Laufende Periode n = Konstante Periodenzahl, die in die Rechnung einbezogen werden soll Bei monatlicher Datenerfassung und einer konstanten Periodenzahl von vier berechnet sich der gleitende Mittelwert dann wie folgt:
• MJuni = • MJuli =
TFeb. + TMärz + TApril + TMai 4
TMärz + TApril + TMai + TJuni 4
• M August = usw.
319
Das Verfahren dient im Allgemeinen der Ausschaltung kurzfristiger Schwankungen und führt - wie Beispiel 25 (s.u.) noch verdeutlichen wird - zur Glättung einer Zeitreihe. Dabei reagiert die Vorhersage auf auftretende Verbrauchsschwankungen um so schneller, je kleiner die Periodenzahl gewählt wird. Daraus folgt: Bei der gleitenden Mittelwertbildung sollte die Anzahl der Perioden so gewählt werden, dass kurzfristige Zufallsschwankungen möglichst ausgeschaltet werden, aber auch die Vergangenheit durch zu viele Vergangenheitswerte nicht zu stark abgebildet wird. Das bewirkt ein Hinterherhinken der Prognosewerte hinter den tatsächlichen Werten. In den meisten Fällen stößt man in der Praxis auf 6 - 12 Monate. Für Teile mit niedrigen Verbrauchswerten kann sich ein sinnvoller Verbrauchsdurchschnitt möglicherweise erst bei einem Verbrauchszeitraum von 24 Monaten ergeben. 1 Innerhalb des gewählten Verbrauchszeitraumes werden die Daten nicht weiter nach der Aktualität gewichtet. Im folgenden soll die Methode des gleitenden Mittelwertes anhand der Zeitreihe aus Abb. 61 (Seite 309 dieser Arbeit) dargestellt werden. Es wird zugleich - in Vorgriff auf die Ausführungen unter Ziffer 2.4.2, Punkt b) in diesem Abschnitt - eine Fehlerberechnung durchgeführt, wie sie in der Praxis erforderlich ist, um einen Sicherheitsbestand festzulegen, durch den ein möglicherweise höherer Bedarf als der Prognosebedarf abgedeckt wird. 2 Zahlenbeispiel zur Ermittlung der Gesamtvorhersage auf der Basis der gleitenden Mittelwertbildung
Beispiel 25: Herangezogen werden die Aufschreibungen der letzten zwei Jahre. Der gleitende Mittelwert wird aus jeweils vier Perioden errechnet. Unter Verwendung der Daten aus Abb. 61 ergeben sich die in Tabelle 9 zusammengestellten Werte.
1
Vgl. B. Grupp, a.a.O., S. 89 ff. sowie v. Verf., Praxis der Materialwirtschaft, a.a.O., S. 144 u. 159 (Praxisfälle). In diesem Zusammenhang ist auch auf die Ausführungen unter Ziffer 6.3.2 dieses Abschnitts zu verweisen.
2
320
Periode Tatsächlicher Ver-
Gleitender Absoluter
Fehler-
Gesamt
Unter-
Mittelwert Fehler
vorher-
vorher-
deckung
sage
sage
brauch i
Ti
1
80
2
100
3
90
4
110
Mi
|Ti-Mi| =Di
MADi
Li
Li-Ti=Ui
-9
5
90
95
5
6
120
98
22
5
111
7
130
103
27
14
138
8
110
113
3
18
158
9
140
113
27
14
148
10
130
125
5
20
175
11
150
128
22
16
168
12
140
133
7
14
168
13
120
140
20
15
178
14
150
135
15
14
170
15
170
140
30
16
180
16
180
145
35
18
190
17
130
155
25
25
218
18
150
158
8
26
223
19
160
158
2
25
221
20
180
155
25
18
200
21
150
155
5
15
193
22
170
160
10
10
185
23
190
165
25
11
193
24
150
173
23
16
213
Tabelle 9:
Gleitende Mittelwertbildung und Ermittlung der Gesamtvorhersage bei einer festgelegten Lieferbereitschaft
Erläuterung zur Berechnung:
M10 =
120 + 130 + 110 + 140 = 125 4
321
22 + 27 + 3 + 27 = 20 4
MAD 10 =
(Rundungsregel: Aufrunden ab 0.5) Gesamtvorhersage für die Periode 10 bei einer festgelegten Lieferbereitschaft von 97, 72 % (Sicherheitsfaktor SF = 2.50 gemäß Tabelle 17): L10 = M10 + SF · MAD10 L10 = 125 + 2.50 · 20 = 175 ab) Methode des gewichteten gleitenden Mittelwertes Bei dieser Methode der Bedarfsvorhersage werden die Daten der einzelnen Perioden gewichtet. Dabei wird man in der Regel den Daten aus der jüngsten Vergangenheit ein größeres Gewicht (= G) geben. Formel zur Berechnung des gewogenen gleitenden Mittelwertes
Den gewogenen gleitenden Mittelwert berechnet man nach der Formel:
• Mi+1 =
Ti ⋅ Gn + Ti−1 ⋅ G n−1 + ... + Ti+1−n ⋅ G1 n
∑G k =1
k
Hier ist bei monatlicher Bedarfsprognose wie folgt zu verfahren:
• MJuni =
• MJuli =
TFeb. ⋅ G1 + TMärz ⋅ G 2 + TApril ⋅ G 3 + TMai ⋅ G 4 G1 + G 2 + G 3 + G 4 TMärz ⋅ G1 + TApril ⋅ G 2 + TMai ⋅ G 3 + TJuni ⋅ G 4 G1 + G 2 + G 3 + G 4
• M August = usw. Beispiel zur Festlegung der Gewichtung
Ein gewogener gleitender Mittelwert für vier Monate kann z.B. aus 45 % des Verbrauchs der soeben abgelaufenen Periode,
322
aus 30 % des Verbrauchs der vorletzten Periode, aus 15 % des Verbrauchs der davor liegenden Periode und aus 10 % des Verbrauchs der am weitesten zurückliegenden Periode bestehen. Dabei muss die Summe dieser Prozentsätze 100 ergeben. Wendet man dieses Verfahren auf das Beispiel 25 an und gewichtet man die Vergangenheitswerte für M10 erhält man: M10 = 120 · 0,10 + 130 · 0,15 + 110 · 0,30 + 140 · 0,45 M10 = 12 + 20 + 33 + 63 M10 = 128 In der Praxis kann die Gewichtung nicht willkürlich erfolgen, sondern erfordert einige Vorbereitungsarbeiten und laufende Kontrolle. 1 Das Verfahren kommt daher kaum zum Einsatz. b) Methode der exponentiellen Glättung Die Methode der exponentiellen Glättung (exponential smoothing) wird deshalb so bezeichnet, weil die Vergangenheitswerte nicht gleichmäßig wie bei der gleitenden Mittelwertbildung gewichtet werden, sondern exponentiell abnehmend (vgl. Abb. 66, S. 328). Auch sie ist in mehreren Varianten anzutreffen, von denen hier im Wesentlichen die exponentielle Glättung -
erster Ordnung behandelt wird, die anzuwenden ist, wenn die Vergangenheitswerte um einen Mittelwert schwanken (Konstantmodell). Zeitweise können Abschnitte der Zeitreihe Trend- oder Saisoncharakter besitzen, die sich aber in Stärke und Dauer nicht eindeutig ausprägen und daher für die Prognose zu unsicher sind. - Eingegangen wird auch auf die exponentielle Glättung
-
zweiter Ordnung, die bei einer stärkeren Trendentwicklung (Trendmodell) zum Einsatz kommen sollte.
ba) Methode der exponentiellen Glättung erster Ordnung Die Methode der exponentiellen Glättung erster Ordnung ist eine Form der gewogenen gleitenden Mittelwertbildung, die re1
Vgl. J.R. Zeigermann, Elektronische Datenverarbeitung in der Materialwirtschaft, a.a.O., S. 61.
323
Die gewogene gleitende Mittelwertbildung kommt für den Einsatz in der Praxis kaum in Betracht
Die exponentielle Glättung 1. Ordnung ist einfach in der Berechnung, und der Datenanfall ist gering
chentechnisch sehr einfach zu handhaben ist, da nur der laufende Verbrauch und der alte Vorhersagewert gespeichert werden müssen. Die neue Vorhersage wird ermittelt, indem man die Abweichung zwischen altem Vorhersagewert und dem tatsächlichen Verbrauch - also den Prognosefehler - mit einem Glättungs- bzw. Gewichtungsfaktor Alpha (α) multipliziert und den positiven oder negativen Wert zur alten Vorhersage addiert. Formel für die exponentielle Glättung 1. Ordnung
Die Formel zur Berechnung der neuen Vorhersage lautet demnach: • Vi+1 = Vi + α (Ti - Vi) Dabei bedeuten: Vi+1 Vi α Ti
= = = =
Vorhersagewert für die neue Periode i+1 Vorhersagewert für die laufende Periode i Glättungs- bzw. Gewichtungsfaktor tatsächlicher Verbrauch in der laufenden Periode i
Der neue Vorhersagewert ist also gleich dem alten Vorhersagewert zuzüglich der gewichteten Abweichung des tatsächlichen Verbrauchs von dem alten Vorhersagewert. Die Formel kann daher auch geschrieben werden: • Vneu = Valt + α (Talt - Valt) Der Glättungsparameter Alpha bestimmt, mit wieviel Gewicht der Vorhersagefehler berücksichtigt wird
Aus dem Vorhersagefehler „lernt“ also das System je nach Größe des Glättungsparameters Alpha, der zwischen den Werten 0 und 1 gewählt werden kann. Dabei tritt das gleiche Dilemma auf wie bei dem Parameter n des gleitenden arithmetischen Mittels: Eine zunehmende Glättung von Zufallsabweichungen ist mit einer abnehmenden Reaktionsgeschwindigkeit auf Strukturbrüche und mit „systematischen Fehlern“ bei trendförmiger Verbrauchsentwicklung verbunden. 1
1
Siehe R. Melzer-Ridinger, Materialwirtschaft und Einkauf, Band 1: Grundlagen und Methoden, 3. Aufl., München 1994, S. 109.
324
Das nachfolgende Beispiel zeigt sehr deutlich diese Wirkungen des Glättungsfaktors und die wichtige Rolle des Prognosefehlers bei der Festlegung des Sicherheitsbestandes zur Abdeckung des Risikos von Verbrauchsabweichungen während der Beschaffungszeit. 1 Beispiel 26: Zugrundegelegt werden die Daten aus Abb. 61, S. 309. Werden für Alpha die Werte 0,05 und 0,2 angenommen, so ergeben sich die in der Tabelle 10 zusammengestellten Werte. Gestartet wird hier mit dem tatsächlichen Verbrauch in der ersten Periode als Prognosewert für die zweite Periode. Dieser Initialzündung bedarf es, da es sich um ein periodisches Fortschreibungsverfahren handelt. Erläuterung zur Berechnung: Vorhersagewert bei α = 0.05 Vi+1 V10 V10 V10
= = = =
Vi + α (Ti - Vi) 87 + 0,05 (140 - 87) 87 + 3 90
Vorausberechnung der Fehlervorhersage MAD; aufgrund der absoluten Fehler mit dem entsprechenden Glättungsfaktor nach der exponentiellen Glättung 1. Ordnung. MADi+1 MAD10 MAD10 MAD10
= = = =
MADi + α (Di - MADi) 21 + 0,05 (53 - 21) 21 + 2 23
Gesamtvorhersage bei einer festgelegten Lieferbereitschaft von 97,72 % (SF = 2,50 laut Tabelle 17, Seite 435) Li+1 L10 L10
= = =
Vi+1 + SF · MADi+1 90 + 2,50 · 23 148
1
Dazu siehe im Einzelnen die Ausführungen unter Ziffer 2.4.2 und 6.3.2 in diesem Abschnitt.
325
Zahlenbeispiel zur Ermittlung der Gesamtvorhersage auf der Basis der exponentiellen Glättung 1. Ordnung
Gesamtvorhersage
MA
Li
=Di
Di
Li-
Vi
|Ti-Vi|
Ti=
MA
=Di
Di
Li
80 100 90 110 90 120 130 110 140 130 150 140 120 150 170 180 130 150 160 180 150 170 190 150
Tabelle 10:
Der Glättungsfaktor Alpha bestimmt die Gewichtung der zur Vorhersage herangezogenen Vergangenheitsdaten
80 81 81 82 82 84 86 87 90 92 95 97 98 101 104 108 109 111 113 116 118 121 124
20 9 29 8 38 46 24 53 40 58 45 23 52 69 76 22 41 49 67 34 52 69 26
20 19 20 19 20 21 21 23 24 26 27 27 28 30 32 32 32 33 35 35 36 38
131 129 132 130 134 139 140 148 152 160 165 166 171 179 188 189 191 196 204 206 211 219
1
LiTi=
Ui 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24
Unterdeckung
Fehlervorhersage
|Ti-Vi|
Fehlervorhersage Gesamtvorhersage
Absoluter Fehler
Vi
Absoluter Fehler
Vorhersage
Ti
Vorhersage
Tatsächlicher Verbrauch
i
Glättungsfaktor α = 0,2 Unterdeckung
Periode
Glättungsfaktor α = 0,05
Ui 80 84 85 90 90 96 103 104 111 115 122 126 125 130 138 146 143 144 147 154 153 156 163
20 6 25 0 30 34 7 36 19 35 18 6 25 40 42 16 7 16 33 4 17 34 13
20 17 19 15 18 21 18 22 21 24 23 20 21 25 28 26 22 21 23 19 19 22
134 128 138 128 141 156 149 166 168 182 184 175 183 201 216 208 199 200 212 201 204 218
Exponentielle Glättung 1. Ordnung und Ermittlung der Gesamtvorhersage bei einer festgelegten Lieferbereitschaft
Anders als bei einer gewogenen gleitenden Mittelwertbildung kann die Gewichtung der Verbrauchswerte nicht frei gewählt werden. Ihre Gewichtung erfolgt mit der Zeit exponentiell abfallend, und zwar so, dass der jeweils jüngste Wert die stärkste
326
Gewichtung erhält. Der Abfall der Gewichtung wird durch die Größe des Glättungsfaktors bestimmt. -
Für α = 0,1 setzt sich der Prognosewert zu 87,84 % zusammen aus Daten der vergangenen 19 Perioden. Die restlichen 12,16 % stammen aus noch weiter zurückliegenden Perioden.
-
Für α = 0,5 setzt sich der Prognosewert zu 98,44 % zusammen aus Daten der vergangenen 5 Perioden. Die restlichen 1,56 % stammen aus weiter zurückliegenden Perioden.
-
Für α = 1,0 ist die Prognose identisch mit dem Verbrauch der jüngsten Periode.
Den Einfluss von Alpha auf die Gewichtung und damit auf die Aktualität der Prognose zeigt Abb. 66 für die Werte α = 0,5 und α = 0,1. 1 Sofern Alpha nicht maschinell optimiert wird, stellt sich die Frage, welchen Wert der Glättungsparameter einnehmen sollte. Geht man von den genannten Überlegungen aus, lassen sich Entscheidungsregeln für die Festlegung von Alpha herleiten: 2 • Erscheinen die tatsächlichen Verbrauchswerte annähernd normal verteilt, sollten α-Werte zwischen 0,1 und 0,2 gewählt werden. (Es können auch Versuche mit α = 0,05 durchgeführt werden, wenn der Vorhersagefehler für α = 0,1 übermäßig hoch erscheint.) • Höhere α-Werte (0,3 bis 0,5) sind nur zu verwenden, wenn man Veränderungen der Verbrauchsstruktur erwartet (saisonale Einflüsse, Konjunkturentwicklung, Auswirkungen von Werbekampagnen, Einführung neuer Artikel usw.). • α-Werte größer 0,5 sollten in keinem Fall gewählt werden, da dann auch statistische Vorbehalte geltend zu machen 1
Vgl. IBM, IMPACT - Wirtschaftliche Lagerhaltung mit wissenschaftlichen Methoden, a.a.O., S. 48 f. Vgl. A. Mentzel, Optimale Lagerhaltung, in: G. Bretschneider, Hrsg., Einkaufsleiter-Handbuch, a.a.O., S. 753.
2
327
Regeln für die Festlegung des Glättungsparameters Alpha
sind: Es werden zu wenige Perioden in die Rechnung einbezogen, um abgesicherte statistische Aussagen zu gewinnen.
Abbildung 66:
Der Einfluss des Glättungsfaktors Alpha auf die Gewichtung der Vergangenheitswerte
Im Regelfall liegen die Werte für Alpha zwischen 0,05 und 0,3. Dabei wird entweder für alle in die Prognoserechnung einbezogenen Artikel ein gemeinsamer Faktor festgelegt oder nach Artikelgruppen differenziert. Auf alle Fälle sollten höhere Alphawerte nur befristet angesetzt werden. Periodische Anpassung des Alphawertes an das Verbrauchsverhalten bei Errechnung des Schwankungskoeffizienten SQ
Nun ist nicht nur in der Wahl des richtigen Glättungsparameters eine Schwachstelle dieser Bedarfsvorhersagemethode zu sehen, sondern auch in dem dispositiven Aufwand, der bei manueller Anpassung von Alpha an das sich verändernde Verbrauchsverhalten eines Teils entsteht. Da sich jedoch der im dritten Abschnitt, Ziffer 1.2, beschriebene Schwankungskoeffizient SQ, mit dessen Hilfe der XYZ-Status aller Teile nach Ablauf einer Verbrauchsperiode per EDV aktualisiert werden
328
kann, umgekehrt proportional zu Alpha verhält, kann bei periodischer Errechnung von SQ auch Alpha periodisch wie folgt neu errechnet werden:
•α =
K SQ ⋅ 100
K ist eine Konstante, die - neben oberer und unterer Grenze für Alpha - festgelegt werden muss. Beispiel 27: Für eine Materialposition sind folgende SQ-Werte errechnet worden:
Zahlenbeispiel zur periodischen Ermittlung des Alphawertes
SQalt = 0,632 SQneu = 0,763 K sei mit 20 definiert. 1 Daraus ergibt sich für
20 = 0,32 0,632 ⋅ 100 20 = = 0,26 0,763 ⋅ 100
α alt =
α neu
Das Beispiel verdeutlicht nochmals den Zusammenhang zwischen dem Alpha- und dem SQ-Wert: -
Ein hoher Schwankungskoeffizient verlangt einen kleinen Glättungsfaktor Alpha, um das System nicht zu sensibel zu gestalten.
-
Ein kleiner Schwankungskoeffizient erlaubt einen großen Glättungsfaktor, um einem eventuell auftretenden Trend schneller Folge zu leisten. Jedoch wird das „Nachhinken“ nicht verhindert.1
1
So in einem Anwendungsfall. Vgl. vom Verf., Materialdisposition in der Praxis, Gernsbach 1992.
329
Zusammenhang zwischen Alpha- und SQ-Wert
Auch bei diesem leistungsfähigen Verfahren der Selbststeuerung der Alphawerte kann auf Abweichungs- oder Kontrollsignale zur Aufdeckung „systematischer Fehler“ (siehe unter Ziffer 2.5 in diesem Abschnitt) ebenso wenig verzichtet werden wie bei der maschinellen Parameteroptimierung. 1 ⇐ Die exponentielle Glättung 2. Ordnung kann bei trendförmiger Bedarfsentwicklung zum Einsatz kommen
Bei der exponentiellen Glättung 2. Ordnung sind mehrere Berechnungen anzustellen
Aufgabe 12
bb) Methode der exponentiellen Glättung zweiter Ordnung Wie schon erläutert, sind die Verfahren der Mittelwertbildung nur einsatzfähig, wenn die Verbrauchswerte konstant verlaufen. Auch bei exponentieller Glättung 1. Ordnung sind keine zuverlässigen Prognosen zu erzielen, wenn die Zeitreihe eine deutliche Trendentwicklung aufweist. Der Prognosewert hinkt sodann hinter der aktuellen und erst recht hinter den zukünftigen Daten her. Es ist daher zu empfehlen, die exponentielle Glättung zweiter Ordnung einzusetzen, wenn die Verbrauchsentwicklung einen stark trendförmigen Verlauf zeigt, das heißt ein Trendmodell vorliegt. Bei diesem Verfahren werden zwei Punkte auf der Trendgeraden errechnet und damit die Gerade eindeutig festgelegt. Folgende Berechnungen müssen bei der exponentiellen Glättung zweiter Ordnung durchgeführt werden: 2 (1) Berechnung des Mittelwertes 1. Ordnung: (1) (1) • M(1) i = Mi −1 + α(Ti −1 - Mi −1 )
Dabei bedeuten:
M(1) = exponentiell geglätteter Mittelwert, berechnet aus zui rückliegenden Werten, bis hin zur Periode i (die in Klammern hochgestellte Ziffer weist auf den Grad der exponentiellen Ordnung hin).
1
Wie erwähnt, kann bei maschineller Unterstützung die Möglichkeit gegeben sein, dass eine Parameteroptimierung vom System bei jedem Prognoselauf durchgeführt wird. 2 Über die Wahl kurzer Prognoseperioden (Dekade, Woche) kann die Reaktion beschleunigt werden.
330
Mi-(1)1 = Mittelwert der Periode i-1 α
= Glättungsfaktor
Ti-1 = Tatsächlicher Verbrauch in der Periode i-1 Dieser Mittelwert gilt als Prognosewert bei gleichbleibendem Bedarfsverlauf. Wie Untersuchungen über das sogenannte mittlere Alter der in die Durchschnittsbildung einbezogenen Zeitreihen zeigen, hinkt 1- α dieser um einen Zeitraum von α Perioden gegenüber der Periode i nach. Dieser Mittelwert ist der erste Punkt zur Berechnung der Trendgeraden für die Periode i. (2) Berechnung des doppelt geglätteten Mittelwertes (Mittelwert der Mittelwerte) Da der Trend eine langfristige Änderung der Mittelwerte ist, kann er über den Mittelwert 2. Ordnung berechnet werden. Gegenüber dem Mittelwert 1. Ordnung hat er eine weitere Zeitver1- α zögerung von α -Perioden: (2) (1) (2) • M(2) i = Mi −1 + α (Mi - Mi −1 )
Dabei bedeuten:
M(2) = doppelt geglätteter Mittelwert (Mittelwert der Mitteli werte)
M(1) = Mittelwert 1. Ordnung. i Dieser Mittelwert ist der zweite Punkt zur Berechnung der Trendgeraden für die Periode i. Er liegt um einen Zeitraum von 1- α 2 α gegenüber der Periode i zurück. (3) Berechnung des Anstiegs der Trendgeraden Da sich der Trend ändern kann, berechnet man ihn für jede Periode neu. Die Steigung der Trendgeraden wird durch Be-
331
rechnung zweier Punkte auf dieser Trendgeraden ermittelt. Dabei entspricht: (1)
-
der erste Punkt dem Mittelwert 1. Ordnung = Mi
-
der zweite Punkt dem Mittelwert 2. Ordnung = Mi
(2)
Dann ist • bi =
1− α (1) (Mi − M(2) i ) α
Dabei bedeuten: = Anstieg der Trendgeraden für eine Periode. = Zeitraum zwischen dem Mittelwert 1. und 2. Ord-
bi
1− α α
(2) M(1) i − Mi
nung. Da die Differenz zwischen dem Mittelwert 1. und 2. Ordnung durch den Zeitraum dividiert wird, kann man sie auch mit dem umgekehrten Bruch multiplizieren. = Differenz zwischen dem Mittelwert 1. und 2. Ordnung.
(4) Berechnung des Mittelwertes der laufenden Periode Dieser Wert entspricht dem um den Trend korrigierten Mittelwert 1. Ordnung: • Mi
(1)
= Mi
+
1− α ·bi α
(1) (2) Mi = M(1) + (Mi - Mi ) i (2) Mi = 2 M(1) i - Mi
Dabei bedeuten: = Gesamtvorhersage für die laufende Periode
Mi
(5) Berechnung des Vorhersagewertes für die nächste Periode • Vi+1
332
=
Mi + bi
wobei (2) Mi = 2 M(1) i - Mi
Ein Zahlenbeispiel soll den Gang der Berechnung verständlicher machen. Beispiel 28: Es werden die Aufschreibungen der Zahlenreihe (Tabelle 10) zugrunde gelegt. Berechnet werden soll auf der Basis der exponentiellen Glättung 2. Ordnung die Vorhersage für die vierte Periode. Alpha wird mit 0,2 angenommen. Der doppelt geglättete Mittelwert in der 2. Periode wird mit 80 angenommen. Berechnung: (1)
(1) M3
(1)
(1)
= M2 + α (T2 - M2 )
M(1) = 80 + 0,2 (100 - 80) 3 M(1) = 84 3 (2)
= M2 α ( M3 - M2 )
(2) 3
= 80 + 0,2 (84 - 80)
(2) 3
= 81
(2) M3
M M
(2)
(1)
(2)
(3) b3
=
α (1) (2) ( M3 - M3 ) 1- α
b3
=
0,2 (84 - 81) 1- 0,2
b3
= 0,8
(4) M3
(1)
(2)
= 2 · M3 - M3
M3
= 2 · (84) - 81
M3
= 87
333
Zahlenbeispiel zur exponentiellen Glättung 2. Ordnung
(5) V4 V4 V4
= M3 + b3 = 87 + 0,8 = 88
Die exponentielle Glättung 2. Ordnung reagiert stärker auf Verbrauchsschwankungen
Die Ergebnisse der Zahlenbeispiele 26 und 28 verdeutlichen, dass im Vergleich zum Vorhersageverfahren mit exponentieller Glättung erster Ordnung bei exponentieller Glättung zweiter Ordnung die Reaktion auf Verbrauchsschwankungen bei gleichem Glättungsfaktor sehr viel stärker ist. Zufallsschwankungen bleiben jedoch auch bei diesem Verfahren als solche unerkannt.
Die exponentielle Glättung höherer Ordnung erlaubt die Vorhersage bei nichtlinearen Trendverläufen
Das geschilderte Verfahren gilt für einen Bedarfsverlauf mit linearem Trend. Eine Zeitreihe mit einem Trend kann jedoch auch nichtlinear verlaufen. Diese Bedarfswerte werden durch Verfahren der exponentiellen Glättung höherer Ordnung vorhergesagt. 1
Bei Anwendung der exponentiellen Glättung 2. und höherer Ordnung sind zusätzliche Kontrollen unbedingt vorzusehen
Allerdings sollte - sofern das Prognosemodell nicht vom System durch eine maschinelle Modellauswahl bestimmt wird - bei Vorliegen eines Trendverdachts zunächst die Zweckmäßigkeit einer Erhöhung des Glättungsfaktors aus einfacher Vorhersage überprüft werden. Diese Vorgehensweise ist aber nur dann unbedenklich, wenn - wie bereits erwähnt - die Zeitreihe eine sehr schwache Trendentwicklung aufweist. Da Trendentwicklungen linearer oder nichtlinearer Art langfristig nicht so bleiben - ein Erzeugnis durchläuft mehrere Lebensphasen, die durch recht unterschiedliche Verbrauchsverläufe gekennzeichnet sind (vgl. Abb. 65, Seite 317) -, ist auch bei Anwendung von exponentiellen Vorhersageverfahren zweiter oder höherer Ordnung in der Praxis Vorsicht geboten. „Der Einsatz zusätzlicher Kontrollen, die Auskunft geben, ob eine Trendentwicklung aus einer aufwärtsgerichteten Phase in eine gleich-
1
Vgl. W.R. Trux, Einkauf und Lagerdisposition mit Datenverarbeitung, a.a.O., S. 123.
334
bleibende oder abwärtsgerichtete Phase umschlägt, ist“, wie Zeigermann 1 betont, „dringend erforderlich“. c) Methode der Regressionsanalyse Zeigen die Verbrauchszahlen einen trendförmigen Verlauf, so liefern vor allem die Verfahren der Regressionsanalyse zuverlässige Vorhersagewerte. 2 Die Verfahren beruhen darauf, dass aufgrund einer ausreichenden Anzahl von Vergangenheitswerten die bisherige Verbrauchsentwicklung durch eine mathematische Funktion angenähert, und diese Verbrauchsfunktion in die Zukunft extrapoliert wird. Entsprechend dem Verbrauchsverlauf unterscheidet man zuverlässige Daten zwischen linearer und nichtlinearer Regression.
Die Regressionsanalyse weist erhebliche Nachteile auf, die sie für die Praxis nicht besonders geeignet erscheinen lässt, obwohl sie bei trendförmigem Verbrauchsverlauf zuverlässige Daten liefert
Aufgrund der Komplexität des Regressionsproblems soll hier auf eine Darstellung verzichtet und auf die Fachliteratur verwiesen werden. 3 Zu erwähnen ist allerdings, dass bei maschineller Auswahl der Prognosemodelle das System eine Regressionsanalyse für die vorhandenen Vergangenheitswerte durchführt und prüft, ob ein Trend als signifikant angenommen werden kann.
2.3.3 Subjektive Schätzung Es gibt im Wesentlichen zwei Formen subjektiver Schätzung
Für die subjektive Schätzung gibt es zwei Formen: (1) Die Analogschätzung: 1
J.R. Zeigermann, Elektronische Datenverarbeitung in der Materialwirtschaft, a.a.O., S. 75. - Nach Zeigermann sollten in EDV-Systemen Vertrauensgrenzen festgelegt werden, deren Überschreitung zu einem Abweichungssignal für den Disponenten führt. Für Einzelheiten siehe ebenda, S. 83 ff. - Auch bei einem variabel gehaltenen Alphawert kann - wie in dem Praxisbeispiel unter Ziffer 3.4 in diesem Abschnitt veranschaulicht - der Einsatz eines Kontrollsignals angezeigt sein, um auf Bedarfssprünge dispositiv rechtzeitig reagieren zu können. 2 Vgl. VDI, Elektronische Datenverarbeitung bei der Produktionsplanung und -steuerung, a.a.O., S. 23. - Siehe auch G. Kockläuner, Angewandte Regressionsanalyse mit SPSS, Braunschweig 1988. 3 Eine verständliche Darstellung anhand eines Beispiels findet sich bei W. Schutz, Methoden der mittel- und langfristigen Prognose - Eine Einführung, München 1975, S. 99 ff.
335
Es werden die Ergebnisse der Vorhersage für vergleichbare Materialien oder Erzeugnisse auf andere Materialien oder Erzeugnisse übertragen. (2) Die Intuitivschätzung: Es werden Meinungen über den mutmaßlichen Bedarf in der Zukunft rein intuitiv abgegeben. Liegen Erfahrungswerte vor, so wird der für die Lagerbestände verantwortliche Disponent seine subjektive Schätzung darauf gründen. Bei neu eingeführten Artikeln im Handel kann die Schätzung lediglich aufgrund von Erfahrungen und Vergleichen durch Fachleute erfolgen. Nach Vorliegen erster Verbrauchswerte können die Schätzwerte korrigiert oder durch Verbindung mit stochastischen Verfahren wesentlich verbessert werden. Es bleibt häufig keine andere Wahl als die Verwendung subjektiver Schätzverfahren für die Vorhersage
Die Bedarfsschätzung erweist sich im Allgemeinen als sinnvoll -
bei Artikeln von geringem Wert mit niedrigen Lagerhaltungskosten (geringwertigste C-Teile), bei der Behandlung sog. Sonderfälle (z.B. Mode- oder Liebhaberartikel), für die keine geeigneten stochastischen Prognoseverfahren entwickelt werden können.
2.4 Fehlerberechnung Vorhergesagte Bedarfszahlen sind Wahrscheinlichkeitswerte. Abweichungen vom tatsächlichen Verbrauch müssen erkannt werden
Trotz des Fortschritts bei der Entwicklung von Vorhersageverfahren gibt es noch keine Möglichkeit, die Zukunft unfehlbar vorauszusagen. Es muss damit gerechnet werden, dass der tatsächliche Bedarf von der Vorhersage abweicht. Die wirtschaftlichen Auswirkungen ungenauer Vorhersagen aber sind beträchtlich: • Ist die Differenz zwischen der Vorhersage und dem Istbedarf positiv, wachsen die Bestände an. Liquiditätsentzug und Anstieg der Lagerhaltungskosten sind die Folge. • Ist die Differenz zwischen der Vorhersage und dem Istbedarf negativ, wird die Kundennachfrage nicht befriedigt. Als Er-
336
gebnis werden die Kunden zu anderen Lieferanten übergehen (Fehlmengenkosten). Erfassung und Kontrolle der Vorhersagefehler sind daher unerlässlich, zumal sich - wie Abb. 65 auf Seite 317 dieser Arbeit verdeutlicht - mit dem Alter eines Erzeugnisses die Bedarfsentwicklung entscheidend ändern kann. Ist der Grund für die Abweichung bekannt, so kann entweder durch einen Wechsel des Vorhersageverfahrens oder im Falle der exponentiellen Glättung durch Erhöhung des Alphawertes die Anpassung der Vorhersagen an die neue Bedarfsentwicklung beschleunigt werden. Die Verfahren der Fehlerberechnung gehen von der Erkenntnis aus, dass sich in den meisten Fällen der Umfang eines Vorhersagefehlers um einen Durchschnittswert eines „Null“-Fehlers verteilt, und zwar nach einem Muster, das als Normalverteilung bekannt ist (Gaußsche Glockenkurve).
Verfahren der Fehlerberechnung
Das statistisch geeignete Streuungsmaß für Prognosefehler ist die Standardabweichung. In der Praxis aber überwiegt die Verwendung der mittleren absoluten Abweichung (medium absolute deviation = MAD). -
Bei normalverteilten Prognosefehlern - und nur in solchen Fällen - kann mit hinreichender Genauigkeit die MAD in die Standardabweichung umgerechnet werden.
2.4.1 Berechnung der Standardabweichung Die Formel für die Berechnung der Standardabweichung bei gleitender Mittelwertbildung lautet:
σ=
Formel für die Berechnung der Standardabweichung
1 i ∑ (Tk - Mk )2 n k =i +1−n
Dabei bedeuten: σ = Standardabweichung Tk = tatsächlicher Verbrauch
337
Mk = Vorhersagewert als gleitender Mittelwert über n Perioden n = konstante Anzahl von Perioden, die als gleitender Zeitraum gewählt wurde i = laufende Periode Die Standardabweichung ist ein Maß für die Qualität der Vorhersage
Die Größe Sigma gibt an, wie sich die Abweichungen zwischen Vorhersagen und dem tatsächlichen Verbrauch um den Mittelwert verteilen. Ist Sigma groß, so war die Vorhersage sehr ungenau; die Glockenkurve wird flach. Ist Sigma klein, so wich die Vorhersage nur geringfügig vom tatsächlichen Bedarf ab; die Glockenkurve wird steil.
Abbildung 67:
Die Standardabweichung als Maß für die Qualität der Vorhersage
Die Standardabweichung ist somit ein Maß für die Qualität der Vorhersage, was durch Abb. 67 verdeutlicht wird. Grafisch ent-
338
spricht sie dabei dem Abstand des Wendepunktes der Glockenkurve vom Mittelwert bezogen auf die x-Achse. Für die Praxis der Materialwirtschaft ist die Berechnung der Standardabweichung verhältnismäßig rechenintensiv und umständlich. Es wurde daher ein Verfahren entwickelt, das vom Anwender leichter nach zuvollziehen ist, sich aber trotzdem für eine Fehlerschätzung als geeignet erweist: Die „mittlere absolute Abweichung“ (MAD = medium absolute deviation).
Die Berechnung der Standardabweichung ist unverhältnismäßig umständlich
2.4.2 Berechnung der „mittleren absoluten Abweichung“ (MAD) Für die praktische Anwendung bei der Fehlervorhersage wird in der Regel die mittlere absolute Abweichung errechnet. Absolut soll besagen, dass alle Abweichungen als positiv angenommen werden. „Mittlere“ ist nur ein anderer Ausdruck für den Durchschnitt der absoluten Abweichungen. 1
Die „mittlere absolute Abweichung“ ist ein wenig aufwändiges Näherungsverfahren zur Berechnung der Standardabweichung
Zwischen der mittleren absoluten Abweichung MAD und der Standardabweichung besteht bei Normalverteilung der Fehler näherungsweise folgende Beziehung: • SIGMA = 1,25 · MAD Berechnungen haben ergeben, dass mit dieser Gleichung ein recht guter Näherungswert für Sigma ermittelt wird. 2 Die Vorhersage der Fehler nach MAD erfolgt bei gleitender Mittelwertbildung nach der Formel
• MADi +1 =
Formel und Zahlenbeispiel für die Berechnung von MAD bei gleitender Mittelwertbildung
1 i ∑| Tk - Mk | n k =i +1−n
Dabei bedeuten:
1
Vgl. IBM, IMPACT - Wirtschaftliche Lagerhaltung mit wissenschaftlichen Methoden, a.a.O., S. 39. Vgl. W.FI. Trux, Einkauf und Lagerdisposition mit Datenverarbeitung, a.a.O., S. 46 ff.
2
339
MAD1 = Mittlere absolute Abweichung (Fehlervorhersage) Tk = tatsächlicher Verbrauch Periode k Mk = Vorhersagewert Periode k als gleitender Mittelwert über n Perioden n = konstante Anzahl von Perioden, die als gleitender Zeitraum gewählt wurden i = laufende Periode Wenn beispielsweise der mittlere Verbrauch 200 beträgt und die tatsächlich aufgetretenen Verbräuche 180, 210, 205 und 187 sind, dann ergibt sich für die mittlere absolute Abweichung folgende Berechnung: 1 MAD = 4 (|200 - 180| + |200 - 210| + |200 - 205| + |200 - 187|)
= (20 + 10 + 5 + 13) : 4 = 12 Nach den Zahlen der Tabelle 9 ist MAD11 = 27 + 3 + 27 + 5 4 MAD11 = 15,5 ⇐ 16 Die Standardabweichung erhält man nun durch Multiplikation von MAD mit 1,25. Wird der Fehler nach der exponentiellen Glättung 1. Ordnung berechnet, so lautet die Formel: Formel und Zahlenbeispiel für die Berechnung von MAD bei der exponentiellen Glättung 1. Ordnung
• MADi+1
= MADi + α (Di - MADi)
Dabei bedeutet: • Di = |(Ti - Vi)| absoluter Fehler Mithilfe dieser Formel und auf der Grundlage der Zahlen aus Tabelle 10 ergibt sich z.B. für MAD11 = 23 + 0,05 (40 - 23) MAD11 = 23,9 ⇐ 24
340
Grundsätzlich kann die Fehlerberechnung bei Anwendung dieses Verfahrens nach derselben Vorhersagemethode erfolgen, die auch für die Ermittlung der Prognosewerte herangezogen wird. Zusammengefasst kann gesagt werden: Der MAD ist zwar kein exaktes und optimales, aber praktikables und brauchbares Maß für die Ermittlung der Fehlerprognose. Auf eine genaue Berechnung der Standardabweichung sollte in der Praxis verzichtet werden, da trotz Mehraufwand die Genauigkeit der Aussage nur unwesentlich verbessert wird. 1 Der MAD ist für die Berechnung des Sicherheitsbestandes ein hinreichend zuverlässiger Wert, 2 vorausgesetzt dass das Prognosemodell angemessen und damit der MAD nahezu normalverteilt ist.
2.5 Kontrolle der Prognose Wiederholt haben wir darauf hingewiesen, dass sich die Charakteristik einer Verbrauchsreihe ändern kann und daher eine Kontrolle der Prognosequalität erforderlich ist. Dabei kann es nicht Ziel der Kontrolle sein, Abweichungen zwischen prognostiziertem und tatsächlichem Bedarf zu verhindern. Vielmehr ist es Aufgabe der regelmäßigen (maschinellen) Kontrolle, auf notwendige Parameter- oder Verfahrensänderungen hinzuweisen. In diesem Zusammenhang ist es erforderlich, Zufallsabweichungen, die dem Charakter nach unvorhersehbar und unvermeidbar sind, von „systematischen Fehlern“ zu unterscheiden, die eine überwiegend zu niedrige oder zu hohe Vorhersage verursachen. Systematische Fehler treten auf, wenn das Prog1
Vgl. K. Mentzel, Optimale Lagerhaltung, in: G. Bretschneider, Hrsg., Einkaufsleiter-Handbuch, a.a.O., S. 764. Vgl. IBM, Bestandsführung und Bedarfsplanung - Anwendungsbeschreibung. Lizenzprogramm Nr. 5702-M52, Sindelfingen o.J., S. 27. - Der Zusammenhang zwischen der Erfassung des Vorhersagefehlers und der Berechnung des Sicherheitsbestandes unter Beachtung der definierten Lieferbereitschaft ist in Vorgriff auf die Ausführungen unter Ziffer 6.3.2 dieses Abschnitts bereits in den Tabellen 9 und 10 verarbeitet worden.
2
341
Systembedingte Prognosefehler sind herauszufiltern
nosemodell oder ein Parameter nicht richtig gewählt wurde oder wenn sich die Vorhersage noch nicht an einen Strukturbruch angepasst hat. 1 Formel zur Berechnung des Kontrollsignals (Tracking Signal)
Zur Aufdeckung systematischer Fehler dient ein Abweichungsoder Kontrollsignal (engl.: Tracking Signal). Die Kennzahl verknüpft die Summe der Vorhersagefehler (FS) und mittlere absolute Abweichung (MAD) durch folgende Beziehung: 2 FS • Kontrollsignal = --------MAD Der Prognosefehler ist - wie bereits ausgeführt - die Differenz aus Prognosewert und dem tatsächlichen Bedarf der gleichen Periode. Wenn ein Prognosemodell noch seine Gültigkeit hat, sich die Charakteristik der Verbrauchsreihe also nicht geändert hat, kann man davon ausgehen, dass die Summe der Vorhersagefehler normal verteilt ist und nicht wesentlich von Null abweicht. • Wenn die Prognosefehler auf „systematische Fehler“ zurückzuführen sind, so wird die Fehlersumme ungleich Null.
Problematisch ist die Festlegung der Grenzwerte
Bei der Festsetzung der Grenzwerte für das Kontrollsignal ist zu beachten, dass zu niedrig gesetzte Grenzwerte zwar eine frühzeitige Signalwirkung haben, aber auch die Fälle von „blindem Alarm“ relativ häufig sein können. Umgekehrt werden bei zu hohen Grenzwerten signifikante Abweichungen erst relativ spät erkannt. Als grober Rahmen kann nach Brown 3 ein Toleranzbereich von + 4 bis - 4 festgelegt werden, wobei auch die Wertigkeiten nach der ABC-Klassifizierung beachtet werden sollten.
1
Siehe R. Melzer-Ridinger, Materialwirtschaft und Einkauf, a.a.O., S. 117 Das Tracking Signal kann auf verschiedene Weise definiert werden. Wir folgen hier der SAP-Anwendung. Siehe SAP, Verbrauchsgesteuerte Disposition, a.a.O., S. 66 f. 3 Zit. bei H. Arnolds, Versorgungs- und Vorratswirtschaft, Wiesbaden 1993, S. 95. 2
342
Wenn das Kontrollsignal mehrfach hintereinander „aufleuchtet“, so ist vom Disponenten die Prognoseroutine zu unterbrechen und eine sorgfältige Analyse der Ursachen einzuleiten. Auf diese Weise kann das Kontrollverfahren wesentlich zur Verbesserung der Dispositionsleistung und -qualität beitragen, besonders wenn es sich um eine große Zahl von Artikeln (Zeitreihen) handelt.
3.
Dispositionsverfahren
Bevor wir uns unter dieser Ziffer mit den verschiedenen Verfahren der Disposition beschäftigen, ist ein Rückblick auf die dargestellten Methoden der Bedarfsrechnung angebracht, um deren Zusammenhang mit den Dispositionsverfahren aufzuzeigen. Bisher behandelt wurden die Gesetzmäßigkeiten, aufgrund derer es möglich ist, den Sekundärbedarf deterministisch zu bestimmen. Liegen Kundenaufträge vor, ist selbstverständlich auch eine deterministische Berechnung des Primärbedarfs möglich. Der Primärbedarf kann aber auch ganz oder teilweise stochastisch aufgrund statistischer Daten über den Verbrauch eines Artikels in der Vergangenheit ermittelt werden. Andererseits lassen sich auch - was leicht einzusehen ist - Bedarfsprognosen und subjektive Schätzung auf die Ermittlung des Sekundärbedarfs anwenden. Der Tertiärbedarf, d.h. der Bedarf an Teilen, der nicht in Stücklisten geführt wird, muß zwangsläufig stochastisch errechnet oder geschätzt werden. Doch unabhängig davon, wie der Gesamtbedarf eines Artikels ermittelt wird, es ist damit noch nicht die Frage beantwortet, wie er disponiert wird. Grundsätzlich wollen wir die in Abb. 68 zusammengestellten Dispositionsverfahren unterscheiden, wobei die auftragsgesteuerte Disposition auch als Sonderform der plangesteuerten Disposition betrachtet werden könnte. Gemeinsames Kennzeichen beider Dispositionsarten ist, dass sie von einem determi-
343
Zusammenhang zwischen Bedarfsrechnung und Dispositionsverfahren
nistisch ermittelten Primärbedarf ausgehen. Den in der Abb. 68 zusammengestellten Dispositionsverfahren kann die sog. prozessorientierte Disposition nicht zugeordnet werden, da diese nicht der mengenmäßigen Bedarfsdeckung, sondern der Durchlaufzeitenberechnung dient. Diese kann auf der Grundlage einer Technologiematrix und anhand von Teilprozesstabellen erfolgen und fällt in der Regel in die Verantwortung der Fertigungsplanung (Arbeitsvorbereitung).
Dispositionsverfahren
Auftragsgesteuerte Disposition
Einzelbedarfsdisposition
Plangesteuerte Disposition
Sammelbedarfsdisposition
Abbildung 68:
Bestellpunktverfahren
Verbrauchsgesteuerte Disposition
Bestellrhythmusverfahren
Zusammenstellung der Dispositionsverfahren
Gegenüber der zukunftsorientierten plangesteuerten Disposition und der Disposition aufgrund von Kundenaufträgen arbeitet die verbrauchsgesteuerte Disposition mit Vergangenheitswerten. Sie stützt sich daher hauptsächlich auf die Bedarfsermittlung durch Vorhersage. Sowohl bei der verbrauchs- als auch bei der plangesteuerten Disposition geht es darum, Bedarfsmengen und Bedarfstermine in Bestellmengen und Bestelltermine umzuwandeln. Nach Durchführung der Bedarfsrechnung sind Bestelltermine und Bestellmengen zu ermitteln
Im Rahmen der Materialdisposition sind also nach erfolgter Bedarfsermittlung grundsätzlich zwei Fragen zu beantworten, um
344
jederzeit eine ausreichende Materialverfügbarkeit auf möglichst wirtschaftliche Weise zu gewährleisten: • Wann soll bestellt werden? Es ist rechtzeitig die Bestellung aller Lagerartikel sowie der nicht am Lager geführten Artikel zu veranlassen. (= Aufgabe der Bestellterminrechnung) • Wieviel soll bestellt werden? Um die Bestell- und Lagerhaltungskosten zu minimieren, sollten Bestellungen in wirtschaftlichen Losgrößen erfolgen, wobei Preis-Mengen-Staffeln und artikelspezifische Losgrößenfestlegungen zu berücksichtigen sind. (= Aufgabe der Bestellmengenrechnung) Da im Rahmen der Disposition der Bestellverfolgung große Bedeutung zukommt, sollte ein leistungsfähiges Dispositionssystem anhand der neuesten Bestands- und Bedarfssituation auch eine Antwort auf die Frage geben: • Ist eine laufende Bestellung nach Menge oder Termin zu verändern? (= Kontrollrechnung für vorhandene Bestellungen) Wenn bei der Bestellterminrechnung nach dem Prinzip der Gegenüberstellung von Soll-Eindeckungstermin und Ist-Eindeckungstermin verfahren und schrittweise für jede Periode verglichen wird, ob der verfügbare Lagerbestand und Bestellbestand gegenüber dem Bedarf ausreicht, kann mit der Erstellung eines neuen Bestellvorschlags eine Kontrolle laufender Bestellungen erfolgen. Das Prinzip beschreiben wir unter Ziffer 4 in diesem Abschnitt. Bei den genannten Funktionen einer Bestellterminrechnung, Bestellmengenrechnung und Kontrollrechnung handelt es sich um Komponenten der sog. „Bestellrechnung“, die entweder nach Bestellpunktunterschreitung oder einer Bedarfsrechnung (stochastisch oder deterministisch) ausgelöst wird. Die Bestellrechnung im Rahmen der plangesteuerten Disposition (vgl. Ziffer 3.2 in diesem Abschnitt) wird auch Nettobedarfsrechnung genannt.
345
Kontrollrechnung laufender Bestellungen während der Bestellterminrechnung
3.1 Auftragsgesteuerte Disposition Bei der auftragsgesteuerten Disposition sind im Normalfall dispositive Maßnahmen ausgeschlossen
Die auftragsgesteuerte Disposition vermeidet jedes Dispositionsrisiko, da die Bestellmengen jeweils den Bedarfsmengen evtl. um einen Zusatzbedarf für Ausschuss erhöht - entsprechen. • Wird bei auftragsgesteuerter Disposition der Bedarf termingerecht beschafft, so können bei normalem Verbrauchsverlauf weder Überbestände noch Fehlbestände auftreten. Auch Sicherheitsbestände erübrigen sich unter diesen Bedingungen. Im eigentlichen Sinne des Wortes wird nicht disponiert, sondern die Bedarfsanforderung nur in eine Bestellung „umgesetzt“.
Varianten der auftragsgesteuerten Disposition
Die auftragsgesteuerte Disposition gibt es in zwei Varianten:
3.1.1 Einzelbedarfsdisposition Bei dieser Art auftragsgesteuerter Disposition wird der Bedarf fallweise einzeln beschafft, so dass ein Lagerbestand nicht üblich ist. Es kann sich dabei um den Bedarf an sehr hochwertigem Material für Einzelanfertigung (z.B. Kurbelwellen für Schiffsmotore) oder um auftragsgebundene sperrige oder voluminöse Teile handeln, die schwierig zu lagern sind. Für die fertigungsablaufgerechte Anlieferung ist eine retrograde Terminplanung (Rückwärtsterminierung) durchzuführen. Man geht dabei vom Endtermin des Kundenauftrages aus und rechnet bis zum Beginn der technischen Zeichnungsarbeiten zurück. Für die einzelnen Fertigungsabschnitte (z.B. Stahlbau, Vormontage, Hellingmontage, Ausrüstung im Schiffsbau) sind dabei Zeitstufen vorgesehen. Der Einkauf (Disponent) kann daraus die zeitliche Verteilung des Bedarfs und die für ihn gültigen Bereitstellungstermine eindeutig ablesen. Durch Berücksichtigung der Beschaffungszeit wird der Bestelltermin ermittelt. 1 1
Vgl. dazu Ausführungen unter Ziffer 2.2 dieses Abschnitts.
346
Ein weiteres Anwendungsgebiet der Einzelbedarfsdisposition ist bei Sonderbedarf einzelner Abteilungen (z.B. Anforderung von Kopiergeräten durch die Verwaltung) sowie bei Bedarf für Großreparaturen gegeben. Die Aufgabe des Sonderbedarfs erfolgt mit einer Bedarfsmeldung der betreffenden Abteilung.
3.1.2 Sammelbedarfsdisposition Hier wird der Bedarf für die Fertigung (bzw. den Verkauf) von mehreren (gesammelten) Kundenaufträgen zusammengefasst. Wie Beispiele der Praxis zeigen, 1 kann die Disposition in regelmäßigen (z.B. wöchentlichen) Intervallen erfolgen, indem der gesamte Materialbedarf für den in diesem Zeitraum zu verzeichnenden Auftragseingang zusammengefasst wird. Die Sammelbedarfsdisposition kann aber auch in unregelmäßigen Abständen je nach Auftragsanfall durchgeführt werden.
Anwendungsmöglichkeiten der Sammelbedarfsdisposition
Anwendung findet diese Art auftragsgesteuerter Disposition vor allem bei Fertigung mittlerer und großer Serien (z.B. im Gerätebau, in der Textilindustrie bei modischen Oberstoffen). Wenn auch hier bei termingerechter Beschaffung und störungsfreiem Fertigungsablauf Lagerbestände nicht verursacht werden sollten, so zeigt doch die Praxis, dass dieser Idealzustand ein Ausnahmefall bleibt. Liegen noch frei verfügbare Bestände auf Lager, so sind diese vom Materialbedarf abzusetzen.
3.2 Plangesteuerte Disposition Die plangesteuerte Disposition - auch programm- oder bedarfsgesteuerte Disposition genannt 2 - fixiert den Bedarf für eine mittel- oder langfristige Verbrauchsperiode in der Zukunft 1
Vgl. A. Boje, a.a.O., S. 223 ff. Die auftrags- und plangesteuerte Dispositionen können somit zusammengefasst als bedarfsgesteuerte Disposition bezeichnet werden.
2
347
Voraussetzungen für die Anwendung der plangesteuerten Disposition
(= Planperiode). Sie orientiert sich an dem Verbrauch der Vergangenheit, an den Aufträgen der Gegenwart und an dem prognostizierten (geschätzten) Bedarf der Zukunft. Plangesteuerte Disposition erfordert nach dem Prinzip der rollierenden Planung die Integration von Absatz-, Produktions- und Beschaffungsplanung. Dabei stützt sie sich auf die in diesem Abschnitt unter Ziffer 2.3.1.2 beschriebene deterministische Bedarfsermittlung, d.h., der Primärbedarf an Erzeugnissen oder Gruppen wird für bestimmte Perioden als bekannt unterstellt, obwohl er - wie erwähnt - zum Teil auf stochastischen Werten beruhen kann. Durch Auflösen des Primärbedarfs wird in Fertigungsbetrieben der Bedarf an Rohstoffen, Teilen und Gruppen - der sog. Sekundärbedarf - ermittelt. Voraussetzung für die Anwendung dieses Verfahrens ist demnach das Vorhandensein eines periodisch unterteilten Produktionsplans mit den dazu gehörigen Stücklisten. Über die Stücklistenauflösung erfolgt die Errechnung des zeitlich gestaffelten Bruttoproduktionsbedarfs. Für betriebliche Zwecke ist die Berücksichtigung eines Zusatzbedarfs erforderlich
Die im Rahmen der deterministischen Bedarfsrechnung analytisch oder synthetisch gewonnenen Bruttozahlen sind noch um einen Zusatzbedarf zu ergänzen. Dieser kann durch -
Ausschuss bedingten Mehrverbrauch, Mehrbedarf für Wartung und Reparaturen (Ersatzteilbedarf), Nebenbedarf für Sonderzwecke (ungeplante Entnahmen für Versuche, Ausstellungen)
verursacht sein. Zusätzlicher Ersatzteilbedarf (z.B. Reifen für Fahrrad-Vertragshändler) und regelmäßig auftretender ungeplanter Mehrbedarf kann über eine Prognoserechnung ermittelt und dem Bruttoproduktionsbedarf dazugeschlagen werden. Sofern Fertigungsausschuss zu erwarten ist, sollte der um den verfügbaren Bestand korrigierte Bruttobedarf um einen Ausschussfaktor erhöht werden, um Mehrfacherfassungen zu vermeiden. 1 1
Siehe dazu Aufgabe 14 im Übungsteil.
348
Lager- u. Bestellbestand
schläge Fremdbezug
Produktionsplan Kundenaufträge
Bruttobe-
Nettobe-
Primär-
darfsermitt-
darfsermitt-
bedarf
lung
lung
Reservierungen
Bestellvor-
Stücklisten
Beschaffung Kaufteile Bestandsrechnung
Eigenfertigungsteile u. Bestellvorschläge
Fertigungs-
Eigenfertigung
steuerung
Baugruppen
Erzeugnisse/Ersatzteile
Abbildung 69:
Plangesteuerte Disposition (Brutto- und Nettobedarfsermittlung)
Der periodenbezogene Gesamtbruttobedarf ist dann - wie in Abb. 69 dargestellt - in einer Nettobedarfsrechnung noch zu korrigieren. Die Weiterrechnung erfolgt dabei ganz oder teilweise nach folgendem Schema: 1. Bruttoproduktionsbedarf 2. + Zusatzbedarf 3. 4. 5. 6. 7.
= + -
Gesamtbruttobedarf Lagerbestand Vormerkbestand Bestellbestand Werkstattbestand
- verfügbarer Bestand
= Nettobedarf Die Bestellrechnung wird erst angestoßen, wenn der Bruttobedarf durch den verfügbaren Bestand nicht gedeckt ist, d.h. wenn eine Unterdeckung auftritt. Eine Unterdeckung ist demnach identisch mit einem positiven Nettobedarf. Eine Überdeckung in einer Periode wird zur Deckung des Bedarfs in der nächsten Periode vorgetragen (negativer Nettobedarf).
349
Mit Vorliegen einer Unterdeckung wird die Bestellrechnung angestoßen
Mit Vorliegen einer Unterdeckung werden im Rahmen der Bestellrechnung Bestelltermine errechnet und geeignete Bestellmengen vorgeschlagen. Dabei treten im Rahmen der plangesteuerten Disposition die dynamischen Bestellmengenverfahren wegen des in der Regel schwankenden Bedarfs und der Möglichkeit einer tagesgenauen Bedarfszusammenfassung in den Vordergrund. Definition der bei der Nettobedarfsrechnung berücksichtigten Bestandsarten
Je nach der Art der Bestandsführung muss somit die Nettobedarfsrechnung den Bruttoperiodenbedarf um Lager-, Werkstatt-, Bestell- und Vormerkbestände korrigieren. Diese sind wie folgt zu definieren: (1) Lagerbestand: Der vorhandene Lagerbestand ist in erster Linie ein Buchbestand, der um die jeweiligen Lagerzu- und -abgänge korrigiert wird. Dabei ist sicherzustellen, dass Lagerzugangsbuchungen erst nach Freigabe durch die Qualitätsprüfstelle und Einlagerung bei gleichzeitiger Entlastung eines evtl. geführten Wareneingangsbestandes erfolgen. Für die Zwecke der Disposition muss der Lagerbestand aufgespaltet werden in denjenigen Teil, über den zwar schon durch Zuteilung für einen bestimmten Fertigungsauftrag verfügt worden ist, der jedoch von der Werkstatt noch nicht abgerufen wurde (= Reservierungen bzw. Vormerkbestand) zuzüglich einem evtl. Sicherheitsbestand, und in jenen Teil, über den noch verfügt werden kann (= verfügbarer Lagerbestand). (2) Vormerkbestand: Der Vormerkbestand umfasst die Bestandsmengen, die bereits für hereingekommene Aufträge (Kundenauftrag, Fertigungsauftrag einer übergeordneten Baugruppe) vorgemerkt und daher nicht mehr verfügbar sind. Die Summe der disponierten Entnahmen (Vormerkungen, Ausgangsvormerkungen, Bestandsreservierungen, verfügte Mengen) wird Vormerk- oder Auftragsbestand genannt. In Industriebetrieben nimmt die Prüfung der Verfügbarkeit der für die Fertigung erforderlichen Materialkomponenten die Fertigungssteuerung vor. Bei erfolgreicher Verfügbarkeitskontrolle erfolgt die Reservierung und die Freigabe des Fertigungsauftrags. Sind nicht alle Materialkomponenten auf
350
Lager, wird eine Fehlteileliste ausgegeben. Es ist dann Aufgabe der Disposition, das fehlende Material so schnell wie möglich zu beschaffen. • Vormerkungen für Material erfolgen also, um die Materialverfügbarkeit/Abgabebereitschaft zu einem vorgeplanten Entnahmezeitpunkt sicherzustellen. (3) Werkstattbestand: Die Menge, die das Lager zur Weiterverarbeitung verlassen hat und sich in der Werkstatt befindet, nennt man Werkstattbestand. Wird ein Fertigungsauftrag für eine übergeordnete Baugruppe freigegeben, so erhöht sich deren verfügbarer Bestand und der Vormerkbestand des untergeordneten Teils. Mit Fertigungsbeginn reduziert sich der Vormerk- und der Lagerbestand dieser untergeordneten Materialposition, während der Werkstattbestand entsprechend zunimmt. Die Lieferung des Fertigungsauftrags vermindert den Werkstattbestand des untergeordneten Teils und erhöht den Lagerbestand der übergeordneten Baugruppe. Die Führung von Werkstattbeständen ist vor allem angezeigt, wenn -
ein langfristiger Fertigungsprozess vorliegt, Lieferanten unmittelbar an Werkstätten (fertigungssynchron) anliefern.
(4) Bestellbestand: Unter Bestellbestand ist der Bestand an offenen Bestellungen zu verstehen. Die Bestellungen können interne Fertigungsaufträge für Montage, Teilefertigung usw. oder externe Lieferantenbestellungen sein (Bestellbestand oder Bestellobligo, laufende Bestellungen, Eingangsvormerkungen). • Ein Bestellbestand besteht für geplante Zugänge und ist wie der Vormerkbestand - nach Termin zu führen. Aus diesen Bestandsarten ergeben sich folgende abgeleitete Bestandsgrößen:
351
Abgeleitete Bestandsarten
Abwicklung einer Nettobedarfsrechnung unter Berücksichtigung verfügbarer Lager- und Bestellbestände
•
Lagerbestand - Vormerkbestand = verfügbarer Lagerbestand + Bestellbestand = verfügbarer Bestand
•
Vormerkbestand + Werkstattbestand = verfügter Bestand Bestellbestand der übergeordneten Materialposition
Der frei verfügbare Bestand (auch dispositiver Bestand genannt) stellt keine besondere Bestandsart dar. Er kann aus anderen Bestandsarten zum Bedarfszeitpunkt errechnet werden. Auch der Sicherheitsbestand wird in keiner besonderen Bestandsdatei geführt, sondern durch Mengen- oder Zeitzuschläge berücksichtigt. Die Abwicklung der Nettobedarfsrechnung wird schematisch in Abb. 70 dargestellt. 1 Es wird im ersten Schritt der bekannte Bruttobedarf um den verfügbaren Lagerbestand gekürzt, der mit Ident-Nr. und Menge von der Bestandsrechnung (Lagerbuchführung) bereitgestellt wird (bei getrennter Angabe des Sicherheitsbestandes muss dieser zuerst mit dem verfügbaren Lagerbestand abgestimmt werden). Im nächsten Schritt erfolgt der Abgleich des verbleibenden Bedarfs mit den laufenden Bestellungen. Die dafür erforderlichen Daten liefert die Bestellrechnung. Die Abstimmung wird hier in der Weise vorgenommen, dass die laufenden Bestellungen den Bedarfsmengen terminlich gegenübergestellt, und die Bedarfsmengen, beginnend mit dem frühesten Termin, um die Mengen der laufenden Bestellungen reduziert werden.
Die Dispo-KartenListe als Bestellvorschlag
In der Praxis können von PPS-Systemen Dispo-Karten-Listen erstellt werden, in denen - wie im Formularbeispiel 3 - die erwähnten Bestandsarten ausgewiesen werden. Der DispoBestand, der dem verfügbaren Bestand gleichzusetzen ist, wird hier unter Berücksichtigung der terminierten Bestellung und der terminierten Reservierungen fortgeschrieben. Die Summe aller Reservierungen wird gesondert angezeigt. Auf der Grundlage 1
Vgl. VDI, Elektronische Datenverarbeitung bei der Produktionsplanung und -steuerung, a.a.O., S. 59 ff.
352
der Dispo-Liste löst der Disponent beim Lieferanten, mit dem vom Einkauf ein Rahmenvertrag abgeschlossen wurde, eine Abrufbestellung aus.
Abbildung 70:
Abwicklung der Nettobedarfsrechnung (schematisch)
353
Dispo-Karten-Liste OF/PPS Mandant Sachberarb.
: :
3 mwps
von Woche von Teile-Nr.
: :
08.97 5303428000
Teile.Nr. 5303428000
Bezeichnung RUECKWAND KOMPL.
/B
A-Typ 20
Verfuegbar
:
=
Bestand 27,000
KRUEGER Apparatebau Hr. Schildt, Durchwahl
28,000 Woche 09.97 09.97 10.97 10.97 13.97 13.97 13.97 14.97
:
-114
bis Woche bis Teile-Nr.
E-Termin 25.02.97 28.02.97 07.03.97 07.03.97 24.03.97 24.03.97 27.03.97 01.04.97
P-Typ 1 +
Auftrag 60204913 60204713 692964 60207402 60206313 60207204 60207203 60206323
: :
ME ST bestellt 30,000 Pos 1 1 1 1 1 1 1 1
: : :
19.02.97 16:38:08 1
Prod. Typ :
9 Alle
530342800
Disp/Lgf 0 0 -
Typ F F F F F F F F
Datum Zeit Seite
Losgr. 20,000
verkauft 0,000 KzD MDD 0 2 0 2 0 2 0 2 0 2 0 2 0 2 0 2
-
Mind.Best. 0,000 reserviert 29,000
Abgang 1,000 14,000
FDLZ 0,940 Eindeckz. : Vorlaufz. :
Zugang 30,000
1,000 6,000 1,000 1,000 5,000
VDLZ 0,061 0 0
Dispo-Bestand 26,000 12,000 42,000 41,000 35,000 34,000 33,000 28,000
**** ENDE der Liste ****
Formularbeispiel 3:
Dispo-Karten-Liste (PPS-Anwendung)
Um die Interdependenzen zwischen den einzelnen Bestandsarten über- und untergeordneter Teile eines Erzeugnisses aufzuzeigen, soll noch anhand eines Zahlenbeispiels eine Nettobedarfsrechnung unter Berücksichtigung aller Bestandsarten durchgeführt werden. Zahlenbeispiel zur Nettobedarfsrechnung für Baugruppe und Komponentenbedarf
Beispiel 29: Die Baugruppe D des Erzeugnisses E1 und die untergeordneten Teile T1 und T6 sollen disponiert werden. Die Nettobedarfsrechnung soll für Baugruppe D und T1 durchgeführt werden. Teil 1 kommt in D zweimal vor und hat eine Vorlaufzeit von einer Periode. Vor Beginn der 2. Periode wurde ein Fertigungsauftrag erteilt. Für die erste und zweite Planperiode sind die Werte und Ergebnisse der Nettobedarfsrechnung unter Berücksichtigung der Vorlaufverschiebung in Tabelle 11 zusammengefasst. Für die Nettobedarfsrechnung, die grundsätzlich auch tagesgenau durchgeführt werden kann, müssen demnach zumindest folgende Unterlagen/Daten zur Verfügung stehen:
354
-
Produktionsplan Stücklisten Angaben über Dispositions- und Fertigungsstufen Angaben aus der Bestandsführung über Lagerbestand, Vormerkungen und Werkstattbestand Angaben aus der Bestellabwicklung über Bestellbestand Angaben über die Vorlaufzeiten
Tabelle 11:
Nettobedarfsrechnung für Baugruppe und Komponentenbedarf
355
Es ist immer dann neu zu disponieren, wenn sich der Produktionsplan und damit der Bedarf ändert, wenn eine technische Änderung vorgenommen wird oder wenn eine Verlängerung der Beschaffungszeit zusätzliche Bestellungen erforderlich macht. Datenverwaltungsprobleme
Die angesprochenen Aufgaben deuten darauf hin, dass die plangesteuerte Disposition ein sehr komplexes und aufwendiges Arbeitsgebiet ist. Die dispositions- oder fertigungsstufenweise Berücksichtigung der lagermäßigen Verfügbarkeit, die Mehrfachverwendung von Teilen in verschiedenen Erzeugnissen, die zeitlich genaue Erfassung der Ausgangs- und Eingangsvormerkungen sind Probleme, die nur über leistungsfähige Datenbanksysteme zu lösen sind. Hinein spielen noch Änderungen der Beschaffungszeit, des Produktionsplans und der Konstruktion.
Durch das NetChange-Verfahren wird eine Disposition in kurzen Intervallen möglich
Der Umfang der bei einem Programmlauf zu disponierenden Materialien kann dadurch eingegrenzt werden, dass nur die Materialien maschinell bearbeitet werden, die seit dem letzten Rechnerlauf eine für die Materialdisposition relevante Änderung (z.B. Änderung des Primärbedarfs) erfahren haben. Diese Art der Net-Change- bzw. Veränderungsdisposition macht es möglich, dass die Dispositionsergebnisse in kurzen Zeitabständen (z.B. täglich) aktualisiert werden können.
Verringerung der Bedarfsunsicherheit durch Leitteileplanung
Um die durch mangelnde Stabilität der Planung ausgelöste Bedarfsunsicherheit zu verringern, kann es sinnvoll sein, die Enderzeugnisse und wichtige Baugruppen separat und mit besonderer Sorgfalt zu disponieren. Für diese „Leitteile“ 1 wird nur für die darunter liegende Stücklistenstufe Sekundärbedarf erzeugt. Der Disponent hat somit Gelegenheit, Änderungen des Produktionsplans kritisch zu überprüfen, bevor sich diese auf sämtliche Stücklistenstufen auswirken. • Im übrigen muss es eine zentrale Aufgabe der Disposition sein, die betrieblichen und unternehmensübergreifenden Informationsflüsse so zu gestalten, dass die Bedarfsunsicherheit verringert wird.
1
Siehe SAP, PP-Bedarfsplanung, Release 3.0, Walldorf, Mai 1996, S. 21 f.
356
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die plangesteuerte Disposition in hohem Maße eine genaue Materialbereitstellung ermöglicht, so dass mit niedrigen Sicherheitsbeständen und genauen Bestellterminen und -mengen gearbeitet werden kann.
Der mit der Plandisposition verbundene hohe Aufwand führt zur selektiven Anwendung
Das Wirtschaftlichkeitsprinzip erfordert allerdings eine Einschränkung in der Anwendung der Plandisposition: Im Allgemeinen wird eine Materialdisposition bis ins letzte Detail nur für hochwertige Artikel in Betracht gezogen. In den meisten Programmpaketen erfolgt unmittelbar nach Auflösung einer Bedarfsstufe (= Nettobedarf der Auflösungsstufe) eine Bestellrechnung nach dem Prinzip der Gegenüberstellung von Soll-Eindeckungstermin und Ist-Eindeckungstermin. Auf dieses Verfahren der Bestellterminrechnung gehen wir unter Ziffer 4 in diesem Abschnitt ein. ⇐ ⇐
Aufgabe 13 Aufgabe 14
3.3 Verbrauchsgesteuerte Disposition Die Verfahren der verbrauchs- oder bestandsgesteuerten Disposition 1 (vgl. Abb. 68) sind ohne Bezug zu einem festen Produktionsplan. Ihr Ausgangspunkt ist der buchmäßige Lagerbestand, der für Dispositionszwecke um Vornotierungen (Reservierungen) und offene Bestellungen (Bestellbestände) zu korrigieren ist. Wichtige Voraussetzung für die verbrauchsgesteuerte Disposition ist eine gut funktionierende Bestandsfortschreibung. Sie muss stets aktuell und richtig sein, 1
Die Terminologie ist nicht einheitlich. Die verbrauchsgesteuerte Disposition kann auch als eine besondere Form der bestandsgesteuerten Disposition angesehen werden.
357
Eine funktionsfähige Bestandsfortschreibung ist wesentliche Voraussetzung für die verbrauchsgesteuerte Disposition
da auf der Grundlage ihrer Bestandsdaten der Zeitpunkt für die Nachbestellung bestimmt wird. Die verbrauchsgesteuerte Disposition ist also mit der Lagerbestandsführung gekoppelt. Die optische Kontrolle kann angewandt werden, wenn die Beschaffungszeit kurz ist und der Genauigkeitsmaßstab nicht zu hoch angesetzt wird
In manchen Fällen kann an die Stelle einer Bestandsfortschreibung eine einfache Sichtprüfung der Bestände mit anschließender Entscheidung über Nachbestellungen treten. Diese Form der verbrauchsgesteuerten Disposition ist oft im Handel anzutreffen, besonders dann, wenn die Beschaffungszeit kurz ist. Aber auch in der industriellen Praxis kann die optische Bestandskontrolle angewandt werden, wenn die Abwicklung durch die Bedarfsträger kostenstellenbezogen erfolgt und/oder es sich um kleine überschaubare Lager mit Verbrauchsmaterialien (Hilfs- und Betriebsstoffe) handelt. Das Verfahren ist einfach, der Aufwand ist gering. Allerdings darf hinsichtlich der Genauigkeit kein zu hoher Maßstab angelegt werden.
Ziel der verbrauchsgesteuerten Disposition
Ob die verbrauchsgesteuerte Disposition nun aufgrund einer optischen Bestandskontrolle oder der Bestandsfortschreibung erfolgt, ihr Ziel ist es, • zur Wiederauffüllung des Lagers eine Bestellung so termingerecht zu erteilen, dass bis zur Verfügbarkeit des neuen Materials jede Bedarfsanforderung abgedeckt ist. Die Verfahren zeigen dem Disponenten demnach nur, wann nachbestellt werden muss. Sie lassen die Frage offen, wieviel nachbestellt werden soll. Die verbrauchsgesteuerte Disposition ist - wie Abb. 71 zeigt - eng mit der Bestellmengenfrage verbunden, die in diesem Abschnitt unter Ziffer 5 besonders erläutert wird.
Methoden und Strategien der verbrauchsgesteuerten Disposition
In der Praxis haben sich je nach Art der Überprüfung und Bestellauslösung zwei Methoden der verbrauchsgesteuerten Disposition herausgeschält, die auch als Lagerhaltungssysteme definiert werden: 1 1
Vgl. E. Heinen, Industriebetriebslehre, 7. Auflage, Wiesbaden 1983, S. 337 ff. - Heinen nennt als drittes System das Optionalsystem, das von uns als Lagerhaltungsstrategie (T.B.S.-Strategie) definiert wird.
358
(1) Das Bestellpunktverfahren (Mengensteuerung) (2) Das Bestellrhythmusverfahren (Terminsteuerung) Im Rahmen dieser Verfahren gibt es wiederum mehrere Variationsmöglichkeiten, die durch die Vorratspolitik vorgegeben und als Lagerhaltungsstrategien gekennzeichnet werden können. Im Wesentlichen zielen diese darauf ab, eine weitgehende Automatik in der Disposition zu erreichen und eine ausreichende Liefer- bzw. Abgabebereitschaft des Lagers zu minimalen Kosten zu gewährleisten. Eigenfertigungsteile
BestandsVerbräuche rechnung
Bestellpunktunterschreitung
Bedarfsvorhersage
verfügbarer Bestand
Prognose
Abbildung 71:
Kaufteile
Bestellmengenrechnung
Beschaffung
Fertigungssteuerung
Bestellvorschlag
Verbrauchsgesteuerte Disposition und Bestellmengenrechnung
Es soll - um Wiederholungen im Text zu vermeiden - schon hier hervorgehoben werden, dass die Anwendung verbrauchsgesteuerter Verfahren mit einem nur geringem Dispositionsaufwand verbunden ist. Unsicherheiten in der Materialdisposition können durch Sicherheitsbestände aufgefangen werden. Die Kosten dafür sind gering, wenn geringwertige Artikel verbrauchsgesteuert disponiert werden.
359
Der Sicherheitsbestand ist ein wichtiger Bestandteil der verbrauchsgesteuerten Disposition
Der Sicherheitsbestand - auf die Möglichkeiten zu seiner Berechnung kommen wir unter Ziffer 6 noch zu sprechen - ist eine wichtige Komponente der verbrauchsgesteuerten Disposition.
3.3.1 Bestellpunktverfahren Bei jedem Lagerabgang wird geprüft, ob der Zeitpunkt für die Nachbestellung erreicht ist oder nicht
Beim Bestellpunkt- bzw. Meldebestandsverfahren wird eine Bestellung ausgelöst, wenn der verfügbare Bestand als Vergleichsgröße den Bestellpunkt erreicht oder unterschreitet. Die erforderlichen Bestandsprüfungen erfolgen unmittelbar nach jeder Entnahme (sog. kontinuierliches System). 1 Diese ständige Überprüfung kann durch EDV-Unterstützung wesentlich erleichtert werden. Allerdings ist auch die Pendelkarte als organisatorisches Hilfsmittel des Lagers zur Information des Einkaufs zwecks Bestellerteilung in abgewandelter Form als Kanban nach wie vor anzutreffen. 2 Im Normalfall sollte die nächste Lieferung bereits auf Lager sein, bevor der Sicherheitsbestand angegriffen werden muss, damit die Abgabebereitschaft des Lagers auch bei Lieferterminabweichungen oder Bedarfsschwankungen erhalten bleibt.
Definition der Bestellpunktrechnung
Man kann also das Verfahren der Bestellpunktrechnung wie folgt definieren: Der Bestellpunkt (BP) ist jene Menge in Einheiten einer Materialposition, die erforderlich ist, um den Bedarf abzudecken, der zwischen der Bestellauslösung und der Bereitstellung im Lager voraussichtlich auftreten wird. Der Bestellpunkt (BP) errechnet sich folglich aus:
Formel zur Berechnung des Bestellpunktes
BP = BM · TBZ + BSI wobei 1
Im Regelfall sollten bei dem Bestellpunktverfahren Reservierungen nicht in die Nettobedarfs- bzw. Verfügbarkeitsrechnung einbezogen werden, da diese zukünftigen Bedarfe bereits über den Bestellpunkt erfasst sind. 2 Siehe H. Arnolds, Versorgungs- und Vorratswirtschaft, Wiesbaden 1993, S. 91.
360
BM = durchschnittlicher Bedarf je Zeiteinheit während der Beschaffungszeit, der durch Fortschreiben der Vergangenheitswerte (bei konstantem Bedarfsverlauf), Prognose oder Schätzung ermittelt wird TBZ = Beschaffungszeit (Lieferzeit und alle vor- und nachgelagerten Teilzeiten wie Bestellvorbereitung und -abwicklung, Warenannahme und -prüfung sowie Einlagerung) BSI = Sicherheitsbestand BM · TSI TSI = Sicherheitszeit Beispiel 30: Beträgt bei Annahme eines Konstantmodells (s.u.) der durchschnittliche Tagesbedarf einer Materialposition 80 Stück, die Beschaffungszeit 30 Tage und wird ein Sicherheitsbestand für 20 Tage gehalten, dann ist
Zahlenbeispiel zur Bestellpunktrechnung
BP = 80 · 30 + 80 · 20 BP = 2400 + 1600 BP = 4000 Nehmen wir an, dass im obigen Beispiel bei Erreichen des Bestellpunktes stets die Menge Q = 4.800 Stück bestellt wird (= nach der Andler-Formel errechnete optimale Bestellmenge), dann muss jeweils nach 60 Tagen eine Neubestellung erfolgen (Bestellrhythmus Q 4800 ). TL = = BM 80
Ermittlung des Bestellrhythmus
Grafisch kann das Bestellpunktverfahren wie in Abb. 72 dargestellt werden. Die Form einer „Sägezahnkurve“ ergibt sich, weil konstante Bedingungen für die Lagerzu- und -abgänge sowie gleichbleibende Beschaffungszeiten angenommen werden. Der Abbildung liegen die Zahlen des Beispiels 30 zugrunde.
„Sägezahnkurve“ bei konstanten Bedingungen
Diese vereinfachten Bedingungen des Beispiels stellen einen Idealzustand dar, der in der Praxis nur in Ausnahmefällen zutrifft. In der Regel muss der Disponent mit folgenden erschwerenden Umständen rechnen:
In der Praxis muss der Disponent mit erschwerten Bedingungen rechnen
361
• Der Bedarf schwankt und/oder die Beschaffungszeit ändert sich, so dass der Bestellpunkt, der ja von diesen Größen abhängig ist, berichtigt werden muss. • Der Sicherheitsbestand wird erhöht oder verringert. Damit wird ebenfalls eine Berichtigung des Bestellpunktes erforderlich, da dieser ja den Sicherheitsbestand einschließt.
Abbildung 72:
362
Bestellpunktverfahren unter konstanten Bedingungen („Sägezahnkurve“)
Abb. 73 zeigt gleitende Bestellpunkte bei verschiedenem Bedarf je Zeitperiode. Für die Berechnung von BP2 ist dabei ein durchschnittlicher Bedarf von 100 Stück/Tag, für BP3 ein durchschnittlicher Tagesbedarf von 120 Stück angenommen worden. Die übrigen Angaben des Beispiels 30 blieben unverändert. Aus Vereinfachungsgründen wurde der Bedarf von Periode zu Periode als schwankend angenommen, nicht aber der Bedarf innerhalb einer Periode. 1
Abbildung 73:
Bestellpunktverfahren bei Bedarfsschwankungen
Wenn bei maschineller Bestellpunktdisposition durch ein integriertes Prognoseprogramm der Bestellpunkt in regelmäßigen Abständen errechnet wird, so passt sich dieser an die jeweilige Verbrauchs- und Liefersi1
In dieser Abbildung bedeuten BPv = variabler Bestellpunktbestand und BPk = konstanter Bestellpunktbestand.
363
Gleitende Bestellpunkte ermöglichen eine Anpassung an die Bedarfsentwicklung
tuation an. 1 Auf diese Weise können entweder Fehlbestände (Bestellpunkt zu niedrig) oder Überbestände (Bestellpunkt zu hoch) vermieden werden.
Formularbeispiel 4: Maschinelle Bestellpunktdisposition Dispositionsstammdaten (SAP R/3-Anwendung)
Während das Formularbeispiel 4 einen Überblick über die wichtigsten Dispositionsdaten bei maschineller Anwendung gibt, veranschaulicht das im Übungsteil (siehe Aufgabe 15 und die Lösung dazu) aufgeführte Praxisbeispiel den Ablauf der gleitenden Bestellpunktdisposition. Grundlage ist dabei eine selbsterstellte Software, durch die auch eine automatische Anpassung 1
Es liegt sodann - im Gegensatz zum Konstantmodell (siehe Abb. 72) - ein „adaptives System“ vor, wobei zu beachten ist, dass das Prognoseverfahren in Abhängigkeit vom Zeitreihenmodell auszuwählen ist. - Siehe Arnolds/Heege/Tussing, a.a.O., S. 109.
364
des Sicherheitsbestands an die jeweilige Verbrauchssituation erreicht wird. Bestellpunkt und Sicherheitsbestand sind somit zentrale Steuerungsparameter bei der Bestellpunktdisposition und können sowohl manuell vom Disponenten festgelegt als auch maschinell durch das System errechnet werden.
Bestellpunkt und Sicherheitsbestand sind zentrale Steuerungsparameter
Wenn - wie erwähnt - der verfügbare Bestand den Bestellpunkt erreicht oder unterschritten hat, erfolgt ein Bestellvorschlag, in dem die Menge ausgewiesen wird, die bei maschineller Bestellpunktdisposition das System nach dem gewählten Losgrößenverfahren errechnet hat. Es sind hier grundsätzlich folgende auch als Lagerhaltungsstrategien bezeichnete - Verfahrensregeln zu unterscheiden:
Losgrößenverfahren
(1) BQ-Strategie: Wenn der verfügbare Bestand den Bestellpunkt (BP) erreicht oder unterschreitet, wird eine konstante Menge (Q) bestellt, die nach Möglichkeit der ermittelten kostenmäßig optimalen Bestellmenge zumindest annäherungsweise entsprechen sollte. (2) B.S.-Strategie Wenn der verfügbare Bestand den ermittelten Bestellpunkt (BP) erreicht oder unterschreitet, wird dieser bis zu einer Obergrenze (S) aufgefüllt. Durch die Festlegung dieser Obergrenze (= Höchstbestand) werden unnötig hohe Materialvorräte verhindert. (Man spricht in diesem Fall auch vom Minimum-MaximumPrinzip). Diese und die weiter unten noch zu behandelnden Strategien werden in Abb. 74 schematisch dargestellt. Grundsätzlich ist die Zuverlässigkeit der Lagerhaltungsstrategien davon abhängig, dass bei nachhaltigen Bedarfsänderungen die Parameter (Bestellpunkt, Höchstbestand, Sicherheitsbestand) und die Bestellmengen korrigiert werden.
365
Die Kontrolle der Dispositionsparameter ist Voraussetzung für die Zuverlässigkeit der Lagerhaltungsstrategien
Abbildung 74:
Die „Zwei-BehälterMethode“ ist ein vereinfachtes Bestellsystem
Zusammenstellung der Lagerhaltungsstrategien
Eine in der Praxis anzutreffende Variante des Bestellpunktsystems, die in ihrem Aufbau der B.S.-Strategie entspricht, aber weniger aufwendig ist, stellt das „Zwei-Behälter-System“ dar, das der kontinuierliche Bestellpunkt-Regel folgt. Danach wird der zweite Behälter erst angegriffen und gleichzeitig eine neue Bestellung ausgelöst, wenn der erste Behälter leer ist. Das Volumen des zweiten Behälters deckt den Bedarf während der Beschaffungszeit, entspricht also dem Bestellpunkt (Meldebestand). Bei Anlieferung wird zunächst der zweite Behälter gefüllt. Verbleibt ein Rest, so wird dieser dem ersten Behälter zugeführt.
366
Zur Überprüfung des Bestandes genügt eine Sichtkontrolle. Die Bestellmenge ergibt sich aus dem Fassungsvermögen der Behälter. Möglicherweise kann noch ein dritter Behälter in Reserve stehen, aus dem bei Überziehen der Beschaffungszeit entnommen wird (Sicherheitsbestand).
Die „Drei-BehälterMethode“ führt zur Verringerung des Versorgungsrisikos
Schließlich findet man in der Praxis noch die Mindestbestandsdisposition bei Teilen mit äußerst geringem und unvorhersehbarem Verbrauch. Typische Beispiele sind Ersatzteile für die eigenen Fertigungsanlagen eines Unternehmens. Hier wird ein Mindestbestand zum Beispiel durch die für eine Maschinenreparatur benötigte Menge an Teilen/Werkzeugen definiert. Unterschreitet der Lager- und Bestellbestand den definierten Mindestbestand, wird eine entsprechende Bedarfsmeldung ausgelöst.
Die Mindestbestandsdisposition bei äußerst geringem und sporadischem Verbrauch
⇐
Aufgabe 15
3.3.2 Bestellrhythmusverfahren Der Aufwand in der Disposition und im Einkauf lässt sich häufig reduzieren, wenn Überwachungs- oder Bestellzyklen eingeführt werden. Man spricht in diesem Fall vom Bestellrhythmusverfahren. Im Unterschied zum Bestellpunktverfahren findet beim Bestellrhythmusverfahren nur in bestimmten Zeitabständen die Überprüfung statt, ob der verfügbare Bestand den Bestellpunkt unterschritten hat.
Beim Bestellrhythmusverfahren erfolgt die Bestandskontrolle oder Nachbestellung in zyklischen Intervallen
Die Überprüfung kann z.B. wöchentlich oder monatlich erfolgen. Fehlt der Bestellpunkt als Regulativ, so wird in jedem Fall nachbestellt, wenn Lagerbewegungen stattgefunden haben. Das Bestellrhythmusverfahren ist in der Praxis zu empfehlen, wenn mehrere Lagerartikel vom gleichen Lieferanten bezogen werden, da es eine koordinierte Bestellung (Verbunddisposition) ermöglicht. Es kann aber auch durch den Lieferrhythmus des Lieferanten oder den Rhythmus der eigenen Produktion eine Nachbestellung nur zu bestimmten vorgegebenen Zeitpunkten möglich sein. Auch die Bestellrechnung kann pro-
367
Anwendungsmöglichkeiten des Bestellrhythmusverfahrens
grammtechnisch in einem bestimmten periodischen Rhythmus erfolgen. Charakteristisch für dieses Verfahren ist also, dass eine zusätzliche Zeit zwischen dem Zeitpunkt, zu dem eine Lagerposition ihren Bestellpunkt erreicht, und dem Zeitpunkt der Bestellschreibung verstreicht. Wenn die Überprüfungszeit ins Gewicht fällt, ist diese zur Beschaffungszeit hinzurechnen. Der Bestellpunkt errechnet sich dann nach der Formel Formel zur Berechnung des Bestellpunktes beim Bestellrhythmusverfahren
• BP = BM · (TBZ + TPL) + BSI Dabei bedeuten: BP = BM = TBZ = TPL = BSI = TSI =
Bestellpunkt durchschnittlicher Tagesbedarf Beschaffungszeit Überprüfungszeit (= Planperiode/ Rechnerlaufintervall) Sicherheitsbestand (= BM · TSI) Sicherheitszeit
Ein Zahlenbeispiel soll die Folgen verdeutlichen, die zu erwarten sind, wenn bei Berechnungen die Überprüfungszeit unberücksichtigt bleibt. Zahlenbeispiel zum Bestellrhythmusverfahren
Beispiel 31: Die Überprüfung einer Materialgruppe soll an jedem 20. Fabriktag erfolgen. Wenn die Beschaffungszeit 30 Tage beträgt, der durchschnittliche Tagesbedarf 50 Stück und der Sicherheitsbestand 500 Stück, dann ist der Bestellpunkt ohne Berücksichtigung der Überprüfungszeit bei 2.000 Stück erreicht. Wenn nun der Bestand zum Zeitpunkt einer Überprüfung 2.010 ist, wird keine Bestellung ausgelöst. Während der folgenden 20 Tage - dem Überprüfungsintervall - nimmt der Bestand durch Materialentnahme um 1.000 Stück ab. Mit 1.010 Stück ist der Bestellpunkt nun unterschritten. Jetzt wird eine Neubestellung ausgelöst. Da die Beschaffungszeit aber 30 Tage beträgt, wird nach etwa 20 Tagen der Lagerbestand einschließlich Sicherheitsbestand aufgebraucht sein. (Die Möglichkeit, dass offene Bestellungen eintreffen, bleibt unberücksichtigt.)
368
In diesem Fall wäre der Bestellpunkt mit 3.000 Stück richtig gewesen. Wie beim Bestellpunktverfahren sind auch hier mehrere Strategien denkbar: (1) T.S.-Strategie: Es wird in konstanten Intervallen (T) nachbestellt und bis zum Höchstbestand (S) aufgefüllt, wenn Lagerbewegungen stattgefunden haben. (2) T.B.Q.-Strategie: Der Bestand wird in konstanten Intervallen (T) überprüft. Ergibt die Überprüfung, dass der Bestellpunkt (BP) erreicht oder unterschritten ist, wird eine konstante Menge (Q) bestellt. (3) T.B.S.-Strategie: Der Bestand wird in konstanten Intervallen (T) überprüft. Ergibt die Überprüfung, dass der Bestellpunkt (BP) erreicht oder unterschritten ist, so wird bis zum Höchstbestand (S) aufgefüllt (sog. Optionalsystem). 1 Abb. 74 veranschaulicht schematisch die Lagerhaltungsstrategien, während im Formularbeispiel 4 konkret die Losgrößendaten und -verfahren aufgelistet werden, auf die der Disponent bei Einsatz von SAP-R/3 zurückgreifen kann. Wie beim Bestellpunktverfahren führen nachhaltige Bedarfsverschiebungen auch beim Bestellrhythmusverfahren zur Änderungen des Bestellpunktes oder der Bestellperiode.
1
Da diese Lagerhaltungsstrategie die Kontrollmechanismen des Bestellpunktund des Bestellrhythmusverfahrens vereinigt, wird sie von Heinen Optionalsystem genannt. Siehe E. Heinen, Industriebetriebslehre, 9. Auflage, Wiesbaden 1991, S. 535 f. - Nach Auffassung des Verf. wird diese Möglichkeit einer Option durch die Charakteristika des Bestellsystems nicht gestützt. Allerdings hat in der Praxis der Disponent situationsbezogen zu entscheiden, ob ein generierter Bestellvorschlag unterdrückt oder (evtl. korrigiert) in eine Bestellung umzusetzen ist.
369
Lagerhaltungsstrategien beim Bestellrhythmusverfahren
3.4 Anwendung der Dispositionsverfahren Es erhebt sich die Frage, welchem Dispositionsverfahren in der Praxis der Vorzug zu geben ist. Entscheidungskriterien
Zwei Entscheidungskriterien lassen sich erkennen: • Die tatsächlichen Bedingungen lassen nur ein bestimmtes Verfahren zu. • Wirtschaftliche Gesichtspunkte zwingen zur Wahl einer bestimmten Methode.
Die Anwendungsmöglichkeiten der auftragsgesteuerten Disposition sind begrenzt
Die auftragsorientierte Disposition kommt nur bei Unternehmen mit Einzel- oder Kleinserienfertigung (Auftragsfertigung) oder bei Einzelbestellungen im Handel in Betracht, wenn wir einmal vom betrieblichen Sonderbedarf absehen. Es tritt hier das Problem der optimalen Lagerhaltung gar nicht in Erscheinung.
Die Anwendung der plangesteuerten Disposition stößt auf Schwierigkeiten, da die Voraussetzungen nicht immer oder nur auf unwirtschaftliche Weise erfüllt werden können
Ganz anders ist die Entscheidungssituation bei der plangesteuerten Disposition gekennzeichnet. Die Verabschiedung eines Produktionsplanes setzt die Lösung des Interessenkonfliktes zwischen Produktion und Absatz voraus. Solange kein von den einzelnen Aufträgen losgelöster Plan zustande kommt, bleibt nur die Möglichkeit, das Material aufgrund vorliegender Aufträge zu disponieren oder im Wege der Verbrauchssteuerung bereitzustellen. Die plangesteuerte Disposition ist außerdem an das Vorhandensein von Stücklisten gebunden. Dass die Erstellung von Dispositionsstücklisten unwirtschaftlich sein kann, trifft in weitem Umfang für Hilfsstoffe zu. Es lohnt sich nicht, diese meist geringwertigen Artikel plangesteuert mit Stücklistenauflösung zu disponieren. In diesen Fällen ist es sinnvoll, die verbrauchsgesteuerte Disposition anzuwenden.
In jedem Fall sind Hilfs- und Betriebsstoffe verbrauchsgesteuert zu disponieren
Für mittlere und große Unternehmen mit integrierter Unternehmensplanung kommt die verbrauchsgesteuerte Disposition in erster Linie für C-Artikel in Betracht, da der Aufwand beim einzelnen Dispositionsvorgang erheblich geringer ist als bei der plangesteuerten Disposition. Die durch die ungenauere Bedarfsermittlung bedingten Unsicherheiten können durch höhere
370
Sicherheitsbestände aufgefangen werden. Die Kapitalbindungskosten fallen bei den geringwertigen Artikeln nicht ins Gewicht, für die sich im Übrigen durch Realisierung von Outsourcing- und Dezentralisierungskonzepten weitere Optimierungspotenziale eröffnen. In kleineren Unternehmen, die zumeist keine Planung betreiben und bei denen die Voraussetzung einer genauen Bestandsführung gegeben ist, stellt die verbrauchsgesteuerte Disposition immer noch die vorteilhafteste und am häufigsten praktizierte Methode dar. Eine Reduzierung des Dispositionsaufwandes kann unter bestimmten Voraussetzungen durch die optische Bestandskontrolle und durch die Disposition in Intervallen erreicht werden. Festzuhalten bleibt, dass die verbrauchsgesteuerte Disposition nur mit Vorratsbeschaffung vereinbar ist. Auf der Grundlage der ABC-Verteilung ergibt sich für die Materialdisposition eine einfache Regel, die allerdings nicht schematisch angewandt werden sollte: • Plangesteuerte Disposition auf der Basis einer Stücklistenauflösung für A-Teile • Verbrauchsgesteuerte Disposition auf der Basis einer Prognosenrechnung oder Schätzung für C-Teile • Aufteilung der B-Teile auf die beiden Verfahren nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten Eine weitergehende differenzierte Anwendung der Dispositionsverfahren ist auf der Grundlage einer kombinierten ABCund XYZ-Analyse sowie der Portfolio-Analyse möglich. Zwingend erforderlich ist die Ausschöpfung aller Optimierungspotenziale, die moderne DV-Systeme im Standard bieten (z. B. Verfahren zur Parameter- und Losgrößenoptimierung), zu nutzen. In diesem Zusammenhang sollte es weitgehend zur Regel werden, dass durch gezieltes C-Teile-Management dispositive Aufgaben zur Entlastung der eigenen Disposition/Beschaffung auf leistungsfähige Einkaufsdienstleister übertragen werden.
371
Dispositionsregeln auf der Grundlage der ABCKlassifizierung
Es ist erkennbar, dass die Disposition nicht als eine Funktion verstanden werden sollte, die sich ausschließlich darauf beschränkt, die automatisch ermittelten Bestellvorschläge zu überprüfen. Die Vielzahl und Komplexität der Abhängigkeiten und Ungewissheiten im Material- und Informationsfluss haben dazu geführt, dass die Qualifikation des Disponenten von ausschlaggebender Bedeutung für die Dispositionsqualität ist. Fach- und Methodenkompetenz sind heutzutage in der Disposition mehr denn je gefragt. Das nachfolgende Praxisbeispiel zeigt die besonderen Vorteile eines leistungsfähigen Dispositionsprogramms, die zusammengefasst vor allem in folgenden Punkten zu sehen sind: Praxisbeispiel zur Auswahl und selektiven Anwendung der deterministischen, stochastischen und Mindestbestandsdisposition
Zuordnung und Kontrolle der geeigneten Bedarfsermittlungsart Prognoseverfahren mit Sensibilitätsanpassung Bedarfstransparenz durch Bedarfsverursachernachweis Aussagefähige Kennzahlen und Analysen Relativ geringe Computerbelastung (Laufzeit)
Beispiel 32:1 Die Firma Xaver Fendt & Co. in Marktoberdorf fertigt im Jahr 12.500 Schlepper in Serien von 50 bis 400 Stück. Insbesondere in der Ausstattung ist eine hohe Variantenvielfalt gegeben. Von den ca. 20.000 Eigenfertigungs- und 11.500 Kaufteilen werden rund 16.000 bzw. 7.500 deterministisch mit stochastischem Anteil nach dem analytischen Dispositionsstufenverfahren und ca. 4.000 Materialpositionen (Sachnummern) stochastisch oder nach dem Mindestbestandsverfahren disponiert. Die individuelle Zuordnung jeder Sachnummer zur geeigneten Bedarfsermittlungsart erfolgt nach folgenden Kriterien: -
Ist die Sachnummer in einer Stückliste erfasst? Welchen Wert hat das einzelne Teil? Wie hoch ist sein Verbrauchsanteil? Wie sind seine Verbrauchsschwankungen?
1
Das aus den 80iger Jahren stammende Praxisbeispiel blieb – auf die Grenzwerte betreffend – unverändert, da es von grundsätzlicher Aussagekraft ist.
372
-
Wie ist die Verbrauchshäufigkeit der Sachnummer im vergangenen Jahr?
Diese Fragen werden per EDV-Programm aufgrund ermittelter Kennzahlen beantwortet: -
Der Verbrauchsanteil wird durch die ABC-Zuordnung bestimmt. Es gilt aufgrund der festgelegten Grenzwerte folgendes Klassifikationsschema für Kaufteile:
Materialgruppe A B C
Verbrauchswertanteil % 80 15 5
Materialpositionen (Kaufteile) absolut (ca.) % 500 4,3 2.000 17,4 9.000 78,3
-
Zur Beurteilung des Verbrauchsverhaltens wird periodisch über den Schwankungskoeffizienten SO der XYZ-Status ermittelt.
-
Die Kennzeichen „Stücklistenteil“, Wert des Teiles und Verbräuche sind im Teilestammsatz festgehalten.
Da per EDV-Programm die laufende Überwachung des Verbrauchsverhaltens der Teile sichergestellt ist, wurde es möglich, mit dem Verfahren der exponentiellen Glättung 1. Ordnung ein einfaches Verfahren anzuwenden. Durch laufende Anpassung des Glättungsfaktors Alpha an das Verbrauchsverhalten jedes einzelnen Teiles wird erreicht, dass zufällige Verbrauchsschwankungen die Bedarfsvorhersage nicht ungerechtfertigt stark beeinflussen. Der Glättungsfaktor Alpha wird von 0.1 bis 0.4 variabel gehalten. Die Grenzen können über Parameter eingegeben werden. Die periodisch (monatlich) neue Errechnung erfolgt nach der Formel: 1
α= 1
K SQ ⋅ 100
Vgl. dazu die Erläuterungen im dritten Abschnitt, Ziffer 1.2.
373
Richtwert für K ist in der Einführungsphase 10. Die Parameter für die Klassifizierung als X-, Y- oder Z-Position sind wie folgt festgelegt: Grenze SQ Abweichung X-Teil: SQ-ABW Y-Teil: SQ-ABW Z-Teil: SQ-ABW
< 1.00 ≤ 5.00 > 5.00
0.30 1.00
Die XYZ-Analyse dient zur Kontrolle der Dispositionsart und in Verbindung mit dem ABC-Status zur Beurteilung der Dispositionsaktivitäten, die - wie in der nachstehenden Matrix schematisiert dargestellt - zwischen „besonders sorgfältig“ (+++) und „Selbstgänger“ (---) abgestuft und im Einzelnen durch Richtlinien festgelegt sind. X + ----
A B C Beispiele: A/Z-Teil (+++) C/X-Teil (---)
Y ++ + --
Z +++ ++ +
• besonders sorgfältig zu prüfen bzw. zu korrigieren, weil - hoher Verbrauchswert und - hohe Schwankungen • „Selbstgänger“, weil - geringe Schwankungen und - geringer Verbrauchswert
Die Grenzwerte für stochastisch zu disponierende Teile sind vorläufig wie folgt festgelegt: Wert Wert
≤ 30,- DM/Stück unabhängig vom Verbrauch 30-50,- DM/Stück und Verbrauch < 4.500
Vorwiegend handelt es sich dabei um Teile mit C-Status. Ein besonderes Problem besteht in der Tatsache, dass Teile sprunghaft ihren Bedarfsverlauf (z.B. bei Wegfall eines Bedarfsträgers) ändern können. Mithilfe eines Abweichungssignals sollen Strukturbrüche dieser Art erkannt werden. Das
374
Abweichungssignal ist mit 50 % vom Vorhersagewert über eine - frei wählbare - Anzahl von Perioden definiert (vgl. Abb. 75). Wird es je nach gewählter Anzahl der Perioden hintereinander durch den tatsächlich eingetretenen Bedarf unterschritten, so erfolgt maschinell eine Anpassung der Prognose für die Folgeperiode. Für die nach dem Mindestbestandsverfahren zu disponierenden Teile sind die Grenzwerte wie folgt definiert: Wert 50,- DM bis 150,- DM/Stück und Verbrauch < 30 Stück/Jahr
α
= 0,2
S
= 50 %
= Grenze der Abweichung vom Vorhersagewert
VG = 2 Perioden = Dauer der Abweichung vom Vorhersagewert
Abbildung 75:
Abweichungssignale zum Erkennen von Strukturbrüchen bei stochastischer Bedarfsvorhersage mit Anpassung der Prognose
Vorwiegend handelt es sich dabei um Teile mit einem äußerst geringen oder unregelmäßigen Verbrauch, der stochastisch nicht vorhersehbar ist (z.B. Ersatzteile).
375
Formularbeispiel 5: Listenausdruck „Bedarfs- und Bestandsanalysen“
376
Beim deterministischen Verfahren wird der Materialbedarf aufgrund des vorhandenen Produktionsplans mittels Stücklistenauflösung tagesgenau errechnet. Eine hohe Bedarfstransparenz soll in einer späteren Projektphase dadurch erreicht werden, dass das System für alle Teile den Verursachernachweis liefert, das ist der Bedarfsverursacher des nächsthöheren Teils. In dem als Formularbeispiel 4 wiedergegebenen Listenausdruck „Bedarfs- und Bestandsanalyse“ sind alle Positionen mit den teilespezifischen ABC- und XYZ-Klassifizierungsmerkmalen versehen. In dieser standardmäßig vorgenommenen Auswertung enthält die letzte Spalte einen Hinweis auf das Dispositionsverfahren (1 = deterministisch, 2 = stochastisch, 3 = Mindestbestand, 4 = manuelle Disposition, d.h., das Teil wird wegen fehlenden Verbrauchs nur angezeigt, 5 = kundenauftragsabhängige Disposition). 1 Erläuterung der noch nicht erklärten Listenabkürzungen: T = Angabe, ob Lagerteil oder nicht, 1 = Lagerteil B = Beschaffungsart (Kauf-/Eigenfertigungsteile) ARTFAK = Artikelfaktor zur Beeinflussung von Sicherheitsbestand und Lieferbereitschaft ausgewählter Teile und Teilegruppen PEME = Preiseinheit/Mengeneinheit TBZ = Teilebeschaffungszeit TSI = Teilesicherheitszeit SCHWSQ = Schwankungskoeffizient GLF = Glättungsfaktor (Alpha) BEDARFSVORHERS. = Bedarf je Periode über eine vorgebbare Anzahl von Perioden LAGERBESTD. = Lagerbestand am Ende der Periode D.LAG.BESTD. = Durchschnittlicher Lagerbestand UM.SCH = Lagerumschlagshäufigkeit DWSU = Vorschläge Wechsel-Dispositionsart/Gesamtsumme 1
In der Anlaufphase wurde der Glättungsfaktor nicht über SQ ermittelt, sondern konstant 0.2 gesetzt.
377
DWAK DV
4.
= Vorschläge Wechsel-Dispositionsart/aktuell, d.h. der ausgewiesenen Dispositionsart = Dispositionsverfahren
Bestellterminrechnung
Vorwärtsterminierung bei bestellpunktdisponierten Materialien
Im einfachsten Fall einer Bestellterminrechnung ist der Unterdeckungstermin erreicht, wenn der Bestellpunkt (Meldebestand) durch den verfügbaren Bestand unterschritten ist. Die Beschaffung muss sodann bei diesem unter Ziffer 3.3 in diesem Abschnitt beschriebenem Bestellpunktverfahren sofort in die Wege geleitet werden. Bei maschineller Unterstützung bestimmt das System, ausgehend vom Unterdeckungstermin, den Termin, an dem das Material zur Verfügung stehen soll. Diese Vorgehensweise wird als Vorwärtsterminierung bezeichnet.
Rückwärtsterminierung bei plangesteuerten Materialien
Im Gegensatz zu dem Bestellpunktverfahren sind bei plangesteuerten Materialien nach Durchführung der Nettobedarfsrechnung die Bedarfstermine in der Zukunft bekannt. Zu diesem Zeitpunkt muss das Material bereitstehen. Durch Rückwärtsterminierung ist der Termin zu ermitteln, an dem das Material bestellt werden muss, damit es zum Bedarfstermin 1 verfügbar ist. Im Falle geplanter (plangesteuerter) Materialien ist zu empfehlen, dass eine Bestellauslösung unabhängig von der Art der Bedarfsrechnung (deterministisch oder stochastisch) nach dem Prinzip der Gegenüberstellung von SollEindeckungstermin und Ist-Eindeckungstermin erfolgt. Bei diesem Verfahren werden Bedarfe und der vorhandene verfügbare Lager- und Bestellbestand periodengerecht (tages1
Ausgehend vom Bedarfstermin erhält man abzüglich der Prüf- und Einlagerungszeit den Termin, an dem der Lieferant das Material anliefert, d.h. den Liefertermin.
378
genau) gegenübergestellt. Reichen die Bestände nicht aus, ist eine Nachbestellung zu veranlassen. Auf diese Weise kann mit der Erstellung eines neuen Bestellvorschlags eine Kontrolle laufender Bestellungen vorgenommen werden. Auch werden in der Bestellterminrechnung vorgesehene Sicherheitszeiten berücksichtigt (vgl. Praxisbeispiel 35). Die Bestellmengenfestlegung erfolgt im Anschluss an die Bestellterminrechnung. Für die Berechnung in Arbeitstagen muss ein Betriebskalender (vgl. Abb. 46) zur Verfügung stehen.
4.1 Ermittlung des Soll-Eindeckungstermins Der Soll-Eindeckungstermin gibt den Tag an, bis zu dem der verfügbare Bestand ausreichen muss, damit Bedarfe, die beim nächsten Rechnerlauf ermittelt werden, als zeitlich normale Bestellungen abgewickelt werden können. Für die Errechnung wird die Formel verwendet:
Definition des Soll-Eindeckungstermins
• TESOL = FHEU + TBZ + TLA + TSI + TPL Es bedeuten: TESOL = Soll-Eindeckungstermin FHEU = Fabriktag/heute TBZ = Beschaffungszeit TLA = Prüf- und Einlagerungszeit TSI = Sicherheitszeit TPL = Planperiode (Rechnerlaufintervall) In der Beschaffungszeit TBZ ist die Bestellvorbereitungs- und Lieferzeit, jedoch nicht die Einlagerungs- und Prüfzeit TLA enthalten. In diese sind die Arbeitstage einzurechnen, die beim Eingang einer Lieferung für das Auspacken, Zählen und Einlagern der Artikel und von der Qualitätskontrolle zum Prüfen benötigt werden.
Definition der Beschaffungs- und Einlagerungszeit
Bei einem auslaufenden Teil muss TESOL durch den Auslauftermin ersetzt werden, wenn dieser zeitlich vor TESOL liegt.
Berichtigung bei Auslauftermin
379
4.2 Ermittlung des Ist-Eindeckungstermins Definition des Ist-Eindeckungstermins
Der Ist-Eindeckungstermin ist der Termin, bis zu dem der verfügbare Bestand den zu erwartenden Bedarf deckt. Der verfügbare Bestand lässt sich aus dem Lager- und Bestellbestand errechnen. Sofern zusätzlich mit Werkstattbeständen gerechnet wird, sind auch diese - wie in dem Praxisbeispiel 35 w.u. - in den verfügbaren Bestand einzubeziehen.
Formel zur Berechnung des verfügbaren Bestandes und zur Feststellung des Ist-Eindeckungstermins
Für die Ermittlung des verfügbaren Bestandes wird folgende Formel benutzt: • VFBi = VFBi-1 - PBi B
Erklärung der Abkürzungen: VFB = verfügbarer Bestand PB = Periodenbedarf i = laufende Periode Zur Feststellung des Ist-Eindeckungstermins wird der verfügbare Bestand so lange um den Periodenbedarf verringert, bis er negativ wird, also eine Unterdeckung 1 vorliegt, d.h., bis VFBi < PBi+1 B
Es wird angenommen, dass Periodenbedarf zu Periodenbeginn auftritt
Zu beachten ist, dass als Ist-Eindeckungstermin das Ende der Periode gewählt wird, deren Bedarf gerade noch gedeckt wird. Es wird also angenommen, dass der gesamte Periodenbedarf jeweils zum Periodenbeginn auftritt. Daher muss am ersten Tag einer Planperiode - meistens eine Dekade oder Woche - der Bestand zur Bedarfsdeckung ausreichen. Ein Bestellvorschlag wird ausgelöst, wenn der errechnete IstEindeckungstermin kleiner ist als der Soll-Eindeckungstermin: TEIST < TESOL 1
Der Ist-Eindeckungstermin wird daher in der Praxis auch als Unterdeckungstermin bezeichnet.
380
Die Abb. 76 zeigt einen solchen Fall. Aufgrund eines errechneten Bedarfs ergibt sich ein Ist-Eindeckungstermin, der vor dem Soll-Eindeckungstermin liegt.
Abbildung 76:
Bestimmung des Soll- und Ist-Eindeckungstermins
381
4.3 Ermittlung des Soll-Liefertermins Für den Bestellvorgang ist - wie erwähnt - im Wege der Rückwärtsterminierung der Soll-Liefertermin zu errechnen, der zum Einhalten der Lieferbereitschaft zu verlangen ist. Er wird bestimmt als Formel zur Ermittlung des Soll-Liefertermins
• TLSOL = TEIST - TSI - TLA Es bedeuten: TLSOL TEIST TSI TLA
= Soll-Liefertermin = Ist-Eindeckungstermin = Sicherheitszeit = Prüf- und Einlagerungszeit
Diese Berechnung soll sicherstellen, dass eine Lagerergänzung zum Zeitpunkt des Ist-Eindeckungstermins erfolgt. Daher wird eine teilespezifische Zeit für die Unsicherheit bei der Beschaffung und für den Einlagerungsvorgang vorgesehen. Um diese wird der Liefertermin vorverlegt, damit Unterbrechungen in der Fertigung vermieden werden. Das nachfolgende Rechenbeispiel zeigt den Gesamtzusammenhang. Zahlenbeispiel zur Bestellterminrechnung
Beispiel 33: Fabrikkalendertag Ist-Eindeckungstermin Soll-Eindeckungstermin Beschaffungszeit Einlagerungszeit Länge der Planperiode Sicherheitszeit
382
160 220 240 50 10 10 10
Tage Tage Tage Tage
Fabriktage
160
Bedarf
170
180
190
200
1.500 1.500
1.000 1.000
2.000
2.000
1.500 2.000
1.000 2.000
210
1.500
220
1.500
230 240
1.000 1.000
Lagerbestand 3000 Bestellungen
1.500
verfügbarer Bestand
500
500
-500
-1.500
Ist-Eindeckungstermin Soll-Eindeckungstermin
Da der Ist-Eindeckungstermin vor dem Soll-Eindeckungstermin liegt, muss der Soll-Liefertermin ermittelt werden. Dieser ist: TLSOL TLSOL TLSOL
= TEIST - TSI - TLA = 220 - 10 - 10 = 200
Der errechnete Soll-Liefertermin liegt vor dem Wiederbeschaffungszeitpunkt, dem Fabriktag 210 (160 + 50 = 210). Es stellt sich die Frage, ob eine Eilbestellung erfolgen soll (= Aufgabe der Kontrollrechnung).
4.4 Kontrollrechnungen während der Terminrechnung Mit der Auslösung eines Bestellvorschlages kann eine Kontrolle laufender Bestellungen vorgenommen werden (= Bestellverfolgungsrechnung). Dabei können per EDV-Programm folgende Punkte überprüft werden: • Muss eine Bestellung in der Form einer Eilbestellung ausgeschrieben werden? • Muss für laufende Bestellungen eine Mengen- oder Terminänderung durchgeführt werden?
383
• Ist ein Vorschlag für eine Stornierung einer Bestellung zu machen? In Abb. 77 sind diese Kontrollmöglichkeiten schematisch dargestellt. 1 Eine Eilbestellung wird vorgeschlagen, wenn der errechnete Soll-Liefertermin um mehr als eine im Programm definierte Pufferzeit (PFEIL) vor dem Wiederbeschaffungszeitpunkt zurückliegt. Das Kriterium für Eilbestellungen lautet demnach: TLSOL < FHEU + TBZ + TLA - PFEIL Zahlenbeispiel zur Kontrollrechnung
Beispiel 34: Ausgehend von den Daten des Beispiels 33: Heutiger Tag Errechneter Ist-Eindeckungstermin Errechneter Soll-Liefertermin Beschaffungszeit Einlagerungszeit Pufferzeit für Eilbestellungen
Fabriktag 160 Fabriktag 220 Fabriktag 200 50 Fabriktage 10 Fabriktage 10 Fabriktage
Da 200 < 160 + 50 + 10 - 10 wird der ermittelte Bestellvorschlag als Eilbestellung vorgeschlagen. Abb. 77 zeigt, dass durch weitere Vergleiche festgestellt werden kann, ob eine Mahnung einer laufenden Bestellung, eine Umterminierung, eine mengenmäßige Veränderung oder eine Stornierung erforderlich ist. Durch die Verwendung von Grenzwerten als Parameter wird erreicht, dass nicht jede Änderung zu einem Bearbeitungsvorgang wird. 2
1
Vgl. ADV/ORGA, Materialdispositionssystem, a.a.O., S. 5. So ist bei der Umterminierung auf später zunächst das Verhältnis von Lagerhaltungskosten und Umterminierungskosten zu prüfen, die möglichst groß gewählt werden sollen. Siehe dazu ausführlich vom Verf., Materialdisposition in der Praxis, a.a.O., S. 65 ff.
2
384
Abbildung 77:
Kontrollrechnungen während der Bestellterminrechnung
385
Festlegung und Überwachung der Toleranzgrenzen für die Kontrollrechnungen bedürfen großer Sorgfalt
Die Toleranzgrenzen sollten weder zu groß noch zu klein festgelegt werden. Sind sie zu klein, führen bereits geringe Bedarfsänderungen oder Überschreitungen des Liefertermins zu Änderungen. Sind die Toleranzgrenzen zu großzügig bemessen, reagiert das System zu spät. Es gehört daher zu den wichtigsten Aufgaben eines Disponenten, die Toleranzgrenzen als „Stellschrauben“ so festzulegen, dass das System in der gewünschten Weise reagiert. Das nachfolgende Beispiel aus der Praxis soll die Zusammenhänge nochmals verdeutlichen.
Praxisbeispiel zur Bestelltermin- und Kontrollrechnung
Beispiel 35: In der als Formularbeispiel 6 wiedergegebenen Dispositionsliste ist am Fabriktag 4284 der Ist-Eindecktermin für den Schaltkreis mit der Sach-Nr. ID 82 C54 bei einem verfügbaren Bestand von 610 Stück (Lagerbestand 186 Stück + Werkstattbestand 374 Stück + Bestellbestand 50 Stück) mit Fabriktag 4329 errechnet worden. Der Soll-Eindecktermin wird mit Fabriktag 4405 ausgewiesen. (4284 + 81 (TBZ) + 20 (TLA + TSI) + 20 (TPL)). Ein neuer Eilbedarf über 56 Stück wird vorgeschlagen, damit diese zum Termin 4309 + 20 TLA zur Verfügung stehen und den Bedarf bis einschließlich 4347 abdecken, da die Bestellung über 130 Stück erst am Ftg 4329 + 20 TLA bereitgestellt werden kann. Dieser Eilbedarf wird vorgeschlagen, weil die Bestellung über 130 Stück aufgrund des NOUMTER (d.h. keine Umterminierung) nicht vorgezogen werden kann. Der neue Liefertermin ergibt sich unter Berücksichtigung einer Prüf- und Einlagerungs- sowie Sicherheitszeit von insgesamt 20 Tagen (neuer Liefertermin = 4329 - 20 = 4309). Unter Berücksichtigung der Bestellung Nr. 4597175 (130 Stück) reicht der Bestand bis zum Termin 4384. Um den Soll-Eindecktermin zu erreichen, muss eine zusätzliche Eilbestellung über 32 Stück zum Termin 4364 ausgelöst werden. In der Dispositionsliste wird der stochastische Bedarf mit 14 Stück/Periode (DBAF + DDBAF) und der deterministisch ermit-
386
telte Bedarf ausgewiesen. Ein Sicherheitsbestand (= Mindestbestand) ist in diesem Fall nicht vorgesehen.
Formularbeispiel 6: Dispositionsliste
⇐
Aufgabe 16
387
5.
Begrifflich sind zu unterscheiden: - Bedarfsmenge - Bestellmenge - Liefermenge
Bestellmengenrechnung
Wir sind bisher davon ausgegangen, dass die bei einer Disposition zu bestellende Menge dem Bedarf eines Artikels entspricht. Diese vereinfachende Annahme soll nun aufgehoben und begrifflich wie folgt unterschieden werden: (1) Die Bedarfsmenge als die Gesamtmenge eines in einer Periode zu beschaffenden Artikels. (2) Die Bestellmenge als die Menge, die bei einem Lieferanten durch einen Auftrag bestellt wird. 1 (3) Die Liefer- und Bezugsmenge als die Menge, die als geschlossene Lieferung im Betrieb eingeht. Bestellmenge und Liefermenge sind oft gleich, sie weichen voneinander ab, wenn der Lieferant eine bestellte Menge sukzessiv anliefert oder vorab eine Teillieferung erfolgt. Erfolgt die Anlieferung auf „Abruf“, 2 so ist die Bestellmenge identisch mit dem häufig in der Praxis verwendeten Begriff „Abrufmenge“. Wie soll man nun vorgehen, um die Bestellmenge zu errechnen? Bei der Bestellmengenrechung können grundsätzlich drei verschiedene Gruppen von Verfahren unterschieden werden: -
Statische Verfahren Periodische Verfahren Optimierende Verfahren
1
Der Begriff Losgröße kann sich sowohl auf die extern zu bestellende (= Bestellmenge) als auch auf die intern zu fertigende Menge (= Fertigungslos) beziehen. 2 Zu den Möglichkeiten der Ausgestaltung von Kaufverträgen vgl. unsere Ausführungen im fünften Abschnitt unter Ziffer 2.2.2.2.
388
Außerdem sind u.U. zusätzliche Restriktionen zu beachten (z.B. Mindestlosgröße oder eine maximale Losgröße).
5.1 Statische und periodische Verfahren der Bestellmengenrechnung Die statischen und periodischen Verfahren der Bestellmengenrechnung sind dadurch gekennzeichnet, dass Kosten, die durch den Beschaffungsvorgang oder das Rüsten sowie durch die Lagerhaltung entstehen, nicht berücksichtigt werden.
Nicht-optimierende Verfahren der Bestellmengenrechnung
Zu den statischen Verfahren sind zu rechnen: Exakte Losgröße: Bei Unterdeckung wird genau die Unterdeckungsmenge, d.h. der Nettobedarf (Bedarf ./. verfügbarer Bestand) als Losgröße eingesetzt; sog. Lot-for-Lot-Verfahren.
Statische Verfahren der Bestellmengenrechnung
Feste Losgröße: Eine feste Losgröße ist sinnvoll, wenn Restriktionen (z.B. Palettengröße oder Tankinhalte) zu berücksichtigen sind. Sofern zur Abdeckung des Nettobedarfs die Menge einer festen Losgröße nicht ausreicht, sind mehrere Lose in Höhe der festen Losgröße zum gleichen Termin zu bestellen, bis kein Nettobedarf mehr vorliegt. Wiederauffüllmenge: Die Losgröße entspricht der Differenz zwischen verfügbarem Bestand und dem festgelegten Lagerhöchstbestand. (Die Berechnung einer Losgröße nach dem Kriterium „Auffüllen bis zum Lagerhöchstbestand“ kommt nur im Rahmen der verbrauchsgesteuerten Disposition bei Anwendung der B.S.und T.B.S.-Lagerhaltungsstrategie in Betracht.) Eindeckzeitlosgröße: Es werden alle Bedarfe innerhalb eines Zeitabschnitts zu einer Losgröße zusammengefasst. Die Periodenlängen können Tage, Wochen oder Monate sein. Dabei kann die Länge des Zeitabschnitts in Abhängigkeit von einer ABC-Klassifizierung festgelegt werden (vgl. Beispiel 17 im dritten Abschnitt).
389
Periodische Verfahren der Bestellmengenrechnung
5.2 Optimierende Verfahren der Bestellmengenrechnung Über die optimierenden Verfahren gibt es umfangreiche Literatur
Nur wenige betriebswirtschaftliche Probleme sind in der Fachliteratur so oft und eingehend behandelt worden, wie das Thema optimale Losgröße. 1 Das liegt in erster Linie daran, dass - wie erwähnt - durch die oben genannten statischen und periodischen Losgrößenverfahren die Kosten, die durch die Lagerhaltung sowie durch die Bestellung oder das Rüsten entstehen, nicht berücksichtigt werden, das Interesse aber durchaus begründet ist, zu wirtschaftlicheren Bestellmengen (Losgrößen) zu gelangen. Viele Standardpakete für die Materialwirtschaft bieten gleich mehrere Optimierungsverfahren an, so dass hier vom Disponenten Methodenkompetenz erwartet werden muss.
Einkaufspolitische Instrumente zur Senkung der Bestellund Lagerhaltungskosten
Es gibt aber auch kritische Stimmen, die insbesondere auf einkaufspolitische Instrumente zur Senkung der Bestell- und Lagerhaltungskosten hinweisen. Als Beispiele sind die Bemühungen zur Verlagerung der Vorratshaltung auf den Lieferanten (Fremdbevorratung) bzw. die Konsignationslagerung sowie der Abruf kleiner Mengen in kurzen Abständen und die Logistikstrategien wie „Ship-to-Line“ zu nennen.
Optimierungsproblematik bei konstantem und schwankendem Bedarf
Auch wenn im Rahmen des Supply Chain Management viele Möglichkeiten gegeben sind, die Versorgungssituation bei gleichzeitiger Reduzierung der Logistikkosten zu entschärfen, so sind für dispositive Entscheidungen nach wie vor die optimierenden Verfahren der Bestellmengenrechnung ein wichtiges Instrument zur Beeinflussung der durch jeden Beschaffungsvorgang verursachten Kosten. Zielsetzung dieser Verfahren ist es, die Losgröße so zu bestimmen, dass minimale Bereitstellungskosten entstehen. Diese setzen sich zusammen aus losgrößenfixen Kosten (Bestell- oder Rüstkosten) und Lagerhaltungskosten.
1
Ein ausführliches Literaturverzeichnis enthält die Arbeit von L. Pack, Optimale Bestellmenge und optimale Losgröße, Wiesbaden 1964.
390
Hierbei ergibt sich folgende Problemstellung: -
Bestellt man sehr selten, so hat man geringe Bestellkosten, aber hohe Lagerhaltungskosten, da der Lagerbestand den Bedarf innerhalb eines längeren Zeitraums abdeckt.
-
Bestellt man sehr häufig, so verringert sich zwar der (durchschnittliche) Lagerbestand und damit nehmen auch die Lagerhaltungskosten ab. Aber durch die hohe Bestellhäufigkeit nehmen die Bestellkosten zu.
Wo liegt nun das Optimum zwischen diesen beiden Möglichkeiten? Um das skizzierte Optimierungsproblem zu lösen, stehen eine Vielzahl optimierender Losgrößenverfahren zur Wahl. Als klassisches Modell ist die Andler‘sche Formel (s.u.) bekannt, die nur bei gleichmäßigem Verbrauch - wie beim Bestellpunktverfahren unter konstanten Bedingungen (vgl. Abb. 72) unterstellt zu zuverlässigen Ergebnissen führt. Diese Voraussetzung lässt sich bei einer plangesteuerten Disposition (vgl. Zahlenbeispiel 41) nicht erfüllen. Es sind sodann die Verfahren der dynamischen Bestellmengenrechnung einzusetzen (vgl. Abb. 79). Soll bei Anwendung der Optimierungsverfahren die Bestandssenkung stärker ins Gewicht fallen, so ändert man lediglich die Kostenparameter und die Losgröße passt sich automatisch an. 1 Auch wenn wir im Wesentlichen Fremdbezug annehmen, so sind die Formeln analog auch auf Eigenfertigungsteile anzuwenden. 2 An die Stelle der Bestellkosten treten hier die Rüstkosten und statt des Einstandspreises sind die Herstellkosten zu ermitteln. Die Rüstkosten sind in einen fixen und einen variablen Anteil zu trennen. Der fixe Kostenanteil deckt dabei die in der Auftragsverwaltung (Arbeitsvorbereitung) anfallenden Kos1
Zweckmäßigerweise sollten parallel dazu Rahmenverträge abgeschlossen werden, um gleichzeitig die Bestellkosten gezielt beeinflussen zu können. Rüstzeit beinhaltet auch das „Voreinstellen“. Es ist ein Rüsten neben der Maschine, parallel zur Bearbeitung eines anderen Auftrages. Hierzu gehört beispielsweise das Bestücken eines Maschinenkopfes mit Werkzeugen, bevor dieser auf die Maschine gesetzt wird.
2
391
Rüstkosten treten bei Eigenfertigung an die Stelle der Bestellkosten
ten ab. Der variable Anteil ist über die Rüstzeiten zu errechnen. 1 Diese sind mit einem Stundensatz zu bewerten und decken Lohnkosten und Maschinenstillstandszeiten ab. Allerdings treten zunehmend moderne Fertigungsmethoden (wie beispielsweise Fertigungsinseln) und Steuerungsprinzipien, wie zum Beispiel die „Produktion auf Abruf“ (Just-in-Time-Produktion) als Ziel des japanischen Kanban-Systems, in den Vordergrund, um den Bestand an Halbfabrikaten (Werkstattbestand) zu reduzieren. ⇐
Aufgabe 17
Bedarf
Abbildung 78:
1
Bedarfsverlauf mit geringen Schwankungen: Andlersche Bestellmengenrechnung
Bei Eigenfertigungsteilen berücksichtigt Soom auch die Produktionszeit der „Ware in Arbeit“. Vgl. E. Soom, Optimale Lagerbewirtschaftung in Industrie, Gewerbe und Handel, Bern 1976, S. 53 ff.
392
Bedarf
Abbildung 79:
Bedarfsverlauf mit starken Schwankungen: Dynamische Bestellmengenrechnung
5.2.1 Auswirkungen der Bestellmenge auf die Kosten der Bereitstellung Um die optimierenden Verfahren der Bestellmengenrechnung einzusetzen, sind vorab die Bestell- und Lagerhaltungskosten zu erfassen. 1 Doch lassen sich diese in der Praxis häufig nur unzureichend quantifizieren, da die traditionellen Kostenrechnungssysteme nicht prozessorientiert aufgebaut sind. Gleichwohl sollte zumindest über die Definition der erwähnten Kostenkategorien Klarheit bestehen.
Die Ermittlung und Pflege der Grunddaten ist erforderlich
5.2.1.1 Bestellmenge und Bestellkosten Die Bestellkosten umfassen alle Kosten von der Bestellvorbereitung über den Bestellabschluss bis zur Bestellabwicklung.
1
Darüber hinaus beeinflusst die Bestellmenge die Einstandspreise der bezogenen Artikel.
393
Definition und Komponenten der Bestellkosten
Die gesamten Abwicklungskosten einer Bestellung schließen ein: 1 (1) Einkaufskosten: Dazu gehören die Kosten der Kaufentscheidung, also: Bezugsquellenermittlung nach dem richtigen Lieferanten; Entscheidungsvorbereitung durch Anfragen; Angebotsauswertung und -vergleich; Vertragsabschluß. (2) Dispositionskosten: Dazu gehören die durch Bedarfs-, Bestands- und Bestellrechnung sowie Bestellüberwachung verursachten Kosten. (3) Zugangskosten: Der Vollzug der Bestellung führt zum Wareneingang, zur Warenprüfung, Verbuchung der Zugänge, Rückversand der Verpackung, Rechnungsprüfung und Zahlung. Die damit verbundenen Kosten sind in die Zugangskosten einzubeziehen (Kosten für eventuelle Außenabnahmen und Prüfungen). Ermittlung der Bestellkosten muss alle Stellen erfassen, die diesbezüglich Kosten verursachen
Es ist zu erkennen, dass • Bestellkosten auf Leistungen verschiedener Art beruhen und nicht nur im Einkauf entstehen, sondern darüber hinaus in den Bereichen Disposition, Warenannahme und -prüfung, Lagerbuchhaltung, Transport und Kreditorenbuchhaltung. • Bestellkosten auch dann als solche zu erfassen sind, wenn ein Teil der Aufgaben (z.B. Rechnungsprüfung, EDVOrganisation) nicht in den Kompetenzbereich der Materialwirtschaft fällt. Eine annähernd genaue Ermittlung der Bestellkosten ist nicht nur mit erheblichem Arbeitsaufwand verbunden, sondern setzt demnach neben eingehenden Kenntnissen der Kostenrechnung Informationen über den Zusammenhang zwischen verschiedenen Kosten im Beschaffungsbereich in Verbindung mit den Be-
1
Vgl. P. Köckmann, Integrierte Materialwirtschaft, a.a.O., S. 34 f.
394
schaffungstätigkeiten, d.h. über die relevanten Prozesskosten voraus. Um die Kosten einer Bestellung festzustellen, ist vereinfacht die sich ergebende Kostensumme einer Periode durch die Anzahl der Bestellungen zu teilen, 1 d.h.,
Quotient für die Berechnung der Kosten einer Bestellung
• Bestellkos ten pro Bestellung = Summe der Bestellkos ten/Period e Anzahl der Bestellung en/Periode
Was kostet nun eine Bestellung? Unternehmensinterne Ermittlungen und diesbezügliche Analysen führen zu überraschenden Resultaten: Man muss bei einer Normalbestellung für regelmäßig zu beschaffendes Material mit EUR 60,- bis EUR 150,- pro Bestellung rechnen.
Jedes Unternehmen muss seine spezifischen Bestellkosten ermitteln
Diese Werte können unter-, aber auch überschritten werden. werden. Sie hängen in erheblichem Maße von der Bestellpolitik ab und können durch gezielte und langfristige Zusammenarbeit mit Lieferanten und Dienstleistern, die zum Outsourcing bestimmter Beschaffungsfunktionen führen, beeinflusst werden. Auch können die Bestellkosten je Materialgruppe innerhalb des gleichen Betriebes unterschiedlich sein (z.B. bei Normteilen, Massenartikeln und Spezialteilen). Es sei jedoch betont, dass eine Differenzierung der Bestellkosten z.B. nach Materialgruppen material-wirtschaftspolitisch begründet und wirtschaftlich vertretbar sein muss. 2 Die Bestellkosten werden demnach als (losgrößen-) fixe Kosten angenommen: Ob der Einkauf eine Mengeneinheit einer Materialart bestellt oder zehntausend Mengeneinheiten, die Kosten der Bestellung ändern sich (im Wesentlichen) nicht. Das bedeu-
1
Der vorgegebene Quotient ist ein sehr vager Mittelwert. Im Allgemeinen werden unterschiedliche Bestellungen unterschiedliche Bestellkosten verursachen. Doch ist eine detaillierte Aufschlüsselung der Bestellkosten unwirtschaftlich, wenn nicht sogar undurchführbar. 2 Vgl. dazu den Anwendungsfall in der Fallstudiensammlung des Verf.: Praxis der Materialwirtschaft, a.a.O., S. 169 ff.
395
Die Höhe der Bestellkosten ist unabhängig von der Bestellmenge
tet, dass die Bestellkosten pro Mengeneinheit um so kleiner werden, je größer die Bestellmenge ist. Die Bestellkosten pro Mengeneinheit erreichen ein Minimum, wenn die Bestellmenge ein Maximum wird. 5.2.1.2 Bestellmenge und Lagerhaltungskosten Definition und Komponenten der Lagerhaltungskosten
Bei der Lagerhaltung entstehen Kosten, die wir als Lagerhaltungskosten bezeichnen wollen. Sie entstehen durch das in den Vorräten gebundene Kapital, die Beanspruchung von Lagerraum, Personal, Arbeitsmitteln und durch sonstigen mit der Vorratshaltung verbundenen Werteverzehr.
Die Lagermaterialkosten sind variabel
Zu den Lagerhaltungskosten sind vor allem zu rechnen: 1 (1) Die Lagermaterialkosten: Dazu zählen die Kapital- oder Kapitalbindungskosten, die Kosten für die Versicherung der Vorräte gegen Feuer, Diebstahl, Wasser usw. und die Kosten für Wertminderung durch Verderb, Schwund, Veralterung, die kalkulatorisch als Wagniskosten (Beständewagnis) verrechnet werden. Die Kapitalbindungs- bzw. Zinskosten entsprechen der Verzinsung des in den Beständen gebundenen Kapitals. Dabei wird als Bestandsmenge meist eine Durchschnittsgröße angenommen. Erfolgt gemäß Annahme eine kontinuierliche Materialentnahme, so kann man als durchschnittliche Bestandsmenge bei Nicht-Berücksichtigung des Sicherheitsbestandes die halbe Bestellmenge zugrundelegen (vgl. Abb. 80). Da der Materialbedarf in der Regel aber nicht kontinuierlich auftritt, liegt in diesem Ansatz eine Fehlerquelle.
In der Regel ist man geneigt, den kalkulatorischen Zinssatz zu verwenden
Von erheblicher Bedeutung ist die Höhe des zu verwendenden Zinssatzes. In der Regel kommt der kalkulatorische Zinssatz in Betracht, denn gleichgültig, ob das Lager durch Eigenkapital oder Fremdkapital finanziert wird, es bindet Kapital, das zur Finanzierung alternativer Projekte nicht zur Verfügung steht. 1
Gliederung nach H. Benz, Rationeller Einkauf - optimale Lagerhaltung, a.a.O., S. 74 f.
396
Praktikabel ist auch der Ansatz der Gesamtkapitalrentabilität oder der Fremdkapitalzinsen, wenn ein Unternehmen aufgrund seiner soliden Kapitalstruktur über die Aufnahme von Fremdkapital finanzieren kann. Bei der Grenzkostenbetrachtung sind die Ertragsmöglichkeiten der zusätzlich erforderlichen Finanzierungsmittel in Ansatz zu bringen (Grenzkapitalrentabilität). 1 (2) Lagerraumkosten: Dazu müssen die Abschreibungen auf Lagergebäude und Lagerinventar, die Beleuchtungs- und Heizungskosten, die Kosten der Versicherung (Feuer, Diebstahl, Wasser usw.) der Lagergebäude und des Lagerinventars sowie die Instandhaltungskosten gezählt werden.
Die Lagerraumkosten sind fix oder sprungfix
Kurzfristig gesehen ist die Lagerraumgröße (Lagergebäude und Lagerinventar) und damit die Höhe der Lagerraumkosten weniger von der Art und Menge der zu lagernden Materialien als von der festgelegten Lieferbereitschaft abhängig. Es fallen immer die mit dieser Lieferbereitschaft verbundenen Kosten an, gleichgültig inwieweit die Lagerkapazität genutzt wird. Die Lagerraumkosten sind also nicht proportional zur jeweils gelagerten Menge, sondern konstant. Auf lange Sicht handelt es sich um ein Problem der Anpassung der Lagerkapazität an Art und Menge der zu lagernden Materialien. Die Lagerraumkosten werden damit entsprechend der Veränderung der Lagerraumgröße in Intervallen sinken bzw. steigen (sogenannte intervall- oder sprungfixe Kosten). (3) Lagerpersonalkosten: Dieses sind die Personalkosten und Personalnebenkosten der Lagerverwaltung einschließlich der Kosten für die Behandlung lagernder Materialien, für die Materialbewegung und Bereitstellung. Auch die Lagerpersonalkosten können als fix oder sprungfix angesehen werden, da sie kurzfristig mit der Lagernutzung nur unwesentlich schwanken. 1
Vgl. J.R. Zeigermann, Elektronische Datenverarbeitung in der Materialwirtschaft, a.a.O., S. 155.
397
Die Lagerpersonalkosten sind fix oder sprungfix
Die Lager-Gemeinkosten sind teils variable, teils fixe Kosten
(4) Lager-Gemeinkosten: Dazu gehören anteilige Verwaltungskosten (Geschäftsleitung, Personal- und Organisationsabteilung, EDV u.a.m.), anteilige Betriebssteuern, Telefonkosten, Transportkosten. Es handelt sich hier teilweise um fixe, teilweise um variable Kosten.
Bei der Berechnung des Lagerhaltungskostensatzes wird eine Proportionalisierung der fixen Lagerhaltungskosten in Kauf genommen
Es entstehen damit bei der Lagerhaltung Kosten, die fixen Charakter haben oder sprungfix sind. Weitaus am stärksten ins Gewicht fallen die von Menge und Wert der gelagerten Materialien abhängigen variablen Kosten (hier vor allem die Kosten der Kapitalbindung). In der Praxis nimmt man daher - und auch aus Gründen der Vereinfachung - eine Proportionalisierung der fixen Kosten in Kauf und verrechnet die Lagerhaltungskosten insgesamt in Form eines globalen Lagerhaltungskostensatzes. Dieser ist dann
Berechnung des Lagerhaltungskostensatzes
• LHS = ZS + LS Dabei bedeuten: LHS = Lagerhaltungskostensatz ZS = Zinssatz des gebundenen Kapitals LS = Lagerkostensatz Lagerkosten/Periode = durchschnittlicher Lagerbestandswert · 100
Zahlenbeispiel zur Berechnung des Lagerhaltungskostensatzes
Beispiel 36: Es liegen folgende Daten vor: Der auf ein Jahr bezogene durchschnittliche Lagerbestandswert beträgt DM 1.200.000,-, die Lagerkosten belaufen sich auf DM 180.000,-. Die Verzinsung des investierten Kapitals wurde auf 10 % festgesetzt. Dann ist
LS = LHS LHS
398
180.000 ⋅ 100 = 15 % 1.200.000 = 10 % + 15 % = 25 %
Die Schwierigkeiten bei der praktischen Durchführung der Lagerhaltungskostenberechnung liegt auch hier wieder in der Notwendigkeit der kostenrechnerischen Erfassung und Zuordnung der relevanten Kosten. Aus Vereinfachungsgründen wird man dabei auf eine Differenzierung der Lagerhaltungskostensätze nach Materialarten verzichten.
Probleme ergeben sich bei der kostenrechnerischen Erfassung
Absolut gesehen wachsen die Lagerhaltungskosten mit dem Wert des gelagerten Materials, also steigender Bestellmenge bzw. geringer Bestellfrequenz (Bestellhäufigkeit). Anders formuliert: Entscheidungen über den Umfang der Bestellmengen wirken sich auf die Höhe der Lagerhaltungskosten aus.
Die Lagerhaltungskosten steigen mit dem durchschnittlichen Lagerbestandswert
Abbildung 80:
Bestellmenge und durchschnittlicher Lagerbestand
Abb. 80 zeigt die Beziehungen zwischen dem durchschnittlichen Lagerbestand und der Bestellmenge. Dabei wird angenommen, dass von einem Artikel der gesamte Jahresbedarf (2.400 Stück) zunächst durch zwei Bestellungen abgedeckt wird, so dass jeweils 1.200 Stück auf Lager genommen werden. Im Jahresdurchschnitt liegen dann - gleichmäßige Materialentnahmen unterstellt - 600 Stück des Jahresbedarfs am Lager.
399
Wird die Bestellmenge auf 400 Stück gesenkt, so erreicht man dadurch eine Herabsetzung des durchschnittlichen Lagerbestandes auf 200 Stück. Auch hier ist wiederum im Jahresmittel die Hälfte der Bestellmenge am Lager. Der Artikel müsste allerdings häufiger nachbestellt werden, wodurch sich die Anzahl der zu bearbeitenden Bestellungen erhöht. Daraus ist zu folgern: Die Lagerhaltungskosten werden minimal, wenn die Bestellkosten maximal werden. Die Kosten der Lagerhaltung werden häufig unterschätzt
In der folgenden Aufstellung sind LagerhaltungskostenProzentsätze aufgeführt, wie sie normalerweise in Industriebetrieben vorkommen. 1 Zinsen des gebundenen Kapitals 8 bis 10 % Alterung, Verschleiß 3 bis 5 % Verlust, Bruch 2 bis 4 % 2 bis 4 % Transport Abschreibung 1,5 bis 2 % Lagerverwaltung 1 bis 2 % Steuern 1 bis 2 % Versicherung 0,5 bis 1 % 19 bis 30 % Lagerhaltungskostensatz Auch aus dieser Aufstellung geht hervor, dass die Zinsen für das im Lager gebundene Kapital die gewichtigste Kostenart sind.
5.2.2 Die klassische Losgrößenberechnung Definition der optimalen Bestellmenge
Zwischen den Extremfällen der einmaligen Materialbeschaffung zur Deckung des Gesamtbedarfs einer Planperiode (Minimierung der Bestellkosten je Stück) und der täglichen Beschaffung (Minimierung der Lagerhaltungskosten) bestehen zahllose Möglichkeiten. Die Optimierungsaufgabe liegt darin, die Summe der beiden Kostenkomponenten zu minimieren, d.h., die „optimale“ Bestellmenge zu finden. 1
Vgl. H. Nestler, Materialflussuntersuchungen in Fertigungsbetrieben, a.a.O., S. 47.
400
Die optimale Bestellmenge ist demnach für den (klassischen) Fall, dass der Jahresbedarf bekannt und - wie in Abb. 78 schematisch dargestellt - (relativ) konstant ist, zu definieren als die Menge, bei der die Bereitstellungskosten (Bestell- plus Lagerhaltungskosten) pro Mengeneinheit insgesamt ein Minimum erreichen. 5.2.2.1 Andlersche Formel Die optimale Bestellmenge bzw. Losgröße kann für weitgehend konstante Bedarfe (vgl. Abb. 78) rein rechnerisch mithilfe einer Formel ermittelt werden, die für den Einkauf (Beschaffungsformel) bereits 1927 von Stefanic-Allmayer 1 und für die Fertigung (Losgröße) 1929 von Andler 2 entwickelt wurde. Zur Erläuterung der Zusammenhänge soll die Formel hergeleitet werden. Es werden dabei folgende Symbole benutzt, die zum Teil schon bekannt sind. X X0 J BK
= = = =
EP
=
ZS
=
LS
=
LHS =
Bestellmenge die gesuchte optimale Bestellmenge (= Q) Jahresbedarfsmenge die von der Bestellmenge unabhängigen (fixen) Bestellkosten je Bestellung Einstandspreis je Mengeneinheit (ME) = (Nettoverkaufspreis + Verpackungs- und Transportkosten + Spesen u.a.) Zinssatz für das während eines Jahres durchschnittlich gebundene Kapital in % Lagerkostensatz für die während eines Jahres anfallenden Kosten der reinen Lagerhaltung in % des durchschnittlichen Lagerbestandswertes Lagerhaltungskostensatz (= ZS + LS) in % des durchschnittlichen Lagerwertes Gesamtkosten
GK
=
n
= Bestellhäufigkeit ( = X )
J
1
K. Stefanie-Altmayer, Die günstigste Bestellmenge beim Einkauf, in: Sparwirtschaft, Heft 10, 1927, S. 504 ff. K. Andler, Rationalisierung der Fabrikation und optimale Losgröße, Dissertation, Stuttgart 1929. - Im deutschsprachigen Raum ist die Formel vor allem mit dem Namen Andler verbunden.
2
401
Ableitung der Andlerschen Formel (Grundmodell)
Bei Annahme eines gleichmäßigen Lagerabgangs im Sinne der „Sägezahnkurve“ (vgl. Abb. 80) lassen sich die Gesamtkosten (GK) wie folgt mathematisch ermitteln: Bestellhäufigkeit in der Planperiode
=
J X
(1 Jahr) Bestellkosten je Bestellung
= BK
Bestellkosten in der Planperiode
= BK ·
J X
X 2 X durchschnittlicher Lagerwert = 2 ⋅ EP X (ZS + LS) Lagerhaltungskosten in der Planperiode = 2 ⋅ EP ⋅ 100 durchschnittlicher Lagerbestand
=
Die Gesamtkosten für die Materialbereitstellung betragen demnach
GK = BK ⋅
J X (ZS + LS) + ⋅ EP ⋅ X 2 100
Um sich den Verlauf dieser Kostenfunktion anschaulich vorstellen zu können, ist die Abhängigkeit der Bestell- und Lagerhaltungskosten sowie die Summe dieser Kosten in der Abb. 81 dargestellt. Das Minimum dieser Kostenfunktion und damit die optimale Bestellmenge erhält man durch Differenzieren nach X:
dGK J EP ⋅ (ZS + LS) = −BK ⋅ 2 + dX 2 ⋅ 100 X Setzt man
dGK = 0 und löst die Gleichung nach X0 auf, erhält dX
man die klassische Losgrößenformel. Formel für die Berechnung der optimalen Bestellmenge bei gegebenem Jahresbedarf
• X0 =
402
200 ⋅ J ⋅ BK EP ⋅ (ZS + LS)
Abbildung 81:
Grafische Darstellung der optimalen Bestellmenge
Bei dieser Formel wird die Jahresbedarfsmenge verwendet. Wird der Bedarf monatlich prognostiziert, 1 also mit der Monatsbedarfsmenge gearbeitet, lautet die Formel • X0 =
Formel für die Berechnung der optimalen Bestellmenge bei gegebenem Monatsbedarf
200 ⋅ 12 ⋅ M ⋅ BK EP ⋅ (ZS + LS)
wobei M = Monatsbedarfsmenge. Aus der Formel der optimalen Bestellmenge ergeben sich durch Umstellungen weitere optimale Werte: So ist die optimale Bestellhäufigkeit
n0 =
J X0
Nach Umstellung gilt daher die Gleichung 1
Vgl. dazu im Übungsteil Aufgabe 15 (Anwendungsbeispiel).
403
•
J 200 ⋅ J ⋅ BK = n0 EP ⋅ (ZS + LS)
Diese Gleichung nach n0 aufgelöst ergibt: Formel für die Berechnung der optimalen Bestellhäufigkeit pro Jahr
• n0 =
J ⋅ EP ⋅ (ZS + LS) 200 ⋅ BK
Löst man die Grundformel nach X0 · EP auf, erhält man die Formel für den optimalen Bestellwert: Formel für die Berechnung des optimalen Bestellwertes
• X 0 ⋅ EP =
200 ⋅ J ⋅ EP ⋅ BK ZS + LS
Das nachfolgende Beispiel soll den Zusammenhang zwischen der optimalen Bestellmenge und der optimalen Bestellhäufigkeit veranschaulichen. Zahlenbeispiel zur Berechnung der optimalen Bestellmenge und Bestellhäufigkeit
Beispiel 37: Gegeben sind: Jahresbedarfsmenge J Einstandspreis EP Bestellkosten BK Zinssatz ZS Lagerkostensatz LS
= = = = =
20.000 ME (= Materialeinheiten) 12,- EUR je ME 24,- EUR je Bestellung 8% 12 %
Dann ist • X 0 = 200 ⋅ 20.000 ⋅ 24 = 400.000 = 632 12 ⋅ (8 + 12) Es lässt sich nun die optimale Bestellhäufigkeit leicht errechnen:
n0 =
J 20.000 = = 31,6 → 32 X0 632
Es müsste im Jahr etwa 32 mal bestellt werden, d.h. es wäre (bei 250 Fabriktagen) ein Bestellrhythmus von etwa 7 bis 8 Tagen zu planen.
404
Werfen wir nochmals einen Blick auf Abb. 81, so fällt eine besondere Eigenschaft der Andlerformel auf, nämlich ihre geringe Sensibilität, d.h., relativ große Abweichungen von der optimalen Bestellmenge verursachen nur eine schwache Reaktion der Gesamtkosten. Die Gesamtkostenkurve verläuft daher in ihrem Minimum sehr flach. Dabei ist zu beachten, dass ein Unterschreiten der optimalen Bestellmenge zu einem größeren Kostenanstieg führt als ein Überschreiten.
Die Gesamtkostenkurve verläuft in ihrem Minimum sehr flach. Abweichungen von der optimalen Bestellmenge sind daher zulässig
Für die praktische Arbeit mit der relativ unkomplizierten klassischen Bestellmengenformel kann daher trotz ihrer zum Teil realitätsfernen Voraussetzung empfohlen werden. die Bestellmenge über einen längeren Zeitraum nicht zu verändern und Abweichungen vom Optimum innerhalb des Toleranzbereichs von etwa 30 % nach unten und 50 % nach oben in Kauf zu nehmen. In Ergänzung dazu ist von Zeit zu Zeit zu überprüfen, ob die in der Beschaffungsformel enthaltenen Einflussgrößen noch Aktualität besitzen. Insgesamt ist festzustellen, dass bei Artikeln, die verbrauchsgesteuert disponiert werden, in jedem Fall die wirtschaftliche Bestellmenge errechnet werden sollte. Bei sinnvoller Anwendung der Formel kann eine starke Senkung der Kapitalbindung und Entlastung des Lagers erreicht werden. Erhebliche Kosteneinsparungen sind dann die Folge. Es erscheint zweckmäßig, durch ein konkretes Beispiel diese Aussage zu bestätigen. Beispiel 38: Folgende Daten werden einem Kostenvergleich zugrunde gelegt: Jahresbedarfsmenge J = 20.000 Stück Bestellkosten BK = 24,- EUR je Bestellung Lagerhaltungskostensatz LHS = 20 % des Ø Lagerbestandswertes Einstandspreis EP = 12,- EUR
405
Zahlenbeispiel zur Abhängigkeit der Gesamtkosten der Beschaffung von der Bestellhäufigkeit
Für verschiedene Bestellhäufigkeiten werden die jeweiligen Jahreswerte für die Bestell-, Lagerhaltungs- und Gesamtkosten errechnet. Die optimale Bestellhäufigkeit bzw. optimale Bestellmenge ist zu bestimmen. In diesem Fall (vgl. Tabelle 12) zeigt sich, dass etwa 30 Bestellungen von 667 Stück in der Planperiode die niedrigsten Gesamtkosten ergeben. (Zur genauen Berechnung vergleiche Beispiel 37.) Gegeben sind: Jahresbedarf J Bestellkosten BK Einstandspreis EP Lagerhaltungskostensatz LHS
20.000 Stück 24,- EUR je Bestellung 12,- EUR 20 % des Ø Lagerbestandswertes
Bestellhäu-
Bestell-
Bestell-
Ø Lager-
Lagerhal-
Gesamtkosten
figkeit J X 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50
menge
kosten J ⋅ BK X 120 240 360 480 600 720 840 960 1.080 1.200
bestand X 2 2.000 1.000 667 500 400 333 285 250 222 200
tungskosten X ⋅ EP ⋅ LHS 2 4.800 2.400 1.600 1.200 960 800 684 600 533 480
J X ⋅ BK + ⋅ EP ⋅ LHS X 2 4.920 2.640 1.960 1.680 1.560 1.520 1.524 1.560 1.613 1.680
X 4.000 2.000 1.333 1.000 800 667 570 500 444 400
Tabelle 12:
⇐
Tabellarische Ermittlung der optimalen Bestellmenge nach der Andler-Formel
Aufgabe 18
5.2.2.2 Korrekturen der optimalen Bestellmenge
= = = =
Korrekturen und Beschränkungen der optimalen Bestellmenge
In dem Zahlenbeispiel 38 beträgt die optimale Bestellmenge 667 Stück. Die Menge könnte auf 800 heraufgesetzt oder in entsprechenden Verpackungseinheiten angeliefert werden. Der Einkäufer oder Disponent würde den Bestellmengenvorschlag entsprechend abändern. Die Verpackungsgröße könnte jedoch
406
auch von vornherein in ein automatisches Bestellsystem eingebaut werden. Beispiel 39: Darüber hinaus wären in der Praxis u.U. eine Reihe weiterer Restriktionen zu beachten, die letztlich für die Annahme oder Korrektur der nach der Andler-Formel berechneten Bestellmengen zu berücksichtigen sind. 1 Man kann hier unterscheiden: (1) Firmenbedingte Restriktionen: Dazu gehören: - Fertigungs- und ablaufbedingte Gegebenheiten des Produktionsbereiches - Fertigungslosgröße (technische oder optimale) mit der Abstimmung zwecks Vermeidung von Suboptima erforderlich ist - Lagerkapazität bei Lagerung im Wareneingang, Hauptlager usw. - Kapitalmäßige Ausstattung - Lagerfähigkeit der Produkte - Verderblichkeit der Produkte - Sicherheit bei der Beschaffung - Konkurrenzsituation - Wichtigkeit des bestellten Artikels - Risikobeurteilung (2) Lieferantenbedingte Bestellmengenrestriktionen: In Betracht kommen - Mindestmengen - Höchstmengen - Verpackungseinheiten - Fertigungseinheiten (Fertigungslose) - Preis-Mengen-Staffeln (3) Transportbedingte Bestellmengenrestriktionen und gesetzliche Einschränkungen:
1
Die Restriktionen gelten analog bei Anwendung der Verfahren der dynamischen Bestellmengenrechnung.
407
Allgemeines Beispiel zu Restriktionen bei der Bestellmengenoptimierungsrechnung
Diese beiden Kriterien hängen in vielen Fällen eng zusammen. Zu nennen sind: - Vom Gesetzgeber für bestimmte Artikel festgelegte Transportarten auf der Schiene, der Straße und dem Wasser - Transporteinheiten - Be- und Entlademöglichkeiten der Transportbehälter Minimale, maximale, sprungfixe Bestellmenge
Die unter (1) und (3) genannten Restriktionen sind je nach Branche, Artikel und betrieblicher Eigenart sehr unterschiedlich zu gewichten. Unter Beachtung der Beschränkungen kann es notwendig sein, dass die Bestellmenge weder eine bestimmte Menge (Mindestbestellmenge) unterschreitet noch eine bestimmte Menge (Höchstbestellmenge) oder ein Vielfaches davon überschreitet. Bei Bedarf wird die ermittelte optimale Bestellmenge mit diesen Grenzwerten verglichen und angepasst. Die Beschränkungen (Mindestmengen, Verpackungseinheiten usw.) können jedoch von vornherein in ein automatisches Bestellsystem eingebaut werden.
Reichweiten und Auslauftermine sind zu beachten
Daneben sind auch die Reichweiten zu betrachten, die sich aus der optimalen Bestellmenge ergeben. Das ist vor allem dann wichtig, wenn Lose extrem lange Bevorratungszeiten (z.B. länger als ein Jahr) aufweisen, weil damit die Gefahr der technischen und wirtschaftlichen Veralterung und sonstiger Werteinbußen (Schwund) verbunden ist. Darüber hinaus sind für bestimmte Materialien auch Auslauftermine aufgrund technischer Änderungen zu beachten.
Mindestlosgröße bzw. maximale Losgröße ist vorzugeben
Wenn es aufgrund technischer oder organisatorischer Gegebenheiten notwendig ist, dass die zu bestellende Losgröße eine bestimmte Menge nicht über- oder unterschreiten soll, ist bei maschineller Unterstützung im Materialstammsatz eine Mindestlosgröße bzw. maximale Losgröße einzutragen. Diese Werte werden dann von dem System bei der Losgrößenrechnung berücksichtigt.
408
5.2.2.3 Korrektur der optimalen Bestellmenge bei Rabatten Die klassische Beschaffungsformel geht von der Annahme aus, dass die Angebotspreise eines Artikels konstant sind. Diese Annahme trifft aber nicht immer zu. Oft gewähren Lieferanten bei Abnahme größerer Mengen Preisnachlässe. Mengenrabatte führen also zu verschiedenen Angebotspreisen eines Artikels. Es stellt sich dann die Frage, ob ein Mengenrabatt-Angebot anzunehmen ist, auch wenn dadurch die optimale Bestellmenge überschritten wird. Mit anderen Worten:
Mithilfe des Mindestrabattsatzes werden Entscheidungen bei Rabatt-Angeboten erleichtert
Es muss der Rabattsatz ausgerechnet werden, für den die Einsparungen durch den Rabatt den Kostensteigerungen durch die Abweichung von der optimalen Bestellmenge entsprechen. Der vom Lieferanten gewährte Rabatt darf diesen Mindestrabattsatz nicht unterschreiten, damit die Ausnutzung des Rabatts sinnvoll ist. Der Mindestrabattsatz wird nach folgender Formel errechnet 1
R min =
LHS ⋅ X 0 X 0 X R ⋅( + - 2) 2⋅J XR X 0
Formel für die Berechnung des Mindestrabattsatzes
Dabei bedeuten: Rmin LHS X0 J XR
= = = = =
Rabattsatz, der mindestens erreicht werden muss Lagerhaltungskostensatz optimale Bestellmenge Jahresbedarfsmenge Mindestmenge, ab der Rabatt gewährt wird.
Beispiel 40: Der Jahresbedarf eines Artikels beträgt 20.000 Stück. Die wirtschaftliche Bestellmenge ist mit 4.000 Stück ermittelt worden. Für den Lagerhaltungskostensatz sind 20 % anzusetzen. Vom Lieferanten wird ein Rabatt von 3 % bei einer Mindestabnahmemenge von 8.000 Stück angeboten. 1
Vgl. W.R. Trux, Einkauf und Lagerdisposition mit Datenverarbeitung, a.a.O., S. 300.
409
Zahlenbeispiel zur Berechnung des Mindestrabattsatzes
R min =
20 ⋅ 4.000 4.000 8.000 ⋅( + - 2) 2 ⋅ 20.000 8.000 4.000
1 R min = 2 ⋅ ( + 2 - 2) 2 R min = 1 Der Mindestrabattsatz beträgt 1 %. Es lohnt sich, den gewährten Rabatt in Anspruch zu nehmen, da dieser mit 3 % den Mindestrabatt übersteigt.
5.2.3 Dynamische Bestellmengenrechnung bei schwankendem Bedarf Bei schwankendem Bedarf empfiehlt sich die Anwendung der dynamischen Bestellmengenrechnung
Die Andlersche Formel bietet zwar trotz der eingeschränkten Verwendbarkeit eine ausreichend genaue Möglichkeit, wirtschaftliche Losgrößen zu bestimmen, der zukünftige Bedarf wird aber als exakt vorausberechenbar und als annährend konstant betrachtet. Trifft diese Voraussetzung nicht zu, darf nicht mehr mit der traditionellen Andler-Formel gerechnet werden. An ihre Stelle treten Verfahren, die im Gegensatz zu dieser den Vorteil haben, dass die Parameter als variable dynamische Größen in die Optimierungsrechnung eingehen. Von den zahlreichen Verfahren der dynamischen Bestellmengenrechnung sollen hier nur die folgenden Verfahren dargestellt werden: (1) Verfahren der gleitenden wirtschaftlichen Bestellmenge (2) Kostenausgleichsverfahren (3) Stück-Perioden-Ausgleichsverfahren Diese Verfahren zeichnen sich wie die Andler-Formel durch Einfachheit und Praktikabilität aus. Darüber hinaus haben sie die gleichen Parameter, so dass die Datenbeschaffung nicht schwieriger als beim Andlermodell ist. Das Kostenoptimum wird
410
allerdings nicht exakt auf analytischem Wege errechnet, sondern näherungsweise durch einen schrittweisen (iterativen) Rechnungsprozess. Wenngleich die zu den Operations Research-Methoden zählenden Optimierungsverfahren genauere Ergebnisse liefern, reichen für die Praxis approximative Verfahren (Bestellheuristiken), die zu Näherungslösungen führen, im Allgemeinen völlig aus. 1 Standardprogramme liegen für die Näherungsverfahren vor. Dabei ist - sofern die Bestellregel erfüllt ist (vgl. Ziffer 4.2 in diesem Abschnitt) - bei allen Verfahren der aus der Nettobedarfsrechnung ermittelte Ist-Eindeckungs- bzw. Unterdeckungstermin der Ausgangspunkt. Die zu diesem Zeitpunkt bestehende Unterdeckungsmenge muss mindestens bestellt werden. Anschließend addiert das System sukzessive jeweils die nächste Unterdeckungsmenge, d.h. den Bedarf der nächsten Periode (Tag, Woche oder Monat) zu dieser Bestellmenge, bis anhand des dem Verfahren zugrunde liegenden Kriteriums das Kostenminimum erreicht ist. Die verschiedenen Näherungsverfahren unterscheiden sich nur in der Art des Kostenminimums.
Ausgangspunkt der optimierenden Näherungsverfahren ist der ermittelte IstEindeckungs- bzw. Unterdeckungstermin
Auch das Optimierungsverfahren nach Groff lehnt sich an das Berechnungsmodell von Andler an. Es nutzt die Tatsache, dass im Kostenminimum die zusätzlich anfallenden Lagerhaltungskosten gleich der Losfixkostenersparnis sind. Es werden damit marginale Kostenüberlegungen angestellt. Da der GroffAlgorithmus nicht unbedingt verständlich erscheint und in der Praxis die oben genannten Verfahren präferiert werden, soll hier auf eine ausführliche Darstellung des Groff-Verfahrens verzichtet werden. 2
Groff-Verfahren
Bestellmengenbegrenzungen sind - sofern vorgegeben - auch hier zu beachten (siehe unter 5.2.2.2 in diesem Abschnitt).
1
In einem System der rollierenden Planung sind keine signifikanten Unterschiede in der Lösungsqualität zwischen den in der Praxis favorisierten Verfahren und den hier nicht behandelten Verfahren von Wagner und Whitin sowie von Groff festgestellt worden. Siehe dazu N. Tempelmeier, a.a.O., S. 167 ff. und die dort zitierte Literatur. 2 Für Einzelheiten siehe H. Arnolds, a.a.O., S. 85 ff.
411
5.2.3.1 Gleitende wirtschaftliche Bestellmengenverfahren Definition des gleitenden Bestellmengenverfahrens
Das gleitende wirtschaftliche Bestellmengenverfahren knüpft an die Eigenschaft der Andlerschen Formel an, dass die jährlichen Gesamtkosten an der gleichen Stelle ihr Minimum aufweisen wie die gesamten Stückkosten (einmalige Bestellkosten und anfallende Lagerhaltungskosten) pro Mengeneinheit. Es wird hier wegen des schwankenden Bedarfs in den Teilperioden (z.B. Monaten) das Minimum der Bereitstellungskosten gesucht (least unit cost-Verfahren). Das Grundprinzip besteht im Vergleich der Stückkosten, die bei der Zusammenfassung der Periodenbedarfe entstehen. Der Rechenvorgang wird so lange fortgesetzt, bis die Stückkosten bei Hinzunahme eines weiteren Periodenbedarfs wieder ansteigen. Es wird dann mit der Berechnung des nächsten Loses begonnen. • Die optimale Bestellmenge ist bei diesem Verfahren in der Periode mit den geringsten Stückkosten (einmalige Bestellund anfallende Lagerhaltungskosten) gefunden.
Formel für die gleitende wirtschaftliche Bestellmenge
Formelmäßig kann das Verfahren der gleitenden wirtschaftlichen Bestellmenge wie folgt dargestellt werden: • Optimale Bestellmenge = Kumulierter Bedarf bis zu der Teilperiode, für die gilt: Minimum von
Bestellkosten + kumulierte Lagerhaltungskosten kumulierter Bedarf
Das folgende Berechnungsbeispiel geht von der Annahme aus, dass während einer Periode ein gleichmäßiger Lagerabgang erfolgt, so dass der halbe Periodenbedarf der ersten Periode am Lager ist. 1 Umfasst die Bestellmenge nun auch den Bedarf 1
Nicht überzeugend ist, dass man in der Literatur und in der Praxis Ansätze findet, die die Lagerhaltungskosten in der Periode, in der die Materialien verbraucht werden, außer Acht lassen. So auch kritisch G. Olivier, Material- und Teiledisposition, Bonn 1977, S. 213. Auch stößt man auf Algorithmen, die ganz im Gegensatz dazu - von der Annahme ausgehen, dass im Verlauf einer jeden Periode überhaupt keine Entnahmen stattfinden. Vgl. vom Verf.: Materialdisposition in der Praxis, a.a.O., S. 70 ff. Theoretisch ist der im Text zugrunde gelegte Ansatz aufgrund seiner Übereinstimmung mit den Prämissen der Andler-Formel am ehesten zu akzeptieren. Der Praktiker sollte - ausgehend von den theoretischen Erkenntnissen - seine Entscheidung an der Vorratspolitik orientieren.
412
der zweiten Periode, so beträgt dessen durchschnittliche Lagerdauer 1,5 Perioden, das heißt, die ganze erste und die halbe zweite Periode. Zahlenbeispiel zur Berechnung der optimalen Bestellmenge mithilfe des gleitenden wirtschaftlichen Bestellmengenverfahrens
Beispiel 41: Es liegen folgende Angaben vor: Einstandspreis EP = 10,- DM je ME (Stück) Bestellkosten BK = 60,- DM je Bestellung Lagerhaltungskostensatz LHS = 24% p.a. Lagerhaltungskosten pro Stück und Monat
=
10 · 24 12 · 100
= 0,20 DM
Der für 11 Monate bekannte und schwankende Bedarf, und zwar der Netto- oder Beschaffungs- bzw. Fertigungsbedarf, ist der Tabelle 13 zu entnehmen. Die Summe der anfallenden Bestell- und Lagerhaltungskosten pro Stück für die einzelnen Perioden berechnet sich wie folgt: 1. Periode: 60 + 80 · 0,5 · 0,2 68 = 80 80 2. Periode: 60 + 80 · 0,5 · 0,2 + 25 · 1,5 · 0,2 75,50 = 105 80 + 25
= 0,85 DM
= 0,719 DM ≈ 0,72 DM
usw.
Wie aus der Tabelle 13 hervorgeht, lohnt es sich nicht, auch noch den Bedarf der 5. Periode zu Beginn der ersten Periode einzulagern, weil dann die Stückkosten wieder ansteigen. Somit liegt die optimale Bestellmenge bei 120 Stück, das heißt, bei dem bis zu dieser Periode aufgelaufenen Bedarf (80 + 25 + 10 + 5). Mit der 5. Periode beginnt der Rechenprozess wieder von neuem, bis das nächste Minimum erreicht ist. ⇐
Aufgabe 19
413
5.2.3.2 Kostenausgleichsverfahren Definition des Kostenausgleichsverfahrens
Das Kostenausgleichsverfahren geht von der zweiten besonderen Eigenschaft der Andler-Formel aus, nämlich der Gleichheit von Bestell- und Lagerhaltungskosten im Bestelloptimum. Danach wird die Bestellmenge so lange schrittweise erhöht, bis die kumulierten Lagerhaltungskosten die Bestellkosten überschreiten. Die bis dahin aufgelaufenen Bedarfe werden zusammengefasst. Der Bedarf, der zur Überschreitung der Lagerhaltungskosten über die Bestellkosten führt, wird zum „Erstbedarf“ der nächsten Bestellmenge. Aufgrund dieser Tatsache sind je Bestellmenge die Lagerhaltungskosten in der Regel niedriger als die Bestellkosten. • Die optimale Bestellmenge ist also dann gefunden, wenn die Lagerhaltungskosten näherungsweise den Bestellkosten entsprechen.
Formel für das Kostenausgleichsverfahren
Formelmäßig kann das Verfahren wie folgt dargestellt werden • Optimale Bestellmenge = Kumulierter Bedarf bis zu der Teilperiode, für die gilt: kumulierte Lagerhaltungskosten = Bestellkosten In der Tabelle 14 errechnet das Kostenausgleichsverfahren Bestellmengen von 160 Stück in der 1. Periode, 117 in der 6. Periode und ein „Zwangslos“1 von 5 Stück in der 11. Periode. Diese Bestellmengen hätten Gesamtkosten in Höhe von DM 95,20 zur Folge. Sie liegen damit gemäß Tabelle 15 über den entsprechenden Kosten beim Verfahren der gleitenden wirtschaftlichen Bestellmenge (DM 97,60 + DM 180,- = DM 277,60), was auf den unterschiedlichen mathematischen Ansatz zurückzuführen ist.
1
Da im Rahmen dieser vergleichenden Darstellung mit einem geschlossenen Horizont und nur 11 Teilperioden gearbeitet wird, ist das letzte Los stets der kritische Wert. Es muss ein „Zwangslos“ gebildet werden, wenn nur noch Restbedarfe zusammenzufassen sind. Bei einem offenen Horizont würde diese Bestellung nicht ausgelöst, da zum Bestelltermin wieder ein Bedarfshorizont bekannt wäre. Es könnte somit erneut eine „volle“ (optimale) Bestellmenge ermittelt werden. Damit ist ein Vergleich der Bestellkosten bedeutungslos.
414
Tabelle 13:
Ermittlung der optimalen Bestellmenge nach dem Verfahren der gleitenden wirtschaftlichen Bestellmengenrechnung
415
• Im Allgemeinen schneidet das Kostenausgleichsverfahren - und das gilt auch für das Stück-PeriodenAusgleichsverfahren (s.u.) - besser ab als das Verfahren der gleitenden Bestellmengenrechnung. 1 Optimale Bedarfszusammenfassung durch eine Lookahead- und Lookback-Abfrage
Durch eine Look-ahead-Abfrage (Vorwärtsrechnung) werden in Anlehnung an den Wagner-Whitin-Algorithmus 2 die Bestellmengen und damit auch die Gesamtkosten verändert. Dabei sind die Lagerhaltungskosten des letzten Bedarfs einer Bestellmenge mit dem darauffolgenden Bedarf zu vergleichen. In dem in Tabelle 15 gezeigten Beispiel sind es die Bedarfe der 6. und 7. Periode. Wird nämlich der Bedarf der 6. Periode noch innerhalb der ersten Bestellmenge bestellt, verursacht dieser Bedarf Kosten von DM 2,20, während der Bedarf der 7. Periode innerhalb der zweiten Bestellmenge Kosten von DM 5,- verursacht. Eine Erweiterung der ersten Bestellmenge um den Bedarf der 6. Periode bringt damit eine Einsparung an Lagerhaltungskosten von DM 8,- (Differenz aus DM 0,20 + DM 15,- gemäß Tabelle 14 und DM 2,20 + DM 5,- gemäß Tabelle 15). Weitere Kosteneinsparungen ergeben sich aus der verkürzten Lagerdauer auch der übrigen Bedarfe. Aus dem vergleichenden Zahlenbeispiel kann allgemein gefolgert werden, dass es Aufgabe des Look-ahead ist, zu verhindern, dass ein kleiner Bedarf, der nur sehr geringe Lagerhaltungskosten verursacht, das Auslösen einer neuen Bestellung bewirkt. Eine Weiterentwicklung stellt die Ergänzung der Look-aheadAbfrage durch eine Look-back-Abfrage (Rückwärtsrechnung) 1
Vgl. Arnolds/Heege/Tussing, a.a.O., S. 79. Beim Wagner-Whitin-Algorithmus handelt es sich um ein exaktes Verfahren, das auf der dynamischen Planungsrechnung beruht. Im Gegensatz zu den Näherungsverfahren wird die Bestellpolitik erst festgelegt, wenn der Planungshorizont nach einer Vorwärtsrechnung erreicht ist. Da die Bedarfsprognosen mit wachsendem Planungszeitraum in der Regel unzuverlässiger werden, kann der paradoxe Fall eintreten, dass die Näherungsverfahren zu besseren Ergebnissen führen (sog. Wagner-Whitin-Paradoxon). Siehe Arnolds/Heege/Tussing, a.a.O., S. 77. - Das Verfahren der dynamischen Planungsrechnung ist u.a. in der SAP-Software enthalten. Siehe SAP, Verbrauchsgesteuerte Disposition, a.a.O., S. 93 f.
2
416
dar. Dadurch sollen wie beim Verfahren der dynamischen Planungsrechnung die Bestell- und Lagerhaltungskosten für den gegebenen Planungszeitraum auf das theoretisch mögliche Minimum gebracht werden.
Tabelle 14:
Ermittlung der optimalen Bestellmenge nach dem Kostenausgleichsverfahren (ohne Look-ahead)
417
Tabelle 15:
Ermittlung der optimalen Bestellmenge nach dem Kostenausgleichsverfahren (mit Look-ahead)
5.2.3.3 Stück-Perioden-Ausgleichsverfahren Das Stück-PeriodenAusgleichsverfahren ist eine Variante des Kostenausgleichsverfahrens
Auch das Stück-Perioden-Ausgleichsverfahren 1 (Part Period Balance System) geht von der Erkenntnis aus, dass im Bestelloptimum die Bestell- und Lagerhaltungskosten einander entsprechen. Bei diesem Verfahren werden jedoch - abweichend vom Kostenausgleichsverfahren - zunächst die (spe1
Vgl. vom Verf.: Materialdisposition in der Praxis, a.a.O., S. 70 ff.
418
zifischen) Lagerhaltungskosten je Stück und Periode ermittelt. Der Quotient aus Bestellkosten und spezifischen Lagerhaltungskosten liefert den optimalen Part-Period-Wert, der sich als Produkt aus Stück und Periode ergibt. Nach der Ermittlung des optimalen Part-Period-Werts werden sodann die Stück-Perioden-Werte der jeweiligen Bedarfe solange kumuliert, bis der optimale Part-Period-Wert erreicht ist. Das Verfahren lässt sich formelmäßig wie folgt darstellen, wobei beispielhaft als Periodenwert ein Tag gewählt wird: • Spezifische Lagerhaltungskosten 1 EP LHS Lagerhaltungskosten (DM) = Stück · 100 · P (Tage) Stück · Tage
SLHK =
Formel zur Berechnung der optimalen Stück-Tage
• Optimaler Part-Period-Wert (hier: Stück-Tage-Wert) BK Bestellkosten Part-Period-Wert = spez. Lagerhaltungskosten = SLHK = optimale Stück-Tage Bei einem Part-Period-Wert von beispielsweise 100 Stück-Tage verursachen 20 Stück in 5 Tagen dieselben Lagerhaltungskosten wie 5 Stück in 20 Tagen. Nachfolgendes Beispiel soll der weiteren Erläuterung dienen: Zahlenbeispiel zur Berechnung der optimalen Stück-Tage
Beispiel 42: Es seien für eine Materialposition gegeben (s. Beispiel 41): = 10,- DM/ME EP LHS = 24 % BK = 60,- DM Periode = 240 Werktage (= Fabriktage) Dann ist: SLHK =
10 · 24 = 0,01 240 · 100
419
Tabelle 16:
420
40
20
40
15
10
5
20
20
20
20
2
5
20
50
10
20
20
25
20
80
20
tage
20
Bedarf
(Stück)
Fabrik-
5
117
160
menge
Bestell-
0,5
4,5
3,5
2,5
1,5
0,5
4,5
3,5
2,5
1,5
0,5
Lagerdauer
20 •
5 • 0,5 =
20 • 10 • 4,5 =
20 • 15 • 3,5 =
20 • 40 • 2,5 =
20 • 50 • 1,5 =
20 • 2 • 0,5 =
20 • 40 • 4,5 =
20 • 5 • 3,5 =
20 • 10 • 2,5 =
20 • 25 • 1,5 =
20 • 80 • 0,5 =
50
900
1050
2000
1500
20
3600
350
500
750
800
(ME)
Stück-Tage
50
5470
4570
3520
1520
20
6000
2400
2050
1550
800
(ME)
Kum.-Stück-Tage
6000
6000
6000
Tage-Menge
Optimale Stück-
60 BK SLHK = 0,01 = 6.000 = optimale Stück-Tage (= optimaler Part Period Wert)
Ermittlung der optimalen Bestellmenge nach dem Stück-Perioden-Ausgleichsverfahren
Nach Ermittlung des optimalen Part-Period-Wertes - ausgehend vom Zahlenbeispiel - werden sodann die Stück-Tage bei Bestellung des ersten Periodenbedarfs ermittelt. Anschließend wird der Bedarf der folgenden Periode hinzugenommen und die dazugehörigen Stück-Tage bestimmt. Dieser schrittweise Rechnungsprozess wird - wie aus Tabelle 16 hervorgeht - so lange fortgesetzt, bis die errechneten und kumulierten Stück-Tage die optimalen Stück-Tage erreicht haben.
Definition der optimalen Bestellmenge nach dem StückPeriodenAusgleichsverfahren
• Die optimale Bestellmenge ist also dann gefunden, wenn der zuvor errechnete Part-Period-Wert durch die Hinzunahme weiterer Stück-Tage überschritten wird. • Eine tagesgenaue Berechnung der Bestellmenge wird dadurch ermöglicht. Auch hier lässt sich die Lösung durch eine Look-ahead- und Look-back-Abfrage noch verbessern. Ein Beispiel aus der Praxis soll den Rechenprozess und die Einsatzmöglichkeiten des Stück-Perioden-Ausgleichsverfahrens nochmals veranschaulichen, das bei Übereinstimmung der Prämisse zwangsläufig zum gleichen Optimierungsergebnis wie das Kostenausgleichsverfahren führen muss und als eine Variante desselben verstanden werden kann. Es kommt vor allem bei dem in der EDV-Praxis häufig üblichen Rechnen in Fabriktagen zur Anwendung. Beispiel 43: Im technischen Einkauf des schweizerischen Chemieunternehmens CIBA-GEIGY erfolgt die Materialbewirtschaftung in zwei Phasen: -
In einem monatlich durchgeführten Programm werden die Kenndaten (Bestellpunkt, Losgröße und Sicherheitsbestand) 1 aufgrund der allgemeinen Bewirtschaftungs-Parameter sowie des Verbrauchs- und Bedarfsverlaufs ermittelt.
1
Bei linearem Verbrauch wird kein Sicherheitsbestand errechnet. Dieser entsteht erst bei Verbrauchsschwankungen und wird an Hand des Verbrauchs innerhalb der Wiederbeschaffungszeit unter Berücksichtigung des Servicegrades ermittelt. Der Servicegrad wird nach Artikelgruppen zwischen 51 und 99 % festgelegt.
421
Praxisbeispiel zum Stück-PeriodenAusgleichsverfahren
-
Wöchentlich werden die Lagerbestände unter Einbeziehung der Bestellungen und Reservierungen mit den Kenndaten verglichen und entsprechende Bestellvorschläge (Dispositionslisten) ausgedruckt.
Für die Berechnung der Losgröße wird im Allgemeinen die Andlersche Losgrößenformel benutzt. Sofern bei einem Artikel jedoch Bestände reserviert sind, erfolgt die Ermittlung mit dem Stück-Perioden-Ausgleichsverfahren. Zur Erläuterung des Ablaufs dient ein Zahlenbeispiel: Artikelpreis Bestellkosten Lagerhaltungskosten Bestellpunkt Beschaffungszeit Sicherheitsbestand Servicegrad
100,- sfr 90,- sfr 1,5 %/Monat 30 Stück 3 Perioden 6 Stück 90
Periode
1
2
3
4
5
6
7
8
Prognosebedarf
8
8
8
8
8
8
8
8
20
10
8
8
8
8
28
18
0
28
36
28
64
52
24
Reservierungen Gesamtbedarf Part-Period-Wert Kumulativ PP-Wert Lagerbestand
28
Bestellmenge
56
40 8
48
prognostizierte Lagerbestandsentwicklung
20
12
4
60
6
In der vorliegenden Anwendung ist die Bestellung durch das Unterschreiten des Bestellpunktes (30 Stück) ausgelöst worden. Die Aufgabe des PP-Verfahrens ist, die Bestellmenge zu berechnen. Bekannt ist der PP-Wert mit 60, da die Lagerhaltungskosten sich mit sfr. 1,50/Monat errechnen und 90 : 1,5 = 60 ist. Die Bestellmenge, die in der ersten Periode bestellt wird, trifft erst in der vierten Periode ein. Die Lagerhaltungskosten werden dann vom fünften Monat an berechnet. Diese Kosten überschreiten im sechsten Monat den PP-Wert. Folglich muss am
422
Ende dieses Monats nur noch ein Lagerbestand in Höhe des Sicherheitsbestandes vorhanden sein. Davon ausgehend wird durch Kumulation der Bedarfe die Bestellmenge berechnet (kumulierte Bedarfe plus Sicherheitsbestand minus Lagerbestand), also 6 · 8 + 10 + 20 - 28 + 6 = 56 Stück. ⇐ ⇐ ⇐
6.
Aufgabe 20 Aufgabe 21 Aufgabe 22
Die Berechnung von Sicherheitsbestand und Sicherheitszeit
In der Besprechung der Dispositionsverfahren wurde der Sicherheitsbestand zwar erwähnt, aber nicht näher erläutert. Außer der Bildung wirtschaftlicher Bestellmengen muss aber auch überprüft werden, inwieweit Unsicherheitsfaktoren in der Disposition durch entsprechende Sicherheitsmaßnahmen aufgefangen werden müssen. Vor allem aus folgenden Gründen können Abweichungen zwischen geplantem und tatsächlichem Materialzugang und -verbrauch auftreten: (1) Verbrauchsabweichungen (2) Lieferterminabweichungen (3) Abweichungen der Liefermenge von der Bestellmenge (Minderlieferungen und Retouren aufgrund von Qualitätsmängeln) (4) Fehler bei der Bestandsführung (Istbestand ungleich Buchbestand) Diese Unsicherheiten, die Abb. 82 verdeutlicht, sollen mithilfe des Sicherheitsbestandes abgedeckt werden. Zwar ist vor allem bei stochastischer Bedarfsermittlung in Abhängigkeit von der Genauigkeit des Prognoseverfahrens und der Wahl der Bestell-
423
Funktionen des Sicherheitsbestandes
regel bzw. -strategie mit Prognosefehlern, d.h. mit Abweichungen der Ist-Daten von den Prognose-Daten zu rechnen. Aber auch bei der deterministischen Methode der Bedarfsermittlung können unvorhersehbare Ereignisse die rechtzeitige Bereitstellung von industriellen Einsatzstoffen und Handelswaren in Frage stellen.
Abbildung 82:
Unsicherheiten in der Materialdisposition 1
Wenn der Sicherheitsbestand - auch Mindestbestand oder „eiserne Reserve“ genannt - eine echte Sicherheit bieten soll, d.h., zum Auffangen der genannten inner- und außerbetrieblichen Störungen angelegt wird, dann muss der Bestellpunkt so fixiert werden, dass bei normaler Durchführung des Beschaffungsvorgangs und „planmäßigen“ Lagerentnahmen während der Be1
Vgl. VDI, a.a.O., S. 83.
424
schaffungszeit die neue Lieferung dann der Fertigung oder dem Verkauf zur Verfügung steht, wenn der Sicherheitsbestand noch nicht angegriffen ist. 1 Das Risiko von Fehlmengen kann jedoch auch durch einen extrem hohen Sicherheitsbestand nicht vollständig ausgeschlossen werden. Auch ist - wie die weiteren Ausführungen zeigen werden - eine Soll-Lieferbereitschaft von nahezu 100 % aus Kostengründen nicht erstrebenswert. Daher besteht die Aufgabe des Einkaufs darin, den Risikofaktoren wie mangelnde Zuverlässigkeit von Lieferanten durch Maßnahmen der Lieferanten- und/oder Vertragspolitik entgegen zu wirken. Auch schützt eine große Bestellmenge mehr gegen Fehlmengen vor Ablauf der Beschaffungszeit als eine kleine.
Verminderung des Fehlmengenrisikos durch einkaufspolitische und dispositive Maßnahmen
6.1 Bestimmung der Lieferbereitschaft Einer übertriebenen Vorratssicherung sind - wie bereits erwähnt - schon durch die Lagerkapazität sowie durch den höheren Kapitalbedarf, der die Liquidität der Unternehmung vermindert, Grenzen gesetzt. Ansonsten ist der Umfang der Reservehaltung am wirtschaftlichen Erfolg zu beurteilen, d.h., es sind die Lagerhaltungskosten, die durch Sicherheitsvorräte verursacht werden, den Kosten gegenüberzustellen, die bei fehlendem Material entstehen.
Der Vorratssicherung sind Grenzen gesetzt
Einerseits unterhält man den Sicherheitsbestand, um einen hohen Grad der Lieferbereitschaft (Servicegrad) zu erreichen, andererseits steigen die Kosten überproportional an, je höher der Grad der Lieferbereitschaft wird (siehe Abb. 83). 2 Der Servicegrad ist eine zumeist vom Management festzulegende Größe, in der die Einschätzung der Fehlmengenkosten indirekt zum Ausdruck kommt: Je gravierender die Folgen einer Unterdeckung eingeschätzt werden, umso höher wird man den 1
Vgl. dazu die Formel zur Ermittlung des Bestellpunktes unter Ziffer 3.3.1 in diesem Abschnitt. Vgl. IBM, IMPACT - Wirtschaftliche Lagerhaltung mit wissenschaftlichen Methoden, a.a.O., S. 36. - Siehe auch Ziffer 6.3.2 in diesem Abschnitt.
2
425
Es ist das Optimum aus gegenläufigen Kosten - den Kosten des Sicherheitsbestandes und der Fehlmengen - zu finden
Servicegrad und damit den Sicherheitsbestand ansetzen. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass Fehlmengen auftreten, verringert sich mit der Erhöhung des Servicegrades.
Abbildung 83:
Abhängigkeit der Kapitalbindungskosten vom Servicegrad
Es darf also nicht außer Acht gelassen werden, dass die Lagerhaltungskosten nur eine der beiden Kostenkomponenten darstellen, die bei der Festsetzung des Lieferbereitschaftsgrades zu berücksichtigen sind. Eine weitere Einflussgröße sind die Fehlmengenkosten, auch Stock-out-Costs genannt, die anfallen, wenn ein auftretender Bedarf nicht aus dem Vorrat gedeckt werden kann. Diese Kosten können sein: -
Mehrkosten bei Stilllegung bestimmter Anlagen, die in der Lohnabrechnung gleichzeitig als Wartezeiten (wegen Stockung in der Fertigung) und Überstunden (wegen Nacharbeit des Produktionsausfalls) erkennbar sind,
426
-
Konventionalstrafen, die Aufträgen direkt zugerechnet werden können, Umsatzverluste, wenn aufgrund von Unterbrechungen in der Materialversorgung im Absatzbereich Lieferschwierigkeiten auftreten. Imageverluste, die zwar nicht unmittelbar quantifizierbar sind, die auf lange Sicht aber zu Umsatzverlusten führen können, wenn Kunden wegen Lieferterminverzögerungen in Zukunft ihren Bedarf bei der Konkurrenz decken.
Weitaus häufiger als die genannten Fehlmengenkosten sind Kosten, die entstehen, wenn mithilfe von Sondermaßnahmen drohende Unterbrechungen in der Materialversorgung verhindert werden sollen. Zu diesen „indirekten“ Kosten sind zu rechnen: erhöhte Reise- und Kommunikationskosten, erhöhte Transportkosten (Flug- anstelle Bahnfracht), Preiszuschläge für sofort verfügbare Ware und schließlich erhöhter Personalaufwand in Einkauf und Disposition. Kennzeichnend für diese indirekten Fehlmengenkosten ist, dass sie in der Kostenrechnung untergehen und damit im Einzelfall nicht nachzuweisen sind. Wie aber ist der optimale Servicegrad zu bestimmen, bei dem die Gesamtkosten (Lagerhaltungs- und Fehlmengenkosten) ein Minimum erreichen? Der dazu entwickelte mathematische Ansatz erscheint zu kompliziert und aufwendig, um in die Praxis übernommen zu werden. Vorzuziehen ist folgende näherungsweise Fixierung des Servicegrades: • Der Servicegrad wird durch Management-Entscheidung festgelegt. Dabei werden berücksichtigt: - Bedeutung des Artikels für den Produktionsprozess bzw. Absatz (Sortimentspolitik) - Stellung zum Lieferanten, um drohenden Unterbrechungen mit Sondermaßnahmen zu begegnen (die allerdings Kosten verursachen) - Kontinuität der Verbrauchsstruktur - Kosten des Servicegrades (vgl. Abb. 83) - Wertmäßiger Verbrauch und Lagerfähigkeit der Artikel
427
Der optimale Lieferbereitschaftsgrad ist näherungsweise durch ManagementEntscheidung zu bestimmen
Zu berücksichtigen sind Konsequenzen, die eintreten, wenn für untergeordnete Teile ein relativ niedriger Servicegrad geplant wird. Zahlenbeispiel zum Einfluss des Servicegrades auf die Verfügbarkeit
Beispiel 44: Eine Baugruppe besteht aus drei Teilen, von denen jedes eine geplante Verfügbarkeit von 90 % hat. Diese Baugruppe kann nur in 73 % der Fälle, in der sie benötigt wird, montiert werden. Zu diesem Ergebnis gelangt man, indem man die jeweiligen Verfügbarkeiten multipliziert (0,9 · 0,9 · 0,9). Sollte die Baugruppe in 90 % aller Bedarfsfälle montiert werden, so müsste für jedes der drei Teile ein Servicegrad von ca. 97 % aufrechterhalten werden (0,97 · 0,97 · 0,97 = 0,913).
Das Austauschprinzip führt zu praktikablen Kompromissen
Wenn der Absatz eine hohe Lieferbereitschaft verlangt, kann die Materialwirtschaft einen Kostenvoranschlag erstellen, der die dadurch verursachten zusätzlichen Lagerhaltungskosten ausweist. Nach einer bestimmten Periode, beispielsweise nach einem Jahr, sind die tatsächlichen Kosten zusammenzufassen. Unter Umständen zeigt sich dann, dass eine geringfügig schlechtere Lieferbereitschaft in Kauf genommen werden sollte, damit die Kosten der Vorratshaltung gesenkt werden. Mit diesem sogenannten Abtauschprinzip kann der bestmögliche Kompromiss zwischen Lieferbereitschaft und Kosten angestrebt werden.
Strategien für die Festlegung der Lieferbereitschaft
Zusammenfassend lassen sich folgende Strategien formulieren: • Der Servicegrad muss für jeden Artikel oder für jede Artikelgruppe differenziert betrachtet werden. Dabei sind besonders kritische Artikel (z.B. Engpassmaterialien) auszusortieren und außerhalb der ABC- und XYZ-Regeln zu betrachten. • Von den verbleibenden Artikeln ist für die A-Artikel wegen der hohen Kosten der Kapitalbindung ein niedriger Servicegrad zu wählen. Gleichzeitig ist für diese Artikel eine gesonderte Überwachung sicherzustellen, um drohenden Fehlbestand frühzeitig zu erkennen.
428
• Die C-Artikel sollten mit hohem Servicegrad versehen werden, da die angestrebte Sicherheit mit niedriger Kapitalbindung erreicht werden kann. • Für die Artikel mit einer geringen Vorhersagegenauigkeit (Z-Artikel) ist der Servicegrad besonders sorgfältig zu planen. • Schließlich sind - vor allem für CX- und BX-Artikel - tendenziell große Bestellmengen festzulegen, da diese allein schon mehr gegen Fehlmengen vor Ablauf der Beschaffungszeit schützen als kleine. • Letztendlich sind für A-Artikel im Rahmen der Lieferantenund Vertragspolitik risikominimierende Sourcing-Strategien mit leistungsfähigen und zuverlässigen Lieferanten anzustreben.
6.2 Verfahren zur Bestimmung des Sicherheitsbestandes Zur Bestimmung des Sicherheitsbestandes gibt es in der Hauptsache folgende Verfahren: (1) Festlegung eines konstanten Sicherheitsbestandes aufgrund von Erfahrungswerten (2) Bestimmung des dynamischen Sicherheitsbestandes in Abhängigkeit von einer Sicherheitszeit (3) Bestimmung des Sicherheitsbestandes in Abhängigkeit vom Lieferbereitschaftsgrad
6.2.1 Festlegung eines konstanten Sicherheitsbestandes aufgrund von Erfahrungswerten Um sich gegen die erwähnten Risiken in einem bestimmten Ausmaß zu schützen, müssen weitgehend Erfahrungswerte zur Bestimmung von Sicherheitsbeständen herangezogen werden. Dabei besteht die Gefahr, dass aus falsch verstandenem Si-
429
Die Festlegung konstanter Sicherheitsbestände erweist sich oft als kostspielig
cherheitsdenken hohe Bestände aufgebaut werden. Daher ist insbesondere der Ansatz eines konstanten Sicherheitsbestandes nicht unumstritten. Dabei wird in der Regel vereinfacht angenommen, dass • BSI = möglicher Mehrverbrauch während der Beschaffungszeit, beispielsweise Vorhaltung von einem Drittel des Verbrauchs während der normalen Beschaffungszeit. • Dieses Verfahren ist zwar einfach zu handhaben, erweist sich aber oft als kostspielig, weil - der Sicherheitsbestand aus übergroßer Vorsicht meist zu hoch angesetzt wird und - keinem regelmäßigen Änderungsdienst unterliegt. Im Einzelfall wird zu prüfen sein, ob die Funktion des Sicherheitsbestandes zu erweitern ist und neben Verbrauchsabweichungen (Prognosefehler und Mehrausschuss), Lieferzeitüberschreitungen, Minderlieferungen und Bestandsabweichungen zu berücksichtigen sind. Bei diesem Konzept ergäbe sich unter Anwendung des Gesetzes über die Fehlerfortpflanzung die Höhe des Sicherheitsbestandes nach der Formel: 1 Formel zur Berechnung des Sicherheitsbestandes nach dem Fehlerfortpflanzungsgesetz
• BSI = L2 + V 2 + M2 + B2 Dabei bedeuten: BSI L V M B
1
= = = = =
Sicherheitsbestand Lieferzeitabweichungen Verbrauchsabweichungen Minderlieferungen Bestandsabweichungen aufgrund von Buchungsfehlern, Diebstahl usw.
Vgl. F. de Micheli, Grundlagen und Methoden der Materialwirtschaft, in: K. Brankamp, Hrsg., Handbuch der modernen Fertigung und Montage, München 1975, S. 506. - Dem Fehlerfortpflanzungsgesetz liegt die Erkenntnis zu Grunde, dass sich Fehler nicht in der gleichen Richtung fortpflanzen, sondern ihre Wirkung im Gesamtergebnis zu einem Mittelwert tendiert.
430
Die Formel zeigt, dass der Sicherheitsbestand kleiner ist als die Summe der Abweichungen. Würden diese nur addiert, so wären weit überhöhte Sicherheitsbestände die Folge.
6.2.2 Bestimmung des dynamischen Sicherheitsbestandes Nach Zeigermann 1 kann
Bedarfsorientierter Sicherheitsbestand
ein wirtschaftlich vertretbarer Sicherheitsbestand nur als gleitender (dynamischer) Sicherheitsbestand geplant werden. Deshalb ist es sinnvoll, als Parameter eine Sicherheitszeit festzulegen. Über eine „Reichweitenrechnung“ 2 kann sodann ein bedarfsorientierter Sicherheitsbestand bestimmt werden. Dieser dynamische Sicherheitsbestand wird auf der Grundlage des durchschnittlichen Tagesbedarfs errechnet. Ein Beispiel soll die Vorteilhaftigkeit des dynamischen Sicherheitsbestandes im Vergleich zum konstanten Sicherheitsbestand erläutern: Beispiel 45: Die Sicherheitszeit TSI für Unsicherheiten der Bedarfsvorhersage - weitere Störfaktoren sollen hier nicht berücksichtigt werden - wird mit 20 Tagen festgelegt. (Damit kann ein bis zu 20 Tagen schnellerer Verbrauch aufgefangen werden). Der durchschnittliche Tagesverbrauch beträgt 80 Stück. Dann ist: BSI = Sicherheitsbestand = BM · TSI BSI = 20 · 80 Stück BSI = 20 · 80 = 1.600 Stück
1
J.R. Zeigermann, Elektronische Datenverarbeitung in der Materialwirtschaft, a.a.O., S. 168. Siehe SAP, Bedarfsplanung, a.a.O., S. 104 ff.
2
431
Zahlenbeispiel zum gleitenden Sicherheitsbestand
Wenn der Verbrauch auf 50 Stück zurückgeht, erfolgt automatisch eine Anpassung des Sicherheitsbestandes an die neue Verbrauchssituation, denn es ist nun BSI = 20 · 50 = 1.000 Stück. Wäre ein fester Sicherheitsbestand vorgegeben worden, so wäre dieser jetzt um 600 Stück zu hoch. Wie aus dem Beispiel zu erkennen ist, muss bei Planung eines gleitenden Sicherheitsbestandes die Sicherheitszeit nicht geändert werden. Lediglich bei einer Änderung der gewünschten Lieferbereitschaft ist jene neu zu bestimmen, nicht jedoch bei sich ändernden Bedarfszahlen, wie es bei Festlegung des Sicherheitsbestandes erforderlich wäre. Bei Beachtung weiterer Störfaktoren ist die Sicherheitszeit unter Anwendung des Gesetzes über die Fehlerfortpflanzung wie folgt zu ermitteln: • TSI = TLVZ 2 + TV 2 + TM 2 + TB 2 Dabei bedeuten: TSI = Sicherheitszeit TLVZ = Sicherheitszeit zur Abdeckung von Lieferzeitverzögerungen TV = Sicherheitszeit für Verbrauchsabweichungen TM = Sicherheitszeit für die Abdeckung von Minderlieferungen TB = Sicherheitszeit für die Abdeckung von Fehlbeständen
6.2.3 Bestimmung des Sicherheitsbestandes in Abhängigkeit vom Lieferbereitschaftsgrad Der Berechnung des Sicherheitsbestandes liegt die Häufigkeitsverteilung der Verbrauchswerte in der Vergangenheit zugrunde
Das statistisch geeignete Streuungsmaß für Prognosefehler ist die Standardabweichung. Dabei ist der Berechnung des Sicherheitsbestandes der Verteilungstyp (z.B. Normalverteilung, Exponentialverteilung oder logarithmische Verteilung) zugrunde zu legen, der sich der aus den Vergangenheitswerten ersichtli-
432
chen effektiven Häufigkeitsverteilung am besten anpasst. Das nachfolgende Beispiel veranschaulicht die Vorgehensweise. Beispiel 46: Die Gebr. Eickhoff Maschinenfabrik und Eisengießerei mbH, Bochum, ist ein führender Hersteller von Sondermaschinen für den untertägigen Einsatz. Der extrem variierende Bedarf erstreckt sich auf über 120.000 Einzelteile, wobei der Ersatzteilbedarf fast ein Drittel ausmacht.
Praxisbeispiel zur Optimierung des Sicherheitsbestandes
Sehr hohe Stillstandskosten der Endprodukte bedingen eine besonders sorgfältige Bewirtschaftung der Sicherheitsbestände. Es wurde daher ein Verfahren eingeführt, das auf folgenden Ansätzen beruht. 1. Der mittlere Verbrauch der vergangenen Perioden wird als arithmetisches Mittel festgestellt. 2. Die jeweiligen Abweichungen werden als Häufigkeitsverteilung (zumeist als Histogramme geläufig) ermittelt. 3. Diese Verteilung wird einem Typ mehrerer verschiedener Modelle zugeordnet - dabei wird auch die symmetrische Gauß-Verteilung („Glockenkurve“) berücksichtigt. 4. Die mathematischen Variablen werden so bestimmt, dass eine weitestgehende Musterübereinstimmung gegeben ist. 5. Die Menge, die den zu erreichenden Prozentsatz aller Fälle („Servicegrad“) abdeckt, führt zum Sicherheitsbestand. Nach Einschwingen des Systems reduzierten sich drastisch: - fehlende Verfügbarkeiten - um über 60 % - die Materialbestände - um über 20 % - der personelle Dispositionsaufwand - um etwa 40 % Zur Verringerung der Varianzen wurde im nächsten Schritt eine „Varianzsteuerung“ 1 realisiert, bei der Sicherheitsbestände nur aus „Kurzfristbedarfen“ errechnet wurden, deren Bedarfsvorlauf (Lieferzeit etc.) kürzer ist als die Wiederbeschaffungszeit. Abb. 84, in der eine Normalverteilung dargestellt wird, veranschaulicht, dass der Disponent, der sich auf den Mittelwert der 1
E. Gerlich, Varianzgesteuerte Disposition, in: Beschaffung aktuell, Nr. 7, Leinfelden 1989, S. 45 f.
433
Erläuterung der Gesetzmäßigkeiten bei normal verteilten Bedarfswerten
Vergangenheit als erwarteten Bedarf einrichtet, nur mit 50 %iger Wahrscheinlichkeit damit rechnen kann, dass der tatsächliche Verbrauch - wie in diesem Beispiel - nicht größer als 100 ME ist. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 84,13 % - ist der tatsächliche Verbrauch nicht größer als 105 ME. Wer also einen Servicegrad von 84,13 % sicherstellen will, muss 5 ME als Sicherheitsbestand auf Lager legen. Analoge Schlussfolgerungen gelten für noch höhere Servicegrade.
Abbildung 84:
Verwendung der mittleren absoluten Abweichung in der Praxis
Gaußsche Normalverteilung und MAD's MAD · 1.25 = SIGMA
Das statistisch geeignete Streuungsmaß für Prognosefehler ist - wie erwähnt - die Standardabweichung. 1 Dennoch verwendet man in der Praxis überwiegend die mittlere absolute Abweichung (Medium Absolute Deviation; MAD). Diese entspricht der Summe der absoluten Fehler bei der Bedarfsprognose, geteilt durch die Anzahl der berücksichtigten Fehler. Da bei normal 1
Durch die Standardabweichung wird die Form der Verteilung der Abweichungen vom arithmetischen Mittel bestimmt. Vgl. hierzu auch unsere Ausführungen unter Ziffer 2.4.1 in diesem Abschnitt und die dort wiedergegebene Abb. 67.
434
verteilten Prognosefehlern - und nur in diesem Fall - für MAD die gleichen mathematischen Gesetzmäßigkeiten gelten wie für die Standardabweichung, kann der Sicherheitsfaktor für einen gewünschten Servicegrad ermittelt werden. In Tabelle 17 sind Sicherheitsfaktoren für unterschiedliche Servicegrade zusammengestellt. Die Berechnung des Sicherheitsbestandes erfolgt dann nach der Formel • BSI = SF · MAD MAD · 1.25 = SIGMA
Formel zur mathematischen Berechnung des Sicherheitsbestandes
Dabei bedeuten: BSI = Sicherheitsbestand SF = Sicherheitsfaktor MAD = Medium Absolute Deviation (mittlere absolute Abweichung) Durch die Festlegung von SF für MAD - wie in Tabelle 17 geschehen - lassen sich die Multiplikationen vermeiden, d.h. SF wurde bereits um 1,25 korrigiert. Servicegrad 50,00 78,81 84,13 94,52 97,72 99,18 99,87 Tabelle 17:
Sicherheitsfaktor 0,00 1,00 1,25 2,00 2,50 3,00 3,75 Sicherheitsfaktoren für unterschiedliche Servicegrade bei normalverteilten Vergangenheitswerten
Die Beispiele 25 und 26 in diesem Abschnitt illustrieren die praktische Anwendung dieser Formel im Zusammenhang mit der Bedarfsprognose. Grundsätzlich ist festzustellen, dass
435
dieses mathematisch-statistische Verfahren in Verbindung mit der optimalen Bestellmenge weitgehend die Wünsche nach einer fertigungs- und/oder kundenorientierten Disposition und einer kostenoptimalen Lagerhaltung erfüllt, zumal es die Notwendigkeit einer möglichst hohen Prognosequalität verdeutlicht. Wenn die Beschaffungszeit um das x-fache größer als die Prognoseperiode ist, so muss der MAD auf diesen Zeitraum umgerechnet werden. 1 ⇐
7.
Aufgabe 23
Kontrolle der Materialdisposition
Kontrolle im Rahmen der Materialdisposition heißt nicht Nachprüfung der Dispositionsvorgänge im Sinne einer internen Revision. Vielmehr ist die Möglichkeit zur Steuerung der Vorratshaltung gemeint, für die sich Kennzahlen als wertvolle Hilfsmittel insbesondere dann erweisen, wenn sie als Soll-Größen vorgegeben werden.
7.1 Kennzahlen der Materialdisposition Die Überwachung der Bestände und ihre Ergänzung kann in der Regel relativ leicht aufgrund der auf den Dispositionsunterlagen vermerkten Angaben über Sicherheitsbestände, Lagerhöchstbestände, Bestellpunktbestände (= Meldebestände) und Bestellmengen erfolgen. Dagegen bedarf es zur Kontrolle der Wirtschaftlichkeit der Vorratshaltung bei gleichzeitiger Sicherung der Lieferbereitschaft der Bildung und regelmäßigen Errechnung von Kennzahlen. Mit anderen Worten: Die Kenn1
Siehe SAP, Verbrauchsgesteuerte Disposition, a.a.O., S. 147 f.
436
zahlen müssen auf die Hauptaufgaben der Disposition abgestimmt sein.
7.1.1 Kennzahlen für die Kontrolle der Lieferbereitschaft Die gebräuchlichsten Kennzahlen zur Überprüfung und Steuerung der Lieferbereitschaft sind die Order-fill-Rate und der Stückservice. Die Order-fill-Rate - auch Bedarfsservice genannt - kann täglich durch das Marketing, der Stückservice z. B. für A-Artikel täglich durch die Materialwirtschaft/Logistik gemessen werden: • Order-fill-Rate =
Der Servicegrad ist die gebräuchlichste Kennzahl zur Kontrolle der Lieferbereitschaft
Komplett erfüllte Aufträge · 100 Anzahl der Aufträge
Sofort bediente Menge · 100 • Stückservice = Gesamtanforderungsmenge/Periode
7.1.2 Kennzahlen für die Kontrolle der Vorratsbestände Die wichtigsten Kennzahlen für die Bestandskontrolle sind folgende: (1) (2) (3) (4)
Durchschnittlicher Lagerbestand Umschlagshäufigkeit Lagerdauer (Eindeckzeit) Lagerreichweite Der durchschnittliche Lagerbestand gibt die durchschnittliche Kapitalbindung an
Zu (1): • Durchschnittlicher Lagerbestand =
Anfangsbestand + Endbestand 2
(gilt nur bei verhältnismäßig konstanten Zu- und Abgängen) oder
437
Jahres-Anfangsbestand + 12 Monats-Endbestände 13 Der durchschnittliche Lagerbestand gibt an, in welcher Höhe Kapital im Durchschnitt einer Periode (Jahr) durch die Lagervorräte gebunden wird. Er kann bei einer gegebenen Jahresbedarfsmenge je nach Höhe der Bestellmenge bzw. der Bestellhäufigkeit sehr unterschiedlich hoch sein und die Kapitalbindung entsprechend beeinflussen. Die Ermittlung der Lagerumschlagshäufigkeit, der Lagerhaltungskosten und der optimalen Bestellmenge setzt die Berechnung des durchschnittlichen Lagerbestandes voraus. Zu (2) Jahresverbrauch • Umschlagshäufigkeit = ØLagerbestand Die Ermittlung der Umschlagshäufigkeit sollte nicht pauschal für die gesamten Lagervorräte, sondern getrennt nach Materialgruppen oder Materialpositionen (A-Artikel) errechnet werden. Andernfalls führt die Ermittlung, wie folgendes, bei einer RKW-Untersuchung gewonnenes Beispiel zeigt, zu keinem brauchbaren Ergebnis. 1 Praxisbeispiel zur Aussagefähigkeit der Umschlagshäufigkeit
Beispiel 47: Ein Industrieunternehmen wies die durchschnittliche Umschlagshäufigkeit für die Rohstoffe mit 15 und für bezogene Teile mit 12 aus. Die für die einzelnen Materialgruppen ermittelten Umschlagszahlen variieren aber zwischen 1 und 80: Gussteile 8 Heizelemente 32 Reglertrafos 20 Aggregate 7 Herdmaterial 11 Schrauben und Nichteisenmetalle 5
1
Fritten Galvanisierungsstoffe Verpackung Werkzeugstahl Bleche Muttern Hilfsmaterialien
12 13 80 1 20 7 3
Vgl. H. Benz, Rationeller Einkauf - optimale Lagerhaltung, a.a.O., S. 54.
438
Lager- und Verweildauer sind Synonyme
- Zu (3) und (4): • Lagerdauer (inTagen) =
Zahl der Tage der Periode Umschlagshäufigkeit
oder =
Durchschnittlicher Lagerbestand · 12 Gesamtverbrauch (pro Jahr)
Die Lagerdauer besagt, wie lange eine Materialposition oder eine Materialgruppe durchschnittlich lagert, bzw. durchschnittlich im Lager „verweilt“. Zugleich liefert sie eine Aussage darüber, wieviel Verbrauchsperioden ein durchschnittlicher Bestand abdeckt. Die durchschnittliche Lagerdauer ist nicht mit der Zeit zu verwechseln, für die ein bestimmter Bestand ausreicht, d.h. für die Reichweite der Vorratsbestände an einem Stichtag.
Lagerreichweite und Lagerdauer sind nicht identisch
Ein einfaches Zahlenbeispiel soll diese begriffliche Abgrenzung verdeutlichen: Beispiel 48: In seiner einfachsten Form kann der Durchschnittsbestand für eine Materialposition aus folgenden Angaben errechnet werden: Anfangsbestand Endbestand
480,- EUR 120,- EUR 480 + 120 Durchschnittsbestand = 2
= 300,- EUR
Es wird ferner angenommen: Konstanter Verbrauch 60,- EUR/Monat 300 Dann ist die Lagerdauer = 60 EUR/Monat = 5 Monate Die Dauer der Entnahmemöglichkeit ist dagegen:
439
Zahlenbeispiel zur Berechnung der Lagerdauer und Reichweite
Reichweite
480 = 60 EUR/Monat = 8 Monate
Der Anfangsbestand sichert den Verbrauch von 8 Monaten. lm Durchschnitt wird ein Bestand gehalten, der den Verbrauch von fünf Monaten deckt. Die Ist-Eindeckungszeit oder Lagerreichweite als dispositive Steuerungsgröße
Um die Reichweite des Lagerbestandes für Dispositionsentscheidungen im Rahmen der Bestellterminrechnung heranzuziehen, sind dem effektiven Lagerbestand die offenen Bestellungen hinzuzurechnen. Die Ist-Eindeckungszeit oder Lagerreichweite gibt sodann die Zeitspanne an, für die der verfügbare Bestand noch zur Bedarfsdeckung ausreicht. 1
Der Aufwand für die Ermittlung der Kennzahlen muss sich lohnen
Der Aufwand für die Ermittlung der Kennzahlen lohnt sich dann, wenn diese im Zeitablauf beobachtet, mit Kennzahlen gleich oder ähnlich gelagerter Betriebe verglichen und die Ergebnisse im Sinne einer Leistungsverbesserung verwertet werden.
7.2 Bestandscontrolling und -planung Standards sind vorgegebene Sollgrößen
Lagerbestände binden in erheblichem Umfang betriebsnotwendiges Kapital, das in anderen Unternehmensbereichen rentabler eingesetzt werden könnte. Außerdem beeinflussen die Lagerbestände die Liquidität und verursachen erhebliche Kosten. Deshalb versucht das Controlling Standards zu entwickeln. In diesen Steuerungsgrößen findet die Beschaffungs- und Vorratspolitik des Materialmanagement ihren Niederschlag. Der Vergleich mit den Ist-Werten führt bei nennenswerten Abweichungen zu entsprechenden Maßnahmen. Um die Ursachen der Abweichungen zu erforschen, haben sich in der Praxis Prüflisten als zweckmäßig erwiesen.
Bei der Berechnung der Soll-Lagerreichweite sind die Ergebnisse der ABCAnalyse zu berücksichtigen
Der gebräuchlichste Standard ist die Soll-Lagerreichweite. Zu seiner Berechnung werden folgende Angaben benötigt: -
1
die Prognose des zukünftigen Bedarfs
Für Einzelheiten siehe 4. Abschnitt, Ziffer 4.
440
-
ermittelte Beschaffungszeit geplante Sicherheit
Die Ermittlung von Standards für jede Materialdisposition ist zu aufwendig. Zweckmäßigerweise sollten daher die Ergebnisse der ABC-Analyse herangezogen und für jede der drei Wertgruppen ein repräsentativer Standard ermittelt werden. Für den laufenden Soll-Ist-Vergleich - etwa monatlich - genügt es dann, die Standard-Lagerreichweiten der Wertgruppen mit den entsprechenden Ist-Lagerreichweiten zu vergleichen, die aus den Zahlen der Bestandsfortschreibung ermittelt werden. Als eigener oder ergänzender Schritt kann die Lagerreichweiten-Analyse verfeinert durchgeführt werden. Dazu ist es sinnvoll, vor allem folgende Bestände getrennt zu betrachten: 1 -
-
Verfeinerung der LagerreichweitenAnalyse
Ersatzteile: Diese unterliegen gegenüber Teilen oder Artikeln des aktuellen Produktions- oder Verkaufsprogramms anderen Bedingungen. Saisonartikel: Die Jahreszyklus-Kurven saisonalbeeinflusster Artikel oder Teile sind im Rahmen der Analyse zu beachten. Von Vorteil ist es, wenn derartige Artikel im Artikelstamm gekennzeichnet sind. In diesem Fall könnten die Artikel aussortiert und getrennt beurteilt werden. Überbestände auf der Basis bekannter Ursachen: In diese Kategorie fallen beispielhaft Artikel, für die Sonderaktionen mit aggressiver Werbung durchgeführt werden.
Darüber hinaus verdienen im Rahmen des Bestandscontrolling u.a. noch folgende Kennzahlen Beachtung: 2 • Bestände ohne Bewegungen („Bodensatz“) Werden Lagerbestände über einen längeren Zeitraum (z.B. ein Jahr) nicht in Anspruch genommen, so kann man von „Bodensatz“ sprechen, der sich aufgrund von Fehlsteuerungen, nicht 1
Vgl. K. Bichler / N. Schröter, Praxisorientierte Logistik, Stuttgart 1995, S. 38 f. Bornemann verweist vor allem auf die Relation Bestände/Umsatz des Folgejahres, um die Angemessenheit des Bestandsniveaus zu beurteilen. Siehe H. Bornemann, Bestände/Controlling, Wiesbaden 1986, S. 28 ff. - Für weitere Hinweise siehe auch vom Verf., Bestandsmanagement und -Controlling, a.a.O., S. 60 ff.
2
441
Kennzahlen des Bestandscontrolling
erkannten Veränderungen von Einflussgrößen oder auch von Störungen angesammelt hat. Ziel des Bestandscontrollings muss es sein, den „Bodensatz“ zu eliminieren bzw. nicht entstehen zu lassen. Ein Hilfsmittel dazu ist die Überwachung der Lagerbestände zum Zeitpunkt eines Lagerzugangs. Zeigt sich eine ansteigende Tendenz, so sind die Dispositionsparameter zu überprüfen. Darüber hinaus sollte in größeren Zeitabständen eine Untersuchung/Analyse des „Bodensatzes“ erfolgen. • Bestandsüberhänge Es werden alle Artikel, bei denen Lagerbestand und nicht stornierbare Bestellungen größer sind als der Gesamtbedarf oder als eine vorgegebene Soll-Lagerreichweite (z. B. 6 Monate), erfasst. ● Auslaufartikel Es werden alle Artikel, die aus dem Sortiment genommen wurden bzw. die in absehbarer Zeit aus dem Sortiment genommen werden sollen, erfasst (ggf. Sonderverkäufe oder Sonderaktion). Kennzahlen des Bestandscontrolling
Das Hauptproblem der Bestandsplanung besteht darin, dass es viele Bestandsverursacher im Unternehmen gibt, die die Folgen ihres Handelns nicht zu verantworten haben. Dem notwendigen koordinierenden und prozessorientierten Ansatz kann organisatorisch die Logistik nur dann gerecht werden, wenn ihr alle mengen- und terminorientierten Vorgänge vom Lieferanten bis zum Kunden im Sinne eines Supply Chain Management zugeordnet werden. Um die Möglichkeiten zur Bestandsoptimierung auszuschöpfen, ist im Einzelnen wie folgt vorzugehen:
442
• Analyse der Ist-Bestände als Planungsgrundlage -
ABC-Analyse zur Festlegung von Schwerpunktmaterialien Soll-Ist-Vergleich der Bestände nach Materialarten (Fertigerzeugnisse, Halbfabrikate, Rohstoffe, Handelswaren, Ersatzteile) und Produktgruppen Differenzierung der Bestände nach aktiven und auslaufenden Artikeln Analyse von Lagerreichweiten Ggf. XYZ-Analyse zur Beachtung der Vorhersagegenauigkeit
• Anpassung der Bestände an geplante Umsatzveränderungen • Vergleich der Relation Vorräte zu Umsatz mit anderen Unternehmen (Benchmarks innerhalb und außerhalb der Branche) • Anpassung der Bestände an geänderte Unternehmens- und Logistikstrategien -
Geplante Veränderung der Lieferbereitschaft Geplante Veränderung von Fertigungsprozessen Geplante Veränderung der Bereitstellungsstrategie (z. B. Ship-to-Line)
443
Fragen zur Selbstkontrolle 1. Welche Bedarfsarten werden besonders zu Dispositionszwecken in der Industrie herangezogen? 2. Wo liegen die Grenzen einer kostenoptimalen Bedarfsdeckung? 3. Warum muss die Vorlaufzeit des Sekundärbedarfs ermittelt werden und wie ist dabei vorzugehen? 4. Beschreiben Sie, inwieweit Kundenaufträge und Produktionspläne Grundlage für die Bedarfsermittlung sein können! 5. Erläutern Sie anhand der Abb. 49 Aufbau und Bedeutung der Strukturstückliste! Wodurch unterscheidet sich diese von der Mengenübersichtsstückliste? 6. Warum werden Teileverwendungsnachweise auch als „umgekehrte“ Stücklisten bezeichnet? 7. Zeichnen Sie schematisch die Struktur eines Erzeugnisses und den dazugehörigen Gozinto-Graphen! Führen Sie die analytische Bedarfsauflösung nach Fertigungs- und Dispositionsstufen durch! 8. Führen Sie anhand eines Rechenbeispieles die synthetische Bedarfsauflösung durch! 9. Welche Prognosemodelle kann man unterscheiden? 10. Stellen Sie die Methoden der stochastischen Bedarfsrechnung gegenüber! 11. Wie erklären Sie sich die große Beliebtheit der exponentiellen Glättung erster Ordnung in der Praxis? 12. Wann würden Sie den Glättungsfaktor Alpha größer als 0,2 wählen? Begründen und erläutern Sie die Vorgehensweise unter Beachtung aller Dispositions- und Kontrollaufgaben!
444
13. Was ist bei Anwendung der exponentiellen Glättung 1. Ordnung unter Parameteroptimierung zu verstehen? 14. Warum hat das Kontrollsignal den Charakter eines Frühwarnsystems und welche Maßnahmen würden Sie in die Wege leiten, wenn die Grenzen überschritten werden? 15. Würden Sie für die praktische Anwendung der Errechnung der mittleren absoluten Abweichung (MAD) gegenüber der Standardabweichung den Vorzug geben? 16. Berechnen Sie anhand der Zahlen der Tabellen 9 und 10 jeweils den MAD für die Periode i = 12! 17. Welche Fragen sind im Rahmen der Materialdisposition grundsätzlich zu beantworten? 18. Erläutern Sie die Varianten der auftragsgesteuerten Disposition! 19. Wodurch unterscheidet sich die plangesteuerte von der auftragsgesteuerten Disposition? 20. Wie ist der Nettobedarf zu ermitteln? 21. Welche Vorteile ergeben sich aus dem Rechnen mit verfügbaren Beständen? 22. Wann sollte man von der plangesteuerten auf die verbrauchsgesteuerte Disposition übergehen? 23. Sind Unterschiede zwischen dem Bestellpunkt-, Meldebestands- und Bestellrhythmusverfahren zu erkennen? Welche sind das? 24. Welche Vorteile hat das gleitende Bestellpunktverfahren im Vergleich zum Konstantmodell? 25. Gibt es Gründe für die Bevorzugung periodischer Bestellsysteme?
445
26. Warum sind die optimale Bestellmenge und der Sicherheitsbestand im Rahmen der verbrauchsgesteuerten Disposition wichtige Dispositionsgrößen? 27. Welche Faktoren bestimmen den Bestellpunkt und welche Unsicherheiten ergeben sich daraus? 28. Nennen Sie die Variablen der Lagerhaltungsstrategien! 29. Inwieweit wird die Disposition durch das Zwei- bzw. DreiBehälter-System vereinfacht? Nennen Sie weitere Rationalisierungsmöglichkeiten der verbrauchsgesteuerten Disposition! 30. Stellen Sie die B.S.-Lagerhaltungsstrategie (Bestellregel) grafisch dar! 31. Im Rahmen der Bestellterminrechnung sind zwei Vorgehensweisen zu unterscheiden. Um welche handelt es sich dabei? Erläutern Sie diese. 32. Bei plangesteuert disponierten Materialien wird durch die Terminrechnung der Freigabetermin für die Disposition ermittelt, d.h. der Termin, an dem das Material bestellt werden muss. Vollziehen Sie die einzelnen Schritte der Bestellterminrechnung nach! 33. Erläutern Sie anhand der Darstellung in Abb. 77 die während der Bestellterminrechnung möglichen Kontrollrechnungen! 34. Wie sind Bedarfs-, Bestell- und Liefermenge zu unterscheiden? 35. Welche statischen und periodischen Verfahren der Bestellmengenrechnung sind Ihnen bekannt? 36. Wie sind die Bestell- und Lagerhaltungskosten definiert? 37. Erläutern Sie das Problem der Bestellmengenoptimierung!
446
38. Welche Einwendungen kann man gegen die optimale Bestellmengenformel nach Andler erheben und gelten lassen? 39. Welche wichtige Schlussfolgerung für die praktische Anwendung der Beschaffungsformel ergibt sich aus dem Verlauf der Summenkurve (Bestell- und Lagerhaltungskosten)? Vgl. Sie dazu Abb. 81! 40. Warum muss die rechnerisch ermittelte optimale Bestellmenge in der Praxis häufig korrigiert werden? 41. Warum ist bei stark schwankendem Bedarf nicht die Andler-Formel für die Zwecke der Bestelloptimierungsrechnung einzusetzen? 42. Von welcher besonderen Eigenschaft der Andler-Formel geht das gleitende wirtschaftliche Bestellmengenverfahren, von welcher das Kostenausgleichsverfahren aus? 43. Ist die Aussage zutreffend, daß „bei dem Stück-PeriodenAusgleichsverfahren das System, ausgehend vom Unterdeckungstermin, aufeinander folgende Bedarfsmengen so lange zu einem Los zusammenfasst, bis die Summe der Lagerhaltungskosten gleich den Losgrößenfixkosten ist“? 44. In welchen Fällen erweist sich die Look-ahead-Abfrage als besonders vorteilhaft? 45. Von welchen dispositiven Einflussfaktoren ist die Höhe des Sicherheitsbestandes abhängig? 46. In welcher Beziehung stehen Lieferbereitschaftsgrad, Sicherheitsbestand und Fehlmengenkosten? 47. Erläutern Sie anhand eines Beispiels den Verlauf der Kapitalbindungskostenkurve gemäß Abb. 83! 48. Angenommen, der Sicherheitsbestand wird als konstante Bestandsmenge aufgrund eines Erfahrungssatzes (z.B. Vierwochenbedarf) festgelegt. Wie ist dieses häufig praktizierte Verfahren zu beurteilen?
447
49. Wie ist der sog. dynamische Sicherheitsbestand zu ermitteln? 50. Können Sie sich beschaffungspolitische Maßnahmen zur Senkung der Sicherheitsbestände vorstellen? 51. Was ist bei Anwendung der Umschlagshäufigkeit als Kennziffer zu beachten? 52. Wie ist die Lagerreichweite von Materialien zu bestimmen? 53. Was versteht man unter Soll-Lagerreichweite? 54. Warum sind die Lagerbestände Schwerpunkt des Controlling in der Materialwirtschaft? 55. Welche Kennzahlen des Bestandscontrolling sind Ihnen bekannt? 56. Erläutern Sie (zusammenfassend) die Verknüpfung von Bedarfs-, Bestands- und Bestellrechnung unter Beachtung der verschiedenen Dispositionsverfahren und aller Dispositionsgrößen. (Fertigen Sie zweckmäßigerweise dazu ein Schaubild an oder stellen Sie die einzelnen Elemente der Disposition tabellarisch zusammen!) Die Lösungen ergeben sich aus dem vorstehenden Text.
448
Fünfter Abschnitt Beschaffungsvorgang
Im vierten Kapitel wurde die Erstellung des Mengen- und Termingerüstes für eine kostengünstige Versorgung des Betriebes mit Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen sowie einbaufertigen Zulieferteilen und Handelswaren dargestellt, wobei die Verwirklichung des materialwirtschaftlichen Optimums entscheidend vom Einsatz des jeweils zweckmäßigsten Dispositionsverfahrens und der Anwendung ökonomisch sinnvoller Optimierungsrechnungen abhängig ist. In diesem Abschnitt wird nun behandelt, wie diese dispositiven Informationen weiter verarbeitet werden. Dabei erscheint uns wichtig zu erkennen, dass Disposition und Beschaffung 1 tatsächlich als in sich abgeschlossene Arbeitsabläufe auftreten, auch wenn im Sinne des Supply Chain Management-Konzeptes eine funktionsübergreifende Sichtweise der jeweils zuständigen Mitarbeiter unumgänglich ist. Im Übrigen schließt die ganzheitliche Betrachtungsweise des Beschaffungsvorgangs nicht aus, dass dieser – wie zunehmend in der Praxis üblich und im zweiten Abschnitt im Einzelnen dargestellt – in strategische und operative Tätigkeitsfelder (Organisationseinheiten) untergliedert wird, um eine Optimierung der einzelnen Prozessschritte zu erreichen.
Disposition und Beschaffung sind in sich abgeschlossene Arbeitsabläufe
In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der strategisch orientierte Einkäufer nicht erst nach dem Vorliegen des konkreten Bedarfsfalls, durch den der Beschaffungsvorgang ausgelöst wird, aktiv werden sollte, sondern bereits vor dem Bedarf Marketingrecherchen initiiert (sog. Advanced Purchasing). Als Prozessmanager klinkt er sich bereits in der Phase der Projekt- und Produktidee in den Entwicklungsprozess ein, denn in der Entwicklung werden 70 bis 80 % der Herstellkosten festgeschrieben, so dass in diesem Stadium das vom Einkäufer eingebrachte Markt- und Lieferanten-Know-how bestmöglich genutzt werden kann.
Initiativmanagement vor dem konkreten Bedarfsfall
Der Beschaffungsvorgang unterscheidet sich bei Eigenfertigung und Fremdbezug in seinen Grundzügen nicht: Ob die Beschaf-
Beschaffungsvorgang bei Eigenfertigung und Fremdbezug: Übereinstimmung in den Grundzügen
1
Der Beschaffungsbegriff wird allgemein in der Literatur zur Kennzeichnung des gesamten Beschaffungsvorgangs benutzt, obwohl er in der Wirtschaftspraxis häufig mit einer reinen Versorgungstätigkeit - mit der Tätigkeit des (dispositiven) verwaltenden Einkaufs - assoziiert wird. - Siehe auch unter Ziffer 1 im ersten Abschnitt.
451
fung von außen oder von innen erfolgt, es müssen stets Aufträge erteilt, Termine gesichert, Materialien geprüft und Preise bzw. Kosten kontrolliert werden. Allein für die Frage der Zuständigkeit können unterschiedliche Regelungen getroffen worden sein. Es soll hier der Beschaffungsvorgang aus der Sicht des Einkaufs erläutert werden.
1.
Begriff, Aufgaben und Zielsetzung
Der Beschaffungsvorgang beginnt mit der Bedarfsaufgabe und endet mit der Rechnungsprüfung
Zum Beschaffungsvorgang sind alle mit der Beschaffungsanbahnung, dem Beschaffungsabschluss und der Beschaffungsabwicklung zusammenhängenden Aktivitäten zu rechnen. Der Beschaffungsvorgang wird durch die Bedarfsaufgabe ausgelöst und umfasst damit den gesamten Arbeitsablauf von der Bedarfsaufgabe über die Anfragetätigkeit, die Angebotsbearbeitung (Lieferantenauswahl), der Vertragsschließung/Bestellung und Auftragsbestätigung bis hin zur Terminüberwachung und Wareneingangs- sowie Rechnungsprüfung. Abb. 85 veranschaulicht den Prozesscharakter des Beschaffungsvorgangs in seinem zeitlichen Ablauf. Allerdings durchläuft - und das sei ausdrücklich betont - nicht jeder Beschaffungsvorgang diese drei Abschnitte in allen seinen Phasen. So ist die Beschaffungsanbahnung bei Abrufaufträgen ein einmaliger Vorgang, der Abruf aber wiederholt sich entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen. Auch können aus Rationalisierungsgründen bestimmte Aufgaben eingespart werden, wie z.B. die Bestellbestätigung und Rechnungsprüfung bei Kleinbestellungen.
Marketing für den Einkauf
Darüber hinaus eröffnen die Globalisierung der Märkte und die steigende Verbreitung und Erfahrung mit den Internet-Technologien dem Einkauf neue Möglichkeiten, einen spürbaren Beitrag zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu leisten. Vor allem die Reduzierung verwaltender Aufgaben der Beschaffungsabwicklung durch die Beschaffung aus elektronischen Katalogen und das komplette Outsourcing von
452
C-Teilen verbessern im Einkauf die Chancen zur Wahrnehmung strategisch orientierter Aufgaben im Rahmen der Produktentwicklung und der Entwicklung kooperativer Lieferantenbeziehungen. 1 Damit haben aber auch die operativen Aufgaben der Beschaffungsanbahnung und des Beschaffungsabschlusses an Bedeutung gewonnen. Es zeichnet sich bereits ab, dass die Systeme zum katalogbasierten Einkauf sowie die Marktplätze für Ausschreibungen und Auktionen zu integrierten Beschaffungslösungen vernetzt werden. Zudem wird eine Integration mit den ERP-Systemen, d.h. mit den Transaktions- und Warenwirtschaftssystemen 2 in Zukunft selbstverständlich sein. Auf dem Weg des Einkaufs ins Internet-Zeitalter stellen sich wichtige Fragen wie zum Beispiel: -
Welche Auswirkungen hat E-Procurement auf Mitarbeiter und Organisation des Einkaufs? Wie verändern E-Procurement und B2B-Einkaufsplattformen die Abnehmer-Lieferanten-Beziehungen? Welche Voraussetzungen müssen bei Direktbeschaffung via Intranet gegeben sein? Was ist die richtige B2B-Einkaufsplattform für die Zukunft? Wie lassen sich die Prozesskosten der Beschaffung mit E-Procurement senken? Wie ist eine professionelle Wirtschaftlichkeitsanalyse durchzuführen? Welche Rechtsfragen stellen sich beim Internet-Einkauf?
Der Einkauf - das gesamte Supply Chain Management - steht im Zentrum des Internetwachstums der Zukunft. Aufgrund der dieser Entwicklung inhärenten Dynamik ist es undenkbar, eine zukunftsweisende Antwort auf die sich heute stellenden Fragen zu finden und im Rahmen dieses Abschnitts abzuhandeln. 1
Siehe hierzu im ersten Abschnitt unter Ziffer 3.2.1. Enterprise Resource Planning (ERP) bezeichnet bereichsübergreifende Standardsoftware-Lösungen zur Steuerung und Optimierung von Geschäftsprozessen. Der Fokus von ERP-Lösungen richtet sich verstärkt auf die Koordination, Steuerung und Auswertung von außerbetrieblichen Abläufen. Indikator dafür ist die Tatsache, dass die ERP-Lösungen zunehmend webfähig sind. Auch entstanden in diesem Kontext integrative Softwaremodule wie z.B. SCM (Supply Chain Management) oder CRM (Customer Relationship Management).
2
453
Einkauf auf dem Wege ins InternetZeitalter
Ziel ist die optimale Erfüllung aller Beschaffungsaufgaben
Wie auch immer die Aufgaben definiert und verteilt sind, Ziel aller am Beschaffungsvorgang beteiligter Stellen ist es, • die betriebsnotwendigen Materialien und Dienstleistungen zum Bedarfstermin in der vorgesehenen Menge und Qualität zu möglichst niedrigen Gesamtkosten zu beschaffen und bereitzustellen.
Angebotseinholung Angebotsprüfung/ -vergleich
BESCHAFFUNGSANBAHNUNG
Bedarfsmeldung
Abschlussverhandlung Rahmenvertrag
BESCHAFFUNGSABSCHLUSS
Lieferantenbeurteilung/ -auswahl
Bestellung/Abruf
Terminüberwachung Wareneingang Qualitätsprüfung Rechnungsprüfung
BESCHAFFUNGSABWICKLUNG
Auftragsbestätigung
Kontierung Buchung
Zahlung
Abbildung 85:
Die Organisation der Beschaffungsaufgaben ist vom betrieblichen Einzelfall abhängig
Der Beschaffungsprozess
Welche der erwähnten Aufgaben vom Einkauf wahrgenommen werden sollten, bedarf im Einzelfall der Entscheidung. Das gilt auch für die Frage, ob die Aufgaben der Beschaffungsanbahnung und des Beschaffungsabschlusses einerseits und die Aufgaben der Beschaffungsabwicklung andererseits innerhalb
454
des Einkaufs in Personalunion, innerhalb dieser Abteilung von mehreren Personen oder von verschiedenen Abteilungen wahrgenommen werden sollten. Wie im ersten Abschnitt schon zum Ausdruck gekommen ist, hat sich in der Praxis der Trend verstärkt, den Einkauf im Wesentlichen nur für die Beschaffungsanbahnung und den Vertragsabschluss verantwortlich zu machen, d.h. also in erster Linie für den „kreativen“ Teil des Beschaffungsvorgangs. Die Beschaffungsabwicklung (z.B. die Erteilung von Abrufaufträgen und die Terminüberwachung) liegt hingegen bei der für die Disposition zuständigen Abteilung. Eine solche Aufteilung der Beschaffungskompetenzen - wie die Stellenbeschreibungen im Anhang als Praxisbeispiel verdeutlichen - ist an wesentliche organisatorische Voraussetzungen geknüpft, wie auch die objektorientierte Funktionstrennung in gestaltenden und verwaltenden Einkauf einer klaren Kompetenzregelung bedarf. Darüber hinaus wird vermehrt die Möglichkeit genutzt, dass bei Abschluss von Rahmenverträgen die Beschaffungsabwicklung direkt vom Bedarfsträger (z.B. dem Meister am Montageband) gesteuert wird. Im Einzelfall werden auch hier neben der notwendigen Qualifikation der Mitarbeiter, Größe und Fertigungsstruktur des Unternehmens, Nutzbarmachung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien und langfristig von der Unternehmensführung gesetzte Prioritäten und Ziele einen entscheidenden Einfluss auf die Wahl der Organisationsform haben. Grundsätzlich ist jedoch sicherzustellen, dass der Einkauf die organisatorischen Rahmenbedingungen erhält, damit er seiner unternehmerischen Aufgabe gerecht werden und die Marktchancen voll ausschöpfen kann.
455
2.
Phasen des Beschaffungsvorgangs
Ablauf der Beschaffung
Aufgrund der skizzierten Überlegungen erscheint uns eine Aufteilung des Beschaffungsvorgangs in die erwähnten Tätigkeitsabschnitte sinnvoll. Der Beschaffungsabschluss soll aus Gründen der klareren Systematik nicht als Teil der Beschaffungsanbahnung angesehen werden, obwohl in den meisten Fällen dieser Vorgang ohne weitere Vertragsverhandlungen unmittelbar mit einer Bestellung abschließt, also insofern ein rein formaler Vorgang ist. Verantwortlich für den Beschaffungsabschluss ist - wie schon erwähnt - der Einkauf. Die routinemäßige Bestellung (Bestellauslösung durch Abruf) kann hingegen bei der Disposition oder beim Bedarfsträger liegen.
2.1 Beschaffungsanbahnung Die Beschaffungsanbahnung (Anfragetätigkeit) vereinfacht sich bei vorausgegangener Beschaffungsmarktforschung
Die Beschaffungsanbahnung erfolgt zu einem großen Teil durch die Anfragetätigkeit des Einkaufs, der auf diesem Wege den optimalen Lieferanten zu bestimmen versucht. Insofern kann die Beschaffungsanbahnung als Teil der Beschaffungsmarktforschung (Dritter Abschnitt, 2.1) angesehen werden, auch wenn hier das Kriterium der Systematik und Intensität fehlt. Die Beschaffungsanbahnung vereinfacht sich, wenn Beschaffungsmarktforschung systematisch betrieben wird (z.B. ist dadurch der Kreis potenzieller Lieferanten schon eingeengt). Grundlage der Beschaffungsanbahnung ist die Bedarfsmeldung, deren Herstellungstechnik und Gestaltung von entscheidender Bedeutung für die Aufgabeform der Anfragen ist.
Advanced Purchasing: Beitrag des Einkaufs im Vorstadium der Produktentwicklung
Da als Kriterien für eine optimale Produktentwicklung wettbewerbsfähige Herstellkosten, hohe Produktqualität (einschließlich Umweltfreundlichkeit) und kurze Entwicklungszeiten in der Unternehmenspraxis eine häufig existenzentscheidende Rolle spielen, ist die Mitarbeit des Einkaufs in unterschiedlichen Projekten vermehrt ein Schwerpunkt der Tätigkeit. Dabei ist es Aufgabe des Einkaufs, den Technikern kostengünstige Alternativen zu selbst konstruierten Eigenfertigungsteilen nahe zu brin-
456
gen und geeignete Lieferanten möglichst frühzeitig für eine Systementwicklung, allein oder gemeinsam, zu gewinnen. In diesem Vorstadium des Advanced Purchasing 1 wirkt der Einkauf an der Festlegung der Bedarfsstruktur mit und schließt bereits Vorverträge mit leistungsfähigen Lieferanten ab.
2.1.1 Bedarfsmeldung Die Bedarfsmeldung sollte den Einkauf rechtzeitig und vollständig über den jeweiligen Bedarf der Produktion oder einer Kostenstelle unterrichten. Bei verbrauchsgesteuerten lagerhaltigen Materialien haben wir im Bestellpunktverfahren eine sinnvolle Lösung dieser Forderung kennen gelernt. Auch bei plangesteuerten Teilen wird dieser Forderung im Normalfall Rechnung getragen, so dass durch unpräzise Bedarfsbeschreibung verursachte Rückfragen nicht erforderlich werden. Schwieriger gestaltet sich die Bedarfsmeldung bei aperiodischen Einzelbedarfen, wie sie in der Einzelfertigung und beim Investitionsgütereinkauf auftreten. Hier müssen die Bedarfsträger (Kostenstellen) die Bedarfe technisch eindeutig und neutral bezeichnen, um eine Lieferantenfestlegung durch die Bedarfsträger auszuschließen.
Verfahren und Verantwortung für die Bedarfsaufgabe sind eindeutig zu regeln
Die vor allem beim Investitionsgütereinkauf einzuhaltenden Genehmigungswege sind genau festzulegen, wobei darauf zu achten ist, dass obere Instanzen nicht zu sehr mit BagatellGenehmigungen belastet werden. Liegt eine klare Kostenstellenrechnung vor, dann ist damit die Verantwortung für die Materialkosten eindeutig abgegrenzt. Einer besonderen Form der Genehmigung bedarf dann nur die Einzelanforderung, deren Instanzenregelung sich am besten an Wertgrenzen der Bedarfsfälle orientiert. Vordrucktechnisch lässt sich die Bedarfsaufgabe auf unterschiedliche Weise durchführen. Geeignete Träger eines solchen Vorgangs können beispielsweise sein: 2 1
Siehe hierzu Praxisbeispiel 11 im zweiten Abschnitt, Ziffer 1.5. Da die Pendelkarte weitgehend durch rationellere Methoden des C-TeileManagements in der Praxis verdrängt wurde, wird auf dieses in der Vergangenheit bewährte Verfahren zur Bearbeitung von Gemeinkostenmaterial nicht eingegangen.
2
457
Für die Bedarfsanforderung werden je nach Organisationsgrad, Bedarfsart und Beschaffungsobjekt unterschiedliche Datenträger benutzt
(1) Bedarfsmeldungs-Formulare (2) Stücklisten (3) Bestellvorschläge aus der EDV Schon aus dieser Aufzählung ist unschwer zu erkennen, dass der Organisationsgrad eines Unternehmens auf die Wahl des Anforderungsprinzips von Einfluss ist. Ausschlaggebend für die Wahl ist aber auch die Art der Beschaffungsfälle, wobei folgende Unterscheidung zu treffen ist: -
Einmaliger oder sporadischer Bedarf Wiederholbedarf
Auf die einzelnen Möglichkeiten der Bedarfsaufgabe und ihre speziellen Anwendungsgebiete soll kurz eingegangen werden: Das Bedarfsmeldungs-Formular bewährt sich bei Einmal-Bedarf
Zu (1): Bedarfsmeldungs-Formular Das Bedarfsmeldungs-Formular ist die traditionelle Form der Bürotechnik, die bei der Bedarfsaufgabe zum Einsatz kommt. Auf seine Verwendung kann in der Praxis trotz umfassender Rationalisierungsmaßnahmen nicht verzichtet werden. Das Bedarfsmeldungs-Formular bewährt sich überall dort, wo der Bedarf nicht regelmäßig, sondern sporadisch oder einmal auftritt. Es kann sich hierbei um Anforderungen für die verschiedensten Zwecke handeln, wie sie in einem Unternehmen an vielen Stellen entstehen (Investitionsbedarf, Büromittelbedarf, Dienstleistungen u.a.).
Die Bedarfsmeldung ist anfrage- bzw. bestellgerecht zu gestalten
Aus der Bedarfsmeldung wird nach Prüfung auf Vollständigkeit durch den Einkauf die Anfrage oder Bestellung hergeleitet. Daher muss bereits bei der formulartechnischen Gestaltung der Anforderung daran gedacht werden, dass in ihr alle Details in zweckmäßiger Anordnung enthalten sind, die in der Anfrage oder Bestellung wiederkehren sollen. Das Formularbeispiel 7 ist ein Beispiel für eine rationell gestaltete Bedarfsmeldung beim Investitionsgütereinkauf.
458
Die Einzelanforderung kann zur Bedarfsliste mit vorgedruckten Artikeln, die zweckmäßigerweise nach Lieferanten aufgeteilt und in entsprechender Reihenfolge angeordnet sind, erweitert werden. Diese sog. Sammelanforderungen finden in der Praxis vielfältige Verwendung, vor allem bei der Anforderung von Hilfsund Betriebsstoffen, Büromaterial und ähnlichem. 1
Formularbeispiel 7: Anforderung für ein Investitionsgut an den Einkauf
1
Vgl. dazu auch im vierten Abschnitt unter Ziffer 3.1.
459
Die Einzelanforderung kann zur Sammelanforderung erweitert werden
Die Verwendung von Stücklisten kann im Einzelfall zur Rationalisierung des Beschaffungsvorgangs führen
Zu (2): Stücklisten Wird der Bedarf mithilfe von Stücklisten ermittelt, so können diese unmittelbar für die Bedarfsanforderung beim Einkauf verwendet werden, wenn es sich um einfach strukturierte Beschaffungsfälle handelt und zur Disposition nicht noch der Fertigungsplan benötigt wird. Der Einkauf kann sich in einem solchen Fall das Abschreiben der Materialtexte ersparen, indem er den Bestellungen nach Artikeln und Lieferanten sortierte Zeilenumdrucke beifügt.
Die Bedarfsmeldung in Form von Bestellvorschlägen
Zu (3): Bestellvorschläge aus der EDV Bei periodisch anfallendem Bedarf erfolgt in der Regel die Bedarfsmeldung über einen per EDV erstellten Bestellvorschlag. Dieser wird entweder vom Einkauf oder der Disposition überprüft. Er kann bei zu erwartenden saisonbedingten Nachfragesteigerungen, bei sich abzeichnenden Preiserhöhungen oder -senkungen und anderen Einflüssen des Beschaffungs- und Absatzmarktes abgeändert oder ergänzt werden. Wie ein Bestellvorschlag aufgebaut sein kann, zeigt Formularbeispiel 8. In dieser Anforderung sind Verbrauchs- und Bestandszahlen zur Verbesserung der Informationsbasis niedergelegt. 1
Praxisbeispiel zum EDVBestellvorschlag
Beispiel 49: Dem 2. Bestellvorschlag sind Dispositionsvorschläge vorausgegangen. Diese wurden in der Disposition überprüft, evtl. geändert und Bestellvorschläge für den Einkauf freigegeben. In jedem Bestellvorschlag sind - Ausstellungsdatum (18.05.1999), - die Kurzbezeichnungen des angeforderten Materials, (Glimmerscheibe bzw. Rohrbogen 90 Grad), - der Wunschtermin für die Lieferung, - die für das Material anerkannten Lieferanten, - deren zuletzt notierten Preise, - Menge (10 bzw. 2 Stück) ausgewiesen. Auf dieser Grundlage kann der Einkauf den Bieterkreis festlegen, evtl. auch erweitern, evtl. telefonisch verhandeln und bestellen. 1
Siehe auch Formularbeispiel 5.
460
Formularbeispiel 8: Bestellvorschlag (SAP-Anwendung)
461
2.1.2 Angebotseinholung Anfragen sind rechtlich unverbindlich
Die Angebotseinholung durch Anfragen ist für das anfragende Unternehmen unverbindlich. Sie stellt rechtlich eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots dar, aus der die Anbieter nicht die Vergabe eines Auftrags ableiten können.
Bedarfsabhängige und bedarfsunabhängige Anfragetätigkeit
Die Anfragetätigkeit kann bedarfsabhängig und bedarfsunabhängig erfolgen. Als auslösende Momente der Lieferantensuche durch Anfragen oder Purchasing Pages des möglichen Kunden im Internet sind zu unterscheiden: (1) Die Einholung von Informationen im Rahmen von Advanced Purchasing für die Entwicklungs- und Konstruktionsabteilung mit offenen Fragen an die Anbieter zur Optimierung des angefragten Materials oder Objektes. (2) Die Ermittlung des günstigsten Lieferanten bei vorliegender Bedarfsanforderung, in der Regel für sporadischen Kostenstellenbedarf, Investitionsgüterbedarf und für Anforderungen des Dienstleistungseinkaufs. (3) Zur Kontrolle und Ergänzung der Einkaufsinformationen im Sinne der Beschaffungsmarktforschung. Insbesondere für hochwertige Materialien sollten bedarfsunabhängige Anfrageaktionen durchgeführt werden.
Abwicklung der Angebotseinholung
Die Abwicklung der Angebotseinholung durchläuft in der Regel die folgenden Schritte: - Prüfung der Bedarfsanforderung auf Vollständigkeit, evtl. Rücksprache mit dem Bedarfsträger - Speicherung der Bedarfsanforderung in der Bedarfsanforderungsdatei - Ermittlung potenzieller Lieferanten durch Nutzung branchenspezifischer Bezugsquellennachweise 1 und/oder Rückgriff auf vorhandene Lieferantenstammdaten - Festlegung des Anbieterkreises - Erstellung und Speicherung der Anfragen 1
Die möglichen Quellen zur Informationsgewinnung sind detailliert im dritten Abschnitt unter Ziffer 2.2 dargestellt.
462
Als Muster einer Anfrage geben wir ein Beispiel aus der Praxis wieder (Formularbeispiel 9). Es wird hier die Anfrage gleichzeitig als ein Instrument der Wertanalyse eingesetzt.
Formularbeispiel 9: Anfrage
Die ökologisch orientierte Anfrage sollte auch umweltrelevante Kriterien in den Vordergrund stellen, wie Stoffzusammensetzung, angewandtes Produktionsverfahren, Recyclingfähigkeit etc.
Die umweltorientierte Anfrage
Um eine qualifizierte Grundlage für die Identifikation von Kostenpotenzialen zu schaffen, kann im Rahmen eines Target
Target Bidding
463
Costing-Ansatzes in der Anfrage der maximale Preis vorgegeben werden, den der Abnehmer bereit ist zu bezahlen (Target Bidding). Anders ausgedrückt wird mit Target Bidding ein Preis festgesetzt, den der Lieferant dann akzeptieren, unterbieten oder ablehnen kann. Allerdings birgt dieses Verfahren die Gefahr in sich, dass die Preisvorgabe entweder unrealistisch niedrig oder zu hoch ist. Es gibt mehrere vereinfachende Verfahren für die Anfrageherstellung
Für einmalige Investitionsgüterbedarfe und in der EDV nicht erfasstes Verbrauchsmaterial werden auch heute noch Durchschreibsätze mit entsprechenden Funktionskopien manuell erstellt. Bei Produktionsmaterial wird in der Regel die Anfragetätigkeit durch ein EDV-System unterstützt. Auch hier wird die Zahl der Ausfertigungen durch die Funktion der Empfänger bestimmt und kann wie folgt eingegrenzt werden: 1. Ausfertigung für den Anbieter 2. Ausfertigung kann ausgefüllt als Angebot zurückgesandt werden, sog. Schnellangebot 3. Ausfertigung für den Einkauf zur Vorlage und Terminüberwachung 4. Ausfertigung für den Bedarfsträger, wenn dieser über keinen Bildschirmanschluss verfügt Bei umfangreichen Anfragen, d.h. bei einer großen Teilevielfalt, können Computer-Disketten eingesetzt werden, um ein Einlesen - und nicht ein Abtippen - der vom Anbieter hinzugefügten Preise und Konditionen zu ermöglichen.
Die Anfrageintensität ist mit dem Ziel festzulegen, eine optimale Auswahl der anzufragenden Lieferanten zu treffen
Zeigen die aktuellen Bezugsquellennachweise aus internen und externen Informationsquellen bei welchen Firmen angefragt werden kann, so stellen sich im konkreten Bedarfsfall die beiden kritischen Fragen: - Bei welchen Firmen soll angefragt werden? - Wieviele Anfragen sollen hinausgehen? Ziel des Auswahlprozesses ist es, • eine optimale Auswahl der anzufragenden Lieferanten zu treffen.
464
Auf den Sonderfall des Angebotsmonopols soll hier nicht näher eingegangen werden. 1 In den meisten Fällen wird der verantwortliche Einkäufer nach eigenem Ermessen oder festgelegten Richtlinien auf der Basis der Lieferantendatei die Auswahl der anzufragenden Lieferanten treffen können. Möglicherweise wird er auch Angebote von Unternehmen einholen, mit denen das eigene Unternehmen bislang noch nicht zu einem Geschäftsabschluss gekommen ist. Es gehört zu seinen Aufgaben, das Treue- und Wettbewerbsprinzip bei der Lieferantenauswahl entsprechend den festgelegten beschaffungspolitischen Grundsätzen in sinnvoller Weise zu beachten. 2 Außerdem ist von Bedeutung, ob dem Bedarfsfall ein laufend wiederkehrender Bedarf oder ein erstmaliger bzw. einmaliger Bedarf zugrunde liegt. Bei Anfragen für bislang noch nicht bezogene Materialien und Handelswaren aller Art muss der Einkäufer auf das Bezugsquellenverzeichnis zurückgreifen. Wenn die Zeit für eine große Anfrageaktion nicht zur Verfügung steht, wird er nach inzwischen verbesserter Marktkenntnis versuchen, mit einem gewählten Lieferanten nachträglich günstigere Konditionen auszuhandeln. Die Intensität der Angebotseinholung kann zugleich ein Ausdruck der Beschaffungsmarktforschung und der arbeitsmäßigen Belastung des Einkaufs sein. Aus beiden Gründen erscheint es daher zweckmäßig, für die Häufigkeit der Anfragen (= Anfrageintensität) Richtlinien herauszugeben. Hier erweist sich erneut das ABC-Verfahren als Entscheidungshilfe: Die Materialien mit einem hohen Bedarfswert müssen einer intensiveren Anfragetätigkeit unterzogen werden als die mittel- und geringwertigen Beschaffungsobjekte. Als Beispiel dazu eine „Anweisung an den Einkauf“ aus der Praxis (Abb. 86): 1
Auch in einem solchen Fall braucht die Anfrageintensität des Einkaufs nicht völlig zum Erliegen kommen, da Substitutionsgüter sich auf dem Markt befinden können, die vielleicht für den eigenen Betrieb interessant sind Der Anbieterkreis könnte sich auch durch Ausweitung der Marketingaktivitäten vergrößern. Letztendlich stellt sich die Frage, ob nicht durch Reengineeringmaßnahmen eine Verbesserung der Wettbewerbsituation herbeigeführt werden könnte. 2 Vgl. dazu dritter Abschnitt, 4.2.3.
465
Richtlinien, die dem Einkäufer einen Handlungsspielraum lassen, sollten die Anfrageintensität nach dem ABCSystem bestimmen
Anfragen-Angebote-Absagen - Mindestanforderungen Ware
Anzahl Wertgrenzen
Anfragen
Angebote
Absageform
–
0
–
Alle Waren und Leistungen kleiner 5.000,-/Jahr kleiner 1.500,-/Fall
mündlich
1
mündlich
Alle Waren und Leistungen kleiner 5.000,-/Jahr größer 1.500,-/Fall
mündlich Angebot aber schriftlich bestätigen
3 alle 2 Jahre
mündlich
Alle Waren und Leistungen größer 5.000,-/Jahr oder Fall
schriftlich
3 jedes Jahr
schriftlich mit Begründung
Wartungsteile kleiner 2.500,-/Jahr übrige Warenleistung kleiner 500,-/Jahr
• • •
Corporate Contracts ersetzen weitere Angebote! „No-bid“ Antworten gelten nicht als Angebot Der gesamte Angebotsvorgang ist so zu dokumentieren, dass er jederzeit rekonstruiert werden kann. Abbildung 86:
Entscheidungskriterien für die Zahl der Anfragen
Richtlinie zur Anfrageintensität
Nichts spricht dagegen, dass dem Einkäufer hinsichtlich der Zahl der Anfragen bestimmte Richtlinien vorgegeben werden, solange diese keine bindende Vorschrift bedeuten und es dem Einkäufer gestatten, im Einzelfall davon abzuweichen. Die vorgenannte ABC-Verteilung sollte jedoch oberste Maxime bleiben. Je nach der sich im Einzelfall ergebenden Situation ist einmal die Zahl von drei Anfragen völlig ausreichend, ein anderes Mal stellen aber zehn Anfragen das Optimum dar. Die Dringlichkeit des Bedarfs, die Marktsituation, die Marktkenntnis des Einkäufers sind neben Umfang und Wert des Bedarfs Entscheidungskriterien für die Zahl der Anfragen. Sofern nur ein Angebot eingeholt wird, sollte dieses grundsätzlich vom Einkäufer begründet werden, wie in der nachfolgenden Einkaufsrichtlinie ausdrücklich vermerkt ist:
466
Beispiel 50: Das Ausschreibungsverfahren kann für bestimmte Produkte und Leistungen eingesetzt werden. Darüber hinaus begleitend im Rahmen des Vergleichenden Beurteilungsverfahrens. Bei der Wahl der Anbieter sollten alle qualifizierten Bezugsquellen berücksichtigt werden. Es liegt in der Entscheidung des Einkäufers, die Anzahl der Anbieter festzulegen. Wenn der Einkäufer aus zu rechtfertigenden Gründen lediglich ein Angebot einholen kann oder will, müssen die Gründe hierfür dokumentiert und Bestandteil der Bestell- und/oder Vertragsunterlagen werden.
Praxisbeispiel zur Regelung der Anfrageintensität und der Dokumentation
Sofern den Anbietern Zeichnungen über Ersatz- oder Knowhow-Teile zur Verfügung gestellt werden müssen, sind vor Herausgabe dieser Unterlagen Geheimhaltungsvereinbarungen (s. Vertragsmuster im Anhang) zu treffen.
Geheimhaltungsvereinbarungen
Der Vorgang der Angebotseinholung ist jedoch mit der Versendung der Anfragen noch nicht abgeschlossen. Da Verzögerungen im Angebotseingang sich auf die nachfolgenden Phasen des Beschaffungsvorgangs nachteilig auswirken können, ist der termingerechte Eingang der Angebote sorgfältig zu überwachen. Diese wichtige Aufgabe kann sehr einfach dadurch wahrgenommen werden, dass eine Anfragekopie - nach der Anfragenummer oder dem Anfragedatum sortiert - auf Termin gelegt wird.
Die Terminüberwachung des Angebotseingangs gehört zum Anfragevorgang
In dringenden Bedarfsfällen kann eine Angebotserinnerung bei EDV-Unterstützung als Batchfunktion vorgesehen - ca. acht bis zehn Tage vor dem im Angebot genannten Angebotstermin angebracht sein. Es sollte allerdings beim Festlegen des Angebotstermins den Anbietern ausreichend Zeit zur Bearbeitung der Anfrage zugestanden werden.
Angebotserinnerung kann angebracht sein
2.1.3 Angebotsprüfung und Angebotsvergleich Nachdem sichergestellt ist, dass alle eingegangenen Angebote lückenlos erfasst sind, stellt sich für den Einkäufer die Aufgabe, die vorliegenden Angebote zu prüfen und zu vergleichen. Ziel dieses Prüf- und Auswertungsvorganges ist es, • das wirklich günstige (optimale) Angebot zu bestimmen.
467
Die Wahl des optimalen Lieferanten ist Ziel der Angebotsauswertung
Anfrage
Angebote
Firmendaten
Angebotsanalyse
Lieferantenanalyse
Erweiterter Angebotsvergleich
Nachfragesituation im Beschaffungsmarkt
Bedarfssituation beim Abnehmer
⇒ Wirtschaftlichkeit: Preisniveau, Preisstabilität, Kostenmanagement ⇒ Zuverlässigkeit:
Vereinbarte Qualität, Mengen- und Termineinhaltung; Frühwarnsystem
⇒ Flexibilität:
Hoher Servicegrad und Entgegenkommen bei Sonderfragen (Volumensteigerung, Änderungen, Schnellschüsse)
⇒ Know-How:
Neu- und Weiterentwicklung durch leistungsfähige und kooperative Forschung und Entwicklung
⇒ Kontinuität:
Sicherheit beim Fortbestand der technischen, wirtschaftlichen und ökologischen Leistungsfähigkeit
⇒ Service
Beratung vor und während Vertragslaufzeit; schnelle Bearbeitung
Beschaffungsleistungsziel Versorgungssicherung
Angebotssituation im Beschaffungsmarkt
Liefersituation beim Anbieter
Beschaffungsertragsziel
Angebots-/Lieferantenwahl (Beschaffungsentscheidung)
Gesamtkostenminimierung
Weitere Bewertungskriterien
Beschaffungsgrundsätze
Abbildung 87:
Entscheidungssituation
Unternehmungsgrundsätze
Der erweiterte Angebotsvergleich - Kriterien der Beschaffungsentscheidung
Mit anderen Worten: Prüfung und Vergleich der Angebote sind nicht auf eine Gegenüberstellung der Preise zu beschränken, sondern müssen den Vergleich nichtpreislicher Faktoren wie Qualität, Liefertermin usw. (nachfolgend) einbeziehen! Die Angebotsauswertung erstreckt sich zunächst auf die Prüfung der Einzelangebote, sodann auf den erweiterten Angebotsvergleich
Um dieses Wahl- und Entscheidungsproblem zu lösen, empfiehlt es sich im Regelfall, in folgenden Schritten vorzugehen: (1) Angebotsprüfung a) Formelle Angebotsprüfung b) Materielle Angebotsprüfung
468
(2) Angebotsvergleich Der erweiterte Angebotsvergleich schließt die Lieferantenanalyse und -beurteilung mit ein (vgl. Abb. 87). 1 Will man die Rechtfertigung der Lieferantenauswahl (Bestellvergabe) überwachen oder nachprüfen, so ist die Verwendung klarer und einheitlicher Formulare von Vorteil. 2.1.3.1 Angebotsprüfung Zweckmäßigerweise ist hinsichtlich der Angebotsprüfung zwischen der formellen und der materiellen Prüfung der Angebote zu unterscheiden. 2 a) Formelle Angebotsprüfung Die formelle Angebotsprüfung sucht in erster Linie, eine Antwort auf folgende Fragen zu finden: -
Stimmt das Angebot mit der Anfrage überein? Liegt das Angebot vollständig (z.B. mit entsprechenden Zeichnungsunterlagen, Berechnungen) vor? Ist das Angebot eindeutig, es sei denn alternative Lösungen sind angefragt worden? Sind geforderte Zertifizierungen nach ISO oder ÖKO nachgewiesen?
Insbesondere ist im Zusammenhang mit dieser mehr routinemäßigen Prüfung jedes einzelnen Angebotes darauf zu achten, dass tatsächlich die verlangte Qualität angeboten wurde. Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Preis. Hierbei ist vor allem zu prüfen, ob der Lieferant die gewünschte Preisstellung (frei Haus, ab Werk, cif, fob) und Preisbasis (Festpreis) seinem Angebot zugrunde gelegt hat. Außerdem muss sich die Prüfung darauf erstrecken, ob die Lieferung der benötigten Materialien in der angefragten Menge und zum gewünschten Termin erfolgen wird. Nicht zuletzt ist darauf zu achten, ob der Lieferant die eigenen Einkaufsbedingungen anerkennt oder sie ganz oder 1
Siehe H. Stark, Lieferantenwahl, in: Beschaffung aktuell, Nr. 3, Leinfelden 1989, S. 27. Vgl. W. Dörsch/H. Strache, Einkaufsvorbereitung, Wiesbaden (o.J.), S. 21.
2
469
Formell werden die Angebote überprüft auf - Übereinstimmung - Vollständigkeit - Eindeutigkeit
teilweise durch seine Verkaufsbedingungen zu ersetzen versucht. Die formelle Prüfung der Angebote sollte sofort nach ihrem Eintreffen erfolgen
Zweckmäßigerweise erfolgt diese formelle Prüfung unmittelbar nach dem Angebotseingang. Es verbleibt dann möglicherweise noch Zeit für Rückfragen, falls das Angebot von der Anfrage abweicht, nicht vollständig oder in Einzelheiten unklar ist. In jedem Fall sind Mängel dieser Art, wenn sie nicht mehr geklärt werden, auf dem Angebot zu vermerken, damit sie beim Angebotsvergleich nicht übersehen werden. Sind die Abweichungen gravierend und betreffen sie wesentliche Punkte, so erübrigt sich die Einbeziehung des Angebotes in den materiellen Prüfungsvorgang.
Die materielle Angebotsprüfung erstreckt sich u.a. auf - Preis - Qualität - Lieferzeit
(b) Materielle Angebotsprüfung Der formellen Angebotsprüfung schließt sich als nächster Schritt die materielle Angebotsprüfung an, die in der Praxis häufig in die Angebotsanalyse und den Angebotsvergleich unterteilt wird. Die Angebotsanalyse erstreckt sich auf die systematische Untersuchung der einzelnen Angebote, während im Angebotsvergleich die Ergebnisse aller Einzelanalysen zusammengestellt werden. Im Einzelnen sind im Rahmen der Angebotsanalyse vor allem folgende Faktoren zu untersuchen: -
Preis, Preisgestaltung, Mengenabhängigkeit, Festpreisgewährung, Frist für evtl. Preisänderungen, Zahlungsbedingungen Qualität und Leistungen Lieferzeit Standort des Lieferanten
Die Reihenfolge beinhaltet keine Wertung der einzelnen Faktoren. Im Regelfall wird der Einkäufer jedoch zunächst den Angebotspreis analysieren und die Preisgestaltung sowie die Zahlungsbedingungen einer sorgfältigen Untersuchung unterziehen. Die Preisanalyse vollzieht sich in folgenden Stufen:
470
(1) Ermittlung des Netto-Einstandspreises unter Beachtung des Total Cost of Ownership-Prinzips (2) Untersuchung der Angemessenheit des Preises durch Einschätzung der kalkulierten Gewinnspanne und/oder des Deckungsbeitrages (3) Prüfung evtl. Verbesserungsvorschläge zur Kostensenkung für das angefragte Material (z.B. Gewichtsersparnis, Einsatz recyclingfähigen Substitutionsmaterials), sofern wie im Formularbeispiel 9 - darum nachgesucht wurde. Wie ist nun im 1. und 2. Schritt vorzugehen, welche Methoden können hierbei angewandt werden? Zu (1): Alle Angebote müssen auf eine einheitliche Preisbasis frei Haus oder Bestimmungsort umgerechnet werden, um ihre Vergleichbarkeit herzustellen (sog. Einkaufskalkulation). Diese Umrechnung ist mit einem erheblichen Arbeits- und Zeitaufwand verbunden, den man sich bei Verwendung standardisierter Anfrageschreibsätze mit Angebotskopie weitgehend ersparen kann! Es sind im Zusammenhang mit der Einkaufskalkulation alle Bezugs- und Bezugsnebenkosten zu erfassen. Außerdem sind Rabatte und Boni, wenn sie für jeden Warenbezug gewährt werden, zu berücksichtigen. Auch die Zahlungsbedingungen sind zu beachten, sofern diese - was in der Regel zutrifft Skontoklauseln enthalten. Damit gehen in die Ermittlung des Netto-Einstandspreises folgende Preiselemente ein: a) Preis je ME b) Mindermengenzuschlag c) Rabatt/Bonus d) Skonto e) Frachtdifferenz (ab Werk, frei Haus) f) Verpackung (einschließlich/ausschließlich) g) Verpackungsrücksendung h) Zölle, Gebühren i) Sonstige Kosten (z.B. der Entsorgung) Netto-Einstandspreis = a+b-c-d+e+f-g+h+i
471
Die Angebote müssen zunächst auf eine einheitliche Preisbasis gestellt werden
Grundlage des Total Cost of OwnershipPrinzips
Vor allem beim internationalen Einkauf ist die Berücksichtigung nur der direkten Beschaffungskosten nicht ausreichend. Vielmehr sind nachdem Total Cost of Ownership-Prinzip (TOCOPrinzip) die Gesamtkosten vom Lieferanten bis zum Bedarfsträger einschließlich evtl. Folgekosten zu betrachten. Dazu zählen u.a.: 1 -
Mehrkosten durch Qualitätssicherungsmaßnahmen Mehrkosten durch Lieferterminabweichungen Mehrkosten im Lagerbereich Kapitalbindungskosten Lieferantenentwicklungskosten ...
Der Auflistung ist zu entnehmen, dass diese Kosten quantitativ kaum zu erfassen sind. Gleichwohl sollte es Zielrichtung des Einkaufs sein, die gesamte Komplexität einer Global SourcingEntscheidung transparent zu machen und weitgehend kalkulierbar darzustellen. Insofern ist im TOCO-Prinzip ein Controlling-Instrument zu sehen. Im Rahmen der Preisanalyse ist in einem zweiten Schritt die Angemessenheit der Preise zu untersuchen
Zu (2): Als nächstes ist die Angemessenheit der Preise zu untersuchen. Dabei bieten sich folgende Möglichkeiten an:
Der Preisvergleich mit amtlichen Notierungen kommt selten in Betracht
Nur selten ist ein Vergleich mit amtlichen Notierungen (z.B. mit Börsennotierungen, Auktionsergebnissen) möglich. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle wird nur der zeitliche Preisvergleich mithilfe der Lieferanten- oder Preiskartei bzw. -datei in Betracht kommen. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass die Preise der Vergangenheit auf die gegenwärtige Preisbasis umgerechnet werden. Außerdem sind Preisnachlässe und Mindermengenzuschläge als Folge unterschiedlicher Bezugsmengen zu berücksichtigen, um zu einer richtigen Aussage zu kommen.
a) Vergleich mit amtlichen Notierungen b) Zeitlicher Preisvergleich zwischen früheren und heutigen Preisen des gleichen Lieferanten c) Kalkulationsvergleich
1
Vgl. W. Krokowski, Globalisierung des Einkaufs, a.a.O., S. 64.
472
Der zeitliche Preisvergleich zwischen früheren und heutigen Preisen des gleichen Lieferanten ist zwar wichtig, bewahrt ein Unternehmen aber nicht davor dass die Preise des Lieferanten überhöht sein können und über einen angemessenen Gewinn hinaus noch eine mehr oder weniger große „Rente“ enthalten, zumal ein Lieferant, der über Jahre hinweg bestimmte Artikel herstellt, aufgrund seiner Erfahrung - der eingetretenen Lerneffekte 1 - vor allem die variablen Stückkosten senken kann. Die grundlegende Aussage dieses durch empirische Untersuchungen bestätigten Effektes besagt, dass mit jeder Verdoppelung der kumulierten Produktmenge die auf die Wertschöpfung bezogenen preisbereinigten variablen Stückkosten tendenziell um einen konstanten Prozentsatz, z.B. 10 bis 30 %, zurückgehen. Verringert sich bei einer Verdoppelung der Produktionsmenge die durchschnittliche Arbeitszeit beispielsweise um 15 %, dann spricht man von einer 85 %igen Lernkurve.
Der zeitliche Preisvergleich schützt nicht vor überhöhten Preisforderungen des Lieferanten
Die Aussagen der Theorie der Lernkurve sollten den Einkäufer davor bewahren, einen Preis, der beim Anlaufen einer neuen Serie für den ersten Auftrag vereinbart wurde, ohne weiteres auch für Folgeaufträge zu akzeptieren. Darüber hinaus erleichtern die Erkenntnisse aus der Theorie der Lernkurve die Prüfung der Angemessenheit des Preises und die Kalkulation realistischer Zielpreise für zusätzliche Aufträge. Dabei ist zu beachten, dass
In preisanalytischen Untersuchungen das Phänomen der Lernkurve nutzen
-
Lerneffekte beim Lieferanten erst mit der Produktion einer erheblichen Anzahl eines neuen Produktes - wie es bei Serienfertigung der Fall ist - auftreten können und
-
mit zunehmendem Automatisierungsgrad des Produktionsprozesses an Gewicht verlieren.
Das größte Problem liegt in der analytischen Bestimmung der Lernrate, so dass in der Praxis eine eher pragmatische Vorgehensweise anzutreffen ist. Zwar wird in vielen Fällen der Einkäufer in Verhandlungen mit dem Lieferanten Preissenkungen erreichen. 1
Zur Bedeutung der Lernkurve für die Preisanalyse und/oder Zielpreisfindung siehe u.a. H. Stark, Erfahrungskurven als Hilfsmittel der Beschaffung, in: Beschaffung aktuell, Nr. 6, Leinfelden 1981, S. 54 ff.
473
Weiß er aber wirklich, wenn er sich zu einem Preis entschlossen hat, ob dieser Preis kostengerecht ist? Die ungefähre Gewissheit darüber kann er sich nur verschaffen, wenn er eine grundlegende Preis- und Kostenstrukturanalyse durchführt. Diese Aufgabe stellt an die Fähigkeiten eines Einkäufers erhebliche Anforderungen, die von einem versierten Facheinkäufer aber erwartet werden können. Preisstrukturanalyse auf der Basis von Voll- und Teilkosten
In der Praxis wird die Preisstrukturanalyse - wenn überhaupt in der Regel als Vollkostenrechnung durchgeführt, d.h. alle fixen und variablen Periodenkosten werden auf die Leistungseinheit umgerechnet. Dieses Verfahren ist trotz der Problematik und Mängel, die der Vollkostenrechnung anhaften, im Rahmen der Preisstrukturanalyse als sinnvoll anzusehen. Denn auf lange Sicht wird ein Lieferant nur dann existieren können, wenn mindestens alle variablen und fixen Kosten durch den Verkaufspreis abgedeckt sind. Für den Einkäufer kann aber durchaus die Frage von Interesse sein, wie hoch die vom Beschäftigungsgrad abhängigen variablen Kosten eines zu beschaffenden Artikels sind. Denn den bedeutendsten Teil dieser variablen Kosten machen - wie aus der Tabelle 1.1 im ersten Abschnitt ersichtlich ist - in der Regel die Fertigungsmaterialien und Fertigungslöhne aus, die sich ohne Berücksichtigung der variablen Gemeinkosten auf 70 % des Verkaufspreises belaufen können.
Die kurzfristige Preisuntergrenze ist durch die variablen Kosten bestimmt
Dabei kann im Rahmen der Preisstrukturanalyse der Einfachheit halber unterstellt werden, dass die variablen Kosten sich proportional zum Beschäftigungsgrad ändern. Die Differenz zwischen variablen Stückkosten und dem Verkaufspreis ist der Deckungsbeitrag. Diese Differenz soll die gesamten fixen Kosten und den Gewinn des Lieferanten abdecken. Die variablen Kosten geben damit einen Hinweis auf die kurzfristige Preisuntergrenze. Dieser Tatbestand kann zur Stärkung der Verhandlungsposition des Einkäufers in Vergabeverhandlungen führen, wenn dieser - wie im Übungsteil in der Aufgabe 25 unterstellt den Deckungsbeitrag realitätsnah mit ca. 30 % annehmen kann.
474
Im Rahmen einer Vollkostenrechnung kann zur Ermittlung der Kostenarten die differenzierte Zuschlagskalkulation als häufig angewandtes Verfahren der Kostenträgerrechnung herangezogen werden:
Die Preisstrukturanalyse auf der Basis von Vollkosten
Materialeinzelkosten + Materialgemeinkosten = Materialkosten + Fertigungseinzelkosten + Fertigungsgemeinkosten + Sondereinzelkosten der Fertigung = Herstellkosten + Verwaltungsgemeinkosten + Vertriebsgemeinkosten + Sondereinzelkosten des Vertriebs = Selbstkosten + Gewinnaufschlag = Angebotspreis Bei den Einzelkosten handelt es sich um Kosten, die für ein einzelnes Erzeugnis (Kostenträger) direkt erfassbar und dem Kostenträger unmittelbar zurechenbar sind. Zu den Einzelkosten zählen in erster Linie das Fertigungsmaterial und die Fertigungslöhne, die in ihrer Höhe mit dem Beschäftigungsgrad variieren (s.o.). Die Sondereinzelkosten der Fertigung und des Vertriebs sind in der Regel vergleichsweise gering und können meist vernachlässigt werden. Im Gegensatz zu den Einzelkosten lassen sich die Gemeinkosten einem Erzeugnis nicht direkt zurechnen. Im Rahmen der Vollkostenrechnung erfolgt in der betrieblichen Kostenrechnung (Betriebsabrechnung) über Verrechnungssätze und Bezugsgrößen eine mehr oder weniger zutreffende Aufschlüsselung der Gemeinkosten auf den einzelnen Kostenträger. So soll z.B.
475
Ermittlung der Einzel- und Gemeinkosten
der Aufschlag für die Materialgemeinkosten alle Kosten für Beschaffung, Qualitätsprüfung, Lagerung und innerbetrieblichen Transport von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen abdecken. Da in vielen Betrieben die Materialgemeinkosten 6 bis 8 % der Fertigungsmaterialkosten nicht übersteigen, ist im Rahmen der Preisstrukturanalyse eine sehr genaue Aussage über die Materialgemeinkosten nicht unbedingt erforderlich. Auch die Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten sind im Vergleich zu den Fertigungsgemeinkosten meist deutlich niedriger. Im konkreten Einzelfall einer Untersuchung der Preisbestandteile wird es erforderlich sein, einige der aufgeführten Kostenarten weiter zu untergliedern, wie beispielsweise: -
Informationsgewinnung über alle kostenbeeinflussenden Faktoren ist in der Regel schwierig
Art und Menge des eingesetzten Fertigungsmaterials Fertigungszeit und Stundenlohnsätze der im Produktionsprozess eingesetzten Arbeitskräfte Spezialwerkzeuge, Modelle usw. als Sondereinzelkosten der Produktion Verpackungskosten, Transportversicherung usw. als Sondereinzelkosten des Vertriebs Kosten der Beschaffung, Qualitätsprüfung, innerbetrieblichen Transports, der Lagerhaltung usw. als Materialgemeinkosten Hilfslöhne, kalkulatorische Zinsen und Abschreibungen, Instandhaltungs-, Raum- und Energiekosten als Fertigungsgemeinkosten
Nun wird der Lieferant nur in Ausnahmefällen zur Offenlegung seiner Kalkulation bereit sein. Der Einkäufer müsste sich daher anlässlich eines Lieferantenbesuches an Ort und Stelle über die Modernität eines Lagers, die Altersstruktur des Maschinenparks usw. informieren, um die Höhe der entsprechenden Gemeinkosten (Zuschlagssätze) annäherungsweise schätzen zu können. Wegen der erheblichen Schwierigkeiten vor allem bei der Ermittlung der Gemeinkosten wird der Einkäufer daher in der Regel versuchen müssen, über die Auswertung bundesamtlicher Statistiken 1 die Preisobergrenze zu bestimmen, die er beim 1
Vgl. vor allem die vom Statistischem Bundesamt herausgegebene Fachserie 4.3, Wiesbaden (o.J.)
476
Kauf zu überschreiten nicht gewillt ist. Dazu braucht er Informationen über alle kostenbeeinflussenden Faktoren: 1 -
Die Tarifsituation auf dem Arbeitsmarkt des Lieferanten Den Rohstoffmarkt des gekauften Teils Importmöglichkeiten mit allen Nebenkosten Die örtlichen Möglichkeiten des Lieferanten in bezug auf Arbeitskräfte, Zulieferer, Frachtlage, staatliche Vergünstigungen, Zubringerindustrien Kenntnisse von Normteilen und genormten Rohstoffen, die bei der Herstellung verwendet werden; Kenntnis der Werkzeugsituation, der Fertigungstiefe usw.
Mithilfe der eigenen Kostenrechnungsabteilung sollte der Einkäufer eine vollständige Kalkulation aufstellen, wobei es sich empfiehlt, mit Maximal- und Minimalkosten und mehreren Gemeinkostenzuschlagssätzen zu arbeiten. Wegen des Umfangs dieser Arbeit versteht es sich von selbst, dass dieses Verfahren nur bei A-Teilen und bei langwierigen Preisgesprächen anzuwenden ist.
Der Schwerpunkt der Preis- und Kostenanalyse liegt bei A-Teilen
Das nachfolgende Beispiel veranschaulicht die Vorgehensweise bei der Zielpreisfindung: 2 Beispiel 51: Firma X fordert für ihre Leistungen ab 1. Januar des kommenden Jahres für den Artikel Y eine zwölfprozentige Preiserhöhung. Der bisherige Preis von DM 100,- gilt seit Jahresbeginn. Die Preiserhöhung wird wie folgt begründet: Gestiegene Kosten um - 15 % im Rohmaterialbereich - 10 % im Fertigungsbereich - 8 % im Verpackungsbereich Dem Einkäufer ist die Kostenstruktur des Artikels Y bekannt. Er führt daher eigene Recherchen zu den realen Preissteigerun1
Siehe H. Strache, Preisarbeit - Arbeitstechnik für den Einkauf, Nürnberg 1981, S. 19 ff. Vgl. v. Verf.: Praxis der Materialwirtschaft, a.a.O., S. 208 f.
2
477
Praxisbeispiel zur Preisstrukturanalyse
gen in den einzelnen Bereichen durch und erstellt die in Tabelle 18 dargestellte vergleichende Kalkulation zur Zielpreisfindung. Das Resultat zeigt, dass eine Preisanhebung um maximal 7,5 % und nicht - wie gefordert - um 12 % gerechtfertigt ist. Kostenanteile: (in %) Rohstoffanteil davon
aufge-
samt
schlüsselt
Auswirkung
4,80
Gips
8
+4
0,32
Lösungsmittel
8
+5
0,40
20
+4
0,80
9
+6
0,54
Faltschachtel
4
+6
0,24
Versandkarton
4
+5
0,20
Kunststoffkern
4
+6
0,24
3
3
±0
0,00
100
100
29
Löhne
sonstige Kosten
Tabelle 18:
Ergebnis 61,52
+ 12
30,34
12
Packmittelanteil
Der partielle Preisvergleich setzt voneinander abgrenzbare Teilleistungen voraus
Erhöhung
40
Energie
davon
Festgestellte
56
Baumwollmull
Fertigungsanteil davon
ge-
12,68
3,00 107,54
Kalkulationsmatrix für Preiserhöhungen (Vereinfachtes Beispiel aus der Praxis)
Als Instrument zur Zielpreisfindung hat sich auf vielen Gebieten z.B. auf dem Werbemittelsektor 1 und bei der Vergabe öffentlicher Bauvorhaben der partielle Preisvergleich bewährt. Die Anwendung dieser Methode setzt voraus, dass die Herstellung eines ziemlich homogenen Produktes (z.B. Werbeprospekt) in einzelne klar voneinander abgrenzbare Teilleistungen (z.B. Drucken, Buchbindearbeiten, Verpackung) zerlegbar ist, so dass diese auch separat kalkuliert werden können. Aus der Summe der niedrigsten Teilpreise lässt sich sodann der Zielpreis errechnen, der zumindest als Orientierungsgröße in Vergabeverhandlungen dienen kann. Zugleich wird der Einkäufer 1
Vgl. vom Verf., Praxis der Materialwirtschaft, a.a.O., S. 196.
478
zu einem selektiven Einkaufsverhalten angeregt, indem er bestimmte Teilleistungen bzw. Arbeitsgänge (zum Beispiel Buchbindearbeiten) beim jeweils günstigsten Lieferanten in Auftrag gibt. • In der Praxis wird man jedoch häufig damit rechnen müssen, dass bestimmte Teilleistungen der Anbieter wegen unterschiedlicher technischer Verfahren nicht unbedingt vergleichbar sind. Ein weiterer wichtiger Punkt der materiellen Angebotsprüfung ist die technische und sachliche Beurteilung der angebotenen Qualität sowie der technischen Leistungen durch die Bedarfsträger oder besondere Prüfstellen, sofern der Einkauf nicht selbst dazu in der Lage ist. Diese Prüfung ist insbesondere bei Materialien erforderlich, für die keine allgemeingültigen Qualitätsvorschriften (DIN-, ISO-Normen u.a.) oder Richtlinien (VDI-, VDMA-Richtlinien u.a.) bzw. Güteklassen bestehen.
Die sachliche und technische Beurteilung der angebotenen Qualität ist ein weiterer wichtiger Punkt der materiellen Angebotsprüfung
Prinzipiell sollte man vor allem beim Bezug hochwertiger Teile aus dem Ausland keinen neuen Zulieferanten akzeptieren, der nicht über ein Qualitätssicherungssystem verfügt und dieses in einem QS-Handbuch dokumentiert hat. Noch entscheidungsrelevanter ist eine Zertifizierung des QS-Systems nach DIN/ISO 9000. Im ersten Fall ist es notwendig, durch eine Auditierung festzustellen, ob das QS-Handbuch den qualitätsrelevanten Forderungen entspricht und die Inhalte des QS-Handbuchs in die betriebliche Praxis auch umgesetzt sind. Ist bereits eine Zertifizierung des QS-Systems von einer unabhängigen Gesellschaft 1 erfolgt, kann u.U. auf eine Auditierung verzichtet werden.
Qualitätsnormen DIN/ISO 9000 bis 9004 schreiben Anforderungen fest
Die Qualitätsziele des Einkaufs orientieren sich an den Anforderungen und der Zufriedenheit der Kunden. Die Umsetzung dieser strategisch orientierten Ausrichtung setzt u.a. voraus, dass die angebotene Qualität mit der angefragten überein-
Die angebotene Qualität muss der angefragten Spezifikation entsprechen
1
Die Ansätze zur Zertifizierung von Qualitätssicherungssystemen sind – wie zum Beispiel in der Automobilindustrie – unterschiedlich und der Anpassung an sich verändernde Anforderungen unterworfen (z. B. ISO 9000 in der Version 2000). Von den zahllosen unabhängigen Zertifizierungsgesellschaften werden die Normen – wie nicht anders zu erwarten ist – unterschiedlich interpretiert und umgesetzt.
479
stimmt sowie die Null-Fehler-Zielsetzung bei Zukaufteilen, Sach- und Dienstleistungen verfolgt wird. Verbesserungsvorschläge zur Kostensenkung dürfen grundsätzlich nicht zu Qualitätseinbußen führen. Zur Qualitätssicherung und Gewährleistung werden häufig Vereinbarungen in den Vertrag einbezogen (vgl. Vertragsbeispiel im Anhang). Lieferzeit und Termintreue sind weitere wichtige Kriterien der materiellen Angebotsprüfung
Ein nicht unwichtiger Punkt ist auch die angebotene Lieferzeit, da in der Regel das Beschaffungsrisiko mit der Länge der Lieferzeit wächst. Lange Lieferzeiten führen regelmäßig auch zu höheren Sicherheitsbeständen. Diese sind wiederum Ursache höherer Lagerhaltungskosten und gesteigerten Lagerrisikos. Eventuell kann die Bereitschaft des Lieferanten zur Übernahme von Konventionalstrafen ein Indiz für die Zuverlässigkeit sein. In zeitlicher Hinsicht interessieren also besonders folgende Gesichtspunkte: - Länge der Lieferzeit - Terminzusage - Termintreue - Bereitschaft zur Übernahme von Konventionalstrafen
Die Liefer- und Zahlungsbedingungen einschließlich aller Sonderleistungen sind ebenfalls im Rahmen der materiellen Angebotsprüfung zu beurteilen
Zu beurteilen sind auch die Zahlungs- und Lieferbedingungen einschließlich aller Sonderleistungen des Lieferanten. Als Beispiele dazu seien genannt: -
Vorauszahlungen und Fälligkeit der Abschlagsraten; Zahlungsziel Serviceleistungen (Kundendienst, technische Beratung, Ersatzteillagerhaltung u.a.) Gewährleistungsumfang und -dauer Bereitschaft zu Änderungen und Sonderanfertigungen sowie zur Anfertigung von Mustern, Versuchsmodellen, Werkzeugen u.a. Einrichtung eines Konsignationslagers Durchführung einer Kanban-Versorgung Gewährung von Gebietsschutz befristete „Ausschließbarkeit“ gegenüber dem Wettbewerb, um einen Wettbewerbsvorsprung zu sichern
480
Sonderleistungen dieser und anderer Art werden meist in den Lieferbedingungen festgehalten. Als letzter Gesichtspunkt ist schließlich noch der Standort des Lieferanten zu nennen, der im Wesentlichen nach folgenden Kriterien zu beurteilen ist: ⇐ ⇐
Auch geografische Faktoren spielen bei der Angebotsbeurteilung eine Rolle
Transportmöglichkeiten (z.B. Bahn, Schiff) Entfernung (Transportkosten und -dauer, Transportrisiko) Berücksichtigung staatlicher Vergünstigungen Zollvorteile (z.B. bei Bezügen innerhalb der EU) Aufgabe 24 Aufgabe 25
2.1.3.2 Angebotsvergleich Bei der Angebotsanalyse braucht sich der Einkäufer nur auf die Beurteilung des vorliegenden Angebots zu konzentrieren, ohne gleichzeitig die Unterschiede zwischen den einzelnen Angeboten herauszuarbeiten, was dem abschließenden Angebotsvergleich vorbehalten bleibt. Dieser kann ohne Berücksichtigung weiterer Auswahlkriterien bereits zur Lieferantenauswahl führen. Diese sollte - auch zur eigenen Absicherung - immer auf der Grundlage einer rationalen und nachvollziehbaren Auswertung geschehen, welche zur Dokumentation und zum Revisionsnachweis zu den Einkaufsunterlagen gehört (s. Formularbeispiel 10 mit Angebotsauswertung).
Nachvollziehbarkeit des Angebotsvergleichs ist sicherzustellen
Allerdings ist es für die erstmalige Lieferantenauswahl bisweilen aus Kosten- und Zeitgründen nicht möglich oder zweckmäßig, alle bislang erwähnten Auswahlkriterien zu berücksichtigen oder die „reine“ Angebotsanalyse durch eine Lieferantenanalyse zu ergänzen. 1
Ein- und Mehrfaktorenvergleiche sind zu unterscheiden
Man unterscheidet daher in der Einkaufspraxis 2
1
Siehe hierzu und zum folgenden Hartmann/Pahl/Spohrer, Lieferantenbewertung - aber wie?, 2. Auflage, Gernsbach 1997. Siehe Arnolds/Heege/Tussing, a.a.O., S. 233 ff.
2
481
(1) Einfaktorenvergleiche, bei denen nur ein Beurteilungskriterium herangezogen wird, und (2) Mehrfaktorenvergleiche, bei denen zumindest drei Faktoren berücksichtigt werden.
Formularbeispiel 10:
482
Angebotszusammenstellung und -vergleich (Beispiel aus der Praxis)
Zu (1) Einfaktorenvergleiche Man kommt schnell zu einer Lieferantenauswahl, wenn man nur ein Beurteilungskriterium zugrunde legt und dieses auch noch leicht quantifizierbar ist. Daher sind Einfaktorenvergleiche in der Form von -
Einfaktorenvergleiche beruhen auf einem Beurteilungskriterium
Preisvergleichen Qualitätsvergleichen Lieferzeitvergleichen
durchaus anzutreffen. Der reine Preisvergleich ist nur vertretbar, wenn das Leistungsniveau der einzelnen Anbieter in etwa gleich ist, so dass zusätzliche Kostenwirkungen nicht zu erwarten sind.
Der reine Preisvergleich setzt Leistungsgleichheit voraus
In dringenden Bedarfsfällen und beim Auftreten von Beschaffungsengpässen gewinnt die Frage der kürzesten Lieferzeit als Auswahlkriterium an Gewicht. Es wird hier unter dem Druck drohender Fehlmengenkosten gehandelt und der Einkäufer zu Preiszugeständnissen verleitet. In einem solchen Fall ist der Einkaufserfolg daher stark gefährdet.
Der reine Lieferzeitvergleich gefährdet den Einkaufserfolg
Aber auch die ausschließliche Beachtung qualitativer Aspekte kann dazu führen, dass nicht der optimale Lieferant zum Zuge kommt. Diese Gefahr ist vor allem gegeben, wenn die Technik des eigenen Hauses Qualitätsstandards festlegt und bereits eine Vorauswahl trifft.
Die Technik trifft über Qualitätsstandards eine Vorauswahl
In erster Linie beim Investitionsgütereinkauf wird die Entscheidungsfreiheit des Einkaufs durch Einflussnahme der Technik häufig stark eingeengt, obwohl gerade Investitionsgüter - wie z.B. maschinelle Anlagen und Maschinen, Transport- und Fördereinrichtungen - einen oft entscheidenden Einfluss auf das Betriebsergebnis haben. Die Anlagenbeschaffung sollte daher mit einer klaren und eindeutigen Aufgabenstellung der Unternehmensführung an den Einkauf und einer ebenso eindeutigen Abgrenzung der Einkaufsaufgaben gegenüber den Funktionen anderer Unternehmensbereiche beginnen. Die Gründe dafür sind:
Der Investitionsgütereinkauf und seine Besonderheiten
483
-
Qualitätsfaktor als Auswahlkriterien mit Ausschlusscharakter
Die enge Verzahnung zwischen Technik und Beschaffung besteht während der gesamten nachfolgenden Abwicklung. Marktkenntnisse des Einkäufers können auch technische Anregungen geben über neue Materialien usw. Der Einkäufer kann frühzeitig genug weitere Wettbewerber ins Spiel bringen, wodurch der Leistungswettbewerb entscheidend verstärkt wird. Er kann rechtzeitig auf Wettbewerbsneutralität von Anfang an hinwirken. Es wird vermieden, dass der Einkauf von einem Bedarfsfall überrascht wird und die Einkaufsarbeit unter Zeitdruck gerät, was erfahrungsgemäß immer Geld kostet.
Zu (2) Mehrfaktorenvergleiche In der Praxis ist der Mehrfaktorenvergleich die Regel, 1 was nicht ausschließt, dass einzelne Auswahl- bzw. Anforderungskriterien als K.O.-Kriterien definiert werden und somit Ausschlusscharakter gewinnen können, wie in der Automobilindustrie der Qualitätsfaktor. Wer hier auf die Lieferantenliste kommen oder sich auf dieser behaupten will, muss sich einer eingehenden Auditierung und ständigen Qualitätsüberwachung unterwerfen. Nur Lieferanten, die Null-Fehler-Lieferungen garantieren und mit einem „Qualitäts-Oskar“ ausgezeichnet werden, erhalten in der Regel neue Verträge. Mehrfaktorenvergleiche auf der Grundlage einfacher Angebotsvergleiche werden dann in der Regel ausreichen, wenn die Entscheidungssituation gekennzeichnet ist durch einen hohen Standardisierungsgrad der Produkte (sog. Commodity Products), geringe strategische Bedeutung, unmodifizierten Wiederholungskauf und geringe Fehlerfolgekosten. In diesen Fällen werden in der Regel keine über die Bedarfsanforderungen hinausgehenden Leistungsmerkmale definiert und in die Lieferantenauswahl einbezogen.
1
Siehe W. Muschinski, Lieferantenbewertung in Deutschland, in: Beschaffung aktuell, Nr. 9, Leinfelden 1998, S. 46 ff. - Die Darstellung geht auf eine empirische Untersuchung der derzeit in Deutschland praktizierten Verfahren der Lieferantenbewertung bei Produktionsmaterialien zurück.
484
Lieferantenbewertung Lieferantenprofil Standort, Niederlassung Geschäftsführung Verkaufsprogramm Umsatz/Marktanteil Zahl der Mitarbeiter Finanzkraft/Bonität Leistungsmix Qualitätssicherungssystem Entwicklung & Forschung Wertanalyse Fertigungstechnik Fertigungskapazität Verkaufspolitik Vertriebslogistik Technischer Kundendienst Zuverlässigkeitsindex Qualität Termin Menge Konditionenmix Preis und Preispolitik Zahlungsbedingungen Lieferbedingungen Garantien Entsorgung Kommunikationsmix Informationspolitik Administrative Arbeit Zusammenarbeit bei Problemlösungen Konkurrenzbeziehungen
Abbildung 88:
Ideenbaum - Auswahlkriterien zur Lieferantenbeurteilung
485
Die in den Lieferantenauswahlprozess eingehenden Anforderungskriterien variieren in der Praxis
Außer den erwähnten Anforderungskriterien (Leistungsmerkmalen) sind bei einem erweiterten Angebotsvergleich - der kombinierten Angebots- und Lieferantenanalyse - noch weitere zu berücksichtigen. So kann die Möglichkeit zum Abschluss von Gegengeschäften von Bedeutung sein. Es können aber auch unternehmenspolitische (z.B. Konzernbindungen), beschaffungspolitische (z.B. Zuverlässigkeit der Stammlieferanten) oder auch die Bereitschaft und Kompetenz zur Zusammenarbeit in Entwicklungs-, Rationalisierungs- und Qualitätsverbesserungsprojekten eine Rolle spielen. Anhand eines Ideenbaums (vgl. Abb. 88) wird deutlich, auf welche Kriterien es bei der Lieferantenauswahl ankommen kann, ohne dass damit ein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben wird. Wie in dieser Abbildung dargestellt, können die in den Auswahlprozess eingehenden Entscheidungsparameter wiederum in Teil- bzw. Unterkriterien aufgesplittet werden. 1 Die in Abb. 88 dargestellte Untergliederung der Hauptkriterien kann sinnvollerweise nur unternehmensspezifisch vorgenommen werden. Die Erfassung der Unterkriterien erfordert unterschiedliche Methoden der Informationsgewinnung (Kennzahlen, Lieferantenaudit). • Um die Kosten der Informationsbeschaffung in Grenzen zu halten, sollte die Anzahl der Haupt- und Unterkriterien beschränkt bleiben.
2.1.4 Lieferanten-/Potenzialanalyse und Lieferantenauswahl Lieferanten/Potenzialanalyse und Ergebnisbewertung
Die Lieferantenanalyse - in der Regel als Lieferantenaudit durchgeführt - gilt der Erforschung der wirtschaftlichen, technischen und ökologischen Leistungsfähigkeit eines (potenziellen) Lieferanten. Beurteilt wird die Möglichkeit des betrachteten Unternehmens, jetzt und in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein. Dabei kann u.a. vor Ort die Unternehmensstruktur, das Qualitätssicherungssystem, die Ablauforganisation sowie das Entwick-
1
Siehe Hartmann/Pahl/Spohrer, a.a.O., S. 33 f.
486
lungs- und Fertigungspotenzial mit Einzelfragen und Kennzahlen untersucht werden (Potenzialanalyse). Lieferantenbewertung Funktion
Aktionen
Lieferantenanalyse
Bieterauswahl
Fragebogen Beurteilung der Leistungsfähigkeit Lieferantenbesuch/ Audit Lieferantenfestlegung
Erstkauf
Wiederholungskauf Lieferung
Lieferantenbeobachtung/ -controlling
Abbildung 89:
Bewertung der Lieferleistung
Lieferantenauswahl und Lieferantencontrolling im System der Lieferantenbewertung
Mit der Bewertung der Lieferungen wird die Qualität der Serie und die Lieferzuverlässigkeit ständig überprüft (Ergebnisbewertung). Der Einkauf hat damit die Möglichkeit, beim Auftreten definierter Soll-Ist-Abweichungen unmittelbar steuernd einzugreifen. Die Lieferantenbewertung ist demnach - wie in Abb. 89 schematisch dargestellt - unter zwei Aspekten zu betrachten: 1 1
Für Einzelheiten siehe Hartmann/Pahl/Spohrer, a.a.O., S. 17 ff.
487
Lieferantenbeurteilung in der DIN EN ISO 9000-Serie
-
Als Bewertungssystem zur Auswahl von Lieferanten. Es hat hier die Aufgabe, eine Selektion der Lieferanten unter Berücksichtigung ihrer zukünftigen Leistungsfähigkeit und beim modifizierten Wiederholungskauf - der erbrachten Lieferleistungen zu ermöglichen.
-
Als Bewertungssystem im Sinne eines Lieferantencontrolling besteht seine Aufgabe vor allem darin, die Lieferleistung der ausgewählten (zugelassenen) Lieferanten im Hinblick auf ihre Zuverlässigkeit im Qualitäts-, Termin- und Mengenbereich zu überwachen und Veränderungen in der Leistungsfähigkeit zu signalisieren.
Der erhöhte Stellenwert der Lieferantenbewertung ist nicht nur eine Folge des ausgeprägten Trends zum strategisch orientierten Einkauf und zum unternehmensübergreifenden Supply Chain Management. Vielmehr wird dem Instrument Lieferantenbeurteilung 1 auch in der DIN EN ISO 9000-Serie besondere Bedeutung beigemessen. 2.1.4.1 Lieferanten/-Potenzialanalyse
Prozessschritte der Lieferantenanalyse
Die Leistungsfähigkeit eines Lieferanten wird durch ein Prozedere geprüft, das die folgenden Prozessschritte durchlaufen kann: (1) Erstmusterprüfung (2) Selbstauskunft des Lieferanten (3) Lieferantenaudit Darüber hinaus können auch noch evtl. vorhandene Primärund Sekundärinformationen verwertet werden. So können z.B. für die Beurteilung der Bonität und Zuverlässigkeit eines neuen Lieferanten Berichte der Auskunfteien herangezogen werden, die jedoch nach Möglichkeit durch Auskünfte ausgewählter Referenzkunden ergänzt werden sollten.
1
Die Bezeichnungen Lieferantenbeurteilung und Lieferantenbewertung werden von uns als Synonyme verstanden.
488
Zu (1): Insbesondere in folgenden Fällen sind Erstmuster zur Prüfung und Freigabe vorzustellen: -
Bei neuen Teilen
-
Bei Änderungen von Qualitätsmerkmalen, Toleranzen und Merkmalsgrenzen
-
Bei Einsatz neuer oder geänderter Rohstoffe, Technologien, Werkzeugen, Maschinen und Produktionsstätten
Muster müssen repräsentativ sein
Aussagekräftig sind die Ergebnisse der Musterprüfung nur, wenn das Muster beim Lieferanten unter normalen Fertigungsbedingungen hergestellt wurde. Zu (2): Wenn größere langfristige Umsätze zu erwarten sind, ist es in der Praxis durchaus üblich, vom Lieferanten einen Fragebogen zur Selbstauskunft über sein Firmenprofil anzufordern. Dieser Fragebogen umfasst im Allgemeinen Fragen zu folgenden Punkten: -
Lieferanteninformationen durch Selbstauskunft
Produktportfolio Marktanteil Umsatzstruktur Unternehmensstruktur Organisation Rechtsform Personalstärke Nachweis eines Zertifikats Referenzen
Darüber hinaus kann der Fragebogen - wie das Formularbeispiel 11 veranschaulicht - aber auch Fragen zu Bilanzkennzahlen, zum Produktionsprozess und zu Elementen des Qualitätsmanagement enthalten. Dieser Fragebogen zur Selbstauskunft von Lieferanten kann dazu benutzt werden, Lieferanten zu selektieren, die einer näheren Beurteilung unterzogen werden sollen.
489
Die Selbstauskunft ist kein Ersatz für einen Lieferantenbesuch oder eine Auditierung
Eine Zulassung neuer Lieferanten sollte sich also nicht nur auf eine Musterprüfung und eine Auswertung der Selbstauskunft beschränken. - Seite 1 -
Fragebogen für A-Lieferanten zu Wirtschaftlichkeit, Rentabilität, Stabilität, Produktivität, Progressivität
Firma: Anschrift: Eigentümer: Tochtergesellschaften:
_______________________________ _______________________________ _______________________________ _______________________________
Jahr X
Jahr X+1 Jahr X+2
Umsatz in TDM Umsatz pro Kopf in TDM Wertschöpfung* pro Kopf in TDM Personalkosten in TDM Umsatzrendite Kapitalrendite Eigenkapital in TDM Fremdkapital in TDM Gesamtkreditlinie in TDM Offene Kreditlinie in TDM Cashflow* zum Umsatz in % Investitionen in TDM (Wofür? Bitte anl. Kurzbeschrbg.) Bestände: Fertig in TDM Unfertig in TDM Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe in TDM
Formularbeispiel 11:
490
Lieferantenfragebogen für A-Lieferanten (Seite 1)
- Seite 2 Jahr X
Jahr X+1 Jahr X+2
Personalstruktur Mitarbeiter gesamt kaufm.-administrativ % technische Funktionen % Forschung und Entwicklung % Fertigung und Innenmontage - davon produktive Mitarbeiter % Auftragsvorbereitung % Einkauf/Materialwirtschaft % Qualitätssicherung % Bitte Organigramm Führungsstruktur beifügen Fertigung: Stundenleistung Entlohnungsart Mehrschichten? wieviel Abteilungen? Auftragsdurchlaufzeit? Prozeßzeit? *
Wertschöpfung gem. VDMA: - Betriebsertrag./.Vorleistungen - Betriebsertrag = Umsatzerlöse +/- Erhöhung oder Verminderung des Bestandes an fertigen und unfertigen Erzeugnissen + andere aktivierte Eigenleistungen + sonstige betriebliche Erträge - Vorleistungen = Materialaufwand + Abschreibungen + sonstige betriebliche Aufwendungen
*
Cashflow gm. VDMA: - Jahresüberschuß/Fehlbetrag + Abschreibungen + Zuführungen zu Pensionsrückstellungen
Bitte nennen Sie uns 4-5 Großkunden und den Umsatzanteil in %. Bitte nennen Sie uns 4-5 Referenzkunden und den Ansprechpartner für uns.
Fragebogen ausgefüllt von
Formularbeispiel 11:
Datum
Lieferantenfragebogen für A-Lieferanten (Seite 2)
Zu (3): Wenn kein Zertifikat nach DIN EN ISO 9000 ff. nachgewiesen oder das Zertifikat als nicht ausreichend betrachtet wird weil z.B. die Erfüllung produktspezifischer Anforderungen bei der Zertifizierung nicht geprüft wird -, ist ein Audit beim Liefe-
491
Die Auditierung von Lieferanten ist aufwendig
ranten durchzuführen. Dieses ist von beiden Seiten - vom Abnehmer und Lieferanten - gründlich vorzubereiten, was ausgezeichnete Fachkenntnisse voraussetzt. Dabei hat sich die Erstellung geeigneter Checklisten (vgl. Formularbeispiel 12) sehr bewährt. Der Dialog mit den betrieblichen Funktionen des Lieferanten steht im Mittelpunkt der praktischen Durchführung, so dass • sich die Auditierung von Lieferanten zur Absicherung der Auswahlentscheidung als ein äußerst nützliches, aber auch kostspieliges Instrument erweist. Teilkriterien
Erläuterungen
Preisniveau
•
Die momentanen Preise sind wettbewerbsfähig
•
Teuerungszuschläge der letzten Jahre werden ohne „Wenn und Aber“ aufgezeigt und begründet
•
Lieferant ist zum Abschluss langfristiger Lieferverträge mit Festpreisen bereit
•
Lieferant ist zur Offenlegung der Kalkulation seiner Preise bereit
•
Lieferant versucht konsequent, durch wertanalytische Arbeitsweisen die Kosten der Produkte zu senken
•
Lieferant ist uneingeschränkt bereit, Kostensenkungspotenziale gemeinsam auszuschöpfen
•
Lieferant akzeptiert uneingeschränkt Liefer- und Zahlungsbedingungen
Preisverhalten
Kostenmanagement
Liefer- und Zahlungsbedingungen Gesamtbeurteilung Wirtschaftlichkeit
Formularbeispiel 12:
492
Lieferantenbeurteilung Checkliste Wirtschaftlichkeit
PZ
Anmerkungen
Ein Aufwand von 10 bis 30 Tsd. DM pro Lieferant und Prüfung ist u.U. einzuplanen. Selbst in großen Konzernen sind jedoch 10 - 20 Aktionen dieser Art pro Jahr ausreichend, um über A-Lieferanten die notwendigen umfassenden Informationen zu gewinnen. Da der Abnehmer durch die Auditierung zwangsläufig Einblicke in das Entwicklungs- und Verfahrens-Know-how des Lieferanten erhält, sind auch Fragen der Geheimhaltung vorab zu klären und vertraglich - wie z.B. in dem als Praxisbeispiel im Anhang aufgenommenen Geheimhaltungsabkommen abzusichern. Der zunehmenden Bedeutung des Qualitätsaspekts bei der Lieferantenauswahl wird in der Praxis dadurch Rechnung getragen, dass häufig das Qualitätsaudit als Instrument der Qualitätssicherung im Vordergrund einer Auditierung steht. Dabei werden grundsätzlich drei Arten der Qualitäts-Auditierung unterschieden: • Verfahrensaudit • Produktaudit • Systemaudit Beim Verfahrensaudit - auch Prozessaudit genannt - wird die Wirksamkeit der Qualitätssicherung hinterfragt. Beurteilt werden die eingeführten Verfahren und Arbeitsabläufe hinsichtlich ihrer Sicherheit und Zweckmäßigkeit sowie hinsichtlich der Einhaltung der gültigen Verfahrens- und Arbeitsanweisungen. Beim Produktaudit geht es um die Feststellung der Wirksamkeit der Qualitätssicherung bei den Rohstoffen, Halbfabrikaten und Enderzeugnissen. Beurteilt wird die Einhaltung der vorgegebenen Qualitätsmerkmale und Arbeitsanweisungen. Beim Systemaudit steht die Wirksamkeit des Qualitätssicherungssystems nach DIN EN ISO 9000 ff. und QS 9000 des Lieferanten im Mittelpunkt. Das Hauptziel der DIN EN ISO 9000Norm ist, sicherzustellen, dass das Qualitätssicherungssystem eines Lieferanten so organisiert ist, dass das Auftreten von Fehlern im gesamten Entwicklungs- und Produktionsprozess vermieden wird. Grundlagen für das Systemaudit sind das Qua-
493
Das Qualitätsaudit steht im Vordergrund
litätssicherungshandbuch, Qualitätsanweisungen, Richtlinien, gesetzliche Auflagen und zutreffende Qualitätssicherungsnormen. Im Vordergrund der Auditierung steht die Fragestellung, ob das dokumentierte Qualitätssicherungssystem in der Praxis wirksam nachgewiesen werden kann. Zur Durchführung der Qualitätsaudits werden umfangreiche Fragenkataloge eingesetzt, die u.U. auch eine Bewertung von Materialmanagement-Systemen ermöglichen. Das Umweltaudit als spezielle Betriebsprüfung
Sofern im Betrieb des Lieferanten in verstärktem Maße umweltgefährdende Materialien und Produktionsverfahren zum Einsatz kommen, wird zunehmend auf die Teilnahme an einer Umweltbetriebsprüfung (Öko-Auditierung) Wert gelegt. Wie bei allen erwähnten Arten einer Auditierung, so sollte auch die Beendigung eines Umweltaudits keineswegs zur spezifischen unternehmenspolitischen Inaktivität des auditierten Unternehmens führen. Vielmehr erfordern die in den Richtlinien festgelegten Normen ständige umweltpolitische Aktivitäten des auditierten Unternehmens. Das Umweltmanagementsystem sollte kontinuierlich verbessert und ausgebaut werden. 1 2.1.4.2 Lieferantenbewertung
Der Leistungsvergleich setzt die Vergleichbarkeit und Gewichtung der einzelnen Anforderungskriterien voraus
Die Lieferantenauswahl im Rahmen der vergleichenden Beurteilung, durch die die Gesamt-Wettbewerbsfähigkeit der Anbieter/Lieferanten festgestellt werden soll, erfolgt immer nach vorher definierten Anforderungskriterien (s.o.), die generell vorgegeben oder vom Beurteilungsteam zu entwickeln sind. Zum Beurteilungsteam können neben dem zuständigen Einkäufer je nach Notwendigkeit auch Mitarbeiter der Bereiche Entwicklung, Produktion, Logistik, Qualitätssicherung etc. hinzugezogen werden. Die formelle Beurteilungsmethodik, die je nach Warengruppe unterschiedlich sein kann, ist unternehmensspezifisch festzulegen. In diesem Zusammenhang stellen sich in der Bewertungspraxis vor allem zwei Probleme: 1
Bei den Normen der Richtlinienfamilie DIN EN ISO 14000 ff. handelt es sich um allgemeingültige branchenübergreifende Normen, die anders als es die EG/EU-Öko-Audit-Verordnung vorsieht, nicht auf die Unternehmen der gewerblichen (produzierenden) Wirtschaft beschränkt sind. - Für Einzelheiten siehe die in der Loseblattsammlung „Materialwirtschaft und Logistik in der Praxis“, WEKA Verlag, Augsburg, erschienenen Beiträge.
494
-
Nach Bestimmung der Anforderungskriterien sind Bewertungsstufen festzulegen. Mit anderen Worten: Es ist eine eindeutige Antwort auf die Frage zu finden:
Bewertungsstufen
• Wie sind Unterschiede im Erfüllungsgrad der Anforderungskriterien zu definieren und zu bewerten? Auch hier empfiehlt es sich, wenige Stufen vorzusehen, wobei für jedes Kriterium nach dem Hürdenprinzip ein Mindesterfüllungsgrad vorgeschrieben werden kann. -
Darüber hinaus ist der unterschiedlichen Bedeutung der Anforderungskriterien Rechnung zu tragen. Dabei ist von den beschaffungspolitischen Zielsetzungen der Lieferantenbewertung auszugehen.
Gewichtung
• Im übrigen bleibt die Gewichtung immer problematisch, da sie aufgrund der sich verändernden internen und externen Rahmenbedingungen nicht auf Dauer angelegt sein kann und stets die Gefahr einer Scheingenauigkeit in sich birgt. 2.1.4.3 Auswahlverfahren Welches Verfahren der Lieferantenbewertung sollte nun angewendet werden?
Lieferantenbewertung - welches Verfahren?
Eine allgemein gültige Antwort auf diese in der Praxis häufig gestellte Frage ist nicht denkbar, da es ein Verfahren im Sinne einer mathematischen Formel, in die man nur die betriebsspezifischen Daten einsetzen müsste, nicht gibt. Die Systeme sind in ihrer Art jedoch ähnlich aufgebaut und unterscheiden sich lediglich hinsichtlich ihrer Aussagefähigkeit und Zuverlässigkeit. Grundsätzlich zu beachten ist, dass für ihre Anwendung neben artikel- und sortimentsspezifischen Kriterien sowie einkaufspolitischen Zielsetzungen auch hier die Regeln der ABC-Analyse gelten, d.h. nur die umsatzstärksten Lieferanten (A-Lieferanten) werden einer systematischen und standardisierten Lieferantenbewertung unterzogen.
495
Der Aufwand muss den Nutzen rechtfertigen
Die nachstehend kurz skizzierten Verfahren - auch ScoringModelle genannt - haben sich in der Einkaufspraxis als Lösungshilfe bewährt: 1 Das Notensystem ist die einfachste Lösung
a) Notensystem Am einfachsten ist es, für die Leistungsbeurteilung ein Schulnotensystem mit Noten von beispielsweise 1-5 anzuwenden. Für eine Lieferantenbewertung, die hauptsächlich auf Überprüfung der Zuverlässigkeit ausgerichtet ist, bietet dieses Verfahren einen besonders geeigneten Ansatzpunkt. 2 Ein Beispiel aus der Praxis soll das verdeutlichen:
Praxisbeispiel zur Lieferantenbewertung auf Basis eines Notensystems
Beispiel 52: Die Kromschröder AG, Osnabrück, auf dem Gebiet der Gasmess- und Regeltechnik tätig, installierte Ende 1989 ein Bewertungssystem, in dem den drei Bewertungsfaktoren der Zuverlässigkeit, nämlich der Qualität, Quantität und Lieferpünktlichkeit, die gleiche Gewichtung zukommt. In das leistungsbegleitende Bewertungssystem wurde der Preis als Bewertungsfaktor nicht miteinbezogen, da dieser aufgrund bestehender Rahmenvereinbarungen während der Laufzeit des Vertrages in der Regel unverändert bleibt. 3 Qualität, Quantität und Termine aller Lieferungen werden im Wareneingang bzw. von der Wareneingangs- und Qualitätsprüfung erfasst, mit den Soll-Werten verglichen und nach festgelegten Maßstäben beurteilt. So wird die Mengenzuverlässigkeit z.B. wie folgt abgestuft beurteilt:
Note
Erfüllungsgrad
1
zuviel zuwenig zuviel zuwenig
2
1
gelieferte Menge " " gelieferte Menge " "
= max. 0,001 % = max. 0,001 % zw. 0,001 % - 10 % zw. 0,001 % - 10 %
Siehe dazu ausführlich Hartmann/Pahl/Spohrer, Lieferantenbewertung - aber wie? a.a.O. - Vgl. auch vom Verf.: Lieferantenwahl ist keine Zufallsentscheidung, in: Beschaffung aktuell, Nr. 11, Leinfelden 1988, S. 34 ff. 2 Als weiteres Beispiel aus der Praxis siehe auch Aufgabe 26 im Anhang, die zugleich die 6 Ausgestaltungsmöglichkeiten dieses Verfahrens veranschaulicht. 3 Diese Bewertungssystematik wurde nach der im Jahre 1997 erfolgten Umstellung auf SAP-R/3 zunächst beibehalten.
496
3 4 5
zuviel zuwenig zuviel zuwenig zuviel zuwenig
gelieferte Menge " " gelieferte Menge " " gelieferte Menge " "
zw. 10 % - 20 % zw. 10 % - 20 % zw. 20 % - 30 % zw. 20 % - 30 % mehr als 30 % mehr als 30 %
Die Gesamtnote (= Gesamtindex) ergibt sich als Durchschnittswert der Einzelbeurteilungen. Der Einkäufer kann sich im Dialog am Bildschirm folgende Informationen anzeigen lassen. -
Alle Teile eines Lieferanten (vgl. Tabelle 19) Ein bestimmtes Teil unabhängig vom Lieferanten Einen bestimmten Wareneingang
Die in das Lieferantenbewertungssystem einbezogenen A-Lieferanten erhalten die Auswertungen jeweils zum Monatsende. Sie dienen als Gesprächs- und Verhandlungsgrundlage. b) Punktbewertungsverfahren Obwohl auch bei Anwendung eines Notensystems eine Gewichtung der Bewertungskriterien mithilfe von Gewichtungsprozentsätzen erfolgen kann, haben sich in dieser Beziehung Punktbewertungsverfahren bewährt. Sie sind in der Einkaufspraxis - so z.B. auch im SAP-Standard - in den verschiedensten Varianten anzutreffen und folgen im Allgemeinen der nachfolgenden Systematik: (1) Die Anforderungskriterien werden - je nach Einschätzung ihrer Bedeutung - gewichtet. Der höchste Gewichtungsfaktor (z.B. 30) wird für das Kriterium von größter Bedeutung, der geringste Gewichtungsfaktor (z.B. 5) für das Kriterium von geringster Bedeutung vergeben. (2) Die Leistungsfähigkeit der Anbieter/Lieferanten wird im Einzelnen beurteilt, indem jedes Kriterium im Hinblick auf seinen Erfüllungsgrad bewertet und „benotet“ wird. Die Bestbewertung kann z.B. der Höchstzahl von 5 Punkten entsprechen.
497
Punktbewertungsverfahren haben sich bewährt
Tabelle 19:
Lieferantenbewertung - Bewertungsübersicht (Ausdruck)
(3) Im Rahmen der Beurteilungspraxis werden zweckmäßigerweise Checklisten (vgl. Formularbeispiel 12) eingesetzt, durch die sichergestellt wird, dass die Beurteilung nach gleichen (vergleichbaren) Maßstäben und Regeln erfolgt. (4) Durch die Addition der gewichteten Punktzahlen, d.h. durch die Addition der Punktwerte wird die Gesamtbewertung der Lieferanten A, B, C usw. ermittelt.
498
Die praktische Anwendung zeigt ein praxisgerechtes Beispiel, das durch Tabelle 20 verdeutlicht wird. Beispiel 53: Im Rahmen einer erweiterten Angebotsanalyse werden die Lieferanten A, B und C durch ein Beurteilungsteam auditiert. Als Beurteilungskriterien werden in Betracht gezogen: Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit, Know-how, Service, Bonität, Ökologie. Diese Hauptkriterien sind in Teilkriterien untergliedert, die im Hinblick auf ihren Erfüllungsgrad durch vorformulierte Prüffragen vom Beurteilungsteam abgefragt werden (vgl. Formularbeispiel 12). - Die Punkteskala erstreckt sich von max. 5 = „voll erfüllt“ bis zur 1 = „nicht erfüllt“ oder „keine Bewertung möglich“. Dazwischen liegen „ausreichend“ (2), zufriedenstellend (3) und erfüllt (4). - Gewichtung und Bewertung der Hauptkriterien gehen aus Tabelle 20 hervor. - Die Höchstpunktzahl (500) wird von keinem Lieferanten erreicht. Der Lieferant A entspricht insgesamt den Anforderungen des eigenen Unternehmens am ehesten.
Kriterien
GF
GF x PZ (max.)
A PZ
PW
Wirtschaftlichkeit
30
150
5 150
Versorgungssicherheit
20
100
4
Know-How
20
100
5 100
Service
15
75
3
Bonität
10
50
4
Ökologie
5
25
1
Gesamtpunkte
100
500
Lieferanten B PZ PW
3
90
C PZ
PW
4 120
5 100
2
40
1
20
3
60
45
2
30
1
15
40
4
40
5
50
5
3
15
4
20
80
420
285
305
Legende: GF = Gewichtungsfaktor PZ = Punktzahl (max. 5) PW = GF x PZ
Tabelle 20:
Lieferantenbewertung Punktbewertungsverfahren
499
Allgemeines Beispiel zur Lieferantenbewertung auf der Basis eines Punktbewertungsverfahrens
c) Quotientenverfahren Einen anderen Weg geht das Quotientenverfahren, 1 das in der Praxis auch Kennzahlenverfahren genannt wird. Es werden hier vom Einkäufer „Erfolgsraten“ ermittelt, wie beispielsweise: niedrigster Einstandspreis aller Angebote Rate Einstandspreis = jeweiliger Einstandspreis des einzelnen Angebots Beanstandungen Rate Qualitätszuverlässigkeit = Summe aller Lieferungen verspätete Lieferungen Rate Terminzuverlässigkeit = Summe aller Lieferungen
Die Aussagefähigkeit der Zuverlässigkeitskennziffern ist kritisch zu betrachten
Bei der Interpretation der Zuverlässigkeitskennziffern sind - wie allgemein bei der Bewertung der Lieferleistung - einige Aspekte zu beachten: • Die Beurteilung geht in der Regel von den Ergebnissen der Wareneingangsprüfung aus. Mängel, die sich erst bei der Weiterverarbeitung oder beim Kunden zeigen, können mit diesem Verfahren nicht erfasst oder nur mit sehr hohem Aufwand einer Lieferung und/oder einem Lieferanten zugeordnet werden. • Die Ergebnisse werden sehr stark durch die Lieferhäufigkeit und die Losgröße beeinflusst. • Bei der Erfassung und Bewertung von Fehlern ist darauf zu achten, dass den Lieferanten nur die Fehler angelastet werden, die in seinem Verantwortungsbereich und nicht durch zu eng gesetzte Termine, Übermittlungsfehler usw. verursacht wurden. d) Lieferantenkennzahl Unter den Bezeichnungen Lieferantenkennzahl, „vendor rating system“, Anbieterselektions-System usw. wurden weitere Verfahren entwickelt. Hierbei trennt man die Bewertung des Beschaffungsobjektes von der des Anbieters. Die Bewertung des Beschaffungsobjektes geht von den Angaben der Angebote aus (Preis, Qualität, Lieferzeit) und setzt voraus, dass alle Angebote 1
Siehe Arnolds/Heege/Tussing, a.a.O., S. 235 ff.
500
hinsichtlich dieser Kriterien den gestellten Ansprüchen genügen. In diesem Fall verbleibt als einziges Beurteilungskriterium für das Beschaffungsobjekt der Einstandspreis. Um jedoch auch die Leistungsfähigkeit der einzelnen Anbieter zu berücksichtigen und dadurch über den reinen Preisvergleich hinauszugehen, erhält jeder Lieferant eine Kennzahl. Grundlage der Kennzahl ist der Wert 1,0, zu dem Strafpunkte für schlechte Leistungen in der Vergangenheit addiert und Gutschriften für besonders gute Leistungen bei der bisherigen Zusammenarbeit subtrahiert werden.
2.1.5 Bestellentscheidung In der Regel ist der Prozess der Lieferantenauswahl mit dem auf der Lieferantenbewertung fußenden Leistungsvergleich abgeschlossen: Dieser gibt Kenntnis von dem günstigsten (optimalen) Angebot. Nicht in jedem Fall wird jedoch das günstigste Angebot über die Auftragsvergabe entscheiden. Vielmehr hat sich die Bestellentscheidung den beschaffungspolitischen Richtlinien anzupassen, die beispielsweise die Bevorzugung eines „Sensitive Supplier“ vorsehen kann. Dabei kann es sich um große Dauerlieferanten, Geschäftspartner, Großkunden, Behindertenwerkstätten usw. handeln. Sind Sensitive Supplier an einem Auswahlprozess beteiligt und nicht erfolgreich, so sind u.U. Gespräche zu führen, um diesen Lieferanten die Chance zu geben, ihre Wettbewerbsposition zu verbessern. Auch verdienen die Risiken besondere Aufmerksamkeit, die im Verhalten eines noch nicht bekannten Lieferanten zu suchen sind. Diese Risiken sind nicht nur im Hinblick auf die korrekte Ausführung eines einzelnen Auftrages, sondern auch im Hinblick auf die spätere Fortführung der Geschäftsbeziehungen zu beurteilen. So können Zweifel an der Leistungsfähigkeit eines neuen Lieferanten für den Einkäufer Anlass genug sein, diesem nicht den Zuschlag zu geben, obwohl sein „Einführungsangebot“ im Leistungsvergleich an erster Stelle lag. Nicht zuletzt können persönliche Beziehungen die Bestellentscheidung beeinflussen, wobei nicht zu übersehen ist, dass
501
Der Leistungsvergleich ist nicht in jedem Fall für die Auftragsvergabe entscheidend
durch persönliche Kontakte und Präferenzen Abschluss und Abwicklung eines Auftrages erleichtert werden. Die Schwachstellenanalyse ist Grundlage von Maßnahmen zur Lieferantenentwicklung
Die Angabe beispielsweise von Punktwerten je Beurteilungskriterium und Lieferant (vgl. Beispiel 53) erleichtert jedoch nicht nur die Darstellung der Leistungsunterschiede und damit die Lieferantenauswahl. Vielmehr werden damit die Stärken und Schwächen der einzelnen Lieferanten transparent. Die aus der kritischen Auswertung resultierenden Maßnahmen zur Lieferantenförderung und Lieferantenentwicklung können u.U. in Verknüpfung mit der Bestellentscheidung in die Wege geleitet werden. Um beurteilen zu können, ob die Unternehmenspotenziale eine längerfristig positive Entwicklung des Lieferanten erwarten lassen, ist die Lieferleistung laufend zu überwachen (s.o.) und die Umsetzung der Verbesserungsmaßnahmen zu beobachten. Ziel und Entwicklungsplan (stark vereinfachtes Beispiel) Bewertungsergebnis:
72 Punkte: accepted
Hauptleistungen:
Gute Technologieposition
1. Einkauf
Hauptschwachstellen:
schlechte Preisposition gegenüber Wettbewerb, extrem schlechte Liefertreue
2. Qualität
Vorgeschlagene Entwicklungsmaßnahmen: - Verbesserung der Liefertreue in Eigenoptimierung - Optimierung Gemeinkosten (Benchmarking)
PRO Lieferant
Ausprägung 0
100
Erwartete Verbesserung (bis nächster Bewertung): - Rating 80 Prozent - Kostensenkungspotential: 300.000 DM
3. Logistik
4. Technologie Zeitplan:
Summe:
Abbildung 90:
72 Punkte
………………
Beteiligte: ………………
Aufwand Lieferant:
………………
Eigenaufwand:
………………
Datum
Unterschrift Lieferant
Unterschrift Einkauf
………
………………………
………………………
Lieferanten-Schwachstellenanalyse - Maßnahmenplan zur Lieferantenentwicklung
Abb. 90 zeigt beispielhaft, 1 wie auf der Grundlage der Bewertungsergebnisse mit dem Lieferanten ein Entwicklungsplan vereinbart werden kann. Diese Vorgehensweise stellt vor allem beim internationalen Einkauf keine Ausnahme dar, sofern eine längerfristige Zusammenarbeit mit dem (potenziellen) A-Lie1
A. Momber/Th. Zachau, Kosten senken durch professionelles Lieferantenmanagement, in: Beschaffung aktuell, Nr. 5, Leinfelden 1999, S. 41.
502
feranten angestrebt wird. Die im Zusammenhang mit Lieferantenförderungs- und Lieferantenentwicklungsmaßnahmen dem eigenen Unternehmen entstehenden Lieferantenqualifizierungskosten sind nach dem TOCO-Konzept vom Einkäufer im Rahmen des Preisvergleichs zu berücksichtigen (vgl. unter Ziffer 2.1.3.1 in diesem Abschnitt). Da die abteilungsübergreifenden Lieferantenqualifizierungskosten quantitativ vorab kaum genau zu erfassen sind, ist die Entscheidungssituation bei Beschaffungsvorgängen im internationalen Umfeld durch monetäre (kalkulatorische) Risikoelemente geprägt, so dass sich der Einkäufer bei entsprechender Sachlage möglicherweise für den „zweitbesten“ Anbieter entscheidet. Grundsätzlich sollte die Bestellentscheidung immer auf der Grundlage eines rationalen und nachvollziehbaren Prozesses der Lieferantenauswahl geschehen. Sonstige Einflüsse auf die Entscheidung sollten frei von persönlichen Motiven sein und schriftlich begründet werden (z.B. bisherige Erfahrungen, Sensitive Supplier, Risikoabwägung).
Nachvollziehbarkeit der Bestellentscheidung
Persönliche Beziehungen erhalten einen leicht „kriminellen“ Anstrich, wenn finanzielle Zuwendungen oder andere geldwerte Vorteile (Mietwagen, Reisen) mit im Spiel sind. ⇐
Aufgabe 26
2.2 Beschaffungsabschluss Auf die Wahl des Lieferanten folgt in den meisten Fällen unmittelbar die Bestellung. Das gilt allerdings nur, wenn keine Verhandlungen mehr zu führen sind, um letzte Unklarheiten zu beseitigen oder eine Verbesserung des Angebots in bestimmten Punkten zu erreichen. Grundsätzlich vollzieht sich der Beschaffungsabschluss daher in folgenden Schritten: (1) Abschlussverhandlung (2) Bestellung (3) Bestellbestätigung
503
Grundsätzlich vollzieht sich der Beschaffungsabschluss in drei Schritten: - Vertragsverhandlungen - Bestellung - Bestätigung
Durch Rationalisierung des Bestellwesens ist der Verhandlungserfolg zu optimieren
Es handelt sich demnach zum Teil um rein formale Vorgänge. Ziel bei der Abwicklung dieser Vorgänge muss es sein • durch Rationalisierung und Organisation den Erfolg der Verhandlungstätigkeit mit geringstem Aufwand sicherzustellen.
2.2.1 Abschlussverhandlung Die Notwendigkeit von Verhandlungen muss zwingend gegeben und wirtschaftlich gerechtfertigt sein
Über die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit von Verhandlungen vor der Bestellschreibung gibt es keine einheitliche Meinung. Es erhebt sich daher die Frage, unter welchen Umständen Verhandlungen geführt werden sollten. Zwingend erforderlich ist, dass Aufwand an Zeit und Geld für Verhandlungen in einem angemessenen Verhältnis zu dem möglicherweise erzielbaren Erfolg stehen müssen. Völlig überflüssig sind daher Abschlussverhandlungen bei Kleinbestellungen und wenn feststeht, dass eine Verbesserung des Angebotes nicht erreicht werden kann. Allerdings wird oft nur deshalb von Verhandlungen Abstand genommen, weil man glaubt, dass das „äußerste“ Angebot vorliegt. Ein solcher Glaube kann ein verhängnisvoller Irrtum sein, der dem Unternehmen sehr viel entgangenen Gewinn kostet, vor dem sich jedoch der qualifizierte Facheinkäufer weitgehend durch eine Preis- und Kostenanalyse der Lieferantenofferten schützen kann. Völlig anders ist hingegen die Situation, wenn es sich um laufend wiederholenden Bedarf handelt und langfristige Lieferverträge abzuschließen sind oder wenn es um hochwertige Materialien (A-Artikel) geht. Die Verhandlung hat dann das Erreichen von Preiszugeständnissen, von günstigeren Zahlungsund Lieferbedingungen und/oder kürzeren Lieferzeiten zum Ziel. Insbesondere sind Verhandlungen dann notwendig, wenn das Angebot des „optimalen“ Lieferanten Unklarheiten enthält, die vor der Bestellung bereinigt sein müssen.
504
Die Notwendigkeit von Verhandlungen muss zwingend gegeben und wirtschaftlich gerechtfertigt sein Besteht Aussicht auf Verhandlungserfolg und zeigt sich der erfolgreiche Lieferant verhandlungsbereit, so ist die Verhandlung sorgfältig vorzubereiten und zu planen.
Eine erfolgreiche Verhandlung muss sorgfältig vorbereitet sein
Zur technischen Vorbereitung der Verhandlungen gehören folgende Punkte: -
Zusammensetzung der Verhandlungsdelegation (sofern der Einkäufer nicht allein die Verhandlung führt) Festlegung des Verhandlungstermins und Verhandlungsorts (im Büro des Einkaufs; an einem neutralen Platz) Festlegung der Sitzordnung Zusammenstellung der Dokumentation (Lieferantenkarte, Beschaffungsvorgang, Aufzeichnungen, Auswertungen) Festlegung des Verhandlungsziels und des Vorgehens bei der Verhandlung Abstimmung mit den Besprechungsteilnehmern anderer Funktionen (Entwicklung, Technik, Qualitätssicherung)
Wesentlich ist neben der technischen die psychologische Vorbereitung der Verhandlung. Das bedeutet, dass sich der Einkäufer darüber Gedanken machen muss, wie er die Verhandlung eröffnet (z.B. durch ein Vorgespräch) und wie er sie führt (defensiv oder offensiv). Auch Überlegungen zur Verhandlungstaktik - ob z.B. durch ein Zugeständnis zur rechten Zeit das eigene Verhandlungsziel erreicht werden soll - wird der gewissenhafte Einkäufer anstellen. Dabei muss er Persönlichkeit und Naturell seines Verhandlungspartners beachten. Eine sorgfältige und bis ins Detail gehende Vorbereitung der Verhandlung ist zweifellos eine entscheidende Voraussetzung für deren möglichen Erfolg. Ob die Verhandlung aber erfolgreich verläuft, hängt wesentlich vom psychologischen Einfühlungsvermögen und Verhandlungsgeschick des Einkäufers ab. Die Einfühlung in die Situation des Verkäufers wird ihm erleichtert, wenn er die Hintergründe des Verkaufsgesprächs, die Verhandlungsstrategie und -taktik beim Verkauf genau kennt. Unternehmen gehen deshalb dazu über, Einkäufer in den Methoden der Verkäufer zu schulen.
505
Der Verhandlungserfolg setzt eine geschickte Verhandlungsführung voraus
Patt-Situationen oder Verdacht auf Unredlichkeit sollten neue Angebotsabgabe (geschlossen) auslösen
Führen die Verhandlungen mit den besten Anbietern zu einer Übereinstimmung der Konditionen (evtl. Verdacht auf Absprachen) oder besteht die Wahrscheinlichkeit, dass eine Information aus der Phase der Angebotsauswertung nach außen gelangt ist, so muss der Einkäufer als Ergebnis der Verhandlung um ein abschließendes und endgültiges Angebot bitten, das in einem zweiten Umschlag an das Sekretariat oder den Controller mit dem Vermerk „geschlossenes Angebot“ zu richten ist. Eine weitere Verhandlung ist nicht mehr möglich.
Geschlossene Angebotsabgabe bei C-Material
Zur Vereinfachung des Beschaffungsabschlusses für C-Material kann das Verfahren der „geschlossenen Angebotsabgabe“ ohne Verhandlung ebenfalls sinnvoll sein. Es muss jedoch bei der Anfrage deutlich darauf hingewiesen werden, dass keine Verhandlungsmöglichkeit besteht und deshalb um äußerst günstige Konditionen ersucht wird.
Verhandlungsprotokoll ist unverzichtbar
Zwingender Bestandteil jeder Verhandlung ist das von einem Einkäufer zu führende Protokoll. Werden vorliegende Angebote verhandelt, dann stellen alle vom vorliegenden Angebot als Ergebnis der Verhandlung abweichende Fakten (z.B. durch Mengenerhöhung günstigerer Preis, Senkung der Verpackungskosten, Veränderung des Gefahrenübergangs) rechtlich gesehen ein neues Angebot dar. Als Muster eines Protokolls siehe Formularbeispiel 13. Aus diesem Grund muss auch der Gesprächspartner der Anbieterseite zum Abschluss der Verhandlung erklären, wie lange er sich an das neue Angebot gebunden hält und das Protokoll unterschreiben.
506
Verhandlungsergebnis - neues Angebot (keine Bestellung) Datum:.................. Anbieter: Objekt: Teilnehmer: Anbieter:
Kunde:
Basis der Verhandlung Anfrage vom: Angebot(e) vom:
Ergebnisse 1)
Spezifikation unverändert / verändert:
2)
Liefertermine:
3)
Poenale:
4)
Vertragsstrafe:
5)
Erfüllungsort:
6)
Gefahrübergang:
7)
Gewährleistung / mit / ohne Bürgschaft: Produkthaftung:
8)
Preisstellung:
9)
Zahlung:
10)
Anzahlungsbürgschaft:
11)
Festpreis:
507
12)
Allgemeine und technische Einkaufsbedingungen akzeptiert?
13)
Bedingungen zur Qualitätssicherung akzeptiert?
14)
Grundsatzvereinbarung:
15)
Neuer Preis / Auftragswert:
Anbieter macht Kunde hiermit ein Angebot gemäß diesem Protokoll einschl. Anlagen, an das sich Anbieter bis ....... gebunden hält. Datum und Unterschrift des Anbieters: Sichtvermerke des Kunden: Formularbeispiel 13:
Verhandlungsprotokoll
2.2.2 Bestellung Nach Abschluss der Verhandlungen wird die Bestellung erteilt. Diese kann - rechtlich gesehen - sowohl Antrag als auch Annahme sein: 1 Der Einkaufsvertrag muss rechtswirksam abgeschlossen sein oder er wird erst durch „schlüssiges“ Handeln für beide Seiten verbindlich
(1) Angebot des Lieferanten Bestellung des Kunden
= Antrag = Annahme
(2) Bestellung des Kunden = Antrag Bestellbestätigung des Lieferanten = Annahme Stimmen Antrag und Annahme überein, so ist der Kaufvertrag zustande gekommen. Besondere Formvorschriften sind dabei nicht zu beachten. Die Annahme braucht nicht unbedingt ausdrücklich erklärt zu werden, sie kann auch aus einer dem Antrag entsprechenden „schlüssigen“ Handlung (z.B. durch Zustellung der bestellten Teile) entnommen oder u.U. durch Stillschweigen (z.B. bei Stammlieferanten) ersetzt werden. 1
Siehe im Einzelnen D. Osterfeld, Vertragsrecht für den Einkauf, Gernsbach 2004.
508
Es sind in der Einkaufspraxis auch folgende Fälle beispielhaft denkbar: -
Der Einkäufer erklärt dem Lieferanten gegenüber seine Absicht zum Vertragsabschluss, befristet für ein Jahr (oder zu anderen Bedingungen), sofern ihm für diese Zeit der Lieferant ein attraktives Angebot unterbreitet.
-
Der Lieferant gibt auf Verlangen des Einkäufers eine Absichtserklärung ab, Fertigungskapazitäten für zukünftige Aufträge freizuhalten.
-
In beiden Fällen ist durch die jeweilige Erklärung noch kein Vertrag zustande gekommen. Vielmehr sind nur Absichtserklärungen (Letter of Intent) abgegeben worden. Im deutschen Recht finden sich dafür keine gesetzlichen Grundlagen. 1 Allerdings begeht eine Partei, die sich im Letter of Intent verbindlich festgelegt hat, den Vertragsabschluss aber verweigert, Vertrauensbruch und kann deswegen zum Schadensersatz verpflichtet werden, wenn ihre Erklärung für die andere Partei die berechtigte Erwartung begründet hat, eine verbindliche Vertragserklärung werde folgen. Der Schadensersatzanspruch ist vorrangig auf den Ersatz des sog. Vertrauensschadens gerichtet. Unnötige Aufwendungen sollen erstattet werden.
Zusätzlich zu der „normalen“ Form eines Kaufvertrages unter Zugrundelegung der Einkaufsbedingungen sind in der Praxis noch besondere Vertragstypen zu finden, die hier im Wesentlichen unter betriebswirtschaftlich relevanten Aspekten skizziert werden sollen. Darüber hinaus erfordert die Zunahme von Entwicklungspartnerschaften im Sinne von Simultaneous Engineering eine neue Vertragsform, den System-Entwicklungsvertrag. Dieser moderne Kooperationsvertrag enthält Vereinbarungen, die sich auf die gesamte Wertschöpfungskette beziehen. Damit ergeben sich
1
Siehe S. Klamroth/R. Walter, Rechtskunde für Kaufleute, 2. Auflage, Wiesbaden 1987, S. 61.
509
Letter of Intent - eine noch nicht auf einen Vertragsabschluss gerichtete Willenserklärung
Vertragsinhalte, die den Rahmen bisheriger Verträge sprengen. 1 2.2.2.1 Der „Normal“-Einzelvertrag Die schriftliche Bestellung sollte die Regel sein
Nicht immer wird es zu vermeiden sein, dass in besonders dringenden Fällen Bestellungen mündlich aufgegeben werden. Die Regel aber sollte die schriftliche Bestellung sein. Mit ihr sind für das eigene Unternehmen folgende Vorteile verbunden: • Sicherheit hinsichtlich der Rechtslage durch Hinweis auf die Einkaufsbedingungen (AGB) • Sicherheit hinsichtlich der richtigen Übermittlung • Sicherheit in der Belegorganisation und der Dokumentation Wenn gleichwohl aus zwingenden Gründen die Bestellung mündlich gegeben werden muss, so kann auf die schriftliche Bestätigung nicht verzichtet werden.
Eine vordringliche Aufgabe ist die Rationalisierung des Bestellvorgangs
Da die schriftliche Erteilung der Bestellungen mit einem erheblichen Aufwand an Zeit und Geld verbunden ist, müssen die Bemühungen um eine Rationalisierung des Bestellvorgangs in dreifache Richtung gehen: (1) Reduzierung der Zahl der Bestellungen (2) Vereinfachung der Bestellaufgabe Da es bei der Forderung nach einer Reduzierung der Bestellungen in erster Linie um das Problem der Kleinbestellungen geht, wird dieser Rationalisierungsaspekt im Zusammenhang mit der Problematik geringwertiger Bestellungen behandelt. (3) Kostengünstigste Übermittlung zum Lieferanten Um die Bestellaufgabe zu vereinfachen, gibt es außer der maschinellen Abwicklung und der Nutzung durch das Internet noch eine Vielzahl von Möglichkeiten der bürotech1
Siehe K.-H. Schmid, Modul-Entwicklungsverträge, in: Beschaffung aktuell, Nr. 4, Leinfelden 1999, S. 50 ff. - In Anlehnung an ein Praxisbeispiel ist im Anhang ein Modul-Entwicklungsvertrag wiedergegeben.
510
nischen Durchführung von Bestellungen mit erheblichem Einsparungspotenzial an Schreibarbeit. Als Beispiele sind zu nennen: -
Bedarfsanforderung als Bestellung Angebot als Bestellung mit Stempelaufdruck „Gilt als Bestellung“, Datum und Unterschrift Bestellvordruck des Lieferanten Einkaufschecks, von Lieferanten zur Verfügung gestellt, in der Regel mit Artikelbezeichnungen versehen Unterlagen (z.B. Stücklisten) der Arbeitsvorbereitung Artikellisten der Lieferanten (z.B. für Büro-, Kantinenund Hygienebedarf)
Aus dieser Aufzählung praxisgerechter Rationalisierungsmaßnahmen ist erkennbar, dass kaum ein Betrieb berechtigten Grund hat, über den Anfall von Schreibarbeit im Einkauf zu klagen. ⇐
Aufgabe 27
2.2.2.2 Besondere Vertragsformen - Individualverträge Es gibt im Rahmen der Vertragspolitik eine Reihe - nachfolgend im Einzelnen behandelter - Gründe, die in der Praxis zu besonderen Vertragsformen - sog. Individualverträgen führen. Als solche sollen hier behandelt werden: a) b) c) d) e) f) g)
Der Rahmenvertrag Der Kauf auf Abruf Der Sukzessivlieferungsvertrag Der Fremdbevorratungsvertrag Der Konsignationslagervertrag Der Spezifikationskauf Das Streckengeschäft
Ein besonderes Merkmal dieser Vertragsformen ist darin zu sehen, dass im Allgemeinen durch sie die Geschäftsbeziehungen zwischen Käufer (Kunden) und Lieferanten auf eine längerfristige Grundlage gestellt werden.
511
Bei kontinuierlich auftretendem Bedarf kann es zum Abschluss längerfristig bindender Vertragsformen kommen
Vertragliche Rahmenbedingungen bei Einbindung der Lieferanten in den Produktentwicklungsprozess
Bei Einbindung der Lieferanten in die einzelnen Phasen der Produktentwicklung müssen standardmäßige vertragliche Regelungen definiert werden, die die Zusammenarbeit festlegen. Als praxisgerechtes Beispiel ist im Anhang ein SystemEntwicklungsvertrag beigefügt. Um die Rechte am Know-how und Kenntnissen zu regeln, ist in jedem Fall eine Know-howSchutzvereinbarung zu treffen. Im Allgemeinen haben vertragliche Vereinbarungen dieser Art und dazu sind auch Vereinbarungen zur Qualitätssicherung zu rechnen - nur in Verbindung mit Rahmenabkommen Gültigkeit. Aus dem Gesagten versteht sich von selbst, dass Verträge dieser Art im Regelfall - eine Ausnahme ist hier vor allem der Fremdbevorratungsvertrag - nur bei kontinuierlich auftretendem Bedarf in Betracht kommen.
Während der Dauer eines Rahmenvertrages können Änderungen in den Konditionen nicht eintreten
a) Der Rahmenvertrag Kennzeichnend für Rahmenverträge ist, dass sie bestimmte Kauf- und Verkaufsbedingungen, evtl. auch die Preise für einen Zeitraum oder bis zur Abnahme einer gewissen Gesamtmenge festlegen. Diese Vereinbarungen binden Lieferant und Käufer wie es im Wesen eines jeden Vertrages begründet ist - an alle im Vertrag festgelegten Punkte.
Der Rahmenvertrag ist im Regelfall nicht an die Abnahme bestimmter Mengen gebunden
Im Rahmenvertrag wird nicht die Abnahme einer bestimmten Menge innerhalb eines bestimmten Zeitraums vereinbart, es sei denn, der Lieferant legt Wert auf die Festlegung maximaler Liefermengen bei Einzelaufträgen innerhalb des Rahmenvertrages. 1 Neben der sich aus dem Abschluss von Rahmenverträgen ergebenden Vereinfachung bei der Abwicklung der Einzelbestellungen ist ein vertragstypischer Vorteil darin zu sehen, dass • während der Vertragsdauer Änderungen der vereinbarten Konditionen nicht eintreten können, was eine sichere Grundlage für die Beschaffungsplanung und -abwicklung schafft.
1
Siehe hierzu das Praxisbeispiel im Anhang.
512
Es sind aber auch Risiken beim Abschluss langfristiger Verträge zu beachten:
Risiken langfristiger Verträge
• Zeitweiser Verzicht auf Wettbewerb kann Preisnachteile bringen. Die Marktbeobachtung darf daher nicht vernachlässigt werden. • Bei Rohstoffen und Normteilen können - bedingt durch Überschüsse im Markt - u.U. gelegentlich günstigere Preise erzielt werden. Es darf auch nicht übersehen werden, dass die Festlegung von Preisen zwar vor Preissteigerungen schützt, den Vorteil von Preissenkungen jedoch ausschließt. b) Der Kauf auf Abruf Im Gegensatz zum Rahmenvertrag wird beim Kauf auf Abruf stets die Abnahme einer bestimmten Mindest- oder Höchstmenge innerhalb eines bestimmten Zeitraums vereinbart. Der Einkäufer behält sich lediglich das Recht vor, den Liefertermin bzw. die Liefertermine (bei Teillieferungen) später festzulegen, d.h., die Ware abzurufen. Es handelt sich also um eine feste Bestellung, bei der lediglich der Zeitpunkt der Ausführung noch offen steht.
Der Kauf auf Abruf verpflichtet zur Mengenabnahme
Der Abschluss eines Kaufvertrages, der den Kauf auf Abruf vorsieht, bietet folgende Vorteile:
Der Abrufauftrag bietet versorgungstechnische und kostenmäßige Vorteile
• Sicherung der Versorgung des Betriebes • Erreichung eines mengenorientierten Preises (Mengenrabatte) • Verringerung der Lagerhaltungskosten und des Lagerhaltungsrisikos Außerdem ergibt sich auch hier eine erhebliche Vereinfachung in der Abwicklung der Abrufbestellung. Diese enthält keine Liefer- bzw. Versandvorschriften und Einkaufsbedingungen, weil diese Bestandteil des Kaufvertrages sind.
513
Abruf gemäß Muster
Sofern Erstmusterprüfungen zu keinerlei Beanstandungen führten und dieses dem Lieferanten bestätigt wurde, können sich alle Abrufbestellungen darauf beziehen (... gemäß Muster vom ...), ohne dass eine ständige Wiederholung der Spezifikationen notwendig ist. • Ein anerkanntes Muster ist im Falle einer Qualitätsbeanstandung die rechtlich sicherste Grundlage.
Unter der Voraussetzung genauer Bedarfsplanung kann durch einen Sukzessivlieferungsvertrag ein fester Lieferrhythmus vereinbart werden
Qualitätssicherung durch Lieferanten setzt vertragsrechtliche Vereinbarungen voraus
c) Der Sukzessivlieferungsvertrag Sukzessivlieferungsverträge sind eine Variante des Kaufs auf Abruf. Während jedoch beim Kauf auf Abruf die Liefertermine nicht vereinbart werden, erfolgen beim Sukzessivlieferungsvertrag im Regelfall Teillieferungen (in meist gleichen Mengen) zu im Vertrag vereinbarten Terminen (z.B. stündlich oder täglich). Dieser Vertragstyp 1 ist daher vor allem in Zusammenhang mit einer Just-in-Time-Beschaffung anzutreffen und kann durchaus auch Wesensmerkmale eines Fremdbevorratungsvertrages (s.u.) aufweisen. Der Abschluss von Sukzessivlieferungsverträgen setzt die Möglichkeit einer genauen Bedarfsplanung von Materialien voraus, die laufend und in größerem Umfang benötigt werden. Für den Lieferanten muss eine kurzfristige Wochenplanung bzw. Liefereinteilung erfolgen. 2 Sofern im Rahmen einer Just-in-TimeBeschaffung zeitgenau direkt in die Produktion/Montage geliefert werden soll, die vom Kunden durchzuführenden Wareneingangsprüfungen also entfallen, muss im Vertrag genau festgelegt werden, welche Prüfungen zur Qualitätssicherung vom Lieferanten durchzuführen sind. Auch sind genaue Vereinbarungen über die auszustellenden Prüfzeugnisse zu treffen, da selbst amtliche Prüfzeugnisse ohne vertragliche Vereinbarungen nicht die eigene Qualitätsprüfung ersetzen. 3 1
In der materialwirtschaftlichen Praxis wird dieser Vertragstyp daher auch als Just-in-Time-Vertrag (JiT-Vertrag) bezeichnet, ein Begriff, der nach S. Klamroth „für die juristische Handbahnung“ nichts hergibt. Siehe S. Klamroth, Verträge für lagerlose Versorgung, in: Beschaffung aktuell, Nr. 2, Leinfelden 1988, S. 40. 2 Siehe dazu das Praxisbeispiel 21.1 im dritten Abschnitt unter Ziffer 4.1.2.3. 3 Von der vertragsrechtlichen Qualitätssicherung zu unterscheiden ist die deliktrechtliche Produkthaftung. Sie betrifft Ansprüche Dritter, die durch ein fehlerhaftes Produkt Personen- oder Sachschaden erleiden und durch vertragliche Ver-
514
Vor Inkrafttreten des Vertrages sind in jedem Fall angemessene Erstmusterprüfungen durchzuführen, um zu testen, ob die unter Produktionsbedingungen gefertigten Teile allen Anforderungen von Zeichnungen und Spezifikationen entsprechen. • Vertragsstrafen in Form von mengen- und arbeitszeitbedingten Kostensätzen sind für den Fall auszuhandeln, dass Qualitätsmängel zur Produktionsunterbrechung führen. Hinsichtlich der Vorteile für den Käufer gilt sinngemäß das Gleiche, was über den Kauf auf Abruf festgestellt wurde. • Hinzu kommt eine Vereinfachung der Bestelltätigkeit durch Wegfall wiederholter Auftragserteilung. Für den Lieferanten bietet der Sukzessivlieferungsvertrag in besonderem Maße den Vorteil einer sicheren Vorausplanung. An die Zuverlässigkeit der Lieferanten und ihre Termintreue müssen allerdings besonders hohe Anforderungen gestellt werden. Für Lieferzeitverzögerungen • sollte eine Vertragsstrafe (Pönale) 1 vereinbart werden, wenn anderweitige Beschaffung nicht vorgesehen oder möglich ist. • Sofern eine „second source“ vorhanden ist und damit kurzfristig eine anderweitige Beschaffung zu realisieren ist, kann eine Regelung vereinbart werden, die einem Fixhandelskauf nahe kommt. Sofern dem Lieferanten das Vormaterial oder der Vorlieferant vorgeschrieben werden soll - es können hierbei auch Konzernzugehörigkeit oder Gegengeschäftsinteressen eine Rolle spielen - sind die Rechtsfolgen bei verspäteter Belieferung durch den Zulieferanten festzulegen. Auch sollte durch eine Klausel einbarungen nicht ausgeschlossen werden kann. Siehe auch Reese/Spohrer, a.a.O., S. 45 ff. sowie K.-H. Schmid, Produkthaftungsgesetz - Gibt es bereits Auswirkungen?, in: Beschaffung aktuell, Nr. 4, Leinfelden 1990, S. 54. 1 Wenn die Vertragsstrafe als Prozentsatz (z.B. „bei Lieferverzögerung 1 % vom Auftragswert pro Tag/Woche, maximal 10 %“) festgelegt ist, so wird von einer „Pönale“ gesprochen. Dieser Begriff ist also nicht bei einer summarischen Bemessung der Vertrags- bzw. Konventionalstrafe zu verwenden.
515
Der Sukzessivliefervertrag bietet in hohem Maße Vorteile für den Käufer und den Lieferanten Lieferterminsicherung durch Vereinbarung von - Vertragsstrafen oder - Fixterminen („second source“Fall)
geregelt werden, dass der Lieferant seine Marktkenntnisse einbringen und diese nach Zustimmung nutzen kann. 1 Fremdbevorratungsverträge werden hinsichtlich der Vereinbarung einer Abnahmeverpflichtung unterschiedlich gehandhabt
d) Der Fremdbevorratungsvertrag Fremdbevorratungsverträge schaffen die praktischen Voraussetzungen für eine pünktliche Belieferung bei Vermeidung einer eigenen Vorratshaltung. Dabei sind zwei Varianten zu unterscheiden: 2 -
-
Verträge mit Abnahmeverpflichtung bei kontinuierlicher Lieferung im Sinne von Sukzessivlieferungsverträgen (s.o.), da diese in der Regel mit einer Vorratsproduktion und Vorratshaltung beim Lieferanten verbunden sind; ohne Abnahmeverpflichtung bei diskontinuierlicher Lieferung (z.B. bei Ersatz- und Verschleißteilen für maschinelle Anlagen des Betriebes oder auch bei aperiodischem Bedarf an Hilfs- und Betriebsstoffen).
Bei Fremdbevorratungsverträgen ohne feste Abnahmeverpflichtung ist die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, dass ein Gericht sie nicht als Vertrag, sondern als Absichtserklärung (Letter of Intent) behandeln könnte. Es sollte daher auf einen eventuell garantierten Mindestumsatz (bei Ersatzteilen zum Beispiel 2,5 mal im Jahr) geachtet werden. Im Einzelnen sind folgende Vertragspunkte zu beachten: 3 Muster eines Fremdbevorratungsvertrages ohne Abnahmeverpflichtung
1. Grundlage des Vertrages Lieferant richtet auf der Basis des mit Kunden abgeschlossenen Rahmenabkommens Nr. ......... vom ........... ein Vorratslager für die in der Anlage spezifizierten Materialien ein, aus welchem alle in Frage kommenden Betriebe des Kunden versorgt werden. Die Überwachung und Auffüllung der vereinbarten Bestände obliegt dem Lieferant.
1
Muster eines Rahmenvertrages zur Just-in-Time-Beschaffung ist enthalten in Reese/Spohrer, a.a.O., S. 67 ff. Siehe S. Klamroth, a.a.O., S. 40. 3 Siehe auch Reese/Spohrer, a.a.O., S. 86 ff. 2
516
2. Anschrift des Vorratslagers Der Lieferant führt das Vorratslager unter folgender Anschrift: .............................................................................. 3. Vertragsdauer und Kündigung Der Vertrag beginnt am ............... und läuft auf unbestimmte Zeit. Er ist kündbar mit einer Frist von 3 Monaten. Falls das unter 1. genannte Rahmenabkommen zur Auflösung kommt, endet dieser Bevorratungsvertrag zum gleichen Zeitpunkt. Während der Kündigungsfrist gelten die zum Zeitpunkt der Kündigung gültigen Preise. Bei Auflösung des Vertrages ist Kunde nicht verpflichtet, die noch vorhandenen Vorräte zu übernehmen. 4. Umfang des Bevorratungslagers Die zu bevorratenden Materialien und Mengen sind in beigefügten Ausdrucken der EDV des Kunden festgelegt, die Bestandteil dieses Vertrages sind. Im Fall von Neuaufnahmen, Streichungen oder Mengenkorrekturen erhält Lieferant eine neue Liste, in der die Änderungen deutlich gekennzeichnet sind. Die Streichung einzelner Artikel erfolgt analog der Regelung bei Vertragsauflösung. Es wird ein xfacher Umschlag pro Jahr angenommen. Diese Änderungen sind innerhalb von 2 Wochen durchzuführen und zu bestätigen. 5. Einrichtung des Bevorratungslagers Lieferant verpflichtet sich, mit Vertragsbeginn alle vereinbarten Materialpositionen zum sofortigen Versand bereitzuhalten. Lieferant ist dafür verantwortlich, dass die vereinbarten Bestände jederzeit vorrätig sind. 6. Lieferzeit Die Lieferzeit aus dem Bevorratungslager entspricht der Zeit zwischen dem Eintreffen des Kundenabrufs über Teletex oder E-Mail und dem Eingang der Ware im Werk des Kunden. Sie wird hiermit auf 4 Werktage festgelegt. 7. Schadenersatzanspruch Kann Lieferant nicht innerhalb der vereinbarten Lieferzeit die abgerufenen Artikel und Mengen liefern und wird hierdurch
517
der Betrieb des Kunden gestört, hat Kunde das Recht, die entstehenden Mehrkosten der anderweitigen Beschaffung dem Lieferanten in Rechnung zu stellen. 8. Abrufbestellung und Abrechnung Kunde fordert die benötigten Materialien und Mengen mit einer Abrufbestellung unter Bezug auf das Rahmenabkommen und diesen Vertrag mit Telefax oder E-Mail ab. Der Lieferant erstellt für jeden Abruf eine Rechnung auf der Grundlage des Rahmenabkommens. 9. Haftung Die für Kunden vorrätig gehaltenen Bestände lagert Lieferant auf eigenes Risiko. Eine Haftung des Kunden besteht in keinem Fall. Kunden und Lieferant müssen sich den Regeln der Konsignation anpassen
e) Der Konsignationslagervertrag Im Falle der Konsignation ist über die wechselseitigen Rechtsbeziehungen zwischen dem Kunden und Lieferanten ein Vertrag abzuschließen, der die Rechte und Pflichten der beiden Vertragspartner regelt. Im Einzelnen muss der Vertragstext folgende Bestimmung beinhalten: 1 1. Der Lieferant richtet im Werk des Kunden ein Konsignationslager für................................ Qualität/Abmessung/Mindest-Höchstbestand ein. Es wird ein x-facher Umschlag pro Jahr angenommen. 2. Der Kunde stellt zu diesem Zweck den erforderlichen Platz/Raum kostenlos zur Verfügung und versichert den jeweiligen Lagerbestand gegen Wasser, Feuer und Diebstahl. Der Lieferant kann jederzeit Bestandsaufnahmen vornehmen. 3. Der Kunde ist verpflichtet, die Konsignationsgegenstände von seinen übrigen Waren zu trennen und sie auf seine Kosten mit der erforderlichen Sorgfaltspflicht zu lagern und zu verwalten.
1
H. Strache, Preise senken - Gewinn einkaufen, a.a.O., S. 480 f.
518
4. Mit der Entnahme ist ein Kaufvertrag zwischen dem Kunden und dem Lieferanten zu den Einkaufsbedingungen des Kunden und zu dem vereinbarten Preis geschlossen. 5. Der Lieferant füllt das Lager bis zum ................. jeden Monats auf. Auf allen Lieferpapieren vermerkt der Lieferant „Für Konsignation“. 6. Konsignationsware nimmt der Lieferant bei fristgerechter Kündigung in vollem Umfang/bis zum unter Punkt 1 des Vertrages genannten Mindestbestand zurück. Frachtkosten übernimmt der die Vertragsauflösung verursachende Vertragspartner. 7. Die Abrechnung der Entnahmen erfolgt am 1. Arbeitstag eines jeden Monats Die Vorteile dieser Vertragsregelung für den Käufer sind überzeugend: • Arbeitsersparnis im Einkauf (nur monatliche Abrechnung) • Maximale Versorgungssicherheit, keine Terminschwierigkeiten • Minimierung der Bestell- und Kapitalbindungskosten Der Lieferant hat folgende Vorteile: - Arbeitsersparnis in der Auftragsbearbeitung, im Versand und in der Fakturierung - Frachtvorteil durch Sammelladungen - Planung fertigungsgerechter Losgrößen - Vorsprung gegenüber der Konkurrenz, da er durch den Konsignationslagervertrag eine feste Bindung an seinen Kunden hat. Angesichts dieser Vorteile für beide Vertragspartner überrascht es nicht, dass es in der Praxis häufig zum Abschluss von Konsignationslagerverträgen kommt und Einkäufer angewiesen werden, das Einkaufsmaterial nach Möglichkeiten für Konsignationswaren zu analysieren.
519
Aus dem Abschluss von Konsignationslagerverträgen ziehen Käufer und Lieferant Vorteile
Beim Spezifikationskauf wird die Art der Ware nachträglich „spezifiziert“
f) Der Spezifikationskauf
Beim Streckengeschäft vermeidet der Handel den Lagerumschlag
g) Das Streckengeschäft
Im Gegensatz zu den bislang erwähnten Vertragsformen, bei denen die Art der zu liefernden Ware von vornherein feststeht, wird die Warenart (= Spezifikation) beim Spezifikations- bzw. Gattungskauf erst später festgelegt. Der Käufer ist jedoch verpflichtet, die Ware innerhalb einer bestimmten Frist zu spezifizieren (nach Form, Maß oder Gattung). Kommt er dieser Verpflichtung nicht rechtzeitig nach, ist der Verkäufer berechtigt, von sich aus die Ware zu bestimmen. Der Spezifikationskauf ist in der Eisen-, Holz- und Papierindustrie besonders verbreitet.
Beim Streckengeschäft - auch Streckenhandel genannt, nimmt der Händler keine Zwischenlagerung vor, sondern lässt die Ware (z.B. Heizöl) vom Lieferanten direkt zu seinem Kunden transportieren, dem er die Rechnung ausstellt. • Die Einsparungen des Händlers an Transport- und Umladebzw. Handlingskosten kann der Einkauf preistaktisch ausnutzen. 2.2.2.3 Verträge mit Preisvorbehaltsklauseln
Durch Preisgleitklauseln zielt der Lieferant auf eine Abwälzung des Preisrisikos ab
Manche Risiken sind - vor allem bei langen Lieferzeiten und langfristigen Verträgen - im Zeitpunkt der Angebotsabgabe oder der Auftragsannahme so unbestimmt, dass der Lieferant nicht in der Lage ist, feste Preise zu vereinbaren. Er versucht meist, durch eine Preisvorbehaltsklausel das Preisrisiko auf den Käufer abzuwälzen.
Es gibt zwei Gruppen von Preisgleitklauseln: Mit und ohne fester Bezugsbasis
Die wichtigsten Arten von Preisvorbehalten sind a) Die unbestimmte Preisvorbehaltsklausel b) Die Tagespreisklausel c) Die Preisgleitklausel mit festen Ausgangspreisen
520
a) Die unbestimmte Preisvorbehaltsklausel Die unbestimmte Preisvorbehaltsklausel ist sehr verbreitet. Sie wird durch den Zusatz „freibleibend“ oder „unverbindlich“ ausgedrückt. Klauseln dieser Art finden sich besonders häufig in Angeboten. Es kann daher zu erheblichen Preisabweichungen zwischen Angebot und Auftragsbestätigung kommen, wenn zwischen beiden Vorgängen ein größerer Zeitraum liegt. Wesentlich nachteiliger kann sich aber ein Preisvorbehalt auswirken, den der Lieferant in der Auftragsbestätigung zum Ausdruck bringt. b) Die Tagespreisklausel Die Tagespreisklausel drückt ebenfalls einen unbestimmten Preisvorbehalt aus. Sie wird in den Angeboten und Verträgen meist durch den Zusatz „berechnet wird der am Tag der Lieferung gültige Preis" vermerkt. Dabei sollte angegeben werden, wie der am Tag der Lieferung gültige Preis zu ermitteln ist (z.B. Börsen- oder Marktpreis). Derartige Preisvorbehalte sind für den Käufer sehr unsicher und versetzen ihn in eine äußerst ungünstige Position, zumal der rechtsverbindliche Auftrag bereits vergeben ist und für den Käufer kaum eine Möglichkeit besteht, aus dem Kaufvertrag ohne Schadenersatz herauszukommen. c) Die Preisgleitklausel mit festen Ausgangspreisen Eine weitere Art des Preisvorbehaltes ist die Preisgleitklausel, die auf festen Ausgangspreisen beruht, während im Gegensatz dazu die unter a und b skizzierten Preisgleitklauseln eine solche feste Bezugsbasis nicht enthalten. Folglich geht in diesem Fall der Lieferant zwar von einem festen Basispreis aus, behält sich jedoch bis zu Lieferung Änderungen infolge Materialpreisoder Kostenerhöhungen vor. Wenn Preisgleitklauseln - insbesondere bei langfristigen Verträgen - nicht zu vermeiden sind, sollte der Einkäufer in einer solchen Situation versuchen, folgende Vereinbarungen zu erreichen:
521
Die unbestimmte Preisvorbehaltsklausel ist vor allem in Angeboten zu finden
Die Tagespreisklausel versetzt den Käufer in eine ungünstige Position
Die Preisgleitklausel ist an einen festen Ausgangspreis gebunden
Möglichkeiten zur „Entschärfung“ von Preisgleitklauseln
1. Eine Preisänderung wird nur in Rechnung gestellt, wenn sie ... % des vereinbarten Kaufpreises überschreitet. (Meist wird hierbei eine Toleranz von +/- 5 % vereinbart). 2. Der im Angebot genannte oder im Kaufvertrag festgelegte Ausgangspreis wird über einen bestimmten - vertraglich vereinbarten - Zeitraum hinweg konstant gehalten. 3. Preis- bzw. Kostensteigerungen dürfen nur effektiv rein netto weitergegeben werden. (Es kann hier der endgültig zu zahlende Preis mithilfe von Indizes festgelegt werden.) Das nachstehende Beispiel aus dem Einkaufshandbuch eines Unternehmens veranschaulicht, wie eine Preisgleitklausel aufgebaut sein kann. Praxisbeispiel zur Vereinbarung einer Preisgleitklausel
Beispiel 54: Das nachfolgende Beispiel enthält eine Preisgleitklausel in Gestalt einer Formel. Dabei muss immer vom Bestellpreis „ab Werk“ ausgegangen werden. Der Preis ab Werk basiert auf den unten angegebenen kostenbestimmenden Faktoren:
P=
P0 M L ⋅ (F + x ⋅ + y⋅ ) 100 M0 L0
Die Abkürzungen bedeuten: P = der endgültig zu zahlende Preis P0 = Preis gemäß Auftrag F = unveränderlicher Anteil (Fixkosten) x = Materialkostenanteil M = Materialpreis nach Preiserhöhung M0 = Materialpreis bei Vertragsabschluss y = Lohnkostenanteil L = Ecklohn nach Tariferhöhung L0 = Ecklohn bei Vertragsabschluss
in % in % im Betrag im Betrag in % im Betrag im Betrag
Für das Aushandeln bzw. Festlegen der einzelnen Bezugsgrößen innerhalb der Formel sind folgende Hinweise zu beachten:
522
Die Größen F, x, y (in Prozent) und M0, L0 (in EUR per Einheit) müssen im Auftrag angegeben sein, ebenso die Fixierung der Stichtage, an denen eine Erhöhung wirksam werden darf. Der Stichtag liegt zwischen Abschluss und Lieferung. Würden den Komponenten M und L lediglich „die am Tage der Lieferung gültigen Material- und Lohnkosten“ zugrunde liegen, so könnte sich eine kurz vor der Lieferung eintretende Materialpreiserhöhung voll auswirken, obwohl die Materialien u.U. schon Monate vorher verarbeitet wurden. Der nicht der Gleitung unterliegende Anteil F muss so hoch wie möglich ausgehandelt werden. Sofern keine Preisgleitklauseln vereinbart wurden, sollten Preiserhöhungen von A- und B-Lieferanten generell verhandelt werden. Üblicherweise wird in der Einkaufspraxis auf eine formelle Ankündigung einer beabsichtigten Preiserhöhung mit einem Standardbrief (ähnlich Formularbeispiel 25 im Übungsteil) zu einem Preisgespräch eingeladen. Das Verhandlungsergebnis sollte die kostenrechnerisch ermittelte und strategisch festgelegte Marge nicht überschreiten. ⇐ ⇐
Abwehr von Preiserhöhungen
Aufgabe 28 Aufgabe 29
2.2.2.4 Die Kleinbestellung Allgemein lässt sich sagen, dass es sich bei Kleinbestellungen um Aufträge an Lieferanten handelt, deren Bestellwert relativ gering ist. Dabei kann es sich um Bestellungen bis zu einem Wert von EUR 50,- oder EUR 100,- handeln. Vor allem in Großunternehmen kann jedoch der Begriff der Kleinbestellung erheblich ausgeweitet werden, und Bestellungen bis zu einem Bestellwert von EUR 500,- (und evtl. noch darüber hinausgehend) können hier als Kleinbestellungen betrachtet werden. Abb. 91 zeigt das für Kleinbestellungen typische Bild: Ihrem hohen Anteil an den Gesamtbestellungen entspricht ein geringer Anteil am Gesamtbeschaffungsumsatz.
523
Bis zu welchem Bestellwert Aufträge als Kleinbestellungen behandelt werden sollten, unterliegt sehr unterschiedlicher Betrachtungsweise
EUR
Abbildung 91:
Kennzahl zur Ermittlung der Bestellstruktur
EUR
ABC-Verteilung der Bestellfälle
Die Kennzahl zur Ermittlung der Bestellstruktur lautet •
Wert der Bestellungen im Bestellwert bis x EUR Gesamtwert der Bestellungen
Ein zu hoher Anteil von Kleinbestellungen an den Gesamtbestellungen kann auf ineffiziente Bestellabwicklung, unzureichende Bestellmengenplanung, zu viele „Schnellschüsse“ und Eilbestellungen usw. zurückgeführt werden. Kleinbestellungen müssen vermieden oder ihre Abwicklung so vereinfacht werden, dass das Verhältnis von Aufwand je Bestellung zum Bestellwert zu vertreten ist
Vergegenwärtigt man sich nun den Tatbestand, dass die Abwicklung einer Bestellung dem Unternehmen zwischen 60,- bis 150,- EUR und mehr (bestellfixe) Kosten verursacht, der Beschaffungsaufwand also in keiner vernünftigen Relation zum Bestellwert steht, dann muss es Zielsetzung des Einkaufs sein,
524
• im Rahmen einer Lean Organisation eine aufwandsarme Beschaffung vor allem auch bei geringwertigen Bestellfällen durchzusetzen. Die Möglichkeiten dazu sind vielfältiger Art. Sie lassen sich im Wesentlichen nach folgenden wichtigen Ansatzpunkten gruppieren: (1) Reduzierung der Bestellungen durch - Mengenzusammenlegung in Form von Sammelanforderungen und -bestellungen - Einrichtung von Konsignationslagern - lieferantenbezogene Bedarfskonzentration - Fremdbeschaffung durch Einkaufsdienstleister (Outsourcing) 1 (2) Vereinfachung der Abwicklung durch - Selbstbeschaffung z.B. im Rahmen eines Purchasing-CardSystems 2 - Telefonische Bestellerteilung - Verwendung von Kleinbestellbüchern (insbesondere bei Abholung durch Boten) - Bestellausschreibung durch Bedarfsträger (Anforderung = Bestellung) - Abschlüsse - E-Procurement Mit den Internet-Technologien werden immer neue Möglichkeiten geschaffen, die Abwicklungskosten zu reduzieren. Die Beschaffung von Produkten aus elektronischen Katalogen ist beispielsweise eine Lösung. Bei diesem Ansatz werden die in einem Unternehmen zu beschaffenden Produkte in elektronischen Katalogen abgebildet. Der Anforderer ist in der Lage die zu beschaffenden Produkte in den Katalogen zu suchen und auszuwählen. Ein Abschluss für einen bestimmten Zeitraum oder ein Rahmenvertrag kann sinnvoll sein, wenn bestimmte Materialien in kleinen Mengen vom gleichen Lieferanten mehr oder weniger regelmäßig bezogen werden. Im Rahmenvertrag werden - wie 1
Siehe unter Ziffer 4.2.2.3 im dritten Abschnitt sowie das Praxisbeispiel. Siehe im 2. Abschnitt Beispiel 9, in dem das System unter dem Punkt „Entwicklungstendenzen (1998)“ skizziert ist.
2
525
Eine wirtschaftliche Abwicklung von kleinen Bestellungen setzt die Ausstellung von Sammelrechnungen voraus
üblich - die Bedingungen festgelegt, zu denen die einzelnen Bestellungen/Abrufe ausgeführt werden sollen. Die damit verbundene erhebliche Erleichterung wird noch beträchtlich erhöht, wenn die Ausstellung von (monatlichen, vierteljährlichen) Sammelrechnungen vereinbart wird, um zu Sammelzahlungen und Sammelbuchungen zu kommen.
2.2.3 Bestellbestätigung Bestellbestätigungen sind äußerst wichtige Dokumente
Ist die Bestellung erteilt, so ist es Aufgabe des Einkäufers, dafür zu sorgen, dass diese in der mit dem Lieferanten ausgehandelten Form auch tatsächlich Geltung erlangt. Die Gewissheit hat der Einkäufer nur, wenn der Lieferant nach Erhalt der Bestellung eine Bestellbestätigung erteilt. Deshalb wird im Einkauf der Eingang von Bestellbestätigungen überwacht, überfällige Bestätigungen werden angemahnt, die Übereinstimmung von Bestellung und Bestätigung wird geprüft und bei Differenzen umgehend Kontakt mit dem Lieferanten aufgenommen.
Die Prüfung auf Übereinstimmung der Bestätigung mit der Bestellung kann vereinfacht werden
Die Prüfarbeiten nehmen natürlich viel Zeit in Anspruch. Deshalb ist man in der Praxis bemüht, auch hier zu rationalisieren. Dabei sind folgende Möglichkeiten im Hinblick auf ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen: (1) Es wird ein Bestellsatz verwendet, der zusätzlich ein oder zwei Ausdrucke enthält, die als „Bestellungsannahme“ gekennzeichnet sind. Diese Ausfertigungen werden mit der Bitte an den Lieferanten beigefügt, eine Ausfertigung unterschrieben zurückzusenden. (2) Der Lieferant gibt nur eine Kurzbestätigung ohne Wiederholung des Bestelltextes ab. (Diese Möglichkeit bietet sich an, wenn zuvor zwischen Lieferanten und Einkäufer Übereinstimmung in allen Einzelheiten des Vertragsentwurfes erzielt werden konnte.) (3) Um unnötigen Papieraufwand zu vermeiden, kann evtl. folgende Vertragsklausel in Erwägung gezogen werden: „Sofern XXX ohne Abweichungen von der Bestellung (Spezifikation, Menge, Preis, Termin) liefern wird, soll eine Auftrags-
526
bestätigung nicht zugestellt werden. Die Lieferung gemäß Bestellung ist dann der rechtliche Abschluss.“ Sollte trotzdem eine Lieferanten-Auftragsbestätigung eingehen, so kann eine Reduzierung des Arbeitsaufwandes dadurch erreicht werden, dass nur bei entscheidenden Abweichungen der Auftragsbestätigung von der Bestellung widersprochen wird. Im Einzelnen sind folgende im Einkaufshandbuch festzuschreibende Regelungen denkbar: -
Bei Abweichung technischer Inhalte:
Regelungen bei Abweichungen
Normstelle informieren.
-
Preis:
Reklamation beim Lieferanten, ggf. Teamleiter bzw. Kostenstellenleiter informieren.
-
Termin:
Reklamation beim Lieferanten, ggf. internen Kunden informieren.
-
Menge:
internen Kunden informieren.
-
Verkaufsbedingungen: können ignoriert werden, da bei Widersprüchen BGB/HGB gilt.
Im Rahmen dieser Ausführungen kann auf rechtliche Fragen nicht näher eingegangen werden. Nur die Möglichkeit zur endgültigen Abwehr von Änderungen zu den „Allgemeinen Einkaufsbedingungen“ durch den folgenden Zusatz im Bestellungskopf sei an dieser Stelle erwähnt:
Abwehr von Änderungen der „Allgemeinen Einkaufsbedingungen“
• „Es gelten unsere Allgemeinen Einkaufsbedingungen, auch wenn anderslautende Bestätigungen durch den Lieferanten erfolgen.“
2.3 Beschaffungsabwicklung Die Beschaffungsabwicklung erstreckt sich auf die Überwachung der Liefertermine, die Warenannahme und -kontrolle sowie die Rechnungsprüfung. Es sind demnach in erster Linie
527
Im Rahmen der Beschaffungsabwicklung ist die ordnungsgemäße Vertragserfüllung sicherzustellen
Kontrollfunktionen, die im Rahmen der Beschaffungsabwicklung wahrgenommen werden müssen. Ziel dabei ist es, • die reibungslose Abwicklung der Bestellung in allen vertraglich vereinbarten Punkten sicherzustellen. Routinemäßige Tätigkeiten erfordern „schlanke“ Lösungen
Da es sich in dieser Phase des Beschaffungsprozesses weitgehend um routinemäßige Tätigkeiten handelt, muss die Zielsetzung lauten: • A-Teile ⇐ A-Aufwand C-Teile ⇐ C-Aufwand
2.3.1 Terminüberwachung Termine verfolgen und sichern
Die Terminüberwachung ist von zentraler Bedeutung, denn es muss sichergestellt werden, dass die für einen bestimmten Zeitpunkt zu liefernden Materialien auch termingemäß eintreffen. Eine zu späte Lieferung führt zu Störungen in der Produktion (Industrie) bzw. im Absatz (Handel), während eine zu frühe Anlieferung Nachteile hinsichtlich Liquidität und Kosten der Lagerhaltung sowie ein zusätzliches Lagerrisiko mit sich bringt. Die Aufgabe der Terminüberwachung besteht daher darin, • die Lieferanten zu einer rechtzeitigen Auftragsausführung anzuhalten sowie • voraussichtliche Abweichungen von den vereinbarten Terminen möglichst früh zu erkennen, damit noch entsprechende Umdispositionen vorgenommen werden können.
Die Mahnung vor dem Termin kann wirkungsvoll sein
Um von einer hinterherhinkenden Termin-„Verfolgung“ hin zu einer wirksamen Termin-„Sicherung“ zu kommen, kann die Mahnung vor dem Termin zweckmäßig sein. Lieferanten sind sodann vor dem vereinbarten Lieferzeitpunkt auf die Fälligkeit hinzuweisen.
528
In praxisgerecht gestalteten Online-Dialogsystemen ist die vorbeugende Terminsicherung enthalten. Sie erlaubt dem Einkäufer, im Zuge der Bestellschreibung 1-3 Erinnerungsmitteilungen in angemessener Frist vor dem Liefertermin automatisch auszulösen, auch mit einer Ausfertigung zur Rückbestätigung. • Die vorbeugende Terminsicherung sollte jedoch nur in begründeten Fällen angewandt werden, weil sonst die Lieferanten gegenüber dem zusätzlichen Papier abstumpfen. Im übrigen ist die Terminüberwachung so zu organisieren, dass eine lückenlose Kontrolle der Liefertermine gewährleistet ist und der damit in Zusammenhang stehende Aufwand in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen steht! Als Hilfsmittel für die Terminüberwachung kommen - je nach Automatisationsgrad des Bestellwesens - in Betracht: -
Vielfältig sind die Hilfsmittel der Terminüberwachung
Das Offene-Posten-Verfahren durch Terminvorlage der Bestellungsausdrucke EDV-gestützte Terminüberwachung
Erfolgt die Terminüberwachung maschinell, so werden rückständige Bestellungen automatisch ausgewiesen und in einem gesonderten Mahnlauf schriftlich gemahnt. Bei manuellem Verfahren kann man gleich eine Bestellkopie als Mahnung vorsehen oder die Mahnung später schreiben. Die Skala der Mahnverfahren ist vielfältig. In aufsteigender Form der Wirksamkeit sind Vordruck, Brief, Telefax, E-Mail und Telefon zu nennen. Der Brief müsste individuell abgefasst werden. Rechtlich kommt es darauf an, den Lieferanten - soweit noch nicht geschehen - in Verzug zu setzen. Es sollten in jedem Fall entschiedene Formulierungen gewählt werden, damit der Lieferant nicht etwa annimmt, es handele sich bei der Mahnung um eine Formsache. Zur Wirksamkeit einer Mahnung gehört die Erfahrung des Lieferanten, dass der Kunde nicht nur pünktlich und in allen Fällen so auch bei nicht termingetreuer Anlieferung von Hilfs- und Betriebsstoffen - mahnt, sondern auch vor möglichen Konsequenzen (z.B. Lieferantenwechsel) nicht zurückschreckt. Der Liefe-
529
Mehrstufiges Mahnverfahren muss mit Entschiedenheit gehandhabt werden
rant sollte auch Kenntnis davon erhalten, dass Terminüberschreitungen gewissenhaft in der Lieferantenkartei bzw. -datei festgehalten werden. 1 Vom Verzug einzelner Lieferanten sind Bedarfsträger, Warenannahme und Verkauf sofort zu verständigen. Aufbau- und ablauforganisatorische Regelungen der Terminüberwachung richten sich unter Beachtung des Kongruenzprinzips nach den betrieblichen Gegebenheiten des Einzelfalls
Die Terminüberwachung hat überwiegend Routinecharakter, dem man durch aufbau- und ablauforganisatorische Regelungen Rechnung tragen kann. So wird diese Aufgabe häufig dem operativen Einkauf übertragen. In Unternehmungen, in denen die EDV für die Bestellschreibung und Bestellabwicklung sowie für die Bestands- und Bestellrechnung eingesetzt wird, liegt es nahe, die Terminüberwachung vom Einkauf auf das Rechenzentrum zu verlagern. Nur in Klein- und Mittelbetrieben wird man aufgrund der Gegebenheiten zur dezentralen Lösung tendieren und dem jeweils für den Vertragsabschluss verantwortlichen Einkäufer auch die Verantwortung für die Terminüberwachung übertragen. Aber auch die Delegation der Terminüberwachung an eine zentrale Stelle (Terminbüro oder Rechenzentrum) entbindet den Einkäufer nicht von seiner Verantwortung für die Terminsicherung. Ist jedoch die Disposition für die mengen- und termingerechte Abruferteilung verantwortlich, so sollte sie auch für die Terminüberwachung zuständig sein. • Grundsätzlich muss im Rahmen organisatorischer Regelungen das Kongruenzprinzip beachtet werden, das heißt Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung für die Terminüberwachung sollten nicht auf mehrere Instanzen verteilt werden. Die Frage, ob sämtliche Termine überwacht werden sollen oder nur Termine von Bestellungen besonders wichtiger oder kritischer Materialien, ist aufgrund der Gegebenheiten des Einzelfalls zu entscheiden. In jedem Fall ist ein bestimmter Rhythmus für die Terminüberwachung (tägliche, wöchentliche, dekadenweise Überwachung) festzulegen.
1
Im Rahmen einer kontinuierlich betriebenen Lieferantenbewertung werden Terminüberschreitungen erfasst und je nach Ausmaß unterschiedlich benotet. Siehe in diesem Abschnitt unter Ziffer 2.1.3.2.
530
2.3.2 Wareneingang Im Rahmen der Bestellabwicklung schließt der Wareneingang den Informationskreis über den Liefervollzug. Er hat die Aufgabe, • die Richtigkeit aller in das Unternehmen gelangten Lieferungen und Leistungen zu beurkunden und
Nach der Identitätskontrolle muss der Wareneingang den Einkauf unverzüglich unterrichten
• unverzüglich und umfassend den Einkauf, die Terminüberwachung und die Bedarfsträger über vernetzten Bildschirm oder Beleg zu unterrichten. Einerseits sollte der Einkauf erst nach Überschreitung des Liefertermins mahnen, andererseits muss bei Terminüberschreitung unverzüglich gemahnt werden. Sämtliche Wareneingänge sind deshalb sofort auf einem Wareneingangsbeleg, dem Wareneingangsschein, festzuhalten, sofern die Identitätsprüfung im Wareneingang nicht Anlass zur Beanstandung gibt. 1 Mit der Unterschrift auf dem Wareneingangsschein bescheinigt der Warenannehmer die Erfüllung des mit einem Lieferanten abgeschlossenen Kaufvertrages. Damit wird zugleich der Anspruch des Lieferanten auf Zahlung des vereinbarten Kaufpreises begründet. Eine andere Frage ist es, ob für die Eingangsbuchung der Lieferungen lediglich Terminerfüllung und Vollständigkeit ausschlaggebend sein sollen oder auch Qualität, Preise und Konditionen zu berücksichtigen sind. Da die Qualitätsprüfung oft viel Zeit beansprucht, können Qualitätsreklamationen auch noch einige Zeit nach dem Wareneingang erfolgen. Diese Fristen müssen beim Kauf festgehalten werden, um Reklamationen später mit Erfolg geltend machen zu können. Auch Beanstandungen von Preisen und Konditionen ergeben sich im Allgemeinen ebenfalls erst durch den Rechnungseingang. Solche Beanstandungen sind in der Lieferantendatei und der Bestellda-
1
Es werden hier die Aufgaben des Wareneingangs nur insoweit behandelt, als sie mit der Terminüberwachung und der Rechnungsprüfung in Zusammenhang stehen. Auf Einzelheiten der Identitäts- und Qualitätsprüfung sowie auf andere Fragen der Wareneingangssteuerung wird im sechsten Abschnitt eingegangen.
531
Maßgebend für die Datenerfassung eingegangener Lieferungen kann nur die Wareneingangsmeldung sein
tei festzuhalten, um von der Zuverlässigkeit des Lieferanten ein vollständiges und zutreffendes Bild zu erhalten.
2.3.3 Rechnungsprüfung Die Bearbeitung der Rechnungen muss zügig erfolgen
Da die rasche Bearbeitung der Rechnungen oft notwendige Voraussetzung für die fristgerechte Skontierung ist, muss die Prüfstelle über alle Unterlagen verfügen, vor allem über eine Bestellkopie, den Liefer- bzw. Wareneingangsschein und (evtl.) den Warenbefundbericht. Eine Bestellkopie braucht nicht mehr aufbewahrt zu werden, wenn ein Wareneingangsschein verwendet wird. Zu prüfen sind:
Die sachliche Prüfung ist im Gegensatz zur rechnerischen Prüfung eine vergleichende Prüfung
-
Die Übereinstimmung der berechneten Menge mit der bestellten und der eingegangenen Menge Der Preis je Einheit gemäß Bestellung Die Zahlungsbedingungen hinsichtlich der Fälligkeitszeit und des in Betracht kommenden Skontos Die Verpackungskosten und die Möglichkeit der Rücksendung von Leihverpackung Die Transportkosten (wegen notwendiger Spezialkenntnisse evtl. von einer anderen Seite zu prüfen, so z.B. von der Speditionsabteilung)
Die sachliche Prüfung muss der rechnerischen Prüfung vorausgehen
Dieser sachlichen Prüfung schließt sich die rechnerische Prüfung an. Eine umgekehrte Reihenfolge wäre sinnlos, denn der Mangel der sachlichen Richtigkeit wird dadurch nicht beseitigt, dass die sachlich zu beanstandende Rechnung formell (rechnerisch) in Ordnung ist.
Hoher Arbeitsaufwand zwingt zur Vereinfachung
Wegen des mit der Rechnungsprüfung verbundenen hohen Arbeitsaufwandes hat die Praxis verschiedene Verfahren zur Vereinfachung des Prüfvorgangs entwickelt: -
Sammelrechnungen Nichtprüfung von Kleinstrechnungen Globale Prüfung Stichprobenweise Prüfung Bumerangverfahren (Rücksendung einer vom Lieferanten ergänzten Bestellkopie als Rechnung) EDV/Bildschirm
532
Auch hier kann man wieder wertvolle Rationalisierungsmaßnahmen aus dem ABC-System ableiten, indem man die Intensität der Rechnungsprüfung entsprechend dem Rechnungswert abstuft. Beispiel 55: In einer Richtlinie ist die Intensität der Prüfung wie folgt abgestuft: - Rechnungen unter 100,- EUR nur global - Rechnungen von in Stichproben 100,- EUR bis 2.500,- EUR ca. 30 - 40 % - Rechnungen von in Stichproben 2.500,- EUR bis 5.000,- EUR ca. 60 - 70 % - Rechnungen über 5.000,- EUR Vollkontrolle
Allgemeines Beispiel zur wertmäßigen abgestuften Rechnungsprüfung
In jedem Fall vergleicht der Rechnungsprüfer Wareneingang und Rechnung, um festzustellen, ob für die Rechnung überhaupt eine Leistung erfolgte. Außerdem werden alle Rechnungen rechnerisch geprüft. Die Stichprobenauswahl erfolgt nach wechselnden Gesichtspunkten (Menge, Tag, Materialgruppe oder Lieferanten). Mit dem Einsatz des Gutschriftverfahrens können die Aufwendungen bei der Rechnungsprüfung und dem Zahlungsausgleich auf ein Minimum reduziert werden. Dabei sind im Einzelnen folgende Regelungen vorzusehen: -
-
Die Gutschrift erfolgt nach und entsprechend dem Wareneingang zu dem in der jeweiligen Bestellung festgelegten Fälligkeitstermin und wird mit dem vereinbarten und hinterlegten Preis bewertet. Für den Lieferanten entfällt die Rechnungserstellung. Abrechnungsdifferenzen müssen vom Lieferanten unmittelbar nach Erhalt der Gutschriftsanzeige gemeldet werden. Rücksendungen an den Lieferanten sind gesondert auszuweisen und entsprechend zu belasten. Sonderkosten (z. B. Fracht, Verpackung, Werkzeugkosten, Rüstkosten) müssen vom Lieferanten separat in Rechnung gestellt werden.
Während Abrechnungsdifferenzen direkt zwischen Lieferant und dem zuständigen Einkäufer geklärt werden sollten, können
533
Aufwandsminimierung beim Einsatz des Gutschriftverfahrens
zweckmäßigerweise Mengendifferenzen direkt zwischen Lieferant und Rechnungsprüfungsstelle geklärt werden. Qualitätsabweichungen müssen in der üblichen Art und Weise abgewickelt werden. Generell kann das Gutschriftverfahren für folgende Geschäftsvorfälle vorgesehen werden: -
Bestellungen aus der E-Procurement-Anwendung Rahmenverträge/Lieferpläne mit Lieferplaneinteilungen
Bestellvorgänge, die nicht dem Gutschriftverfahren unterliegen, müssen von dem zuständigen Einkäufer durch einen entsprechenden Hinweis auf der Bestellung kenntlich gemacht werden. Die Einkaufsrevision überprüft Handhabung der Befugnisse
Unternehmensgröße und -grundsätze sowie eingesetzte Optimierungsverfahren und EDV-Anwendungen beeinflussen im Wesentlichen die in der Praxis anzutreffenden Zuständigkeitsregelungen für die Rechnungsprüfung bzw. für die Klärung aufgetretener Differenzen. Arbeitsteilige Regelungen (s. o.) sind in der Regel die zweckmäßigste Lösung. In jedem Fall sollte sichergestellt werden, dass ein Einkäufer eine von der Bestellung abweichende Rechnung nicht anerkennen darf. Um Begünstigungen des Lieferanten zu vermeiden bzw. um zu verhindern, dass Fehler des Einkäufers verschleiert werden, muss der nächsthöhere Vorgesetzte (Gruppenleiter, Einkaufsleiter) einen solchen Vorgang prüfen und genehmigen. Die Überprüfung, ob die Befugnisse ordnungsgemäß gehandhabt und evtl. bestehende Richtlinien eingehalten wurden, sollte einer neutralen Instanz, z.B. der Revision, vorbehalten bleiben. ⇐
Aufgabe 30
2.4 Einkaufscontrolling Regelkreis des Einkaufscontrolling
Controlling ist mit der zunehmend strategischen Ausrichtung des Einkaufs zu einem unentbehrlichen Instrument geworden, um über einen Soll-Ist-Vergleich Trends und Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen und entsprechend entgegensteuern zu
534
können. Controlling hat also nur dann wirklich Sinn, wenn sich der Regelkreis wie folgt darstellt: 1. Zieldefinition 2. Definition der Werkzeuge (Steuerungsinstrumente) und Methoden zur Messung der Zielerreichung 3. Ermittlung der Ist-Zahlen zu zuvor festgelegten Zeitpunkten 4. Analyse und Bewertung des Zielerreichungsgrades 5. Evt. Einleitung von Gegenmaßnahmen und Überprüfung der bestehenden Ziele Die Ziele sollten im Sinne von TQM mit den Mitarbeitern vereinbart werden, die im Rahmen ihrer Kompetenz für die Zielerreichung verantwortlich sind. Die Zielvereinbarungen können über alle Hierarchiestufen getroffen werden. Durch entsprechende Zuordnung können Soll-Ist-Vergleiche an jedem Arbeitsplatz durchgeführt werden. Der besonderen Kostenverantwortung der Mitarbeiter im Einkauf wird mit der Einbindung der Mitarbeiter in die Phase der Zieldefinition (Prognose) Rechnung getragen. In jedem Fall ist zu beachten, dass die Ziele • • • • • •
im Bereich der Mitarbeiter liegen durch geeignete Maßnahmen veränderbar sind vom Mitarbeiter direkt beeinflussbar sind messbar (quantifizierbar) sind anspruchsvoll, aber realistisch sind wünschenswert im Sinne der Unternehmenspolitik sind
Eine DV-Unterstützung erscheint sinnvoll, damit die Erarbeitung der Kennzahlen und erst recht des Soll-Ist-Vergleichs nicht in eine Rechenaufgabe ausartet. Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass -
Zielvereinbarungen
Grundsätze zum Vorgehen
zur Sicherstellung der Vergleichbarkeit einheitlich vorgegangen wird, die Ist-Zahlen auf verifizierbaren Werten beruhen, eine Abstimmung mit den Zielen anderer Funktionen erfolgt, Aufwand und Nutzen in einem angemessenen Verhältnis stehen (kein übertriebener Perfektionismus).
Aus den erwähnten Gründen konzentriert sich das Controlling auf den Einsatz von Kennzahlen in der Darstellung reiner Kos-
535
Kennzahlen als Steuerungsinstrument
tenrelationen oder aktivitätsorientierter Leistungsgrade. Sie lassen sich differenziert nach Materialgruppen (ABC-Klassen), Werken, Beschaffungsteilmärkten, Lieferanten oder Mitarbeiter erstellen. Voraussetzungen sind jedoch -
ein gut ausgebautes Rechnungswesen, ein leistungsfähiges EDV-gestütztes Informationssystem, eine klare Organisationsstruktur.
Welche der nachstehend aufgelisteten Kennzahlen in welchen periodischen Abständen ermittelt werden, ist letztlich abhängig von den Zielen, die mit der Erfolgssteuerung erreicht werden sollen. Kennzahlen zur Analyse der Einkaufskosten
Für die Planung und Analyse der Gemeinkosten im Einkauf sind folgende Kennzahlen gebräuchlich: •
Kennzahlen zur Messung der „Versorgungsleistung und -sicherung“
Kosten des Einkaufs
=
Kosten des Einkaufs Beschaffungsvolumen
=
Kosten des Einkaufs Umsatz
=
Kosten der Beschaffungsabteilung Anzahl der Bestellungen
•
Kosten einer Bestellung (gilt in Grenzen)
•
Durchschnittl. Wert einer Bestellung Gesamtbestellwert = Anzahl der Bestellungen (gilt in Grenzen)
•
Bestellwert pro 1,- EUR Kosten
=
Gesamtbestellwert Gesamtkosten
Die „Versorgungsleistung“ ist zum Teil durch den Zeitvergleich von Kennzahlen feststellbar wie: •
Beanstandungsquote
=
Mängelrügen/Beanstandungen Anzahl der Wareneingänge
•
Terminüberschreitungsquote
=
Terminüberschreitungen Anzahl der Eingangspositionen
•
Nachbearbeitungsquote
=
Nachbearbeitungen Einkaufsvolumen
536
•
Rahmenvertragsquote
=
Einkaufsvolumen über Rahmenverträge Einkaufsvolumen
Die Rahmenvertragsquote spiegelt die strategisch ausgerichtete Versorgungssicherung wider. Ansatzpunkte für eine Erhöhung liegen in einer verbesserten Beschaffungsplanung und verstärkter Lieferantenentwicklung sowie -pflege. Außerdem können in Betracht gezogen werden: • Maschinenstillstandszeiten wegen fehlender Teile • Produktionsplanänderungen wegen fehlender Teile • Anzahl und Höhe der Sonderfrachten, um rechtzeitige Lieferungen zu gewährleisten • Anzahl der Eilbestellungen (bezogen auf die Gesamtzahl der Bestellungen) • Anzahl der Bestelländerungen • Anzahl überfälliger Bestellungen Die Intensität von Einkaufsmarketingaktivitäten zu messen, ist problematisch, 1 so dass die nachstehend beispielhaft genannten Kennzahlen sehr sorgfältig zu interpretieren sind: • • • •
Preisnachlassquote Rabattquote (Problem der Scheinrabatte!) Anfragen je Einkäufer (nach Artikelgruppen, Wertigkeit) Anzahl der Lieferantenbesuche je Einkäufer
Als außergewöhnliche, über das Alltagsgeschäft hinausgehende Aktivitäten (Erfolge, aber auch Misserfolge) mit zum Teil strategischem Inhalt kann der Einkauf u.U. aufführen: • • • •
Kennzahlen zur Messung der Einkaufsleistung
Erschließung neuer Märkte und Lieferquellen Ausnutzung von Preisgefällen und Konkurrenzsituationen Herausragende Verhandlungserfolge Wesentliche Verbesserung der Zuverlässigkeit der Lieferanten
1
Vgl. J. Katzmaryzk, Einkaufs-Controlling in der Industrie, Frankfurt 1988, S. 159 ff.
537
Einkaufserfolge mit strategischem Inhalt sind zu dokumentieren
• Make-or-Buy-Ergebnisse • Outsourcing von C-Teilen an Einkaufsdienstleister • Optimierung der Versorgung durch Einrichtung von Konsignationslagern und Just-in-Time-Beschaffung für kritische Teile • Abschluss von System-Entwicklungsverträgen • Auditierung von A-Lieferanten Das Bestellobligo ist exakt und periodengerecht zu ermitteln
Die Ist-Zahlen des Bestellobligos geben Auskunft über den Stand der Zahlungsverpflichtungen aus noch zu regulierenden Einkäufen. Damit werden finanzielle Dispositionen erleichtert, besonders wenn auf Obligokorrekturen geachtet wird, die durch Mengen-, Preis-, Wechselkurs- und Terminänderungen sowie durch Annullierungen und Reklamationen entstehen können. • Eine routinemäßige Fortschreibung des Bestellobligos ist in jedem Fall zu vermeiden!
Das Berichtswesen als Instrument des „Self-Controlling“
Die Berichte können - wie im Formularbeispiel 14 dargestellt durch statistische Daten ergänzt werden. Durch die Erstellung eines „Berichtes für die Geschäftsleitung“ verbessert der Einkauf zugleich seine Möglichkeit zur Selbstdarstellung, die im Vergleich zu Produktion und Absatz weitgehend auf nicht direkt quantifizierbaren Erfolgskriterien (s.o.) beruht. Die Häufigkeit der Berichterstattung richtet sich nach der Bedeutung des Einkaufs für das Unternehmen und reicht in der Praxis von vierteljährlich, halbjährlich bis jährlich. Die Berichterstattung gewinnt an Überzeugungskraft, wenn das Controlling daran mitwirkt oder die Ergebnisse attestiert.
Benchmarking - ein Instrument der Zielfindung
Der „unternehmerische“ Einkauf, der seine Leistungen an die Bedarfsträger als Kunden „verkauft“, muss wissen, welche Anforderungen an ihn gestellt werden, und sollte sich auch selbst fordern in seinem Beitrag zum Unternehmensergebnis 1 . Dazu gehört die unaufhörliche Weiterentwicklung von Konzepten und Abläufen, was als kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) bezeichnet wird (japanisch: Kaizen). In diesem Zusammenhang 1
Zahllose Praxisbeispiele sind nachzulesen in H. Orths, Einkaufscontrolling als Führungsinstrument: Tipps und Tools für den Erfolg, Gernsbach 2003.
538
ist auch Benchmarking zu sehen, das heißt der Vergleich der eigenen Leistung, Kosten und Konzepte mit dem „best-inclass“. Die Vergleiche mit anderen Zeiträumen, mit Tochtergesellschaften oder Fremdfirmen sollen Schwachpunkte erkennbar machen. Dazu sind Vergleichskennzahlen vom Einkaufscontrolling sorgfältig zu erarbeiten und zur Verfügung zu stellen. Vergleichsansätze wie Kosten je Bestellung oder Anfragen je Einkäufer sind allerdings - wie in der Vergangenheit - äußerst kritisch zu betrachten, wobei grundsätzlich ein branchenübergreifendes Benchmarking nicht zu befürworten ist, da der Einkauf durch die jeweils typischen Branchenmerkmale geprägt wird. 1 Gleichwohl kann man, wenn auch die Kennzahlen nicht direkt vergleichbar sind, immer Erkenntnisse auf das eigene Unternehmen übertragen und im Rahmen der Zielfindung sinnvoll nutzen. Der Benchmarking-Vergleich sollte jedoch stets als ein kontinuierlicher Prozess gesehen werden, und die Ergebnisse sollten immer wieder in Frage gestellt werden.
1
Vgl. H. Spohrer, Controlling in Einkauf und Logistik, Gernsbach 1995, S. 58 ff.
539
Formularbeispiel 14:
540
Bericht für die Geschäftsleitung
Fragen zur Selbstkontrolle 1. Welche Aufgaben sind ablauforganisatorisch dem Beschaffungsprozess zuzuordnen? Welche dieser Aufgaben werden u.U. von der Disposition wahrgenommen? (Arbeiten Sie in diesem Zusammenhang auch die Stellenbeschreibungen im Anhang durch!) 2. Welche Gesichtspunkte sind bei der Regelung des Bedarfsaufgabeverfahrens zu beachten? 3. Welche Angaben im EDV-Bestellvorschlag sind zur Unterstützung und Beschleunigung der Beschaffungsabwicklung wünschenswert? 4. Inwieweit ist die Anfrage ein vielseitig zu verwendendes Informationsmittel? 5. Es gibt mehrere vereinfachende Verfahren der Anfrageerstellung. Wodurch unterscheiden sich diese im Wesentlichen? 6. Was ist unter dem Begriff der Anfrageintensität zu verstehen? Verwenden Sie zur Erläuterung und Präzisierung Zahlen! 7. Mit welchen Risiken ist Target Bidding verbunden? 8. Wodurch unterscheidet sich die materielle von der formellen Angebotsprüfung? 9. Vollziehen Sie die Entwicklung des Netto-Einstandspreises nach! 10. Erläutern Sie das Total Cost of Ownership-Prinzip! 11. Wo liegen nach Ihrer Meinung die besonderen Schwierigkeiten bei der Durchführung der Preisstrukturanalyse? 12. Warum sollte man im Rahmen der Preisstrukturanalyse den variablen Kosten besondere Aufmerksamkeit schenken?
541
13. Wie wird im partiellen Preisvergleich der Zielpreis ermittelt? Wo liegen die Grenzen dieser Methode? 14. Grenzen Sie den einfachen Angebotsvergleich vom erweiterten Angebotsvergleich ab! 15. Warum können alternative Produkteinführungen nur mit einem Erstmusterprüfbericht und in Übereinstimmung mit Qualitätssicherung und Technik erfolgen? 16. Welche wichtigen Informationen können Sie zur Beurteilung von A-Lieferanten dem Lieferantenfragebogen (Formularbeispiel 11) entnehmen? 17. In welchen Fällen sollte auf eine Lieferanten-Auditierung nicht verzichtet werden? 18. Erläutern Sie die besonderen Probleme, die beim Leistungsvergleich alternativer Anbieter/Lieferanten entstehen? 19. Vollziehen Sie die einzelnen Schritte des Punktbewertungsverfahrens nach! 20. Angenommen, das günstigste Angebot ist auf der Basis der Lieferantenbewertung gefunden. Muss damit die Auftragsvergabe schon entschieden sein? 21. Was ist unter dem Begriff „Sensitive Supplier“ zu verstehen? 22. Ein Lieferant, dessen Leistungsfähigkeit mit 78 von max. 100 Punkten bewertet wurde, soll als Zweitlieferant (sog. Second Source) aufgebaut werden. Welche Maßnahmen zur Lieferantenentwicklung schlagen Sie vor? 23. Wann halten Sie Abschlussverhandlungen für überflüssig? 24. Geben Sie ein Beispiel für eine Checkliste zur Verhandlungsvorbereitung! 25. Wie ist die grundsätzliche Rechtslage, wenn ohne vorherige Angebotsabgabe des Lieferanten der Kunde (Käu-
542
fer) diesem eine Bestellung erteilt? Was wäre in diesem Fall eine „schlüssige“ Handlung? 26. Aus welchen Gründen ist der schriftlichen Bestellung der Vorzug zu geben? 27. Welche Bedeutung hat das Verhandlungsprotokoll bei Verhandlungen zu vorliegenden Angeboten? Wer muss das Protokoll verbindlich unterschreiben? 28. Erläutern Sie die rechtliche Bedeutung eines Letter of Intent. 29. Nennen Sie die hauptsächlichen Bestandteile eines Konsignationslagervertrages! 30. Warum werden in Verbindung mit einer Just-in-TimeBeschaffung häufig Sukzessivlieferungsverträge mit den Wesensmerkmalen eines Fremdbevorratungsvertrages abgeschlossen? 31. Stellen Sie die Vertragsklauseln des im Anhang wiedergegebenen Modul-Entwicklungsvertrages zusammen, die Ihrer Meinung nach von einem Normal-Vertrag abweichen. 32. Durch welche Preisvorbehaltsklauseln kann der Lieferant versuchen, das Preisrisiko auf den Käufer abzuwälzen und welche Möglichkeiten der „Entschärfung“ hat dieser? 33. Bilden Sie eine Preisgleitklausel mit den Komponenten Fest-, Material- und Lohnanteil. Erläutern Sie diese und stellen Sie weitere Überlegungen hierzu an! 34. Wie kann auch bei geringwertigen Bestellwerten eine optimale Beschaffung sichergestellt werden? 35. Welche Bedeutung hat die Auftragsbestätigung für ein bestellendes Unternehmen? (vgl. auch Frage 25 !) 36. Welche praktischen Konsequenzen ergeben sich aus der Umstellung von einer Termin-„Verfolgung“ auf eine Termin„Sicherung“?
543
37. Wie kann die Wirksamkeit einer Mahnung erhöht werden? 38. Warum führen Qualitätsvereinbarungen mit den Lieferanten zu einer deutlichen Entlastung der Wareneingangskontrolle? 39. Unterscheiden Sie die sachliche und rechnerische Prüfung der Rechnungen und geben Sie ein Beispiel, das Möglichkeiten zur Rationalisierung des Prüfvorgangs aufzeigt. 40. Nennen Sie die 3 Aufgabenbereiche des Einkaufscontrollings! 41. Erläutern Sie mindestens 3 Kennzahlen des Einkaufs, die Sie für bedeutend halten! 42. Muss sich der Einkauf überhaupt selbst darstellen? Nehmen Sie zu dieser naheliegenden und oft formulierten Frage aus Ihrer Sicht Stellung! 43. Was verstehen Sie unter Benchmarking? 44. Formulieren Sie (zusammenfassend) Lösungsansätze zur Rationalisierung des Beschaffungsprozesses im Sinne einer Lean Organisation. Die Lösungen ergeben sich aus vorstehendem Text (Fünfter Abschnitt)
544
Sechster Abschnitt Interne Logistik
Lagerung und innerbetrieblicher Transport
Der Beschaffungsvorgang wird vervollständigt durch innerbetriebliche Material- und Informationsflüsse. Sie beginnen, sobald Material im Unternehmen angeliefert wird. Sie enden, wenn die Fertigerzeugnisse das Unternehmen verlassen. Zwischen diesen beiden Punkten, die Anfang und Ende der innerbetrieblichen (internen) Logistik markieren, muss das Material (in der Regel) gelagert und bewegt werden. Die Aufgaben der Lagerung und des innerbetrieblichen Transportes müssen daher zusammen gesehen werden.
Lagerung und innerbetrieblicher Transport sind zusammenhängende Aufgaben einer internen Logistik
In diesem Abschnitt werden aufgrund des großen Umfangs des Stoffgebietes die Ausführungen auf das Wareneingangs- bzw. Beschaffungslager und den innerbetrieblichen Transport bis zur Bereitstellung für die Produktion konzentriert. Die Lagerung während und nach der Produktion wird im Einzelnen nicht erörtert. Es wird nur untersucht, wie sich Zwischen- und Fertigwarenlager in den betrieblichen Ablauf eingliedern. Doch ist zu bedenken, dass betriebswirtschaftlich die Lagerwirtschaft als eine Einheit zu betrachten ist, die der (integrierten) Materialwirtschaft oder (ganzheitlichen) Logistik zugeordnet werden sollte. Gegenströmungen in der Praxis sind in erster Linie auf ein übersteigertes Sicherheitsbedürfnis der Bereiche Produktion und Vertrieb zurückzuführen. Auch sollten die starken Tendenzen in größeren Unternehmen, für abgrenzbare Erzeugnisgruppen eigenverantwortliche Fertigungszentren zu bilden, in keinem Fall zur Aufteilung der Lagerwirtschaft führen. Die übergreifende Organisation des Materialflusses durch die Lagerwirtschaft ist noch immer die beste Gewähr für eine kostenoptimale Lösung.
Die Lagerwirtschaft ist als eine Einheit zu betrachten
Hauptaufgabe des Lagers ist nicht mehr ausschließlich das sichere Aufbewahren, sondern das rasche Verfügbarmachen der Materialien. Im Rahmen der weiterentwickelten Zusammenarbeit mit strategischen Lieferanten und der Realisierung von Just-in-Time-Konzepten wird die Planung der Transport- und Lagereinheiten zu einer Koordinationsaufgabe zwischen Einkauf, Lieferanten, Lager, Produktion und Versand. Somit wird sich auch der Lager-Begriff über „Lager-Logistik“ zum „Logistikzentrum“ wandeln müssen.
Logistikzentrum als Perspektive
547
Wirtschaftliche Bedeutung der technischen Logistik
Die wirtschaftliche Bedeutung der Lagerhaltung und des innerbetrieblichen Transports im Wertschöpfungsprozess der Industrieunternehmen führt zwangsläufig dazu, dass die vielfältigen Möglichkeiten der Automatisierung durch technische Lager- und Transportkonzepte genutzt werden. Auf diesen technischen Teil der Logistik 1 kann im Rahmen dieses Abschnittes verständlicherweise nicht ausführlich eingegangen werden. Die Effizienz angewandter Strategien lässt sich in der Lagerhaltung und dem innerbetrieblichen Transport nur durch spezifische Instrumente des Controlling feststellen.
1.
Eine eindeutige Definition des Lagerbegriffs erweist sich als schwierig
Begriff, Arten und Aufgaben der Lager
Der Begriff des Lagers wird unterschiedlich gebraucht und kann verschiedene Begriffsinhalte umfassen: (1) Der Raum oder die technischen Anlagen (z.B. Tanks), in denen Materialien gelagert werden. (2) Das unbebaute Gelände, auf dem nicht witterungsempfindliches Material gelagert wird. (3) Das Material oder die Gegenstände, die gelagert werden. (4) Die Lagerverwaltung, die für die fachgerechte Lagerung, die Ordnungsmäßigkeit der Abrechnung und für die nachzuweisenden Bestände die Verantwortung trägt. Der jeweils zutreffende Begriff ergibt sich aus dem Sinnzusammenhang.
1
Siehe im Einzelnen R. Koether, Technische Logistik, München 1997, S. 15 ff.
548
Eine eindeutige Definition des Lagerbegriffs erweist sich auch deshalb als schwierig, weil entsprechend unserer weiten Umschreibung der Materialwirtschaft als Lager alle Materialbestände bezeichnet werden, über die eine Unternehmung überhaupt verfügt, also z.B. auch das Material, das im Produktionsprozess bearbeitet wird. Lagern bedeutet demnach nicht notwendigerweise ein Aussondern des Materials an bestimmten Lagerorten, es setzt nicht einmal einen „ruhenden“ Zustand des Materials voraus. So befindet sich z.B. das Material in Rohrleitungen oder Fördereinrichtungen in Bewegung. Im Industriebetrieb kann man entsprechend dem Materialfluss drei Lagerstufen unterscheiden: (1) Die zeitlich vor der Produktion befindlichen Roh-, Hilfs- und Betriebsstoff- sowie die auch baugruppenaufnehmenden Teilelager (2) Die zeitlich mit dem Produktionsprozess verlaufenden Zwischenlager. (3) Die zeitlich nach der Produktion eingerichteten Lager (Fertigwaren- und Versandlager). Jede der in Abb. 92 dargestellten Lager- bzw. Lagerungsstufen hat in einem Industriebetrieb typische Aufgaben zu erfüllen: Zu (1): Die zeitlich vor der Produktion befindlichen Lager haben die Aufgabe einer reibungslosen und kostengünstigen Versorgung der Produktion. Das Material, das in diesen Lagern liegt, ist in aller Regel eingangsgeprüft. Sofern die Qualitätssicherung noch keine Verwendungsfreigabe erteilt hat, wird das für eine Entnahme gesperrte Material (sog. Sperrbestand) einem Sperr(gut)lager zugeführt. Qualitätssicherungsvereinbarungen, die nicht nur für Just-inTime bzw. Just-in-Sequence Konzepte zweckmäßig sind, kön-
549
Im Industriebetrieb lassen sich die Lager nach - Lagerstufen - Lagerobjekten - Lagerfunktion - Lagerstandort - Lagerbauart usw. unterscheiden
nen mit dazu beitragen, die Wareneingangskontrollen durch Qualitätssicherung beim Lieferanten zu ersetzen. 1 Bei Just-in-Time-Anlieferung werden die Beschaffungslager umgangen. In diesen Fällen wird entsprechend der Ship-toLine-Logistikstrategie taktgenau (Just-in-Sequence) ans Band oder direkt in die Montage geliefert (siehe Abb. 92). Da Einlagerung und Verbrauch der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe der Fertigteile und Baugruppen - sieht man einmal von dem Fall einer Just-in-Time-Anlieferung ab - aus verschiedenen Gründen in zeitlicher und mengenmäßiger Hinsicht nicht übereinstimmen, erfüllen die zeitlich vor der Produktion gelegenen Lager eine äußerst wichtige Ausgleichs- und Sicherheitsfunktion. Zu (2): Die zweite Lagerstufe beinhaltet die Lager in der Produktion. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um Zwischenlager, die auch Werkstattlager genannt werden. Sie sind zwischen den einzelnen Arbeitsgängen des Produktionsprozesses angeordnet und nehmen in der Regel Halbfabrikate (Zwischenprodukte unterschiedlicher Fertigungsstufen) und fremdbezogene Baugruppen (Module und Systeme) auf. In der chemischen Industrie wie auch in Raffinerien befinden sich Basisprodukte im Zwischenlager, die durch Mischung mit anderen Stoffen zu verschiedenen Endprodukten verarbeitet werden. In erster Linie erfüllen die Zwischenlager eine Ausgleichsfunktion, da eine Harmonisierung der unterschiedlichen maschinellen Kapazitäten und ihrer Auslastung auf den einzelnen Fertigungsstufen des Produktionsprozesses nicht zu realisieren ist. In die zweite Lagerstufe fallen auch solche Lager, die als ein Teil des Produktionsprozesses selbst anzusehen sind und durch das Lagern eine qualitative Veränderung der Güter bewirken sollen. Typisch dafür sind Gärungs- und Reifeprozesse 1
Siehe in diesem Abschnitt unter Ziffer 3.1.2.2 und zur Qualitätssicherungsvereinbarung das Vertragsbeispiel im Anhang.
550
bei Bier, Wein und Sekt, Gerbeprozesse beim Leder oder Trockenprozesse beim Holz. Zu (3): Die Lagerung nach der Produktion umfasst die Lager für Fertigerzeugnisse, verkaufsfähige Halbfabrikate, Ersatzteile und zugekaufte Handelswaren. Sie sind erforderlich, um Schwankungen des Absatzmarktes aufzufangen und erfüllen damit eine Ausgleichs- und Sicherungsfunktion. Von der angestrebten Lieferbereitschaft, der Struktur des Absatzgebietes, der Nachfrageentwicklung, der Verkehrslage und den Transport- sowie Lagerhaltungskosten ist es in erster Linie abhängig, ob im Rahmen der Distributionslogistik einer zentralen oder dezentralen Lagerhaltung der Vorzug gegeben werden sollte. 1 Dabei dienen auch diese Lager der Überbrückung von Zeitspannen und Mengenunterschieden, die zwischen Kundenauftrag, Produktion und Lieferung auftreten. Auch aufgrund saisonaler und konjunktureller Schwankungen werden Fertigwarenund Versandlager erforderlich. Neben der Unterscheidung der Lager nach Lagerstufen lassen sich in der Praxis eine Reihe weiterer typischer Kriterien für ihre organisatorische Gestaltung feststellen. Zu nennen sind: 2 -
1 2
Die objekt- oder stofforientierten Lager, in denen Materialien nach Materialgruppen zusammengefasst werden, wenn ihre einheitliche Behandlung zweckmäßig erscheint (z.B. die Rohstofflager, die sich unterteilen lassen in Lager für Eisen und Stahl, NE-Metalle usw., die Fertigteilelager, die unterteilt werden können in Lager für Motoren und Getriebe, Reifen, Verpackung usw.).
Vgl. H. Ehrmann, Logistik, Ludwigshafen 1997, S. 436 ff. Vgl. F. Rupprecht/J. Cordts, Das Lager, Frankfurt 1975, S. 96 ff.
551
Abbildung 92:
552
Lagerstufen in einem Industriebetrieb
-
Die funktionsgebundenen Lager, die der Vorratshaltung für einen bestimmten abgegrenzten Arbeitsbereich dienen. Dazu gehören z.B. das Hand- oder Werkstofflager, das direkt am Arbeitsplatz die Bereitstellung von Kleinmaterialien und Werkzeugen übernimmt, das Reparaturlager und das Werkstattlager.
Die objekt- und funktionsgebundenen Lager können wiederum nach ihrem Standort (z.B. Außenlager, zentrale und dezentrale Lager) und ihrer Bauart (z.B. offene, halboffene und geschlossene Lager) unterteilt werden. Daneben treten noch Lagerplätze auf, die eine besondere Charakteristik aufweisen, wie die Konsignationslager, die der Lieferant auf seine Kosten beim Kunden unterhält, oder die Zollgutund Zollaufschublager, die aufgrund des Zollgesetzes und der verschiedenen Zollordnungen anzulegen sind, sowie Gefahrgutlager, die für gefährliche Stoffe zum Schutz der Menschen und der Umwelt zu errichten sind. Fasst man die Aufgaben der Lagerhaltung zusammen, so sind im Wesentlichen als Lagerfunktionen zu nennen: (1) (2) (3) (4)
Die Sicherungs- und Versorgungsfunktion Die Ausgleichsfunktion Die Umformungs- bzw. Produktionsfunktion Die Umweltschutzfunktion
Zu erwähnen bleibt noch: (5) Die Spekulationsfunktion, das heißt die Ausnutzung zeitlicher und/oder marktbedingter Preisunterschiede Hierdurch entstehen „Spekulative Lagerbestände“. Es werden – zumeist nur mit Zustimmung der Geschäftsführung – Aufträge erteilt und Vorräte aufgenommen, weil das Unternehmen einen deutlichen Anstieg der Materialpreise (Rohstoffpreise) erwartet und den (aktuell vermuteten) Preisvorteil nutzen möchte. Verbrauchs- und sicherheitsbedingte Gründe für den Bestandsaufbau existieren nicht. Dies trifft in erster Linie für börsenmäßig gehandelte Rohstoffe zu, z.B. für Erze, Metalle, Mineralöle, wenn genügend freie Lagerkapazität vorhanden ist.
553
Die Lagerfunktion eine Zusammenfassung
2.
Die Wirtschaftlichkeit des Lagers hängt weitgehend von seiner funktionsgerechten Planung ab
Lagerplanung
Könnte man die benötigten Materialien unmittelbar vor der Verarbeitung oder dem Weiterverkauf dem Unternehmen zuführen, so wäre damit ein idealer Zustand erreicht: Die Kosten für Lagerung, Verwaltung und Kapitalinvestition, die Risiken des Veraltens, des Preis- und Umsatzrückgangs sowie der Nachteil der Liquiditätsverknappung würden dadurch weitgehend vermieden. Dieser ideale Zustand lässt sich jedoch in der Praxis nicht verwirklichen. Es wird daher versucht, die Vorratsmenge so niedrig zu bemessen, wie es die Sicherheit erlaubt. Aber nicht allein die Menge, sondern auch die Art der Lagerung und Bewegung sind Faktoren der Kostengestaltung. Deshalb sind das Lager und - in Abhängigkeit davon - das innerbetriebliche Transportwesen sorgfältig zu planen. Dabei ist zu beachten, dass der innerbetriebliche Materialfluss nur dann wirkungsvoll zu gestalten ist, wenn alle daran beteiligten Unternehmensbereiche hinsichtlich der eingesetzten Technik und der Organisation optimal aufeinander abgestimmt sind. Darüber hinaus sollten alle Möglichkeiten einer Automatisierung des Materialflusssystems ausgeschöpft werden, um • durch Optimierung der erforderlichen Arbeitsabläufe die Sicherung einer ordnungsgemäßen Versorgung bei Minimierung der entstehenden Kosten zu erreichen. Die dabei zu lösenden Kernprobleme sind: 1 (1) Planung des Lagerstandortes und der Lagerkapazität (2) Planung der Lagergestaltung im Hinblick auf - Bauart - Einrichtungen - Lagerordnung
1
Vgl. P. Horvath, Materialwirtschaft, in: H. Engel, Hrsg., Handbuch der Techniken des Industrial Engineering, a.a.O., S. 1.152.
554
(3) Innerbetrieblicher Transport Eine optimale Bewirtschaftung des Lagers wird nur dann erreicht, wenn die Wechselbeziehungen zwischen diesen Faktoren und ihre Bedeutung für die Leistungsfähigkeit von Disposition und Verwaltung im Lager erkannt wird.
2.1 Lagerstandort und Lagerkapazität Die Standortwahl des Lagers wird wesentlich von der Grundsatzentscheidung beeinflusst, ob zentral oder dezentral gelagert werden soll. Die Zentralisierung bietet in der Regel bessere Nutzung von Raum, Transportmitteln und Personal und kommt außerdem dem Bemühen um Vereinheitlichung der organisatorischen Abläufe entgegen. Ein dezentrales Lager kann dann in Frage kommen, wenn die Wege innerhalb eines Zentrallagers oder dorthin im Werksgelände zu weit sind.
Die Entscheidung, ob ein Lager zentral oder dezentral zu gestalten ist, beeinflusst die Standortwahl
Die Möglichkeiten der räumlichen Einordnung in das Unternehmen und der Gestaltung sind zunächst davon abhängig, ob das Lager „auf der grünen Wiese“ geplant werden kann oder Gebäude und Fertigungsanlagen feststehen. Im letzteren Fall wird man versuchen, über die Minimierung der innerbetrieblichen Transportkosten den optimalen betrieblichen Lagerstandort zu finden, wobei darauf zu achten ist, dass niedrige Kosten nicht zur Steigerung anderer Kosten führen, wie z.B. der Kosten für Materialannahme und -ausgabe. Im anderen Fall sind zum Beispiel folgende wichtige Fragen zu klären:
Für die Wahl des Lagerstandortes sind mehrere Kriterien entscheidend
-
-
Grundstücksverhältnisse (Eigenschaften des Bodens, Tragfähigkeit, Bebauungsplan, Bebauungsweise) Verkehrslage (Ein- und Ausfahrtmöglichkeiten, Gleisanschluss, Fahrwege, Parkplätze) Gas-, Wasser- und Stromversorgung Auflagen zum Schutz der Umwelt in Bezug auf Abgase, Dämpfe, Staub, Erschütterungen, Lärm sowie giftige, brennbare und explosive Stoffe und mögliche Verunreinigung des Bodens und Grundwassers Transportkosten für Recyclingmaterial zum Wiederaufbereiter und ggfs. zurück
555
Der optimale Lagerstandort wird durch das Gesamtkostenminimum bestimmt
Transport- und Entsorgungskosten für Sondermüll zur speziellen Behandlung Transport- und Entsorgungskosten für unproblematischen Produktionsabfall
Nach Klärung aller dieser Fragen sind die Entscheidungseinflüsse abzuwägen und der Lagerstandort zu bestimmen. Dafür liegen Planungsmodelle vor, in denen zumeist die Transportkosten das entscheidende Kriterium bilden. 1 Doch sollte man beachten, dass • der optimale Lagerstandort durch das Minimum der Lagerhaltungs- und der Transportkosten bestimmt wird.
Die Standort- und Kapazitätsplanung des Lagers muss auch künftige Veränderungen mit einbeziehen
Problematisch ist die Festlegung der Lagerkapazität im Zeitpunkt der Standortplanung. Sinnvoll erscheint es, in die Planungskonzeption spätere Erweiterungsmöglichkeiten einzubeziehen, damit bei expansiven unternehmenspolitischen Entscheidungen der Lagerbereich nicht zum Engpass wird, der nur durch zumeist sehr kostspielige Umbauten dem Leistungsquerschnitt der übrigen Unternehmensbereiche angepasst werden kann. Das Lager sollte daher auch nicht auf bestimmte Behältertypen ausgelegt werden, sondern flexibel sein. In jedem Fall ist es ratsam, das Lager nicht für „gestern und heute“, sondern für „morgen“ zu konzipieren, auch wenn die Praxis der Lagertechnik zeigt, dass durch die Entwicklungen auf diesem Gebiet ständig eine Erhöhung des Materialumschlages und eine bessere Raumausnutzung des Lagers möglich wird.
Die Kapazitätsberechnung setzt eine genaue Analyse des Materials nach Art und Menge sowie die Ermittlung des nicht nutzbaren Lagerraums voraus
Ausgangspunkt der Kapazitätsberechnung ist der Platzbedarf der einzelnen Materialgruppen unter Berücksichtigung der sich aus der Vorratsplanung ergebenden Lagerbestandszahlen. Hinzu kommt der Platzbedarf für Ein-, Um- und Auslagerungen, für Kontroll- und Kommissionierungsvorgänge, für Zwischenlagerungen kommissionierten Materials, für Transport und Transportmittel, für Lagereinrichtungen usw. (vgl. dazu Beispiel 61 zur Berechnung des Raumnutzungsgrades).
1
Vgl. E. Grochla, Grundlagen der Materialwirtschaft, a.a.O., S. 132 ff.
556
In diesem Zusammenhang ist eine sehr genaue Analyse der zu lagernden Materialien erforderlich, und ihre wesentlichsten Charakteristika sind zu erfassen: -
Abmessungen Gewichte und besondere Bedingungen (z.B. Empfindlichkeit gegenüber Feuchtigkeit, Kälte, Hitze, Verderblichkeit, Bruchgefahr, Gefahrstoffe usw.) Einheiten als Verpackungs-, Transport- oder Lagereinheiten (Paletten, Behälter, Kolli, Faltschachteln usw.) Eingangsmengen je Zeiteinheit und Materialposition Entnahmemengen je Zeiteinheit und Materialposition; Entnahmehäufigkeit usw.
Die hohe Komplexität dieser Planungsaufgabe macht die Nutzung von DV-Systemen erforderlich. Eine besondere Rolle kommt in diesem Zusammenhang der Simulationstechnik zu. Mit ihrer Hilfe lassen sich Lager- und Materialflusssysteme und ihre Elemente, wie z. B. Kommissionierplätze, Rollenbahnen, Regalbediengeräte, Durchlaufregale, Bereitstellpuffer, Verpackungsstationen usw., modellhaft abbilden. An diesem rechnergestützten Modell können dann Experimente durchgeführt werden, um das Verhalten des Systems bei unterschiedlichen Belastungen zu untersuchen. Diese Betrachtungen liefern nicht nur Aufschluss über die grundsätzliche Eignung eines logistischen Systems, sondern sie können – insbesondere bei frühzeitiger Nutzung im Planungsprozess – helfen, Fehlplanungen zu verhindern.
2.2 Lagergestaltung Die Planung der Lagergestaltung soll sich hier auf die - Planung der Lagerbauart - Planung der Lagereinrichtungen - Planung der Lagerordnung
557
Vermeidung von Fehlplanungen durch Nutzung der Simulationstechnik
erstrecken. Die in diesem Zusammenhang auftretenden technischen Probleme können nur kurz gestreift werden. 1
2.2.1 Lagerbauart Materialeigenschaften und Materialfluss bestimmen die Lagerbauart
Hinsichtlich der Lagerbauart kann man unterscheiden in: 2 (1) Offene Lager (z.B. eingezäunte Lagerplätze) (2) Halboffene Lager (z.B. überdachte Lagerflächen) (3) Geschlossene Lager (z.B. Gebäude, Hallen) (4) Speziallager (z.B. Silos, Tanks) Die zu wählende Bauart wird einmal von den physikalischchemischen Eigenschaften der Materialien, zum anderen von der Notwendigkeit eines geradlinigen Materialflusses bestimmt. Entsprechende Entwicklungen der Transportmittelindustrie haben in den letzten Jahren Möglichkeiten geschaffen, auch bei zweigeschossiger Bauweise das Transportgut weiter „fließen“ zu lassen (z.B. Abfüllbetriebe). In der Regel wird aber die Forderung nach einem kontinuierlichen Materialfluss - neben den im Allgemeinen niedrigeren Baukosten - den Ausschlag für die Wahl eines eingeschossigen Lagers geben. Die Grundstücke in Stadtnähe sind zumeist relativ klein und die Grundstückspreise hoch. Bei idealen Voraussetzungen hinsichtlich Verkehrsanbindung, Umweltbedingungen und Personalangebot kann in einem solchen Fall auch ein vollautomatisiertes Hochregallager eine durchaus wirtschaftliche Lösung sein.
2.2.2 Lagereinrichtung Begriff der Lagereinrichtung
Unter der Lagereinrichtung sind alle Hilfsmittel zu verstehen, auf denen Materialien am Stapelort oder während des Transports gelagert werden. 1
Eine ausführliche praxisorientierte Darstellung findet sich bei G.J. Dirks/ J. Nitschke, Planung und Realisierung eines automatisierten Lagers - Erfahrungen und Hinweise aus der Sicht eines Anwenders, Ehningen 1990, S. 44 ff. 2 Nach E. Grochla, Grundlagen der Materialwirtschaft, a.a.O., S. 128.
558
Bei der Planung sollte der Grundsatz beachtet werden: • Liefereinheit = Transporteinheit = Lagereinheit = Entnahmeeinheit Bestimmungsfaktoren für die Wahl zweckmäßiger Lagereinrichtungen sind: -
Bei der Planung ist das Ideal der Transportgleichung zu beachten
Eine Reihe von Faktoren beeinflussen die Lagereinrichtung
Materialverpackung Vorratsmenge Raumhöhe des Lagers Transportmittel (inner- und außerbetrieblich)
Für die Lagerung der verschiedenartigen Materialien gibt es eine Vielzahl von Einrichtungen, von denen hier nur die wichtigsten genannt werden können. Dabei kann zwischen festen und beweglichen Lagereinrichtungen unterschieden werden: (1) Feste Lagereinrichtungen: Hierzu zählen Regale in einer Fülle von Variationen, 1 Silos und ortsfeste Behälter bis zum freistehenden Tank. Regale sind für eine intensive Lagernutzung materialflussorientiert einzusetzen. Die bedeutendsten Regaltypen sind: -
Fachregale in Wabenform, verstellbar, Durchlaufregale, mit einer Auffüll- und Entnahmeseite, mit dem Vorteil, die „FiFo“-Systematik („first in - first out“) zu realisieren, Verschieberegale, kompakt und dadurch raumsparend auf Rollen nach zwei Seiten für den Durchgang verschiebbar, Paternoster- oder Umlaufregale, z.B. für eine Fülle von Kleinteilen, Palettenregale zum Stapeln von beladenen Paletten per Gabelstapler, in der Regel maximal 10 m hoch, Ständerregale, auch „Christbäume“ genannt, zum Lagern von Stäben, leichtem Rohrmaterial und Schienen,
1
Siehe u.a. H. Ehrmann, Logistik, a.a.O., S. 217 ff. sowie R. Koether, Technische Logistik, a.a.O., S. 67 ff.
559
Zweckentsprechende Wahl der Lagereinrichtung setzt detaillierte Kenntnis der gebotenen technischen Möglichkeiten und eine Übersetzung der in der Material- und Lageranalyse gewonnenen Erkenntnisse auf die technischen Einrichtungen unter Beachtung ihrer Wirtschaftlichkeit voraus
-
Hochregale ( > 10 m hoch) als feste Fachregale zur Bedienung durch Flurförderzeuge.
(2) Bewegliche Lagereinrichtungen: Typische Hilfsmittel beweglichen Lagerns sind Paletten und Behältersysteme. Ihre Vorteile sind in der • intensiven Nutzung des Lagerraums durch hohe Stapelung und • Vereinfachung und Beschleunigung der Ein-, Um- und Auslagerung zu sehen. Die Poolpalette bringt enormen Rationalisierungseffekt
Viele Stückgüter und Behälter werden erst durch den Einsatz von Paletten stapelfähig. Eine Automatisierung der Lagerhaltung und der damit verbundenen Senkung von Personal- und Verpackungskosten ist ohne die Verwendung der Normenpalette nicht realisierbar. Die DIN-Normen sind: -
DIN 15 151 Holzflachpalette = europäische Poolpalette 800 x 1.200 mm DIN 15 146 Vierwege-Flachpalette 800 x 1.200 mm DIN 15 155 Gitterboxpalette 800 x 1.200 mm
Der Palettentausch des europäischen Standards vollzieht sich nach einheitlichen Regeln und verschafft der Industrie und dem Handel große Kostenvorteile im Transport- und Lagerbereich. Da die Leistung eines Lagers in großem Maße von seiner Einrichtung abhängig ist, muss versucht werden, durch den Einsatz weitgehend automatisierter Lager- und Transporteinrichtungen mit minimalem Personalaufwand eine hohe Lagerleistung zu erzielen. Die Beschaffung von Lagereinrichtungen kann heute nicht mehr dem Zufall überlassen werden. Es ist vielmehr notwendig, eine funktionsgerechte Einrichtung sorgfältig unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgesichtspunktes zu planen und dabei die betrieblichen Rahmenbedingungen, die längerfristige Entwicklung
560
des Unternehmens und den Schutz der Umwelt zu berücksichtigen. Die Tendenz geht verstärkt zum automatisierten Palettenhochregal. Dieses Regalsystem bietet - wie das Praxisbeispiel 56.1 zeigt - Unterbringung von mehreren tausend Paletten und Artikeln unterschiedlicher Spezifikation durch lange und hohe Regale.1 Die Investition von Millionen EUR für diese Lagerart ist oft dadurch gerechtfertigt, dass Grund für ein Flachlager nicht ausreichend bzw. nur zu einem wirtschaftlich nicht zu tragenden Bodenpreis zur Verfügung steht oder von einer bestimmten Lagergröße an die Wege im Lager zu lang werden.2 Allerdings wird die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung oft nicht konsequent durchgeführt bzw. nicht umgesetzt, zumal eine eventuell damit verbundene Personalfreisetzung nicht unmittelbar durchgesetzt werden kann.
Entscheidungskriterien für oder gegen ein Hochregallager sind: - Lagerkapazität - Bodenpreis - Wegkosten
2.2.3 Lagerordnung Unter der Lagerordnung ist die Zuordnung von Lagerraum und Lagergut zu verstehen. Es gibt in dieser Beziehung zwei grundsätzliche Möglichkeiten: 3 (1) das Festplatz- und (2) das Freiplatzsystem. Letzteres wird auch als chaotische Lagerhaltung bezeichnet. Eine rationelle Lagerplatzbelegung sollte durch eine ABCBelegungsstrategie erreicht werden. Zur Planung der Lagerordnung gehört auch die sinnvolle und einheitliche Festlegung der Materialbezeichnungen und der Materialschlüssel für die EDV. 4
1
Siehe auch G.J. Dirks/J. Nitschke, a.a.O., S. 75 ff. Siehe W. Pahlitzsch, Industrielle Lagerwirtschaft, Wiesbaden (o.J.), S. 130 f. Vgl. P. Horvath, Materialwirtschaft, in: H. Engel, Hrsg., Handbuch der neuen Techniken des Industrial Engineering, a.a.O., S. 1.152. 4 Da die Materialnummerung ein Teil des betrieblichen Informationswesens ist, haben wir zu diesem Aspekt im dritten Abschnitt einige Ausführungen gemacht. 2 3
561
Begriff und Prinzipien der Lagerordnung
2.2.3.1 Das Festplatzsystem Beim Festplatzsystem hat jede Materialposition ihren „Stammplatz“
Das Festplatzsystem ordnet einer Materialposition einen ständigen Lagerplatz zu. Es ist demnach dadurch charakterisiert, dass jedes Material seinen festen Stammplatz hat, wobei die Platzgröße, das heißt die Auswahl der Fächer dem erwarteten maximalen Bestandsvolumen entspricht. Der Stammplatz bleibt bis zu seiner eventuellen Aufhebung für ein und dieselbe Ware reserviert, unabhängig davon, ob der Lagerplatz gerade genutzt wird oder nicht.
Das Festplatzsystem ist trotz seiner möglichen Nachteile in der Praxis sehr verbreitet
Als Nachteile dieser Lagermethode sind vor allem zu nennen: • Bedingt durch Platzreservierungen für jedes Material ist ein hoher Lagerraumbedarf erforderlich. Ist die Position nicht vorhanden, dann bleibt das Lagerfach leer. Es wird „zu viel Luft gelagert“. • Die Lagerkapazität je Position ist begrenzt, was bei Mehrbedarf zu einer Umorganisation im Lager führen muss. • Ausweichplätze müssen regelmäßig geleert werden. • Da nach Einlagerung und Teilentnahmen von einem Lagerplatz eine Zulagerung erfolgt, befinden sich alte und neue Bestände des gleichen Materials auf dem gleichen Lagerplatz. Dies führt dazu, dass das „first in - first out“-Prinzip, demzufolge das zuerst Angelieferte auch zuerst wieder auszugeben ist, nicht sicher gewährleistet werden kann. Trotz dieser Nachteile stößt man in der Praxis sehr häufig auf diese Lagermethode. Der wohl entscheidende Grund dafür ist, dass sie gestattet, für jede Materialart von vornherein den jeweils günstigsten Platz zu reservieren. So erhalten Artikel mit einer hohen Entnahmehäufigkeit einen vergleichsweise transportgünstigen Lagerplatz.
562
Das nachfolgende Praxisbeispiel zeigt, dass das Festplatzsystem in vielfältiger Weise als Lagerordnungsprinzip zum Einsatz kommen kann. Allerdings erfolgt in diesem konkreten Anwendungsfall die Belegung des Hochregallagers - ein integrierter Teil des Logistikzentrums - chaotisch (s.u.). Beispiel 56.1: Die HARTMANN-Gruppe, mit ihrem Stammsitz in Heidenheim, gehört als Hersteller von Medizin- und Hygieneprodukten zu den führenden Unternehmen ihrer Branche in Europa. Als Standort des Logistikzentrums wurde Herbrechtingen aufgrund der schon vorhandenen Infrastruktur gewählt. Das Logistikzentrum wurde in Betrieb genommen, um das etwa 3.500 verschiedene Artikel umfassende Sortiment zu vereinnahmen, zu lagern und in der richtigen Menge, in der gewünschten Aufmachung zum richtigen Zeitpunkt an den richtigen Ort zu versenden. Die am häufigsten zur Kommissionierung benötigten Artikel (AArtikel) lagern auf den über 400 Bodenstellplätzen im SL-Bereich (Schnell-Läufer). Die Kommissionierung wird manuell anhand der Kommissionierlisten vorgenommen. Den Kommissionierern stehen für diesen Zweck 14 Kommissionier-Fahrzeuge, die alle mit PC und Drucker ausgestattet sind, zur Verfügung. Die Nachversorgung der SL-Plätze, die immer mit den selben Artikeln belegt sind, erfolgt - nach Anstoß eines Fahrauftrages durch das Kommissionierpersonal - automatisch durch das Fahrerlose Transportsystem (FTS). Die 14 zur Verfügung stehenden FTS-Fahrzeuge holen zuerst die leeren, abgearbeiteten Paletten ab und verbringen sie in die 3, in der Halle aufgestellten Leerpalettenstapler. Anschließend wird der leergeräumte Platz nachversorgt, indem ein Transport aus dem Hochregallager zu diesem Platz angelegt wird. Die einzelnen Fahrzeuge werden hierbei von einem Leitrechner mit Daten versorgt, der sicherstellt, dass die Fahrzeuge über die im Hallenboden eingelassenen Induktionsschleifen immer genau den vom Rechner vorgegebenen Weg abfahren und die Paletten richtig abgesetzt bzw. aufgenommen werden. Ca. 180 Transporte können auf diese Art pro Stunde abgewickelt werden. Es können ca. 100 auf den gesamten Hallenboden verteilte Bodenplätze für die Ein- und Auslagerung von palettierter Ware genutzt werden. Nach Erteilen eines Fahrauftrages durch das
563
Praxisbeispiel zum Festplatzsystem als Lagerordnungsprinzip
Lagerpersonal werden die Bodenplätze von einem der 14 FTSFahrzeuge zur Ver- oder Entsorgung angefahren. Display-Großanzeigen an jedem Bodenplatz zeigen den Auftragsbezug an, das heißt, es ist optisch ersichtlich, für wen die abgestellte Palette bestimmt ist oder wer sie bestellt hat. Die im Kleinmengenlager und Paternoster kommissionierte Ware wird in der Packerei auf einem der 18 Packplätze verpackt und versandfertig gemacht. Im Anschluss an das Kleinmengenlager befinden sich zwei Paternoster mit jeweils 44 Ebenen zur Lagerung von etwa 850 Artikeln. Ein Paternoster ist mit Werbemitteln und Informationsmaterial bestückt. Der andere Paternoster dient zur Aufnahme von Bemusterungsware, die für Ausschreibungen benötigt wird. Das Kleinmengenlager mit 3 Gassen und 12 Ebenen je Gasse hat die Maße 41 x 10 x 7,5 m (LxBxH). Es wird mit 3 Regalbediengeräten betrieben und hat ein Volumen von ca. 4.000 Behälterstellplätzen. Es dient vor allem zur Aufnahme und Kommissionierung von Artikeln mit Mengen kleiner als ein Originalkarton. Im Gegensatz zum Hochregallager ist jedem eingelagerten Artikel ein fester Platz/Behälter zugeordnet. Die Durchsatzleistung der Anlage beträgt ca. 225 Ein- und Auslagerungen pro Stunde. Die anhand von Belegen kommissionierten Kleinmengen werden in Packbehälter gelegt und über eine Rollenbahn der Packerei zugeführt. Die Nachversorgung des Kleinmengenlagers mit Ware erfolgt über das Hochregallager. Die aufzufüllenden Packbehälter werden automatisch mit den aus dem Hochregal ausgelagerten Paletten an den Nachversorgungsplätzen zusammengeführt und dann von Mitarbeiterinnen bestückt und zurückgelagert. In den 240 Fächern des Durchlaufregals lagern Artikel, die weniger häufig benötigt werden (B-Artikel mit mittlerer Zugriffshäufigkeit), die jedoch im direkten Zugriff der Kommissionierer sein sollten. Die Nachversorgung/Bestückung des Regals erfolgt über eine direkte Anbindung an die Fördertechnik der Hochregalvorzone. Zum Kommissionierbereich (Hochregalvorzone) werden ausschließlich im Hochregal lagernde Artikel ausgelagert und kommissioniert. Es handelt sich hierbei um sogenannte C-Artikel mit geringer Zugriffshäufigkeit. Die Kommissionierware wird in den Versandbereich abgegeben und die nicht mehr
564
benötigten Artikel über die Fördertechnik wieder in das Hochregal zurückgelagert. Das Herz der Anlage bildet das Hochregallager mit 13 Gassen. Die Abmessungen des Lagers betragen 111 x 58 x 30 m (LxBxH). In zwölf Ebenen können wahlweise bis zu 30.000 Euro-Paletten eingelagert werden. Die Regalbediengeräte sind auf eine Leistung von 24 Doppelspielen (Ein- und Auslagerung) pro Stunde ausgelegt. Jeder der vorgelagerten Verschiebewagen kann in der Stunde bis zu 100 Paletten aufnehmen und verteilen. Die Belegung des Hochregals erfolgt chaotisch, das heißt, es gibt keine festen Artikel-Belegungen im Lager. Allerdings sind Bereiche für Gefahrgüter und Technische Artikel definiert. Die Ein- und Auslagerung der Ware erfolgt nach bestimmten Einund Auslagerungsstrategien. So muss die Artikelverteilung und die Belegung in den 13 Gassen möglichst gleichmäßig sein, um bei technischen Störungen immer eine möglichst hohe Verfügbarkeit der Ware garantieren zu können. Häufig benötigte Ware wird im Hinblick auf die Wegeoptimierung im vorderen Teil, weniger oft benötigte Ware im hinteren Teil des Lagers eingelagert. Bei der Auslagerung wird per System darauf geachtet, dass immer zuerst die älteste Ware das Lager verlässt (FifoPrinzip). Das „Gehirn“ des Logistikzentrums wurde im sogenannten I-Punkt implementiert. Hier laufen alle Daten des Standorts zusammen und werden von den I-Punkt-Technikern über eine zentrale „Visualisierung“ geprüft, analysiert und ausgewertet. Bei eventuell auftretenden Störungen im Transportablauf sind diese somit sofort erkennbar. Darüber hinaus wird die Anlage an sensiblen Bereichen mit Kameras überwacht. Die datentechnisch zu verarbeitenden Aufträge werden vom HOST-Rechner in Heidenheim an das Lagerverwaltungssystem übergeben und gelangen von diesem über eine TCP/IPVerbindung zum Materialflussrechner. In diesem Rechnersystem, welches aus einem Hauptrechner, einem Cold-Stand-By und einer USV-Anlage besteht, werden die Fahraufträge für alle Transportbewegungen innerhalb des Logistikzentrums generiert. Über die im Lager aufgestellten 60 Terminals kann mit dem Lagerverwaltungssystem kommuniziert werden. Das heißt, es können gleichzeitig Daten eingegeben, bearbeitet, abgerufen, kontrolliert und verändert werden. Weiterhin werden über das
565
System die Transportbegleitbelege generiert, die für die eindeutige Identifizierung der Ware auf den Paletten unerlässlich sind. Bei dem Freiplatzsystem erfolgt die Platzreservierung pauschal für das gesamte Lagersortiment
2.2.3.2 Das Freiplatzsystem Die Freiplatzlagerung oder chaotische Lagerung ist dadurch gekennzeichnet, dass jeder im Lager vorhandene freie Stellplatz zur Lagerung der Materialien zur Verfügung steht. Es wird also keine feste Platzzuordnung für eine Lagereinheit vorgenommen, sondern die Platzreservierung erfolgt pauschal für das gesamte Sortiment. Das gleiche Material kann sich jedoch in mehreren auseinanderliegenden und ständig wechselnden Lagerplätzen befinden. Dabei darf es nicht vorkommen, dass sich auf einem Lagerplatz verschiedene Materialien befinden. Allerdings sind z.B. für Gefahrgüter feste Bereiche/Stellplätze zu definieren.
Aufbau des Lagerplatz-Auskunftssystems
Unabdingbare Voraussetzung für einen zügigen und störungsfreien Materialfluss und eine sofortige Informations- und Zugriffsmöglichkeit zu den Beständen ist ein Real-time-EDVSystem mit permanentem Online-Anschluss für Disponenten, Lagerverwalter, Kommissionierer und Transportdienste. Das System muss so aufgebaut sein, dass es Antwort auf zwei Fragen gibt: • Auf welchem Lagerplatz befindet sich welches Material? • Welches Material befindet sich auf welchem Lagerplatz? Mit manuellen Aufzeichnungen ist ein Freiplatzsystem kaum noch wirtschaftlich zu führen, da die notwendige Aktualität durch einen konventionellen Belegfluss und die damit verbundenen Fehler nicht mehr gegeben ist. Die Ein- und Auslagerung kann durch Regalförderzeuge ohne Mitarbeiter vollautomatisch oder gesteuert von einem Mitarbeiter im Fahrkorb durchgeführt werden. Die Vollautomatisierung ist in der Regel nur bei einem einheitlichen Palettenmaß im Regallager möglich.
566
Nachteilig bei der chaotischen Lagerung wirkt sich unter Umständen die willkürliche Einlagerung von Materialien auf einen gerade freien Lagerplatz hinsichtlich einer Transportwegoptimierung aus, da Materialien mit hoher Entnahmehäufigkeit nicht mehr in jedem Fall auf Lagerplätzen mit den kürzesten Transportwegen lagern. Wenn Materialien mit niedriger Entnahmehäufigkeit auf Lagerplätzen mit den längsten Transportwegen eingelagert werden, nimmt die Ersteinlagerung in einem Lager entscheidenden Einfluss hierauf. Es wird dadurch bewirkt, dass Lagerplätze mit den gleichen Materialien längere Zeit belegt sind. Materialien mit einer hohen Entnahmehäufigkeit verursachen einen häufigen Platzwechsel.
Die Einlagerung sollte am nächstliegenden geeigneten freien Platz erfolgen
Im Idealfall sollte die Platzwahl nach den Kriterien -
materialgerechte Fachgrößen, kürzeste Entfernung vom Lagereingang
unter Beachtung von ABC-Belegungsstrategien (s.u.) erfolgen. Ein Beispiel aus der Praxis soll das System der chaotischen Lagerordnung verdeutlichen. Beispiel 56.2:1 Ein Hersteller von kosmetischen und pharmazeutischen Produkten im süddeutschen Raum hatte seine Produkte in gemieteten Produktionshallen untergebracht. Für die Palettenlagerung der Verpackungsmaterialien und Rohstoffe standen relativ niedrige Holz-Lagerhallen zur Verfügung. Vorratsmengen wurden teilweise in einem entfernt liegenden Außenlager untergebracht. Die Paletten wurden in Blockzeilen gestapelt. Einige Holzregale standen für Restmengen und leichte Verpackungsmaterialien in Großkartons zur Verfügung. Firmenwachstum und beschränkte Erweiterungsmöglichkeiten am vorhandenen Standort führten zur Neuplanung eines Fertigungsbetriebes mit Hochregallager in einem in der Nähe gelegenen Industriegebiet. 1 1
An der Lagerplanung war Dipl.-Ing. Diether Sieghart der APR-Unternehmensberatung Moosburg/Isar beteiligt. Die nachfolgend beschriebene mehrstufige ABC-Belegungsstrategie wurde ebenfalls von dieser Unternehmensberatung empfohlen, gilt aber generell für alle Lagerbereiche des Unternehmens - nicht nur für das Hochregallager.
567
Praxisbeispiel zur chaotischen Lagerhaltung
Das Hochregallager (HRL) wurde wie folgt dimensioniert: Vier Regalgänge mit zwei Zeilen, elf Stockwerken und 37 Fächern, also 4 x 2 x 11 x 37 = 3.256 Palettenstellplätze insgesamt. Von diesen sind 31 aus Sicherheitsgründen gesperrt, so dass 3.225 frei verfügbar sind. Neben dem Hochregallager sind noch über 1.000 Abstellplätze vorhanden, die durch Bodenmarkierungen festgelegt sind und genutzt werden. Es werden ca. 1800 Rohstoffe (Chemikalien, Duft- und Farbstoffe usw.) und Verpackungsmaterialien (einschließlich Ventile, Kappen usw.) sowie etwa 490 Fertigerzeugnisse chaotisch gelagert. Die Lagerleistung liegt 3 Monate nach Bezug des HRLs bei durchschnittlich 110 Ein- und 75 Auslagerungen pro Tag. Der Flächenüberschuss des Fabrikneubaus führte dazu, dass im Augenblick noch ein beachtlicher Teil der Ware neben dem Hochregallager vorbeifließt. Umlagerungen im HRL erfolgen nur bei Stoßbelastungen und Rückbuchungen infolge von Auftragsänderungen durch Kunden. Der Wareneingang wird am Terminal erfasst, wobei ein Mikrocomputer für jede eingegangene Palette einen freien Stellplatz sucht und Etiketten mit Klartext (in Übergröße) sowie BarcodeInformationen für die Palettenkennzeichnung und für die Belegablage ausdrucken lässt. Nach Kennzeichnung der Palettenstirnseite mit den sehr gut lesbaren Etiketten bringt ein Staplerfahrer die einzelnen Paletten zu den am Etikett ersichtlichen Bereitstellungsplätzen in der Kopfzone des Hochregallagers. Das Regalförderfahrzeug nimmt dort die Paletten auf. Der im Fahrkorb stehende Mitarbeiter liest beim Losfahren mit dem Lesestift die Barcode-Nummer des Palettenstellplatzes ein, fährt in Stufe 1 noch manuell diesen Stellplatz an und justiert dort die Palettengabel. Beim Ausfahren der Gabel zum Einlagern der Palette liest ein Laser-Scanner automatisch die Barcode-Nummer des Stellplatzes, die am Regal befestigt ist und gibt ein optisches oder akustisches Signal, wenn ein falscher Standort angefahren wurde oder wenn die Gabel blockiert. Bei Bedarf kann ein Drucker angeschlossen werden, um ein Wegeprotokoll auszudrucken. Die Stellplatzauswahl kann auf Wunsch nach folgenden Gesichtspunkten erfolgen:
568
-
-
Verteilung der Paletten auf die einzelnen Regalgänge nach Risikogesichtspunkten, Verteilung der Paletten innerhalb eines Regalganges unter Berücksichtigung verschiedener Kriterien, wie z.B. des Brandrisikos, des Palettengewichtes, der Notfall-Kommissionierung, Berücksichtigung des first in – first out-Prinzips, Berücksichtigung von Quarantäne-Situationen, unter Beachtung von Chargen- und Kontrollnummern, Wegeoptimierung vor allem bei Stoßbelastung, Beachtung von ABC-Kriterien zur Wegereduzierung.
Die Entnahme erfolgt in ähnlicher Weise, wobei der vom Computer erstellte Entnahmebeleg eine andere Farbe hat und für noch nicht freigegebene Artikel (Quarantäne) kein Etikett und Beleg ausgedruckt werden kann. Das Freiplatzsystem ermöglicht eine nennenswerte Platzersparnis und Flexibilität bei Sortimentsänderungen, da freie Plätze durch beliebige andere Artikel ausgefüllt werden können.
Platzersparnis und Flexibilität als Vorteile des Freiplatzsystems
2.2.3.3 ABC-Belegungsstrategie Eine rationelle Lagerplatzbelegung bei chaotischer oder fester Lagerordnung kann unter Umständen durch eine mehrstufige ABC-Belegungsstrategie erreicht werden. A-Artikeln werden dabei grundsätzlich Lagerflächen, Regalzeilen und Stellflächen mit günstigen Wegezeiten zugeordnet (Abb. 93, Skizze 1). In diesen Bereichen kann erneut nach ABC-Kriterien untergliedert werden, wobei neben der Wegeoptimierung noch Greifzeitunterschiede und Orientierungszeitunterschiede berücksichtigt werden können, z.B. bei Fachbodenregalen AA-Artikel in den günstigsten Greifbereich zwischen 90 cm und 140 cm Höhe einlagern (siehe Abb. 93, Skizze 2).
569
Rationelle Lagerplatzbelegung durch mehrstufige ABCBelegungsstrategie
Skizze 1: C-Zone B-Zone A-Zone
I-Punkt Skizze 2: AB-Höhe (auch AC) AA-Höhe AC-Höhe (auch AB)
{ { {
} } }
Skizze 3: AAC-Tiefe AAB-Tiefe AAA-Tiefe Abbildung 93:
{ { {
m
l
k
i
i
k
l
m
e
f
g
h
a
b
c
d
sperrig leicht, klein, nicht sperrig (bedingt) schwer, groß, sperrig (bedingt)
a,b,c,d = zusätzl. Kennzeichnung für Fachbodenbereich jeder Fachbodennummer
ABC-Belegungsstrategien
Bei bestimmten Lagergütern lohnt sich darüber hinaus noch die Einteilung des Regalfachbodens nach ABC-Kriterien. Sinnvoll ist dies vor allem dann, wenn, wie in Versorgungsbetrieben üblich, vor allem Ersatzteile und Klein- und Kleinstmengen von Gegenständen und Teilen unterschiedlichster Größe mit auf-
570
steigender Nummernfolge oder chaotisch gelagert werden. Nach dem gleichen Schema könnte aber auch in den Restelagern der Kontrollabteilungen von Porzellan- und Keramikwerken gearbeitet werden. AAA-Artikel würden dabei auf der Gangseite des Fachbodens stehen und unmittelbar gegriffen werden können, während AAB-Artikel in der Mitte und AAC-Artikel im hinteren Bereich des Fachbodens stehen und nur nach vorübergehender Entnahme der davor stehenden Artikel oder Behälter gegriffen werden können (siehe Skizze 3). Vollen Nutzen kann man aus derartigen Belegungsstrategien dann ziehen, wenn der Zeitbedarf für jede Einlagerungs-, Umlagerungs- und Auslagerungs-Konstellation errechenbar ist, was sorgfältig aufgebaute Planzeitwertsysteme voraussetzt. In vielen Fällen kann jedoch mit vereinfachten (entfeinten, abgemagerten) Anwendungsformen dieser mehrstufigen ABCBelegungsstrategie gearbeitet werden. Selbstverständlich müssen beim Festlegen individueller Belegungsstrategien neben ABC-Kriterien auch noch XYZ-Kriterien, Saisoneinflüsse, Ersatzteile für Risikosituationen (z.B. Leckagen bei flüssigen Stoffen), Gefahrgut und andere Einflussgrößen berücksichtigt werden. ⇐ ⇐
Vereinfachte Belegungsstrategien unter Beachtung weiterer Einflussgrößen im Bedarfsfall
Aufgabe 31 Aufgabe 32
2.3 Innerbetrieblicher Transport Jeder innerbetriebliche Transport ist unproduktiv und trägt nur mittelbar zur Werterhöhung des Materials bei. Man sollte daher bestrebt sein, • Transporte weitgehend zu vermeiden und auf ein Minimum zu beschränken.
571
Die Wahl der Transportmittel ergibt sich als Konsequenz einer optimalen Materialfluss-Lösung
Hierin liegt eine Hauptaufgabe neuzeitlicher Materialflussplanung. Gänge und Regale sind daher so anzuordnen, dass je nach Transporthäufigkeit und Materialvolumen die Summe der Transportwege und damit auch der Transportkosten möglichst niedrig ist (Prinzip des Transportkostenminimums). Wenn man Wert auf einen optimalen Materialfluss legt, müssen aber nicht nur die kürzesten Transportrouten festgelegt, sondern auch zweckmäßige Transport- bzw. Fördermittel eingesetzt werden. Dabei sollte man sich bewusst machen, dass der Materialfluss aufgrund von strategischen und konzeptionellen Unternehmensentscheidungen (z.B. Realisierung von Just-inTime-Anlieferungen) in einer bestimmten Art und Weise vorprogrammiert wird. Eine Materialflussanalyse hat also nicht nur den Sinn, als Grundlage zur Optimierung der bestehenden Transporte zu dienen, sondern zielt vor allem auch darauf ab, Detailinformationen zu erfassen, die für eine Reihe von strategischen Entscheidungen wichtig sind. Für die Materialflusserfassung gibt es eine Reihe von Darstellungsmöglichkeiten, wie z.B. den Materialflussbogen (s.u.) oder die Materialfluss-Matrix, die die Menge der zu transportierenden Behälter festhält. 1 Die Transportmittelwahl verlangt die Beachtung technisch-wirtschaftlicher Grundsätze
Der Materialflussbogen erleichtert die SystemProjektierung
Wie für die Auswahl der Lagereinrichtungen gelten auch hier ähnliche Grundsätze, wie systematische Planung der Transportvorgänge und Wegezeiten entsprechend dem Materialumschlag und eine Anpassung an die spezifischen betrieblichen Gegebenheiten. Dabei müssen nicht nur die Anschaffungskosten kritisch betrachtet werden, sondern auch die dadurch entstehenden Einsparungen und die später anfallenden Betriebskosten. Um diese Untersuchungen zu erleichtern, wurden vom Verein Deutscher Ingenieure (VDI) und vom Ausschuss für wirtschaftliche Fertigung (AWF) Materialflussbögen entwickelt. Formularbeispiel 15 zeigt als Anwendungsbeispiel eine Untersuchung des Materialflusses von Halterungen von der Materialannahme bis zur Fertigung, eingeschlossen den Transport des Leergutes. 2 1
Siehe R. Koether, a.a.O., S. 17. - Für weitere Darstellungsformen siehe auch K. Bichler/N. Schröter, Praxisorientierte Logistik, Stuttgart 1995, S. 49 ff. Vgl. Chr. Wachs, Lagertechnik und Materialfluss, München o.J., S. 28.
2
572
Formularbeispiel 15:
VDI/AWF-Materialflussbogen
Die moderne Fördertechnik verfügt seit jeher über eine große Mannigfaltigkeit ihrer Mittel, die in jüngster Zeit durch die fortschreitende Automatisierung und - wie im Praxisbeispiel 56.1 erwähnt - durch fahrerlose Transportsysteme noch wesentlich
573
Die klassische Einteilung der Transportmittel erfolgt nach technischkonstruktiven Merkmalen
gesteigert wurde. Es kann daher hier nur ein grober Überblick gegeben werden, wobei wir der klassischen Einteilung der Transportmittel in Flurfördermittel, flurfreie Fördermittel (Hebewerkzeuge) und Stetigförderer folgen: 1 (1) Flurfördermittel: Man versteht unter Flurfördermitteln nicht kontinuierlich, sondern intermittierend arbeitende Transportmittel, wie Handkarren, Hubwagen und Stapler. Die einfachsten Hilfsmittel in einem Lager sind Handkarren, die beim Transport geringer Mengen oder bei der Zusammenstellung von Transporteinheiten eingesetzt werden. Der Hubwagen genügt beim Transport zu ebener Erde. Soll das Gerät die einzelnen Transporte nicht nur in der Ebene, sondern auch in der Höhe vollbringen, so ist ein Stapler notwendig. Eine Übersicht über die Typenvielfalt gibt DIN 15 140. (2) Flurfreie Fördermittel: Unter flurfreien Fördermitteln versteht man alle sich nicht am Boden bewegenden Transportmittel. Es fallen somit unter diesen Begriff Drehkrane, Portalkrane, Laufkrane, Hängekrane usw. Sie werden überall dort eingesetzt, wo die Ware dicht gestapelt werden muss und Verkehrswege einzusparen oder große Lagerhöhen auszunutzen sind. (3) Stetigfördermittel: Es handelt sich hierbei um zumeist ortsfeste, in einigen Fällen aber auch bewegliche Einrichtungen, die das Fördergut kontinuierlich von der Aufnahme- zur Entladestelle fördern. Stetigförderer finden vor allem dort Verwendung, wo große Förderleistungen und ein ununterbrochener Materialfluss verlangt werden. Typische Beispiele für Stetigförderer sind Rutschen, Rollenbahnen, Kreisförderer. - Eine Übersicht über die Benennung für Stetigförderer gibt DIN 15 201. Die kapazitive Harmonisierung der Transportmittel ist notwendig
In der Praxis wird ein großer Teil dieser Transportmittel miteinander kombiniert. Wie notwendig dabei eine Abstimmung der Förderkapazität der einzelnen Transporteinheiten ist, beweisen 1
Vgl. R. Koether, a.a.O., S. 15 ff.
574
die folgenden maximalen Leistungswerte der angegebenen Fördermittel: 1 Rollenbahn Tragkettenförderer Hängebahn Etagenförderer Verschiebewagen Verschiebehubwagen
720 Paletten/Stunde 450 Paletten/Stunde 425 Paletten/Stunde 300 Paletten/Stunde 160 Paletten/Stunde 110 Paletten/Stunde
Wird bei der Planung nicht das schwächste Glied in der Kette der Leistungen berücksichtigt, so ist mit keinem optimalen Materialfluss zu rechnen, evtl. sogar mit Störungen. Natürlich sollte eine weitgehende Harmonisierung der Teilkapazitäten angestrebt werden. Abschließend sollen noch die Aufgaben kurz genannt werden, die der innerbetriebliche Transport im Rahmen der Materialbereitstellung zu erfüllen hat. Diese können - von JiTAnlieferungen abgesehen - im Wesentlichen umfassen: -
-
1
Planung der Bereitstellungsplätze Erarbeitung eines Tourenplanes Durchführung der innerbetrieblichen Transportaufgabe zu den gewünschten Terminen und mit optimalen Mitteln und niedrigem Aufwand (im Wareneingang, zwischen Wareneingang und Lager, zwischen Lager und Produktion/Versand, innerhalb der Produktion, von der Produktion zum Lager/Versand, innerhalb des Versandes) Planung der Transport- und Fördermittel (s.o.) Verwalten und Bereitstellen des Leergutes Ver- und Entsorgung aller betrieblichen Stellen
Vgl. Chr. Wachs, a.a.O., S.26.
575
Aufgaben im Rahmen der Materialbereitstellung
3.
Die mit der Materiallagerung auf der einen und mit der Materialrechnung auf der anderen Seite verbundenen Tätigkeiten lassen sich eindeutig voneinander unterscheiden
Lagerhaltung
Die Aufgaben der Lagerhaltung im Beschaffungs- bzw. Vorratslager ergeben sich aus dem Beschaffungsvollzug mit der Erfüllung des Kaufvertrages durch den Lieferanten. Dazu kommt die Vorratshaltung und die Versorgung des Produktionsbereiches mit Materialien. Die hiermit verbundenen materiellen Prozesse (Materialannahme, Materialprüfung, Materialein- und -umlagerung, Materialausgabe) müssen im Lager zahlenmäßig registriert und ausgewertet werden. Da sich diese Vorgänge der Bestandsfortschreibung und -überwachung von den technischorientierten Aufgaben der eigentlichen Materiallagerung klar unterscheiden und einen besonderen Schwerpunkt der Verwaltungstätigkeiten im Lager bilden, sollen sie als Materialrechnung gesondert unter Ziffer 3.2 dieses Abschnittes behandelt werden.
3.1 Lagerungsablauf Der Lagerungsablauf umfasst alle Vorgänge von der Materialannahme bis zur Materialausgabe
Auch wenn man in der Praxis eine Fülle unterschiedlicher ablauforganisatorischer Regelungen findet, so vollzieht sich der Lagerungsablauf im Wareneingangs- bzw. Beschaffungslager doch im Regelfall in folgenden Schritten: (1) Materialannahme und Identitätsprüfung (2) Materialprüfung (Quantitäts- und Qualitätsprüfung) (3) Materialein- und -Umlagerung (4) Materialauslagerung bzw. -ausgabe Vor allem Materialannahme und Materialprüfung sind Aufgabenkomplexe, die ineinander übergehen und für die es in der Praxis sehr unterschiedliche Regelungen der Kompetenzen und Abgrenzungen gibt.
576
3.1.1 Materialannahme und Identitätsprüfung Jedes Unternehmen braucht eine funktionsfähige Wareneingangssteuerung. Diese Stelle ist verantwortlich für • eine schnelle und korrekte Materialannahme und -kontrolle sowie Weiterleitung der Lieferung an die Materialprüfstelle, das Lager, die Fertigung oder an den Vertrieb und
Eine funktionsfähige Wareneingangssteuerung ist für jedes Unternehmen „lebenswichtig“
• eine fehlerfreie, aktuelle und vollständige Information aller in Betracht kommenden Stellen über den erfolgten Materialeingang. Neben den Lieferungen, die aus Bestellungen resultieren, befasst sich die Warenannahme auch mit Materialbeistellungen und Warenrücksendungen von Kunden. In der Regel ist die Warenannahme auch für die Leergutbehandlung verantwortlich. Sie kann in einer vertraglich vereinbarten Rücksendung des Leerguts an den Lieferanten bestehen, der evtl. eine Gutschrift erteilt. Im anderen Fall ist zu prüfen, ob eine eigene oder betriebsfremde Verwendung der Emballagen in Frage kommt, bevor die nicht immer kostenfreie Entsorgung anfällt. In diesen Fällen ist die Einschaltung des Einkaufs zweckmäßig, weil dieser die notwendige Marktübersicht besitzt.
Leergutbehandlung durch die Warenannahme
Jede eingehende Lieferung durchläuft im Wareneingang zumindest folgende Bearbeitungsschritte: -
Annahme Identitätskontrolle Erfassung Weiterleitung
der Materialien. Dabei kann es sich um Fremdlieferungen, Umlagerungen und Ersatzlieferungen handeln. Die Annahme selbst besteht in dem Entladen der Lieferfahrzeuge und der körperlichen Entgegennahme der angelieferten Materialien. Dabei wird anhand der Begleitpapiere (z.B. Lieferschein, Frachtbrief, Ladeschein usw.) die Berechtigung der Lie-
577
Die Identifikation der eingehenden Lieferung ist eine erste grobe Vorprüfung und kann zu Ergebnissen führen, die einer schnellen Entscheidung bedürfen
ferung, die Kollizahl und Verpackung auf evtl. Transportschäden überprüft (erste grobe Vorkontrolle). Die folgenden Arbeitsstufen der Identifizierung und Behandlung von Abweichungen zur Bestellung sind zwischen konventioneller und EDV-organisierter Materialwirtschaft in der Auswirkung zwar gleich, in der Arbeitsweise jedoch unterschiedlich: Die mit Belegen arbeitende Warenannahme muss bei fehlender Identifizierung sowie bei Über-, Teil- oder Unterlieferung - über alle Differenzen außerhalb einer zulässigen Toleranz - den Einkauf, evtl. auch die Disposition und die Fertigungssteuerung telefonisch oder (mit Zeitverlust) durch Kopievermerke informieren. Das gilt auch für Transportschäden. In diesen Fällen ist über das weitere Vorgehen zu entscheiden. Bei Vernetzung in einem EDV-System werden die Abweichungen anhand der am Bildschirm gezeigten Bestellung kommentiert und den beteiligten Funktionen unverzüglich per System oder E-Mail zur Mitentscheidung oder Information überspielt. Die Entscheidung, wie zu reagieren ist und wie Nachteile für die Produktion zu vermeiden sind, kann nur von fachlich kompetenten Mitarbeitern getroffen werden. Jede Anlieferung ist belegmäßig oder per EDV-Eingabe zu erfassen
Jeder Wareneingang wird mit einer Wareneingangsmeldung in Form eines Beleges oder durch Eingabe in das EDV-System festgehalten. Durch Kopieverteilung vom Beleg oder OnlineInformationssätze werden folgende Stellen benachrichtigt: -
Fertigungssteuerung bzw. Vertrieb (Meldung der MaterialVerfügung) Einkauf (Erledigung des Bestellvorganges) Rechnungsprüfung (Zahlungsfreigabe) Lagerbuchhaltung (Bestandsveränderungen)
Ein Beispiel soll verdeutlichen, wie bei Verwendung konventioneller bürotechnischer Hilfsmittel die Abwicklung im Wareneingang stark rationalisiert werden kann.
578
Wareneingang Lieferantendaten Materialnummerndaten Lieferschein
Lieferschein
Falschlieferung Transportschäden zu früh geliefert zu spät geliefert
Annahme (Identifikation)
Benachrichtigung
Einkauf
Disposition Überliefert Teillieferung
Zählen Messen Wiegen
Benachrichtigung
Fertigung
vollständige Wareneingangsmeldung
Qualitätsprüfung
Abbildung 94:
Lager
Fertigung
Vertrieb
Funktionsablauf und Informationsfluss im Wareneingang (konventionell durch Belege)
Beispiel 57: Der Bestellschreibsatz enthält einen Durchschlag, der nach Bestellschreibung zur Information an den Wareneingang geht und dort nach Bestellnummern abgelegt wird. Nach Wareneingang werden auf dem Durchschlag Lieferdatum, Liefermengen und
579
Allgemeines Beispiel zur konventionellen Abwicklung im Wareneingang
sonstige Liefervermerke eingetragen. Von dieser so erstellten Wareneingangsmeldung werden im Abzugsverfahren Kopien zur Information der beteiligten Stellen (Fertigungssteuerung, Rechnungsprüfung, Einkauf, Lager) hergestellt. Bei Teillieferungen kann das Blatt „Wareneingangsschein“ wiederholt benutzt und kopiert werden. Die erstellten Wareneingangspapiere begleiten das Material von der Annahme bis zum endgültigen Einlagerungsort. Abb. 94 zeigt den Funktionsablauf bei konventioneller Umfeldorganisation. Dabei ist berücksichtigt worden, dass zu den bereits genannten Funktionen in der Regel auch die Aufgabe der Quantitätsprüfung (Zählen, Messen oder Wiegen der eingehenden Materialien) tritt. Wie sich der Funktionsablauf bei Online-Datenverarbeitung vollzieht, veranschaulicht das nachfolgende Beispiel aus der Praxis. Es zeigt zugleich, dass durch das Outsourcing der Handteilelager beachtliche Rationalisierungspotenziale ausgeschöpft werden konnten. Praxisbeispiel zur DV-gestützten Abwicklung im Wareneingang bei Ausschöpfung von Rationalisierungspotenzialen durch Outsourcing der Handteilelager
Beispiel 58: Die MaK Motoren GmbH & Co KG, Kiel, stellt in Einzel- und Kleinserienfertigung Motoren für Schiffsantriebe und stationäre Energieanlagen her. In der Materialwirtschaft wird ein DVSystem „Maschinelle Bestellschreibung“ eingesetzt. Mit diesem System werden bereits bei der Erstellung von Bestellungen alle erforderlichen Grundlagendaten für den Wareneingang und die anderen Organisationseinheiten erstellt. Im Wareneingang werden u.a. Lieferdatum, Liefermengen und sonstige Liefermerkmale zu den bereits gespeicherten Grundlagedaten eingegeben, gespeichert, kommuniziert und dokumentiert. Eine Wareneingangsmeldung wird nur als Materialbegleitpapier gedruckt. Andere Druckausgaben erfolgen nicht. Alle anderen Organisationseinheiten verwenden das sehr umfangreiche Dialoginformationssystem der MaK für alle erforderlichen Arbeitsgänge.
580
Die Informationsergänzung erfolgt auch von anderen betriebswirtschaftlichen DV-Systemen wie z.B. Wareneingangsprüfung, Lagerwirtschaft, Fertigungssteuerung, Einkauf, Rechnungsprüfung und Geschäftsbuchhaltung. Abb. 95 zeigt den Funktionsablauf im Wareneingang und der Qualitätssicherung unter Verwendung der zentralen Datenbank auch bei dezentraler Einsteuerung von Teilen direkt in die Produktion. Die Qualitätsprüfung erfolgt sodann „vor Ort“ durch Qualitätsbeauftragte. Alle autorisierten Stellen haben einen unmittelbaren Zugriff auf alle gespeicherten Informationen. Für die Steuerung der Handlager wurde 1997 aufgrund des bis zu diesem Zeitpunkt sehr unwirtschaftlichen Verfahrens der logistischen Abwicklung mit einem ortsansässigen Dienstleister (AN) eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen, die im Wesentlichen folgendes beinhaltet: -
Im ersten Schritt erhält in den Handlagern jeder Lagersichtkasten durch den AN einen Barcode-Aufkleber, auf dem sämtliche Bestelldaten (Artikelnummer, Güte, Größe, Verpackungseinheit, Gruppennummer zur Identifizierung von Teilefamilien für bestimmte Verwendungen) vermerkt sind.
-
Der AN liest mittels Lesestift die Barcodes an den zu befüllenden Lagersichtkästen im entsprechenden Lagerbereich und stellt die so ermittelten Daten in sein System ein.
-
Der AN liefert die Teile in den Handlagern an und füllt die Lagersichtkästen auf.
-
Der jeweilige Lagerverantwortliche kontrolliert stichprobenartig die Ware und quittiert auf dem Lieferschein den Empfang.
-
Der AN stellt der MaK monatlich die gelieferten Waren unter Beifügung der quittierten Lieferscheine in Rechnung.
-
MaK zahlt die Rechnung nach entsprechender Preisprüfung gegenüber den im System enthaltenen Bestelldaten auf der Basis der quittierten Lieferscheine. Es erfolgen keine weiteren Prüfvorgänge hinsichtlich der Liefermenge bei den Lagerbereichsverantwortlichen.
581
Lieferschein InteraktionsSystem MaK WE
Datenbank MaK . . .
Identifizierung
Bestellschreibung QS Qualität
u.a. sämtliche Infos zum Bestellvorgang • Bestellung • Lieferlos • Qualität • Quantität • Disposition • Rechnung . . .
Lagerwirtschaft LAGER Quantität
weitere z.B.:
FIS
VERTRIEB
Abbildung 95:
• Disposition • Fertigungssteuerung • Geschäftsbuchhaltung • Vertrieb • technische Stammdaten •…
BUCHHALTUNG
DISPOSITION
…
Material- und Informationsfluss in Wareneingang und Qualitätssicherung
-
Der AN überprüft und liefert täglich unmittelbar an.
-
Die Preise sind „eingefroren“. Bei Neu- oder Mehrbedarf wird neu verhandelt.
-
Bei neu eröffneten Handlager-Sachnummern erhält der AN per Fax entsprechende Hinweise mit Losgrößenangaben.
582
-
Bei nicht mehr gültigen Handlager-Sachnummern wird der AN unmittelbar informiert.
Ziel ist es, dass der AN zukünftig alle Handlager komplett beliefert. Sofern die eigentliche Prüfung als vereinbarter Prüfprozess beim Lieferanten stattfindet (s.u.), kann sich der Wareneingang auf eine Identitätsprüfung beschränken. Hierzu gehört auch die Fragestellung nach der Richtigkeit der zum Lieferumfang gehörenden Prüf-Bestätigung.
Beschränkung auf Identitätsprüfung
3.1.2 Materialprüfung Mit der Qualitätskontrolle der eingehenden Materialien wird das Ziel verfolgt, nur solche Teile zu übernehmen, die die geforderte Qualität erfüllen. Denn das Erkennen und Beheben von Fehlern im Verlauf des Produktionsprozesses verursacht deutlich höhere Kosten. Um in den Unternehmen durch eine völlig unabhängige Funktion die Sicherstellung der Qualität zu gewährleisten, ist daher in der Regel die Zuständigkeit geteilt: -
Die quantitative Prüfung ist eindeutig Aufgabe des Wareneingangs.
-
Die qualitative Prüfung erfolgt nach den Richtlinien des Qualitätswesens nach Möglichkeit durch eine in die Logistik (Beschaffungslogistik) integrierte oder der Geschäftsleitung direkt unterstellte Funktion.
Qualitätssicherung hat Priorität
Die Materialfreigabe für die Produktion kann erst nach Abschluss des Prüfverfahrens erfolgen. Auf der anderen Seite steht die Erkenntnis, dass Fehlervermeidung das Ziel eines aktiven Qualitätsmanagement sein sollte und unter bestimmten Voraussetzungen auf eine Wareneingangsprüfung ganz verzichtet werden könnte. In dieser Qualitätspolitik schlägt sich die Auffassung nieder, dass Qualität nicht erprüft, sondern nur erzeugt werden kann.
583
Qualitätssicherung durch Lieferanten
Nur durch Prüfung ist noch kein Material, keine Leistung besser geworden. Durch die Einbindung der Qualitätssicherung in die Materialwirtschaft ist ein reibungsloser logistischer Ablauf sichergestellt. 1 Aufgabe der Mitarbeiter der Qualitätssicherung und des Einkaufs ist es sodann, die Produktions- und Qualitätssicherungsprozesse der Lieferanten z.B. durch Qualitätsaudits 2 zu überprüfen. Die Lieferanten ihrerseits müssen die Fehlerfreiheit der von ihnen gelieferten Teile nachweisen (dokumentieren). Wenn es gelingt, fehlerhafte Erzeugnisse gar nicht erst entstehen und ausliefern zu lassen, kann ein erhebliches Rationalisierungspotenzial beim Lieferanten und Abnehmer ausgeschöpft werden. Einmal entfallen die internen Fehlerkosten, die aus schlechter Qualität resultieren, wie z.B. Nacharbeit, Garantieleistungen und Entsorgung. Zum anderen sind auch positive Auswirkungen auf die Prüfverfahren und damit auf die Prüfkosten zu erwarten. Prüfverzicht im Wareneingang - Problem der Produkthaftpflicht
Erfolgt eine Verlagerung der Qualitätssicherung nach vereinbarten Vorschriften und Regeln zum Lieferanten, so muss § 388 HGB im Liefervertrag ausdrücklich außer Kraft gesetzt werden. Dies kann nur nach Zustimmung des Haftpflichtversicherers geschehen, weil dieser sonst die Leistung im Rahmen der Produkthaftpflicht verweigern kann. In jedem Fall zweckmäßig erscheint der Abschluss einer Qualitätssicherungsvereinbarung, die - wie im praxisgerechten „Mustervertrag“ im Anhang - eine Abstimmung aller gemeinsam interessierenden Qualitätsfragen beinhaltet. Vereinbarungen dieser Art, die nicht nur für Just-in-Time-Konzepte zweckmäßig sind, zielen darauf ab, die Wareneingangskontrolle durch Qualitätssicherung beim Lieferanten zu ersetzen. Eine stichprobenweise Prüfung ist dennoch üblich, um rechtliche Auflagen (§ 377 HGB) zu erfüllen.
1
Vgl. H. Orths, Von der Kundenorientierung zum Supply Management, Wiesbaden 1995, S. 15 f. Siehe hierzu im fünften Abschnitt unter Ziffer 2.1.3.2.
2
584
In gleicher Weise wichtig ist die qualitative Prüfung der Materialzugänge, die zum Zeitpunkt der Einlagerung bis zur Entnahme als „Fremdbestand“ (z.B. als Konsignationsware) geführt werden. Die Prüfung zum Zeitpunkt der Entnahme würde zu einer unnötigen Zeitverzögerung im Ablauf führen und dem Prinzip der sofortigen Verfügbarkeit widersprechen.
Qualitätssicherung beim „Fremdbestand“
3.1.2.1 Die quantitative Prüfung Die quantitative Prüfung ist eine einfache Zähl-, Mess- oder Wiegekontrolle des Materialeingangs. Der eigentliche Prüfort ist unabhängig vom Ort der Qualitätsprüfung; sie wird häufig in einem Arbeitsgang mit der Identitätskontrolle durchgeführt. Erforderlich sind: (1) Vergleich zwischen gelieferten Materialmengen und den Bestellmengen. (2) Vergleich zwischen den gelieferten Materialmengen und den in den Begleitpapieren aufgeführten. Zweifellos stellt die Quantitätskontrolle bei den sehr zahlreichen Wareneingängen ein gewisses Problem dar. Es ist daher erforderlich, das Prüfverfahren zu vereinfachen. Als Kriterien für zweckentsprechende Vorgehensrichtlinien kommen dabei u.a. in Betracht: -
Die ABC-Methode: Bei den hochwertigen A-Materialien erfolgt eine Vollkontrolle, bei den geringwertigen C-Materialien eine Teilkontrolle.
-
Die Zuverlässigkeit der Lieferanten: Informationen über Mengenabweichungen in der Vergangenheit liefert die Lieferantendatei bzw. die -bewertung
-
Die Verpackungsart: Bei der Lieferung in geschlossenen Packungen unter Angabe der Stückzahl je Verpackungseinheit kann auf die Prüfung des Inhalts der Packungen ganz oder teilweise verzichtet werden.
585
Eine Vereinfachung der Quantitätsprüfung ist bei den sehr zahlreichen Wareneingängen notwendig
Der generelle Verzicht auf eine Quantitätsprüfung kann handels- und steuerrechtliche Folgen haben
Wird auf eine Quantitätsprüfung ganz verzichtet und werden die „gelieferten“ Mengen aus den Lieferpapieren einfach in den eigentlichen Wareneingangsschein übernommen bzw. der Lieferschein in einen Wareneingangsschein umfunktioniert, so können sich folgende negative Konsequenzen ergeben: 1 • Es besteht keine Möglichkeit für eine Mengen-Mängelrüge. • Es erfolgt die Bezahlung von nicht gelieferten Materialien. • Der Ist- und Soll-Bestand stimmen nicht überein.
Das Anlegen eines Wareneingangsbestandes kann zweckmäßig sein
Auch wenn aufgrund der beim Lieferanten oft durchgeführten Ausgangskontrolle Mengenabweichungen nicht häufig vorkommen, sollte auf eine Quantitätsprüfung aus den genannten grundsätzlichen und auch aus steuerrechtlichen Gründen nicht verzichtet werden. Mit der Erfassung der Wareneingangsdaten sollte - sofern die Prüf- und Einlagerungszeit ins Gewicht fällt ein Wareneingangsbestand angelegt werden, der mit der Lagerzubuchung wieder gelöscht wird. 3.1.2.2 Die qualitative Prüfung
Die Qualitätsprüfung nach den Richtlinien des unabhängigen Qualitätswesens dient der Qualitätssicherung der Fertigerzeugnisse
Die Qualitätsprüfung ist der wichtigste Teil der Materialprüfung. Mit ihrer Hilfe soll die Qualität der Zukaufteile sichergestellt werden, die notwendig ist, um die Qualität der Fertigprodukte zu garantieren. Es besteht daher trotz der im Kaufvertrag festgelegten Qualitätsanforderungen die Notwendigkeit, evtl. Qualitätsmängel so früh wie möglich zu erkennen. Umfang und Methoden der Prüfung bestimmt das Qualitätswesen in Zusammenarbeit mit dem Wareneingang. Mit anderen Worten: Die Erstellung von Prüfvorschriften und Prüfplänen durch das Qualitätswesen sollte zweckmäßigerweise in Zusammenarbeit mit dem Wareneingang erfolgen.
Aufgaben der Qualitätskontrolle im Wareneingang: - Erstellung der Prüfberichte - Freigabe oder Sperre mit Folgeaktionen
Die Prüfvorschriften stellen Informationen bereit über - die Qualitätsnorm der Materialnummer, - die Toleranzen, - den Umfang der Prüfung (100 %, 5 % einer jeden Lieferung usw.), - das Prüfverfahren (chemische Analysen, metallurgische Methoden usw.) u.a.m. 1
Vgl. F. Rupprecht/J. Cordts, Das Lager, a.a.O., S. 125.
586
Für den Kontrollierenden ist es vorteilhaft, wenn ihm die Prüfvorschriften in Form von Prüfplänen schriftlich an die Hand gegeben werden. Durch Abzeichnung der Prüfpläne wird darüber hinaus die Verantwortung für den Prüfvorgang festgelegt. Wenn die Prüfarbeiten beendet sind, werden die Ergebnisse in einem Abschlussbericht zusammengefasst. Die Fertigmeldung von Prüfarbeiten löst eine Anzahl damit zusammenhängender Tätigkeiten aus: 1 -
-
Verbuchung und Freigabe der unbeanstandeten Lieferung/Teile, gleichzeitig Löschen eines evtl. angelegten Wareneingangsbestandes; Benachrichtigung der Transportabteilung zur Einlagerung/Weiterleitung Reklamation fehlerhafter Einzelteile/Lieferung beim Lieferanten; Korrektur der Disposition Löschung der Bestellung im Einkauf bei fehlerfreier Gesamtlieferung oder Fortschreibung bei Teillieferung bzw. Reklamation Überprüfung der Rechnung und Anweisung zur Zahlung; Berichtigung des Rechnungsbetrages bei fehlerhafter Lieferung Ausstellung einer Lastschrift bei Zusatzkosten (Rücksendung fehlerhafter Teile, Nacharbeit usw.) Fortschreibung der Lieferantenbeurteilung
Bei fehlerhafter Lieferung muss über die weiteren Maßnahmen von der Fertigungssteuerung (Arbeitsvorbereitung), der Disposition, dem Einkauf und der anfordernden Abteilung entschieden werden. Grundsätzlich stehen vier Möglichkeiten zur Wahl: -
Annahme Rückgabe an den Lieferanten Nacharbeit Schrott
Eine Annahme fehlerhafter Teile kommt nur in Frage, wenn die Art des Fehlers keine Auswirkungen auf die Qualität der Fertigerzeugnisse hat.
1
Vgl. IBM, COPICS, Einkaufs- und Wareneingangssteuerung, a.a.O., S. 58.
587
In den meisten Fällen wird man die fehlerhafte Lieferung an den Lieferanten zurückschicken, damit er diese ausbessert oder ersetzt. Der Versand an den Lieferanten wird durch die Lagerverwaltung gesteuert. Der Einkauf bzw. die Disposition übernimmt die Überwachung der Ersatzlieferung. Für eine Nacharbeit im eigenen Betrieb wird man sich entschließen, wenn die Fehler nur geringfügig sind und/oder die Teile sehr schnell benötigt werden. Dabei muss sichergestellt sein, dass der Lieferant damit einverstanden ist, die Nacharbeitskosten übernimmt und Werkstattkapazitäten frei sind. Die Überwachung und Steuerung des Nachbearbeitungsauftrages entsprechen dann denen für einen normalen Werkstattauftrag. In vereinzelten Fällen können alle oder einige fehlerhafte Teile nur verschrottet werden. Wenn die beim Verschrotten anfallenden Kosten durch den Schrottwert nicht gedeckt werden, muss vom Lieferanten eine Zusage zur Übernahme der Kosten erwirkt werden. Die meisten Qualitätsprobleme machen schnelle Reaktionen notwendig, damit weitere Lieferungen vom Lieferanten angehalten oder bestehende Lagerbestände entfernt und vorhandene Werkstattbestände überprüft werden. Im Zusammenhang damit sollte die Fertigmeldung, der Prüfoder Reklamationsbericht auch dazu dienen, die Prüfergebnisse der Vergangenheit je Materialnummer und Lieferant fortzuschreiben. Mit diesen Daten können die Leistungsfähigkeit der Lieferanten und das eingesetzte Prüfverfahren beurteilt werden. So können gute Ergebnisse in der Vergangenheit dazu führen, dass die Prüfhäufigkeit herabgesetzt wird. Ein Beispiel für eine typische Fehleranalyse, wie sie für die Lieferantenbeurteilung bei EDV-Einsatz ausgeführt werden kann, zeigt Abb. 96. 1 Ein monatlicher Bericht kann auch an den Lieferanten versandt werden, um ihm zu helfen, die Qualität seiner Lieferungen ab-
1
Vgl. IBM, COPICS - Einkaufs- und Wareneingangssteuerung, a.a.O., S. 65.
588
zuschätzen und Soll-Ist-Abweichungen auf den Grund zu gehen. 1 Liefe-
Liefe-
ranten-
run-
Nummer gen
eingeganPrü-
gene
fungen
Menge
0001
2
0320
63
5%
0412
1
10%
0505
1
5%
0660
108
1%
0805
2
5%
Summe
177
2%
32.000
angenommen
fehlerhaft
abs
abs
%
32.000,00 100,00
260.000 236.600,00
0,00
Rücksendungen %
abs
0,00
%
0,00
Nacharbeit abs
0,00
0,00
% 0,00
91,00
1.820,00
0,70 19.500,00
7,50
2.080,00
0,80
400
400,00 100,00
0,00
0,00
0,00
0,00
0,00
40.000
40.000,00 100,00
0,00
0,00
0,00
0,00
0,00
0,00
98,50
768,00
0,60
640,00
0,50
512,00
0,40
6.713,00 100,00
0,00
0,00
0,00
0,00
0,00
0,00
128.000 126.080,00 6.713
0,00
467.113 441.793,00
2.588,00
20.140,00
2.592,00
94,58%
0,55%
4,31%
0,55%
Gesamtprozentsatz
Abbildung 96:
Informationen der Qualitätskontrolle für die Lieferantenbeurteilung
Vor diesem Hintergrund fällt dem Einkauf eine Schlüsselrolle zu, da er für die Auswahl leistungsfähiger Lieferanten verantwortlich ist. Diese Aufgabenstellung schließt intensive Lieferanten-Abnehmer-Beziehungen mit ein, um eine ständige Qualitätsverbesserung bei den Zukaufteilen zu erzielen bzw. das erreichte Qualitätsniveau nicht zu gefährden. Dabei sollten diese Maßnahmen in ein Total Quality Management (TQM) eingebettet sein. Dieses Konzept erfasst alle Elemente, die dem Qualitätsprinzip unterworfen sind. Dazu zählen nicht nur die technischen und verwaltenden Funktionsbereiche des Unternehmens, sondern u.a. auch die Lieferanten und Logistikdienstleister.
1
Vgl. dazu auch die Ausführungen im fünften Abschnitt unter Ziffer 2.1.3.2.
589
Qualitätssichernde Maßnahmen durch den Einkauf in Zusammenarbeit mit Lieferanten
3.1.3 Materiallagerung Der Umfang der Materialbewegungen im Einlagerungsbereich ist abhängig von den ablauforganisatorischen Regelungen im Bereich der Materialannahme und -prüfung
Der Materialausgabe als letzte Ablaufphase des Materialflusses vorgeschaltet ist in den meisten Fällen die Materiallagerung. Dieser Bearbeitungsschritt umfasst alle Tätigkeiten, die sich auf die Einlagerung und Umlagerung der Einsatzstoffe innerhalb der einzelnen Lagerorte beziehen, damit diese für die Produktion bereitstehen. Der Umfang der hierbei entstehenden Materialbewegungen hängt zum Teil davon ab, ob die Materialien nach abgeschlossener Eingangsprüfung in den Verfügungsbereich des Lagers gelangen oder ob die Materialprüfung noch aussteht. Wenn das für die Einlagerung zuständige Lager die Materialien erst nach Abschluss sämtlicher Prüfvorgänge erhält, können diese direkt an ihrem endgültigen Lagerplatz eingelagert werden. Eine Unterbrechung des Materialflusses ergibt sich nur, wenn der Lagerzugang noch vom Lagerpersonal im Hinblick auf die mengenmäßige Übereinstimmung mit den Eintragungen auf dem Einlagerungsbeleg (Wareneingangsschein) überprüft wird. Diese zweite Quantitätsprüfung wird bisweilen als notwendig angesehen, um eine klare Abgrenzung der Verantwortlichkeit für später auftretende Mengendifferenzen zu erreichen. Werden qualitätsmäßig ungeprüfte Materialien angeliefert, so werden diese häufig zunächst getrennt von den übrigen Materialien gelagert, um sicherzustellen, dass an die Fertigungsstellen nur einwandfreie Materialien abgegeben werden. Im Zusammenhang damit treten gewöhnlich zusätzliche Umlade- und Transportvorgänge im Lagerbereich auf. Der innerbetriebliche Transport zum endgültigen Lagerplatz wird erst dann durchgeführt, wenn die Qualitätsprüfstelle die Freigabe durch ihren Prüfvermerk erteilt hat. Umlagerungsvorgänge im Lagerbereich können einmal aufgrund technologischer (z.B. durch das Umschichten und Wenden von Holz), zum anderen infolge räumlich-organisatorischer (z.B. durch die Umlagerung vom Hilfs- in das Hauptlager) Gegebenheiten auftreten.
590
Handelt es sich bei den bislang genannten Materialeingängen um das Ergebnis einer früheren Bestellung und waren sie insoweit „geplant“ und im Lager „vorgemerkt“, so gelangen Materialien auch unerwartet in das Lager. Beispiele dafür sind: -
Auch ungeplante Eingänge sind belegmäßig zu erfassen und zu prüfen
Rückgabe früher entnommener Materialien aus der Qualitätsprüfung Rückgaben aus der Fertigung, da beispielsweise der Ausschuss niedriger war als erwartet Rückgaben aufgearbeiteter Teile Rückgabe von Materialien, die infolge einer technischen Änderung nicht mehr benötigt werden
Rückgaben dieser Art verlangen eine Entlastung der betreffenden, zuvor belasteten Kostenstellen mit Rückgabescheinen, die vom Lager quittiert werden. Darüber hinaus sollten die zurückgegebenen Materialien, bevor sie in das Lager gelangen, geprüft werden, um die Wiederausgabe technisch überholter oder fehlerhafter Materialien zu vermeiden und um diese nicht als Bestand zu führen.
3.1.4 Materialausgabe - Kommissionierung Die Materialausgabe umfasst in der Regel drei Arbeitsstufen: -
Auftragsvorbereitung im Lagerbüro Kommissionierung im Materiallager Materialausgabe durch Hol- oder Bringprinzip
Die eingehenden Materialanforderungen sind der Urbeleg für die Materialausgabe. Dabei kommen als anfordernde Stellen bei Fertigungsaufträgen die Arbeitsvorbereitung und/oder die Produktion, bei Kundenaufträgen der Vertrieb in Betracht. Weniger häufig und in geringerem Umfang wird Material von anderen Kostenstellen - z.B. von der Entwicklung oder Qualitätssicherung - angefordert. Für die innerbetriebliche Instandhaltung besteht in der Regel ein eigenes Lager, das sie in eigener Verantwortung verwaltet und auf das sie jederzeit Zugriff hat.
591
Arbeitsschritte bei der Materialausgabe
Tätigkeiten im Rahmen der Auftragsvorbereitung
Die Auftragsvorbereitung im Lagerbüro prüft die Plausibilität der Anforderungen im Hinblick auf die zu belastende Kostenstelle, die Materialart, den Bestand und die Höhe der Entnahmen, vermerkt den Lagerplatz, sofern nicht automatisch ermittelt und gibt evtl. Anweisungen für die Kommissionierung und den Termin für den innerbetrieblichen Transport. Bei der Auftragsvorbereitung ist zu unterscheiden zwischen einer Einzelbearbeitung jeder Anforderung im Lager und dem Sammeln mehrerer Anforderungen. Im letzteren Fall besteht die Möglichkeit, Lauf- oder Transportwege im Lager und innerbetrieblich rationeller zu gestalten.
Kommissionieren ist das auftragsspezifische Zusammenstellen der Materialien
Im Allgemeinen bestehen Materialanforderungen aus einer Vielzahl von unterschiedlichen Positionen. Um Anforderungen dieser Art in Kommissionieraufträge umzusetzen, kann grundsätzlich nach eine der im folgenden aufgelisteten drei Arbeitsmethoden verfahren werden: (1) Auftragsorientierte Kommissionierung: Die Materialien der Anforderungslisten werden nach der Reihenfolge der Lagerplätze sortiert und entnommen. (2) Materialorientierte Kommissionierung: Die Anforderungslisten werden nach Materialgruppen aufgelöst und das Material sektorweise entnommen. (3) Sammelkommissionierung: Per EDV werden die vorliegenden Anforderungen so sortiert, dass gleiche Materialien zusammengefasst ein einmaliges Ansteuern des Lagerplatzes ermöglichen. Der Vorteil besteht in der Wegeoptimierung durch das einmalige Anfahren eines Lagerplatzes. Je nach erforderlicher Kommissionierleistung (Entnahmen pro Zeiteinheit) und Automatisierungsgrad wird das Kommissionieren manuell, teilautomatisch oder vollautomatisch durchgeführt.
Kommissionierprinzipien
Ablauforganisatorisch sind folgende Kommissionierprinzipien zu unterscheiden:
592
• Mann zur Ware, auch Hol- oder Ziehprinzip (Pull-Prinzip) genannt • Ware zum Mann, auch Bring- oder Push-Prinzip genannt. Wird nach dem Prinzip „Mann zur Ware“ kommissioniert, werden vom Kommissionierer (Lagerist) aus den Lagerfächern die einzelnen Teile entsprechend einer Kommissionierliste oder Pick-Liste entnommen. Eine aufwendige Lagertechnik ist - wie auch aus dem Praxisbeispiel 56.1 unter Ziffer 2.2.3 in diesem Abschnitt ersichtlich ist - nicht erforderlich. Die Kommissionierer müssen zwischen den einzelnen Entnahmestationen Wege zurücklegen. Dadurch verringert sich die Kommissionierleistung. Kommissioniersysteme mit dem Prinzip „Mann zur Ware“ werden im Wesentlichen dann eingesetzt, wenn -
die zurückzulegenden Wegstrecken kurz sind, geometrisch unterschiedliche Teile zu kommissionieren sind, die Nachfrage nach Kommissionierung schwankt.
Erfolgt die Kommissionierung nach dem Prinzip „Ware zum Mann“, so müssen die Lagerbehälter, aus denen die angeforderten Teile zu entnehmen sind, ausgelagert, in der Vorzone des Lagers für die Kommissionierung bereitgestellt und nach erfolgter Entnahme wieder eingelagert werden. Da die Teile zum Kommissionierer gebracht werden, entstehen für den Mitarbeiter praktisch keine Leerwege. Die Anforderung an die Lagertechnik ist allerdings erheblich. Nicht jede Entnahme aus den Lagern kann geplant werden, da auch nicht zur Fertigung gehörende Abteilungen laufend oder sporadisch zusätzliche Anforderungen haben und dabei nach dem Holprinzip verfahren. Auch aus dem Betrieb selbst kommen Anforderungen wegen nicht vorausgesehener Umstände. Beispiele für ungeplante Entnahmen sind: -
Material für Mehrverbrauch Ersatz für Ausschuss Auffüllen der Handlager Entnahmen für Reparaturen Entnahmen für besondere Qualitätskontrollen Entnahmen der Entwicklungsabteilung
593
Ungeplante Entnahmen
-
Entnahmen des Einkaufs, um Lieferanten Muster für die Angebotsabgabe zur Verfügung zu stellen Entnahmen für Ausstellungen und Messen.
Durch jede dieser ungeplanten Anforderungen, die natürlich der Genehmigung bedürfen, entstehen für das Lager Störungen im planmäßigen Arbeitsablauf. Zur Vermeidung bzw. Verringerung solcher Verlustquellen sind daher Maßnahmen erforderlich. So kann z.B. daran gedacht werden, den Zulieferdienst des Lagers auch für ungeplante Entnahmen einzusetzen, indem er während seiner turnusmäßigen Rundfahrt die Anforderungen einsammelt und bei der jeweils nächsten Rundfahrt die angeforderten Materialien ausliefert. 1
3.1.5 Materialverwertung / Recycling Recycling heißt Rückführung in den Wirtschaftskreislauf unter Beachtung gesetzlicher Vorschriften
Materialverwertung bedeutet Rückführung von Überschussmaterial, Ausschuss, Schrott und rohstoffhaltigem Abfall in den Wirtschaftskreislauf. Entsorgung hingegen umfasst - wie unter Ziffer 3.1.6 in diesem Abschnitt im Einzelnen noch ausgeführt die Tätigkeiten der vorschriftsmäßigen Beseitigung von nicht mehr verwertbarem Abfall. 2 Bei großer wirtschaftlicher Bedeutung des Recycling für das Unternehmen kann es durchaus sinnvoll sein, dass die damit verbundenen Aufgaben einem eigenständigen Funktionsbereich zugeordnet werden.
Maßnahmen zur Materialverwertung
Im Einzelnen können folgende Maßnahmen zur Materialverwertung führen:
1
Dispositiv sind ungeplante Entnahmen als Zusatzbedarf zu berücksichtigen, um die Versorgung der Produktion nicht zu gefährden. Siehe dazu im vierten Abschnitt unter Ziffer 3.2. 2 Nach dem „Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen“ (Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz - KrW-/AbfG -), das seit dem 7. Oktober 1996 das frühere Abfallgesetz von 1986 ersetzt, hat der Begriff „Entsorgung“ eine Umdeutung erfahren. Man versteht nun darunter den Oberbegriff für Verwertung einerseits und Beseitigung andererseits. - Der Verf. folgt hier der klareren begrifflichen Abgrenzung wegen der engeren Definition des Begriffes Entsorgung.
594
-
Rückführung von überschüssigem Material in den Lagerbestand, wenn künftige Verwendung innerhalb einer bestimmten Zeit denkbar ist.
-
In einem Konzern Verwendung in anderen Betrieben prüfen lassen (z.B. durch Versenden von Überschusslisten).
-
Aufarbeitung oder Instandsetzung gebrauchter Teile durch Lieferanten oder Dienstleister, nach sorgfältiger Qualitätsprüfung Übernahme in den Bestand.
-
Verkauf an Unternehmen, die für die Rohstoffverwertung anerkannte Verfahren einsetzen.
-
Verkauf als Metall- oder Elektroschrott.
In der Regel erfolgt auch die Verwertung von ausgebauten Anlagegütern sowie von Überschussmaterial aus dem Anlagenbau durch das Lager. Es ist zu beachten, dass das Lager erst dann Material verwerten kann, wenn der für die Kostenstelle des verbrauchenden Betriebes verantwortliche Leiter die Verwertung genehmigt bzw. die Qualitätsprüfung das Material zur Einlieferung in das Lager freigegeben hat.
Ablauforganisatorische Regelungen sind zu beachten
Im Übrigen gilt auch für die Materialverwertung der Grundsatz, dass keine betriebsinterne Bewegung oder Übergabe an Dritte ohne einen Beleg mit entsprechender Buchung erfolgen darf. Da der Lieferant des zu verwertenden Materials im Wirtschaftskreislauf in vielen Fällen eine mitwirkende Rolle spielt, ist die Einschaltung des Einkaufs unumgänglich. Dies wird insbesondere bei Verpackungsmaterial deutlich. Unabhängig davon, ob es sich um Leihverpackung oder um überlassenes Material mit Rücknahmeverpflichtung handelt, im Kaufvertrag sind in jedem Fall Vereinbarungen über die Verwertung zu treffen.
595
Einschaltung des Einkaufs
3.1.6 Materialentsorgung Die Planung der Entsorgung erfolgt bereits bei der Beschaffung im Einkauf durch Maßnahmen zur Vermeidung von Abfällen 1 und findet im Lager ihre praktische Durchführung. Entsorgung ist im engeren Sinne Abfallbeseitigung unter Beachtung gesetzlicher Vorschriften für Lagerung und Transport
Im Gegensatz zur Verwertung umfasst im engeren Sinne die Entsorgung diejenigen Rohstoffe, die als Abfall bezeichnet dem Wirtschaftskreislauf nicht mehr zugeführt werden können.
Sonderregelungen für die Behandlung von Gefahrstoffen
Sofern es sich bei dem Abfall um Gefahrgut und/oder Sonderabfälle handelt, muss das Lager nach den Vorschriften des Sicherheitsdatenblattes arbeiten, um Gefahr für Menschen und Umwelt zu vermeiden.
Im Lager sind für Abfall abgegrenzte Freiflächen, Container oder verschließbare Behälter vorzusehen. Das Sammeln von Abfällen im Betrieb, das Zwischenlagern bis zum Transport zum Endlager (Deponie), zum Entsorgungsbetrieb oder zur Verbrennung muss durch das betroffene Unternehmen sichergestellt werden, wobei die zur Anwendung kommenden Verfahren geeignet und rechtmäßig zugelassen sein müssen.
Für Gefahrstoffe sind gewichtsmäßige Aufzeichnungen über Zu- und Abgang zu führen, wenn gesetzlich vorgeschriebene Mengen überschritten werden. Die Lagerung von Gefahrstoffen darf nur unter Einhaltung der „Technischen Regeln für Gefahrstoffe“ sowie den entsprechenden Verordnungen erfolgen. Sind Gefahrstoffe zu entsorgen, müssen Anträge für Entsorgungsnachweise für jede Abfallart (Abfall-Reststoffschlüssel) z.B. beim Amt für Stadtentwässerung und Abfallwirtschaft beantragt werden. Öffentlich-rechtliche Vorschriften sind zu beachten
Das Entsorgungsunternehmen hat eine Reihe von öffentlichrechtlichen Vorschriften zu beachten: -
1
Die Genehmigung zum Einsammeln und Befördern des Abfalls und die Erklärung der abnehmenden Entsorgungsanlage zur Aufnahme muss vorliegen (§§ 2 und 4 AbfG).
Siehe im dritten Abschnitt unter Ziffer 4.2.5.
596
-
Die Verpflichtung des Auftragnehmers zur Erfüllung des Abfallgesetzes, der Abfallbestimmungsverordnung, der Abfallnachweisverordnung, der Abfallbeförderungsverordnung, des Wasserhaushaltsgesetzes, der Gefahrgutverordnung Straße (und ggfs. Eisenbahn).
Vorgenanntes gilt nicht für Hausmüll, der bekanntlich auch in Betrieben anfällt und durch öffentliche Entsorgungsunternehmen abgeholt wird. Bei Einbeziehung der Entsorgung in den Aufgabenbereich des Lagers ist eine enge Abstimmung mit dem Umweltschutzbeauftragten des Unternehmens notwendig. Seine Weisungsbefugnis gilt für die Entsorgung von Sondermüll und Gefahrstoffe.
Umweltschutzbeauftragter ist einzuschalten
Die Industrie- und Handelskammern geben auf Anfrage Hinweise auf Abfallbörsen, deren Nachfragepotenzial jedoch recht schwankend und uneinheitlich ist. Es ist zu empfehlen, sich als Anbieter aufnehmen zu lassen, auch wenn die Nachfrage nicht regelmäßig ist.
Abfallbörse der IHK
⇐
Aufgabe 33
3.2 Materialrechnung Die Materialrechnung bzw. Bestandsführung dient der rechnerischen Erfassung der Materialbewegungen und -bestände im Lager. Sie ist -
zum Teil eine Hilfsrechnung für das Rechnungswesen (Geschäftsbuchhaltung, Betriebsbuchhaltung, Kalkulation),
-
zum Teil Grundlage für Planung, Budgetierung und Controlling der Materialwirtschaft,
-
zum Teil eine Kontrollrechnung für die Ordnungsmäßigkeit der Bestandsführung.
597
Die Materialrechnung ist eine - Hilfsrechnung für das Rechnungswesen und - Planungs- und Kontrollrechnung für die Materialwirtschaft
Alle Möglichkeiten der Auswertung der Materialrechnung für Kontrollzwecke basieren auf: (1) Der Ermittlung der Bestände (2) Der Ermittlung der Zu- und Abgänge Durch die Bestandsermittlung (Bestandsrechnung) werden ermöglicht • im Zusammenhang mit der Vorgabe von Bestellpunkt- bzw. Meldebeständen die termingerechte Bestellauslösung, • mithilfe der Sollgrößen der Lagerhaltung (Lagerreichweite, Sicherheits- und Höchstbestände) die Überwachung der IstBestände, • die Erarbeitung statistischer Kennzahlen und Richtwerte der Vorratspolitik (durchschnittlicher Lagerbestand, Umschlagshäufigkeit, Lagerreichweite) Die Ermittlung der Zu- und Abgänge dient vor allem der Feststellung und Kontrolle des Materialverbrauchs. Die Materialrechnung ist sowohl eine Mengenrechnung als auch eine Wertrechnung
Die Materialrechnung ist in erster Linie eine Mengenrechnung. In der Lagerwirtschaft werden Bedarfs- und Verbrauchsangaben fast ausschließlich in Mengeneinheiten gemacht. Darüber hinaus ist aber auch eine wertmäßige Rechnung erforderlich, um einen Vergleichsmaßstab für alle Materialarten zu haben. Die Geschäfts- und Betriebsbuchhaltung sowie die Kalkulation rechnen ausschließlich mit Werten. Betrachtet man die Materialrechnung im zeitlichen Ablauf, so können eine laufende Materialrechnung und eine Stichtagsmaterialrechnung (Inventur) unterschieden werden.
3.2.1 Die laufende Materialrechnung Ziel der laufenden Materialrechnung ist die genaue Erfassung aller Materialbewegungen
In der laufenden Materialrechnung, der eigentlichen Lagerbuchführung, werden die Materialbewegungen (Zu- und Abgänge) auf der Grundlage der entsprechenden Belege (Entnahme-
598
scheine usw.) nach Tag, Art und Menge erfasst. Die Materialbestände und Verbrauchsmengen können so durch Fortschreibung laufend ermittelt und kontrolliert werden. Die Fortschreibungsmethode, die auch Skontrationsmethode genannt wird, ist weitgehend Grundlage der Materialrechnung, da sie den Vorteil einer genauen Erfassung der Verbrauchsmengen für die entsprechenden Leistungen (Kostenträger) bei den verschiedenen Kostenstellen hat. Darüber hinaus ist bei permanenter Inventur der rechtliche Zwang zur Bestandsfortschreibung gegeben. Um den buchmäßigen Endbestand zu ermitteln, ist neben den Zugängen und Abgängen der Bestand zu Beginn der Rechnungsperiode zu berücksichtigen: •
Anfangsbestand + Zugänge - Abgänge ______________ = Endbestand
Eine andere Methode der Verbrauchserfassung ist die Befundrechnung oder Inventurmethode. Bei diesem Verfahren werden die Verbrauchsmengen nach der einfachen Formel • Verbrauch = Anfangsbestand + Zugänge - Endbestand ermittelt. Dabei setzt eine genaue Verbrauchsermittlung eine körperliche Bestandsaufnahme (Inventur) in Form von Zählen, Messen, Wiegen voraus. Da mit der Befundrechnung eine Zurechnung des Verbrauchs auf einzelne Kostenträger bzw. -stellen nicht möglich ist, kommt sie in erster Linie nur bei geringwertigen Materialien zum Einsatz, für deren genaue Erfassung und Verbuchung die mit der Fortschreibungsmethode verbundenen höheren Kosten nicht zu verantworten sind. Eine dritte, nur selten anwendbare Methode der Verbrauchserfassung ist die Rückrechnung oder retrograde Methode. Bei dieser Methode geht man vom Fertigerzeugnis aus und be-
599
Formen der Verbrauchsrechnung sind: - Fortschreibungsmethode - Befundrechnung - Rückrechnung
rechnet - rückwärts schreitend - für die einzelnen Materialkomponenten den Verbrauch. Die maschinelle Lagerbuchführung per EDV rationalisiert die Buchungsvorgänge durch OnlineIntegration und schafft aktuelle Informationen
Bei der Organisation der Lagerbuchhaltung ist grundsätzlich davon auszugehen, dass es sich hier - wie bei einer normalen Buchhaltung - um eine Kontenführung handelt. Aufgrund zahlreicher, branchenorientierter Software-Angebote ist die Lagerbuchführung per EDV - ob mit Großrechner oder vernetztem PC - heutzutage kein Problem mehr. Die enormen Vorteile gegenüber manuellen Methoden liegen in der Integration der sofort erfassten Daten für alle definierten Auswertungen, vor allem aber in der Aktualität der Bestandsdaten. Die ordnungsgemäße und aktuelle Bestandsführung ist für die Disposition unerlässlich, weil man sich hier an den Buchbeständen solange orientieren muss wie diese nicht durch das Inventurergebnis (s.u.) korrigiert werden. In Abb. 97 werden die Online-Dialog-Programme und BatchProgramme (Stapelverarbeitung) einer Lagerbuchführung in ihrer Systemverknüpfung gezeigt.
Die möglichen EDVAuswertungen sind vielfältig
Mittels der EDV können dann u.a. folgende Kontroll- und Dispositionsunterlagen zur Verfügung gestellt werden: 1 -
Alle körperlichen (Zu- und Abgänge) und buchmäßigen (Reservierungen, Bestellungen) Lagerbewegungen in Form von Bewegungslisten -
1
Für jede Materialposition Angaben über - Lagerbestand - Datum der letzten Bewegung - Letzter Einkaufspreis - Reservierter Bestand - Umschlagshäufigkeit - Reichweite
Vgl. IBM, MAS-Anwendung „Lagerbestandsführung und Bestellrechnung“, System 34, Sindelfingen (o.J.), S. 12 ff. und Musterliste 2.
600
Diese Angaben werden für jede Materialposition in Form eines Artikelkontos ausgedruckt. -
Bestandslisten, sortiert nach - Artikeln, deren Meldebestand unterschritten ist - Artikeln, deren Sicherheitsbestand unterschritten ist - Bestimmten, ausgewählten Artikelgruppen - Artikeln, die seit einem vorgegebenen Datum nicht bewegt wurden - Lagerort LagerstammdatenLagerstammdatenaufbau aufbauund undPflege Pflege
Buchung Buchung Materialzugang Materialzugang
Buchung Buchung UmlaUmlagerung gerung
Buchung Buchung Materialreservierung Materialreservierung
Lagerbuchhaltung Lagerbuchhaltung
PreiseinPreiseingabe/ gabe/ -korrek-korrekturen turen
Buchung Buchung Korrekturen Korrekturen aus ausInventur/ Inventur/ BestandsBestandsdifferenzen differenzen
Buchung Buchung Materialabgang Materialabgang
Auswertung
Ad hocAuswertung
Abbildung 97:
Monatliche Bestandsrechnung
Regelmäßige Dialog-Information
Online-Dialog- und Batch-Programme der Lagerbuchhaltung
601
Vorteile einer OnlineVerbuchung
Werden bei EDV-Einsatz für bestimmte Artikel Informationen über Bestände, Preise oder fortgeschriebene Werte sofort benötigt, so können diese über ein Datensichtgerät bei OnlineVerbuchung direkt an den Arbeitsplatz gebracht werden. Bei einer Anfrage aus der Fertigung oder bei einer Kundenanfrage kann daher vom Lager über die Verfügbarkeit bestimmter Teile unmittelbar Auskunft erteilt werden.
Für die Bewertung der Materialbewegungen stehen mehrere Verfahren zur Verfügung
Für die Bewertung der Lagerbewegungen und -bestände stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung: (1) Bewertung mit Durchschnittseinstandspreisen (2) Bewertung mit letzten Einkaufspreisen (3) Bewertung mit festen Verrechnungspreisen (4) Bewertung nach dem Niederstwertprinzip (bilanzieller Ansatz)
Formel für die Berechnung des Durchschnittspreises
Voraussetzung für die Bewertung mit Durchschnittspreisen ist die Erfassung der Einstandswerte. Sie kann im Einkauf oder in der Rechnungsprüfungsstelle erfolgen. Der Durchschnittspreis errechnet sich dann nach folgender Formel: DPneu =
(LBSTalt · DPalt) + (ZUGMGE · EPREIS) LBSTalt + ZUGMGE
Dabei bedeuten: DPneu = Durchschnittspreis (neu) DPalt = Durchschnittspreis (alt) LBSTalt = Lagerbestand (alt) ZUGMGE = Zugangsmenge EPREIS = Einstandspreis
602
Zahlenbeispiel zur Berechnung des Durchschnittspreises
Beispiel 59: Zugangs-
Abgangs- Einstands-
Bestands-
Bestands-
Durch-
menge
menge
menge
wert
schnitts-
preis
preis 200
6,00 100
300
6,20
50
250,-
5,00
250
1.450,-
5,80
150
870,-
5,80
450
2.730,-
6,07
Nach handels- und steuerrechtlichen Vorschriften ist eine Bewertung der Lagerbestände wenigstens einmal am Ende eines Geschäftsjahres notwendig. Eine jährliche Bewertung ist aber wie auch aus der im Anhang abgedruckten „Arbeitsanweisung zur Verantwortung der Lagerleiter“ ersichtlich ist - für den Informationsbedarf der Materialwirtschaft nicht ausreichend. Zur Überwachung der Kapitalbindung werden in kürzeren Zeitabständen Informationen über die Lagerbestandswerte benötigt. Hingegen können - wie in dem in Abb. 98.1 dargestellten Fall bei maschineller Erfassung der Warenzu- und -abgänge die Inventurzahlen automatisch aktualisiert werden. 1 Es ist sodann jederzeit zu ersehen, in welchen Bereichen und bei welchen Artikeln eine besonders hohe Kapitalbindung vorliegt, so dass Maßnahmen zum Abbau überhöhter Bestände gezielt eingeleitet werden können. In der in Abb. 98.1 beispielhaft wiedergegebenen Liste sind die Lagerbestände nach dem durchschnittlichen Einstandspreis bewertet und entsprechend den Gesetzesvorschriften für die Bilanz ausgewiesen. Zweckmäßigerweise sollten die Bewertungsgrundsätze - wie das Formularbeispiel 16 auszugsweise veranschaulicht - festgeschrieben werden.
1
Vgl. TAYLORIX, TIMOS 11 Auftragsabwicklung, Stuttgart (o.J.), S. 21.
603
Die aktualisierbare Inventurbewertungsliste gibt Auskunft über die Kapitalbindung im Lager
Abbildung 98.1:
604
Inventurbewertungsliste
1.
Bewertungsgrundsätze
Kurzbeschreibung Bewertungsgrundsätze 1.) Übersicht Bewertungsklassen Materialkosten: Bewertung erfolgt bei Eigenfertigung über Stückliste zu Einkaufspreisen. Zukaufteile werden ebenfalls mit Einkaufspreisen bewertet. Fertigungskosten: Bewertung erfolgt bei Eigenfertigung über Arbeitspläne, d.h. den einzelnen Zeiten (ti = Maschinenlaufzeit, te = Personalzeit) je Arbeitstag multipliziert mit den für das Geschäftsjahr freigegebenen EUR/Minuten-Sätzen. Materialgemeinkosten: Werden vom Rechnungswesen ermittelt und sind bei Eigenfertigung auf die Materialkosten hinzuzurechnen. 2.) Abwertung nach Eindeckzeiten = Reichweite 3.) Abwertung nach LIFO (Vereinfachung durch Bildung von LIFO-Gruppen) 1.1. Bewertung der „Rohstoffbestände“ Die Bewertung erfolgt über den Standardpreis. Der Standardpreis wird grundsätzlich für die Basismengeneinheit von 100 Mengeneinheiten und ausschließlich vom Rechnungswesen eingestellt. 1.2. Bewertung der Bestände „Bezugsteile“ Bewertung wie unter 1.1. beschrieben. 1.3. Bewertung der Bestände „Halbfertige Teile“ Die Bewertung wird zu Herstellkosten, reduziert um die kürzungsfähigen Aufwendungen (Skonto und Bezugskosten), vorgenommen. Die Kürzung erfolgt nach dem Prozentverhältnis von kürzungsfähigen Aufwendungen zu kalkulierten Herstellkosten. Die Herstellkosten (auch für „Eigengefertigte Fertigerzeugnisse“) werden vom Rechnungswesen überprüft und ggf. im Materialstammsatz neu eingegeben. Die Ermittlung und Verrechnung der kürzungsfähigen Aufwendungen erfolgt pauschal. 1.4. Bewertung der Bestände „Hilfs- und Betriebsstoffe“ Bewertung wie unter 1.1. beschrieben. Hilfs- und Betriebsstoffe ohne Materialnummer werden manuell bewertet. 1.5. Bewertung der Bestände „Ware in Produktion“ (Betriebsaufträge in Arbeit) Zur Inventur werden bei den Betriebsaufträgen in Arbeit die Fertigungsauftragsnummern, die zu diesem Zeitpunkt angearbeitet sind, erfasst. Das System ordnet dem Fertigungsauftrag, d.h. dem herzustellenden Gut, die entsprechenden Stücklisten und Arbeitspläne zu. Die Materialkosten werden entsprechend der IST-Zubuchungen errechnet und mit Materialgemeinkosten bezuschlagt. Retrograde Materialentnahmen werden automatisch anhand der Rückmeldung dem Auftrag zugeordnet und berechnet. Die Herstellkosten werden entsprechend der IST rückgemeldeten Mengen (Meilensteine) anhand des gültigen Arbeitsplans und mit den gültigen EUR/Minutenfaktoren bewertet.
Formularbeispiel 16:
Inventurrichtlinie - Bewertungsgrundsätze
605
Die Bewertung zu Festpreisen erleichtert die betriebliche Leistungskontrolle
Mit der Bewertung des Materialverbrauchs zu Festpreisen soll eine sichere Kalkulationsgrundlage erreicht werden. Verrechnungspreise können daher auch über mehrere Jahre hinweg auf gleicher Höhe gehalten werden. Die Differenzen zum Einstandspreis sind buchhalterisch zu erfassen. ⇐
Aufgabe 34
3.2.2 Die Stichtagsmaterialrechnung - Inventur Handels- und steuerrechtliche Vorschriften verlangen die Jahresinventur
Die Nachteile der laufenden Materialrechnung liegen in der lediglich buchmäßigen Feststellung von Bestand und Verbrauch. Durch Diebstahl, Schwund, Fehlbuchungen usw. können die tatsächlichen Bestände von den buchmäßigen abweichen. Handelsrechtliche (§ 40 HGB) und steuerrechtliche (§ 160 AO) Gesetze sehen daher die Aufnahme der Ist-Bestände durch körperliche Bestandsaufnahme und die Erstellung eines Vermögensverzeichnisses (Inventar) an einem bestimmten Stichtag vor. Dabei können maschinell erstellte Inventurzähllisten viel Arbeit abnehmen. Diese können, nach Lagerort, Produktgruppen und Artikelnummern sortiert, ausgedruckt werden. Es braucht dann - wie Abb. 98.2 veranschaulicht - bei der körperlichen Bestandsaufnahme nur noch die tatsächlich vorhandene Menge eingetragen werden.
Inventurdifferenzlisten liefern aussagefähige Informationen
Aussagefähige Informationen über Inventurdifferenzen lassen sich durch das Ausdrucken einer Liste erreichen, in der nur Artikel aufgeführt werden, die eine Differenz des körperlichen Bestandes zum Buchbestand aufweisen. Der prozentuale Vergleich filtert schnell die Artikel heraus, bei denen besonders hohe Differenzen aufgetreten sind. Dadurch wird die Abweichungsanalyse erleichtert.
606
Firmen Nr: 1
Inventur-Zähl-Liste
Seite 1
Listen-Nr. 84
LAG75/ 84 V02.0/03.01.XX
AZB Schröder GmbH Inventurdatum:........ Artikel-
Bezeichnung
LO
PG
ME
num-
Zählmen-
mer
gen
1101
AUTO-STEREO MW-UKW
1
1
St
320
1102
AUTOSUPER LUXUS
1
1
St
201
1103
AUTO-SUPER KÖLN
1
1
St
211
1104
WOLFSBURG HI-FI
1
1
St
191
1105
AUTO-SUPER HAMBURG
1
1
St
206
1106
FRANKFURT STEREO
1
1
St
167
1201
LAUTSPRECHER SET
1
2
SE
211
1202
LAUTSPRECHER
1
2
St
271
1203
LAUTSPRECHER KUGEL 10 W
1
2
St
316
1204
VERKEHRSFUNK-DECODER
1
2
St
294
1205
MOTORANTENNE 12 V
1
2
St
360
1206
MOTORANTENNE SUPER
1
2
St
290
1301
GARNITUR BRILLANT
1
3
SE
311
1302
GARNITUR UNIVERSAL
1
3
SE
256
1303
GARNITUR UNIVERSAL-SUPER
1
3
SE
340
1304
STRETCHBEZUG KARO ROT
1
3
SE
548
1305
STRETCHBEZUG KARO BLAU
1
3
SE
410 270
1306
GARNITUR UNIVERSAL KARO DESSIN
1
3
SE
1401
REIFEN SCHLAUCHLOS 145-SR 13
1
4
St
150
1402
REIFEN SUPER STAHL 165-SR 13
1
4
St
205
1403
REIFEN SCHLAUCHLOS 165-SR 14
1
4
St
234
1404
RALLYE STAHL 175-SR 14
1
4
St
160
1405
REIFEN DIAGONAL 165-SR 14
1
4
St
204
1406
REIFEN TEXTIL 175-SR 14
1
4
St
268
1501
ÖL HOCKENHEIM HD 10/50
1
5
LT
1865,0
1502
ÖL MONTE CARLO HD 10/40
1
5
LT
2986,0
1503
ÖL NÜRBURG HD 20/50
1
5
LT
2792,0
1504
ÖL NORMAL HD 20
1
5
LT
1182,0
1505
ÖL SUPER HD 30
1
5
LT
1586,0
Abbildung 98.2:
Inventurzählliste
607
Grundsätzlich ist darauf zu achten, dass wirtschaftliche Überlegungen mit den betriebswirtschaftlichen Anforderungen an eine Inventur sowie mit den rechtlichen Vorschriften übereinstimmen. Diese sind in den §§ 240 und 241 HGB geregelt. Unterschiedliche Inventurverfahren
Die Durchführung und Organisation der Inventur kann in der betrieblichen Praxis auf verschiedene Weise erfolgen. Als Inventurverfahren sind grundsätzlich möglich: -
Fehler in der Bestands- und Dispositionsrechnung können durch kurzfristige Inventuren aufgedeckt werden
Stichtagsinventur Verlegte Inventur Permanente Inventur Stichprobeninventur
Die im Zusammenhang mit der Planung und Durchführung der Inventur auftretenden Probleme werden in allen Unternehmungen auf irgendeine Weise gelöst, weil man sich den handels- und steuerrechtlichen Vorschriften „beugen“ muss. Es ist aber hervorzuheben, dass eine mehrfache körperliche Aufnahme wichtiger Materialien innerhalb eines Jahres auch aus dispositiven Gründen vertretbar sein kann. Da die in der Bestandsfortschreibung geführten Mengen häufig zu bedarfs- und bestellauslösenden Entscheidungen - wie beim Bestellpunkt- bzw. Meldebestandsverfahren - führen, können die Ergebnisse der Disposition nur richtig sein, wenn die in dieser Rechnung berücksichtigten Bestandsmengen richtig sind! ⇐ ⇐
608
Aufgabe 35 Aufgabe 36
3.2.2.1 Die Stichtagsinventur Unter Stichtagsinventur versteht man die körperliche Aufnahme der Bestände durch Zählen, Messen, Wiegen am Bilanzstichtag oder an einem davor oder danach liegenden Tag. Aus Abgrenzungsgründen wird es im Regelfall erforderlich sein, andere Arbeiten in den Lagern zu unterbrechen.
Die Stichtagsinventur erfordert häufig Betriebsunterbrechungen
Eine Sonderform der Stichtagsinventur ist die zeitlich ausgeweitete Stichtagsinventur. Ziel ist hierbei ebenfalls die Ermittlung der Bestände am Bilanzstichtag. Die Bestandsaufnahme vollzieht sich jedoch innerhalb von maximal 10 Tagen vor oder nach dem Bilanzstichtag. Eventuelle Bestandsveränderungen zwischen dem Tag der körperlichen Aufnahme und dem Bilanzstichtag sind durch Belege oder Listen detailliert und nachvollziehbar auszuweisen (Fortschreibung bzw. Rückrechnung des Inventurbestandes). Die Stichtagsinventur kann auf große praktische Schwierigkeiten stoßen, da die Versorgung des Betriebes aus Abgrenzungsgründen während der Inventur unterbrochen werden muss. 3.2.2.2 Die verlegte Inventur Als weitere Sonderform der Inventur kann eine vor- oder nachverlegte Stichtagsinventur durchgeführt werden. Hierbei wird der Inventurbestand an einem vor (bis 3 Monate) oder nach (bis 2 Monate) dem Bilanzstichtag liegenden Tag aufgenommen. Der dabei festgestellte Bestand ist nach Art und Menge in einem besonderen Inventar zu verzeichnen. Der in dem besonderen Inventar erfasste Bestand ist auf den Tag der Bestandsaufnahme (Inventurstichtag) nach allgemeinen Grundsätzen zu bewerten. Der sich danach ergebene Gesamtwert des Bestandes ist dann wertmäßig auf den Bilanzstichtag fortzuschreiben bzw. zurückzurechnen. Der Tag der körperlichen Bestandsaufnahme ist in der Lagerbuchhaltung zu vermerken.
609
Bei der verlegten Inventur erfolgt eine Verteilung der Inventurarbeiten auf einen größeren Zeitraum
• Der Vorteil dieses Verfahrens ist darin zu sehen, dass durch die Verteilung der Inventurarbeiten auf einen größeren Zeitraum beschäftigungsschwache Zeiten eventuell genutzt werden können. 3.2.2.3 Die permanente Inventur Voraussetzungen für die permanente Inventur
Bei der permanenten Inventur erfolgt die Bestandserfassung eines Artikels zu einem beliebigen Zeitpunkt innerhalb des Geschäftsjahres, wobei jeder Artikel einmal im Jahr aufgenommen werden muss. Die am Bilanzstichtag ausgewiesenen Vorräte ergeben sich aus der kontinuierlichen Fortschreibung der Materialvorräte nach der körperlichen Aufnahme. Zur Anerkennung der Ordnungsmäßigkeit der permanenten Inventur sind jedoch einige Voraussetzungen zu erfüllen: -
Es muss eine ordnungsgemäße Lagerbuchhaltung vorhanden sein, d.h. sämtliche Zu- und Abgänge müssen einzeln, lückenlos und genau nach Tag und Menge erfasst und die fortgeschriebenen Bestände ausgewiesen sein. Die Erfassung muss aufgrund von Belegen erfolgen (Aufbewahrungspflicht).
-
In jedem Wirtschaftsjahr muss mindestens einmal überprüft werden, ob die Buchbestände mit den tatsächlichen Beständen übereinstimmen.
-
Über die körperliche Aufnahme sind Aufzeichnungen anzufertigen, die vom aufnehmenden Mitarbeiter zu unterschreiben sind (Inventuraufnahmeprotokoll).
-
Die festgestellten Abweichungen zwischen Buch- und Inventurbestand müssen geprüft und der Buchbestand entsprechend berichtigt werden. Die permanente Inventur erlaubt nach Lagergesichtspunkten die Inventur je Artikel dann durchzuführen, wenn die geringsten Bestände vorhanden sind (z.B. auch bei Nullbestand).
610
3.2.2.4 Die Stichprobeninventur Die Ermittlung des Bestandes an Vermögensgegenständen ist auch mithilfe anerkannter mathematisch-statistischer Methoden aufgrund von Stichproben zulässig (§ 39 HGB 2A). Durch die Stichprobeninventur werden die Kosten der Bestandsaufnahme, insbesondere die Personalkosten, erheblich gesenkt. Die Stichprobeninventur erfordert Voraussetzungen, die in der Regel nur von relativ wenigen Unternehmen der Industrie und des Großhandels erbracht werden können: -
Voraussetzungen für die Stichprobeninventur
Ein „geschlossenes“ Lager 100 %ige Mengenermittlung unmittelbar vor Einlagerung EDV-gestützte Lagerverwaltung Einen mit dem Finanzamt vereinbarten (sehr niedrigen) Prozentsatz von Inventurdifferenzen
Der Einsatz einer Stichprobeninventur muss in seinem Ergebnis dem Aussagewert einer körperlichen Vollaufnahme entsprechen, um den Erfordernissen des Gesetzgebers nachzukommen. Diese Aussageäquivalenz bezieht sich auf den Gesamtwert und auf den Einzelnachweis.
Gleicher Aussagewert wie bei Vollaufnahme (Aussageäquivalenz)
Wie das nachfolgende Beispiel zeigt, sind kritische Positionen aus dem gewählten mathematisch-statistischen Verfahren auszuklammern. Beispiel 60: 1 Die in der Nonfood-Verteilzentrale der Coop Schweiz durchgeführte Lagerstrukturanalyse ergab die in Abb. 99 grafisch dargestellte Lagerstruktur in Form der sog. Lorenzkurve. Es zeigte sich, dass -
10 % (absolut etwa 3.000) der hochwertigsten Lagerpositionen 58 % des Lagerwertes bzw. - 90 % (absolut rund 29.000) der übrigen Positionen 42 % des Lagerwertes ausmachen. 1
Siehe W. Leu u.a., Inventur - rationell und zuverlässig, in: Management Zeitschrift, Nr. 4, Zürich 1989, S. 51 ff.
611
Praxisbeispiel zur Stichprobeninventur
Die Parameter wurden so festgelegt, dass etwa 60 % des Lagerwertes über eine Vollaufnahme bestimmt und etwa 40 % über die Stichprobenerhebung ermittelt werden konnten. Um dies zu gewährleisten, wurde die Wertgrenze für Lagerpositionen auf SFR 5.000,- (Menge · Preis) und die Preisgrenze je Artikel auf SFR 600,- festgelegt. Außerdem gelangten über externe Kriterien (z.B. für diebstahlgefährdete Artikel oder Positionen mit hoher Umschlagshäufigkeit) Lagerpositionen in die Vollerhebung. Der Inventurwert wurde mit einer Genauigkeit von 0,16 %, bezogen auf das gesamte Lager, berechnet. Vorteile der Stichprobeninventur
Die Vorteile der Stichprobeninventur sind offensichtlich: • Geringer Personalbedarf am Inventurstichtag • Wenige Erhebungsfehler durch Konzentration auf die Aufnahme weniger Lagerpositionen • Keine oder eine sehr geringe Lagerschließzeit • Offenlegung von Schwachstellen in der Lagerorganisation und Lagerbestandsführung • Zeitnahe und intensive Überprüfung, Klärung und Korrektur von Bestandsabweichungen
Abbildung 99:
612
Lagerstrukturanalyse in einem Handelsunternehmen
Die Einführung der Stichprobeninventur ist für ein Unternehmen umso günstiger, je kleiner die Zahl der als Stichprobe körperlich aufzunehmenden Lagerpositionen ist. Von Vorteil ist deshalb eine Abschätzung, wieviel Prozent aller Lagerpositionen bei dem Einsatz einer Stichprobeninventur körperlich aufzunehmen wären. Erfahrungsgemäß umfasst die Stichprobe weniger als 5 %, häufig sogar nur 1 % aller Positionen, und somit sind auch bei großen Lagergesamtheiten oft nur drei- bis fünfhundert Positionen körperlich aufzunehmen (vgl. Tabelle 21). 1 Lagerart
Größe
Wert
Stich-
Stich-
genauigkeit probe (Mio. EUR) (%) (%)
Schätz-
probe (Anzahl)
Rohstoffe
8457
2,4
1,0
2,4
206
Rohstoffe
6670
4,3
1,0
3,3
222
Rohstoffe
2725
2,5
1,0
5,6
155
Rohstoffe
18600
18,0
0,5
3,0
558
Rohstoffe
14500
5,1
1,0
2,1
305
Rohstoffe
12106
3,0
1,0
1,8
225
Halbfabrikate
15500
8,0
0,5
4,5
697
Halbfabrikate
19000
10,0
1,0
1,4
266
Fertigprodukte
1715
6,4
1,0
11,4
195
Fertigprodukte
7426
7,0
1,0
4,4
326
Fertigprodukte
22000
25,0
2,0
4,0
880
Ersatzteile
60000
16,0
1,0
0,5
300
Ersatzteile
39000
2,0
1,0
0,9
370
Zentrallager
9465
3,5
0,5
7,8
745
Zentrallager
9465
3,5
1,0
2,8
268
Tabelle 21:
Stichprobeninventur - Erfahrungswerte
Dieser Prozentanteil hängt im Wesentlichen von drei Faktoren ab: der Lagerstruktur, der geforderten Schätzgenauigkeit sowie von der Art der Schichtung. 1
Zur Abschätzung des notwendigen Stichprobenumfangs bieten Softwarehersteller Proberechnungen mit Lagerdaten des Unternehmens an. - Siehe hierzu und zum Folgenden: MBP Software & Systems GmbH, GESTIN-77, Kurzbeschreibung, Dortmund (o.J.).
613
Die Rationalisierungseffekte sind im Wesentlichen abhängig - vom Stichprobenumfang und - von der Lagerstruktur
Bezüglich der Lagerstruktur ergeben sich umso günstigere Effekte, je größer das Lager ist, und je ausgeprägter das in der ABC-Analyse zum Ausdruck kommende Lagerphänomen ist: Oft stellen 80 % der geringwertigen Teile weniger als 20 % des Gesamtlagerwertes dar. Die Schätzgenauigkeit wird durch den sogenannten Stichprobenfehler bestimmt. Dieser gibt an, mit welcher Genauigkeit die Hochrechnung den bei der Inventur gesuchten Gesamtlagerwert treffen soll. Das statistische Verfahren bringt es mit sich, dass die erforderliche Stichprobe umso größer wird, je genauer geschätzt werden soll. Die Schätzgenauigkeit ist vom Anwender in Absprache mit der Wirtschaftsprüfung vorzugeben. Häufig wird der relative Stichprobenfehler zu 0,5 % oder 1 % gewählt. Die Schichtung, d.h. die Aufteilung der Lagergesamtheit in Werteklassen, dient lediglich dazu, bei gegebener Lagerstruktur und Schätzgenauigkeit einen möglichst kleinen Stichprobenumfang zu erhalten. Die Wahl der Schichtgrenzen hat auf die Zulässigkeit des statistischen Verfahrens keinen Einfluss. Koppelung mit der Einlagerungsinventur
Die beschriebene Stichprobeninventur kann mit der Einlagerungsinventur gekoppelt werden. Diese Sonderform ist als spezielle Erleichterung für automatisch gesteuerte Lager vorgesehen, um die Wirtschaftlichkeit der Abläufe nicht zu gefährden. In diesem Fall sind die Ein- und Auslagerungsvorgänge mit einer Online-Bestandsfortschreibung verbunden. Die körperliche Bestandsaufnahme beschränkt sich sodann auf die Lagereinheiten, die während des Geschäftsjahres nicht bewegt wurden (sog. Lagerhüter).
4.
Effizienzanalyse des Lager- und Transportwesens durch Kennzahlen und Methoden des Controlling
Wirtschaftlichkeit der internen Logistik
Das Lager- und Transportwesen ist regelmäßig (monatlich oder vierteljährlich) hinsichtlich seines Effizienzbeitrages zu analysieren. Dabei können folgende Rationalisierungsansätze genereller Art den Ausgangspunkt bilden:
614
• Verringerung der Lagerbestände durch Fremdlagerung • Logistische Ver- und Entsorgungsstrategien (z.B. Just-inTime-Beschaffung, Materialflusssteuerung nach dem Kanban-Prinzip) • Ausblendung von Lagerleistungen aus dem Unternehmen (Outsourcing) • Neue Gestaltung und Optimierung der Lager- und Transportleistungen Da das Lager- und Transportwesen in der Regel in ein übergeordnetes Logistikkonzept eingebunden ist, hängt seine Effizienz von der Güte dieses Konzepts entscheidend ab. Es sind deshalb einerseits Analysen des Produkt- und Materialsortiments erforderlich, andererseits Time-to-Market-Strategien zu beachten. Maßnahmen der Lean-Organisation sorgen für ständige organisatorische Veränderungen. Die Ermittlung von Kennzahlen zur Effizienzanalyse des Lagers kann nur zum Teil durch eine analytische Aufbereitung der relevanten Daten der Lagerbuchführung erfolgen. Weitgehend ist es erforderlich, besondere Berechnungen anzustellen. Erkenntnisse lassen sich in der Regel nur durch die längerfristige Beobachtung, unter Umständen auch durch den Vergleich mit strukturell ähnlichen Konzernbetrieben oder anderen Unternehmen der gleichen Branche gewinnen (sog. Benchmarking). Es sollen hier nur die Kennzahlen vorgestellt werden, die sich auf die in diesem Abschnitt unter Ziffer 2 behandelten sachlichen Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Lagerhaltung beziehen. 1 Die Kennzahlen zur laufenden Kontrolle der Lagerdisposition (Vorratshaltung) wurden im vierten Abschnitt unter Ziffer 7 zusammengefasst.
1
Vgl. VDI-Richtlinie 2488: Ermittlung von Lagerkennzahlen zur Flächen- und Raumnutzung.
615
4.1 Kennzahlen der Lagernutzung Die wichtigsten Kennziffern zur Ermittlung und Kontrolle der Lagernutzung sind: •
genutzte Lagerfläche Flächennutzungsgrad = vorhandene Lagerfläche
•
genutzter Lagerraum Raumnutzungsgrad = vorhandener Lagerraum
•
tatsächliche Nutzhöhe Höhennutzungsgrad = mögliche Nutzhöhe
Die größte Lagernutzung ermöglicht die Blocklagerung, bei der die Materialien auf Paletten gestapelt und ohne große Zwischenräume in Gängen angelagert werden (Lagerraumnutzung liegt bei etwa 80 %). Die ungünstigste Lagernutzung ist anzutreffen, wenn kleine und große, flache und sperrige Materialien in den selben Regalen gelagert werden, weil sie nach der Zeichnungsnummer zusammengehören.
Abbildung 100: Lagernutzungsgrad
616
Abb. 100 verdeutlicht, wie Lagerräume sinnvoll genutzt werden können. Dabei bedeuten: 1 A a1 a2 B b1 b2 H h1 h2 LN
= = = = = = = = = =
Gesamtlänge des Regallagers Summe der Regalbreiten Summe der Gänge zwischen den Regalen Gesamtbreite des Regallagers Länge der Regale Breite des Manipulierraums (Bedienungsraum) Gesamthöhe des Lagerraums genutzte Höhe des Lagers durch Regale ungenutzte Höhe des Lagers über den Regalen effektive Lagernutzung (Füllgrad der Regalfelder)
In der Praxis ist die Berechnung der Lagerfläche und des Lagerraums noch etwas komplizierter, da jeweils die verfügbare Kapazität Ausgangspunkt der Berechnung sein muss, die „unproduktiven“ Bereiche demnach von der „technischen“ Kapazität in Abzug gebracht werden müssen. Ein Zahlenbeispiel soll den Rechengang verdeutlichen. Beispiel 61: Der Raumnutzungsgrad für eine Lagerhalle mit Büro ist wie folgt zu berechnen: 1. Berechnung des gesamten Innenraumes der Lagerhalle (= „technische“ Kapazität) 20 m breit, 50 m lang, 5 m hoch 20 x 50 x 5 5.000 m³
1
Vgl. RKW, Wirtschaftliche Lagerführung - ein wichtiges Instrument der Unternehmenspolitik, Frankfurt 1973, S. 11.
617
Allgemeines Beispiel zur Berechnung des Raumnutzungsgrades
2. Berechnung des nicht nutzbaren Raumes 6 Pfeiler 8 m² 1 Waschraum 10 m² Büroraum 18 m² Umschlagspunkt für Materialien 16 m² Abstellraum für Transportmittel 6 m² Toter Raum vor Türen und Fenstern 5 m² 63 m² 63 m² x 5 m 3. Verfügbarer Nutzraum
315 m³ 4.685 m³
Angenommen der vom gelagerten Material eingenommene Raum umfasst 2.240 m³ dann ergibt sich ein Raumnutzungsgrad: 2.240 4.685 = 47,8 % Bei der Analyse der Ergebnisse sollte man sich immer vor Augen halten, dass für den gesamten Lagerraum Kapital aufgewendet wurde.
4.2 Kennzahlen der Transportmittelnutzung Der Nutzungsgrad der Transportmittel kann mithilfe folgender Kennziffern berechnet und überwacht werden: • Einsatzgrad
Einsatzzeit = Arbeitszeit
• Ausfallgrad
Stillstandzeit = Einsatzzeit
Nutzungsgrad transportierte Menge • (bezüglich Menge) = Transportkapazität Die analytische Überprüfung des gesamten Transportsystems kann durch einen Beobachtungsbogen, wie ihn Formular-
618
beispiel 17 zeigt, unterstützt werden. 1 Dieser umfasst 42 Möglichkeiten unzweckmäßiger Materialtransporte. Durch eine Kontrolle mit diesem Beobachtungsbogen ist es daher durchaus möglich, Stellen im Betrieb zu entdecken, an denen erhebliche Einsparungen erzielt werden können.
4.3 Controlling der internen Logistik Der Umfang der Controllingmaßnahmen im Unternehmen wird entscheidend von der Kostenbedeutung des innerbetrieblichen Materialflusses für das Unternehmen bestimmt. Ein Controlling setzt - wie wiederholt erwähnt - voraus, dass Ziele im Rahmen der Unternehmensplanung vereinbart werden. Für die innerbetriebliche Logistik handelt es sich dabei vor allem um • Service- oder Leistungsziele und • Kostenziele. 2 Die Kennzahlen der internen Logistik sollen Antwort auf folgende Fragen geben: -
Kennzahlen analysieren
Was leistet die interne Logistik? Was kostet die interne Logistik? Wie hoch ist das Kostensenkungspotenzial? Welches sind ihre Schwachstellen und welche Optimierungsmöglichkeiten sind gegeben?
Als leistungsbezogene Kennzahlen können u.a. herangezogen werden:
1
Vgl. BKS, Der innerbetriebliche Materialtransport - Ein Ansatzpunkt für Kostensenkungen, Velbert 1963, S. 30 - Diese als „klassisch“ anzusehende Checkliste hat auch im Zeitalter der modernen internen Logistik ihre Berechtigung. 2 Siehe H. Ehrmann, Logistik, a.a.O., S. 100. - Vgl. auch H. Spohrer, Controlling in Einkauf und Logistik, Gernsbach 1995, S. 77 ff.
619
Leistungsbezogene Kennzahlen
Kosten-Kennzahlen
Anzahl Entnahmen (Gesamt- und/oder aufgegliedert z.B. nach Warengruppen, Lagerorten, Sofortentnahmen, Entnahmegrößen) Wert der Entnahmen (Gesamt und/oder aufgegliedert, Durchschnitt) Anzahl Materialanforderungen ohne Bestand im Lager (Fehlpositionen) Anzahl kommissionierter Lieferungen
Für das Controlling der im Bereich der internen Logistik verursachten Kosten stehen u.a. folgende Kennzahlen zur Verfügung: -
Durchschnittliche Warenannahmekosten Durchschnittliche Entnahmekosten Durchschnittliche Lagerplatzkosten Durchschnittliche Kosten pro Lagerbewegung Durchschnittliche Kommissionierkosten Lagerkostensatz Lagerhaltungskostensatz
Grundsätzlich zu beachten ist, dass ein Steuerungs-Defizit in der internen Logistik nicht durch eine größere Anzahl von Kennzahlen abgebaut werden kann. Notwendig ist eine sinnvolle Auswahl aussagefähiger Kenndaten. Kostenziele durch Budgetierung
Eine relativ einfache und weit verbreitete Methode ist die jährliche Budgetierung der Kostenstellen und Kostenarten der innerbetrieblichen Logistik. Dabei wird deutlich, dass - mit Ausnahme der Grundstoffindustrie - die Personalkosten den bei weitem größten Kostenblock umfassen.
Prozesskostenanalyse
Die Ermittlung und Analyse von Prozesskosten im Lager- und Transportmittelbereich ist sehr aufwendig, insbesondere wenn durch einen Mitarbeiter mehrere Funktionen, zum Beispiel Warenannahme, Einlagerung und Regalpflege, ausgeübt werden. Darüber hinaus ist die Möglichkeit nicht auszuschließen, dass die so gewonnenen Kostensätze für lagerwirtschaftliche Aufgaben bereits nach kurzer Zeit nicht mehr der Realität entspre-
620
chen und auch im Rahmen der Aktualisierung stark den individuellen Einflüssen aus Aufzeichnungen unterliegen. Ein weiterer Grund für die Problematik dieser neuen Methode des Gemeinkostenmanagement ist in der Heterogenität der logistischen Leistungen und damit in der Vielzahl relevanter Maßgrößen wie Paletten, Stück, Anzahl der Lagerpositionen, Anzahl der Wareneingangsmeldungen zu sehen.
621
Abteilung: Gesamtbetrieb Betrieb: Buffalo Leitung: Delay
Materialtransporte, Überblick und Kontrolle
Ursachen, durch die vielleicht Verluste durch unzweckmäßige Materialtransporte entstehen 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Verzögerung in den Materialtransporten Überflüssiges Material Ungenutzte Maschinen wegen Materialmangel Lange Transporte Gegenverkehr und kreuzender Verkehr Handtransporte
7. 8. 9. 10.
Veraltete Transportmittel Unzweckmäßige Transporteinrichtungen Unzugängliche Transporteinrichtungen Unausgeglichene Arbeitsfolge
11. 12. 13.
Überflüssige Transporteinrichtungen Hindernisse beim Materialfluss Material, welches direkt auf dem Boden gestapelt wird Zu kleine Arbeitsplätze für die Materialverarbeitung Nicht ordnungsgemäße Lagerung Überfüllte Gänge Überfüllte Arbeitsplätze Überfüllte Lagerplätze Stillstände von Gabelstaplern und Werkseisenbahn Hand-Ladeverfahren Verschwendung von Lagerraum Überflüssige Gänge Unzweckmäßig zerteilte Arbeitsvorgänge Schlechte Platzierung der Liefergebiete Fehlende Normung der im Betrieb gebräuchlichen Behälter Fehlen eines einheitlichen Ladeverfahrens Überflüssige Unterhaltungskosten für Transportmittel Nochmalige Transporte Transporte innerhalb der Fertigungszeit Arbeitskräfte, die für Material und Lieferung verantwortlich sind Schlecht organisierte Transporte Hohe indirekte Löhne Fehlende Unterlage für das angelieferte Material Übermäßiges Lagergeld Unerklärliche Verzögerungen Wartezeit Unübersichtliche Aufsicht Überflüssiger Schrott Gefährliches Heben mit der Hand Falsch geleitetes Material Ungeschickte, gefährliche selbsterfundene Einrichtungen Fehlen der Normung der Transportmittel Anderes
14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. 41. 42.
bestehender Zustand
Vorschlag: Überprüfung des gesamten Transportsystems!
x
zur Verbesserung wird gebraucht Aufmerksamkeit der Aufsicht
Aufmerksamkeit der Leitung
x
x
genaue Untersuchung
Kapitalinvestition
Bemerkungen
x
verspätete Anlieferung von Presse
x
Malerwerkstatt an das Fließbandende verlegen Werkstatt braucht bei der Bohrmaschine Flaschenzug
x
x
x
x
x
x
4000-Ib-Gabelstapler der Schmiede nicht voll ausgenutzt Schalter von der Presse laufend defekt
x
x
x
x
x
x
x
x
x
mehr Regale erforderlich
Ursache für Verzögerung?
etwa 23 Arbeitskräfte verlieren je 0,5 Std. je Tag x
x
x
Blick auf die Hauptabteilung
Entweder durch eigenen Fachmann oder Fremdspezialisten.
Formularbeispiel 17:
622
Gebäude: 14 Datum: 23.4.1962
Beobachtungsbogen zur Überprüfung des Transportsystems
Fragen zur Selbstkontrolle 1. Aus welchen Gründen ist es schwierig, den Lagerbegriff eindeutig zu definieren? 2. Welche Lagerarten lassen sich unterscheiden? Versuchen Sie die einzelnen Kriterien miteinander zu kombinieren! 3. Ergänzen Sie Abb. 92, indem Sie die für die Lagerstufen typischen Funktionen eintragen! 4. Welche Fragen sind für die Lagerplanung in der Hauptsache zu untersuchen? 5. Warum wird der Lagerstandort wesentlich von der Größe des Lagers bestimmt? 6. Was ist unter materialflussgerechter Planung eines Lagers zu verstehen und inwieweit hat dieser Grundsatz Bedeutung für die Lagerbauart? 7. Warum wird in der Praxis angestrebt, dem Ideal der Transportgleichung nahe zu kommen? 8. Ein Lieferant stellt von runder auf eckige Verpackung um. Können sich daraus Auswirkungen auf die Lagereinrichtung ergeben? 9. Welche besonderen Vorteile besitzen bewegliche Lagereinrichtungsgegenstände gegenüber festen? 10. Welche Nachteile sind mit der Lagerordnung nach dem Festplatzsystem verbunden? 11. Erläutern Sie das Prinzip der „chaotischen“ Lagerung! 12. Wie ist ein Hochregallager zu dimensionieren? 13. Wie erfolgt bei EDV-geführten Systemen die Vergabe der Palettenstellplätze? Gehen Sie im Rahmen Ihrer Erläuterung vom Praxisbeispiel 56 aus!
623
14. Primär nach welchen Kriterien wird im Rahmen der ABCBelegungsstrategie die Platzauswahl getroffen? 15. Warum sollte eine eingehende Materialflussuntersuchung der Transportmittelplanung vorangehen? 16. Welche Aufgaben hat der innerbetriebliche Transport im Rahmen der Materialbereitstellung zu erfüllen? Zählen Sie vier Hauptaufgaben auf! 17. Nennen Sie die wesentlichsten Unterschiede zwischen Flurfördermitteln und Stetigförderern! 18. Welche Funktionen erfüllt die Lagerhaltung beim Lagerungsablauf im Wareneingangslager? 19. Halten Sie die Verwendung des Lieferscheins als Wareneingangsbeleg für zweckmäßig? 20. Der Materialfluss vom Wareneingang bis zur Einlagerung ist in der Praxis sehr unterschiedlich geregelt. Nennen Sie zumindest fünf Möglichkeiten ablauforganisatorischer Gestaltung! 21. In welchen Fällen könnte auf eine Qualitätsprüfung verzichtet werden? 22. Wie sind von Lieferanten vorgelegte Zertifikate zu beurteilen? 23. Spiegeln sich in der im Anhang abgedruckten speziellen Qualitätssicherungsvereinbarung die wichtigsten Qualitätskategorien des Abnehmers wider? 24. Inwieweit sind die Ergebnisse der Qualitätsprüfung für die Lieferantenbeurteilung von Interesse? 25. Warum ist bei der Einlagerung zwischen „geplanten“ und „ungeplanten“ Eingängen zu unterscheiden? 26. Welche Kommissionierverfahren sind Ihnen bekannt?
624
27. Erläutern Sie die Vorteile des Bring- gegenüber dem Holsystem! 28. Erläutern Sie die Kommissionierprinzipien! 29. Wie ist bei umweltgefährdenden Stoffen die notwendige Sicherheit im Lager herzustellen? 30. Was verstehen Sie unter „Recycling“? 31. Erläutern Sie den Begriff „Entsorgung“! 32. Welche Aufgaben hat die Materialrechnung? 33. Wann kann es empfehlenswert sein, zur Verbrauchsermittlung die Befundrechnung und nicht die Fortschreibungsmethode einzusetzen? 34. Welche Vorteile bietet die permanente Inventur gegenüber der Stichtagsinventur und an welche Voraussetzungen ist sie geknüpft? 35. An welche Voraussetzungen ist die Stichprobeninventur geknüpft? Welche Vorteile bietet sie? 36. Welche Bedeutung haben die Kennzahlen der Lagernutzung für die praktische Unternehmensführung? 37. Welche Probleme ergeben sich bei Berechnung des Lagerraumnutzungsgrades? 38. Warum ist die Verwendung eines Beobachtungsbogens bei der Überprüfung des innerbetrieblichen Transportsystems besonders wertvoll? 39. Durch welche Rationalisierungsmaßnahmen lassen sich Schwachstellen der Lagerhaltung erfolgversprechend verbessern? (Übergreifendes Arbeitsthema) Die Antworten ergeben sich aus vorstehendem Abschnitt!
625
Anhang
Arbeitsanweisung zur Verantwortung der Lagerleiter 1. -
-
Voraussetzungen Fähigkeiten, die Mitarbeiter anzuleiten, anzulernen, auszubilden, zu motivieren und zu führen. Verantwortungsbereitschaft. Teamfähigkeit. Kontaktfähigkeit zu den Mitarbeitern der anliefernden Bereiche, der Kontrollstellen und der empfangenden Bereiche. Vierjährige Erfahrung in Lagerbereichen. Teilekenntnisse und Materialkenntnisse. Kenntnisse über die Kosten, die die Vorräte verursachen. Kenntnisse über den Nummernschlüssel und die Bedeutung der Vor- und Endnummern. Kenntnisse über Buchungsvorgänge in bezug auf Mengenund Rechnungszugang. Kenntnisse über Zeichnungen. Kenntnisse über Anwendung moderner PC- und Anwendungssoftware (z.B. SAP-R/3-MM). Kenntnisse über den Aufbau der Arbeitspläne. Bereichsübergreifende Kenntnisse über den Einsatz moderner Informations- und Kommunikationssysteme und über die Ergebnisse, soweit Daten im Lagerbereich erfasst und integriert verarbeitet werden. Absolute Sicherheit in der Datenerfassung. Genaue Kenntnis über umweltgefährdende Stoffe im Lager und über die notwendigen Sicherungsmaßnahmen. Unterweisung der Mitarbeiter in spezielle Schutzmaßnahmen und Vorschriften. Rechtzeitige Information der Mitarbeiter über betriebliche Vorgänge, die den Lagerbereich berühren. Verbesserungsvorschläge annehmen und mit Stellungnahme dem Vorschlagswesen zuleiten. Anerkennung und Kritik in angemessener Weise aussprechen.
629
2.
-
Verantwortung für den Einsatz der Mitarbeiter Die Dienstaufsicht im Bereich wahrnehmen. Den Personaleinsatz entsprechend der vorhandenen Arbeitsmenge organisieren. Freie Mitarbeiter dem Vorgesetzten melden. Die notwendigen Arbeiten unter Berücksichtigung der Dringlichkeit verteilen. Die vorhandenen Mitarbeiter im Bedarfsfall an Brennpunkten einsetzen, um den unterschiedlichen Arbeitsanfall termingerecht mit vertretbarem Zeitaufwand zu bewältigen. Dafür sorgen, dass die Mitarbeiter ihren körperlichen und geistigen Fähigkeiten entsprechend eingesetzt werden. Die Mitarbeiter über Unfallverhütungsvorschriften belehren. Die Urlaubswünsche der Mitarbeiter in Abstimmung mit den Vorgesetzten koordinieren Vorschläge für die Beurteilung der Mitarbeiter machen. Neue Mitarbeiter anleiten, anlernen und ausbilden. Auszubildende informieren.
3.
-
Verantwortung für die Leistung der Mitarbeiter Die Leistungen nach Arbeitsanweisung erfassen. Die Monatsprämien errechnen. Dafür sorgen, dass nach den für den Bereich geltenden EMArbeitsanweisungen gearbeitet wird. Dafür sorgen, dass die interne Organisation des Bereichs ständig verbessert wird. Dafür sorgen, dass die Ziele des Bereichs erreicht werden.
630
4.
-
5. -
Verantwortung für Lagerordnung und Raumausnutzung Dafür sorgen, dass ein zweckmäßiger Materialfluss beim Aufbau des Lagers berücksichtigt wird. Dafür sorgen, dass eine übersichtliche Lagerordnung erhalten/wieder hergestellt wird. Dafür sorgen, dass die Einlagerung und die Ausgabe durch gute Kennzeichnung erleichtert wird. Dafür sorgen, dass bei hochwertigen Teilen/Materialien keine Verluste durch Beschädigung, Rost usw. entstehen. Das Gefahrgutlager einmal täglich auf vorschriftsmäßigen Zustand kontrollieren. Dafür sorgen, dass die vorhandenen Räume bestmöglich genutzt werden (Nutzungsgrad in qm und in cbm). Investitionsvorschläge zur besseren Nutzung der vorhandenen Räume machen. Anregungen geben zur Humanisierung/Verbesserung der Arbeitsplätze.
Verantwortung für Inventur und Werte Die permanente Inventur organisieren, durchführen lassen und überwachen/kontrollieren. Die Stichtagsinventur organisieren, durchführen lassen und überwachen. Inventurdifferenzen klären. Diebstähle verhindern durch Überwachung der Mitarbeiter; durch Überwachung sicherstellen, dass sich keine unberechtigten Personen im Lager aufhalten. Wertvolle Teile/Materialien unter Verschluss halten. Einlagerung und Ausgabe von Material/Teilen stichprobenartig kontrollieren. Zu- und Abgangsbelege stichprobenartig kontrollieren.
631
6.
-
-
Verantwortung für die Höhe der Vorräte, für die Qualität der Teile/Materialien und für die Kosten Bei Engpässen auf Ausweichmaterial/Ausweichteile hinweisen. Auf Falschlieferungen beim Transport hinweisen und LagerNummer-Änderung beantragen. Disponenten auf „alte Ausführung“ und „neue Ausführung“ hinweisen, um Schwierigkeiten in der Montage zu vermeiden. Doppelnummerierungen und falsche Nummerierungen erkennen und beseitigen lassen. Anregungen geben zur Beseitigung doppelter Vorratshaltung, wenn unterschiedliche Teile mit unterschiedlicher Nummer die gleichen Funktionen erfüllen könnten. Ersatzteilbestellungen überprüfen und berichtigen. Die Kontrolle einschalten, wenn Teile falsch gefertigt oder Arbeitsgänge ausgelassen worden sind. Änderung von Arbeitsplätzen beantragen, um Vereinfachung des Arbeitsablaufs zu erreichen. Anregungen geben, die durch Vermeidung von Umpackarbeiten zur Reduzierung von Personalkosten führen sollen. Ziel: Transportgerechte Einheiten vom Lieferanten bis zur Produktion bzw. von der Produktion bis zur Montage. Überbestände und Lagerhüter erkennen und an den Vorgesetzten melden. Verschrottungsaufträge überprüfen. Zu entsorgende Materialien kontrollieren, auf recyclingfähiges Material, Sonderabfall und Restmüll. Behördlich vorgeschriebene Dokumente der Entsorger je Vorgang nach Beladung prüfen und Ausfahrt freigeben.
632
Stellenbeschreibung Kennung:
...EK
Stellenbezeich- Leiter Funktion Einkauf nung: Name: Vertretung: Leiter Einkauf Fertigungsmaterial, Leiter Einkauf Nichtfertigungsmaterial Unterstellung: Geschäftsleitung Überstellung:
Ziele:
Aufgaben/ Tätigkeiten:
Sekretariat, Leiter Zentrale Einkaufskoordination, Leiter Disposition Kaufteile, Leiter Einkauf Fertigungsmaterial, Leiter Einkauf Nichtfertigungsmaterial Der Einkaufsleiter ist für die wirtschaftlich optimierte Beschaffung von - Produktionsmaterial, Betriebsmitteln, Investitionsgütern - Rechten und beschaffungsmarktorientierten Informationen verantwortlich. Dazu wird er die ihm unterstellten Mitarbeiter aufgaben- und zielgerichtet einsetzen, mit den betriebsinternen Funktionen konstruktiv zusammenarbeiten und die geschäftlichen Beziehungen zu den externen Lieferanten fördern. - Leitung und Organisation der Abteilung Einkauf - Beratung der Geschäftsleitung in allen Fragen des Beschaffungs-Managements - und Umsetzung der beschaffungspolitischen Grundsätze und Einkaufsstrategien - Steuerung einer permanenten Marktanalyse, Erschließen neuer Lieferquellen - Entwickeln und Umsetzen von Materialbestandskonzepten zur termin- und qualitätsgerechten Materialversorgung und Minimierung der Lagerkosten
633
besondere Befugnisse: Anforderungsprofil Schul- und Berufsausbildung: Berufserfahrung: Fachwissen:
634
- Konzipieren und Umsetzen einer effizienten GMK-Materialwirtschaftsorganisation nach Aufbau und Ablauf - Berücksichtigen ökologischer Kriterien bei der Materialbeschaffung und -entsorgung - Kontrolle der Einhaltung der Unternehmensvorschriften - Unternehmensweite Koordination der Einkaufsfunktionen sowie Ausüben der Richtlinienkompetenz - Führen und Steuern durch Zielvereinbarungen, Kontrolle der Arbeitsergebnisse, Mitarbeitermotivation, Förderung der Mitarbeiterentwicklung - Erstellen eines jährlichen Funktions-Budgets - Mitwirken beim Produktentstehungs- und -realisierungsprozess vom Konzept bis zur Entsorgung einschließlich notwendiger Infrastruktur - Kontakt zu Instituten, Hochschulen, Verbänden Prokura, unterschriftsberechtigt It. Unterschriftenregelung
Studium der Betriebswirtschaft/Ingenieurwissenschaften mindestens 5 Jahre in leitender Position einer ähnlichen Funktion Fremdsprache (englisch) verhandlungssicher, Kenntnis weiterer Fremdsprachen erwünscht, Anwendung moderner PC-Software, Nutzung von SAP-R/3-MM
Stellenbeschreibung Kennung: Stellenbezeichnung: Name: Vertretung: Unterstellung: Überstellung: Ziele:
Aufgaben/ Tätigkeiten:
...EK/FM Leiter zugeordnete Funktion Einkauf Fertigungsmaterial
Leiter Funktion Einkauf Gruppenleiter der Gruppen Einkauf Fertigungsmaterial It. gültigem Organigramm Initiierung und Umsetzung aller notwendigen Aktivitäten eines modernen BeschaffungsMarketings vor dem Hintergrund der Realisierung kostenoptimaler Beiträge zum Unternehmensergebnis - Durchführung der erforderlichen Einkaufsund Beschaffungsaktivitäten für das Unternehmen - für ausgewählte Warengruppen werksübergreifend - für den gesamten Fertigungsmaterialbereich - Unterstützen der Einkaufsleitung im Rahmen der Stellvertreterfunktion - Gestalten, Sicherstellen und Überwachen aller organisatorischen Abläufe innerhalb seines Bereiches und interne Abstimmung mit angrenzenden Bereichen - Steuern und Optimieren der Materialkosten, Qualitätslage und der Lieferzuverlässigkeit - permanente Marktanalyse, Erschließen neuer Lieferquellen - Umsetzen von Materialbestandskonzepten zur termin- und qualitätsgerechten Materialversorgung und Minimierung der Lagerkosten - Führen und Steuern durch Zielvereinbarungen, Kontrolle der Arbeitsergebnisse, Mitarbeitermotivation, Förderung der Mitarbeiterentwicklung
635
besondere Befugnisse:
- Mitwirken beim Produktentstehungs- und -realisierungsprozess vom Konzept bis zur Entsorgung einschließlich notwendiger Infrastruktur Stellvertreter des Leiters der Funktion Einkauf, Handlungsvollmacht, unterschriftsberechtigt It. gültiger Unterschriftenregelung
Anforderungsprofil Schul- und Be- Studium der Betriebswirtschaft/Ingenieurwisrufsausbildung: senschaften, Zusatzqualifikation Fachkaufmann Materialwirtschaft und Einkauf Berufserfah5 bis 10 Jahre Berufserfahrung in leitender rung: Funktion Einkauf, Materialwirtschaft oder Logistik, Personalverantwortung: 15 bis 30 Mitarbeiter Fachwissen: Fremdsprache (englisch) verhandlungssicher, Grundkenntnisse weiterer Fremdsprachen, Anwendung moderner PC-Software, Nutzung von SAP-R/3-MM
636
Stellenbeschreibung
Kennung: Stellenbezeichnung: Name: Vertretung: Unterstellung: Überstellung: Ziele:
Aufgaben/ Tätigkeiten:
EK/MD Leiter zugeordnete Funktion Einkauf „Disposition Kaufteile“
Leiter Funktion Einkauf Disponenten der Funktion Einkauf bedarfsgerechte Versorgung der Fertigung mit Kaufteilen unter Berücksichtigung der Ziele der Bestandsoptimierung - Planen, Steuern und Kontrollieren der Beschaffungslogistik (Bestell- und Anlieferabwicklung) zur störungsfreien Versorgung aller Bedarfsträger im Unternehmen mit Fertigungsmaterial - DV-Koordination (Unterstützen der anderen Werke): Planen und Koordinieren der notwendigen Aktivitäten zur Gestaltung bzw. Änderung von Abläufen und DV-Anwendungen in Zusammenarbeit mit der Organisation / Datenverarbeitung und der Materialdisposition der Werke - Bestands-Controlling (Unterstützen der anderen Werke): ständige Optimierung der Materialbestände in Bezug auf Mengen- und Variantenflexibilität bei gleichzeitiger Reduzierung der Lagerreichweite und des gebundenen Kapitals - Einführung und Maximierung der Direktbelieferung der Fertigung mit Fertigungsmaterial (Rahmenverträge, Just-in-time-Anlieferung) - Koordinieren der Ein- und Auslaufplanung von technischen, mengenmäßigen und strukturellen Änderungen für Kaufteile in den Stücklisten - Führen und Steuern durch Zielvereinba-
637
rungen, Kontrolle der Arbeitsergebnisse, Mitarbeitermotivation, Förderung der Mitarbeiterentwicklung besondere Befugnisse: Anforderungsprofil Schul- und Berufsausbildung: Berufserfahrung: Fachwissen:
638
Studium der Betriebswirtschaft/Ingenieurwissenschaften, Wirtschaftsingenieur 5 bis 10 Jahre Berufserfahrung in leitender Funktion Einkauf, Materialwirtschaft oder Logistik, Personalverantwortung Fremdsprache (englisch), Entwicklung, Einführung und Anwendung moderner PC- und Anwendungs-Software SAP-R/3-MM
Rahmenvereinbarung
1
zwischen der Firma …………….…………….. - im Folgenden AG genannt handelnd sowohl in eigenem Namen als auch namens und in Vollmacht der nachfolgend genannten Unternehmen der AGKonzerngruppe: …………………. …………………. …………………. und der Firma (Lieferant) Anschrift LKZ – PLZ Ort - im Folgenden Firma (Lieferant) genannt wird nachfolgende Rahmenvereinbarung geschlossen, deren Bedingungen für die ab Unterzeichnung gegenüber Firma (Lieferant) erteilten Einzelaufträge gelten. Die Rahmenvereinbarung gliedert sich in Teil „A Allgemeine Bedingungen“, deren Bedingungen während der Laufzeit der Vereinbarung nicht angepasst werden müssen und Teil „B Besondere Bedingungen“, deren Bedingungen in der Regel einmal pro Jahr gemeinsam überprüft werden sollten.
1
Die Rahmenvereinbarung ist zwar als ein in der Praxis bewährtes Beispiel dieser Vertragsart anzusehen, muss jedoch im Bedarfsfall den konkreten Rahmenbedingungen angepasst werden.
639
A. Allgemeine Bedingungen
1. Präambel Der AG entwickelt, produziert und vermarktet Schleifmaschinen und Oberflächen-Feinbearbeitungsmaschinen sowohl nach Kundenwünschen als auch Standard- und Serienprodukte. Der AG vermarktet seine Produkte zu Weltmarktpreisen und ist daher gezwungen, zusammen mit seinen Lieferanten/Partnern die kostengünstigsten Produktlösungen zu entwickeln und zu realisieren; dies jedoch unter Beachtung der anspruchsvollen Leistungs-, Qualitäts- und Terminanforderungen.
2. Vertragsgegenstand Für die Herstellung und den Betrieb ihrer Produkte beabsichtigt der AG, das Know-how und vorzugsweise die Produkte der Firma (Lieferant) einzusetzen. Grundlage für die Entwicklungstätigkeiten und Lieferungen sind die jeweiligen Einzelaufträge/-abrufe sowie die zur Leistungserbringung von dem AG zur Verfügung gestellten technischen Unterlagen.
3. Lieferung / Verzug Die vereinbarten Liefertermine sind verbindlich. Die Liefertermine verstehen sich für den Eingang der Lieferung der Firma (Lieferant) im Werk des AG (Anlieferung). Sollte die Firma (Lieferant) mit der Lieferung / Leistung – nachfolgend insgesamt Lieferung genannt – in Verzug kommen, so ist der AG berechtigt, für jede Kalenderwoche der Verzögerung eine Vertragsstrafe in Höhe von 0,5% und insgesamt höchstens 5% vom Wert der vereinbarten Lieferung geltend zu machen. Dies gilt auch im Falle des Rücktritts des AG vom Rahmenvertrag. Die Geltendmachung einer solchen Vertragsstrafe behält sich der AG bis zum Zeitpunkt der vollständigen Bezahlung vor.
640
Lieferverzögerungen werden von der Firma (Lieferant) frühzeitig und unverzüglich mindestens der Einkaufsabteilung des AG mitgeteilt. Die gesetzlichen Ansprüche des AG im Falle des Verzugs bleiben unberührt.
4. Qualität Die Firma (Lieferant) gewährleistet, dass die Qualität, die Ausführung, die Maße und die Genauigkeit den Einzelaufträgen/-abrufen, den technischen Unterlagen des AG bzw. den von ihr selbst veröffentlichten Produktinformationen entsprechen. Die Firma (Lieferant) gewährleistet, dass der Vertragsgegenstand den gesetzlichen Vorschriften entspricht. Die Lieferungen sind „qualitätsgeprüft“ an den AG vorzunehmen. Die CE-Forderungen der EU sind seitens der Firma (Lieferant) zu erfüllen. Die Firma (Lieferant) ist zertifiziert nach DIN-ISO 9001.
5. Lieferkonditionen Die Lieferungen erfolgen einschließlich ordnungsgemäßer Verpackung frei Werk oder frei Lieferanschrift oder gemäß INCOTERMS 2000 frachtfrei Bestimmungsort/CPT mit der jeweils günstigsten Versandart. Einzelabsprachen bleiben von dieser Regelung unberührt. Bei Lieferungen und Leistungen frei Werk oder frei Lieferanschrift ist Erfüllungsort der Sitz des Bestellers oder die von ihm angegebene Lieferanschrift. Die Transportversicherung wird durch den Besteller abgeschlossen und getragen. Die Rücknahme der Verpackung erfolgt nach gesetzlicher Verpackungsordnung.
641
6. Anwendungstechnische Unterstützung (optional) Die Firma (Lieferant) ist bereit, vorrangig sowohl in Herstellwerken als auch bei Kundenwerken des AG gemeinsam mit den Technikern des AG anwendungstechnische Unterstützung zu leisten.
7. Internationale Messen (optional) Die Firma (Lieferant) ist bereit, für internationale Messen den erforderlichen Umfang an eigenen Produkten leihweise zur Verfügung zu stellen.
8. Zahlungsbedingungen (Text variabel) Zahlungen erfolgen am 25ten des der Rechnung/Lieferungen folgenden Monats unter Abzug von 2% Skonto, (innerhalb von 14 Tagen mit 3% Skonto), (innerhalb von 60 Tagen netto). Die Bezahlung erfolgt in Euro, bei Lieferungen in der Schweiz in CHF. Der AG gerät ohne eine Mahnung nicht in Verzug.
9. Ansprüche wegen Mängel Die Firma (Lieferant) übernimmt eine Gewährleistung von 24 Monaten, beginnend mit dem Tag der Inbetriebnahme oder Abnahme durch den Endkunden. Bei Lieferungen, bei denen eine Inbetriebnahme oder Abnahme nicht vorgesehen ist, beginnt die oben genannte Gewährleistungszeit mit der Anlieferung bei dem Endkunden. Die Gewährleistungszeit endet spätestens 36 Monate nach Anlieferung bei der gewünschten Versandanschrift. Das Recht, Ansprüche wegen eines Sachmangels geltend zu machen, verjährt in allen Fällen innerhalb von 12 Monaten, beginnend mit der unverzüglichen Rüge dieses Mangels.
642
10. Schutzrechte Dritter Die Firma (Lieferant) gewährleistet, dass die Lieferung frei von Schutzrechter Dritter ist und verpflichtet sich, den AG von allen Schäden und Kosten frei zu halten, die ihnen aus einer Nichteinhaltung dieser Gewährleistungszusage oder aus einer Untersagung des Gebrauchs der Lieferung durch Dritte entsteht. Sollten dennoch bei einer Nutzung der Lieferung Schutzrechte Dritter verletzt werden, ist der AG berechtigt, auf Kosten der Firma (Lieferant) eine Lizenz vom rechtmäßigen Inhaber des Schutzrechtes zu erwerben. Ansprüche wegen Mängel im Recht verjähren 10 Jahre nach Anlieferung.
11. Dokumentation Kostenloser Bestandteil des Lieferumfangs ist die branchenübliche Dokumentation der gelieferten Produkte und Bedienungsanleitungen in der gewünschten Standardsprache (2-fach). Bestandteil der Bedienungsanleitung ist eine Ersatzteilliste mit Herstellernachweis, in der die schnell verschleißenden Ersatzteile/Verschleißteile besonders bezeichnet sind.
12. Geheimhaltung Die Vertragsparteien verpflichten sich gegenseitig, alle während der Dauer sowie nach Beendigung dieser Rahmenvereinbarung ihnen bekannt gewordenen und anvertrauten Informationen, Erfahrungen und Kenntnisse aus dem Bereich des anderen Vertragspartners, soweit diese nach handelsüblicher Auffassung als Geschäftsgeheimnis anzusehen sind, und die über den allgemeinen Stand der Technik hinausgehen, streng vertraulich zu behandeln und weder für sich noch für oder durch Dritte zu verwerten oder verwerten zu lassen. Für die Geheimhaltung erhaltener Informationen gelten die in der Anlage (Geheimhaltungsvereinbarung) beigefügten Bestimmungen vom … (Datum).
643
13. Einkaufsbedingungen Ergänzend und soweit hier nicht abweichend geregelt, gelten die Einkaufsbedingungen des AG vom … (Datum).
14. Wirksamkeit / Schriftform Sollten einzelne Bestimmungen dieser Rahmenvereinbarung oder der Einzelaufträge unwirksam sein oder werden oder eine Lücke enthalten, so wird dadurch die Wirksamkeit dieser Rahmenvereinbarung oder der Einzelaufträge nicht berührt. Die Vertragspartner werden in einem solchen Fall die unwirksame Bestimmung durch eine ihrem rechtlichen und wirtschaftlichen Gehalt möglichst nahe kommende wirksame Bestimmung ersetzen. Dies gilt entsprechend für den Fall einer Lücke in dieser Rahmenvereinbarung oder der Einzelaufträge/-abrufe. Nebenabreden sowie Änderungen und Ergänzungen bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.
15. Anwendbares Recht / Gerichtsstand Für die gegenseitigen Rechtsbeziehungen gilt das Recht am Sitz des Bestellers. Dies gilt auch für die jeweiligen Einzelaufträge/-abrufe. Gerichtsstand für Rechtsstreitigkeiten aus der Rahmenvereinbarung ist … (Ort). Gerichtsstand für Lieferungen und Leistungen aus den jeweiligen Einzelaufträgen/-abrufen ist am Sitz des Bestellers. Der AG ist jedoch berechtigt, seine Ansprüche am allgemeinen Gerichtsstand des Lieferanten geltend zu machen.
16. Geltungsbereich Diese Rahmenvereinbarung gilt für alle Unternehmen der AG-Konzerngruppe. Mit in die Rahmenvereinbarung werden neu hinzutretende Firmen der AG-Konzerngruppe einbezogen, sobald diese der Firma (Lieferant) schriftlich mitgeteilt worden sind.
644
B. Besondere Bedingungen
17. Preise (Text variabel) Die Firma (Lieferant) verpflichtet sich, gemeinsam mit dem AG kontinuierlich kostengünstigere Lösungen zu entwickeln und diese Preisvorteile an den AG weiterzugeben. Die am … (Datum) gültigen Preise behalten Gültigkeit bis zum … (Datum) und werden dann jeweils für den Folgezeitraum von … (x) Monaten neu verhandelt. Preisänderungen müssen jeweils bis spätestens … (x) Monate vor Ablauf des oben genannten Gültigkeitsdatums bekannt gegeben, verhandelt und festgelegt werden. Einzelvereinbarungen werden Bestandteil dieser Rahmenvereinbarung. Sofern die Firma (Lieferant) einem zur AG-Konzerngruppe gehörenden Unternehmen günstigere Bezugsbedingungen einräumt, so gelten diese mit sofortiger Wirkung für alle Unternehmen der AGKonzerngruppe.
18. Rabattregelung und Bonus (optional) Rabattregelung (Text optional) …………. …………. …………. Bonus Vereinbart wird folgende Bonusregelung: Gesamtumsatz ab
a Mio. Euro c Mio. Euro e Mio. Euro g Mio. Euro
b% d% f% h%
645
Der Bonus wird vom verrechneten Konzerngruppe berechnet.
Jahresumsatz
der
AG-
Fälligkeitsdatum ist der dem Kalenderjahr folgende Februar, in dem der Bonus-Anspruch entstanden ist. Erster Berechnungszeitraum ist das Kalenderjahr … (Datum).
19. Lieferzeiten Folgende Liefertermine werden vereinbart: (Text variabel) Für
abc cde fgh
x Wochen x Wochen x Wochen
Für Mengen, bezogen auf Standard-Produkte (Preislisten- und Serienartikel) die über die Bevorratungsmengen hinausgehen, gilt eine maximale Lieferzeit von … (x) Wochen. Die Auftragsbestätigung erfolgt für Standard-Artikel spätestens … (x) Wochen, für kundenspezifische Artikel und/oder Neubestellungen … (y) Wochen nach Bestellung.
20. Bedarfsplanung (optional) Die Auftragsvolumina können sich in Abhängigkeit zur Marktentwicklung ständig verändern. Im Interesse einer kontinuierlichen Zusammenarbeit vereinbaren die Vertragspartner daher eine kontinuierliche laufende Abstimmung über die tatsächliche Bedarfsentwicklung.
21. Fertigungslosgrößen und Bevorratung (optional) Die Fertigungslosgrößen sowie die Bevorratung sind mit dem AG gesondert abzustimmen.
646
22. Laufzeit Diese Rahmenvereinbarung tritt mit Unterzeichnung durch beide Vertragspartner in Kraft. Sie gilt bis … (Datum) Spätestens … (x) Monate vor Ablauf dieses Termins werden sich die Vertragspartner über die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses verständigen. Während der Laufzeit der Vereinbarung steht beiden Vertragspartnern die Kündigung aus wichtigem Grund zu. Wichtige Gründe liegen u. a. vor bei: • • • • •
anhaltenden Qualitätsmängeln Lieferunfähigkeit wiederholte Überschreitung der vereinbarten Lieferzeiten nicht marktüblichen Preiserhöhungen Nichteinhaltung der Zahlungsbedingungen
Ort, Datum
Ort, Datum
AG
Lieferant
Anlagen Einkaufsbedingungen Geheimhaltungsvereinbarung
647
Entwicklungsvertrag mit Systemlieferanten 1
Für das System XXX zum Einbau in die Produktfamilie YYY wird zwischen
______________________________________ nachfolgend Auftraggeber (AG) genannt und
______________________________________ nachfolgend Auftragnehmer (AN) genannt eine Vereinbarung zur Durchführung von Entwicklungsarbeiten getroffen.
1.
Gegenstand
Für die serienreife Entwicklung einer spezifikationskonformen Lösung für das System XXX wird auf der Grundlage nachstehender Dokumente •
Besprechungsprotokoll vom ……………… über von AG und AN gemeinsam erarbeitete Wertanalyseergebnisse
•
Lastenheft des AG vom ………………
•
Werksnormen Nr. ……………… des AG, gültig ab ………………
folgende Vereinbarung geschlossen:
2.
Entwicklung
Die Entwicklungsleistung von AN umfasst die fertigungs- und montageoptimierte Konstruktion des Systems, die Optimierung der Funktion ……………… , die Festlegung der eingesetzten Materialien sowie der Dauerversuche, Dichtigkeitsprüfungen und der serienbegleitenden Prüfungen bis zu der von AG vorgegebenen Lebensdauer. Typische Verschleißteile sind hiervon ausgenommen. 1
In Anlehnung an eine von Miele verwendete Fassung.
648
AN wird die Entwicklungsarbeiten in Zusammenarbeit mit AG nach den Regeln des Projektmanagements durchführen und entsprechend des Meilensteinplanes über deren Fortgang berichten. AG ist berechtigt, sich jederzeit über den Fortgang der Entwicklungsarbeiten zu unterrichten und die jeweils fertiggestellten Unterlagen und sämtliche Aufzeichnungen über Material und Arbeitsaufwand einzusehen. AG wird AN die für die Durchführung der Entwicklung notwendigen Informationen rechtzeitig zugänglich machen.
3.
Grundlagen der Fertigung
AN übernimmt die Fertigung der Teile. Als technische Basis sind die Zeichnungen, Stücklisten und das Lastenheft von AG verbindlich. AN bestätigt durch eine gemeinsam mit AG durchgeführte FehlerMöglichkeits- und -Einflussanalyse (FMEA) der Konstruktion und des Fertigungsprozesses, dass er die Teile prozesssicher herstellen kann und die Qualitätsverantwortung übernimmt. Während der Produktion der Teile beim AN wird das Qualitätsmanagement von AG ein produktbezogenes Qualitätsaudit durchführen. Mit der Auftragsbestätigung der Bestellung der Gesamtinvestitionen wird AN sämtliche Zeichnungen dem AG zur Durchsicht und Kenntnisnahme zusenden. Sie sind Voraussetzung für die Bestellung. Die Konstruktionsverantwortung verbleibt beim AN.
4.
Kosten der Entwicklung und Vergütung
Für die Durchführung der Entwicklung einschließlich der Werkzeuge, Fertigungsvorrichtungen und Prüfmittel wird ein separater Auftrag erteilt. Die Gesamtinvestitionen belaufen sich auf ……………… EUR Sie setzen sich wie folgt zusammen: Entwicklungskosten Werkzeugkosten Fertigungseinrichtungen Prüfvorrichtungen
EUR ……………… ……………… ……………… ………………
649
Modellbau Null-Serie, max. Gesamtinvestitionen
……………… ……………… ………………
Hiervon werden von AG die Positionen ……………… sowie EUR ……………… für die übrigen Investitionen übernommen. Die jeweiligen Beträge/Kosten verstehen sich als Pauschalfixpreis. Hiermit sind alle Forderungen von AN abgegolten.
5.
Zahlungsvereinbarungen und Übereignungen
5.1.
Werkzeug- und Prüfmittelkosten
Nach Lieferung und Freigabe der Null-Serie werden die Werkzeugkosten, spätestens ……………… Wochen nach Lieferung bezahlt, wenn keine gravierenden, werkzeugabhängigen Fehler vorliegen. 5.2.
Entwicklungskosten
Die Entwicklungskosten werden zu ……………… % mit der Bestellung der Null-Serie, voraussichtlich KW ………………, zu ……………… % nach Serienfreigabe voraussichtlich KW ……………… bezahlt. 5.3.
Übereignungen
Die bei AN eingesetzten Werkzeuge und Prüfmittel werden von AG vollständig bezahlt und gehen in sein Eigentum über. Hierzu wird ein separater Werkzeug- und Prüfmittel-Leihvertrag abgeschlossen. 5.4.
Personalaufwand
Der AG-Aufwand wird zusätzlich zu den o.g. übernommenen Gesamtinvestitionen auf ……………… EUR für ……………… Mitarbeitertage für die Organisation der Wertanalyse- und FMEA-Gespräche sowie die Durchführung der Labor- und Dauerversuche geschätzt.
6.
Anforderungen an Null-Serie
Die Ausführung der Teile wird - hier beispielhaft genannt - wie folgt erwartet:
650
A-Null-Serie:
-
Kunststoffeinfärbung wie für Serie Leitkarte kann gefräst sein Lötstellen halten die Temperaturen der Kontakte aus System ist dicht
B-Null-Serie:
-
Korrektur erkannter Fehler Prüfberichte von AN Aufstellung aller Prüfmittel Audit während der Teilefertigung Wareneingangsprüfung bei AG
C-Null-Serie:
- Korrektur erkannter Fehler - Fertigung unter Serienbedingungen - Erreichung des geplanten Automatisierungsgrades in Fertigung beim AN - Nachaudit während der Teilefertigung
Die Kostenübernahme für während der Versuche erkannte Fehler der Teile wird nach dem Verursacherprinzip geregelt.
7.
Änderungen während der Entwicklung
Sollten sich während der laufenden Geschäftsverbindung durch neue Erkenntnisse im Zuständigkeitsbereich von AN Verbesserungsvorschläge ergeben, so hat AN den AG vorher darauf hinzuweisen, damit die Vorgaben überprüft und evtl. angepasst werden können. Jede von AN initiierte konstruktive Änderung oder Änderung der Materialien, des Produktionsprozesses, der Fertigungsstätte und des Prüfablaufes ist AG vorab bekannt zu geben, und auf Anforderung sind die Teile mit einem erneuten Erstmusterprüfbericht vorzustellen. Anmerkungen seitens des AG zur Konstruktion, Materialauswahl und zum Produktions- bzw. Prüfprozess, die sich aus den bisherigen und zukünftigen technischen Gesprächen ergeben, sind als Vorschlag zu verstehen und von AN zu überprüfen und anzubieten. Diese werden dann vom Einkauf des AG separat schriftlich in Auftrag gegeben. Sollten seitens des AG Anforderungen nachträglich geändert oder erhoben werden, verpflichtet sich AN daraus entstehende Änderungen bei den Entwicklungs- oder Werkzeugkosten oder sonstigen Investitionen, bei den Terminen oder beim Teilepreis unverzüglich schriftlich bekannt zu geben. Diese werden gegebenenfalls separat in Auftrag gegeben.
651
8.
Serienlieferung
Die Serienbelieferung wird durch Rahmenvertrag beauftragt, der in seiner Höhe einem zu erwartenden Jahresbedarf entspricht. Zur Erreichung ausreichend günstiger Einkaufspreise der Unterlieferanten ist eine Mindestbestellmenge von ……………… Stk. erforderlich. Übersteigt der Bedarf die oben aufgeführten Stückzahlen wesentlich, kann zur Absicherung der Serienbedarfe durch geeignete Maßnahmen beim Erstlieferanten die Kapazität erhöht werden (ggfs. durch einen zweiten Produktionsstandort oder ein ausreichendes Zwischenlager) oder ein Zweitlieferant aufgebaut werden. 9.
Preise
Der Preis beträgt -
für A-. B-. und C-Null-Serien-System: ……………… EUR/% Stk. insgesamt ca. ……………… Stk.
-
für die Serienbelieferung wird ein Mehrjahresvertrag unter Berücksichtigung der Mengenentwicklung und Lernkurveneffekt (Produktivitätsfortschritte) mit einer Preisfestschreibung für die Folgejahre 1, 2, 3, ……………… abgeschlossen.
Die Materialpreisbasis für die eingesetzten Kunstoff-Typen und Kaufteile lautet: Teil …………… …………… …………… 10.
Type ………… EUR/kg ………………………… ………………………… …………………………
Einsatzgewicht (g/% Stk.) ……………...… g ……………...… g ……………...… g
Gültigkeit der Allgemeinen Einkaufsbedingungen
Soweit in diesem Vertrag nicht ausdrücklich andere Bedingungen vereinbart worden sind, gelten die Allgemeinen Einkaufsbedingungen. Insbesondere die Verpflichtung zur Geheimhaltung sowie zur Gewährleistung und Ausfallregelung sind darin einbezogen. 11.
Schutzrechte
AG erhält am Entwicklungsergebnis mit allen geschützten und ungeschützten Merkmalen ein uneingeschränktes Nutzungs- und Verfügungsrecht. Außerhalb des Geschäftsgebietes von AG kann AN über
652
Schutzrechte zum Vertragsgegenstand frei verfügen, wenn diese auf eigene Erfindungen zurückgehen. AG erhält das Recht, Schutzrechtsanmeldungen zu den Erfindungen einzureichen. AN wird AG über alle während der Zusammenarbeit entstehenden schutzfähigen Sachverhalte informieren und bei der Erstellung von Anmeldungen unterstützen. AN gewährleistet, dass die aufgrund dieser Vereinbarung erarbeiteten Ergebnisse keine Schutzrechte Dritter bezüglich der Konstruktion des Systems verletzen. 12.
Sonstiges
Alle Nebenabreden, Änderungen und Ergänzungen dieser Vereinbarung bedürfen der Schriftform. Ort, den ………………
Ort, den ………………
Firma
Firma
………………………… (befugte Unterschrift)
………………………… (befugte Unterschrift)
653
Qualitätssicherungsvereinbarung
1
Zwischen Firma ………………………………. im nachfolgenden AG genannt und der Firma ………………………………. im nachfolgenden AN genannt wird folgende Vereinbarung über Qualitätssicherung abgeschlossen.
1. Gegenstand des Vertrages Auf der Grundlage des Qualitätsaudits vom ………. und der vorläufigen Einstufung in die Stufe 1 der Bewertungsskala vereinbaren der AG und der AN, dass der AN gemäß § 377 Absatz 1 HGB die qualitative Wareneingangskontrolle durch seine Ausgangskontrolle übernimmt. Zu diesem Zweck vereinbaren die Parteien Maßnahmen zur dauerhaften Absicherung der Qualität der an den AG zu liefernden Erzeugnisse.
2. Geltungsbereich Diese Vereinbarung ist Bestandteil aller Verträge zur Herstellung und Lieferung aller Erzeugnisse, die der AG mit dem AN schließt, auch wenn im Einzelfall auf diese Vereinbarung nicht besonders Bezug genommen wird. 2.1 2.2
1
Bei den vom AN zu liefernden Erzeugnisse handelt es sich um Zulieferteile und Endprodukte des AG. Änderungen in der Art der Zusammensetzung des verarbeiteten Materials und in der Bearbeitung der an den AG zu liefernden Erzeugnisse sind ihm rechtzeitig vor der geplanten Realisierung zur Klärung des weiteren Vorgehens anzuzeigen, damit z. B. geänderte Prüfmaßnahmen eingeleitet werden können. Änderungen sind erst zulässig, nachdem der AG ihnen schriftlich zugestimmt hat.
In Anlehnung an eine in der Praxis verwendete Fassung, muss im Einzelfall jedoch individuell ausgehandelt werden.
654
3. Kontroll- und Informationsrechte von AG AN gestattet dem AG und seinen Beauftragten nach rechtzeitiger Vorankündigung, während der üblichen Arbeitszeiten eine Überprüfung der vereinbarten Warenausgangskontrollen vorzunehmen. Der AG und seine Beauftragten erhalten zu diesem Zweck Zutritt zu allen Produktionsstätten des AN, in denen die Produktion und/oder die Qualitätsprüfungen der an den AG zu liefernden Erzeugnisse stattfinden. AN wird dem AG und seine Beauftragten alle für diese Kontrollen erforderlichen Unterlagen und Informationen zur Verfügung stellen und die von AG gewünschten Auskünfte erteilen. Die Ergebnisse der Qualitätsaudits sowie gegebenenfalls erforderliche Maßnahmen werden protokolliert und dem AN ausgehändigt.
4. Qualitätssicherungsmaßnahmen durch den AN 4.1 Durchführung Zur Sicherung der Qualität der an den AG zu liefernden Erzeugnisse verpflichtet sich der AN, in eigener Verantwortung ein wirksames Qualitätssicherungssystem zu installieren und aufrechtzuerhalten. Der AN wird die Qualitätssicherung in der Weise gewährleisten, dass alle an die Erzeugnisse gestellten Qualitätsanforderungen eingehalten werden. Die Warenausgangsprüfung ist an jeder Fertigungscharge durchzuführen. Um die Zuordnung der Lieferungen zum entsprechenden Fertigungslos zu gewährleisten, werden die einzelnen Versandkartons mit dem Herstelldatum oder Abgangsdatum der Bestell-Nr., der AG-Material-Nr. sowie der Inhaltsmenge vom AN gekennzeichnet. 4.2 Dokumentation und Prüfbescheinigung Der AN fertigt Aufzeichnungen über die durchgeführten Prüfungen an. Die ermittelten Prüfergebnisse werden von dem AN auf einem Prüfprotokoll festgehalten und sind dem AG jederzeit auf Anfrage des AG zuzuleiten.
655
Die vereinbarten Prüfbescheinigungen oder Qualitätsprüf-Zertifikate nach ………. werden für jede Lieferleistung erstellt und dem AG unaufgefordert zugeleitet. Die Prüfbescheinigungen/Zertifikate sind dem Lieferschein jeweils beizufügen. Diese Dokumentation ist von AN mindestens …… (z. B. 10) Jahre aufzubewahren und vom AG auf Verlangen zur Einsichtnahme zu überlassen. 4.3 Sonderfreigabe Für Erzeugnisse, die nicht allen von den Parteien spezifizierten Anforderungen entsprechen, kann der AN in Ausnahmefällen unter Angabe von Art und Ursache der Abweichung sowie der betreffenden Menge und der eingeleiteten Abhilfemaßnahmen vor Lieferung eine Sonderfreigabe bei dem AG beantragen. Erteilt der AG eine Sonderfreigabe, muss diese auffällig und in gekennzeichneten Versandkartons verpackt, getrennt von Normalware, geliefert werden. 4.4
Qualitätsbeschreibungsblätter (QBB)/Prüfungsvereinbarungen Die von dem AN durchgeführten Prüfungen gewährleisten die vom AG in dem QBB aufgeführten Vorgaben. Der AN akzeptiert die in den QBB festgelegte Prüfschärfe. Der AN erkennt die Labor-Sollvorgaben und die QBB an und richtet die Prüfungen nach den darin enthaltenen Vorgaben aus. Aus den QBB´s und der gültigen Zeichnung ergeben sich die Prüfvorgänge, die in einer Arbeitsanweisung (Prüfblatt) für jeden einzelnen Arbeitsschritt festgehalten sind. Der AN orientiert sich an ihren Inhalt und richtet seine Prüfungen entsprechend aus. Alle weiterführenden, bei dem AN durchgeführten Prüfungen zur Sicherstellung der Qualität stehen nicht im Widerspruch zu den Vorgaben von AG.
656
5. Zusätzliche Qualitätssicherungsmaßnahmen 5.1 Prüfung neuer Erzeugnisse durch AG Die ersten zwei unter Serienbedingungen hergestellten Lieferungen werden bei dem AG (je nach Fehlermerkmal und Wertigkeit) abweichend vom vereinbarten AQL-Wert geprüft, folgende acht mit dem vereinbarten AQL-Wert. Gemeinschaftlich wird nach diesen Anlieferungen in Absprache mit internen Verarbeitern und dem Lieferanten der erforderliche AQL-Wert festgeschrieben.
5.2 Zuteilsprobe Der AG führt weiterhin mindestens eine Zufallsprobe nach eigenen Ermessen für alle von dem AN gelieferten Erzeugnisse durch.
6. Gewährleistung 6.1 Mängelrüge Aufgrund dieser Vereinbarung ist der AG von der Obliegenheit zur unverzüglichen Untersuchung und Rüge offensichtlicher Mängel (§ 377 Abs. 1 HGB) befreit.
6.2 Sonstige Gewährleistungsbestimmungen Ansonsten gelten die gesetzlichen, insbesondere die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches zur Mängelhaftung, soweit in den Allgemeinen Einkaufsbedingungen des AG keine abweichenden Regelungen enthalten sind.
7. Produkthaftung Im Hinblick auf eine mögliche Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz hat der AN bei ……… eine Versicherung mit einer Deckungssumme in Höhe ……… EUR je Schadensfall abgeschlossen, die insbesondere folgende Risiken abdeckt: Personen und Sachschäden. Zur Sicherung etwaiger Regressansprüche des AG aufgrund möglicher Inanspruchnahme auch als Gesamtschuldner aus § 5 ProduktHaftG wird der AN diese Versicherung während der Vertragsdauer aufrechterhalten oder eine entsprechende andere Versicherung abschließen
657
und den AG unverzüglich schriftlich benachrichtigen, wenn die Versicherung gekündigt worden ist. Die verschuldungsunabhängige Haftung des Produkthaftungsgesetzes gilt auch im Innenverhältnis zwischen den Vertragsparteien.
8. Laufzeit / Änderungen / Kündigung 8.1 Diese Vereinbarung tritt mit dem Tage der Unterzeichnung durch beide Vertragsparteien in Kraft. Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen zu 8.2 ihrer Gültigkeit der Schriftform. 8.3 Die Kündigungsfrist beträgt 6 Monate zum Monatsende; die Kündigung hat schriftlich zu erfolgen. 8.4 Das Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund besteht für beide Parteien. Der AG ist insbesondere dann zur fristlosen Kündigung berechtigt, wenn der Versicherungsschutz gemäß Punkt 7 entfällt.
9. Schlussbestimmungen 9.1 Die Vertragsparteien verpflichten sich, diese Vereinbarung Dritten nicht zugänglich zu machen. Auf diese Vereinbarung findet deutsches Recht unter Aus9.2 schluss des UN-Kaufrechts Anwendung. 9.3 Erfüllungsort für beide Parteien ist ……… . Gerichtsstand ist ……… .
10. Gültigkeit der allgemeinen Einkaufsbedingungen Soweit in diesem Vertrag nicht ausdrücklich andere Bedingungen vereinbart worden sind, gelten ergänzend die Allgemeinen Einkaufsbedingungen des AG, Stand ……… .
Ort, den …………
Ort, den …………
Firma …………………… (befugte Unterschrift)
Firma …………………… (befugte Unterschrift)
658
Geheimhaltungsvereinbarung
Die Firmen HAUNI Maschinenbau AG Kampchaussee 8 - 32 21033 Hamburg ........... ...........
-
nachstehend HAUNI
-
nachstehend XX genannt
und ........... ...........
vereinbaren einvernehmlich nachfolgende Regelungen: 1.
Die Partner dieses Schutzabkommens beabsichtigen, Vertragsverhandlungen zu führen. Gegenstand der Gespräche wird sein:
2.
XX verpflichtet sich, von den Informationen, die er während der Verhandlungen oder der angestrebten folgenden Geschäftsverbindung von HAUNI erhält, keinerlei zweckfremden Gebrauch zu machen. Die Verpflichtungen gelten nicht für Informationen, die dem Vertragspartner nachweislich schon zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bekannt waren oder später durch Dritte ohne Verstoß gegen die Geheimhaltungsvereinbarung bekannt werden und ebenso nicht für Informationen, die im Allgemeinen zugänglich oder offenkundig werden. Die XX überlassenen Unterlagen dürfen als Ganzes Dritten weder ausgehändigt noch zugänglich gemacht werden. Sollte es im Rahmen der Auftragsdurchführung notwendig sein, Teilinformationen an Unterlieferanten weiterzugeben, so ist dies nur unter der Maßgabe zulässig, dass HAUNI als Urheber der Information nicht erkennbar ist. Teile nach diesen Unterlagen dürfen nur gegen Auftrag der HAUNI gefertigt werden. Unzulässig ist eine Fertigung oder ein Vertrieb durch Dritte sowie der Vertrieb an Dritte.
3.
XX verpflichtet seine jeweils betroffenen Mitarbeiter entsprechend.
659
4.
Für den Fall einer Auftragserteilung an XX verpflichtet sich dieser, alle im Rahmen der Auftragsdurchführung entstehenden Entwicklungsergebnisse einschließlich aller Erfindungen und urheberrechtsfähigen Schöpfungen der HAUNI zur ausschließlichen und unbefristeten Verwertung zur Verfügung zu stellen. Gegebenenfalls wird XX auf Wunsch von HAUNI im Rahmen der Auftragsdurchführung entstehende Arbeitnehmererfindungen in Anspruch nehmen und auf HAUNI übertragen.
5.
Bei Beendigung der Zusammenarbeit wird XX sämtliche Unterlagen an HAUNI zurückgeben. XX wird auch bei Nichtzustandekommen oder nach Beendigung einer Zusammenarbeit die Informationen nicht an Dritte weitergeben oder zu eigenen gewerblichen Zwecken nutzen.
6.
Bei schuldhafter Nichteinhaltung der Verpflichtung aus § 2 durch XX wird die Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von EUR ……………… fällig.
7.
Vertragsänderungen oder -ergänzungen bedürfen der Schriftform.
8.
Die Vertragspartner werden evtl. entstehende Meinungsverschiedenheiten über die Anwendung bzw. Auslegung der vorstehenden Regelungen auf gütlichem Wege klären. Sollte wider Erwarten keine Einigung erzielt werden, wird als Gerichtsstand Hamburg vereinbart. Es gilt das Recht der Bundesrepublik Deutschland.
Hamburg, den
HAUNI Maschinenbau AG
i.V.
660
Einkaufsrichtlinie
Nr. EK88-042
Sachgebiet: Gültigkeitsbereich:
Umweltschutz Alle Einkaufsfunktionen
In Kraft ab: Außer Kraft am:
10.09.XX 31.08.XX
Herausgebende Abt.: Zuständig:
EK Einkauf Steuerung
Verantwortung für den Umweltschutz bei Lieferanten Referenz: MFG 87-007 und LG-Handbuch Register 8.1.7 1. Generelle Zielsetzung Ziel dieser Richtlinie ist es sicherzustellen, dass Lieferanten, die bestimmte Produkte für die IBM herstellen oder besonders umweltrelevante Dienstleistungen erbringen, die einschlägigen Gesetze einhalten. Außerdem muss sichergestellt werden, dass bei der Verlagerung von Prozessen zu Lieferanten keine höheren Umweltbelastungen auftreten, als sie in der abgebenden IBM Lokation waren. 2. Allgemeine Verantwortung Wenn IBM andere als Standardgüter kauft, sind die bei deren Herstellung möglicherweise entstehenden Umweltrisiken zu bewerten. Insbesondere ist dabei zu überprüfen: -
Ist der zu beauftragende Lieferant willens und in der Lage, alle einschlägigen gesetzlichen Vorschriften einzuhalten.
-
Werden für die Herstellung des Produktes oder zur Erbringung der Dienstleistung gefährliche Stoffe benötigt oder bezieht sich die Dienstleistung auf den Umgang mit gefährlichen Stoffen.
661
-
Inwieweit nimmt die IBM Einfluss auf die Tätigkeit des Lieferanten. Dabei sind folgende Grundregeln zu beachten: -
662
Der IBM-Anteil am Gesamtgeschäft des Lieferanten sollte so gering wie möglich gehalten werden. Dem Lieferanten sollten nur so viele Vorschriften, Spezifikationen, Betriebseinrichtungen usw. zur Verfügung gestellt werden, wie unbedingt erforderlich sind. Alle Maßnahmen, die den Einfluss der IBM auf die Tätigkeit des Lieferanten verstärken, sind sorgfältig abzuwägen und ggf. mit der Rechtsabteilung abzustimmen.
Übungsteil
Aufgabe 1: Aufgabe 2: Aufgabe 3: Aufgabe 4: Aufgabe 5: Aufgabe 6: Aufgabe 7: Aufgabe 8: Aufgabe 9: Aufgabe 10: Aufgabe 11: Aufgabe 12: Aufgabe 13: Aufgabe 14: Aufgabe 15: Aufgabe 16: Aufgabe 17: Aufgabe 18: Aufgabe 19: Aufgabe 20: Aufgabe 21: Aufgabe 22: Aufgabe 23: Aufgabe 24: Aufgabe 25: Aufgabe 26: Aufgabe 27: Aufgabe 28: Aufgabe 29: Aufgabe 30: Aufgabe 31: Aufgabe 32:
Beschaffungspolitik Gewinnbeitrag des Einkaufs Erfolgsmessung in der Materialwirtschaft - Der Return-on-Investment als Kennzahl Logistik: Aufgaben- und Kompetenzbereich Stellenbildung im Einkauf ABC-Analyse (Verbrauchswertanalyse) XYZ-Analyse - Sortierung der Teile Portfolio-Analyse Messebesuch und seine Vorbereitung Eigenfertigung oder Fremdbezug Stücklistenauflösung nach Dispositionsstufen Exponentielle Glättung 1. Ordnung und Ermittlung der Gesamtvorhersage bei einer festgelegten Lieferbereitschaft Nettobedarfsrechnung (Einführungsaufgabe) Nettobedarfsrechnung in mehreren Ablaufschritten Gleitende Bestellpunktrechnung Bestellterminrechnung Losgrößenverfahren Optimale Bestellmengenbestimmung mithilfe der Andlerschen Formel Bestellmengenermittlung mithilfe der Andlerschen Formel (Beweisführung) Bestellmengenoptimierung nach dem Kostenausgleichsverfahren Bestellmengenoptimierung nach dem Stück-Perioden-Ausgleichsverfahren - Einführungsbeispiel Tagesgenaue Bestellmengenoptimierung nach dem Stück-Perioden-Ausgleichsverfahren Mathematische Bestimmung des Sicherheitsbestandes Preisanalyse Deckungsbeitragsrechnung in der Praxis Lieferantenbeurteilung Einkaufsbedingungen Abwehr einer Preiserhöhung Preisgleitklausel Rechnungsprüfung Lagerortbezeichnung Lagerorganisation
665
Aufgabe 33: Aufgabe 34: Aufgabe 35: Aufgabe 36:
666
Entsorgung - Übersichtsgrafik Durchschnittspreisberechnung Richtlinie für die Inventur - Geltungsbereich Auswertung der Inventurergebnisse
Aufgaben
Aufgabe 1:
Beschaffungspolitik
Stellen Sie in Form eines Kataloges die beschaffungspolitischen Grundsätze zusammen, die zweifelsfrei zwecks zielorientierter Vorgehensweise des Einkaufs geklärt werden sollten. Unterscheiden Sie dabei zwischen a) Entscheidungen marktbezogener Art, die der Einkauf im Wesentlichen unabhängig von innerbetrieblichen Gegebenheiten treffen kann, und b) güterbezogenen Grundsätzen, bei denen die Interessen des Einkaufs mit denen anderer Bereiche kollidieren (können). c) Nennen Sie zumindest vier Grundsätze der Lieferantenpolitik.
Aufgabe 2:
Gewinnbeitrag des Einkaufs
Dem Geschäftsbericht eines Unternehmens der metallverarbeitenden Industrie sind folgende Zahlen zu entnehmen: Aus der Bilanz: Anlagevermögen Umlaufvermögen davon Vorräte Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe unfertige Erzeugnisse fertige Erzeugnisse
Angaben in TEUR 24.490 46.199 8.673 8.738 3.988
Bilanzsumme
70.689
Aus der G.u.V.: Umsatzerlöse
148.046
Gesamtleistung Materialaufwand Personalaufwand Abschreibungen sonstige Aufwendungen Jahresüberschuss
61.323 51.335 6.937
149.166
3.981
667
Aufgaben a) Ermitteln Sie - die Vorratsintensität, - die Material- und Personalintensität (gemessen am Umsatz; vgl. Tabelle 1.1). b) Angenommen, dem Einkauf gelingt eine 3 %ige Reduzierung des Materialaufwandes. Welche Umsatzsteigerungsrate müsste der Verkauf erzielen, um den gleichen Gewinneffekt zu erreichen? (Rahmenbedingungen bleiben unverändert). c) Überprüfen Sie die Richtigkeit des Ergebnisses, indem Sie die Zahlen des Geschäftsberichtes „fortschreiben“. d) Inwieweit kann der Einkauf auch auf den Grad der Vorratsintensität Einfluss ausüben?
Aufgabe 3:
Erfolgsmessung in der Materialwirtschaft - Der Return-onInvestment als Kennzahl
Aus den Zahlen des Geschäftsberichtes eines Großserienherstellers sind ermittelt worden: - Materialintensität: - Vorratsintensität: - Umsatzrentabilität:
50 % von 200 (= Umsatz) 30 % von 100 (= Bilanzsumme) 5%
Die Zielsetzungen für das kommende Jahr lauten: - Reduzierung der Materialkosten um 4% - Abbau der Lagerbestände um 20 % a) Ermitteln Sie die (angestrebten) Auswirkungen auf den Rol! (Der Einfachheit halber sind Veränderungen der Kapitalbindungskosten zunächst zu vernachlässigen.) b) Wie würde sich der Rol unter Berücksichtigung der Kapitalbindungskosten verändern? Setzen Sie für Zinsen und kalkulatorische Wagnisse 15 % an und gehen Sie von einem gleichmäßigen Lagerabbau aus.
Aufgabe 4:
Logistik: Aufgaben- und Kompetenzbereich
a) Welche Subsysteme sind den logistischen Teilfunktionen oder dem Einkauf zuzuordnen? Die Dimensionierung der Subsysteme ist unterschiedlich. Es bedeuten:
668
Aufgaben BL = PL = VL = E =
Beschaffungslogistik Produktionslogistik Vertriebslogistik Einkauf (gestaltend, marktorientiert) BL
-
-
PL
VL
E
–
Fertigungssteuerung Warenannahme Preisanalyse Auftragsabwicklung Zwischenlager Fertigungsprogrammplanung Terminüberwachung Versanddisposition Fertigwarenlager Beschaffungsmarktforschung Materialbedarfsplanung Verpackung Fertigungsüberwachung Qualitätsprüfung (WE) Fuhrpark Mengenprüfung (WE) Versandlager Angebotsbearbeitung Maschinenbelegung Disposition von - Eigenfertigungsteilen - Fremdbezugsteilen - Handelswaren Rechnungsprüfung Fertigungsplanung Vertragsabschluss Rohstofflager Abrufe
b) Wie ist die Kompetenzabgrenzung der ganzheitlichen Logistik - zum Einkauf - zur Produktion - zum Verkauf zu definieren? Welche Schnittstellen sind zu beachten?
669
Aufgaben
Aufgabe 5:
Stellenbildung im Einkauf
Die Firma Howmedica GmbH, Schönkirchen, eine inzwischen 100 %ige Tochter des Stryker-Konzerns, führender Hersteller chirurgischer Implantate und Instrumente für die Traumatologie war mit 3 Einkaufsmitarbeitern für die Beschaffung aller Materialien und Komponenten für das Unternehmen beschäftigt. Der Einkauf war eingebunden in den Bereich Fertigung/Materialwirtschaft. Eine Differenzierung der Aufgaben erfolgte nach Warengruppen, wobei sich die Einkaufsumsetzungen z.T. auf reine Bestellabwicklungstätigkeiten beschränkten: von der primär Einzel-Bedarfsmeldung über Bestellschreibung bis hin zur Verfolgung der Bestätigung, Liefertermine, Wareneingänge und z.T. Rechnungsprüfung, Reklamationsbearbeitung. Die Aufgabenvielfalt, die sich aufgrund der Organisation in erster Linie auf die abwicklungstechnischen Tätigkeiten konzentrierte sowie die steigenden Routinearbeiten unter der Notwendigkeit der Umsetzung der medizingesetzlichen Sorgfaltspflichten, der permanenten Expansion des Gesamtgeschäftes incl. eines sehr hohen Anteils neuer Produkte (Neuanläufe) ließen immer weniger Zeit für die notwendigen „einkäuferischen“ Tätigkeiten. Das Volumen erstreckte sich auf: > 15.000 Bezugsteile > 1.500 Lieferanten > 1.000 Bestellungen/Monat Materialgruppen: - Produktionsmaterial - Processingmaterial (Hilfs- und Betriebsstoffe) - Spezialbezugsteile (Zeichnungsteile) - Normbezugsteile - Schneidwerkzeuge Es wurde ein Einkaufs-/Logistikleiter eingestellt, der eine Neuorganisation des Einkaufs nach den modernen Erkenntnissen aufgebaut hat. a) Erarbeiten Sie Vorschläge zur neuen Aufgabenverteilung im Einkauf unter Beachtung einer strategisch ausgerichteten Organisation. Sie sollten dabei zwischen rein strategischen und operativen (marktorientierten) Aufgaben unterscheiden. Welche Teilaufgaben sind nach Ihrer Einschätzung diesen Aufgabenkomplexen/Aufgabenbereichen im Zuge der Reorganisation zugeordnet worden?
670
Aufgaben b) Stellen Sie Ihren Organisationsvorschlag in Form eines Organigramms dar. c) Unterbreiten Sie Vorschläge zur Entlastung des Einkaufs, um Kapazität für die Wahrnehmung strategisch/operativer Aufgaben zu gewinnen. d) Beschreiben Sie die Aufgaben, die selektiv zwecks Realisierung einer Centerorganisation in einzelne Fertigungszellen (nach dem Fabrik in der Fabrik-Konzept) übertragen werden können.
Aufgabe 6:
ABC-Analyse (Verbrauchswertanalyse)
Erstellen Sie eine ABC-Analyse aufgrund folgender Daten: Materialposition (Stück/Preis pro Stück) 1 2 3 4 5
(5.000/-,26) (40/60,50) (800/2,50) (1.200/3,55) (5.720/52,45)
Aufgabe 7:
6 7 8 9 10
(15.000/2,67) (21.000/-,05) (1.700/ 22,50) (17.800/-,15) (600/10,50)
XYZ-Analyse - Sortierung der Teile
Ihnen liegt zum Problemkreis Bedarf als Formularbeispiel 18 ein Ausdruck zur Sortierung der stochastischen Bedarfe nach ihrer Vorhersagegenauigkeit vor. a) Interpretieren Sie die Sortierfolge! b) Vollziehen Sie für die Teilenummer 509-4676 die Berechnung von SQ-ABW nach. c) Warum führen alle Teile in der aktuellen Sortierung das Merkmal „X“? d) Für die Teilenummer 529-2759 z.B. hat sich der ALPHA-Faktor von 0.21 auf 0.40 erhöht. Stellen Sie eine Verbindung zu den Ergebnissen der XYZ-Analyse her.
671
Aufgaben
Formularbeispiel 18:
Aufgabe 8:
XYZ-Analyse - Sortierung der Bedarfe (Listenauszug)
Portfolio-Analyse
In einem konkreten Anwendungsfall soll die Angebotsmacht der Lieferanten analysiert und näher beschrieben werden.
672
Aufgaben a) Erstellen Sie ein Lieferanten-Portfolio in Form einer 4-Felder-Matrix. In dieser zweidimensionalen Übersicht ist die Marktbedeutung der Lieferanten (auf der Ordinate) dem Einkaufsvolumen als Anteil vom Lieferantenumsatz (auf der Abszisse) gegenüber zu stellen. Die Stärken und Schwächen der Lieferanten sind in die 4 Felder einzutragen. (Die Anordnung/Bezeichnung der Felder sollte der Einkaufsmatrix gemäß Abb. 34.2 im dritten Abschnitt folgen.) b) Leiten Sie aus den vier unterschiedlichen Marktmacht-Konstellationen der Lieferanten Normstrategien ab.
Aufgabe 9:
Messebesuch und seine Vorbereitung
a) Welche Vorteile bietet der Messebesuch bei gründlicher Vorbereitung? b) Stellen Sie in Form einer Checkliste die wichtigsten Punkte zusammen, die im Rahmen einer gezielten Messevorbereitung zu beachten sind.
Aufgabe 10: Eigenfertigung oder Fremdbezug In einem Anwendungsfall waren folgende Angaben gegeben: Jahresproduktion 6.000 Stück (Gussteile) Absatz gesichert für 3 Jahre Einkaufspreis für Pressteile 3,- EUR/Stück Werkzeuge für die Pressteile 45.000 EUR Werkzeuge halten für über 100.000 Stück Ist Eigenfertigung der Gussteile oder Fremdbezug von Pressteilen wirtschaftlicher? a) Zu welchem Ergebnis kommen Sie aufgrund der nachstehenden Kostenvergleichsrechnung, die zu vervollständigen ist (freie Kapazität ist vorhanden). Kostenarten (variabel)
Kosten EUR/Jahr Methode Gussteil Pressteil
Material Fertigungslohn 60 % Lohnnebenkosten Werkzeuge, Energie und Hilfsstoffe
10.800 8.100 4.860 3.900
Vergleichskosten Ergebnisänderung
673
Aufgaben b) Wie ist zu erklären, dass der Einkauf zu einem anderen Ergebnis kam? Vgl. Sie dazu die abgebildeten Kostenkurven (HK = Herstellkosten). TEUR
HK-Gussteile
Gussteile Pressteile
Presswerkzeug
Stückzahl (1.000 St./Jahr) Abbildung 101: Eigenfertigung oder Fremdbezug bei freier Kapazität
c) Angenommen, der Absatz übersteigt die technisch mögliche Fertigungskapazität von 6.000 Stück/Jahr. Die erforderliche Investition ruft Mehrkosten in Höhe von ca. 10.000 EUR/Jahr hervor. Erläutern Sie die veränderte Entscheidungssituation und formulieren Sie einen Lösungsvorschlag. Stellen Sie den Kostenvergleich grafisch dar. d) Nennen Sie weitere Gründe, die gegen Eigenfertigung sprechen (könnten)! e) Welche Funktionen/Abteilungen sollten dem Entscheidungsteam angehören, wenn es um die Frage Make-or-Buy geht? f) Warum ist vor allem der Einkauf gefordert?
Aufgabe 11: Stücklistenauflösung nach Dispositionsstufen Die Erzeugnisse E1 und E2 weisen folgende Struktur auf:
674
Aufgaben E2 1 T2
E1 2 T5
1 B1
2 T2
B
1 T1
2 B2 B
2 T2
1 T2
4 T3
Der Primärbedarf für E1 und E2 ist laut Produktionsplan wie folgt verteilt: Perioden/ Erzeugnisse E1 E2
4
5
6
7
8
9
15 30
20 40
30 45
40 60
55 55
45 50
Für T2 entsteht bei E1 ein Ersatzteilbedarf von jeweils 10 ME/ Periode. Für die Baugruppe B1 ist in den Perioden 7 und 8 jeweils ein Ersatzteilbedarf von 5 ME vorzusehen. Die Vorlaufverschiebung jeder Stufe beträgt jeweils 1 Periode. Ermitteln Sie den Bruttoproduktionsbedarf (ohne Zusatzbedarf für Ausschuss) für B1 und T2!
Aufgabe 12: Exponentielle Glättung 1. Ordnung und Ermittlung der Gesamtvorhersage bei einer festgelegten Lieferbereitschaft Gegeben sind folgende tatsächlichen Verbrauchswerte: Periode Bedarf
1 90
2 110
3 100
4 105
5 95
6 100
a) Ermitteln Sie mittels der exponentiellen Glättung 1. Ordnung die Prognosewerte für die Perioden 2 bis 6 für α = 0.1 α = 0.2 α = 0.5
675
Aufgaben b) Stellen Sie die Ergebnisse grafisch dar! c) Ermitteln Sie die Gesamtvorhersage für α = 0.2 bei einer festgelegten Lieferbereitschaft von 97.72 %.
Aufgabe 13: Nettobedarfsrechnung (Einführungsaufgabe) Neben anderen Teilen enthält das Erzeugnis E1 3 Stück der Materialposition T2. Der Primärbedarf verteilt sich auf 6 Perioden (20; 25; 22; 25; 20; 24 Stück in der Reihenfolge der Perioden). Der Zusatzbedarf beträgt pro Periode 5 Stück von T2. Zu Beginn der 1. Periode liegt ein verfügbarer Lagerbestand von 110 Stück T2 und ein Bestellbestand von 60 Stück vor. Mit Eingang der Bestellung wird in der 4. Periode gerechnet. - Führen Sie anhand dieser Daten die Nettobedarfsrechnung durch! Achten Sie auf einen systemgerechten Aufbau!
Aufgabe 14: Nettobedarfsrechnung in mehreren Ablaufschritten Führen Sie eine Nettobedarfsrechnung für die Baugruppe B8 sowie für das in dieser Baugruppe jeweils dreimal enthaltene Teil T6 durch. Gegeben sind folgende Daten: Periode Bedarfe B8 Werktage
1
2
3
4
5
6
7
8
9
45
53
112
174
256
260
211
179
102
130
140
150
160
170
180
190
200
210
Außerdem liegen für B8 vor: Ersatzteilbedarf (für den Markt) je Periode aus Vorhersageroutine: Reservierungen für folgende Perioden:
11 ME 2. Periode: 4. Periode: 5. Periode:
27 ME 4 ME 9 ME
Der aktuelle Lagerbestand beträgt 204 ME Für Ausschuss bei der Produktion sind 10 % anzusetzen. In Periode 3 existiert eine offene Bestellung über 100 ME. Die Mindestlosgröße soll 300, die maximale Losgröße 600 ME betragen. Vorlaufverschiebung jeder Stufe zwei Perioden. 1 Periode = 10 Werktage
676
Aufgaben
Aufgabe 15: Gleitende Bestellpunktrechnung Ihnen liegt die als Formularbeispiel 19 abgedruckte Liste „Dispositionsparameter Änderungsdienst“ der Kromschröder AG, Osnabrück, vor. 1 Desweiteren stehen Ihnen dispositive Informationen zur Verfügung.
Formularbeispiel 19:
Listenausdruck: Dispositionsparameter - Änderungsdienst
1
Auch nach Umstellung auf SAP-R/3 wird das Verfahren der gleitenden Bestellpunktrechnung in der abgebildeten Systematik genutzt.
677
Aufgaben Es bedeuten: MV = Monatsvorhersage SB = Sicherheitsbestand QT = Quantifizierungsfaktor von MV zur Berechnung von SB a) Ermitteln Sie Vneu (= Prognosewert für V12). b) Vollziehen Sie die Berechnung von BPneu gemäß Ausdruck nach. c) Wie ist der Jahresverbrauch (JV) ermittelt worden und für welche dispositive Entscheidung muss diese Information zur Verfügung stehen?
Aufgabe 16: Bestellterminrechnung Als Materialdisponent verwalten Sie ca. 2.000 Materialpositionen. Der Bearbeitungszyklus beträgt 10 Tage. Sie bearbeiten am Fabrikkalendertag 320 eine Position mit folgenden Werten: Verfügbarer Lagerbestand: Bestellbestand - Restmenge: - Liefertermin: Sicherheitszeit: Verbrauch: Wiederbeschaffungszeit: Einlagerungszeit:
1.500 Stück 500 Stück Tag 356 6 Tage 50 Stück/Fabriktag 25 Tage 5 Tage
a) Führen Sie eine Bestellterminrechnung durch! b) Ist die noch zu liefernde Restmenge richtig terminiert?
Aufgabe 17: Losgrößenverfahren Bei EDV-Anwendung kann das vom System auszuwählende Losbildungsverfahren je Teil vom Benutzer über den Bestellmengenschlüssel im Teilestammsatz bestimmt werden. Formulieren Sie im Sinne eines Benutzerhandbuches Regeln für folgende Losgrößenverfahren: - Diskrete Bestellmenge - Fixe Bestellmenge - Feste Eindeckzeit
678
Aufgaben
Aufgabe 18: Optimale Bestellmengenbestimmung - mithilfe der Andlerschen Formel Für eine Materialposition sind Ihnen folgende Angaben gegeben: Jahresbedarf = J = Bestellkosten BK = Einstandspreis EP Lagerhaltungskostensatz LHS =
20.000 Stück 60 EUR je Bestellung 12 EUR je Stück 20
a) Ermitteln Sie die optimale Bestellmenge näherungsweise auf tabellarischem Wege. Nehmen Sie als Bestellhäufigkeit 5, 10, 15, 20 usw. bis 50 an. b) Überprüfen Sie das tabellarisch ermittelte Ergebnis mithilfe der Andler-Formel. c) Stellen Sie den Verlauf der Gesamtkostenkurve grafisch dar.
Aufgabe 19: Bestellmengenermittlung mithilfe der Andlerschen Formel (Beweisführung) a) Führen Sie rechnerisch den Beweis, dass bei stark schwankendem Bedarf nicht mehr mit der Andler-Formel gerechnet werden darf. Gehen Sie dabei von den in Tabelle 14 festgehaltenen Angaben aus. Fassen Sie die Monatsbedarfe zum Jahresbedarf zusammen. b) Begründen Sie, warum die Lagerhaltungskosten erheblich höher liegen als bei Anwendung der gleitenden wirtschaftlichen Bestellmengenrechnung.
Aufgabe 20: Bestellmengenoptimierung nach dem Kostenausgleichsverfahren In einem Anwendungsfall erfolgt die Losgrößenoptimierung nach dem Kostenausgleichsverfahren. Dabei werden die Lagerhaltungskosten der jeweils ersten Verbrauchsperiode eines Loses außer acht gelassen. a) Führen Sie die Bestellmengenoptimierungsrechnung unter Zugrundelegung des erwähnten Ansatzes und nachfolgender Daten durch: Periode
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
Bedarfe
220
320
90
420
200
90
20
100
50
30
20
70
679
Aufgaben Einstandspreis EP = 10 EUR je Stück Lagerhaltungskostensatz LHS = 24 % Bestellkosten BK = 100 EUR je Bestellung b) Wie würde sich das Ergebnis ändern, wenn man von der Annahme ausginge, dass während einer Periode ein gleichmäßiger Lagerabgang erfolgt? (Verbal!)
Aufgabe 21: Bestellmengenoptimierung nach dem Stück-Perioden-Ausgleichsverfahren - Einführungsbeispiel Ermitteln Sie die optimale Bestellmenge unter Zugrundelegung folgender Daten: Periode Bedarfe
1 10
Einstandspreis Lagerhaltungskostensatz Bestellkosten Fabriktage Periodenlänge Ist-Eindeckungstermin
2 2
3 15 EP = = LHS BK =
4 8
5 20
6 0
80 EUR je Stück 24 % 100 EUR je Bestellung 240 im Jahr 20 Fabriktage Fabriktag 1259
Der Ist-Eindeckungstermin fällt in die 1. Bedarfsperiode.
Aufgabe 22: Tagesgenaue Bestellmengenoptimierung nach dem StückPerioden-Ausgleichsverfahren Ihnen liegt im Formularbeispiel 5 im vierten Abschnitt unter Ziffer 4.3 eine Dispositionsliste vor. In diesem Praxisfall erfolgt die Optimierungsrechnung tagesgenau nach dem Stück-Perioden-Ausgleichsverfahren. a) Vollziehen Sie die Berechnung der Losgröße (128 ME) zum Bedarfstermin 4445 nach. Dabei sind noch folgende Angaben zu berücksichtigen: Einstandspreis Lagerhaltungskostensatz Bestellkosten Fabriktage TEIST
680
EP = = LHS BK =
32.17 EUR je ME 40 80 EUR je Bestellung 250 im Jahr 4445
Aufgaben
Formularbeispiel 20:
Komprimierte Dispositionsliste
b) Wie ist die Höhe des Lagerhaltungskostensatzes zu begründen?
681
Aufgaben c) Welcher Vorteil ergibt sich aus der tagesgenauen Optimierungsrechnung im Vergleich zur Periodenrechnung? Ziehen Sie dazu auch die als Formularbeispiel 20 wiedergegebene komprimierte Dispositionsliste heran. Welche Informationen sind in dieser nicht enthalten?
Aufgabe 23: Mathematische Bestimmung des Sicherheitsbestandes Folgende Daten sind gegeben: Periode Verbrauch
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
80
92
103
90
102
94
107
109
93
105
118
95
a) Ermitteln Sie die nominelle und absolute Abweichung vom arithmetischen Mittel je Periode. b) Berechnen Sie den Sicherheitsbestand für einen festgelegten Servicegrad von - 84.13 % - 94.52 % - 99.18 %. c) In welchen Perioden liegt - ausgehend von den Daten - keine Bedarfsdeckung vor?
Aufgabe 24: Preisanalyse Ein metallverarbeitender Industriebetrieb hat mit einem seiner Lieferanten als Preisbasis vereinbart: -
Für die Aluminiumlegierung 226, eine Umschmelzlegierung, 1,95 EUR/kg für Öl 25,- EUR/100 Liter.
Einen Folgeauftrag rechnet der Lieferant wie folgt ab: Ihr Auftrag v. 17. 4. Nr. 51 /59491400 208
682
Motorgehäuse 4264 004 508 Mtz 139,360 kg Ötz 139,360 kg
EUR/ME EUR/Gesamt 4,97 2,76 30,80
1.033,76 384,63 42,92
Aufgaben Analysieren Sie die Teuerungszuschläge (Mtz und Ötz). Dabei sind folgende Tagesnotierungen zugrunde zu legen: - Metall : 4,25 EUR/kg - Öl : 63,50 EUR/100 Liter Es ist ein Einschmelzverlust (Abbrand) von 20 % einzukalkulieren. Beim spezifischen Schmelzpunkt werden 0.8 Liter Öl benötigt, um 1 kg Aluminium zu schmelzen.
Aufgabe 25: Deckungsbeitragsrechnung in der Praxis Sie haben für das laufende Geschäftsjahr mit einem Lieferanten die Abnahme von 12.000 ME eines Artikels zum Preis von EUR 12,-/ME vereinbart. Für das Folgejahr erwarten Sie eine Verdoppelung des Bedarfs. Mit welchen Zielpreisvorstellungen gehen Sie in die Verhandlung, wenn Ihnen bekannt ist, dass der Artikel einen Deckungsbeitrag von EUR 4,-/ME abwirft? a) Es ist der Zielpreis unter Anwendung der Deckungsbeitragsrechnung zu ermitteln. b) Ihnen ist bekannt, dass der Lieferant wegen Absatzschwierigkeiten die vorhandenen Fertigungskapazitäten nur zum Teil auslasten kann. Diskutieren Sie eine Verhandlungsstrategie, die - ausgehend von der Marktmacht des eigenen Unternehmens als A-Kunde des Lieferanten - darauf abzielt, diese Situation auszunutzen und einen Preis in Höhe der absoluten Preisuntergrenze durchzusetzen. c) Aus welchen Gründen sollte der Einkäufer den variablen Kosten besondere Aufmerksamkeit schenken?
Aufgabe 26: Lieferantenbeurteilung Ein Industriebetrieb führt jährlich eine Beurteilung seiner A-Lieferanten nach dem nachstehend abgedruckten Bewertungsschema durch:
683
Aufgaben Lieferantenbeurteilung Lieferant: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
liefert einwandfreie Qualität hält Liefertermine ein treibt vernünftige Preispolitik beachtet Versandanweisungen beantwortet Anfragen prompt bestätigt Bestellungen prompt beantwortet Mahnungen umgehend 8. bearbeitet Mängelrügen schnell 9. hilft in Notfällen 10. nützliche Vertreterbesuche
Formularbeispiel 21:
immer 9-7
häufig 6-4
selten 3-1
Bewertungsbogen zur Lieferantenbeurteilung
Wie beurteilen Sie den Bewertungsbogen?
Aufgabe 27: Einkaufsbedingungen Überprüfen Sie die als Formularbeispiel 22 abgedruckten Einkaufsbedingungen im Hinblick auf preiswirksame Bestandteile. Einkaufsbedingungen 1. Bestellung und Bestellannahme: Für die Ausführung unserer Bestellung erkennt der Lieferant unsere Einkaufsbedingungen an, auch wenn dies nicht ausdrücklich erklärt wird oder die Geschäftsbedingungen des Lieferanten sogar Gegenteiliges besagen. Änderungen sind nur mit unserem ausdrücklichen Einverständnis möglich. Eine Bestätigung unserer Bestellung ist mit verbindlicher Preis- und Lieferterminangabe unverzüglich an uns zu richten. 2. Lieferzeit: Der Lieferant sichert die Lieferung der bestellten Ware oder Leistung präzise zu dem vereinbarten Termin zu. Die vereinbarten Liefertermine dürfen nur mit unserer ausdrücklichen Zustimmung überschritten werden, andernfalls sind wir - unbeschadet unseres Anspruches auf Schadenersatz - zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt.
684
Aufgaben 3. Versandvorschriften: Die Lieferungen müssen fracht- und verpackungskostenfrei an die umseitig bezeichnete Versandanschrift erfolgen. Alle Packstücke sind äußerlich mit Materialnummer und Stückzahl zu bezeichnen. Die Gefahr des Versandes trägt bis zur Übergabe in unserem Werk der Lieferant. Jeder Sendung ist ein Lieferschein 2fach mit Angabe unserer Bestellnummer und - soweit vorhanden - unserer Materialnummer beizufügen. Anlieferungen dürfen nur Montag - Donnerstag von 7.00 - 14.00 Uhr Freitag von 7.00 - 12.00 Uhr erfolgen. 4. Eingangsprüfungen: Für Stückzahlen, Maße und Gewichte einer Lieferung sind die von uns bei der Eingangsprüfung ermittelten Werte maßgebend. Mehr- oder Minderlieferungen gegenüber der Bestellmenge oder Abrufmenge sind nur bei Sonderanfertigungen statthaft bis zu +/- 5 %. 5. Mängelrügen und Gewährleistung: Der Lieferant garantiert einwandfreie Qualität der gelieferten Ware oder Leistung, soweit vorhanden, nach unseren Qualitätsbeschreibungsblättern. Eine etwaige Rücksendung beanstandeter Ware erfolgt auf Rechnung und Gefahr des Lieferanten. 6. Rechte Dritter: Der Lieferant sichert zu, dass Rechte Dritter an der gelieferten Ware nicht bestehen. Er hält uns von etwaigen Ansprüchen Dritter frei. 7. Zeichnungen und Werkzeuge: Zeichnungen, Textvorlagen, Berechnungen, Modelle und Werkzeuge bleiben unser Eigentum. Sie dürfen, auch wenn der Lieferer sie nach unseren Angaben selbst angefertigt hat, weder anderweitig verwendet oder dritten Personen zugänglich gemacht werden. 8. Bezahlung: Die Bezahlung erfolgt nach unserer Wahl nach dem vollständigen Empfang der bestellten Ware oder Leistung innerhalb 14 Tagen unter Abzug von 3 % Skonto oder innerhalb 60 Tagen netto. Bei Zahlung durch Wechsel übernehmen wir die Kosten.
685
Aufgaben 9. Erfüllungsort und Gerichtsstand: Erfüllungsort für alle Verpflichtungen aus diesem Vertrag ist der Ort der in der Bestellung angegebenen Versandanschrift. Für Rechtsstreitigkeiten wird, soweit gesetzlich zulässig, ohne Rücksicht auf den Streitwert, die Zuständigkeit des Amtsgerichts Hamburg-Altona vereinbart. Formularbeispiel 22:
Einkaufsbedingungen
Aufgabe 28: Abwehr einer Preiserhöhung Ein A-Lieferant, mit dem Sie seit Jahren in Geschäftsbeziehung stehen, konfrontiert Sie mit der Absicht, den Preis um 8,2 % anzuheben. Er begründet dies am 20.03. u.a. damit ..........., dass unsere Selbstkosten außerordentlich gestiegen sind und wir außerdem ab 01.04. eine 5,1 %ige Tariferhöhung der Löhne und Gehälter zu verkraften haben. Es besteht ein Sukzessivlieferungsvertrag mit einmonatiger Kündigung ... Sie möchten die Verbindung zu diesem Lieferanten nach Möglichkeit nicht aufgeben, doch scheint die Auseinandersetzung über eine Preiserhöhung unvermeidlich. a) Wie verhalten Sie sich grundsätzlich? Entwerfen Sie ein Antwortschreiben! b) Wie ist die Rechtslage? c) Welche Informationen versuchen Sie zu gewinnen? d) Wie würden Sie in der Preisverhandlung vorgehen?
Aufgabe 29: Preisgleitklausel Ermitteln Sie mithilfe einer Preisgleitklausel eine etwaige Preisveränderung, wobei folgende Werte vorgegeben sind: Baugruppe nach Zeichnung Preis (alt) 1.870,- EUR/Stück
686
Aufgaben
Anteil
Preis-Basis alt
Festanteil Lohn Guss Keramik Kupfer
F L FE Ke CU
10 40 25 15 10
20,10 EUR 930,00 EUR 38,50 EUR 398,00 EUR
neu (ab 1.4.) 21,13 EUR 942,00 EUR 38,50 EUR 378,00 EUR
a) Wie lautet der neue Preis? b) Wieviel beträgt die Preisänderung in Prozenten?
Aufgabe 30: Rechnungsprüfung Die Prüfung einer Rechnung ergibt keine Mängel, wird zur Zahlung freigegeben und unter Nichtabzug von Skonto wegen Überschreiten der dafür vereinbarten Zahlungsfrist - bezahlt. Die Zahlungskonditionen lauten: „... zahlbar binnen 10 Tagen abzüglich 3 % Skonto, binnen 30 Tagen netto Kasse.“ a) Weisen Sie rechnerisch nach, dass der Nichtabzug des Skontos eine sehr teuere Art der Finanzierung für den Auftraggeber darstellt. b) Durch welche Maßnahmen könnten Zahlungstermin-Überschreitungen weitgehend verhindert werden?
Aufgabe 31: Lagerortbezeichnung In einem Industrieunternehmen sind die Lagerorte der Artikel im Lagerbereich wie in Abb. 102 gekennzeichnet: a) Erläutern Sie die Abbildung. b) Welchem Artikel würden Sie die dem Ausgangspunkt am nächsten liegenden fixen Lagerorte zuweisen?
687
Aufgaben
Abbildung 102: Lagerorte im Lagerbereich
Aufgabe 32: Lagerorganisation Stellen Sie in Form einer Tabelle die wesentlichen Unterschiede zwischen einem konventionell organisierten und einem DV-gesteuerten Lager zusammen!
Aufgabe 33: Entsorgung - Übersichtsgrafik Stellen Sie in übersichtlicher Form - z.B. als Grafik - die verschiedenen Methoden und Verfahren der Entsorgung dar!
Aufgabe 34: Durchschnittspreisberechnung a) Interpretieren Sie die nachstehend aufgeführten, einem Anwendungsfall entnommenen Verfahrensregeln für die Berechnung des Durchschnittspreises. 1. Durchschnittspreis neu = Lagerbest. (alt) x Durchschnittspreis (alt) + Zugang x Einstandspreis Lagerbestand (alt) + Zugang
688
Aufgaben
2. Durchschnittspreis neu = Lagerbest. x Durchschnittspreis (alt) + Zug. x (Einpreis.neu-Einpreis.alt) Lagerbestand b) In welchen Situationen ist die Anwendung der ersten Formel sinnvoll? Führen Sie dazu ein Rechenbeispiel an!
Aufgabe 35: Richtlinie für die Inventur - Geltungsbereich Gegenstand einer Richtlinie für die Inventur des Vorratsvermögens sind alle wertmäßig geführten fremdbeschafften und eigengefertigten Lagerpositionen. Vor allem für nachfolgende Fälle sind besondere Regelungen zu beachten: - Wareneingangsbestände - Prüf- und Sperrlagerbestände - Unterwegs befindliche Ware - Ware bei Lieferanten - Konsignationslagerbestände Legen Sie für diese Sonderfälle Regelungen für die Durchführung der körperlichen Bestandsaufnahme fest.
Aufgabe 36: Auswertung der Inventurergebnisse Abweichungen zwischen Ist-Beständen und Soll-Beständen können auf eine Fülle von innerbetrieblichen und außerbetrieblichen Einflüssen zurückgeführt werden. Stellen Sie diese in Form einer Prüfliste zusammen!
689
Lösungen
Aufgabe 1:
Beschaffungspolitik
a) Im Rahmen der marktbezogenen Politik sollte u.a. zweifelsfrei geklärt werden, - ob grundsätzlich im freien Wettbewerb gekauft wird oder Einschränkungen aufgrund der unternehmensspezifischen Situation und/oder Abhängigkeit von Lieferanten zu beachten sind, - ob die Vorteile einer Preis-Mengen-Strategie genutzt werden sollen, - ob selbstständig Marktchancen wahrgenommen werden, - unter welchen Voraussetzungen Fremdbezug der Eigenfertigung vorzuziehen ist, - nach welchen Kriterien die Wahl des optimalen Lieferanten zu treffen ist, - ob Lieferantenbeziehungen systematisch zu pflegen sind und ein partnerschaftliches Verhältnis mit den Lieferanten anzustreben ist, - welche Bedingungen für den Abschluss von Gegengeschäften erfüllt sein müssen. b) Im Rahmen der güterbezogenen Politik sollte u.a. zweifelsfrei geklärt werden, - ob qualitative Höchstanforderungen gestellt werden müssen oder die Grenzqualität angestrebt werden kann, - wer über Kosteneinsparungen ohne Funktionseinbuße und Kosteneinsparungen mit Funktionseinbuße entscheidet, - wie Verbesserungen vorzuschlagen sind, - welche Serviceleistungen vom Lieferanten im kaufmännischen Bereich (Beratung, Garantien, Mitarbeit bei der Wertanalyse) und im technischen Bereich (Anfertigung von Werkzeugen, Ersatzteillagerung, Mitarbeit bei der Qualitätskontrolle) gefordert werden sollten, - ob der Einkauf, der Bedarfsträger oder der Einkauf zusammen mit dem Bedarfsträger die Garantie- bzw. Gewährleistungsfristen zu überwachen hat, - wie genau eine Spezifikation sein muss, damit ein Angebotsvergleich zweifelsfrei möglich ist, - welche Mitwirkungsmöglichkeiten der Einkauf beim Zustandekommen der eigenen Normen und Spezifikationen hat. c) Außer den unter a) genannten: - unter welchen Voraussetzungen Single Sourcing sinnvoll erscheint, - wie bei Multiple Sourcing der Gesamtbedarf auf die im Einzelnen ausgewählten Lieferanten verteilt werden soll, - welche Möglichkeiten der Einflussnahme auf den Lieferanten, d.h. der Lieferantenpflege und -entwicklung genutzt werden sollen, - ob und nach welchen Grundsätzen der Konzerneinkauf der Materialbeschaffung bei sonstigen potenziellen Lieferanten am Markt vorgezogen werden soll.
690
Lösungen
Aufgabe 2:
Gewinnbeitrag des Einkaufs
a) Vorratsintensität Materialintensität
= =
Personalintensität = b) GBE =
21.399 70.689 61.323 148.046 51.335 148.046
· 100 =
30,27 %
· 100 =
41,42 %
· 100 =
34,67 %
41,42 · 3 = 46,19 2,69
Der Gewinnbeitrag des Einkaufs - über eine 3 %ige Materialkosteneinsparung erzielt entspricht dem, den der Verkauf über eine Umsatzsteigerung von 46,19 % erreichen könnte! (Annahme: Konstanz der Rahmenbedingungen!) c) Beweisführung: Einkauf: Kosteneinsparung 61.323 · 3 % = = Gewinnbeitrag.
1.840
Verkauf: IST Umsatzsteigerung 148.046 (um 46,19 %) Jahresüberschuss: 3.982 (2,69 % vom Umsatz) Gewinnsteigerung =
SOLL 216.428 5.822 1.840
d) Durch Maßnahmen der Vertrags- und Lieferantenpolitik
Aufgabe 3:
Erfolgsmessung in der Materialwirtschaft - Der Return-onInvestment als Kennzahl
a) Rolist = Umsatzrentabilitätsoll
=
Kapitalumschlagsoll = Rolsoll
=
200 5% · 100 = 5%+2% = 200 = 94 7 % · 2.128 =
10 % 7% 2.128 14,9 %
691
Lösungen In etwa eine 50 %ige Erhöhung des Rol's ist zu erwarten! b) Es ist gleichmäßiger Lagerbestandsabbau zu unterstellen. Anfangsbestand + Endbestand 2
=
30 + 24 = 27 2
./.
15 30 · 100 =
4,50
15 27 · 100 =
4,05
Reduzierung der Kapitalbindungskosten
0,45
Rol = 7,450 % · 2,128 =
15,85 %
Aufgabe 4:
Logistik: Aufgaben- und Kompetenzbereich
a) Welche Subsysteme sind den logistischen Teilfunktionen oder dem Einkauf zuzuordnen? Die Dimensionierung der Subsysteme ist unterschiedlich. Es bedeuten: BL = VL = PL = E =
692
Beschaffungslogistik Vertriebslogistik Produktionslogistik Einkauf (gestaltend)
Lösungen
BL -
-
Fertigungssteuerung Warenannahme Preisanalyse Auftragsabwicklung Zwischenlager Fertigungsprogrammplanung Terminüberwachung Versanddisposition Fertigwarenlager Beschaffungsmarktforschung Materialbedarfsplanung Verpackung Fertigungsüberwachung Qualitätsprüfung (WE) Fuhrpark Mengenprüfung (WE) Versandlager Angebotsbearbeitung Maschinenbelegung Disposition von - Eigenfertigungsteilen - Fremdbezugsteilen - Handelswaren Rechnungsprüfung Fertigungsplanung Vertragsabschluss Rohstofflager Abrufe
x
x
PL
x x
x
x x
x x
VL
x
–
x
x
x x
x
x x
x x
E
x
x
x
x x
x
x x
b) Die Logistik ist für die Lösung aller Mengen- und Terminprobleme verantwortlich. Einkauf, Produktion und Verkauf sind somit von diesen Aufgaben entlastet und konzentrieren sich auf ihre eigentliche Funktion, nämlich Kapazitäten bereitzustellen und kostengünstig/preisgünstig Qualität zur Verfügung zu stellen. Schnittstellen sind: - Einkauf und Beschaffungslogistik - Produktion und Produktionslogistik - Vertrieb und Vertriebslogistik
693
Lösungen
Aufgabe 5:
Stellenbildung im Einkauf
a) Die einzelnen Aufgaben im Bereich Einkauf/Logistik des ehemals als Howmedica GmbH firmierenden Unternehmens differenzieren sich nach der Neuorganisation in die Teilaufgaben: Einkauf, Lieferantenauswahl, Lieferantenauditierung, technischer Support, Subcontracting (verlängerte Werkbank), Projekte, innerbetrieblicher Transport, Wareneingang, Wareneingangsprüfung, Rohmateriallager (incl. Anarbeitung), Halbfabrikatelager, Werkzeuglager, Gefahrgutlager, Hilfs- und Betriebsstoff-Lager. Es erfolgte eine Differenzierung der Einkaufsaufgaben in drei Kategorien, die teilweise miteinander verknüpft sind: Strategische Aufgaben: (1) Unternehmensstrategie Einkaufsstrategie (2) Entwicklung neuer Produkte - Investitionen Fertigung/Logistik - Just-in-Time-Konzepte - Pooling, Kompensationsgeschäfte - Outsourcing Fertigung, Ausschreiben/Projekte - Wertanalyse/Kostenoptimierungen - Make-or-Buy-Entscheidungen (3) Budgetplanung - Einkaufsüberwachung mittels Kennzahlen, Benchmarking Operative Aufgaben (Einkaufsmarketing): (1) Beschaffungsmarketing - Lieferantenauditierung - Anfragen, Angebotsauswertung - Lieferantenauswahl - Lieferantenbewertung - Vertragsverhandlungen - Verkauf von Schrott
694
Lösungen (2) Berichtswesen/monatlich - Einkaufsstatistiken - Lieferantenstatistiken - Einkaufscontrolling (3) Informationen an andere Abteilungen Verwaltende/dispositive Aufgaben: - Auftragserfassung - Abrufaufträge, Bestellschreibung - Überprüfung von Auftragsbestätigungen - Lieferzeitenüberwachung - Liefererinnerungen - Reklamationsbearbeitung - Ggf. Rechnungsüberwachung b) ZENTRALEINKAUF
Material-
Material-
Subcon-
Investi-
Prozess-
EK-
gruppe I
gruppe II
tracting
tionen
material
Controlling
Rohmaterial
Spezial-
lokal,
H&B,
Kennz.,
Normteile
bezugsteile
Global
C-Teile,
Statistiken,
Werkzeuge
Verpackung
PU-Cards
Reports
Abbildung 103: Stellenbildung im Einkauf (Beispiel aus der Praxis)
695
Lösungen c)
Prozesskettenorientierte Organisation und Arbeiten • Rechtzeitige Einbindung des Einkaufs in die Prozesskette • Einführung neuer Produkte • Forcieren der Standardprozesskette - Abschluss von Rahmenverträgen, um Einzelbestellungen, verwaltende Tätigkeiten zu reduzieren • Abrufaufträge über Online-Anbindungen • Automatische Bestellschreibung - Outsourcing von C-Teilen inklusive Logistiksystemen - Outsourcing von Dienstleistungen - Just-in-Time-Konzepte - Outsourcing Rechnungsprüfung - Purchasing-Card-System-Nutzung (processing material-maintenance) - Reduzierung von Kleinbestellungen - Reduzierung Anzahl der Lieferanten, Lieferantenkonzentration - Abschluss von Qualitätssicherungsvereinbarungen mit Lieferanten
d) Einkauf Verwaltende Aufgaben (siehe o.e. Aufstellung) in die einzelnen Fertigungszellen (Fertigungssegmente) verlagern. Aus den definierten Vertragsabschlüssen mit Lieferanten (verhandelt vom strategischem Einkauf) hat die Fertigungszelle einen direkten Zugriff/Einfluss auf zu liefernde Materialien und versorgt sich somit selbst, ist verantwortlich für die Umsetzung der Einzelbestellungen respektive Abrufe in quantitativer als auch terminlicher Hinsicht. Qualitative Ansätze Wareneingangsinspektionstätigkeiten in die Fertigungszelle verlagern, Reklamationsabwicklung mit dem Lieferanten ebenfalls. Logistik Pufferlager einzelner Materialien können in den einzelnen Zellen „selbststeuernd“ gelagert werden. Konsignationslager/Just-in-Time-Anlieferungen speziell definierter Materialien (Werkzeuge, H & B -Teile). Führt zur Reduzierung der Durchlaufzeiten, Bestände, Reduzierung von Schnittstellen (von Reibungsverlusten).
696
Lösungen
Aufgabe 6: Pos.
ABC-Analyse (Verbrauchswertanalyse) Menge 5.000 40 800 1.200 5.720 15.000 21.000 1.700 17.800 600
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Stückpreis 0,26 60,50 2,50 3,55 52,45 2,67 0,05 22,50 0,15 10,50
Gesamtpreis 1.300,2.420,2.000,4.260,300.014,40.050,1.050,38.250,2.670,6.300,-
Rang 9 7 8 5 1 2 10 3 6 4
Rangfolge Pos. 5 6 8 10 4 9 2 3 1 7
Lfd.-Nr. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Aufgabe 7:
% 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Wert/Jahr 300.014,40.050,38.250,6.300,4.260,2.670,2.420,2.000,1.300,1.050,398.314,-
A-Materialien
% 75,32
B-Materialien
19,66
C-Materialien
5,02
100,00
XYZ-Analyse - Sortierung der Teile
a) Die Sortierung erfolgte in absteigender Reihenfolge nach SQ-ABW, der absoluten Abweichung zwischen dem alten SQ-Wert und dem neu errechneten. b) Es gilt: SQ-Alt ./. SQ-Neu = 1,917 ./. 1,584 =
SQ-ABW 0,333
697
Lösungen c) Alle Teile liegen in demselben Grenzwertbereich. d) Der Schwankungskoeffizient SQ verhält sich umgekehrt proportional zu ALPHA. (Siehe hierzu im vierten Abschnitt unter Ziffer 2.3.2.2)
Aufgabe 8:
Portfolio-Analyse
Marktbedeutung des Lieferanten Niedrig Hoch
a) Das Lieferanten-Portfolio kann wie in Abb. 104 dargestellt werden:
Kritische Lieferanten
Schlüssellieferanten
- Führende Position am Markt - Wenige alternative Lieferanten - Einkaufsvolumen unbedeutend für Lieferanten
- Führende Position am Markt - Besonderes Know-how beim Lieferanten - Einkaufsvolumen bedeutend für Lieferanten
Unkritische Lieferanten
Hebellieferanten
- Alternative Lieferanten - Know-how nicht entscheidend - Einkaufsvolumen unbedeutend für Lieferanten
- Alternative Lieferanten vorhanden - Know-how nicht entscheidend - Einkaufsvolumen bedeutend für Lieferanten
Niedrig
Hoch
Einkaufsvolumen als Anteil vom Lieferantenumsatz
Abbildung 104: Lieferanten-Marktmacht-Portfolio (Lieferantenportfolio)
b) Aus der 4-Felder-Matrix können auch vier unterschiedliche Normstrategien abgeleitet werden:
698
Lösungen Im Feld I der Matrix befinden sich die Kernlieferanten, die eine führende Position am Markt einnehmen und über ein besonderes technisches Know-how verfügen. Da das Einkaufsvolumen des Abnehmers für die Lieferanten bedeutend ist, kann als Normstrategie eine enge Kooperation/Simultaneous Engineering mit den Lieferanten empfohlen werden. Im Feld II der Matrix befinden sich Lieferanten, deren Position gegenüber dem Abnehmer relativ schwach ist. Hier kann der Einkauf die vorhandene Marktmacht nutzen und durch den Einsatz bestimmter beschaffungspolitischer Maßnahmen den Wettbewerb zwischen den am Markt vorhandenen Anbietern stimulieren. Im Feld III der Matrix steht ein marktmächtiger Lieferant einem Abnehmer mit einem für den Lieferanten unbedeutenden Einkaufsvolumen gegenüber. Es ist vom Einkauf zu prüfen, ob die eigene Position durch Bedarfsbündelung und/oder Lieferantenkonzentration verbessert werden kann oder ob sich - als alternative Normstrategie - durch Standardisierung und/oder Reengineering alternative Bezugsquellen ergeben (Emanzipationsstrategie). Im Feld IV handelt es sich um unkritische Lieferanten. Als strategische Grundausrichtung sollte hier die Ausschöpfung von Rationalisierungspotenzialen (z.B. durch Outsourcing) angestrebt werden.
Aufgabe 9:
Messebesuch und seine Vorbereitung
a) Vorteile - Jede Messe ist bei richtiger Vorbereitung eine der wichtigsten Informationsquellen für eine systematische Marktorientierung. - Die Fachmesse bietet den unschätzbaren Vorteil direkter, zwischenbetrieblicher Vergleichsmöglichkeiten. - Nirgendwo gibt es direktere Vergleichsmöglichkeiten. - Hier werden neue Lieferquellen gefunden. b) -
Messevorbereitung Was ist das Ziel des Messebesuches? Wer in der Firma interessiert sich für welche Informationen? Aufstellung aller Probleme des Einkaufs für den Messebesuch. Sind Mitarbeiter(innen) der eigenen Firma zum gleichen Zeitpunkt auf der Messe? Evtl. mit diesen feste Termine vereinbaren, damit regelmäßiger Kontakt möglich ist.
699
Lösungen -
-
Damit ist direkter Austausch von Informationen gewährleistet und das gemeinsame Aufsuchen eines Lieferanten auf der Messe möglich. Anfrage an alle techn. und kaufm. Stellen, die nicht zur Messe fahren, welche Problemstellungen anstehen. Vorherige Besuchsanmeldung bei der Firma, die man sprechen will, damit die Fachleute verfügbar sind. Kurzfristige vorherige Beschaffung des Messekataloges. Anhand des Messekataloges einen Lage- und Marschplan ausarbeiten, der es ermöglicht, alles Unwesentliche beiseite zu lassen, um sich zu konzentrieren. Festlegen der Kardinalfragen, die in diesem Jahr für die Messe die wichtigsten sind, z.B.: - Situation der Branche. - Marktlage der Branche zu bestimmten wirtschaftlichen Problemen oder Entscheidungen. - Techn. Entwicklungsstand auf einem bestimmten Gebiet. Aufstellung eines genauen Zeitplanes (Sicherheitszeiten einbauen). Diktiergerät mit genügend Bändern mitnehmen, um alle wichtigen Informationen festhalten zu können. Zusammenstellung aller Unterlagen und Sortierung nach Branchen. Rechtzeitiges Besorgen eines Quartiers. Stadtplan der Messestadt. Verkehrsverbindungen. Mitnehmen von Informationsmaterial des eigenen Unternehmens.
Aufgabe 10: Eigenfertigung oder Fremdbezug a) Eigenfertigung ist um insgesamt 5.340 EUR/Jahr billiger: Kostenarten (variabel)
Material Fertigungslohn 60 % Lohnnebenkosten Werkzeuge, Energie und Hilfsstoffe Vergleichskosten Ergebnisänderung zu Methode 1
700
Kosten EUR/Jahr Methode I II Gussteil Pressteil 10.800 18.000 8.100 4.860 3.900 15.000 27.660 33.000 5.340
Lösungen b) Der Einkauf ging von den Herstellkosten als Kriterium aus, was unzulässig ist, da die fixen Kosten der Betriebsbereitschaft als Periodenkosten von der Entscheidung nicht beeinflusst werden. Es sind bei vorhandenen freien Kapazitäten nur die variablen Kosten zu berücksichtigen. c) Es muss investiert werden, so dass mit den Mehrkosten in Höhe von ca. 10.000,EUR/Jahr die Eigenfertigung zu belasten ist. Eine Proportionalisierung dieser Fixkosten ist nicht zulässig. Ab einer Produktionsmenge von 6.000 Stück/Jahr ist somit die Alternative „Pressteile“ kostengünstiger (vgl. Abb. 105). TEUR
Gussteile Pressteile
Presswerkzeug
Stückzahl (1.000 St./Jahr) Abbildung 105: Eigenfertigung oder Fremdbezug bei zusätzlichen Investitionen - Kostenkurven
d) Kostenvergleich zeigt, dass Kauf günstiger ist wegen quantitativem und/oder qualitativem Kapazitätsmangel (personell, maschinell, räumlich), Kapazitätsfreisetzung für andere (lohnendere) Produkte, Risikoverlagerung hinsichtlich Beschäftigung, Auslastung, Kapital, Qualität, Schutzrechte Dritter lassen Eigenfertigung gar nicht zu. e) Produktion, Arbeitsvorbereitung, Entwicklung, Konstruktion, Kalkulation, Qualitätswesen, Einkauf.
701
Lösungen f) Einflussgrößen (Preis, Lieferzeit, Qualität) ändern sich inner- wie außerbetrieblich, Entwicklungstendenzen werden vom marktorientierten Einkauf „automatisch“ erkannt, z.B. bei Entstehung neuer Spezialbetriebe oder -verfahren, neuer Bezugsquellen im Ausland usw. Kontrolle der Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Produktion.
Aufgabe 11: Stücklistenauflösung nach Dispositionsstufen
702
Lösungen
Aufgabe 12: Exponentielle Glättung 1. Ordnung und Ermittlung der Gesamtvorhersage bei einer festgelegten Lieferbereitschaft a) Monat
1 2 3 4 5 6
Tatsächlicher Bedarf Ti 90 110 100 105 95 100
Prognose Vi+1 α = 0,1 0 90 92 93 94 94
Prognose Vi+1 α = 0,2 0 90 94 95 97 97
Prognose Vi+1 α = 0,5 0 90 100 100 103 99
b)
703
Lösungen c) Gesamtvorhersage bei festgelegter Lieferbereitschaft Monat 1 2 3 4 5 6
Tatsächlicher Bedarf Ti 90 110 100 105 95 100
Prognose
Prognose
Absoluter Fehler |Di+1| 0 20 6 10 2 3
Vi+i 0 90 94 95 97 97
Gesamtprognose Li+1 0 0 144 137 137 129
MADi+1 0 0 20 17 16 13
Aufgabe 13: Nettobedarfsrechnung (Einführungsaufgabe) Periode Primärbedarf E1 Sekundärbedarf T2 + Zusatzbedarf T2 = Bruttobedarf ./. Lagerbestand ./. Bestellbestand Nettobedarf
704
1 20 60 5 65 110 0
2
3
4
25 75 5 80 45
22 66 5 71 0
35
71
5 25 75 5 80 0 60 20
6 20 60 5 65 0 0 65
24 72 5 77 0 0 77
Lösungen
Aufgabe 14: Nettobedarfsrechnung in mehreren Ablaufschritten
Aufgabe 15: Gleitende Bestellpunktrechnung a) Vneu = Valt + α (Talt - Valt) = 2.584 + 0,2 · (3.160 - 2.584) = 2.584 + 0,2 · 576 = 2.584 + 115,2 = 2.699 b) BPneu = Vneu · WBZ + Vneu · QT = 2.699 · 4 + 2.699 · 4 = 21.592 (WBZ = 120 Tage muss auf Monatsbasis umgerechnet werden, da dieses der Prognosezeitraum ist.)
705
Lösungen c) JV = Vneu · 12 = 2.699 · 12 = 32.388 Für die Berechnung der optimalen Bestellmenge nach Andler muss der Jahresverbrauch ermittelt werden.
Aufgabe 16: Bestellterminrechnung a) TESOL = 320 + 25 + 5 + 6 + 10 = 366 1.500 TEIST = 320 + 50 = 350 d.h. TEIST < TESOL Es ist zu liefern am: TESOL = 350 - 6 - 5 = 339 Der Soll-Liefertermin liegt vor dem Wiederbeschaffungszeitpunkt (320 + 25 = 345). b) Die noch zu liefernde Restmenge ist zu spät terminiert und sollte auf den Werktag 339 (s.o.) umterminiert werden.
Aufgabe 17: Losgrößenverfahren Das Formularbeispiel 23 zeigt, wie in einem Anwendungsfall die Losgrößenverfahrensregeln festgelegt worden sind.
706
Lösungen
Formularbeispiel 23:
Losgrößenverfahren - Auszug aus einem Benutzerhandbuch
707
Lösungen
Aufgabe 18: Optimale Bestellmengenbestimmung mithilfe der Andlerschen Formel a)
b) X0 =
200 · 20.000 · 60 = 1.000 12 · 20
c) Grafische Darstellung der Gesamtkosten in Abhängigkeit von der Bestellhäufigkeit.
708
Lösungen
Aufgabe 19: Bestellmengenermittlung mithilfe der Andlerschen Formel (Beweisführung) a) X0 =
200 · 282 · 60 ≈ 119 → 120 12 · 24
In Periode 1 werden Lagerhaltungskosten in 1/2 Höhe veranschlagt. b) Die im Vergleich zur gleitenden wirtschaftlichen Bestellmenge höheren Lagerhaltungskosten sind im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass es in der Regel zu Restbeständen kommt. Diese haben ihre Ursache in der Ermittlungsweise der optimalen Bestellmenge, die - losgelöst von den tatsächlichen Periodenbedarfen - als konstant angenommen wird. Kosten im Jahresverlauf Bedarf Monat
(Stck.)
Be-
Lager-
Bestell-
Rest-
stellme
dauer
kosten
menge
nge
(Per.)
(EUR)
(Stck.)
60,-
40
(Stck.)
Lagerhaltungskosten (EUR/Per.) EUR/Per.
0,5
80
25
1,5
25
3
10
2,5
10
4
5
3,5
5
5
40
0,5
40
6
2
1,5
2
7
50
2, 5
50
3,0
28
0,5
40
1
80
2
120
120
7 8
40
120
9
15
1,5
15
10
10
2,5
10
11
5
3,5
5
4,0
78
11
· · · · · · · · · · · · ·
0,5 1,5 2,5 3,5 0,5 1,5 2,5 3,0 0,5 1,5 2,5 3,5 4,0
Kum.
· · · · · · · · · · · · ·
(EUR) 0,2 =
8,00
8,-
0,2 =
7,50
15,50
0,2 =
5,00
20,50
5
0,2 =
3,50
24,-
0
0,2 =
4,00
4,-
0,2 =
0,60
4,60
78
0,2 =
25,00
29,60
28
0,2 =
16,80
46,40
0,2 =
4,00
4,-
0,2 =
4,50
8,50
93
0,2 =
5,00
13,50
83
0,2 =
3,50
17,-
78
0,2 =
62,40
79,40
78
15
60,-
80
28 60,-
108
Summe der Lagerhaltungskosten = 24,- + 46,40 + 79,40 = 149,80 Summe der Bestellkosten = 3 · 60,- = 180,- EUR
709
Lösungen
Aufgabe 20: Bestellmengenoptimierung nach dem Kostenausgleichsverfahren a) Monat 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Bedarf Bestellmenge 220 630 320 90 420 730 200 90 20 100 270 50 30 20 70 -
Lagerdauer Monat 1 2 1 2 3 1 2 3 4 Gesamtkosten
Lagerhaltungskosten 320 · 1 · 0,2 = 90 · 2 · 0,2= 200 · 1 · 0,2 = 90 · 2 · 0,2= 20 · 3 · 0,2= 50 · 1 · 0,2= 30 · 2 · 0,2= 20 · 3 · 0,2= 70 · 4 · 0,2=
64,00 36,00 40,00 36,00 12,00 10,00 12,00 12,00 56,00
Summe kumuliert 64,100,40,76,88,10,22,34,90,278,-
Bestellkosten 100,100,100,300,-
b) Die kumulierten Lagerhaltungskosten würden die Bestellkosten früher überschreiten, so dass es tendenziell zur Festlegung kleinerer Bestellmengen käme. Eine Verringerung der Lagerhaltungskosten bei gleichzeitiger Erhöhung der Bestellkosten - es müsste häufiger bestellt werden - wäre die Folge.
Aufgabe 21: Bestellmengenoptimierung nach dem Stück-PeriodenAusgleichverfahren - Einführungsbeispiel Lagerhaltungskosten/Stück/Tag =
80 · 24 = 0,08 EUR = SLHK 100 · 240
100 Optimale Stück-Tage = 0,08 = 1.250 Stück-Tage
710
Lösungen
Periode 1
-
Bedarf 10
2
2
3
15
4
8
5
20
6
0
Tagediff. Lagerdauer 1.259 1.260 1 - 1.259 1.280 21 - 1.259 1.300 41 - 1.259 1.320 61 - 1.259 1.340 81 -1.259
StückTage 10
Summe kumuliert 10
42
52
615
667
488
1.155
1.620
2.775
Optimale Stücktage 1.250
Ergebnis: Optimale Bestellmenge = 35 Stück
Aufgabe 22: Tagesgenaue Bestellmengenoptimierung nach dem StückPerioden-Ausgleichsverfahren a) Die Berechnung ist dem Formularbeispiel 24 zu entnehmen. (Der Realitätsnähe wegen wurden Begriffe etc. nicht angepasst.) b) Die Höhe des Lagerhaltungskostensatzes ist kostenrechnerisch nicht zu rechtfertigen. Es ist ein „politischer“ Kostensatz, um vorratspolitische Entscheidungen - Minimierung der Lagerbestände - umzusetzen. c) Die Losgröße ist tagesgenau, der Lagerbestand damit tendenziell niedriger. In der komprimierten Dispositionsliste sind die deterministischen und stochastischen Bedarfe periodisch zusammengefasst. Aus ihr sind die Bedarfsverursacher (Fertigungsaufträge) nicht erkennbar.
711
Lösungen
Formularbeispiel 24:
712
Vordruck zur Berechnung der optimalen Losgröße nach dem Stück-Perioden-Ausgleichsverfahren
Lösungen
Aufgabe 23: Mathematische Bestimmung des Sicherheitsbestandes a) Periode Verbrauchs- Abweichungen vom Mittel menge nominell absolut 1 80 - 19 19 2 92 -7 7 3 103 +4 4 4 90 -9 9 5 102 +3 3 6 94 -5 5 7 107 +8 8 8 109 + 10 10 9 93 -6 6 10 105 +6 6 11 118 + 19 19 12 95 -4 4 Ø = 99 ±0 Ø = 8,33 = MAD b) Sicherheitsbestand bei einem - Servicegrad von 84,13 % = 8,33 · 1,25 = 10,4 → 11 - Servicegrad von 94,52 % = 8,33 · 2,00 = 16,7 → 17 - Servicegrad von 99,18 % = 8,33 · 3,00 = 25 → 25 c) Gesamtprognose ist bei einem - SG84,13 = 99 + 11 = 110 - SG94,52 = 99 + 17 = 116 - SG99,18 = 99 + 25 = 124 Zu einer Unterdeckung wäre es bei einem SG84,13 und SG94,52 jeweils einmal (Periode 11) gekommen.
Aufgabe 24: Preisanalyse Metall: 4,25 EUR/kg Tagesnotierung - 1,95 EUR/kg Basispreis 2,30 EUR/kg Preisdifferenz 2,30 · 139,360 kg · 1,2 = 384,63 EUR
713
Lösungen Öl: 63,50 EUR/100 Liter Tagesnotierung - 25,00 EUR/100 Liter Basispreis 38,50 EUR/100 Liter Preisdifferenz 38,50 EUR · 139,360 kg · 0,8 = 42,92 EUR 100 l Ergebnis: Die in Rechnung gestellten Teuerungszuschläge sind korrekt berechnet.
Aufgabe 25: Deckungsbeitragsrechnung in der Praxis a) Der Einkäufer stellt folgende Berechnung an: DBneu =
MEalt · DBalt MEneu 12.000 · 4 = 24.000 = 2,-- EUR
Es ergibt sich damit eine Zielpreisvorstellung von EUR 10,-/ME. b) Der Lieferant könnte grundsätzlich bereit sein, einen zusätzlichen Auftrag auch dann hereinzunehmen, wenn der ausgehandelte Preis seine Vollkosten nicht abdeckt. Bei der Frage, wieweit ein Abnehmer mit starker Marktmacht in einer derartigen Situation Druck auf den Lieferanten ausüben sollte, spielen die jeweilige Lieferanten- und Einkaufspolitik des Abnehmers eine entscheidende Rolle. Im Allgemeinen sollte dabei dem Grundsatz „Kooperation statt Konfrontation“ gefolgt werden. In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig, den allgemeinen Trend im Absatzmarkt des Lieferanten zu beachten und situationsgemäß evtl. bis an die Grenze zu verhandeln. c) Im Wesentlichen sind folgende Gründe zu nennen: - Der Einkäufer kann in der Regel nur die variablen Kosten eines Erzeugnisses mit einiger Genauigkeit ermitteln. - Die variablen Kosten machen durchweg den größten Teil der Gesamtkosten eines Erzeugnisses aus. - Die variablen Kosten ergeben einen Hinweis auf die kurzfristige Preisuntergrenze für ein Erzeugnis. Bei der Ermittlung der kurzfristigen Preisuntergrenze müs-
714
Lösungen
-
sen jedoch zusätzlich zu den variablen Kosten noch die ausgabewirksamen fixen Kosten berücksichtigt werden. Die in der Lernkurve zum Ausdruck kommende Möglichkeit, dass ein Lieferant, der über Jahre hinweg einen bestimmten Artikel herstellt, seine Stückkosten im Laufe der Zeit senken kann, bezieht sich fast ausschließlich auf die variablen Kosten.
Aufgabe 26: Lieferantenbeurteilung Positive Argumente: - Beurteilungskriterien sind festgelegt und für alle A-Lieferanten in gleicher Weise anwendbar. - Punktbewertung zwingt zur kritischen Lieferantenanalyse. - Vergleichbarkeit über einen längeren Zeitraum. - Grundlage für Lieferantenpolitik, -erziehung usw. Negative Argumente: - Beurteilungskriterien haben unterschiedliches Gewicht. - Objektivität bei der Punktbewertung nicht sichergestellt. - Beurteilungskriterien und Bewertungsmaßstäbe sind auslegungsbedürftig (Was heißt „vernünftige“ Preispolitik, „nützliche“ Vertreterbesuche, „häufig“ usw.?).
Aufgabe 27: Einkaufsbedingungen Preiswirksame Bestandteile der Einkaufsbedingungen sind in erster Linie die Angaben unter den Punkten - Versandvorschriften, - Eingangsprüfungen, - Mängelrügen und Gewährleistung, - Zeichnungen und Werkzeuge, - Bezahlung.
Aufgabe 28: Abwehr einer Preiserhöhung a) Ablehnen, Gespräch im eigenen Haus anbieten (vgl. Formularbeispiel 25). b) Für laufende Bestellungen grundsätzlich nicht akzeptieren, sofern kein Preisvorbehalt vereinbart. Für künftige Bestellungen verhandeln mit dem Ziel, dass Preiserhöhung - wenn überhaupt - hinausgeschoben wird.
715
Lösungen c) Wie ist die Tarifsituation auf dem Arbeitsmarkt des Lieferanten? Wie ist die Rohstoffpreisentwicklung auf den Vormärkten? Wie verhält sich der Wettbewerb? Hat sich der Verband, zu dem Lieferant gehört, geäußert? Rückfragen bei Kollegen im Konzern. Kontakte mit Kollegen anderer Unternehmen der Branche. Was ist uns der Lieferant wert? Können wir technische Anforderungen ändern? Bestehen Gegengeschäfte? d) Informationen nutzen. Preisanalyse vorschlagen. Kalkulationen offenlegen. Wo sind die Ursachen der Verteuerungen? Evtl. über Entfeinerungen (Wertanalyse) sprechen. Rationalisierungserfolge des Lieferanten? Phänomen der Lernkurve nutzen, derzufolge sich mit zunehmender Wiederholung gleichartiger Arbeitsgänge die durchschnittliche Arbeitszeit verringert. Gilt der Zuschlag für alle Artikel? Differenzierungen für unterschiedliche Bestellmengen? Auftragsvolumen teilen? Preiserhöhung Ihr Schreiben vom Sehr geehrte Damen und Herren, Ihr o.a. Schreiben haben wir dankend erhalten. Wir betrachten Ihr Schreiben als Vorabinformation für eine aus Ihrer Sicht notwendige Preiserhöhung. Sie stimmen sicher mit uns überein, dass unter Partnern diese Preiserhöhung zu einer beidseitigen Zufriedenheit geregelt sein sollte und wir über die Höhe und den Start noch verhandeln müssen. Bitte vereinbaren Sie mit uns einen Gesprächstermin. Bis zur Unterredung müssen wir allerdings auf Gültigkeit der alten Preise bestehen. Mit freundlichen Grüßen Hauni Maschinenbau AG Einkauf i.V.
i.A.
Formularbeispiel 25:
716
Abwehr von Preiserhöhungen (Standardtext)
Lösungen
Aufgabe 29: Preisgleitklausel a) P = P = P =
Po 21,13 942 38,50 378 100 · (L 40 20,10 + Fe 25 930 + Ke 15 38,50 + Cu 10 398 + F 10) Po 100 · (42,05 + 25,32 + 15,00 + 9,50 + 10) Po 100 · 101,87
alter Preis · Tz = neuer Preis 1.870,100 · 101,87 = 1.904,97 b) Preisänderung gemäß neuer Basiswerte: + 1,87 %!
Aufgabe 30: Rechnungsprüfung a) Der Finanzierungsaufwand berechnet sich wie folgt: Kapitalkosten 3 für den Kunden = 30 - 10 · 360 = 54 % b) Es könnten empfohlen werden: - Vereinbarung langer Skontofristen - Schneller Rechnungsdurchlauf - Generelle Inanspruchnahme des Skontos - Sofortige Zahlung unter Vorbehalt der Wareneingangsprüfung. (Diese Handhabung kann nicht mehr auf dem Zahlungsträger dokumentiert werden. Daher ist ein Schemabrief an alle zuverlässig liefernden Lieferanten vorzusehen.)
Aufgabe 31: Lagerortbezeichnung a) Die rechte Zeile ist mit einem geraden, die linke Zeile mit einem ungeraden Zweisteller versehen. Die Felder der Zeile sind vom Gangeingang her, von 00 ausgehend, aufsteigend mit einem zweistelligen Nummernteil bezeichnet.
717
Lösungen In jedem einzelnen Fall sind die Ebenen aufsteigend mit zweistelligen Nummernteilen versehen, deren Reihenfolge der Zahlengeraden entspricht, also 00, 01, 02 usw. b) Dem Artikel, dessen Quotient „Anzahl der Entnahmen“ durch „Anzahl der Lagereinheiten“ am größten ist.
Aufgabe 32: Lagerorganisation Unterschiede: Konventionelles Lager Lagerung nach Teile-Nr. mit Lücken Geordnet Festplatz Viele Freiheitsgrade
Auslagerung in Reihenfolge der Aufträge Meist LIFO (last in - first out) Zufallsorientiert
DV-gesteuertes Lager Lagerung durcheinander jedoch lückenlos Chaotisch Freiplatz Nur der Computer weiß, wo was liegt Zwangsablauf Keine vom System abweichenden Eingriffe erlaubt „Der Computer darf die Kontrolle nicht verlieren“ Auslagerung erfolgt wegoptimiert Generell FIFO (first in - first out) Geplant
Aufgabe 33: Entsorgung - Übersichtsgrafik Abb. 106 gibt einen groben Überblick über die Methoden und Verfahren der Entsorgung.
718
Lösungen
Entsorgung Entsorgung
Rückstände Rückstände Abfälle Abfälle (nicht (nichtwiederwiederverwendbar) verwendbar)
Reststoffe Reststoffe (verwendbar) (verwendbar) Wirtschaftsgut Wirtschaftsgut
Abfallentsorgung Abfallentsorgung
Recycling Recycling
Normalabfall: Normalabfall:
Sonderabfall: Sonderabfall:
Mülldeponie Mülldeponie oder oder Verbrennung Verbrennung
Sonderdeponie Sonderdeponie oder oder Müllverbrennung Müllverbrennung
EigenverEigenverarbeitung arbeitung
Verkauf Verkauf
evtl. Verwendung bei untergeordneten Produkten
- evtl. zurück an Lieferanten
Wiederaufbereitung
- freier Verkauf
evtl. Schaffung von verkf. Produkten
- Abfallbörse
Abbildung 106: Methoden und Verfahren der Entsorgung (Übersichtsgrafik)
Aufgabe 34: Durchschnittspreisberechnung a) Die Formel unter 1) ist der Normalfall Die Formel unter 2) kommt z.B. zur Anwendung, wenn - die Bestellung „nach Preisaufgabe“, d.h. ohne Verhandeln erfolgt ist, - die Rechnung verspätet eintrifft, - der Rechnungsbetrag vom Bestellwert abweicht. Das am Lager liegende Material muss in diesen Fällen die EinstandspreisDifferenz tragen. b) z.B.
(1.000 · 13) + (2.000 · 15) 1.000 + 2.000 43.000 = 3.000 = 14,33
DPneu = DPneu
719
Lösungen Sinnvolle Anwendung: - Bei steigenden Preisen, - bei Mischkäufen.
Aufgabe 35: Richtlinie für die Inventur - Geltungsbereich Folgende gesonderten Regelungen sind vorzusehen: -
Wareneingangslager Hierbei handelt es sich um noch nicht im Lagerbestand erfasste Warenzugänge. Diese von der Wareneingangsprüfung noch nicht freigegebenen Teile sind im Rahmen der Inventur körperlich nicht zu erfassen.
-
Prüf- und Sperrlagerbestände Hierbei handelt es sich um bereits im Lagerbestand erfasste Warenzugänge, die aber wegen der noch ausstehenden Freigabe durch die Wareneingangsprüfung noch nicht der Verfügbarkeit ab Lager unterliegen. Diese als Durchgangsposten anzusehenden Teile sind im Rahmen der Inventur vom ausgewiesenen Lagerbestand abzusetzen.
-
Eigene Vorräte außerhalb des Unternehmens Hierbei handelt es sich insbesondere um eigene Vorräte im temporären Fremdbesitz, das heißt um Vorräte, die zur Bearbeitung verschickt und noch nicht zurückgesandt sind. Nach Möglichkeit sind diese Vorräte ebenfalls körperlich aufzunehmen. Wenn dies aus besonderen Gründen nicht vertretbar erscheint, muss ein aktenmäßiger Nachweis vorhanden sein. Von den Lagerhaltern ist dann eine grundsätzliche Bestätigung über den vorhandenen Bestand einzuholen.
-
Unterwegs befindliche Ware Hierzu gehört zum Aufnahmezeitpunkt noch nicht eingegangene Ware, für die aber bereits Rechnungen der Lieferanten eingegangen und erfasst sind. Zum Bilanzstichtag werden diese Waren EDV-mäßig aufsummiert und in einer Buchung des Gesamtbetrages wertmäßig dem Lagerbestandswert unter einem besonderen Konto zugeführt. Diese Buchung erfolgt nach dem Buchungsschluss für Lagerbewegungen, so dass eine Doppelerfassung ausgeschlossen ist.
720
Lösungen -
Ware in Konsignationslager Die Bestände werden durch die Vertriebsabteilungen/Außendienstmitarbeiter ermittelt.
Aufgabe 36: Auswertung der Inventurergebnisse 1. Innerbetriebliche Einflüsse: - Bestellfehler - Erfassungsfehler - Buchungsfehler - Ausschuss - Schwund - Nicht erfasste Entnahmen (ungeplante) - Nicht erfasste Rückgaben an das Lager - u.a.m. 2. Außerbetriebliche Einflüsse - Nichteinhaltung der Liefermenge durch den Lieferanten - Mangelhafte Qualität - Fehler in den Lieferpapieren - Mangelhafte Materialkennzeichnung - u.a.m. Die Prüfliste muss im Einzelfall den tatsächlichen betrieblichen Bedingungen angepasst werden.
721
Literaturverzeichnis Andler, K.
Rationalisierung der Fabrikation und optimale Losgröße, Dissertation Stuttgart 1929 Arnold, U. Beschaffungsmanagement, 2. Aufl., Stuttgart 1997 Arnolds, H. Versorgungs- und Vorratswirtschaft, Wiesbaden 1993 Arnolds, H./Heege,F./ Materialwirtschaft und Einkauf, 9. Auflage, Tussing, W. Wiesbaden 1996 ADV/ORGA Materialdispositionssystem (advor-220), Wilhelmshaven (o.J.) Bogaschewsky, R./ Internet - Intranet - Extranet: Strategische Kracke, U. Waffen für die Beschaffung, Gernsbach 1999 Baumgarten, H., u.a. Rationelle Vorratshaltung - Betriebswirtschaftliche Aspekte, Frankfurt 1975 Benz, H. ABC-Analyse und optimale Bestellmenge, Frankfurt 1970 ders. Rationeller Einkauf - optimale Lagerhaltung; Leitfaden zur Beschaffungsplanung, Frankfurt 1970 Bichler, K./Schröter, N. Praxisorientierte Logistik, Stuttgart 1995 BKS Der innerbetriebliche Materialtransport - Ein Ansatzpunkt für Kostensenkungen, Velbert 1963 Blom, F. Beschaffungsmarktforschung, Fachbuchreihe: Praxis für Materialwirtschaft und Einkauf, Bd. 2, Hrsg.: H. Strache, Nürnberg 1982 BME, Hrsg. Abfallwirtschaft - eine Aufgabe der Materialwirtschaft - ein Handbuch zum Thema Beschaffung und Entsorgung, Frankfurt 1987 ders. Materialwirtschaft heute und morgen, Düsseldorf 1976 ders. Materialwirtschaft heute und morgen - Ziele und Möglichkeiten, Frankfurt o.J. (1976) Boje, A. Moderne Einkaufs-Organisation - 700 Beispiele aus der Praxis, München 1967 Bornemann, H. Bestände-Controlling: Materialfluss - Analyse - Bestände - Management - Fallstudie, Wiesbaden 1986
723
Bühner, R.
Betriebswirtschaftliche Organisationslehre, 7. Auflage, München 1994 Busch, H.-F. Einführung in das Materialmanagement, Hrsg.: BME, Wiesbaden (o.J.) ders. Integriertes Materialmanagement hat die Schlüsselstellung im Unternehmen, in: Beschaffung aktuell, Nr. 9, Leinfelden 1987 Deutsche Bundesbank Monatsberichte, Frankfurt, April 2003 Dirks, G.J./ Planung und Realisierung eines automatisierNitschke, J. ten Lagers - Erfahrungen und Hinweise aus der Sicht eines Anwenders, Ehningen 1990 Droege & Comp. Gewinne einkaufen - Best Practices im Beschaffungsmanagement, Wiesbaden 1998 Dück, O. Optimierung des Materialflusses, in: Praxishandbuch für den Materialwirtschaftsleiter, Augsburg, Nov. 1996, Teil 11 Kapitel 2 Ehrmann, H. Logistik, Ludwigshafen 1995 Eicke, H. v./ modular sourcing - Ein Konzept zur NeugeFemerling, Chr. staltung der Beschaffungslogistik, Schriftenreihe der Bundesvereinigung Logistik, München 1991 Falz, E. Einkauf als unternehmerische Aufgabe, in: A. Degelmann, Hrsg., Einkaufsleiter-Handbuch, München 1965 ders. Einführung in die Probleme der Versorgung/ Vorratshaltung, in: H. Baumgartner u.a., Rationelle Vorratshaltung, Frankfurt 1975 Fieten, R. Integrierte Materialwirtschaft - Stand und Entwicklungstendenzen, Hrsg.: Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik, 3. Auflage, Frankfurt a. M. 1994 Filz/Hubel/Kuhn/ Lieferabrufsysteme - Auswirkungen auf die Siebel stahlverarbeitende Zulieferindustrie, Köln 1989 Gerlich, E.W. Varianzgesteuerte Disposition, in: Beschaffung aktuell, Nr. 7, Leinfelden 1989 Grochla, E. Grundlagen der Materialwirtschaft - Das materialwirtschaftliche Optimum im Betrieb, 3. Auflage, Wiesbaden 1978 Grochla, E., Hrsg. Handwörterbuch der Organisation, Stuttgart 1973
724
Grochla, E., u.a.
Erfolgsorientierte Materialwirtschaft durch Kennzahlen, Baden-Baden 1983 Grunwald, H. Vorteilhafte Verträge im Einkauf, 2. Auflage, Freiburg 1988 Grupp, B. Materialwirtschaft mit Bildschirmeinsatz, Wiesbaden 1983 ders. Der richtige Weg zum Online-Einkauf, Bildschirmeinsatz im Einkauf, Wiesbaden 1991 Hartmann, H. Praxis der Materialwirtschaft - 15 Fälle von Bedarfsermittlung bis Einkaufen, Köln 1991 ders. Materialdisposition in der Praxis - Fallbeispiel effizienter Beschaffungslogistik, Gernsbach 1992 ders. Bestandsmanagement und -Controlling - Optimierungsstrategien mit Beiträgen aus der Praxis, Gernsbach 1999 ders. Lieferantenmanagement: Gestaltungsfelder, Methoden und Instrumente, Gernsbach 2004 Hartmann, H., u.a. Optimierung der Einkaufsorganisation - Wege zur Effizienzverbesserung im Einkauf, 2. Auflage, Gernsbach 2002 Hartmann, H./ Lieferantenbewertung - aber wie? 2. Auflage, Pahl, H.-J./Spohrer, H. Gernsbach 1997 Heinen, E. Industriebetriebslehre - Entscheidungen im Industriebetrieb, 9. Auflage, Wiesbaden 1991 Homburg, Chr. Das industrielle Beschaffungsverhalten in Deutschland, in: Beschaffung aktuell, Nr. 3, Leinfelden 1994 Horvath, P. Materialwirtschaft, in: K.H. Engel, Hrsg., Handbuch der neuen Techniken des Industrial Engineering, 2. Auflage, München 1972 IBM IMPACT - Wirtschaftliche Lagerhaltung mit wissenschaftlichen Methoden, Sindelfingen 1963 ders. COPICS - Lagerverwaltung und -steuerung, Sindelfingen 1972 ders. COPICS - Bedarfsvorhersage, Sindelfingen 1973 ders. COPICS - Einkaufs- und Wareneingangssteuerung, Sindelfingen 1973
725
ders.
Bestandsführung und Bedarfsplanung - Anwendungsbeschreibung, Lizenzprogramm Nr. 5702-M52, Sindelfingen (o.J.) ders. MAS-Anwendung „Lagerbestandsführung und Bestellrechnung“, System 32, Musterliste Großhandel, Sindelfingen (o.J.) Internationale Incoterms 1990, Broschüre Nr. 460, Paris Handelskammer, Hrsg. 1990 Jahrmann, F. U. Außenhandel, 7. Auflage, Ludwigshafen 1994 Kalbfuß, W./Rüdrich, G. (Hrsg.), Materialgruppenmanagement - Quantensprung in der Beschaffung, Wiesbaden 1999 Jahns, Chr. In Prozessen denken, organisieren und handeln, in: Beschaffung aktuell, Nr. 9, Leinfelden 2003 Jetter, O. Einkaufsmanagement, Landsberg 1990 Katzmaryzk, J. Einkaufs-Controlling in der Industrie, Frankfurt 1988 Kern, F. Einkaufsmarketing, Freiburg 1991 Kirsch, W., u.a. Betriebswirtschaftliche Logistik-Systeme, Entscheidungen, Methoden, Wiesbaden 1973 Klamroth, S. Verträge für lagerlose Versorgung, in: Beschaffung aktuell, Nr. 2, Leinfelden 1988 Kockläuner, G. Angewandte Regressionsanalyse, Braunschweig 1988 Köckmann, P. Logistik kontra Lager, Bad Wörishofen 1982 Koerdt, H. Die Logistik in den Streitkräften - Theorie und Praxis, in: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, Herne, Januar 1977 Koether, R. Technische Logistik, München 1997 Kowarik, R. Organisation der Materialwirtschaft, Hrsg.: BME, Wiesbaden (o.J.) Krokowski, W. Globalisierung des Einkaufs - Leitfaden für den internationalen Einkauf, Berlin 1998 Leitsch, P. Target Costing und Einkauf, in: Beschaffung aktuell, Nr. 8, Leinfelden 1997 Leu, W. u.a. Inventur – rationell und zuverlässig, in: Management Zeitschrift, Nr. 4, Zürich 1989 Lorenzen, K. D. Strukturen für ein Integratives LogistikManagement-Informations-System (ILMIS) als Instrument des Logistik-Controlling, Dortmund 1994
726
ders. MBP-Software
Logistik - Kostenrechnung, Gernsbach 1998 GESTIN-77, Kurzbeschreibung, Dortmund (o.J.) Menze, Th. Strategisches internationales Beschaffungsmarketing, Stuttgart 1993 Melzer-Ridinger, R. Materialwirtschaft und Einkauf, Band 1: Grundlagen und Methoden, 3. Auflage, München 1994 Menkel, K. Optimale Lagerhaltung, in: J. Brettschneider (Hrsg.), Einkaufsleiter Handbuch Micheli, F. de Grundlagen und Methoden der Materialwirtschaft, in: K. Brankamp (Hrsg.), Handbuch der modernen Fertigung und Montage, München 1975 Mindach, U. W. Qualitätsmanagement im Einkauf, Gernsbach 1997 Momber, A./Zachau, Th. Kosten senken durch professionelles Lieferantenmanagement, in: Beschaffung aktuell, Nr. 5, Leinfelden 1999 Muschinski, E. Lieferantenbewertung in Deutschland, in: Beschaffung aktuell, Nr. 9, Leinfelden 1998 Nestler, H. Materialflussuntersuchungen in Fertigungsbetrieben, Düsseldorf 1974 Oeldorf, G./ Materialwirtschaft, 7. Auflage, Ludwigshafen Olfert, KI. 1995 Olivier, G. Material- und Teiledisposition - Die mathematischen Methoden für ein Programmsystem, Bonn 1977 Orths, H. Von der Kundenorientierung zum Supply Management, Wiesbaden 1995 ders. Einkaufscontrolling als Führungsinstrument: Tipps und Tools für den Erfolg, Gernsbach 2003. Osterfeld, D. Vertragsrecht für den Einkauf, Gernsbach 2004. Pack, L. Optimale Bestellmenge und optimale Losgröße, Wiesbaden 1964 Pahlitzsch, W. Industrielle Lagerwirtschaft, Wiesbaden (o.J.) Pfohl, H.-Ch. Logistiksysteme - Betriebswirtschaftliche Grundlagen, 3. Auflage, Berlin 1988 Poth, G. Praxis der betrieblichen Warenverteilung/Marketing Logistik, Düsseldorf 1970
727
Reese, J./ Spohrer, H. Refa
Vorteilhafte Vertragsgestaltung für erfolgreiches Einkaufen, Gernsbach 1993 Methodenlehre, Teil 1, Verband für Arbeitsstudien und Betriebsorganisation, München 1987 Rembeck, M./ Leitfaden für die industrielle BeschaffungsEichholz, G.P. marktforschung mit Beispiel, Frankfurt 1967 RKW Wirtschaftliche Lagerführung - ein wichtiges Instrument der Unternehmenspolitik, Frankfurt 1973 RKW Wirtschaftliche Lagerführung - ein wichtiges Instrument der Unternehmenspolitik, Frankfurt 1973 Rudolph, B. Controlling im Einkauf, Seminarunterlagen, Stuttgart 1991 Rupprecht, F./Cordts, J. Das Lager, Frankfurt 1997 SAP Release 3.0: MM - verbrauchsgesteuerte Disposition, Walldorf, Mai 1996 ders., Release 3.0: PP - Bedarfsplanung, Walldorf, Mai 1996 Sackstetter, Horst / C-Teile-Management: Umsetzung von C-TeiSchottmüller, Reinhard le-Management-Projekten - Beispiele aus der Praxis, Gernsbach 2001. Schäfer, E. Betriebswirtschaftliche Marktforschung, Essen 1955 Schmid, K.-H. Der Einkaufs-Rechtsberater, Loseblattwerk, Wirtschaftsverlag, Heidelberg (o.J.) ders. Modul-Entwicklungsverträge, in: Beschaffung aktuell, Nr. 4, Leinfelden 1999 ders. Produkthaftungsgesetz - Gibt es bereits Auswirkungen?, in: Beschaffung aktuell, Nr. 4, Leinfelden 1990 Schneider, H. Outsourcing von Beschaffungsprozessen, Gernsbach 1998 Schutz, W. Methoden der mittel- und langfristigen Prognose - Eine Einführung, München 1975 Sell, J. Erfolgschancen im Materialbereich - Anregungen aus der Praxis, Bad Wörishofen 1972 Soom, E. Optimale Lagerbewirtschaftung in Industrie, Gewerbe und Handel, Bern 1976
728
Spohrer, H.
Controlling in Einkauf und Logistik - Die Materialwirtschaft auf dem Prüfstand, Gernsbach 1995 Statistisches Fachserie 4.3, Produzierendes Gewerbe, Bundesamt, Hrsg. Wiesbaden (o.J.) Stefanic-Altmayer, K. Die günstigste Bestellmenge beim Einkauf, in: Sparwirtschaft, Heft 10, 1927 Steinbrüchel, M. Die Materialwirtschaft der Unternehmung, Bern 1971 Steinbuch, P. A. (Hrsg.) Prozessorganisation - Business Reengineering - Beispiel R/3, Ludwigshafen 1997 Strache, H. Preise senken - Gewinn einkaufen. Das Handbuch für Einkauf und Materialwirtschaft, 3. Auflage, Lage 1975 ders. Preisarbeit - Arbeitstechnik im Einkauf, Fachbuchreihe: Praxis für Materialwirtschaft und Einkauf, Bd. 1, Hrsg., H. Strache, Nürnberg 1981 TAYLORIX TIMOS und Auftragsabwicklung, Stuttgart (o.J.) Tempelmeier, H. Material-Logistik: Quantitative Grundlagen der Materialbedarfs- und Losgrößenplanung, Heidelberg 1988 Trux, W.R. Einkauf und Lagerdisposition mit Datenverarbeitung - Bedarf, Bestand, Bestellung, Wirtschaftlichkeit, 2. Auflage, München 1970 UNIVAC UNIS/90; Univac-Industrie-System für die SPERRY UNIVAC-Serie 90 - Allgemeine Beschreibung, Sulzbach 1974 VDA Qualitätsmanagement in der Automobilindustrie - Qualitätssicherungs-Systemaudit, 2. Auflage, Frankfurt 1992 ders. Jahresbericht 1993, Frankfurt 1993 VDI Elektronische Datenverarbeitung bei der Produktionsplanung und -steuerung IV - Materialbestands- und -Bestellrechnung, Düsseldorf 1974 VDMA, Hrsg. Materialwirtschaft im Umbruch, Frankfurt 1990 VW Lieferanten-Partner der Volkswagen/Audi Logistik, Logistik-Tagung, Wolfsburg 1984
729
Wachs, Chr.
Lagertechnik und Materialfluss, München (o.J.), (Seminarunterlagen) Wassermann, O. Erfolgsfaktor Durchlaufzeiten - Gewinnstrategie Simulation, Köln 1989 Weber, J./Weise, F.-J./ Einführen von Logistik - eine spannende AnKummer, S. leitung zum programmierten Erfolg, Stuttgart 1993 Weidner, W., u.a. Organisation in der Unternehmung; Aufbauund Ablauforganisation; Methoden und Techniken praktischer Organisationsarbeit, 3. Auflage, München 1990 Werner, J. Global Sourcing trifft Zeitgeist, in: Beschaffung aktuell, Nr. 1, Leinfelden 1991 Wildemann, H. Das Just-in-Time Konzept - Produktion und Zulieferung auf Abruf, Frankfurt 1987 Womack, J.P./ Die zweite Revolution in der AutomobilindustJones, D.T./Roos, D. rie: Konsequenzen aus der weltweiten Studie des Massachusetts Institute of Technology, 7. Auflage, Frankfurt 1992 Zeigermann, J.R. Elektronische Datenverarbeitung in der Materialwirtschaft, Stuttgart 1970 o.V. Einkaufsdaten im Test, in: Beschaffung aktuell, Nr. 3, Leinfelden 1996 o.V. Abfallwirtschaft – eine Aufgabe der Materialwirtschaft, in: BME Schriftenreihe „wissen und beraten“, Frankfurt 1987
730
Stichwortverzeichnis ABC-Analyse 108, 170ff., 246, 272, 283, 371, 441, 443, 524, 614, 671, 697 ABC-Belegungsstrategie 567ff. Abfallbörsen 265, 595 Abfallstoffe 596 Ablauforganisation 77, 131ff. Abrufauftrag 513ff. Absatzplanung 55 Abschlussverhandlung 504ff. Abweichung - mittlere absolute (MAD) 339ff., 434f. Advanced Purchasing 451, 456f., 462 Allgemeine Einkaufsbedingungen 652, 658, 685f., 715f. Alphawert 324ff., 373, 671 Andlersche Losgröße 391f., 401ff., 679f., 708f. Anforderungskriterien 485ff. Anfrage 462 - umweltorientierte 463 Anfrageintensität 41, 464ff. Angebotseinholung 462ff. Angebotsprüfung 467ff. Angebotsvergleich 467ff., 481ff. - erweiterter 468 Auditierung 491ff. Aufbauorganisation 77, 80ff. Auflösungsstufe 357 Auftragsvergabe 252, 501, 542 Auslaufartikel 442 Auswahlkriterien siehe Anforderungskriterien Baukastenstückliste 288, 294f. Bedarfsanforderung 457, 460, 462, 484, 511 Bedarfsarten 275ff. Bedarfsauflösung - analytische 296f. - synthetische 304f. Bedarfsbündelung 162, 525 Bedarfsmenge 388
732
Bedarfsplanung 226ff. Bedarfsrechnung 275, 282ff., 296ff. - deterministische 282, 285ff., 296ff., 372 - stochastische 283, 306ff., 372, 676 - subjektive 283 Bedarfsverursachernachweis 372 Befundrechnung 599 Benchmarking 61f., 538 Bereitstellungsprinzipien 233ff. Beschaffung - bedarfsnahe 274 - Definition 16, 20f., 456ff. - fertigungssynchrone 236ff. - kooperative 251f. siehe auch Just-inTime-Beschaffung Beschaffungsabschluss 503ff. Beschaffungsabwicklung 452, 527ff. Beschaffungsanbahnung 456 Beschaffungskosten siehe Bestellkosten Beschaffungslager 28, 549f. Beschaffungslogistik 27f., 692 Beschaffungsmarketing 35, 41, 694 Beschaffungsmarktforschung 187ff. Beschaffungsobjekte 16ff. Beschaffungsplanung 222ff. Beschaffungspolitik 43ff., 667, 690 Beschaffungsprozess 454 Beschaffungsstrategien 40ff., 44, 59ff. Beschaffungswege 245f. Beschaffungszeit 259, 361ff. Bestand - verfügbarer 396 Bestandsarten 350ff. Bestandscontrolling 440ff. Bestandsfortschreibung 357 Bestandsmanagement 442 Bestandsplanung 440, 442 Bestandsrechnung 274, 598
Bestandsverantwortung 274f. Bestellabwicklung siehe Beschaffungsabwicklung Bestellbestand 351f. Bestellbestätigung 526ff. Bestellkosten 53, 390, 393f. Bestellmenge 388, 393, 399f. - diskrete 678, 707 - fixe 678, 707 - Mindestbestellmenge 408 - optimale 390, 679f., 708f. siehe auch Losgröße Bestellmengenrechnung 344f., 388ff. - dynamische 393, 407, 410ff., 670ff., 710ff. - optimierende Verfahren 390 - statische Verfahren 389 Bestellmengenrestriktionen 406f. - firmenbedingte 407 - lieferantenbedingte 407 - transportbedingte 407 Bestellmengenverfahren - gleitende wirtschaftliche 410, 412f. Bestellobligo 538 Bestellplanung 178ff. Bestellpolitik 395 Bestellpunkt 360f., 601 Bestellpunktrechnung 360f. Bestellpunktverfahren 359ff., 597, 677f., 705f. Bestellrechnung 274 Bestellrhythmusverfahren 359, 367f. Bestellstruktur 524 Bestellterminrechnung 344f., 378, 383ff., 678f., 706 Bestellung 115, 134, 155, 180, 188, 228, 259, 345ff., 383ff., 452, 456, 458, 503ff., 519ff., 543, 578, 587, 591 best practices 36 Betriebskalender 281f. Betriebsstoffe (Definition) 18 Bewegungskosten 53 Bewertungsgrundsätze 603, 605 „Bodensatz“ 441f.
B.Q.-Strategie 365 Bringprinzip 592f. Bruttobedarf 277ff., 349 Bruttobedarfsrechnung 279, 349 B.S.-Strategie 365 Budgetierung 229 Business-Plan 232 Business Reengineering 78ff. Centerorganisation 103ff., 671 Chaotische Lagerhaltung siehe Freiplatzsystem CIM (Computer Integrated Manufacturing) 137 Controlling 440, 619 Controllinginformationssystem 138 C-Teile-Management 42, 61, 72, 371 Deckungsbeitragsrechnung 683, 714f. Design-to-Cost 36, 253 Design-to-Market 253 Dienstleister 72 Dienstleistungen 16f. - plangesteuerte 226f. - verbrauchsgesteuerte 227f. DIN-EN 148 DIN-Normen 147f. Disposition 271ff. - auftragsgesteuerte 343, 346, 370 - plangesteuerte 347ff., 370 - prozessgesteuerte 344 - verbrauchsgesteuerte 357ff. Dispositionskosten 53, 394 Dispositionsqualität 271ff., 371f. Dispositionsstammdaten 364 Dispositionsstufe 302ff. Dispositionsverfahren 343ff., 675f., 703 Distribution siehe Warenverteilung Distributionskosten 53 Distributionslogistik 27f., 551 Double Sourcing 255 Drei-Behälter-Methode 367
733
Durchlaufzeit 280, 557 Durchschnittspreisberechnung 602ff., 688f., 719f. Early Supplier Envolvement 36f. Eigenfertigung 206ff., 451, 673f., 690, 700ff. Eilbestellung 383f. Eindeckungstermin - Ist-Eindeckungstermin 380f. - Soll-Eindeckungstermin 379 Eindeckzeitlosgröße 389 Einfaktorenvergleiche 483 Eingangsprüfung 685 Einkauf - gestaltender 692 - Gliederung 105ff. - marktorientierter 20f., 26f., 36ff. - objektorientierter 105 - operativer 108ff., 694f. - prozessorientierter 21, 36, 60 - Stabsstellen 116 - strategischer 20f., 32, 35, 58ff., 108ff., 694 - Verrichtungsprinzip 106 - verwaltender 32, 58, 696 - wertschöpfender 37 Einkaufsbedingungen 652, 658, 684f., 715 Einkaufscontrolling 231, 534ff., 695 Einkaufsdienstleister 248f. Einkaufshandbuch 141ff. Einkaufskalkulation 471 Einkaufskooperation 251f. Einkaufskosten 53, 394, 536 Einkaufspolitik siehe Beschaffungspolitik Einkaufsstrategien 61ff., 109, 185 siehe auch Beschaffungsstrategien Einzelbedarfsdisposition 346f. Electronic Sourcing 162 EN (Europäische Norm) 148 Entnahmehäufigkeit 562, 567 Entsorgung 32, 47, 67, 261ff., 688, 718f.
734
siehe auch Materialentsorgung Entsorgungskosten 54, 72 Entsorgungslogistik 28 Entwicklungskosten 649f. Entwicklungspartnerschaften 509 Entwicklungsvertrag siehe System-Entwicklungsvertrag E-Procurement 453 ERP Enterprise Resource Planing 453 Erstmusterprüfung 489 „Fabrik in der Fabrik“ 671 Fabrikkalender 282 siehe auch Betriebskalender Factory-in-Factory 60 siehe auch „Fabrik in der Fabrik“ Fehlerberechnung 336ff. Fehlmengen(kosten) 426f. - indirekte 427 Fehlteileliste 351 Fertigungslos 388 Fertigungssteuerung 350 Fertigungsstufen 301f. Fertigungssynchrone Beschaffung siehe Just-in-Time-Beschaffung Fertigungstiefe 52, 209 Fertigwarenlager 549f. Festplatzsystem 562ff. Fifo-Prinzip 559, 562, 569 Fixtermin 515 Flurfördermittel 574 FMEA 649 Freiplatzsystem 561ff. Fremdbeschaffung 206ff. siehe auch Outsourcing Fremdbevorratungsvertrag 516ff. Gaußsche Normalverteilung 434 Gefahrstoffe 47, 566, 596f., 629 Gegengeschäfte 691 Geheimhaltungsvereinbarung 467, 659f. Gemeinkosten 54 Gesamtkosten 57, 453
siehe auch Total Cost of Ownership Gewährleistung 642, 657 Gewinnbeitrag des Einkaufs 50ff., 667f., 691 Glättung - exponentielle Glättung 1. Ordnung 315, 323f., 675, 703 - exponentielle Glättung 2. Ordnung 330, 333 Glättungsfaktor Alpha siehe Alphawert GMK-Analyse 170 Global Buying 190 Global Sourcing 42, 58, 189f. Global Manufacturing 190 Globalisierung 67, 250f., 452, 472 Gozinto-Graf 292 Groff-Verfahren 411 Gutschriftverfahren 533f. Handbuch - des Einkaufs 141ff. - der Materialwirtschaft 140ff. Handelswaren (Definition) 20 Handlager 581f. Hebellieferanten 185, 698 Hilfsstoffe (Definition) 18 Hochregallager 563f., 568f. Höchstbestand 365, 369 Holprinzip 592f. Identitätsprüfung 576ff. Incoterms 249 Individualverträge 511ff. Informationsfluss 133 Informationsrückfluss 135 Initial Purchasing 128f. Internationale Einkaufsbüros 250 Internet 38, 79, 146, 156, 159, 162f., 166, 196ff., 245, 249, 258, 260, 452ff., 525 Intranet 156, 159, 162, 197, 199, 453 Inventur 605ff., 689, 720 - permanente 610, 631
- vorverlegte 609f. Inventurdifferenz 606f. Inventurergebnisse 690, 721f. Inventurmethode 599, 608 Investitionsgütereinkauf 16, 483 IPO 250 Ist-Eindeckungstermin 380f. Just-in-Seqence 239 Just-in-Time-Beschaffung 71, 236ff., 514, 550, 615, 696 Just-in-Time-Produktion 392 Kanban-Karte 242 Kanban-Steuerung 71, 233, 242ff., 615 Kanban-System 360, 392 Kapazitätsauslastung 271 Kapitalbindung(skosten) 53f., 55, 70ff., 396 Kapitalumschlag 55 Kauf auf Abruf 513ff. Kennzahlen 535, 615ff. Kennzahlenanalyse 536 Kennzahlenverfahren 500 Kernkompetenzen 34, 62f., 208 Kernprozesse 78ff. Key Supplier Management 185, 253 Kleinbestellung 522ff. Kleinmengenlager 564 Kommissionierleistung 592 Kommissionierprinzipien 592f. Kommissionierung 563ff., 591ff. Kommunikationstechnologie 155ff. Kongruenzprinzip 32 Konsignationslager 272, 518, 553, 585, 696, 721 Konsignationslagervertrag 518ff. Kontrollsignal 342f. Kostenanalyse 66 Kostenausgleichsverfahren 410, 414ff., 679f., 710 Kostenstrukturanalyse 206 siehe auch Preisstrukturanalyse Kunden - interne 78, 109f., 138, 275
735
Kundenzufriedenheit 38 Lager 547ff. - dezentrales 553 - funktionsgebundenes 553 - stofforientiertes 551 - zentrales 553 Lagerbestand 350, 440 Lagerbauart 553, 558 Lagerbereich - Gliederung 116ff. Lagerbuchhaltung 598ff. Lagerdauer 439 Lagereinrichtungen 558ff. Lagerfunktionen 553 Lagergemeinkosten 398 Lagergestaltung 554, 557f. Lagerhaltung 576ff. - dezentrale 125 - zentrale 125 Lagerhaltungskosten 390f., 396f. Lagerhaltungskostensatz 398, 620, 681 Lagerhaltungsstrategie 365f. Lagerhöchstbestand siehe Höchstbestand Lagerkapazität 554ff., 561 Lagerkostensatz 620 Lagerleiter 629ff. Lagermaterialkosten 396 Lagernutzung 615ff., 631 Lagerordnung 554, 561ff., 564ff., 631 - chaotische 561, 718 - feste 561ff., 718 Lagerortbezeichnung 687f., 717f. Lagerpersonalkosten 397 Lagerplanung 554ff. Lagerpolitik 46f. Lagerraumkosten 397 Lagerreichweite 439ff. - Soll-Lagerreichweite 440 Lagerstandort 554ff. Lagerstufen 549f. Lagerumschlagshäufigkeit 437f. Lean Organisation 79
736
Lean Purchasing 138 Lernkurve 473 Letter of Intent 509 Lieferantenanalyse 486ff. Lieferantenauditierung 491, 694 Lieferantenauswahl 40, 252, 486ff., 694 Lieferantenbeurteilung 60, 485, 492 683f., 715 Lieferantenbewertung 487, 494ff., 694 Lieferantencontrolling 487 f. Lieferantenentwicklung 60, 256ff., 694 Lieferantenfragebogen 491 Lieferantenkonzentration 253 Lieferantenkooperation 60, 252, 395 Lieferantenmanagement 60, 253ff. Lieferantenpflege 258, 691 Lieferantenpolitik 44, 691 Lieferantenportal 197 Lieferantenportfolio 185, 253, 698 Lieferantenstruktur 254f. Lieferantentage 258 Lieferbereitschaft 70ff., 382, 425ff., 676 Lieferleistung 588f. Liefermenge 388 Lieferpünktlichkeit 674 Lieferzeit 260, 684 Lieferzuverlässigkeit 674 siehe auch Zuverlässigkeit Life-Cycle-Verträge 241 Line-to-Line 234 Local Sourcing 188 Logistik 63ff., 92, 668f., 692ff., 696 - externe 29 - ganzheitliche 26ff., 64f., 93ff., 547f., 669 - interne 29, 34, 619f. Logistikdienstleister 589 Logistikkosten 53, 64 Logistikstrategien 234 Logistikzentrum 547, 563 Lorenz-Kurve 173ff. Losgröße
- exakte 389 - feste 389 - optimale 390 Losgrößenberechnung 400f. Losgrößenverfahren 678f., 706ff. siehe auch Bestellmengenrechnung MAD siehe auch Abweichung, mittlere absolute Make-or-Buy 42, 54, 60, 206ff., 538, 674 siehe auch Eigenfertigung Mandatssystem 124 Materialannahme 576ff. Materialausgabe 590ff. Materialentsorgung 596f. Materialfluss 131ff. Materialflussbogen 572f. Materialgemeinkosten 475f., 536 Materialgruppenmanagement 218ff. Materialintensität 50f., 668 Materialkosten 49ff. Materiallogistik 28 Materialportfolio 185f. Materialprüfung 576ff. Materialrechnung 308, 597ff. Materialverschlüsselung 152ff. Materialverwertung 594f. Materialwirtschaft 21ff. - erweiterte 86ff. - Funktionsschema 30 - hierarchische Einordnung 57f., 95ff. - integrierte 23ff., 87ff. - klassische 84ff. Materialwirtschaftshandbuch 140 Materialwirtschaftspolitik 38ff. Matrixorganisation 101ff. Meldebestand siehe Bestellpunktverfahren Mengensteuerung 359 Mengenstückliste 288, 292f.
Mengen(übersichts)stückliste 288, 291 Messebesuch 673, 699f. Mindestbestand 367, 375, 423 Mindestbestandsdisposition 367, 372, 375 Minimum-Maximum-Prinzip 365 Mittelwert - gleitender 319ff. Mittelwertbildung 315, 318ff. Modular Sourcing 60, 254 Module 19, 550 Modullieferanten 253 Multiple Sourcing 252, 690 Nachbearbeitungskosten 588 Nachbearbeitungsquote 536 Net-Change-Verfahren 356 Nettobedarf 277ff. Nettobedarfsrechnung 279, 349f., 352ff., 676f., 704f. Normung 146f. Notensystem 496 Null-Fehler-Qualität 674 Nummernsysteme 153ff. Nummerung 146, 150ff. Opportunitätskosten 216 Order-fill-Rate 437 Outsourcing 16f., 42, 61, 207f., 452, 581f. Paletten 560f. Palettenhochregal 559f. Part-Period-Verfahren siehe Stück-Perioden-Ausgleichsverfahren Periodenbedarf 276 Plangesteuerte Disposition 347ff. Planungsrechnung 417 - dynamische 416f. Pönale 515 Poolpalette 559 Portfolio-Analyse 61f., 170, 185ff., 371, 672f., 698f. Preisanalyse 66, 206, 470, 682, 713
737
Preisgleitklausel 520, 686f., 717 Preisstellung 643f. Preisstrukturanalyse 474, 477 Preisvergleich 472 - partieller 478 Preisvorbehaltsklausel 44, 520ff., 543 Primärbedarf 276ff., 287 Primärforschung 195 Produktaudit 493 Produktentwicklung 34, 36, 43f., 60, 78, 82, 94, 128, 240, 253, 453, 456, 512 Produktentwicklungsprozess 21, 36, 60 Produkthaftpflichtversicherung 584 Produkthaftung 584, 657 Produktion auf Abruf 392 Produktionslogistik 27f., 692 Profit Center 48ff. Prognoseintervall 309f. Prognosekontrolle 341ff. Prognosemodelle 313 Prognosequalität 309ff. Projektorganisation 82 Prozesskosten 620f. Prozesskostenrechnung 54 Prozessoptimierung 61, 186, 241, 248 Prüfungsvereinbarung 656 Pull-Prinzip 593 Punktbewertungsverfahren 499 Purchasing-Card-System 112, 696 Push-Prinzip 593 Qualitätsaudit 493ff., 655 Qualitätsnormen 479 Qualitätsprüfung 576ff., 583ff., 586ff., 590f. Qualitätssicherung - beim Lieferanten 549f., 584, 641f., 655 Qualitätssicherungssystem - beim Lieferanten 588 Qualitätssicherungsvereinbarung 549f., 584, 654ff.
738
Qualitätszertifikat 655 Qualitätsziele 479 Qualitätszuverlässigkeit 588f. Quantitätsprüfung 583ff., 590 Rahmenvertrag 512ff., 639ff., 652 Rahmenvertragsquote 537 Raumnutzungsgrad 615ff. Rechnungsprüfung 452, 532ff., 717 Recycling 67, 264, 594 Reengineering 78 Regressionsanalyse 315, 335 Reservierungen siehe Vormerkbestand Return-on-Investment 54f., 668, 691 Reverse Kunden-Lieferantenbeziehungen 253, 258 Reverse Marketing 35 Rückrechnung 599f. Rückwärtsterminierung 378 Rüstkosten 390f. Rüstzeit 391 Sägezahnkurve 361f. Sammelanforderung 459 Sammelbedarfsdisposition 347 Sammelrechnung 525 Scheinrabatte 537 Schlüssellieferanten 44 Schnittstellenprobleme 127 Schriftgutanalyse 155 Schutzrechte 643, 652f. Schwankungskoeffizient 181ff., 328f., 671, 698f. Schwarzer-Peter-Prinzip 274f. Scoring-Modelle 497 Selbstauskunft 488ff. Sekundärbedarf 276ff. Sekundärforschung 195f. Self-Controlling 538 Servicegrad 425ff. - optimaler 427 siehe auch Lieferbereitschaft Ship-to-Line 234, 390 Ship-to-Stock 234 Shop-in-Shop 60
Sicherheitsbestand 180, 359f., 362, 365, 396, 423, 429ff., 682, 713 - konstanter 429ff. - mathematische Bestimmung 431ff. Sicherheitsfaktor 435 Sicherheitszeit 423 Simulationstechnik 557 Simultaneous Engineering 36f., 42, 129 Single Sourcing 41f., 71, 252 Soll-Eindeckungstermin 379 Soll-Lagerreichweite 440 Soll-Liefertermin 382f. Sourcing-Strategien 255ff. Sourcing-Struktur 255f. Spezifikationskauf 520 Stabsstellen im Einkauf 116 Standardabweichung 337f., 434 Standardisierung 147 Stellenbildung 104ff. Stellenbeschreibung 139f., 633ff. Stetigfördermittel 574 Stichprobenfehler 614 Stichprobeninventur 611ff. Stichtagsinventur 606f., 608f. Stock-out-Costs 426f. siehe auch Fehlmengen(kosten) Streckengeschäft 520 Strukturstückliste 288, 290, 293f. Stücklisten 287ff., 458 Stücklistenauflösung 674, 702 Stück-Perioden-Ausgleichsverfahren 410, 418ff., 680f., 710ff. Stückservice 437 Sublieferantenmanagement 255 Sukzessivlieferungsvertrag 514 Supplier Relationship Management 60 Supply Chain 24 Supply Chain Management 24, 132, 390, 442, 453 Supply Chain-Netzwerk 275 Support-Maßnahmen 256 SWOT-Analyse 61f. Systemaudit 493 f. System-Entwicklungsvertrag 648ff.
Systemlieferanten 254f. System Sourcing 60 Target Bidding 463 Target Cost 37 siehe auch Zielkosten T.B.Q.-Strategie 369 T.B.S.-Strategie 369 Team - Arbeit 130 - funktionsübergreifendes 127 Teileverwendungsnachweise 295f. Teilkostenrechnung 474 siehe auch Deckungsbeitragsrechnung Terminsicherung 528 Terminsteuerung 359 Terminüberschreitungsquote 536 Terminüberwachung 528ff. Tertiärbedarf 277f. Time Based Management 61, 260f. Time-to-Market-Strategien 58 TOCO-Prinzip 108, 472 Total-Cost-of-Ownership 32, 60, 471 Total Quality Management 224, 589 Tracking Signal 342f. Transport - innerbetrieblicher 547f., 555, 571ff. T.S.-Strategie 369 Umsatzrentabilität 55 Umschlagshäufigkeit 437f. Umterminierung 383 Umterminierungskosten 384 Umweltbelastung 661 Umweltschutz 67, 560, 661 Value Added 37 Value Analysis 200 Value Engineering 43, 200 Verbrauchsstatistik 308 Verbrauchsverlauf 312 - konstanter 313ff. - trendbeeinflusster 312ff., 314 - saisonabhängiger 312, 314
739
Verfahrensaudit 493 Verhandlungsprotokoll 506 Verhandlungsstrategie 504ff. verlängerte Werkbank 16, 38 Versandlager 549 Versorgungsrisiko 185f. Vertragsstrafe 515, 674f. Vertriebslogistik 27f., 30, 692 Verweildauer siehe Lagerdauer Vollkostenrechnung 474f. Vorhersageverfahren 315f., 336 Vorhersagezeitraum 280, 316f. Vorlaufzeit 280 Vormerkbestand 350f. Vorratsbeschaffung 235f. Vorratsintensität 53f., 668 Vorratspolitik 45f. Vorwärtsterminierung 378 Warenannahme siehe Materialannahme Wareneingangsbestand 350, 587 Warenausgangsprüfung 655 Wareneingang 531ff. Wareneingangslager 583, 590 Wareneingangsmeldung 531, 578ff., 586, 590 Wareneingangsprüfung 577ff. Warenverteilung 22, 30 - dezentrale 126 - zentrale 126 Warenwirtschaft 21 Werkslogistik 102 Werksnormen 147 Werkstattbestand 351, 588 Werkstofflager 550 Werkzeugkosten 650 Wertanalyse 42, 200ff., 650 - mit Lieferanten 253 Wiederauffüllmenge 389 Wiederbeschaffungszeit siehe Beschaffungszeit Win Win-Aspekt 203, 253 Win Win-Partnerschaften 203, 253
740
XYZ-Analyse 181ff., 283, 371, 443, 671, 697f. Zahlungsbedingungen 650 Zeitreihe 308f. Zielkonflikte 44f., 68ff. Zielkosten 37 Zielpreisfindung 477f. Zielvereinbarungen 535 Zollaufschublager 553 Zugangskosten 53, 394 Zugriffshäufigkeit siehe Entnahmehäufigkeit Zuschlagskalkulation 475ff. Zuverlässigkeit 588f. Zwei-Behälter-System 178, 366 Zwischenlager 28, 549f.