Integration akquirierter Unternehmen: Planung, Konzeption, Bewertung und Kontrolle [2 ed.] 9783896448545, 9783896731111

Unternehmensakquisitionen scheitern zu einem Großteil an einer fehlenden bzw. mangelhaften Akquisitions- und/oder Integr

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German Pages 256 Year 2002

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Integration akquirierter Unternehmen: Planung, Konzeption, Bewertung und Kontrolle [2 ed.]
 9783896448545, 9783896731111

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Integration akquirierter Unternehmen

Schriftenreihe Unternehmensführung Herausgeber: Prof. Dr. Hartmut Kreikebaum

Band 12

Stefan Hase

Integration akquirierter Unternehmen Planung, Konzeption, Bewertung und Kontrolle

2. Auflage

Verlag Wissenschaft & Praxis

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Hase, Stefan: Integration akquirierter Unternehmen : Planung, Konzeption, Bewertung und Kontrolle. / Stefan Hase. - 2. Aufl. Sternenfels: Verl. Wiss, und Praxis, 2002 (Schriftenreihe Unternehmensführung; Bd. 12) ISBN 3-928238-111-4

ISBN 3-928238-111-4

© Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 2002 Nußbaumweg 6, D-75447 Sternenfels Tel. 07045/930093 Fax 07045/930094 Alle Rechte vorbehalten Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich ge­ schützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheber­ rechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und straf­ bar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elekt­ ronischen Systemen.

Printed in Germany

V

Geleitwort Ein Merkmal des Trends zur Dynamisierung und Globalisierung der Wirtschaft ist die ständig steigende Zahl von nationalen und interna­ tionalen Untemehmensakquisitionen. Nicht jede Akquisition ist letzt­ lich erfolgreich. Es gibt genügend Beispiele für krasse Mißerfolge oder unzufriedenstellende Akquisitionsergebnisse. Für eine betriebs­ wirtschaftliche Analyse und Gestaltung der kritischen Erfolgsfaktoren von Untemehmensakquisitionen eröffnet sich damit ein aktuell wichtiges Anwendungspektrum. Der entscheidende Grund für das Scheitern von Untemehmens­ akquisitionen liegt in der fehlenden oder unzureichenden Planung der Akquisition selbst und der elementar wichtigen Integration des akqui­ rierenden mit dem akquirierten Unternehmen. Durch Verknüpfung von empirisch gestützten theoretischen Erkenntnissen mit praktischen Erfahrungen zielt die vorliegende Arbeit darauf ab, ein ganzheitliches Konzept zur erfolgreichen Bewältigung von Integrationsproblemen bei Untemehmensakquisitionen zu entwerfen.

Es gilt dabei, die erfolgsrelevanten strategischen, strukturellen, personellen und kulturellen Integrationsmaßnahmen interdependent zu gestalten. Eine systematische, prozessorientierte Vorgehensweise in den Phasen der Planung, der Maßnahmenentwicklung, der Bewertung und der Kontrolle bildet die Gewähr für einen langfristig anhaltenden Integrations- und damit Akquisitionserfolg. Ich wünsche der vorliegenden Arbeit eine weite Verbreitung in Wissenschaft und Wirtschaftspraxis.

Professor Dr. Hartmut Kreikebaum

VII

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im November 1995 vom Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main als Dissertation angenommen. Sie entstand parallel zu meiner Tätigkeit in der Wirtschaft und stellt somit auch einen „persönlichen Integrationsansatz“ zur Verbindung von Theorie und Praxis dar. Mein aufrichtiger Dank gilt allen, die mich in der Zeit der Promotion unterstützt haben. Besonders danken möchte ich meinem Doktorvater, Herm Professor Dr. Hartmut Kreikebaum, für die mir gewährte Unterstützung bei der Themenbearbeitung, seinen fachlichen Rat und sein Vertrauen in das Gelingen der Arbeit. Herm Professor Dr. Heinz Isermann danke ich für die freundliche Übernahme des Koreferates. Herzlich danken möchte ich auch Herm Dr. Harald Wachenfeld für seine zahlreichen Anregungen und seine freundschaftliche Hilfe bei der Korrekturlesung des Manuskriptes. Die Arbeit wäre jedoch nicht möglich gewesen ohne die Geduld und das Verständnis meiner Frau Regina, der ich am meisten zu verdanken habe.

STEFAN CLAUS-PETER HASE

VIII

Vorwort zur 2. Auflage Während in den 80er Jahren ein Untemehmenskauf noch zu den eher seltenen Managementaufgaben gehörte, ist heute eine Unter­ nehmensakquisition eine häufig gewählte Wachstumsaltemative in der Managementpraxis. Immer noch erfüllt die Mehrzahl der Unternehmensübemahmen aber die in sie gesetzten Erwartungen nicht. Die Ursachen hierfür liegen in der häufig vernachlässigten Integra­ tionsplanung und/oder zielorientierten Umsetzung des Integrations­ konzeptes. Das vorliegende Buch widmet sich diesem aktuellen Thema der Integration akquirierter Unternehmen. Es werden einzelne Erfolgs­ faktoren der Integration entwickelt und darauf aufbauend zu einem Gesamtkonzept verdichtet.

Wien, im September 2001

Stefan Hase

IX

INHALTSVERZEICHNIS Seite

Abbildungsverzeichnis....................................................................... XV Abkürzungsverzeichnis................................................................... XVII I. GRUNDLAGEN DER UNTERSUCHUNG................................. 1

1. Thematische Grundlagen................................................................ 1

1.1 Problemstellung............................................................................ 1 1.2 Zielsetzung................................................................................... 5

2. Begriffliche Grundlagen................................................................ 10

2.1 Begriff der Untemehmensakquisition ....................................... 10

2.2 Begriff der Untemehmensintegration.................................... ..14

II. PLANUNG DER PROZESSE DER UNTERNEHMENSAKQUISITION UND UNTERNEHMENSINTEGRATION....................................... 21 1. Planung des Akquisitionsprozesses............................................ 23

1.1 Strategieentwicklung der Akquisition.......................................24 1.1.1 Analyse der strategischen Ausgangssituation.................. 26

1.1.2 Identifizierung der wichtigsten Akquisitionsziele........... 28

1.1.2.1 Rationale Akquisitionsziele...................................... 28 1.1.2.2 Spekulative Akquisitionsziele...................................34

1.1.2.3 Persönliche Akquisitionsziele.................................. 35

X 1.1.3 Festlegung der strategischen Ausrichtung der Akquisition..................................................................36

1.1.3.1 Strategische Ausrichtung nach Ansoff.................... 36 1.1.3.2 Strategische Ausrichtung nach Porter.................... 39 1.2 Realisierung der Akquisition..................................................... 42

1.2.1 Suche nach geeigneten Akquisitionskandidaten.............. 42 1.2.2 Analyse und Bewertung der Akquisitionskandidaten .... 46

1.2.3 Verhandlung und Vertragsabschluß mit einem Akquisitionskandidaten............................................ 52

1.2.4 Integration akquirierter Aktivitäten................................... 55 2. Planung des Integrationsprozesses.............................................. 58 2.1 Planung des Integrationsgrades................................................. 59 2.2 Planung des Integrationszeitpunktes......................................... 64

2.3 Planung des Integrationsteams.................................................. 67 2.4 Planung der Integrationsaktivitäten.......................................... 70

III. KONZEPT DER INTEGRATION BEI UNTERNEHMENSAKQUISITIONEN.......................... 75 1. Konzeptionelle Ansätze der Integration..................................... 75

1.1 Ansatz der strategischen Integration......................................... 77 1.2 Ansatz der strukturellen Integration.......................................... 79

1.3 Ansatz der personellen Integration............................................ 80 1.4 Ansatz der kulturellen Integration............................................. 82

XI 2. Teilkonzept Strategie....................................................................85 2.1 Konsolidierung untemehmensstrategischer Absichten.......... 85

2.1.1 Analyse und Bewertung der Untemehmenspolitik (generelle Absichten)................................................ 87

2.1.2 Festlegung der Zielinhalte (spezielle Absichten)........... 90 2.2 Geschäftsfeldbezogene Strategiefestlegung............................. 93 2.2.1 Stand-Alone-Strategie...................................................... 93 2.2.2 Strategie der Integration................................................... 95

2.3 Übertragung von strategischen Ressourcen und Fähigkeiten................

97

2.3.1 Transfer von materiellen Ressourcen............................... 99

2.3.2 Transfer von funktionalen Fähigkeiten.......................... 100

2.3.3 Transfer von allgemeinen Managementfahigkeiten.... 101

3. Teilkonzept Struktur.................................................................. 103 3.1 Aufbauorganisatorische Integration........................................ 103

3.1.1 Organisatorische Konsolidierung des Gesamtuntemehmens........................................................ 104 3.1.2 Projektorganisation der Integration............................... 111

3.2 Ablauforganisatorische Integration....................................... 114 3.2.1 Organisatorisch-funktionale Konsolidierung von Arbeitsprozessen............................................ 115

3.2.2 Organisatorische Konsolidierung von Untemehmenssystemen................................. 118 3.2.3 Zeitliche Aspekte des Integrationsprozesses............... 122

XII 4. Teilkonzept Personal.................................................................. 127 4.1 . Grundlagen des individuellen Verhaltens im Integrationsprozeß......................................................... 127

4.1.1 Verhaltensdeterminanten................................................. 127 4.1.2 Relevanz der Verhaltensdeterminanten für den Integrationsprozeß................................................ 130

4.2 Integration durch personalorientierte Ausgestaltung ausgewählter Führungsinstrumente................................... 132

4.2.1 Führungsstil..................................................................... 133 4.2.2 Anreizsysteme................................................................. 137

4.2.3 Informationsgestaltung.................................................... 140 4.2.4 Personalentwicklung....................................................... 145

4.2.5 Konfliktbewältigung........................................................ 148 5. Tcilkonzept Kultur...................................................................... 151 5.1 Relevante Grundlagen der kulturellen Gestaltung bei Untemehmensakquisitionen.............................................. 151

5.1.1 Begriff und Merkmale der Untemehmenskultur.......... 153 5.1.2 Analyse der Untemehmenskultur.................................... 157 5.1.2.1 Diagnose der aktuellen Kultursituation............. 157

5.1.2.2 Beurteilung der Kulturkompatibilität..................159

5.1.3 Konzept der Akkulturation.............................................. 160 5.2 Möglichkeiten der Gestaltung der Akkulturation im Integrationsprozeß....................................................... 167

5.2.1 Akkulturation durch kulturbewußte Gestaltung der Integrationskonzepte..............................................168

XIII

5.2.2 Akkulturation durch symbolisches Verhalten der Führungskräfte....................................................... 175

6. Zusammenfassung........................................................................177 IV. BEWERTUNG UND KONTROLLE DER INTEGRATION BEI UNTERNEHMENSAKQUISITIONEN....................... 183

1. Bewertung der Integration......................................................... 183 1.1 Bewertungkomponenten des Akquisitionserfolges............... 185

1.1.1 Teilkomponente Integrationserfolg.................................186 1.1.2 Teilkomponente ökonomischer Akquisitionserfolg.... 187 1.2 Bewertungskriterien des Integrationserfolges........................ 191

1.2.1 Effektivität der erreichten Integration............................ 192

1.2.2 Zeitaspekte der Integration.............................................. 196 1.2.2.1 Zeitdauer der Integration...................................... 196

1.2.2.2 Zeitpunkt der Integration....................................... 199 1.2.3 Kosten der Integration.................................................... 200 1.3 Bewertung des Integrationserfolges aus Sicht beteiligter Personengruppen.............................................. 203

1.3.1 Bewertung aus Sicht des Management.......................... 204 1.3.2 Bewertung aus Sicht der Mitarbeiter.............................. 207 1.3.3 Bewertung aus Sicht externer Berater.... ....................... 210

2. Kontrolle der Integration...........................................................212 2.1 Prämissenkontrolle.................................................................. 213

XIV 2.2 Durchfuhrungskontrolle .......................................................... 215 2.2.1 Ergebniskontrolle............................................................ 215

2.2.2 Planfortschrittskontrolle.................................................. 216 2.3 Strategische Überwachung...................................................... 216

Literaturverzeichnis...........................................................................219

XV

Abbildungsverzeichnis Abb. 1

Planungsphasen des Akquisitionsprozesses........................ 22

Abb. 2 Möglichkeiten der Untemehmensentwicklung................... 27 Abb. 3 Stoßrichtung der Diversifikation......................................... 38 Abb. 4 Wertschöpfungskette als Ausgangspunkt für Akquisitionen......................................................... 40

Abb. 5 Organisatorische Einbindung des Projektteams „Akquisition“.........................................................44 Abb. 6 Bewertungsmethoden in der Akquisitionspraxis................ 48 Abb. 7 Matrix des Integrationsgrades............................................. 63 Abb. 8 Zeitpunkt der Integrationsplanung und Interdependenzen der Planungsprozesse.............. 66

Abb. 9 Ansatzpunkte für Geschäftsfeldstrategien........................... 98 Abb. 10 Organisationsstrukturen diversifizierter Unternehmen.... 105

Abb. 11 Geschäftsablauf am Beispiel des Finanz- und Rechnungswesens................................................ 116 Abb. 12 Entscheidungsmodell der prozeßorientierten Integration............................................................ 117 Abb. 13 Zeitpunkte des Umsetzungsbeginns von Integrations­ maßnahmen.......................................................... 126 Abb. 14 Grundmodell individuellen Verhaltens............................. 129

Abb. 15 Einsatz von Informationsmaßnahmen bei Mitarbeitern des akquirierten Unternehmens........................... 143

XVI

Abb. 16 Unternehmenskulturprofil zur Visualisierung von Kulturunterschieden im Integrationsprozeß........ 158 Abb. 17 Mögliche Verlaufsformen des Akkulturations­ prozesses............................................................... 161 Abb. 18 Unterschiedliche Akkulturationspräferenzen im Integrationsprozeß................................................ 164

Abb. 19 Modell der Akkulturation................................................... 166

Abb. 20 Übersicht über das Integrationskonzept.............................179 Abb. 21 Einflußfaktoren des Akquisitionserfolges..........................185 Abb. 22 Erreichungsgrade von angestrebten Integrations­ maßnahmen als Indikatoren des Integrationserfolges.......206

Abb. 23 Einordnung der strategische Kontrolle in den Integrationsprozeß............................................... 217

XVII

Abkürzungsverzeichnis Abb.

Abbildung

Abs.

Absatz

AktG

Aktiengesetz

BFuP

Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis

bzw.

beziehungsweise

d.h.

das heißt

DB

Der Betrieb

DBW

Die Betriebswirtschaft

Diss.

Dissertation

ect.

et cetera

F&E

Forschung und Entwicklung

f.

folgende (Seite)

HBR

Harvard Business Review

Hrsg.

Herausgeber

HWB

Handwörterbuch der Betriebswirtschaft

HWF

Handwörterbuch der Führung

HWO

Handwörterbuch der Organisation

HWP

Handwörterbuch der Planung

i.d.R.

in der Regel

i.S.v.

im Sinne von

inkl.

inklusive

i.e.S.

im engeren Sinne

i.w.S.

im weiteren Sinne

Kap.

Kapitel

LRP

Long Range Planning

XVIII

M&A

Mergers and Acquisitions

Nr.

Nummer

o. Jg.

ohne Jahrgang

o.V.

ohne Verfasser

p.a.

per anno

S.

Seite

s.

siehe

SGE

Strategische Geschäftseinheit

SMJ

Strategie Management Journal

SMR

Sloan Management Review

u.a.

unter anderem

vgl.

vergleiche

Vol.

Volume

vs.

versus

WiSt

Wirtschaftswissenschaftliches Studium

z.B.

zum Beispiel

z.T.

zum Teil

ZfB

Zeitschrift für Betriebswirtschaft

ZfbF

Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung

ZfO

Zeitschrift Führung + Organisation

Ziff.

Ziffer

I. GRUNDLAGEN DER UNTERSUCHUNG 1. Thematische Grundlagen 1.1 Problemstellung Untemehmensakquisitionen sind spätestens seit dem Akquisitions­ boom der 80er Jahre mit jährlich neuen Rekordständen in der absoluten Anzahl national und international durchgeführter Unter­ nehmenstransaktionen zu einem festen Bestandteil unternehmerischer Wachstumsentscheidungen geworden. In den 90er Jahren hat sich durch den international zu beobachtenden Strukturwandel zahlreicher Branchen und die jeweiligen konjunkturellen Entwicklungen die Qualität des Instruments „Untemehmensakquisition“ verändert. So unterliegt heute das Akquisitionsgeschehen in einzelnen Branchen (z.B. Maschinenbau) bereits den Regeln eines Käufermarktes, während andere Segmente (z.B. chemische und pharmazeutische Industrie, Telekommunikation) eine rasante Akquisitionsentwicklung im Rahmen eines Verkäufermarktes erfahren.1 Zumindest für die nahe Zukunft wird erwartet, daß sich der Trend zu Untemehmens­ akquisitionen, aufgrund der zunehmenden Globalisiemngstendenz in allen wesentlichen Industrieländern, dem hohen Restrukturierungs­ bedarf zahlreicher Branchen und der rasanten Entwicklung in diversen Schlüsseltechnologien (z.B. der Mikroelektronik oder Gentech­ nologie) weiter verstärken wird.2

Diese Entwicklung ist einerseits verständlich, bieten doch Unter­ nehmensakquisitionen erhebliche Chancen zur schnelleren Reali­ sierung von Wachstumspotentialen und zur Neuausrichtung im Unternehmen. Akquisitionen werden in der Regel mit dem grund­

1 2

Vgl. Müller-Stewens / Schubert 1993, S. 5; Schubert 1994, S. 5. Vgl. Schubert 1994, S. 8.

2

legenden Ziel durchgefuhrt, Erfolgspotentiale anderer Unternehmen zu erwerben und mit den eigenen so zu kombinieren, daß durch die gemeinsame Nutzung einzelner Fähigkeiten, Ressourcen und Kapazi­ täten Wettbewerbsvorteile entstehen.5 Wettbewerbsvorteile beinhalten eine ertrags-, kosten- und zeitrelevante Dimension.4 Zumeist kommen sie zum Ausdruck in einer gemeinsamen Markterschließung, einer Ausnutzung von Verbund- bzw. Synergievorteilen (z.B. in Produktion, Vertrieb und Verwaltung), einer höheren Finan­ zierungkraft oder einer Risikostreuung.5 Unternehmensakquisitionen bieten auch die Möglichkeit der Entwicklung neuer Wachstumspoten­ tiale, z.B. durch den unmittelbaren Zugang zu neuen Märkten, Produkten und Technologien. Andererseits muß diese Entwicklung überraschen, ist doch eine Untemehmensakquisition mit einem erheblichen unternehmerischen Risiko behaftet. In empirischen Untersuchungen6 wurde festgestellt, daß - ungeachtet der Branche, in der eine Akquisition durchgefuhrt wird - rund die Hälfte aller Untemehmensübemahmen scheitern. Diese relativ hohe Mißerfolgsquote wird darauf zurückgefuhrt, daß Akquisitionsentscheidungen häufig ohne strategische Fundierung durchgefuhrt werden und, aufgrund der relativen Seltenheit einer solchen unternehmerischen Entscheidungssituation, akquisitionsspe­ zifisches Erfahrungswissen weitgehend fehlt. Insofern ist es nicht verwunderlich, daß zahlreiche Veröffentlichungen sich mit der erfolgreichen Gestaltung von Untemehmensakquisitionen auseinandersetzen.7 Im Vordergrund der Betrachtung stehen in erster J 4 5 6

Vgl. Coenenberg / Sautter 1988, S. 695; Haspeslagh / Jemison 1987, S. 54. Vgl. Porter 1986, s. 113-115. Vgl. Bühner / Spindler 1986, S. 602-605. Vgl. hierzu z.B. die Untersuchungsergebnisse von: Bleeke / Emst 1992, S. 115 f.; Coley /Reinton 1988, S. 29-43; Gerpott 1993, S. 401; Hunt /Less/Grumbar / Vivian 1987, S. 62; Möller 1983, S. 104; Porter 1987, S. 30-49. Vgl. u.a. Bühner (1990 und 1990 a); Clever (1993); Datta (1991); Gerpott (1993); Grüter (1991); Florescu (1991); Hoffmann (1989); Haspeslagh / Jemison (1992); Jung

3 Linie Fragen der Vorbereitung der Untemehmensakquisition, insbe­ sondere der zielorientierten Suche, der synergieorientierten Auswahl eines Akquisitionskandidaten, der anzuwendenden Bewertungsverfahren zur Kaufpreisermittlung, bis hin zur erfolgreichen Verhandlungs­ taktik in der Verhandlungsphase.

Mit Abschluß des Kaufvertrages beginnt in der Regel die schwierige Phase der Eingliederung bzw. der Integration akquirierter Aktivitäten in eine bestehende Untemehmensorganisation. Unterstellt man, daß Untemehmensakquisitionen mit dem Ziel der Realisierung strate­ gischer Erfolgs- bzw. Wertsteigerungspotentiale verbunden sind8, so entscheidet sich letztlich erst in der Integrationsphase, ob und inwie­ weit die angestrebten Akquisitionsziele tatsächlich verwirklicht werden können. Aus strategischer Sicht kommt deshalb der Planung der Integration eines akquirierten Unternehmens besondere Be­ deutung zu, weil nur durch zielbewußtes Handeln vor der und im An­ schluß an die Akquisition die Grundlage für den Erfolg einer Akqui­ sition geschaffen werden kann. Dies setzt ein integrationsorientiertes Management voraus, das versucht, die bisher selbständigen Unter­ nehmen soweit wie möglich aufeinander abzustimmen. Das erreichte Maß der Integration ist damit die Voraussetzung für den überge­ ordneten Akquisitionserfolg.9 Die Bedeutung der Integration, als Schlüssel für den Erfolg einer Un­ ternehmensakquisition, wird in der betrieblichen Praxis viel zu häufig unterschätzt, wie folgendes Zitat verdeutlicht:

$

(1993); Kirchner (1991); Lutz (1984); Möller (1983); Pearson (1987); Sautter (1989); Scheiter (1988); Suckut (1992); Reißner (1992); Rädler / Pöllath (1982). Vgl. hierzu u.a. Bleeke / Isono / Emst / Weinberg 1990, S. 46-55; Bühner 1989, S. 158;

9

Gomez 1989, S. 441-452; Gomez / Ganz 1992, S. 44-54; Haspeslagh / Jemison 1987, S. 54; Sandler 1991; S. 179; Salter / Weinhold 1979, S. 183; Weston 1987, S. 44 f. Vgl. Domis 1982, S. 48; Frank 1993, S. 141; Gerpott 1993, S. 388; Haspeslagh / Jemison 1992, S. 129; Krüger 1988, S. 27 f; Scheiter 1989, S. 55.

4

"In the excitement ofmaking the deal, acquirers often ignore the difficulties of integrating the operations and people of their new constituents to obtain maximum value from the purchases." Achtmeyer / Daniell 1988, S. 37.

Dies mag daran liegen, daß Integrationsentscheidungen im allge­ meinen auf unvollständigen Informationen basieren und ihrem Charakter nach schlecht zu strukturieren sind. Ein standardisiertes Vorgehen, wie es sich z.B. in der Bewertungsphase anbietet, ist für die Integrationsphase in der Regel nicht anwendbar, weil menschliche Verhaltensweisen sowie untemehmenskulturelle Unterschiede mit zahlreichen gefühlsmäßigen Einflußfaktoren auf die Integration ein­ wirken. Zudem zählen Untemehmensakquisitionen und damit einher­ gehend auch Integrationsaktivitäten nicht zu den routinemäßigen Managemententscheidungen.

Die wissenschaftliche Literatur hat sich mit dem Problem der Inte­ gration ansatzweise, d.h. nur mit verschiedenen Einzelaspekten und Fallbeispielen beschäftigt.10 Dabei liegt der Schwerpunkt in der Regel auf sachlich-organisatorischen Aspekten der Integration einzelner Funktionsbereiche und ihrem hauptsächlich finanziellen Beitrag zur Verwirklichung untemehmensstrategischer Zielsetzungen. Auch wird allgemein die Notwendigkeit zur Berücksichtigung einer sozial verträglichen Integration hervorgehoben, ohne jedoch konzeptionell Möglichkeiten der personellen und kulturellen Integration bei Untemehmensakquisitionen aufzuzeigen.11 Auf die zur vollständigen 10

Zu einer ähnlichen Beurteilung der Literatur siehe beispielsweise: Buono / Bowditch /

11

Lewis 1985, S. 496 f; Datta 1991, S. 281; Grüter 1991, S. 82; Kirchner 1991, S. 253 f; Marks 1982, S. 38 f; Nahavandi / Malekzadeh 1988, S. 79; Ottersbach / Kolbe 1990, S. 140; Reineke 1989, S. 212; Reißner 1992, S. 2; Scheiter 1989, S. 43-50. Erst in letzter Zeit erschienen einzelne konzeptionelle Ansätze zur personellen und /

oder kulturellen Integration. Zu nennen sind hier im wesentlichen die Arbeiten von: Clever (1993), Gerpott (1993); Grüter (1991); Haspeslagh / Jemison (1992), Krystek (1991); Nahavandi / Malekzadeh (1988), Reineke (1989); Siebenhaar / Zeller (1993).

5 Steuerung der Akquisition notwendige Bewertung und abschließende Kontrolle der Integrationsergebnisse wird in der Regel vollständig verzichtet.

1.2 Zielsetzung

Wie soeben dargelegt, steht der wachsenden Bedeutung von Unter­ nehmensakquisitionen und dem damit verbundenen relativ hohen Mißerfolgsrisiko ein Bedarf an Handlungswissen in Theorie und Praxis, speziell zum Kernpunkt der Integration, gegenüber.

Die Ziele der vorliegenden Arbeit bestehen deshalb darin: • die Bedeutung der Integration im Rahmen des Akquisitionsprozesses herauszuarbeiten,

• die unterschiedlichen Aufgaben der Integration zu identifizieren und konzeptionelle Lösungswege der damit verbundenen Probleme darzustellen, • empirische Forschungsergebnisse der wissenschaftlichen Literatur mit praxisbezogenen Erfahrungsberichten zu verknüpfen und • Möglichkeiten der abschließenden Bewertung und Kontrolle der Integrationsergebnisse aufzuzeigen.

Um das Ziel zu erreichen, sowohl theoretisch fundiertes als auch an­ wendungsorientiertes Handlungswissen, speziell des Integrations­ aspektes, zu vermitteln, ist es notwendig, den Rahmen der vorliegenden Untersuchung auf einen bestimmten Kembereich einzugrenzen. Eine erste Einschränkung ist hinsichtlich des Umfangs des zu berück­ sichtigenden Akquisitionsprozesses zu treffen. In der Literatur wird der Akquisitionsprozeß durch einzelne, voneinander abgrenzbare Planungsphasen (Suche, Bewertung, Auswahl, Verhandlung, Integration) gekennzeichnet. Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht die

6

Integrationsphase, die in dieser idealtypischen Reihenfolge mit Be­ endigung der Übemahmeverhandlungen beginnt. Auf die der Integra­ tionsphase vorgelagerten Phasen soll nur insoweit Bezug genommen werden, wie es zur Verdeutlichung des gesamten Akquisitionspro­ zesses und speziell seines Einflusses auf die Integrationsphase not­ wendig erscheint.

Darüber hinaus wird unterstellt, daß mit jeder Akquisitionsent­ scheidung a priori Ziele der Integration (z.B. Steigerung der Effekti­ vität durch Zusammenfassung bestimmter Produkt-/Marktbereiche) verbunden sind. Ohne den nachfolgenden Ausführungen vorgreifen zu wollen, soll an dieser Stelle schon darauf hingewiesen werden, daß die spezifischen Integrationsziele nur auf eine - wie auch immer geartete „optimale“ Integration und nicht auf eine „maximale“ Integration ge­ richtet sein können.12 Dem Extremfall, daß zum Beispiel aus rein finanziellen Interessen ein akquirierendes Unternehmen keine eigent­ lichen Integrationsziele realisieren will, wird hier keine weitere Beach­ tung geschenkt.

Eine dritte Abgrenzung betrifft die Perspektive der einzuleitenden Integrationsmaßnahmen. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, die Integrationsproblematik aus Sicht des Käufer- und / oder Verkäuferuntemehmens zu behandeln. Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf Darstellungen aus Sicht des Käuferunterneh­ mens. Diese Einschränkung erscheint gerechtfertigt, da Aussagen zur Integration quasi spiegelbildlich auch für das akquirierte Unternehmen angewendet werden können. So kann man in der Regel davon ausge­ hen, daß geplante Maßnahmen der Integration des akquirierenden Unternehmens von der anderen Seite nach Bekanntwerden der Akquisitionsabsicht ebenso abgeschätzt und im weiteren Verlauf der 12

Shrivastava (1986, S. 73) beschreibt dies so: „Nonintegration of the acquired business can be satisfactory in some situations, overintegration can be expensive, and under­ integration can be unproductive. Therefore, it is important to determine the optimal degree of integration for each situation.“

7

Akquisition auf ihre Möglichkeiten und Konsequenzen überprüft werden.

Die am Akquisitionsprozeß beteiligten Unternehmen lassen sich auch anhand ihrer Branchenzugehörigkeit unterscheiden. Da der relative Schwerpunkt der Akquisitionstätigkeit der letzten Jahre insbesondere zwischen Industrieunternehmen festgestellt wurde,13 werden im Rahmen dieser Arbeit - soweit notwendig - die Beispiele zu Integrationsmaßnahmen vor allem aus diesem Bereich herangezogen. Untemehmensakquisitionen differieren darüber hinaus auch in Bezug auf die Größenverhältnisse der beteiligten Unternehmen, ihre jeweilige regionale Ausrichtung, oder bestimmte externe Umweltbe­ dingungen (z.B. Wettbewerbsstruktur). Damit zeichnet sich eine Schwierigkeit im Hinblick auf die Ziel­ setzung in dieser Arbeit ab. Diese Schwierigkeit liegt in der Einmaligkeit jeder Untemehmensakquisition und der damit verbundenen Problematik, allgemeingültige Konzepte der Integration zu entwickeln. Da es kein generell anwendbares Patentrezept der Integration gibt, ist es die vorrangige Absicht des Verfassers, zunächst einen Beitrag zur grundsätzlichen Strukturierung des Integrations­ problems zu leisten. Dies erfordert eine eher breit angelegte Dar­ stellung der Integrationsproblematik, anstatt einer in die Tiefe gehenden Einzelfallbetrachtung. Damit wird bezweckt, jenen generellen Rahmen aufzuzeigen, der für die überwiegende Mehrzahl von Integrationsvorhaben von Bedeutung ist. Folglich soll versucht werden, Aussagen mit Grundlagencharakter zu treffen, an denen sich Praktiker wie Theoretiker bei der Erarbeitung von erfolgverspre­ chenden Integrationskonzepten im jeweiligen Einzelfallbeispiel orientieren können.

13

Vgl. zur Akquisitionsentwicklung nach Branchen: Müller-Stewens / Schubert 1993, S. 7; Stein 1993, S. 86; Schubert 1994, S. 5-7.

8 Um den konzeptionellen Rahmen auszufüllen, wurde folgende Vor­ gehensweise gewählt: Im ersten Hauptteil wird der theoretische Bezugsrahmen für eine anwendungsbezogene Diskussion in den folgenden Kapiteln gelegt. Zunächst wird der verwendete Begriff der Akquisition präzisiert. Die Begriffsabgrenzung orientiert sich an den praxisrelevanten Akquisitionsaltemativen des Beteiligungs- und Ver­ mögenserwerbs. Daran schließt sich eine Betrachtung der Integration als betriebswirtschaftliches Problem an. Die Ableitung des Integrati­ onsbegriffes erfolgt am Beispiel der in der Betriebswirtschaft diskutierten Forderung eines „integrierten Management“14. Auf dieser Basis erfolgt die Übertragung des Integrationsbegriffes auf den zwischenbetrieblichen Bereich der Untemehmensakquisition.

Der zweite Hauptteil steht im Zeichen der Planungsprozesse der Akquisition und der Integration. Den Anfang bildet der Akquisitions­ prozeß, um den Einfluß der aufeinander aufbauenden Planungsphasen für die besondere Problemstellung der Integration zu verdeutlichen. Die Integration als vermeintlich letzte Phase im Akquisitionsprozeß nach der vertraglichen Untemehmensübemahme wird anschließend als eigenständiger Planungs- und Realisierungsprozeß aufgefaßt. Im Rahmen der Planung des Integrationsprozesses, die zeitlich bereits vor Vertragsabschluß durchgeführt werden kann, werden die die Integra­ tionsaufgaben beeinflussenden Faktoren des Integrationsgrades, des Integrationszeitpunktes sowie der Integrationsträger präzisiert. Den Abschluß bilden die Integrationsaktivitäten selbst, die im Hinblick auf ein konzeptionelles Vorgehen im Rahmen des Integrationsprozesses (nach der Untemehmensübemahme) nach strategischen, strukturellen, personellen und kulturellen Gesichtspunkten gegliedert werden. Im dritten Hauptteil werden die identifizierten Aktivitäten der strate­ gischen, strukturellen, personellen und kulturellen Integration als Teilkonzepte der Integration aufgefaßt und einzeln dargestellt. Dabei

14

Vgl. Kapitel I Abschnitt 2.2 und die dort angegebene Literatur.

9

wendet sich das Augenmerk auf die zur Steuerung (Management) des Integrationsprozesses notwendigen Problemlösungen. Nach einer grundsätzlichen Analyse der Unterschiedlichkeit bzw. Verträglichkeit der Akquisitionspartner werden die Möglichkeiten zur Gestaltung und Durchsetzung der Integrationsaktivitäten und ihre Auswirkungen auf das Integrationsergebnis, im Sinne der realisierten Integration, behandelt. Einbezogen werden - soweit vorhanden - die jeweils relevanten empirischen Forschungsergebnisse. Der vierte Hauptteil widmet sich der Bewertung und Kontrolle der Integration. Nach Kennzeichnung der Begriffe des Akquisitions- und Integrationserfolges steht die Frage im Vordergrund, welche Bewer­ tungskriterien zur Integrationserfolgsmessung angewendet werden können. Es liegt nahe, den Erfolg an der Effektivität der Gestaltungs­ maßnahmen, der Zeitdauer und den Kosten der Integration zu beurteilen. Mit Hilfe von empirischen Erfolgsuntersuchungen wird dargelegt, daß durch die Einbeziehung der personellen und der kulturellen Komponente des Integrationserfolges weniger quantitativ­ meßbare, objektive Kriterien als vielmehr qualitative, subjektive Kriterien im konkreten Einzelfall herangezogen werden müssen. Es wird ferner versucht, den Integrationserfolg direkt an den Gestal­ tungsmaßnahmen der Integration zu beurteilen. Die Gestaltungsmaß­ nahmen lassen sich am einfachsten mittels Befragung des Manage­ ment beurteilen. Aus Gründen einer breiteren Objektivität der Befra­ gungsergebnisse wird vorgeschlagen, zusätzlich auch die Mitarbeiter, insbesondere die des akquirierten Unternehmens, mit in die Erfolgs­ beurteilung einzubeziehen. Die Einordnung der Integration in den „Strategischen Kontrollprozeß“ bildet den Abschluß des Kapitels.

10

2. Begriffliche Grundlagen 2.1 Begriff der Unternehmensakquisition

Der im Zusammenhang mit dem Erwerb von Unternehmen verwendete Begriff der Akquisition wird in der Literatur häufig gleichgesetzt mit Begriffen wie z.B. Unternehmenszusammenschluß, Fusion, Merger & Acquisition, Buyout, Takeover, Deal usw.15 Da vom Verständnis des Akquisitionsbegriffes der Kernpunkt der vorliegenden Arbeit - die Integration - entscheidend geprägt wird, müssen im folgenden die relevanten Begriffe inhaltlich konkretisiert und voneinander abgegrenzt werden. Vor dem Hintergrund der Integrationsthematik wird zur Kennzeichnung des Akquisitionsbe­ griffs auf Formulierungen in Anlehnung an juristische Terminologien zurückgegriffen.

Pausenberger definiert den Akquisitionsbegriff als den „Erwerb von Verfügungsrechten über bestehende Faktorkombinationen“16. Unter Faktorkombinationen lassen sich Sachmittel und Personen subsumieren, die arbeitsteilig zur Verwirklichung ökonomischer Ziele eingesetzt werden. Verfugungs- bzw. Eigentumsrechte, auf die im folgenden detailliert einzugehen sein wird, können sich beziehen auf: • den Erwerb von Beteiligungsanteilen (acquisition of stock)

• den Erwerb von Vermögenswerten (acquisition of assets).17

15

16 17

Vgl. z.B. Bressmer / Moser / Sertl 1989, S. 5; Callahan 1986, S. 47; Caytas / Mahari 1988, S. 23 f; Clever 1993, S. 7 f; Frank 1993a, S. 6 f; Grüter 1991, S. 26.; Kirchner 1991, S. 30. Pausenberger 1989, Sp. 18.

Welche Alternative im Einzelfall zum Tragen kommt, hängt u.a. von steuerlichen und bilanzpolitischen Erwägungen ab; siehe hierzu z.B. Sieben / Sielaff 1989, S. 68-103.

11

Zu (1) Erwerb von Beteiligungsanteilen

Unter einer Beteiligung versteht man eine auf Einlage von Kapital be­ ruhende Mitgliedschaft an einem anderen Unternehmen.18 Entschei­ dend für das Vorliegen einer Akquisition und die Möglichkeit der Integration ist die Höhe der Beteiligung. In der Regel wird der mehr­ heitliche Erwerb von Beteiligungsanteilen an einem Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit (§ 16 AktG) als Voraussetzung dafür angesehen, daß von einer Akquisition gesprochen werden kann. Die Voraussetzung einer Mehrheitsbeteiligung wird deshalb gewählt, da sie (gern. § 17 AktG) im Einklang steht mit der Möglichkeit, einen beherrschenden Einfluß auf die Untemehmenspolitik der Beteili­ gungsgesellschaft auszuüben.19 Um die unternehmerische Option der Integration des akquirierten Unternehmens zu realisieren, wird in der Literatur meist eine Beteili­ gungsquote von über 50% am Eigenkapital als ausreichend angese­ hen.20 Inwieweit die einfache Mehrheitsbeteiligung im Hinblick auf die Integrationsgestaltung tatsächlich ausreicht, ist abhängig vom Ein­ zelfall, insbesondere von den finanziellen Verhältnissen des erwer­ benden Unternehmens, der Streuung der Kapitalanteile, der Ausgestal­ tung des Gesellschaftsvertrages und der wirtschaftlichen Situation des Akquisitionsobjektes.

18 19

Vgl. Rösener 1985, S. 285-289; Schubert / Küting 1981, S. 244. Wird der beherrschende Einfluß tatsächlich ausgeübt und durch eine einheitliche Unter-



nehmensleitung institutionalisiert, liegt im aktienrechtlichen Sinn (§ 18 AktG) eine Konzembeziehung vor. Die entstandene wirtschaftliche Einheit, deren Elemente die rechtlich selbständigen Unternehmen sind, wird als Konzern bezeichnet. Vgl. Pausenberger 1989, Sp. 19; Schubert / Küting 1981, S. 246 f. Vgl. Clever 1993, S. 8; Gerpott 1993, S. 28; Hunt / Lees / Grumbar / Vivian 1987, S. 5;

Reineke 1989, S. 8. Andere Autoren wie z.B. Sieben / Sielaff (1989, S. 15) vertreten die Auffassung, daß eine Beteiligungsquote von 75% notwendig ist, „sofern das Ziel ist, das Käuferuntemehmen zu integrieren und eine neue ökonomische Einheit entstehen zu lassen“.

12

Zu (2) Erwerb von Vermögenswerten

Von einer Akquisition kann auch im Falle des Vermögenserwerbs ge­ sprochen werden. Hierbei handelt es sich um den Erwerb von Sachen, Rechten oder sonstigen Vermögensgegenständen.21 Grundsätzlich können einzelne Vermögensgegenstände oder das gesamte Vermögen eines Unternehmens erworben werden. Wird das gesamte Vermögen eines Unternehmens auf das Käuferunternehmen übertragen, so handelt es sich um eine Verschmelzung (§ 339 AktG), wobei - im Unterschied zum Beteiligungserwerb - nicht nur die wirtschaftliche, sondern auch die rechtliche Selbständigkeit des akquirierten Unter­ nehmens aufgegeben wird.22 Grundsätzlich lassen sich zwei Formen der Verschmelzung unterscheiden: • Verschmelzung durch Aufnahme • Verschmelzung durch Neubildung

In Anlehnung an die Literatur soll die Verschmelzung nur dann als Akquisition bezeichnet werden, wenn es sich um eine Verschmelzung durch Aufnahme (§ 340 AktG) handelt, die mehrheitlich auch als Fusion („Merger“) bezeichnet wird.23 Hierbei wird das Vermögen des akquirierten Unternehmens als Ganzes auf das Käuferuntemehmen übertragen (§ 339 Abs. 1 Ziff. 1 AktG). Diese Form der Akquisition stellt durch die Fusion der beteiligten Unternehmen zugleich die höchsten Anforderungen an die Integration. Dagegen soll die Ver­ schmelzung durch Neubildung (§ 353 AktG) wegen des Identitätsver­ lustes der verbundenen Unternehmen nicht als Akquisition bezeichnet werden, weil das Vermögen beider Gesellschaften in ein neues Unter­ nehmen übergeht.

21 22 23

Vgl. Sieben / Sielaff 1989, S. 1. Vgl. hierzu insbesondere Schubert / Kilting 1981, S. 318-321, Zimmerer 1982, S. 942. Vgl. Bressmer / Moser / Sertl 1989, S. 66-70; Küting 1993, Sp. 1341-1347; Pausenberger 1989, Sp. 19; Schubert / Küting 1981, S. 318-320.

13

Die Akquisition einzelner Vermögensgegenstände, wie z.B. der Patenterwerb oder der Kauf einzelner Teile des Anlagevermögens (Maschinen, Grundstücke usw.), zählt in dieser Arbeit nicht zu dem Akquisitionsbegriff, weil hiermit meist kein maßgeblicher Einfluß auf die Geschäftstätigkeit des Unternehmens ausgeübt werden kann. Zudem sollen nur jene Untemehmensakquisitionen berücksichtigt werden, bei denen Mitarbeiter betroffen sind, was bei einem Ver­ mögenserwerb nicht notwendigerweise der Fall ist. Zusammenfassend kann der in dieser Arbeit verwendete Begriff der (Unternehmens-) Akquisition wie folgt konkretisiert werden, als:24 • der auf Dauer angelegte Erwerb von Eigentumsrechten, • durch ein Unternehmen an einem anderen Unternehmen oder Betriebsteil eines Unternehmens,

• durch mehrheitliche Übertragung von Gesellschafts­ kapital- oder Vermögensanteilen, • verbunden mit der Möglichkeit, einen beherrschenden Einfluß auf das akquirierte Unternehmen ausüben zu können, • olme daß ein Unternehmen durch den Erwerb seine bisherige Rechtspersönlichkeit verlieren muß.

24

Vgl. hierzu ausführlich Gerpott 1993, S. 18-41

14

2.2 Begriff der Unternehmensintegration

Der Terminus „Integration“ kann etymologisch aus dem lateinischen „integer“ (ganz, unversehrt, vollständig), „integratio“ (Wiederherstellung eines Ganzen) oder „integrare“ (vervollständigen) abgeleitet werden.25 Anwendung gefunden hat der Integrationsbegriff in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, so in der Anthro­ pologie, Biologie, Mathematik und Politik, der Psychologie, Philoso­ phie, Soziologie und im Staatsrecht. In der Betriebswirtschaftslehre hat der Integrationsbegriff in den letzten Jahren insbesondere in der Systemtheorie im Zusammenhang mit der Forderung nach einem „integrierten Management“26 an Bedeutung gewonnen. Auf den systemtheoretisch-kybemetischen Ansatz im Rahmen der Systemtheorie soll im folgenden jedoch nur insoweit eingegangen werden, wie es zum Verständnis des Integrationsbegriffs notwendig erscheint. Integratives bzw. ganzheitliches Management, als Forderung der Sy­ stemtheorie27, kann definiert werden als „Gestalten, Lenken und

25 26

Vgl. Lehmann 1980, Sp. 976; Schwaninger 1990, S. 42. Grundlage der Auseinandersetzung mit dem „integrierten Management“ stellt der Systemansatz von Ulrich (1987) dar, aus dem das „St. Gallener Managementmodell“ hervorging: Siehe hierzu z.B. Bleicher 1992, S. 1646-1648; Krieg 1985, S. 263-265; Siegwart 1985, S. 93-95 und die dort angegebene weiterführende Literatur. Den Ausgangspunkt der Systemtheorie bildet die Erkenntnis, daß Unternehmen in einem komplexen Zusammenhang mit den Umweltbedingungen stehen und zwischen Unternehmen und Umwelt vielfältige, dynamische Wechselwirkungen bestehen. Zur Bewältigung der Komplexität wird ein Umdenken im Management gefordert, das getragen ist von einer ganzheitlichen Sichtweise zur Steuerung und Sicherung der Untemehmensentwicklung. Insofern wird die Kemaufgabe des Management nicht in der kurzfristigen Erfolgssteuerung einzelner Untemehmensteile gesehen, sondern in der langfristigen Ausrichtung des Unternehmens als Ganzes, im Hinblick auf eine umfassende Umwelt (Ganzheit höherer Ordnung). Vgl. Schwaninger 1990, S. 45-48, Siegwart 1985, S. 95-105; Krieg 1985, S. 262-263.

15

Entwickeln (produktiver) sozialer Gebilde“28. Damit wird zum Aus­ druck gebracht, daß Unternehmen als Ganzheiten betrachtet werden müssen. Das Ziel liegt in der Herstellung handlungsfähiger Einheiten (Gestaltungsaspekt), um Unternehmen bzw. Unternehmensteile in Abstimmung mit den Umweltbedingungen (Entwicklungsaspekt) und durch Einsatz entsprechender Steuerungsgrößen (Steuerungsaspekt) zielorientiert zu beeinflussen. Zur Verdeutlichung des integrativen Ansatzes lassen sich logisch voneinander abgrenzbare Manage­ mentebenen unterscheiden.

Diese sich gegenseitig beeinflussenden und voneinander abhängigen Dimensionen des Management können eingeteilt werden in die Ebenen des: • normativen Management, • strategischen Management,

• operativen Management.29 Unter dem Integrationsaspekt sind auf der Ebene des normativen Management untemehmenspolitische Rahmenbedingungen (Visionen) für sinnvolles, wertorientiertes Handeln und Verhalten zu entwickeln.30 Nach Festlegung der grundsätzlichen Untemehmenspolitik erfolgt auf der Ebene des strategischen Management die lang­

28 29

30

Schwaninger

1990,

S. 42, vgl. auch Krieg

1985, S. 262;

Leimer

1991,

S. 5-8. Den rein metasprachlich zu differenzierenden Managementebenen entsprechen jeweils eigene Steuerungsgrößen. Auf der operativen Ebene ist es das Kriterium der Wirt­ schaftlichkeit (z.B. Gewinn, Liquidität), auf der strategischen Ebene die Wettbewerbs­ fähigkeit (z.B. Erfolgspotentiale) und auf der normativen Ebene die Legitimität. Die Abhängigkeit der Steuerungsgrößen zeigt sich z.B. darin, daß die Ausrichtung auf Er­ folgspotentiale finanzielle Mittel voraussetzt, die sich negativ auf den Gegenwartserfolg auswirken können. Vgl. Bleicher 1991, S. 3-6 und 1992, S. 1646 f; Klemm 1990, S. 7981; Krieg 1985, S. 266 f; Schwaninger 1990, S. 49-51. Zur Entwicklung einer Untemehmensvision vgl. Gomez / Weber 1989, S. 40 f.

16

fristige Ausrichtung des Unternehmens auf Erfolgspotentiale.31 Beide, das normative und strategische Management werden auf der operativen Managementebene in Form von Aufgaben bzw. Hand­ lungsanweisungen konkretisiert. Integration, als eine „spezifische Form der Verknüpfung von Elementen zum Ganzen eines Systems“32, bezieht sich in dem dargestellten Zusammenhang auf die gegenseitige Abstimmung von „unternehmenspolitischem Wollen, strategischem Vorgehen und operativen Aufträgen, die getragen sind vom operativ Machbaren“33. Übertragen auf den Bereich der Untemehmensakquisition ist auf der Ebene des normativen Management eine grundsätzliche Entscheidung über die Akquisitionspolitik notwendig, die auf der strategischen Managementebene z.B. zur Abrundung bestehender oder zur Gewinnung neuer Geschäftsaktivitäten fuhrt.34 Dies zieht eine Ent­ scheidung zur Akquisitionsrichtung (horizontal, vertikal, konzentrisch, konglomerat) und den damit verfolgten Zielsetzungen nach sich. Auf der Ebene des operativen Management erfolgt die Umsetzung der zuvor festgelegten Akquisitionsziele im Akquisitionsprozeß.

Im Rahmen von Untemehmensakquisitionen besteht das Integrations­ problem in der Ausschöpfung des Entwicklungspotentials durch Zu­ sammenfassung der zuvor selbständigen Unternehmen zu einem größeren, sinnvollen Ganzen. Der Begriff der Integration soll sich in dieser Arbeit jedoch nicht nur auf eine vollständige Integration (Verschmelzung) eines Unternehmens in ein schon bestehendes Un-

31

32 33 34

Aus Sicht des strategischen Management hängt der Erfolg eines Unternehmens in entscheidendem Maße von dem Zusammenwirken der Strategischen Planung mit der für ihre Umsetzung notwendigen Organisation ab. Vgl. hierzu Kreikebaum 1987, Sp. 1898; Reißner 1992, S. 13 f; Schrempp 1991, S. 5. Lehmann 1980, Sp. 977. Bleicher 1991, S. 7. Vgl. Bleicher 1991, S. 862-864.

17

temehmen beziehen, sondern ebenfalls partielle Veränderungen in der Zusammenarbeit zweier Unternehmen mit einschließen.

Die integrationsrelevanten Veränderungen können sich beziehen auf Maßnahmen bzw. Aktivitäten: • zur Beeinflussung der strategischen Ausrichtung des akquirierten Unternehmens und seiner Geschäftsfelder (Strategie), • zur Eingliederung der beteiligten Aufbau- und Ablauf­ organisationen (Struktur),

• zur Beeinflussung der Interaktion der Mitarbeiter (Personal), • zur Anpassung voneinander abweichender kultureller Merkmale (Kultur). In Bezug auf die Integration eines Akquisitionsobjektes können zwei grundsätzliche Vorgehensweisen sinnvoll sein:35 Zum einen können Untemehmensaktivitäten zusammengefaßt und anschließend von den Unternehmen gemeinsam durchgefuhrt werden (Integration im engeren Sinne). Andererseits kann es auch ratsam sein, die Unter­ nehmensaktivitäten hinsichtlich ihrer Ausführung zu koordinieren (Integration im weiteren Sinne}.

Im Falle der Koordination36, d.h. der Abstimmung interdependenter Handlungen und Entscheidungen auf ein übergeordnetes Ziel, findet eine Zusammenarbeit in der Regel auf der Ebene der Unternehmens­ leitung statt. Da die Notwendigkeit der Koordination auch bei der Zu­ sammenfassung von Unternehmen eine wesentliche Rolle spielt, sollen im Rahmen dieser Arbeit die Begriffe der Integration und der 35 36

Vgl. Klemm 1990 S. 54 f. Vgl. zum Begriff der Koordination z.B. Duttenhofer 1985, S. 131.134; Hoffmann 1980, S. 296-308; Poensgen 1980, Sp. 1130 f., Rühli 1992, Sp. 1165 f; Stachle 1991, S. 520521.

18

Koordination gleichwertig verwendet werden. Auf gewisse Begriffs­ nuancen, die die Integration mehr im Sinne eines präsituativen (planerischen) Gestaltens von Systemen und unter Koordination ein eher situatives ad hoc-Gestalten verstehen,37 wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit nicht eingegangen. Im Zusammenhang mit Untemehmensakquisitionen kann der Begriff der Integration auch in seiner prozessualen Bedeutung eingegrenzt werden. In diesem Sinne kennzeichnet die Integration in der Regel die letzte Phase im Akquisitionsprozeß, nach Abschluß der Vertragsver­ handlungen. Anzumerken ist, daß diese zeitliche Einschränkung in der Regel für die Realisierung geplanter Integrationsmaßnahmen zutrifft. Dies muß nicht notwendigerweise für die vorbereitenden Maßnahmen der Integration (z.B. Analyse und Auswahl der Integrationsaktivitäten, Verantwortlichkeiten) gelten, die bereits in der vorgelagerten Planungs- und Verhandlungsphase von Akquisitionen eingeleitet werden können. Da sich die Akquisitionsmaßnahmen - die zur Prüfung und anschließenden vertraglichen Übernahme eines Akquisitionskandidaten führen - grundsätzlich von denen zur Ein­ gliederung des akquirierten Unternehmens unterscheiden, wird im Rahmen dieser Arbeit Integration als eigenständiger Planungsprozeß aufgefaßt und behandelt werden.38

Zusammengefaßt soll der Begriff der Integration in dieser Arbeit wie folgt verwendet werden:

• Integration ist ein hauptsächlich vom Management des akquirierenden Unternehmens bewußt geplanter Gestaltungsvorgang der Zusammenarbeit.

37

Vgl. Bleicher 1991, S. 10

J

Diese Sichtweise entspricht der von Haspeslagh / Jemison (1992, S. 25-27) vertretenen Auffassung, wonach der Akquisitionsprozeß einerseits und der Integrationsprozeß andererseits jeweils voneinander unabhängige, spezifische Chancen und Risiken beinhalten.

19

• Integration umfaßt die vollständige oder die partielle Eingliederung des akquirierten Unternehmens durch strategische, strukturelle, personelle und kulturelle Integrationsmaßnahmen. • Integration bedeutet Zusammenfassung von akquirierten Untemehmensaktivitäten (Integration i.e.S.) und Koordination von Handlungen und Entscheidungen (Integration i.w.S.). • Integration ist ein eigenständiger Prozeß, in dem mögliche ökonomische Vorteile von Akquisitionen in tatsächliche Vorteile nach dem formalen Vollzug der Untemehmens­ übemahme umgesetzt werden sollen.

21

IL PLANUNG DER PROZESSE DER UNTERNEHMENSAKQUISITION UND UNTERHEHMENSINTEGRATION Wie bereits im ersten Kapitel angesprochen wurde, lassen sich aufgrund unterschiedlicher Ziel- und Aufgabenstellungen die Planungsprozesse der Akquisition und der Integration unterscheiden. Der erste Teil dieses zweiten Kapitels widmet sich dem Planungs­ prozeß der Akquisition. Dieser ist in der Literatur durch einen in mehrere Entscheidungsvorgänge aufgespaltenen, stufenweisen Planungsprozeß gekennzeichnet.1 Wird die Akquisitionsplanung - wie hier unterstellt - aus dem strategischen Planungsprozeß“ 2 eines Unternehmens heraus entwickelt, basiert die Planung auf einer Unter­ nehmensstrategie, die mit der Analyse der strategischen Ausgangs­ situation des akquirierenden Unternehmens beginnt und mit der Integration der akquirierten Aktivitäten endet (vgl. Abbildung 1). Im folgenden werden die Planungsphasen der Strategieentwicklung und der Akquisitionsrealisation (Suche, Analyse, Bewertung, Ver­ handlung und Integration), entsprechend ihrer logischen Abfolge, separat behandelt. Dieses Vorgehen dient vornehmlich dem Zweck, die Besonderheiten der einzelnen Planungsphasen isoliert zu betrachten, und den Einfluß vorausgehender Planungsschritte auf die in dieser Arbeit im Mittelpunkt stehende Integration darstellen zu können. Es handelt sich demnach um eine idealisierte Darstellung des Akquisitionsprozesses, der in der Realität meist durch Vor- und RückVgl. zum Planungsprozeß der Akquisition: Bressmer / Moser / Sertl 1989, S. 192-202; Clever 1993, S. 124; Coenenberg / Sautter 1988, S. 694 f; Haspeslagh / Jemison 1992, S. 25-27; Jung 1993, S. 30; Krüger 1988, S. 374-376; Lutz 1984, S. 114-140; Möller 1983, S. 61-68, Reißner 1992, S. 147f; Sieben / Sielaff 1989; S. 25-47; Scheiter 1989, S. 63-77; Steinöcker 1993, S. 16-103; Zimmerer 1993, Sp. 4295-4303. Der „Strategische Planungsprozeß“ läßt sich durch die Phasen der „Strategischen Analyse“, der „Strategiebestimmung“, der „Strategieimplementation“ und der „Strategischen Kontrolle“ kennzeichnen. Vgl. Kreikebaum 1993, S. 26-29 ; Ropella 1989, S. 72-118; Steinmann/Schreyögg 1990, S. 132-135.

22 kopplungen miteinander verbunden ist. Aus analytischen Gründen empfiehlt sich aber eine getrennte, sukzessive Darstellung.

Abbildung 1 Planungsphasen des Akquisitionsprozesses

Eigene Darstellung

23

In der Literatur verstärken sich die Hinweise, die auf eine vernach­ lässigte Sichtweise der Integration, als vermeintlich letzte Phase im Akquisitionsprozeß, hindeuten? Die in der Praxis gemachten Erfah­ rungen mit der Integration sprechen hierbei von einer Hauptfehler­ quelle im Akquisitionsprozeß.4 Konsequenterweise wurde auch in neueren Untersuchungen die Notwendigkeit eines eigenständigen Planungsprozesses der Integration aufgezeigt.5 Damit wird ausge­ drückt, daß einerseits die Integrationsaktivitäten während des gesamten Akquisitionsprozesses anfallen können und andererseits, daß der Planung eine entscheidende Bedeutung für den Ablauf der Integration beizumessen ist. Auch wenn Integrationsaktivitäten schwergewichtig nach Vertragsabschluß anfallen, sind spezifische Integrationsentscheidungen und Aufgabenstellungen bereits vor der Untemehmensübemahme zu treffen. Im Rahmen dieser Arbeit wird deshalb auf die wesentlichen Elemente des Planungsprozesses der Integration im einzelnen detailliert eingegangen.

1. Planung des Akquisitionsprozesses Untemehmensakquisitionen können grundsätzlich das Ergebnis eines Planungsprozesses oder eines kurzfristigen Kaufangebotes sein.6 Bei einem nicht geplanten Akquisitionsvorgehen können kurzfristig sich anbietende Kaufgelegenheiten wahrgenommen werden, ohne daß die für eine strategische Analyse notwendige Zeit, finanzielle Mittel und Managementkapazitäten aufgewendet werden müssen.

4

Vgl. Blex / Marchal 1990, S. 101; Buono / Bowditch / Lewis 1985, S. 477 f; Clever 1993a, S. 122 f; Frank 1993, S. 141-143; Grüter 1991, S. 81 f; Gomez / Weber 1989, S. 11-14; Haspeslagh / Jemison 1992, S. 24-27; Marks 1982, S. 38; Scheiter 1989, S. 43 f; Siebenhaar / Zeller 1993, S. 149 f. Vgl. Fischer 1990, S. 138 f; Freund 1991, S. 491 f; Maier 1991, S. 67; Matuschka 1990,

6

S. 106 f; Rauer 1994, S. 106; Sieben / Sielaff 1989, S. 40; Siebenhaar / Zeller 1993, S. 149 f; Steinöcker 1993, S. 104. Vgl. Gerpott 1993, S. 85; Haspeslagh / Jemison 1992, S. 25-27; Scheiter 1989, S. 122143. Vgl. dazu u.a. Baetge / Krumbholz 1991, S. 16; Bressmer / Moser / Sertl 1989, S. 21;

Möller 1983, S. 120-125.

24 Gegen den Gelegenheitskauf spricht nicht zuletzt die relativ hohe Quote fehlgeschlagener Untemehmensakquisitionen. Die Haupt­ gründe des Scheiterns von Untemehmensakquisitionen liegen in der fehlenden strategischen Ausrichtung, den zu hohen Übemahmepreisen und der schlecht ausgefiihrten Integration nach dem Kauf.7 Diese Hauptgründe des Scheiterns lassen sich durch ein geplantes Vorgehen im Akquisitionsprozeß weitgehend reduzieren. Dies wurde in Unter­ suchungen bestätigt, die dem auf einer Strategie basierenden Akquisi­ tionsansatz tendenziell höhere Erfolgsaussichten einräumen als dem nicht geplanten Gelegenheitskauf.8 Dennoch scheint sich diese Sicht­ weise in der betrieblichen Praxis noch nicht befriedigend durchgesetzt zu haben, wie folgende Aussage verdeutlicht:

„ Typically, each project is viewed in the context of its contri­ bution to the firm ’s overall strategy. Acquisitions, however, are still often considered in isolation from that strategy, even though their monetary value and strategic importance are usually much greater to the firm than most capital invest­ ments projects. “ Haspeslagh / Jemison 1987, S. 53.

1.1 Strategieentwicklung der Akquisition Den Ausgangspunkt des idealtypischen Akquisitionsprozesses bildet die Planungsphase der Strategieentwicklung, die mit der Feststellung eines verbesserungsfähigen Zustandes im Rahmen des Untemehmensportfolios beginnt und mit der Entscheidung der Unternehmens­ leitung für eine Unternehmensakquisition endet.9 Das Käuferunter­ nehmen steht in dieser Phase im Mittelpunkt der Betrachtung. 7

Vgl. Coley / Reinton 1988, S. 30 f; Gomez / Weber 1989, S. 11 f; Lorange / Kotlarchuk

8

/Singh 1987, S. 13; Rauer 1994, S. 106. Vgl. Ansoff / Brandenburg / Portner / Radosevich 1971, S. 99-103; Möller 1983, S.

9

131-139; Reißner 1992, S. 149. Vgl. hierzu Baetge / Krumbholz 1991, S. 16-22; Kinast 1991, S. 33; Krüger 1988, S.

374; Willers / Siegert 1988, S. 261 f..

25 Nach Kreikebaum bringen Strategien allgemein zum Ausdruck, „wie ein Unternehmen seine bestehenden und seine potentiellen Stärken dazu benutzt, Umweltbedingungen und deren Veränderungen gemäß den unternehmerischen Absichten zu begegnen“10. Voraussetzung der Strategieentwicklung ist demnach einerseits die Kenntnis der Um­ weltbedingungen und deren Veränderungen. Hierzu ist vom Unter­ nehmen vor der Akquisitionsentscheidung eine Analyse der strate­ gischen Ausgangssituation durchzufuhren. Sie stellt den ersten und unverzichtbaren Schritt im Akquisitionsprozeß dar, um realistische Akquisitionsziele und -Strategien daraus ableiten zu können.11

Andererseits sind zur Formulierung einer Untemehmenstrategie aus den grundsätzlichen untemehmenspolitischen Absichten, die mit einer Untemehmensakquisition verbundenen speziellen Absichten bzw. strategischen Akquisitionsziele (z.B. Marktanteils- und Diversifika­ tionsziele) zu bestimmen.12 Dies ist erforderlich, damit die mit der Planung der Akquisition und Integration beauftragten Mitarbeiter wissen, welche Zielinhalte erreicht werden sollen und welche erreicht werden müssen.13 Die Bestimmung der Akquisitionsziele kann somit als Voraussetzung für die Suche und Auswahl eines geeigneten Akquisitionskandidaten angesehen werden. Sind die Akquisitionsziele bestimmt, ist die strategische Stoßrichtung der Akquisition festzulegen. Im Zusammenhang mit der Akquisitions­ tätigkeit eines Unternehmens kommt der Unternehmensstrategie zentrale Bedeutung zu.14 Sie befaßt sich mit übergeordneten Fragen 10 11

1?

13 14

Kreikebaum 1993, S. 52. Vgl. Pausenberger 1989, Sp. 21. Siehe hierzu auch Haspeslagh / Jemison 1987, S. 54 f; Kolbe 1993, S. 193; Sieben / Sielaff 1989, S. 9. Kreikebaum (1993, S. 48-51) verwendet anstelle des Begriffs der „strategischen Ziele“ den der „speziellen Absichten“, im Sinne von Zielinhalt. Als operative Ziele werden da­ gegen quantitativ meßbare Ziele, im Sinne von Zielausmaß (als Zielerfullungsgrad), verstanden. In Rahmen dieser Arbeit soll auch die herkömmliche „Ziel“-Terminologie verwendet werden, wenn es darum geht, die Begriffsbildungen der Akquisitionsliteratur darzustellen. Vgl. Sieben / Sielaff 1989, S. 18. Vgl. Gomez/ Weber 1989, S. 20; Huemer 1991, S. 187.

26

der Untemehmensentwicklung, wie z.B. der Wertsteigerung des Gesamtuntemehmens, der Sicherstellung einer optimalen Investitionsund Finanzierungspolitik, sowie notwendiger Restrukturierungsmaß­ nahmen. 1.1.1 Analyse der strategischen Ausgangssituation

Die Analyse der strategischen Ausgangssituation umfaßt die Beur­ teilung des Unternehmens sowie seiner gegenwärtigen und zukünftigen Handlungsmöglichkeiten im Markt, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der zu erwartenden Umweltentwicklungen.15 Ziel der Analyse ist es, Möglichkeiten und Gefahren der relevanten Unter­ nehmensumwelt rechtzeitig zu erkennen und Handlungsaltemativen der strategischen Untemehmensentwicklung aufzuzeigen. Diese lassen sich in die Handlungsaltemativen des internen und des externen Untemehmenswachstums einteilen (siehe Abbildung 2).16 Akquisitionen, als eine Form externen Untemehmenswachstums, können demnach sowohl zur Expansion als auch zur Diversifikation eines Unternehmens eingesetzt werden. Die Expansion mit bereits be­ stehenden Produkt-/ Marktprogrammen zielt auf den Ausbau der Wettbewerbsposition und soll zu entsprechenden Marktanteilsge­ winnen fuhren. Die Diversifikation, als Reaktion auf veränderte Wett­ bewerbsbedingungen (z.B. Sättigungstendenzen auf traditionellen Wachstumsmärkten), äußert sich darin, daß eine auf die Erweiterung des Produkt-ZMarktprogramms ausgerichtete Untemehmensstrategie eingeschlagen wird.17 Der Begriff der Diversifikation soll sich im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht nur auf (unternehmens-) neue Pro­ dukte in neuen Märkten („unrelated diversification“) beziehen, sondern auch die Akquisition neuer Produkte in bestehenden Märkten

15 16

Vgl. Kreikebaum 1993, S. 34-48. Vgl. Bleicher 1986, S. 216 f; Domis 1982, S. 44 f; Nehls 1988, S. 61; Sieben / Sielaff

17

1989, S, 4; Scheiter 1989, S. 27-31. Vgl. Ansoff 1987; S. 109; Bühner 1993, Sp. 806 f; Gomez / Ganz 1992, S. 44; Rodenstock 1989, S. 296 f; Sandler 1991, S. 19-23.

27 bzw. neuer Märkte mit bestehenden Produkten („related diversifi­ cation“) einschließen. Abbildung 2 Möglichkeiten der Untemehmensentwicklung EXPANSION (angestammte Produkte / Märkte) Internes Wachstum

• Marktdurchdringung

Externes Wachstum

• Franchise • Joint Venture • Akquisition

DIVERSIFIKATION (neue Produkte / Märkte)

• • • • • •

Produktentwicklung Marktentwicklung Lizenzen Beteiligung Joint Venture Akquisition

Quelle: Gomez / Weber 1989, S. 15.

Die Entscheidung zwischen den Alternativen des internen und externen Untemehmenswachstums trägt den Charakter einer „Make or buy“-Entscheidung.18 Welcher Alternative dabei der Vorzug einge­ räumt werden sollte, ist in Anbetracht der in der Praxis zu beobachtenden Kombination beider Wachstumsaltemativen nicht leicht zu beantworten. Die Entscheidung wird jedoch erleichtert, wenn z.B. keine geeigneten Akquisitionspartner zur Verfügung stehen. Ferner wird die Akquisitionsentscheidung begünstigt, wenn dem internen Untemehmenswachstum erkennbare Schranken gegenüber stehen. Beispiele sind hohe Markteintrittsbarrieren, die meist nur durch eine Untemehmensakquisition umgangen werden können, fehlende Managementkapazitäten bzw. fehlendes technologisches Know-how. Eine Akquisitionsentscheidung wird jedoch sowohl von

18

Vgl. Gomez/ Weber 1989, S. 15; Kinast 1991, S. 33.

28 den bisherigen Akquisitionserfahrungen, als auch von mentalitätsbe­ dingten und nationalen Unterschieden mit beeinflußt.19

Wie jedoch bereits gezeigt wurde, ist die Erfolgsquote der Akquisition in der Praxis relativ gering (vgl. Kapitel I Abschnitt 1). Ursache ist meist, daß die Vorteile des Markteintritts meistens nur dann voll zum Tragen kommen, wenn ein gut im Markt positioniertes und geführtes Unternehmen erworben werden kann. Diese Unternehmen sind jedoch, wenn überhaupt, meist nur zu einem relativ hohen Kaufpreis zu erwerben. Um eine Akquisition zum Erfolg zu führen, wird deshalb häufig die Nähe zum eigenen Tätigkeitsbereich als Voraussetzung an­ gesehen.20 Der Grund wird darin gesehen, daß durch die Komple­ mentarität der Geschäftstätigkeit das Ziel der Ausnutzung von Ver­ bundvorteilen in der Regel besser verwirklicht werden kann. Welche Ziele bei einer Untemehmensakquisition im einzelnen im Vorder­ grund stehen, ist Gegenstand des nachfolgenden Kapitels.

1.1.2 Identifizierung der wichtigsten Akquisitionsziele Der Identifizierung der wichtigsten Akquisitionsziele kommt eine übergeordnete Bedeutung im Akquisitionsprozeß zu. Akquisitions­ ziele beeinflussen nicht nur maßgeblich die nachfolgenden Planungs­ schritte der Akquisition, sondern bestimmen auch den Umfang der Integrationsaktivitäten. Gleichzeitig lassen sich Aussagen zum Erfolg oder Mißerfolg einer Akquisition nur sinnvoll an der Realisierung langfristiger Zielsetzungen beurteilen. Die Akquisitionsziele werden nachfolgend in rationale, spekulative und persönliche Ziele eingeteilt. 1.1.2.1 Rationale Akquisitionsziele

Rationale Akquisitionsziele sind solche, die in erster Linie unter marktstrategischen und ergebnisorientierten Gesichtspunkten beurteilt werden können. Insofern dienen Untemehmensakquisitionen 19 20

Vgl. Haspeslagh / Jemison 1992, S. 287. Vgl. Bühner 1993, Sp. 815; Gomez / Ganz 1992, S. 47 f; Gomez 1992 S. 170; Kolbe 1993, S. 198; Porter 1987, S. 46 f; Prahalad / Hamel 1991, S. 66 f.

29 beispielsweise den unternehmerischen Zielen der Gewinn- und Markt­ anteilssteigerung. In den letzten Jahren haben sich diese, primär auf die Untemehmenssicherung gerichteten Managementziele, zugunsten der Ziele der Kapitalgeber verschoben.21 Kapitalgeber sehen eine Untemehmensakquisition primär als Investitionsentscheidung, die eine angemessene Verzinsung ihres investierten Kapitals zu erwirt­ schaften hat. An die Stelle der Optimierung eines Unternehmens ist dessen Wertsteigerung (als Oberziel) getreten22, so daß eine Unter­ nehmensakquisition insbesondere unter wertsteigemden Gesichts­ punkten zu beurteilen ist.

Wie in empirischen Untersuchungen23 ermittelt wurde, zählen zu den wichtigsten rationalen Zielen eines Unternehmens bei Akquisitions­ entscheidungen:24 • Vervollständigung der Produktlinien,

• Erhöhung der Marktanteile, • Ausnutzung bestehender Marketing-Kapazitäten,

21

24

Vgl. Gomez / Weber 1989, S. 14. Dies kommt nicht zuletzt in der gestiegenen Anzahl von Literaturbeiträgen zum Thema Steigerung des Aktionärsnutzen („Shareholder Value“) zum Ausdruck. Siehe hierzu z.B. Bühner 1993 a, S. 749 769; Rappaport 1986 und 1988, S. 44-50. Vgl. Gomez / Weber 1989, S. 14; Gomez 1989, S. 441-452; Rappaport 1992, S. 238. Das Ziel der „Wertsteigerung“ eines Unternehmens aus Aktionärssicht entwickelt sich aus der Kritik an einer hauptsächlich am Erfolgsmaßstab „Gewinn und Rentabilität“ orientierten Akquisitionsentscheidung aus Sicht des Management, da der Gewinn weder das Risiko einer Akquisition noch die Zeitdimension hinreichend berücksichtigt. Als Er­ folgsmaßstab der Wertsteigerung wird deshalb der zukünftig frei verfügbare Cash flow vorgeschlagen, der dem Zeitwert der Akquisition durch Abdiskontierung aller künftigen Cash-flows auf den Gegenwartswert und dem Risiko über den Kapitalkostensatz (gewogenes Mittel aus Eigen- und Fremdkapital) Rechnung trägt. Vgl. hierzu z.B. die Untersuchungsergebnisse von: Ansoff / Brandenburg / Portner / Radosevich 1971, S. 29 f; Grimm 1987, S. 183-193 und Mace / Montgomery 1962, S. 9-26 für den amerikanischen Markt. Gerpott 1993, S. 62-65; Möller 1988, S. 158-165 und Scheiter 1989, S. 34 f. für den deutschen Markt. Vgl. hier Ansoff / Brandenburg / Portner / Radosevich 1971, S. 30.

30

• Ausweichen auf Märkte mit höheren Wachstumsraten und Gewinnmargen, • Erwerb von Patenten und Lizenzen, • Nutzung von technologischem Know-how, • Erschließung neuer Absatzgebiete / Kundengruppen,

• Ausnutzung bestehender Produktionskapazitäten, • Verringerung der Abhängigkeit im Hinblick auf vor- oder nachgelagerte Wertschöpfungsstufen (Lieferanten, Kunden). Zusammengefaßt kann damit eine deutliche Mehrheit von produkt-, markt- und technologieorientierten Akquisitionszielen festgestellt werden. Spätestens seit dem Zusammenschluß von Daimler-Benz und AEG werden Untemehmensakquisitionen in zunehmendem Maße mit dem bereits zum Schlagwort gewordenen Ziel der Synergie be­ gründet.25 Da das Synergieziel, z.B. definiert als „Multiplikation des Erfolges durch Addition der Kräfte“26, in besonderem Maße geeignet erscheint, zur Wertsteigerung eines Unternehmens im Rahmen von Untemehmensakquisitionen beizutragen, ist es konsequent, das rationale Ziel der Synergie in den Mittelpunkt der nachfolgenden Aus­ führungen zu stellen.

Mit dem Begriff der Synergie^ (griech: synergon = Zusammen­ wirken)28 soll zum Ausdruck gebracht werden, daß durch das

25

26 27

28

Vgl. z.B. Bühner 1988, S. 7; Cohnen 1988, S. 4-7; Demmer 1991, S. 42-47; Engels 1988, S. 126; Fischer 1988, S. 6-16; Nehls 1988, S. 57-62; Priewe 1989, S. 20-33, Reißner 1992, S. 104-107; Weston 1987, S. 34 f. Domis 1982, S. 46.

Der Begriff Synergie kann auf Ansoff zurückgefuhrt werden, der als erster das Konzept der Synergie in seinem 1965 erschienen Werk „Corporate Strategy“ vorstellte und die systematische Suche nach Synergie als strategisches Problem identifizierte, siehe Ansoff 1987, S. 79-99 und 1984, S. 80-84 Vgl. Welge 1976, Sp. 3801; Hünerberg 1984, S. 917.

31 Zusammenwirken mehrerer „Objekte und/oder Handlungen“29 ein die Summe übersteigender Gesamteffekt erreicht werden kann.30 Das Ergebnis des Zusammenwirkens wird als „Synergieeffekt“ oder populär auch als „2+2=5-Effekt“31 bezeichnet. Auf den Fall einer Untemehmensakquisition bezogen, bringt der Begriff der Synergie zum Ausdruck, daß durch die Koordinierung und Integration des akquirierten Unternehmens und seiner Teilbereiche in das akquirierende Unternehmen grundsätzlich ein größerer Erfolgs­ beitrag möglich wird als bei unabhängiger Fortführung der Unter­ nehmen.32 Wie durch das Zusammenwirken zweier Unternehmen dieser wertsteigemde Effekt erzielt werden kann, wird in der Literatur meist recht unterschiedlich systematisiert.33

Hauptansatzpunkt der Analyse von Synergieeffekten sind die betrieb­ lichen Funktionsbereiche. Grundsätzlich lassen sich in allen betrieblichen Funktionsbereichen (Beschaffung, Produktion, Vertrieb, Personal, Finanzen usw.) rentabilitätsbeeinflussende Synergieeffekte erzielen. Diese kommen nach Ansoff34 durch Veränderungen im Um­ satz-, Kosten- und Investitionsbereich zum Ausdruck. Des weiteren können auch steuerliche Synergieeffekte, z.B. durch die Nutzung von Verlustvorträgen zum Tragen kommen. Insgesamt beurteilt zielen Synergieeffekte auf die Wertsteigerung der verbundenen Unter­ on

30

Bei den „Objekten“ kann es sich z.B. um ganze Unternehmen, Geschäfts- bzw. Funktionsbereiche, einzelne Produkt-ZMarktkombinationen, aber auch um Unter­ nehmenssysteme handeln, während „Handlungen“ sich z.B. auf Tätigkeiten, Entscheidungen und Maßnahmen beziehen. Vgl. hierzu Ropella 1989, S. 190. Die zentrale These von Ansoff (1987, S. 79) lautet: „Das Ganze ist mehr als die Summe

31 32

seiner Teile“. Vgl. z.B. Ansoff 1987, S. 82; Kitching 1967, S 92; Weston 1987, S. 34 f. Vgl. Bühner 1985, S. 179 f; Reißner 1992, S. 107; Sieben / Sielaff 1989, S. 57; Weber

34

1991, S. 99. Während die Mehrzahl der Autoren Synergien nach Funktionsbereichen (z.B. Kitching 1967, S. 92-94) analysieren, beurteilen andere die zu erwartenden leistungs- und finanzwirtschaftlichen Vorteile (z.B. Cocnenberg Z Sautter 1988, S. 698-702), die Aus­ wirkungen auf Kosten, Erlöse und Investitionen (z.B. Möller 1983, S. 139-152) oder die Verbindungsmöglichkeiten der Wertkettenelemente (z.B. Reißner 1992, S. 108-120). Vgl. Ansoff 1987, S. 80-82.

32 nehmen, durch Ausschöpfung leistungs- bzw. finanzwirtschaftlicher Synergiepotentiale.35

Im Hinblick auf die betrieblichen Funktionsbereiche werden in erster Linie positive Synergieeffekte für den Produktionsbereich erwartet, gefolgt von Synergien im Forschungs- und Entwicklungsbereich, im Vertriebs-, im Marketing- und im Finanzbereich.36 Durch die gemeinsame Ausübung bisher getrennt durchgefuhrter Funktionen verspricht man sich z.B. Kostenvorteile durch die Reduzierung von Gemeinkosten und die Ausnutzung von ökonomischen Größenvor­ teilen (economies of scaled. Größendegressionen im Produktionsbe­ reich entstehen immer dann, wenn durch die gemeinsame Produktion verwandter Produktprogramme die Ausbringungsmenge insgesamt kostengünstiger hergestellt werden kann, oder durch bessere Kapazi­ tätsauslastung die Stückkosten reduziert werden. Zudem können Lemeffekte zu einer Verkürzung der Produktionszeit beitragen. Wie Kitching38 bei seiner Befragung amerikanischer Führungskräfte allerdings feststellte, werden in der Praxis Synergieeffekte meist dort erzielt, wo man sie am wenigsten erwartet. So ließen sich im Anschluß an die Untemehmensakquisition in erster Linie Synergien im Finanz­ bereich (z.B. durch Senkung des Zinsaufwands über eine gemeinsame Finanzierung) realisieren. Produktionssynergien dagegen stellten sich verhältnismäßig selten ein. Für den Produktionsbereich wird daraus der Schluß gezogen:

35 36 3?

Vgl. Coenenburg / Sautter 1988, S. 698. Vgl. Kitching 1967, S. 92. Vgl. Pausenberger 1993, Sp. 4442 f; Porter 1987, S. 58; Sautter 1989, S. 237 f; Welge

38

1971, Sp. 3802. Vgl. Kitching 1967, S. 93

33

„ Economies ofscale are a highly overrated concept. They do occur.... But most ofthe so-calledfixed costs are actually volume variable, so that the profit leverage in expanding production volume in one factory or the other after aqcuisition is actually limited. “ Kitching 1967, S. 94. Die Dominanz von Finanzsynergien vor Produktionssynergien wurde auch in späteren Untersuchungen bestätigt39. Ein wesentlicher Grund für diese Untersuchungsergebnisse kann jedoch in dem zugrundege­ legten Betrachtungszeitraum gesehen werden. Wird ein schnell sicht­ barer Vorteil einer Untemehmensakquisition angestrebt, bieten sich in erster Linie Synergien im Finanzbereich an. Die Realisierung von Synergien im Produktionsbereich erfordert dagegen häufig umfang­ reiche organisatorische Veränderungen, die meist nur mittelfristig er­ reicht werden können. Neben dem Zeitaspekt können auch Manage­ mentfehler dazu beitragen, daß die angestrebten Synergien nicht zum Tragen kommen.40

„ An attempt atjoint use ofa facility which is not suitedfor manufacturing ofa new product, or ofan organization which is not set up to perform a new function can result in total profitability which is lower than the combined profitability of two independant operations. “ Ansoffl987, S. 83. Damit angesprochen sind mögliche negative Synergieeffekte (oder „2+2 < 4“ Effekte), die immer dann entstehen, wenn durch die unter­

39

Vgl. Grimm 1993, S. 172; Möller 1983, S. 182 f. Für den Produktionsbereich wurde von

40

Möller der höchste Prozentsatz nicht eingetroffener Synergieeffekte festgestellt. Aus­ sagen der Untemehmenspraxis zufolge wird hierbei häufig (1) die Mobilität der Mitar­ beitern meist überschätzt, z.B. einer Betriebsverlagerung zu folgen, (2) die Möglichkeit der wirtschaftlichen Nutzung der Produktionsanlagen des akquirierten Unternehmens zu optimistisch beurteilt und /oder (3) die Zeitdauer der Reorganisation der Produktion unterschätzt. Ansoff 1984, S. 81; Klemm 1990, S. 70-73.

34 nehmerische Zusammenarbeit ein wertmindemder Effekt ausgelöst wird, der unter dem der vorher nicht kombinierten bzw. integrierten Untemehmenstätigkeiten liegt.

Typische Beispiele negativ synergetischer Effekte sind:41

• hohe Fluktuation qualifizierter Mitarbeiter, • Doppelbesetzungen im Managementbereich, • Ansteigen der Kosten in den Funktionsbereichen anstelle von erhofften Einsparungen oder

• Verlust einzelner Kunden durch Wegfall der bisherigen Produktdifferenzierung.

Zusammenfassend erscheinen Untemehmensakquisitionen insbe­ sondere dann gerechtfertigt zu sein, wenn sie aus einer strategischen Notwendigkeit heraus initiiert werden und dabei rationalen Zielen folgen. Ein wesentliches rationales Ziel zur Wertsteigerung des akquirierenden Unternehmens stellen Synergieeffekte dar, die in den Planungsphasen vor der Untemehmensübemahme identifiziert werden sollten, um in der anschließenden Integrationsphase realisiert und kontrolliert zu werden.

1.1.2.2. Spekulative Akquisitionsziele Neben den in erster Linie auf die Wertsteigerung der Unternehmen gerichteten rational-ökonomischen Zielvorstellungen, können auch spekulative Zielvorstellungen eine Untemehmensakquisition auslösen. Spekulationen basieren auf der Annahme, daß der reale Wert eines Akquisitionsobjektes nicht durch seinen Marktpreis oder, bei börsen­ notierten Unternehmen, durch seinen Aktienpreis ausgedrückt ist.42 Dies ist z.B. dann der Fall, wenn der potentielle Käufer glaubt, bessere Informationen über das Akquisitionsobjekt zu haben als der Markt. 41 42

Vgl. Clever 1993, S. 3; Weber 1991, S. 111 f. Vgl. Bühner 1990a, S. 16-19; Bühner 1989, S. 159.

35 Diese potentiellen oder tatsächlichen Informationsdivergenzen können sich auf eine erkannte Unterbewertung des Unternehmens beziehen, oder darauf, daß man davon überzeugt ist, nach der Untemehmensakquisition eine bessere strategische und operative Führung des Akquisitionsobjektes im Untemehmensverbund gewährleisten zu können. Ein weiteres spekulatives Ziel ist die Ausnutzung von Akquisitionser­ fahrungen. Unternehmen, die schon andere Unternehmen akquiriert haben, verfügen in der Regel über zahlreiche Erfahrungen in Bezug auf die Identifikation geeigneter Akquisitionskandidaten sowie deren Bewertung zur Vermeidung überhöhter Kaufpreise. Während die Suche, die Analyse und die Bewertung noch durch geeignete Instrumente (z.B. der strategischen Planung oder unterschiedlicher Verfahren der Untemehmensbewertung) unterstützt werden können, ist die anschließende Integration des Akquisitionsobjektes durch zahl­ reiche emotional-psychologische Imponderabilien gekennzeichnet, die ein Unternehmen trotz Erfahrungen in der Regel vor fallspezifische Herausforderungen stellt. 1.1.2.3. Persönliche Akquisitionsziele

Untemehmensakquisitionen müssen nicht immer rationalen und / oder spekulativen Beweggründen folgen. Sie können auch aus Eigenin­ teressen, insbesondere des Management des akquirierenden Unter­ nehmens, initiiert sein. Dies wurde auch in einer empirischen Unter­ suchung konglomerater Untemehmenszusammenschlüsse in den USA bestätigt, in der Managementinteressen in vier von fünf Akquisitions­ fällen identifiziert werden konnten.43 Ein dominierendes persönliches Motiv für eine Untemehmensakquisition ist Macht- und Prestigestreben.44 Der Machteinfluß des Management kann z.B. in der Untemehmensgröße oder der gestiegenen Finanzkraft des verbundenen Unternehmens zum Aus­ 43 44

Vgl. Grimm 1987, S. 191-193. Vgl. Bühner 1990a, S. 19-21; Bühner 1989, S. 159 f

36 druck kommen. Sofern dadurch die Profitabilität eines Unternehmen gesteigert werden kann, ist Streben nach Macht kein von vornherein abzulehnendes Ziel. Machtpolitisches Streben verliert jedoch seine wirtschaftliche Rechtfertigung, wenn persönliche Interessen (z.B. Verbesserung der finanziellen und sozialen Stellung) bei Akqui­ sitionen im Vordergrund stehen. 1.1.3 Festlegung der strategischen Ausrichtung der Akquisition

Aufbauend auf den mit einer Untemehmensakquisition verbundenen Zielsetzungen ist im folgenden die Frage zu beantworten, wie diese Ziele z.B. bei einem diversifizierten Unternehmen verwirklicht werden können. Zielrelevant ist die Untemehmensstrategie, die sich mit der Zusammensetzung und der Ergänzung des Portfolios strategischer Geschäftseinheiten auseinandersetzt.45 Im Rahmen von Untemehmensakquisitionen bieten sich zur Identifizierung von strategischen Stoßrichtungen folgende Konzepte an:

• Produkt-/Markt-Matrix von Ansoff • Wertschöpfungskonzept von Porter 1.1.3.1 Strategische Ausrichtung nach Ansoff

Die strategische Ausrichtung nach Ansofi46 kann mit Hilfe der Produkt-/Markt-Matrix verdeutlicht werden (vgl. Abbildung 3). Bei der Produktdimension wird zwischen Produkten unterschieden, die mit bereits verwendeten Technologien hergestellt werden können und solchen, die neue Technologien erfordern. Die Marktdimension, ge­ kennzeichnet als „Mission“47, wird differenziert nach den Abnehmer­ gruppen der Produkte.

45 46

Vgl. Porter 1988, S. 35; Steinmann/Schreyögg 1990, S. 131. Vgl. Ansoff 1987, S. 109. Der Begriff „Mission“ wird von Ansoff im Sinne der Wahrnehmung und Erfüllung eines Markt- bzw. Kundenbedürfnisses verwendet. Vgl. Ansoff 1987, S. 109.

37 Aus der Kombination der beiden Dimensionen können folgende Stoß­ richtungen der Akquisition bzw. Diversifikation abgeleitet werden, die zu einer neuen Zusammensetzung des Untemehmensportfolios fuhren:

• Horizontale Akquisitionen, d.h. Untemehmensübemahmen im gleichen Produkt-/Marktsegment und gleicher Branche. • Vertikale Akquisitionen, d.h. Untemehmensübemahmen in eine vorgelagerte (Vorwärtsintegration) bzw. nachgelagerte Produktions- oder Vertriebsstufe (Rückwärtsintegration). • Marketing-konzentrische Akquisitionen, d.h. Untemehmens­ übemahmen in Bereichen, die ähnliche bzw. gleiche Kundenstrukturen und Absatzmärkte aufweisen. • Technologisch-konzentrische Akquisitionen, d.h. Unternehmens übernahmen in Bereichen, bei denen Überschneidungen im Bereich Produktion und / oder F&E bestehen. • Konglomerate Akquisitionen, d.h. Untemehmensübemahmen, die mit dem bisherigen Produkt/ Marktprogramm in keiner Beziehung zueinander stehen.

Zur strategischen Ausrichtung von Ansoff ist anzumerken, daß die Strategiematrix nur festlegt, auf welchen Märkten mit welchen Pro­ dukten das akquirierende Unternehmen agieren soll (Marktstrategie). Offen bleibt die Frage, wie diese Marktstrategie wettbewerbs­ strategisch zu bearbeiten ist (Wettbewerbsstrategie). Da in der Praxis markt- und wettbewerbsstrategische Entscheidungen zeitgleich zu treffen sind, soll im folgenden auf das Wertschöpfungskonzept von Porter eingegangen werden, das eine Integration markt- und wettbe­ werbstrategischer Überlegungen erlaubt.48

48

Im Vordergrund des Wertschöpfungskonzeptes von Porter steht die wettbewerbsstra­ tegische Ausrichtung (vgl. hierzu Kapitel III Abschnitt 2.2.2). Die marktstrategische

38 Abbildung 3 Stoßrichtung der Diversifikation

New Products

\

Products

related technology

unrelated technology

Customer ' x Same type

c .2

1/5 § £ z

--------- - = -

-z

Horizontal diversification

■ —---- -

Firm is its own customer

Similar type

New type

Marketing and technology related

related

related

Quelle: Ansoff 1987, S. 123.

Ausrichtung kann aus dem Verwandtschaftsgrad (z.B. übereinstimmende, vergleichbare bzw. kombinierbare Aktivitäten) der Wertschöpfungsketten der Akquisitionskandidaten abgeleitet werden, die Rückschlüsse auf deren Produkt- / Markt-Verhältnis zulassen.

39

1.1.3.2 Strategische Ausrichtung nach Porter

Mit Hilfe des Wertschöpfungskonzeptes von Porter49 lassen sich Wettbewerbs- und kundennutzenrelevante Stärken und Schwächen des eigenen Unternehmens analysieren. Zur Identifizierung von Wettbe­ werbsvorteilen wird ein Unternehmen in strategisch-relevante Aktivi­ täten unterteilt, d.h. in seine Wertschöpfungsketten (sog. value chains) zerlegt, die zur Entwicklung, Herstellung und Vertrieb von Produkten erforderlich sind (siehe Abbildung 4). Aus dem Untersuchungser­ gebnis lassen sich für die primären bzw. unterstützenden Aktivitäten konkrete Möglichkeiten der Realisierung von Wettbewerbsvorteilen (z.B. Kosten- und Differenzierungsvorteile) ableiten. Auf Basis der ermittelten Wertschöpfungkette eines Unternehmens lassen sich grundsätzlich vier strategische Stoßrichtungen einer mög­ lichen Akquisitionstätigkeit identifizieren:50

(1)

Portfoliomanagement

Bei dieser Strategie erwirbt ein Unternehmen erfolgsversprechende, attraktive Unternehmen mit dem Ziel, ein ausgewogenes Portfolio an strategischen Erfolgspotentialen aufzustellen. Zentrale Zielgröße des Portfolio-Management ist die Herstellung eines Risikoausgleichs. So kann z.B. das Gesamtrisiko zweier unterschiedlicher Wertschöpfungs­ ketten kleiner sein, als das Risiko getrennt operierender Wertketten. Mitunter können sich auch zwei Unternehmen im Anschluß an die Akquisition hinsichtlich Mittelbindung (Investitionsbedarf) und Mit­ telfreisetzung (Cash-flow) ideal ausgleichen. Kennzeichnend für Port­ folio-Management ist, daß dem akquirierten Unternehmen meist weit­ gehende Autonomie eingeräumt wird. Die Führung des Akquisiti­ onsobjektes ist häufig auf ein Management by Objectives gerichtet.5

49 50 51

Vgl. Porter 1988, S. 50-63; Porter 1987, S. 35-47; Porter 1986, S. 59-82. Vgl. Porter 1987, S. 35-46. Siehe hierzu auch Gomez / Weber 1989, S. 22. Vgl. Porter 1987, S. 35

40

Abbildung 4 Wertschöpfungskette als Ausgangspunkt für Akquisitionen

Quelle: Porter 1986, S. 62.

(2) Restrukturierung

Während sich das akquirierende Unternehmen im Rahmen des Port­ folio-Management hauptsächlich darauf beschränkt, Kapital und Management-Know-how bereitzustellen, übernimmt es im Rahmen der Restrukturierung eine aktive Rolle. Durch die Akquisition sanierungsbedürftiger Unternehmen eröffnet sich die Chance der Aus­ schöpfung eines Wertsteigerungspotentials, indem z.B. das Manage­ ment ausgewechselt, Strategien geändert, Kostensenkungspotentiale in administrativen und operativen Bereichen durchgesetzt oder techno­ logische und finanzielle Ressourcen zur Verfügung gestellt bzw. effizienter eingesetzt werden.

41 (3)

Know-how-Transfer

Beim Know-how-Transfer werden Wertsteigerungen im Sinne von Synergieeffekten angestrebt, die durch den gezielten Transfer von Wissen und (erfolgskritischen) Fähigkeiten erschlossen werden können. Ziel dieser Strategie ist es, solche Unternehmen zu identifizieren, die sich vor allem durch den Transfer von Management- und funktionalen Fähigkeiten signifikant verbessern können. Als Beispiel soll die Übertragung von Fertigungs-Know-how dienen, bei der wettbewerbsstrategisch eine Strategie der Kostenföhrerschaft (z.B. durch Verringerung der Ausschußquote) und eine Strategie der Leistungsdifferenzierung (z.B. durch Verbesserung des Qualitätsstandards) angestrebt werden können. (4)

Aufgabenzentralisierung

Eine andere Form von Synergieeffekten läßt sich durch die gemein­ same Wahrnehmung von Wertschöpfungsaktivitäten erzielen. Ausgehend von der Wertschöpfungskette des eigenen Unternehmens werden Akquisitionsobjekte mit weitgehend identischen Wert­ schöpfungsketten gesucht. Dominierende Zielsetzung der Aufgaben­ zentralisierung ist die Zusammenlegung von (primären) Wert­ schöpfungsaktivitäten, um Kostenvorteile zu realisieren (z.B. durch ökonomische Größenvorteile, höhere Kapazitätsauslastung, Erfah­ rungskurveneffekte oder Einsparung von Overheadkosten). Zusätzlich können aber auch Differenzierungsvorteile erzielt werden. Diese entstehen z.B. dann, wenn durch eine gemeinsame Auftragsabwick­ lung Zusatzleistungen angeboten werden können, die bei den Konsumenten eine besondere Wertschätzung erfahren. Jede der dargestellten Stoßrichtungen kann mehr oder weniger zu einer Wertsteigerung und damit zum Erfolg einer Untemehmensakquisition beitragen. Während sich beim Portfolio-Management und bei der Restrukturierung Wertsteigerungen aus der besonderen Beziehung zwischen den Wertketten der Akquisitionsbeteiligten ergeben, wobei das akquirierende Unternehmen eine primär selek­ tierende, finanzierende und interventionistische Rolle übernimmt,

42 werden im Rahmen des Know-how-Transfer und der Aufgabenzentra­ lisierung Wertsteigerungen angestrebt, die auf Wechselwirkungen und Verflechtungen zwischen den Wertketten der Akquisitionsbeteiligten beruhen.52

1.2 Realisierung der Akquisition

Nach der strategischen Entscheidung zu einer Untemehmensakquisition folgt die Suche nach geeigneten Akquisitionskandidaten. Sofem von vornherein nicht nur ein Akquisitionsobjekt zur Verfügung steht, gleicht die Suche einem Selektionsprozeß53, der mit dem Zweck durchgeführt wird, mögliche Akquisitionsaltemativen sukzessiv auf geeignete Unternehmen zu reduzieren, aus denen im weiteren Verlauf des Akquisitionsprozesses ein geeignetes Objekt auszuwählen ist.

1.2.1 Suche nach geeigneten Akquisitionskandidaten Grundsätzlich lassen sich die Möglichkeiten der aktiven und reaktiven Suche nach Akquisitionskandidaten unterscheiden.54 Ein aktiver Suchprozeß ist meist durch eine analytische Vorgehensweise bei der Auswahl geeigneter Untemehmenskandidaten gekennzeichnet. Diese Aufgabe kann sowohl von dem Management des akquirierenden Unternehmens als auch von speziell zu diesem Zweck engagierten Investmentbanken, Wirtschaftsprüfern usw. durchgeführt werden.55 Vielfach wird die aktive Suche, die im folgenden unterstellt wird, ersetzt oder ergänzt durch ein reaktives bzw. passives Akquisitions­ verhalten. Diese Art der Suche ist dadurch gekennzeichnet, daß Akquisitionsmöglichkeiten erst dann geprüft werden, wenn ein Unter­

52 53

Vgl. Porter 1987, S. 38. Vgl. Jung 1993, S. 65; Pausenberger 1989, Sp. 22; Rappaport 1979, S. 100; Salter /

54 55

Weinhold 1979, S.182-189. Vgl. Kinast 1991, S. 34. Zur steigenden Bedeutung externer M&A-Experten, vgl. Schade 1990, S. 247-251

sowie die in Kapitel IV. Abschnitt 1.3.3 genannten Literaturquellen.

43 nehmen oder ein Untemehinensteil z.B. mit Hilfe von Investment­ banken zum Kauf angeboten wird.56

Bevor jedoch die aktive Suche nach Akquisitionsaltemativen einge­ leitet werden kann, sind zuvor einzelne organisatorische und methodische Akquisitionsaufgaben zu erfüllen. Dabei handelt es sich im wesentlichen um die:57 • Zusammensetzung des Akquisitionsteams, • Bestimmung der Suchkriterien, • Festlegung des Anforderungsprofils.

Die organisatorisch-institutionelle Festlegung des Akquisitionsteams ist Aufgabe der Unternehmensleitung.58 Sofern nicht eine eigene Stabsabteilung Unternehmensakquisition^ existiert, wird häufig einem speziell dafür eingerichteten Projektteam die Verantwortung zur Entscheidungsvorbereitung bis zur Führung der Kaufver­ handlungen übertragen.60 Bei der personellen Zusammensetzung des Akquisitionsteams sollte sichergestellt sein, daß alle relevanten Sach­ themen (z.B. technische, steuerliche, rechtliche fmanzwirtschaftliche Analyse und Bewertung) durch Experten kompetent bearbeitet werden können. Organisatorisch sollte das Projektteam weitgehend autonom operieren, mit direktem Zugang zur Unternehmensleitung und Zugriff auf jene Linienverantwortlichen, die für spezielle Teilaufgaben heran­

56

Gerade in den anglo-amerikanischen Ländern hat sich der Handel mit Unternehmen und

57 58

Untemehmensteilen über Investmentbanken und Maklern auch gegen den Willen der Übemahmekandidaten (sog. „unfriendly takeovers44) rasant entwickelt. So gingen z.B. bei der BASF in Ludwigshafen innerhalb von 4 Jahren ca. 250 Akquisitionshinweise für die nordamerikanische Chemieindustrie ein; Vgl. Kinast 1991, S. 34. Vgl. Sieben/Sielaff 1989, S. 17-19, Rodenstock 1989, Sp. 299. Vgl. Dahm 1982, S. 16; Krüger 1988, S. 374; Leighton / Tod 1986, S. 92 f;

$9

Pausenberger 1989, Sp. 25. Eigene Beteiligungsabteilungen sind meist jenen Großunternehmen vorbehalten, die

60

sich häufiger mit Akquisitionsfragen auseinandersetzen. Vgl. Kinast 1991, S. 37; Ottersbach / Kolbe 1990, S. 145 f; Reineke 1989, S. 167 f.

44

gezogen werden können bzw. nach Abschluß des Kaufvertrags für die Integration akquirierter Aktivitäten verantwortlich sein werden (vgl. Abbildung 5).61

Abbildung 5 Organisatorische Einbindung des Projektteams „Akquisition“

Quelle: Darstellung in Anlehnung an Gomez / Weber 1989, S. 47

Eine weitere wichtige Voraussetzung der aktiven Suche nach geeigneten Akquisitionskandidaten stellt die Bestimmung von Such­ kriterien dar.62 Suchkriterien konkretisieren die Akquisitionsziele und

61 62

Vgl. Gomez/ Weber 1989, S. 46; Naber 1987, S. 45. Vgl.Caytas / Mahari 1988, S. 51 f; Dahm 1982, S. 20-22; Domis 1982, S. 73; Möller 1983, S. 184-187; Pausenberger 1989, Sp. 22; Rodenstock 1989, S. 301; Sieben / Sielaff 1989, S. 17-18; Willers / Siegert 1988, S. 270.

45

ermöglichen eine Eingrenzung der zu analysierenden Suchfelder.63 Die erste Eingrenzung beruht meist auf untemehmensspezifischen Suchkriterien, die noch recht leicht erhoben werden können, wie z.B. das Tätigkeitsgebiet, Standort, Umsatz, Marktanteil, Mitarbeiter, tech­ nologischer Standard, Kapitalintensität usw. Nach erfolgter Voraus­ wahl sind im weiteren Verlauf des Selektionsprozesses detailliertere Suchkriterien, z.B. hinsichtlich der Produktionskapazitäten, des Produkt- und Management-Know-how usw. aufzustellen.64 Mit Hilfe der Suchkriterien läßt sich darauf aufbauend ein Anforder­ ungsprofil der Akquisitionskandidaten bestimmen.65 Die Such­ kriterien sind danach zu gewichten bzw. zu klassifizieren, welche Kriterien im Hinblick auf die strategische Zielsetzung unbedingt erreicht werden müssen und welche zusätzlich erreicht werden sollten.66 In Untersuchungen wurde festgestellt, daß im Rahmen der Suchkriterien im wesentlichen auf folgende Erfolgsfaktoren geachtet werden sollte:67

• das produkt-/marktorientierte Know-how und dessen Integrations-fähigkeit. • die Kenntnis und Verträglichkeit markt- bzw. landesspezifischer Besonderheiten. • das Management des zu akquirierenden Unternehmens. Auf der Grundlage des Anforderungsprofils kann nun die eigentliche Suche nach Akquisitionskandidaten eingeleitet werden. Die Dauer der Suchphase ist letztendlich abhängig von der gewählten Akquisitions­ strategie sowie von der Menge der potentiellen Akquisitions­ kandidaten. Wird eine horizontale Akquisitionsstrategie angestrebt, 63 64 65 66 67

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Mace / Montgomery 1962, S. 73. Dahm 1982, S. 21 f; Kitching 1967, S. 99. Gomez / Weber 1989, S. 44 f; Pearson 1987, S. 23-30; Pausenberger 1989, Sp. 22. Sieben / Sielaff 1989, S. 18 f.; Krüger 1988, S. 374 f. Sieben / Sielaff 1989, S. 25, ähnlich Möller 1983, S. 190.

46

sind die Akquisitionskandidaten meist bekannte Wettbewerber, so daß ein relativ kurzer Suchprozeß möglich erscheint. Im Gegensatz dazu ist bei einer konglomeraten Akquisitionsstrategie von einem umfang­ reicheren Selektionsprozeß auszugehen, weil dem akquirierenden Management in der Regel die erforderliche Markttransparenz fehlt. In diesem Fall sind zusätzliche Informationen über Makler, Berater usw. zu beschaffen und auszuwerten. 1.2.2 Analyse und Bewertung der Akquisitionskanditaten

In der Bewertungsphase werden die den Anforderungen des akqui­ rierenden Unternehmens entsprechenden Akquisitionskandidaten einer eingehenden strategischen und finanziellen Untemehmensanalyse unterzogen.68 Diese erste Grobanalyse dient dem Ziel, den Kreis der potentiellen Akquisitionskandidaten weiter einzugrenzen und einen vorläufigen Untemehmenswert des in Frage kommenden Akquisi­ tionskandidaten zu ermitteln. Dieser Wert bildet dann die Grundlage für die bis zur Verhandlungsphase durchzuführende Detailbewertung und der daraus folgenden Bestimmung des Kaufpreises.

Die Untemehmensbewertung beginnt in der Regel mit einer strate­ gischen Analyse des Akquisitionskandidaten. Hierzu ist das Zielunter­ nehmen zunächst einer Umwelt- und Konkurrenzanalyse sowie einer Untemehmensanalyse zu unterziehen.69 Allgemeines Ziel ist die Feststellung der Stärken und Schwächen des Akquisitionskandidaten, vor dem Hintergrund des relevanten Wettbewerbsumfeldes und des zuvor definierten Anforderungsprofils. Die dazu notwendigen Infor­ mationen können im Rahmen eines sog. friendly takeovers von dem zu akquirierenden Unternehmen selbst, aber gegebenenfalls auch über Auskunfteien, Banken, Lieferanten, Kunden usw. eingeholt werden. AR Oö

69

Vgl. zu Fragen der strategischen und finanziellen Bewertung von Akquisitionsobjekten z.B. Coenenberg / Sautter 1988, S. 691-710; Gomez / Weber 1989a, S. 57-66; Huemer 1991; Kinast 1991, S. 39 f.; Mailandt 1984, S. 88; Rappaport 1979, S. 100-107; Reißner 1992, S. 195-208; Sandler 1991, S. 188; Sieben / Diedrich 1990, S. 794-809. Vgl. zu den einzelnen Instrumenten der strategischen Untemehmensplanung z.B. Kreikebaum 1993, S. 62-104 und die dort angegebene Literatur.

47

Nach der Analyse der strategischen Position sowie einzelner, situa­ tiver Beurteilungskriterien, ist das Akquisitionsobjekt einer finan­ ziellen Analyse und Bewertung zu unterziehen. Diese Analyse hat das Ziel, die Auswirkungen der Akquisition (z.B. Höhe des Kaufpreises, Finanzierung und Investitionen, Konsolidierungseinflüsse) auf die Rentabilität und das damit verbundene unternehmerische Risiko zu ermitteln. Diese Auswirkungen können jedoch nur dann sinnvoll be­ urteilt werden, wenn der Wert und damit der Grenzpreis - als maximal zu zahlender Kaufpreis eines Akquisitionsobjektes - bestimmt wurde.70

Hierzu haben sich in der Praxis im wesentlichen drei Bewertungsver­ fahren durchgesetzt (vgl. Abbildung 6), die sowohl separat als auch kombiniert angewendet werden. Dabei handelt es sich um die:71 • Substanzwertanalyse • Ertragswertanalyse • Marktwertanalyse Bei dem Substanzwert handelt es sich, vereinfacht ausgedrückt, um die Differenz zwischen der Summe der aktivierungsfahigen Vermö­ gensgegenstände und der Summe der Verbindlichkeiten.72 Das be­ triebsnotwendige Vermögen wird zum Bewertungszeitpunkt zu Wiederbeschaffungskosten und die Verbindlichkeiten (z.B. im Hin­ blick auf ihre Höhe und Fälligkeit) einzeln bewertet.

70

Vgl. Coenenberg / Sieben 1976, Sp. 4064 f; Sieben 1993, Sp. 4316 f; Sieben / Sielaff

71

1989, S. 49. Zu den Methoden der Untemehmensbewertung siehe z.B.: Beisei / Klumpp 1991, S. 22-

72

36; Bressmer / Moser / Sertl 1989, S. 140-172; Caytas / Mahari 1988, S. 59-71; Coenenberg / Sieben 1976, S. 4062-4079; Coenenberg / Sautter 1988, S. 691-710; Gomez 1989, S. 441-443; Gomez / Weber 1989, S. 24-29; Hafner 1989, S. 1-17; Rappaport 1979, S. 99-110; Reicheneder 1992, S. 96-106; Sieben 1993, Sp. 4322-4329; Sieben / Diedrich 1990, S. 794-809; Suckut 1992, S. 14-87. Vgl. Baetge / Krumbholz 1991, S. 24 f; Sieben 1993, Sp. 4327.

48

Abbildung 6 Bewertungsmethoden in der Akquisitionspraxis Bewertungtechnik

Formel

Bewertungsprinzip

(Bilanzmäßige) Eigenkapi­ tal- bzw. Substanzwert­ analyse

EK bzw. SW = S Aktiven minus S Verbind­ lichkeiten

Synthetischer oder additiver Wert unter dem Gesichtspunkt der Wiederbeschaffung und der Re­ produktion Unternehmen ist Bewertungs­ einheit und wird nach dem Prin­ zip der Zukunftsbezogenheit als Investition bewertet (dynamische Investitionsrechnung)

Ertragswertanalyse ZEW - Discounted cash flow / shareholder value analysis

- Gewinnkapilalisierung

= S Barwerte der künftigen freien Cash flows EW = Barwert einer ewigen Rente EW^^EW + SW)/!

- Korrigierter Ertragswert (Mischform: z.B. Mittel­ wertmethode) MW = Marktfaktor ♦ Marktwertanalyse Reingewinn oder - Wert auf Basis vergleich­ Eigenkapital, Cash barer Unternehmen flow - Wert auf Basis vergleich­ barer Transaktionen - Leveraged Buy-out (LBO) MW LB0 = „Discounted cash flow“ unter Berücksichtigung optimaler Ver­ schuldung - Zerschlagungswert (Break-up-value)

EK = Eigenkapitalwert EW = Ertragswert MW = Marktwert

MW zw = „Discounted cash flow“ unter Be­ rücksichtigung op­ timaler Verwen­ dung der Unter­ nehmensteile

Unternehmen wird aufgrund von bekannten vergleichbaren Markt­ faktoren bewertet.

Unternehmen wird unter dem Gesichtspunkt der Maximierung des Aktionärsnutzen durch Ver­ schuldung bewertet.

Die Break-up Analye gibt Aus­ kunft darüber, ob die Summe der einzeln bewerteten Unter­ nehmensteile den Gesamtwert (Marktwert) übersteigt.

ZEW = Zukünftiger Ertragswert SW = Substanzwert ZW = Zerschlagungswert

Quelle: Gomez / Weber 1989, S. 25.

49 Damit besitzt der Substanzwert zwar eine relativ hohe Genauigkeit bei der Ermittlung des gegenwärtigen Untemehmenswertes, er ist jedoch nur begrenzt aussagefähig, weil keine Informationen über zukünftige Ertragswerte, Technologie- und Management-Know-how, Investitions- und Finanzierungsnotwendigkeiten oder Risikoaspekte in die Untemehmensbewertung einfließen.

Der Ertrag als Grundlage einer Bewertung setzt die Fortführung des zu akquirierenden Unternehmens voraus. Von Akquisitionsexperten und in der wissenschaftlichen Literatur wird deshalb häufig die Ertrags­ wertanalyse (auch Kapitalwert- oder Zukunftserfolgswert-Analyse genannt) bevorzugt.73 Hierbei handelt es sich um einen auf den Be­ wertungszeitpunkt kapitalisierten zukünftigen Ertrag, unter Berück­ sichtigung der Realisierung angestrebter Wertsteigerungspotentiale.74 Die Einbeziehung von Wertsteigerungspotentialen, z.B. im Sinne von Synergiepotentialen, hat für die Untemehmensbewertung den Vorteil, daß sowohl das Entwicklungspotential als auch die Marktrisiken der Akquisition in die Bewertung einfließen. Zur Bestimmung der Ertragswerte von Wertsteigerungspotentialen wird von Coenenberg / Sautter75 ein zweistufiges Vorgehen vorge­ schlagen. Im ersten Schritt ist das Akquisitionsobjekt anhand eines marktgerechten oder objektivierten Ertragswertes zu beurteilen. Dieser Wert beruht auf der Annahme einer unabhängigen unterneh­ merischen Fortführung, d.h. ohne Integration des Akquisitionsobjektes

73

Vgl. Lacher / Poppe 1988, S. 1761; Möller 1983, S. 204-209; Rauer 1994, S. HO;

74

Reißner 1992, S. 204f; Sieben / Diedrich 1990, S. 799-805. Wertsteigerungspotentiale im Rahmen von Untemehmensakquisitionen werden in der

75

Literatur unterschiedlich dargestellt. Nach Sandler (1991, S. 3) kann die Wertsteigerung (1) durch die Optimierung von Prozessen, (2) durch Kapazitätsauslastungseffekte und (3) durch Synergie erreicht werden. Haspeslagh / Jemison (1992, S. 284) unterscheiden die drei Möglichkeiten: (l) der betriebliche Disziplin, (2) der Portfolio-Strategie und (3) der horizontalen Strategie funktionaler Fähigkeiten und Kompetenzen. Für Porter (1988, S. 55-61) bestehen im wesentlichen zwei Wertsteigerungspotentiale, im Sinne von Wettbewcrbsvorteilen: (1) Know-how-Transfer (transfer of skills) und (2) Aufgabenzentralisierung (sharing activities). Vgl. Coenenberg / Sautter 1988, S. 693 f.

50 (sog. ‘stand-alone value’ oder ‘as is value’)76. Dieser objektivierte Ertragswert kann z.B. durch Analyse der Gewinn- und Verlustrechnungen vergangener Geschäftsjahre, den Bilanzen, sowie aus Cash-flow-Analysen gewonnen werden.

Nach Analyse des Vergangenheitswertes eines Unternehmens ist im zweiten Schritt ein subjektiver Entscheidungs-Wert festzulegen. Hierzu müssen die durch eine Untemehmensakquisition angestrebten Wert­ erhöhungen zu einem bestimmten Bewertungsstichtag prognostiziert werden (sog. ‘potential value’)77. Darin liegt jedoch die Haupt­ schwierigkeit in der Anwendung dieser Bewertungsmethode, weil zur Bestimmung des Wertes eines Unternehmens sowohl synergetische Ertragswerte™, als auch der das Risiko der Akquisition wider­ spiegelnde Diskontierungsfaktor, geschätzt werden müssen.7^ Im Ergebnis der Untemehmensbewertung ergibt sich der vorläufige Gesamtwert des Akquisitionskandidaten (aus der Summe von Basiswert und Werterhöhungen), als Grundlage für den in der Verhand­ lungsphase auszuhandelnden Kaufpreis. 76 77 70

7$

Vgl. Gomez / Ganz 1992, S. 46; Murrin 1989, S. 89 f. Vgl. Murrin 1989, S. 90.

Synergetische Ertragswerte lassen sich nach Weber (1991, S. 106-115) in kosten- und marktorientierte Ertragswerte einteilen. Während kostenorientierte Ertragswerte (z.B. Kosteneinsparungen im Personalbereich) noch relativ leicht abzuschätzen sind, lassen sich marktorientierte Vorteile (z.B. Vorteile aus zusätzlichen regionalen Märkten, neuen Produkten) meist nur recht ungenau quantifizieren. Neben der absoluten Höhe des Bar­ wertes synergetischer Ertragsüberschüsse sind auch die zeitlichen Parameter, die zwischen dem eigentlichen Zusammenschluß und der Wirksamkeit der Synergieeffekte liegen, zu berücksichtigen. Weitere bewertungsrelevante Prognoseinhalte betreffen die möglichen Kosten der Integration (Vgl. Kapitel IV Abschnitt 1.2.3) wie auch die Aus­ wirkungen eventuell auftretender negativer Synergieeffekte (z.B. zusätzliche Personal­ kosten durch Doppelfunktionen, Reaktionen der Kunden auf den Wegfall der bisherigen Produktdifferenzierung). Abschließend sind auch die Eintrittswahrschein-lichkeiten der geplanten Synergieeffekte abzuschätzen, da es unrealistisch wäre anzunehmen, daß alle Synergiepotentiale in optimaler Form realisiert werden können. Hierin liegt eine besondere Schwierigkeit der Bewertung, da im Falle unrealistischer Ertragsprognosen letztlich eine Überbewertung des Akquisitionsobjektes nicht ausgeschlossen werden kann. Zur Problematik der Überbewertung, siehe Coenenberg / Sautter 1988, S. 692 f; Pursche 1989, S. 92-96; Rappaport 1979, S.99-110. Vgl. hierzu z.B. Ballwieser 1992, S. 121-136; Gomez / Weber 1989, S. 32-34.

51

Bei der Marktwertanalyse sind eine Reihe von Bewertungsmethoden zusammengefaßt (siehe Abbildung 8). Die Marktwertanalyse basiert auf der Annahme, daß bei Untemehmensakquisitionen einem „strategischen Käufer“, der an der Weiterführung des zu akquirierenden Unternehmens interessiert ist, in steigendem Maße „finanzielle Käufer“ (Kapitalanleger) gegenüberstehen.80 Der Markt­ wert kann sich z.B. bei einem börsennotierten Unternehmen durch Multiplikation der Tageskurse mit der Anzahl der emittierten Aktien ergeben. Da in dem Börsenkurs auch die Wertvorstellungen der Kapitalanleger enthalten sind, muß man im Falle einer Akquisition den Aktionären in der Regel den Börsenkurs bezahlen, zuzüglich eines Aufschlages für erwartete Kursgewinnsteigerungen.81 Der Marktwert wird dadurch leicht zu einem spekulativen Untemehmenswert für strategische Käufer. Zusammenfassend kann damit festgehalten werden, daß strategisch­ orientierte Käufer sich nicht auf ein einzelnes Bewertungsverfahren verlassen sollten. Vielmehr sollten vermögens-, ertrags- und markt­ orientierte Bewertungsmethoden kombiniert eingesetzt werden, um eine Bandbreite von möglichen Kaufpreisen - zur Durchsetzung von Verhandlungspositionen - zu erhalten.

Die Orientierung am Substanzwert liefert in diesem Zusammenhang wichtige Hinweise über die Preisobergrenze und über die Qualität des zu akquirierenden Unternehmens, vernachlässigt jedoch zukünftige Ertragspotentiale und Risiken.

Marktwerte der Liquidation, des Untemehmensvergleichs- und des Börsenwertes beurteilen ein Unternehmen primär aus der Perspektive finanzieller Kapitalanleger, wobei der Marktwert ein Mehrfaches des

80 81

Vgl. Gomez/Weber 1989, S. 25 f. In der Einzeluntersuchung von Bressmer / Moser / Sertl (1989, S. 153) wurde z.B. für

den Fall einer Mehrheitsbeteiligung ein Aufpreis auf den Börsenkurs in Höhe von 45% festgestellt.

52 wirtschaftlichen Zukunftswertes des Unternehmens erreichen kann82. Bei der Ertragswertmethode, die von der Praxis bevorzugt verwendet wird,83 werden Ertragspotentiale in die Bewertung einbezogen; weitgehend unberücksichtigt bleibt dagegen der dazu notwendige Kapitalbedarf.

1.2.3 Verhandlung und Vertragsabschluß mit einem Akquisitions­ kandidaten In der Verhandlungsphase sind die bereits ermittelten Analyse- und Bewertungsergebnisse des Akquisitionsobjektes quantitativ und quali­ tativ zu konkretisieren bzw. abzuschließen.84 Darüber hinaus sind mit dem Management bzw. den Eigentümern des Akquisitionsobjektes die Modalitäten der eventuellen Übernahme (Kaufpreis, Beteiligungs­ quote, Übernahme des Management, usw.) auszuhandeln. Im Einigungsfall ist die Verhandlungsphase mit der Vertragsunter­ zeichnung beendet. Für den Erfolg der Verhandlungsphase ist der erste Kontakt entscheidend. Bestehen zwischen den Unternehmensleitungen geschäftliche oder auch private Kontakte, so können diese den ersten Kontakt zur Übernahme des Unternehmens erleichtern. Falls die Unternehmen, z.B. aus Wettbewerbsgründen, keine Geschäftsbe­ ziehungen pflegen, ist der Einsatz von Vermittlern (z.B. Aufsichtsratsmitgliedem, Investmentbanken, Rechtsanwälten) ratsam. Im 07

83

Wie unterschiedlich der Wert eines Unternehmens bei Zugrundelegung unter­ schiedlicher Bewertungsmethoden sein kann, wurde von Gomez (1989, S. 441 f.) aufge­ zeigt. Während die Bewertung nach der Substanzwertanalyse einen Unternehmens wert von 60 Mio. Sfr. ermittelte, führte die Marktwertanalyse zu einem maximalen Unter­ nehmenswert von 345 Mio. Sfr. Die Bewertung nach der Ertragswertmethode hingegen zeigte im Mittel einen maximalen Wert in Höhe von rund 150 Mio. Sfr. Vgl. hierzu z.B. auch: Ballwieser 1992, S. 122; Baetge / Krumbholz 1991, S. 27; Blex /

84

Marchal 1990, S. 102; Bühner 1993 a, S. 750; Gomez / Weber 1989, S. 443, Rauer 1994, S. 110; Reißner 1992, S. 207; Sandler 1991, S. 196; Sieben 1993, Sp. 4327. Vgl. Bressmer / Moser / Sertl 1989, S. 197-199; Dahm 1982, S. 16-27; Domis 1982, S:

76-88. Hunt 1987, S. 22-40; Kinast 1991, S. 38-42; Krüger 1988, S. 376: Scheiter 1989, S. 73; Sieben / Sielaff 1989, S. 30 f; Zimmerer 1993, Sp. 4297-4300.

53

weiteren Verlauf der Verhandlungen kommt dem Geschick und der Taktik des eigenen Verhandlungsteams eine große Bedeutung zu, nicht nur in Bezug auf die Kaufpreisfmdung, sondern insbesondere für den späteren Verlauf der Integration.

Besteht grundsätzliche Einigkeit über die Kaufpreisindikationen und die Zusammenarbeit zwischen den Verhandlungspartnern, so können sie den Abschluß eines „Letter of Intent “85 in Erwägung ziehen, um die Ernsthaftigkeit ihrer Verhandlungen zu dokumentieren. Mit Unter­ zeichnung der Absichtserklärung sind die in der Analyse- und Bewer­ tungsphase verfügbaren Informationen um vertrauliche Informationen (Planungsunterlagen, Jahresabschlüsse, Kreditverträge, Stille Reserven usw.) zu ergänzen, um ein möglichst umfassendes Bild des „Realprofils“ des Akquisitionskandidaten zu erhalten. Hierzu gehören u.a. auch umweltschutzrelevante Untemehmensinformationen, die in der Industrie zunehmend an Bedeutung gewinnen.86 Eine unvollstän­ dige Analyse des unternehmerischen Beitrags zum Umweltschutz kann unter Umständen dazu fuhren, daß das akquirierende Unterneh­ men einen weit über den eigentlichen Kaufpreis zu entrichtenden Be­ trag nach Vertragsabschluß, z.B. für die Sanierung von umweltbezo­ genen Altlasten, zu entrichten hat. In der Praxis hat sich - zur Verdichtung von untemehmensspezifischen Informationen - der Einsatz von Checklisten^ bewährt, mit deren Hilfe sich eine umfassende Analyse bewertungsrelevanter Informa­ tionen vor Ort (sog. Due Diligence) durchfuhren läßt. Ziel einer solchen Analyse ist, alle jenen wirtschaftlichen, juristischen und steuerrechtlichen Risiken zu entdecken, die in den Bilanzen nicht ab­ gebildet sind. Darüber hinaus lassen sich die vom Akquisitionsobjekt vorgelegten Zahlen und Planungen auf Plausibilität überprüfen und 86

Vgl. Bressmer / Moser / Sertl 1989, S. 195; Rauer 1994, S. 110; Zimmerer 1993, Sp.

86 8?

4301. Vgl. Kinast 1991, S. 37; Kreikebaum 1993, S. 194-196. Siehe hierzu z.B. die Checklisten bei: Caytas / Mahari 1988, S. 363-376; Dahm 1982, S. 36 f; Gomez / Weber 1989, S. 76-78; Haspeslagh / Jemison 1992, S. 339-364; Pearson 1987, S. 107-112.

54 notwendige Erkenntnisse (z.B. über die Qualität des Management) für den Integrationsprozeß gewinnen88.

„ Typically, due diligence is conducted on financial, accounting, and legal bases. However, the due diligence review of the assets and records ofthe targetfirm in an agreed merger also can be a perfect vehicle for the integration planning process because full information on costs, operations, and customs can be obtained. " Achtermeyer / Daniell 1988, S. 39.

Hat sich das Verhandlungsteam auf der Grundlage der erhobenen und ausgewerteten Informationen dazu entschlossen, das Zieluntemehmen zu übernehmen, sind mit dem Management bzw. den Anteilseignern des Akquisitionsobjektes Vertragsverhandlungen aufzunehmen. Gegenstand des Übemahmevertrages ist die Strukturierung der Trans­ aktion. Hierbei steht die Einigung über die Höhe und Abwicklung des zu zahlenden Kaufpreises sowie sonstige Vertrags-bedingungen (z.B. Gewährleistungsverpflichtungen) im Mittelpunkt. Der Kaufpreis liegt in der Regel zwischen dem objektivierten Basis­ wert und dem aus erwarteten Restrukturierungs- und Synergie­ potentialen resultierenden subjektiven Ertragswert89. Für die erwarteten Werterhöhungen ist das akquirierende Unternehmen in der Regel bereit, eine sogenannte Akquisitionsprämie^ zu zahlen, wie folgende Aussage verdeutlicht:

88 89 90

Vgl. Rauer 1994, S. 110. Vgl. Baetge / Krumbholz 1991, S. 14 f; Pursche 1989, S. 95 f.; Sieben / Diedrich 1990,

S. 795-797. Unter einer Akquisitionsprämie versteht man den Zuschlag auf den Marktpreis des Akquisitionsobjektes, den das akquirierende Unternehmen in Anbetracht der zu erwartenden Restrukturierungs- und Synergiepotentiale bereit ist zu zahlen. Vgl. Coenenberg / Sautter 1988, S. 693; Sieben / Diedrich 1990, S. 807.

55 „ It is not uncommon for buyers to payfor part or all of the synergies that they hope to attain. This is the primary reason for acquisition premiums - and, not incidentally, the over­ payments that make so many acquisitions failures... Paying for too many potential synergies is akin to buying a house and then offering to add to the purchase price an amount re­ flecting the travel savings that you will get from being closer to work. “ Pursche 1989, S. 93 f.

Die Akquisitionsprämie sollte deshalb deutlich kleiner sein als die Summe der werterhöhenden Synergien, weil aus der Differenz die Transaktionskosten (z.B. Kosten der Analyse) und ein eventueller Realisierungszuschlag (z.B. Maklerprovision) bestritten werden müssen. Darüber hinaus sind auch die erwarteten Kosten der Integration zu berücksichtigen. Auf welchen Kaufpreis die Ver­ handlungspartner sich letztendlich einigen, hängt neben den rationalen Verfahren der Preisbestimmung hauptsächlich vom Ver­ handlungsgeschick der Vertragsparteien ab. 1.2.4 Integration akquirierter Aktivitäten Auf die Einigung in der Verhandlungsphase und anschließende tragsunterzeichnung folgt die Integrationsphase, in der akquirierten Aktivitäten, entsprechend den Akquisitionszielen identifizierten Wertsteigerungspotentialen, mit denen akquirierenden Unternehmens zusammengefuhrt werden.

Ver­ die und des

Bevor einzelne Integrationsmaßnahmen durchgefuhrt werden können, muß Klarheit herrschen über die Voraussetzungen für eine erfolg­ reiche Integration. Für ein tieferes Verständnis der Erfolgsvoraus­ setzungen ist es sinnvoll, die Integrationsphase zeitlich in eine Vorund eine Nach-Akquisitionsphase einzuteilen.91

91

Ähnliche Abgrenzungen finden sich z.B. bei: Balloun / Gridley 1990, S. 90 f. (pre- vs.

post-merger period); Marks 1982, S. 38 (Vorkombinations-, rechtl. Kombinations- und Nachkombinationsphase); Gerpott 1993, S. 127 f. (antizipative vs. begleitende Inte­

56 In der Vor-Akquisitionsphase, d.h. vor Abschluß der Vertragsver­ handlungen, kommt der Planung der Integration eine besondere Bedeutung zu, da in diesem Zeitraum viele grundsätzliche Entschei­ dungen, meist mit einem hohen Grad an Unsicherheit, getroffen werden müssen. Da der Kaufvertrag noch nicht abgeschlossen ist und somit dem akquirierenden Unternehmen noch nicht alle Informationen zum Akquisitionsobjekt zur Verfügung stehen, hängt der Erfolg des geplanten Integrationsansatzes nicht zuletzt davon ab, inwieweit bei Vorlage neuerer Informationen der Plan flexibel verändert werden kann. Dies bestätigt auch die folgende Aussage eines akquisitions­ erfahrenen Managers:

„ Wenn wir kaufen, dann haben wir einen festen Plan parat. Wir versuchen, uns vor der Akquisition gut vorzubereiten. Wir erstellen einen Maßnahmenkatalogfür die doppelte Wirkung, die nötig ist. Und wir haben klare Zielvorstellungen für die nächsten drei, sechs und neun Monate. Wenn man einen Plan aufstellt, heißt das noch lange nicht, daß man ihn nicht ändern kann. Aber eine planlose Akquisition endet meist in einem Desaster. “ zitiert nach Haspeslagh / Jemison 1992, S. 233. Mit Abschluß der Vertragsverhandlungen beginnt die Nach-Akquisitionsphase. Diese besteht zunächst meist aus einer Konsolidierungs­ phase (auch Phase „0“ der Integration), die nach Ansicht von McKinsey92 zur Wiederherstellung der inneren Ruhe und Stabilität, sowie zur Verdeutlichung der unternehmerischen Absichten, Verantwortlichkeiten und zum Abbau von Unsicherheiten bei den Mitarbeitern genutzt werden sollte.

Nach Abschluß dieser meist recht kurzen Übergangsperiode beginnt die eigentliche Integrationsphase oder „Phase der Wortschöpfung“^,

92 92

grationsgestaltung) ) und Grüter 1991, S. 98-104 (synoptische vs. inkrementale Inte­ grationsgestaltung). Vgl. Balloun / Gridley 1990, S. 96. Vgl. Baetge / Krumbholz 1991, S. 24; Haspeslagh / Jemison 1992, S. 28.

57

in der die geplanten Integrationsaktivitäten umgesetzt werden müssen. Da zudem die Mitarbeiter mit ihren persönlichen Einstellungen, Über­ zeugungen, Interessen und Verhaltensweisen auf die Integrations­ aktivitäten einwirken, wird deutlich, daß Integration mehr als ein evolutionärer Anpassungsprozeß aufzufassen ist, als eine völlig vor­ hersehbare, geplante Aktivität94.

Im nachfolgenden Kapitel (Kapitel II Abschnitt 2) werden einzelne wesentliche Aspekte des Planungsprozesses der Integration in der Vor-Akquisitionsphase skizziert werden, bevor darauf aufbauend (Kapitel III) das Management der Integration im Rahmen der NachAkquisitionsphase dargestellt und ein Konzept zur Integration abge­ leitet werden kann.

94

Vgl. Haspeslagh / Jemison 1992, S. 28.

58

2. Planung des Integrationsprozesses Integrationsprozesse können allgemein als multioperationale, multi­ temporale und multipersonale Problemlösungs- und Entscheidungs­ prozesse gekennzeichnet werden.1 Der Planung des Integrations­ prozesses, d.h. der gedanklichen Antizipation zukünftigen Handelns im Anschluß an die Untemehmensübemahme, kommt deshalb die ent­ scheidende Bedeutung für den Erfolg der Integration und damit dem übergeordneten Akquisitionserfolg zu.

„Planning is suggested as an important factor at various periods ofthe merger process, but most prescriptive writers emphasize the need to establish plans for meshing the two organizations - their personnel, structure, policies, and climate - prior to actual combination. “ Marks 1982, S. 39.

Die Planung des Integrationsprozesses erfordert eine ganzheitliche Betrachtung des Integrationsproblems, die durch die sich ergebende Komplexität des zu planenden Integrationsprozesses aber nur im begrenzten Umfang möglich erscheint. Um die Komplexität des Integrationsprozesses beherrschbar zu machen, ist eine strukturierte Vorgehensweise bei der Planung unerläßlich. Diese ist durch einzelne, voneinander abgrenzbare Entscheidungen des Management des akquirierenden Unternehmens gekennzeichnet. Hierbei geht es im wesentlichen um die Beantwortung folgender Fragen:2 1. Integrationsgrad'. Inwieweit soll das akquirierte Unternehmen in die eigene Organisation integriert werden? 2. Integrationszeitpunkt: Wann soll mit der Integration begonnen werden?

1 2

Vgl. Eckhardt 1979, S. 117 Vgl. Haspeslagh / Jemison 1987, S. 53-58. Sieben / Sielaff 1989, S. 40-44.

59 3. Integrationsteam: Welche Personen sind an dem Integrationsprozeß zu beteiligen?

3. Integrationsaktivitäten: Welche Aktivitäten sind bei der Integration zu berücksichtigen?

2.1. Planung des Integrationsgrades Die Frage, in welchem Umfang das akquirierte Unternehmen in die Organisation des akquirierenden Unternehmens eingebunden werden kann, wird in der Literatur mit dem Begriff „Integrationsgrad“ um­ schrieben.3 In der Untersuchung von Ansoff / Brandenburg / Portner / Radosevich werden folgende Ausprägungen des Integrationsgrades unterschieden:4

• Autonomie

• partielle Integration • vollständige Integration

Im Fall der Autonomie bleibt das akquirierte Unternehmen weitge­ hend selbständig, d.h. es werden keinerlei Integrationsaktivitäten durchgefuhrt, außer den juristisch absolut erforderlichen. Für den Zweck dieser Arbeit kann dieser Fall der Autonomie vernachlässigt werden.

Bei der partiellen Integration werden einzelne Teilbereiche des akqui­ rierten Unternehmens in die des akquirierenden Unternehmens 3

Vgl. Eichinger 1971, S. 344-346; Möller 1983, S. 244-259; Shrivastava 1986, S. 73;

4

Scheiter 1988, S. 122-124. Vgl. Ansoff / Brandenburg / Portner / Radosevich 1971, S. 36 f; Möller 1983, S. 258; Scheiter 1988, S. 122-124; Steinöcker 1993, S. 106-112. In diesem Sinne lassen sich auch die Integrationsansätze von Haspeslagh / Jemison (1992, S. 173-178) einordnen. Sie unterscheiden zwischen der Erhaltung (i.S.v. Autonomie), der Symbiose (i.S.v. partieller Integration) und der Absorption (i.S.v. vollständiger Integration) eines akquirierten Unternehmens.

60

integriert. Gegenstand der Integration können administrative und / oder operative Bereiche sein. Die Integration administrativer Bereiche (z.B. der Controlling- und Finanzabteilung) dient im wesentlichen dem Ziel der Kontrolle des akquirierten Unternehmens. Eine Integration der operativen Bereiche, d.h. der produkt-Zmarktbezogenen Primäraktivitäten eines Unternehmens (zB. Beschaffungslogistik, Produktion, Marketing Z Vertrieb) sowie der direkt zurechenbaren Unterstützungsaktivitäten (z.B. Technologieentwicklung, Personal­ bereich) verfolgt dagegen die Zielsetzung, entsprechende Wettbe­ werbsvorteile im Untemehmensverbund zu realisieren.5 Die vollständige Integration geht davon aus, daß das akquirierte Unternehmen mit sämtlichen Bereichen in das übernehmende Unter­ nehmen eingegliedert wird. Hierbei verliert das akquirierte Unter­ nehmen nicht nur seine wirtschaftliche, sondern auch seine rechtliche Selbständigkeit. Diese Form der Eingliederung erfordert daher die gründlichste Vorbereitung des Integrationsprozesses.

Für Lawrence Z Lorsch6 stellt sich das Integrationsproblem weniger in der Abwägung zwischen partieller oder vollständiger Integration. Sie unterscheiden zwischen „erforderlicher“ (required) und „tatsächlicher“ (actual) Integration. Ist man aufgrund eingehender Analysen im Rahmen der Integrationsplanung zu dem Ergebnis gelangt, daß eine vollständige Integration (z.B. aufgrund der Produkt- und Marktüber­ schneidungen) erforderlich ist, so können sich nach Durchführung der Integrationsmaßnahmen aber dennoch nur partielle Erfolge einstellen.

Die Diskrepanz zwischen erforderlicher und tatsächlicher Inte­ grationserfolge kann daran liegen, daß - im Planungsstadium der Inte­ gration - die Entscheidung totaler Verknüpfung zweier Unternehmen sich kaum vollständig strukturieren läßt. Zudem hängt die Beant­

$

Ansoff / Brandenburg / Portner / Radosevich (1971, S. 97 f.) kommen in einer zusammen-fassenden Beurteilung der partiellen Integration zu dem Schluß, daß „partial integration tends to produce the poorest performance. Apparently, the firm should try for complete integration of its acquisitions, or should let them to remain autonomous“. Vgl. Lawrence / Lorsch 1986, S. 105.

61 wortung der Frage, inwieweit ein Unternehmen planerisch und dann auch tatsächlich integriert werden kann, von einer Reihe weiterer Faktoren ab, so z.B. von der Akquisitionsrichtung und damit von der Fähigkeit des Management, Einfluß auf das zu übernehmende Unter­ nehmen auszuüben, von speziellen produkt- / marktbezogenen Faktoren sowie von strukturellen und kulturellen Kompatibilitäten der beteiligten Unternehmen.7

Im Hinblick auf die Akquisitionsrichtung wurde in den Unter­ suchungen von Ansoff / Brandenburg / Portner / Radosevich und Möller festgestellt, daß tendenziell am stärksten bei horizontalen und vertikalen Untemehmensakquisitionen integriert wird, da hierbei eine breite Zusammenfassung von administrativen und operativen Unter­ nehmensbereichen möglich ist.8 Im Gegensatz dazu beschränkt sich die Integration konzentrisch-motivierter Untemehmensakquisitionen auf kritische markt- und technologieorientierte Untemehmensbereiche. Bei konglomeraten Untemehmensakquisitionen, bei denen das Tätigkeitsspektrum bewußt um gänzlich neue Gebiete erweitert wird, findet in der überwiegenden Zahl der Fälle keine Integration statt oder beschränkt sich auf jene administrativen Bereiche, die zur Führung und Kontrolle des Unternehmens notwendig sind. Auch bestimmen einzelne produkt- bzw. marktbezogene Faktoren die Intensität der Integration.9 Generell kann man davon ausgehen, daß je homogener die Märkte und je ähnlicher die Produktprogramme der Unternehmen, desto umfangreicher in der Regel die Integration aus­ fallen wird, sofern das akquirierende Management mit den Geschäfts­ aktivitäten des akquirierten Unternehmens weitgehend vertraut ist. Inwieweit eine beabsichtigte Produktintegration durchgesetzt werden kann, ist aber auch abhängig von einzelnen produktspezifischen

'

8 9

Vgl. im folgenden die Untersuchungsergebnisse von: Ansoff / Brandenburg / Portner / Radosevich 1971, S. 37; Kitching 1967, S. 86-92; Möller 1983, S. 245-250; Scheiter 1988, S. 125-132; Sieben / Sielaff 1989, S. 42 f. Vgl. Ansoff / Brandenburg / Portner / Radosevich 1971, S. 37; Möller 1983, S. 251. Vgl. Scheiter 1988, S. 126-129.

62 Merkmalen, wie z.B. den Produktionsverfahren, Vertriebskanälen, Zielgruppen usw. Auch unterscheiden sich die Märkte nicht nur hin­ sichtlich Hirer Wachstumsraten, sondern u.a. auch in bezug auf die Anzahl der Wettbewerber, Eintrittsbarrieren für neue Anbieter sowie mögliche wettbewerbsrechtliche Beschränkungen. Strukturelle und kulturelle Unterschiede zwischen den Unternehmen bzw. Unternehmensbereichen stellen eine weitere, wichtige Einflußgroße des Integrationsgrades dar. Zu den strukturellen Einflußfaktoren zählen z.B. die Organisations- und Führungsstruktur, das Größenver­ hältnis sowie die räumliche Distanz zwischen den am Akquisitions­ prozeß beteiligten Unternehmen.10 Die Untemehmenskultur findet ihren Ausdruck z.B. im Risiko- und Führungsverhalten des Management oder in der Wertschätzung der sozialen Verantwortung des Unternehmens gegenüber der Umwelt, Mitarbeitern, Kunden etc. Auch hier konnte in Untersuchungen nachgewiesen werden, daß in beiden Fällen die Integration in der Regel weniger Probleme aufweist, je kompatibler die Struktur- und Kulturmerkmale zwischen den Unternehmen sind.11 Wie gezeigt wurde, hängt der Integrationsgrad damit von einer Viel­ zahl von Einflußfaktoren ab. Versucht man einzelne, aus der Unter­ nehmenssituation heraus wichtige Einflußfaktoren miteinander zu kombinieren, so lassen sich daraus bereits im voraus unterschiedliche Integrationsempfehlungen ableiten. Nach dem Ansatz der Beratungs­ gesellschaft McKinsey12 sind zwei Einflußfaktoren von besonderer Bedeutung für die Wahl des Integrationsgrades (vgl. Abbildung 7):

10 11 12

Vgl. Möller 1983, S. 62 f. Vgl. Scheiter 1988, S. 129-132. Vgl. Foote / Suttie 1991, S. 122.

63 1. der Grad der Überschneidung der Geschäftsaktivitäten („degree of overlap“) und 2. der Grad des Restrukturierungs-ZSanierungspotentials („health of acquired business“) der akquirierten Geschäftsaktivitäten. Abbildung 7 Matrix des Integrationsgrades Post-merger management choices

Sound

Health of the acquired business Unsound

„Nurture“ Preserve strengths. Exploit upside synergy. Enhance performance by positive culture change, shared vision.

„Turnaround“ Inject new leadership / positive cultural change to trigger turnaround. Unterstand underlying strengths. Build synergies over time.

„Merger of equals“ Integrate fully, based on joint teams of equals in major overlapping functions and markets. Select best from both sides „Takeover“ Integrate rapidly into existing structures. Inject new leadership / cultural change.

Low

High

Degree of overlap



Quelle: Foote / Suttie 1991, S. 122.

Das größte Potential der Integration bietet die Untemehmensakquisition „merger of equals". In diesem Fall sind beispielsweise die eigenen und akquirierten Geschäftsaktivitäten in vergleichbaren bzw. sich ergänzenden Produkt-/ Marktbereichen tätig und keinem akuten Restrukturierungsdruck ausgesetzt. Eine „Turnaround "Situation erfordert auf der anderen Seite die größte Managementkapazität, ver­ bunden mit der generellen Unsicherheit der wirtschaftlichen

64

„Gesundung“ des akquirierten Unternehmens. Da die Produkt-/ Marktbereiche sich zudem überhaupt nicht oder nur zum Teil über­ schneiden, muß zumindest kurzfristig von einem geringen Integra­ tionsgrad ausgegangen werden. In jedem Fall ist vom Management des akquirierenden Unternehmens eine Entscheidung hinsichtlich des Beginns bzw. des Zeitpunktes der Integrationsplanung zu fallen. Hierauf soll im nachfolgenden Kapitel eingegangen werden. 2.2. Planung des Integrationszeitpunktes

Die Frage nach dem Integrationszeitpunkt läßt sich unter zwei Ge­ sichtspunkten beantworten. Einerseits ist ein Zeitplan der Integration akquirierter Aktivitäten aufzustellen. Die Diskussion bezüglich einer mehr „schnellen“ oder eher „schrittweisen“ Integration wird in der Literatur kontrovers geführt (vgl. hierzu Kapitel III. Abschnitt 3.2.3). Andererseits ist der Beginn der Integrationsplanung selbst Anlaß einer Entscheidung des akquirierenden Management. Hierzu finden sich in der Literatur jedoch nur wenige Anhaltspunkte:13 „It may never be too early to start mapping the integration of an acquisition target. Ifstarted well before the deal is closed, or even before talks begin, developement offirm ideals on the postmerger combination can produce value-creation ideas that impact such key factors as purchase price, general negotiating strategy, andfuture capital investment. “ Achtmeyer / Daniell 1988, S. 37.

Zur Bestimmung des (optimalen) Zeitpunktes der einsetzenden Inte­ grationsplanung bietet es sich an, diese Entscheidung am Kriterium des Wertsteigerungspotentials zu beurteilen (vgl. Kapitel II. Abschnitt 1.1.3.2). Bei der Analyse des Wertsteigerungspotentials geht es um die Frage, wo und wann das noch zu akquirierende Akquisitionsobjekt die

13

So steilen z.B. Haspeslagh / Jemison allgemein fest, daß der Entwurf des Integrations­

planes lange vor dem Vollzug der Untemehmensübemahme beginnen sollte; Vgl. Haspeslagh / Jemison 1992, S. 223.

65

Aktivitäten des akquirierenden Unternehmens ergänzt bzw. in welchen Bereichen Überschneidungen vorliegen. Diese zu analy­ sierenden Wertsteigerungspotentiale sind später im Rahmen der Inte­ grationsplanung zu konkretisieren und anschließend zu bewerten. Aus den Ergebnissen der Untemehmensbewertung kann das untemehmensspezifische Vorgehen im Integrationsprozeß abgeleitet werden. Als Zeitpunkt der einsetzenden Integrationsplanung sollte deshalb idealerweise die Analyse- und Bewertungsphase gewählt werden,14 weil in der Regel erst zu diesem Zeitpunkt aussagefahige Informationen zum Akquisitionsobjekt ermittelt werden bzw. zur Ver­ fügung stehen. Für das akquirierende Unternehmen sollten jedoch be­ reits in der (Vor-) Planungsphase der Akquisition Integrationsaspekte, z.B. zum beabsichtigten Integrationsgrad, mitberücksichtigt werden. Abbildung 8 verdeutlicht den Zeitpunkt der Integrationsplanung und die wechselseitige Abhängigkeit der einzelnen Planungs- und Reali­ sierungsphasen voneinander.

14

Vgl. Achtmeyer / Daniell 1988, S. 38; Freund 1991, S. 492; Howell 1970, S. 66 f.; Lorange / Kotlarchuk / Singh 1987, S. 11; Toemquist / Conrad 1989, S. 78.

66

Abbildung 8 Zeitpunkt der Integrationsplanung und Interdependenzen der Planungsprozesse

(Vor-) Planungs­ phase

Akquisitions­ phase

Integrations­ phase

Legende:

1

Entscheidung über strategische Positionierung

2

Planung von Integrationsgrad und Integrationsgeschwindigkeit

3

Bewertung der Akquisitionskandidaten

4

Bewertung der Realisierbarkeit der Akquisitionsziele

5

Bewertung der Integrationsergebnisse

Darstellung in Anlehnung an Clever 1993a, S. 125.

67

2.3 Planung des Integrationsteams Die Auswahl eines für die Integration geeigneten Managementteams zählt nach Untersuchungen der Beratungsgesellschaften McKinsey15 und Bain & Company16 zu den Schlüsselaktivitäten einer erfolg­ reichen Integrationsplanung. In der in diesem Kapitel im Mittelpunkt stehenden Vor-Akquisitionsphase ist einerseits die Kaufentscheidung durch das Akquisitionsteam vorzubereiten und zum Kaufabschluß zu fuhren. Gleichzeitig ist, je nach beabsichtigtem Integrationsgrad, die Eingliederung der akquirierten Aktivitäten zu planen. Wie in empirischen Untersuchungen festgestellt wurde, handelt es sich dabei meist um ein von dem Akquisitionsteam zumindest teilweise zu trennendes Integrationsteam. In der Praxis finden sich meist synonym verwendete Begriffe wie Lenkungsausschuß, Struktur- und Synergie­ ausschuß, Projektteam der Integration, Steering Committee u.a.

„In 88% ofthe acquisitions studied, the negotiating team was differentfrom the implementation team. Most respondentsfelt they should be different, that those who would run the busi­ ness should not be involved in the negotiating process. However, there had to be a link man - someone who was in the negotiating team and the implementation team. In 85% of cases, a clear link man was identifiable. “ Hunt / Less / Grumbar / Vivian 1987, S. 41 Die Beantwortung der Frage, welcher Personenkreis mit der Planung von Integrationsaufgaben betraut werden sollte, wird meist davon ab­ hängig gemacht, auf welche Untemehmensbereiche sich die Inte­ gration schwerpunktmäßig bezieht. Häufig werden jene Linien­ manager einzelner Funktions- und Untemehmensbereiche in das Integrationsteam berufen, die nach Abschluß der Kaufverhandlungen auch für die operative Umsetzung der Integration verantwortlich sind.

15 16

Vgl. Pursche 1990, S. 103 f.; Balloun / Gridley 1990, S. 90 f. Vgl. Achtmeyer / Daniell 1988, S. 39 f; Toemquist / Conrad 1989, S. 80.

68

Die Führungsverantwortung des Integrationsteams sollte jedoch zur Vermeidung von Integrationsproblemen zumindest bei einem Mitglied der Unternehmensleitung selbst liegen.17

Obwohl übereinstimmend festgestellt wird, den Kreis des Integra­ tionsteams zahlenmäßig zu begrenzen, um die Flexibilität zu gewährleisten und den Zeitbedarf der Entscheidungsfindung nicht unnötig zu verlängern,18 kann zusätzlich der Einsatz externer Berater (zumindest als Coach oder Moderator) notwendig werden. Die Objektivität und Neutralität einer externen Instanz kann z.B. bei der Planung der Harmonisierung von Entlohnungs- und Anreizsystemen, aber auch bei unterschiedlichen EDV-Systemen hilfreich sein, um Reformen ohne abträgliche Nebenwirkungen (z.B. Motivationsverlust) zu realisieren.19 Eine positive Grundhaltung zu den beabsichtigten Integrations­ maßnahmen kann - in Anlehnung an die Theorie der „ linking pins “20 - auch dadurch erreicht werden, daß Mitarbeiter des zu übernehmenden Unternehmens ihr Wissen und ihre Erfahrungen mit in den Planungsprozeß einbringen. Obwohl die Hypothese, daß der Erfolg der Integration von der Beteiligung der Mitarbeiter des über­ nommenen Unternehmens abhängt, von Möller21 empirisch nicht bestätigt werden konnte, kann man dennoch davon ausgehen, daß durch die Partizipation des zu akquirierenden Management die Gefahr krasser Fehlentscheidungen minimiert wird, eine höhere Identifikation 17

Vgl. Ansoff / Brandenburg / Portner / Radosevich 1971, S. 35 f. Ottersbach / Kolbe

20

1990, S. 148 f; Scheiter 1988, S. 137 f. Die Anzahl der Teammitglieder sollte idealerweise zwischen 3 und 5 Personen liegen; Vgl. Hunt / Less / Grumbar / Vivian 1987, S. 23; Jung 1993, S. 378; Leighton / Tod 1969, S. 92. Vgl. Caytas / Mahari 1988, S. 310. Das System überlappender Gruppen („linking pins“) geht auf Likert zurück, wonach ein

21

Höchstmaß an Effizienz (im Sinne einer verbesserten Entscheidungsqualität und höherer Entscheidungsgeschwindigkeit) nur erreicht wird, wenn bestimmte Personen Mitglieder mehrerer Gruppen sind. Vgl. hierzu z.B. Kreikebaum 1975, S. 23 f. sowie die dort an­ gegebene Literatur. Vgl. Möller 1983, S. 273-277.

18

69 erreicht wird und einem möglichen Motivationsverlust entgegen­ gewirkt werden kann. In der Regel muß man jedoch davon ausgehen, daß die Mitarbeiter des akquirierenden Unternehmens erst nach Abschluß der Vertragsverhandlungen an den Entscheidungen zur Integration mitwirken können.22

Planungen, die unter dem Aspekt der Integration zu initiieren sind, stellen hohe und spezifische Anforderungen an die mit der Planung beauftragten Mitarbeiter. Die Planung der Integration ist komplex, in ihrer Ausprägung neuartig und für den langfristigen Erfolg des Gesamtuntemehmens, nicht zuletzt durch die meist hohen Investitionen in die Zukunft, ausschlaggebend. Die Anforderungen an die Teammitglieder sind dementsprechend vielseitig. Sie lassen sich in fach- und persönlichkeitsspezifische Anforderungen einteilen.23

Die fachlichen Anforderungen stehen in engem Zusammenhang mit den Integrationsaufgaben. Sie verlangen von den Teammitgliedem entsprechende Erfahrungen und Kenntnisse über den zu gestaltenden Bereich, unter strategischen, strukturellen, personellen aber auch kulturellen Aspekten. Hierzu sollten die Teammitglieder über sach­ lich-analytische sowie kreativ-intuitive Fähigkeiten verfügen. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben sind sowohl einzelne Persönlichkeits­ merkmale vorauszusetzen, wie z.B. soziale Fähigkeiten (Kommunikation, Kooperation, Konfliktbereitschaft, Durchsetzungs­ vermögen) als auch wertbezogene (ethisch-moralische) Fähigkeiten. Für die Umsetzung der Integrationsplanung ist es in der NachAkquisitionsphase erforderlich, einen Verantwortlichen für die Leitung des Integrationsprozesses zu bestimmen, der als Verbindungsglied zwischen den beiden Unternehmen fungiert. Dabei kann es sich um ein Mitglied der Unternehmensleitung - in der Regel des Käuferuntemehmens - handeln oder des Geschäfts- bzw. Funktionsbereiches, dem die Initiative bei der Akquisition zufiel.24 22 23 24

Vgl. Toemquist / Conrad 1989, S. 81. Vgl. Kreikebaum 1990, S. 57 f. Vgl. Gerpott 1993, S. 349; Pursche 1990, S. 104; Sieben / Sielaff 1989, S. 41.

70

Die eigentlichen Träger der Integration in der Nach-Akquisitionsphase sind jedoch die operativ tätigen Führungskräfte beider Unter­ nehmen.25

2.4 . Planung der Integrationsaktivitäten Wie bereits dargestellt (siehe Kapitel I Abschnitt 2.2), versteht man unter Integration eine Gesamtheit von Aktivitäten, die mit dem Ziel durchgeführt werden, die beteiligten Unternehmen oder Unter­ nehmensbereiche so miteinander zu verbinden, daß daraus eine unter­ nehmerische Einheit entsteht. Hierzu ist vom Integrationsteam ein Maßnahmenplan der Integration aufzustellen.26 Gegenstand des Integrationsplanes sind je nach Integrationsgrad einzelne oder alle Untemehmensbereiche des Akquisitionsobjektes, die Planung der zeitlichen Reihenfolge der Integration, die Auswahl eines verantwort­ lichen Integrationsteams, die Entwicklung eines Kommunikations­ plans für die Zeit unmittelbar nach der Akquisition, sowie die laufende Kontrolle im Integrationsprozeß.27 Neben diesen generellen Planungsaufgaben, ist die Zusammenarbeit der beteiligten Unternehmen auch im Detail festzulegen. Aufgrund der hohen Komplexität und des mit ihr verbundenen evolutionären Ver­ laufs der Integrationsprozesse nach Akquisitionen ist es zwar theoretisch erwünscht, aber praktisch kaum möglich, sämtliche integrationsrelevanten Entscheidungen bereits im Vorfeld einer Akquisition zu planen. Zur näheren Spezifizierung der Integrations­ aktivitäten in der Vor-Akquisitionsphase ist es hilfreich, folgende grundsätzliche Aufgaben zu unterscheiden:

25 26

Vgl. Domis 1982, S. 92 f; Reineke 1989, S. 180. In der Studie von Hunt / Lees / Grumbar / Vivian (1987, S. 49) wurde festgestellt, daß

27

von insgesamt 80 untersuchten amerikanischen Unternehmen nur 21% einen klaren Integrationsplan verfolgten. Vgl. Clever 1993, S. 55 f; Sieben / Sielaff 1989, S. 40.

71 • visionäre Aufgaben, • Gestaltungsaufgaben,

• Koordinationsaufgaben.

Die visionäre Aufgabe besteht darin, Möglichkeiten der zukünftigen Zusammenarbeit zu erkennen und zielgerichtet darauf hinzuwirken. Als Beispiel dient die generelle Absicht des Daimler-Benz-Konzems, einen weltweit operierenden integrierten Technologiekonzern^ zu verwirklichen. Zur Realisierung einer solchen Vision müssen in einem ersten Schritt die untemehmenspolitischen Absichten der beteiligten Unternehmen auf ihre Kompatibilität überprüft werden.29 Werden Veränderungen in der langfristigen Ausrichtung des akquirierten Unternehmens notwendig, so erfordert dies in der Regel eine globale Sichtweise und kreative Ideen bei der Formulierung leistungs­ wirtschaftlicher, finanzwirtschaftlicher, sozialer oder fuhrungsbezogener Strategien.30 Die langfristig ausgerichtete Untemehmenspolitik kann als Grundlage nachfolgender Gestaltungs- und Koordinationsaufgaben angesehen werden. Die Gestaltungsaufgabe dient allgemein der Ausgestaltung und Ver­ wirklichung untemehmenspolitischer Zielsetzungen. Bei der in dieser Arbeit im Vordergrund stehenden Gestaltungsaufgabe der Integration handelt es sich um bewußt geplante Maßnahmen und Programme zur Integration eines Unternehmens, im Gegensatz zu mehr oder weniger spontanen Aktivitäten der täglichen Koordination unternehmerischer Entscheidungen.

Haspeslagh / Jemison31 sehen als Kemaufgabe der Integration die Übertragung und den Einsatz strategischer Fähigkeiten. Hierzu zählen die Autoren die Konzeption eines Ressourcenverbundes (z.B. der 28 29 30 31

Vgl. o.V. 1989, S. 59. Vgl. Balloun / Gridley 1990, S. 91 Vgl. Gomez / Weber 1989, S. 41. Vgl. Haspeslagh / Jemison 1992, S. 131-134.

72

gemeinsamen Nutzung von Produktionsanlagen), die Übertragung funktioneller Fertigkeiten (z.B. Produktentwicklungs-Know-how) und allgemeiner Managementfähigkeiten. Für Porter32 besteht die spezifi­ sche Aufgabe der Integration in der Nutzung synergetischer Wert­ steigerungspotentiale zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen. Ansatzpunkte zur Realisierung von Wettbewerbsvorteilen bieten alle primären und unterstützenden Untemehmensaktivitäten im Rahmen der value chain^, die zur Entwicklung, Herstellung und dem Vertrieb von Produkten erforderlich sind.

Diese exemplarisch dargestellten Integrationsaktivitäten verdeutlichen die in der Literatur am häufigsten diskutierten Gestaltungsansätze. Integration bezieht sich meist auf die Gestaltung sog. „hard-facts“, im Sinne von strategischen und / oder organisatorisch-funktionalen Inte­ grationsaufgaben.34 Den Literaturbeiträgen kann damit eine gewisse Eindimensionalität in Bezug auf sachlich-rationale Gestaltungsaktivi­ täten der Integration unterstellt werden. Die zur Realisierung der Integration notwendigen „soft-facts“, wie der personellen und kultu­ rellen Gestaltung der Zusammenarbeit, werden in der Literatur - wenn überhaupt - meist nur ansatzweise berücksichtigt. „Paradoxically, during a merger most attention is usally focused on the procedural and material aspects of the orga­ nizations in question, while the more subjective, cultural aspects of organizational life are overlooked. “ Buono /Bowditch / Lewis 1985, S. 496f

32 33

34

Vgl. Porter 1986, S. 59-72, 1987, S. 38-46 und 1988, S. 55-61.

Das Wertketten-Konzept von Porter wird in der Literatur als der dominierende Ansatz zur Unterstützung von Integrationsentscheidungen angesehen. Vgl. Ropella 1989, S. 159. Vgl. Buono / Bowditch / Lewis 1985, S. 496 f; Clever 1993, S. T1 f; Grüter 1991, S. 84; Jemison / Sitkin 1986, S. 107; Kirchner 1991, S. 273; Krüger 1989, S. 15; Marks 1982, S. 38, Reißner 1994, S. 153; Salter / Weinhold 1979, S. 191; Steinöcker 1993, S. 113126.

73 Aus den genannten Anforderungen an eine erfolgreiche Unter­ nehmensintegration kann der in dieser Arbeit zu behandelnde Systematisierungsansatz abgeleitet werden. Dieser unterscheidet die Teilkonzepte Strategie, Struktur, Personal und Kultur. Er bietet damit eine allen Einflußfaktoren gerecht werdende Betrachtungsweise, die auch die Wechselwirkungen zwischen den Einflußfaktoren auf den Integrationserfolg berücksichtigt. Da die spezifischen Inhalte und Wirkungen des Integrationskonzeptes ausführlich im dritten Hauptteil behandelt werden, genügt an dieser Stelle der Hinweis, daß im Rahmen der Planung der Integrationsaktivitäten die vier Teilkonzepte der Integration gesamthafi zu sehen sind. Hinsichtlich der vier gestaltungrelevanten Aufgabenbereiche besteht die Koordinationsaufgabe des Management darin, jene Aktivitäten, die nicht notwendigerweise Gegenstand der Integration sind, zumindest in ihrer Ausführung aufeinander abzustimmen. Hierzu ge­ hört z.B. die Schaffung der Voraussetzungen zur gestaltungs­ relevanten Integration, die Koordination der allgemeinen Untemehmenspolitik, die Harmonisierung abweichender Zielinhalte, die Ver­ meidung von Doppelaktivitäten bei der strukturell-organisatorischen Untemehmensgestaltung und die systematische Anwendung gleicher bzw. ähnlicher Ausbildungsverfahren.

„Regardless of its presumed merits on paper, the success of an acquisition is fully dependent on the quality of integration and post-acquisition-management. “ Haspeslagh / Jemison 1987, S. 55.

75

III. KONZEPT DER INTEGRATION BEI UNTERNEHMENSAKQUISITIONEN Das in dieser Arbeit vorgeschlagene Konzept der Integration baut auf den im vorherigen Abschnitt dargelegten Grundlagen der Akquisitions- und Integrationsplanung auf. Die Qualität der Planung in der Vor-Akquisitionsphase, sowie das Verständnis für die Zusammen­ hänge der einzelnen Planungsphasen wurden als wichtige Vorausset­ zungen für den Erfolg der Integration dargestellt. In den nachfol­ genden Ausführungen steht die Durchführung von Integrations­ aktivitäten in der Nach-Akquisitionsphase im Mittelpunkt.

In einem ersten Schritt ist der konzeptionelle Ansatz der Integration zu begründen. Der in dieser Arbeit unterstellte Ansatz wird aus den Ein­ flußfaktoren der Integration abgeleitet und zu vier Teilkonzepten der Integration verdichtet. Die grundsätzliche Problematik der Integration wird im Rahmen der Ansätze der Integration aufgezeigt. Gleichzeitig werden die Auswirkungen der Einflußfaktoren auf den Integrationser­ folg skizziert.

Anhand des vorgeschlagenen Systematisierungsansatzes werden in einem zweiten Schritt die zentralen Aufgaben und Inhalte, die bei der Eingliederung eines akquirierten Unternehmens entstehen können, be­ handelt. Die Absicht der nachfolgenden Ausführungen ist es, auf der Grundlage des Erkenntnisstandes der Literatur ein umfassendes Kon­ zept zur Lösung der mit einer Untemehmensakquisition verbundenen Integrationsprobleme zu entwickeln.

1. Konzeptionelle Ansätze der Integration Für eine konzeptionelle Durchführung der Integration ist die Kenntnis und die Analyse der wichtigsten Einflußfaktoren auf den Integrati­

76 onserfolg entscheidend. Als Haupteinflußfaktoren gelten im wesentli­ chen zwei Gruppen von Faktoren.1

I. Exogene Einflußfaktoren'. Der Integrationserfolg wird beein­ flußt durch das erwartete bzw. tatsächliche Verhalten externer Anspruchsgruppen wie der Kunden, der Konkurrenz oder der Lieferanten, sowie der Fähigkeit des akquirierenden Manage­ ment, diese Umweltfaktoren zu steuern. 2. Endogene Einflußfaktoren'. Der Integrationserfolg wird beein­ flußt durch untemehmensinterne Einflußfaktoren, die durch gezielte sachlich-rationale Maßnahmen (hard-facts) gesteuert werden können, und solche, die im sozio-kulturellen Bereich (soft-facts) angesiedelt sind. Die Wirkung der exogenen Einflußfaktoren (z.B. der Markt- und Wettbewerbsbedingungen) auf den Integrationserfolg muß zumindest kurzfristig als gegeben angesehen werden bzw. ist durch eine gestal­ terische Maßnahme der Integration zunächst nicht veränderbar. Demgegenüber beeinflussen die endogenen Faktoren (z.B. die Unter­ nehmensstrategie, die Organisationsstruktur und -Systeme, die Mitar­ beiter und die Instrumente zu ihrer Führung, sowie die Werthaltungen und die Verhaltensweisen der Führungskräfte) den Integrationserfolg direkt über die Maßnahmen zur Gestaltung der Zusammenarbeit. Die folgenden Aussagen konzentrieren sich deshalb auf die untemehmensintemen Gestaltungsmaßnahmen der Integration. Sie werden im Rahmen dieser Arbeit in vier Ansätze unterteilt:

1. Ansatz der strategischen Integration

2. Ansatz der strukturellen Integration 3. Ansatz der personellen Integration 4. Ansatz der kulturellen Integration Vgl. Clever 1993, S. 26-29; Gerpott 1993, S. 244-247; Möller 1988, S. 61-63; Scheiter 1989, S. 78.

77 1.1 Ansatz der strategischen Integration Der Ansatz der strategischen Integration nimmt aufgrund seines grundsätzlichen Charakters und seiner langfristigen Wirkung eine Sonderstellung bei der Beeinflussung des Integrationsprozesses ein. Der Ansatz „Strategie“ kann als Impulsgeber oder Spitze der Erfolgs­ hierarchie angesehen werden, an denen sich die strukturellen, perso­ nellen und kulturellen Integrationsaktivitäten orientieren müssen.2

Untemehmensstrategien definieren allgemein die Art und Weise des Mitteleinsatzes zur Realisierung unternehmerischer Absichten.3 Während im Rahmen des Akquisitionsprozesses z.B. ein unmittelbarer Marktzugang oder eine mittelbare Markterschließung über Technolo­ gien als Basismotive für das Verfolgen einer Strategie der Akquisition angesehen werden können, gilt es im Integrationsprozeß, die strategi­ schen Interessen beider Unternehmen in Übereinstimmung zu bringen und auf den Wettbewerb auszurichten.

Reineke4 wählt zur Herstellung des „Fit“ strategischer Interessen den Ansatz einer Einflußmöglichkeit der Muttergesellschaft auf die strategie-relevante Grundorientierung der akquirierten Tochtergesell­ schaft. In Anlehnung an Bleicher5 werden drei strategisch orientierte Einflußmöglichkeiten unterschieden, denen ein instrumenteller Charakter im Integrationsprozeß zugeordnet wird. Diese gehen zurück auf die Präferenzordnungen der Muttergesellschaft, die im Integrati­ onsprozeß der akquirierten Tochtergesellschaft zu vermitteln sind. Folgende Präferenzordnungen lassen sich differenzieren:

• Zielpräferenz • Potentialpräferenz • Strategische Präferenz 2

Vgl. Bleicher 1990, S. 8 f; Ganser 1988, S. 103; Krüger 1989, S. 17; Reineke 1989, S.

4 5

106; Vgl. Vgl. Vgl.

Rühli 1992, Sp. 1168; Steinmann / Schreyögg 1990, S. 194 f. Kreikebaum 1993, S. 52.. Reineke 1989, S. 114-116. Bleicher 1986, S. 217-219.

Die Zielpräferenz kann aus der Untemehmensphilosophie oder Vision der Muttergesellschaft abgeleitet werden und wird beeinflußt durch die externen (z.B. Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung) und inter­ nen (Untemehmensleitbild, Menschenbild) Situationsvariablen.6 Mit dem Begriff der Potentialpräferenz ist die Grundhaltung ange­ sprochen, die Strategie der Tochtergesellschaft auf die Ausnutzung vorhandener bzw. die Entwicklung neuer Potentiale auszurichten. Ein­ zubeziehen sind die zur Realisierung der Strategie notwendigen Res­ sourcen und strategischen Fähigkeiten des akquirierten Unternehmens. Strategische Präferenzen der Muttergesellschaft (z.B. nationale oder internationale Untemehmenspräferenzen) beeinflussen die Festlegung der strategischen Ausrichtung der akquirierten Tochtergesellschaft. Wird die Teilstrategie der Tochtergesellschaft z.B. aus der Intemationalisierungsstrategie der Muttergesellschaft abgeleitet, so läßt sich auf diese Weise die weltweite Ausrichtung strategischen Denkens im Gesamtuntemehmen vermitteln.

Der in dieser Arbeit darzustellende strategische Ansatz orientiert sich inhaltlich an den von Reineke7 aufgezeigten Integrationsaktivitäten der Ziel-, Geschäftsfeldstrategie- und Ressourcen-Integration. Ziel der strategisch-orientierten Integration ist jedoch nicht nur die Vermitt­ lung von Präferenzordnungen der Muttergesellschaft. Vielmehr wird die Erfolgswirkung der Integration maßgeblich davon abhängen, inwieweit unternehmerische Absichten der Mutter- und Tochtergesell­ schaft auf einheitlichen Wertvorstellungen und Verhaltensweisen be­ ruhen. Eine grundsätzliche Analyse der Kompatibilität von Untemehmensphilosophien bildet deshalb die Basis für die darauf aufbauenden Gestaltungsmaßnahmen der Integration.

6

Vgl. Gerpott 1993, S. 244-247; Hahn 1990, S. 653 f.; Reineke 1989, S. 105-112.

7

Welche Zielpräferenzen ein Unternehmen in verschiedenen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnungen verfolgt, wurde von Hoffmann untersucht. Vereinfacht ging aus der Untersuchung hervor, daß z.B. amerikanische Unternehmen tendenziell einseitig auf ökonomische Ziele ausgerichtet sind, während sich deutsche Unternehmen neben wirtschaftlichen auch an sozialen Zielen orientieren; Vgl. Hoffmann 1987, S. 95 f. Vgl. Reineke 1989, s. 114-116.

79 1.2 Ansatz der strukturellen Integration

Der Ansatz des Teilkonzeptes Struktur basiert auf Integrations­ leistungen, die der Intention nach auf lange Sicht von der Unterneh­ mensleitung geplant und eingeführt werden. Zu den auf Dauer ausge­ richteten strukturellen Integrationsaktivitäten zählt die Konsolidierung der in der Regel im Integrationsprozeß voneinander abweichenden Organisationsstrukturen8. Die organisatorische Strukturierung der be­ teiligten Unternehmen im Integrationsprozeß kann unter aufbau- und ablauforganisatorischen Aspekten diskutiert werden. Gegenstand der aufbauorganisatorischen Integration ist die institutio­ neile Festlegung und Implementierung einer Organisationstruktur für das Gesamtuntemehmen. Die Implementierung einer geeigneten Organisationstruktur hat durch den häufig innovativen, komplexen und zeitlich befristeten Entscheidungsprozeß den Charakter einer projektorientierten Gestaltungsmaßnahme.9 Deshalb ist in diesem Zu­ sammenhang auch auf einzelne organisatorische Regelungen, wie z.B. die Bildung eines Integrationsteams zur Koordination und Steuerung des Integrationsprozesses einzugehen.

Im Rahmen der ablauforganisatorischen Integration steht der prozes­ suale Aspekt der Integration im Hinblick auf Optimierungsmöglich­ keiten der zukünftigen Aufgabenabwicklung im Mittelpunkt der Be­ trachtung. Ziel der Gestaltung der Ablauforganisation ist die konkrete organisatorische Zusammenlegung betrieblicher Prozesse und Systeme der an der Integration beteiligten Unternehmen. Ab­ schließend sind mögliche Vorgehensweisen der Integration auch unter zeitlichen Gesichtspunkten zu beurteilen. Grundsätzlich bieten sich die Möglichkeiten einer sukzessiven bzw. einer simultanen, d.h. zu

ö

9

Unter Organisation soll im folgenden die Strukturierung eines Systems im Hinblick auf zukünftig zu bewältigende Sachaufgaben verstanden werden. Zum Begriff der Organisation, vgl.: Hoffmann 1980, Sp. 1428; Kreikebaum 1975, S. 12 f; Stachle 1991, S. 627; Staerkle 1985, S. 531; Ulrich 1987, S. 184. Vgl. Dahm 1982, S. 16 f; Grüter 1991, S. 179; Krüger 1988, S. 374, Reineke 1989, S.

166 f; Staerkle 1985, S. 549; Steinöcker 1993, S. 116 f.

80

einem bestimmten Zeitpunkt vollständigen Umsetzung der geplanten Integrationsmaßnahmen an. 1.3 Ansatz der personellen Integration

Welche Bedeutung dem personellen Faktor im Integrationsprozeß eingeräumt werden muß, kann aus folgendem Zitat abgeleitet werden:

„ Once the company has been acquired, it is then almost entirely dependent upon the human element to make it live up to expectations. Unless the human element is managed care­ fully, there is a serious risk of losing the financial and busi­ ness advantages which the acquisition could bring to the parent company. Once again, it is the question of how to en­ sure the people make it all happen. “ Hunt /Lees / Grumbar/ Vivian 1987, S. 6. Diese Aussage unterstreicht die Bedeutung, daß das Verhalten von Mitarbeitern im Integrationsprozeß als Risikofaktor anzusehen ist, welches den Integrationsprozeß zum Scheitern fuhren kann bzw. seine erfolgreiche Umsetzung erst bedingt. In diesem Sinne kann die personelle Integration auch als „Nullsummenspiel“10 oder „Krisenprozeß“11 mit ambivalentem Ausgang angesehen werden. Er­ fahrungsberichte aus der Praxis belegen beispielsweise folgende Lemeffekte im Integrationsprozeß:12

• Personelle Probleme wurden nicht nur vor, sondern auch während des Integrationsprozesses weitgehend unterschätzt. • Unnötige Frustration trat auf, da man sich nicht intensiv um die Motivation von Management und Mitarbeitern bemühte.

10 11 12

Vgl. Haspeslagh / Jemison 1992, S. 138. Vgl. Krystek 1992, S. 552. Vgl. Möller 1983, S. 281; Wood 1987, S. 333 f.

81

• Die Qualifikation des Managements wurde nicht intensiv genug bewertet und gefordert. • Man rechnete meist nicht mit einem „irrationalen“ Verhalten der Mitarbeiter. • Die Anspruchsinflation, d.h. sich aus beiden Sozialsystemen das Beste herauszusuchen, wurde unterschätzt. Die im Rahmen des Teilkonzeptes Personal darzustellenden Einfluß­ möglichkeiten zur Verhaltensbeeinflussung - im Sinne der Unter­ stützung und Förderung des Integrationsprozesses - setzen eine Er­ fassung der wesentlichen Verhaltensdeterminaten voraus. Hierzu zählen in Anlehnung an Hill / Fehlbaum / Ulrich13 die kognitiven Prozesse, z.B. der:

• Wahrnehmung von Informationen bis hin zur Wahl einer bestimmten Verhaltensweise, • Persönlichkeitsmerkmale (z.B. Bedürfnisse, Kenntnisse, Fähigkeiten), • untemehmensintemen und -externen Bestimmungsfaktoren (z.B. Stellung im Unternehmen, soziale Herkunft). Daraus abgeleitet, und unter Berücksichtigung der in der Praxis erzielten mitarbeiterorientierten Lemeffekte werden im Anschluß daran die Gestaltungspotentiale bzw. Aktivierungsprozesse mensch­ lichen Verhaltens behandelt. Besondere Bedeutung kommt hierbei den Führungsinstrumenten zu, da sie das zentrale Element zur Beeinflus­ sung des Verhaltens von Mitarbeitern sind. Führungskräfte können über Auswahl und Einsatz der Instrumente die Verhaltensweisen der Mitarbeiter steuern und lenken und ihre Bereitschaft zur Unter­

13

Vgl. Hill / Fchlbaum / Ulrich 1989, S. 57-75.

82 Stützung integrationsbedingter Veränderungen wesentlich beein­ flussen. Bei der Darstellung ausgewählter Führungsinstrumente wird davon ausgegangen, daß ein hohes Maß an Unterstützung im Integrations­ prozeß erschlossen werden kann, wenn den Mitarbeitern, beispiels­ weise im Rahmen eines kooperativen Führungsstils, Mitwirkungs­ rechte bei der Gestaltung der Integration eingeräumt werden. Mitarbeiter müssen von der Vorteilhaftigkeit der Integrationsmaß­ nahmen persönlich überzeugt sein. Gleichzeitig ist der Vorteil bzw. die Notwendigkeit der Integration mit Hilfe geeigneter Informations­ maßnahmen allen von der Integration betroffenen Mitarbeitern zu vermitteln. Für Mitarbeiter ist auch entscheidend, daß das Management für soziale Anerkennung, materielle Gerechtigkeit, Entfaltungsspielraum und Aufstieg nach Leistung sorgt. Hierzu dienen ein materielles und immaterielles Anreizsystem sowie Personalentwicklungsmaßnahmen, die dem Wunsch nach Weiterbildung und Karrieremöglichkeiten der Mitarbeiter in beiden Unternehmen entsprechen. Zu erwartende Konflikte zwischen den Mitarbeitern der am Integrationsprozeß beteiligten Unternehmen lassen sich dadurch prinzipiell nicht eliminieren. Die Konflikte können aber so ausgetragen werden, daß eine grundsätzliche Identifizierung mit den durchzufuhrenden Inte­ grationsmaßnahmen nicht in Frage gestellt wird. Deshalb ist im Rahmen der Führungsinstrumente auch auf einzelne, geeignete Kon­ fliktlösungsmechanismen einzugehen. 1.4 Ansatz der kulturellen Integration

Die kulturelle Verbindung zweier historisch gewachsener Unter­ nehmenskulturen wird als ein gravierendes Problem bei der Integra­ tion angesehen.14 Das grundsätzliche Problem besteht darin, daß die

14

Vgl. z.B. Buono / Bowditch / Lewis 1985, S. 497; Clever 1993, S. 113 f; Frank 1993a, S. 154; Hunt / Lees / Grumbar / Vivian 1987, S. 53; Krystek 1992, S. 539; Rauer 1994,

83

Wirkung der kulturellen Integration auf den Integrationserfolg kaum quantifizierbar ist und bei einem unvorbereiteten Aufeinandertreffen unterschiedlicher Unternehmenskulturen im Integrationsprozeß die Gefahr besteht, daß geplante Veränderungen (z.B. hinsichtlich einer gemeinsamen Organisationsstruktur oder eines einheitlichen Führungssystems) nicht oder nur bedingt zum Tragen kommen. Hieraus entsteht die Notwendigkeit der sogenannten Akkulturation („Acculturation“)15, d.h. der gegenseitigen Beeinflussung und Anpassung vormals unabhängiger Untemehmenskulturen im Integra­ tionsprozeß. Allgemeines Ziel der Akkulturation ist, unter Berück­ sichtigung der Interessen des Akquisitionspartners, die beabsichtigte strategische, strukturelle und personelle Integration unternehmenskul­ turell abzusichem. Aus der Akkulturation können sowohl konstruktive als auch destruktive Wirkungen entstehen. Eine konstruktive Wirkung kann im Falle einer synergetischen Untemehmenskultur“^ zwischen den Akquisitionspartnem unterstellt werden, bei der sich einzelne Kultur­ elemente beider Unternehmen gegenseitig verstärken und sich zu einer gemeinsamen, zukunftsorientierten Kultur vereinigen. Trotz einzelner Beispiele aus der Praxis wird diese gegenseitige Kulturverstärkung allerdings eher die Ausnahme bleiben.17 Der Grund liegt darin, daß im Zuge einer Untemehmensakquisition Veränderungen in der Führung, der Organisationsstruktur, der Zielbildung und der Strategieaus-

15

S. 112; Sieben / Sielaff 1989, S. 44; Siebenhaar / Zeller 1993, S. 151; Scheiter 1989, S. 316; Wächter 1990, S. 121. Nahavandi / Malekzadeh (1988, S. 81) definieren Akkulturation als „changes induced in

16 17

(two cultural) systems as a result of the diffusion of cultural elements in both directions“. Zum Begriff der Akkulturation siehe auch Reineke 1989, S. 51-53. Vgl. Krystek 1992, S. 545. Als Beispiel dient die Untemehmensübemahme des amerikanischen Unternehmens Firestone durch das japanische Unternehmen Bridgestone im Jahre 1988. Hier gelang offenbar die Verbindung der japanischen Untemehmenskultur im Sinne einer langsamen aber kontinuierlichen „Strategie der kleinen Schritte“ (sog. Kaizen) und der im Gegensatz dazu bei amerikanischen Unternehmen vorherrschenden, kurzfristigeren Kultur im Sinne einer möglichst schnellen sichtbaren Untemehmensentwicklung („ big innovation“). Vgl. hierzu Kerr 1992, S. 46-52.

84 richtung je nach Integrationsgrad vorgenommen werden. Solche Ver­ änderungen tangieren dementsprechend zwangsläufig die beteiligten Untemehmenskulturen. Dabei steht die Kultur des akquirierten Unter­ nehmens oftmals in aussichtsloser Konkurrenz zur Kultur des akqui­ rierenden Unternehmens. Bei einer Kulturdominanz des in der Regel wirtschaftlich stärkeren, akquirierenden Unternehmens kann es in der Integrationsphase leicht zu einem sog. Jtulturschock“^ bei dem akquirierten Unternehmen kommen. Als mögliche Folgen können auftreten: Erhöhte Fluktuation und Demotivation auf allen Mitarbeiterebenen, „innere Kündigungen“, Dienst nach Vorschrift, Störungen in der Kommuni­ kation sowie passiver oder aktiver Widerstand bis hin zur Sabotage.19 Im Ergebnis fuhren diese beispielhaft genannten destruktiven Wir­ kungen zu einem Nichterreichen gesetzter Integrationsziele und letzt­ endlich zu einem Scheitern der Akquisition.

Die Möglichkeit des Scheiterns von Akquisitionen aufgrund mangelnder Kulturanpassung legt den Wunsch nach der Gestaltung der Akkulturation nahe. Bevor im Rahmen des Integrationskonzeptes Kultur auf die Gestaltungsmöglichkeiten der Akkulturation einge­ gangen wird (siehe Kapital III. Abschnitt 5.2), sind in einem ersten Schritt die Grundlagen der Untemehmenskultur zu behandeln. Hierzu ist es zunächst erforderlich, den in der Literatur unterschiedlich definierten Begriff der Untemehmenskultur und die ihn konstitu­ ierenden Merkmale für den Zweck dieser Arbeit abzugrenzen. Auf­ bauend auf dem Konzept der Akkulturation, anhand dessen sich die grundsätzlichen Entwicklungsmöglichkeiten der kulturellen Ver­ bindung aufzeigen lassen, wird in einem zweiten Schritt ein Ansatz zur Gestaltung der Akkulturation abgeleitet.

18

Vgl. Buono/Bowditch/Lewis 1985, S. 495; Frank 1993a, S. 155; Krüger 1988, S. 373;

19

Mitchell 1988, S. 19; Müller-Stewens 1992 a, S. 337 f. Vgl. Krystek 1992, S. 546.

85

2. Teilkonzept Strategie Während der Akquisitionsprozeß durch die Entwicklung einer Gesamtuntemehmensstrategie und den daran anschließenden Kauf eines Unternehmens gekennzeichnet ist, steht im Integrationsprozeß die Verwirklichung der untemehmenstrategischen Absichten im Mittel­ punkt. Gegenstand des Teilkonzeptes Strategie ist die Integration und Koordination derjenigen Geschäftsaktivitäten und Entscheidungen, die die verbundenen Unternehmen in der langfristigen Ausrichtung be­ einflussen. Zur Verwirklichung des gemeinsamen Zukunftskonzeptes der Zusammenarbeit müssen folgende Integrationsaufgaben erfüllt werden:

1. die Konsolidierung der in der Regel voneinander abweichenden untemehmensstrategischen Absichten 2. die geschäftsfeldbezogene Strategiefestlegung des akquirierten Unternehmens 3. die Übertragung von strategischen Ressourcen und Fälligkeiten. 2.1 Konsolidierung unternehmensstrategischer Absichten

Die Notwendigkeit zur Konsolidierung untemehmensstrategischer Absichten ist immer dann gegeben, wenn unterschiedliche Unter­ nehmensphilosophien und Zielvorstellungen existieren, die die Zu­ sammenarbeit aktuell oder potentiell behindern können. Die Verständigung über die in der Regel voneinander abweichende Aus­ richtung der jeweiligen Untemehmenspolitik kann deshalb als not­ wendige Voraussetzung zur Verwirklichung der Integrationskonzepte Struktur, Personal und Kultur angesehen werden. Der Begriff der Unternehmenspolitik umfaßt nach Ulrich „die Gesamt­ heit der grundlegenden Entscheide, welche das Untemehmensgeschehen in die Zukunft hinein auf längere Frist in den wesentlichen

86

Grundlinien bestimmen sollen“1. Inhaltlich ist die Untemehmenspolitik auf die Erreichung sogenannter genereller und spezieller Absichten ausgerichtet.2 Die in den speziellen Absichten zum Ausdruck kommenden Zielinhalte und Zielpräferenzen lassen sich aus den generellen Absichten eines Unternehmens ableiten. Die generellen Absichten eines Unternehmens (Untemehmensphilosophie) beinhalten Aussagen zum Untemehmenszweck, d.h. zur wirtschaftlichen und ge­ sellschaftlichen Funktion und Stellung eines Unternehmens und den daraus abzuleitenden Sinn- und Wertbezügen des Management.3 Als Resultat der Untemehmensphilosophie entstehen konkrete Handlungs­ anweisungen und Bewertungsmaßstäbe für alle Mitarbeiter eines Unternehmens. Die Überprüfung der Verträglichkeit der am Integrationsprozeß beteiligten Untemehmensphilosophien erfordert in einem ersten Schritt die Analyse und Bewertung der grundsätzlichen Politik der Unternehmen. Ziel der Analyse ist die „Gewinnung von Transparenz über die Grundlagen des Handelns“4 des akquirierten Unternehmens. Diese Grundlagen des Handelns finden sich in sogenannten Unter­ nehmensgrundsätzen bzw. Leitbildern. Auf Basis dieser meist recht allgemein gehaltenen Aussagen untemehmensphilosophischer Art müssen in einem zweiten Schritt spezielle unternehmerische Strategien und Maßnahmen zur Erreichung einer konsolidierten Untemehmenspolitik fixiert werden.

2 3

Ulrich 1987, S. 11. Zum Begriff Unternehmenspolitik siehe auch Ulrich / Fluri 1988, S. 65. Vgl. Kreikebaum 1993, S. 48-51. Vgl. zum Begriff der Untemehmensphilosophie: Kreikebaum 1993, S. 48 f; Reineke

4

1989, S. 106; Ulrich / Fluri 1988, S. 49; Staehle / Sydow 1992, Sp. 1286. Bleicher 1991, S. 9

1

87

2.1.1 Analyse und Bewertung der Unternehmenspolitik (generelle Absichten)

Die Analyse und Bewertung der grundsätzlichen Politik eines Unter­ nehmens vermittelt einen ersten Anhaltspunkt zum Selbstverständnis und zur Verträglichkeit der Untemehmensphilosophien im Integra­ tionsprozeß. Dieses Selbstverständnis wird häufig in sog. Unternehmensleitbilderir> festgehalten. Leitbilder beinhalten eine verbindliche Aussage über das Betätigungsfeld und über die wirt­ schaftliche und soziale Verantwortung eines Unternehmens. Die Analyse eines Untemehmensleitbildes setzt die Möglichkeit der Erfassung voraus. Ist das Leitbild eines Unternehmens nur implizit vorhanden, bietet es sich an, die üblicherweise komplexen Verhaltensweisen eines Unternehmens mit bekannten Typologien zu vergleichen.6 Eine andere Möglichkeit der Analyse bietet die Beur­ teilung des Untemehmensleitbildes über Effizienzkriterien, die Rück­ schlüsse auf die Untemehmensgrundsätze erlauben. Kriterien der Grundorientierung sind z.B.:7 • Kundenorientierung • Führungsorientierung

• Leistungsorientierung • Innovationsorientierung • Zukunftsorientierung

5 6

Vgl. Steinöcker 1993, S. 23 f; Ulrich 1987, S. 229. Zu nennen sind hier im wesentlichen die Typologien von Miles / Snow (Defenders,

7

Prospectors, Analyzers und Reactors), Porter (Kostenfiihrerschaft, Differenzierung und Konzentration auf Schwerpunkte) oder von Hinterhuber (Investition, Selektion, Ab­ schöpfung oder Desinvestition). Vgl. hierzu z.B. Staehle 1991, S. 615-618 sowie die Ausführungen in Kapitel III. Abschnitt 2.2.2. Vgl. hierzu z.B. Clever 1993, S. 71 f; Kobi / Wüthrich 1986, S. 91 f.

88 Die Kundenorientierung ist gekennzeichnet durch die Kundennähe einzelner Abteilungen (Kundenkontakte, Problemkenntnisse), kurze Vertriebswege und klare Kompetenzabgrenzung der einzelnen Ge­ schäftsfelder. Unter die Führungsorientierung fallt die zentrale Steuerung der er­ gebnisrelevanten Funktionen, die sich durch kurze Berichtswege, eine kleine Führungsspanne und eine geringe Organisationstiefe aus­ zeichnen kann. Die Leistungsorientierung eines Unternehmens kann z.B. beurteilt werden an dem Grad der Konzentration auf leistungsrelevante Faktoren, wie z.B. Zielbewußtsein, Qualität, Arbeitsintensität und Ein­ satzbereitschaft. Die Innovationsorientierung leitet sich z.B. aus der Risikofreudigkeit, dem Investitions- bzw. allgemein dem Entscheidungsverhalten ab. Hingegen kann die Zukunftsorientierung, im Sinne der Anpassungs­ fähigkeit eines Unternehmens an sich ändernde Wettbewerbs­ bedingungen, an der Höhe der Aufwendungen für Forschung und Entwicklung beurteilt werden.

Die Analyse kann auch direkt an einem schriftlich fixierten Unter­ nehmensleitbild ansetzen, wie folgendes Beispiel verdeutlicht: „Im Bewußtsein unserer international verwertbaren Pro­ duktpalette, deren einzelne Produkte mehrheitlich ein hervor­ ragendes, in 70 jähriger Unternehmensentwicklung ausge­ feiltes Know-how... besitzen, sehen wir unser Unternehmen als eine international zu integrierende Firma, die mit ihrer Leistung und Vertrauenswürdigkeit, auch aufsozialem Ge­ biet allen Mitarbeitern gegenüber, zu den führenden Gesell­ schaften aufdem Sektor der Nahrungsmittelkonservierung gehört und gehören muß." entnommen aus Reineke 1989, S. 108.

89 Die Bewertung der globalen Grundsätze kann an den Grundfunktionen von Leitbildern ansetzen. Als Hauptfunktionen eines Leitbildes unter­ scheidet man die:8

• Legitimationsfunktion, • Orientierungsfunktion und

• Motivationsfunktion. Während die Legitimationsfunktion die Ziele eines Unternehmens in Bezug auf unterschiedliche Anspruchsgruppen (Aktionäre, Liefer­ anten, Kunden ect.) definiert, kann in der Orientierungsfunktion die Grundstrategie bzw. Entwicklungsrichtung eines Unternehmens zum Ausdruck kommen. Durch Begriffe wie z.B. Vertrauen und Verant­ wortung wird die Motivationsfunktion eines Leitbildes angesprochen, die die Identifikation mit dem Unternehmen begründen bzw. verstärken soll. Die vollständige Übereinstimmung zwischen der Untemehmenspolitik des akquirierenden und akquirierten Unternehmens stellt den Idealfall im Integrationsprozeß dar. Existieren dagegen mehr oder weniger große Unterschiede im Selbstverständnis, so ist die jeweilige Unter­ nehmenspolitik insbesondere unter dem Gesichtspunkt der beabsichtigten Integrationsmaßnahmen zu bewerten. Hierbei können sich folgende Grundsatzfragen stellen, deren Beantwortung jedoch nur am konkreten Einzelfall erfolgen kann:

1. Rechtfertigt die Abweichung in der grundsätzlichen untemehmensstrategischen Ausrichtung die Durchführung von Integrationsmaßnahmen? 2. Welches Selbstverständnis begünstigt die Durchführung der Integrationsmaßnahmen?

8

Vgl. Ganser 1988, S. 104, sowie Staehle / Sydow 1992, Sp. 1287 f.

90

3. Können die Integrationsmaßnahmen selbst zu einer neuen Untemehmenspolitik beitragen? 2.1.2 Festlegung der Zielinhalte (spezielle Absichten)

Neben grundsätzlichen Fragen der untemehmensstrategischen Aus­ richtung des akquirierten Unternehmens sind im Integrationsprozeß auch die Zielinhalte (spezielle Absichten) der beteiligten Unternehmen aufeinander abzustimmen bzw. neu festzulegen. Die konkreten Zielin­ halte sind das Ergebnis einer Analyse der für das Gesamtuntemehmen wichtigen strategischen Ausrichtung vor dem Hintergrund der allge­ meinen Absichten. Zur Konkretisierung von speziellen Absichten kann auf die in der Literatur verwendete begriffliche Trennung zwischen Zielinhalt und Zielen zurückgegriffen werden.9 Spezielle Absichten sind den Ziel­ inhalten gleichzusetzen und umfassen qualitative Aussagen über die Art und Richtung von Zielen bzw. die anzustrebenden Veränderungen von grundlegenden Erfolgsgrößen (Marktanteil, Cash-flow ect.). Demgegenüber bezeichnen Ziele quantitative Aussagen zum Zieler­ reichungsgrad. Zielinhalte und Ziele sind nicht direkt miteinander ver­ bunden, sondern nur indirekt über den Planungsprozeß der Strategieund Maßnahmenbildung. Zwischen den Zielinhalten der am Integrationsprozeß beteiligten Unternehmen können grundsätzlich komplementäre, neutrale und konkurrierende Beziehungen bestehen.10 Im Hinblick auf die ange­ strebte Zusammenarbeit sind konkurrierende Zielinhalte kritisch zu beurteilen. Eine Ursache für konkurrierende Zielinhalte sind z.B. unterschiedliche Werthaltungen der Untemehmensmitglieder, die im Integrationsprozeß zu einer Deckungsgleichheit gebracht werden

y

Die begriffliche Trennung zwischen Zielinhalten und Zielen basiert auf der von Kreikebaum (1993, S. 49 und S. 59 f.) vertretenen Konzeption der strategischen Planung. Vgl. Kreikebaum 1993, S. 48 und die dort angegebene Literatur.

91 müssen. So kann beispielsweise die Forderung nach einer Steigerung der Ertragskraft des akquirierten Geschäftsfeldes, als eindimensionales Formalziel der Muttergesellschaft, mit den mehrdimensionalen (z.B. ökonomischen, sozialen, ökologischen) Zielinhalten des Akqui­ sitionsobjektes kollidieren. Zur Lösung konkurrierender Zielinhalte stehen im wesentlichen zwei Mechanismen zur Verfügung:11

• Zielvorgabe • Zielvereinbarung

Zielvorgabe bedeutet, daß Leitvorstellungen einseitig - meist von der Mutter- auf die Tochtergesellschaft - übertragen werden. Die Ein­ seitigkeit kann dazu führen, daß Zielvorgaben bei den Mitarbeitern des akquirierten Unternehmens auf eine nur geringe Aufhahmebereitschaft stoßen oder sogar Widerstand hervorrufen. Bessere Ergebnisse sind bei Zielvereinbarungen zu erwarten. Kennzeichnend für Zielver­ einbarungen ist die gemeinsame Erarbeitung zu verfolgender Ziel­ inhalte in einem Entscheidungsprozeß. Dies führt zu einer bedeutend höheren Akzeptanz der Ziele als bei der autoritären Variante ohne Diskussion.12

Die bisherigen Betrachtungen wurden begrenzt auf die Integration der kontinuierlichen Zielinhalte der verbundenen Unternehmen. Die Durchführung der Integration erfordert auch die Festlegung von Integrationszielen, d.h. Zielen, die sich auf die in Verbindung mit der Integration entstehenden Aufgaben beziehen. Allgemeine Aufgabe der Integration ist die Schaffung von Voraussetzungen für das Erreichen der mit der Akquisition verbundenen Untemehmensziele. Geht man davon aus, daß Untemehmensakquisitionen einen Beitrag zu dem grundsätzlichen Ziel der Steigerung des Gesamtwertes der beiden Unternehmen leisten,13 so besteht das Integrationsziel in der Realisie-

11 12 1 J

Vgl. Ganser 1988, S. 141; Heinen 1966, S. 215 f. Vgl. Staehle 1991, S. 787.

Vgl. hierzu die in Kapitel II. Abschnitt 1.1.2.1 angeführten Literaturquellen.

92

rung der angestrebten Wertsteigerungspotentiale. Eine Bedingung für den Erfolg der Integration liegt in der Schaffung und Erhaltung einer für die Realisierung geeigneten Atmosphäre der Zusammenarbeit.^ Die Atmosphäre der Zusammenarbeit kann aus der Art und Weise ab­ geleitet werden, wie relevante Anspruchsgruppen im Integrations­ prozeß miteinander in Interaktion treten. Die Atmosphäre wird z.B. beeinflußt durch • die Motivation der Mitarbeiter, zur Integration beizutragen,

• die Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Verringerung von Unsicherheiten, • die Erhaltung einer für die Zusammenarbeit notwendigen Vertrauensbasis und Flexibilität, andere Denk- und Verhaltensmuster zu akzeptieren, • die Möglichkeiten die untemehmenskulturelle Distanz zwischen den Unternehmen zu verringern.

Zusammenfassend werden:15

können

folgende

Zielbereiche

identifiziert

• Akquisitionsziele: Leistung eines Beitrags zur Erfüllung übergeordneter Untemehmensziele im Akquisitionsprozeß.

• Integrationsziele: Ausschöpfung des Entwicklungspotentials der beteiligten Unternehmen im Integrationsprozeß. • Interaktionsziele'. Erhaltung bzw. Förderung der Akzeptanz bei den Mitarbeitern und anderen relevanten Anspruchsgruppen für den Integrationsprozeß (durch Kommunikation oder durch Zielidentifikation).

14 15

Vgl. Haspeslagh/Jemison 1992, S. 134 f. und S. 143; Reineke 1989, S. 60-79. Vgl. Grüter 1991. S 167; Gerpott 1993, S. 122.

93

Die dargestellten Zielinhalte sind aufgrund ihres Abstraktionsniveaus noch nicht direkt zur Ableitung einzelner Strategien und Maßnahmen der Integration geeignet. Im nachfolgenden Kapitel wird deshalb auf eine Konkretisierung der grundsätzlichen Möglichkeiten einer ge­ schäftsfeldbezogenen Strategiefestlegung eingegangen. 2.2 Geschäftsfcldbezogene Strategiefestlegung

Ausgehend von den grundsätzlichen Absichten eines Unternehmens und der daraus abgeleiteten Untemehmensstrategie ist im Integrati­ onsprozeß eine Teilstrategie für die Geschäftsaktivitäten (Geschäftsfelder) des akquirierten Unternehmens festzulegen. Grund­ sätzlich stehen hierbei folgende strategische Alternativen zur Ver­ fügung: • Strategie der Veräußerung^ • Strategie der (weitgehend unabhängigen) Fortführung (sog. Stand-alone-Strategie),

• Strategie der Integration.

Die Entscheidung über die Zukunft eines Geschäftsfeldes fällt in der Regel in den Verantwortungsbereich der Unternehmensleitung der Muttergesellschaft. Der akquirierten Tochtergesellschaft wird in der Praxis häufig nur ein geringes Mitspracherecht eingeräumt, was aus Sicht der später zu diskutierenden personellen und kulturellen Integrationsaspekte kritisch zu beurteilen ist. 2.2.1 Stand-alone-Strategie Der Ansatz der sog. Stand-alone-Strategie von Mitchell17 geht davon aus, daß Unternehmen mit der Integration akquirierter Geschäfts­

17

Die Veräußerung akquirierter Aktivitäten (ohne Integration) wird in dieser Arbeit definitionsgemäß nicht behandelt. Vgl. Mitchell 1988, S. 19-20.

94 aktivitäten häufig überfordert sind. Für solche Unternehmen erscheint - zumindest für eine gewisse Zeit nach der Untemehmensakquisition die Stand-alone Strategie vorteilhaft zu sein. Eine Konsequenz der Akquisition, die diesem Ansatz folgt, ist in der Regel eine Geschäfts­ einheit im Portfolio der Muttergesellschaft, die als eigenständige Einheit weitergeführt wird.

Für den Erfolg dieser Strategie ist die Position des akquirierten Unter­ nehmens im Geschäftsportfolio der Muttergesellschaft und die Qualität des Management des akquirierten Unternehmens entscheidend. Muß das akquirierte Unternehmen erst einmal einer um­ fangreichen Sanierung unterzogen werden oder wird die Qualität des akquirierten Management zur Steuerung des Geschäftszweiges in Frage gestellt, ist die Anwendung der Stand-alone-Strategie zweifel­ haft. Die grundsätzlichen Vorteile einer weitgehend autonomen Be­ handlung der akquirierten Geschäftsaktivitäten sind: 1. die einfache Durchführung, vor allem für unerfahrene Unternehmen, 2. die Vermeidung des „Kulturschocks“ („that great killer of acquisition success“18),

3. die Möglichkeit einer relativ schnellen Rückkehr zum Tagesgeschäft, 4. die Zuweisung klarer Verantwortlichkeiten und

5. die Vermeidung zu großer Synergiehoffhungen. Bei der Stand-alone-Strategie beschränkt sich die Integration auf die Übertragung der Management-Informationssysteme (z.B. Planungs-, Berichts- und Kontrollsysteme) und die Aufnahme des akquirierten Management in das Führungsteam des Gesamtuntemehmens.19

18 19

Mitchell 1988,S. 19. Vgl. Mitchell 1988, S. 20.

95 Wichtig erscheint in dem Zusammenhang auch, jene Topmanager, deren Motivation und Interesse an der Zusammenarbeit nach Durch­ führung der Akquisition offensichtlich nicht mehr gewährleistet ist, rasch auszutauschen, um einem Motivationsverlust anderer, unterge­ ordneter Führungskräfte vorzubeugen.

"The worst possible solution here is to allow an unsatifactory situation to drag on, rather than to bite the post-deal bullet and effect all necessary changes quickly." Mitchell 1988, S. 20. Dem Ansatz von Mitchell ist anzumerken, daß die Politik der Standalone-Strategie z.B. bei der Eliminierung von Wettbewerbern oder der Erhöhung des Marktanteils mit verschiedenen Marktnamen bei Unter­ nehmensakquisitionen eingesetzt werden kann. Gleichzeitig verzichtet man aber bewußt auf Wertsteigerungspotentiale bzw. Kostenein­ sparungseffekte, weshalb der Sinn einer solchen Vorgehensweise um­ stritten ist.20 2.2.2 Strategie der Integration

Sofern die akquirierte Tochtergesellschaft als ein „neues“ Geschäfts­ feld angesehen wird und in das Untemehmensportfolio integriert werden soll, stehen der Unternehmensleitung verschiedene Strategiealternativen zur Verfügung. Diese können nach Porter21 grundsätzlich in 3 Kategorien eingeteilt werden: 1. Kostenführerschaft 2. Differenzierung 3. Konzentration auf Schwerpunkte

20 21

Vgl. z.B. Freund 1991, S. 496. Vgl. Porter 1986, S. 31-38 und 1990, S. 62-70.

96 Die Strategie der Kostenfuhrerschaft strebt Kostenvorteile gegenüber der Konkurrenz durch eine Reihe von Maßnahmen (z.B. Ausnutzung des Erfahrungskurveneffektes, Rationalisierungsmaßnahmen) an. Die Aufgabe des Management des akquirierenden Unternehmens ist in diesem Fall die Steuerung des Geschäftsfeldes im Hinblick auf die Effizienz der Leistungserstellung in Produktion, Verwaltung, Vertrieb, Lager usw.

Die Differenzierungsstrategie zielt auf den Aufbau einer strategischen Erfolgsposition in einem Gesamtmarkt ab. Ansätze für Erfolgspositi­ onen im Rahmen des Integrationsprozesses finden sich z.B. in den Be­ reichen Image und Qualität, Design, Kundendienst oder Technologie. Die Strategie der Konzentration auf Schwerpunkte hingegen ist auf die Optimierung bestehender Aktivitäten ausgerichtet. Dabei legt man den Schwerpunkt entweder auf einen Kostenvorteil oder auf Differenzierung in einem kleinen Marktsegment (Marktnische). Ein vertiefender Ansatz zur Bestimmung von Geschäftsfeldstrategien basiert auf wirtschaftlichen Beurteilungskriterien und wurde von Rappaport entwickelt.22 Er unterscheidet fünf sogenannte Wert­ generatoren, mit denen das Management den zukünftigen Wert eines Geschäftsfeldes entscheidend beeinflussen kann:

1. Umsatzwachstumsrate,

2. Cash-flow-Marge,

3. Investitionen ins Umlauf- und Anlagevermögen, 4. Kapitalkosten und 5. Ertragsteuerrate.

22

Vgl. Rappaport 1986, S. 94 und 1992, S. 242-253.

97

Kombiniert man die Wertgeneratoren mit den strategischen Stoß­ richtungen der Kostenftihrerschaft, Differenzierung und Fokussierung, so ergeben sich die in der nachfolgenden Abbildung 9 gezeigten Maß­ nahmen zur Unterstützung von Geschäftsfeldstrategien. Jede Strategie kann daraufhin bewertet werden, ob sie das Unternehmen in die Lage versetzt, dauerhafte Wertsteigerungen als Folge des Akquisitions- und Integrationsprozesses zu erzielen.

Die nachfolgend dargestellte Matrix stellt ein geeignetes Raster zur Ableitung einer untemehmensindividuellen Geschäftsfeldstrategie dar. Der Vorteil liegt darin begründet, daß die Strategiealtemativen im Integrationsprozeß anhand ausgewählter Wertgeneratoren beurteilt werden können. Ein Nachteil des Konzeptes aber ist, daß nur be­ triebswirtschaftliche Kriterien bei der Strategiefindung berücksichtigt werden. Der „Mensch“ als der zentrale Wertgenerator im Integrati­ onsprozeß findet in dem Konzept keine Berücksichtigung. Im Integrationsprozeß ist es entscheidend, daß die gewählte Ge­ schäftsfeldstrategie rasch umgesetzt wird und daß das verantwortliche Management die Strategie kennt und sich mit ihr identifizieren kann. Neben dem erforderlichen Management-Commitment muß im Inte­ grationsprozeß aber auch sichergestellt sein, daß die für die Reali­ sierung der Strategie notwendigen Ressourcen zur Verfügung stehen. Durch die Akquisition werden andererseits bestimmte Ressourcen und Fähigkeiten erworben, die im Integrationsprozeß von einem Unter­ nehmen auf das andere übertragen werden können. 2.3 Übertragung von strategischen Ressourcen und Fähigkeiten

Unter Ressourcen versteht man allgemein die Gesamtheit materieller (z.B. Anlagen, Gebäude) und immaterieller (z.B. unternehmerische bzw. technologische Fähigkeiten, Markenimage) Mittel, die ein Unternehmen wiederholt zur Erstellung bestimmter Leistungen ver­ wenden kann.23 Anstelle des Begriffs der immateriellen Ressourcen

23

Vgl. Gerpott 1993, S. 85; Scheiter 1989, S. 111.

98

werden in der Literatur vielfach auch die Begriffe strategische Fähig­ keiten, (Kern-) Kompetenzen oder Know-how verwendet.24 Abbildung 9 Ansatzpunkte für Geschäftsfeldstrategien Wettbewerbsstrategien Wertgeneratoren Umsatzwachstumsrate

Kostenfuhrerschaft

Differenzierung

Fokussierung

• Wettbewerbsorientierte Preispolitik

• Erzielen von „Marktpreisen“ (Hochpreispolitik) • Ermitteln attraktiver Marktsegmente • Harmonisierung der Produkte

• Ausbau der Kundenbera­ tung und des Kunden­ services • Erschließen und Besetzen von Vertriebskanälen • Erschließen und Besetzen überlegener Beschaf­ fungsquellen • Beschleunigung des Inno­ vationsprozesses • Rekrutierung best-quali­ fizierter Mitarbeiter

• Marktanteilsausweitung Cash flow-Marge

Investitionen ins - Nettoumlauf­ vermögen

- Anlagevermögen

• Optimierung der Produkti­ onstiefe und der Produkti­ onsabläufe • Kostendegression • Ausrichten der Be­ • Reduktion der Logistik­ triebskosten auf den kosten in Verbindung mit Kundennutzen Zulieferern und Abneh­ mern • Gemeinkostenwertanalyse • Cash Management • Cash Management • Reduktion der Vorräte • Ausrichten der Ver­ unter Beibehaltung der kaufskondition und der Lagerpolitik auf Lieferbereitschaft • Erhöhung des Debitoren­ die Differenzierungs­ strategie umschlags • Rationalisierungsinvesti­ • Investition in tionen differenzierungs• Optimale Anlagenaus­ fördemde Anlagen • Verkauf schlecht nutzung • Verkauf schlecht genutzter genutzter Anlagen Anlagen • Optimale • Optimale Beschaffung Beschaffung

Kapitalkosten

• Optimierung der Kapitalstrukturen • Senkung der Finanzierungskosten • Bewirtschaftung der systematischen Risiken

Ertragssteuerrate

• Optimierung der Kapitalstrukturen • Optimierung der Gesellschaftsstrukturen • Optimierung in der Durchführung der Transaktion

• Cash Management • Ausrichten der Verkaufs­ konditionen und der La­ gerpolitik auf die Wett­ bewerbsstrategie • Optimale Anlagennutzung • Optimierung der Be­ schaffung • Verkauf schlecht genutzter Anlagen

Quelle: Gomez / Weber 1989, S. 65.

24

Vgl. Ansoff 1987, S. 90-92; Haspeslagh / Jemison 1992, S. 42-46; Porter 1986, S. 444 f; Prahalad/Hamel 1991, S. 66-78.

99 Folgt man dieser Begriffsauffassung, lassen sich, in Anlehnung an Haspeslagh / Jemison25, nachfolgende Methoden der Übertragung von Ressourcen bzw. strategischer Fähigkeiten ableiten:

• Transfer materieller Ressourcen • Transfer funktioneller Fähigkeiten • Transfer allgemeiner Management-Fähigkeiten

2.3.1 Transfer von materiellen Ressourcen Der Transfer materieller Ressourcen stellt die direkteste Art des Fähigkeitstransfers dar, indem Produktionsanlagen, Vorräte und sonstige Betriebsmittel übertragen oder gemeinsam genutzt werden. Ziel des Ressourcenverbundes ist die Erschließung von Wertsteige­ rungspotentialen durch sog. „Economies of Scale and Scope“26. Damit diese Größen- und Wirtschaftlichkeitsvorteile im Integrations­ prozeß tatsächlich zum Tragen kommen, müssen „die zusätzlichen Kosten, die durch die gemeinsame Nutzung bestimmter Ressourcen entstehen, kleiner sein als der Wert der realisierten Vorteile“27.

Nach Ansicht der Literatur28 sind Vorteile aus dem Ressourcenver­ bund insbesondere dann zu erwarten, je ähnlicher die Basisstrategien (z.B. kostenorientierter Massenanbieter vs. qualitätsorientierter Nischenanbieter) und je kleiner die Produkt-ZMarktunterschiede der Geschäftsfelder sind. Darüber hinaus wirkt sich auch ein ähnlicher technologischer Spezialisierungsgrad bzw. ein geringer Komplexitäts-

25 26

Vgl. Haspeslagh / Jemison 1992, S. 131-134. „Economies of Scale“ entstehen, wenn das Volumen kombinierter Ressourcen die

27 28

Stückkosten eines Produktes verringert. „Economies of Scope“ sind dann zu ver­ zeichnen, wenn die gemeinsame Nutzung von Betriebsmitteln eines Mehrproduktunter­ nehmens zu niedrigeren Gesamtkosten führt. Vgl. z.B. Haspeslagh / Jemison 1992, S. 44; Pausenberger 1993, Sp. 4442-4444; Sautter 1989, S. 237-240. Coenenberg / Sautter 1988, S. 700. Vgl. Gerpott 1993, S. 91; Priewe 1989, S. 29; Schneider 1989, S. 24.

100

grad der materiellen Ressourcen positiv auf die Realisierung von Wertsteigerungspotentialen aus. Besteht umgekehrt eine nur geringe bzw. keine Komplementarität zwischen den Geschäftsfeldern, so wird die Notwendigkeit größer, zum beabsichtigten materiellen Ressourcentransfer auch ergänzende immaterielle Fähigkeiten zu übertragen. 2.3.2 Transfer von funktionalen Fähigkeiten

Im Gegensatz zum materiellen Ressourcentransfer, bei dem auch kurz­ fristig Vorteile der gemeinsamen Nutzung von Ressourcen möglich sind, setzt der Transfer funktionaler Fähigkeiten^ im Integrations­ prozeß in der Regel einen Lehr- und Lernprozeß voraus. Dieser Prozeß wird meist um so länger dauern, je komplexer die zu über­ tragenen Fähigkeiten sind. Als Beispiel für den Lernprozeß dient die Übernahme eines Unternehmens zu dem Zweck der Verbesserung der eigenen Produktentwicklung.

Der strategische Moment einer Fähigkeit besteht darin, daß z.B. be­ stimmte F&E- oder Produktionsfahigkeiten meist nur schwierig zu imitieren sind, weil sie eingebettet sind in das Know-how einer Gruppe, in die Verfahrensweisen und in die Kultur eines Unter­ nehmens.30 Ob ein Unternehmen über strategische Fähigkeiten ver­ fugt, läßt sich auch daran erkennen, welches Anwendungsspektrum eine funktionale Fähigkeit eröffnet. Ein Transfer von F&E- oder Produktionsfähigkeiten auf dem Gebiet der Liquide-Display-Systeme eröffnet einem Unternehmen beispielsweise die Möglichkeit des An-

29

30

Funktionale Fähigkeiten werden von Gerpott (1993, S. 90) beschrieben, als „schwerpunktmäßig für bestimmte Verrichtungszentren (z.B. F&E, Vertrieb) eines Unternehmens relevantes fachlichen Wissen, funktionsrelevante fachliche Fertigkeiten sowie die Fähigkeit, die Qualifikationen der Mitarbeiter zielgerichtet einzusetzen oder einzusetzen lassen“. Vgl. Haspeslagh / Jemison 1992, S. 133; Prahalad / Hamel 1991, S. 71.

101 gebotes so unterschiedliche Produkte wie Taschenrechner, Minifemseher, Laptop-Bildschirme oder Autoinstrumente.31 Strategische Fähigkeiten sind grundsätzlich potentielle Integrations­ vorteile. Sie müssen zuerst im Integrationsprozeß übertragen werden, wobei der Transfer sowohl vom Akquisitionsobjekt auf den Erwerber als auch in umgekehrter Richtung erfolgen kann. Zudem müssen sich die funktionalen Fähigkeiten auf die Endprodukte auswirken und einen wahrnehmbaren Kundennutzen bieten. Gelingt dieser Transfer, so eröffnet sich mit einer hohen Wahrscheinlichkeit der angestrebte Wettbewerbsvorteil.

2.3.3 Transfer von allgemeinen Managementfahigkeiten

Im Integrationsprozeß lassen sich auch durch die Übertragung von Managementfähigkeiten akquisitionsbedingte Wertsteigerungs­ potentiale realisieren. Dies wird häufig dann möglich, wenn das Zieluntemehmen nicht über ausreichende Managementfahigkeiten verfügt und / oder das akquirierende Unternehmen seine Management­ fähigkeiten auf zusätzliche Anwendungsgebiete (z.B. Produkt/Marktkombinationen) übertragen kann. Als Voraussetzung für die grundsätzliche Übertragbarkeit von Managementfähigkeiten im Integrationsprozeß gelten eine weitgehend ähnliche strategische Aus­ richtung sowie Gemeinsamkeiten in Bezug auf die Ressourcen­ allokation, Zielvorgabe, Führung und Motivation.32

Managementfähigkeiten können in Anlehnung an Sautter definiert werden als: „ ... fachliches Wissen (Sachverstand) als auch die Fähig­ keit, dieses im Hinblick auf die Untemehmensziele effektiv einzu­ setzen“33. Fachliches Wissen umfaßt die Gesamtheit aller Fakten und Problemlösungsverfahren, die einen Manager z.B. auf kauf31 oo

33

Vgl. Prahalad / Hamel 1991, S. 71. Vgl. hierzu z.B. die Ausführungen bei: Gomez / Ganz 1992, S. 51; Haspeslagh / Jemison 1992, S. 134-143; Mitchell 1988, S. 19 f; Möller 1983, S. 100 f.; Porter 1987, S. 41; Sautter 1989, S. 253. Sautter 1989, S. 254.

102 männischen oder personellen Gebieten qualifizieren. Um dieses Wissen effektiv einsetzen zu können, sind zusätzliche Eigenschaften wie Überzeugungskraft, Entscheidungsfähigkeit und Risikobereit­ schaft notwendig. Im Einzelnen lassen sich drei Ebenen von Manage­ mentfähigkeiten unterscheiden:34

1. Know-how der Manager im Sinne von Fachwissen und Erfahrungen. 2. Organisatorisches Know-how in Bezug auf aufbau- bzw. ablauforganisatorische Fähigkeiten.

3. Strategisches Know-how hinsichtlich der Verteilung knapper Ressourcen auf die Geschäftsfelder eines Unternehmens sowie die Fähigkeit, unterschiedliche strategische Schwerpunkte in einem entstehenden, wachsenden oder schrumpfenden Markt zu setzen.

Im Integrationsprozeß lassen sich für jede Managementfähigkeit Transfermechanismen identifizieren: Das Know-how der Manager kann hauptsächlich in Form einer internen Beratertätigkeit genutzt oder direkt durch einen Personalaus­ tausch zwischen den Unternehmen übertragen werden. Dies gilt auch für den Transfer von organisatorischem Know-how. Der organisa­ torische Transfer von Know-how wird unterstützt durch Veränder­ ungen der Aufbau- und Ablauforganisation eines Unternehmens. Ebenso kann strategisches Know-how durch die Einführung geeigneter Planungssysteme oder die Umgestaltung der Anreiz­ systeme übertragen werden. Auch die Art und Weise der Integration eines Unternehmens selbst kann als Übertragungsvariante strategischer Fähigkeiten angesehen werden, insbesondere dann, wenn das akquirierte Unternehmen in die Informationsstruktur des Konzerns einbezogen wird.

34

Vgl. Sautter 1989, S. 254 f.

103

3. Teilkonzept Struktur Zur Verwirklichung der angestrebten Strategien und Untemehmensziele sind von der Unternehmensleitung des akquirierenden Unter­ nehmens die bislang voneinander abweichenden Organisations­ strukturen aufeinander abzustimmen. Die notwendige organisatorische Anpassung der beteiligten Unternehmen fuhrt zwangsläufig zu einer Veränderung der aufbau- und ablauforganisatorischen Strukturen.1 3.1 Aufbauorganisatorische Integration

Im Rahmen der aufbauorganisatorischen Integration ist von der Unternehmensleitung des akquirierenden Unternehmens ein strukturorganisatorisches Gesamtkonzept zu erstellen. Dieses umfaßt die institutionell-hierarchische Strukturierung des Gesamtunter­ nehmens. Ziel dieser Tätigkeit ist die Herstellung einer insgesamt aus­ gewogenen Untemehmensstruktur und die Reduzierung von Auf­ gabenvielfalt oder Doppelarbeit durch Spezialisierung. Als Beispiel der praktischen Relevanz der organisatorischen Integra­ tion dient die strukturelle Neuordnung des Daimler-Benz-Konzems im Anschluß an die Untemehmensübemahmen der AEG, Dornier, MTU sowie der MBB. Ziel der Neuorganisation des Technologiekonzems war die Bildung von (Management-) Holdingstrukturen, die eigen­ ständige, juristisch selbständige Gesellschaften steuern.2 Die Akquisi­ tionsobjekte wurden in Geschäfts- und Funktionsbereichen, u.a. durch die Bildung selbständiger Servicegesellschaften (Systemhaus, DEBIS), auf die neue Holdingstruktur ausgerichtet.

1

2

Zwischen der Aufbauorganisation als „Gebildestrukturierung“ und der Ablauforgani­ sation als „Prozeßstrukturierung“ bestehen enge Beziehungen (vgl. hierzu z.B. Kreikebaum 1975, S. 12 f und die dort angegebene Literatur). Zur Verdeutlichung der Aufgaben der organisatorischen Integration bietet sich die Trennung zwischen beiden Kategorien an. Vgl. Frey 1988, S. 20-23; Hunger 1991, S. 56-62.

104

Zur Realisierung der organisatorischen Integration wird in der Litera­ tur die Einrichtung einer Übergangsstruktur (Projektorganisation) diskutiert.3 Sie basiert auf der Überlegung, daß die Kapazität der Unternehmensleitung in der Regel nicht ausreicht, organisatorische Integrationsentscheidungen alleine zu koordinieren und zu kontrollieren. Deshalb empfiehlt sich eine Delegation von Integrationsentscheidungen auf sog. Integrationsträger. Zur Neustrukturierung des Daimler-Benz Konzern wurde speziell für diese Tätigkeit ein Struktur- und Synergieausschuß“ gebildet. Dieser bestand aus dem Vorstandsvorsitzenden des Daimler-Benz-Konzems sowie Vorstandsmitgliedern der Beteiligungsuntemehmen, unter fall­ weiser Einbeziehung einzelner operativ tätiger Geschäfts- bzw. Fach­ bereichsleiter. Auf beide Aspekte der Aufbauorganisation, d.h. der Strukturorgani­ sation und der Delegation der organisatorischen Integration auf neu zu etablierende Projektstrukturen, wird im nachfolgenden Kapitel einge­ gangen.

3.1.1 Organisatorische Konsolidierung des Gesamtunternehmens

Der organisatorische Integrationsprozeß beginnt mit der Verabschie­ dung einer Organisationsstruktur für die beteiligten Unternehmen und ihrer personellen Besetzung.^ Zuvor sind von der Unternehmenslei­ tung des akquirierenden Unternehmens die in Frage kommenden strukturorganisatorischen Alternativen zu prüfen. Entscheidend ist hierbei die Frage, ob die Organisationsstrukturen der beiden Unternehmen gekoppelt werden können oder ob eine „neue“, veränderte Strukturorganisation gefunden werden muß. Die organisa­ tionsstrukturellen Alternativen eines diversifizierten Unternehmens können wie folgt dargestellt werden (siche Abbildung 10):

3 4

Vgl. z.B. Clever 1993, S. 135-138; Krüger 1988, S. 371-377. Vgl. Freund 1991, S. 494; Steinöcker 1993, S. 113.

105 Abbildung 10 Organisationsstrukturen diversifizierter Unternehmen

Quelle: Gomez / Weber 1989, S. 73.

106

Eine Kopplung der Strukturorganisation liegt in Anlehnung an die dargestellten Strukturaltemativen dann vor, wenn die akquirierten Aktivitäten mit denen des Käuferuntemehmens, z.B. im Rahmen einer Managementholding (Fall 1), verbunden werden, in der die Oberge­ sellschaft die Koordination der rechtlich selbständigen Geschäftsbe­ reiche durchführt.5 Eine Kopplung liegt auch im Falle einer Aus­ landsakquisition vor, wenn das akquirierte Unternehmen als dezentrale, autonome Einheit im Ausland weitergeführt wird (Fall 2).

Eine Reorganisation bedeutet Umstrukturierungen und (tiefgreifende) Veränderungen der Organisationsbeziehungen/ Von einer Reorgani­ sation kann im Rahmen des Integrationsprozesses dann gesprochen werden, wenn das akquirierte Unternehmen als Geschäftsbereich in die Struktur des akquirierenden Unternehmens eingegliedert (Fall 3) oder zu einer neuen Struktur verschmolzen wird (Fall 4). Die Formen der Konzemorganisation schwanken zwischen den Prinzipien der Zentralisation und Dezentralisation. Während z.B. eine Holdingorganisation durch weitgehende Dezentralisierung der Unter­ nehmensbereiche gekennzeichnet ist, ist neuerdings eine Trendwende der strategischen Orientierung in Richtung einer „Konzentration auf Kemkompetenzen^ festzustellen. Unter Kemkompetenzen versteht man spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten auf einzelnen Gebieten, z.B. der Mikroelektronik. Diese Kemkompetenzen unterscheiden sich von den strategischen Geschäftseinheiten, weil sich die Konzemres­ source quer durch die Geschäftseinheiten hindurch zieht. Die Fokus­

J

$

Eine Management- oder Strategieholding besteht aus einer Anzahl oft rechtlich selbständiger Unternehmen sowie einer „schlanken“ Untemehmenszentrale, die für die Koordination der Geschäftsaktivitäten verantwortlich ist. Die Integration beschränkt sich in diesem Fall auf solche „Wertsteigerungen“, die durch einen Kapitaltransfer, eine Risikoverteilung oder einen Transfer allgemeiner Managementfähigkeiten möglich erscheinen; VgL Gomez 1992, S. 168; Haspeslagh / Jemison 1992, S. 175. Vgl. zum Begriff der Reorganisation z.B. Gabele 1992, Sp. 2197; Staehle 1991, S. 547.

Vgl. Prahalad / Hamel 1991, S. 66-78. Als Beispiel dient die Restrukturierung des „integrierten Hautkonzems“ Beiersdorf AG, der sich auf die Kemkompetenzen gesunde Haut (Körper- und Gesichtspflege), verletzte Haut (Wundversorgung) und kranke Haut (dermatologische Arzneimittel) konzentriert; siehe hierzu Rüßmann 1989, S. 303 f.

107 sierung auf Kemkompetenzen fuhrt nach Ansicht von Gomez8 organi­ satorisch zu einer erneuten Zentralisierung und Konzentration von Macht auf die Konzemzentrale. Im Integrationsprozeß ist es notwendig, eine institutionell-hierar­ chische Gliederung der zukünftigen Zusammenarbeit zu entwerfen. Zur Orientierung bieten sich in der Praxis hierzu folgende struktur­ organisatorischen Alternativen an:9

(1) Standort-ZProduktionsorientierung

Bei dieser Strukturvariante bleiben die (produktiven) Tochtergesell­ schaften weitgehend autonom. Die Muttergesellschaft beschränkt sich auf die Strategieplanung und finanzielle Kontrolle. Mögliche Produktions- und Marktsynergien bleiben ungenutzt. Diese Organisa­ tionsstruktur ist z.B. bei Auslandsakquisitionen anzutreffen. (2) Funktionsorientierung

Bei der funktionsbezogenen Organisationstruktur sind operative Funktionen (z.B. Beschaffung, Produktion, Vertrieb) und / oder Ver­ waltungsfunktionen (z.B. Planungs-, Budgetierungs- und Kontroll­ systeme) der Tochtergesellschaft integrierbar. Eine Integration von Verwaltungsfunktionen ist grundsätzlich bei allen Akquisitionsarten möglich.10 Eine teilweise Integration von Verwaltungsfimktionen und

ö

$ 10

Neben der Konzentration auf Kemkompetenzen wird die Konzemorganisation der Zu­ kunft vor allem durch eine Ausrichtung auf die lokalen Märkte, eine Steigerung des Untemehmenswertes, eine Förderung des Untemehmensgeistes sowie durch eine inter­ nationale Zusammenarbeit bestimmt sein; Vgl. hierzu Gomez 1992, S. 171. Vgl. hierzu z.B. Clever 1993, S. 75 f. Dem hohen Integrationsbedarf von Verwaltungsfunktionen stehen in der Praxis eine Reihe von Schwierigkeiten gegenüber. Für Maier (1991, S. 70-72) sind Verwaltungs­ funktionen in der Regel „Facetten einer oft gegensätzlichen, alle Teilbereiche des Unternehmens quasi überdeckenden Verhaltens-, Führungs- und Entscheidungs­ struktur“. Insofern können technische sowie kaufmännische Abstimmungsprozesse eine Umstellung der finanzwirt-schaftlichen Systeme auf die Standards des übernehmenden Unternehmens erheblich erschweren.

108 operativen Funktionen findet sich insbesondere bei vertikalen und konzentrischen Akquisitionen, wobei letztere gerade wegen zu erwartender Synergievorteile in marketing- und technologieorien­ tierten Funktionsbereichen eingeleitet werden. Eine vollständige Funktionsintegration ist insbesondere bei horizontalen Akquisitionen zu erwarten.

(3) Geschäftsfeldorientierung

Hierbei werden jeweils dieselben operativen Aufgaben in jenen Ge­ schäftsbereichen zusammengefaßt, die für die Bearbeitung der Ge­ schäftsfelder verantwortlich sind. Der Vorteil dieser Struktur liegt in der konsequenten Produkt-, Kunden- und Marktorientierung der Ge­ schäftsbereiche und ferner in der Möglichkeit zur Integration eines akquirierten Unternehmens als in sich geschlossene Einheit („Profit Center“). Insofern kann die Geschäftsbereichsstruktur insbesondere bei konglomeraten Untemehmensakquisitionen angewendet werden. Probleme der organisatorischen Integration sind insbesondere dann zu erwarten, wenn zwischen den Organisationsstrukturen Abweichungen in der Basisdimension der formalen Organisationsstruktur bestehen. Dieser Fall tritt z.B. dann auf, wenn ein international ausgerichtetes Unternehmen nach produktorientierten Geschäftsbereichen und das akquirierte Unternehmen nach Funktionen als oberstes Gliederungs­ kriterium strukturiert ist. Damit stellt sich die Frage, welcher Organi­ sationstruktur im Integrationsprozeß Priorität eingeräumt werden soll. In Anlehnung an Chandlers klassische These „Structure follows Strategy kann diese Frage aus dem Strategie-Struktur-Zusammen­ hang beantwortet werden. Eine multinationale Strategie kann z.B. durch integrierte Regionalstrukturen umgesetzt werden, um den in den jeweiligen Ländern vorherrschenden Marktbedingungen gerecht werden zu können. Unternehmen, die sich dagegen für eine globale 11

Vgl. im folgenden Gaitanides 1985, S. 115; Müller-Stewens 1992, Sp. 2346; Pausenberger 1992, Sp. 1058-1061; Staehle 1991, S. 426 f.; Steinmann / Schreyögg 1990, S. 195 f.

109 Strategie entscheiden, weisen häufig eine weltweit homogene, integrierte Produktstruktur als oberstes Gliederungskriterium auf, weil so u.a. eine Minimierung der Stückkosten häufig am besten erreicht werden kann. Die Zuordnung einer Organisationsstruktur zu einer zweidimensionalen Strategie (sog. Hybrid-Strategie)12 verlangt mehrdimensionale Lösungen. Die in der Praxis zumeist angewendete Möglichkeit ist die Form einer Matrixorganisation, die z.B. die Ver­ knüpfung von produkt- und regionalorientierten Strukturen ermöglicht.

Ein weiteres Problem der organisatorischen Integration betrifft die mögliche Differenz in der Zahl der Hierachieebenen in der Organisa­ tion der Akquisitionsbeteiligten.13 Unterschiede in der Zahl der Hier­ achieebenen können dazu fuhren, daß die Führungskräfte des akquirierten Unternehmens sich nach der Konsolidierung auf einer relativ niedrigeren Hierarchieebene befinden. Hierbei besteht die Ge­ fahr, daß mit zunehmender organisatorischer Distanz zwischen den beteiligten Führungsebenen die Übernahme aus Sicht der akquirierten Führungskräfte als Machtverlust gewertet wird. Um eine solche Situa­ tion weitgehend zu vermeiden, wird in der Literatur14 auf die Vorteilhaftigkeit der Einbeziehung des akquirierten Management in den unternehmerischen Entscheidungsprozeß hingewiesen.

Ferner ist der jeweilige Zentralisierungs- bzw. Dezentralisierungsgrad der am Integrationsprozeß beteiligten Unternehmen zu berück­ sichtigen. 15 Die Frage nach der Wahl des Zentralisationsgrades ist stark von der jeweiligen Untemehmenskultur beeinflußt, so daß man

12

Vgl. Gerpott 1992, S. 321 f. Eine Hybrid-Strategie kann bei Geschäftsaktivitäten mit

13 14 13

Ausrichtung auf den Weltmarkt (Globalisierungsstrategie) bei begrenzter regionaler Produktanpassung (Multinationale Strategie) angewendet werden. Sie ist dann sinnvoll, wenn hohen Globalisierungsvorteilen (z.B. globale F&E) hohe Lokalisierungsvorteile (z.B. lokales Marketing) gegenüberstehen, wie z.B. in der chemischen und pharma­ zeutischen Industrie. Vgl. Reineke 1989, S. 161-164. Vgl. Möller 1983, S. 272 f. Vgl. Pausenberger 1992, Sp. 1062.

110 einen allgemeingültigen Zentralisationsgrad nicht empfehlen kann.16 Eine zentrale Organisationstruktur kann nahegelegt werden, wenn zwischen den beteiligten Unternehmen Möglichkeiten der Vereinheit­ lichung und Kosteneinsparung bestehen, deren Zusammenfassung zu Synergievorteilen fuhrt.17 Für die Mitarbeiter insbesondere des akquirierten Unternehmens ist eine Zentralisierung von Aktivitäten im Stammuntemehmen meist mit Unsicherheiten (in Bezug auf bestehende Kompetenzen, Arbeitsplatzverlust usw.) verbunden. Die daraus resultierenden Konfliktpotentiale lassen sich durch eine dezentrale Organisationstruktur weitgehend vermeiden. Andererseits fordert eine Dezentralisierung die Subkulturbildung und damit die Ge­ fahr des Scheiterns der Integration.

Als Ergebnis bleibt festzuhalten, daß man bei der Wahl einer geeigneten Organisationsstruktur im Integrationsprozeß grundsätzlich von den Gegebenheiten des speziellen Falls unter Berücksichtigung der angestrebten Untemehmensstrategien und Ziele ausgehen muß. Die aufgezeigten Organisationsaltemativen spannen insgesamt den Rahmen auf, innerhalb dessen man sich im konkreten Einzelfall orientieren kann. Die organisatorische Anpassung zählt einerseits zu den schwierigsten Integrationsaktivitäten, andererseits ist durch die organisatorische Konsolidierung zweier Unternehmen das größte Synergiepotential zu erwarten.18

Bisher wurde die Organisationsstruktur hauptsächlich unter sachlichen Gesichtspunkten der Zentralisation, d.h. der aufgabenorientierten Zu­ sammenfassung unternehmerischer Einzelaktivitäten, behandelt. Dies ist zu ergänzen durch den organisatorischen Aspekt der Koordination und Steuerung der Integration, worauf im folgenden Kapitel einge­ gangen wird.

16

Vgl. zur Wechselwirkung zwischen Organisationstruktur und -kultur: Benölken /

17 18

Greipel 1989, S. 15-22; Gaitanides 1985, S. 115-122; Staerkle 1985, S. 529-553. Vgl. Ropella 1989, S. 182 f; Sautter 1989, S. 223-227; Welge 1976, Sp. 3807. Vgl. Gomez/ Weber 1989, S. 72; Steinmann/ Schreyögg 1990, S. 196..

Ill 3.1.2 Projektorganisation der Integration

Zum Management der organisatorischen Integration wird in Literatur und Praxis die Einführung einer „Übergangsstrnktur“^ bzw. Projekt­ organisation und damit eine Delegation von Integrationsentschei­ dungen auf speziell zu ernennende Integrationsträger diskutiert.20 Dabei wird die Ansicht vertreten, daß der Erfolg bzw. Mißerfolg der organisatorischen Integration von den am Integrationsprozeß beteiligten Personen abhängig ist. Als mögliche Träger der Integration kommen sowohl einzeln als auch kombiniert eingesetzte „Integrationsmanager“ und „Integrationsteams“ mit und ohne unternehmensexteme Unterstützung in Betracht. Bei einem Integrationsmanager^ handelt es sich in der Regel um einen erfahrenen Topmanager des Käuferuntemehmens, der über die notwendigen Fach-, Sozial- und Machtkompetenzen zur Festlegung, Steuerung und Koordination der Integrationsaufgaben verfügt. Der Einsatz eines Hauptverantwortlichen der Integration wird von der Praxis insbesondere dann positiv beurteilt, wenn z.B. beide Unter­ nehmen in der gleichen Branche ihre Tätigkeitsschwerpunkte haben und somit eine hohe Produkt- oder Technologieähnlichkeit aufweisen. Ein weiterer Schwerpunkt des Einsatzes eines Integrationsmanagers wird dann gesehen, wenn das akquirierte Unternehmen in Relation zum Erwerber eher klein ist.



Der Begriff der Übergangsstruktur kann zum einen die Organisationstruktur der akqui-

1

rierten Tochtergesellschaft als solches betreffen oder - wie hier unterstellt - eine speziell zur Eingliederung der akquirierten Tochtergesellschaft konstituierte (Projekt-) Organi­ sation. Vgl. hierzu Kapitel II Abschnitt 2.3 und die dort angegebene Literatur. Integrationsmanager, denen die Gesamtverantwortung der Integration übertragen wird, finden in der Praxis offensichtlich zunehmende Bedeutung. Betrug der Anteil einge­ setzter Integrationsmanager in der Untersuchung von Möller (1983, S. 279) noch rund 10% der Akquisitionsfalle, so liegt der Anteil in der neueren Untersuchung von Gerpott (1993, S. 349) bei mittlerweile rund 57%.

112

Ein Integrationsteam22 kann sich aus einzelnen Mitgliedern des Vor­ standes und Führungskräften der Funktions-, Geschäftsbereiche oder Stabstellen des akquirierenden Unternehmens zusammensetzen. Allgemein befürwortet wird auch die Einbeziehung der Führungs­ kräfte des erworbenen Unternehmens.23 Ein Teamansatz wird in der Regel dann angewendet, wenn ein einzelner Manager mit der Koordination der Integration überfordert wäre bzw. das erwerbende Unternehmen aufgrund von Produkt-ZMarkt- und Technologie­ unterschieden über nur geringe Erfahrungen im Hinblick auf die geplante Integration verfügt. Bei mangelnder Integrationserfahrung des akquirierenden Unter­ nehmens können auch externe Berater eingesetzt werden. Ein weiterer Vorteil der Einbeziehung externer Berater ist deren Objektivität und Neutralität bei der Integration spezieller (z.B. bei der Harmonisierung von EDV-Systemen) und / oder mitarbeitersensibler Integrationsauf­ gaben (z.B. der Anpassung von Anreiz- und Entlohnungssystemen). Im Hinblick auf die Akquisitionsrichtung wird die externe Unter­ stützung hauptsächlich bei branchenähnlichen Untemehmensakqui­ sitionen als vorteilhaft angesehen.24 Bei branchenübergreifenden Akquisitionen, insbesondere eines Groß­ unternehmens, kann z.B. eine kombinierte Projektstruktur, bestehend aus einem Gesamtverantwortlichen der Integration, einem Lenkungs­ ausschuß sowie mehreren „Task Forces“ zur Integration wichtiger Schlüsselaktivitäten (z.B. der F&E) gebildet werden.23 Der Vorteil liegt in der Gewinnung und Verarbeitung eines breiten Spektrums an Meinungen und Informationen, um Fehlstrukturierungen vom Ansatz her zu vermeiden. Sofern auch Mitarbeiter des akquirierten Unter­ 22

ü

Unter dem Begriff Integrationsteam lassen sich auch andere Bezeichnungen wie Projektgruppe, Lenkungsausschuß, Struktur- und Synergieausschuß, Postmerger Task Force, Planungsgruppe o.ä. subsummieren. Zu den Vor- und Nachteilen der Beteiligung des Management des akquirierten Unter­

24 25

nehmens am Entscheidungsprozeß der Integration siehe Kapitel III Abschnitt 4.2.1. Vgl. hierzu die Untersuchungsergebnisse bei Gerpott 1993, S. 349 und 354. Vgl. Haspeslagh / Jemison 1992, S. 233-235.

113 nehmens an dem Entwurf der zukünftigen Organisationsstrukur mit­ wirken, bietet der kombinierte Teamansatz die Chance einer erhöhten Akzeptanz organisatorischer Veränderungen.

In empirischen Untersuchungen wurde versucht nachzuweisen, inwieweit die Erfolgswirksamkeit von Integrationsprozessen durch eine Entscheidungsdelegation auf Integrationsträger beeinflußt werden kann. Obwohl Möller26 eine eindeutige Beziehung empirisch nicht nachweisen konnte, zeigte sich dennoch tendenziell, daß eine Verant­ wortungsverlagerung von der Unternehmensleitung auf hierarchisch niedriger gestellte Linienmanager zu schlechteren Ergebnissen der Integration fuhrt. In der Untersuchung von Gerpott27 wurden keine dysfunktionalen Wirkungen der Verantwortungsyerlagerung auf den Integrationserfolg festgestellt. Nachgewiesen werden konnte jedoch, daß der Einsatz eines Integrationsteams ein höheres Erfolgsniveau aufweist als der Einsatz eines einzelnen Integrationsmanagers. Allerdings geht aus der Erhebung nicht hervor, inwieweit ein Topmanager die Führung des Integrationsteams steuerte und damit den Integrationserfolg positiv beeinflußte. Für andere Autoren28 ist weniger die Aktivität (activity) der Ein­ richtung zusätzlicher Strukturen für den Integrationserfolg maßgebend, sondern vielmehr die Art und Weise der Annäherung (approach). Dies wird damit begründet, daß Strukturen unterlaufen werden können und viele Integrationsprobleme ihre Ursachen eher im Verhaltensbereich haben. Für einen funktionalen Verlauf der Integration wird deshalb den operativen Entscheidungsträgem an den „ Schnittstellen"^ hierarchischer und fachlicher Kompetenz zwischen den beteiligten Unternehmen besondere Relevanz zugeordnet. 26 27 28 2$

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Möller 1983, S. 271 -280. Gerpott 1993, S. 426-430. Freimuth 1986, S. 239; Pursche 1990, S. 104; Reineke 1989, S. 180-187. Freimuth 1986, S. 235-242; Haspeslagh / Jemison 1992, S. 271-274; Kirchner

1991, S. 270 f; Reineke 1989, S. 180-187.

114 3.2 Ablauforganisatorische Integration

Die nach einer Akquisition meist notwendige organisatorische Kon­ solidierung der Aufbauorganisation fuhrt zwangsläufig auch zu einer Veränderung der Ablauforganisation der beteiligten Unternehmen. Unter der Ablauforganisation versteht man im wesentlichen die raum­ zeitliche Gestaltung materieller und informationeller Arbeits­ prozesse.30 "Procedual integration involves combining systems and procedures of the merged companies at the operating, mana­ gement control, and strategic planning levels. The objective ofsuch integration is to homogenize and standardize work procedures." Shrivastava 1986, S. 68. Im folgenden Kapitel wird zunächst die Vereinheitlichung funktionaler Arbeitsprozesse am Beispiel des Finanz- und Rechnungswesens aufgezeigt. Dem hohen Synergiepotential dieses Funktionsbereiches stehen in der betrieblichen Praxis zahlreiche Integrationsprobleme gegenüber, die z.B. auf untemehmensspezifische Abrechnungsverfahren, Bewertungsprinzipien und EDVSysteme zurückzufuhren sind. Gerade die Informatik erweist sich häufig als entscheidende Nahtstelle bei der Integration, weshalb auf die Konsolidierung unterschiedlicher EDV-Systeme im Rahmen von Untemehmensakquisitionen gesondert einzugehen ist. Den Abschluß ablauforganisatorischer Regelungen bildet der zeitliche Organisati­ onsprozeß. Im Mittelpunkt der Betrachtung steht hierbei der Beginn und die Dauer notwendiger Integrationsmaßnahmen.

30

Vgl. Reineke 1989, S. 170; Rühli 1992, Sp. 1171.

115

3.2.1 Organisatorisch-funktionale Konsolidierung von Arbeits­ prozessen Bei der Konsolidierung von Arbeitsprozessen im Rahmen von Unter­ nehmensakquisitionen ist es notwendig, die Arbeitsprozesse bzw. Ge­ schäftsabläufe der zu integrierenden Funktionsbereiche zu erfassen, zu vergleichen und zu beurteilen. Geschäftsabläufe verstehen sich als zu­ sammenhängende Funktionsaufgaben, die in einzelne Prozeßschritte aufgeteilt werden können. Am Beispiel des Funktionsbereiches Finanz- und Rechnungswesen lassen sich die in der Abbildung 11 dar­ gestellten Geschäftsabläufe der Planung und der Disposition unter­ scheiden. Nach erfolgter Auswahl und Analyse des zu integrierenden Funkti­ onsbereiches sind die ermittelten Geschäftsabläufe mit Hilfe einzelner Kriterien zu beurteilen. Clever31 sieht einen geeigneten Ansatzpunkt der Beurteilung in den Kriterien der Identität bzw. Differenziertheit und der Qualität der Geschäftsabläufe. Während die Übereinstimmung der Arbeitsinhalte eines Funktionsbereiches im Integrationsprozeß noch relativ einfach festzustellen ist, erfordert die Beurteilung der inhaltlichen Qualität der Arbeitsabläufe integrationsspezifische Kriterien, wie z.B. der Struktur, der Transparenz und der Konsistenz der Geschäftsabläufe.32 Als weiteres Kriterium ist z.B. der Grad der EDV-Unterstützung zu beurteilen. Als Ergebnis der Beurteilung können Qualitätsunterschiede zwischen den jeweiligen Prozessen der an der Integration beteiligten Unternehmen ermittelt werden.

31

Vgl. Clever 1993, S. 83 f.

J

Während bei der Struktur des Geschäftsablaufes die Einfachheit bzw. Umständlichkeit des Arbeitsergebnisses beurteilt wird, steht die Nachvollziehbarkeit der Aufgabenab­ wicklung bei der Transparenz und die Beurteilung der Vollständigkeit des Geschäftsab­ laufes bei dem Konsistenzkriterium im Vordergrund der Betrachtung.

116

Abbildung 11 Geschäftsablauf am Beispiel des Finanz- und Rechnungswesens F unktionen

G eschäftsablau f

1. Planung des Finanz- und Rechnungswesens

I. Planung des Finanz- und Rechnungswesens

III Rechnungswesenplanung

I I Rechnungswesenplanung III G em einskostenplan ung (inkl. Personal- und Sachaufwand I I 2 Projektplanung I 2 F inanzplanung 121 Liquiditätsplanung 122 Debitorenplanung 123 Kreditorenplanung 13 Periodische Erfolgskontrolle (Soll/Ist-V ergleiche)

1 2 Finanzplanung

1 3 Periodische E rfolgskontrolle/Berichts wesen

7 2. Abwicklung des Finanz-

2.Abwicklung des Finanz-und Rechnungswesens

und Rechnungswesens

|2 1 F inanzbuchhaltung___________ 1

21 Finanzbuchhaltung 211 Kontokorrentabwicklung 212 Sachkontenabw icklung 213 Materialbuchhaltung 2 I 4 A bschlüsse 215 Rechnungsprüfung 216 Zahlungsverkehr 2 I 7 Steuern

[22 K osten-ZLeistungsrechnung

22 K osten-/L eistungsrechn ung 22 1 Kostenarten / K Ostenstellenrechnung 222 Kurzfristige Erfolgsrechnung 223 Kostenträgerrechnung 224 Mitlaufende Kalkulation 225 Fakturierung

|

[23 K alkulation___________________ |

l __ _ _ i_____

23 K alkulation 23 1 V orkalkulation 232 Nachkalkulation

[24 A n lagen Buchhaltung_________ |

24 Anlagenbuchhaltung

125 R evision_____________________ |

2 5 Revision

Quelle: Clever 1993, S. 82.

117

Wie Abbildung 12 zeigt, lassen sich aus der Kombination der Kriterien der Identität und der Qualität der Arbeitsprozesse unter­ schiedliche Stoßrichtungen der ablauforganisatorischen Integration ableiten: Abbildung 12 Entscheidungsmodell der prozeßorientierten Integration

Quelle: Clever 1993, S. 88.

Den Idealfall im Integrationsprozeß stellt die Übernahme identischer und qualitativ hochwertiger Geschäftsabläufe dar. In der Regel werden nicht alle Prozesse diesen hohen Anforderungen genügen, so daß es im Einzelfall ausreichend sein kann, einzelne Teilprozesse (z.B. das Berichtswesen) durch Know-how-Transfer zu optimieren und in den Geschäftsablauf des akquirierenden Unternehmens zu übernehmen.

118

Häufiger ist jedoch von der Aufgabe einer Vereinheitlichung differenzierter Untemehmensprozesse auszugehen, wenn sich die Arbeitsprozesse zweier Unternehmen voneinander unterscheiden. Sofern bei internationalen Untemehmensakquisitionen länderspe­ zifische Erfordernisse (z.B. andere Steuergesetzgebung, Bilanzierungsvorschriften) einer Vereinheitlichung nicht entgegen­ stehen, werden in der Praxis häufig diejenigen Geschäftsabläufe auf das akquirierte Unternehmen übertragen, mit denen sich eine Effi­ zienzsteigerung der Aufgabenabwicklung erreichen läßt. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn das Planungs- und Budgetierungssystem des akquirierten Unternehmens durch die Systeme der Muttergesellschaft ersetzt wird.

Bestehen hingegen mehr oder weniger große Unterschiede in den Ge­ schäftsabläufen, und sind diese durch eine niedrige Prozeßqualität ge­ kennzeichnet, so ist eine komplette Neugestaltung der Geschäftsab­ läufe ratsam. Denkbar ist dann, in einem ersten Schritt Geschäftsab­ läufe zu übernehmen und in einem zweiten Schritt diese im Hinblick auf die Anforderungen des akquirierenden Unternehmens hin zu optimieren.

Neben der organisatorischen Konsolidierung der Funktionsbereiche sind im Integrationsprozeß auch die in einem Funktionsbereich ablaufenden Untemehmenssysteme zu konsolidieren. Dieser Teilaspekt ablauforganisatorischer Regelungen wird im nachfolgenden Kapitel behandelt und in seiner Bedeutung für den unternehmerischen Anpassungsprozeß betrachtet. 3.2.2 Organisatorische Konsolidierung von Unternehmens­ systemen

Die Konsolidierung von Untemehmenssystemen im Integrations­ prozeß, wie z.B. der Berichts,- Planungs-, Produktions-, Vertriebs-, Rechnungs- oder Lagerhaltungssysteme, stellt die Verantwortlichen meist vor komplexe organisatorische und technische Gestaltungs­

119

Probleme.33 Zusätzlich sind auch personalpolitische Themen, wie z.B. Qualifizierungsmaßnahmen, zu berücksichtigen. Ob und inwieweit diese erfolgreich bewältigt werden, hängt u.a. davon ab, wie der Anpassungsprozeß gestaltet wird. Dem Anpassungsprozeß von Untemehmenssystemen wird in der Literatur, gemessen an der Anzahl der Beiträge, offenbar eine unter­ geordnete Bedeutung beigemessen. Dies hat möglicherweise den Hintergrund, daß eine Übertragung der oben genannten Systeme mit Hilfe moderner EDV- bzw. Informationssysteme als weitgehend unproblematisch angesehen wird. Erfahrungsberichte aus der Praxis zeigen aber, daß gerade bei der Übertragung von Untemehmens­ systemen von der Mutter- auf die akquirierte Tochtergesellschaft mit einer Reihe von Anpassungsproblemen zu rechnen ist, die den Erfolg der Untemehmensakquisition insgesamt gefährden können. Folgende Probleme traten z.B. bei der Fusion zwischen Texas Instruments Inc. (TI) und Metal and Chemicals Inc. (M&C) auf: "It experienced many problems, including a drop in per­ formance, resistance from M&C personnel to adopt new procedures, lack of input data and benchmarks to make the budgeting system work in the new setting, and a tendency to subvert long-term goals ofthe organization to show impro­ vements in the short term ...It took several years for the new system to stabilize, and even when it did, its performance was farfrom optimal." Shrivastava 1986, S. 68. Die aufgezeigten Integrationsprobleme stehen in engem Zusammen­ hang mit den zwischen Unternehmen in der Regel unterschiedlichen Managementsystemen (z.B. Planungs- und Berichtssysteme) und Technologiesystemen (Hard- und Softwaresysteme). Während Mana­ gementsysteme meist den Charakter untemehmensspezifischer 33

Vgl. hierzu z.B. die Ausführungen bei: Ebers 1991, S. 100; Kirchner 1991, S. 234-238;

Maier 1991, S. 70; Reineke 1989, S. 171; Reißner 1992, S. 171-173; Wood 1987, S. 331.

120 „Eigenheiten“ haben, die sich unter Umständen nur gegen den Wider­ stand der Tochtergesellschaft verändern lassen, können Technologie­ systeme im Integrationsprozeß durch technische Inkompatibilitäten gekennzeichnet sein.34

Zur Vermeidung bzw. Reduzierung möglicher Integrationsprobleme empfiehlt sich eine abgestimmte Vorgehensweise, die sowohl rationale als auch emotionale Aspekte des Systemtransfers abdeckt. Der mehr emotionale Aspekt bei der Durchführung der Systeman­ passung wird von Reineke35 hervorgehoben. Für ihn ist eine „Invasion“ von Systemspezialisten bei der übernommenen Tochterge­ sellschaft zu vermeiden, die ohne Kenntnis und Rücksichtnahme untemehmenskultureller Unterschiede versuchen, die Verfahren der Muttergesellschaft einfach zu übertragen. Die beste Vorgehensweise ist die Überzeugung von der Notwendigkeit oder der Überlegenheit der Systeme der Muttergesellschaft im Sinne eines „seil, not teil approach“36.

Die rationale Vorgehensweise der Systemkonsolidierung wird von Clever37 am Beispiel von Informationssystemen beschrieben. Allgemein lassen sich daraus folgende Integrationsaktivitäten ableiten: (1) Festlegung eines „System-Strategie-Konzeptes“

Im ersten Schritt ist, ausgehend von der Untemehmensstrategie, für die zu verschmelzenden Untemehmenssysteme eine Gesamtstrategie zu entwickeln. Das Spektrum möglicher Systemanpassungen reicht von weitgehend unabhängigen Teilsystemen bei einer multinationalen Untemehmensstrategie, über die Sicherstellung der Interaktionsfähig­ keit von Systemen im Rahmen einer globalen Untemehmensaus-

34 35 36 37

Vgl. hierzu Kirchner 1991, S. 237 f; Reineke 1989, S. 172 f. Vgl. Reineke 1989, S. 173. Vgl. Leighton / Tod 1969, S. 98. Vgl.CIever 1993, S. 95-112.

121 richtung, bis hin zu vernetzten Systemen im Fall einer mehrdimen­ sionalen Untemehmensstrategie.38

(2) Analyse des Systemeinsatzes

Als zweiter Schritt ist der Entwicklungsstand der Management- und Technologiesysteme zu analysieren. Ziel der Analyse ist die Beurteilung der Qualität der derzeitigen Systemunterstützung im Hinblick auf die zukünftigen Aufgabenstellungen. Welche Manage­ mentsysteme in Zukunft notwendig erscheinen, kann mit Hilfe strategischer und wirtschaftlicher Kriterien (z.B. Beschleunigung der Aufgabenabwicklung, Erhöhung der Flexibilität) ermittelt werden.39 Allgemein sind beispielsweise Berichtssysteme von großem opera­ tiven Nutzen, im Vergleich zu Planungssystemen aber von geringerem strategischen Nutzen. Parallel hierzu sind auch die Technologie­ systeme zu standardisieren, um z.B. eine doppelte Erfassung und Pflege von redundanten Datenbeständen zu verringern bzw. im Ideal­ fall zu vermeiden. (3) Festlegung von Aufgaben und Kompetenzen im Rahmen der Füh­ rungsorganisation Abgeschlossen wird die Systemkonsolidierung mit der Überarbeitung der Entscheidungskompetenzen bestimmter Stellen und der (Neu-) Verteilung der Aufgaben auf zentrale und / oder dezentrale Abtei­ lungen. Nach der Festlegung der Aufgabenverteilung im Integrations­ prozeß ist von der Unternehmensleitung des akquirierenden Unter­ nehmens auch eine Entscheidung hinsichtlich des richtigen Zeit­ punktes der Durchführung aufbau- und ablauforganisatorischer An­ passungen zu treffen. Der zeitliche Organisationsprozeß, d.h. Beginn und Dauer der durchzuführenden Integrationsmaßnahmen, steht im Mittelpunkt des nachfolgenden Kapitels.

38 39

Vgl. Reineke 1989, S. 170 f. Vgl. Clever 1993, S. 102-104.

122

3.2.3 Zeitliche Aspekte des Integrationsprozesses Allgemeines Ziel der Integration ist es, das akquirierte Unternehmen möglichst schnell mit dem akquirierenden Unternehmen zu konso­ lidieren, um die angestrebten Akquisitionsziele und Wertsteigerungs­ potentiale zu realisieren. Aus diesem Grund ist die Integration von Organisationsstrukturen auch unter zeitlichen Gesichtspunkten zu be­ urteilen. "There is a right way and a wrong way ofhandling the im­ plementation. Both take the same amount of time and effort. The difference is that one is usally successful, while the other is not." Hunt /Lees / Grumbar / Vivian 1987, S. 61.

Zeitliche Aspekte der Integration (siehe hierzu auch Kapitel IV Ab­ schnitt 1.2.2) lassen sich differenzieren in:



Zeitdauer der Integration und



Zeitpunkt der Integration

Die Zeitdauer der Integration bezeichnet die Zeitspanne zwischen der offiziellen Bekanntgabe der Untemehmensakquisition und dem wahr­ genommenen Ende durchgefiihrter Integrationsmaßnahmen. Welche Zeitspanne für die Integration einer bestimmte Menge von Integrati­ onsmaßnahmen ratsam erscheint, wird in der Literatur kontrovers be­ antwortet. Grundsätzlich lassen sich die Extrempositionen einer (1) langsamen, schrittweise durchgefuhrten Integration einerseits und einer (2) schnellen Integration andererseits unterscheiden.

Position 1: Langsame (schrittweise) Integration. Als Begründung für ein langsames Vorgehen bei der Integration wird von einzelnen Autoren40 angeführt, daß wegen häufig fehlender

40

Vgl. Caytas / Mahari 1988, S. 308; Domis 1982, S. 93; Eichinger 1971, S. 341; Fischer

1990, S. 147 f; Frank 1993, S. 142; Kitching 1967, S. 85; Leimer 1991, S. 191; Marks 1982, S. 38; Sieben / Sielaff 1989, S. 44.

123

Detailinformationen sachgerechte Entscheidungen im Integrations­ prozeß in der Regel nur schrittweise getroffen werden können. Darüber hinaus spricht für ein langsames Vorgehen im Integrations­ prozeß die Möglichkeit, aus bereits durchgeführten Aktionen zu lernen, das akquirierte Unternehmen und seine Mitarbeiter besser kennenzulernen, um so die Wahrscheinlichkeit von Widerständen der Mitarbeiter gegen geplante Veränderungen zu reduzieren.41 Position 2: Schnelle Integration. Andere Autoren43 betonen, daß ein schrittweiser und damit häufig mehrjähriger Integrationsprozeß ein Indiz für Konzeptlosigkeit ist. Sie geben einer „schnellen“43 umfassenden Vorgehensweise bei der Eingliederung den Vorzug. Die Notwendigkeit einer schnellen Integration wird ferner damit begründet, daß klare Führungsver­ hältnisse sofort geschaffen werden, Opportunitätskosten bei der Aus­ nutzung von Wertsteigerungspotentialen niedrig gehalten werden und Mitarbeiter nur eine kurze Zeitspanne der Unsicherheit ertragen müssen. Insgesamt wird damit die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Fehlentscheidungen bei einer schnellen Integration geringer ein­ gestuft, als die Konsequenzen einer verzögerten Integration.

41.

Die Zeitspanne einer langsamen Integration kann unter Umständen mehrere Jahre in

43

Anspruch nehmen. Experten nennen in der empirischen Untersuchung von Scheiter (1989, S. 134) einen Zeitraum von maximal 18 Monaten. In der Untersuchung von Ansoff / Brandenburg / Portner / Radosevich (1971, S. 38 f.) dauerte die Integration in 75% der Fälle weniger als 2 Jahre. Caytas / Mahari (1988, S. 308) sehen als „Sollvorgabe“ eine Integra-tionsdauer von 5 Jahren. Vgl. Möller 1983, S. 267. Zu ähnlichen Schlußfolgerungen kommen auch Bressmer / Moser / Sertl 1989, S. 203; Freund 1991, S. 494; Gerpott 1993, S. 455; Haspeslagh / Jemison 1992, S. 187; Humpert 1985, S. 41; Mitchell 1989, S. 44; Scheiter 1989, S. 310; Shrivastava 1986, S. 73. Für Steinöcker (1993, S. 122) ist ein langsamer Integra­ tionsverlauf sogar der Hauptgrund, warum 80% der Untemehmensakquisitionen scheitern. Der Autor ist sich der Schwierigkeit einer eindeutigen Zeitbestimmung einer schnellen

Integration bewußt. Pragmatisch wird in der vorliegenden Arbeit unterstellt, daß eine schnelle Reorganisation dann vorliegt, wenn sie innerhalb eines Jahres - nach Bekannt­ gabe der Untemehmensakquisition - abgeschlossen ist.

124

Die Wahl der Vorgehensweise, d.h. einer mehr schrittweisen oder schnellen Integration, bestimmt die Dauer des Integrationsprozesses. Eine Regel, welche Vorgehensweise im Einzelfall vorzuziehen ist, ist aufgrund der Individualität jeder Untemehmensakquisition weder möglich noch ratsam. Erfahrungen aus der Praxis verdeutlichen die grundsätzliche Notwendigkeit einer differenzierten, optimalen Vorge­ hensweise bei der Integration. "It is also important to decide which decisions need to be made during the integration process and which decisions should be delayed until the companies know each other better. Decisions that are risky (for example, changing banking systems) or are oflow priority should be delayed. In our experience, most efforts try to do too much, too soon." Pursene 1990, S. 104.

Die Frage nach dem Zeitpunkt der Integration ist in der Untersuchung von Gerpott44 analysiert worden. Mit der Untersuchung wurde der Versuch unternommen, optimale / richtige Zeitpunkte für bestimmte Entscheidungen und Maßnahmen der Integrationsgestaltung wesent­ licher Funktionsbereiche sowie damit verbundene Reihenfolge­ probleme zu erfassen. Im Rahmen einer Befragung sind die Experten aufgefordert worden, auf einer 6-Punkte-Skala45 für sechs Funktions­ bereiche und drei Teilfunktionen des Personalmanagement anzugeben, wann mit der Umsetzung von Integrationsmaßnahmen begonnen wurde. Wie aus der Abbildung 13 hervorgeht, wurde am schnellsten - d.h. innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Untemehmens­ akquisition - mit der Umsetzung von Integrationsmaßnahmen im Rechnungswesen / Controlling / Finanzwesen begonnen. Die besondere (zeitliche) Relevanz und Vorrangstellung des Finanzbe­ reiches ist auch schon in früheren Untersuchungen hervorgehoben

44 4^

Vgl. Gerpott 1993, S. 384-388. Die Definition der 6-Punkte-Skala befindet sich in Abbildung 13 unter der Fußnote a)

125 worden.46 Ein Grund liegt sicherlich darin, daß sich das finanzwirt­ schaftliche Know-how zwischen Unternehmen meist nur wenig unter­ scheidet. Zum anderen spricht für die frühe Integration des Finanzbe­ reiches, daß das akquirierende Unternehmen damit das wesentliche Informations- und Kontrollinstrument besitzt, um nachfolgende Ressourcentransfers zielgerichtet zu steuern.

Ebenfalls noch relativ schnell wird der Studie entsprechend mit der Integration im Vertrieb, im Produktionsbereich und im Einkauf begonnen. Eine deutlich geringere Integrationsgeschwindigkeit weisen dagegen die unterstützenden Wertschöpfungsaktivitäten der F&E und des Personalbereiches auf. Das Ergebnis verwundert nicht, sind doch Forschungsaufgaben und deren Koordination häufig von strategischer Bedeutung für das verbundene Unternehmen und damit kurzfristig nur begrenzt veränderbar. Auch der Personalbereich verfügt über eine besondere Relevanz für die Motivation der Mitarbeiter und damit für das Gelingen der Integration insgesamt. Insofern erscheint eine gewisse Zeit notwendig, zusätzliche Informationen zu erheben bzw. vertiefende Analysen durchzuführen, bevor auch in diesen Funktionsbereichen mit der Integration begonnen wird.47

46 47

Vgl. Möller 1983, S. 268-270; Scheiter 1989, S. 311 f. Im Hinblick auf die im folgenden zu behandelnde personelle Integration geht aus den

Untersuchungsergebnissen hervor, daß - im Gegensatz zu den sonstigen Mitarbeitern ein Führungskräfteaustausch in über 85% der Fälle spätestens 5 Monate nach der Unter­ nehmensakquisition vorgenommen wurde. In dieser Zeit wurde auch in 26% der Fälle mit Personalabbaumaßnahmen begonnen.

126

Abbildung 13 Zeitpunkte des Umsetzungsbeginns von Integrationsmaßnahmen

Zeitpunkte des Beginns von IntegraÜonsriisdlnahmen im Bereich...

• Prozentuale Antwortverteilung ®

M

SN

t. Produküon/DicnstleLstungserstclIung

3.71 1.42 91

2. Vertrieb

4.16

3. Forschung & Entwicklung

264 171 70

4. Rechnungs wescn/Control iing/Hnanzwesen

465

5. Persona! wesen

2.44 |,35 89 316

6. Einkauf

7. Führungskräftcaustausch und -einsatz

™j|£i6^

.84 92

48 92

77 90

3.73 1.43 90

8. Versetzung von Nicht-Führungskräften

1.27 1.44 90

9. Personalabbau

119 i,si 88

a) Für jeden Bereich gaben die Experten an. wie schnell nach der offiziellen Bekanntgabe der betrachtetet Akquisition mit der Umsetzung

von Integrationsmaflnahmen begonnen wurde: hierzu wurden jeweils folgende sechs abgeatufle AntworunBglichkeiten vorgegeben, die

in Relation mm Datum der offiziellen Bekanntgabe der analysierten Akquisition definiert wurden: "bis heute Oberhaupt nicht* (codiert als 0). "linger ab 1 Jahr" (■ 1). "6 -12 Monate" (- 2). "3 • 5 Monate* (■ 3). *1- 2 Monate* (■ 4) und "weniger als 1 Monat* (■ 5). Zur Erhöhung der Übersichtlichkeit der Darstellung werden für die Bereiche Nr. 3. 5. 7. 8 imd 9 Antworten, die in die Kategorien 'linger ab I Jair* und "6 -12 Monate* (■ Skalenstufen 1 und 2) fallen, in der Balkengrafik msanvnengefaßt. Bei den übrigen vier Bereichen trat

die Antwoctkategorie "Unger ab 1 Jahr" nicht auf. fZJ « bis heute Oberfiaupt nicht (■ 0): CS - 3 - 5 Monate (-3);

La_4

* Unger als I Jahr (■ I) oder 6-12 Monate (■ 2): M = I - 2 Monate (« 4);

« weniger ab I Monat (■ 5).

Quelle: Gerpott 1993, S. 385.

127

4. Teilkonzept Personal Das Integrationskonzept Personal umfaßt alle Aussagen zur personal­ orientierten Führung des Integrationsprozesses. Kernstück der personalorientierten Führung ist die Gestaltung der sogenannten Interaktion^, d.h. der zielgerichteten, wechselseitigen interpersonalen Beziehung der Mitarbeiter im Integrationsprozeß. Mit der Gestaltung des zwischenmenschlichen Interaktionsprozesses soll bei den Mitar­ beitern ein Verhalten ausgelöst werden, das dem Integrationsprozeß förderlich ist.2 4.1 Grundlagen des individuellen Verhaltens im Integrations­ prozeß Da Mitarbeiter durch ihr Verhalten die Erwartungen an die Integration nicht nur unterstützen und fördern, sondern auch zum Scheitern fuhren können, ist es hilfreich, in einem ersten Schritt ein konzeptionelles Grundgerüst menschlicher Verhaltensweisen aufzuzeigen und auf den Integrationsprozeß zu übertragen. Im zweiten Schritt werden darauf aufbauend einzelne Führungsinstrumente zur Verhaltensbeeinflussung diskutiert. 4.1.1 Verhaltensdeterminanten

Das Grundmodell menschlicher Verhaltensweisen ist durch eine Reihe sich wechselseitig beeinflussender Faktoren gekennzeichnet.

Vgl. Haspeslagh / Jemison 1992, S. 143; Watzka 1992, S. 90. Zum Begriff der Inter­ aktion siehe z.B. Staehle 1991, S. 283. Eine Verhaltensbeeinflussung der Mitarbeiter über die Funktion der Führung ist jedoch nur eine Möglichkeit, auf das Verhalten der Mitarbeiter Einfluß zu nehmen. Als weitere Formen der Verhaltensbeeinflussung gelten Kommunikation, Konflikte und Macht, deren Ausgestaltung bzw. Handhabung im Rahmen der Führung des Integrationspro­ zesses wahrgenommen werden müssen. Insofern bietet sich eine Beschränkung auf die Führungsdimension im Rahmen dieser Arbeit an.

128

Hierzu zählen:3 • Reize (sog. Stimuli), z.B. im Sinne von Informationen oder spezifischen Situationen (Akquisition), die auf das Individuum einwirken und kognitive Prozesse auslösen.

• Kognitive Prozesse (Wahmehmen, Interpretieren, Selektieren, Bewerten und Entscheiden), die der Verarbeitung des Stimulus dienen und zu einer Verhaltensreaktion des Individuums fuhren. • Psychosystem, als die Summe von Faktoren (Bedürfnisse, Einstellungen, Kenntnisse und Fähigkeiten), die die Persönlichkeit des Indiviuums bestimmen.4 Der aktive Teil des Psychosystems steuert die kognitiven Prozesse über die vom Individuum angestrebten Ziele und die subjektive Beurteilung der Wirklichkeit.

• Unternehmensexterne und -interne Bestimmungsfaktoren, die über das Psychosystem auf das individuelle Verhalten einwirken.

Den Zusammenhang der Einflußdeterminanten des individuellen Ver­ haltens zeigt Abbildung 14. Das Verhaltensmodell ist über drei Rück­ kopplungen (Feedbackschlaufen) in sich geschlossen.5 Bei der ersten Rückkopplung (Feedback I) wirkt das Verhalten direkt auf die Reiz­ situation zurück, was einen neuen Stimulus auslösen kann.

4

Zur Darstellung individueller Verhaltensweisen siehe Hill / Fehlbaum / Ulrich 1989, S. 57-61 und die dort angegebene weiterführende Literatur. Auch zwischen den Elementen des Psychosystems bestehen enge Zusammenhänge. So

5

beeinflussen z.B. Kenntnisse und Fähigkeiten die Einstellungen, die wiederum auf die Befriedigung der Bedürfnisse Einfluß ausüben; Vgl. Hill / Fehlbaum / Ulrich 1989, S. 59. Vgl. Hill / Fehlbaum / Ulrich 1989, S. 61.

J

129

Abbildung 14 Grundmodell individuellen Verhaltens

Quelle: Hill / Fehlbaum / Ulrich 1989, S. 58.

130

Die zweite Rückkopplung (Feedback II) zeigt auf, daß Erfahrungen bzw. Lernprozesse des Verhaltens das Psychosystem beeinflussen und damit die zukünftigen Reaktionen auf Stimuli mitbestimmen. Durch die dritte Rückkopplung (Feedback III) wirkt das Verhalten auch auf die Veränderung systeminterner Bestimmungsfaktoren zurück. Die Rückkopplungen, die einzeln oder gleichzeitig wirksam werden können, verdeutlichen, daß das individuelle Verhalten zu jedem Zeit­ punkt auch von dem Verhalten früherer Perioden mitbestimmt wird. 4.1.2 Relevanz der Verhaltensdeterminanten für den Integrationsprozeß

Nachdem die wichtigsten Einflußdeterminanten des menschlichen Verhaltens bekannt sind, kann darauf aufbauend versucht werden, diese auf die spezifische Integrationssituation zu übertragen. Die An­ kündigung und Durchführung der Integration selbst kann als Stimulus verstanden werden, der bei den Mitarbeitern unterschiedliche kognitive Prozesse auslösen kann. Während einzelne Mitarbeiter der Integrationssituation abwartend und grundsätzlich positiv gegenüber stehen, reagieren andere eher ablehnend und negativ. Der Grund für eine bestimmte Einstellung bzw. Verhaltensweise ist im Psychosystem des Mitarbeiters verankert.

In der Literatur finden sich vereinzelt Beiträge, in denen auf das psy­ chologische Gefahrenpotential der Integration hingewiesen wird. So ist z.B. für Marks6 die Integrationssituation für den Mitarbeiter mit „Streßfaktoren“ im Sinne von Ungewißheit und Unsicherheit verbunden. Die Ungewißheit über die Konsequenzen der Integration löst Vermutungen, Befürchtungen, Ängste und Erinnerungen an ver­ gleichbare Situationen (z.B. umfangreiche Entlassungsprogramme) aus. Eine negative Grundeinstellung zur Integration kann ihre Ursache in der Unsicherheit des Mitarbeiters über die Erreichbarkeit

6

Vgl. Marks 1982, S. 41. Zu den Verhaltensspezifika auf der individuellen Mitarbeiter­ ebene siehe auch: Müller-Stewens 1992 a, S. 335 f; Wächter 1990, S. 128.

131 persönlicher Ziele (z.B. Aufstiegschancen) haben, die zu Über­ legungen über die eigene Verhaltensreaktion (z.B. Kündigung) fuhrt.

Für Krystek7 ist die Integrationssituation sogar mit einem „Schock“ bei Individualkrisen (z.B. Unfall, Krankheiten) vergleichbar. Nach dem ersten Schockerlebnis folgt der Versuch der Verdrängung bzw. der Wunsch, bisherige Ziele und Strukturen aufrechtzuerhalten. Diesem sog. defensiven Rückzug schließt sich die Entscheidungs­ situation an, entweder die neue Realität zu akzeptieren und sich mit ihr aktiv auseinanderzusetzen oder gedanklich mit der Situation vor Eintritt der Individualkrise verhaftet zu sein. Je nachdem, welches Verhalten der Mitarbeiter annimmt, ist ein konstruktiver oder destruktiver Verlauf der Individualkrise vorprogrammiert.

Eine bestimmte Verhaltensreaktion der Mitarbeiter im Integrations­ prozeß ist auch Ausdruck untemehmensintemer und -externer Be­ stimmungsfaktoren. So unterscheiden sich Mitarbeiter z.B. hinsichtlich ihrer sozialen Herkunft, Interessen und Fähigkeiten (externe Bestimmungsfaktoren), sowie ihrer hierarchischen Stellung und ihres Status (interne Bestimmungsfaktoren) im Unternehmen. Diesen Unterschieden sollten die Führungskräfte im Integrations­ prozeß Rechnung tragen, um eine effektive Mitarbeiterfiihrung zu ge­ währleisten.8 Um eine effektive Mitarbeiterfiihrung im Sinne einer sozial-emotional verträglichen Integration zu gewährleisten, wurden von einzelnen Autoren9 bereits relativ frühzeitig Verhaltensempfehlungen und Maß­ nahmen - insbesondere für die Führungskräfte des Käuferunter­ nehmens - aufgezeigt. Empfohlen werden zumeist Kommunikations­ maßnahmen (z.B. Führungskräftetreffen) zum Aufbau eines Vertrauensverhältnisses, die Einrichtung eines Projektteams der Inte­

7

Vgl. Krystek 1992, S. 552-554. Siehe hierzu auch Foote / Suttie 1991, S. 120;

$ $

Shrivastava 1986, S. 74. Vgl. Becker / Erlemann 1992, S. 35 f. Vgl. Leighton / Tod 1969, S. 95 f; Mace / Montgomery 1962, S. 235-241; Shirley 1977,

S. 35-39.

132

gration mit beiderseitiger Managementbeteiligung zur frühzeitigen Konfliktlösung, aber auch Maßnahmen, um als notwendig angesehene Entlassungsprogramme sozialverträglich durchzusetzen (z.B. durch Ausnutzung der natürlichen Fluktuation, vorzeitige Pensionierung).

Der Erfolg dieser auf das Verhalten und damit auf die Motivation der Mitarbeiter einwirkenden Maßnahmen ist nicht eindeutig. Das Ergebnis ist häufig nur ein kurzfristig handlungskonformes Verhalten. So wird z.B. eine einmalige Informationsveranstaltung kaum lang­ fristig das Verhalten der Mitarbeiter positiv beeinflussen können. Um auf das Verhalten der Mitarbeiter im Integrationsprozeß nachhaltigen Einfluß zu nehmen, bieten sich im Rahmen der instrumenteilen Führung einzelne ausgewählte Hilfsmittel zur Verhaltensbeein­ flussung an, die - aus Sicht des Käuferuntemehmens - im nachfol­ genden Kapitel diskutiert werden. 4.2 Integration durch personalorientierte Ausgestaltung ausge­ wählter Führungsinstrumente

Unter Führungsinstrumenten sollen im Rahmen dieser Arbeit alle Maßnahmen und Verhaltensweisen verstanden werden, die Führungs­ kräfte einsetzen, um ein zielgerichtetes Verhalten der Mitarbeiter aus­ zulösen.10 Durch die Auswahl und den Einsatz einzelner Führungsin­ strumente wird versucht, die Bereitschaft der Mitarbeiter zur Unter­ stützung integrationsbedingter Veränderungen zu beeinflussen und die Akzeptanz und die Arbeitszufriedenheit zu erhöhen.

Angesprochen ist damit die Frage, welche Faktoren die Motivation der Mitarbeiter beeinflussen bzw. unterstützen. Obwohl es der Wissen­ schaft bisher nicht gelungen ist, eine allgemein anerkannte Motiva­ tionstheorie zu entwickeln, kann man in der Praxis davon ausgehen, daß Führungskräfte auf die Motivation der einzelnen Mitarbeiter nur

10

Führungsinstrumente lassen sich in Anlehnung an Steinle (1978, S. 153) auch als Vor­ gehensweisen charakterisieren, die das „wie“ im Prozeß von Willensbildung, durchsetzung und -Sicherung aufzeigen.

133

in begrenztem Umfang direkt Einfluß nehmen können.11 Sie können aber über die Erfassung der Bedürfnisstrukturen feststellen, welche Art von motivationalen Wirkungen bei den Mitarbeitern erwartet werden. Auf der Basis einer solchen Analyse ist es die Aufgabe der Führungskräfte, durch die Auswahl und die Ausgestaltung einzelner Führungsinstrumente der (individuellen) Motivationsentfaltung Spiel­ raum zu geben. Einen Beitrag hierzu leisten die Instrumente des Führungsstils, der Anreizsysteme, der Informationsgestaltung und der Personalent­ wicklung. Mit ihrer Hilfe soll bei den Mitarbeitern ein Verhalten aus­ gelöst werden, das dem Integrationsprozeß forderlich ist bzw. zur Reduzierung integrationsbedingter Widerstände fuhrt. Da man durch den Einsatz dieser Führungsinstrumente aber nicht davon ausgehen kann, daß sich alle verhaltens- bzw. motivationsbedingten Probleme im Integrationsprozeß lösen lassen, soll abschließend auf die Möglichkeiten zur interpersonellen Konflikthandhabung eingegangen werden.

4.2.1 Führungsstil Der Bedeutung unterschiedlicher Führungsstile im Integrationsprozeß wird in der Literatur, wenn auch bisher nur fragmentiert, so doch in zunehmendem Maße Beachtung geschenkt.12 Einzelne Autoren13 sehen in unterschiedlichen Führungsstilen der am Integrationsprozeß Beteiligten die Ursache für eine Vielzahl personeller Probleme in der Integrationsphase, bis hin zu einer Hauptquelle des Scheiterns zahlreicher Untemehmensakquisitionen.

11

Vgl. hierzu Böckmann 1988, S. 119; Herzberg 1988, S. 43-45; Scheiter 1989, S. 93;

12

Sprenger 1989, S. 93. In diesem Sinne definiert z.B. Wunderer (1992, S. 111) Motiva­ tion vor allem als eine „Selbstfiihrungsaufgabe im Kontext attraktiver Optionen der Arbeitswelt“. Vgl. Datta 1991, S. 281-297; Ganser 1988, S. 121-145; Marks 1982, S. 40 f.; Morse /

13

Feldman / Martin 1987, S. 315 f.; Shirley 1977, p. 37; Watzka 1992, S. 90-94. Vgl. Z.B. Davis 1968, S. 86 f; Möller 1983, S. 111.

134 Das Forschungsinteresse der Autoren richtet sich in erster Linie auf den Nachweis der Erfolgswirksamkeit unterschiedlicher Führungsstile in Abhängigkeit des Integrationsgrades14 und fuhrt in der Regel zu der Empfehlung, bereits in der Analysephase auf eine weitgehende Verträglichkeit der Führungsstile zu achten, um die Wahrscheinlich­ keit des Auftretens von Integrationsproblemen zu reduzieren.15 In dieser Arbeit steht der Führungsstil als verhaltensbeeinflussendes Instrument des Top-Management zur personalorientierten Integration im Vordergrund der Betrachtung.

Unter dem Führungsstil als längerfristig stabilem, weitgehend situationsunabhängigem Verhaltensmuster wird im allgemeinen die Art und Weise verstanden, wie eine Führungskraft ihre Beziehung zu den Mitarbeitern gestaltet und damit auf ihr Verhalten und ihre Motivation Einfluß nimmt.16 Die Bedeutung dieses in der Regel lang­ fristig stabilen Verhaltensmusters einer Führungskraft für den Integra­ tionsprozeß wird deutlich, wenn im Anschluß an eine Akquisition Untemehmensteile zusammengelegt werden oder einzelne Führungs­ kräfte ausgetauscht werden. In beiden Fällen werden Mitarbeiter der betroffenen Abteilungen in der Regel mit unterschiedlichen Führungsstilen konfrontiert.

Welcher Führungsstil sich im Integrationsprozeß letztlich durchsetzt, erscheint eindeutig. So geht man in der Literatur davon aus, daß in der Regel der Führungsstil des akquirierenden Unternehmens dominiert, weil das Management des akquirierenden Unternehmens zumeist davon überzeugt ist, durch Übertragung des eigenen Führungsstils die 14

Vgl. die Untersuchungsergebnisse von: Datta (1991, S. 290), Scheiter (1989, S. 303 f)

15 16

und Möller (1983, S. 117). Während eine Beziehung zwischen unterschiedlichen Füh­ rungsstilen und auftretenden Integrationsschwierigkeiten weitgehend bestätigt wurde, konnte der Nachweis einer Beziehung zwischen Führungsstil und ökonomischen bzw. organisatorischen Erfolg bisher nicht empirisch nachgewiesen werden. Vgl. Callahan 1986, S. 47; Datta, 1991, S. 291; Davis 1968, S. 86; Marks 1982, S. 40 f. Ein spezieller Führungsstil kommt z.B. darin zum Ausdruck, wie Führungskräfte EntScheidungen treffen oder delegieren, Kontrollftinktionen und Kommunikationsaufgaben wahmehmen, einzelnen Untemehmensbereichen (z.B. F&E vs. Marketing) oder dem Risiko gegenüber eingestellt sind. Vgl.: Datta 1991, S. 283; Davis 1968, S. 86 f.

135 Effektivität des Akquisitionsobjektes steigern zu können.17 Ein weiteres Indiz für das häufig einseitige Führungskonzept läßt sich auch an der Flukturationsrate des akquirierten Top-Management er­ kennen. Untersuchungen zufolge, verlassen im Durchschnitt rd. 27% der Top-Führungskräfte im ersten Jahr und bis zu 60% innerhalb von 5 Jahren das akquirierte Unternehmen.18 Zu diesem Verlust an Führungs-Know-how dürften meist auch unterschiedliche Ansichten über die Art und Weise der Führung beigetragen haben.

Da ein Führungsstil maßgeblich von der Persönlichkeit einer Führungskraft abhängt,19 sind in der Praxis eine Vielzahl von Führungsstilen vertreten, die man typologisch als patriarchalisch, charismatisch, autokratisch, bürokratisch oder kooperativ bezeichnen kann.20 Unter Integrationsgesichtspunkten bietet sich eine Beschränkung auf den kooperativen Führungsstil an, da von diesem die meisten positiven Integrationseffekte im Sinne einer mitarbeiter­ orientierten Verhaltensbeeinflussung erwartet werden können.

Unter dem kooperativen Führungsstil versteht man ein Führungsver­ halten, das den Mitarbeitern eine Mitwirkung (Partizipation) an der Willensbildung des Unternehmens einräumt.21 Die Mitwirkung kann sich in unterschiedlichem Umfang sowohl auf sachliche wie auch auf personelle Entscheidungen erstrecken. Im Rahmen der Integrations­ diskussion wird die Partizipation der Mitarbeiter, insbesondere der

17 1R

Vgl. Datta 1991,S. 291;Morse/Feldman/Martin 1987, S. 315.

20

Vgl. hierzu die Untersuchungsergebnisse z.B. von: Gerpott 1993 a, S. 1279 f; Hunt / Less / Grumbar / Vivian 1987, S. 50; Marks 1982, S. 40. Für Callahan (1986, S. 48 f.) hängt der Erfolg der Zusammenarbeit des Top-Manage­ ment von drei Faktoren ab, die weitgehend kompatibel sein sollten: (1) von den Werten (Values), deren Übereinstimmung als am wichtigsten angesehen wird, (2) von der Per­ sönlichkeit (Personality Type), die im Integrationsprozeß sowohl forderlich als auch hinderlich sein kann, und (3) der zukünftigen Aufgabenbeschreibung (Future Role De­ finition) des akquirierten Management. Vgl. zu den unterschiedlichen Erscheinungsformen des Führungsstils: Staehle 1991, S.

21

309-311; Staehle / Sydow 1987, Sp. 662-665. Vgl. Kleinbeck / Quast 1992, Sp. 1425; Staehle / Sydow 1987, Sp. 669 f; Wunderer

19

1992, S. 104.

136

Führungskräfte des akquirierten Unternehmens, im allgemeinen be­ fürwortet,22 weil durch das Einholen von unterschiedlichen Meinungen und Erfahrungen sich nicht nur die Gefahr von Fehlent­ scheidungen reduzieren läßt, sondern gleichzeitig auch die Akzeptanz der Mitarbeiter durch die Beteiligung am Entscheidungsprozeß gefordert werden kann. Die Partizipation (z.B. im Integrationsteam) wird dabei als um so bedeutsamer angesehen, je weniger Erfahrung das akquirierende Management mit den Personal-, Produkt- und Marktbereichen des Akquisitionsobjektes hat.23

Die Vorteile für den einzelnen Mitarbeiter liegen in der Möglichkeit, Vorschläge z.B. zur Gestaltung ihrer Arbeitsbedingungen einbringen zu können und Bedürfnisse zu artikulieren. Wird die Mitwirkungs­ möglichkeit unterstützt durch Informations- oder Weiterbildungsmaß­ nahmen, lassen sich Ängste und Befürchtungen der Mitarbeiter zu den beabsichtigten Integrationsmaßnahmen reduzieren, oppositionelle Verhaltensweisen abbauen und eine positive Grundeinstellung zu der Untemehmensakquisition aufbauen. Insgesamt verspricht man sich von dem kooperativen Führungsstil nicht nur einen Beitrag zur Leistungssteigerung, sondern auch zur Zufriedenheit der Mitarbeiter. Bei der Beurteilung der Vorteilhaftigkeit des kooperativen Führungs­ stils müssen jedoch auch grundsätzlich die damit verbundenen Auf­ wendungen, insbesondere die zunehmende Informations- und Ent­ scheidungszeit, berücksichtigt werden. Möller sieht diesen Nachteil insbesondere dann als gegeben an, wenn „sich die partizipative Ent­ scheidungsstruktur ... als System von Vetopositionen erweist" 24, in deren Folge es zu unbefriedigenden Kompromissen kommt. In seiner empirischen Untersuchung kommt Möller zu dem Schluß, daß durch Partizipation zwar krasse Mißerfolge der Integration seltener auftreten,

22

Vgl. Datta 1991, S. 284, Gerpott 1993, S. 150; Marks 1982, S. 39; Matuschka 1990, S.

23 24

Ill; Reineke 1989, S. 130 f; Staehle / Sydow 1987, Sp. 669. VgL Morse / Feldman / Martin 1987, S. 315 f. Möller 1983, S. 273.

137 aber eine erfolgreiche Integration letztlich unabhängig von einer mit­ arbeiterorientierten Partizipation zu sein scheint.25

Abschließend soll die Frage beantwortet werden, inwieweit ein vor­ herrschender Führungsstil selbst verändert werden kann. Da Führungsstile stark in der jeweiligen Untemehmenskultur verankert sind, erscheinen der Veränderung eines bestimmten Führungsver­ haltens zumindest kurzfristig Grenzen gesetzt. Zwar wird in der Praxis versucht, in Führungsgrundsätzen kooperatives Führungsverhalten „festzuschreiben“, aber ohne Unterstützung durch entsprechende Schulungsmaßnahmen sowie ein kulturbewußtes Führungsverhalten des Top-Management (siehe Kapitel III Abschnitt 5.2), wird sich ein entsprechendes Verhalten und Handeln der Führungskräfte kaum er­ reichen lassen. 4.2.2 Anreizsysteme

Ein weiteres geeignetes Hilfsmittel zur Beeinflussung des Verhaltens von Mitarbeitern im Integrationsprozeß liegt in der Ausgestaltung von Anreizsystemen. Der Begriff „Anreizsystem“ wird in der Literatur unterschiedlich verwendet.26 Unter einem Anreizsystem sollen in dieser Arbeit alle jenen Maßnahmen eingeordnet werden, die einzel­ nen Personen oder einer Gruppe von Personen zur Anerkennung ihrer individuellen bzw. kollektiven Leistungen gewährt werden.27

26 22

Vgl. Möller 1983, S. 276. Dies entspricht auch weitgehend den Erkenntnissen der Füh­ rungsstilforschung, die den kooperativen Führungsstil präferiert, ohne den Beweis der Vorteilhaftigkeit hinreichend bestätigen zu können. Einen Überblick über den Stand der Führungsstilforschung geben z.B. Neuberger 1990, S. 141-171; Staehle 1991, S. 309355; Staehle/Sydow 1987, Sp. 661-671. Vgl. hierzu im Überblick Kossbiei 1994, S. 77 f. Vgl. Bleicher 1985, S. 21 f. Anreizsysteme stellen in Anlehnung an Kossbiei (1993, S. 81) komplexe künstliche Systeme dar. Sie basieren auf zwei Teilmengen, nämlich auf einer Menge von Anreizen (Belohnungen und Bestrafungen) und auf einer Menge von Kriterien (z.B. Arbeitseinsatz), als Bemessungsgrundlage. Auf der Gesamtmenge von Anreizen und Kriterien wird durch Relationsvorschriften unter Einbeziehung der Zeit­ komponente eine Struktur definiert.

138 Der Begriff der Anreizsysteme soll im folgenden am Beispiel mate­ rieller Anreize dargestellt werden. Materielle Anreize setzen sich aus Anreizsubsystemen, wie dem Vergütungssystem (z.B. Geldprämien), dem Kapital- und Erfolgsbeteiligungssystem und dem betrieblichen Sozialleistungsystem zusammen.28 In diesem Sinne kommt den An­ reizsystemen im Rahmen des Integrationsprozesses eine zweifache Bedeutung zu:

Zum einen können durch die Ausgestaltung der Anreizsysteme Werte und Normen des erwerbenden Unternehmens vermittelt werden. So kann z.B. durch eine Prämie für eine geringe Ausschußquote bei der Produktion das Qualitätsbewußtsein erhöht werden. Geeignete Prämiensysteme für Verbesserungsvorschläge können auch eine inno­ vationsorientierte Untemehmenskultur begünstigen. In der Regel steht hierbei die Motivierung der Mitarbeiter im Mittelpunkt, sich für die Ziele des Unternehmens mit überdurchschnittlichem Engagement ein­ zusetzen und einen wirtschaftlichen Erfolgsbeitrag zu leisten.29 Andererseits können unterschiedliche Anreizsysteme zwischen den am Integrationsprozeß beteiligten Unternehmen selbst zum Gegen­ stand der Integration werden. Werden die Unternehmen beispielsweise als selbständige Unternehmen weitergeführt, dann treten Diskrepanzen zwischen den in der Regel unterschiedlichen Anreizsystemen weniger in Erscheinung als bei einer Teil- oder Vollintegration. Dies liegt daran, daß bei einer Teil- bzw. Vollintegration die Vergleichbarkeit zwischen den Anreizsystemen nicht nur erhöht wird, sondern auch das Interesse der Mitarbeiter an dem Vergleich steigt.

28 29

Vgl. Kossbiei 1994, S. 78. Vgl. Griesen 1994, S. 58-60. Zur Förderung und Unterstützung der Integration eines akquirierten Unternehmens erscheint es sinnvoll, Leistungsanreize des akquirierten Unternehmens an den Erfolgsbeitrag des Gesamtuntemehmens zu koppeln. Eine Betei­ ligung am Gewinn des Gesamtuntemehmens verdeutlicht die zentrale Grundorien­ tierung und verhindert, daß Maßnahmen durchgefuhrt werden, die zwar eine partikulare Erfolgssteigerung bewirken, aber den Gesamterfolg eventuell negativ beeinflussen. Voraussetzung ist eine weitgehende Zurechenbarkeit des einzelnen Erfolgsbeitrages zum Gesamterfolg. Vgl. Laux 1989, S. 201.

139

Bestehen beispielsweise bei dem akquirierenden Unternehmen höhere Leistungsanreize, ist zu erwarten, daß das Anspruchsniveau der Mit­ arbeiter des akquirierten Unternehmens zumindest in Bezug auf einzelne Elemente des Anreizsystems steigt. Unterschiedliche Anreiz­ systeme werden sich deshalb langfristig angleichen müssen, nicht nur um eventuell auftretende Unzufriedenheit zu verhindern, sondern ins­ besondere, um die gemeinsame Strategie- und Zielorientierung motivational zu verankern.30 Als Voraussetzung hierfür müssen die Anreize untereinander in die gleiche Richtung gehen, d.h. Konsistenz aufweisen.31

Eine Möglichkeit zur Gestaltung von Anreizsystemen im Integrati­ onsprozeß bietet der sog. „Cafeteria-Ansatz “32. Nach diesem Ansatz wird es einem Mitarbeiter freigestellt, sich ein „Menü“ an Anreizen monetärer und nicht-monetärer, fester und variabler Vergütungsarten zusammenzustellen. Durch die Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Optionen eines nominalen Zusatzgehaltes, Pensions­ zahlungen, Beiträgen zur Lebens- und Krankenversicherung oder ähnlichem, wird ein stärkeres Eingehen auf die persönliche Präferenzstruktur des Mitarbeiters möglich. Gleichzeitig wird dem Mitarbeiter eine Mitwirkung an einer wichtigen Entscheidung zur Er­ füllung seiner Arbeitsaufgabe eingeräumt, „die als Befriedigung höherrangiger Bedürfnisse ihre eigene Motivationswirkung entfaltet“33. Auch aus Sicht des akquirierenden Unternehmens erscheint ein flexibles Anreizsystem besonders geeignet, den im Integrationsprozeß auftretenden unterschiedlichen Aufgabenstellungen gerecht zu werden. So unterscheiden sich die Integrationsaufgaben nicht nur nach Art und Inhalt, sondern auch hinsichtlich des Zeithorizontes ihrer Verwirklichung. Eine starre, auf kurzfristige Erfolge ausgerichtete

30 31 32 33

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Leighton / Tod 1969, S. 97; Mace / Montgomery 1962, S. 274 f. Bleicher 1985, S. 24. Bleicher 1985, S. 23; Wunderer 1992, S. 100. Bleicher 1985, S. 23.

140

Pauschalregelung kann diesen unterschiedlichen Aufgabenstellungen nicht gerecht werden. Obwohl das Problem der Optimierung eines An­ reizsystems personalwirtschaftlich noch nicht abschließend gelöst zu sein scheint, gehen Unternehmen zunehmend dazu über, strategische Komponenten (z.B. Marktanteilsziele, Produktqualität) in einer Art Mix mit operativen Erfolgsfaktoren in die Anreizsysteme aufzunehmen.34 4.2.3 Informationsgestaltung Wie bereits in Abschnitt 4.1 erwähnt, wirken Informationen, definiert als „zweckorientiertes Wissen“^, auf die kognitiven Prozesse ein und beeinflussen das Verhalten der von der Akquisition betroffenen Mit­ arbeiter. Um das Verhalten, insbesondere der Mitarbeiter des akqui­ rierten Unternehmens, im Hinblick auf die Integration günstig zu be­ einflussen, werden bestimmte Informationsmaßnahmen eingesetzt.36

Für den einzelnen Mitarbeiter sind Informationen zur beabsichtigten Integration, insbesondere in der Zeit unmittelbar nach der Untemeh­ mensübemahme, bedeutsam. In dieser Zeit können Gerüchte, Befürch­ tungen und Ängste der Mitarbeiter über personelle Veränderungen und Fragen der Arbeitsplatzsicherheit durch Informationsmaßnahmen abgebaut werden. Gleichzeitig bietet sich z.B. für das akquirierende Management die Chance, durch Informationen Vertrauen aufzubauen, sowie die persönlichen und die ökonomischen Vorteile der Akquisi­ tion zu verdeutlichen.37

34 35 □r

Vgl. Bleicher 1985, S. 25 f; ähnlich Datta 1991, S. 284 f.; Hall 1987, S. 125; Steinmann /Schreyögg 1990, S. 199. Vgl. Staehle 1991, S. 539.

Unter Informationsmaßnahmen im Rahmen der Führungsinstrumente werden in dieser Arbeit einzelne Aktivitäten der Informationsvermittlung (im Gegensatz zu abgestimmten Maßnahmenbündel der Kommunikation) verstanden. Vgl. Rüßmann 1989; S. 308-311. Caytas / Mahari (1988, S. 311) weisen zurecht darauf hin, daß die Informationen, insbesondere über die Zukunftsaussichten, nicht übertrieben positiv dargestellt werden sollten, da sich unrealistische Projektionen verhängnisvoll auf die Motivation der Mitarbeiter auswirken können.

141

Im Hinblick auf die personalorientierte Integration der Mitarbeiter dienen Informationen hauptsächlich dem Zweck, die immateriellen Fähigkeiten des Personals zu erhalten (Wertsicherung) und eine Grundlage für den Wissenstransfer der Mitarbeiter (Wertsteigerung) zu schaffen.3^ Um diese Aufgaben zu erfüllen, stehen den Führungs­ kräften die folgenden Gestaltungsparameter zur Verfügung: • Informationssender, • Informationsmedien und • Informationsinhalte. Als Informationssender kommen in der Regel die Leitungsorgane der beteiligten Unternehmen in Betracht. Im Einzelfall können auch speziell für die Integration Verantwortliche, wie z.B. das Integrations­ team oder einzelne Führungskräfte des Erwerbers, an der Schnittstelle zwischen den Unternehmen zu Informationsmaßnahmen eingesetzt werden. Letztere haben nach Reineke39 mehrere Funktionen gleich­ zeitig wahrzunehmen:

• Berater bei Sachfragen der Integration, • Botschafter der Wertvorstellungen und Normen des akquirierenden Unternehmens, • Innovator für mögliche Verbesserungen in der Zusammenarbeit, • Koordinator bei der Realisierung angestrebter Wertsteigerungspotentiale.

38 39

Vgl. Gerpott 1993, S. 372; Haspeslagh / Jemison 1992, S. 144. Vgl. Reineke 1989, S. 181 f.

142 Welche Informationsmaßnahmen im Rahmen von Untemehmens­ akquisitionen in der Praxis angewendet werden, wurde in der Unter­ suchung von Gerpott40 festgestellt. Gerpott identifizierte insgesamt neun Informationsmaßnahmen, die in erster Linie durch die Nutzung eines bestimmten Informationsmediums und sekundär durch die Involvierung eines bestimmten Senders charakterisiert werden können. Die Einsatzhäufigkeit und gleichzeitige Effektivitätsbeurteilung der Informationsmaßnahmen ist in Abbildung 15 wiedergegeben.

Danach werden zur Vermittlung von Informationen an die Mitarbeiter des Akquisitionsobjektes am häufigsten größere Veranstaltungen (z.B. Betriebsversammlungen) eingesetzt, bei denen Topmanager des er­ worbenen Unternehmens (79,3% der Akquisitionen) bzw. des Erwerbers (bei 57,1% der Akquisitionen) als Informationssender auf­ treten. Den Großveranstaltungen folgen in der Häufigkeitsverteilung Kleingruppentreffen, in denen Informationen interaktiv vermittelt werden können. Kaum genutzt werden offensichtlich innovativere Informationsmedien, wie die Herausgabe eines „Akquisitions-NewsLetters“ oder die Einrichtung spezieller „Telefon-Hot-Lines“.

Die Effektivitätsbeurteilung der idealerweise kombiniert eingesetzten Informationsmaßnahmen zeigt, daß diejenigen Medien mit einer hohen Interaktivtät und Spezifität, im Sinne eines mitarbeiterspe­ zifischen Informationsbedarfs, als am effektivsten beurteilt werden. Daraus leitet sich die Empfehlung für die Akquisitionspraxis ab, ver­ stärkt die Medien „News-letter“, „Kleingruppentreffen“ und „TelefonHot-lines“ einzusetzen bzw. die Wirksamkeit der anderen Infor­ mationsmaßnahmen zu verbessern.41

40 41

Vgl. Gerpott 1993, S. 372-379. Vgl. Gerpott 1993, S. 375; Müller-Stewens 1992 a, S. 339 f.

143 Abbildung 15 Einsatz von Informationsmaßnahmen bei Mitarbeitern des akquirierten Unternehmens

Infonnationsmaßnahme

Prozentanteil der Akquisitionen, bei denen die jeweilige Maßnahme eingesetzt wurde0

1. Spezielle Mitteilungsblätter (’'Newsletter") exklusiv mit Akquisilionsinformationen

21.7%

2. ArtikeUMeldungen zur Ak­ quisition im Rahmen ohne­ hin erscheinender Ausgaben der Betriebszeitung

% 4' 50.0%

3. Größere Veranstaltungen zur Information der Mitarbeiter des gekauften Unternehmens durch das... a) Top Management des ak­ quirierten Unternehmens b) Top Management des Er­ werbers

4. Kleingruppen-oder persönli­ che Treffen von Mitarbeitern des gekauften Unternehmens mildem... a) Top Management des ak­ quirierten Unternehmens b) Top Management des Er­ werbers

5. Spezielle telefonische "Hot Line" zur sofortigen Beant­ wortung von Mitarbeiler­ fragen zur Akquisition 6. Ausgabe von Firmenbroschüren jeweils im anderen Unter­ nehmen

7. Verbreitung von Informatio­ nen über informale Kanäle

57.1%

'/'z

''

''

50.0%

12.1%

18.5%

WM.

43.5%

23.6%

Beurteilung der er­ reichten Effektivität1

M

S Median N

4.61

.50

5.00

18

3.11

.65

3.00

45

79.3% 3.56

.67

4.00

73

3.94

.64

4.00

52

4.59

.72

5.00

46

4.46

.69

5.00

11

4.59

.51

5.00

17

2.48

.72

2.50

40

2.38

.74

2.00

21

Mil Ainnahnr der Maßnahmen Nr. 3b, 4b und 7 gilt: 100% = 92 AkquiaitiansnUle. Für die Maßnahmen Nr. 3b und 4b gilt 100% = 91

AkquiMÜamfllle. Für Maßnahme Nr. 7 gilt 100% = 89 AkquüilkxufUlc. b) Wenn eine Maßnahme bä da betnchlclen Akquirition ängeaelzt wwde. dam wurden die Experten gebeten, deren erreichte Effeklivi*

lit bei der Vennialtng von tnfonnaliaacn an die Milarbäler dea Zieluntemchtnena eäuiMtufen. Zur Effekiivitltabeurtälung «landen folgende fünf SfcaJcrutufca zur Vcrftgiag: "aehr gering* (= 1), "gering" (= 2). "miner (=3). "hoch* (=4) und "lehr hoch" (= 5).

Quelle: Gerpott 1993, S. 373.

144 Ergänzend zur Analyse der Informationssender und -medien sind auch die Themen bzw. Informationsinhalte von Interesse, die im Rahmen von Informationsveranstaltungen an die Mitarbeiter weitergegeben werden. Die Informationsinhalte können sich z.B. auf die wirtschaft­ liche Ausgangslage der beteiligten Unternehmen, auf beabsichtigte Integrationsmaßnahmen oder auf die technischen und sozialen Konse­ quenzen der Integration beziehen.42

Je schlechter die wirtschaftliche Ausgangslage des übernommenen Unternehmens zum Akquisitionszeitpunkt ist, desto bedeutsamer wird insbesondere die soziale Komponente für die Mitarbeiter. Soziale Informationsinhalte bei Untemehmensakquisitionen lassen sich im wesentlichen auf zwei Themenbereiche eingrenzen: 1. personelle Veränderungen und Fragen der Arbeitsplatzsicherheit und 2. Entgelt- und Sozialleistungsfragen. Wie Gerpott43 im Rahmen seiner Befragung feststellte, werden Informationen zu Fragen der Arbeitsplatzsicherheit im Durchschnitt intensiver an die Mitarbeiter des übernommenen Unternehmens her­ angetragen als Informationen über Entgelt- und Sozialleistungsfragen. Dieses Ergebnis überrascht nicht, weil Mitarbeiter gemäß (deutschem) Betriebsverfassungsgesetz über personelle Veränderungen und Fragen der Arbeitsplatzsicherheit nach Untemehmensakquisitionen umfassend zu informieren sind. Gleichzeitig sind Entgelt- und Sozial­ leistungsfragen in der Regel in Tarifverträgen geregelt.

42 43

Vgl. Grüter 1991, S. 205-207. Vgl. Gerpott 1993, S. 378.

145

4.2.4 Personalentwicklung

Die Bereitschaft der Mitarbeiter zur Unterstützung und Förderung der Integration läßt sich nicht nur durch einen kooperativen Führungsstil, durch Veränderungen der Anreizsysteme oder durch geeignete Informationsmaßnahmen verbessern. Vielmehr erscheinen auch flankierende Personalentwicklungsmaßnahmen für einen weitgehend störungsfreien Ablauf der Integration notwendig. Unter der Personalentwicklung versteht man alle geplanten Maß­ nahmen zur Vermittlung von Qualifikationen, d.h. sowohl theore­ tischer als auch praktischer Fachkenntnisse, Denkmuster und Verhaltensweisen.44 Bezogen auf den speziellen Fall der Integration von Mitarbeitern, insbesondere der des übernommenen Unternehmens, kann den beiden folgenden Instrumenten der Personal­ entwicklung eine besondere Bedeutung zugeordnet werden:

• Weiterbildung • Karriereplanung Die betriebliche Weiterbildung ist eine direkte Art der Qualifikation der Mitarbeiter. Sie umfaßt eine Reihe von Maßnahmen zur Vermittlung von Sachwissen, Verbesserung von Fähigkeiten sowie der Bildung neuer Einstellungen 45 Zur Verwirklichung dieser Ziel­ setzungen bieten sich z.B. Kurse und Seminare, Traineeprogramme, Projektarbeit, sowie ein planmäßiger Arbeitsplatzwechsel (Job Rotation) im In- und Ausland an.46

44 45 4$

Vgl. Freimuth 1992, S. 222; Reineke 1989, S. 198; Staehle 1991, S. 804. Vgl. Staehle 1991, S. 815 f. Obwohl bei einem Arbeitsplatzwechsel bzw. einer Entsendung ins Ausland die Wahrnehmung einer bestimmten Funktion im Vordergrund steht, kann die Job Rotation aufgrund der zu erzielenden persönlichen und fachlichen Lemeffekte - den Personal­ entwicklungsmaßnahmen zugeordnet werden.

146

Zur Förderung der Integration dient die Durchführung interorganisa­ torischer Weiterbildungsveranstaltungen. Neben der Möglichkeit, den Wissenstransfer zwischen den am Akquisitionsprozeß beteiligten Mit­ arbeitern zu fördern, lassen sich zwischenmenschliche Beziehungen auf einer fachlichen Ebene aufbauen, die im günstigsten Fall zu einer einheitlichen Verständigungsbasis führen. Zur Herstellung einer einheitlichen Verständigungsbasis nach einer Untemehmensakquisition bietet sich z.B. ein Training in „ interkultureller Kommunikation"^ an. Ziel dieser Ausbildungsmaß­ nahme ist es, den Teilnehmern die kulturelle Bedingtheit ihres Verhalten zu verdeutlichen und für kulturelle Unterschiede, sowohl auf der Ebene der Makro- wie der Mikrokultur, zu sensibilisieren. Das Training in interkultureller Kommunikation geht damit über ein reines Sprachtraining weit hinaus.

Ein weiteres Instrument, das der eventuellen Perspektivenlosigkeit des individuellen Werdegangs nach einer Untemehmensakquisition ent­ gegentritt, ist die Karriereplanung. Unter der Karriereplanung versteht man die gedankliche Vorwegnahme zukünftiger Beförderungen und Versetzungen, die dem Mitarbeiter erweiterte Handlungsspielräume einräumen und zur Selbstentfaltung und Personalentwicklung bei­ tragen.48 Hierzu sind die Ziele der Personalentwicklung mit den Zielen der Mitarbeiter in Übereinstimmung zu bringen. Während in der Vor-Akquisitionsphase eine grundsätzliche Beur­ teilung des aufzunehmenden Management die notwendige Voraus­ setzung jeder Akquisition sein sollte, ist in der Nach-Akquisitionsphase die Entwicklungsmöglichkeit bzw. das Führungspotential auch auf die Mitarbeiter nachfolgender hierarchischer Ebenen auszu­ dehnen. Unterstellt man, daß das Führungspotential der Muttergesell­ schaft weitgehend bekannt ist, so bieten Mitarbeiterbeurteilungs- und Weiterbildungsgespräche einen Anhaltspunkt zur Identifikation ge-

47 48

Vgl. Reineke 1989, S. 199 f. Vgl. Staehle 1991, S. 819.

147

eignetet Kandidaten Tochtergesellschaft.

der Personalentwicklung

der akquirierten

Aus Sicht des akquirierenden Unternehmens sollten in die Beurteilung der Karrierechancen eines Mitarbeiters nicht nur persönliche und fachliche Qualifikationen einfließen. Zusätzlich sollte auch auf die Kompatibilität der Denk- und Verhaltensmuster geachtet werden, um den kulturellen Anpassungsprozeß im Sinne der Muttergesellschaft günstig zu beeinflussen.49 Aus Sicht der Mitarbeiter ist wichtig, daß ein direkter Zusammenhang zwischen der Teilnahme an einer Personalentwicklungsmaßnahme und der tatsächlichen beruflichen Weiterentwicklung erkennbar ist. Dabei sollte die Karriereplanung sowohl eine Entwicklungsmöglichkeit von der Mutter- zu der Toch­ tergesellschaft als auch umgekehrt beinhalten.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß die angesprochenen Personalentwicklungsmaßnahmen den Integrationsprozeß positiv be­ einflussen können. Durch Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen ver­ bessern sich die Fähigkeiten zur Aufgabenbewältigung und (eventuell) das Verständnis für kulturbedingte Unterschiede. Gleichzeitig läßt sich auch die Unsicherheit der Mitarbeiter in der Nach-Akquisitionsphase in dem Maße reduzieren, wie Kenntnisse über das akquirierende Unternehmen erworben werden. Eine individuelle Karriereplanung erhöht die Motivation der Mitarbeiter und steigert die Flexibilität, z.B. bei einem Auslandseinsatz. Einschränkend muß jedoch vermerkt werden, daß die positiven Aus­ wirkungen der Personalentwicklung primär bei den von den Maß­ nahmen direkt betroffenen Mitarbeitern und weniger bei der über­ nommenen Tochtergesellschaft als Ganzes zu erwarten sind. Deshalb erscheint es wichtig darauf hinzuweisen, daß die genannten Maß­ nahmen den Integrationsprozeß nur dann funktional beeinflussen können, wenn sie Teil eines in sich schlüssigen Gesamtkonzeptes sind.

49

Vgl. Reineke 1989, S. 198 f; Steinmann / Schreyögg 1990, S. 199.

148

4.2.5 Konfliktbewältigung Die bisher dargestellten Führungsinstrumente sind in erster Linie auf die Unterstützung des Integrationsprozesses bzw. die Reduzierung integrationsbedingter Widerstände ausgerichtet. In der Praxis kann man jedoch nicht davon ausgehen, daß sich alle integrationsbedingten Probleme, z.B. bei der Anpassung unterschiedlicher Planungs-, Berichts- oder Anreizsysteme sowie Untemehmenskulturen, vermeiden lassen.

Da Konfliktsituationen gerade bei Untemehmensakquisitionen oftmals auftreten, was auch von der Art der Akquisition (freundlich oder feindlich) sowie der Umwelt- und Eigendynamik der Integration ab­ hängen kann, soll im folgenden kurz auf verschiedene Möglichkeiten der Konfliktbewältigung eingegangen werden. Konflikte werden allgemein als Spannungssituation beschrieben, „in der zwei oder mehrere Parteien, die voneinander abhängig sind, mit Nachdruck versuchen, scheinbar oder tatsächlich unvermeidbare Handlungspläne zu verwirklichen“50. Als wesentliche Ursache für Konflikte bei der Integration gilt die Dominanz einer Partei, hier meist des akquirierenden Unternehmens.51 Diese aus den Beteiligungsver­ hältnissen oder der relativen Untemehmensgröße abgeleitete Dominanz bedingt in der Regel eine einseitige Anpassung der Toch­ tergesellschaft an die Strategien, Ziele, Systeme, Strukturen und Kulturen der Muttergesellschaft.

Dadurch verursachte Konflikte werden häufig mit negativen Folgen im Sinne einer Störung des Betriebsablaufs, Streß und Unzufrieden­ heit beim Individuum, einer Abnahme an Rationalität und ein Aufbau an Emotionalität in Verbindung gebracht und tragen letztendlich zur

50

Wunderer / Walser 1986, S. 234. ,Zur Begriffsauffassung des Konfliktes in der Literatur

51

siehe auch Steinle 1993, Sp. 2201 f. Vgl. Reineke 1989, S. 56 f.

149 Instabilität des Unternehmens bei.52 Andererseits haben Konflikte durchaus auch positive Aspekte, wie z.B. den Abbau von Spannungen, die Diskussion bisher nicht hinterfragter Mythen und Traditionen oder die kreative Suche nach Handlungsaltemativen. Die positiven Konsequenzen von Konflikten zu fordern und die negativen Folgen weitgehend zu vermeiden, ist eine kaum zu realisierende Aufgabe des Konfliktmanagement. Im Rahmen des Integrationsprozesses geht es hauptsächlich um eine interorganisato­ rische Interessensberücksichtigung mit dem allgemeinen Ziel, dysfunktionale Wirkungen in der Zusammenarbeit - durch geeignete Formen der Konfliktbewältigung - zu minimieren.

In der Literatur haben sich folgende Formen der Konfliktbewältigung, im Sinne einer steuernden Einflußnahme auf „offensichtliches“ Konfliktverhalten, durchgesetzt:53 • Konfliktbewußtmachung, • Konfliktvermeidung, • Konfliktaustragung.

Durch Konfliktbewußtmachung lassen sich unkontrollierbare Spannungen meist schon im Vorfeld vermeiden. Hierzu sind durch geeignete Frühwamindikatoren (z.B. Einrichtung von Beschwerde­ systemen) Konfliktpotentiale zu lokalisieren und die Art und der Charakter der Konflikte zu bestimmen. Im Fall von Integrationspro­ zessen scheint die Konfliktbewußtmachung kein großes Problem zu sein. Man denke nur an die zahlreichen west-/ost-deutschen Unter­ nehmensakquisitionen und die damit verbundenen Probleme der An­ passung.

52

Vgl. Lorange / Kotlarchuk / Singh 1987; S. 11; Reineke 1989, S. 57 f; Staehle 1991, S.

53

366. Vgl. z.B. Krystek 1992, S. 554 f; Steinle 1993, Sp. 2212 f.

150 Wahrgenommene Konflikte können in der Folge defensiv oder offensiv bewältigt werden. Eine defensive Form der Konfliktbe­ wältigung ist die Konfliktvermeidung, im Sinne von Rückzug, Isolation, Indifferenz oder Ignoranz. Da solche Verhaltensweisen kaum der Integration dienlich sind, kommt der offensiven Konflikt­ austragung, z.B. durch Team-Konfrontations- und Problemlösungs­ sitzungen, stärkere Bedeutung zu. Bei der Konfliktaustragung wird ein Ausgleich der Interessen durch „Problemlösung“, „Teilen des Streitwertes“ oder durch „friedliche Koexistenz“ gesucht. Die „Problemlösung“ stellt den Idealfall der Konfliktbewältigung dar. Auf Basis einer kooperativen Gesprächs­ basis werden diejenigen Handlungsaltemativen in Erwägung gezogen, die den Bedürfnissen beider Verhandlungsparteien entsprechen. Bei dem Fall „Teilen des Streitwertes“ wird durch wechselseitige Zuge­ ständnisse ein Kompromiß der Interessen erzielt, während „friedliche Koexistenz“ auch die Gefahr des Überspielens eines Konfliktes bein­ haltet. Damit kann festgehalten werden, daß je nach Konfliktsituation unter­ schiedliche Konfliktbewältigungsformen angewendet werden können. Ist ein Interessensausgleich möglich, sollte der Konflikt durch eine multilaterale Interessensberücksichtigung gelöst werden. Diese steht im Gegensatz zu einer unilateralen Interessensdurchsetzung, bei der Konflikte durch einen Gewinn- und Verlustmachtkampf ausgetragen werden. Für die nachfolgenden Ausführungen ergibt sich daraus, daß Konfliktbewältigung ein situatives, kulturbewußtes Management vor­ aussetzt.

151

5. Teilkonzept Kultur Das Teilkonzept Kultur umfaßt Aussagen zur Gestaltung der soge­ nannten Akkulturation, d.h. der untemehmenskulturellen Beein­ flussung und Anpassung historisch unterschiedlich gewachsener Untemehmenskulturen im Integrationsprozeß.1 Auf Basis der Erkenntnisse konstruktiver und destruktiver Wirkungen der Unter­ nehmenskultur (vgl. Kapitel III Abschnitt 1.4) und der Teilkonzepte Strategie, Struktur und Personal wird in diesem Kapitel ein Bezugs­ rahmen entwickelt, der die Untemehmenskultur als einen weiteren, wichtigen Baustein der Untemehmensintegration berücksichtigt.2

5.1 Relevante Grundlagen der kulturellen Gestaltung bei Untemehmensakquisitionen

In den Ausführungen zur strategischen, strukturellen und personellen Integration wurde bereits ängesprochen, daß sich Organisations­ strukturen oder Managementsysteme (z.B. Planungs- und Berichts­ systeme) leichter integrieren lassen, wenn bei den Mitarbeitern ge­ meinsam getragene Werte, Normen und Grundeinstellungen existieren. Das Verhalten der Mitarbeiter sowie die sie umgebende Untemehmenskultur beeinflußt daher die Realisierung der strategischen, strukturellen und personellen Integration.

Der Begriff der „Integration“ wird im kulturellen Zusammenhang als eine (ideale) Form der Akkulturation verwendet (siehe Abschnitt 5.1.3). Ziel ist die Herstellung einer Gleichgewichtssituation zwischen weitgehender Kulturbewahrung des akquirierten Un­ ternehmens und allmählicher Anpassung an das akquirierende Unternehmen. Im folgen­ den soll jedoch auch dann von Integration gesprochen werden, wenn es darum geht, den kulturellen Anpassungsprozeß in seiner allgemeinen Form zu charakterisieren. Im Rahmen dieser Arbeit wird keine Unterscheidung zwischen Untemehmenskultur, Organisationskultur, Firmenkultur oder Corporate Culture ect. getroffen, weil inhaltlich keine wesentlichen Unterschiede festzustellen sind. Den Begriffen gemeinsam ist, daß in ihnen der jeweils spezifische und unverwechselbare Charakter eines Unternehmens hervorgehoben wird.

152 Daneben sehen sich immer mehr Unternehmen in Zuge der fort­ schreitenden Internationalisierung mit untemehmensrelevanten Kulturelementen anderer Kulturkreise konfrontiert. Werden im Zuge von nationalen oder internationalen Untemehmensakquisitionen stra­ tegische, strukturelle und personelle Veränderungen durchgefuhrt, tangieren diese in der Regel die jeweilige Untemehmenskultur. Die Untemehmenskulturen werden dabei um so stärker betroffen sein, je intensiver integriert wird, d.h. je mehr Abteilungen und Bereiche zusammengeführt werden. Die Integrationsmaßnahmen beeinflussen daher auch umgekehrt die Untemehmenskultur.

In diesem Sinn kann Untemehmenskultur verstanden werden als „das implizite Bewußtsein eines Unternehmens, das sich aus dem Verhalten der Organisationsmitglieder ergibt und das umgekehrt als kollektive Programmierung deren Verhalten steuert“3. Daraus wird deutlich, daß die Untemehmenskultur als eine den gesamten Akquisitions- und Integrationsprozeß begleitende und dynamische Verhaltensdeter­ minante angesehen werden muß. Als weitere Determinante bzw. Rahmenbedingung der Akkulturation gilt die in der Literatur weitgehend geteilte Auffassung einer nur begrenzten Möglichkeit der kulturellen Gestaltung.4 Die Gestaltung einer Untemehmenskultur, auch als Kulturmanagement bezeichnet, wird häufig in der Form mißverstanden, daß Akkulturation der generellen „Machbarkeit“ eines energischen Management unterliegen könnte.5 Die Kultur eines Unternehmens ist vielmehr stark in der Ver­ gangenheit eines Unternehmens verankert, was auf eine gewisse Resistenz gegenüber kurzfristig angestrebten Veränderungen schließen läßt. Zudem unterliegt jede Untemehmenskultur einer gewissen Eigendynamik und Selbstregulierungstendenz durch ihre 3 4

Scholz 1988, S. 81, ähnlich Heinen / Dill 1986, S. 217 f. Vgl. Bleicher 1984, S. 498 f; Buono / Bowditch / Lewis 1985, S. 497; Hoffmann 1989a,

5

S. 172; Kobi / Wüthrich 1986, S. 15; Krystek 1992, S. 560; Steinmann / Schreyögg 1990, S. 197. Vgl. Krystek 1992, S. 555; Scholz 1988, S. 81; Hoffmann 1989a, S. 172; Kobi / Wüthrich 1986, S. 162; Ulrich 1993, Sp. 4361.

153 Mitglieder und die Veränderlichkeit der Umweltbedingungen. Jede Untemehmenskultur - als abhängige und unabhängige Variable - ist damit nur partieller Einflußnahme durch das Management zugänglich und kann damit „weder verordnet noch abgeschafft werden“6.

5.1.1 Begriff und Merkmale der Unternehmenskultur

Die Diskussion in Literatur und Praxis über Begriffsinhalte und Wirkungen der Untemehmenskultur wird seit einigen Jahren kontrovers geführt.7 Maßgeblich beeinflußt wurde die Kulturdis­ kussion durch das von McKinsey entwickelte „7-S-Modell“8, das von einer zumindestens gleichberechtigten Berücksichtigung „harter“ und „weicher“ Faktoren am Untemehmenserfolg ausgeht. Nach vorherrschender Meinung der Literatur wird zwar der verhaltensbe­ stimmende Einfluß der Untemehmenskultur weitgehend bestätigt, der unterstellte positiv-soziale Einfluß auf die Wirksamkeit unter­ nehmerischer Entscheidungen aber teilweise recht skeptisch beurteilt.9 Aufgrund der Auffassungsunterschiede über Inhalte und Wirkungen

6 7

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Krystek 1992, S. 542. Vgl. hierzu insbesondere: Buono / Bowditch / Lewis 1985, S. 478 f; Ebers 1980, Sp. 1619 f; Heinen / Dill 1986, S. 202; Hoffmann 1989a, S. 172; Krüger 1989, S. 13-18; Meffert / Hafner 1988, S. 22; Neuberger / Kompa 1987, S. 17 f; Sandner 1987, S. 242244; Schuster / Widmer 1984, S. 489; Scholz 1987, S. 80. Das Modell faßt 7 „harte und weiche“ Faktoren zusammen, die für den Erfolg eines Unternehmens als maßgeblich angesehen werden. Dazu zählt (1) die Strategie, (2) die Struktur und (3) die Systeme, als „harte“ Erfolgsfaktoren und (4) Fälligkeiten, (5) Führungsstil und (6) Mitarbeiter als „weiche“ Erfolgsfaktoren. Beide Erfolgs­ dimensionen werden (7) von der Untemehmenskultur (shared values) beeinflußt und umgekehrt. Vgl. Peters / Waterman 1985, S. 30 f. Ein gewisses „Unbehagen“ über die Erfolgswirkung der Untemehmenskultur

artikulieren z.B.: Krüger 1989, S. 13-18; Sandner 1987, S. 242-244. Für andere trägt die Untemehmenskultur dann zum Erfolg eines Unternehmens bei, wenn sie den Anforde­ rungen des Unternehmens als Ganzes entspricht und gleichzeitig den Mitarbeitern er­ möglicht, ihre individuellen Bedürfnisse zu befriedigen; Vgl. hierzu: Buono / Bowditch / Lewis 1985, S. 479; Hoffmann 1989a, S. 168; Schuster / Widmer 1984, S. 489 f.

154

der Kultur ist es nicht verwunderlich, daß der Begriff der Untemeh­ menskultur in der Literatur unterschiedlich verwendet wird.10 Als Ausgangspunkt für die vorliegende Untersuchung bietet sich eine Definition in Anlehnung an die neuere Literatur an, wonach Unter­ nehmenskultur verstanden wird als:11

„ die Grundgesamtheit gemeinsam gelebter Wert- und Normenvorstellungen sowie geteilter Denk- und Verhaltens­ muster, die Entscheidungen, Handlungen und Unterlassun­ gen der Unternehmensmitglieder bestimmen. “ Krystek 1992, S. 541

Die Untemehmenskultur, als die Summe verschiedener Subkul­ turen12, kann damit als ein Phänomen gekennzeichnet werden, das sowohl durch interne Untemehmensmitglieder als auch durch externe Umweltbedingungen auf unverwechselbare Weise geprägt wird. Den Untemehmensmitgliedem werden bestimmte Verhaltensmuster, z.B. über das symbolhafte Verhalten von Vorbildern (z.B. dominanten Gründer- und Führungspersönlichkeiten) bewußt oder unbewußt vermittelt.13 Diese erworbene bzw. wahrgenommene gemeinsame „kulturelle Basis“ findet ihren Niederschlag in bestimmten Merk­ malen, d.h. Verhaltensweisen, Werten und Normen sowie grund­ legenden Annahmen.



Ein Überblick zu den verschiedenen Begriffsdefinitionen der Untemehmenskultur in der

11

Literatur findet sich bei: Ebers 1980, Sp. 1619 f; Hofstede 1980, Sp. 1168 f; Neuberger / Kompa 1987, S. 17 f; Schreyögg 1992, Sp. 1525 f. Vgl. auch Bleicher 1991, S. 732; Clever 1993, S. 115; Frank 1993, S. 153; Heinen / Dill

12

13

1986, S. 207; Hoffmann 1989a, S. 169; Kobi / Wüthrich 1986, S. 13; Rühli 1992, Sp. 1172; Staerkle 1985, S. 532; Steinmann / Schreyögg 1990, S. 197; Ulrich 1993, Sp. 4352. Jede Untemehmenskultur setzt sich aus einer Vielzahl von Subkulturen (z.B. F&E-, Marketing- Controlling-Kultur) zusammen, in denen sich die beruflichen, regionalen und nationalen Kulturen der Mitglieder und die soziale Umwelt des Unternehmens widerspiegeln. Vgl. Bleicher 1984, S. 495 f; Staerkle 1985, S. 534-537; Hofstede 1980, Sp. 1169; Nahavandi / Malekzadeh 1988, S. 80. Vgl. Hoffmann 1989a, S. 169.

155 Aufgabe bei der Integration ist es, diese Verhaltensweisen, Werte usw. transparent zu machen, um Maßnahmen der Konsolidierung ableiten zu können. Hierzu ist es hilfreich, die Merkmale der Untemehmens­ kultur strukturell drei Ebenen zuzuordnen:14 1. Auf der obersten, sichtbaren Ebene („Oberflächenstruktur“) können die von den Untemehmensmitgliedem entwickelten und gepflegten Verhaltensweisen beobachtet werden, die in sog. Artefakten, Handlungen und Symbolen zum Ausdruck kommen. Danach lassen z.B. die Architektur eines Ver­ waltungsgebäudes oder bestimmte Besprechungsrituale Rückschlüsse auf die Untemehmenskultur zu.

2. Auf der zweiten Ebene („Tiefenstruktur“) liegen die Werte und Normen^, in denen deutlicher als bei den Artefakten die Unterschiedlichkeit zwischen Untemehmenskulturen hervortreten kann. Sie zeigen sich z.B. darin, wie in einem Unternehmen kommuniziert, geplant, organisiert und kon­ trolliert wird. Diese meist latent vorhandenen Orientie­ rungsmuster können in sog. Führungsgrundsätze aufge­ nommen und ausformuliert werden.

14

Vgl. Bleicher 1991, S. 732 f; Schein 1984, S. 37-39; Scholz 1988, S. 81 f; Schreyögg

1992, Sp. 1526 f; Staerkle 1985, S. 532 f; Ulrich 1993, Sp. 4359; Wächter 1990, S. 122. Während in den Werthaltungen Präferenzen für bestimmte Ziele und Zustände zum Ausdruck kommen, beinhalten die Normen bestimmte Verhaltenserwartungen, z.B. in Bezug auf Kunden, Mitarbeiter, Kosten, Technologien usw. Beide zählen zu den wichtigen Merkmalen des nicht-wahrnehmbaren Kulturbereiches, die sich aber über Symbole, in Form von Sprache, wiederkehrenden Handlungen oder Gegenständen im wahrnehmbaren Kulturbereich abbilden lassen. Vgl. Bleicher 1991, S. 732; Heinen 1985, S. 987; Hoffmann 1989a, S. 169; Staerkle 1985, S. 532 f.

156

3. Die dritte und gewissermaßen unterste Ebene („Kulturkem“) bilden die grundlegenden Annahmen bzw. das Selbstver­ ständnis der Untemehmensmitglieder, über die Umwelt, ihre Handlungen und Beziehungen zu anderen Personen oder zur Arbeit. Diese Grundeinstellungen haben den größten Einfluß auf das Verhalten der Mitarbeiter, lassen sich aber nur schwer ermitteln, weil sie häufig im Unterbewußtsein liegen.16 Gestaltungsverändemde Maßnahmen können grundsätzlich auf den drei Ebenen - Oberflächenstruktur, Tiefenstruktur und Kulturkem ansetzen. Dabei ist von einer unterschiedlichen Wirkung auf die Untemehmenskultur auszugehen.17 So können beispielsweise Arte­ fakte als sichtbare Zeichen einer Untemehmenskultur (z.B. statusbe­ zogene Büroeinrichtung, aufwendige Verwaltungsbauten) leichter künstlich geschaffen werden als Werte. Dies fuhrt jedoch nicht zu einer Veränderung der Grundeinstellungen. Offiziell formulierte Werte (z.B. Untemehmensgrundsätze) müssen nicht mit tatsächlichen informalen Werten der Untemehmensmitglieder (z.B. dem Führungsstil) übereinstimmen. Kann andererseits die Grundein­ stellung der Mitarbeiter (z.B. in Bezug auf Kunden) verstärkt werden, hat diese häufig auch eine Veränderung der Tiefen- und Oberflächen­ struktur zur Folge.

Daraus kann zusammenfassend die Erkenntnis abgeleitet werden, daß eine nachhaltige Beeinflussung von Untemehmenskulturen schwer­ gewichtig durch Gestaltungsmaßnahmen möglich erscheint, die an der Tiefenstruktur bzw. wenn möglich am Kulturkem ansetzen. Diese Aufgabe kann - wie noch zu zeigen sein wird - nur von einem „ kulturbewußten Management“^ verwirklicht werden.

16 17 18

Vgl. Scholz 1988, S. 82; Schreyögg 1992, Sp. 1527 f. Vgl. Ganser 1988, S. 70. Vgl. Hoffmann 1989a, S. 172; Kobi / Wüthrich 1986, S. 162; Schein 1984, S. 42.

157 5.1.2 Analyse der Unternehmenskulturen

Die Gestaltung der Untemehmenskultur setzt eine vergleichende Analyse der Unternehmenskulturen des akquirierenden und des akquirierten Unternehmens voraus. Die Analyse umfaßt die Diagnose der aktuellen Kultursituation und darauf aufbauend die Beurteilung der Kulturkompatibilität zwischen akquiriertem und akquirierendem Unternehmen.19 5.1.2.1 Diagnose der aktuellen Kultursituation

Bei der Diagnose der aktuellen Kultursituation werden anhand ausge­ wählter Diagnoseinstrumente Ausprägungen der jeweiligen Kultur­ merkmale (sog. IST-Kultur) erfaßt20. Dabei orientiert man sich in einem ersten Schritt meist an sichtbaren Kulturmanifestationen (Artefakte), die sich durch Beobachtung bzw. Firmenrundgänge sowie Dokumentenanalysen relativ leicht erfassen lassen. Zur Bestimmung der IST-Kultur sind jedoch die gelebten Werte bzw. Grundorientie­ rungen maßgeblich, deren Ausprägungen im wesentlichen über eine repräsentative Befragung und Einzelgespräche ermittelt werden können.

Nach Auswertung und Aggregation der erhobenen Merkmalsaus­ prägungen kann die Werteorientierung der an der Integration beteiligten Unternehmen dann z.B. mit Hilfe des „ Culture Web“ von Clarke21 oder mit dem „Unternehmenskulturprofil“ von Kobi /

19

Als Beispiel für die Notwendigkeit der beiderseitigen Kulturanalyse wird in der Litera-

20

tur häufig auf die Problematik der kulturellen Anpassung eines eher innovationsorien­ tierten, demokratisch geführten Unternehmens einerseits und traditionsorientierten, stark hierarchisch-strukturierten Unternehmens andererseits hingewiesen; Vgl. hierzu z.B. Marks 1982, S. 41; Siebenhaar/Zeller 1993, S. 153. Vgl. Clever 1993, S. 116-121; Frank 1993a, S. 154 f; Kobi / Wüthrich 1986, S. 75-88;

21

Neuberger / Kompa 1987, S. 37-56. Vgl. Clarke 1987, S. 16-18.

158 Wüthrich22 visualisiert werden. Abbildung 16 stellt beispielhaft solche Kulturprofile im Vergleich dar.

Abbildung 16 Unternehmenskulturprofil zur Visualisierung von Kulturunterschieden im Integrationsprozeß

............ ----------

Kulturprofil des akquirierten Untemelimens Kulturprofil des akquirierenden Unternehmens deutliche Abweichung der kulturspezifischen Merkmale

Darstellung in Anlehnung an Kobi / Wüthrich 1986, S. 97.

22

Vgl. Kobi / Wüthrich 1986, S. 95-98. Siehe hierzu auch das Kulturprofil von Scholz (1988, S. 85), das verschiedene Kulturansätze in der Literatur integriert und nach Art und Stärke klassifiziert.

159 5.1.2.2 Beurteilung der Kulturkompatibilität

Auf Basis der visualisierten Merkmalsausprägungen (IST-Kultur) der Unternehmen läßt sich anschließend eine Beurteilung der Kulturver­ träglichkeit vornehmen. Wie aus der Abbildung 16 hervorgeht, kann die Überprüfung der Kulturverträglichkeit mit Hilfe der im Teil­ konzept Strategie genannten Kriterien der strategischen Grundorien­ tierung (vgl. Kapitel III Abschnitt 2.1.1) durchgefiihrt werden, die auch als Anforderungsprofil für den Entwurf des künftigen kulturellen Rahmens (SOLL-Kultur) angesehen werden können.23 Aus der Gegenüberstellung der Kulturprofile lassen sich allgemein folgende Konsequenzen für die Entwicklung der beteiligten Unter­ nehmenskulturen ableiten. Stimmen einerseits die Kulturprofile mit den aus dem Teilkonzept Strategie abgeleiteten Erfordernissen weit­ gehend überein, so läßt sich mit großer Wahrscheinlichkeit die Integration des akquirierten Unternehmens erfolgreich realisieren. Bei einer starken Abweichung aller Merkmalsausprägungen sollte von einer Integration in der Regel abgesehen werden. Weichen andererseits die Profile nur hinsichtlich einzelner Beurteilungs­ kriterien voneinander ab, so sind gestalterische Maßnahmen der Akkulturation zweckmäßig.

Bevor die grundsätzlichen Möglichkeiten der Gestaltung der kulturellen Anpassung im Integrationsprozeß behandelt werden können, soll zuvor - in Anlehnung an das speziell für Untemehmens­ akquisitionen entwickelte Modell von Nahavandi / Malekzadeh24 das Konzept der Akkulturation dargestellt werden. Dieses Vorgehen erscheint deshalb sinnvoll, da - in Abhängigkeit von der Art der An­ näherung beider Unternehmen im Akquisitionsprozeß und dem Grad der kulturellen Übereinstimmung im Integrationsprozeß - unter­ schiedliche Akkulturationsformen angewendet werden können, die

23

Vgl. Benölken / Greipel 1989, S. 17-19; Clever 1993, S. 121; Kobi / Wüthrich 1986, S.

24

15; Scholz 1988, S. 88 f. Vgl. Nahavandi/Malekzadeh 1988, S. 81-86.

160

einen wesentlichen Einfluß auf den Erfolg der kulturellen Integration ausüben. 5.1.3 Konzept der Akkulturation

Das Konzept der Akkulturation^ stellt einen Versuch dar, mögliche Verlaufsformen der Akkulturation im Akquisitionsprozeß darzustellen und eventuell auftretende Kulturkrisen im Integrationsprozeß günstig zu beeinflussen. Dabei gilt es, zwischen den Extrempositionen unter­ schiedlicher Anpassungsformen, d.h. von totaler Kulturaufgabe bis hin zu völliger Kulturbewahrung, einen für beide Unternehmen angemes­ senen Weg der kulturellen Anpassung aufzuzeigen. Als zentraler Erfolgsfaktor der Akkulturation erweist sich dabei der Grad der Übereinstimmung („degree of congruence“) zwischen den am Integra­ tionsprozeß beteiligten Unternehmen hinsichtlich der zu wählenden Akkulturationsform („mode of acculturation“).26

Die Akkulturation kann als Prozeß dargestellt werden, der ver­ schiedene Verlaufsformen annehmen kann (siehe Abbildung 17), je nach dem, ob es sich z.B. um eine „freundliche“ (U-förmiger Phasen­ verlauf) oder „feindliche“ (S-förmiger Phasenverlauf) Untemehmensakquisition handelt.27

Am Anfang - des in dieser Arbeit unterstellten U-förmigen Phasenver­ laufs - steht der Kulturkontakt. Dieser reicht von der ersten Gesprächsaufhahme bis zum Abschluß der Vertragsverhandlungen. Annahme­ gemäß ist diese Phase durch einen hohen Akkulturationsgrad gekennzeichnet. Der anfänglichen Begeisterung, die unterschiedliche Gründe haben kann (z.B. positiver Verlauf der Vertragsverhand­ lungen), folgt die Phase der Ernüchterung bzw. Kulturkrise. Diese kann dann auftreten, wenn eine Zusage (z.B. Produktionsbetrieb wird nicht geschlossen) von dem Management des akquirierenden Unter­

2$ 27

Vgl. hierzu die Ausführungen bei: Krystek 1992, S. 548-555; Nahavandi / Malekzadeh 1988, S. 81-88, Reineke 1989, S. 51-95. Vgl. Nahavandi / Malekzadeh 1988, S. 84. Vgl. Krystek 1992, S. 549 f.

161 nehmens nach der Übernahme nicht eingehalten wird. Die Folge ist meist ein Gefühl der Enttäuschung, des Mißtrauens und der Macht­ losigkeit seitens des akquirierten Unternehmens, die den Akkultura­ tionsgrad negativ beeinflußt.

Abbildung 17 Mögliche Verlaufsformen des Akkulturationsprozesses

(5) möglicher dysfunktionaler Verlauf des S-förmigen Akkulturationsverlaufes (3)

U-förmiger Verlauf des Akkulturationsprozesses

@

möglicher dysfunktionaler Verlauf des U-förmigen Akkulturationsprozesses



Wendepunkt

X Segregation oder Dekulturation

Quelle: Krystek 1992, S. 549

Im Wendepunkt beginnt die abschließende Phase der Kulturfestigung mit ambivalentem Ausgang. Denkbar ist sowohl ein funktionaler Phasenverlauf (z.B. beim Abbau kultureller Ressentiments), was zu

162

einem Anstieg des Akkulturationsgrades führt, wie auch ein dysfunk­ tionaler Phasenverlauf, der letztendlich zu einem Scheitern der Akquisition führen kann.

Auf Basis des Akkulturationsprozesses lassen sich als Ergebnisse grundsätzlich folgende Integrationsmuster bzw. Formen der Akkultu­ ration^ identifizieren: 1. Integration-, Das akquirierte Unternehmen wird in die Organisationstruktur des akquirierenden Unternehmens eingegliedert, behält jedoch seine eigene Kultur, Identität und Autonomie. Die Anpassung beschränkt sich auf graduelle Veränderungen einzelner Kulturmerkmale, da keines der beiden Unternehmen versucht, dominierenden Einfluß auszuüben. Die Integration kann deshalb als ideale Form der Akkulturation angesehen werden. 2. Assimilation: Das akquirierte Unternehmen paßt sich sowohl strukturell als auch kulturell dem akquirierenden Unterneh­ men an. Im Prozeß dieser Akkulturation entsteht eine Ein­ heitskultur. 3. Separation: Das akquirierte Unternehmen versucht seine eigene Identität, Kultur und Struktur zu bewahren. Da die Untemehmensmitglieder sich z.B. auch gegen die Über­ nahme einzelner Management- und Technologiesysteme des Erwerbers stellen, wird das Akquisitionsobjekt als selbst­ ständige Einheit weitergeführt. Als Folge bleibt die Zu­ sammenarbeit meist auf den finanziellen Bereich beschränkt.

22

Nahavandi / Malekzadeh (1988, S. 82) definieren Akkulturationsformen als „ways in which two groups adapt to each other and resolve emergent conflict. In the case of mergers, the characteristics of the acquired and acquiring companies determine which mode of acculturation will be triggered.“

163 4. Dekulturation: In diesem Fall einer im Ergebnis erfolglos verlaufenden Akkulturation ist das akquirierte Unternehmen sowohl mit der eigenen Kultur und Identität unzufrieden als auch nicht bereit, kulturelle und strukturelle Elemente des akquirierenden Unternehmens anzunehmen. Diese ausweg­ los erscheinende Situation ist gekennzeichnet durch kollek­ tive und individuelle Konfusion, Gefühle der Entfremdung und des Identitätsverlustes. Zur Beurteilung, welche der dargestellten Akkulturationsformen im Hinblick auf die Erreichung der Akquisitionsziele angewendet werden sollte, ist es hilfreich, untemehmensspezifische Perspektiven der Akkulturation zu unterscheiden (siehe Abbildung 18).29 Aus der Perspektive des akquirierten Unternehmens hängt die bevorzugte Akkulturationsform von der wahrgenommenen Attraktivität des akquirierenden Unternehmens und dem ermittelten Bedarf nach eigener Kulturbewahrung ab. Beide Faktoren lassen sich mittels Befragungstechnik erheben. Aus Sicht des akquirierenden Unternehmens wird die zu wählende Akkulturationsform beeinflußt von dem branchenbezogenen Verwandschaftsverhältnis der Unter­ nehmen (Akquisitionsrichtung) und dem Grad der Multikulturalität, d.h. der Toleranz und Bereitschaft, Kulturunterschiede zu akzeptieren bzw. zu fördern.30

Für den Erfolg der Akkulturation ist neben der Erkenntnis, daß zwei Unternehmen in der Regel unterschiedliche Präferenzen zu den Akkulturationsformen haben können, der Grad der Übereinstimmung („degree of congruence“) bzw. die Möglichkeit, sich auf eine Akkulturationsform zu verständigen, von zentraler Bedeutung.31 Danach fuhrt ein hoher Übereinstimmungsgrad zu einem geringen Anpassungsstreß („acculturative stress“) und ermöglicht damit eine

29 30 31

Vgl. Nahavandi / Malekzadeh 1988, S. 87. Vgl. Nahavandi / Malekzadeh 1988, S. 83. Vgl. Nahavandi / Malekzadeh 1988, S. 84 f.

164 weitgehend reibungslose Durchführung der Akkulturation. Besteht andererseits nur ein geringer Übereinstimmungsgrad, werden Anpassungskonflikte (z.B. Kündigungen von Schlüsselpersonen) unvermeidbar sein, was einen hohen Anpassungsstreß auslösen dürfte. Abbildung 18 Unterschiedliche Akkulturationspräferenzen im Integrationsprozeß Acquired firm 's modes of acculturation How much do members of the acquired firm value preservation their own culture? Very much

Not at all

Very

Perception

attractive

Integration

Assim ilation

Not at all

Separation

Deculturation

of the attrac­ tiveness of the acquirer attractive

Acquirer's modes of acculturation Culture: Degree of Multiculturalism Multicultural

Diversification Strategy: Degree of relatedness of firms

Unicultural

Related

Integration

Assim ilation

Unrelated

Separation

Deculturation

Quelle: Nahavandi / Malekzadeh 1988, S. 83 und 84.

165

Aus dem konzeptionellen Zusammenhang des Modells (siehe Abbildung 19) können damit folgende Schlußfolgerungen gezogen werden:32 • Der kulturelle Anpassungsprozeß ist dynamischer Natur. Akkulturationsprozeß, Form und Übereinstimmungsgrad beeinflussen die Untemehmenskulturen. Auch kann die realisierte Akkulturation Einfluß auf die Untemehmenskulturen bzw. Subkulturen haben, wenn im Laufe der Zeit sich der Übereinstimmungsgrad verändert und den Übergang zu einer anderen Akkulturationsform auslöst. • Auftretende Kulturkrisen im Integrationsprozeß können weitgehend vermieden werden, wenn bereits im Vorfeld die Verträglichkeit der eigenen Kultur mit der gewählten strategischen Ausrichtung einerseits und der Kultur des Akquisitionsobjektes andererseits analysiert wird.

• Bei der Exisitenz mehrerer Subkulturen (z.B. Tochtergesellschaften) in dem verbundenen Unternehmen können unterschiedliche Anpassungsformen gleichzeitig angewendet werden. Voraussetzung ist, daß die einzelnen Subkulturen identifiziert und auf ihre Verträglichkeit hin analysiert wurden. • Aus dem Konzept kann auch auf den „Fit“ 33 zwischen der Strategie und der Kultur geschlossen werden. Danach bestimmt der Verwandschaftsgrad der Produkt- / Marktbereiche über die zu wählende Form der Akkulturation.

3^ 33

Vgl. Nahavandi / Malekzadeh 1988, S. 86-84. Vgl. Nahavandi / Malekzadeh 1988, S. 87; Rühli 1992, Sp. 1173; Scholz 1987, S. 78-

87; Steinmann / Schreyögg 1990, S. 197.

166 Abbildung 19 Modell der Akkulturation Acquired Firm

Acquiring Firm

Desire to preserve own culture and practices attractiveness of the acquirer.

Culture: tolerance for diversity and multi­ culturalism. Diversification strategy: degree of relatedness of the firm.

Mode of Acculturation Integration Assimilation Seperation Deculturation

Mode, of Acculturation

Integration Assimilation Seperation Deculturation

Congruence

Acculturative Stress

Successful Implementation of the merger

Quelle: Nahavandi / Malekzadeh 1988, S. 85.

167

5.2 Möglichkeiten der Gestaltung der Akkulturation im Integrationsprozeß

In der Literatur herrscht keine einheitliche Meinung zu der Frage: “Soll und kann man eine Organisationskultur verändern?“34 Die Be­ antwortung der Frage ist stark abhängig von dem Stand der Entwicklung einer Untemehmenskultur und der Bereitschaft der Mit­ arbeiter zur Unterstützung kultureller Veränderungen. Sofern eine Veränderung die bestehenden Werte und Verhaltensweisen nicht zerstört und damit ethische Grundwerte verletzt, kann man davon aus­ gehen, daß spezifische Aspekte der Untemehmenskultur veränderbar sind.35

Ansatzpunkte für die Veränderung einzelner Kulturelemente bieten die im Rahmen der Beurteilung der Kultur festgestellten Gestaltungs­ schwerpunkte (z.B. Verbesserung der Kundenorientierung, Förderung multikultureller Unterschiede). Ziel ist die Verwirklichung einer Untemehmenskultur, die den Anforderungen und Bedürfnissen beider Unternehmen entspricht und die zu einem funktionalen Ausgleich akzeptierter und geforderter Kulturunterschiede im Rahmen des Akkulturationsprozesses führt.

Die Gestaltung der Untemehmenskultur kann sowohl im Rahmen einer „Kulturevolution“ als auch einer „Kulturrevolution“ durchge­ führt werden.36 Von einer Kulturrevolution kann z.B. dann gesprochen werden, wenn im Integrationsprozeß kurzfristig eine relativ große Zahl von Führungskräften des akquirierten Unter­ nehmens gegen Führungskräfte des akquirierenden Unternehmens ausgetauscht werden. Diese auch als „Strategie des Bombenwurfs“^ bezeichnete Vorgehensweise ist nicht nur aufgrund des damit verbundenen Verlustes an Management-Know-how kritisch zu beur­ 34 35 36 37

Schein 1984, S. 31. Vgl. Clever 1993, S. 126 f; Rühli 1992, Sp. 1173; Ulrich 1993, Sp. 4361. Vgl. Bleicher 1991, S. 761 f; Bleicher 1984, S. 497 f; Staerkle 1985, S. 545. Vgl. Bleicher 1991, S. 772; Neuberger / Kompa 1986, S. 71.

168 teilen. Zudem entsteht hierdurch häufig ein Gefühl von „Sieger- und Besiegten-Mentalität“, was den Akkulturationsprozeß dysfunktional beeinflussen muß.

In dieser Arbeit werden deshalb kulturbeeinflussende Maßnahmen primär im Sinne einer Kulturevolution behandelt, die - vor dem Hin­ tergrund der Komplexität einer Untemehmenskultur - als dynamischer Anpassungs- bzw. Lernprozeß aufgefaßt wird. Im Rahmen der Kultur­ evolution lassen sich im wesentlichen zwei Gestaltungsansätze identi­ fizierten, in denen einerseits der mehr instrumentelle und andererseits der mehr symbolische Charakter der Kulturgestaltung zum Ausdruck kommt.38 5.2.1 Akkulturation durch kulturbewußte Gestaltung der Integrationskonzepte

Die kulturbewußte Gestaltung der Integrations-Teilkonzepte Strategie, Struktur und Personal setzt ein Problembewußtsein der Akkulturation im Integrationsprozeß voraus, das insbesondere in der Führungspraxis noch nicht ausreichend institutionalisiert zu sein scheint.39 Dies mag daran liegen, daß jede Untemehmenskultur ein einmaliges Phänomen darstellt und nicht wie andere unternehmerische Sachverhalte veränderbar ist. Zudem werden technokratische Instrumente diesem qualitativen Thema nicht gerecht. Eine Untemehmenskultur kann deshalb nur untemehmensindividuell durch Kombination einzelner Gestaltungsansätze im Sinne eines „Gestaltungsmix“ beeinflußt werden. Welche Möglichkeiten einem kulturbewußten Management dabei zur Verfügung stehen, ist Gegenstand der nachfolgenden Aus­ führungen.

38

Vgl. Bleicher 1991, S. 761 f.; Bleicher 1984, S. 498 f; Grüter 1991, S. 219-221; Krystek 1992, S. 555-558; Kobi / Wüthrich 1986, S. 191-203; Leimer 1991, S. 276-284; Neuberger / Kompa 1987, S. 235-258; Reineke 1989, S. 99-102; Staerkle 1985, S. 546 f. Vgl. hierzu die empirischen Untersuchungsergebnisse von Meffert / Hafner 1988, S. 35 und bei Siebenhaar/Zeller 1993, S. 150 f.

169 In der Integrationsphase des Teilkonzeptes Strategie ist es von ent­ scheidender Bedeutung, daß die in der Planungsphase gewählte Strategiekonzeption zügig umgesetzt wird. Die Realisierung einer Strategiekonzeption erfordert dabei sowohl eine übergreifende Maß­ nahmenplanung für das Gesamtunternehmen, als auch detaillierte Aktionsprogramme für jedes strategische Geschäftsfeld und für wesentliche Funktionsbereiche.4® Zwar läßt auch das methodische Vorgehen bei der Strategieentwick­ lung Rückschlüsse auf die Untemehmenskultur zu, wenn z.B. mit Hilfe eines kooperativen Führungsstils das akquirierte Unternehmen an der Entscheidungsfindung beteiligt wird. Der strategische Erfolg der gewählten Strategie hängt aber von der aktiven Strategieum­ setzung und damit von der motivationalen Bereitschaft der Mitarbeiter ab, sich für die Absichten, Strategien, Maßnahmen und Ziele des akquirierenden Unternehmens einzusetzen. Soll das Verhalten der Mitarbeiter in Richtung bestimmter kultureller Merkmale beeinflußt werden, so bieten sich im Rahmen des Teilkonzeptes Strategie unter­ schiedliche Ansatzpunkte an.

Auf der Ebene des Gesamtuntemehmens erscheint es ratsam, an der Untemehmensphilosophie, z.B. durch die Formulierung eines neuen Leitbildes für das verbundene Unternehmen, anzusetzen.41 Hierdurch lassen sich Grundwerte der (angestrebten) Untemehmenskultur allen Mitarbeiter verdeutlichen. Als Beispiel dient das veränderte Leitbild der Volkswagen AG, die für ihre Führungskräfte den sogenannten „One World Manager“ propagiert42 Der damit angestrebte kultur­ bewußte Generalist soll im Hinblick auf die zunehmende Globalisie­ rung untemehmensstrategischer Entscheidungen flexibel auf die unterschiedlichen kulturellen und kommunikativen Rahmenbe-

4® 41

Vgl. Benölken/Greipel 1989, S. 15; Steinmann / Scheyögg 1990, S. 131. Vgl. zur Bedeutung der Formulierung von Untemehmensleitbildem in der Praxis z.B.

42

Staehle/Sydow 1992, Sp. 1288. Vgl. Siebenhaar / Zeller 1993, S. 148. Siehe hierzu auch Bartlett / Ghoshal 1992, S.

124-132.

170

dingungen reagieren, um am Ende aus dem Spannungsverhältnis differierender Kulturen Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Neben einer „neuen“ Untemehmensphilosophie können auch Maß­ nahmen zur Gestaltung der „Corporate Identity (CI)‘^, d.h. eines einheitlichen Erscheinungsbildes der verbundenen Unternehmen, zur Anwendung kommen. So können z.B. untemehmensübergreifende Stilelemente (Firmensignets, Logos, Gebäude-, Produktdesign usw.) eingesetzt werden, um Mitarbeitern wie auch externen Adressaten ein Gefühl für die Identität des Unternehmens zu vermitteln. Ob durch eine solche „Oberflächenkosmetik“ eine Identität erreicht werden kann, ist zumindestens kurzfristig fraglich. Es ist zu vermuten, daß die Wirkung von CI-Maßnahmen primär von ihrer Verankerung in der Untemehmenskultur selbst abhängt.

Auch auf der Ebene der Geschäftsfelder und der betrieblichen Funkti­ onsbereiche sind die jeweiligen Strategien inhaltlich und motivational zu verankern. Eine symbolische Wirkung, die auf die Untemehmens­ kultur ausstrahlt, kann von der Ressourcenzuteilung für ein Geschäfts­ feld ausgehen. Werden z.B. zur Realisierung einer Geschäftsfeld­ strategie der Differenzierung erhebliche finanzielle oder personelle Mittel in den Aufbau „strategischer Erfolgspositionen“44 investiert, so wird den Mitarbeitern dadurch signalisiert, welche Präferenz­ ordnungen und Wertakzente dem Geschäftsfeld von der Unterneh­ mensleitung zugeordnet werden. Aus den bisherigen Aussagen im Rahmen des Teilkonzeptes Strategie kann damit der Schluß gezogen werden, daß die Strategieumsetzung meist nur indirekt und mit zeitlicher Verzögerung durch die darge­ 4^

Unter der Unternehmensidentität versteht Höfner (1989, S. 55) „die strategisch geplante

44

und operativ eingesetzte Selbstdarstellung und Verhaltensweise eines Unternehmens nach innen und nach außen“. Zum Begriff der „CI“ siehe auch Kroehl 1995, S. 44 f.; Scholz 1989, S. 212 f. Eine „strategischen Erfolgsposition“ kann definiert werden als die Fähigkeiten eines

Unternehmens im Vergleich zur Konkurrenz, z.B. durch Produktinnovationen, Qualität und Distribution, längerfristig überdurchschnittliche Ergebnisse zu erzielen. Vgl. Gomez/Weber 1989, S. 19.

171

stellten Maßnahmen beeinflußt werden kann. Der Erfolg dieser in erster Linie untemehmenspolitischen Maßnahmen hängt jedoch insbe­ sondere von der Verankerung der Strategie in dem meist komplexen organisatorischen Beziehungsgefüge der verbundenen Unternehmen ab. Im Rahmen des Teilkonzeptes Struktur müssen die zuvor unter­ nehmenspolitisch eingeleiteten Maßnahmen strukturell unterstützt werden, um letztlich durch das Verhalten der Mitarbeiter getragen zu werden.45 Da das individuelle Verhalten von Mitarbeitern nicht selbst Gegenstand der Akkulturation sein kann, ist eine Verhaltensänderung in Richtung auf eine angestrebte Untemehmenskultur durch Maßnah­ men zu erreichen, die z.B. an der Organisations- und der Kommuni­ kationsstruktur ansetzen. Im Rahmen organisationsstruktureller Maßnahmen wird z.B. die Bildung (teil-) autonomer dezentraler Einheiten, die nach dem ProfitCenter-Prinzip eigenverantwortlich handeln, in der Literatur als be­ sonders geeignet angesehen, ein bürokratisch funktionierendes Mitarbeiterverhalten in unternehmerisches Verantwortungsdenken zu transformieren.46 Sofern dies gelingt, eröffnet sich auch die Möglich­ keit einer permanenten strategischen Kontrolle, da durch das Verant­ wortungsdenken die Sensibilität gegenüber strategischen Frage­ stellungen erhöht wird.

Ein kulturkonformes Verhalten bzw. die Notwendigkeit zur Veränderung bedarf der Information und Kommunikation, um ein Grundverständnis für die Bedeutung der Untemehmenskultur zu schaffen und einen Bewußtmachungsprozeß angestrebter Werte und Normenvorstellungen unter den Mitarbeitern auszulösen. Gleichzeitig

45

Während Organisationsstrukturen bisher hauptsächlich in ihrer Funktion zur Realisie-

46

rung von Strategien und Zielen beurteilt wurden, wird von einzelnen Autoren neuer­ dings auch der symbolische Gehalt der Struktur betont. Organisationsstrukturen können deshalb auch als Instrument zur Beeinflussung der Akkulturationsprozesse bewertet werden; Vgl. hierzu Reineke 1989, S. 159 f. und die dort angegebene Literatur. Vgl. Benölken / Greipel 1989, S. 20; Bleicher 1991, S. 764; Staerkle 1985, S. 542 f.

172

soll durch die Gestaltung der Kommunikationsbeziehungen eine Ver­ trauensbasis bei den Mitarbeitern aufgebaut werden, die notwendig ist, um gemeinsame Wertvorstellungen überhaupt zu entwickeln. Den Schlüssel hierzu hat insbesondere die Unternehmensleitung des akquirierenden Unternehmens. Sie kann die „Kommunikationskultur^ einerseits explizit, in Form von Mitteilungen, Reden, Notizen, andererseits implizit durch Rituale, Zeremonien usw. beeinflussen. Alle diese Maßnahmen können richtungsweisend für die zukünftige Untemehmenskultur sein, wie z.B. auch die Wahl des Standortes für Sitzungen des „Strategie- und Strukturausschusses“. Werden diese Sitzungen im Rotationsverfahren an verschiedenen Standorten durch­ geführt, so wird dadurch die Einheit der beteiligten Unternehmen demonstriert. Gleichzeitig eröffnet sich die Möglichkeit, mit den Mit­ arbeitern der jeweiligen Unternehmen den zukünftigen Kurs des Unternehmens zu diskutieren.48

Neben untemehmenspolitisch-strategischen und strukturellen Maß­ nahmen liegt das unbestritten größere Potential zur Beeinflussung von Kulturen oder Kulturelementen aber im Teilkonzept Personal verankert. Wie die bisher diskutierten Instrumente der Kulturgestal­ tung verdeutlichen, reicht es nicht aus, sich hauptsächlich an sachlich­ rationalen Gestaltungspotentialen der Untemehmenskultur zu orientieren. Die Gestaltung der Untemehmenskultur muß sich insbe­ sondere der sozial-emotional orientierten Akzeptanz bei allen Mitar­ beitern versichern, wenn sie glaubhaft und dauerhaft sein soll. Die Verwirklichung einer solchen Akzeptanz ist Aufgabe eines strategisch-orientierten Personalmanagement.49 Zu den Möglichkeiten der Akkulturationsgestaltung im Rahmen des Personalmanagement gehören:5®

47 48 49 50

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Müller-Stewens 1992a, S. 339 f.; Staerkle 1985, S. 550. Haspeslagh/ Jemison 1992, S. 146. Gerpott 1992, S. 319; Kobi / Wüthrich 1986, S. 192; Krystek 1992, S. 556. Krystek 1992, S. 557 f; Gomez / Weber 1989, S. 73 f; Grüter 1991, S. 219 f.

Hoffmann 1989a, S. 172; Kobi / Wüthrich 1986, S: 191-198.

173

(1)

Besetzung von Schlüsselpositionen durch Kulturträger

Naheliegend erscheint zunächst die Besetzung von Schlüssel­ positionen durch Kulturträger, die als Repräsentanten neuer Kultur­ elemente gelten und jene Wertvorstellungen und Normen verkörpern, die den Sollvorstellungen des akquirierenden Unternehmens am nächsten kommen. Ziel dieser Maßnahme ist es, den Mitarbeitern eine Orientierungshilfe für kulturkonformes Verhalten zu geben. In ihrer schärfsten Form kann diese Maßnahme jedoch zu einer Kulturre­ volution (vgl. Abschnitt 5.2) führen, wenn zahlreiche Führungs­ positionen des Akquisitionsobjektes überraschend ausgetauscht werden. (2)

Anreizsysteme

Kulturelle Veränderungen lassen sich auch durch materielle (z.B. Gratifikationen) und immaterielle (z.B. Auszeichnung, zusätzlicher Urlaub) Anreize unterstützen. Da Akkulturation als langfristiger Prozeß dargestellt wurde, ist ein Anreizsystem insbesondere unter strategischen Gesichtspunkten zu gestalten.51 Dabei sollte darauf ge­ achtet werden, daß die Neugestaltung des Anreizsystems für das akquirierte Unternehmen in ähnlicher Weise konzipiert ist wie bei dem akquirierenden Unternehmen. Gleichzeitig können Veränderungen bei bestehenden Anreizen auch dysfunktional auf das Verhalten wirken, wenn sie für den Mitarbeiter nicht als unmittelbare Verbesserung wahrgenommen werden.

(3)

Personalrekrutierung/-entwicklung

Auch bei der Personalrekrutierung, Förderung und Betreuung können kulturkonformes Verhalten, Überzeugungen und Wertvorstellungen (z.B. im Rahmen von Assessment-Center und Beratungsgesprächen) ermittelt bzw. entwickelt werden. So bietet es sich z.B. im Rahmen der Aus- und Weiterbildung an, durch Seminare, Workshops oder Projektgruppen neben der reinen Wissensvermittlung zugleich auch 51

Vgl. zur strategischen Ausgestaltung von Anreizsystemen: Bleicher 1985, S. 25.

174

unternehmenskulturelle Unterschiede abzubauen und neue Werte ein­ zubeziehen. Soll z.B. die Grundorientierung akquirierter Mitarbeiter im Sinne von „Beschäftigtsein“ in Richtung „Produktivitätsbeitrag unter hohem Erfolgsdruck“ verändert werden, bieten sich meist unter­ schiedliche Strategien an. Die Strategie „Einführung von Teamarbeit“ kann dann beispielsweise mit Hilfe einzelner Maßnahmen, wie leistungsabhängige Entgeltregelung, teilautonome Arbeitsgruppe oder ähnlichem realisiert werden. Damit wird deutlich, daß die Gestaltung kulturpolitischer Personalaufgaben nur im Rahmen langfristiger Planungen verwirklicht werden kann, die als Voraussetzung jeder zielorientierten Akkulturation angesehen wird.52 (4)

Integrationsmanagement

Unter ,, Integrationsmanagement“ versteht man unterschiedliche Instrumente, die die Integration und damit auch die Akkulturation von Mitarbeitern akquirierter Unternehmen erleichtern und beschleu­ nigen.53 Dazu zählt zunächst das Integrationsteam, das sich idealer­ weise aus Führungskräften beider Unternehmen, gegebenenfalls unter Einbeziehung externer Berater, zusammensetzt. Da das Integrations­ team, insbesondere bei Akkulturationsproblemen, schnell an quantitative und qualitative Kapazitätsprobleme stoßen dürfte, bietet sich als flankierende Maßnahme die Einrichtung eines Mentoren­ systems an. Hierbei übernehmen in der Regel leitende Führungskräfte mit kulturtragenden und kultursymbolisierenden Eigenschaften die Rolle des Mentors, der auf individueller Basis Integrationsprobleme mit dem Mitarbeiter zu lösen versucht.

52 53

Vgl. Bleicher 1985, S. 24; Kobi / Wüthrich 1986, S. 197 f; Krystek 1992, S. 558 Vgl. Krystek 1992, S. 558.

175

5.2.2 Akkulturation durch symbolisches Verhalten der Führungskräfte Von einer Gestaltung der Untemehmenskultur kann auch im Sinne von „Kultur durch das Management vorleben“54 gesprochen werden. Im Gegensatz zur der instrumenteilen Sichtweise von Kulturgestaltung rückt hier das vorbildhafte Verhalten des Management selbst in den Vordergrund der Betrachtung.55 Dabei wird davon ausgegangen, daß die Untemehmenskultur zwar im alltäglichen Verhalten der Mitglieder eines Unternehmens zum Ausdruck kommt, aber von einem relativ kleinen Kreis dominanter Kulturträger überliefert und weiterent­ wickelt wird.5^ Für den Integrationsprozeß kommt dem vorbildhaften, kultur­ konformen Verhalten des Management eine besondere Bedeutung zu. So können z.B. Mitarbeiter mit unterschiedlichen Aussagen und Werthaltungen der Führungskräfte des akquirierten und akquirierenden Unternehmens konfrontiert werden, was unweigerlich zu Irritationen, Unsicherheiten und Spekulationen fuhrt. In Anbetracht dieser systembedingten Schwierigkeit im Integrationsprozeß hängt es von der Integrationskraft des akquirierenden Management ab, inwieweit es gelingt, Interessen auszugleichen, gemeinsame Über­ zeugungen herbeizuführen und eindeutige Orientierungen zur (angestrebten) Untemehmenskultur 211 geben.

Zur Erfüllung dieser Aufgaben, im Sinne der Verdeutlichung und Erklärung kulturkonformen Verhaltens, kann sich das Management unterschiedlicher Symbole bedienen, in denen die Werte und Normen zum Ausdruck kommen, die der angestrebten Untemehmenskultur 54 55

Vgl. Kobi / Wüthrich 1986, S. 164; ähnlich Ulrich 1993, Sp. 4362. In der empirischen Untersuchung von Meffert / Hafner (1988, S. 30) - bei über 200

56

bundesdeutschen Unternehmen im Jahre 1987 - wurde das vorbildhafte, kulturkonforme Verhalten von Führungskräften als die am höchsten bewertete Maßnahme zur Pflege und Gestaltung der Untemehmenskultur angegeben. Der hohen Relevanz des „symbolic behavior“ gegenüber steht nach Kroehl (1995, S. 44f) deren viel zu geringe Verbreitung in der Praxis. Vgl. Hoffmann 1989a, S. 173; Schuster / Widmer 1984, S. 491 f.

176

entsprechen. Dazu zählt die gesamte Palette sprachlicher, handlungs­ mäßiger und gegenständlicher Symbolismen. In diesem Zusammen­ hang wird insbesondere den mit symbolischen Handlungen verbun­ denen Verhaltensweisen der Führungskräfte eine besonders starke Signalwirkung für untemehmensbezogene Werte und Normen einge­ räumt.57 Zur Vermittlung eines vorbildhaften Verhaltens dienen z.B. folgende kulturbeeinflussenden Symbole:58

• Konzentration aufSchwerpunkte Führungskräfte können bestimmte Werthaltungen ver­ mitteln, indem sie einzelnen Aufgaben ihre ganze Auf­ merksamkeit widmen oder Akzente setzen (z.B. regel­ mäßiges Nachfragen zu den Kosten der Produktion zur Verdeutlichung, daß Sparsamkeit als wichtiges Ziel an­ zusehen ist). • Vorbildliches Rollenverhalten

Hierzu zählen sowohl die „bildhafte“ Betonung wichtiger Werte (z.B. Mitarbeit in der Produktion), das rituelle Füh­ rungsverhalten (z.B. Arbeits-, Entscheidungs- und Sitzungs­ verhalten) sowie Belohnungszeremonien für besondere Leistungen (z.B. Auszeichnung der besten Verkäufer durch Aufnahme in den 100-Prozent-Club), die Werthaltungen verstärken sollen.

• Reaktion aufkritische Ereignisse Führungskräfte können in krisenhaften UnternehmensSituationen durch bestimmte Verhaltensweisen (z.B. Ver­ zicht auf Gehaltserhöhungen) kulturbeeinflussende Signale setzen.

57

Vgl. Kobi / Wüthrich 1986, S. 171; Kroehl 1995, S. 44 f; Leimer 1991, S. 279-284;

58

Scholz 1987, S. 86. Vgl. Hsieh 1990, S. 55-58; Neuberger/Kompa 1987.S.250.

177

• Weitergabe von Legenden

Auch durch Vermittlung historischer sowie neuer Legenden können Führungskräfte Werthaltungen verdeutlichen helfen, die mit der Vision in Übereinstimmung stehen. „The key is to be clear on the values that are important to the vision. Then look around at the day-to-day routines of the organi­ zation for opportunities. Do what comes naturally. The rumor mill takes care of the rest.“^9 Dieses beispielhaft dargestellte symbolische Führungsverhalten ver­ mittelt den Mitarbeitern recht einleuchtend, welche integrationsbe­ zogenen Werte, Normen und Verhaltensweisen für die Führungskraft und damit für die Zielerreichung der Kulturgestaltung insgesamt von Bedeutung sind. Voraussetzung für die Wirksamkeit dieser Maß­ nahme ist, daß das Management die erwünschten Verhaltensweisen mit innerer Überzeugung vorlebt.60

6. Zusammenfassung Ziel des Kapitels war die Entwicklung eines ganzheitlichen Konzeptes zur Überwindung von Integrationsproblemen bei Untemehmens­ akquisitionen. Das Integrationskonzept wurde auf der Grundlage von Einflußfaktoren auf den Integrationserfolg aufgebaut. Bei den Einflußfaktoren wurde unterschieden zwischen solchen, die sich direkt auf den Integrationsprozeß beziehen und solchen, die im Vorfeld der Integration liegen - d.h. vor bzw. im Akquisitionsprozeß -, sich aber meist erst während der Integrationsphase auswirken. Neben der fehlenden bzw. der falschen strategischen Fundierung einer Unter­ nehmensakquisition, sowie einer unzureichenden Analyse und Bewer­ tung des Akquisitionskandidaten, ist die oft vernachlässigte Planung der Integration der Hauptgrund, warum Akquisitionen die mit ihr ver­ 59 60

Vgl. Hsieh 1990, S. 52. Vgl. Hoffmann 1989a, S. 173.

178

bundenen Erwartungen häufig nicht erfüllen.61 Konsequent mit dieser Feststellung behandelt wurden deshalb vor dem Zustandekommen der Transaktion Planungsaufgaben, insbesondere zum beabsichtigten Integrationsgrad, zum optimalen Planungsbeginn, zur Auswahl eines geeigneten Managementteams und zur Entwicklung eines systema­ tischen Maßnahmenplans für die Zeit nach der Akquisition. Darauf aufbauend wurden die den Integrationsprozeß direkt beeinflussenden Erfolgsfaktoren „Strategie“, „Struktur“, „Personal“ und „Kultur“ unterschieden und als Teilkonzepte der Integration dargestellt. Inner­ halb der Teilkonzepte wurden einzelne Integrationsmaßnahmen diskutiert, die in einer konkreten Integrationssituation als Gestaltungs­ parameter angewendet werden können (siehe Abbildung 20). Dem Teilkonzept Strategie wurde eine übergeordnete Bedeutung bei der Beeinflussung des Integrationserfolges eingeräumt. Hierfür sprechen die primär produkt-Zmarkt- und ertragsorientierten Integrati­ onsaufgaben (materielle Erfolgsdimension), mit dem grundlegenden Ziel der Realisierung akquisitionsbedingter Wertsteigerungspotentiale. Voraussetzung ist eine genaue Analyse des Wertsteigerungspotentials und der zur Realisierung erforderlichen Transferarten materieller und immaterieller Ressourcen und Fähigkeiten. Erst wenn diese Voraus­ setzungen erfüllt sind, können die strategischen Interessen beider Unternehmen konsolidiert werden.

Im Rahmen des Teilkonzeptes Struktur wurden die aufbau- und ablauforganisatorischen Regelungen (formale Erfolgsdimension) der Zusammenarbeit im Integrationsprozeß behandelt. Während aufbauorganisatorische Integrationsaufgaben (z.B. Fragen der horizontalen und vertikalen Gliederung der Unternehmen) stark abhängig sind von den Zentralisations- bzw. Dezentralisationserfordemissen des Einzel­ falles, sollte den ablauforganisatorischen Integrationsaufgaben generell eine größere Bedeutung im Integrationsprozeß zugeordnet werden. Dies gilt im besonderen Maße für die Konsolidierung der 61

Vgl. z.B. Frank 1993, S. 141; Sieben / Sielaff 1989, S. 40 sowie die in Kapitel II Ab­ schnitt 1 genannten Literaturquellen.

179 Management- und Technologiesysteme, da in der Praxis in der Regel kein Unternehmen an dieser Integrationsaufgabe vorbeikommt, egal ob eine vollständige Integration oder eine eher lose Verbindung der Unternehmen angestrebt wird. Abbildung 20 Übersicht über das Integrationskonzept STRATEGIE

Konsolidierung untemehmensstrategischer Absichten Geschäftsfeldbezogene Strategiefestlegung

Übertragung strategischer Ressourcen und Fähigkeiten

PERSONAL

STRUKTUR

Personalorientierte Ausgestaltung der Führungsinstrumente

Konsolidierung der Organisations­ struktur und Aufbau einer Projekt­ organisation. Konsolidierung der Arbeitsprozesse, der Untemehmenssysteme und Abstimmung der zeitlichen Vorgehensweise.

• • • • •

Führungsstil Anreizsysteme Informationsgestaltung Personalentwicklung Konfliktbewältigung

KULTUR Kulturbewußte Ausgestaltung der Integrationskonzepte Strategie, Struktur, Personal. Symbolisches Verhalten der Führungskräfte

Eigene Darstellung

180

Dies gilt selbstverständlich auch für die Fragen der personal­ orientierten Führung und der Gestaltung der zwischenmenschlichen Interaktion im Integrationsprozeß, die in dem Teilkonzept Personal (zwischenmenschlich-soziale Erfolgsdimension) behandelt wurden. Der Hauptansatz der Interaktionsgestaltung liegt in der Förderung der Unterstützungsbereitschaft integrationsbedingter Veränderungen und in der Reduzierung des Streßcharakters der Integration für die Mitarbeiter, insbesondere der des erworbenen Unternehmens. Basierend auf den Grundlagen individuellen Verhaltens wurden Führungsinstrumente behandelt, denen eine verhaltensbeeinflussende und erfolgsbestimmende Relevanz im Integrationsprozeß zugeordnet werden kann. Zu nennen sind hier im wesentlichen ein partizipativ ausgerichtetes Führungsverhalten des akquirierenden Management, ein an das erwerbende Unternehmen angepaßtes (flexibles) Anreiz­ system, ein bereichsbezogener Führungskräfteaustausch zur Personal­ entwicklung sowie Informationsmaßnahmen (z.B. Kleingruppen­ treffen), zur Schaffung einer vertrauensvollen Zusammenarbeit. Von der zwischenmenschlich-sozialorientierten Erfolgsdimension des Teilkonzepts Personal zu trennen ist das „Teilkonzept Kultur“, in dem der Einfluß untemehmenskultureller Merkmale (wert- und normen­ orientierte Erfolgsdimension) auf den Integrationsprozeß dargestellt wurde. Hinsichtlich der Beeinflußbarkeit der in der Regel voneinander abweichenden Unternehmenskulturen im Integrationsprozeß wurde festgestellt, daß eine Veränderung der Grundorientierungen nur längerfristig und indirekt über die kulturbewußte Ausgestaltung der Teilkonzepte Strategie, Struktur, und Personal möglich ist. Zudem wurde verdeutlicht, daß dem Kulturansatz generell Grenzen einer direkten Steuerbarkeit des Anpassungsprozesses gesetzt sind. Deshalb wurde auch auf das symbolhafte Führungsverhalten im Anpassungs­ prozeß hingewiesen und kulturbeeinflussende Verhaltensweisen (z.B. Reaktion auf kritische Ereignisse) aufgezeigt.

Die mit der Darstellung der Teilkonzepte verbundene künstliche Trennung von Erfolgsfaktoren der Integration hat gezeigt, daß die Integration akquirierter Unternehmen als ein komplexes Problem

181 anzusehen ist. Ein ausschließliche Fokussierung auf „harte“ strategische und strukturelle Aufgaben wird dem Integrationsproblem nicht gerecht. Vielmehr ist es für die erfolgreiche Bewältigung der Integration unumgänglich, auch die „weichen“ Faktoren der personellen und kulturellen Integration mit zu berücksichtigen. In diesem Sinne können die einzelnen Teilkonzepte als Bausteine aufge­ faßt werden, auf denen ein ganzheitliches, untemehmensspezifisches Integrationskonzept entwickelt werden kann.

183

IV. BEWERTUNG UND KONTROLLE DER INTEGRATION BEI UNTERNEHMENS­ AKQUISITIONEN Dieses Kapitel setzt an der durchgeführten Integration akquirierter Untemehmensaktivitäten an. Um die Erfolgsaussichten der Integration bereits im Vorfeld der Akquisition beurteilen zu können, sollen die Möglichkeiten der Bewertung und Kontrolle der Integration aufge­ zeigt werden. Damit soll eine Verbindung hergestellt werden zwischen dem theoretischen Konzept der Integration einerseits und den prak­ tischen Möglichkeiten der Erfolgsbeurteilung andererseits.

1. Bewertung der Integration Analysiert man die Beiträge der Literatur zur Erfolgsbeurteilung der Akquisition, so stellt man fest, daß nur wenige Autoren sich überhaupt mit der Bewertungsproblematik nach einer Untemehmensakquisition auseinandersetzen. Ein Großteil praxisorientierter Veröffentlichungen scheint sich mit generellen Aussagen einer hohen bzw. niedrigen Erfolgsquote zu begnügen.1 Gemeint ist in der Regel der Akquisiti­ onserfolg. Was konkret unter dem „Akquisitionserfolg“ zu verstehen ist, wird in der Literatur aber ebenso weitgehend vernachlässigt, wie eine Unterscheidung zwischen dem Akquisitionserfolg einerseits und dem Integrationserfolg andererseits.2

1

Vgl. hierzu z.B.: Bleeke / Emst 1992, S. 113; Frank 1993a, S. 137 u. 139; Freund 1991,

7

S. 491; Grüter 1991, S. 6-8; Hunt / Lees / Grumbar / Vivian 1987, S. 62; Porter 1988, S. 39; Pommerening 1989, S. 173; Priewe 1989, S. 25; Reineke 1989, S. 9; Shrivastava 1986, S. 66; Sieben / Sielaff 1989, S. 8; Siebenhaar / Zeller 1993, S. 149. Eine Ausnahme hiervon stellen folgende Literaturbeiträge dar: Datta 1991, S. 281-297; Gerpott 1993, S. 186-275; Haspeslagh / Jemison 1992, S. 194-198; Scheiter 1989, S. 55-59.

184

In der empirischen Untersuchung von Haspeslagh / Jemison^ wurde z.B. festgestellt, daß der Akquisitionserfolg im wesentlichen abhängig ist von: 1. dem Konzept des Integrationsansatzes, 2. der Fähigkeit des Management, den geplanten Integrations­ ansatz in die Praxis umzusetzen, 3. der Fähigkeit des Management, das ursprüngliche Konzept abzuändem. Ähnlich beurteilt Scheiter4 die zentralen Einflußdeterminanten des Akquisitionserfolges. Für ihn sind drei Gruppen von Faktoren wesentlich:

1. das Vorgehen im Akquisitionsprozeß, 2. die Verträglichkeit betrieblicher Verhaltensdeterminanten,

3. das Vorgehen im Integrationsprozeß. Der Akquisitionserfolg kann als Folge des Integrationserfolges ange­ sehen werden. Abbildung 21 verdeutlicht die Einordnung des Integra­ tionserfolges in den Bezugsrahmen des Akquisitionserfolges. Gleich­ zeitig zeigt die Abbildung 21 die für eine Erklärung des Akquisiti­ onserfolges relevanten Einflußfaktoren.

Bei den Einflußfaktoren auf den Akquisitionserfolg handelt es sich um untemehmensexteme (z.B. Wettbewerbssituation, konjunkturelle Lage) und untemehmensinteme Situationsvariablen (z.B. Akquisiti­ onserfahrung, Verwandtschaftsgrad der Produkt-/Marktbereiche). Direkten Einfluß auf den Akquisitionserfolg hat die in Kapitel II dar­ gestellte Planung und Durchführung der Akquisition und die Planung

4

Vgl. Haspeslagh / Jemison 1992, S. 194. Vgl. Scheiter 1989, S. 293-314.

185 des Integrationsprozesses sowie die Maßnahmen zur Gestaltung der Integration (vgl. Kapitel III).

Abbildung 21 Einflußfaktoren des Akquisitionserfolges

1.1 Bewertungskomponenten des Akquisitionserfolgcs

Erfolg kann allgemein umschrieben werden als die Realisierung eines gesteckten Zieles mit definiertem Ressourceneinsatz in einer bestimmten Zeit.5 Als Ziel der Akquisition wurde die Leistung eines Beitrages zur Erfüllung übergeordneter Untemehmensziele im Sinne

5

Vgl. Scheiter 1989, S. 55.

186

einer Wertsteigerung der am Akquisitionsprozeß beteiligten Unter­ nehmen definiert (vgl. Kapitel III Abschnitt 2.1.2). Der Akquisiti­ onserfolg bezieht sich damit auf die Bewertungsebene des gesamten Unternehmens. Die wenigen Literaturbeispiele zur Bewertung des Akquisitions­ erfolges konzentrieren sich auf quantitativ meßbare, hauptsächlich monetäre Erfolgskriterien. Vordergründig wird auch in der Untemehmenspraxis die Akquisition zumeist als Investition betrachtet, die zu einer angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals fuhren soll. Eine auf ausschließlich quantitativen Bewertungskriterien beruhende Erfolgsanalyse vernachlässigt, daß betriebswirtschaftliche Kennzahlen wie z.B. der ROI oder der Gewinn auf vorgelagerten UrsacheWirkungsbeziehungen beruhen, die häufig nur einer qualitativen Bewertung zugänglich sind. Dem Akquisitionserfolg vorgelagert ist der Integrationserfolg, der zu messen ist an der Realisierung der Integrationsziele. In diesem Sinne bezeichnet Gerpott den Akquisitionserfolg als „Letztkriterium“^ für die Effektivität der Integrationsgestaltung bzw. den „ökonomischen Akquisitionserfolg i.e.S.“7 als Konsequenz des Integrationserfolges. Diese getrennte Erfolgsbeurteilung wird den nachfolgenden Aus­ führungen zugrundegelegt und inhaltlich präzisiert. 1.1.1 Teilkomponente Integrationserfolg Der Integrationserfolg wird in dieser Arbeit als Voraussetzung für den ökonomischen Akquisitionserfolg angesehen.^ Ziel der Beurteilung ist die Messung der Erfolgswirksamkeit der eingesetzten Integrations­ 6 7

Vgl. Gerpott, 1993, S. 188. Unter dem ökonomischen Akquisitionserfolg i.e.S. versteht Gerpott (1993, S. 397) das

$

Ausmaß, „in dem durch eine Akquisition Veränderungen von quantitativ-objektiv ermittelbaren und zumeist auf monetären Größen beruhenden Kriterien bewirkt werden“. Im folgenden soll aus Vereinfachungsgründen von dem „ökonomischen Akquisitionserfolg“ gesprochen werden. Vgl. hierzu auch Domis 1982, S. 48; Frank 1993, S. 141; Haspeslagh / Jemison 1992, S.

129; Krüger 1988, S. 27 f; Scheiter 1989, S. 55.

187 maßnahmen. Hierbei besteht das Problem, daß der Integrationserfolg mit Hilfe quantitativer Kriterien nur unzureichend meßbar ist. So läßt sich z.B. die Erfolgswirksamkeit eines Führungskräfteaustausches zwischen den Unternehmen oder die Verwirklichung gemeinsamer Führungsgrundsätze quantitativ, wenn überhaupt, kaum erfassen. Von den quantitativen Kriterien zur Beurteilung des Akquisitionser­ folges sind deshalb im Rahmen der Integrationserfolgsbeurteilung jene zu unterscheiden, die auf die Qualität der Integrationsgestaltung Bezug nehmen. Die Qualität der Integration kann aus der Effektivität bzw. der Zielerreichung angestrebter Veränderungen abgeleitet werden. Die Zielerreichung kann aber nur dann wirksam gemessen werden, wenn im Rahmen der Planungsphase der Integrationsumfang auch in sachlicher und zeitlicher Hinsicht bestimmt wurde.

Aufgrund der Problematik, bereits in der Planungsphase a priori ein realistisches Bild des Integrationserfolges zu zeichnen, bietet es sich als Ergänzung oder Alternative der a posteriori Bewertung des Integrationserfolges an, eine Beurteilung durch verschiedene mit der Akquisition und Integration vertraute Personenkreise durchzuführen. Dies stellt den Versuch dar, quantitative bzw. objektive Kriterien durch qualitative bzw. subjektive Kriterien zu ersetzen. Die Beur­ teilung kann z.B. mit Hilfe einer schriftlichen oder persönlichen Befragung durchgefiihrt werden. Ziel einer solchen Befragung ist es, Erfolgswahmehmungen mit in die Analyse einzubeziehen.9

1.1.2 Teilkomponente ökonomischer Akquisitionserfolg

Die Bewertung des ökonomischen Akquisitionserfolges wird in der Betriebswirtschaft in der Regel mit Hilfe finanzwirtschaftlicher Kenn­ zahlen festgestellt. Dabei handelt es sich hauptsächlich um monetäre Erfolgskriterien, die aus Jahresabschluß- und / oder kapitalmarkt­ orientierten Bewertungskonzepten resultieren können.

9

Zu Erfolgsuntersuchungen durch Befragung siehe z.B. Bühner 1990, S. 98-101.

188 Jahresabschlußorientierte Meßkonzepte ermitteln den Akquisitionser­ folg aus Sicht des akquirierenden Unternehmens über Analysen aus Daten der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung handels­ rechtlicher Jahresabschlüsse. 10 Die in diesem Zusammenhang am häufigsten verwendeten Kriterien sind:

(1) absolute Erfolgskriterien: • Umsatzentwicklung • Deckungsbeiträge

• Kostenstruktur • Operatives Ergebnis • Mitarbeiterzahl (2) relative Erfolgskriterien: • Gesamtkapitalrentabilität

• Eigenkapitalrentabilität • Umsatzrentabilität • Pro-Kopf-Umsatz • Kundenbezogene Betreuungsintensität

10

Zur Problematik jahresabschlußorientierter Akquisitionserfolgsmessungen siehe z.B.:

Bühner 1990, S. 84-97; Datta 1991, S. 288; Gerpott 1993, S. 194-197; Möller 1983, S. 53-57; Kirchner 1991, S. 92-94; Shrivastava 1986, S. 66. Bühner (1990, S. 104) analy­ sierte insgesamt 28 jahresabschlußorientierte Untersuchungen zum Akquisitionserfolg. Zusammenfassend zieht er den Schluß, daß die meisten Untersuchungen unveränderte oder sogar verschlechterte Untemehmenssituationen nach Akquisitionen ermittelten. Bei nur 4 Studien ergab sich eine Verbesserung der Untemehmenssituation.

189

Die oben genannten Erfolgskriterien sind vor und nach einer Unter­ nehmensakquisition auf gleicher Definitionsbasis zu ermitteln und zu vergleichen. In der Realität zeigt sich häufig, daß nicht nur durch die Akquisition und Integration selbst die Vergleichbarkeit der Daten ab­ nimmt, sondern daß vielfältige andere Einflüsse einwirken können (z.B. eine grundlegende Veränderung der Wettbewerbssituation), die mit den Akquisitionsfolgen so vermischt sind, daß eine isolierte Be­ trachtung oftmals überhaupt nicht möglich ist.11 Als Beispiel einer jahresabschlußorientierten Akquisitionserfolgs­ messung dient die empirische Untersuchung von Gerpott12. Zur Messung des ökonomischen Erfolges wurden folgende „klassische“ Erfolgskriterien des Rechnungswesens herangezogen:

• das ordentliche Betriebsergebnis des Akquisitionsobjektes

• der Umsatz des Akquisitionsobjektes und -Subjektes • die Mitarbeiterzahl des Akquisitionsobjektes und -Subjektes Diese Kriterien wurden hinsichtlich der durchschnittlichen Verände­ rungsrate p.a. vor und nach dem rechtlichen Vollzug der Akquisition (jeweils ca. 3 Jahre) überprüft. Insgesamt wurde festgestellt, daß sich die Akquisition wesentlich stärker auf den ökonomischen Erfolg des i.d.R. kleineren Zieluntemehmens auswirkt als auf den des erwerbenden Unternehmens.1-^ Kapitalmarktorientierte Meßkonzepte versuchen bei börsennotierten Unternehmen, Reaktionen des Aktienmarktes auf Untemehmens11 12 13 1J

Vgl. Sieben / Sielaff 1989, S. 45. Vgl. Gerpott 1993, S. 397-404. Während im Nachher-Vorher-Vergleich des erwerbenden Unternehmens in der Mehr­ zahl der Fälle unveränderte durchschnittliche Veränderungsraten beim Umsatz und der Mitarbeiterzahl zu bemerken waren, konnte der Umsatz bei den Zielunternehmen in über 40% der Fälle gesteigert werden. Dagegen nahm die Zahl der Mitarbeiter in ca. 50% der Fälle nach einer Akquisition ab. Das ordentliche Betriebsergebnis des Zielun­ temehmens lag in der Zeit nach der Akquisition mehrheitlich über der Rate der letzten drei Jahre vor der Transaktion. Vgl. Gerpott 1993, S. 399-401.

190

akquisitionen zu ermitteln. Die Aktionärsbeurteilung wird in empi­ rischen Untersuchungen durch eine sog. „abnormale Rendite“^ aus­ gedrückt. Die Ergebnisse kapitalmarktorientierter Akquisitions­ forschung deuten darauf hin, daß Akquisitionen im Mittel zu einer Wertsteigerung der beteiligten Unternehmen bzw. des Vermögens der Aktionäre fuhren.15 Dabei wurde ein höherer Vermögenszuwachs in Bezug auf das Zieluntemehmen festgestellt als in Bezug auf das akquirierende Unternehmen. In der kapitalmarktorientierten Untersuchung von Bühner16 wurde ermittelt, daß Aktionäre grenzüberschreitende Untemehmenszusammenschlüsse mit höheren Ergebniswerten (abnormale Rendite) bewerten als Inlandszusammenschlüsse. Dies gilt im besonderen Maße dann, wenn ein Unternehmen über bereits vorhandene Akquisi­ tionserfahrungen im Ausland verfugt und in verwandte Produktbe­ reiche (horizontale Akquisition) investiert. Eine deutlich negative Aktionärsbeurteilung dagegen erzielen Diversifikationen in nicht-ver­ wandte Produktbereiche (konglomerate Akquisitionen). Ein Grund hierfür kann in der Schwierigkeit gesehen werden, untemehmensspezifische Vorteile im Integrationsprozeß zu übertragen bzw. konglomerate Aktivitäten erfolgversprechend zu fuhren.

In der Literatur ist eine gewisse Überlegenheit der kapitalmarktorien­ tierten gegenüber der jahresabschlußorientierten Bewertung festzu­ stellen.17 Die Vorteilhaftigkeit wird damit begründet, daß das kapitalmarktorientierte Konzept zukunftsbezogen ist und zu einem interpretierbaren Gesamterfolgsindex führt. Andererseits ist insbe-

4

Unter der „abnormalen oder marktbereinigten Rendite" versteht man die durch die

16

Akquisition bewirkte Abweichung der Aktienrendite von ihrer normalen Durch­ schnittsentwicklung. Vgl. Bühner 1992, S. 449. Vgl. Weston 1987, S. 41-43. Eine Übersicht zu den Ergebnissen kapitalmarktorientierter

17

Untersuchungen findet sich bei Bühner 1990, S. 102-113. Vgl. Bühner 1992, S. 448-458. Die Stichprobe umfaßte 39 Untemehmenszusammenschlüsse börsennotierter deutscher Unternehmen und einen Zeitraum von 2 Jahren vor bzw. nach der Anzeige beim Bundeskartellamt. Vgl. z.B. Bühner 1992, S. 448; Frank 1993a, S. 139.

191 sondere die dem Modell unterstellte Informationstransparenz der Kapitalmärkte zu kritisieren, da es den Aktionären in der Regel nicht möglich ist, akquisitionsbedingte Wertveränderungen zum Zeitpunkt des Bekanntwerdens einer Akquisition richtig einzuschätzen.18 Insgesamt kann man festhalten, daß die verwendeten Bewertungs­ kriterien einen direkten Einfluß auf die präzise Ermittlung des öko­ nomischen Akquisitionserfolges haben, d.h. mit der Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Bewertungskriterium wird auch eine Ent­ scheidung über die Vollständigkeit und die Präzision der Erfolgs­ messung präjudiziert. Für eine tiefere Bewertung des Akquisitionser­ folges sind zusätzliche Kriterien notwendig, die das Ausmaß und die Wirksamkeit der Integration, bzw. die faktische Erreichung der geplanten Integrationsziele berücksichtigen. Hierauf soll im folgenden Kapitel näher eingegangen werden.

1.2 Bewertungskriterien des Integrationserfolges

Der Integrationserfolg kann am besten anhand der Gestaltungsmaß­ nahmen der Integration beurteilt werden. Diese sind hochkorreliert mit den Integrationszielen. Die Erreichung dieser Ziele wird wiederum beeinflußt von der sich verändernden Akquisitions- und Integrations­ situation über den gesamten Prozeßverlauf. Daher kann es einen für alle gültigen Bewertungsansatz grundsätzlich nicht geben.

Bei der Beurteilung des Integrationserfolges sind prinzipiell folgende Informationen von besonderem Interesse:19

• die Beurteilung der Effektivität (Zielerreichung) der Integration, • die Beurteilung der Zeitaspekte der Integration, 1R 10

19

Porter (1988, S. 39) steht den kapitalmarktorientierten Untersuchungen kritisch gegen­ über: „The short-term market reaction is a highly imperfect measure of the long-term success of diversification, and no self-respecting executive would judge a corporate strategy this way“. Vgl. Domis 1982, S. 93; Pfohl 1988, S. 815; Sieben/Sielaff 1989, S. 47.

192 • die Beurteilung der Kosten der Integration.

Die Beurteilung des Integrationserfolges kann grundsätzlich durch Gegenüberstellung von Ziel- und Ist-Integrationsgrad beurteilt werden. Voraussetzung ist, daß bereits während des Planungsstadiums der Integration eine detaillierte Vorausschau der Integrations­ ergebnisse erstellt wird. Fehlt diese Vorausschau, so sind die Möglichkeiten der Beurteilung vor und nach der Eingliederung stark eingeschränkt. Zunächst soll auf das Kriterium der Effektivität, d.h. der Wirksamkeit einzelner Integrationsmaßnahmen zum Erreichen festgelegter Integra­ tionsziele, eingegangen werden. Die Behandlung der Kriterien der Zeitdauer und des Zeitpunktes sowie der Kosten der Integration schließt sich an. Danach wird die Einschätzung des Integrations­ erfolges durch einzelne Gesprächspartner thematisiert. Gerade in neueren empirischen Untersuchungen läßt sich feststellen, daß immer mehr auf diesen methodischen Ansatz zurückgegriffen wird.20

1.2.1 Effektivität der erreichten Integration

Unter dem Integrationserfolg soll in dieser Arbeit die „Effektivität“ verstanden werden, mit der angestrebte Veränderungen des akqui­ rierenden Unternehmens bzw. des integrierten Unternehmens inner­ halb einer bestimmten Zeit und mit einem definiertem Ressourcen­ einsatz erreicht werden.21 Von der Effektivität (Soll-/Ist-Vergleich) zu unterscheiden ist die Beurteilung der „Effizienz“, die auf die Wirt­ schaftlichkeit einer Gestaltungsmaßnahme (Input-/Output-Verhältnis) abzielt.22 Die Beurteilung der Effizienz einer Integrationsmaßnahme

20

21

22

Vgl. hierzu die in Kapitel IV Abschnitt 1.3 angegebenen Literaturquellen. Vgl. Datta 1991, S. 288; Gerpott 1993, S. 389; Kroehl 1995, S. 44; Möller 1988; S. 5860; Reineke 1989, S. 102 f; Scheiter 1989, S. 57-59; Sieben / Sielaff 1989, S. 46 f. Zur Abgrenzung der Begriffe der Effizienz und der Effektivität siehe: Bohr 1993, Sp. 855-869; Hill / Fehlbaum / Ulrich 1980, S. 160 f; Reineke 1989, S. 102-105; Ropella 1989, S. 27; Scholz 1992, Sp. 533f.

193 ist grundsätzlich auch wünschenswert, erscheint jedoch in der Inte­ grationspraxis problematisch. Der Versuch, den Integrationsmaß­ nahmen monetäre oder andere exakt meßbare Kriterien zuzuordnen (vgl. Kapitel IV. Abschnitt 1.2.3.), wird in der Realität aufgrund der Komplexität und Interpretationsbedürftigkeit der meisten Ergebnisse scheitern. Das folgende Zitat verdeutlicht die Problematik der Effizienzbeurteilung am Beispiel betrieblicher Anreizsysteme:2-5 „...wenn man Effizienz z.B. im Sinne ökonomischer Vorteilhaftigkeit eindeutig definiert und den Terminus „Anreiz­ system “ eine klare, systemtheoretisch akzeptable Kontur gibt, bleiben noch erhebliche Probleme bezüglich der Effizienz­ beurteilung: Der Einfluß betrieblicher Anreizsysteme aufden ökonomischen Erfolg eines Unternehmens ist immer ein partieller und indirekter, letztlich ein diffuser. Damit haben Anreizsysteme ein ähnliches Schicksal wie Organisations­ strukturen, Führungskonzeptionen oder Weiterbildungs­ programme, deren wirtschaftliche Effizienz ebenfalls kaum exakt gemessen, sondern bestenfalls plausibel begründet werden kann. “ Kossbiei 1993, S. 80. Im Rahmen der Integrationserfolgsbeurteilung ist es sinnvoller, die Effektivität (den Zielerreichungsgrad) der durchgefuhrten Integrati­ onsmaßnahmen zu untersuchen. Eine Integrationsmaßnahme kann als effektiv angesehen werden, wenn sich ihre Anwendung positiv auf das Erreichen eines oder mehrerer Integrationsziele auswirkt. Welche Ziele bei der Beeinflussung des Integrationsprozesses verfolgt werden, ist abhängig von der Art und Richtung der jeweiligen Akquisition und dem angestrebten Integrationsgrad. In Ergänzung zu den vorher ge­ nannten ökonomischen Aspekten können z.B. folgende Kriterien der sozialen und kulturellen Effektivitätsbeurteilung von Bedeutung sein:24

22 24

Vgl. auch Kossbiei 1994, S. 75-93. Vgl. Reineke 1989, S. 103-21.

194 • Verbesserung der Aufgabenerfullung des akquirierten Unternehmens und seiner Mitarbeiter;

• Sicherstellung der Motivation der Mitarbeiter; • Reduzierung von Unsicherheiten der Mitarbeiter des akquirierten Unternehmens; • Erhaltung bzw. Steigerung der untemehmenskulturellen Flexibilität;

• Senkung der kulturellen Distanz zwischen den Unternehmen. Hinsichtlich der Effektivität der Übertragung von Unternehmens­ philosophien als ein Instrument zur Beeinflussung des strategischen Integrationserfolges kann festgehalten werden, daß z.B. die Aufgabenerfullung des akquirierten Unternehmens durch den leit­ linienartigen Charakter einer Untemehmensphilosophie erleichtert werden kann. Die Untemehmensphilosophie kann auch durch ihre Orientierungsfunktion zu einer Reduzierung von Unsicherheiten bei­ tragen und ferner die kulturelle Distanz zwischen den Unternehmen verringern. Voraussetzung ist, daß die definierte Untemehmens­ philosophie als solche von den Mitarbeitern wahrgenommen wird und sie sich damit identifizieren können.25.

Die Effektivität organisationsstruktureller Maßnahmen hängt wesentlich von der konkreten Ausgestaltung der Aufbau- und Ablauforganisation ab. So wird sicherlich die Motivation der Mitarbeiter zur Unterstützung der Integration verringert werden, wenn z.B. die Führungskräfte des akquirierten Unternehmens nach der Akquisition an hierarchisch untergeordnete Führungskräfte der Muttergesellschaft berichten müssen. Ein anderes Beispiel ist die An75

Unter dem Begriff der „unternehmenskulturellen Distanz,, versteht man in Anlehnung an Reineke (1989, S. 61) „die Summe der Unterschiede zwischen den Ausprägungen der Elemente zweier Unternehmenskulturen“.

195 passung der Planungs- und Berichtssysteme, wenn die Mitarbeiter des akquirierten Unternehmens von einer Vorteilhaftigkeit des zu über­ nehmenden Systems nicht überzeugt sind. Voraussetzung für die Be­ wältigung struktureller Veränderungen ist eine Flexibilität der beteiligten Personen im Hinblick auf ihre Denk- und Verhaltens­ muster. Gelingt es, diese Flexibilität hinsichtlich der zielgerechten Aufgabenerfullung zu erhalten oder zu fördern, erscheint auch eine Verringerung der untemehmenskulturellen Distanz möglich.

Die Effektivität von Maßnahmen der Personalentwicklung, als Beispiel im Rahmen des Teilkonzeptes der personellen Integration, hängt u.a. von der praktischen Anwendbarkeit des im Rahmen von Weiterbildungsveranstaltungen erworbenen Fachwissens ab. Auch spielen Ausmaß und Inhalt sowie die bisherigen Erfahrungen der in die Karriereplanung einbezogenen Mitarbeiter eine Rolle. Durch Personalentwicklungsmaßnahmen werden in der Regel die Fähig­ keiten der Mitarbeiter zur Aufgabenerfullung verbessert sowie ein Abbau der untemehmenskulturellen Distanz ermöglicht. Inwieweit dies gelingt, ist abhängig von der Bedeutung der an Entwicklungs­ maßnahmen teilnehmenden Mitarbeiter als Multiplikatoren der ange­ strebten Untemehmenskultur. Je nach Trainingsmaßnahmen kann auch eine Verbesserung der Flexibilität erreicht werden. Positive Auswirkungen auf die Motivation sind dann zu erwarten, wenn die Mitarbeiter der akquirierten Tochtergesellschaft an Projekten der Muttergesellschaft beteiligt werden. Im Rahmen des Teilkonzeptes der kulturellen Integration wurde auf die Notwendigkeit einer kulturbewußten Gestaltung der strategischen, strukturellen und personellen Teilkonzepte hingewiesen. Als besonders relevant für den Anpassungsprozeß erwies sich das kultur­ bewußte, symbolische Verhalten der Führungskräfte des akquirierenden Unternehmens. Die Effektivität eines bestimmten Führungsverhaltens im Anpassungsprozeß kann in Bezug auf die Kriterien der Motivation und der Verbesserung der Aufgabenerfullung nicht hoch genug beurteilt werden. Dies gilt besonders für die Wahr­ nehmung des in einer konkreten Situation als angemessen ange­

196

sehenen Führungsverhaltens. In einer von Unsicherheiten gekenn­ zeichneten Situation orientieren sich Mitarbeiter besonders an dem sichtbaren Führungsverhalten ihrer Vorgesetzten. Sie können insbe­ sondere über einen kooperativen Führungsstil zu einer Reduzierung von Unsicherheiten beitragen. Die untemehmenskulturelle Flexibilität wird durch die Übertragung eines Führungsstils in der Regel noch nicht hinreichend verbessert, sondern diese Veränderung setzt eine Flexibilität der Untemehmenskultur per se voraus. 1.2.2 Zeitaspekte der Integration Neben der inhaltlichen Überprüfung der Zielerreichung einzelner Gestaltungsmaßnahmen der Integration können auch zeitliche Aspekte der Integrationsgestaltung unter Erfolgsgesichtspunkten bewertet werden. Zeitliche Aspekte der Integration wurden in Kapitel III. Abschnitt 3.2.3 differenziert nach der Zeitdauer der Integration und dem Zeitpunkt für bestimmte Entscheidungen bzw. dem Beginn bestimmter Maßnahmen der Integrationsgestaltung.

1.2.2.1 Zeitdauer der Integration Wie in Kapitel III. Abschnitt 3.2.3. festgestellt wurde, besteht in der Literatur keine einheitliche Meinung zu den Auswirkungen der Zeit­ dauer der Integration auf den Integrationserfolg. Die Empfehlungen der Literatur umfassen die Extrempositionen einer schnellen Integra­ tion einerseits bzw. eines langsamen Zusammenwachsens der am Akquisitionsprozeß beteiligten Unternehmen andererseits. Da auch in empirischen Erfolgsuntersuchungen zur Integrationsdauer kein ein­ deutiger Trend in Richtung einer schnellen oder schrittweisen Integra­ tion festzustellen ist,26 muß daraus der Schluß gezogen werden, daß die Entscheidung über eine Vorgehensweise der Integration nur unter den situativen Bedingungen des Einzelfalls beurteilt werden kann.

Vgl. die Untersuchungsergebnisse bei Ansoff / Brandenburg / Portner / Radosevich 1971 S. 37 f; Haspeslagh / Jemison 1992, S. 133; Möller 1983, S. 265 f; Scheiter 1989, S. 310.

197

Weitgehende Übereinstimmung besteht aber in der Literatur, daß einzelne Faktoren auf die Art der Vorgehensweise und damit auf die Dauer des Integration einen erfolgsbestimmenden Einfluß ausüben. Um welche zeitrelevanten Erfolgsfaktoren es sich dabei handelt, wurde z.B. in der Studie von Hunt / Less / Grumbar / Vivian^7 ermittelt: 1. Die Existenz und Detailliertheit eines Integrationsplanes. Als Voraussetzung für eine möglichst schnelle und erfolg­ reiche Integration wird die Existenz und Detailliertheit eines Integrationsplanes angesehen. Der Integrationsplan sollte möglichst vor dem formalen Abschluß der Akquisition erarbeitet werden, da jede im Anschluß an die Akquisition zusätzlich zu erhebende Information den Beginn der Eingliederungsmaßnahmen verzögern kann.

2. Die wirtschaftliche Situation des akquirierten Unterneh­ mens. Je schlechter die wirtschaftliche Geschäftssituation des erworbenen Unternehmens zum Akquisitionszeitpunkt ist, um so mehr ergibt sich die Notwendigkeit einer schnellen Einflußnahme seitens des akquirierenden Manage­ ment, die die Wahrscheinlichkeit einer Verbesserung des Integrationserfolges erhöht. 3. Die Managementphilosophie des akquirierenden Unternehmens. Die Managementphilosophie bestimmt z.B. über den Zentralisierungsgrad der Führung. Bei einer weitgehend zentralen Führung der Muttergesellschaft ist davon auszugehen, daß dieses Führungsprinzip auch auf die Tochtergesellschaften angewendet wird, was den Integrationsprozeß durch notwendige Standardisierungen verlängert.

27

Vgl. Hunt / Less / Grumbar / Vivian 1987, S. 46-49.

198 Die oben genannten zeitrelevanten Einflußfaktoren des Integrationser­ folges lassen sich um nachfolgende Situationsvariablen ergänzen, von denen angenommen wird, daß sie ebenfalls einen zeit- und erfolgs­ relevanten Einfluß ausüben: • Umfang der angestrebten Integrationsmaßnahmen. Je umfangreicher die angestrebten Integrationsmaßnahmen geplant sind, desto länger wird durch die Komplexität und die Vielfalt der vermutlich im Integrationsprozeß vorzunehmenden Änderungen in der Regel auch die erfolgsrelevante Integrationsdauer sein.28 • Maß der vorhandenen Akquisitionserfahrung des erwerbenden Unternehmens. Verfugt ein Unternehmen bereits über Erfahrungen bei der Eingliederung akquirierter Aktivitäten, so ist von einer kürzeren Integrationsdauer und einem höheren Integrationserfolgsniveau auszugehen als bei Unternehmen, die zum ersten Mal eine Eingliederung vornehmen.29 • Verfügbare Ressourcen zur Integrationsgestaltung. Die Zeitdauer der Integration ist im wesentlichen auch von finanziellen und personellen Ressourcen abhängig.30 Je größer z.B. der finanzielle Spielraum des akquirierten

2$

In den Untersuchungen von Ansoff / Brandenburg / Portner / Radosevich (1971, S. 42 f.), Möller (1983, S. 250-259) und Scheiter (1993, S. 309) wurden unterschiedliche Er­ gebnisse in Bezug auf die Wirkung des Umfangs der Integration (Integrationsgrad) auf den Integrationserfolg festgestellt. Während Möller eine Beziehung empirisch fest­ stellte, konnte eine solche Verbindung in der Untersuchung von Ansoff / Brandenburg / Portner / Radosevich und Scheiter nicht nachgewiesen werden. Vgl. hierzu auch die Ausführungen bei Bleeke / Isono / Emst / Weinberg 1990, S. 54 f;

30

Gerpott 1993, S. 271-273; Haspeslagh / Jemison 1992, S. 292-294; Kirchner 1991, S. 112 f; Möller 1983, S. 280; Sieben / Sielaff 1989, S. 43; Steinöcker 1993, S. 141 f. In der Untersuchung von Bühner (1992, S. 45.6 f.) wurde für den speziellen Fall grenzüber­ schreitender Akquisitionen empirisch ein deutlich positiver Zusammenhang zwischen Akquisitionserfahrung im Ausland und Erfolgsniveau festgestellt. Vgl. Gerpott 1993, S. 166 f; Möller 1983, S. 245 f.

199

Unternehmens ist, desto schneller können notwendige Restrukturierungen durchgefuhrt werden. Der Erfolg und die Zeitdauer wird nicht zuletzt auch von der Fähigkeit der Führungskräfte und Unterstützungsbereitschaft der Mitarbeiter des akquirierten Unternehmens mitbestimmt, den geplanten Integrationsansatz in die Praxis umzusetzen.31 1.

2.2.2 Zeitpunkt der Integration

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Integration wurden im Kapitel III. Abschnitt 3.2.3 Ergebnisse empirischer Untersuchungen zur Reihen­ folge einzelner Integrationsbereiche vorgestellt. Danach wird in der Praxis offensichtlich dem Finanz- und Rechnungswesen eine besondere zeitliche Vorrangstellung bei der Integration eingeräumt. Für eine frühe Integration des Finanz- und Rechnungswesens spricht, „daß es das Ziel der übernehmenden Gesellschaft sein sollte, schnell die Kontrolle über die übernommene Gesellschaft zu erreichen“32. Neben der Kontrollfunktion des Finanz- und Rechnungswesens soll auch deren Steuerungsfunktion dazu beitragen, nachfolgende Verän­ derungen in anderen Bereichen zu erleichtern.

Aus den Untersuchungsergebnissen eine generelle Empfehlung zur zeitlich optimalen Reihenfolge einzelner Funktionsbereiche abzu­ leiten, ist nach Ansicht des Verfassers aber weder möglich noch ratsam. Die Integration sollte sich primär auf diejenigen Bereiche kon­ zentrieren, zu deren Zweck die Akquisition durchgefuhrt wurde bzw. die ein hohes Maß an Wertsteigerungspotential erkennen lassen. Wurde eine Akquisition z.B. mit dem Zweck durchgefuhrt, Vertriebs­ systeme gemeinsam zu nutzen, so erscheint vor der Konsolidierung eine Vereinheitlichung des Finanz- und Rechnungswesens erforderlich. Steht dagegen die Übertragung technologischer Fähig­ keiten im Vordergrund der Integration, so kann die schnelle und um­ 31 32

Vgl. Haspeslagh / Jemison 1992, S. 194-196. Möller 1983, S. 263 f. Siehe auch Frank 1993a; S. 159; Haspeslagh / Jemison 1992, S.

145 f; Scheiter 1989, S. 135.

200

fassende Übertragung finanzwirtschaftlicher Managementsysteme (Planung, Kontrolle, Berichtswesen) ohne Wirkung auf den Akquisitions-/Integrationserfolg bleiben bzw. negative Erfolgseffekte aufweisen.

1.2.3 Kosten der Integration Nachdem die Integration abgeschlossen ist, erfordert ein umfassendes Bewertungskonzept, die mit der Integration verbundenen Aufwendungen zu analysieren, weil diese den finanziellen Wert der Integration mindern.33 Es handelt sich bei den Integrationskosten um eine keinesfalls zu vernachlässigende Größe, wie Aussagen aus der Praxis belegen. Bei der Akquisition des EDV-Herstellers Nixdorf in den Siemens-Konzem wurden Integrationskosten von mehr als 100 Mio. DM verursacht.34 Andere Schätzungen gehen davon aus, daß die Veränderung einer Untemehmenskultur - als nur einem Integrations­ ziel - zwischen 6 und 15 Jahren dauern kann und Kosten in Höhe von 5% bis 10% der jährlichen Personalausgaben verursacht.35 Eine kostenorientierte Bewertung erfordert eine Unterscheidung zwischen Akquisitions- und Integrationskosten. Akquisitionskosten sind direkt mit der Transaktion in Verbindung stehende Kosten der Übernahme, Finanzierung, Vermittlung und Beratung. Beispiele sind die Prüfungskosten, Kosten der Aktienübemahme, Eintragungskosten bis hin zu Steuern auf Veräußerungserlöse. Integrationskosten sind Folgekosten der Akquisition, die nach der Vertragsunterzeichnung an­ fallen. Beispiele sind Restrukturierungskosten, bedingt durch Entlassungen, Sozialpläne, Versetzungen, zusätzlicher Schulungs­ bedarf oder Anpassungen der EDV-Systeme.

33

Vgl. Balloun / Gridley 1990, S. 99; Bressmer / Moser / Sertl 1989, S. 175 f; Clever

34 35

1993, S. 25; Krüger 1988, S. 372; Nehls 1988, S. 62, Rauer 1994, S. 112; Sandler 1991, S. 214; Sieben / Sielaff 1989, S. 44 f. Vgl.Maier 1991.S.68. Vgl. Scholz 1987, S. 86.

201

Die den Integrationskosten zugeordneten Restrukturierungskosten werden in der Praxis weitgehend berücksichtigt. Kaum einbezogen werden darüber hinausgehende Kosten, die bei der Integration eines Unternehmens anfallen, aber nur schwer zu quantifizieren sind. Dabei handelt es sich um sogenannte Komplexitätskosten, die Porter36 folgendermaßen gliedert: • Koordinationskosten'. Durch die Integration entstehen zwischen Akquisitionsobjekt und -Subjekt Abstimmungskosten, die sich z.B. im Zeitaufwand für Besprechungen des Projektmanagements und der Koordination der laufenden Untemehmenspolitik ausdrücken.

• Kompromißkosten: Durch die Integration kann es sich ergeben, daß die beteiligten Unternehmen Ressourcen gemeinsam nutzen, die optimal den Anforderungen eines Partners, aber nicht beider Partner entsprechen. Der gemeinsame Vertrieb zweier Produkte über einen Außendienst kann bedeuten, daß der Außendienstmitarbeiter einen Kompromiß in der Priorität und Intensität der zu vertreibenden Produkte finden muß. • Inflexibilitätskosten: Durch die Integration können sich der Umfang und die Verschiedenartigkeit der zu bewältigenden Aufgaben erheblich erhöhen. Bleibt die zur Verfügung stehende Kapazität erhalten, verringert sich meist nicht nur die Überschaubarkeit und Kontrollintensität. Gleichzeitig nehmen auch die Reaktionszeit zu und damit die organisatorische Flexibilität tendenziell ab. Den Komplexitätskosten können auch mögliche Opportunitätskosten zugeordnet werden. Opportunitätskosten entstehen z.B. dann, wenn

36

Vgl. Porter 1986, S. 422-428.

202 durch eine umfangreiche Integration angestammte Bereiche vernach­ lässigt werden müssen. Bei der Bewertung ist deshalb zu prüfen, inwieweit die Erträge aus der Integration die Komplexitätskosten übersteigen. Naturgemäß beginnen die Schwierigkeiten der Bewertung schon bei der Erfassung der Komplexitätskosten. In der Praxis wird man sich mit einer näherungsweisen Schätzung behelfen müssen.

Ebenso wie die Komplexitätskosten nur unscharf bewertet werden können, gilt dies auch für jene Kosten, die z.B. durch Arbeitsunzu­ friedenheit, unerfüllte Karriereerwartungen und Unsicherheits­ empfinden am Arbeitsplatz oder Mißtrauen gegen die Führungskräfte hervorgerufen werden. Diese psychologischen Faktoren verursachen verhaltensbedingte Reaktionen der Mitarbeiter, die in einem Leistungsabfall, Fluktuation oder Erhöhung der Krankheitsrate zum Ausdruck kommen können. Versucht man verhaltensbedingte Kosten der Mitarbeiter mit in die Integrationsbewertung einzubeziehen, so müssen nach Gerpott drei Fragen schrittweise beantwortet werden:37 1. Bei welcher Integrationsmaßnahme sind welche verhaltensbedingten Reaktionen der Mitarbeiter und damit verbundene indirekt auftretende Kosten zu erwarten? 2. Durch welche Beeinflussungsmaßnahmen lassen sich die mitarbeiterbezogenen Kosten reduzieren? 3. Übersteigen die durch Mitarbeiterreaktionen verursachten „Widerstandskosten“ nach Durchführung der Integrationsmaßnahmen das Wertschöpfungspotential? Zusammengefaßt bleibt festzuhalten, daß ein umfassendes Integrati­ onsbewertungskonzept neben den direkt erfaßbaren Kosten der Integration (z.B. Restrukturierungskosten) auch die meist nur indirekt erfaßbaren Folgekosten einer Komplexitätszunahme und kosten-

37

Vgl. Gerpott 1993, S. 111-114.

203

wirksame Reaktionen der Mitarbeiter auf die Integration mit in die Betrachtung einbeziehen sollte. 1.3 Bewertung des Integrationserfolges aus Sicht beteiligter Personengruppen

Es ist deutlich geworden, daß die Erfolgswirksamkeit der Integration anhand der Bewertungskriterien, wie der Effektivität, der Zeitdauer bzw. dem Zeitpunkt und den Kosten, nicht zufriedenstellend beurteilt werden kann. Der Hauptgrund liegt in der mangelnden Verfügbarkeit objektiv meßbarer bzw. quantifizierbarer Erfolgsmaßstäbe. Als prag­ matische Alternative oder als Ergänzung bietet es sich an, auf eine subjektive Erfolgsbeurteilung durch Befragung zurückzugreifen. Einzelne Autoren gehen sogar so weit, diese Methode als die einzige praktikable Möglichkeit zur Messung des Integrationserfolges anzu­ sehen.38 „Neither accounting nor market measures (abnormalgains) can be used as valid measures ofpost-acquisition perfor­ mance. A reasonable alternative is the use ofconsidered managementjudgement, an approach which is likely to pro­ vide a picture ofperformance which is much closer to reality. “ Datta 1991, S. 288.

Die grundsätzliche Eignung der Erfolgsbeurteilung durch Befragung von Führungskräften wurde durch die Ergebnisse der Untersuchungen von Ansoff / Brandenburg / Portner / Radosevich und von Dess / Robinson unterstützt.39 So wurde z.B. von den genannten Autoren festgestellt, daß die von Führungskräften wahrgenommenen Er­ folgseinschätzungen signifikant mit objektiven Erfolgsveränderungen (z.B. über die Analyse der Jahresabschlüsse) korrelieren.

38

Vgl. Ansoff/Brandenburg/Portner/Radosevich 1971, S. 96; Dess/Robinson 1984, S.

39

265; Gerpott 1993, S. 211; Scheiter 1989, S. 10-12. Vgl. Ansoff / Brandenburg / Portner / Radosevich 1971, S. 96; Dess / Robinson 1984, S. 269-271.

204 Der Vorteil der Erfolgsbeurteilung mittels Befragung liegt darin, daß die Ansprüche und Interessenlagen verschiedener Personengruppen in die Bewertung einfließen können.40 Bei den Personen, die vom Inte­ grationsprozeß direkt oder indirekt betroffen sind, handelt es sich z.B. um die Eigentümer, das Management, die Mitarbeiter, die Unter­ nehmensberater, die Kapitalgeber, die Kunden oder die Gewerk­ schaften. Im folgenden soll auf drei unterschiedliche Interessen­ gruppen eingegangen, und soweit vorhanden, einzelne Untersuchungsergebnisse zum Integrationserfolg vorgestellt werden.

1.3.1 Bewertung aus Sicht des Management

Die Erfolgsbeurteilung aus Sicht des Management zählt zu den am häufigsten verwendeten Methoden empirischer Akquisitionsstudien.41 Im Rahmen dieser Studien wird meist auf schriftliche oder auch per­ sönliche Befragung einzelner oder mehrerer Führungskräfte zurück­ gegriffen. Dadurch lassen sich Erfolgsdaten erheben, von denen ange­ nommen wird, daß sie ein hohes Informationsniveau darstellen. Die Befragungsergebnisse können in skalierter Form erfaßt und anschließend mittels statistischer Analysemethoden ausgewertet werden. Die Befragung ermöglicht somit eine Transformation qualitativer Aussagen in quantifizierbare Erfolgswahmehmungen. In der empirischen Untersuchung von Scheiter42 wurde der Integrati­ onserfolg ergänzend zum Akquisitionserfolg beurteilt. Der Akquisiti­ onserfolg wurde an der Realisierung der Akquisitionsziele (z.B. Marktanteilssteigerung) gemessen, indem die Gesprächspartner

40

Zu den Nachteilen der Befragung, wie der häufig fehlenden Eindeutigkeit (Validität)

41

und Reproduzierbarkeit (Reliabilität) der Ergebnisse bei wiederholter Befragung, siehe Bühner 1990, S. 98 f; Möller 1983, S. 43-51. Vgl. hierzu die Untersuchungsergebnisse bei Ansoff / Brandenburg / Portner /

42

Radosevich 1971, S. 26-29; Balloun / Gridley 1990, S. 99; Buono / Bowditch / Lewis 1985, S. 483 f; Datta 1991, S. 288-294; Hunt / Lees / Grumbar / Vivian 1987, S. 61 f. und S. 86; Kitching 1967, S. 84-101; Möller 1983, S. 38-51; Reißner 1994, S. 265 f.; Scheiter 1989, S. 150 f. Vgl. Scheiter 1989, S. 9-12 und S. 145-153.

205

(Vorstandsmitglieder, Hauptgeschäftsfiihrer) beurteilten, ob die Ziele vollständig, weitgehend, teilweise oder nicht erreicht wurden. Der Integrationserfolg wurde hauptsächlich aus der organisationsbe­ zogenen Perspektive an der subjektiven Einschätzung einer Verände­ rung des Betriebsklimas beurteilt. Die befragten Führungskräfte und Mitarbeiter aus einzelnen Funktions- und Stabsabteilungen gaben an, ob der Verlauf der Integration aus ihrer Sicht erfolgreich oder nicht erfolgreich verlaufen war. Aus der Bewertung der Einzelziele und der Angaben zum Betriebsklima wurde anschließend eine Gesamtbeur­ teilung des Akquisitions- und Integrationserfolges abgeleitet. Insge­ samt wurde der Verlauf der Integration in fünf von sechs Fallstudien als Erfolg bzw. Teilerfolg gewertet.43

In der Untersuchung von Gerpott44 wurde speziell der Erfolg von ins­ gesamt 15 Integrationsmaßnahmen empirisch getestet. Das Manage­ ment wurde aufgefordert, jeweils auf einer 4-Punkte-Skala anzugeben, inwieweit eine Maßnahme angestrebt wurde (sog. ZielIntegrationsgrad) und anschließend verwirklicht wurde (sog. IstIntegrationsgrad). Die Grundlage für die Abschätzung des Integrati­ onserfolges bildete dann das Ergebnis aus der Gegenüberstellung von Ziel- und Ist-Integrationsgrad. Die Ergebnisse der Untersuchung sind in der Abbildung 22 wiedergegeben. Eine Aussage zum Integrationserfolgsniveau kann aus der Differenz zwischen dem beabsichtigten und dem erreichten Integrationsgrad ab­ geleitet werden (siehe Spalte rechts in Abbildung 22). Danach besteht beispielsweise ein niedriges Integrationserfolgsniveau bei der Zu­ sammenlegung von Betriebsstätten und der organisatorischen Zusam­ menfassung von Aktivitäten in der Produktion, im Vertrieb und im Außendienst.

43 44

Vgl. Scheiter 1989, S. 307 f. Vgl. Gerpott 1993, S. 389-396.

206

Abbildung 22 Erreichungsgrade von angestrebten Integrationsmaßnahmen als Indikatoren des Integrationserfolges Prozentualer Anteil der AkquldtlonsTiille, in denen die Integra* tlonsmögllchkelt "überhaupt nicht angestrebt" wurde

Integrations* mögllchkell/ Maßnahme“

Ziel* und Ist-Integrationsgrad* Differenz

M

t.Znramnwidegeo von Be-

tricbatlttcn

(N-91)

17 0% ZZ2 (N-92)

7.6» E2

0 0% (N-92)

der M

80

.76 .75

85 84

.61

142 .72 .80

92 91

.72

.82

48

.68 .77

48 88

tloaspUauag

pUming

30 29

79

3.Cemdaaa«e Produk-

4.Getndasaa>e Absatz-

.78 .78 .89

Muka

(N-92)

N

.77

121

IBerdtdgca von Produkt-

S

.72

S.OrgaakataftMbes Zu-

47.«% I/Z77777Z77

eaaiiDeatasaen vou AkdvUltea tu der/tm... a) Produktion

rzzz i92

b) Vertrtcb/AuBeodtciMt

SS/S\ 101

1.15

(N-92)

3.3% E (N-91) 314% tzzzz;

(N-76)

0.0% (N-92) 24.2% ZZZZZ

c) Forschung & Entwich-

2ZZZZZZZ22 129

.75 .79

86 59

lung d) Red>auagfwcsen/Coo-

.97 VZZZZZZZZZl iw .59

59 92

troOlag/Flnaarwcscn c) Penoaudwcsen

.65 .66 .58

92 69 69

f) Dnkaur

.70 .74

92

2143. .63 112 .70

82

.66

24

55

24

.60

(N-91)

0.0% (N.92) 5.7% G

(N-87) 73.9% KZZZZ7Z777ZZZ7Z/

6.EDV-Veraetzung der

ControtBag-Syatetne ‘,