Materialwirtschaft [Reprint 2018 ed.] 9783486805383, 9783486255195

Der Band dient zur Vorbereitung auf Prüfung und Examen im Fach "Materialwirtschaft". Ohne allen Ballast wurde

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German Pages 172 [176] Year 2000

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
I. Einführung in die Materialwirtschaft
II. Materialbedarfsrechnung
III. Bestimmung des Materialbestellzeitpunktes und der Materialbestellmenge
IV. Materialmanagement
V. Strategien in der Materialwirtschaft
VI. MaterialwirtschaftskontrolieZ-controIling
VII. Materialwirtschaft mit SAP R/3
VIII. Umweltfreundliche Materialwirtschaft
IX. Integration von Materialwirtschaft und Produktion
Lösungen zu ausgewählten Aufgaben
Literaturverzeichnis
Sachregister
Recommend Papers

Materialwirtschaft [Reprint 2018 ed.]
 9783486805383, 9783486255195

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WiSorium Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Repetitorium Herausgegeben von Michael Bernecker Baumgarth · Bernecker, Marketingforschung Bernecker, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre Bernecker · Helmke, Der handelsrechtliche Jahresabschluß Bernecker • Seethaler, Grundlagen der Finanzierung Bernecker • Liebehenschel, Grundlagen der Betrieblichen Planung Bode, Allgemeine Wirtschaftspolitik Franz · Bernecker, Allgemeine Volkswirtschaftslehre Grote · Wellmann, MikroÖkonomik Witte, Materialwirtschaft

Materialwirtschaft Von Professor

Dr. Hermann Witte

R. Oldenbourg Verlag München Wien

Die Deutsche B i b l i o t h e k - C I P - E i n h e i t s a u f n a h m e Witte, Hermann: Materialwirtschaft / von Hermann Witte. - München ; Wien : Oldenbourg, 2000 (WiSorium) ISBN 3-486-25519-3

© 2 0 0 0 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 www.oldenbourg-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Druck: Grafik + Druck, München Bindung: R. Oldenbourg Graphische Betriebe Binderei GmbH ISBN 3-486-25519-3

Vorwort

Vorwort Der vorliegende Band „Materialwirtschaft" der Reihe WiSorium (Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Repetitorium) des R. Oldenbourg Wissenschaftsverlags ist nach den gleichen Kriterien erarbeitet worden wie die anderen Bände. Es soll Studierenden an Hochschulen und Akademien der grundlegende Stoff für Prüfungen im Grund- und Hauptstudium in komprimierter Form, d.h. ohne Ballaststoff, dargestellt werden. Verständlichkeit und schneller Zugang zum Themengebiet „Materialwirtschaft" standen bei der Konzeption des Bandes im Vordergrund. Die Erschließung des Stoffes wird durch die N e n n u n g wichtiger lernrelevanter Begriffe vor jedem Kapitel, die selbst in einem beliebigen Wirtschaftslexikon nachzuschlagen sind, die Formulierung von Wiederholungsfragen und die Auflistung der wichtigsten Literatur im Anschluß an jedes Kapitel unterstützt. Das Nachschlagen wichtiger Begriffe in einem Wirtschaftslexikon und das N a c h lesen bestimmter Problemfelder in der angegebenen Literatur ist f u r die Erfassung und das Verständnis alternativer Lehrmeinungen von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Von diesen Möglichkeiten sollte daher entsprechend Gebrauch gemacht werden. Z u d e m ist der Text mit vielen Abbildungen und Rechenaufgaben durchsetzt, die die Verständlichkeit fördern sollen. Die Lösung der Aufgaben finden sich zum Teil am Schluß des Bandes vor den in einem Literaturverzeichnis zusammengefaßten Literaturangaben. Für die geduldige Akzeptanz entgangener Lebensqualität während der Erstellung dieses Bandes bin ich meiner Familie zu Dank verpflichtet. Hermann Witte

V

Inhaltsverzeichnis

VII

Inhaltsverzeichnis Vorwort Inhaltsverzeichnis I. Einführung in die Materialwirtschaft 1. Grundbegriffe 1.1 Materialwirtschaft 1.2 Beschaffung 1.3 Versorgung 1.4 Einkauf 1.5 Zusammenhang zwischen Beschaffung, Materialwirtschaft, Versorgung und Einkauf 2. Entwicklungsstufen der Materialwirtschaft 3. Materialwirtschaftspolitik 4. Organisation der Materialwirtschaft 4.1 Formen der Aufbauorganisation in der Materialwirtschaft 4.2 Ablauforganisation in der Materialwirtschaft II. Materialbedarfsrechnung 1. Vorbemerkungen zur Materialbedarfsrechnung 1.1 Klassifizierung des Materialbedarfs 1.2 Klassifizierung der Materialien 2. Materialbedarfsrechnung bei auftragsorientierter Produktion 3. Materialbedarfsrechnung bei prognoseorientierter Produktion 3.1 Prognose des Materialbedarfs bei regelmäßigem Verbrauch 3.1.1 Prognose bei konstantem Verbrauch 3.1.2 Prognose bei Verbrauch mit ansteigendem Trend 3.1.3 Prognose bei Saisonschwankungen des Verbrauchs 3.2 Prognose des Materialbedarfs bei unregelmäßigem Verbrauch (sporadischem Bedarfsverlauf) 4. Methoden der subjektiven Schätzung des Materialbedarfs 5. EDV-gestützte Materialbedarfsprognose III. Bestimmung des Materialbestellzeitpunktes und der Materialbestellmenge 1. Das Verfahren der Gegenüberstellung von Soll- und Isteindeckungszeit 2. Beispiel zum Verfahren der Gegenüberstellung von Soll- und Isteindeckungszeit 3. Bestimmung der Materialbestellmenge 4. Rechenbeispiel zur Bestimmung der Materialbestellmenge IV. Materialmanagement 1. Materialbestandsmanagement

V VII 1 1 1 3 3 4 4 6 7 9 9 16 19 19 20 21 23 32 34 34 45 50 56 57 58 61 61 63 68 69 73 73

Vili

Inhaltsverzeichnis

1.1 Lagerungsablauf 1.2 Materialrechnung 1.3 Lagerkontrolle 2. Materialbestellung 2.1 Beschaffungsanbahnung 2.2 Beschaffungsabschluß 2.3 Materialbeschaffungsabwicklung 2.3.1 Terminüberwachung 2.3.2 Wareneingang 2.3.3 Rechnungsüberprüfung 3. Materiallagermanagement 3.1 Bestimmung des Lagerstandortes 3.2 Bestimmung der Lagerkapazität 3.3 Gestaltung des Lagers 3.3.1 Materialeingangslager 3.3.2 Materialhand-, -puffer- und -Zwischenlager 3.3.3 Materialausgangslager 3.4 Gestaltung des Materialtransports 3.4.1 Transport zum verarbeitenden Unternehmen 3.4.2 Transport im verarbeitenden Unternehmen 3.4.3 Transport zum Verbraucher 3.4.4 Transport zur Entsorgung 4. Materialentsorgung 4.1 Aufgaben der Materialentsorgung 4.2 Bereiche der Materialentsorgung 4.3 Ansatzpunkte der Materialentsorgung V. Strategien in der Materialwirtschaft 1. 2. 3. 4. 5.

Single und Modular Sourcing Double Sourcing Multiple Sourcing Local Sourcing Global Sourcing

VI. Materialwirtschaftskontrolle/-controlling 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Aufgaben der Materialwirtschaftskontrolle Arten der Materialwirtschaftskontrolle Formen der Materialwirtschaftskontrolle Ziele der Materialwirtschaftskontrolle Instrumente der Materialwirtschaftskontrolle Maßnahmenauswahl und -realisierung in der Materialwirtschaftskontrolle Kennzahlen der Materialwirtschaftskontrolle zur Erfolgsermittlung Ausgewählte Ziele, Instrumente, Maßnahmen und Kennzahlen der Materialwirtschaftskontrolle

74 75 75 76 76 77 77 77 78 78 79 79 80 80 81 81 82 82 82 83 83 83 84 84 85 86 89 89 92 93 93 93 97 97 99 99 100 107 112 119 124

Inhaltsverzeichnis

VII. Materialwirtschaft mit SAP R/3 1. SAP R/3 gestützte Materialwirtschaft 1.1 Die grundlegende Struktur, die Komponenten und die Module des Programms SAP R/3 1.2 Das Modul Materialwirtschaft 2. Die Internet-Anwendungskomponenten des SAP R/3-Moduls Materialwirtschaft 3. Electronic Data Interchanges (EDI) des SAP R/3-Moduls Materialwirtschaft

IX

139 139 139 142 143 144

VIII. Umweltfreundliche Materialwirtschaft

147

IX. Integration von Materialwirtschaft und Produktion

151

1. Material Requirements Planning (MRP I) 2. Manufacturing Resource Planning (MRP II)

151 152

3. Logistikkonzepte

152

Lösungen zu ausgewählten Aufgaben

155

Literaturverzeichnis

159

Sachregister

163

/. Einführung in die Materialwirtschaft

I. Einführung in die Materialwirtschaft In diesem Kapitel lernen Sie die Begriffe • • • • • • •

Materialwirtschaft, Beschaffung, Versorgung und Einkauf sowie die Entwicklungsstufen der Materialwirtschaft, d i e Materialwirtschaftspolitik und die Organisation der Materialwirtschaft

kennen.

1. Grundbegriffe 1.1 Materialwirtschaft Das Unternehmen ist ein (soziales) System, in dem ein Transformationsprozeß abläuft. In diesem Transformationsprozeß werden u.a. Materialien durch das Unt e r n e h m e n befördert. Diese Materialien und ihr Fluß durch das Unternehmen werden von der Materialwirtschaft näher betrachtet. Die B e z e i c h n u n g Material ist allgemein bzw. global. Es wird nicht zwischen Input und Output oder zwischen Produktionsfaktoren und Produkt unterschieden. Der B e g r i f f Materialwirtschaft ist in der betriebswirtschaftlichen Literatur sehr unterschiedlich abgegrenzt. Eine Begriffsanalyse bzw. Systematisierung dieser vielen Begriffsabgrenzungen bringt für die Praxis wenig umsetzbare Erkenntnisse. Diese Analyse dient rein w i s s e n s c h a f t l i c h e m Erkenntnisdrang und ist unter dem Stichwort „Begriffsreal ism u s " einzuordnen. Der Praktiker benötigt keine exakte, allumfassende und widerspruchsfreie Begriffsklärung. Er braucht eine praktikable Begriffsabgrenzung, die ihm eine Bereichs-, Aufgaben- bzw. Tätigkeitsbeschreibung liefert. Diese Beg r i f f s a b g r e n z u n g kann nur auf der Grundlage von Abgrenzungskriterien erfolgen. U m den Sachverhalt nicht zu komplex zu gestalten, sollen hier fïir die Begriffsabg r e n z u n g „Materialwirtschaft" nur die drei Abgrenzungskriterien Sachaspekt, Optimierungsaspekt und Funktionsaspekt herangezogen werden. Zudem soll generell zwischen Materialwirtschaft als Teildisziplin der Betriebswirtschaftslehre und Materialwirtschaft als betriebliche Instanz bzw. als betrieblicher Aufgabenbereich unterschieden werden. Die Begriffsabgrenzung Materialwirtschaft erfolgt ausgehend von den beiden Teilbegriffen Material und Wirtschaft. U n t e r Material werden ganz allgemein Stoffe verstanden. Im speziellen sind damit die Produktionsfaktoren gemeint, die als W e r k s t o f f e bezeichnet werden. Dies sind die Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie Zulieferteile in Form von Halb- und Fertigfabrikaten (vgl. Abb. 1). Da diese Stoffe knapp sind, also nicht f ü r die Befriedig u n g aller Bedürfnisse ausreichen, müssen sie in ein Nutzungssystem, d.h. in eine

1

2

/. Einführung in die Materialwirtschaft

Wirtschaft, einbezogen werden, das/die die bestmögliche Nutzung bzw. das wirtschaftliche Umgehen mit diesen Stoffen sicherstellt.

Produktionsfaktoren

(Betriebsmittel) ι Rohstoffe

Werkstoffe (Materialien)

1

1

(Arbeit)

I

1

Hilfsstoffe Betriebsstoffe

Zulieferteile ι

.—1

Halbfabrikate

Abb. 1: Betrachtungsgegenstände

der

,

Fertigfabrikate

Materialwirtschaft/-logistik

Die bestmögliche Nutzung wird durch die Anwendung des Wirtschaftlichkeitsprinzips (ökonomisches Prinzip) erreicht. Gemäß diesem Prinzip hat die Nutzung der Stoffe so zu erfolgen, daß mit einem bestimmten Stoffeinsatz der größtmögliche Erfolg/Nutzen oder ein bestimmter Erfolg/Nutzen mit dem geringstmöglichen Stoffeinsatz erreicht wird. Neben dem Begriff Materialwirtschaft werden in der betriebswirtschaftlichen Literatur noch die Begriffe Beschaffung, Versorgung und Einkauf benutzt. Diese Begriffe sind voneinander abzugrenzen. Ferner muß in der Einfuhrung auf die Entwicklungsstufen der Materialwirtschaft, die Materialwirtschaftspolitik und die Organisation der Materialwirtschaft eingegangen werden. Darüber hinaus sind in weiteren Kapiteln die Methoden der Materialbedarfsrechnung, die Bestimmung des Materialbestellzeitpunktes und der Materialbestellmenge, das Materialmanagement, die Strategien der Materialwirtschaft, die Materialwirtschaftskontrolle, die Materialwirtschaft mit SAP, die umweltfreundliche Materialwirtschaft sowie die Integration von Materialwirtschaft und Produktion zu behandeln.

/. Einführung in die Materialwirtschaft

1.2 Beschaffung Der Begriff Beschaffung erstreckt sich auf die Beschaffung der Produktionsfaktoren eines Unternehmens, die als Betriebsmittel (Maschinen, Werkzeuge und Einrichtungen) und Werkstoffe (s.o.) bezeichnet werden. Eine Ausnahme bilden lediglich die Betriebsmittel Gebäude. Sie fallen nicht in den Aufgabenbereich der Beschaffung. Die Werkstoffe (Materialien) werden also nicht nur in der Materialwirtschaft, sondern auch in der Beschaffung betrachtet. Insofern besteht ein Überschneidungsbereich zwischen Materialwirtschaft und Beschaffung. Andererseits ist die Beschaffung, aufgrund der Betrachtung der Betriebsmittel, ein Begriff der weiter gefaßt ist als der Begriff Materialwirtschaft. Ungeachtet dieser Tatsache wird in der betriebswirtschaftlichen Literatur die Materialwirtschaft häufig als übergeordneter Begriff gesehen und die Beschaffung als Teilbereich der Materialwirtschaft behandelt.

1.3 Versorgung Der Begriffspluralismus wird noch durch einen dritten Begriff verstärkt, der neben den beiden Begriffen Beschaffung und Materialwirtschaft in der betriebswirtschaftlichen Literatur anzutreffen ist. Dieser dritte Begriff ist der Begriff Versorgung. Eigentlich ist Versorgung ein Begriff aus der Sozialpolitik, der den Empfang staatlicher Leistungen ohne Gegenleistung umschreibt. Versorgung stellt neben Sozialhilfe und Sozialversicherung die dritte Säule des Systems der sozialen Sicherung dar. Der Begriff Versorgung wird allerdings mittlerweile auch im betriebswirtschaftlichen Bereich benutzt. Es ist aus der betriebswirtschaftlichen Literatur nicht eindeutig zu entnehmen, in welchem Sinne Versorgung in diesem Bereich zu interpretieren ist. Es gibt mindestens zwei Interpretationsmöglichkeiten. Einmal wird Versorgung als Zusammenfassung von Beschaffung, Materialwirtschaft und Logistik gesehen. Zum anderen kann sich der Begriff auf die Versorgung eines Betriebes mit Wasser, Elektrizität, Fernwärme und Gas beziehen. Die erste Interpretation erstreckt sich durch die Zusammenfassung der Aufgaben verschiedener Bereiche auf alle Inputfaktoren, während sich die zweite Interpretation genau wie die Materialwirtschaft nur auf eine Auswahl bestimmter Inputfaktoren bezieht. Zudem ist anzumerken, daß der Begriff Versorgung im betriebswirtschaftlichen Bereich häufig in Kombination mit dem Begriff Entsorgung benutzt wird. Ver- und Entsorgung werden in einem Kontext behandelt.

3

4

I. Einführung in die Materialwirtschaft

1.4 Einkauf Der Einkauf ist wiederum ein Teilbereich der Beschaffung. Die ausfuhrenden (operativen) Tätigkeiten der Beschaffung werden unter dem Begriff Einkauf zusammengefaßt. Da Einkauf einen Teilbereich der B e s c h a f f u n g darstellt, bezieht sich Einkauf auf die Produktionsfaktoren Betriebsmittel (außer Gebäude) und Werkstoffe. Einkauf ist somit auch ein Teilbereich der Materialwirtschaft. Wird Versorgung als Z u s a m m e n f a s s u n g von Beschaffung, Materialwirtschaft und Logistik interpretiert, so ist Einkauf auch als ein Teilbereich der Versorgung anzusehen (vgl. Abb. 2).

1.5 Zusammenhang zwischen Beschaffung, Materialwirtschaft, Versorgung und Einkauf Die Zusammenhänge zwischen den Begriffen Beschaffung, Materialwirtschaft bzw. Materiallogistik und Einkauf sind in Abbildung 2 veranschaulicht. Beschaff u n g ist der Oberbegriff und Materialwirtschaft der untergeordnete Begriff, da B e s c h a f f u n g auf den Bezug von Betriebsmitteln und Werkstoffen ausgerichtet ist, während Materialwirtschaft lediglich auf den Bezug von Werkstoffen ausgelegt ist. D e r Begriff Einkauf bezieht sich hingegen sowohl auf den Ober- als auch auf den Unterbegriff. Der Begriff Versorgung kann, muß aber nicht unbedingt, als Zusammenfassung von Beschaffung, Materialwirtschaft und Logistik interpretiert werden. Inwieweit die Begriffsbildung in der Praxis der wissenschaftlichen Begriffsabgrenzung folgt oder nicht, ist bisher nicht durch empirische Untersuchungen belegt worden. Es kann die mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmende These vertreten werden, daß in der Unternehmenspraxis kein eindeutiger und systematischer Gebrauch der Begriffe Beschaffung, Materialwirtschaft, Versorgung und Einkauf vorliegt. Ein eindeutiger und systematischer Gebrauch der Begriffe ist fur die Praxis auch nicht zwingend. Es ist hinreichend, daß j e d e s Unternehmen für seinen Bereich eine zweckmäßige bzw. operable Abgrenzung und Anwendung der Begriffe handhabt.

/. Einführung in die Materialwirtschaft

5

Versorgung

/ / 1 / 1

\\

Beschaffung

/ \ Materialwirtschaft ' \ (-logistik) von / Betriebsmitteln* und 1 Werkstoffen y. u.a. mittels J \Einkauf /

von

\

\ \ \ ]1 II / /

* außer Gebäuden Abb. 2: Zusammenhang und Einkauf

zwischen

Beschaffung,

Materialwirtschaft,

Versorgung

Eine mögliche Zuordnung der Aufgabe „Bezug von bestimmten Produktionsfaktoren" zu einzelnen Unternehmensabteilungen ist in Abb. 3 dargestellt.

Produktionsfaktor

Unternehmensabteilung

Personal

Personalwesen

Betriebsmittel (ohne Gebäude und Informationen) und Werkstoffe

Beschaffung

nur Werkstoffe

Materialwirtschaft

Gebäude

Finanzwirtschaft/Immobilienwirtschaft

Informationen

Informationswirtschaft

Abb.3: Zuordnung

Versorgung

der Bezugsaufgaben

im

Unternehmen

6

I. Einführung in die Materialwirtschaft

2. Entwicklungsstufen der Materialwirtschaft Die oben dargestellte Abgrenzung des Begriffs Materialwirtschaft berücksichtigt den Sach- und den Optimierungsaspekt. Wird jetzt als drittes noch der Funktionsaspekt herangezogen, so gelangt man zu den drei Begriffen klassische, erweiterte und integrierte Materialwirtschaft (vgl. Abb. 4). Diese Begriffe verdeutlichen Entwicklungsstufen der Materialwirtschaft (vgl. u.a. Hartmann 1993, S. 61 -78). Die klassische Materialwirtschaft, die erste Entwicklungsstufe der Materialwirtschaft, bezieht sich auf die betrieblichen Funktionsbereiche Beschaffung, Lager u n g und Transport bis zur Verbrauchsstelle im Betrieb. Diese Funktionsbereiche u m f a s s e n allerdings jeweils mehrere betriebliche Funktionen und nicht nur die Materialwirtschaft. Z u d e m werden Abgrenzungsprobleme zwischen B e s c h a f f u n g und Materialwirtschaft deutlich. Die erweiterte Materialwirtschaft geht einen Schritt weiter und bezieht auch die Materialverteilung an den Kunden mit in den Begriff Materialwirtschaft ein. Die integrierte Materialwirtschaft erhebt den Anspruch, eine Einheit herzustellen und die Materialwirtschaft in ein größeres Ganzes einzubeziehen. Die integrative Betrachtung geht vom Unternehmen als Einheit aus und betont die Z u s a m m e n f a s s u n g aller betrieblichen Funktionsbereiche zu einem Ganzen. Der Ansatz will die isolierte Betrachtung und Handlungsweise einzelner Funktionsbereiche überwinden und strebt die Erhöhung des Unternehmenserfolges durch die Berücksichtigung der Wirkungszusammenhänge zwischen den betrieblichen Funktionsbereichen an. N o c h umfassender ist der Begriff Materiallogistik. Materiallogistik ist vorerst die letzte Entwicklungsstufe der Materialwirtschaft (vgl. Abb. 4). Für diese Begriffsabgrenzung wird allerdings keine Erweiterung der Funktionsbereiche herangezogen, sondern eine Erweiterung der wissenschaftlichen Disziplinen. Außer der wissenschaftlichen Disziplin Ökonomie werden jetzt auch die beiden Wissenschaftsdisziplinen Technik und Informatik berücksichtigt und zu einem ganzheitlichen Ansatz zusammengefügt. Die Erweiterung des Logistikansatzes ist in der Erweiter u n g des Optimierungsaspektes zu sehen. In den bisherigen Ansätzen wurde der Bereich Materialwirtschaft nur auf der Grundlage des Wirtschaftlichkeitsprinzips optimiert. Dieser rein ökonomische Optimierungsansatz wird in der Logistik zu einem Ansatz erweitert, der das ökonomische mit dem technischen und dem informatorischen Optimum verbindet (Jünemann 1989, S. 10).

/. Einführung in die Materialwirtschaft

Abb. 4: Entwicklungsstufen

der

7

Materialwirtschaft

3. Materialwirtschaftspolitik Materialwirtschaftspolitik (Hartmann 1993, S. 66 ff.) ist ein Teilbereich der Unternehmenspolitik. Globale Aufgabe der Materialwirtschaftspolitik ist die zielbewußte Beeinflussung der Strukturen und Prozesse in der Materialwirtschaft. Die Materialwirtschaftspolitik gliedert sich in die Bereiche Planung, Organisation und Kontrolle. Der Bereich Planung besteht aus den Aufgaben: Zielfestlegung, Instrumentenauswahl, Maßnahmenauswahl, Maßnahmenrealisierung und Erfolgskontrolle für die Tätigkeiten in der Materialwirtschaft, die Materialbedarfsrechnung, das Materialbestandsmanagement, die Materialbeschaffung, das Materiallagermanagement und die Materialentsorgung (vgl. Abb. 5).

8

I. Einführung in die Materialwirtschaft

Teilbereiche der Ma- Aufgaben der Material- Tätigkeiten in der Materialterialwirtschaftspolitik wirtschaftspolitik wirtschaftspolitik Planung

Zielfestlegung Instrumentenauswahl Maßnahmenauswahl Maßnahmenrealisierung Erfolgskontrolle

Materialbedarfsrechnung Materialbestandsmanagement Materialbeschaffung Materiallagermanagement Materialentsorgung

Organisation - Aufbauorganisation

Zielfestlegung Instrumentenauswahl Maßnahmenauswahl Maßnahmenrealisierung Erfolgskontrolle

Materialbedarfsrechnung Materialbestandsmanagement Materialbeschaffung Materiallagermanagement Materialentsorgung

- Ablauforganisation

Zielfestlegung Instrumentenauswahl Maßnahmenauswahl Maßnahmenrealisierung Erfolgskontrolle

Materialbedarfsrechnung Materialbestandsmanagement Materialbeschaffung Materiallagermanagement Materialentsorgung

Kontrolle (technische und kaufmännische)

Zielfestlegung Instrumentenauswahl Maßnahmenauswahl Maßnahmenrealisierung Erfolgskontrolle

Materialbedarfsrechnung Materialbestandsmanagement Materialbeschaffung Materiallagermanagement Materialentsorgung

Abb. 5: Teilbereiche, Aufgaben und Tätigkeiten der

Materialwirtschaftspolitik

Der Bereich Organisation teilt sich in die Aufgaben Erstellung einer Aufbauorganisation und Erstellung einer Ablauforganisation für die Materialwirtschaft insgesamt und für die genannten Tätigkeiten in der Materialwirtschaft. Erstellung einer Aufbauorganisation heißt, im Unternehmen Einheiten (Instanzen, Abteilungen, Stellen) zu schaffen, die für den Bereich Materialwirtschaft zuständig sind. Die Erstellung einer Ablauforganisation bedeutet, die in der Materialwirtschaft ablaufenden Prozesse zu strukturieren. Auch für die Aufgaben Erstellung einer Aufbau- und Ablauforganisation sind Ziele zu formulieren, Instrumente und Maßnahmen auszuwählen, Maßnahmen zu realisieren und der Erfolg zu kontrollieren (vgl. Abb. 5). Der Bereich Kontrolle gliedert sich in die technische und die kaufmännische Kontrolle. Auch hier sind Ziele, Instrumente und Maßnahmen auszuwählen, die Maß-

I. Einführung in die Materialwirtschaft

nahmen zu realisieren sowie eine Erfolgskontrolle durchzuführen. Dabei sind die Tätigkeiten der Materialwirtschaft, die Materialbedarfsrechnung, das Materialbestandsmanagement, die Materialbeschaffung, das Materiallagermanagement und die Materialentsorgung, zu berücksichtigen (vgl. Abb. 5).

4. Organisation der Materialwirtschaft 4.1 Formen der Aufbauorganisation in der Materialwirtschaft U m ihre Aufgaben zu erfüllen, bedarf die Materialwirtschaft einer Organisation. In der Betriebswirtschaftslehre wird traditionell zwischen Aufbau- und Ablauforganisation unterschieden. Unter der Aufbauorganisation versteht man die Findung der Struktur eines Systems. Im allgemeinen Sinne ist das System das Unternehmen. Im Speziellen ist das System der zu strukturierende Unternehmensbereich, hier der Bereich Materialwirtschaft. Die Ablauforganisation ist hingegen die Strukturierung eines Prozesses. In diesem Fall handelt es sich um die Struktur des Prozesses Materialfluß. Die Festlegung der Aufbau- und der Ablauforganisation der Materialwirtschaft ist eine wichtige Voraussetzung, um in der Praxis eine optimale Aufgabenerfüllung des betrieblichen Tätigkeitsbereiches Materialwirtschaft bewirken zu können. Zunächst soll auf die Aufbauorganisation eingegangen werden. Für die Aufbauorganisation der Materialwirtschaft werden in der Literatur verschiedene Möglichkeiten behandelt. Hier sollen lediglich acht Möglichkeiten vorgestellt werden. Von den acht Möglichkeiten sind vier als herkömmliche und vier als moderne logistikorientierte Formen der Aufbauorganisation einzustufen. In Abb. 6 wird zunächst die einfache klassische Form der Aufbauorganisation der Materialwirtschaft eines Unternehmens vorgestellt. In Abb. 7 erfolgt dann die Darstellung der Aufbauorganisation eines Unternehmens mit einer klassischen Materialwirtschaft, die sich durch eine zentrale Leitung auszeichnet. Die in Abb. 8 dargestellte Aufbauorganisation zeigt ebenfalls ein Unternehmen mit klassischer Materialwirtschaft, allerdings jetzt mit einer dezentralen Leitung der Materialwirtschaft. In Abb. 9 erfolgt die Darstellung der Aufbauorganisation eines Unternehmens, das eine erweiterte Materialwirtschaft betreibt. Die in Abb. 10 veranschaulichte Form der Aufbauorganisation gilt für ein Unternehmen, das eine integrierte Materialwirtschaft verwirklicht hat. In Abb. 11 wird schließlich die für die erweiterte Materialwirtschaft zweckmäßige Möglichkeit einer Aufbauorganisation, die Matrixorganisation, vorgestellt.

9

10

/. Einführung in die Materialwirtschaft

Abb. 6: Aufbauorganisation

der klassischen

Abb. 7: Eingliederung der Materialwirtschaft Unternehmens (klassisch, zentral)

Materialwirtschaft

in die Aufbauorganisation

eines

I. Einführung in die

Abb. 8: Eingliederung der Materialwirtschaft Unternehmens (klassisch, dezentral)

Abb. 9: Aufbauorganisation der erweiterten

Materialwirtschaft

in die Aufbauorganisation

Materialwirtschaft

eines

12

I. Einführung in die Materialwirtschaft

Abb. 10: Aufbauorganisation

der integrierten

Entwicklung

Vertrieb

Materialwirtschaft

Produktion

Finanzen

Unternehmensplanung Organisation Personal Materialwirtschaft Rechnungswesen Abb. 11: Materialwirtschaft

in der

Matrixorganisation

In den Abb. 1 2 - 1 5 werden die logistikorientierten Formen der Aufbauorganisation dargestellt. Bei den in Abb. 1 2 - 1 4 dargestellten Formen der Aufbauorganisation handelt es sich um drei unterschiedliche Typen der verrichtungsorientierten bzw. funktionalen Form der Aufbauorganisation. In Abb. 15 ist schließlich eine funktionale Form der Aufbauorganisation mit einer Mischung von zentraler und dezentraler A n o r d n u n g der Logistikaufgaben in einem Unternehmen mit mehreren Werken dargestellt.

/. Einführung in die Materialwirtschaft

13

(1) Organisationstyp I (vgl. Abb. 12; Pfohl 1996, S. 251 f.): Diese Form der Aufbauorganisation kam vor allem in den 50er und in den 60er Jahren zur Anwendung. Die Notwendigkeit der Logistikreorganisation wurde erkannt und im wesentlichen eine Konzentration der Logistikaufgaben in den beiden Bereichen „Physische Distribution" und/oder „Materialwirtschaft" vorgenommen. Dennoch bleibt eine Aufsplittung der Logistikaufgaben erhalten, so daß der Systemzusammenhang der Logistik durch diese Form der Aufbauorganisation nicht unterstützt wird.

Unternehmensleitung 1

Finanzen _ Lagerbestände

~ Lagerhaus F •y

Materialwirtschaft

L Lagerhaus M

Abb. 12: Verrichtungsorientierte Typl

Marketing

Produktion

bzw. funktionale

physische Distribution - Transport - Lagerhaus _ Lieferservice

Logistikaufbauorganisation

(2) Organisationstyp II (vgl. Abb. 13): Der Organisationstyp II hatte in den 70er Jahren und den frühen 80er Jahren eine hohe Bedeutung für die Praxis. Er zeichnet sich durch eine stärkere Konzentration der Logistikaufgaben im Bereich „Physische Distribution" (z.B. in der Nahrungsmittelindustrie) oder „Materialwirtschaft" (z.B. in der Automobilindustrie) aus. Insgesamt werden die Logistikaufgaben aufgewertet. Eine echte Unterstützung des Systemzusammenhangs der Logistik wird nicht erreicht (vgl. Pfohl 1996, S. 251 f.).

14

/. Einführung in die Materialwirtschaft

Unternehmensleitung X

X

Finanzen

Produktion

physische Distribution

Informationssysteme

Produktionsplanung _ Materialwirtschaft

Transport Lagerhaus A + F Lagerservice

- Lagerhaus M

Abb. 13: Verrichtungsorientierte II

bzw. funktionale Logistikaufbauorganisation

Typ

Abb. 14: Verrichtungsorientierte III

bzw. funktionale Logistikaufbauorganisation

Typ

I. Einführung in die Materialwirtschaft

15

(3) Organisationstyp III (vgl. Abb. 14): Die durch den Organisationstyp III gekennzeichnete Form der Aufbauorganisation fand im wesentlichen in den späten 80er Jahren und in den 90er Jahren Anwendung. Jetzt liegt eine Konzentration der Logistikaufgaben vor, so daß der Systemzusammenhang der Logistik voll zum Tragen kommt. Die „Logistikleitung" wird durch die Stäbe „Systemplanung" und „Controlling" unterstützt (vgl. Pfohl 1996, S. 251 und 253).

Abb. 15 .Kombinierte zentrale und dezentrale Verteilung der Logistikaufgaben einem Unternehmen mit mehreren Werken (Produktionsstätten)

in

In Abb. 15 ist eine Kombination von zentraler und dezentraler Anordnung der Logistikaufgaben in einem Unternehmen mit mehreren Werken dargestellt (vgl. Pfohl 1996, S. 258). Die Zentrale Logistik koordiniert bestimmte funktionale Logistikaufgaben und erteilt den verschiedenen Werken funktionsbezogene Weisungen. In den Werken besteht zudem eine dezentrale Anordnung der nicht zentralisierten funktionalen Logistikaufgaben und/oder der objekt- bzw. produktbezogenen Logistikaufgaben mit einer diesbezüglichen Weisungsunabhängigkeit von der Zentrale

16

I. Einführung in die Materialwirtschaft

Logistik. A u c h für die Festlegung der Ablauforganisation eines Unternehmens bzw. eines Unternehmensbereiches werden in der Literatur verschiedene Möglichkeiten diskutiert. Im Prinzip geht es bei der Ablauforganisation um die Festlegung der optimalen Reihe des Ablaufes der einzelnen Phasen der betrieblichen Prozesse. Hierzu werden u.a. Vorgangssammellisten herangezogen, in denen die einzelnen Vorgänge und M a ß n a h m e n chronologisch aufgelistet werden. Aber auch Balkendiagramme und Netzpläne einschließlich der verschiedenen Methoden der Netzplantechnik dienen der Optimierung von Betriebsabläufen. Sowohl f ü r die Festlegung der A u f b a u - wie auch der Ablauforganisation existiert heute eine Vielzahl von EDV-Programmen, die auch komplexere Organisationsprobleme der Praxis in angemessener Zeit lösen helfen.

4.2 Ablauforganisation in der Materialwirtschaft Mit Hilfe der Ablauforganisation werden die Strukturen von Prozessen festgelegt. Im Bereich der Materialwirtschaft ist die Struktur fur den Prozeß des Materialflusses zu bestimmen. Eng verbunden mit der Bestimmung der Struktur des Materialflusses ist die Festlegung der Struktur des Informationsflusses, da Informationen zur Steuerung des Materialflusses benötigt werden. Logisch läßt sich für den Bereich Materialwirtschaft die Notwendigkeit einer eigenständigen A u f b a u - und Ablauforganisation begründen. Praktisch ergibt sich j e d o c h lediglich eine eigenständige Aufbauorganisation (s.o.). Die Ablauforganisation bzw. die Strukturierung des Material- und Informationsflusses ist hingegen nur unter Berücksichtigung der durch den Bereich Produktion gegebenen Bedingungen möglich. Ablauforganisation ist mehr als die Strukturierung des Prozesses des Material- und Informationsflusses. Ablauforganisation ist die Strukturierung des Produktionsprozesses. Aus der Struktur des Produktionsprozesses ergibt sich die Struktur des Material- und Informationsflusses. Damit wird die Verzahnung bzw. Integration der beiden Bereiche Materialwirtschaft und Produktion, die in Kapitel IX behandelt wird, offenkundig. A u f g r u n d der fehlenden Notwendigkeit einer eigenständigen Ablauforganisation f ü r den Bereich Materialwirtschaft soll in diesem Rahmen die Ablauforganisation nicht umfassend dargestellt werden. Es ist auf die entsprechende Literatur des Bereiches Produktion zu verweisen (vgl. u.a. Domschke; Scholl; Voß 1997). Hier soll lediglich ein kurzer Überblick über die Aufgabenbereiche der Ablauforganisation zur Gestaltung der Struktur von Produktionsprozessen gegeben werden. Die Ablauforganisation zur Gestaltung der Struktur von Produktionsprozessen umfaßt folgende Aufgabenbereiche (Domschke; Scholl; Voß 1997, S. 29 - 34): (1) Arbeitsverteilung: Verteilung von Arbeitsvorgängen auf Arbeitsträger. (2) Bestimmung von Gruppierungen: Bestimmung von Arbeitsgruppen, Produkti-

I. Einfuhrung in die Materialwirtschaft

17

onseinheiten, Losen und Beste]Imengen. (3) Reihenfolgebestimmung: Maschinenbelegung, räumliche und zeitliche Festlegung von Aufträgen und Arbeitsvorgängen. (4) Leistungsabstimmung: zeitliche und mengenmäßige Synchronisation der zu erstellenden Leistungen (Fließbandabstimmung). (5) Transportplanung: Gestaltung der Bewegungsvorgänge. (6) Projektplanung: Vorbereitung und Durchführung von Einzelaufträgen. (7) Standortplanung: Wahl der Standorte fur Maschinen und Läger (Layoutplanung). Begriffe zum Nachlesen Am Ende eines jeden Kapitels finden Sie einige Begriffe zum Nachlesen. Schlagen Sie diese Begriffe in einem beliebigen Wirtschaftslexikon nach, um so mit dem Umgang der Literatur und diesen grundlegenden Begriffen vertraut zu werden. Betrieb Betriebswirtschaftslehre Inputfaktoren Produktion Produktionsprozeß Produktionswirtschaft Unternehmen Sozialpolitik Stab System der sozialen WirtschaftlichkeitsZiele Sicherung (ökonomisches)prinzip Zulieferteile Wiederholungsfragen Diese Aufgaben finden Sie im folgenden hinter jedem Kapitel. Sie sollen Ihnen helfen, den zuvor dargestellten Stoff zu erarbeiten. Es handelt sich dabei häufig um Fragestellungen wie sie auch in Prüfungen gestellt werden. Zu allen Aufgaben, die mit einer fettgedruckten Ziffer beginnen, finden Sie im Anhang eine Lösungsskizze. 1. Erläutern Sie, was man unter Materialwirtschaft versteht. 2. Grenzen Sie Materialwirtschaft und Beschaffung voneinander ab. 3. Welche Aufgaben hat die Materialwirtschaft? 4. Welche Interpretationsmöglichkeiten gibt es fur den Begriff Versorgung? 5. Was versteht man unter Einkauf? 6. Stellen Sie die Entwicklungsstufen der Materialwirtschaft dar! 7. Welche Aufgaben werden der Materialwirtschaftspolitik zugeschrieben? 8. In welche Teilbereiche gliedert sich die Organisation? 9. Welche Formen der Aufbauorganisation gibt es für die Materialwirtschaft? 10. Welche Aufgaben werden der Ablauforganisation in der Materialwirtschaft zugeschrieben?

18

/. Einführung in die Materialwirtschaft

Literatur h in weise An dieser Stelle erhalten Sie, wie auch in den folgenden Kapiteln eine kurze Literaturübersicht. Es handelt sich dabei nicht um eine vollständige Auflistung der relevanten Literatur. Wiederholen Sie in einer der Quellen den vorgestellten Stoff, um die Literaturarbeit zu trainieren und ihre Kenntnisse zu vervollständigen. Arnolds, H.; Heege, F.; Tussing, W.: Materialwirtschaft und Einkauf, 7. Auflage Wiesbaden 1990. Berg, C.C.: Materialwirtschaft, Stuttgart 1979. Dobler, D.W.; Lee, L. Jr.; Burt, D.N.: Purchasing and Materials Management, 4. Auflage New York u.a. 1984. Domschke, W.; Scholl, Α.; Voß, S.: Produktionsplanung. Ablauforganisatorische Aspekte, 2. Auflage Berlin u.a. 1997. Eschenbach, R.: Erfolgspotential Materialwirtschaft, Wien 1990. Fieten, R.: Integrierte Materialwirtschaft, 3. Auflage Frankfurt a.M. 1994. Franken, R. \ Materialwirtschaft, Stuttgart 1984. Grochla, E. \ Grundlagen der Materialwirtschaft - Das materialwirtschaftliche Optimum im Betrieb, 3. Auflage Wiesbaden 1978. Hartmann, H. \ Materialwirtschaft, 6. Auflage Stuttgart 1993. Jünemann, R. \ Materialfluß und Logistik, Berlin, Heidelberg, New York, London, Paris, Tokyo, Hong Kong 1989. Kluck, D.: Materialwirtschaft und Logistik, Stuttgart 1998. Kopsidis, R.M.: Materialwirtschaft, 2. Auflage München, Wien 1992. Oeldorf, K.; Olfert, K.\ Materialwirtschaft, 8. Auflage Ludwigshafen 1998. Orlicky, J.A.: Material Requirements Planning, New York 1975. Pfahl, H.-Ch.: Logistiksysteme, 5. Auflage Berlin u.a. 1996. Pekcyaz, B.: Strategische Planung in der Materialwirtschaft, Frankfurt 1975. Steinbüchel, M : Die Materialwirtschaft der Unternehmung, Bern 1971. Tempelmeier, H. \ Material-Logistik, 3. Auflage Berlin u.a. 1995. Tersine, R.J. : Principles of Inventory and Materials Management, 3. Auflage New York 1988. Wöhe, G.: Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 19. Auflage München 1996.

II. Materialbedarfsrechnung

19

II. Materialbedarfsrechnung In diesem Kapitel lernen Sie die Begriffe • • • • • • • • •

Materialbedarfsrechnung, Bruttobedarf, Nettobedarf, Primärbedarf, Sekundärbedarf und Tertiärbedarf sowie die Methoden der Materialbedarfsrechnung bei auftragsorientierter Produktion, die Methoden der Materialbedarfsrechnung bei prognoseorientierter Produktion und die Methoden der subjektiven Bedarfsschätzung

kennen.

1. Vorbemerkungen zur Materialbedarfsrechnung Für die Materialbedarfsrechnung werden drei Gruppen von Methoden unterschieden: (1) die Methoden für die Materialbedarfsrechnung bei auftragsorientierter Produktion (deterministische Methoden), (2) die Methoden f ü r die Materialbedarfsrechnung bei prognoseorientierter Produktion (stochastische Methoden) und (3) die Methoden der subjektiven Schätzung des Materialbedarfs (vgl. u.a. T e m pelmeier 1995, S.59 - 105; Hartmann 1993, S. 235 - 294). Diese drei Methodengruppen lassen sich wiederum in verschiedene Untergruppen gliedern, denen jeweils mehrere Methoden der Materialbedarfsrechnung zugeordnet werden können. Einen hinsichtlich der Methoden nicht auf Vollständigkeit ausgelegten Überblick vermittelt das folgende Schema: 1. Methoden f ü r die Materialbedarfsrechnung bei auftragsorientierter Produktion (deterministische Methoden) 1.1 Analytische Methoden 1.2 Synthetische Methoden 2. Methoden f u r die Materialbedarfsrechnung bei prognoseorientierter Produktion (stochastische Methoden) 2.1 Methoden zur Berechnung eines regelmäßigen Materialbedarfs 2.1.1 Methoden zur B e r e c h n u n g e i n e s regelmäßigen Materialbedarfs bei konstantem Verbrauchsniveau 2.1.1.1 M e t h o d e der gleitenden Durchschnitte 2.1.1.2 M e t h o d e der exponentiellen Glättung 1. Ordnung 2.1.2 Methoden zur Berechnung eines regelmäßigen Materialbedarfs bei trendförm i g ansteigendem Bedarfsverlauf 2.1.2.1 Lineare Regressionsanalyse 2.1.2.2 Exponentielle Glättung 2. Ordnung

20

II. Materialbedarfsrechnung

2.1.2.3 Das Verfahren von Holt 2.1.3 Methoden zur Berechnung eines regelmäßigen Materialbedarfs bei saisonal schwankendem Bedarfsverlauf 2.2 Methoden zur Berechnung eines unregelmäßigen (sporadischen) Materialbedarfs 3. Methoden der subjektiven Schätzung des Materialbedarfs (subjektive Methoden) 3.1 Methoden der Analogschätzung 3.2 Methoden der Intuitivschätzung Auf die Methoden der Materialbedarfsrechnung ist im folgenden näher einzugehen. Vorher muß allerdings eine Klassifizierung des Materialbedarfs und der Materialien erfolgen.

1.1 Klassifizierung des Materialbedarfs Die Materialbedarfsrechnung bezieht sich auf Materialbedarfsarten. Die Materialbedarfsarten können nach verschiedenen Kriterien abgegrenzt werden. Ein Abgrenzungskriterium ist der Ursprung des Materialbedarfs bzw. die Erzeugungsebene. Ein zweites Kriterium ist die Berücksichtigung bzw. Nichtberücksichtigung von Beständen. Gemäß dem Kriterium Ursprung des Materialbedarfs wird zwischen Primär-, Sekundär- sowie Tertiärmaterialbedarf und gemäß dem Kriterium Berücksichtigung der Bestände zwischen Brutto- und Nettomaterialbedarf unterschieden (vgl. u.a. Hartmann 1993, S. 227 - 234). Der Primärbedarf ist der Marktbedarf, der Bedarf an verkaufsfähigen Erzeugnissen bzw. Produkten. Der Sekundärbedarf ist der Bedarf an Rohstoffen (Teilen und Teilegruppen), der zur Fertigung der verkaufsfähigen Erzeugnisse zur Befriedigung des Primärbedarfs benötigt wird. Der Tertiärbedarf ist der Bedarf an Betriebs- und Hilfsstoffen bei der Fertigung der verkaufsfähigen Erzeugnisse. Folgt man der oben behandelten Definition Material, so ist als eigentlicher Materialbedarf die Summe von Sekundär- und Teritärbedarf zu verstehen. In der Praxis kommt allerdings der Ermittlung des Sekundärbedarfs, also des Bedarfs an Rohstoffen, eine besondere Bedeutung zu. Basis für die Ermittlung des Sekundärbedarfs ist der Primärbedarf. Der Sekundärbedarf ist um die Durchlaufzeit der nachfolgenden Fertigungsstufen zeitlich gegenüber dem Primärbedarf verschoben. Ein untergeordnetes Teil muß folglich um die Vorlaufzeit früher als das übergeordnete Gruppenteil fertig sein. Die Vorlaufzeit und die Durchlaufzeit sind in vielen Fällen losgrößenabhängig. Dies gilt vor allem dann, wenn je nach Losgröße unterschiedliche Fertigungsverfahren angewandt werden. Um den Sekundärbedarf zu decken, kann er nicht erst mit seinem Auftreten bekannt sein. Die Disposition hat vielmehr um die Beschaffungszeit des jeweiligen Materials früher zu erfolgen. Um zu disponieren, muß zunächst der Bedarf errechnet werden. Da die Bedarfsberechnung nur in bestimmten Zeitinter-

II. Materialbedarfsrechnung

vallen erfolgt, m u ß sie um diese Zeit vor der Disposition durchgeführt werden. Der Vorhersagezeitraum für den Bedarf muß mindestens diese Zeitspanne umfassen. In der Praxis wird für die Bedarfs- und Terminplanung ein Betriebskalender benutzt, der auf 1000 Arbeitstage (4 Jahre) ausgelegt ist. Bei Abgrenzung des Materialbedarfs nach dem Kriterium Berücksichtigung der Bestände wird zwischen Brutto- und Nettobedarf unterschieden. Der Bruttobedarf ist der periodenbezogene Primär-, Sekundär- oder Tertiärbedarf. Der Nettobedarf ist der Primär-, Sekundär oder Tertiärbedarf vermindert um die jeweiligen Bestände. D a s folgende Schema gibt einen Überblick über Abgrenzungskriterien und die g e m ä ß ihnen gebildeten Materialbedarfsarten: 1. Abgrenzung nach dem Kriterium Ursprung des Materialbedarfs bzw. Erzeugungsebene 1.1 Primärbedarf 1.2 Sekundärbedarf 1.3 Tertiärbedarf 2. Abgrenzung nach dem Kriterium Berücksichtigung bzw. Nichtberücksichtigung der Bestände 2.1 Bruttobedarf 2.2 Nettobedarf A u ß e r der Klassifizierung der Materialarten ist noch eine Klassifizierung der M a terialien vorzunehmen.

1.2 Klassifizierung der Materialien Die Materialien werden anhand der ABC-XYZ-Analyse klassifiziert, um für j e d e Materialart die geeignete M e t h o d e zur Berechnung des Materialbedarfs auswählen zu können. Basis f ü r die Auswahl der Methode zur Berechnung des Materialbedarfs ist die A B C - A n a l y s e (vgl. zur M e t h o d e u.a. Hartmann 1993, S. 142 ff.), die durch eine X Y Z - A n a l y s e ergänzt wird. Z u d e m werden bestimmte Kriterien herangezogen, wie z.B., ob es sich um auslaufendes Material handelt oder nicht. Die Methode zur B e r e c h n u n g des Materialbedarfs soll leistungsfähig sein, d.h. sie muß einen hohen Genauigkeitsgrad hinsichtlich der Bestimmung der Menge (und des Dispositionstermins) aufweisen. Z u d e m ist eine hohe Bedarfstransparenz zu gewährleisten. Drittens sind niedrige Kosten zu verursachen. A u f die Methode der A B C - X Y Z - A n a l y s e soll hier nicht weiter eingegangen werden. Es soll lediglich anhand der Abb. 16 veranschaulicht werden, welche Informationen aus den mit der Methode erzielten Ergebnissen f ü r die Materialbedarfsrechnung abgeleitet werden können. Mit Hilfe der A B C - A n a l y s e werden die Materialien, deren Bedarf zu ermitteln ist,

21

22

//. Materialbedarfsrechnung

in drei Gruppen eingeteilt (Hartmann 1993, S. 157). In die Α-Gruppe werden die Materialien mit einem hohen Materialverbrauchswert eingeordnet. In der BGruppe sind Materialien mit einem mittleren Materialverbrauchswert. Die CGruppe enthält die Materialien mit einem niedrigen Materialverbrauchswert. Die grobe Dreiteilung der Materialien wird mit Hilfe der XYZ-Analyse verfeinert. Alle drei Gruppen werden wiederum in drei Subgruppen unterteilt. Zunächst wird die Α-Gruppe unterteilt, indem das Kriterium Prognosegenauigkeit herangezogen wird. Es wird eine Subgruppe AX gebildet, in der die Materialien sind, die einen hohen Materialverbrauchswert haben und deren Materialverbrauch zudem genau prognostiziert werden kann. Die Materialien mit einem hohen Materialverbrauchswert aber einer mittleren Prognosegenauigkeit werden in die Subgruppe A Y eingeordnet, während bei hohem Materialverbrauchswert und niedriger Prognosegenauigkeit eine Zuordnung zur Subgruppe AZ erfolgt. Entsprechend werden die Gruppen Β und C unterteilt, so daß insgesamt neun Gruppen entstehen (vgl. Abb. 16). Β

A

X

Y

ζ

C

hoher Materialverbrauchswert

mittlerer Materialverbrauchswert

niedriger Materialverbrauchswert

hohe Prognosegenauigkeit

hohe Prognosegenauigkeit

hohe Prognosegenauigkeit

hoher Materialverbrauchswert

mittlerer Materialverbrauchswert

niedriger Materialverbrauchswert

mittlere Prognosegenauigkeit

mittlere Prognosegenauigkeit

mittlere Prognosegenauigkeit

hoher Materialverbrauchswert

mittlerer Materialverbrauchswert

niedriger Materialverbrauchswert

niedrige Prognosegenauigkeit

niedrige Prognosegenauigkeit

niedrige Prognosegenauigkeit

Abb. 16: ABC-XYZ-Analyse

für die

Materialbedarfsrechnung

Die Einteilung der Materialien in neun Gruppen gemäß der ABC-XYZ-Analyse zeigt, welchen Materialien bei der Bedarfsermittlung besondere Beachtung entgegen zu bringen ist. Dies sind zunächst alle Α-Materialien, da sie einen hohen Materialverbrauchswert aufweisen und Fehler bei der Bedarfsermittlung folglich mit deutlich höheren Kosten verbunden sind als bei Materialien der B- und C-Gruppe. Auch wenn den Materialien der Α-Gruppe die höchste Aufmerksamkeit bei der Bedarfsermittlung zu widmen ist, dürfen die B-Materialien nicht vernachlässigt werden. Fehler bei der Vorhersage des Materialbedarfs bei Materialien dieser Gruppe bewirken immerhin noch relativ hohe Kosten. Zur Bedarfsermittlung der Materialien der A- und der B-Gruppe sind daher Methoden der Bedarfsermittlung

IL Materialbedarfsrechnung

23

heranzuziehen, die sich durch einen geringen Prognosefehler auszeichnen. Zudem sollte der Anwender durch die Auswahl des Prognosezeitraums den Prognosefehler möglichst klein halten. Bei Α-Materialien sollte also ein kürzerer Prognosezeitraum und damit eine häufigere Durchführung der Prognose gewählt werden als bei B-Materialien. Damit wird nicht nur der Prognosefehler klein gehalten, sondern auch durch eine entsprechende Bestellpolitik die Lagerzeit dieser Materialien im Unternehmen und damit die Kapitalbindung niedrig gehalten. Allerdings liegt ein höherer Prognoseaufwand vor. Damit kann eine generelle Aussage zur Materialbedarfsrechnung getroffen werden: Je höher der Materialverbrauchswert, desto aufwendiger sollte die Materialbedarfsprognose sein! Für die Materialien der Gruppen ΑΧ, BX und CX liegt eine hohe Prognosegenauigkeit vor. Der Materialverbrauch ist relativ konstant. Es sind daher Prognosemethoden anzuwenden, die für die Prognose eines regelmäßigen Bedarfs auf konstantem Niveau geeignet sind. Die Materialien der Gruppen AY; BY und CY haben eine mittlere Prognosegenauigkeit. Es treten also schon mal stärkere Schwankungen im Verbrauch auf. Für diese Gruppen sind Prognosemethoden anzuwenden, die einen steigenden bzw. fallenden Trend oder saisonale Schwankungen berücksichtigen können. Bei Materialien der Gruppen AZ, BZ und CZ ist die Prognosegenauigkeit gering, es treten sporadische Schwankungen auf. Es sind folglich für diese Materialien Prognosemethoden anzuwenden, die in der Lage sind sporadische Schwankungen zu erfassen. Mit Hilfe der ABC-XYZ-Analyse wird zudem festgelegt, welche Materialien bzw. Produkte auftrags- oder prognoseorientiert produziert werden. Je weniger Schwankungen beim Verbrauch der Materialien bzw. beim Absatz der Produkte auftreten, desto besser eignen sie sich für die auftragsorientierte Produktion. Zudem spielt die Höhe des Materialwertes eine Rolle: Je höher der Materialwert, desto eher kommt eine auftragsorientierte Produktion in Frage. Die Materialien bzw. Produkte der Klassen AX, BX und AY, BY gelten als geeignet für die auftragsorientierte Produktion. Die Materialien bzw. Produkte der Klassen AZ, BZ, CX, CY und CZ gelten als weniger bis nicht geeignet fur die auftragsorientierte Produktion, da entweder der Wert zu niedrig ist und/oder der Verbrauch zu sehr schwankt bzw. als unregelmäßig eingestuft wird.

2. Materialbedarfsrechnung bei auftragsorientierter Produktion Auftragsorientierte Produktion liegt dann vor, wenn Produkte nicht auf Vorrat bzw. Lager für einen möglichen Kundenauftrag produziert werden, sondern direkt für die Erfüllung eines vorliegenden Kundenauftrags. Die produzierten Produkte sind also schon vor der Produktion verkauft. In diesem Fall steht die Produktionsmenge genau fest, sie ist determiniert. Es werden daher die deterministischen Methoden zur Berechnung des Materialbedarfs herangezogen.

24

II. Materialbedarfsrechnung

Auftragsorientierte Produktion erfolgt im Rahmen der Logistikkonzepte. Der Kundenauftrag löst die Produktion eines Produktes aus. Die auftragsorientierte Produktion hat den Vorteil, daß keine Produkte produziert werden, die nicht abgesetzt werden können. Es entsteht kein unnötiger Materialfluß bzw. keine Verschwendung. Um den Materialbedarf, d.h. den Sekundärbedarf, mit einer deterministischen Methode zu berechnen, sind folgende Ausgangsdaten erforderlich: (1) Der Primärbedarf für eine bestimmte Periode bzw. einen Auftrag, (2) Daten aus Stücklisten (Rezepturen, Fertigungs-, Bauvorschriften, Arbeits-, Fertigungsplänen), um den Sekundärbedarf j e Mengeneinheit zu ermitteln und (3) Daten der Ablaufplanung (Fristen-, Netzplan), um die zeitliche Verteilung des Sekundärbedarfs zu bestimmen. Die deterministische Bedarfsrechnung ist insbesondere bei stark differenzierten Fertigungsstrukturen aufwendig und vorbereitungsintensiv. Sie bietet allerdings die Vorteile niedriger Sicherheitsbestände sowie genauer Bestelltermine und -mengen. Ein Nachteil ist, daß Unsicherheiten bzw. Veränderungen nicht berücksichtigt werden. So werden Veränderungen des Produktionsprogramms (Stückzahlveränderungen, neue Erzeugnisse), der Konstruktion, der Durchlaufzeit (konstruktions- und fertigungsbedingte Änderungen) oder der Beschaffungszeit (Überschreitung der Liefer- und Transportzeit) nicht berücksichtigt. Ausgangspunkt der deterministischen Materialbedarfsrechnung sind Stücklisten und Teileverwendungsnachweise, in denen die Materialien (Teile eines Produktes) und die jeweiligen Mengen ausgewiesen werden. Sowohl Stücklisten wie auch Teileverwendungsnachweise können in drei Varianten erstellt werden: als Mengenübersichtsstückliste bzw. -teileverwendungsnachweis, als Strukturstückliste bzw. -teileverwendungsnachweis und als Baukastenstückliste bzw. -teileverwendungsnachweis. Die Mengenübersichtsstückliste wird indirekt aus der Konstruktionszeichnung des entsprechenden Produktes abgeleitet (vgl. Abb. 17). Zunächst wird auf der Basis der Konstruktionszeichnung eine Liste, ein Strukturbaum, eine Matrix oder ein Gozinto-Graph (goes into) erstellt, so daß die Mengen- und Stufenbeziehungen der einzelnen Teile (Materialien) des Produktes offenkundig werden. Aufgrund dieser Informationen wird dann eine Mengenübersichtsstückliste erstellt, die die einzelnen Teile nach laufender Nummer (Position), zugeordneter Identnummer und Menge ausweist (vgl. Abb. 18). Die Mengenübersichtsstückliste (vgl. Hartmann 1993, S. 243 ff.) ist die einfachste Form einer Stückliste für die Materialbedarfsrechnung. Die Materialmengen werden über alle Fertigungsstufen dargestellt. Diese Form der Stückliste ist einfach und übersichtlich. Ein Nachteil ist jedoch, daß die Gruppenzusammengehörigkeit der einzelnen Materialien bzw. Bauteile nicht vermittelt wird. Dies kann eine Materialbedarfsrechnung wesentlich erschweren. Die Mengenübersichtsstückliste wird daher meist bei der Materialplanung eingesetzt.

11. Materialbedarfsrechnung

Arten von Stücklisten

25

Methode

1. Mengenübersichtsstückliste

Ableitung der Teile eines Produktes und der Mengen aus einer aus der Konstruktionszeichnung ermittelten Liste, einem Strukturbaum, einer Matrix oder einem Gozinto-Graphen

2. Strukturstückliste

Ableitung der Teile eines Produktes und der Mengen direkt aus der Konstruktionszeichnung

3. Baukastenstückliste

Ableitung der Teile eines Produktes und der Mengen aus der Konstruktionszeichnung separat nach Ebenen

4. Teileverwendungsnachweis (= umgekehrte Stückliste)

Darstellung der Teile eines Produktes und der Mengen gemäß dem Verbrauch bei der Produktion

Abb. 17: Methodische dungsnachweisen

Schritte zur Erstellung

von Stücklisten

und

Teileverwen-

Produkt X Position

Ident-Nr.

Menge

1

A

2

2

Β

4

3

C

3

4

D

1

5

E

5

Abb. 18: Mengenübersichtsstückliste

für das Produkt X

Die Strukturstückliste (vgl. Abb. 19) wird direkt aus der Konstruktionszeichnung eines Produktes angeleitet und weist anders als die Mengenübersichtsstückliste alle Baugruppen bzw. Teile eines Produktes in strukturierter Form aus. Das Produkt wird in seiner Zusammensetzung dargestellt. Dadurch werden mehrfach verwandte Baugruppen bzw. Teile auch mehrfach ausgewiesen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um die Struktur eines Produktes herauszuarbeiten. Es kann mit Hilfe von Einrücken, Pfeilen, Kreuzen oder Zuordnung von Ebenennummern bzw. Baustufen erfolgen (vgl. Hartmann 1993, S. 246 f.). Bei der in Abb. 19 dargestellten Strukturstückliste wird die Struktur des Produktes X durch Einrücken und Pfeile verdeutlicht.

26

//. Materialbedarfsrechnung

Produkt X Position 1 2

Ident-Nr. A

2

1i Β

3

3

C

4

t

5

Menge

4 D

5

D

7

Abb. 19: Struktur Stückliste für das Produkt X Die Baukastenstückliste (vgl. Abb. 20; Hartmann 1993, S. 247 f.) enthält nur Baugruppen und Teile, die zu einer übergeordneten Baugruppe gehören. Es handelt sich also um eine einstufige Stückliste. Für mehrgliedrige Produkte sind daher stets mehrere Stücklisten für die verschiedenen Fertigungsebenen notwendig. Die Mengenangaben beziehen sich immer auf die übergeordnete Baugruppe. Die Baukastenstückliste hat den Vorteil, daß eine Baugruppe trotz Mehrfachverwendung immer nur einmal in einer Stückliste vertreten ist. Dafür gibt es mehrere Stücklisten. Das in der Baukastenstückliste in Abb. 20 dargestellt Produkt X ist f ü r drei Fertigungsebenen ausgelegt.

Position

Produkt X Ident-Nr.

Menge

1

A

2

2

Β

3

3

C

4

Gruppe A Position

Ident-Nr.

Menge

1

Β

2

2

C

1

3

D

5

Gruppe Β Position

Ident-Nr.

Menge

1

D

1

2

E

4

Abb. 20: Baukastenstückliste für das Produkt X Teileverwendungsnachweise (vgl. Abb. 21; Hartmann 1993, S. 248 f.) sind Stück-

il. Materialbedarfsrechnung

27

listen in umgekehrter Reihenfolge. Ein Teileverwendungsnachweis zeigt an, in welcher Baugruppe und fur welches Produkt ein Einzelteil verwendet wird. Eine Aufschlüsselung nach über- bzw. untergeordneten Baugruppen erfolgt daher nicht. Auch für Teileverwendungsnachweise gibt es drei Grundformen: Mengenübersichts-, Struktur- und Teileverwendungsnachweise als Baukastensystem. Teileverwendungsnachweise dienen insbesondere der Materialbedarfsrechnung bei Lagerfertigung und für den Änderungsdienst bei Wiederholteilen. Bei dem in Abb. 21 dargestellten einfachen Teileverwendungsnachweis ist der Teile- bzw. Materialverbrauch für die drei Produkte Χ, Y und Ζ ohne Aufschlüsselung der Struktur sowie der Gesamtverbrauch (Summe) für eine beliebige Wirtschaftsperiode ausgewiesen. Ident-Nr.

Produkt Χ

Produkt Y

Produkt Ζ

Summe

A

1

2

_

3

Β

3

-

1

4

C

1

2

2

5

D

3

-

1

4

E

7

1

-

8

Abb. 21:

Teileverwendungsnachweis

Die Stückliste bzw. der Teileverwendungsnachweis bilden den Ausgangspunkt der Materialbedarfsrechnung. Aus den ermittelten Teilen bzw. Materialien und den entsprechenden Mengen, die als Bedarfsmenge bezeichnet werden, ist in einem weiteren Schritt noch der Materialbedarf, d.h. der Sekundärbedarf, zu errechnen. Dazu wird der Primärbedarf herangezogen, der direkt aus den Aufträgen oder aus einem auf der Basis der Aufträge erstellten Produktionsplan abzuleiten ist. Um den Materialbedarf zu berechnen, ist die Bedarfsmenge laut Stückliste oder Teileverwendungsnachweis mit dem Primärbedarf zu multiplizieren: (1) Sekundärbedarf = Bedarfsmenge laut Stückliste mal Primärbedarf Die Schritte der deterministischen Materialbedarfsrechnung sind noch einmal in Abb. 22 dargestellt. Schritte

Tatbestand

1. Ableitung einer Stückliste oder eines Tei leverwendungsnachwei ses

Ermittlung der Bedarfsmenge nach Materialien bzw. Teilen

2. Bedarfsauflösung aus einem auf der Basis der Aufträge erstellten Produktionsplans

Ermittlung des (Sekundär-)Materialbedarfs aus Bedarfsmenge und Primärbedarf

Abb. 22: Schritte der deterministischen Berechnung des Materialbedarfs

28

II.

Materialbedarfsrechnung

Die Ableitung des Primärbedarfs aus einem Produktionsplan wird Bedarfsauflösung genannt. Zur Bedarfsauflösung werden die analytische und die synthetische Methode herangezogen. Die analytische Methode wird angewandt, wenn es darum geht, aus einem Produktionsplan den Materialbedarf abzuleiten (vgl. u.a. Hartmann 1993, S. 249 - 256). In der Praxis vertraut man häufig nicht der analytischen Methode allein, sondern wendet die synthetische Methode parallel an. Damit kann man die Ergebnisse beider Methoden vergleichen. Bei der analytischen Methode geht man vom Primärbedarf für Fertigerzeugnisse gemäß Produktionsplan aus. Die einzelnen Fertigerzeugnisse werden auf der Basis der Stücklisten über die verschiedenen Baugruppen bis hin zu den Einzelteilen und dem Rohmaterial zergliedert. Diese Zergliederung wird auf der Basis der Mengenübersichtsstückliste, nach Bau- bzw. Fertigungsstufen und nach Dispositionsstufen vorgenommen. Die Auflösung bzw. Zergliederung nach Bau- bzw. Fertigungsstufen und nach Dispositionsstufen erfordert die Existenz von Baukasten- und Strukturstücklisten. Die Zergliederung ist jedoch sehr komplex. Sie ist daher nur EDV-gestützt durchzuführen (vgl. Abb. 23; Hartmann 1993, S. 250). Es kann sowohl der Brutto- als auch der Nettobedarf ermittelt werden.

Produktionsplan/Primärbedarf Erzeugnis

El

Per. 1 Per. 2

Gruppe

Per. 3

150

100

Baukastenstückliste

50

Ident-Nr.

Menge

4 5

2 3

C

EDV Sekundärbedarf/Bruttobedarf TEIL 4

Per. 1

Per. 2

Per. 3

200

300

100

Sekundärbedarf/Bruttobedarf TEIL 5

Periode 1 300

Periode 2 450

Periode 3 150

Abb. 23: Schema der EDV-gestützten Stücklistenzergliederung (Per. = Periode)

/ / . Materialbedarfsrechnung

29

U m den (Sekundär-)Materialbedarf mittels einer Mengenübersichtsstückliste zu berechnen, sind die Mengen gemäß Mengenübersichtsstückliste (Bedarfsmengen) mit den Planwerten f ü r den Primärbedarf zu multiplizieren (vgl. Formel 1). Sieht der Produktionsplan zum Beispiel die Produktion von 200 Einheiten eines Produktes X pro Wirtschaftsperiode vor, so lassen sich folgende (Sekundär-)Materialbedarfe f ü r die Planungsperiode ermitteln:

Bedarf\Material

A

Β

C

D

E

Bedarfsmenge

5

3

4

2

7

Primärbedarf

200

200

200

200

200

1.000

600

800

400

1.400

Sekundärbedarf

Abb. 24: Sekundärbedarfsermittlung duktionsplan

mittels Mengenübersichtsstückliste

und Pro-

Mengenübersichtsstücklisten können relativ einfach und schnell auch manuell erzeugt werden. Da j e d o c h nur der im Produktionsplan steckende Bruttobedarf ermittelt werden kann, ist der Einsatz in der Praxis begrenzt. Eine Dispositionsrechnung mit einer zeitlichen Verteilung des Sekundärbedarfs entsprechend dem Produktionsablauf ist nur schwer zu erstellen. Insbesondere können Lager- und Bestellbestände nicht periodengerecht ermittelt werden. Daher werden bei komplexeren Fertigungsstrukturen, unterschiedlichen Durchlaufzeiten und Zwischenlagern stufenweise Zerlegungen der Stückliste vorgenommen (vgl. Abb. 24, vgl. u.a. Hartmann 1993, S. 254). In Frage kommt eine Zerlegung nach Fertigungsoder Dispositionsstufen. Fertigungsstufe

Produkt X

Ρ X

0

1

1

I 1

I

A

TI

Β

Ι 1

1 2

3

4

Β

In

D

T3

π T2

c

ι 1

I Τ5

T4

Ι 1

I

T1

T6

Abb. 25: Auflösung einer Stückliste nach Fertigungsstufen

I I

I

D

T3

I I

1

TI

T6

30

II.

Materialbedarfsrechnung

Bei der Zerlegung nach Fertigungs- bzw. Baustufen wird von der zeitlichen Reihenfolge des Zusammenbaus des Erzeugnisses und den entsprechenden Baukastenbzw. Strukturstücklisten ausgegangen (vgl. Abb. 25; vgl. u.a. Hartmann 1993, S. 255). Die Endstufe, auf der das Erzeugnis zusammengebaut ist, bekommt die Fertigungsstufennummer „Null". Um den Nettobedarf zu errechnen wird das Renettingverfahren angewandt. Der ermittelte Bruttobedarf wird auf jeder Fertigungsstufe dem Bestand gegenübergestellt. Dieses Verfahren ist kompliziert, weil der Nettobedarf nach Menge und Termin zu ermitteln ist. Dies ist insbesondere bei wiederholt auftretenden Teilen wichtig und schwierig. In der Praxis wird daher in diesen Fällen eine maschinelle Zerlegung nach Dispositionsstufen vorgenommen. Dispositionsstufe

Erzeugnis El

El

0

1

A

2

C

2

3

4

5

l\ l\

\\ Β

D

/ \

3

4 Abb. 26: Auflösung

einer Stückliste nach

Dispositionsstufen

Die Zerlegung einer Stückliste nach Dispositionsstufen (vgl. ABB. 26) beginnt ebenfalls beim fertigen Erzeugnis. Allerdings wird bei dieser Methode der gesamte Materialbedarf eines wiederholt auftretenden Teiles auf der jeweils untersten Stufe zusammengefaßt. Eine Dispositionsstufe ist daher die unterste Stufe innerhalb der Erzeugnisstruktur auf der ein Teil auftritt. Da die Zerlegung nach Dispositionsstufen einfach und nicht aufwendig ist, gibt es für diese Methode operable Standardsoftware. Die synthetische Methode (vgl. u.a. Hartmann 1993, S. 257 - 258) wird in der Praxis dann angewandt, wenn der Sekundärbedarf für ein einzelnes Erzeugnis ermittelt werden soll oder wenn festzustellen ist, welches Teil in welcher Baugruppe bzw. welchem Erzeugnis vorkommt. Ausgangspunkt dieser Methode sind Teileverwendungsnachweise. Die Nettobedarfsrechnung erfolgt auch in diesem Fall auf der Basis von Strukturteileverwendungsnachweisen bzw. von Teileverwendungs-

II. Materialbedarfsrechnung

31

nachweisen in Form von Baukästen. Die Bruttobedarfsrechnung geht von M e n genübersichtsteileverwendungsnachweisen aus. Die Bedarfsermittlung erfolgt EDV-gestützt (vgl. Abb. 27; vgl. u.a. Hartmann 1993, S. 257). D e r Vorteil der Methode ist, daß der Bedarf wiederholt auftretender Teile direkt ermittelt wird, ohne daß zusätzlich eine analytische Bedarfsermittlung erfolgen m u ß . Die M e t h o d e stellt allerdings hohe Anforderungen an die Datenorganisation und die Ergebnisdokumentation.

Produktionsplan/Primärbedarf Erzeugnis

Per. 1

Per. 2

El E2 E 3

100 200

150 -

Teil

Per. 3

Erzeugnis El

50 200

7

T1 Teil

T2

E2

E3

1

-

Erzeugnis El

E2

E3

10

2

10

EDV

TEIL T1

Sekundärbedarf/ Bruttobedarf Periode 1 9 00

Periode 2

Periode 3

1050

550

1 Sekundärbedarf/Bruttobedarf TEIL

Periode 1

T2

1900

Abb. 27: Schema der EDV-gestiitzten

Periode 2 2000

Periode 3 950

Stücklistenzergliederung

(Per. =

Periode)

32

//. Materialbedarfsrechnung

3. Materialbedarfsrechnung bei prognoseorientierter Produktion Die auftragsorientierte Produktion ist als Idealfall anzusehen, da nur Produkte hergestellt werden, die verkauft sind. Es kann keine unerwünschten Überschüsse und Unterschüsse geben. Der Nachteil der auftragsorientierten Produktion ist, daß der Kunde auf die Fertigstellung des Produktes warten muß. In den Fällen, in denen die Wartezeit aufgrund der spezifischen Produktionsbedingungen nicht so kurz gestaltet werden kann, wie die spezifischen Anforderungen der Nachfrage es bedingen, muß prognoseorientiert produziert werden. Bei prognoseorientierter Produktion wird die für eine Wirtschaftsperiode zu produzierende Menge eines Produktes mit Hilfe einer entsprechenden Methode anhand der Absatzmenge in den vergangenen Wirtschaftsperioden geschätzt. Auf der Basis der geschätzten Absatzmenge kann der Bedarf für die einzelnen Materialien, die zur Herstellung des Produktes benötigt werden, abgeleitet werden. In der Regel werden in der betrieblichen Praxis auch Statistiken über den Verbrauch der einzelnen Materialien geführt, so daß der Materialbedarf direkt prognostiziert werden kann. Für die folgende Darstellung der Methoden zur Prognose des Materialbedarfs wird davon ausgegangen, daß Statistiken über den Materialverbrauch in der Vergangenheit vorliegen und der Materialbedarf direkt prognostiziert werden kann. Welche Methode für die Materialbedarfsprognose heranzuziehen ist, hängt vom Verlauf des Materialverbrauchs in der Vergangenheit ab. Zunächst ist zwischen zwei Methodengruppen zu unterscheiden. Die erste Gruppe umfaßt die Methoden, die bei einem regelmäßigen Materialverbrauch anzuwenden sind, während die zweite Gruppe aus Methoden besteht, die bei einem unregelmäßigen (sporadischen) Verbrauch des Materials zum Einsatz kommen. Die Gruppe der Methoden für die Materialbedarfsprognose bei regelmäßigem Materialverbrauch unterteilt sich wiederum in drei Untergruppen: Methoden für Materialverbrauch mit konstantem Niveau, Methoden für Materialverbrauch mit ansteigendem Trend und Methoden für Materialverbrauch mit Saisonschwankungen. Bevor auf die einzelnen Methoden der verschiedenen Gruppen und Untergruppen eingegangen wird, soll zunächst ein allgemeiner Ablauf der Materialbedarfsberechnung aufgezeigt werden, der für alle bei prognoseorientierter Produktion anzuwendenden Methoden gilt: Der Ablauf setzt sich aus den folgenden sechs Schritten zusammen: 1. Schritt: Erstellung einer Zeichnung mit Hilfe der tatsächlichen Materialverbrauchswerte (TW t ) in den vergangenen Wirtschaftsperioden (t) zur Findung der geeigneten Methode zur Materialbedarfsprognose. 2. Schritt: Berechnung der Prognosewerte für den künftigen Materialverbrauch mit Hilfe der ausgewählten Methode.

/ / . Materialbedarfsrechnung

3. Schritt: Berechnung des absoluten Fehlers g e m ä ß Formel (2): (2) AF, = I TW, - PW, I mit AF, = absoluter Fehler zum Zeitpunkt t TW, = tatsächlicher Materialverbrauchswert zum Zeitpunkt t PW, = Prognosewert des Materialverbrauchs zum Zeitpunkt t 4. Schritt: Berechnung der Fehlervorhersage g e m ä ß t-1 (3) FVH, = 1/n

Σ

AF k

k=t-n mit FVH, = Fehlervorhersage zum Zeitpunkt t η = Anzahl der (berücksichtigten) Perioden, η = 1, ..., Ν k = Index der Perioden, k = 1, ..., K; t = Prognosezeitpunkt (am Ende einer Periode k), t = 1, ..., Τ Ν = Κ = Τ 5. Schritt: Berechnung der Gesamtvorhersage g e m ä ß Formel (4): (4) GVH, = PW, + SF · FVH, mit GVH, = Gesamtvorhersage zum Zeitpunkt t SF = Sicherheitsfaktor D e r Sicherheitsfaktor ist aus Tab. 1 (vgl. u.a. Hartmann 1993, S. 393) zu entnehmen. Er wird in Abhängigkeit vom gewünschten Servicegrad bzw. der gewünschten Liefer- bzw. Produktionsbereitschaft gewählt. Bei einem Servicegrad von 50 Prozent beträgt der Sicherheitsfaktor 0,00. Der Sicherheitsfaktor steigt mit steigendem Servicegrad. Ein Sicherheitsfaktor von 2,00 gewährleistet einen Servicegrad von 94,52 Prozent.

33

34

//. Materialbedarfsrechnung

Serviceerad in Prozent

Sicherheitsfaktor ÍSF>

50.00

0.00

78.81

1.00

84.13

1.25

94.52

2.00

97.72

2.50

99.18

3.00

99.87

3.75

Tab. 1: Sicherheitsfaktor in Abhängigkeit gewünschten Lieferbereitschaft

vom gewünschten

Servicegrad

bzw. der

6. Schritt: Berechnung der eventuellen Unterdeckung gemäß Formel (5): (5) UD, = GVH t - TW t mit UD, = Materialunterdeckung zum Zeitpunkt t Bei der Materialbedarfsprognose ist folgende Regel zu beachten: Eine Materialunterdeckung ist möglichst zu vermeiden, um die Wahrscheinlichkeit, Kunden aufgrund nicht vorhandener Lieferbereitschaft bzw. nicht ausreichendem Servicegrad zu verlieren, zu minimieren!

3.1 Prognose des Materialbedarfs bei regelmäßigem Verbrauch Nach der Darstellung des allgemeinen Ablaufs der Materialbedarfsprognose ist auf die erste Methodengruppe, die Methoden zur Prognose des Materialbedarfs bei regelmäßigem Materialverbrauch, und ihre drei Untergruppen, die Methoden für die Materialbedarfsprognose bei konstantem Materialverbrauchsniveau, bei ansteigendem Trend des Materialverbrauchs und bei Saisonschwankungen des Materialverbrauchs, einzugehen.

3.1.1 Prognose bei konstantem Verbrauch Wenn der durchschnittliche Materialverbrauch im Zeitablauf konstant ist bzw. die Zeitreihe des Materialverbrauchs regelmäßig um ein konstantes Niveau schwankt, dann kann die Materialbedarfsprognose mit Hilfe der Methode der gleitenden Durchschnitte (Mittelwerte) oder der Methode der exponentiellen Glättung erster Ordnung erfolgen (vgl. u.a. Tempelmeier 1995, S. 43 - 53). Die Methode der glei-

II. Materialbedarfsrechnung

35

tenden Durchschnitte kann in zwei Varianten angewandt werden: als Methode der ungewogenen (ungewichteten) gleitenden Durchschnitte und als Methode der gewogenen (gewichteten) gleitenden Durchschnitte (vgl. u.a. Hartmann 1993; S. 271 - 276). Bei der Methode der ungewogenen gleitenden Durchschnitte erfolgt die Berechnung der Prognosewerte fur den künftigen Materialverbrauch bzw. den Materialbedarf gemäß der Formel (6): t-1 (6) PW, = GLMW, = 1/n Σ TW k k=t-n mit η GLMW, = gleitender Mittelwert über η Perioden zum Zeitpunkt t, η = 3, ..., 12 Die Anzahl der bei der Prognose berücksichtigten Perioden soll zwischen drei und zwölf gewählt werden. Dadurch wird dem Anwender ein Ermessensspielraum gegeben, der die Auffindung der besten Prognoseergebnisse durch Ausprobieren der Prognosemethode mit unterschiedlicher Anzahl von Perioden ermöglicht. Es soll sichergestellt werden, daß die Schwankungen in der Zeitreihe weder zu stark noch zu schwach berücksichtigt werden. Zur Prognose werden nur die jüngsten Materialverbrauchsmengen herangezogen, weil das Modell sonst nur noch geringfügig auf Schwankungen eingeht (Gewicht des einzelnen Wertes in langen Zeitreihen ist gering). Ziel der Schätzung ist, Werte zu ermitteln, die eine möglichst geringe Abweichung vom tatsächlichen Verlauf der Werte in der Zeitreihe aufweisen. Die Minimierung des Gesamtprognosefehlers erfolgt nach dem Prinzip: minimiere die Summe aller quadratischen Prognosefehler (Abweichungen). Für die Methode zur Ermittlung der gleitenden Durchschnitte liegt Standardsoftware vor. Als Nachteile der Methode sind zu erwähnen: - die letzten η Verbrauchswerte müssen für alle Verbrauchsmaterialien ermittelt werden und - die Gleichgewichtung aller Werte der Zeitreihe ist unbefriedigend; die Schwankungen werden nicht wirklichkeitsgetreu wiedergegeben. Den Nachteil der nicht der Wirklichkeit entsprechenden Gleichgewichtung der in der Vergangenheit liegenden Materialverbrauchswerte will die Methode der gewogenen (gewichteten) gleitenden Durchschnitte (Mittelwerte) beheben. Bei Anwendung dieser Methode werden die prognostizierten Materialverbrauchswerte bzw. der künftige Materialbedarf gemäß Formel (7) geschätzt:

36

//.

Materialbedarfsrechnung

t-1 Σ gk · T W k η k=t-n (7) PW, = G G L M W , = η Zgk k=l mit η G G L M W , = gewogener gleitender Mittelwert über η Perioden zum Zeitpunkt t, η = 3 , ..., 12; Σ gk = 1 gk = Gewicht für den tatsächlichen Materialverbrauchswert ( T W ) in der Periode k U m den Nachteil der Methode der gleitenden Mittelwerte zu mindern, werden die A b w e i c h u n g e n von den einzelnen tatsächlichen Verbrauchswerten gewichtet. Die j ü n g e r e n Werte erhalten ein stärkeres Gewicht als die älteren. D a m i t soll eine wirklichkeitsgetreuere Abbildung der Schwankungen in der Zeitreihe erfolgen. Den letzten Schwankungen wird somit mehr Bedeutung für die Prognose zuerkannt. Die Methode der exponentiellen Glättung 1. Ordnung will ebenfalls den Nachteil der unrealistischen Gleichgewichtung der in der Vergangenheit liegenden Materialverbrauchswerte bei der Methode der ungewogenen gleitenden Durchschnitte verbessern. Genau wie bei der M e t h o d e der gewogenen gleitenden Durchschnitte erfolgt die Verbesserung über die Einführung von Gewichten. Bei der Methode der exponentiellen Glättung 1. Ordnung handelt es sich allerdings um eine spezielle Form der Gewichtung. Die Prognosewerte werden gemäß der Formel (8) berechnet: (8) PW, = E G L I O , = PW,., + a ( T W M - PW,.,) für k = t = 2

0 0,8) bzw. einem Bestimmtheitsmaß von 0,5 (r2 > 0,5) ein trendförmiger Verlauf der Zeitreihe, hier der Materialverbrauchswerte, unterstellt werden kann (vgl. Kluck 1998, S. 92; Tempelmeier 1995, S. 57). Die lineare Regression sei am folgenden Beispiel veranschaulicht.

II. Materialbedarfsrechnung

Periode t 1 2 3 4

47

tatsächlicher Materialverbrauch (TW,) 80 85 90 100 95

5 6 7 8 9 10 11 12

110 105 100 115 105 110 120

Tab. 9: Ausgangswerte für die Materialbedarfsrechnung

bei ansteigendem

Trend

Auf der Basis der in Tab. 9 dargestellten Ausgangswerte ergibt sich das in Tab. 10 ausgewiesene Wertespektrum. 2

TW, 2

z, · TW,

PW,

80

1

6.400

80

85

2

85

4

7.225

170

88

3

3

90

9

8.100

270

91

4

4

100

16

10.000

400

94

5

5

95

25

9.025

475

97

6

6

110

36

12.100

660

100

7

7

105

49

11.025

735

103

8

8

100

64

10.000

800

106

9

9

115

81

13.225

1.035

109

10

10

105

100

11.025

1.050

112

11

11

110

121

12.100

1.210

115

12

12

120

144

14.400

1.440

118

Σ

78

1.215

650

124.625

8.325

t

Zt

TW,

1

1

2

Z,

-

Tab. 10: Wertespektrum für die Perioden t bei Anwendung der Methode der linearen Regression

48

II. Materialbedarfsrechnung

Zur Berechnung des in Tab. 10 ausgewiesenen Wertespektrums sind zunächst die Werte der ersten fünf Spalten zu ermitteln. Auf der Basis dieser Werte werden die Werte für die Koeffizienten a und b berechnet (Gleichung 32 und 33) mit deren Hilfe die Regressionsgerade (Gleichung 34) aufgestellt werden kann. 1.215 « 6 5 0 - 78 · 8.325 (32) a =

140.400 =

12 » 6 5 0 - 6.084 12 « 8.325 - 78 · 1.215 (33) b =

=81,82 1.716 5.130

= 12 « 6 5 0 - 6 . 0 8 4

= 2,99 1.716

(34) PW t = 81,82 + 2,99 · z, Die in Gleichung (34) ausgewiesene Regressionsgerade dient dann der Berechnung der Prognosewerte (PW) für die einzelnen Perioden t. Die ersten zwölf Werte der ex-post Prognose sind in Tab. 10 enthalten. Der erste ex-ante Prognosewert für die dreizehnte Periode ist in Gleichung (35) ausgewiesen: (35) PW,3 = 81,82 + 2,99 · 13 = 81,82 + 38,87 = 120,69 « 121 Auf die Darstellung der Methode der exponentiellen Glättung erster Ordnung mit Trendkorrektur soll hier verzichtet werden (vgl. dazu u.a. Kopsidis 1992, S. 75). Es wird direkt auf die ähnliche Methode der exponentiellen Glättung zweiter Ordnung Bezug genommen (vgl. u.a. Hartmann 1993, S.283 -288). Die Methode der exponentiellen Glättung 2. Ordnung führt zu einem doppelt geglätteten Mittelwert, da die Prognose auf der Basis des exponentiell geglätteten Mittelwertes der Mittelwerte erster Ordnung erfolgt. Die Methode der exponentiellen Glättung 2. Ordnung setzt sich aus den folgenden fünf Schritten zusammen: 1. Schritt: Berechnung des Prognosewertes (PW,) mittels der Methode der exponentiellen Glättung 1. Ordnung: (1)

(1)

(1) 0